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German Pages [663] Year 2022
rouven pons
erzherzog stephan (1817 – 1867)
Biographie eines Habsburgers im entstehenden Medienzeitalter
VERÖFFENTLICHUNGEN DER KOMMISSION FÜR NEUERE GESCHICHTE ÖSTERREICHS Band 123 Kommission für Neuere Geschichte Österreichs Vorsitzender: Kurt Scharr Stellvertretende Vorsitzende: Reinhard Stauber, Brigitte Mazohl Mitglieder: Franz Adlgasser Gunda Barth-Scalmani Peter Becker Ernst Bruckmüller Laurence Cole Werner Drobesch Margret Friedrich Elisabeth Garms-Cornides Andreas Gottsmann Margarete Grandner Hanns Haas Wolfgang Häusler Ernst Hanisch Gabriele Haug-Moritz Lothar Höbelt Thomas Just Katrin Keller Grete Klingenstein Christopher Laferl Wolfgang Maderthaner Stefan Malfèr Lorenz Mikoletzky Gernot Obersteiner Hans Petschar Martin P. Schennach Martin Scheutz Arno Strohmeyer Arnold Suppan Werner Telesko Thomas Winkelbauer Helmut Wohnout Sekretär: Christof Aichner
Rouven Pons
Erzherzog Stephan (1817–1867) Biografie eines Habsburgers im entstehenden Medienzeitalter
BÖHLAU VERLAG WIEN · KÖLN
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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek : Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie ; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Umschlagabbildung : Wilhelm Trautschold: Erzherzog Stephan vor der Schaumburg, 1856 © Museum Wiesbaden © 2022 Böhlau Verlag, Zeltgasse 1, A-1080 Wien, ein Imprint der Brill-Gruppe (Koninklijke Brill NV, Leiden, Niederlande; Brill USA Inc., Boston MA, USA; Brill Asia Pte Ltd, Singapore; Brill Deutschland GmbH, Paderborn, Deutschland; Brill Österreich GmbH, Wien, Österreich) Koninklijke Brill NV umfasst die Imprints Brill, Brill Nijhoff, Brill Hotei, Brill Schöningh, Brill Fink, Brill mentis, Vandenhoeck & Ruprecht, Böhlau und V&R unipress. Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fallen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Korrektorat : Volker Manz, Kenzingen Einbandgestaltung : Michael Haderer, Wien Satz: Michael Rauscher, Wien Vandenhoeck & Ruprecht Verlage | www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com ISBN 978-3-205-21625-4
INHALT 1. Annäherung an ein Leben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1 Die Konstruktion einer Persönlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 Perspektiven und Wahrnehmungsmechanismen . . . . . . . . . . 1.3 Wege zu Erzherzog Stephan – Die Quellen- und Forschungslage .
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2. Ungewöhnlicher Beginn (1817–1837) . . 2.1 Resonanzraum Familie. . . . . . . . 2.2 Dramatischer Eintritt ins Leben . . 2.3 Ideologisches Rüstzeug. . . . . . . .
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3. Formung eines Hoffnungsträgers (1838–1843).. . . . . . . . . . . 3.1 Popularisierung eines jungen Mannes . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Bekanntwerden im Habsburgerreich – Reisen nach Böhmen und Italien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3 Habsburgs Sonderbotschafter in Deutschland. . . . . . . . . .
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. . 106 . . 106 . . 135 . . 158
4. Festigung des Renommees – Statthalter in Böhmen (1843–1847). . 4.1 Ein Amt zur Bewährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2 Wohltaten im Schatten der Politik . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3 Opfer der Heiratspolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4 Kurz vor dem erwarteten Ziel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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5. Gipfelpunkt und Ende der Karriere als Politiker (1847–1848). . 5.1 Zögerlicher Anfang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2 Galionsfigur der Revolution . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3 Ein unsicherer Kandidat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.4 Vertrauensverlust auf allen Seiten . . . . . . . . . . . . . . . 5.5 Letztes Aufbäumen und Rückzug . . . . . . . . . . . . . . . .
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6. Sich vergessen machen (1849–1858) . . . . . . . . . 6.1 Ein Provisorium? . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2 Märtyrer und Erpresser . . . . . . . . . . . . . . 6.3 Gebaute Selbstdarstellung – Die Schaumburg . 6.4 Nicht nur „ich selbst“ . . . . . . . . . . . . . . . . 6.5 Tauziehen um eine Form der Normalität.. . . .
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7. Hoffnungen und Enttäuschungen (1859–1865) . . . . . . . . . . . . . 466 7.1 Drang nach Öffentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 466
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I NHALT
7.2 Europäische Reputation . . . . . . . . 7.3 Die Standesherrschaft als Kulisse.. . 7.4 Kaleidoskop einer Weltanschauung.. 7.4.1 Patriarch und Idealist . . . . . . 7.4.2 Zaungast der Weltpolitik . . . .
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8. Ende eines Lebenswegs (1866–1867) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 553 8.1 Kranke Welt, krankes Ich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 553 8.2 Scheitern der Hoffnung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 573 9. Rollen und Bilder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 589 10. Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 600 10.1 Verzeichnis der Siglen und Abkürzungen. . . . . . . . . . . . . 600 10.2 Quellen- und Literaturverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . 601 11. Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 650 12. Dank. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 661
1. ANNÄHERUNG AN EIN LEBEN
1.1 Die Konstruktion einer Persönlichkeit Die „Bedeutung“ von Menschen wird gemacht, sei es aus rationalen – berechenbaren oder berechnenden – Motiven heraus, also zur Instrumentalisierung für einen außerhalb der Persönlichkeit liegenden Zweck, oder emotional, durch eine – zumeist kollektive – „Vereinnahmung“, was für den Betroffenen zum gleichen Ergebnis führt: Das geschaffene Bild bestimmt den Menschen. Auch jede historische Biographie konstruiert nicht nur (posthum) die Bedeutung eines Menschen, sondern sie erschafft ihn letztlich in dieser Gattung erst. Jeder Biograph formt ihn auf seine eigene Weise aus und jeder Leser wieder erneut auf die seine. Diese Feststellung gilt grundsätzlich für jede literarische Gattung, wozu unter den unumstößlichen Bedingungen der Überprüfbarkeit und der Quellenkritik auch die Produkte der historischen Wissenschaft gehören, und damit auch und im Besonderen für biographisches Schreiben.1 Das Verfassen einer jeden Biographie ist – losgelöst von Rang, Stand oder Charakter des Protagonisten – in dessen Biographiewürdigkeit begründet, die zu attestieren schon ein Urteil über die Bedeutung der Person impliziert.2 Denn wer den Weg zum Verfassen einer Biographie findet, urteilt damit bereits über die Relevanz des behandelten Gegenstandes und damit über die historische Persönlichkeit. Diese Feststellung fußt auf der seit den späten 1980er Jahren geführten Debatte um die „biographische Illusion“. Der Soziologe Pierre Bourdieu hatte 1985 (in deutscher Sprache 1990) in einem Aufsatz die „artifizielle Kreation“ der Sinnhaftigkeit eines Lebens herausgearbeitet, wodurch die Pluralität der Identität verloren gehe.3 Die grundsätzlich wichtige Auseinandersetzung mit der Frage, ob ein „sinnhafter Lebenslauf“ eines Individuums in Form einer Erzählung aufbereitet werden könne,4 ja, ob ein solcher Lebenslauf überhaupt existiert, ist in den letzten Jahren in eine Reihe fundierter Biographien gemündet, die unserem heutigen Bild von der Wir1 2
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Kolesch, S. 50–51; Schöne, S. 387–388. Schweiger, S. 32–36; Werner (1895), S. 114–119. Fahrmeir regt sogar explizit an, sich der Lebenswege „kurioser, scheinbar völlig marginaler Persönlichkeiten“ anzunehmen oder den Blick „auf politische Personen und Programme“ zu richten, „denen kein durchgreifender Erfolg beschieden war“; Fahrmeir (2012), S. 137. Zur Vereinnahmung vgl. auch Paulmann (2019), S. 210–211. Bourdieu (1990), S. 76 bzw. S. 78–79. Karstens, S. 82–83; Siemann (2016), S. 16.
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Annäherung an ein Leben
kungsmöglichkeit des Individuums Rechnung tragen und belegen können, dass Biographien nicht nur nach wie vor bei der Leserschaft populär sind, sondern mit hohem wissenschaftlichen Anspruch geschrieben werden können und sollen.5 Selbst Bourdieu hatte das ja nicht geleugnet, dafür aber eine umfassende (Re-)Konstruktion des sozialen Raums gefordert, in dem das Subjekt zu agieren hat.6 Es erscheint dem Verfasser daher redundant, zum wiederholten Male diese Problematik mit seinen eigenen Worten darzulegen und ein Genre zu rechtfertigen, das längst wieder salonfähig geworden ist. Er muss aber attestieren, dass der geführte Diskurs zusätzlich in eine andere Richtung befruchtend auf die vorliegende Lebensbeschreibung gewirkt hat. Denn es gibt Menschen, die – mehr als andere – mit Fremdbildern, mit Erwartungen und Konstruktionen umzugehen und womöglich zu kämpfen haben. Diese Fremdbilder haben sich des eigenen Lebens so sehr bemächtigt,7 dass es dahinter massiv zurücktritt, Sie haben in verschiedenen Köpfen mehr an Realität gewonnen haben als die „reale“ Person.8 Es handelt sich um das Phänomen, das der Musikjournalist Jürgen Kesting den „Abstieg in den Ruhm“ oder eine vom Ruhm „verstrahlte“ Laufbahn genannt hat.9 Ruhm kann sich vollständig von Inhalten und Persönlichkeiten lösen und unhinterfragt als existent betrachtet werden. Der Auslöser dafür tritt dann in den Hintergrund,10 und der inhaltsleere und fast grundlos erscheinende Ruhm bemächtigt sich der Person. Natürlich ist auch das genaue Gegenteil in Form der Verächtlichmachung denkbar. In solchen Fällen sind die Projektionen auf der Oberfläche interessanter als eine – womöglich vorhan-
5 Stollberg-Rilinger (2017), S. X–XXVIII. 6 Bourdieu (1984), S. 133; Bourdieu (1990), S. 80–81. 7 Vgl. dazu die Beobachtung des Schriftstellers Heimito von Doderer, dass das Äußere stets in das Innere eingehe. Was ursprünglich nur „Kleid“ und „Maske“ war, werde zum Teil der Biographie. Denn es sei unmöglich, ein Kleid zu tragen, ohne dass es vom Träger „durchwärmt“ werde; Doderer, S. 262. 8 Zu trennen ist dieses Phänomen von Personen, die in der Überlieferung (fast) ausschließlich von Fremdbildern (Presseresonanz, Urteile von Zeitgenossen etc.) zu fassen sind, weil sie selbst keinen schriftlichen Nachlass hinterlassen haben; vgl. dazu z. B. die Biographie des Komponisten Roland Bocquet, von dem, abgesehen von den Kompositionen, so gut wie keine Äußerungen überliefert sind. Trotzdem muss dies nicht bedeuten, dass sein Leben von Fremdbildern geprägt gewesen wäre; vgl. Pons (2015), passim. 9 Kesting (2008) III, S. 1491; Kesting (1997), o. S. 10 „Was wirklich ein Ruhm ist, muss schon bei den Unverständigen angelangt sein. […] Von einem bedeutenden Mann darf man nicht wissen, was er macht, außer daß er ankommt und abreist“; Musil I, S. 1001.
Die Konstruktion einer Persönlichkeit
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dene – „Person-Essenz“.11 Sie bilden einen „Kokon von Bildern“,12 der aber selbst wieder die Persönlichkeit bildet und sie nicht (nur) verbirgt. Der „Anschein einer Ganzheit“ ist bei einer solchen Darstellung nicht einmal anzustreben, sondern das Divergierende macht den Reiz und die Relevanz13 einer solchen Persönlichkeit aus. Um eine solche – gewissermaßen synthetische14 – Person handelt es sich bei Erzherzog Stephan von Österreich: 1817 war er als Sohn des Palatins von Ungarn, Erzherzog Joseph, und seiner protestantischen Ehefrau aus einem standesherrlichen Haus, Hermine von Anhalt-Schaumburg-Hoym, geboren worden. Diese Eheverbindung – wie zur Gänze der ungarische Zweig des Hauses Habsburg – galt als unkonventionell. Das förderte schon früh ein gewisses Bild des jungen Mannes. Von seinem Vater unterstützt und nach einer fundierten staatswissenschaftlichen Ausbildung in Wien brachte er es schon in jungen Jahren zum Statthalter von Böhmen. Die Heirat mit der Zarentochter Olga zerschlug sich nach langjährigen Verhandlungen wegen des Widerstands Österreichs. Stephan blieb sein Leben lang unverheiratet, was wiederum Anlass zu Spekulationen gab. 1847 wurde er als Nachfolger seines Vaters Palatin von Ungarn. Damit fungierte er als Stellvertreter des Königs, wenn sich dieser nicht im Land aufhielt. Stephan versuchte während der 48er Revolution zwischen den nationalen Interessen der aufständischen Ungarn und der Dynastie zu vermitteln und scheiterte daran. Letztlich wollte er sich trotz seiner Sympathie für die Magyaren nicht gegen die Dynastie stellen, der er entstammte. Als die Lage zu brenzlig wurde, verließ er Ungarn und zog sich auf die Güter seiner Mutter an der Lahn im Herzogtum Nassau zurück – oder musste sich zurückziehen. Nach einigen Jahren versuchte Wien ihn so weit wieder in den dynastischen Verband einzubinden, dass er nicht als Opfer erschien. Im Jahr 1858 wurde es ihm daher, nach 11 Losego, S. 29. Schopenhauer grenzte bereits 1851 das, „was man in und für sich selbst ist“, gegen das ab, „was man bloß in den Augen Anderer ist“; Schopenhauer, S. 51. Das „fremde Bewußtstein“ hielt er allerdings für oberflächlich und flüchtig, so dass es ihm letztlich nur um die Persönlichkeit per se ging; vgl. ebd. S. 98–102. Doderer hingegen erklärte, dass niemand eine Maske tragen und dahinter „integral bei sich“ bleiben könne; Doderer, S. 263; in Andeutungen dazu auch Hilmes (2011), S. 388. 12 Safranski (2008) S. 9–10. Vgl. auch Doderer: Jeder Mensch erscheine „seiender“, als er ist; Doderer, S. 324. Belting verwendet das Bild des Spiegels: „Die moderne Reflexion erkennt, daß immer nur Spiegel da waren, auch wenn man die Bilder für wahr hielt“; Belting, S. 179. Hügel (2007), S. 150, spricht von Medienpersonen, die sich sowohl von der Persönlichkeit als auch dem Werk abtrennten. 13 Diese Bezeichnung ist vermutlich treffender als diejenige der Biographiewürdigkeit, weil grundsätzlich jedem Leben eine Biographiewürdigkeit innewohnt; s. Anm. 2. 14 Im Vorgang der Synthese verschmelzen in der Wahrnehmung Image und Werk miteinander zu einer „Starfigur“; Hügel (2007) S. 149.
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Annäherung an ein Leben
vorgebrachter Bitte, gestattet, zur Taufe des Kronprinzen Rudolf nach Wien zurückzukehren – nicht jedoch nach Ungarn. Er wuchs wieder zusehends in das internationale Adelsnetzwerk hinein, wurde auch von Wien aus zu der einen oder anderen informellen Mission eingesetzt. Er blieb eine informelle Größe und verstarb Anfang 1867 an einem Lungenleiden in Menton – just zu dem Zeitpunkt, als der Ausgleich zwischen Ungarn und der habsburgischen Restmonarchie geschlossen wurde. Stephan blieb bis zuletzt – unter anderem als Verräter verteufelt oder als Liberaler gefeiert15 – in der Öffentlichkeit präsent und mit Hoffnungen oder Befürchtungen aufgeladen, die mit seinen spärlichen Handlungen wenig in Einklang zu bringen sind. Die Bedeutung der ihm beigefügten Zuschreibungen hing immer stark von der Werteordnung dessen ab, der sie verwandte.16 Verräter im Sinne der Ungarn zum Beispiel umfasste begrifflich etwas anderes als der Verräter im Sinne der konservativen Erzherzogin Sophie. Im Falle Stephans muss das auch heißen, sich diesen Urteilen ganz individuell und situationsbedingt anzunähern. Andere Einschätzungen sind zwar nicht mehrdeutig, bleiben in ihrer genauen Sinnhaftigkeit aber diffus, was die Interpretation nicht eben leichter macht. Der Publizist Leonhard Kohl von Kohlenegg feierte Stephan 1872 posthum als zweiten Messias, der die Friedenspalme in den „unseligen Nationalitäten Hader, der damals seine ersten krankhaften Giftstoffe in das schöne Oesterreich schleuderte, versöhnend“ gepflanzt habe.17 Stephans Nichte, Louise von Coburg, die in ihren persönlichen Aufzeichnungen kaum ein gutes Haar an irgendjemandem ließ, bezeichnete ihn als Idol ihrer Kindheit, als einen Mann, „der einer der besten und vornehmsten Männer war, die je gelebt haben“.18 Und Großherzogin Alexandrine von Mecklenburg-Schwerin schilderte ihn in einem Brief an ihre Schwägerin, Königin Elisabeth von Preußen, als Ausbund an Herz, Gemüt, Verstand und Männlichkeit, kurzum ein „liebenswürdiger, ausgezeichneter Prinz und wünschenswerth für alle Mamas, die Töchter haben“.19 In der französischen „Revue des deux mondes“ von 1847 war zu lesen, Stephan sei ein „prince populaire“ und eines der bestausgebildeten Mitglie15 Beides bei Hankó (1990), o. S. 16 Conze, S. 382. 17 Kohl von Kohlenegg, S. 19. Zur Rolle des Thronfolgers als irrealer Hoffnungsträger auch Müller (2019), Thronfolger, S. 231–232. In der Allgemeinen Theaterzeitung Nr. 210 (2. September 1847), S. 838, wird er der „wirklich angebetete Erzherzog Stephan“ genannt. 18 Princesse Louise, S. 17: „idole de mon enfance“, und S. 48: „un des meilleures hommes et des plus distingués que la terre ait portés“; Louise von Coburg, S. 71 und S. 73. Ähnlich der Richter von Polaun, Josef Neumann, der vom Retter und Magier sprach; Junker, S. 4–5. 19 LHAS 5.2-4/1-2 Nr. 73 (8. Juli 1845).
Die Konstruktion einer Persönlichkeit
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der des Hauses Habsburg. Er hege Gefühle, die als liberal gelten könnten. Seine offene und flexible Intelligenz bilde in der aktuellen Krisensituation „une précieuse ressource“.20 In einer englischen Publikation von 1848 wird er als äußerst befähigter, fleißiger und gewandter Erzherzog geschildert, als großer Jäger und Reiter – „having ridden a jougre (kind of horse) at the age when other children are almost in the nursery; at fifteen, he could tame the most savage horse, deserving the name of a huzar or horsemen in earnest“.21 Dass diese Heldenverehrung schon ins Märchenhafte geht, muss nicht eigens betont werden. Aber das Bild hielt sich. Der mit Stephan fast gleichaltrige liberale Schriftsteller Wolfgang Müller von Königswinter schrieb 1865, Stephans Naturell habe gut zu dem „romantischen, exaltirten und absonderlichen Volksstamm“ der Magyaren gepasst.22 Ein echter Ritter sei er, „hochherzig in seinen Ansichten, kühn in seinen Entschlüssen, beredt in seiner Ausdruckweise, begeistert zu allen edlen Regungen und Thaten“. An anderer Stelle hieß es, er sei „für die österreichischen Verhältnisse um zwanzig Jahre – – – zu klug“ gewesen.23 Das Urteil spricht zwar für sich, lässt sich aber kaum verifizieren. Denn als politischer Entscheidungsträger war Stephan nur für wenige Monate deutlich an die Öffentlichkeit getreten und gefordert worden, als Palatin von Ungarn, und dabei ohne nennenswerte Handlungen oder klar zu umreißenden Standpunkt geblieben. Worin also bestand die attestierte Klugheit? War das eher Konstruktion und Wunschdenken? Dem ist nur schwer beizukommen, aber diese Frage scheint die zentrale zur Erforschung dieses Lebens zu sein. Müller von Königswinter würdigte Stephan auch in seiner Funktion als Standesherr: „Der Arbeiter, der für ihn schafft, und dem er sich nicht scheut eine Handleistung zu thun, der Jäger, mit dem er die Wälder durchstreift, der Beamte, dem er die vollste Gewissensfreiheit läßt – sie alle lieben ihn.“24 Diese Lobeshymnen halten einem kritischen Blick nicht immer stand. Bereits 1847 war in der gemäßigt liberalen Wochenzeitschrift „Die Grenzboten“25 zu lesen, „die Möglichkeit seines persönlichen Wirkens“ sei „häufig 20 Desprez, S. 1085. Zum „popular monarchism“ vgl. auch Kohlrausch, S. 19. 21 St. John, S. 457. Zum Reiter vgl. auch Langsdorffs Einschätzung, Langsdorff (1848), Hongrie 22, S. 668. 22 Müller von Königswinter, S. 131. 23 Kohl von Kohlenegg, S. 20. 24 Müller von Königswinter, S. 134; Neues Fremden-Blatt Nr. 115 (6. September 1865), o. S.; Der Sammler Nr. 107 (16. September 1865), S. 430–462. Zur Problematik, Emotionen in der „Untertanenliebe“ erkennen zu können, vgl. Büschel, u. a. S. 32. 25 Es handelte sich um die in Leipzig erscheinende Zeitung liberaler österreichischer Exilanten; Bellabarba, S. 95; Hoefer, S. 102. Die Zeitung war in Österreich streng verboten, wurde aber viel gelesen; Papié I, S. 139; Reinalter, S. 84–85.
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Annäherung an ein Leben
auf die übertriebenste Weise überschätzt worden“. Die Zeitung „Der österreichische Bote für Stadt und Land“ urteilte, dass Stephans Popularität antizipiert worden sei, ohne dass er Leistungen dafür erbracht habe. Deshalb wurde die Schuld seines politischen Endes auch den Umständen zugeschrieben und nicht nur ihm aufgebürdet. Und auch der ungarische Revolutionär Franz Reisinger machte eine Diskrepanz zwischen Leistung und Erwartungen aus.26 Zu Lebzeiten Erzherzog Stephans gab der französische Diplomat Emile de Langsdorff aber zu erkennen, dass dessen Popularität, so flüchtig sie sei, eine „forme très réelle“ bilde.27 Popularität also prägte den Menschen Stephan in Form der Idealisierung. Eine posthume Kanonisierung dieses Renommees konnte aber daraus nicht resultieren. Vielmehr war die Flüchtigkeit des Renommees schon zu seinen Lebzeiten zu erkennen, zumal der (Kunst-)Historiker Anton Springer bereits 1865 zu erkennen glaubte, dass die Popularität für Stephan einen Selbstzweck besaß.28 Phänomene unse26 Die Grenzboten 6 (1847), S. 246; Der österreichische Bote für Stadt und Land Nr. 48 (2. Oktober 1848), S. 227; Reisinger (1849), S. 52–53 und S. 133–134. Zu dem in Ungarn geborenen und in Wiesbaden gestorbenen Reisinger mit fast identischen Lebensdaten wie Stephan vgl. Renkhoff, S. 638–639. 27 Langsdorff (1848) Hongrie 22, S. 658. Das war das Gegenteil der Einschätzung von Jacob Burckhardt, der zufolge große Gestalten der Weltgeschichte nicht zerschwatzt und durch Lästereien kleingeredet werden könnten; Burckhardt, S. 248. Der Begriff der Popularität scheint, obwohl er für die Dynasten des 19. Jahrhunderts von großer Bedeutung war, keiner begriffsgeschichtlichen Untersuchung im Bereich des Politischen unterzogen worden zu sein. Studien zu diesem Begriff bzw. dem Phänomen beziehen sich auf die Wissenschaft, so schon im frühen 19. Jahrhundert Greiling (1805), oder allgemein auf die Kultur, hier insbesondere die Studien von Hügel, u. a. der Beitrag von 2003, S. 342–343, mit der historischen Herleitung aus dem 18. Jahrhundert. Zu dieser Zeit wurde er noch zumeist pejorativ verwendet. Zu Begriffsgeschichte des Populären allgemein auch Hügel (2007), S. 95–109 (ebenfalls mit meist pejorativen Konnotationen); Krünitz 115 (1810), S. 119–120; Krünitz 228 (1855), S. 144; Grimm 13, Sp. 2002; vgl. auch die Bemerkung von Goethe, Eckermann, S. 240–241 (3. April 1829). Die Bedeutung der Popularität für das Selbstverständnis des Regenten wird hier nicht berührt. In Ansätzen ist dies in der Allgemeinen deutschen Real-Encyklopädie 8 (1827), S. 713–715, gegeben: Die Popularität bezeichne die Gunst, „welche sich die Vornehmen durch Leutseligkeit und Freigebigkeit bei dem Volke zu verschaffen wußten.“ Hier auch der sehr interessante Zusatz: „wobei bisweilen nur darauf abgesehen ist, für schöne Worte u.s.w. die freie Verfügung über die Mittel und Kräfte des Volkes einzutauschen.“ Zur Leutseligkeit vgl. Adelung 2 (1796), S. 2041. Thomas Mann bezeichnete in seinem Roman „Königliche Hoheit“ die Popularität als „keine sehr gründliche, aber eine großartige und umfassende Art der Vertraulichkeit“; Mann, S. 82. 28 Schweiger, S. 36. Das auch im Unterschied zu Kaiserin Elisabeth, deren Mythos erst nach dem Tod einsetzte; Lindinger, S. 37; Vocelka (2014), S. 115–123. In Springers Buch, das in Österreich als „Felonie“ galt, heißt es, Stephan habe mehr den äußeren Glanz geliebt als die „wirkliche Macht“, „Popularität war ihm nicht ein Mittel, um tiefer liegende Pläne
Die Konstruktion einer Persönlichkeit
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rer heutigen Massenmedien zeigen sich damit verwandt und werden – wenn auch in unterschiedlichen Ausprägungen und in anderer Dimension – zugleich als historisches Kontinuum erkennbar.29 Eine besonders eindrückliche Überschätzung des Erzherzogs und zugleich Aufdeckung dieser Überschätzung lieferte der Journalist Michael Klapp 1868 in der liberalen „Neuen Freien Presse“. Er verglich Erzherzog Stephan mit Erzherzog Maximilian, dem jüngeren Bruder Kaiser Franz Josephs, der als Kaiser von Mexiko nur vier Monate nach Stephans Tod erschossen wurde. Beide, obwohl sich ihre Lebensläufe kaum gekreuzt hatten und zwischen ihnen kein nennenswerter Kontakt auszumachen ist,30 repräsentierten für Klapp einen ähnlichen Typus: „Sie sehen Wege vor sich, alt, abgenützt und ausgetreten, die sie in altgewohnter Väterweise gehen sollen, und ihre Gedanken verlangen nach neuen; ihr Kopf ist voll von Idealen, von denen jedes allein schon ein Verbrechen an den ererbten Traditionen ist, und mit diesem Kopfe sollen sie einem leblosen, durch Nummern, Zahlen und Paragraphe [sic!] nothdürftig zusammengehaltenen Schemen dienstbar sein; sie träumen davon, daß es ja in Staaten nebst dem Glücke der Fürsten auch ein Völkerglück geben könne.“ Das ist eine Charakterisierung, wie sie auch für einen idealischen Schiller’schen Helden passen würde, was auch nicht verwundern kann. Denn Heroisierungen oder Idealisierungen erwachsen wie selbstverständlich aus zeitgenössischen Konstruktionen. Aber – wie bei Schiller und wie seit dem 18. Jahrhundert verbreitet31 – so gibt es auch hier Brüche: „Wie zwei Schmetterlinge gehen sie von einer politischen Blume zur anderen und machen ihr Liebeserklärungen, saugen sich voll des Honigs schöner Redensarten an und – die Angeln der Welt bleiben die alten, morschen und wollen nicht von bloßen Redensarten sich ausheben lassen!“32
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durchzuführen, sondern das letzte Ziel seiner Handlungen“; Springer (1865), S. 117. Zu Springer und seinen radikalen Ansichten BLKÖ 36 (1878), S. 268. Schindler, S. 14, führt solche Phänomene am Beispiel des It-Girls Anna Nicole Smith ausschließlich auf die „Ausschweifungen westlicher Lebensart“ und die „Idiotie der modernen Massenmedien“ sowie die „Skrupellosigkeit der (amerikanischen?) Konsumgesellschaft“ zurück, was zu kurz greift. Die „Pflicht“ des Historikers, sich der Vergangenheit „mit den Instrumenten der wissenschaftlichen Kenntnisse seines Jahrhunderts“ anzunehmen, wird schon 1983 von Le Goff eingefordert; Le Goff, S. 52. Es sind keine direkten Beziehungen herzustellen, auch wenn Stephan in einem Album (Ferdinand) Maximilians am 24. März 1843 seine Unterschrift hinterlassen hat; ÖNB Autogr. 144/16-1 HAN MAG. Zum gebrochenen Helden vgl. Busch, S. 16. Zum Helden als „Produkt heroisierender Präsentationen und Zuschreibungen“ vgl. Asch/Butter, S. 11, zu ihm als „Projektionsfläche“ vgl. Korte, S. 113. Neue Freie Presse Nr. 1432 (26. August 1868). Kraus, S. 265, ordnet Persönlichkeiten wie Kaiser Friedrich III. , Kronprinz Rudolf und König Ludwig II. von Bayern ähnlich ein.
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Der Anspruch der beiden und die Hoffnung, die man deshalb in sie setzen konnte, fand keine Entsprechung in den Taten. Die propagierten revolutionären Absichten blieben als reine Willenserklärungen stehen und zeitigten keine Konsequenzen. War Maximilian zumindest Kaiser von Mexiko geworden, wenn auch ein gescheiterter, so blieb das Resultat der politischen Laufbahn Stephans dahinter zurück. Sein Leben musste daher so etwas wie eine stetige Absichtserklärung auf Veränderung sein, ohne dass sich daraus Folgen ergeben hätten. Stoff für eine „klassische“ Biographie ist das daher nicht, weil die Relevanz des Protagonisten in unerfüllten Erwartungen liegt, nicht in tatsächlichem Handeln oder fassbarem Einfluss, weil die Biographie aus den Selbst- und Fremdbildern besteht und kaum anhand von Taten und objektiv zu benennenden Fakten hinterfragt werden kann. Die Wechselbeziehung des Individuums zur Gesellschaft bleibt eine ideelle und offenbart mehr über die Sehnsüchte der Zeitgenossen als über reale Gegebenheiten. Eine vertretbare Annäherung wäre deshalb auch, darüber, wie die Einzelperson wahrgenommen wird, direkt auf die Struktur und Mentalität der Gesellschaft zu schließen. Aus Wünschen und Sehnsüchten würden diese Rückschlüsse gezogen. Der Protagonist der Biographie verlöre sich vollständig in einer amorphen Erzählung von Sehnsüchten und Hoffnungen – vom „Resonanzraum“33 – einer ganzen Gesellschaft. Dies wäre formal kaum noch zu bewältigen, weil es eine Biographie ohne biographischen Gegenstand anstrebte. Auch wäre es wissenschaftlich nicht redlich, diesen Schritt zu wagen, bevor eine fundierte biographische Aufarbeitung der Person vorliegt. Das Bild Stephans würde sich vielmehr ganz bewusst von der Person lösen und als Katalysator einer Analyse dienen – so wie man sich womöglich dem Barbarossa-Bild des 19. Jahrhunderts annähern könnte: einem Bild, das zwischen Kult, Märchen und politischer Ikone34 changierte. Aber genau das war Stephan nicht: Er war keine mythische Figur, und mit seinem Tod – von einigen lokal erzählten Anekdoten und dem wenig verbreiteten Roman des Journalisten Isidor Gaiger „Ungarns letzter Palatin oder Die Möven der Revolution“ (1868)35 abgesehen – endeten auch die Spekulationen über und 33 Asch/Butter, S. 11; Pyta (2009), Hindenburg, S. 62. Vgl. dazu schon Kesting (1986) II, S. 1015, der allerdings für eine historische Annäherung zu stark das demagogische Element betont („Rattenfänger“) und von einem normierten Verständnis der Gesangsleistung von Sängerstars ausgeht, dabei aber den mentalitätsgeschichtlichen Wandel weitgehend außer Acht lässt bzw. abwertet. Auch in der Neuausgabe so übernommen: Kesting (2008) I, S. 263. 34 Dorn/Wagner, S. 17–18; François/Schulze (2005), Einleitung, S. 11. Das ginge auch deutlich darüber hinaus, dass die Individualität immer auch das Kollektiv, der sie zugehört, widerspiegelt; Bourdieu (1984), S. 131–137 (hier am Beispiel des Künstlers). 35 In diesem Roman wird Stephan vorrangig unter dem Aspekt seiner Popularität betrachtet.
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Identifikationen mit seiner Person. Die Lebensfähigkeit der Projektionen hing mit dem physischen Dasein Stephans zusammen, zumal es keine Familienangehörigen oder Bekannten gab, deren „erinnerungspolitischer Ehrgeiz“36 Stephans Nachleben maßgeblich befördert hätte.37 Der mediengeschichtliche Blick wird daher im Folgenden ganz konkret die – vermeintliche – Persönlichkeit Stephans anhand eines biographischen Ansatzes in den Blick nehmen, indem er die aus verschiedenen Perspektiven entworfenen Bilder ernst nimmt, aber eben stets nur als subjektive Bilder oder gar bewusste Fiktionen38 wertet. Damit wird keine kontrafaktische Geschichtsschreibung betrieben, aber dem Kontrafaktischen in den Äußerungen und Einschätzungen der Zeitgenossen zugehört und den Schlussfolgerungen als Teil der realen oder imaginierten Persönlichkeit Stephans Raum gegeben. Vielen dieser Konstruktionen wird nicht so gründlich auf die Spur zu kommen sein, wie der eine oder andere Leser es sich vielleicht wünschen mag.39 Die „Oberfläche des Scheins“ kann nicht immer durchdrungen werden, vorausgesetzt, dass sich dahinter ein Sinn, ein Erkenntnisgewinn verbirgt.40 Denn eine Verifizierung dieser Bilder auf der Grundlage politischen Handelns ist vor ca. 1843 nicht möglich, da Stephan kein Amt bekleidete und sich in Ausbildung befand, und nach 1848 wieder aussichtslos, weil er im Exil auf seinen mütterlichen Gütern an der Lahn als Zaungast der europäischen Politik diese nur noch beobachtete und kommentierte, nicht (mehr) agierte oder direkt mit ihr in Berührung kam. Er fungierte unter diesen Aspekten als besonderes Mitglied der Gruppe der „dynastischen Verlierer“, die in Zeiten des Wandels eine eigene Überlebensstrategie entwickeln mussten. Diese Gesellschaftsgruppe ist freilich erst kürzlich in den Blick der Forschung gerückt – unter dem Fokus einer „politischen Gesellschaftsgeschichte des 19. Jahrhundert“.41
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Erzherzogin Sophie bezeichnet darin sogar „die Sucht, ein populärer Mann zu werden“, als sein „System“; Gaiger II, S. 50. Sieg, S. 171; zu solchen Maßnahmen am Beispiel des Philosophen Nietzsche ebd., S. 164– 219. Vgl. auch Tulard (1992), S. 206; Pyta (2009), Biographisches Arbeiten, S. 334. Zum Adel als Erinnerungsgruppe vgl. Wrede/Horst, S. 2. Als Würdigung seines Lebens sind in der „Neuen Freien Presse“ die bereits erwähnten Berichte von Michael Klapp zu nennen. Am 28. Juli 1868 wurde in der Zeitung „Die Presse“ Nr. 206 die im selben Jahr erschienene Biographie in einer inhaltlichen Zusammenfassung gewürdigt. Dazu, wie Fiktionen zum Gegenstand historischer Überlieferung werden können, vgl. Ginzburg, S. 14. Vgl. auch Langner, S. 208. Pons (2010), Kraft, S. 153–156, dort auch weiterführende Literatur. Tadié, S. 10. Gamper, S. 82, erkannte im „Oberflächenphänomen“ des Virtuosentums im 19. Jahrhundert ein performatives Kunstparadigma, das auf seine akademische Rehabilitierung warte. Riotte (2018), S. 12–14; zum Blick auf die „Verlierer“ auch Karsten, S. 11.
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Stephans Status als Exilant für fast zwanzig Jahre verleiht der Biographie eine besondere Dimension. Denn die biographische Relevanz Stephans ergibt sich nicht aus den wenigen Jahren seiner politischen Amtsausübung, so dass die Zeit seines Exils zu einem besonderen Interesse berechtigt.42 Nicht seine Funktionen und sein Handeln verleihen dieser Vita posthum Bedeutung, sondern die Rolle(n), die er in seiner Zeit gespielt hat – spielen wollte oder spielen musste: als „geistige Schöpfung der andern“, aber auch seiner selbst.43 Vergleichbare Vorstellungen waren bereits zu Stephans Zeit existent. Der Schriftsteller Karl Immermann widmete ihnen in seinem Roman „Die Epigonen“ (1836) ein berühmtes Kapitel, in dem er von „geborgten Ideen“ spricht. „Für den windigsten Schein, für die hohlsten Meinungen, für das leerste Herz findet man überall mit leichter Mühe die geistreichsten, gehaltvollsten, kräftigsten Redensarten.“ Durch die „unzusammenhängenden Meinungen“ und „einander aufhebenden Maximen“, die durch eine leichte Fassungsgabe und ein gutes Gedächtnis befördert wurden, konnten ebenso epigonale oder zumindest konventionelle Denkmuster verschiedener Gesellschaftsschichten und Einzelpersönlichkeiten bedient werden. Da diese sich in Äußerungen wiederfanden, ließ sich von einem „reichen Geist“ oder gar Genie sprechen.44 Dieses als Symptom der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wahrgenommene Phänomen, das sich sicherlich in abgewandelte Form zu allen Zeiten findet, sollte auch mit Blick auf Erzherzog Stephan berücksichtigt werden. Die aus geistesgeschichtlichen Strömungen des späten 18. und frühen 19. Jahrhunderts entstandenen Ideale hatten zu seinen Lebzeiten normativen Charakter angenommen und waren in ihren Erwartungen folgerichtig recht leicht zu bedienen. Ohne dieses Epigonale abwerten oder auch nur bewerten zu wollen, kann aus dieser geistesgeschichtlichen Atmosphäre doch ein Nährboden abgeleitet werden, aus dem Stephans Verhalten und seine Reputation erwachsen konnten. 42 Schweiger, S. 32–36. Hugo von Hofmannsthal schrieb über einen großen Sänger, der in jungen Jahre seine Stimme verlor: „[W]as übrigbleibt, ist eine leere Hülse, die vielleicht noch dreißig oder vierzig Jahre auf der Erde herumspazieren wird“; Hofmannsthal (1959), S. 15–16. Hier wird die Daseinsberechtigung des Menschen an seinen Leistungen oder Fähigkeiten festgemacht, was bei Stephan zumindest schwieriger sein dürfte. Allerdings ist auch hier zu fragen, inwiefern die Exilzeit ihn zu einer leeren Hülse werden ließ. 43 Tadié, S. 14 (nach Proust). Dazu: „Doch selbst hinsichtlich der unscheinbaren Dinge des Lebens sind wir nicht ein objektiv erfaßbares Ganzes, das für alle gleich ist, so daß jeder nur davon Kenntnis zu nehmen braucht wie von einem Lastenheft oder einem Testament; als soziale Person sind wir eine geistige Schöpfung der anderen. […] Wir statten die physische Erscheinung des Menschen, den wir sehen, mit all den Vorstellungen aus, die wir von ihm haben, und in dem Gesamtbild, das wir uns machen, spielen diese Vorstellungen sicherlich die Hauptrolle.“, Proust I, S. 29. 44 Immermann, S. 120 und S. 232: die „Wurzel in der Seele“ fehle; Windfuhr, S. 185–189.
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Aber damit kann nicht die gesamte Skala der Wahrnehmungsmechanismen abgedeckt werden. Vielmehr muss es im Folgenden auch darum gehen, Selbstdarstellungen und Selbststilisierungen in den Blick zu nehmen. Der Philosoph Hans Blumenberg sprach von Selbstbehauptung und Selbstmythisierung, wenn der Protagonist unter anderem die Teile seiner Geschichte ausblendet, die das gewünschte Profil nivellieren. Als rhetorisches Phänomen sei dabei aber immer die Akzeptanz der Umwelt – und damit die anerkennende Fremdwahrnehmung – vorauszusetzen, ohne die der Selbstmythisierung keine Aussicht auf Erfolg beschieden sein könne. Ist diese gewährleistet, kann das zur Manipulation der Massen führen, aber eben auch umgekehrt zu einer distanzlosen Übernahme gesellschaftlicher Vorstellungen und Anforderungen. Der Mensch ist dann keine Sache der Wahrheit, sondern eine „mythische Illusion“.45 Der Schriftsteller Aldous Huxley sprach von Selbstüberschreitung, wenn der Mensch „unterhalb oder seitlich seiner Persönlichkeit“ nach einer „unechten Befreiung“ suche, durch die er als „Gnadensubstitut“ sich selbst (vor sich selbst und vor anderen) erhöhen könne. „In der Absicht, den Schrecken isolierter Selbstheit zu entfliehen, wählen die meisten Menschen fast immer einen Weg, welcher weder hinauf noch hinunter, sondern seitwärts führt.“46 Der Mensch verortet sich in seiner Gesellschaft und – womöglich – in einer vermeintlich höher gedachten Sphäre, um dem quälenden Bewusstsein, nur er selbst zu sein, zu entkommen. Dieser Prozess kann einen weiten Radius von der Selbsttranszendenz oder Selbstmythisierung, denen ein (übersteigertes) heroisches oder transzendentes Ziel vor Augen schwebt, bis hin zur Selbstvermarktung umfassen, die sich Wünschen und Forderungen der Gesellschaft anbiedert, um in der daraus resultierenden Akzeptanz sein Ich gestärkt zu sehen. Fassadenhaft mögen beide sein. Ersterem aber unterliegt in der Zielgerichtetheit eine – gegebenenfalls durchaus als gefährlich zu benennende – Substanz, während Letzteres sich in Facetten aufteilt und zielund substanzlos daherkommt. Hier scheint der in der Wissenschaft etwas aus der Mode gekommen soziologische Begriff der Rolle adäquat. 45 Blumenberg (2014), S. 18–22, S. 33; Runge, S. 18–19 („mythische Illusion“). Runge zitiert Blumenberg: „Was die Menschen mit Vergnügen akzeptieren, kann nicht Wahrheit sein.“ Die Konstruktion des Populären bis hin zum Sich-Anbiedernden war bereits dem 18. Jahrhundert bewusst; Hügel (2003), S. 343. 46 Huxley, S. 372 und S. 388–389; Pons (2018), S. 28. Das ist wiederum eine andere Dimension, als es die reine „Identitätskonstruktion“ ist; Telesko (2010), S. 74. Sie entwirft mehr oder minder absichtlich ein Bild von sich selbst. Grundlegend zu solchen Gedankengebäuden der „Leidabwehr“ auch Freud, S. 72–80. Stephan selbst bekundete noch 1866, „kein Illusions-Mensch“ zu sein; BayHStA GHA Nachlass Erzherzogin Elisabeth von Österreich Nr. 98 (25. Februar 1866).
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Er sollte dabei nicht zu eng gefasst werden und steht im Folgenden weder für ein uneigentliches Leben, das durch die Anpassung an gesellschaftliche Erwartungen entsteht, noch für eine automatische Kohärenz zwischen Amt und Persönlichkeit, die zu verlassen Devianz bedeutet. Deshalb bleibt auch die Frage, ob das soziale Selbst Resultat oder Ursache des Verhaltens ist, im Folgenden eher irrelevant.47 Die postmoderne „Entzauberung“ durch Pluralisierung und Individualisierung bildet vielmehr die Argumentationsbasis,48 indem die Rolle für nichts anderes steht als für die auch jenseits aller Theoreme gültigen vielfältigen Erscheinungs- und Wahrnehmungsformen einer Persönlichkeit, als der Facettenreichtum von Außenwirkung und Rezeption. Diese „gespaltenen Wahrheiten“49 umfassen auch Zuschreibungen und fiktive Behauptungen,50 um sich der Persönlichkeit, ähnlich wie in der modernen Stereotypenforschung, anzunähern. Insofern existierten stets die selbstgesteuerten neben den fremdbestimmten Rollen Stephans, das heißt die von ihm selbst oder von anderen intendierte Person. Öffentliche Auftritte, Korrespondenzen oder auch künstlerische oder wissenschaftliche Akzente bestimmten die erste Kategorie, Publizistik und Urteile über den Erzherzog in Memoiren, Tagebüchern oder Briefen anderer die zweite. Zeitungen konnten, wie noch darzulegen sein wird, beide Bereiche abdecken. Allerdings sollte keine allzu exakte Trennschärfe erzwungen werden, weil zum Beispiel auch in Stephans Korrespondenz verschiedene Selbstinszenierungen (Politiker, Wissenschaftler, Standesherr, Vertreter der Hocharistokratie) divergieren können, sich somit Bilder und Rollen überschneiden und überlagern. Gerade dieses Neben-, Mit- und Übereinander machte die Person aus und sollte auch im Narrativ berücksichtigt werden. Dann entsteht das Bild eines Menschen, das sich in
47 Dahrendorf, passim; Plessner, S. 72–78; Röhl, S. 333–351; Schwinger, passim; Kolesch, S. 48. Auch die Definition des Soziologen Niklas Luhmann greift nicht recht: „Wer in der Organisation tätig ist, spielt eine Rolle. Was er ausserhalb seiner Rolle ist, interessiert nicht – und die Tendenz geht deshalb mehr und mehr dahin, ausserhalb der Rolle nichts zu sein.“ Denn Stephans Rolle definierte sich ja ganz besonders jenseits der Organisation, sei es dynastisch oder administrativ, in der er sich befand; Luhmann, in: http://ds.ub.uni-bielefeld.de/viewer/image/ZL1A6062/2/ (Zugriff 24. August 2019). 48 Schwinger, S. 13; Fliedl, S. 64. Hier auch der Unterschied zum Rollenbegriff bei Hamann (1987), S. 11–15. Sie erkennt nur eine jeweils adäquate Rolle an, die es zu erfüllen gilt. Kaiserin Elisabeth scheiterte in diesem Sinne deshalb, weil sie nicht bereit war, die Anforderungen an sie als Kaiserin zu erfüllen. Das gestaltet sich im Falle Stephans, der ja auch daran gescheitert ist, dass er viele verschiedene Anforderungen erfüllen wollte, deutlich vielschichtiger und intransparenter. 49 Paravicini, S. 41; auch Tulard (1992), S. 7: „ces visages divers“. 50 Marías, S. 10–11.
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dieser Form sicherlich nicht für jeden biographischen Gegenstand anbietet, ohne mehr Fragen aufzuwerfen als zu beantworten. Gerade in Zeiten mit einer anderen Öffentlichkeit, mit einer vorherrschend oralen Kultur oder bei Persönlichkeiten, die womöglich weniger kommunikativ waren als Stephan oder die Aufmerksamkeit nicht generieren konnten, wie es ihm schon qua Geburt möglich war, wird dieser Ansatz nur schwer zu verfolgen sein, weil die Biographiefähigkeit nicht gegeben ist. Auszuschließen ist aber nicht, dass sich nicht darunter auch Personen befanden, die einem ähnlichen Phänomen ausgesetzt waren, nur müsste hierfür ein besonderer Zugang gefunden und eine Quellengrundlage erst eruiert werden. Im Falle Erzherzog Stephans hingegen ist die schriftliche Überlieferung adäquat, um sich ihm weniger als aktiv Handelndem denn als Projektionsfläche51 in seiner Zeit biographisch anzunähern. Es gilt allerdings im Folgenden nicht, den Protagonisten als sozialwissenschaftliches Exempel,52 als Typus, zu behandeln – denn die Frage bliebe: Für wen? Er ließe sich allenfalls beispielhaft in dem bereits erwähnten Sinn für eine Gesellschaftsschicht heranziehen, die im Laufe des 19. Jahrhunderts zusehends dem Untergang geweiht war und ihre konstitutive politische und gesellschaftliche Bedeutung verlor. Die in den letzten Jahrzehnten entwickelten Forschungsansätze, die sich dem Adel in seinem Kampf um das Obenbleiben widmeten, boten für die vorliegende Studie einige Orientierungsmarken, weil sie insbesondere auch den Medien und Strategien nachgingen, mit deren Hilfe das Obenbleiben erreicht werden sollte. Auch die Frage, was denn im konkreten Fall „oben“ bedeutet, wird für Stephan zu stellen sein. Die weitestgehend auf den nicht-regierenden Adel als Gesellschaftsschicht ausgerichteten Forschungen der letzten zwanzig Jahre aber greifen im Fall eines Mitglieds des Hauses Habsburg nur bedingt, und bei einem so ungewöhnlichen Lebenslauf wie demjenigen Stephans ist der gruppenspezifische Blickwinkel nur zur Einschätzung der Rahmenbedingungen seines Verhaltens möglich. Denn bei ihm muss das Individuelle vor dem gesellschaftlichen Hintergrund betont werden.53 Stephan als Protagonisten im 51 In Bezug auf Thronfolger verwendet den Begriff auch Müller (2019), Thronfolger, S. 18. Vgl. auch Asch/Butter: Der Held sei immer das Produkt „heroischer Präsentationen und Zuschreibungen, die allerdings auch Selbstzuschreibungen sein können“; Asch/Butter, S. 11. 52 Gay (1994), S. 187–188. 53 Jendorff und Wunder warnten schon 2010 davor, Vertreter des Adels bloß „vor dem Hintergrund kollektivorientierter Verständnisweisen und Erklärungsmuster“ zu schildern; Jendorff/Wunder, S. 36–37. Reif, S. 129, forderte ebenfalls, das Subjekt mit den angeblichen Normen zu vergleichen. Conze hingegen sieht im individuellen Zugang nur eine „heuristische Sonde“, um kollektiven, in diesem Fall auf den Adel bezogenen normativen Leit-
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Kampf des Adels als Gesellschaftsschicht um das Obenbleiben zu interpretieren, wäre daher verfehlt.54 Denn dafür war sein Lebensweg – gerade auch wegen des Exils – zu ungewöhnlich und wich zu sehr von üblichen Viten ab. Dieses Außergewöhnliche, das sich durch die Exilierung eines Erzherzogs bzw. die Verbannung vom Kaiserhof ergibt, brachte eine zusätzliche Devianz in diese Biographie, die weit mehr umfasste als einen Kampf um das wirtschaftliche oder hierarchische Überleben. In diesem Sinne ist die Zeit nach 1848 ebenso interessant wie diejenige seiner politischen Aktivität. Der Vertreter einer hochrangigen Gesellschaftsschicht wurde vordergründig zum „Niemand“, der sich mit symbolischen Formen im klassischen Sinn nicht mehr inszenieren konnte,55 der aber genau aus dieser Position heraus seine Bedeutung in der Devianz56 erlangte. Keine Mechanismen abstrakter Setzung griffen, sondern es ist vielmehr einem seltsam Unbestimmten auf die Schliche zu kommen, dem kein Zeitgenosse entgehen konnte – nicht die breite Öffentlichkeit,57 nicht der Wiener Kaiserhof und selbst Stephan nicht. Und dieser scheint die Polyvalenz hingenommen zu haben. Denn für die akzeptierte Mehrgesichtigkeit seiner Identität gibt es ein schlagendes Beispiel: Im Jahr 1856 wollte sich Erzherzog Stephan von dem „famosen“ Maler Wilhelm Trautschold malen lassen, der im Frühjahr und Sommer in England wirkte, im Winter aber porträtierend durch Deutschland zog. Der Maler war ihm vom Freiherrn Friedrich Gustav vom Stein, einem Sohn seiner Großmutter, empfohlen worden.58 Die beiden Gemälde waren für den Architekten Boos, der die erzherzogliche Schaumburg um-
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vorstellungen und Verhaltensstandards, um Wertorientierung und gruppenspezifischen Idealen auf die Spur zu kommen, S. 368. Frie (2001), S. 339–340; Frie (2005), passim; Braun (1990), passim; Riotte (2018), S. 22–25; Wrede/Horst, S. 5–7; Wunder, passim. Burke, S. 11; Vocelka (2015), S. 10 („Image“). Zur bewussten Bewunderung vgl. Saint Bris, S. 14. Eine Gleichstellung oder Parallelisierung dieser (vermeintlichen) Devianz mit später lebenden Mitgliedern des Hauses Habsburg, die aus der Dynastie austraten oder ausgeschlossen wurden wie z. B. Leopold Ferdinand Salvator (1868–1935), Luise (1870–1947) , Johann Salvator (* 1852) und Ferdinand Karl (1868–1889) – so Hamann (1988), S. 262–263, S. 270, S. 178–179 und S. 125–126 –, bietet sich nicht an, weil die Lebensumstände nicht vergleichbar sind. Allerdings gehörte Stephan sicherlich wie auch z. B. Kronprinz Rudolf und Erzherzog Ludwig Viktor zu den „schillernden“ Habsburgern, Stickler (2012), S. 719. Zur Attraktivität der Devianz für die Öffentlichkeit vgl. auch Lachmayer, S. 260–270, sowie Defrance, passim. Die Öffentlichkeit des 19. Jahrhunderts, welche die höfische Gesellschaft anzusprechen versuchte, bestand zusehends aus den gebildeten bürgerlichen Schichten, während zuvor die repräsentative Öffentlichkeit nur aus dem höfischen Umfeld bestanden hatte; Paulmann (2000), S. 20–22 und S. 209; Pons (2013), S. 495. Zur neuen, durch die Zeitungen der Mitte des 19. Jahrhunderts erreichten Öffentlichkeit vgl. Anders (2005), S. 15. LATh StA Meiningen Gutsarchiv Barchfeld Nr. 965 (26. März 1856).
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Abb. 1: Wilhelm Trautschold: Erzherzog Stephan vor der Schaumburg, 1856 (Museum Wiesbaden)
baute, und Stephans rechte Hand, den Freiherrn von Anders, bestimmt, weshalb der Erzherzog bei Boos nachfragte, wie er ihn denn dargestellt haben wollte: in zivil oder Uniform, in Frack oder Quäker, also der modischen Herrenbekleidung aus der Mitte des 19. Jahrhunderts, in der grauen Generals- oder der weißen Oberstuniform. Boos sollte dies entscheiden, denn alles war Stephan nur „Geschmackssache“.59 Boos entschied sich für die weiße Uniform eines österreichischen Obersten.60 Ende April kam der gehörlose Maler schließlich auf der Schaumburg an, und Stephan saß ihm bereitwillig Modell, obwohl das Stillsitzen, nach eigener Aussage, sonst nicht zu seinen Stärken gehörte.61 Schon vor der Fer59 StA Diez Sch 55/Sch 332 (25. März 1856). Bereits im März hatte Stephan den Architekten Boos darum gebeten, in Wiesbaden nach einem Maler im Stile von Karl Ferdinand Sohn oder Ludwig Knaus Ausschau zu halten; StA Diez Sch 55/Sch 332 (10. März 1856). Zur Deutung der Staatsporträts des 19. Jahrhunderts aus Sicht des Politologen vgl. von Beyme, S. 108–112. Die Interpretation scheitert jedoch an Stephans stilistischer Offenheit. 60 StA Diez Sch 55/Sch 332 (5. April 1856). Zum Quäker Kunstbibliothek Berlin Id. Nr. 14135284. 61 HLA HHStAW Best. 1174 Nr. 11 (24. April 1856).
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tigstellung war der Porträtierte mit dem Ergebnis sehr zufrieden und lobte insbesondere die große Ähnlichkeit, so dass Kinder, die es im Schloss stehen sahen, vor ihm erschraken.62 Im Juli wurde das Gemälde dann Boos übergeben.63 Das Bildnis für Anders wurde einige Wochen später fertig und stand fortan in dessen Salon.64 Nicht die Tatsache, dass Erzherzog Stephan sich porträtieren ließ, ist an dieser Stelle erwähnenswert. Vielmehr ist es der Umstand, dass der Porträtierte die Gestaltung dem Empfänger überließ, ja, dass er sich in verschiedenen Rollen anbot und die Auswahl als Geschmackssache abtat.65 Hier klingt das erweiterte Stilangebot der Baukunst jener Tage an.66 Die Variabilität stilistischer Ausprägungen für Bauvorhaben des 19. Jahrhunderts, die den Stil quasi über das Gebäude hängen, wird hier zum Charakteristikum eines Lebens, das in verschiedenen variablen Rollen besteht, die zu präferieren oder abzulehnen reine Geschmackssache ist. Wenn schon derjenige, der dieses Leben zu führen hat, so denkt, liegt es nahe, dass auch der Biograph die Vielgestaltigkeit ernst nimmt. Widersprüche in Stephans Äußerungen und Auftreten machen ihn – jenseits des Panzers aus Konventionen und Mythen, der die Habsburger üblicherweise umgab67 – schwer fassbar. Sein Habitus, der kaum herzuleiten ist, aber für viele genialische Züge annahm und damit die Zeitgenossen davon überzeugte, dass Stephan etwas Besonderes sei, verankerte den Erzherzog vermeintlich in den politischen Lagern.68 Natürlich hat genau das auch die Möglichkeit geboten, ihn zur Projektionsfläche für Hoffnungen und Befürch62 StA Diez Sch 55/Sch 332 (7. Mai 1856). 63 StA Diez Sch 55/Sch 332 (1. Juli 1856). Zum Bild: Abgebildet in Pons (2016), S. 71 (hier noch mit der irrtümlichen Urheberschaft des Anton Einsle). 64 StA Diez Sch 55/Sch 332 (30. August 1856). 65 Vergleichbar eine Mitteilung aus dem Jahr 1847, als es um die Anfertigung eines Porträts für das Pester Komitat ging. Stephan war unklar, ob er und Franz (Joseph) „herkulisch oder à la Tom Pouce abgebildet werden“ sollten; OeStA HLA HHStAW SB Coronini-Cronberg 4-7 (28. Dezember 1847). Bei Tom Pouce handelte es sich um einen Kleinwüchsigen, der seit 1845 im Zirkus Barnum auftrat. 66 Mignot, S. 90. Für das Bild von Persönlichkeiten kennen wir solche Vorstellungen erst im 20. Jahrhundert; vgl. u. a. Max Frischs Roman „Mein Name sei Gantenbein“ von 1964 mit dem vielzitierten Satz „Ich probiere Geschichten an wie Kleider“, S. 20. Vorläufer gibt es aber bereits in Stephans Tagen. Vgl. auch hierzu wieder Immermanns Roman „Die Epigonen“: „Abwechselnd kriecht sie [die Zeit] in den frommen Rock, in den patriotischen Rock, in den historischen Rock, in den Kunstrock, und in wie viele Röcke noch sonst. Es ist aber immer eine Faschingsmummerei […]“; Immermann, S. 45. Zu philosophischen und literarischen Gedanken zum Ich in seiner Vielschichtigkeit am Beispiel Jean Pauls und seines Umfelds vgl. auch Langner, S. 210–211. 67 Vocelka (1997), S. 117; Haarmann, u. a. S. 13. 68 Vgl. auch Marías zu Joyce, S. 43.
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tungen jeglicher Art zu machen. Wir können damit noch heute Zeuge werden, wie ein Mensch gemacht wurde.69 Das soll an dieser Stelle aber nicht als Ergebnis vorweggenommen, sondern nur kurz angerissen werden, um die Bahnen der folgenden Darstellung und Argumentation aufzudecken und am Schluss eine stringente Schlussfolgerung zu ermöglichen. 1.2 Perspektiven und Wahrnehmungsmechanismen Dem skizzierten Vorhaben ist folglich nur durch eine mehrperspektivische Biographie unter Einbeziehung medialer Persönlichkeitskonstruktionen gerecht zu werden. Multiperspektivität bedeutet hier nicht im Sinne des Historikers Wolfram Pyta, in erster Linie die biographische Person mit den sie umgebenden Verhältnissen zu verweben und die Sozialisation des Einzelnen in den Blick zu nehmen.70 Vielmehr ist es die Absicht, die verschiedenen Perspektiven der Wahrnehmung auszuloten, die Urteile miteinander in Beziehung zu bringen – auch in ihren Widersprüchen und Brechungen – und damit den Facettenreichtum persönlicher Konstruktionen nachzuvollziehen. Im Idealfall ist sogar die Selektion der Wahrnehmung und damit sind die Wahrnehmungsfilter zu rekonstruieren. Stephan wird zum Objekt „kultureller Zuschreibungsakte“,71 ohne ihn als überindividuelles Muster zu verstehen. Vielmehr werden die auf ihn angelegten Perspektiven und Konstruktionen als maßgeblicher Teil seiner Persönlichkeit angesehen, weil sie jene in den Augen der Zeitgenossen und der Nachwelt formten. Um jedoch Perspektiven schaffen zu können, verlangt es zunächst nach einem Rahmen. Dieser findet sich in der besonderen Situation des Hauses Habsburg im (frühen) 19. Jahrhundert. Kaiserin Elisabeth hat die große Zahl an Familienmitgliedern als „unnormal“ bezeichnet.72 Tatsächlich belief sich diese in der Mitte des 19. Jahrhunderts auf ca. 50 Personen, die bis um 1880 auf ca. 90 anwachsen sollte. Grund hierfür war der Kinderreichtum „Kaiserin“ Maria Theresias, vor allem aber ihres Sohnes Leopold II. gewesen. Dieser hatte zehn Söhne, die das Erwachsenenalter erreichten und notgedrungen eine gewisse Rolle im Haus Habsburg spielen mussten und wollten. Hatte sich unter den Söhnen Maria Theresias bereits die Nebenlinie Modena (Este) herausgebildet, so spaltete sich das Haus Habsburg später noch weiter auf. Das lag auch darin begründet, dass – im Gegensatz 69 70 71 72
Vgl. auch Blumenberg (2014), S. 35: „Einblick zu gewinnen, wie ‚Geschichte gemacht‘ wird“. Pyta (2009), Biographisches Arbeiten, S. 333. Pyta (2009), Biographisches Arbeiten, S. 334. Hamann (2017), S. 293.
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zur Frühen Neuzeit – geistliche Ämter im 19. Jahrhundert kaum noch an nachgeborene Söhne vergeben wurden. Da von Leopolds Söhnen wiederum fünf standesgemäße und legitime männliche Nachkommen hatten, führte dies zu der genannten Unübersichtlichkeit. Zwischen 1848 und 1865 belief sich die Zahl männlicher Habsburger über 18 Jahren stetig auf siebzehn bis achtzehn.73 Diese gehörten zu verschiedenen Familienzweigen, die sich nach zeitgenössischen Aussagen wiederum wie „verschiedene Dynastien“ präsentierten.74 Dazu trug auch bei, dass die Sekundogenituren in Modena und Florenz ohnehin sehr eigenständig „mit eigener Souveränität“ im Sonderstatus agieren konnten und eine souveräne Politik gestalteten. Erzherzog Rainer war als Vizekönig von Lombardo-Venetien in einer besonderen Position, ihm vergleichbar Erzherzog Joseph als Palatin von Ungarn.75 Damit war eine Situation erreicht, die es im Haus Habsburg zuletzt im beginnenden 17. Jahrhundert gegeben hatte, wenn auch nicht in diesem Ausmaß und unter anderen Vorzeichen.76 Denn damals war ein Großteil der nachgeborenen Brüder mit geistlichen Ämtern oder Teilherrschaften innerhalb des Habsburgerreichs versehen worden. Zu Konflikten führte das natürlich trotzdem. Franz Grillparzer hat in seinem Drama „Ein Bruderzwist in Habsburg“ (1848) einen solchen thematisiert und wohl auch ganz bewusst Assoziationen zur österreichischen Situation in der Mitte des 19. Jahrhunderts hergestellt.77 Denn trotz des Familienstatuts von 1839, in dem die Rechte des Familienoberhaupts gestärkt wurden, weil ihm nicht bloß die Souveränität und Gerichtsbarkeit innerhalb der Familie zugeschrieben wurden, sondern auch das Recht der Aufsicht (§ 2), ergaben sich massive Probleme aus der großen Anzahl der Familienmitglieder. Dabei ging es auch um Machtfragen grundsätzlicher Natur: Welche Rolle spielte die Dynastie innerhalb der Staatsregierung? Welche Ansprüche konnte welcher Familienzweig geltend machen? Diesbezüglich äußerte sich der Adjutant Kaiser 73 Hamann (1984), S. 24–26; Gothaischer genealogischer Hofkalender 1844, S. 48–52, und 1865, S. 51–56; Ableitinger/Raffler, Stammtafel. Zu Erzherzog Leopold Wilhelm vgl. u. a. Schreiber, S. 23–30, am Beispiel der Söhne Maria Theresias Stollberg-Rilinger, S. 769–777. 74 Ernst von Sachsen-Coburg 1, S. 50: „Auffallend war die geringe Einheitlichkeit, welche das ganze Hofwesen zu haben schien. Die verschiedenen Linien des Hauses gaben sich fast wie verschiedene Dynastien und am wenigsten trat noch zunächst die Familie des Erzherzogs Franz Carl hervor […].“ 75 Stickler (2018), S. 129–130. 76 Seit 1665 hatte es im Haus Habsburg keine Seitenlinien mehr gegeben; Niederhauser, S. 12. 77 Grillparzers Schilderung des Erzherzogs Matthias, der sich gegen den Kaiser auflehnt und u. a. die Krone Ungarns anstrebt, könnte in seiner idealistischen, aber haltlosen Attitüde auch von Erzherzog Stephan inspiriert worden sein; Bachmaier, S. 608–609; allgemein auch Magris, S. 125–130.
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Franz Josephs, Graf Grünne, 1858 sehr abschätzig, indem er behauptete, die „Wirtschaft mit den Erzherzögen“ sei von Übel.78 Mindestens so wichtig aber war eine eher ideelle Ebene, die sich dann auftat, wenn sich die Familienmitglieder fragten, welche persönliche Aufgabe ihnen im Gesamtgefüge der Dynastie zukam. Das spielte für den ungarischen Palatin Joseph oder den Vizekönig von Lombardo-Venetien Rainer keine zentrale Rolle, für deren Geschwister Karl und Johann aber schon sehr, und für die folgende Generation bildete es eine grundsätzliche Frage, wie man sein Leben füllen könne, ohne eine nutzlose Existenz zu führen.79 Um dem zu begegnen, war eine militärische Laufbahn vorgesehen, die von Erzherzog Albrecht, einem Cousin Stephans, begeistert angenommen wurde.80 Seinen Bruder Friedrich trieb sein romantischer Überschwang in den Dienst der österreichischen Marine, was zumindest auf einen Wunsch nach Individualität schließen lässt.81 Auch seine Forschungsreise in den Orient muss als Möglichkeit eines „nachgeordneten“ Vertreters des Hauses Habsburg gewertet werden, seinen Platz in der Welt zu finden.82 Letztlich aber konnte und sollte die Eingliederung in das Militärwesen auch dazu führen, dass die Familienmitglieder hochdekoriert, aber ohne Gestaltungsmöglichkeiten blieben. Sicherlich war nicht jeder Erzherzog willens und bereit, sich jenseits seiner Existenz im Schatten des Thrones zu profilieren. Der Kampf um eine Sinnstiftung entgegen dem gewünschten geschlossenen Auftreten nach außen war aber virulent und trug nicht zuletzt dazu bei, dass alle als störend empfundenen Elemente der Familie in der Zeit des Neoabsolutismus, also auch nach 1848/49, durch den Kaiser und sein direktes Umfeld aus dem Zentrum verbannt wurden. Zu diesem Personenkreis gehörten auch der abgedankte Kaiser Ferdinand, der in Böhmen residierte, Erzherzog Johann in Graz oder die Kaiserinmutter Caroline Augusta in Salzburg – und natürlich Stephan auf der Schaumburg.83 Der Kreis umfasste aber auch Familienmitglieder, die seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wegen unstandesgemäßer Heiraten aus dem Familienverband ausgeschlossen wurden. Das also war der familiäre Rahmen, in dem Stephan zu agieren und in dem er sich zu verorten hatte. Es war allerdings auch der Rahmen, in welchem er von seinen Zeitgenossen wahrgenommen wurde. Hieraus ergeben 78 79 80 81 82 83
Mayr (1931), S. 478 (12. Juli 1858). Vocelka (2015), S. 296. Allmayer-Beck, S. 12–13. Dauber, S. 34–35. Der Adler 63 (1841), S. 429. Hamann (1984), S. 34–36.
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sich dann fast zwangsläufig die Perspektiven und Wahrnehmungsmechanismen, die seine Persönlichkeit durch Konstruktionen formten. Zuallererst und in besonderem Maße traf das für das neue Medium der Zeitungen zu, die in ihrer Vielschichtigkeit besonders zu beleuchten sind. Der Macht des Journalismus waren sich bereits Stephans Zeitgenossen bewusst. Nachdem in Jacques Offenbachs Operette „Orpheus in der Unterwelt“ bereits 1858 die öffentliche Meinung84 aufgetreten war, vor der sich Götter und Menschen gleichermaßen zu fürchten hatten,85 wurde in dem Couplet des Prinzen Paul aus der Operette „Die Großherzogin von Gerolstein“ von 1867 das Verhältnis zwischen Fürsten und Presse problematisiert und letztlich lächerlich gemacht. In der Operette war die Hochzeit des Prinzen mit der Großherzogin bereits an allen Höfen bekanntgegeben worden, aber an der mangelnden Bereitschaft der auserwählten Braut gescheitert. Das Couplet handelt davon, dass die „Gazette de Hollande“ ausführlich über den Prinzen und seine Bemühungen berichtete, was Paul in der Öffentlichkeit herabwürdigte, während die Großherzogin nur antwortete, man müsse dem eben Glauben schenken, was in der Zeitung zu lesen sei. Der Macht der Presse wurde ein enormes Gewicht verliehen, auch, weil sie, um das Publikum zu amüsieren, in den Privatleben der Herrschenden wühlte.86 Neben dem investigativen Aufdecken des Privatlebens und einem Stillen der Sensationsgier stärkte sie aber allgemein auch die öffentliche Präsenz der Dynasten und ging damit weit über den aufklärerisch-räsonnierenden Diskurs des späten 18. Jahrhunderts hinaus. Sie konnte ein machtvolles Eigenleben mit direktem Zugriff auf die Dynastien und deren Vertreter entwickeln und damit die Bedeutung der Protagonisten untermauern oder sogar erst konstruieren.87 Stärker als bei Offenbach angedeutet, wurde sie damit 84 Diese hatte auch Metternich im Blick; Hartig, S. 31 (18. November 1849) und S. 39 (28. Januar 1850). Der Begriff mit unterschiedlichen Bedeutungen existiert bereits in der Frühen Neuzeit und hat seine Wurzeln in der Antike; vgl. Kleinsteuber, S. 330–331; Gestrich, S. 11; Noelle-Neumann, S. 92–131. 85 Faris, S. 68; Telesko (2010), S. 23. 86 Offenbach 2, S. 568. „Il a paru depuis quelque temps une race d’hommes, qui s’est donnée pour mission de parler de moi, d’écrire sur tout, afin d’amuser la public … on les appelle gazetiers. Ils osent entrer dans la vie privée, ce qui est monstrueux, et ce qui est plus monstrueux encore, c’est qu’ils osent entrer dans ma vie privée.“ Zur Presse auch Telesko (2010), S. 77. 87 Frevert, S. 19; Hillerich, S. 9 (nach Luhmann). Busch, S. 16 und S. 68 sieht diese Entwicklung allzu sehr als Verlust des Helden an und erkennt nicht die daraus entstehenden neuen Möglichkeiten; für das 19. Jahrhundert glaubt er Helden eher in der Negation verkörpert (Künstler, Dandy, Verbrecher, Prostituierte), S. 114; siehe auch Paulmann (2019), S. 386–392. Vgl. bereits den Schriftsteller Gregor Samarow. Er schrieb 1875, dass es „keine Utilitätsprinzipien im geheimnißvollen Dunkel der Kabinette“ mehr gebe, sondern dass die
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auch zum Herrschaftsmittel. Dieser Janusköpfigkeit war auch Erzherzog Stephan ausgesetzt. Das heißt in Zahlen: Von 1843 bis 1847 war Stephan – recherchiert in der Datenbank „ANNO“ der Österreichischen Nationalbibliothek – 1056-mal in der Presse präsent. Das ist weitaus mehr als seine Cousins Albrecht (469), Franz Karl (748), ja sogar als seine Onkel Ludwig (306), Rainer (262) oder selbst Johann (900). Der junge Mann von gerade einmal 30 Jahren hatte folglich eine enorme Popularität. In der Zeit seines Palatinats stieg die Öffentlichkeitspräsenz in gut einem Jahr auf ca. 800 Nennungen an.88 Erst später, im Exil, beläuft sich die Zahl seiner Erwähnung zwischen 1849 und Ende Februar 1867 nur noch auf 3154; zum Vergleich: Erzherzog Johann wird in diesem Zeitraum 7490-mal, die Mutter des Kaisers, Erzherzogin Sophie, 7601-mal und Stephans Cousin Albrecht gar 10.842-mal erwähnt.89 Stephan war also in der Öffentlichkeit sehr präsent und blieb es – mit Einschränkungen – auch nach seiner Exilierung. Die Wirkmächtigkeit solcher Pressenotizen steht außer Frage, jedoch ist bei der Beurteilung der Quellen die Zeit vor 1848 deutlich von der Epoche danach zu unterscheiden. In der Ära Metternichs unterlag die österreichische Presse einer rigiden staatlichen Zensur, so dass eine Nachricht immer auch als staatlich sanktioniert gewertet werden muss. Ab 1809 drängte Metternich als Minister, der von Napoleons Politik gelernt hatte, zum Aufbau einer zeitgemäßen regierungsfreundlichen Presse, die der Sicherung der Habsburgermonarchie90 öffentliche Meinung maßgeblichen Einfluss auf die Politiker ausübe; Samarow, S. 41. Zu Medien und Öffentlichkeit im späten 18. Jahrhundert vgl. Schmidt (2009), S. 354–365, hier insbesondere S. 355–356. 88 Berücksichtigen sollte man hierbei allerdings, dass die Zahl der Zeitungen in Österreich von 79 Blättern vor dem Ausbruch der Revolution auf 388 im Jahr 1848 angestiegen war; Siemann (1998), S. 305. 89 Alle Statistiken nach der Datenbank ANNO – Austrian Newspaper Online (http://anno. onb.ac.at/) der Österreichischen Nationalbibliothek. Zwei Unsicherheitsfaktoren sind zu nennen. Unter „Erzherzog Stephan“ werden natürlich auch das gleichnamige Regiment und Hotels gleichen Namens mit ausgeworfen. Für 1847 und 1848 wäre zusätzlich noch nach Palatin zu suchen. Eine Addition von „Erzherzog Stephan“ und „Palatin“ hätte freilich wiederum zu Doppelungen geführt. Bei digipress.digitale-sammlungen.de, dem Zeitungsportal der Bayerischen Staatsbibliothek, das in großem Umfang v. a. die deutsche Zeitungslandschaft umfasst, sieht es etwas anders aus. Auf Stephan entfallen für den Zeitraum von 1843 bis 1847 1332 Treffer, auf Erzherzog Johann 763, auf Erzherzog Albrecht 964, auf Erzherzog Ludwig 207 und auf Erzherzogin Sophie 510. Für den Zeitraum 1849 bis 1867 sind es für Stephan 1806 Treffer, für Erzherzog Johann 4271, Erzherzogin Sophie 3663 und Erzherzog Albrecht 7981. Allein im Jahr 1848 wird Stephan 668-mal erwähnt (Stand 16. Januar 2020). 90 Der Begriff der Habsburgermonarchie wird im Folgenden synonym mit Donaumonarchie verwendet und bezeichnet den Herrschaftsraum der Habsburger. Zur Schwierigkeit der
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dienen sollte. Zunächst hatte diese im positiven Sinn für die Regierung zu werben. Dieser Versuch scheiterte jedoch letztlich, so dass nicht allzu lange nach 1815 die Staatsspitze zu einer rein negativen Pressepolitik, das heißt ausschließlich zu Überwachung und Zensur, überging.91 Auch wenn dieses System seit den 1830er Jahren schwächelte, so blieb es doch – in radikaler Fortführung der Politik aus josephinischer Zeit – bis 1848 bestehen.92 Der „Oesterreichische Beobachter“ bildete das offiziöse Organ, die „Wiener Zeitung“ das amtliche Blatt, und alle Provinzialzeitungen hatte deren Meldungen zu übernehmen93 weshalb an eine eigenständige inhaltliche Steuerung durch eine autonome Presse nicht zu denken war. Auch Zeitungen wie die „Frankfurter Oberpostamtszeitung“ oder die „Augsburger Allgemeine Zeitung“ folgten den offiziellen Wünschen der österreichischen Regierung.94 Eine freie publizistische Streuung von Inhalten war insofern nur durch illegale Flugblätter oder Plakate möglich, die darüber hinaus auch Kreise jenseits der Zeitungsleserschaft erreichten.95 Und doch sollte man, wie in der Literatur zumeist geschehen, im Fall der Zeitungen die „Interdependenz verschiedener Funktionen und Wirkungsebenen“ nicht außer Acht lassen, wie der Historiker Jörn Leonhard bereits angemahnt hat.96 Ein ausschließlicher Blick auf die Opfer der Zensur und die behördlichen Maßnahmenkataloge führt leicht dazu, die Perspektive zu verengen. Denn auch Metternich fand sich durch die – prinzipiell ja kontrollierte – Presse in einer unbehaglichen Situation wieder: Zum einen kursierten ausländische Zeitungen, die seinem Zugriff nicht unterworfen waren, zum anderen konnten auch unkritische Berichte über das Regierungshandeln die Regierung zur Stellungnahme veranlassen. Metternich fühlte sich daher als „Gedrängter“.97 Weniger die Presse
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Benennung dieses Reiches vgl. Stickler (2018), S. 128–129. Vgl. auch Bellabarba, S. 7–8, der alle diese Begrifflichkeiten nur als Annäherungen wertet. Zur Arbeit der Zensur in Österreich während der Napoleonischen Epoche vgl. Schembor, passim. Allgemein auch Rietra (1985), S. 6–7. Chvojka, S. 151–156; Marx (1959), passim; Paulmann (2000), S. 293. Chvojka, S. 177; Olechowski, S. 149–150; Piereth, S. 21–25. Das potenzierte die Meldungen von amtlicher Seite durch die Vervielfältigung in Provinzzeitungen. Hoefer, S. 41–46. Hoefer, S. 28; Arnecke, S. 42–43 und S. 113. Die „Augsburger Allgemeine Zeitung“ erschien in einer Auflage von 10.000 Exemplaren; Requate (2009), S. 10. Gottas, S. 1135–1137; Zimmermann (2006), S. 10–14. Für 1848 konnten in den Beständen der Österreichischen Nationalbibliothek ca. 20 Flugblätter ermittelt werden, die Stephans Verhalten zum Thema haben. Leonhard (2003), S. 44. „Aus dem Zeitungslärm ergeht für eine Regierung in unserer Lage eine nicht zu lösende Beschwernis. Was soll sie sagen? Tatsachen sind der Widerlegung nicht fähig und das Raisonieren dort, wo es das Handeln gilt, ist ärger als das Schweigen, während das letztere
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schien dabei das Problem zu sein als die Öffentlichkeit, der sich auch der Staatskanzler zu stellen hatte – selbst der wohlwollenden. Denn er wusste, dass das geistig-ideologische Element einen enormen, wenn nicht gar den Machtfaktor schlechthin darstellte, wie er Erzherzog Stephan gegenüber bekannte.98 Die mangelnde Aktenüberlieferung macht es für diese Zeit und die Epoche danach schwierig, zu rekonstruieren, wie Nachrichten in die Zeitungen gelangten bzw. wie die Öffentlichkeit in welcher Form beeinflusst werden sollte,99 auch wenn wir wissen, dass Meldungen von offizieller Seite in Zeitungen lanciert wurden.100 Neben Repressionen gegenüber der landesinternen Presse sowie finanziellen Anreizen und persönlichen Netzwerken bei der auswärtigen Presse arbeitete die österreichische Regierung insbesondere damit, Staatsbeamte auch als Korrespondenten einzusetzen.101 Durch fehlende Zeitungsarchive sind wir aber über die genauen Kanäle kaum informiert, so dass der Journalist „hinter der Druckerschwärze“ verschwindet.102 Ein akteurbezogener Zugang zu den Geschehnissen, der Kommunikationswege und Kommunikationspartner in den Blick nimmt, ist aufgrund der Quellenlage so gut wie ausgeschlossen. Wie welche Nachrichten den Weg in die Zeitungen fanden oder sich in bestimmten Kreisen verbreiteten, um dann Eingang in Tagebücher und Korrespondenzen zu finden, ist schlichtweg nicht rekonstruierbar, eine Diskursanalyse zur Entstehung, Verbreitung und Zementierung der Bilder von Erzherzog Stephan daher nur sehr partiell möglich.103 Nicht zuletzt deshalb werden im Folgenden nicht die Öffentlichkeiten in den Blick genommen, sondern die in der Person Stephans gebündelten Projektionen. Systemtheoretische Überlegungen greifen bei der dieser Studie zugrunde liegenden Fragestellung nicht.104 Dem Verfasser ist bewusst, dass den Wert des Erlöschens der Macht hat, auf welche alle Parteien heute die Augen richten“; Metternich an Erzherzog Joseph (18. November 1843), zit. nach Andics (1973), S. 410. Anlass für diese Äußerung war ein Bericht über eine Szathmarer Deputation in der „Leipziger Allgemeinen Zeitung“, die allerdings „nicht in einem für die Regierung gehässigen Sinne geschrieben“ worden war. 98 Andics (1973), S. 271 (20. August 1847). 99 Einen guten, ersten Einblick gibt Hillerich, passim. Vgl. auch Siemann (1998), S. 306. 100 Karsten, passim; Bösch (2004), o. S.; Paulmann (2000), S. 288. 101 Hillerich, S. 102–110 und S. 234–249. 102 Hillerich, S. 9. 103 Bösch (2011) Skandale, S. 36; Burckhardt, S. 44 und S. 172. 104 Paulmann (2000), S. 51–52 und S. 406–415; Arndt (2013), S. 30–39; Arndt/Köbler (2010), S. 12–13. Der Ergründung einer strategischen Selbstdarstellung sowie der Haltung der Untertanen geht Büschel anhand des Themas Untertanenliebe nach. Die von Büschel in der Einleitung vorgestellten theoretischen Überlegungen waren auch für die vorliegende Studie von großer Bedeutung, auch wenn diese als Biographie einen anderen Weg beschrei-
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damit eine wichtige Ebene dieser Projektionen leider ausgeblendet bleiben muss. Ob Zeitungsnotizen im Vormärz gezielt der Popularisierung Stephans dienen sollten, ob sie bewusst sein Bild in der Öffentlichkeit auszuformen gedachten, muss unklar bleiben, da wir die Wege dieser Meldungen nicht kennen. Wie auch immer die Zensur hätte agieren wollen und so sehr sie ihre Nachrichten auf das „gemütliche Glück“ beschränkte,105 Profilierungswünsche aus dem dynastischen Bereich konnte sie, die sich ja die Stärkung des monarchischen Prinzips zum Ziel gesetzt hatte, nicht unterbinden. Es existierten also soziale Faktoren, die sich trotz Zensur in einem (fast) zensurfreien Raum entfalten konnten, wenn sie auch heute nur noch indirekt nachvollzogen werden können. Bei entsprechenden Aktionen war die Außenwirkung eines Erzherzogs daher von Metternich nicht zu steuern, zumal die Leserschaft – darunter auch Mitglieder der eigenen Dynastie – selbst geringe Zeitungsnotizen sehr aufmerksam zur Kenntnis nahm und ihre Schlüsse daraus zog.106 Stephan selbst bekannte, seiner Meinung nach positive Meldungen auch stolz weiterzutragen.107 Das konnte wiederum auch im Vormärz schon zu einer Frühform des Starkultes führen und zu einer überproportionalen Präsenz einzelner Habsburger, ohne dass die Zensur dies hätte lenken können. Die Zurückhaltung, mit der die heutige Forschung die These von Habermas aufnimmt, erst die modernen Massenmedien des 20. Jahrhunderts hätten öffentlich aufgebaute Personen hervorgebracht und durch „Sentimentalität gegenüber Personen“ eine planmäßige Präsenz von Stars ermöglicht, ist daher allzu berechtigt.108 tet, vgl. Büschel, S. 11–54. Zur Genese der „Öffentlichkeit“ in der Frühen Neuzeit bis ins 20. Jahrhundert vgl. auch Köbler (1998), S. 388–403, mit der Einteilung in Macht-Öffentlichkeit, Bildungs-Öffentlichkeit und Informations-Öffentlichkeit. 105 Nestroy, S. 167. 106 In Niebergalls Darmstädter Lokalposse „Der Datterich“ kommentiert der eifrig die Zeitung studierende Drehermeister Dummbach (!) u. a.: „Zum Exempel, wann do steht: der un der Ferscht macht e Raaß do un do hih, da raast er net for sej Bläsihr wäje, sonnern des hot sei bolitische Naube [wohl im Sinne von „Eigenheiten“]“; Niebergall, S. 42. Zur Wahrnehmung Stephans über das Medium der Zeitung durch seine eigenen Verwandten BayHStA GHA Nachlass Erzherzogin Elisabeth von Österreich Nr. 93 (3. Februar 1849): Erzherzog Ferdinand Karl Viktor hat den Zeitungen entnommen, dass es Stephan auf der Schaumburg gut gehe. 107 BayHStA GHA Nachlass Erzherzogin Elisabeth von Österreich Nr. 93 (19. März 1849). Positive Meldungen über seine Schwester Elisabeth verbreitete er stolz: „Du kannst Dir denken, wie ich mich dann für Dich und mich aufblase, und wie ein kalikutischer Hahn herumsteige“. 108 Zimmermann (2006), S. 17; Paulmann (2000), S. 50–57; Burgsdorf, S. 77–78; Arndt (2013), S. 21–24; Gestrich, S. 16–20; Habermas, S. 188–189.
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Gerade medienhistorische Forschungen der jüngsten Zeit sowie Forschungen zu historischen Skandalen, die insbesondere aus dem Bereich der Kommunikationswissenschaften vorgelegt wurden, helfen dabei, die Berichterstattung und Medienresonanz auf der Basis solider wissenschaftlicher Erkenntnis zu betrachten. Es liegt nahe, dass Napoleons Propaganda und Selbststilisierung, die spätestens seit seinem Italienfeldzug 1796/97 begann und sich der Kunst, der Druckwerke und der Presse bediente, auch die Öffentlichkeitspolitik der Habsburger direkt oder indirekt beeinflusste.109 Metternichs frühe Ansätze der Pressepolitik sprechen dafür. Die Dynastie musste sich mit dem Kaiser der Franzosen als Leitfigur von Liberalismus und Nationalismus110 aber grundsätzlich schwertun. Unter Kaiser Franz I. inszenierte sie sich bürgerlich-zurückhaltend in Fortführung von Tendenzen aus dem Josephinismus und umgeben von Werten wie Volksnähe und Güte.111 Trotzdem kam auch sie nicht umhin, sich der neuen Gedankenwelt zu stellen, wollte sie ihre Position bewahren. Die Brüder des Kaisers fanden auf diese Herausforderungen verschiedene Antworten, und einige von ihnen hatten ihre Wurzeln letztlich auch in Napoleons erfolgreicher Selbstvermarktung. Damit einher ging aber auch ein gefährliches Vabanque-Spiel für traditionelle Dynastien, höhlten doch Personenkult und Legendenbildung wiederum das Prinzip der Legitimität zugunsten der Idoneität aus.112 Sobald das Volk von einem Herrscher durch öffentliche Auftritte und Pressemeldungen überzeugt werden musste, widersprach die Dynastie mit solchen Kampagnen vorderhand der Selbstverständlichkeit ihrer eigenen Position.113 Direkt Vergleichbares gab es in den zurückliegenden Jahrhunderten in dieser Fokussierung womöglich nur im Haus Oranien-Nassau, das im 17. Jahrhundert als Erbstatthalter der Niederlande zwar eine königsgleiche Stellung einnahm, aber immer wieder die – vor allem militärische – Idoneität unter Beweis zu stellen und zu propagieren hatte.114 Tendenzen dieser Entwicklungen reichen jedoch allgemein in die Frühe Neuzeit zurück. Wie in der jüngsten Forschung nachgewiesen wurde, führte der Einsatz höfischer 109 Zu Napoleon Tulard (1978), S. 326–327; Grosser, S. 176–177; Gonzales-Palacios, S. 7–9; Romaines, S. 289; Piereth, S. 21. 110 Tulard (1978), S. 506; Tulard (1968), S. 7–10. 111 Vocelka (1992), S. 364–366 und S. 377–386. Zum Josephinismus auch Kiss, S. 39–47. 112 Bereits in der Würdigung Stephans von 1848 in „Bentley’s Miscellany“ wurde festgehalten, dass ein Fürst früher nur ein guter Feldherr zu sein hatte, jetzt aber auch ein guter Redner, Staatsmann, Gesetzgeber und Ökonom sein müsse; Archduke Stephen, S. 207. 113 Burke, S. 262–263. Zu dieser Thematik am Beispiel Friedrichs II. von Preußen vgl. Martus, S. 474–475. 114 Pons (2018), passim.
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Printmedien zur Verteidigung eigener Rechtsansprüche und zur Diffamierung des Gegners bereits im 17. und 18. Jahrhundert zur Entzauberung der Monarchie und unterlief das Arkanum der Herrschaftsgewalt.115 Der Schritt zum Legitimationsdruck, dem sich Mitglieder der Herrscherdynastien ausgesetzt sahen, musste daher gerade unter veränderten politischen Voraussetzungen ein kleiner sein. Durch die Einführung von Verfassungen im 19. Jahrhundert standen die Regierenden vermehrt unter dem Zwang, sich in ihrer Position zu rechtfertigen. Herrscher mussten fortan durch Erfolge, Effektivität und letztlich Popularität überzeugen.116 Im Habsburgerreich des 19. Jahrhunderts reagierten Mitglieder der Dynastie und der Regierung reserviert auf diese Entwicklung. Metternich missachtete die Propaganda des „liberal-friedfertigen Fürsten“ sehr und hielt sie für äußerst gefährlich für die Throne Europas. Damit folgte er der negativen Konnotation des sich beim Volk beliebt machenden Fürsten, der damit seiner Legitimität selbst Abbruch tut – ein Bild allerdings, das sich seit den 1840er Jahren in Europa zusehends ins Positive wendete.117 Der dynastisch-konservativ eingestellte Erzherzog Albrecht opponierte indes noch nach diesem Wandel gegen das Leistungsdenken zur Legitimierung der Herrschaftsposition.118 Damit widersetzte er sich auch einem möglichen Individualismus innerhalb der Dynastie, welcher deren Kohäsion hätte stören können.119 Die Sprengkraft der neuen Entwicklung kam in Österreich also besonders zum Tragen und ließ ein solches Agieren besonders heikel werden. Aus der Sicht der Bevölkerung stand dieser neuen Sicht auf die Dinge das Fehlen von Persönlichkeiten gegenüber, die solche neuartigen Anforderungen hätten erfüllen können. Der Mangel an charismatischen Vertretern der Dynastie – trotz der großen Anzahl ihrer Mitglieder – förderte die Popularisierung Erzherzog Stephans, dem wohl als einzigem Habsburger in den Augen der Zeitgenossen ein Nimbus oder gar ein Charisma zukam,120 und trug, 115 Burgsdorf, S. 85–86 und S. 96–97; Bauer (2010), S. 179; Schmidt (2009), S. 354–360; Gestrich, u. a. S. 15; Carl, S. 184. 116 Müller (2019), Thronfolger, S. 22; Langewiesche, S. 41. Zur Öffentlichkeitsstrategie des britischen Königshauses unter Queen Victora vgl. Plunkett, passim, allgemein S. 3–8, wobei er der Strategie nachging, weniger der Rezeption. 117 Paulmann (2000), S. 289–294, auch S. 412. 118 Stickler (2018), S. 131. Zum antiaristokratischen, „bürgerlichen“ Leistungsdenken bei Kaiserin Elisabeth und Kronprinz Rudolf vgl. Hamann (1987), S. 528; Kohlrausch, S. 466–468. 119 Conze, S. 370. 120 Der offenere Begriff des Nimbus (Prestige) bei Le Bon, S. 124–125. Der Nimbus kann erworben worden sein oder aber mit der Persönlichkeit direkt in Verbindung stehen. Immer aber verhindert er, dass die Dinge so gesehen werden, wie sie sind. Grundsätzlich sind die Grenzen zwischen Charisma und Popularität fließender, als sie der Soziologe Lepsius ziehen wollte. Für ihn bildete das Charisma eine revolutionäre Macht, die grundlegende
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weil er Raum für allerlei Imaginationen bot, maßgeblich zu ihrem Erfolg bei, obwohl oder gerade weil er damit dem von Claudio Magris attestierten habsburgischen Mythos der bürokratischen Mentalität des entpersonalisierten Kaisers und der Aversion gegen Heroismus und Gestaltungwille vordergründig widersprach.121 War also die Presse bereits im Vormärz zu einer Macht für die Mitglieder der Dynastie geworden, steigerte sich das nach 1848 zusehends. Die „Kommunikationsrevolution“122 führte zunächst zur Pressefreiheit und zu einer weitaus differenzierteren Presselandschaft. Ab ca. 1850 wurde die Pressefreiheit wieder aufgehoben, und Restriktionen wurden wiedereingeführt. Viele Zeitungen und Zeitschriften überlebten diese Entwicklung nicht, und das Pressewesen unterlag erneut einer deutlichen Aufsicht. Durch ein Präventivsystem wurde, ohne es Zensur zu nennen, annähernd die Überwachung der Zeit vor 1848 erreicht. Österreich setzte mit seiner Pressegesetzgebung ab 1852 wieder auf die Lenkung der Presse. Artikel wurden subventioniert oder direkt lanciert, manche Zeitung staatlich mitfinanziert, so dass sich Ende der 1850er Jahre ungefähr die Hälfte der gesamten Zeitungslandschaft de facto in staatlicher Hand befand. Auch wurde grundsätzlich auf eine Ahndung unliebsamer Artikel (nach dem Erscheinen) gesetzt, nicht auf die Überprüfung und Unterbindung im Vorfeld. Hinzu kam ein Kautionssystem, das zu schmerzhaften finanziellen Einschnitten führte, wenn der Staat gegen publizierte Artikel einschritt, die dann aber freilich schon in die Welt getreten waren.123 In den deutschen Staaten sah es nicht anders aus, zumal der österreichische Einfluss auf das Pressewesen in den 1850er Jahren beachtlich blieb und das Bundespressegesetz von 1854 weitestgehend die Regelungen der Habsburgermonarchie für den Deutschen Bund übernahm. Trotzdem erVeränderungen herbeiführen kann und will. Dies grenzte er von Prestige, Ansehen und Popularität ab; Lepsius, S. 99–100. Auch die Darlegungen von Max Weber, auf die Lepsius zurückgeht, greifen im Folgenden nur bedingt, weil Stephan zwar als außergewöhnlich galt, ihm aber das Revolutionäre und/oder Gottgesandte fehlte; Weber, S. 140–142. Zur Aktualität solcher Führerfiguren in der Mitte des 19. Jahrhunderts siehe auch Wagners Oper „Rienzi“ von 1842, vgl. hierzu Gregor-Dellin, S. 130–132; Scholz, S. 65–69; Brandi, S. 5–7; oder Meyerbeers Oper „Der Prophet“ (1849), dazu Gerhard, S. 6–14; Zimmermann (1998), S. 265–266 und S. 271; auch Mailáth 5, S. 387. Zur Problematik der schwierigen Abgrenzung des Charismas von der Berühmtheit („Celebrity“) vgl. Berenson/Giloi, S. 7–8. 121 Tulard (1992), S. 201 und S. 206; Magris, S. 16–18 und S. 108. 122 Siemann (1998), S. 302, nach Knut Borchardt; Borchardt, S. 302; auch: Leonhard (2003), S. 45, und Wunderer (2013), S. 99. 123 Die Presseabteilung im österreichischen Außenministerium war eine der frühesten überhaupt und Vorbild unter anderem für Preußen; Hillerich, S. 9. Insgesamt vgl. Paupié I, S. 1–5; Friedel (2012), S. 120–121, S. 163–170 und S. 266.
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möglichte die Vielzahl der Staaten auch Schlupflöcher für eine eher liberale Presse, wie zum Beispiel in Leipzig oder Frankfurt. Auch im Herzogtum Nassau konnten noch nach 1849 Zeitungen erscheinen, die keineswegs mit der politischen Linie der Regierung übereinstimmten, wenn sie sich dieser auch im Laufe der 50er Jahre immer mehr annäherten. Trotz allem konnte die Presse daher viel stärker als vor 1848 Öffentlichkeit herstellen sowie Positionen manifestieren und festigen. Das belegen auch Auseinandersetzungen Stephans mit der Presse anlässlich eines veröffentlichten Artikels über die Schaumburg. So restriktiv das Pressewesen der 1850er und 1860er Jahre also auch blieb, gelang es den politischen Strömungen doch leichter als zuvor, an die Öffentlichkeit zu treten, und die Journalisten galten als „gefährliche Leute“.124 Erste Zeichen einer wirklichen Liberalisierung waren kurz vor 1860 zu erkennen, massiv aber dann nach 1867 – also bereits nach Stephans Tod. Bezüglich der hier zu behandelnden Epoche wurde daher von einer „massenmediale[n] Sattelzeit“ gesprochen,125 um das Aufkommen des medialen Zeitalters mitsamt neuer Wahrnehmungsweisen und Kommunikationsformen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu charakterisieren.126 Als 124 So Gustav Freytag in seinem Lustspiel „Die Journalisten“ von 1853; Freytag (1920), S. 111; dazu auch Zöllner, S. 470. Zum Pressewesen und zur Pressegesetzgebung im Deutschen Bund und in Österreich vgl. Friedel (2012), S. 18–26 und S. 120–121. Zum Streit mit der Mittelrheinische Zeitung StA Diez Sch 55/Sch 332 (22. Juli 1859) bzw. die Gegendarstellung in der Mittelrheinischen Zeitung Nr. 167 (20. Juli 1859), o. S., mit Verweis auf die Meldung vom 17. Juli „in einem hiesigen Blatte“ mit einem Bericht aus Montabaur. In der Mittelrheinischen Zeitung ist für diesen Tag nichts dergleichen zu finden. Angeblich waren Äußerungen Stephans zum italienischen Konflikt zu lesen, die dementiert werden. Es handelte sich also nicht um das Gerücht einer Rückkehr nach Österreich, das in Berufung auf die Mittelrheinische Zeitung und andere nassauische Organe österreichischen Blättern zu entnehmen war; Ost-Deutsche Post Nr. 178 (19. Juli 1859), o. S.; Innsbrucker Nachrichten Nr. 161 (19. Juli 1859), S. 1407; Temesvarer Zeitung Nr. 164 (21. Juli 1859), S. 1117. 125 Müller (2019), Thronfolger, S. 247. Telesko (2010) , S. 7, bezeichnete den „Medienbruch“ „als eigentliche ‚Signatur‘ des 19. Jahrhunderts“. Siemann (1998), S. 302f., sieht die Medienrevolution spätestens 1830 mit dem Einsatz der Schnellpresse in Deutschland einsetzen. Zum Problem des von Reinhart Koselleck geprägten Begriffs Sattelzeit vgl. u. a. Rödder, S. 273. Zu Verwarnungen der Mittelrheinischen Zeitung und Kniffen des Zeitungsinhabers, Ahndungen zu umgehen, vgl. HLA HHStAW Best. 210 Nr. 7463 und Best. 211 Nr. 8131. 126 Für Frankreich haben Thérenty und Vaillant das Jahr 1836 zum Jahr eins des Medienzeitalters erklärt, weil zu diesem Zeitpunkt „La Presse“ und „Le Siècle“ erschienen sind; Thérenty, S. 20. Robert Darnton spricht bereits für das späte 18. Jahrhundert von Informationsgesellschaft, was als Anachronismus zu werten ist; Requate (2009), Einleitung, S. 8–9. Vgl. auch Daniel/Siemann, S. 12. Ananieva/Haaser, S. 181, erkennen in der Zeit „ab 1800“ eine sich formierende neue Öffentlichkeit. Vgl. auch Gutzkow, S. 34–39 (Geist der Öffentlichkeit, 1844).
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Begleiterscheinung dieser Entwicklung mussten die verschiedenen Akteure – die Zensur, die politischen Protagonisten, die Journalisten – erst lernen, mit dem aufkommenden Pressesystem umzugehen.127 Für Dynastien führte der Journalismus dazu, dass sie auf der einen Seite ihre öffentliche Präsenz vor einem „Volk von Zuschauern“128 ausbauten, auf der anderen aber auch ihr arkanes Charisma verloren.129 Im Zusammenhang mit Erzherzog Stephan bedeutete es, dass sich antagonistische politische Lager seiner publizistisch bedienen konnten und ihn zum Feind oder Parteigänger erklärten. Unter dem Deckmantel eines Erzherzogs mochte das für die Presse auch bei verschiedenen Konstellationen unverfänglicher sein als mit anderen Mitteln. Trotz der Zensur und trotz verschiedener staatlicher Vorsichtsmaßnahmen ist den Zeitungsmeldungen als Quelle großes Gewicht beizumessen, wenn eben auch mit den dargelegten Einschränkungen oder inhaltlichen Ausrichtungen. Quellenkritische Einschränkungen gelten letztlich aber ja für alle Medien. Wenn etwa Stephan sich in seinen Briefen äußerte, bedeutete das nicht, dass er es frei tat. Bei der enormen Zahl an Schreiben seit den 1850er Jahren, die bis heute von ihm überliefert sind, kann man sich leicht ausmalen, wie intensiv er auf diesem Weg den Kontakt von der Schaumburg aus in unterschiedliche, weit gestreute Netzwerke aufrechterhielt und wie sehr er sich damit nicht nur Informationen beschaffte, sondern sich selbst vergewisserte, gebraucht zu werden.130 Allerdings war ihm sehr wohl bewusst, dass seine Briefe – wie auch diejenigen anderen Dynastiemitglieder und Persönlichkeiten der Staatsverwaltung – abgefangen und von Dritten gelesen wurden oder gelesen werden konnten. Der Post misstraute er schon im Vormärz, wie übrigens sein Vater auch. Aber auch nach 1848, in der Zeit seines Exils, ging er davon aus, dass seine brieflichen Äußerungen mitgelesen wurden131 und man ihm nachspionierte, „wenn es mir gleich für die Regierung, das Ministerium leid ist, daß sie zu solchen Mitteln greifen müssen“.132 Es 127 Das galt noch für die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts; Geppert, S. 427; Burckhardt, S. 89–96; Kohlrausch, u. a. S. 19; Epkenhans, passim; Paulmann (2019), S. 220–221; Friedel (2912), S. 267. 128 Müller (2019), Thronfolger, S. 246. 129 Bösch (2009), S. 482. 130 Baasner, S. 19. 131 StMLA Archiv Meran Schuber 7 Heft 5 (8. Januar 1848); Fiebig, S. 28; Schöne, S. 406–416. Zum Abfangen der Briefe vgl. Mayr (1935), S. 20–26: Täglich wurden 80 bis 100 Briefe durch die Geheime Ziffernkanzlei in Wien durchforscht und davon Interzepte angefertigt. Sobald diese Abschriften ihren „Gegenwartswert“ verloren hatten, d. h. ca. alle sechs Monate, wurden sie durch Metternich an die Ziffernkanzlei zurückgegeben, die sie nach einigen Jahren verbrannte. Eine groß angelegte Verbrennungsaktion erfolgte im März 1848. 132 StMLA Archiv Meran Schuber 7 Heft 5,8 (10. März 1850). Vgl. auch BayHStA GHA Nachlass Erzherzogin Elisabeth von Österreich Nr. 93 (3. Februar 1849).
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ging später sogar das Gerücht um, dass er, um die Bespitzelung zu umgehen, manche Briefe persönlich zur Posthalterei brachte, als hätte dies daran viel ändern können.133 Interessant ist freilich, dass Stephan diese Befürchtung wiederum schriftlich äußerte. Seinem Onkel, Erzherzog Johann, schrieb er, dass Briefe nicht nur wegen seines Eremitendaseins auf der Schaumburg ihren Weg zum Empfänger verfehlten, sondern dass „verlezte Briefgeheimniße“ daran die Schuld tragen dürften.134 Auch den Sekretär seines Bruders Joseph, László Károlyi, ließ er 1864 wissen, dass seit sechzehn Jahren die Post nicht immer den Weg auf die Schaumburg finde und gerade in der kürzlich zurückliegenden Zeit Briefe spurlos verschwunden seien.135 Da Stephan bewusst war, dass diese Zeilen gelesen werden konnten, müssen solche Äußerungen auch als Teil eines Machtspielchens gesehen werden: Aus seiner Opferrolle heraus zeigte er Renitenz und Stärke, indem er die österreichische Regierung der Verletzung des Briefgeheimnisses, das in vielen Ländern gesetzlich verbürgt war, in anderen als ungesetzlicher staatlicher Grundsatz galt,136 bezichtigte, was in Wien die Bereitschaft zur Konzilianz nicht eben gefördert haben wird. Trotz subversiver Äußerungen in den Briefen muss daher immer mitbedacht werden, dass Stephan in ihnen nicht nur den Adressaten als Leser im Blick hatte, sondern heimliche Mitleser auf dem Postweg – und vielleicht sogar die Nachwelt. Ungefilterte Selbsterkenntnisse sind daher nicht zu erwarten. Zur Schaffung eines mehrperspektivischen Persönlichkeitsbildes können Presse und Korrespondenz auch nur einen, wenn auch sehr facettenreichen Beitrag leisten. Daneben sind auch Zeugnisse der politischen Entscheidungsträger, der Diplomatie und der Adelsgesellschaft heranzuziehen, die sich aus ihrem ganz eigenen Blickwinkel, der nicht selten aus wenig belastbaren Informationen resultierte, ihr Bild Stephans schufen. Mehrperspektivität heißt in diesem Fall ganz konsequent auch, die Wiener Regierung und ihre Vertreter in den Blick zu nehmen, Familienmitglieder des Hauses Habsburg, Verwandte und Bekannte in europäischen Fürstenhäusern, Gesandtschaften und Diplomaten, die Wiener Polizeihofstelle, Vertreter 133 Fiebig, S. 28. Insbesondere seine „rechte Hand“ Anders wurde im Nachhinein verdächtigt, Stephan in Wirklichkeit überwacht zu haben. Vermutlich war das aber posthume Legendenbildung. 134 StMLA Archiv Meran Schuber 7 Heft 5,8 (10. März 1850); NLA Oldenburg Dep. 50 Best. 6 F Nr. 134 (6. März 1850); NLA Oldenburg Dep. 50 Best. 6 F Nr. 134 (29. April 1850); StMLA Archiv Meran Schuber 7 Heft 5,8 (3. Mai 1851). 135 Hankó (1990), o. S. Zu Károlyi OeStA HHStA SB Familienarchiv Sachsen-Coburg-Gotha II-23-13 (11. Januar 1864). 136 Küsgen, S. 456.
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des Hofklatschs sowie politische Entscheidungsträger in Ungarn, Böhmen oder im Herzogtum Nassau, um ein Bild Stephans in aller Heterogenität zu erhalten. All das ist der Selbstwahrnehmung Stephans und den Zeitungsmeldungen sowie der Publizistik gegenüberzustellen. Die vorliegende Arbeit nimmt ganz bewusst keine eindeutige Perspektive ein, so dass je nach Standpunkt auch verschiedene Aspekte und Bilder Stephans in den Blick geraten: seine politische Haltung, sein Agieren als Politiker, sein Handeln und Selbstverständnis als Vertreter der Dynastie sowie sein Wirken als Standesherr oder als Mitglied eines internationalen Netzwerks der Hocharistokratie. Das lässt wiederum Rückschlüsse auf Kriterien des sozialen Kapitals zu, wie sie Anerkennung, Vertrauen oder gar Konsens bilden.137 Die Einschätzungen können sich dabei als sehr schwankend erweisen, so dass Stephan sowohl Revolutionär wie auch Reaktionär sein konnte. Dominierend in der Wahrnehmung aber blieb – entsprechend den bereits erwähnten Theorien zu Charisma und Nimbus – die vermeintliche Abweichung von Erwartungen oder sogar die erwartete Abweichung davon. Der Widerstreit zwischen Individualität und Gemeinschaft wurde in gewissem Maße konstruiert und regelrecht heraufbeschworen. Er wurde erwartet oder gewünscht. Stephans Anteil daran wird zu ergründen sein, entgehen aber konnte er diesen Zuschreibungen nicht. Damit bildete die in den veröffentlichten oder unpublizierten Werturteilen der Zeitgenossen aufscheinende soziokulturelle Disposition neben dem familiären einen zweiten Rahmen, der die Perspektiven zu bündeln vermag.138 Entsprechend der Darlegung des Historikers Wolfram Pyta sollen im Folgenden subjektive Sinnzuschreibungen offengelegt werden, und entsprechend Pytas Protagonist Hindenburg betrachten wir Stephan in der „symbolische[n] Funktion eines Repräsentanten der Deutungskultur“, und sei es als Repräsentant seiner eigenen Deutungskultur. Diesen – bereits angesprochenen – „soziokulturellen Resonanzboden“ werden wir im Folgenden nie aus den Augen verlieren, aber auch nicht zuungunsten des biographischen Subjekts in den Vordergrund rücken.139 Auch kann erst am Schluss die Frage beantwortet werden, inwieweit Stephan als Akteur in Erscheinung trat oder reine Projektionsfläche war. Bereits jetzt kann darauf hingewiesen werden, dass eine Projektionsfläche im Rahmen kommunikativer Akte niemals unberührt von den Projektionen bleibt. Die „rekursive Wechselbezie-
137 Burkhardt (2015), S. 115. 138 Pyta (2009), Hindenburg, S. 57. Vergleiche zum Virtuosen als sozialem Konstrukt VanderHamm, S. 1–2. 139 Pyta (2009), Hindenburg, S. 60–62; Pyta (2009), Biographisches Arbeiten, S. 333.
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hung aus Wirkungen und Rückwirkungen“140 ist stets mitzudenken, so dass in Stephans Person die Projektion und die Rückprojektion gleichermaßen zu betrachten sind. Das Leben des Erzherzogs muss sich also aus bewusst subjektiven Standpunkten heraus entwickeln, die – im Übrigen auch während seiner politischen Aktivität – greifbarer und damit realer sind als politische Handlungen. Das „Übermaß an Erinnerungsquellen“, an subjektiver Korrespondenz und zeitgenössischen Werturteilen ermöglicht deshalb in diesem Fall erst den „sachlichen Blick“.141 Freilich ruht dieser dann auf der gemachten Persönlichkeit und gibt sich nicht dem Glauben hin, durch das aktive politische Handeln, das im Falle Stephans ja auch kaum gegeben war, einem Menschen näher zu kommen als durch Forderungen, die durch das Selbstbild und die Fremdbestimmung an ihn gestellt wurden, oder Zurückweisungen, die ebenfalls aus diesen Bildern resultierten. Dabei werden ganz bewusst auch „Meinungen, Gerüchte und Stimmungen der Zeitgenossen“ berücksichtigt142 und auf ihre Bedeutung für das Persönlichkeitsbild Stephans hin befragt. Denn jede Verdächtigung gibt wiederum darüber Aufschluss. Zu posthumem „Rufmord“ wird das nicht führen,143 weil diese Äußerungen als solche kenntlich gemacht werden. Damit wird das biographische Subjekt aber auch keine „denkmalgeschützte Person“.144 Die auf diese Weise sich darstellenden Teilwahrheiten145 zusammenzustellen, garantiert, dass ein Bild aus Bildern entsteht, die für die Zeitgenossen ganz real waren und die wir heute als real akzeptiert anerkennen müssen. Die Frage nach dem „wirklichen“ Stephan, nach der bereits erwähnten „Person-Essenz“, erübrigt sich daher bis zu einem gewissen Grad, zumal sie ganz grundsätzlich sehr zweifelhaft ist.146 Wie wir heute wissen, ist das Erfassen 140 Burkhardt (2015), S. 48. 141 Siemann (2016), S. 28, wirft Srbik vor, Metternich zu sehr aus den subjektiven Quellen und nicht aus dem Verwaltungsschriftgut beurteilt zu haben. Letzteres wäre im Fall Stephans kaum möglich. Zur Korrespondenz in ihrer Mischform aus Privatem und Öffentlichem vgl. Paulmann (2001), S. 160–164. 142 Siemann (2016), S. 28; Siemann (1998), S. 306, identisch publiziert auch bei Siemann (2006); auch Karsten, S. 8. 143 Jonas, S. 291. 144 Sindele, S. 168. 145 Paravicini, S. 38. 146 So, wie die moderne Geschichtswissenschaft ja auch den Glauben Rankes abgestreift hat, die Dinge so darstellen zu können, wie sie „wirklich“ gewesen seien. Auch Ronald Asch wies darauf hin, dass eine gelungene Heroisierung Teil der Wirklichkeit werde; Asch (2016), S. 15. Defrance hingegen setzte es sich zum Ziel, anhand des überlieferten Archivguts der romanhaften Legendenbildung um Prinzessin Luise von Belgien habhaft zu werden und ihr wirkliches Leben darzustellen; Defrance, S. 10–11. Auch dieser Ansatz ist – unter Be-
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der vermeintlich historischen Wahrheit immer ausgesprochen schwierig bis unmöglich. Die Annäherung an Persönlichkeiten, an die Vielgestaltigkeit von Charakteren, Rollenbildern und Handlungsmustern sowie die psychische Beschaffenheit ist immer delikat und – bei übersteigerten Anforderungen an die Fähigkeit historischer Rekonstruktion – von vornherein zum Scheitern verurteilt.147 Ohnehin müssen die von außen oder posthum an eine Person oder an ein Leben herangetragenen Ansprüche nicht mit den eigenen Wertmaßstäben des Protagonisten konform gehen. Der Erzherzog selbst äußerte sich über die Bedeutung eines Menschen einmal in der Zeit seines Exils, als er wieder einmal einen der zahlreichen Orden verliehen bekommen hatte, über die er sich irgendwann nur noch lustig machte: „Einem gibt’s [sc. das Schicksal] so viel, daß er gar nicht weiß wohin damit und aus Desperation am Ende die allerlezten Auszeichnungen auf die Rockschöße nähen muß (exempli gratia ich mit meinen 27 Großkreuzen!!), ein Anderer fällt ganz leer durch und hat sich doch weit mehr geplagt! Der Welten Lauf!“148 Stephan sah sich auf der Seite der Gewinner, aber, im Nachhinein betrachtet, war er doch eben auch – je nach Beurteilung – einer derjenigen, die am Schluss ihres Lebens „ganz leer“, wie er schrieb, „durchgefallen“ waren: als Mitglied des österreichischen Kaiserhauses ohne Funktionen im Exil lebend, ohne Familie, ohne Nachkommen und schließlich auch ohne nennenswerte Spuren hinterlassen zu haben, mit nicht einmal fünfzig Jahren an einem Lungenleiden versterbend. Er war bis zuletzt ein Hassobjekt oder ein Hoffnungsträger149 geblieben, der sicher auch an den selbst geschürten und künstlich durch die öffentliche Meinung aufgebauten Erwartungen gescheitert war. Gerade in diesem Scheitern, dem immer wieder menetekelhaft als Gegenentwurf zur Wiener Politik verstandenen Dasein des Erzherzogs liegt eine Bedeutung, die dieses Leben über das hinaushebt, was es rein ereignisgeschichtlich war.150 Die folgende Biographie wird sich daher in einem Dreieck aus Kommunikations- bzw. Mediengeschichte, Dynastiegeschichte und rücksichtigung der genannten Einschränkungen – legitim. Vgl. auch Pons (2022), Boulevardisierung, passim. 147 Dazu ausführlich Gay (1994), passim; auch Gay (1999), S. 16–18. 148 HLA HHStAW Best. 1174 Nr. 11 (4. Januar 1865). 149 „Der Palatin agierte in+ seiner neuen gestärkten Rolle jedoch sowohl als Stoßdämpfer als auch als Stein des Anstoßes in dem gespannten Verhältnis zwischen der Krone und Ungarn“; Péter, S. 286. 150 Asch urteilte, Helden seien historische oder fiktive Personen, die an der Grenze der Gesellschaft stehen und zugleich ihre wesentlichen Werte verkörpern; Asch (2016), S. 16. Das können natürlich auch Anti-Werte sein, mit denen sich Sehnsüchte und Hoffnungen verbinden. Auch kann die Transgressivität des Helden ebenfalls wieder eine konstruierte sein. Dazu auch Asch/Butter, S. 11.
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biographischen Ansätzen bewegen, um die Bedeutung Erzherzog Stephans quasi zu umschreiten und mehrperspektivisch zu erfassen. 1.3 Wege zu Erzherzog Stephan – Die Quellen- und Forschungslage Welche Quellen stehen für das Vorhaben einer mehrperspektivischen Biographie unter Einbeziehung medialer Persönlichkeitskonstruktionen zur Verfügung? Joseph Freiherr von Anders, Stephans langjähriger Erzieher, Lehrer und Adjutant, legte 1868, ein Jahr nach Stephans Tod, eine umfangreiche Biographie vor, die allerdings anonym erschien, einige Verbreitung fand, aber Stephan keineswegs dauerhaft in Erinnerung hielt. Eine Äußerung von Anders aus dem Jahr 1868 spricht nicht für eine alleinige Autorenschaft des langjährigen Wegbegleiters, es sei denn, Anders hätte hier bewusst Understatement betrieben.151 Vermutlich ging das Verfassen der Schrift nicht auf seine eigene Initiative zurück. Es ist auch zu lesen, die Biographie sei im Auftrag von Stephans Halbbruder Joseph entstanden, der damit das Ziel verfolgt haben könnte, seinen durch Stephan in Misskredit geratenen Zweig des Hauses Habsburg wieder zu rehabilitieren.152 Doch war dies zu diesem Zeitpunkt bereits so weit wieder geschehen, dass es fraglich bleibt, ob es der Biographie noch bedurft hätte bzw. warum man es dann nur dabei bewenden ließ. Am wahrscheinlichsten ist, dass Stephan selbst diesen Wunsch vor seinem Tod geäußert und sich Joseph dann für die Realisierung eingesetzt hat. Schließlich hatte Stephan ja auch bereits 1847 den Schriftsteller Gustav Thormond Legis-Glückselig damit beauftragt, eine Geschichte seiner Regierungszeit in Böhmen zu verfassen.153 Wenn diese Ambition schon nach wenigen Jahren Verwaltungstätigkeit in Böhmen erkennbar war, wie viel wahrscheinlicher ist sie nach einem ganzen Leben? So oder so ist das Buch für den heutigen Biographen Segen und Fluch zugleich. Denn es ist überaus materialreich und schöpft aus einem großen Quel151 Anders selbst schrieb über dieses Buch, dass es „ohne mein Hinzuthun gewiß nicht zu Stande gekommen wäre“, was er gegenüber dem „großen Publikum“ aber verschweigen werde; OeStA HHStA HA Familienkorrespondenz A 52-19-6 (21. Juli 1868). Ein Dankschreiben des Großherzogs von Oldenburg an Anders für die Übersendung der Biographie Stephans wurde 1981 dem Staatsarchiv Oldenburg zum Kauf angeboten; NLA OL Rep. 420 Best. 210 Nr. 5715, auch NLA OL Slg. 50 Best. 284 Nr. 47. Zur zeitgenössischen Rezeption HLA HStAD Best. D 23 Nr. 25/11: Lesung im Familienkreis des Prinzen Karl von Hessen, u. a. „oft trocken geschrieben“ (13. Dezember 1868). 152 Friedjung 2.1, S. 263; Kováts, S. 250. 153 Kořalka (2003), S. 371 (6. Dezember 1847). Diese Schrift wurde nie publiziert; BLKÖ 14 (1865), S. 307.
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lenfundus, der heute verloren ist und daher nicht mehr mit unserem heutigen Blick gelesen und auf unsere Themen hin befragt werden kann. Glücklicherweise sind diese Quellen auf diesem Weg – wenn auch oft nur in Paraphrase und Interpretation durch Anders – auf uns gekommen. Allerdings trägt das Buch einen allzu apologetischen Charakter,154 so dass es mit Vorsicht zu rezipieren ist – zumal sich eben vieles an den Quellen nicht mehr überprüfen lässt. Es handelt sich nicht einmal um eine wohlwollende Biographie, sondern um den bewussten Versuch, Stephans Verhalten vor der Nachwelt zu rechtfertigen, wie es diesem sicherlich selbst vorgeschwebt hatte.155 Die Exilzeit – also ein Zeitraum von zwanzig Jahren – kommt darin so gut wie nicht vor. Gleiches trifft auch auf den eher publizistisch zu nennenden Ansatz von Géza Kacziany zu, der Stephan 1933 in Abgrenzung zur Wiener Regierung um Franz Joseph als volksverbundenen Ungarn wiederentdecken wollte und den Fokus seiner Darstellung auf das Jahr 1848 legte. Im Gegensatz zur Biographie von Anders wurde dieses Werk jedoch kaum rezipiert. Alle Darlegungen, die seit dem späten 19. Jahrhundert über Erzherzog Stephan veröffentlicht wurden, fußen fast ausschließlich auf den Schilderungen des Freiherrn von Anders. Das gilt für Christian Spielmanns Kurzbiographie aus dem Jahr 1900; das gilt aber über größere Strecken sogar für den fundierten Aufsatz von Stefan Kováts von 1997. Die 2017 erschienene Biographie des Erzherzogs von Willi Schmiedel und Willi Bode fällt hinter den Aufsatz von Kováts leider wieder zurück, weil sie aus einer heimatgeschichtlichen Perspektive die Absichten in der Literatur nicht hinterfragt und damit den Erzherzog – ganz im Sinne des 19. Jahrhunderts – ohne ausreichende Quellenkritik und belastbare Quellennachweise auf einen Sockel zu heben versucht.156 Angesichts der sehr überschaubaren Forschungslage war daher das Problem vieler anderer Biographen, verschiedene historiographische Projektionen ihres Untersuchungsgegenstandes freizulegen,157 im Fall Stephans kaum 154 Diesen Zug monierten bereits die Zeitgenossen; vgl. die Besprechung des Buches in Morgen-Post Nr. 253 (14. September 1868): Das Buch habe den Zweck, die „Verbannung durch aktenmäßige Beweise in Abrede zu stellen.“ Aber, „indem es verneint, bestätigt es“. Stephan sei des Landes verwiesen worden, habe das Brot der Verbannung aber so gegessen, „wie es Erzherzoge essen; Erzherzoge, mit des Lebens irdischen Gütern reich begabt, Erzherzoge andererseits von so edler und durchaus herrlicher Gemüths- und Geistesbeschaffenheit, wie Stephan, der letzte Palatin von Ungarn.“ Der folgende Abriss gibt kurz Stephans Bemühungen um die Rehabilitierung wieder. 155 BayHStA GHA Nachlass Erzherzogin Elisabeth von Österreich Nr. 93 (3. Februar 1849): Stephan wollte nicht ohne Rechtfertigung seines Handelns in den Akten angeführt sein. 156 Diese Grundeinstellung übernimmt auch Schneider, obwohl in ihrem Artikel von einem Vortrag berichtet wird, dem ein ganz anderer Tenor zugrunde lag. 157 Stollberg-Rilinger (2017), S. XXVI.
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möglich bis nötig. Natürlich müssen Einschätzungen wie diejenige seines vermeintlichen Liberalismus, zu dem er sich persönlich übrigens nie bekannte, hinterfragt werden.158 Aber von Stephan hat sich im Großen und Ganzen kein Denkmal in den Köpfen festgesetzt, das demontiert werden könnte oder müsste, geschweige denn, dass ihm – wie zum Beispiel seinem Vater – in realiter eines gesetzt worden wäre.159 Der Biograph hat es daher verhältnismäßig leicht, weil er kaum gegen bestehende Bilder arbeiten muss, sondern sich als Entdecker einem weitgehend unbekannten Terrain nähern kann. Er ist damit im gleichen Augenblick „Reiseführer“160 und Entdecker, der sich auf dem etwas unwegsamen, weil sehr subjektiven Gelände persönlicher Wertungen in den Quellen bewegt, um das Leben eines Menschen zu schildern. Diese Quellen selbst sind immer selektiv und müssen selektiv bleiben, wenn auch ein möglichst weiter Radius bei der Auswertung angestrebt wurde.161 Zunächst existiert eine überaus umfangreiche Überlieferung an Korrespondenz – also Briefe Stephans, die sich in den Empfängerarchiven befinden und ein eindrückliches Bild seiner Weltwahrnehmung und seiner Selbstsicht, vor allem aber auch seiner Selbststilisierung ermöglichen. Gerade die Literaturwissenschaft weist immer wieder darauf hin, wie sehr Briefe eine Rolle konstruieren oder als Maske dienen. Ihr für einen bestimmten Empfänger bestimmter Text entwirft ein absichtsvolles Bild, kann je nach Adressat verschiedene Charaktere entwerfen und ist immer wieder auch der sozialen Kontrolle durch die Leser unterworfen. Der Adressat ist damit stets auch Koautor des Briefes, was der Germanist Albrecht Schöne als „Grundgesetz der Epistolographie“ bezeichnet hat.162 Selbst Alltagskorrespondenz vermag einen Kunstcharakter anzunehmen, was auch bei Stephan immer wieder mitzudenken ist. An manchen Stellen wird es sogar offensichtlich. Für die vorliegende Biographie wurden Schriftzeugnisse163 Stephans und – in Auswahl – seiner Verwandten164 und Bekannten in Berlin, Brüssel, Bü158 Dollinger, S. 331, über König Ludwig I. von Bayern: „Er trägt alle Elemente eines Aristokraten neben allen Träumen und idealen Gebilden des Liberalismus in sich“ (Bericht des österreichischen Gesandten 1825). 159 Johann Halbig schuf das Denkmal des Palatins Joseph 1869 in Pest. 160 Siemann (2016), S. 11. 161 Meier, S. 110. 162 Schöne, S. 30–39 bzw. S. 56–57, das Zitat auf S. 67; Baasner, S. 3. 163 Wegen der unorthodoxen und oft nicht eindeutigen Interpunktion Stephans, u. a. durch die uneindeutige Setzung von Kommata und Gedankenstrichen, werden seine Briefe im Folgenden zwar buchstabengetreu, aber in moderner Zeichensetzung zitiert. Vgl. zu dieser Vorgehensweise auch Schuh, S. 9. 164 Laut Auskünften des Hessischen Staatsarchivs Marburg und des fürstlichen Archivs in Bad Arolsen ist die Korrespondenz mit dem Haus Waldeck leider nicht überliefert. Die einzige bezüglich ihrer Laufzeit relevante Akte mit Waldeckischer Korrespondenz im Hes-
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ckeburg, Budapest, Darmstadt, Diez, Dresden, Graz, Hannover, Koblenz, Luxemburg, Mantua, Marburg, Meiningen, München, Nürnberg, Padua, Prag, Oldenburg, Schwerin, Stuttgart, Weimar, Wien und Wiesbaden gesichtet. Leider deckt sich die überlieferte Korrespondenz in ihrem Umfang nicht mit der Häufigkeit der von ihm an bestimmte Adressaten geschriebenen Briefe, wie sie sich Stephans Briefen selbst entnehmen lässt. Die umfangreiche Korrespondenz mit seiner Schwester Marie Henriette ist annähernd verloren, die mit seiner Schwester Elisabeth nicht ausfindig zu machen, sofern sie nicht auch verlustig gegangen ist.165 Aus der Zufälligkeit der Überlieferung ergeben sich inhaltliche Schwerpunkte, die nicht gewollt, aber auch nicht zu vermeiden sind. Wie bereits dargelegt: Ganz bewusst wurde auf Ego-Dokumente166 zurückgegriffen, nicht auf Verwaltungsschriftgut, aus dem sich das politisch-administrative Handeln hätte rekonstruieren lassen. In gleichmäßiger Verteilung über den ganzen Lebenslauf hinweg soll damit das Eigenbild des Protagonisten greifbar werden. Um die verbleibenden fünf Jahre als Statthalter von Böhmen, in denen er nur bedingt gestaltend tätig werden konnte, und als Palatin von Ungarn, in denen er von den revolutionären Ereignissen mitgerissen wurde, nicht über Gebühr aufzuwerten, wurde bewusst in dieser Biographie für diesen Zeitabschnitt auf das gleiche Quellenmaterial wie zuvor und danach zurückgegriffen. Die vorliegende Studie fußt deshalb auch in überwiegendem Maße auf archivalischen Quellen, die zum ersten Mal zu diesem Zweck zurate gezogen wurden. Das Archiv der Schaumburg, das heute im Landeshauptarchiv in Koblenz der Forschung zugänglich ist, konnte nur eher marginal von Bedeutung sein, weil sich dort vorrangig die Unterlagen zur Verwaltung der Standesherrschaft befinden. Leider ist der schriftliche Privatnachlass Stephans nach seinem Tod an seinen Bruder Joseph übergegangen und in dessen Schloss Alcsút in Ungarn während des Zweiten Weltkrieges verbrannt. Die an Stephan gesandten Briefe sind deshalb leider verloren.167 Die Überlieferung von Briefen des Erzherzogs aber ist an den Empfänger adressen äußerst umfangreich, was es einem Biographen, der sich um die erste fundierte wissenschaftliche Aufarbeitung eines Lebens bemüht, immer schwer macht, den richtigen Weg zu finden:168 Die Biographie soll möglichst sischen Staatsarchiv Marburg, HLA HStAM Best. 118 a Nr. 1882, enthält keine Briefe Stephans oder seines Vaters. Zum Haus Waldeck vgl. Menk (1999 und 2001). 165 BayHStA GHA Nachlass Erzherzogin Elisabeth von Österreich Nr. 98 (12. August 1857). 166 Zu Ego-Dokumenten allgemein vgl. Rutz, passim; Leibetseder, S. 3–5; Meise, S. 20–22. 167 Kováts, S. 256; Hankó (1990), o. S. 168 Bereits Lytton Strachey attestierte in Standardbiographien einen beklagenswerten Man-
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stringent und lesbar sein, trotzdem aber den Facettenreichtum des aufgearbeiteten Quellenmaterials ausschöpfen. Kleinere Abschweifungen mag der Leser deshalb entschuldigen, größere, so hofft der Autor, sind nicht entstanden. Die Korrespondenz ist in sich widersprüchlich, charmant und witzig, nicht selten exaltiert oder gar affektiert,169 in vielem auch fassadenhaft. Viele Briefe tragen die Selbstinszenierung regelrecht vor sich her, sind kleine Sprachkunstwerke, die es quasi auf den Denkmalcharakter der Korrespondenz anlegen. Doch fehlt ihnen die Konsistenz der Aussage oder gar eine Selbstrechtfertigung, um diesen Eindruck letztlich zu bestätigen. Häufig wirken sie trotz ihrer werbenden Ausrichtung auf den Leser wie ein „lautes Denken“, in dem das Widersprüchliche nur Teil eines Findungsprozesses ist, der im Brief – und womöglich auch im realen Leben – nicht zum Abschluss gekommen ist.170 In einigen Fällen wird wiederum die bewusste Camouflage oder Erfüllung von Konventionen und vermeintlichen Erwartungshaltungen der Adressaten offensichtlich. Die „Bekräftigung derselben Wertehaltung und Umgangsnormen“ als soziales Phänomen kann in den Briefen immer als solche interpretiert werden, aber auch nur als bewusstes Spiel damit. In beiden Fällen ist es besonders interessant, wenn es zum Bruch von Konventionen kommt.171 Gerade die als „exklusive Privatsache“ verstandene und doch darüber hinausgehende Korrespondenz des europäischen Hochadels lotet diese neuen Formen des Selbstverständnisses zwischen allen Schattierungen von Privatheit und Öffentlichkeit aus.172 Zweifel an einer belastbaren Aussagekraft diegel an Auswahl („lamentable lack of selection“), bekannte aber, dass diese materialreichen Werke ihm bei der Erstellung seiner Essays sehr geholfen hätten; Strachey, S. 22. 169 Ein oldenburgischer Beamter berichtete, Stephans Auftreten 1857 in Eutin sei durch unerschöpfliches Erzählen von Anekdoten, durch Wortspielereien, Scherze und komische Redensarten charakterisiert gewesen; Erinnerungen an das Eutiner Hofleben, S. 106 (12. September 1857) und S. 116 (18. September 1857). Besonders affektiert ein Schreiben an Erzherzog Franz (Joseph), OeStA HHStA SB Coronini-Cronberg 4-7 (28. Dezember 1847); allgemein auch Schöne, S. 101–102, zum Folgenden auch dort S. 98–99. 170 Kleist, S. 311. 171 Baasner, S. 15 (hier am Beispiel bildungsbürgerlicher Korrespondenz). Die umfangreiche Adelskorrespondenz des 19. Jahrhunderts ist bisher nicht in dem Umfang in den Fokus der Wissenschaft gerückt, wie es ihr gebühren würde; vgl. Baasner, passim; Schlaffer, S. 44 (Korrespondenzen des 19. Jahrhunderts als „geschriebene Ahnengalerien eines Bürgertums“); Hochedlinger und Schmid gehen auf diese Quellengattung nicht ein. 172 Müller (2019), Thronfolger, passim; Riotte (2014), S. 210–211; Osterhammel, S. 63–67; Pons (2001), S. 30–50; Baasner, S. 6: Die Zeitungen publizierten politische Diskussionen, der Brief offenbare sich als „exklusive Privatsache“. Im Fall des Hochadels dokumentieren diese Briefe eine zweite Ebene des politischen Geschehens, etwas Informelles zwischen Privatheit und Öffentlichkeit, zwischen Familienleben und politischer Entscheidungsfindung.
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ser Dokumente sind daher immer angebracht: Sie sind auf diese Möglichkeit hin zu befragen, und es gilt, wenn möglich durch diese Fassaden hindurch zu ihrer Substanz vorzudringen.173 In vielen Fällen wird Letzteres aber nur mit einem gehörigen Maß an Hypothesen möglich sein. Es ist daher dringend geboten, sich den Schreiber nicht vom Leib zu halten,174 sondern diese Hürde zu überwinden, ihm trotz aller Widrigkeiten möglichst nahe zu kommen175 und erst dann, in einem zweiten Schritt, die gebotene Distanz zu wahren.176 Das ist schwer genug. Denn mehrfach berichtete Stephan über ein und denselben Sachverhalt verschiedenen Adressaten in der gleichen Zeit abweichend voneinander, was weit über die Annahme verschiedener Rollen gegenüber unterschiedlichen Korrespondenzpartnern hinausgeht.177 Auch wenn immer wieder zu lesen ist, Stephan habe gewöhnlich rücksichtslos seiner Meinung Ausdruck verliehen,178 lässt sich dies in seinen Briefen nur ausgesprochen selten belegen.179 Das macht diese Korrespondenz aber auch äußerst spannend, ganz im Widerspruch zu Stephans eigener Einschätzung, dass jeder für die Langeweile zu bedauern sei, die sich einstelle, wenn man seine Briefe lesen müsse.180 Viel Koketterie dürfte auch in diesem Urteil mitschwingen. Denn sonst hätte Stephan wohl kaum so viel geschrieben, wenn er nicht der Überzeugung gewesen wäre, damit etwas mitzuteilen, was den Empfänger auch interessieren könnte. Darüber hinaus bekam er ja auch viel Lob für seine unterhaltsamen, kurzweiligen Schreiben. Sein Cousin, Erzherzog Albrecht, schrieb sogar, die Briefe seien wie Opium oder Morphinpulver.181 Das war positiv gemeint, klingt aber auch ungesund und gefährlich. Es ist daher umso wichtiger, diesen Kern der Quellengrundlage auf Urteile über den Erzherzog auszuweiten. Als zentrale Quelle zur Rekonstruk173 „Seelenwinkel“ des Protagonisten sind anhand der Korrespondenz nur bedingt zu erforschen; Tadié, S. 9. 174 Meier, S. 101; Stollberg-Rilinger (2017), S. XIV. 175 Haarmann weist darauf hin, wie wichtig biographische Grundlagenforschung zu den Habsburgern des 19. Jahrhunderts sei; Haarmann, S. 159. 176 Erzherzog Stephan spielte in der um das Jahr 2000 aufkommenden Literatur zur Demontierung des Hauses Habsburg bzw. des mit ihm in Verbindung stehenden Mythos keine Rolle, so z. B. bei Leidinger und Dickinger, passim. 177 Das Eingehen auf den Adressaten sieht die Forschung als Zeichen besonderer Intelligenz. Damit sind aber Stilistik, Sprachniveau und Themenstellung gemeint, nicht die inhaltlich konträre Darstellung gleicher Sachverhalte; Schöne, S. 66–67; Baasner, S. 26. 178 Schlitter (1920), Böhmen, S. 8. 179 Auch von Erzherzog Johann ist zu lesen, er habe immer die Sprache dessen gesprochen, mit dem er gerade redete; Valentin 2, S. 82–83. 180 HU MNL OL P 301 (9. März 1844). 181 HU MNL OL P 301 (27. Februar 1866).
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tion des mehrperspektivischen Persönlichkeitsbildes fungieren daher die Zeitungsmeldungen über den Erzherzog, so ungesichert diese im Einzelfall auch sein mögen.182 Insbesondere die durch die Österreichische Nationalbibliothek online bereitgestellten digitalisierten Zeitungsbestände ermöglichen eine Auswertung und Recherche, wie sie im analogen Zeitalter nicht möglich gewesen wäre. Sie schufen ganz neue Optionen zur Rekonstruktion der öffentlichen Erscheinung eines Dynasten. Weitere Urteile über Stephan sind hingegen deutlich schwerer zu ermitteln, weil sie sich überall in Briefen und Tagebüchern von Personen finden lassen können, die mit Stephan zusammentrafen oder die von ihm gehört hatten. Vieles davon bleibt ein Zufallsfund. Edierte Tagebücher und ähnliche Quellen bieten jedoch einen Zugang, weil durch Indizierungen eine gezielte Suche möglich wird. Urteile aus verschiedenen sozialen Feldern liegen damit vor, die in der Konstruktion eines Persönlichkeitsbildes ernst zu nehmen sind, auch wenn es sich um Hofklatsch und Gerüchte handelt. Die Histörchen ließen Stephan nach 1848 in der (Wiener) Adelsgesellschaft präsenter sein als die physische Person, und sie wurden zum Zweck der Schaffung eines Persönlichkeitsbildes auch ganz bewusst lanciert.183 Absichtslos dürften also nur die wenigsten dieser Geschichten verbreitet worden sein, folgenlos für Stephan waren sie allesamt nicht. Bedauerlicherweise ist dem Berichtswesen von Spionen und Spitzeln in den Quellen nicht nachzuspüren.184 Nur unter Heranziehung solcher Quellen, die in den verschiedenen Lebensabschnitten in unterschiedlicher Gewichtung vorliegen und deren mediale Eigenlogiken das Bild Stephans je nach Gewichtung auch in die eine oder andere Richtung beeinflussen, kann der Protagonist in allen Facetten der ihm entgegengebrachten Wahrnehmung erfasst werden. Denn die seit Anders tradierte Abgrenzung der positiven Gestalt Stephans von den vermeintlich reaktionären185 Amtsträgern am Wiener Hof verwehrt den Zugang zu seiner Persönlichkeit und zu seiner Wahrnehmung in der Welt. Sie setzt 182 Karsten, S. 8. Auch Falschmeldungen in den Zeitungen, wenn es sich nicht nur um reines Versehen handelt, geben etwas über Wertmaßstäbe der Epoche preis und können damit das Bild des Protagonisten in der Öffentlichkeit abrunden; Sieg, S. 349. 183 BayHStA GHA Nachlass Erzherzogin Elisabeth von Österreich Nr. 37/1 (o. D., Fragment). Erzherzogin Maria Dorothea bat ihre Tochter Elisabeth darum, die von ihr mitgeteilten positiven Geschichten über Stephan zu verbreiten, „da man so vil hässliches erzählt.“ 184 Pocknell, S. XXIX–LXIX; vgl. auch Frank (2002), passim. 185 Zur Problematik solch einer Begrifflichkeit vgl. Siemann (2016), S. 489 (zum Begriff Restauration), auch insgesamt zu Modernisierungstheorien Beck/Mulsow, S. 12–17. Der Begriff des Reaktionären wird im Umfeld Stephans in den Quellen verwendet und daher auch hier angewandt.
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a priori Erzherzog Stephan als Lichtgestalt gegen seine Umwelt ab, ohne der Gegenpartei unvoreingenommen entgegenzutreten und damit auch ohne Stephan mehrperspektivisch zu betrachten. Als mögliche weitere Quellengrundlage könnte das Verwaltungsschriftgut herangezogen werden – also Akten, mit deren Hilfe das Regierungs- und Verwaltungshandeln Stephans als Landeschef in Böhmen, als Palatin von Ungarn oder als Standesherr auf der Schaumburg rekonstruierbar ist. Die Akten der Wiener Staatskonferenz und der ungarischen Hofkanzlei,186 das mengenmäßig kaum ins Gewicht fallende Archiv des Palatins Stephan in Budapest,187 das Kabinettsarchiv Stephans im Prager Nationalarchiv, die standesherrlichen Akten im Landeshauptarchiv Koblenz, aber auch Verwaltungsarchivgut im Ungarischen Nationalarchiv mögen hierfür noch umfangreiches Material bieten. Für die der folgenden Arbeit zugrunde liegende Fragestellung aber müssen diese Akten als weniger relevant eingestuft werden, wie einzelne Sichtungen zu zeigen vermochten. Um die Quellengrundlage homogen zu gestalten und die Stringenz einer Darstellung nicht zu zerstören, wurde, wie bereits erwähnt, bewusst auf die Auswertung solchen Schriftguts verzichtet. Dort, wo es dann doch berücksichtigt wurde, geschah es zum Zweck einer Vertiefung, Verdeutlichung oder Unterfütterung anderer Quellenaussagen. Eine dieser Ausnahmen bildeten Unterlagen der Wiener Polizeihofstelle. Obwohl es sich hierbei um Verwaltungsschriftgut handelt, rücken sie doch die Wahrnehmung Stephans in den Fokus. Allerdings erwies sich der Quellenwert als eher gering. Das liegt einerseits an den starken Verlusten durch den Brand des Wiener Justizpalastes 1927, bei dem viele dieser Archivalien zerstört oder stark beschädigt wurden; andererseits handelt es sich dabei nicht um Dossiers im eigentlichen Sinn, sondern um recht heterogene Schriftstücke, die nur in den seltensten Fällen persönliche Einschätzungen enthalten.188 Die Außenwirkung Stephans ist daher kaum
186 Czinege, S. 339–344. 187 http://www.archivesportaleurope.net/ead-display/-/ead/pl/aicode/HU-28947/type/hg/id/HU_ OL_LRDBRKT_1_RRDBRKT_v2/unitid/N_31 (Zugriff 25. Mai 2019), der Bestand umfasst 2,6 laufende Meter. 188 Eingesehen wurden in den Archivalien der Polizeihofstelle im Allgemeinen Verwaltungsarchiv alle Archivalien zu Erzherzog Stephan, die angesichts ihres Zustandes vorgelegt werden konnten. Darunter befinden sich (zumeist) Fragmente, die nicht alle Informationen preisgeben. Symptomatisch scheint OeStA AVA PHSt H 62/1844 zu sein. Das Fragment berichtet über einen Aufenthalt Stephans in Marienbad anlässlich der Grundsteinlegung für die dortige katholische Kirche. Der Aussagewert ist ohnehin gering und der Verweis auf eine Anlage nicht weiterführend, weil diese nicht erhalten ist. Vgl. auch Allgemeine Theaterzeitung Nr. 195/196 (14./15. August 1844), S. 811; Marienbader Liste Nr. 62 (17. August 1844) sowie Nr. 63 (18. August 1844). Die Unterlagen verlieren sich daher häufig in frag-
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zu rekonstruieren, die Mechanismen zur deren Schaffung oder auch die Einschätzung der Wiener Bürokratie noch weniger. Insgesamt umkreist189 die Biographie somit die Persönlichkeit Erzherzog Stephans zum einen mit Quellen, in denen er sich selbst absichtsvoll und womöglich nicht immer ganz offen und ehrlich gegenüber Dritten offenbarte, in denen er also ein Bild von sich vermitteln wollte, zum Zweiten mit Quellen, in denen die Presse ein öffentliches Bild von ihm schuf, und zum Dritten mit Quellen, in denen sich Zeitzeugen über ihn äußerten. Das muss und soll im Einzelfall durch den Blick in Verwaltungsakten, durch die Sicht auf sein manifestes Handeln verankert und überprüft werden. Der Fokus der vorliegenden Biographie liegt aber auf dem Bild, das eine Person von sich hat und haben möchte, und auf der Frage, wie sich das mit den Erwartungen der Zeitgenossen verbindet. Erzherzog Stephan wird damit, wie bereits dargelegt, weniger als Akteur in seiner Zeit verstanden, der er ja auch kaum einmal war, als vielmehr als Projektionsfläche für Erwartungen und Enttäuschungen. Die Studie stellt weniger den Protagonisten in seiner Zeit dar, sondern sie spiegelt Erwartungen und Hoffnungen einer Gesellschaft in der Projektion wider, die sich Stephan von sich selbst und andere sich von ihm machten. Sie ist damit aber keine Vorlage für ein Gesellschaftsbild, sondern sie reflektiert den Facettenreichtum der Persönlichkeit – auch in ihrer ganzen Äußerlichkeit – und erkennt darin die Bedeutung und damit die Biographiewürdigkeit der zu untersuchenden Person.190 Damit verliert die Figur des Erzherzogs aber auch das Erscheinungsbild einer klassischen Tragödienfigur, wie sie immer wieder impliziert wird und in der Biographie der Kaiserin Elisabeth von Brigitte Hamann auf den Punkt gebracht wurde: Er „verbrachte bittere Jahre in Krankheit und Mißachtung durch die habsburgische Verwandtschaft und erlebte den Triumph nicht mehr, wieder nach Ungarn zurückkehren und dem König die Krone aufsetzen zu dürfen, wie es Tradition war“.191 Auch gegen diese posthume Konstruktion eines tragischen Heldenbildes, die in diesen Worten mitschwingt, ohne dass sie hinterfragt worden wäre, soll mit Hilfe der divergierenden Konstruktionen vorgegangen werden. Das Ergebnis dieses Forschungsansatzes wird selbstredend erst die Schlussbetrachtung der Biographie erbringen können. mentarischen Kleinteiligkeiten, denen keine bewusste persönliche Einschätzung und schon gar nichts Denunziatorisches zukommt. 189 Pons (2008), S. 380. 190 Dass ein Adliger zum „mit Inhalten und Werten spielenden Konstrukteur einer Ansehen und Macht generierenden Folge relativ kurzlebiger adeliger Bastelidentitäten“ werden konnte, wie Reif, S. 130, betont, trifft im Grunde auch den Kern der vorliegenden Studie. Allerdings ist das Urteil sehr pejorativ und geht ausschließlich von einer Ichkonstruktion aus. 191 Hamann (1987) S. 266.
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Der Ansatz mag einem Blickwinkel geschuldet sein, der, wie bereits kurz angerissen, mehr noch als in Fortführung der Ideen Bourdieus durch heutige Erfahrungen geschärft wird: einem Blickwinkel, der den öffentlichen Menschen in seiner medialen Präsenz besieht und seine Bedeutung aus der medialen Präsenz heraus erschafft. Gerade in jüngster Zeit haben einige fundierte Studien die Monarchie des 19. Jahrhunderts unter diesem Aspekt beleuchtet. In den Blick genommen wurden die königliche Öffentlichkeitsarbeit und der Auftritt der „Medienkönige“ insbesondere für die Zeit nach 1848. Aber auch für die Zeit davor wurde auf die Relevanz einer neuen Öffentlichkeit für die Regenten verwiesen.192 Im Gegensatz zu zurückliegenden Epochen lag die Macht des Kommunizierens und Repräsentierens nicht mehr ausschließlich bei der Krone, weshalb diese fortan mit mehr Bedacht zu agieren hatte. Insbesondere die instruktive Studie von Frank Lorenz Müller über die Thronfolger des 19. Jahrhunderts ist in diesem Kontext wegen ihres neuartigen Blickwinkels zu nennen, aber auch Torsten Riottes Forderung nach einer neuen Politikgeschichte.193 Beide führen wiederum die innovativen Ansätze zur Adelsforschung des 19. Jahrhunderts von Johannes Paulmann fort. Vergleichbare Studien über Mitglieder des Hauses Habsburg liegen derzeit leider nicht vor. Ein Großteil, der in den letzten Jahren erschienenen Publikationen zu Mitgliedern dieser Dynastie muss als rein populärwissenschaftlich bewertet werden. Ein eingehendes Quellenstudium liegt ihnen nicht zugrunde, was selbst für die sehr qualitätvolle und auf der Höhe heutiger Wissenschaft stehende Biographie Kaiser Franz Josephs von Karl und Michaela Vocelka von 2016 zutrifft. In ihr wird Kaiser Franz Joseph im Kontext der Rahmenbedingungen von Dynastie und Politik vorgestellt. Als weitere wissenschaftliche Ausnahmen sind die 1997 erschienene Studie von Matthias Stickler über Erzherzog Albrecht, für das Umfeld Stephans die 2017 publizierte Biographie Metternichs von Wolfram Siemann sowie die im Jahr davor erschienene Biographie Kolowrats von Isabella Schüler zu nennen. Der Ansatz all dieser Studien deckt sich jedoch nicht mit dem im Fall Stephans zu beschreitenden Weg. Das gilt auch für die 2017 vorgelegte umfassende Biographie Maria Theresias von Barbara Stollberg-Rilinger. Sie fragt nach Regeln und Normen der Zeit Maria Theresias und stellt sie über diejenige nach der Persönlichkeit. Die von ihr angestrebte Multiperspektivität verfolgt daher einen ande192 Müller (2019), Thronfolger, S. 247; Siemann attestierte bereits 2011, dass bis dahin das 19. Jahrhundert vorrangig als bürgerliches Jahrhundert betrachtet worden war; Siemann (2011), o. S. Zur Entwicklung der Öffentlichkeit im 19. Jahrhundert auch Evans (2018), S. 16, sowie Büschel, S. 11–54 und S. 347–352. 193 Riotte (2014), S. 210–211.
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ren Weg als in der hier vorliegenden Studie, indem sie sich insbesondere den Zeitumständen und kulturellen Normen widmet. Das trifft im Grunde auch auf die Werke Siemanns und Schülers zu. Letztere betont sogar ausdrücklich, dass sie die Biographie zu einer Strukturanalyse des Regierungssystems des Habsburgerreichs weiten wolle.194 Damit folgen sie den Forderungen Bourdieus, den historischen sozialen Kontext zu berücksichtigen. All diese neueren Studien ragen – neben den mittlerweile klassischen Studien von Brigitte Hamann, deren Biographie über Kaiserin Elisabeth sogar Perspektiven der hier umrissenen Fragestellung eröffnet, ohne sie allerdings auszuführen – sehr deutlich aus dem Kreis der populärwissenschaftlichen Habsburgerbiographien oder der biographischen Studien zum Habsburgerhof heraus und waren unverzichtbare Orientierungspunkte für eine Biographie Stephans. Sowohl dessen Lebenslauf als auch die sich daraus ergebenden Fragestellungen aber ließen diese Arbeiten nicht zum direkten Vorbild für eine Aufarbeitung dieses Lebens werden. Deshalb wurden bewusst auch moderne Biographien von Persönlichkeiten herangezogen, deren äußeres Leben weniger gefüllt ist als die innere Entwicklung. Zu nennen wären in diesem Fall unter anderem Safranskis Biographie Schillers, Siegs Darstellung der Elisabeth Förster-Nietzsche oder der kaum ereignisgeschichtlich zu fassende Lebensweg von Hugo von Hofmannsthal, an dem Hans-Albrecht Koch genau dieses Phänomen exemplifizierte. Dem Konstruktionscharakter unter Berücksichtigung der Außenwirkung aber gingen diese Studien auch nicht nach, zumal bei Literaten ja das Werk mangelnde äußere Ereignisse gut kompensieren kann.195 Biographische Annäherungen unter der hier skizzierten Prämisse und Fragestellung finden sich am ehesten im Bereich der bildenden und darstellenden Kunst. Die Schaffung des Ruhms, das „Making of“ eines Künstlers, wird darin in den Fokus gerückt. Nils Büttner hat 2006 eine Studie zu dem Barockmaler Peter Paul Rubens vorgelegt, in der es um das historische Verständnis „von Formen und Funktionen der Konstruktion sozialer Identität“ geht. Vorrangig nimmt er dabei auf den sozialen Raum Bezug, aber auch auf die „komplexen Systeme von Überzeugungsmustern“.196 Noch dezidierter aber auf die eigene Vermarktung des biographischen Subjekts bezieht sich Oliver Hilmes in seiner Biographie des „Superstars“ 194 Schüler (2016), S. 15; Stollberg-Rilinger, S. XXVI; Siemann, S. 14–16. 195 Zur Definition einer Person über das Werk vgl. Hügel (2007), S. 149; Koch, S. 9–11. Zu einem besonders ereignisarmen Leben s. die Biographie des Schriftstellers Marcel Proust von Tadié. 196 Büttner, S. 7–12. Eine der neuesten Publikationen dieser Richtung der Kunstgeschichte von Eiling/Krämer, dort aber rein die posthume Rezeption.
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Franz Liszt. Für ihn ist der Musiker als „Erfinder seines Lebens“ hinter diversen Masken verborgen. Nach dem Vorbild des Violinvirtuosen Paganini inszenierte sich der Pianist und fungierte damit als Projektionsfläche.197 Damit geht Hilmes in der Analyse auch über Heinrich Heines Bonmot von 1844 hinaus, dass Liszts Ruhm „in die Pathologie der Ästhetik“ gehöre und darauf zurückzuführen sei, dass er es am besten verstanden habe, sich in Szene zu setzen.198 Dem entspricht auch die Studie von Sonja Gesse-Harms über die Sopranistin Jenny Lind, die um 1850 wie eine Ikone verehrt wurde. Die Korrelation ihres Ruhmes mit den Bedürfnissen und Wünschen des Publikums werden hier besonders herausgestrichen.199 Auch die Starsängerin war eine gesellschaftliche Projektionsfläche geworden. Zu einem solchen Schluss war bereits in den 1920er Jahren der Musikschriftsteller Adolf Weißmann gekommen. Er untersuchte den Virtuosen- und Primadonnenkult auch unter einer gesellschaftlichen Perspektive und unter Berücksichtigung der Presse und des „Reklameapparates“. Zu besonders eindrücklichen Ergebnissen gelangte er bei den Sopranistinnen Henriette Sontag und Jenny Lind, deren „Vergötterung“ im frühen 19. Jahrhundert er mit Hilfe der Bedürfnisse einer (bürgerlichen) Gesellschaft „in einer Zeit politischer Mattheit“ zu erklären versuchte. Dass die Konventionen gesprengt wurden und zugleich bürgerliche Ideale in dieser Kunst ihre Entsprechung fanden, trug zu gleichen Teilen zum Erfolg in einer Gesellschaft bei, die genau darauf wartete. Dass vieles davon epigonenhaft geblieben sei, ließ diese Sängerinnen in Weißmanns Einschätzung zu „Wahrzeichen des musikalischen Vormärz“ werden. Die genannten Künstlerinnen und Künstler als Zeitgenossen Stephans belegen das öffentliche Bedürfnis nach charismatischen Identifikationsfiguren im 19. Jahrhundert, das wiederum durch eine geschickte Werbestrategie geweckt wurde.200 Diese durch die Musik- und Theaterwissenschaft schon seit Längerem herausgearbeiteten Mechanismen, die gerade in den letz197 Hilmes (2011), S. 47 und S. 8; VanderHamm, S. 8. 198 Heine, S. 567. Zur Heines Haltung zum Virtuosentum allgemein auch Gamper, S. 70. Zu Liszt als Projektionsfläche bürgerlicher Wünsche auch Gooley, u. a. S. 84–85. 199 Gesse-Harms, S. 349 und S. 363. Wie Gesse-Harms, S. 348, herausarbeitet, gelang Jenny Lind das besser als allen anderen berühmten Sängerinnen und Sängern der Zeit. Ein karikierendes Gedicht auf ihren Ruhm bei Riemerschmidt, S. 183–191 („Die Völkerwandung zu Jenny Lind im Jahre 1855“). Vergleichbares auch bei der Schauspielerin Sarah Bernhardt; Moog-Grünewald, S. 7–17. Vgl. auch die Passage in Fontanes Roman „Der Stechlin“, Fontane, S. 156–158. 200 Weißmann, S. 203–208, S. 212, auch S. 31; Kesting (2008) I, S. 143. Zu früheren Formen des Starkultes vgl. Kesting (2008) I, S. 48–55; auch Weißmann, S. 152–162. Zur Werbemaschinerie hinter dem Virtuosen im 19. Jahrhundert vgl. Gamper, S. 70; Lachmayer, S. 256–261; Deaville, S. 282: Der Virtuose als Identifikationsobjekt und Gegenbild des auf Leistung und Konformität ausgerichteten Bürgertums.
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ten zwanzig Jahren eine Verfeinerung der Erkenntnis in diesem Bereich gebracht haben, können auch bei der Erforschung Erzherzog Stephans von großem Nutzen sein, zumal dem Erzherzog die Vergleichbarkeit seiner Popularität zu derjenigen anderer Medienstars durchaus bewusst war.201 All den hier vorgestellten Studien ist eigen, dass zwar die Schaffung einer öffentlichen, vom Ruhm umstrahlten Persönlichkeit untersucht wird. In allen Fällen aber ist die zugeordnete Leistung klar zu benennen. Das wird im Falle Erzherzog Stephans schwieriger. Darüber hinaus spielt in den genannten Darstellungen der multiperspektivische Blick kaum eine Rolle. Gerade die genannte Liszt-Biographie von Hilmes bleibt in dieser Hinsicht sehr konventionell. Auch ist der Ansatz im Fall eines Künstlers, der per se schon eine Art Produkt ist, das auf dem Markt reüssieren muss, naheliegender als beim Vertreter einer Dynastie. Der genannte Forschungsansatz ist für diese Zeit und im dynastisch-adligen Umfeld bisher nicht verfolgt worden, kann aber von diesen Erkenntnissen sehr profitieren, was aber bisher nicht berücksichtigt wurde. Selbst Jean Tulards Biographie des Herzogs von Reichstadt aus dem Jahr 1992 hält seine Versprechungen nur bedingt ein. Tulard erkannte in seinem Protagonisten die Zielscheibe für alle Befürchtungen und Hoffnungen, „une personnage inexistant et pourtant d’une importance capitale sur l’échiquier diplomatique“.202 Eine vollumfängliche Multiperspektivität zur Umkreisung einer diffusen, wenn nicht gar fiktionalen Persönlichkeit kann das schmale Bändchen aber auch nicht recht leisten. Insofern ist die Verknüpfung der eingangs angesprochenen neueren historischen Studien mit der aktuellen Form der Biographie und den Erkenntnissen der Medien-, Theater- und Musikwissenschaft noch ungewöhnlich. Das rührt sicherlich auch daher, dass für Biographien zumeist auf Personen zurückgegriffen wird, deren Lebenslauf sehr handlungsreich erscheint. Als solches Beispiel wäre die Biographie Hindenburgs von Wolfram Pyta zu nennen, in welcher der Autor den Konstruktionsbedingungen des Mythos nachgeht. Er unterlegt seiner Arbeit einen praxeologischen Kulturbegriff und nähert sich Hindenburg akteurbezogen an. Die Persönlichkeit Hindenburgs ermöglicht diesen Ansatz ebenso wie die gesellschaftliche Öffentlichkeit des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts. Im Fall Erzherzog Stephans kann dieser Ansatz sehr inspirierend wirken. Er ist aber durch die vorgebrachten Gründe in dieser Form nicht zu übernehmen. 201 Als Franz Liszt Stephan zu seiner großen Popularität in Böhmen gratulierte, antwortete dieser: „Vous n’êtes pas sans savoir ce qu’il en advient de la popularité? Marée haute et flots bruyants le matin – marée basse et sable boueux le soir“; La Mara (1909), Liszt, S. 10–11 (Brief vom 6. Oktober 1846). 202 Tulard (1992), S. 8.
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Auch ein enger Anschluss an Studien zu devianten Lebensläufen von Mitgliedern des Adels im 19. Jahrhundert war kaum möglich. Ein Großteil der diesbezüglich vorgelegten Arbeiten der letzten Jahrzehnte ist als eher journalistisch oder populärwissenschaftlich zu bezeichnen und legt sein Augenmerk auf moralische Verirrungen oder die Anklage der gesellschaftlich-dynastischen Verhältnisse.203 Die Sensationsgier der Autoren steht einer wissenschaftlichen Annäherung entgegen. Deshalb war es in diesem Bereich sinnvoller, sich an theoretische Überlegungen von Kommunikationswissenschaftlern und Medienhistorikern zum Thema Skandal zu halten und die bisher vorliegenden Studien zu Einzelfällen nicht als Vorbild heranzuziehen. Das ist auch insofern zu rechtfertigen, weil Stephans Verbannung nicht in moralischen Fehltritten begründet lag. Auch all diejenigen Aristokraten, die Veränderungen der politischen Landkarte oder der Regierungssysteme zum Opfer fielen, weisen keinen direkten Bezug zur Vita des Erzherzogs auf. Stephans Äußerungen über sie sind nicht eben vielfältig, und vor allem scheint er den Kontakt zu Schicksalsgenossen nicht gesucht zu haben.204 Er selbst dürfte sich kaum als skandalisierte Person wahrgenommen haben. Unter all diesen Aspekten ergänzt die Biographie Erzherzog Stephans die bisher vorgelegten Studien nicht bloß. Denn es handelte sich bei ihm um keinen jener Vertreter des regierenden Hochadels, die bisher in den Fokus gerückt sind. Seine Position war in vielerlei Hinsicht eine ganz eigene, und seine Biographie hat deutlich stärkere Brüche vorzuweisen, als es bei den (meisten) anderen Protagonisten der Zeit der Fall ist. An ihrem Beispiel lässt sich – außerhalb des Herrschaftsgefüges – noch besser als bei Regenten die grundsätzliche Frage stellen, was denn ein Mensch und ein menschliches Leben letztlich ist.205 Es geht also im Folgenden nicht in erster Linie darum, die Kluft zwischen gestern und heute aufzuzeigen, die sich aus den geschilderten Lebensumständen vermutlich sogar wie von selbst ergibt,206 sondern die Frage ist zu stellen, was ein Mensch in seiner Zeit sein kann – in all seiner „Komplexität“,207 ja Konstruiertheit, bis hin zur Frage, ob die Illusion vom Men203 Leitner, passim; Dickinger, passim. 204 So konnte kein Kontakt zu der im Rheingau lebenden Marianne von Preußen, geb. Prinzessin der Niederlande, ermittelt werden, die als schwarzes Schaf der Familie galt, seitdem sie ein uneheliches Kind zur Welt gebracht hatte, sich von ihrem Ehemann hatte scheiden lassen und mit dem Vater ihres Sohnes unverheiratet zusammenlebte; Ditzhuyzen, S. 132– 133; Heinemann, passim; van der Leer, passim. 205 Sked spricht von der Möglichkeit, zu erforschen, „wie Menschen unter andersartigen Bedingungen und Gedankensystemen gelebt haben“; Sked (1993), S. 46. 206 Meier, S. 109. 207 Paravicini, S. 38.
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schen – die eigene und die fremde – nicht erst eigentlich doch der Mensch ist. Die von Bourdieu attestierte und in der Romanliteratur seit den 1950er Jahren208 immer wieder akzentuierte Illusion der Biographie ist vielleicht sogar ihr eigentlicher Wert, weil sie im besten Fall und unter Berücksichtigung der öffentlichen Wahrnehmung des Ichs das Illusionäre des Lebens umreißt. Das lässt sich anhand eines „gescheiterten“, „episodischen“ oder „inaktiven“209 Lebens vermutlich besser aufzeigen als mit Hilfe des Lebenswegs eines Handelnden, der vordergründig durch Erfolge und Misserfolge als Gestalter auftritt und das Konstruierte und Illusorische von Bedeutung und Sinn damit absichtlich oder unbeabsichtigt bemänteln kann. Ein historischer Lebensweg wird daher auch nicht als derjenige eines in seiner Zeit befangenen und damit uns entfremdeten Subjekts verstanden, sondern als Ausdruck menschlicher Möglichkeiten und Unmöglichkeiten.210 Stephans Leben ist kein paradigmatisches, aber die Betrachtung seines Lebens – wie des Lebens aller anderen Menschen auch – kann grundsätzliche Fragen aufwerfen, die eine historische Biographie stets aufwerfen sollte, will sie nicht nur das Zusammentragen humaner Scherben sein. Diese oft gestellten philosophischen Fragen nach dem Menschen werden sicher auch am Beispiel Erzherzog Stephans nicht zu ergründen sein, aber seine Vita erlaubt in der Überlagerung verschiedener Konstruktionen, Erwartungen und medialer Bilder, sie auf eine besondere Weise zu stellen und mögliche Antworten durchzuspielen. Dabei soll ein weitgehend chronologischer Ablauf eingehalten werden, um Entwicklungen und Widersprüche durch das Gerüst der Zeit besser aufeinander beziehen zu können. Das führt zum regelmäßigen Umkreisen des Protagonisten und zu Standortwechseln, um die Oberfläche der Persönlichkeit auszuleuchten. An manchen Stellen wird das wenig stringent oder gar redundant erscheinen, führt auch hin und wieder zu einem offensichtlichen Aussetzen der Erkenntnisfähigkeit über die Persönlichkeit des biographischen Objekts, bringt aber nur so die Facettenhaftigkeit seiner öffentlichen Wahrnehmung zum Ausdruck.211 Die Alternative wäre gewesen, mehrere miteinander konkurrierende Viten zu 208 Fliedl, S. 66–68. 209 Nach Tschechows „Onkel Wanja“, S. 34: „Aber ich bin eine langweilige Person, episodisch. Überall […] war ich immer nur die episodische Figur. Im Grunde, Sonja, wenn man sich da hineindenkt, bin ich sehr, sehr unglücklich.“ Oder auch Musil 1, S. 355: „Aber Mehrerleben ist einer der frühesten und feinsten Zeichen, an denen man den Durchschnittsmenschen erkennt.“ 210 Strachey, S. 22. 211 Diese Darlegungen in Adaption einer Romantheorie des englischen Schriftstellers E. M. Forster, die 1927 vorgetragen wurde und 1962 in deutscher Sprache erschien: Forster (1962), S. 53–54 und S. 87. Dass durch diese Vorgehensweise, Forster zufolge, das „emotio
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schreiben, was den Blick auf die Totale verbaut und eine Systematisierung umzusetzen versucht hätte, die eine Interdependenz der Bilder, Rollen und Facetten negiert hätte. Die Chronologie impliziert im Folgenden deshalb gerade keinen planvollen und folgerichtigen Weg der Geschichte,212 sondern legt dem Lebensweg die neutralste aller Gliederungsformen zugrunde. Die Biographie beginnt mit dem Fokus auf eine für das Erzhaus ungewöhnliche Familienkonstellation, in der Stephan heranwuchs. Auch wenn detaillierte Quellen über seine Jugendzeit und seine Ausbildung kaum überliefert sind, kann durch verschiedene Hinweise doch ein Einblick in die ihn formende Gedankenwelt gewonnen werden: die von seinen Lehrern übermittelten Vorstellungen, die Lebensverhältnisse in Ungarn, die Staatsverwaltung in Wien, aber auch die Zustände in den von Stephan bereisten Gebieten in Böhmen, Italien und Deutschland. Durch die Heranziehung der Zeitungsmeldungen, aber auch von Äußerungen der Zeitzeugen kann dargelegt werden, wie in jungen Jahren die Formung eines Staatsmannes betrieben und ein solches Profil in die Öffentlichkeit gebracht wurde. Anschließend gilt es die Zeiten seiner politischen Aktivitäten als Landeschef in Böhmen und als Palatin in Ungarn zu beleuchten. In dieser Zeit trat der Erzherzog voll und ganz auf die Bühne der Öffentlichkeit, konnte diese auch geschickt für sich nutzen, geriet aber während der 48er Revolution in Ungarn rasch an seine Grenzen. Jenseits von eher weichen Faktoren, die er bewältigen oder umgehen konnte, traten hier harte politische Konflikte auf, denen er nicht gewachsen war. Sein Rückzug von der Politik machte alle Hoffnungen zunichte, die viele fortschrittliche Kreise bis dahin mit ihm verbunden hatten. Das lange Kontinuum seiner Zeit in der Verbannung auf Schloss Schaumburg steht im Mittelpunkt des letzten Teils der Biographie. Hier kann die recht stringente chronologische Gliederung aufgeweicht werden, so dass größere Abschnitte dieses Lebens im Exil nach besonderen Fragestellungen untersucht werden können: Um was handelte es sich bei dieser Verbannung genau? Wie nutzte er den Ausbau des Schlosses Schaumburg, um sein Bild von sich und seiner Position in der Öffentlichkeit zu lancieren? Wie gewann er im Laufe der Zeit wieder eine Form der Rehabilitation bzw. wie weit ging diese? All diese Fragen können anhand der umfangreichen Korrespondenz Stephans aus dem Exil heraus beantwortet werden, die einen intensiven, wenn auch keinen unverstellten Blick auf seine Selbstwahrnehmung und Selbstverortung zulässt. Letztlich münden diese Stränge aber in der Frage nale Thermometer“ sinke, kann einer historischen Biographie nur zum Vorteil gereichen. Dazu auch Bauer (1997), S. 86. 212 Scheuer, S. 133. Vgl. dazu auch Büttner, S. 11; Leibetseder, S. 2.
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Annäherung an ein Leben
nach Stephans Weltsicht, nach der Weltsicht eines Mitglieds des „Allerhöchsten Kaiserhauses“, der sich als Standesherr in einem der kleineren deutschen Territorialstaaten und als Zaungast europäischer Politik wiederfand, genau diese Position aber weiterhin für eigene Zwecke nutzen wollte und konnte. Einschätzungen von Diplomaten, Besuchern und Verwandten aber auch der Presse können dieser Sicht Profil verleihen. Sie lassen den exilierten Prinzen zu einer informellen Größe werden, die im Europa jener Jahre zumindest nicht unterschätzt werden sollte. Deshalb führt die Schilderung von Stephans Krankheit und Tod zur Frage nach den Rollen und Bildern, die er sich beimaß und die andere ihm zuschrieben, die ihn und andere prägten und welche die Relevanz dieses Lebens nicht zuletzt ausgemacht haben. So konventionell der Aufbau dieser Biographie daher auch anmuten wird, die innere Struktur und die Multiperspektivität weiten den Blick auf ein Menschenleben und damit auch auf die Werthaftigkeit eines geführten Lebens deutlich aus. Beginnen wir unsere Untersuchung also mit der Frage, wie es überhaupt dazu kommen konnte, dass 1817 – zum ersten Mal überhaupt – ein Erzherzog Stephan das Licht der Welt erblickte. Schon hier ist die Antwort keineswegs so lapidar und einfach zu finden, wie es die spärliche Forschungsliteratur – ohne Einsichtnahme in das zur Verfügung stehende Quellenmaterial – uns bisher glauben machen wollte.
2. UNGEWÖHNLICHER BEGINN (1817–1837)
2.1 Resonanzraum Familie Gleich zwei österreichische Erzherzöge, jüngere Brüder des Kaisers Franz I., begaben sich nach den Napoleonischen Kriegen im Jahr 1815 auf Brautschau. Beide hatten die zurückliegenden Jahre um eine Ehepartnerin gebracht. Der eine, Erzherzog Karl, bekannt auch als Sieger über die Truppen Napoleons bei Aspern im Jahr 1809, war bisher unverheiratet geblieben.1 Der andere, Erzherzog Joseph (1776–1847), Palatin von Ungarn,2 hatte nach dem frühen Tod seiner ersten Ehefrau Alexandra von Russland, einer Tochter des Zaren3 Paul I., nicht mehr geheiratet. Beider Tochter, Alexandrine, war 1801 kurz nach der Geburt verstorben.4 Die politischen Implikationen eines dauerhaften dynastischen Bandes zwischen den Habsburgern und den Romanows, die sich mit dieser 1799 geschlossenen Ehe verbunden hatten, erfüllten sich daher nicht. Russland hatte sich damit sowie mit den Heiraten mit Baden (1793), Mecklenburg-Schwerin (1795), Preußen (1817), Oldenburg (1809), Württemberg (1816 und 1824), Sachsen-Weimar (1804) und in die Niederlande (1816) eine Verbindung mit den europäischen Herrscherhäusern erhofft. Österreich ging es sicherlich um einen starken Bündnispartner gegen das revolutionäre Frankreich, aber auch die Mitgift von einer Million Rubel war für den nachgeborenen Joseph, der 1795 nach dem Tod seines Bruders Alexander Leopold das Amt des Palatins von Ungarn antreten konnte, nicht uninteressant.5 Noch viele Jahre später war das Schloss in Ofen voller russischer Ausstattungsstücke wie Spiegel, Porzellan und Kan-
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Die Option, 1814 Großfürstin Katharina von Russland zu heiraten, dürfte keine konkreten Formen angenommen haben; Criste III, S. 315. Es ist bedauerlich, dass die grundlegenden Werke Domanovszkys über Erzherzog Joseph 1809 enden und damit für die vorliegende Studie nicht von Nutzen sind. Eine wissenschaftliche Aufarbeitung der Biographie Josephs steht daher bis heute aus; Raffler, S. 159. Hier und im Folgenden wird der russische Kaiser konsequent mit dem in Westeuropa weiterhin gebräuchlichen Titel des Zaren benannt, um eine eindeutige Unterscheidung zum österreichischen Kaiser zu ermöglichen. Dem Verfasser ist bewusst, dass es den Titel des Zaren offiziell seit 1721 für den russischen Herrscher nicht mehr gab; Witteram, S. 569. Lauro, S. 250–251; Joseph hatte Alexandra geheiratet, nachdem sich deren Projekt einer Eheschließung mit dem König von Schweden aus konfessionellen Gründen zerschlagen hatte; Montefiore, S. 398; Hamann (1988), S. 48. Zu Joseph vgl. auch Sommeregger, S. 703– 705; Goldinger, S. 623. Seifert (2012), Maria Pawlowna, S. 16–17.
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Abb. 2: Erzherzog Joseph, der Vater Stephans, Lithographie von Friedrich Lieder, 1824 (Wikimedia Commons)
delaber, die aus dieser Heiratsmasse stammten.6 Nach Alexandras Tod blieb die politische Lage für Jahre zum Heiraten zu schwierig, und der Erzherzog wurde, wie er 1815 schrieb, über vierzehn Jahre hinweg um jede „häußliche Geselligkeit“ gebracht.7 Zu sehr war das Haus Österreich in die Defensive, ja gar in die Isolation geraten, um eine Eheschließung zu wagen, zu sehr bedeutete ein Ehebündnis eine Festlegung innerhalb der politischen Lager, die in Zeiten ständiger Umwälzungen und diplomatischer Kapriolen höchst gefährlich sein konnte. An eine erneute Eheschließung war daher nicht zu denken. Als Österreich 1810 in die Vermählung Napoleons mit der Kaisertochter Marie Luise einwilligte, brachte Staatskanzler Metternich die Problematik auf den Punkt: „Zu schwach fortan, um allein dem destruktiven Willen des französischen Empereur zu widerstehen, ist es uns nicht mehr möglich, einen festen
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LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv XXVI 1938, Bl. 45v; HU MNL OL P 301 (28. Dezember 1836). LHA Koblenz Best. 47 Nr. 11090 (15. Februar 1815).
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Blickpunkt zu ergreifen […].“8 Auf Russland sei zu diesem Zeitpunkt nicht zu setzen, so dass Österreich „einer Menge unkalkulierbarer Möglichkeiten unterworfen“ sei, welche die Dynastie veranlasste, so zu handeln, dass kein Scheitern zu befürchten stand, wenn sich neue Probleme auftaten. So wie die Eheschließung Napoleons mit Marie Luise ein Mittel war, um die schlimmsten Gefahren zu umschiffen, so hätten weitere Eheschließungen von Erzherzögen mit Vertreterinnen anderer Dynastien die Lage unnötig erschwert. Gerade die Allianzenbildung, die Eheschließungen bisher besonders ausgezeichnet hatte, wurde jetzt zum Problem, wären doch Bündnisse besiegelt worden, die sich später als unvorteilhaft erweisen konnten. Die variable Politik Metternichs fand den engen Schulterschluss mit Russland erst wieder, als der Stern Napoleons im Sinken begriffen war. Weil die österreichische Politik an Boden gewann, war es wieder möglich, Erzherzöge zu verheiraten, ohne unvorteilhafte außenpolitische Verstrickungen befürchten zu müssen. Aber wo waren adäquate Partnerinnen zu finden? In Wien gab es deshalb ab 1813 entsprechende Überlegungen, und genealogische Tafeln wurden konsultiert, um herauszufinden, wen man mit den noch unverheirateten Kaiserbrüdern Karl, Joseph, Rainer und Johann vermählen könne. Erzherzog Johann sah sich selbst als zu arm zum Heiraten an. Außerdem galt er am Kaiserhof durch seinen Ehrgeiz als Verräter, weil er mit dem vermeintlich verschwörerischen Plan eines Alpenbundes die Alpenländer, u. a. Tirol, 1812/13 zum Aufstand gegen den französischen Feind zu bewegen versucht hatte. Man fürchtete in Wien, er habe dem Kaiser einige Provinzen zu seinen Gunsten entfremden wollen.9 Im dynastischen Interesse lag seine Verheiratung daher nicht, und auch in den anderen Fällen gemahnte die beachtliche Zahl an Erzherzögen, die Seitenlinien des Hauses stiften konnten, zur Vorsicht. Johanns ältere Brüder, die Erzherzöge Karl und Joseph, galten als gute Partien. Schließlich fragte man den sich in der österreichischen Hauptstadt aufhaltenden niederländischen Diplomaten Hans Christoph von Gagern um Rat. Gagern suchte auf dem Wiener Kongress den engen Anschluss an Österreich und musste dem Kaiserhaus daher als geeigneter Ratgeber gelten. Sein Ziel war es, das Kaisertum in alter Stärke wiederherzustellen, um damit die deutschen Mittel- und Kleinstaaten zu schützen.10 Gerade bei dieser angestammten Klientel musste Wien bestrebt sein, seine Stellung nach den Wirren und dem Vertrauensverlust der zurückliegenden Jahre wieder zu festigen. 8 Zit. nach Siemann (2016), S. 331–332. 9 Magenschab (1982), S. 221. Die Beziehung zu Anna Plochl begann erst 1819; ebd. S. 253. 10 Wentzke (1964), S. 31f.; Renkhoff, S. 217.
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Gagern bekannte, dass er sich an katholischen Höfen nicht auskenne. Protestantische Prinzessinnen, so nahm er an, kämen aber sicherlich für Vertreter des katholischen Erzhauses als Ehefrauen nicht in Frage.11 Doch Erzherzog Johann erklärte ihm, dass die konfessionelle Frage kein Hindernis darstelle. Schließlich habe Kaiser Franz I. als Familienoberhaupt auch 1799 zugestimmt, als Erzherzog Joseph eine Frau orthodoxen Glaubens geheiratet hatte. Von Gagern empfahl daher Prinzessin Henriette von Nassau-Weilburg, ihre Cousine Prinzessin Hermine von Anhalt-Schaumburg-Hoym, die Erbin einer unbedeutenden nassauischen Standesherrschaft, sowie eine Prinzessin von Sachsen-Meiningen. Bei diesen Empfehlungen kam ganz offensichtlich von Gagerns eigene politische Erfahrung und Ambition zum Tragen. Von 1788 bis 1811 war er leitender nassau-weilburgischer Minister gewesen. Die nassauischen Fürstentümer im Westen des Reiches12 hatten sich 1806 dem Rheinbund angeschlossen und dann auf Napoleons Seite gestanden. In „letzter Stunde“13 hatte man die Fronten gewechselt. Die Gefährdung und Verlassenheit des durch Napoleon in den Rang eines Herzogtums erhobenen Territoriums war dadurch aber umso deutlicher geworden. Ein direkter verwandtschaftlicher Schulterschluss der Nassauer mit Wien musste für das dort regierende Haus unter den neuen politischen Rahmenbedingungen und zur Existenzsicherung von großem Interesse sein – auch für die mit den Nassauern eng verwandten Könige der Niederlande, deren Herrschaftsbereich Gagern in den Deutschen Bund führen wollte, und sicherlich auch für Herzog Friedrich August von Nassau aus der Usinger Linie, der seit 1756 in österreichischen Militärdiensten stand und im Herzen stets Österreich ergeben geblieben war.14 Für Wien boten die Vorschläge die Möglichkeit, die Erzherzöge zu verehelichen und damit zugleich Österreich, dessen Stellung im Reich in den zurückliegenden Jahren deutlich an Autorität verloren hatte, im Westen und damit auch an der französischen Grenze zu verankern. Die Prinzessinnen von Nassau-Weilburg und Anhalt-Schaumburg-Hoym zog man deshalb für die beiden Erzherzöge Karl und Joseph in Betracht. Dies war ein deutliches Zeichen dafür, wie sehr sich die Koordinaten Habsburgs in dieser Zeit – wenn auch nur vorübergehend – verlagert hatten. Denn beide Prinzessinnen waren konfessionell nicht konform zu bisherigen 11 Criste III, S. 316. 12 Die linksrheinischen Besitzungen Kirchheim(-Bolanden) und Nassau-Saarbrücken bzw. Nassau-Ottweiler waren während der Revolutionskriege verloren gegangen. 13 Schüler (2006), S. 48–51. 14 Even, S. 62–63. Zunächst besaß das Herzogtum Nassau quasi eine Doppelspitze: Herzog Friedrich August von Nassau war kinderlos und sollte von Fürst Friedrich Wilhelm von Nassau-Weilburg beerbt werden.
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Abb. 3: Erzherzogin Hermine, die Mutter Stephans, Gemälde, um 1815–1817 (Schloss Schaumburg GmbH)
Heiratsgewohnheiten und bildeten auch politisch keine allzu guten Partien. Prinzessin Hermine war als Tochter eines nassauischen Standesherrn15 nicht einmal ebenbürtig. Aber angesichts der Verwirrungen der letzten Jahre bildete womöglich dieses unambitionierte Element sogar eine Auszeichnung für die Eheverbindung. Ohne politischen Machtzuwachs und ohne eine klare Positionierung im europäischen Mächtekonzert, das Metternich auf dem Wiener Kongress wieder ins Gleichgewicht bringen wollte, konnten die Brüder Eheverbindungen schließen, mit ihren Kindern die Zukunft des Hauses Habsburg sichern und politisch für Stabilität sorgen. Das war ein revolutionäres Verhalten zum Zwecke der Restauration. Und so lesen sich auch die Berichte dieser Tage, die Erzherzog Karl über seine Begegnungen mit Prinzessin Henriette verfasste, sehr biedermeierlich-bescheiden. Als Gouverneur der Bundesfestung Mainz hatte er sie im gegenüberliegenden Biebrich kennenlernen dürfen und sprach nun von häuslichem Glück, von einer gut erzogenen, gutmütigen und häuslichen Person „ohne Kenntnis von Intrigen“. Sie schien ihm „ganz geeignet, als Haus15 Zu den Standesherren in Nassau vgl. Eichler, S. 75.
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frau einen Mann glücklich zu machen“.16 Beide heirateten schließlich am 17. September 1815 in der evangelischen Schlosskirche zu Weilburg nach katholischem Ritus.17 Die Eheschließung wurde in Wien zwar akzeptiert, aber als „Bettelheirath“ angesehen; Henriette hatte denn auch mit einigen Widerständen klarzukommen.18 Das hielt Erzherzog Joseph jedoch nicht davon ab, sich in der Zwischenzeit bei der Schwägerin seiner ersten Ehefrau, Henriette von Württemberg, nach Hermine von Anhalt-Schaumburg zu erkundigen. Denn Henriette war als geborene Prinzessin von Nassau wiederum eine Tante Hermines und zugleich mit der Zarinmutter, Erzherzog Josephs erster Schwiegermutter, verwandt, die weiterhin ihre ehrgeizigen Eheprojekte voranbrachte.19 Henriette lobte die junge Frau sehr, die Joseph nicht persönlich kannte. Das Lob wurde so überzeugend vorgebracht, dass ihm eine Eheschließung angeraten schien. Denn Hermine besaß angeblich einen offenen und doch gesetzten Charakter, was für einen Mann von vierzig Jahren kein geringes Kriterium darstellte. Denn er fürchtete die „Verschiedenheit der Ansichten“ angesichts des Altersunterschieds, wie er gegenüber Amalie von Anhalt-Schaumburg, der Mutter der Braut, bekannte. Aber auch die Verschiedenheit der Lebensverhältnisse konnte ins Gewicht fallen. Die Herrschaft Schaumburg bzw. die Grafschaft Holzappel bildete seit 1806 eine Standesherrschaft des Herzogtums Nassau mit 17 Ortschaften, in denen im Jahr 1818 insgesamt 2460 Menschen lebten.20 Der größte Ort war Cramberg mit 468 Einwohnern. Die Besitzverhältnisse gingen in direkter Linie auf den kaiserlichen Feldmarschall Peter Melander zurück, der die Grafschaft Holzappel 1641 von Graf Johann Ludwig von Nassau-Hadamar erworben hatte.21 Seine Witwe erlangte 1656 von den Herren von Leiningen-Westerburg zusätzlich den Besitz von Burg und Herrschaft Schaumburg. Über die weibliche Erbfolge fielen die Güter zunächst an Nassau-Dillenburg (Nassau-Schaumburg) und dann 1707 an Anhalt-Bernburg
16 Criste III, S. 317–318. 17 Müller (2010), S. 5. Prinzessin Henriette war reformierter Konfession, weil im Ehevertrag ihres lutherischen Großvaters, Fürst Karl Christian von Nassau-Weilburg, mit Prinzessin Karoline von Oranien-Nassau 1760 geregelt worden war, dass die Kinder im Glauben der Mutter zu erziehen seien. Schließlich bestand bei ihnen eine Anwartschaft auf das Generalstatthalteramt der Niederlande. 18 LHA Koblenz Best. 47 Nr. 10345 (23. September 1815). 19 LHA Koblenz Best. 47 Nr. 11090 (17. Juli 1815). Zu Henriette von Württemberg vgl. Lorenz, S. 346. 20 Bode (2017), S. 43. 21 Köbler (1999), S. 276 und S. 569.
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(Anhalt-Schaumburg-Hoym). Diese Linie hatte sowohl Besitzungen in Anhalt als auch an der Lahn und residierte auch in beiden Gegenden. Viktor II. Karl Friedrich von Anhalt-Schaumburg-Hoym heiratete 1793 Amalie von Nassau-Weilburg, mit der er vier Töchter bekam: die schon erwähnte Hermine, dann Adelheid (1800–1820), die 1817 Großherzog August von Oldenburg ehelichte, Emma (1802–1858), die sich 1823 mit Fürst Georg zu Waldeck vermählte, und Ida (1804–1828), die nach dem Tod ihrer Schwester Adelheid 1825 deren Witwer heiratete. Die Kinder wuchsen in Schaumburg und in Hoym bei Quedlinburg auf.22 Der Vater starb 1812, worauf der nassauische Geheime Rat Karl von Ibell, der als wichtigster Organisator des nassauischen Staates einen administrativen Liberalismus vertrat,23 die Obervormundschaft über die Familie übernahm. Die Standesherrschaft führte der Onkel des verstorbenen Fürsten, Friedrich, der seinen Neffen aber nur um wenige Monate überlebte, so dass die Linie Anhalt-Schaumburg-Hoym im Mannesstamm erlosch. Zurück blieb Fürstin Amalie, mit ihren vier Töchtern – allerdings war das nur die halbe Wahrheit. Denn die Fürstin hatte ein knappes Jahr nach dem Tod ihres Ehemanns am 15. Februar 1813 heimlich den Freiherrn Friedrich Wilhelm Gustav Moritz vom Stein geheiratet.24 Er fungierte seit 1806 als Schlosshauptmann und wurde später als erzherzoglich-österreichischer Hofmarschall zu Schaumburg geführt.25 Als sie schwanger wurde, wich sie mit ihrem Ehemann in die Schweiz aus, ging schließlich nach Württemberg zu ihrer Schwester Henriette, die bis dato auch nichts von den Ereignissen erfahren hatte,26 und kam dort am 10. Dezember 1813 mit einem Sohn nieder, der über ein Jahr in Ohmden bei Kirchheim/Teck blieb, um die Ereignisse zu verschleiern.27 Das Kind wurde schließlich am 10. November 1817 in Urbach/Westerwald getauft und inkognito erzogen, weil der nassauische Hof erklärt hatte, Amalie, nicht mehr als nassauische Prinzessin anzuerkennen, wenn diese Eheschließung bekannt werde. Selbst ein Teil der Dienerschaft 22 Herzog Leopold IV. von Anhalt-Dessau, Fürst von Anhalt-Bernburg, erinnerte sich noch viele Jahrzehnte später daran: „Da staken wir immer zusammen und spielten, und ich erinnere mich, daß wir uns da einmal veruneinigt [sic] hatten. Wir kamen uns sogar ein bißchen in die Haare. Da kam die alte Fürstin von Schaumburg dazu und – schwabb, hatte ich meine Ohrfeige weg. Das habe ich nie vergessen können“; Kügelgen, S. 238. 23 HLA HHStAW Best. 210 Nr. 2882; Renkhoff, S. 1982. 24 Bonnet, S. 22. Die Eheschließung ist im Kirchenbuch der Pfarrei Cramberg Nr. 35 verzeichnet; vgl. Huberty, S. 443. 25 Michel, S. 171–172; DAL Kirchenbuch Balduinstein Tote 1837–1858 (4. Dezember 1849). 26 LATh StA Meiningen Gutsarchiv Barchfeld Akten Nr. 965 (13. März 1853). 27 LATh StA Meiningen Gutsarchiv Barchfeld Akten Nr. 965 (16. März 1853).
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hatte sich geweigert, entsprechende Amtshandlungen vorzunehmen.28 Noch fast vierzig Jahre später empfand Amalies Schwester, Henriette von Württemberg, das Ganze als ehrenrührig und weigerte sich, ihren Neffen Friedrich Gustav vom Stein zu empfangen.29 Anderen Familienmitgliedern – darunter Erzherzog Stephan – waren die genauen Vorgänge völlig unbekannt geblieben, wenn sie natürlich über die Verhältnisse selbst Bescheid wussten. Sie gingen aber von einer Rechtmäßigkeit der Trauung und der Taufe aus. Inwiefern Erzherzog Joseph eingeweiht war, ist unklar. Nach einer mehrmonatigen Korrespondenz mit Amalie, in der Erzherzog Joseph seinen dringenden Wunsch einer Eheschließung nach der Änderung der politischen Weltlage dargelegt und – etwas übertrieben – dem Wunsch Ausdruck verliehen hatte, „Mitglied einer so vortrefflichen Familia“ zu werden, reiste er schließlich über Mainz und Limburg auf die Schaumburg, um seine Braut kennenzulernen.30 Joseph selbst war rasch von den „festen Grundsätzen“ und der „rechten Denkungs-Art“ Hermines überzeugt und lobte ihre „wohlthuende Erscheinung“.31 Lediglich ein wenig mehr Selbstständigkeit hätte er sich von ihr gewünscht, was von einer Siebzehnjährigen vielleicht aber auch etwas viel verlangt war.32 Der Erzherzog reiste zunächst von der Schaumburg nach Ofen zurück, wo er als Palatin, also als Statthalter des ungarischen Königs und als Vorstand der Magnatentafel33, einige Geschäfte zu versehen hatte, weshalb er auch der Eheschließung seines Bruders Karl in Weilburg nicht beiwohnen konnte. Die Terminfindung seiner eigenen Hochzeit überließ er seiner zukünftigen Schwiegermutter, warnte aber vor dem 28. oder 29. August, weil beide in Ungarn traditionell als Unglückstage gälten.34 Nachdem alles geklärt war, reiste Joseph in seinem Tross von Ofen auf die Schaumburg. Am 30. August 181535 fand die Eheschließung in der dortigen Schlosskapelle nach katholi28 LATh StA Meiningen Gutsarchiv Barchfeld Akten Nr. 965 (13. März 1853). 29 So war die Geburt des Sohnes Friedrich Gustav ohne das Beisein des Leibarztes Dr. Heiger erfolgt; LATh StA Meiningen Gutsarchiv Barchfeld Akten Nr. 965 (16. März 1853). Zu Stein vgl. Bonnet, S. 22. 30 LHA Koblenz Best. 47 Nr. 11090 (15. Februar 1815, 1. März 1815, 21. Mai 1815, 15. Juni 1815). 31 LHA Koblenz Best. 47 Nr. 11090 (11. Juli 1815). 32 LHA Koblenz Best. 47 Nr. 11090 (26. Juli 1815). 33 In ihr befanden sich die römisch-katholischen Prälaten sowie alle Magnaten vom Palatin bis zum Obergespan; Péter, S. 254. Sie vermittelte häufig zwischen der Krone und dem Abgeordnetenhaus. Zum Ober- und Unterhaus auch Bellabarba, S. 69. Zu den Aufgaben und Kompetenzen auch Szilard in OeStA AVA PHSt H 62/1844. Szilard nannte ihn „erster Machtvollstrecker der Krone und deren Vermittler mit der Nation“. 34 LHA Koblenz Best. 47 Nr. 11090 (9. August 1815). 35 Wiener Zeitung Nr. 276 (3. Oktober 1815), S. 1093.
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schem Ritus statt.36 Wie die Ehefrau des Erzherzogs Karl durfte auch Hermine in der neuen Heimat ihren Glauben beibehalten, wie ausdrücklich im Ehevertrag vom 29. August festgeschrieben worden war. Ihre Kinder waren im katholischen Glauben zu erziehen, aber Hermine sollte einen reformierten Hofkaplan bekommen, wenn sie an einem Ort leben musste, an dem es keinen evangelischen Geistlichen gab.37 In der ungarischen Hauptstadt Ofen, wohin sie umzuziehen gedachte, wurde deshalb auch mit dem Bau einer reformierten Kirche begonnen.38 Ab Dezember 1815 stand ihr der zweite Prediger der reformierten Gemeinde in Wien, der aus Frankfurt am Main gebürtige Carl Cleynmann, als geistlicher Beistand zur Verfügung, hatte er doch einen Ruf durch die Pester Gemeinde angenommen.39 Darüber hinaus wurden im Heiratsvertrag ihre Einkünfte aus der Standesherrschaft Schaumburg geregelt sowie ihr sonstiges Vermögen.40 Die Vormundschaft über ihre Kinder sollte im Falle des Todes der Eltern der Großmutter mütterlicherseits unter Beistand des Kaisers zukommen. Das Fideikommiss der Grafschaft Holzappel und der Herrschaft Schaumburg, das nach dem Tod des Vaters 1812 auf die Töchter übergegangen war, sollte nach Hermines Tod auf ihr ältestes Kind übergehen. Die anderen Geschwister waren von Abfindungen ausgeschlossen. Sollte Hermine kinderlos sterben, ginge das Fideikommiss auf die älteste ihrer noch lebenden Schwestern Adelheid, Emma oder Ida über. Im Fall, dass Hermine ihre Schwestern überlebte, stünde ihr alles zur freien Disposition. Der Umfang dieser Erbmasse war allerdings recht bescheiden. Tatsächlich bestand zwischen den Familienverhältnissen sowie den politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen an der Lahn und dem Rang und der Stellung des Hauses Habsburg und der Donaumonarchie eine enorme Diskrepanz. Das Allerhöchste Kaiserhaus – eine der ranghöchsten Dynastien, im eigenen Verständnis die ranghöchste Europas – regierte über ein Herrschaftsgebiet, das von Tirol bis zum Banat, von Böhmen bis in die Lombardei reichte und im Jahr 1828 eine Einwohnerzahl von über knapp 30 Millionen41 umfasste. Allein in den ungarischen Provinzen lebten 1843 15,6 Millionen Einwohner, in den beiden Städten Pest 80.000 und Ofen 36 Hamann (1988), S. 164. Der Ehevertrag in LHA Koblenz Best. 47 Urkunde Nr. 15136 (29. August 1815). 37 HLA HHStAW Best. 462 Nr. 90/4 (in Abschrift). 38 Cleynmann, o. S.; Kollár, S. 4–32. 39 LHA Koblenz Best. 47 Nr. 11090 (5. Dezember 1815). 40 HLA HHStAW Best. 462 Nr. 90/4 (in Abschrift). 41 Exakt 29.625.086; vgl. Helczmanovski, S. 376; in Ungarn waren es 10.958.278. Im Jahr 1850 belief sich die Zahl auf insgesamt 35.747.853 Einwohner; vgl. Sandgruber, S. 121. Vgl. auch Sked (1993), S. 45.
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40.000 Menschen. Das war weit von nassauischen oder gar den standesherrlichen Größenordnungen entfernt.42 Dieser Größen- und Bedeutungsunterschied schlug sich auch in der finanziellen Versorgung nieder. Erzherzog Joseph und seine Nachkommen erhielten nach der Heirat ein ungarisches Kameralgut im Wert von 100.000 Gulden zugewiesen. Da dieses Gut nicht sofort zur Verfügung stand, wurde der Familie jährlich die entsprechende Summe in bar ausbezahlt. Hinzu kam eine jährliche Rente von 50.000 fl. aus dem Familienversorgungsfonds, der auch für die Nachkommen gelten sollte. Hermine selbst stand die gleiche Summe zusätzlich zu, was deutlich mehr war als die bisherigen Einkünfte.43 Diese Regelung würde nur außer Kraft gesetzt, wenn Erzherzog Joseph zur Souveränität gelangen sollte.44 Die Diskrepanz zwischen den Lebensumständen, mit denen die Braut bisher vertraut war, und denjenigen, in denen sie in Zukunft zu leben hatte, war enorm. Im Herbst 1815, als Erzherzog Joseph mit der weinenden Hermine von der Schaumburg abgereist war und – nach Besuchen in Wiesbaden und Mainz45 – am 29. September 1815 in Wien ankam, um sie dort der Verwandtschaft vorzustellen, gab es viele verschiedene Möglichkeiten, wie sich das Spannungsverhältnis dieser beiden Lebenswelten auf das Ehepaar und seine Nachkommen auswirken würde. Schon bald zeigte sich, dass es sich hierbei um eine Hypothek handelte, die nicht so schnell ihre Bedeutung verlor. Hermine sehnte sich nach der Schaumburg zurück, die sie als „Engels-Schaumburg“ betitelte und von der sie des Nachts träumte. Dass sie das Schloss in Ofen mit demjenigen in Weilburg an der Lahn verglich, ist gewiss als autosuggestiver Versuch zu werten, sich das Unvertraute und Unbehagliche annehmbar zu machen.46 Denn die junge Frau hatte nicht nur Heimweh, sondern war mit den auf sie zugekommenen Aufgaben deutlich 42 Niederhauser, S. 11–12. Es handelte sich trotzdem um keine unstandesgemäße Heirat, weil Hermine als Tochter eines bis ins frühe 19. Jahrhundert reichsunmittelbaren Grafen für das Haus Habsburg akzeptabel war. Auch ihre direkten Vorfahren sprachen nicht gegen eine Verbindung. Vgl. zur Problematik u. a. Hamann (1987), S. 44. Allerdings bewegte sich diese Verwandtschaft am unteren Ende der Skala der für die Habsburger in Frage kommenden Ehekandidaten. 43 Für 1817/18 lagen die unmittelbaren Einnahmen der Schaumburgischen Hofrechnung bei knapp 20.500 fl.; LHA Koblenz Best. 47 Nr. 11270. Die Einnahmen der Renteirechnung beliefen sich von 1816 bis 1818 auf knapp 30.000 fl. bei Ausgaben von etwas mehr als 15.000 fl.; LHA Koblenz Best. 47 Nr. 15410. 44 OeStA General-Direktion der ah. Privat- und Familienfonden Ältere Reihe Karton 7 Fasz. 6 (5. November 1815). 45 LHA Koblenz Best. 47 Nr. 10345 (23. September 1815). 46 Droescher, S. 189. Vgl. auch Wiener Zeitung 3. Oktober 1815. Das Präfix „Engels“ setzte die junge Frau vor alles, was ihr lieb und wert war; LHA Koblenz Best. 47 Nr. 10345.
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überfordert, gerade als sie nach ihrer Ankunft in Ungarn Anfang Oktober in den Fokus der Öffentlichkeit geriet.47 Das hatte sich aber bereits kurz nach der Abreise von der Schaumburg abzuzeichnen begonnen. Schon während der Reise musste Joseph umdisponieren, weil sich die junge Ehefrau extrem unwohl fühlte. Immer wieder wird in den kommenden Monaten von psychosomatischen Leiden gesprochen, von Magenkrämpfen, Bauchschmerzen, allgemeinem Unwohlsein, Appetitlosigkeit, rheumatischem Fieber und Schwindelgefühlen, aber auch von Geschwulsten und Zahnschmerzen.48 Immer wieder ist von eitrigem Ausschlag an Händen, unter den Armen und an den Füßen die Rede.49 Hermine, die sich der neuen Gesellschaft und vor allem den Männern gegenüber sehr scheu zeigte,50 fand zu keiner stabilen Gesundheit. So gut es Erzherzog Joseph auch mit ihr gemeint haben mochte, er überforderte sie mit seinen Ansprüchen, was ihm sehr bewusst war. „Sie kömt [!] dort in ein Land, welches von denen übrigen, so sie bisher gesehn, sehr verschieden, andere Sitten, andere Gebräuche und wo sie die erste Rolle spielen muß.“51 Kaum in Ofen angekommen, ließ er ihr Zeichen- und Musikunterricht erteilen, vor allem aber Unterricht in der ungarischen Sprache. Der Ehemann erklärte ihr, dass diese Sprache sehr schwer zu erlernen sei, dass aber ihre Beherrschung dazu führen werde, die „Nation unbeschreiblich“ mit ihr zu verbinden. Die „Nation“ werde dann für sie durch das Feuer gehen.52 Der Tagesablauf war von 7 bis 22 Uhr genau geregelt: Toilette, Unterricht, Korrespondenz, Billard, Theater, Tee und allgemeine Gespräche.53 Sie müsse, so Joseph, erzogen werden, wobei ihm schnell zu Bewusstsein gelangte, dass sie massiv Heimweh hatte und viele ihrer Leiden psychischer Natur waren. Deshalb ließ er für sie vier Ansichten der Schaumburg anfertigen und in ihrem Zimmer zusammen mit zahlreichen Porträts der Ver47 LHA Koblenz Best. 47 Nr. 10345 (6. Oktober 1815). 48 LHA Koblenz Best. 47 Nr. 11090 (ab 26. September 1815). 49 LHA Koblenz Best. 47 Nr. 10345 (7. Januar 1816; 21. Januar 1816; 3. Juni 1816; 21. Juni 1816). 50 LHA Koblenz Best. 47 Nr. 11090 (29. September 1815). 51 LHA Koblenz Best. 47 Nr. 11090 (3. Oktober 1815). 52 LHA Koblenz Best. 47 Nr. 10345 (10. Oktober 1815). Musikunterricht hatte sie freilich bereits auf der Schaumburg erhalten; LHA Koblenz Best. 47 Nr. 10345 (27. Oktober 1815). 1765 war mit Lajos Batthyány der letzte Palatin aus einer ungarischen Familie gestorben. Das starke Eingreifen der österreichischen Zentralverwaltung schwächte jedoch nicht die kulturelle Eigenständigkeit. Im Gegenteil: Marie Christine von Österreich und ihr Mann Albert, die das Amt des Palatins versehen sollten, übernahmen ungarische „Vorstellungen und Manieren“, und Erzherzog Joseph führte das später als Palatin fort; Evans (2001), S. 354–355. 53 LHA Koblenz Best. 47 Nr. 11090 (11. Oktober 1815).
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wandtschaft aufhängen.54 Andererseits warf er ihr aber auch immer wieder vor, viel zu phlegmatisch zu sein.55 Über diesen Punkt kam es mehrfach zu Auseinandersetzungen zwischen den Eheleuten. Aber Joseph war sich sicher, dass Hermine an ihm hänge und sich seinem Willen unbedingt füge,56 so dass er trotz aller Qual seiner Ehefrau ein positives Fazit ziehen konnte. Am 24. Dezember 1815 schrieb er – vielleicht auch, um nach außen die Fassade zu wahren –, „daß ich an Hermines Seite ein glückliches Loos gefunden, als ich es nur hoffen und erwarten konnte […]. Unser häußliches Glück mehrt und befestigt sich mit jedem Tage, und das stille, solide Gepräge derselben [d. i. Hermines] machet es mir noch werther.“57 Der Verdacht einer Schwangerschaft im Oktober 1815 zerschlug sich, so dass weiter daran gearbeitet wurde, sie bald so weit geschult zu haben, dass sie sich an das gesellschaftliche Leben in Ofen gewöhnte.58 Doch das erwies sich als große Herausforderung. Äußerungen Josephs gegenüber Fürstin Amalie müssen auf der Schaumburg als Vorwurf angekommen sein, das Mädchen nicht richtig erzogen zu haben. Denn der Palatin antwortete auf ein Schreiben seiner Schwiegermutter, in dem diese wohl ihre „natürlichen“ Erziehungsmethoden verteidigt hatte, freundlich, aber mit Nachdruck, dass eine Frau, die keine Erfahrungen an verschiedenen Höfen gemacht habe, in den Händen eines Mannes im fortgeschrittenen Alter, der ihre Bildung zu vervollkommnen trachte, noch „zum Ziel“ geführt werden müsse. Ein junger Mann aber könne ihr die Stütze nicht sein, die sie schlichtweg benötige.59 Aus den Briefen klingt vieles nach wohlmeinender Hilfe und unnachgiebigem Zwang zugleich, und die junge Frau litt unsäglich unter den neuen Verhältnissen. Da änderte es auch nichts, dass Joseph von Hermine angeblich nichts fordern wollte, sondern alles durch „Ueberzeugung und freundschaftliches Zureden“ zu erreichen versuchte. Er beklagte aber auch den dabei entstehenden „Zeitverlust“.60 Zeitverlust bedeutete es insbesondere, dass 54 LHA Koblenz Best. 47 Nr. 11090 (29. November 1815) und Nr. 10345 (6. Oktober 1815). Da bereits bei der Ankunft Hermines von solchen Bildern die Rede ist, kann davon ausgegangen werden, dass Joseph den positiven Effekt einige Wochen später durch zusätzliche Bilder noch steigern wollte. 55 LHA Koblenz Best. 47 Nr. 11090 (18. und 22. Oktober 1815 sowie 19. November 1815 und 17. Dezember 1815); LHA Koblenz Best. 47 Nr. 10345 (25. Oktober 1815): Hermine interpretierte das vermeintliche Phlegma als Sanftmut, auch 16. November 1815. 56 LHA Koblenz Best. 47 Nr. 11090 (25. Oktober 1815). 57 HLA HStAD D 22 Nr. 12/35 (24. Dezember 1815), Palatin Joseph an Wilhelm von Preußen (1783–1851). 58 LHA Koblenz Best. 47 Nr. 11090 (29. Oktober 1815). 59 LHA Koblenz Best. 47 Nr. 11090 (8. November 1815). 60 LHA Koblenz Best. 47 Nr. 11090 (13. November 1815). Vgl. auch HLA HHStAW Best. 130
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sich kein Nachwuchs einstellte, was auch mit Josephs Rheumatismus zusammenhängen mochte, insbesondere aber in der mehrmonatigen ehelichen Enthaltsamkeit begründet lag, die von Hermines Befindlichkeit herrührte und für die diese sehr dankbar war.61 Diese besserte sich zwar dann doch,62 aber nicht nennenswert und ging mit ständigen Rückschlägen bei nervlichen Belastungen einher. Die ständigen brieflichen Beteuerungen Josephs, es gehe langsam aufwärts, bemäntelten nur den gesundheitlichen Stillstand seiner Ehefrau. Erst am 18. Juni 1816, genau ein Jahr, nachdem Joseph sie zum ersten Mal gesehen hatte, konnte sie – nach der kurzen Stippvisite auf ihrer Hinreise nach Ofen – Wien besuchen und dem Kaiser vorgestellt werden.63 Wie nicht anders zu erwarten, tat sich Hermine aber auch mit Wien sehr schwer.64 Für den Herbst 1816 – anlässlich der Erkrankung der Fürstin Amalie65 – war eine Reise Hermines auf die Schaumburg geplant, in die Joseph auch die Hoffnung setzte, dass sich das Heimweh lindern ließe.66 Vielleicht war auch impliziert, dass die Mutter ein ernstes Wort mit ihr spräche. Denn so konnte es nicht weitergehen. Hermine war so abgemagert, „daß man überall die Knochen hervorsieht.“67 Zu dieser Reise scheint es nicht gekommen zu sein. Im Dezember traf aber zumindest Joseph mit seiner Schwiegermutter in Karlsbad zusammen, wohin diese zur Rekonvaleszenz gekommen war,68 bei welchem Anlass sicherlich auch die schwierige eheliche Situation angesprochen worden sein dürfte.69
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II Nr. 3372 (14. Juni 1816). LHA Koblenz Best. 47 Nr. 11090 (13. November 1815) und Nr. 10345 (15. November 1815). Oehler (2006), S. 139–140. LHA Koblenz Best. 47 Nr. 11090 (18. Juni 1816). Über das dortige gesellschaftliche Leben äußerte sie: „O über das großstädtische Leben!!! Lieblingsvergnügen, nützliche Beschäftigungen, alles muß man steifen Visiten, langweiligen Besuchen, ewig währenden Diners (wobei man mehr gähnt als ißt!), mit einem Worte der langweiligsten Lebensart von der Welt aufopfern! Das nennt man hernach bon ton!“; zit. nach Schieckel (1990), Hermine, S. 165. LHA Koblenz Best. 47 Nr. 10345 (5. September 1816). LHA Koblenz Best. 47 Nr. 11090 (9. September 1816). LHA Koblenz Best. 47 Nr. 11090 (16. März 1817); LHA Koblenz Best. 47 Nr. 11090 (30. März 1817): „daß sie blos aus Haut und Knochen zusammengesetzt zu seyn scheint“. LHA Koblenz Best. 47 Nr. 10345 (31. Dezember 1816). HLA HStAD Best. D 22 Nr. 12/35 (21. Dezember 1816): Erzherzog Joseph traf seine Schwiegermutter, Prinzessin Amalie, in Karlsbad.
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2.2 Dramatischer Eintritt ins Leben Anfang 1817 verdichteten sich trotz der widrigen Verhältnisse die Anzeichen, dass Hermine schwanger sein könnte. Aus Furcht, die Schwiegermutter auf der Schaumburg zu früh in Freude zu versetzen, verschwieg Erzherzog Joseph ihr gegenüber diese Information jedoch so lange, bis Hermine selbst die Neuigkeiten in Ungarn streute und er befürchten musste, Amalie werde es auf anderem Wege erfahren.70 Die freudige Nachricht war während der Faschingstage zutage getreten, an denen Hermine tanzend teilnahm.71 Allein das muss als Hinweis gewertet werden, dass sie sich langsam mit den neuen Lebensumständen arrangieren konnte. Sie freute sich sehr über ihre Schwangerschaft, und auch der Besuch bei ihrer Mutter und ihrer Schwester Adelheid in Karlsbad im Frühsommer 1817 mag ihr Auftrieb gegeben haben,72 so dass sie die Strapazen der Schwangerschaft den Umständen entsprechend gut wegstecken konnte. Daher wurde die Anwesenheit Amalies bei der Geburt in Ofen fest eingeplant.73 Joseph hingegen machte sich Sorgen. Denn es schien ein „starkes“ Kind zu werden – von Zwillingen konnte er nichts ahnen –, und die Mutter war nach wie vor geschwächt. In seinen Briefen an seine Schwiegermutter bekundete er, sich nicht vorstellen zu können, wie Hermine bei ihrer Konstitution mehrere Geburten überstehen könne.74 Er blieb seiner Ehefrau gegenüber weiterhin überaus besorgt, so dass er, nachdem er noch im Frühjahr ihre Magerkeit beklagt hatte, ihr im Juli ein Klistier verabreichen ließ, weil sie mittlerweile „etwas zu fettleibig“ geworden sei.75 Vielleicht waren es seine Erfahrungen aus erster Ehe, die ihn so ängstlich werden ließen. Schließlich aber wies doch alles auf einen glücklichen Ausgang der Entbindung hin. „Mit einem lieben Weibe gewinnt das Leben an Werth“, schrieb Joseph, „und man richtet seine Gedanken auf die Verlängerung einer glücklichen Existenz.“76 Auch wenn der Herzog von Nassau und Josephs Bruder Karl kurz zuvor jeweils Söhne bekommen hatten, gestand er, dass ihm auch ein Mädchen gleich lieb sei.77 70 LHA Koblenz Best. 47 Nr. 11090 (23. Februar 1817). Am gleichen Tag teilte Hermine ihrer Mutter – noch unter gewissem Vorbehalt – die Nachricht mit; LHA Koblenz Best. 47 Nr. 10345. 71 Zur Teilnahme an diesen Veranstaltungen LHA Koblenz Best. 47 Nr. 10345 (Februar 1816). 72 LHA Koblenz Best. 47 Nr. 11090 (8. Juli 1817). 73 LHA Koblenz Best. 47 Nr. 11090 (5. und 20. Juli 1817). 74 LHA Koblenz Best. 47 Nr. 11090 (3. August 1817). 75 LHA Koblenz Best. 47 Nr. 11090 (2. Juli 1817). 76 LHA Koblenz Best. 47 Nr. 11090 (3. September 1817). 77 LHA Koblenz Best. 47 Nr. 11090 (6. August 1817).
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Doch Mitte September überstürzten sich die Ereignisse. Der werdende Vater war am 12. September nach Tyrnau nordöstlich von Pressburg unterwegs, weil der Geburtstermin ja erst für Oktober angesetzt war, und wollte dort am 14. mit seiner aus Karlsbad kommenden Schwiegermutter zusammentreffen, um mit ihr zur werdenden Mutter nach Ofen zu reisen.78 Doch hatten bei dieser in der Nacht vom 13. auf den 14. September bereits die Wehen eingesetzt, so dass sich Erzherzogin Hermine darüber freute, ihrem Ehemann eine besondere Überraschung bereiten zu können. Bei ihr anwesend waren der königliche Leibarzt Dr. Pfisterer, der Professor für Geburtshilfe Dr. Birly und die Hebamme Schlick, die „mit dem glücklichsten Erfolge“ am 14. September um elf Uhr das Kind mit Hilfe zweier Instrumente aus dem Mutterleib holten.79 Doch da versagten die Kräfte der Mutter. Krämpfe und Zuckungen, welche die Ärzte nur mit größter Mühe stillen konnten, überfielen sie. Dabei zeigte sich ein zweites Kind, mit dem niemand gerechnet hatte. Das geborene Mädchen wurde der Mutter abgenommen, um dem Zwilling in die Welt zu helfen. Unter erneuten Krämpfen der Mutter gelang es schließlich, drei Stunden nach der ersten Geburt einem Jungen das Leben zu schenken. Kurz darauf, um zwei Uhr nachmittags, verstarb allerdings Erzherzogin Hermine. Nachdem die erste Ehefrau Josephs acht Tage nach der Geburt ihres ersten Kindes verstorben war, kam es hier sogar zum Tod direkt nach der Geburt. Die Fälle waren vergleichbar.80 Erzherzog Joseph und Fürstin Amalie hatten unterwegs auf dem Weg zu ihr schon Vorahnungen befallen. Als sie schließlich in Ofen ankamen, war Hermine bereits tot. „Ich verlohr einen Engel von Weibe“, schrieb Joseph und setzte in einem anderen Schreiben hinzu: „Meine verewigte Hermine war eine Frau, wie man sie selten findet. […] Sie war mehr, als sie schien […].“ War das ein wirklich aufrichtiges Lob der Verstorbenen oder schwang hier nicht doch auch der Versuch mit, in der Trauer jemanden aufzuwerten, von dem er zu Lebzeiten doch eher enttäuscht gewesen war? Mehr gewesen zu sein, als es den Anschein hatte, bedeutet doch auch, dass man allgemein nicht viel von ihr gehalten hatte. Joseph flüchtete sich deshalb in die Qualitäten der Güte und der „Unschuld ihres Herzens“, durch die sie sich in besonderem Maß ausgezeichnet habe.81
78 HLA HStAD Best. D 22 Nr. 12/35 (16. September 1817); LHA Koblenz Best. 47 Nr. 11090 (31. August 1817). 79 Königlich-privilegierte Baierische National-Zeitung 11 (25. September 1817), S. 878. 80 Lauro, S. 250. 81 HLA HStAD Best. D 22 Nr. 18/52 (27. Oktober 1817).
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Angesichts der Dramatik der Ereignisse stand eine Obduktion der verstorbenen Erzherzogin durch Mediziner der Pester Universität an, um alle möglichen Verdachtsmomente ausräumen zu können. Der Bericht wurde schließlich auch in diversen Zeitungen veröffentlicht. „Sämmtliche Organe des Körpers in den drey eröffneten Höhlen des Kopfes, der Brust und des Unterleibes, wurden in gesundem Zustande gefunden, und nach dem einstimmigen Urtheile der anwesenden Ärzte lag die Ursache des Todes in den sehr heftigen allgemeinen Zuckungen oder Fraisen, welche vor und nach der Geburt jedes der beyden Kinder eintraten, die Wehen unterdrückten, bey allen angewandten Mitteln immer wieder kamen, und die schnelle Entbindung durch Hülfe der Kunst auf der Stelle erforderten. Dieser vorgenommenen künstlichen Entbindung allein verdanken auch die Zwillinge ihr Leben.“82 Durch den Obduktionsbericht und durch die Feststellung der Gesundheit beider Kinder konnten die Ärzte folglich von einer Mitschuld freigesprochen werden, was in der ganzen Donaumonarchie bekanntgegeben wurde. Allerdings gab die Schwächlichkeit der beiden Frühgeburten Anlass zur Sorge. Insbesondere der zweitgeborene Knabe schwächelte.83 Die Taufe beider erfolgte am 17. September um 19 Uhr84 im königlichen Schloss zu Ofen. Auch hierüber berichteten die Zeitungen ausführlich. Aus diesem Anlass war eigens ein Altar errichtet worden, an dem der Erlauer Erzbischof Stephan Freiherr von Fischer in Gegenwart des erzherzoglichen Hofstaats die Taufzeremonie vollzog. Das Mädchen erhielt die Namen Hermine Amalie Marie. Ihre Taufpatin war Fürstin Amalie von Anhalt-Schaumburg, also die Großmutter. Der Junge wurde auf die Namen Stephan Franz Viktor getauft – in Bezugnahme auf den ersten ungarischen König Stephan (969–1038), auf Kaiser Franz I. von Österreich und – wohl – auf den Großvater Viktor II. von Anhalt-Schaumburg. Abgesehen von dem „angeheirateten“ Kaiser Franz I. Stephan dürfte es sich um den ersten Habsburger mit dem Vornamen Stephan gehandelt haben, was ungewöhnlich deutliche national-ungarische Konnotationen zuließ. Stephans Taufpate war sein Onkel, Kaiser Franz I. von Österreich, Bruder seines Vaters. Die Patenschaft übernahm an seiner Stelle allerdings der Deutschmeister Erzherzog Anton Viktor, Bruder sowohl des Kaisers als auch des Kindsvaters.85
82 Brünner Politische Zeitung 267 (23. September 1817); Grätzer Zeitung 155 (29. September 1817); Vereinigte Laibacher Zeitung 78 (30. September 1817). Laut Nachruf in Die Presse Nr. 199 (26. August 1853) hat Burgpfarrer Johann Mleynek an Stephan die eigentliche Taufhandlung vollzogen. 83 HLA HStAD Best. D 22 Nr. 12/35 (27. Oktober 1817). 84 Kaiserl. Königl. Privilegirte Linzer Zeitung Nr. 78 (29. September 1817), S. 1. 85 Anton Viktor war nach seinem Taufpaten Viktor Amadeus von Piemont-Sardinien benannt
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Am Tag nach der feierlichen Beisetzung der Prinzessin Hermine, dem 18. September 1817, in der reformierten Kirche zu Ofen durch den reformierten Prediger Cleynmann zogen sich Erzherzog Joseph und Erzherzog Anton mit Fürstin Amalie und ihren Töchtern Emma und Ida auf die Güter des Palatins nach Békéscsaba (Csaba) in Südostungarn zurück.86 Eine schwere Zeit stand bevor, die in der schwierigen Familiensituation begründet lag. Fürstin Amalie unterstützte den Witwer in der Pflege der Kinder und blieb aus diesem Grund zunächst einmal in Ungarn.87 Die Herausforderung war nicht gering, weil sich die kleine Hermine. zwar „stark und gantz wohl“ befand, Stephan hingegen noch fast in Josephs Armen verstorben war und weiterhin kränkelte. Die Sorge um die Kinder trug Vater und Großmutter über die Trauer um Prinzessin Hermine hinweg. Seine Schwiegermutter, schrieb Joseph, habe seinen „gesunkenen Muth“ wieder aufgerichtet, und der Umgang mit ihr habe ihn wieder zu sich selbst gebracht.88 Auch die Gesundheit Amalies habe sich in Ungarn verbessert, weil zum einen das Klima ein besseres sei als auf der Schaumburg, zum anderen die Pflege ihrer Enkel sie stärke.89 Der Zustand der beiden Säuglinge verbesserte sich dabei zusehends. Bereits Mitte Oktober90 konnte Erzherzog Joseph feststellen, dass sich die Gesundheit Stephans, die ihm anfangs keine geringen Sorgen bereitet hatte, positiv entwickle. Dieser hoffnungsvolle Zustand sollte sich in den darauffolgenden Wochen und Monaten stabilisieren. Hermine., die im Aussehen nach der Mutter kam, war des Vaters Liebling, zu dem schwachen und am Anfang kaum lebensfähig erscheinenden Stephan, so bekannte er, zog ihn eher das Mitleid.91 Für die Kinder musste gesorgt werden, wozu sich der Palatin in Ungarn außer Standes sah. Er wandte sich daher mit der Bitte an Staatskanzler Fürst Metternich, die Einwilligung zu erteilen, dass die Großmutter die Zwillinge zunächst mit sich auf die Schaumburg nehmen dürfe. In Wien – aber auch in Ungarn selbst – herrschten allerdings schon die wenigen Jahre nach der Eheschließung Bedenken, die Joseph wortreich zu entkräften hoffte: Er sagte dem Staatskanzler zu, die Kinder nicht primär an einem
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worden; vgl. Hamann (1988), S. 60–61. Dass sein Zweitname auch auf Stephan übertragen worden sein könnte, ist eher unwahrscheinlich. Oesterreichischer Beobachter Nr. 268 (25. September 1817), S. 1384. HLA HStAD Best. D 22 Nr. 12/35 (27. Oktober 1817). HLA HStAD Best. D 22 Nr. 18/52 (27. Oktober 1817). HLA HStAD Best. D 22 Nr. 12/35 (20. Dezember 1817). Am 3. März 1818 erfolgte durch Dr. von Pfisterer die Pockenimpfung, weil in den umliegenden Ortschaften eine Blatternepidemie ausgebrochen war; Oesterreichischer Beobachter 71 (12. März 1818). LHA Koblenz Best. 47 Nr. 11090 (12. Oktober 1817). LHA Koblenz Best. 47 Nr. 11090 (12. Oktober 1817).
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protestantischen Ort erziehen zu lassen, sondern sie lediglich der sorgfältigen Pflege der Großmutter übergeben zu wollen. Selbstverständlich werde ihnen – den erst wenige Wochen alten Kindern – ein Priester die katholische Glaubenslehre vermitteln. Darüber hinaus würden beide an keinen fremden Hof geschickt, weil die Schaumburg mediatisiert sei und dementsprechend keine eigenständige Politik betreibe. Kurzum: Erzherzog Joseph beabsichtige mit dieser Verschickung nicht, der Ehre des Kaisers Abbruch zu tun.92 Inwiefern bei den Wiener Bedenken auch der ungewöhnliche Zuschnitt des großelterlichen Haushalts an der Lahn auf die Bedenken Einfluss nahm, ist anhand der Quellen nicht zu ergründen. Gerade die Religionsfrage wurde bereits so kurz nach der Eheschließung zum Streitpunkt, was nicht nur am katholischen Erzhaus selbst lag. Vielmehr wurde dem Protestantismus in Ungarn eine oppositionelle Bedeutung beigemessen. „Religions-Fragen“ konnten hier sehr schnell zu „Parthey-Sachen“ werden. Protestantische Kinder des Palatins hätten für Wien Konsequenzen nach sich ziehen können. Das konnte Erzherzog Joseph nicht leugnen, auch wenn er anmerkte, dass die religiöse Erziehung der Kinder ja erst im vierten oder fünften Lebensjahr beginnen werde.93 Wien hatte ein Einsehen, und Fürstin Amalie konnte Ungarn am 20. April 1818 zusammen mit den Zwillingen verlassen, nachdem der Titularbischof von Tribunitz, Johann von Kovalik, die Kleinen gesegnet hatte. Die Kinder sollten in der Zeit, in der Palatin Joseph unverheiratet war, in der Herrschaft Schaumburg heranwachsen. Fürstin Amalie lebte zumeist auf dem Hof Hausen über Balduinstein oder auf der Schaumburg selbst, die aber erst in den frühen 1820er Jahren etwas behaglicher gemacht wurde,94 in recht einfachen Verhältnissen mit ihrem zweiten Ehemann und dem Sohn Friedrich. Über den Wegzug wurde auch in diversen Zeitungen in freundlichem Ton berichtet: Mit zärtlicher Liebe, hieß es da, habe die Großmutter für die Kinder „bisher so wohlgedeihend“ gesorgt.95 Problemfälle blieben die Zwillinge aber doch: Stephan wuchs zwar sehr rasch, aber die Kopfform sorgte anfangs für Gleichgewichtsprobleme und ließ Bedenken aufkommen, ob er denn je das Laufen lernen werde.96 Auch blieb er nach wie vor sehr schwach.
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LHA Koblenz Best. 47 Nr. 11090 (o. D.), Brief Nr. 183. LHA Koblenz Best. 47 Nr. 11090 (23. April 1818). Schieckel (1990), Schaumburg, S. 280 und S. 300. Mährisch-Ständische Brünner Zeitung Nr. 120 (2. Mai 1818), fol. 479; Grätzer Zeitung 70 (2. Mai 1818); Königl. Privilegirte Baierische National-Zeitung Nr. 108 (7. Mai 1818), fol. 411. 96 LHA Koblenz Best. 47 Nr. 11090 (17. November 1818). Joseph erkannte eine Ähnlichkeit der Schädelform mit derjenigen der Söhne des Erzherzogs Karl.
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Ein erstes Wiedersehen Josephs erfolgte zwei Monate nach der Abreise. Er besuchte die Schaumburg und kurte in Ems,97 bevor er sich – zur Wiederherstellung seiner Gesundheit98 – auf eine Reise durch Italien99 machen wollte. Bereits im Herbst 1817 hatte er Herzog Wilhelm von Nassau den Besuch auf der Schaumburg angekündigt, weil er im Namen seiner Kinder an den Verhandlungen über die Stellung der Mediatisierten im Herzogtum Nassau teilnehmen wolle bzw. insgesamt bestrebt war, ihre Rechte und ihr Vermögen zu wahren, worum er den Herzog schriftlich bat.100 Auf der Schaumburg nahm er sich der Ordnung der Verwaltungs- und Finanzorganisation der Herrschaft sowie einiger baulicher Verbesserungen des Gemäuers an. Dort traf er auch mit Großherzog Paul Friedrich August von Oldenburg zusammen, der eine Schwester seiner verstorbenen Ehefrau geheiratet hatte und später für Erzherzog Stephan von großer Bedeutung werden sollte.101 Mit dem frühen Tod der Ehefrau brach der Kontakt Josephs zur Herrschaft Schaumburg also nicht ab.102 Zwei Jahre später sollte Fürstin Amalie sogar förmlich darum bitten, Erzherzog Joseph die Mitvormundschaft über ihre Tochter Ida zu übertragen, weil die Auseinandersetzungen mit 97 LHA Koblenz Best. 47 Nr. 11090 (13. März 1818 bis 25. Oktober 1818); HLA HStAD Best. D 22 Nr. 12/35 (2. Juli 1818). Die Reise von Wien nach Schaumburg dauerte ca. 220 Poststunden; vgl. Schieckel (1990), Schaumburg, S. 299. Der am Elisenbrunnen in Aachen als Inschrift vermerkte Besuch Josephs im Jahr 1817 ist irrig (wohl 1781); frdl. Hinweis von Frau Angelika Pauels, Stadtarchiv Aachen. 98 LHA Koblenz Best. 47 Nr. 11090 (25. Oktober 1818). 99 Diese Reise stand in keiner Beziehung zur gleichzeitigen Italienreise Kaiser Franz I.; Kuster, S. 18; Siemann (2016), S. 617–618. 100 HLA HHStAW Best. 130 II Nr. 3379 (14. Oktober 1817). 101 Schieckel (1996), S. 103–105; Schieckel (1990), Schaumburg, S. 304. 102 Fürstin Amalie befand sich stetig mit Erzherzog Joseph wegen der Besitzrechte Stephans an Holzappel und Schaumburg und anderer standesherrlicher Probleme in engstem Kontakt. Involviert war Joseph in die Auseinandersetzungen der nassauischen Standesherren mit dem Herzog; vgl. Spielmann (1897), S. 76; Riesener, S. 184–185. Vgl. auch Sauer, S. 38, S. 47–48, S. 88; HLA HHStAW Best. 130 II Nr. 3372 (27. Juni 1816). Streitigkeiten um die Rechte seiner Ehefrau hatte Joseph u. a. mit Landgräfin Karoline von Hessen-Philippsthal und Gräfin Victoria von Wimpffen; HLA HHStAW Best. 130 II Nr. 3379 (26. Januar 1821); HLA HHStAW Best. 210 Nr. 2882; LHA Koblenz Best. 47 Nr. 15650 (1. Juni 1816), Schreiben Hermines; HLA HHStAW Best. 130 II Nr. 3379. Auch achtete er darauf, dass sehr sorgsam mit dem Erbe seines Sohnes umgegangen wurde. Ihm war es wichtig, dass Stephan ein schuldenfreies Erbe übernahm, und die Großmutter hatte dafür auch auf die ihr zustehenden Gelder verzichtet. Amalie tat viel für ihren Enkel und sorgte dafür, dass ihr Erbe ihn nicht belastete. Einkünfte aus der Herrschaft Schaumburg bildeten darüber hinaus immer wieder seine finanzielle Rückendeckung, so 1845, als das Bankhaus Rothschild an Stephan 25.000 fl. aus der herrschaftlichen Kasse – also gegen ein Darlehen – auszahlte, um ihn seiner Geldnöte zu entheben; HLA HHStAW Best. 290 Nr. 367; LHA Koblenz Best. 47 Nr. 11082 (18. April 1834); OeStA HHStA KA NL Franz A. Kolowrat (24. Juli 1845).
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Anhalt-Bernburg „so schwierig geworden“ waren, dass sie sich alleine nicht mehr in der Lage sah, die Geschäfte zu führen.103 Der Erzherzog blieb weiterhin in innerfamiliäre und standesherrliche Probleme der Schaumburger involviert. Für das Narrativ über Stephans Leben oder in seiner eigenen Wahrnehmung spielen aber später weder die verstorbene Mutter noch die Schaumburg seiner Kindertage eine Rolle. Gerade im Fall Hermines bleibt es erstaunlich, wie wenig er auf sie Bezug nahm, aber auch, dass Berichte über ihn nie das romantisch-sentimentale und Emotionen hervorrufende Bild der bei der Geburt verstorbenen Mutter bemühten.104 Für Joseph musste eine Ehefrau gefunden werden, um ein „normales“ Familienleben zu ermöglichen. Denn dass die beiden Kleinkinder bei der Großmutter versorgt wurden und auf dem Hofgut Hausen zusammen mit deren morganatischem Sohn aufwuchsen, konnte nur ein Provisorium sein. Sicherlich tat man sich deshalb im näheren verwandtschaftlichen Umfeld der Schaumburger Fürstin um.105 Die verwandtschaftlichen Beziehungen an die Lahn bzw. nach Nassau brachten in kürzester Zeit eine mögliche Ehefrau hervor: Maria Dorothea von Württemberg. Die gebildete und streng lutherische junge Frau war als Tochter des Herzogs Ludwig von Württemberg und seiner Ehefrau Henriette von Nassau-Weilburg, die ja auch die Ehe mit Anhalt-Schaumburg hatte einzufädeln helfen, eine Nichte der Fürstin Amalie, somit eine Schwester des Herzogs Wilhelm von Nassau sowie eine Nichte der Zarin Maria Feodorowna und damit wiederum eine Cousine von Josephs erster Ehefrau. Die Zarinmutter besuchte im Herbst 1818 in Mainz auch Fürstin Amalie mit ihren Enkeln, um deren Bekanntschaft zu machen.106 Da Josephs Kontakt zu seiner ersten Schwiegermutter nie abgerissen war und auch zu ihrer Tochter, der Königin Katharina Pawlowna von Württemberg, eng blieb, ist es nicht verwunderlich, dass diese russisch-württembergische Achse den Erzherzog erneut an sich band. Maria Feodorowna war ja auch daran gelegen, europaweit Eheverbindungen zu schaffen, die Russland in Westeuropa, insbesondere in Deutschland, verankern konnten,107 ganz 103 HLA HHStAW Best. 210 Nr. 2882 (13. August 1819). 104 Belegbar ist nur eine sentimentale Haltung zu deren Nachlass; LHA Koblenz Best. 47 Nr. 2894 (1855). 105 Der Geheimdienst wusste zu berichten, dass die Königin von Etrurien, Maria Luise von Spanien, Joseph heiraten solle und dieser fortan in Italien bleibe; OeStA AVA PHSt 92/1819 (Januar 1819). Das Palatinat sollte an den damals siebzehnjährigen Erzherzog Franz Karl fallen. 106 LHA Koblenz Best. 47 Nr. 11090 (25. Oktober und 21. November 1818). Maria Feodorowna besuchte 1818 ihre Töchter in Stuttgart, Brüssel und Weimar; vgl. Lorenz, S. 296. 107 LHA Koblenz Best. 47 Nr. 11090 (20. Januar 1819); Lorenz, S. 296.
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abgesehen davon, dass die Heilige Allianz zwischen Russland, Österreich und Preußen (1815) auch eine Eheverbindung als informelle Manifestation angeraten sein ließ. Dass die Wahl nicht bereits 1815 auf Maria Dorothea gefallen war, lag sicherlich daran, dass deren Familie wegen der massiven Überschuldung ihres Vaters seit 1811 in Kirchheim unter Teck unter strengen Auflagen und überwacht vom Württemberger Hof lebte. Erst nach dem Tod des Herzogs Ludwig 1817 konnte die Witwe, Herzogin Henriette, daran denken, sich daraus zu lösen und ihre Töchter zu verheiraten. Als erster Befreiungsschlag nach dem Tod des Ehemanns war sicherlich auch die Italienreise zusammen mit ihren Töchtern108 zu sehen. Die ins Auge gefasste Braut hielt sich deshalb 1818 mit ihrer Mutter in Italien auf, wo sie – sicherlich nicht ganz zufällig – Erzherzog Joseph in Rom begegnete, der im selben Hotel wie sie abgestiegen war. Man sah sich an Weihnachten und dann wieder um Ostern herum, worauf Ende April 1819 gemeldet werden konnte, dass Maria Dorothea die Braut des Erzherzogs sei.109 Joseph reiste den beiden Frauen schließlich voraus und machte sie in Florenz noch mit seiner toskanischen Verwandtschaft bekannt. Metternich hatte derweil von Wien aus bei König Wilhelm von Württemberg vorgefühlt, wie er zu einer solchen Eheschließung stehe. Dieser stimmte der „exzellenten Partie mit einem zuverlässigen Mann“ zu, und auch der Papst willigte unter der Bedingung ein, dass die Kinder katholisch erzogen würden. Trotz der zurückliegenden Bedenken Metternichs wegen einer möglichen protestantischen Erziehung der Kinder Josephs stand einer erneuten Eheschließung mit einer Protestantin von Wien aus also nichts entgegen. Am 6. Juni 1819, also knapp zwei Jahre nach dem Tod Hermines, konnte Erzherzog Joseph am Württemberger Hof in Stuttgart alles Weitere regeln.110 Im Ehevertrag wurde die freie Religionsausübung der lutherischen Ehefrau mit Bestellung eines eigenen evangelischen Hofkaplans festgeschrieben. Die Mitgift belief sich auf die üblichen 33.000 fl. Die Einkünfte betrugen 100.000 fl. sowie die Auszahlung der Morgengabe von 50.000 fl. Die jährlich zur Verfügung stehenden Hand- und Nadelgelder wurden in Höhe von 8000 fl. gewährt. Ein standesgemäßer Hofstaat wurde zugesagt.111 Die Heirat selbst fand am 25. August 1819 im Schloss zu Kirchheim unter Teck statt, in dem Herzogin Henriette von Württemberg residierte. Sie erfolgte im Beisein des Königs von Württemberg sowie der Erbprinzessin 108 Kuster, S. 146. 109 Sindele, S. 83–89. 110 Leipziger Zeitung Nr. 114 (15. Juni 1819), S. 1396. 111 Sindele, S. 88. Die Einkünfte des Erzherzogs Joseph aus verschiedenen Rechtstiteln beliefen sich auf 150.000 fl.; Stekl (1990), S. 30.
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Amalie von Sachsen-Hildburghausen, einer Schwester der Braut und zugleich Schwägerin der Herzogin Luise von Nassau; Amalie wurde von ihrem Ehemann begleitet.112 Die württembergisch-nassauisch-russische Achse wurde auch hier sinnfällig, die das Lebensumfeld der Palatinsfamilie prägen sollte. Die Trauung selbst wurde vom württembergischen Geistlichen und Bischof von Rottenburg, Johann Baptist von Keller,113 im katholischen Ritus und vom Oberhofprediger und Prälaten August Heinrich d’Autel114 im lutherischen Ritus vollzogen. Kaiser Franz I. soll diese Eheschließung gegenüber dem Bräutigam mit der Bemerkung kommentiert haben: „Um das Leben dieser Frau möchte ich selbst beten, denn wenn sie stirbt, wird deine vierte Frau bestimmt eine Jüdin sein.“115 Er nahm damit Bezug auf die erste Ehe mit einer russisch-orthodoxen Ehefrau, die zweite mit der reformierten Prinzessin Hermine und nun die dritte mit der württembergischen Lutheranerin. Dieser äußerst zweifelhafte Kommentar dokumentiert, dass die bei den Eheschließungen der Erzherzöge Karl und Joseph vier Jahre zuvor attestierte konfessionelle Liberalität des Kaisers nicht (mehr) ganz so ausgeprägt war und die unkonventionelle Partnerwahl in Wien zumindest skeptisch beobachtet wurde, wenn auch ihr politischer Nutzen nicht zu leugnen war. Ohne Zweifel wurde mit dieser Heirat das Band Habsburgs zur Welt des deutschen Protestantismus, zum nassauischen und württembergischen Familienverband sowie – wenn auch etwas weiter – zum russischen Zarenhof befestigt. Keine der Eheschließungen war aus Wiener Sicht adäquat, was Erzherzog Joseph etwas Unangepasstes verlieh – angesichts der starken (protestantischen) Opposition in Ungarn sogar etwas Widerständlerisches. Nach der Eheschließung reiste das frisch vermählte Paar über Biebrich, um dem Herzog von Nassau seine Aufwartung zu machen,116 zur Schaumburg weiter, wo die beiden Zwillingskinder nach Ungarn abgeholt wurden. Ungefähr vier Wochen blieb die Familie an der Lahn bei der Großmutter, wohl auch um die Kinder an das Elternpaar zu gewöhnen, und reiste schließlich Ende September mit zwei Bediensteten der Schaumburg – einer nicht näher benannten Charlotte und Christian Willmann – über Frankfurt am 112 Kais. Königl. Schlesische Troppauer Zeitung Nr. 72 (6. September 1819), fol. 823; vgl. auch Leipziger Zeitung Nr. 170 (1. September 1819), fol. 2002: Joseph reiste am 22. August über Frankfurt nach Kirchheim. 113 Reinhardt, S. 458–459. 114 Kern, S. 692–693. 115 Oehler (2003), S. 32. In katholischen Kreisen Ungarns stieß die Heirat auf Missfallen. Es ging sogar das Gerücht, dass der Geist des heiligen Stephan jetzt auf der Burg spuke; OeStA AVA PHSt 92/1819 (9. November 1819). 116 HLA HStAD Best. D 22 Nr. 12/35 (28. August 1819); LHA Koblenz Best. 47 Nr. 11090 (29. August 1819).
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Main nach Ofen ab.117 Stephan erwies sich als folgsamer als seine Schwester, zeichnete sich aber bereits in diesem Alter durch besonders heftige Anfälle aus. Er galt seinem Vater grundsätzlich als sehr sensibles Kind, das aber bei seinen Wutausbrüchen „sehr ernst“ zu behandeln war.118 Insgesamt ist Josephs Korrespondenz zu entnehmen, dass ihm Hermine weiterhin mehr am Herzen lag als ihr Bruder. Die beiden Bediensteten wurden nach der Ankunft in Ungarn wieder zurückgeschickt. Eine Prägung durch das Schaumburger Umfeld ist daher unwahrscheinlich. Am 8. Oktober 1819 wurde gemeldet, der Palatin sei mit Hermine und Stephan in der Wiener Hofburg abgestiegen. Es ist davon auszugehen, dass es sich um eine Art Antrittsaudienz der Kinder beim Kaiser handelte,119 bevor die Reise nach Ungarn weiterging. Dort trat Erzherzog Stephan dann in die Welt ein, die ihn fortan familiär, politisch und kulturell prägen sollte. Nach dem Schicksalsschlag des Jahres 1817 war nun ein geregeltes familiäres Leben möglich, und Erzherzog Joseph dankte Gott, „dass er denen Kindern noch eine so verehrungswürdige Mutter zutheil werden ließ, die sie pflegen und sorgfältig erziehen wird.“120 Die Herrschaft Schaumburg geriet in der kommenden Zeit nie völlig aus dem Blick, spielte aber für den Heranwachsenden keine zentrale Rolle. Die turbulenten ersten beiden Jahre sollten daher in ihrer Bedeutung für die Weltsicht des erwachsenen Erzherzogs nicht überbewertet werden, allerdings mochte der unkonventionelle familiäre Hintergrund ihn und das Bild, das sich seine Umwelt von ihm machte, geprägt haben. Ganz gewiss prägte er das Bild der ungarischen Linie des Hauses Habsburg nach außen. Für einen Heranwachsenden musste das unweigerlich die ganze Ambivalenz entfalten. 2.3 Ideologisches Rüstzeug In einer kleinen Monographie über Erzherzog Stephan aus dem Jahr 1848 hat Emile de Langsdorff, der zur Zeit des Bürgerkönigs Louis Philippe als französischer Legationschef in Karlsruhe fungierte,121 Stephans Erziehung kurz gewürdigt. Langsdorffs Darlegungen über den Erzherzog waren auch 117 Kaiserl. Königl. Priviligirte Prager Zeitung Nr. 57 (7. Oktober 1819), fol. 773; LHA Koblenz Best. 47 Nr. 11090 (15. und 30. Oktober 1819). 118 LHA Koblenz Best. 47 Nr. 11090 (15. Oktober 1819); LHA Koblenz Best. 47 Nr. 15008 (15. Januar 1820, 10. März 1821, 26. Mai 1821): Erzherzog Joseph sprach sogar von Bosheit gegenüber seiner Schwester. 119 Oesterreichischer Beobachter Nr. 281 (8. Oktober 1819), S. 1381. 120 HLA HStAD Best. D 22 Nr. 12/35 (15. Dezember 1819). 121 Bringmann, S. 186.
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in der französischen „Revue de deux Mondes“ erschienen sowie in dem als reaktionär verschrienen Wiener Blatt „Die Geißel“.122 Seine Einschätzung schwankte zwischen dem konservativen und liberalen Lager, vertrat aber im Grunde die französische Vorstellung des alle Extreme meidenden „juste milieu“, das Metternich prinzipiell, aber insbesondere auch für Ungarn als Unmöglichkeit ansah – der Staatskanzler ließ das sowohl Joseph als dann auch Stephan unmissverständlich wissen.123 Da der Erzherzog selbst den Text Langsdorff als „gut und richtig“ bezeichnet hat, können wir ihm zunächst getrost folgen.124 Stephan sei in Ungarn im Geist des Erzherzogs Joseph erzogen worden, das heißt im „Geist nationeller Opposition“.125 Der Vater habe „eingesehen, daß es nicht hinreiche, Erzherzog zu seyn, daß man sich zum Ungarn machen müsse“. Erzherzog Josephs Popularität in Ungarn beruht bis heute darauf, dass er sich den Zentralisierungstendenzen Wiens entgegengesetzt und den ungarischen Konstitutionalismus126 gefördert habe, indem er ungarischen Eigenheiten und ungarischem Nationalbewusstsein entgegengekommen war. Er vertrat die Meinung, dass der habsburgische Herrschaftsanspruch besser durchzusetzen sei, wenn sich die Regierung in Ungarn auf die Seite des Konstitutionalismus schlug, statt durch die Zentralisierungstendenzen Metternichs eine Opposition gegen sich aufzubringen. Der Staatskanzler wiederum hatte – zumindest seit den frühen 1840er Jahren – beabsichtigt, den einzelnen Nationen ihre Rechte auf kultureller Ebene zu lassen,127 diese auf politischer Ebene aber zu reduzieren, indem die bürokratische Verwaltungsstruktur ihren Eigenarten nur eingeschränkt Raum ließ.128 Das völlige Zusammen122 Die Geißel Nr. 2 (25. Juli 1848), Nr. 3 (26. Juli 1848), Nr. 5 (28. Juli 1848). Paupié bezeichnet die Zeitung als „rechtsradikal“; Paupié I, S. 166. Vgl. auch Neue Rheinische Zeitung 102 (14. September 1848), S. 61. 123 Langsdorff (1848), Hongrie 24, S. 695; Rapport, S. 37. Metternich schrieb an Erzherzog Joseph: „Das sich selbst so bezeichnende juste milieu ist nur ein leerer Platz zwischen zwei Stühlen und was denen geschieht, welche diesen Platz einnehmen, ist eine mechanische Tatsache“; Andics (1973), S. 411 (20. Februar 1844). An Erzherzog Stephan schrieb er: „Ein in der Mitte dieser Felder [Erhalten oder Umsturz] stehendes gibt es nicht mehr“; ebd., S. 436 (21. Februar 1847). 124 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 738 a (26. September 1848). 125 Langsdorff (1848), Stephan, S. 4. 126 Paulmann (2000), S. 83, spricht hier von „patrimonialem Konstitutionalismus“; vgl. Révész, S. 26. 127 Siemann (2010), S. 109; Thienen-Adlerflycht, S. 181. Grund dieser Neuorientierung war nach Thienen-Adlerflycht die Angst vor dem serbischen Nationalismus gewesen, der durch die Stärkung der Kultur der kroatischen Serben (Illyrismus) in der Donaumonarchie gebrochen werden sollte. 128 Siemann (2016), S. 623–625. Zum bürokratischen System der Zeit 1830 bis 1848 vgl. Heindl I, S. 54–59.
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schmelzen aller Teile der Monarchie, wie es Joseph II. im 18. Jahrhundert vergeblich versucht hatte, war nicht Metternichs Ziel, aber Erzherzog Josephs ungarnfreundliche Haltung ging deutlich über die Vorstellungen des Staatskanzlers hinaus. Liberale Autoren sahen in ihm daher den Repräsentanten der „reichsständischen, constitutionellen Regierungsform“ – der Begriff „reichsständisch“ wurde hier wohl im Sinne einer antiquierten konstitutionellen Ordnung verwendet, des in Ungarn herrschenden vormodern-parlamentarischen Systems.129 Langsdorff behauptete, die – letztlich auf Gewohnheitsrecht beruhende– ungarische Verfassung130 sei für den Niederadel geschaffen worden bzw. diese Schicht sei bereits die Konstitution.131 Womöglich sah Langsdorff im Niederadel – wie in der französischen Bourgeoisie unter König Louis Philippe – ein Regulativ zur Einhaltung eines vermeintlich gesunden Mittelmaßes und eines gemäßigten Liberalismus. Dem entsprach auch Josephs Einstellung zur Presse. So sehr er deren „Zügellosigkeit“ verurteilte, so wenig empfahl er ihre Unterdrückung. Durch weises und zweckmäßiges Regierungshandeln war dieser „Insubordination“ vielmehr die Grundlage zu nehmen – wer keine Angriffsfläche bot, musste die Presse nicht scheuen.132 Der Regierung kam also eine moralisch-integre Gestalt zu, die ihr Ansehen und damit ihre Machtbasis schuf. Folglich stand der Palatin in den Augen einiger Zeitgenossen – neben seinem jüngeren Bruder Johann – für die Zukunft, während Erzherzog Karl die Vergangenheit repräsentierte. Genauer betrachtet, dürfte in Josephs Weltanschauung aber ein traumatisierter Josephinismus zum Tragen gekommen sein, wie ihn der Historiker Matthias Rettenwander ausgemacht hat und den auch Erzherzog Stephan bei seiner Erziehung kennengelernt haben dürfte.133 Durch die napoleonischen Umbrüche und Kriege war in der Weltsicht des Josephinismus, die ursprünglich sowohl konservative als auch liberale Elemente vereinigt hatte, die konservative Ausrichtung in den Vordergrund getreten, so dass sich Josephinismus und Metternichsches System nicht prinzipiell ausschließen mussten. Reformbestrebungen traten zurück, aber auch die romantische Idealisierung des Historischen fand keinen Platz. Jegliche Bewegungskomponente wurde aus „Angst vor der werdenden Geschichte“134 gemieden. So entstand unter diesem moralischen Impetus 129 Die Grenzboten 2 (1843), S. 1354. Vgl. dazu auch Welcker, für den eine landständische Verfassung eine historische Wurzel haben musste und eben nicht aus dem Volk heraus geschaffen worden war; Welcker, S. 296. 130 Péter, S. 242. Eine Aufstellung auch in OeStA AVA PHSt H 62/1844. 131 Langsdorff (1848) Hongrie 24, S. 676. 132 LHA Koblenz Best. 47 Nr. 11090 (27. Juli 1817). 133 Rettenwander, S. 311. 134 Rettenwander, S. 311.
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ein rationaler, staatsgläubiger Liberalismus, der das Bestehende wahren wollte und jegliches Handeln fürchtete, auch wenn ihm bewusst war, dass gehandelt werden musste.135 Von der Befürwortung politischen Mitbestimmungsrechts oder der Gewährung größerer parlamentarischer Freiheiten ist auch in der Familie des Palatins nicht allzu viel die Rede. Deshalb blieb für diese Form des Liberalismus, dem Friedrich Engels „an politische Jungfräulichkeit grenzende Harmlosigkeit“ attestierte,136 vor allem das Feld der Wirtschaft, des Agrarsektors und der Technik, in dem er sich frei entfalten konnte, ohne Gefahren heraufzubeschwören, die er als solche erkannt hätte.137 Doch das genügte, um den Palatin zu einem Liberalen zu machen. Langsdorff schrieb darum auch, Joseph habe eine „parti philosophique“ um sich geschart,138 welche die Errungenschaften der modernen Zivilisation in Ungarn unter Bewahrung der konstitutionellen Traditionen des Landes hatte einführen wollen. Denn schließlich sei es sträflich, die Welt in Trümmer zu schlagen, um eine bessere zu schaffen. Aber die Welt in Ungarn erschien Langsdorff doch unter dem Blickwinkel Frankreichs liberaler und fortschrittlicher als diejenige der übrigen Habsburgermonarchie. Die Ideen der Freiheit, so schrieb er, entwickelten sich dort im königlichen Gewand.139 Aus dem Blickwinkel des seit 1835 immer mehr von liberalen Prinzipien zurückweichenden Frankreich unter dem Bürgerkönig schien Ungarn das Idealbild eines Mittelwegs zu sein, der nichts zerstörte, aber doch auch nicht an der Reaktion klebte. Das Nationalitätenproblem hingegen barg große Gefahren, weshalb in den Kreisen, die den Josephinismus vertraten, die Idee des liberalen Einheitsstaates vorherrschte.140 Er stand für Stabilität und Sicherheit, was auch Metternich vollauf akzeptiert hätte, auch wenn er ja auf kulturellem Sektor die Individualitäten der Ethnien gewahrt wissen wollte.141 Erzherzog Joseph hingegen ging in seiner sehr pro-ungarischen Sicht deutlich darüber hinaus. Seine Familie zeichnete sich durch eine ungarnfreundliche Einstellung aus und durch eine positive Haltung gegenüber dem nationalen Bewusstsein der dortigen Magyaren. Inwiefern hierbei verfassungsmäßige Elemente eine tragende Rolle spielten oder nicht vielmehr nur als gegeben hingenommen wurden, bleibt offen. Noch Josephs Tochter, Erzherzogin Marie Henriette, 135 Rettenwander, S. 311–312. Zur konservativen, antirevolutionären Seite des Josephinismus Valjavec, passim. 136 Zit. nach Rettenwander, S. 313. 137 Rettenwander, S. 316. Vgl. auch Leonhard (2001), S. 451. 138 Langsdorff (1848), Hongrie 22, S. 666. 139 Langsdorff (1848), Hongrie 22, S. 679. 140 Rettenwander, S. 325. 141 Miskolczy, S. 80.
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hob nicht die repräsentativen Traditionen, sondern das patriarchalische System Ungarns besonders lobend hervor.142 Bereits vor 1848 in Ungarn vorgebrachte Forderungen wie Gleichheit vor dem Gesetz, ein Wahlrecht ohne Berücksichtigung der Ständezugehörigkeit, die Abschaffung der Leibeigenschaft und die Einrichtung der Pressefreiheit,143 also genuin politisch-liberale Forderungen, unterstützte später auch Erzherzog Stephan nicht. Bei ihm beschränkte sich das liberale Element – wie vermutlich bei seinem Vater – auf eine eher folkloristische Sicht auf die nationalen Bestrebungen und die Freiheitsliebe des ungarischen Volkes. Die Magyarenfreundlichkeit selbst stand ja auch nur auf der Seite eines Teils der ungarischen Bevölkerung, die nicht nur aus Magyaren bestand, und konnte innerhalb des Landes wiederum bedenkliche Folgen haben.144 Diese Dimensionen scheint die Palatinsfamilie zugunsten einer etwas blauäugigen Sympathie für die Magyaren ausgeblendet zu haben. Joseph hatte noch in der Napoleonischen Epoche – neben anderen Vorschlägen wie der Übertragung der ungarischen konstitutionellen Regierungsform auf die Gesamtmonarchie – die Umwandlung des Habsburgerreiches in einen Staatenbund zwischen Ungarn und dem Rest der Monarchie unter Personalunion der Dynastie ins Auge gefasst. Nationale Antagonismen sollten, in Verkennung ihrer Dynamik, damit aufhören. Dem bisherigen Gefüge der Donaumonarchie hätte das empfindliche Veränderungen eingebracht.145 Einzig die moralische Integrationskraft der Dynastie hätte diesen Staatenbund zusammengehalten. Das war viel gewagt. Denn gerade im Nationalbewusstsein, das sich in den meisten anderen europäischen Monarchien seit den 1830er Jahren mit den Dynastien verband und sie stärkte,146 erkannte Metternich eine Gefahr für den Bestand des Vielvölkerstaats der Habsburger. Entsprechend galt es in seiner Sicht, die Gegnerschaft der Nationen kleinzuhalten und alle zu Abstrichen von ihren Ansprüchen zu bewegen.147 Wie sehr Joseph wirklich den Gesamtstaat im Blick hatte oder vielmehr „nur“ die ungarische Perspektive, bedürfte einer eingehenderen Untersuchung. Ihm war wohl daran gelegen, den Status 142 Stephanie von Belgien, S. 55. 143 Majoros, S. 405. 144 Judson, S. 257–258; Bled, S. 80–82 (am Beispiel des Kronprinzen Rudolf). 145 Wertheimer (1901), S. 351; Miskolczy, S. 57–58; Kováts, S. 248; Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas, https://www.biolex.ios-regensburg.de/BioLexViewview.php?ID=1056 56 (Zugriff 15. April 2019); Goldinger 10 (1974), S. 623. 146 Sellin (2018), S. 244–245; Müller (2019), Thronfolger, S. 29; Stickler (2018), S. 155. 147 Siemann (2016), S. 772–773. Josephs Regierungsstil zeichnete sich aber für Metternich dadurch aus, dass er den ungarischen Liberalismus zu Konzessionen bewegt habe, ohne das österreichische System zu kompromittieren; Auszüge aus den geheimen Memoiren, S. 93.
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quo – sprich: das ungarische Eigenbewusstsein mit Berufung auf die konstitutionellen Regelungen seit dem Spätmittelalter148 – zu wahren und keine im bewahrenden Sinn des Spätjosephinismus „unnötigen“ Änderungen herbeizuführen. Das war in Zeiten des sich steigernden Nationalgefühls, also in einer Zeit, die politische Konflikte durch nationale Argumente untermauerte,149 sehr schwierig und konnte zum sprichwörtlichen Spiel mit dem Feuer führen – ebenso wie die strikte Durchsetzung des Gegenteils. Idealistische, womöglich etwas harmlose Vorstellungen von der politischen Lage und der Kraft nationaler Entwicklungen ließen Josephs Politik aber mit großem Interpretationsspielraum behaftet sein, der ihm Freunde und Skeptiker schuf. In Wien verdächtigte man den Palatin in Anspielung auf den Insurgenten des frühen 18. Jahrhunderts, ein neuer Rákóczi zu sein. Dass in den Zeitungen zu lesen war, er sei ein erklärter Bewunderer Napoleons, dürfte in Wien ebenfalls nicht zur Beruhigung beigetragen haben.150 Freilich blieb es beim reinen Beargwöhnen. Schritte wurden gegen ihn keine unternommen. Das Schicksal, dass er von der Polizei beobachtet und seine Post geöffnet wurde, teilte er mit allen anderen Familienmitgliedern des Hauses Habsburg.151 Der Erzherzog war definitiv kein nationalungarischer Revolutionär. Das volkspädagogische Programm einer Therese von Brunswick lehnte er ab, da er zum einen daran festhielt, das Volk brauche keine Bildung, zum anderen aber auch befürchtete, die nationalungarische Ausrichtung könne kleine „Carbonari“, also Mitglieder eines gegen die Habsburger gerichteten Geheimbundes und damit Revolutionäre, heranziehen.152 Klare politische Lager ausmachen zu wollen, führt womöglich zu allzu strikten und damit verfälschenden Definitionen. Joseph beabsichtigte sicherlich eine ungarnfreundliche Politik und wollte vorhandenen nationalen Traditionen entgegenkommen, scheute aber ebenso vor jeder Form der Veränderung zurück. Metternichs Ideen waren demgegenüber ebenso stark verändernd wie die revolutionären Tendenzen in Ungarn selbst. Josephs Idee eines Staatenbundes hingegen war der Versuch, die vormoderne Struktur des Habsburgerreichs unangetastet zu lassen und doch in reformierter Form in die Moderne zu überführen. Letztlich blieb es aber bei Gedankenspielen, die in ihrem Idealismus stecken blieben. Josephs Politikausübung musste 148 Marczali, passim. 149 Judson, S. 347. 150 La Presse (27. August 1861), S. 1; Raffler, S. 144. 151 Vörös, S. 94; Zamoyski, S. 468. 152 La Mara (1909), Beethoven, S. 118; Beichler, S. 83 und S. 94; Raffler, S. 156; Zamoyski, S. 190–191.
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sich andere Kanäle suchen. Seine Haltung blieb damit im Sinne des Spätjosephinismus ein Drahtseilakt, der nur deshalb so lange gutging, weil sich Joseph als Palatin schon so viele Jahre an der Regierung befand, dass weder Wien noch die Ungarn in seine Politik einzugreifen wagten. Er widmete sich der Förderung Ungarns dort, wo es ihm problemlos möglich war: bei der Ökonomie und Landwirtschaft. Er unterstützte die Gründung nationaler wissenschaftlicher und künstlerischer Organisationen und die Vorplanungen zum Bau einer Eisenbahn in Ungarn ab 1827.153 Damit konnte er sich vor Ort risikolos Freunde schaffen. Allerdings beurteilte man sein Verhalten in Wiener Regierungskreisen als „falsch“:154 falsch wohl im Sinne, dass der Erzherzog mit diesen Mitteln Eigeninteressen verfolgte, seine Familie mit der nationalungarischen Bewegung verbinden wollte, um damit von der Nation getragen zu werden, wenn es darum ging, eine Sekundogenitur zu errichten, was später auch Stephans Cousin Erzherzog Albrecht, ein Sohn Erzherzog Karls, als große Gefahr ansah.155 Die oppositionelle Karte konnte also aus rein dynastischen Eigeninteressen heraus motiviert interpretiert werden – ebenso der vermeintliche Liberalismus. Das Projekt eines Staatenbundes bekam damit die gefährliche Note, letztlich den Gesamtstaat aushöhlen zu wollen, um den eigenen Familienzweig zu fördern. Das waren Perspektiven, die auch die Nachkommen betreffen mussten, und Verdächtigungen, denen sie immer ausgesetzt blieben. In „gemäßigtem und liberalem Sinne“ sei Ungarn unter dem Erzherzog vorangeschritten, schrieb der bereits erwähnte Emile de Langsdorff,156 und es lag auf der Hand, dass auch die Kinder in dieser Haltung erzogen worden waren. Stephan soll, wie die Söhne ungarischer Magnaten auch, die öffentlichen Schulen besucht und sich damit „Selbstvertrauen ohne Dünkel“ erworben haben. Schließlich beherrschte er fünf bis sechs Sprachen, soll Ungarn wissbegierig ausgeforscht haben und darum bestrebt gewesen sein, alle erdenklichen Verbesserungen einzuführen. Doch ist das womöglich etwas zu „liberal“ gedacht – ein liberales Märchenbild, das den jungen Mann in der Revolutionszeit von 1848 zur liberalen Ikone stilisieren sollte. Denn in den Quellen ist von einer solchen „öffentlichen“ Ausbildung nicht einmal im Ansatz etwas zu erkennen. Vielmehr ist der übliche Werdegang eines Habsburgerzöglings auszumachen, und es ist sogar davon zu lesen, er sei als junger Mann sehr leichtsinnig gewesen, habe ausschließlich die Pferde 153 Örsi, S. 55. Zum Eisenbahnbau in Ungarn auch Miskolczy, S. 77. 154 Mayr (1931), S. 148. 155 Hamann (1984), S. 25. 156 Langsdorff (1848), Stephan, S. 11–13.
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und ausgelassene Freuden geliebt, während ihn Bücher schlafen gemacht hätten und die Botanik ihm Migräne erzeugt habe.157 Auch ist die Legende, er habe als Kind mit der Dorfjugend gespielt und sei von dieser auch schon einmal durchgeprügelt worden, angesichts der fast pathologischen Angst des Vaters um sein schwächliches Kind und seiner Bemühungen, jede kleinste Gefahr und Anstrengung von dem Sohn fernzuhalten, eher unwahrscheinlich.158 Vor Legendenbildungen hat sich der Betrachter also sehr in Acht zu nehmen. Besehen wir uns darum die Kindheits- und Jugendjahre Stephans etwas genauer. Er und seine Schwester Hermine wuchsen gemeinsam auf und behielten ihr enges Verhältnis auch noch bei, als sich Halbgeschwister einstellten.159 In den ersten Jahren nach der Rückkehr standen die Kinder unter der besonderen Obhut der Stiefmutter, Maria Dorothea, zu der das Verhältnis sehr gut war und die den Zwillingen ab Ende 1822 Lesen und Buchstabieren beibrachte.160 Der junge Erzherzog war recht fleißig, wenn ihm auch das Lernen nicht gerade leicht fiel. Doch sein Eifer machte vieles wett, so dass er seiner Schwester bald in vielem voraus war.161 Die Folgsamkeit ließ allerdings zu wünschen übrig. Erst 1824/25 wurde die Dienerschaft der beiden Zwillingsgeschwister getrennt.162 Stephan erhielt auf Empfehlung des Erzherzogs Karl den aus Westfalen stammenden Hauptmann des Infanterieregiments Erzherzog 157 Parisel, S. 240. Reisinger betonte später polemisch die schlechte Schulbildung Stephans, was nicht haltbar ist; Reisinger (1849), S. 133. 158 Kováts, S. 252. Ähnlich schon bei Kacziány, S. 8–10, der damit die Volksverbundenheit Stephans herausstreichen wollte. 159 Es ist nicht davon auszugehen, dass der sehr überschaubare „Hofstaat“ mit an die Lahn gegangen war. Im Jahr 1818, also noch als beide bei der Großmutter auf der Schaumburg lebten, war ihnen die ungarische Freiin von Revay, geborene Gräfin von Esterházy, als Obersthofmeisterin zugeordnet worden. Hinzu kamen der Leibarzt Dr. Andreas von Pfisterer, eine Kammerfrau, eine Kammerdienerin, zwei Kammermädchen, ein Kammerheizer, eine Leibwäscherin sowie ein Kammerweib. Siehe Hof- und Staatsschematismus des österreichischen Kaiserthums 1818, S. 189. 160 LHA Koblenz Best. 47 Nr. 11090 (19. Oktober 1819) und Nr. 15008 (15. Januar 1820; 20. Juli 1821). 161 LHA Koblenz Best. 47 Nr. 15008 (21. Dezember 1823). 162 Die Freiin von Revay wechselte 1820 als Obersthofmeisterin zu Erzherzogin Maria Dorothea über, die Stelle als Obersthofmeisterin bei den Zwillingskindern blieb seither vakant, und der Hofstaat pendelte sich auf eine Kammerfrau, eine Kammerdienerin, ein Kammermädchen, einen Kammerdiener, eine Leibwäscherin und ein Kammerweib ein. Der Kammerdiener war Stephan 1820 beigeordnet worden, damit er sich unterwegs mit ihm unterhalten konnte, während die Kammerfrau den Erzherzog weiterhin wusch und ankleidete. Siehe Hof- und Staatsschematismus des österreichischen Kaiserthums 1820, S. 179; 1823, S. 184; LHA Koblenz Best. 47 Nr. 15008 (23. Januar 1820). Die Stelle der Aja bei Prinzessin
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Karl, Edmund Freiherr von Droste zu Senden, beigeordnet, der am 10. Juli 1824 seinen Dienst bei Stephan antrat,163 sowie einen neuen Kammerdiener, Georg Siemang, dessen Sohn Stephan fast bis zu seinem Lebensende begleiten sollte.164 Diese Neuorganisation ging auch mit der Trennung der beiden Zwillingsgeschwister einher.165 Von Droste zu Senden sollte bis 1839 dem Erzherzog als Ajo zugeteilt bleiben. Bereits Ende der 20er Jahre wird aber von seiner Unpässlichkeit berichtet. Ab Herbst 1838 hatte er dann massiv unter den Folgen eines Schlaganfalls zu leiden.166 Bei ihm handelte es sich um den ersten prägenden Erzieher des jungen Stephan. Er war bemüht, den körperlich schwächlichen und zurückgebliebenen Knaben physisch und moralisch zu stärken, war es doch sein Ziel, dessen „Veredlung als Mensch, abgesehen vom Erzherzoge“, voranzutreiben, wie die liberale Presse posthum zu berichten wusste.167 In zeitgenössischen Quellen erfahren wir darüber leider nur wenig. Erzherzog Joseph hatte ihn nach eigenem Bekunden ausgewählt, weil er ihn als fähigen Offizier mit Anlagen zur Kindererziehung kennengelernt hatte und von Droste zu Senden ein gebildeter Mann war, fünf Sprache beherrschte und in seinem Alter von circa vierzig Jahren noch „vollkommen rüstig“ erschien.168 Die offizielle Oberaufsicht über die Erziehung des Knaben versah der Obersthofmeister des Erzherzogs Joseph, Joseph Heinrich von Beckers zu Westerstetten, der im „Neuen preußischen Adels-Lexikon“ von 1836 als „Mentor“ des Erzherzogs genannt wird.169 Erzherzog Joseph hingegen sah die Leitung der Erziehung in den Händen seiner Ehefrau, Erzherzogin Maria Dorothea, und des Freiherrn Droste zu Senden liegen.170 Religionsunterricht erteilten katholische Geistliche wie der Pfarrer von Alcsút Klinger,171 auch wenn der Argwohn wohl nicht verstummte, die protestantische Stiefmutter könne ihren Einfluss geltend machen.172 Dass die Prüfung von Hermine blieb länger vakant, als Erzieherin fungierte Barbara von Eckhardt; Hof- und Staatsschematismus des österreichischen Kaiserthums 1829, S. 186. 163 LHA Koblenz Best. 47 Nr. 15008 (11. Juli 1824); OeStA HHStA KA NL Franz A. Kolowrat (10. Oktober 1845). 164 Hof- und Staatsschematismus des österreichischen Kaiserthums 1825, S. 185; Zedlitz 1, S. 446. 165 LHA Koblenz Best. 47 Nr. 15009 (18. April 1824). 166 LHA Koblenz Best. 47 Nr. 11082 (10. September 1829); HU MNL OL P 301 (16. Januar 1838). 167 Neue Freie Presse Nr. 1438 (2. September 1868), o. S. 168 LHA Koblenz Best. 47 Nr. 15008 (21. März 1824). 169 Neues preußisches Adels-Lexicon 1 (1836), S. 446. 170 LHA Koblenz Best. 47 Nr. 11092 (4. Dezember 1825). 171 Hankó (1990), o. S. 172 LHA Koblenz Best. 47 Nr. 11092 (4. Dezember 1825).
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Stephans Kenntnissen 1832 bei dessen Firmung durch den Erzbischof von Kalocsa, Peter Klobusiczky, in der Ofener Schlosskirche erfolgreich verlief, muss den Vater angesichts der Bedenken, die man in Wien deshalb gehegt hatte, sehr erleichtert haben. Er bekannte gegenüber Fürstin Amalie, wie froh er sei, dass dieser Akt in „diesen Zeiten“ durchgeführt werden konnte.173 Warum die Zeiten in diesem Kontext besonders schwierig waren, lässt sich nicht recht erhellen. Der Argwohn gegenüber der Familie sowie eine angeheizte Atmosphäre in konfessioneller Hinsicht mögen Joseph sensibilisiert haben. Denn anlässlich der Beisetzung der protestantischen Erzherzogin Henriette, der Ehefrau des Erzherzogs Karl, in der Wiener Kapuzinergruft 1830 hatte sich das konfessionelle Konfliktpotential entladen. Die Eheschließung, so hatte man am Kaiserhof erkannt, habe für die tolerante Gesinnung „des erhabenen Oberhauptes dieser Familie“ gesprochen, allerdings mussten die Zeremonien bei der Beisetzung abweichend zum sonst üblichen katholischen Ritus durchgeführt werden.174 In Zeitungen waren die Verhältnisse jedoch anscheinend polemisch überspitzt und verdreht worden, so dass Metternich, der im Protestantismus ohnehin Gefahren witterte, von „heilosen Vergifter[n] der öffentlichen Meinung“ sprach, von Zeitungen als „Hörsaal der verderblichen Lehren, der schamlosesten Ausfälle, der unwürdigsten Lügen und Verleumdungen“. Kurzum, er reagierte extrem dünnhäutig.175 Der Protestantismus im Haus Habsburg sorgte für Angriffsflächen von allen Seiten und in aller Öffentlichkeit, auf die der Staatskanzler gerne verzichtet hätte. Stephan wuchs in einem Umfeld heran, das ähnliche Verdächtigungen ermöglichte. Da war zum einen die Person der protestantischen Stiefmutter, die sich in Glaubensdingen in Ungarn nicht zurücknahm.176 Der evangelische Geistliche Joseph Székács ermahnte Stephan in späteren Jahren: „Ihre königliche Hoheit darf nicht vergessen, daß Sie von einem protestantischen Herzen und unter protestantischen Händen gehegt und erzogen wurden.“177 173 LHA Koblenz Best. 47 Nr. 11092 (20. Mai 1832): Erzherzog Ferdinand, der spätere Kaiser, führte Stephan zur Firmung, die Gräfin Therese Brunswick Hermine. 174 HLA HHStAW Best. 130 II Nr. 5903, fol. 11ff. Die Auseinandersetzungen waren entstanden, weil der Nuntius eine Beisetzung Henriettes in der Kapuzinergruft hatte verhindern wollen; vgl. Schieckel (1990), Schaumburg, S. 293. 175 HLA HHStAW Best. 130 II Nr. 5903, fol. 9ff. 176 Direkt nach der Hochzeit soll sie freilich in religiösen Dingen doch eher zurückhaltend gewesen sein; OeStA AVA PHSt 92/1819 (8. November 1819). Diese Mitteilung an die Polizeihofstelle könnte aber auch darin begründet sein, dem Argwohn am Wiener Hof zu begegnen. Auch die Ehefrau des Obersthofmeisters Beckers zu Westerstetten war protestantisch; ebd. (25. November 1819). 177 Oehler (2003), S. 44.
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Abb. 4: Erzherzogin Elisabeth, die Schwester Stephans, Lithographie von Franz Eybl 1846 (Wikimedia Commons)
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Abb. 5: Erzherzog Joseph, der Bruder Stephans, Lithographie von Franz Eybl 1846 (Wikimedia Commons)
Denn obwohl Maria Dorothea eingewilligt hatte, dass die Kinder katholisch erzogen werden sollten, versuchte sie immer wieder, die Familie im lutherisch-pietistischen Sinn zu bekehren. Der Leseunterricht der Kinder dürfte dazu Gelegenheit geboten haben. Vom täglichen gemeinsamen Studium der Bibel ist zu lesen.178 Auseinandersetzungen gab es immer wieder mit den Religionslehrern der Kinder, weshalb die Mutter schließlich sogar einen Weg fand, um ihnen heimlich lutherisches Gedankengut nahezubringen. Sie ließ Konfektteller mit Bibelsprüchen in Goldschrift bemalen, damit die Kinder beim Essen regelmäßig darauf gestoßen wurden.179 Protestantisches Gedankengut dürfte dem Erzherzog also nicht fremd gewesen sein, auch wenn er späterhin nur als dezidierter Katholik in Erscheinung trat. Ein Zeichen nach außen setzte der Protestantismus allemal. Unterstützt wurde dieses Bild durch die unkonventionellen Erziehungsmethoden Maria Dorotheas. Sie erzog ihre beiden Stiefkinder sowie die leib178 Fabiny, S. 343. 179 Loesche, S. 43.
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lichen, Alexander (1825–1837), Elisabeth (1831–1903), Joseph (1833–1905) und Marie Henriette (1836–1902), selbst und tat das häufig sehr zwanglos. Sie nahm sich der Kinder an, fuhr mit ihnen spazieren, ließ sie herumtollen und reiten. Zeitgenossen spotteten deshalb über sie als „Kinderfrau“.180 Auch Erzherzog Stephan stand diesen Erziehungsmethoden letztlich eher kritisch gegenüber. So äußerte er zu einem späteren Zeitpunkt gegenüber dem auch eher unkonventionellen Onkel Johann, die laxe Erziehung durch die Stiefmutter habe seine Schwester Marie Henriette nicht von ihren „Ungezogenheiten und Bubenstreichen, von ihrem mehr als flotten Leben abgehalten“.181 Und ihrem Sohn, Erzherzog Joseph, hatte sie, so Stephan, die „verdrehten Ansichten“ beigebracht, die nur schwer wieder aus ihm herauszubekommen waren.182 Deshalb hielt der ohnehin sehr konservativ-kritische Wiener Beichtvater Columbus den Einfluss der Erzherzogin auf ihre Kinder auch für „gefährlich“.183 Inwiefern Stephan vom Gedankengut der Stiefmutter direkt und nachhaltig beeinflusst wurde, ist unklar. Allerdings schrieb er 1854 von Jugenderinnerungen an ihre Bibliothek, als er einen Teil davon interimistisch übernahm, bevor er an seinen Bruder Joseph weitergegeben werden sollte.184 Es liegt daher nahe, dass er dort Einblick in die Interessenschwerpunkte der Erzherzogin Maria Dorothea erhalten hat und damit sicherlich nicht zuletzt auch in ihre religiösen Vorstellungen. Der Wiener Beichtvater Columbus argwöhnte später, Erzherzog Stephan sei „lax“ beim Besuch der Messe und habe sich negativ über zu langen Kirchendienst geäußert.185 Columbus sah darin ein Ergebnis gemischter Ehen. Gegenüber seinem Cousin Albrecht sollte sich Stephan später eher abfällig über die religiösen Gepflogenheiten seiner Stiefmutter äußern. Sie habe an den „Heiland in einer Weise“ geglaubt, „die oft rührend war“.186 Das war eher geringschätzig als beeindruckt. Oder war es nur der Versuch, sich gegenüber einem führenden Vertreter der konservativen Wiener Hofpartei von der Weltanschauung 180 Loesche, S. 43. 181 StMLA Archiv Meran Schuber 7 Heft 5,8 (10. August 1850). 182 StMLA Archiv Meran Schuber 7 Heft 5,8 (10. März 1850). 183 Kovács (1971), S. 139; Kerckvoorde, S. 20, S. 33 und S. 38. 184 StMLA Archiv Meran Schuber 7 Heft 5,8 (20. Januar 1854). 185 Kováts, S. 254; Kovács (1971), S. 57. Auf seiner Reise 1842 überraschte es, dass Stephan an Freitagen Fleisch aß, was Mitglieder seiner Entourage veranlasste, dies „des Breitern!!“ zu entschuldigen; Ebner-Tagebuch, S. 118 (2. September 1842). 186 HU MNL OL P 301 (11. April 1855). Äußerungen Stephans zu religiösen oder religionspolitischen Fragen sind selten. 1865 verurteilte er u. a. die päpstliche Enzyklica „Quanta cura“ gegen Religionsfreiheit sowie die Trennung von Kirche und Staat als Fehler, obwohl er selbst katholisch mit Leib und Seele sei; LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv XXVI Nr. 739 b (10. Januar 1865); NLA Oldenburg Dep. 50 Best. 6 M Nr. 44 (10. Januar 1865).
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der Stiefmutter zu distanzieren? Denn in deren Haltung erkannten Zeitgenossen politisch einen Widerspruch zum „altherkömmlichen Oesterreich“.187 Wenn Stephan also später keine Affinität zum Protestantismus anzumerken ist, dürften die Einblicke in diese oppositionelle Gedankenwelt nicht gering zu veranschlagen sein. Die Außenwahrnehmung aber prägte sie definitiv. Auch die gelegentlichen Besuche bei der Großmutter188 auf der Schaumburg bzw. auf dem Hof Hausen ließen ihn Einblick in eine nicht-katholische, ja religiös ausgesprochen unorthodoxe Lebenswelt nehmen. Ganz im Sinne der 1817 geschlossenen Nassauischen Union wollte die Fürstinwitwe zwischen Reformierten und Lutheranern keine nennenswerten Unterschiede erkennen, hegte dafür aber Ressentiments gegenüber dem Katholizismus.189 Ihr Hofprediger, so hielt der Freiherr vom Stein 1830 fest, habe Christus als Propheten bezeichnet, nicht als Sohn Gottes, und die Geburt, die Auferstehung sowie die Himmelfahrt als Irrtümer abgelehnt; es gebe ihm zufolge auch keine Erlösung. „Solche Blasphemien lehrte man eine junge Prinzessin [= Hermine, Stephans Mutter] und die leichtsinnige, verblendete Mutter duldete es.“190 Davon dürfte in Wien nichts bekannt geworden sein. Trotzdem war es angesichts der konfessionellen Situation für die Gesamtdynastie wichtig, dass Hermine und Stephan durch die Firmung fest im Katholizismus verankert waren. Die Firmung war damit ein deutlicheres Zeichen als bei anderen Mitgliedern des Hauses Habsburg. Die Patenschaft des Erzherzogs Ferdinand, also des Thronfolgers, besiegelte das noch ganz offiziell. Das war umso bedeutsamer, als die beiden Geschwister jetzt das Kindesalter verließen und eine eigenständige Rolle innerhalb der Dynastie wahrzunehmen hatten. Zu diesem Zeitpunkt begann Stephan zu einem jungen Mann heranreifen. Er war der größte unter allen jungen Erzherzögen, wie sein Vater schrieb, befand sich im Stimmbruch, und es zeigte sich der Bartwuchs. Das Lernen fiel ihm – im Gegensatz zu seiner Schwester – immer noch schwer, so dass nur langsame Fortschritte zu erkennen waren. Allerdings schonte man ihn auch, um ihn gesundheitlich nicht zu sehr zu belasten.191 Auch besaß Her-
187 Ernst von Sachsen-Coburg I, S. 50. 188 Besuche des Erzherzogs Joseph sind verbürgt für 1818, 1819 und 1837; vgl. Schieckel (1990), Schaumburg, S. 294. Auch besuchte die Großmutter die erzherzogliche Familie gelegentlich in Ungarn; u. a. NLA Hannover Dep. 103 II Nr. 97/39 (10. Oktober 1837). 189 Schieckel (1990), Schaumburg, S. 293. 190 Freiherr vom Stein VII, S. 741. 191 Stephan selbst schrieb davon, bis in sein zwanzigstes Lebensjahr an Kopfschmerzen gelitten zu haben; BayHStA GHA Nachlass Erzherzogin Elisabeth von Österreich Nr. 93 (6. Oktober 1848). Zur schwächlichen Konstitution auch LHA Koblenz Best. 47 Nr. 11082.
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mine den „bestimmteren Karakter“.192 Eingedenk der Tatsache, mit welchem Eifer Joseph an die erzieherische Formung seiner Ehefrau gegangen war, ist davon auszugehen, dass es bei den Kindern nicht anders gewesen sein wird. Ab 1830 traten zu dem bisher genannten sowie dem Kammerpersonal noch der nicht näher spezifizierte Lehrer Isidor Beram bis 1833 sowie ab 1832 der Kapitänsleutnant Wenzel Straub hinzu.193 Ab 1831 wird zusätzlich zum Ajo noch der Hauptmann Joseph Minarelli-Fitzgerald im Hofschematismus als Stephan zugeordnet genannt,194 der 1839 auch als Stephans „Kavalier“ Erwähnung findet.195 Er war hinzugezogen worden, weil sich Droste zu Senden zusehends unwohler fühlte und dann infolge eines Schlaganfalls sogar ganz ausfiel. Der mittlerweile zwölfjährige Knabe konnte aber unmöglich mit dem Kammerdiener alleingelassen werden.196 Minarelli-Fitzgerald dürften auch der Reitunterricht und die Leibesertüchtigung des nach wie vor schwächlichen und „wenig behertzt[en]“ jungen Mannes zugekommen sein.197 Inhaltlich lässt sich über diese Erziehung, die Stephan später als hauptsächlich in den Händen von Droste zu Senden und Minarelli-Fitzgeralds gelegen bezeichnete,198 wenig sagen. Da Minarelli-Fitzgerald später wegen seiner „ausgezeichneten Sprachkenntnisse“ gerühmt wurde, dürfte er auch in diese Ausbildung einbezogen worden sein.199 Erzherzog Stephan beherrschte nach seiner Ausbildung fünf Sprachen: Deutsch, Ungarisch, Lateinisch, Französisch und Italienisch.200 Auch Altgriechisch gehörte zum Unterrichtsstoff, wenn er es auch später nicht mehr anwenden konnte.201 Mit Ungarisch und Lateinisch wurde – neben Rech192 LHA Koblenz Best. 47 Nr. 11092 (30. November 1832; 20. Januar 1833). Zu Schonung vgl. ebd. (30. Oktober 1833; 6. April 1834). 193 Hof- und Staatsschematismus des österreichischen Kaiserthums 1830, S. 186; 1832, S. 188; 1833, S. 188. 194 Hof- und Staatsschematismus des österreichischen Kaiserthums 1831, S. 187. Er war irischer Abstammung, aber in Spanien geboren worden; O’Donnell, S. 286–287. 195 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv XXVI 1938 Bl. 46v–47r (16. März 1839); OeStA HHStA KA NL Franz A. Kolowrat (1. November 1846): „Erzieher“. 196 LHA Koblenz Best. 47 Nr. 11082 (10. September 1829). 197 LHA Koblenz Best. 47 Nr. 11082 (10. September 1829): Beginn des Reitunterrichts. Inwiefern von den militärischen Erziehern darauf rückgeschlossen werden kann, dass das Hauptaugenmerk auf den Leibesübungen lag, ist fraglich; Kováts, S. 252. Nachweisen lässt es sich nicht; eher das Gegenteil ist der Fall. 198 StMLA Archiv Meran Schuber 7 Heft 5,8 (22. März 1850). Bei Kacziány, S. 8, ist noch von einem Grafen Clamon als militärischem Erzieher die Rede, der jedoch nicht verifiziert werden kann und wohl Resultat eines Irrtums ist. 199 OeStA HHStA KA NL Kübeck 11-2-3 (3. März 1842). 200 Kováts, S. 253. 201 OeStA HHStA HA Familienkorrespondenz A 52-19-6 (24. April 1863).
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nen und Schreiben – bereits im Alter von acht Jahren begonnen, noch bevor der Unterricht in Geschichte und Geographie seinen Anfang nahm. Diese letzten beiden Fächer wurden von einer zusätzlichen Lehrkraft unterrichtet.202 Auch Kenntnisse im Tschechischen müssen vermittelt worden sein, war doch Lehrer in den slawischen Sprachen der Protestant Pál (oder Paul) Kanya, der selbst noch Deutsch, Ungarisch und Lateinisch sprach. Gerade im Lateinischen waren gute Sprachkenntnisse notwendig, da es sich um die Amtssprache Ungarns handelte. Bereits der junge Stephan nahm die Vorträge der Geistlichen und Zivilisten, die alle Sonntage stattfanden, in dieser Sprache entgegen, und auch der rechtswissenschaftliche Unterricht erfolgte auf Latein.203 Großherzog Carl Alexander von Sachsen-Weimar sollte später bewundernd feststellen, dass Stephan in der Lage war, beim Diner mit verschiedenen Gesprächspartnern mehr oder weniger gleichzeitig deutsch, italienisch, ungarisch und lateinisch zu reden.204 Das Erlernen der ungarischen Sprache – nicht selbstverständlich für die Eliten – hatte auch eine eminente politische Bedeutung, wurde doch die Kenntnis dieser Sprache bei Herrschenden als Zeichen für deren Sympathie mit dem Volk gewertet, ja als Aneignung von dessen Gefühlen.205 Auch der Palatin Joseph beherrschte diese Sprache, und Hermine hatte sie, wie dargelegt, gleich nach ihrer Übersiedlung zu erlernen. Das waren deutliche politische Signale. Dass Stephan 1836 – mit Wissen seines Vaters oder gar in dessen Auftrag – einer Rede des Präsidenten der Ungarischen Akademie der Wissenschaften, Jószef Teleky, beiwohnte, in der dieser die Vorteile darlegte, die ein Volk aus der Kultivierung der eigenen Sprache ziehe, brachte deshalb auch eine politische Haltung zum Ausdruck. Nicht von ungefähr wurde dies in einer italienischen Zeitung ausdrücklich erwähnt, fühlte man sich doch dort auch von der Vorherrschaft der deutschsprachigen Bürokratie bevormundet.206 Der heranwachsende Stephan sandte damit Signale aus, ob er es beabsichtigte oder nicht, die nicht nur im Interesse des Vaters waren, sondern von ihm bewusst eingesetzt wurden. Allerdings durfte dies keine sozial- oder politisch revolutionären Züge annehmen. Als ein ungarischer Bediensteter des Palatins dem jungen Stephan ein Buch des nationalungarischen Schriftstellers Michael Táncsics unter die Lehrbücher geschmuggelt
202 LHA Koblenz Best. 47 Nr. 11082 (4. Dezember 1825). Hermine lernte in diesem Alter Schreiben, Rechnen, Ungarisch, Französisch und Klavierspielen. 203 HU MNL OL P 301 (8. November 1836). 204 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv XXVI 1938 B. 48v (16. März 1839). 205 Pardoe (1840), S. 95–96. 206 Il nuovo osservatore veneziano Nr. 124 (15. Oktober 1836), o. S.
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hatte, worin Sätze wie „alle Menschen sind gleich“ zu lesen waren,207 wurde die Schrift vom Vater augenblicklich entfernt. Für Unterrichtseinheiten in Naturrecht und ungarischem Staatsrecht stand Stephan der konservative, zentralistisch ausgerichtete Rechtswissenschaftler Anton Virozsil zur Verfügung. Pro-ungarische Tendenzen waren ihm völlig fremd. Deshalb hielt er seinen Unterricht auch konsequent in lateinischer, nicht in ungarischer Sprache ab.208 Nach der Märzrevolution 1848 ließ sich Virozsil denn auch emeritieren, wurde dann aber nach der Rückeroberung Ungarns sofort zum Leiter des Universitätsrates ernannt. Er stand folglich keinesfalls für einen liberalen, oppositionellen Kurs, was in einem gewissen Widerspruch zu bisher Geschildertem steht. Neben dem obligatorischen Zeichen- und Malunterricht bei Karl Klette von Klettenhof209 erhielt Stephan auch Gesangsunterricht bei der Pester Primadonna Henriette Karl, dessen Erfolg er allerdings nur spöttisch zu kommentieren wusste.210 Die gestochen scharfe und akkurate Handschrift, die sich seit den vierziger Jahren in den Briefen Erzherzog Stephans erkennen lässt, ist hingegen erst auf die Schulung bei dem Wiener Kalligraphen Moritz Greiner zurückzuführen, dessen Schreibunterricht in den vierziger und fünfziger Jahren des 19. Jahrhunderts in Wien regelrecht in Mode gekommen war.211 Die frühen Briefe des Erzherzogs zeigen eine recht unregelmäßige Handschrift.
207 Kováts, S. 253. 208 IV. Madách Szimpózium, Budapest, 1997 (http://madach.hu/old/tanulmanyok/mk8iv. madachszimp, Zugriff 23. Juli 2019), S. 194–195; ÖBL 15 (2017), S. 292f.; HU MNL OL P 301 (10. März 1860). 209 Die Grenzboten 6 (1847), S. 248: Er zeichnete und malte recht gut. Vgl. dazu auch die Zeichnungen in der Korrespondenz mit Erzherzog Albrecht in HU MNL OL P 301. Auch OeStA AVA FA Harrach Fam. in spec. 4.686.4 (Korrespondenz mit Anna Gräfin Harrach – Stephan übersandte ihr 1842 ein Aquarell für ihr Album, das er 1848 durch ein besseres ersetzt sehen wollte); Thieme-Becker 20 (1927), S. 486–487. Die Zeichnung einer verfallenen Hütte vom 23. Januar 1828 in ÖNB Inv. Nr. Pk 477, 146a. Vgl. auch BayHStA GHA Nachlass Erzherzogin Elisabeth von Österreich Nr. 93 (23. Mai 1848). In NLA Hannover Dep. 103 II Nr. 97/39 (10. Oktober 1837) übersandte Stephan eine Handzeichnung an Marie von Hannover. 210 HU MNL OL P 301 (19. Februar 1836); Pardoe (1842), S. 101. 211 OeStA HHStA HA Familienkorrespondenz A 52-19-6 (12. Juni 1880, Zeitungsausschnitt); Neue Freie Presse Nr. 567 (12. Juni 1880), S. 4–5; Allgemeine Theaterzeitung Nr. 210 (2. September 1847). Unter Berücksichtigung der Annahme, dass der Mensch in seiner Handschrift verdeutlicht werde, spricht auch dieses standardisierte, angelernte Schriftbild für Charakteristika in Stephans Auftreten; Schöne, S. 11. Die Briefe Stephans aus der Zeit um 1846/47 nähern sich als Erstes diesem Schriftbild an, das später dann noch standardisierter wird; HU MNL OL P 301; Springer (1865), S. 117.
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Abb. 6: Erzherzog Stephan (Zeichner), Franz Seraphin Theyer und Erwin Waidele (Hersteller): Knecht mit zwei Pferden auf Wiese (ÖNB Pk 1061, 1)
Abb. 7: Erzherzog Stephan: Verfallene Hütte, Bleistiftzeichnung vom 23. Januar 1828 (ÖNB Pk 477, 146a)
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Abb. 8: Unterschrift des Erzherzogs Stephan in einem Brief an den Pädagogen Kehrein (HLA HHStAW Best. 1174 Nr. 11)
Literarisch dürfte sein Geschmack, der Korrespondenz mit Erzherzog Albrecht zufolge, stark an Schillers Dichtung geschult worden sein, deren Pathos er aber durch die Übersetzung in den österreichischen Dialekt ironisch zu brechen wusste.212 Erstaunlich bleibt es trotzdem, dass der als Vertreter des bürgerlichen Bewusstseins geltende Schiller eine dermaßen nachhaltige Wirkung auf den jungen Erzherzog ausüben konnte. Stephans Großmutter las ihren Töchtern und Enkeln aus Schillers „Abfall der Niederlande“ vor, das ist bekannt.213 Maßgebend aber für Stephans Beeinflussung dürfte dann doch der literarisch bewanderte Droste zu Senden gewesen sein.214 Vermutlich fokussierte dieser die Schiller’schen Werke auf ihre moralische Komponente und den Idealismus, wie es auch in den Aufführungen am Burgtheater geschah, seitdem Schiller dort gespielt werden durfte und unter dem Intendanten Schreyvogel auch gespielt wurde.215 Die Aussage der Werke wurde, 212 HU MNL OL P 301 (29. Februar 1836). 213 Schieckel (1990), Schaumburg, S. 292. Zu Schiller als Identitätsfigur für das Bürgertum vgl. Yehong, S. 261. 214 Neue Freie Presse Nr. 1438 (2. September 1868). 215 Hofmann, S. 183; Dann, S. 114–116; Yehong, passim.
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nach den Worten des Schriftstellers Eduard von Bauernfeld, durch diese Zentrierung auf das Moralische abgedämpft, weil es die politische Tragweite reduzierte.216 Eine stark moralisierende Argumentation und eine idealistische Einstellung zur Politik, was beides auch Strömungen des deutschen Liberalismus prägen sollte,217 wird späterhin eine Konstante in Stephans Briefe bilden. Ob diese aber auf die Schulung an Schiller zurückzuführen ist, wird kaum zu beantworten sein. Auch konnte diese ästhetisch-moderne Ausrichtung in ihrer praktischen Anwendung zu einer idealistischen, wohltönenden Phrasendrescherei führen, von der Stephan später zumindest nicht ganz frei sein wird.218 Allerdings findet sich nach diesen Erwähnungen in den Jugendbriefen keinerlei Hinweis mehr auf eine Beeinflussung durch welchen Schriftsteller auch immer.219 Mit der literarischen Schulung an Schiller dürfte auch ein historisches Verständnis einhergegangen sein, das wiederum Rückschlüsse auf Stephans Selbstverortung in der Historie zulässt und damit für den späteren Erzherzog wichtiger gewesen sein dürfte als das rein Literarische. Das machte sich auch bemerkbar, wenn Stephan über die Geschichte und die Rolle der Persönlichkeit in ihr sprach. Er glaubte schon früh zu erkennen, wie abgelöst das Individuum von der Völker- und Staatengeschichte sein konnte. Bevor seine eigentliche Karriere begonnen hatte, schrieb er über seine Vorliebe für die Lektüre von Biographien. Völker und Staaten seien in „ihrer geistigen und moralischen Größe so wie ihrer Erniedrigung in ihren Ursachen und Wirkungen weit schwieriger aufzufaßen und folgerecht zu entwickeln, als dieß bei einzelnen Personen der Fall ist“. Werke über Völ216 Bauernfeld, S. 162–164; zu Schiller in Österreich vgl. auch Oellers, passim; Staël, S. 54. Zu Schreyvogels Bearbeitung des „Wilhelm Tell“ (1827) und zur Zensur vgl. Marx (1959), S. 29. 217 Leonhard (2001), S. 188–189. 218 Dazu u. a. Nietzsches bekannter Aphorismus über Schiller als „Moral-Trompeter von Säckingen“; Nietzsche (1990), S. 306. Schillers Vorstellungen von freier Sittlichkeit und Selbstbestimmung, die sich gerade gegen die Forderungen von außen richtete, sollten de facto nicht in Stephans Lebensweg erkennbar werden; Safranski, S. 478. Vgl. u. a. Maria Stuart IV,10: „hält mich nur / Die Volksgunst auf dem angefochtenen Thron.“ Das Pathos der Moral hatte sich in der Mitte des 19. Jahrhunderts zu einer gesellschaftlichen Konformität abgeschwächt. 219 Auch Goethe wird nur einmal gegenüber dem Großherzog von Sachsen-Weimar in einer ziemlichen Plattitüde erwähnt: „des Mannes großen Geist glücklich erfaßt, der das allgemeine Beste jederzeit so sehr zu berücksichtigen wußte“; LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739a (15. Oktober 1850). Der Geologe Zippe und der Schriftsteller Grillparzer hätten „als wirkliche Celebritäten mit Recht eine Anerkennung verdient“: Haidinger (1897), S. 92 (8. Februar 1861). Das scheint die einzige Bemerkung über Grillparzer zu ein – er und Zippe hatten kurz zuvor ihren siebzigsten Geburtstag gefeiert.
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ker und Staaten seien lehrreicher für Staatsmänner, Biographien aber gäben Einblick in die Individualität.220 In dieser Trennung folgte Stephan nicht dem Heroenkult in der Historiographie, der von Thomas Carlyle seinen Ausgang genommen hatte. Für Carlyle war die „Seele der Weltgeschichte“ die Geschichte großer Menschen.221 Für Heinrich von Treitschke machten später Männer die Geschichte. Eine naturhistorische Herleitung des „Späteren aus dem Früheren“ war für ihn nicht möglich, weil alles dem Genius großer Gestalter unterlag.222 Diese Verbindung des Individuellen mit dem abstrakten Lauf der Geschichte wollte Erzherzog Stephan nicht akzeptieren. In seinem Verständnis löste sich die Politik vielmehr von der Individualität der Einzelpersönlichkeit – ähnlich der Unterscheidung des Historikers Leopold von Ranke – in den allgemeinen „historischen Grund“ und das individuelle „Wesen“.223 Memoiren waren für Ranke darum auch keine Geschichtsschreibung, weil sie den Gegenstand nicht umwanderten, sondern aus einer subjektiven Haltung heraus betrachteten.224 Ähnlich dachte auch Stephan: Auf der einen Seite gab es die Geschichte von Staatsgebilden, die er nicht im machtpolitischen oder nationalen Sinne, sondern durch Ideelles – durch Geistiges und Moralisches – charakterisierte. Damit stand sein Denken in der Tradition Humboldts oder Rankes, die in den Ideen die geschichtsbewegenden Kräfte erkannten. Ranke wollte ausdrücklich in seiner Geschichtsschreibung die „Wertbegriffe der ewigen Moralgesetze“ verbunden sehen.225 Zum Begriff der „Moral“, der sich aus dem aufklärerischen Denken des 18. Jahrhunderts speiste und in das liberale Gedankengut des 19. Jahrhundert übergegangen war,226 wird auch im Zuge von Stephans Biographie noch einiges zu sagen sein. Auf der anderen Seite blieb für Stephan die Einzelpersönlichkeit unverbunden mit der allgemeinen Entwicklung. Womöglich mögen die historischen Werke Schillers dieses Denken beeinflusst haben. Denn auch dort waltet ein allgemeiner historischer Prozess, den das Individuum nicht zu beherrschen vermag. Trotzdem hat es in diesem allgemeinen Walten seine persönlichen, individuellen Freiheitstaten zu vollbringen.227 Die Bedeutung des Individuums fand trotz aller Beschränkungen Stephans Interesse. Es mutet 220 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv Weimar A XXVI Nr. 739a (8. Januar 1841). 221 Carlyle, S. 23–24; Gay (1999), S. 196–197; Paulmann (2019), S. 203–209. 222 Treitschke, S. 28. 223 Harth, S. 466. 224 Harth, S. 460. 225 Harth, S. 466; Srbik (1950), S. 261. Dazu auch Suchy, S. 197–198. 226 Leonhard (2001), S. 200. 227 Safranski (2004), S. 278.
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fast schon wie eine Vorahnung seines späteren Lebenswegs an, den – in diesem Sinne – die allgemeine Schicksalsmacht der Weltgeschichte unter sich begraben hat. Und hier mögen auch die Bezüge zu der von ihm geschätzten Autorin Luise Mühlbach herrühren, in deren historischen Werken die Persönlichkeit des Regenten dem politischen Amt diametral entgegensteht. Das Individuelle war der positive Freiraum, der durch den Zwang der Politik beschnitten wurde. Damit entstand des Trivialbild des an seinen politischen Aufgaben leidenden Herrschers, und damit wurde – indirekt – auch einer unpolitischen Qualität des Adels Vorschub geleistet.228 Diese humanistische Schulung hatte zusammen mit dem familiären Umfeld eine für den Adel jener Tage erstaunlich individuelle Note.229 Stephan war es deshalb später leicht möglich, liberale oder betont dynastiekritische Kreise für sich einzunehmen, weil ihm deren weltanschaulicher Grundton zumindest nicht unbekannt war. Signalworte auszusenden oder auf diese zu reagieren, war ihm gut möglich. Ob ihm diese Weltanschauungen jedoch wirklich zu eigen waren, bleibt sehr fraglich. Alleine die distanzierte, ironisch gebrochene Verwendung Schiller’scher Ideen zeugt eher von Unbehagen und Distanziertheit, von einer Abwendung von den ihm auferlegten Idealen. Und auch sonst waren es mehr Gedankensplitter, deren er sich bediente, und kein weltanschauliches, philosophisches oder politisches System. Nicht selten zerfällt die Sprache sogar und das auch in späteren Äußerungen – im Sinne Adornos – in einzelne Wörter, die den leeren Eklektizismus verdeutlichen, deren signalhafte Zeichen aber ihre Wirkung auf eine für diese Signale sensibilisierte Gesellschaft nicht verfehlen.230 Die epigonenhafte Veräußerlichung von Inhalten bot ihm als eher rezeptivem Charakter große Chancen231 und war in dem politisch und konfessionell disparaten Umfeld, in dem er aufgewachsen war, konsequent und in gewisser Weise überlebenswichtig. Es wäre aber verfehlt, wollte man den zur Schau getragenen Idealismus wiederum nur als berechnende Maske interpretieren. Wie noch zu sehen sein wird und wie ja auch die angeführten Zitate belegen, prägten sie Stephans Weltsicht durchaus. 228 Mühlbach, u. a. S. 30–31, S. 62–65 oder S. 596. 229 Conze, S. 370. 230 Adorno, S. 10–11; Freud, S. 126–127; Immermann, S. 120. 231 Allgemein kann dies auch in Verbindung gebracht werden zu Stephans zitatenreichen und ironischen Briefen, die durch ihre literarische Glätte beeindrucken. Der Philosoph Friedrich Nietzsche unterschied zwischen Bildung und einer „Art Wissen um die Bildung“, die dann „wie eine papierne Blume aufgesteckt oder wie eine Überzuckerung übergossen wird“; Nietzsche (o. J.), S. 79. Dazu auch Paulmann (2019), S. 201. Vgl. auch die Einschätzung der Baronin von Beck: „er versprach Alles und hielt – nichts! –“; Beck 1, S. 11–12. Zum Epigonalen in jener Zeit unter literaturhistorischen Aspekten vgl. Mattenklott, S. 410–412; Fauser, S. 15–16.
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Neben das Genannte traten eine militärische Erziehung und naturkundlich-medizinische Studien.232 Letztere dürften den jungen Mann mehr erfüllt haben als philosophische oder politische Theorien. Auch technische Lehrinhalte dürften den Unterrichtsstoff gebildet haben; die Bekanntschaft mit Technikern und Fabrikanten in späterer Zeit belegt, dass er in der Zeit bis 1848 Kontakt zu diesen Kreisen besessen haben muss.233 Stephans Ausbildung in einem Handwerksberuf, in diesem Fall zum Buchbinder,234 bildete keine Besonderheit, sondern war bei den Habsburgern seit Jahrhunderten üblich. Als Freizeitbeschäftigung pflegte er zusätzlich die Drechslerei und die Herstellung von Pappschachteln (Cartonnagearbeiten).235 Auf dieser Grundlage führte Stephan trotzdem nichts anderes als das übliche Leben eines Erzherzogs jener Tage, das zwischen Pferden, der italienischen Oper und dem Militär pendelte, aber nicht erahnen ließ, dass daraus mehr erwachsen könnte.236 Diese Durchschnittlichkeit schloss gewisse hochfahrende Pläne bzw. das Bewusstsein, etwas Besonderes zu sein und Großes erreichen zu wollen, nicht aus. Mit Schillers Worten erklärte der Neunzehnjährige seinem Cousin Albrecht darum auch, dass er Arm in Arm mit ihm das Jahrhundert in die Schranken fordern wolle.237 Stephans kalauernde Ironie jener Tage und die Diffamierung des gesellschaftlichen Umfeldes, wie sie seine Korrespondenz fast beherrscht, führten die Zeitgenossen auf seine Eitelkeit238 zurück. Sein Erzieher Droste zu Senden sah in dieser Eitelkeit und der „Witzemacherei auf Kosten Anderer“ eine besondere Gefahr und zog das Resümee: „Der Prinz ist unter den jüngeren Gliedern des kaiserlichen Hauses unstreitig der begabteste und zu einer großen Stelle berufen, aber seine Eitelkeit, welche ich nie ganz bekämpfen konnte, dürfte ihm gefährlich 232 Stephan sprach später davon, er habe in seiner Jugend medizinische Studien betrieben; Neue Freie Presse Nr. 4304 (18. August 1876), o. S. Brief an den Technologen Professor Jacob Reuter, Kustos der technologischen Sammlungen in Wien, vom 15. Februar 1851. 233 Neue Freie Presse Nr. 4304 (18. August 1876): an Professor Reuter, wobei Stephan u. a. auch den Hofpapiertapetenfabrikanten Michael Spörlin, den Präsidenten der Wiener Handelskammer und Seidenfabrikanten Theodor von Hornbostel und den Techniker Adam Burg grüßen ließ. Letzterer hatte vor Kaiser Ferdinand wissenschaftliche Vorträge gehalten. 234 Kováts, S. 252. 235 Neue Freie Presse Nr. 1438 (2. September 1868). 236 HU MNL OL P 301 (u. a. 30. März 1836). An Weihnachten 1836 wurde er mit Walzen für einen Musikkasten, einem mit Silber gefassten Glaspokal, einer englischen Reitgerte, einem Briefbeschwerer, einem Feldsessel sowie diversen Kleidungsstücken beschenkt; HU MNL OL P 301 (28. Dezember 1836). 237 HU MNL OL P 301 (26. Februar 1836): Zitat aus Don Karlos. 238 Anders (1868), S. 7; Neue Freie Presse Nr. 1432 (26. August 1868); Valentin 1, S. 6. Der Begriff der Eitelkeit kann sowohl als Gefallsucht interpretiert werden als auch im Sinne einer Gehaltlosigkeit vermeintlicher Überzeugungen, Schopenhauer, S. 53.
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Abb. 9: Erzherzog Stephan, Lithographie von Albert Henry Payne, um 1845 (Privatbesitz)
werden.“239 Dieses kritische Urteil des Erziehers muss auch der Einschätzung des Vaters entsprochen haben, der in Droste zu Senden den richtigen Mann für Stephan erkannte, weil er den nötigen Ernst mit gehöriger Schonung verband, um damit Herz und Gefühl des jungen Erzherzogs auszubilden.240 Denn auch Erzherzog Joseph hatte sich – neben dem zu beobachtenden Hang zum Müßiggang – bereits 1827 Gedanken über die Anmaßungen des Zehnjährigen im Gespräch mit anderen gemacht.241 Stephans Vater bemühte sich deshalb sehr, dass „fade Schmeicheleien“, denen gegenüber der Sohn sehr anfällig war, nicht allzu viel Gehör fanden.242 Stephans Berichte über die Teilnahme an den Faschingsveranstaltungen und großen Bällen der Buda-Pester243 Gesellschaft belegen, dass er in dieses 239 Neue Freie Presse Nr. 1438 (2. September 1868). 240 LHA Koblenz Best. 47 Nr. 11082 (2. April 1826). 241 LHA Koblenz Best. 47 Nr. 11082 (13. Oktober 1827). 242 HU MNL OL P 301 (6. März 1841). 243 Buda-Pest wird im Folgenden immer als Sammelbegriff für die beiden Stadtteile Ofen und Pest verwendet, auch wenn diese Verwendung anachronistisch ist.
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elitäre Gefüge selbstverständlich vollkommen integriert war. Es war keine Jugend in Opposition, sondern allenfalls ein etwas extravagantes, dandyhaftes Auftreten, aber im Einklang mit den herrschenden Schichten und damit mit den ungarischen Magnatenfamilien.244 Aus Wiener Sicht aber war das leicht verdächtig. Anlässlich seines Wien-Aufenthalts hatte er sich deshalb seinen allzu verwegen ausgefallenen Backenbart stutzen müssen.245 Dieses unangepasste Äußere war auch als symbolisches Zeichen zu deuten. Stephan wurde eine Nähe zur Gruppe der Enthusiasten nachgesagt, die Metternich in der ungarischen Opposition walten sah. Mit heißen Köpfen, so glaubte er, verfolgten diese die Ziele eines falsch verstandenen Patriotismus.246 In Fundamentalopposition zum Gesellschaftsgefüge, in das er hineingeboren worden war, stand er aber nicht. Vieles blieb Oberfläche. Für Kleidung gab Stephan, gerade in der Faschingssaison, große Summen aus, so dass sein Geldbeutel unter „Diarrhöe“ litt.247 Grundzüge dieses Benehmens sollten wohl sein ganzes Leben hinweg zu erkennen sein. „Distinguirte Formen“ seien es gewesen, hieß es später, die „nichts affektirtes, nichts gemachtes an sich“ hatten. Vornehme Manieren und die „ausserordentlich sorgfältige Toilette“ hätten dazu beigetragen, dass Stephans ganzes Erscheinungsbild und Auftreten zugleich etwas sehr Gesuchtes, aber nichts Aufgesetztes bekommen habe.248 In Ungarn kamen zu den häufigen Reisen zwischen Ofen, Pressburg und Wien249 noch die Besuche in dem ca. vier Stunden von Buda-Pest gelegenen Gut Alcsút hinzu, das in seiner Ländlichkeit dem Hofgut Hausen vergleichbar gewesen sein mochte, mit seinen 11.000 Morgen, dem englischen Park mit exotischen Pflanzen und dem klassizistischen Schloss aber ganz andere Dimensionen aufwies und wahrhaft königlich daherkam. Im Jahr 1818 hatte 244 HU MNL OL P 301 (28. Dezember 1836). 245 HU MNL OL P 301 (16. Januar 1838). Vgl. auch das Ebner-Tagebuch, S. 117–118: „ein langer, brunetter Herr, blaßgelb aussehend, mit ungeheurem schwarzen Backenbart“ (2. September 1842). Zur Mode des Backenbarts in der Biedermeierzeit vgl. Oldstone-Moore, S. 235. Gedanken über den Bart Stephans, wenn auch unhaltbar, bei Key, passim. 246 NA Prag Fond MRA AC 2-C (o. D.): „un patriotisme mal entendu“. 247 HU MNL OL P 301 (1. Januar 1839). 248 Wiener Medizinische Wochenschrift 1 (1. Januar 1868), S. 60: Wilhelm S. Schlesinger beschrieb hier den Geheimrat von Langenbeck und stellte große Ähnlichkeiten mit dem „zierlich-aristokratischen Wesen“ Erzherzog Stephans fest. Die Nachricht, Erzherzog Stephan habe sich tätowieren lassen, dürften auf Erzherzog Karl Stephan gemünzt sein; Luedecke-Zwickau, S. 77; New York Herald (1. Januar 1899). 249 Siehe u. a. Der Wanderer (16. August 1821), S. 385: aus Füred (Gesundbrunnen) in Ofen angekommen; Der Wanderer Nr. 19 (19. Januar 1822), S. 34: aus Wien in Ofen angekommen; Der Wanderer Nr. 113 (22. April 1824), S. 198: aus Wien in Ofen angekommen; Der Wanderer Nr. 257 (14. September 1825), S. 1207: Reise nach Pressburg.
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Erzherzog Joseph das Gut Püspökladány gegen diesen Besitz eingetauscht, auf dem er dann ein Schloss und eine Musterdomäne errichten ließ.250 In dieser neuen Musterwirtschaft wurden seltene Pflanzen herangezüchtet. Die dortige Schule für Wirtschaftspraktikanten wurde sogar von Interessenten aus Deutschland, Frankreich, Holland, Belgien und England besucht, und dem Erzherzog Joseph war all das sein Eldorado.251 Dem Ganzen kam darüber hinaus eine nationalungarische Bedeutung zu. Denn schon 1810 hatte Erzherzog Joseph Ungarn zum „Zentrum der Regeneration“ machen wollen,252 und es hat fast den Anschein, als habe er in Alcsút nicht nur einen herausragenden Landschaftspark anlegen wollen, sondern durch die Gestaltung und Fruchtbarmachung herrenlosen Brachlands auch ein Muster notwendiger gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Veränderungen angestrebt. So oft er konnte, besuchte er zusammen mit seiner Familie diese Domäne.253 Diese Aufenthalte dürften Stephans Erfahrungen vom Landleben gewesen sein. Inwiefern ihm im Laufe der Zeit die Standesherrschaft und die Lebensbedingungen seiner Großmutter wirklich präsent gewesen sind, ist fraglich. Besuche aber gab es, und während dieser nahm sich Fürstin Amalie der Enkel ganz direkt an. Dieser Verwandtschaftszweig lebte im Verhältnis zu den habsburgischen Höfen recht ungezwungen und in einem eher bürgerlichen, wenn nicht gar bäuerlichen Umfeld.254 Es hieß, es sei Stephan möglich gewesen, auf dem Hof Hausen mit seiner Schwester Hermine, mit dem morganatischen Sohn der Großmutter, Friedrich, und der oldenburgischen Verwandtschaft herumzutollen. In diesem Umfeld waren auch die intensiven Beziehungen zu den Kindern des Großherzogs Paul Friedrich August von Oldenburg verortet. Die beiden Mädchen aus seiner ersten Ehe mit Adelheid von Anhalt-Schaumburg, einer Schwester der Prinzessin Hermine, lebten nach dem frühen Tod der Mutter und vor der Eheschließung des Oldenburger Großherzogs mit der Schwester seiner ersten Ehefrau, Ida, im Jahr 1825 zeitweise auf dem Hofgut Hausen. Amalie (genannt Male) und Friederike (genannt Wiwi) knüpften enge Kontakte zu dem mit ihnen verwandten erzherzoglichen Zwillingspaar. Für die dort herrschende kindlich-ungezwun250 Örsi, S. 55. 251 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 a (21. September 1846). Vgl. auch den Brief Hermines vom 26. Juni 1836, in dem sie mitteilt, nach Alcsút zu gehen, „welches nur 4 Stunden von hier entfernt ist – Ich gehe dieses Jahr bei weitem nicht so gerne hinaus wie sonst, da Stephan und Alexander wegen ihrer Studien in der Stadt bleiben müßen! Das ist doch gewiß sehr traurig!“; HLA HStAD Best. D 23 Nr. 35/9 (26. Juni 1836). 252 Örsi, S. 55. 253 U. a. Oesterreichischer Beobachter Nr. 257 (14. September 1825), S. 1207. 254 Der Vergleich zum Hofstaat in Ungarn vgl. Schieckel (1990), Hermine, S. 162.
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gene Atmosphäre gibt es sogar einen Beleg. Am 3. März 1866 erinnerte Stephan seine Cousine Amalie an einen „Groom, den Du weggejagt, der mit uns höhere Studien über die Tiefe des Drecks in dem Wäldchen – erfreulichen Andenckens – gemacht, wo wir dann Deinem Leibkutscher mit der Droschke entgegenwaten mußten“.255 Für etwaigen Unterricht standen der Lehrer Maxeiner aus Cramberg, der reformierte Hofprediger Friedrich August Brunn sowie der Französischlehrer Claudon bereit, wobei dies – wenn überhaupt – allenfalls sporadische Lektionen gewesen sein können.256 Denn 1826 war Stephan während des Besuchs bei der Großmutter der Freiherr Droste zu Senden weiter beigeordnet, der seinen Unterricht sicherlich nicht unterbrochen haben wird.257 Ob der Holzappeler Bergrat Heinrich Ludwig Karl Schneider,258 der schon Goethes Gesprächspartner über Mineralogie gewesen war, dem jungen Erzherzog die Liebe zur Mineralogie eingepflanzt hat oder nicht, bleibt wohl eher im Reich der Spekulation.259 Mit Sicherheit prägten ihn als Heranwachsenden aber weitaus stärker die habsburgische Lebenswelt sowie das lokalungarische Kolorit. Ohne oppositionell oder im politischen Sinne liberal zu sein, schwang doch gerade durch Letzteres ein für das Haus Habsburg unkonventioneller Ton in seinem Auftreten mit. Das zwangvolle Korsett habsburgischen Verhaltens wurde während der Kindertage immer wieder durchbrochen und das katholische und zumeist reaktionäre Denken des Kaiserhauses durch andere Einblicke erweitert. Allerdings sollte man davon Abstand nehmen, dies allzu sehr in ein Idyll oder eine revolutionäre Haltung zu verwandeln. In Stephans Jugend sollte kein Revolutionär und Quergeist herangezogen werden. Die Kindheit wich daher nur leicht, aber trotzdem bemerkenswert von den Viten anderer Habsburger ab. Wie das Kind das selbst empfand, erschließt sich heute nicht mehr. Stephan bekannte am 6. Oktober 1839, also mit gerade einmal zweiundzwanzig Jahren, er habe „theilweise eine sehr traurige Jugend“ verlebt und „sehr viele Erfahrungen gemacht“.260 Aus dieser Formulierung kann man den Schluss ziehen, dass hier nicht ausschließlich auf den frühen Tod der Mutter Bezug genommen wird, sondern dass die ersten Jahre des Erzherzogs insgesamt von einer dunklen Atmosphäre geprägt waren. Vermutlich 255 NLA Oldenburg Dep. 50 Best. 6 M Nr. 44 (3. März 1866). 256 Schieckel (1990), Schaumburg, S. 293–294: Welche Enkel diese Lehrer unterrichteten, lässt Schieckel offen (1828, 1830, 1838). 257 LHA Koblenz Best. 47 Nr. 11082 (26. März 1826). 258 Renkhoff, S. 715–716. 259 Bode (2017), S. 16. 260 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 a (6. Oktober 1839).
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dürften Strenge und Härte in der Ausbildung zu diesem Urteil geführt haben, wie sie sich in den Äußerungen des besorgten Vaters unterschwellig herauslesen lassen. Denn der hatte das gutgemeinte Ziel vor Augen, aus seinem schwächlichen Sohn – ähnlich wie bei dessen Mutter – ein funktionsfähiges Mitglied der Dynastie zu machen.
3. FORMUNG EINES HOFFNUNGSTRÄGERS (1838–1843)
3.1 Popularisierung eines jungen Mannes Ab dem Jahr 1830, als Erzherzog Stephan anlässlich des vierhundertjährigen Jubiläums des Ordens vom Goldenen Vlies zusammen mit seinem Vetter Albrecht in diesen Orden aufgenommen worden (Nr. 900 der Ordensliste) und zusätzlich zum Oberst ernannt worden war, begann sich die Phase seiner Kindheit ihrem Ende zuzuneigen.1 Noch 1830 wurde er auch (nomineller) Inhaber des vakanten 58. Galizischen Infanterieregiments (Veyder von Malberg).2 Zum Generalmajor befördert wurde er 1842, zum Feldmarschallleutnant im April 1847.3 Damit tat er zur gleichen Zeit die ersten Schritte seiner möglichen und für Erzherzöge fast vorgezeichnete Karriere, wie es auch bei seiner Schwester Hermine der Fall war, die 1836 zur Äbtissin des Theresianischen Damenstifts auf der Prager Burg ernannt wurde.4 Sie hatte – wie Stephan beim Regiment – im Stift keine Residenzpflicht, mit 20.000 fl. Wiener Währung jährlich ein ansehnliches, wenn auch nicht regelmäßig ausbezahltes Einkommen5 und blieb bei der Familie. Da beide damit noch im Umfeld der Eltern lebten, konnten sie zunächst weiterhin ihr sehr en1
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LHA Koblenz Best. 47 Nr. 11082 (15. März 1830); Kováts, S. 254; Allmayer-Beck, S. 18; Militär-Schematismus des österreichischen Kaiserthumes 1831, S. XI. Jahrzehnte später erinnerte er sich gegenüber Albrecht wehmütig dieses Ereignisses: Beide hätten als junge Regimentsinhaber in ihren weißen Uniformen ihre Kurialien abgelegt, wobei sich Stephan beim Hofkammerpräsidenten von Hohenzollern hatte entschuldigen müssen, weil seine Anschnallsporen nicht rechtzeitig fertiggeworden waren und der Amtsträger sehr streng auf die Korrektheit der Uniformen achtete. Als beide dann das Toison vom Goldenen Vlies verliehen bekommen hatten, ließ die „Wiener Welt im Rittersaale ein langgedehntes Ach! ertönen […], als wir Däumlinge uns zärtlichst umarmten.“ Besonders in Erinnerung aber blieb ihm der Ritterkuss des Grafen Czernin, der beiden seitlich bis in die „Cravaten“ geflossen sei; HU MNL OL P 301 (24. Dezember 1866). LHA Koblenz Best. 47 Nr. 11082 (15. März 1830). Militär-Schematismus des österreichischen Kaiserthumes 1842, S. 218 (Oberst); 1843, S. 225 (Generalmajor); Bode (2017), S. 17 (hier irrige Angaben); HLA HStAD Best. G 1 Nr. 182/4 (28. April 1847); Militär-Schematismus des österreichischen Kaiserthumes 1850, S. XVII. Kourier von der Donau Nr. 133 (6. Juni 1836), o. S.; Kováts, S. 254. Hermine litt unter einer Rückgratverkrümmung; LHA Koblenz Best. 47 Nr. 11082 (29. Juli 1827). Erzherzog Joseph bemerkte zwar, dass es sich um keine Rückgratverkrümmung handele, allerdings seien die Rückenwirbel ungleichmäßig ausgebildet und der Kopf zu schwer für die Kraft des Rückens; LHA Koblenz Best. 47 Nr. 11082 (30. November 1832); auch bei Hankó (1990). OeStA HHStA OMaA 240 III/B Nr. 8–12 (11. März 1842).
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ges Verhältnis pflegen.6 Dauer war dieser familiären Anbindung aber nicht beschieden. Im Jahr 1836 ging Hermine zum ersten Mal allein nach Alcsút, weil ihre Brüder Stephan und Alexander wegen ihrer Studien in Ofen bleiben mussten.7 Das war eine Zäsur, die sich 1838 noch verschärfte. Erzherzog Joseph war seit 1835 mehrfach kränklich, was in der Bevölkerung mit größter Sorge beobachtet wurde, nicht zuletzt wohl auch, weil man sich allgemein bewusst war, dass ein Ende der langen Amtszeit des Palatins die Konflikte mit der Wiener Regierung vollends ausbrechen lassen würde. Diese enorme Anteilnahme mag späterhin Stephans Vorstellung von einem guten patriarchalischen Herrschaftssystem und der Anhänglichkeit der Bevölkerung geprägt haben.8 Im Frühjahr 1837 steigerte sich die Krankheit des Vaters zu einem außerordentlich schweren Leiden, so dass Zweifel an seiner Genesung laut wurden und Joseph sich selbst finanzielle Sorgen um sich, aber auch um seine Kinder machte. Er schrieb an seinen Bruder Ludwig nach Wien, wie wichtig es ihm sei, alle Probleme „günstig beendigt zu sehen“.9 Ganz akut rückte also die Zukunft der Kinder in Josephs Blick, und den ohnehin nervlich etwas labilen Stephan muss ein möglicher Tod des Vaters stark angegriffen haben. Er bekam Nervenfieber.10 Von seinen nerv lichen Problemen ist immer wieder einmal die Rede, 1847 sogar öffentlich in einer Wochenzeitung, wo von einer „Erregtheit der Nerven“ zu lesen ist.11 Die Berichte aus Ofen waren bewegend: „Adel, Bürger, Bauern füllten kniend den innern Hof des Schlosses. Je nachdem der ärztliche Bericht lautete, hörte man Klagen oder Ausbrüche der Freude, hier Gebete, dort abergläubische Gelübde, um das theure Leben zu erkaufen.“12 Das wusste zumindest zehn Jahre später Langsdorff zu berichten, der in Joseph und Stephan eine große liberale Hoffnung erkennen wollte. Auch Metternich 6 In der Bevölkerung ging diesbezüglich angeblich sogar das Gerücht um, die beiden würden später einander heiraten; Die Presse Nr. 55 (25. Februar 1867), o. S. 7 HLA HStADBest. D 23 Nr. 35/9 (26. Juni 1836). 8 HU MNL OL P 301 (7. Mai 1836). Sicherlich stärker als Theorien wie z. B. von Carl Ludwig von Haller, zu dessen „Patrimonialstaat“ keine direkten Bezüge hergestellt werden können. 1836 soll als Nachfolger Josephs im Palatinsamt Stephan Széchenyi gehandelt worden sein; Barany, S. 266. 9 OeStA HHStA HA Familienkorrespondenz A 52-7-1 (21. April 1837). 10 HLA HStAD Best. D 23 Nr. 35/9 (30. Dezember 1835); Frankfurter Oberpostamts-Zeitung Beilage zu Nr. 107 (17. April 1837); HU MNL OL P 301 (10. und 15. April 1837). 11 Die Grenzboten 6 (1847), S. 248. Solche Andeutungen in der Zeit vor der „Nervositätsepidemie“ ab den 1880er Jahren, in der Nervenerkrankungen zur Mode und damit zu einem kulturellen Phänomen wurden, ist beachtlich, zumal diese Einschätzungen bei Stephan regelmäßig wiederkehren; Radkau, S. 27–37; Montegazza, S. 5–6. Redslob erkannte in der Zeit um 1840 den Beginn dieser Nervosität; Redslob, S. 10. 12 Langsdorff (1848), Stephan, S. 10.
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Formung eines Hoffnungsträgers (1838–1843)
richtete seinen Blick unter diesem Gesichtspunkt nach Ungarn: Denn er fürchtete, dass das Land, sollte der Palatin versterben, die Aufmerksamkeit des europäischen Liberalismus auf sich ziehen würde. Die Presse, die sich bisher aus Furcht vor dem Staatskanzler und aus Unkenntnis der ungarischen Verhältnisse zurückgehalten hatte, würde über den Verstorbenen berichten. Das ließ Metternich unruhig werden und seine Befürchtungen vorsichtshalber nach Russland übermitteln.13 Doch die Befürchtungen entkräfteten sich: Im Juni 1837 war der Palatin so weit genesen, dass die Ärzte einer Reise zustimmen konnten und ihm für die zweite Hälfte des Monats eine Kur in Bad Ems verordneten.14 Ems, so kommentierte der Sohn die Reise, liege nur drei Stunden von seiner „weltberühmten deutschen Herrschaft Schaumburg“ entfernt, so dass auch an den Besuch der „doch schon alternden Großmutter“ zu denken sei.15 Joseph fuhr mit seinen Kindern Stephan und Hermine sowie einem umfangreichen Gefolge an die Lahn, während seine Ehefrau mit den jüngeren Kindern in Ungarn zurückblieb.16 Stephan kam zu dem etwas zweideutigen Schluss, dass der Vater ihn, den Bücherwurm, damit auch in die Ferne hatte ziehen wollen, es ihm aber zugleich auch schwergefallen sei, ihn von seinen Studien zu entfernen.17 Dass ihm der aus Galizien stammende Major Joseph von Anders auf dieser Reise beigegeben wurde, der just 1837 als Lehrer Stephans im „Militär-Fach“ angestellt worden war, lässt zumindest Überlegungen zu, ob dieser militärische Aspekt einer Karriereplanung auch im Fokus der Reise gestanden haben dürfte.18 Auf dem Hinweg besichtigten die drei technikaffinen19 Reisenden unter dem in den Zeitungen bekanntgegebenen Pseudonym der Grafen von Meran das Schiffswerk der Dampfschifffahrtsgesellschaft bei Regensburg.20 Dann ging der Weg weiter über Nürnberg, wo sie für einen Tag mit dem König von Württemberg zusammentrafen und die im Dezember 1835 eröffnete Nürn-
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Andics (1973), S. 387–388, Brief an den Gesandten Ficquelmont (10. April 1837). HLA HStAD Best. D 23 Nr. 35/9 (9. Juni 1837). HU MNL OL P 301 (5. Mai 1837). HLA HStAD Best. D 22 Nr. 18/24 (12. Juni 1837); Fränkischer Merkur Nr. 182 (1. Juli 1837), o. S. HU MNL OL P 301 (5. Mai 1837); BLKÖ 1 (1856), S. 33–34; Anders (1974), S. 13: Anders sollte 1850 zum Geheimen Rat ernannt und 1851 in den Freiherrenstand erhoben werden, S. 13. Dass Stephan sich hier als lerneifrigen Bücherwurm bezeichnete, ist angesichts all dessen, was wir über ihn wissen, nicht recht nachvollziehbar. Vgl. auch LAH Koblenz Best. 47 Nr. 11082 (20. November 1840). LHA Koblenz Best. 47 Nr. 11082 (19. Juni 1837). Schieckel (1990), Hermine, S. 162. Regensburger Zeitung Nr. 153 (29. Juni 1837), o. S.
Popularisierung eines jungen Mannes
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Abb. 10: Erzherzog Stephan, in: Gothaischer genealogischer Hofkalender 1844 (Privatbesitz)
berg-Fürther Eisenbahn ihr größtes Wohlwollen fand,21 nach Ems, wo sie im Hotel Vier Jahreszeiten abstiegen.22 Von dort aus wurden Ausflüge nach Mainz, Wiesbaden23 und Koblenz gemacht, um an Manövern und Empfängen teilzunehmen sowie die Verwandtschaft zu besuchen. In Mainz traf die Familie mit dem Gouverneur der Bundesfestung, Wilhelm von Preußen, einem Bruder König Friedrich Wilhelms III., und seiner Familie zusammen. Mit seiner Ehefrau, Marianne von Preußen, geborene Landgräfin von Hessen-Homburg, hatte bereits Hermine von Anhalt-Schaumburg in vertrautem Kontakt gestanden.24 1837 sah sie die Zwillinge seit vielen Jahren zum ersten Mal wieder.25 Sie urteilte, dass Hermine ihrer verstorbenen Mutter sehr 21 LHA Koblenz Best. 47 Nr. 11082 (29. Juni 1837); Fränkischer Merkur Nr. 183 (2. Juli 1837), o. S. 22 Fränkischer Merkur Nr. 252 (9. September 1837); Bode (2017), S. 20; BayHStA GHA Nachlass Erzherzogin Elisabeth von Österreich Nr. 100, S. 11. Hier wird auch von der Erkrankung Hermines an Nervenfieber während der Reise berichtet. 23 HLA HStAD Best. D 22 Nr. 33/22, fol. 156v (11. September 1837). 24 LHA Koblenz Best. 47 Nr. 10345 (u. a. 17. Oktober 1815). 25 HLA HStAD Best. D 22 Nr. 33/22, fol. 124v (2. Juli 1837); Schieckel (1990), Hermine,
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ähnle, aber eher wie eine Karikatur. Stephan hingegen sei „hübscher als die Schwester, groß, schlank, mit großem Backenbart“. Beide hätten allerdings gar nichts Österreichisches im Aussehen und lebten, so bekundete sie, heiter und leicht dahin.26 Besonders markant bei Stephan war seine Größe, die ihn deutlich über andere Habsburger hinaushob. Nach eigenen Angaben maß der Neunzehnjährige 5 Schuh 9¾ Zoll – also knapp 1,75 m –, und er hoffte, die 5 Schuh 10 Zoll noch zu erreichen.27 Das schien auch nicht zu vermessen, denn auch der Vater berichtete regelmäßig vom ungebrochenen Wachstum seines Sohnes.28 In Koblenz auf der Kartause wohnte Stephan einem Manöver bei, wobei er durch einen aufspringenden Stein am Kopf verletzt wurde.29 Er selbst nahm es mit Humor und schrieb nach seiner Rückkehr aus Ofen: „Ich denke gar nicht mehr daran, außer wenn ich meinen schönen Kakadu frisire, denn da merke ich durch die Liebenswürdigkeit der Chirurgen verursachte Holzschläge, die einen besonders nassen Herbst erfordern, um wieder die Blößen zu decken.“30 Am 23. September war er zusammen mit Vater und Schwester, nachdem er in Biebrich noch den Herzog von Nassau besucht und dort erneut mit Prinz Wilhelm von Preußen zusammengetroffen war,31 nach Ungarn zurückgekehrt, wo er in Ofen feierlich empfangen wurde.32 Während der Reise muss die Entscheidung herangereift sein, welchen Karriereweg Stephan einschlagen sollte. Denn nur wenige Wochen später wusste dieser zu berichten, dass er vom Kaiser und von seinem Vater zum Zivilisten bestimmt worden S. 167. 26 HLA HStAD Best. D 22 Nr. 33/22 fol. 124v (2. Juli 1837). Der Backenbart wird 1836 zum ersten Mal erwähnt; HU MNL OL P 301 (6. Dezember 1836). Prinz Karl von Hessen schrieb, er freue sich „der guten Leute“; HLA HStAD Best. D 23 Nr. 23/17 (2. Juli 1837). 27 HU MNL OL P 301 (6. Dezember 1836). Ähnlich auch Alexander von Hessen: Stephan sei ein „sehr angenehmer, gescheidter Mann“, der für einen Erzherzog sehr gut aussehe; HLA HStAD Best. D 25 Nr. 1/3 (5./17. März 1846); auch hier also wieder eine als positiv wahrgenommene Abweichung vom Erscheinungsbild sonstiger Habsburger. Vgl. auch Schirnding (1843), S. 27: „körperliche Schönheit und Kraft des Geistes“. Die Vermessung seines Leichnams in der Budapester Palatinskrypta hat eine Größe von 170,3 cm ergeben; vgl. Hankó (1990), o. S. 28 LAH Koblenz Best. 47 Nr. 11082 (u. a. 22. Februar 1834). 29 HLA HStAD Best. D 22 Nr. 9/7 (22. August 1837); Fränkischer Merkur 1837 Ausgabe 2 (4. September 1837); Kaiserl. Königl. Schlesisch. Troppauer Zeitung 76 (22. September 1837), S. 967. 30 HLA HStAD Best. D 22 Nr. 9/7 (26. September 1837). 31 LHA Koblenz Best. 47 Nr. 11082 (11. September 1837). 32 Mährisch-Ständische Brünner Zeitung Nr. 268 (29. September 1837), S. 1220.
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sei, „mit Beibehaltung meines bisherigen militärischen Charakters, um immer die Chance zu haben, wenn es geht, die Feder mit dem Degen zu vertauschen“.33 Das war außergewöhnlich für einen Erzherzog, der üblicherweise die Militärlaufbahn einzuschlagen und dort mehr oder weniger aktiv zu werden hatte, aber letztlich doch zumeist ein eher „nutzloses“ Leben führte.34 Die familiären Verhältnisse dürften dem Vater nahegelegt haben, von solchen üblichen Planungen abzusehen. Denn sein Gesundheitszustand war mittlerweile bedenklich. Joseph musste an seine Nachfolge denken, wollte er die Regentschaft in Ungarn in geregelten Bahnen wissen. Stephans Halbbruder Alexander starb im November 1837 mit dreizehneinhalb Jahren nach fünfundzwanzig Tagen schwerer Krankheit an „Entzündungsfieber“.35 Mit ihm wurde ein Familienmitglied aus dem Leben gerissen, das das Ehepaar in übersteigerter Form zum Hoffnungsträger, zur Hoffnung Ungarns und zum „Löwen“ des Hauses Habsburg hatte erklären wollen. Diese exaltierten Formen legen nahe, dass ein Großteil der Entwicklung Stephans auch seine psychischen Gründe im Elternpaar gehabt haben muss. Der zweite Bruder, Joseph, war für die Rolle noch viel zu jung, so dass Stephan ganz notgedrungen auf das Palatinsamt vorbereitet zu werden hatte, wollte der Vater es weiterhin in der Familie wissen. In Wien wiederum mussten diese Absichten Verdacht erregen.36 Stephan selbst stand 1837, während der bedrohlichen Krankheit seines Vaters und des Todes seines Bruders, im zwanzigsten Lebensjahr, musste der Hoffnungsträger sein und hatte doch wenig, was ihn dazu machte. Nach wie vor blieb seine Konstitution schwächlich, was ihn letztlich auch nicht für 33 HLA HStAD Best. D 22 Nr. 9/7 (24. Dezember 1837). Eine militärische Ausbildung scheint Stephan nicht erhalten zu haben. Noch 1842 berichtet der Kreishauptmann Ebner von einem Scheibenschießen, bei dem Stephan kein einziges Mal die Scheibe getroffen habe; Ebner-Tagebuch, S. 118 (3. September 1842). 34 Vocelka (2015), S. 296; Allmayer-Beck, S. 16. Nichtsdestotrotz erhielt Stephan militärische Ämter übertragen. 35 Regensburger Zeitung Nr. 275 (18. November 1837), o. S.; Bayreuther Zeitung Nr. 278 (23. November 1837), S. 1147; Oesterreichischer Beobachter (30. November 1837), S. 1605; Fränkischer Merkur (16. November 1837); HLA HStAD Best. D 22 Nr. 18/24 (20. November 1837); HLA HStAD Best. D 22 Nr. 9/7 (24. Dezember 1837). Zur Rolle Alexanders als Idol der Familie vgl. Pardoe (1840), S. 92–96. Sowohl moralisch als auch physisch habe Alexander außerordentliche Versprechungen gemacht. Er habe sich durch einen „noble intellect“ ausgezeichnet und sei in national-ungarischem Geist erzogen worden. Die Mutter, deren Idol er gewesen sei, hatte in ihren Räumen ein Bild des Jungen aufgehängt, das ihn zum Himmel auffahrend zeigte. Vor diesem Geschenk der Kaiserinmutter meditierte sie stundenlang. 36 Walter (1920), S. 10: Kübeck schrieb, man wolle in Ungarn die Republik und an deren Spitze den Palatin und seine Nachkommen sehen.
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Abb. 11: Erzherzogin Hermine, die Zwillingsschwester Stephans, Lithographie von Franz Eybl, 1842 (Wikimedia Commons)
den Militärdienst geeignet sein ließ. Bereits 1834 hatte sich die Stiefmutter über das Zwillingspaar geäußert: „Beyde sind sehr schwächlicher Complexion [wohl im Sinne von Konstitution], aber dabei gesund, sehr mager, aber blühend aussehend, so daß man die besten Hoffnungen hegen kann, daß, sollten sie sich auch viel später als andre junge Leute ausbilden, sie dennoch recht gesund u. stark werden können. Stephan ist größer als sein Vater, studirt gut u. ist wohl frommen Sinnes u. sehr guthmüthig! Hermine ist voll Geist u. Talente u. verspricht einen höchst edlen großartigen Charakter zu bekommen. Beyde erfreuen mich einer wahrhaft kindlichen Liebe. Sie machen mir viel Freude.“37 Neun Jahre später fand Erzherzog Karl, der sich seines Neffen sehr annahm, gegenüber Palatin Joseph mahnende Worte: „Aus seinem [Stephans] Aussehen wie aus seinen Äußerungen wirst Du Dich überzeugt haben, daß sie [Stephans Gesundheit] in keinem guten Zustande ist. Wünschenswert wäre, daß etwas zu ihrer Herstellung geschehen könnte. Was, darf kein Profaner wagen, auszusprechen: ist es eine Kur, Veränderung von Luft oder Aufenthalt, ein Bad etc. Aber worin Dein väterliches 37 HLA HStAD Best. D 22 Nr. 18/24 (16. März 1834).
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Ansehen mit Nutzen wirken könnte, ist, ihm zu einer größeren Schonung zu verhelfen. Die Art seiner Reisen, eine fortwährende Unruhe und Drängen, Wachen, Arbeiten bei Nacht, Mangel an Rücksicht auf die Temperatur der Luft, in der Kleidung u. a. m. untergraben die Kraft selbst der stärksten Menschen.“38 Die wenig robuste Konstitution des Erzherzogs hat sicherlich die zivile Ausrichtung seines Lebens noch befördert, auch wenn er andernfalls nicht der einzige militärisch ungeeignete Erzherzog im Kriegsdienst gewesen wäre. Sie konnte aber das Argument schlechthin bieten, den Sohn nicht in die militärischen Reihen einzugliedern und damit zu einem weiteren Vertreter unprofilierter Erzherzöge zu machen. Dagegen kam niemand an. Wenn Palatin Joseph seinen ältesten Sohn in die ungarischen Ämter einführen wollte, musste er ihn mit einigem diplomatischen Geschick in diese Aufgaben hineinwachsen lassen, und zwar so gezielt, dass anderweitige Absichten Wiens möglichst nicht dagegen ankamen. Dazu war aber die Ausbildung, die in der letzten Zeit – auch durch die Krankheit seiner Lehrer – gelitten hatte, voranzutreiben und zu einem Abschluss zu bringen.39 Stephan, den man bisher sehr geschont hatte, musste in die Position gebracht werden, seinen Vater politisch zu beerben – und das jetzt auch verstärkt durch öffentliche Auftritte.40 Bereits Ende des Jahres 1837, in dem ihm erstmals auch eigene Finanzmittel zur Verfügung gestellt wurden,41 und im Laufe des Jahres 1838 sollten öffentliche Auftritte dabei helfen, ihn als geeigneten Nachfolger für seinen seit über vierzig Jahren als Palatin von Ungarn regierenden Vater erscheinen zu lassen. Die Einführung Stephans in das gesellschaftliche Leben hatte in der Faschingssaison 1837 stattgefunden. Erzherzog Joseph hatte damals schon auf die Schaumburg berichten können, dass sein Sohn an Bällen im Schloss und in der Stadt „mit Maaß und Ziel“ teilgenommen hatte, was ihm – trotz seiner schwächlichen Konstitution – nicht geschadet habe. „Man war allgemein mit Ihrem [Stephans und Hermines] Benehmen zufrieden.“42 Im November besuchte Erzherzog Stephan für anderthalb Stunden die Prüfungen der israelitisch-deutschen Lehranstalt in Ofen.43 Während einer großen Überschwemmung der Donau im März 1838, von der auch Pest betroffen war, konnte er sich öffentlichkeitswirksam in Form symbolischer 38 Criste III, S. 360–361. 39 LHA Koblenz Best. 47 Nr. 11082 (15. April 1838, auch 22. September 1836). 40 Die Zeitungsmeldungen über Stephan steigerten sich im Jahr 1838 von den 40 in den Jahren zuvor auf über 70; vgl. Datenbank ANNO. 41 StMLA Archiv Meran Schuber 7 Heft 5,8 (22. März 1850). 42 LHA Koblenz Best. 47 Nr. 11082 (6. Februar 1837). 43 Kaiserlich Königlich privilegirte Linzer Zeitung Nr. 89 (6. November 1837), S. 353.
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Handlungen44 auszeichnen, wie es auch in einer Druckgraphik nach einem Bild von Stephans Zeichenlehrer Klette verbreitet wurde, die womöglich sogar im Auftrag der Palatinsfamilie angefertigt wurde.45 Durch Eisgang waren die Wassermassen bei einer Donauinsel gehemmt worden, ließen die Dämme brechen und überfluteten die ganze Stadt. Dass Erzherzog Stephan sich „in diesem verzweifelten Zustande“ in einem Kahn über die Fluten nach Pest wagte, um die Flutopfer zu trösten und ihnen Mut zuzusprechen, wurde in der Zeitung als Heldentat gefeiert.46 Den jungen Mann mit einem Kahn voller Lebensmittel nach Pest zu schicken, war von seinem Vater initiiert worden, um ihn in der Öffentlichkeit bekannt und beliebt zu machen.47 Von anderen Vertretern des Hochadels wurde er gar um die Gelegenheit einer solchen Katastrophe beneidet, weil sich damit die Möglichkeit bot, sich entsprechend in Szene zu setzen.48 Diese zynische Einschätzung unterstreicht zwar, dass der Palatin mit diesem Denken nicht alleine stand. Aber es blieb ein Vabanque-Spiel: Seiner Tochter Elisabeth untersagte er Reisen, damit es nicht wirke, als wolle das Elternpaar sie „produzieren“.49 Im Falle Stephans sollte genau diese Vermarktung aber wirksam werden. Für den Erfolg dieser Strategie spricht, dass das Porträt, das Josef Bekel von Stephan schuf, 1847 in 3000 Exemplaren verkauft wurde.50 Die „Allgemeine Zeitung des Judenthums“ schrieb, er sei ein „schöner Morgenstern, indem er nicht nur die Gefahr mit uns theilte, sondern mit äußerster Lebensgefahr über den reißenden Donaustrom sich zu uns überfahren ließ, um durch sein Bestreben und seine Aneiferung, Hilfe und Ret44 Stollberg-Rilinger (2004), passim; Paulmann (2000), S. 181–194. 45 ÖNB Inv. Nr. KAR0514877. 46 Der Oesterreichische Zuschauer 38 (28. März 1838), S. 384; Oesterreichischer Beobachter 78 (19. März 1838); St. Petersburgische Zeitung Nr. 66 (23. März/4. April 1838), S. 290; vgl. auch Kováts, S. 255; Hankó (1990), o. S.; Pardoe (1849), S. 92, mit dem zitierten Ausspruch: „My brothers, I bring you bread!“ 47 BayHStA GHA Nachlass Erzherzogin Elisabeth von Österreich Nr. 100, S. 18–19: „Da beschloß mein Vater seinen eigenen theuren Sohn Stephan nach Pesth zu schicken mit einem Kahn voll Lebensmitteln. Der junge 20jährige Mann entledigte sich voll Freude dieses ehrenvollen Auftrages und ahmte das leuchtende Beispiel des Vaters nach, mit Lebensgefahr setzte er über. Gott schützte ihn, überall verbreitete sein Erscheinen Liebe, Trost, Hülfe und Bewunderung und glücklich kehrte er am späten Abend in die Arme der harrenden Eltern zurück.“ Ananieva und Haaser sprechen in Anlehnung an Erkenntnisse des Soziologen Niklas Luhmann davon, die „symbolische Teilung der Risikobereitschaft seitens des Regenten [sei] als wirksame Strategie“ eingesetzt worden. Damit handele es sich um ein „Mythologem“ des sich engagiert für seine Untertanen einsetzenden Herrschers; Ananieva/ Haaser, S. 205. 48 So der Duc de Bordeaux; vgl. Locmaria, S. 234–253. 49 BayHStA GHA Nachlass Erzherzogin Elisabeth von Österreich Nr. 100, S. 259. 50 Thieme-Becker 3 (1909), S. 218. 1847 trat Stephan sein Amt als Palatin an.
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Abb. 12: Alois Leykum, Karl Klette von Klettenhof (Zeichner), Georg Scheth (Lithograph): Erzherzog Stephan setzt bei Hochwasser bei Pest über die Donau, 1838 (ÖNB ALB Vues 11849)
tung zu bringen, – sich eines solchen Vaters würdig zeigte“.51 Hier wurde der Bezug zum beliebten, aber kränkelnden Palatin sogar direkt angesprochen und damit der Eignung des Sohnes Ausdruck verliehen. Auch weitere offizielle Auftritte des jungen Erzherzogs waren dazu angetan, die Popularität zu fördern und ihn als Stellvertreter des Vaters zu positionieren. Am 31. März 1838 weihte Stephan die neue Schiffbrücke über die Donau in Pest ein,52 und am 24. Juli 1838 machte er die Jungfernfahrt des Dampfschiffs „Erős“ auf der Donau mit.53 In streng legitimistischen Kreisen beurteilte man ein solches Verhalten in Anlehnung an die Politik des französischen Königs Louis Philippe jedoch als „Orléanismus“, als „Anbiederung an ein öffentliches Publikum“.54 Wie die Bemerkung über den Neid der Standesgenossen belegt, 51 52 53 54
Allgemeine Zeitung des Judenthums Nr. 50 (26. April 1838), S. 200. Laibacher Zeitung Nr. 30 (12. April 1838), S. 117. Pressburger Zeitung Nr. 56 (13. Juli 1838), S. 551. Riotte (2018), S. 91. Vgl. dazu auch Schulze, S. 163–164; Redslob, S. 19–38.
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dürfte es sich hierbei aber zunehmend um eine Minderheit gehandelt haben. Die öffentlichen Plattformen bestimmten zusehends das Leben von Dynasten und Regenten. In der Zeitung wurde im Frühjahr 1839 bekanntgegeben, Stephan sei zum Banus von Kroatien ausersehen und solle als einer der vier Kandidaten als Nachfolger seines Vaters, der an Rücktritt denke, den Ungarn vorgeschlagen werden. Es blieb aber bei diesem Gerücht.55 Durch öffentliche Auftritte und die – wie üblich – huldigend-enthusiastische Presseberichterstattung, die sicherlich auch von der ungarischen Regierung lanciert wurde, konnte der junge Mann populär gemacht werden, so dass seine Schwester Marie Henriette davon sprach, er sei seit seiner Kindheit schon „der Abgott Ungarns“ gewesen.56 Vor diesem Hintergrund beurteilte der Staats- und Konferenzrat Carl Friedrich Freiherr von Kübeck die kurz darauf realisierte Übernahme Stephans in den Staatsdienst: Stephan sei „zu populär“ gewesen, und man habe ihn unter dem Vorwand, ihn in die deutschen Geschäfte einzuführen, durch die bürokratische Ausbildung vom Palatinat ausschließen wollen.57 Er wurde also durch die Wiener Zivilausbildung erst einmal dem Rampenlicht entzogen, in das ihn der Vater gebracht hatte, und damit die Chance ergriffen, den als liberal angesehenen ungarischen Zweig des Hauses Habsburg zu neutralisieren. Die positive Einstellung der Familie des Palatins zu allem Magyarischen und die damit einhergehende große Popularität mussten der Wiener Regierung durchaus ein Dorn im Auge sein. Beides konnte zu einer Verlagerung des Gleichgewichts innerhalb der Habsburgermonarchie führen, zumal es sich bei der Palatinsfamilie nicht um eine heimliche Leidenschaft und Sympathie handelte. Vielmehr wurde sie in Zeitungsmeldungen demonstrativ betont. Im Mai 1839, also kurz vor Stephans Aufbruch nach Wien, berichtete die Zeitung, er habe in Pest die erste „ganz von Ungarn bearbeitete Oper“ – „Csel / Die List“, komponiert von András Bartay – besucht.58 Ein solcher Auftritt war Zeichen nationalungarischer Gesinnung und brachte den jungen Mann gezielt ins Rampenlicht der ungarischen Öffentlichkeit. Dass er sich damit als „Thronfolger“ im Einklang mit nationalen Kreisen positionierte, lag auf der Hand. Die Ausbildung dieses ungarischen Sprösslings in der Wiener Zentralverwaltung konnte solche Auftritte unterbinden und den jungen Mann auf Wie55 Frankfurter Ober-Postamts-Zeitung, Beilage zu Nr. 92 (3. April 1839), o. S. 56 Prinzessin Stephanie von Belgien, S. 55. 57 Kübeck (1909) I.2, S. 817–818. Die Formulierung deckt sich mit der bereits zitierten Einschätzung der Prinzessin Louise von Belgien. Der Dramatiker Johann Nestroy erklärte, die „Staatsklugheit“ habe schon manchen Gegner der Regierung unschädlich gemacht, indem sie ihn in den Staatsdienst genommen habe; Nestroy, S. 170 (Freiheit für Krähwinkel). 58 Der Adler Nr. 117 (16. Mai 1839), S. 377, und Nr. 122 (22. Mai 1839), S. 397.
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ner Kurs bringen. Doch die Sache ging nicht auf, wie Kübeck attestierte, weil Stephan sich der Verwaltung ernsthafter angenommen habe, als man es in Wien erwartet hatte. Im Auftrag Metternichs sollte der Oberstkanzler Graf Anton Friedrich von Mittrowsky59 eine Begleitung an Stephans Seite stellen, die den Schüler auf die Insel der Calypso – also in Versuchung –, aber nicht nach Ungarn zurückführen sollte. Die Hofräte Nadherny, Stuppan und Henniger kamen ins Gespräch. Henniger wurde ausgewählt, lehnte aber ab, so dass Stephan schließlich der kaiserliche Kammerherr Franz Freiherr von Buol-Berenberg beigeordnet wurde, der ihn allerdings mehr begleitet als geleitet habe.60 Der Versuch, Stephan unschädlich zu machen und die womöglich charismatische, vor allem aber durch das Geschick des Vaters populär gemachte Persönlichkeit in die Phalanx anderer bedeutungsloser Erzherzöge einzureihen, die Metternichs System nicht schädlich sein konnten, war gescheitert, und das womöglich nicht nur daran, dass Stephan sich nicht korrumpieren ließ, sondern auch daran, dass das Mitglied der Staatskonferenz Graf Franz Anton Kolowrat-Liebsteinsky und die Erzherzöge Ludwig, Karl und Johann ihn dazu nutzten, ihn gegen Metternich auszuspielen.61 Bereits 1836 hatte sich Erzherzog Johann, der bei modernisierungswilligen Kreisen als „Anti-Metternich“ zum Idol geworden war,62 darüber gefreut, dass sein Bruder Ludwig Metternich ein Schnippchen hatte schlagen wollen, indem er nach seiner Ernennung zum Chef der Staatskonferenz dieses Amt auch auszufüllen gedachte.63 Das war letztlich am Naturell und an den mangelnden Fähigkeiten Ludwigs gescheitert. Stephan aber mochte für die oppositionellen Erzherzöge, die nicht nur persönlichen Ehrgeiz besaßen, sondern die machtpolitische Position der Dynastie festigen wollten, eine Art zweite Chance sein. So war seine Aufnahme in die Wiener Regierungsbürokratie mit den Absichten verbunden, ihn unschädlich zu machen und ihn zugleich zu fördern. Erzherzog Joseph nutzte die Chance, indem er dem hintersinnigen Angebot entsprach, um den Sohn in der Zivilverwaltung auszubilden. Denn durch 59 Kübeck (1909) I.2, S. 818. 60 Walter (1920), S. 13. 61 Kübeck (1909) 1.2, S. 757. Die ideologischen Unterschiede zwischen Kolowrat und Metternich waren freilich minimal; Bellabarba, S. 94. 62 Magenschab (1982), S. 350. Zum „Mythos“ des Erzherzogs Johann vgl. Watzka, passim. 63 Kübeck (1909) 1.2, S. 750; zum Widerstand der Erzherzöge Karl und Johann gegen Metternich vgl. auch Sked (1993), S. 75–76. Bei der Staatskonferenz handelte es sich nach Friedrich Walter um eine „absolute Oligarchie“, weil die Minister unverantwortlich waren, der Kaiser aber durch seine Unterschriften deren Handlungen, von denen er wenig wusste, sanktionierte; Walter (1920), S. 2.
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diese Ausbildung hätte er einen weiteren Schritt getan, sich als besten Nachfolger im Palatinsamt zu profilieren. Dazu hatte, wie der Vater feststellte, Stephans Ausbildung aber auch mit seinem enormen körperlichen Wachstum mitzuhalten.64 Noch deckte sich also sein Ausbildungsstand nicht mit den Absichten, die man mit ihm verband. Durch bewusste Verschleppungen dauerte es allerdings mit dem Ausbildungsbeginn bis in das Frühjahr 1839. Warum Wien die Sache hinauszögerte, wo es doch zunächst darum gegangen war, den Sohn des Palatins durch die Ausbildung zu neutralisieren, bleibt leider unklar. Es könnte sich um ganz banale Gründe wie zum Beispiel eine mangelnde Unterkunft gehandelt haben,65 womöglich aber hatte die Bejahung des Vorhabens durch Kolowrat und den Palatin, den man in Wien als verschlagen wahrnahm,66 Zweifel am Gelingen der eigenen Absichten haben aufkommen lassen. Ein Zurück konnte es aber schließlich auch nicht mehr geben. Am 20. April 1839 berichtete Stephan schließlich, dass er sich von den Eltern und der Zwillingsschwester verabschiedet habe, um für ein bis zwei Jahre in Wien eine Staatsausbildung zu erhalten.67 Von den Ungarn nahm er in einem selbstverfassten Gedicht Abschied, das eine gewisse Popularität erlangte.68 Am 23. Mai kam Stephan mit dem Grafen Festetics, der ihm als Dienstkämmerer zugeordnet worden war, in Wien an.69 Festetics, wohl Albert Johann Graf Festetics von Tolna,70 kaiserlicher Kämmerer und Obersthofmeister Erzherzog Josephs, blieb aber nur kurzzeitig an Stephans Seite. Später war es neben dem Kammerdiener Siemang und – für kurze Zeit – dem Offizier Minarelli-Fitzgerald der zum Oberstleutnant beförderte Anders, der ihn in Wien begleitete.71 Als Kammerherr war ihm Alexander Graf Török
64 LHA Koblenz Best. 47 Nr. 11082 (6. Juli 1839). 65 Solange Erzherzog Rainer mit 73 Personen in der Hofburg einquartiert war, verzögerte sich die Ausbildung, denn es war sonst kein Zimmer zu bekommen. Nachdem Erzherzogin Marianne ihr Quartier verlassen hatte, wurde Stephan dort interimistisch einquartiert, bis er nach dem Abzug Rainers seine eigentliche Unterkunft beziehen konnte; LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 a (13. Mai 1839). 66 Kübeck (1909) I.1, S. 818: „verschlagenen ungarischen Odysseus“. 67 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 a (20. April 1839). Am 15. April 1839 hatte sich Joseph für Stephans Ausbildung verwendet; Walter (1920), S. 11– 12. 68 Kübeck (1909) I.2, S. 817. Das Gedicht wird in der Wochenzeitung „Die Grenzboten“ erwähnt. Es soll in einem Privatalbum als Reliquie aufbewahrt worden sein; Die Grenzboten 6 (1847), S. 248. 69 Pressburger Zeitung (28. Mai 1839), S. 404. 70 Gothaisches Genealogisches Taschenbuch der Gräflichen Häuser 1911, S. 295. 71 Hof- und Staats-Schematismus des österreichischen Kaiserthums 1839, S. 190; 1840,
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zugeteilt, als „Aufsicht“ der im Hofschematismus als solcher natürlich nicht angeführte Freiherr von Buol-Berenberg. In der Hofburg hatte man Stephan Ende 1839 ein aus Empfangszimmer, Schlafzimmer und Billardzimmer bestehendes Appartement im Reichskanzleitrakt einrichten lassen. Möbel, Wandbehänge und eine Uhr waren eigens dafür angeschafft worden.72 Allerdings lebte Stephan nicht kontinuierlich in der Hofburg, sondern zeitweise auf dem Land oder in Schönbrunn und pendelte täglich in die Stadt.73 Richtig wohl fühlte er sich in Wien allerdings nicht. Da ging es ihm wie seiner Mutter zwanzig Jahre zuvor. Man überhäufe ihn zwar mit Gefälligkeiten, schrieb er, aber er werde nicht heimisch. Es sei sein Los, in Wien zu sitzen und bei den verschiedenen Behörden „herumgeworfen“ zu werden.74 Das Leben in der Residenz war für ihn eine deutliche Umstellung. Das am Josephinismus und dem rationalen Weltbild des 18. Jahrhunderts orientierte Wiener bürokratische System war für Stephan ungewohnt, und zusätzlich stand er dort nicht so im Mittelpunkt des Interesses, wie er es von Ungarn gewohnt war. Im Jahr 1839 wurde er zunächst mit kreisamtlichen Verhandlungen – also mit nachgeordneten Verwaltungsaufgaben – betraut, worauf Palatin Joseph besonderen Wert gelegt hatte. Daraus ist abzusehen, dass ihm die Ausbildung seines Sohnes als Schule für die Übernahme ungarischer Aufgaben galt.75 Anschließend war Stephan für sieben Monate in der für Äußeres zuständigen Hof- und Staatskanzlei am Ballhausplatz tätig, die unter der Leitung Metternichs agierte.76 Mit ihm stand Stephan während seiner Wiener Zeit in regem gesellschaftlichem Verkehr.77 Am 1. April 1840 trat er in die zentrale Finanzbehörde, die Hofkammer, und ihre nachgeordneten Behörden über, bevor er ab Mitte Juli für einige Monate zu den Justizstellen wechselte. Anschließend folgten der Hofkriegsrat, wo ihn der Vor-
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S. 193. Minarelli-Fitzgerald wurde später Konsul von Sira; OeStA HHStA KA NL Franz A. Kolowrat (18. Juli 1845). OeStA HHStA HA Hofmobilien-Direktion 21–9. Die Räumlichkeiten blieben nach 1848 unverändert und wurden nach Stephans Tod zum Gesellschaftsappartement des Kaisers umgewandelt; vgl. Kurdiovsky, S. 116. Das Appartement war zwischen Schweizerhof und Reichskanzleitrakt gelegen. In ihm fanden auch in Abwesenheit des Erzherzogs Veranstaltungen statt, z. B. ein „Tableau vivant“ 1863 anlässlich des Geburtstags der Erzherzogin Sophie; Albertina Wien AZ6830. LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 a (6. Oktober 1839 und 20. Juni 1840); LHA Koblenz Best. 47 Nr. 11082 (28. April 1839 und 6. Juli 1839). LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 a (6. Oktober 1839). Walter (1920), S. 13–14. Walter (1920), S. 14–15. Sein von Daffinger geschaffenes Porträt ist in der Sammlung der Fürstin Melanie von Metternich belegt; Beaussant Lefèvre, Nr. 8.
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stand der Zentralkanzlei Peter Zanini unter seine Fittiche nahm,78 sowie die ungarische und siebenbürgische Hofkanzlei.79 Zu Beginn des Jahres 1841 wechselte Stephan in den Staatsrat, die zentrale Beratungsinstanz des Monarchen.80 Zusätzlich stattete er Bildungsanstalten und Fabriken der Stadt Besuche ab81 und zeigte sich besonders interessiert an Wirtschafts- und Sozialeinrichtungen. Dabei akklimatisierte er sich auch im Laufe der Zeit, so dass er nach einem Jahr Aufenthalt bekannte, mittlerweile gerne in Wien zu sein, dass ihm aber ein „selbstständiger Wirkungskreis“ lieber sei als sein derzeitiges Leben.82 Ob Stephan bewusst war, dass er in Wien auch in gewisse Mühlen geraten war, die ihn unschädlich zu machen versuchten, gab er nirgends preis. Daneben nahm sich auch Staatsminister Kolowrat Stephans an. Als geborener Böhme hielt er an politischen Eigenheiten der einzelnen Landesteile fest, was ihn in eine gewisse Nähe zu Erzherzog Joseph brachte. Deshalb galt er als Liberaler, auch wenn es ihm letztlich um keinen politischen Liberalismus ging, sondern darum, die Vorrechte der böhmischen Großgrundbesitzer zu sichern.83 Das deckte sich auch mit den Vorstellungen des „liberalen“ österreichischen Staatsdieners Victor Franz von Andrian-Werburg, der sich in seinen Schriften einen starken Adel – vergleichbar dem englischen – gegen die von ihm verteufelte Bürokratie wünschte.84 Der Historiker Hugo Hantsch hat von einem nationalen Liberalismus gesprochen, und die Historikerin Isabella Schüler hob hervor, dass es sich um verschiedene parallel verlaufende Strömungen nationaler Bewegungen gehandelt habe, die in der Habsburgermonarchie unter dem Begriff des Liberalismus zu subsumieren waren.85 Der Liberalismus konnte sich in der Donaumonarchie folglich von bestimmten, sonst genuin liberalen politischen Zielen lösen. Er beschränkte
78 HU MNL OL P 301 (29. Dezember 1842). 79 Walter (1920), S. 15, geht davon aus, die in diesen Zuständigkeitsbereich gehörende Polizei- und Zensurhofstelle habe Stephan nicht besucht. Stephan selbst hatte dies am 1. Oktober 1839 als Teil seines Lehrplans angekündigt; LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 a (2. Oktober 1839). Auch Anders erwähnt die Ausbildung in dieser Behörde nicht; Anders (1868), S. 9. 80 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 730 a (23. Dezember 1839, 29. April 1840 und 2. Oktober 1840). Zu den Behörden vgl. Hof- und Staatsschematismus des österreichischen Kaiserthums 1840, S. 211–212, S. 252, S. 257, S. 294 und S. 304. 81 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 730 a (29. April 1840). 82 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 730 a (2. Oktober 1840). 83 Siemann (2016), S. 813–827. 84 Andrian-Werburg, S. 36–37. Andrian-Werburg und Erzherzog Johann galten als Föderalisten; Gottsmann, S. 137. 85 Hantsch, S. 321; Schüler (2016), S. 155. Auch Kann 1, S. 115.
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sich auf das eine Element der nationalen Forderungen und stand insofern in Opposition zu Zentralismus und Bürokratie. Die Realisierung solcher Vorstellungen musste für Metternich deshalb unter gesamtstaatlicher Perspektive eine große Gefahr bedeuten, die Gefahr der Unruhe und des Auseinanderbrechens des Habsburgerreichs. Liberalismus und Nationalismus waren ihm die „Totengräber“ der Donaumonarchie.86 Sein Sekretär Gentz hatte dergleichen Ideen als „poetische Politik“ abqualifiziert, als „albernen Liberalismus“, dem entgegenzutreten war.87 Möglich war das in den Augen der Wiener Regierung nur durch einen Überwachungs- und Denunziationsstaat, wie ihn Sedlnitzky bis ins Kleinste organisierte.88 Das wirkt wie der absolute Gegenentwurf zur ungarischen Orientierung der Palatinsfamilie, wie ein rationales, abstraktes Zwangssystem im Gegensatz zu einem mit regionalen und nationalen Besonderheiten verbundenen Denken. Die Erzherzöge, die ohnehin nicht gut auf Metternich zu sprechen waren, mögen es auch so bewertet haben. Kolowrat gelang es, sie 1836 in den Auseinandersetzungen mit Metternich um eine Verwaltungsreform auf seine Seite zu ziehen. Das war nicht allzu schwer, da nach ihrem Verständnis durch die Verdrängung der kaiserlichen Agnaten aus der Ministerialregierung die Ehre der Dynastie verletzt worden war.89 Das Hausmachtsdenken und die Vorstellung der Erzherzöge, beim Reich handele es sich um ein „Familienfideikommiss“, trugen in der Spätphase Metternichs nicht zuletzt zur Lähmung der Politik bei.90 Dass sich all diese Widersacher Metternichs des jungen Mannes annahmen, konnte dem Staatskanzler nicht gelegen sein. Eine Familie, die der Staatskanzler auf ihren Symbolcharakter reduziert hatte, formulierte damit erneut ihren Anspruch auf die Macht; eine Familie, die mit seinem System keinen Frieden machen wollte und deren politische Vorstellungen merkwürdig indifferent und intransigent waren. Politische Parteien und Systeme verschmolzen im Erzhaus immer noch in einem dynastischen, religiös fundierten Denken, das kaum noch Berührungspunkte zur politischen und sozialen Welt aufweisen konnte, die es umgab. Metternichs restriktive Maßnahmen zur Sicherung eines „gestrigen“ Systems waren insofern näher an der Realität, wenn es auch nur mit Zwang darauf reagieren konnte. Ein Machtzuwachs der Herrscherfamilie musste Metternichs System Schaden zufügen. Dass Erzherzog Stephan damit auch in sein 86 87 88 89 90
Brandt (2010), S. 17–18. Hinrichs, S. 12–13. Fink (1989), S. 254. Siemann (2016), S. 815. Siemann (2016), S. 826–827; Sked (1993), S. 309.
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Fadenkreuz geraten könnte, schienen auch die Zeitgenossen zu erkennen und zu nutzen. Zum ersten Mal wurde der junge Mann damit zum Hoffnungsträger all derjenigen, die mit dem System Metternich nicht zufrieden waren – gleichgültig, aus welchem Lager sie kamen. Eine junge Dame, die Stephan ein Liebesbriefchen zusteckte, soll ihm erklärt haben, um ihn Angst zu haben, wenn er sich nicht in Ungarn aufhielt.91 Ob diese Angst begründet war, sei dahingestellt. Offensichtlich wurde aber Stephan dann doch nicht zum Opfer Metternichs. Zwar ging er auf Bälle, besuchte Pferderennen und muss sogar den einen oder anderen Flirt eingegangen sein, den er aber dann wegen „der großen Hitze“ wieder sein ließ.92 Vom geradlinigen Weg seiner Ausbildung aber war er nicht abzubringen, auch wenn er von den Frauen mit Anträgen bestürmt wurde und gleichzeitig dem „Fegefeuer der Hofzungen“ ausgesetzt war.93 Diese Standhaftigkeit musste Metternich in Unruhe versetzen, weil hier ein Vertreter der Schicht herangezogen wurde, die er kleinhalten musste, um sein von der Bürokratie gestütztes Ministerialsystem aufrechtzuerhalten. Stephan aber ließ sich nicht kleinhalten, weil er von Metternichs Opponenten – den Erzherzögen Ludwig, Karl und Johann sowie dem Minister Kolowrat – gefördert wurde. So wenig er sich aber von Metternich neutralisieren ließ, so wenig wurde er zum rebellischen Instrument der Opposition. Was wäre das auch gewesen? Denn genau das wollten die systemkritischen Kreise selbst nicht. So schrieb Erzherzog Karl 1843, dass sein Neffe fleißig und gutmütig sei und ein guter Staatsmann zu werden verspreche. „Die Kleinigkeiten, welche man ihm ausstellen kann, hat er mit den meisten jungen Menschen gemein und werden alle bei einer tätigen Beschäftigung wegfallen.“ Allerdings: „Aber es ist unentbehrlich, daß er von nun an in selbe komme. Sonst bildet er sich nicht vollkommen aus, wird immer mehr erbittert, aufgereizt und mit der Zeit nichts als ein bloßer Oppositionsmann.“94 Bloßer Oppositionsmann war für Karl derjenige, der nicht mehr in die Geschäfte eingebunden war, sondern als Querulant kaltgestellt werden konnte und kaltgestellt wurde. Damit war niemandem gedient, auch nicht den Familienmitgliedern, die Stephan für sich in Anspruch nahmen. 91 Kováts, S. 256. 92 HU MNL OL P 301 (4. Mai 1841): Es scheint sich um die einzige Andeutung von Liebesbeziehungen in der umfangreichen Korrespondenz des Erzherzogs zu handeln – „meine zwei Bastey-Weh“. „Wi“ sah er fortan nur noch im Burgtheater und der Oper („ist aber solide“), „We“ nur in der Oper oder beim Vorbeifahren am Fenster. Um wen es sich hier gehandelt haben könnte, bleibt im Dunkeln. Zu den Bällen Sommer (2001), S. 131. 93 Kováts, S. 256; Anders (1868), S. 11–13; Neue Freie Presse Nr. 1432 (26. August 1868). 94 Zit. nach Criste III, S. 360 (16. Februar 1843).
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Innerhalb des Erzhauses stand Stephan sein Onkel, Erzherzog Karl, am nächsten, „mein liebster Verwandter“, wie er später schrieb. Als seinen fünften Sohn habe dieser ihn angesehen.95 Erzherzog Karl blieb gegenüber Metternich und der Geheimen Staatskonferenz, in deren Händen seit dem Regierungsantritt des geistig überforderten Kaisers Ferdinand I. 1835 die faktische Macht lag, in kritischer Distanz, und die Regierung wiederum argwöhnte, dass Karls Einfluss ihr gefährlich werden könne.96 Seit seiner Kritik am Zustand des österreichischen Militärwesens und der Ablehnung seines Angebots im Jahr 1835, das Oberkommando zu übernehmen, war seine militärische und staatsmännische Karriere definitiv beendet. Dieser Umstand aber förderte seine Stellung innerhalb der dynastischen Opposition gegen die Regierung, und durch sein Renommee als Sieger von Aspern gegen Napoleon war er nicht so einfach auszugrenzen. Erzherzog Stephan dürfte von ihm die kritische Haltung zu Regierung und Bürokratie, in der er derzeit seine Ausbildung absolvierte, mitbekommen haben. Erzherzog Karls Weltsicht war nicht von dem kühlen Rationalismus und der Furcht vor aller Veränderung geprägt, die sich der Staatsregierung bemächtigt hatten, sondern von humanistischem Gedankengut, das sich aus Vorstellungen der Spätaufklärung und des Christentums speiste. Humanismus, Menschenwürde und Liebe galten ihm als wichtige Maßstäbe, die moralische Verantwortung gesellschaftlich Höhergestellter gegenüber den Untertanen war ihm zentral. Die Großen, so meinte er, sollten zu den Niederen hinabsteigen.97 Diese Vorstellungen blieben, im Gegensatz zu seinen militärischen Darlegungen, oft unkonkret und gingen hin und wieder einher mit realitätsfernen Äußerungen. Mit politischen Theorien war seine Weltsicht nicht zu greifen. Erzherzog Karl schrieb noch 1830 über die „Wortkrämerei von Royalismus und Liberalismus“.98 Über die kleinen Fürsten urteilte er: „Das Los des kleineren Fürsten ist beneidenswerter als jenes der großen Monarchen. Er kann im ganzen Umfange des Wortes der Vater seines Volkes sein. Die folgenreichsten und drückendsten Übel, die Kriege mit ihren Umwälzungen, gehen nie von ihm aus, und er hat bei selben ausschließlich den schönen Beruf, Lasten erleichternd tragen zu helfen, deren Gehässigkeit nicht auf ihn zurückfällt.“99 Solche Vorstellungen von patriarchalischen Strukturen und dem Ideal 95 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 a (21. Mai 1847); NLA Hannover Dep. 48/37 (27. Mai 1847); auch Criste III, S. 36 (12. Januar 1840). 96 Criste III, S. 456–462. 97 Criste III, S. 410–412; Romberg, S. 120–126. 98 Criste III, S. 437. 99 Zit. bei Criste III, S. 520 (Brief von 1822).
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kleiner Herren werden in späteren Zeiten bei Erzherzog Stephan wiederkehren und mögen von Erzherzog Karl beeinflusst gewesen sein – gepaart mit einer Skepsis gegenüber dem System Metternich. Stephans Biograph Anders vermerkte sicherlich absichtsvoll, dass sich schon in dieser Frühzeit in Stephans Denken eine Abneigung gegen das bürokratische System bemerkbar gemacht habe.100 Dieses Politikverständnis, das die Monarchen losgelöst von politischen Parteiungen als patriarchalische Figuren ins Zentrum rückte, barg durchaus Sprengstoff für die Regierung. Denn dort wollte man den Kaiser nur noch als Symbolfigur verstehen, als eine Art Dalai Lama, wie sich Metternich, Kolowrat und selbst Erzherzog Ludwig einig waren,101 in dessen Namen die Geheime Staatskonferenz und die Regierung zwar handelten, der aber hinter den Bürokratieapparat zurücktrat. Die Dynastie, die noch 1834 in dem Gruppenbild von Peter Fendi „Familienvereinigung des österreichischen Kaiserhauses im Herbst 1834“ so eindrücklich festgehalten worden war, stand nicht mehr im Fokus.102 Das positive Gegenbild patriarchalischer, nicht-bürokratischer Verwaltung in den kleinen Herrschaften war aus der Zeit gefallen, rückwärtsgewandt und ein wenig zukunftstaugliches Prinzip. Das geordnete politische und soziale System und die persönliche Rolle der Dynasten hatten sich in Wirklichkeit verflüchtigt, so dass die dynastische Funktion einer Neubestimmung und Vergewisserung bedurfte. Das war mit den Argumenten Erzherzog Karls aber nicht zu erreichen. Auch Erzherzog Albrecht, der mit Stephan gleichaltrige Sohn des Erzherzogs Karl, sollte später diese patriarchalischen Vorstellungen tradieren. Aus ihnen heraus führte er seine Sozialund Wirtschaftspolitik und wurde damit in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zur konservativen Galionsfigur im Erzhaus.103 Erzherzog Karl und das dynastische Umfeld mochten in der Wiener Zeit für Stephans Weltsicht ebenso einflussreich sein wie die Ausbildung selbst, die von dem Onkel grundsätzlich als sehr hilfreich angesehen wurde. Zu ihrem Beginn schrieb er sogar an Erzherzog Joseph, dass so mancher kleine Fehler, „den beinahe jeder junge Mensch hat“, bei Stephan durch die Ausbildung bereits verschwunden sei oder sich immer weiter vermindere. Nach allem, was wir bisher wissen, dürfte damit seine aufbrausende, wenig für die Regierungsarbeit geeignete Art, vielleicht auch die immer wieder bemän100 Anders (1868), S. 82; zur Bürokratie auch Dollinger, S. 334. 101 Kübeck (1909) I.2, S. 679; Vocelka (2015), S. 50. 102 Telesko (2006), S. 79: „Gipfelpunkt des bürgernahen franziszeischen Familienbildes“. Das Gemälde wurde im Auftrag der Kaiserin Caroline Auguste angefertigt. 103 Hamann (1984), S. 26–27.
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Abb. 13: Johann Nepomuk Passini (nach Peter Fendi): Familien-Vereinigung des österreichischen Kaiserhauses 1834: hinten rechts von der Mitte mit dem Zylinder an der Hüfte Erzherzog Stephan (Wikimedia Commons)
gelte Eitelkeit gemeint gewesen sein. Stephans Benehmen und seine Ansichten würden allenthalben gelobt, schrieb Karl.104 Sei es durch Stephans Charakter, sei es durch die geschickte Wiener Schulung, die Schnittmengen mit dem System Metternich wurden trotz dieser Einflussnahme immer deutlicher, und der Staatskanzler lobte ihn auch dafür, dass er ihm „ganz curiöse Aufschlüsse über manche Lage“ gegeben habe.105 Stephan dürfte sich also schon recht schmiegsam dem System und seinen Anforderungen angepasst haben, wie er es ja auch in seiner disparaten Ausbildung in Ungarn gelernt haben dürfte. Das wird auch in seinen eigenen Worten deutlich. Am 5. März 1846, also nicht allzu lange nach seiner Ausbildung, beschrieb er seine Aufgabe als Regent mit: „Millionen helfen, Millionen über104 Zit. nach Criste III, S. 360 (12. Januar 1840). 105 Kübeck (1910), S. 29.
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wachen“.106 Das war Volksfürsorge, patriarchalisches Denken und Überwachungsstaat in einem. Der Metternich-Biograph Wolfram Siemann nannte es die „patriarchalische Erziehungsdiktatur“.107 Wenn Stephan immer wieder einmal inkognito Orte in seinem Herrschaftsbereich besuchte, was zu einigen Anekdoten voller Jovialität Anlass gab, muss der Hauptgrund solcher Besuche doch darin gesucht werden, dass er unbemerkt besehen wollte, wie sich die Untergebenen betrugen.108 Das betonte der Erzherzog ausdrücklich anlässlich eines Besuches in Wernstadt bei Leitmeritz, bei dem er durch sein Inkognito Dinge erfuhr, die ihm als Erzherzog nicht berichtet worden wären.109 So volkstümlich solche Geschichten klingen und zu Anekdoten Anlass boten,110 sie waren gespeist aus dem Geist der Überwachung.111 Metternich hätte ja auch nicht behauptet, er richte seine Politik gegen die Bevölkerung. Er sah das Habsburgerreich am Abgrund stehen und bemühte sich, um die Ordnung zu wahren, den habsburgischen Anachronismus zu retten.112 „Nur die deutlichen, auf Prinzipien gestützten Stellungen sind feste, alle übrigen sind voll Schwäche für die Regenten und voll Nachtheilen für die Regierten“, schrieb der Staatskanzler 1842 an Herzog Adolph von Nassau.113 Und dieses Prinzip der Ordnung nannte Metternich selbst „das gute Prinzip“, das Ruhe zu wahren vermochte.114 Erzherzog Stephan griff solche Argumente später selbst auf, wenn er u. a. 1859 an den Freiherrn Maximilian Joseph von Gagern schrieb, als dieser vom nassauischen in den österreichischen Staatsdienst wechselte, Österreich sei von jeher Garant einer von „jeder selbstsüchtigen Vergrößerung freie[n], redliche[n] Politik“, die von „innerer Kraft“ und „Mäßigung“ geleitet sei. Damit werde die Donaumonarchie zum Bollwerk „gegen jede Anmaßung sowohl als gegen die nie ruhende Umsturz-Partei“.115
106 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 a (5. März 1846). 107 Siemann (2016), S. 778. 108 Anders (1868), S. 167. 109 HU MNL OL P 301 (20. August 1841). 110 Dieses Entstehen von Narrativen war in der „fiktiven Identität“ des Inkognitos auch angelegt; Barth, S. 17. 111 Auch erkundigte sich Stephan bei seinen Besuchern, ob seine Bediensteten auch keine Trinkgelder angenommen hatten, was ihnen verboten war; NLA Bückeburg F 1 A XXVI Nr. 9 (15. Juli 1857). 112 Brandt (2010), S. 17. 113 HLA HHStAW Best. 130 II Nr. 2123 f (5. Februar 1842). 114 HLA HHStAW Best. 130 II Nr. 2123 f (5. September 1839); vgl. auch ebd. (5. Februar 1842): „Partheyen versiegen in der Ruhe, während dieselbe des Lebens Prinzip für die Regierungen ist.“ 115 Pastor, S. 359–360.
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Das wiederum erinnert an Äußerungen des Schriftstellers und Pädagogen Adalbert Stifter, der 1844 bis 1846 Lehrer von Metternichs Sohn Richard war. Auch ihm ging es bei der Ausbildung des „sanften Gesetzes“ in Herleitung aus Denkweisen des 18. Jahrhunderts um den antirevolutionären Geist kluger Mäßigung, der alle erdenklichen Spannungen umgreift und die Ordnung um des Lebens willen erhält.116 Diesem Prinzip war durch Bildung auf die Sprünge zu helfen – Bildung nicht im Sinne von Aufklärung und Anleitung zum eigenständigen Denken, sondern im Sinne der Bereitung des Verständnisses für das vermeintlich gute Prinzip. Dem Landschulwesen kam in diesem patriarchalischen Denken in kleinen sozialen Einheiten eine große Bedeutung zu, was auch Metternich unterstützte und Stephan selbst immer wieder propagieren sollte. Das war von diesem ähnlich ahistorisch gedacht wie von Metternich und klammerte sich zugleich an ein vermeintlich ehemals Geordnetes, das in der Gegenwart in Schieflage gekommen zu sein schien und durch moralischen Zwang aufrechterhalten werden musste. Metternich fasste dies in die Worte: „In Österreich gleicht die Gegenwart der Vergangenheit so vollkommen, daß sie mit ihr verwechselt werden könnte.“117 Damit kann weder Metternichs Weltanschauung noch sein politisches System auch nur ansatzweise erklärt werden. Die skizzenhaften Bemerkungen aber erlauben es, einen Teil der Welt zu charakterisieren, in der Erzherzog Stephan ausgebildet wurde. Sie stand in einem gewissen Widerspruch zu der Welt in Ungarn, ließ sich aber auch mit ihr verbinden. So sehr der junge Mann am Anfang fremdelte, so sehr wird im Folgenden zu beobachten sein, dass er Teile des Denkens aufnahm, verarbeitete und modifizierte und eine – bereits dargelegte – Geschmeidigkeit beim Eingehen auf verschiedene Weltanschauungen entwickelte. Das restaurative Staatenwesen unter Metternich und dem erzkonservativen Erzherzog Ludwig, den er später als Vertreter der guten alten Generation in Ehren hielt,118 sollte sich ebenso prägend auf Stephans Denken und Verhalten auswirken, wie die Erfahrungen der Jugend und die Begegnungen mit anderen Vertretern des Erzhauses und der europäischen Aristokratie, die er gerade in jenen Tagen zu machen begann, seine Persönlichkeit formten. 116 Wolf (1946), S. 107 sowie S. 137–160. 117 Zit. nach Fink (1989), S. 201. 118 Er habe ihm während seiner Studien, seiner Reise und bezüglich seiner Anstellung viel zu verdanken, schrieb Stephan anlässlich des Todes des Erzherzogs und sah mit ihm die „gute alte Generazion nach und nach ganz aussterben“; NLA Oldenburg Dep. 50 Best. 6 M Nr. 44, 10. Januar 1865. Auch OeStA HHStA SB Familienarchiv Sachsen-Coburg-Gotha II-23-13 (11. Januar 1865): Ludwig sei das letzte Glied einer „guten alten Kette, aus einer Reihe von Männern, die den Ruf mit Recht verdienen, der ihren Tod noch lange überdauern wird.“
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Im direkten aristokratischen Umfeld der erzherzoglichen Familie sind als Bezugsgrößen zunächst die Prinzen Adolph und Moritz von Nassau zu nennen, die 1837 nach Wien geschickt worden waren, um dort zu studieren.119 Nicht ohne Grund war Wien ausgewählt worden, um sie im dortigen Geist zu erziehen, allerdings mit gebotener Vorsicht. Denn „die Wiener jungen Herrn führen mehr oder weniger ausschweifendes Leben, dieser Gesellschaft würde der Prinz [Adolph] nach aller menschlichen Berechnung anheimfallen von dem Tage an, wo ihm das Wort ‚Unabhängigkeit‘ verkündet wird.“120 Deshalb hatten sie in Wien nicht nur ihre nassauischen Erzieher als Aufsicht mitbekommen, sondern auch ihren Onkel, den Erzherzog Karl, in dessen und dessen Kinder Gesellschaft sie sich regelmäßig aufhielten. Hierbei stießen beide auch auf Stephan, der sie jedoch schon gekannt haben muss. Spätestens bei seinem Besuch in Mainz 1837 dürfte er auch seine Wiesbadener Verwandtschaft kennengelernt haben. Es wäre aber mehr als verwunderlich, wenn dies nicht schon während seiner Kinderzeit geschehen wäre, handelte es sich doch um die Söhne seines Schaumburger Landesherrn, der im Übrigen wiederum politisch intensiv von Metternich beraten wurde.121 Einen guten Einblick in das familiäre und gesellschaftliche Leben Erzherzog Stephans während seiner Wiener Zeit geben die Tagebucheintragungen des Erbgroßherzogs Carl Alexander von Sachsen-Weimar. Ihn begleitete Stephan während seines Wien-Aufenthalts. Am 3. März 1839 war Stephan aus Ofen, von wo ihn sein Vater geschickt hatte, um den Großfürsten Ale xander von Russland – also den späteren Zaren Alexander II. – zu begrüßen, nach Wien gereist. „Lieb gewonnen“ habe der junge Russe ihn schließlich, schrieb die Schwester Hermine.122 Alexanders Vater war ein Bruder der ersten Ehefrau Erzherzog Josephs gewesen und gleichzeitig der Mutter des Erbprinzen Carl Alexander. „Glänzende Fähigkeiten“ erkannte er in Stephan und sagte ihm eine erfolgreiche Zukunft voraus.123 In diesem Zusammenhang machte Stephan also auch die persönliche Bekanntschaft des Weimarer Prinzen, den er drei Jahre zuvor in einem Brief an seinen Cousin Albrecht – ohne ihn persönlich zu kennen – noch als „Erb pinsel“ abgetan hatte.124 Carl Alexander hielt den um ein Jahr älteren Erz-
119 HLA HHStAW Best. 130 II Nr. 3229. Moritz sollte später Oberst im Husarenregiment des Erzherzogs Stephan werden; Militär-Schematismus des österreichischen Kaiserthumes 1848, S. 343. 120 HLA HHStAW Best. 130 II Nr. 3229 (21. Januar 1839). 121 Schüler (2006), S. 128. 122 HLA HStAD Best. D 23 Nr. 35/9 (1. April 1839); vgl. auch Jena, S. 70. 123 Podewils, S. 141. 124 HU MNL OL P 301 (9. Mai 1836): „Erb“ mit dazu gemaltem Pinsel.
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Abb. 14: Carl Mayer: Großherzog Carl Alexander von Sachsen-WeimarEisenach, vor 1855 (HLA HStAD Best. R 4 Nr. 3531)
herzog für einen „prince bien aimable“.125 Drei Tage später, nach einem Essen bei Erzherzog Karl, besuchte Carl Alexander dessen Söhne, wo er erneut auf Stephan traf sowie auf „les Nassau“, also die Prinzen Adolph und Moritz. Anschließend gingen alle ins Theater.126 Am nächsten Tag machte Carl Alexander mit Stephan einen Ausflug, den Tag darauf besichtigte er mit Adolph und dem Großfürsten von Russland. das Schlachtfeld von Aspern. Erzherzog Stephan scheint nicht mit von der Partie gewesen zu sein. Nach der Besichtigung des Schlachtfeldes und einem Besuch des Augartens besuchte Carl Alexander wiederum Stephan, der gerade dabei war, den beiden Nassauerprinzen Zeichnungen und Aquarelle zu zeigen.127 Am Abend statteten alle zusammen mit Erzherzog Karl dem Großfürsten die Visite ab und blieben dort bis zwei Uhr nachts. „Alle gedachten jungen Herrn scheinen
125 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv XXVI 1938, Bl. 17v. 126 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv XXVI 1938, Bl. 23r. 127 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv XXVI 1938, Bl. 27r.
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sehr vergnügt und munter mitsammen zu seyn“,128 schrieb der nassauische Obristleutnant von Hadeln. Diese Klientelbildung mit mittel- und süddeutschen Fürstensöhnen, die den Wiener Kaiserhof nach wie vor als wichtigen Bezugspunkt sahen, sowie dem russischen Thronfolger wurde eifrig befördert, und Stephan wuchs in die königliche Internationale hinein. Sachsen-Weimar war mit dem württembergisch-nassauisch-russischen Netzwerk verwandt, das Stephan bisher umgeben hatte. Er wird in diesem bis zu seinem Lebensende verortet bleiben und es stets zu seinem Vorteil nutzen.129 Am nächsten Tag ging Carl Alexander mit Stephan ins Theater, wo beide bei einer Vorstellung von Nestroys „Lumpazivagabundus“ den Bruder Kaiser Ferdinands, Erzherzog Franz Karl, und die Nassauer trafen. Über den Augustinergang in der Hofburg besuchte man schließlich den Großfürsten Alexander, der ihnen zusammen mit Adolph und Moritz Tee reichte.130 Es folgten Theaterbesuche mit dem Zarewitsch sowie die Beteiligung an einer Schweinejagd, wieder mit Carl Alexander und dem russischen Thronfolger.131 Bei einem Diner am 10. März in Stephans Appartement waren wiederum die Nassauer, die Söhne des Erzherzogs Karl und andere Kavaliere anwesend. Italienische Lieder wurden zu vorgerückter Stunde gesungen – ein jeder, so gut er konnte.132 Nach weiteren gemeinsamen Besuchen in der Gemäldesammlung schrieb Erzherzog Stephan an seinen Vater, ob er nicht mit Carl Alexander nach Ofen kommen dürfe, was dieser herzlich bejahte.133 In Wien wurde noch ein größeres Diner bei Erzherzog Karl besucht, wieder mit den Nassauern und einer großen Gesellschaft. Nach einer gemeinsamen Besichtigung des Artilleriedepots reisten beide nach Ofen. Dort, so hielt Carl Alexander fest, habe Stephan sich einen europäischen Ruf erworben.134 Das war zu diesem Zeitpunkt reichlich übertrieben, lässt aber die Art des Auftretens Stephans erahnen. Wie nicht anders zu erwarten, zeigte er sich mit den 128 HLA HHStAW Best. 130 II Nr. 3229 (9. März 1839). 129 Paulmann (2001), S. 162. Vgl. auch die Teilnahme Stephans am Rosenfest in Wien, das auch Peter von Oldenburg und Moritz von Nassau besuchten, Oesterreichisches Morgenblatt Nr. 54 (6. Mai 1846), S. 216. 130 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv XXVI 1938, Bl. 27r–v. Stephans Liebe zu Wortspielen, Ironie und Kalauern könnte von Nestroys Sprache inspiriert worden sein, darunter auch die Brechung des Schiller’schen Pathos. Doch ist eine direkte Analogie nicht herzustellen. Während Nestroys Kunst die Sprache zu sprengen scheint, trägt Stephan sie in seinen Briefen eher selbstgefällig vor. 131 Der Adler Nr. 60 (11. März 1839), S. 152 und S. 250. 132 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv XXVI 1938, Bl. 33v. 133 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv XXVI 1938, Bl. 36v. 134 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv XXVI 1938, Bl. 41r–v. Zur Abschiedsvisite beim Fürsten Metternich auch MM Band 6, S. 317 (13. März 1838).
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politischen Verhältnissen in Ungarn aufs Beste vertraut und erläuterte dem Gast diese eingehend. Stephan muss dem evangelischen Erbprinzen auch berichtet haben, dass es in Ungarn zahlreiche Protestanten gebe, die froh seien, wenn der Palatin auch einmal ihrer Konfession angehöre.135 Dem protestantischen Gast mochte das gefallen haben. Insgesamt blühte der Nationalstolz Stephans in Ungarn auf, wie Carl Alexander festhielt. Die Auswirkungen der Überschwemmung von 1838, bei der er sich profiliert hatte, zeigte er ihm, ebenso die Stallungen, er stellte ihn dem Vater und seinen Geschwistern vor, präsentierte ihm seine Mineraliensammlung und die Wohnung, die ihm die Frauen von Pest ausgestattet hatten, weil er so beliebt sei.136 Die letzte Bemerkung lässt wiederum deutlich anklingen, wie sehr vor Ort an einem Image Stephans gearbeitet worden war, das bei der Bevölkerung auf bereitwillige Gegenliebe gestoßen war, das Stephan aber auch vor seinem Gast stolz und vielleicht etwas selbstverliebt ausbreitete. Stephan, so hielt der Erbgroßherzog fest, sei ein glühender Ungar, und er habe gute Gründe dafür.137 Carl Alexander kam zu dem Schluss, sein neugewonnener Freund sei einer der ausgezeichnetsten Prinzen, die zu diesem Zeitpunkt zu finden seien, und das sowohl in Bezug auf seinen Geist als auch auf das Herz. Er sei äußerst kenntnisreich. Je näher man ihn kennenlerne, desto mehr liebe man ihn. Er sei ein würdiger Sohn seines Vaters und zeige die üblichen, positiven Züge des Hauses Habsburg,138 lege dabei aber eine geradezu asketische Haltung an den Tag und eine natürliche Gutmütigkeit.139 Damit wurde das persönliche Lob in Topoi vom Gesamthaus Habsburg eingebunden, um die aristokratische und politische Würdigkeit des jungen Mannes hervorzuheben.140 Mit diesem Bild, das Stephan von sich vermittelte und das mit seiner nationalen Positionierung und Popularität Metternichs Absichten widersprach, die Mitglieder der Dynastie zu neutralisieren, drohte Erzherzog Stephan aus dem Gesamtgefüge des Erzhauses herauszuwachsen. Die von Erzherzog Joseph gestiftete Linie verband sich aufs Innigste mit der ungarischen Nation. Stephan trat informell schon in die Nachfolge seines Vaters als Palatin ein, wie es auch der Zarewitsch in Wien erkannte,141 und untermauerte diesen 135 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv XXVI 1938, Bl. 43r. 136 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv XXVI 1938, Bl. 45r–v. 137 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv XXVI 1938, Bl. 45v: „hongrois zélé et il a raison“. 138 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv XXVI 1938, Bl. 44v und Bl. 53r–v. 139 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv XXVI 1938, Bl. 45v und 51v. 140 Erzherzogin Sophie hatte dies zusammengefasst: „Ein Erzherzog ist nämlich wie der andere. Wenn man einen gesehen hat, kennt man alle …“; Haslinger, S. 33. 141 Podewils, S. 141.
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Anspruch sowohl durch seine eigene pro-ungarische Gesinnung als auch durch die Beliebtheit im Volk, auch wenn diese im Sinne eines streng legitimistischen Denkens kein Kriterium sein konnte. Insofern war die Überschwemmung von 1838 auch wichtig gewesen, um seine Amtstauglichkeit unter Beweis zu stellen, und ebenso war es seine von Carl Alexander erwähnte gute Ortskenntnis. Wir erfahren so über die Tagebucheinträge des Weimarer Erbgroßherzogs etwas davon, wie Stephan sich präsentierte und wie er auf andere wirkte. Aus dieser recht kurzen Begegnung erwuchs eine lebenslange intensive Freundschaft. Erzherzog Stephan schrieb später nach Weimar, diese Tage in Ungarn und Wien seien ihm „ewig ein freundlicher Lichtstrahl in meiner Existenz“ und die gemeinsame Zeit mit Carl Alexander gehöre zu den angenehmsten seines Lebens.142 Selbst in der Zeitung wurde die starke Zuneigung beider thematisiert: „Die jungen Fürstensöhne […] scheinen überhaupt viel Theilnahme für einander zu hegen.“143 Die ersten Briefe nach Weimar triefen förmlich vor sentimentalen, überschwänglichen, ja süßlichen Lobeshymnen, und man könnte an eine homoerotische Beziehung denken.144 Eingedenk gewisser Verhaltensweisen Carl Alexanders in späterer Zeit145 wäre der geäußerte Verdacht nicht ganz unbegründet, allerdings ist solcher Überschwang in der Korrespondenz des frühen 19. Jahrhunderts nichts Ungewöhnliches und sollte nicht überbewertet werden. Auch andere Briefe Stephans in jenen Tagen sind von einer schwärmerischen Emotionalität geprägt.
142 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv XXVI Nr. 739 a (24. März 1839, 20. April 1839, 6. Oktober 1839). Basis dieser dauerhaften Freundschaft dürfte die grundsätzliche Anhänglichkeit beider gewesen sein. Franz Liszt bezeichnete Carl Alexander als eine der menschlichen „Kletten und Nervensägen […], in deren klebenden und nervenden Fängen zu hängen“ er als Martyrium ansah; Hilmes (2011), S. 319. 143 Frankfurter Ober-Postamts-Zeitung, Beilage zu Nr. 82 (23. März 1839). Der Dichter Hans Christian Andersen schrieb: „Vieles und Schönes ueber den Erzherzog Stephan erzählt, wie befreundet Sie beide [Stephan und Carl Alexander] sind; so einen Freund wünsche ich Ihnen, vieles Gutes kann davon kommen. Zwei edle Menschen, die ein ander verstehen, sind ein Glück, eine Freude!, muß er doch Ihnen sein, was ich wünsche, daß ich es könnte!“; Möller-Christensen/Möller-Christensen, S. 68. Andersen hatte Stephan 1846 in Prag kennengelernt und über ihn geurteilt, ein „tiefes Gemüth“ charakterisiere ihn; LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv Nr. 739 a (5. März 1846). 144 Am 22. März 1843 schrieb Stephan an den mittlerweile vermählten Freund, dessen Ehefrau Sophie müsse erlauben, dass sich beide umarmten; LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv Nr. 739 a (22. März 1843). Er fügte noch hinzu, Carl Alexander selbst dürfe nicht eifersüchtig sein, wenn er mit Sophie Freundschaft schließe. 145 Pöthe, S. 66–69; Gersdorff, S. 26.
Popularisierung eines jungen Mannes
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In Mainz hatte er im Sommer 1837 den gleichaltrigen Prinzen Waldemar von Preußen kennengelernt, Sohn des Gouverneurs der Bundesfestung Mainz, Wilhelm von Preußen, und seiner Ehefrau Marianne. Nachdem ihn seine Mutter dazu aufgefordert hatte, schrieb Stephan dem Prinzen Waldemar am 22. August 1837 aus Bad Ems zum ersten Mal und dachte zurück an den Spaß, den er zusammen mit ihm beim Manöver in Koblenz gehabt hatte. Er schilderte ihm, dass ein Manöver in Ofen bevorstehe, an dem er teilnehmen werde. Gerne hätte er Waldemar dabei, würde ihm einen „Streitgaul satteln lassen, mit dem du gewiß zufriedener wärst als mit Deinem Esel auf unserm nachmittäglichen Ritt, und da können wir alles so ganz charmant mitmachen“. Die Erinnerung an den Tag in Mainz mache ihn glücklich, er denke an das abendliche Beisammensein bis elf Uhr. Sein Begleiter, Major Anders, „der sich bei unserm famosen Ritte mit seinem Esel so überkugelte, empfiehlt sich“.146 Die Mutter hatte bereits in Mainz bemerkt, dass Stephan gegenüber Waldemar „ganz zärtlich“ eingestellt sei.147 Einige wenige Briefe folgten noch, insbesondere ein Bericht über das angesprochene Manöver in Ofen, bei dem Stephan als Schaulustiger anwesend sein werde. Wieder bedauerte er, dass Waldemar nicht dabei sein konnte, wenn 4000 Mann Kavallerie „herumspringen“, denn da gebe es viel zu sehen.148 Zu einer Freundschaft mit Prinz Waldemar scheint es dann aber, wie die Briefüberlieferung und die fehlende sonstige Erwähnung des Prinzen nahelegen, nicht gekommen zu sein. Doch bleiben Schwärmereien und emotional empfundene Kontakte nicht auf männliche Mitglieder der Hocharistokratie beschränkt. Von Waldemars Schwester, Elisabeth, wird zwischen den Geschwistern Hermine und Stephan viel gesprochen.149 Und 1843 bedankte sich Stephan in einem Albumblatt bei beider Mutter, Marianne von Preußen: „Die Güte, die Sie mir bewiesen, that meinem Herzen innig wohl – denn nichts heilt wunde Stellen schneller als Mitgefühl!!“, und er bezeichnete sich als „Ihr dankbarer Verehrer u. Freund“.150 Der sentimentale Gefühlsüberschwang sollte daher nicht zu sehr für vorschnelle Interpretationen herangezogen werden. Er war auch dem Zeitgeist geschuldet und diente dem Erzherzog Stephan zum Knüpfen von Kontakten mit der Hocharistokratie – durchaus auch ermuntert von der Stiefmutter. 146 HLA HStAD Best. D 22 Nr. 9/7 (22. August 1837). 147 HLA HStAD Best. D 22 Nr. 33/22, fol. 140v (19. Juli 1837). 148 HLA HStAD Best. D 22 Nr. 9/7 (26. September 1837). 149 HLA HStAD Best. D 23 Nr. 35/9 (28. August 1838). 150 HLA HStAD Best. D 4 Nr. 779 (2. Juli 1843). Bereits 1837 hatte Stephan Marianne ein Albumblatt ausgefüllt zugeschickt. Wegen seines schwachen Talents hätte er es angeblich ohne die Aufforderung nie gewagt, dieses zu befüllen; HLA HStAD Best. D 22 Nr. 18/24.
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Womöglich war manche Übertreibung auch noch Zeugnis einer mangelnden Vertrautheit mit dem Verhaltenskodex. Denn in einigen Fällen dürfte diese Emotionalität und die Vertrauensseligkeit übliche Grenzen überschritten haben: Dass Stephan dem Prinzen Alexander von Hessen auf der Durchreise durch Prag noch am Abend des Kennenlernens die Bruderschaft anbot, hielt dieser überrascht in seinem Tagebuch fest.151 Mit dem russischen Thronfolger war Stephan zurückhaltender umgegangen: Obwohl er ihn 1839 kennengelernt hatte, bot er ihm erst 1843 auf Anraten seines Cousins Albrecht das Du an, das dieser annahm.152 Die sehr persönlich gehaltene, zum Teil auch emotionale Kontaktaufnahme war sicherlich Stephans Wesen geschuldet und sollte ihm sein ganzes Leben hindurch die Aura des mitfühlenden und besorgten Aristokraten verschaffen. Hauptgrund all dieser Aktivitäten in den 30er Jahren war die Einbindung des jungen Habsburgers in das Netz der europäischen Hocharistokratie, nicht primär das Schließen intimer persönlicher Freundschaften, auch wenn diese immer wieder unterstellt wurden. Als Stephan im September 1839 zum Begleiter des Henri d’Artois, Herzog von Bordeaux, eines Enkels des französischen Königs Karl X., der sich inkognito in Wien aufhielt, abgestellt wurde,153 kam das Gerücht auf, er könne Henris Schwester, Luise Marie Thérèse d’Artois, heiraten.154 Die Öffentlichkeit beobachtete sehr genau, wer mit wem seine Zeit verbrachte, um daraus Rückschlüsse zu ziehen. In den Jahren von 1835 bis ca. 1840 wuchs der junge Stephan folglich in die europäische Adelswelt hinein, und dies bedeutete, informelle Kontakte zum deutschen und außerdeutschen Hochadel zu knüpfen. Inwiefern diese Aktionen auch ganz bewusst dazu dienen sollten, ihn in seinen Karriereambitionen voranzubringen, bleibt wegen des Mangels an aussagefähigen Quellen leider ungewiss. Der genuin österreichische Adel scheint für diese Strategie unerheblich gewesen zu sein, denn keine der großen Familien wie Liechtenstein oder Schwarzenberg tauchen in den Korrespondenzen namentlich auf. Stephan selbst äußerte 1840, er sei „in der hiesigen Societé 151 HLA HStAD Best. D 25 Nr. 1/3 (5./17. März 1846). König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen begrüßte es, dass Stephan bei seiner Durchreise durch Prag nicht anwesend war und er somit „ohne Anfechtung“ geblieben war; Minkels, S. 396 (30. August 1845); das ist ähnlich zu interpretieren. Einen Tag später reiste Stephan dem König nach Teplitz nach („die unbegreifl:[liche] Aufmerksamkeit u. Güte hinter mir drein zu jagen“), unterhielt sich dort eine halbe Stunde mit ihm und überreichte ihm einen Meldezettel als Geschenk mit dem Vermerk, dass der König Prag passiert habe; Minkels, S. 402–403 (31. August 1845). 152 HU MNL OL P 301 (3. Februar 1843). 153 Königl. Privilegirte Baierische National-Zeitung 105 (4. September 1839), S. 435. 154 Fournier, S. 94; in der Zeitung „The Southern Australian“ (30. Juni 1843), S. 4, wurde sogar berichtet, das Kabinett in Wien habe die Eheschließung beschlossen.
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noch nicht bekannt“, was sich darauf beziehen mag.155 Auch nahm er nach eigenem Bekunden nicht besonders intensiv an Faschingsveranstaltungen teil, was diesbezüglich förderlich gewesen wäre. Die Nähe zur Familie des Erzherzogs Karl und zu dessen nassauischer Verwandtschaft, aber auch die Verwandten seiner verstorbenen Mutter waren ein wichtiges Einfallstor, um mit dem deutschen Hochadel bekannt zu werden. Die Betreuung junger Wienbesucher aus fürstlichen Häusern war die andere Möglichkeit, zumal sie vorderhand eher ungezwungen und privat verlief und keinem Protokoll unterworfen war. Damit wuchs der junge Mann aus den bisher doch eher als beschränkt zu bezeichnenden Bahnen heraus und weitete seinen sozialen Horizont. Er reüssierte – nicht zuletzt wegen seines gewinnenden Wesens – dabei allenthalben, verdeutlichte aber auch seine Position: als Mitglied des Allerhöchsten Kaiserhauses der Habsburger wie auch als präsumtiver Nachfolger seines Vaters als Palatin von Ungarn. Dies sollte in den nächsten Jahren durch umfangreiche Bildungsreisen noch verstärkt werden. 3.2 Bekanntwerden im Habsburgerreich – Reisen nach Böhmen und Italien Schon während seiner Ausbildung in Wien unternahm Erzherzog Stephan Reisen, um seinen fachlichen Horizont zu weiten. Es fällt dabei ins Auge, dass insbesondere Besichtigungen im Bereich des Wirtschaftslebens sein Interesse fanden. Im November 1840, nach einem einwöchigen Jagdaufenthalt in Holitsch, nahm er sich vor, die Saline in Wieliczka südöstlich von Krakau zu besichtigen, weil er es für wichtig erachtete, Ideen aus dem Ausland zu übernehmen.156 Bereits im Sommer 1840 hatte er die Eisenwerke in der Steiermark inspiziert.157 Ein besonderes Augenmerk aber ruhte stets auf dem Eisenbahnwesen. Bereits im März 1840 beobachtete er die Fortschritte des Eisenbahnbaus in Galizien und machte sich Gedanken, wie die Verbindung zwischen Wien und Pressburg hergestellt werden könnte. Als einzige Schwierigkeit erkannte er die Übersetzung der March.158 Es waren die technischen Meisterleistungen, die Möglichkeiten der Ingenieurskunst, die 155 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 a (22. Januar 1840). 156 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 a (26. November 1840). Das Interesse am Ausland ist insofern merkwürdig, als die Saline seit 1772 unter österreichischer Herrschaft stand. 157 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 a (26. Juni 1840), Planung der Reise; (25. Juli 1848), Bericht über die Reise. 158 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 a (3. März 1840 und 22. März 1840).
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Natur zu unterwerfen, die ihn ebenso faszinierten wie die Geschwindigkeit, welche die Welt näher zusammenrücken ließ. Im technischen Bereich war Erzherzog Stephan geradezu beseelt von einer großen Zukunftsgläubigkeit. Als die Bahnstrecke von Olmütz nach Wien am 20. August 1845 eröffnet wurde,159 träumte er davon, wegen der schnellen Verbindung bald problemlos morgens von Prag nach Wien fahren zu können, nur „um ein hübsches Zahnbürstchen“ zu kaufen und am anderen Tag abends zurück zu sein. So ambivalent das politische Denken des Erzherzogs in jenen Tagen gewesen sein mag, im technisch-naturwissenschaftlichen Bereich stand er eindeutig auf Seiten des Fortschritts. Das belegen auch Schirmherrschaften über ökonomische, technische und landwirtschaftliche Veranstaltungen, wie die Teilnahme an Verhandlungen der k. k. Landwirtschaftsgesellschaft im April 1841 in Wien.160 Der Bibliothek des niederösterreichischen Gewerbevereins ließ er im gleichen Jahr ein namhaftes Geschenk zuteilwerden.161 Es wird nicht mehr recht zu klären sein, inwiefern diese Schwerpunktsetzung von ihm verlangt wurde, auf seine Ausbildung zurückzuführen oder genuin seinen Interessen geschuldet war. Festzuhalten aber ist, dass die technische Fortschrittsgläubigkeit ihm bis zuletzt erhalten blieb und er auf diesem Feld stets Neuerungen aufgeschlossen war. Erweiternd zu solchen kurzen Besichtigungsreisen kamen weitere Auftritte in der Öffentlichkeit, um ihn in diese Aufgaben hineinwachsen zu lassen. Damit wurde er noch bekannter. Ab 1841 standen umfassende Bildungsreisen an, die ebenfalls den Effekt hatten, dass er auch außerhalb Ungarns wahrgenommen wurde. Zunächst sollte Stephan in Böhmen und Mähren die Behörden und die allgemeine Verwaltung sowie Wirtschaft und Militär kennenlernen.162 Zu dieser Reise hatte ihm Kolowrat geraten,163 wobei in einigen Äußerungen mitschwingt, dass Kaiser Ferdinand und Palatin Joseph diese Reise auch angesetzt hatten, damit Stephan nicht nach Berlin zu reisen brauchte, um dem Zaren von Russland die Aufwartung zu machen.164 Damit sollte eine Eheverbindung nach Russland verhindert werden,
159 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 a (30. Juli 1845). 160 Mitteilungen der k. k. Mährisch-Schlesischen Gesellschaft zur Beförderung des Ausbaus der Natur- und Landeskunde, 29. November 1841, S. 229. 161 Wiener Zeitung Nr. 205 (27. Juli 1841), S. 1543. Dem 1840 gegründeten Österreichischen Gewerbeverein war Stephan als wirkliches Mitglied beigetreten, nicht als Ehrenmitglied, wie unter Erzherzögen üblich, was Sedlnitzky störte; BLKÖ 36 (1878), S. 209; Die Presse Nr. 92 (3. April 1862), o. S. 162 HLA HStAD Best. D 23 Nr. 35/9 (28. August 1841); Anders (1868), S. 14. 163 Schüler (2016), S. 101; Anders (1868), S. 14. 164 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 (22. Juli 1840).
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auf die an späterer Stelle noch ausführlich einzugehen sein wird.165 Offiziell handelte es sich um eine Reise, durch die er das Land in finanzieller, politischer, militärischer und kameralistischer Hinsicht kennenlernen sollte.166 Anfang Juli trat Stephan seine Reise an. Alle Behörden in Böhmen erhielten Weisung, seine Anfragen zu beantworten, auch sonst geheim gehaltene „Präsidialia“,167 so dass er an allen Orten offiziell von den Amtsträgern empfangen und über den Amtsbezirk oder das Institut unterrichtet wurde. Einer Anmerkung Stephans zufolge muss es allerdings einige Orte gegeben haben, die er darüber hinaus inkognito aufsuchte.168 In Begleitung von Anders und dem k. k. Kämmerer Franz Freiherr von Buol-Berenberg traf er am 6. Juli 1841 nach einem Weg über Znaim, Czaslau und Neu-Kolin in Prag ein.169 Dort stattete er den Honoratioren, dem Vertreter des abwesenden Oberstburggrafen, der das Präsidium über das böhmische Landesgubernium versah, dem kommandierenden Generalfeldmarschall, dem Erzbischof, hohen Offizieren, Landes- und Lokalbehörden sowie geistlichen und Privatstiftungen Besuche ab.170 Von Prag aus ging es weiter nach Karlsbad, wo er vom 25. Juli an für fünf Tage blieb. Er empfing dort zahlreiche Personen aus dem In- und Ausland und machte Ausflüge in die Umgebung.171 Von dort ging es weiter nach Marienbad, wo er zum Frühstück mit Metternich zusammentraf.172 Seine Reise wurde durch das Führen eines Tagebuchs, das allein während des Prag-Aufenthalts um neunzig Seiten anwuchs, und das Abfassen eines Berichts im Umfang von zwölf Bögen für den Kaiser begleitet. Um Böhmen gut kennenzulernen, standen noch Reisen durch die Rakonitzer, Saazer, Elbogner, Pilsner und Berauner Kreise an, und immer lag das Hauptinteresse dort nach dem Empfang durch die lokalen Honoratioren auf dem Besuch der „industriellen Etablissements“.173 In Beraun besichtigte Stephan am 8. August eine Spinnfabrik sowie die im Bau befindliche Kaiser-Ferdinand-Brü165 In Wien kursierte auch das Gerücht, dass Stephan von einer Liebschaft zu einer italienischen Sängerin am Kärntnertortheater, der zuliebe der bisher so faule junge Mann sogar Italienisch gelernt habe, abgehalten werden sollte. Diese Kausalität ist gewiss irrig. Das Gerücht wirft aber wieder einmal ein Licht auf die Außenwirkung Stephans; Parisel, S. 240. 166 HU MNL OL P 301 (13. Juni 1841). 167 Anders (1868), S. 17. 168 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 a (11. Dezember 1841). 169 Kaiserl. Königl. Privilegierte Linzer Zeitung 163 (16. Juli 1841); Schüler (2016), S. 102; Anders (1868), S. 17; Kováts, S. 257. 170 Wiener Zeitung Nr. 194 (16. Juli 1841), S. 1465. 171 Vereinigte Ofner-Pester Zeitung Nr. 64 (12. August 1841), S. 772; MM Band 6, S. 523 (3. August 1841). 172 Schüler (2016), S. 102; HU MNL OL P 301 (22. Juli 1841). 173 Vereinigte Ofner-Pester-Zeitung Nr. 26 (19. August 1841), S. 796.
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cke. Die Pläne des „kühnen Riesenwerks“ besprach er mit Baumeistern und Ingenieuren. Anschließend kehrte er über Teplitz und Neuschloss nach Prag zurück und besuchte am 1. September den Grafen Kaunitz, um schließlich über Prag zum Feldlager nach Kolin zu reisen. Bei einer Truppenübung in der Nähe von Kolin sah Stephan schließlich Waldemar von Preußen wieder. Der Erzherzog war nicht nur reiner Beobachter, sondern er biwakierte und kampierte selbst im Lager. Näheres ist leider nicht bekannt. Am 28. September reisten beide wieder ab, Waldemar nach Berlin, Stephan nach Prag.174 Anfang Oktober setzte Stephan seine Reise fort, besichtigte nach einem Weg über Reichenberg und Wassersdorf am 9. Oktober in Neuwald die Baumwollspinnerei und -weberei des Joseph Herzig und Söhne, die mit mechanischen Webstühlen arbeitete.175 Über Reichenau, wo Erzherzog Stephan auf dem Schloss des Grafen Kolowrat nächtigte,176 Adersbach und Hohenelbe im Riesengebirge177 ging es schließlich wieder nach Prag, wo er am 2. November bei der Einweihung der Prager Kettenbrücke (Kaiser Franzens-Brücke) anwesend war.178 Am 24. November war Stephan wieder zurück in Wien. Ein Gedicht des Literaten Victor Aneck feierte ihn – auch in Erinnerung an seine Tätigkeit beim Donauhochwasser in Pest drei Jahre zuvor – als volksnahen Prinzen, der zum Leidwesen der ihm anhängenden Böhmen für das Palatinatsamt in Ungarn bestimmt sei.179 Die Höhe der Reisekosten belief sich auf 20.000 fl.180 Noch während der Reise hatte er an Carl Alexander von Sachsen-Weimar geschrieben: „so manche schöne Frucht wahrer Humanität und eines biederen Volksgeistes reift hier im Stillen, ohne Schaugepränge.“181 Das war idealisiert und idyllisiert, indem Erzherzog Stephan das Unverstellt-Volkstümliche gegen das Bürokratische der Landesverwaltung abhob, und es klingt ein wenig Erzherzog Karl hindurch, eine – vielleicht auch – nostalgisch motivierte Abkehr vom bürokratischen System zum urtümlichen Volksgeist. Vor allem scheint Stephan hier Johann Gottfried Herder zu folgen, der in seinen geschichtsphilosophischen Werken den Slawen eine besonders positive Beurteilung hatte zukommen lassen. Jedem Volk schrieb der Schriftsteller eine eigene kulturelle Identität zu. Die Slawen waren seiner Einschätzung nach 174 Wiener Zeitung Nr. 278 (8. Oktober 1841), S. 2049; Brünner Zeitung der k. k. priv. mähr. Lehenbank (14. Oktober 1841), S. 1392. Auch HU MNL OL P 301 (20. August 1841). 175 Der Adler (4. Dezember 1841), S. 1640. 176 Schüler (2016), S. 102. 177 Vereinigte Ofen-Pester Zeitung Nr. 90 (11. November 1841). 178 Wiener Zeitung Nr. 310 (9. November 1841), S. 2293. 179 Medau (1841), S. 325. 180 Schüler (2016), S. 102. 181 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 a (14. September 1841).
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friedliebend, gastfreundlich und fleißig, was letztlich ein ausgesprochen positives Bild zu zeichnen half. Diese Bilder kultureller Identitäten richteten sich gegen den zeitgenössischen „Maschinenstaat“, als dessen Verkörperung auch Metternichs Bürokratie gesehen werden konnte.182 Die angeblich urtümlichen Volkseigenschaften wurden emotional gegen rationale Verwaltungsmechanismen ausgespielt. Diese Gefühlsmomente konnte Stephan wiederum selbst sehr gut bedienen. Wenn er Personen, die in Armut und Unglück geraten waren, Hilfe brachte, so hieß es, folgte er den „Eingebungen des Herzens“.183 Das habe ihn in besonderem Maße ausgezeichnet. Sein Biograph Anders schildert ausführlich Stephans Bemühungen um einen Insassen des Prager Militärspitals, den alle für wahnsinnig hielten, der sich aber nur als krank vor Heimweh entpuppte.184 Dieser Geist der Humanität, der sich am Einzelfall bewährte und offenbarte, war patriarchalisch gedacht und besaß damit zugleich eine helfende wie eine willkürliche Komponente. Die Fürsorge für Bedürftige konnte nur nach der Autopsie und im Einzelfall greifen und war vom Wohlwollen des Herrn abhängig. Aber immerhin – dieser Blick über die Grenzen der Verwaltung wurde gewagt. Dem Erzherzog war die Beschränktheit des Gesehenen sehr bewusst, auch wenn die Verwaltungsinstitutionen Anweisung erhalten hatten, alles zu offenbaren. „Man macht denselben Weg, den Tausende früher gemacht, wieder“, schrieb Stephan ernüchtert nach seiner Rückkehr, „um das Nämliche wie sie zu sehen und erzählen zu können. Jede halbwegs bekannte Gegend hat, ich möchte sagen, ihren Speisezettel, den man unter der Leitung eines oft langweiligen Cicerone’s nach lang gewohnter herkömlicher Weise durchmacht. Besonders in unserem Stande ist es schwierig aus dem Geleise des Herkömlichen zu treten; so ist ferner das Reisen in Inkognito meistens nur eine Namensänderung – und nur eine unbedeutende Erleichterung im zeitraubenden oft lästigen Formenwesen.“185 Erzherzog Stephan wusste also sehr wohl, dass er in seiner Funktion und gesellschaftlichen Stellung eine Rolle spielte, die wiederum von denjenigen, denen er begegnete, und denjenigen, die ihn begleiteten, gleichermaßen Rollenmuster einforderte. Schließlich wurde ja der Verkehr mit den Honoratioren dadurch geregelt, dass die Regierung hierfür Instruktionen erließ.186 Und ihm war bewusst, wie wenig 182 Juranek, S. 96–97. Zu Herders Rezeption in der Habsburgermonarchie vgl. Sundhaußen, passim, zur Rezeption Herders in Ungarn vgl. S. 75–97. 183 Anders (1868), S. 19. 184 Anders (1868), S. 19. 185 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 a (11. Dezember 1841). 186 Gut nachvollziehbar anhand des Ebner-Tagebuchs, S. 109 (8. August 1842). Auch die von Stephan in seinen Berichten angebrachten Statistiken beruhten auf den von amtlicher
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persönlich er all die Bemühungen, die man seiner Person zuteilwerden ließ, nehmen durfte.187 Trotz der Verzerrungen durch Rollenmuster und Rollenverhalten aber glaubte Stephan klar zu erkennen, wo die Schwächen in der Landesverwaltung lagen. Die Behandlung der Kranken in den Militärhospitälern monierte er als unfreundlich, wenn er auch die Krankenhäuser selbst gut geordnet vorfand. Die Kasernen fand er zum Teil gut aufgestellt, zum Teil unter aller Kritik. Vor allem in den Pferdeställen erkannte er unhaltbare Zustände.188 Doch Fürst Alfred von Windisch-Graetz, der ihn als Generalkommandant von Böhmen durch die Anstalten geführt hatte, zeigte ihm auf seine Bedenken hin eine abschlägige Antwort des Wiener Hofkriegsrats, und Stephan hatte sich mit weiteren Monita vor Ort zurückzuhalten. In roter Tinte allerdings schrieb er in seinen Bericht, „daß es sehr leicht ist, vom 2ten Stocke im Hofe am grünen Tische zu entscheiden“.189 Wenn die Herren in Wien sich alles selbst angesehen hätten, wäre die Situation in Böhmen sicherlich eine andere. Der von Stephan schließlich vorgelegte Bericht enthielt deshalb sehr genaue Angaben zum Geschäftsbetrieb, aber auch zu Missbräuchen und Unterschlagungen. Die Charakteristika der höheren und niederen Beamten wurden beleuchtet, einige der Personen – zumindest in der vertrauten Korrespondenz – auch vernichtend abgeurteilt.190 Die schlechte Ausbildung der Gubernialräte und ihre langsame Arbeitsweise wurden bemängelt sowie ihre geringen Verwaltungskenntnisse angeprangert.191 Besonders ins Visier geriet Stephan dabei der Oberstburggraf Karl Graf Chotek, den er einer ungenügenden Amtsversehung bezichtigte.192 Eifrig sei er, so Stephan, er wisse viel, sei aber auch „höchst taktlos, grenzenlos eitel und im Ganzen nicht sehr beliebt“. Seine Taktlosigkeit zeige sich auch gegenüber den Ständen. Den Untertanen gegenüber verhalte er sich sogar „fast despotisch“. Die Beurteilungen seiner Referenten höre er sich nicht vollständig an, „durch die üblen Ratschläge seiner allgemein gehassten Frau“ lasse er sich „zu neuen Seite für ihn angefertigten Zahlenwerken; ebd. (14. und 17. August 1842), S. 111–112. Vgl. auch Hamann (1987), S. 11–15. 187 HU MNL OL P 301 (22. Juli 1841). 188 HU MNL OL P 301 (22. Juli 1841). 189 HU MNL OL P 301 (22. Juli 1841). 190 Anders (1868), S. 18; HU MNL OL P 301 (22. Juli 1841): Der Generalauditorialleutnant sei ein Hornochse, bemerkte Stephan; Walter (1920), S. 26: Urteile von rücksichtsloser Härte über Amtsträger, die „einen eigenthümlichen, nicht gerade sympathischen Eindruck“ hinterließen. 191 Schüler (2016), S. 103. 192 Schüler (2016), S. 98–100.
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Taktlosigkeiten […] verleiten“. Auch habe er massive Fehler begangen, wie die verspätete Meldung einer Lebensmittelknappheit im Erzgebirge. Als besonderes Beispiel konnte der irreguläre Eingriff in den Domanialfonds angeführt werden. Statt eine Statue des verstorbenen Kaisers Franz in Auftrag zu geben, hatte Chotek ein Gebäude für das derzeit im Haus der Familie Sternberg befindliche Museum errichten wollen. Um die anfallenden Mehrkosten zu decken, hatte er auf den Domanialfonds zurückgegriffen. Die Stände forderten eine Prüfung des Fonds durch eine unabhängige Kommission, was Chotek wiederum als Eingriff in seine Kompetenzen ansah. Dieser Fall konnte Stephans Bedenken bestätigen, denn Kaiser Ferdinand – sprich: die Staatskonferenz – hatte die Unregelmäßigkeit im Domanialfonds bemängelt und den Ständen damit Recht gegeben. Stephan stellte all diesen Mängeln die zurückliegende vorbildliche Amtsführung des ehemaligen Oberstburggrafen Kolowrat gegenüber, um eine gute Verwaltung vor Augen zu führen. An anderer Stelle bezeichnete der Erzherzog die Amtsführung Kolowrats in Böhmen gar als „Glanzperiode“.193 Womöglich ist das als Komplimentierkunst zu werten, aber hinter all dem stand doch auch eine politische Dimension. Denn Kolowrat bzw. den böhmischen Magnaten konnte die Amtsführung des Grafen Chotek nicht recht gelegen sein, was schließlich auch 1843 zu dessen Scheitern führte, unter anderem weil er zu intensiv versuchte, den Wiener rechtlichen Regelungen Geltung zu verschaffen.194 Kolowrats Urteil über Stephans Bericht hat daher auch etwas Zweischneidiges: Denn er gab dem Erzherzog in seinem Urteil Recht, lastete es aber seinem jugendlichen Alter an, dass er „Personen und Verhältnisse zu streng beurtheilt“ habe.195 Letztlich aber war das Gutachten Wasser auf seine Mühlen, und vermutlich war Kolowrat daran auch nicht ganz schuldlos. Je nach Erwartung waren dies gute oder schlechte Voraussetzungen für die nächste Reise, die Erzherzog Stephan durch die italienischen Provinzen des Habsburgerreichs führen sollte. Angedacht war zunächst ein Weg nach Triest und Tirol, später auch ins Ausland, worunter Deutschland, Belgien, die Niederlande, England, Frankreich, die Schweiz und Unteritalien gemeint waren. Dieser Plan einer groß angelegten Europareise war aber zunächst nicht möglich. Ein Verlassen des Habsburgerreichs war Stephan erst gestattet, wenn er dieses komplett kennengelernt hatte.196 Aber der Weg 193 OeStA HHStA KA NL Franz A. Kolowrat (13. Januar 1848). 194 Siemann (2016), S. 819. 195 Anders (1868), S. 19; Schüler (2016), S. 103; Schlitter (1893), S. 72. 196 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 a, S. 44–47. Bei Walter ist auch davon die Rede, Stephan sei wegen eines Lungenleidens in das milde Klima Ita-
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nach Italien bedeutete doch schon eine deutliche Weitung des Blickes. Begleiten sollten ihn zunächst ausschließlich Buol-Berenberg als Zivilist und Anders als Militär, da der Erzherzog auf Staatskosten reisen sollte.197 Zwischen beiden Reisen lagen nur ein kurzer Zeitraum in Ungarn, den Stephan dazu nutzte, den Bericht über seinen Aufenthalt in Böhmen zu schreiben, sowie verschiedene Aufenthalte in Wien.198 Am 13. Februar 1842 war seine Schwester Hermine in Wien nach vierzehntägiger Krankheit überraschend an „Nervenfieber“ verstorben. Der Verlust war für Stephan wegen der Enge der Beziehung äußerst schmerzhaft. Er schrieb, Hermine sei ihm „unersetzlich“.199 Er habe mit ihrem Tod „seinen schützenden Engel“ verloren, hieß es gar in der Zeitung.200 Kurz darauf verfasste er auch sein Testament, das allerdings 1844 „wegen Dringlichkeit der Umstände“ wieder eingezogen wurde.201 Die genauen Regelungen dieses Testamentes, dessen Vollstrecker übrigens Erzherzog Albrecht sein sollte, sind uns daher heute nicht mehr überliefert. Dokumentiert ist hingegen, dass Stephan der Nachlass Hermines zufiel, nachdem sein Vater darauf verzichtet hatte: Schmuck, Silber und Kleidung im Wert von 53.600 fl. sowie ausstehende Geldzahlungen als Äbtissin des Theresianischen Damenstifts in Prag.202 Nach einer Trauerzeit in größter Zurückgezogenheit203 brach Stephan im April 1842 zusammen mit Buol-Berenberg,204 Anders und Dr. Theodor
liens geschickt worden; Walter (1920), 23. Zur Öffentlichkeit in Italien vgl. auch Kucher, passim. 197 Der Kammerherr Graf Török musste darum zuhause bleiben, wurde aus dem Dienst entlassen und in das kaiserliche Militär übernommen, wo er in den nächsten Jahrzehnten eine ansehnliche Karriere machen sollte; HU MNL OL P 301 (20. Juni 1841 und 29. Juni 1841); Hof- und Staats-Schematismus des österreichischen Kaiserthums 1841, S. 179. Seine Pferde verkaufte Stephan für 10.000 Gulden an den Kaiser. 198 Im Januar 1842 nahm er an einem Ball in den Redoutensälen in Wien unter der musikalischen Leitung von Joseph Lanner teil; vgl. Der Adler Nr. 23 (27. Januar 1842), S. 92. 199 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv XXVI Nr. 749 a (19. Februar 1842); HLA HStAD Best. D 23 Nr. 35/9 (18. März 1842); HU MNL OL P 301 (19. Februar 1842); BayHStA GHA Nachlass Erzherzogin Elisabeth von Österreich Nr. 100, S. 34–39; NLA Hannover Dep. 103 II Nr. 97/39 (8. März 1842). 200 Neue Freie Presse Nr. 1438 (2. September 1868), o. S. Ihre Halbschwester Elisabeth bezeichnete Stephan als Hermines Liebling, Beschützer und Genius; BayHStA GHA Nachlass Erzherzogin Elisabeth von Österreich Nr. 100, S. 29–32, hier S. 32. 201 OeStA HHStA OMaA 240 III/B Nr. 8–12 (5. Januar 1844). 202 OeStA HHStA OMaA 240 III/B Nr. 8–12 (14. Februar 1842 und 11. März bzw. 1. April 1842). 203 Podewils, S. 179. 204 Vereinigte Ofner-Pesther Zeitung Nr. 46 (10. Juni 1842), S. 584. Er muss später durch Gustav Graf Breda ersetzt worden sein; vgl. Anm. 255.
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Helm205 nach Italien auf, um sich des gesamten geistigen, sittlichen und materiellen „Culturzustand[es] seiner Bewohner“ anzunehmen.206 Diese von Anders später so charakterisierte Zielsetzung erinnert erneut an Herders Vorstellung, jedem Volk gleichermaßen Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Sollte auch der Öffentlichkeit eine solche Absicht der Reise bekannt geworden sein, konnten Vertreter liberaler Positionen aus ihr die Erkenntnis gewinnen, Stephan wolle den einzelnen Völkern des Vielvölkerstaates ihre eigenständigen Wünsche gewähren. Erwiesenermaßen bekannt wurde aber die Erklärung, dass es sich bei der Reise um nichts anderes handle als bei der Fahrt durch Böhmen. Diese Aussage sorgte in Italien für allerhand Spekulationen. Denn dort musste man annehmen, dass dem nicht so war, wenn es in Wien so direkt attestiert wurde – zumal es für den Ausbildungsgang eines Erzherzogs als ausgesprochen untypisch galt.207 Aber auch für Ungarn bekam die Reise eine gewisse Bedeutung, konnte Italien doch als Vergleich für die Problematik seines Heimatlandes dienen. Noch kurz vor dem Aufbruch hatte der Palatin, Erzherzog Joseph, seinen Sohn mit einem vertraulichen Schreiben zum Fürsten Metternich geschickt, in welchem darum gebeten wurde, das Land wirtschaftlich zu fördern und den Bau einer Bahnlinie von Wien nach Pest anzugehen.208 Der historische Moment sei zu nutzen, da die Regierung in diesem Augenblick noch bestimmen könne, ob sie die Entwicklung in ihrem Sinn lenken oder sich selbst überlassen wolle. Joseph riet dringend dazu, in Anbetracht des sich zuspitzenden Radikalismus den Anschluss an die gemäßigte Mehrheit zu suchen, um die Situation zu deeskalieren. Die freimütige ungarische Presse sowie die revolutionäre Stimmung in ganz Europa ließen es ihm angeraten sein, auf diese Weise vorzugehen. Der wirtschaftlichen Förderung Ungarns zum Nachteil anderer Landesteile der Donaumonarchie hatte sich der Staatskanzler jedoch immer entgegengestellt. Vielmehr erachtete er es als zentral, dem Liberalismus Ungarns ein Ende zu bereiten. Darum sei die Regierungsgewalt auszudehnen, 205 Dr. Helm war seinen Worten gemäß „ein energischer und doch vorsichtiger Arzt; ein Alleopath aber mit ziemlich homöopathischen Dosen“; StMLA Archiv Meran Schuber 7 Heft 5,8 (18. Januar 1855). 206 Anders (1868), S. 21. Ein Fragment der Reiseaufzeichnungen in ÖNB Autogr. 55/33-3: die Gegend bei Mantua. Hier auch die Beschreibung und Zeichnung eines Staudamms an einer Flussaue. Stephans Halbschwester Elisabeth suggerierte, dass die Reise angetreten wurde, um Stephan angesichts der Trauer um Hermine auf andere Gedanken zu bringen; BayHStA GHA Nachlass Erzherzogin Elisabeth von Österreich Nr. 100, S. 39. 207 OeStA AVA PHSt H 112/1842 (17. März 1842 u. a.). Reisen z. B. von Erzherzog Albrecht oder Erzherzog Friedrich in diesen Jahren sind nur im Rahmen des Militärdienstes oder kleineren diplomatischen Aufträgen bekannt; Allmayer-Beck, S. 33–36; Dauber, S. 41–54. 208 Oplatka, S. 306–307; Andics (1973), S. 124–126, ediert auf S. 390–398.
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und der Palatin habe dafür zu sorgen, dass es im Unterhaus eine sichere Mehrheit der Konservativen gebe und dass diese von der Regierung gelenkt werden könne.209 Als Stephan im Namen seines Vaters darum bat, dem gemäßigten Liberalen Széchenyi ein Amt oder eine Auszeichnung zuteilwerden zu lassen, um ihm die kaiserliche Anerkennung deutlich zu machen, reagierte Metternich daher äußert zurückhaltend. Auch die Finanzierung des Eisenbahnbaus lehnte er ab, weil Ungarn ohnehin zur Finanzierung des Gesamtreiches zu wenig beitrage. Stephan war also mit der Problematik Ungarns und der Haltung Wiens bestens vertraut, was seinen Blick in den anderen Teilen der Monarchie, in denen die politische Lage ähnlich stand, geschärft haben dürfte. Italien konnte gut als Vergleichsfolie für Ungarn dienen, auch wenn Stephan das trotz der Kohärenz der Ereignisse nicht erkannte. Wie noch zu zeigen sein wird, blieb Stephan Italien gegenüber kritischer eingestellt als gegenüber anderen Landesteilen. Verwandte Verhaltensmuster zwischen den Ungarn und den Italienern erkannte er nicht als solche an; sei es, weil ihm die Ungarn vertrauter waren und er bestimmte Verhältnisse deshalb nicht mehr hinterfragte, sei es, weil er – zumindest zu jenem Zeitpunkt berechtigt – in Italien eindeutige Unabhängigkeitsbestrebungen erkannte, während die Ungarn prinzipiell die Zugehörigkeit zum Habsburgerreich nicht in Zweifel zogen.210 Einen Vergleich zwischen Ungarn und Italien stellte er bis zu seinem Lebensende in keiner seiner Äußerungen her. Der Weg der Reise, die von offiziellen Zeitungen mit lobenden Berichten und – gemäß Erlass vom 2. April 1842 – von detaillierten Rapporten der Amtsträger vor Ort begleitet wurde, führte zunächst über Salzburg und Innsbruck.211 Dort erfuhr Stephan Näheres über die Landstände in Tirol. Schließlich ging es weiter bis Mailand, wo er am 7. April eintraf und den Vizekönig von Lombardo-Venetien, seinen Onkel Erzherzog Rainer, besuchte.212 Der Eindruck dieser Stadt und ihrer Bevölkerung kann nicht besonders positiv gewesen sein. Zwar machte Stephan eine gute Figur, die „an Enthusiasmus grenzende Sympathie erregte“, und ließ sich auch hin und wieder zu erstaunlich patriotischen Äußerungen hinreißen, was vor Ort natürlich auf offene Ohren stieß.213 Im vertrauten Gespräch – mit österreichischen 209 Andics (1973), S. 211–213. 210 Bellabarba, S. 81–85. 211 Adlgasser 1, S. 314 (24. Juli 1842); zu Salzburg auch Österreichisches Theatermuseum PA RaraU1978; Feier aus Anlass des Besuchs Stephans im Salzburger Theater mit dem Stück „List und Phlegma“ von Louis Angely. 212 Anders (1868), S. 22; OeStA AVA PHSt H 112/1842 (7. April 1842). Diese Gerüchte hatten bereits 1840 die Runde gemacht; Adlgasser 1, S. 113 und S. 115. 213 OeStA AVA PHSt (o. D., Volargne): „Oh allegri ragazzi, montate a cavallo, e malvatori [sic] degne della reputazione italiana.“
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Amtsträgern – bekannte er aber doch, von den Mailändern und ihrem mangelnden Respekt gegenüber Erzherzog Rainer keine gute Meinung zu haben. Noch Jahre später schrieb er, der Mailänder an sich sei reich, opulent, hasse die Deutschen und zeichne sich durch besonderen Egoismus aus.214 Die Ablehnung mag aber auch mit einem Gerücht zusammenhängen, das Stephan vorauseilte. Viktor Franz Freiherr von Andrian-Werburg hielt in seinem Tagebuch fest, es sei davon die Rede, Erzherzog Rainer nach Wien abzuberufen, statt seiner aber Erzherzog Stephan nach Mailand zu versetzen und ihm den Fürsten August von Lobkowitz, den bisherigen Hofkanzler der Vereinigten k. k. Hofkammer und Präsidenten der Hofkammer für Münz- und Bergwesen, als Staatsminister beizugeben.215 Dieses Gerücht verbreitete sich in vielen norditalienischen Orten, so dass Stephan sogar direkt darauf angesprochen und als zukünftiger Landeschef begrüßt wurde.216 Eine gewisse Skepsis Erzherzog Rainers gegenüber dem jungen Mann mag aus diesen Gerüchten erwachsen sein, weshalb er vielleicht ein kritisches Bild von Lombardo-Venetien zeichnete, um Stephan die Ambitionen zu nehmen. Nach dem kurzen Aufenthalt in Mailand und Abstechern nach Pavia, Cremona und Venedig217 ging es weiter zu den habsburgischen Sekundogenituren, zunächst nach Parma und Piacenza, wo sich Stephan Bildungs- und Sozialeinrichtungen wie ein Internat (Collegio convitto), die Militärschule und die Kleinkinderbewahranstalt ansah.218 Auch in dieser Stadt schrieb er den Italienern ein unfreundliches Wesen zu. Sie seien nicht „empfänglich für ein freundliches Entgegenkommen und einen geselligen Verkehr“,219 wobei er die politisch motivierte Österreichfeindschaft der Bevölkerung mit ihrem Wesen gleichsetzte. Die als Fremdherrschaft empfundene Regierung der Habsburger, die in Lombardo-Venetien zugleich mit vorzüglicher Ver214 OeStA AVA PHSt H 112/1842 (6. Juni 1842); LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 a (3. Dezember 1856). Er beurteilte Italiener grundsätzlich sehr abschätzig; OeStA HHStA KA NL Franz A. Kolowrat (31. Dezember 1847): Sie hätten keinen Mut. „Wenn man electro galvanisch geladene blecherne Husaren-Regimenter erfinde, wo Pferde und Menschen nichts freßen würden, die Wälschen liefen auch davon!“ 215 Dieser galt als Förderer patriotischer Bestrebungen in Böhmen; Adlgasser 1, S. 115 (26. November 1840), auch: S. 113 (5. November 1840); BLKÖ 15 (1866), S. 337; L’ami de la religion Nr. 3747 (9. Mai 1843), S. 268; Csáky, S. 735. 216 OeStA AVA PHSt H 112/1842 (4. Juni 1842, Montagnana; 4. Juni 1842, Padua; 8. Juni 1842, Venedig). 217 Diesen ersten Abstecher nach Venedig verschweigt Anders in seiner Biographie; rekonstruierbar anhand OeStA AVA PHSt H 112/1842 (u. a. 11. Juni 1842). 218 Zum Besuch der Kleinkinderbewahranstalt vgl. die Gazetta di Parma Nr. 36 (4. Mai 1842), S. 144: „Conoscere tutti i particolari del metodo di educazione“; auch Nr. 31 (16. April 1842), S. 121. 219 Anders (1868), S. 23.
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waltung und Wirtschaftspolitik wie auch mit einem rigiden Überwachungssystem aufwartete, hatte gegen einen massiven Propagandafeldzug der Regimegegner zu kämpfen, der natürlich auch im ganzen Land seine Spuren hinterließ.220 Woher Stephan seine Erkenntnisse nahm, bleibt ungewiss. Denn die ihm von Seiten der Honoratioren entgegengebrachten Bekundungen dürften nicht viel anders ausgefallen sein als das heute noch überlieferte, sehr bemühte Huldigungsgedicht des Philologen Amilcare Mazzarella in Mantua, das Stephan als ausgezeichneten Spross einer über die Jahrhunderte sich auszeichnenden Dynastie feierte.221 Andere Bekundungen dürften die Regierungen kaum zugelassen habe, und mit Privatpersonen trat er so gut wie nie in Kontakt.222 Es ist daher wahrscheinlich, dass ihm diese Einschätzungen von Seiten der Österreicher vor Ort zugetragen wurden. Anschließend folgte Modena, wo erneut neben üblichen Touristenattraktionen Schulen, die Universität und die militärische Bildungsanstalt „Convitto matematico“ sowie die psychiatrische Anstalt auf dem Programm standen,223 bevor Stephan nach Florenz kam. Hier besuchte er wie auch in Mailand und Parma seine Verwandten, allerdings kam es zu Ohnmachtsanfällen und Erschöpfungszuständen, was den hohen Temperaturen geschuldet gewesen sein mag, sicherlich aber auch ein Zeichen seiner nach wie vor schwächlichen Konstitution war.224 Trotz allem ist sein großer Eifer auf der Reise verbürgt: Sechzehn bis achtzehn Stunden und mehr am Tag war er unterwegs und konnte dabei ganze Tage fasten, ohne sich über Hunger zu beklagen. Seinen Reisebegleitern schuf er damit so manche Unannehmlichkeit, weil sie selbst nur mit Mühe ihren eigenen Hunger stillen konnten.225 Mit Eifer besuchte er in der Toskana die dortigen Kunstschätze, Künstlerwerkstätten und Museen, aber auch den Physiker Giovanni Battista Amici und eine Fabrik zur Herstellung von Strohhüten sowie eine Fabrik zur Anfertigung von Fontanellenkügelchen, mit denen kleine Geschwulste behandelt werden konnten. Über eine Mädchenerziehungsanstalt äußerte er sich in seinem Tagebuch ebenso wie über die Trockenlegung der Maremma-Sümpfe. Die Aktion zur Urbarmachung des Landes faszinierte ihn nicht nur in agrarischer Hinsicht, sondern auch in finanziell-wirtschaftlicher. Denn die durch Urbarmachung geschaffenen Bodenflächen waren den Siedlern gegen einen „mäßigen Kaufschilling“ überlassen worden, für den sie nur 220 Altgeld, S. 270–271; Hamann (1988), S. 399. 221 ASM Legato Luzio Alessandro, busta 13 fascicolo 6 carte 477–482. Zur Kasuallyrik auch im Jahrbuch für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft 2 (1844), S. 156–157. 222 OeStA AVA PHSt H 112/1842 (6. Juni 1842). 223 Anders (1868), S. 32 224 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 a (11. Juli 1852) 225 Anders (1868), S. 110–111.
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geringen Zins zu zahlen hatten. Der eigentliche Wert des Grundes wurde hingegen nicht abgegolten, weil Kaufpreis und Zinsen zu niedrig waren, um dies auszugleichen. Der neue Siedlungsgrund blieb daher stets finanziell belastet. „Diese Maßregel, meinte der Erzherzog, werde doch im Laufe der Zeiten geändert werden müssen, um den Bodenbesitz von dem Hypothekenzwange zu befreien, der nothwendiger Weise die freie Disponibilität des Besitzthums beschränke und dadurch dessen Werth bedeutend vermindere.“226 Stephan trat hier also als liberal denkend und den Wirtschaftsfaktor von Grund und Boden berücksichtigend auf. Ein kurzer Ausflug nach Siena ließ ihn das dortige Taubstummeninstitut sowie das „Collegio Tolomei“, eine von Piaristen betriebene Schule, besichtigen. Allerdings musste er bald wieder zurückkehren, weil die Großherzogin von Toskana von einem Sohn entbunden wurde und er die Stelle des Erzherzogs Rainer als Pate übernahm.227 Von Florenz ging die Reise weiter nach Moja und Monte Cerboli. Dort traf Erzherzog Stephan auf den Cavaliere Lardarelle Graf von Monte Cerboli, der, durch Handel reich geworden, zum Adelstitel gelangt war und sich nun wie ein typischer Parvenü gebärdete. Doch Stephan hielt ihn in Ehren: Er sei „ein respectabler Mann, da er es bloß durch seine industrielle Tüchtigkeit so weit gebracht“ habe, „daß er hundert Familien eine sichere und sorgenfreie Existenz in einer gewiß sehr nachahmungswürdigen Weise geschaffen habe“.228 Diese humanistische Haltung den Untertanen gegenüber bewies der Erzherzog auch in Forzati, wo man in Gefängnissen die „ermäßigte“ Einzelhaft eingeführt habe. „Man müsse den Sträflingen Vertrauen zeigen und sie nicht zu streng überwachen, um ihrer sicher zu sein!“229 Die Biographie von Anders, die auf Stephans Tagebuch zurückgreift, sollte dazu dienen, ein menschenfreundliches und liberales Bild des Erzherzogs zu entwerfen. Stephans Blick war oder wurde auf die Wohlfahrt der allgemeinen Bevölkerung gerichtet. Alldem lag ein ausgesprochen positives Menschenbild zugrunde, das sich auch in der Äußerung manifestiert, dass Menschen durch „unausgesetzten persönlichen Verkehr mit guten Menschen gut werden“.230 Wie viel Berechnung aber nicht nur die Biographie Anders’, sondern auch die Auftritte Stephans bestimmte, belegt ein Krankenhausbesuch, bei dem sich der Erzherzog so lange mit einem ehemaligen Soldaten unterhielt, bis 226 Anders (1868), S. 54. 227 Anders (1868), S. 42–53. Es handelte sich um Erzherzog Rainer, der 1844 zweijährig wieder verstarb. 228 Anders (1868), S. 56. 229 Anders (1868), S. 56. 230 Anders (1868), S. 44.
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Stephan erfuhr, dass er seinen Arm nicht im Krieg, sondern durch Syphilis verloren hatte. Das fügte sich nicht in das Bild, das der Erzherzog von sich verbreiten wollte und das seine Dienerschaft auch eifrig propagierte. Hier bot der Besuchte keine Möglichkeit mehr, sich positiv in Szene zu setzen, so dass das Gespräch augenblicklich beendet wurde. Selbst in dem Bericht an die Polizeihofstelle wurde dieser abrupte Abbruch jedoch verwundert mitgeteilt.231 Erzherzog Stephan reiste weiter durch Italien, um ein menschenfreundliches Bild von sich zu bereiten. Er besichtigte Bildungsinstitutionen, Krankenhäuser und Gefängnisse in Livorno oder Lucca. Dass Gefangene im Bagno auf dem Rücken ihrer Kleider die Strafzeit vermerkt bekamen und die Farbe der Kleider ihr Verbrechen kennzeichnete, hielt er „für jeden Besserfühlenden eine Grausamkeit“.232 Ähnlich kritisch äußerte er sich über die Staatsverwaltung der Toskana. Dass die Gemeinden keinen Einfluss auf die Ernennung der obersten Beamten (Gonfalonieri) hatten, galt ihm als großer Missstand. „Möchte doch die Gemeinde als eine Familie betrachtet werden; je freier und unbeschränkter aber das Familienleben in einem Staate, desto größer ist auch die Liebe zur Heimath, zur gesellschaftlichen Ordnung und desto größer die Sorgfalt für die Bewahrung und Erhaltung jenes Lebensglücks, das aus beiden entspringt. Das Nämliche gilt auch vom Gemeindeleben! Je freier dieses sich bewegt, je weniger die Regierung darauf unmittelbar bevormundend einwirkt, desto kräftiger ist die Entwicklung des wahren, echten patriotischen Geistes, der festen Stütze jeder Regierung, gleichviel ob diese absolut oder constitutionell, monarchisch oder republikanisch ist.“233 Gemeindeselbstverwaltung und Patriotismus – das klingt sehr nach liberalen Grundsätzen. Der Schluss der Bemerkung jedoch löst das Ganze aber wieder von jeglichem politischen System, als seien Gemeindeselbstverwaltung und die Befreiung von Bevormundung mit einem absolutistischen System kompatibel, als könne eine jede Verwaltungsform in jeder politischen Struktur gedeihen. Hier finden wir also wieder das Überparteiliche und Patriarchalische, das den Staat als Familie betrachtet und die Einwohner als Stützen der Regierung. Den Untertanen sollte deshalb kein Zwang auferlegt werden, weil Stephan davon ausging, dass diese in einem gesunden System ohnehin die Obrigkeit loyal und dankbar stützen würden. Erst der bürokratische Zwang führe zu Gegenbewegungen. Das war – vergleichbar dem sogenannten Aufgeklärten Absolutismus des 18. Jahrhunderts – ein humanistisch gedachter Obrigkeitsstaat, dessen Fürsorge für die Untertanen ihren Zweck darin fin231 OeStA AVA PHSt H 112/1842 (6. Juni 1842), dort auch die Erwähnung, dass die Dienerschaft des Erzherzogs positive Gerüchte über ihn streue. 232 Anders (1868), S. 59. 233 Anders (1868), S. 62; Walter (1920), S. 28.
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det, dass die Untertanen die Obrigkeit zu stützen helfen. Kritische Geister bewerteten die „Manie“ seiner Wohltaten auch just in diesem Sinn: Stephan habe sich möglichst viele Menschen damit verpflichten wollen.234 Auch betonte Stephan ausdrücklich, dass Kontrolle notwendig sei, aber eben keine präventive, keine, die aus dem Misstrauen erwachse. Seine Haltung gegenüber dem „bureaukratischen Systeme des Centralisirens und Zuvielregierens“,235 gepaart übrigens mit einer deutlich antiklerikalen Haltung,236 ging in einer Zeit, in welcher der Erzherzog selbst noch keine Verantwortung zu übernehmen hatte, von einem positiven Menschenbild aus und strebte die Förderung der Untertanen im patriarchalischen Sinne und die Eindämmung drohender Gefahren der Zukunft an. Damit zeigte er, gerade gegenüber dem System Metternich, liberale Tendenzen, die aber in ihrer Verankerung in der Vormoderne als nicht weniger antiquiert zu werten sind und, je nach politischer Lage, auch nur schwer mit den sozialen Verhältnissen in Einklang zu bringen waren. Die wohlklingenden Absichten wurden daher durch Stephans Handeln später, aber auch durch anderslautende Äußerungen kurz darauf selbst immer wieder unterwandert, wie noch zu zeigen sein wird. Von der Toskana führte der Weg weiter über Lucca und Genua nach Turin, bevor es nach dem für Stephan üblichen Tourismusprogramm nach einem Monat und acht Tagen237 wieder zurück in die Lombardei ging. Nachdem er beim ersten Aufenthalt nur seinen Onkel Rainer besucht hatte, wurden ihm jetzt auch die politischen, sozialen und kulturellen Verhältnisse des Königreichs Lombardo-Venetien nähergebracht. Insbesondere das Agrarwesen, der Bergbau und die Industrie wurden ihm vorgeführt. Im Bereich Kultus bemängelte der Erzherzog, dass die Geistlichen „wenig unterrichtet, bigot, intolerant“ seien, auch gingen sie oft weiter, als es der Religion zuträglich sei.238 Ebenso wusste er einiges daran auszusetzen, dass sich die Bischöfe einen gehorsamen Klerus heranzögen, und die Sitte, Knaben in den Priesterstand zu übergeben, entspreche nicht der Würde des Amtes. Die Wissenschaftslandschaft empfand der Erzherzog als reich, jedoch durch eine finanzielle Unterversorgung nur dahinvegetierend. Das Schulwesen, das er sehr ausgiebig inspizierte, erschien ihm – trotz erkennbarer Defizite – von allen Provinzen des Habsburgerreichs in Lombardo-Venetien am besten ausgebildet.239 In den fast vierzig öffentlichen und Privatkonvik234 HLA HHStAW Best. 1174 Nr. 17 (= Christian Spielmann im „Wiesbadener Tagblatt“). 235 Anders (1868), S. 82. 236 Anders (1868), S. 65. 237 Anders (1868), S. 81. 238 Anders (1868), S. 64; HU MNL OL P 301 (22. Mai 1842): Brief aus Mailand. 239 Anders (1868), S. 87.
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ten, die er besuchte, fand er die Lehrpläne als zu umfangreich vor, weshalb er jedem Anstaltsvorsteher den Hinweis gab, diese zu vereinfachen. Hinzu kamen Besuche in Kinderbewahr- und Wohltätigkeitsanstalten, Armen- und Arbeitshäusern, Sanitätsanstalten, Krankenhäusern, Sparkassen und Leihhäusern sowie die Inspektion der Justiz- und Finanzverwaltung. Alles in allem hob der Erzherzog in der Beurteilung der Verhältnisse sehr auf die Wechselwirkung zwischen Schulbildung und dem Zustand des Staates ab. Dass es mit der öffentlichen Sicherheit im Königreich nicht zum Besten bestellt war, kreidete er der Vernachlässigung des Volksschulwesens sowie der „mehr milde[n], als kräftige[n] Handhabung der polizeilichen Sicherheitsmaßregeln“ an. Die Kontrolle über die Bevölkerung sei dadurch erschwert, insbesondere der wandernden, mittellosen Teile und der durchreisenden Fremden, was Stephan als großen Missstand ansah. So liberal also auch vieles in jenen Tagen erscheint, die Kontrollfunktion blieb für Stephan relevant. Das sonst geäußerte Vertrauen in die Menschen wurde durch solche Einschätzungen wieder unterminiert. Stephan besuchte auch die Schwimmschule,240 eine Aufführung im Teatro Filodrammatico sowie eine Vorführung der Mailänder Spritzenleute (Pompiers).241 Die von Anders publizierten Aufzeichnungen geben einen guten Einblick in Stephans Denken, auch wenn angenommen werden kann, dass einige dem Erzherzog durch Honoratioren vor Ort in die Feder diktiert worden sein dürften – das könnte die ein oder andere Divergenz erklären. Sicher ist, dass die Akzentsetzungen erst durch den Bearbeiter erfolgten. Umso wichtiger ist es, sie um Beobachtungen der Zeitzeugen zu ergänzen. Andrian-Werburg urteilte in seinem Tagebuch recht wohlwollend über Stephan: „Er machte einen äußert vorteilhaften Eindruck auf mich, durch die Ungezwungenheit seiner Maniren und besonders durch die Richtigkeit, womit er gleich im Augenblick meinen Vortrag auffaßte.“ Richtigkeit bedeutet vor allem wohl, dass er Andrian-Werburg recht gab und anderen wohl auch, lauten deren Urteile doch ähnlich.242 Er sei ein äußerst liebenswerter und gut unterrichteter Fürst, urteilte auch der Diplomat und spätere Premierminister des Großherzogtums Toskana Neri di Principi Corsini.243 Der Eindruck Stephans, so Andrian-Werburg, sei allgemein sehr vorteilhaft gewesen, obwohl Erzherzog Rainer darauf achtete, dass er nicht zu viel an Popularität gewann – wohl
240 OeStA HHStA KA NL Kübeck 11-2-3 (21. August 1842): Bittschrift für die Bade- und Freischwimmanstalt Bagno di Diana in Mailand, die Stephan besichtigt hatte. 241 Adlgasser 1, S. 317 (31. Juli 1842). 242 Adlgasser 1, S. 317 (31. Juli 1842). 243 „amabilissimo e molto istruito“; Badon, S. 85 (9. Mai 1842).
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immer noch, um nicht seiner Dienstenthebung Vorschub zu leisten.244 Hingegen bemängelte Andrian-Werburg aber auch, Stephan habe zwar viele Ämter besucht, aber doch „ziemlich flüchtig“. Er sei immer freundlich, jedoch seien allenfalls kurze Gespräche mit ihm möglich gewesen.245 Diese eher zwiespältige Einschätzung zieht sich insgesamt durch das Urteil Andrian-Werburgs. Als Stephan kein Auge für Naturschönheiten in der Umgebung von Como aufbrachte, dafür aber „in einem fort Wiener Witze“ riss, fühlte der Beobachter, dass es sich bei dem Gast doch auch nur um einen typischen Vertreter des Hauses Habsburg handelte. Man denkt bei solchem Urteil sofort an Stephans kalauernde Briefe aus der Jugendzeit oder ähnliche Urteile in einem Bericht aus Eutin aus dem Jahr 1857.246 „Überhaupt verlieren dergleichen erzherzogliche Wundermänner bey näherer Betrachtung, es ist viel Eingelerntes und Oberflächliches dabey, und zudem meistens auf eine trockene, uninteressante Administration’s-Rechnungsmaschine beschränkt, so z. B. nahm er gar keine Notiz davon, als ich ihm die Villa d’Este, wo die Königin Caroline gehaust, gezeigt, ich hätte mit den Ohren aufgehorcht.“247 Dieser Hinweis auf die am Comer See in Verbannung lebende, in England sehr beliebte Königin Caroline ist etwas ominös. Denn es hat den Anschein, als wolle Andrian-Werburg seinen Begleiter auf dessen zukünftiges Schicksal hinweisen, das er aber zu diesem Zeitpunkt noch nicht kennen konnte. Vermutlich war der Hinweis nur auf das Desinteresse Stephans an individuellen Schicksalen gemünzt, während er der allgemeinen Verwaltung größere Aufmerksamkeit entgegenbrachte.248 Allerdings musste Andrian-Werburg eingestehen, dass Stephan nicht an allem nur vorüberging. „Dagegen interessiren, oder scheinen ihn wenigstens zu interessiren, die Siechen-, Blinden- und Waisenhäuser. Après tout ist er ein vortrefflicher liberal denkender Prinz, und das ist viel, sehr viel für Oestreichs Zukunft, wenn sie ihn nicht früher verderben durch Lobhudeley.“249 Diesen eher zwiespältigen Eindruck beendete Andrian-Werburg mit einem Hinweis auf Stephans „Sucht nach Popularität“, er verspreche nach links und rechts und fordere die Leute sogar regelrecht auf, ihn unbedingt um etwas 244 Adlgasser 1, S. 317 (11. August 1842). 245 Adlgasser 1, S. 317 (31. Juli 1842). 246 HU MNL OL P 301. Auch noch an Erzherzog Franz (Joseph), OeStA HHStA SB Coronini-Cronberg 4-7 (28. Dezember 1847), dort die Kalauer mit einer affektierten Sprache kombiniert; auch Erinnerungen aus dem Eutiner Hofleben, S. 106: „wobei der Erzherzog in allerlei Scherz und komischen Redensarten sich erging“ (12. September 1857), und S. 116: „unerschöpflich im Erzählen von Anekdoten und Wortspielereien“ (19. September 1857). 247 Adlgasser 1, S. 319 (21. August 1842). 248 Zu Caroline vgl. auch Zamoyski, S. 263–265; Leitner, S. 251–308. 249 Adlgasser 1, S. 319 (21. August 1842).
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zu bitten. Das war ein Charakterzug, durch den er Leute für sich einnehmen konnte, der aber auch als Eitelkeit bewertet wurde. An anderer Stelle schrieb Andrian-Werburg, Stephan sei ein „charakterloser Comödiant“.250 Das Urteil mag in diesem konkreten Fall auch aus enttäuschter Hoffnung einer finanziellen Unterstützung251 herrühren, aber Vergleichbares wurde immer wieder über Stephan geäußert, so dass man es nicht einfach abtun sollte. Der Mailänder Polizeidirektor Toressani äußerte sich vergleichbar. Lebensfrische, Aufgewecktheit, Freundlichkeit und eine „Geneigtheit zu freimütigen Bemerkungen“ zeichneten den jungen Mann seiner Meinung nach zwar aus. Mit großer Routine und bewundernswerten Manieren nehme er Berichte entgegen und offenbare durch Rückfragen seinen Scharfblick. Aber für sein Alter lege er doch auch allzu viel Selbstvertrauen und Tadelsucht an den Tag. Selbst über „verwickelte Gegenstände“ urteile er entschieden und spreche darüber „gleichsam von der Kanzel“.252 Je nach Blickwinkel konnte das entweder als frischer Wind, der die reaktionäre Staatsverwaltung aufmische, oder aber als blanke Anmaßung beurteilt werden. Dementsprechend bot das Auftreten Stephans Anlass für Hoffnung und Furcht, wozu vor allem das in jeder Situation gewandte Auftreten des jungen Mannes beitragen konnte. Die Gerüchte über seine zukünftige Rolle potenzierten dies noch. Von der Lombardei reiste der Erzherzog schließlich erneut nach Venedig, wo er sich unter anderem die Militäranstalten sowie den Handel ansah.253 Es folgten Brondolo mit den Entwässerungsarbeiten, Vicenza und Verona, wo er bei einer Sitzung des obersten Gerichts anwesend war und die Befestigungswerke inspizierte.254 Anschließend führte der Rückweg über Tirol. Am 20. August verließ er Bormio, ging am 20. August über das Stilfser Joch255 bis Mals, um die Schützen zu mustern, und Meran, wo ihn die Erziehung 250 Adlgasser 1, S. 517 (22. Mai 1844). Auch Stephans langjähriger Begleiter, Graf Grünne, bezeichnete ihn als Komödianten und „Wurstel“; Mayr (1931), S. 481 (13. August 1858). Grünne machte sich über einen Brief lustig, den Stephan an den Kaiser geschrieben hatte, um sich dafür zu bedanken, von ihm empfangen zu werden. Schwülstig sei das Schreiben gehalten, „komödienhaft“ gar der Schluss „Es lebe der Kaiser!“; Mayr (1931), S. 479 (2. August 1858). 251 Adlgasser 1, S. 291 (17. Mai 1842). 252 OeStA AVA PHSt H 112/1842 (6. Juni 1842). In den Berichten dieses Faszikels werden die italienischen Aussprüche Stephans zu allen möglichen Gelegenheiten immer wörtlich zitiert. 253 OeStA HHStA KA NL Kübeck 11-2-3 (3. August 1842): Bittschrift für die Glasperlen- und Bleiweißfabrik Bigagia zu Venedig. 254 Anders (1868), S. 99–108. 255 Dort trafen er, Anders und Graf Breda, der mittlerweile Buol-Schauenstein ersetzt haben muss, zusammen mit einem Grafen von Schönborn ein; Ochsner-Bally, S. 392. Der Eintrag ist übrigens in italienischer Sprache gehalten. Vgl. auch Müller (1844), S. 64.
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junger Mädchen durch die Englischen Fräulein sehr interessierte.256 Anschließend führte der Weg über Innsbruck, damit er einen Straßenabschnitt zwischen dem Berg Isel und Untersberg einweihte sowie zu einer Brücke über die Ruetz, mit 138 Fuß (43,64 m) damals weltweit eine der Brücken mit der größten Spannweite, den Grundstein legte und sie auf seinen Namen taufte. Der junge Mann schuf sich damit ein Denkmal durch einen Höhepunkt der Ingenieurbaukunst.257 Es folgte nach Zirl, Telfs, Silz und Imst, Landeck, Arlberg und Bludenz laut Anders schließlich am 3. September Schruns im Montafon.258 Anders geht diesbezüglich auf die landschaftliche Schönheit, aber auch die Armut der Einwohner ein, die gezwungen seien, auszuwandern. Auf dem Weg von Schruns nach Feldkirch besichtigte der Erzherzog schließlich Baumwollspinnereien und Webereien sowie die Maschinenfabrik Lehmann, wo ihm ein doppelter Spinnstuhl gezeigt wurde.259 Das Tagebuch des Vorarlberger Kreishauptmanns Johann Nepomuk Ebner setzt allerdings leicht andere Akzente und ermöglicht daher, die Reise Stephans unter einer abweichenden Perspektive zu betrachten. Ebner empfing den Reisenden am Nachmittag des 2. September 1842 und fuhr mit ihm nach Bludenz. Dort brachte Stephan zunächst das Protokoll durcheinander, indem er beschloss, die Nachtarbeit einer Firma, deren Besichtigung nicht auf dem Programm gestanden hatte, zu besehen. Anschließend ging er früh zu Bett, um am nächsten Morgen nach Stuttgart weiterzureisen. Unerwartet beschaffte er sich allerdings um fünf Uhr morgens einen Einspännerwagen, um inkognito nach Schruns im Montafon zu fahren, wo er bis dato nicht gewesen war. „Der Erzherzog scheint sich in solchen Extraordinariis zu gefallen“, meinte der Kreishauptmann, was dafür spricht, dass Stephan solche Aktionen häufiger unternahm. In Schruns kam Stephan mit einem Messner ins Gespräch, dem er versicherte, der Erzherzog werde zwar sicherlich noch kommen, aber nicht allzu früh, weil „solche Herren“ nicht früh aus dem Bett kämen. Vermutlich sollte durch die despektierliche Bemerkung gegenüber Dynasten die politische Zuverlässigkeit des Kirchenmannes überprüft werden. Dann flog das Inkognito aber doch auf. Stephan besah sich daraufhin das Landgericht und eilte dann zurück, um die Fahrt nach Stuttgart um acht Uhr früh anzutreten.260 256 Anders (1868), S. 111–114. 257 Pressburger Zeitung Nr. 101 (7. September 1842), S. 452; Malpaga, S. XII; Tiroler Kunstkataster Nr. 41716; Hohenauer, S. 25–26. Auch anlässlich seiner Tätigkeiten zur Verbesserung der Straßen im Fleimstal südöstlich von Bozen wurde ihm 1842 ein Gedenkblatt gedruckt; Bozener Kunstauktionen 1. Dezember 2012, S. 13. 258 Anders (1868), S. 121. 259 Anders (1868), S. 122. 260 Ebner-Tagebuch, S. 117–119 (2. und 3. September 1842). So auch in Wiener Zeitung
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Sollte dieser Bericht stimmen, ist das von Anders angegebene Besichtigungsprogramm nicht zu halten. Es würde belegen, dass Stephan bewusst die von der Regierung vorgeplanten Punkte umging, um einen Einblick in die Gegebenheiten vor Ort zu erhalten. Fraglich bleibt natürlich trotzdem, welche Erkenntnis er sich morgens früh um sechs Uhr in Schruns; am Montafon erhoffte. Auf Ebner machte er zumindest solch einen so positiven Eindruck, dass er darauf hoffte, Stephan werde künftig Adjutant des Kaisers werden.261 Diese Einschätzung belegt erneut, mit welchen Erwartungen man vor Ort dem Reisenden begegnete. Auch in Dornbirn wurde das wenig später deutlich, als der Käsehändler Bilgeri Stephan auf das Hochwasser in Pest 1838 ansprach, „als er bei der großen Wassernoth mit eigener Lebensgefahr hunderte vom Tode errettet habe“. Stephan zeigte sich darüber gerührt und erklärte, mit neunzehn Jahren das Stadtkommando von seinem Vater wegen dessen Krankheit erhalten und erfolgreich geführt zu haben. Ebner selbst kommentierte: „Der ist daher wohl zum Regieren geboren.“262 Die Legendenbildung war also bereits jetzt am Werk, und Stephan nutzte die Fahrt, um dies noch zu fördern. Der Erzherzog fuhr nach dem Abstecher nach Schruns weiter über Bregenz nach Stuttgart und verließ damit während seiner Reise zum ersten Mal das Habsburgerreich bzw. eines der von Sekundogenituren regierten Territorien. Da der König von Württemberg kurz vor seiner Ankunft abgereist war, fand er nur Königin Pauline sowie deren Mutter, Herzogin Henriette, nebst einigen Prinzen des Hauses vor. Der Abstecher in die württembergische Residenz galt vor allem Herzogin Henriette, der Stiefgroßmutter Stephans.263 Nach drei Tagen, die angefüllt waren mit „Etiquette-Visiten“ Nr. 153 (26. September 1842); Kais. Kön. Priv. Bothe von und für Tirol und Vorarlberg Nr. 75 (19. September 1842), S. 297–298. Der Text dürfte von Ebner selbst stammen; Ebner-Tagebuch, S. 125 (14. September 1842). Im „Boten für Tirol“ sind im September 1842 mehrfach ausführliche Berichte über Stephans Aufenthalt zu lesen, die allerdings sehr offiziös und wenig aussagekräftig gehalten sind. 261 Ebner-Tagebuch, S. 118 (2. September 1842): „Der Erzherzog ist sehr wißbegierig rasch, wizig – ein unterrichteter Herr! Gott möge uns in ihm einen tüchtigen Adjutanten des Kaisers geben!“ Am 31. Dezember 1842 bezeichnete er ihn als „höchst interessanten Erzherzog Stephan“; ebd., S. 165. 262 Ebner-Tagebuch, S. 123 (10. September 1842). Auch in der Wiener Zeitung Nr. 153 (26. September 1842), S. 610, wird im Zusammenhang mit Stephans Besuch in Vorarlberg seine Rettungstat in Pest erwähnt. 263 Anders (1868), S. 122–123; LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 a, S. 44–47; Ebner-Tagebuch, S. 121 (8. September 1842). In Lauffen am Neckar erwarb Stephan auch Kunstgegenstände im Wert von 235 Francs; Ebner-Tagebuch, S. 121 (8. September 1842).
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und Gestütsbesuchen, verließ er Stuttgart schließlich wieder in einer neunzehnstündigen Fahrt über Tübingen und Donaueschingen nach Schaffhausen, wo er am 8. September 1842 den Rheinfall bestaunte. Bereits am nächsten Tag ging es weiter nach Bregenz und Konstanz. In Konstanz erklärte man ihm, dass die Stadt wegen der Wahl eines Oppositionsmannes zum Landesdeputierten den Rang eines Garnisonsstandorts verloren habe, worauf der Erzherzog bekannte, dass man durch Strafen die Neigung des Volkes nicht gewinne, sondern es nur „zu hartnäckigerem Widerstande“ auffordere. „Die Regierung sollte vielmehr den Bewohnern von Constanz recht viel Gutes erweisen, damit sie Ursache hätten, sich ihrer Opposition gegen dieselbe zu schämen.“264 Auch in dieser Darlegung kommt Stephans soziale Einstellung in ihrer ganzen Zwiespältigkeit zum Ausdruck. Zwar stand er mit seiner Einschätzung deutlich gegen ein System der Restriktionen, aber das idealische und sicher auch etwas weltfremde Denken, den renitenten Untertanen nur Gutes zu erweisen, wurde wiederum zum Mittel der moralischen Unterdrückung. Es ging nicht darum, die Opposition ernst zu nehmen und durch Abhilfemaßnahmen für sich zu gewinnen bzw. auf sie zuzugehen, sondern die nicht zu hinterfragende Stellung der Obrigkeit durch Milde durchzuboxen. Weiter ging die Reise in großer Eile durch Vorarlberg mit der Besichtigung von Fabriken und der Alpenwirtschaft.265 Nach einem kurzen Ausflug nach Hohenschwangau kam Stephan schließlich am 12. September abends erneut in Innsbruck an, bevor er über Schwaz, den Tegernsee und das Zillertal weiterfuhr. Wörgl, Kufstein, Kitzbühel und Tux waren die nächsten Etappen, bis er am 24. September Bozen erreichte266 und am 26. Trient. Von dort ging es wieder in den italienischen Kulturbereich hinein. Ziele waren Pieve di Tesino, Primiero und Cavalese, wo Stephan Einkäufe für seine Mineraliensammlung tätigte.267 Von dort führte die Reise über das Grödener Tal nach Kastelruth, Brixen, Bruneck268 und Cortina d’Ampezzo. Bemerkenswert 264 Anders (1868), S. 124. Ebners Tagebuch schweigt sich über diesen Vorfall aus. 265 Ebner-Tagebuch, S. 122 (9. bis 12. September 1842); Anders (1868), S. 124–125. In Springen (Riefensberg) stellten die Einwohner kein Begrüßungskommando ab. Ebner verschweigt allerdings, ob dies aus Widerstand oder einem anderen Grund geschah; Ebner-Tagebuch, S. 123 (10. September 1842). 266 Bozener Zeitung Nr. 39 (30. September 1842), S. 208. 267 Anders (1868), S. 140. 268 Eine besonders exaltierte Schilderung des Besuchs findet sich in der Wiener Zeitung Nr. 302 (1. November 1842), S. 2247, in der Klagenfurter Zeitung Nr. 88 (2. November 1842), S. 352, und in der kaiserlich-königlichen privilegirten Linzer Zeitung Nr. 175 (3. November 1842), S. 698. In dem Bericht wurde Stephan ausdrücklich als Botschafter des Kaiserhauses dargestellt: „Dank unserm guten Kaiser für eine solche wohltäthige Sendung.“
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sind die immer wieder überlieferten antiklerikalen Äußerungen des Erzherzogs. So mokierte er sich über den „Aberglauben“, als man ihm in Innichen eine Reliquie von der Jakobsleiter zeigte.269 Über Matrei und Spittal an der Drau ging es schließlich zum Küstenland um Triest, auf das er sich schon im Vorfeld sehr gefreut hatte.270 Hier nahm er besonders Handel und Wirtschaft in den Blick, aber auch – wie immer – die Eisenbahnfrage.271 Über Fiume reiste Stephan wieder nach Wien zurück, wo er im November nach achtmonatiger Abwesenheit eintraf.272 Bereits im August 1842 hatte er Erbgroßherzog Carl Alexander von Sachsen-Weimar von seiner Ermüdung geschrieben und davon, dass er Lust zu „stabilem Leben“ habe.273 Diesem konnte er sich fürs Erste widmen, wenn auch der obligatorische Reisebericht zu verfassen war, aus dem dann eine Denkschrift zur Abhilfe von Missständen erwuchs.274 Zur Organisation des Gemeinwesens forderte er eine größere Selbstständigkeit der italienischen Provinzial- und Zentralbehörden, weil bei einer freien Einrichtung die Opposition, die bisher im Verborgenen tätig war, leichter bekämpft werden könne. Die oppositionellen Aktivitäten hielt der Erzherzog für „bedenklich“.275 Diese Haltung zog sich auch durch weitere Punkte seiner Analyse. Dass in den Bistümern Brixen und Trient überverhältnismäßig viele uneheliche Kinder geboren wurden und damit eine Hebung der Moral Raum greifen müsse, stand für ihn außer Frage. Allerdings hielt er die bisherigen Maßregeln wie zum Beispiel Tanzverbote für ungeeignet, weil das Volk deshalb „auf heimlichen, auch unerlaubten Wegen das ihm versagte Vergnügen zu genießen“ versuche. Viel eher sollten Veranstaltungen unter der direkten Aufsicht der Behörden stattfinden, damit moralische Verirrungen gar nicht erst möglich würden. Diese direkte, oft persönliche Aufsicht über die Bevölkerung sowie der lokale oder regionale Blick auf die Staatsverwaltung prägten Stephans Sicht. Das wird auch bei der Einschätzung der Volksstimmung in Tirol greifbar. Die Anhänglichkeit der Menschen an das Kaiserhaus, insbesondere an den Kaiser, waren seiner Einschätzung nach sehr hoch, nicht jedoch gegenüber 269 Anders (1868), S. 147. Über Stephans Aufenthalt in Tirol ist in Adaption des Buches von Anders auch einiges in der I. Beilage des Fremden-Blatts Nr. 248 (29. September 1868) zu lesen. 270 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 a, S. 44–47. 271 Anders (1868), S. 151–160; LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 a, S. 44–47. Dort dürfte ihm auch der Band mit kolorierten Lithographien ÖNB FID 5486 überreicht worden sein: Memorie di un viaggio pittorico nel littorale Austriaco di A. Selb ed A. Tischbein, 1842. 272 Anders (1868), S. 157. 273 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 a, S. 44–47. 274 Ediert bei Anders (1868), S. 359–393. 275 Anders (1868), S. 361.
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der Regierung, die viele Fehler zu verantworten habe.276 Unter diesem Aspekt war es wichtig, um die „gute Volksstimmung“ zu erhalten,277 das Volk in seinen Eigenheiten zu belassen. Die Beibehaltung von Nationaltrachten trug für ihn zur Wahrung des „Nationalgeistes“ bei. Dieser selbst konnte natürlich nicht auf die Gesamtmonarchie bezogen sein, sondern war regional zu verorten. Um diese lokalen Nationalvorstellungen flocht sich dann wieder das Band des patriarchalischen Staatsoberhauptes. Wie komplex und in gewisser Weise widersprüchlich diese Vorstellungen waren, zeigt sich am Beispiel des italienischen Teiles Tirols, in dem es Unabhängigkeitsbestrebungen gab. Mit biologistischer Einschätzung kam Stephan zu dem Schluss, „daß die Natur selbst den Welschtiroler körperlich und geistig anders ausgestattet hat als den Deutschtiroler“.278 Aus diesem Grund riet er dazu, dass die Regierung darauf achte, die Nationalität und die Sitten nicht zu verletzen. Damit folgte er auch Metternichs Vorstellungen, dem ebenfalls an der Förderung der nationalen Eigenarten gelegen war, weil er glaubte, diese damit entpolitisieren zu können.279 Metternich übersah dabei trotz aller Angst vor der Kraft nationalen Denkens, dass diese Vorgehensweise die verschiedenen Bevölkerungsgruppen nicht automatisch genügsam machen musste und die Forderungen nach politischer Eigenständigkeit zumindest nicht verstummen würden.280 Stephans Vorstellungen waren – stärker womöglich als diejenigen Metternichs – von einer positiv konnotierten Vormoderne und von Herder’schen Idealen geprägt, in denen verschiedene nationale und kulturelle Identitäten zusammenleben konnten. Die spaltende Kraft des aufkommenden Nationalismus vermochte diese Vorstellung nicht ganz zu ermessen. Stephan ging davon aus, dass, wenn die Restriktionen gegenüber dem Volk klein gehalten würden, dieses automatisch dem Herrscherhaus geneigt sein werde. Damit verkannte er und verkannten wohl auch diejenigen, die ihm ein solches Bild vermittelt hatten, wie sehr sich die Welt seit dem 18. Jahrhundert verändert hatte. Verschärfend kam hinzu, dass vieles unklar und widersprüchlich blieb. Diesen traditionellen Vorstellungen standen fortschrittliche Ideen im Bereich der Wirtschafts- und Sozialpolitik entgegen. Gegen die verworrenen Eigentumsverhältnisse an Waldungen in Tirol schrieb er an, gegen den Geld erpressenden Klerus vor Ort, einen schlechten Schulunterricht 276 Anders (1868), S. 381. Zu allgemeinen ethnischen und kulturellen Überlegungen in der Habsburgermonarchie in der Mitte des 19. Jahrhunderts vgl. Bellabarba, S. 130–132. 277 Anders (1868), S. 384. 278 Anders (1868), S. 383. 279 Siemann (2016), S. 611–616. 280 Zu Metternich und seinen Vorstellungen von einer „Lega Italica“ vgl. Siemann (2016), S. 614–616; auch Schulze, S. 209–218.
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in Istrien und den üblen Zustand der Krankenhäuser. Auch den prinzipiell positiven Eindruck, den die Landwirtschaft auf ihn machte, relativierte er durch seinen Blick auf die zu große Zersplitterung des Bodenbesitzes in manchen Gegenden, die Missverhältnisse zwischen Wiesen- und Ackerbau, den Mangel an Zugvieh sowie den zu geringen Fortschritt in der Anwendung zweckmäßiger Ackergerätschaften. Immer wieder stellte Stephan einen Maßnahmenkatalog auf, der zur Verbesserung des Wirtschafts- und Sozialwesens beitragen sollte. Auch seine Begeisterung für die Eisenbahn281 und ein grundsätzlicher Zukunftsoptimismus sind in dieser Hinsicht von Bedeutung. Im Gutachten Stephans verbanden sich damit Träumereien, die aus einer längst vergangenen Welt und einem allzu idealistischen Humanismus gespeist waren, aber keinen klaren Standpunkt besaßen, mit fortschrittsoptimistischer Handlungsanweisung. Metternichs Einschätzung, er sei tatendurstig, begabt, unreif, habe „liberale“ Anschauungen, sei aber auch ein Vielredner und Vieltuer, entbehrt daher nicht ihrer Berechtigung.282 Denn Stephans Äußerungen fehlte ein klares Prinzip, das Metternich für jeden Regenten einforderte.283 Ganz im Gegenteil: Stephans Sicht war in vielen Bereichen wohlklingend und gutmeinend, aber auch offen nach allen Seiten. Der Staatskanzler hingegen warnte in einer Zeit, die in Gärung begriffen war, vor Experimenten. Daher ist es nicht verwunderlich, dass die italienische Denkschrift – wie auch die böhmische – unberücksichtigt zur Seite gelegt wurde. Doch war zu diesem Zeitpunkt noch offen, wie sich Stephans Lebensweg gestalten würde. 3.3 Habsburgs Sonderbotschafter in Deutschland Nach seiner Rückkehr verfasste Erzherzog Stephan nicht nur die eben vorgestellte Denkschrift, sondern trat über die Weihnachtsfeiertage wieder in das gesellschaftliche Leben von Buda-Pest und Wien ein,284 wenn auch nicht ohne eine gewisse Melancholie. Er nahm an den Bällen während des Karnevals teil, die er „zur Langweiligkeit animirt“ fand, gab Visiten und wartete persönlich bei Empfängen auf. Jeden Tag sei eine neue Veranstaltung angesetzt, schrieb er nach Weimar, was dazu führe, dass er die Wiener Gesell281 Auch am 22. März 1843 äußert er sich über den Bau eines Eisenbahntunnels von Wien nach Triest von 1800 Wiener Klaftern; LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 a (22. März 1843). 282 Srbik 2 (1925), S. 185; Schlitter (1920); Böhmen, S. 12. 283 HLA HHStAW Best. 130 II Nr. 2123 f (5. Februar 1842). 284 HU MNL OL P 301 (16. und 29. Dezember 1842).
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Abb. 15: Eduard Gustav May: Erzherzog Johann, um 1840–1849 (HLA HStAD Best. R 4 Nr. 22815)
schaft mittlerweile bestens kenne. Auf keiner dürfe er müde erscheinen: am 5. Februar 1843 Ball beim Fürsten Schwarzenberg, am 6. Hofkinderball, am 7. großer Ball beim französischen Botschafter, am 8. Gesellschaft „pique nique“ für die Armen, am 9. großer Hofball für 2000 Personen und am 11. Ball beim Fürsten Esterházy. Die Häufung dieser Veranstaltungen griff ihn an, zumal ihm die Ärzte das Tanzen untersagt hatten. Dem Erbgroßherzog von Sachsen-Weimar gestand er erneut, sich nach Ruhe und einer Festanstellung zu sehnen, weshalb er seine Güter im Nassauischen besuchen und dann auch nach Weimar reisen wolle.285 Neben einer körperlichen Erschöpfung, die ja durch das Tanzverbot der Ärzte belegt ist, und womöglich einer gewissen Koketterie spiegelt sich in dieser Äußerung sicherlich vor allem die Tatsache wider, dass nicht klar war, welchen Weg der Erzherzog nach seiner fundierten und praxisorientierten staatswissenschaftlichen Ausbildung einschlagen sollte. 285 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 a (2. Februar 1843); HU MNL OL P 301 (3. Februar 1843). Vgl. Frankfurter Oberpostamts-Zeitung (10. Januar 1843), S. 145, (8. Februar 1843), S. 367, und (24. Februar 1843), S. 502: Ball in Ofen.
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Metternich stand dem Erzherzog weiterhin skeptisch gegenüber. Allerdings konnte er ihn nicht umgehen, zumal er als geeigneter Kandidat für alle möglichen Aufgaben galt und immer wieder Gerüchte über seine zukünftige Verwendung kursierten. Als Erzherzog Joseph 1842 schwer erkrankt war, kam ins Gespräch, seinen Sohn zum Nachfolger als Palatin zu bestimmen.286 In einer Besprechung mit Metternich neigten auch die anderen Mitglieder der Regierung dieser Variante zu. Allerdings riet Erzherzog Johann, Stephans Onkel, dazu, ihn zum Statthalter (Locumtenens) zu ernennen und dem Land selbst die Wahl eines anderen zum Palatin zu gewähren, wie es von der Verfassung vorgesehen war. Die Ämtertrennung hielt Johann für angeraten, weil die Vertretung des Landesherrn und das Vorstehen der Stände miteinander unvereinbar seien.287 Im Hintergrund einer solchen Argumentation mag gestanden haben, dass Johann seinem Neffen nicht zutraute, die volle Last der Verantwortung zu tragen. Daneben blieb das Gerücht lebendig, Stephan werde seinen Onkel Rainer als Vizekönig von Lombardo-Venetien beerben.288 Diese Überlegungen wurden vom Wiener Beichtvater Columbus noch 1845 sehr befürwortet.289 Wieder andere Gedanken kursierten, er könne größere Reisen unternehmen, nach Neapel, Portugal, Brasilien oder Russland.290 All das aber war nicht dazu angetan, einem sich nach einem Betätigungsfeld sehnenden jungen Mann einen positiven Ausblick zu ermöglichen. Denn aus allen Gerüchten und Vermutungen entwickelte sich nichts Tragfähiges, und dass Stephan im März 1843 sogar auf kaiserlichen Befehl Wien verlassen und zu seinen Eltern nach Ungarn gehen musste, weil Erzherzog Franz Karl an einer Nervenkrankheit erkrankt war, von der man Bezüge zur Todesursache der Erzherzogin Hermine ein Jahr zuvor herstellte, musste er als erneuten Aufschub auf seinem Karriereweg betrachten.291 Erzherzog Stephan blieb vorerst ausgeschaltet und in einer unbefriedigenden Warteposition gefangen, an der sich auch nichts änderte, als endlich die Entscheidung fiel, ihn erneut auf Reisen zu schicken. Diesmal sollte es durch Deutschland gehen. Ende Mai 1843 brach Erzherzog Stephan, nachdem er zuvor zusammen mit seinem Vater die Abschiedsvisite in Wien gegeben und „schlechten Hofchampagner“ getrunken hatte, wie er blasiert bekannte,292 in Begleitung des
286 Reinöhl, S. 216. 287 Reinöhl, S. 217. 288 Passavia. Zeitung für Niederbayern (28. April 1843), S. 480. 289 Kovács (1971), S. 82. 290 Frankfurter Oberpostamts-Zeitung (3. März 1843), S. 546. 291 Frankfurter Oberpostamts-Zeitung (11. März 1843), S. 612. 292 HU MNL OL P 301 (29. Mai 1843).
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k. k. Kämmerers Hauptmann Gustav Graf von Breda293 und des k. k. Kämmerers Graf Philipp Joseph Rudolf von Stadion294 sowie mit einem großen Tross an Personal mit dem Dampfboot „Pesth“ in Ofen auf.295 In der Zeitung war sogar von sieben Wagen die Rede.296 Graf Breda war ihm mittlerweile anstatt des Freiherrn von Anders, der als Ajo zu Stephans Halbbruder Joseph gewechselt war,297 zugeteilt worden. Anders, so schrieb Stephan selbst, sollte seinen Bruder „in die Ordnung bringen“,298 was wohl auch als Skepsis gegenüber den Erziehungsmethoden der Stiefmutter zu werten ist. Die Fahrt nach Deutschland bekam den Charakter eines offiziellen Staatsbesuches, nicht zuletzt intensiv begleitet von Metternichs „Oesterreichischem Beobachter“, so dass der Staatskanzler hier nicht als Behinderer bezeichnet werden kann, vielmehr ließ er die Steigerung der Popularität zumindest zu, wenn er sie nicht gar gefördert sehen wollte.299 Nicht gedacht war sie jedoch zur Eheanbahnung. Stephan erhielt die ausdrückliche Weisung, sich an keinem der Höfe mit einer Prinzessin einzulassen. Obwohl ihm die eine oder andere, wie er später bekannte, gefallen hätte, folgte er dieser Weisung strikt.300 Erste Station außerhalb der Donaumonarchie war am 4. Juni München,301 wo ihn der Kunsthistoriker Sulpiz Boisserée sah: „ein angenehmer schlanker lebendiger Herr, dem die dunklen Augen und Haare zu der übrigens nicht zu starken österreichischen Familien-Ähnlichkeit recht gut stehen.“302 Aus diesen Worten, die so oder so ähnlich immer wieder einmal in Urteilen der Zeitgenossen vorkommen, spricht eine Diskrepanz zwischen dem erwarteten habsburgischen Stereotyp und dem „realen“ Erzherzog, wie sie auch sonst 293 Hof- und Staatshandbuch des österreichischen Kaiserthums 1844, S. 169. Im Gothaischen Genealogischen Taschenbuch der Gräflichen Häuser 1911, S. 149–150, nicht aufgeführt. 294 Gothaischer genealogischer Hof-Kalender auf das Jahr 1844, S. 251: „Hofrath ad latus mit der Dienstleistung bei S. k. k. H. dem Erzherzog Stephan“. 295 Vereinigte Ofen-Pesther-Zeitung Nr. 44 (1. Juni 1843), S. 515; HLA HStAD Best. G 1 Nr. 181/4 (28. Mai 1843); HLA HStAD Best. D 23 Nr. 24/4 (30. Juni 1843). Zu späterem Zeitpunkt ist von einem Sekretär, einem Zahlmeister, einem Kanzlisten, zwei Kammerdienern, vier Lakaien sowie einem Wagenmeister in fünf Wagen mit dreizehn Postpferden Bespannung zu lesen; LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv Hofmarschallamt Fourierbuch Nr. 4610 (12. September 1843). 296 Wiener Zeitung Nr. 178 (30. Juni 1843), S. 1372. 297 Reinöhl, S. 216. 298 HU MNL OL P 301 (29. Mai 1843). 299 Reisen verfolgten häufig den Zweck, den Reisenden bekannt zu machen; Müller (2019), Thronfolger, S. 161 und S. 275–276. 300 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 a (5. März 1846). 301 Wiener Zeitung Nr. 159 (10. Juni 1843), S. 1229. 302 Boisserée, S. 1000 (7. Juni 1843). Der französische Gesandte schrieb ein halbes Jahr später, Stephan habe in München „gefallen“; Chroust (1936), S. 47 (24. Februar 1844).
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aus den Erwähnungen des guten Aussehens zu entnehmen ist.303 Diese Abweichung vom Stereotyp machte es leichter, dem jungen Mann auch charakterlich oder politisch eine als positiv wahrgenommene Devianz oder gar ein Charisma zuzuschreiben. Angesichts des wenig attraktiven Erscheinungsbildes vieler Habsburger dieser Zeit und ihres wenig „öffentlichkeitswirksamen“ Auftretens konnte das für Stephan grundsätzlich nicht als besondere Auszeichnung gewertet werden, wurde es aber trotzdem gerade deshalb. Alexandrine von Mecklenburg-Schwerin gestand sogar, ihn wegen seiner Schönheit „leider“ „unbefangen betrachtet“ zu haben.304 In der bayerischen Residenzstadt hatte Stephan das Ziel vor Augen, die Eheschließung zwischen der bayerischen Prinzessin Hildegard und Erzherzog Albrecht in die Wege zu leiten. Denn es ging das Gerücht, dass der Erbgroßherzog von Baden mit Hildegard verheiratet werden sollte, auch wenn dieser noch gar nicht ans Heiraten dachte. Stephan verfolgte den Prinzen, so bekannte er, „wie ein böser Geist“ und musste durch seine Nachforschungen erkennen, dass die Gefahr einer Vermählung Hildegards nach Karlsruhe durchaus greifbar war.305 Von München ging Stephans Reise am 12. Juni mit der Eisenbahn nach Augsburg weiter.306 Am 16. Juni kam er in Stuttgart an,307 wo er – wie im Jahr zuvor – auch mit seiner Stiefgroßmutter Henriette zusammentraf und – fast obligatorisch für alle Stationen – mit einem Orden beehrt wurde. In Stuttgart blieb er für sechs Tage und reiste dann über Wildbad, damit er
303 Eine Zusammenstellung gibt Strohmayer, wenn auch letztlich unter sehr fragwürdigen Vorzeichen, S. 249–252; neuere Forschungen durch Vilas u. a. (2019). 304 LHAS 5.2-4/1-2 Nr. 73 (8. Juli 1845); Telesko (2006), S. 81. Zum Aussehen auch Illustrirte Zeitung Nr. 55 (20. Juli 1844), S. 36: „eine jener Physiognomien, in welchen das Gleichgewicht des Geistes und Herzens mit so unwiderstehlichem Zauber wirkt, so ganz geeignet, Ehrfurcht, Liebe und Zutrauen des Volkes im gleichen Maße zu erwecken“; Mailáth 5, S. 387: „Er war in seinem Streben nach Popularität durch Verstand, lebhaften Geist, Witz und gefälliges Äussre sehr glücklich“. Das Erscheinungsbild der Habsburgermonarchie schildert Telesko als vermeintlich hausväterlich und volksnah. Das beschränkte sich auf die Bildpropaganda um Kaiser Franz I. Bei Kaiser Ferdinand I. versagte diese Bildmächtigkeit, ebenso bei vielen Erzherzögen, auf die Telesko nicht eingeht. Als Identifikationsfigur, weil Ausnahmeerscheinung, wurde auch Erzherzog Johann angesehen. Man beachte nur, dass der oppositionelle Schriftsteller Anastasius Grün sich 1835 nach einem Bild Erzherzog Johanns von 1808 porträtieren ließ; Telesko (2006), S. 80–82. 305 HU MNL OL P 301 (12. Juni 1843). Amalie von Griechenland hätte gerne Stephan selbst mit Hildegard vermählt, obwohl sie unsicher war, ob beide Charaktere miteinander harmonierten; HLA HStAD Best. Best. D 4 Nr. 779/7 (28. August 1843). 306 Linzer Zeitung Nr. 96 (16. Juni 1843), S. 383; Klagenfurter Zeitung Nr. 51 (25. Juni 1843), S. 203. 307 Wiener Zeitung Nr. 170 (22. Juni 1843), S. 1308.
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dort der Königin von Württemberg seine Aufwartung machen konnte.308 Anschließend besuchte er Baden-Baden, das er als „sehr freundlich“ empfand,309 und Karlsruhe. Die Residenzstadt erreichte er am 24. Juni aus Rastatt kommend.310 In ihr erfolgten Besuche im Schloss und im Großherzoglichen Palais, eines katholischen Gottesdienstes, der großherzoglichen Galatafel sowie der Oper „Fernando Cortez“ von Spontini.311 Am 28. Juni reiste er wieder ab. Der Weg ging über Landau und Germersheim nach Speyer, wo er übernachtete, um schließlich nach Mannheim und Heidelberg weiterzureisen.312 In Heidelberg stand für ihn ein von Terminen gut angefüllter Nachmittag auf dem Programm. Zusammen mit dem zum Mannheimer Gelehrtenkreis um Großherzoginwitwe Stéphanie gehörenden Prinzen Bernhard von Sachsen-Weimar,313 einem Onkel seines Freundes Carl Alexander, besuchte er den botanischen Garten, durch den er vom Prorektor der Universität und vom Garteninspektor geführt wurde. Anschließend besichtigte Stephan das Lokal des landwirtschaftlichen Vereins, die anatomischen Sammlungen der Universität, die Schlossruine mit Garten, die Universitätsgebäude sowie die Universitätsbibliothek. Auch die Mineraliensammlung des Geheimen Rates von Leonhard, mit dem er Bekanntschaft machte und mit dem ihn fortan eine Freundschaft verband, stand auf dem Programm. Drei Jahre später stattete Leonhard zusammen mit seinem Sohn dann Stephan einen Gegenbesuch ab, was einen kontinuierlichen Kontakt bezeugt. Stephans Verwandter, Erzherzog Karl Ferdinand, urteilte sehr negativ über den Mineralogen: „ein mir eckliger Kerl, unglücklicher Spaßmacher und stets bloß von sich redend. Il est géognotte [wohl: génant/lästig], und seine Lieblingsbeschäftigung ist das Theaterspielen, wobei er sich selbst eminentes génie nennt.“314 Stephan allerdings muss der Kontakt zu Leonhard gefallen haben, womöglich auch, weil beide das große Interesse an der Mineralogie vereinte.
308 Wiener Zeitung Nr. 177 (29. Juni 1843), S. 1367. 309 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 a (17. August 1843). 310 Oesterreichischer Beobachter Nr. 183 (2. Juli 1843), S. 720; Karlsruher Zeitung Nr. 170 (25. Juni 1843), S. 905; Die Reiseplanung ist nachzulesen in HU MNL OL P 301 (29. Mai 1843), dort aber mit abweichenden Daten. 311 Oesterreichischer Beobachter Nr. 185 (4. Juli 1843), S. 728. 312 Oesterreichischer Beobachter Nr. 186 (5. Juli 1843), S. 732; Karlsruher Zeitung Nr. 173 (28. Juni 1843), S. 921. 313 Prinz Bernhard besuchte ihn 1852 auch auf der Schaumburg; StA Diez Sch 55/Sch 332 (18. November 1852). 314 HLA HHStAW Best. 130 II Nr. 3308 (20. August 1846), fol. 24. Bei ÖNB Autogr. 55/33-16 (16. Dezember 1843) handelt es sich womöglich um einen Brief an Leonhard.
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Nach einem Essen im Heidelberger Gasthaus „Prinz Karl“ reiste Stephan noch abends weiter nach Darmstadt.315 Die „Karlsruher Zeitung“ würdige den Besuch in Heidelberg als Beweis „der dem ganzen österreichischen Kaiserhause eigenen Leutseligkeit und Güte, so wie einer ausgebreiteten und gründlichen Bildung, eines scharfen Blickes und einer warmen Theilnahme an allen edlen Bestrebungen der Wissenschaft und Kunst“. Im Gegensatz zu anderen Darstellungen wurde Stephan hier also in das vor allem unter Kaiser Franz I. herrschende leutselige Stereotyp eines Habsburgers integriert.316 Es ist nicht verwunderlich, dass der „Oesterreichische Beobachter“ – die offizielle Wiener Tageszeitung – diese Würdigung in seiner Ausgabe übernahm.317 Am 30. Juni 1843 kam der Erzherzog in Darmstadt an und wohnte der großherzoglichen Tafel bei.318 Er traf dort auch Waldemar von Preußen wieder.319 Einige Tage blieb er vor Ort, wie der Eintrag im Freundschaftsalbum der Marianne von Preußen vom 2. Juli belegt.320 Auf Marianne machte er dabei einen gehörigen Eindruck. Er sehe seiner Mutter sehr ähnlich, stellte sie fest, sei „sehr gescheit. Kenntnisreich! Gebildet in jeder Beziehung“ und mit einem soliden, schlichten geraden Wesen ausgestattet. Sein Vater, Erzherzog Joseph, sei „sein Idol“, er bilde sich aber politisch sehr viel auf seine guten Kontakte zu Metternich ein. Das deckte sich auch mit Äußerungen des jungen Erzherzogs gegenüber dem Staatskanzler, in denen er bekundete, stolz darauf zu sein, seinen „weitausstehenden politischen Ansichten 315 Oesterreichischer Beobachter Nr. 189 (8. Juli 1843), S. 744. 316 Karlsruher Zeitung Nr. 177 (2. Juli 1843), S. 947. Stephan nutzte das bewusst aus. Als er die Anfertigung eines Porträts 1847 nicht bezahlen wollte, erklärte er, dass er sich mit der Übernahme der Kosten bedeckt halte, um, falls er doch nicht darum herumkomme, „den Großmüthigen nolens volens zu machen“; OeStA HLA HHStAW SB Coronini-Cronberg 4-7 (28. Dezember 1847). Die Leutseligkeit Stephans war auch Grund zur Würdigung bei seinem Besuch in Hannover; Der Adler Nr. 217/218 (16. September 1843), S. 393. Zur Leutseligkeit auch Krünitz 115 (1810), S. 119–120: „Noch hat es [der Begriff des Populären] in neuern Zeit den Begriff des Herablassenden, Leutseligen bekommen, besonders wenn von Männern in angesehenen Aemtern die Rede ist, die sich dem großen Haufen gefällig machen.“ Auch Telesko (2006), S. 75–76. Trotz dieser begrifflichen Überschneidung sollte die Leutseligkeit nicht mit der Popularität verwechselt werden: Erstere zeigte eine gewisse herablassende Volksnähe, Letztere maß der Meinung des Volkes den zentralen Wert bei. Zur vorgeblichen Leutseligkeit der Mitglieder des Erzhauses auch HLA HStAD Best. D 25 Nr. 1/3 (13./25. März 1846). Karl Kraus sollte diese Leutseligkeit später als einen „elastischen Schritt“ bezeichnen, als eine „Karriere nach unten“, und die damit begabten Erzherzöge als „Grüßer“ disqualifizieren; Kraus, S. 176. 317 Oesterreichischer Beobachter Nr. 189 (8. Juli 1843), S. 744. 318 Nürnberger Kurier Nr. 185 (4. Juli 1843), o. S. 319 HLA HStAD Best. D 23 Nr. 24/4 (3. Juli 1843). 320 HLA HStAD Best. D 4 Nr. 779/9 (2. Juli 1843).
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einigermaßen nachzukommen“.321 Doch bemängelte Marianne seinen sehr ausgeprägten Ehrgeiz, in allem brillieren zu wollen, „sogar beim Spielen“.322 Prinz Karl von Hessen würdigte ihn als „höchst artig und zuvorkommend“, auch hübscher als sechs Jahre zuvor, aber auch als redselig und „etwas eingenommen von sich“.323 In Darmstadt nutzte er die verwandtschaftlichen Beziehungen der Großherzogin Mathilde zum bayerischen Königshaus, um die Grüße Albrechts auszurichten und ein gutes Wort für ihn einzulegen. Dass die Großherzogin inkognito im Beisein Stephans bei Veranstaltungen anwesend war, spricht für eine bewusst informell gehaltene Gesprächsführung.324 Aber die Taktik war erfolgreich. Stephan konnte daher nach Wien schreiben, die Heiratschancen für seinen Cousin stünden mittlerweile sehr gut und ein „Sieg“ sei sogar wahrscheinlich.325 Von Darmstadt aus ging der Weg direkt nach Biebrich am Rhein, um seinen Verwandten und guten Bekannten, Herzog Adolph von Nassau, zu besuchen. Dabei nutzte Stephan Biebrich auch, um von dort aus Ausflüge in die Umgebung zu unternehmen. Am 6. Juli machte er einen Abstecher zur Bundesfestung Mainz, wo er soldatischen Revuen beiwohnte und die Festungsanlagen besichtigte.326 Prinz Wilhelm von Preußen, den er ja von früher her kannte, war zu diesem Zeitpunkt allerdings nicht mehr Kommandant, sondern Landgraf Philipp August Friedrich von Hessen-Homburg, der Bruder von Wilhelms Ehefrau Marianne.327 Zwei Tage später fuhr Stephan von Biebrich aus weiter nach Frankfurt. Dort nahm er – neben Besuchen im Waisenhaus und im Heiliggeistspital – die Honneurs entgegen und gab im Russischen Hof ein Diner für Honoratioren und Mitglieder des Bundestags – ein deutliches Zeichen seiner offiziellen Mission.328 Mit dem Bundespräsidialgesandten, Graf von Münch-Bellinghausen, fuhr er anschließend weiter nach Aschaffenburg, um dem König von Bayern seine Aufwartung zu machen.329 Dort traf er erneut Großherzogin Mathilde von Hessen und bei Rhein, die viel mit ihm über Erzherzog Albrecht sprach. Das galt ihm als 321 NA Prag Fond MRA AC-1 18-A (30. November 1842). 322 HLA HStAD Best. D 22 Nr. 33/25, fol. 168v (4. Juli 1843). 323 HLA HStAD Best. D 23 Nr. 24/4 (30. Juni 1843 und 3. Juli 1843). 324 HLA HStAD Best. D 23 Nr. 24/4 (30. Juni 1843). 325 HU MNL OL P 301 (8. Juli 1843). 326 Linzer Zeitung Nr. 112 (14. Juli 1843), S. 447. 327 Franz, S. 423–424. 328 Wiener Zeitung Nr. 192 (14. Juli 1843) S. 1479; Oesterreichischer Beobachter Nr. 196 (15. Juli 1843), S. 771. 329 Nürnberger Kurier Nr. 191 (10. Juli 1843), o. S.; Oesterreichischer Beobachter Nr. 196 (15. Juli 1843), S. 771. Im Nürnberger Kurier ist auch vermerkt, Herzog Adolph von Nassau und sein Bruder Moritz hätten Stephan nach Aschaffenburg begleitet; Nürnberger Kurier Nr. 193 (12. Juli 1843), o. S.
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gutes Zeichen für die Eheanbahnung. Einen Brief an Albrecht ließ Stephan durch Herzog Adolph von Nassau überbringen, auch wenn dieser nichts von dessen Inhalt ahnte. Die Kaiserinmutter in Wien, eine gebürtige Prinzessin von Bayern, sollte damit in die Heiratsverhandlungen eingebunden werden.330 Anschließend dürfte Erzherzog Stephan über Biebrich nach Schloss Johannisberg im Rheingau gereist sein, denn Fürst Metternich hatte sein Schloss für ihn herrichten lassen.331 Sollte dieser Aufenthalt zustande gekommen sein, kann er nicht von langer Dauer gewesen sein, da zu lesen ist, Stephan sei nur für zwei Tage am Rhein gewesen.332 Die Reise ging bis hinauf nach Koblenz bzw. Ehrenbreitstein333 und von dort auf die Schaumburg, wo bereits am 19. Januar 1841 Stephans Großmutter Amalie verstorben war. Das Erbe an Mobiliar, verzinslich angelegten Kapitalien sowie Eisengruben war unter den Kindern bzw. deren Nachkommen zu fünf Teilen aufgeteilt worden.334 Die Standesherrschaft und das Schloss selbst waren dem ältesten Enkel, und damit Stephan, zugefallen. Die Verwaltung hatte zunächst Erzherzog Joseph übernommen, so dass seine Kinder Hermine und Stephan nicht von ihrer Ausbildung abgehalten worden waren. Jetzt sah Stephan die Schaumburg zum ersten Mal verwaist. Wie lange er sich dort aufhielt, ist unbekannt. Er reiste schließlich wieder lahnabwärts nach Bad Ems und stieg unter dem Inkognito des Grafen von Zilly zusammen mit Graf Stadion und Graf Breda sowie zehn Personen Gefolge im Kurhaus ab.335 Ein böhmisches Musikkorps, das sich alljährlich in der Kurstadt aufhielt, brachte ihm trotz des Pseudonyms ein Ständchen, was erneut das Offizielle dieses Deutschlandbesuches unterstreicht. Er fungierte als Werber für Österreichs Sache in Deutschland. Nach wenigen Tagen in Bad Ems fuhr der Erzherzog mit seinem Gefolge den Rhein hinab nach Köln, dann nach Düsseldorf, Elberfeld und Kassel, wo er sogar eine Ehrenwache vor seiner Unterkunft zur Verfügung gestellt bekam.336 Nach 330 HU MNL OL P 301 (8. Juli 1843). 331 Kais. Königl. Schlesisch-Troppauer Zeitung Nr. 51 (26. Juni 1843), S. 588; Wiener Zeitung Nr. 192 (14. Juli 1843), S. 1479. Stephan selbst schrieb nur, dass er von Biebrich auf die Schaumburg reisen wolle; HU MNL OL P 301 (8. Juli 1843). 332 The Dublin University Magazine XXII (1843), S. 336. 333 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 a (17. August 1843). 334 HLA HHStAW Best. 221 Nr. 723/17. 335 HLA HHStAW Best. 251 Nr. 21 (20. Juli 1843); Wiener Zeitung Nr. 205 (27. Juli 1843), S. 1571; Linzer Zeitung Nr. 61 (31. Juli 1843), S. 483. Mit dem 10. Juli 1843 ist ein Schreiben Stephans nach Hannover aus Laurenburg in seiner Standesherrschaft datiert; NLA Hannover Dep. 103 II Nr. 97/39. 336 Der Adler Nr. 185 (9. August 1843), S. 766.
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einem Besuch auf der Wilhelmshöhe fuhr er schließlich nach Bad Pyrmont zur Waldeckischen Verwandtschaft und nach Hannover weiter und blieb dort – wohl wegen der Abwesenheit des Königs – nur vom 2. bis zum 4. August.337 Es ging der Weg zu den Verwandten nach Oldenburg, um dort eine „schöne Zeit“ zu verleben.338 Dieser Besuch wurde vermutlich als privat eingestuft. Denn – ähnlich wie über den Aufenthalt auf Schloss Johannisberg oder in Pyrmont – finden sich hierüber keine offiziellen Meldungen in den Zeitungen. Über Bremen ging die Fahrt schließlich nach Hamburg weiter, wo er sich die im Jahr zuvor durch den Großbrand verwüstete Stadt und die Wiederaufbauarbeiten ansah.339 Es stand eine umfassende Besichtigung der Stadt mit Hafen, Börse, Bibliotheken, Kaufläden und dem Rauhen Haus sowie mit Theaterbesuchen an. „Der junge geist- und gemüthvolle Prinz“, hieß es schließlich in der Presse, „hat durch seine eigenthümliche Liebenswürdigkeit alle Herzen gewonnen, so wie besonders durch seine auffallende und tiefe Kenntnisse in den verschiedensten Administrationsbranchen selbst bei den Männern vom Fach, mit denen er in Berührung kam, die aufrichtigste Bewunderung dauernd erworben.“340 Damit war im offiziellen österreichischen Presseorgan „Oesterreichischer Beobachter“ das Zeugnis über Stephans Qualifikation ausgesprochen. Durch all die offiziösen Absichten klingt aber mit dem Hinweis auf das Geist- und Gemütvolle und die „eigenthümliche“ Liebenswürdigkeit eine Charakterisierung an, die wiederum auf habsburgische Stereotype rekurrierte. Auch das „Zeitschriftliche Organ für magyarische Interessen für Kunst, Literatur, Theater und Mode“, das Hermann Klein unter dem Titel „Der Ungar“ herausgab, würdigte Erzherzog Stephan. Er lege das „gesellige Talent und die herzgewinnende Umgangsweise seines Volksstammes“ an den Tag. Die Österreicher seien im Ausland durch „ihre gemüthliche Anspruchslosigkeit, durch ihre natürliche Lebenslust und ihren feinen Takt“ bekannt, und Stephan zeichne sich zusätzlich durch eine „freundliche und leutselige Persönlichkeit“ aus.341 Die Reise wurde also in der Presse als Mission eines Sonderbotschafters österreichischer Belange vermarktet. Damit wurde aber 337 Wiener Zeitung Nr. 62 (4. August 1843), S. 495; Wiener Zeitung Nr. 213 (4. August 1843), S. 1628; Grätzer Zeitung Nr. 127 (10. August 1843), o. S.; Wiener Zeitung Nr. 221 (12. August 1843), S. 1683; Wiener Zeitung Nr. 220 (11. August 1843), S. 1675; Wiener Zeitung Nr. 221 (12. August 1843), S. 1683. 338 NLA Oldenburg Dep. 50 Best. 6 F Nr. 134 (13. August 1843). 339 Oesterreichischer Beobachter Nr. 232 (20. August 1843), S. 916. 340 Oesterreichischer Beobachter Nr. 232 (20. August 1843), S. 916. Auch publiziert bei Medau (1843), S. 318. 341 Der Ungar Nr. 194 (22. August 1843), S. 868. Ebenfalls publiziert bei Medau (1843), S. 318.
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auch die Eignung des jungen Erzherzogs für Staatsämter untermauert. Gerade der Druck aus Ungarn, der mittels geschickter „Vermarktung“342 seines Sohnes durch Erzherzog Joseph entstanden war, brachte den jungen Mann in eine Position, die nicht zu umgehen war. Dass gerade ein magyarisches Organ wie die Zeitung „Der Ungar“ sich für ihn stark machte, hatte klare politische Implikationen. Nach seinem Aufenthalt in Hamburg erreichte Stephan am 12. August Berlin, wo ihm Königin Elisabeth, eine bayerische Prinzessin, mitteilen konnte, dass Prinzessin Hildegard den Heiratsantrag Albrechts angenommen hatte.343 Eines der selbstgesteckten Ziele Stephans auf seiner Deutschlandreise war damit erfüllt, und der Erzherzog empfahl sich als „Brautfahrer“ Hildegards, sprich: Er wollte Albrecht zur Trauung nach München begleiten. Er hoffte diese Gunst durch seine Liebesdienste verdient zu haben. In Berlin bot sich Stephan darüber hinaus auch die Gelegenheit, seine besondere Begabung und Fähigkeit unter Beweis zu stellen. Denn er war zugegen, als am späten Abend des 18. August das Opernhaus unter den Linden abbrannte.344 Dass er zusammen mit den preußischen Prinzen Wilhelm, Waldemar und Albrecht sowie August von Württemberg herbeigeeilt kam, um die Bemühungen des Prinzen Wilhelm von Preußen sowie der Militär- und Polizeibehörden zu unterstützen, wurde ihm in der Presse hoch angerechnet. Der „Oesterreichische Beobachter“ hielt fest, dass sich gerade Stephan besonders um die Brandbekämpfung bemüht habe, und „Der Ungar“ steigerte dies noch mit der Bemerkung, er sei „ohne Begleitung herbeigeeilt“, was dem besonderen und selbstlosen Engagement Ausdruck verleihen sollte.345 Die „Illustrirte Zeitung“ schrieb ihm freilich nur die Rolle zu, mit den anderen anwesenden Prinzen „auf die Erhaltung der Ordnung“ eingewirkt zu haben.346 Die österreichische und ungarische Presse nutzte das Ereignis also ganz bewusst, um Stephan als aktiven Retter – nach dem Vorbild der Hochwasserkatastrophe von 1838 – in der Öffentlichkeit zu präsen342 Über traditionelle Repräsentationsmöglichkeiten hinausgreifende Maßnahmen zur Verbreitung eines Images der Dynastie können als Frühform des Marketings gesehen werden. In der (kritischen) Publizistik des frühen 20. Jahrhunderts waren Mitglieder der Dynastien dann tatsächlich zu royalen Produkten geworden; Müller (2019), Thronfolger, S. 246. 343 HU MNL OL P 301 (15. August 1843); Grätzer Zeitung Nr. 133 (21. August 1843); Oesterreichischer Beobachter Nr. 230 (18. August 1843), S. 906. 344 Rösler, S. 119; Dino (1909), S. 133; Hollender, S. 33–39; Börner, S. 242–243. 345 Oesterreichischer Beobachter Nr. 237 (25. August 1843), S. 934; Der Ungar Nr. 202 (31. August 1843), S. 9167. Auch Dino (o. J.), S. 306 (21. August 1843). Vergleichbar wurde auch der Einsatz des Prinzen Wilhelm von Preußen gewürdigt, der sich sehr dafür eingesetzt habe, dass die benachbarte Bibliothek keinen Schaden nahm, und den Schutz seines eigenen Palais dafür hintanstellte; Hollender, S. 37. 346 Illustrirte Zeitung Nr. 12 (16. September 1843), S. 178.
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tieren. Selbst wenn Stephan sein Auftreten nicht als symbolische Handlung verstanden hatte, mit der er seine charakterliche Fähigkeit unter Beweis stellen konnte – die Presse machte es dazu. Ansonsten nutzte Stephan die Zeit, seinen Freund Waldemar von Preußen wiederzusehen und die Bekanntschaft mit der Schwester seines Freundes Carl Alexander von Sachsen-Weimar, Augusta von Preußen, zu machen. Sie gab ihm ein Diner mit achtzehn Personen, „groß genug, um Ansprache zu halten, und klein genug, um nicht genant zu seyn“.347 Viel gelacht habe er mit ihr und gespielt, gab er weiter. Und er musste schließlich bekennen, dass Deutschland auf ihn einen gehörigen Eindruck mache. „Je mehr man durchs Deutschland kömmt, desto mehr ist man froh, ein Deutscher zu sein“, schrieb er an Carl Alexander nach Weimar.348 Waren solche Äußerungen Plattitüden? Waren es Bemerkungen, die sich in einem bestimmten Kontext schlichtweg anboten? Angesichts der diffusen Äußerungen Stephans wird dies nicht leicht zu beantworten sein. Eine deutschnationale Sicht war dem Erzherzog gewiss fremd, allerdings besaß er, im Gegensatz zu anderen Vertretern der österreichischen Politik, immer noch den sehr ausgeprägten Bezug zur deutschen Sprach- und Kulturnation, was schlichtweg seiner Herkunft geschuldet war. Eine Unpässlichkeit in Berlin, die verhinderte, dass er an der Eröffnung der Stettiner Eisenbahn teilnehmen konnte, soll der Vollständigkeit halber noch erwähnt werden.349 Nach längerem Aufenthalt in Berlin und Potsdam kehrte Stephan am 25. August nach Hannover zurück, weil der König in seiner Residenzstadt angekommen war.350 Dort sollte Stephan ein Orden verliehen werden, was bei seinem ersten Besuch an der Leine nicht möglich gewesen war.351 Die Anhalter Verwandtschaft scheint Stephan somit umgangen zu haben.352 347 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 a (17. August 1843). Zu Waldemar, der von 1845 bis 1846 eine Reise durch Indien und Nepal unternahm, scheint der Kontakt in späterer Zeit abgebrochen zu sein. Waldemar starb bereits 1849 in Münster; vgl. Donner, S. 168; Gregorovius, S. 348. 348 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 a (17. August 1843). 349 Klagenfurter Zeitung Nr. 69 (27. August 1843), S. 276; Allgemeine Zeitung München Nr. 231 (19. August 1843), S. 1848. 350 GStA PK BPH Rep. 50 J Nr. 935 (o. D.). Zu Hannover, wo er einen „wahrhaft wissenschaftlichen Sinn“ bei der Besichtigung öffentlicher Einrichtungen gezeigt haben soll, vgl. Der Adler Nr. 217/218 (16. September 1843), S. 393. 351 Klagenfurter Zeitung Nr. 71 (3. September 1843), S. 284; LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 (1. September 1843 und 3. September 1843). Das Abschiedsschreiben an König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen stammt vom 21. August 1843; GStA PK BPH Rep. 50 J Nr. 935. 352 Im Reiseentwurf vom 3. August 1843 ist ein Besuch in Anhalt zwischen den Stationen
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Am 6. September 1843 kam er in Dresden an. Vier Tage später gab ihm König Friedrich August II. von Sachsen zusammen mit dem Kronprinzen Oskar I. von Schweden in Pillnitz eine große Tafel.353 Zu diesem Zeitpunkt ging noch das Gerücht, Stephan werde anschließend wieder nach Berlin zurückkehren, um dort dem Zaren seine Aufwartung zu machen. Dies zerschlug sich allerdings, wie noch darzulegen sein wird. Stattdessen ging die Reise über Leipzig nach Weimar, wo er am 12. September morgens um sechs Uhr ankam, was alle sehr überraschte, weil sich die großherzogliche Familie wegen des Zarenbesuchs in Berlin befand.354 Da sich Stephan nicht wohlfühlte, begab er sich nach der Ankunft gleich zu Bett und lehnte auch die angebotene sachsen-weimarische Dienerschaft ab. Die Krankheit erwies sich als ziemlich ernst („Affektion und Gesichtsschmerzen“),355 so dass ein Arzt geholt wurde, der ihm Medikamente und wegen der Verstopfung ein Klistier verabreichte. Doch war Stephan trotzdem nicht in der Lage, das Bett zu verlassen. Laut Eintrag im Fourierbuch handelte es sich um „rheumatisches Fieber“, die Zeitung sprach irrigerweise von den Masern.356 Das Gerücht kursierte, Stephan habe in Weimar die Krankheit vorschützen müssen, um zu verhindern, in Berlin auf den Zaren und seine Familie zu treffen.357 Jede Handlung Stephans auf seiner Reise war also politisch aufgeladen. Die ersten Besuche in Weimar musste in seinem Namen Graf Breda absolvieren. Erst am 19. September, also sieben Tage nach der Ankunft, war es dem Gast möglich, den Erbgroßherzog Carl Alexander auf Schloss Belvedere zu besuchen. Eine Einladung zum Diner musste er allerdings immer noch ablehnen.358 Am nächsten Tag, dem 20. September, besuchte er den Großherzog und nahm an der großherzoglichen Tafel teil, so dass die über mehrere Briefe hinweg herbeigesehnte Auffrischung und Vertiefung der Freundschaft mit dem Erbgroßherzog und der Erbgroßherzogin Sophie, für Berlin und Magdeburg noch vorgesehen. Vermutlich wurde dieser durch den zweimaligen Besuch in Hannover verhindert; Walter (1956), S. 250. 353 Wiener Zeitung Nr. 149 (18. September 1843), S. 595; SächsStA HStAD loc. 10006 Oberhofmarschallamt Nr. F 48, S. 530. 354 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 a (7. September 1843); LATh HStA Weimar Hofmarschallamt Fourierbuch Nr. 4610 (12. September 1843 und 13. September 1843); Nürnberger Kurier Nr. 257 (14. September 1843), o. S. 355 HU MNL OL P 301 (13. September 1843). 356 LATh HStA Weimar Hofmarschallamt Fourierbuch Nr. 4610 (14. September 1843); Wiener Zeitung Nr. 153 (25. September 1843), S. 611. Die Masern bekam der Erzherzog nachweislich erst später. 357 LA BW HStAS E 50/2 Bü 174 (27. Februar 1844), Bericht des württembergischen Gesandten von Linden. 358 LATh HStA Weimar Hofmarschallamt Fourierbuch Nr. 4610 (19. September 1843).
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die Stephan – „natürlich unbeschadet alle Prerogation ihres Gemahls“ – eine „wahre Adoration“ empfand,359 kaum zustande kommen konnte. Denn am 21. September brach der Erzherzog schon nach Altenburg auf. Carl Alexander begleitete ihn bis Eisenberg.360 In Altenburg machte er Bekanntschaft mit Großfürst Michael von Russland und seiner Ehefrau Helene, einer geborenen Prinzessin von Württemberg, sowie beider Tochter Elisabeth, die 1844 Herzog Adolph von Nassau heiraten sollte. Die ganze Familie war auf dem Weg nach Weimar. Auch traf er Prinz August von Württemberg wieder, dessen Bekanntschaft er bereits in Berlin gemacht hatte.361 Von Altenburg ging der Weg ab 23. September wieder nach Süddeutschland. Am 26. September besuchte der ganze Tross noch die Walhalla bei Donaustauf und trug sich in das Gästebuch ein.362 In Regensburg wurde übernachtet,363 bevor man den Weg nach Österreich einschlug.364 Von dort gedachte Stephan der Reise mit fast schwärmerischer Wehmut. In der Nachbearbeitung ging er die ganze Fahrt noch einmal durch. Während Carl Alexander in Weimar von ihm träumte, so schrieb er ihm, sah Stephan ihn während dieser Nachbearbeitung am Tage vor sich stehen.365 Stephan setzte sich auch dafür ein, dass der Weimarer Erbgroßherzog mit dem Großkreuz des St. Stephansordens ausgezeichnet wurde. Denn während seiner Erkrankung war Carl Alexander aus Berlin herbeigeeilt, um ihn zu „pflegen“. Das war die Ordensverleihung wert.366 Darüber hinaus saß Stephan einem Maler Modell, damit er ein Porträt nach Weimar übersenden konnte. Trotz der misslichen Umstände war die Freundschaft zwischen Erzherzog Stephan 359 HU MNL OL P 301 (13. September 1843). 360 LATh HStA Weimar Hofmarschallamt Fourierbuch Nr. 4610 (20. und 21. September 1843); Wiener Zeitung Nr. 271 (1. Oktober 1843), S. 2008; LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 a (7. September 1843). 361 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 a (28. September 1843 und 13. November 1843). 362 Müller (1844), S. 64: Einträge Erzherzog Stephan, Rudolf Graf Stadion, Gustav Graf Breda, A. von Krieger (Kammerherr und Hauptmann), Freiherr [Friedrich] von Grimschitz („Grünschütz“) nebst Gattin, Theres Volly aus Temeswar, August Baron Wolkensperg aus Wien u. a. Die letztgenannten Personen dürften aber unabhängig von Erzherzog Stephan auf der Walhalla eingetroffen sein. 363 Stiria Nr. 119 (5. Oktober 1843), o. S. 364 Die (nur) in der Illustrirten Zeitung vermerkte Teilnahme Stephans am Manöver des 10. Deutschen Bundesarmeekorps in Lüneburg im Oktober 1843 kann angesichts des Reiseverlaufs nicht den Tatsachen entsprechen; Illustrirte Zeitung Nr. 17 (21. Oktober 1843), S. 257. 365 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 a (13. November 1843). 366 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 a (28. Dezember 1843); HLA HStAD Best. G 1 Nr. 182/1 (8. Januar 1844).
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Formung eines Hoffnungsträgers (1838–1843)
und Erbgroßherzog Carl Alexander damit deutlich intensiviert worden.367 Und so wirkte der Erzherzog ausgeglichen und konnte optimistisch in die Zukunft blicken. „Ich bin in manchen Sachen […] Fatalist und behaupte, daß es nicht übel ist, wenn man durchschnittlich wartet, bis die bratnen Vögel in’s Maul geflogen kommen“, schrieb er nach Weimar.368 Denn auch bezüglich seiner Karriere hatten sich Tore aufgetan, die eine glänzende Zukunft ahnen ließen, trotz aller Verhinderungsversuche und obwohl Stephan selbst wenig dazu beigetragen hatte.
367 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 a (28. Dezember 1843). 368 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 a (20. Oktober 1843).
4. FESTIGUNG DES RENOMMEES – STATTHALTER IN BÖHMEN (1843–1847)
4.1 Ein Amt zur Bewährung Bereits im Juli 1843, also inmitten der Reisetätigkeit Erzherzog Stephans, waren die politischen Verhältnisse in Böhmen ins Wanken geraten. Oberstburggraf Karl Graf Chotek, an dem Stephan in seinem Bericht kein gutes Haar gelassen hatte, verlor in den Auseinandersetzungen zwischen Ständen und der Regierung immer mehr an Basis für seine Politik.1 Chotek galt lange Zeit als Vertrauensmann des Grafen Kolowrat bzw. als Gewährsmann zur Durchsetzung von dessen böhmischer Interessenpolitik. Kolowrat hatte aber bereits seit einiger Zeit Choteks Handlungsweise eifersüchtig beobachtet, denn er fand, dass dieser im Großen und Ganzen zu sehr auf Seiten der Zentralregierung und nicht der böhmischen Magnaten stand.2 Ein zentraler Rückhalt ging Chotek damit verloren. Die restliche Unterstützung in der Staatskonferenz zerstörte er sich selbst. Choteks Gesuch, den aus einer reformbereiten Familie3 stammenden Rudolf Graf Stadion, der Stephan auf seiner Deutschlandreise begleitete, zu seinem Vizepräsidenten zu ernennen, war auf Ablehnung gestoßen. Metternich erkannte in diesem Ansinnen Choteks Ungehorsam, weil er nicht bereit war, seinen Untergebenen die Auswahl von Personal für solche Stellen zu überlassen.4 Auch Choteks Ambitionen auf die Position des Obersten Kanzlers wurden abschlägig beantwortet, weil man ihn in Wien nicht für geeignet hielt.5 Der Oberstburggraf war mit seinem Ehrgeiz und seinen Eigenmächtigkeiten in Wien unangenehm aufgefallen und hatte durch die Zurückweisungen wiederum immer mehr an Bereitschaft verloren, seinen Posten weiter zu versehen. Als er dann auch noch Notstände im Erzgebirge verspätet meldete, wurde er aus Wien gerügt. Dass er aber zeitgleich um Urlaub bat, sorgte für Verwunderung, wenn man ihm den Antrag auch bewilligte.6 Allerdings wertete Metternich sein Verhalten als Flucht vor der Verantwortung. Für ihn war eine erneute Amtseinsetzung damit ausgeschlossen. Robert Graf Salm wurde 1 2 3 4 5 6
Walter (1960), S. 179; ausführlich Walter (1920), S. 39–40. Walter (1960), S. 198; Hanke (1974), S. 599. Godsey und Melville, passim. Walter (1956), S. 199 (23. August 1842). Walter (1956), S. 199–200. Walter (1960), S. 188–190.
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Festigung des Renommees – Statthalter in Böhmen
zum Gubernialvizepräsidenten ernannt, während Chotek für anderthalb Monate in Urlaub ging. In Böhmen, so meinte Metternich, mache der „Czechismus“ immer weitere Fortschritte und der Oberstburggraf, der dagegen vorgehen könne, sei in Urlaub. Das waren in seinen Augen unhaltbare Zustände.7 Schließlich suchte Chotek, dem der Ernst seiner Lage wohl immer noch nicht recht bewusst war, um seine Entlassung an, um seine Berufung nach Wien zu erzwingen. Mit diesem Schritt war für ihn aber nichts mehr zu gewinnen. Selbst der ihm bisher loyal zur Seite stehende Kolowrat wollte den Oberstburggrafen nun als in Ungnade entlassen sehen. Metternich kommentierte dies lakonisch: Chotek sei das Idol des böhmischen Adels gewesen, bevor er ihn aus dem Tempel geworfen habe.8 Letztlich aber hatte Choteks Ehrgeiz dafür gesorgt, dass er sich selbst aus seiner Position vertrieb. Nun aber musste ein Nachfolger gefunden werden, der die Sache – auch im Sinne der Wiener Regierung – besser machte. Nur waren sich deren Mitglieder selbst nicht einig, wie diese Verbesserung aussehen sollte. Kolowrat brachte als Nachfolger Erzherzog Stephan – wenn auch in einer sehr komplizierten staatsrechtlichen Konstruktion – ins Gespräch.9 Ihn hatte er ja bereits zuvor für seine Vorstellungen von der Stärkung nationaler Eigenheiten zu gewinnen versucht. Dass Stephan zusammen mit den anderen Erzherzögen anscheinend auf Kolowrats Seite gegen Metternich gestanden hatte, ließ den Minister annehmen, in ihm einen geeigneten Kandidaten zur Durchsetzung eigener Interessen gefunden zu haben. Genau das aber befürchtete auch Metternich, der sogar eine geheime Absprache zwischen den beiden vermutete und deshalb Franz Graf Stadion, Gouverneur von Illyrien, als Gegenkandidaten bevorzugte, den Kolowrat als Alternative eher abgetan hatte. Graf Stadion war ein Bruder des Grafen Rudolf Stadion, der Stephan durch Deutschland begleitet hatte.10 Metternich musste es, im Gegensatz zu Kolowrat, ein Anliegen sein, die wachsenden böhmischen Partikularinter essen, insbesondere in den Kreisen der Magnaten, durch den Oberstburggrafen nicht noch zu fördern. Das barg auch politische Brisanz. Ein nicht im Land begüterter Erzherzog als Oberstburggraf hätte den Dissens noch 7 Walter (1960), S. 223. Unter „Czechismus“ ist die nationalslawische Bewegung in Böhmen zu verstehen. Denn nach Palacký war das Böhmische „zum Theil“ als die Vermischung der deutschen und slawischen „Elemente“ im Königreich zu verstehen; Palacky, S. IX. In diesem Sinne musste für die slawische Nationalbewegung in Böhmen, die nicht Teil eines allgemeinen Slawismus war, ein gesonderter Begriff gefunden werden. Zum Verhältnis Stephans zu Palacky vgl. Kořalka (2007), S. 249–252; auch Kořalka, Probleme (1991), S. 233–237. 8 Sked (2007), o. S. 9 Walter (1956), S. 227; MM Band 6, S. 654 (22. Juli 1843). 10 Schüler (2016), S. 104; Gothaischer genealogischer Hofkalender 1844, S. 250–251.
Ein Amt zur Bewährung
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verschärft, weil es den rechtlichen Gepflogenheiten entgegenlief und von den Magnaten als Affront gewertet worden wäre. Stephans ungarnfreundliche Haltung konnte sogar, sollte er sie auf Böhmen übertragen, eine schwere Hypothek sein. Der Staatskanzler erklärte, dass ein Erzherzog an der Spitze Böhmens ein Novum sei. Als Oberstburggraf sei er zugleich Präsident der Stände, könne aber, da Stephan nicht Mitglied der Stände sei, ihren Vorsitz nicht übernehmen. Schließlich hatte man sich vor Ort schon 1841 gegen die Verleihung des Inkolats an nichtlandsässige Personen mit dem Vorwurf eines absolutistischen Staatsverständnisses gewandt, das der böhmische Adel ablehnte.11 Das musste auch Kolowrat einsehen, der allerdings dafür plädierte, einen bei den Landständen in gutem Ruf stehenden und in Böhmen begüterten Oberlandhofmeister zu ernennen, der die ständischen Angelegenheiten leite, während Stephan als Hofkommissar, begleitet von einem tüchtigen Hofrat, die Leitung der Landesverwaltung übernehmen solle.12 Stephan könne vor seiner Amtsübernahme in Ungarn ein geordneteres Land für kurze Zeit kennenlernen. Nach seinem Weggang nach Ungarn werde dann in Böhmen wieder alles eingerichtet wie bisher. Palatin Joseph begrüßte diese Option für seinen Sohn natürlich auch: Es hieße, so meinte er, Stephans „Gemüt gegen die Zentralregierung“ zu „versteinern“, wolle man diesem Vorschlag, den Erzherzog Ludwig zunächst für „sehr gefährlich“ und Erzherzog Franz Karl für „rein absurd“ hielt, nicht entsprechen.13 Wenn folglich ein unbequemer Kandidat wie Stephan nicht in die Position berufen würde, hätte das dessen gänzliches Abwandern in die Opposition zur Folge. Gerade in Kreisen der Staatskonferenz fand Stephan aber kaum Wohlwollen, fürchtete man doch dort seinen Tätigkeitsdrang, seine „liberale“ Gesinnung und seinen Reformeifer, dem er zumindest verbal während seiner Reisen und in seinen daraus resultierenden Gutachten Ausdruck verliehen hatte. Metternich setzte darauf, dass Kolowrat auch nicht daran gelegen sein konnte, dass sich ein Erzherzog aktiv in die politischen Geschäfte mischte. Die freizügigen Äußerungen Stephans in politischen Dingen waren dem Staatskanzler daher verdächtig. Denn sie legten nahe, dass die Wiener Regierung mit ihm keine Marionette in Prag bekommen werde.14 Das war neu: Metternich war es nicht gewohnt, dass Erzherzöge eine Meinung hatten.15 11 Hanke (1974), S. 596. 12 Walter (1960), S. 200; Walter (1956), S. 227. 13 Walter (1960), S. 201–202; Schlitter (1920), Böhmen, S. 10; Walter (1956), S. 231; Walter (1920), S. 54. 14 Walter (1960), S. 177. 15 Walter (1960), S. 170.
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Festigung des Renommees – Statthalter in Böhmen
Kolowrat war sich allerdings sicher, seine Position werde es ihm in der Regierung ermöglichen, den jungen Erzherzog zu zügeln.16 War dies Selbst überschätzung? Durchschaut wurde Kolowrat von Metternich. Kolowrat, so wusste der Staatskanzler, wolle durch Stephan nur sich selbst zum Regenten von Böhmen machen.17 Vermutlich war das auch der Hauptgrund, weshalb der Staatskanzler so energisch gegen diesen Vorschlag opponierte. Stephan aber war nicht nur Objekt im Kräftespiel der Staatskonferenz. Briefe der Zeit belegen, wie er gegen Schlendrian, Eigennutz und Unwissenheit in der Bürokratie Stellung bezog. Es sei Zeit, meinte er, diesem Schlendrian das Genick zu brechen.18 Der junge Erzherzog hatte schließlich zu Erzherzog Franz Karl gesagt: „Ich will eine Stellung, welche mir die Gelegenheit bieten wird, zu zeigen, wie man Geschäfte führen muß; ihr versteht dies alle nicht, und habe ich einmal die Hand im Spiele, so könnt ihr befehlen, was ihr wollt, ich werde tun, was mir Recht scheint.“19 So war es zumindest dem Staatskanzler Metternich zugetragen worden, der diese Worte warnend an Kolowrat weitergab, von dem er annahm, er wolle sich mittels Stephan zum eigentlichen Regenten Böhmens aufschwingen.20 Ein reformfreudiges Handeln war daher zu erwarten und wurde auch in der gerade erst im Aufkommen begriffenen Boulevardpresse unterstellt.21 Dadurch aber, dass die Lage in Böhmen für Wien keinesfalls mehr sicher war, taugte das Land in Metternichs Augen nicht zum Experimentierfeld für einen jungen Heißsporn. „Genau erwogen ist die Sache ein Experiment. Kennen Eure kaiserliche Hoheit die Leitungsgabe des Herrn Erzherzogs Stephan? Kennt Er sie selbst?“, fragte Metternich darum Erzherzog Ludwig am 24. Juli 1843, der mittlerweile – wohl aus dynastischen Interessen heraus – von seinen Ressentiments gegenüber Stephan abgerückt war.22 Der Staatskanzler hielt Stephan in praktischen Dingen für völlig unerfah16 Schlitter (1920), Böhmen, S. 9. 17 Walter (1956), S. 231. 18 Neue Freie Presse Nr. 4304 (18. August 1876), o. S. (27. Juni 1846 und 6. Oktober 1847), an Professor Jacob Reuter. 19 Zit. nach Walter (1960), S. 202; auch Schlitter (1920), Böhmen, S. 9. 20 Schlitter (1920), Böhmen, S. 11; Walter (1956), S. 232. Metternichs Ehefrau attestierte, der Staatskanzler spiele den Jeremias, aber niemand höre auf ihn; MM Band 6, S. 659 (10. August 1843). 21 So schrieb die Leizpiger „Illustrirte Zeitung“: Dass Stephan nach Böhmen berufen werden könne, werde „als ein erfreulicher Beweis angesehen, daß es der kaiserlichen Regierung ernst darum zu thun sei, den Fortschritt zu fördern und die Bedürfnisse der Zeit einzugehen“; Illustrirte Zeitung Nr. 22 (25. November 1843), S. 338. Zur Boulevardpresse auch Kohlrausch, S. 53. Zur späteren Boulevardisierung der Monarchie bzw. des Adels vgl. Pons (2022), Boulevardisierung, S. 199–203. 22 Walter (1960), S. 210.
Ein Amt zur Bewährung
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ren.23 Experimenten ohnehin nicht offen gegenüberstehend, erschien ihm die Übertragung eines solchen Amtes auf einen „Vielredner und Vieltuer“24 als gefährliches Spiel mit dem Feuer. Stephan zeichne sich durch einen „Trieb zur Tätigkeit“ aus, durch große Kenntnisse und enormen Fleiß, aber Metternich befürchtete auch, er könne den Aufgaben in Böhmen nicht gewachsen sein.25 Doch Kolowrat blieb bei seiner Meinung, und Erzherzog Joseph erklärte dem Staatskanzler ebenfalls, dass es ihm und seinem Sohn „außerordentlich unangenehm“ sei, von einer abweichenden Meinung zu hören.26 Diese Enttäuschung des einflussreichen Palatins konnte auch der Staatskanzler nicht einfach beiseiteschieben27 – zumal der Kandidat durch sein geschicktes Vorgehen in der Vergangenheit bereits ein Ansehen in der Öffentlichkeit genoss. Als „stolze Hoffnung Oestereichs“ war er 1843 zweimal in der „Leipziger Illustrirten Zeitung“ gewürdigt worden.28 Durch die positive Berichterstattung in den von Metternich kontrollierten Zeitungen hatte der Staatskanzler dazu sogar selbst beigetragen, auch wenn ihm noch nicht bewusst gewesen sein mag, wie sehr die Berichterstattung wiederum die Ereignisse beeinflusste.29 Auch der Chef der staatsrätlichen Sektion für Inneres, Graf Hartig, pflichtete Kolowrat bei. Da Stephan dereinst Palatin werden „müsse“, sei es ratsam, ihn in Böhmen eine politische Schule durchlaufen zu lassen. Deshalb solle ihm auch kein Hofrat zur Seite gestellt werden. Er dürfe nicht außerhalb der Regierung stehen, sondern müsse Chef der Behörden sein.30 Um einen Streit zu vermeiden, willigte Metternich schließlich doch in die Option einer Ernennung Erzherzog Stephans ein, die in den liberalen Blättern auch bereits als so gut wie entschieden behandelt wurde.31 Schließlich muss ihm auch bewusst geworden sein, dass der junge Erzherzog über kurz oder lang nicht von der Politik fernzuhalten war. Auch Metternichs Sekretär, Sebastian Joseph von Gervay, hatte sich gegenüber seinem Herrn entsprechend geäußert: „[B]ei seinem regen Geiste und Drang nach Beschäfti23 24 25 26 27 28
Walter (1960), S. 218; Walter (1920), S. 54. Walter (1960), S. 210; Walter (1956), S. 230. Walter (1960), S. 214. Walter (1960), S. 203; Walter (1920), S. 54. Walter (1960), S. 208. Illustrirte Zeitung Nr. 3 (15. Juli 1843), S. 33; Nr. 22 (25. November 1843), S. 338. Ähnlich auch zwei Jahre später das Boulevardblatt Pfennig-Magazin für Belehrung und Unterhaltung Nr. 111 (15. Februar 1845), S. 49: „eine der geachtetsten Männer des großen Kaiserstaats“. 29 Zimmermann (1992), S. 146. 30 Walter (1960), S. 205. 31 Die Grenzboten 2 (1843), S. 1356: „den man bekanntlich als zukünftigen Vicekönig von Böhmen bezeichnet“.
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Festigung des Renommees – Statthalter in Böhmen
gung“ bilde Stephan früher oder später „eine Potenz für die Monarchie“32 – auch wenn noch niemand diese „Potenz“ wirklich einzuschätzen wisse. Gegen solche Argumente kam Metternich nicht (mehr) an. Am 29. Juli 1843 wurde Graf Chotek aus dem Amt des Oberstburggrafen von Böhmen entlassen. Verschnupft aber blieb der Staatskanzler: zum einen, weil Kolowrat nicht mit ihm eine Vorsondierung gesucht hatte, sondern gleich offiziell geworden war, zum anderen, weil er Kolowrat als Schwächling betrachtete, der sich von dem vermeintlich intriganten Stephan hatte über den Tisch ziehen lassen, obwohl er sich selbst als den eigentlichen Drahtzieher ansah. Kolowrat, so Metternich, denke im Grunde wie er, der Staatskanzler, auch, sei aber vor dem Erzherzog in die Knie gegangen, der sich damit selbst zum Regenten von Böhmen ernannt habe – vorbei an Metternich und der kompletten Staatskonferenz.33 Das musste in den Augen des Staatskanzlers ein großer Fauxpas sein, denn es führte die Erzherzöge und die Dynastie wieder durch eigenmächtige Entscheidungen in den Kreis der Politikgestalter zurück. Die Erzherzöge Ludwig und Franz Karl hatten die Stellenbesetzung in Böhmen sogar ausdrücklich zur „Familienangelegenheit“ erklärt, weil sie genau das erkannt hatten: Die Dynastie war auf die politische Bühne zurückgekommen.34 Metternich konnte die Erzherzöge allerdings doch noch davon überzeugen, dass staatliche Interessen höher zu veranschlagen seien als Privatrücksichten. Wenn auch grundsätzlich kaum noch etwas auszurichten war, so blieb zu klären, wie Stephans Amtsführung auszugestalten sei. Metternich sah den slawischen Nationalismus und den Liberalismus in Böhmen aufkeimen. Die Nähe zu Leipzig, dessen literarische Produkte die Welt in Metternichs Augen in Aufruhr versetzten, schien ihm bedenklich, wenn auch natürlich nicht zu ändern. Die Ernennung eines Hofkommissars werde als falsches Zeichen gedeutet. Böhmen strebe nach mehr Selbstständigkeit. Wenn nun ein Erzherzog als Hofkommissar dort die Geschäfte übernehme, werde das in Deutschland interpretiert, als ob der Kaiser dort Reformen durchführen wolle, was aber zu vermeiden sei.35 Zunächst dachte man daran, Stephan schlichtweg als Erzherzog in Böhmen handeln zu lassen, kam dann aber wieder davon ab. Denn die Offenheit einer solchen Verfahrensweise barg zu viele Unwägbarkeiten – besser irgendeinen Titel als keinen, war die Devise. Nur musste dieser Titel mit klaren Funktionen und Aufgaben, auch in aller
32 33 34 35
Walter (1960), S. 208. Walter (1960), S. 206; Schlitter (1920), Böhmen, S. 10. Schlitter (1920), Böhmen, S. 9–10; Walter (1920), S. 66. Schlitter (1920), Böhmen, S. 12; Walter (1920), S. 62.
Ein Amt zur Bewährung
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Beschränkung, hinterlegt werden.36 Die Kompetenzen müssten detailliert festgeschrieben sein, um das Unglück, das nicht zu verhindern war, zumindest einzudämmen, sonst drohe der Monarchie Verderben.37 Dafür musste der Erzherzog fest in die Regierung eingebunden werden. Er sollte durch die faktischen Handlungszwänge der Politik gebändigt und – man darf es unterstellen – auch unschädlich gemacht werden. Denn wenn Stephan abseits der Entscheidungsprozesse stünde, „würde sich seine Lage bald in jene eines Centrums für Idiologen [sic!] und für die Projektanten jeden Gelichters umwandeln und von dieser unseligen Menschenart bietet kein Teil der Monarchie mehr als eben Prag.“38 Denn hinter der Ernennung Stephans stand für Metternich mehr als persönliche Ambitionen: die „Krankheit der Zeit“, Unverstand, böse Absichten, Blindheit, Schwäche und Nationalismus.39 Unter diesem Blickwinkel war Stephan zwar nur ein Werkzeug, aber eben das willige und (hyper-)aktive Werkzeug einer zerstörerischen Kraft. Böhmen befinde sich, so der Staatskanzler, in einem „Zustand moralischer Bewegung“, woran keine Regierung ein Interesse haben könne. „Moralisch“ war hier im allgemeinen Sinne von Ideologien, von reinen Gedanken zu verstehen, wie es im frühen 19. Jahrhundert auch gebraucht wurde.40 Ein junger, unerfahrener, aber sehr arbeitswilliger Amtsträger könne die Initialzündung dafür geben, dass die Bewegung zum Ausbruch komme. „Wie die Wirkung an eine Ursache“ sei diese Bewegung an Stephan gebunden. Das war den unbedarften jungen Mann doch vermutlich allzu sehr aufgewertet, indem er die Ursache für ein politisches Großfeuer in der Donaumonarchie hätte werden können. Die Mitglieder der Staatskonferenz schlossen sich endlich Metternichs Überlegungen an und gingen auf die Suche nach einem Modus Practicandi. Der Oberste Hofkanzler, Graf Inzaghi, besprach sich deshalb mit Erzherzog Ludwig, um die Geschäftsführung in Böhmen zu regeln, und man kam dabei zu dem Ergebnis, den Erzherzog nicht zum Oberstburggrafen zu ernennen, sondern „nur“ zum Statthalter. Es musste grundsätzlich der Eindruck einer Neuerung vermieden werden. Stephans Stellung solle nicht als diejenige eines ständischen Vertreters daherkommen, sondern als diejenige eines politischen Landeschefs, eines Chefs des böhmischen Guberniums.41 Sein Stellvertreter hingegen müsse die Funktion eines Leiters der Stände 36 37 38 39 40
Walter (1956), S. 237. Walter (1960), S. 206–208; Schlitter (1920), Böhmen, S. 10; Walter (1956), S. 236. Walter (1960), S. 210. Walter (1956), S. 244. Krünitz 93 (1803), S. 755–756. Vgl. dazu auch Metternichs eindeutige Aussagen in Andics (1973), S. 403 (8. Februar 1843); Zamoyski, S. 294–295. Vgl. auch Hamann (1987), S. 152. 41 Schüler (2016), S. 104; Walter (1960), S. 210–212.
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Festigung des Renommees – Statthalter in Böhmen
übernehmen. Als dieser Stellvertreter, so schlug Inzaghi vor, solle der Altgraf Salm, Robert Ludwig Anton von Salm-Reifferscheidt,42 in seinem Amt belassen werden, was allerdings weiteren Regelungsbedarf nach sich zog. Denn Salm war ebenfalls nicht in Böhmen begütert. An Stephans Seite solle ein Präsidialsekretär stehen. Hiergegen aber opponierte Staatsminister Hartig, weil er den Eindruck einer Neuerung nicht gebannt sah und einen streng verantwortlichen Chef als unabdingbar betrachtete. Wenn es nur darum gehe, dass Stephan Erfahrungen sammle, könne man nach dem Vorbild des Erzherzogs Ferdinand Karl im 18. Jahrhundert in der Lombardei verfahren, der dort machtlos geblieben war, und Stephan zum Stellvertreter des Gubernialpräsidenten ernennen. Eine Loslösung der ständischen Belange vom Amt hielt Hartig für den falschen Weg.43 Kolowrat stimmte diesen Gedanken zwar zu, beharrte aber auf Stephan. Metternich hingegen war unglücklich mit der Situation und fand wieder klare Worte. Wenn möglich, seien Mitglieder des Kaiserhauses ganz von der Zivilverwaltung auszuschließen. Denn eine Regierung brauche Verantwortlichkeit, und bei Mitgliedern des Kaiserhauses sei die Verantwortlichkeit durch die hohe Geburt annulliert.44 Metternich warnte: Wenn dereinst alle Gouverneurs- und Kommandantenstellen durch Mitglieder des Kaiserhauses besetzt seien, könne der Kaiser nicht mehr regieren.45 Metternichs bürokratisches Regierungssystem war in Gefahr. Die verfahrene Situation kam ins Stocken, weshalb Kolowrat direkt eine Eingabe an den Kaiser richtete, der daraufhin seiner Geneigtheit gegenüber Stephan Ausdruck verlieh. Die ständischen Aufgaben, so Kaiser Ferdinand, solle der Verweser des Oberstburggrafenamtes wahrnehmen.46 Die Dynastie eroberte sich in dieser Angelegenheit ihre politische Kompetenz zurück. Doch die Regierung bemühte sich, diese Tendenz in Grenzen zu halten. In Stephans Instruktion als Oberstburggraf und Präsident des Landesguberniums wurde der Amtsinhaber in allen Entscheidungen an Salm gebunden. Offiziell sollte damit das „edle Gemüt“ des jungen Mannes geschützt werden, letztlich aber schützte sich die Regierung vor dem Erzherzog.47 Denn Salm war von allen Entscheidungen in Kenntnis zu setzen und hatte für alle Verfügungen die Verantwortung zu übernehmen. Selbst Kolowrat, der damit 42 43 44 45 46
Genealogisch-historisch-statistischer Almanach 22 (1845), S. 53. Walter (1960), S. 212. Zu Ferdinand Karl vgl. Hamann (1988), S. 118–119. Schlitter (1920), Böhmen, S. 10; Walter (1920), S. 66. Walter (1960), S. 214. Walter (1960), S. 215. Im Volk kursierte daraufhin der Witz, das Oberburggrafenamt sei in Verwesung; Helfert 1 (1907), S. 60. 47 Walter (1960), S. 216.
Wohltaten im Schatten der Politik
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nicht einverstanden war, willigte in der Hoffnung ein, dass nach einiger Zeit die Kompetenzen des jungen Mannes ausgeweitet werden könnten. Schließlich hoffte er wohl auch jetzt schon, gehörigen Einfluss auf Stephan ausüben zu können.48 Am 9. Dezember 184349 wurde Stephan ernannt, auch wenn die Stellvertretung – und damit auch die Gesetzeskonformität der Entscheidung – immer noch nicht geregelt war. Nach Weihnachten, also ungefähr zwei Monate nach seiner Rückkehr von der Deutschlandreise, traf der Erzherzog als neuer Statthalter in Prag ein, weil ein längeres Warten wegen der unklaren Verhältnisse zu unnötigen Komplikationen geführt hätte.50 Der offizielle Amtsantritt erfolgte zum 1. Januar 1844, nicht ohne dass in einem offiziösen Schreibkalender seine Person massiv in die Tradition des Hauses Habsburg eingegliedert worden wäre.51 Der sehr emotionale Tenor dieser amtlichen Würdigung lässt darauf schließen, dass der Stephan vorauseilende Ruf ganz bewusst auf die Dynastie gewendet werden sollte, um einen möglichen Personenkult zu unterbinden. 4.2 Wohltaten im Schatten der Politik Kaiser Ferdinand hatte Stephan anlässlich der Übernahme des Amtes eines Statthalters von Böhmen drei prachtvolle Hofwagen und eine Bespannung von achtzehn Pferden aus dem kaiserlichen Marstall sowie einige kostbare Reitpferde zum Geschenk gemacht. Der Erzherzog selbst hob die großzügige Ausstattung lobend hervor und baute sie im Folgenden noch aus. Im Jahr 1846 hatte er 36 englische Pferde im Stall.52 Auch der ihm zugeteilte Hofstaat konnte sich sehen lassen: Vorsteher wurde der 1808 geborene Offizier Karl Graf Grünne, dessen Vater Philipp als Obersthofmeister des Erzherzogs Karl tätig gewesen war.53 Grünne war „durch sensationelles Auftreten und tolle 48 Walter (1960), S. 219. 49 Wiener Zeitung Nr. 343 (12. Dezember 1843), S. 2573. Der Darmstädter Gesandte spricht vom 8. Dezember; HLA HStAD Best. G 1 Nr. 181/4 (11. Dezember 1843). 50 HU MNL OL P 301 (14. Dezember 1843). 51 Walter (1960), S. 219; Schlitter (1920), Böhmen, S. 14; Leitmeritzer Allgemeiner Schreib-[…]Kalender, S. 62: Er wurde in die Tradition Leopolds II. und des Palatins Joseph gestellt. „Der Könige wahrer Reichthum sind die Herzen der Völker“ sei der Wahlspruch des Kaisers gewesen, in dessen Nachfolge auch Stephan agiere. 52 HLA HStAD Best. D 25 Nr. 1/3 (8./18. März 1846). Vor seinem Amtsantritt war er von zwölf Kutschen, zweiundzwanzig Pferden und dreißig Dienern als Entourage für seine neue Stellung ausgegangen; HU MNL OL P 301 (14. Dezember 1843). 53 Criste III, S. 422.
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Streiche zu anekdotischer Berühmtheit gelangt“, wie es später im Nachruf hieß, aber nach den Worten der Hofdame Marie Festetics galt er auch als grausam und machthungrig.54 Stephan bezeichnete ihn als seine „Perle“.55 Er war verheiratet mit Karoline Gräfin Trauttmansdorff, deren Wirken Stephan als Ersatz für das Fehlen einer Ehefrau ansah,56 und Vater von vier Kindern. Unter Grünne umfasste der erzherzogliche Hofstaat siebenundfünfzig Personen, darunter Personen, die Stephan bis zu seinem Lebensende begleiten sollten.57 Dieser beachtlichen Hofhaltung standen 80.000 Gulden – 50.000 Gulden als Jahresgehalt aus dem Ärar und 30.000 Gulden aus dem Familienfonds – zur Verfügung; das war die Kaufsumme für ein Stadthaus in Wien,58 also eine beträchtliche Summe, wenn auch keine verwerflich hohe.59 Bemerkenswert ist freilich, dass die Stände die von der Regierung vorgegebene Summe von 50.000 Gulden zunächst abgelehnt hatten, weil weiterhin Geldzahlungen an Erzherzog Karl als Generalkapitän von Böhmen zu entrichten waren und eine zusätzliche Zahlung eine große Mehrbelastung bedeutete.60 Das muss eher als Kräftemessen interpretiert werden und nicht als Opposition, lässt aber eine gewisse Widerständigkeit erahnen. 54 Neue Freie Presse Nr. 7113 (16. Juni 1884), S. 2; Gothaisches Genealogisches Taschenbuch der Gräflichen Häuser 1911, S. 353; Vocelka (2015), S. 64. Bereits 1843 ist von der Ernennung eines Vorstehers des Hofstaates die Rede, allerdings erst für die Zeit nach der Rückkehr Stephans aus Deutschland; HU MNL OL P 301 (18. Mai 1843). 55 OeStA HHStA KA NL Franz A. Kolowrat (18. Mai 1847). 56 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv XXVI Nr. 739 a (17. Juni 1845). 57 Hof- und Staatshandbuch des österreichischen Kaiserthumes 1845, S. 169–170: Die beiden Kammerherren waren Johann Graf von Hoditz und Wolframitz und Anton Graf Lazansky von Bukowa. Hinzu traten ein Kanzleioffizier und ein Agent in Wien. Die Kammer Stephans umfasste neben dem Leibkammerdiener Hornung zwei Kammerheizer – Georg Siemang und Wenzel Cybulak, Namen, die noch in späteren Jahren von Bedeutung sein sollten –, zwei Leibbüchsenspanner, zwei Leiblakaien, vier Saallakaien, einen Zimmerputzer, einen Lampenanzünder, zwei Heizer, ein „Kammerweib“ sowie zwei „Extraweiber“. Im Hofdienst Stephans standen der Kontrolor Georg Siemang senior, ein Kontrolorratshausknecht, der Mundkoch Claude Martin, ein zweiter Koch, ein Küchenjunge, ein Küchenträger und ein „Küchenweib“. In der Silberkammer waren ein Silberverwalter, ein Tafeldecker sowie die Wäscheverwahrerin Anna Siemang tätig, im Stalldepartement ein Leibbereiter, ein Leibkutscher, drei Kutscher, zwei Jockeys, drei Reitknechte, vier Rosswärter und ein Portier. 58 Wiener Zeitung Nr. 123 (3. Mai 1844), S. 668; Nr. 150 (31. Mai 1844), S. 841. 59 Noch Jahre später äußerte Stephan sich despektierlich über die Kommissare des Pauls kirchenparlaments, weil sie ohne jeglichen Prunk auftraten und niemandem anzeigen wollten: „da sind wir!“ Er konnte sich dieses bescheidene Auftreten, das er wie ein „Vergißmeinnicht“ nannte, nur damit erklären, dass sie Angst hätten, demnächst ohne Gewalt dazustehen, und sich daher nicht blamieren wollten. LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 a (25. Januar 1844); Bode (2017), S. 21; Schüler (2016), S. 105. 60 HLA HStAD Best. G 1 Nr. 181/4 (19. September 1843) und Nr. 182/1 (5. Januar 1844):
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Mit dieser für den Erzherzog neuen, großzügigen Ausstattung sowie dem Amt konnte und wollte er auch entsprechend repräsentieren. Diese Repräsentation war für ihn eine Grundvoraussetzung für ein selbstbewusstes und daher akzeptables Erscheinungsbild der Herrschenden.61 Sein Auftritt hatte – als Ausdruck seiner Amtswürde, aber auch seines Ehrgeizes – wahrgenommen zu werden. Mit dem biedermeierlichen, nach außen einfachen und schlichten Auftreten des Kaiserhauses im Vormärz war das kaum vereinbar.62 Die vorhandenen Räumlichkeiten des Statthalters entsprachen aber keineswegs den – womöglich etwas überzogenen – Anforderungen des kaiserlichen Prinzen, woran er aber ausdrücklich nicht Chotek die Schuld zuwies.63 Angesichts der Unterkunft im Gubernialgebäude auf der Prager Kleinseite könne man „melancholisch werden“, schrieb Stephan nach Weimar.64 Er beklagte sich über schmutzige Tapeten und zersprungenes Parkett, zu wenig Möbel, die darüber hinaus auch noch in schlechtem Zustand und nicht standesgemäß seien. Wichtig war ihm vor allem die repräsentative Wiederherstellung der Empfangszimmer, für die er eine „Radikal-Kur“ empfahl.65 Doch dem scheint innerhalb der ersten Monate schnell Abhilfe geschaffen worden zu sein, so dass er entweder zunächst sein Hauptaugenmerk auf die Beseitigung dieser Missstände gelegt haben muss oder die dramatischen Worte affektiert und übertrieben gewesen waren. Alexander von Hessen schätzte Stephans Appartement im Gubernialgebäude als „sehr elegant“ ein.66 Stephan beschaffte sich bereits im Januar 1844 in Wien Pferde, Silber, Tafelwäsche, Porzellan und andere Waren, die für eine standesgemäße Haushaltung notwendig waren.67 Ein aus 1336 Einzelstücken bestehendes Kristallservice der Firma Meyer’s Neffen in Winterberg, das in über dreimonatiger Arbeit eigens für den Erzherzog angefertigt worden war, brachte es sogar in die Zeitung und wurde in einer Glaswarenniederlage öffentlich ausgestellt. „Die Reinheit und Weiße des Krystalls, die außerordentliche
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Die Ausstattung Stephans sei schwierig, weshalb eine Eheschließung mit gehöriger Mitgift hilfreich sein könne. Zur Dotation auch Walter (1920), S. 70. NLA Oldenburg Dep. 50 Best. 6 F Nr. 134 (17. Januar 1850). Stekl (1990), S. 17–18. OeStA HHStA KA NL Franz A. Kolowrat (9. Januar 1845). LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 a (25. Januar 1844). Bereits im Dezember 1843 hatte er Silber und Porzellan für fünfzig Personen beschafft; HU MNL OL P 301 (14. Dezember 1843). OeStA HHStA KA NL Franz A. Kolowrat (9. Januar 1844); Schüler (2016), S. 105. HLA HStAD Best. D 25 Nr. 1/3 (6./18. März 1846). LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 a (25. Januar 1844).
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Sorgfalt des Schliffes und die geschmackvolle Eleganz der Arbeit an jedem einzelnen Stücke sind augenfällige Beweise, daß in diesem Industriezweige unser Vaterland andern Ländern weit voran ist“, hieß es in der offiziösen „Wiener Zeitung“.68 Stephan dachte neben solchen Anschaffungen schon früh daran, auch große Feste zu veranstalten und dabei alle Schönheiten Prags einzuladen.69 Deshalb konnte das „Morgenblatt für gebildete Leser“ schon bald nach seinem Regierungsantritt berichten, sein Einfluss, ebenso wie derjenige des in Prag als Generalmajor lebenden Erzherzogs Karl Ferdinand, auf die „Geselligkeit der höhern Kreise“ sei sehr groß. Kein Karneval sei „in der Elite“ seit Jahrzehnten so glänzend gefeiert worden wie derjenige von 1844.70 Im darauffolgenden Jahr war die imposante Fest- und Repräsentationskultur des Erzherzogs bereits zur Gewohnheit geworden. Im Karneval 1845 klagte Stephan etwas selbstgefällig und blasiert über Karnevalveranstaltungen und Bälle bis zur Übersättigung, die er initiiert hatte. Allein in acht Tagen gab er drei Bälle, deren ihn jeder eintausend Taler kostete, weshalb „sein Finanzminister ein saures Gesicht dazu“ machte. Höhepunkt war ein Rokokoball auf der Prager Burg als Abschluss der Saison.71 Was war nicht alles zu bedenken: die Qualität des Tees, die ausreichende Beleuchtung, das Niveau der Musik und die Vollständigkeit der Einladungsliste. „Wie ein babilonischer Thurmbau im Kopfe“ belasteten Stephan diese Fragen, und am Tag darauf, so bekannte er, saß er dann ermüdet auf seinem Kanapee. Nicht ohne Stolz nahm er davon Notiz, in den Zeitungen Erwähnung zu finden, was eine gewisse Ambition seines Tuns aufdeckt. Aber schließlich sagte sich der übermüdete Gastgeber: „Hol’ der Teufel das Ennui.“ Und wenn dann die eintausend Taler für Limonaden und Mandelmilch zu bezahlen waren, wurde die Angelegenheit „fade“. Voller Koketterie brachte er den Stoßseufzer hervor, er sehne sich als Bürokrat während dieser Festivitäten nach seinen Akten, denn diese gähnten ihn nicht an, vielmehr habe er das volle Recht, sie anzugähnen. „Telles sont les miseres eines hausmachenden und noch dazu hagestolzen Landes-Chefs!!“72 Wie sehr die nach Weimar geschickten Klagen Wichtigtuerei waren, belegt ein Schreiben nach Wien, in welchem Stephan intensiv darauf drang, im Gegensatz zu seinem Vorgänger Chotek in Prag große Bälle mit über 68 69 70 71 72
Wiener Zeitung Nr. 169 (20. Juni 1844), S. 1315. LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 a (25. Januar 1844). Morgenblatt für gebildete Leser Nr. 82 (4. April 1844), S. 328. Der Schmetterling Nr. 3 (5. Februar 1845), S. 21. LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 a (23. Februar 1845). Zu einer seiner Soireen mit der Dichterlesung des Anton von Klesheim sowie diversen musikalischen Darbietungen Bohemia Nr. 83 (25. Mai 1847).
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500 Teilnehmerinnen und Teilnehmern sowie „Thee dansants“ veranstalten zu dürfen. Fragen des Zeremoniells waren ihm hierbei sehr wichtig, und die Fokussierung auf ein militärisches Auftreten der Teilnehmer erstaunt angesichts seiner bisherigen Laufbahn. Die Bälle mochten eine Form der habsburgischen Repräsentation sein, sie mochten den Wünschen des jungen Mannes geschuldet sein, den Mittelpunkt des gesellschaftlichen Lebens zu bilden. Aber Stephan erkannte selbst, dass ihm daraus wiederum – und nicht unbegründet – Opposition entstehen konnte: „Wird dieser mein Schritt nicht vielleicht zu sehr als ein Haschen nach Popularität ausgelegt werden?“73 Letztlich ging es ihm aber wohl genau darum: sich beliebt und bekannt zu machen. Wie sehr das fruchtete, belegt eine Zeitungsmeldung vom Karneval 1846, in der darüber berichtet wurde, wie sehr sich die Gesellschaft auf den Bällen um ihn scharte: „Se. K. H. der Erzherzog Stephan ist so eben angelangt, mit echt Habsburgischer Huld und Leutseligkeit das Vergnügen des Abends zu erhöhen, und nun versammelt sich Alles um den erlauchten Volksfreund, dessen Anblick nur erfreuliche Erinnerungen in jedem Herzen erweckt.“74 Der „Volksfreund“ repräsentierte hier aber zunächst einmal in einer elitären Gesellschaftsschicht. Und dafür benötigte er die Zustimmung von Erzherzog Ludwig und Kolowrat in Wien. Das Anliegen der Popularisierung hatte auch schon seine Amtseinführung gekennzeichnet; zumindest hatte Stephan sie so verstanden wissen wollen. Am 16. Januar 1844 hatte die Huldigung offiziell in Prag mit einer Versammlung vor dem Rathaus mit Musik und Fackelzug, einem „Meer von Lichtern“, stattgefunden, woraus Stephan wahren „Enthusiasmus“ herauslesen zu können glaubte. Zahlreiche Huldigungsgedichte wurden gedruckt. Eine Kantate in tschechischer Sprache wurde aufgeführt, für die sich der neue Statthalter in derselben Sprache bedankte,75 nicht ohne dies gegenüber Wien damit zu rechtfertigen, dass auch Kaiser Franz I. sich mehrfach dieser Sprache bedient habe. Er wusste also sehr gut, dass er ein Zeichen setzte, und ging davon aus, die Bevölkerung damit gewinnen zu können, dass Wien ihn aber dafür beargwöhnte.76 Die Popularität war ihm ein wichtiges Element seiner Amtsführung. 73 OeStA HHStA KA NL Franz A. Kolowrat (16. Januar 1845). 74 Der Humorist Nr. 55 (5. März 1846), S. 221. Zum Volksfreund auch Illustrirte Zeitung Nr. 55 (20. Juli 1844), S. 36. Allgemeine auch Krünitz 228 (1855), S. 144. 75 Mährisch-Ständische Brünner Zeitung Nr. 24 (24. Januar 1844), S. 115. 76 OeStA HHStA KA NL Franz A. Kolowrat (20. Januar 1844). Der französische Gesandte in München schrieb deshalb, die Verwendung der tschechischen Sprache habe Stephan so populär gemacht, dass der Wiener Hof daran Anstoß genommen habe. „On le dit assez libéral et même un peu plus qu’il n’est permis à un l’archiduc [sic] de l’être“; Chroust (1936), S. 47 (24. Februar 1844).
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Aber diese half nicht über alles hinweg. Denn die Brüche seiner Amtsernennung und das eher Provisorische und von der Staatsführung nicht recht Gewollte traten bald zum Vorschein. Erzherzog Stephan war von einem proböhmischen Magnaten durchgesetzt worden, um dessen böhmische Interessenpolitik gegen den Zentralismus Metternichs zu vertreten. Gleichzeitig taten sich die böhmischen Stände schwer mit der Situation, und Stephan scheute die direkte Bezugnahme auf die Stände.77 Die Beziehung zu den Ständen bildete die Achillesferse in Stephans Amtsführung. Insbesondere bei der Ernennung Salms zum Stellvertreter wurden die Probleme offensichtlich, weil dieser derjenige sein sollte, der mit den Ständen und damit mit den politisch aktiven Gremien in Beziehung trat. In dieser Situation war Stephan von Kolowrat abhängig – seinem wichtigsten Berater neben der Wiener Verwandtschaft, hier vor allem Erzherzog Karl78 –, den er mehrfach um Rat fragte.79 Mitte Januar 1844 bat Stephan Kolowrat um „mächtige Fürsprache“, damit Salm zum Landesoffizier ernannt werde, um die Beschwerden der Stände zu beenden.80 Denn diese waren mit der Option eines Oberstburggrafen-Amtsverwesers namens Salm unzufrieden, weil sie den Vertreter selbst bestimmen wollten und weil er keine landtäflichen Güter besaß, die ihn zum Mitglied der Stände hätten werden lassen. Sie bestanden verfassungsgemäß darauf, dass der oberste Landesoffizier die Stelle eines ständischen Präsidenten mit versehen müsse, wenn diese unbesetzt war.81 Den ersten Einwand konnte man damit parieren, dass der Vertreter bisher immer vom Kaiser ernannt worden war, dem zweiten aber war schwerlich auszuweichen.82 Selbst Kolowrat waren diesbezüglich die Hände gebunden, so dass er die Angelegenheit an die Staatskonferenz weitergab und Stephan aufforderte, beruhigend auf die Stände und Salm, der nach Stephans Ernen-
77 Deshalb fragte er in Wien nach, ob ihm im Ständischen Theater in Prag die Loge des Oberstburggrafen zustehe bzw. ob er sie andernfalls trotzdem nutzen dürfe. Wenn nicht, würde er sich eine eigene Loge mieten. Eine Befragung der Stände wollte er auf alle Fälle vermeiden; Schüler (2016), S. 105. 78 HU MNL OL P 301 (9. Februar 1844). 79 Der Nachlass Kolowrats im Haus-, Hof- und Staatsarchiv besteht fast ausschließlich aus Schreiben Stephans. Zumeist handelte es sich allerdings um die Weiterleitung von Bittgesuchen; OeStA HHStA KA NL Franz A. Kolowrat (1 Karton). Vgl. auch Höflechner/Wagner/ Koitz-Arko S. 4719 (Nr. 6588, 15. Januar 1848) und S. 4720 (Nr. 6594, 19. Januar 1848), beides an Joseph von Hammer-Purgstall, aus dem Schlossarchiv Hainfeld, frdl. Bereitstellung der Scans durch Herrn Prof. Dr. Höflechner. 80 Schüler (2016), S. 106. 81 Schlitter (1920), Böhmen, S. 18. 82 Schüler (2016), S. 105.
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nung immer noch ohne Amtsvollmacht war, einzuwirken.83 Stephan empfahl, dem Altgrafen eine Landtagscharge zu verschaffen,84 um die Opposition zu entkräften. Dieser Empfehlung stimmte Metternich zu, weil er das Aufkommen von Unruhen fürchtete. Allerdings musste auch hier der Eindruck vermieden werden, die Regierung lasse sich etwas „abdringen“. Denn den Ständen ging es nicht nur um die Ernennung eines Oberstburggrafen. Sie forderten die Möglichkeit, das Defizit in ihrem Domestikalfonds durch Steuerzuschläge zu decken, ohne bei der Hofkanzlei die Genehmigung dazu einholen zu müssen.85 Ihre Ansprüche gingen so weit, dass sie die Behauptung aufstellten, nur sie selbst könnten ihre Rechte gültig auslegen. Die Ernennung Salms war ein wichtiger Bestandteil in dieser eskalierenden Situation. In Wien war man unschlüssig, ob ein harter Kurs sinnvoll sei oder nicht doch eher eine Kompromisslösung gefunden werden sollte, um eine Beschwichtigung herbeizuführen. Man ließ Stephan wissen, dass man nicht beabsichtige, „die ohnedies geringen Rechte und Privilegien der böhmischen Stände zu schmälern“.86 Das ging in subtiler Weise auf die Forderungen der böhmischen „Ultras“ ein, indem man die reklamierten Rechte anerkannte, zugleich aber klarmachte, dass sie nichts wert seien.87 Erzherzog Stephan besprach sich daraufhin intensiv mit den Oppositionsführern, bis der Anführer der ständischen Opposition, Graf Albert Deym, zu weinen anfing und bekannte, der Erzherzog habe ihn durch seine Überzeugungsarbeit vor dem Verderben gerettet.88 So zumindest schilderte es Salm gegenüber Kolowrat. Nach Stephans Verhandlungsführung hätten die Landstände sogar einer Steuererhöhung zugestimmt, wenn nur Salm zum Landesoffizier ernannt würde. Stephan sah deshalb, wenn Salm ernannt werde, eine „ständische Versammlung mit Pauken und Trompeten“ kommen, ohne dass die Regierung Konzessionen hätte machen müssen. Konzessionen, so Stephan zu jenem Zeitpunkt, seien schließlich „in jetziger Zeit stets gefährliche Maßregeln“.89 Sollte das aber scheitern, weil das Handbillett zur Ernennung Salms nicht rechtzeitig veröffentlicht werde, fürchtete er einen Eklat. Das schrieb er Kolowrat und merkte zugleich an, dass er Erzherzog Ludwig gegenüber solche klaren Worte nicht finden werde.90 83 84 85 86 87 88 89
OeStA HHStA KA NL Franz A. Kolowrat (5. Februar 1844); Schüler (2016), S. 106. Schlitter (1920), Böhmen, S. 18. Schlitter (1920), Böhmen, S. 15–16. Schlitter (1920), Böhmen, S. 19. OeStA HHStA KA NL Franz A. Kolowrat (15. Januar 1844). Schlitter (1920), Böhmen, S. 20. OeStA HHStA KA NL Franz A. Kolowrat (26. Februar 1844); Schlitter (1920), Böhmen, S. 20. 90 Schlitter (1920), Böhmen, S. 20.
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Die Sache ging auf, allerdings nicht ganz wie Stephan es sich vorgestellt hatte. Salm konnte durchgesetzt werden, weil ihm von seinem Bruder das landtäfliche Gut Podersam übertragen wurde, worauf die Widerstände der Stände in sich zusammenbrachen.91 Überschwänglich bedankte sich der Erzherzog bei Kolowrat, dem er die Entscheidung zugunsten Salms vorrangig zuschrieb, und erkannte in dieser Entscheidung auch einen Vertrauensbeweis ihm gegenüber. Lobend berichtete er über seine eigenen „conciliastischen Rathschläge“ vor der Ständeversammlung Anfang März 1844, durch welche die „Hitzköpfe“ zur Ruhe gebracht worden seien – und das, obwohl er noch wenige Wochen zuvor Kolowrat gegenüber jegliche Form der Konzessionen als gefährlich gebrandmarkt hatte. Bei all dem Eigenlob musste er aber auch erkennen, dass ihm diese ausgleichende Haltung kaum möglich gewesen wäre, wenn er als „unmittelbarer Ständepräsident“ ernannt worden wäre.92 Salms Rolle war also gerade im Sinne der Regierung eine ausgesprochen wichtige und entlastete den Landeschef Stephan. Das wusste auch die Wiener Regierung, und sicherlich ahnte man auch, wie übersteigert die Selbsteinschätzung des Neulings letztlich war. Der neue Landeschef selbst hingegen ließ sich nicht beirren. Gegenüber seinem Cousin Albrecht bekannte er voller Selbstlob, dass sein Wille gut sei und Gott ihn habe ruhig, besonnen und zurückhaltend walten lassen, was einzig zu dem positiven Ergebnis geführt habe. Wichtig war ihm vor allem, dass er sein „Maul im Zaum“ hielt.93 Doch das Selbstlob war allzu schnell verflogen. Denn so wenig er bisher hatte ausrichten können, so wenig half ihm seine Taktik weiterhin. Denn mit Selbstbeschränkungen kam man letztlich faktisch nicht weiter. Die Streitfragen waren nicht zu einem Ende gebracht. Am 13. März 1844 forderten die Stände die Unabhängigkeit des Landesausschusses – das Exekutivorgan der böhmischen Stände, das bis 1848 anstelle der Stände fast alle Landesangelegenheiten regelte – von den Behörden, insbesondere vom Gubernium, das direkt unter den Wiener Hofstellen stand. Stephan bat die Wiener Regierung um eine Aufklärung der Stände in dieser Frage. Die Hofkanzlei befürwortete eine strenge Rüge, was aber unterblieb.94 Stephan musste sich in seinem ausweichenden, konzilianten 91 Helfert 1 (1907), S. 60; Melville (1998), S. 67; Schüler (2016), S. 106; Springer (1863), S. 524. Zur Familie von Salm Gothaischer genealogischer Hof-Kalender auf das Jahr 1846, S. 196–197. Der Bruder Hugo Karl war Generaldirektor des böhmischen Gouverneurs zu Prag. 92 OeStA HHStA KA NL Franz A. Kolowrat (8. März 1844). In den Zeitungen wurde davon übrigens nicht berichtet. 93 HU MNL OL P 301 (9. Februar 1844). 94 Schlitter (1920), Böhmen, S. 22.
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Kurs bestätigt fühlen, auch durch das ihm gegenüber loyale Verhalten des Erzherzogs Ludwig, das ihn angeblich zu Tränen rührte,95 und versuchte weiter zu vermitteln. Dabei stellte er sich zusehends auf die Seite der Stände, insbesondere auch in den finanziellen Fragen des Domestikalfonds, und plädierte in Wien dafür, den ständischen Rechten keinen Abbruch zu tun und einen Aufschub bis 1846 zu gewähren, bis die Steuerrepartition (Steuerverteilung) ermittelt sei.96 Er ging so weit zu glauben, die Stände würden alles einsetzen, sobald man sie in Wien nur im Sinne der Landesordnung dazu aufforderte. Er hatte offensichtlich keinen Zweifel an ihrer Loyalität. Womöglich konnte sich Erzherzog Stephan diese Haltung leisten. Denn ihm kam im Vergleich zu Salm die komfortablere Position zu: Während Salm direkt zur „Zielscheibe der ständischen Angriffe“ wurde und die politischen Forderungen eines erstarkenden tschechischen Nationalbewusstseins abzufangen hatte,97 konnte der Erzherzog als Statthalter diese Debatten umgehen, eine Repräsentativfunktion wahrnehmen und in Situationen, in denen seine landesväterliche Fürsorge notwendig wurde, in Erscheinung treten. Eines der Probleme, die Stephans Vorgänger Chotek mit sich herumgetragen hatte – dass er als Präsident der Stände deren Interessen vertreten musste und als Präsident des Guberniums diejenigen der Regierung –, war jetzt behoben.98 Sicherlich schwingt dieses Verhältnis auch in der Wortwahl Stephans mit, er sei durch Salm „sehr gut umgeben“,99 auch wenn er sich in Wien öffentlich über ihn lustig machte und sich über mangelndes Taktgefühl beklagte.100 Er nahm ihn aber grundsätzlich gegenüber Kolowrat in Schutz. Die Stände selbst forcierten dieses Spiel noch, indem sie Stephan ihre Huldigungen entgegenbrachten, die er mit einer gewissen Befangenheit entgegennahm, wie in der Zeitung zu lesen war.101 Salm hingegen bekam als Negativfigur ihre Opposition zu spüren und nahm diese „Inpopularität“ in Kauf, um sie dem Erzherzog zu ersparen.102 Stephan wiederum gelang es 95 HU MNL OL P 301 (9. März 1844). 96 OeStA HHStA KA NL Franz A. Kolowrat (9. Juni 1844); Schlitter (1920), Böhmen, S. 23. 97 Krones, S. 558–559. 98 Schlitter (1920), Böhmen, S. 99. 99 HU MNL OL P 301 (9. Februar 1844); Die Grenzboten 6 (1847), S. 247. So schon bei Mailáth 5, S. 387: „und der eigentliche Landeschef, Erzherzog Stephan, nach Popularität strebend, mied jede unangenehme Berührung mit den ständischen Tonangebern.“ Auch habe die ständische Opposition Unterstützung in der Umgebung des Kaisers gefunden. Damit dürfte Kolowrat gemeint sein. 100 Adlgasser 1, S. 517 (22. Mai 1844); OeStA HHStA KA NL Franz A. Kolowrat (9. Juni 1844). 101 Die Grenzboten 6 (1847), S. 246. 102 Die Grenzboten 6 (1847), S. 247.
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durch sein – im Gegensatz zu Salm – sehr eloquentes Auftreten, seine Popularität noch zu steigern.103 Ganz nach dem Spruch von Adolphe Thiers, dass der konstitutionelle Monarch herrsche, aber nicht regiere („Le roi règne et ne gouverne pas“, 1830), wirkte Stephans Position konstitutionell. Das konnte fortschrittlich-liberal gedeutet werden, mit den gleichen Argumenten aber auch diametral entgegengesetzt. Denn man konnte aus der Umgehung politischer Debatten auch ein patriarchalisches Herrschaftsverständnis herauslesen, das Repräsentativkörperschaften und Parteienstandpunkte zugunsten einer persönlichen Beziehung des Herrschers zu den Untertanen umging. Dieser Interpretationsspielraum nun bot Stephan Chancen und fand seine Entsprechung im Verständnis der Böhmen selbst. Denn er spiegelte auch den intrikaten Dualismus der tschechisch-nationalen Auffassung wider. Der Anführer der Nationalbewegung, František Palacký, forderte zwar die Autonomie Böhmens, aber dies innerhalb Österreichs Grenzen, wenn auch unter der Ägide einer slawisch-orientierten Politik.104 Seine Forderung nach einer Gleichberechtigung und Gleichbehandlung aller unter einem Zepter vereinigten Nationen war gegen eine russische Universalmonarchie gerichtet, nicht gegen den Kaiser in Wien, dessen Reich als Garant für die Sicherung der böhmischen Slawen gegen Russland galt.105 In diesem Sinne war es Erzherzog Stephan bei geschicktem Vorgehen möglich, das vereinigende Band als Vertreter des Hauses Habsburg zu symbolisieren und die patriarchalische Fürsorge der Herrscherdynastie unter Beweis zu stellen, während Graf Salm den politischen Differenzen standzuhalten hatte, die insbesondere zu Beginn des Jahres 1847 über die Frage der ständischen Verfassung akut wurden.106 Stephan konnte die politischen Gegensätze damit elegant ausklammern und einer Politik des Wohlbehagens frönen, was nicht heißt, dass er nicht tatsächlich auch handelte. Dass er die Korruption der Beamten in den Kreisämtern durch das Verbot, Geschenke anzunehmen, unterband, wurde in den Zeitungen als „mit ächt deutschem Sinne“ lobend hervorgehoben.107 Er setzte Akzente, die ihm nur nützlich sein konnten. Grundsätzlich trug sich das optimistische Bild vorbehaltlos in die Bevölkerung, wie die Widmung eines Buches der beiden Leiter des Prager Taubstummeninstituts an 103 Viszota, S. 246 (20. August 1845): Stephan habe vor den Ständen gesprochen, Salm nur vorgelesen. 104 Judson, S. 268. 105 Judson, S. 267–270; Moritsch, S. 20. 106 Hanke (1974), S. 596. 107 Illustrirte Zeitung Nr. 38 (16. März 1844), S. 178.
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den Menschenfreund Stephan belegt, in welcher er als Fürst gefeiert wurde, der in jedem standesübergreifend den „Menschenwerth“ achte.108 Trotz aller Abstriche, die man bei dergleichen Widmungstexten zu machen hat, ist dieses Bild doch bezeichnend – ein Bild, das sich immer wieder von Stephan finden lässt, auch in den Zeitungen. Der „Kourier an der Donau“ sah in ihm den „Retter des Vaterlandes“, den „Schrecken aller bösen Gewissen“ und einen „Mann, in welchem viele Patrioten einen zweiten Joseph voraussagen“. Mit großer Energie wende er sich gegen den Schlendrian und alle Missstände und stelle dabei Redlichkeit, Ehre und Pflicht in den Vordergrund.109 Als wiedererstandenem Joseph II. schrieb ihm die Presse schier übermenschliche Fähigkeiten zu, zumal der Vergleich mit dem Reformkaiser auch weniger mit einer historischen Persönlichkeit gezogen wurde als mit einem idealisierten Bild, das man sich von diesem machte. Angesichts des schwachen Kaisers Ferdinand wuchs ein Hoffnungsträger der Dynastie heran, gegen den niemand in der Staatsführung etwas unternehmen konnte, wollte er die Dynastie nicht diskreditieren. Im Hinblick auf den Staatskanzler konnte das als Erosion von dessen Macht gedeutet werden oder als Systemfehler, der ihm die Möglichkeit einer Lenkung verwehrte.110 In dem aggressiven Gedicht „An den Erzherzog Stephan“ des späteren Prager und Wiener Philosophieprofessors Robert von Zimmermann, das 1845 in Konstanz seine Veröffentlichung fand, wurde die Beziehung zu Joseph II. ebenfalls gesucht. Stephan wurde hier sogar zu seinem Enkel erklärt. Ansonsten ist er Kaiserspross und ein freier, „echter“ Mann. „Tritt an des Volkes Spitze“, fordert der Dichter den Erzherzog auf, „das jauchzend Dich umflicht. / Ersticke Du mit Thaten / Den Zorn der Diplomaten, / Der vom Gehorchen spricht.“ Er solle als Held sein Volk retten, ja zum „Geist der Rache“ werden.111 Das war viel verlangt von einem jungen Mann, der noch nichts vorzuweisen hatte. Auch wurde der Erzherzog damit in eine für ihn merkwürdige Gesellschaft gebracht: Denn der Band mit dem martialischen Titel „Guerillaskrieg. Versprengte Lieder“ war den revolutionären oder zumindest kritischen Publizisten Robert Prutz, Georg Herwegh und Anastasius Grün gewidmet. 108 Frost/Kokátko, o. S. (Widmung): „Dem edlen Menschenfreunde! Der hochgestellt / In dieser Welt / Doch Menschenwerth / In Jedem ehrt, / Bei Jedem gleich, / Bei Arm und Reich, / Bei Greis und Kind, / Bei Taub und Blind; / Und Kraft und Zeit / der Menschheit weiht“. 109 Kourier an der Donau Nr. 275 (18. November 1844), o. S. 110 Zur Rolle Josephs II. in der liberalen Publizistik vgl. Rietra (1985), S. 31. 111 Zimmermann (1845), S. 58–62. Zum Verfasser auch Müller (2001), S. 29–40. In seinem Porträt in Sonntagsblätter (4. Juni 1848), S. 403–407, wurde Zimmermann dem Jungen Deutschland zugeordnet. Auch Blätter für literarische Unterhaltung Nr. 78 (19. März 1846), S. 312.
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Stephan, der bekannte, als Statthalter nicht allem gewachsen, aber doch für alles gewappnet zu sein,112 konnte sich also einer allgemeinen Sympathie erfreuen, musste aber auch mit gesteigerten Erwartungen zurechtkommen. Die Sympathien der Böhmen verschaffte er sich durch kleine Aufmerksamkeiten.113 Zur positiven Grundstimmung trug aber auch bei, dass er keine Kontakte zu den Kreisen scheute, welche die tschechische Nation kulturell definierten. Ab und an bediente er sich sogar der tschechischen Sprache. Er und Erzherzog Franz Karl als Vertreter des Kaisers nahmen am 20. August 1845 an einer Versammlung der Freunde der böhmischen Sprache und Literatur auf der Sophieninsel in Prag teil.114 Die Mitglieder des Hauses Habsburg wollten damit – gegen die politischen Tendenzen gerichtet und in Abfederung des Systems Metternich – ein Gefühlsmoment bedienen, das viele Kreise für sich gewinnen sollte, ohne sich politisch festzulegen. Ähnlich „gefühlig“ waren auch Stephans Stellungnahmen zu brisanten politischen Fragen. Als die Stände an den traditionellen Rechten der Grundherren festhielten und daraus ein Recht bei der Gesetzgebung ableiteten, scheiterten sie zunächst an Metternich. Selbst Kolowrat, der ihrem Denken zuneigte, wagte hier keinen Konflikt mit dem Staatskanzler. Stephan hingegen erklärte, dass die Stände nicht übergangen werden dürften, weil sie „unserer väterlichen Regierung zur festesten Stütze“ dienen könnten.115 Hier bezog er also ganz klar Position für einen Regierungsstil, der sich auf altständische Traditionen stützte. Auch der Widerstand der Stände gegen das „alleinige Regiment der Büreaukratie“ mochte Stephans Wohlwollen gefunden haben.116 Die Regierung widersetzte sich diesen Vorstellungen, da sie Vorschläge der Stände zur Umsetzung von Gesetzen prinzipiell nicht dulden wollte, war doch das Gesetzgebungsrecht in Böhmen ein rein monarchisches. Nur Wünsche und Bitten waren erlaubt. Stephan hingegen war sich gewiss, dass es alle voranbringe, wenn der Kaiser eine böhmische Delegation empfange und ein freundliches Gesicht zeige.117 Das war optimistisch gedacht, verkannte aber die politische Sprengkraft, die sich hinter allem verbarg. Sobald dramatische Konflikte ausbrachen, mussten Stephans Einschätzungen wegen ihrer Unschärfe versagen.118 Das aber genau waren die Konflikte, die er hätte erkennen müssen, 112 HU MNL OL P 301 (8. April 1844). 113 Schlitter (1920), Böhmen, S. 18–19. 114 Frankfurter Oberpostamtszeitung Beilage zu Nr. 239 (30. August 1845). 115 OeStA HHStA KA NL Franz A. Kolowrat (1844), Promemoria; Schlitter (1920), Böhmen, S. 32. 116 HLA HStAD Best. G 1 Nr. 182/2 (25. Juli 1845, auch 31. Mai 1845). 117 Schlitter (1920), Böhmen, S. 33. 118 Schüler (2016), S. 108; Paulmann (2000), S. 83.
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wenn er bedacht hätte, dass die Stände wieder Rechte für sich in Anspruch nahmen, die seit einem halben Jahrhundert geruht hatten, wenn dies auch (noch) ohne revolutionären Impetus geschah.119 Aber vielleicht war ihm das von seiner Warte aus, in der er nur bedingt mit politischen Konflikten konfrontiert wurde, auch kaum möglich. Denn den Großteil von Stephans täglicher Arbeit nahmen Audienzen und Regierungssitzungen, keine politischen Debatten, ein, wie er gegenüber Staatskanzler Metternich herausstrich. Jede Hofpost, jede Anfrage, jede Verfügung, so schrieb er, gehe durch seine Hände. Auch die Sitzungen könnten nur durch ihn präsidiert werden, weshalb er in Prag vollkommen unabkömmlich sei. Leider habe er das Mittel noch nicht erfunden, aus sich zwei Personen zu machen. Höchstens einen Tag könne er deshalb von Prag fernbleiben.120 War das Wichtigtuerei oder Überforderung? Vermutlich beides. In der Öffentlichkeit aber prägte sich das Bild eines fleißigen jungen Mannes aus, der seine Arbeit auch mitnahm, wenn er sich einige Zeit nicht vor Ort aufhielt.121 Mit nüchternem Blick kann man rekonstruieren, dass die Sonntage durch Audienzen für Hofbeamte (Kurialaudienzen) ausgefüllt waren, montags, dienstags und samstags wurden arme Bittsteller zu Stephan vorgelassen. An Donnerstagen und Freitagen tagte die Regierung (Gubernialsitzungen). Nachmittags und abends wurden die laufenden schriftlichen Arbeiten bewältigt, die neben den Verwaltungsaufgaben aus der Bearbeitung der Bittschriften von Notleidenden, Schuldnern und sozialen Anstalten bestanden.122 Daran dürfte sich auch im Folgenden nicht mehr viel geändert haben: Viermal in der Woche hielt Stephan Audienzen ab, die jeweils einen halben Tag in Anspruch nahmen.123 Dabei blickten ihm immer wieder indirekt Graf Kolowrat oder Erzherzog Ludwig über die Schultern, bei denen er sich in Wien zu vielen Fragen Rat holte. Kolowrats Protegé war er ohnehin gewesen, Erzherzog Ludwig vertrat in der Staatskonferenz eine jeder Neuerung entgegenstehende Geisteshaltung.124 Das brachte Stephan auch zeitweise das Wohlwollen der Erzherzogin Sophie ein,125 kurzum einer konservativen, dynastisch ausgerichteten Personengruppe, die dem Metternichschen System eher konträr gegenüberstand, mit der er aber schon länger einen vertrauten Kontakt gepflegt hat119 HLA HStAD Best. G 1 Nr. 182/2 (31. Mai 1845). 120 NA Prag Fond MRA AC 1 18-A (15. September 1845). 121 HLA HStAD Best. G 1 Nr. 182/1 (30. April 1844). 122 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 a (25. Januar 1844). 123 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 a (13. Januar 1845). 124 Hamann (1988), S. 268. 125 Kovács (1971), S. 80.
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te.126 Sophie hatte ja mangelnden Willen und Ehrgeiz unter den Erzherzöge beklagt, so dass Metternich von Seiten der Dynastie nichts entgegengesetzt wurde.127 Stephan mochte für sie eine Ausnahme bilden, die dazu genutzt werden konnte, die Dynastie gegen Metternich und die Allgewalt der Bürokratie wieder ins Spiel zu bringen. Das dynastisch sowie traditionell-feudal geprägte Denken muss deshalb auch das Handeln Stephans als Statthalter in Böhmen beeinflusst haben. Allerdings hatten auch die Erfahrungen in der Wiener Bürokratie ihre Auswirkungen auf Stephans Amtsführung. Sowohl in der Zentrale als auch auf Kreis- und Gemeindeebene überwachte er die Verwaltungen, forderte Reformen, wachte über die Unparteilichkeit der Beamten und hielt die Polizei zu einer bisher kaum gekannten Aktivität an. Immer wieder erschien sie unerwartet auf den Märkten, um die Waren zu prüfen.128 Dieses Vorgehen kann nur aus einem genauen Einblick in Verwaltungsstrukturen während seiner Ausbildung erwachsen sein und zeugt von einem ausgeprägten Willen zur Überwachung und zur Effizienzsteigerung in der Verwaltung. Im Volk selbst wurde sein Vorgehen honoriert: Sein nach außen hin ausgleichendes, sanftes Wesen und der Einsatz für soziale Fragen mögen zu diesem positiven Image beigetragen haben – und viele seiner sozialen Projekte waren ja auch vorteilhaft, gleichgültig, welche Absicht dahinterstand.129 In Wien argwöhnte man daher auch, dass er „lieber die Regierung als seine Popularität bloßgestellt“130 sehen wollte, was auch nicht ganz von der Hand zu weisen war. So wurde berichtet, er habe eine mehrfach abgelehnte Beschwerde der ständischen Opposition immer wieder in Wien vorgebracht. Als Wien ihm dann eine missbilligende Verfügung zugesandt habe, habe Stephan diese der Opposition vorgelegt, um zu beweisen, dass „Er wenigstens das Seinige gethan habe, und daß es nicht an Ihm liege, wenn den Beschwerden nicht abgeholfen werde“.131 Daran war prinzipiell nichts Verwerfliches, aber es schürte in Wien den Argwohn, Stephan könne, um seine Reputation zu fördern, der Regierung in den Rücken fallen. Der Erzherzog, so hieß es, pflege seine Popularität auch auf Kosten der gebotenen Vorsicht.132 Die regierungskritischen Kreise schrieben daher der Wiener 126 HU MNL OL P 301 (o. D., 1837): Besuche bei Erzherzogin Sophie in Wien; ebd. (5. Mai 1841): Essen bei Erzherzogin Sophie. 127 Unterreiner, S. 32. 128 Anders (1868), S. 164 und S. 167. 129 Der Richter von Polaun, Josef Neumann, bezeichnete Stephan als „Magier, der das erlösende Wort sprach“, indem er für das „Volk“ Arbeit geschaffen habe; Junker, S. 5. 130 HLA HStAD Best. G 1 Nr. 182/1 (12. Juni 1844). 131 HLA HStAD Best. G 1 Nr. 182/1 (12. Juni 1844). 132 Zitat bei Valentin 1, S. 18, ohne Quellenangabe.
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Regierung auch grundsätzlich die Verantwortung dafür zu, dass Stephans Reformbereitschaft nicht in dem Maße ihre Umsetzung fand, wie sie es wünschten.133 Stephan nutzte die Gelegenheiten, sein positives Bild zu untermauern, wie die Überschwemmungen im April 1845 belegen. Am 28./29. März war über Prag ein Hochwasser hereingebrochen, wie es seit 1784 keines gegeben hatte. Am 28. wurde um vier Uhr nachmittags ein Pegelstand von mehr als drei Meter (11 Schuh) über normal gemessen, am 29. nachmittags ein Pegel von über fünf Meter (17 Schuh 3 Zoll) über normal. Die Einwohner der Stadt hatten ihre Wohnungen zu räumen und alles Hab und Gut zurückzulassen. Treibende Eisschollen auf dem Hochwasser brachten große Gefahren über die Stadt, hinzu trat ein mächtiger Wind, der das Hochwasser unberechenbar werden ließ. Eine komplette Mühle kam mitsamt ihrem Mühlrad die Moldau entlanggeschwommen, ebenso ein Dampfkessel. In der Stadt herrschte der Ausnahmezustand, auch wegen des Mangels an Trinkwasser, das aus weiter Ferne herbeigeschafft werden musste. Die Ortschaften standen bis zu den Dachziegeln unter Wasser, und bei Melnik an der Elbe war ein ganzes Dorf weggerissen worden. Von staatlicher Seite wurden Sträflinge und Pioniere herangezogen, um die entstandenen Schäden zu beheben. Erzherzog Stephan reiste noch während der Überschwemmungen selbst durch das Land. „Auf den bedrohtesten Puncten erblickte man den Ponton, welcher den Erzherzog durch die brausenden Fluten trug“, schrieb später sein Biograph, und in Leitmeritz spendete Stephan einen beachtlichen Geldbetrag, um die Not zu lindern.134 Er selbst übernahm das Protektorat eines Komitees, das sich aus dem höchsten Adel des Landes gebildet hatte, um Gelder für die Notleidenden zu sammeln. 15.000 Gulden kamen auf diese Weise zusammen, hinzu traten Unterstützungsbeträge des Kaisers (85.000 fl.), der Kaiserin (5000 fl.) sowie der vier größten Handelshäuser Wiens (10.000 fl.).135 Die zumeist eher symbolische, landesväterliche Rolle des Statthalters wurde hier konkret und brachte ihm ungeteilte Anerkennung in Böhmen und in Wien ein. Dort war er vier Wochen nach dem Beginn der Flutkatastrophe, am 1. Mai 1845, nach einem Abstecher nach Pest eingetroffen, war den anderen Erzherzögen begegnet und hatte einem Ball beim Fürsten Metternich beige133 Lüning, S. 235. 134 Anders (1868), S. 171. Der Fürst Pückler-Muskau berichtete 1845 über ein Gespräch mit einem Regimentsarzt, der die österreichischen Verhältnisse kritisch beurteilte, „doch lobte er sehr den Erzherzog Stephan in Prag und sein energisches Einschreiten“; Assing-Grimelli, S. 152. 135 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 a (4. April 1845). Seinen Onkel Erzherzog Rainer hatte Stephan persönlich angeschrieben und um 20.000 fl. für die Überschwemmungsopfer gebeten; ÖNB Autogr. 55/33-6 (21. April 1845).
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wohnt.136 Im Juni erhielt er, der wieder einmal zum tagespolitischen Helden geworden war,137 schließlich den für zivile und militärische Verdienste verliehenen Leopold-Orden, wofür sich insbesondere Kolowrat sehr eingesetzt hatte. Stephan freute diese Verleihung, weil ihn von allen Erzherzögen bisher nur seine Onkel Rainer und Johann erhalten hatten. Nach einer Kur in Franzensbad vom 30. Juni bis 28. Juli138 kehrte Erzherzog Stephan honoriert nach Prag zurück, wo er am 20. August die neue Eisenbahnlinie zwischen Olmütz und Prag eröffnen sollte. Das kam nicht nur seinen eigenen technischen Interessen entgegen, sondern konnte wiederum dazu dienen, seine segensreiche Regierung unter Beweis zu stellen.139 Erzherzog Stephan begrüßte in Prag seinen Onkel Franz Karl als Stellvertreter des Kaisers, und auch Stephans Vater, Erzherzog Joseph, war angereist. Am 22. August legte der Statthalter mit seinen beiden Verwandten den Grundstein des Prager Bahnhofs und weihte die Lokomotive mit dem Namen „Böhmen“ ein. Mit den Untertanen unterhielt sich der Statthalter in tschechischer Sprache, was ihm große Sympathien einbrachte.140 Er selbst konnte zusammenfassen, dass die Feierlichkeiten erfolgreich gewesen seien, weil es keinerlei Exzesse gegeben habe, sondern „ein nicht bestellter, aber höchst warmer enthusiastischer Empfang“ gewesen sei. Außer den wachestehenden Polizisten sei kein Polizist zu sehen gewesen.141 Auch hier entwickelte der Erzherzog wieder das Bild eines ruhigen Landes mit einer Bevölkerung, die loyal und dankbar der Obrigkeit anhing, legte damit aber auch offen, wie fokussiert sein Denken in diese Richtung ging und wie sehr ihn die Furcht vor dem Gegenteil bedrückte. Dem Eindruck eines prosperierenden Landes dienten auch der Straßenbau und die Verschönerungsmaßnahmen in Prag.142 Die Stadt erhielt unter 136 Cerny, S. 102–104; Allgemeine Zeitung München Nr. 136 (13. Mai 1845), S. 1088; Schüler (2016), S. 109–110; LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv XXVI Nr. 739 a (30. Juli 1845). 137 Busch, S. 80, vgl. auch S. 68 zum Bild der Monarchie im 19. Jahrhundert. 138 Liste der Franzensbader Curgäste 1845, Nr. 19 (2. Juli 1845) und Nr. 38 (2. August 1845). Stephan hielt sich zusammen mit Grünne und einer Entourage von 20 Personen in Franzensbad auf. 139 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 a (30. Juli 1845); Frankfurter Oberpostamtszeitung, Beilage zu Nr. 239 (30. August 1845); Schnürer, S. 57 (Nr. 42); LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 a (16. Oktober 1845). Zur Eisenbahn zwischen Kralup und Dresden vgl. auch OeStA HHStA KA NL Franz A. Kolowrat (15. Februar 1847). 140 Zur Bedeutung der Sprachpflege für den tschechischen Frühnationalismus Raupach, S. 31– 37. 141 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 a (16. Oktober 1845). 142 Anders (1868), S. 174.
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Erzherzog Stephan die ersten Gaslaternen, und der Statthalter selbst übernahm das Protektorat des Vereins für Gasbeleuchtung.143 Auch die Wälle der Stadt wurden durch Anpflanzung von Akazien in ihrer Ansehnlichkeit verbessert. Die Bau- und Verschönerungsmaßnahmen nutzte Erzherzog Stephan dazu, seiner Amtsführung Glanz zu verleihen. Er bewirkte im Namen des Kaisers die Verschönerung der Stadt Prag, den Bau von Straßen und den Ausbau der Eisenbahn, was natürlich wieder auf ihn zurückfiel. Der Spagat zwischen gesamtstaatlicher Verwaltung durch die Dynastie, deren Vertreter er war, und nationalen Interessen war auf diesen Feldern gut zu überbrücken. Darüber hinaus wertete er selbst die Maßnahmen als Sozialfürsorge. Der Erzherzog wies immer wieder darauf hin, dass seine Baumaßnahmen den Untertanen ein Einkommen verschafften – ein alter Topos, der bereits bei Schlossbauten der Frühen Neuzeit Verwendung gefunden hatte.144 Stephans Nichte, Louise von Belgien, sollte später das Geldausgeben des Adels sogar als „soziale Pflicht“ bezeichnen.145 Gerade 1846/47 unterstützte er zahlreiche reformerische Projekte: Maßnahmen zur Wirtschaftspolitik, so u. a. den Ankauf von totem Kapital, um es dem Wirtschaftskreislauf zuzuführen, und die Einrichtung einer Filialbank in Böhmen, womit dem Handelsstand unter die Arme gegriffen werden sollte. Für den Zeitraum der nächsten sieben Jahren plante Stephan die Aufhebung der Judensteuern, auch sollte nun doch die Robot abgelöst werden, ohne allerdings die Rechte der Obrigkeit „im Mindesten“ anzutasten, was wohl kaum möglich gewesen wäre. „Wir reden bei uns in Oesterreich nicht viel, aber gehandelt wird, besonders in neuester Zeit, und das ist die Hauptsache“, schrieb er an Carl Alexander von Sachsen-Weimar nicht ohne berechtigten Stolz.146 Denn diese Reformen waren enorm für jemanden, der bisher von den traditionell denkenden Großgrundbesitzern in Böhmen protegiert worden war.147 Zugleich regte er an, im Haus des Grafen Johann Nostitz in Prag das „vaterländische Museum“ unterzubringen. Gegenüber seinem Freund Carl Alexander in Weimar hatte er, in anderem Zusammenhang, ebenfalls geäußert: „Ich finde es recht, wenn Prinzen zur Erhaltung von Alterthümern und Gegenständen unserer Vorfahren die Hand biethen“, und brachte dies 143 Anders (1868), S. 165; Viszota, S. 368 (30. April 1846); OeStA HHStA KA NL Franz A. Kolowrat (11. Oktober 1845). 144 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 a (21. November 1851); Schieckel (1990), Schaumburg, S. 301. 145 Princesse Louise, S. 7; Louise von Coburg, S. 19. 146 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 a (7. Januar 1847). 147 Wessenberg schrieb, die Bemühungen seien ohne Erfolg geblieben; Aland, S. 322 (Nr. 350, 13. April 1847).
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in Beziehung zur Rekonstruktion der Wartburg in Thüringen. Er dürfte aber auch die Ambitionen seines Vaters zur Förderung einer ungarischen Akademie der Wissenschaften und des ungarischen Nationalmuseums vor Augen gehabt haben.148 Die Schirmherrschaft über die ungarische Akademie der Wissenschaften übernahm Stephan 1843 auf Bitten des Vaters, womöglich auch, um ihn auch in Ungarn in der öffentlichen Wahrnehmung zu positionieren.149 Stephan schloss sich den nationalkulturellen Aspekten einer Identitätsstiftung fördernd an, ohne daraus politische Konsequenzen zu ziehen. Seine Aktivitäten auf diesem Feld waren besonders disparat.150 Trotzdem bot Stephans Verhalten für die Böhmen einen größeren Interpretationsrahmen, so dass auch diese Aktivitäten als Gratwanderung zu werten sind. Die 1846 anlässlich des 500. Jahrestags der Gründung der Prager Universität erfolgte Aufstellung einer von dem Dresdner Bildhauer Ernst Julius Hähnel geschaffenen Statue Kaiser Karls IV. als Universitätsgründer auf dem Prager Kreuzherrenplatz war nur durch die Verwendung des Erzherzogs beim Kaiser möglich geworden.151 Karl IV., dessen Denkmal die böhmischen Stände initiiert hatten, wurde als Symbolfigur des Tschechentums interpretiert: „Karl IV. als König von Böhmen und Gründer der Universität Prag“.152 Der Landeschef hingegen konnte darin keine „Tendenz des Czechismus“ erkennen, wie er gegenüber Kolowrat bekannte.153 Ob das eine Verkennung politischer Hintergründe war oder ein Beschwichtigungsversuch in Richtung Wien, wird nicht zu klären sein. Die nationale Stellungnahme wurde aber dann doch durch die Aufstellung eines zweiten Denkmals, eines Reiterstandbilds des Kaisers Franz I. von Österreich, abgemildert, das – zunächst in Aussicht gestellt und von der Wiener Regierung lange verzögert154 – schließlich erst 1850 von Josef Max und Josef Kranner errichtet wurde. 148 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 a (25. Oktober 1845); Hankó (1987), S. 7. 149 Királyi Magyar Természettudományi Társulat, S. 8. 150 Die „landständische Anstalt“ des königlichen Statthalters war damit vorderhand kein Problem. Grundsätzlich befand sich Stephan auf einer Linie mit der Wiener Regierung. Denn auch Kolowrat und Metternich wollten ja die kulturelle Autonomie der einzelnen Landesteile gefördert sehen, nicht jedoch die politische. Vgl. Siemann (2013), S. 107; zum Nationalmuseum Böhmens auch Judson, S. 191; Thienen-Adlerflycht, S. 70–71. Später, als Palatin von Ungarn, bemühte er sich um die Bibliothek des ungarischen Nationalmuseums; ÖNB Autogr. 182/61-2 und -3 (1847). 151 Anders (1868), S. 165–166. 152 Laut Stephan ging die Anregung vorrangig von dem Gymnasialdirektor Prälat Jakob Beer aus; OeStA HHStA KA NL Franz A. Kolowrat (13. Januar 1848); vgl. auch: Die Grenzboten 3 (1844), S. 538–539. Zum Denkmal vgl. auch Woldt, S. 204–205. 153 OeStA HHStA KA NL Franz A. Kolowrat (13. Februar 1844). 154 OeStA HHStA KA NL Franz A. Kolowrat (18. Juli 1845).
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Nationale Eigenständigkeit und Loyalität gegenüber dem Haus Habsburg waren die beiden Pole, die es zu bedienen galt.155 Zwischen diesen Polen lavierte der Statthalter, auch wenn er selbst ahnte, dass der tschechische Nationalismus zu den Gefahren für die Habsburgermonarchie gehöre.156 In einer Schrift des oppositionellen Publizisten Franz Schuselka wird der Erzherzog als „deutschthümlich“ bezeichnet, ohne diesem Charakter aber Stringenz zu unterstellen. Vielmehr wird das Verhalten dort als wankelmütig und einzig auf seine Außenwirkung hin berechnet charakterisiert.157 Damit lag Schuselka sicherlich nicht falsch, wenn auch erst einmal zu attestieren ist, dass Stephan den Nationalismus durch geringe Konzessionen in Schach zu halten suchte.158 Stephan erteilte deshalb neben seinen proböhmischen Aktionen auch die Erlaubnis, dass der deutschböhmische Dichter Uffo Daniel Horn in Vorträgen über das deutsche Lied referierte. Er wollte durch Volksbildung die deutsche Kultur in Prag fördern.159 In der Förderung eigenständiger Kultur erkannte man also allenthalben per se noch nichts Trennendes oder Scheidendes, sondern setzte vielmehr auf die „utraquistische Mittlertätigkeit“ Böhmens.160 Erst 1848 offenbarte sich, dass sich mit den nationalen Vorstellungen eine Dynamik verband, die fähig war, das einende Band zu zerstören, und die mit gutmeinenden vertrauensbildenden Maßnahmen nicht gebändigt werden konnte. Stephan mochte das auch erst dann erkannt haben, während nationale Kreise ihn schon zuvor für sich vereinnahmen wollten.161 Denn erst seit den 1840er Jahren begannen in der ganzen Donaumonarchie in Presse und Gesellschaft nationalistische Ansichten aufzukommen, die in Opposition zum Habsburgerreich standen. In Ungarn deutlich stärker aus155 Telesko (2008), S. 121–123. 156 OeStA HHStA KA NL Franz A. Kolowrat (27. Juni 1844). Ähnlich auch Zimmermann (1845), S. 62: „Viel lieber Habsburgers Aare, / Viel lieber Sarg und Bahre, / Als Knutenmajestät!“ 157 Schuselka, S. 125: „Auf den Erzherzog Stephan aber, der so viel gepriesen wird, halten wir Polen nicht viel. Er kokettiert zu sehr mit den Magyaren. In Böhmen wieder geberdet er sich deutschthümlich.“ 158 Auch ist fraglich, ob er die Dimension in ihrer ganzen Tragweite erkannte. Anlässlich des gewaltigen Erfolgs bei der Sammlung für eine tschechische Gewerbeschule soll er sich sehr verwundert über die Spender geäußert haben: „Aber das ist doch merkwürdig – wer sind denn diese Leute?“; zitiert bei Raupach, S. 146. 159 Besondere Beilage des Wiener Zuschauers Nr. 46 (17. April 1843), S. 9. Zu Uffo Daniel Horn vgl. BLKÖ 13 (1881), S. 145–146); auch Wiener Zeitschrift für Kunst, Literatur, Theater und Mode Nr. 89 (5. Mai 1843), S. 711; Anders (1868), S. 166; Höhne, S. 633. 160 Höhne, S. 636. Das ist das Gegenteil zum Begriff „Czechismus“, wie Anm. 104 dieses Kapitels. 161 Hankó (1990), o. S.
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geprägt, so dass sich in Pressburg und Pest sogar Vorläufer politischer Parteien herausbildeten, gewann diese Dynamik aber auch in anderen Reichs teilen an Kraft.162 Nationale Kreise waren bestrebt, den klassenübergreifenden Staatsbürger herauszubilden. Volksbildung sollte zur Emanzipation beitragen, und diese Kreise mochten in der eher indifferenten Politik des Statthalters einen Geistesverwandten sehen und ihm deshalb ihre Sympathien schenken.163 Er selbst sprach ja auch davon, durch die Erziehung der Jugend den Kindern nicht nur eine frohe Jugendzeit zu ermöglichen, sondern sie dadurch zu nützlichen Staatsbürgern heranzubilden.164 Was das hieß, lässt sich aus Äußerungen in anderem Zusammenhang erklären. Angesichts der zunehmenden Politisierung der Ständevertretungen gab Stephan 1844 eine Einschätzung gegenüber Kolowrat ab: Die Untertanen sollten „unserer väterlichen Regierung zur festesten Stütze“ dienen, „mit ihr Hand in Hand nicht nur zur Förderung der Landesinteressen“ zu Opfern bereit sein, „sondern auch jenen unseligen Zeitgeist“ bekämpfen, „der sich in [sic] Niederreißen des Bestehenden und im Aufbauen dessen gefällt, was[,] ohne in der Geschichte und in dem Volksleben zu wurzeln, aus hohlen Theorien hervorgegangen ist“.165 Die Untertanen waren und blieben die Stütze der Herrschaft, und insofern dienten sie auch der Wahrung des alten Herkommens, das nicht in erster Linie staatsrechtlich und schon gar nicht politisch, sondern auch – im Herder’schen Sinne – kulturell gedacht wurde. Volksbildung und Kulturförderung konnten unter diesem Aspekt nicht die Grundvoraussetzungen zur Emanzipation der Untertanen aus der Aufsicht und Fürsorge des Landesherrn sein, sondern sie mussten im Sinne der Regierung „gutgesinnte“ Untertanen herausbilden. Für Stephan war denn auch ein nützlicher Staatsbürger zunächst ein friedlicher und ergebener. Das Habsburgerreich war in diesen Vorstellungen ein gewaltiges Familienfideikommiss in verschiedenen regionalen Ausprägungen, die letztlich als gegeben zu respektieren waren, aber die einzige Klammer – die Herrscherdynastie – nicht berührten. Damit standen die Loyalität jedes einzelnen Untertanen im Zentrum und so auch die Bindung an den Herrscher und das Herrscherhaus. Diese vormoderne Auffassung verknüpfte Stephan wiederum mit sehr zeitgenössischen Elementen. So war ihm die Bindung an den Herrscher nicht voraussetzungslos gegeben, sondern die Dynastie wurde in die Pflicht 162 Judson, S. 198 und S. 572–576. 163 Judson, S. 191. 164 Neueste Nachrichten aus dem Gebiethe der Politik Nr. 31 (31. Januar 1856), S. 352. 165 OeStA HHStA KA NL Franz A. Kolowrat (1844), Promemoria.
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genommen, sich die Loyalität zu verschaffen. Er erkannte in dieser Suche nach Popularität also keine Aushöhlung der dynastischen Legitimität. Vielmehr stützte sie in seinen Augen den Herrscher in seinem Amt und förderte die Loyalität, die Stephan zugleich einforderte. Elemente des charismatischen Führungsstils, Regierungsformen, die aus der napoleonischen Ära erwachsen waren, übertrug Stephan auf sein vormodernes Staatsverständnis und kombinierte es mit Gedanken, die vom bürgerlich daherkommenden Josephinismus,166 aber auch von Schiller oder Kant herrühren mochten. Dafür bediente er sich auch neuer Repräsentationsformen und der Medien, ohne ihnen recht gewachsen zu sein. In idealistischer Wahrnehmung verkannte Stephan die explosive Kraft der politischen und nationalen Bewegungen. Er unterhöhlte damit das legitimatorische Prinzip, das er letztlich nicht in Frage stellen wollte. Das war auch für die Zeitgenossen schwer zu durchschauen und weckte nachvollziehbare Hoffnungen und Aversionen.167 Stephan bot Identifikationspotential für liberale Kreise, 168 ohne deren Grundforderungen wie politische Mitbestimmung oder Aufhebung der Zensur zu übernehmen, ja indem er gegenüber dem liberalen Unternehmertum sogar lange an Robotleistungen und damit altüberkommenen Agrarstrukturen festhielt. Liberale Denker mit Vorstellungen von einem patriarchalischen Wohlfahrtsstaat, die auf den Staat als Bollwerk gegen soziale Unruhen setzten, erkannten sich in ihm wieder.169 Er plädierte für eine Obergrenze der pro Fabrik einzustellenden Kinder,170 gründete caritative Vereine in Böhmen171 und ließ Suppenanstalten errichten, wo, wie andernorts auch, die bekannte Rumfordsche Suppe gekocht werden sollte. In Weimar holte er Informationen über Kochapparate mit Dampfkesseln ein, die transportabel waren und damit variabel vor Ort eingesetzt werden konnten. Er übernahm das Protektorat über den Verein für hilfsbedürftige Kinder und machte dem Privatverein zur Unterstützung „verschämter Hausarmer“ großzügige Geschenke.172 Bei den hohen Holz166 Plaßmeyer (2018), S. 168. 167 Belting, S. 233: „Möglichkeitsform“; Hildesheimer, S. 11: „Wunschdenken“. 168 Hankó (1990), o. S.; Archduke Stephen, S. 209. 169 Gall (1985), S. 163; Sheehan, S. 218. 170 Auch seine Stellungnahme gegen die überhandnehmende Kinderarbeit in Böhmen trägt diese Handschrift: Dass die Fabrikbesitzer in großer Zahl auf Kinder zurückgriffen, weil deren Arbeitskraft billiger war als diejenige erwachsener Arbeiter, führe dazu, dass sie „wie die Thiere heranwachsen und, endlich erwachsen, zu nichts Anderm abgerichtet, wegen der Ueberzahl entlassen und Tagdiebe oder Gauner werden müssen!“ Neue Freie Presse Nr. 4304 (18. August 1876), o. S. (27. Juni 1846), an Professor Jacob Reuter. 171 Kováts, S. 263. 172 Anders (1868), S. 164–165. Auch das Protektorat für den Verein zur Errichtung von Dampfmühlen für Böhmen hatte er inne; ebd. S. 165.
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preisen 1845 ließ er Brennholz aufkaufen und gab dieses an Bedürftige ab. Im strengen Winter 1845/46 richtete er Wärmstuben für die Armen ein.173 Wegen der schlechten Kartoffelernte ließ Stephan Reis174 und Kartoffeln ankaufen, um beides preisgünstig abzugeben. Ein Verschenken von Nahrungsmitteln lehnte er ab, weil die Bevölkerung damit „kommod“ – also faul und bequem – werde. Hin und wieder griff Stephan auch prospektiv ein, um der Not selbst vorzubeugen. So munterte er den Herrn von Nadherny, den Besitzer von Adersbach, auf, der in Verfall geratenen Leinenindustrie im Riesengebirge aufzuhelfen, um die Arbeitslosigkeit vor Ort zu reduzieren. Nadherny wurde aktiv, rief die Großgrundbesitzer in seiner Umgegend dazu auf, sich auch diesbezüglich zu engagieren, und investierte selbst in die Sache, indem er einen Spinnmeister aus Westfalen kommen ließ und einige Zeit unterhielt. Auch wurde die „k. k. Patriotische Gesellschaft für Verbreitung richtiger Kenntnisse in Bezug auf den Anbau des Leins“ für dieses Projekt gewonnen,175 so dass die bald eingerichtete und prosperierende Spinnstube vom Statthalter die „huldvollsten Beweise der Zufriedenheit erhielt“.176 Stephan war selbst Abnehmer größerer Mengen an Leinwand, um sie in Prag wiederum an die Armen zu verschenken. Das erste Leinwandstück erwarb Kaiserin Caroline Auguste für dreihundert Gulden.177 Diesen Aktionen kam nicht nur Stephans Blick für die Sozialfürsorge zugute, sondern auch sein großes Interesse an technischen Neuerungen, das bei seinen Zeitgenossen nicht immer auf Verständnis stieß. Das liberale Lager aber konnte er damit für sich gewinnen.178 Mit seinen sehr individuellen Hilfestellungen und Sozialmaßnahmen wurde er zum Hoffnungsträger verschiedener Ausprägungen politischer Gesinnung, weil sie sein politisches Verhalten in ihrem Sinne zu deuten wussten. Vor allem aber machte er fortschrittlichen, liberalen Kreisen Hoffnung. Ihnen galt er als „elastischer, vorutheilsfreier und der modernen Anschauung 173 Anders (1868), S. 175. 174 Zum Verkauf von Reis aus Italien an die notleidende Bevölkerung vgl. Marinelli-König IV, S. 478. 175 Journal des Österreichischen Lloyd Nr. 10 (15. Juni 1845), o. S. 176 Wiener Zeitschrift für Kunst, Literatur, Theater und Mode 31 (12. Januar 1846), S. 35. 177 Anders (1868), S. 174. 178 So ließ er Vorkehrungen gegen mögliches Hochwasser treffen, die ihm, nach eigener Aussage, in Prag ziemliche Häme einbrachten; LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 a (7. Januar 1847). Er sehnte als Freund der Technik den Ausbau der Eisenbahn herbei, weil Stephan und Carl Alexander dann miteinander soupieren und frühstücken könnten und der böhmische Statthalter bis am Abend wieder zurück in Prag in der Oper sein könnte. Stephan erkannte in dem neuen Verkehrsmittel also auch schon frühzeitig ein Medium der Kommunikation, was ihm später während seiner Zeit in der Verbannung auch sehr gute Dienste tun sollte; Siemann (1998), S. 311.
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näher gerückt“ als andere Vertreter des Kaiserhauses,179 was das alte, unpolitische Verständnis des Liberalismus aufgriff.180 Dabei achtete Stephan darauf, dass diese liberale Schicht nicht in revolutionäres Fahrwasser geriet.181 Leihbibliotheken sollten die Bildung der Bevölkerung durch kontrollierten Lesestoff fördern. „Bekömme es [= das Volk] etwas in die Hände, was es nicht verdauen kann – so knüpfen sich daran oft Ideen, die[,] nicht modifiziert, höchst nachhaltige Folgen haben können“, meinte er. In Städten und Badeorten hatte er deshalb Leihbibliotheken errichten lassen, zur wirklichen, weit gestreuten Volksbildung konnten diese aber natürlich kaum tauglich sein.182 Essentiellen politischen Konflikten aber war das kaum gewachsen, auch nicht, dass sein Präsidialsekretär, Rudolf Constantin Graf Wratislaw, den Tschechen ein Indiz für Stephans Böhmenfreundlichkeit zu sein schien.183 Da diese Konflikte aber zumeist von Salm abgefangen wurden, konnte sich der Landeschef leicht auf eine wohlmeinende präsidiale Haltung zurückziehen. Auf die Forderungen der böhmischen Stände hatte aber Salm notgedrungen einzugehen, wenn diese zum Beispiel darum kreisten, wie ihre Privilegien und Rechte zu werten waren – als Ausfluss fürstlicher Gnade oder als Ergebnis eines zwischen Krone und Ständen geschlossenen Staatsvertrags. Stephan konnte hingegen verständnisvoll abwägen.184 Als die Stände einen Formfehler bei der Steuerausschreibung erkannten, weil sie dieser zustimmen sollten, obwohl sie die Berechnungsgrundlage nicht kannten, verurteilte er das Vorgehen der Regierung ebenfalls, weil damit alles „zu einem nichtssagenden Schaugepränge“ werde.185 Er empfahl daher, das Verfahren zu ändern, rüttelte aber explizit nicht daran, dass die Stände die Steuern zu bewilligen hatten. Selbst den Forderungen der Stände, dass nur Landesbegüterte auch Landesämter bekommen sollten, stimmte er zu, obwohl es auf ihn ebenso wenig zutraf wie zunächst auf Salm. Kolowrat nötigte das am Rande des Promemorias ein vielsagendes „NB“ – Nota bene – ab. Lange versuchte Stephan also den Ausgleich zu wahren, Verständnis aufzubringen und auch kleinzureden, dass sich diese Streitfragen bei Ständeversammlungen gewalttätig auswuchsen.186 Seine ausgleichenden Bestrebungen wollten 179 Die Grenzboten 6 (1847), S. 248. 180 Leonhard (2001), S. 187. 181 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 a (8. Mai 1846); vgl. auch ebd. (5. März 1846). 182 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 a (5. März 1846). 183 Die Grenzboten 6 (1847), S. 250, ganz im Gegensatz übrigens zum Grafen Grünne. 184 OeStA HHStA KA NL Franz A. Kolowrat (1844), Promemoria. 185 OeStA HHStA KA NL Franz A. Kolowrat (1844), Promemoria. 186 OeStA HHStA KA NL Franz A. Kolowrat (27. Dezember 1845). Zit. auch bei Schlitter (1920), Böhmen, S. 40.
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keine Lösung herbeiführen, sondern die Gefahr einer Revolution abdämpfen und das eigene positive Image befördern. Je nach Blickwinkel konnte dies aber auch als Sympathie mit ständischen Interessen interpretiert werden. Diese Ambivalenz offenbarte sich auch immer wieder in Stephans politischen Darlegungen. Gerade in den böhmischen Jahren entwickelte er immer wieder Denkschriften für die Regierung in Wien, aus denen seine uneindeutige Haltung hervorgeht. Bereits im September 1845 notierte er, der Horizont in der Zusammenarbeit mit den Ständen trübe sich ein.187 Das liege einerseits an der zu großen Gewissenhaftigkeit Salms, zum anderen aber auch am Zeitgeist. Vier Lösungsvorschläge präsentierte Stephan mit Kommentierung: Zum einen könne die Regierung nachgeben und sich den Wünschen der Stände fügen, was der Landeschef als „gefahrbringend“ bezeichnete. Zum anderen bestehe die Möglichkeit, Salm zu versetzen und statt ihm eine Person aus der Mitte der Stände zu ernennen. Das aber werde unweigerlich dazu führen, dass die Landstände zur Überzeugung gelangten, niemand werde sich künftig ohne ihre Zustimmung halten können. Des Weiteren gab es die Möglichkeit, die ständische Versammlung aufzulösen und mit Gewalt vorzugehen. Als Resultat dieser Vorgehensweise würden künftig aber statt des Herren- und Ritterstandes Advokaten und Bürger die Macht übernehmen, wovor Stephan warnte. Allenfalls als letztes Mittel solle man dies zur Anwendung bringen. Er plädierte daher dafür, dass sich die Regierung – dies die vierte Möglichkeit – innerhalb der Stände eine solide Mehrheit verschaffe, was freilich auch scheitern könne. Aber er setzte dabei auf sein Renommee und sein diplomatisches Geschick: „Läßt man mich unter den Ständen eine Majorität für die Regierung bilden, eine solide, überzeugte, aus Ehrenmännern zusammengesetzte, und mit dieser der Opposition entgegentreten, so möchte ich fast für heilsamen Erfolg bürgen.“188 Das zeugt zumindest von einem sehr ausgeprägten Selbstbewusstsein. Den Forderungen der Opposition nach dem Steuerbewilligungsrecht, wie es in konstitutionellen Staaten der Fall war, begegnete Stephan mit der idealistischen Vorstellung einer persönlichen diplomatischen Intervention. Durch eigenes Zutun wollte er eine konservative Mehrheit schaffen. Wie wenig es ihm um eine „liberale“ Politik ging, wird auch daran deutlich, dass er den Status quo altadliger Herrschaftsausübung keineswegs antasten wollte. Die Opposition um den Grafen Deym, der es immer mehr um eine Wiedereinrichtung verfassungsmäßiger Rechte in Böhmen und eine grundlegende Landtagsreform ging, versuchte er deshalb durch kleine Gefälligkeiten „rai187 OeStA HHStA KA NL Franz A. Kolowrat (5. September 1845); Schlitter (1920), Böhmen, S. 41. 188 OeStA HHStA KA NL Franz A. Kolowrat (5. September 1845).
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sonnabler“ zu machen und damit letztlich zu kaufen.189 Doch Stephans vorsichtige Ermahnungen blieben fruchtlos. Dass auf Betreiben des Präsidenten der Polizei- und Zensurhofstelle Josef Graf Sedlnitzky Deym schließlich im November 1846 als Hofkommissar nach Krakau geschickt wurde, um ihn für längere Zeit von Prag entfernt zu halten, begrüßte der Landeschef sehr, erleichterte es ihm doch mit einer vermeintlich wohlwollenden Entscheidung die Arbeit vor Ort.190 In Deym erkannte Stephan quasi einen aggressiven Einzeltäter. In einem Schreiben vom Oktober 1846 führte er Deyms Verhalten – und das seiner wenigen Genossen – vor Augen. Im Zusammenhang mit Auseinandersetzungen um einen neuen Steuerkataster deckte der Erzherzog Deyms Berechnungen auf, die Regierung entweder bloßzustellen oder aber die Rechte der Stände verbrieft zu bekommen. Stephan aber war sich sicher, dass dieses Verhalten nicht zum Erfolg führen könne, weil die Stände immer mit der Regierung gingen, wenn diese konservativ vorgehe.191 Die Regierung sei „unendlich stark“, meinte Stephan, und könne die Stände bei geschickter Vorgehensweise zu einer Meinungsänderung bringen, so dass ohne Not von kaiserlichen Willensbekundungen abzusehen sei. Kleine Scharmützel seien sogar positiv zu bewerten, weil sie „den elektrischen Stoff“ entlüden, der sonst bei Regierungsanträgen „höchst unliebsam hervorbrechen würde“. Kurzum: Er sah „nicht zu schwarz, aber auch nicht rosenfarb“,192 zweifelte aber grundsätzlich nicht an der Loyalität der Stände.193 Dieses überparteiliche, wohlmeinende Auftreten kam nur in einem Fall an seine Grenzen: bei den Aufständen und Unruhen, die Stephan während seiner Amtszeit begleiteten. Diese belegen aber auch, wo Stephans Sozialfürsorge begründet lag und lassen einige seiner Maßnahmen in einem etwas anderen Licht erscheinen. Er sah Volksaufstände in Komotau, Sankt Sebastiansberg und Eger als an der Tagesordnung an. Grund waren, seiner Meinung nach, Fehlleistungen der Magistrate sowie die „ungeheure“ Ausfuhr von Getreide, was im Land wiederum zu Hungersnöten und Preissteigerungen führte. Stephans intensivem Drängen und seinen Warnungen vor Unruhen und gewaltsamen Verhinderungen von Getreideexporten war es zu verdanken, dass die Wiener Regierung nach anfänglichem Zögern194 der Reduktion der Getreideausfuhr zustimmte. Allerdings führte diese wiede189 Schlitter (1920), Böhmen, S. 47; Rietra (2001), S. 6. 190 OeStA HHStA KA NL Franz A. Kolowrat (17. November 1846). 191 OeStA HHStA KA NL Franz A. Kolowrat (3. Oktober 1846). 192 OeStA HHStA KA NL Franz A. Kolowrat (27. Dezember 1845). 193 OeStA HHStA KA NL Franz A. Kolowrat (8. Mai 1847). 194 HU MNL OL P 301 (29. April 1847); Valentin 1, S. 18.
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rum zu diplomatischen Konsequenzen. Eine Art „Krieg mit Ausfuhrverboten zwischen deutschen Staaten“ war aus der Not verschiedener Territorien erwachsen. So wurde die sächsische Regierung mit Unterstützung Preußens bei Stephan in Prag vorstellig, um die Not in Sachsen durch die Ausfuhrverbote nicht zu steigern.195 Dass sich jeder selbst der Nächste war, führte also wieder zu Problemen an anderer Stelle, und selbst vor Ort brachte es letztlich keine endgültige Behebung der Misere. Die einheimischen Mittel, um die Hungersnot zu schmälern, waren allenfalls „Palliative“ – darunter gehörten der Ankauf von Kartoffeln und die Förderung von Baumaßnahmen, um die Bevölkerung in Lohn und Brot zu bringen.196 Die größte Herausforderung seiner Amtszeit waren die Aufstände der Baumwolldrucker in Böhmen, von denen der Statthalter dem Grafen Kolowrat regelmäßig Bericht erstattete. Die Arbeiter hatten kurz vor dem 17. Juni 1844 in fünf Fabriken Perrotinen zerstört, weil diese eine Gefährdung traditioneller Arbeitsplätze bildeten. Es handelte sich um Maschinen, mit denen man mehrere Farben gleichzeitig drucken konnte und von denen es 1843 in Böhmen gerade einmal elf Stück gab. Wofür bisher zehn Drucker benötigt worden waren, konnte die Arbeit jetzt von zwei Personen bewältigt werden, weshalb die Abschaffung der Perrotine gefordert wurde sowie eine Erhöhung des Arbeitslohns.197 Die Aufstände begannen in der Porges’schen Baumwollfabrik in Smichov bei Prag und weiteten sich von dort wie ein Lauffeuer aus.198 Die Arbeiter wollten im Statthalter einen Sympathisanten ihrer Sache erkennen. In den Zeitungen war zu lesen, dass er sich schon vor seinem Regierungsantritt gegen Klagen und Reformforderungen von Seiten der Fabrikanten gewandt hatte, die einen stärkeren kapitalistischen Zugriff wünschten und das Gesellschaftssystem in ihrem Sinne gewinnbringend reformieren wollten. Zugunsten der arbeitenden Bevölkerung wollte Stephan die Kapitalisierung und Rationalisierung des Arbeitsmarktes nicht vorantreiben. 1842/43 erklärte er, dass die Steuern in Böhmen geringer seien als in Preußen, weshalb eine Senkung überflüssig sei. Die Robot, also die Frondienstleistung, habe keinen Einfluss auf die Fabrikarbeiter, weshalb sie beibehalten werden könne. Auch wirke sich die katholische Religion nicht hemmend auf die Wirtschaft aus. Im Rheinland sei man schließlich auch katholisch 195 HLA HStAD Best. G 1 Nr. 182/4 (24. Mai 1847). 196 HU MNL OL P 301 (29. April 1847); OeStA HHStA KA NL Franz A. Kolowrat (15. Februar 1847); Valentin 1, S. 18. 197 Schüler (2016), S. 108; Anders (1868), S. 170. Zu den Sozialverhältnissen in Böhmen vgl. Kořalka, Tschechen (1991), S. 76–90. Stephan lehnte das Gesuch um Abschaffung der Perrotine, das nach Wien gelangte, ab; Walter (1929), S. 727; Reinalter, S. 88; Klíma, S. 235. 198 Anders (1868), S. 169; Klíma, S. 238.
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und die Gegend blühe wirtschaftlich.199 Aber er widerlegte bloß. Alternativen bot er der sich entwickelnden kapitalistischen Arbeitswelt keine an. Letztlich stellte er sich damit nur gegen Neuerungen, was die Arbeiter in ihrem Sinn interpretieren konnten. In Holleschowitz und Bubna, wo sich Stephan aufhielt, wurden sie vorstellig, um ihre Forderungen vorzubringen. Doch wich der Statthalter der direkten Konfrontation aus, weil er mit einem „gewaltsam fordernden Haufen nicht verkehren“ wollte.200 Vor dem Schloss zu Laubenetsch versammelten sich Arbeiter, um ihm ihre Bitten vorzutragen. Doch Stephan blieb gegenüber den achthundert Arbeitern unbeugsam und ließ über den Kreishauptmann von Beroun erklären, er werde sie erst anhören, wenn sie vierzehn Tage hindurch weitergearbeitet hätten und „gezeigt haben würden, daß sie ruhige Unterthanen und fleißige Bürger sein wollen“.201 Dies trug freilich nicht zur Deeskalation bei. Die Drucker schlugen den Weg einer Hofbeschwerde („Hofrecurs“) ein, bei der gemäß einem Patent von 1781 nach klar geregelten Vorgaben an den Regierungsbehörden vorbei direkt beim Hof Beschwerde geführt werden konnte,202 und baten um eine Audienz beim Statthalter. „Mit Milde und Ernst“ hielt dieser ihnen aber ihre ungesetzlichen Forderungen nach Abschaffung der Perrotine sowie die Verwerflichkeit ihres „sträflichen Vorgehens“ vor. Er versprach, sollten sie zur „gesetzlichen Ordnung“ zurückkehren, werde er sich für die „möglichste Berücksichtigung ihrer Beschwerden“ einsetzen.203 Schließlich, so schrieb sein Biograph Anders, sei es seinem „menschenfreundlichen Zureden“ zu verdanken gewesen, dass sich die Arbeiter den Anweisungen der Obrigkeit fügten. Die Faktenlage aber spricht eine etwas andere Sprache. Bei den Unruhen in Prag sah der Erzherzog vor allem „Pöbel“ am Werk, der versuchte, mittlerweile inhaftierte Drucker aus ihrem Arrest zu befreien, wie er gegenüber Kolowrat bekannte. Es kam zu Ausschreitungen mit Brandstiftung, weshalb der Landeschef den Auftrag erteilte, „diesesmal am rechten vorzugehen“, was Härte vorgab, ohne sie zu konkretisieren.204 Die Revoltierenden erkannten den Ernst der Lage nicht. Sie rotteten sich weiter zusammen, verhöhnten Patrouillen, prügelten auf Juden ein und warfen Steine. Daraufhin wurden 24 Unruhestifter vom Militär festgenommen. Stephan hatte allerdings die Anweisung erteilt, nur im äußersten Notfall Schusswaf199 Die Grenzboten 2 (1843), S. 1357. 200 Anders (1868), S. 170; zu den Streiks und Aufständen der Textilarbeiter vgl. auch Hanke (1974), S. 624. 201 Zit. nach Schüler (2016), S. 108. 202 Goutta, S. 316–317. 203 Anders (1868), S. 170. 204 OeStA HHStA KA NL Franz A. Kolowrat (17. Juni 1844).
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fen einzusetzen. Als der Generalkommandant Windisch-Graetz nach Prag zurückkehrte, plädierte er vehement für den Waffengebrauch. Stephan widersetzte sich diesem Ansinnen. Die Zivilbehörden seien verpflichtet, Gewaltmaßnahmen zu vermeiden, woran sich auch das Militär halten solle, und nur nach dem Scheitern einer dreimaligen Aufforderung durch den politischen Kommissar sei der Waffeneinsatz zu befehlen. Der Landeschef ließ daraufhin den Zivilzapfenstreich anordnen, das heißt eine Ausgangssperre, worauf die Zusammenrottungen schlagartig aufgehört haben sollen. Die Straßen waren leer, und die Kattundrucker erklärten, wieder an die Arbeit zurückkehren zu wollen. So meinte Stephan zumindest am 17. Juni 1844 und ergänzte nicht ohne Stolz, dass auch Windisch-Graetz eingesehen habe, dass diese Entscheidung die richtige war. Alle seien dem Erzherzog mit großem Respekt begegnet, selbst die Unruhestifter, und „in höchstem Grade“ sei er in seinen Entscheidungen respektiert worden. Doch dem war nicht so. Am 24. Juni befanden sich die Arbeiter immer noch nicht an ihren Arbeitsplätzen, was den Erzherzog nun doch dazu veranlasste, den Einsatzbefehl für das Militär zu geben. Aufständische wurden verhaftet, ihre Namen notiert und mit der Aufforderung, ihre Arbeit wieder aufzunehmen, entlassen.205 Auch entwickelte Stephan eine Fabrikordnung, um die Situation zu regeln, und holte sich bei den betreffenden Hofstellen in Wien Anweisung, wie zu verfahren sei. Diese Ordnung wurde in Wien genehmigt; allerdings zogen die Unruhen weitere Kreise: Im Laufe des Juli standen die Eisenbahnarbeiter auf und zogen nach Karolinenthal, wo die Ausschreitungen auch zu Blutvergießen führten.206 In Reichenberg und Böhmisch-Leipa wurden die Unruhen auf dem Weg eines gewaltsamen Einschreitens durch ein bürgerliches Scharfschützenkorps und das Militär niedergeschlagen. Stephan glaubte in Böhmen vier „böse Elemente“ zu erkennen: arbeitslose Fabrikarbeiter, Vertreter der „ultraczechischen“ Partei – also Nationalisten –, (linke) Jakobiner, die häufig Teil der Nationalisten waren, und Antisemiten, die sich auch im Bürgertum und in den höheren Ständen finden ließen.207 Durch Agitationen und gedruckte Pamphlete werde die Stimmung immer weiter angeheizt, was der Regierung zum Nachteil gereichen müsse. Obwohl er in den zurückliegenden Tagen anders vorgegangen war, hielt er vertrauensbildende Maßnahmen für das Einzige, was dauerhaft hel205 OeStA HHStA KA NL Franz A. Kolowrat (24. Juni 1844). Am 23. Juni 1844 hatte er sich mit Windisch-Graetz und dem Prager Bürgermeister dahingehend verständigt, dass die Truppen eingesetzt werden sollten, wenn die Arbeiter nicht an ihre Plätze zurückkehrten; Walter (1929), S. 722; Klíma, S. 242. 206 Anders (1868), S. 170. Zu den Verhältnissen der Weber an der böhmischen Grenze vgl. Saurer, S. 453–477; Walter (1929), S. 725. 207 OeStA HHStA KA NL Franz A. Kolowrat (27. Juni 1844).
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fen könne. Die Einsetzung einer Gubernialkommission zur Prüfung der Beschwerden der Arbeiter sowie der Verhältnisse in den Fabriken war Ausfluss dieses Denkens.208 Er empfahl Wien, eine Mahnung gegenüber den Fabrikarbeitern auszusprechen, und regte Eintrachtsgerichte an, um die zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern schwebenden Fragen zu klären und das Zutrauen zwischen den beiden Parteien wiederherzustellen.209 Humanistische Ideale sollten die Oberhand behalten. In dieser Hinsicht setzte er auch die Akzente bei der Schilderung der Ereignisse. Dass die Prager Kattundrucker ihre Revolte ohne Waffengebrauch durchgeführt hatten, propagierte er gegenüber Carl Alexander von Sachsen-Weimar als Gehorsam gegenüber den Behörden, als loyales Untertanenverhalten.210 Dass in Prag der böhmische Generalkommandant Windisch-Graetz eingeschritten war, nachdem Stephans vertrauensfördernde Maßnahmen gescheitert waren, verschwieg Stephan dabei.211 Vermutlich rührt von diesem Einsatz auch der Beiname „Herrscher“ her, den man Windisch-Graetz beilegte und der ahnen lässt, dass man eine solche Funktion dem Statthalter Stephan nicht zuwies. Aber das geschah nicht zu Stephans Nachteil. Die Bevölkerung rechnete es ihm hoch an, den Aufstand angeblich ohne Waffengewalt beigelegt zu haben.212 Stolz konnte Stephan seinem Freund Carl Alexander von Sachsen-Weimar berichten, er habe sich durch sein friedliches Verhalten das Zutrauen der Bevölkerung gesichert.213 In Wien wollte man von seiner Einschätzung der Lage aber nichts wissen. Selbst einen mündlichen Bericht über die Verhältnisse und mögliche Maßnahmen lehnte Erzherzog Ludwig rundheraus ab: „Sie [die revoltierenden Drucker] sollen gehorsame Unterthanen bleiben, die den ihnen vorgesetzten Behörden folge leisten, und nicht an exemptionelles bloß für sie allein bestehendes Befinden gewöhnt werden, um sie dadurch in die Ausnahme [zu] stellen.“214 Die fehlende Rückendeckung erleichterte Stephan das Vorgehen nicht. Zwei Monate später, die er wegen der Fabrikunruhen durchgehend auf Reisen zugebracht hatte, war ihm die Erschöpfung anzumerken. „Wenn man 208 Walter (1929), S. 727; Klíma, S. 243. Zu den ähnlich verlaufenden Unruhen der Eisenbahnarbeiter vgl. ebenfalls Klíma, S. 258–259: Auch hier setzte Stephan am 9. Juli Soldaten zur Niederschlagung ein, empfahl aber Wien die Einrichtung einer Kommission, die sich mit der Lage der Arbeiter beschäftige. Letzteres wurde von Kübeck, der für den Eisenbahnbau zuständig war, abgelehnt. 209 Walter (1929), S. 729–730. 210 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 a (6. Juli 1844). 211 Rapport, S. 49. 212 HLA HStAD Best. D 25 Nr. 1/3 (6./18. Juli 1846). 213 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 a (6. Juli 1844). 214 OeStA HHStA KA NL Franz A. Kolowrat (4. Juli 1844).
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Abb. 16: Karikatur von Francisque (Pseudonym) auf Erzherzog Stephan und Fürst WindischGraetz: „Wie Stefan jetzt nach böhmischen Weisen tanzen lernen soll“ (Wien Museum)
das Glück hat, seinen Beruf ganz zu durchblicken, so sieht man auch, welche Schwierigkeiten das Leiten von 3000 Menschen mit sich bringt“, schrieb er erneut nach Weimar und ergänzte noch, dass es nicht einmal in erster Linie die physischen Plagen und die vielen Nachtwachen seien, die ihm zusetzten, sondern die „moralischen Eindrücke, denen man ausgesetzt ist“.215 Er hatte als Landeschef auf den Reisen die Not und das Elend der Bevölkerung direkt erfahren müssen und spürte die persönliche Verantwortung, und dies wohl auch umso mehr, da seinen Empfehlungen in Wien so wenig entsprochen wurde. Als er in Eigeninitiative eine Hausordnung für Druckereien im Herbst 1844 erarbeiten ließ, sah sich die Gubernialkommission in Böhmen für deren Verabschiedung nicht zuständig und Wien zeigte sich sehr reserviert. Es blieb daher bei einer Empfehlung der Hausordnung, die freilich in vielen Fabriken zur Freude der Arbeiter eingeführt wurde.216 Die Unruhen blieben, und alle behutsamen Versuche Stephans, diese zu beschwichtigen, scheiterten entweder an den Wiener Entscheidungen oder an den Verhält215 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 a (6. September 1844). 216 Walter (1929), S. 731. Auch der Entwurf eines Regressivgesetzes wurde in Wien abgelehnt; ebd., S. 733.
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nissen vor Ort, so dass sich auch Stephans Haltung zusehends wandelte. Was das bedeutete, machen erst andere Bemerkungen deutlich. So sprach er von „rekurssüchtigen Untertanen“217 – also beschwerdesüchtige Untertanen – und definierte seine Aufgabe als Statthalter mit der Devise: „Millionen helfen, Millionen überwachen“.218 Das war zwar auch patriarchalisch gedacht, aber von Empathie war wenig zu spüren. Vielmehr ging die Fürsorge in Aufsicht über. Dieses Denken hatte immer die Revolutionsangst im Hintergrund.219 Er verstieg sich sogar dazu, in Wien ein Gesetz zu fordern, das die „summarische Bestrafung“ von Aufständischen möglich mache. Ohne Einzelverfahren sollten in cumulo Teilnehmer an Protestkundgebungen verurteilt werden können – zu Zwangsarbeit, wenn es nur zu einer Zusammenrottung gekommen war, zu körperlichen Strafen und der Einberufung zu militärischen Strafkompanien, wenn es zu Beschädigungen oder Widersetzlichkeit gegen die Staatsgewalt gekommen war, gleichgültig, was der Einzelne dabei auch getan hatte. „Furcht und Schrecken“ sollte damit Ordnung schaffen, „so lange der nun einmal verdorbene Geist der Maßen sich nicht bessert“.220 Neben anderen Aspekten wurden diese radikalen Maßnahmen aus Gründen der Rechtsstaatlichkeit von allen involvierten Wiener Behörden und Gremien abgelehnt. Stephans Haltung wurde trotz dieser Einwände aus Wien immer rigider. Die zögerlichen Reaktionen der Kreishauptleute auf Ausschreitungen in den Kreisen Pilsen und Saaz tadelte Stephan als von „fürchterlicher Lauigkeit“.221 Eine wirkliche Anteilnahme gegenüber den Menschen und der Versuch, den Missständen abzuhelfen, waren damit nicht (mehr) verbunden. So konnte sich der Erzherzog 1846 angesichts der Aufstände in Galizien und Kroatien äußern, dass man alle Achtung vor diesen Menschen verliere, wenn man ihre Forderungen und „ihr Ende“ gesehen habe.222 Eine sehr offene Darstellung seiner Haltung gab er am 8. Mai 1846 gegenüber Carl Alexander von Sachsen-Wei217 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 a (13. Januar 1845). 218 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 a (5. März 1846). 219 Auch der Graf Grünne erkannte, wie Hofstaatsmitglieder „auf den Weg des Diebstahls, der Schmuzerei gedrängt und wie die verschiedenen Arten des Unrechts heißen mögen, sich die Mittel zum Leben zu verschaffen – ein Unrecht, das man, wenn es entdeckt würde, nicht einmal das Herz hat, der gerechten Strafe zu unterziehen, weil man das Vergehen selbst hervorgerufen hat.“ Er plädierte aber angesichts des Elends der kaiserlichen Hofdienerschaft um 1860 nicht für Milde und Sozialfürsorge, sondern für ein rigideres Reglement, das es der Dienerschaft schlichtweg untersagte, zu heiraten, um das Elend nicht zu befördern. Das Abrutschen in die „Liederlichkeit“ sollte damit verhindert und der größtmögliche Nutzen für den Staat erzielt werden; OeStA HHStA OeStA B Akten Karton 126 (1860), Zl. 791/ex1860 (22. August 1860); Pons (2006), S. 41. 220 OeStA AVA 3050/1845 (April 1845). 221 NA Prag Fond MRA AC 1 18-A (15. September 1845). 222 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 a (5. März 1846).
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mar ab, als er auf die im Abklingen begriffenen Unruhen in Galizien zu sprechen kam. Noch verweigerten die Bauern Frondienste, weshalb sie mit Militärkolonnen, wie Stephan schrieb, zum Gehorsam gebracht werden mussten.223 Seine Position als ausgleichender Vermittler und Wirtschafts- und Sozialreformer verließ er verbal zum Ende seiner Regentschaft in Böhmen. Seine Haltung wurde greifbarer, aber auch unnachgiebiger. Er begann verbal Strenge walten zu lassen und forderte Wien auf, der oppositionellen Majorität das Missfallen des Kaisers, der regierungstreuen Minorität aber die Anerkennung auszusprechen. Sollte dies nicht fruchten, seien Oppositionelle in Untersuchung zu ziehen und sei „Hetzern“ der Besuch des Landtags zu verbieten. Allerdings befürchtete der Statthalter, dass dies so sei, „als ob ein Arzt für einen Schnupfen Calomel“ – also das gegen Entzündungen im Rachen- und Nasenraum eingesetzte Quecksilber(I)-chlorid – verabreiche, „während das Einreiben der Nase mit Unschlitt genügen würde“ – also mit Talg.224 Gegenüber Kolowrat entwickelte er am 6. Juni 1847 einen weiteren Plan, wie liberalen und revolutionären Strömungen begegnet werden könne. „Eine energische Sprache von Seiten der Regierung“ sei daher ein „gefühltes Bedürfniß“.225 Seine Bekenntnisse und Einschätzungen zogen aber keine Konsequenzen nach sich, weil er die Handlungen stets Dritten zuwies. Dass die Zeiten vorüber seien, „wo man Zügel schießen lassen und sie, wenn man will, wieder anziehen kann“, wie er gegenüber Carl Alexander von Sachsen-Weimar bekannte, war womöglich eine Erkenntnis, die er aus den böhmischen Erfahrungen zog.226 Die Zeit idealistischer Worte war vorüber. Denn schließlich empfand er die Landtagssitzungen wie Militärkampagnen, bei denen er als „Heerführer“ auf seinem Posten zu sein hatte.227 Dass er selbst nicht mehr agieren und keine Verantwortung mehr übernehmen musste, weil er nach dem Tod des Vaters das Amt des Palatins übernehmen sollte, ließ ihn leichter klare Worte finden. Die Öffentlichkeit nahm diesen Sinneswandel aber kaum wahr. Nur im „Fränkischen Merkur“ wurde Stephan als an den slawistischen Tendenzen Böhmens Gescheiterter geschildert, als einer, von dessen josephinischen Ideen bei Amtsantritt nichts geblieben sei. Da ihm die Macht fehle, die Lage 223 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 a (8. Mai 1846); vgl. auch ebd. (5. März 1846). 224 OeStA HHStA KA NL Franz A. Kolowrat (6. Juni 1847); Schlitter (1920), Böhmen, S. 52– 53. 225 OeStA HHStA KA NL Franz A. Kolowrat (6. Juni 1847). 226 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 a (8. Mai 1846); vgl. auch ebd. (5. März 1846). 227 GStA PK Rep. 50 J Nr. 935 (3. September 1846), an König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen.
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zu ändern, habe er um seine Entlassung nachgesucht.228 Aber diese Einschätzung war eine Ausnahme, sein Renommee blieb hoch. Und davon hing auch ab, wen er denn heiraten werde. 4.3 Opfer der Heiratspolitik Im Jahr 1838 wird zum ersten Mal die Idee greifbar, Erzherzog Stephan mit Großfürstin Olga (1822–1892), der Tochter des Zaren Nikolaus I. und der Charlotte von Preußen, zu verheiraten, die als eine der besten Partien Europas galt.229 Diese Ausrichtung fügte sich in das Adelsnetzwerk, dem Stephan seit einigen Jahren angehörte. Olga selbst verband mit der Heirat große Pläne und betrachtete sie als eine Art heilige Mission. „Die Einigung der slawischen Völker und ihrer Kirchen unter dem Schutz und Segen der Heiligen, deren Namen ich trug, schwebte mir vor Augen!“230 Das war groß gedacht, bleibt aber im Bezug unklar. Ein mystischer Volksgeist schwingt in Olgas Äußerung mit, wie ihn die Slawophilen Russlands zu dieser Zeit – insbesondere seit 1837 – auszuprägen begannen. Ein machtpolitischer Panslawismus Russlands aber ist im Grunde erst nach 1853 zu beobachten,231 und der Slawismus innerhalb der Donaumonarchie, der sich in den 1840er Jahren entwickelte, grenzte sich gerade von Russland ab.232 Besonders heikel war diese Einstellung in Ungarn. Denn die Magyaren fürchteten, dass die russische Heirat ihnen Schwierigkeiten bereiten könnte, indem sie durch russische Interventionen unter Druck gerieten. Denn die Gruppe der Slawen in Ungarn war schließlich kaum kleiner als ihre eigene Bevölkerungsgruppe.233 Und auch in der zeitgenössischen Literatur war die Angst davor zum Greifen.234 228 Fränkischer Merkur Nr. 169 (18. Juni 1846), o. S. 229 Stadelmann, S. 185. Auch das Gerücht kursierte, er werde Olgas ältere Schwester Marie heiraten, was wohl eine Verwechslung war; La Presse Nr. 184 (2. Januar 1839), o. S. 230 Podewils, S. 76. 231 Lettenbauer, S. 134–159; Schieder (1992), S. 47. 232 Jena, S. 69 und S. 101, leugnet weitgehend nationale und slawophile Ideen Olgas. 233 In Ungarn gab es ca. 5 Mio. Slawen, ca. 5,6 Mio. Magyaren und ca. 1,5 Mio. andere Bevölkerungsgruppen; vgl. Correspondence relative, S. 60 (3. Mai 1848). In der Gazzetta di Genova wurden die Verhältnisse umgekehrt: In die Hochzeit Stephans mit Olga sei nicht eingewilligt worden, weil man Stephan die Würde eines Palatins nicht habe zubilligen können; Gazzetta di Genova Nr. 49 (19. Juli 1841), S. 99. Der französische Gesandte in München scheint als Einziger die Gefahr auch aus Stephans Position in Böhmen heraus interpretiert zu haben; Chroust (1936), S. 47 (24. Februar 1844); auf S. 48 (29. Februar 1844) ist auch vom Argwohn Deutschlands gegen die Slawen die Rede. 234 „Überall wäre die schöne russische Libussa ein feuriger Engel panslawischer Eroberung ge-
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Abb. 17: Königin Olga von Württemberg, geborene Großfürstin von Russland, 1874 (HLA HStAD Best. D 27 A Nr. 2/66)
Trotz dieser Befürchtungen in Ungarn musste das Zarenreich ein wichtiger Partner für die Habsburger bleiben. Österreich hatte noch 1833 in Münchengrätz eine Konvention mit dem Zaren geschlossen, mit deren Hilfe „Liberalismus“ und „Terrorismus“ bekämpft werden sollten, so dass es wirkte, als werde die antiliberale Heilige Allianz von 1815 zwischen Österreich, Preußen und Russland wieder auferstehen. Der Schulterschluss zwischen Österreich und Russland blieb also bestehen und musste bestehen bleiben, weil Metternich letztlich gerade auf russische Hilfe setzte, sollte es in Ungarn zur Revolution kommen.235 wesen“; Kaiser Nicolaus der Erste gegenüber der öffentlichen Meinung, S. 76. Die Passage aufgreifend, wenn auch dagegen argumentierend, Kinglake, S. 75. Er sieht im Panslawismus die „Frucht einer von der, um die Erhaltung ihrer Nationalität besorgten, slawischen Partei erzeugten Reaction“ und damit einen Widerstand gegen das deutsche Element, nicht jedoch gegen die Dynastie. Dass der Publizist Ferdinand Leopold von Schirnding 1845 Gerüchte als „Gespenster“ zurückwies, die in der Ehe Stephans mit Olga das Fortschreiten des Panslawismus sahen, belegt zumindest, dass es diese Meinung gab; Schirnding (1845), S. 31–32. 235 Siemann (2016), S. 783–784; Andics (1973), S. 99–102.
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Abb. 18: Königin Olga von Württemberg, geborene Großfürstin von Russland, 1860 (HLA HStAD Best. D 27 A Nr. 20/26)
Im Sinne der eigenen Interessen durfte Metternich den Zaren nicht düpieren. Aber die Eheschließung eines Erzherzogs, der in politische Ämter innerhalb des Habsburgerreichs eintreten sollte, mit einer Zarentochter konnte in einer national aufgeheizten Situation Komplikationen nach sich ziehen. Deshalb ließ Wien die Angelegenheit zunächst einmal offen, während man in St. Petersburg mit einer baldigen Realisierung rechnete. Erzherzog Joseph stand der ausgezeichneten Partie für seinen Sohn nicht ablehnend gegenüber und bemühte sich, die Hinhaltetaktik Wiens zu untergraben. Weil er sich im März 1839 – angeblich wegen der großen Kälte – nicht im Stande sah, anlässlich des Besuches des Großfürsten Alexander von Russland nach Wien zu kommen, entsandte er seinen Sohn. Die widrigen Witterungsbedingungen waren gewiss nichts als eine Ausrede dafür, Olgas Bruder mit ihrem zukünftigen Ehemann bekannt zu machen.236 Prompt erkannte der Zarewitsch in ihm auch den Nachfolger seines Vaters als Palatin von Ungarn und lernte den jungen Mann schätzen.237 236 LAH Koblenz Best. 47 Nr. 11082 (20. März 1839). 237 Podewils, S. 141.
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Abb. 19: Erzherzog Stephan, Stich von Josef Kriehuber nach einem Gemälde von Anton Einsle, um 1835 (Wikimedia Commons)
Abb. 20: Erzherzog Stephan, Bleistiftzeichnung, o. J. (ÖNB Bildarchiv und Grafiksammlung PORT_00049110_01)
Olga selbst stand dem Projekt mit einer schwärmerischen Haltung gegenüber, fühlte sich „unbestimmt“ zu Erzherzögen hingezogen, weil sie sich in Wien in einer „freieren Luft“ wähnte als in St. Petersburg „mit seinen ausschließlich preußischen Gewohnheiten“.238 Womöglich mochte auch eine Abneigung gegen den anderen Heiratskandidaten, den förmlichen und steifen Kronprinzen Maximilian von Bayern, Anlass gewesen sein, den österreichischen Kandidaten als Lichtgestalt zu sehen.239 Denn Stephan kannte sie nicht, und sie bekam zum ersten Mal eine Vorstellung von ihm, als sie im Sommer 1840 Weimar besuchte und dort ein Porträt des Erzherzogs auf dem Schreibtisch Carl Alexanders von Sachsen-Weimar stehen sah. „Sein Gesicht erschien mir fesselnd, um nicht zu sagen, bedeutend“, hielt sie enthusiastisch fest und verglich sein Bildnis mit gekreuzten Armen von Kriehuber und Einsle mit demjenigen des 1832 verstorbenen Sohnes Napoleons und der Marie Luise von Österreich, dem Herzog von Reichstadt, von Daffinger.240 238 Podewils, S. 76. 239 Hilmes (2015), S. 21–23. 240 Podewils, S. 157.
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Abb. 21: Napoleon, Herzog von Reichstadt, nach einem Gemälde von Moritz Daffinger (ÖNB Bildarchiv und Grafiksammlung PORT_00039327_02)
Die Ähnlichkeit der Bilder ist so frappant, dass die Künstler womöglich bewusst solche Bezüge hatten herstellen wollen.241 Stephan war durch seine Zukünftige schwärmerisch auf den sprichwörtlichen Sockel gehoben worden, was zunächst mehr über die Braut als über den Bräutigam aussagt. Aber mit dieser Einschätzung stand Olga nicht alleine. Denn auch in dem 1843 erschienenen Werk „Oesterreich im Jahre 1840“ des Oppositionellen Ferdinand Leopold von Schirnding wurde Stephan mit dem Sohn Napoleons verglichen. „Alles, was man von dem zu früh verstorbenen Herzog von Reichstadt erhofft hatte, wird in Stephan verwirklicht“, hieß es da: die Tugenden des Herrscherhauses, körperliche Schönheit, Kraft des Geistes, „wie man diese nur an dem verewigten Monarchen zu bewundern gewohnt war“.242 Der junge Stephan erhielt durch diese Gegenüberstellung etwas Außergewöhnliches, ja sogar etwas Revolutionäres, das gegen das 241 Einsle porträtierte auch die Familie des Erzherzogs Joseph; Thieme-Becker 10 (1910), S. 423. Stephan wurde von Einsle auch 1848 gemalt; Viszota, S. 705 (5. Januar 1848). 242 Schirnding (1843), S. 26–27; zu Schirnding ÖBL 10 (1991), S. 163–164. Diese Vergleiche belegen, dass der Boden im Publikum bereitet war, einen „zweiten“ Herzog von Reichstadt
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Abb. 22: Erzherzog Stephan am Schreibtisch, Miniatur von Leopold Fischer (ÖNB Bildarchiv und Grafiksammlung PORT_00049104_01)
aristokratische Establishment gerichtet war und aus der Mittelmäßigkeit des Kaiserhauses hervorstach. Stephan wurde fast – wie seinerzeit der Herzog von Reichstadt – der „verwunschene Prinz im Märchen“,243 zumindest aber eine Projektionsfläche für Sehnsüchte jeglicher Art. Dazu trugen auch die von ihm angefertigten Porträts bei. Das an das Bildnis des Herzogs von Reichstadt erinnernde wurde bereits erwähnt. Aber auch andere Darstellungen fügen sich in dieses Bild. Im Jahr 1840 fertigte der Miniaturmaler Leopold Fischer ein Dreiviertelporträt des jungen Erzherzogs an, auf dem dieser mit offenem Morgenmantel und flatterndem Tuch um den Hals wie ein Schriftsteller beim Dichten dargestellt wird. Diese romantische Attitüde war außergewöhnlich für ein Mitglied des Hauses Habsburg.244 herbeizusehnen. Das heißt auch, dass Stephans Rolle bereits „imaginiert“ war, er diese „nur“ auszufüllen hatte; Asch/Butter, S. 21. 243 Müchler, S. 322; Tulard (1992), S. 16 und S. 206. 244 ÖNB Inv. Nr. PORT-00049104–01, Stahlstich nach dem Gemälde von Franz Eisner; Thieme-Becker 12 (1916), S. 34–35.
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Auch sein Auftreten, man denke nur an den enormen Schnurrbart der späteren Jahre oder an die charmante und witzige Art seiner Korrespondenz, trug dazu bei und verlieh ihm nach außen etwas Exzentrisches und Dandyhaftes, das wiederum auf einer vordergründig verstandenen Romantik fußte und damit die mit diesem Gedankengut aufgewachsenen Zeitgenossen direkt ansprach.245 Er schien anders zu sein, eine Gegenfigur zum bürokratischen und militärischen System, aber eben nicht im gefährlichen Sinn revolutionär.246 Allerdings konnte sich dieses Faszinosum auch ins Negative verkehren: Dann bekam seine Feinheit und Delikatesse den Anflug des Gefährdeten und allzu Feingeistigen. In der französischen Zeitung „La Presse“ hieß es 1861, Stephan sei geflohen, als die Krone in seinen Händen war. Die Überforderung durch Verantwortung und Realität wurde nicht als Makel, sondern als charakterliche Sublimität interpretiert. Wie romantische Helden wäre der Erzherzog dann an der Widrigkeit der prosaischen Welt gescheitert. Und das machte sich angeblich auch an Äußerlichkeiten bemerkbar: Er ähnele in der Physiognomie dem Herzog von Reichstadt „une figure d’une suprême aristocratie, mais d’une aristocratie énervée, détaillante, décolerée, élimée“.247 Das revolutionäre Gegenbild zur Herrschaftselite und die Zeichen ihrer Selbstauflösung vereinte Stephan also in sich. All dies verstärkte wohl auch in Olga die schwärmerische Einstellung, dass sie ihm „schicksalhaft bestimmt“ sei.248 Aus Wien selbst kam – trotz der Zuneigung der Braut – kein positives Signal. Weder erschien der Erzherzog in Ems, wo ihn Olga zu sehen gehofft hatte, noch in Berlin, wo sich der Zar im Sommer anlässlich der Beisetzung König Friedrich Wilhelms III. aufgehalten hatte. Stephan selbst schrieb an Carl Alexander nach Weimar, dass seine Abwesenheit von Berlin „durch mei-
245 Es bot sich immer an, Thronfolger oder nicht im direkten politischen Betrieb eingebundene Dynastiemitglieder romantisch zu verklären; Müller (2019), Thronfolger, S. 256. Zum Dandytum in der Romantik vgl. auch Eggert, S. 69–71. 246 Hettlage, S. 5 und S. 24–30; Barbey d’Aureville, S. 27–30. 247 La Presse (27. August 1861), S. 1. Auch hier wieder das Bild des nervenschwachen Prinzen; Radkau, S. 27. Womöglich könnte man sogar einen Bezug zum poetischen Charakter nach Keats herstellen: „is not itself – it has no self – it is everything and nothing – It has no character“; http://keatslettersproject.com/category/correspondence/to-richard-woodhouse-27oct-1818 (Zugriff 23. Juli 2019). Vgl. dazu auch das auf Stephan gemünzte Gedicht in Kovács Roman „Palatin und Insurgent“: „Ein schwacher Ast – von einem morschen Stamme, / Ein leichter Funk – von einer trüben Flamme. / Ein matter Duft – von einer welken Blume, / Ein Schattenrest – von früh verloschnem Ruhme“; Kovács I (1850), S. 139. Vgl. auch Reisinger (1849), S. 133: „eine schon überreiif (!) gewordene und abgefallene Familienfrucht eines bereits im Verblühen oder Absterben stehenden Herrscherbaumes“. 248 Podewils, S. 157.
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nes Kaisers und meines Vaters Wille bedingt war“.249 Doch bereits im April 1841 – anlässlich der Hochzeit des Zarewitsch’ Alexander mit Marie von Hessen und bei Rhein, zu der Stephan ausdrücklich eingeladen worden war – bot sich die nächste Gelegenheit, die beiden Brautleute miteinander bekannt zu machen. Auch hier wurden von Wien aus die russischen Absichten vereitelt. Grund für die Ablehnung der Reise Stephans war angeblich die schwächliche Körperkonstitution des jungen Mannes, die eine Reise nach Russland nicht erlaube.250 Statt Stephans wurde neben den Herren von Reischach und von Gablenz Erzherzog Albrecht geschickt, um die habsburgische Dynastie zu vertreten, und dieser war bald Feuer und Flamme für Olga. Als der bayerische Kronprinz seine Bewerbung um Olga zurückzog, kam die österreichische Orientierung vollständig zum Tragen, allerdings gab es jetzt zwei Kandidaten: Albrecht und Stephan. Während der russische Gesandte von Medem im Auftrag des Zaren die Lage in Wien sondieren sollte, überkreuzte sich dieser Auftrag mit einem Brief des Erzherzogs Albrecht, der – unterstützt von seinem Vater, Erzherzog Karl251 – um Olgas Hand anhielt. Diese Liebe beruhte jedoch nicht auf Gegenseitigkeit. Olga hatte körperlichen Widerwillen gegen Albrecht und baute Stephan252 – ähnlich wie es gegenüber Kronprinz Maximilian gewesen war – als Gegenbild auf, obwohl sie ihn bisher nicht gesehen hatte. Aber die Meldungen, die über ihn nach Russland gelangten, waren ja auch allzu positiv. Ein „Mann von Geist, mit reifen politischen Anschauungen, vollendeten Umgangsformen in der Gesellschaft, kurz, zu den schönsten Hoffnungen Anlaß gebend“, schrieb ihr Wilhelm von Preußen, der Vater des Prinzen Waldemar, der ihn zuletzt auf dem Manöver in Böhmen gesehen hatte.253 Andere Mitteilungen aus Wien gaben ihr zu größter Hoffnung Anlass, denn Stephan selbst soll Interesse bekundet haben, Olga kennenzulernen.254 Wegen angeblich laufender Verhandlungen mit ihm wurden daher Albrechts Werbungen abschlägig beschieden, was weder er noch sein Vater Karl zu akzeptieren bereit waren. Kurioserweise wollte Albrecht sogar Stephan mit einer Kommission betrauen, um sein Ziel doch noch zu erreichen,255 was zumindest dafür spricht, dass innerhalb des 249 Podewils, S. 159; LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 a (25. Juli 1840); zu Ems und Berlin vgl. Jena, S. 80. 250 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 a (5. März 1846); LHA Koblenz Best. 47 Nr. 11082 (6. Juli 1839). 251 OeStA HHStA StAbt Russland III 127. 252 Podewils, S. 144–145. 253 Podewils, S. 175 und S. 178; Corti (1936), S. 23–24. 254 Podewils, S. 178. 255 Allmayer-Beck, S. 34; HU MNL OL P 301 (22. Februar 1841): Die Angaben bleiben aber so vage, dass nicht klar zu erkennen ist, was geplant war.
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Erzhauses klar war, dass Stephan als Bräutigam nicht in Frage kam, ja, dass dieser eine Heiratsabsicht nicht einmal verfolgte. Doch auf solche Ambitionen der Familie des Erzherzogs Karl wurde keine Rücksicht genommen, und Vertreter der Politik griffen von österreichischer Seite in die Geschehnisse ein. Nach drei Monaten antwortete Metternich, dass Ehen zwischen Partnern verschiedener Konfessionen oder verschiedener Nationalitäten für das Haus Habsburg ernste Schwierigkeiten darstellten. „Das leicht Entflammbare der slawischen Völker in Ungarn und andern Provinzen des Reiches lasse befürchten, daß eine Erzherzogin russischer Abkunft und orthodoxen Glaubens als Zeichen einer beginnenden slawischen Verbindung dem Reich gefährlich werden könne.“256 Klar und offen wurde bekundet, worin das Problem gesehen wurde. Stephan hingegen erklärte dem Gesandten von Medem in seiner konzilianten, aber wohl auch verunklärenden Weise, dass er, nachdem ihm Albrechts Gefühle für Olga bekannt geworden seien, loyal zu handeln geglaubt habe, indem er Begegnungen mit Olga in Deutschland ausgewichen sei. Das war nicht richtig, weil Albrecht Olga ja erst nach deren Deutschlandbesuch kennengelernt hatte. Jetzt, so fuhr Stephan fort, kämen noch politische Gründe hinzu, womit die Schuld bei Metternich oder dem Kaiser gesucht wurde. Kurz nach dem Gespräch mit von Medem, mit dem der Zar bald unzufrieden war,257 verstarb Stephans Zwillingsschwester Hermine, „die er vergöttert hatte“, was ihn aller Gedanken an Hochzeitsplanungen enthob. Diese Information gelangte auch nach Russland. „Die Trauer legte ihm gänzliche Zurückgezogenheit auf. Wiederum und mehr denn je war meine Hoffnung gescheitert“, schrieb Olga in ihr Tagebuch, ohne aber die Hoffnung auf eine Eheschließung aufzugeben. Die Zarenfamilie aber tat sich anderweitig um, und Herzog Adolph von Nassau kam in den Blick. Das allerdings führte fast zu einem Zerwürfnis mit der Familie des Großfürsten Michael – eines Bruders des Zaren –, da dieser eine seiner Töchter mit Baden, die andere mit Nassau verheiraten wollte. Großfürstin Helene, die Ehefrau Michaels, schrieb ihrer Schwester Pauline, Adolphs Stiefmutter, nach Wiesbaden, sie möge verhindern, dass Adolph der Zarenfamilie zu nahe komme, was schließlich dazu führte, dass Adolph und seine Schwester eine Einladung nach Russland wegen angeblich dringlicher ärztlicher Kuren ablehnten. Der Friede im Haus Romanow blieb daher gewahrt, und Olga musste ihre Hoffnung auf eine Vermählung mit Erzherzog Stephan nicht aufgeben.258 256 Podewils, S. 179. Auch Seward, S. 275: Metternich habe befürchtet, nach einem solchen Ehebündnis werde Stephan als Palatin auf russische Hilfe rechnen können. 257 HLA HStAD Best. G 1 Nr. 182/3 (12. Januar 1846), Biegeleben. 258 Podewils, S. 179.
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Bis Ende August 1843 ruhte die Angelegenheit, was auch damit zusammenhing, dass sich Stephan auf Reisen befand. Währenddessen erhielt er aber eine Einladung nach Berlin, wo der Zar an einem Manöver teilnahm. Gerne hätte er den Erzherzog auf diese Weise kennengelernt. Auch Prinz Karl von Preußen hatte Stephan direkt in Hannover angeschrieben und ihn nach Berlin gebeten. Der Eingeladene machte einen Besuch zunächst davon abhängig, wie lange sein Aufenthalt in Hannover dauern würde, lehnte aber dann nach Rücksprache mit dem Gesandten Graf Kuefstein und Hofrat Stadion ab, da Metternich und Erzherzog Ludwig sich auf seine Briefe hin in Schweigen hüllten. Als Ausrede musste herhalten, dass er so schnell keinen Urlaub vom Kaiser hätte erhalten können.259 Sollte der Zar ihn sogar direkt nach St. Petersburg einladen, vereinbarte Stephan, die Visite mit der Ausrede abzulehnen, dass der Kaiser ihn den Winter über dringend in der Verwaltung benötige. In dieser Haltung konnte ihn auch der badische Legationssekretär in Wien, Wilhelm Rivalier von Meysenbug,260 unterstützen, der Stephan auf dem Magdeburger Bahnhof zu einer Unterredung abgefangen hatte. Auch dieser hatte Stephan empfohlen, nicht nach Berlin zu reisen, und war des Lobes voll für den charakterlich so unabhängigen Erzherzog, der sich entschieden dagegen wandte, dass auswärtige Beeinflussungen seine Freiheit bei der Wahl einer Ehefrau, mit der er ja schließlich seine Zukunft verbringen würde, einzuschränken versuchten.261 Stephan war folglich bei diesen Eheverhandlungen nicht nur Opfer der Politik, sondern trug aktiv zu ihrem Scheitern bei, auch wenn er gegenüber dem badischen Gesandten vorsichtig argumentiert haben dürfte. Die Beharrlichkeit des Zaren allerdings machte die Situation noch schwieriger und führte zu größtem Missfallen. Ein Schreiben des russischen Außenministers Nesselrode kommentierte Metternich intern mit den Worten, das Vorgehen des Zaren mache einen „widerlichen Eindruck“ und lasse einen „Mangel an Takt“ fühlen. Es handle sich regelrecht um ein „Ausbieten“ der Tochter, die, nachdem alle anderen Partien fehlgeschlagen seien, jetzt 259 OeStA HHStA StAbt Russland III 127 (9./10. September 1843), fol. 31ff.; Corti (1936), S. 29–30. Auch Erzherzog Albrecht lehnte im August 1843 ein Angebot des Zaren ab; Allmayer-Beck, S. 35; GStA PK BPH Rep. 50 J Nr. 935 (o. D.). Dass Stephan angewiesen wurde, auf Reisen keinesfalls die Nähe zu einer Prinzessin zu suchen, widerspricht der Hinhaltetaktik nur vorderhand; LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 a (5. März 1846). Denn dies wäre ein Affront gegenüber Russland gewesen, den Wien umgehen musste. Inwiefern damit aber auch grundsätzlich unterbunden werden sollte, dass Stephan heiratete, muss offen bleiben. 260 Der badische Diplomat könnte eingespannt worden sein, weil der Vertraute der Erzherzogin Sophie, Prinz Wasa, ein Bruder der Großherzogin von Baden war. 261 OeStA HHStA StAbt Russland III 127 (12. September 1843).
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unbedingt an den Mann gebracht werden müsse.262 Metternich hatte geglaubt, durch seine Zurückhaltung Zeichen genug gesetzt zu haben, aber der Zar ließ sich davon nicht beirren, und durch den „romantischen Charakter“ Olgas, womit sicherlich ihre schwärmerische Haltung gemeint war, sah der Staatskanzler alles noch viel schlimmer werden.263 Die Situation war also ausgesprochen heikel. Metternich musste an einer Vermeidung dieser Heirat festhalten, wenn er die innere Ruhe im Habsburgerreich erhalten wollte. Als offizieller Hinderungsgrund wurde die unterschiedliche Religion der Ehepartner vorgebracht. Da Russland keine katholische Prinzessin dulden würde, ließe man in Wien falsche Rückschlüsse in Europa zu, wenn man umgekehrt weniger strikt verführe. Hinzu kam die Persönlichkeit Olgas, deren Verhältnis zu dem Offizier Alexander Iwanowitsch Barjatinski eine Eheverbindung mit ihr „nicht zu den empfehlenswerthesten“ machte. Zusätzlich wollte Metternich sicherlich verhindern, dass durch eine solch lukrative Eheschließung eine Seitenlinie des Erzhauses dynastisch aufgewertet würde, auch wenn dieser Punkt in den Briefen nirgends direkt angesprochen wurde. Indizien aber dafür gibt es: Schon allein Metternichs Argument, dass derzeit kein potenter Familienchef im Haus Habsburg existiere, der nach einer Eheschließung regelnd eingreifen könne, ging in diese Richtung.264 In den Ambitionen der Erzherzöge Joseph, Johann und Karl sah er, nicht ganz zu Unrecht, eine Bedrohung seiner Stellung. Die Entwicklungen in Ungarn waren ihm darüber hinaus ein Dorn im Auge. „Seit dem Wiener Hauptfrieden [1815] ist Ungarn nicht regiert worden, wie dies jedes Land werden sollte, und das hauptsächlich durch die Schuld jenes Mannes, der dort mit der Regierung betraut ist“, schrieb Metternich. Josephs Absetzung, die ihm wünschenswert erschien, war aber nicht möglich. „Prinzen sind eben nicht so leicht zu entfernen wie einfache Privatleute.“265 Durch die Hochzeit mit einer Zarentochter diesen Familienzweig aber noch aufzuwerten, wäre in den Augen des Staatskanzlers ein fataler Schritt gewesen. 262 OeStA HHStA StAbt Russland III 127 (17. August 1843), an Erzherzog Ludwig, (3. Oktober 1843), Bericht Fiquelmonts. 263 Womöglich ist es auch so zu verstehen, dass der Kronprinz von Bayern in ihr „die Geistesausbildung vermisse, die er bei seiner Lebens- und Regierungsgefährtin als Haupterfordernis ansehe“; Acta Borussica (November 1841), S. 761. Prinz Wilhelm von Preußen wusste außer Erzherzog Stephan niemanden als geeigneten Heiratskandidaten zu benennen (14. November 1841), was dafür spricht, dass er ihn ähnlich einschätzte; vgl. ebd. In der Zeitschrift „Die Grenzboten“ wird Olga als genial bezeichnet; Die Grenzboten 3 (1844), S. 793. 264 OeStA HHStA StAbt Russland III 127. 265 Corti (1936), S. 28.
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Gerade deshalb aber schien der junge Stephan für Metternich und Erzherzog Ludwig ein schwieriger Kandidat zu sein. In St. Petersburg sang man wahre Loblieder auf ihn, der Zarewitsch war seit seinem Wien-Aufenthalt mit Stephan befreundet und die „gute Dosis Eitelkeit“ des jungen Erzherzogs war natürlich dazu angetan, davon besonders geschmeichelt zu sein, dass Olga, nachdem sie vier bis fünf Heiratskandidaten abgelehnt hatte, sich ausgerechnet für ihn erwärmen konnte.266 Dadurch trat das Vorhaben aus einem rein rationalen System heraus, was alles umso unberechenbarer machte. Metternich blieb nichts anderes übrig, als der Sache Einhalt zu gebieten, wollte er seine Politik aufrechterhalten. Innerdynastisch gelang das halbwegs gut. Denn Erzherzog Joseph lenkte bald ein, auch wenn er der Eheverbindung von Anfang an positiv gegenübergestanden hatte. Loyal zum Familienoberhaupt und treuer Gefolgsmann des Erzherzogs Ludwig besaß er nicht die Kraft, sich gegen die Wiener Vorgaben durchzusetzen. Auf ihn konnte der Zar also nicht bauen. Als er sich direkt an ihn wandte, berichtete Joseph sofort von den Bemühungen nach Wien und bat Metternich darum, seinen Sohn anzuweisen, was zu tun sei. Schließlich vertraue der junge Mann dem Staatskanzler.267 In Ungarn selbst reagierten die Stände, wie erwähnt, ebenfalls mit größter Skepsis auf das Vorhaben und erklärten, keinen Palatin zu dulden, der mit einer russischen Prinzessin vermählt sei.268 Das erleichterte dem amtierenden Palatin mit Zukunftsplänen für seinen Sohn, mental von dem lukrativen Bündnis abzurücken. Ob die vorgebrachten gesundheitlichen Gründe, die einer Reise Stephans nach Russland im Wege standen, vorgeschoben waren oder nicht, wird sich wohl nicht mehr klären lassen.269 Stephan selbst äußerte sich allenfalls ausweichend. An Marianne von Preußen hatte er am 13. August 1843 geschrieben, aus Russland habe ihn noch keine Einladung erreicht. Sollte dies aber der Fall sein, wäre der momentane Zeitpunkt ungünstig, weil er in verschiedene Provinzen geschickt werde und im Winter auf seinem Posten zu bleiben habe. Damit war seine zukünftige Funktion als Statthalter in Böhmen – wenn auch ohne genaue Benennung – angesprochen. Im darauffolgenden Frühjahr werde man ihm die Reise nach St. Petersburg dann sicherlich nicht abgeschlagen können. Zunächst galt es also einmal, den Zaren hinzuhalten, ihm ausweichend zu 266 OeStA HHStA StAbt Russland III 127 (21. August 1843). Zur Selbsteinschätzung Stephans vgl. auch OeStA HHStA KA NL Franz A. Kolowrat (10. Oktober 1845): „Erzherzoge, der wenn er auch nichts Ausgezeichnetes leistet, doch zu brauchen ist“. 267 OeStA HHStA StAbt Russland III 127 (23. August 1843). Zu Joseph auch Jena, S. 98. 268 Schlitter (1893), S. 73. 269 OeStA HHStA StAbt Russland III 127 (16. September 1843).
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antworten, aber „keine Schnitte“ zu machen. „In dem Augenblicke“ sei „gar nicht ans Heiraten denken“, und es sei ihm sehr angenehm, wenn sich alles so weit hinzöge, bis Erzherzog Albrecht geheiratet habe. „Daß ihm [Albrecht] die Großfürstinnen sehr gut gefallen haben und daß ich ihm, meinem treusten Freunde, unmöglich den Kummer anthun kann, in irgendetwas vor ihm bevorzugt zu seyn“, stehe außer Zweifel. Außerdem sei er „glücklich und vergnügt in Berlin“, weil er mit Waldemar und Adalbert unterwegs sei.270 In diese dilatorische Darlegung kann man sicherlich so ziemlich alles hineininterpretieren: Abhängigkeit von den Entscheidungen, die in Wien getroffen wurden, Scheu vor jeglicher Festlegung, Unlust zur Heirat – bereits 1842 hatte er sich gegenüber Carl Alexander von Sachsen-Weimar anlässlich dessen Eheschließung als „alten Hagenstolzen“ bezeichnet271 – bis hin zur Homosexualität, wenn man die Verweise auf Waldemar und Adalbert in diesem Sinne interpretieren möchte.272 Doch ist damit nichts an Erkenntnis gewonnen, und dass sexuelle Präferenzen in jener Zeit eine politisch motivierte, dynastische Verbindung zu verhindern vermocht hätten, ist zumindest unwahrscheinlich.273 Forciert hat Stephan die Eheschließung jedoch definitiv nicht, auch wenn im Tagebuch des Grafen Széchenyi erwähnt ist, dass er sich einigermaßen positiv über eine Heirat mit Olga geäußert habe.274 Vielmehr ließ er sich von den Vorgaben leiten, die ihm gemacht wurden. Metternich nannte das dann eine „pragmatische Person“.275 Dieses Verhalten wurde gewiss dadurch erleichtert, dass er selbst die Eheschließung nicht so recht wünschte. Die russische Hofdame Marie Stolypin wies darauf hin, Stephan habe sich der Ehe widersetzt, weil er „sein Herz andernorts hatte“, und im Umkreis der Erzherzogin Sophie wusste man, dass er für Prinzessin Gabriele von Fürstenberg schwärmte.276 Viel Klatsch und Tratsch war wohl dabei. In den Quel270 HLA HStAD Best. D 22 Nr. 18/24 (13. August 1843). 271 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 a, S. 44–47. 272 So schrieb er auch an Carl Alexander von Sachsen-Weimar, er könne ihn sich als Ehemann nicht vorstellen; LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 a, S. 44–47. Marianne von Preußen bezeichnete die Ehe des Weimarers als „unlebendige Ehe“; HLA HStAD Best. D 22 Nr. 33/25, S. 179v. Kováts unterstellt Erzherzog Stephan immer wieder, ohne es klar auszusprechen, aber in diffamierendem Ton, homosexuelle Neigungen; Kováts, u. a. S. 258. Andeutungen auch bei Jena, S. 80 oder S. 113. 273 Auch der homosexuelle Bruder Kaiser Franz Josephs, Ludwig Viktor, sollte verheiratet werden; Unterreiner, S. 80–86. 274 Viszota, S. 194 (13. Dezember 1845): „Er sei dafür, aber dagegen viele von der Familie die Kaiserinmutter, Sophie, Melanie Metternich“; Kováts, S. 263. 275 Viszota, S. 194 (13. Dezember 1845). 276 Corti (1936), S. 41; Chroust (1936), S. 49 (Bericht des französischen Gesandten am bayerischen Hof vom 6. März 1844). Die Informationen dürften über Erzherzogin Sophie gelaufen
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len scheint eine Beziehung zu einer Frau nie auf.277 Allerdings sprach Andrian-Werburg davon, dass Stephan „trotz aller seiner Rodomontaden“ doch schließlich noch „dran“ müsse.278 Bei diesen großsprecherischen Reden (Rodomontaden) dürfte es sich um ein Brüsten gehandelt haben, Olga nicht heiraten zu müssen. Das impliziert, dass es ihm auch nicht daran gelegen war. Im Herbst 1843 trat insofern eine Wendung ein, als der Zar durch die bevorstehende Berufung Stephans nach Böhmen die Probleme gebannt sah, die sich durch die Eheverbindung in Ungarn hätten ergeben können. Ausdrücklich bekannte er, dass ein Bündnis der beiden Mächte Russland und Österreich unabdingbar sei.279 In Wien musste man aber in der Nachdrücklichkeit den Versuch des Zaren erkennen, die Prinzessin, deren sonstige Heiratsoptionen gescheitert waren, nun auf Gedeih und Verderb mit Erzherzog Stephan zu verehelichen, der als letzter Kandidat übriggeblieben war.280 Man ließ deshalb dem Zaren erklären, Stephan hoffe nach wie vor darauf, dereinst seinen Vater in Ungarn zu beerben. Das Problem sei deshalb noch nicht aus der Welt. Deshalb begannen die Verhandlungen über die politischen Verwicklungen, die aus der Ehe erwüchsen, und die religiöse Frage erneut. Konfessionelle Probleme wies der Zar mit der Begründung zurück, dass die Kinder dieser Ehe im katholischen Glauben erzogen werden sollten und der Streitpunkt daher obsolet sei. Metternich hingegen sah die Dimension dieser Frage weiter gefasst. Schließlich komme dem Haus Habsburg von alters her eine „Suprématie catholique“ in ganz Europa zu, die man gegenüber Rom und Paris nicht einfach aufgeben dürfe. Dass der französische König Louis Philippe alle seine Töchter mit Protestanten verheiratet habe, zählte dem Staatskanzler nicht als Argument. Denn Metternich war die Konfessionszugehörigkeit Teil eines weltweiten Kampfes. Revolutionäre Bewegungen bemächtigten sich der Religion, durch welche die Verfasstheit von Staat und Gesellschaft in Gefahr gerate. England, Irland, Deutschland und Ungarn seien voll solcher Bewegungen, und es müsse daher darum gehen, diesen von dynastischer Seite aus entgegenzustehen.281 Die katholische Kirche habe 1837 – also im Zuge der sein, deren Hofdame die Prinzessin Fürstenberg war; Cerny, S. 90 und S. 157; Gothaischer genealogischer Hofkalender 1865, S. 149. Bei der Prinzessin kann es sich nur um Gabriele gehandelt haben, die Ende 1844 den Marchese Pallavicini heiratete. 277 Stephans kolportierter enger Kontakt zur 1796 geborenen Freifrau Elisabeth Orczy, der Ehefrau des Dienstkämmerers seines Vaters, dürfte anderer Natur gewesen sein; Die Presse Nr. 55 (25. Februar 1867), o. S.; BLKÖ 21 (1870), S. 84; Kneschke 2 (1860), S. 323. 278 Adlgasser I, S. 551 (27. Dezember 1845). 279 OeStA HHStA StAbt Russland III 127 (3. Oktober 1843). 280 OeStA HHStA StAbt Russland III 127 (3. Oktober 1843). 281 OeStA HHStA StAbt Russland III 129 (4. März 1844). Auch Siemann (1985), S. 151.
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Auseinandersetzungen um die konfessionelle Mischehe im Erzbistum Köln – bewusst den Geist der Toleranz aufgegeben, um einer ihr feindlich gegenüberstehenden Opposition entgegenzutreten.282 Der französische König warte nur darauf, sich den Titel eines „fils aîné de l’Eglise“ zuzulegen und damit das politische Gewicht des Kaisers zu reduzieren.283 Diese große Perspektive der Bedrohung des restaurativen Systems wurde von Metternich ganz real empfunden, aber im Kontext der Eheschließung klingt sie reichlich übertrieben. Sicherlich war das auch dem Staatskanzler bewusst, der sich schließlich darauf zurückzog, dass eine Entscheidung nicht von ihm, sondern nur vom Familienoberhaupt, sprich: vom Kaiser, gefällt werden könne.284 Am 16. Februar 1844 kam es in Wien zu einer direkten Unterredung über die Eheschließung zwischen dem widerstrebenden Metternich, der sich dem württembergischen Gesandten zufolge am liebsten aus der Angelegenheit zurückgezogen hätte, und dem russischen Gesandten Orlow. Die Zeitungen durften darüber nicht berichten. Nicht einmal die Ankunft Orloffs sollte in die Öffentlichkeit gelangen.285 Jeder öffentliche Druck sollte von der Angelegenheit ferngehalten werden. Denn die Unterredungen gestalteten sich auch auf der Ebene der Diplomaten delikat genug. Metternich erklärte, dass „die moralische Stellung des russischen Gesandten auf einer thatsachlichen Basis beruhe, zu welcher ihm der Schlüzel fehlte“.286 Diese bildlichen Worte sind wohl so zu verstehen, dass sich Metternich, der grundsätzlich nicht an dem engen Bündnis zwischen Russland und Österreich zweifelte,287 nicht im Besitz der gleichen Vollmachten sah wie der russische Gesandte. Er zog sich hinter die Entscheidungskompetenz der Dynastie zurück, was angesichts des patriarchalisch ausgerichteten kaiserlich-österreichischen Familienstatuts von 1839 auch durchaus berechtigt war.288 Das wurde in einem Bericht nach St. Petersburg auch eindeutig festgeschrieben: Die Heiratssache dürfe keine „couleur diplomatique“ bekommen.289 282 OeStA HHStA StAbt Russland III 129 (25. Februar 1844). 283 OeStA HHStA StAbt Russland III 129 (4. März 1844). 284 OeStA HHStA StAbt Russland III 127 (3. Oktober 1843). 285 LA BW HStAS E 50/2 Bü 174 (27. Februar 1844 und 4. März 1844), Bericht des württembergischen Gesandten von Linden. Auch bei Chroust (1836), S. 48. 286 StMLA Meran Archiv Schuber 7 Heft 5,1 (23. Februar 1844). 287 OeStA HHStA StAbt Russland III 129 (4. März 1844). 288 Stickler (2004), S. 113–114; Stickler (2019), S. 133; Müller (2019), Thronfolger, S. 50; Hamann (1988), S. 20. 289 OeStA HHStA StAbt Russland III 129 (11. März 1844). Die Zeitschrift „Die Grenzboten“ erkannte in der Heirat die Absicht „eines eroberungssüchtigen Staates“, Stephan als Brücke zu missbrauchen, wie es Jahre zuvor durch Marie Luise von Österreich in ihrer Eheschließung mit Napoleon geschehen sei; Die Grenzboten 3 (1844), S. 793. Im Tagebuch
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Metternich berief sich in seiner Argumentation auch auf den bereits genannten Ehevertrag des Erzherzogs Joseph mit Alexandrine aus dem Jahr 1799, den der Staatskanzler bereits in einem Memorandum nicht als statuiertes Exempel, sondern nur als großes Entgegenkommen hatte beurteilt wissen wollen.290 Er erläuterte am Beispiel dieses Ehevertrags das Problem der Reziprozität,291 sprich: ob im Umkehrschluss auch eine österreichische Erzherzogin ihren Glauben behalten dürfe, wenn sie einen russischen Großfürsten heirate. Er glich dies mit neuesten Regelungen aus den 30er Jahren ab, in denen gemischtkonfessionelle Ehen möglich und die Kinder im katholischen Glauben zu erziehen waren. Schließlich gab er zu bedenken, dass die Religion zur „raison d’état“ geworden sei – dynastisch und politisch. Denn, so fügte er an, das religiöse Interesse sei für die Dynastie das Äquivalent zur Staatsraison,292 weshalb an eine Heirat mit einer russisch-orthodoxen Braut nicht zu denken sei. Der Vertrag von 1799 mit seinen Regelungen aus der Zeit der Revolutionskriege gehörte daher nach Metternichs Meinung „auf immer in den Schatten der Archive“. Orloff konnte dem nur bedingt zustimmen. Er machte zwei Dimensionen der Angelegenheit aus: eine politische und eine religiöse. In politischer Hinsicht biete sie Vorteile, und ein kanonisches Hindernis stehe der Eheschließung nicht entgegen. Denn der Zar konnte sich auf einen Geheimvertrag der Ehepakte Josephs mit Alexandra von Russland aus dem Jahr 1799 berufen, worin klar geregelt war, dass Großfürstinnen nach einer Einheirat in das Erzhaus ihre Religion ungestört ausüben dürften. Dieser Vertrag war bisher nicht aufgekündigt worden, allerdings hieß es nun plötzlich, dieser sei weder dem Staatskanzler noch der Kaiserinmutter bekannt.293 Das erschwerte Metternichs Argumentationsbasis ebenso wie der Einwand, dass auch Erzherzog Albrecht für eine Eheschließung ins Gespräch gebracht worden sei und für diesen Fall dieselben Argumente ebenfalls zutreffen würden, wie der Zar bereits zuvor geäußert hatte.294 Die genannten vertraglichen Regelungen der Fürstin Metternich wird für den 11. Dezember 1845 festgehalten, es habe sich bei den Unterhandlungen mit dem Zaren nicht um die Hochzeit Stephans gedreht, sondern ausschließlich um die Frage der Katholiken, Protestanten und Juden in Russland; MM Band 7, S. 105 (11. Dezember 1845). Dabei handelte es sich um den diplomatischen Teil der Frage, während die Heirat eine dynastische Angelegenheit war. 290 OeStA HHStA StAbt Russland III 129 (25. Februar 1844). 291 Dieser Begriff wird immer wieder angeführt und auch von den Protagonisten nicht recht verstanden. Selbst der Zar erkundigte sich danach, was unter Reziprozität zu verstehen sei; OeStA HHStA StAbt Russland III 127 (3. Oktober 1843). 292 StMLA Meran Archiv Schuber 7 Heft 5,1 (23. Februar 1844). 293 Corti (1936), S. 31–33. 294 OeStA HHStA StAbt Russland III 127 (3. Oktober 1843). Zum Ehevertrag von 1799 vgl. Jena, S. 96–97.
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als unverbindliches Entgegenkommen abzutun, war somit keine sichere Argumentationsbasis für den Staatskanzler. Er wich deshalb aus und wies darauf hin, dass in Russland Katholiken unterdrückt würden. Das Oberhaupt des Hauses Habsburg präsentierte sich in einem schlechten Licht, wenn es einer solchen Eheverbindung zustimmte. Überdies sei eine solche Zustimmung des Kaisers ohne Einwilligung des Papstes nicht möglich. Der Wiener Nuntius Ludovico Altieri hatte laut Korrespondenz der Nuntiatur geäußert, dass Olga das Einzige sei, was den Misskredit, in den die Heirat das Haus Habsburg in der katholischen Welt bringe, entschädigen könne.295 Immerhin wog die gute Partie den Schaden doch noch irgendwie auf, aber die Konsequenzen waren trotzdem enorm. Metternich dürfte folglich in seiner Einschätzung der päpstlichen Haltung nicht falsch gelegen haben. Es waren aber auch Stimmen zu vernehmen, die gehört haben wollten, dass Altieri in Wien öffentlich erklärt habe, Rom könne an einer solchen Eheschließung nichts Problematisches erkennen. Schließlich würde eine orthodoxe Prinzessin durch die Heirat katholisch – was so freilich nicht richtig war. Denn der Zar hatte deutlich gemacht, dass an einen Konfessionswechsel der Prinzessin nach der Heirat nicht zu denken war, weil sich ein Mitglied der Zarenfamilie niemals unter der Suprematie des Papstes befinden dürfe.296 Orloff insistierte, dass die konfessionelle Frage kein Problem darstelle. Da der Zar ein zärtlicher Vater sei, werde er einer katholischen Ehe und der katholischen Erziehung seiner Enkel nichts entgegensetzen. Darauf gab Metternich zu erkennen, dass nur ein Wort des Missfallens durch den Papst genügen werde, um den Kaiser daran zu hindern, in die Eheschließung einzuwilligen. Dass der Zar „die Ehe wünschet und gleichmäßig der Untergang der kathol[ische] Kirche in seinem Reiche ein Vorsatze sei“, lasse für das Vorhaben im Denken des Kaisers von Österreich „keinen Platz“. Obwohl der Standpunkt somit klar vertreten worden war, verhandelte Orloff weiterhin mit Erzherzögen und der Kaiserinmutter. Es fielen sehr deutliche Worte, die Russland außer Zweifel setzen mussten, dass die Ehe zwischen Erzherzog Stephan und Großfürstin Olga in Wien nicht gewünscht war. Zugleich rückte damit der Bruch zwischen den beiden Mächten immer näher.
295 Miscellanea Historiae Pontificiae, S. 171. 296 OeStA HHStA StAbt Russland III 127 (3. Oktober 1843); HLA HStAD Best. G 1 Nr. 182/2 (26. Oktober 1845). In der „Zürcherischen Freitagszeitung“ wurde sogar kolportiert, das Projekt sei daran gescheitert, dass Stephan nicht dem katholischen Glauben habe abschwören und zur orthodoxen Kirche übertreten wollen; Zürcherische Freitagszeitung Nr. 46 (14. November 1845), o. S. Corti (1936), S. 35–36, behauptet, der Papst habe sich verweigert, weil er die religiöse Dimension als vorgeschoben erachtet habe; ihm folgt Jena, S. 89.
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Spätestens zu diesem Zeitpunkt muss Stephan und seinen nächsten Verwandten das Scheitern der Eheverbindung klar geworden sein.297 Mitte März 1844 verlieh Palatin Joseph seinem Bedauern Ausdruck, dass die Hoffnung auf eine solche Heirat endgültig dahin sei.298 Nur in Russland ging man noch fest von der Möglichkeit einer Realisierung des Projektes aus,299 weil Wien, so klar man dort auch seinen Standpunkt vertrat, sich letztlich immer noch ein diplomatisches Hintertürchen offenließ. Der Wille, diese Eheschließung zu ermöglichen, bestehe zwar nach wie vor, erklärte Wien, aber eine höhere Macht („force majeure“) unterbinde sie – in einer Mischung aus religiösem Standpunkt und öffentlichem Druck.300 Um ein politisches Zerwürfnis zu verhindern, wollte Wien die Angelegenheit aus der diplomatischen Sphäre ziehen, was natürlich kaum gelingen konnte.301 Dass sich die europäische Publizistik des Themas annahm und Metternichs Position vom positiven oder negativen Ausgang der Eheverbindung abhängig machte, weil Russland dann schon mit einem Fuß in Prag und mit dem anderen an der Donau stehe, ließ es unmöglich erscheinen, diese Eheanbahnung vom diplomatischen Parkett zu bekommen.302 Der Bräutigam wurde auch zu diesem Zeitpunkt nicht gefragt.303 Erzherzog Albrecht riet seinem Cousin zum Heiraten, weil seine Stellung in Böhmen dadurch erleichtert werde, und Stephan konterte mit der Gegenfrage, wen er denn heiraten solle; „Moi j’attends“, und er erklärte, nicht heiraten zu wollen, nur um eine Frau an seiner Seite zu haben.304 Er fühle bei den andrängenden Geschäften in Böhmen keine Leere und kommentierte die 297 OeStA HHStA StAbt Russland III 129 (11. März 1844). Die Nachrichten des Scheiterns waren auch nach München gelangt; Chroust (1936), S. 52 (2. April 1844), ebenso S. 62 (13. Mai 1844), hier wird Erzherzogin Sophie als treibende Kraft, die zum Scheitern geführt habe, angesehen. 298 OeStA HHStA StAbt Russland III 129 (14./26. März 1844). 299 Sudley, S. 201 (24. März 1844). 300 OeStA HHStA StAbt Russland III 129 (11. März 1844). So auch noch Erzherzogin Sophie im Januar 1846, GStA PK BPH Rep. 50 T. Nr. 43. 301 LA BW HStAS E 50/2 Bü 174 (27. Februar und 16. April 1844), Berichte des württembergischen Gesandten von Linden. 302 Schon in einer zeitgenössischen Publikation ist zu lesen, Metternich hätte seinen Rücktritt erklären müssen, wäre es zur Heirat gekommen, weil eine Annäherung zwischen Österreich und Russland seiner eigenen Reputation geschadet hätte. Selbst wenn dem nicht so gewesen sein sollte, bauten solche publizierten Einschätzungen Druck auf; Fournier, S. 94–95: „car la Russie, un pied dès lors à Prague et l’autre sur le Danube, ne laissera plus grand’chose à faire à cet émule de Talleyrand“. Der Nacheiferer Talleyrands ist Metternich. 303 Der württembergische Gesandte sprach von „Theilnahmslosigkeit“; LA BW HStAS E 50/2 Bü 174 (27. Februar 1844), Bericht des württembergischen Gesandten von Linden. 304 „[…] daß meine Lage in Böhmen dadurch [durch die Heirat] erleichtert wäre – c’est selor [!]. Finde ich nicht ein wahres häusliches Glück, so ist es nur dies Agrément [Vergnügen], beim
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private Dimension der Eheschließung mit reichlich kryptischen Worten, die alles und nichts besagten.305 Aber um Stephan ging es ja schließlich schon lange nicht mehr, wenn es denn jemals um ihn gegangen war.306 Die ganze Angelegenheit schlug jedenfalls enorme Wellen in der Öffentlichkeit. Andrian-Werburg schrieb verwundert in sein Tagebuch, er habe „in dem meinungslosen Wien“ noch niemals solche Missfallensbekundungen gegenüber einer Heirat bei der Bevölkerung erlebt.307 Der württembergische Gesandte erklärte diese Ablehnung damit, dass es für den Stolz des österreichischen Kaiserhauses als verletzend angesehen worden sei, dass die Ambition von der Braut ausgegangen war, und dass versucht wurde, das Haus Habsburg unter Druck zu setzen. Bei „allen Classen der Bevölkerung“ sei dies auf Widerstand gestoßen.308 Das lässt zumindest auch den Rückschluss zu, dass diese Einschätzung an die Öffentlichkeit gebracht worden war. In Ungarn und Böhmen gärte es ohnehin wegen des dort „spukenden Illyrismus und Gräcismus“.309 Damit waren Unabhängigkeitsbewegungen der Südslawen gemeint, denen die Heirat mit einer Russin Zündstoff bot. Zimmermanns bereits erwähntes Gedicht „An den Erzherzog Stephan“ verleiht dieser Abneigung beredten Ausdruck. Im Gegensatz zu anderen Fürsten sieht der Verfasser in Stephan einen Hoffnungsträger, warnt aber vor der Heirat mit „Schön-Olga“, durch die Russland und die höfischen Kreise den jungen Erzherzog an sich zu binden versuchten. Hinter alldem standen für Zimmermann die Machtgelüste Russlands, vor denen Böhmen nur der habsburgische Doppeladler schützen könne. Deshalb dürfe Stephan in die Ehe nicht einwilligen.310 Der aggressive Ton des Gedichtes spricht für sich. Erstaunlich aber ist, dass auch der Wiener Hof aus dem Blickwinkel des aggressiv-liberalen Verfassers als Betreiber dieser Eheverbindung angesehen wird. Die Wiener Regierung tat also gut daran, hier mit größter Hausmachen eine Frau von Haus zu haben [sic!], und das rentirt sich nicht“; HU MNL OL P 301 (9. März 1844). 305 HU MNL OL P 301 (9. März 1844). 306 Auch Königin Elisabeth von Preußen wusste, dass Stephan mit der Angelegenheit seiner eigenen Heirat nicht sehr befasst gewesen war; GStA PK BPH Rep. 50 T Nr. 44 Band 2, fol. 269 (o. D. [1846]). 307 Adlgasser 1, S. 478 (13. März 1844). Kaiserin Maria Anna zeigte sich verwundert, es sei „sonderbar, jemand zu einer Heirat zwingen zu wollen, und dass eine Prinzessin einen Prinzen gleichsam begehrt“; zit. bei Jena, S. 98; Corti (1936), S. 34. 308 LA BW HStAS E 50/2 Bü 174 (27. Februar 1844), Bericht des württembergischen Gesandten von Linden. 309 Adlgasser 1, S. 546 (28. November 1845). Ähnlich negative Urteile auch bei Schiemann, S. 73. Vgl. auch Miscellanea Historiae Pontificiae, S. 176 und S. 179, sowie Thienen-Adlerflycht, S. 181. 310 Zimmermann (1845), S. 60–62.
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Vorsicht vorzugehen. Nicht ohne Grund schwiegen sich die Zeitungen über die Angelegenheit aus. Die Wiener Regierung wollte diese also nicht in die Öffentlichkeit gebracht sehen. Das belegt aber auch, dass es jenseits dieser Publizistik Wege gab, die breite Öffentlichkeit zu beeinflussen. Und deren Gerüchteküche kam nicht zur Ruhe. Wie so häufig im Leben Stephans verknüpften sich auch bei der Hochzeit innere Angelegenheiten der Regierung mit Druck, Erwartungen und Befürchtungen der Bevölkerung. Obwohl das Projekt bereits gescheitert war, hielten es diese noch am Leben, und auch der Zar wollte es noch nicht begraben wissen. Im Herbst 1845 versuchte er den Wiener Hof in Zugzwang zu bringen. Er erschien am 13. Oktober in Prag. Erzherzog Stephan saß im Schlafrock am Schreibtisch, als ihn die geheime Polizeinotiz erreichte, der Zar werde in einer halben Stunde mit einem Separatzug aus Olmütz in Prag eintreffen, um dann seine Reise nach Italien fortzusetzen.311 Stephan zog rasch seine Paradeuniform an und eilte in die russische Botschaft, wo er den Zaren im Pelzmantel vorfand. Er war nicht dazu zu bewegen, in „decoroserem Lokale“ die Postpferde wechseln zu lassen. Stephan blieb bei ihm. Nikolaus zeigte sich überrascht, dass Stephan trotz des Inkognitos von seiner Ankunft erfahren hatte, und erfreut, ihn persönlich kennenzulernen. „Er ist ein bildschöner und ein grundgescheidter Mann“, urteilte der Erzherzog. Anderthalb Stunden blieben sie zusammen. Das war ein wohlinszenierter Auftritt.312 Zar Nikolaus musste es klar sein, dass man auf ihn aufmerksam würde und dass sich Stephan als Landeschef Böhmens bei ihm einfinden müsse. Er konnte auf diese Weise die Begegnung mit dem Mann erzwingen, der bisher jeden Kontakt zu russischen Vertretern vermieden hatte oder hatte vermeiden müssen. Dass beide nicht auf die Eheschließung zu sprechen kamen, bedeutet nicht, dass diese nicht der ausschlaggebende Grund des Besuches war.313 Hier sollte der Stein nun endgültig ins Rollen gebracht werden, weil dem Zaren nach wie vor sehr an der Eheverbindung gelegen war. Eine Öffentlichkeit entstand, die Wien nicht mehr steuern konnte. Als Stephan sich für zwei Tage nicht in Prag aufhielt, hieß es, er sei nach Hof in Bayern gereist, um dort auf einer Poststation mit Olga erstmals zusammenzutreffen.314 Solche Nachrichten fanden wiederum den Weg an andere Höfe, wo diverse politische Lager sich ihr Bild 311 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 a (16. Oktober 1845). 312 Allgemein zu Fiktionalität und Inszenierung des Inkognitos vgl. Barth, S. 16–17. 313 Corti (1936), S. 47, wertete den Besuch als „eine verlegene, rein höfliche und formelle Handlung“. Wenn es aber eine Formalie gewesen wäre, hätte der Zar Prag offiziell besucht, wenn es verlegen gewesen wäre, hätte er keine Station in Prag gemacht. 314 HLA HStAD Best. G 1 Nr. 182/2 (26. Oktober 1845).
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machten. Konservative wie liberale Kräfte knüpften ihre jeweils eigenen Erwartungen an die Eheschließung.315 Stephan erstattete Metternich über seine Begegnung mit dem Zaren umgehend Bericht, was in Wien – und in Rom – für größte Zufriedenheit sorgte.316 Die Entwicklung insgesamt stieß aber weniger auf Wohlwollen. Denn in den nächsten Wochen sollte sich die Lage zuspitzen. Die Zarenfamilie war nach Italien gereist, während der Kronprinz von Württemberg als Ehekandidat für Olga ins Gespräch gebracht wurde. Jetzt aber wurde auch Metternich aktiv. Er ließ den Zaren wissen, das österreichische Kaiserhaus wünsche eine Annäherung an Russland.317 Das dilatorische Moment trug nicht mehr länger, weil das nahe Scheitern des Heiratsbündnisses die Gefahr einer Entfremdung zwischen Russland und Österreich greifbar werden ließ. Allerdings konnte Metternich seinen Standpunkt, den er dem Grafen Orloff bereits dargelegt hatte, nicht mehr verlassen. Das, was zuvor für Metternich der Hinderungsgrund für eine Heirat gewesen war, musste jetzt positiv umgedeutet werden, um neben dem Ehebündnis nicht auch die russisch-österreichischen Beziehungen in die Brüche gehen zu lassen. Metternich hatte seine bisherigen Positionen überdacht: Die Heirat konnte nun plötzlich doch dazu beitragen, die Unterdrückung der römischen Kirche in Russland zu mildern.318 Eine Aussöhnung des Zaren als Repräsentant der griechischen Kirche mit dem Papst war zu wünschen. Doch Rom verschloss sich diesen Argumenten weiterhin, was umso schwerer wog, weil Metternich und Papst Gregor XVI. seit Jahrzehnten eine enge politisch-strategische Allianz verband.319 Womöglich baute Metternich aber auch genau auf diese Haltung des Papstes, um eigene Verantwortung abzuwälzen. Zar Nikolaus bestritt mögliche Konflikte und Streitfälle zwischen den beiden Kirchen, und Metternich durfte bei dieser Haltung hoffen, Russland werde zur freiwilligen Aufgabe seiner Ambitionen veranlasst, während er nicht mehr als Verhinderer auftrat. Dass ein aussichtsreicher Heiratskandidat aufgetreten war, begünstigte diese Entwicklung. Gewiss war der Ausgang aber keineswegs. Es hieß sogar, russische Konzessionen gegenüber dem Papst könnten die Vermählung doch noch 315 Le Siécle (28. November 1845), S. 2: Die Liberalen gingen davon aus, dass dem Zaren daran gelegen war, im Zusammenschluss mit Österreich ihre Kraft zu brechen. Die Konservativen in Preußen befürchteten, dass eine Allianz zwischen Österreich und Russland Preußen auf die Seite des liberalen Frankreich treiben könnte. 316 Miscellanea Historiae Pontificiae, S. 213. 317 Podewils, S. 226; Corti (1936), S. 43 (November 1845); Schiemann, S. 66. 318 Miscellanea Historiae Pontificiae, S. 172; OeStA HHStA StAbt Russland III 129 (17./29. März 1844); Chroust (1936), S. 146 (18. Dezember 1845). 319 Wolf (2007), S. 108.
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ermöglichen.320 Freilich trat Papst Gregor XVI. dem Projekt dann doch so entschieden entgegen, dass die Aussicht auf eine Einigung nicht eben hoch einzuschätzen war.321 Auch Rom führte die Unterdrückung der Katholiken in Russland an, insbesondere aber auch in Litauen und im russischen Teil Polens. Für Österreich war vor allem Letzteres eine Bedrohung, weil dadurch den Unabhängigkeitsbestrebungen auch in den unter österreichischer Herrschaft stehenden Teilen Polens Auftrieb gegeben wurde.322 Doch Nikolaus ließ sich nicht beirren. In Rom sprach man von Torheit und dem absoluten Willen, sein Ziel zu erreichen.323 Auf Entgegenkommen stieß er damit nicht. Der Papst blieb unnachgiebig.324 Aber letztlich dürfte der Wille auch nicht mehr so absolut gewesen sein, wie es den Anschein machte. Denn auch Olga waren Zweifel gekommen. Sie wäre, vertraute sie ihrem Tagebuch an, im Falle einer Eheschließung an einen Gatten gebunden, der ohne feste Stellung und abhängig von Metternich sei, dessen Verhalten der letzten Jahre sie wiederum zu Recht als maßgeblich gegen das Ehebündnis ausgerichtet einschätzen musste. Womöglich war die Option einer Heirat mit dem zukünftigen König von Württemberg doch die befriedigendere? Zumindest erteilte der Zar, der Stephan nun selbst als geckenhaft, eitel und anmaßend einschätzte,325 Ende Dezember dem Erbprinzen in Venedig die Erlaubnis, um die Hand seiner Tochter anzuhalten.326 Die endgültige Entscheidung vertagte er aber noch, wenn auch das Entgegenkommen ein Zeichen gesetzt hatte – ein Zeichen, das vom Zaren womöglich als Druckmittel gedacht war, in Wien aber nicht als solches wahrgenommen worden sein dürfte. Denn dort kursierte in konservativen Kreisen immer noch die Angst vor der möglichen Eheschließung. Beichtvater Columbus, dem sehr daran gelegen war, Erzherzog Stephan nicht zu stark werden zu lassen, bedrängte Erzherzog Franz Karl noch im November 1845, dafür Sorge zu tragen, „daß 320 HLA HStAD Best. G 1 Nr. 182/2 (26. Oktober 1845). 321 Miscellanea Historiae Pontificiae, S. 171. 322 Martina, o. S.; vgl. zum Aufstand in Galizien 1846 Hoefer, S. 66; Straub, S. 118–120; Hantsch, S. 312–313; Zöllner, S. 353; Evans (2016), S. 256–258 und S. 268. 323 Miscellanea Historiae Pontificiae, S. 175 (13./15. Oktober 1845). 324 Auch die Mission des russischen Gesandten Heinrich Christian Gottfried von Struve nach Rom musste zwangsläufig an der unversöhnlichen Haltung des Papstes scheitern; Miscellanea Historiae Pontificiae, S. 172. 325 Schiemann, S. 70: „fat, vain et présomptueux“. Das sei ihm berichtet worden. Allerdings hatte er ihn ja persönlich kennengelernt. 326 Podewils, S. 225; HLA HStAD Best. G 1 Nr. 182/3 (12. Januar 1846), Biegeleben. Zu Venedig, wo der Zar in Begleitung des Erzherzogs Friedrich auch mit Erzherzog Rainer und dessen ältesten Söhnen zusammentraf, vgl. Schiemann, S. 70. Der Erbprinz stellte sich am 26. Dezember dem Zaren vor, nach Wien kam der russische Herrscher am 30. Dezember; Schiemann, S. 70–71.
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wir die Olga nicht bekommen für den Erzherzog Stephan“.327 Dem Beichtvater ging es darum, den jungen Erzherzog, dem er politisch und menschlich misstraute, nicht durch die Eheschließung aufzuwerten, wenn dem Ganzen nicht sogar grundsätzliche antirussische Ressentiments unterlagen, wie der württembergische Gesandte unterstellte.328 Auf der Rückreise aus Italien fuhr Zar Nikolaus über Wien, um die Entscheidung herbeizuführen. Wie groß die Hoffnung des Zaren diesbezüglich immer noch war, wird schwer zu beantworten sein. In Bruck an der Leitha erfuhr er schließlich, dass weder Erzherzog Stephan noch dessen Vater Joseph während seines Besuches in Wien anwesend sein würden. „Croyent-ils donc que je leur emporteraix leurs Archiducs dans ma poche!“, rief der Zar und ließ die schon in Uniform bereitstehende Delegation des Wiener Hofes über Stunden warten, indem er seinen Aufenthalt in dem Städtchen Gloggnitz hinauszögerte.329 Das Machtspiel zwischen dem Zaren und Österreich, das er mittlerweile als „ein paar Greise“ schmähte, die zusammenbrechen würden, wenn er sich auf sie stützen wollte, ging in seine Endphase. Nachdem der Zar also die Zeichen gesetzt hatte, traf er schließlich doch noch in der kaiserlichen Residenzstadt ein. Niemand in Wien wagte dem Zaren selbstbewusst entgegenzutreten. Als sich Erzherzog Franz Karl dem Besucher gegenüber sehr unterwürfig gezeigt hatte, „deckte er dem rußischen Kaiser unsere ganz erbärmliche Lage offen auf“, wie der Beichtvater Columbus schrieb.330 Nach einem unergiebigen Gespräch mit dem Staatskanzler an Silvester 1845331 traf der Zar am 1. Januar 1846 nach einem Familiendiner mit der Kaiserinmutter zusammen,332 die von Metternich instruiert worden war, die Bedeutung der Religion in dieser Frage zu betonen. Sie geleitete den Za327 Kovács (1971), S. 89. 328 LA BW HStAS E 50/2 Bü 174 (8. Mai 1844), Bericht des württembergischen Gesandten von Linden: „daß vielleicht wenige politische und kirchliche Rücksichten als Abhaltungsgrund erscheinen, als mehr eine instinktartige Abneigung der kaiserlichen Familie in ihren engeren Kreis ein durchaus fremdartiges neues Element einzuführen“. Ende Februar hatte er den Grund noch in der „Unzulässigkeit einer Transigierung mit dem russischen Element“ gesucht sowie im „Vollbewusstseyn des deutschnationalen Prinzips“ (27. Februar 1844). Leider erklärte er sich diesbezüglich nicht näher. 329 HLA HStAD Best. G 1 Nr. 182/3 (12. Januar 1846), Biegeleben. Erzherzogin Sophie erklärte die Abwesenheit Stephans ihrer Schwester Elisabeth – einer Schwägerin der Zarin – damit, dass er in Prag bei der Eröffnung der Stände habe anwesend sein müssen; GStA PK BPH Rep. 50 T Nr. 43 (5. Januar 1846). 330 HLA HStAD Best. G 1 Nr. 182/3 (12. Januar 1846), Biegeleben; Kovács (1971), S. 94; Hammer-Purgstall, S. 368 (Januar 1846). 331 HLA HStAD Best. G 1 Nr. 182/3 (12. Januar 1846), Biegeleben. Metternich soll den Zaren gebeten haben, über die Heiratsangelegenheit nicht zu sprechen; Schiemann, S. 71. 332 Schiemann, S. 72–73.
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ren an einen Altar, der an der Stelle errichtet worden war, an der Kaiser Franz I. verstorben war, und erinnerte damit symbolisch an die Heilige Allianz von 1815. Dann befragte sie den Gast mit theatralischer Gebärde über die Verfolgung der katholischen Kirche in Russland und ob er diesbezüglich die Möglichkeit einer Änderung sehe. Nikolaus verlangte Beispiele für die Verfolgung, worauf sie keine konkreten Angaben machen konnte. Ohne Olga zu benennen, erkundigte sie sich schließlich, ob eine Erzherzogin den Glauben wechseln müsse, wenn sie einen Großfürsten heirate – also das Gegenteil der projektierten Verbindung. Damit nahm sie erneut Bezug zur Frage der Reziprozität. Dem Zaren war nun der endgültige Beweis dafür erbracht, dass Wien von seiner Position nicht abweichen werde. Die Bande, die Franz I. seinerzeit mit dem Zaren geknüpft habe, seien nun an seinem Altar zerrissen worden, bekundete Nikolaus und reiste wütend ab.333 Er nutzte diese Abreise dazu, öffentlich gehörige Schmähungen über Österreich auszustoßen,334 während Metternich, nachdem Orloff mit seiner Frau gesprochen hatte, zu dem Entschluss kam, nicht mehr über die Sache zu reden, da der Zar sie aufgegeben habe.335 Damit bestätigte er sich selbst den zweifelhaften Erfolg seiner seit Kurzem verfolgten Strategie. „Alles ist zu Ende“, schrieb General Graf Vladimir Adlerberg an Olga, die in ihrem Tagebuch festhielt: „Hinter prunkvollen Empfängen, Revenuen, Galavorstellungen zu Ehren Papas verbarg sich nichts als Ablehnung und angstvoll lähmende Erwartungen vor kommenden düsteren Ereignissen.“ Im Nachhinein wusste sich Olga, eingedenk des weiteren Lebenswegs Stephans, zu trösten: „Was wäre nach dem Zusammenbruch 1848 als Stephans Gattin aus mir geworden, da er verfolgt, kompromittiert, gezwungen war, sein Leben im Exil zu beenden.“336 Sie wurde stattessen die zukünftige Königin von Württemberg. Begegnet ist Stephan Olga aber doch noch. Im Frühjahr 1846 kam die Zarin mit ihrer Tochter auf dem Rückweg aus Italien durch Prag. Stephan 333 Podewils, S. 226; Schiemann, S. 72–73. 334 HLA HStAD Best. G 1 Nr. 182/3 (12. Januar 1846), Biegeleben: Als Nikolaus’ Zug später abfahren sollte, um einen entgegenkommenden abzuwarten, meinte er: „Lieber zwei Stunden länger unterwegs, als zehn Minuten länger in Wien.“ 335 Miscellanea Historiae Pontificiae, S. 246. In München zeigte sich der König von Bayern erleichtert, dass sich die Verbindung zwischen Österreich und Russland zerschlagen habe; Chroust III, S. 351 (9. März 1846), Nr. 1134. 336 Podewils, S. 227. Die spätere Zarin Marie schrieb an ihren Vater nach Darmstadt, Olga werde heiraten und sei glücklich darüber; HLA HStAD Best. D 4 Nr. 710/4 (13./25. Februar 1846). Sonst schwieg sie sich gänzlich über die Eheanbahnung mit Stephan aus. Vergleichbares auch in ihren Briefen an Elisabeth von Hessen-Darmstadt, HLA HStAD Best. D 23 Nr. 32/4 (30. Januar/11. Februar 1846): „schien glücklich und voller Vertrauen in ihren Bräutigam“.
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wurde wegen der ständischen Verhandlungen vor Ort gebraucht, weshalb ihm ein Ausweichen unmöglich wurde. Rückfragen bei Erzherzog Ludwig und Metternich führten zu der Entscheidung, die beiden Damen tatsächlich zu empfangen. Beide blieben für zwei Tage in der Stadt.337 Stephan reiste ihnen nach Budweis entgegen und tat, als sei nichts vorgefallen.338 „Während Anfangs meine Behandlung ziemlich genirt und genant war, änderte sie sich im Verlaufe der Anwesenheit derart günstig, daß wir, ich kann es wirklich sagen, als die besten Freunde schieden“, schrieb Stephan schließlich nach Weimar.339 Olga, so musste er feststellen, sei eine schöne und gescheite Prinzessin, die nun sehr glücklich über den Brautstand sei. Er selbst zog sich hinter allgemeine Betrachtungen zurück – auch gegenüber den beiden Besucherinnen, denen er erklärt hatte, nicht sein eigener Herr, sondern den Befehlen des Kaisers unterworfen zu sein.340 Er hoffe, bekundete er gegenüber Carl Alexander von Sachsen-Weimar, dass er durch sein freundliches und taktvolles Verhalten gegenüber den beiden Damen die Missstimmung zwischen dem russischen und österreichischen Hof hatte beheben können. Das war aber nur eine Möglichkeit der Wahrnehmung. Denn die Zarin erklärte der Königin von Preußen, nachdem sie Stephan persönlich begegnet war, dass ihr Erzherzog Friedrich als Bräutigam Olgas viel besser gefallen habe.341 Königin Elisabeth hatte dafür volles Verständnis. Leider erfahren wir dazu keine weiteren Hintergründe. Aber der überlieferte Satz der Zarin, dass vieles anders gekommen wäre, wenn sie Stephan früher kennengelernt hätte, kann nur so interpretiert werden, dass sie dann dem Hochzeitsplan ihre Zustimmung verweigert hätte.342 Stephans positives Fazit der Unterredung war folglich kaum gerechtfertigt. Letztlich scheint er sich über die Angelegenheit aber kaum Gedanken gemacht zu haben. Sein persönliches 337 NA Prag Fond MRA AC 1 2-A (2. Mai 1846); Miscellanea Historiae Pontificiae, S. 243. Ein Brief Olgas aus Italien auch in HLA HHStAW Best. 1269 Nr. 7 (18./30. Oktober 1845), ohne Nennung des Heiratsprojektes. 338 HLA HStAD Best. G 1 Nr. 182/3 (16. Mai 1846): „freilich können die betheiligten höchsten Personen wohl selbst nicht ohne Lächeln an die ihnen bevorstehende Situation denken.“ 339 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 a (8. Mai 1846); Berichte über den Besuch der Zarin in Prag in Frankfurter Oberpostamts-Zeitung (23. Mai 1846), S. 1471, und ebd. (26. Mai 1846), S. 1507. 340 Adlgasser 1, S. 589 (13. Juni 1846). 341 GStA PK BPH Rep. 50 T Nr. 44 Band 2, fol. 269 (o. D. [1846]). 342 Kováts, S. 264; Dauber, S. 166–168: Dass Erzherzog Friedrich in die Wahl als Ehemann Olgas gekommen war, ist sonst nicht überliefert. Womöglich rührt die Nennung seiner Person daher, dass der Erzherzog den Zaren auf dem Weg nach Wien abgeholt hatte; Schiemann, S. 70. Jena schildert, Stephan sei den beiden Frauen als eitler und ungeschickter Egomane erschienen; Jena, S. 128. Er gibt dafür aber leider keine Quellen an, das deckt sich allerdings mit der Wahrnehmung des Zaren in Prag.
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Fazit war nüchtern und fatalistisch: „Bei uns höchsten Herrschaften ist das Heirathen eine Lotterie, und wie in dieser manch Terno [= Gewinn], aber auch viele Nieten!!“343 Stephan resümierte am 5. März 1846 gegenüber seinem Freund Carl Ale xander, einem der wenigen, dem er anscheinend solche Dinge anvertraute: Sein Vater habe von ihm gefordert, dem Kaiser immer Gehorsam zu leisten, was er mit gutem Erfolg auch stets befolgt habe. Was er sei, sei er schließlich durch den Kaiser. So habe er sich auch bei der Eheanbahnung verhalten. Nach allem Hin und Her stehe er aber jetzt wieder an demselben Fleck wie fünf Jahre zuvor. Ja schlimmer noch: „Wenn man dem Kaiser von R– eine gemischte Ehe quasi abschlägt – [ist] ein ähnlicher Schritt in kleinen Häusern kaum mehr möglich und für uns die Welt gleichsam mit Brettern verschlagen.“344 Eine andere Option konnte er nicht erkennen, denn unter seinen Glaubensgenossinnen kannte er keine, die seinen Wünschen entsprochen hätte. Inwiefern es sich bei dieser Einschätzung nur um eine Ausflucht handelte, wird schwer zu klären sein. Gegenüber Erzherzog Albrecht äußerte Stephan, dass einem das „Wasser im Mund zusammenlaufen“ könne, wenn man sich dessen glückliche Ehe ansehe – „ja, wenn – in der Welt nur nicht die Wenn wären – das ist eine dumme Einrichtung! – doch ich versteige mich in mein Schicksal!“345 Zumindest gegenüber seinem Cousin Albrecht klingt deutliches Bedauern aus diesen Worten, die aber auch für einen Dreißigjährigen merkwürdig definitiv sind. In der Publizistik allerdings konnte man das Scheitern der Eheverbindung als Ausdruck seiner fürstlichen Selbstverleugnung propagieren: Im Interesse Ungarns habe er auf die Heirat verzichtet.346 Angesichts des modernen Liebeskonzepts der Zeit, das die romantische Liebesheirat auch für den Hochadel vorsah, konnte das Scheitern der Heirat Stephan als sich selbst verleugnendes Opfer stilisieren.347 Damit wurde, obwohl es nie zu einem Kontakt zwischen den beiden sich vermeintlich Liebenden gekommen war, der Erzherzog in den Augen des Publikums ausgezeichnet. Zudem waren weitere Projekte im Gespräch, die Stephan allerdings auch abtat. Das Gerücht, er könne die Nichte des Zaren Nikolaus, Großfürstin Katharina, heiraten, wies er als unbegründet zurück.348 Mitte August 1847 ist dann allerdings davon die Rede, er selbst habe dieses Heiratsangebot mit der 343 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 a (8. Mai 1846). 344 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 a (5. März 1846). 345 HU MNL OL P 301 (1. Januar 1847). 346 St. John, S. 457; Archduke Stephen, S. 209. 347 Müller (2019), Heirat, S. 101–102; zur Heldenfunktion des Opfers vgl. auch Asch (2016), S. 15. 348 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 a (17. Oktober 1846).
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Begründung abgelehnt, es sei ihm unmöglich, die Tochter eines Großfürsten zu heiraten, nachdem er eine Zarentochter ausgeschlagen habe.349 Aus der Korrespondenz des Erzherzogs Ludwig geht klar hervor, dass Erzherzogin Maria Dorothea und Großfürstin Helene während deren Wien- Besuch intensiv daran arbeiteten, Stephan mit Katharina zu verkuppeln. Dies stieß jedoch auf das größte Missfallen bei Erzherzogin Sophie. Hatte sie noch wenige Tage zuvor geäußert, Olga hätte überhaupt nicht zu Stephan gepasst,350 so erklärte sie jetzt, eine Eheverbindung mit Olga wäre die bessere Wahl gewesen, weil diese sanfter als Katharina sei. Auch müsse man sich davor hüten, den Zaren zu düpieren – ausgerechnet ihn, den man selbst durch die Vereitelung der Heiratspläne so sehr verärgert hatte.351 Erzherzog Ludwig tat lange so, als wisse und ahne er nichts. Erst als Großfürstin Helene sich an ihn wandte, um ihm darzulegen, wie sehr Stephan ihrer Tochter gefalle und dass diese darüber sogar krank geworden sei, trat er an Maria Dorothea heran, damit diese Helene erkläre, dass aus der Ehe mit ihrem Stiefsohn nichts werden könne.352 Eine Verbindung mit einem der Söhne des Erzherzogs Rainer hätte Wien durchaus gutgeheißen. Diese waren von Katharina aber abgelehnt worden, weil der eine ihr nicht gefalle und der andere keine „Stellung in der Welt“ habe, während Stephan eine solche sicherlich einnehmen werde. Stephan, der übrigens schon Tage zuvor von Erzherzog Johann gewarnt worden war, Vorsicht gegenüber Katharina walten zu lassen,353 hatte folglich auch auf diese junge Dame den Eindruck eines aufstrebenden jungen Mannes gemacht. Im gleichen Jahr war eine Eheverbindung mit Prinzessin Elisabeth von Sachsen an der Einschätzung des sächsischen Gesandten in Wien gescheitert, die als vernichtend bezeichnend werden kann: „Was den Erzherzog betrifft, so hat er großes Lob als eifriger sehr befähigter Geschäftsmann, aber sein Benehmen gegen die jungen Damen in Böhmen ist von der lächerlichsten Art und eine so fortlaufende Comoedie, daß man von allen Seiten darüber sehr ernste Missbilligung hört.“354 Die ernste Missbilligung seines Umgangs 349 Corti (1936), S. 62; Viszota, S. 560 (30. April 1847). 350 NA Prag Fond MRA AC 1 2-A (4. Februar 1847). Die Erzherzogin soll auch gegen die Hochzeit mit Olga gewesen sein, weil sie deren Schönheit fürchtete; Chroust (1836), S. 48. 351 NA Prag Fond MRA AC 1 2-A (4. Februar 1847 und 19. Februar 1847). 352 NA Prag Fond MRA AC 1 2-A (15. Februar 1847). Vgl. auch die Einschätzung der Großherzogin Alexandrine von Mecklenburg-Schwerin, Stephan sei Großfürstin Helene lieber gewesen als der letztlich für Katharina ausgewählte Bräutigam; LHAS 5.2-4/1-2 Nr. 73 (8. Mai 1847). 353 NA Prag Fond MRA AC 1 2-A (19. Februar 1847). 354 SächsStA HStAD loc. 10026 Geheimes Kabinett Loc. 30347/06 (Fragment), zit. bei Marburg, S. 246 (8. November 1846). Merkwürdig auch die ausgiebige Rechtfertigung Ste
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in diesem Zitat könnte womöglich weniger auf ein ungelenkes Verhalten zurückgehen und eher als moralische Ablehnung zu verstehen sein. Konkretere Quellen existieren nicht. Nur so ist wohl aber die Bemerkung der Großherzogin Alexandrine von Mecklenburg zu verstehen, dass die Zeitung „recht unschuldig“ vom Scheitern der Eheverbindung Stephans mit Olga berichtet habe. „Wenn wirklich etwas daran gewesen, so ist [das] der Öffentlichkeit nicht angenehm. Für alle übrige heirathslustige Prinzessinnen aber nun alle Hoffnungen genommen.“355 Wenn mit dem Scheitern der Hochzeit auch alle anderen Eheschließungen unmöglich geworden waren, und das aus einem Grund, der etwas Skandalträchtiges in sich barg, könnte der Rückschluss zugelassen werden, dass Stephan als geschlechtskrank angesehen wurde. Nur das allein hätte eine Eheverbindung so kategorisch ausgeschlossen. Ähnliche Äußerungen existieren. „Denn beinahe alle unsere Erzherzoge, die vom Hofe wegkommen, werden in schlechte Gesellschaften verflochten und leiden, besonders im Punkte der Reinigkeit Schiffbruch“, wusste der Beichtvater Columbus der Erzherzogin Sophie zu berichten. „Ich erzählte, was das Gerücht sagte von dem Erzherzoge Karl Ferdinand, Stephan, Leo pold und auch vom verstorbenen Friedrich, der auch venerisch gewesen sein soll.“356 Die Erzherzöge Friedrich und Stephan nahm Sophie allerdings in Schutz. Letzterer leide nur an Diarrhöe, sonst nichts. Konkretes ist aber auch über dieses Gerücht nicht zu erfahren. Das merkwürdige Bonmot aber, Stephan habe Würmer, die ihn dereinst umbringen würden, in sein Bett kommen lassen, legt den Verdacht nahe, dass Stephans Lebenswandel abschätzig beobachtet wurde.357 phans, warum er ein Dienstmädchen in Gries bei Bozen nicht im Gasthaus übernachten ließ, sondern zu sich geholt hatte. Gründe seien der Tabak und die frivolen Unterhaltungen im Gasthaus gewesen. Die nachdrücklichen Erklärungen aber suggerieren regelrecht, dass andere Gründe vorherrschend gewesen sein müssen, oder zumindest, dass der Verdacht solcher Gründe bestand; OeStA HHStA SB Familienarchiv Sachsen-Coburg-Gotha II-23-13 (1. Februar 1866). Auch die Anekdote, dass Stephan bei Bällen stets so lange mit der Aufforderung seiner Tanzpartnerinnen gewartet habe, bis ihm am Schluss nur noch diejenige übriggeblieben war, die sonst niemand hatte auffordern wollen, belegt zumindest einen gehemmten Umgang mit Frauen; La Presse (27. August 1861), S. 2. Die Zeitung wollte daraus aber herauslesen, dass er niemals nach dem Thron greifen werde, sondern nur das nehme, was man ihm lasse. 355 LHAS 5.2-4/1-2 Nr. 73 (20. März 1844). 356 Kovács (1971), S. 126. 357 Viszota, S. 561 (30. April 1847) und S. 641 (22. September 1847). Allerdings könnte ein Porträt mit Widmung in ungarischer Sprache vom August 1847, dessen Rahmen ein Frauenporträt und einen Amor menaçant zeigt, auf eine intime Beziehung mit der Widmungstägerin schließen lassen, versteigert als Los Nr. 125, http://encheres.parisencheres.com (Zugriff 13. September 2018).
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Dass Alexandrine von Mecklenburg-Schwerin sich einige Zeit später Stephan doch als Ehemann einer sächsischen Prinzessin hätte vorstellen können und dass sie 1845 Stephan als idealen Schwiegersohn pries, spricht aber gegen diese Hypothese oder dafür, dass das Gerücht sich als unwahr herausgestellt hatte. Alternativ könnte die Großherzogin auf eine Homosexualität Stephans hingedeutet haben, die eine Eheschließung zwar gewiss nicht unmöglich gemacht hätte, die aber eine Hypothek für jede Ehe gewesen wäre.358 Im amtlichen Schriftverkehr findet sich allerdings kein Hinweis auf solche Überlegungen oder Hinderungsgründe. Bald versiegten die Gerüchte um eine mögliche Eheschließung wieder gänzlich, was dafür sprechen könnte, dass grundsätzliche Aspekte einer solchen im Wege standen, welcher Art diese auch immer gewesen sind. Erst die Ankündigung aus dem Jahr 1858 im nationalliberalen „Frank furter Journal“, Stephan werde auf Schloss Schaumburg morganatisch eine Dame heiraten, die ihm schon mehrere Jahre sehr nahestehe, machte eine Heirat Stephans wieder zum Gegenstand. Weder in Stephans Briefen noch in weiteren Zeitungsmeldungen hat sich Vergleichbares niedergeschlagen, weshalb von einer – wie immer auch motivierten – Falschmeldung auszugehen ist; allerdings war sie wohl nicht ganz aus der Luft gegriffen.359 Denn Gerüchte, Stephan habe in der Herrschaft Schaumburg ein Verhältnis mit der Tochter eines Beamten unterhalten, woraus auch Kinder hervorgegangen seien, dementierte Anders später, wenn er auch zugeben musste, dass das Miteinander der beiden Personen durchaus einen „bösen Schein“ hätte geben können.360 358 Alexandrines Aussage über Stephans gescheiterte Eheverbindung mit Elisabeth von Sachsen in LHAS 5.2-4/1-2 Nr. 73 (8. Juli 1845 und 13. Dezember 1847). Jena sieht weder in der Homosexualität eines Bräutigams noch in einer Geschlechtskrankheit ein Ausschlusskriterium für eine Eheschließung; Jena, S. 147–148. Vgl. Neuhold, S. 166–182. 359 Frankfurter Journal Nr. 262 (2. Oktober 1858), o. S.; Neue Freie Presse Nr. 4304 (19. August 1876), o. S. Dass durch eine solche Meldung die „Heterosexualisierung“ Stephans betrieben, d. h. Gerüchten seiner Homosexualität entgegengearbeitet wurde, ist insofern fragwürdig, als in zeitgenössischen Verlautbarungen Letzteres nirgends zum Thema gemacht wurde; Neuhold, S. 81. 360 Anders (1868), S. 316–317; Neue Freie Presse Nr. 1442 (5. September 1868). Spielmann gibt an, Stephan habe noch kurz vor seinem Tod bekannt, „nie einer Frau zu nahe getreten zu sein“; HLA HHStAW Best. 1174 Nr. 17. Ein Hinweis auf eine solche „Beziehung“ könnte sich durch eine Kur des Erzherzogs 1856 für zwei Wochen in Ems ergeben. Er logierte mit Anders und dem gesamten Hofstaat im Mittelbau des herrschaftlichen Kurgebäudes, während ein „Fräulein K. Johann“ aus der Schaumburg genau zeitgleich im oberen Flügelbau desselben Hauses abgestiegen war. Bei ihr handelte es sich um die Leiterin der erzherzoglichen Wäschekammer Caroline Johann. Wurde sie gesondert untergebracht, weil man sie nicht mit der männlichen Dienerschaft einquartieren wollte? Dann ist fraglich, warum sie überhaupt namentlich aufgeführt wurde – keinem der anderen Diener wurde diese Ehre
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Letztlich wird man nur spekulieren können, so wie die Zeitgenossen spekulierten. Einmal mehr bot Stephan Gelegenheit zu Projektionen und Hypothesen. Die posthume Notiz eines Pfarrers, Stephan habe im ganzen Standesgebiet zahlreiche uneheliche Kinder hinterlassen, ist hingegen nicht zu verifizieren. Das von ihm angebrachte Beispiel entbehrt jeder Grundlage.361 Eine mögliche Eheschließung fand nur noch einmal im Briefwechsel Stephans Erwähnung. Der Erzherzog hatte, als Erzherzog Albrecht bei ihm 1864 zu Besuch war, Bekanntschaft mit dessen beiden Töchtern gemacht: „denn nicht bald habe ich etwas Liebliches, Natürliches und Herzliches gesehen, als es diese beiden Mädchen sind“: Mathilde war 15 Jahre, ihre Schwester Therese „ist mein Schatz, eine Perle von einem Gemüthe, gepaart mit großer Heiterkeit“, die den Mann, der sie einmal heiratet, „gewiß sehr glücklich machen wird“.362 Carl Alexander von Sachsen-Weimar brachte daher eine Eheschließung mit der neunzehnjährigen Therese ins Gespräch, die der achtundvierzigjährige Stephan allerdings mit der Begründung ablehnte, sie habe jüngere Freier als Auswahl genug. „Deshalb: lieber gar nicht prolirt und die kleinen Neffen und Nichtchen erwartet.“363 Weitere Hinweise auf Beziehungen gibt es keine, was bei der Bevölkerung immer wieder zu Vermutungen und Anekdoten Anlass gab, die jedoch kaum verifiziert werden können.364 All diese Gerüchte, deren Wirklichkeitsgehalt nicht nachzuprüfen sein wird, legen ein Zeugnis ab, dass Stephans Ehelosigkeit als Sonderzuteil. Dass es sich bei ihr allerdings um die mitgeführte Geliebte gehandelt hat, ist auch eher zweifelhaft. Denn der Erzherzog musste doch davon ausgehen, dass solche Schlüsse gezogen würden. Solche Auftritte dürften die Grundlage für Gerüchte gewesen sein. Vgl. Emser Fremdenliste (3. bis 12. September 1856), zur Person Hof- und Staatshandbuch des österreichischen Kaiserthumes 1856, S. 36. 361 Kirchenchronik des Pfarrers Johann Baptist Berkessel, frdl. Hinweis von Willi Bode: „[…] seit den Jahren des Erzherz. Stephan (Österr.) auf der Schaumburg; er verstarb ‚unverheiratet‘ in Mentone an der Riviera, 19. Febr. 1867; hinterließ aber mit seinem Geiste auch Früchte aus Fleisch in seiner ‚Burgherrlichkeit‘ u. Umgegend! Among others it is well known that the wife of a Reichstagsmitglied für U.L.Kr. [= Unterlahnkreis] (Schaffner, Diez) one of the illegitimate offsprings of his, war! The mother of this offspring was a poor girl, servant in the kitchen of his ‚kaiserl. Hoheit‘ from Cramberg! (österr. Zustände, wie in den 80er Jahren das Treiben u. Ende des Kronpr. Rudolf)“. Die Ehefrau des preußischen Landtagsabgeordneten Wilhelm Schaffner aus Diez, Katharina Lisette Eckerts, wurde 1823 in Oberwinter geboren und war damit gerade einmal sechs Jahre jünger als der Erzherzog. Frdl. Hinweise von Frau Jana Otto, Zentralarchiv der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, sowie von Herrn Arno Baumann, Diez. Vgl. auch Neue Freie Presse Nr. 4304 (18. August 1876): „obwohl unvermält, darbte er nicht an Liebe“. 362 NLA Oldenburg Dep. 50 Best. 6 M Nr. 44 (18. Juli 1864). 363 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 b (28. September 1864). „Prolirt“ wohl nach Lateinisch „Proles“ im Sinne von Nachkommen zeugen. 364 Spielmann (1897), S. 50–59.
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barkeit betrachtet wurde, obwohl er damit nicht der einzige Vertreter des Hauses Habsburg in seiner Zeit war. In den Augen der Zeitgenossen galt er nicht als Opfer der Heiratspolitik, sondern man stellte Mutmaßungen an, worin seine Ehelosigkeit begründet liegen könnte. Letztlich trug auch das zu seiner Aura bei. 4.4 Kurz vor dem erwarteten Ziel Erzherzog Stephan war in seinen böhmischen Jahren in die Führungsriege des Hauses Habsburg aufgestiegen und musste dank seines in der Öffentlichkeit existierenden Bildes als einer der Hoffnungsträger gelten, auch wenn er eine wirkliche Bewährungsprobe noch nicht zu bestehen hatte. In einer Zeit, in der die Staatsspitze durch Kaiser Ferdinand nicht mit Leben gefüllt war, konnte er damit enorm an Einfluss gewinnen. Mit ihm gelangte die Dynastie – auch in der Außenwirkung – wieder in den Kreis der Politikgestalter zurück. Das mochte Metternich missfallen. Aber auch den Ambitionen der Familie der Erzherzogin Sophie lief es zuwider. Deshalb reagierte man in ihrem Umkreis sehr gereizt darauf, dass er andere Erzherzöge sehr geringschätzig beurteilte, obwohl gerade Erzherzogin Sophie auch nichts anderes tat.365 Auch schien man seinen Einfluss als sehr groß einzuschätzen, denn den jungen Erzherzog Franz, den späteren Kaiser Franz Joseph, wies man an, sich vorsichtig über Stephan zu äußern, was nur den Rückschluss zulässt, dass dessen Hintermänner gefürchtet wurden. Dass Stephan eitel war, darüber war man sich einig, und das implizierte auch seinen Ehrgeiz. Die argwöhnische Bemerkung, er führe unkeusche Reden, weist auf seinen freizügigen Umgangston hin. Der junge Mann offenbarte dadurch womöglich mehr oppositionelle Gesinnung, als ihm lieb war, womöglich sogar mehr, als ihm tatsächlich zukam.366 Von einer ironischen Note in seinen Darlegungen kann man sich noch heute in seinen Briefen überzeugen. Kurzum: Er galt den Personen, die in liberalen Kreisen als Kamarilla in Verruf geraten waren, für gefährlich. Insbesondere der Beichtvater Columbus, der Vertraute der Erzherzogin Sophie, hatte ein missgünstiges Auge auf ihn geworfen und fürchtete ihn regelrecht. Er argwöhnte, Stephan stehe in zu hohem Ansehen bei der Bevölkerung und stelle in seiner Beliebtheit Erzherzog Franz, den Sohn Sophies, in den Schatten. Der Beichtvater warnte so lange vor dem jungen Mann und seinen liberalen Tendenzen, bis die Erzherzogin, die Stephan gegenüber an365 Kovács (1971), S. 126; eine Äußerung Sophies u. a. S. 113 (28. Dezember 1846). 366 Kovács (1971), S. 113 und S. 126.
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fangs noch wohlwollend eingestellt gewesen war, weil sie ihn als dynastischen Spielstein gegen Metternich wertete, ebenfalls von ihm abrückte. Die religiöse Laxheit Stephans konnte Sophie als strengkatholische Vertreterin der Dynastie nicht dulden,367 denn das schien ihr auch ein Zeichen des politischen Liberalismus zu sein.368 Die größte Gefahr aber war auch für sie, dass Stephan seinen Vater in Ungarn beerben sollte, wodurch sich eine Zweitlinie des Hauses Habsburg verstetigte. Dass Stephan den Kaiserthron an sich ziehen könnte, war utopisch und wäre angesichts der Tatsache, dass die Linie des Erzherzogs Joseph nach dem regierenden Zweig, dem Zweig Toskana und dem Zweig Erzherzog Karls erst an vierter Stelle zum Zuge gekommen wäre, nur mit einem Staatsstreich zu erreichen gewesen.369 Die Sonderstellung Ungarns aber konnte gefährlich werden. Denn dort waren die politischen Forderungen viel radikaler als in Böhmen und die Zeichen standen nicht eben günstig für die Dynastie. Bereits 1837 notierte Kübeck in seinem Tagebuch, dass die Verhältnisse in Ungarn „niederschmetternd“ seien. Ein Teil der Opposition strebe die Republik an, ein anderer die „Wahl einer Dynastie, insbesondere des Erzherzogs Palatinus mit seiner Deszendenz“.370 Diese Bewegung kam den Absichten des Erzherzogs Joseph zumindest nicht ungelegen. Dass er 1838 die Sigismundgruft auf der Burg in Ofen durch den ungarischen Architekten Franz Hüppmann371 zu einer eigenen dynastischen Palatinsgruft umgestalten ließ, war hierfür Zeichen genug.372 Das bildete nicht nur eine Gefahr für den Gesamtstaat, sondern eine, die der Machtbasis des künftigen Kaisers hätte schaden können. Erzherzogin Sophie rechnete sich für ihre Familie hier die größte Chance aus und musste den populären Stephan daher zusehends als Konkurrenten betrachten. Ihr Beichtvater Columbus 367 Kovács (1971), S. 80 (20. März 1845), S. 82 (11. April 1845), S. 96 (14. März 1846); Kováts, S. 264; Schüler (2016), S. 109. 368 Letztlich erfahren wir wenig über Stephans religiöse Einstellung, doch ist eine ausgeprägte Toleranz erkennbar. Nachlass Fliedner II MA (10. September 1852): Gegenüber dem protestantischen Theologen Fliedner lobte er den toleranten Geist des Gustav-Adolf-Vereins. Auch spendete er 1853 und 1854 dem Diakonissenhaus Fliedners in Kaiserswerth; Gerhardt, S. 544. Dazu auch die Äußerung gegenüber dem evangelischen Theologen Gottlieb August Wimmer 1844 in Prag: „Ich halte keine Religion für geringer und glaube, daß jeder in seiner Kirche selig wird. Ich wünsche nur nicht, Leute zu sehen, die gar keine Religion haben“. Stephan versprach Wimmer, die Verbreitung seiner Schriften nicht unterbunden sehen zu wollen; Zimmermann (1941), S. 152. Zum Kontakt Wimmers zu Erzherzogin Maria Dorothea, vgl. ebd., S. 154, und Tepperberg, S. 13. 369 Hamann (1988), S. 19. 370 Kübeck (1909) I.2, S. 754. 371 Thieme-Becker 18 (1925), S. 62. 372 Lauro, S. 250.
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empfahl Stephan daher für einen Posten in Italien. Damit wäre der populäre junge Mann von Ungarn ferngehalten worden, wo er hätte gefährlich werden können. Denn ganz umgehen konnte man ihn angesichts seiner Popularität nicht mehr.373 Durch den Druck der Öffentlichkeit war mit ihm nicht nach dynastischem Belieben zu verfahren, was ihm innerhalb der Familie eine ganz eigene Stellung verschaffte. Es zeichnete sich also ab, dass er politisch aus der Habsburgermonarchie nicht mehr wegzudenken war und Karriere machen würde. Deshalb kam bei Stephan auch der Gedanke auf, die deutschen Besitzungen Schaumburg und Holzappel zu veräußern, denn sie waren für ihn zusehends zum Ballast geworden. An Herzog Adolph von Nassau, dem er selbst behilflich war, ein geeignetes Gut in Böhmen zu finden,374 schrieb er deshalb, er würde die Güter gerne verkaufen, wenn sich ein Käufer fände, der sie zu zahlen und alle Garantien zu übernehmen bereit sei.375 Allerdings war dies mit enormen Schwierigkeiten verbunden: Die Erbschaftsangelegenheiten in Schaumburg lagen im Unklaren. Von den 137 Kuxen der Bergwerke gehörten nur neun Stephan allein, die anderen waren zwischen ihm und den Kindern seiner Tanten geteilt. Der Großherzog von Oldenburg wiederum war nicht bereit, seinen Teil zu verkaufen. Der Wert der Herrschaft war darüber hinaus so niedrig, dass man selbst für einen vorteilhaften Erlös in Böhmen oder Ungarn keine Güter erwerben konnte, was allein im Sinne Stephans gewesen wäre. Der Preis für die Herrschaft hätte unter diesem Aspekt so hoch angesetzt werden müssen, dass Stephan dem Grafen Hatzfeld, der sich wohl interessiert gezeigt hatte, nicht empfehlen konnte, die Herrschaft zu erwerben. Der Grund allerdings, warum Stephan angeblich von sich aus auf einen Verkauf verzichtete – „das unschätzbare Glück, unter deiner [Adolphs] hohen Bothmäßigkeit zu bleiben“ –, war reine Komplimentierkunst. Erzherzog Stephan verabschiedete sich geistig in den böhmischen Jahren von seinem mütterlichen Erbteil und richtete den Blick hauptsächlich nach Böhmen und Ungarn, vermutlich auch, um in Böhmen begütert zu sein. Dass dies nicht der Fall war, hatte seiner bisherigen politischen Stellung ja einigen Abbruch getan. Perspektivisch aber sah er seine Zukunft in Ungarn. Denn dort wurde er nach wie vor als Nachfolger seines ebenso beliebten wie kränklichen Vaters gehandelt, was die Liberalen mit Hoffnung erfüllte.376 Wie schon vor der Übernahme des Amtes eines Statthalters in Böhmen ins Auge gefasst, 373 Kovács (1971), S. 80. 374 HLA HHStAW Best. 130 II Nr. 1540 (26. Juli 1846). 375 HLA HHStAW Best. 130 II Nr. 3237 (15. Juni 1846). 376 Schlitter (1920), Ungarn, S. 32.
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schien das Palatinat in Ungarn nur auf Stephan zu warten. Und es blieb nicht nur bei Gerüchten in Adelskreisen. Bereits 1845 war in den Zeitungen vom Rücktritt Josephs und der Nachfolge seines Sohnes die Rede. So schrieb die in Leipzig erscheinende „Deutsche Allgemeine Zeitung“, ein eher liberales Blatt, am 25. Juni 1845 ausführlich: Der Besuch Stephans bei seinem Vater in Ungarn habe „zu vielen Vermuthungen und Combinationen Anlaß gegeben, die zum Theil aus der Luft gegriffen, zum Theil aber nicht ganz unbegründet zu sein scheinen“. Erneut ging das Gerücht um, Joseph wolle sich vom Amt zurückziehen und sein Sohn werde ihn beerben. „Dieser hat durch seine große Fertigkeit in der magyarischen Sprache und das besondere Interesse, das er für deren Erhebung stets bezeugt, bei den Magyaren eine große Popularität erworben“, er werde aber auch von anderen Bevölkerungsgruppen in Ungarn wegen seines großen Einsatzes beim Hochwasser 1838 sehr verehrt.377 Allerdings kam die Zeitung nicht umhin, den Hinweis anzubringen, dass sich während Stephans Abwesenheit in Ungarn große Schwierigkeiten aufgetürmt hätten. „Der Sieg des Magyarismus über den Slawismus in Ungarn wird immer zweifelhafter.“ Denn die Ansprüche der Slawen gegenüber den Magyaren träten immer stärker hervor. Wenn nicht der Adel den Magyarismus „gewaltsam auf dem jetzigen Niveau hielte“, werde er selbst in die Bedeutungslosigkeit herabsinken378 – was verdeutlicht, welche machtpolitische Funktion dem Magyarismus und welches Unruhepotential den Slawen beigemessen wurde. Die Magyaren befürchteten wiederum, dass eine längere Tätigkeit Stephans in Böhmen ihn dem Magyarismus entfremden könne. Hier kamen die Befürchtungen wieder auf, die sich mit einer etwaigen Eheschließung zwischen Stephan und Olga verbunden hatten. Die Opposition in Ungarn stellte bereits Mutmaßungen über eine etwaige Berufung Stephans nach Ungarn an. Zu dieser Opposition zählte Metternich Enthusiasten, Personen mit falschem Ehrgeiz, Nichtkatholiken und Demagogen, die sich Unterstützung erhoffen, wenn der Palatin-Erzherzog dereinst König von Ungarn sein werde. Als „Partisanen der Legitimität“ hingegen erkannte der Staatskanzler den katholischen Klerus, Staatsbeamte, den Adel, Mitglieder der Stände sowie die Bauern.379 Da die Regierung alles daransetzte, der Opposition die Stütze zu entziehen und zugleich die Magyaren nicht zu reizen, ging die „Deutsche Allgemeine Zeitung“ davon aus, dass Stephan entweder nie oder so bald als möglich nach Ungarn berufen 377 Deutsche Allgemeine Zeitung Nr. 176 (25. Juni 1845); Leitmeritzer Allgemeiner Schreib-[…]Kalender, S. 62; zum Hochwasser Ananieva/Haaser, S. 195–202. 378 Deutsche Allgemeine Zeitung Nr. 176 (25. Juni 1845). 379 NA Prag Fond MRA AC 1 2-C (o. D.).
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werde. Wahrscheinlicher schien, dass es niemals dazu kommen werde, weil ein schneller Wechsel im Amt des böhmischen Statthalters „dem österreichischen Regierungssysteme zuwiderlaufen würde“.380 Ein gehöriges Maß Enttäuschung schwang in dieser Einschätzung mit. Aber das baute auch zusätzlich Druck auf. An Stephan führte also letztlich in Ungarn kaum ein Weg vorbei, zumal er als ehrgeizig bekannt war381 und seine Besuche in Pest oder in Wien ihn dort immer wieder in Erinnerung brachten. Als Erzherzog Joseph kurz nach den Feierlichkeiten anlässlich seines fünfzigjährigen Jubiläums als Palatin von Ungarn382 schwer erkrankte, kehrte Stephan nun vollends wieder auf die politische Bühne Ungarns zurück. Bereits seit dem 6. Oktober 1846 war Joseph von schweren Krämpfen und Durchfall heimgesucht. Er kam in die Obhut von Ärzten, die keine große Hoffnung mehr hatten. Erzherzog Karl und sein Sohn Wilhelm kamen herbeigeeilt, und Stephan wachte am Bett des Kranken. „Zum ersten Male empfand ich jetzt, daß ich auch Nerven habe“, schrieb ausgerechnet er, der schon immer recht labil gewesen war, „und die Nachtwachen sind […] in meinem Gesichte zu lesen.“383 Doch Joseph konnte sich wieder von seiner schweren Krankheit erholen. Stephan ging über Wien nach Prag zurück, wo eine zehntätige Inspektionsreise durch das Riesengebirge anstand. Anschließend nahm er das Alltagsgeschäft des Statthalters wieder auf, das in jenen Tagen von dem genannten Reformeifer geprägt war.384 Die Neuerungen hätten das herrschende System in Böhmen grundsätzlich verändert. Doch für deren Umsetzung blieb keine Zeit mehr, denn Erzherzog Joseph lag im Sterben. Am 11. Januar 1847 hatte er seine Familie ans Krankenlager treten lassen und seine Tochter, Erzherzogin Elisabeth, mit den Worten geküsst: „Dieß für meinen geliebten Stephan!“385 Der Sohn wurde aus Wien, wo ein großer Ball anstand, per Kurier geholt386 und war einen Tag später bei dem Sterbenden erschienen. Er traf den Vater noch lebend an. Dieser verpflichtete ihn in 380 Deutsche Allgemeine Zeitung Nr. 176 (25. Juni 1845). 381 Wie der Bericht eines mecklenburgischen Hoffräuleins vom Juli 1845 belegt, wurde in Adelskreisen Stephans Haltung weiterhin als ehrgeizig bewertet – vielleicht sogar als überambitioniert; Wiese, S. 251: „Fräulein Schöning erzählte vom Erzherzog Stephan. Ambition.“ 382 Kováts, S. 266. 383 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 a (17. Oktober 1846). Vgl. auch NA Prag Fond MRA AC 1 2-A (18. und 19. Oktober 1846). 384 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 a (22. November 1846). 385 NA Prag Fond MRA AC 1 2-A (13. Januar 1847); HLA HStAD Best. G 1 Nr. 182/4 (21. Januar 1847). 386 HLA HHStAW Best. 130 II Nr. 3308 (24. Januar 1847); BayHStA GHA Nachlass Erzherzogin Elisabeth von Österreich Nr. 100, S. 183 und S. 199–205, und Nr. 101, o. S.
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einer Unterredung unter vier Augen,387 sich niemals zum König von Ungarn krönen zu lassen.388 War es ein Bekenntnis zum Zusammenhalt der Monarchie? War es die Angst davor, Stephan könne in etwas hineingeraten, das ihm über den Kopf wüchse? Dass Joseph auch seine jüngste Tochter Henriette Marie ermahnt haben soll, bei der katholischen Konfession zu bleiben,389 lässt aber eher den Verdacht zu, dass der Palatin größere Umbrüche kommen sah. Allerdings verließen Joseph immer mehr die Lebenskräfte, bis er am Morgen des 13. Januar gegen 8.30 Uhr nach einem langen, schweren Todeskampf verstarb.390 Die Anteilnahme der Bevölkerung – über alle politischen Differenzen hinweg – war enorm, wie sich bei der Aufbahrung und der Beisetzung am 15. Januar zeigte.391 In Wien waren die Vorbereitungen zur Entsendung der Erzherzöge bereits angelaufen, als Joseph noch lebte: Ungarische Uniformen mussten beschafft und Kondolenzschreiben geschrieben werden. Als dann die Todesnachricht eintraf, begaben sich die Erzherzöge Karl Ferdinand, Leopold und Franz donauabwärts. Für Franz, den späteren Kaiser Franz Joseph, sollte es der erste große Auftritt in der Öffentlichkeit sein, was von Seiten des Kaiserhauses als vertrauensbildende Maßnahme in Ungarn gedacht war.392 Erzherzog Karl Ferdinand fand die Witwe Maria Dorothea „merkwürdig gefaßt“ vor, Stephan ebenfalls gefasst, aber auch dem „Ernste seiner Stellung“ bewusst.393 Erzherzog Franz sah ihn am 16. Januar in Ofen und attestierte, dass er „sehr übel“ aussah.394 Stephan selbst gestand, die Trauer gehe ihm über seine physische Kraft.395 Aber danach wurde in einer Situation, in der es um die Nachfolge als Palatin und um die Sicherheit in einem als renitent wahrgenommenen Ungarn ging, nicht gefragt. Revolutionäre Kreise wollten einen ungarischen 387 So zumindest Stephans Schwester Elisabeth; BayHStA GHA Nachlass Erzherzogin Elisabeth von Österreich Nr. 100, S. 203. 388 Schlitter (1893), S. 73. 389 Kovács (1971), S. 116 (22. Januar 1847). 390 HU MNL OL P 301 (12. Januar 1847); OeStA HHStA KA NL Kübeck 11-2-3 (13. Januar 1847); BayHStA GHA Kabinettsakten König Maximilians II. 408 (27. Februar 1847). 391 Laibacher Zeitung Nr. 12 (29. Januar 1847), S. 69–71. 392 NA Prag Fond MRA AC 1 2-A (11. Januar 1847 und 14. Januar 1847). Schließlich hatte Erzherzog Karl um die Übersendung junger Erzherzöge zur Trauerfeier gebeten, weil das „im Lande einen guten Effekt“ machen würde. Die Dynastie sollte sich als zukunftstauglich präsentieren. 393 HLA HHStAW Best. 130 II Nr. 3308 (26. Januar 1847). 394 Schnürer, S. 62 (Nr. 52). 395 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 a (2. März 1847). Vgl. auch HLA HHStAW Best. 130 II Nr. 3308, fol. 60ff (13. Januar 1847).
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Magnaten im Palatinsamt sehen.396 Der „politische Balancekünstler“397 Erzherzog Joseph war verstorben, der jahrzehntelang Ungarn in einigermaßen sicheren Bahnen gehalten und zuletzt alleine noch durch seine Autorität geführt hatte. Der hessen-darmstädtische Gesandte Biegeleben, der als Vertrauensmann des Erzherzogs Johann galt, sah in ihm die „schwer zu ersetzende moralische Schranke gegen die Uebertreibungen der ungarischen Opposition“.398 „Moralisch“ war etwas schwer zu Fassendes, realpolitisch nicht Verankertes, das in der Persönlichkeit begründet lag und nicht zu erlernen war – ein Wort, das in der als undurchsichtig empfundenen Zeit auch von Stephan häufig verwendet wurde. Die Amtsnachfolge machte ein solcher Ausspruch nicht eben leichter. Trotz der großen Anteilnahme und Sympathie gegenüber dem Verstorbenen war sich Stephan sicher, dass Ungarn erst „in Dezennien“ erkennen werde, was es an seinem Vater verloren habe.399 Die Fußstapfen waren also groß, in die der Nachfolger zu treten hatte, und die Angst, zu versagen, ebenfalls. Aber nicht nur die Angst: Der Vater soll angeblich noch zu Lebzeiten bekundet haben, dass er eine Ernennung seines Sohnes zum Nachfolger nicht wünsche, und sich aktiv dagegen verwandt haben.400 Stephan soll er ermahnt haben, ein solches Ansinnen abzulehnen, und dasselbe hatte er angeblich auch gegenüber Erzherzog Johann „mit einer gewissen Ängstlichkeit“ vorgebracht.401 Bei all dem Aufwand, den er betrieben hatte, Stephan in der Öffentlichkeit ins rechte Licht zu rücken, können solche Äußerungen nicht für bare Münze genommen werden. Vermutlich dienten sie dazu, den Anschein einer geplanten „Erbfolge“ auf dem Palatinsstuhl nicht aufkommen zu lassen. Das hätte eine ungünstige Außenwirkung erzeugt, die wiederum die Wiener Regierung unter Druck gesetzt hätte. Deren Reaktionen konnte man sich ausmalen, wollte sie doch die Oberhand behalten. Auch dem treu im Wiener Regierungskurs agierenden ungarischen Hofkanzler Georg Graf Apponyi von Nagy-Apponyi war es wichtig, dass die Berufung eines Palatins wie eine Ernennung durch die Regierung, nicht wie eine Wahl durch die Opposition erschien.402 Die Zentralgewalt hatte sich als solche zu positionieren, vielleicht auch gerade deshalb,
396 Andics (1955), S. 155; Oplatka, S. 366. 397 Kováts, S. 265. 398 HLA HStAD Best. G 1 Nr. 182 /4 (21. Januar 1847); Wentzke (1953), S. 253. Zamoyski, S. 176, spricht über das System Metternich als „moralische Ordnung“. 399 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 a (1. Februar 1847). 400 Schlitter (1920), Ungarn, S. 111. 401 Schlitter (1920), Ungarn, S. 111. 402 Schlitter (1920), Ungarn, S. 111.
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weil man die größten Sympathien Stephan gegenüber in der „aufgeklärten Parthei“ Ungarns sah – also in der oppositionellen Bewegung.403 Wien zeigte sich aber wenig entscheidungsfreudig. Erzherzog Johann, den sein Bruder Joseph zum Anwalt Stephans ernannt hatte,404 war schon Anfang Januar – also noch zu Lebzeiten des Palatins – ins Klagen verfallen, dass in Wien ein tragfähiger Beschluss über die Nachfolge Josephs erfolgen müsse, um die Revolution und den drohenden Zerfall abzuwenden. Aber er sah in Wien nur Neid und Misstrauen walten und einen sträflichen Umgang mit der Zeit.405 Erst als der Palatin dann verstorben war, machte man sich in der Regierung Gedanken, wie mit seinem Amt zu verfahren sei. Das kam reichlich spät. Denn die ungarischen Magnaten, unter denen sich kein geeigneter Kandidat fand, warben bereits aktiv um Stephan.406 Wirkliche Alternativen boten sich für die Wiener Regierung nicht mehr, so dass diese sehen musste, wie mit der Lage umzugehen war. Damit der junge Mann noch vor seinem eigentlichen Amtsantritt als Palatin Einblick in die ungarischen Verhältnisse erhalten könne, kam sie auf die Idee, ihn zunächst zum Locumtenens (Statthalter) zu ernennen.407 Das wäre auch nicht ungewöhnlich gewesen. Auch Erzherzog Joseph war 1795 zunächst nur zum Locumtenens ernannt worden, bevor ihn die Stände 1796 zum Palatin gewählt hatten. Der Unterschied zwischen beiden Ämtern war eher gradueller Natur, im Grunde übernahm der Locumtenens fast alle Aufgaben des Palatins. Ausnahmen waren, dass der Locumtenens vom König ernannt wurde und ein befristetes Amt innehatte, während der Palatin auf den Vorschlag des Königs hin von den Ständen auf Lebenszeit zu wählen war. Seines Amtes enthoben werden konnte er nur durch ein ordentliches Verfahren wegen nachgewiesener Verbrechen oder Vergehen.408 Der Locumtenens (Personalis) stand dem Abgeordnetenhaus vor, der Palatin dem Oberhaus.409 Der Vorschlag, Stephan zunächst nur zum Locumtenens zu erklären, muss von Wiener Seite als Probezeit angesehen worden sein, der freilich tatsächlich nicht der Automatismus einer Ernennung zum Palatin folgen musste.410 Metternich hatte über das Amt des Locumtenens bereits drei Jahre zuvor ein spitzfindiges Gutachten erstellt, in dem er beide Ämter – also diejeni403 Aland, S. 332 (Nr. 350, 13. April 1847). 404 Sutter, S. 168. 405 Sutter, S. 185 und S. 187. 406 Schlitter (1920), Ungarn, S. 112. 407 Schlitter (1920), Ungarn, S. 32 und S. 111–112. 408 Bright, S. 314–315; Fränzl, S. 195; Correspondence relative, S. 17. 409 Péter, S. 254. 410 Raffler, S. 140.
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gen des Palatins und des Locumtenens411 – als „eingeschobene Gewalten“ bezeichnete. Beide Würden gehörten zusammen, was den Charakter des Absurden annähme und im misstrauischen Element des „ungarischen National-Charakters“ begründet liege. Doch war damit noch nichts gewonnen und nichts verloren. Wichtig war, dass der Amtsinhaber Metternich „restlos zu Willen“ war, wovon der Staatskanzler bei Stephan nicht ausgehen konnte.412 Stephan hatte ihm im Februar 1845 – also in einer Zeit, in der ihm in Ungarn keine Verantwortung oblag – auf ein Gutachten über die Zustände Ungarns zwar sehr wortreich und zustimmend geantwortet, was bis hin zur Forderung einer „Radikalheilung“ der dort herrschenden „Krebsschäden“ ging, letztliches Vertrauen dürfte daraus aber nicht erwachsen sein.413 Zusammenfassen lassen sich Metternichs Darlegungen und Stephans Anmerkungen wie folgt: Der König hatte sich – wohl auf Metternichs Zuraten hin – entschieden, die Regierung weiter auf der Grundlage der ungarischen Verfassung zu führen, und lehnte die Umwandlung in ein absolutistisches System ab. Stephan hatte dem zugestimmt, weil das Rütteln an Fundamenten stets zum Ruin des Gebäudes führe und die ungarische Gegenpartei damit auch zu einer Haltung gegen das Gesetz genötigt werde. Allerdings bereiteten gerade die Deputiertenwahlen Stephan Kopfzerbrechen, weil dort vermeintlich unerzogene junge und schreiende alte Männer den Ton angaben. Insgesamt verurteilte Stephan die ungezügelte Jugend, die durch die „Anomalie der Komodität“ in allem freie Hand erhalten habe. Die bisherigen Maßregeln des Vaters dagegen, indem er die Jugend von den Votanten separiert und auf die Galerie verbannt habe, reichten dafür nicht aus. „Radikalkuren brauchen wir hier, und die je eher, je besser.“ Denn wenn die Macht der Parteien in Ungarn noch zunähme, würde es unweigerlich zur Anarchie führen, die das Land unregierbar werden ließe.414 Anarchie, Parteienwesen und vermeintlich ultraliberale Ambitionen verbanden sich ganz im Sinne der gemäßigten Liberalen miteinander und bedrohten ein geordnetes Staatswesen.415 Diese Forderung nach einer starken Hand fasste der junge Erzherzog dahingehend zusammen, dass ein Land regiert und nicht verwaltet werden müsse. Damit folgte er auch Metternichs Vorstellung. Er gestand aber ein, 411 Schlitter (1920), Ungarn, S. 112. 412 Corti (1936), S. 60. 413 NA Prag Fond MRA AC 18-A (18. Februar 1845). 414 NA Prag Fond MRA AC 18-A (18. Februar 1845). So auch Stephan in Berufung auf seinen Vater an Georg von Hannover NLA Hannover Dep. 103 II (27. Mai 1847). Hier erklärte er auch, dass er ein Fiasko in Ungarn befürchte, weil er mit dem parlamentarischen System nicht vertraut sei. 415 Leonhard (2001), S. 197–198.
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dass auch er in Böhmen immer wieder in den Fehler des „Administrierens“ verfalle, wodurch die kleinen Beamten regierten, was nicht sein dürfe.416 In Ungarn kam noch hinzu, dass durch die Repräsentativverfassung das Land „unter die Zuchtrute des Bettel-Adels“ geraten sei, also des politisch aktiven, liberalen Niederadels. Genauso hatte man sich vor dem Bürgertum in Acht zu nehmen. Denn die Regierung hatte darauf zu achten, dass dieses gut überwacht werde und kultiviert sei, sonst entstehe ein gefährlicher Staat im Staate. Stephan fokussierte seine Gedanken auf eine strikte Reform zugunsten der Zentralregierung. Seine Berufung auf die traditionelle Verfasstheit des Landes wurde dadurch fadenscheinig. Deutliche eigene Gedanken ließ er im Bereich der Wirtschaftsentwicklung des Landes einfließen. Straßen seien zu bauen, Kanäle und die Eisenbahnen, damit das Land seinen Rückstand zum restlichen Europa aufhole. Dafür müsse die Regierung Planungen vorlegen, weil der Ungar an sich zu behäbig sei, um die Dinge selbst anzupacken. Diese Wirtschaftsförderung sollte dann wiederum der Befriedung des Landes dienen. Denn das Bewusstsein, hinter anderen Staaten zurückzustehen, habe „das Unkraut des mißverstandenen Nationalstolzes“ hervorgebracht. Dieser werde bei einer geschickten Wirtschaftsförderung wieder minimiert, und wenn man den Ungarn genügend kleine Fragen zum Debattieren gebe, so verfielen sie nicht auf sonstige Irrwege und das Land werde ruhig und regierbar. Solche Darlegungen konnten Metternich Sicherheit über Stephans Loyalität gewinnen lassen, wenn ihn auch der Wortreichtum des jungen Mannes in seinem Urteil bestätigt haben dürfte, es handele sich um einen Vielredner. Das Misstrauen aber blieb trotzdem. Zunächst aber konnte er ihm als Locumtenens in einer vom Staatskanzler als gefährlich empfundenen Lage helfen, einen „Damm“ zu bilden.417 Die Ernennung Stephans zum Locumtenens erfolgte deshalb durch den Wiener Hof am 16. Januar 1847.418 Das Vertrauen des Staatskanzlers hatte Stephan aber noch nicht gewonnen. Metternich verhielt sich distanziert gegenüber der Amtsübertragung auf den jungen Mann, und das nicht nur, weil er ihm politisch misstraute, sondern weil er nicht ganz zu Unrecht fürchten musste, dass sich in Ungarn eine Seitenlinie des Kaiserhauses etablieren könne.419 Darüber schrieben auch die Zeitungen. Die Lage war folglich verzwickt, als Stephan am 416 Schlitter (1920), Ungarn, S. 112. So auch Metternich: Das Hauptübel sei das „Nichtregieren“, und seine Ursache liege in der Verwechslung von Verwalten und Regieren; Hartig, S. 22 (2. April 1848), auch S. 27 (30. März 1848). 417 Schlitter (1920), Ungarn, S. 112. 418 HLA HStAD Best. G 1 Nr. 182/4 (21. Januar 1847). 419 Schlitter (1920), Ungarn, S. 32–33; Ernst von Sachsen-Coburg I, S. 50.
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23. Januar 1847 in Wien eintraf.420 Im Grunde war die Wiener Regierung gezwungen, Stephan zur Wahl vorzuschlagen, war doch der Druck aus Ungarn beträchtlich. Der revolutionäre Journalist Lajos Kossuth, der eine beachtliche Gabe besaß, die öffentliche Meinung zu beeinflussen, hatte schon verlauten lassen, Stephan sei als Ungar geboren und werde als leibliches Kind des Landes angesehen.421 Damit war eine zentrale Forderung der Ungarn ausgesprochen: Der Palatin solle ethnisch Ungar sein oder sich der Nation zumindest verpflichtet fühlen.422 Die revolutionären Kreise setzten folglich eindeutige Hoffnungen auf Stephan und versuchten ihn bereits vor seinem Amtsantritt in das nationalungarische Fahrwasser und in Opposition zum bürokratischen System Metternichs zu bringen.423 Der ungarische Hofkanzler Apponyi konnte Metternich daher nur dringend zuraten, wolle man die Ungarn nicht verärgern, einen populären Habsburger – und wer bliebe da anderes als Stephan – wählen zu lassen.424 Der Staatskanzler erklärte diesem deshalb am 25. Januar offiziell, er sei zum Palatin ausersehen. Die wirkliche Amtsübernahme werde im Oktober erfolgen.425 Erzherzog Karl Ferdinand berichtete Herzog Adolph von Nassau bereits am 26. Januar davon, so dass die Entscheidung nun in der Welt war.426 Doch hatte Metternich Stephan auch im Januar 1847 dargelegt, mit welchen Herausforderungen er in diesem Amt zu kämpfen haben werde. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass er Stephan Angst zu machen versuchte. In Ungarn, so Metternich, sei die Zeit der „ausweichenden, halben Massregeln vorbei“, der Kampf des Herrschers mit den Feinden der Ordnung und des gesetzlichen Fortschritts stehe bevor und müsse gekämpft werden.427 Denn in Metternichs Augen stand die Wahl in Ungarn zwischen dem Erhalt des Bestehenden und dem gänzlichen Umsturz, die Entscheidungen stünden nicht „mehr zwischen Leben, Siechtum oder Tod; sie stehen zwischen den Extremen“.428 Eine Mitte gebe es in diesem Fall nicht mehr, so dass der Tod des Palatins genau zur rechten Zeit eingetreten sei, weil sonst 420 Reinöhl, S. 222. 421 OeStA AVA PHSt H 62/1844: Stephan sei „unter uns“ geboren, „zur Liebe seiner Ungarn erzogen“, habe „unsere Knabenspiele getheilt“ und die „Sprache unserer Väter erlernt“ sowie „sich an unsere heimischen Sitten angeschmiegt“ (Szilard); Kováts, S. 270. 422 Gerö, S. 46. 423 Dresdner Zeitung für sächsische und allgemeine deutsche Zustände Nr. 77 (29. Dezember 1848), S. 340; Hankó (1990), o. S. 424 Kováts, S. 269. 425 Reinöhl, S. 222. 426 HLA HHStAW Best. 130 II Nr. 3308 (26. Januar 1847). 427 Andics (1955), S. 207; Andics (1973), S. 476–477 (Edition des Briefes). 428 Andics (1973), S. 476; Reinöhl, S. 225. Stephan sah Metternich mit der ungarischen Opposition liebäugeln; Auszüge aus den geheimen Memoiren, S. 93.
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die Kompromisse, die bisher gewaltet hätten, und die Konnotationen, die man mit Joseph fälschlicherweise in Verbindung gebracht habe, nur hinderlich gewesen wären. „Der falsche Schein“, wie Metternich das nannte, müsse durchbrochen werden. Das war kurios genug, da die Person Stephans ja noch viel stärker als der verstorbene Palatin mit Hoffnungen aufgeladen war. Oder war das bewusst gewählt, um den jungen Mann zu verschrecken und auf Linie zu bringen? Denn Metternich schwenkte nach dieser düsteren Vision um, Stephan zu erklären, dass seine Situation viel leichter sei als die des Vaters, weil er eben ohne die Hypothek einer langen Amtszeit ganz neu anfangen könne und müsse. Er habe zwar die Wahl zwischen Leben und Untergang, müsse sich aber bewusst sein, dass er nicht im Kampf stehe. Vielmehr kämpfe der König gegen die Feinde der Ordnung. „Zur Lösung aller Aufgaben gehören Mittel. Sie werden dem treuen und aufgeklärten Vertreter der Krone geboten werden, denn sie bestehen.“429 Das war trotz aller positiven Wendungen am Schluss der einschüchternde Auftrag, im Falle der Amtsübernahme mit aller Gewalt und gegen alle Widerstände grundlegende Reformen nach Metternichs Vorstellungen in Ungarn umzusetzen. Bisher waren solche Versuche gescheitert oder hatten zumindest nicht zu einer Befriedung beigetragen. 1844 war – mit Unterstützung Apponyis – das System der Administratoren in der ungarischen Komitatsverfassung eingeführt worden:430 Unter Verletzung der Autonomie ungarischer Komitate, also der lokalen Ebene der Verwaltung und Rechtsprechung,431 hatte Metternich durch den König die Obergespane zwangsweise durch Administratoren ersetzen lassen, um die Macht der liberalen, sprich: national gesinnten Opposition zu brechen. Das war aber zugleich auch ein Generalangriff auf die Verfassung des Landes gewesen, das der Staatskanzler „bereits in der Vorhölle der Revolution“ sah.432 Großer und anhaltender Unmut war das Ergebnis. Liberale und Neukonservative stellten sich gegen diese Eingriffe. Die deutlichen Worte gegenüber Stephan mögen daher Metternichs Erfahrung Ausdruck verliehen haben. Diese Erfahrung musste dazu dienen, Stephan auf Kurs zu bringen. Es lag auf der Hand, dass der junge Erzherzog, der bisher viel von wohlmeinenden Worten gehalten, aber wenig Standfestigkeit bewiesen hatte, darauf verängstigt reagieren musste. 429 Andics (1973), S. 497. 430 Stroup, S. 57. 431 Evans (2001), S. 347. Das Komitat ist gleichbedeutend mit dem deutschen Begriff der Gespanschaft. 432 Kováts, S. 265; Andics (1955), S. 181; Toth, S. 88–89; Andics (1973), S. 210 (an Gervay, 11. Juli 1843), ebd. S.425 (6. Januar 1845), Metternich an Joseph. Am 8. Februar 1843 hatte der Staatskanzler noch geleugnet, dass Ungarn sich am Vorabend der Revolution befinde; ebd. S. 408.
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Seine Reaktion kam daher nicht ganz überraschend. Am 26. Januar legte er seine Zweifel schriftlich nieder: Die Übertragung des Amtes vom Vater auf den Sohn sei bedenklich, ohnehin sei es gefährlich, einen Erzherzog zum Palatin zu machen. Dass sich die Oppositionellen in Ungarn am meisten über seine Wahl freuen würden, müsse bedeuten, dass er mit der Opposition zu gehen habe, was er jedoch nicht wolle.433 Andererseits: „In einem Zeitalter, wo Stehenbleiben Rückschritt heißt“, habe man das Progressive zu befürworten und zu verfechten.434 Ein Großteil der Konservativen gehe einen schroffen, unversöhnlichen und exklusiven Weg, den er ablehnte. Also doch Modernisierung? Gar Revolution von oben? Der Staatskanzler wird nach dieser Darlegung nicht recht gewusst haben, wohin der Kandidat gehen wollte. Seine bisherige Einschätzung mag er damit bestätigt gefunden haben. Stephan brachte seine Angst vor der neuen Aufgabe zum Ausdruck. Sein neuer Beruf sei „furchtbar schwer“, schrieb er nach Weimar. „Lieber nicht – als gegen seine Überzeugung handeln!“435 Stephan ahnte folglich, mit seiner Vorstellung eines überparteilichen Patriarchats in der aufgeheizten Stimmung Ungarns in die Mühlen politischer Diskussionen gezogen und darin zermahlen zu werden. Er musste spüren, dass er von politischen Kräften ideell vereinnahmt wurde, denen er nicht entsprechen wollte. An Waldemar von Preußen schrieb er: „Meine Ernennung zum Statthalter Ungarns ist, wie du lieber Waldemar bemerkst, wohl das Zeichen eines ehrenvollen Vertrauens meines Herrn und Kaisers“, aber sie sei auch sehr schwer und er hoffe auf Gottes Beistand.436 Einige Jahre später betonte er sogar, das Amt des Palatins nie angestrebt und sogar zweimal abgelehnt zu haben, weil er seine „Unhaltbarkeit“ vorausgesehen habe.437 Auch wenn es stimmte, so war das eine Form der Rechtfertigung und eine Schuldzuweisung, die ihm ein Stück der Verantwortung nehmen sollte. Die Einschätzung war aber berechtigt. Der Staatskanzler hatte dieses Überforderungsgefühl, das ja nicht ungerechtfertigt war, noch geschürt. Eine gute Voraussetzung für die Übernahme des schwierigen Amtes war das nicht. Das machte es aber auch der Regierung um Metternich nicht leicht, den ohnehin nicht recht geliebten Kandidaten in das Amt zu setzen. Metternich beriet sich schließlich mit den Erzherzögen Johann und Ludwig, um aus der theoretisierenden Debatte endlich in 433 Reinöhl, S. 223. 434 Kováts, S. 272; Reinöhl, S. 223. Ähnlich auch Metternich: „Erhalten heißt in meinem Sinne: Gehen, im Sinne der andern hat es Stehenbleiben geheißen“; Hartig, S. 45 (28. Januar 1850). 435 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 a (12. Februar 1847). 436 HLA HStAD Best. D 22 Nr. 9/7 (4. Februar 1847). 437 BayHStA GHA Kabinettsakten König Maximilians II. 408 (8. April 1851).
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die Praxis übergehen zu können. Denn auch die warnenden Äußerungen des siebenbürgischen Hofkanzlers Baron Josika, der ausmalte, Stephan wolle mit Hilfe der Opposition die konservativen Kräfte in Ungarn unterdrücken, bestätigte die Befürchtungen. Stephan galt als politischer Liberaler. Das konnte natürlich ganz und gar nicht im Interesse der Regierung sein.438 Am 20. Februar 1847 fand deshalb eine erneute Besprechung mit Metternich statt, in der Stephan bekannte, aus Staatsrücksichten nicht „unbedingt nein“, sondern nur ein „bedingtes Ja“ äußern zu können.439 Er müsse über den Parteien stehen dürfen, wolle Landtagssitzungen nur nach Gutdünken vorsitzen und fordere eine Dotation von 200.000 fl. – das waren 120.000 fl. mehr, als sie sein Vater bezogen hatte.440 Das bedeutete einen deutlichen Machtzuwachs und kam einer quasi-königlichen Stellung gleich, enthob Stephan aber vor allem der parlamentarischen Arbeit. Er passte damit die Stellung des Palatins der Zweiteilung der Ämter an, die er in Böhmen kennengelernt und wovon er sehr profitiert hatte.441 So abgehoben sich Stephan sein zukünftiges Amt ausmalte, implizieren einige seiner Darlegungen aber doch Sympathien für die Opposition. Denn er gab an, die ungarische Verfassung gegen die Wiener Regierung schützen zu wollen – allein in dieser Wortwahl ein Affront. Mit der Regierung werde er nur so lange konform gehen, wie diese auf gesetzlichem Boden stehe. Er schrieb auch: „In einem constitutionellen Lande ist eine Opposition noth wendig und wäre keine vorhanden, müßte man eine solche schaffen, was so allgemein anerkannt sei, daß es keines Beweises bedürfe.“442 Auf Überparteilichkeit und die Wahrung der Verfassungen hatte Stephan immer größten Wert gelegt. Im März 1847, also wenige Wochen später und in der Vorbereitung auf eine mögliche Übernahme des Palatinats, äußerte er, dass nirgends, wo bereits eine Konstitution existiere, diese aufgehoben werden dürfe. Wirklich revolutionär gedacht war auch das nicht, denn er ergänzte: Nirgends, wo eine Verfassung fehle, dürfe eine solche eingeführt werden, denn dann seien die Untertanen nicht mehr im Zaum zu halten. Er verglich die Einführung solcher Konstitutionen mit einer Lawine, die alles mit sich fortreiße.443 438 Reinöhl, S. 229–231. 439 Reinöhl, S. 231. Schon Anfang Januar 1847 ist von Stephans „Verlegenheit“ zu lesen, die Stelle annehmen oder ablehnen zu wollen; Aland, S. 319 (Nr. 335, 3. Januar 1847). 440 HLA HStAD Best. G 1 Nr. 182/4 (28. März 1847). Bei Reinöhl, S. 241, ist von 300.000 fl. die Rede. 441 Vgl. auch Schlitter (1920), Ungarn, S. 32–33. 442 Schlitter (1893), S. 74. 443 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 a (2. März 1847). Vgl. auch ebd. (8. Mai 1846): Es sei nicht mehr möglich, eine Verfassung in Grenzen zu halten.
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Er hatte dabei auch die Entwicklungen in Preußen im Blick, wo es zum Greifen nahe schien, dass die seit 1815 geforderte Verfassung eingeführt werden könne. Für Stephan waren die preußischen Verhältnisse von „garstiger Natur“, und er bedauerte, dass „die Volksverhältnisse […] höchst betrübend und ansteckend“ seien, vor allem, da das Militär so lange zurückgehalten werde, um dagegen vorzugehen.444 An anderer Stelle bezeichnete Stephan den Erlass einer Verfassung ausdrücklich als „retrograden Schritt“ – also als Rückschritt.445 Unter dieser Argumentation verbarg sich ein ahistorisches Denken, das nicht auf Veränderung oder Modifikation setzte, sondern vielmehr einen Status quo zu wahren versuchte und somit einer Liberalisierung des politischen Systems massiv entgegenstand. Geschichte selbst wurde nicht aus ihrem Werden heraus verstanden. Sie bildete erhaltenswerte Ausprägungen aus, konnte an verschiedenen Orten unterschiedlich aussehen, war aber stets als das Manifeste zu schützen. Das war nicht rational oder aufklärerisch, nicht historisch oder religiös motiviert, sondern zeugt vermutlich von einer Überforderung mit der sich wandelnden Welt in der Mitte des 19. Jahrhunderts. Stephan sah sich als „Wächter der Gesetze und der Verfassung“ und wollte jeden schützen, der auf gesetzlicher Bahn fortschreite, und gegen diejenigen vorgehen, „die ihre Zwecke, wenn sie auch den Gesetzen nicht widerstreiten, doch auf ungesetzlichen Wegen verfolgen“. Was das bedeutete, erklärte er nicht. Von einer „doppelzüngigen Politik“ wollte er nichts wissen, und er nannte das sein „politisches Glaubensbekenntiß“.446 Große Worte fand der Kandidat, die idealistisch und moralisch klangen, aber letztlich unklar blieben. Wofür stand er? Darüber dürfte sich niemand im Klaren gewesen sein.447 Dass König Friedrich Wilhelm IV. 1847 Schritte hin zu einer – von Stephan rigoros abgelehnten – Konstitutionalisierung Preußens gemacht, dann aber in seiner berüchtigten Rede vom 11. April darauf hingewiesen hatte, dass sich zwischen Gott und das Land kein „beschriebenes Blatt, gleichsam als eine zweite Vorsehung eindränge“, bewertete Stephan als Inkonsequenz; HU MNL OL P 301 (29. April 1847); Bußmann, S. 214. 444 HU MNL OL P 301 (29. April 1847). 445 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 a (21. Mai 1847). Hiermit übernahm Stephan eine Formulierung, die auf den württembergischen Gesandten Grafen Wintzigerode auf der Karlsbader Konferenz zurückging und sich auf den Artikel 13 der Bundesakte bezog. Sie wurde in der Mitte der 40er Jahre publizistisch verbreitet. Darin erklärte Wintzigerode, es sei ein Rückschritt, Repräsentativverfassungen, dort wo sie erlassen seien, wieder zurückzunehmen; Tebeldi, S. 377; Die Politik der deutschen Minister, S. 40; Welcker, S. 297. Bei Stephans Formulierung handelte es sich also um eine sinnentstellende Übernahme eines in der Publizistik verwendeten Signalworts; Adorno, S. 9. 446 Schlitter (1893), S. 74. 447 Adorno hielt diese Art von Jargon wie erfunden für solche, „die sich als geschichtlich ver-
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Gesandtschaftsberichten ist zu entnehmen, dass Stephans ursprüngliche Forderungen weit über die schließlich durch Wien in den Blick genommenen Verfassungsänderungen hinausgegangen waren. Akzeptiert wurden nur eine Neuorganisation des Landtags und die Beschränkung der Instruktionsrechte der Komitate und des Rechts, die Abgeordneten während des Landtags zurückzurufen.448 Damit wurde der Landtag in seiner Position gestärkt, die lokalen Instanzen verloren an Gewicht. Hinter dieser Entscheidung mag der Wunsch nach Zentralisierung und damit einer Stärkung der Position des Palatins gestanden haben. Stephans weitere Forderungen, die sicherlich ein umfassenderes Bild seiner politischen Vorstellungen ermöglichen würden, teilte der hessen-darmstädtische Gesandten leider nicht mit. Es soll wegen ihnen zu deutlichen Verstimmungen gekommen sein, die den jungen Erzherzog sogar veranlassten, seine Annahme der Palatinswürde von der Durchsetzung seiner Forderungen abhängig zu machen. In Wien argwöhnte man daher, er wolle die „unausgesprochene Politik des verewigten Palatins zum offenen System erheben“.449 Der öffentliche Druck der mit Stephan sympathisierenden Kräfte war so groß und die Alternative geeigneter Kandidaten so gering, schrieb der Gesandte nach Darmstadt, dass Stephan sich solche Auftritte als dynastieinterner Rebell leisten konnte.450 Nach Stephans Tod war in der Zeitung zu lesen, dass vergleichbare freimütige Redensarten andere Personen zu dieser Zeit in Festungshaft gebracht hätten. Weil es sich aber bei ihm um einen kaiserlichen Prinzen gehandelt habe, seien die Mitglieder der Wiener Regierung nur „sehr übel gelaunt“ gewesen.451 Deshalb konnte er es sich leisten, Forderungen an wichtige Amtsträger zu stellen. Die weitere Ernennung des bisherigen Stellvertreters des Palatins, des konservativen Joszef Ürmenyi von Ürmeny, lehnte er grundsätzlich ab. Diesen oppositionellen Altkonservativen, der nach 1848 zum Gegner Wiens avancierte und dort sogar als „Rebell“ angesehen war,452 hielt Stephan für zu unpopulär, als dass er seiner Amtsführung nützlich sein könnte. Die Ausrichtung nach Beliebtheit eines Politikers urteilt oder wenigstens absinkend empfinden, aber vor ihresgleichen und sich selber als inwendige Elite sich gerieren“; Adorno, S. 19. 448 HLA HStAD Best. G 1 Nr. 182/4 (28. März 1847). Die Komitatsversammlungen hatten das Recht, ihre Deputierten auf dem Landtag mit Weisungen zu versehen, um dort lokale Interessen zu vertreten. Darüber hinaus durften sie die Deputierten vom Landtag abberufen und eine Berichterstattung einfordern; Stipta, S. 6–7. 449 Zit. nach Schlitter (1920), Ungarn, S. 34. Stephan schrieb nach Hannover, dass Wien genau das von ihm erwarte; NLA Hannover Dep. 103 II Nr. 48/37 (27. Mai 1847). 450 HLA HStAD Best. G 1 Nr. 182/4 (28. März 1847). 451 Neue Freie Presse Nr. 1440 (3. September 1868). 452 ÖBL 15 (2016), S. 49; Mayr (1931), S. 182 (24. Juni 1850); Schlitter (1920), Ungarn, S. 113.
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weist populistische Züge auf. Statt Ürmenyis wollte der Erzherzog den Hofrat Eduard Zsedényi in seinem Umfeld sehen: einen Protestanten, dessen Gesinnung man in Wien zwar honorierte, der aber als „Schwätzer“ galt und wegen seiner Konfession untragbar war.453 Für Kossuth war Zsedényi hingegen später ein Werkzeug der Kamarilla und ein Vaterlandsverräter.454 So deutlich Stephan auch aufgetreten sein mochte, Zsedényi konnte er nicht durchsetzen. Aber seine Ablehnung des Konservativen Ürmenyi und die Protektion gegenüber dem Protestanten Zsedényi werden bei der Regierung das Bild eines eher rebellischen jungen Palatins verfestigt haben. Stephan erbat sich eine Frist, die er in Böhmen verbleiben dürfe, um sich dort besser mit der ungarischen Sprache vertraut zu machen und die ungarische Verfassung zu studieren.455 Allerdings lege er es auf die Übernahme des Palatinats nicht an. Lieber würde er ganz in Böhmen bleiben, bekannte er, weil er glaube, dort Staat und Dynastie besser dienen zu können und später nach Wien berufen zu werden. Auch stellte er direkt die Frage, ob es überhaupt ratsam sei, wieder ein Mitglied der kaiserlichen Familie zum Palatin wählen zu lassen.456 Metternich konnte diese Einwände nur so verstehen, dass Stephan kein Interesse am oder Angst vor dem Amt habe. Wenn er sich der Aufgabe nicht gewachsen fühlte, erklärte er deshalb, solle er ablehnen, „denn es sey kein muß“.457 Aber war das die einzige Möglichkeit, Stephans Verhalten zu deuten? War nicht viel Berechnung mit im Spiel? Denn Stephan wusste um seine Popularität in Ungarn. Sollte er durch die Regierung nicht in dieses Amt gelangen, hätte dies nicht nur zu Unmut in Ungarn geführt, sondern der ohnehin unbeliebte Hofkanzler Apponyi wäre in den Ruch geraten, ihn durch seine Intrigen um den Posten gebracht zu haben. Die konservative Stütze Wiens in Ungarn wäre dann kaum noch zu halten gewesen, woran Metternich nicht gelegen sein konnte.458 Metternich musste argwöhnen, dass ihm und der Wiener Regierung die Schuld bei einer Nichternennung zugeschrieben würde. Metternich musste schließlich eine klare Stellungnahme von Stephan einfordern, ob er das Amt antreten wolle oder nicht.459 Doch der junge Mann 453 NA Prag Fond MRA AC 1 2-A (16. August 1847). 454 Rósza, S. 126. Auch den Konservativen Emil Dessewffy protegierte Stephan, Viszota, S. 459 (28. Oktober 1846). Dessewffy wollte auf wirtschaftspolitischem Sektor Reformen angestoßen wissen, war aber einer der Begründer der Neukonservativen Ungarns; Andics (1973), u. a. S. 148 und S. 248. 455 Reinöhl, S. 219–220; Kováts, S. 268. 456 Reinöhl, S. 220. 457 Reinöhl, S. 231. 458 Schlitter (1920), Ungarn, S. 35. 459 Reinöhl, S. 232.
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wich der Entscheidung weiter aus, weshalb Metternich gegenüber Erzherzog Johann und dem Grafen Kolowrat seinem Unverständnis Ausdruck verlieh, auch darüber, dass Stephan keine Partei in Ungarn begünstigen wolle und sich politisch quasi in der Schwebe halte. „Ohne eine Majorität läßt sich ein Land nicht regieren. Ist die Majorität im Sinne der Regierung gestimmt, so muß der Regent mit dieser Parthei gehen, denn sie geht mit der Regierung“. Schließlich kannte der Staatskanzler nur zwei Parteien: die für und die gegen die Regierung eingestellte. Eine Desavouierung der Konservativen war für ihn undenkbar.460 Daraufhin nahmen sich Kolowrat und Erzherzog Johann den Kandidaten vor. Dieser erklärte, das Amt als Provisorium oder „durch faktische Maßnahmen“, also eine Art Staatsstreich, annehmen zu wollen.461 Entweder wollte er nur mit bedingter Verantwortung betraut sein oder aber gewaltsam die volle Macht an sich ziehen. Die heikle Politik seines Vaters, so ist zu vermuten, traute er sich nicht zu, und sie war auch, da sie sich auf die langjährige Regierungszeit gestützt hatte, für ihn sehr gefährlich. Die Stiefmutter, die äußerst patriotische462 Erzherzogin Maria Dorothea, mag ihn in dieser Entscheidung unterstützt haben. Denn sie äußerte frei heraus, dass Stephan das Amt nicht antreten werde, wenn er sich „unterwerfen“ müsse. „O ich habe Dinge gelesen – … Familien Statuten – – Es ist ärger als in Russland.“463 Zu den mit ihr eng verbundenen protestantischen und damit aus Wiener Sicht verdächtigen Geistlichen Székács und Bauhofer stand Stephan in Kontakt.464 Auch ließ er sich trotz der Bestrebungen Apponyis nicht dazu hinreißen, ein politisches Glaubensbekenntnis abzulegen, das eindeutig gegen die ungarische Opposition gerichtet war.465 Metternich konnte solche Ambitionen nicht dulden, und das wusste man allenthalben. Gerüchte kursierten, ein Sohn des Erzherzogs Rainer oder überhaupt einmal wieder kein Erzherzog könne nun doch zum Palatin gewählt werden.466 Am 13. März nahm Hofkanzler Apponyi, der ein entschiedener Gegner jeglicher national-ungarischen Bestrebungen war und Reformen in konservativ-aristokratischer Ausrichtung anstrebte,467 zu dem weiterhin unentschlossenen468 Stephan Kontakt auf, konnte aber seine Bedenken nicht 460 Reinöhl, S. 233–234. 461 Reinöhl, S. 235. 462 Sie soll geäußert haben, Ungarn mehr zu lieben als ihre Tochter; Viszota, S. 560 (30. April 1847). 463 Viszota, S. 517 (17. Februar 1847). 464 Loesche, S. 58. 465 Schlitter (1920), Ungarn, S. 37. 466 Viszota, S. 519 (22. Februar 1847). 467 ÖBL 1 (1957), S. 27. 468 Viszota, S. 525 (4. März 1847).
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zerstreuen, zumal das Verhältnis zwischen beiden seit jeher gestört war.469 Denn am 14. März kam es in Pressburg zu einer Zusammenkunft der ungarischen Opposition, die ein solch deutliches Zeichen setzte, dass Stephan in Wien Bedingungen stellen konnte.470 Andrian-Werburg kam mit ihm ins Gespräch und hörte ihn offenherzig von Reformen sprechen: „eine administrative büreaukratische Reform: gute, aufgeklärte, redliche Beamte mit Energie und strenger Verantwortlichkeit.“ Aber der Liberale hatte auch seine Bedenken, weil er in Böhmen „verdorben“ worden sei, was nichts anderes bedeuten konnte, als dass Stephans Stellung ihn des Antriebs zu handeln enthoben hatte. Deshalb setzte Andrian-Werburg entweder auf den Zwang der konstitutionellen Gegebenheiten in Ungarn, die ihn zu grundlegenderem Reformeifer bringen würden, oder aber auf Stephans „grenzenlose Eitelkeit“.471 Andrian-Werburg hoffte also darauf, dass Stephans Egozentrik ihn dazu verleiten könnte, in Ungarn als Reformer aufzutreten. Das war insofern nicht weit hergeholt, als der Erzherzog in den Märztagen 1847 die Wiener Regierung vor sich herzutreiben schien. Er drohte sogar damit, sich auf seine Güter zurückzuziehen. Ohne einen Alternativkandidaten für das Palatinat, den es definitiv nicht gab, setzte dies Wien enorm unter Druck.472 Stephan pokerte also, denn zu diesem Zeitpunkt war bereits offensichtlich, dass er sich dem Amt nicht verweigern konnte, wie auch die Verantwortlichen in Wien nicht mehr umhinkamen, ihm das Amt zu übertragen. Durch seine enorme Popularität und womöglich auch durch seine unklare politische Positionierung konnte er die Wiener Regierung und den Staatskanzler selbst ausmanövrieren. Und Stephan spielte in jenen Tagen so manchen vermeintlichen Trumpf aus. Das Bekenntnis zur angeblichen Überforderung und anmaßendes Vorgehen gingen miteinander Hand in Hand, ohne dass man hätte sagen können, was überwog.473 Freunde machte er sich damit in Wien keine. Sein Verhalten gegen den als zukünftigen Kaiser gehandelten Erzherzog Franz (später: Kaiser Franz Joseph) ließ die Familie aufhorchen. Dieser hatte Stephan versprochen, sollte er einmal Kaiser sein, ihn nach Wien zu holen, 469 Reinöhl, S. 236; Viszota, S. 530 (13. März 1847) und S. 553 (19. April 1847). 470 Kossuth Összes munkai XI Nr. 200 (14. März 1847); Preßburger Zeitung Nr. 33 (22. März 1847), S. 194: Der König von Ungarn wird gebeten, Stephan, „den Erben so vieler Tugenden seines allgemein betrauerten fürstlichen Vaters“, bei der Palatinatswahl zu berücksichtigen (Eingabe aus dem Sohler Komitat). 471 Adlgasser 1, S. 668 (18. März 1847). 472 Adlgasser I, S. 669 (18. März 1847). 473 HLA HStAD Best. G 1 Nr. 182/4 (28. März 1847): Es existiere keine Alternative zu ihm als Palatin von Ungarn, weil es keinen anderen geeigneten Kandidaten gebe und „von allen Seiten zu großes Gewicht“ auf seine zukünftige Amtsausübung in Ungarn gelegt werde.
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um ihm das Innenressort anzuvertrauen. Sein Cousin Albrecht solle das Militär unter sich bekommen. Stephan hatte darauf geantwortet, dass Franz als Kaiser selbst handeln müsse und außerdem zu diesem Zeitpunkt noch nicht wissen könne, ob er überhaupt jemals an die Regierung gelangen werde.474 Diese Worte wurden als anmaßend empfunden, weil sie letztlich auch das dynastische Prinzip der Erbfolge in Frage stellten. Erzherzog Johann glaubte daraus sogar direkt eine schwarze Zukunft für die Donaumonarchie herauslesen zu können,475 weil es den Vertretern des Hauses nicht um die Sache an sich gehe, sondern diese sich gegeneinander stellten. Stephan schien diese Situation zu genießen und sich bewusst als Enfant terrible zu inszenieren. Dass Stephan den Liberalen Victor von Andrian-Werburg im Mai 1847 aufforderte, sich weiter im österreichischen Staatsdienst, den er im Frühjahr 1846 verlassen hatte, einzubringen,476 obwohl oder weil dieser in seiner Schrift „Oestereich und seine Zukunft“ die Bürokratie – und damit das System Metternichs – als „Krebs an der Existenz des Staates“ bezeichnet und Ungarns Emanzipation, seine Rückführung in den „Schoß der Freiheit und Civilisation“, gefordert hatte,477 war eine politische Positionierung innerhalb des Gerangels in der Führungsriege des Habsburgerreichs. Denn auch als Erzherzog musste er mit wichtigen Vertretern der Bürokratie konkurrieren, fand aber natürliche Verbündete – und Gegner – bei anderen Erzherzögen.478 Stephan blieb nach wie vor ein Spielstein im Machtgerangel einer Dynastie, die wieder an Kraft gewann. Die absichtsvoll in der Zeitung publizierte Anekdote, Erzherzog Stephan habe seinem Onkel Ludwig Andrian-Werburgs Buch auf den Schreibtisch gelegt und es schließlich verteidigt, ließ diese Dimension aufscheinen.479 474 Sutter, S. 188. 475 Sutter, S. 188. 476 Rietra (2001), S. 94. 477 Andrian-Werburgs kritische Schrift orientierte sich am englischen Vorbild und versuchte – neben der Schaffung eines Nationalgefühls – durch die Stärkung des Adels gegen die Probleme der Zeit vorzugehen. Ähnlich wie Kolowrats Vorstellungen haftete dem liberalen Denken Andrian-Werburgs also auch etwas Konservatives an und es ließ Entwicklungen in verschiedene Richtungen zu. In Wiener Regierungskreisen aber waren er und sein Werk nicht eben wohlgelitten. Vgl. Andrian-Werburg, S. 141 und S. 159–164. Dazu auch Glossy I, Nr. 374 (S. 103) und Nr. 447 (S. 132). 478 Locmaria, S. 235: „Tous les archiducs s’occupent sérieusement de l’état qu’ils ont embrassé, tous cherchent à se rendre utiles en rivalisant de talents et de zèle avec les meilleurs officiers.“ Adlgasser 1, S. 668 (18. März 1847): „Übrigens gefällt mein Buch in den höchsten Kreisen (sogar den Erzherzogen) sehr, beynahe zu sehr, so daß ich gar nicht recht damit zufrieden bin. Erzherzog Johann empfing mich neulich auf das freundlichste und machte mir eine selbständige profession de foi, beynahe buchstäblich so wie ich geschrieben.“ 479 Die Grenzboten 3 (1844), S. 167.
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Andrian-Werburgs eigene Aufzeichnungen belegen, dass diese Überzeugungsarbeit bei den Erzherzögen aber gar nicht nötig war. Ob die Zeitung „Die Grenzboten“ die Anekdote frei erfunden hat oder aber ein kursierendes Gerücht aufnahm: Stephans Nähe zu Andrian-Werburg barg durch die öffentliche Interpretation Sprengstoff. Stephan musste der Wiener Regierung daher ein unsicherer Kandidat sein und bleiben: ehrgeizig, politisch unentschieden, unkonventionell, kaum durchschaubar und – vor allem – durch seine enorme Popularität und Presserelevanz nicht zu umgehen. In Ungarn wurden die langen Verhandlungen schließlich schon als Aktionen gewertet, die Übertragung des Palatinats auf Stephan zu verhindern. Es war sogar davon die Rede, Wien habe ihn zu vergiften versucht.480 Der Druck war folglich enorm. Notgedrungen mussten sich deshalb die Verhandlungspartner zur Besetzung des ungarischen Palatinats einigen. Den Forderungen Stephans wurde entsprochen, was dem jungen Mann deutliche Genugtuung verschafft haben mag: Er durfte bis September in Böhmen bleiben. Am 27. März 1847 wurde er durch Kaiser Ferdinand nach einer – womöglich auch psychosomatisch bedingten Krankheit481 – auf seine neue Würde als Palatin von Ungarn vereidigt, allerdings ohne dass ihm, wie versprochen, das Regiment der Josephs-Husaren übertragen, der Stephansorden verliehen und eine Besoldungszulage gewährt worden wäre. All das war aber nur kurzfristig aufgeschoben worden und sollte dem jungen Mann wohl nur einen kleinen Nadelstich versetzen. Denn das Husarenregiment erhielt er schließlich am 13. September,482 und die Ordensverleihung wurde am 3. November 1847 nachgeholt.483 Stephans Losung lautete: „Möge ich leben, so lange ich dem Vaterlande lebe.“484 Was das Vaterland war, verriet der Spruch freilich nicht. Alle Parteien setzten in den jungen Mann übertriebene Hoffnungen – oder auch Befürchtungen.485 Doch notierte Stephans Onkel, Erzherzog Johann, am 24. März 1847 in sein Tagebuch und stützte sich dabei sicherlich auch auf die Erfahrungen um die Nachfolge als Palatin: „Stephan muß lernen in schwierigen Momenten gehorchen und handeln, ihm stehet nun die Bahn der Läuterung bevor.“ Ungarn könne für seinen weiteren Lebensweg eine Schule bedeuten. „Sie wird zeitweise bitter seyn; dies ist gut, dies wird ihn fähig machen, seiner Zeit im Centro persönliche Dienste zu leisten, w e n n 480 OeStA AVA PHSt H98/1847 (Bericht Szilard). 481 OeStA HHStA KA NL Franz A. Kolowrat (10. März 1847): Er lag mit einem Gaumenabszess krank im Bett. 482 Der Siebenbürger Bote (30. Dezember 1847), S. 426. 483 Kováts, S. 276. 484 Reinöhl, S. 240–241; Kováts, S. 274. 485 Adlgasser I, S. 672 (28. März 1847).
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bis dahin Österreich sich hält und nicht zerfallen ist.“486 Johann war also sehr wohl bewusst, dass die bisherige politische Tätigkeit Stephans in Böhmen mit den ungarischen Herausforderungen nicht zu vergleichen war und er hier erst unter Beweis stellen musste, ob er politisch befähigt sei und seine egoistischen Ziele – seine Eitelkeit – hintanzustellen vermochte, wenn es nötig war – zur Erreichung welcher Ziele auch immer. Der ungarische Hofkanzler Apponyi hatte zu Stephans Unterstützung ein Programm ausgearbeitet, das eine von der Wiener Regierung ausgehende Reform des Landes in den Blick nahm. Nach einigen Korrekturen auf Stephans Wunsch hin wurde es am 26. Juli 1847 vom König genehmigt. Stephan konnte mit der Regentschaft in Ungarn beginnen, auch wenn eine Einigung mit Wien noch immer nicht erzielt worden war. In Fragen des Administratorensystems, des Einflusses der Regierung auf die Rechtsprechung und der Bewertung von Ausschreitungen im Landtag und in Komitatsversammlungen stand man weit voneinander entfernt. Einig war man sich aber im Kampf gegen „subversive Tendenzen“, worunter die Pressefreiheit, die Nichtbeachtung königlicher Propositionen, die Verantwortlichkeit der Minister, die Vorlage des Budgets sowie die gänzliche Loslösung von Österreich gehörten. Bei solchen Ansinnen sollte der Landtag sofort aufgelöst werden.487
486 Sutter, S. 187–188. 487 Schlitter (1920), Ungarn, S. 39; Péter, S. 268. Reisinger berichtete später, dass sich Stephan bezüglich des Administratorensystems äußerst unklar positioniert habe („mit nichtssagenden Phrasen viel zu sagen“). Über das Pressewesen und die Zensur soll er sich direkt mit Reisinger beraten haben; Reisinger (1849), S. 53 und 63. Reisingers Darlegungen sind sehr polemisch, fügen sich aber an dieser Stelle in das Bild, das Stephan in dieser Zeit auch sonst vermittelt.
5. GIPFELPUNKT UND ENDE DER KARRIERE ALS POLITIKER (1847–1848)
5.1 Zögerlicher Anfang Vor seinem Amtsantritt in Ungarn kehrte Erzherzog Stephan für ein knappes halbes Jahr nach Böhmen zurück, um dort die Zeit seiner Statthalterschaft abzuschließen, die stolze Abfassung einer Geschichte seiner böhmischen Regierungszeit anhand des angefallenen Aktenmaterials in die Wege zu leiten1 und sich auf sein Amt als Palatin vorzubereiten. Bereits zu Beginn des Jahres 1847, noch zu Lebzeiten des sterbenden Vaters, hatte er damit begonnen, Regelungen für die Zukunft seines eigenen böhmischen Hofstaats und denjenigen des Palatins zu treffen. Die Umsiedlung der Mutter und seiner Geschwister nach dem Tod des Vaters hielt er für „unumgänglich nöthig“ und erbat dafür ein Handbillett aus Wien.2 Er selbst bevorzugte eine Übersiedlung nach Prag, um sich dort der Erziehung seiner Halbgeschwister annehmen zu können, die er keineswegs der Mutter überlassen wollte. Maria Dorothea hatte auch, als man sie darauf hinwies, sie könne nicht alleine mit ihren Kindern in Ofen bleiben, zunächst in jede Weisung des Kaisers eingewilligt. Metternich aber sprach sich gegen Prag als Aufenthaltsort aus und wies eine Wohnungssuche in Wien an. Durch die Überbelegung der Hofburg gestaltete sich das allerdings nicht leicht.3 Als Maria Dorothea diese Umdis ponierung verkündet wurde, reagierte sie emotional. Erzherzog Ludwig vermutete, dass „bey diesem verdrehten Kopfe“ mit „Vernunftgründen“ nicht voranzukommen sei, suchte aber trotzdem das ruhige Gespräch mit ihr.4 Neben Metternich waren es schließlich auch Stephan und sein Kammerherr, Graf Zichy, welche die Umsiedlung begrüßten. In Wiener Hofkreisen freilich entstand das Bild einer Frau, die „den besten Mann und eine glänzende Existenz“ verloren habe.5 Als Gründe für die Umsiedlung wurden ihr genannt, dass sie unmöglich in Ungarn bleiben oder dorthin zurückkehren könne, wenn jemand anderes 1 2
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Kořalka (2003), S. 371 (6. Dezember 1847). NA Prag Fond MRA AC 1 2-A (11. Januar 1847). Bereits 1837, während der Erkrankung Josephs, stand für Metternich fest, dass dessen Familie beim Eintritt des Todes nach Wien überzusiedeln habe; Andics (1973), S. 388 (10. April 1837). NA Prag Fond MRA AC 1 2-A (14. Januar 1847). NA Prag Fond MRA AC 1 2-A (3. Februar 1847). Kühn, S. 114 (29. Januar 1847), Baronin Scharnhorst.
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Gipfelpunkt und Ende der Karriere als Politiker
als ein Familienmitglied Palatin würde, und wenn Stephan das Amt bekleiden werde, werde es „äußerst schwer“, ihr die Rückkehr zu gestatten. Die Rückkehr war folglich ausgeschlossen, weil die Anwesenheit der Palatinswitwe eine Hypothek für jeden Amtsnachfolger ihres Mannes gewesen wäre, im Falle Stephans aber noch den nicht gewünschten Eindruck einer eigenen ungarischen Dynastie erweckt hätte. Dass man sie in Wien als der „nationalen Partei Ungarns zugehörig“ und deshalb nicht im „besten Vernehmen“ mit dem Kaiserhaus stehend ansah, sorgte für zusätzlichen Argwohn.6 Doch Maria Dorothea weigerte sich, weil ihr das Wiener Klima nicht bekomme und sie sechs Jahren später, wenn ihre Kinder erzogen seien, ohnehin zurück nach Stuttgart ziehen werde. Außerdem wisse sie genau, „warum man sie eigentlich nicht in Ofen haben wolle“.7 Denn sie befürchtete Eingriffe in ihre Erziehungsmethoden und war insbesondere verärgert über Kaiserin Marianne, die Ehefrau Kaiser Ferdinands, sowie über Erzherzogin Sophie, die sie als ihre Gegnerinnen erkannte.8 Erzherzog Ludwig unterstellte, es gehe ihr darum, sich in Ofen wieder mit der protestantischen Gemeinde zu vereinigen und „ungeniert ihr Wesen fortzutreiben“.9 Protestantische Kräfte in Ungarn sahen deshalb auch in der „Verbannung“ nach Wien ein Abstrafen dafür, dass sie nie ins Theater ging, keine Bälle veranstaltete und keine Whist-Partien gab, dafür aber in der Bibel las. Letztlich wird der Wiener Regierung diese Haltung ziemlich gleichgültig gewesen sein, nicht aber, dass man protestantische Kräfte mit der Opposition in Verbindung brachte. Die Erzherzogin sollte hier nicht als Identifikationsfigur dienen können. Kurzum: Man fürchtete in ihrer Person revolutionäres Potential. Doch auch ihre Berufung auf das Testament Josephs, in dem festgeschrieben worden war, dass sie bei ihren Kindern bleiben dürfe, fruchtete nichts. Jeder der Erzherzöge erklärte ihr nach Absprache denselben Sachverhalt, so dass man davon ausging, sie werde sich schon in ihr Schicksal fügen. Zunächst nur als Provisorium erscheinend, wurde bald klar, dass sie dauerhaft im Wiener Augartenpalais „zu domiciliren“ hatte.10 Denn eine andere Wohnung war nicht zu finden gewesen.11 Als Apanage erhielt sie jährlich
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Mayr (1931), S. 361 (30. März 1855). NA Prag Fond MRA AC 1 2-A (3. Februar 1847). NA Prag Fond MRA AC 1 2-A (11. Februar 1847). NA Prag Fond MRA AC 1 2-A (6. Februar 1847). HLA HHStAW Best. 130 II Nr. 3308 (24. Januar 1847); StMLA Archiv Meran Schuber 7 Heft 5,2 (17. Februar 1847); Oehler, S. 94–95; Klagenfurter Zeitung Nr. 17 (28. Februar 1847), S. 1. 11 NA Prag Fond MRA AC 1 2-A (6. Februar 1847).
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40.000 Gulden Conventionsmünze.12 Zwar musste sie, wie alle Habsburger, um Erlaubnis nachsuchen, wenn sie ihren Aufenthaltsort ändern wollte, aber sie war damit nicht von der höfischen Welt und der Verwandtschaft abgeschottet:13 Reisen zu ihren Verwandten und auf ihre Güter in Ungarn sind verbürgt, und über ihre Teilnahme an offiziellen Auftritten des Hauses Habsburg zusammen mit anderen Familienmitgliedern wurde in den Zeitungen berichtet.14 Im August 1847 empfing sie sogar die württembergische Verwandtschaft zu einem Familientreffen im Augartenpalais.15 Auch die Kinder der Erzherzogin Sophie, die wahrlich keine Freundin des Protestantismus war, bildeten einen Teil ihres engsten Umfeldes.16 Franz Josephs Bruder, Erzherzog Ferdinand Maximilian, sah im ganzen Haus Habsburg neben seinen Eltern nur noch Erzherzogin Maria Dorothea mit einem Herz. Alle anderen seien „so kalt, z. B. die jüngst verheiratete Erzherzogin Elisabeth, die wie eine Marmorsäule kalt ist“.17 Beichtvater Columbus ging sogar davon aus, dass die Palatinswitwe einen großen Einfluss auf den jungen Mann hatte.18 Das war insofern interessant, weil sowohl Stephan als auch Maximilian als unkonventionelle Vertreter der Dynastie galten. Womöglich könnte also dieser erzieherische Einfluss stärker gewesen sein, als es sich aus den Quellen belegen lässt. Auch ein Brief Franz Josephs belegt, dass Maria Dorothea 1849 guten Kontakt zu Erzherzogin Sophie unterhielt, wenn beide Seiten auch sicherlich nicht ganz frei von Misstrauen
12 OeStA General-Direktion der ah. Privat- und Familienfonden Ältere Reihe Karton 7 Fasz. 6 (8. Februar und 7. März 1847). 13 HLA HHStAW Best. 130 II Nr. 3308 (24. Januar 1847); Loesche, S. 48; Fabiny, S. 348. Nach dem österreichischen Familienstatut wurde – wie bei anderen Dynastien auch – der Wohnort der Familienmitglieder durch das Familienoberhaupt festgelegt; Stickler (2018), S. 133. Die eigens für die Palatinswitwe hergerichteten Räume waren, der Erzherzog Sophie zufolge, „heimlich u. freundlich“; GStA PK Rep. 50 T Nr. 43 (31. Januar 1848). Erzherzogin Elisabeth schildert die Vorkommnisse so, als sei Maria Dorothea auf eigenen Wunsch in das Augartenpalais umgezogen; BayHStA GHA Nachlass Erzherzogin Elisabeth von Österreich Nr. 100, S. 287. Allerdings erwähnt sie auch, dass sie die Aufforderung, Ofen zu verlassen, wie ein Donnerschlag getroffen habe; S. 253. 14 Fremdenblatt Nr. 246 (16. Oktober 1851), Rückkehr aus Württemberg; Der Humorist Nr. 303 (20. Dezember 1849), S. 1219. Auch Rostok, S. 60. 1850 fuhr sie nach Alcsúth; BayHStA GHA Nachlass Erzherzogin Elisabeth von Österreich Nr. 37/1 (30. Mai 1850). 15 Sindele, S. 100. 16 Schnürer, S. 69 (Nr. 53, 1. August 1847) und S. 116 (Nr. 97, 15. Mai 1849). Vgl. auch den Kondolenzbesuch von Erzherzogin Sophie, Erzherzog Ferdinand Maximilian und Kaiser Franz Joseph anlässlich des Todes ihres Schwiegersohns; Salzburger Constitutionelle Zeitung Nr. 303 (21. Dezember 1849), S. 1496. 17 Kovács (1971), S. 125. 18 Kovács (1971), S. 137.
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waren.19 Das Bild einer Exilantin in der Familie, die weggesperrt im Augartenpalais lebte und dieses nicht verlassen durfte, sollte deshalb relativiert werden. Doch genau dieses entwarf bereits die zeitgenössische Presse. Von rührenden Abschiedsszenen von der Bevölkerung war zu lesen.20 Später wurden Interventionen für die Protestanten Ungarns öffentlich gemacht. 21 Stephan, der diesen Umzug mit befördert hatte, geriet in der öffentlichen Meinung dadurch nicht in Misskredit. Vielmehr sorgte sein Image – vielleicht auch eine aktive Pressepolitik – dafür, dass er als liebender Sohn wahrgenommen wurde. Und dieses Bild bestätigte sich auch in Adelskreisen.22 Stephan blieb in Buda-Pest der letzte Vertreter Habsburgs und erbat daher die Unterstützung seines Onkels, des Erzherzogs Johann, der auch als Mitvormund23 seiner Halbgeschwister fungierte, um zu sehen, was aus dem Hofstaat des Elternpaares werden könne. Stephans eigener Hofstaat verschlang jährlich 23.000 fl. an Besoldungsgeldern. Mit seinen Bezügen aus dem Familienfonds und als Statthalter war er nicht in der Lage, zusätzlich den mütterlichen Hofstaat zu finanzieren, was aber der Wille des Vaters gewesen war. Stephan plante daher, den Kaiser zu bitten, die väterliche Dienerschaft zu übernehmen, „da sonst ihre Lage sehr traurig, die Aussicht auf ein sorgenfreies Alter geschwunden wäre“.24 Die Kassen, die er in Ofen vorfand, waren leer. Doch noch gab es ja in Böhmen genügend zu tun. Mit dem Versuch einer Finanzreform25 scheiterte er zwar, andere Großprojekte aber führte er erfolgreich weiter. Im Riesengebirge, wo die Not am größten war, trieb er den Straßenbau voran, um dort das Wirtschaftsleben anzukurbeln. Von dem Hofeffektenspediteur und Mitglied der innerösterreichischen Industrie- und Handelskammer Eduard von Pleschner ließ Stephan einen Suppenkochapparat weiterentwickeln, der in der Lage war, täglich bis zu 30.000 Personen 19 Schnürer, S. 116 (Nr. 97); Weimar, S. 103 (3. März 1832). 20 Helfert 1 (1907), S. 81. Zum Abschied wurde der Wällische Platz vor St. Nikolaus auf der Prager Kleinseite in Stephansplatz umbenannt. 21 Der Humorist Nr. 26 (2. Februar 1847), S. 109; Allgemeine Kirchenzeitung Nr. 173 (2. November 1850), Sp. 1414–1416, und Nr. 186 (24. November 1850), Sp. 1516–1519. 22 Die Baronin Scharnhorst schrieb, Stephan nehme sich mit „wahrhaft kindlicher Liebe“ seiner Mutter an. „Er soll überhaupt bei dieser Gelegenheit sehr viel Herz beweisen“; Kühn, S. 114 (29. Januar 1847). 23 Die Regelung der Vormundschaft entstammte einem Konzept Stephans NA Prag Fond MRA AC 1 2-A (6. Februar 1847). 24 StMLA Archiv Meran Schuber 7 Heft 5,2 (17. Februar 1847). 25 Adlgasser 1, S. 684 (2. Juni 1847).
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zu versorgen, und der gerade einmal 800 Taler kostete. Suppenanstalten entstanden u. a. in Brünn und Olmütz.26 Zusätzlich wurden Versuche mit den Ölkuchenbroten des A. Pollak für Arme gemacht, was sich aber als wenig erfolgreich erwies. Bessere Erfolge hingegen wurden mit dem Einsatz von Kornmehlstaub und Biersurrogat erzielt.27 Ein großer Erfolg war auch die Entwicklung eines neuen Spinnrades für die Textilindustrie im Riesengebirge.28 Im Bereich der Sozial- und Wirtschaftspolitik hatte der Erzherzog daher positive Ergebnisse zu verzeichnen, wenn es auch nicht zu grundsätzlichen Reformen kam, um Not und Armut der Bevölkerung entgegenzuwirken. Aber damit war schon viel erreicht, so dass sein Schwager, Erzherzog Karl Ferdinand, dem Herzog von Nassau aus Prag berichten konnte, dass er und Böhmen mit dem Weggang Stephans sehr viel verlören. „Ich einen Freund. Das Land einen warmen Vertreter, der durch seine Stellung u. durch seine Persönlichkeit das Unglaublichste durchzusetzen wußte.“29 So eingeschränkt also Stephans Kompetenzen auch waren und so sehr er sich aus den politischen Debatten heraushalten konnte und musste, so sehr ermöglichte sein persönliches Auftreten doch Neuerungen und Verbesserungen, die bisher unmöglich gewesen wären. Das verlieh seiner Statthalterschaft ein fortschrittliches Gesicht. Bevor Stephan seine Stelle in Ungarn antreten konnte, musste er vom 5. Juli bis 6. August eine Kur in Franzensbad einschieben, die ihm guttat, weil er angeblich „während der Zeit fast gar nicht“ arbeitete.30 Dass er freilich mit dem Konzipisten der ungarischen Statthalterei Szalay und dem Präsidialexpeditor des böhmischen Landesguberniums Anton Müller nach Franzensbad gereist war, spricht nicht dafür, dass der Aufenthalt nur dem Nichtstun gewidmet war. Vielmehr ist an eine Klausur in Verwaltungsdingen zu denken. In dieser Zeit ließ er sich auch seinen Schnurrbart31 wachsen. Das sollte den Ungarn als Zeichen dafür gelten, dass er Palatin von Ungarn werde und 26 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 a (9. April 1847). 27 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 a (21. Mai 1847). 28 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 a (21. Mai 1847 und 26. Juni 1847). 29 HLA HHStAW Best. 130 II Nr. 3308 (24. Januar 1847). 30 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739a (28. August 1847); HLA HStAD Best. G 1 Nr. 182/4 (18. Juni 1847). Im Tagebuch des Komponisten Meyerbeer wird am 31. Juli 1844 ein Feuerwerk in Franzensbad für den König von Bayern und Erzherzog Stephan festgehalten; Becker/Becker, S. 284–285. Auch muss er dort auf den Dichter Anastasius Grün getroffen sein; Scharnitzer, S. 211. 31 Spielmann, S. 7. Auf Darstellungen aus der Zeit in Ungarn hielt sich der Schnurrbart noch im Rahmen des Üblichen. Erst im Exil wurde er übersteigert und exaltiert.
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Abb. 23: Erzherzog Stephan in ungarischer Uniform, Lithographie von Joseph Stadler, 1847 (Wikimedia Commons)
einer von ihnen sei.32 Er trat damit auch physiognomisch in die Fußstapfen des Vaters33 und drückte seine Verbundenheit mit den Magyaren aus. In den Zeitungen führte die Abnahme des Backenbarts jedoch zu Spekulationen einer ernsten Erkrankung.34 Am 23. August verließ Stephan Böhmen35 und kam am 28. August mit 3000 Zentnern Gepäck36 und unter prächtigem ungarischem Gepränge in 32 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739a (28. August 1847). Die Kur fand in Begleitung des Dienstkämmerers von Hoditz, des Konzipisten der ungarischen Statthalterei Szalay und des Präsidialexpeditors des böhmischen Landesgubernius Anton Müller sowie mit 22 Personen Gefolge statt; Liste der Franzensbader Curgäste Nr. 25 (5. Juli 1847) und Nr. 51 (10. August 1847). Zuvor war Stephan ab dem 30. Juni mit seinem Gefolge in Marienbad zu Gast; Marienbader Badeliste 27 (2. Juli 1847). 33 La Presse (27. August 1861), S. 1. 34 Die Grenzboten 6 (1847), S. 301–302. 35 Zur Verabschiedung vgl. Wiener Zuschauer Nr. 173 (29. Oktober 1847), S. 1378. 36 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 a (26. Dezember 1847). Zur Ankunft Stephans vgl. Illustrirte Zeitung Nr. 227 (6. November 1847), S. 291–294 (mit Bild).
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Ofen an,37 von wo aus er in den nächsten fünf bis sechs Tagen eine Rundreise zu beginnen gedachte. Alle Augen ruhten auf ihm – hoffnungsvolle Blicke, aber auch besorgte. „Die Besorgnisse, daß der Erzherzog sich fügsamer gegen die Opposition als gegen die Regierung zeigen werde, sind nicht völlig geschwunden“, berichtete der hessen-darmstädtische Gesandte aus Wien.38 Diese Ängste mochten sich herleiten lassen aus bewussten Zeichen, die Stephan gesetzt hatte, aber eben auch aus seinem Wankelmut und seiner Labilität sowie aus den übertriebenen Erwartungen, welche die Ungarn in ihn als „Liebling der ganzen Nation“ setzten, der von allen Parteien, mochten ihre Ziele noch so unterschiedlich sein, verehrt werde.39 Metternich zumindest hatte ihn kurz vor der Übersiedlung noch einmal ermahnt, auf Regierungskurs zu bleiben, weil Österreich in Europa das Bollwerk gegen die Revolution sei. Insbesondere aber warnte er vor der Macht der Ideen, gegen die jede andere Gewalt kraftlos bleibe.40 Die Antrittsreise musste zwangsläufig zu einem Propagandafeldzug in eigener Sache werden, in dem die ungarische Bevölkerung als Resonanzraum fungierte, um Stephans Bild zu festigen und zu potenzieren. In sechs Wochen hatte er an die zweihundert Stellen, die quer über das Land verteilt waren, zu besuchen. Diese Reise in Begleitung des gemäßigt liberalen Magnaten Miklos Baron Vay de Vaja und von Stephans vierzehnjährigem Bruder Joseph41 gestaltete sich zu einem wahren Triumphzug. Selbst die Kroaten baten darum, ihn zum Banus ernennen zu dürfen, was aber keine Berücksichtigung fand. Andrian-Werburg kommentierte die Ereignisse ironisch: „In Ungarn hält Erzherzog Stephan seinen Triumphzug, schwadronnirt, spielt den Ultraliberalen und versteht kein Wort Deutsch mehr.“42 Chamäleonartig hatte sich Stephan seiner neuen Wirkungsstätte angenommen, aber nicht aus Überzeugung, wie Andrian-Werburg zu wissen glaubte. In seinen Augen war alles nur gespielt. Auch andere wussten noch nicht so recht, was sie von ihm halten sollten – trotz des enormen Vertrauensvorschusses, der in Zeitungen exaltierte Wür37 Dass vor Stephans erstem Theaterbesuch die von Ferenc Erkel 1844 komponierte Hymne des Dichters Ferenc Kólcsey gespielt wurde, die später zur ungarischen Nationalhymne wurde, sollte nicht überbewertet werden; Wiener Zeitung Nr. 245 (5. September 1847), S. 1905; Horel, S. 33–34. 38 HLA HStAD Best. G 1 Nr. 182/4 (6. August 1847). 39 OeStA AVA PHSt H 98/1847 (Bericht Szilard). Der Revolutionär Franz Reisinger bezeichnete ihn später als „Schooskind des Volkes“; Reisinger (1851), S. 98. 40 Andics (1973), S. 271 (20. August 1847). 41 Kováts, S. 274–275. 42 Adlgasser 1, S. 716 (23. September 1847). Allgemein zu Stephans Auftreten auch Görlitz, S. 67.
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digungen in einer biblisch-prophetischen Sprache hervorbrachte.43 Auf den Liberalen István Széchenyi machte Stephan einen guten Eindruck, als er ihn zur Auffahrt der Buda-Pester Brücke führte. Zwar habe Stephan anscheinend nichts davon begriffen, was Széchenyi ihm erklärt habe, und nichts Bestimmtes gesagt. Aber gerade damit hatte er viel Interpretationsspielraum gelassen. Andererseits hielt Széchenyi den Erzherzog für „zu confidenziel und ‚Brüderl!‘“ – also zu vertraut und gemein mit den Leuten. Széchenyi wusste, dass ihm das Sympathien einbringen werde. „Sie werden ihm aus der Hand fressen.“44 Der immer pessimistisch gestimmte Politiker ahnte aber auch, dass Stephan genau das zum Verhängnis werden könnte. Noch würden alle glauben, er sei, wenn er zu spät komme, zu beschäftigt, obwohl er nur ausgiebig gefrühstückt habe. Noch seien alle „hingerissen“, wenn er „männlich“ antwortete. Auch wenn er in seiner Theaterloge mit Enthusiasmus applaudiere, freue es die Leute. Aber das sei ein „Volks-Auflauf durch ‚Liebe‘ erzeugt“, und der könne sich leicht „in Hass verwandeln“.45 Széchenyi hatte erkannt, dass Stephan für nichts Rechtes stand und durch seine Leutseligkeit und Unbestimmtheit46 zur Projektionsfläche der Ungarn geworden war. Er werfe sich weg, war sein niederschmetterndes Urteil.47 Aber nicht nur das: Einige versuchten Stephan sogar direkt zu instrumentalisieren. Der britische Gesandte konnte von einer Rede des Oppositionellen Kossuth vor der Ständeversammlung berichten, in der dieser sich im vollsten Lob geäußert hatte. Es handele sich um einen Palatin, „who had identified himself with the nation, whom the nation was justly proud of possessing, and under whose enlightened guidance they would never despair“.48 43 Der Humorist Nr. 320 (25. September 1847), S. 920: „Erzherzog Stephan wird mit der Wünschelruthe der Liebe und des Vertrauens Ungarns immense, unbefruchtete Haiden und Csarden in fruchtbare Paradiese, in wohlstandgebärende Faktoreien umzaubern. Stephans ererbte Sanftmuth und Milde werden versöhnende Mittler extremer Partheimeinungen, – dem Gemeingeist des Friedens und klare – Begriffe von Völkerglück – verbreiten – und unter seiner Aegide werden die verrosteten eisernen Werkzeuge des Vorurtheils und der rohen, imaginären Eigenmächtigkeit und der verwerflichen Willkür zu Sensen, Sicheln und industriefördernden Fabrikswerkzeugen umgewandelt werden, auf daß da wahr werde das Wort der Verheißung: ‚Nicht durch die Gewalt der Faust, – nicht durch die Behendigkeit im wilden Kampfe, – nicht in donnerndem Gebrülle der Stimme wird sich die Kraft äußern; sondern im Geiste des Rechtes und der Gesittung, der alle auf der Bahn der edelsten, gesetzlichen Freiheit, großes Schönes und Nützliches zu schaffen, vereinen und beseelen wird.‘“ 44 Viszota, S. 627 (30. August 1847). 45 Viszota, S. 627–628 (31. August 1847). 46 Viszota, S. 681 (27. November 1847): Der istrische Geistliche Stankovich äußerte sich über ihn, er sei ebenso „nachgeberisch als der Papa!“ 47 Viszota, S. 656 (16. Oktober 1847). 48 Correspondence relative, S. 31 (5. Februar 1848).
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Die äußerste Linke, die sich schon sehr früh auf seine Seite geschlagen hatte,49 vereinnahmte den zukünftigen Palatin für eigene Zwecke, so dass der gemäßigt Liberale Széchenyi um die Erreichung seiner eigenen Ziele bangte und argwöhnte, dass sich Stephan werde „übertölpeln“ lassen.50 Denn die radikale Opposition setze auf Stephan, weil sie mit seiner Hilfe die Möglichkeit erblicke, Ungarn in einen unabhängigen Nationalstaat umzuwandeln.51 Am 16. Oktober 1847 wurde Stephan zum Obergespan des Pester Komi tats ernannt, was als Vorstufe zur Palatinatswürde galt.52 Kaiser Ferdinand hatte aus diesem Anlass Erzherzog Franz, den späteren Kaiser Franz Joseph, in die ungarische Hauptstadt geschickt. Franz machte dabei, wie auch Stephan, eine gute Figur. Beide konnten die Ungarn auch dadurch gewinnen, dass sie in Ungarisch zu den Anwesenden sprachen. Stephans Rednergabe scheint aber besonders gewandt gewesen zu sein. In einer italienischen Zeitung stand zu lesen, dass seine Worte von solcher Energie gewesen seien, dass sich sofort Freudenrufe eingestellt hätten.53 So lief alles routinemäßig, bis auf einen kleinen Zwischenfall: Ein Assessor erhob vor der Versammlung den Einwand, die Regierung dürfe keinen Statthalter ernennen, bevor dieser nicht vom Land zum Palatin gewählt worden sei.54 Der Redebeitrag wurde rasch unterbunden, unterstrich aber doch, dass das Vorgehen nicht völlig kritiklos hingenommen wurde. Franz ging schließlich auf Stephans Angebot ein, zusammen mit dem zukünftigen Palatin über Alcsút und das Gestüt Babolna, westlich von Buda-Pest, zurückzureisen. Stephan war deshalb nicht anwesend, als zwei Oppositionelle – darunter Kossuth – zu Deputierten gewählt wurden, was in Wien mit Missfallen bemerkt wurde.55 Das Gestüt fand Franz zwar sehr interessant, seinem Verwandten aber brachte er wenig Sympathie entgegen. Ein gutes Vierteljahr nach diesem Besuch hielt der Beichtvater Columbus fest, dass Franz sich sehr abschätzig geäußert habe: „Es war ein großer Mißgriff, daß man den Erzherzog Stephan zum Palatin gemacht hat; er verdirbt Alles durch seine große Eitelkeit.“56 Doch mit diesen kritischen Äußerungen stieß er innerhalb der Familie kaum auf Gegenliebe. Seine Mutter, Erzher49 50 51 52 53 54 55 56
Viszota, S. 508 (25. Januar 1847). Viszota, S. 677 (21. November 1847). Spira, S. 22. HLA HStAD Best. G 1 Nr. 182/4 (26. Oktober 1847); Wiener Zeitung Nr. 293 (23. Oktober 1847), S. 2253; Schnürer, S. 83 (Nr. 64). Ristretto di fogliette universali 45 (5. November 1847), o. S. Zur Rolle Franz Josephs vgl. Kühn, S. 127 (19. Oktober [1847]). Der Siebenbürger Bote Nr. 87 (4. November 1847), S. 357. HLA HStAD Best. G 1 Nr. 182/4 (26. Oktober 1847). Kovács (1971), S. 134. Ein Brief Stephans an Franz (Joseph) zeugt von einem affektierten
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zogin Sophie, die weiterhin auf Erzherzog Stephan als Verbündeten gegen Metternich setzte,57 ermahnte ihren Sohn zur Zurückhaltung bei seinen Äußerungen. Vereinzelt waren auch kritische Stimmen unter den Ungarn vernehmbar. Széchenyi hielt Stephan für einen Schauspieler, der entweder Ungarn begraben oder von den Ungarn begraben werde.58 Die Zeitungen waren allerdings voll des Lobes: Als sich in Komorn just in jenem Augenblick, als der Erzherzog über eine Brücke fahren wollte, ein Unglück ereignete, waren zweihundert Menschen mit der zusammenbrechenden Konstruktion in die Tiefe gestürzt und vierzig dabei ums Leben gekommen. Die „Laibacher Zeitung“ wusste zu kommentieren: „Unser geliebter Erzherzog, um den Alles besorgt war, zeigte sich auch in dieser Gelegenheit, wie immer, im schönsten Lichte.“59 Es schien fast, als könne Stephan nichts falsch machen, gleichgültig, was er tat. Der Wahl zum Palatin stand folglich nichts mehr im Wege. Am 12. November kam der ungarische Landtag in Pressburg zusammen und wählte Erzherzog Stephan – aus dem vorbestimmten Kreis zweier katholischer, eines lutherischen und eines reformierten Kandidaten 60 – einstimmig zum Nachfolger seines Vaters in das Amt eines Palatins von Ungarn und damit zum Stellvertreter des ungarischen Königs.61 König Ferdinand eröffnete als erster ungarischer König seit dreihundert Jahren die Versammlung.62 Er nahm seinem neuen Stellvertreter persönlich und in ungarischer Sprache den Eid ab.63 In diesem Einsatz der ungarischen Sprache bestand der einzige Unterschied zur Zeremonie bei der Palatinswahl seines Vaters 1796.64 Trotzdem schien eine neue Zeit anzubrechen. Gemäß der königlichen Proposition standen gewaltige Reformmaßnahmen im sozialen, wirtschaftlichen und politischen Sektor an: auf den Feldern der Militäralimentation, der Stimmenregulierung der Städte, freien Bezirke und Domkapitel, der inneren Organisation der Städte, der Regulierung der ad-
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Gebaren, das den im Naturell gänzlich anders geratenen späteren Kaiser sicherlich befremdete; OeStA HLA HHStAW SB Coronini-Cronberg 4-7 (28. Dezember 1847). Siemann (2016), S. 808–809; Srbik 2 (1925), S. 264. Spira, S. 91 (16. Oktober 1847). Laibacher Zeitung 125 (19. Oktober 1847), S. 773. Die Fürstin Metternich hielt fest: „il a été douloureusement affecté par ce terrible accident“; MM Band 7, S. 317 (Oktober 1847). HLA HStAD Best. G 1 Nr. 182/4 (21. Januar 1847); Correspondence relative, S. 6; zum Landtag vgl. Péter, S. 253–255. Kováts, S. 277. Schlitter (1920), Ungarn, S. 55. Der Humorist Nr. 274 (16. November 1847), S. 1095; Deutsche Allgemeine Zeitung Nr. 322 (18. November 1847), S. 2779; Anders (1868), S. 214–215; Correspondence relative, S. 6 (15. November 1847); Kováts, S. 278. HLA HStAD Best. G 1 Nr. 182/4 (12. November 1847).
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ligen Bankverhältnisse, der Urbarialablösung, der grundherrschaftlichen Verhältnisse, der Grenzmautregulierung, der Kommunikationsmittel, Straßen und Wege, der Einverleibung der abgerissenen Landesteile, des Kriminalcodex sowie der Zurückzahlung der Vorschüsse an den Staat.65 Die Erwartungen mussten demgemäß sehr hoch sein. Am 18. November lud der neue Amtsträger achthundert Personen zu einem Ball, auf dem auch der König erschien. Neben den obligatorischen Balltänzen wurde auch Csárdás getanzt, was als besonderer Ausdruck des Nationalstolzes gewertet wurde. Auch ist überliefert, dass es bereits auf diesem Ball Stimmen gab, welche die Position des jungen Amtsträgers keineswegs als „beneidenswerth“ empfanden. „Ihre Rolle auf dem großen Welttheater ist überhaupt eine sehr schwierige“,66 hieß es. Stephans Biograph Anders verschwieg leider, auf wessen Aufzeichnungen diese Einschätzung basiert – angeblich denen einer Person, die dem Erzherzog in jenen Jahren sehr nahestand.67 Wenn davon auszugehen ist, dass es sich hierbei um keine Einzelmeinung handelte, mögen solche Äußerungen Stephan zur Vorsicht angehalten haben. Die Gefahr war groß, da seine Bedeutung von der öffentlichen Meinung und den Zeitungen geschaffen und von diesen auch schnell wieder zerstört werden konnte, sofern Stephan das bewusst war. Wenn Langsdorff attestierte, Stephan stehe unter dem Zauber der Hoffnung,68 so war dieser brüchig und konnte sich schnell in einen bösen Zauber verwandeln. Die Berichterstattung in den Zeitungen blieb für den neuen Palatin daher essentiell. Verärgert nahm er auf, als in der Zeitung „Pesti Hirado“ die Meldung erschien, er habe dem Königspaar am 19. November in seinem Vierergespann mit einem vorausfahrenden Phaeton, den er persönlich gelenkt habe, das Geleit bis an die Grenze gegeben. Diese Meldung war ohne sein Wissen publiziert worden. Er verbot dem Redakteur, künftig ohne Vorlage und Genehmigung Zeitungsartikel zu publizieren, die persönliche oder häusliche Angelegenheiten betrafen.69 So unverfänglich die Angelegenheit war, die Gefahr, dass ihm daraus Misskredit entstehen könnte, war ihm zu groß. Besonderen Verdächtigungen waren Stephans Männerabende ausgesetzt, bei denen einmal in der Woche geraucht und gespielt wurde. Die Bevölkerung sprach von der „Konferenz in ungarischen Angelegenheiten“, und in Wien hielt man die Anwesenheit von Magnaten aller Parteien für nicht ak65 66 67 68 69
HLA HStAD Best. G 1 Nr. 182/4 (13. November 1847). Anders (1868), S. 216. Anders. S. 187. Langsdorff (1848), Hongrie 22, S. 658 („sous le charme de l’espérance“). Anders (1868), S. 219. Zur Problematik im Grunde unerheblicher Nachrichten über die Dynastie vgl. auch Hamann (1987), S. 167–168.
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zeptabel. Stephans Ziel war es angeblich gewesen, die Familiarität mit den Magnaten zu fördern. Allerdings hatte sich das bald zu einer „unbequemen Familiarität“ gewandelt und für Gerede gesorgt.70 Auf einen Wink hin wurden diese Runden darum eingestellt. So zeigte sich schnell, dass mit einem ungezwungenen, leutseligen Betragen auf dem verminten Feld Ungarns nicht gefahrlos agiert werden konnte. Auch die prächtige Hofhaltung konnte Missstimmungen hervorrufen, obwohl Stephan genau das Gegenteil erwartet hatte – wenn es sich denn in seinen Darlegungen nicht um Ausreden gehandelt hat. Die Verdoppelung seiner Bezüge hatte er damit gerechtfertigt, dass der Ungar ein orientalisches Blut habe, Glanz und Pracht liebe und sich „somit leicht durch Feste, Bälle, Diners u.s.w. blenden“ und „bestechen“ lasse.71 Manipulative Absichten brachte er damit direkt zum Ausdruck. Stephan hatte gehofft, mit Hilfe äußerer Effekte Streitfragen zu schlichten und Parteien zu einen. Er selbst hatte dies „das neue System“ genannt.72 Doch darin hatte er sich verkalkuliert. „Glaubt der Palatin uns mit seinen lucullischen Diners zu gewinnen, da irrt er sehr!“,73 wurde unter der Hand geraunt, und der große Hofstaat mag solchen Argwohn noch gefördert haben. Obersthofmeister Stephans blieb der Graf Grünne,74 doch der erzherzogliche Haushalt überstieg an Umfang den Prager um einiges. Hatte derjenige des böhmischen Statthalters 1846 „nur“ 50 Personen – mit den unbesetzten Stellen – umfasst, so betrug die Personenzahl jetzt 128.75 Dieser Umfang war natürlich auch ein Symbol für die Größe der neuen Aufgabe als Palatin von Ungarn. 70 71 72 73 74
Anders (1868), S. 257; Neue Freie Presse Nr. 1442 (5. September 1868). Schlitter (1920), Ungarn, S. 113. Viszota, S. 676 (18. November 1847). Anders (1868), S. 218. Hof- und Staatshandbuch des österreichischen Kaiserthumes 1848, S. 173–174. Beigegeben wurden ihm Graf von Hoditz und Wolframitz sowie Adalbert Graf Zichy von Vasonkeö als Kammerherren. Die Palatinatskanzlei unter dem Direktor Joseph von Stoffer umfasste zwölf Personen, das Oberhofmeisteramt acht Personen, darunter wieder der in Ungarn als Sohn eines Deutschen geborene Georg Siemang junior als Kustos für Bibliothek und Mineraliensammlung. Die Güterdirektion bestand aus sechs Personen, die Kammer aus sieben Personen, darunter der Leibarzt Dr. Würtler und der Saalkammerdiener Cybulak, die später im Leben Stephans noch von Bedeutung sein sollten. Die Hofdienste unter dem Haushofmeister Siemang senior versahen drei Leibhusare, zwei Leibbüchsenspanner, neun Leiblakaien, ein Möbelaufseher, zwei Zimmerputzer, eine Leibwäscherin, ein Buchhändler, ein Uhrmacher, ein Tapezierer und ein Sattler. Im Kontroloramt waren sechs Personen tätig, in der Küche neun Bedienstete unter dem Mundkoch Claude Martin, der ebenfalls aus Prag mitgekommen war. Die Silberkammer versahen vier Personen, den Stall sechsunddreißig, und an Gartenpersonal konnte der Palatin auf sechzehn Personen zurückgreifen. 75 Hof- und Staatshandbuch des österreichischen Kaiserthumes 1846, S. 170–171; Hof- und Staatshandbuch des österreichischen Kaiserthumes 1848, S. 173–175.
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Auch der Teilabriss und der Umbau des königlichen Palastes auf der Burg in Ofen sollte Repräsentationszwecken dienen: Die donauseitige Fassade wurde neu gestaltet und das Hofstallgebäude errichtet, wenn auch nie vollendet.76 Hofkammerpräsident Carl Friedrich von Kübeck wertete dieses Verhalten als „schlagendes Bild“ der Verhältnisse in der Habsburgermonarchie: Palatin Joseph habe 51 Jahre in der Burg gelebt und sich dort trotz einiger „Gebrechen“ „behaglich“ gefühlt. Stephan hingegen habe nur die Fehler gesehen, abgerissen und aufgewühlt, so „daß das Gebäude zwar noch steht, aber, vor der Hand wenigstens, nur in einem geringen Theil bewohnbar ist“.77 Wenn man dies auf den Gesamtstaat übertragen möchte, wie Kübeck es nahelegte, dann hatte Stephans Verhalten als „Junger Wilder“ in jenen Tagen das Reich unbewohnbar gemacht. Die Zertrümmerung des Alten konnte einmal mehr als revolutionärer Akt beurteilt werden. Ganz abgesehen davon: In angespannten Zeiten reagierte die Öffentlichkeit besonders sensibel auf eine solche repräsentative Amtsführung und missbilligte sie als Verschwendungssucht. Stephans reges gesellschaftliches Leben, der Aufwand für die Kleidung, die Tafel und die Equipagen, die nach ihrem einnehmenden Äußeren ausgewählten männlichen Angestellten, die edlen Rosse und die aufwändigen Livreen und Uniformen führten zu einem gewissen Unmut.78 Im Winter war Spargel aus Frankreich aufgetischt worden, den Stephan selbst für seinen Tisch als zu teuer empfand. Einer der Herren des Hofstaates hingegen meinte, dass deshalb aber auch die ganze Stadt davon spreche, was den Palatin veranlasste, ihn weiter anzubieten. Dass das Gerede in der Bevölkerung eher dahin ging, er könne das Geld gewiss besser einsetzen, war ihm wohl nicht bewusst.79 Stephans Obersthofmeister Graf Grünne sah es hingegen als seine Aufgabe an, den Palatin als ersten Magnaten in Szene zu setzen und darauf zu achten, dass kein anderer Magnat ihn an Aufwand übertraf.80 Deshalb wurden auch geschmackvolle Möbel angeschafft, die allerdings wegen der Revolution 1848 nie den Weg auf die Burg in Ofen fanden und in der Wiener Hofburg zwischengelagert wurden, wo sie schließlich ab 1849 die von Kaiser Franz Joseph bewohnten Zimmer füllten.81
76 Magyar (2000), S. 48, beteiligt waren die Architekten Ladislaus Rupp und Mátyás Zitterbarth. 77 Walter 1,2, S. 185. 78 Anders (1868), S. 253–255; Kováts, S. 300. 79 Anders (1868), S. 253–256; Neue Freie Presse Nr. 1442 (5. September 1868). 80 Kováts, S. 300; Anders (1868), S. 253–256. 81 Klagenfurter Zeitung Nr. 154 (27. Dezember 1849), S. 684; Innsbrucker Zeitung Nr. 297 (28. Dezember 1849); Kletečka (2002), S. 590–591 (Nr. 145, 15. August 1849).
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So wie diese Repräsentationsmaßnahmen fast alle auf halbem Weg versackten, ging es auch mit den politischen Aktivitäten des neuen Palatins. Denn bald schlug über dem Dreißigjährigen die Verantwortung zusammen, der er in Böhmen nicht hatte standhalten müssen, und führte zu größeren Ernüchterungen in seinen anfangs etwas idealistisch-naiven Vorstellungen.82 Seine erste Amtshandlung beim Landtag, auf dem lautstark Forderungen vorgebracht wurden, brachte ihn physisch an seine Grenzen.83 Denn schon im Sommer hatten die Ungarn die Bauernbefreiung, die allgemeine Steuerpflicht und die Selbstständigkeit des Landes in einer oppositionellen Deklaration eingefordert. Im Landtag brach dieser Widerstand nun deutlich aus und richtete sich insbesondere gegen das von Wien eingesetzte Administratorensystem, das die traditionelle Verwaltung der Obergespane abgeschafft hatte.84 Die Regierung zog sich schließlich im Februar 1848 aus der Affäre, indem sie das Administratorensystem als ein temporäres bezeichnete.85 Es war aber nun für jeden erkennbar geworden, wie aggressiv die Haltung in Ungarn war und wie sehr es um grundsätzliche Fragen ging. Dass der Palatin zunächst eine Kommission einberief, konnte die Sachlage nicht beruhigen,86 auch wenn er selbst die Hoffnung nicht aufgab, zwischen den Fronten vermitteln zu können. Stephan hatte das schon früh geahnt, trotzdem aber etwas unterschätzt. Bereits im Vorfeld hatte er Erzherzog Franz Karl, mit dem und mit dessen Familie er (noch) in vertrautem Verhältnis stand, anvertraut, auf Stürme in den Landtagssitzungen gefasst zu sein und um die Gefahr falscher Entscheidungen zu wissen.87 Seine Forderungen gegenüber Metternich, bei Landtagssitzungen nur in besonderen Fällen anwesend sein zu müssen, mögen diesen Überlegungen geschuldet sein. So kam es dann auch, dass die Ungarn, nachdem sie sich unter Erzherzog Joseph zurückgehalten hatten, lautstarke Forderungen stellten. An vorderster Front stand der Abgeordnete des Pester Komitats, Lajos Kossuth, der in einer ersten Adresse mehr Selbstständigkeit Ungarns und einen jährlichen Landtag forderte sowie monierte, dass die Absichten der Regierung und der Nation nicht in Einklang miteinander stünden. Auch die Pressefreiheit wurde lautstark eingefordert. Erzherzog Stephan reiste noch Ende November 1847 nach Wien, um über die in Ungarn angenommene Adresse zu verhandeln. Dort war man mit sei82 83 84 85 86 87
Schlitter (1920), Ungarn, S. 55. Anders (1868), S. 223; Neue Freie Presse Nr. 1440 (3. September 1868). Niederhauser, S. 37–39. Knatchbull-Hugessen I, S. 351–352. Stroup, S. 57; Knatchbull-Hugessen I, S. 351–352. OeStA HHStA HA NL Erzherzog Franz Karl 1–17 (4. Dezember 1847).
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nem „tactvollen und festen Auftreten“ sehr zufrieden, da er „die Aufmerksamkeit möglichst von seiner Person auf diejenige des Monarchen und der Erzherzoge, seinen Vettern, hinzulenken“ suchte.88 Aus Wiener Sicht ließ sich der Amtsantritt Stephans also besser an als gedacht, weil er als Mitglied der Dynastie agierte und hinter diese zurücktrat. Aber bei der aufgeheizten Stimmung wurde es ihm sehr schwer, standzuhalten. Denn es blieb nicht bei den bisher vorgebrachten Forderungen. Eine Landeskasse sollte errichtet werden, und das Steuerwesen kam auf den Prüfstand. Im Dezember wurde ein Gesetzesentwurf zur Aufhebung der Urbarial-, Grund- und Robotleistungen angenommen sowie ein Gesetz zur ungarischen Sprache und Nationalität. Die Aufhebung der Robotleistungen hatte Stephan selbst in einem Brief begrüßt, der im November 1847 in der Zeitung veröffentlicht wurde und damit fast als reformerische Regierungserklärung verstanden werden muss. Jeder Ungar konnte daraus seine Schlüsse ziehen.89 Schließlich forderten die Ungarn vom Palatin, dass er in Wien über die Einverleibung von Kroatien, Slawonien und Dalmatien in das Königreich vermittle, wozu auch die Konservativen ihre Zustimmung gaben.90 Die ganze Kraft des national gesinnten ungarischen Widerstands gegen die Wiener Regierung brach sich nun Bahn und setzte in den jungen Palatin die Hoffnung, er werde die eigenen Forderungen ganz persönlich durchzusetzen wissen. Diesen irrationalen Erwartungen hätte niemand entsprechen können.91 Stephan konnte dem Sturm92 nichts entgegenstellen, zumal ihn eine neue gesundheitliche Krise befiel, indem er „als Bubi von 30 Jahren zum 88 HLA HStAD Best. G 1 Nr. 182/4 (24. November 1847). 89 Im November 1847 hatte er sich bei dem Rechtsgelehrten Ignaz von Zsoldos für ein Buch zur Robotablösung in ungarischer Sprache bedankt, und dieses Dankschreiben war in der Zeitung publiziert worden. Wer das Schreiben in die Zeitung gebracht hatte, ist unklar. Dass der Palatin in ungarischer Sprache schrieb, war Ausdruck seines nationalen Empfindens; Der Humorist Nr. 286 (30. November 1847), S. 1143. BLKÖ 60 (1891), S. 282–283: Zsoldos stand später, wenn auch vom Palatin gefördert, den ungarischen Revolutionären entgegen und nahm ab September 1848 Ämter der Wiener Regierung an. 90 Illustrirte Zeitung Nr. 233 (18. Dezember 1847), S. 386; Illustrirte Zeitung Nr. 235 (1. Januar 1848), S. 2; Deutsche Allgemeine Zeitung Nr. 363 (29. Dezember 1847), S. 3135; Deutsche Allgemeine Zeitung Nr. 22 (22. Januar 1848), S. 199; Häulser, S. 11. 91 Zu diesem Zeitpunkt erkannte auch Ernst II. von Sachsen-Coburg das Irrationale im Zusammenhang mit einer Loslösung vom Rest des Reiches und attestierte, dass es Stephan nicht gelingen konnte, die Gegensätze zu vereinen; Ernst von Sachsen-Coburg I, S. 147. Noch Evans (2006), S. 190, geht davon aus, dass Stephan der Einzige gewesen sein könnte, der die ungarische Verwaltung wieder zum Leben hätte erwecken können. 92 Das Bild auch bei Langsdorff für die Revolutionszeit: „il était resté au milieu de la tempête qui frappait sa famille et le pays“; Langsdorff (1848), Hongrie 24, S. 271.
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ersten Male“93 die Masern bekam. Mager, blass und grau sei er schon nach wenigen Wochen im Amt, schrieb Széchenyi zu dieser Zeit: „Macht mir die Impression von einem Staatsgefangenen! – Und doch ist er der Gott von Ungarn!“94 Die Überforderung war also bereits zu diesem Zeitpunkt erkennbar, eine Überforderung, die viele nicht sehen oder die sie sich dienstbar machen wollten. Zugleich war es eine Überforderung, die Stephan selbst durch markige Sprüche zu überdecken versuchte.95 In Wahrheit zeichneten sich hinter der Fassade schon die Krisensymptome ab. An Kolowrat, dem er weiterhin zutiefst vertraute und mit dem er zum Jahreswechsel 1847/48 fast täglich korrespondierte,96 schrieb er am 22. Dezember 1847, es werde ihm an manchem Abend bang um Oesterreich. „Und ich habe seit Jahren nicht so schwarzgesehen als jetzt! Ihr Matadore werdet älter, der Nachwuchs, mit dem nächsten siehts windig aus, der jüngere ist teilweise besser, aber er wird dem Pedantismus der Anciennität weichen müssen, und Oesterreich steht nicht mehr auf den Füßen, auf denen es vor zwanzig Jahren, nicht auf jenen, bei weitem nicht auf jenen, auf welchen es noch vor zehn Jahren gestanden.“97 Matadore waren sicherlich Kolowrat und Metternich, also die Gesichter des restaurativen Regimes im Vormärz. Die jüngeren Vertreter dürften Mitglieder von Stephans Generation gewesen sein – Erzherzog Albrecht womöglich und natürlich Stephan selbst. Als Zwischengeneration dürfte Stephan jene angesehen haben, die quasi schon hinter Metternich standen und darauf warteten, das Regiment zu übernehmen. Nirgends finde sich einer mit dem rechten Schwung („Animo“), und er nannte in diesem Zusammenhang Oberstburggraf und Erblandhofmeister in Böhmen Robert Ludwig Graf Salm, den Gouverneur der Lombardei Johann Baptist Graf Spaur98, den Administrator des Pressburger Komitats Moritz Graf Pálffy und den kaiserlichen Kommissär in Galizien Rudolf Graf Sta dion.99 „Bei mir in Ungarn ist der Erfolg sehr problematisch, ebenfalls un-
93 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 a (26. Dezember 1847); OeStA HLA HHStAW SB Coronini-Cronberg 4-7 (28. Dezember 1847); Viszota, S. 696 (24. Dezember 1847); BayHStA GHA Nachlass Erzherzogin Elisabeth von Österreich Nr. 31/1 (6. Januar 1847). 94 Viszota, S. 698 (26. Dezember 1847). 95 „Da können Sie sicher seyn, dass ich die Statthalterey machen werde, was sie war! etc.“; Viszota, S. 698 (26. Dezember 1847). 96 Schüler (2016), S. 110–111. 97 OeStA HHStA KA NL Franz A. Kolowrat (22. Dezember 1847). Im gleichen Jahr schrieb er nach dem Tod Erzherzog Karls an Georg von Hannover: „So geht einer nach dem andern aus der alten Zeit“; NLA Hannover Dep. 103 II Nr. 48/37 (27. Mai 1847). 98 Chvojka, S. 223; BLKÖ 36 (1878), S. 106. 99 OeStA HHStA KA NL Franz A. Kolowrat (22. Dezember 1847).
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gewiß. Werde ich ausreichen? Das frage ich mich 100 Mal des Tages.“100 Er fürchte sich vor der nahen Zukunft, gerade auch, weil er gewusst habe, dass er nicht Mut genug aufbringen werde, um „mit solchen praeponirend [dominierend] rohen Elementen zu kämpfen“. Er befürchte, Österreich könne untergehen. „Der alte Gott, der so oft über das Haus Oesterreich so wunderbar gewacht hat, wird jetzt wohl auch noch einmal helfen – aber pochen soll man darauf nicht!“101 Solche Worte veranschaulichen, wie sehr der junge Mann bereits jetzt an seine Grenzen gelangt war. Die Hybris und Eitelkeit der Zeit vor der Palatinswahl war rasch auf dem Boden der Tatsachen angekommen. Ein beachtlicher Teil dieser düsteren Einsichten mochte auch Wiener Vorstellungen entsprochen haben. Staatskanzler Metternich sah bereits im Dezember 1847 die Revolution voraus.102 Missernten, Teuerungen und Hungerkrawalle prägten das Jahr. Oppositionelle Bewegungen erhielten Aufwind,103 auch wenn diese noch nicht homogen waren. Als Anfang Dezember 1847 die Sitzung der ungarischen Stände in ungarischer Sprache – nicht in Latein – eröffnet wurde, regte sich die Begeisterung allenthalben. Aber man sah sich in Ungarn noch als Bollwerk gegen den Liberalismus und als getreue Kämpfer für den König.104 Wohin der Weg gehen würde, mag für Stephan nicht eindeutig gewesen sein, so dass er rückblickend auf das Jahr 1847 von vielen Widerwärtigkeiten sprach.105 Seine Überforderung ließ die unübersehbaren Schwierigkeiten aber noch größer werden. Stephans Angst war auch aus den lokalen und kaum einhegbaren Herausforderungen gespeist, denen er in Ungarn gegenüberstand. Denn jetzt war er den politischen Debatten im Landtag ausgesetzt, in denen er keinerlei Routine besaß.106 Noch zu Lebzeiten seines Vaters waren dort Reden geführt und Widerstände laut geworden, die andernorts kaum denkbar gewesen wären. Der Darmstädter Gesandte Biegeleben schrieb 1843 über das Land: „Ungarn ist ein Terrain, auf welchem auch die österreichische Regierung die bittern Früchte kostet, die auf dem Baume der freien Dis cussion wachsen, die ungarische Opposition gestaltet sich immer bedrohlicher; und im Ständesaale zu Preßburg fallen Aeußerungen, die an Heftigkeit die heftigsten Declamationen der Oppositions-Redner in andern Ländern 100 OeStA HHStA KA NL Franz A. Kolowrat (22. Dezember 1847). 101 Zitiert bei Wertheimer (1919), S. 2–3; auch bei Schüler (2016), S. 110. 102 Siemann (2016), S. 831–832. 103 Mommsen, S. 85–87. 104 HLA HHStAW Best. 130 II Nr. 3307 (5. Dezember 1847). 105 AVA FA Harrach Fam. In. Spec. 4.686.4 (5. Januar 1848). Bis Ende Dezember war die Deputation, die ihm zur Wahl als Palatin gratulieren sollte, nicht bei ihm eingetroffen; OeStA HLA HHStAW SB Coronini-Cronberg 4-7 (28. Dezember 1847). 106 Kováts, S. 279.
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überbieten.“107 In einem solchen aufgeheizten und aggressiven Klima würde es schwierig sein, seine Position nur über Popularität und demonstrierten guten Willen zu stützen. Das musste Stephan sehr rasch am eigenen Leibe spüren. Bereits direkt nach seiner Ernennung zum Pester Obergespan wurde ein Manifest der Konservativen Ungarns veröffentlicht, in dem von einer konstitutionellen Schlacht die Rede war, von „ewigem Tumult und Wirrwarr“ und davon, dass die Opposition „größtentheils durch Ueberraschung, Ueberfall und Schrecken“ vorgehe.108 Der Landtag, schrieb Stephan, spiele eine große Rolle und übe „einen Terrorismus“ aus, den er zu steuern habe, ohne dass er dabei mit einer großen Unterstützung rechnen dürfe. In der unteren Tafel (Deputiertentafel) war die Opposition mit sechs Stimmen in der Mehrzahl, in der oberen Tafel (Magnatentafel) standen die Konservativen mit hundert Stimmen gegen fünfzig.109 Auf wessen Seite der Palatin stand, blieb in der Schwebe, allerdings waren – trotz all seiner Angst vor dem „Terrorismus“ und der „ungezogenen und anmaßenden Jugend“110 – Reformfreude und Zukunftsgläubigkeit auszumachen. In den königlichen Propositionen glaubte er den Geist des Fortschritts zu erkennen. Die reformfreudige Intelligenz, so bekannte er, halte zu ihm, womit er ihr Königstreue unterstellte. Zu verhandeln war über die Aufhebung der Aviticität, damit adliges Gut veräußert und mit Hypotheken belastet werden konnte,111 die Städteordnung, die Stimmverteilung an städtische Deputierte, die Fronregulierung, die Hypothek- und Kreditanstalten, den Handel, die Straßen und Kanäle, die Flussregulierung, die Alimentierung des Militärs sowie die Besteuerung des Adels. Viele dieser Punkte waren dazu angetan, Ungarn in politischer und wirtschaftlicher Hinsicht näher an westliche Entwicklungen heranzuführen. Dabei war der Palatin bemüht, durch geschickte Kniffe die Opposition um Kossuth in den Griff zu bekommen. Als diese – in Verbindung mit den um ihre Steuerfreiheit fürchtenden und damit ein ganz anderes Ziel verfolgenden konservativen Adligen – die Landtagssitzungen beschlusslos auslaufen lassen wollte, bemühte sich Stephan, durch Konzessionen an die städtischen Vertreter die Opposition so weit auszuhöhlen, dass es einen regierungsfreundlichen Abschluss geben konnte. In Wien hielt man diese 107 HLA HStAD Best. G 1 Nr. 181/4 (22. November 1843). 108 Der Siebenbürger Bote Nr. 87 (4. November 1847), S. 357. 109 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 a (26. Dezember 1847). 110 OeStA HHStA KA NL Franz A. Kolowrat (31. Dezember 1847). 111 Vererbtes adliges Gut durfte bisher nicht entfremdet und nicht an nicht der „natio Hungarica“ zugehörende Personen übergehen werden, was Stephan ändern wollte; LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 a (9. Februar 1848); Schlitter (1920), Ungarn, S. 57; Péter, S. 251.
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Vorgehensweise angesichts der Mehrheitsverhältnisse für wenig erfolgversprechend.112 Auch der Palatin musste erkennen, dass kleine Gesten kaum helfen konnten. Es sei eine „Mordaufgabe“, bekannte der „Ungarliebling“113 Stephan, Radikale, Konservative, „Opponenten klügerer Gattung“ und Ultrakonservative unter einen Hut zu bekommen.114 Der Palatin müsse als Vermittler zwischen Krone und Nation agieren und die von Stephan schon zuvor geforderte Unparteilichkeit aufbringen. Die enorme Kraftanstrengung – und letztlich auch die damit verbundene Aussichtslosigkeit – dieses Unterfangens muss in Stephan bald den Pessimismus geweckt und schließlich gesteigert haben. Wenn sich Stephan aber gegenüber dem Weimarer Großherzog äußerte, hörte sich sein geplantes Vorgehen in Ungarn mittlerweile nach Diktatur, nicht jedoch liberal und konzessionsbereit an: Er werde die „Daumenschrauben“ anlegen, „daß sie mich wahrscheinlich bei nächster Gelegenheit auspfeifen und mit einer Katzenmusik regaliren [bewirten im Sinne von beschenken oder sich gütlich tun]“.115 Damit war die sehr verbreitete Aktion gemeint, unliebsamen Personen durch Lärm, Beschimpfungen und Beschädigung der Wohnhäuser deutlich das Missfallen auszudrücken. Dieser mehr oder minder rabiaten Meinungsäußerung schrieb Stephan aber wohl keine nachhaltigen Konsequenzen zu. Denn er war sich völlig sicher, dass ihm sein Verhalten trotz dieser unliebsamen Begleiterscheinungen Gehorsam einbringen werde. Er fuhr fort: „Ganz Europa arbeitet an einer Krisis – man muß sich hierüber keine Illusion machen – Krisen können zum Guten, können aber auch zum Tode führen.“116 Gegenüber Kolowrat bekannte er allerdings wiederum – ähnlich wie in dem Brief nach Weimar –, „daß wir im Kampfe mit einem Prinzipe liegen, das wir schwerlich in ganz Europa niederhalten können – und daß wir am Ende Pompiers in die andern Staaten schicken und nicht die Feuersbrunst bemerken, die in unserem eigenen Neste glimmt“.117 Der Feuerbrand schwelte ja nicht nur in Ungarn.118 So erkannte er in Italien „den Sitz des Übels im Radicalismus, im Communismus“. Damit waren ganz grundsätzlich die revolutionären Strömungen gemeint, die Stephan als Ge112 Schlitter (1920), Ungarn, S. 133–134. 113 Der Humorist Nr. 285 (29. November 1847), S. 1139. 114 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 a (9. Februar 1848). 115 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 a (26. Dezember 1847); zur Katzenmusik vgl. Siemann (1998), S. 309. 116 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 a (26. Dezember 1847). 117 OeStA HHStA KA NL Franz A. Kolowrat (31. Dezember 1847); auch: Wertheimer (1919), S. 3; Bibl, S. 93. 118 Hermann, S. 67.
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fahr erkannte. Im Gegensatz zu ungarischen revolutionären Strömungen plädierte er dafür, nationale Bestrebungen in Italien als „Geschwür ganz rein aus[zu]schneiden“.119 Die Reden deckten sich aber nicht mit Stephans Handeln. Sie waren gespeist aus Angst und Verzweiflung, grundsätzlich aber aus Überforderung. Je nach Lage und Korrespondenzpartner konnte die Gewichtung sehr unterschiedlich ausfallen. Standpunkte sind in Stephans Entscheidungen kaum zu erkennen, weil jede Entscheidung, die in dieser angespannten Lage getroffen werden musste, zur Katastrophe hätte führen können. Stephan hatte noch zu Beginn seiner Regentschaft geglaubt, Beschwerden schnell aus der Welt schaffen zu können, wenn er nur entsprechend auftrat.120 Doch der Versuch, in Ungarn eine Mittelpartei zwischen radikaler Opposition und den Konservativen zu bilden, war zum Scheitern verurteilt gewesen. Das musste ihn in Furcht versetzen und zu radikalen Gedankenspielen animieren. Weil sich die radikale Linke seiner durch öffentlich vorgebrachte Lobeshymnen und die Umdeutung des Begriffes „Mediator“ als Erfüllungsgehilfe eigener nationalistischer Interesse bemächtigt hatte,121 war er in der Öffentlichkeit ungewollt zur Partei geworden. Ende Februar 1848 hatte der Palatin an einem eher nebensächlichen Beispiel deutlich erfahren müssen, wo er mittlerweile stand. Für den 20. Februar 1848 hatte er einen großen Ball in Pressburg angeordnet und die Einladungen an sämtliche Landtagsmitglieder der Magnaten- und Ständetafel mit ihren Familien verschickt.122 Nicht eingeladen allerdings wurde Gräfin Auguste Batthyány-Strattmann, geborene Gräfin Keglevich von Buzin, weil sie sich 1847 von ihrem ersten Ehemann, dem Obertürhüter des Königreichs Ungarn und Mitglied der Magnatentafel, Anton Graf Szápáry, hatte scheiden lassen und zum reformierten Glauben übergetreten war. In dieser Konfession hatte sie auch im selben Jahr den Grafen Kasimir Batthyány geheiratet, der im April 1849 der erste Außenminister der ungarischen Revolutionsregierung Kossuth werden sollte.123 Batthyány selbst war im Gegensatz zu seiner Ehefrau zum Ball eingeladen worden. Sämtliche Verwandten des Grafen und der Gräfin, die protestantischen Mitglieder der Magnaten- und der Ständetafel sowie die gemäßigte Opposition beider Häuser, die insgesamt mehrere hundert Personen umfasste, sandten daraufhin ihre Einladungen zurück. Sie schickten den lutherischen Generalinspektor der 119 OeStA HHStA KA NL Franz A. Kolowrat (22. Dezember 1847). 120 Schlitter (1920), Ungarn, S. 62–64; La Presse (27. August 1861), S. 1–2. 121 Correspondence relative, S. 27 (14. Januar 1848), Rede Kossuths. 122 Deutsche Allgemeine Zeitung Nr. 58 (27. Februar 1848), S. 571. 123 Gothaisches Genealogisches Taschenbuch der Gräflichen Häuser 1911, S. 625.
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Kirchen und Schulen Augsburger Konfession, Karl Graf Zay von Csömör,124 zu Obersthofmeister Graf Grünne, um ihm erklären zu lassen, „daß sie unter den obwaltenden Umständen von der ihnen durch den Erzherzog-Palatin für heute zugedachten Ehre leider keinen Gebrauch machen könnten“.125 Stephan möge dies jedoch nicht als Gegnerschaft zu seiner Person werten, da man ihm in inniger Verehrung zugetan sei. Graf Grünne nahm die Absagen entgegen, die Lücke auf dem Ball war dann aber „sehr bemerkbar“ – und nicht nur auf dem Ball. Denn die in Leipzig erscheinende „Deutsche Allgemeine Zeitung“ schrieb darüber und brachte den Eklat an die Öffentlichkeit. Wohlweislich druckten österreichische Zeitungen darüber keine Meldung. Aber es handelte sich um einen berechneten Skandal. Allein die radikale Opposition hatte dreizehn Vertreter auf den Ball geschickt, um sich des Palatins zu versichern. Kossuth äußerte sich sogar erbost über all diejenigen, die nicht gekommen waren.126 Durch den Skandal sollte der düpierte Palatin ins radikal-oppositionelle Lager gezogen werden, so dass die gemäßigte Opposition nur wenige Tage später aufschrie, künftig von Kossuth regiert zu werden.127 Das belegt erneut, wie brandgefährlich die Situation in Ungarn war. Wohlmeinende Ausgleichsversuche konnten hier nichts mehr steuern. Vermutlich war der Ball auch der Grund, weshalb Andrian-Werburg in seinem Tagebuch festhielt, bereits zu diesem Zeitpunkt nehme Stephans Popularität in Ungarn ab,128 – und das in einer sich verschärfenden Situation. Denn eine Revolution war zu greifen. Hungerkrawalle hatte es wegen katastrophaler Missernten bereits im Jahr 1847 im Habsburgerreich gegeben. Die Nachricht von der Februarrevolution 1848 in Frankreich entfachte die Unruhen aber erst recht, die sich gegen das System Metternich richteten und allenthalben eine Verfassung forderten.129 Die Ungarn agierten hierbei an vorderster Front, obwohl führende Vertreter sowohl der Konservativen als auch der gemäßigten Opposition beim Ausbruch der Unruhen in Paris davon ausgegangen waren, dass die Bewegung die Ungarn wieder eng an die Seite ihres Königs treiben werde.130 Der ungarische Nationalball, der im Wiener Sophienbad-Saal am 5. März 1848 gefeiert wurde, sollte in Anbetracht der revolutionären Unruhen, die Anfang März auf die Donaumonarchie übergriffen, fast schon ein Abgesang 124 Gothaisches Genealogisches Taschenbuch der Gräflichen Häuser 1911, S. 1068. 125 Deutsche Allgemeine Zeitung Nr. 58 (27. Februar 1848), S. 571. 126 Viszota, S. 730 (21. Februar 1848) und S. 733 (25. Februar 1848). 127 Viszota, S. 736 (29. Februar 1848). 128 Adlgasser 2, S. 31 (21. Februar 1848). 129 Zöllner, S. 355–356. 130 Schlitter (1920), Ungarn, S. 66.
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auf die gerade erst begonnene Ära des Palatins Stephan werden. Zumindest aber handelte es sich um einen Tanz auf dem Vulkan, wie Stephan selbst erkennen musste, will man seiner Schwester Elisabeth Glauben schenken: In einem Gespräch mit ihrem Ehemann, Erzherzog Ferdinand, habe er die drohende Revolution in den düstersten Farben ausgemalt.131 Vielleicht sollte gerade deshalb das ungarische Nationalkolorit vor einer herausgehobenen Gesellschaft beschworen werden, um damit Ungarn als Teil der Habsburgermonarchie zu feiern. Es war Stephans vergeblicher Versuch, auf dem performativen Feld des Hofballs die antagonistischen Elemente, die seiner Meinung nach zur Revolution führen konnten, zu vereinen. Wenn dies überhaupt hätte gelingen können, so war es dafür aber schon zu spät.132 Denn Lajos Kossuth hatte zwei Tage zuvor in Pressburg, am 3. März 1848, in der „Eröffnungsrede der Revolution“133 eine selbstständige ungarische Finanzverwaltung gefordert, die Besteuerung des Adels, die Abschaffung der Urbariallasten, die Neuorganisierung der Armee, die Berücksichtigung ungarischer Nationalinteressen, Neuwahlen zum Landtag sowie eine grundlegende Revision der Beziehungen Ungarns zu den anderen Kronländern.134 Damit griff er ganz direkt das zentralistisch ausgerichtete 131 BayHStA GHA Nachlass Erzherzogin Elisabeth von Österreich Nr. 100, S. 434–435. 132 In der Presse konnte man lesen: „Es war ein Ball, wie an einem öffentlichen Orte noch keiner war, und vielleicht nie mehr sein wird, im strengsten Sinne des Wortes ein bal paré. Der Prunksaal mit den Nationalfarben, den Wappen sämmtlicher Komitate Ungarns, den lebensgroßen Bildnissen Sr. Majestät des Kaisers und Sr. kaiserl. Hoheit des Erzherzogs Stephan, und mit Blumen reich ausgeschmückt, erhob sich zu einen [!] imposanten, wahrhaft großartigen coup d’œil. Ein besonderes Lustre gab dem Saale die Gesellschaft selbst, welche aus der sublimsten Elite Wiens und dem hohen Adel bestand; wir haben noch nie auf einem öffentlichen Balle so viele Kavaliers und Damen gesehen, wie auf diesem. Besonders fein und geschmackvoll war die Kredenz dekorirt und arrangirt; ganz von der gewöhnlichen Art der Aufstellung mit den reichen Aufsätzen und Blumen abweichend, war sie auf eine so einfache und dennoch eclatant in die Augen springende Weise aus den herrlichsten und feinsten Honi-Gegenständen [= vaterländische Gegenstände] zusammengestellt. Die Damen erhielten als Souvenirs künstlich verfertige Camelien mit der Tanzordnung.“ Neben dem Orchester von Johann Strauß Vater bot „eine Original-National-Musikgesellschaft“ ungarische Nationaltänze dar, „welche diese eigenthümlichen Weisen mit echt nationaler Färbung spielte. Es war ein eigener Reiz, diese originellen, charakterlichen Tänze ausführen zu sehen; die herrlichen hohen ungarischen Männergestalten, die edlen Magyar-Frauen und Mädchen, schlank wie die Reben Pannoniens, mit geistigen Zügen und sinnig dunkelglühenden Augen, und ringsherum der dichtgeschaarte Kranz glänzender Toiletten und ritterlichen Kavaliere. Der glänzende Besuch kann am allerbesten daran erkannt werden, daß 1400 Wagen am Portale des Sophienbad-Saales vorfuhren.“ Der Humorist Nr. 57 (7. März 1848), S. 228. 133 Nach Macartney zit. bei Deák (1989), S. 68. Evans (2006), S. 173, wies darauf hin, dass es sich um den Kulminationspunkt einer seit zehn Jahren aktiven Kampagne gehandelt habe. 134 Deák (1989), S. 69. Am gleichen Tag gewährte die Deutsche Bundesversammlung die Pressefreiheit in ihrem Zuständigkeitsbereich; Siemann (1998), S. 304.
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Herrschaftsgefüge an, indem er eine „demokratische Monarchie“ mit verantwortlichen Ministerien forderte und konstitutionelle Vertretungen für alle Völker. Kossuth ging in seiner Argumentation über Ungarn hinaus und forderte Verfassungen für alle Erbländer des Habsburgerreiches.135 Zugleich erklärte er den jungen Erzherzog Franz (Joseph), der bei der Amtseinführung Stephans guten Eindruck gemacht hatte, zum ungarischen Thronerben und verpflichtete ihn auf die Freiheit Ungarns.136 Auch das war eine revolutionäre Forderung in dynastischem Gewand. Der Palatin selbst befand sich zusammen mit dem Schatzmeister und dem Judex Curiae sowie zahlreichen Magnaten zu diesem Zeitpunkt in Wien, so dass niemand die Magnatentafel überhaupt hätte einberufen können.137 So sehr die Teilnehmer an der Zirkularsitzung der Deputiertentafel die Rede also auch bejubelt hatten, ihre politische Weiterleitung oder gar Ausführung blieb in der Schwebe.138 Der Verdacht wurde laut, dass der Palatin durch seine Abwesenheit die Entscheidung verzögern, wenn nicht gar verhindern wolle.139 Dass auch andere Würdenträger, welche die Einberufung des Oberhauses hätten erzwingen können, wegen einer Besprechung mit dem Staatskanzler über die Lage in Ungarn nach Wien gereist waren, schürte den Verdacht zusätzlich.140 Die ungarischen Hauptwürdenträger, unter ihnen der einflussreiche Reformer István Széchenyi, erklärten Kossuth daher, dass seine Adresse nie den Weg zum Thron finden werde. Aber der Journalist Kossuth war nicht mehr zu halten, und der Umlauf von Flugschriften brachte seiner Rede die größte Verbreitung ein.141 Jetzt war der am 13. März zurückkehrende Palatin einer Krisensituation ausgesetzt, die dem jungen und in vielem unerfahrenen Politiker das Äußerste abverlangte. Er reagierte idealistisch bis kopflos und erklärte, sollte es zur Revolution kommen, ginge er selbst „unter das Volk und würde es gewiß beruhigen“.142 Ein enormes Vertrauen auf die Wirkung seiner Person stand dahinter, dem 135 „Es ist meine äußerst feste Überzeugung, dass die Zukunft unserer Dynastie mit einem warmherzigen Zusammenschluss der verschiedenen Völker des Reiches verbunden ist; diesen Zusammenschluss kann neben der Respektierung seiner Nationalitäten nur die Gefühle vereinigende Legierung einer Verfassungsmäßigkeit schaffen. Bürokratie und Bajonett sind elende Klammern“; zit. nach Hermann, S. 67. Vgl. auch HLA HStAD Best. G 1 Nr. 182/5 (5. März 1848); Mommsen, S. 120. 136 Gerö, S. 49. 137 Kiszling 1, S. 68. 138 Deák (1989), S. 68–69. 139 Apponyis Ziel, die Einberufung des Landtags zu verhindern, widersetzte sich Stephan; Friedjung 1, S. 38. 140 Stroup, S. 70. 141 Deák (1989), S. 69. 142 Zit. nach Schlitter (1920), Ungarn, S. 77.
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etwas Theatralisches zukam, vielleicht auch, weil sich hier seine literarische Schulung niederschlug.143 Stephan setzte weiterhin ganz bewusst und einzig auf die Wirkung, die von ihm ausging, und damit auf seine Popularität bei den revolutionären Kräften. Von den zuvor verbal erwogenen Gewaltmaßnahmen war im Angesicht der Gefahr nichts mehr zu lesen. 5.2 Galionsfigur der Revolution In Deutschland spuke es überall, schrieb Erzherzog Stephan am 10. März 1848 aus Wien an seinen Freund Carl Alexander von Sachsen-Weimar, nachdem er am Tag zuvor in Pressburg noch stürmisch gefeiert worden war und nachdem die radikale Opposition in Ungarn bereits deutliche Worte in Richtung einer Revolution gefunden hatte.144 Diese Partei gewann rasch Oberwasser. Kossuth wollte die ungarische Magnatentafel bei der Durchführung seiner Forderungen umgehen, die Auswirkungen auf die gesamte Monarchie haben mussten. Stephan aber, der zum Präses über die ungarische Steuerkommission gewählt worden war,145 propagierte einen ausgleichenden Kurs. Von der Wiener Regierung forderte er – im Widerspruch zu seinen zurückliegenden Radikalforderungen – nun doch ein nachgiebiges Verhalten, weil er glaubte, dass die revolutionäre Atmosphäre dadurch gemildert werde und der Dynastie damit gut gedient sei.146 Der Radikaldemokrat Wilhelm Rüstow erkannte in seiner „Geschichte des ungarischen Insurrectionskrieges“ von 1860 in Stephans Einschätzungen ein „Lügengebäude“. Der Erzherzog habe sein Misstrauen gegen die revolutionären Kräfte unterdrückt und sich in einen „Glauben hineinräsonniren“ lassen, der ihm völlig fremd war. Die Liberalen, die Stephan auf ihrer Seite wähnten, hätten wiederum seine Popularität gefördert, weil sie darin einen Vorteil für sich selbst gesehen hätten. Diese falschen Prämissen auf beiden Seiten konnten, so Rüstow, nicht standhalten, wenn es zur Krise kam, denn diese forderte eine Entscheidung.147 Drei Tage nach dem Brief an Carl Alexander schrieb Erzherzog Ludwig aus Wien an Stephan in Pressburg, in der kaiserlichen Residenzstadt habe die Revolution gesiegt. Er beauftragte seinen Neffen, in Ungarn die Ruhe aufrechtzuerhalten, damit der Hof gegebenenfalls dorthin fliehen kön143 Langner, S. 278, spricht in diesem Zusammenhang von einem literarischen Charakter. 144 Correspondence relative, S. 48; Krones, S. 675–676. 145 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 a (10. März 1848). 146 Andics (1970), S. 55. 147 Rüstow, S. 50–51.
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ne.148 Metternich musste fluchtartig ins Exil nach England ausweichen;149 entlassen wurden auch der Polizeiminister Sedlnitzky und der ungarische Kanzler Apponyi,150 was wiederum den Kreis um Erzherzogin Sophie, die sogenannte Kamarilla,151 Hoffnung schöpfen ließ. Dort hatte man mit dem Staatsminister auf Kriegsfuß gestanden und erhoffte sich viel für den jungen Erzherzog Franz als potentiellen Nachfolger Kaiser Ferdinands.152 Stephan, der kleinmütig und niedergeschlagen wirkte, blieb in diesen Tagen in Ungarn und berief für den 14. März die Magnatentafel nach Pressburg ein. Széchenyi hatte er in einer Unterredung unter vier Augen gefragt, ob man nicht die beiden zentralen Persönlichkeiten unter den Oppositionellen, Kossuth und Batthyány, bitten solle, den Frieden zu wahren.153 Diese Herangehensweise kann nicht anders als treuherzig bezeichnet werden. Vor dem Landtag erklärte Stephan schließlich, mit den Ständen Hand in Hand gehen zu wollen.154 Tatsächlich nahm er auf der Sitzung der Magnatentafel Kossuths Adresse zur Abschaffung der Urbariallasten, zur Pressefreiheit und zu einer nationalen Wehrverfassung155 an und erklärte sich bereit, dass eine aus Mitgliedern beider Tafeln zusammengesetzte Delegation das entsprechende Schriftstück nach Wien zum König bringen solle.156 Damit hatte er mit der Wiener Vorgabe gebrochen, den Landtag aufzulösen, falls sich dort „subversive Tendenzen“ zeigen sollten. Vielmehr hatte er sich sogar vor dem Oberhaus verpflichtet, den Konstitutionalismus in Ungarn zu fördern.157 Für die Ungarn und die Wiener Regierung musste das ein Zeichen dafür sein, dass er in das radikalliberale Lager übergetreten war. Die „Deutsche Allgemeine Zeitung“ verglich die Ekstase, die seine Rede vor der Magnatentafel am 15. März 148 Kováts, S. 284–286. 149 Die Karikatur im Deutschen Historischen Museum Berlin (DHM) Do 65/1031, die entsprechend den Angaben des Museums auf Erzherzog Stephan gemünzt ist, dürfte auf Metternich zugeschnitten sein. Der Staatskanzler steht sinnierend an einem Wegweiser vor der Silhouette Wiens mit Pfeilen nach Deutschland, Frankreich, England, Böhmen, Ungarn und Italien. Die Bildunterschrift lautet: „Wenn eener weeß, wie eenen is, der gar nich weeß wohin.“ Bestätigende Einschätzung von Thomas Jander, DHM, vom 7. Juli 2020. Die Zuschreibung erfolgte ohne nachvollziehbaren Grund bei der Übernahme des Blattes in das Museum. 150 Deák (1989), S. 69. 151 Obermann, S. 51. 152 Siemann (2016), S. 853. 153 Spira, S. 42–43. Dass er der Erste gewesen sei, der nach Metternichs Rücktritt zu handeln begann, überschätzt Stephans Handlungswillen; Evans (2018), S. 275. Zum Kleinmut auch Helfert 1 (1907), S. 83. 154 Deák (1989), S. 70; Kováts, S. 285; Stroup, S. 80–85. 155 Niederhauser, S. 44; Krones, S. 676. 156 Deák (1989), S. 70. 157 Schlitter (1920), Ungarn, S. 77; Stroup, S. 86.
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1848 ausgelöst habe, mit dem legendenhaften Auftritt Maria Theresias mit ihrem kleinen Sohn Joseph 1741, durch den sie die Ungarn für sich gewonnen habe.158 Das bewusste Angliedern an dynastische Legenden in Ungarn und deren Propagierung sollte die Popularität steigern. Aber die Meldung offenbarte bereits ein Dilemma: Hier wurde der sich auf revolutionärer Seite befindende Erzherzog durch eine dynastische Legende direkt an das Haus Habsburg gebunden, was mit der tatsächlichen Situation im März 1848 nicht in Einklang zu bringen war. Tatsächlich stand er zwischen den Lagern, und Stephan selbst mag diese Lage zu jener Zeit auch völlig falsch eingeschätzt haben. Er ging wohl davon aus, durch ein ausgleichendes Vorgehen beschwichtigen zu können; sowohl die Konservativen als auch die Gruppe um Kossuth hoffte er zu diesem Zeitpunkt durch gehörige Umsicht auf gemäßigte Bahnen zu führen.159 Doch damit war nicht mehr zu rechnen. Am 15. März gingen von den 150.000 Einwohnern der Doppelstadt Ofen und Pest 20.000 Demonstranten auf die Straße. Die Mitglieder der Statthalterei befiel die Panik, und sie willigten „nach einer Beratung von fünf Minuten“ in alle Forderungen ein.160 An diesem Tag also machten sich Erzherzog Stephan und – wenige Stunden später – eine umfangreiche ungarische Delegation auf den Weg nach Wien, wo der Erzherzog von der Menge stürmisch gefeiert wurde.161 Er, der befürchtete, in Wien erschlagen zu werden,162 galt dem liberalen Eduard Bauernfeld als „Rettungs-Engel“, als Mann „mit dem sich ein Wort reden lässt“, obwohl den Schriftsteller mit dem Erzherzog bisher nichts verbunden hatte.163 „Rettungsengel“ war bereits 1847 der Terminus gewesen, mit dem ein anonymer, angeblich in Norddeutschland lebender Ungar Stephan mit Vorschusslorbeeren bedacht hatte, als er in seiner Schrift dafür plädiert hatte, ihn zum Palatin zu wählen.164 Stephan 158 Deutsche Allgemeine Zeitung Nr. 80 (20. März 1848), S. 895: „Seit der weltbekannten Scene unter Maria Theresia hat in dem Landhause keine solche Ekstase geherrscht, als der Erzherzog Palatin in herzergreifender Rede die Magnatentafel ersuchte, sich der Ständetafel anzuschließen, mit ihr Hand in Hand zu gehen und die Adresse der letzteren Tafel an den König nicht nur vollständig anzunehmen, sondern selbst auch zu erweitern.“ Die Geschichte um Maria Theresia ist mittlerweile als Legende entlarvt; Stollberg-Rilinger (2017), S. 92–94. 159 Schlitter (1920), Ungarn, S. 132–133; Friedjung 1, S. 41. 160 Deák (1989), S. 72; Majoros, S. 406. 161 HLA HStAD Best. G 1 Nr. 182/5 (14. März 1848); Kováts, S. 286; ÖNB F 015122-B ALT FLUG: Empfang Stephans auf dem Graben in Wien durch die Menge; Adlgasser 2, S. 50–51 (16. März 1848); Stroup, S. 89–91. 162 Anders (1868), S. 239. 163 Bauernfeld, S. 255. Stephan kommt in Bauernfelds Tagebüchern nicht vor; vgl. Glossy, passim. Möglich ist natürlich, dass dies in seinem verloren gegangenen politischen Tagebuch der Fall war; Glossy I, S. 143. 164 Ungarn und das Palatinat (1847), S. 38. Bereits 1843 war Stephan im Zusammenhang mit
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Abb. 24: Empfang von Erzherzog Stephan in Wien am 15. März 1848, Johann Höfelich & Comp., Wien (ÖNB Bildarchiv und Grafiksammlung Pk 3001, 36)
entsprach diesen in der sich immer mehr ausdehnenden Öffentlichkeit165 geschürten und potenzierten Erwartungen, indem er Bauernfeld in einem kurzen Gespräch – quasi zwischen Tür und Angel – ermunterte, seine Wünsche bezüglich einer österreichischen Verfassung schriftlich auszuformulieren. Mit anderen Erzherzögen zusammen soll er dem Staatskanzler bereits Tage zuvor empfohlen haben, einer Adresse Bauernfelds und des liberalen Rechtsanwalts Alexander Bach mit der Bitte um freiwillige Zugeständnisse zuzustimmen. Um Ruhe und Ordnung zu wahren und Massenagitationen zu verhindern, sollte die Nachgiebigkeit hilfreich sein – eine Sichtweise, die bei der Regierung aber nicht auf Wohlwollen gestoßen war.166 dem Hochwasser in Pest als „Rettungsengel“ bezeichnet worden; Leitmeritzer Allgemeiner Schreib-[…]Kalender, S. 62 165 Die Qualität der Publikationen änderte sich zu diesem Zeitpunkt deutlich, indem nicht nur klassische Zeitungen in kurzen Artikeln berichteten, sondern Flugschriften hinzukamen, ausführliche Bericht über Parlamentsdebatten und sogar Monographien. Dieser Umstand stellt die folgenden Darlegungen auch auf eine breitere Basis als die bisherigen. 166 Dippelreiter, S. 24–25. Bei dem Gespräch mit Bauernfeld war auch Anastasius Grün zugegen; Scharnitzer, S. 262. Dazu auch Helfert 1 (1907), S. 275.
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Allein diese Haltung ließ in der Öffentlichkeit das Bild entstehen, es sei seinem Erscheinen in Wien und „seinen dringlichen Vorstellungen“ zuzurechnen, dass Kaiser Ferdinand schließlich am 15. März das Verfassungsversprechen gab.167 So war es in einem Extrablatt zu lesen – einer Medienform, die zusammen mit den Flugblättern die Kommunikationsrevolution im März 1848 maßgeblich mitbestimmte. Stephans Image, das bereits in der Zeit davor seine Prägung erfahren hatte, verfestigte sich nun durch die tagesaktuelle Verbreitung in einem sehr weiten Personenkreis.168 Ein revolutionäres Pamphlet des Gardisten bei der revolutionären akademischen Legion, Johann Maria, verklärte Stephan sogar zum „Retter Oesterreichs“. Er habe dem Kaiser gemeldet, Ungarn liege „in den letzten Zügen“ und er selbst werde innerhalb der nächsten drei Stunden zum König ausgerufen, wenn der Kaiser nicht in die ungarischen Forderungen einwillige. Damit habe er Ferdinand so sehr unter Druck gesetzt, dass dieser das Verfassungsversprechen gegeben habe.169 Die ungarischen Revolutionäre und der Palatin machten sich die Medienrevolution also durchaus zunutze. Das aber barg auch Gefahren und schuf zumindest einen immensen Druck. Denn die Sympathie äußerte sich übersteigert. Stephan und Erzherzog Johann wurden in Wien die Pferde ausgespannt, damit die Menge die Wagen selbst ziehen konnte.170 Der konstitutionell orientierte Revolutionär Anton Ritter von Schmerling bemerkte süffisant und despektierlich, dass es sich hierbei um eine Ehre handle, die man sonst nur Tänzerinnen zuteilwerden lasse.171 Wieder einmal hatte die Öffentlichkeit Stephan zum Hoffnungsträger stilisiert, und die positiven Entwicklungen schienen ihm recht zu geben.172 Erzherzog Ludwig jedoch war äußerst argwöhnisch und machte Stephan Vorwürfe, weil er zu einem Zeitpunkt, da der Hof vor der Revolution nach Pressburg habe aufbrechen wollen, Zugeständnisse gemacht hatte. Stephan hingegen sah Ungarn für die Gesamtmonarchie verloren, wenn Wien nicht 167 Extra-Blatt zu Nr. 67 der Zeitung für das Großherzogtum Posen (20. März 1848), o. S. 168 Wunderer spricht von „Fundamentalpolitisierung“; Wunderer, S. 101. 169 Maria, S. 10. 170 Wiener Zeitung Nr. 77 (17. März 1848), S. 347; Der Ungar Nr. 65 (18. März 1848), S. 315. Ein Bericht darüber auch in Foglio di Verona Nr. 34 (20. März 1848), S. 134, sowie in der Königlichen privilegirten Berlinischen Zeitung Nr. 66 (18. März 1848) und Nr. 68 (21. März 1848), o. S. 171 Höbelt, S. 62; Valentin 1, S. 48. Mit den Tänzerinnen dürften Fanny Elßler und Maria Taglioni gemeint sein; Der Humorist 24 (27. Januar 1844), S. 96; Der Adler Nr. 273 (20. November 1843), S. 1120; Der Ungar Nr. 151 (8. Juni 1844), S. 517–518. 172 HLA HStAD Best. G 1 Nr. 182/5 (15. März 1848). Zum Enthusiasmus in Wien und zu den Stephan gewidmeten Huldigungsschriften vgl. Helfert (1882), S. 48 sowie XLI–XLII. Die Widmung einer Huldigungsschrift des Publizisten Joseph Schulz nahm Stephan allerdings „unbegreiflicher Weise“ nicht an; ebd. S. 48.
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auf die Forderungen eingehe. Zu diesem Zeitpunkt, so glaubte er, könne eine solche Haltung noch als freiwillig, nicht erzwungen angesehen werden.173 Gegenüber dem monarchisch und gesamtstaatlich gesinnten ungarischen Politiker Anton Graf Cziráky von Czirák und Denesfalva soll der Palatin allerdings geäußert haben, insgeheim auf Russland zu setzen. Die Angst davor, von Russland annektiert zu werden, werde die Ungarn letztlich dazu veranlassen, im habsburgischen Gesamtstaatsverband zu bleiben.174 Doch Stephan war nicht der einzige Ungar, dem in Wien große Sympathie entgegenschlug. Kossuth wurde bereits bei seiner Ankunft in Wien als Held gefeiert. „Schluchzende Frauen rannten zu Kossuth, um den Saum seines Mantels zu berühren, und Bürger zogen seine Kutsche, immer wieder stehenbleibend, damit Kossuth eine Rede halten konnte.“175 Der Mann, der versprochen hatte, den angeblich jahrhundertealten Absolutismus einäschern zu wollen, war zu einer kultisch verehrten Person geworden, stärker noch als der Erzherzog.176 Eine in höchstem Maße charismatisch geprägte Riege der Vertreter Ungarns war also in Wien erschienen, die sich von der in die Jahre gekommenen Regierung abhob und ihr Charisma ganz bewusst bei den revolutionären Massen einsetzte. Gegen die Regierung und die Kamarilla wollten sie vorgehen und proklamierten eine Verbrüderung der Wiener mit den ungarischen Revolutionären.177 Paradoxerweise setzten aber auch konservative Kreise auf Kossuth, weil sie hofften, er könne mit seinem Auftritt in Wien die Revolution besänftigen.178 In der Nacht nach der Ankunft formulierte Kossuth seine Forderungen aus. Sie waren weitreichend – unterschrieb Kaiser Ferdinand sie, musste das die alte feudalständische Verfassung Ungarns aufbrechen.179 Der liberale Magnat Lajos Batthyány, der noch beim Amtsantritt Stephans als Palatin seine Aufwartung verweigert hatte, weil er niemandem in der Welt seine Aufwartung mache,180 solle Ministerpräsident werden, Stephan bevollmäch173 Kováts, S. 287. 174 Anders (1868), S. 240; Kováts, S. 287. Zu Cziráky BLKÖ 3 (1858), S. 111. 175 Deák (1989), S. 73; auch Viszota, S. 747 (15. März 1848). Den Kossuth entgegengebrachten Enthusiasmus kommentierte Stephan drei Jahre später bei der Lektüre der Memoiren der Baronin Wilhelmine von Beck: Frauen würden ohnehin schwärmen, „eine exaltierte Verehrerin Kossuths!!!“ aber ganz besonders; NLA Oldenburg Dep. 50 Best. 6 F Nr. 134 (8. April 1851). Interessant ist, dass Stephan die von der Anhängerin Kossuths Baronin von Beck (Wilhelmina Racidula) vorgebrachten Anschuldigungen gegen sich selbst nicht kommentierte. Zur Baronin von Beck vgl. BLKÖ 1 (1856), S. 214; Shaw, S. 93. 176 Deák (1989), S. 74. 177 British envoys III, S. 404 (10. April 1848). 178 HLA HStAD Best. G 1 Nr. 182/5 (14. März 1848). 179 Mommsen, S. 126. 180 Anders (1868), S. 187.
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tigter Statthalter, und jedes Gesetz, das vom Parlament unter der Leitung des Palatins verabschiedet werde, sei damit automatisch genehmigt.181 Aber all das kam noch kaiser- bzw. königstreu und loyal daher, als sei es die zentrale Absicht Ungarns, die Dynastie zu stützen. Über Stephan ließ Kossuth den Kaiser bitten, am nächsten Tag in einem offenen Wagen durch die Stadt zu fahren. Er bürge mit seinem Kopf dafür, dass er „mit Aeusserungen der Freude und Begeisterung empfangen“ werde.182 Und so geschah es unter Mitwirkung Stephans, der mit dem Kaiser im Wagen fuhr und dem in der Presse selbst wiederum ein großes Echo zuteilwurde. Die Zeitung „Der Ungar“ schrieb: „Es war ein Triumph, den die Eroberung einer Welt nicht aufwiegt. An der Seite Sr. Majestät saß der geliebte Prinz, der für Freiheit und Völkerbeglückung beseelte Erzherzog Stephan. Der Wagen Sr. Majestät war mit weißen Fahnen und Blumen geschmückt und umgeben von der mächtigsten und glänzendsten Leibwache, die Fürsten haben können, von der Liebe seines Volkes!“183 Dieses offiziell verbreitete Bild musste für Stephans Handeln in den nächsten Monaten nach allen Seiten stets eine Hypothek bilden, selbst dort wo sich Dinge nicht in der Öffentlichkeit abspielten. Der Antagonismus zwischen charismatischen Persönlichkeiten und einer als vertrocknet verschrienen Bürokratie sollte am nächsten Tag seine Konsequenzen zeitigen. Stephan verhielt sich nicht immer so eindeutig, dass man hätte wissen können, wo er genau stand. Gegenüber Batthyány und Széchenyi, die ihn nach ihrer Ankunft in Wien unterrichteten, hatte er nach einem kurzen Zögern sogar erklärt, sein Amt in die Waagschale werfen zu wollen, nur um eine positive Antwort des Königs auf die ungarischen Forderungen zu erwirken.184 Solche heroischen Worte gingen jedoch mit einem ängstlichen Verhalten einher, wenn tatsächlich ein Standpunkt verlangt wurde. Die Forderung der ungarischen Deputierten, vom König die Ernennung zum Alter Ego zu erwirken, jagte ihm einen sichtlichen Schrecken ein und ließ ihn diese an Kolowrat und Erzherzog Ludwig verweisen.185 Die Delegierten gingen am 16. März morgens früh offiziell zum König, um im Sinne der Ungarn auf ihn einzuwirken, wobei sie allerdings verschwiegen, dass es unter ihnen Ambitionen gab, Stephan zum König zu wählen. Als Antwort auf ihre Reden stammelte Ferdinand ein paar Dankesworte. So zumindest schilderte es Jahre später Kossuth und hielt fest: „Nachdem die 181 Deák (1989), S. 73. 182 Kossuth, S. 208. 183 Der Ungar Nr. 67 (20. März 1848), S. 534. 184 Spira, S. 26–27. 185 Viszota, S. 748 (15. März 1848); Stroup, S. 118–119.
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amtliche Prozedur zu Ende war, wandte sich Kaiser und König Ferdinand V. mit gefalteten Händen bittend an Erzherzog Stephan und bat ihn mit kindlicher Einfalt, daß er, einmal zum Statthalter geworden, auch Statthalter bleiben und ihm den Thron nicht wegnehmen soll (I’ pitt’ di’, nim mir meinen Thron nit!).“186 Ferdinand habe also erkannt, welcher Konkurrent ihm in Stephan erwachsen war. Laut Széchenyis Tagebuch hingegen hatte es einen offiziellen Empfang am Nachmittag gegeben, während Stephan später einzeln empfangen worden sei.187 In der Unterredung innerhalb der Staatskonferenz am Nachmittag des 16. März musste die Entscheidung fallen. Die angespannte Situation und die fehlenden militärischen Mittel, so Stephan, ließen die Zustimmung zu allen Forderungen geboten sein.188 Doch in der Staatskonferenz lehnten die Erzherzöge Ludwig und Franz Karl den Text zunächst ab. Stephan, den man diesbezüglich vorgeladen hatte, blieb hart und erklärte – wie ja zuvor den Delegierten angekündigt – eher sein Amt als Palatin niederzulegen als wortbrüchig zu werden.189 „Ich gestehe, daß ich vielleicht einen Fehler beging, weshalb ich Sie, lieber Onkel, und Seine Majestät um Verzeihung bitte, aber ich kann nicht anders und muß jetzt zu meinem Wort stehen, ansonst bin ich bereit, meine Stellung Seiner Majestät zur Verfügung zu stellen.“190 War das als Eingeständnis zu werten, nicht weitblickend gehandelt zu haben, oder war es Taktik? Erzherzog Ludwig, den Stephan nur noch im Amt sah, weil der Kaiser ihm sein volles Vertrauen schenke,191 forderte dieses Verhalten dazu heraus, seinen Neffen anzuschreien, er sei schuld daran, wenn das Haus Habsburg Ungarn verliere. Den Mitgliedern der Staatskonferenz machte die Rücktrittsdrohung zumindest gehörig Angst, weil zu befürchten stand, dass der Aufruhr dann erst recht eskalieren könnte. Angesichts des Drucks der Öffentlichkeit war an eine Amtsenthebung Stephans nicht zu denken, ohne in Wien politischen Selbstmord zu begehen.192 Dem Gesuch der Ungarn wurde deshalb zwar vorderhand entsprochen, aber mit sehr deutlichen Einschränkungen: Stephan erhielt die königliche Vollmacht nur beschränkt auf seine Person. Sollte also ein anderer Amtsträger zum Palatin gewählt werden, würden diese Rechte erlöschen. Auch 186 Kossuth, S. 208; Déak S. 75; Rumpler (1997), S. 298. 187 Viszota, S. 747–749 (15. und 16. März 1848). 188 Stroup, S. 120. 189 Kováts, S. 291. 190 Zit. bei Friedjung 1 nach den Denkwürdigkeiten Szögyenys, S. 41; Stroup, S. 121. 191 Hammer-Purgstall, S. 403 (16. März 1848). 192 Stroup, S. 130–131; Knatchbull-Hugessen II, S. 16: Stephan sei mit seinen bescheidenen Mitteln geradlinig vorgegangen; Kiszling 1, S. 70: Der Hof habe schließlich beigegeben, weil sonst zu befürchten gewesen sei, dass Stephan zum König gewählt werde.
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wurde Batthyány nicht mit der Zusammenstellung eines unabhängigen und verantwortlichen Ministeriums betraut. Vielmehr sollte Stephan dem König geeignete Personen für ein solches Ministerium vorschlagen, worauf dieser dann tätig werden musste. Und über allem stand nach wie vor die Pragmatische Sanktion von 1713, die den Gesamtverband der Monarchie grundsätzlich garantieren sollte und 1723 vom ungarischen Landtag auch für Ungarn anerkannt worden war.193 Denn in ihr hatte Kaiser Karl VI. nicht nur die weibliche Erbfolge ermöglicht, sondern die Einheit des habsburgischen Gesamtstaates festgesetzt, eine „Realunion“ mit „Tendenz zur Reichsbildung“.194 In der Nacht konnte Stephan Batthyány, Kossuth und Széchenyi über das Ergebnis der Verhandlungen in Kenntnis setzen: Die Staatskonferenz habe den Forderungen der Delegation zugestimmt – wenn auch nicht ganz wie gewünscht.195 Durch diese verdeckte Ablehnung fühlten sich der Palatin und die Delegation betrogen, weshalb man unter den Ungarn zu dem Schluss kam, Stephan müsse Batthyány direkt zum Ministerpräsidenten ernennen – immerhin hatte Kossuth ihn bereits vor dem Aufbruch nach Wien von einem Balkon in Pressburg zum Ministerpräsidenten ausgerufen. Der Handlungsdruck war daher groß. Stephan ließ sich in Umgehung der Staatskonferenz – und damit in einem quasi revolutionären Akt196 – eine Audienz bei König Ferdinand gewähren, in der dieser der Ernennung Batthyánys zustimmte.197 Sie erfolgte am 17. März 1848, an welchem Tag ein Reskript des Königs den Palatin auch beauftragte, in seiner Abwesenheit „unter Aufrechterhaltung der Einheit der Krone und des Verbandes mit der Monarchie“ zu regieren.198 Am 18. März wurde diese Entscheidung durch ein königliches Handbillett bestätigt, nachdem die ungarische Delegation Wien bereits verlassen hatte.199 193 Friedjung 1, S. 41; Déak, S. 19; Péter, S. 249 und S. 259–260. 194 Hantsch, S. 109. 195 Spira, S. 28–29; Viszota, S. 748 (16. März 1848). 196 Rapport, S. 81. 197 Árpád (1921), S. 606–607 (18. März 1848). 198 Zit. bei Péter, S. 286; Árpád (1921), S. 609; Gergely (2011), S. 114; Deák (1989), S. 75; Stroup, S. 132–133; Knatchbull-Hugessen II, S. 16, dort auch: Stephan sei Vizekönig geworden, S. 21. Auch in diesem Fall wurden dramatische Geschichten kolportiert. Der hessen-darmstädtische Gesandte berichtete über die Gerüchte, dass einhundert Juraten – eine „lärmende Landtagsjugend“ – aus Pressburg in Wien angekommen seien und wütend auf das Gerücht reagiert hätten, den Wünschen der Ungarn sei nicht entsprochen worden. Stephan selbst habe mit seinem Rücktritt gedroht. Allerdings dementierte er diese Schilderung sogleich wieder: Vielmehr sei die Delegation vom Kaiser aufgefordert worden, ihre Wünsche zu formulieren: HLA HStAD Best. G 1 Nr. 182/5 (17. März 1848). 199 HLA HStAD Best. G 1 Nr. 182/5 (18. März 1848); Kováts, S. 292.
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Damit war durch Stephan womöglich ein Volksaufstand in Ungarn verhindert worden. Allerdings hatte er sich durch sein Verhalten vermeintlich klar auf die Seite der ungarischen Aufständischen gestellt und die Wiener Regierung düpiert. Seine selbst formulierte Prämisse der Überparteilichkeit hatte er aufgegeben, so dass er zum Vertreter einer Bewegung wurde, die einen unabhängigen ungarischen Staat etablieren wollte, der nur noch durch die Person des Herrschers mit dem Gesamtstaat verbunden war.200 Obwohl der Regierung noch die rechtlichen Grundlagen fehlten, begann sie mit der Gesetzgebungsarbeit hin zur Umwandlung des Landes in einen konstitutionellen Staat westlicher Prägung.201 Die Wiener Staatskonferenz hatte bereits am 18. März erklärt, der Palatin habe seine Befugnisse überschritten. Notgedrungen aber erkannte sie die provisorische Regierung des neuen Ministerpräsidenten an; es war aber abzusehen, dass sich diese Haltung bei einer Veränderung der Lage auch wieder wandeln werde. Die Wiener Regierung setzte kein sonderliches Vertrauen mehr in den Palatin. „Als unumschränkter Statthalter“ regiere er nun in Ungarn, hieß es, und das neue Staatsgebilde erinnere außer durch das dynastische Band nur noch deshalb an den alten Staatsverband, weil es noch keinen ungarischen Außenminister gebe und das Land immer noch einen finanziellen Beitrag nach Wien leiste.202 Trotz solcher ebenso nüchternen wie verängstigten Einschätzungen hielt die Wiener Regierung aber an Erzherzog Stephan fest, weil sein Palatinat immer noch als förderlicher angesehen wurde, als wenn die Ungarn die Republik ausriefen oder einen König wählten.203 Beide Möglichkeiten waren ja auch schon in der Zeitung zu lesen gewesen.204 Auch hätte ein Zurückweichen oder Fallenlassen des Palatins die sprichwörtliche Büchse der Pandora öffnen können, mit einer Zukunft, die nicht mehr zu kontrollieren gewesen wäre. Genau dieser Kontrollverlust musste Wien als das größte Übel erscheinen. Ob Stephan bewusst war, wie sehr er Position bezogen hatte, bleibt wieder einmal unklar. Er verstand sich stets als loyaler Habsburger und treuer Ungar und hatte daher einen kaum zu bewältigenden Spagat auszuführen – zumal ihm die Revolutionsführer nicht ganz geheuer waren. Er misstraute 200 Judson, S. 219; Mommsen, S. 215. 201 Gergely (2011), S. 115; Schmidt (1995), S. 14. 202 HLA HStAD Best. G 1 Nr. 182/5 (21. März 1848). 203 Deák (1989), S. 77–80. 204 Der Ungar Nr. 74 (29. März 1848), S. 599: In einem ungarischen Gasthaus soll die Äußerung eines Amtsträgers gefallen sein: „Meine Mitbürger, das Beste wäre, wenn wir mit Einwilligung Sr. Majestät hier in Pesth die Republik proclamiren und dann den Erzherzog Stephan zum König krönen würden!“ Die Zeitung bezeichnet dies noch als „gottlose[n] Wunsch“.
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Batthyány, hatte ihn aber trotzdem zum Ministerpräsidenten ernannt, weil er ihm weniger gefährlich erschien als Kossuth. Dieser wurde wiederum Finanzminister, weil Stephan ihm als Radikalem nicht das von ihm „mit aller Gewalt“ angestrebte Amt des Innenministers übertragen wollte, und sicherlich auch, weil das Finanzministerium durch die Restriktionen Wiens eines der beschränktesten Ressorts war.205 Stephan sprach selbst von einem „abgenützten Posten“.206 Seine eigene Position wurde im Laufe der Ereignisse immer heikler,207 wozu seine emotionale, wenig kühle und überlegte, manchmal wohl sogar jähzornige208 Art noch zusätzlich beitrug. Andrian-Werburg schrieb am 21. März 1848, Stephan habe anlässlich der Abschaffung von Robot und Zehnten „schon wieder den Kopf verloren“ und sich selbst zum Agitator gemacht, sprich: die auf revolutionären Druck getroffenen Entscheidungen unterstützt. Nach Wien allerdings sandte der Palatin Meldungen, die ihn ganz auf der Seite des Adels positionierten, den er bei zunehmenden Entschädigungen ruiniert sah.209 In einer Zeit, in welcher der Druck stieg und die Forderungen innerhalb des revolutionären Lagers – der Stände, des Oppositionsklubs oder des Pester Sicherheitsausschusses – forciert wurden, war es schier unmöglich, den von Stephan zunächst angestrebten gemäßigten Ausgleich zu wahren.210 Auch dürfte er die Haltbarkeit einer „Loyalitäts-Erklärung“ überschätzt haben.211 Zehn Tage später erklärte Andrian-Werburg sogar, Stephan benehme sich miserabel, schmeichle den Trägern der Revolution,212 drohe – in einem abgenutzten theatralischen Effekt – alle fünf Minuten „in Pressburg auf öffentlicher Straße“ mit seinem Rücktritt „und vermehre die Verlegenheit der Regierung, statt ihr zu helfen“.213 Er scheint eine unglückliche Figur abgegeben zu haben, die nur dadurch gestützt wurde, dass sich die 205 Rado, S. 35; Spira, S. 84. 206 Szögyény-Marich, S. 214 (31. März 1848). 207 Deák (1989), S. 76–77; Kováts, S. 299. 208 Kováts, S. 302. Stephan urteilte über sich selbst, er vertrete „manchmal etwas derb“ seine Meinung; OeStA HHStA SB Familienarchiv Sachsen-Coburg-Gotha II-23-13 (13. April 1864). 209 Er riet dem König, bezüglich der Entschädigungsfragen zu erklären, im Prinzip nichts dagegen zu haben, zuerst aber wissen zu wollen, wie entschädigt werden solle; Szögyény-Marich, S. 216 (19. März 1848). 210 Krones, S. 679. 211 Szögyény-Marich, S. 217 (28. März 1848). 212 Gemeint sind die Juraten, d. h. nicht im Staatsdienst befindliche Advokaten, die in besonderem Maß Träger der Revolution waren; Péter, S. 266. 213 Adlgasser 2, S. 55 (21. März 1848) und S. 64 (31. März 1848). Womöglich meinte der ehemalige Staats- und Konferenzminister Franz de Paula Graf von Hartig Stephan, wenn er
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Revolutionäre „in Leben und Tod“ mit ihm verbunden glaubten.214 Diese Zwangsgemeinschaft war aber auch nicht konfliktfrei. Für den 31. März ist gegenüber den Revolutionären Batthyány, Zsedényi und Széchenyi die Bemerkung Stephans überliefert: „Ich scheiss’ Euch auf den Palatin.“215 Sicherlich wollte er mit dieser markigen Äußerung zum Ausdruck bringen, dass es ihm nicht um das Amt, sondern um die Sache an sich ging. Letztlich zeugen solche Gefühlsausbrüche aber vor allem von der Überforderung des Amtsträgers, ähnlich wie die verbalen Gewaltandrohungen vor Ausbruch der Revolution.216 Hintergrund waren gewiss die mächtigen Aufstände in Pest am 30. März, die so weit gingen, dass der Abgeordnete Pál Nyáry schon den Rücktritt des Palatins und des Ministeriums in Betracht zog und den Plan einer provisorischen Regierung in Pest schmiedete.217 Doch auch Stephan verfasste in Pressburg ein Memorandum, das am 24. März 1848 dem König vorgelegt wurde. Angesichts seiner Befürchtung, dass der volle Ausbruch der Revolution täglich zu erwarten stehe und in Pest schon Anarchie herrsche, machte er Ferdinand drei Vorschläge, um die Situation zu entschärfen.218 Als erste Option sah der Palatin an, die österreichische Militärmacht aus Ungarn zurückziehen und das Land der Plünderung und dem Raub zu überlassen. Passiv würde die Regierung in Wien zusehen, wie sich das Land in den Kämpfen selbst zerstöre. Diesen Vorschlag bezeichnete Stephan selbst als „unmoralisch“, zumal auch Untertanen, die der Regierung wohlwollend gegenüberstanden, darunter zu leiden hätten. Die zweite Möglichkeit bestand für Stephan darin, dass der König mit dem Ministerpräsidenten Batthyány, der vom Volk als Held angesehen werde, zusammenarbeite, um zu retten, was zu retten sei. Die Gefahr bestand in diesem Fall allerdings darin, dass es dem Palatin nicht sicher schien, wie lange Batthyány sich in seiner Position und in seinem Ansehen würde halten können. Als Drittes nannte er die Möglichkeit, den Palatin, also ihn, abzuberufen und einen königlichen Kommissar mit großer Vollmacht und mit Rückendeckung größerer militärischer Kräfte nach Ungarn zu schicken. von „jemandem“ sprach, dem es im Vormärz mehrfach gelungen sei, seinem sinkenden Einfluss durch Rücktrittsgesuche wieder aufzuhelfen; Hartig, S. 88 (2. März 1851). 214 Árpád, S. 285 (26. März 1848). 215 Spira, S. 92. 216 Árpád, S. 289 (3. April 1848): „Erzherzog … ist desperat.“ Déak wollte ihn dazu bringen, stärker zu sein; Déak, S. 290 (4. April 1848). Stephan sei „beklagenswert; aber nichts Anderes zu machen“; ebd., S. 293 (9. April 1848). 217 Krones, 681. 218 Neue Oder-Zeitung (4. April 1848), S. 3; Niederhauser, S. 56; Szögyény-Marich, S. 216–217 (24. März 1848). Am 23. März hatte Batthyány die Vorschlagsliste seines zukünftigen Kabinetts veröffentlicht.
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Dann habe man so lange mit „kräftiger Hand“ zu regieren, wie es die Lage erfordere. Wollte man diese Option ergreifen, müsste dies rasch geschehen, riet Stephan. Doch mangelte es an Geld und Personal; zumal in Italien und Galizien die österreichischen Truppen dringender benötigt würden als in Ungarn. Diese Variante hielt Stephan daher für undurchführbar. In der Konsequenz blieb nur die Möglichkeit, in der Zusammenarbeit mit Batthyány das Schlimmste zu verhüten, wobei vorausgesetzt werden musste, dass die neu zu ernennenden Minister die revolutionären Umtriebe in den Griff bekämen und dass man sich in Wien bereithalte, im Falle von Batthyánys Rücktritt den in Ungarn zu erwartenden Demonstrationen mit aller Macht zu begegnen. Das muss als widerwilliger Versuch gewertet werden, mit Hilfe einer ungeliebten Zusammenarbeit mit gemäßigten Vertretern der Revolution die Lage zu beruhigen, obwohl ein Niederschlagen der gesamten Opposition ganz im eigenen Sinn gewesen wäre. Das Anstoßen friedlicher, konstitutioneller Reformen stand nicht im Fokus. Wie so häufig, zog sich Stephan auch hier wieder zurück, indem er gegenüber dem König bekannte, die Umstände aus seiner Stellung heraus nicht beurteilen zu können. Sollte daher die erste oder dritte Variante gewählt werden, bat der Palatin den König darum, ihm mitzuteilen, ob er in Ungarn bleiben solle oder nicht. „Kommen dann bessere Zeiten, lässt sich sehr Vieles modeln, was jetzt zum Bruche führen würde“, war Stephans halbherziges Fazit,219 das vor allem keinen Ausblick darauf zuließ, wohin er gelangen wollte.220 Gegenüber Wien konnte das nicht vertrauensfördernd wirken, doch stand man dort mit dem Rücken zur Wand, während in Ungarn die Mitglieder der zukünftigen Regierung immer selbstbewusster agierten und sich die Persönlichkeit Stephans in der öffentlichen Meinung immer stärker mit revolutionären Kräften verband – so auch in der diplomatischen Korrespondenz. Dort hieß es: Nach den königlichen Forderungen, die ungarische Hofkanzlei wiederaufleben zu lassen und die ungarischen Staatseinkünfte nach Wien abzuliefern, sowie der Ablehnung eines verantwortlichen Ministeriums und der vizeköniglichen Stellung des Palatins habe Stephan in Pest – wieder einmal – seinen Rücktritt angeboten.221 Er sei augenblicklich nach Wien geschickt worden, um die ungarischen Forderungen durchzusetzen. Sollte er dort nicht erfolgreich sein, würden die ungarischen Stände innerhalb von 24 Stunden die Republik ausrufen.222 Stand der hessen-darmstädtische Gesandte Bie219 Szögyény-Marich, S. 220 (24. März 1848); Krones, S. 697–698. 220 Das Memorandum kann keineswegs als eindeutiger Versuch gewertet werden, eine bewaffnete Intervention vorzubereiten, wie es z. B. Spira, S. 82, verkürzt annahm. 221 Stroup, S. 158–163; Knatchbull-Hugessen II, S. 215. 222 HLA HStAD Best. G 1 Nr. 182/5 (30. März 1848).
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geleben diesen Gerüchten zunächst noch skeptisch gegenüber, musste er schon am nächsten Tag bestätigen, dass die Erzählung in Grundzügen richtig sei. Die Monarchie, so erklärte er, drohe in Stücke zu zerbrechen, und Stephan würden in Wien sicherlich alle Forderungen genehmigt, weil man zu schwach sei, um dagegen anzukommen.223 Letztlich gehe es um die Krone Ungarns. Die Skepsis gegenüber Stephan musste weiter wachsen. Der Palatin machte sich also, nachdem der König am 29. März seine Zugeständnisse wieder zurückgenommen hatte, auf Batthyánys Aufforderung hin nach Wien auf, um dagegen seinen Einfluss geltend zu machen. Als er von seiner Reise zurückkehrte, hatte er eine Kompromisslösung im Gepäck. Die Vorrechte der Krone wie die Adelserhebung oder die Nominierung hoher kirchlicher Würdenträger hatte der König sich gesichert, aber ebenso hatte er der Machterweiterung des Palatinsamtes und der vorgelegten Liste der Minister zugestimmt. Selbst einen Außenminister – wenn auch nur in der Bezeichnung eines Ministers a latere – sollte es künftig in Ungarn geben.224 Eine abermalige Reise Stephans zum König über die Frage der Militärgrenze und des Einsatzes von Grenzer-Regimentern am italienischen Kriegsschauplatz wurde so beschieden, dass die Grenzverwaltung vom Hofkriegsrat an das ungarische Kriegsministerium überging.225 Stephan konnte berichten: „Die Stimmung ist die beste. Der Jubel ist allgemein. In Pest giebt es noch Narren, die noch nicht zufrieden, die rothe Kokarde aufgesteckt; meist Juden; mehrere wurden tüchtig durchgeprügelt.“ Aber das waren Ausnahmen. Eine „schöne Loyalitätsadresse“ war in Arbeit.226 Der Palatin ging also davon aus, dass dieser Status quo zu wahren sei. Batthyány konnte ihm also am 2. April seine Namensliste mit den Ministern seiner zukünftigen Regierung offiziell vorlegen, darunter Ferenc Déak für die Justiz, Baron Jószef Eötvös für Kirche und Bildung, Lajos Kossuth für Finanzen und Graf István Széchenyi für Verkehr.227 Die Liste wurde am 7. April durch König Ferdinand ratifiziert. Schlagartig wurde die Landesstruktur Ungarns modernisiert, und all das gipfelte in der Ratifikation der Aprilgesetze (11. April),228 welche die Ba-
223 HLA HStAD Best. G 1 Nr. 182/5 (31. März 1848). 224 Stroup, S. 173–174. 225 Stroup, S. 185–188. 226 Szögyeny-Marich, S. 218 (2. April 1848). 227 HU MNL OLA 45 1848 Nr. 173. 228 Zum eigentlichen Akt und der Huldigung gegenüber Stephan Árpád, S. 294 (11. April 1848); Péter, S. 279; Bellabarba, S. 112–113. Die Gesetze selbst waren bereits am 15. März vom ungarischen Landtag verabschiedet worden; daher auch die alternierende Bezeichnung „Märzgesetze“. Auch Helfert 1 (1907), S. 446.
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sis einer neuen ungarischen Staatsverfassung bildeten.229 Die 31 Gesetze, die Kossuth als Grundlage der künftigen Entwicklung verstanden wissen wollte, formten einen (fast) souveränen Staat aus, der mit dem Rest des Reiches nur noch durch die Personalunion des Regenten verbunden war.230 Es galten Rechtsgleichheit, direktes Wahlrecht bei niedrigem Wahlzensus, Anerkennung der Religionen (Katholiken, Lutheraner, Calvinisten, Unitarier, Juden, Griechisch-Nichtunierte), Pressefreiheit, Volkswehr und vieles mehr.231 Insgesamt sollten über neun Millionen Menschen in Ungarn und Kroatien aus der Leibeigenschaft befreit werden.232 Hinzu trat die Aufhebung der Zehnten, die Stephan schon längst begrüßt hatte. Die Schaffung der Repräsentativkörperschaft trug stark nationalistische Züge, indem die Magyaren sowohl im passiven wie auch im aktiven Wahlrecht bevorzugt wurden. Das neue Wahlrecht garantierte der magyarischen „Gentry“ (Niederadel)233 eine klare Mehrheit, während Landarbeiter, Bauern, Arme, Juden und Nicht-Magyaren – immerhin sechs Zehntel der Bevölkerung Ungarns – ausgeschlossen blieben. Aufstände anderer Ethnien in Ungarn waren die Folge, wie ja auch Stephan am Beispiel jüdischer Revolutionäre erkennen musste.234 Die Situation entspannte sich folglich nicht. Stephan wurde als Statthalter des Königs mit großen Vollmachten ausgestattet, sobald der König sich nicht in Ungarn aufhielt. Da König Ferdinand sich in der Regel nicht in Ungarn befand, bedeutete dies einen deutlichen Machtzuwachs für den Palatin, aber auch eine Zunahme an Verantwortung, quasi als Vizekönig.235 Trotz allem hielt der Palatin diese Gesetze für ein besonders enges Band zum Kaiserhaus. Nie habe, so meinte er, das Herz loyaler für den König geschlagen als in diesem Augenblick.236 Das verkannte aber sowohl die Dynamik der Revolution als auch die vielen Brüche in der ungarischen Gesellschaft. Stephan hatte es fortan vorrangig mit dem Niederadel zu tun, der über mittleren Grundbesitz und eine höhere Bildung verfügte. Durch die Starrheit des hierarchischen Systems fühlte er sich beschränkt, weshalb er nach Veränderungen strebte. Mit ihm schien der Liberalismus im ungarischen Regierungssystem Einzug zu halten.237 Das war also die Partei, die Stephan vertrat. 229 Mommsen, S. 216; Hermann, S. 79; Gergely (2011), S. 115–116; Rapport, S. 152. 230 Schmidt (1995), S. 14. 231 Krones, S. 687. 232 Péter, S. 279. 233 Niederhauser, S. 13–14; Bellabarba, S. 67–68. 234 Schmidt (1995), S. 15. 235 Gergely (2011), S. 116; Péter, S. 282; Der Ungar Nr. 70 (23. März 1848), S. 560. 236 Stroup, S. 189–190. 237 Mommsen, S. 215–216.
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5.3 Ein unsicherer Kandidat Dieser Partei wollte Stephan aber nicht angehören. Gegenüber dem Zweiten Hofvizekanzler der ungarischen Hofkanzlei, László Szögyény-Marich von Magyar-Szögyen und Szolgaegyháza, der in Wien damit betraut war, die Aprilgesetze für ihre Sanktionierung vorzubereiten, und zugleich ihre staatsrechtlichen Befugnisse für überzogen hielt,238 fand Stephan deutliche Worte. Er übersandte diesem am 3. April ein Bündel von Gesetzen mit der Bitte um Prüfung, ob alle königlichen Änderungswünsche richtig eingetragen seien. Das Ministerialgesetz, also das Gesetz zur Einrichtung eines unabhängigen und verantwortlichen Ministeriums, wollte er als „Lockspeise“ für andere Änderungswünsche des Königs verstanden wissen. Denn: „Nehmen die Stände bei einem oder dem andern dieser Gesetze Sr. Majestät Befehle nicht an, und der Landtag muss auseinandergehen ohne Ministerialgesetz – nun die Frage ist erst noch: ob dann das Unglück gar so groß wäre!?“ Stephan schätzte ein Scheitern all dieser Verfahren also nicht negativ ein. „Mir schaudert, wenn ich daran denke, wie wenig Geschäftsleute unter diesen Ministern sind, und in welches Chaos wir da hineinkommen werden.“ Geschäftsleute, das war wohl im Sinne eines politischen Pragmatismus gemeint. „Moralische Cholera überall; käme nur die physische dazu und nähme alle jene Menschen weg, die die moralische erzeugen! Doch das sind pia desideria; man muss mit der nackten Wirklichkeit vorlieb nehmen und die ist wahrhaft schrecklich.“239 Stärker in einem antirevolutionären Sinn ist wohl kaum zu urteilen, und die Einstellung gegenüber den Revolutionären ist regelrecht menschenverachtend. Aber war das Stephans Meinung, oder wollte er sich mit einer solchen Äußerung nur in Wien günstig positionieren? Zwei Tage später kommt sein Dilemma in einem anderen Schreiben an Szögyény klar zum Ausdruck: Er erklärte, gegen die Einverleibung der drei siebenbürgischen Komitate durch Ungarn zu sein, plädierte aber dafür, das Ministerium walten zu lassen, damit es selbst sehe, wohin es führe. Die von Stephan geforderte Erklärung, dass er diese Entwicklung nach Kräften fördere, leitete er nach Wien weiter. „Diesen Schritt möchte ich aber doch nicht – wenn er noch meiner Überzeugung nach gleich der einzig mögliche ist – machen, ohne es höchsten Ortes angezeigt zu haben. Ich bitte hierüber mit umlaufender Post um eine beruhigende Antwort und Weisung: oder falls etwas anderes besser gefunden sein sollte, mir dies unverweilt mitzutheilen.“ Die Union, so der Palatin,
238 ÖBL 14 (2013), S. 167. 239 Szögyény-Marich, S. 228-229 (3. April 1848).
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sei nicht von ihm gewünscht, stehe aber doch vor der Tür.240 Handelte er aus einer reinen Zwangslage heraus? Auch das wurde nicht deutlich erkennbar. Gewiss war es mangelnde Verantwortungsbereitschaft. Und so schwankte er hin und her. In der Problematik der Übernahme der österreichischen Staatsschulden durch Ungarn241 bat er um einen zeitlichen Aufschub, damit nicht der Rücktritt des Ministeriums die Folge sei – des Ministeriums also, dessen Auflösung er zwei Tage zuvor noch als keinen Verlust angesehen hatte.242 Wofür Stephan also letztlich stand, konnte in Wien niemand wissen. Erzherzogin Sophie in Wien blickte deshalb mit großer Unruhe hinüber nach Ungarn. An ihre Schwester Elisabeth von Preußen schrieb sie am 8. April 1848, ihr Ehemann, Erzherzog Franz Karl, setze sich beherzt („vaillement“) für Kaiser Ferdinand ein, sie müsse aber fürchten, dass das seine Kräfte überstrapaziere. Stephan spiele eine verachtenswerte Rolle. „Il est traitre depart son souverain non pour devenir Roi mais par faiblesse expressive – craindre de se comprometter – pusilanimité.“243 Die immer wieder kolportierte Angst der Erzherzogin, Stephan könne sich zum ungarischen König machen lassen und damit ihrem Sohn schaden,244 wird in diesen Worten ausdrücklich nicht als sein (Haupt-)Antrieb bezeichnet. Viel grundsätzlicher hielt die Erzherzogin ihn für feige, kleinmütig und auf sein Ansehen bedacht. Die Fokussierung auf seine Außenwirkung ließ ihn in ihren Augen verräterisch handeln, weil er damit ja auch der Überzeugung entgegenstand, die er bisher doch vermeintlich an ihrer Seite vertreten hatte. Alle gutmeinenden Ungarn und all diejenigen, die in Wien auf der guten Seite stünden, so meinte Sophie, hätten mit Stephan abgeschlossen – so auch Erzherzog Ludwig. Es sei ein großer Fehler gewesen, ihn zum Palatin ernannt zu haben, und Erzherzog Franz Karl habe es von Anfang an vorausgesehen. Aber seine Stimme sei im Staatsrat nicht durchgedrungen. Stephan handelte ihrem Verständnis entsprechend gegen seine Überzeugung und vor allem gegen das dynastische Verantwortungsbewusstsein. Darin lag sein Verrat. Wankelmütig und dem öffentlichen Druck ergeben, agierte er gegen den Kaiser und die Dynastie und damit natürlich auch gegen Sophies eigenen Familienzweig, für den sich Franz Karl so emsig ein240 Szögyény-Marich, S. 230 (5. April 1848). 241 Knatchbull-Hugessen II, S. 566. 242 Szögyény-Marich, S. 231 (5. April 1848). 243 GStA PK BPH Rep. 50 T Nr. 43 (8. April 1848). In deutscher Übersetzung mit verfälschenden Auslassungen zitiert auch bei Haslinger, S. 206–207; Deutsche Allgemeine Zeitung Nr. 258 (15. September 1849), S. 2881: Er sei in Wien in eine Art Ungnade gefallen, weil es ihm an Entschiedenheit gefehlt habe. Vgl. dazu auch Springer (1865), S. 535. 244 So indirekt und ohne Namen zu nennen schon Wessenberg, in: Aland, S. 541 (Nr. 585, 29. Oktober 1851).
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setzte. Das monarchische Prinzip übergab sich nach dieser Auffassung dem Druck von außen. Das war, jenseits aller Wertung, sicherlich nicht falsch. Das befremdliche Verhalten als Palatin, der an einem Tag noch völlig entmutigt auftreten konnte und am nächsten zur Rebellion neigte, war ein Resultat daraus.245 Er blieb unberechenbar, weshalb dem Kreis um Erzherzogin Sophie daran gelegen sein musste, ihn in seinen Kompetenzen einzugrenzen. Und die Gelegenheit dazu bot sich bald. Denn auch in Kroatien, das seit siebenhundert Jahren zur Stephans krone gehörte, wo man sich aber gegenüber den Ungarn zurückgesetzt fühlte, gärte es. Die Lage war ungewiss, weshalb man sich in Wien dazu entschloss, den Kommandanten eines kroatischen Grenzregiments namens Joseph Graf Jelačić, der als loyal zum Haus Habsburg galt, zum Banus von Kroatien zu ernennen. Bereits im März 1848 war er ohne Rücksprache mit dem Palatin zum Banus gewählt worden, was als „Staatsstreich zugunsten der Slawen“ gewertet werden konnte.246 Immerhin hätte er als einer der Hauptwürdenträger Ungarns politische Bedeutung erlangen können; auf alle Fälle machte er den aufständischen Magyaren wegen der angespannten Lage mit Kroatien das Leben nicht leichter.247 Erzherzog Ludwig hatte die Nominierung Jelačić’ durch den Kaiser forciert. Die Anwesenheit Stephans in Wien nutzte er dazu, diesen zu überrumpeln und ihm die Zustimmung zur Ernennung abzuringen. Da dem Palatin Jelačić als politisch bedeutungslos erschien, willigte er ein. Als er aber nach seiner Abreise aus Wien von der Tragweite der Ernennung erfuhr, machte er sich zusammen mit Batthyány, dem diese wohl eher klargeworden war, auf den Weg zurück. Doch da war das Patent schon unterwegs.248 Wien hatte damit ein Stück weit die Oberhand über Stephan und die Ungarn zurückgewinnen können, denn der Palatin wusste angesichts der Unruhen an der Militärgrenze nicht mehr, wie er sich verhalten solle. Széchenyi verglich ihn mit einer furchtsamen alten Frau.249 Jelačić erfüllte die in ihn gesetzten Erwartungen gänzlich. Er verweigerte die Eidesleistung als Banus gegenüber Ferdinand, solange der Palatin anwesend war, weil er als Banus nicht diesem, sondern nur dem ungarischen König verpflichtet sei. Um den Hof nicht in eine Zwickmühle zu bringen, verzichtete Stephan auf seine Anwesenheit, offenbarte damit aber erneut 245 Árpád, S. 299 (19. April 1848) und S. 302 (22. April 1848). 246 Mayr (1931), S. 89. 247 Deák (1989), S. 79. 248 Szögyény-Marich, S. 221–222 (23. März 1848); Bauer (1975), S. 76. 249 Spira, S. 100.
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seine Schwäche.250 Wien ließ das zu, was nichts anderes bedeutete, als ihn fallengelassen zu haben. Stephan war aber noch voll des guten Glaubens. Dass eine kroatische Delegation in Ungarn nicht die „Trennung von Ungarn“ begehrt hatte, sondern sich nur „den Usurpationen der Ungarn jeder Art mit allen einem bewaffneten Volk zu Gebothe stehenden Mitteln widersetzen“ wolle, wertete er gegenüber Erzherzog Ludwig als gutes Zeichen. Gesagt aber war mit dieser Formulierung nichts anderes.251 Es war nicht verwunderlich, dass Jelačić seine neugewonnene Position in Unterstützung durch Wien dazu nutzte, gegen die revolutionäre Regierung in Buda-Pest vorzugehen. Am 12. April fand die erste offizielle Sitzung der ungarischen Regierung statt, die gegenüber dem Herrscher die Unabhängigkeit bestätigt sehen wollte und den Ausbau der internationalen Beziehungen Ungarns einforderte. Just an diesem Tag erhielt der Ministerrat Nachricht von den slawischen Agitationen in Oberungarn, die mit Wissen Russlands vor sich gingen. Kossuth richtete eine Note an England, in der er ein gemeinsames Vorgehen Englands, Deutschlands, Österreichs und Ungarns gegen den Panslawismus und Russland forderte. Erzherzog Stephan solle Jelačić einbestellen und ihn für seine Taten zur Rechenschaft ziehen. Würde er nicht erscheinen, hätte der Palatin Vergeltungsmaßnahmen zu ergreifen252 – wohlgemerkt gegenüber dem Mann, der die Rückendeckung des Wiener Hofes gefunden hatte. Damit musste er innerhalb seiner Handlungsmöglichkeiten zum ersten Mal deutlich Position beziehen, was umso dringlicher war, da Jelačić sich der Einladung verweigerte. Die Reaktion des Palatins ist ausgesprochen interessant: Er wandte sich an den Kriegsminister Latour in Wien, um ausgerechnet die Wiener Regierung von Maßnahmen gegen Jelačić abzubringen. Er halte, schrieb der Palatin, die Trennung Kroatiens von Ungarn für ein „großes Unglück“, weil sich dieses Land dann nicht Österreich, sondern Serbien anschließen werde. Dort träume man schließlich von einem Großserbischen Reich, weshalb diesen Wünschen mit Sicherheit entsprochen werde. Die ungarischen Ministerien hätten sich deshalb bereiterklärt, dem Banus einen möglichst großen Handlungsspielraum zu gewähren und ihm einen Staatssekretär zuzuteilen. Man setzte folglich in Ungarn darauf, dass Jelačić zu keinem radikalen Schritt übergehen werde. Der Banus besitze das Vertrauen der „illirischen Parthei“, also der panslawistischen Bewegung Kroatiens, so dass der Kriegsminister im Interesse der „Ruhe der Monarchie“ an einer friedlichen Lösung arbeiten solle.253 250 Bauer (1975), S. 92–93. 251 Szögyény-Marich, S. 223 (30. März 1848). 252 Deák (1989), S. 103–104. 253 ÖNB Autogr. 55/33-13 (14. April 1848), an Baillet de la Tour.
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Bei einer kriegerischen Lösung drohe hingegen die Abspaltung. Damit versuchte der Palatin von Ungarn den Mann vor der Wiener Regierung zu schützen, den die Wiener Regierung eingesetzt hatte, um gegen die ungarische Regierung vorzugehen, die wiederum auf Stephan im Kampf gegen die Kroaten setzte. Das war naiv und undurchsichtig gehandelt, vor allem aber vermied es eine klare Position. Stephans bisherige Strategie einer wohlklingenden, uneigentlichen und adressatengerechten Sprache kam in ihre Grenze. So auch am 23. April 1848, als er eine Delegation in Wien lebender Ungarn und deutscher Revolutionäre auf dem Museumsplatz in Pest empfing. 250 Personen waren nach Ungarn gekommen, um ihrem habsburgischen Hoffnungsträger zu huldigen. In der Zeitung war schließlich zu lesen, der Palatin habe sie ermuntert, „die vaterländischen Interessen aufs wärmste zu pflegen“.254 Das konnte man interpretieren, wie man wollte. Stephans Kämmerer erklärte, er dürfte „kein besonderes Bildl“ bei den Anwesenden eingelegt haben.255 Forsch gestand der Palatin aber ein: „Macht nichts! Ich lasse mich von meiner Überzeugung nicht abbringen“ – eine Überzeugung, die niemals recht klar wurde, ihm sicherlich nicht besser als seinen Zeitgenossen. Aber das Ereignis mag Stephan zum Nachdenken veranlasst haben. So ließ er am gleichen Tag, an dem die Huldigung stattgefunden hatte, seinem Freund Carl Alexander von Sachsen-Weimar eine sehr ausführliche Selbstverortung zukommen.256 Dieses sehr persönliche Schreiben ist umso bemerkenswerter, als der schreibfreudige Erzherzog gerade in der Zeit seiner intensiven politischen Verstrickung kaum zur Feder gegriffen zu haben scheint. Persönliche Briefe aus dem Jahr 1848 sind ausgesprochen rar, so dass seine Person während der Revolution vorrangig durch Zeitungen, öffentliche Publikationen, Debatten, politische Diskurse oder diplomatisches Schriftgut greifbar wird. Im Gegensatz zur Zeit zuvor und danach haben wir es hier fast ausschließlich mit divergierenden fremdgesteuerten Rollen zu tun, was sicherlich auch ein Zeichen dafür ist, dass eine Selbstgestaltung des Lebens, ja eine Vision seines Tuns kaum vorhanden gewesen sein dürfte.257 Jetzt aber legte Stephan dar, wie unwohl er sich an der Spitze der revolutionären Bewegung Ungarns fühlte, wofür ihm allerdings aus ganz Ungarn die Sympathien entgegenschlügen. Österreich, schrieb er, sei in seinen 254 Der Ungar Nr. 99 (26. April 1848), S. 1. Leider werden Stephans Worte in der Zeitung nicht näher ausgeführt. 255 Szögyény-Marich, S. 242 (23. April 1848). 256 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 a (23. April 1848): „Wir haben 50 Jahre in 14 Tagen gelebt!!“; Lucke, S. 93. 257 Zur Bedeutung der „Mission“ in Webers Charisma-Definition vgl. Berenson/Giloi, S. 4.
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Grundfesten erschüttert. „Das Prevenire spielen ist jezt die größte Kunst der Regirenden, und die vielleicht, die wir am schwersten begreifen.“ Es ist davon auszugehen, dass der Erzherzog in seinem Handeln ursprünglich genau jenes „Prevenire“ erkennen wollte. Er hatte sich auf die Seite der aufständischen Ungarn gestellt, um Schlimmeres zu verhüten. Aber bereits in der zweiten Aprilhälfte war ihm deutlich geworden, dass er sich mit seiner Tätigkeit vergaloppiert hatte, und nun galt es erst recht, der fortschreitenden Radikalisierung Einhalt zu gebieten. Für ihn war das aber kaum noch möglich, stand er doch, wie Stephan einräumte, an der Spitze eines Ministeriums, das „die äußerste Linke zu seinen Piliers zählt“. Habe er bisher angeblich auf die Konservativen bauen wollen, die in Ungarn vorherrschend gewesen seien und in deren Reihen er auch die größten Talente glaubte, so habe ihm der „europäische Schwindel“ diesbezüglich keine Wahl mehr gelassen, so dass er sich auf einer Seite wiederfand, die er nicht als die seine erkannte. Lange schon hätte er sich aus der Politik zurückgezogen, bekannte er, wenn es ihm nicht darum zu tun sei, Ungarn für die Dynastie zu halten. Damit ging Stephan mit all denjenigen konform, die ihm in Wien großes Misstrauen entgegenbrachten, aber an ihm festhielten, weil sie die möglichen Alternativen für noch gefährlicher erachteten. Aber sein Brief nach Weimar war auch voller Unwahrheiten. Denn gerade die Konservativen hatte er – trotz aller Lippenbekenntnisse – am Anfang durch seine Taten auszugrenzen versucht. Er hatte, wohl auch in der Absicht, seine autonome Stellung in Ungarn zu befördern, den Schulterschluss mit den Liberalen gesucht. Jetzt, wo sich die Konsequenz dessen für ihn auftat, musste er argumentativ versuchen, seine Situation als systemkonform umzudeuten – auch seinem Freund gegenüber. Deshalb war es auch wichtig, in seiner Lage, die ihn schon längst eines autonomen Handelns beraubt hatte, den Anschein von Individualität und Gestaltungsfreiheit zu wahren. Solange er es mit seinem Gewissen vereinbaren könne, schrieb er deshalb nach Weimar, werde er auf seiner Stelle als Palatin bleiben, aber keinesfalls länger. Wenn er aber dazu gezwungen werde, gegen seine Überzeugung zu handeln, werde er sich „eher in ein Nichts“ zurückziehen. Seine Überzeugung hatte er bisher allerdings nie klar bekannt. Wenn sie wirklich diejenige gewesen wäre, die er in diesem Brief entwarf, war der Punkt aber doch schon längst eingetreten. Dass es ihn vor den Ministerialkonferenzen ekelte, zeugte nicht nur von einer Ablehnung politischer Gremienarbeit, sondern auch davon, dass ihm die Situation, in der er zu leben hatte, zuwider war.258 Aber die Lage war nicht zu ändern. Der Stoßseufzer bezüglich der Verhält258 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 a (23. April 1848); Lucke, S. 93.
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nisse in Sachsen-Weimar – „Ihr seid glücklich, daß bei Euch ein Einschreiten der bewaffneten Macht nicht nöthig war – man hat in Wien gesehen, wohin das führt – und in Berlin!“ – belegt die Ohnmacht des Erzherzogs vor Gewalt, Radikalität und einer nicht auf Ausgleich und Beharrungswillen fußenden Gesellschaft. Er bezog sich dabei auf die Militäreinsätze in Berlin und Wien im Laufe des März 1848. Nachdem es in Berlin zu Zusammenstößen zwischen Militär und Demonstranten gekommen war, hatte König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen den Versuch unternommen, durch die Einberufung des Landtags und die Gewährung einer nur gering eingeschränkten Pressefreiheit die Situation zu entschärfen, was allerdings nicht gelang. Aus der Masse heraus entwickelte sich sogar erst recht ein Aufstand gegen die Armee, der am 14. März zu 303 Toten und zahlreichen Verletzten führte. Erst danach, und nach weiterem Ringen, bemühte sich der König, mit den Untertanen Frieden zu schließen, und erwies den Märzgefallenen die Ehre. In Österreich war die Entwicklung ähnlich. Hier riet Metternich zu einem gewaltsamen Vorgehen, während die anderen Vertreter der Staatskonferenz ein Nachgeben empfahlen. Verhindern konnte dies auch nichts. Metternich hatte als Bauernopfer zu gehen, und Kaiser Ferdinand gab am 15. März das Versprechen, eine Gesamtstaatsverfassung zu erlassen.259 Stephan hielt die Militäreinsätze für unabdingbar, auch wenn sie schlechte Folgen nach sich zögen. Das war ein Teufelskreis, indem das Notwendige das noch Schlechtere hervorbrachte. Die Welt war in Stephans Augen in eine Abwärtsspirale geraten und weder durch Milde noch durch Strenge unter Kontrolle zu bekommen. Dieser hohle Beharrungswille eines gutmeinenden josephinisch geprägten Idealismus kapitulierte vor der Kraft der Realität. In jenen Tagen soll er auch eine Proklamation an den König aufgesetzt haben, die er im Fall seines Rücktritts zu veröffentlichen gedachte. Dort warnte er die Ungarn „vor den verführerischen Verheißungen Kossuths“, die zu „schmerzlichen Erfahrungen und Enttäuschungen“ führen müssten260 – eines Kossuth allerdings, dem er kurz zuvor selbst sein Gut Csaba angetragen hatte.261 Er setzte sich nun deutlich von der Linken ab, der er sich bisher im öffentlichen Agieren angeschlossen hatte, und drohte im April dem Hofvizekanzler Szögyény-Marich an, nicht mehr lange den Regierungskurs Batthyánys mittragen zu wollen.262 Das mag Stephans augenblickliche Ein259 Mommsen, S. 118–125. 260 Anders (1868), S. 260; Spira, S. 205. 261 Árpád, S. 304 (27. April 1848). 262 Kováts, S. 305.
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schätzung der Lage gewesen sein, wirkt unter Berücksichtigung der bisherigen Ereignisse aber auch wie der Versuch, nach einem Rücktritt sein Gesicht vor dem Wiener Hof zu wahren. Die Proteushaftigkeit war schwer zu durchschauen. „Wer weiss“, schrieb Stephan am 6. Mai 1848 an Szögyény, nachdem dieser aus der ungarischen Hofkanzlei ausgeschieden war, „kommen nicht bald Zeiten, wo man wird alle alten treuen Elemente hervorsuchen, und mit ihnen nachhelfen müssen, ohne gerade komplette Rückschritte zu machen.“263 Uneindeutiger lässt sich eine Position wohl kaum benennen. Die ungarische Regierung musste zu fühlen bekommen, dass Stephan sie letztlich gegen Wien nicht unterstützen würde, gerade in der schwierigen Lage mit Jelačić.264 Dessen Kampf gegen die ungarische Regierung und die Forderung von mehr Rechten für die Kroaten begannen die ungarische Führung zu zermürben. Der gemäßigte Reformer Széchenyi versuchte Stephan dazu zu bewegen, die Anführer der slawischen Bewegung festzunehmen.265 Batthyány verhandelte hauptsächlich mit Erzherzog Franz Karl, der unter seinem Bruder, Kaiser Ferdinand, und vor seinem Thronverzicht der nächste Thronanwärter war und damit deutlichen Einfluss auf die Regierungsgeschäfte nahm.266 Diese Verhandlungen führten aus nicht eindeutig zu klärenden Gründen267 dazu, dass Wien Jelačić nun doch vorübergehend mehr oder weniger fallen ließ und Stephan die Ermächtigung erteilte, gegen Jelačić vorzugehen. Am 6. Mai wies Kaiser Ferdinand den Palatin an, die „geeigneten Maßregeln zur Unterdrückung ähnlicher Ansinnen mit aller Energie zu ergreifen“. Einen Tag zuvor hatte er bereits erklärt, niemals dulden zu wollen, dass die Vereinigung der ungarischen Länder aufgelöst werde.268 Aus Kroatien kamen scharfe Töne. Jelačić hatte sich einer Einladung nach Ofen mit der Begründung verweigert, Stephan sei zu keiner aufrichtigen Anhänglichkeit an das Kaiserhaus fähig.269 Diesen Versuch, das dynastische Band zu zerschneiden, musste Stephan fürchten, weil es das Einzige war, was ihn noch in seiner Position hielt. Deshalb ging er – entgegen bisheriger Ausgleichsbemühungen – harsch gegen Jelačić vor, dem er am 10. Mai 263 Szögyény-Marich, S. 243 (6. Mai 1848). Zur Proteushaftigkeit in Korrespondenzen allgemein Schöne, S. 39. 264 Kováts, S. 305. 265 Oplatka, S. 388. 266 La Presse (27. August 1861), S. 1–2. 267 Deák (1989), S. 120: Gründe könnten die Schwäche der österreichischen Regierung und des Hofes gewesen sein, die Absicht, Zeit zum Gegenangriff zu gewinnen, oder aber eine unklare Stimmungslage innerhalb der Gruppe der Entscheidungsträger. 268 Wiener Zeitung Nr. 141 (21. Mai 1848), S. 678; Bauer (1975), S. 105–106. 269 Mayr (1931), S. 92; Helfert 1, S. 73.
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erklärte, mit der Exekutivgewalt in Kroatien ausgestattet zu sein und als verantwortlicher Minister des Hauses agieren zu wollen. Der Banus solle seine Verkündung des Kriegsrechts und seine als verfassungswidrig bezeichneten Rundschreiben widerrufen, was dieser nicht tat. Damit verweigerte er Stephan die Anerkennung.270 Der Palatin antwortete darauf mit der Ernennung des Feldmarschallleutnants Johann Freiherr Hrabowsky, des Oberkommandierenden der aufständischen Ungarn, zum königlichen Kommissär für Kroatien und Slawonien, um dort die Ruhe wiederherzustellen. Dieser nahm seine Aufgaben aber nur bedingt wahr. Er trieb den in Karlowitz tagenden slawischen Kongress auseinander und zwang die Stadt selbst, sich den Magyaren zu übergeben. Sonst verhielt er sich aber eher zurückhaltend bis zaghaft.271 Als das Schreiben des Palatins in Agram verlesen wurde, kam es zu Missfallensbekundungen. Sein Bildnis und sein Brief wurden öffentlich verbrannt – später dann auch Bildnisse der Minister272 –, was Jelačić in Schwierigkeiten brachte. Er ließ das Tun durch seine Offiziere verhindern, um damit eine zusätzliche Eskalation zu umgehen und den Wiener Hof nicht zu provozieren, der grundsätzlich hätte reagieren müssen, wenn ein Mitglied des Hauses auf diese Weise geschmäht wurde.273 Insubordination gegen ein Mitglied des Kaiserhauses konnte der Familie nicht lieb sein, so schlecht angesehen das Mitglied intern auch immer war. Mitte Mai verschlechterte sich die Situation Stephans noch weiter durch die Entwicklungen in Ungarn selbst. In der sogenannten Lederer-Affäre kam es zu heftigen Auseinandersetzungen. Die Pester Jugend hatte am 10. Mai 1848 gegen den fast achtzigjährigen Feldmarschallleutnant und Militärkommandanten Ignaz Ludwig Paul Freiherr von Lederer eine „Katzenmusik“ organisieren wollen, weil dieser der ungarischen Nationalgarde die Auslieferung von Waffen verweigert hatte.274 Lederer hatte davon erfahren und in der Nähe seiner Wohnung Militär aufgestellt, was letztlich zu einer Schießerei mit drei Toten geführt hatte. Der beschwichtigende Palatin hatte diesen Fall nun zu untersuchen, und der Stadtrat drohte ihm mit Rebellion, sollte er diese Untersuchung verweigern. Die aus dem Vorfall resultierenden Forderungen waren enorm: Vereidigung der ungarischen Truppen auf die Verfassung, Abzug ungarischer Soldaten aus Italien und Entfernung deutscher Offiziere aus der ungarischen Armee.275 Stephan verhalf dem al270 Bauer (1975), S. 114–115; Mayr (1931), S. 93. 271 Niederhauser, S. 105; BLKÖ 9 (1863), S. 350–352. 272 Árpád, S. 318 (20. Mai 1848); Görlitz, S. 88. 273 Mayr (1931), S. 93 (16. Mai 1848). 274 Kováts, S. 306–307; Árpád, S. 311 (10. und 11. Mai 1848). 275 Deák (1989), S. 123; Helfert 2 (1909), S. 80–82.
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ten Mann durch einen Hinweis zur Flucht nach Wien, versprach dann aber die öffentliche Untersuchung des Falles. Batthyány sorgte mit kühlem Blut dafür, dass Stephans Fluchthilfe nicht bekannt wurde, um keine weiteren Unruhen herbeizuführen, die wiederum nur der Wiener Regierung bzw. der antirevolutionären Hofpartei („Kamarilla“)276 in die Hände gespielt und womöglich auch das Ende seiner Regierung besiegelt hätten. Forderungen nach einem neuen Kabinett unter der Führung Kossuths und des Radikalen Pál Nyáry wurden laut. Diese Situation barg so viel Sprengstoff, auch über die Landesgrenzen Ungarns hinaus, dass der Palatin kaum noch handeln konnte. Am 13. Mai schickte er deshalb sein längst vorbereitetes Abdankungsmanifest nebst Begleitschreiben an Erzherzog Franz Karl nach Wien. Er wolle nur solange Palatin von Ungarn bleiben, erklärte er, wie er auch österreichischer Erzherzog – das heißt Mitglied der Dynastie – bleiben könne. Er begab sich darum völlig in die Hände seiner Dynastie, und das sogar so weit, dass er sich auch als Werkzeug gebrauchen lassen wollte. Sollte der Wiener Regierung daran gelegen sein, ihn zu halten, um Ungarn Zugeständnisse machen zu können und damit das Land zu beruhigen, schrieb er, dann werde er dieser Strategie gehorchen. Dafür aber verlange er klare Befehle.277 Obwohl er sich also ganz den Wiener Entscheidungen unterwarf und diese sogar ausdrücklich einforderte, erhielt er diese wegen der ausbrechenden zweiten Revolutionswelle in Wien nicht – vielleicht auch, weil sich der Verdacht, er wolle sich zum ungarischen König machen, nur schwer aus der Welt räumen ließ. Als sich am 14. Mai mit Stephans Zustimmung die beiden ungarischen Delegierten, Szalay und Pázmándy, zum Frankfurter Paulskirchenparlament aufmachten, um dort die freundschaftlichen Beziehungen zwischen Deutschland und Ungarn zu vertiefen,278 wertete Wien das als Signal, ein eigenständiges Königreich Ungarn anzustreben. Wie also war ein Rücktrittsgesuch zu verstehen, wenn der Zurücktretende gegen Wien agierte? Zeit, diese Gedanken fortzuführen, blieb aber keine. Bereits am 17. Mai floh der Hof aus Wien nach Innsbruck. Zwischen dem Sitz der kaiserlichen Familie und Pest, wo der Palatin seit dem 14. April mit der ungarischen Regierung residierte, war die Distanz nun auch räumlich enorm. Der mittlerweile – nach eigener Einschätzung – nervöse und verzweifelte Stephan musste handeln, ohne zu wissen, wie. Im Auftrag des Ministerrates reiste er deshalb nach Innsbruck, um den Kaiser zu einer Reise nach Ungarn zu be276 Ernst von Sachsen-Coburg I S. 261. 277 Kováts, S. 307. 278 Pukansky, S. 458; Krones, S. 684; Szalay, S. 5–6; Valentin 2, S. 108; Helfert 2 (1909), S. 301–302; Kosáry, S. 38–40.
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wegen. Die Reise des Palatins ließ Széchenyi befürchten, dass Stephan nicht mehr zurückkehren werde.279 Der Palatin war schon vor der Reise skeptisch, ob Ferdinand den Weg nach Ungarn finden werde, und schob die Schuld einer gegen die Ungarn gerichteten Entscheidung den Slawen in Böhmen, Kroatien und Slawonien zu, die aufgewiegelt seien. Ein Eingehen auf die Wünsche der Magyaren hätte dort nur für zusätzlichen Unmut gesorgt.280 Tatsächlich wurde auf einer Sitzung in Innsbruck, der Stephan vorstand, die Entscheidung im Kampf zwischen den Slawen und den ungarisch-deutschen Bevölkerungsgruppen als drängend eingestuft und der Banus zum Hoflager geladen.281 Was das genau bedeuten sollte, blieb offen. Mittlerweile überschlugen sich die Ereignisse, und das nicht nur in Ungarn.282 Die Erzherzöge Johann und Stephan sollen Erzherzog Franz Karl ermuntert haben, als Vertreter des Kaisers nach Wien zu gehen, um dort das Vertrauen in die Monarchie wiederherzustellen. Denn wenn der Kaiser nicht zurückkehre, könne das die Errichtung der Republik auslösen.283 So deutlich damit die Sorge um den Bestand der Monarchie zum Ausdruck kam, so sehr war auch in Innsbruck das Misstrauen greifbar, Stephans Familienzweig trage sich mit der Absicht, in Ungarn eine habsburgische Nebenlinie „à la Orléans“ – also im Sinne der Seitenlinie der Bourbonen, die mit Louis Philippe einen König gestellt hatte – zu gründen. Stephan wähnte man schon fast auf dem Königsthron,284 weshalb man ihm nur mit gehörigem Misstrauen gegenübertrat. Am 27. Mai kursierte sogar das Gerücht, er sei tatsächlich provisorisch zum König von Ungarn ausgerufen worden.285 Daran arbeitete insbesondere die Linke, während Stephan das Haus Habsburg auseinanderfallen sah und die ungarische Ministerkonferenz zur Treue gegenüber dem Kaiserhaus einzuschwören versuchte.286 Am 6. Juni forderte Kossuth, die Kompetenzen des Palatins auszuweiten, was nichts anderes als eine Herausforderung gegenüber Wien war und ein deutliches Zeichen setzte, mit den Errungenschaften des Frühjahrs noch nicht zufrieden zu sein. Stephan lehnte zunächst ab, diese Forderungen an den König zu senden, wich aber schließlich vor Kossuths bestimmtem Auf279 Árpád, S. 320 (21. Mai 1848); Spira, S. 205 (21. Mai 1848); Kosáry, S. 48. 280 BayHStA GHA Nachlass Erzherzogin Elisabeth von Österreich Nr. 93 (23. Mai 1848), an seinen Schwager Ferdinand. 281 Árpád (1932), S. 612 (28./29. Mai 1848). 282 Kováts, S. 315. 283 HLA HStAD Best. G 1 Nr. 182/5 (3. Juni 1848). 284 Árpád, S. 315 (17. Mai 1848): „Der erste Stephan war Gründer – wird unser Stephan nicht der letzte sein?“ 285 Kováts, S. 311; Spira S. 201; La Presse (27. August 1861), S. 1. 286 Árpád, S. 316–317 (18. und 19. Mai 1848).
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treten zurück.287 Er war also nun doch zum Spielball Kossuths288 geworden und musste in Wien als verkappter Revolutionär wahrgenommen werden, dessen sonstigen Äußerungen nicht zu trauen war. Dass mit Zustimmung des Palatins das Parlament beschloss, in Ungarn eine eigene Notenwährung herauszubringen, und damit das Privileg der Oesterreichischen Nationalbank verletzt werden sollte, schien die Befürchtungen eines eigenstaatlichen Abdriftens Ungarns zu bestätigen.289 Stephan, der finanziellen Fragen bisher ausgewichen war,290 reagierte prompt mit einem loyalen Brief an Erzherzog Franz Karl, in dem er diesen „im Interesse des Thrones“ darum bat, ihm das Recht zu erteilen, in Ungarn „königliche Briefe“ erlassen zu können. Stephans Stärkung lag also in seinen Augen im Interesse des Kaiserhauses. Das konnten nicht alle so sehen. Denn in den Zeitungen waren auch deutlich davon abweichende Einschätzungen über ihn zu lesen. In der revolutionären „Wiener Gassen Zeitung“ wurde am 12. Juni 1848 kolportiert, Stephan habe gegenüber einem revolutionären Frauenkomitee geäußert: „Der Kaiser wird sich schon tummeln, denn ich bringe ihm die Nachricht, wenn er nicht binnen 14 Tagen in Wien oder Ofen ist, so hat Ungarn einen eigenen König.“291 Revolutionäre Kreise feierten ihn als „den edelsten Prinzen der Welt“.292 Am 19. Juni meldete die „Kronstädter Zeitung“ gar: „Reisende, welche so eben von Wien ankamen, haben die Nachricht verbreitet, daß man den Erzherzog Stephan, Palatin, zum deutschen Kaiser in Frankfurt am Main gewählt habe. Wir können die Nachricht nicht verbürgen, wünschen aber, daß sie wahr sei.“293 Die Figur des Hoffnungsträgers Erzherzog Stephan hatte sich mittlerweile von jeglicher Realität gelöst – eine Realität, die scharfe Beobachter auch in Ungarn erkannten. Denn Széchenyi soll kritisch angemerkt haben, als die ungarische Jugend Stephan auf den Straßen zum König ausrief: Der Palatin wiege gerade einmal 45 Kilogramm. Die Stephanskrone sei deshalb eindeutig zu schwer für ihn.294 Die kaiserliche Regierung konnte in ihrer äußerst schwierigen Lage diesem öffentlichen Druck und den Gerüchten nichts entgegensetzen. Dass König Ferdinand vielmehr sämtliche in Ungarn, Siebenbürgen und an der 287 Spira, S. 208–209. 288 Árpád, S. 329 (7. Juni 1848): Kossuth bringe ihn „piano zu Allem“. 289 Brandt (1978), S. 221. 290 Spira, S. 97. 291 Wiener Gassen Zeitung Nr. 8 (12. Juni 1848), S. 30. 292 Wiener Gassen Zeitung Nr. 15 (19. Juni 1848), S. 60. 293 Kronstädter Zeitung Nr. 25 (19. Juni 1848), S. 242. 294 La Presse (27. August 1861), S. 2. Sehr stark abwertend erklärte Hankó (1990), o. S., Stephan habe nicht genug Intelligenz und moralischen Ernst besessen, um sich zum König ausrufen zu lassen.
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zu Ungarn gehörenden, aber von Wien aus verwalteten295 Militärgrenze stehenden Truppenteile am 13. Juni an die Befehle des Palatins und des ungarischen Kriegsministeriums verwiesen hatte, weil er selbst in seinen Handlungen gelähmt war, mochte Stephans Popularität noch Aufwind gegeben haben. Denn es musste wirken, als habe der im Innsbrucker Ausweichquartier weilende König vor seinem Verwandten kapituliert.296 Ferdinands Schwäche ließ diejenige des Palatins vergessen. Erzherzog Johann mahnte den Hof deshalb erneut dringend, aus Innsbruck nach Wien zurückzukehren. Ansonsten müsse dort ein Regent eingesetzt werden, und das könne nur Stephan sein.297 Nachdem sich der Kaiser, Erzherzog Franz Karl und die übel beleumdete Kamarilla um Erzherzogin Sophie nach Tirol zurückgezogen hatten, war Stephan der einzige Habsburger, der noch ein Amt bekleidete und zugleich von revolutionären Kräften anerkannt wurde. Aber gerade diese Anerkennung musste dem Rest der Familie gefährlich erscheinen, zudem war sie von Stephan selbst nicht mehr zu kontrollieren und brachte absonderliche Blüten hervor. Denn nur so war es zu erklären, dass ihn der Südtiroler Separatist Giovanni Battista a Prato aus dem Trentino am 29. Juni 1848 zum Reichsverweser in der Frankfurter Nationalversammlung wählte. Bei dem Wahlvorgang, aus dem Erzherzog Johann schließlich mit 436 Stimmen als Sieger hervorging, wurden die Wahlvorschläge einzeln durch die Abgeordneten verkündet. Stephan erhielt lediglich diese eine Stimme, aber a Prato muss ausgerechnet ihn, der keinerlei Verständnis für die Nationalgefühle der Italiener aufbrachte, als Freund der Autonomiebewegungen im Habsburgerreich angesehen haben.298 Schließlich erkannte auch eine revolutionär ausgerichtete Zeitung in Stephan den Kandidaten, der seinen Anteil an der Loslösung Ungarns von Österreich und stets eine treue deutsche Gesinnung gezeigt habe.299 Der Schriftsteller und revolutionäre Politiker Johann Georg August Wirth erklärte in seiner 1848 erschienen „Geschichte der deutschen Staaten“, 295 Miskolczy, S. 96. 296 Mayr (1931), S. 97 (24. Juni 1848). 297 Höbelt, S. 168. Am 26. Juni 1848 wurde hingegen in Innsbruck während der Anwesenheit Stephans und Batthyánys beschlossen, Johann solle als Mediator zwischen den Ungarn und den Kroaten fungieren; Diary of Philipp von Neumann, S. 290 (26. Juni 1848). 298 Stenographischer Bericht über die Verhandlungen der deutschen constituirenden National-Versammlung zu Frankfurt a. M. Nr. 28 (30. Juni 1848), Sitzung vom 29. Juni 1848, S. 635 und S. 638; Wiener Abendzeitung Nr. 79 (3. Juli 1848), S. 327; Salzburger Constitutionelle Zeitung Nr. 4 (4. Juli 1848), S. 15; Huber 2, S. 624–626; Höbelt, S. 62; Valentin 2, S. 41. 299 Lud. Aug. Frankl’s Abendzeitung Nr. 80 (4. Juli 1848), S. 332: Die Wahl sei „einstimmig, d. h. durch eine Stimme ausgesprochen“ worden.
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Stephan sei „mit seiner kraftvollen Jugendfrische und dem populären Klang seines Namens“ vor allen anderen in den Sinn gekommen, als es darum gegangen sei, einen geeigneten Kandidaten für das Amt des Reichsverwesers zu finden. Nur weil er den Ungarn „unentbehrlich war“, habe man zu dem „guten, alten, biedern, treuherzigen Johann“ gegriffen.300 Wie andere Stephan wahrnahmen – sei es als Feindbild, sei es Ideal –, bestimmte diesen mittlerweile völlig und ließ vergessen, dass er kaum frei agierte oder eine klare Meinung vertrat. Er konnte tun und lassen, was er wollte, immer stieß es – je nach Partei – auf blinde Begeisterung oder harsche Ablehnung. Die Strategie, die ihn so schnell in sein Amt gebracht hatte, hielt ihn weiter über Wasser. Er war mehr denn je das Bild der anderen geworden und stellte diesem keine eigenständige Persönlichkeit gegenüber. Bei der Überstürzung der Ereignisse gab es aus dieser fatalen Lage aber auch kein Entrinnen mehr. Dass sich die bisherige Strategie rächen könnte, war zum Greifen nahe. 5.4 Vertrauensverlust auf allen Seiten In Wien erkannte der Polizeiminister Kempen in Stephans Verhalten – wie auch in demjenigen der ungarischen Minister – eine „perfide Rolle“ im Streit zwischen Ungarn und Kroatien.301 Sollte die österreichische Regierung wieder die Oberhand gewinnen, war damit zu rechnen, dass der Palatin einen schweren Stand haben dürfte. Sein Verbleiben im Amt hatte mehr noch als zuvor seinen Grund einzig darin, vermutlich Schlimmeres zu verhüten. So zerriss es den Palatin, der auf der einen Seite als zukünftiger König und Hoffnungsträger gefeiert wurde, auf der anderen sowohl in Innsbruck als auch in Buda-Pest unter skeptischer Beobachtung stand. Deshalb kam auch Stephans Stiefmutter trotz des prinzipiellen Verbots, Ungarn zu betreten, an Pfingsten (11. Juni) – wie übrigens auch offiziell im April 1848302 – mit dem Schiff nach Ofen und besuchte ihren Stiefsohn in einem evangelischen Pfarrhaus. „Betet für Stephan. Seine Lage ist sehr gefährlich, wir müssen ihn in Jesu Hände legen“, schrieb sie schließlich an den evangelischen Pfarrer Georg Bauhofer.303 Oppositionelle Kräfte wollten in der Reise eine Aufforderung an den Palatin erkennen, die ungarische Krone anzunehmen. Die Kamarilla in Wien – insbesondere Erzherzogin Sophie – habe dies mit Sorge 300 Wirth 4, S. 561. 301 Mayr (1931), S. 97 (24. Juni 1848). 302 Der Ungar Nr. 84 (12. April 1848), S. 4. 303 Oehler, S. 94.
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erfüllt, so dass die beiden Erzherzoginnen als stellvertretende Kämpferinnen für oder gegen Stephans Sache propagiert wurden.304 Er wandte sich in dieser Notlage am 10. Juni 1848 an seinen Onkel Johann, der ihm ein wichtiger Vertrauensmann geworden war. Als Reichsverweser von einer revolutionären Bewegung gewählt, deren Ziele er nicht teilte, kamen ihm in seinen Bemühungen um Kompromisse ähnliche Schwierigkeiten zu wie Stephan in Ungarn.305 Wollte Ferdinand, so der Tenor von Stephans Schreiben, Ungarn, Kroatien und Slawonien vor einem Bürgerkrieg bewahren und „indirekte den italienischen Krieg nicht unmöglich machen“, sei Johanns Reise nach Ofen „das einzige unblutige aber radikale Mittel, um Alles ins Geleise wieder zu bringen“ und den Aktionen Jelačić’ ein Ende zu bereiten.306 Das Ministerium bitte um Entsendung eines Erzherzogs, am liebsten des Erzherzogs Johann, nach Kroatien und Ofen, weil er „als ein Mann des Vertrauens der ganzen Monarchie auch hier den rechten Weg“ fände. Nach einem Bericht des ungarischen Kultusministers Baron Jószef Eötvös, der am 24. Mai 1848 zusammen mit Stephan und dem konservativen Politiker Eduard Zsedényi zum Kaiser nach Innsbruck gereist war und Verhandlungen geführt hatte, sah das ungarische Ministerium mittlerweile in Erzherzog Johann den Retter Ungarns und der Nebenländer. Das impliziert auch, dass es die Hoffnung aufgegeben hatte, Stephan könnte diese Aufgabe erfolgreich meistern. Johann stand jedoch keineswegs auf der Seite der Ungarn. Dem Banus Jelačić hatte er, nach einem Gespräch mit Erzherzog Franz Karl und Erzherzogin Sophie, empfohlen, sein Recht mit aller Kraft zu verfechten. Erst später strebte er den Ausgleich an.307 Mit der überaus schwierigen Lage in Ungarn wurden also jetzt zwei als liberal geltende Habsburger betraut, die beide keine klare Linie fanden. Stephan selbst erklärte in dem genannten Brief an Erzherzog Johann,308 dass Ungarn keinesfalls als Aggressor gegenüber seinen Nebenländern erscheinen wolle. Es habe keinen Schritt gegen Kroatien unternommen, sondern die Friedensverhandlungen in Innsbruck zwischen Jelačić und dem für die Beziehung zu Österreich zuständigen ungarischen Minister Esterházy309 abgewartet. 304 Nicht anders ist es wohl zu verstehen, dass die Erzherzoginnen Sophie und Maria Dorothea in die Schranken getreten seien; Die Constitution Nr. 145 (16. September 1848), S. 1442. 305 Magenschab (1995), S. 22–23. 306 StMLA Archiv Meran Schuber 7 Heft 5 (10. Juni 1848). 307 Mayr (1931), S. 98 (30. Juni 1848). 308 StMLA Archiv Meran Schuber 7 Heft 5 (10. Juni 1848). 309 HU MNL OL A 45 1848 Nr. 173. Am 5. Juni war der kroatische Landtag (Sabor) in Agram eröffnet worden.
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Am 12. Juni – also zwei Tage nach Ausfertigung des Schreibens – sollte Jelačić sich auf die Reise nach Innsbruck begeben, wo er mit Ovationen der Bevölkerung empfangen wurde. Die Aufnahme bei Erzherzogin Sophie war freundlich, allerdings drückte Kaiser Ferdinand seine Unzufriedenheit aus, dass Jelačić ohne seine Zustimmung eine Volksvertretung einberufen hatte und damit an einer Loslösung Kroatiens von Ungarn arbeitete.310 Erzherzog Johann sollte als Vermittler auftreten, um ein Zerbrechen Ungarns zu verhindern. Wie schwierig das war, wusste auch Stephan, gerade in Hinsicht auf außenpolitische Verstrickungen. Ungarn, so schrieb er am 10. Juni, müsse darauf bedacht sein, seine Grenzen zu schützen. Man schätze, es stünden 40.000 russische Soldaten in der Moldau und in der Walachei, die den Kroaten und anderen Slawen im Fall des Falles zu Hilfe eilen würden. Gemäß dem Bericht des Gouverneurs von Siebenbürgen hatten sich ein russischer General und ein Stabsoffizier bereits als Kaufleute verkleidet und waren mit falschen Pässen versehen ins Banat eingeschlichen, um dort Erkundigungen über die österreichischen Streitkräfte einzuziehen und die Sympathien der Serben zu wecken bzw. dem Nationalkongress in Temesvar beizuwohnen. Große Besorgnis herrschte allenthalben, und die Konsequenzen dieser Tätigkeit im Bereich von Agitation und Spionage galten als unberechenbar. „Hier fehlt uns ein Leitstern, ein Vereinigungspunkt, ein Element der Versöhnung“, schrieb Stephan, der sich selbst nicht oder nicht mehr in einer solchen Position sah, an seinen Onkel Johann. In einer „schiefen Stellung als Palatin“ befinde er sich, so dass er diese Haltung nicht einnehmen könne. Johann aber sei dazu in der Lage, glaubte er, und damit auch, den Bürgerkrieg zu verhindern. Denn dieser Bürgerkrieg stand in seinen Augen nahe bevor.311 In Peterwardein hatte man sich schon dahingehend erklärt, die Landesverteidigung auch ohne Willen des Feldmarschalls Radetzky und ohne Wissen des Königs zu versehen und dafür die Leute aus Italien zurückzuziehen. Aus Italien kehrten deshalb eigenmächtig ungarische Grenzer heim, um Ungarn zu schützen. Das führte zu einer Schwächung der Stellung Habsburgs in Italien und konnte völlig neue Probleme nach sich ziehen. Italien war die Achillesferse für die Entwicklung in Ungarn. Das wusste der Kaiserhof, das wussten die Ungarn – und Letztere nutzten die Situation aus. Ministerpräsident Batthyány hatte sich verpflichtet, 40.000 Rekruten für den Krieg in Italien bereitzustellen, wenn der kaiserliche Hof dafür nach Pest übersiedelte.312 Stephan erklärte nun seinem Onkel Johann, er habe angesichts der 310 Bauer (1975), S. 133. 311 StMLA Archiv Meran Schuber 7 Heft 5 (10. Juni 1848). 312 Kováts, S. 315. Allerdings hatte der Kaiserhof ein ähnliches Abkommen auch mit Jelačić geschlossen.
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Abwanderung aus Italien das Ministerium davon abgebracht, auch seine Soldaten aus Italien abzuziehen. Denn das Vorgehen der Einwohner von Peterwardein durfte keine Schule machen, was zu verhindern aber immer schwieriger wurde. In Oberungarn hatten galizische Grenzer ihre Husaren bereits gezwungen, mit ihnen nach Ungarn zurückzukehren. Kriegsminister General Lázár Mészáros stellte diese Schwadron vor ein Kriegsgericht. Noch agierte die ungarische Regierung also konform mit dem Kaiserhaus, aber damit verbanden sich auch Erwartungen, die bald offenkundig wurden. Kroatien und Slawonien begönnen, meinte Stephan, wie ein Krebsleiden an Ungarn zu nagen. Denn ohne das dortige Vorgehen und die Anarchie in Kroatien wäre Ungarn ein ruhiges Land. Doch die Befriedung Kroatiens schien kaum möglich. Jelačić konfiszierte die Staatskassen und ließ Beamte die Privatschlösser der Magyaromanen, die eine Magyarisierung Ungarns anstrebten,313 oder der als ungarische Sympathisanten verdächtigen kroatischen Magnaten und Gutsbesitzer besetzen, um die Kassen im Namen des Banus zu beschlagnahmen. In Umgehung des königlichen Vorrechts hatte sich der orthodoxe Metropolit Joseph Rajačić in Karlowitz zum Patriarchen wählen lassen und stärkte in dieser Funktion Jelačić den Rücken. Stephan entsandte daher einen königlichen Kommissar nach Illyrien, um zu erfahren, ob dieses Gerücht wahr sei. Die Autorität korrodierte überall. Ohne die Anwesenheit des Königs oder Erzherzog Johanns sah Stephan für die Zukunft schwarz, weshalb er Johann anflehte, indem er ein Bild seines Onkels zeichnete, wie es doch gerade auch von ihm kolportiert wurde: „Sie sind der Mann des Volkes, Sie sind allgemein geachtet, allgemein geliebt; Ihnen liegt an der Monarchie wie mir – helfen Sie hier auf eine oder die andere Art.“ Eine Möglichkeit war, den König dazu zu bewegen, möglichst bald nach Ungarn zu kommen314 – ganz als ob die Anwesenheit des überforderten Königs, der von Metternich seinerzeit bewusst angestrebten Unfigur, etwas hätte ändern können. Trotzdem: Dieser symbolische Akt der Übersiedlung Ferdinands war für die Ungarn enorm wichtig. Der ungarische Minister am Kaiserhof, Pál Esterházy, erklärte, dass die Gefahr einer Entscheidung gegen den Monarchen in Ungarn drohe, wenn Ferdinand sich nicht dazu bereitfinden könne.315 Mitte Juni waren die Ungarn bereit, die Königswürde auf Stephan zu übertragen, wenn Ferdinand ihre 313 Schriefer, S. 107–108. 314 StMLA Archiv Meran Schuber 7 Heft 5 (10. Juni 1848); Bauer (1975), S. 94–95. Rajačić wurde später per Dekret von Stephan durch Bischof Plato Athanazkovits ersetzt; Neue Rheinische Zeitung Nr. 77/78 (17. August 1848), o. S.; Der bayerische Volksfreund Nr. 132 (20. August 1848), S. 546. 315 Kováts, S. 315.
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Treue nicht mit seiner Anwesenheit in Ungarn belohne.316 Womöglich hatte der Palatin deshalb das falsche Gerücht gestreut, Ferdinand sei bereits am 13. Juni nach Ungarn unterwegs.317 Damit war Zeit zu gewinnen, allerdings durchschauten ihn die ungarischen Politiker und vertrauten diesen Äußerungen nicht mehr. Dass der letztlich regierungsunfähige König Ferdinand dann doch in einem Brief aus Innsbruck seine Absicht kundtat, möglichst bald nach Ungarn zu kommen, um die Treuebekundungen der Einwohner entgegenzunehmen,318 war folglich von großer Bedeutung, hätte aber de facto sicherlich die Situation nicht retten können. Stephan hatte in dieser Lage sogar in – etwas abenteuerlichen – Gedanken zu Verzweiflungstaten schreiten wollen. Nach Agram hatte er gehen wollen, um sich dort in Geiselhaft zu begeben. Damit hoffte er, den Banus zu Nachgiebigkeit zu bewegen. Allerdings rückte er davon nach gründlicher Beratung wieder ab, würde seine Meinung aber wieder ändern, wenn Johann ihm raten würde, diesen Schritt zu tun – „für die Monarchie und Dynastie ist mir kein Opfer zu groß – das möchte ich beweisen!!“319 Von ungarischen Interessen und Zielen war hier nicht mehr die Rede. Diese waren nach dreimonatiger Revolution zugunsten der Rettung der Habsburgermonarchie in den Hintergrund getreten. Das musste dazu führen, dass das Vertrauen in Stephan auch in Ungarn weiterhin schwand. Die Presse nutzte diese Entwicklung aus. In offiziellen kroatischen Zeitungen stand zu lesen, Stephan stehe in einem besonderen Vertrauensverhältnis zu Erzherzog Franz Karl, dem Ehemann der Ungarn so feindlich gegenüberstehenden Erzherzogin Sophie. In Ungarn musste das „Erbitterung“ hervorrufen, was sicherlich auch die Absicht der Veröffentlichung war. Deshalb blieb dem Palatin in der verfahrenen Situation, der er nicht mehr gewachsen war, nur die Hoffnung auf einen „Enthusiasmus wie zu Maria-Theresias Zeiten“.320 Damit verlieh er einem Gefühl Ausdruck, das auch die oppositionellen Ungarn bereits Ende 1847 entflammt hatte, als sie glauben wollten, der Kaiser brauche sie und warte auf ihre Unterstützung gegen den Liberalismus in Galizien und Italien.321 Womöglich glaubte Stephan auch im Sommer 1848 immer noch daran, die Bewegung in Ungarn mit dem Kaiserhaus verbinden zu können. Vielleicht aber waren es die letzten Versuche, sich durch eine Illusion zu retten. 316 HLA HStAD Best. G 1 Nr. 182/5 (16. Juni 1848). 317 Spira, S. 214. 318 Kronstädter Zeitung Nr. 25 (19. Juni 1848), S. 294. 319 StMLA Archiv Meran Schuber 7 Heft 5 (10. Juni 1848). 320 StMLA Archiv Meran Schuber 7 Heft 5 (10. Juni 1848). 321 HLA HHStAW Best. 130 II Nr. 3307 (5. Dezember 1847), fol. 248.
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Ohne Zweifel blieb es aber genauso diffus wie vieles, was Stephan bisher angestrebt hatte. Idealvorstellungen von Ausgleich und Kompromiss, von Ruhe und Frieden, von Vertrauen und Ehrlichkeit, die in seinen Briefen immer wieder an den Tag traten, können in Zeiten revolutionärer Umbrüche kaum als solche gefordert werden, ohne dass dafür zuvor die Grundlagen geschaffen werden. Ebenso wenig wie sich ein Enthusiasmus einstellt, wenn dafür nicht die Basis vorhanden ist – geschweige denn, dass Stephan benannt hätte, für wen oder was der Enthusiasmus denn um sich greifen sollte. Daran wird aber auch deutlich, dass es nicht nur das mangelnde Selbstvertrauen gewesen war, seine „Eingebungen“ durchzusetzen, wie Anders es später von Stephan behauptete.322 Das Dilemma seiner Politik bestand darin, dass er in abstrakten, humanistischen und wohlmeinenden Vorstellungen verhaftet blieb, die angesichts der herrschenden Konfliktsituation aber nur eine Wunschvorstellung sein konnten, weil sie keine Lösungsansätze in sich bargen. Stephan selbst hatte keinen soliden politischen Standpunkt, aus dem heraus er hätte handeln können. Wie labil der Status quo war, mussten daher auch die Revolutionäre wissen, und davon wusste man natürlich auch in Wien. Da der König nicht in Ungarn erschien, entsandte man den Palatin erneut – zusammen mit Széchenyi und Eötvös – nach Innsbruck, wo er am 24. Juni erfuhr, dass Ferdinand definitiv nicht nach Pest kommen werde. Der Palatin bat darum, wenigstens Erzherzog Franz Karl oder seinen Sohn Franz (Joseph) nach Ungarn zu schicken und Stephan explizit zum Alter Ego für Ungarn zu ernennen, was auf dem Wunsch Széchenyis beruhte.323 Damit wäre für das Königreich eine Sonderlösung implementiert worden, indem Erzherzog Johann als Alter Ego für das Gesamtreich mit Ausnahme Ungarns fungiert hätte. In Ungarn hätte Stephan den Herrscher vertreten. Tatsächlich kam König Ferdinand dem Palatin so weit entgegen, bestätigte damit aber letztlich doch nur einen bereits bestehenden Ist-Zustand. Einen anderen Erzherzog in die ungarischen Verhältnisse zu involvieren, kam für Wien nicht in Frage. Dem an sich schwankenden Palatin machte dies die Arbeit nicht leichter. Denn er verlor mittlerweile auch machtpolitisch massiv an Boden. Die Erosion seiner Position war zum Greifen nahe, obwohl nur wenige Wochen zuvor die Zeitungen von der bevorstehenden Königserhebung Stephans geschrieben hatten. Stephan kämpfte um sein Renommee, das aufrechtzuerhalten er jede Gelegenheit ergreifen musste. Am 11. Juni war es in der Karl-Kaserne von Pest zu einem Zusammenstoß zwischen dort stationierten italienischen Trup322 Anders (1868), S. 3; Kováts, S. 312. 323 Oplatka, S. 376–377; Spira, S. 218–220; Kosáry, S. 51.
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pen324 und unbewaffneten, frisch rekrutierten ungarischen Soldaten aus Anlass eines Diebstahls gekommen, der schließlich innerhalb des Militärs mächtig eskalierte und Tote sowie Schwerverletzte forderte. Um die Situation zu beruhigen, war Stephan zu den verbarrikadierten und schießenden Italienern gegangen und hatte sie besänftigt.325 Stephans Mutter schrieb, er sei alleine und unter dem Jubel der hoffnungsfrohen Bevölkerung zu den Streitenden hineingegangen.326 Auch in der revolutionären „Wiener Gassen-Zeitung“ war darüber zu lesen, dass er sich ohne „Batteriebegleitung in der aufgeregten Meute“ bewegt habe.327 In keiner anderen Zeitung klingt der theatralische Einsatz jedoch so bedeutend. Dort ist nur davon zu lesen, Stephan habe – entweder zusammen mit dem Kriegsminister Lázár Mészáros oder mit István Széchenyi – das direkte Gespräch gesucht und damit den Streit beigelegt.328 Leider kennen wir die Wege solcher Zeitungsmeldungen nicht. Es spricht aber viel dafür, dass die Presse zusehends auf eine übersteigerte Berichterstattung über Stephan verzichtete. Sowohl in regierungsfreundlichen als auch in revolutionären Kreisen hatte er zu viel an Renommee eingebüßt. Die Art der Presseberichterstattung schuf folglich nicht nur ein Bild, sondern sie spiegelt dieses auch wider. Angesichts dieses Machtverlusts war es vermutlich nicht einmal in erster Linie die ungarnfreundliche Haltung des Palatins, die seit Beginn seiner Herrschaftszeit bestand, ihren Höhepunkt im März 1848 erreicht hatte und seinen Obersthofmeister Graf Grünne veranlasste, just zu dieser Zeit um seine Entlassung nachzusuchen. Es könnte sein, dass der rapide Ansehensverlust des Palatins den ehrgeizigen Grafen Grünne dazu brachte, seinen Dienst zu quittieren. Ob es also – wie vorgegeben – Gewissensfragen waren, ob Stephans Politik seinen konservativen Vorstellungen nicht mehr entsprach oder aber die Gefahr drohte, bei einem Verharren im Amt auf das falsche Pferd gesetzt zu haben, wird sich wohl nicht rückhaltlos aufklären 324 Bereits im April 1848 hatte Stephan die Mitteilung Lederers nach Wien weitergeleitet, dass das in Pest stationierte italienische Regiment nahe daran sei, sich zu Rebellen zu entwickeln. Lederer hatte die Entfernung des Regiments oder die Verstärkung der Garnison gefordert. Stephan hatte diese Bitte gegenüber dem Kriegsminister ergänzt um die Bemerkung: „Euer Exzellenz werden am besten wissen, was mit dieser Notiz zu machen sei; ich hielt es aber jedenfalls für meine heilige Pflicht, den Sachverhalt zur Kenntnis zu bringen.“ ÖNB Autogr. 55/33-13 (14. April 1848). 325 Kováts, S. 316. 326 BayHStA GHA Nachlass Erzherzogin Elisabeth von Österreich Nr. 31/1 (20. Juni 1848). 327 Wiener Gassen-Zeitung Nr. 12 (16. Juni 1848), S. 47. 328 Wiener Abendzeitung Nr. 66 (15. Juni 1848), S. 236; Der Ungar Nr. 139 (14. Juni 1848), S. 1106; Siebenbürger Wochenblatt Nr. 50 (22. Juni 1848), S. 303. Auch Anders (1868), S. 269, erwähnt in seiner Biographie nur eine Unterredung. Zu Mészarós vgl. Déak, S. 85– 86; Spira, S. 212.
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lassen.329 Am 25. Juni wurde Grünnes Gesuch entsprochen. Erzherzogin Sophie, für die Ungarn ohnehin ein „Loch des Terrorismus“ war,330 beeindruckte Grünnes Haltung sehr, weshalb sie ihn als Obersthofmeister ihres Sohnes Franz übernahm.331 Ganz in ihrem Sinn verfolgte er in diesem Amt eine restaurative Politik.332 Zum Amtsnachfolger im Dienst Stephans wurde provisorisch der Kossuthianer und Obergespan des Békéser Komitats Freiherr Adalbert (Bela) Wenkheim333 ernannt – auch dies ein deutliches Zeichen. Eine politische Schwäche zeichnete in jenen Tagen hingegen nicht nur Stephan aus. Wien hatte am 10. Juni beschlossen, den lethargischen und politisch unbedeutenden Erzherzog Franz Karl zum „Alter Ego“ des Kaisers für das ganze Habsburgerreich zu ernennen, was bereits am nächsten Tag in den volkstümlichen Erzherzog Johann abgeändert wurde.334 Dieser war aber mit allzu vielen Geschäften betraut, um diesem Amt gerecht werden zu können. Stephan erkannte dieses große Machtvakuum in der gesamtösterreichischen Politik, das seine Auswirkungen auch auf ihn selbst hatte. Diese womöglich auch etwas selbstbeschwichtigende Erkenntnis konnte er anlässlich seiner Reise nach Innsbruck in einem Brief an Carl Alexander von Sachsen-Weimar zum Ausdruck bringen.335 Sollte es zum Krieg zwischen Ungarn und Kroatien kommen, was fast abzusehen war, sei seine Stellung als Palatin nicht mehr zu halten. Dass Kaiser-König Ferdinand nach Innsbruck ausgewichen war, hielt er für einen Missgriff, weil das Fernbleiben des Herrschers die Menschen von ihm entwöhne. Erzherzog Johann, der mit zahlreichen verantwortungsvollen Aufgaben betraut worden sei, könne diesen kaum gerecht werden. Er sei sogar zu stark mit der österreichischen Monarchie beschäftigt, um seinen Geschäften als Reichsverweser nachzugehen. Ein Vakuum in der Dynastie war fühlbar, in dem sich Stephan selbst verortete. Parlamentarischen Kräften misstraute er. 329 Corti (1952), S. 6–7; Friedjung 2.1, S. 263. Stephan versuchte noch 1848 mehrfach, ihm für seine großen Verdienste Orden zu verschaffen; Kletečka (1996), S. 576 und 619. 330 Haslinger, S. 114. 331 Corti (1953), S. 11; Wiener Zeitung Nr. 181 (2. Juli 1848), S. 13; Vocelka (2015), S. 64; Herre, S. 66. Es ist anzumerken, dass schon vor dem Entlassungsgesuch mit Stephan Gespräche in dieser Hinsicht geführt worden waren. 332 Das Urteil der Gräfin Festetics bei Walterskirchen, S. 60: Mit Grausamkeit habe Grünne eine Politik gemacht, die „nicht mehr von der Zeit“ gewesen sei. 333 BLKÖ 54 (1886), S. 264. 334 Kováts, S. 315. 335 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVII Nr. 738 a (9. Juli 1848). Eines der seltenen Schreiben Stephans aus dieser Zeit ist überliefert in BayHStA GHA Kabinettsakten König Maximilians II. 408 (25. Juli 1848), enthält aber leider nur eine Empfehlung für den Posten des bayerischen Konsuls in New York.
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Der Palatin eröffnete am 5. Juli 1848 den ersten vom Volk gewählten ungarischen Landtag.336 Dabei wurde auch das Dekret vom 27. Juni verlesen, in dem ihm die königlichen Vollmachten verliehen worden waren – das Recht zur Sanktionierung von Gesetzen inbegriffen. Stephan erklärte, König Ferdinand könne wegen einer schweren Erkrankung nicht an der Versammlung teilnehmen und bedaure die Unruhen, die das Land heimgesucht hätten, vor allem die Aufstände in Südungarn. Übelgesonnene Agitatoren hätten die Menschen in Kroatien und an der unteren Donau aufgewiegelt und durch Falschmeldungen und Terrorismus aufgehetzt. Ferdinand, so gab Stephan weiter, verurteile jeden illegalen Akt und wünsche die Befriedung des unteilbaren Königreichs. Insbesondere begrüße er es, wenn zunächst wirtschaftliche Angelegenheiten sowie die Landesverteidigung verhandelt würden. Lange Debatten hatte es zuvor darüber gegeben, ob der Krieg in Italien thematisiert werden solle, woran Wien kein Interesse haben konnte, um Sympathiebekundungen der Ungarn mit den aufständischen Italienern zu vermeiden. Aber auch Kossuth hatte darauf verzichten wollen, weil die ungarische Nation den Italienern mit großer Sympathie zur Seite stehe. Andere wünschten ausdrücklich, dass die Ungarn in dieser Rede um Beistand gegen Italien gebeten würden. Als Kompromiss wurde nur der Krieg in Italien erwähnt, „der nicht beendet werden konnte“.337 Schließlich bewilligte der ungarische Landtag mehrheitlich am 22. Juli die Stellung von 40.000 Rekruten für die Italienarmee, woran allerdings Bedingungen geknüpft wurden: Erst solle in Ungarn Ruhe und Ordnung wiederhergestellt werden, und die Soldaten dürften nur zu einem für Österreich und Italien gerechten Frieden eingesetzt werden. Dreh- und Angelpunkt waren die Siege Radetzkys in Italien, die Stephan als „Glanzstücke unserer Monarchie“ wertete.338 Denn der Palatin hoffte – ähnlich wie Batthyány und Széchenyi auch –, durch diese Siege und die damit einhergehende Stärkung Österreichs auch eine Stabilisierung der Verhältnisse in Ungarn herbeizuführen. Auch Batthyány hatte in die Verstärkung der italienischen Truppenkontingente durch ungarische Soldaten eingewilligt, damit das Vertrauen in die Loyalität der ungarischen Regierung untermauert werde.339 Selbst Kossuth hatte zugestimmt, obwohl er 336 Árpád, S. 344 (5. Juli 1848); Wenckstein, S. 237–241; Deák (1989), S. 130; Kováts, S. 319. Erzherzog Johann hatte Stephan noch einen Tag zuvor ermahnt, die Feindseligkeiten gegen die Kroaten einzustellen; Kletečka (1996), S. 521 (Nr. 92, 4. Juli 1848). 337 Deák (1989), S. 130. Der Ministerrat hatte sich am 2. Juli unter der Bedingung für die Gewährung einer Unterstützung ausgesprochen, dass der anschließende Friede den Rechten, Freiheiten und gerechten Wünschen Italiens entspräche; Kosáry, S. 52. 338 HU MNL OL P 301 (25. Juli 1848). 339 Rapport, S. 254.
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damit von der Prämisse abrückte, niemals die Unterdrückung eines anderen Volkes zu unterstützen. In der schwierigen Lage bemühte sich die ungarische Regierung aber, die Anhänglichkeit an das Haus Habsburg und die Gesamtmonarchie unter Beweis zu stellen. Die Revolutionäre wollten damit die Position Jelačić’ schwächen, der die Hauptbedrohung bildete. Ihm zu schreiben widersetzte sich Stephan aber trotz der Bitten Széchenyis.340 Wollte er Wien nicht entgegen handeln oder hatte er Angst vor den nationalistischen Kräften in Ungarn? Vermutlich war es beides, denn der gemäßigte Széchenyi betitelte den Palatin mittlerweile mit Begriffen wie „Verfluchter“ und „Hurricane“.341 Er war ein Getriebener und trieb doch die anderen durch sein richtungsloses Tun auch wieder vor sich her. Wien musste um seine haltlose Position wissen, und es dachte nicht daran, Ungarn entgegenzukommen. Stephan wurde für die Wiener Regierung zum dynastischen Spielstein gegen die Revolutionäre, so unsicher er auch war. Aber einen anderen, gar verlässlicheren gab es nach wie vor nicht. Sicherlich nicht zufällig erschien ausgerechnet ab dem 25. Juli in dem reaktionären Blatt „Die Geißel“ Emile von Langsdorffs Loblied auf den Erzherzog, das zuvor in der gemäßigt liberalen französischen Zeitschrift „Revue des Deux-Mondes“ publiziert worden war. In dieser Lage war Stephan angesichts der hereinbrechenden Gefahren der Revolution mittlerweile sogar zur – wenn auch letztlich ungeliebten – Hoffnung dynastisch-reaktionärer Kreise geworden, denen es darum ging, das Auseinanderfallen der Monarchie zu verhüten. Die einst so exaltierten Töne waren der Vision einer Mäßigung gewichen. Langsdorff unterstellte den ungarischen Revolutionären gar, ihr Hass auf Wien überwiege ihre Liebe zur Freiheit.342 Dagegen bildete Stephan die letzte Bastion. Aus einem liberalen Loblied war das Panier der Reaktion geworden, wenngleich diese Sympathie keine stabile war. Doch selbst die Akzeptanz dieses „kleineren Übels“ konnte rasch kippen, wie diverse kritische Äußerungen ahnen ließen. Am 17. Juli hatte der Stadtkommandant von Prag, Alfred Fürst Windisch-Graetz, Stephan einen „aggressiven Mahnbrief“ geschrieben, in dem er ihm vorwarf, den Untergang der Dynastie durch seine Politik vorzubereiten. Wenn er seine Ehre retten wolle, dürfe er sich nicht länger der Politik Jelačić’ widersetzen und müsse damit unweigerlich den ungarischen Standpunkt verlassen.343 Dem Polizeiminister Kempen fehlte in Stephans Thronrede ebenfalls das explizite Ver340 Árpád, S. 357–359 (22.–25. Juli 1848). 341 Árpád, S. 359 (25. Juli 1848). 342 Langsdorff (1848), Hongrie 24, S. 675; Die Geißel Nr. 2 (25. Juli 1848), Nr. 3 (26. Juli 1848), Nr. 5 (28. Juli 1848). 343 Kováts, S. 320.
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söhnungsangebot Ungarns an die Kroaten.344 Jelačić selbst ergriff natürlich jede mögliche Gelegenheit, sich abschätzig über das politische Verhalten des Palatins zu äußern.345 Der Gescholtene reagierte mit Beteuerungen und wich vor Forderungen der ungarischen Revolutionäre zurück.346 Er nutzte die Korrespondenz mit seinem Cousin Albrecht in Wien, herauszustreichen, wie sehr ihm am Erhalt der habsburgischen Gesamtmonarchie gelegen sei.347 Das blieben angesichts der politischen Lage wieder einmal Lippenbekenntnisse. Einen Lösungsvorschlag bot Stephan nicht an, und er konnte ihn auch nicht anbieten. Hilfe von dritter Seite musste her. Von Innsbruck aus beließ man Stephan im Glauben, eine friedliche Lösung mit Jelačić sei noch möglich, obwohl die unbeugsame Haltung der ungarischen Verhandlungsführer keine größere Hoffnung mehr zuließ. Unter Vermittlung Erzherzog Johanns sollten schließlich doch die von Széchenyi herbeigesehnten Gespräche zwischen Jelačić auf der einen Seite und Stephan bzw. Batthyány auf der anderen Seite ab dem 28. Juli 1848 in Wien stattfinden.348 Auch Kaiserin Marianne, die Ehefrau Ferdinands, nahm intensiven Anteil.349 Jelačić wurde in Wien stürmisch begrüßt, ähnlich wie Kossuth und Stephan wenige Monate zuvor. Der Banus von Kroatien verstand es darüber hinaus, die Stimmung für sich zu nutzen. Anlässlich einer Serenade am 29. Juli rief er „Ich, meine Brüder, will ein großes, kräftiges freies Oesterreich. Es lebe unser schönes Vaterland! Es lebe Deutschland!“350 Der Vertreter kroatischer Partikularinteressen schien zum Garanten der Habsburgermonarchie und des Deutschen Bundes geworden. Der Palatin von Ungarn hingegen, dem so sehr daran gelegen war, als loyaler Vertreter des Hauses Habsburg zu gelten, wurde zum Gegner des Systems. Das machte jede Verhandlung und jedes politische Agieren schwierig. Die Gespräche offenbarten so folgerichtig nur den tiefen Abgrund, der sich zwischen den Parteien aufgetan hatte.351 Dem Hof war letztlich nur daran gelegen, ohne Gesichtsverlust den Banus von Kroatien zu rehabilitieren, damit er mit Kriegsoperationen gegen Ungarn beginnen konnte. Der Palatin diente dazu, dies in die Wege zu leiten, und Stephan tat, was man von ihm erwartete. Die Wiener Regierung forderte drei Gesamtministerien für die Donaumonarchie, während die Ungarn 344 Mayr (1931), S. 100 (13. Juli 1848). 345 Kováts, S. 320. 346 Spira, S. 252–253. 347 HU MNL OL P 301 (25. Juli 1848). 348 Vizthum von Eckstädt, S. 127 (28. Juli 1848); Krones, S. 693. 349 Kováts, S. 323. 350 Krones, S. 693; Bauer (1975), S. 144. 351 Bauer (1975), S. 143–143.
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die restlichen Ressorts zur freien Verfügung bekommen sollten. Jelačić ging darauf ein und forderte die Zusammenlegung der Ministerien für Verteidigung, Finanzen und Auswärtiges mit Zuständigkeit für die Gesamtmonarchie, eine Gleichbehandlung der nationalen Rechte der Kroaten und die Verwirklichung der Wünsche der Serben.352 Hier konnte und wollte der Palatin nicht mitgehen, so dass die Verhandlungen erwartungsgemäß scheiterten. Ganz offensichtlich musste alles auf einen militärisch ausgetragenen Konflikt hinauslaufen. Wenn Wien Stephan nun suggerierte, dass durch eine Trennung Kroatiens von Ungarn der Frieden noch zu wahren sei,353 war dies eine mehr als unrealistische Hinhaltetaktik gegenüber dem Palatin, dem man zutiefst misstraute. In habsburgfreundlichen Kreisen kursierte sogar das Gerücht, Stephan habe in Wien nach einer Beratung im Zimmer des Erzherzogs Johann Jelačić gefragt, wie er sich noch an Österreich halten könne, wo es doch ohnehin bald zusammenfalle. „Den richtigen Namen für diese Äußerung überlasse ich dir selbst“, schrieb Prinz Moritz von Nassau erbost an seinen Bruder Adolph.354 Der Polizeiminister Kempen hatte von Jelačić erfahren, dass sich Erzherzog Johann in den Verhandlungen schwankend gezeigt und Erzherzog Stephan ausgerechnet das Wiener Ministerium zum Diener des Frankfurter Paulskirchenparlaments erklärt habe.355 Stephan muss sich also in diesen Unterredungen ausgesprochen anmaßend, aber auch panisch verhalten haben, was schließlich zu völlig irrationalen Anschuldigungen geführt hatte. Die Überforderung war offensichtlich, und Sympathie brachte ihm dieses Verhalten auf keiner Seite ein. Der in österreichischen Militärdiensten stehende Prinz Moritz von Nassau, der auf Stephan ohnehin nicht gut zu sprechen war, bezeichnete ihn mit dem Epitheton „……“. Das war – wie „Hundsf…“ als Bezeichnung für Kossuth im selben Brief – zweifellos als Schimpfwort zu verstehen.356 In den Augen des Wiener Hofes war der Palatin von Ungarn zum Totengräber des Habsburgerreiches geworden; vielleicht wurde er sogar bewusst als solcher diskreditiert. Gegen solche Vorwürfe versuchte sich Erzherzog Stephan zur Wehr zu setzen. Er werde sich für eine zweideutige politische Rolle nicht hergeben, bekannte er Carl Alexander von Sachsen-Weimar.357 Er diene dem Kaiser, wo und wie dieser es befehle, so lange es mit seiner Ehre vereinbar sei. 352 Bauer (1975), S. 146. 353 Kováts, S. 323. 354 HLA HHStAW Best. 130 II Nr. 3307 (2. August 1848). 355 Mayr (1931), S. 103–104 (14. August 1848). 356 HLA HHStAW Best. 130 II Nr. 3307 (2. August 1848). 357 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 738 a (11. August 1848).
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Seine Rolle sah er dabei in einem gesamtdeutschen Rahmen, da die Probleme in Preußen, Hannover und Schleswig-Holstein ihren Einfluss auf die derzeitige Lage in der Donaumonarchie hätten. Erzherzog Johann, so hoffte Stephan, werde „den Radicalismus zu Paaren treiben“. Deshalb empfahl er – nach einem Vorgehen gegen die Revolution mit Ernst und Energie358 – einen allgemeinen Landfrieden und eine Amnestie, „mit Berücksichtigung der arbeitenden Menschenklasse, der eine Art Botany Bay oder Nordamerika auf Unkosten der Gesamtstaaten errichtet werden müßte“. Er plante für die Arbeiterschaft eine eigene Kolonie, in der diese staatlich finanziert leben konnte. Auch hier bleibt die Vision zu vage, um die zugrunde liegenden Absichten ausloten zu können. Sie fügte sich aber in sein bisheriges Denken, nicht die Ursachen von Elend und Revolution zu bekämpfen, sondern entweder mildtätig diese Folgen zu dämpfen oder aber die Not einfach wegzuschieben. Den Grund der Revolution sah Stephan also vorrangig im wirtschaftlich-sozialen Bereich, obwohl er in Ungarn hätte erkennen können, dass die Revolutionäre nicht aus der Arbeiterschaft oder der Unterschicht stammten. Seine Erfahrungen in Böhmen, aber vielleicht auch die Entwicklungen in Wien mögen das Urteil beeinflusst haben.359 Ungarn selbst, das Stephan – im Gegensatz zu Kroatien – als das neue Prinzip bezeichnete, ohne diese Vorstellung näher zu definieren, sah er im Kriegsfall Österreichs gegen Deutschland den Habsburgern die Unterstützung verweigern. Das konnte er nicht gutheißen. Die Gefahr, dass das „neue Prinzip“, dem er als Palatin vorstand, sich gegen den Staat und das Herrscherhaus wenden könnte, denen er verpflichtet war, bildete für ihn ein großes Problem. Einen ungarischen Landtagsbeschluss, der ein deutsch-ungarisches Militärbündnis anstrebte, bezeichnete er als „gesetzwidrig, frevelhaft und gefährlich“. Er werde eine von der kaiserlichen Armee unabhängige ungarische Streitmacht niemals unterstützen.360 Ungarn dürfte demzufolge in Stephans Augen für das nationalstaatliche Denken gestanden haben, während das alte Prinzip vermutlich das dynastisch ausgerichtete war. In diesem Sinne blieb als Mittelweg nur eine Gesamtstaatsfamilie mit nationalen Autonomien, aber unter zentraler, dynastischer Oberhoheit. Wie das im Vielvölkerstaat der Habsburger aussehen könnte, erläutert Stephan an keiner Stelle.361 Einigen Andeutungen zufolge 358 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 738 a (11. August 1848); auch Árpád, S. 367 (5. August 1848): „Dieser [Stephan] sehr energisch. Es muss brechen!“ 359 Mommsen, S. 121. Eine Ausweisung von Menschen entfernt von Europa war übrigens eine Vorstellung, die Stephan auch später immer wieder einmal vorbringen sollte. 360 Kováts, S. 322. Womöglich war Stephans Antipathie gegen die Magyarisierung der ungarischen Armee auch so zu verstehen; Kletečka (1996), S. 598 (Nr. 112, 26. August 1848). 361 Zu vergleichbaren Vorstellungen, die sich allerdings in der Habsburgermonarchie erst in
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scheint ihm etwas Ähnliches wie das spätere Commonwealth vorgeschwebt zu haben, womöglich auch in Fortspinnen der Staatenbundpläne seines Vaters Joseph aus der Zeit um 1810. Erzherzog Joseph hatte noch 1843 die Habsburgermonarchie als Bund und Völkerfamilie definiert, in der sich die einzelnen Glieder gegenseitig unterstützen. Metternichs Vorstellung eines Staatenbundes „unter einem Souveränoberhaupt“ ging damit begrifflich weitgehend konform. Jenseits des Habsburgerreiches hatte der Staatskanzler auch für Deutschland einen föderalen Staatenbund nach Vorstellungen des Alten Reiches ins Auge gefasst.362 Eine genaue Ausformung dieses Staatsbegriffs lässt sich auf vormoderne Vorstellungen zurückführen. Eine tragfähige Umsetzung wäre 1848/49 allerdings ausgesprochen schwierig geworden – gerade unter der Prämisse des nationalstaatlichen Denkens vieler Revolutionäre und in Anbetracht der Tatsache, dass in Ungarn eben nicht nur Magyaren lebten. Kossuth bezeichnete die Verbindung von Staaten unter einem Regenten ausdrücklich als „Unmöglichkeit“ und „Unsinn“.363 Aber handelte Stephan überhaupt noch seinen ausgleichenden Vorstellungen gemäß? Die Ungarn hatten schließlich Ende August den Staatsmann und Schriftsteller Ladislaus von Szalay mit einer Vollmacht des Palatins eigenmächtig nach Frankfurt zum Paulskirchenparlament gesandt, um dem Reichsverweser zu gratulieren.364 Der Fall lag also ähnlich wie bei der früheren Delegation Ende Mai. Stephans Lippenbekenntnisse gegen ein deutsch-ungarisches Militärbündnis konnte man in Wien daher nicht recht ernst nehmen. König Ferdinand bzw. die Wiener Regierung musste der Palatin wieder als Sympathisant einer ungarischen Unabhängigkeit erscheinen, weil nur eigenständige Staaten Diplomaten entsenden dürfen. Der König wies Stephan darum auch an, das ungarische Ministerium „in die Gränzen seiner Wirksamkeit“ zurückzuweisen, und erklärte sowohl den Ungarn als auch der Paulskirche, dass nur ein Diplomat mit königlicher Vollmacht anden 1850er Jahren häuften vgl. Kann 2: Adrian-Werburg, S. 97–98, ging vor 1848 von autonomen Einheiten aufgrund der traditionellen Ständeordnung aus, warnte aber vor einem extremen Föderalismus, während er 1859 dieses Bild zugunsten historisch-politischer Individualität ständischer Prinzipien revidierte; Eötvös, S. 103, strebte 1850 einen dezentralen, aber nicht föderalen Bundesstaat an, in dem die Krone ein einigendes Band bildete; Wesselenyi, S. 115, wollte das Reich in einen Bund von fünf Gliedstaaten umgewandelt sehen. Um Stephans Ideen aus solchen Vorstellungen herzuleiten und mit ihnen abzugleichen, bleiben sie in seinen Darlegungen leider zu vage. Bei Kann 2 auch die Ideen des Kronprinzen Rudolf, S. 188, und des Erzherzogs Franz Ferdinand, S. 204–205 (Vereinigte Staaten von Groß-Österreich). Vgl. auch Hamann (1978), S. 13. 362 Andics (1973), S. 406–407, Schreiben Metternichs an Erzherzog Joseph (8. Februar 1843); Siemann (2016), S. 514–520. 363 Kossuth, S. 274; Friedjung 2.1, S. 35. 364 Szalay, S. 13; Kosáry, S. 61–62.
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erkannt werden dürfe. Dass Szalay vom Reichsverweser empfangen worden war, galt Wien als „Hochverrat von beiden Seiten“.365 So wie sich die Dynastie aber an Stephan klammern musste, weil es keine Alternative gab, so konnte Stephan nicht mit den Revolutionären brechen. Den ungeliebten Finanzminister Kossuth beließ er im Juli 1848 trotz eines Streites über die Emission von Papiergeld und des damit einhergehenden Rücktrittsgesuchs im Amt. Die Kassen waren zu leer, als dass Stephan eine Alternative dazu gesehen hätte, obwohl der gemäßigtere Batthyány eine Entlassung Kossuths begrüßt hätte, um die Ministerriege zu homogenisieren. Wirkliche Alternativen gab es aber wohl keine, zumal hinter dem öffentlichkeitswirksamen Kossuth weite Kreise der Bevölkerung standen: Die Bedrohung war eklatant.366 Mitte August 1848, nach der Rückkehr des Kaiserhofs nach Wien, wurde Stephan durch ein kaiserliches Mandat der Stellvertretung enthoben, weil der Kaiser-König nun selbst die Regierung führen könne. Auch ließ man dem Palatin eine Denkschrift des Ministeriums Doblhoff zukommen, in der die Märzerrungenschaften als unvereinbar mit der Pragmatischen Sanktion und als dem Gesamtstaat nicht zuträglich bezeichnet wurden. Der König sei nicht berechtigt gewesen, diese Zugeständnisse zu machen, weil sie eben der Pragmatischen Sanktion zuwiderliefen.367 Um die Einheit der Monarchie zu sichern, seien alle ungarischen Staatseinrichtungen der Pragmatischen Sanktion anzupassen. Stephan selbst wurde nach Wien geladen. Die am 26. Juni erteilten Vollmachten wurden ihm nur folgerichtig entzogen,368 darunter auch das Recht auf die Sanktionierung der Gesetze. Damit war ausgeschlossen, dass künftig Gesetze, die dem Hof nicht genehm waren, in Ungarn verabschiedet werden konnten. Den Revolutionären wurde es erschwert, ihre Ziele zu erreichen, und Stephan musste in ihren Augen an Bedeutung verlieren. Die Schlinge begann sich um die Aufständischen zusammenzuziehen – nach der Erstürmung Prags durch Windisch-Graetz (17. Juni), der siegreichen Schlacht von Custozza (25. Juli) sowie dem Waffenstillstand mit Piemont-Sardinien (8. August). Im Süden rebellierten die ungarischen Serben, und in Ungarn dankten die Militärkommandanten der Truppen ab, so dass diese ohne Führung dastanden. Angesichts dieser Entwicklung kam in Ungarn der Gedanke auf, die Diktatur eines Landtags365 Árpád (1932), S. 13–14 (7. September 1848) und S. 15 (7. September 1848); Hoor, S. 10–11. 366 Zöllner, S. 358–359. 367 Kossuth, S. 281; Krones, S. 694–695. 368 Knatchbull-Hugessen II, S. 84. Szalay argumentierte gegenüber dem Frankfurter Außenministerium, dass es ein königliches Reskript nie gegeben habe, das Stephan die königlich-statthalterische Vollmacht entzog, weil Ferdinand an der „Einigkeit zwischen König und Volk“ nicht habe rütteln wollen; Szalay, S. 28.
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komitees zu errichten, um den Erosionserscheinungen entgegenzuwirken. Batthyány brachte den Palatin für dieses Amt ins Gespräch, was wiederum Kossuth ablehnte, der Stephan nicht mehr vertraute.369 Stephan selbst gab dazu auch Anlass. Nach dem geschilderten Gespräch in Wien mit Jelačić wandte er sich am 23. August mit einer Denkschrift an die ungarische Regierung, in der er Zugeständnisse Ungarns gegenüber Kroatien vorschlug und die Aufhebung der Verordnungen gegen Jelačić. Batthyány folgte dem Palatin und wies die Ausarbeitung einer Regelung bis Mitte September an. Kurz darauf allerdings kam es zu einem heftigen Konflikt über den serbischen Angriff in Südungarn. Batthyány forderte den Palatin auf, anstatt theoretische Ratschläge zu erteilen, endlich aktiv zu werden, nach Südungarn zu reisen und die Truppen für den Kampf zu motivieren. Stephan wich auch hier wieder aus. Er könne erst aktiv werden, wenn der König ihn anweise. Außerdem müsse es sich das Ministerium gut überlegen, ob es das mögliche Blutvergießen auf sich nehmen wolle. Er riet dem Ministerium daher am 24. August dazu, „um jeden Preis [zu] pacifiziren“.370 Dabei war bereits bekannt geworden, dass ausländische Serben Ungarn angegriffen hatten und dass Generalmajor Ferdinand Freiherr Mayerhofer als Landeschef der Woiwodschaft Serbien militärisch gegen die Ungarn vorgegangen war.371 Stephan wurde darum heftig unter Druck gesetzt. Er paktiere mit dem Kaiserhof und der Dynastie, hieß es. Ungarn aber müsse sich von dieser Bindung befreien. Stephan hingegen antwortete: „Ich liebe meine Dynastie, ich gehorche meinem König, aber ich liebe auch mein Vaterland und ich bin nie zweideutig gewesen!“372 Diese Selbstsicht war sicherlich nicht falsch, nur hatte dieser Zwiespalt von Anfang an den Palatin an einer eindeutigen Politik gehindert. Stephan selbst erklärte, der Proklamation gegen die Serben zuzustimmen und das Blutvergießen durch Mayerhofer zu verurteilen. Aber zu diesem Zeitpunkt wusste er bereits, dass auf diplomatischem Weg nichts mehr zu erreichen sein würde. Er forderte daher österreichische Truppen für die ungarische Hauptstadt an, weil er in Anbetracht eines möglichen Linksrutsches um seine Sicherheit bangte.373 Der Ton war in der letzten Zeit immer schärfer geworden; Kossuth hatte sogar am 27. August die Absicht geäußert, den Kaiser aus der Burg zu werfen,374 und Széchenyi warnte den 369 Kováts, S. 322–323. 370 Árpád (1921), S. 385 (27. August 1848); Kováts, S. 324; Spira, S. 273. 371 BLKÖ 17 (1867), S. 174. 372 Zitiert nach Kováts, S. 324. 373 Kováts, S. 327; Deák (1989), S. 143; Spira, S. 275. 374 Spira, S. 276.
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Palatin vor Kossuth als Geißel Gottes, die für großes Blutvergießen sorgen werde.375 Selbst wenn Stephan die Gefahr nicht so hoch einschätzte wie der zusehends depressiver und nervöser werdende Széchenyi, so hieß es doch vorsichtig sein. Gerüchte kursierten gar, dass Kossuth den Palatin gefangen zu nehmen oder des Landes zu verweisen gedenke. Andere sprachen hingegen weiterhin davon, er wolle Stephan zum König ausrufen. Ohne eine militärische Unterstützung, das musste dem Erzherzog klar sein, war er in dieser Situation vollends handlungsunfähig. Der bisher in seiner Überforderung gelähmte Politiker strebte einem Befreiungsschlag zu, der aber völlig utopisch war. Utopisch auch deshalb, weil die Wiener Regierung in seine Person ja keineswegs mehr das nötige Vertrauen setzte. Deshalb antwortete Erzherzog Franz Karl, dass man ihm keine Truppen senden und nicht einwilligen werde, seine Macht zu erweitern. Er warnte Stephan regelrecht davor, eine Diktatur anzustreben oder anzunehmen.376 Denn all das würde den habsburgischen Gesamtstaat gefährden. In Ungarn freilich spielte man genau mit diesem Gedanken.377 5.5 Letztes Aufbäumen und Rückzug Bereits am 31. August 1848 hatte der König den Palatin angewiesen, dass die Pragmatische Sanktion in Ungarn voll zur Anwendung kommen müsse. Denn sie garantiere die Einheit des habsburgischen Gesamtstaates.378 Er nahm dabei Bezug auf eine Denkschrift der Regierung, welche die Abtrennung Ungarns von Österreich kommen sah. Zur weiteren Unterhandlung hätten sich die Mitglieder des ungarischen Kabinetts im Beisein Jelačić’ in Wien einzufinden. Gerade die letzte Bedingung sorgte für große Unzufriedenheit in Ungarn.379 Trotz all dieser massiven Konflikte kam es ausgerechnet mit Kossuth und auf Wunsch des Palatins zu einer mitternächtlichen Unterredung.380 Kenntnis davon haben wir nur durch die gewöhnlich sehr subjektiven, wenn nicht gar 375 Spira, S. 289. 376 Kováts, S. 327. 377 Árpád, S. 373 (12. August 1848) und S. 384 (26. August 1848). 378 Péter, S. 291. 379 Abend-Beilage zur Wiener Zeitung Nr. 159 (15. September 1848), S. 629; Arneth 2, S. 260; Déak (1974), S. 39. 380 Kossuth, S. 285–291; Sinkovics, S. 927–930 (Anm. 3); Kováts, S. 331, gibt als mögliche Termine für diese Unterredung die Zeit zwischen dem 5. und 7. September oder aber dem 15. September an. Angesichts der weiteren Entwicklung wird das Gespräch aber vor der Landtagssitzung am 4. September stattgefunden haben.
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polemischen Aufzeichnungen Kossuths. Stephan, so berichtete der Minister, habe ihn um Nachricht aus Wien gebeten. Kossuth musste passen. Aber er sagte prophetisch einen großen Kampf voraus, was den Palatin noch zusätzlich in Nervosität versetzt habe. Auf seine Frage hin erklärte der Minister, dass das Ende des Kampfes die Krone und/oder das Schafott sein werde: die Hinrichtung für die Revolutionäre, die ungarische Krone für den Erzherzog. Stephan schloss die Frage an, wie Kossuth sich das vorstelle: ob er seinem Cousin die Krone rauben solle? Darauf legte der Angesprochene die Situation dar: Nicht Stephan sei der Kronräuber, sondern diejenigen, die den derzeitigen Zustand missbrauchten und das einigende Band verletzten – die Kamarilla –, hätten die Krone geraubt. Stephan müsse im Sinne der Dynastie nach der Krone greifen, weil andernfalls, nachdem die Kamarilla den ungarischen König vom Thron vertrieben habe, dieser entweder vakant gelassen oder aber eine fremde Dynastie herbeigeholt werden müsse. Wenn Stephan als ungarischer König regiere, würden beide Staaten als gute Nachbarn nebeneinander existieren, und bei einer möglichen Verbesserung der Verhältnisse könne er ja auch auf die Krone wieder verzichten. Derzeit aber sei eine „Sekundogenitur“ aus „Hochachtung des monarchischen Prinzips“, also aus dynastischen Gründen, geboten.381 Kossuth also wusste, wie er den Palatin fangen konnte, und das bekräftigte er noch damit, dass er persönlich dafür bürgte, Stephan werde – wie zu Maria Theresias Zeiten – als König verehrt. Der Palatin lehnte ein solches Ansinnen jedoch ab, weil er es seinem Vater auf dem Totenbett geschworen habe. Kossuth wies dem Palatin daraufhin in seinen Aufzeichnungen indirekt die Schuld an all dem zu, was kommen sollte: Dieser Schwur sei für Ungarn ein Unglück gewesen. „Mein armes Vaterland!“382 Wie auch immer das Gespräch genau verlaufen sein mag, Stephan war für Kossuth sicherlich der Mann, um seinem revolutionären Vorgehen Legitimität zu verleihen. Dafür hätte sich Stephan aber entscheiden müssen, auf welcher Seite er stand. Insofern bezeichneten Kossuths Worte auch den Versuch, ihn definitiv auf die Seite der Revolution zu ziehen oder ihn durch eine Ablehnung ins Abseits zu stellen. Stephan mochte dies durchschaut haben, vermutlich aber lag seinem Handeln die Angst zugrunde, mit der Dynastie zu brechen. Lieber werde er von König Ferdinand das tägliche Brot erbetteln, soll er geäußert haben, als ihm die Krone zu stehlen.383 Ob es nur das gegebene Versprechen gegenüber seinem Vater war, diesen Weg nicht zu beschreiten, oder nicht doch die Einsicht, diesen Aufgaben nicht gewachsen zu sein und sich zum Feind vieler Mächtiger zu machen, muss wohl offen381 Kossuth, S. 287. Vgl. insgesamt auch Hermann, S. 80. 382 Kossuth, S. 288. 383 Kováts, S. 331–332; Deák (1989), S. 143; Anders (1868), S. 297.
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bleiben – eine weitere Stufe der Eskalation hätte eine solche Machtergreifung definitiv bedeutet. Mit seiner Entscheidung aber setzte der Palatin den radikalen Flügel der Revolution wiederum unter Zugzwang. Stephan verkündete am 4. September 1848, dem Tag, an dem er auch aus Wien Truppen anforderte, den ungarischen Ministern offiziell, dass die von Ungarn neu erlassenen Finanz- und Militärverordnungen (Ausgabe von Banknoten, Musterungsgesetz)384 die Pragmatische Sanktion verletzten. Eigenmächtig hatten die Ungarn die Ausgabe der Banknoten beschlossen.385 Die usurpierten Kompetenzen seien wieder fallenzulassen. In Ungarn musste dieses Signal als endgültiges Überlaufen des Palatins zum Wiener Regierungskurs und als Abrücken von den Aprilgesetzen verstanden werden.386 Zumindest bedeutete es, dass er nicht bereit war, mit der Wiener Regierung zu brechen, und an der Einhaltung der Reichseinheit festhielt.387 War das der Grund dafür, dass ihn Széchenyi ausgerechnet in jenen dramatischen Tagen „getrost“ und „voller Mut“ fand?388 Verbal versuchte er freilich immer noch den Spagat zu halten. An Batthyány in Wien schrieb er daher am 4. September, er habe Erzherzog Franz Karl aufgefordert, mit offenen Karten zu spielen. Eine mögliche Entlassung des Ministeriums wollte er nach Batthyánys Rückkehr nach Ungarn besprechen, um „den Gegenstand in legaler Form“ zu erledigen. Er schloss diesen Schritt freilich nicht aus, hoffte aber danach trotzdem auf Batthyánys Loyalität und seine „chevaleresque[n] Gesinnungen“ setzen zu können. Nur das könne Ungarn vor traurigen Folgen bewahren, da von den in Buda-Pest anwesenden Ministern zwei, Kossuth und Szemere, kein ehrliches Spiel spielten.389 Wie das zu interpretieren war, belegt ein Brief vom gleichen Tag an Erzherzog Franz Karl, in dem Stephan ganz deutlich die Machtergreifung in Ungarn ins Auge fasste, um sie zugunsten der Dynastie zu nutzen. Andernfalls drohe eine Usurpation der Macht durch das Parlament wie während der Französischen Revolution. Er strebte eine „discretionäre Gewalt auf einige Zeit“ an, bis das Land beruhigt sei. In dieser Zeit wollte er den Landtag auflösen, Volksversammlungen und andere Demonstrationen verhindern und neue Persönlichkeiten ans Ruder bringen – er dachte an den Kommissar von Siebenbürgen Miklos Baron Vay oder den gemäßigt oppositionellen Vize384 Deák (1989), S. 143. 385 Deák (1989), S. 142. 386 Árpád (1932), S. 5 (3. September 1848); Oplatzka, S. 395. 387 Árpád (1932), S. 3 (26. August 1848), Protokoll einer Ministerratssitzung in Wien. 388 Árpád, S. 388–389 (31. August 1848 und 3. September 1848). 389 Árpád (1932), S. 6–7 (4. September 1848).
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präsidenten der Magnatentafel Zsigmond Perényi –, die beruhigend wirken könnten. Mit Jelačić wollte er Frieden schließen. „Glaubt ihr mir auf’s Wort, dass ich nur das Interesse der Dynastie und das Wohl Ungarns im Verein mit Oesterreich und nur darin auch beider Länder Zukunft sehe, so authorisiert mich zu diesem entscheidenden Schritte unter Berücksichtigung der Umstände.“ Sollte ihm dieser Staatsstreich nicht ermöglicht werden, so würden Kossuth und der liberale Abgeordnete Pál Nyáry die Macht ergreifen, und er, Stephan, könne nicht mehr in Ungarn bleiben.390 Für sein Agieren forderte er Truppen an, weil diesem sonst die Grundlagen fehlten. Das war der Versuch eines Militärputschs391 und ein Handeln „mit Ernst und Energie“, wie er es am 11. August Carl Alexander von Sachsen-Weimar versprochen hatte; aber er war bisher die Umsetzung dieser Versprechungen schuldig geblieben. Batthyány hatte in dem an ihn gerichteten Schreiben diese Dimensionen allenfalls zwischen den Zeilen herauslesen können. Genau am gleichen Tag, am 4. September, wurde Jelačić durch die Wiener Regierung offiziell rehabilitiert, ohne dass darin die Bewilligung eines Angriffs auf Ungarn enthalten gewesen wäre. Vielmehr verfolgte Wien weiter seinen Kurs, der Banus müsse sich noch etwas zurückhalten.392 Aber Jelačić war dafür nicht geschaffen, und Wien wusste das. Er sollte Ungarn unterwerfen und damit die Einheit des Gesamtstaats retten. Deshalb beschied Erzherzog Franz Karl Stephans Wünsche auch abschlägig: „[…] ersehen wir Nichts, was ein hinlängliches Motiv wäre, Dir grössere als die gesetzlich mit Deiner Stellung verbundene Gewalt einzuräumen.“ Schließlich habe ein Rücktritt des ungarischen Ministeriums nicht unweigerlich eine Diktatur zur Folge. Stephan solle darauf setzen, dass der Kaiser handeln werde, wenn das Ministerium zurückgetreten sei. „Wir erwarten es daher von Dir mit Gewissheit, dasz falls man Dir mit dem Ansinnen einer Diktatur kommen würde, Du diesz auf eine gebührende Art zurückzuweisen wissen wirst.“393 Damit war Stephan nicht nur die faktische, materielle Basis einer Machtergreifung genommen, sondern auch das Verbot ausgesprochen, einen solchen Weg zu beschreiten. Wien setzte auf Jelačić’ Militär und nahm alles andere dafür in Kauf, auch den Rücktritt des gemäßigten Ministeriums. Eine ungarische Delegation Batthyánys und Deáks beim König in Wien war zum Scheitern verurteilt und führte schließlich zum Amtsverzicht des Ministerpräsidenten und aller Minister – bis auf den Innenminister Bertalan Szemere.394 390 Árpád (1932), S. 7–8 (4. September 1848). 391 Krones, S. 327. 392 Árpád (1932), S. 3 (26. August 1848); Kováts, S. 326. 393 Árpád (1932), S. 11–12 (6. September 1848). 394 Siebenbürger Wochenblatt Nr. 76 (19. September 1848), S. 468.
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Auf einer Sitzung des Abgeordnetenhauses am 11. September wurde daraufhin ein Brief des Palatins verlesen, der für Empörung sorgte: Er teilte dem Parlament den Rücktritt Batthyánys mit und erklärte, Wien schon den Vorschlag für einen neuen Ministerpräsidenten unterbreitet zu haben. Für die Zwischenzeit bis zur Ernennung dieses Nachfolgers habe er die Zügel der Regierung in seine Hand genommen und rechne mit der tatkräftigen Unterstützung der beiden Kammern.395 Das Repräsentantenhaus erkannte in diesem Schreiben ein ungesetzliches Vorgehen des Palatins, weil dem Brief die Gegenzeichnung eines Ministers fehlte, wie es in den Aprilgesetzen vorgesehen war. Schließlich war Szemere nicht zurückgetreten und hätte diese Unterschrift leisten können. Dem – in dieser Situation womöglich etwas ungeschickten – erzherzoglichen Schreiben wurde damit in einer übersteigerten Art und im Rückgriff auf instrumentalisierte Volksmassen außerhalb des Ständehauses eine Relevanz zugeschrieben, die ihm nach der Abmahnung aus Wien nicht mehr zukommen konnte. Kossuths Partei nutzte die Lage, um sich Oberwasser zu verschaffen, was schon in der zeitgenössischen Presse als „Coup de theâtre“ entlarvt wurde.396 In bewusster Zuspitzung wollte man das Provisorische der Entscheidung in einen Staatsstreich umgewandelt sehen – eine tendenziöse Interpretation, der auch der Präses Dénes Pázmándy am nächsten Tag insofern widersprach, als er darauf hinwies, Stephan habe die beiden Häuser des Parlaments in seinem Schreiben zur Mitwirkung aufgefordert, also keinesfalls eine Diktatur proklamiert.397 In der aufgeheizten Stimmung im Parlament während des Abends am 11. September aber schien die Sachlage offenkundig zu sein. Kossuth erklärte noch während der Sitzung den Rücktritt vom Rücktritt. Des Weiteren forderte er, der seine Königstreue ausdrücklich betonte und angesichts diesbezüglicher Regelungen in den Aprilgesetzen auch betonen musste,398 Stephan möge die provisorische Gewalt im Land übernehmen, also nichts anderes, als was Stephan selbst angekündigt hatte. Andere im Saal forderten von Kossuth die Übernahme der Regierung, wozu dieser sich bereiterklärte und womit dieser wohl auch gerechnet hatte. Er wies alle Staatssekretäre und alle Abgeordneten an, seinen Weisungen Folge zu leisten.399 395 Árpád (1932), S. 16–17 (12. September 1848); Der Ungar Nr. 214 (14. September 1848), Sp. 2118; Siebenbürger Wochenblatt Nr. 76 (19. September 1848), S. 468; Wiener Gassen-Zeitung Nr. 97 (15. September 1848), S. 389; Hermann, S. 79. 396 Lud. Aug. Frankl’s Abendzeitung Nr. 141 (15. September 1848), S. 576: „Unstreitig einer der grandiösesten Coups, den Kossuth in seinem politischen Schauspielerleben durchgeführt!“ 397 Der Ungar Nr. 214 (14. September 1848), Sp. 2119. 398 Satellit des Siebenbürger Wochenblatts Nr. 76 (21. September 1848), S. 372; Déak (1974), S. 42; Deák (1989), S. 91. 399 Satellit des Siebenbürger Wochenblatts Nr. 76 (21. September 1848), S. 373.
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Damit war eingetreten, was der Palatin hatte kommen sehen: Kossuth hatte sich zu einer Art Diktator gemacht.400 Eine Deputation unter Pál Almásy wurde zu Stephan entsandt, damit dieser Kossuth mit der Bildung eines neuen Ministeriums betraue und damit den faktischen Zustand legalisiere. Die Reaktion des Palatins war eindeutig: Da es sich bei seinem Schreiben um kein Gesetz gehandelt habe, sei er nicht davon ausgegangen, einer Gegenzeichnung zu bedürfen. Der Landtag werde seine Unterstützung erhalten, solange er sich auf gesetzlichem Weg befinde. Die eigenmächtige Wahl Kossuths aber habe diese Bahn verlassen und zeuge von Misstrauen gegenüber dem Palatin. Wenn das Land ihm nicht mehr vertraue, fuhr Stephan fort, dann sehe er sich veranlasst, Ungarn und seinen Posten zu verlassen.401 Diese Antwort, die wahrlich genügend Sprengstoff in sich barg, nahm das Parlament mit Gleichgültigkeit zur Kenntnis.402 Die Funktionsmöglichkeiten des Palatins waren folglich schon so weit ausgehöhlt, dass ihm keine wesentliche Aufgabe mehr beigemessen wurde. Die „Neue Rheinische Zeitung“ wertete das Vorgehen Stephans jedoch als Konterrevolution.403 In der zugespitzten Darlegung des Blattes hatte Stephan, dem man von revolutionärer Seite so große Hoffnungen entgegengebracht hatte, die Beziehungen zu revolutionären Kreisen abgebrochen. Auf der nächsten Abendsitzung des Repräsentantenhauses wurden die Wogen durch Batthyány und Kossuth geglättet. Was in der Zwischenzeit hinter den Kulissen vorgegangen sein mag, ist wohl kaum zu rekonstruieren. Batthyány mag sich selbst – unter der Bedingung, dass Jelačić zurückgedrängt und Ungarn ein Kredit von einer Million Gulden verschafft werde404 – erneut als Ministerpräsident ins Gespräch gebracht haben. Stephans Äußerung gegenüber Batthyány, ihn selbst gegenüber der Krone bereits in Vorschlag gebracht zu haben, ist nicht glaubhaft.405 Letztlich aber wird die drohende Kriegsgefahr die gemäßigten Kräfte veranlasst haben, dem Konflikt auszuweichen. Batthyány betonte vor dem Repräsentantenhaus, wie wichtig es sei, dass sich der Palatin im Land befinde. Sollte das Parlament sich anmaßen, dauerhaft – und nicht jährlich, wie in den April400 Hermann, S. 80. 401 Der Ungar Nr. 214 (14. September 1848), Sp. 2119. 402 Der Ungar Nr. 214 (14. September 1848), Sp. 2119; Lud. Aug. Frankl’s Abendzeitung Nr. 141 (13. September 1848), S. 577. 403 Neue Rheinische Zeitung Nr. 107 (20. September 1848). Im Bericht von Karl Marx über den Sieg der Konterrevolution zu Wien, Neue Rheinische Zeitung Nr. 136 (7. November 1848), fand Stephan keine Erwähnung. 404 Árpád (1932), S. 18–19 (12. September 1848). 405 Kováts, S. 330.
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gesetzen festgeschrieben406 – zu tagen, werde der Palatin gezwungen, das Land zu verlassen, was ein großes Unglück für Ungarn bedeute.407 Kossuth wurde noch emotionaler und warb für den Palatin, der bisher in seinem Amt „nicht auf Blumen geruht“ habe, „sondern immer zwischen Dornen gewandelt“ sei.408 Wegen der Krankheit des Königs sei Stephan immer wieder in die Not geraten, zur eigenen Familie auf Konfrontationskurs zu gehen. Damit wurde er auch von der Wiener Kamarilla gelöst, zu der man ihn am Tag vorher in den Debatten noch hatte bringen wollen. Es sei für Ungarn nichts wünschenswerter, als dass es mit dem Palatin in gutem Einvernehmen stehe. Kossuth erklärte, „wie schmerzlich den Erzherzog Palatin der gestern gefasste Beschluß des Hauses berührt habe“. Noch nie habe er sich eine Ungesetzlichkeit zuschulden kommen lassen „und nun sollte in den Blättern der ung[arischen] Geschichte eine Ungesetzlichkeit von seiner Seite aufgezeichnet sein“.409 Kossuth stellte daraufhin die Anträge. Zum einen möge das Parlament erklären, dass es nicht davon ausgehe, Stephan habe mit seinem Schreiben eine Ungesetzlichkeit begehen wollen. Zum anderen solle dem Provisorium in der Landesregierung durch die Ernennung einer Regierung Abhilfe geschaffen werden. Beiden Anträgen wurde entsprochen. Die Verfassungskrise war beendet, und Batthyány wurde schließlich erneut vom Palatin zum Ministerpräsidenten ernannt. Kossuth erklärte sich unter dauerhaftem Beifall höchst erfreut, Batthyány, den er von der Vorsehung dazu auserwählt erkenne, in diesem Amt zu sehen.410 Auch das rechte Lager und die gemäßigte Mitte waren mit dieser Entscheidung zufrieden. Ein in Wien gedrucktes außerordentliches Extrablatt vom 15. September 1848 wusste daher auch Kossuths vermeintlichen Machtverlust schadenfroh zu verkünden, während Stephan damit fortfahren werde, alle Energie zum Wohl des „zerrütteten Landes“ aufzubringen.411 Aus den Kämpfen der ersten Septemberhälfte schienen so die gemäßigten Kräfte siegreich hervorgegangen zu sein. Das hätte Stephan noch einmal Aufwind verschaffen können, doch davon war in seinen Äußerungen nichts zu spüren. Die Aufstände in Ofen und Pest hätten ihm keine andere Wahl 406 Deák (1989), S. 94. 407 Pressburger Zeitung Nr. 66 (18. September 1848), S. 435. 408 Pressburger Zeitung Nr. 66 (18. September 1848), S. 435. 409 Der Ungar Nr. 214 (14. September 1848), Sp. 2120; Pressburger Zeitung Nr. 66 (18. September 1848), S. 435. Auch Sinkovics, S. 926–927. 410 Pressburger Zeitung Nr. 66 (18. September 1848), S. 436. 411 ÖNB F 017326-B (15. September 1848). Stephans Stiefmutter schrieb stolz: „St. hat als Pal. die Zügel ergriffen“; BayHStA GHA Nachlass Erzherzogin Elisabeth von Österreich Nr. 37/1 (15. September 1848).
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gelassen, als Batthyány mit den Regierungsgeschäften zu betrauen, schrieb der Palatin fast entschuldigend nach Wien.412 Ein „verderblicher Einfluß“ Kossuths könne nur durch Batthyánys Persönlichkeit neutralisiert werden. Eine Alternative zu Batthyány sah der Palatin immer noch in dem gemäßigt liberalen Magnaten Miklos Baron Vay de Vaja,413 weil dieser als Einziger eine Majorität in der Reichsversammlung besaß. Wirklich in Betracht zog er ihn aber auch nicht. So blieb nur Batthyány, zumal Stephan selbst bekannte, mit dem Minister Kossuth nicht mehr zu sprechen, sondern nur noch mit dem Menschen. Im Falle Szemeres verweigerte er das Gespräch mit dem Amtsträger und dem Menschen,414 vielleicht weil er zutiefst enttäuscht war, dass dessen Verhalten ihn in solche Schwierigkeiten gebracht hatte. Den König bat Stephan unter Beteuerung seiner tiefsten Loyalität, Batthyány als Ministerpräsidenten anzunehmen und seine beiden Bedingungen zu akzeptieren:415 Zum einen möge Jelačić augenblicklich Halt machen, denn andernfalls wusste der kleinmütige Palatin nicht mehr, was zu tun sei. Und zum anderen möge der König eine Million Bahnaktien den leeren ungarischen Kassen vorschießen. Insgesamt muss es Stephan mehr als deutlich geworden sein, wie schwach seine Position in Ungarn mittlerweile war. Denn in einem Brief an den König erbat der Palatin genaue Angaben, ob und wann er sich aus Ungarn entfernen müsse. Stephans Haltung bestand fast ausschließlich aus Rechtfertigungen gegenüber Wien.416 Seine Worte zur Proklamation Batthyánys machten die Zwangslage ebenfalls deutlich: „Das Gemeinwohl, die Treue für den König und das von Gefahren bedrohte Vaterland sollen es den Staatsbürgern zum Gesetze machen, daß sie eine unerschütterliche Stütze bieten. – Die Feinde des Königs und des Vaterlandes sehe ich als meine Feinde an; ich bin entschlossen, die Gesetze, die Constitution und die Freiheit des Landes gegen jeden Feind nach meinen Kräften zu vertheidigen und aufrecht zu erhalten, wie ich meinem König und der Nation den Eid geleistet habe, und wie ich dies als Palatin und königlicher Statthalter für meine Pflicht erkenne. Im Namen des Königs und des Gesetzes!“417 Die Aufgabe der Untertanen bestand in Stephans Augen darin, die „unerschütterliche Stütze“ für König und Vaterland zu sein, und diese Pflicht war „Gesetz“. Wer es aber verweigerte, Stütze zu sein, dem kündigte Stephan seine Feindschaft an. Das verlieh erneut seiner sta412 OeStA HHStA Große Korrespondenz 482–15 (12. September 1848); Kováts, S. 330. 413 Árpád (1932), S. 19 (12. September 1848). 414 Hermann, S. 80. Stephan würdigte Kossuth 1848 als „una canaglia mà pieno de spirito“;BayHStA GHA Nachlass Erzherzogin Elisabeth von Österreich Nr. 93 (6. Oktober 1848). 415 OeStA HHStA Große Korrespondenz 482–15 (12. September 1848); Kováts, S. 330. 416 Kováts, S. 330. 417 Zit. nach Kováts, S. 331.
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tischen Auffassung von Gesellschaft und Politik Ausdruck. Mit den nach allen Seiten offenen Worten aber stellte er sich letztlich ins Abseits. Denn die „Feinde“ des Königs und des Vaterlandes – im Sinne der ungarischen Regierung – standen nicht im gleichen Lager, mit dem sich Stephan solidarisch erklärte. Bereits am 11. September war Jelačić mit seinen Truppen über die Drau gesetzt. Ratlos reagierte darauf Stephan, der gebeten worden war, die ungarischen Streitkräfte zu befehligen,418 mit fast täglichen Eingaben an den Kaiser bzw. an Erzherzog Franz Karl in Wien.419 Auf Batthyánys Zureden hin übernahm Stephan schließlich den Oberbefehl der Armee gegen Jelačić, nachdem Graf Ádám Teleky, der gegen den Banus von Kroatien hatte kämpfen sollen, zum Gegner übergelaufen war.420 Eine Ablehnung des Oberbefehls auf die Bitte des Landtags hin hätte Stephans Ende in Ungarn bedeutet, so dass ihm keine andere Wahl blieb, wollte er nicht weichen. Aber er stellte eine Bedingung, die diesen Schritt weniger gewagt erscheinen lassen sollte: Stephan pochte auf Gesetzlichkeit. Zu Recht wies der Landtag ihn darauf hin, dass nichts, was dieser beschließe, ungesetzlich sein könne. Stephan wollte aber damit jeglichen Ruch des Revolutionären von sich weisen, weshalb auch der ungarische Thron nicht als vakant bezeichnet werden durfte. Faktisch änderte dies aber nichts an der Tatsache, dass er als Habsburger gegen einen habsburgischen General zu Felde zu ziehen hatte. Da mochte er verbal noch so sehr an der Legitimität seines Handelns festhalten – auch gegenüber Kossuth. Am 16. September wollte sich Stephan zusammen mit General János Móga zur Armee begeben.421 Da ihm die revolutionären Kräfte in Ungarn mittlerweile misstrauten, gab ihm Kossuth drei seiner radikalsten Anhänger als Begleiter – oder gar als Aufseher – mit: den Revolutionsgeneral Mór Perczel, der bereits 1843 die Zerschlagung der Donaumonarchie gefordert hatte,422 den Offizier Sándor Asztalos und den Abgeordnete Sámuel Bónis.423 Doch auch Wien fand einen Weg, Stephans Handlungsmöglichkeit zu beschränken. König Ferdinand wies ihn an, am tatsächlichen Konflikt keinen 418 Rapport, S. 312. 419 Kováts, S. 330. 420 Kováts, S. 332; Deák (1989), S. 147–148; Freifeld, S. 74. Laut einer Zeitungsmeldung sollen „einsichtsvolle Männer“ diesen Schritt Stephans, sich zur Armee zu begeben, bereits als Vorwand interpretiert haben, sich aus Ungarn zu entfernen; Eidgenössische Zeitung Nr. 269 (29. September 1848), S. 1076. 421 Déak (1974), S. 45. Später werden Mogas Aktionen als dilettantisch vorbereitet charakterisiert; Walter (1964), S. 115 (17. Oktober 1848). 422 HLA HStAD Best. G 1 Nr. 181/4 (22. November 1843), die Rede als Abschrift ebd. 423 Bauer (1975), S. 172.
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Anteil zu nehmen, weil dies mit seiner Stellung als kaiserlicher Prinz nicht vereinbar sei.424 Das bedeutete letztlich, dass sich Stephan nicht gegen den von Wien protegierten Jelačić wenden durfte. Der Palatin erfüllte diese Auflage, indem er am 19. September Major Zichy zu Jelačić sandte, um ihm zu befehlen, seinen Vormarsch sofort einzustellen. Der Banus lehnte dieses Ansinnen mit der Begründung ab, vom ungarischen Palatin keine Befehle entgegennehmen zu müssen. Er soll Stephan sogar „niederträchtiger Lump“ genannt haben.425 Bereits einen Tag zuvor hatten sich die Kürassiere Stephans vor den Truppen Jelačić’ ins Landesinnere zurückgezogen.426 Stephan, hieß es, sei bereit, „mit seinem letzten Blutstropfen das Land zu vertheidigen“, was als seine „heilige Mission“ propagiert wurde.427 Die revolutionär ausgerichtete „Neue Rheinische Zeitung“ schrieb daher am 23. September 1848, der Palatin müsse nun zeigen, ob ihm das Wohl des Landes mehr gelte „als egoistische Umtriebe einer Reaktionspartei, wenn sie auch durch Familienbande an ihn gefesselt, ob er seine Stellung begreifend, eine selbstständige Krone der Bevormundung des eifersüchtigen und herrschsüchtigen Wiener Kabinetts vorzuziehen vermag, ob er mit dem Volke für die Freiheit einstehen will oder es verrathen“.428 Als letzten Ausweg aus diesem Dilemma, das zu diesem Zeitpunkt für ihn nur noch schlecht ausgehen konnte, bereitete der Palatin ein Treffen mit dem Banus an Bord eines Dampfschiffes auf dem Plattensee vor. Grundlage waren Anweisungen aus Wien, den Ausgleich mit Jelačić herbeizuführen.429 Auch hier sandte Stephan den Major Zichy von Bord, damit er Jelačić zu einem Gespräch auf das Schiff lade.430 Den Obergespan des Komitats Bihar, Ödön Beöthy, und den Revolutionsgeneral Perczel sandte er mit, was – zusammen mit den drei gehissten ungarischen Flaggen auf dem Dampfschiff – bei den Kroaten für Argwohn sorgte. Jelačić weigerte sich daher, das Dampfschiff zu betreten, weil er dort seine Sicherheit in Gefahr sah. Doch Stephan, dem im Grunde keine andere Wahl blieb, als mit Jelačić zu einer 424 Árpád (1921), S. 24 (18. September 1848); Kováts, S. 333. In der Zeitung „Constitution“ wurde all das Stephan als Verrat angelastet: Er habe Telekys Verrat – sein Überlaufen zum Feind – beschönigt und Moga befohlen, sich an keiner Schlacht zu beteiligen; Die Constitution Nr. 158 (1. Oktober 1848). Dazu auch BayHStA GHA Nachlass Erzherzogin Elisabeth von Österreich Nr. 93 (3. Februar 1849). 425 Sinkovics, S. 1004. 426 Bauer (1975), S. 172–174. 427 Außerordentliches Extrablatt. Neuestes vom ungarischen Kriegsschauplatze. Schändlicher Verrath des Grafen Adam Teleky, Erzherzog Stephan vertheidigt mit seinem letzten Blutstropfen das Land (19. September 1848), ÖNB F 017395-C. 428 Neue Rheinische Zeitung Nr. 110 (23. September 1848), o. S. 429 Árpád (1932), S. 30–31 (22. September 1848). 430 Kübeck (1909) II, S. 26. Ausführlich auch bei Kiszling 1, S. 224–227.
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Einigung zu gelangen, sandte einen zweiten Kahn mit einer erneuten Einladung zu ihm. Jelačić befragte seine Offiziere, wie er handeln solle. Diese lehnten ein Gespräch ab, worauf der Banus den Ungarn antwortete: „Sie sehen also, Graf, meine Offiziere lassen mich nicht auf ein Schiff gehen, das trotz der Anwesenheit eines Erzherzogs die österreichische Flagge nicht führen darf!“431 Damit war nicht nur Stephans letzter Versuch, sich und seine Position zu halten, gescheitert, sondern er war vom Banus von Kroatien unverblümt als Verräter an Österreich und an seiner eigenen Familie gebrandmarkt worden. Stephan musste sich genau dort getroffen fühlen, wo es ihn am meisten schmerzte. Er begab sich in Panikstimmung sofort nach Ofen zurück, was auf die Nationalgarden „entmuthigend“ gewirkt haben soll.432 Alle Möglichkeiten blieben ihm nun verwehrt: Wien verweigerte ein Vorgehen gegen Jelačić, um die Ungarn damit in die Knie zu zwingen.433 Die Ungarn wiederum verlangten ein Vorgehen gegen den Banus, um zu überleben. In der Nacht zum 23. September beriet sich Stephan mit Batthyány im Geheimen und offenbarte ihm, dass er ernstlich die Flucht ins Auge fasse, was ihm König Ferdinand bereits am 16. September im Falle eines Scheiterns nahegelegt hatte.434 Der Ministerpräsident versuchte ihn umzustimmen. Schließlich garantiere nur die Anwesenheit des Palatins, dass das Land überhaupt bestehen bleibe.435 Zunächst schien es für Batthyány Hoffnung zu geben, den Palatin überzeugt zu haben. Über Nacht hatte es sich dieser aber dann doch anders überlegt und dem Ministerpräsidenten über den Hofrat in der Palatinatskanzlei Josef Stoffer Mitteilung über seinen Rücktritt machen lassen.436 Stephan könne und wolle sich nicht zum „Ankläger einer zweideutigen Politik“ des Monarchen machen. Er sei Mitglied der Dynastie und verliere dort jeden Rückhalt, wenn er auf Batthyánys Vorschläge eingehe. Durch sein Agieren nach Wiener Vorgaben habe er wiederum das Vertrauen der ungarischen Bevölkerung verloren, so dass der Ministerpräsident ihm keine Garantien geben könne.437 Die hochadelig-dynastische Bindung musste 431 Bauer (1975), S. 177; zu dem ganzen Vorgang vgl. auch Kováts, S. 334; Deák (1989), S. 149– 150; Görlitz, S. 120–122; Kiszling 1, S. 225, gibt die Variante wieder, Jelačić habe den Dampfer mit der Begründung nicht betreten, die Maschine des Dampfschiffes könne kränker sein als das Ehrenwort des Palatins. 432 Wiener Gassen-Zeitung Nr. 107 (27. September 1848), S. 429. 433 Árpád (1932), S. 30–31 (22. September 1848). 434 Kováts, S. 333. 435 Árpád (1932), S. 193–194 (12. März 1849), Aussage Batthyánys. 436 Árpád (1932), S. 194 (12. März 1849); zu Stoffer S. 228. 437 „Vor Allem bin ich überzeugt, dasz mein persönliches Herunterkommen im Falle einer abschlägigen Antwort von Sr. M. dem Kaiser mich in die höchst peinliche Lage versetzen
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Stephan als Letztes übrigbleiben. Eine Lösung des Problems bot sein Handeln allerdings auch nicht.438 Um seiner gänzlichen Desavouierung vorzubeugen, händigte Stephan Batthyány noch ein Schreiben aus, das dem Parlament vorzulegen sei, um seine Gründe zu rechtfertigen. Die Beschädigung seines Rufes sollte auf ein Mindestmaß reduziert werden. Auch gab er Batthyány das Versprechen, in Wien alles zu tun, um ein Einschreiten gegen Jelačić durchzusetzen. Dann machte er sich auf den Weg in die kaiserliche Residenz, nicht ohne wichtige Dokumente – auch aus der Kanzlei seines verstorbenen Vaters – mitzunehmen.439 Diese sollten später noch zu manchen Spekulationen führen. Kossuths Versuche, ihn mit Polizeigewalt daran zu hindern, scheiterten.440 Angeblich aber ließ er dann doch Papiere zurück, die verrieten, dass er einen Plan geschmiedet habe, Ungarn zugleich von der Steiermark, von Österreich, Mähren, Schlesien, Galizien und Siebenbürgen aus anzugreifen. In Siebenbürgen seien wallachische Bauern aufgefordert worden, die Waffen gegen Ungarn zu erheben. Und auch ein offizielles Schreiben, das von den Ministern bereits unterschrieben war und die Verpflichtung der ungarischen Truppen auf die Verfassung forderte, habe er auf dem Weg zum König zurückschmuggeln lassen und bei sich verborgen.441 Am 24. September hatte Stephan ein vom 22. September datiertes königliches Reskript erhalten, in welchem der König Batthyánys Bedingungen zur Regierungsbildung ablehnte und den Palatin anwies, Baron Miklós Vay, den er ja selbst wenige Tage zuvor ins Gespräch gebracht hatte, mit der Regierungsbildung zu beauftragen. Doch diese Anweisungen waren ebenso hinfällig würde, sozusagen als Ankläger einer zweideutigen Politik meines Monarchen dazustehen, was ich um so weniger tun kann als Mitglied der Dynastie, indem ich schon diesem Befehle: keinem tatsächlichen Konflikte beizuwohnen, mit Aufopferung meiner Stellung, meines Rufes und des Vertrauens, das das Land bisher mir gezeigt – unbedingt Folge geleistet. – Ferners bietet mir Ihr Auskunftsmittel gar keine Garanzien vor Verdächtigungen von Seiten des Unterhauses in Betreff meiner Entfernung von den Truppen […]“; Árpád (1932), S. 31 (23. September 1848). 438 Selbst der Wiener Staats- und Konferenzrat Kübeck schrieb in sein Tagebuch, dass es „schwere Verwicklungen“ gegeben habe, weil man den Palatin an die Spitze der ungarischen Truppen gegen Jelačić gestellt habe; Kübeck (1909) II, S. 25. 439 Árpád (1932), S. 230. 440 Die Presse Nr. 185 (7. Juli 1879), S. 1. 441 Correspondence relative, S. 260 und S. 262. Für Verwunderung sorgte, dass Jelačić bereits am 24. September von Stephans Amtsverzicht gewusst haben soll, sonst niemand. Der Verdacht liegt nahe, dass der Banus von Kroatien es nur angenommen, nicht gewusst hat; so Eötvös. Dass Stephan zum Banus in Kontakt gestanden hat, ist unwahrscheinlich; Knatchbull-Hugessen II, S. 97–99. Veröffentlicht so auch in den Memoiren der Baronin von Beck 1, S. 300.
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wie die Vergleichsbemühungen der Wiener Ministerien, weil sich der Palatin nicht mehr in Ungarn befand und in Wien sofort in die Hofburg zu Erzherzog Franz Karl geeilt war. In einem halbstündigen Gespräch gestand er schließlich seinem Vertrauensmann, Eduard Zsedényi,442 der als Hofrat am Kaiserhof lebte und durch seinen ungezwungenen Verkehr mit den ungarischen Revolutionären eine Art Mittelsmann zwischen Wien und Buda-Pest bildete,443 dass er nicht mehr Palatin von Ungarn sei und sein Vaterland habe verlassen müssen. Laut eigener Aussage hatte Stephan erklärt, dem Erzherzog Franz Karl unter Tränen vorgehalten zu haben, dass nicht Kossuth oder der italienische Revolutionär Mazzini die Basis der Monarchie zerstörten, sondern die Wiener Erzherzöge seien dafür verantwortlich, weil sie in ihrem Verhalten die „monarchistischen Gefühle“ untergrüben.444 Auch hier wurde also wieder das Bild eines gesunden, fest gefügten Staatsgebildes bemüht, das durch monarchistische Gefühle und die patriarchalische Fürsorge zusammengehalten wird. Stephan sah dieses durch das Bündnis Wiens mit Jelačić, das für die abstrakte Staatsraison stand, als untergraben an. Er sei zwar loyales Mitglied des Hauses Habsburg, aber als Ungar werde er die Freiheit seines Landes nicht zerstören.445 Mit einer theatralischen Geste beendete der Palatin seine Karriere, die mit diesem Argument freilich schon früher hätte beendet werden müssen. Aber all das verbarg, dass es sich gerade zu diesem Zeitpunkt um keine freie Entscheidung mehr handelte. Der Entschluss zum Rücktritt, wer ihn auch immer als Erstes ausgesprochen hatte, dürfte zur allgemeinen Erleichterung getroffen worden sei. Kübecks Formulierung, Stephan „soll sich bereit erklärt haben, seine Würde niederzulegen“,446 impliziert den festen Willen Wiens, diesen Schritt zu erreichen. Stephans theatralischer Auftritt hatte diesen Fall zu bemänteln, wenn ihm das auch kaum glaubhaft gelang. Stephan gelang es allerdings noch in Wien, mit dem österreichischen Regierungschef Wessenberg in einer sehr emotionalen Besprechung447 zu vereinbaren, dass der kaisertreue Divisionskommandant von Pressburg, Feldmarschallleutnant Graf Franz Lamberg, zum Oberbefehlshaber in Ungarn ernannt werde.448 Stephan sollte durch den Gefolgsmann Széchényis und Gegner Kossuths, Graf György Majláth, als königlicher Statthalter bis zur nächsten Palatinswahl ersetzt werden. Im Kontext von Majláths Ernen442 Árpád (1921), S. 305. Zu den Wiener Ministerien Kletečka (1996), S. 641 (Nr. 123, 23. September 1848). 443 BLKÖ 60 (1891), S. 276. 444 Kováts, S. 335; Deák (1989), S. 150; La Presse (27. August 1861), S. 1–2. 445 La Presse (27. August 1861), S. 1–2. 446 Kübeck (1909) II, S. 26. 447 OeStA HHStA SB NL Wessenberg 11-125 (30. November 1851), Abschrift Wessenbergs. 448 Árpád (1932), S. 35 (25. September 1848), vgl. auch S. 34–35; Broucek (1982), S. 429–430.
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nung verlautbarte die offizielle „Wiener Zeitung“ übrigens kurz und bündig, Stephan habe seine Stelle als Palatin „in die Hände des Kaisers zurückgelegt“.449 Mehr erfuhren die Leser von offizieller Seite nie, und Majláth wurde schließlich von der Revolution „weggespült“.450 Lamberg begab sich dann tatsächlich nach Pest, wo man ihn als zweiten Jelačić zu erkennen glaubte. Am 28. September 1848 lynchte ihn eine Meute aus Studenten, Handwerksgesellen und Nationalgardisten,451 weshalb an einen Ausgleich nun gar nicht mehr zu denken war. Noch aus Wien schrieb Erzherzog Stephan am 26. September 1848,452 nach zwei Tagen Aufenthalt in der Stadt und noch vor der Ermordung Lambergs, an seinen Freund Carl Alexander von Sachsen-Weimar, dass er just an jenem Tag sein Amt als Palatin in die Hände des Kaisers zurückgelegt habe und erwarte, am nächsten Tag seine Entlassung zu erhalten. Wolle er dem Monarchen und der Dynastie treu bleiben, bleibe ihm keine andere Möglichkeit. Er verliere, so führte er aus, Hab und Gut, eine brillante Stellung in der Welt, seine Reputation, die Popularität in Ungarn und einen Großteil seines Kredits in Österreich. Zunächst werde er zu seiner Halbschwester Elisabeth in die Nähe von Brünn gehen, dann auf die Schaumburg, sein „altes Raubnest“.453 In Wien selbst sehe man an allen Straßenecken Plakate gegen Stephan und die Ungarn. Es sei nichts mehr zu machen, da er der Zeit zum Opfer gefallen sei und um nichts mehr nachsuchen und auf nichts mehr warten werde, bis man auf ihn zukomme und ihn brauche. In der Öffentlichkeit hatte er also sein Renommee von einst verloren. Stephan selbst sprach von „Depopularisierung“.454 Der Akt des Rücktritts konnte daher auch nicht für eine autonome Handlung455 stehen. Der Historiker Heinz Dollinger hat die Abdankung eines Mo449 Wiener Zeitung Nr. 169 (27. September 1848), S. 669. Auch der englische Gesandte kommentierte den Vorgang erstaunlich lakonisch: „The Archduke Palatine has resigned, and is about to leave, it is said, to travel“, Correspondence relative, S. 84 (26. September 1848), bzw. „The Palatine has resigned, and is by law succeeded by the Great Judge, Mailath “, Correspondence relative, S. 84 (27. September 1848). Das Bregenzer Wochenblatt Nr. 41 (13. Oktober 1848), S. 163, öffnet mit dem Satz „Erzherzog Stephan hat die Würde des Palatins von Ungarn niedergelegt“, geht aber nicht weiter auf diesen Tatbestand ein. 450 BLKÖ 16 (1867), S. 297. 451 Kováts, S. 338; Deák (1989), S. 150–152; Mayr (1931), S. 113 (18. Oktober 1848). 452 Die in der „Königlich privilegirten Berlinischen Zeitung von Staats- und gelehrten Sachen“ (Nr. 230, 3. Oktober 1848, o. S.) erwähnte Rückkehr nach Pest am 25. September 1848 ist irrig. 453 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 738 (26. September 1848). 454 Zit. bei Kováts, S. 347: „Ich mußte die Phasen der Depopularisierung, von in den Himmel gehoben werden bis zu ‚Kreuziget ihn!‘ durchmachen.“ 455 Die über die Vorgänge in Wien noch am 28. September 1848 rätselnde „Königlich privi-
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narchen als „einzige Chance wirklich selbstherrlichen politischen Handels“ im 19. Jahrhundert bezeichnet.456 In Stephans Lage aber war es diesem nicht mehr möglich, autonom zu handeln, weil der Vertrauensverlust auf allen Seiten zu groß geworden war. Obwohl er auf Lebenszeit gewählt worden war, hätte er über keine Handlungsbasis mehr verfügen können. Und darauf setzte die Hofpartei in Wien wahrscheinlich auch. Sein Rücktritt unterlag dem Wiener Kalkül wohl ebenso wie später die Abdankung Kaiser Ferdinands.457 Nur einzelne Stimmen hofften noch auf ihn, wenn auch zweifelnd. Ein bei Franz Edler von Schmid in Wien gedrucktes Flugblatt mit dem reißerischen Titel „Erzherzog Stephan ist in Wien, Jelasich ist in Pest“ gibt darüber Aufschluss. Im Text des Flugblattes wurde klargestellt, dass Jelačić zwar erst in Stuhlweißenburg stehe, die Einnahme Pests durch die „schurkischen Absichten der Slaven“ aber drohe. Die Schuld an der Situation schrieb das Flugblatt der „Kurzsichtigkeit der Kamarilla“ zu.458 In nationalistischem Tonfall fürchtete der Verfasser, dass die Slawen zunächst die Ungarn besiegen und dann die Deutschen knechten würden. „Dann kommen sie vielleicht über unsere gottlose Kamarilla, und drehen ihr eine Nase. Das wäre übrigens die schönste That, die die Kroaten ausüben könnten.“ Die Hauptschuld an der Situation wurde also der Kamarilla zugeschrieben, einem nicht näher definierten Personenkreis am Wiener Hof, der im Umkreis des Erzherzogs Franz Karl und seiner Ehefrau Sophie459 zu suchen war. Stephans Rolle hingegen erschloss sich dem revolutionären Verfasser nicht. Seine Haltung sei unbegreiflich, da er sich nun in Wien befinde, obwohl er doch versprochen hatte, sich an die Spitze der ungarischen Armee zu stellen. „Wir wollen hoffen, daß er nur als Vermittler nach Wien gekommen ist und dann wieder legierte Berlinische Zeitung von Staats- und gelehrten Sachen“ (Nr. 226, 28. September 1848, o. S.) erklärte: „Es wäre außerordentlich, wenn er ohne gewichtige Ursache das ihm anvertraute Land, sein Geburtsland, im kritischsten Augenblick verlassen hätte.“ Stephans Stiefmutter kommentierte den Vorgang mit den Worten: „Stephan geht zuerst, alle andern folgen“; BayHStA GHA Nachlass Erzherzogin Elisabeth von Österreich Nr. 37/1 (24. Oktober 1848). 456 Dollinger, S. 334. 457 In der „Bamberger Zeitung“ stand am 29. September 1848 zu lesen, er habe am 25. September in Wien seinen Rücktritt angeboten, „wenn die Politik des Hofes in Bezug auf Ungarn nicht geändert werde. Diese Entlassung wurde jedoch nicht angenommen. Der Erzherzog hat Wien nach mehrstündigem Aufenthalt wieder verlassen und sich nach dem ungarisch-kroatischen Kriegsschauplatz begeben“; Bamberger Zeitung Nr. 29 (29. September 1848), o. S. 458 OeStA AVA Innere Polizei OPB Flugblätter 4.66. 459 Haltung und Vorgehen der Erzherzogin Sophie gegen Stephan sind anhand der Briefe an ihre Schwester nicht zu rekonstruieren, da diese für die Zeit von Stephans Exilierung nicht überliefert sind. Eine Ausnahme bildet die kurze Erwähnung in GStA PK BPH Rep. 50 T Nr. 43 (6. November 1848).
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zu seinen verbrüderten Ungarn zurückkehren werde“, war das Fazit.460 Er stand den revolutionären Kreisen Wiens also immer noch als Gegenbild zur verhassten Kamarilla vor Augen, auch wenn man seine Rolle nicht mehr genau zu bestimmen wusste und damit selbst nicht mehr so recht an seine eigenen Wunschvorstellungen glaubte. Auf solche Hoffnungen konnte Stephan nicht mehr bauen. Carl Alexander von Sachsen-Weimar gegenüber führte er seine erstaunlich persönlichen Eindrücke von der derzeitigen politischen Lage aus. Man stehe auf einem Vulkan.461 Der „republikanischen Hyder“ sei der Kopf noch nicht abgeschlagen. Denn das Proletariat wachse in erschreckendem Maße und mit ihm gehe der Kommunismus Hand in Hand. Dabei machte Stephan zwei Klassen von Proletariat aus – ein unfreiwilliges, das durch Unglücksfälle in Not geraten, und ein Proletariat, das aus Faulheit, eigenem Willen oder Trunkenheit dazu geworden sei. Der ersten Gruppe dachte er durch neue Erwerbszweige, Verminderung der Verzehrungssteuer und Organisation einer Auswanderung entgegenzuwirken. Die Auswanderung allerdings sollte in nicht zu entfernte Gebiete stattfinden, so dass man die Auswanderer vom Mutterland aus noch überwachen könne. Die zweite Gruppe hingegen sollte zur Zwangsarbeit herangezogen oder in Korrektions- und Strafhäusern untergebracht werden. Junge Männer sollten prinzipiell nicht heiraten, bis die Militärpflicht absolviert war. Damit griff Stephan erneut seine Überlegungen auf, die er bereits am 11. August nach Weimar übermittelt hatte und die in der Mitte des 19. Jahrhunderts auch am Wiener Hof kursierten.462 Wieder verbannte er die politische Dimension der revolutionären Auseinandersetzungen aus seinem Blickfeld zugunsten eines Fokus auf eine soziale Perspektive, die aber gerade in Ungarn kaum etwas erklären konnte. Für Stephans mediales Auftreten ist es aber von großem Interesse. Denn dass er proletarische Kräfte am Wirken sah und das als Gefahr erkannte, wirft doch auch ein Licht auf den Personenkreis, den Stephan bisher in den Fokus seiner Wahrnehmung gerückt hatte. Den Enthusiasmus der Masse hatte er gerne wahrgenommen, jetzt aber erkannte er in ihm eine Gefahr. Diese Einschätzung von den Gefahren der Revolution und Kossuths entlud sich auch in einer Zukunftsperspektive der Habsburgermonarchie, die mit seinen ausgleichenden Staatenbundplänen nichts mehr zu tun hatte. Er 460 OeStA AVA Innere Polizei OPB Flugblätter 4.66. 461 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 738 (26. September 1848). Letzteres ist ein häufig verwendetes Bild in dieser Zeit; Zamoyski, u. a. S. 120. 462 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 738 a (11. August 1848); zum Wiener Hof u. a. OeStA HHStA OStMA B. Akten Karton 126 Nr. 791 (22. August 1860); vgl. auch Pons (2010), Lebenswelt, S. 109 Anm. 21.
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schrieb seinem Schwager Ferdinand, Ungarn solle einen ähnlichen Stellenwert in der Donaumonarchie wie Böhmen bekommen und wie dieses in den Gesamtstaat einverleibt werden.463 Beide seien denselben Ministerien unterstellt und im Wiener Reichstag vertreten – einem Reichstag, den Stephan ein Vierteljahr später verhöhnte.464 Das belegte die geringe Zeitdauer, in der Stephans politischen Äußerungen valide blieben. Ungarn sollte seiner Einschätzung vom Oktober 1848 nach zusätzlich ein eigenes Ministerium sowie eine „Art Geschäftsleitung“ bekommen. Der ungarische Landtag hätte künftig keinen anderen Stellenwert mehr als die Landtage in Brünn oder Prag, so dass „in Wien […] die ganze große Monarchie repräsentiert“ sei.465 Die Gleichberechtigung der Nationen, der sich die Magyaren zu beugen hätten, war dem Erzherzog – auch in Fortführung seiner sehr vagen Überlegungen vom August 1848 zu einem dynastischen Staatenbund – die Conditio sine qua non, weshalb Stephan auch im Notfall in eine Abtrennung Siebenbürgens, Kroatiens und Slawoniens sowie des ungarischen (kroatischen) Litorales vom Königreich Ungarn eingewilligt hätte. Damit rückte Stephan von der nationalungarischen Politik ab, die er zumindest nach außen in den schwierigen Monaten des Jahres 1848 lange mitgetragen hatte, und auch von einem paritätischen Staatenbund. Das Signal nach Wien ging in die Richtung einer antirevolutionären Zentralisierung.466 Am 27. Oktober gab er, schon von der Schaumburg aus, einen weiteren Bericht über die Ereignisse und entschuldigte sich bei Carl Alexander von Sachsen-Weimar, dass er auf der überstürzten Reise nicht hatte in Weimar vorbeikommen können. Am 25. September, schrieb er, habe er seinen Verzicht auf das Amt des Palatins eingereicht. Die kaiserliche Regierung habe „mit Sehnsucht“ darauf gewartet und am 26. September seinem Angebot entsprochen.467 Wien, so die Auflage, möge er verlassen und sich später auf seine Güter begeben. 463 BayHStA GHA Nachlass Erzherzogin Elisabeth von Österreich Nr. 93 (6. Oktober 1848). 464 BayHStA GHA Nachlass Erzherzogin Elisabeth von Österreich Nr. 93 (17. Januar 1849): Der „prostituirende“ – nicht konstituierende – Reichstag in Kremsier müsse bald ein Ende finden, weil ohnehin nichts anderes dabei herauskomme, als dass Diäten verzehrt würden. „Wir werden uns am Ende nolens volens auf einige Zeit auf die faule Haut legen und zusehen müßen, wie die Praktikanten und Diurnisten die Welt regieren.“ Dann setzte er, für Stephan nicht untypisch, hinzu: „Auch recht, solange es gut gehen wird, habe ich gar nichts dagegen zu erinnern.“ Damit relativiert er das Gesagte wieder und hält sich alle Optionen offen. Zu Kremsier vgl. Mommsen, S. 247–250; Zöllner, S. 358–359; Gottsmann, passim. 465 BayHStA GHA Nachlass Erzherzogin Elisabeth von Österreich Nr. 93 (6. Oktober 1848). 466 Schuldzuweisungen einer verfehlten Politik erfolgten gegenüber den Revolutionären um Kossuth: BayHStA GHA Nachlass Erzherzogin Elisabeth von Österreich Nr. 93 (6. Oktober 1848), „Kossuth’s Schwindeleien“ hätten die „Königswürde in den Koth“ gezogen, und (17. Januar 1849), die Aufrührer werden flüchten und die „Verführten“ im Stich lassen. 467 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 738 a (27. Oktober 1848).
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In der Residenzstadt war für ihn kein Platz mehr, weil überall in der Stadt Demonstrationen gegen ihn stattfanden und seine Popularität „unter Null“ stand, so die Einschätzung der Hofkreise. Stephan habe Ungarn „in einem gräßlichen Zustande“ hinterlassen. „Keine Gefechte, nein, wahre Schlachten. Blut fließt überall in Strömen.“468 Indem die Flucht des Palatins damit in Zusammenhang gebracht wurde, schob die Regierung ihm auch die Verantwortung zu. Stephan reiste zunächst nach Brünn, wo er bis Ende November bei seiner Schwester Elisabeth bleiben wollte und – einer Zeitungsnotiz zufolge – auch mit seiner Mutter und seiner Halbschwester Marie Henriette zusammentraf.469 Andrian-Werburg schrieb am 5. Oktober 1848 in sein Tagebuch: „Erzherzog Stephan, der misérable Wicht, hat seine Stelle niedergelegt und sitzt auf einem seiner Güter.“470 Für ihn war der Verzicht eine Flucht vor der Revolution und damit Feigheit. Nach der Ermordung des Kriegsministers Theodor Baillet von Latour471 am 6. Oktober 1848 brach in Wien die Revolution erneut aus, so dass Kaiser Ferdinand am gleichen Tag die Flucht ergriff und nach Mähren auswich. Er wurde damit auch vor den heranrückenden ungarischen Truppen in Sicherheit gebracht, die ihn zu weiteren Zugeständnissen bringen wollten. Durch einen Aufruf des ungarischen Parlaments sollte ein Bündnis mit revolutionären Kräften in Österreich geschmiedet werden, das sich explizit gegen die reaktionäre Kamarilla richtete.472 Auf der Gegenseite ging Windisch-Graetz davon aus, dass die Habsburgermonarchie gerettet sei, wenn Ungarn geschlagen werde.473 Da sich Stephan in Reichweite der heranrückenden Truppen und in der Nähe des Exilhofes befand, fragte er zunächst bei seinem Schwager Ferdinand Karl Viktor schriftlich an, wie er sich verhalten solle. Wenn der Kaiserhof nach Olmütz käme, hätte er sich schließlich auch dort einzufinden. Das aber werde ein politisches Zeichen setzen, das womöglich nicht gewünscht sei. Um aber seinen Besitz nicht zu verlieren, wäre Stephan gerne in Österreich geblieben.474 Am 12. Oktober wurde ihm ein kaiserliches Handbillett mit der Anweisung überreicht, sich unverzüglich und inkognito zunächst zu Auch an anderer Stelle ist von einem äußerst kalten Empfang in Schönbrunn die Rede; Hübner, S. 210. 468 Hübner, S. 210–211. 469 Die Presse Nr. 87 (6. Oktober 1848), S. 350–351. 470 Adlgasser 2, S. 174 (5. Oktober 1848). 471 Mommsen, S. 243. 472 Correspondence relative, S. 90 (10. Oktober 1848). 473 Correspondence relative, S. 93 (29. Oktober 1848). 474 BayHStA GHA Nachlass Erzherzogin Elisabeth von Österreich Nr. 93 (o. D., Anfang Oktober).
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Erzherzog Johann nach Frankfurt und dann auf die Schaumburg zu begeben.475 Der Kaiser schrieb, dass ein „Verweilen in der Nähe des Landes, an dessen Spitze der Verwaltung Sie gestanden, einer Parthei gewisz gegen Ihren eigenen Willen als Vorwand dienen würde, dasselbe zu ihren Zwecken auszubeuten.“ Stephan musste nicht vor den herannahenden Truppen in Sicherheit gebracht oder wegen seines schlechten Leumunds vom Kaiserhof entfernt werden, geschweige denn, dass in der Exilierung eine Bestrafung ausgesprochen worden wäre. Vielmehr sollte er so weit von Ungarn weggebracht werden, dass die Revolutionäre keinen Rachefeldzug gegen Österreich führen konnten, um sich an dem in Misskredit geratenen Palatin bzw. seiner Dynastie zu rächen. Jetzt, da die Hofpartei schon an der Abdankung Ferdinands und der Einsetzung Franz (Josephs) als Kaiser arbeitete, musste die unkalkulierbare Größe Erzherzog Stephan verschwinden, um dem politischen Kalkül der Machtergreifung im ganzen Habsburgerreich nicht in die Quere zu kommen. Wien brach folglich nicht mit Stephan, sondern es schaffte ihn beiseite, um eine weitere Eskalation zu vermeiden. Es sei daher gut, schrieb Ferdinand, dass Stephan jegliche Instrumentalisierung zu vermeiden suche, weshalb der Kaiser von seiner Loyalität erwarte, „dasz Sie ihren mir selbst ausgedrückten Vorhaben unverzüglich nachkommen und dadurch Meinem Wunsche baldmöglichst Folge leisten“.476 Der klar ausgesprochene Befehl war damit als freiwilliger Akt dargestellt, was natürlich wiederum dem Exilanten alle Last der Verantwortung aufbürdete. Damit eignete er sich nicht mehr als Identifikationsfigur revolutionärer Kreise.477 Am 9. Dezember 1848 erschien in der offiziösen „Wiener Zeitung“ ein loyal zum Kaiser und zum Kaiserhaus gestimmtes Schreibens Stephans nach seiner Flucht, das an Oberst Nemeth gerichtet war. Da nicht davon auszugehen ist, dass damit dem Ansehen des Erzherzogs aufgeholfen werden sollte, wollte ihm die Wiener Regierung gewiss die noch vorhandenen Sympathien in Ungarn entziehen.478 Und diese Absicht ging auf. Denn Batthyány machte noch am gleichen Tag seiner Enttäuschung über Stephan Luft: „Quelle duplicité! In solcher Gesellschaft muss jeder ehrliche Kerl von Ehre und Reputation kommen. Viele meiner Befehle soll er richtig unter475 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 738 a (27. Oktober 1848); BayHStA GHA Nachlass Erzherzogin Elisabeth von Österreich Nr. 93 (o. D., Anfang Oktober): „mein Verbannungswürfel geworfen – ich gehorche!!“ 476 Árpád (1932), S. 74 (11. Oktober 1848). Vgl. auch Niederhauser, S. 129–130. 477 Gazzetto ufficiale del regno Nr. 122 (23. Mai 1869), o. S.: „voluntariamente espatriato“. 478 Wiener Zeitung Nr. 329 (9. Dezember 1848), S. 1297. Stephan inszenierte sich gegenüber Carl Alexander von Sachsen-Weimar als Opfer der Radikalen; LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 738 a (27. Oktober 1848). Zu Gyulay von Maros-Németh BLKÖ 6 (1860), S. 70.
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schlagen haben.“479 Wien hatte es erreicht, Stephans Reputation gänzlich zu zerstören, auch wenn sein eigenes Verhalten daran nicht ganz unschuldig war. Wenn Stephans Nichte, Louise von Coburg, später glaubte, Stephans Popularität habe ihm das Exil eingebracht,480 kann das für die Zeit, in der er sein Exil antrat, nicht akzeptiert werden. Seine ehemalige Popularität hatte vielmehr die Situation dermaßen emotionalisiert, dass der Fall nun umso grausamer war. Stephan aber scheint die Tragweite nicht ganz erfasst zu haben. Denn während er seinem Freund Carl Alexander nach Weimar recht dramatisch schilderte, sechs Stunden nach der Aufforderung zur Flucht im Reisewagen nach Frankfurt gesessen zu haben, geht aus anderen Korrespondenzen hervor, dass er den Weg zunächst mit der Eisenbahn durch Böhmen nahm. Post, Pferde und Wagen sollten ihm nach Prag nachgeschickt werden, damit er dort alles in Empfang nehmen konnte. Beim Grafen Waldstein bei Hirschberg in Böhmen wollte er unterwegs noch an einer Jagd teilnehmen. Erst nachdem der Zug unterwegs entgleist war, ging es mit dem Reisewagen und schließlich nach einigem Aufenthalt mit dem Dampfschiff über Dresden und Leipzig weiter.481 Am Main langte er am 18. Oktober zusammen mit seinem Kammerherrn, Graf Adalbert Zichy, an.482 Am 21. Oktober erreichte er schließlich die Schaumburg, wo er sein Winterquartier einzurichten gedachte. Noch war er guten Mutes, weil er glaubte, in „diesen Zeiten“ sei die Zurückgezogenheit das Nonplusultra „der menschlichen Wünsche“.483 Die Gerüchte aber kursierten weiterhin. Dass es ihn zerrieben hatte, zu keiner klaren Haltung, Weltanschauung und politischen Positionierung gefunden zu haben, weshalb er am Schluss überall und nirgends stand, führte auch im Nachhinein zu einem äußerst disparaten Bild seiner Person. Über die „Berliner Nachrichten“ wurde gestreut, die revolutionären Führer beabsichtigten die Aufteilung des Habsburgerreichs: Stephan erhalte Ungarn als selbstständiges Königreich, während einer der Söhne des Erzherzogs Rainer an die Spitze des italienischen Bundes treten sollte, Erzherzog Franz (Joseph) künftig über Böhmen und Mähren regiere und Erzherzog Johann 479 Árpád (1932), S. 97 (9. Dezember 1848). 480 Princesse Louise, S. 17; Prinzessin Louise von Coburg, S. 71. 481 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 738 a (27. Oktober 1848); BayHStA GHA Nachlass Erzherzogin Elisabeth von Österreich Nr. 93 (12. Oktober 1848 und o. D., nach 12. Oktober). Palacky berichtete am 24. September 1848, Stephan sei am Vortag in Prag angekommen, „um wo möglich noch Hilfe zu suchen“; Kořalka (2003), S. 426. 482 HLA HStAD Best. G 1 Nr. 158/7 (19. Oktober 1848); Kováts, S. 340; Neue Freie Presse Nr. 1440 (3. September 1868): Er soll in Wien gegen ihn intrigiert haben. 483 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 738 a (27. Oktober 1848).
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die Regentschaft über den verbleibenden Rest antrete.484 Trotz Stephans Verbannung rechnete die Öffentlichkeit immer noch mit ihm, was sicherlich auch daran lag, dass nicht öffentlich der Stab über ihm gebrochen worden war. Laut einem Zeitungsbericht vom Oktober 1848 soll er sogar in einem Privatschreiben um die Rückkehr nach Ungarn gebeten haben. Kossuth hatte dieses Ansinnen dahingehend zurückgewiesen, dass die Bande zwischen Ungarn und dem flüchtigen Palatin zerrissen seien.485 Im ungarischen Parlament waren 1848/49 gegen den Palatin schwere Anschuldigungen laut geworden: Er habe die Landesgesetze verletzt und das Vertrauen der Nation missbraucht, ja, man bezichtigte ihn des Landesverrates.486 In einer Rede wertete der der äußersten Linken nahestehende Abgeordnete Madarász487 Stephans Flucht als Feigheit oder Schlechtigkeit und forderte die Verstaatlichung seiner Güter.488 In einem Flugblatt vom 10. Oktober 1848 wurde dieser vermeintlich schändliche Verrat schriftlich fixiert. Dem ehemaligen Hoffnungsträger der Ungarn wurde die ungarische Staatsbürgerschaft aberkannt.489 Stephan selbst wollte das später zumindest als Beleg heranziehen, dass er nie mit der radikalen Partei gemeinsame Sache gemacht habe.490 Feindliche Erklärungen der Ungarn gab es aber noch mehr. Schon deutlich vor der Niederwerfung des Aufstands wurde Stephan in einer Proklamation der Ungarn vom 5. Dezember 1848 als pflichtvergessen, eidbrüchig und meineidig gebrandmarkt. Schließlich hätte er es unterlassen, das Vaterland zu verteidigen.491 In Kossuths Aufruf an die Völker Ungarns vom 22. Dezem484 Bayreuther Zeitung Nr. 298 (26. Oktober 1848), S. 1173. Dies wird bereits im Österreichischen Boten für Stadt und Land Nr. 70 (24. Oktober 1848), S. 314, als Berliner Falschmeldung bezeichnet. Die Zeitung „Der Ungar“ berichtet noch am 18. Oktober 1848, Stephan solle König des Landes werden; Der Ungar Nr. 15 (18. Oktober 1848), S. 131. 485 Deutsche Allgemeine Zeitung Nr. 292 (18. Oktober 1848), S. 3834. In seiner im Oktober 1848 gedruckten Abhandlung, wie er der Kamarilla auf die Spur gekommen sei, wird Stephan mit keinem Wort erwähnt. 486 Kováts, S. 343. 487 Einer der Brüder László und József; vgl. auch Frank, S. 32–33. 488 Kronstädter Zeitung Nr. 84 (19. Oktober 1848), S. 401; Satellit des Siebenbürger Wochenblatts Nr. 84 (19. Oktober 1848), S. 401. Zur drohenden Konfiskation auch BayHStA GHA Nachlass Erzherzogin Elisabeth von Österreich Nr. 93 (12. November 1848); Kossuth verschenkte Stephans Pferde, ebd. (6. Oktober 1848). 489 ÖNB F17806-3 Alt Flug. Auf einer Rede in Pest am 16. Oktober 1848 vor mehreren Tausend Zuhörern soll der Revolutionär Karl Tausenau Stephan noch positiv gewürdigt haben; Reisinger (1849), S. 154; dazu, ohne Nennung Stephans, Wiener Gassen-Zeitung Nr. 127 (22. Oktober 1848), S. 509. 490 BayHStA GHA Nachlass Erzherzogin Elisabeth von Österreich Nr. 93 (12. November 1848). 491 Schlitter (1893), S. 77.
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ber 1848 wurde kurz erwähnt, Stephan, „den ihr auf euren Armen getragen, dessen Triumphzug durch das Land die Sympathie des Volkes und die Gebete des Segens geleiteten, ist treulos entwichen, – aber zwischen seinen hier gelassenen Schriften sind die klaren Beweise des Gesagten [= dass der König bei einem Umschwung der Verhältnisse die von ihm unterschriebenen Gesetze wird revidieren wollen] gefunden worden“.492 Damit war die Ära des Palatins Stephan verdammt und sein Exil als treulose Flucht öffentlich verkündet. In der „Neuen Rheinischen Zeitung“ wurde er als „Verräther der Magyaren“ bezeichnet.493 Andere gingen noch weiter und glaubten in seiner Verbannung sogar einen Schulterschluss mit der Kamarilla zu erkennen. In der revolutionären „Neuen Rheinischen Zeitung“ kolportierte man die Meldung, Erzherzogin Sophie werde sich mit „ihrem dienstthuenden Hofrath und einigen Loyolanern“ in einem eigens angemieteten Palais in Prag niederlassen, „ebenso der Verräther der Magyaren: Erzherzog Stephan“.494 Der Bezug zu Erzherzogin Sophie wurde auch in dem Gerücht hergestellt, er werde mit dieser und – ausgerechnet – Batthyány in Pillnitz bei Dresden zusammentreffen.495 Dabei hatte sich Sophies Einstellung zu Stephan nicht gewandelt. Im November 1848 schrieb sie ihrer Schwester Elisabeth nach Berlin über Stephans „froideur imperdonnable“.496 In der Bemerkung mag folglich der Vorwurf der Verantwortungslosigkeit mitschwingen, sich des Amtes entledigt und nicht mit der in Sophies Augen gebotenen Härte die Sache Wiens vertreten zu haben. Trotzdem war der Begriff der „Kälte“ an dieser Stelle sicherlich vielschichtiger gemeint. 492 HLA HHStAW Best. 130 II Nr. 3307 (22. Dezember 1848), fol. 277; Déak (1974), S. 46. 493 Neue Rheinische Zeitung Nr. 188 (6. Januar 1849), o. S. Der ungarische Emigrant Emerich Kovács schilderte Stephan in seinem Roman „Palatin und Insurgent“ von 1850 auch als seiner Dynastie ergebenen und arroganten Feind der Revolutionäre; Kovács I (1850), S. 139– 151; II, S. 116–137. Er wolle seinen Willen dem Volk aufdrängen, wird selbst aber auch als machthungrig, dekadent und vergnügungssüchtig dargestellt. Die ganze Geschichte kreist um eine fiktive Liebesangelegenheit des Palatins. Zur kritischen Einschätzung dieses Bildes vgl. bereits Blätter für literarische Unterhaltung Nr. 238 (4. Oktober 1850), S. 951. Der linke Paulskirchenabgeordnete Ludwig Simon stellte im Mai 1849 fest, Stephan habe sich den nationalen Interessen der Ungarn widersetzt und sei deshalb „beseitigt“ worden; Allgemeine Zeitung 140 (20. Mai 1849), S. 2154. 494 Neue Rheinische Zeitung Nr. 188 (6. Januar 1849); Deutsche Allgemeine Zeitung Nr. 329 (24. November 1848), S. 4234, und Nr. 357 (22. Dezember 1848), S. 4591. Auch die „Kölnische Zeitung“ muss sich 1849 mehrfach negativ über Stephan geäußert haben, was die dynastietreue Prager Zeitung „Die Wage“ veranlasste, ihn in seiner Rolle als Palatin als „unverantwortliche Person“ zu bezeichnen und damit dem Ministerpräsidenten Batthyány die Verantwortung zuzuschreiben; Die Wage Nr. 98 (23. Oktober 1849), S. 604. 495 Satellit des Siebenbürger Wochenblatts Nr. 90 (9. November 1848), S. 423. 496 GStA PK BPH Rep. 50 T Nr. 43 (6. November 1848). Auch von „faiblesse“ ist die Rede.
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In der „Neuen Oder-Zeitung“ vom 4. April 1849 wurden, wie auch im revolutionären ungarischen Amtsblatt Nr. 179 vom 6. Dezember 1848, Stephans Vorschläge zur Befriedung Ungarns vom 24. März 1848 veröffentlicht, um die Haltung des „vielgepriesenen Erzherzogs“ zu desavouieren und ihn zum Vertreter der Gegenrevolution und der Wiener Kamarilla zu machen.497 In der italienischen Zeitung „Fatti e parole“ war von seiner Liberalität die Rede, das Wort wurde aber kursiv geschrieben und damit ironisch gebrochen; damit klang das Gerücht, man wolle ihn zum Vizekönig von Italien machen, wie eine Drohung. Er habe schließlich, so die Zeitung, aus Treue zu den niederen Gewohnheiten seiner Familie die Ungarn verraten und sei damit zum Teil jener schändlichen Regierung geworden, die gegen die Völker Europas gerichtet sei.498 Kurz: Stephans Reputation war am Boden. Er wolle „durchaus nicht als Märtyrer erscheinen“, so bekannte er selbst – das aber stand in diesem Augenblick auch kaum zu befürchten.499 Es sei denn, Stephan würde selbst an diesem Mythos arbeiten, was trotz des Eingeständnisses eigener „Ungeschicklichkeit“ nicht auszuschließen ist. Allein dass ihm dieser Umstand zu jenem Zeitpunkt in den Sinn kam, lässt solche Überlegungen und Optionen für die spätere Selbstdarstellung – gar Selbsttranszendenz – erahnen. Der Wiener Kaiserhof musste deshalb darauf achten, dass es dazu nicht kam. Auf Empfehlung des Generals Haynau sollten seine Schreiben direkt beim Kaiser deponiert werden, um sie der unerwünschten Einsichtnahme zu entziehen.500 Stephans Vita konnte sich – auch im Exil – zur Büchse der Pandora entwickeln, denn zumindest die in Leipzig erscheinende „Illustrirte Chronik“, die den liberalen Stephan als Beispiel eines „schnellen Falles von schwindelnder Höhe“ schilderte, stellte seine fast als messianisch zu charakterisierende Rückkehr in Aussicht: „Warten wir diese Zeit ab, und wir werden auch den Erzherzog Stephan wieder auf dem Platze sehen, wo er geschlagene Wunden heilt und aus einer trüben Vergangenheit eine bessere Zukunft gestaltet.“501
497 Neue Oder-Zeitung (4. April 1849), S. 3. Zur Kamarilla aus revolutionärer Sicht vgl. Engels, S. 508. 498 Fatti e parole Nr. 114 (6. Oktober 1848), S. 453. 499 BayHStA GHA Nachlass Erzherzogin Elisabeth von Österreich Nr. 93 (12. November 1848). 500 Árpád (1932), S. 599 (13. November 1849). 501 Illustrirte Chronik I, S. 342–343. Vgl. auch das Urteil Friedjungs, dass es neben Ehrgeiz und dem Wunsch nach Volkstümlichkeit Stephans Unerfahrenheit gewesen sei, die ihn zu Fall gebracht habe; Friedjung 1, S. 45.
6. SICH VERGESSEN MACHEN (1849–1858)
6.1 Ein Provisorium? Der Erzherzog verschwand damit nicht schlagartig aus dem Bewusstsein der politischen Öffentlichkeit. Vielmehr blieb sogar ein besonderer Fokus auf ihn gerichtet, der im Bereich der Diplomatie und des Adels, den es in einer ersten Annäherung in den Blick zu nehmen gilt, sehr diffuse Einschätzungen zur Folge hatte. Am 2. März 1849, also ein knappes halbes Jahr nach Stephans Ankunft auf der Schaumburg, traf ihn im Frankfurter Umfeld des Erzherzogs Johann sein alter Bekannter Andrian-Werburg wieder, der als Mitglied der gemäßigt liberalen Casino-Fraktion als Abgeordneter der Paulskirche tätig war. Der Freiherr notierte in sein Tagebuch, Stephan sei „noch immer der alte“.1 Also immer noch ein miserabler Wicht, wie er im Oktober des Vorjahres festgestellt hatte? Auf jeden Fall wird Andrian-Werburg damit zum Ausdruck gebracht haben wollen, dass die Verbannung auf die Schaumburg dem Erzherzog letztlich nichts hatte anhaben können. Ein gehöriges Maß Geringschätzung schwingt bei diesem Urteil mit. Ähnlich abwertend beurteilte er auch Erzherzog Johann, der – wie alle Erzherzöge – jedem glaube und niemandem vertraue. Alle Erzherzöge seien eben gleich. Dass Stephan aus der vertrauten Heimat und als Entscheidungsträger im Königreich Ungarn in eine Standesherrschaft mit 17 Ortschaften und ungefähr 4500 Untertanen – er selbst nannte sich weidmännisch „Gebieter von 1000 Füchsen und 100.000 Rehen“2 – versetzt worden war, hatte aus ihm keinen gebrochenen Mann werden lassen.3 Das mag allerdings auch darin begründet gewesen sein, dass ihm nicht klar war, wie definitiv und ernst der Rückzug zu nehmen war. In seinen Äußerungen ging er zunächst davon aus, nach einer „Zeit der Reue“ im Jahr 1849 schon wieder nach Österreich zurückkehren zu können.4 Entsprechend amüsiert und unbeeindruckt war 1 2 3 4
Adlgasser 2, S. 227 (2. März 1843). AMgdL Nr. 4990 (6. Januar 1849). Bode (2017), S. 42. Ende November 1848 schrieb er, seine Rückkehr nach Österreich sei vor dem Sommer nicht zu erwarten. Wenige Tage später kündigte er seinem Freund Carl Alexander eine Reise nach Weimar für das nächste Frühjahr an, wenn der Kaiser ihn nicht zuvor zurückberufe, wovon er aber nicht ausgehe; LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 738 a (20. November und 2. Dezember 1848). Verwiesen wurde auf „die erste Zeit der Reue“; BayHStA GHA Nachlass Erzherzogin Elisabeth von Österreich Nr. 93 (6. Oktober 1848). Nur am 12. Oktober 1848 hatte er geäußert, es könne sich um eine Verbannung
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er bereits 1848 in Brünn aufgetreten, entsprechend trat er auch in Frankfurt auf, was ihm im positiven Fall als Realitätsverlust ausgelegt wurde, aber nicht gerade Sympathien einbrachte.5 Der Aufenthalt auf der Schaumburg muss Stephan also zu diesem Zeitpunkt wie ein Provisorium vorgekommen sein, weshalb er auch kein größeres Aufhebens um die Unterbringung machte. Die Zeitungen gaben ihm darin recht, wenn sie Gerüchte streuten, er werde im Herbst 1848 nach London reisen,6 in Prag seine Unterkunft finden oder sei – wieder einmal – zum Vizekönig von Lombardo-Venetien bestimmt.7 Aber auch auf dem diplomatischen Parkett kursierten Gerüchte um den Erzherzog, und sie wurden bewusst geschürt. Das Gerücht einer Reise nach London ließ in Preußen die Alarmglocken schrillen. Am 18. Oktober 1848 war Stephan inkognito auf seiner Flucht in Frankfurt angelangt,8 was der vom Reichsverweser zum Minister des Auswärtigen ernannte Anton von Schmerling dem preußischen Gesandten mitteilte. Der Reichsverweser selbst sprach nur „vorübergehend“ von der Anwesenheit seines Neffen in Frankfurt, erwähnte aber auch von diesem überbrachte Nachrichten, was zu allerlei Spekulationen Anlass gab. Die preußische Gesandtschaft ging davon aus, dass es sich um Beratungen über die Position der kaiserlichen Familie handelte.9 Stephan, so wurde berichtet, sei mit Schmerling einer Meinung, dass Österreich auf die Lombardei verzichten und auf eine „föderative Verbindung“ hinwirken müsse.10 Das gestatte den Anschluss der deutsch-österreichischen Provinzen an Deutschland. Hintergrund dieser Überlegungen wa-
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„vielleicht auf immer“ handeln; BayHStA GHA Nachlass Erzherzogin Elisabeth von Österreich Nr. 93. BayHStA GHA Nachlass Erzherzogin Elisabeth von Österreich Nr. 37/1 (3. Februar 1850). Pressburger Zeitung Nr. 103 (31. Oktober 1848), S. 683; Nr. 104 (2. November 1848), S. 689; Nr. 110 (9. November 1848), S. 727; Neue politische Ofner-Pesther-Zeitung Nr. 105 (14. November 1848), S. 458. In der „Neuen Würzburger Zeitung“ war zu lesen, der Aufenthalt auf der Schaumburg sei auf ein Jahr terminiert. Außerdem sei in Ungarn ein Aufstand zugunsten des Hauses Habsburg ausgebrochen und das Ministerium abgesetzt worden; Neue Würzburger Zeitung Nr. 273 (2. Oktober 1848), o. S. Der Ungar Nr. 15 (18. Oktober 1848), S. 131. Magdeburgische Zeitung Nr. 249 (21. Oktober 1848), o. S. GStA PK III. HA Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten I Nr. 6058 (19. Oktober 1848), Bericht Camphausen; in Abschrift in GStA PK I. HA Rep. 81 Gesandtschaft Wien I Nr. 173 Band 1 (27. Oktober 1848), fol. 135ff. GStA PK I. HA Rep. 81 Gesandtschaft Wien I Nr. 173 Band 1 (27. Oktober 1848). Der englische Premierminister erklärte freilich, Erzherzog Johann denke nicht daran, in die Abtretung der Lombardei einzuwilligen; GStA PK III. HA Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten I Nr. 5282 (27. Oktober 1848).
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ren die Verhandlungen im Frankfurter Parlament Ende Oktober 1848 über die Beziehungen zur Habsburgermonarchie, die sich – wenn auch eher unkonkret – mit Stephans zurückliegenden Staatenbundplänen in Verbindung bringen ließen. Die Deputierten in der Paulskirche stimmten schließlich für die Annahme einer großdeutschen Lösung, welche die Aufnahme der deutschen und böhmischen Gebiete in das Deutsche Reich vorsah. Die nicht-deutschen Länder der Donaumonarchie sollten zu einer separaten konstitutionellen Einheit zusammengefasst und von Wien aus regiert werden. Dazu gehörten auch Lombardo-Venetien und Ungarn. Wien, das gerade dabei war, mit Waffengewalt die Revolution niederzuwerfen, lehnte diese Vorstellungen ab,11 und auch in Berlin wurden sie voller Misstrauen beobachtet, befürchtete man doch, Preußens Vorrangstellung einzubüßen. Stephan hingegen begrüßte laut Schmerling diese föderative Option, womöglich auch mit persönlichen Hintergedanken bezüglich Ungarns. Außerdem erkenne er die derzeitige Regierung durch Ferdinand als Problem, wolle Erzherzog Franz Karl als Nachfolger nicht akzeptieren und spreche sich auch nicht für dessen Sohn Franz (Joseph) aus.12 Vor einer Entsendung deutscher Truppen warne er. Der preußische Diplomat Camphausen war sich allerdings nicht sicher, ob Schmerling dem Erzherzog diese Worte nicht etwa nur in den Mund gelegt hatte, um das „moralische Gewicht“ der Reichskommission zu erhöhen, sprich um den Vorstellungen Erzherzog Johanns und Schmerlings selbst nach außen eine stabilere Basis zu verschaffen, von denen die Diplomaten aber auch nicht restlos überzeugt waren. Wurde Stephan also nur instrumentalisiert? Auf dem diplomatischen Parkett sah man das nicht überall so. In Wien fürchteten reaktionäre Kreise das Schlimmste. Von dort berichtete die preußische Gesandtschaft nach Berlin, „unlautere Zwecke“ hätten Stephan nach Frankfurt geführt, so dass die Äußerungen Schmerlings diese Befürchtungen nur unterstreichen konnten. Erstaunlich sei die schamlose Offenheit der Worte Stephans, der mit der revolutionären Partei und der Partei zur Förderung der deutschen Einheit einhergehe.13 Deren Ziel sei die Zerschlagung der österreichischen Monarchie. Stephan selbst wolle sich zum König Ungarns machen, und Johann solle die Regierung in den deutschen Provinzen übernehmen. Frankreich, Italien und England sollten durch die Abtretung der italienischen Provinzen und Polens 11 Clark (2008), S. 565. 12 GStA PK III. HA Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten I Nr. 6058 (19. Oktober 1848), Bericht Camphausen; in Abschrift in GStA PK I. HA Rep. 81 Gesandtschaft Wien I Nr. 173 Band 1, fol. 135–136. 13 GStA PK I. HA Rep. 81 Gesandtschaft Wien I Nr. 173 Band 1 (27. Oktober 1848).
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ruhiggestellt werden. Damit werde die Dynastie wie zum Kauf angeboten, wofür auch spreche, dass von Schmerling kein Signal komme, sich eindeutig für Franz (Joseph) als Nachfolger Ferdinands auszusprechen. Dass Stephan und Johann solche Pläne schmiedeten, erfuhr der preußische Gesandte von Bernstorff in Wien aus gewöhnlich gut unterrichteten Kreisen. Selbst der Befangenste müsse daher diese Absichten erkennen, meinte er. „Das oft wiederholte Anerbieten seiner Resignation, dessen endliche Annahme von Seiten des Kaisers ihn in höchstem Grad überrascht hat, war nichts wie eine unwürdige Komödie, welche die kaiserliche Familie schrecken sollte.“ Es ist sicherlich richtig, dass die häufigen Rücktrittsangebote Stephans zumeist nur hatten Druck ausüben sollen. Für September 1848 räumt eine solche Einschätzung Stephan aber dann doch zu viel an Handlungsspielraum ein. Denn trotz seines Realitätsverlustes musste er sich darüber im Klaren sein, dass es für ihn zur Ablehnung der Königskrone und zur Flucht aus Ungarn keine Option mehr gab. Nun aber versuchten reaktionäre Kräfte, womöglich um Erzherzogin Sophie, den Ereignissen ein anderes Gewicht zu verleihen.14 Denn man fürchtete den Exilanten nach wie vor, gerade jetzt, wo man daranging, Erzherzog Franz (Joseph) zum Nachfolger Kaiser Ferdinands durchzubringen. Deshalb blickten konservative Kreise einer angeblich bevorstehenden Reise Stephans nach London mit Sorge entgegen. In England beabsichtigte dieser angeblich, sich mit dem britischen Außenminister Lord Palmerston zu verbinden, der Österreich schaden wolle. Abgesehen davon, dass Stephan nach eigenem Bekunden nicht daran dachte, nach London zu reisen,15 hatte Palmerston keinerlei Interesse an der Schwächung Österreichs, um das Kräftegleichgewicht in Europa nicht zu stören. Dass er massiv für eine Abtretung der Lombardei eintrat, um das Habsburgerreich von diesem Krisenherd zu befreien und damit zu stärken, erweckte aber in Ungarn den Eindruck, ihm gehe es um die Zerschlagung der Donaumonarchie. Gerade Kossuth hoffte, wenn auch vergeblich, auf die Unterstützung Englands.16 Diese Vermutungen ließen das Gefahrenpotential erahnen, das die Wiener konservativen Kräfte trotz Stephans schwieriger Situation in ihm noch erkannten. Fürst Windisch-Graetz gehörte zu ihnen. Seine militärischen Maßnahmen zur Niederschlagung der Revolution im Oktober 184817 dienten im eigenen Selbstverständnis dazu, dass Europa nicht in Brand aufgehe. Für ihn aber 14 In der Korrespondenz Sophies in dieser Zeit mit ihrer Schwester Elisabeth von Preußen spielte Stephan so gut wie keine Rolle; GStA PK BPH Repl. 50 T Nr. 43. 15 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 738 a (20. November 1848). 16 Sproxton, S. 16–22 und S. 37–38; Jagow, S. 127. 17 Rapport, S. 295–296.
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hatte Stephan genau diese Absicht geleitet, die damit Österreich als „Trägerin der deutschen Macht und Zivilisation“ gefährdete.18 Stephan wurde eine gewaltige Rolle zugeschrieben, die er in seiner Lage niemals hätte erfüllen können. Aber das war kein bloßer Rufmord. Denn die Angst der Wiener reaktionären Kräfte fand ihre Entsprechung in Befürchtungen preußischer Liberaler. Die warnenden Berichte Camphausens und Bernstorffs, die beide dem liberalen Lager zuzurechnen waren, sorgten in Berlin dafür, dass der preußische Gesandte in London angewiesen wurde, Stephan auf seiner Reise nach London zu überwachen, um zu erfahren, wie er die englische Regierung für seine Absichten gewinnen wolle.19 Berlin traute ihm also tatsächlich zu, die Donaumonarchie trotz seines Exilantenstatus zu zerschlagen und sich womöglich zum König von Ungarn zu machen. Das kam der Dämonisierung eines am Boden liegenden Politikers gleich, belegt aber erneut, dass das Bild Stephans in der Öffentlichkeit weit wirkmächtiger war als er selbst. Preußen konnte aber schließlich beruhigt sein. Denn Stephan fuhr nicht nach London, das Habsburgerreich blieb – dank der massiven Militäreinsätze des Fürsten Windisch-Graetz – zunächst bestehen und die großdeutsche Lösung, für welche die Parlamentarier in Frankfurt gestimmt hatten, war bald wieder vom Tisch. Am 27. November 1848 erklärte der österreichische Ministerpräsident Felix Fürst Schwarzenberg das Habsburgerreich erneut zur politischen Einheit, weshalb in Frankfurt die kleindeutsche Lösung unter Preußens Führung wieder an Kraft gewann. Ende November 1848 bot Heinrich von Gagern als Präsident der Nationalversammlung König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen, der sich noch im März von dem Vormachtanspruch Preußens verabschiedet hatte, die Krone an, die dieser – wie hinlänglich bekannt – ablehnte.20 Am 2. Dezember 1848 dankte schließlich Kaiser Ferdinand ab, und Erzherzog Franz (Joseph) trat seine Nachfolge an, nachdem Erzherzogin Sophie ihren Ehemann zum Thronverzicht gebracht hatte. Eine „heilbringende Umgestaltung und Verjüngung der Gesamtmonarchie“ sollte das bewirken. Das politische Kalkül der Hofpartei um Erzherzogin Sophie hatte folglich gesiegt,21 ein Kalkül, dem Stephan im Wege stehen musste, weil er im Spiel divergierender politischer und nationaler Kräfte immer noch als Potenz wahrgenommen wurde.22 18 19 20 21 22
GStA PK I. HA Rep. 81 Gesandtschaft Wien I Nr. 173 Band 1 (27. Oktober 1848). Valentin 2, S. 620 (Anm. 79). Clark (2008), S. 565; Valentin 1, S. 465. Werner (2010), S. 245–249. In Fehldeutung der Angaben in den preußischen Gesandtschaftsberichten ging Valentin davon aus, Stephan sei tatsächlich nach London gereist; Valentin 2, S. 187.
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In Ungarn griffen inzwischen die österreichischen Truppen durch und unterwarfen das Land. Jelačić war, als das Kriegsrecht über Ungarn verhängt worden war, vom Kaiser zum dortigen Oberbefehlshaber ernannt worden. Nachdem Kaiser-König Ferdinand auf den Thron verzichtet und Franz Joseph die Regierung übernommen hatte, wurden die Truppen unter dem neuen Oberbefehlshaber, dem Fürsten Windisch-Graetz, in Marsch gesetzt. Am 4. März 1849 oktroyierte der König eine ungarische Verfassung, welche die Errungenschaften der Aprilgesetze aufhob. Das ungarische Parlament war nach Debreczin geflohen und lehnte sich nun vollends gegen die Dynastie auf.23 Ein Zeitgenosse, der liberale niederländische Politiker Adriaan Walraven Engelen, wertete dieses Aufbranden der Gewalt nach Stephans Rücktritt vom Amt des Palatins als Beleg dafür, dass dessen gemäßigte Politik die Eskalation bisher hatte verhindern helfen.24 Die maßgeblichen Kreise in Wien sahen das anders. Unbedingte Unterwerfung der Ungarn wurde dort gefordert, und diese Forderung traf natürlich auch Stephan. Der Liberale Johann Philipp von Wessenberg, der ihm gerne geholfen hätte, musste erkennen, dass es in dieser Situation unmöglich war, weil auch der ehemalige Palatin für die Lage verantwortlich gemacht wurde. „Man wollte in Ungarn nur Schuldige erblicken, um es desto leichter zu metamorphisieren.“25 Denn dort standen die Zeichen keineswegs auf Versöhnung. General Julius von Haynau konnte, insbesondere mit russischer Hilfe, die Ungarn militärisch niederschlagen, worauf alle ungarischen Anführer vom Stabsoffizier aufwärts vor ein Kriegsgericht gestellt wurden. In Arad wurden dreizehn Honvédgeneräle und Anführer der Revolution hingerichtet, die bald als „Märtyrer von Arad“ verklärt wurden.26 Batthyány, der seiner Hinrichtung durch Selbstmord hatte zuvorkommen wollen, wurde am 6. Oktober 1849 in Pest durch Erschießung exekutiert. Stephan soll diese Nachricht geschockt haben. Von mehrfachen Ohnmachtsanfällen wird berichtet, die eine halbe Stunde dauern konnten. Die bisher bei ihm noch vorherrschende Sorglosigkeit war vorüber, wusste die Ehefrau Erzherzog Johanns zu berichten. Die diffuse Möglichkeit für Stephan und die Diplomaten Europas, wieder an politischer Präsenz zu gewinnen, war vorüber Der Erzherzog zog sich zurück, räumte seine Wohnräume ein, drechselte und hämmerte und unterrichtete die Kinder seiner Schlossschule.27 Die 23 24 25 26 27
Vocelka (2015), S. 91–93. Engelen, S. 196. Aland, S. 487 (Nr. 528, 15. Januar 1851). Fink (1994), S. 266–275. BayHStA GHA Nachlass Erzherzogin Elisabeth von Österreich Nr. 31/1 (3. Februar 1850). Die Tochter des Erzherzogs Karl, Maria Theresia, Königin von Neapel, die 1850 seit Langem nichts mehr von Stephan gehört hatte, bedauerte ihn gegenüber Herzog Adolph von
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Hinrichtung muss ihn also ganz persönlich getroffen haben, und das sahen andere ebenso. Am fernen nassauischen Hof war man sich sicher, dass mit der Hinrichtung Batthyánys die Wiener Regierung die als verräterisch angesehenen Unternehmungen Stephans bestrafen wollte. Weil dem Erzherzog keine Kugel durch den Kopf gejagt werden konnte, seien seine Komplizen hingerichtet worden.28 Auch Königin Sophie der Niederlande folgte dieser Argumentation – oder folgte der nassauische Hof ihrer Einschätzung, von der er während ihres Besuches in Biebrich erfahren hatte? Die Hinrichtung Batthyánys sei eine schändliche Rache des Wiener Hofes an Erzherzog Stephan gewesen, schrieb sie. Der Erzherzog sei der einzige Schuldige an allem gewesen, und seine Familie habe das gewusst. Aber weil sie ihn nicht hatte hinrichten lassen können, habe man dies an seinem Komplizen verrichtet. Dessen Schuld bestand darin, dass er den Erzherzog mit der ungarischen Krone hatte krönen wollen. Aber die Hinrichtung habe nur wieder der demokratischen Sache gedient,29 weil sie in diesem Lager Hass und Wut erweckte. Diese Einschätzung war nicht nur falsch, sondern ihr lag eine maßlose Überschätzung der Rolle Stephans zugrunde. Letztlich wurde Stephan hier auch noch das Blutvergießen zur Last gelegt, das erst nach seinem Weggang über Ungarn kam. Es folgten weitere 114 Todesurteile, 1765 Verurteilungen zu Kerkerhaft sowie 4628 Verhandlungen vor dem Kriegsgericht.30 Kossuth und andere Revolutionäre, die nicht ergriffen werden konnten, wurden in effigie gehängt, das heißt, man nagelte stellvertretend ihr Bildnis an den Galgen. Das Nassau wegen seiner hoffnungslosen Zukunft. Alle anderen, schrieb sie, die in Traurigkeit befangen seien, hätten immerhin das Bewusstsein, unverschuldet zu leiden. „Aber dieß kann er nicht haben (obwohl er eine gerechte Strafe erleidet, so dauert er mich doch im Grunde meines Herzens)“; HLA HHStAW Best. 130 II Nr. 3270, fol. 16 (24. September 1850). Sie fragte sich, warum er nicht zu seiner Stiefgroßmutter nach Kirchheim fahre, wo er sicherlich mit offenen Armen empfangen würde. 28 Jackman/Haasse, S. 119–120: „,They wanted to punish in Batthyani the treacherous endeavours of Archduke Stephen […]. They could not blow out his brains, they punished his accomplices‘“ (13. Oktober 1849). 29 „Lui était le seul coupable, sa famille le sait et le hait, mais comme on ne peut lui trancher la tête, on s’en est pris à son complice, qui s’était rendu lui-même, sûr de son impunité. Il s’agissait de mettre sur la tête de cet archid[uc] la couronne de Hongrie. Combien tout ceci sert la cause démocratique?“; Tane, S. 176 (23. Oktober 1849). 30 Somogyi (1984), S. 270, Vocelka (2015), S. 92–93; OeStA HHStA SB NL Wessenberg 11125 (30. November 1851), Abschrift Wessenbergs: „mit jenem Augenblick wird es immer düsterer bis zum schaudervollen 6. October [Hinrichtung der ungarischen Heerführer in Arad und Batthyánys in Pest], der den Anfang machte zu einem neuen Abschnitt in den Schicksalen der oesterr. Monarchie“.
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brutale Vorgehen sorgte nicht nur in Ungarn für größte Ablehnung; insofern hatten die Konsequenzen, die Königin Sophie erkannte, ihre Berechtigung. Selbst der Zar riet Kaiser Franz Joseph von diesem Vorgehen ab. Doch der ließ sich erst Ende Oktober 1849 dazu bringen, künftig keine Hinrichtungen wegen Revolutionsdelikten mehr zu vollstrecken. Aus den Briefen Stephans jener Tage ist keine Sympathie für die revolutionären Ungarn herauszulesen. Das soll in einem zweiten Fokus dazu führen, sich Stephans nach außen getragenes Selbstbild dieser Tage näher anzusehen. Nach Weimar meldete er, dass Ungarn militärisch zurückerobert werde, „daß jezt in der Welt Alles konfus ist und eine Menge Leute nicht zurechnungsfähig sind“.31 Damit waren all diejenigen gemeint, die erst wieder „gescheidt“ werden müssten, um zu erkennen, dass „die rothe Republik sie nicht glücklicher machen kann“.32 Die Schuld an Ungarns Situation trugen für ihn ausschließlich Kossuth und dessen Anhänger. Denn die tausendjährige Geschichte des Landes, das zu einer österreichischen Provinz zu werden drohe, sei „dem Fanatismus eines Kossuth und Consorten zum Opfer“ gefallen.33 Dass Stephan auch einige Zeit auf deren Seite gestanden hatte und ihre Ziele mit zu verfechten bestrebt gewesen war, schien er zu diesem Zeitpunkt vergessen zu haben, während sich in Wien ebenso einseitig genau dieses Bild festgesetzt hatte.34 Im Jahr 1849 bezog Stephan mehrheitlich Stellung gegen die Revolution, auch wenn er die Erschießung des Bundestagsabgeordneten Robert Blum nicht gutheißen mochte, da es sich bei ihm um einen Reichstagsabgeordneten gehandelt hatte.35 Die „kalkulierte Demütigung der Frankfurter Natio 31 32 33 34
LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 738 a (2. Dezember 1848). LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 738 a (9. März 1849). LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 738 a (18. Januar 1849). Noch 1854, als innerhalb des österreichischen Ministerrates die Rechtmäßigkeit des ungarischen Blutgerichts von Groß-Becskerek, dessen Auslöser von den Magyaren niedergeschlagene militärische Aktionen der Serben gegen die Ungarn gewesen waren, verhandelt wurde, ordnete Wien Stephans damaliges Verhalten als „Aufruhr“ ein. Denn er hatte als Palatin 1848 das Standrecht publizieren lassen, um Wirren und Gräueltaten zu begegnen. Am 18. August 1848 waren in Groß-Becskerek auf dieser Grundlage dreiundzwanzig Personen zum Tode verurteilt worden, davon wurden sechs Urteile erst nachträglich justifiziert. Untersucht wurde 1854, ob es sich bei dem Standgericht um Aufruhr gehandelt hatte, da es der ungarischen Fraktion dienen sollte; Wiener Zeitschrift für Kunst, Literatur, Theater und Mode Nr. 167 (19. August 1848), S. 670; Abend-Beilage zur Wiener Zeitung Nr. 154 (9. September 1848), S. 609. Protokolle des österreichischen Ministerrats III.3, S. 80–81. Wie sehr Stephan in Wien als Aufrührer angesehen wurde, bezeugt, dass Anton von Hunkár sein Begnadigungsgesuch damit begründete, er sei von Stephan 1848 zur Annahme der Obergespanstelle gezwungen worden; Protokolle des österreichischen Ministerrats III,2, S. 335. 35 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 738 a (20. November 1849).
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Abb. 25: Herzog Adolph von Nassau, in: Gothaischer genealogischer Hofkalender 1844 (Privatbesitz)
nalversammlung“, wie der Historiker Wolfgang J. Mommsen diesen Gewalt akt bezeichnete,36 war ihm als Bruch der Rechtlichkeit ein Gräuel. Eine Sympathie für den Erschossenen bzw. seine politische Überzeugung bedeutete dies nicht. Selbstaussagen Stephans aus jener Zeit sind nicht so zahlreich, dass eine Entwicklung seiner politischen Vorstellungen vor und nach der Hinrichtung Batthyánys nachvollzogen werden könnte. Trotzdem bietet ein Schreiben des Erzherzogs vom 6. Januar 1849 gute Indizien. Es richtete sich an seinen neuen Landesherrn, Herzog Adolph von Nassau. „Auch dir war das Jahr 1848 an Erfahrungen reich – leider nicht an angenehmen – gebe Gott – und ich hoffe es mit Zuversicht, daß 1849 uns bessere Zeiten bringt.“ Die revolutionären Unruhen der zurückliegenden Monate, die auch Herzog Adolph wider Willen zu deutlichen Zugeständnissen getrieben hatten, bezeichnete Stephan als „künstlich erzeugte“, so dass er davon ausging, dass bald „Ruhe und Abspannung“ folgen würden. Er hoffte auf die „vernünftigen Leute“ und war sich sicher, dass dann noch einiges zu retten sei, „ohne gerade der Re36 Mommsen, S. 247.
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akzion zu fröhnen, was ohnehin ein sehr verpöntes Wort ist!“37 Die Formulierung ist sehr offen gehalten. Stephan hoffte wohl auf einen gemäßigten Kurs der Rückkehr, der aber nicht wirklich reaktionär sein dürfe. Wenn man seine Formulierung aber ernst nehmen will, so ist nicht die Reaktion das Problem, sondern das Wort „verpönt“. Nicht der reaktionäre Kurs also war für Stephan das Dilemma, sondern den Kurs so zu benennen. Er empfand es als fast paradiesischen Zustand, dass das Jahr 1848 an der Herrschaft Schaumburg spurlos vorübergegangen war. Die Verhandlungen der Landstände interessierten dort niemanden, die Landbevölkerung war der Herrschaft zugetan und „sogar das Costume vom Anfang dieses Jahrhunderts“ negierte den Umbruch des Jahres 1848 und hielt Stephan noch alle Optionen offen. In Stephans politischen oder sozialen Vorstellungen existierten Fort- und Rückschritt ohnehin kaum, weil gewisse Gegebenheiten wie absolute Wahrheiten unverrückbar feststanden. Auch in den Worten Stephans gegenüber Herzog Adolph ist seine ahistorische Weltsicht zu erkennen. Die Aufhebung des Adels38 berührte ihn nicht, weil Adolph „doch immer Herzog von Nassau und ich Eh. Stephan“ blieben. Angesichts der eigenen Erfahrungen und der Kenntnis von depossedierten und exilierten Regenten erstaunt dieses statische Verständnis von Gesellschaft und der eigenen Würde. Stephan ging es nicht um den Kampf ums Obenbleiben, sondern „nur“ um das Ausfüllen des vorgegebenen Platzes in der Welt. Insofern widersprach seine Suche nach der Öffentlichkeit auch nicht dem Legitimitätsdenken, weil der soziale Status Stephans nicht zur Disposition stehen konnte. Das Leistungsdenken resultierte aus einer adligen Verpflichtung, und die Sorge für die Untertanen gehörte ebenfalls dazu. Die von Stephan geschätzte Schriftstellerin Luise Mühlbach hielt darum auch fest, dass Menschenliebe, Milde und Seelengröße den Herrscher als Stellvertreter Gottes bestätigten.39 Diese reine Affirmation des Bestehenden dürfte auch in Stephans Sinn gewesen sein. Wenn er folglich die Öffentlichkeit suchte, so diente das der Vermarktung der eigenen Pflichterfüllung, ohne dass er von der Rückwirkung irgendetwas abhängig gemacht hätte, so sehr er sie denn im positiven Fall genoss. Dieses statische Denken überrascht in Zeiten des Umbruchs.
37 AMgdL Nr. 4890 (6. Januar 1849). Für den 8. April 1849 wurde in der „Neuen Rheinischen Zeitung“ ein Bericht Stephans in der „Neuen Oder-Zeitung“ angekündigt; Neue Rheinische Zeitung Nr. 266 (7. April 1849), o. S. Dieser Beitrag ist aber (wohl) nie erschienen; frdl. Auskunft des Instituts für Zeitungsforschung Dortmund. 38 Gesetz betreffend die Grundrechte des deutschen Volks, in: Reichs-Gesetz-Blatt 8 (28. Dezember 1848), S. 50 (§ 7): „Der Adel als Stand ist aufgehoben.“ 39 Mühlbach, S. 65.
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So wie Stephan vor der Hinrichtung Batthyánys noch nicht begriffen zu haben scheint, was sein Rücktritt für ihn persönlich bedeutete, so scheint ihm nicht klar gewesen zu sein, welcher sozialrevolutionäre Impetus in den Forderungen der Revolution lag. Es gab für ihn eine festgefügte Gesellschaftsordnung, die durch politische Umwälzungen schlichtweg nicht außer Kraft gesetzt werden konnte; ebenso blieben längt überkommene politische Strukturen, so divergierend sie auch waren, für ihn immer noch die Orientierungsgrößen. Indem er die gesellschaftlichen Umwälzungen erkannte, ihre Auswirkungen aber grundsätzlich negierte, stellte er sich jenseits einer möglichen politischen und sozialen Entwicklung. Nach eigenem Verständnis befand er sich daher in keinem gesellschaftlichen Kampf des Adels um das Obenbleiben, allenfalls in einem individuellen. Im Grunde ist das nur als reaktionäres Denken zu begreifen, in das auch passte, dass er Großherzog August von Oldenburg zur Auflösung des Landtags gratulierte, weil es ein „richtiger Schritt“ sei.40 Auch sympathisierte er mit einer Denkschrift des Karl von Oettingen-Wallerstein über die Bodenentlastungsfrage, in der die Aufhebung standesherrlicher Rechte als „Raubgesetze“ bezeichnet wurde.41 Allerdings verweigerte Stephan seine Unterschrift unter einen Protest Oettingen-Wallersteins gegen drei Paragraphen des Reichsgesetzes über die Grundrechte des deutschen Volkes vom 28. Dezember 1848 zur Aufhebung des Hörigenverbandes, der Lehensrechte und der Fideikommisse etc.,42 weil sie Stephan nicht betrafen. Er verfüge über kein dem Gesetz unterliegendes Fideikommiss (§ 38) und wolle auch keines errichten. Somit könne er nicht unterschreiben, was ihn nicht betreffe. Vermutlich muss diese Haltung aber doch wohl eher als politische Vorsicht gewertet werden, sich in seiner Situation jeglicher öffentlichen politischen Äußerung zu enthalten. Denn mit dem Präsidenten des nassauischen Finanzkollegs in Wiesbaden, Ferdinand Vollpracht, besprach er sich durchaus und sandte weiterhin Schreiben an Herzog Adolph, mit freimütigen Bekenntnissen in politischen Anliegen, damit er diese regle. Nach dem Herbst 1849, in dem ihm die revolutionäre Tragweite der zurückliegenden Ereignisse bewusst geworden war, entwickelten sich seine Worte von der ahistorischen Restauration zu militanten Tönen.43 Sogar die Politik Schwarzenbergs in Österreich, die den Neoabsolutismus begründete 40 NLA Oldenburg Dep. 50 Best. 6 F Nr. 134 (11. September 1849). 41 AMgdL Nr. 4990 (6. Januar 1849); Oettingen-Wallerstein, S. 17. 42 Gesetz betreffend die Grundrechte des deutschen Volkes, in: Reichs-Gesetz-Blatt 8 (28. Dezember 1848), insbesondere § 34–39; siehe auch die Verfassung des deutschen Reiches, in: ebd. 16 (28. April 1849). 43 Damit folgte er auch der Entwicklung des Erzherzogs Johann, der sich ebenfalls im Frühjahr 1849 zusehends auf das Lager einer Gegenrevolution zubewegte; Mommsen, S. 283.
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und über Ungarn einen Zentralismus stülpte, gegen den der Palatin selbst gekämpft hatte, begrüßte Stephan mittlerweile.44 Vermutlich ließ er sich von Schwarzenbergs Vision eines Siebzigmillionenreichs, in dem Deutschland und die Donaumonarchie unter Habsburgs Führung aufgingen, beeindrucken.45 Vermutlich aber schien es ihm auch opportun, angesichts der Maßnahmen in Ungarn die habsburgische Linie zu vertreten. Für das Großherzogtum Oldenburg wollte er erkennen, dass ein Ministerium „mit den Haaren auf den Zähnen nothwendig“ sei,46 und die Oktroyierung einer Verfassung in Berlin war für ihn ein „Unding“47 Insgesamt war ihm Deutschland „ein hoher Berg“, um den sich alle „Nebel sammeln“,48 so dass er davon ausging, dass die deutsche Einheit ein „Phantom“ bleiben werde. Von den Verhandlungen in Erfurt zwischen Preußen und anderen deutschen Territorien zur Schaffung eines deutschen Nationalstaates erwartete er „blutwenig“. Die Schlussfolgerungen waren überraschend: Man sei der Kompromisse und Verhandlungen „herzlich müde“, weshalb ein Mann mit Energie her müsse. „Ein Napoleon“ sei besser, schrieb Stephan nach Oldenburg, „wenn er auch mit eiserner Faust dareinschlägt, als der dermalige, dahinwelkende, verschmachtende, mitunter trostlose Zustand, in dem wir uns befinden“.49 Dass Stephan, der auch später immer wieder gegen Preußen Stellung bezog, weil es Macht über Recht setze, dieser Meinung war, verwundert. Es ist aber nicht die einzige vergleichbare Stellungnahme.50 Solche Äußerungen sind Zeichen der Überforderung des Erzherzogs mit der politischen Situation und seiner Hoffnung auf einen „starken Mann“. Er selbst hatte ja auch in Ungarn damit – wenn auch eher verbal – geliebäugelt, durch eine Diktatur die Verhältnisse in seinem Sinn wieder ins Lot zu bringen. Aus seinem Exil heraus dachte er an eine Niederwerfung der Revolution, deren „schroffe Ansichten“ er zugleich schon wieder im Abklingen begriffen sah.51 Aber auch die Verfassungsgebung in Preußen, das ihm
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LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 738 a (23. April 1850). Mommsen, S. 276. NLA Oldenburg Dep. 50 Best. 6 F Nr. 134 (25. Januar 1850). NLA Oldenburg Dep. 50 Best. 6 F Nr. 134 (25. Januar 1850). Der österreichische Polizeiminister hatte daraus sogar den Schluss gezogen, König Friedrich Wilhelm sei – wie auch Prinz Wilhelm – ein Demokrat; Mayr (1931), S. 180 (11. Juni 1850). NLA Oldenburg Dep. 50 Best. 6 F Nr. 134 (6. März 1850). NLA Oldenburg Dep. 50 Best. 6 F Nr. 134 (6. März 1850). Ähnlich StA Diez Sch 55/Sch 332 (3. Januar 1861): Alexanders „Erledigung der gordischen Knotenfrage“ müsse her. Vier Jahre später wünschte sich Stephan einen Deus ex machina herbei, „der den gordischen Knoten zerhauen“ möge; StMLA Archiv Meran Schuber 7 Heft 5,8 (6. Dezember 1854). NLA Oldenburg Dep. 50 Best. 6 F Nr. 134 (17. Januar 1850).
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unklare Verhalten Hannovers und der süddeutschen Staaten52 und der ungewisse Ausgang der Bemühungen Preußens um die Erfurter Union als von Österreich unabhängiger deutscher Nationalstaat ließen ihn gedanklich ins Gleiten kommen. Sicherlich sah er sich nicht als den neuen Napoleon. Aber die Lage, in der er Europa glaubte und in die er nicht (mehr) eingreifen konnte, ließ ihn zu dieser Ausflucht einer Revolution von oben oder gar eines Militärschlags greifen. Womöglich spiegelten diese Äußerungen aber auch nur wider, was in den höfischen Kreisen, zu denen er Kontakt hielt, ventiliert wurde. Diese Entwicklung ist auch anhand seiner Reisetätigkeit zu rekonstruieren, auf die der dritte Fokus dieses Kapitels gelegt wird. Ruhe und Abstand hat Stephan auch direkt nach seiner Ankunft nicht gesucht. Zunächst war Erzherzog Johann am Jahreswechsel 1848/49 bei ihm zu Besuch.53 Dann lud er seinen neuen Landesherrn, Herzog Adolph von Nassau, den er zwar von Wien her kannte, zu dem der Kontakt aber seitdem kaum nennenswert gewesen sein kann,54 mit den fast anzüglichen Worten „o komm’ holde Schöne“ als Zitat nach Boieldieus Oper „Die weiße Dame“ zu sich. Der Herzog fand sich dann auch tatsächlich bei ihm zur Jagd ein.55 Anfang Februar reiste Stephan zu seiner Tante Emma nach Waldeck und blieb anschließend für einige Zeit in Frankfurt, um den kranken Erzherzog Johann zu pflegen. Insgesamt war er für sechs Wochen nicht auf der Schaumburg.56 Solche Kontakte zum Reichsverweser führten im revolutionären Lager der Paulskirche dazu, in Stephan das Sprachrohr der Kamarilla zu erkennen, die Johann bedrängte, auf seinem Posten zu bleiben.57 Weiterhin reisten also der liberale und der reaktionäre Stephan durch die Lande – je nach Wahrnehmung und Standpunkt. Für den Sommer ist dann ein mehrwöchiger Aufenthalt bei seiner Verwandtschaft in Oldenburg verbürgt,58 die einzige, wie es später hieß, die ihn verstand.59 In der dortigen Sommerresidenz Rastede hielt er sich vom 52 NLA Oldenburg Dep. 50 Best. 6 F Nr. 134 (6. März 1850). 53 Bode (2017), S. 42. 54 Die Bemühungen um die Anstellung des Prinzen Moritz von Nassau in Wien im Regiment des Erzherzogs Stephan liefen über Erzherzog Ferdinand Karl; HLA HHStAW Best. 130 II Nr. 3308 (4. Mai 1847). 55 AMgdL Nr. 4889 (9. Januar und 16. Januar 1849). 56 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 738 a (9. März 1849). 57 Allgemeine Zeitung Nr. 165 (16. Juni 1849), S. 2541. 58 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 738 a (21. August 1849); Neue Blätter für Stadt und Land Nr. 69 (29. August 1849), S. 288, und Nr. 71 (5. September 1849), S. 296. 59 Einer Briefnotiz vom 24. September 1849 zufolge dürfte Stephan dieser Verwandtschaft aber erst jetzt nähergekommen sein; BayHStA GHA Nachlass Erzherzogin Elisabeth von Österreich Nr. 93; Die Presse Nr. 55 (25. Februar 1867), o. S.
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26. Juni bis zum 28. August auf, was er als „Tage des glücklichsten Familienlebens“ bezeichnete.60 Für September hatte er dann schon wieder die nächste Einladung nach Oldenburg, wobei er auch mit einer Reise nach Weimar liebäugelte. Eine Nachricht in den Zeitungen, wie Metternich nach England gehen zu wollen, hatte er bereits im Dezember 1848 dementiert.61 Im Spätsommer und Herbst 1849 gingen Besuche und Reisen weiter. Anfang September besorgte Stephan sich für neun Tage von Schloss Oranienstein, das sich im Besitz des Herzogs von Nassau befand und in direkter Nachbarschaft zur Schaumburg liegt, Möbel und Lampen, womöglich für einen Besuch der Prinzessin Amalie (Male) von Oldenburg, der Königin von Griechenland, die sich auf dem Weg nach Griechenland befand. Irritationen rief es allerdings hervor, dass er ohne Zustimmung des nassauischen Hofmarschallstabes diese hatte abholen lassen.62 Der Königin schickte er in großer Anhängigkeit auf der Reise Briefe nach München, Wien und Triest nach. Mitte September war sein Cousin Peter von Oldenburg bei ihm zu Gast, dem kurz darauf ein zweiter Besuch folgte, bei dem beide zusammen die Standesherrschaft erwanderten.63 Es folgte für drei Tage der Aufenthalt des Herzogs Adolph von Nassau auf der Schaumburg. Anschließend hielt 60 NLA Oldenburg Dep. 50 Best. 6 F Nr. 134 (11. September 1849); Jeversches Wochenblatt, Beilage zu Nr. 30 (1. August 1849), o. S.; Neue Blätter für Stadt und Land Nr. 71 (5. September 1849), S. 296: „der vielseitig gebildete Erzherzog trug wesentlich zum Reiz des dortigen Lebens bei“, Wangerooge wird als „Insel der Glücklichen“ bezeichnet; Jeversches Wochenblatt Beilage zu Nr. 30 (1. August 1849), o. S.: Verzeichnis der Badegäste vom 22. bis 26. Juli 1849. Vgl. Anm. 1927. 61 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 738 a (2. Dezember 1848); BayHStA GHA Nachlass Erzherzogin Elisabeth von Österreich Nr. 93 (12. November 1848). 62 HLA HHStAW Best. 202/2 Nr. 32; zum Aufenthalt der Königin Amalie von Griechenland auf der Schaumburg NLA Oldenburg Dep. 50 Best. 6 F Nr. 134 (11. September 1849); Bonnet, S. 25. In diesem Zusammenhang befanden sich auch österreichische Regimentsmusiker der Bundesfestung Mainz offiziell auf Schloss Schaumburg; Der Lechbote Nr. 243 (5. September 1849), S. 977. Das belegt, dass der Erzherzog dort nicht gänzlich als Persona non grata betrachtet wurde. 63 NLA Oldenburg Dep. 50 Best. 6 F Nr. 134 (2. Oktober 1849). Prinz Elimar und Prinzessin Friederike (Wiwi) schenkte Stephan auch seine Meerschweinchen und erhielt dafür von Prinz Peter ein Äffchen übersandt, das beim Schreiben der Briefe auf der Lehne seines Stuhles saß. Über seinen Wiener Agenten Anton Winter in der Praterstraße beschaffte er den Oldenburgern einen Wagen in Wien, und für das Schloss in Rastede besorgte er über Kommissionäre hellgrüne Gartenutensilien, wie er sie selbst auch verwandte. Erbprinz Peter blieb Anfang 1850 sogar ganze sechs Wochen bei ihm, exerzierte mit ihm im Schnee oder spielte Billard. Alle Freitage spielte Piller mit beiden die Billard-Spielart „à la guerre“, und Würtler fand sich jeden Abend zum Whistspiel ein. Zur Ankunft hatte er dem Prinzen sogar eine Pyramide von 18 Fuß Höhe aus Eis mit der Aufschrift „Salve“ anfertigen und mit Oldenburger Fahnen zieren lassen. NLA Oldenburg Dep. 50 Best. 6 F Nr. 134 (24. De-
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sich Stephan mit Erzherzog Johann zunächst in Frankfurt, wo beide zusammen das Theater besuchten, dann auf der Schaumburg auf.64 Es folgten Besuche des Königs von Württemberg. Dessen Schwester, Königin Sophie der Niederlande, die in Wiesbaden und Frankfurt mit ihrem Bruder und mit Erzherzog Johann in politischen Beratungen zusammengetroffen war,65 begleitete Stephan zusammen mit Johann und Großherzogin Stéphanie von Baden am 8. Oktober nach Koblenz. Sophie war eine Cousine des Großherzogs Peter von Oldenburg und eine Nichte der ersten Ehefrau von Erzherzog Stephans Vater. Die Begegnung kann daher rein dynastisch interpretiert werden, ist allerdings keineswegs ohne politischen Impetus zu denken, was auch Andeutungen in Sophies Briefen offenlegen.66 Auf Lady Malet, die Vertraute der Königin, machte Stephan allerdings vorrangig wegen seines gewaltigen, mittlerweile fast zwei Fuß, das heißt sechzig Zentimeter breiten Schnurrbarts Eindruck.67 Verstörend können diese gesellschaftlichen Kontakte aber auf Wien nicht gewirkt haben, denn Erzherzog Albrecht berichtete Ende Oktober 1849 aus Mainz in die Kaiserstadt: „Von Erzherzog Stephan hörte ich gar nichts.“68 Die Äußerung belegt aber zumindest, dass man in Wien Erkundigungen über ihn und sein Verhalten einzog. Es schloss sich ein erneuter Besuch des Erzherzogs Johann bei ihm an sowie ein achttägiger Aufenthalt in Arolsen. Dieser Besuch wiederum wurde durch Emma von Waldeck und ihre beiden Söhne auf der Schaumburg erwidert. Des Weiteren drängte ihn der Weimarer Hof, auch dort eine Visite abzustatten, was freilich nicht möglich war, solange Stephan nicht erneut nach Oldenburg gereist war, wo man künftig mit regelmäßigen Besuchen rechnete.69 Denn es durfte nach außen hin nicht so aussehen, als habe sein letzter Besuch dort der Königin von Griechenland gegolten; zudem vermu-
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zember 1849; 17. und 25. Januar sowie 6. März 1850); OeStA HHStA SB NL Adolf Braun 10 (6. Januar 1863); Neuestes allgemein nützliches Spiel-Buch, S. 215. Innsbrucker Zeitung (27. September 1849). Deutsche Allgemeine Zeitung Nr. 282 (9. Oktober 1849), S. 3159; Wiener Zeitung Nr. 240 (9. Oktober 2849), S. 2786; Journal des Österreichischen Lloyd Nr. 480 (10. Oktober 1849), o. S. Königin Sophie schrieb selbst, sie wolle den Rhein bis Mainz hinauffahren, um zu hören und zu sehen; Jackman/Haasse, S. 118 (7. September 1849); Tanse, S. 172 (13. Oktober 1849). Jackman/Haasse, S. 119; Spielmann, S. 7. Der Schnurrbart, der ursprünglich eine Verbindung zu den Ungarn herstellen sollte, bekam seit jenen Tagen durch seine Ausmaße etwas Dandyhaftes. Zur Schnurrbartmode vgl. Oldstone-Moore, S. 253–273; Wietig, S. 27–28. Neue Freie Presse Nr. 21884 (25. Januar 1925), Brief vom 29. Oktober 1849. LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 738 a (1. Dezember 1849): Großherzog August von Oldenburg hatte eine Zwischentür in den Gästezimmern einrichten lassen, damit Stephan direkt zu ihm gelangen konnte.
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teten Zeitungen bereits, die Besuche an der Nordsee dienten dazu, die oldenburgische Staatsregierung in das österreichische Lager zu ziehen.70 Er achtete also darauf, dass seine Aktivitäten wie diejenigen eines Privatmannes aussahen. Deshalb war er sich auch nicht gewiss, ob er von Wien aus die Erlaubnis erhalten würde, eine Reise in die Niederlande zu unternehmen, die ihn wegen „Industrie und Kultur“ sehr interessiert hätten.71 Er schrieb sogar davon, es sei das „Land meiner Sehnsucht, da es gleich Belgien so viel des Interessanten an Industrie und Landeskultur darbietet.“72 Die dortigen politischen Verhältnisse scheinen ihn hingegen nicht besonders gereizt zu haben. Die Erlaubnis, Reisen nach Weimar und Den Haag anzutreten, wurde anstandslos durch den Grafen Grünne im Namen des Kaisers erteilt.73 Das spricht dagegen, dass Stephan auf der Schaumburg festgesetzt werden sollte. Statt des Aufenthalts in den Niederlanden folgten aber Besuche bei der Verwandtschaft in Oldenburg und Bückeburg.74 Am 24. Dezember fuhr Stephan schließlich nach Frankfurt, um sich von Erzherzog Johann, der von dort wieder abreiste, zu verabschieden.75 Angesichts der angespannten Situation im Herbst 1849 mag Stephan vorsichtig gewesen sein. Das Fazit, das er gegenüber dem Großherzog von Oldenburg aus all dem an Heiligabend 1849 zog, war durchwachsen. „Einsam ist Schaumburg – ich läugne es nicht – aber allein bin ich nicht“. Er lebe im Angesicht Gottes, „der unser aller Vater ist“, in Erinnerung an das Gute und Schöne, das ihm in Oldenburg widerfahren sei, und in der Hoffnung auf Besuche seiner „armen, unglückseligen Familie“.76 Gemeint waren hier seine Halbschwester Elisabeth, die kurz zuvor Witwe geworden war, und seine Stiefmutter Maria Dorothea. Wegen des Trauerfalls war auch Stephans Besuch in Weimar ver70 Die Neuen Blätter für Stadt und Land Nr. 55 (11. Juli 1849), S. 290, dementierten diese Meldung der Allgemeinen Zeitung: Die Besuche in Rastede seien rein privater Natur. 71 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 738 a (30. Oktober 1849). 72 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 738 a (1. Dezember 1849). 73 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 738 a (4. Januar 1850). 74 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 738 a (20. Dezember 1849). Fürst Adolf zu Schaumburg-Lippe war verheiratet mit Stephans Cousine Hermine von Waldeck. Der älteste Sohn (* 1846) wurde Stephan getauft. Trotz der häufigen Besuche fiel Stephans Urteil über den Fürsten und die Fürstin vernichtend aus. Er sei vertrottelt, sie dumm und intrigant. Eine Eheverbindung des Hauses Schaumburg-Lippe mit seinem Bruder Joseph verhinderte Stephan 1858 mit der – gerade aus Sicht seiner Herkunft – anmaßenden Äußerung, Österreich heirate nicht unter Stand; LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 738 a (7. März 1858). Zu Bückeburg auch Mayer (2005), S. 245 und S. 277; Neue Blätter für Stadt und Land Nr. 90 (10. November 1849), S. 374. 75 NLA Oldenburg Dep. 50 Best. 6 F Nr. 134 (24. Dezember 1849). 76 NLA Oldenburg Dep. 50 Best. 6 F Nr. 134 (24. Dezember 1849).
Ein Provisorium?
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schoben worden. Allerdings ängstigte es ihn, dass er von den beiden engen Verwandten aus Wien nichts mehr hörte. Elisabeth sagte schließlich Anfang Januar 1850 aus gesundheitlichen Gründen ab. Womöglich dürfte es sich dabei um eine Ausrede gehandelt haben, da sich die Lage nach Batthyánys Hinrichtung verkompliziert hatte. Stephans Leben auf der Schaumburg ist für jene Zeit nur schwer zu rekonstruieren. Der Schaumburger Hofprediger Brunn schrieb,77 Stephan lebe sehr anständig und ohne großen Luxus in seiner bescheidenen Hofhaltung.78 Bei Jagdausflügen in der Standesherrschaft war er gezwungen, sich zusammen mit seinen Jagdgästen bei seinen Beamten vor Ort einzuquartieren.79 An Mobilien hatte er kaum etwas aus Ungarn mitbringen können. Später schrieb er sogar davon, dass vier Fünftel des mit seinem Bruder gemeinsam besessenen Eigentums bei der Plünderung des Ofener Schlosses verloren gegangen seien – ebenso wie übrigens auch ein Großteil der schriftlichen Unterlagen.80 In seiner Kasse herrschte Ebbe, und die Staatspapiere sowie das Geld waren von ihm nicht ohne Weiteres zu verwalten. Seine Staats- und Hofeinkünfte hatte er verloren und doch noch „alle Leute am Halse behalten“, wobei nur ein Teil von ihnen mit auf die Schaumburg gekommen war. Denn mitgebracht hatte er nur einen kleinen Hofstaat; darunter tauchen in der schriftlichen Überlieferung namentlich auf: sein Leibarzt und Rat Joseph von Würtler sowie der Rittmeister Thomas Piller von Merk, der das Amt des Hausvorstands wahrnahm, weil weder der provisorische Obersthofmeister Wenkheim noch die adligen Kammerherren gefolgt waren.81 Graf Zichy war noch mit auf die Schaumburg gekommen, aber sehr rasch nach Österreich zurückgekehrt. Er machte dort eine Militärkarriere und wurde 1858 zum Oberhofmeister von Stephans Schwager, Karl Ferdinand, ernannt.82 Würtler und Piller ging es, so bekundete Stephan, seit ihrer Ankunft auf der Schaumburg besser als zuvor, die kalte Gebirgsluft, das Wasser und der 77 NLA Oldenburg Dep. 50 Best. 6 F Nr. 134 (2. Oktober 1849). 78 Schieckel (1990), Schaumburg, S. 302. 79 AMgdL Nr. 4990 (6. Januar 1849); Schieckel (1990), Schaumburg, S. 302. Eine Jagd im Januar 1849 fand unter Beteiligung Herzog Adolphs statt; BayHStA GHA Nachlass Erzherzogin Elisabeth von Österreich Nr. 93 (17. Januar 1849). 80 StMLA Archiv Meran Schuber 7 Heft 5,8 (10. März 1850 und 22. März 1850). 81 Hof- und Staatshandbuch des österreichischen Kaiserthumes 1848, S. 173; Militär-Schematismus des österreichischen Kaiserthumes 1848, S. 344. Würtler wird bereits 1819 in Briefen erwähnt; LHA Koblenz Best. 47 Nr. 11090 (u. a. 18. Dezember 1819); auch 1837: HU MNL OL P 301 (10. April 1837). 1837 war Würtler zusammen mit Anders im Reisetross des Erzherzogs Johann nach Bad Ems anzutreffen; Löser-Wagner, S. 17. 82 BLKÖ 60 (1891), S. 5; BayHStA GHA Nachlass Erzherzogin Elisabeth von Österreich Nr. 93 (17. Januar 1849).
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„Abgang der Furcht vor irgend Jemand“83 hätten vor allem Pillers Zustand gebessert. Aus dieser Bemerkung soll hervorgehen, mit welcher Anspannung die Fahrt von Ungarn über Wien auf die Schaumburg erfolgt war, als sei der Tross politisch verfolgt gewesen. Stephans eigene Briefe von einem Jahr zuvor sprechen eine andere Sprache. Dort beklagte er sich zwar über Unpässlichkeiten beim Personentransport und das schlechte Wetter, nicht aber über Übergriffe gegen seine Person.84 Das belegt nicht nur, dass Stephan während der Flucht nicht der vom Volkszorn Verfolgte war, sondern dass er mit einigem Abstand doch darangegangen war, sich als Märtyrer und Opfer zu stilisieren – und sei es erst einmal gegenüber der eigenen Verwandtschaft. Jetzt kam eine Art Selbstmythisierung zum Tragen, wenngleich nur ex negativo: als Verfolgter. Das war Ende 1848 kaum, 1849 dann aber grundsätzlich nicht gerechtfertigt. Niemand stellte ihm nach, und das Leben auf der Schaumburg war keinesfalls durch Not geprägt. Wie die täglichen Mahlzeiten belegen und wie wir aus späterer Zeit durch Zahlungen von den ungarischen Gütern wissen,85 pflegte Stephan weiterhin einen exklusiven Lebensstil. Er war eben nur nicht zu vergleichen mit der Opulenz seines bisherigen Lebens und mit der Möglichkeit, politische Einfluss zu nehmen oder gar direkt Entscheidungen zu fällen. Mit Recht bezeichnete er sich in jenen Tagen gegenüber Herzog Adolph als einen sehr ruhigen Untertan.86 Seine Bemerkung, dass „ein angenehmes Botany Bay oder ein Meerbusen in Amerika […] am Ende jezt das angenehmste Loos für die Ruhe Suchenden“ sei,87 ist wohl eher als Koketterie zu verstehen. Er musste daher trotz aller Familienbeziehungen, die wiederbelebt werden konnten, und der vielen Reisen erkennen, das alles – insbesondere nach den Ereignissen in Ungarn im Oktober 1849 – keine Perspektive bot und er vor Ort auf der Schaumburg keine seinem bisherigen Leben vergleichbare Rolle fand. Diese definierte er sich jetzt ex negativo. 83 NLA Oldenburg Dep. 50 Best. 6 F Nr. 134 (24. Dezember 1849). 84 BayHStA GHA Nachlass Erzherzogin Elisabeth von Österreich Nr. 93 (o. D., Ende 1848): Auch in Böhmen agitierten „Wühler“, die aber kaum einmal gegen die Regierung gerichtet seien, sondern fast ausschließlich gegen die lokalen Obrigkeiten. BayHStA GHA Nachlass Erzherzogin Elisabeth von Österreich Nr. 37/1 (o. D., Fragment): „Auf der Flucht erfahren wir viel Liebe.“ 85 NLA Oldenburg Dep. 50 Best. 6 F Nr. 134 (17. Januar 1850): Suppe, Rindfleisch, Gemüse, Johannisbeergelee, Bratensoße, Champagner etc. Kurz nach Stephans Exilierung war in Ungarn die Debatte über die Enteignung dieser Güter entbrannt; Neue Rheinische Zeitung Nr. 121 (20. Oktober 1848), o. S. Die Gebäude des Palatins waren an die Finanzbehörden übergegangen, was 1851 zu Auseinandersetzungen um die Erbansprüche Erzherzog Josephs führte; Rumpler, S. 271 (Nr. 567, 8. Oktober 1851). 86 HLA HHStAW Best. 130 II Nr. 3271 (25. Februar 1850). 87 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 738 a (9. März 1849).
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Noch habe ihn auf der Schaumburg niemand besucht, meldete er nach Weimar, nicht einmal aus der benachbarten Stadt Diez.88 Auch das war nicht ganz richtig. Vermutlich bezog sich das nicht auf Verwandtenbesuche, die ja stattgefunden hatten, sondern auf Aufwartungen, die ihm Personen jenseits der Verwandtschaft machten. Aus all dem musste er endlich 1850 die Schlussfolgerung ziehen: „Meine freiwillig im Oktober 1848 angetretene Reise nach Schaumburg soll sich in ein Exil verwandeln, Freiwilligkeit in eine Nothwendigkeit umgestaltet werden.“89 Stephans Schwester Elisabeth hatte ihm offen und ehrlich geschrieben, dass von einem Aufenthalt in Österreich keine Rede mehr sein könnte. Später sei womöglich wieder an Besuche bei Verwandten zu denken, im Augenblick jedoch nicht – und auch das nur, wenn er den Entschluss fasse, seinen festen Aufenthalt in Deutschland zu nehmen. Damit mussten sich etwaige Illusionen des Erzherzogs endgültig in Luft auflösen. Interessant ist, dass Stephan hier selbst von der Freiwilligkeit seines Aufenthalts sprach, während er Jahre später genau diese heftig bestreiten und von einem Befehl sprechen sollte. Auch hier schwankte die Wahrnehmung der eigenen Situation massiv. Zweifel daran, dass er jederzeit zurückkommen oder gar zurückberufen werden könne, kamen ihm erst zu diesem Zeitpunkt auf, wenn er auch eine lebenslange Verbannung aus Österreich immer noch als das Äußerste ansah, das ihm widerfahren könnte.90 Vielleicht ist das auch der Grund dafür, dass in seinen bisherigen Briefen eine klare Standortbestimmung ausblieb. Das erschwert auch beträchtlich, dem ersten Jahr seines Exils eine Form zu verleihen. 6.2 Märtyrer und Erpresser In der ersten Zeit des Exils war Erzherzog Johann zur Bezugsperson Stephans geworden und zum einzigen Familienmitglied des Hauses Habsburg, das mit ihm in einer nennenswerten Verbindung stand.91 Natürlich existierte der Kontakt zwischen Onkel und Neffe schon seit jeher. Intensiv wird er aber erst in der Verbannung. Das mag darin begründet liegen, dass sich Johann zu dem Zeitpunkt als Reichsverweser in Frankfurt aufhielt, als Stephan ca. 60 Kilometer davon entfernt sein Exil bezog. Es bestand daher 88 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 738 a (4. Januar 1850). 89 StMLA Archiv Meran Schuber 7 Heft 5,8 (10. März 1850). 90 ÖNB Autogr. 55/33-18 (24. Oktober 1851), an Wessenberg: Er werde sich, wenn es Österreich zum Nutzen diene, gerne zeitlebens „expatriren“ lassen. 91 Aland, S. 487 (Nr. 528, 15. Januar 1851).
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nicht nur ein persönlicher Kontakt, sondern Johann war damit der einzige Habsburger, der ihm in dieser Zeit räumlich nahe kam. Johann half Stephan auch, sich zu rehabilitieren. In Frankfurt lud er ihn offiziell zu einem Fest, und nach Wien gelangte die Nachricht, Stephan fungiere mittlerweile als Stellvertreter des Reichsverwesers, was die Minister „bemerkenswert“ fanden.92 Mutig ging er damit Schritte, die andere Familienmitglieder nicht zu tun wagten. Aber so kannte man ihn ja auch, und deshalb mag Stephan sich mit ihm auch identifiziert haben. Denn im Jahr 1829 hatte die Eheschließung des Erzherzogs mit der Postmeisterstochter Anna Plochl diesen ebenfalls zu einer in Misskredit geratenen Persönlichkeit innerhalb der Familie werden lassen.93 Später bot auch Johanns Leben in der Steiermark Identifikationsmöglichkeiten, so dass Stephan sehr begrüßte, als Johann das Bürgermeisteramt von Stainz übernahm. Beide hatten ihren Rückzugsort in der Provinz gefunden. Stephans im Entstehen begriffene Suche nach Selbstverortung führte ihn daher ganz zwangsläufig zu seinem Onkel als mögliche Bezugsgröße, nachdem sich eine Rehabilitation als unmöglich erwiesen hatte.94 Auch die Tätigkeit Johanns als Reichsverweser, die der Kaiserhof als „Fortsetzung des Bundestages“ abwertete,95 beurteilte Stephan positiv. Er sei „der seltene Mann“, schrieb er ihm, „der keine Nebenabsichten, sondern nur den Wunsch in sich hat, der Allgemeinheit zu dienen, und wenn es selbst mit größten Opfern verbunden ist“.96 Auch in diesem Zusammenhang also verwandte er den Begriff des Opfers, auch hier griff das idealistische Verständnis des sich zu einem höheren Zweck darbringenden Menschen, wie er es auch für sich konstruierte. Und das weckte in ihm einen gewissen stolzen Übermut. Durch Piller ließ Stephan, als er erkannt hatte, dass der Kaiserhof ihn im Exil wissen wollte, in Wien ausrichten, dass er nur zurückkehren werde, wenn 92 Deutsche Allgemeine Zeitung Nr. 349 (14. Dezember 1848), S. 4506–4507: Stephan reiste deshalb eigens an. Mit ihm eingeladen war auch Erzherzog Ferdinand d’Este; Kletečka (2002), S. 281 (Nr. 64, 7. Mai 1849). 93 NLA Oldenburg Dep. 50 Best. 6 F Nr. 134 (17. Januar 1850); StMLA Archiv Meran Schuber 7 Heft 5,8 (10. März 1850). Erst 1850 wurde Anna Plochl schließlich zur Gräfin von Meran erhoben, wozu Stephan herzlich gratulierte, weil er es als positive Entwicklung im Haus Habsburg wertete. Die Kinder waren schon zuvor in den Grafenstand erhoben worden. 94 Die Gefährdung der eigenen Gesellschaftsschicht aber thematisierte Stephan nie, auch nicht gegenüber den im böhmischen Exil lebenden Großherzog von Toskana, dem er zumindest riet, seine Töchter zu verheiraten, auch wenn sie keine „Alliance de pur sang“ eingingen; NLA Oldenburg Dep. 50 Best. 6 M Nr. 44 (1. Juni 1865); Hamann (1988), S. 124–125 und S. 260–261. 95 Arneth, S. 302. 96 StMLA Archiv Meran Schuber 7 Heft 5,8 (10. März 1850).
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es in Ehren geschehe und der Kaiser es gestatte. „Ein Wunsch einestheils, meine Ehre wieder hergestellt zu sehen –, was das Höchste für den Mann ist, anderntheils, im Falle ich verurtheilt werden sollte, auch wenn ich Alles sagen dürfte“ – diese Andeutung ist nichts anderes als eine Erpressung –, „wenigstens vielleicht dadurch das Loos aller Jener zu erleichtern, die die Festungsstrafe erdulden müßen, durch mich wenigstens theilweise zu sühnen, was ihnen vorgeworfen wird.“97 Damit verknüpfte er sein Schicksal mit dem der ungarischen Rebellen, die nach der blutigen Niederschlagung der Revolution inhaftiert worden waren, die er aber kurz zuvor noch sehr abschätzig beurteilt hatte. Ein halbes Jahr, nachdem ihn der Schock der Hinrichtung Batthyánys getroffen und er sich radikal geäußert hatte, verbündete er sich wieder mit den Ungarn und schrieb sich selbst die Rolle des Opfers bei. Zu einem späteren Zeitpunkt bestand er sogar darauf, entweder freigesprochen oder verurteilt zu werden wie alle anderen auch.98 Das konnte die kaiserliche Familie natürlich nicht akzeptieren, und das wusste der Erzherzog auch, weshalb alle diese Forderungen entweder Theaterdonner oder Erpressung waren. Obwohl Erzherzog Stephan weit entfernt lebte, blieb er in dieser angespannten Situation und durch seine heikle Ich-Konstruktion als Märtyrer und um die Wiederherstellung seiner Ehre kämpfendes Opfer eine Gefahr für den jungen Monarchen, und das insbesondere, weil er nicht aus dem öffentlichen Bewusstsein verschwunden war. Immer wieder einmal versuchten Personen über ihn in Wien Fürsprache zu erlangen.99 Je nach der weiteren Entwicklung konnte Stephan deshalb auch wieder auf die politische Bühne zurückgebracht werden, was umso pikanter war, als der Thronwechsel in Ungarn ohne Beteiligung der Stände keine sichere legitime Grundlage besaß.100 97 StMLA Archiv Meran Schuber 7 Heft 5,8 (10. März 1850); vgl. ebd. (20. Juni 1850). 98 StMLA Archiv Meran Schuber 7 Heft 5,8 (29. April 1850). 99 StMLA Archiv Meran Schuber 7 Heft 5,8 (20. Juni 1850): Die Generalin Móga bat für ihren inhaftierten Mann János und ihren Schwiegersohn György Lázár. Móga beschuldigte Stephan später, ihn in eine Falle gelockt und dann sitzengelassen zu haben; vgl. Mayr (1931), S. 114 (22. Oktober 1858). Móga war bereits im November 1848 aus ungarischen Diensten in österreichische übergegangen. Trotzdem kam er in Festungshaft. Seine Söhne dienten 1848/49 dem Kaiser; vgl. Déak, S. 278. Stephan hatte allerdings, u. a. neben Erzherzogin Sophie, Erzherzogin Maria Dorothea und Erzherzog Franz Karl, 1852 für die Unterstützung der erblindeten und untauglichen Krieger der Jahre 1848/49 gespendet; Wiener Zeitung (21. November 1852), S. 3254. 100 Haslinger, S. 118. Ob es sich in Ungarn bei der Bestimmung des Königs um Erbfolge oder Wahl handelte, war seit 1711 umstritten; Stollberg-Rilinger (2017), S. 84. Auch war der Thronverzicht Ferdinands nicht von den Ständen bestätigt worden; Knatchbull-Hugessen II, S. 108–109. Das galt jedoch als zwingende Voraussetzung. Die sogenannte Verwirkungstheorie, nach der die Ungarn ihre angestammten Rechte durch ihren Aufstand verwirkt hatten, war eine Wiener Konstruktion.
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Die aus kaiserlicher Sicht notdürftig befriedeten Verhältnisse in Ungarn konnten jederzeit wieder in das Gegenteil umschlagen, und in dieser Situation wurde der oft unberechenbare Erzherzog Stephan zu einer gefährlichen Figur, weshalb Kaiser Franz Joseph und Erzherzogin Sophie ihm gegenüber äußerst misstrauisch blieben. Dass immer wieder Gerüchte in den Zeitungen über seine Rückkehr in politische Ämter kolportiert wurden, kann dieses anhaltende Misstrauen erklären.101 Angesichts der politischen Lage waren solche Optionen letztlich undenkbar geworden, aber die enorme Popularität, die Erzherzog Stephan besessen hatte und in die er durch seinen Vater und durch Vertreter der Wiener Regierung in den vierziger Jahren gebracht worden war, ließen ihn als Kandidaten immer wieder in Erscheinung treten. Stephans eigene Ambitionen konnte gar das Bild des Märtyrers schaffen. Die großen Ressentiments von revolutionärer Seite, die sich im Laufe des Jahres 1848 entwickelt hatten, schienen bald vergessen – vielleicht, weil die äußerst gewaltsame und blutige Entwicklung in Ungarn nach Stephans Weggang die Zeit seines Palatinats in besserem Licht erscheinen ließ und eine Verklärung einfacher machte. In Pest war im Schaufenster einer Musikalienhandlung 1850 ein Druck mit den Bildnissen aller Palatine von Ungarn zu sehen, in deren Vordergrund sich die Erzherzöge Joseph und Stephan die Hand reichten, und dieser Umstand fand Eingang in die Zeitung.102 Der in der Revolution in Misskredit Geratene hatte auch in Ungarn ein Stück weit an Popularität zurückerhalten, wozu vermutlich Stephans neue Strategie beigetragen hatte. Und so fiel auch in Frankfurt sein Name, als ein geeigneter Kandidat als Nachfolger des Erzherzogs Johann gesucht wurde. Nachdem König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen die ihm angetragene Kaiserkrone abgelehnt hatte, herrschte Ratlosigkeit in der Frankfurter Nationalversammlung. Der Ministerpräsident der provisorischen Reichszentralgewalt, Heinrich von Gagern, bot Erzherzog Johann deshalb erneut das Amt des Reichsverwesers an, doch dieser lehnte ab. Es kam zu Überlegungen, Erzherzog Stephan zu seinem Stellvertreter zu ernennen. Damit wiederholten sich fast die Ereignisse vom Frühjahr 1848. Nachdem damals König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen erklärte hatte, Preußen gehe fortan in Deutschland auf, und die Hoffnungen der Kleindeutschen auf eine Vorreiterrolle Preußens bei der deutschen Einung zerstoben waren, hatten sich Stimmen auf einer Volksversammlung in Heidelberg – neben anderen Kan101 So war in den Zeitungen zu lesen, Stephan werde „mit oder ohne Palatinatswürde“ die Statthalterschaft in Ungarn wieder übernehmen (Die Presse Nr. 261, 31. Oktober 1850) oder mit der Leitung der politischen Angelegenheiten Lombardo-Venetiens betraut (Die Presse Nr. 198, 18. August 1850). 102 Preßburger Zeitung Nr. 266 (12. November 1850), S. 1123.
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didaten – für Erzherzog Stephan als deutschen Kaiser ausgesprochen.103 Damals hatte sich der Palatin von Ungarn aber auch noch auf dem Höhepunkt seiner Popularität befunden. Obwohl diese Prämisse nicht mehr gegeben war, schien Erzherzog Johann dem Plan Gagerns nicht abgeneigt. Und auch der Liberale Johann Philipp von Wessenberg, auf den Stephan große Stücke hielt, zweifelte nicht daran, dass sich dieser mit seinen großen Fähigkeiten „in Deutschland gewiß beliebt machen“ werde.104 Liberale Kreise sahen ihn folglich keineswegs als desavouiert an. An den Fürsten Schwarzenberg schrieb Erzherzog Johann daher, sein Neffe habe Kopf und Herz und sei in Deutschland begütert und geachtet. Sein zurückgezogenes Leben im Exil habe ihm, Johann zufolge, sogar allgemein eine gute Reputation eingebracht. Er könne folglich in Deutschland Gutes leisten und sich in den Augen Österreichs rehabilitieren. Außer ihm hätte Johann nur noch Erzherzog Albrecht als geeigneten Kandidaten aus dem Haus Habsburg benennen können, nur mangelte es diesem an rhetorischem Talent. Nach all diesen positiven Worten ging der Erzherzog fast zu einer Drohung über. „Endlich besitzt er [Stephan] Dokumente, die seine frühere Stellung betreffend Aufschlüsse geben können, wo es besser ist, daß es nicht bekannt wird – ich bitte, diese Sache zu beherzigen.“105 Damit waren wohl die fünf Kisten mit Schriftgut aus dem Jahr 1848 und über seinen „Amtsverzicht“ gemeint, die Stephan auf der Schaumburg aufbewahrte.106 Aus dieser Position heraus ließ sich aus Stephans Exil immer noch eine Perspektive entwickeln – und sei es durch ein erpresserisches Vorgehen seines Onkels. Wenn diese erste Hürde genommen war, so war der nächste Schritt einer erneuten Amtsübernahme in Ungarn zumindest denkbar. Die Worte von Johanns Adjutanten, Obrist Fronard, werden kolportiert, der Erzherzog habe erklärt, Stephan sei weiterhin für die Übernahme der ungarischen Statthalterschaft geeignet, wenn er sich „purifizieren“ könne.107 Der Wiener Hof hatte natürlich kein Interesse an einer Rehabilitation Stephans.108 Auch dass Erzherzog Stephan als Vertreter des Hauses Habs103 Valentin 1, S. 486. 104 Aland, S. (Nr. 424, 6. September 1849). Zur Würdigung Wessenbergs durch Stephan ÖNB Autogr. 55/33-18 (24. Oktober 1851). Deutsche Allgemeine Zeitung Nr. 268 (15. September 1849), S. 2881 (Beilage), hier wird die Berufung in Zweifel gezogen. 105 Hoor, S. 154; zitiert auch bei Kováts, S. 346. 106 Hankó (1990), o. S. 107 Mayr (1931), S. 197. Der preußische Ministerpräsident von Manteuffel erkannte in Stephans Handlungen der Zeit um 1851 das Bestreben, sich in Österreich zu rehabilitieren; Poschinger, S. 297 (17. Dezember 1851). 108 Anzumerken bleibt aber, dass Stephan weiterhin in brieflichem Kontakt zu Karl Freiherrn Mecséry de Tsoor, seinem Nachfolger als Landeschef von Böhmen, stand; Brief vom 10. Ja-
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burg neben dem Prinzen von Preußen einer Reichskommission angehören sollte, um die durch Erzherzog Johanns Rücktritt als Reichsverweser entstandene Vakanz zu füllen, konnte für Wien nicht in Betracht kommen.109 Aber der Verbannte blieb nach wie vor gefährlich, auch wenn er die Übernahme des Amtes, so es ihm denn angetragen wurde, von der Zustimmung des Kaisers abhängig machte.110 Das Misstrauen und die Angst waren allgemein so groß, dass Johann sich von seinen erpresserischen Andeutungen viel versprechen konnte, zumal es keine aus der Luft gegriffenen Behauptungen waren. Auch Stephan erwähnte 1852 gegenüber Herzog Adolph von Nassau Papiere, die er nicht einmal diesem gezeigt habe, weil er auch außer Dienst Amtsgeheimnisse zu wahren wisse und die Wiener Regierung schonen wolle.111 Diese Papiere, von denen anscheinend landläufig Nachrichten kursierten, von denen aber niemand genau wusste, was sich darunter befand,112 waren ein veritables Druckmittel für diverse Ambitionen gegenüber dem Wiener Hof. Erzherzog Johann nutzte sie, um mit ihrer Hilfe bzw. mit Hilfe dessen, was durch sie ans Tageslicht befördert werden könnte, seinen Neffen wieder in Position zu bringen. Johann und Stephan waren die letzten beiden, die von der erzherzoglichen Opposition aus der Spätzeit Metternichs übriggeblieben waren,113 und beide waren ins Abseits geraten. Stephans Briefe waren das sprichwörtliche As im Ärmel, das aber – auch das ist bemerkenswert, wenn nicht gar merkwürdig – niemals zum Einsatz kam. Auch Stephan ließ sich gelegentlich zu vergleichbaren Drohungen hinreißen, ohne dass daraus aber Ernst geworden und ohne dass der Wiener Hof damit zu Handlungen veranlasst worden wäre.114 Es blieb bei mehr oder minder sublimen Erpressungsversuchen. Waren diese erpresserischen Drohungen doch nur Wichtigtuerei und ein Spiel mit der Angst des Kaiserhofes? Auch bliebe die Frage, was es Stephan persönlich genutzt hätte, wenn er seine eigene Dynastie komplett in Misskredit gebracht hätte. Da der Inhalt der angedeuteten Schreiben leinuar 1850 (Verkauf durch Antiquariat INLIBRIS Gilhofer GmbH, ebenso Brief vom 22. Dezember 1858; ZVAB, Zugriff 11. Juni 2019). 109 Der österreichische Zuschauer Nr. 240 (19. Oktober 1849), S. 1914. 110 BayHStA GHA Nachlass Erzherzogin Elisabeth von Österreich Nr. 93 (19. März 1849). 111 HLA HHStAW Best. 130 II Nr. 3271, fol. 77ff. (3. Juni 1852). 112 Sie waren anscheinend so berüchtigt, dass der Hochstapler August Kiesewetter aus Hannover vorgab, mit ihnen durch Deutschland zu ziehen. Vor ihm wurde in der Zeitung gewarnt; Der Wächter 16. Jahrgang Nr. 96 (9. Dezember 1853), o. S. 113 Lippert, S. 117. 114 StMLA Archiv Meran Schuber 7 Heft 5,8 (29. April 1850): „Man treibe mit mir die Sache nicht zu sehr auf die Spitze, daß ich gehorsam sein, unverbrüchliches Stillschweigen beobachten, mich stoßen und schimpfen lassen konnte, wenn ich glaubte, dadurch meinem Kaiser und Vaterlande einen Dienst zu erweisen“.
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der unbekannt ist, wird sich das nicht aufklären lassen. Beachtenswert ist aber, wie Stephan aus seiner Haltung heraus immer noch oder vielleicht sogar erst recht mit der öffentlichen Meinung spielte und sie als Macht einzusetzen drohte. Diese Strategie lässt Rückschlüsse auf seine Stilisierung als Opfer zu. Gerade dieses Auftreten sorgte für weitere und womöglich sogar gesteigerte Ressentiments in Wien. Nach einer Phase ungewohnter Demut115 trat er wieder fordernd auf. Davon wurde nach Wien berichten, und dort musste man zu der Überzeugung gelangen, dass er die von ihm selbst so bezeichnete „Zeit der Reue“ nicht zu diesem Zweck nutzte. Seine zahlreichen Reisen mochten den Eindruck erwecken, er wolle sich präsentieren. Seine Selbststilisierung als Opfer und die unterschwelligen Erpressungsversuche rundeten dieses Bild ab. Wien erhob im Konter unter anderem den Vorwurf der Verschwendung, während Stephan entgegnete, sich seit Oktober 1848 so manches vom Mund abgespart und außer Besuchen bei Verwandten jedem Vergnügen entsagt zu haben. Seine Aufwendungen anlässlich des bereits erwähnten Besuches der Königin Amalie von Griechenland auf der Schaumburg rechtfertigte er damit, dass „die Königin jung, überall festlich empfangen worden ist, und sich gerne unterhält“, außerdem werde sich der Fall nicht wiederholen.116 Der nächste, jetzt auch folgenschwere Fauxpas war in Oldenburg erfolgt, wo Stephan in ungarischer Uniform das Theater und Hofsoireen besucht hatte, was nach Wien berichtet worden war.117 Stephan konnte nicht abstreiten, dass das leichtsinnig gewesen sei, weil es den Anschein eines offiziellen Auftritts erweckt hatte. Allerdings sei es in Oldenburg Gewohnheit, stets in 115 BayHStA GHA Nachlass Erzherzogin Elisabeth von Österreich Nr. 37/1 (3. Februar 1850), nach dem Bericht der Ehefrau des Erzherzogs Johann; und ebd. (o. D., Fragment): Stephan betrage „sich sehr gut demüthig, was früher nicht seine Sache war.“ 116 StMLA Archiv Meran Schuber 7 Heft 5,8 (10. März 1850). 117 Anders berichtete vom Prinzen Wasa (Prinz W.) als Überbringer der Nachrichten. Allerdings ist ein Aufenthalt dieses Vertrauten der Erzherzogin Sophie für die Zeit Ende 1849 in Oldenburg nicht nachweisbar; Anders (1868), S. 337; Neue Freie Presse Nr. 1442 (5. September 1868); Bauer (1975), S. 60–61. Gustav Wasas Schwester Cäcilie war mit August von Oldenburg verheiratet gewesen. Zur Begegnung Stephans mit Wasa in Oldenburg HLA HStAD Best. D 21/2 (22. August 1849), fol. 51, Wasa an Karl von Hessen; Wiener Zeitung Nr. 210 (4. September 1849), S. 2435; Deutsche Allgemeine Zeitung Nr. 242 (30. August 1849), S. 2106, dort aber nirgends ein Hinweis auf den eigentlichen Vorfall. Die Häufigkeit der Begegnungen mit Wasa spricht nicht für ein angespanntes Verhältnis. Stephan war auch offiziell der Garnison vorgestellt worden; Neue Blätter für Stadt und Land Nr. 90 (10. November 1849), S. 374. Im Juli 1850 wollte Wasa Stephan sogar auf der Schaumburg besuchen; HLA HStAD Best. D 23 Nr. 21/3 (18. Juli 1850). Ob es zu diesem Besuch gekommen ist, geht aus den Briefen leider nicht hervor.
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Uniform zu erscheinen. Er habe nicht die Paradeuniform angezogen, und die normale Uniform „abzutragen“ könne ihm als Regimentsinhaber und ehemaligem Palatin niemand verwehren. Den Csurapi – gemeint wohl Csuba, ein weißer, grober Mantel118 – habe er nur deshalb umgehabt, weil es minus 7 Grad kalt gewesen sei und er keinen wattierten Uniform-Überrock besitze. Besuche im Theater oder auf Soireen habe er dem Großherzog unmöglich abschlagen können. Auch bat er um Verständnis für sein Verhalten, da es auf der Schaumburg kein Theater und dergleichen gebe. Stephan sah sich als Opfer, indem es Wien nur darum gehe, „einem durch ein Schwerdt zu Tod Verwundeten, dieses Schwerdt noch in der Wunde umgedreht [zu] wissen“.119 Wien wollte ihn „einstweilen vergessen machen“, wie er es selbst gegenüber der Oldenburger Verwandtschaft polemisierend formulierte. Die Wiener Stellungnahme kennen wir nicht. Allerdings kann ein solch massives Interesse, Stephan totzuschweigen, nicht ausgemacht werden. In der offiziösen „Wiener Zeitung“ wurde 1849 zwar nicht häufig, aber doch immer wieder über Stephans Aufenthaltsorte berichtet.120 Es war darüber zu lesen, dass er als Kandidat für eine provisorische Zentralgewalt für den Deutschen Bund gehandelt werde. Angedeutet wurde ein Treffen mit Erzherzog Albrecht in Frankfurt, das zumindest in den Quellen nicht verbürgt ist. Damit wurde Stephan aber in der Zeitung als vollgültiges Mitglied der Dynastie erwähnt. Auch dass Stephan zusammen mit der Königin von Griechenland und dem Erbgroßherzog von Oldenburg am 30. Juni 1849 die deutsche Kriegsflotte in Bremerhaven besichtigte, wurde in einem Blatt wie 118 Magyar és Német, S. 115; vgl. auch HU MNL OL P 301 (21. Januar 1848). 119 NLA Oldenburg Dep. 50 Best. 6 F Nr. 134 (6. März 1850). Von einem Auftritt in Galauniform in Limburg, begleitet von Ungarn in Nationaluniform, beim Manöver Herzog Adolphs von Nassau schreibt auch Fiebig, S. 28–29. Hierzu konnten im Stadtarchiv Limburg keine Hinweise ermittelt werden; frdl. Hinweis von Herrn Dr. Waldecker, Stadtarchiv Limburg. 120 Grundsätzlich wurde er natürlich ab 1849 weniger erwähnt als zuvor, was aber auch damit zusammenhing, dass er kein offizielles Amt mehr bekleidete. Für 1849 bis 1851 kommt sein Name 338 Mal vor. 1852 bis 1855 ist mit lediglich 174 Treffern ein deutlicher Rückgang zu erkennen. 1855 bis 1860 aber liegt der Wert wieder bei guten 908 Nennungen in den Zeitungen; http://anno.onb.ac.at (Zugriff 16. Januar 2020). Die Nennung der Hotels „Erzherzog Stephan“ in Pest und Prag, die seit Mitte der 40er Jahre bestanden, fällt mit 25 Treffern bis 1867 nicht ins Gewicht. Diese Hotels wurden nach Antritt seines Exils nicht umbenannt. 1864 nächtigte Kaiser Franz Joseph sogar im Hotel „Erzherzog Stephan“ in Karlsbad; Gemeinde Zeitung Nr. 48 (25. Juni 1864), S. 378. Auch die Mode- und Luxuswarenniederlassung Scheiner in Wien, Stock im Eisen/Seilergasse, war, solange sie bestand, im Haus „Zum Erzherzog Stephan“ untergebracht (1842–1861). Eine offizielle Damnatio Memoriae ist daraus nicht abzulesen. Allgemeines Intelligenzblatt zur Oesterreichisch-Kaiserlich privilegierten Wiener Zeitung Nr. 117 (28. April 1842), S. 292; Die Presse Nr. 295 (27. Oktober 1861), o. S. Den Benennungen von Hotels und Häusern nachzugehen, wäre eine gesonderte Aufgabe, die die vorliegende Arbeit nicht angehen konnte.
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dem „Wiener Boten“, der als konservativ einzustufen ist, weder verschwiegen noch abwertend kommentiert. Dabei muss es sich um ein bewusstes politisches Zeichen gehandelt haben.121 Auch die in dieser Zeit erteilte Reisegenehmigung in die Niederlande spricht dagegen, dass Stephan aus Wiener Sicht gänzlich vergessen gemacht werden sollte. Es wird in den Auseinandersetzungen wohl nicht darum gegangen sein, Erzherzog Stephan aus der öffentlichen Wahrnehmung als Vertreter des Hauses Habsburg gänzlich verschwinden zu sehen, sondern ihn als vermeintlichen politischen Entscheidungsträger in der Außenwirkung auf seine Rolle als Erzherzog zu beschränken. Stephan hielt sich diesbezüglich und vielleicht auch ganz bewusst nicht an das Comment, so dass er der nicht ganz gefestigten Regierung Franz Josephs als Störfaktor erschien, gegen den sie nun direkt vorging. Der Interpretation der Vorgänge, wie sie sich in Stephans umfangreicher Korrespondenz findet, die für die Zeit seines Exils zur Hauptquelle wird,122 unterlag gewiss die Absicht, sich auch nach 1848/49 als Opfer zu stilisieren. Es liegen keine Quellen vor, aus denen sich ersehen ließe, dass ihm das gelungen wäre. Letztlich aber musste er sich auch nicht vollkommen vergessen machen. Das belegt Stephans offizielle Teilnahme an den Beisetzungsfeierlichkeiten für Prinz Moritz von Nassau im April 1850 in Weilburg, also nach der Rüge aus Wien.123 Aber es ließ ihn doch wohl jetzt mit größerer Vorsicht agieren. Vermutlich ist das auch der Grund dafür, dass in diesem Zeitraum so gut wie keine Porträts Stephans entstanden, und wenn doch, dann ausdrücklich nur für einzelne Empfänger.124 Die Nachwehen der Rüge aus Wien vom Jahr 1850 waren zu spüren.
121 Wiener Zeitung Nr. 214 (7. September 1849), S. 855: Stephan, der Prinz von Preußen und Luitpold von Bayern würden für die Zentralgewalt gehandelt; Wiener Zeitung Nr. 262 (3. November 1849): Stephan und Albrecht in Frankfurt eingetroffen. Zur Besichtigung der Kriegsflotte Der Wiener Bote Nr. 122 (8. Juli 1849), o. S.; Deutsche Allgemeine Zeitung Nr. 185 (4. Juli 1849), S. 2091. Zur Kriegsflotte, die als Demokratennest galt, vgl. Salewski, insbesondere S. 118–121; Die Wage Nr. 62 (11. September 1849), S. 384. 122 Während für die Zeit von 1847/1848 die Selbstbilder fast völlig fehlen, werden sie für die Zeit seines Exils zur vorherrschenden Quelle; vgl. auch Kapitel 1.3. 123 HLA HHStAW Best. 130 II Nr. 3117; Fremden-Blatt Nr. 86 (11. April 1850), S. 2; Ost-Deutsche Post Nr. 86 (11. April 1850), o. S. Auch wurde ihm sein Regiment nicht entzogen, so dass er als Inhaber des Regiments Erzherzog Stephan weiterhin präsent blieb. 124 StA Diez Sch 55/Sch 332 (9. April 1854): Der Düsseldorfer Maler August Wille fertigte ein Porträt Stephans für Wintzigerode an; LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 b (19. Februar 1859): Wille hat ein Porträt Stephans angefertigt. Hinzu kommt das Porträt Trautscholds, das für Boos und Anders gedacht war; s. die Darlegung im Einleitungskapitel.
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Abb. 26: Erzherzog Stephan mit dem Ordensstern des nassauischen Militär- und Zivildienstordens, nach 1858 (Schloss Schaumburg GmbH)
Äußerst interessant sind in diesem Zusammenhang sechs Gedichte Stephans, die sich heute im Sächsischen Hauptstaatsarchiv in Dresden in einem Nachlass erhalten haben. Sie dürften, einem Akrostichon zufolge, für ein Album der Pauline Albertine Gräfin von Bentinck, geborene von Münnich, gedacht gewesen sein und stammen – zumindest teilweise – von Ende 1849, als sich Stephan in Oldenburg aufhielt. Der Vater der Gräfin war in Oldenburg Hofmarschall.125 Stephan schilderte in diesen Gedichten seine Lage im Exil. Wie auch seinen Briefen zu entnehmen ist, ging er aber nur von einem „läuternd Prüfungsjahr“ aus, also einer Interimslösung, auf seiner öden Burg, in der er sich ängstigte, schwach und elend fühlte, „ganz ge125 SächsStA HStAD loc. 12790 Personennachlass Karl Steinmüller Nr. 368: Zwei Gedichte sind datiert mit 15. und 16. Dezember 1849; ein Gedicht heißt „Aschermittwochsgedanken“ und dürfte von 1850 stammen. Zur Gräfin Bentinck vgl. Gothaischer Genealogischer Hofkalender 1911, S. 114. Steinmüller unternahm genealogische Forschungen zu den Grafen von Solms-Wildenfels. Die Tochter des Ehepaars Bentinck war mit dem Grafen von Solms-Wildenfels verheiratet. Auf diesem Weg dürften die Gedichte in den Nachlass des Archivars Steinmüller gelangt sein. Zum Vater, Graf Friedrich Franz von Münnich, Oldenburgischer Staats-Kalender 1848, S. 29.
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knickt“ war. Vom „Sturm“ und „Unglück“ spricht er in romantischem Tonfall. In seiner Heimat habe er geglaubt, ihm sei „ein nützlich Wirkungskreis beschieden“, sei aber dann einer harten Prüfung ausgesetzt worden und „unverdient“ zu seiner „Strafe“ gekommen. Sein Gemüt sei „zerrissen“ worden, im Herzen trage er „Todeswunden“, so dass er nunmehr „auf des Unglücks tosend Meer ein schwankend Schiff“ sei. Doch hatte er in den – für Stephans sonstige Äußerungen – erstaunlich frommen und mit Bibelzitaten und -anklängen durchzogenen Gedichten, in denen sich der Erzherzog immer wieder dem Ratschluss Gottes anheimgab, eine Erklärung für sein Los. Diese beginnt mit einem Eigenlob, das angesichts der für ihn wenig ruhmreichen Amtszeit in Ungarn verwunderlich ist: „Wenn der Mensch recht hoch erhoben, sich stolz erhebt, Wenn alles ihm gelingt, was er begonnen, Wenn er noch des Schicksals Schläge nicht erlebt, Auch ihm kein schweres Leid verronnen Da kann er leicht in seinem eitlen Wähnen Sich überschätzen, besser dünken, als er ist, Denn nichts ist schwerer, als sich selbst zu kennen, Zu unterscheiden, was denn wahr von Trug und List. So wär gewiß es auch mit mir ergangen, Der Dünkel hätte mich auf eine falsche Bahn gebracht, Die Eitelkeit am Ende mich befangen. Ja! Ja! Der HErr der Welten hat es gut gemacht.“
Die immer wieder gegen Stephan vorgebrachten Anschuldigungen, er sei eitel und habe sich zu sehr der Gunst der Öffentlichkeit ausgesetzt oder gar von ihr abhängig gemacht, übernahm der Beschuldigte nun wiederum selbst. Er führte es sogar noch weiter aus: Im „Höflingsschwarm“ sei er „sehr arm“. Er sei an den Pranger gestellt worden, von Gaffern umgeben gewesen und „auf’s schwankend Volksgunstfeld“ gedrängt worden, so als sei er dazu genötigt worden und habe nicht bewusst selbst diesen Weg eingeschlagen. Falsche Freunde habe er gehabt und sei der Verleumdung ausgesetzt gewesen. Kurzum: Er habe sich selbst überhoben, habe auf die falschen Leute gebaut und sei dafür von Gott gestraft worden. Das ist ein überraschend offenes Bild seiner eigenen Selbstwahrnehmung und Gefühlswelt – erstaunlich auch, weil es ausgerechnet in Gedichtform gegenüber einer Frau entworfen wird, von der wir sonst im Zusammenhang mit Stephans Leben nichts wissen. Dichtende Fürsten waren im 19. Jahr-
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hundert nicht ungewöhnlich, man denke nur im Haus Habsburg an Kaiserin Elisabeth oder Erzherzog Ferdinand Maximilian.126 Erstaunlich aber ist, dass Erzherzog Stephan in diesen Gedichten persönlichere Töne gefunden haben sollte als in allen – oder zumindest den meisten127 – seiner Briefe, das dann aber in einer gehobenen Sprachform und mit den in anderem Kontext völlig peripheren religiösen Konnotationen. Es ist doch vielmehr davon auszugehen, der Erzherzog habe sich hier in Form der für ein Album gedachten Gedichte ein Denkmal im sentimentalen Zeitgeist setzen wollen. Die Gedichte waren dazu gedacht, das Bild des exilierten Erzherzogs als Märtyrer emotional und moralisch zu überhöhen, und das in einer Zeit, in der dem eigenen Bekunden nach das offene Bekenntnis Gefahr für ihn bedeuten konnte.128 Die Religion konnte dazu ebenso beitragen wie das vermeintliche Bewusstsein der eigenen Eitelkeit sowie die Opferrolle, in die er geraten war: Insofern wurde der Exilant, dessen Rolle er in der Korrespondenz nur sehr begrenzt annahm, zu einer Byron’schen Kunstfigur des Weltschmerzes.129 Die vermeintlich persönlichen Worte verwandeln sich damit genau wieder zu dem, was sie vordergründig nicht sein wollen: eine nach außen gerichtete Imagekampagne.130 Insofern mögen die Wiener Verdächtigungen angesichts von Stephans Auftritten in Oldenburg auch nicht ganz unbegründet gewesen sein. Stephan konterte, indem er gegenüber diesen Anschuldigungen vorschlug, künftig nur nach Rastede, nicht nach Oldenburg zu fahren, weil es dort kein Theater gab und der Großherzog dort als Privatmann lebte.131 Den Reisen nach Weimar und in die Niederlande hatte Wien bereits zugestimmt. In 126 Hamann (2017), S. 10–15; Seidl, S. 14–20; Maximilian von Mexiko, passim. Auch Herzog Adolph von Nassau dichtete zu Beginn seiner Zeit als Exilant, was von Christian Spielmann (1905), S. 288–290, als Ausdruck seines Schmerzes, „einer der besten Wecker der Poesie“, bewertet wurde. 127 In einem Brief an König Maximilian II. von Bayern vom 8. April 1851 äußerte sich Stephan auch sehr ausführlich, kehrte dort aber seine streng monarchistische Gesinnung heraus und leugnete gerade seine Eitelkeit; BayHStA GHA Kabinettsakten König Maximilians II. 408 (8. April 1851). 128 So zumindest an König Maximilian II. von Bayern; BayHStA GHA Kabinettsakten König Maximilians II. 408 (8. April 1851). 129 Während seiner Prager Zeit soll es auch Gedichte an die Gestalten der böhmischen Geschichte Libussa, Podiebrad, Wenzeslaus und Ottokar aus seiner Feder gegeben haben; Deutsche Blaetter. Literar.-polit. Feuilleton-Beilage zur Gartenlaube Nr. 10 (1867), S. 38. 130 Laut einem Brief Stephans hatte ein Graf B. aus Oldenburg am 6. Oktober 1849 negativ über ihn berichtet. Wenn es sich dabei um Graf Bentinck gehandelt hatte, würde sich auch die Adressatin der Gedichte leicht erklären lassen; StMLA Archiv Meran Schuber 7 Heft 5,8 (10. März 1850). 131 NLA Oldenburg Dep. 50 Best. 6 F Nr. 134 (6. März 1850).
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Weimar, bei seinem „intimsten“ Freund, werde er Festlichkeiten und Diners vermeiden. Wie aber sollte er inkognito in die Niederlande reisen, wohin ihn Königin Sophie persönlich eingeladen hatte? Gerne würde er als Kaufmann die Welt bereisen, aber bei dem Misstrauen, das ihm entgegenschlage, sei dies sehr schwer. Außerdem verlangte Stephan, dass auch diejenigen, die ihn vergessen sehen wollten, die Kontrollen und die Denunziationen aufgäben. „Man setze in mich das Vertrauen, daß ich nichts thun werde, was meinem Stande, meiner Familie, meinem Herrn und Kaiser Schande machen würde“.132 Trotz aller Willfährigkeit stellte Stephan also Ansprüche und wies dem Wiener Kaiserhof eine Schuld zu – zumindest indirekt gegenüber Erzherzog Johann. Österreich, so schrieb er an diesen, sei das „Land, das mir den Stein geworfen, das mich größtentheils vom Höchsten bis zum Niedersten ungehört und ungeprüft verurtheilt, und dem ich deshalb doch mit der innigsten Liebe, mit der größten Dankbarkeit für Alles, was mir in früheren Zeiten dort zugefallen war, zugethan bin“. Insbesondere aber erklärte er sich dem nach dem Rücktritt Kaisers Ferdinands am 2. Dezember 1848 auf den Thron gelangten Kaiser Franz Joseph treu ergeben. „Wäre nicht der Kaiser der Kaiser Franz Joseph, wäre ich nicht überhaupt von meiner zartesten Jugend an gewohnt, meinem Monarchen in Allem und Jedem Opfer zu bringen und unbedingt zu gehorchen – sähe ich nicht die schwierige Lage Oesterreichs ein – eine Lage, die im besten Falle noch durch Jahre fortdauern wird, ich würde nicht schweigen, ich würde mich nicht einer ungewißen Zukunft preisgeben, meine Ehre gebrandmarkt lassen, so aber will ich dulden und harren, will ich mir Vernunft wahren und mir sagen: die Verbannung, die ins Ungewiße war, ist nun zur Gewissheit geworden.“133 In dieses Bild der Opferrolle, in die er sich aus Staatsräson begab, obwohl es angeblich Auswege gegeben hätte, begannen sich bittere Vorwürfe zu mischen. Stephan bekannte, seine Kraft von Gott zu holen, weil er im Bewusstsein lebe, recht gehandelt zu haben. An anderer Stelle berief er sich, um sich zu rehabilitieren, auf die vermeintlich positive Stimmung ihm gegenüber in der Armee.134 Er forderte eine genaue Untersuchung, die in einem konstitutionellen Staat klares Recht sei. All dies – Selbstzerknirschung, Rehabilitierungswünsche, Erpressungen – fallen in die gleiche Zeit. Diese häufigen Stellungswechsel Stephans, aber auch die nicht klar zu fassende Position 132 StMLA Archiv Meran Schuber 7 Heft 5,8 (10. März 1850). 133 StMLA Archiv Meran Schuber 7 Heft 5,8 (10. März 1850). Ähnlich deutlich auch in Briefen an Wessenberg, ÖNB Autogr. 55/33-18 und -19 (24. Oktober 1851 und 13. August 1855). Dort nennt er seine kritischen Äußerungen „frondieren“. 134 NLA Oldenburg Dep. 50 Best. 6 F Nr. 134 (29. April 1850).
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Abb. 27: Kaiser Franz Joseph von Österreich, um 1867 (HLA HStAD Best. D 27 A Nr. 45/20)
des Kaiserhofs und damit die Haltung zweier angeschlagener Parteien tragen nicht gerade dazu bei, die Position des Erzherzogs klarer zu machen. Stephan musste in diesem Taktieren erkennen, dass mit Forderungen nichts zu erreichen war. Deshalb strich er gegenüber seinem Onkel Johann heraus, ihm sei es mit dem Exil ernst. „Nassau-Amerika“ habe er zu seinem zukünftigen Domizil ausgewählt.135 Dazu gehörte der Beginn der Planungen zum Ausbau des Schlosses Schaumburg. Wien hatte schließlich ein Zeichen dafür verlangt, dass er seinen Lebensmittelpunkt im Nassauischen gefunden habe. Dass er schon längst seinem Sekretär befohlen hatte, Inventare über all seinen Besitz in Ofen zusammenzustellen, galt ihm als Zeichen seiner endgültigen Umsiedlung und damit der Annahme seines Schicksals. Doch Wien versuchte die Trennlinie schärfer zu ziehen, um klare Fakten zu schaffen. Dabei waren Auseinandersetzungen um familiäre Besitzverhältnisse eine dankbare Basis, um den Erzherzog auch von seiner Familie zu trennen.
135 StMLA Archiv Meran Schuber 7 Heft 5,8 (10. März 1850).
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Als Stephan mittels eines Sonderzuges „nothwendige Leute“ sowie Pferde und Wagen aus Ungarn an die Lahn überführen ließ, geriet er erneut an Erzherzogin Sophie. Mit starken Worten schritt sie gegen den Abzug der Mobilien ein, weil sie befürchtete, dass damit das Erbe Josephs, des Halbbruder Stephans, geschmälert werde. Stephan hatte ausgerechnet seinen ehemaligen Obersthofmeister Graf Grünne gemäß dem väterlichen Testament zu seinem Bevollmächtigten ernannt, der jetzt einer der engsten Vertrauten des Kaisers bzw. der Erzherzogin Sophie geworden war. Allerdings misstraute Stephan dem Grafen Grünne, mit dem er auch wegen seiner bevorstehenden Reisen nach Holland, Weimar oder zu Prinzessin Augusta von Preußen nach Koblenz136 in Verbindung stand, und befürchtete eine Intrige von seiner Seite.137 Daraus entwickelten sich im Frühjahr 1850 Auseinandersetzungen mit Wien, in denen sich politische und finanzielle Erwägungen mit persönlichen Animositäten138 vermischten. Denn Stephans Stiefmutter, Maria Dorothea, befürchtete, dass die Kassen leer seien und Stephan Joseph um sein Erbteil bringen könne, ja Stephan seinem Halbbruder ganz prinzipiell nur Schlechtes wolle.139 Damit verband sich aber womöglich die direkte Absicht, Joseph näher an den Kaiserhof zu führen und aus den durch die politischen Verhältnisse in Misskredit geratenen faktischen Bindungen zu lösen. Stephans Einfluss musste daher ebenso ausgeklammert werden wie derjenige des Erziehers Anders, den noch sein Vater für ihn bestimmt und der früher auch Stephan unterrichtet hatte.140 Maria Dorothea war mit dem „unbeugsamen“ Charakter von Anders, der ihn auch dazu verleitete, Widerwort zu geben, nicht einverstanden und wollte ihn von der Erziehung des als lernfaul bekannten Erzherzogs Joseph entfernt sehen. Erzherzogin Sophie hatte sie darin unterstützt. Beiden war er auch für die Erziehung des siebzehnjährigen Prinzen nicht „noble“ genug.141 Dabei ging es um Weltanschauliches. Anders hatte sich beklagt, wel136 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 738 a (28. März 1850). 137 StMLA Archiv Meran Schuber 7 Heft 5,8 (29. April 1850). Laut väterlichem Testament hatte Joseph die Hälfte der Güter geerbt und die Witwenapanagen der Mutter rührten daher. Stephan verstand sich daher mehr als „Gutsverwalter“ denn als Gutsbesitzer, erklärte aber auch, dass er ohne diese Einkünfte als Bettler dastehe; BayHStA GHA Nachlass Erzherzogin Elisabeth von Österreich Nr. 93 (12. November 1848). 138 StMLA Archiv Meran Schuber 7 Heft 5,8 (20. Juni 1850). 139 StMLA Archiv Meran Schuber 7 Heft 5,8 (20. Juni 1850). 140 StMLA Archiv Meran Schuber 7 Heft 5,8 (20. Juni 1850). 141 StMLA Archiv Meran Schuber 7 Heft 5,8 (22. März 1850); BayHStA GHA Nachlass Erzherzogin Elisabeth von Österreich Nr. 93 (3. Februar 1849) und Nr. 37/1 (9. Oktober 1850 und 11. Januar 1851): Maria Dorothea wollte Joseph nicht verlieren, während der Rest der Verwandtschaft ihm einen üblichen (militärischen) Ausbildungsgang zuteilwerden lassen wollte.
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che Mühe es ihn kostete, die „verdrehten Ansichten“, die Joseph annahm, wenn er an Sonn- und Feiertagen bei der Mutter zu Besuch war, wieder aus ihm herauszubringen. Stephan bezeichnete dies nach dem Wohnort der Mutter als „Augartenprinzipien“142 und bemühte sich über seinen konservativen Cousin Albrecht, zu dem der Kontakt nur noch sporadisch zustande kam, den vermeintlich schädlichen Einfluss der Personen im Augarten auf seinen Bruder Joseph abzuwehren.143 Vor Anders hatten allerdings schon drei weitere Erzieherinnen den Dienst bei Maria Dorothea quittieren müssen, und jetzt wollte die Erzherzogin den Offizier Rudolf Freiherr von Lüttichau als Nachfolger.144 Stephan erklärte sich nun bereit, Anders als Hausvorstand zu übernehmen, da sein Adjutant Piller ihn verlassen werde,145 und bat Erzherzog Johann, alles Finanzielle zu klären. Des Weiteren übersandte er Namenslisten seines eigenen Haushalts, damit die Personen in Josephs Haushalt übernommen werden konnten. Eine Schwierigkeit lag aber in der Weigerung von Anders, zu Stephan auf die Schaumburg zu kommen, und in der fehlenden Bereitschaft des Kaisers, ihn dazu zu zwingen. Denn jemand, der Stephan zugeteilt werde, sei „moralisch todt – so zu sagen mit der Welt abgekocht“.146 Stephan bestand darauf, dass Anders nicht angewiesen werde, sondern dass man in der Eingabe nach Wien vermerken konnte, Anders habe sich mündlich „zu dem Opfer“ bereiterklärt.147 Es ging dabei also auch um Prestige und Stolz, zumal es nicht nur der fehlende Wille von Anders war, der Probleme bereitete. Stephan hatte schon zuvor bei Grünne angesucht, ihm einen Ersatz für Piller, der ohnehin invalide war,148 als Adjutanten zu senden. In der Antwort Grünnes, dass er niemanden gefunden habe, musste Stephan eine bewusste Zurücksetzung erkennen. Dabei sah er Grünne mit der Hofhaltung Maria Dorotheas kooperieren und alles tun, ihm zu schaden. Das bezog sich auch darauf, dass man sich im Augarten wohl weigerte, ungarisches Personal, das Stephan finanziell belastete, für Erzherzog Joseph zu übernehmen 142 StMLA Archiv Meran Schuber 7 Heft 5,8 (22. März 1850). 143 HU MNL OL P 301 (27. September 1851). 144 StMLA Archiv Meran Schuber 7 Heft 5,8 (22. März 1850); Oehler, S. 112; Hof- und Staatshandbuch des österreichischen Kaiserthumes 1856, S. 37; auch HLA HHStAW Best. 130 II Nr. 2171 (17. Februar 1856); Freie Neue Presse Nr. 21575 (4. Oktober 1924), S. 2: Abdruck eines Briefes der Erzherzogin Maria Dorothea. 145 StMLA Archiv Meran Schuber 7 Heft 5,8 (22. März 1850): Stephan sprach davon, Piller rücke ein, was aber angesichts des Gesundheitszustands nicht im militärischen Sinne gemeint sein kann. 146 StMLA Archiv Meran Schuber 7 Heft 5,8 (20. Juni 1850). 147 StMLA Archiv Meran Schuber 7 Heft 5,8 (29. April 1850). 148 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 a (30. Juni 1850): Piller ist „halbtodt“ nach Epöries entlassen worden, Dr. Würtler ist invalide in Pressburg.
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und Stephans Situation damit zu erleichtern. Man wollte dort über das Personal im Umfeld des jungen Erzherzogs selbst bestimmen, und das musste Stephan als Abwehr seines Einflusses werten. Er wurde immer mehr an den Rand gedrängt, und Parteien hatten sich gegen ihn zusammengetan, die bisher nicht konform miteinander gegangen waren. Vermutlich waren diese Allianzen damit zu erklären, dass der Personenkreis, der bisher in Stephans Nähe gewesen war, sich neue Bindungen schaffen musste, um eine Vergangenheit, zu der er nichts konnte, vergessen zu machen. Sicherlich sollte dabei der Hof der Erzherzogin Maria Dorothea, die vom Kaiserhof misstrauisch beobachtet wurde, gegen Stephan ausgespielt werden, um ihm den innerdynastischen Rückhalt zu nehmen. Und womit ging das besser als über finanzielle Fragen? Deshalb wurde Stephans Wunsch nach Rehabilitierung auf diesem Feld bekämpft.149 Die schließlich doch erreichte Einwilligung von Anders, in Stephans Dienst überzutreten, war am ehesten ein Erfolg der Gegenpartei. Anders hatte im Laufe des Sommers zugestimmt, auf die Schaumburg überzusiedeln, obwohl seine militärische Karriere damit definitiv ein Ende gefunden hatte und er sicher sein konnte, mit seiner Familie auf unbestimmte Zeit ein Leben im Exil zu führen. Erzherzog Johann richtete diesbezüglich das Gesuch an Kaiser Franz Joseph.150 Mit skeptischen Worten bedachte Stephan die Folge dieses Übertritts, weil der charakterfeste und mit klaren Überzeugungen ausgestattete Anders den Augarten zu verlassen hatte und Joseph viel Zeit bei der Erziehung verlor. „Der im Augarten errungene, ihm wohlbekannte Sieg drängt ihn [Joseph] ganz in die Armee des Siegers! Du kennst die dortigen Grundsätze und wirst daher auch leicht beurtheilen können, daß sie bei einem jugendlichen und empfänglichen Gemüth in der steten Gesellschaft der kleinen Marie [= Stephans Halbschwester] – nur zu leicht Wurzel faßen, deren Ausrottung sehr schwer, wenn nicht ganz unmöglich werden dürfte.“151 Stephan brachte seine Angst zum Ausdruck, dass die Augartenprinzipien seine Halbgeschwister verderben könnten, und er setzte sogar seine Hoffnung auf den Kaiser und Erzherzogin Sophie, damit sie dem Treiben ein Ende bereiteten. Gemeint war damit eine sehr liberale, offene Erziehung, die insbesondere Marie Henriette zuteilwurde. Ihrer sportlichen Ader und ihrer Liebe zur Reiterei wurde freier Lauf gelassen. In Begleitung einer ihrer 149 NLA Oldenburg Dep. 50 Best. 6 F Nr. 134 (8. Juli 1850): „die Rückkehr nach Österreich, die mich vor der Familie und vor der Welt rechtfertigt, mir für alles unschuldig Erduldete hinreichende Satisfaktion verschafft und mich vor liebloser Behandlung und Mißachtung schüzt“. 150 StMLA Archiv Meran Schuber 7 Heft 1,6 (14. Juli 1850). 151 StMLA Archiv Meran Schuber 7 Heft 5,8 (19. Juli 1850).
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Husarenritte war Joseph im Beisein der Mutter vom Pferd gefallen. Stephan brachte für solche halsbrecherischen Aktionen kein Verständnis auf und äußerte sich erbost bei solchen „Ungezogenheiten“ und „Bubenstreichen“. Ihrem „mehr als flotten Leben“ gegenüber blieb Stephan ablehnend. Wäre er anwesend, so gestand er ein, würde er auch auf Kosten des Unfriedens mit der Mutter diesem Treiben ein Ende setzen.152 Seine Briefe an die Mutter fruchteten jedoch nichts, so dass er Erzherzog Johann bat, sich ebenfalls dafür einzusetzen, seine Stiefgeschwister wieder auf den rechten Weg zu bringen. Aber die Hoffnung war umsonst. Stephans Einfluss gegen eine allzu liberale Auffassung der Kindererziehung griff nicht mehr. Anders siedelte gegen Ende 1850 auf die Schaumburg über, erhielt 1200 fl. Besoldung und 500 fl. Equipagengeld, freies Quartier, ein Quantum Holz, Licht und freie Kost für seine Person. Piller verließ die Schaumburg in Richtung Österreich, und Lüttichau wurde als Erzieher Josephs eingesetzt. Damit war auch die Trennung des Personals sowie der Güter besiegelt. Die Zeitungen deuteten die Zeichen jedoch weniger innerfamiliär. In der eher links ausgerichteten Presse war zu lesen, die Berufung von Anders werde öffentlich als Zeichen der Entspannung zwischen Stephan und dem kaiserlichen Haus gewertet. Eine baldige Rückkehr stehe in Aussicht, womöglich sogar als Statthalter in Ungarn – ob mit oder ohne Palatinstitel.153 An einer solchen Meldung war dem Kaiserhaus sicherlich nicht gelegen. Und auch Stephan musste aus diesen Streitigkeiten wieder einmal den Schluss gezogen haben, dass das Gegenteil der Fall war. Im November transportierten acht Güterwagen Möbel, Silbergerät,154 Bücher sowie verschiedene Sammlungen aus Ungarn und Böhmen auf die Schaumburg. Zusätzlich wurden in den Gewerbehallen zu Diez und Limburg Ausstattungsgegenstände und Möbel erworben, was im „Nassauischen Vereinsblatt“ als Förderung des lokalen Gewerbes gewertet wurde.155 Damit war der Bruch mit Stephans Vergangenheit, der von Seiten seiner Familie im Jahr 1850 regelrecht forciert worden war, endgültig vollzogen. Diesen Bruch demonstrierte der Erzherzog auch damit, dass er mit dem Umbau der Schaumburg begann. Schließlich hatte man von Wien aus bereits im zeitigen Frühjahr des Jahres gefordert, er könne nur mit einem Entgegenkommen rechnen, wenn er deutlich mache, seinen Aufenthalt in Deutschland genommen zu haben. Der Um- und Ausbau der Schaumburg war das Manifest dieser Zwangslage: Er war Ausdruck dafür, dass er sich nun endgültig 152 StMLA Archiv Meran Schuber 7 Heft 5,8 (10. August 1850). 153 Die Presse Nr. 261 (31. Oktober 1850), o. S. 154 Die Silberkammer auf der Schaumburg soll „umfassend“ gewesen sein; Fiebig, S. 27. 155 Bode (2017), S. 45.
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in Deutschland als Standesherr niedergelassen und die Hoffnung auf eine Rückkehr aufgegeben hatte, er war aber auch Symbol seines dynastischen Ranges. Er war ein Zeichen von Demut und zugleich eines von Trotz und damit eine Selbstaussage, die er in seinen Briefen zumeist umging. 6.3 Gebaute Selbstdarstellung – Die Schaumburg Zum ersten Mal erwähnt wird der Ausbau der bis dato zum Teil ruinösen156 Schaumburg am 25. Februar 1850 in einem Schreiben Stephans an Herzog Adolph von Nassau. Allerdings ist zu diesem Zeitpunkt nur von einer Instandsetzung die Rede, die der Landbaumeister Hermann Mertz aus Diez in Angriff nehmen sollte.157 Ihm zur Seite standen der Akzessist Wilhelm Frickhöffer158 sowie der Bauaufseher Koch.159 Stephan war zu diesem Zeitpunkt davon ausgegangen, dass Mertz in dem ca. sechs Kilometer von Balduinstein/Schaumburg entfernt gelegenen Amtsort Diez bleiben werde, solange die Bauarbeiten dauerten, was nahelegt, dass zunächst wirklich nur an einen überschaubaren Aus- und Umbau des alten Gemäuers gedacht war. Am 10. März hingegen, als ihn aus Wien die Nachricht ereilt hatte, Besuche in Österreich seien erst wieder möglich, wenn er sich dauerhaft in seiner Standesherrschaft niedergelassen habe, interpretierte er das ganze Verfahren gegenüber Erzherzog Johann neu. Schon bevor er diese Nachricht erhalten habe, schrieb er da, habe er einen Baumeister beauftragt, detaillierte Pläne für sein unbewohnbares Schloss vorzulegen. Trotz aller Einfachheit werde diese Baumaßnahme 100.000 Gulden verschlingen, was man niemals investieren würde, wenn man das Gebäude nur als Provisorium ansehe. In reichlich übertriebenen Worten betonte er, dass dieser Bau „vielleicht für ewig sein wird, wie denn Gott sei Dank eine irdische Ewigkeit verstanden werden kann.“160 Die Baumaßnahmen mussten dafür herhalten, den Beweis zu erbringen, dass es Stephan ernst war mit der dortigen Niederlassung. Das ging auch mit der Überführung aller 156 HLA HHStAW Best. 130 II Nr. 3271 (24. April 1851): Das Stallgebäude war Ruine. Zur Baugeschichte der Schaumburg unter Erzherzog Stephan vgl. Biehn, S. 239–244; insgesamt Thon, S. 70–75. 157 HLA HHStAW Best. 130 II Nr. 3271, fol. 1ff. (25. Februar 1850); Staats- und Adreßhandbuch des Herzogthums Nassau 1846, S. 25; HLA HHStAW Best. 210 Nr. 6805 (= Personalakte); Weiler, S. 233 und S. 236. 158 Frickhöffer, der sich damals in Idstein befand, verwirklichte später auch einige Bauprojekte in Wiesbaden; Cremer, S. 86–87. 159 LHA Koblenz Best. 47 Nr. 3813 (4. August 1850). 160 StMLA Archiv Meran Schuber 7 Heft 5,8 (10. März 1850).
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seiner ihm „erwünschten“ Bediensteten in das Herzogtum Nassau einher. Stephan selbst berichtete davon, seit Oktober 1850 seien alle 141 Personen auf der Schaumburg versammelt und nun unterzubringen.161 Er wertete diesen nicht unbeträchtlichen Hofstaat als eine patriarchalisch ausgerichtete Republik.162 Allein aus den Kirchenbüchern Balduinsteins gehen sechzehn Familien hervor, die Erzherzog Stephan aus Ungarn mitgebracht hatte bzw. hatte nachkommen lassen, als der dauerhafte Aufenthalt zur Gewissheit wurde.163 Auch dies mag den Ausbau des Schlosses noch befördert haben. Der Bauaufgabe war der Landbaumeister aber wohl kaum gewachsen. Vielleicht wurde das erst im Laufe der Zeit deutlich, weil das Vorhaben nun an Umfang gewann. Der Bauherr zog deshalb den Wiesbadener Architekten Carl Boos mit zurate. Boos hatte die Mertz’schen Pläne grundsätzlich gutgeheißen, die Fassade in seinen Entwürfen aber deutlich verschönert.164 Die feierliche Grundsteinlegung, zu der erste Überlegungen Ende Juli 1850 nachweisbar sind, erfolgte am 8. September.165 Sie wurde mit der Segnung durch den Pfarrer Brendel im katholischen Ritus und einem anschließenden Diner gefeiert. An diesem nahmen 25 geladene Gäste an der erzherzoglichen Tafel teil, darunter neben lokalen Honoratioren auch Stephans Beichtvater Propst Vinzenz Rudolph166 und Stephans ehemaliger Zeichenlehrer Klette aus Ofen, der ihn über drei Sommer hinweg auf der Schaumburg besuchte.167 Hinzu kam ein ländliches Fest mit Tanzbelustigung bis Mitternacht. In den Grundstein wurden – neben der Urkunde – ungarische und nassauische Geldstücke sowie ein Fläschchen 1846er Hochheimer Dom-Dechanei-Wein gelegt.168 Auf 161 Neue Freie Presse Nr. 4303 (18. August 1876), o. S. (15. Februar 1851) an Prof. Jacob Reuter. 1854 sprach er von 175 Personen; BayHStA GHA Nachlass Erzherzogin Elisabeth von Österreich Nr. 98 (10. September 1854). 162 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 a (7. November 1850), hier: 138 Personen. 163 Anders, Benedek, Cybulak, Dochnal, Jerger, Kolaczek, Leopold, Pohl, Rumpler, Schildner, Siemang, Stanz, Stary, Trotthandel (auch: Dröthandel), Urban und Vogel; Bistumsarchiv Limburg, Kirchenbücher Balduinstein. Aus den Taufregistern des Kirchenbuchs geht hervor, dass sich ab Spätsommer 1851 regelmäßig Nachwuchs bei den Hofbediensteten einstellte; auch BayHStA GHA Nachlass Erzherzogin Elisabeth von Österreich Nr. 93 (19. März 1849). 164 NLA Oldenburg Dep. 50 Best. 6 F Nr. 134 (29. April 1850). 165 LHA Koblenz Best. 47 Nr. 3813. 166 BayHStA GHA Nachlass Erzherzogin Elisabeth von Österreich Nr. 98 (12. August 1857): Rudolph besuchte ihn mehrfach auf der Schaumburg. Während der Revolution hatte er auf königlicher Seite gekämpft; BLKÖ 2 (1874), S. 227; Wiener Zeitung Nr. 59 (12. März 1865), S. 760. Auch BayHStA GHA Nachlass Erzherzogin Elisabeth von Österreich Nr. 100, S. 22. 167 Thieme-Becker 20 (1927), S. 486–487; Szvoboda Dománszky, S. 65; BayHStA GHA Nachlass Erzherzogin Elisabeth von Österreich Nr. 100, S. 22. 168 LHA Koblenz Best. 47 Nr. 3813; Bode (2017), S. 46.
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dem alten Torbogen zum Schloss wurde die Jahreszahl 1575 durch 1850 ersetzt. Bereits Mitte Oktober waren die Fundamente der gegen den benachbarten Talhof gerichteten Türme 21 und 18 Fuß hoch aufgemauert, und für die Souterrains sowie das Wachhäuschen waren die Fenster im Entstehen. Die drei Baumeister Mertz, Boos und Frickhöffer arbeiteten langsam, „aber sicher und schön“ – Mertz allerdings nur bis zu seiner überraschenden Pensionierung im Februar 1852.169 Für das darauffolgende Jahr war die Aufrichtung eines Gewächshauses geplant, für das Stephan sich aus der Biebricher Residenz des Herzogs von Nassau Pflanzen erbat.170 Aber was sollte nun entstehen? Fest stand für den Bauherrn, dass es sich bei der Schaumburg um ein Gebäude im englisch-gotischen Stil handeln sollte.171 Den Grund, warum ausgerechnet dieser Stil ausgewählt worden war, gibt der Erzherzog jedoch an keiner Stelle an. Im Gegensatz zu Königin Augusta von Preußen, die Schloss Babelsberg in diesem Stil hatte errichten lassen, weil sie eine besondere Affinität zur politischen Kultur Englands besaß, war Stephans Verhältnis zu diesem Land eher ambivalent.172 Augustas politische Haltung teilte er keineswegs. So sehr er sie persönlich mochte, ihre politischen Ideen gingen ihm doch „ein wenig gar zu sehr an’s Demokratische“.173 Stephan bewunderte zwar den technischen Fortschritt in England, misstraute aber der Angloma169 NLA Oldenburg Dep. 50 Best. 6 F Nr. 134 (14. Oktober 1850); StA Diez Sch 55/Sch 332 (2. Februar 1852). Bei einer Neuorganisation des Bauwesens im Herzogtum Nassau waren einige Landbaumeisterstellen weggefallen, darunter auch die seine, weil er „wegen geringer Qualification seinen Dienst nicht gehörig“ geführt habe; HLA HHStAW Best. 210 Nr. 6805 (30. August 1852). Er war 1851 mit einer Pension von 400 fl. in den Ruhestand versetzt worden, nachdem er zuvor 20 Jahre im Baubereich gearbeitet hatte; ebd. (10. November 1851). 170 HLA HHStAW Best. 130 II Nr. 3271, fol. 16ff. (25. August 1850). 171 StA Diez Sch 55/Sch 332 (19. Februar 1853). 172 Stephan hielt England für ein „höchst originelles Land“; LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 a (13. Mai 1839). Die Engländer, so glaubte er, taten sich in allem hervor, was sich auf das praktische Leben beziehe, sie hätten sich „auf das Praktische geworfen“ und konnten auf diese Weise „eine Stufe von Civilisazion und Weltkredit erlangen“; LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739a (28. August 1847). Bereits wenige Wochen nach der lobenden Erwähnung unterstellte er dem Land aber, aus bloßen Wirtschaftsinteressen heraus zu handeln. „Der Engländer ist an und für sich Egoist“; LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 a (9. Februar 1848). Viele Stereotypen spielen in diesen Einschätzungen eine Rolle, die je nach Lage und je nach Zusammenhang benutzt wurden. Ihr Aussagewert für Stephans Weltanschauung bleibt daher gering und verdeutlicht allenfalls, dass eine besondere Affinität nicht bestand. 173 NLA Oldenburg Dep. 50 Best. 6 F Nr. 134 (21. August 1850).
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nie, alles Englische besser zu finden als das Eigene.174 Eine weltanschauliche oder politische Bedeutung verband sich mit der Auswahl des Stiles folglich nicht. Vielmehr ist davon auszugehen, dass es die recht strenge, nüchterne Architektursprache war, die den naturwissenschaftlich ausgerichteten und auf Finanzierbarkeit hin orientierten Bauherrn faszinierte. Pittoresken Schaueffekten konnte er nichts abgewinnen. Sein negatives Urteil über Burg Stolzenfels, die er wie Burg Rheinstein bereits seit den frühesten Planungen kannte,175 bezeugt dies. Er wolle, schrieb Stephan, ein Gebäude, das „zweckmäßig für die Kasse sowie für die Bewohner selbst“ sei – also günstig und bequem, während er auf Burg Stolzenfels „nicht gemalt wohnen möchte, und wo ich immer vielleicht etwas boshaft behaupte, daß das Ganze nur deßhalb gebaut sei, um dem jeweiligen Kastellan beim Herumführen der Fremden eine tüchtige Reverenz zu sichern“.176 Er beurteilte, nicht ganz falsch, Burg Stolzenfels als einen nach rein malerischen Kriterien, quasi wie eine romantische Theaterkulisse zusammengefügten Baukörper, der nur auf Wirkung aus sei, ohne aber nützlich zu sein. Ähnlich hatte sich der Erzherzog als junger Mann schon über Schloss Hohenschwangau geäußert: „Die Mischung ganz von einander verschiedener Baustyle erzeugt eine architektonische Disharmonie, die den Blick beunruhigt, so daß keine einheitliche Auffassung des Ganzen möglich wird.“ Die Inneneinrichtung fand der Erzherzog „zwar sehr prunkvoll, aber in manchen Theilen auf schlimme Mysterien deutend.“177 Das war ganz im rationalen Geist des 18. Jahrhunderts gedacht und eine Ablehnung romantischen Empfindens, dessen malerische, subjektive Grundcharakteristika dem Schloss des bayerischen Thronfolgers zugrunde lagen.178 Insbesondere das Bad- und Grottenkabinett mit verborgenen Treppen und Türen stieß ihn ab sowie ein Kabinett, „dessen Ausstattung besser verschwiegen wird.“ Es ist davon auszugehen, dass hiermit das im opulenten maurischen Stil gehaltene „türkische Zimmer“ gemeint war.179 Die dort eingesetzte orientalische Pracht sollte an die Reise des Bauherrn nach Griechenland und in die Türkei erinnern und trug damit stark subjektive Züge, 174 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 a (14. August 1840). Schon Ponsonby wies darauf hin, dass sich auch Augustas Denken stark aus dem 18. Jahrhundert speiste („die in intellektuellem Sinne mehr in das achtzehnte als in das neunzehnte Jahrhundert gehörte“); Ponsonby, S. 16. 175 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 a (14. August 1840), die Planungen hatten 1836 begonnen. 176 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 a (9. Dezember 1853). 177 Anders (1868), S. 126. 178 Baumgartner, S. 86–91. 179 Anders (1868), S. 126; Baumgartner, S. 89–90.
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die in der mittelalterlichen Burg für einen historisch orientierten Betrachter als Fremdkörper wirken mussten. Das war Stephan schlimmer noch als die sonst gepflegte Sagenwelt eines Ludwig Tieck, eines Boccaccio und der Legende vom Schwanenritter, welche die übrige Bauausstattung bestimmte. All diese Romantik blieb Stephan fremd, auch wenn er sich später dem Bauherrn gegenüber positiver äußerte und auf der Schaumburg sogar über einen Fensterladen verfügte, auf dem das Schloss Hohenschwangau abgebildet war.180 Der englische Stil der Schaumburg muss daher als Ausdruck von Schlichtheit und Nützlichkeit gewertet werden, so wie schon Kaiser Joseph II. die Augustinerhofkirche und die Minoritenkirche in Wien hatte gotisch überformen lassen, weil er in dieser Stilrichtung den adäquaten Ausdruck für Nüchternheit und Funktionalität erkannte und damit einer „klassizistischen Grundhaltung“ nachhing.181 Stephans Ausrichtung war deshalb keineswegs ungewöhnlich. Vielleicht folgte er Schlössern wie Hrádek, Frauenberg oder Eisgrub in Böhmen, die allesamt in den 1840er Jahren im Tudor-Stil entstanden waren, oder aber dem Schloss Karlsberg des Grafen Emanuel Zichy bei Pressburg. Keines dieser Schlösser kann aber als direktes Vorbild angesehen werden, auch wenn die Anlage von Frauenberg grundsätzlich Ähnlichkeiten aufweist und Eisgrub durch seine direkte Verbindung mit einem Wintergarten an die Schaumburg denken lässt. All diesen Schlössern lag ein direkter Bezug des Bauherrn zu England zugrunde, der bei Stephan nicht attestiert werden kann.182 Aber neben Repräsentativfunktionen schlug sich auch in Böhmen eine zweckorientierte, funktionale Sicht auf die Architektur nieder. Auch hier ging es um keine poetisch-romantische Rückbesinnung oder Weltflucht, sondern um ein zweckdienliches Dekor – womit die gemäßigte Gotik des Tudor-Stils zur modernen Ausprägung des architektonischen Klassizismus werden konnte.183 Diese Architektursprache war Stephan also keineswegs fremd und wird ihm zum Umbau einer Burg adäquat vorgekommen sein. 180 BayHStA GHA Kabinettsakten König Maximilians II. 408 (8. April 1851). 181 Plaßmeyer (2007), S. 199–200; Lehne, S. 44. Zu Nützlichkeit und Komfort vgl. auch Perotti, S. 53; Stekl (1975), S. 192; Barillari, S. 34. 182 Hannes Stekl interpretierte die Gebäude im Tudor-Stil neben der Dokumentation des Herrschaftsanspruchs sowie der Übernahme eines Stildiktats auch damit, dass solche Landsitze bei den geänderten sozialökonomischen Bedingungen ein Zeichen im Sinne der bürgerlichen Arbeitstätigkeit setzen sollten; Stekl (1973), S. 178–179. 183 Muchka/Kuthan, S. 111–118; Rogasch, S. 251–267; Plaßmeyer (2007), S. 211–213; Koppelkamm, S. 86–90; Kohlmaier/von Sartory, S. 381–383. Auch Perotti, S. 19–20; Barillari, S. 34; Windisch-Graetz, S. 143–150; Stekl (1975), S. 192. Die Funktionalität des Tudor-Stils setzte Frickhöffer 1859–1861 beim Bau der Rheinkaserne in (Wiesbaden-)Biebrich um. Der Baukörper entspricht entfernt der Sprache der Schaumburg, ist aber im Detail verschieden; Cremer, S. 86.
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Durch andere neugotische Bauwerke der Zeit ließ er sich zusätzlich inspirieren. Überliefert ist 1846 ein Besuch der Burg Karlstein bei Prag auf Wunsch Carl Alexanders von Sachsen-Weimar.184 Die Wartburg und ihre Rekonstruktion kannte er spätestens seit 1845.185 Ihr Baumeister Hugo von Rietgen sollte 1853 als Bausachverständiger auf die Schaumburg geschickt werden.186 Von Reisen Frickhöffers nach Köln, Dresden und Berlin ist die Rede; 1854 schickte ihn Stephan schließlich nach Babelsberg bei Potsdam und nach Schloss Reinhardsbrunn in Thüringen, das 1826/27 auf der Ruine des Hausklosters der Landgrafen von Thüringen erbaut worden war.187 Darüber hinaus war der Erzherzog seit Ende 1851 Abonnent der „Allgemeinen Bauzeitung“ von Ludwig von Foerster, der sich dem Klassizismus des Wiener Architekten Nobile angeschlossen hatte und die Schönheit dem Zweck unterordnete. Foerster stand damit grundsätzlich in der Tradition des „Sparsamkeitskodex“ der Wiener Architektur des Vormärz, des eher charakterlosen „Behördenstils“, war aber bestrebt, die Stagnation in der Architektursprache der Donaustadt durch auswärtige Einflüsse zu heben.188 Stephan dürfte in seinem Architekturverständnis ähnlichen Einflüssen gefolgt sein, die aber wohl wenig reflektiert wurden und mehr unterschwellig vorhanden 184 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 a (26. Juli 1846). Dass er die Burg auf Wunsch seines Weimarer Freundes besuchte, legt nahe, dass er selbst kein größeres Interesse daran hatte. Zur Burg Kubů, S. 7: Nach Instandsetzungsarbeiten unter Kaiser Franz I. rückte das Gebäude erst ab 1886 in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. 185 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 a (25. Oktober 1845). 186 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 a (28. Oktober 1853). 187 StA Diez Sch 55/Sch 332 (9. Dezember 1853 und 9. April 1854). Eine direkte Vorbildfunktion kam keinem dieser Gebäude zu. Auf Fernsicht ähnelt die Doppelturmfassade des neuen Gebäudes bedingt einer englischen Chapel (u. a. Kings College Cambridge; als deutsche Adaption die Schlosskirche von Letzlingen von 1853). Der Fenstererker mit den beiden Türmchen gleicht einer Lösung wie am Eingang von Hampton Court Palace, während die Treppengiebel (Staffelgiebel) für die englische Architektur unüblich sind. Die beiden Risalite wurden von der barocken Schlossbaukunst übernommen. Eine direkte Adaption von Vorbildern ist daher nicht auszumachen, eine ikonographische Bedeutung der Architektur auszuschließen. Erwähnenswert ist, dass die Coburger Neugotik nicht berücksichtigt wurde, obwohl später verwandtschaftliche Kontakte nach Sachsen-Coburg bestanden. Zur Schwierigkeit der Benennung von Vorbildern und ihrer Interpretation vgl. Perotti, S. 30– 32 und S. 46–48. Eine Vorbildfunktion kam gewiss Augustus Charles Pugin zu, dessen Werk „Examples of Gothic Architecture“ der Architekt Boos in der Wiesbadener Bibliothek während der ganzen Zeit des Schlossbaus ausgeliehen hatte; Weiler, S. 235–236; Biehn, S. 241. Das Werk Pugins gibt jedoch Ansichten von Architekturdetails. Eine Inspiration bezüglich der Gesamtanlage kann nicht von dort gekommen sein. 188 Plaßmeyer (2018), S. 146 und S. 164; Thieme-Becker 11/12 (1915/1916), S. 137; Perotti, S. 30. Zur Abgrenzung des höfischen Klassizismus zur von oppositionellen Kräften geförderten Neugotik Wagner-Rieger, S. 16–17.
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waren. Denn die Beachtung des Künstlerischen wuchs bei ihm erst im Laufe der Zeit. Die wenigen Kommentare Stephans, die über Architektur überliefert sind, klingen zumeist recht kenntnisreich, aber nüchtern. Die Wartburg war ihm ein „interessanter Bau“, der Stephan aber zu viel Paradoxes, zu viele Hypothesen enthielt. Unstimmigkeiten in Details und der Entwurf von Dingen, „die nie so existirt haben dürften“, fanden nicht sein Wohlwollen, dem „Weniger ist mehr“ als Devise galt. Die Fresken des Malers Moritz von Schwind gefielen ihm zum Teil sehr gut, aber er sorgte sich um sie, weil sie mit Wasserfarben auf die Kalkwand gemalt waren und damit schnell Schaden nehmen dürften. Außerdem forderte er Vorhänge für gegenüberliegende Fenster.189 Das war sehr nüchtern gedacht, denn der Erzherzog war keine künstlerisch-romantische Natur wie König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen oder später König Ludwig II. von Bayern. Von der Bewunderung künstlerischer Genialität ist in diesen Worten nichts zu spüren. Die Wartburg wurde nach äußeren Nützlichkeitskriterien bewertet. Gegenüber Herzog Adolph von Nassau, der auch nicht gerade ein besonderer Freund der Kunst zu nennen war, bekannte er, dass sich Großherzog Carl Alexander von Sachsen-Weimar an Abenden nach der Jagd Bildwerke ansah und mit „Künstlern artistische Unterreden“ hielt, während „ein Theil der Gesellschaft, ich à la tête, für Ähnliches zu dumm, sich dem edlen Whistspiel hingibt.“190 Die künstlerische Welt seines Freundes Carl Alexander war nicht die seine, und auch dessen literarische Begeisterung konnte der Erzherzog nicht teilen. Zwar las er sehr viel, doch war dies vor allem naturwissenschaftliche, technische oder historische Literatur. Zu allem Belletristischen, Feingeistigen fand er keinen Zugang – entgegen Zeitungsmeldungen aus seinen Jugendjahren.191 Er selbst bekannte, sich nicht „auf die schriftstellerischen Krix Krax“ zu verstehen.192 Dass er selbst 1849/50 seine eigene Situation in Gedichten 189 StA Diez Sch 55/Sch 332 (30. August 1856). 190 HLA HHStAW Best. 130 II Nr. 3271 fol. 424ff. (25. Oktober 1861). 191 Die Grenzboten 6 (1847), S. 250. Eine der wenigen Bemerkungen zur Belletristik betrifft das Lob des Buches „Friedrich der Große und sein Hof “ von Luise Mühlbach, das von ihm wohl eher historisch aufgefasst wurde, letztlich aber literarische Massenware war; vgl. LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 a (13. September 1856); Gutzkow, S. 197–203. 192 HLA HHStAW Best. 1174 Nr. 11 (13. Dezember 1856). Auch dem in Weimar anwesenden Komponisten Franz Liszt erschien eine Bekanntschaft mit Stephan ohne Aussicht auf Profit; Pocknell, S. 334 (9. Dezember 1857). Im Gegensatz zu anderen Bekanntschaften fand daher auch die Begegnung Stephans mit Tolstoi in Weimar im April 1861 in seinen Briefen keinen Niederschlag; Seifert (2012), S. 178. Vielmehr verhielt er sich ironisch-distanziert zu den Künstlern. Als er schwer erkrankt war, listete Stephan, weil er das „pedantische[ ] Vergnügen“ Carl Alexanders kannte, in seinen Briefen die Werke, die er gelesen hatte,
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thematisiert hatte, erhärtet den Verdacht, dass dies – wie auch bei anderen Gedichten zu besonderen Ereignissen – auf akzentuierte Außenwirkung und Resonanz ausgerichtet war und keiner inneren Überzeugung folgte. Die romantische Dichtung einer Jugendzeit lieferte dafür die Konvention. Romantisch war die Schaumburg hingegen nur sehr bedingt, schon gar nicht war sie aus romantischer Überzeugung erwachsen. Stephan also, der selbst aus dem seit den 1830er Jahren in Wien gepflegten, restaurativ verstandenen Zweiten Rokoko („Blondelscher Stil“) hergekommen war,193 nannte jetzt die englische Gotik „meinen Styl“.194 Auch er betrachtete die Gotik, hier: den schon in Renaissanceformen übergehenden Tudor-Stil, mit klassizistischen Augen: „Harmonie, Ruhe, Einfachheit und doch reiche Ausstattung“.195 Das war die Gotik mit Winkelmanns Augen, eine Gotik des 18. Jahrhunderts. Hier war Boos sein kongenialer Baumeister, dem „der gotische Baustil […] eine lösbare Aufgabe, aber kein inneres Anliegen war.“196 Er blieb, gleichgültig welcher Stilsprache er sich bediente, dem „Ostinato der klassizistischen Ideale“ der Karlsruher Weinbrenner-Schule treu, in der er ausgebildet worden war. Das kam zwischen 1838 und 1842 auch bei seinem ersten Hauptwerk, dem im Münchner Rundbogenstil gehaltenen Regierungsgebäude in Wiesbaden zum Tragen, das für die Schaumburg zwar keine Vorbildfunktion besaß, trotzdem in seiner nüchternen Bausprache artverwandt ist.197 Zur Zeit des Baubeginns muss das Gebäude als konservativ in modernem Gewand bezeichnet werden. Am ehesten in das romantische Weltbild passte, dass historische Bausubstanz eine Tradition stiften sollte. Bereits 1845 hatte Stephan erklärt, dass er es „sehr recht“ finde, „wenn Prinzen detailliert auf, so dass er sich den Rest des Briefes sparte. Dann wartete er darauf, ob der Adressat diese Ausführlichkeit „charmant“ finden werde; NLA Oldenburg Dep. 50 Best. 6 M 44 (20. Dezember 1865). 193 Reinhold, S. 56–59. Vgl. auch den Rokokoball in Prag 1845, Der Schmetterling Nr. 3 (5. Februar 1845), S. 21. Zum Neurokoko allgemein vgl. Schmid, S. 71–74. 194 StA Diez Sch 55/Sch 332 (9. April 1854). 195 StA Diez Sch 55/Sch 332 (21. Oktober 1856). 196 Engelberg (2013), S. 397; Gerber, S. 28–29. Zu diesen stilistischen Eigenarten am Beispiel der Baukunst in der Habsburgermonarchie vgl. Perotti, S. 19–20 und S. 30–32 (romantischer Historismus, „gotico quadrato“). Der Begriff „gotico quadrato“ bei Carbi, S. 15–16: eine gemäßigte Gotik, die einem quadratischen, linearen System unterworfen wird. 197 Engelberg (2013), S. 430; Kiesow, S. 321–324. Eine Zuordnung des Baustils zu politischen Überzeugungen, wie sie der Kunsthistoriker Sedlmayr vorgenommen hat, ist nur sehr bedingt möglich; Sedlmayr, S. 85–87. Zur Verbindung klassizistischer mit neugotischen Elementen bei Boos vgl. Gottfried Kiesow in: Röhlke, S. 600. Boos ordnete – auch nach eigenem Bekunden – die Formensprache dem Zweck der Bauaufgabe unter; Åman, S. 331–331 (Nr. 396).
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zur Erhaltung von Alterthümern und Gegenständen unserer Vorfahren die Hand biethen“.198 Trotz solcher Äußerungen blieb Stephan hinsichtlich der Symbolik seiner Architektur im Unklaren. Mit Blick auf das vergoldete Mittelschild am Eingang erklärte er, es stehe „symbolisch“ für die „Alt- und Neuzeit, die Vergangenheit und Gegenwart“, zugleich repräsentiere es aber auch „meine Hausfarben“, Gelb und Schwarz199 – also Habsburg. Ähnlich argumentierte der Baumeister Mertz, Stephan beabsichtige, „die frühste Vergangenheit mit der Zukunft würdig“ zu verbinden.200 Die alte anhaltinische Burg sollte durch den Umbau in die Gegenwart transferiert und zu einem Habsburgersitz verwandelt werden. Eine romantische Verklärung der Vergangenheit war dies nicht, sondern alles war in der Jetztzeit verortet und auf die Zukunft ausgerichtet. An eine lokale Identitätsstiftung war gedacht: Die Steine an der Mauer zur Durchfahrt zum Schlossbau, die Kinder herbeigeschafft hatten, ließ Stephan nummerieren. Einen Plan mit diesen durchgezählten Steinen, auf dem diese den Namen der Kinder zugeordnet waren, ließ er der Rentkammer übergeben, damit die Kinder später einmal Einsicht nehmen könnten, um „ihren“ jeweiligen Stein zu finden.201 Der Bauherr dachte also mehr in die Zukunft und ließ diese im Neubau verankern, statt auf die Baugeschichte der mittelalterlichen Burg zurückzublicken. Dazu hätte es dann auch einer Definition bedurft, auf wen der Bauherr sich zurückführen wollte. Einige Elemente der anhaltinischen Burg blieben erkennbar. Über dem Schlosstor prangte der Bär als Wappentier der Anhaltiner, und dass Stephan im Zwinger Bären hielt, interpretierte er heraldisch auf das Haus Anhalt hin, dessen Wappentier der Bär ist.202 Aber das blieb letztlich doch eher Dekor, und die Bären sorgten wie auch die Pferde des Erzherzogs hauptsächlich für großen Zulauf Neugieriger.203 Stephan verleugnete keineswegs seine Zugehörigkeit zum Haus Habsburg, wie auch die Beschaffung von Flaggenstoff in seinen (österreichischen) Farben Weiß und Rot belegt.204 198 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 a (25. Oktober 1845). Ähnlich argumentierte der Erzherzog auch bezüglich möglicher Bauarbeiten in Oldenburg. Dort riet er, statt das Palais des Prinzen Peter aufzukaufen, das Hauptschloss und die Kirche auszubauen, „von der Peter ohnehin immer fantasiert“; NLA Oldenburg Dep. 50 Best. 6 F Nr. 134 (25. Juli 1851). 199 LHA Koblenz Best. 47 Nr. 3813 (4. August 1850). 200 LHA Koblenz Best. 47 Nr. 3813 (4. August 1850). 201 LHA Koblenz Best. 47 Nr. 3813 (23. September 1851). 202 HLA HHStAW Best. 1174 Nr. 11 (2. Juli 1856). 203 HLA HHStAW Best. 1174 Nr. 11 (2. Juli 1856). Der Beginn der Arbeiten lag im Jahr 1852; LHA Koblenz Best. 47 Nr. 1171). 204 StA Diez Sch 55/Sch 332 (1. April 1852).
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Die Gemengelage symbolischer und heraldischer Formen macht es daher unmöglich, die Schaumburg rein als architektonische Legitimation zu interpretieren. Alles war eher Dekoration denn Aussage. Jeder zu starke Akzent hätte angesichts Stephans derzeitiger Situation aber auch ein falscher oder missverständlicher sein können. Deshalb blieb das Gebäude in seiner Gestaltung für Wien zunächst primär das Zeichen, sich endgültig in der Standesherrschaft niedergelassen zu haben. Nach den ersten Ansätzen im Herbst 1850 kamen die Bauarbeiten im Frühjahr 1851, als die Witterung geeigneter war, richtig in die Gänge. Allerdings teilte der Bauherr der Oldenburger Verwandtschaft bereits im Januar 1851 mit, sie werde das Schaumburger Schloss nicht mehr wiedererkennen, wenn sie ihn besuchen käme.205 Im Sommer trat zu den Baumaßnahmen am eigentlichen Baukörper die Aufrichtung eines Glashauses hinzu, das Stephan als „ingeniös“ und „grandios“ pries.206 Bis die kalte Jahreszeit wieder Einzug hielt und die Bauarbeiten ruhen mussten, war der Wintergarten über der Wagenremise bereits fertig, die Stallfassade stand bis zu den Fenstern und der sonstige Schlossbau war überall bereits fast bis über den ersten Stock gewachsen. Die Bibliothek mit ihren zwölf Fuß hohen Schränken war „nach langer Schwangerschaft geboren“, auch wenn die geschätzten 21.000 Bücher weiterhin, wie seit zwei Jahren, in Kisten verpackt gelagert waren.207 Sie stammten vorrangig aus den Beständen von Stephans Vater und umfassten zumeist Literatur zu Jurisprudenz und Staatswissenschaften.208 Der bereits erwähnte Bärenzwinger, der schließlich – wie auch der Hirschpark – nur durch Verkauf des Geilnauer Mineralbrunnens und anderer Ländereien an den nassauischen Domänenfiskus finanziert werden konnte,209 war noch in Arbeit. Das Palmenhaus210 sollte bis Mitte November vollständig ste205 NLA Oldenburg Dep. 50 Best. 6 F Nr. 134 (21. Januar 1851). 206 NLA Oldenburg Dep. 50 Best. 6 F Nr. 134 (7. Juli 1851). 207 StA Diez Sch 55/Sch 332 (1. April 1852); Haidinger (1897), S. 10; StA Diez Sch 55/Sch 332 (21. Mai 1851). Die Bibliothek stand der Öffentlichkeit nicht zur Verfügung; OeStA HHStA HA Familienkorrespondenz A 52-19-6 (6. Dezember 1864). Im Fußboden sind die Jahreszahlen 1852 und 1854 eingelassen, so dass von einer endgültigen Fertigstellung erst für 1854 auszugehen ist. Die Deckengestaltung ähnelt dem Zimmer der Prinzessin Augusta von Preußen in Schloss Babelsberg; Perotti, S. XXVII Tafel 63. 208 OeStA HHStA HA Familienkorrespondenz A 52-19-6 (5. Januar 1865). 209 HLA HHStAW Best. 221 Nr. 1104 (22. Mai 1858) und Nr. 1105 (22. Mai 1858); Brommer, S. XLV. 210 Heck (1960), S. 39: Das Palmenhaus war – ganz im damals hochmodernen Typus – der Mittelteil der Gewächshäuser. Laut Vertrag mit Buderus bestand der Wintergarten aus dem Palmenhaus, einem (rechts anschließenden) Kalthaus und einem (links anschließenden) Warmhaus. Zum Palmenhaus gehörte wiederum ein sechzehneckiger Kuppelbau mit Vorbau; LHA Koblenz Best. 47 Nr. 3813. Insgesamt ist die Differenzierung, was in der Korres-
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Abb. 28: Ludwig Rohbock/A. Rottmann: Ansicht der Schaumburg, 1862 (Privatbesitz)
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Abb. 29: Ludwig Rohbock/A. Rottmann: Südseite des Schlosses Schaumburg, 1862 (Privatbesitz)
hen.211 Das war besonders wichtig, weil der Hofgärtner Joseph Anton Scha riry 3000 Pflanzen in natürlich heizbaren Mistbeeten stehen hatte, um sie durch die Kälte zu bekommen. Sollte das Glashaus nicht rechtzeitig fertig werden, waren Frostschäden zu befürchten. Bis Dezember gelang die Fertigstellung, nur der Fußboden war noch nicht geplättelt, so dass die Pflanzen in der zweiten Dezemberhälfte in das – letztlich doch noch einige Jahre anhaltende – Provisorium umziehen konnten.212 Stephan hatte im Laufe des Jahres 1851 seine Leidenschaft für das Bauwesen erst richtig entdeckt, so dass in der Zeitung „Die Presse“ im November 1851 zu lesen war, er baue „ein großartiges Schloss zu Schaumburg“.213 Eine pondenz genau gemeint ist, nicht immer leicht, weil die Begrifflichkeiten in den Quellen oft nicht eindeutig sind. Vom Palmenhaus und vom Wintergarten ist die Rede. Oft aber heißt es allgemein „Glashäuser“ oder „Glashaus“, was eine genaue Bestimmung nicht zulässt. Vgl. auch Kohlmaier/von Sartory, S. 76–77. 211 NLA Oldenburg Dep. 50 Best. 6 F Nr. 134 (21. Oktober 1851); LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 a (23. Oktober 1851); StA Diez Sch 55/Sch 332 (16. November 1851); HLA HHStAW Best. 1174 Nr. 11 (18. November 1851). 212 StA Diez Sch 55/Sch 332 (27. Dezember 1851). 213 Die Presse Nr. 36 (5. November 1851), o. S. Auch bestellte er Einrichtungsgegenstände bei
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Schwimmschule nach Mainzer Modell sollte eingerichtet werden, was dann auch ab Februar 1852 in einem Bergkessel der Fall war – auch hier argumentierte Stephan, wie so oft, dass damit Leuten Arbeit und Geld verschafft werde. Ein wirklicher Erfolg scheint diese Einrichtung aber nie geworden zu sein.214 Ein Rudel von fünfzehn Damhirschen hatte Stephan aus Homburg vor der Höhe und von den Rothschilds bezogen, um einen „Mignon-Thiergarten“ zusammenzustellen, der bis Dezember eingefriedet wurde.215 In diesem Zusammenhang kam auch der Biebricher Gartenarchitekt Karl Friedrich Thelemann, „der Hexenmeister“, ins Gespräch, um die Gartenanlage zu gestalten.216 Über Thelemanns Kamelien- und Azaleenzucht in Biebrich fand Stephan überaus lobende Worte.217 Sein eigener Gärtner Schariry hatte nicht nur in Wien und St. Petersburg, sondern auch bei Thelemann gelernt und stand mit der Frankfurter Gärtnerfamilie Siesmayer in engem Kontakt. Eine hochrangige Betreuung der Gartenanlage war also gewährleistet.218 Da die vielen guten Ideen nicht alle schnell genug umgesetzt werden konnten, war Stephan äußerst unzufrieden. Frickhöffer galt ihm als sehr lethargisch, so dass er ihn unter die Aufsicht von Boos stellte. Stephans Steinhauer waren ihm „schreckliche Bauaufhalter und nicht Bauförderer“, die Qualifikation des Wiesbadener Schreiners Anton Dochnahl219 bemängelte er angesichts seiner Bücherschränke: „Ich wollte zweifeln, ob Dochnal’s Lesender ein Mensch oder eine Amphibie – ob dessen Kleid ein Paletôt, ein Quaecker oder ein Staatsfrack sei?“220 In solchen Momenten wird der unleidliche, scharfzüngige Erzherzog Stephan erkennbar, den sein wohlgesetzter, eleganter Briefstil zumeist verdeckt. Denn letztlich konnte Stephan mit dem Baufortschritt zufrieden sein. Der Kartentisch mit dunkelblauem Saffianleder und ein Stuhl-Roll-Apparat für die Bibliothek, deren Möbel zum Teil mit Künstlern im Gebiet der Habsburgermonarchie. 214 HLA HHStAW Best. 1174 Nr. 11 (16. August 1860): Stephan schrieb, die Schule sei wegen des schlechten Wetters „wieder nicht genutzt“ worden. Gewürdigt in Der Sammler Nr. 22 (21. Februar 1867), S. 86–87. 215 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 a (21. November 1851); StA Diez Sch 55/Sch 332 (27. Dezember 1851); StA Diez Sch 55/Sch 332 (2. Februar 1852). 216 HLA HHStAW Best. 130 II Nr. 3271, fol. 61ff. (22. Oktober 1851). 217 HLA HHStAW Best. 1174 Nr. 11 (21. März 1855). 218 Schariry war verheiratet mit Louise Siesmayer; vgl. Lohrum, S. 138–153; Vogt, S. 123. 219 Brommer (1999), S. 395; Adreßbuch der Haupt- und Residenzstadt Wiesbaden für das Jahr 1861/2, S. 26: Anton Dochnahl, Schreiner, Holzhändler und Besitzer einer Schneidemühle; ebenso 1860/61, S. 24. 220 StA Diez Sch 55/Sch 332 (27. Dezember 1851); zu Boos und Frickhöffer StA Diez Sch 55/ Sch 332 (2. Februar 1852).
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Abb. 30: Inneres des Gewächshauses (Sammlungen der Stadt Diez)
Perlmutt und Elfenbein eingelegt waren, gefielen ihm sogar ausnehmend gut, und die Höhe des Tisches sorgte schließlich auch für „Kreuzschmerzenredukzion“.221 Sorgenkind aber blieb Stephan das Glashaus, zum einen, weil die Wasserheizung, die der Wiesbadener Hofkupferschmied Johann Ludwig Meckel222 eingebaut hatte, nicht recht funktionieren wollte, zum anderen, weil die Glastüren die kalte Luft nicht wie gewünscht abhielten. Hofgärtner Schariry, der „Ideenentwickler par excellence“, verlangte für die Treibkästen 25 °C Bodenwärme, was unter diesen Umständen nicht zu erreichen war. Ständige Temperatursprünge von 4 bis 5 auf 15 bis 16 °C machten den Pflanzen zu schaffen. Zusätzlich gab es Probleme, weil die Pflanzen im geheizten Gewächshaus wegen zu geringer Luftzufuhr zu ersticken drohten. Schariry geriet deshalb immer mehr in Sorge um seine Blumen, so dass auch in der Korrespondenz die eigentlichen Bauarbeiten am Schloss223 hinter die Pro bleme im Glashaus zurücktraten. Die 42 Fensterreihen am Glashaus sollten aus den dargelegten Gründen mit vier Luftzügen zu sieben Scheiben umge221 StA Diez Sch 55/Sch 332 (27. Dezember 1851). 222 Brommer (1999), S. 398; Adressbuch Wiesbaden 1860/61, S. 76. 223 StA Diez Sch 55/Sch 332 (21. August 1852), u. a. durch böhmische Maurer ausgeführt.
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rüstet werden, was allerdings einen unästhetischen Eindruck hinterließ und für weiteren Luftzug sorgen würde.224 Schariry hatte schließlich Scheiben aus der Glaswand schneiden und Bretter darüberlegen lassen. Damit war zwar für Frischluft gesorgt, aber das Gewächshaus erreichte maximal 10 °C statt der beabsichtigten 15 °C. Erst im Sommer 1852 war man der Probleme einigermaßen Herr geworden, wenn man auch weiterhin bezüglich der Heizung mit einem Provisorium leben musste und die Gefahr des Gebäudeschadens durch Hagelschlag immer noch nicht gebannt war.225 Stephan konnte sich aber wieder dem eigentlichen Ausbau des Hauses zuwenden und nahm jetzt, wenn auch verhalten, die baukünstlerische Ausgestaltung in den Blick. Unter anderem wurden Ausstattungsstücke bei Wiener Künstlern bezogen.226 Stephan hatte seine deutlichen Präferenzen. Die Statuengruppe „Geburt der Aphrodite“, die der Wiesbadener Bildhauer Hopfgarten für das Bassin im Wintergarten auf Empfehlung von Boos hatte schaffen sollen, stieß ganz und gar nicht auf seine Zustimmung. Wäre Schaumburg Frankfurt und das Stück eine zweite Bethmann’sche Ariadne – also die berühmte klassizistische Figur Danneckers von 1803/05 –, hätte der Erzherzog mit sich reden lassen. So aber blieb sie versteckt im Wintergarten und war deshalb das Geld von „7000 oder 12.500 fl.“ nicht wert. Denn nur wenige bekämen sie zu Gesicht, und wenn Kunstkenner von diesem opulenten Werk inmitten wasserspeiender Delphine227 Rückschlüsse auf das Innere des Schlosses zögen, müssten sie in die Irre geleitet werden. Stephan wollte es dort wohnlich und praktisch. Wichtiger als alle Kunst waren ihm die Wasserkünste und die Gasbeleuchtung.228 Damit folgte er einem Ideal, das auch sein Onkel August von Oldenburg, mit dem er bezüglich des Baus in regelmäßigem Kontakt stand, vertrat.229 Stephan entschied sich daher statt für Hopfgartens Gruppe für ein schlichtes Marmorbassin, das er in Diez beschaffte. Mehr Glück hatte der in Paris lebende und bisher mit der Anfertigung größerer Marmorgruppen völlig unerfahrene230 Bildhauer Reinhard Berthold Vogel, weil er als Sohn des nassauischen Landeshistorikers Christian Daniel Vogel ein „halbes Landeskind“ und mittellos war. Ihm kaufte der Erzherzog 224 StA Diez Sch 55/Sch 332 (10. Februar 1852). 225 StA Diez Sch 55/Sch 332 (1. April und 12. September 1852). 226 Die Presse Nr. 36 (5. November 1851), o. S. 227 Pfaff, S. 50 und S. 165; Lüstner, S. 58. Zu Hopfgarten auch Kleineberg, S. 342–344. Das Rechnungsbuch des Bildhauers aus den Jahren 1849 bis 1851 gibt über seine Arbeiten für Erzherzog Stephan keinen Aufschluss; HLB Gl 7290. 228 StA Diez Sch 55/Sch 332 (12. September 1852). 229 Gäßler, S. 61–63. 230 LHA Koblenz Best. 47 Nr. 6040 (3. Mai 1853).
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die Figur eines schlafenden Knaben auf dem Rücken eines Neufundländers ab, das von Stephan inspiriert worden war und als personifizierte Unschuld und Treue interpretiert wurde.231 Am Risaliterker wollte Stephan diese Figur aufstellen, verlor aber auch hieran wieder schnell das Interesse. Während sich Boos sehr vorteilhaft über die Figurengruppe geäußert hatte und Stephan zufrieden war, dass nicht nur Hopfgarten in Nassau in der Lage sei, gute Arbeit zu leisten, klingt sein Fazit aber dann doch sehr ernüchternd. Vogel solle ausreichend bezahlt werden, aber wo er mit der Figur hin solle, wusste Stephan nicht. Einstweilen wollte er sie im Turm abstellen, aber er tröstete sich damit, einem jungen Mann in seiner Karriere weitergeholfen zu haben.232 Das scheint alles gewesen zu sein, was ihm zum Thema bildkünstlerische Ausgestaltung seines Schlosses eingefallen war. Ähnlich im Weg stand ihm auch die Bronzefigur „Amerika“ des Bildhauers Johann Hartung, der bis dahin häufig für Prinzessin Augusta von Preußen bzw. das Koblenzer Schloss gearbeitet hatte. Die Figur war – neben Darstellungen von Asien und Afrika sowie Blumen und Früchte spendenden Knaben und Mädchen233 – als eine der vier Bekrönungen des noch unfertigen Glashauses gedacht und wurde im Zimmer des Baumeisters Boos zwischengelagert.234 Kurzum: Baukünstlerischer Schmuck lag dem Erzherzog nicht besonders am Herzen. Immerhin zog er Reinhard Berthold Vogel dann noch für ein Adler-Acroterium in Zink für den Risalit des Schlosses in Betracht, legte dies aber bald ad acta, weil ihm die Kosten von 1000 fl. Vorschuss überteuert erschienen.235 Seine Leidenschaft für die Bauaufgabe an sich aber war geblieben, was insbesondere immer dann hervortrat, wenn sich Dinge anders entwickelten als erwartet. Noch im Winter 1853/54 musste er erkennen, dass sich überall am Gebäude Schäden zeigten. Wasserflecken waren zu sehen, die Eisschmelze hatte eine Brücke mitgerissen und das Wasser in der Schwimmschule war schlammartig – „schuhdick“ nannte es der Erzherzog. Im Holz der Bibliothek gab es massive Sprünge, und alles war voller Staub, weil Scheiben für die Tür zur Haupttreppe und die schützenden Versatzstücke über den fehlenden Reliefs ausgeblieben waren. Das Glas ließ sich Stephan schließlich von seinem Oberhofmeisteramtssekretär Anton Szuborits, der
231 StA Diez Sch 55/Sch 332 (12. September 1852); HLA HHStAW Best. 1001 Nr. 785 (23. November 1853); Weiler, S. 238; Fiebig, S. 27. Stephan soll sich gegenüber Vogels Bruder sehr positiv über das Werk geäußert haben; Kleineberg, S. 342. 232 StA Diez Sch 55/Sch 332 (9. März 1854 und 15. März 1854). 233 LHA Koblenz Best. 47 Nr. 11071 (18. Juli 1854). 234 StA Diez Sch 55/Sch 332 (18. April 1854); LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 a (14. März 1856); LHA Koblenz Best. 47 Nr. 11071 (28. Juli 1854). 235 StA Diez Sch 55/Sch 332 (23. März 1854 und 9. April 1854).
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sich in Wien und Pressburg aufhielt, direkt aus Böhmen mitbringen.236 Aber solche Lösungen waren nicht überall möglich. Die Firma Buderus, die das Glashaus endlich hatte fertigstellen sollen, konnte noch nicht einmal Pläne vorlegen. Stephan befiel Panik: „Meine Palmen schreien nach Erlösung“.237 Doch aus Geldmangel konnte er nicht überall so tätig werden, wie er es gewünscht hätte. Zunächst waren die Wasserleitungen, die Gewächshäuser, der Turm und seine eigene Wohnung in der zweiten Etage herzurichten. Bis Ende Juni 1854 sollten die Gewächshäuser, die eine große, luxuriöse Gartenlandschaft bildeten, endlich fertig sein, damit die Pflanzen ein gutes Unterkommen fänden und Herzog Adolph, der seinen Besuch zu diesem Termin angesagt hatte, auch das Ergebnis präsentiert werden konnte.238 Der Einzug der Palmen war trotz aller Aufregung sogar bereits im Frühjahr möglich geworden. Allerdings bemängelte Stephan, der Raum sei so groß, dass die Kuppel fast leer wirke.239 Dazu mochte auch beigetragen haben, dass die Palmen wegen einer Pflanzenkrankheit drastisch hatten beschnitten werden müssen. Probleme gab es aber auch noch wegen des Glases, weil das ursprünglich bestellte für Pflanzen zu dunkel war und die Luftlöcher für die Kühlung fehlten.240 Die Wendeltreppen sollten bis zum 20. August eingerichtet sein. Frickhöffer bekam für die Fertigstellung des Wintergartens bis Mai 1855 Karenz.241 In diesem Gebäude sollten die oberen Fenster so zu öffnen sein, dass künftig ein Ein- und Ausräumen der Pflanzen, die der Bauherr u. a. in Erfurt und Kassel zu überaus günstigen Preisen angekauft hatte, überflüssig werden könnte.242 Die einzige wirkliche Erfolgsgeschichte schien Stephan zu diesem Zeitpunkt das Vogelkabinett zu sein, in dem seine von Prof. Johann Philipp Sandberger in Weilburg erworbene Sammlung ausgestopfter Vögel243 untergebracht werden sollte und für das der Schreiner Dochnahl die Schränke anfertigte. Es hatte im Winter keinen Schaden genommen, war aber durch den sich überall ausbreitenden Staub bedroht.244 Die Schränke für die Mine236 StA Diez Sch 55/Sch 332 (18. Februar 1854). 237 StA Diez Sch 55/Sch 332 (12. Februar 1854). 238 StA Diez Sch 55/Sch 332 (18. Februar 1854). 239 StA Diez Sch 55/Sch 332 (24. Februar 1854, 9. März 1854 und 18. April 1854). 240 StA Diez Sch 55/Sch 332 (15. März 1854). 241 StA Diez Sch 55/Sch 332 (18. April 1854); Brommer (1999), S. 409. Zu Buderus auch LHA Koblenz Best. 47 Nr. 3813 (2. September 1851). Der Wintergarten war ein Werk von Friedrich Buderus in Audenschmiede. 242 OeStA HHStA SB NL Adolf Braun 9–1–152 (21. September 1854). Wegen des Krimkriegs war Russland als Abnehmer für Pflanzen aus Norddeutschland weggebrochen, weshalb die Preise deutlich gefallen waren. 243 Fiebig, S. 27; zu Sandberger Renkhoff, S. 674. 244 StA Diez Sch 55/Sch 332 (12. Februar 1854, 24. Februar 1854 und 9. März 1854).
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Abb. 31: Die Mineraliensammlung auf der Schaumburg, an der Wand die Gemälde von „Riesen“ der vorweltlichen Fauna, um 1889 (Sammlungen der Stadt Diez)
raliensammlung waren im April 1854 in Planung, während Stephan selbst schon daran ging, eigenhändig die Tafeln zu beschriften.245 Wenn man all dies Revue passieren lässt, was sich bis dahin im Baugeschehen ereignet hatte, erscheint es, als ob Erzherzog Stephan ein naturkundliches Museum habe errichten wollen statt eines Wohnbaus. Seine eigene Wohnung musste immer wieder hintanstehen, baukünstlerische Ausführungen fielen kaum ins Gewicht, und der ästhetische Wert der Architektur trat im Bewusstsein des Bauherrn deutlich hinter funktionale Kriterien zurück. Die beherrschenden Bauaufgaben waren die verschiedenen Wintergärten und Glashäuser, die Bibliothek, das Vogelkabinett und die Mineraliensammlung sowie womöglich noch die Waffensammlung und die allgemeine Naturaliensammlung, von der wir aber wenig erfahren.246 Auslöser der Bau245 StA Diez Sch 55/Sch 332 (9. April 1854). 246 HLA HStAD Best. O 11 H Nr. 22 (8. Juni 1854): Schenkung einer malayischen Luntenschlossflinte durch von Gagern für die Waffensammlung; HLA HHStAW Best. 1174 Nr. 11 (13. Juli 1857): Anders’ Sohn Emil fing Schmetterlinge für die Naturaliensammlung. Auch von einer Sammlung sämtlicher seit dem Bestehen der Wiener Staatsdruckerei hervorgegangenen Typographien, Lithographien, Xylographien, Galvanoplastiken und Kupferdruckereien ist die Rede; Fiebig, S. 27. Teile der ornithologischen Sammlung wurden später
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maßnahmen war gewesen, dass Wien von ihm ein Signal erwartete, er habe sich endgültig in Deutschland niedergelassen. Was daraus entstand, war ein Museumsschloss, in dem die erzherzoglichen Sammlungen untergebracht werden konnten, und dabei stand seine Mineraliensammlung im Fokus.247 Es war daher kein Wunder, dass diese Sammlung in seinem als Museumsschloss konzipierten Schlossbau einen zentralen Platz einnahm. Im Neubau, dem sogenannten Stephansbau, wurde die Mineraliensammlung im Erdgeschoss untergebracht.248 Der Raum selbst war zehn Klafter (ca. 25 m) lang und vier Klafter (ca. 10 m) breit. Zehn Säulen aus Gusseisen trugen die flache Decke. Die Ausstattung sollte erstklassig werden, weshalb Stephan den Schreiner Dochnahl, der den Fußboden anfertigen sollte, misstrauisch beobachtete, war er doch bei all seinen übrigen Arbeiten im Schloss angeblich schludrig gewesen. Boos riet vom Zwetschgenholz für die Furniere ab. Zwar waren bereits zwölf Bäume gefällt worden, anderes Holz sehe aber besser aus. Ornamental ausgemalt werden sollte der Raum durch die Mitarbeiter der Stuckateurs- und Tüncherfirma Gebrüder Walther in Wiesbaden.249 Sechs hohe Fenster und eine Erker-Glaswand brachten Licht in den Raum. Nach dem österreichischen Mineralogen Friedrich Mohs, das heißt nach physikalischen Eigenschaften, waren die Mineralien in den Pultkästen an den Wänden geordnet worden. Auch Laien erfreuten sich an der „wahrhaft gustiosen“ Art der Ausstellung, war sich der Bauherr sicher.250 Im Erker befand sich eine Sammlung von Kristallen, und in der Mitte stand ein sechs Klafter (ca. 15 m) langer, fünf Fuß (1,50 m) breiter doppelter Pultkasten mit Mineralien und Petrefakten. Vertreten waren Mineralien aus Tirol, Böhmen, Ungarn, Siebenbürgen, aber auch aus Nassau.251 Der Maler Berger aus Wien hatte acht bildliche Darstellungen von „Riesen“ der vorweltlichen Fauna in Aquarell an die Wände gebracht, und zwar in Form von durch die Landschaft wandernden Skeletten: Elephas primigdem Museum in Wiesbaden geschenkt (52 Objekte); OeStA HHStA HA Familienkorrespondenz A 52-19-6 (12. Februar und 5. April 1862). Grund dafür mochte sein, dass Stephan die Erfahrung machen musste, wie sehr Herbarien und ausgestopfte Tiere auf dem Land Motten und Würmern ausgesetzt waren. 247 Eine gewisse Verwandtschaft lässt sich zu dem öffentlich zugänglichen Raffael-Saal im Potsdamer Orangerieschloss, der ab 1859 entstand, herstellen. Der Saal umfasste in Form eines Museumsraumes Kopien der Werke Raffaels und war öffentlich zugänglich. Um ihn herum gruppierten sich dann die eigentlichen Wohnräume; Meiner, S. 12–15. 248 Scheid, S. 8. 249 StA Diez Sch 55/Sch 332 (5. April 1856). Noch im August war man mit den Arbeiten zugange; Haidinger (1897), S. 19. Zur Firma Gebrüder Walther vgl. Brommer (1999), S. 410; Adressbuch Wiesbaden 1860/61, S. 121–122. 250 HLA HHStAW Best. 1174 Nr. 11 (19. November 1857); Haidinger (1897), S. 167. 251 HLA HHStAW Best. 1174 Nr. 11 (11. November 1857); Zepharovich, S. 608–609.
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nius, Mylodon robustus, Cervus megaceros, Ichtyosaurus Chiroparamescotinus, Plesiosaurus dolichodeirus, Megatherium Cuvieri, Paleotherium Magnum und Ursus Speleus.252 Wie in zeitgenössischen Museen auch und in Adaption von Vorbildern zeitgenössischer wissenschaftlicher Publikationen konnten diese naturhistorischen Bilder den Besuchern helfen, die ausgestellten Objekte in einen größeren Horizont einzuordnen.253 Im März 1856 bekam das Mineralienkabinett, kurz vor seiner Aufstellung,254 den letzten Schliff. Siemang war mittlerweile dabei, die Objekte, die bis zu zehn Jahre nur verpackt gewesen waren, zu waschen und für die Präsentation vorzubereiten. Emotional waren dabei die Worte, die Stephan fand: „Oft blicke ich mit einem gewissen Wohlbehagen manch’ alte Bekannte aus meiner Sammlung“.255 Inmitten des Herzogtums Nassau entstand auf diese Weise ein naturhistorisches Zentrum von größerer Ausstrahlung, das aber auch immer wieder mit Platzmangel zu kämpfen hatte.256 Dieses wissenschaftliche Renommee sollte sich in einer ganz anderen Richtung noch potenzieren. Denn im Sommer 1854 erschien ein junger, etwas arroganter Mann namens Wagner mit einem Heliotrop, der vom Turm der Schaumburg das Land vermessen sollte. Die Schaumburg war zu einem zentralen Vermessungspunkt im Herzogtum Nassau bestimmt worden, wie Stephan im Mai mitgeteilt worden war, nachdem er selbst bei der zuständigen Kommission darauf hingewirkt hatte.257 Wagner, der bei Stephan und Anders den Eindruck erweckte, als sei seine Aufgabe für ihn da, nicht er für seine Aufgabe, beschwerte sich darüber, dass er sein Geschäft nicht versehen könne, weil der Hauptturm (Josephsturm) des Schlosses noch nicht vollendet war.258 Das mag den Bauherrn sehr getroffen haben, sah er es doch als be252 Die Gemälde wurden versteigert bei Hampel in München (4. Juli 2018, https://www.hampel-auctions.com/a/archive-catalogue-detail.html?la=fr&a=115&s=606&id=549682&g=Gemaelde-19-20-Jhdt, Zugriff 2. Januar 2020) und auf der San Francisco Fall Art and Antique Show 2016 (https://redcarpetsf.com/five-irresistible-animals-sf-fall-art-antiques-show/, Zugriff 2. Januar 2020). Megatherium und Ichtyosaurus wurden erworben vom Teylers Museum in Haarlem. Dort wird der Maler mit Ignaz Johann Berger identifiziert. 253 Kruspel, passim. Zu den Vorbildern könnten Richard Owen (1842) , F. A. Schmidt (Petrefactenbuch, 1846) und Hermann Burmeister (Geschichte der Schöpfung, 1851) gehören. Der Ursus Speleus ist nur durch eine alte Fotografie der Mineraliensammlung zu erkennen. Frdl. Hinweis von Herrn Dr. Alfred Meurer, Diez. 254 Haidinger (1897), S. 8. 255 Haidinger (1897), S. 15. 256 OeStA HHStA HA Familienkorrespondenz A 52-19-6 (22. November 1864). 257 StA Diez Sch 55/Sch 332 (17. Mai 1854). Bei Wagner handelte es sich um einen Sohn des nassauischen Geometers Friedrich Wagner, der die Landesvermessung leitete. Das mag in dem jungen Mann einen gewissen Hochmut befördert haben; Kothe, S. 413 und S. 416. 258 StA Diez Sch 55/Sch 332 (18. August 1854).
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sondere Ehre an, dass sein Schlossturm – wie erstrebt – als Kardinalpunkt der nassauischen Landvermessung fungieren sollte – „bin ich doch Katholik, und klingt ja dieses Wort so ganz katholisch!“259, kalauerte er. Und tatsächlich: Nur zehn Tage später äußerte sich Erzherzog Stephan explizit über den Turm, der bisher in der Korrespondenz keine Erwähnung gefunden hatte. Das bisherige Turmprojekt, schrieb er an den Baumeister Boos nach Wiesbaden, sei nicht „kühn, nicht dominierend genug“; er meinte damit sicherlich nicht nur den Hauptturm (Josephsturm), sondern die Bekrönung des Neubaus an sich (Stephansbau). Boos hatte zunächst vier Warttürmchen als Bekrönung geplant, jetzt, in der Neuplanung, waren acht Türmchen vorgesehen, die wegen ihrer Kleinheit und den Zinnen eher „Ängstlichkeit“ verrieten. Stephan zeigte sich enttäuscht, da ihm die vier Türme, auch wenn sie unpraktisch gewesen sein mochten, sehr gut gefallen hatten.260 Zwar wollte sich Stephan den technischen Bedürfnissen beugen, bat aber doch um ein zweites und drittes Projekt. Er wollte schließlich die „majestätische Krönung“ eines „kühnen Vorbau[s]“ sehen. Das waren ganz neue Töne in der Argumentation Stephans: Bauästhetische Gesichtspunkte traten hervor, und das Schloss sollte nicht nur kühn, sondern regelrecht repräsentativ werden. Es ging dem Bauherrn nicht nur darum, zu zeigen, dass es ihm mit der „unterstützenden Bereitwilligkeit Ernst ist“, dass er also die Landvermessung im Herzogtum, so gut er es vermochte, fördern wollte,261 sondern es ging ganz eindeutig auch um eigene Ambitionen. Die Ankunft des Landvermessers mag für Stephan den Ausschlag gegeben haben, in diese Richtung zu gehen. Nun hatte ihn die Bauleidenschaft gepackt. Seine persönliche Situation war, wie noch zu zeigen sein wird, bis zum Jahr 1854 hin auch eine andere geworden, und so war ihm der Bedarf des Landvermessers nach Fertigstellung des großen Turms Anlass genug, das Konzept des Neubaus zu überdenken und nun wirklich ein erzherzogliches Schloss zu errichten. Dabei ist bemerkenswert, dass Stephan nicht nur das Konzept grundsätzlich überdacht zu haben scheint, sondern dass er selbst planerisch eingriff. Er selbst sprach von sich mittlerweile als Erzherzog, Hausherr, Architekt und Baudekorateur.262 Eigenmächtig hatte er schließlich den drei Entwürfen von Boos noch einen vierten hinzugefügt, der Stephans Stiefmutter ausgesprochen gut gefiel. Unter anderem hatten die Zinnen und die Kanonenscharten sein Missfallen gefunden, weil der Turm für die Artillerie zu hoch 259 StA Diez Sch 55/Sch 332 (16. Juni 1854). 260 StA Diez Sch 55/Sch 332 (28. April 1854); Weiler, S. 237. 261 StA Diez Sch 55/Sch 332 (17. Mai 1854). 262 StA Diez Sch 55/Sch 332 (21. Oktober 1856).
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sei.263 Dem Bauherrn mit realistischem Blick war weiterhin nicht an einer fantastisch-romantischen Bauweise gelegen. Das Gleiche galt für seine Einschätzung der Säulen Frickhöffers für ein Geländer, die Stephan als zu hoch und daher „karikirt“ empfand. Boos legte auf diese Einwände des Bauherrn hin schließlich ein neues Projekt vor, das die acht Türme seines Erstentwurfs mit acht Balkonen verband, was Stephan sehr befriedigte. In Diez fertigte ein Konditor daraufhin ein Modell mit einer abnehmbaren Bekrönung aus Trachant an, damit verschiedene Varianten auf ihre optische Tauglichkeit hin überprüft werden konnten.264 Denn Stephan hatte seine eigene Meinung. Er empfahl, den Turm nicht ganz so hoch aufzurichten, weil er jetzt schon einen „drückenden Effekt“ mache, obwohl noch 35 Fuß (11,5 m) aufzurichten waren.265 Die Laterne mit acht Fenstern wollte er nicht ausgeführt sehen, dafür die Wendeltreppen im Inneren in einen Mastkorb enden lassen.266 Grund dafür mag aber auch gewesen sein, dass man sich in Wiesbaden und Diez die Mäuler zerriss, ob der Turm der Wiesbadener Marktkirche, den Boos in einem ehrgeizigen Projekt hochzog, einstürzen werde oder nicht. Stephan schrieb sogar, man warte regelrecht auf den Einsturz „wie die Juden auf den Messias“.267 Vielleicht hatte Stephan dieser Umstand zu denken gegeben, und eine Reduktion wurde ins Auge gefasst, die Boos schließlich auch guthieß.268 Diese Entscheidung war sicherlich keine falsche. Denn im Turm rissen Verbindungen im Mauerwerk, und die Treppe geriet in einen untragbaren Zustand. Es war angedacht, Anker ins Mauerwerk zu setzen, wovon der Bauherr aber nichts hielt, weil sie das Gebäude verunstalten würden. Fachleute konnten aber zur Beruhigung Stephans erkennen, dass mit ein paar eisernen Ringen die Sicherheit des Gebäudes hergestellt werden könne.269 Schon im Frühjahr wurde Entwarnung gegeben: Das oberste Fens263 StA Diez Sch 55/Sch 332 (17. Mai 1854 und 8. Januar 1855). 264 StA Diez Sch 55/Sch 332 (16. Juni 1854); Fiebig, S. 27: Aus Trachant existierten auch zwei Adler als Modell für die Bekrönung des Schlossturms. Auch Christbaumschmuck oder Porzellanersatz für Großfürstin Alexandra stellte Heck im Auftrag Erzherzog Stephans her; Heck (1965), S. 267. 265 Die Darstellung in „Das Herzogthum Nassau in malerischen Ansichten“ von 1853 gibt den Bau der Schaumburg als bereits vollendet wieder. Allerdings sind die Größenverhältnisse so überlängt, dass es unklar ist, ob alles so errichtet wurde, wie dort angeführt. 266 StA Diez Sch 55/Sch 332 (18. November 1854). 267 StA Diez Sch 55/Sch 332 (18. November 1854). 268 StA Diez Sch 55/Sch 332 (8. Januar 1855). 269 StA Diez Sch 55/Sch 332 (26. Januar 1855). Auch von der Berufung des Alexander Fach, Baumeister unter Boos, war die Rede; zu Fach vgl. Röhlke, S. 232–232. Mit der Figur des Peter Melander, die zuerst in Zementguss ausgeführt werden sollten, dann aber doch in Trierer Sandstein bis im Oktober 1856 realisiert wurde, trat Stephan in die Tradition sei-
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ter war Anfang April fertig, die Eisenringe dunkelgrau angestrichen, und die Statue des Peter Melander von Holzappel, für die der aus Köln stammende Bildhauer Jakob Menzenbach270 1854 zusammen mit der Anfertigung von drei gegossenen Wappen den Auftrag erhalten hatte, war in der Turmwand aufgestellt worden.271 Damit waren die Planungen für den Turm allerdings immer noch nicht ganz abgeschlossen. Noch im August 1855 schrieb Stephan an den Pädagogen Kehrein in Montabaur, dass der Turm nun doch eine andere Form bekommen solle.272 Und im Herbst 1856 präsentierte er voller Stolz einen sieben Schuh hohen und fünf Schuh dicken feuervergoldeten Knopf auf einer „Riesenfahnenstange“, der über eine Stunde weit gesehen werden konnte.273 Die Schaumburg war nun definitiv zu einer repräsentativen Landmarke geworden. In der Zwischenzeit war der Fachwerkbau des Schlosses mit Eichenrinde verkleidet und daran Efeu gesetzt worden, auch sollten Öfen angeschafft und die Wohnung von Anders ausgestattet werden.274 Anders hatte dabei anscheinend ein gewisses Mitspracherecht, da aus der Korrespondenz hervorgeht, dass ihm die schwedischen Fayenceöfen besonders ins Auge stachen. Aus Frankfurt, Mainz und Karlsruhe wurden aber auch Alternativentwürfe für Öfen eingeholt.275 Des Weiteren machte das Palmenhaus Fortschritte, das als höchstes Kuppelglashaus Deutschlands konzipiert war,276 so dass Stephan es gegenüber seinem Onkel Johann als „ein Meisterwerk in diesem Genre“ pries,277 während er es gegenüber seinem Landesherrn, Herzog Adolph von Nassau, als „Duodez-Edition“ von dessen Biebricher Gewächshäusern abtat.278 Stephan wusste eben, wie er seine ner anhalt-schaumburgischen Vorfahren, hatte doch der kaiserliche Feldherr Peter Melander im 17. Jahrhundert die Grafschaft Holzappel erworben und war zum Begründer der Linie geworden, der Stephan mütterlicherseits angehörte. Bei ihm handelte es sich zweifellos um den historisch bedeutsamsten Vertreter der Grafen von Holzappel; LHA Koblenz Best. 47 Nr. 6044. 270 OeStA HHStA SB NL Adolf Braun 10 (30. Januar 1857): Menzenbach sei zwar kein Canova, aber rechtschaffen und fleißig; Brommer, S. 411. 271 StA Diez Sch 55/Sch 332 (5. April 1855), zu Melander auch ebd., 18. November 1855. Die Statue wurde 1856 der Holzappeler Kirche geschenkt; Bonnet, S. 27. 272 HLA HHStAW Best. 1174 Nr. 11 (15. August 1855). 273 HLA HHStAW Best. 1174 Nr. 11 (21. Oktober 1856). 274 StA Diez Sch 55/Sch 332 (16. Juni 1854). 275 StA Diez Sch 55/Sch 332 (29. Dezember 1854). 276 OeStA HHStA SB NL Adolf Braun 9–1–152 (21. September 1854). 277 StMLA Archiv Meran Schuber 7 Heft 5,8 (18. Januar 1855). 278 HLA HHStAW Best. 130 II Nr. 3271, fol. 130ff. (13. März 1855). Zu Biebrich vgl. Herzogtum Nassau (Katalog), S. 71 und S. 433. Die Grundzüge der Anlage mit der Kuppel des Palmenhauses in der Mitte und den beiden daran anschließenden Flügeln entsprachen sich; HLA HHStAW Best. 3011/1 Nr. 3406 V.
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Abb. 32: Schloss Schaumburg, Luftbild, um 1930 (HLA HHStAW Best. 3008/1 Nr. 18704)
verschiedenen Korrespondenzpartner auf sich aufmerksam machen oder sich gewogen halten konnte. Im Herbst 1856 wurden die Erdteilgruppen Hartungs dort angebracht, nachdem der Bauherr selbst eigenmächtig die bisher gewählte braune Farbe der Architektur durch Kupferbronze auf den Lichtkanten hatte ersetzen lassen.279 Auch hatte er selbst einen Aufzug konstruiert, um zwanzig Zentner schwere Kübel in das Glashaus hinaufzuschaffen, und er überlegte sich, ob er dafür nicht ein Patent anmelden lassen sollte.280 Auf den Flügelbauten wurden Figuren von Mädchen und Jungen mit Attributen der Pflanzenwelt angebracht und an der Hauswand im Innern in gewölbter Lavamasse Bananenpflanzen, Zuckerrohr, Kaffeebäume und ein Dattelbaum zusammen mit Schmarotzerpflanzen und Orchideen gepflanzt. In Käfigen tummelten sich Affen und Papageien. Eine Nische von kristallisiertem Kalkspat hatte Stephan selbst ausgemauert. Eine Riesenmuschel nahm ein Fischbecken auf. Im Wintergarten wuchsen indische Azaleen, Kamelien, zwei Zypressen, „neuholländische“ Gewächse, Orangenbäume sowie eine Andentanne auf moosbedecktem Lavafelsen, Rhododendren, eine Norfolktanne sowie Schling- und Hängepflanzen. Alles wurde durch einen
279 HLA HHStAW Best. 1174 Nr. 11 (4. Oktober 1856 und 21. Oktober 1856). 280 StA Diez Sch 55/Sch 332 (21. Oktober 1856).
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künstlichen Wasserfall belebt. Damit war eine beeindruckende Natur-Erlebniswelt entstanden, wie sie für diese Zeit nicht ungewöhnlich war.281 Hinzu kam die Beschaffung von Antiquitäten, mit der Stephan u. a. den österreichischen Legationssekretär Braun in Frankfurt beauftragte: Zur Ergänzung der drei in seinem Besitz befindlichen Gobelins ließ er Braun, wenn auch erfolglos, nach Bildteppichen mit Bauernszenen, Fruchtstillleben oder Tierbildern Ausschau halten und übermittelte hierzu genaue Größenangaben. Auch Porzellane interessierten ihn und Glasgemälde, insbesondere mit heraldischen oder figürlichen Darstellungen, die er dann im Giebelerker des Neubaus unterzubringen gedachte. Allerdings scheiterte der Erwerb der Glasmalerei am Preis.282 Die Einrichtung seiner eigenen Wohnung aber musste Stephan weiterhin verschieben,283 was ihm weiter nichts ausmachte. Obwohl sein Appartement nicht gerade komfortabel war und er bei Sturm in andere Räume umziehen musste, äußerte er sich im Winter 1855: „Ja, für die schöne Lage muß man auch manchmal leiden, die Einsicht haben, daß man bei schöner Aussicht nicht von der Ansicht durchdrungen sein darf, als sei die Vorsicht unnöthig, auf kurze Sicht kleinere Übel größeren Unannehmlichkeiten vorzuziehen, wozu ich eben die öftere Nachtumsiedlung mit Sack und Pack rechne! Und doch werde ich bei Vollendung des Baues bedauern, meine alte Chaluppe verlassen, in ein neues, mir noch nicht heimliches Quartier ziehen zu müssen. Ja, ja – das ist die Macht der Gewohnheit, und deshalb wahr, daß der Mensch ein Gewohnheitstier sei!“284 Das Mobiliar war alt und morsch, und an den Wänden seines Arbeitszimmers hingen alte Gobelins, die in seiner Schilderung auch eher den Anflug des Verstaubten bekamen als von etwas Schönem oder gar Wertvollen. Nach einem Besuch der Großherzogin Sophie von Sachsen-Weimar schrieb Stephan, er blicke immer noch nervös in die linke Ecke, weil er „in der Furcht lebe, der Feldseßel könnte seinen Dienst versagen, unter der theuren Last zusammenbrechen, die ihn wenige Minuten vor der Abreise bemühte!“285 Immerhin war im Januar 1857 der Speisesalon ausgemalt worden – somit erstmals ein halbwegs als Wohnraum zu bezeichnendes Zimmer. Stephan hielt die Dekorationen des Malers Wagner für die originellste „Piece“, die er
281 Heck (1960), S. 38ff. (nach dem Bericht des Kreissekretärs Bender); Herzogtum Nassau in malerischen Ansichten, S. 596; Koppelkamm, S. 47–50. 282 OeStA HHStA SB NL Adolf Braun 9–1–152 (11. und 14. Juli 1856). 283 Haidinger (1897), S. 10. Der große Rittersaal ist bis heute unvollendet, was belegen mag, dass Stephan an traditionellen repräsentativen Bauaufgaben kein Interesse hatte. 284 Haidinger (1897), S. 14. 285 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 167 (29. Juli 1859).
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seit Langem gesehen habe.286 Die Illusionsmalerei in neugotischen Formen erinnerte im Duktus an die Ausmalungen des Wiesbadener Stadtschlosses der Brüder Pose – dort jedoch im klassizistischen Stil. Die gemalten Blumengebinde an den Wänden tragen trotz der neugotischen Formen eher rokokohafte Züge, so dass der ganze Raum eher den spielerischen Geist des 18. Jahrhunderts atmet, als dass er wirklich neugotisch daherkommt, auch wenn die Formensprache von dort herrührt. Darin mag auch die Originalität begründet sein.287 Die Bauarbeiten schliefen auch im Folgenden nicht ein, gingen aber deutlich in ihrer Aktivität zurück, was auch daran gelegen haben mag, dass die zentralen, publikumswirksamen Teile – Mineralienkabinett, Bibliothek, Vogelkabinett, Wintergarten und Palmenhaus – fertiggestellt waren. Bereits 1859 war von einer geplanten Umgestaltung des Palmenhauses die Rede, da die Beheizung nach wie vor nicht richtig funktionierte.288 Hinzu kamen Reparaturmaßnahmen wie im Jahr 1861, nachdem eine Schneelawine 69 Scheiben zerstört hatte.289 An neuen Baumaßnahmen hören wir 1857 von der Errichtung der Portierhäuschens im Cottage-Stil290 und von Arbeiten an der – nach Stephans eigenen Worten – ins Kolossale gehenden Schlossauffahrt.291 Interessant dabei ist, dass Stephan zu diesem Zeitpunkt in seinem Halbbruder Joseph einen engagierten Mitstreiter gefunden hatte, dem als Oberpolier, Anstreichermeister, Maurer und Bauaufseher ein gehöriger Anteil am Fortschritt der Arbeiten zukam.292 Insbesondere bei den Straßenbauarbeiten der Jahre 1862 bis 1864 war Joseph beteiligt. Stephan bezeichnete diese Tätigkeiten sogar als dessen „Lieblingsbeschäftigung“.293 Pioniere aus Wiesbaden und ca. 50 Mitglieder österreichischer Pionier- und Genietruppen aus der Bun286 StA Diez Sch 55/Sch 332 (12. Januar 1857). Wahrscheinlich der Wiesbadener Dekorationsmaler und Fotograf Carl Anton Wagner; Adressbuch Wiesbaden 1860/61, S. 121. 287 Eine ähnliche Mischgestaltung weist schon ein Spiegel Stephans aus den Jahren 1843/1848 auf, der neugotische Elemente mit floralem Rankenwerk verbindet; Auktion bei Hermann Historica Grasbrunn (18. November 2019), https://veryimportantlot.com/de/lot/view/erzherzog-stephan-von-osterreich-1817-1867-w-257504 (Zugriff 27. Dezember 2019). Zu Mischformen vgl. Perotti, S. 53. 288 StA Diez Sch 55/Sch 332 (14. Oktober 1859). 289 HLA HHStAW Best. 1174 Nr.11 (30. Januar 1861). 290 StA Diez Sch 55/Sch 332 (9. August 1857). Bereits am 21. Oktober 1856 ist von der unausführbaren Zeichnung eines Cottagehäuschens die Rede; ebd. (21. Oktober 1856); ÖNB Autogr. 439/22-2 (12. Juli 1857), an Rechberg. Vgl. auch Weiler, S. 238. 291 StA Diez Sch 55/Sch 332 (3. Januar 1858). 292 HLA HHStAW Best. 1174 Nr. 11 (31. Januar 1859); HLA HHStAW Best. 130 II Nr. 3271, fol. 226ff. (16. Januar 1857); HLA HHStAW Best. 1174 Nr. 11 (23. März 1859). 293 HLA HHStAW Best. 1174 Nr. 11 (25. Juli 1863).
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desfestung Mainz, die diese Arbeiten zu Ausbildungszwecken nutzten und sich daher von Saison zu Saison in der Zusammensetzung änderten,294 waren damit beschäftigt, die Straße von Balduinstein auf die Schaumburg bzw. auf den Talhof anzulegen. Auch dieser Weg sollte bequem, zweckmäßig und elegant werden, und das anzulegende Aquädukt bezeichnete der Bauherr bereits vor seiner Vollendung als „wahrhaft römisches Bauwerk“.295 Um die Bereitstellung von Soldaten zu ermöglichen, verwandte sich auch Stephans Cousin Albrecht beim Kriegsministerium in Wien.296 Diese Aktivitäten gehören wie die Verlegung von Basalt im Schlosshof oder die Errichtung der Umfassungsmauern in englisch-gotischem Stil zu Arrondierungsmaßnahmen am bereits bestehenden Baukörper.297 Daran hatte auch Erzherzog Albrecht während seines Besuches auf der Schaumburg mitgewirkt, indem er den Bauherrn stilistisch beriet. Im Fokus stand die Verbindung zwischen dem noch nicht ganz fertiggestellten Neubau und den alten Gebäuden. Albrecht hatte empfohlen, die Schlossmauern zwischen beiden Teilen niederzulegen und als ein massives Geländer erscheinen zu lassen, damit da, „wo Alles massig ist“, nicht eine zierliche Eisenbalustrade den Stil störe.298 Ganz zentral war die Umgestaltung der bezinnten Mauern, weil Albrecht die bisherige Form als zum restlichen Stil des Hauses unpassend empfand. Stephan ließ dafür ein neues Modell entwerfen, das darauf wartete, von dem entfernt lebenden Cousin inspiziert zu werden.299 1864 wurden folglich explizit Um- und Verschönerungsbauten in den Blick genommen, die auf Erzherzog Albrecht und dessen Oberhofmeisters, Moritz Graf Braida, zurückgingen. Unter anderem wurden die kleinen Türmchen, abschätzig als „Champignons“ bezeichnet, an den Mauerkränzen schließlich auf Albrechts Vorschlag hin durch achteckige ersetzt.300 Bis 1865 waren 294 ÖNB Autogr. 439/22-2 (12. Juli 1857), die Pioniere hatte Herzog Adolph geschickt; HU MNL OL P 301 (7. Oktober 1862); HU MNL OL P 301 (14. März 1863); HU MNL OL P 301 (2. April 1865). 1862 ist auch von fünfzig Italienern zu lesen, die den Straßenbau von Balduinstein nach Schaumburg vorantrieben und den fünfzig Schuh langen Tunnel anlegten; OeStA HHStA HA Familienkorrespondenz A 52-19-6 (10. Oktober 1865). 295 Haidinger (1897), S. 113; s. zu den Straßenbauarbeiten HLA HHStAW Best. 130 II Nr. 327, fol. 363ff. (17. März 1862); HLA HHStAW Best. 1174 Nr. 11 (27. Mai 1862 und 21. Oktober 1863); StA Diez Sch 55/Sch 332 (28. Juli 1864). 296 HU MNL OL P 301 (14. März 1863). 297 Haidinger (1897), S. 95; StA Diez Sch 55/Sch 332 (28. Juli 1864); StA Diez Sch 55/Sch 332 (29. Oktober 1859 und 28. Juli 1864). 298 HU MNL OL P 301 (16. September 1862). 299 HU MNL OL P 301 (1. Juli 1864); Haidinger (1897), S. 143; NLA Oldenburg Dep. 50 Best. 6 M Nr. 44 (7. Dezember 1864); HLA HHStAW Best. 1174 Nr. 11 (2. November 1864). 300 HU MNL OL P 301 (23. Juli 1864). Das fällt in die Planungsphase der Kaserne auf der Rossauer Lände in Wien, deren Zinnenbekrönung ähnlich gestaltet ist.
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fünf „Champignons“ und das Portal, zu dem Albrecht den Grundstein gelegt hatte, mit einer neuen Bekrönung sowie die Türme mit Wimpelstangen versehen worden.301 Darüber hinaus wurde auf die Wiener Empfehlung hin im Hof eine Mauer durch ein eisernes Gitter ersetzt. Von der Weilburg in Baden bei Wien bezog der Erzherzog Gartenpflanzen für die Schaumburg.302 Stephan war mit dem Ergebnis schließlich sehr zufrieden, übertrafen doch die Verbindungsbauten zwischen Neu- und Altbau sowie eine neue Fassade sogar seine Erwartungen.303 Der kleine Uhrturm im Innenhof war bis zur Hälfte gebaut, das Stück zwischen ihm und dem Josephsturm vollendet und die Hälfte der Hofreite bis an den Eingangsrisalit fast bis an die Zinnen fertig.304 Für 1866 wurden die Westfassade und die Schlosskirche in den Blick genommen, so dass „der garstigste Teil des alten Schlosses“ endgültig verdeckt werden sollte, der auch bei Touristen auf Unzufriedenheit gestoßen war.305 Stephan träumte von einer „imposanten Front“.306 Das bedeutete für den Bauherrn vor allem, dass alles vereinheitlicht würde, um die „gemischte Architektur des Mitteltraktes und namentlich das gräßlichste Dach“ in einen homogenen Stil zu überführen.307 Einen gewissen Ansporn gaben ihm dazu die positiven Resonanzen eines Architektenvereins, der die Schaumburg besucht hatte, und der Engländer, die sich darüber freuten, „hier im Herzen Deutschlands ein ächt englisch-gothisches Schloß zu finden“. Ihre Komplimente veranlassten Stephan, seinen Weg zu verfolgen. Sollte er über genügend Geld verfügen, würde er bald alles umgestaltet haben, ohne dem älteren Teil aber, den er in Ehren hielt, „den Charakter zu rauben“. Ähnlich wie im politischen Bereich versuchte der Erzherzog auch hier eine grundlegende Neuerung, ohne das Alte anzutasten. Mit Ausnahme des Rentkammerbaus ging er davon aus, dass er diese Baumaßnahmen bis 1867/68 abgeschlossen haben könnte. Und so gingen die Arbeiten eifrig voran. Der Empfangsbereich wurde noch kurz vor 301 HU MNL OL P 301 (5. Januar 1865, 23. Juli 1864 und 1. Juli 1864). 302 HU MNL OL P 301 (5. Januar 1865). Im Mai 1865 sorgten Bauarbeiten für die interimistische Schließung des Haupteingangs; OeStA HHStA SB Familienarchiv Sachsen-Coburg-Gotha II-23-13 (22. Mai 1865). 303 StA Diez Sch 55/Sch 332 (26. Oktober 1865). 304 BayHStA GHA Nachlass Erzherzogin Elisabeth von Österreich Nr. 98 (20. Oktober 1864); HU MNL OL P 301 (7. September 1865). 305 BayHStA GHA Nachlass Erzherzogin Elisabeth von Österreich Nr. 98 (20. Oktober 1864): Ein französischer Tourist hatte nach dem Betreten des Innenhofs ausgerufen „Ah! Comme c’est le meurtrier du reste“. Stephan selbst sprach von einer „ohne den Styl“ erbauten Masse. 306 GNM Historisches Archiv, Autographen Allgemeine Reihe K 24, Stephan, Erzherzog von Österreich (11. Mai 1866); StA Diez Sch 55/Sch 332 (22. Mai 1866). 307 OeStA HHStA SB Familienarchiv Sachsen-Coburg-Gotha II-23-13 (15. Oktober 1865).
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Stephans Tod, am 6. Januar 1867, durch die Aufstellung der beiden Heroldsoder Knappenfiguren von Karl Keil, einem Schüler Hopfgartens, als Fackelträger abgerundet, die auf der Berliner Akademie-Ausstellung 1866 eine goldene Medaille gewonnen hatten und 1867 in Paris gezeigt wurden.308 Diese neue Repräsentativität im Außenbau, die um 1864 nach einer Phase der Ruhe eintrat, ging einher mit der Bemühung um Ankauf von Möbeln in Südtirol. Stephan war bestrebt, das Kapitel in Trient zum Verkauf des sogenannten Runkelsteiner Bettes zu bewegen, was daran scheiterte, dass das Kapitel es wie ein Fideikomissgut behandelte.309 Durch den massenhaften Ankauf von Antikmöbeln durch Engländer war der Markt, im Gegensatz zu zwei bis drei Jahren zuvor, wie leergefegt. Deshalb hatte Stephan, dem es jetzt plötzlich um die Ausstattung der Schaumburg ging, die bisher weniger interessant gewesen war, zumeist das Nachsehen, obwohl seine „Antiquitätenkommissäre“, die er überall ausschickte, „fleißig geschnüffelt“ hatten.310 In der Baugestaltung der Schaumburg sind daher zwei größere Brüche auszumachen. Bis 1853/54 wurde ein nüchterner, zweckmäßiger Bau im Tudor-Stil von Stephan anvisiert, der als Museumsschloss primär die naturhistorischen Sammlungen und die Pflanzenwelt des Bauherrn aufnehmen sollte. Hier lag Stephans ganz eigene Akzentsetzung. Bauplastik oder gestalterische Elemente blieben in diesem Bauabschnitt marginal. Insgesamt wurde eine neugotische Anlage aus dem Geist eines nüchternen Klassizismus errichtet, die beim Bauherrn ihre Wurzeln im josephinischen Nützlichkeitsdenken des 18. Jahrhunderts hatte und beim Architekten Boos aus seiner Schulung bei Weinbrenner in Karlsruhe herrührte. Erst mit dem Eintreffen des Vermessungsbeamten geriet der Ausbau des Turmes und damit auch der gesamten Schlosssilhouette in den Blick. Grund mag gewesen sein, dass das Gebäude nun als Kardinalpunkt der Landvermessung eine besondere Bedeutung erhielt, auf die Stephan ja selbst hingearbeitet hatte. Die folgenden Jahre waren mit der Gestaltung eines repräsentativen, herrschaftlichen Gebäudes gefüllt. Erzherzog Stephan entwickelte in dieser Phase großes Engagement, um einen innovativen, beeindruckenden Baukörper zu realisieren. Ästhetische Ausrichtungen standen jetzt im Zentrum, die ganz seinem „eigenen Ich“ entsprungen waren, wie Stephan bekundete.311 Diese Selbsteinschätzung rechtfertigt die eingehende 308 Weiler, S. 238; Vollmer 3 (1956), S. 181. 309 Zu diesem Objekt führten Anfragen in Bozen, Trient und auf Burg Runkelstein zu keinem Ergebnis. 310 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 a (25. März 1866 und 5. Mai 1866). 311 StA Diez Sch 55/Sch 332 (5. Januar 1867). Das abwertende Urteil, Großherzog Peter habe „keinen Geschmack“ und achte nur auf „Wohlfeilheit“, hätte sich Stephan einige Jahre zu-
Gebaute Selbstdarstellung – Die Schaumburg
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Abb. 33: Schloss Schaumburg, um 1870 (Sammlungen der Stadt Diez)
Berücksichtigung der Baugeschichte in Stephans Biographie, weil das Gebäude – vergleichbar der von ihm geführten umfangreichen Korrespondenz – als Manifest seiner Selbstdarstellung zu werten ist. Aber dieses wurde nicht von vornherein gesetzt, sondern im Laufe der Zeit fortentwickelt und umgedeutet. Nebensächlich aber blieben durch alle Veränderungen hindurch seine Privaträume. Das Gebäude wurde stets als eine Art Museumsschloss verstanden. Inwiefern sich das ab 1864 ändern sollte, als der Ankauf antiken Mobiliars in den Blick kam und der Eingangsbereich umfassend neugestaltet wurde, muss angesichts der geringen Quellenbasis offenbleiben. Da die Baumaßnahmen auch ein wichtiges Element zum Verständnis der Biographie Stephans sind, können die Jahre 1854 und 1864 als zentrale Einschnitte angesehen werden. 1864 fand sich Stephan auf dem europäischen Parkett gesellschaftlich wieder rehabilitiert, worauf noch einzugehen sein wird. 1854 aber dürfte es nicht nur die Ankunft des arrogant daherkommenden Vermessungsbeamten gewesen sein, die den Ausschlag für weitere Baumaßnahmen gab. vor selbst zuschreiben müssen; StA Diez Sch 55/Sch 332 (2. Februar 1852 und 31. August 1861).
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6.4 Nicht nur „ich selbst“ In der ersten Zeit seiner Verbannung war Stephans Position sehr unbestimmt gewesen, bis hin zu der Erwartung, bald wieder in die Habsburgermonarchie zurückkehren zu dürfen. Seine Flucht in eine kontinuierliche Mobilität,312 mit deren Hilfe der Verbannte die Kontakte zu seinesgleichen sowie seine Selbstachtung aufrechterhalten wollte,313 hatte in der unbedachten Art ihrer Durchführung den Unmut Wiens erregt, so dass man ihm eine zeitweise Rückkehr nur dann in Aussicht stellte, wenn er die dauerhafte Annahme seines Status als Exilant öffentlich signalisierte. Dieser Weisung folgte der Erzherzog, auch wenn zu befürchten stand, dass ihm nun tatsächlich ein Exil in völliger Vergessenheit und abgeschnitten von der europäischen Hocharistokratie bevorstand. Im Mai 1851 konnte er bereits konstatieren, dass er seit Dezember 1849 gerade einmal zwei Tage die Schaumburg – und damit war auch die nähere Umgebung wie zum Beispiel Bad Ems gemeint – verlassen habe, und zwar um der neuen Herzogin von Nassau, Adelheid, in Neuwied seine Aufwartung zu machen.314 Neue Kontakte wie anlässlich einer Besuchsanfrage des Feldmarschallleutnants Karl von Schönhals, des Vertreters Österreichs auf dem Bundestag in Frankfurt, im Sommer 1851 weckten in ihm die Hoffnung auf eine Lockerung seines Exils bzw. eine Wiedereingliederung in den habsburgischen Familienverband, die sich jedoch nicht bewahrheitete.315 Nach den Auseinandersetzungen mit der Mutter um die Erziehung und das Erbe seines Halbbruders Joseph bestand ein vertrauter Kontakt innerhalb des Hauses Habsburg nur noch zu seinem Onkel Johann, dem er auch gestand, sich seit Monaten nach Gesellschaft zu sehnen.316 Selbst von seiner direkten Familie hörte Stephan lange Zeit nichts, wenn auch der Kontakt nicht völlig abriss317 – immerhin musste Stephan als Vormund seines Bruders Joseph in Finanzfragen gehört werden. Zwar hatte die Mutter Josephs dessen Ajo Lüttichau angewiesen, nur ihr die Rechnungen vorzulegen, doch fragte der Erzieher auf der Schaumburg nach, wie zu verfahren sei. Stephan bat deshalb seinen Onkel Johann, „jeden schädlichen Einfluss zu paralysiren“, und bei der Stiefmutter selbst stellte er den Antrag, ihm die Rechnungsprüfung zu überlassen. In dieser angespannten Situation war es unumgänglich, dass 312 Pons (2004), S. 14. 313 Riotte (2018), S. 23–25. 314 StMLA Archiv Meran Schuber 7 Heft 5,8 (3. Mai 1851). 315 NLA Oldenburg Dep. 50 Best. 6 F Nr. 134 (8. Juli 1850). 316 StMLA Archiv Meran Schuber 7 Heft 5,8 (10. August 1850). 317 StMLA Archiv Meran Schuber 7 Heft 5,8 (3. Mai 1851).
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Stephan mit den Verwandten im Wiener Augarten in – wenn auch eher geschäftsmäßiger – Verbindung blieb. Sein Ziel war es, den Einfluss der Mutter seines Bruders zu beschränken, und er bediente sich dabei des Erzherzogs Johann, den er als „Hilfstruppe“ verstand.318 Doch auch über diese Stürme ging die Zeit hinweg. Bereits im September 1851 besuchte ihn die Stiefmutter auf seinem neuen Domizil, so dass spätestens zu diesem Zeitpunkt die Auseinandersetzungen beigelegt waren und auch fortan ein gutes Verhältnis zu ihr und ihren Kindern bestand, wenn auch Erzherzog Joseph sein Leben lang „schreibfaul“ blieb. Erzherzogin Maria Dorothea hielt sich mit ihrer Tochter Marie Henriette zunächst vom 15. bis 17. September 1851 und dann erneut vom 2. bis 10. Oktober 1851 auf der Schaumburg auf. Beim zweiten Aufenthalt befanden sie sich auf der Rückreise von ihrer Mutter bzw. Großmutter in Kirchheim und wollten sich mit August von Oldenburg sowie Emma von Waldeck und deren Kindern auf der Schaumburg treffen.319 Diese wiederbelebten Kontakte dürften Gerüchte einer baldigen Rückkehr in die Habsburgermonarchie gefördert haben.320 So weit war es freilich nicht. Vielmehr dürfte zunächst einmal die Oldenburger und waldeckische Verwandtschaft mitgeholfen haben, die innerfamiliären Zerwürfnisse beizulegen. Allerdings brachten die sieben Besucher nebst dreizehn Personen Gefolge die Raumverhältnisse auf der Burg an ihre Grenzen, so dass Stephan berichtete, aus seiner eigenen Wohnung eine Kaserne gemacht zu haben. Die Streitigkeiten zwischen Emma von Waldeck und ihrem Sohn Georg ließen den Besuch zusätzlich zu einer Herausforderung werden.321 Der Rest der Familie aber hatte grundsätzlich mit Erzherzog Stephan gebrochen, so auch sein Cousin Albrecht, zu dem bis 1848 ein gutes Verhältnis bestanden hatte322 und dessen Ehe einzufädeln er 1844 sogar mitgeholfen 318 StMLA Archiv Meran Schuber 7 Heft 5,8 (3. Mai 1851). 319 NLA Oldenburg Dep. 50 Best. 6 F Nr. 134 (9. September 1851); NLA Oldenburg Dep. 50 Best. 6 F Nr. 134 (21. Oktober 1851); HLA HHStAW Best. 130 II Nr. 3271, fol. 61ff. (22. Oktober 1851); LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 a (23. Oktober 1851). Während des Aufenthalts übernahmen Marie Dorothea und Marie Henriette die Patenschaft über eine Tochter des Aktuars Cybulak; DAL Kirchenbuch Balduinsstein Geburten/Taufen 1851–1908 (20. Oktober 1851). 320 Zwar erfuhr Wessenberg Ende 1851 aus der Zeitung, Stephan werde bald wieder nach Wien zurückkehren, doch blieben ihm – so sehr er sich über diese Falschmeldung freute – Zweifel. Letztlich, so schrieb er Stephan, bleibe diesem nur „die Gerechtigkeit aus eigenem Gewissen“; OeStA HHStA SB NL Wessenberg 11-125 (30. November 1851), Abschrift Wessenbergs. Eine solche Zeitungsmeldung konnte nicht ermittelt werden. 321 NLA Oldenburg Dep. 50 Best. 6 F Nr. 134 (21. Oktober 1851). 322 Dieses gute Einvernehmen mag neben der Tatsache, dass Stephan bei der Gesamtdynastie in Misskredit geraten war, auch darunter gelitten haben, dass beide 1848 in der Presse
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hatte.323 Stephan scheint mehrfach versucht haben, die ehemals enge Bindung wiederherzustellen, und trug Albrecht als Militär- und Zivilgouverneur in Ungarn sogar Nutzungsrechte an seinem Schloss Alcsút an, allerdings – der überlieferten Korrespondenz zufolge – ohne Erfolg.324 Als das Gerücht umging, Albrecht könne in die Bundesfestung Mainz versetzt werden, beabsichtigte Stephan über Herzog Adolph von Nassau, ebenfalls ein Cousin Albrechts, den Kontakt wieder aufleben zu lassen. Aber er bekannte auch, dass er nicht um die Freundschaft „buhlen“ werde, sollte Albrecht „nochmals“ erklären, von ihm nichts mehr wissen zu wollen.325 Ja, Stephan war sogar zu Ohren gekommen, dass man in Albrechts Salon am freiesten und ungehindertsten über ihn den Stab brechen konnte.326 Erzherzog Stephan musste Gewissheit über seinen Status erlangen. Es blieb ihm nur, (zumeist verwandte) Fürstlichkeiten zu empfangen, die ihn auf der Schaumburg zu besuchen kämen. Daran, so schrieb er Carl Alexander von Sachsen-Weimar, könnten ihn auch „20 Schwarzenberge“ nicht hindern, als sei der neue österreichische Ministerpräsident der Hauptgrund für seine derzeitige Lage.327 Bezug nahm Stephan hier sicherlich darauf, dass Schwarzenberg in Ungarn auf eine gewaltsame Niederschlagung der revolutionären Bestrebungen und die gnadenlose Ahndung der Umtriebe setzte. Den in das Osmanische Reich geflohenen Kossuth soll er, nachdem eine Auslieferung verweigert worden war, auf österreichisches Gebiet zu entführen versucht haben. Weitere Gerüchte über sein brutales Denken und Handeln kursierten.328 Verwunderlich ist diese Einschätzung freilich trotzdem, da der Erzherzog den österreichischen Ministerpräsidenten gegenüber dem gleichen Adressaten noch wenige Wochen zuvor als ehrenwert in Schutz genommen hatte. Wie dem auch sei: Stephan zeigte verbal Stärke und unterhielt weiterhin Kontakte zu Adelskreisen, die allerdings überschaubar und fast immer durch direkte Verwandtschaftsverhältnisse begründet waren.329 als Antagonisten propagiert worden waren. Nachdem Erzherzog Albrecht angeblich am 13. März 1848 den Schießbefehl auf die Wiener Revolutionäre gegeben hatte, wurde er als „Militär-Despot“ bezeichnet, während Stephan der edle Kämpfer „an der Spitze einer freien Nation“ war; Die Constitution Nr. 21 (14. April 1848), S. 299. 323 Allmayer-Beck, S. 45. Zum Kontakt zu Erzherzog Karl und Albrecht vgl. auch Praschl-Bichler, S. 21–22. Siehe auch das Kapitel über Stephans Reise durch Deutschland. 324 HU MNL OL P 301 (24. September 1851). 325 StMLA Archiv Meran Schuber 7 Heft 5,8 (10. August 1850). 326 OeStA HHStA SB NL Adolf Braun 9–1–152 (4. September 1856). 327 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 a (10. August 1850). 328 Lippert, S. 264–265. 329 Der europäische Adel war nur als Verwandtschaft präsent, wie Besuche des Erbprinzen von Bückeburg oder des gesamten Oldenburgischen Hofes auf der Schaumburg belegen; HLA HHStAW Best. 130 II Nr. 3271, fol. 106ff. (19. September 1853).
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Im benachbarten Bad Ems war es möglich, die dort kurende Gesellschaft aufzusuchen, und damit – wenn auch nur inkognito – an der hocharistokratischen Internationalen teilzuhaben.330 Stephan traf dort 1850 Peter von Oldenburg, die als Liberale und Intellektuelle bekannte Großfürstin Helene,331 deren Schwiegersohn er ja beinahe einmal geworden war, sowie die nicht minder liberal eingestellte Prinzessin Augusta von Preußen, die konservative Herzogin Adelgunde von Modena – immerhin ein angeheiratetes Mitglied des Hauses Habsburg332 – und Herzog Adolph von Nassau. Dieser wollte mit dem Kuraufenthalt einem Besuch des Herzogs von Chambord, eines Enkels König Karls X. von Frankreich, in Wiesbaden aus dem Weg gehen, plante der Herzog doch, von Deutschland aus den französischen Thron zu erobern. Stephan nannte dies der Oldenburger Verwandtschaft gegenüber spöttisch einen legitimistischen Kongress und mokierte sich damit über den von legitimistischen Kreisen unterstützten Thronprätendenten, der freilich ein ähnliches Leben im Exil führte wie Stephan selbst.333 Verblüffend bleibt diese Ironie, weil Stephan sonst als Verteidiger der Legitimität von Herrscherthronen auftrat. Insbesondere zu Herzog Adolph gestaltete sich der Kontakt in jenen Tagen sehr erfreulich, was angesichts der protokollarischen Schwierigkeiten auch anders hätte verlaufen können.334 Beide sahen sich regelmäßig und standen kontinuierlich in brieflichem Kontakt, auch wenn es den Anschein hat, als sei dieser Kontakt vor allem von Stephan gepflegt worden.335 Als besonderes Scharnier zur Welt außerhalb der Schaumburg diente Stephan zusehends der Legationssekretär bei der österreichischen Gesandt330 Paulmann (2001), S. 162. 331 Stadelmann, S. 113 und S. 156; Troyat, S. 62; Montefiore, S. 555. 332 Hamann (1988), S. 27. 333 NLA Oldenburg Dep. 50 Best. 6 F Nr. 134 (21. August 1850). Vgl. Die Presse Nr. 194 (14. August 1850), o. S. 334 In einem Bericht von 1872 wurde allerdings ein Gespräch wiedergegeben, in dem es hieß, Stephan sei „im Lande zu beliebt, um nicht oben [beim Herzog] scheel angesehen zu werden“; Kohl von Kohlenegg, S. 19. Noch in den 1840er Jahren wurde am Biebricher Hof notiert, dass Stephan durch den regierenden Herzog von Nassau auf Schriftstücken mit „Euer Kaiserliche Königliche Hoheit ergebenster Vetter und Diener“ anzureden war. Nun war Stephan Adolphs Untertan, und doch scheint es diesbezüglich keine Probleme oder Missstimmungen gegeben zu haben. Stephan schrieb sogar an ihn, „daß ich Deine Nähe jederzeit sehr gerne suche, die Nähe desjenigen, der auch im Jahre und seit dem Jahre 1848 unverändert gegen mich geblieben ist“; HLA HHStAW Best. 130 II Nr. 3271, fol. 16ff. (25. August 1850). 335 Eigenmächtige Einladungen des Erzherzogs bei seinem Landesherrn, Herzog Adolph, zum Tee in Biebrich ließen ihn zumindest dort Präsenz zeigen; HLA HHStAW Best. 130 II Nr. 3271, fol. 112ff. (25. September 1853); HLA HHStAW Best. 1174 Nr. 11 (30. September 1853 und 20. Oktober 1853).
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schaft am Bundestag in Frankfurt, Adolf Braun,336 den der Erzherzog bereits aus Böhmen kannte. Braun wurde zu einer der wichtigsten Informationsquellen über sein Heimatland und das politische Geschehen überhaupt.337 Auf die österreichische Gesandtschaft war Stephan in vielen Dingen angewiesen, so dass er mit Braun unweigerlich hatte zusammentreffen müssen. Dem Legationssekretär kam aber dann schon bald eine große Vertrauensstellung zu. Auch Geldtransaktionen tätigte er für Stephan, weil dieser sich auf der Schaumburg nicht im Stande sah, sein Geld gewinnbringend anzulegen. Geld benötigte er aber zum Ausbau des Schlosses.338 Braun bot sich nach einigen Jahren Kontakt sogar als Reisebegleiter Stephans an.339 Freilich gehörte er nicht der Gesellschaftsschicht an, mit der Stephan bisher Umgang gepflegt hatte, und zu gemeinsamen Reisen dürfte es nicht gekommen sein. Das Leben auf der Schaumburg konnte den sozialen Ansprüchen eines Habsburgers nicht gerecht werden, zumal es sich um den Anspruch eines Menschen handelte, der bis 1848 für einen aufwändigen Lebensstil bekannt war. Stephan fand sich daher nicht nur geographisch und politisch im Exil, sondern auch gesellschaftlich. Irrig wäre allerdings das Bild eines armselig in seiner Verbannung lebenden Verstoßenen. Stephan flossen weiterhin beachtliche Einnahmen aus seinen ungarischen Gütern zu, so dass ihm in finanzieller Hinsicht nicht bange sein musste. Er selbst gab freilich an, nur noch über ein Drittel der bisherigen Einkünfte zu verfügen.340 Wenn er auch von Wien verbannt war, ihn die Habsburger sowie die österreichischen Diplomaten mieden und er von familieninternen Entscheidungen ausgeschlossen war,341 hielt doch die Korrespondenz mit seiner Verwandtschaft, deren Überlieferung heute die Hauptquelle für jene Jahre ist, seinen Namen in Adelskreisen am Leben, indem sie das Bild von Stephan zu beeinflussen suchte. Auch fungierte die Schaumburg als habsburgische Nebenresidenz, die nach wie vor im kaiserlichen Hofschematismus aufgeführt wurde. Über den erzherzoglichen Hofstaat sind wir in den ersten Jahren nach 1848 nicht gut unterrichtet, doch gibt die Aufstellung im Hof-und Staats336 Zu Braun vgl. ÖBL 1 (1954), S. 108; Prager Tagblatt Nr. 60 (5. März 1904), S. 3. Er wurde später Direktor der kaiserlichen Kabinettskanzlei in Wien. 337 OeStA HHStA SB NL Adolf Braun 9–1–152 (10. August 1852), zur Bekanntschaft aus der böhmischen Zeit. 338 OeStA HHStA SB NL Adolf Braun 9–1–152 (25. September 1854; 23. Februar 1855). 339 OeStA HHStA SB NL Adolf Braun 9–1–152 (28. September 1856). 340 HLA HHStAW Best. 130 II Nr. 3271, fol. 34ff. (5. März 1851). 341 Stephan empfand die Entscheidung über das Erbe des Kaisers Franz als Oktroyierung und fragte sich, ob er der Einzige gewesen sei, der bei der Entscheidungsfindung ausgeschlossen blieb; StMLA Archiv Meran Schuber 7 Heft 5,8 (3. Mai 1851).
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handbuch von 1857 einen Einblick. Er umfasste in diesem Jahr 55 Personen, darunter viele, die der Erzherzog aus Ungarn auf die Schaumburg mitgebracht hatte.342 Allerdings war nicht der komplette Hofstaat mitgekommen, so dass sich in Ungarn immer noch pensionierte und aktive Bedienstete befanden. Im Besoldungsetat, der auch standesherrliche Beamte umfasste, scheinen 72 Personen auf.343 Die Vermischung dieser beiden Ebenen macht den Vergleich mit dem im Hof- und Staatshandbuch aufgezählten Personenkreis nicht leicht. Grundsätzlich aber unterschieden sich die Zahlen nicht größer. Im Jahr 1864 sprach der Erzherzog von 170 Personen auf der Schaumburg und ihren Nebengebäuden, worunter auch Ehepartner und Kinder zu verstehen sind.344 Der Hofstaat wird in der Zeitung als „starke Dienerschaft“ bezeichnet, also nicht als Verlegenheitslösung eingeschätzt.345 Er umfasste im Jahr 1851 142 Personen – also die Dienerschaft mit ihren Familien – auf der Schaumburg,346 die Stephan – ironisch, abwertend oder gar arrogant – als 342 Hof- und Staatshandbuch des österreichischen Kaiserthumes 1857, S. 28–29; HLA HHStAW Best. 130 II Nr. 3271, fol. 28ff. (25. Februar 1851). 343 LHA Koblenz Best. 47 Nr. 3218. Zum Vergleich: Die Hofhaltung des Herzogs von Nassau umfasste 1857 – ohne die Ehrenämter der Kammerherren, Kammerjunker und Jagdjunker sowie die Verwalter der einzelnen Schlösser – 117 Personen: 13 beim Herzog, 16 beim Hofmarschallamt, 43 im Hofmarschallstab, 36 im Oberstallmeisterstab und 9 im Oberjägermeisterstab; Staats- und Adreß-Handbuch des Herzogthums Nassau für das Jahr 1857, S. 7–14. 344 OeStA HHStA SB Familienarchiv Sachsen-Coburg-Gotha II-23-13 (13. April 1864). 345 Innsbrucker Zeitung Nr. 190 (20. August 1851), S. 785; Leipziger Zeitung Nr. 221 (15. August 1851), S. 4399. 346 HLA HHStAW Best. 130 II Nr. 3271, fol. 28ff. (25. Februar 1851). Als Beamte auf der Schaumburg fungierten ein Offizial und ein Amtsdiener, ein Revisor, ein Kassierer, drei Kanzlisten und ein Kanzleidiener. Der Kammer gehörten der Aktuar Wenzel Cybulak, der Leibkammerdiener Joseph Jerger, ein Reitjäger, drei Leiblakaien, ein Zimmerputzer, ein Lampenanzünder und vier Hausknechte an. Das Küchenpersonal bestand aus dem Mundkoch Friedrich Sartorius, einem Hilfskoch, zwei „Küchenweibern“ und dem Zuckerbäcker Leopold Bauer, der allerdings später wieder nach Wien zurückging, woher er stammte. Hinzu kamen ein Silberverwahrer, eine Aufseherin der Wäschekammer, die Stephan aus dem Augarten übernommen hatte, weil sie dort einer Intrige zum Opfer gefallen war (StMLA Archiv Meran Schuber 7 Heft 5,8 9 [3. Mai 1851]), drei Hausmädchen, ein Bereiter, ein Stallübergeher, ein Tierarzt, ein Leibkutscher, drei Kutscher, drei Reitknechte und ein Pferdewärter. Als Schlosskastellan fungierte Anton Suppanetz, als Möbelinspektor Johann Dröthandel und als Portier August Jascht. Als Kustos von Bibliothek und Mineraliensammlung war weiterhin Georg Siemang tätig. Für den Garten auf der Schaumburg war der Gärtner Joseph Anton Schariry verantwortlich. Ihm arbeiteten ein Hilfsgärtner, ein Gehilfe und vier Gartenknechte zu. Zu einzelnen Mitgliedern der Dienerschaft HLA HHStAW Best. 221 Nr. 922: Leiblakai Sebastian Urban heiratete 1851/2 eine Frau aus Cramberg und kehrte nach Österreich zurück. Leiblakai Johann Baptist Dochnal war noch
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seine „Hof-Menschen-Menagerie“ bezeichnete.347 Ihr stand Joseph Freiherr von Anders vor, ein Mann „trefflichen, biederen Charakters“348. Die Hofhaltung hatte – trotz aller Einschränkungen, die der Erzherzog gerne dramatisierte – höchsten Ansprüchen zu genügen, was immer wieder einmal in Korrespondenzen zur Anstellung qualifizierten Personals zum Ausdruck kommt.349 Doch Stephans Dienerschaft lebte nicht nur auf der Schaumburg. In Wien fungierte der aus dem Obersthofmeisteramt der ungarischen Palatinatskanzlei übernommene Advokat Anton Szuborits350 als Sekretär. Er wurde auch in den Auseinandersetzungen mit der Stiefmutter eingesetzt, weil er im Augarten in gewissem Ansehen stand.351 Zusätzlich verfügte Stephan über Anton Winter als Agenten in Wien. Die Direktion der ungarischen Güter vertraute Stephan dem „recht braven“352 Ignaz Ghyczy de Ghycz und Assakürth an. Stephans landwirtschaftliches Mustergut Alcsút in Ungarn, auf dem nach wie vor Pferdezucht betrieben wurde, konnte über die Jahre hinweg durch Ankäufe arrondiert werden.353 Auch auf Kisjenö (Chişinen-Criş), in Ofen ansässig und heiratete dort. Bauer ehelichte im Alter von 27 Jahren Emilie Cuntz, die Tochter des erzherzoglichen Rentmeisters Cuntz. Beide ließen sich dann wieder in Wien nieder; DAL Limburg Kirchenbuch Balduinstein Geburt – Taufe 1851–1908 (22. Oktober 1854). 347 StA Diez Sch 55/Sch 332 (17. Mai 1856). 348 HLA HHStAW Best. 130 II Nr. 3271, fol. 28ff. (25. Februar 1851). 349 Fünf pensionierte, „nicht praktikable“ Köche habe Stephan in Ofen sitzen, schrieb er an Herzog Adolph, während der Koch auf der Schaumburg um seine Entlassung angesucht habe. Dringend benötigte er daher – neben einem Küchenjungen (Marmiton) – einen Koch, der ledig, möglichst jung, treu und geschickt sein sollte. 5000 bis 6000 fl. sollte dieser jährlich zuzüglich Kost, Quartier, Holz und Licht verdienen. Auf Adolphs Empfehlung wurden, nachdem auch ein Stammbaum vorgelegt worden war, der Koch Friedrich Sartorius aus Stockholm als Mundkoch und Wilhelm Frick als Hilfskoch angestellt. Beide hatten täglich bis zu dreißig Personen zu verpflegen. Einer der Köche Stephans durfte zu Fortbildungszwecken sogar an der Biebricher Hofküche hospitieren. HLA HHStAW Best. 130 II Nr. 3271, fol. 34ff. (5. März 1851), fol. 38ff. (11. März 1851) und fol. 46ff. (24. April 1851); Hof- und Staatshandbuch des österreichischen Kaiserthumes 1860, S. 38; HLA HHStAW Best. 130 II Nr. 3271, fol. 28ff. (25. Februar 1851). 350 Hof- und Staatshandbuch des österreichischen Kaiserthums 1847, S. 172: Später übernahm Stephans Halbbruder Joseph Szuborits als Güterdirektor; vgl. Die Debatte Nr. 348 (17. Dezember 1868), o. S. 351 StMLA Archiv Meran Schuber 7 Heft 5,8 (3. Mai 1851). 352 Neue Freie Presse Nr. 4304 (19. August 1876), o. S. (19. Oktober 1855), an Professor Jacob Reuter. 353 HLA HHStAW Best. 130 II Nr. 3271, fol. 118ff. (16. Januar 1855) und fol. 341ff. (9. Februar 1862); OeStA HHStA StK Notenwechsel Hofämter und -dienste 23–11 (23. März 1856): 1856 besuchten zwei Serben Alcsút, um sich dort fortzubilden. Als „Muster-Anstalt“ auch bei der Baronin von Beck bezeichnet; Beck 2, S. 36–37.
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das dem Erzherzog nach wie vor gehörte, muss es Personal gegeben haben.354 Personell war der Erzherzog als weiterhin in der Donaumonarchie vernetzt, wenn auch der Schwerpunkt natürlich eindeutig auf der Schaumburg lag. Diese Beschäftigungsverhältnisse änderten sich 1859, weil der Erzherzog während des Krieges Österreichs gegen Piemont-Sardinien, in dem auch ihm die Gelder knapp wurden, mit seinen Bediensteten haushalten musste. Einen Teil schickte er – mit einer Anwartschaft auf Wiederberufung355 – nach Österreich zurück, wo die österreichischen Banknoten noch anerkannt wurden, so dass er sie dort weiter entlohnen konnte. Insgesamt sandte Stephan zwölf seiner Diener und ihre Familien – alles in allem 34 Personen – zurück nach Österreich, um sie weiterhin mit Geld, nicht mit Silber bezahlen zu können. Deshalb klagte Stephan, sich auf das Notwendigste beschränken zu müssen, im Stall nur noch fünf Pferde zu haben und eine Küche zu unterhalten, die bloß vier Speisen kochen könne. „Was will man weniger.“356 Allerdings wollte Stephan, aus sozialer Verantwortung heraus, die Dienerschaft nicht außer Sold setzen. Denn er erkannte, dass er die Diener nicht brauche, sie aber auf ihn angewiesen seien.357 Auch klagte er grundsätzlich, dass in solch schweren Zeiten selbst die „reichen Dynasten“ und die höhere Aristokratie nicht mehr an Anstellungen dächten, ganz zu schweigen von der Unterstützung der Wissenschaft oder der Felder, die ihren Ursprung in der „gebildeten Liebhaberei“ besäßen.358 Sein patriarchalisches Verständnis schloss es daher aus, seine Bediensteten fallenzulassen. Innerhalb des Hofstaates führte Stephan denn auch ein Leben als Patriarch. Anlässlich des Faschings auf der Schaumburg veranstaltete er einen Tanz mit Punsch, an dem alle Bediensteten beteiligt waren, was er dann als „Republik im weitesten, aber doch im guten Sinne des Wortes“, ja sogar als „Demokratie auf der weitesten Basis“ bezeichnete.359 Mit viel Ironie umkleidete er damit sein patriarchalisches Gemeinschaftsverständnis, dem im Ausnahmezustand der Fastnachtszeit etwas Egalitäres und die Standes354 Allgemeine Land- und forstwirtschaftliche Zeitung Nr. 46 (13. November 1858), S. 745. 355 StA Diez Sch 55/Sch 332 (18. August 1859). 356 HLA HHStAW Best. 130 II Nr. 2171, fol. 331ff. (22. Juni 1859); StA Diez Sch 55/Sch 332 (24. Juni 1859); HLA HHStAW Best. 1174 Nr. 11 (4. Juli 1859). 357 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 b (19. August 1859). 358 OeStA HHStA HA Familienkorrespondenz A 52-19-6 (12. September 1859). 359 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 a (8. April 1851), wortgleich in NLA Oldenburg Dep. 50 Best. 6 F Nr. 134 (8. April 1851). Besonders amüsant fand es der Erzherzog, dass die Dienstmädchen, die man unter Kaiser Karl VI. als „Strapazier-Menschen“ bezeichnet habe, als Bürgerinnen verkleidet den Abwasch machten und damit sämtliche Standesgrenzen verschwimmen ließen.
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schranken Übersteigendes zukam. Diese Ironie aber diskreditierte auch die Vorstellungen von Republik und Demokratie, indem er diese Begriffe bis zum Nichtssagenden aushöhlte. Allerdings konnte er sich ein allzu elitäres Verständnis zu jener Zeit auch nicht leisten. Zu seinem regelmäßigen Umgang gehörten die sich mittwochs und sonntags bei ihm einfindenden Offiziere aus Diez, die an die ominösen Herrenrunden in Ofen gemahnen. Womöglich handelte es sich dabei um die in einer Zeitung erwähnte Schaumburger Kasino-Gesellschaft.360 Frauen hatten hier keinen Zutritt, ja, Frauen empfing Stephan seinem „Prinzipe gemäß“ nicht einmal.361 An ein bis zwei Tagen in der Woche spielte Stephan mit Anders, dessen Ehefrau und seinen „Damen“ Whist, was sich mit der anschließenden Unterhaltung bis nach Mitternacht hinziehen konnte: „für Schaumburg gewiß ein koloßaler Exzess“.362 Andere waren aber auch kaum möglich, weil Anders, so human und gerecht er war,363 scharf auf die Einhaltung der Hausordnung achtete. So verlief das Leben recht einförmig. Wie ein Theater aussieht, schrieb Stephan, wisse keiner seiner Mitbewohner mehr, wie man auf einem Ball tanze, war nur noch eine „Tradition“, und seit Februar 1848 habe Stephan kaum einen Geigenstrich gehört. Dazu kam noch, dass die Lehrer in Schaumburg keine Klavierspieler seien, sondern „Klimperer“, wie Anders beklagte.364 Aber man gewöhne sich daran, wenn man sich zu beschäftigen wisse.365 Und zur Beschäftigung gehörte für ihn die Jagd in einem seiner sechs Reviere, zu denen er regelmäßig einlud. Voraussetzung hierfür war, dass seine „Leute – Unterthanen darf man nicht mehr sagen“366 – ihm die in der Revolution von 1848 entzogenen Jagdrechte freiwillig wieder zurückgegeben hatten. Bis 1848 war das Jagdrecht vom Grundbesitz unabhängiges Recht gewesen, die Herkunft dieses Zustands allerdings unklar und umstritten. Am 9. Juni 1848 wurde das neue Jagdgesetz erlassen, demzufolge die Jagden kommunalisiert wurden. Die Gemeinden durften oder sollten die Jagden dann wiederum 360 Spende der Kasino-Gesellschaft zu Schaumburg unter dem Freiherrn von Anders zugunsten Österreichs während des Krieges 1859; Wiener Zeitung Nr. 181 (30. Juli 1859), S. 3247. 361 HLA HHStAW Best. 130 II Nr. 3271 (14. Juli 1850). 362 NLA Oldenburg Dep. 50 Best. 6 F Nr. 134 (16. Dezember 1850). Zu den Offizieren auch HLA HHStAW Best. 1174 Nr. 11 (30. Mai 1852); StMLA Archiv Meran Schuber 7 Heft 5,8 (18. Januar 1855). Weibliche Personen im Umkreis von Anders jenseits seiner Ehefrau entziehen sich dem Kenntnisstand; vgl. Anders (1974). 363 HLA HHStAW Best. 1174 Nr. 11 (7. Juli 1865). 364 StA Diez Sch 55/Sch 332 (28. März 1859). Am 22. Februar 1848 hatte Stephan in Wien als Zuschauer noch an Theateraufführungen teilgenommen, die Mitglieder der Dynastie und des Hofstaates bestritten; Kühn, S. 138 (27. Februar 1848). 365 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 a (25. Januar 1851). 366 StMLA Archiv Meran Schuber 7 Heft 5,8 (10. August 1850).
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verpachten.367 Jetzt also wollten die Kommunen, in denen der Schaumburgische Standesherr bisher die Jagdrechte besessen hatte, ihm diese schenkungsweise überlassen, und auch Orte außerhalb des Standesgebiets waren diesem Beispiel gefolgt. Obwohl man ihn gebeten hatte, die Rechte geschenkt anzunehmen, verzichtete er darauf und setzte 50 fl. Pachtgeld für jede Gemeindekasse fest, so dass dem Erzherzog fortan das größte Jagdgebiet im ganzen Herzogtum Nassau gehörte. Zwar bezeichnete er sich nicht als passionierten Jäger, aber ihn freue das Verhalten seiner Untertanen, und er hatte fortan die Möglichkeit, Gesellschaften zusammenzurufen und eine gewisse Repräsentation zu betreiben.368 Womöglich war Letzteres auch der Grund, warum der Jagdbetrieb für ihn dann doch so bedeutsam wurde. Seitdem ist eine kontinuierliche Jagdtätigkeit nachzuweisen, durch die auch der gesellschaftliche Umgang Erzherzog Stephans in jenen Tagen zu rekonstruieren ist. Die erste große Jagdsaison scheint im Brief vom 26. Dezember 1851 auf, auch wenn nicht explizit erwähnt wird, wer den Erzherzog dabei begleitete. Da im Oktober 1852 bereits von einer Jagdgesellschaft von 22 Personen die Rede ist, sollte der Personenkreis von Anfang an nicht als gering veranschlagt werden.369 Erst ab 1856 sind nähere Angaben zu den Teilnehmenden überliefert. Das Mobiliar aus Schloss Oranienstein wurde zu solchen Anlässen auf die benachbarte Schaumburg geholt. Neben Vertretern aus Stephans Dienerschaft wie Anders, Cybulak oder Jerger war häufig der Adel der Gegend vertreten wie die Hatzfeld, Schönborn, Grünne, Breidbach, Metternich, Walderdorff370 oder Marschall. Besuche jenseits der Jagd bei anderen Familien waren hingegen nicht die Regel.371 367 Schüler (2010), S. 508–509; Kolb, S. 44. 368 StMLA Archiv Meran Schuber 7 Heft 5,8 (10. August 1850). 369 LATh StA Meiningen Gutsarchiv Barchfeld Akten Nr. 965 (19. Oktober 1852). 370 OeStA HHStA SB NL Adolf Braun 9–1–152 (10. August 1854): Walderdorff hatte ihn seit Antritt seines Exils mehrfach besucht; ein Gegenbesuch stand aber noch aus. Im Walderdorff’schen Archiv scheint keine Korrespondenz mit Stephan überliefert zu sein frdl. Hinweis von Dr. Jens Friedhoff, Hachenburg. 371 Auch das Entgegenkommen, das dem Standesherrn Metternich entgegengebracht wurde, weckte in Stephan Unverständnis, wenn nicht gar Missgunst. Als Metternich 1851 aus dem englischen Exil zurückgekehrt und auf Schloss Johannisberg im Rheingau eingezogen war, wurde er von Herzog Adolph, dessen Stiefmutter Pauline sowie der Herzoginwitwe Auguste von Cambridge besucht, ohne dass Metternich dem Herzog zunächst die Aufwartung gemacht hatte. Dieses Verhalten stieß bei Stephan auf völliges Unverständnis; NLA Oldenburg Dep. 50 Best. 6 F Nr. 134 (23. Juni 1851); Marburg, S. 284. Schließlich habe Metternich als Gast zunächst seine Visiten zu machen oder schriftlich den Wunsch einer Visite auszudrücken. Da dies nicht geschehen war, besuchte ihn Stephan nicht. Hinzu kam die Unsicherheit, wie sich Metternich, den er seit 1848 nicht mehr gesehen hatte, ihm gegenüber verhalten würde. „Und von meinem Kaiser und Herrn kann ich Manches dulden, über Vieles stillschweigen, was ich einem ehemaligen Premier gegenüber nicht vermöchte,
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Aus Wiesbaden war regelmäßig der Adjutant des Herzogs, Zimiecky, dabei, aber auch Herzog Adolph und sein Bruder Prinz Nicolas372 waren Jagdgenossen. War Stephans Bruder Joseph zu Besuch, folgte auch dieser zusammen mit seiner Dienerschaft der Jagd. Regelmäßig aber waren Offiziere aus den Garnisonen in Diez und Weilburg vertreten, aber auch andere Personen aus dem Standesgebiet, wie zum Beispiel Konditor Heck aus Diez oder Lehrer Hofmann aus Schaumburg.373 Lehrer oder sonstige Honoratioren aus der Umgebung gehörten darüber hinaus immer wieder zu den Besuchern auf der Schaumburg, wie der Rektor des Gymnasiums in Hadamar, Kreizner, sowie der Pädagoge aus Montabaur, Joseph Kehrein. Kehrein, mit dem der Erzherzog eine sehr intensive Korrespondenz pflegte, fand sich mit seinem Sohn auch zu Spieleabenden auf der Schaumburg ein.374 Kehreins Bücher setzte Stephan im Schulunterricht ein und empfing ihn immer wieder mit seinen Schülern in seinem Schloss.375 Auf Kehreins Bitten hin hatte Stephan 1851 auch die Ehrenmitgliedschaft des Nassauischen Vereins für Altertumskunde angenommen – übrigens zeitgleich mit Otto von Bismarck und anderen Repräsentanten verschiedener politischer Lager.376 Zum engeren Zirkel dürften auch der Oberförster Passbach, der Markscheider Beyer und der bereits genannte Konditor Heck aus Diez gehört haben.377 Näheres erfahren wir darüber aus den Briefen aber nicht. während ich doch andererseits seine in Ehren grau gewordenen Haare ebenfalls in Ehren halten will.“ Erwartete Stephan, von Metternich gemaßregelt zu werden? Oder wollte er mit dem ehemaligen Staatskanzler ins Gericht gehen? So oder so – Stephan blieb unversöhnlich und stolz, wozu ihm Anders auch geraten hatte. Vielleicht kam auch der Neid zum Ausdruck, denn Metternich durfte anschließend nach Wien zurückkehren, weil man dort annahm, dass er mit seinem dortigen Aufenthalt die Regierung nicht in Verlegenheit brächte; vgl. Pauline Metternich, S. 33. Stephan hingegen blieb dies verwehrt. Zu einer Jagd beim Grafen Walderdorff vgl. Mittelrheinische Zeitung Nr. 298 (18. Dezember 1858), o. S. 372 HLA HHStAW Best. 1174 Nr. 11 (6. Dezember 1854). 373 HLA HHStAW Best. 1174 Nr. 11 (13. Dezember 1856); HLA HHStAW Best. 130 II Nr. 3271, fol. 192ff. (17. Dezember 1856), fol. 200ff. (30. Dezember 1856), fol. 258ff. (20. August 1857) und fol. 309ff. (26. Dezember 1858). 374 HLA HHStAW Best. 1174 Nr. 11 (26. Dezember 1851). Kehrein sprach von Stephan als seinem „warmen Freund“; Kehrein I, S. IX. 375 HLA HHStAW Best. 1174 Nr. 11 (u. a. 11. Februar 1851, 16. Oktober 1851 und 4. November 1851). 376 HLA HHStAW Best. 1174 Nr. 11 (4. November 1851 und 18. November 1851); HLA HHStAW Best. 1098 Nr. 888 (22. November 1851); Schüler (2012), S. 62: Vermutlich war diese Ehrenmitgliedschaft weniger persönlich gemeint, sondern diente der Verankerung des Vereins in Kunst und Politik. 1842 war Stephan zusammen mit Erzherzog Joseph und Erzherzog Rainer auch Ehrenmitglied des oberösterreichischen Musealvereins geworden; vgl. Puffer, S. 378. 377 Heck (1965), S. 268.
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Neben gelegentlichen Kontakten zum europäischen Hochadel waren die persönlichen Beziehungen des Erzherzogs in der ersten Zeit nach 1850 daher vorrangig im Bereich der Standesherren und der Honoratioren im Herzogtum Nassau zu suchen.378 Auch das stellte Stephan in ein positives Licht. Am 11. Juli 1852 schrieb er an seinen Freund Carl Alexander nach Weimar, dass ihn die Hofluft angreife und er am liebsten eine „chinesische Mauer“ um sich errichten würde.379 Auslöser des Seufzers war gewesen, dass die Zarin sich in Schlangenbad aufgehalten hatte und die Option bestand, Stephan könne ihr seine Aufwartung machen, was mit dem Landesherrn – Herzog Adolph – zu besprechen war. Wien hatte keine Bedenken dagegen angemeldet. Wie zuvor schon mit Blick auf Den Haag unterband Wien also nicht Stephans Reisetätigkeit, wohl aber seine Auftritte als offizieller Repräsentant Österreichs. Er sei zwar, so Stephan, als Erzherzog abgetreten und in Ungnade gefallen, „als ich selbst“ könne er aber der Kaiserin entgegentreten. Er fragte deshalb Adolph, ob er sich auf der Schaumburg verkriechen, Anders zu ihr senden oder Anders mit der Frage zu ihr schicken solle, wann Stephan kommen dürfe.380 Es war schwierig geworden, mit seinen Standesgenossen in Beziehung zu treten. Aber es war ihm nach wie vor ein großes Bedürfnis. Denn hätte er sich wirklich vergessen machen wollen, wäre er schlichtweg auf der Schaumburg geblieben. Die Anfragen und das gewisse Kokettieren erzeugten hingegen einen leichten Druck, der die Höfe in Wien, Biebrich und St. Petersburg Stephan gegenüber zum Handeln veranlassen musste, obwohl er selbst so tat, als sei ihm daran nicht gelegen. Sein Agieren kann daher als manipulativ bezeichnet werden. Die Höfe hatten ganz unwillkürlich Stellung zu ihm und seiner Rolle zu beziehen, denn Stephan wusste genau, dass es dabei nie nur um ihn selbst ging. Alle nur erdenklichen Umstände wären, ob gewollt oder nicht, mit ihm nach Schlangenbad gefahren: seine Vergangenheit, die an ihn gestellten Erwartungen, die Ansprüche aus Wien und seine derzeitige Stellung. All das konnte Stephan nicht einfach abstreifen, und das wusste er auch – ganz abgesehen davon, dass der Besuch eine Berichterstattung in der Presse zur Folge gehabt hätte. Wien hatte ihn aber – recht geschickt – mit der grundsätzlichen Einverständniserklärung eher alleingelassen denn unterstützt. 378 Besuche wie derjenige des Bankiers Matthias Franz Borgnis-Bethmann oder des Verfassers eines Buches über die Israeliten in Deutschland, Dr. Birkenthal, bildeten wohl eher die Ausnahme; HLA HHStAW Best. 130 II Nr. 3271, fol. 112ff. (25. September 1853), HLA HHStAW Best. 1174 Nr. 11 (30. September 1853 und 20. Oktober 1853). 379 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 a (11. Juli 1852). 380 HLA HHStAW Best. 130 II Nr. 3271, fol. 77ff. (3. Juni 1852).
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Die Begegnung scheiterte offiziell daran, dass die Zarin leidend war. In Wahrheit wollte sie Großfürstin Olga, die sich ebenfalls in Schlangenbad befand, nicht in Verlegenheit bringen. Auch hier verhinderte Stephans Vorleben wiederum den Verkehr mit ihm, wenn es denn der einzige Grund war.381 Gerade aber darum war es ihm gegangen. Stephan hatte auf Herzog Adolph Druck auszuüben versucht, um ihm die Kontaktaufnahme mit der Zarenfamilie zu ermöglichen, und damit wäre auch eine schrittweise Rehabilitation realisierbar geworden. Das war gescheitert und Stephans Enttäuschung groß, so dass seine Bemerkung über die chinesische Mauer einmal mehr als positive Umdeutung eines Fehlschlags zu werten ist. Stephans Ablehnung, Herzog Adolph in Oranienstein zu besuchen, ist hingegen als ehrliche Antwort darauf zu werten, dass er nicht genügend protegiert worden war. Denn diese Einladung lehnte er mit der fadenscheinigen, ja fast schon dreisten Begründung ab, es sei ihm lästig, bei 20 bis 25 °C in Uniform Diners im Schloss beizuwohnen.382 Ein wirkliches Zerwürfnis erfolgte daraus aber nicht. Schon wenige Wochen später war ein Besuch beim Herzogspaar in Biebrich als Begleitung seiner Schwester Elisabeth angedacht,383 der weniger offiziell erscheinen konnte, weil es sich um einen Verwandtschaftsbesuch handelte. Dafür steht auch die Tatsache, dass sich Stephan grundsätzlich weigerte, anschließend noch Frankfurt zu besuchen und damit in den Umkreis des Bundestages zu geraten.384 Allerdings war das auch nur die halbe Wahrheit, denn tatsächlich holte Stephan Elisabeth in Frankfurt ab und begleitete sie persönlich auf die Schaumburg.385 Mehr als solche Verwandtenbesuche waren aber noch vier Jahre nach dem Antritt des Exils nicht zu empfangen. Damit hatte sich Stephan abzufinden. Eine Einladung zur Vermählung von Prinzessin Helene, der Schwester Herzog Adolphs von Nassau, mit Georg Viktor von Waldeck-Pyrmont, einem Cousin Stephans, musste er ablehnen, weil „Autoritäten“ vom Bundestag aus Frankfurt und aus der Bundesfestung Mainz teilnehmen würden, „Leute wie Prokesch, Mertens u.s.w. u.s.w. die seit 5 Jahren nicht wissen, wo Schaumburg liegt, wohl aber Mittel und Wege kennen, den Besitzer des Schlosses nach Kräften schlecht zu machen“.386 Da Stephan eine öffentliche Person geblieben war, wurde der Kampf gegen ihn weiterhin über Gerüchte 381 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 a (11. Juli 1852). 382 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 a (11. Juli 1852). 383 HLA HHStAW Best. 130 II Nr. 3271, fol. 83ff. (5. August 1852). 384 HLA HHStAW Best. 130 II Nr. 3271, fol. 83ff. (5. August 1852). Der Besuch kam wegen der Abwesenheit des Herzogspaars nicht zustande; ebd., fol. 86ff. (21. August 1852). 385 HLA HHStAW Best. 130 II Nr. 3262 (13. August 1852). 386 HLA HHStAW Best. 130 II Nr. 3271, fol. 106ff. (19. September 1853). Gemeint sind der österreichische Bundestagsgesandte Anton Graf Prokesch-Osten und der Vizegouverneur
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geführt, um ihn in Misskredit zu lassen. Angriffsflächen bot er genug, selbst wenn er nichts tat. Deshalb, so schrieb Stephan an Herzog Adolph, vermeide er seit 1848 alle Feste387 – als liege all das vorrangig in seiner Macht. Selbst der Vermählung seiner Schwester in Brüssel habe er nicht beigewohnt. Das war natürlich ebenfalls die Verhältnisse schöngeredet, denn letztlich musste Stephan vor Besuchen und offiziellen Auftritten zurückscheuen, weil jeder Auftritt zu diplomatischen Verwicklungen hätte führen können. Trotz der Ressentiments gegen Persönlichkeiten aus seinem Umfeld hielt Stephan daran fest, dass er vom Kaiser gnädig behandelt worden sei und dieser ihm sogar den Besuch seiner Schwester Marie Henriette erlaubt habe. Will man in diesen Worten keine Autosuggestion erkennen, wohnt ihnen zumindest eine gewisse Verlegenheit inne. Diese Taktik scheint aber die richtige gewesen zu sein, wenn auch zahlreiche innen- und außenpolitische Entwicklungen ihm zusätzlich in die Hände spielten. Langsam, wenn auch sehr zögerlich begannen sich diese Zwänge wieder etwas zu lösen, und Stephan konnte vorsichtig wieder aus dem Nichts hervortreten. In zahlreichen Zeitungen wurde berichtet, der Erzherzog sei am 26. Juni 1853 zusammen mit der Königin von Griechenland, Amalie von Oldenburg, in Berlin eingetroffen.388 Für den 27. Juni wird er zusammen mit Erzherzogin Sophie, Erzherzog Karl Ludwig, der Erbprinzessin von Meiningen, dem Herzog von Genua, Amalie von Sachsen-Weimar-Eisenach, die Ehefrau des Prinzen Heinrich der Niederlande, Prinzessin Marie der Niederlande, Prinz Wasa und der Königin von Griechenland als am Berliner Hof anwesend erwähnt. Das war ein deutliches Signal der Aussöhnung mit der Wiener Kamarilla und damit der Wiedereingliederung in den habsburgischen Hof und in die österreichische Politik. Rekonstruiert man die Ereignisse jedoch anhand der „Königlichen privilegirten Berlinischen Zeitung“, stellt sich rasch heraus, dass daraus nichts geworden war. Am 26. Juni 1853 war dort angekündigt worden, dass Amalie von Griechenland am Nachmittag zusammen mit Erzherzog Stephan und dem Prinzen Wasa in Berlin ankommen werde. Zwei Tage später wird ihre der Bundesfestung Mainz Karl Freiherr von Mertens. In den edierten Briefen des Grafen Prokesch-Osten spielen Erzherzog Stephan und die Schaumburg keine Rolle. 387 HLA HHStAW Best. 130 II Nr. 3271, fol. 106ff. (19. September 1853). 388 Siebenbürger Bote Nr. 105 (6. Juli 1853); Klagenfurter Zeitung Nr. 79 (2. Juli 1853); Fremdenblatt Nr. 153 (29. Juni 1853); Ostdeutsche Post Nr. 151 (1. Juli 1853), o. S.; Troppauer Zeitung Nr. 147 (1. Juli 1853), o. S.; zur Reise nach Eutin auch: HLA HHStAW Best. 130 II Nr. 3271, fol. 100ff. In Eutin war er am 4. Juni 1853 eingetroffen, wo er mit der großherzoglichen Familie, die sich auf dem Weg nach St. Petersburg befand, zusammentraf; Leipziger Zeitung Nr. 135 (9. Juli 1853), S. 2856.
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Ankunft für den 30. Juni angekündigt, schließlich aber trafen Erzherzogin Sophie, Amalie von Griechenland, der Prinz Wasa, Prinz Friedrich der Niederlande sowie das hessen-darmstädtische und das oldenburgische Großherzogspaar erst am 1. Juli 1853 in Hamburg zusammen. Die Gespräche mit dem russischen Gesandten von Struve und dem griechischen Konsul Mavrokefalos unterstreichen, dass es sich bei den Unterredungen um Verhandlungen im Umkreis des Krimkrieges gehandelt haben muss.389 Amalie von Griechenland und Erzherzogin Sophie reisten schließlich am 3. Juli über Berlin ab.390 Leider erfahren wir nicht, wie die Beteiligung Stephans hätte aussehen sollen. Aus der „Leipziger Zeitung“ vom 3. Juli 1853 geht hervor, dass er am 28. Juni aus Oldenburg zurückkehrend wieder auf Schloss Schaumburg angelangt war. Entweder also war der beabsichtigte Besuch in Berlin nur eine Falschmeldung oder seine Beteiligung an Gesprächen mit Erzherzogin Sophie über die Frage der Krim war zunächst forciert, aber dann fallengelassen worden.391 In beiden Fällen aber griff die Öffentlichkeit wieder einmal auf Stephans Leben über und brachte es in eine Relevanz, die aus der eigentlichen Lebensführung nicht abzuleiten war. Zwar war in der Zeitung zu lesen, dass der Besuch der Erzherzogin bei ihrer Schwester in Berlin in einer „gemüthsinnigen Sphäre“ und in der „vertrauten Familiengemeinschaft“ stattgefunden habe, weshalb ihm „selbstverständlich jede politische Färbung“ fehlte. Trotzdem ist der Hinweis auf die „Annäherungen“ zwischen Preußen und Österreich aussagekräftig genug. Im Vorfeld des Krimkrieges, in dem sich Österreich mit Preußen über die Vorgehensweise abstimmen wollte und in Gegenwart der Königin von Griechenland, die ebenfalls besondere Interessen gegenüber dem Osmanischen Reich vertrat und zugleich als Schwester des mit Russland verbundenen Großherzogs von Oldenburg eine Schaltstelle bildete, musste es offensichtlich sein, dass diese familiären Gespräche der Sondierung dienten.392 Ama389 Königliche privilegirte Berlinische Zeitung von Staats- und gelehrten Sachen Nr. 146 (26. Juni 1853), S. 2; Nr. 147 (28. Juni 1853), o. S.; Nr. 150 (1. Juli 1853), o. S.; Nr. 151 (2. Juli 1853), S. 5. Zur Beziehung der Großherzogin Mathilde von Hessen und bei Rhein zu ihrem Bruder Otto von Griechenland und zu Amalie vgl. Beck (1993), S. 254–258. 390 Königliche privilegirte Berlinische Zeitung von Staats- und gelehrten Sachen Nr. 152 (3. Juli 1853), S. 1; Acta Borussica, S. 1128–1136. 391 Leipziger Zeitung Nr. 156 (3. Juli 1853); LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 a (28. Juni 1853), Brief von der Schaumburg; Fremdenblatt Nr. 156 (3. Juli 1853) und Nr. 157 (5. Juli 1853). 392 Siebenbürger Bote Nr. 104 (4. Juli 1853), S. 518. Premierminister Melbourne erklärte bereits 1839 Queen Victoria: „People never believ[e] Kings or Queens traveled merely for friendship“; zit. nach Paulmann (2000), S. 259.
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lie von Griechenland, die Spielgefährtin des nach wie vor durch Verwandtschaft oder Bekanntschaft gut vernetzten Erzherzogs aus früheren Tagen, mochte den Versuch unternommen haben, ihn in diesem thematischen Feld wieder auf die diplomatisch-dynastische Bühne zurückzuführen. Davon hatte die Öffentlichkeit durch die Zeitungsmeldung Kenntnis erhalten. Daraus konnte sie ihre Schlüsse ziehen – ebenso aber daraus, dass der Besuch dann doch unterblieben war. Die Rehabilitierung blieb also weiterhin sehr beschwerlich und wurde nur sehr bedingt von ihm gesteuert. Der langsamen Wiedereingliederung in das Netzwerk der europäischen Hocharistokratie dienten auch die verwandtschaftlichen Beziehungen zum belgischen Königshaus.393 Erzherzog Johann hatte sich stark dafür gemacht, das Bündnis zwischen Belgien und Österreich zu intensivieren. König Leopold von Belgien, der mit dem Erzherzog seit Langem befreundet war,394 wollte deshalb seinen Sohn Leopold mit Stephans Halbschwester Marie Henriette verheiraten. Das war eine Spitze gegen Frankreich, weshalb England befürchtete, Belgien werde zur Reaktion überlaufen. Der König selbst soll ja Österreich auch als Bollwerk gegen revolutionäre Strömungen betrachtet haben.395 Das Bündnis mit den Habsburgern wertete sein Verwandter Ernst II. von Sachsen-Coburg sogar als Genugtuung, weil Leopold damit sein Bild bei all denjenigen zurechtrücken konnte, die ihn für einen revolutionären Emporkömmling hielten.396 Immerhin war Leopold ja 1830 durch eine Revolution auf den Thron gelangt. Marie Henriette war die einzige Erzherzogin gewesen, die für eine Vermählung mit dem belgischen Thronfolger in Frage kam. Österreich versuchte in jener Zeit, seine Vormachtstellung in Mitteleuropa zu festigen und seine Einflusssphäre auch in den Westen vorzuschieben, was unter anderem in Preußen misstrauisch beobachtet wurde.397 Am Vorabend des Krimkriegs zwischen Frankreich und Russland, in dem das Zarenreich unter dem Vorwand des Schutzes orthodoxer Christen im Reich der Pforte den Einfluss auf das Osmanische Reich verstärken und damit die Meerengen in seine Hand bekommen wollte, war das kein leichtes Unterfangen. So unterstützte England den Sultan gegen Russland, um das Zarenreich von den Ausgängen des Schwarzen Meeres fernzuhalten. Unter Beteiligung von Frankreich und Sardinien-Piemont kam es schließlich zu einem opferreichen Stellungskrieg, 393 Vgl. dazu allgemein Schönpflug und Fahrmeir (2018). 394 Hoor, S. 126. Vgl. auch Mayr (1931), S. 283 (11. Mai 1853): Besuch König Leopolds von Belgien mit seinem Sohn in Wien. 395 Ernst von Sachsen-Coburg I, S. 147. 396 Ernst von Sachsen-Coburg II, S. 89. 397 Windelband/Frauendienst 1, S. 368 (13. Oktober 1854).
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der auch auf die unter osmanischer Herrschaft stehenden Donaufürstentümer Moldau und Walachei übergriff. Diese wurden wiederum von österreichischen Truppen besetzt. Wie Preußen verhielt sich die Donaumonarchie jedoch grundsätzlich neutral. Obwohl sie ein Bündnis mit den Westmächten geschlossen hatte, trat sie nicht in den Krieg gegen Russland ein und verhinderte damit womöglich den Ausbruch eines umfassenden Krieges. Allerdings fühlte sich Russland, das nur wenig Jahre zuvor zugunsten der Habsburger in Ungarn interveniert hatte, durch Österreichs Verhalten betrogen, was letztlich zum endgültigen Zerbrechen der Heiligen Allianz von 1815 führte. Die Isolation Österreichs wuchs.398 Das hatte damit zu tun, dass niemand mehr recht einschätzen konnte, auf wessen Seite die Habsburgermonarchie stand. Hatte Österreich bisher fest zu Russland gehalten, forderten nun Vertreter des sogenannten liberalen Absolutismus ein Zusammengehen mit den Westmächten. Hieraus resultierte die Eheverbindung zwischen dem belgischen Thronfolger und Erzherzogin Marie Henriette. Belgien wollte sich der Rückendeckung der östlichen Großmächte versichern, Österreich demonstrierte mit der Heirat seinen Einfluss bis in den Westen Europas hinein. In Zeitungen wurde der politische Aspekt der Eheschließung diskutiert. In der „Deutschen Allgemeine Zeitung“ hieß es kritisch, dass Belgien sich zu seiner Verteidigung „nähere Freunde“ suchen müsse, und das seien Preußen und England. Beide würden im Kriegsfall das Land gegen Frankreich verteidigen.399 Auch Königin Sophie der Niederlande interpretierte diese Eheschließung als gegen Frankreich gerichtete Erklärung.400 Erzherzog Johann hatte sie womöglich auch deshalb forciert, um den ungarischen Zweig des Hauses Habsburg wieder in den Vordergrund zu bringen. Wäre die Braut bei einer Heirat mit Nassau, wie es Erzherzogin Sophie wohl genau zu diesem Zweck angedacht hatte,401 in ihrer Bedeutung marginalisiert worden, erlangte sie so Prominenz. Marie Henriette wurde ein Opfer all dieser strategischen Spiele. Sie war sehr unglücklich über ihr Schicksal und machte sich nur schweren Herzens auf den Weg nach Belgien. Unterwegs holte sie sich Trost bei ihrem Halbbruder Stephan, der bemerkte, dass seine Schwester den Eindruck einer Krankenpflegeschwester („sœur grise“) mache, die einen tuberkulösen Mann heiraten solle.402 Sollten mit 398 Schieder (1992), S. 86–88. 399 Deutsche Allgemeine Zeitung Nr. 110 (13. Mai 1853), S. 926 und Nr. 210 (8. September 1853), S. 1734. 400 Jackman/Haasse, S. 146 (25. Mai 1853). 401 HLA HHStAW Best. 130 II Nr. 2123 i, fol. 32 (o. D.); Nicklas, S. 97. 402 Stephanie von Belgien, S. 25; Kerckvoorde, S. 16–17; Corti (1922), S. 204. Stephan empfahl ihr Toni Schariry, die Tochter seines Gärtners, als Vertraute.
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dieser Einschätzung neben atmosphärischen Bildern auch Signale zur politischen Lage gesendet werden, bedeutete das eine merkwürdige Überschätzung habsburgischer Potenz. Ein festlicher Empfang der Braut vor ihrer Vermählung mit Fackelzug, illuminierten Räumen, Musik und Gesang sowie einem eigens von Stephan gedichteten Huldigungslied, das auf die Melodie der österreichischen Volkshymne gesungen wurde, fanden auf der Schaumburg statt. Eine solche Aktion brachte zugleich Stephan in Erinnerung. Die Kunde davon drang auch bis nach Österreich. Das musste Stephan wissen und war von ihm gewiss auch so berechnet worden.403 Denn er konnte, nachdem seine Schwester die Weltöffentlichkeit betreten hatte und Stephan zumindest indirekt in das weitverzweigte Haus Sachsen-Coburg integriert wurde, nicht länger verschwiegen werden, auch wenn der belgische König ihn nach der Eheschließung seines Sohnes zunächst einmal ignorierte.404 Noch bis November 1862 sollte es dauern, bis er auf Einladung des Königs Brüssel besuchen durfte, und auch die Beziehung zum Thronfolger musste sich erst einspielen. Bei einem Besuch auf der Schaumburg ließ dieser seinen Schwager 1855 deutlich spüren, wie sehr er die Österreicher, die Erzherzöge und insbesondere Stephans Halbbruder Joseph verabscheute.405 Erst drei Jahre später, bei einem weiteren Besuch, ist von einem freundschaftlichen Verhältnis die Rede.406 Letztlich lag dieses diplomatische Tauwetter ohnehin nicht im Ermessen Stephans. Dass der Wiener Hof mittlerweile auf die ungarische Linie zuging und sein Verhalten gegenüber Erzherzog Stephan lockerte, war sicherlich auch darin begründet, dass nach dem gescheiterten Attentat des Ungarn Libényi im Februar 1853 Kaiser Franz Joseph eine größere Milde walten ließ und in diversen Städten der Monarchie den bestehenden Belagerungszustand aufhob.407 Die Aufhebung des Belagerungszustandes erfolgte 1854 sogar in Ungarn. Stephan wertete das Attentat übrigens als „Aderlaß, um ihnen [den Ungarn] jene alte Liebe und Anhänglichkeit wieder klar zu machen, die vielleicht in ihnen da und dort geschlummert“ habe, „gewiß aber
403 Österreichisches Bürger-Blatt Nr. 143 (8. September 1853). 404 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 a (20. Mai 1858). 405 OeStA HHStA SB NL Adolf Braun 9–1–152 (31. August 1855). 406 APR Fonds Goffinet, lettres de l’archiduc Etienne d’Autriche au Roi Léopold II (20. und 24. Februar 1858); LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 a (20. Mai 1858). 407 Das war bereits im Herbst 1852 im Gespräch gewesen; Mayr (1931), S. 263–265 (für 1852), S. 288 (für 1853). Insbesondere Grünne stemmte sich gegen die Aufhebung des Belagerungszustandes.
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nirgends ganz verkümmert“ sei.408 Das Attentat wurde damit zu einem Katalysator, um die Anhänglichkeit der Ungarn gegenüber dem Kaiserhaus wieder zu befördern. Eine merkwürdige Verkehrung der Ereignisse steckt in dieser Analyse, denn nicht die Ungarn entdeckten durch das Attentat ihre Liebe zum Kaiser wieder, sondern der Kaiser erkannte, dass sein harter Kurs gegenüber den Ungarn die Lage nur unnötig angespannt sein ließ. Zusammen mit seiner bevorstehenden Hochzeit mit Elisabeth von Bayern409 mag die Einsicht dazu geführt haben, dass die Sanktionen gegenüber Ungarn gelockert wurden. Von diesem Gesamtklima profitierten auch Stephan und seine Familie. Die Attentatsgerüchte während der Reise Franz Josephs und der Mordversuch 1853 hatten bewiesen, dass Ungarn keineswegs befriedet war.410 Die Familie des in Ungarn immer noch verehrten Palatins Joseph sollte daher keine unnötige Identifikationsmöglichkeit bieten. Dafür war die – in Ansätzen schon früher erkennbare – Eingliederung in den dynastischen Gesamtverband das adäquate Mittel. Folgerichtig trat auch die seit 1849 verwitwete Erzherzogin Elisabeth wieder vor den Traualtar. Ihre Eheverbindung mit Kaiser Franz Joseph war nicht zustande gekommen, weil Erzherzogin Sophies Vorbehalte gegen die ungarische Linie des Hauses Habsburg sie verhindert hatten.411 Das wäre dann wohl auch zu viel an Rehabilitierung gewesen. Stattdessen heiratete Elisabeth einen Mann, mit dem sich Stephan nicht einverstanden erklären konnte. Im Januar 1854 hatte er davon erfahren, dass sie Erzherzog Karl Ferdinand ehelichen sollte, einen Sohn Erzherzog Karls, mit dem Stephan in Prag in einem recht engen Verhältnis gestanden hatte. Elisabeth hatte Stephan geschrieben: „Ich weiß seine Jugendverirrungen, weiß aber auch, daß er jetzt rangirt, ernstlich gebessert und gesund ist!“412 Sie bezog sich damit auf den zurückliegenden lockeren Lebenswandel des Bräutigams und seine Geschlechtskrankheit, wie sie ihm schon Beichtvater Columbus zur Last gelegt hatte. Stephan glaubte, wie er Erzherzog Johann gestand, diese Eheverbindung sei aus einer Art Verdruss („par une espèce de dépit“) heraus entstanden, so dass er die Wahl seiner Schwester, ihr Vorgehen und die Schnelligkeit der Wahl missbilligte.413 Sein Onkel Johann sah das ähnlich. 408 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 a (23. März 1853). 409 Vocelka (2015), S. 105. 410 Vocelka (2015), S. 96–97; Judson, 288–289. 411 Vocelka (2015), S. 121; Friedjung 2.1, S. 257; Hamann (1987), S. 24; Holler, S. 242. 412 StMLA Archiv Meran Schuber 7 Heft 5,8 (20. Januar 1854). 413 StMLA Archiv Meran Schuber 7 Heft 5,8 (1. Februar 1854). Dem Pädagogen Kehrein erklärte Stephan, Karl Ferdinands Freund zu sein, während er Carl Alexander von Sachsen-Weimar gestand, seiner Schwester deutlich seine Meinung gesagt zu haben; HLA
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Stephan riet dazu, dem sehr festen Willen seiner Schwester „Schranken“ anzulegen, so als wolle er dem innerdynastischen Auftrieb widersprechen. Folglich suchte Erzherzog Karl Ferdinand nun auch den Kontakt zu Stephan. Im ersten Brief seit 1842 erklärte er ihm, immer sein Freund geblieben zu sein.414 Elisabeths Eheschließung verzahnte die verschiedenen habsburgischen Linien wieder enger miteinander. Darum ist es nicht verwunderlich, dass sich Vertreter der Politik nun wieder offiziell bei Stephan einfanden. Der Bundestagsgesandte und Orientspezialist Anton von Prokesch-Osten, dessen Missachtung er noch im September 1853 beklagt hatte,415 kündigte seinen Besuch im Januar 1854 für das kommende Frühjahr an.416 Prokesch hatte anlässlich des Krimkrieges in Österreich enorm an Reputation gewonnen, weil er als Experte für orientalische Fragen galt. Bereits im Dezember 1852 wollte er als Diplomat nach Konstantinopel gehen, was Russland mit Argwohn erfüllte. Seine Berufung zum Bundestagsgesandten nach Frankfurt im Januar 1853417 gab zu allerlei Spekulationen Anlass: Bedeutete dies die Wahrung des engen Anschlusses an Russland oder eine Annäherung an die Westmächte? Oder sogar beides, um Österreichs Stellung in Kontinentaleuropa zu stärken?418 Einen Orientexperten in diesen Zeiten mit einer solchen Aufgabe zu betrauen, musste allerlei Vermutungen hervorrufen, weil sich Prokesch-Osten durch seine Fachkenntnis während des Krimkrieges intensiv in brennende politische Fragen einbringen konnte. Inwiefern sein Besuch bei Stephan offiziell, im Namen der österreichischen Regierung oder gar des Kaisers stattfand oder nur der Versuch eines Diplomaten war, sich mit einem als oppositionell angesehenen Mitglied des Kaiserhauses zu besprechen, ist ungewiss. Der preußische Bundestagsgesandte Otto von Bismarck ging davon aus, Prokesch-Osten sei durch die Wiener Regierung zu Stephan gesandt worden. Bisher sei ihm ein solcher Besuch verboten worden, obwohl das „Schicklichkeitsgefühl“ des Gesandten diesem schon früher nahegelegt habe, die Visite zu machen.419 Wenn sich aber ein Orientexperte während des Krimkriegs mit dem ehemaligen Palatin von Ungarn traf, sandte das unweigerlich Zeichen aus, die in Richtung einer ReHHStAW Best. 1174 Nr. 11 (31. Januar 1854); LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 a (30. Januar 1854). 414 StMLA Archiv Meran Schuber 7 Heft 5,8 (1. Februar 1854). 415 HLA HHStAW Best. 130 II Nr. 3271, fol. 106ff. (19. September 1853). 416 StMLA Archiv Meran Schuber 7 Heft 5,8 (20. Januar 1854). 417 HLA HHStAW Best. 210 Nr. 11356 (Januar 1853). 418 Gall (1980), S. 158–159; Hantsch, S. 378; Vocelka (2015), S. 114–115. 419 Windelband/Frauendienst 1, S. 368 (13. Oktober 1854). Zu Bismarcks schwierigen Verhältnis zu Prokesch-Osten vgl. Engelberg (2014), S. 234–235.
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habilitation verstanden werden mussten. Bismarck fasste auch tatsächlich ins Visier, Stephan könne wieder in Ungarn eingesetzt werden, was in Anbetracht all dessen, was wir wissen, völlig utopisch war. Nach Stephans eigener Aussage kam bei dem dreitägigen Besuch des Gesandten im Oktober 1854 auf der Schaumburg, bei dem tatsächlich über den Krimkrieg konferiert werden sollte,420 kein Meinungsaustausch zustande. Vielmehr erläuterte der eher liberal eingestellte Prokesch seine Haltung im „Lloyd-Ton“, also im Duktus des konservativ ausgerichteten großösterreichischen Blattes „Journal des österreichischen Lloyd“, was in Stephan die Neugier weckte, auch die anderen Parteien zu hören. Der exilierte Erzherzog mit guten Beziehungen nach Russland und Griechenland wurde also eher dozierend über Österreichs Haltung informiert. Prokesch wird ihm wohl erläutert haben, dass aus dem Krimkrieg eine für Österreich günstige Friedenslösung zu erzielen sei, indem dem Zaren verdeutlicht werde, dass Russland die orientalische Frage nicht im Alleingang werde lösen können, Frankreich durch Österreichs „Selbständigkeit gefesselt“ sei und England „in seiner Nacktheit sehr armselig“ dastehe.421 Diese Hoffnungen bewahrheiteten sich jedoch nicht, so dass auch der Diplomat erkennen musste, dass Österreich mittlerweile ganz alleine stand, was er der unentschiedenen Politik des Ministerpräsidenten und Außenministers Buol-Schauenstein zuschrieb.422 Stephans Bekanntschaft mit der dynastischen Achse Oldenburg-Griechenland-Romanow war ein wichtiges Element in der Strategie des Diplomaten. Der Erzherzog hielt sich aber bedeckt, was auch angeraten war, denn im Wiener Ministerrat galt sein Verhalten von 1848 nach wie vor als „Aufruhr“423, und die Gefahr, dass Prokesch-Osten ihn in dieser Krise auf seine Haltung hin abklopfen wollte, war nicht von der Hand zu weisen. Für eine Kehrtwende gegenüber seiner Person gab es noch kein offizielles Signal. Otto von Bismarck aber verlieh dem Besuch Prokesch-Ostens auf der Schaumburg ein besonderes Gewicht. Denn er erkannte bei dem von ihm misstrauisch beobachteten Österreicher,424 seitdem er von Erzherzog Stephan zurückgekehrt war, ein mokant-herausforderndes Benehmen. Den Erzherzog wertete Bismarck gegenüber dem konservativen preußischen General Leopold von Gerlach daher als Scharfmacher im Hintergrund, was 420 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 a (1. November 1854). Bereits im August zeichnete sich der Besuch ab; OeStA HHStA SB NL Adolf Braun 9–1– 152 (10. August 1854). 421 Mayr (1931), S. 272 und S. 358. Zum österreichischen Lloyd vgl. Paupié I, S. 125–126. 422 Mayr (1931), S. 369. 423 Protokolle des österreichischen Ministerrats III.3, S. 80–81. 424 Gall (1980), S. 135, S. 158, S. 164–165
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durch Quellen zumindest nicht zu belegen ist.425 1854 ging Bismarck davon aus, dass Prokesch-Osten mit Stephan über die Wiederherstellung Polens und den Erwerb neuer Besitzungen auf dem Balkan verhandelte.426 Galizien galt unter europäischen Diplomaten immer wieder als österreichische Verhandlungsmasse, die zugunsten anderer Zugeständnisse abgetreten werden könnte. Sowohl für Preußen als auch für Russland war aber die polnische Frage zu wichtig, um Veränderungen einfach hinnehmen zu können.427 Wenn auf der Schaumburg solche Ränke geschmiedet wurden, musste diesen Besprechungen in den Augen des preußischen Bundestagsgesandten etwas Konspiratives anhaften – zumal er um die russischen Kontakte des Exilanten wusste.428 Diese russischen Kontakte – entweder direkt oder vermittelt über die mit Stephan verwandten Häuser Oldenburg und Württemberg – waren ein enormer Trumpf für den Exilierten, der ihm in besonderem Maße nach dem Ende des Krimkrieges Gewicht verlieh. Im Sommer 1857 fand sich Großfürstin Alexandra von Russland, geborene Prinzessin von Sachsen-Altenburg, die mit Großfürst Konstantin, dem Bruder des Zaren Alexander II., verheiratet war, bei ihm ein und blieb fünf Tage länger als geplant.429 Das schmeichelte der Eitelkeit des Erzherzogs, wie er selbst bekannte.430 Auch der Großherzog und die Großherzogin von Oldenburg kamen mit ihren umfangreichen Suiten zu Besuch.431 Stephan selbst wusste diese Ereignisse auch geschickt gegenüber Herzog Adolph von Nassau und dem Wiener Mineralogen Haidinger zu deuten: „Rußland bei Oesterreich – ein Evenement in jetziger Zeit“.432 Nach der unglücklichen Neutralität Österreichs im Krimkrieg war 425 Rothenfels, S. 195 (25. Oktober 1854), Bismarck an Leopold von Gerlach: „Seit Prokesch von Erzherzog Stephan zurück ist, affectirt er, wenn die Jäger bei ihm spielen, Vorliebe für Mazurka, und wenn er zu mir kommt, fredonnirt er auf der Treppe einige falsche Töne, welche den letzten Tacten von ‚Noch ist Polen nicht verloren‘ möglichst ähnlich sind.“ Vgl. Windelband/Frauendienst 1, S. 371; auch Petersdorff 2, S. 71; Senner, S. 38. 426 Petersdorff 1, S. 505 (20. Oktober 1854); Windelband/Frauendienst 1, S. 368 (13. Oktober 1854). 427 Schieder (1992), S. 95–96; Gall (1980), S. 162–163 und S. 272–274. 428 Nicht ohne Grund umging Bismarck 1866 Stephan, als er mit Hilfe ungarischer Emigranten versuchte, das Habsburgerreich von innen zu zerstören; Gall (1980), S. 359–360; Allmayer-Beck, S. 212; Bremm, S. 267. 429 OeStA HHStA SB NL Adolf Braun 10 (10. August 1857); LHA Koblenz Best. 47 Nr. 12122; BayHStA GHA Nachlass Erzherzogin Elisabeth von Österreich Nr. 98 (12. August 1857). „Die Großherzöge kommen der Reihe nach“, schrieb Stephan stolz. 430 NLA Bückeburg F 1 A XXVI Nr. 9 (15. Juli 1857). 431 Haidinger (1897), S. 31. 432 Haidinger (1897), S. 32; HLA HHStAW Best. 130 II Nr. 3271, fol. 252ff. (10. August 1857), an Herzog Adolph: „Rußland bei Oesterreich – que dites Vous“.
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das Verhältnis zwischen Russland und Österreich dermaßen zerrüttet, dass der Besuch der Großfürstin auf der Schaumburg als diplomatische Sensation gelten konnte. Zu begründen war dies familiär, denn Alexandras Mutter war eine Schwester von Stephans Stiefmutter. Einiges an Brisanz bot der Besuch aber trotzdem, weil rein familiäre Aktivitäten diplomatische Tiefe durch die öffentliche Wahrnehmung bekommen konnten. Stephan fungierte dynastisch als Scharnier zwischen der – nach Paulmann – östlichen und südlichen Linie der dynastischen Klientel in Europa.433 Gerade der Österreich sehr nahestehende Herzog Adolph hatte Stephan vor dem Besuch gewarnt, befürchtete er wohl, das Treffen könne den Unmut Wien auf sich ziehen. Aber stolz konnte Stephan ihm berichten, dass der österreichische Diplomat Rechberg ihm dazu sogar gratuliert habe. Stephan war davon überzeugt, seinem Land Gutes zu tun. Auch stellte er die Frage, ob er etwa „weitsichtige Verwandte, die mich hier aufsuchen, die sich eine Freude daraus machen, mich wiederzusehen, meiden soll zu Gunsten naher Verwandten, die mich meiden? Das, glaube ich, wird Niemand verlangen!“434 Natürlich war es ein gewisses Vabanquespiel, ausgerechnet in der schwierigen Situation während des Krimkrieges und danach mit russischen Vertretern – oder auch mit Amalie von Griechenland – in Beziehung zu treten. Wien hätte sich von Stephan erneut zurückziehen können. Aber die Wahrscheinlichkeit, dass man in Österreich erkannte, um Stephan nicht mehr herumzukommen, weil er im informellen dynastischen Netzwerk zu fest verankert war, schien doch weitaus größer zu sein. Stephan bekannte sich zu diesem Zeitpunkt explizit zur „Versöhnung“ mit Russland.435 Das war wichtig in einer Zeit, in der Russland mit Frankreich Absprachen zu machen begann, ein selbstständiges Ungarn zu schaffen.436 Der Kontakt zu 433 Paulmann (2000), S. 82–83. 434 HLA HHStAW Best. 130 II Nr. 3271, fol. 258 (20. August 1857). 435 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 b (13. Februar 1860). Später sind von Stephan gegenüber Russland deutlich kritischere Einschätzungen zu lesen; HU MNL OL P 301 (23. März 1866): Es komme anlässlich eines Besuchs des Großfürsten Konstantin in Wien zum Ausklopfen der russischen Uniformen, und der Erzherzog wünschte, dass dies bis ins Mark gehen werde. Zum Großfürsten und zu der Missstimmung zwischen Russland und Österreich anlässlich der Aufstände in Polen, die man in Russland von Österreich unterstützt glaubte, HU MNL OL P 301 (14. März 1863). 436 Mayr (1931), S. 53. Dass Bürgermeister und Gemeindediener des Örtchens Fachbach Anzeige gegen die Großfürstin wegen zu schnellen Fahrens innerhalb des Ortes erstattet hatten, war deshalb besonders heikel. Den beiden wurde durch die Wiesbadener Regierung Dienstentlassung und Gefängnisstrafen angedroht, was Stephan sehr zufriedenstellte – „in meinem, aber auch ganz Nassau’s und aller Kurfremden Interessen“; LHA Koblenz Best. 47 Nr.12122 (7./8. August 1857). Begründet wurde die Vorgehensweise damit, dass es bei selbstfahrenden Kavalieren genüge, sie auf die Tat hinzuweisen. Abgesehen von einem standes-
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Prokesch-Osten riss auch nicht mehr ab, als dieser 1855 seinen Posten als österreichischer Internuntius in Konstantinopel antrat. Stephan betitelte ihn mittlerweile sogar als seinen Freund.437 Der exilierte Palatin, der just in dieser Zeit auch damit begann, die Schaumburg repräsentativ und ambitioniert auszubauen,438 spürte den Gesinnungswandel sehr deutlich. An seinen Onkel Johann meldete er stolz und erleichtert, dass nun auf einmal auch die österreichischen Generäle wüssten, wo die Schaumburg liege. Vom Aufenthalt des Bundestagsgesandten zusammen mit Legationssekretär Braun berichtete er, von den Besuchen des Feldmarschallleutnants Baron Mertens mit seinem Adjutanten Major Priner, „und so hatte ich wieder die Freude, österreichische Uniformen nicht bloß in meinem Kasten, sondern auch an anderen Individuen zu sehen.“ Stephan konnte deshalb selbst erkennen, dass das Eis gebrochen war, weshalb er sich sogar mit den Gedanken trug, beim Ausfall eines Jagdgenossen den Festungskommandanten von Mainz, Baron Steininger, und den Oberkommandanten der Mainzer Bundesgarnison, Generalmajor Schmerling aus Frankfurt, einzuladen.439 Beider Besuch auf der Schaumburg kam im Dezember 1856 zustande, und Schmerling musste nach Stephans Worten erkennen, dass der Teufel nicht so schwarz sei, wie man ihn an die Wand male.440 Im Juli 1856 absolvierte der Kommandant der Bundesfestung Mainz, Generalmajor Paumgartner, sogar seinen offiziellen Abschiedsbesuch bei Stephan.441 Erwähnenswert ist darüber hinaus, dass unter den zahlreichen Besuchern,442 welche die Schaumburg in der Wahrnehmung des Hausherrn mittherrlichen Bewusstsein, das jenseits des Rechts stand, rührte die Erleichterung sicherlich auch daher, in der labilen Lage nicht von unpassender Seite Schwierigkeiten heraufzubeschwören. Stephans außenpolitisches Renommee sollte nicht leiden, sondern vielmehr den Kaiser, aber auch Polizeiminister Kempen zum Umzudenken bringen; Mayr (1931), S. 53–54. 437 HLA HHStAW Best. 1174 Nr. 11 (15. August 1855); OeStA HHStA SB NL Prokesch-Osten 1–4 (28. Oktober 1855 und 3. April 1856), leider sind im Nachlass Prokesch-Ostens nur diese beiden, wenig aussagekräftigen Briefe erhalten. Vgl. auch OeStA HHStA SB NL Adolf Braun 9–1–152 (19. Oktober 1854). 438 1856 ließ er im Kloster Marienstatt bei Hachenburg ein Grabkreuz für 600 hier bestattete österreichische Soldaten errichten, die zwischen 1793 und 1797 im dortigen Lazarett verstorben waren. Auch das war ein pro-österreichisches Zeichen; Struif, S. 126–127. 439 HLA HHStAW Best. 130 II Nr. 3271, fol. 184ff. (24. November 1856); Fremdenblatt (20. Dezember 1856), o. S.; Österreichischer Soldatenfreund Nr. 77 (24. September 1853), S. 614. 440 OeStA HHStA SB NL Adolf Braun 9–1–152 (27. Dezember 1856). 441 Leipziger Zeitung Nr. 164 (11. Juli 1856), S. 3908. 442 Ob ein zweiwöchiger Emser Aufenthalt im Herbst 1856, den er in Begleitung von Anders und mit großem Gefolge absolvierte, jenseits der Bäder und Schwitzkuren auch diplomatischen Zwecken diente, ist unklar. Stephan selbst sprach von Stockschnupfen, den er deshalb im September in Ems auskuriere, weil der Ort zu dieser Zeit von Kurgästen fast leer sei. Wie so häufig scheinen wesentliche (Hinter-)Gründe verborgen zu bleiben.
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lerweile zum „Wirtshaus für Gäste“ werden ließ,443 auch immer wieder Ungarn vertreten waren: der konservative Graf Ludwig Károlyi aus Wien444, Herr von Ürményi aus Pest – womöglich der konservative Politiker Joszef von Ürményi, gegen den sich Stephan 1847 gewandt hatte –, und der Kossuthianer Dr. Jakovich aus Ofen. Der Kustos der Universitätsbibliothek zu Pest Reguly befand sich zeitgleich mit dem Herzog von Nassau, Prinz Elimar von Oldenburg, einem niederländischen Major und einem Mailänder Marchese auf der Schaumburg.445 Wie diese Kontakte zustande gekommen waren und welche Absicht die Herren auf die Schaumburg trieb, wissen wir nicht. Aber die Kontakte belegen ein kontinuierliches, wenn auch disparates persönliches Netzwerk Stephans,446 das seit der Entspannung der Lage wieder aktiviert werden konnte oder von sich aus die Nähe des Erzherzogs suchte. Diese Personen stellten sich nun wieder bei ihm ein, und – viel wichtiger – Wien ließ sie gewähren. Das war Teil der habsburgischen EntspanDas lässt viele von Stephans Äußerungen unklar und sogar anfechtbar werden; BayHStA GHA Nachlass Erzherzogin Elisabeth von Österreich Nr. 98 (27. September 1856); Emser-Fremdenliste 1856 (8. bis 19. September 1856); HLA HHStAW Best. 1174 Nr. 11 (13. September und 26. September 1856); LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 a (13. September 1856): „Denn entweder man lernt Leute kennen, die Einem gefallen und homogen sind, oder es sind nothwendige Convenienzconaissancen u. dgl. In ersterem Falle ist es ärgerlich, wenn man sie wieder aufgeben und ausrufen muß ‚auf Nimmerwiedersehen!‘ In letzterem hingegen ist es schade um die Zeit, die man darauf verschwendet hat.“ HLA HHStAW Best. 1174 Nr. 11 (4. Oktober 1856): Gegenüber dem Pädagogen Kehrein bedauerte er, dass er nur so wenige Kurgäste vorfand wie Flöhe bei einem Hund, der lange im Wasser geschwommen sei; HLA HHStAW Best. 1174 Nr. 11 (13. September und 26. September 1856). 443 HLA HHStAW Best. 1174 Nr. 11 (15. August 1855), „Karawanserei“. 444 BayHStA GHA Nachlass Erzherzogin Elisabeth von Österreich Nr. 98 (12. August 1857), zusammen mit anderen Ungarn; BLKÖ 11 (1864), S. 6. 445 HLA HHStAW Best. 1174 Nr. 11 (3. Oktober 1855), vgl. auch ebd. (15. August 1855). Jakovich war 1849 Kommissar in Saros (Ruthenien) gewesen und 1856 begnadigt worden; Der Lloyd Nr. 281 (14. Juni 1849), o. S.; Kronstädter Zeitung Nr. 114 (19. Juli 1856), S. 496. 446 1853 war z. B. Maximilian Freiherr von Gagern auf Fürsprache des belgischen Königs Belgien in den österreichischen Staatsdienst gewechselt. Otto von Bismarck ging davon aus, dass Stephan – wie auch seine Schwester Marie Henriette – maßgeblichen Anteil an dem Wechsel gehabt habe. Gagern hatte als gemäßigter Liberaler während der 48er Revolution auf Herzog Adolph einwirken können, war aber im Zuge der Restaurationspolitik und wegen seines Übertritts zum Katholizismus zusehends ins Abseits geraten. Der Wechsel nach Österreich schien einen Ausweg aus der Isolation zu bieten. Gagerns nationale Sicht auf die deutsche Einigung brachte ihm dann aber in Wien kaum Erfolge, auch wenn seine Tätigkeit auf wirtschaftspolitischem Sektor sehr fruchtbar war; StA Diez Sch 55/Sch 332 (18. April 1854); HStAD Best. O 11 H Nr. 22 (8. Juni 1854); Petersdorff 1, S. 80 (13. November 1855); Schüler (1984), S. 178 und S. 207; Wentzke (1964), S. 36–37; von Pacher, S. 479–483; Riotte (2018), S. 37.
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nungspolitik in der Phase eines innen- und außenpolitischen Entspannungsund Schlinger, allerdings keine volle Rehabilitierung, auf die Stephan aber setzte und zu der er deutlich sichtbare Zeichen einforderte.447 Als Erzherzog Ferdinand Maximilian, der Bruder Franz Josephs, sich im Mai 1856 im Nassauischen aufhielt, kam es hingegen zu keiner Begegnung mit Erzherzog Stephan, wie die „Deutsche Allgemeine Zeitung“ als besonders auffallend meldete.448 Auffallend womöglich auch deshalb, weil Ferdinand Maximilian wie Stephan als Liberaler galt. Diese Einschätzung war unter anderem der Affinität des Kaiserbruders zu nationalen Wünschen, darunter auch Sympathien für die Ungarn, und seinen konstitutionellen Gedankenspielen geschuldet. Der konservative Graf Grünne verglich die Haltung von Ferdinand Maximilian 1858 gar mit derjenigen Stephans im Jahr 1848.449 Trotz alledem aber kam es zwischen den beiden nie zu einem Kontakt. 1856 wäre es auch undenkbar gewesen, weil es eine vollumfängliche Rehabilitierung – wenn nicht gar ein Entgegenkommen der kaiserlichen Familie – bedeutet hätte, was nicht im Sinne Wiens gewesen wäre. Mit Erzherzogin Sophie stand Stephan in keiner Verbindung, wie er selbst offenherzig bekannte, und seine Fürsprache bei ihr für andere wäre „der Sache eher schädlich wie nützlich“ gewesen.450 Ja, Stephan wollte auch erkennen, dass es vorrangig Erzherzogin Sophie blieb, die gegen Stephan gerichtet agierte und damit auch anderer Meinung als der Kaiser selbst war. Carl Alexander von Sachsen-Weimar gegenüber verbarg er diese Einschätzung nicht.451 Aber das Eis war gebrochen, und so nimmt es nicht wunder, dass mittlerweile auch wieder einmal die Rückkehr Stephans nach Wien thematisiert wurde. 6.5 Tauziehen um eine Form der Normalität Noch 1855 war eine Rückkehr Stephans ins Habsburgerreich undenkbar gewesen. Als seine Stiefmutter Maria Dorothea in Ofen während eines Be447 ÖNB Autogr. 55/33-19 (13. August 1855), an Wessenberg: „mag dies nun faktisch nach vorgenommenen Erhebungen oder symbolisch durch irgend eine Ernennung durch eine Berufung auf eine Stelle geschehen, die diesen Anfeindungen und falschen Urtheilen einen Riegel vorschiebt!“ 448 Deutsche Allgemeine Zeitung Nr. 116 (21. Mai 1856), S. 1020. 449 Mayr (1931), S. 478; zur Haltung von Ferdinand Maximilian zu Ungarn ebd., S. 297–298. 450 HLA HHStAW Best. 1174 Nr. 11 (17. Januar 1856). 451 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 a (29. Dezember 1856). Anhand des Briefwechsels Sophies mit ihrer Schwester Elisabeth lässt sich diese Einschätzung nicht verifizieren; GStA PK BPH Rep. 50 T Nr. 43 und 44 Band 1 bis 4.
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suchs bei ihrer Tochter Elisabeth im Sterben lag, informierten ihn die Geschwister durch Depeschen über den Stand der Ereignisse. Der Besuch des Sterbebettes bzw. der Beisetzungsfeierlichkeiten blieb ihm verwehrt.452 Stephan ließ deshalb in den Zimmern, die sie auf der Schaumburg bewohnt hatte, das Seelenamt unter Anwesenheit der Dienerschaft zelebrieren. Trotzdem schlich sich der Gedanke an eine Rückkehr immer wieder häufiger in Stephans Korrespondenz ein. Im Dezember 1856, anlässlich des Besuchs des Mainzer Festungskommandanten Steininger und des Mainzer Oberkommandanten Schmerling, die er ja persönlich eingeladen hatte, legte er gegenüber seinem Freund Carl Alexander von Sachsen-Weimar dar, wie er die Lage mittlerweile einschätzte. Ein Umdenken in Wien sei zu bemerken, das er als Reaktion auf die häufigen Besuche „Höchstgestellter Verwandter“ bei ihm auslegte, „die seit 1848 nicht immer so dachten, als es nun der Fall ist“. Er erblickte also in den Besuchen kein Zeichen für ein Umdenken Wiens, sondern glaubte, dass diese Besuche in Wien erst eine Meinungsänderung herbeigeführt hätten. Von Wien aus sei aber bisher kein Schuldbekenntnis („Peccavi“) erfolgt, vielmehr wolle man ihm nur jene Form einer Rückkehr bieten, die Wien ihm „concediren“ werde.453 Aus diesem Vorgehen wollte Stephan eine Schuldzuweisung an ihn erkennen. Der Gnadenakt der Wiederaufnahme hätte ihn vor aller Welt in seinen Augen kompromittiert. Deshalb beschloss er, jedem entgegenzukommen, der ihn besuchte, niemals aber um etwas zu bitten, was er fordern könne. Und dabei trat der ganze Stolz des Verbannten deutlich zutage: Er erhob den Anspruch, sich rechtfertigen zu dürfen und sich an denjenigen zu rächen, die bei seiner Rückkehr „ein schiefes Gesicht“ schnitten. Sehnsucht nach dem Habsburgerreich und der Wunsch, ein seinem Ehrgeiz entsprechendes Leben führen zu können, kamen ebenso zum Ausdruck wie sein Stolz, nicht als Bittsteller auftreten zu wollen. Diese Ambivalenz machte Unterredungen mit ihm schwierig. Wenn seine Gäste auf der Schaumburg begannen, von der Politik allgemein oder seinem Leben vor 1849 zu reden, fragte er direkt: „Habt Ihr dazu Auftrag?“ Sollten sie dies verneinen, erklärte er, er sei immer ein loyaler Untertan des Kaisers gewesen, auch 1848, und das mehr als mancher andere. Er dürfe aber nicht reden, bevor er nicht vom Kaiser dazu aufgefordert werde. Ähnlich hatte er es schon zuvor gehalten, indem er grundsätzlich keine Briefe mit dezidiert politischem Inhalt beantwortet, ja, diese sogar persönlich vernichtet hatte.454 In 452 Haidinger (1897), S. 7; StA Diez Sch 55/Sch 332 (5. April 1855 und 10. Mai 1855); Kováts, S. 352. 453 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 a (3. Dezember 1856). 454 Kováts, S. 343. Nur kam es mitunter vor, dass in solchen Fällen Anders mit oder ohne Wissen seines Herrn ablehnende Antworten verfasste.
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der heiklen Situation, in der er sich jetzt befand, war ein geschicktes Vorgehen umso wichtiger, um nicht zu vereiteln, was nun wieder greifbar schien. In Wien, so glaubte Stephan, kam sein Verhalten gut an, was in ihm womöglich die Hoffnung keimen ließ, dass man sich dort auf ihn zubewegen werde. „Meine Existenz kömmt mir vor wie ein Nebelbild – die Sonne kämpft mit den Dünsten, lange zwar aber doch – will man die Dünste schnell zerreißen, dann steigen sie nach oben und kommen als schädlicher Regen herab, wartet man aber ab und stellt sich auf das Feld unerschrockener Geduld, so folgt dann vielleicht wirklich Sonnenschein oder doch Klärung des Himmels, die dem Lebensbaum wohl thuth.“455 Er bemühte also einmal mehr das Bild des duldenden Opfers. Seine Bautätigkeit, seine standesherrlichen Aktivitäten und die vielen Besucher, so gab er zu erkennen, seien nur „folie“, also nichts wert im Gegensatz zu einer möglichen Rückkehr nach Wien oder Ungarn. Andererseits werde er sich auch nicht „en avant“ stellen und angeben: „da schaut einmal her – das bin, das that ich, das thue ich – das halte ich von einer Sache, die noch immer in mystisches Dunkel gehüllt ist!“ Ein Bekenntnis wäre auch als ein vollständiges Schuldeingeständnis gedeutet worden, und er wusste, wie sehr seine Stellung davon lebte, dass vieles im Vagen geblieben war und Interpretationsspielräume bot. Den ersten Schritt wollte folglich so recht niemand wagen, weshalb Carl Alexander seinem Freund empfahl, sich direkt an den Kaiser zu wenden. Stephan lehnte dies mit der Begründung ab, damit würde er Franz Joseph in Verlegenheit gegenüber seiner Mutter bringen. Dies belegt erneut, wie sehr Erzherzogin Sophie in den Augen Stephans die Triebfeder aller Feindschaft war. Sie war aber auch ein adäquates Mittel, den Kaiser aus den Differenzen herauszuhalten. Wenige Monate später wurde das noch deutlicher. Auf die Schaumburg war die Nachricht gelangt, dass 1857 eine Amnestie über alle Ungarn verhängt werden sollte, die von 1848 bis 1850 an der Revolution teilgenommen hatten. Einige davon sollten sogar wieder in den Staatsdienst übernommen werden.456 Hier wollte Stephan, so erklärte er, nicht vorangehen, um nicht der Wiener Kamarilla um Erzherzogin Sophie Wasser auf die Mühle zu bieten, indem der Anschein einer Bevorzugung erweckt werde. Rücksicht gegenüber Republikanern lehnte Stephan rundweg ab, und sollte es zu einer Amnestie kommen, so wollte er als Letzter an die Reihe kommen, um niemandem die Möglichkeit zu bieten, üble Verdächtigungen zu äußern. Damit hätte er Genugtuung erreicht. Er war sich sicher, dass Wien – wenn alle anderen begnadigt würden – auch bei ihm 455 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 a (3. Dezember 1856). 456 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 a (29. Dezember 1856); Katalog Franz Joseph 2. Bd., S. 266.
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deshalb „anklopfen“ werde.457 Auch Erzherzog Johann war dieser Meinung, und viele Zuschriften aus Böhmen und Wien erreichten Stephan angeblich mit Freudenäußerungen über seine baldige Rückkunft.458 In den Zeitungen werde schon offen über seine Rückkehr geschrieben, meinte Johann.459 Letzteres war freilich massiv übertrieben. Für Januar bis März 1857 findet sich in den Zeitungen lediglich die Notiz in der „Deutschen Allgemeinen Zeitung“ vom 22. Februar 1857, Stephan werde seinen Bruder Joseph bei dessen Besuch nach Brüssel zur Schwester begleiten, um anschließend in Wien dem Kaiser zu huldigen. „Ob derselben jedoch seinen bleibenden Aufenthalt daselbst nehmen oder wieder nach Schaumburg zurückkehren werde, dürfte dem Vernehmen nach vorläufig noch unentschieden sein.“460 Viel presserelevanter war hingegen die Lungenentzündung des Erzherzogs Joseph.461 Stephan hingegen dürften diese Bemerkungen seines Onkels ermuntert haben, und so wartete er geduldig ab und tröstete sich damit, dass es nach neun Jahren Exil auf ein paar Monate mehr oder weniger auch nicht ankam. Allerdings wartete Stephan nicht nur auf die bloße Möglichkeit zur Rückkehr, sondern es verband sich damit für ihn auch der Wunsch nach einem Freispruch. 1848/49 hatte er, so erklärte er, um eine kriegsrechtliche Untersuchung gebeten, die ihm verweigert worden war. Jetzt wollte er von der Schuld freigesprochen werden.462 Womöglich mag es dieser Anspruch gewesen sein, womöglich waren es andere Gründe: Im April 1857 verstummten die Vermutungen, Stephan könne bald wieder nach Österreich kommen. Wessenberg hatte bereits zu Beginn des Monats erkannt, dass diese Gerüchte nur von Personen gestreut worden waren, die in Anbetracht der 457 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 a (7. Februar 1857). 458 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 a (20. März 1857). 459 Haidinger (1897), S. 26; HLA HHStAW Best. 1174 Nr. 11 (20. März 1857). 460 Deutsche Allgemeine Zeitung Nr. 45 (22. Februar 1857), S. 369. In Isidor Gaigers Roman „Ungarns letzter Palatin“ wird Stephan als „der erste ungarische Emigrant“ bezeichnet; Gaiger II, S. 158. 461 Für Januar/Februar 1857 gibt es in der Zeitungs-Datenbank Anno für „Erzherzog Joseph“ achtzehn Treffer (fast ausschließlich zu seiner Erkrankung), zu „Erzherzog Stephan“ nur sieben Treffer und davon sechs ebenfalls mit Bezug zur Lungenentzündung Josephs; http:// anno.onb.ac.at (Zugriff 23. Juli 2019). 462 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 a (20. März 1857); Aland, S. 523 (Nr. 546, 1. April 1851): „Vergebens hat er eine Untersuchung verlangt – bei einer solchen würde allerdings der Hof selbst am meisten kompromittiert“ (Wessenberg). Der hessen-darmstädtische Gesandte Drachenfels schrieb 1858 hingegen, dass eine Rückkehr gerade deshalb gut möglich gewesen wäre, weil es gegen Stephan 1848/49 kein Verfahren gegeben habe; HLA HStAD Best. G 1 Nr. 186/2 (13. August 1858); BayHStA GHA Nachlass Erzherzogin Elisabeth von Österreich Nr. 93 (3. Februar 1849): „Mir kann es natürlich nicht gleichgültig sein, in den Akten angegeben und nicht gleichzeitig gerechtfertigt zu sein“ (Stephan).
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bevorstehenden Neuorganisation des Reichs das Augenmerk auf den „befähigtsten unter allen den Prinzen“ lenken wollten. Allerdings sei es eben auch diese „Vorzüglichkeit“ gewesen, die ihn ins Exil gebracht habe. „Diese Eifersucht datiert schon von lange her“.463 Nach allem, was vorgefallen war, mussten diese Einschätzungen im Charisma Stephans begründet liegen, ebenso wie womöglich die genannte Eifersucht des Kaiserhofes, dem genau dieses fehlte und dessen Mangel das vermeintliche Charisma Stephans als Hoffnungsträger sogar letztlich erst erzeugte. Dass Stephan wieder öffentlich ins Gespräch gebracht worden war, setzte die Dynastie unter Druck, führte aber angesichts der Ressentiments zu keinem für Stephan positiven Ergebnis. Das musste ihm klar sein, wenn ihn auch die Hoffnung wohl nie ganz verließ. Daher schwingt in seinen eigenen Worten, nachdem er erkannt hatte, dass aus der Rehabilitation nichts würde, eine gehörige Verbitterung mit. Es gebe keine Vakanz, so dass er nicht angestellt werden könne, schrieb er nach Weimar, und schimpfte über die „Satrapen, die seit Jahren Wiener Luft atmen.“464 Mit „Satrapen“ waren sicherlich die hochrangigen Bürokraten und Funktionsträger in Wien gemeint, die Stephan beneidete, denen ja aber auch schon zu Metternichs Zeiten sein Argwohn gegolten hatte. Auch der Liberale Eduard Bauernfeld hatte für diese Personengruppe diesen Begriff verwendet und ihr zur Last gelegt, die Schuld daran zu tragen, dass „das Volk in seinem Stumpfsinn erhalten wurde“.465 Diese Funktionsträger taten sich nach wie vor schwer mit ihm. Der erste Besuch des österreichischen Präsidialgesandten und späteren Außenministers Johann Bernhard Graf Rechberg war, wie der Frankfurter Legationssekretär Braun dem Erzherzog mitgeteilt hatte, eine schwere Geburt gewesen, was Stephan mit der launigen Bemerkung verband, Rechberg könne sich von ihm keine Zwangsgeburt und keinen Kaiserschnitt erwarten.466 Der aber dann doch schließlich erfolgte Besuch nach den Sommerferien 1857 wurde von Stephan schließlich als positives Zeichen gedeutet, dass er noch nicht vom Horizont der Wiener Politik verschwunden war.467 Anfang Juni 1859 stattete ihm auch der österreichische Präsidialgesandte Alois Freiherr von Kübeck, den Stephan bisher nicht persönlich kennengelernt hatte und den
463 Aland, S. 831 (Nr. 926, 3. April 1857). 464 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 a (25. April 1857). 465 Bauernfeld, S. 205. 466 OeStA HHStA SB NL Adolf Braun 10 (30. Januar 1857). 467 HLA HHStAW Best. 1174 Nr. 11 (18. Mai 1857); Leipziger Zeitung Nr. 122 (24. Mai 1857), S. 2613; Leipziger Zeitung Nr. 124 (27. Mai 1857), S. 2664: Abreise am 21. Mai, Rückkehr nach Frankfurt am 25. Mai. Auch ÖNB Autogr. 439/22-2 (12. Juli 1857), an Rechberg.
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er mehr als misstrauisch beurteilte,468 einen Besuch ab. Im Anschluss an das Gespräch verfasste Kübeck über Stephan einen positiven Bericht, der diesem wiederum durch einen guten Freund bei der österreichischen Legation, vermutlich Braun, beschafft und vorgelegt werden konnte:469 Dieser Bericht machte Stephan nun doch, auch wenn man in einigem unterschiedlicher Ansicht war, „innig bedauern, daß solche Kräfte so lange unserem engern Vaterlande entzogen bleiben!“ Denn Kübeck war mittlerweile von seinem Gesandtschaftsposten in Frankfurt entbunden worden.470 Freilich war von Personen dieser Art die Rehabilitierung nicht zu erreichen. Das musste von anderer Seite erfolgen. Der Großherzog von Oldenburg und Erzherzog Johann kamen darüber in der Steiermark ins Gespräch. Am 2. November 1857 erhielt Stephan vom Oldenburger Großherzog eine Nachricht, der auch ein Schreiben des Erzherzogs Johann beigelegt war.471 Stephans Onkel erklärte darin dem Großherzog, weil er die Gelegenheit nicht recht fand, die Worte direkt an Stephan zu richten, man sei in Wien einer Rückkehr Stephans nicht abgeneigt. Nur müsse die Initiative dazu von Stephan ausgehen. Sollte diese Voraussetzung erfüllt sein, werde sich Johann auch dafür einsetzen. Allerdings dürfe Stephan in einer Zeit, in der die Minister regierten, nicht mit einer Anstellung im Staatsdienst rechnen. Aber das sei in solchen Zeiten ja auch nicht wünschenswert. Damit war positiv verklausuliert deutlich gemacht, dass an Teilhabe an politischen Entscheidungsfindungen nicht mehr zu denken war. Stephan hingegen misstraute den Angeboten seines Onkels, weil dieser zu schwankend und zu schnell einzuschüchtern sei. Außerdem forderte er in seinem Antwortschreiben an Johann, dass die Initiative vom Wiener Hof auszugehen habe. „Geschieht dieß nicht […], so bleibe ich in Schaumburg und kehre nur nach Österreich zurück, um die Todtengruft meiner Familie in Ofen zu bevölkern.“ Auch hatte Stephan ein ganz konkretes Beispiel bei der Hand: Wenn ihn Kaiser Franz Joseph anlässlich seiner Begegnung mit dem Zaren von Russland in Weimar472 zu sich gerufen hätte, wäre er „hingeflogen, und es hätte keines Weitern für meine Rückkehr nach Österreich be468 OeStA HHStA SB NL Adolf Braun 10 (5. Juni 1859): Kübeck kenne Stephan nicht, es sei denn, es handele sich um jenen Mann, der in Begleitung von Windisch-Graetz ein Buch aus der Bibliothek von Ofen ausgeliehen und Stephan nicht zurückgegeben habe. Deshalb werde er auch nicht auf die Schaumburg kommen. 469 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 b (9. Juni 1859); OeStA HHStA SB NL Adolf Braun 10 (5. Juni 1859). 470 OeStA HHStA SB NL Adolf Braun 10 (2. Juni 1860). 471 Anders (1868), S. 334–335; ihm folgt auch Kováts, S. 353. 472 Mayr (1931), S. 442 (24. September 1857). Alexander von Hessen hatte diese Zusammenkunft arrangiert.
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durft.“473 Stephan wusste, dass es bei allem darum ging, wer sich am Schluss als der Stärkere erwies, wer Fehler anerkannte und Schuld eingestand. Es ging darum, Geschichte zu interpretieren und ein offizielles Urteil über einen Menschen zu fällen. Stephans Forderungen und die geringe Bereitschaft des Kaisers, Stephan zurückzuholen,474 ließen es gewiss werden, dass so schnell doch nichts zu erreichen war. In der schriftlichen Überlieferung wird daher auch von November 1857 bis in den Sommer 1858 gänzlich über das Thema geschwiegen. Erst mit der Ankunft Erzherzog Johanns auf der Schaumburg kam wieder Leben in die Verhandlungen. Dieser erreichte Anfang Mai 1858 Frankfurt und besuchte von dort in den folgenden Wochen die Höfe in Biebrich, Homburg und Darmstadt.475 Stephan hatte in diesem Zusammenhang Herzog Adolph schon um die Erlaubnis gebeten, hinzuzustoßen, wenn sein Onkel nach Biebrich käme. Daraus dürfte nichts geworden sein, denn erst um den 13. Juni herum, noch vor Johanns Reise nach Brüssel,476 ist von der ersten Begegnung der beiden seit neun Jahren die Rede.477 Der Wiener Polizeiminister von Kempen hatte die größte Hoffnung, über Stephans Onkel Näheres über dessen Ambitionen zu erfahren.478 Die Begegnung wurde dazu genutzt, die Möglichkeit einer Rückkehr Stephans zu eruieren. Doch trat der Verbannte keineswegs als Bittsteller auf. Vielmehr berief er sich darauf, dass er 1848 vom Kaiserhof, der auf der Flucht nach Olmütz gewesen war, in die Verbannung geschickt worden sei und Franz Joseph davon Kenntnis erlangt haben musste. Daraus war abzuleiten, dass zur Rückkehr auch wiederum ein Zeichen des Hofes erfolgen müsse. Es ging nach wie vor um die Deutungshoheit der Ereignisse von 1848. Erzherzog Johann gab diese Informationen nach seiner Rückkehr in Wien weiter, wo aber der Verbannungsbefehl angeblich nicht aufzufinden war. Damit blieb aus Wiener Sicht Stephans Exil weiterhin ein individueller Rückzug. Wahrscheinlich agierte Graf Grünne, der Gefolgsmann der 473 Beides zitiert nach Kováts, S. 353. 474 Kováts, S. 353. 475 Zu Darmstadt HLA HStAD Best. D 24 Nr. 414 (7. Juni 1858): Besuch Johanns und seines Sohnes in Darmstadt und auf Schloss Heiligenberg. Auch Graf Rechberg stieß hinzu. 476 Die Presse Nr. 147 (1. Juli 1858), o. S.; Tiroler Schützen-Zeitung Nr. 134 (28. Juni 1858), S. 456. 477 HLA HHStAW Best. 130 II Nr. 3271, fol. 291ff. (30. Mai 1858); HLA HHStAW Best. 1174 Nr. 11 (8. Juni 1858); Kováts, S. 353; Anders (1868), S. 335; Bode (2017), S. 63; Volks- und Schützen-Zeitung Nr. 72 (16. Juni 1858), S. 420: dort auch die irrige Mitteilung, Stephan habe dann zusammen mit seinem Onkel Belgien besucht. 478 Mayr (1931), S. 476 (1. Juni 1858).
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Erzherzogin Sophie, in Wien als Gegenspieler Stephans,479 während Erzherzog Johann als sein entschiedenster Fürsprecher auftrat. Im „Frankfurter Journal“ wurde Grünne sogar ausdrücklich mit dem Umstand in Verbindung gebracht, dass Stephan nicht zurückkehren könne, indem von einer einflussreichen Person die Rede war, die dem Palatin sehr nahegestanden habe, sich aber jetzt gegen die Rückkehr verwahre.480 Damit konnte nur Grünne gemeint sein. Dessen Rolle aber bleibt nebulös. Obwohl er wissen musste, dass dem nicht so war, hatte er bereits am 1. Juni 1858 gegenüber einem seiner Vertrauten, dem Polizeiminister von Kempen, die Vermutung geäußert, Stephan halte die Bewilligung zur Rückkehr bereits in Händen.481 Grünne spielte also ein falsches Spiel, um in Wien den Eindruck zu erwecken, Stephan wolle nicht zurückkehren. Der Einzige, der vor Ort dagegen angehen konnte, war Erzherzog Johann. Er wollte höchstwahrscheinlich der alten erzherzoglichen Opposition, deren einziger Vertreter er mittlerweile war, wieder Gehör verschaffen und mit der ungarischen Linie ein Gegengewicht zur „Kamarilla“ um Erzherzogin Sophie bieten, zu der auch Grünne gehörte. Seit 1850 hatte Johann immer wieder versucht, den ungarischen Zweig der Familie oder direkt Stephan zu protegieren: zunächst, indem er Stephan als seinen Nachfolger im Amt des Reichsverwesers vorgeschlagen hatte, dann, indem er die Eheschließung zwischen Marie Henriette und dem belgischen Thronfolger eingefädelt hatte, und schließlich bei der Rückkehr Stephans 1858. Es könnte sich dabei um reine Sympathie gegenüber seinem Neffen gehandelt haben. Doch ist die Hartnäckigkeit Johanns, der mit dem Kurs des Wiener Hofes keineswegs einverstanden war und mit ihm in keinem nennenswerten Kontakt mehr stand,482 nicht nur damit zu erklären, zumal der Schützling sich zierte und weigerte. Argumente aber mussten her, um das Ziel zu erreichen. Gegenüber den konservativen Kreisen, die sich besonders beharrlich gegen Stephans Rückkehr wehrten, aber das Vertrauen des Kaisers besaßen, war die drohende Revolutionsgefahr ein probates Mittel, um zum Ziel zu gelangen. Johann erklärte daher in Wien, revolutionäre Kräfte in Deutschland und Österreich könnten sich das Geschick Stephans zunutze machen. Das war nicht nur als vorgeschobenes Argument zu werten. Denn einige Zeitungen hatten angeblich über das Verhältnis Stephans zum Kaiserhof so kritisch berichtet,
479 Der Einfluss Grünnes in Wien war in diesen Tagen enorm; Corti (1952), S. 6–7. 480 Anders (1868), S. 345; Frankfurter Journal Nr. 177 (9. Juli 1858), o. S. 481 Mayr (1931), S. 59–60 bzw. S. 476 (1. Juni 1858). 482 Hamann (1984), S. 29.
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dass dieser die Redaktionen mit Hilfe der österreichischen Gesandtschaft in Darmstadt zur Korrektur gezwungen hatte.483 In der nationalliberalen Zeitung „Frankfurter Journal“ wurde tatsächlich am 19. August 1858 die Berichtigung eines zurückliegenden Artikels veröffentlicht, in der darauf hingewiesen wurde, die Schaumburg sei für Stephan kein „Verbannungsort“, wie es einige Ausgaben zuvor geheißen hatte und wie es auch Stephans persönliche Auffassung war, sondern er habe „aus freiem Antriebe“ Österreich verlassen. Das ging einher mit lobenden Worten über den Erzherzog, der Bemerkung, er sei nach wie vor „ein Liebling der Wiener“, und der unsicheren Andeutung, demnächst könne auch wieder ein Amt auf ihn warten.484 Damit war der Schaden begrenzt und die Presse, die sich Stephans bemächtigen wollte, in die Schranken gewiesen. Angeblich soll Stephan auch Angebote von Journalisten, ihn im Kampf gegen den Kaiserhof zu unterstützen, brüsk abgewiesen haben.485 Stephan konnte an solchen Gerüchten nicht gelegen sein. Für Wien aber bargen sie – gleichgültig, wie man handelte – die Gefahr, einen Opponenten zu stärken. Die allgemeine Lage machte die Situation nicht einfach. Zum einen blickten die Aristokraten auf ihn, mit denen er verwandt war oder die ihm nahestanden und die auch der Wiener Hof nicht beiseiteschieben konnte. Zum anderen stand er im Augenmerk der revolutionären Bewegung, die ihn als Opfer des Kaiserhofs betrachtete und ihn, solange er nicht rehabilitiert war, propagandistisch auszunutzen drohte. Die Situation konnte nicht bleiben, wie sie war, ohne dem Verbannten ein hohes Ansehen zu verschaffen, zu dem er selbst nicht einmal beitragen musste. Im Falle einer kompletten Rehabilitierung hätten die konservativen Kreise allerdings einem als Verräter gebrandmarkten Familienmitglied nachträglich Recht geben müssen bzw. wäre die Gefahr groß gewesen, dass die revolutionären Kräfte sich des Rehabilitierten dann umso mehr bemächtigten. Wien musste also so viel und so wenig Entgegenkommen zeigen, dass Stephans Existenz nicht ins Gewicht fiel. Denn ein Schuldeingeständnis, das war eindeutig, konnte dem ehemaligen Palatin nicht abgerungen werden. Im Interesse Johanns dürfte eine familiäre Mediatisierung Stephans nicht gewesen sein. Er konnte aber absehen, dass ein solcher halber Schritt auf Dauer nicht gangbar sein würde. Auch Stephan war sich seiner Position bewusst, so dass er eigens Bedingungen stellte und Angebote aus Wien zurückwies. Als man ihm den Kompromiss anbot, bei der nächsten Taufe eines 483 Anders (1868), S. 337; Friedjung 2.1, S. 362. 484 Frankfurter Journal Nr. 218 (19. August 1858), o. S. Es könnte auf den Artikel vom 10. Juli 1858 im Frankfurter Journal Nr. 158 verwiesen worden sein; vgl. Anm. 2311. 485 Anders (1868), S. 337.
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Prinzen nach Wien zu kommen, um anschließend immer wieder zwischen der Schaumburg und Wien pendeln zu dürfen, niemals aber nach Ungarn zu reisen, verweigerte er sich diesem Angebot. Er wollte auch nach Ungarn reisen dürfen und strebte eine dauerhafte Niederlassung in Österreich an. Zentral aber war für ihn, dass Wien anerkannte, ihn seinerzeit in die Verbannung geschickt zu haben. Er forderte also die Bestätigung, dass er seinerzeit nicht freiwillig gegangen sei. Denn beim derzeitigen Stand der Verhandlungen habe er zu fürchten, vom Kaiser ungnädig empfangen zu werden.486 Das war eine freundliche Umschreibung dafür, dass Stephan vollkommene Rehabilitierung verlangte, bevor er nach Wien zurückkehrte, um dort nicht als Ausgestoßener und Missachteter zu gelten. Er übergab dem vom 9. bis 16. Juni 1858487 als Graf von Meran in Bad Ems kurenden Erzherzog Johann daher vier Dokumente: seine Resignation auf die Stelle als Palatin von 29. September 1848, das Handbillett des Kaisers mit Annahme der Resignation sowie ein Handbillett des Kaisers vom Oktober 1848 mit der Aufforderung, das Land zu verlassen, weil ein längerer Aufenthalt „unliebsame Folgen“ nach sich ziehen könne. Grundlage dieser Weisung war die Mitteilung einer dritten Person, der Stephan gesagt hatte, auf Wunsch Österreich verlassen zu wollen. Wie sich nachweisen lässt, handelte es sich bei der dritten Person um Erzherzog Ferdinand Karl Viktor. Dieser hatte das Angebot an den Kaiser weitergeleitet. Das vierte Dokument war die Antwort Stephans auf das kaiserliche Handbillett, in der er erklärte, auf die Abreise vorbereitet zu sein. Johann zog daraus die von Stephan gewünschte Schlussfolgerung, dass dieser außer Landes geschickt worden sei und nicht freiwillig gegangen war. In der Konsequenz hätte Wien aktiv werden müssen.488 Nach allem, was wir heute wissen, dürfte diese Schlussfolgerung aber keinesfalls zwingend gewesen sein. Stephan selbst hatte ja die Ereignisse zehn Jahr zuvor mit dem Tenor der Freiwilligkeit geschildert.489 Auch Erzherzog Albrecht erschien wenige Tage später zusammen mit Stephan in Bad Ems, so dass weitere Unterredungen erfolgten.490 Zwei 486 Anders (1868), S. 340; Kováts, S. 354. Das Verbot, nach Ungarn reisen zu können, hatte ein Vorbild darin, dass auch Erzherzog Johann viele Jahre Tirol nicht betreten durfte, nachdem er dort Anteil an den prohabsburgischen Volksaufständen gehabt hatte; Spiegelfeld, S. 23. 487 Emser-Fremdenliste 1858, S. 71, S. 83 und S. 97; HLA HHStAW Best. 251 Nr. 22 (13. Juni 1858). 488 Anders (1868), S. 339. 489 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 738 a (27. Oktober 1848). Noch 1860 ist im „Journal des Debats“ zu lesen, Stephan habe freiwillig auf das Amt verzichtet; Journal des Debats (5. Oktober 1860), o. S. 490 HLA HHStAW Best. 251 Nr. 22 (27. Juni 1858).
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Jahre zuvor, am 5. August 1856, hatte er Stephan nach achtjähriger Trennung zum ersten Mal auf der Schaumburg – in Begleitung Herzog Adolphs von Nassau491 – überfallartig besucht. Herzog Adolph war, als sich beide umarmten, zu Tränen gerührt, und Stephan verspürte eine große Genugtuung, ohne sich anscheinend zu fragen, woher dieser Sinneswandel seines Cousins kam. Ein „Ersatz für ungemein viele Unterlassungssünden“ sei der Besuch, schrieb er an Braun, und ein Tort für all diejenigen, die ihn immer noch mieden. Trotzdem bewies Stephan so viel Zurückhaltung, dass er trotz der Einladung Herzog Adolphs und Erzherzog Albrechts nicht in Biebrich zum Essen erschien, weil er wusste, wer sonst aus Frankfurt und Mainz bei der Tafel zugegen sein würde, und nur gegen Abend zum Tee hinüberkam. Er wollte, so schrieb Stephan, schließlich keinen dieser Herren in Verlegenheit bringen, was Erzherzog Albrecht als sehr taktvoll empfand.492 Hier war eine gehörige Portion Heuchelei gegenüber dem österreichischen Diplomaten Braun mit im Spiel. Denn Stephan glaubte zu wissen, wie schlecht Albrecht bisher von ihm gesprochen hatte, und er hegte stets einen deutlichen Groll gegen die ihm feindlich gesonnenen Herren in Frankfurt und Mainz. Jetzt aber sollte er den Gesinnungswandel unhinterfragt hingenommen und den Herren gegenüber noch den denkbar größten Takt aufgebracht haben? Vermutlich musste er erkennen, dass Albrechts Besuch ein Entgegenkommen Wiens bedeutete, ohne das Gesicht zu verlieren. Stephan selbst hätte wiederum sein Gesicht verloren, wäre er darauf nicht eingegangen. Damit war aber etwas ins Rollen gekommen. Wenige Monate später kamen einige der Herren aus Frankfurt und Mainz, unter ihnen Schmerling, zu ihm auf Besuch – „besser spät als nie“, wie Stephan notierte.493 Zwei Jahre später also, im Sommer 1858, sahen sich Albrecht und Stephan in Ems wieder, diesmal auf Albrechts Durchreise nach Ostende und kurz nachdem Erzherzog Johann nach seinem Gespräch mit dem Neffen über dessen mögliche Rückkehr abgereist war.494 Für eine politische Mission bei dieser zweiten Begegnung sprich alleine schon, dass beide sich mit Dienerschaft und Gefolge in Ems trafen und dort auch übernachteten, nicht auf der Schaumburg, und dass am gleichen Tag, dem 27. Juni, auch der ös-
491 OeStA HHStA SB NL Adolf Braun 9–1–152 (10. August 1856); BayHStA GHA Nachlass Erzherzogin Elisabeth von Österreich Nr. 98 (27. September 1856). 492 OeStA HHStA SB NL Adolf Braun 9–1–152 (10. August 1856). 493 OeStA HHStA SB NL Adolf Braun 9–1–152 (27. Dezember 1856). 494 HLA HHStAW Best. 1174 Nr. 11 (25. Juni 1858); auch ebd. (9. August 1856); Haidinger (1897), S. 19; Volks- und Schützenzeitung Nr. 80 (5. Juli 1858), S. 471; Frankfurter Journal Nr. 168 (30. Juni 1858), o. S.; Emser-Fremdenliste 1858, S. 200 (25. bis 28. Juni 1858); Frankfurter Journal Nr. 168 (30. Juni 1858), o. S.
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terreichische Kämmerer Albrecht Graf Kaunitz den Weg nach Ems fand.495 Natürlich kam auch Stephans Geschichte zur Sprache – wenn nicht sogar vorrangig. Nach Stephans Aussage hatte ihn Albrecht ermahnt, der Familie ein versöhnliches Gesicht zu zeigen. Denn Albrecht war ein prinzipientreuer Verfechter des innerdynastischen Zentralismus unter Hintanstellung persönlicher Belange der einzelnen Erzherzöge.496 Nachdem er sich jahrelang gegen seinen Cousin ausgeschwiegen hatte, wird es ihm jetzt wohl kaum um Mitleid oder persönliche Zuneigung gegangen sein. Vielmehr war er gewiss bestrebt, einen wunden Punkt, der das Haus Habsburg angreifbar machte, auszuräumen. Der Druck der Familienmitglieder auf Stephan wurde also beträchtlich, und Albrecht war ein wichtiger Stein in diesem letztlich erfolgreichen Spiel. Am 10. Juli 1858 schrieb Stephan persönlich an den Grafen Grünne, die baldige Niederkunft der Kaiserin Elisabeth biete ihm die Gelegenheit, um Erlaubnis zu bitten, nach Wien kommen zu dürfen, um seine Glückwünsche persönlich vorzubringen. Auch wollte er sich vergewissern, dass es dem Kaiser auch Freude machen werde. „Verzeihung! Wenn dieser Ausdruck zu gewagt ist; er ist aber nach meinem innersten Gefühle der einzige bezeichnende.“ Nur auf gut Glück nach Wien „abenteuern“ wolle er nicht, gab er an.497 Anzumerken bleibt, dass es ihm ja auch nicht erlaubt gewesen wäre. Neun Tage später antwortete Grünne, nachdem auch Johann noch einmal – zum siebten Mal – in Ems mit Stephan gesprochen hatte,498 Kaiser Franz Joseph, der bisher in mehreren Handbillets eine Rückkehr Stephans abgelehnt hatte,499 werde ihn mit offenen Armen empfangen. Stephan habe durch seine mehrjährige „freiwillige“ Abwesenheit von Österreich dem Kaiserhof keinesfalls Anlass dazu gegeben, seine Stellung falsch einzuschätzen. Man werde in Wien selbstverständlich nicht dulden, dass ihm als Erzherzog der gebührende Respekt verweigert werde.500 Das war mehr oder weniger sublim 495 HLA HHStAW Best. 251 Nr. 22 (27. Juni 1858); Emser Fremdenliste 1858, S. 190 (25. bis 28. Juni 1858). 496 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 a (21. Juli 1858); Hamann (1984), S. 25–27; Stickler (2018), S. 134. Noch Jahre später verhinderte er eine Eheverbindung des Kronprinzen Rudolf mit einer Tochter Erzherzog Josephs; Hamann (1978), S. 156. 497 Anders (1868), S. 343. 498 HLA HHStAW Best. 1174 Nr. 11 (17. Juli 1858). In dem Gespräch ging es auch um die Frauengeschichten seines Bruders Joseph, weshalb dieser als Soldat nach Ödenburg versetzt worden war; HU MNL OL P 301 (19. Juli 1858). 499 HU MNL OL P 301 (25. Juli 1858). 500 Anders (1868), S. 343; Kováts, S. 355.
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die Schuld Stephan zugeschrieben, aber zugleich die Einladung ausgesprochen. Die genauen Umstände erläuterte Stephan in einem Brief vom 21. Juli 1858 seinem Freund Carl Alexander von Sachsen-Weimar aus eigener Sicht. Erzherzog Johann habe im zurückliegenden Frühjahr ohne Stephans Zutun mit dem Kaiser gesprochen. Franz Joseph sei davon ausgegangen, der Verbannte wolle nicht mehr nach Österreich zurückkehren und sei einer Versöhnung abgeneigt. Nach Klärung dieses Missverständnisses habe der Kaiser Johann beauftragt, Stephan den Wunsch nach Rückkehr auszudrücken. Doch damit war nichts erreicht. Denn Stephan bekannte, gerne die Verwandten zu besuchen und dem Kaiser aufzuwarten. Aber er verwies auf ein Handbillett Kaiser Ferdinands, durch das er auf die Schaumburg verbannt worden sei. Deshalb erwarte er eine offizielle Rückberufung und die Wiederanstellung in den österreichischen Staatsdienst, was Erzherzog Johann jedoch zurückwies. Stephan wandte sich deshalb an Grünne und erhielt die bereits erwähnte Antwort, der Kaiser werde ihn mit offenen Armen empfangen. Jetzt, so bekannte Stephan, hätte er sich „illoyal“ verhalten, wenn er sich schmollend oder launisch gezeigt hätte („wollte ich boudiren“). Er habe daraufhin dem Grafen Grünne unter Auslassung des Datums eine Eingabe an den Kaiser gesandt, anlässlich der Geburt des Thronfolgers, nicht jedoch bei der Geburt eines Mädchens kommen zu dürfen. Stephan selbst bezeichnete dieses Schreiben gegenüber Erzherzog Albrecht übrigens recht markig als Ultimatum. Dieses fordernde Wort ist sehr kühn angesichts seiner Erklärung, sich dem Kaiser in Laxenburg als „Unterthan und Soldat“ präsentieren zu wollen.501 Auch dass dieses „Ultimatum“ ganz in dem Sinne abgefasst worden war, wie Albrecht es von Stephan gewünscht und wie Erzherzog Johann es ihm vermutlich auch in Ems in die Feder diktiert hatte, spricht nicht für eine fordernde Haltung. Vielmehr hatte sich Stephan von seiner Dynastie domestizieren lassen, was so aber nicht augenscheinlich werden durfte. Stephans Darlegung bedeutete damit eine verschämte Rechtfertigung für sein Handeln. Er selbst behauptete deshalb auch, der Verlauf der Unterhandlungen sei ihm „unerwartbar“ gewesen.502 Angedacht war ein kurzer Aufenthalt von höchstens sechs bis acht Wochen, nach denen Stephan seiner Meinung nach rehabilitiert wäre und mit „mehr Applomb“ an Orten auftreten könne, an denen er bisher nur freundschaftlich geduldet oder herzlich bedauert worden war. Österreich sehe ihn also bald wieder, nicht jedoch Ungarn, weshalb auch ein Besuch auf den dor-
501 HU MNL OL P 301 (25. Juli 1858). 502 OeStA HHStA SB NL Adolf Braun 10 (1. August 1858).
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tigen Gütern unmöglich sei.503 Das waren Machtspielchen. Stephan konnte sich denken, dass es dem Wiener Hof nicht in erster Linie um seine Rehabilitierung gehen konnte, sondern darum, ihn selbst in den Familienverband zu integrieren, um in der Öffentlichkeit weniger Angriffsfläche zu bieten. Die intrikate Situation des Jahres 1848 konnte deshalb unterschiedlich interpretiert werden, und jeder Verzug, jede weitere Meldung in den Zeitungen, der Erzherzog habe eine Rückkehr abgelehnt, weil er die Gegend um die Schaumburg liebgewonnen habe,504 war ein Schlag gegen Wien. Dass ein Familienmitglied überhaupt ein Angebot des Kaisers ablehnte, war unerhört genug, die angeführte Begründung dann noch so fadenscheinig, dass sich jedermann des waltenden Zerwürfnisses sicher sein konnte. Wenn Stephan sich nun wieder in den Familienverband begab, hatte er auch hier für die eigene Selbstbehauptung darauf zu achten, die Oberhand zu behalten. Gegenüber Herzog Adolph erklärte er, der Kaiser habe ihn auf „überaus freundliche Weise brieflich und eigenhändig zu sich“ berufen, so dass er nicht anders gekonnt habe, als „sofort seiner Aufforderung folge zu leisten“.505 Das war eine deutliche Uminterpretation der Ereignisse, denn das Billett war eher lakonisch ausgefallen. „Lieber Stephan!“, hatte Franz Joseph eigenhändig geschrieben, was Stephan als besonderen Gunstbeweis wertete, „Komme so bald Du willst auf einige Zeit zu uns und daß Du mit offenen Armen empfangen wirst, brauche ich Dir nicht erst zu sagen“.506 Beide Parteien mussten sich als Sieger aus dem Kampf gehen sehen. Die Ziererei hatte damit ein Ende, ohne dass eine von beiden Seiten das Gesicht verloren hatte,507 und Stephan freute sich, endlich wieder nach Wien reisen zu dürfen.508 Am 11. August 1858 um sieben Uhr vormittags traf Stephan nach seiner Reise als Graf von Steinsberg zusammen mit Anders, Gefolge und Dienerschaft509 in Wien ein, nachdem er zuvor noch seine Schwester Elisabeth in Seelowitz (Mähren) besucht hatte.510 Er wurde am Nordbahnhof vom Ma503 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 a (21. Juli 1858). 504 Frankfurter Journal Nr. 178 (10. Juli 1858), o. S. 505 HLA HHStAW Best. 130 II Nr. 3271, fol. 297ff. (7. August 1858). 506 Inseriert in LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 a (8. August 1858). 507 Noch bei Krones ist von „Selbstverbannung“ die Rede; Krones, S. 697. 508 Anders (1868), S. 344. 509 OeStA HHStA SB NL Adolf Braun 10 (1. August 1858). 510 HLA HStAD Best. G 1 Nr. 186/2 (13. August 1858). Die Option, nur zur Geburt des Thronfolgers zu kommen, nicht bei der Geburt eines Mädchens, war damit fallengelassen worden, weil Stephan zum Zeitpunkt der Abreise noch nicht wissen konnte, welches Geschlecht das Kind haben würde.
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jor eines Adjutantenkorps empfangen511 und stieg in der Hofburg ab, wo er diejenigen Zimmer bewohnen durfte, die bereits vor 1848 für ihn reserviert und eingerichtet und die – laut Angabe in der Zeitung – sogar für seine Aufnahme „in Bereitschaft gehalten“ worden waren.512 Es sollte also in Wien der Eindruck erweckt werden, als habe man von jeher mit der Rückkehr gerechnet, um dem Besuch den Anflug des Besonderen zu nehmen. In die Welt sollte nicht der Eindruck eines „Versöhnungstheaters“ gelangen,513 sondern die Rückkehr sollte zu etwas längst Möglichem, zu einem alltäglichen Ereignis herabgebrochen werden. Bereits am gleichen Tag um elf Uhr empfing ihn das Kaiserpaar auf Schloss Laxenburg mit großer Freundlichkeit zum Mittagessen, aber eben auch „ohne irgend der Vergangenheit zu gedenken“.514 Kurz darauf fand der Antrittsbesuch in Schönbrunn statt, was alles durch die Nutzung der Eisenbahn problemlos zu bewältigen war.515 Der Kaiser fand allerdings, Stephan sehe miserabel aus.516 Am 14. August erfolgte ein Empfang von Generälen und Stabsoffizieren.517 Von besonderer Bedeutung aber dürften für Stephan die Visiten bei Mitgliedern des Hauses Habsburg gewesen sein: Auf der Weilburg in Baden bei Wien besuchte er die Nachkommen des Erzherzogs Karl und andere Verwandte, Erzherzog Albrecht, seine Ehefrau Hildegard und deren Kinder, Erzherzog Rainer und seine Ehefrau Marie Karoline sowie Erzherzog Wilhelm.518 Erzherzog Albrecht hatte ihm sogar seine Häuser und die Weilburg in Baden als Unterkunft zur Verfügung gestellt.519 In der Hofburg sah er seinen Halbbruder Joseph wieder, in Schönbrunn traf er auf Erzherzogin Sophie, Erzherzog Franz Karl, Erzherzog Ludwig sowie die Brüder des Kaisers, Erzherzog Karl Ludwig mit Ehefrau und Erzherzog Ludwig Viktor. In Wien selbst und den Vorstädten kam es zu Begegnungen mit der Familie des 511 HLA HStAD Best. G 1 Nr. 186/2 (14. August 1858): Der Obersthofmeister Karl Fürst Liechtenstein empfing Stephan erst in der Hofburg, wie der Darmstädter Gesandte von Drachenfels mitteilte. Einen Tag zuvor war er noch vom Empfang durch Liechtenstein am Bahnhof ausgegangen; ebd. (13. August 1858). In der Hofburg empfing Stephan auch Graf Grünne. Deutsche Allgemeine Zeitung Nr. 188 (14. August 1858), S. 1571; Frankfurter Journal Nr. 215 (16. August 1858), o. S. 512 Deutsche Allgemeine Zeitung Nr. 188 (14. August 1858), S. 1571; Österreichischer Soldatenfreund (Militair Zeitung) Nr. 64 (12. August 1858), S. 435; Kováts, S. 355. 513 Kováts, S. 356. 514 HLA HStAD Best. G 1 Nr. 186 (3. August 1858). 515 Die Presse Nr. 184 (13. August 1858); HLA HHStAW Best. 1174 Nr. 11 (20. August 1858). 516 Mayr (1931), S. 481 (13. August 1858). 517 Der Humorist Nr. 186 (15. August 1858), S. 3. 518 Morgen-Post Nr. 229 (21. August 1858), o. S.; Die Presse (21. August 1858), o. S.; HLA HHStAW Best. 130 II Nr. 3271 (21. August 1858), fol. 303ff. 519 OeStA HHStA SB NL Adolf Braun 10 (1. August 1858).
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Erzherzogs Rainer und mit Erzherzog Johann – „nicht zu rechnen alle die Dii minorum gentium, die denn auch besucht sein wollen.“520 Das nahm ihn sehr in Beschlag und ließ ihn kaum zu Atem kommen. Kaum Besucher zu empfangen, wurde ihm aber in Wien zur Last gelegt. Am 18. August gelang dem Polizeiminister von Kempen doch, bei ihm vorstellig zu werden, worauf Stephan ihn sehr freundlich empfing und in Höflichkeitsfloskeln seine Anerkennung dafür aussprach, dass der Minister ihm immer treu geblieben sei. Darüber hinaus betonte er aber, man könne dem Kaiser treu sein, auch wenn man im Ausland lebe, „dort vielleicht noch mehr als zu Hause“.521 In seiner Korrespondenz verzichtete Stephan auf solche Themen. Hier erging er sich in Äußerlichkeiten und schilderte das Aufblühen der Residenzstadt, obwohl der Ringstraßenausbau noch nicht einmal recht begonnen hatte. „Was sich in den 10 Jahren alles verändert und modifiziert hat, ist wahrhaft kolossal – Bauten, die man nur schätzen kann, wenn man sie gesehen, sind dem Erdboden entstiegen, und alles ist mehr minder reorganisiert.“522 Besichtigungsmöglichkeiten aber bestanden kaum, weil die Tage mit Besuchen, Audienzen und Gratulationen ausgefüllt waren.523 Da sich die Geburt des Kronprinzen noch verzögerte, beschloss Stephan am 21. August seine bisherigen Planungen umzuwerfen und zunächst mit seinem Schwager Karl Ferdinand nach Seelowitz zur Kaphühnerjagd zu reisen, bis beide mit 101 Kanonenschüssen aus ihrer „Ruhe heraus gebemmert“ würden. Doch noch während er diese Worte nachts um 22.15 Uhr an Herzog Adolph schrieb, waren die Schüsse zu hören.524 Stephan blieb also in der Stadt bis zur Taufe des Kronprinzen Rudolf, an der sechzehn Erzherzöge anwesend waren, „das Maximum, was seit Jahren zusammengebracht wurde – aber gleich nach derselben [= der Taufe] soll Alles nach allen Weltgegenden ausfliegen und ausser mir und ein Paar Vettern in Weilburg niemand hier bleiben“. Zwei Tage später aber verließ auch Stephan die Stadt. Dem Wiener Polizeiminister von Kempen hatte er noch zuvor erklärt, Kaiser Franz Joseph habe ihn gebeten, möglichst bald wiederzukommen, wozu ihn von Kempen ebenfalls ermunterte. „Allein ich besorge, nur in den Wind gesprochen zu haben.“525 Diese Bemerkung Kempens ist schwer zu beurteilen. Der Polizei520 HLA HHStAW Best. 130 II Nr. 3271, fol. 303ff. (21. August 1858); OeStA HHStA SB NL Adolf Braun 10 (14. September 1858). 521 Mayr (1931), S. 482 (18. August 1858). 522 HLA HHStAW Best. 1174 Nr. 11 (20. August 1858). 523 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv XXVI Nr. 739 a (21. August 1858). 524 HLA HHStAW Best. 130 II Nr. 3271, fol. 303ff. (21. August 1858). Das Telegramm an Herzog Adolph in NA Prag Fond MRA AC 1 18-A (21. August 1858). Auch Hamann (1978), S. 16–17. 525 Mayr (1931), S. 484 (25. September 1858).
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minister stand dem Erzherzog sehr skeptisch gegenüber. Warum also sollte ihm eine Rückkehr so sehr am Herzen gelegen haben? Vielleicht hatte man in Wien wirklich angestrebt, was am 17. August in den Zeitungen gestanden hatte: Stephan werde aus dem Privatleben nicht heraustreten, aber dann in einem Jahr zurückkehren und seinen bleibenden Aufenthalt in Wien nehmen.526 Ein bleibender Aufenthalt, wenn auch weiter als Privatmann, hätte jegliches Gemurmel um den Erzherzog, der dann auch wiederum der direkten Aufsicht des Hofes unterstellt gewesen wäre, verstummen lassen. Integriert in die Riege der übrigen Erzherzöge wäre er viel besser einzuhegen als auf der entfernt gelegenen Schaumburg. Noch günstiger für Wien wäre womöglich sogar Stephans abwechselnder Aufenthalt in Wien und auf der Schaumburg, weil er dann nicht ganz in der kaiserlichen Hauptstadt integriert wäre, aber doch auch nicht mehr als Exilant gelten könnte. Der hessen-darmstädtische Gesandte von Drachenfels vermutete, Stephan werde diese Lösung „vorzuziehen haben“.527 Die Formulierung unterstreicht aber, wie sehr Wien bei solchen Entscheidungen den Ton angab, wenn sie auch als freiwillig getroffen erscheinen sollte. Wie dem auch sei: Das Gewöhnliche sollte dem Erzherzog den Anflug des Besonderen nehmen. Das war aber nicht gerade einfach, wie ein Blick in die Presselandschaft zeigt. Stephan soll Zeitungsmeldungen zufolge am 23. August 1858 zum Besuch seiner Güter nach Ungarn gefahren sein, was dem bisher in Aussicht Gestellten widersprach.528 Das ist umso bemerkenswerter, als die Begegnung mit Prinz Karl von Preußen Teil des Besuches gewesen sein soll. Als Prinz Karl auf dem Bahnhof in Raab ankam, soll er dort von Erzherzog Stephan in österreichischer Uniform sowie einigen österreichischen und Bundesgenerälen empfangen worden sein.529 Es handelte sich um eine Falschmeldung, denn in anderen Blättern ist davon die Rede, dass Erzherzog Albrecht den preußischen Prinzen empfangen habe.530 Im „Frankfurter Journal“ wurde 526 Frankfurter Journal Nr. 210 (17. August 1858), o. S. 527 HLA HStAD Best. G 1 Nr. 186/2 (13. August 1858): Die Rückkehr sei Stephan bisher aus politischen Gründen versagt worden, aber auch weil Erzherzöge sich in Wien nicht der Beliebtheit erfreut hätten wie mittlerweile wieder. 528 Frankfurter Journal Nr. 219 1. Beilage (20. August 1858); Volks- und Schützen-Zeitung Nr. 101 (23. August 1858), S. 599; HLA HStAD Best. G 1 Nr. 186/2 (13. August 1858): Auch der hessen-darmstädtische Gesandte von Drachenfels berichtete, Ungarn sei für Stephan weiterhin „verschlossen“. 529 Fremdenblatt Nr. 218 (23. September 1858), o. S. 530 Fremdenblatt Nr. 219 (25. September 1858), o. S.; Die Presse Nr. 220 (26. September 1858), o. S.; Wiener Zeitung Nr. 222 (28. September 1858), S. 1. Im „Frankfurter Journal“ wurde auch berichtet, man habe in Ofen die Burg wiederherrichten lassen, weil seine Rückkehr zu erwarten stand; Frankfurter Journal Nr. 262 (2. Oktober 1858), o. S.: für die Zeit vor dem Krimkrieg.
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der Besuch Stephans in Ungarn sogar ausdrücklich mit dem Hinweis, die Meldung sei durch die ungarische Zeitung „Magyar Sajto“ gestreut worden, dementiert.531 Fraglich bleibt, ob es sich lediglich um ein Versehen handelte, ob sich mit Stephans Besuch Erwartungen verknüpften, die einen solchen Besuch in Ungarn nahelegten, oder ob die Ungarn nicht damit sogar versuchten, den Besuch zu erzwingen. Eine vergleichbare – womöglich ebenso absichtsvolle – Meldung war im März 1866 zu lesen, als sich der Ausgleich532 mit Ungarn anbahnte: Das Kaiserpaar gehe nach Alcsút, das zu seinem Besuch hergerichtet sei, und Stephan lasse sich demnächst dauerhaft in Österreich nieder. Am darauffolgenden Tag musste ausgerechnet das Fremdenblatt, das als „Sprachrohr des Außenministeriums“ diese Meldung gebracht hatte, diese ebenfalls dementieren.533 Auch kursierten bald Gerüchte, in welches Amt der Erzherzog berufen werden könnte. Die Nachricht, er könne zum Statthalter Niederösterreichs ernannt werden, fand als Gerücht sogar den Weg in die „Deutsche Allgemeine Zeitung“, allerdings mit dem Zusatz: „ob aber gerade der Erzherzog, der ein Palatinus von Ungarn gewesen, dieselbe [= die Amtswürde als ein solcher Statthalter] annehmen werde, muß zweifelhaft erscheinen.“534 Die Rolle, die man in der Zeitung dem seit zehn Jahren ins Exil Verbannten zuschrieb, war beachtlich: Nicht, ob Wien ihn wieder in ein Amt einzusetzen gedachte, wurde diskutiert, sondern ob er bereit war, mögliche Ämter überhaupt anzunehmen. Immer noch eilte Erzherzog Stephan ein außergewöhnlicher Ruf voraus. Im „Frankfurter Journal“ war deshalb Ende September 1858 zu lesen, dass aus den „Stellungen, welche die öffentliche Meinung für den Erzherzog in Bereitschaft hatte“, nichts geworden sei. Begründet wurde das damit, dass er die Tendenzen seines möglichen Wirkungskreises in Österreich nicht mit seiner persönlichen Überzeugung in Einklang zu bringen vermöchte.535 Stephan hatte demzufolge immer noch die Wahl einer Lebensgestaltung. Trotz seines Exils oder vielleicht sogar gerade deshalb entwarf die Presse das Bild eines frei agierenden Kontrahenten der Wiener Regierungspolitik und hielt damit an Stephans nonkonformistischer Stellung fest. Seine Aktivitäten in Österreich können dieses Bild bei näherer Betrachtung jedoch nicht erhärten. 531 Frankfurter Journal Nr. 221 (22. August 1858), o. S. 532 Bereits 1860 war in der Zeitung zu lesen, dass das Entgegenkommen Franz Josephs gegenüber Stephan darauf zurückzuführen sei, dass er den intensiven Bitten der ungarischen Hocharistokratie entgegengekommen sei, um die Spannungen mit Ungarn beizulegen; Journal des Debats (5. Oktober 1860), o. S.; HU MNL OL P 301 (23. März 1866). 533 Fremdenblatt Nr. 218 (23. September 1858), o. S.; Fremdenblatt Nr. 219 (25. September 1858), o. S.; zum Fremdenblatt vgl. Paupié I, S. 117. 534 Deutsche Allgemeine Zeitung Nr. 226 (28. September 1858), S. 1883. 535 Frankfurter Journal Nr. 261 (1. Oktober 1858), o. S. (nach „Berliner Zeitungen“).
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Einem Jagdaufenthalt mit seinem Halbbruder Joseph in Seelowitz536 schloss sich ein Ausflug mit der Bahn in die Steiermark an, um seinen Cousin, den Großherzog von Oldenburg, zu besuchen.537 Dieser hielt sich auf dem Gut Pöls bei seiner Schwester Friederike auf, wo sie mit ihrem morganatisch angetrauten Ehemann Maximilian Emanuel Washington lebte. Nach dieser Kurzvisite ging der Weg zurück nach Wien. Weil er dem ehemaligen Kaiser Ferdinand in Reichstadt seinen Besuch für den 23. September angesagt hatte, musste Stephan einen Zwischenaufenthalt in der Residenzstadt einlegen.538 Er besuchte deshalb u. a. die Geologische Reichsanstalt,539 die Staatsdruckerei, die ihn sehr beeindruckte,540 und nahm an der Beisetzung der erst achtzehnjährigen Erzherzogin Margarethe, der Ehefrau des Kaiserbruders Karl Ludwig,541 teil, die an Typhus verstorben war, sowie an ihren Exequien.542 Zu diesem traurigen Anlass versammelte sich noch einmal eine größere Anzahl an Erzherzoginnen und Erzherzögen in der Residenzstadt: Hildegard, Elisabeth, Wilhelm, Stephan, Leopold und die eigens aus Ungarn gekommenen Albrecht, Ernst und Joseph. Hinzu kam Herzog Max in Bayern, der Vater der Kaiserin Elisabeth und Schwager der Erzherzogin Sophie.543 Durch diese Trauerfeierlichkeiten verzögerte sich der Besuch Stephans bei Kaiser Ferdinand bis zum 27. September.544 Am 28. September kehrte Stephan nach Wien zurück, um noch am selben Tag seine Rückreise auf die Schaumburg anzutreten.545 Bereits am 29. September 1858 langte er dort wieder an, meldete sich umgehend bei Herzog Adolph von Nassau, damit er ihn, noch bevor dieser nach Ischl zur Jagd mit Kaiser Franz Joseph abreiste, in Wiesbaden und Biebrich besuchen kommen könne. Denn er hatte Aufträge für seinen Landesherrn vom Grafen Grünne.546 Damit war quasi noch einmal ein Signal gesetzt, das sich aus der Reise Stephans ergab. Ab diesem September 1858 war Stephan in der Öffentlich536 Die Presse Nr. 298 (25. August 1858), o. S. 537 Der Humorist Nr. 203 (4. September 1858), S. 4; HLA HHStAW Best. 1174 Nr. 11 (20. August 1858). 538 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr.739 a (6. September 1858). 539 Haidinger (1897), S. 45. 540 OeStA HHStA SB NL Adolf Braun 10 (20. Oktober 1858). 541 Hamann (1988), S. 281. 542 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 a (17. September 1858); Anders (1868), S. 346. 543 Schnürer, S. 289 (Nr. 212). 544 Anders (1868), S. 346. Stephan selbst schrieb am 14. September 1858, er habe Kaiser Ferdinand zweimal in Reichstadt besucht; OeStA HHStA SB NL Adolf Braun 10. 545 Klagenfurter Zeitung Nr. 225 (1. Oktober 1858), S. 894. 546 HLA HHStAW Best. 130 II Nr. 3271 (29. September 1858), fol. 307ff.
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keit wieder ganz offiziell Teil des Erzhauses, sah sich im Stande, von der Schaumburg aus Personen in Wien zu protegieren,547 und wurde in dieser Funktion auch mit Aufgaben betraut bzw. durfte auch öffentlich das Haus Habsburg vertreten. Allerdings waren Vorsichtsmaßnahmen einzuhalten. Die Einladung zu einem Treffen mit Großfürstin Alexandra in Weimar oder Frankfurt musste er ablehnen, weil dieses zu „dummen Redereien“ Anlass gegeben hätte, obwohl dieselbe ihn ein Jahr zuvor auf der Schaumburg besucht hatte. Deshalb fuhr er auch nach seiner Rückkehr aus Wien inkognito zum Herzog nach Wiesbaden.548 Gerade seine wiedergewonnene Stellung hieß ihn Vorsicht walten lassen, damit seine Auftritte nicht als politische Kundgebung des Wiener Hofes fehlgedeutet wurden. Denn einen ganzen Schritt hatte ja keine der Parteien zu gehen gewagt. Dass er wieder ganz offiziell als vollgültiges Mitglied des Hauses Habsburg behandelt wurde, belegt auch die Verleihung des Nassauischen Hausordens vom Goldenen Löwen an ihn und seinen Bruder im Jahr 1858 sowie des Großkreuzes des herzoglich-nassauischen Militär- und Zivilverdienstordens an Stephan. Der Österreich ergebene Herzog Adolph – Stephan nannte ihn den „Hauptösterreicher“, den „warmen Verfechter Oesterreichs à toute epreuve“, ja, den „Mordösterreicher“549 – war jetzt, nach der Rehabilitierung, im Stande, den befreundeten Erzherzog mit dem Militär- und Zivildienstorden Adolphs von Nassau (Großkreuz mit Schwertern) zu versehen, was man vorher als zu delikat angesehen haben musste. Graf Grünne hatte bereits vor Stephan, wenn auch nur einen Monat, den Orden während eines Aufenthalts des Herzogs in Österreich erhalten.550 Wie der Erzherzog selbst schrieb, wurde Stephan in verschiedenen Zeitungen nun sogar als „politische Wichtigkeit vorgeführt“, was aber zumindest in einigen Fällen eher Selbst überschätzung gewesen sein dürfte.551 Zumindest gemäß den österreichischen Zeitungen, auf die es ja bezüglich einer Rehabilitierung ankam, muss diese Einschätzung zunächst als Wunschdenken bewertet werden, weil dort 547 OeStA HHStA HA Familienkorrespondenz A 52-19-3 (14. Januar 1865): Protektion für den Bergamtskandidaten Wissel; OeStA HHStA HA Familienkorrespondenz A 52-19-6 (29. Juli 1859): Protektion für Senoner. 548 HLA HHStAW Best. 130 II Nr. 3271, fol. 393ff. (6. November 1858). 549 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 b (23. Juni 1860); HLA HHStAW Best. 130 II Nr. 3271, fol. 351ff. (9. Juni 1859); HU MNL OL P 301 (16. Mai 1859). 550 HLA HHStAW Best. 130 II Nr. U 420; Staats- und Adreßkalender des Herzogthums Nassau 1862, S. 8. 551 So verwies er auf die „Mittelrheinische Zeitung“, in der (Nr. 298 vom 18. Dezember 1858) aber nur zu lesen war, dass er zusammen mit seinem Bruder Joseph beim Grafen Walderdorff zur Jagd weilte; HLA HHStAW Best. 1174 Nr. 11 (21. Dezember 1858).
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für das Jahresende 1858 nichts berichtet wurde, was eine Aufwertung des Erzherzogs bedeutet hätte. Auch andere Zeitungen hatten die Volten in Stephans Leben noch nicht erkannte. In der „Deutschen Allgemeinen Zeitung“ wurde noch Ende 1858 im Zusammenhang mit dem Zusammentreffen Kaiser Franz Josephs mit Zar Alexander II. in Weimar, das Carl Alexander von Sachsen-Weimar ein Jahr zuvor arrangiert hatte, darauf hingewiesen, dass Stephan früher am Kaiserhof „keine persona grata war, was er ja wol selbst heute noch ist.“552 Aber die Zügel waren lockerer geworden, woraus sich ein Leben ergab, das sich nicht grundsätzlich von demjenigen vor 1858 unterschied, das aber doch freiere Züge bekam. Verwehrt blieb Stephan allerdings eine Wiederanstellung im österreichischen Staatsdienst. Die Versuche, seinem Bruder absichtsvolle Loyalitätsbekundungen für Kaiser Franz Joseph zu schicken, damit dieser sie weiterreichte, blieben fruchtlos, weil der Kaiser Erzherzog Joseph klar zu verstehen gegeben hatte, Stephan nie wieder in den Dienst nehmen zu wollen. Aus Rücksicht auf seine Gefühle verschwieg man dies dem exilierten Erzherzog freilich,553 was letztlich dazu führte, dass er immer damit rechnete, zurückberufen zu werden.
552 Deutsche Allgemeine Zeitung Nr. 290 (12. Dezember 1858), S. 2444. 553 Kováts, S. 356.
7. HOFFNUNGEN UND ENTTÄUSCHUNGEN (1859–1865)
7.1 Drang nach Öffentlichkeit Zum Jahresbeginn 1859 erreichte Erzherzog Stephan Neujahrspost von weit über siebzig Absendern, was von den „Freundschaften“ herrührte, die Stephan – nach eigenem Bekunden – während seines Wienbesuchs wieder wachgerufen hatte.1 War dieser postalische Zustrom nicht schon deutlich genug, so wurde solche Anerkennung im Februar 1859 noch offiziell bestätigt. Denn ihm wurde die Ehre zuteil, stellvertretend für den Kaiser eine Patenstelle zu übernehmen. Herzog Adolph wollte seinen Sohn nach Kaiser Franz Joseph benennen und hatte in Wien darum angesucht, der Kaiser möge als Pate fungieren, was auf größte Bereitwilligkeit stieß. Der Kaiser beauftragte seinen Verwandten auf der Schaumburg damit, ihn bei diesem Anlass zu vertreten. Stephan tat dies gerne, nicht jedoch ohne sich bei Adolph zuvor über den evangelischen Ritus zu erkundigen.2 Das ist insofern bemerkenswert, als seine streng protestantische Stiefmutter auf ihn anscheinend nicht so sehr prägend gewirkt hat, dass ihm evangelische Gepflogenheiten bekannt gewesen wären. Stephans offizieller Auftritt als stellvertretender Taufpate für den Kaiser von Österreich war ein erneutes Signal für seine Wiedereinbindung in den habsburgischen Familienverband und das Vertrauen Wiens, ihn auch wieder bei offiziellen Anlässen einsetzen zu können. Denn er vertrat nicht nur Franz Joseph beim kirchlichen Akt in Biebrich und bei der Überreichung der kaiserlichen Geschenke im Wert von 18.000 fl., sondern er nahm auch an Festdiners und Bällen teil, was ihm noch einige Monate zuvor von Wien aus untersagt worden wäre. Dass all dies für ihn als „Landpomeranze […] keine kleine Strapatz“ gewesen sei, „besonders die Vorstellungen auf dem Balle, wo mir eine Unmasse Damen vorgeritten wurden“, drückt neben einer despektierlichen Note eine in Ironie gekleidete Freude und Erleichterung aus, endlich wieder in der Gesellschaft aufgenommen worden zu sein.3 Schließlich war Stephans Auftritt auch im politischen Sinne presserelevant. In ver1 2 3
StA Diez Sch 55/Sch 332 (13. Januar 1859). HLA HHStAW Best. 130 II Nr. 1512, fol. 2 und fol. 99 (3. und 4. Februar 1859); HLA HHStAW Best. 130 II Nr. 3271, fol. 369ff. (3. Februar 1859). HLA HHStAW Best. 1174 Nr. 11 (14. März 1859). Ähnlich 1860 anlässlich der Teilnahme an einem Ball in Oldenburg. Er sei „Hahn im Korb“ und „Oberdirektor der menus plaisirs“ – „denken Sie meine Frivolität“; StA Diez Sch 55/Sch 332 (6. Februar 1860).
Drang nach Öffentlichkeit
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schiedenen internationalen Zeitungen war zu lesen, Stephan habe zum Wohl des Täuflings einen Toast ausgesprochen, worauf Herzog Adolph mit einer glühenden Rede zugunsten Österreichs geantwortet habe. „Wenn es sich fügen sollte, daß ein Sturm hereinbreche, der sich hoffentlich noch beschwören lasse, so werde er [Adolph] der Erste sein, dem Kaiserhause seine Dankbarkeit auch durch Thaten zu beweisen und zu ihm zu stehen bis zum letzten Mann.“4 Dieser Auftritt und seine Darlegung – nicht nur in der nassauischen Presse – dienten also als öffentlichkeitswirksamer Katalysator für politische Haltungen. Im Jahr darauf wurde Stephan sogar zum Vormund der beiden Söhne Herzog Adolphs bestellt, was ebenso von großem Vertrauen zeugt wie von der wiederhergestellten Reputation.5 Im Februar 1859 konnte er mit Stolz festhalten, er werde „in Nassau’s Gauen weltberühmt“. Auslöser hierfür war ein Festkonzert, das ihm die Bürgerschaft Limburgs zu Ehren gab, als er zusammen mit seinem Bruder Joseph den Limburger Bischof besuchte. Voller Stolz tat er es seinem Freund Carl Alexander gegenüber geringschätzig als „sublimen ennui“ ab.6 Er trat also wieder öffentlich auf. Im Januar 1859 besuchte er die Aufführung eines Liebhabertheaters in Diez, bei dem es sich um den ersten Theaterbesuch seit jenem getadelten Auftritt in Oldenburg gehandelt haben dürfte.7 Die Scheu vor öffentlichen Auftritten im Nassauischen war damit zurückgegangen, und auch offizielle Auftritte an anderen Höfen waren ihm nun wieder leichter möglich. In einem fast verliebten, erotischen Ton kündigte er sich im Februar 1859 seinem Freund Carl Alexander in Weimar an: „Mitte April, wenn die verliebten Vögel lieber sich todt schießen lassen, als ihr Treiben aufzugeben“, komme er „gerne zu dir geflogen.“8 Die Freude, wieder ein vollgültiges Mitglied der Adelsgesellschaft zu sein, schwingt in diesen Worten mit, und dass er in Weimar nicht nur das Großherzogspaar und die sachsen-weimarische Jagdgesellschaft in Gerstungen traf, sondern auch den Großherzog und die Großherzogin von Baden, Marie von Preußen, die Ehefrau des Prin4
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Der Grenzbote Nr. 13 (27. März 1859), S. 99; Tiroler Schützen-Zeitung Nr. 34 (21. März 1859), S. 153; Innsbrucker Nachrichten Nr. 64 (21. März 1859), S. 550; Klagenfurter Zeitung Nr. 65 (22. März 1859), S. 259; Zürcherische Freitagszeitung 12 (25. März 1859), o. S. Zum Grenzboten vgl. Lang, passim. HLA HHStAW Best. 130 II Nr. 1505, auch Best. 130 II Nr. 7998: Rücksendung der Unterlagen dazu an Herzog Adolph durch Stephans Bruder Joseph 1867. 1861 fungierte Stephan als Vormund (gewählter Kurator) der Prinzen Wilhelm und Franz Joseph; Kolb, S. 84. LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 b (27. Februar 1859); Grazer Zeitung Nr. 41 (22. Februar 1859), S. 169; Tagespost Nr. 42 (22. Februar 1859), o. S. HLA HHStAW Best. 1174 Nr. 11 (31. Januar 1859). LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 b (27. Februar 1859).
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zen Karl, und den Erbprinzen von Anhalt-Dessau, wird ihn darin bestärkt haben.9 Damit hatte der Besuch in Wien für Stephan große und positive soziale Konsequenzen, und damit waren auch die langjährigen Bemühungen des Erzherzogs Johann, ihn wieder an die Familie heranzuführen, von Erfolg gekrönt. Tragisch war es allerdings, dass der Onkel ausgerechnet zu dieser Zeit – im Mai 1859 – verstarb. Seinen Lebenslauf stilisierte der Neffe als Parallelerscheinung zu seinem eigenen. Wie Stephan auch sei er aus dem „amtlichen Wirkungskreis ausgetreten“, habe mehr als Privatmann sein Leben geführt, die Industrie gefördert, und sein Wirken sei „ein gesegnetes“ gewesen.10 Ein gehöriges Maß Selbstvergewisserung schwingt in diesen Worten mit. Vielleicht aber war das schönfärberisch klingende Urteil auch eher durch die Hoffnung gespeist, trotz seines Lebens als Privatmann wieder an Bedeutung gewinnen zu können. In Österreich konnte seine Vormundschaft über die Kinder Johanns, die Stephan übertragen worden war, dazu beitragen.11 Es ist daher nicht verwunderlich, dass er sich seinen Einfluss auch auf politischem Sektor ausmalte. Seine anhaltenden Kontakte zu Grünne, dem er ebenfalls seine Dienste anbot,12 und Rechberg – zum österreichischen Außenminister Buol-Schauenstein waren sie abgerissen – verliehen ihm den Glauben, sich ihnen gegenüber auch einbringen zu können.13 Die politische Lage bot ihm darüber hinaus vermeintlich Gelegenheit dazu, sich Gehör zu verschaffen und womöglich sogar sich unverzichtbar zu machen. Ende April überschritten österreichische Truppen die Grenze zu Piemont. Österreich war von Frankreich und Piemont provoziert worden, damit es als Friedensbrecher vorgeführt werden konnte, und durch eine Fehlentscheidung in Wien war das Habsburgerreich darauf eingegangen. Von Frankreich und dem piemontesischen Ministerpräsidenten Cavour als Kabinettskrieg geplant, entwickelte dieser sich zum „nationalrevolutionären Einheitskrieg“, der liberale und demokratische Kräfte Italiens entfesselte.14 Erzherzog Stephan musste diese Dynamik an die Ereignisse in Ungarn gut zehn Jahre zuvor erinnern. Die Sympathie allerdings, die ihn mit den Ungarn verband, brachte er gegenüber den italienischen Unabhängigkeitskämpfern nicht auf. Er hoffte vielmehr, gegen diese ins Feld ziehen zu können. 9 10 11 12 13 14
LATh HStA Weimar Hofmarschallamt Fourierbuch Nr. 4634 (8. April 1859). Haidinger (1897), S. 57 (23. Mai 1859). Haidinger (1897), S. 57 und S. 59. LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 b (29. Mai 1859). LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 b (27. Februar 1859). Altgeld, S. 300–301.
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Im Mai 1859 klagte er, noch keinen Befehl erhalten zu haben, sich zu den Truppen zu begeben;15 ja er erklärte sogar frei heraus, sich sofort beim Hauptquartier zu melden, wenn Erzherzog Albrecht oder der Kaiser persönlich an den Rhein kämen.16 Albrecht, von dem er mittlerweile die höchste Meinung hatte und den er in Deutschland sehr populär glaubte,17 ließ er zusammen mit seinem Halbruder Joseph zur Unterstützung eines Freiwilligenkorps 5000 fl. zukommen. Er, der bisher nie militärische Ambitionen an den Tag gelegt hatte, stehe dem Kaiser, dem er das Angebot weiterzuleiten bat, zur Verfügung und fragte, wie er sich beim Herannahen französischer Truppen verhalten solle. Gegenüber Carl Alexander von Sachsen-Weimar machte er keinen Hehl daraus, dass es ihm darum ging, sich in Wien ins Gespräch zu bringen.18 Daher rührten wohl auch die markigen Worte, die er an Erzherzog Albrecht nach Wien richtete: Frankreich sei heimtückisch, und Albrecht werde die Truppen sicherlich über den Rhein führen, so dass man in Paris die Rache („Nemesis“) erleben werden. Ganz Süddeutschland stehe hinter Österreich.19 Stephans voller Ehrgeiz war wieder geweckt, weil er durch die leichte Entspannung darauf spekulierte, wieder völlig rehabilitiert zu werden. Doch in Wien stellte man sich in dieser Hinsicht taub. Offizielle Aufträge aus Wien an ihn blieben aus. Nach außen schien er voll anerkannt zu sein, aber es erreichte ihn kein offizielles Signal, das diese Rehabilitierung wirklich greifbar werden ließ. Er wurde akzeptiert, aber in der politischen oder militärischen Welt nicht eingesetzt – oberflächlich anerkannt, aber weiterhin kaltgestellt. Das unterschied sich kaum vom Leben der anderen „nutzlosen“ Erzherzöge in jener Zeit,20 lief aber Stephans Ehrgeiz diametral entgegen. Vielleicht war das – gepaart mit der Erfahrung des Todes Erzherzog Johanns – auch der Grund dafür, dass Stephan im Sommer 1859 sein Testament machte.21 Denn im Sommer 1859 musste ihm dies – nach der Euphorie im Anschluss an seine Wien-Reise – bewusst geworden sein. Schließlich hatte der Kaiser auf sein Angebot, in den Militärdienst ein15 HLA HHStAW Best. 1174 Nr. 11 (7. Mai 1859). 16 HLA HHStAW Best. 130 II Nr. 3271, fol. 379ff. (17. Mai 1859). Zur wieder enger gewordenen Beziehung Stephans zu Albrecht vgl. HU MNL OL P 301 (22. Mai 1860 und 24. September 1860): stellvertretende Wahrnehmung der Taufpatenschaft Stephans durch Albrecht, Anbietung eines Aufenthalts auf der Weilburg in Baden bei Wien, Anforderung der Fotografien der Töchter Albrechts. 17 HU MNL OL P 301 (16. Mai 1859). Zur Thematik, wenn auch aus liberaler Sicht, vgl. Seelig, S. 54–55. 18 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 b (17. Mai 1859). 19 HU MNL OL P 301 (16. Mai 1859). 20 Vocelka (2015), S. 296. 21 HLA HHStAW Best. 221 Nr. 766/3. Bode glaubt den Anlass des Testaments in der mittlerweile vier Jahre zurückliegenden Choleraepidemie zu sehen; Bode (2017), S. 113.
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zutreten, gnädig, aber ausweichend geantwortet.22 Als der Pädagoge Kehrein aus der Rücksendung von Bediensteten angesichts der Finanznot 1859 den Schluss zog, auch Stephan werde abreisen, erklärte Stephan, weder nach Ungarn noch nach Österreich gehen zu wollen.23 Er hatte verstanden, dass mit einem Posten in der Donaumonarchie nicht mehr zu rechnen war, auch wenn in den Zeitungen immer noch andere Meldungen kursierten.24 Eine gewisse Spitze gegen den Kaiser konnte er sich aber nicht verkneifen. An Haidinger schrieb Stephan, er rechne nicht damit, dass er zurückgeholt werde, empfinde aber die Genugtuung, die ihm und seiner Politik in der letzten Zeit zuteil geworden sei. Damit brachte er fein zum Ausdruck, dass er angeblich Recht behalten hatte, aber trotzdem vor den Entscheidungen des Kaisers loyal resignierte. Es ist daher auch bezeichnend, dass – neben den allgemeinen Regelungen – zwei Elemente seiner Haushaltung im Testament von 1859 ausdrücklich Erwähnung fanden: der Schlossbau und die Mineraliensammlung. Vom Schlossbau wollte er, dass „die neuen Arbeiten ganz in dem Style und Geiste durchgeführt“ würden, „der meinen Ausführungen zu Grunde lag“. Die Mineraliensammlung wurde dem damals gerade einmal vier Jahre alten Herzog Georg Ludwig von Oldenburg – dem zweitgeborenen Sohn des Großherzogs Peter – unter der Bedingung vermacht, dass sie auf der Schaumburg jedermann zugänglich sein solle.25 Das Schloss sollte damit in Form eines Museumsschlosses ein Denkmal für den Bauherrn werden und bekam so für sein Fortleben eine besondere Relevanz. Wie die folgende Entwicklung zeigen kann, plante Stephan beides schon zu Lebzeiten zur Unterstützung seiner Reputation ein. Gerade die Mineraliensammlung, deren Anlage schon auf die Zeit seiner Kindheit zurückging, war hierfür ein zentraler Baustein. Womöglich mag auch das Joanneum in Graz, das Erzherzog Johann 1811 als Institut in Vermischung von Museum und Lehranstalt gegründet und an dem unter anderem auch der Mineraloge Friedrich Mohs26 gewirkt hatte, als Vorbild gedient haben. Bereits 1837 ist von Stephans Gesteinssammlung zu lesen,27 was zunächst einmal nicht außergewöhnlich ist. Das Interesse an Gesteinen und deren Klassifizierung war in jenen Jahren zu einer Mode geworden. Eine 22 23 24 25
HLA HHStAW Best. 130 II Nr. 3271, fol. 331ff. (22. Juni 1859). HLA HHStAW Best. 1174 Nr. 11 (4. Juli 1859). Haidinger (1897), S. 88. HLA HHStAW Best. 221 Nr. 766/3 (20. Juni 1859). Zum Testament auch HLA HHStAW Best. 469/2 Nr. 30. 26 Mohs wird bereits beim Besuch Stephans in der Mineralogischen Sammlung von Turin erwähnt, die nicht nach Mohs geordnet war; Anders (1868), S. 73. 27 Schieckel (1990), Schaumburg, S. 294.
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„fashionable Liebhaberei“ sei es, schrieb der Schriftsteller Hermann Hauff 1840, und die feine Gesellschaft blättere nun in Gebirgen wie in Modejournalen.28 Das Gewachsene und doch Konstante der Mineralien faszinierte in einer Zeit des Umbruchs. Schon Goethe hatte im Streit zwischen den Vulkanisten und Neptunisten über die Frage, ob die Gesteine durch Sedimentierung im Wasser friedlich oder durch Vulkanausbrüche revolutionär entstanden seien, zumindest implizit Bezüge zur politischen Weltlage hergestellt. Im schriftstellerischen Werk von Stephans Zeitgenossen Adalbert Stifter spielten die Mineralien und ihre Ordnung eine zentrale Rolle. Sie sind Zeichen des friedlichen Werdens im „sanften Gesetz“, des Gesetzes der Gerechtigkeit und Sitte, wodurch dem Sammeln der Mineralien grundsätzlich ein Verweischarakter auf Politisches und Soziales zukam.29 Der junge Erzherzog war folglich mit seinem Interesse für Mineralogie in bester Gesellschaft. Seine Sammlung besaß bereits in seiner Zeit als Statthalter von Böhmen einen beachtlichen Umfang.30 Mit anderen Sammlern stand er in Kontakt, um die eigene Sammlung zu erweitern. So übersandte er dem namhaften Sammler Lavinio de Medici-Spada in Rom 1845 einen Katalog mit Stücken, die ihm noch fehlten, damit er diese womöglich ergänzen möge.31 Zu dieser Kollektion von Gesteinen traten auch andere naturkundliche Objekte wie Muscheln und Seeigel32 sowie Schmetterlinge33 und die regelmäßige Anschaffung von Büchern und Zeitschriften naturkundlichen Inhalts. 1839 konnte er sie seinem Besucher, Carl Alexander von Sachsen-Weimar, in Ungarn zeigen.34 Aber er knüpfte auch direkte Kontakte zu Wissenschaftlern. Die Bekanntschaft mit dem Heidelberger Mineralogen Leonhard wurde bereits erwähnt.35 1845 benannte der Wiener Mineraloge 28 Hauff, S. 13–414. Im Haus Habsburg hatte das Sammeln von Mineralien jedoch eine Tradition, die zumindest auf Kaiser Franz I. Stephan zurückging; Kruspel, S. 28–29. 29 So auch Telesko (2010), S. 270. 30 Zepharovich berichtete davon, sie sei in Prag „zum ersten Male […] aufgestellt“ gewesen; Zepharovich, S. 608. Ob sich damit auch die Öffentlichkeit der Sammlung verband, lässt er offen. Die Zeitungen scheinen sich darüber nicht zu äußern. Im Ebner-Tagebuch, S. 126 (19. September 1842), wird Stephan bereits als „ausgezeichneter Mineralog“ erwähnt. Seine Kenntnisse in Mineralogie, Naturgeschichte und Chemie beeindruckten auch in Italien; OeStA AVA PHSt H 112 (1842 (6. Juni 1842). 31 ÖNB Autogr. 55/33-8 (16. Oktober 1845). Prof. Tomaso Antonio Catullo in Padua übersandte ihm im Jahr 1858 versteinerte Seeigel (Echinite) aus den Dolomiten; BUPD MS CC n. provv. 203/III c. n. 634 (10. Februar 1858), frdl. Auskunft von Herrn Ilario Ruocco, Padua. 32 NLA Oldenburg Dep. 50 Best. 6 F Nr. 134 (11. September 1849). 33 HLA HHStAW Best. 1174 Nr. 11 (13. Juli 1857). 34 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv XXVI 1938 Bl. 45v 35 Zu ihm auch LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 a (13. Juni 1851).
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Wilhelm Haidinger das schon länger bekannte Mineral Röschgewächs nach dem Erzherzog „Stephanit“. Grund hierfür war neben der Tatsache, dass sich das Gestein besonders häufig in der Gegend um Přibram und Ratieborzik in Böhmen fand und der Erzherzog zu jenem Zeitpunkt Statthalter in Böhmen war, Stephans kenntnisreiche Gönnerschaft.36 1847 wurden zwei Trilobiten, die Vertreter ausgestorbener meeresbewohnender Gliederfüßler, nach ihm und Carl Alexander von Sachsen-Weimar als Trilobites Stephani und Caroli Alexandri benannt, was den Erzherzog veranlasste, seiner Freude Ausdruck zu verleihen, dass beide „als vorweltliche Frösche treue Freunde bleiben.“37 Mit einer gewissen Selbstironie bezichtigte er sich gegenüber dem Weimarer Freund selbst, ein „mineralogischer Narr“ zu sein,38 was sogar dazu führte, dass er auch kurz nach Antritt seines Exils in großem Stil Mineralien aus dem Nassauischen erwarb und mit Hilfe seines Onkels Johann auf die Schaumburg schaffen ließ.39 Mit Haidinger, den Stephan persönlich 1852 in Wiesbaden auf der Versammlung der Gesellschaft deutscher Naturforscher und Ärzte getroffen hatte,40 wie auch mit dem Geologen Adolf Senoner41 stand er späterhin in langjähriger, intensiver Korrespondenz. Seinen Kustos und Bibliothekar Georg Siemang,42 der schon lange in seinen Diensten stand, ließ er in der Umgegend der Schaumburg Mineralien sammeln, und von Haidinger nahm er immer wieder Schenkungen entgegen, so zum Beispiel 1850 eine Kupferstufe.43 Auch der Mineraloge Professor Victor Zepharovich überließ ihm schenkungsweise Mineralien.44 Zusätzlich erwarb Stephan mehrere Mineraliensammlungen in Österreich sowie Teile der Privatsammlungen des russischen Ministers Heinrich Christian Gottfried von Struve aus Hamburg
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Haidinger (1845), S. 472 und S. 570; Schröcke, S. 292; Kobell, S. 24. LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 a (26. Juni 1847). LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 a (22. November 1846). LHA Koblenz Best. 47 Nr. 2953 (5. und 7. Juni 1849), Beschaffung von Mineralien aus den Gegenden um Siegen und Dillenburg. Zepharovich, S. 608. Im amtlichen Bericht der Tagung, der 1853 erschien, ist von Erzherzog Stephan nicht die Rede; Dienstbibliothek HLA HHStAW VIII 694. OeStA HHStA HA Familienkorrespondenz A 52-19-6. DAL Kirchenbuch Balduinstein Tote 1858–1912 (18. Januar 1862). Siemang war in Szered/ Ungarn als Sohn des Kammerdieners beim Grafen Karl Esterházy geboren worden. Er besaß eine solche Vertrauensstellung, dass Erzherzog Stephan dessen Sohn Stephan Joseph Georg 1854 während der Taufhandlung auf den Armen hielt; ebd. Geburten – Taufen 1851–1908 (2. April 1854); HLA HHStAW Best. 221 Nr. 850/17 (Nachlassakte). Haidinger (1897), u. a. S. 1, S. 3 und S. 5. Scheid, S. 8. Zepharovich beteiligte sich an der geologischen Aufnahme Böhmens und Ungarns und wurde Professor in Krakau, Graz und Prag; BLKÖ 59 (1890), S. 326–328.
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im Jahr 1852,45 des Bergmeisters Horstmann, die vorrangig Gesteine aus Nassau umfasste,46 und des Apothekers Martini aus Gau-Algesheim und gliederte sie seiner Mineraliensammlung ein.47 Ebenso kamen Gesteine aus dem Harz hinzu.48 1866 erwarb Stephan sogar wertvolle Meteorsteine aus Tejupileo/Mexiko.49 Auf diese Weise kam eine Sammlung zusammen, die Stephan bereits 1857 mit 1260 Stücken in den Vitrinen und über 20.000 Exemplaren in den Schubladen bezifferte. Der Sammler konnte daher getrost wählerisch sein und nach einem Mineralientausch mit seinem Bruder Joseph einen Großteil der eingetauschten Stücke als bedeutungslos entsorgen.50 Nicht zuletzt aus Platzgründen, aber auch um schließlich zu einer „Quintessenz, zu einer Gediegenheit“, zu gelangen, „die ihres gleichen sucht“, musterte er immer wieder Stücke aus.51 Der Katalog der Mineraliensammlung von 1877 erfasste 14.254 Mineralien.52 Über die Ausrichtung der Mineraliensammlung selbst wissen wir wenig. Stephans Berichte aus Hamburg, das er im September 1857 unter seinem häufig verwendeten Pseudonym eines Grafen von Steinsberg wohl zur Tätigung von Einkäufen besuchte, können aber einen gewissen Einblick geben. Die Einschätzung der Stadt durch Stephan variierte je nach Gesprächspartner, aussagekräftiger aber ist seine Einschätzung der wissenschaftlich-naturkundlichen Einrichtungen. „Handel und Wandel sind hier die einzigen Triebfedern des Lebens“,53 schrieb Stephan an den Wiener Mineralogen Haidinger. In Hamburg könne man viel Geld ausgeben, aber keine wissenschaftlichen Fortschritte machen. Die vorhandenen Sammlungen seien mehr für Auswärtige, nicht für die Einheimischen angelegt, der botanische Garten diene zu Spaziergängen, nicht als „Unterrichtsanstalt“. Wenn man einen Hamburger nach verschiedenen Bildungsanstalten frage, wisse er davon nichts. „Krämervolk im Großen, Geldaristokratie bis in’s Ungenießbare!“
45 Der Humorist Nr. 306 (31. Dezember 1852), S. 1232. Struve war eben derjenige, der 1845 versuchte hatte, im russischen Auftrag eine Einigung mit dem Papst zur Eheschließung Stephans mit Großfürstin Olga zu erreichen. 46 Zepharovich, S. 608 (hier fälschlich: „Borstmann“). 47 Scheid, S. 10. 48 Haidinger (1897), S. 3 und S. 5; Zepharovich, S. 610. 49 OeStA HHStA HA Familienkorrespondenz A 52-19-3 (11. Mai 1866). 50 OeStA HHStA HA Familienkorrespondenz A 52-19-3 (9. Juli 1865). 51 OeStA HHStA HA Familienkorrespondenz A 52-19-6 (29. September 1865). 52 Scheid, S. 17. Zur Geschichte der Mineraliensammlung und ihrer Überführung in das Naturkundliche Museum Berlin vgl. Damaschun, passim. Die Sammlung wurde 1879 von dem Mitinhaber der Firma Bayer, Carl Rumpff, erworben und von diesem 1889 dem Berliner Museum vererbt. 53 OeStA HHStA HA Familienkorrespondenz A 52-19-6 (6. Dezember 1864).
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– und damit auch kein Vergleich zu Wien.54 Stephan schätzte – zu diesem Zeitpunkt – die nichtwissenschaftliche Ausrichtung und den Mangel an pädagogischer Fundierung gering und wandte sich gegen eine vermeintlich rein touristische Ausrichtung von Sammlungen und naturkundlichen Anlagen,55 auch wenn sich zumindest seit 1854 neugierige Touristen und Kurgäste aus Bad Ems auf der Baustelle einfanden.56 Aus dieser Einschätzung lässt sich zumindest das Profil der erzherzoglichen Mineraliensammlung als rein wissenschaftlich bezeichnen, als eine auf den Sammler selbst und die wissenschaftliche Welt ausgerichtete Kollektion mit hohem Anspruch. Der Kontakt zur Wissenschaft war Stephan außerordentlich wichtig. Einige Jahre später, im Dezember 1864, resümierte er, es handele sich bei den Mineralien um „eine Specialitaet, die aber so vollständig als möglich zu sammeln“ er sich zum Ziel gesetzt habe. Wer verschiedene naturwissenschaftliche Zweige wie zum Beispiel Geographie, Versteinerungskunde (Petrefaktologie) oder die Kunde der Schalentiere (Conchylologie) vereinen wolle, riskiere – abgesehen von Platzproblemen – als Privatperson, „den Besuchern nur das bieten zu können, was sie anderswo auch schon gesehen hatten. Wer dagegen, so wie ich nur Oriktognosie [Mineralienkunde] und mit ihr reines Fach betreibt, was so zu sagen auch für den Laien appetitlich ist, der hat ein breites, ein schönes Feld vor sich, ein Feld, das an und für sich schon sehr viel Raum erfordert! Kömmt nun noch dazu, daß, Dank sei es der Liberalität des Ministerialrathes Lill, das Bergwerk Přibram allein zwei große Kasten erfordert, so wird man gewiß noch mehr zu meinen Prinzipien bekehrt.“57 Stephan wollte folglich eine Sammlung von hohem wissenschaftlichem Anspruch zusammentragen, die für sich stehen konnte und nicht bloß austauschbare Objekte präsentierte. Kustos Siemang trug für Stephans Sammlung, aber auch für Haidinger, manches Stück zusammen. Er war beim Aufbau und der Betreuung der Sammlung für Stephan eine verlässliche Stütze gewesen. Bei seinem Tod im Jahr 1862 war die Neuordnung der Mineraliensammlung – statt wie bis54 Haidinger (1897), S. 33–34; positiver an Kehrein HLA HHStAW Best. 1174 Nr. 11 (3. September 1857). Dass Stephan auch eine Reliefkarte der Herrschaft Schaumburg von A. Ravestein besaß, spricht für Unterrichtszwecke; Henninger, S. 596. 55 Ob er in Hamburg mit dem Naturkundler Karl Möbius zusammentraf, der dort seit den 1860er Jahren die englische Museumsreformbewegung nach Deutschland brachte, ist nicht bekannt. Möbius setzte neben der wissenschaftlichen Sammlung auf Schausammlungen und ein didaktisches Konzept, durch das breite Bevölkerungsschichten erreicht werden sollten; Köstering, S. 39–40. 56 OeStA HHStA SB NL Adolf Braun 9–1–152 (21. September 1854). 57 OeStA HHStA HA Familienkorrespondenz A 52-19-6 (6. Dezember 1864). Gemeint ist der Geologe Alois Lill von Lilienbach.
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her nach dem System Mohs – nach dem System des Mineralogen Zippe, das heißt nach Systemgruppen statt nach Härtegraden,58 nur bis zum Mineral Coelestin gekommen. Der Arbeitsbedarf war folglich noch hoch, und Mineraliensammlung und Bibliothek kamen in eine deutliche Schieflage.59 Mühevoll war die Suche des Erzherzogs nach einem Wissenschaftler, der die Sammlung weiter bearbeiten könnte. Der kaiserlichen Sammlung in Wien wollte Stephan den Meteorstein Obernkirchen (gefunden bei Rinteln) vermachen, wenn der Kustos des Wiener Hofmineralienkabinetts, Moritz Hoernes, zur Ordnung seiner Sammlung auf die Schaumburg kommen dürfe. Von einer Einklassifizierung der Neuerwerbungen durch Hoernes zusammen mit dem Züricher Mineralogen Professor Gustav Adolf Kenngott ist in der ersten Jahreshälfte 1865 die Rede.60 Zu mehr als Vorgesprächen scheint es aber nicht gekommen zu sein. Interimistisch war Stephan mit dem Frankfurter Bergrat Jentzsch, Dozent am dortigen Senckenberg-Museum, auf der Schaumburg tätig, mit dem es aber wohl keine Einigung gab. Mit der endgültigen Katalogisierung wurde erst im Sommer 1865 durch den Wiener Mineralogen Albrecht Schrauf sowie Kenngott begonnen.61 Kenngott übernahm die Katalogisierung der Neuerwerbungen aus dem mittelböhmischen Přibram. Die Schildchen für die Beschriftung der Stücke wurden über die geologischen Experten Alois Lill von Lilienbach und Franz von Kolosvary in Wien bezogen. Ziel dieser Bemühungen war, die Mineraliensammlung „rein und makellos gegen jede Kritik gewappnet“ werden zu lassen,62 so dass insbesondere Bergrat Jentzsch und Dr. Jakob Auerbach, Sekretär der naturforschenden Gesellschaft Moskau, aber auch andere Gelehrte an ihr nichts auszusetzen fänden. Dass Jentzsch hier genannt wurde, lässt den Rückschluss zu, dass sich der Erzherzog mit ihm anlässlich der Klassifizierung und Aufstellung der Sammlung überworfen hatte. Schließlich dürfte es mit Schrauf und Kenngott auch zu keiner dauerhaften Arbeit gekommen sein, denn schon bald nach seinem Arbeitsantritt war Schrauf nicht mehr auf der Schaumburg anwesend, und als Kustos von Bibliothek und Mineraliensammlung wird im Hofschematismus 1866 der Architekt Wilhelm Frickhöffer geführt, der damit in den Hofstaat des Erzherzogs inte58 Haidinger (1897), S. 117–118; Scheid, S. 14; BUPD MS CC n. provv. 203/III c. n. 634 (10. Februar 1858). 59 HLA HHStAW Best. 221 Nr. 850/17; HLA HHStAW Best. 1174 Nr. 11 (24. Februar 1862 und 14. April 1863); OeStA HHStA HA Familienkorrespondenz A 52-19-6 (9. August 1862). 60 OeStA HHStA HA Familienkorrespondenz A 52-19-3 (2. Januar 1865); OeStA HHStA HA Familienkorrespondenz A 52-19-6 (29. Mai 1865, 6. Juli 1865 und 10. Oktober 1865). Kenngott war von 1852 bis 1856 Kustos am k. k. Hofmineralienkabinett in Wien gewesen. 61 Scheid, S. 14; OeStA HHStA HA Familienkorrespondenz A 52-19-3 (9. Juli 1865). 62 OeStA HHStA HA Familienkorrespondenz A 52-19-3 (2. Januar 1865).
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griert worden war. Stephan begründete diesen Schritt damit, dass weder die Bibliothek noch die Bauaufsicht allein eine Person genügend beschäftigen könnten.63 Gelegentlich besuchten ihn – neben anderen Naturwissenschaftlern und Ärzten64 – auch Mineralogen auf der Schaumburg. Im Fall des Geheimrats Leonhard mit seinem Sohn 1851 ist dies als Freundschaftsbesuch zu werten, der Stephan mit Stolz erfüllte, weil beide die „ersten Geognosen Deutschlands“ seien.65 Anlässlich der 33. Versammlung deutscher Naturforscher und Ärzte in Bonn im Jahr 1857 stattete eine kleine Delegation aus zwei Personen der Mineraliensammlung der Schaumburg eine Visite ab, was den Sammler mit Stolz erfüllte. Alle anderen Teilnehmer des Kongresses zogen es vor, ihre Reisewege nach anderen Orten zu lenken. Prof. Victor Ritter von Zepharovich aus Krakau und Prof. Kenngott, die beide in direktem Kontakt zu Haidinger standen und wohl auch auf seinen Wink hin handelten, waren aber zu Stephan gereist und blieben fünfeinhalb Tage dort. Sie versprachen ihm, über die Sammlung zu berichten, die sich mit jeder in Deutschland messen könne. Die Kristallsammlung sei ein Unikum und übertreffe sogar das Wiener Hofkabinett. Das hörte Stephan gerne. „Denn nichts ist wohlthuender für den Besitzer, als seinen Besitz anerkannt und benützt zu sehen, während dem Besichtiger die Novitäten oft unschätzbar sind.“66 Hier klingt der Stolz des Exilanten heraus, der sich selbst kaum noch in der Welt einbringen kann, dessen Ehrgeiz aber auf anderem Gebiet durch die Anerkennung der Wissenschaftler Erfüllung findet. Damit war die Mineraliensammlung der Kulturpflege an mittleren, machtpolitisch eher unbedeutenden Höfen vergleichbar. Politisch war hier wie dort nichts mehr auszurichten, aber auf der Ebene der Wissenschaft konnte der Fürst als Mäzen und Sammler seine Stellung behaupten. In Stephans Worten: „Die Wissenschaft belohnt, belebt, bereichert – die Politik grämt, verdrießt, verarmt – wenigstens in dem Glauben an Recht und Billigkeit!“67 Stephan leitete die Würdigungen der Professoren regelmäßig in seinen Briefen weiter. Sie waren für seine Selbstachtung von erheblicher Bedeutung. 63 OeStA HHStA HA Familienkorrespondenz A 52-19-6 (5. Januar 1865); Hof- und Staatshandbuch des österreichischen Kaiserthumes 1866, S. 36. 64 OeStA HHStA HA Familienkorrespondenz A 52-19-6 (12. Mai 1862): Der Wiener Arzt Franz Liharžik referierte ihm einige Tage in mehrstündigen Vorträgen über sein Gesetz des menschlichen Wachstums und verdeutlichte dies durch die Werke des Bildhauers Müller. Erzherzog Stephan erkannte in diesem System auch ein Hilfsmittel für bildende Künstler. 65 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 a (13. Juni 1851). 66 Haidinger (1897), S. 35. 67 Haidinger (1897), S. 83.
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Zepharovich hatte seinen Bericht im Jahrbuch der kaiserlich-königlichen Geologischen Reichsanstalt 1857 veröffentlicht und Haidinger gewidmet. Er fiel, wie nicht anders zu erwarten, ausgesprochen positiv aus.68 „Nur eine ganz besondere Vorliebe für die Producte der Krystallisations-Kraft konnte so vollkommene Reihen zusammenbringen, nur ein Fürst sie in dieser Weise zu Schau stellen.“ Die Repräsentationsfunktion der Sammlung wurde von Zepharovich erkannt, und das setzte sich bei der Beschreibung der Petrefakten fort: fossile Fische, die Stephan selbst am Monte Bolca bei Verona erworben habe, Pflanzenabdrücke und Ammoniten, wobei Stephan angekündigt hatte, diese demnächst an einen anderen Ort zu verbringen und den Raum ganz den Mineralien zu widmen. „Alles Unvollständige will der hohe Herr aus seinem Museum bannen.“ Das zog sich dann in den Augen Zepharovichs durch das ganze Haus, so dass es sich letztlich zu einem naturkundlichen Panoptikum entfaltete. Das Palmenhaus wartete mit tropischen Gewächsen auf, darunter eine 24 Fuß hohe Salakpalme (Zalacca assamica) – das größte der sechs sich auf dem europäischen Festland befindlichen Exemplare. Stephan hatte sie in Lüttich gekauft, wo die Gewächshäuser für sie zu klein geworden waren. Darüber wurde sogar im „Oesterreichischen Botanischen Wochenblatt“ in Superlativen berichtet.69 360 Farne hielt die Sammlung vor, hinzu kam die zoologische Sammlung mit „gewaltigen“ Hunden, zehn Spezies Raubvögeln, einem Wolf, zwei Bären, dreißig Stück Damhirschen und „prächtige[n] Pferde[n]“. Als Partnerin für den zahmen Wolf kaufte Stephan 1860 in Frankfurt auch noch eine zahme Wölfin an.70 Diese Menagerie war, nach des Bauherrn eigenem Bekunden, angelegt worden, um der Landbevölkerung die Tierarten zu präsentieren, vor denen sie sich in Acht zu nehmen hatte.71 Die Sammlung diente folglich als Lehranstalt. Mit Zepharovichs Würdigung hatten sich Stephans Sammlungen in der Wissenschaftslandschaft etabliert. Durch eigenhändige Briefe, denen der Erzherzog auch die Drucklegung von Zepharovichs Darlegungen beifügte, verbreitete er die Einschätzungen in seinem Bekanntenkreis.72 Das hatte einigen Erfolg. 1863 fand sich sogar eine Art mineralogischer Kongress auf der Schaumburg ein, „denn der [!] Celebritäten dieser Wissenschaft trafen hier zufällig zusammen.“ Der bayerische Oberberg- und Salinenrat 68 Zepharovich, S. 609. 69 Oesterreichisches Botanisches Wochenblatt 28 (13. Juli 1854), S. 232. Weil das Palmenhaus auf der Schaumburg zunächst noch nicht fertiggestellt war, wurden die Palmen „in den Boden einer Kirche“ zu Schaumburg eingegraben. 70 OeStA HHStA SB NL Adolf Braun 10 (26. November und 16. Dezember 1860). 71 OeStA HHStA HA Familienkorrespondenz A 52-19-6 (16. Juli 1862). 72 Haidinger (1897), S. 36; HLA HHStAW Best. 1174 Nr. 11 (19. November 1857); LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 a (20. November 1857).
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Max Hörmann von Hörbach, der russische Mineraloge und Obrist Nikolaus Iwanowitsch Kokscharow und der Professor für Mineralogie Johann Jakob Gerhard von Rath aus Bonn, der sogar eine Beschreibung der Sammlung ankündigte,73 hatten sich von dem guten Ruf der Schaumburg anlocken lassen, was den Besitzer mit Stolz erfüllte. Im Herbst trafen dann dreißig Mitglieder des Koblenzer Naturhistorischen Vereins auf der Schaumburg ein.74 Stephan hatte sich in der Welt der Naturkunde – auch als Forschungsförderer75 – einen Namen gemacht, was sich auch in zahlreichen Zeitungsberichten niederschlug. Ein Fest der Naturforscher auf der Schaumburg erwähnte Stephan selbst gegenüber seinem Freund Carl Alexander in Weimar als Analogie zum Wartburgfest.76 Das war sicherlich mit einem Augenzwinkern vorgebracht. Dass der Erzherzog die Veranstaltung in seinen Mauern aber ausgerechnet mit dem von revolutionären, nationalen Zielen geprägten Treffen der Burschenschaftler 1817 verglich, verlieh seinen naturforschenden Ambitionen ebenfalls etwas Revolutionäres – als sei sein von breiten Bevölkerungsschichten getragenes Renommee von bewusst gesetzter politischen Relevanz, als vereine die Gesellschaft der Wissenschaftler die Nation.77 An Wien gerichtet fand Stephan hingegen andere Töne. Da schmeichelte er sich gegenüber Erzherzog Albrecht, mit dem Empfang des Naturforscherkongresses auf der Schaumburg der Casa d’Austria Ehre gemacht zu haben.78 Antiquiert war diese Formulierung und sicherlich wieder mit einem ironischen Unterton versehen, aber selbst mit diesen Abstrichen war die dynastische Aussage stichhaltig genug, um den Aktivitäten jeglichen revoluti73 HLA HHStAW Best. 1174 Nr. 11 (25. Juli 1863). 74 Haidinger (1897), S. 113 und S. 116. 75 So eine Auslobung von 1000 fl. zur Fortsetzung des Werkes Kenngotts zur „übersichtlichen Darstellung der Ergebnisse mineralogischer Forschungen während der Jahre 1862 bis inclusive 1865“; Verhandlungen der k. k. geologischen Reichsanstalt Nr. 4, Sitzung am 5. März 1867, S. 70. Leopold Friedrich August Weismann war nach 1860 als Arzt auf der Schaumburg tätig und erforschte die Embryonalentwicklung bei Insekten. Er wurde 1863/65 Professor in Freiburg; DBE 10 (2000), S. 504. Inwiefern der Kontakt zu dem jungen ungarischen Botaniker August Kanitz auch eine Förderung umfasste, bleibt unklar; ÖNB Autogr. 55/3315 (23. Mai 1866). Den Pädagogen Kehrein unterstützte er in seinen Forschungen durch die Finanzierung von Abschriften aus der Hofbibliothek in Wien; Kehrein I, S. IX–X. 76 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 b (28. September 1864). Zum Wartburgfest vgl. Zamoyski, S. 228–230; Evans (2016), S. 68; Siemann (2016), S. 662– 665. 77 Das bleibt trotz allem in seiner Ausrichtung unklar, weil Großherzog Carl Alexander die politische Dimension der Wartburg strikt leugnete. In ihrem Wiederaufbau erkannte er zwar auch eine nationale Relevanz, wollte dies aber auf den kulturellen Bereich beschränkt wissen; François (2005), Wartburg, S. 147–148. Das Wartburgfest verfiel unter ihm einer „Damnatio Memoriae“; ebd., S. 152. 78 HU MNL OL P 301 (20. September 1864); Haidinger (1897), S. 138.
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Abb. 34: C. Hohnbaum: Blatt zur Naturforscherversammlung am 3. September 1864 in Gießen, oben: Frühstück auf der Schaumburg (HLA HStAD Best. R 4 Nr. 28837)
onären Zug zu nehmen. Die private Mineraliensammlung wurde gegenüber dem konservativ-dynastisch denkenden Albrecht explizit zum Reputationsobjekt der Dynastie. Je nach Adressat hatte Stephan der Deutung seiner Position eine je eigene Wendung verliehen, die letztlich nur verband, dass er recht stolz auf seine dadurch gewonnene Reputation war. Gewiss war Stephan an allem Naturkundlichen wirklich interessiert, sonst hätte er keine Obstausstellungen in Wiesbaden, keine Blumenausstellung in Frankfurt und nicht das zooplastische Kabinett des Tierpräparators Franz Leven in Frankfurt sowie 1863 eine Industrieausstellung besucht.79 Aber so wie zum Beispiel Carl Alexander von Sachsen-Weimar aus Interesse heraus Kunstförderung betrieb, um im Geist der Goethezeit seinem kleinen und im politischen Handlungsrahmen beschränkten Land einen Stellenwert zu verschaffen,80 so agierte Stephan mit Hilfe naturkundlicher Akzente, 79 HLA HHStAW Best. 1174 Nr. 11 (27. Oktober 1858 und 10. April 1860); Haidinger (1897), S. 73; StA Diez Sch 55/Sch 332 (8. August 1863). Vermutlich handelte es sich um die Nassauische Kunst- und Gewerbeausstellung in Wiesbaden. 80 Zur Konstruktion des „liberalen“ Musenhofs Weimar im 19. Jahrhundert vgl. Wilson, S. 23.
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auch zum Unverständnis seiner hochadligen Zeitgenossen, die ihm deutlich machten, dass ihnen Pferderennen oder die italienische Oper lieber seien.81 Stephans Mokanz gegenüber dieser Haltung aus der Zeit seines Exils hat allerdings insofern etwas Falsches, als er doch selbst in seiner Jugend genau dieses Leben mit just diesen Schwerpunkten gepflegt hatte, was ihm nach 1848 schlichtweg unmöglich geworden war.82 Bei diesem wissenschaftlichen Anspruch war es nur gerecht, dass Stephan in mehreren naturkundlichen wissenschaftlichen Gesellschaften Aufnahme fand. Bereits 1851 war er Ehrenmitglied des Nassauischen Vereins für Naturkunde in Wiesbaden geworden. 1855 sorgte der Leiter der Anstalt, sein Freund Haidinger, dafür, dass Stephan korrespondierendes Mitglied der k. geologischen Reichsanstalt in Wien wurde. Die Deutsche Ornithologische Gesellschaft ernannte ihn 1856 zum Ehrenmitglied.83 1857 folgte die Mitgliedschaft in der Sektion Botanik bei der Leopoldina.84 Ende 1857 wurde er Ehrenmitglied der geographischen Gesellschaft des österreichischen Kaiserstaates, wie es auch die Erzherzöge Ludwig und Johann waren.85 1865 folgte die Ehrenmitgliedschaft in der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften und im gleichen Jahr der kaiserlichen Mineralogischen Gesellschaft in St. Petersburg.86 Trotz aller Ehren fühlte er sich vor kennerschaftlichen Besuchern seiner Mineraliensammlung immer als „weißer Spatz“ und fürchtete eine Blamage.87 Irgendwann werde er sich noch selbst einbilden, „etwas Rechtes, ein großer Gelehrter“ zu sein.88 Wieder war viel Koketterie mit im Spiel, denn der Stolz und die Genugtuung werden in den sich anschließenden Worten doch deutlich: „Wenigstens habe ich die Beruhigung, kein ‚Vie de Jules César‘ geschrieben und doch dasselbe Ziel erreicht zu haben, das der Autor dieses vielbesprochenen Werkes sich gestellt.“ Das war ein Seitenhieb gegen Kaiser Napoleon III. und seine nie vollendete „Histoire de Jules César“ (1865/66), in der dieser auch die Theorie seines Kaiserreiches in historischem Gewand propagierte.89 Während sich der Kaiser der Franzosen also intensiv bemühte und seine wissenschaftliche Reputa81 Haidinger (1897), S. 160. 82 HU MNL OL P 301 (30. März 1836). Naturwissenschaftliche Interessen galten ohnehin eher als unhöfisch; Müller (2019), Thronfolger, S. 65. 83 Quäbicker, S. 206–207. 84 Haidinger (1897), S. 12 und S. 35; https://dewiki.de/Lexikon/Liste_der_Mitglieder_der_ Deutschen_Akademie_der_Naturforscher_Leopoldina%2F1857 (Zugriff 2. Juni 2022). 85 Haidinger (1897), S. 38–39. 86 Haidinger (1897), S. 159 und S. 173. 87 Haidinger (1897), S. 132. 88 OeStA HHStA HA Familienkorrespondenz A 52-19-6 (29. Mai 1865). 89 Rieder, S. 268.
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tion forcierte, blieb Stephan im besten Sinn – wie es sich seit jeher für den Adel gehörte90 – ohne Kraftanstrengung und falschen Ehrgeiz ein Liebhaber der Wissenschaft. Wenn das dann von wissenschaftlichen Gremien wertgeschätzt wurde, war es umso reputierlicher. Seit Balduinstein einen Eisenbahnanschluss erhalten hatte, wurden die Besuche der wissenschaftlichen Welt noch intensiver.91 Aber die Schaumburg wurde auch zu einem Eldorado für Touristen, wie Stephan es bereits einige Zeit zuvor erwartet hatte.92 Denn täglich kamen sechs Züge in Balduinstein an.93 Hoch erfreut berichtete er im Sommer 1862, dass die Sonntage für Schlossbesuche schon immer beliebt gewesen seien, jetzt aber noch die Mittwoche und Samstage hinzuträten. Von zwei bis sechs Uhr nachmittags konnten Kurgäste aus Bad Ems das Schloss gratis besichtigen, was dazu führte, dass eine Gruppe der anderen die Klinke in die Hand gab. Eine konsequente Beschränkung der Besuche auf den Mittwoch und Samstagnachmittag, wie Stephan es nach seiner Aussage angestrebt hatte, ließ sich nicht durchsetzen,94 auch nicht durch eine Bekanntmachung in Bad Ems, die in der Emser „Fremden-Liste“ veröffentlicht wurde. Diese war freilich so abgefasst, dass sie eher werbende Auswirkungen gehabt haben dürfte, wenn dies nicht sogar als Grund hinter der Anzeige stand.95 Für den Zeitraum von Anfang August bis Anfang September 1862 gab Stephan selbst die Zahl von 1837 Touristen an, welche die Schaumburg besucht hätten, ohne dass im September der Strom abgerissen sei. Vorrangig waren dies Kurgäste aus Bad Ems.96 Mit großer Freude berichtete Stephan 90 Pons (2019), Dilettantismus, S. 89–91. 91 StA Diez Sch 55/Sch 332 (3. September 1859): Besuch des Jean Linden, Direktor des Zoos zu Brüssel; LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 b (22. September 1859): Die Wartehalle des Bahnhofs hatte er für sich und seine „Leute“ errichten lassen. Freudig und dem technischen Fortschritt zugetan, sehnte er im Frühjahr 1862 den Tag herbei, an dem er mit der „übrigen Welt durch einen Schienenweg in Verbindung“ treten könne. Da war gerade die erste Lokomotive im Tal unter seinem Schloss vorgefahren; Haidinger (1897), S. 106–107; HLA HHStAW Best. 1174 Nr. 11 (27. Mai 1862). Wenige Monate später sollte die Schaumburg Anschluss an die Telegraphenlinien erhalten; OeStA HHStA HA Familienkorrespondenz A 52-19-6 (9. August 1862). Zum Bahnhof und zu den Erweiterungswünschen für den Bereich von Stephans Gästen vgl. auch Bode (2011), S. 77–78. 92 StA Diez Sch 55/Sch 332 (31. August 1861): Wenn Schaumburg ein „but de promenade“ für Ems werde, müsse er sich womöglich ausquartieren. 93 OeStA HHStA HA Familienkorrespondenz A 52-19-6 (5. Oktober 1863). 94 NLA Bückeburg F 1 A Nr. XXVI Nr. 9 (4. August 1863). 95 Emser Fremdenliste (20. Mai bis 23. Mai 1864), S. 11. Gastwirt Wilhelm Noll aus Balduinstein gab wenige Tage später noch einmal gesondert bekannt, dass zwei Wagen nach Ankunft eines jeden Zuges die Touristen von Balduinstein nach Schaumburg brachten; Emser Fremdenliste (25. Mai bis 27. Mai 1864), S. 20. 96 HLA HHStAW Best. 1174 Nr. 11 (2. September 1862). Gedichte auf Stephans Freigebigkeit
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nach Weimar, dass am 28. Juli 1864 380 „noble“ Leute auf der Schaumburg gewesen seien97 und dass wegen der Überfüllung sogar 180 Personen abgewiesen werden mussten. Auch die Gastronomie brachten die Einfälle von Gruppen immer wieder einmal an die Grenzen des Leistbaren.98 „Mehr als 2 Stunden war der französische Garten ein kleines Schönbrunn zu nennen – lebhafter sogar als Darmstadt – que veut on de plus!“99 Allein über Pfingsten 1864 waren es fast 1700 Besucher gewesen.100 Stephan sprach von ganzen Karawanen, die sich auf die Schaumburg begaben, denen vor Ort auch noch zwei Pavillons geboten wurden: einer bei der Veranda für die Musik und einer über dem französischen Garten, um einen guten Blick auf die Blumen zu haben. Alles war also mittlerweile gezielt auf Touristen ausgerichtet,101 und der Erzherzog fand sich verstärkt in der Tourismus-Literatur wieder. Selbst die Tatsache, dass er die größte im Freien stehende Nordmanntanne besaß, bezog ihren Wert aus der Bewunderung durch die Besucher der Schaumburg.102 Stephan empfand diesen Zuspruch nicht zuletzt auch als Aufwertung seiner Person, indem er die Schaumburg in eine Linie mit anderen höfischen Residenzen brachte. Für 1863 wurden 17.400 Touristen gezählt.103 Im Oktober 1864 gibt Stephan kurz hintereinander 18.135, 19.590 und 21.280 Personen an, darunter ein Gesangsverein aus dem entfernten Solingen, und für 1865 eine abermalige Steigerung auf 20.580. Allein am 18. September 1865
wurden verfasst, und die Koblenzer Liedertafel, die sich zum Besuch einfand, brachte ihm ein Ständchen. „Was will man mehr – noch dazu Preußen!!“; HLA HHStAW Best. 1174 Nr. 11 (24. Juli 1862). 97 Darunter auch eine Gräfin Taaffe, die ihn zu erobern versuchte. Bei ihr handelte es sich vermutlich um die Hofdame von Stephans Schwester Elisabeth, Amalie Walpurga Gräfin Taaffe; Gothaisches Genealogisches Taschenbuch der gräflichen Häuser 1911, S. 937; HU MNL OL P 301 (23. Juli 1864). 98 Der Wirt des Gasthauses hatte auf einen Schlag 137 unangemeldete Besucher zu verköstigen; OeStA HHStA HA Familienkorrespondenz A 52-19-6 (16. August 1864). 99 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 b (28. Juli 1864). Die Nennung von Darmstadt bezog sich womöglich auf die 1862 stattgefundene Hochzeit des Thronfolger Ludwig (IV.) mit Prinzessin Alice von Großbritannien. 100 NLA Oldenburg Dep. 50 Best. 6 M Nr. 44 (20. Mai 1864). Für Pfingsten 1865 bezifferte er die Zahl mit 900 bis 1000 Personen; OeStA HHStA HA Familienkorrespondenz A 52-19-6 (6. Juni 1865). Weitere Zahlen auch in BayHStA GHA Nachlass Erzherzogin Elisabeth von Österreich Nr. 98 (20. Oktober 1864). 101 HLA HHStAW Best. 1174 Nr. 11 (22. Mai 1864); NLA Oldenburg Dep. 50 Best. 6 M Nr. 44 (20. Mai 1864). 102 OeStA HHStA HA Familienkorrespondenz A 52-19-6 (29. September 1865). 103 Haidinger (1897), S. 113. Vom 1. Januar bis 4. August 1863 waren es 12.080 Personen; NLA Bückeburg F 1 A XXVI Nr. 9 (4. August 1863).
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Abb. 35: Schloss Schaumburg um 1870, Ansicht von Süd-Osten, rechts der 1934 abgebrochene Pavillon. Aus dem Besitz Kaiser Franz Josephs (ÖNB Bildarchiv und Grafiksammlung Pk 4935,388)
sollen 1300 Personen die Schaumburg besucht haben.104 Das sind beachtliche Zahlen, wenn man bedenkt, dass Bad Ems im Jahr 1864 gerade einmal 7595 und 1865 7936 Kurgäste aufzuweisen hatte.105 Dort stiegen die Zahlen zwischen 1850 und 1870 von um die 5000 Kurgästen auf fast 8000.106 Für viele von ihnen gehörte der Besuch der Schaumburg also zum Pflichtprogramm, und wenn die Kurgäste im Herbst abgereist waren, kamen die Em104 HLA HHStAW Best. 1174 Nr. 11 (4. Oktober 1864); OeStA HHStA SB Familienarchiv Sachsen-Coburg-Gotha II-23-13 (15. Oktober 1865); BayHStA GHA Nachlass Erzherzogin Elisabeth von Österreich Nr. 98 (20. Oktober 1864). In der ersten Jahreshälfte 1864 waren es über 5000 Touristen; NLA Oldenburg Dep. 50 Best. 6 M Nr. 44 (11. Juni 1864). Im August 1864 gibt Stephan allerdings schon mehr als 13.000 Besucher an; OeStA HHStA HA Familienkorrespondenz A 52-19-6 (16. August 1864). Vgl. auch HU MNL OL P 301 (7. November 1865). 105 Sommer (1999), S. 711. Laut Stephans Angaben hatte der Modebadeort Wildbad 1864 4000 Gäste; Haidinger (1897), S. 135. 106 Sarholz, 48 (Schaubild).
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ser Hotel- und Hausbesitzer herüber, um das zu sehen, wovon die Kurgäste ihnen während der Saison vorgeschwärmt hatten.107 Ein solcher Besuch auf der Schaumburg wurde am 7. Juni 1864 auch in dem in Wien erscheinenden „Fremdenblatt“ ausführlich geschildert: zunächst die Bahnreise von Koblenz aus, dann die Ankunft in Balduinstein, wo die Reisegesellschaft von einem „eleganten, vierspännigen Omnibus“ abgeholt wurde, der 1864 eigens für Touristen eingerichtet worden und auf zwölf bis vierzehn Personen angelegt war.108 Vor einem Gasthaus, das dem Bürgermeister von Balduinstein gehörte, machte der Omnibus Halt, damit auch der Gastwirt profitieren konnte. Der ausgezeichnete Zustand der Straßen bis zum Schloss wurde als Ausdruck dafür gewertet, dass sich „echter Schönheitssinn mit fürstlicher Freigebigkeit“ gepaart habe.109 Dieses Lob war vom Schlossherrn berechnet worden, wie aus einem seiner Briefe hervorgeht. Der Zugangsweg durch ein „romantisches Felsenthal mit Wasserfall, Wald und Wiesengründen“ war genau das, was die Touristen wünschten und Stephan ihnen präsentieren wollte. Hinzu kamen beeindruckende Gemüsekulturen und – im Vorbeifahren – die malerische Ruine von Balduinstein.110 Alles Pittoreske, das Stephan selbst mehr als zwanzig Jahr zuvor am Beispiel der Burg Stolzenfels abgelehnt hatte, wurde nun selbst im Umfeld der Schaumburg aufgeboten, um touristische Erwartungen zu erfüllen. Das Schloss selbst bildete aber selbstverständlich den Kulminationspunkt, über den Stephans Landesherr, Herzog Adolph, geäußert haben soll, „allein ein solcher point de vue verdient den Besuch von Schaumburg“.111 Ein Diener in rot-weißer Uniform – also den österreichischen Farben, was zur Fahne112 mit dem österreichischen Doppeladler auf dem Schlossturm passte – nahm die Reisenden in Empfang. Die Schaumburg war eindeutig zum Domizil eines österreichischen Erzherzogs geworden und nicht mehr länger (auch) eine anhaltinische Stammburg, wie es während der ikonographisch etwas uneindeutigen ersten Bauphase die Möglichkeit gewesen 107 OeStA HHStA HA Familienkorrespondenz A 52-19-6 (10. Oktober 1862). 108 HLA HStAD Best. D 25 Nr. 2/28 (10. August 1864); Emser Fremdenliste (20. Mai bis 23. Mai 1864), S. 11; Müller von Königswinter, S. 134. 109 Fremdenblatt Nr. 156 (7. Juni 1864), o. S. Ein ähnlicher Bericht mit stark huldigenden Zügen in Der Sammler. Augsburger Abendzeitung Nr. 1071 (16. September 1865), S. 430–432. 110 OeStA HHStA HA Familienkorrespondenz A 52-19-6 (10. Oktober 1862). Ähnlich geschildert auch bei Müller von Königswinter, S. 134–135. Auf der Schaumburg selbst gab es einen Teich für Gondelfahrten; Henninger, S. 596. 111 OeStA HHStA HA Familienkorrespondenz A 52-19-6 (10. Oktober 1862). 112 Eine Fahne für den Schlossturm war 1856 in Hamburg erworben worden; OeStA HHStA SB NL Adolf Braun 9–1–152 (30. April 1856).
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wäre. Besichtigt wurden die Wagenremisen, die Stallungen und das Mineralienkabinett sowie die Sattelkammer. Besonders hervorgehoben wurde ein ausgestopftes Bärenpaar am Ende des Saales: Der Bär trug eine Laterne in seiner Tatze, während die Bärin einen Strumpf hielt und eine Nachtmütze auf dem Kopf trug. „Die Gruppe rief viele Heiterkeit hervor.“ Hinzu kam noch die Figur eines riesenhaften Kastellans in ungarischer Tracht, der den Eingang bewachte. Hier war also bewusst für den touristischen Geschmack dekoriert worden. Anschließend stand die Menagerie auf dem Programm, wo u. a. Bären Kunststücke aufführten. Dann ging der Weg ins Gewächshaus und ins Palmenhaus und schließlich in den französischen Garten, der – wohl schon als Topos – „ein Schönbrunn im Kleinen darstellt.“ Von dort konnte die Gruppe Erzherzog Joseph mit seiner Ehefrau sehen, wie beide vom Burg herrn mit einem Maultiergespann verabschiedet wurden. Das war wahrlich eine besondere Erlebniswelt, die sich den Touristen darbot, in der die erzherzogliche Familie am Schluss so etwas wie das größte Kuriosum und Ausstellungsstück bildete. Diese touristische Ausrichtung stand im Widerspruch zu allem, was zu Beginn der Bauarbeiten angedacht gewesen war.113 Stephan hatte sich in jungen Jahren etwas mokant über die Rheinburgen geäußert, die wegen ihrer malerischen oder kuriosen Gestaltung dem Schlossführer so manchen Gewinn einbrachten, aber nicht praktikabel zum Bewohnen waren. Auch die Nützlichkeitserwägungen zu Beginn stehen im Widerspruch zu einer Anlage, die nicht einmal mehr als Museumsschloss verstanden werden kann, sondern – mit einem modernen Bild – eher als Erlebniswelt, in der für jeden Geschmack etwas geboten wurde: wissenschaftliche Sammlungen, Natur, Gartenanlagen, Skurrilitäten und der Schlossherr persönlich, der besichtigt werden kann. Bereits 1852 hatte der Bildhauer Hopfgarten, wenn auch vermutlich schmeichlerisch, davon gesprochen, dass die Schaumburg zum Wallfahrtsort geworden sei und es immer mehr werden müsse.114 Das war zu diesem Zeitpunkt übertrieben, mag aber doch vielleicht schon eine gewisse Richtung bei den Bauverantwortlichen aufzeigen. Auch Stephan selbst äußerte sich diesbezüglich nie klar, aber er bestätigte, dass er bei seiner Bautätigkeit ein Ziel verfolgte, dass selbst der „Begriffsstützigste“ erkennen müs-
113 Eine Popularisierung naturhistorischer Sammlungen mit Dioramen, biologischen Gruppen, Wandbildern, Modellen und Diagrammen, die „authentische Bilder“ für den Massengeschmack schufen, sollte sich in Deutschland im Grunde erst im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts herausbilden; Kretschmann, S. 126–129. Das verdeutlicht, dass die Gestaltung der Schaumburg nicht aus der Entwicklung des Museumswesens zu verstehen ist, sondern aus den Gegebenheiten des Bauherrn; auch Henninger, S. 596. 114 StA Diez Sch 55/Sch 332 (8. September 1852).
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se.115 Bereits 1854 sprach er von einer „Sehenswürdigkeit“.116 Er trug also bewusst dick auf, um jeden zu erreichen. Das musste zu einer touristisch ausgerichteten Baulichkeit führen, die kein Stammschloss mit historischen Wurzeln war, sondern ein Erlebniswunderland für jetzt und heute. Dass sich ein französischer Tourist von der Architektur begeistert zeigte und beklagte, dass der Altbau dem neuen Bauwerk (noch) abträglich sei, fand Stephans Zustimmung und ließ ihn sich auf die Zukunft freuen, wenn auch dieser Mangel behoben wäre. Seine Vorstellung des Baus der Schaumburg stand in direktem Kontrast zu den Burg- und Schlossanlagen, die König Ludwig II. von Bayern später errichten ließ. Diese waren „völlig funktionslos“, „dienten weder der dynastischen Legitimation und Repräsentation – das höfische Leben wie die Öffentlichkeit blieben ausgeschlossen –, noch spielten sie in der praktischen Regierungsarbeit eine Rolle. Ihre einzige Aufgabe war auf die Person ihres Erbauers bezogen.“117 Tatsächlich hatte Stephan für „Romantiker auf dem Thron“ nur Spott übrig. Über Ludwig II. spöttelte er, weil dieser in großer Anhänglichkeit die Schulden Richard Wagners bezahlte.118 Die angeblichen Illusionen, die sich Friedrich Wilhelms IV. von Preußen von der Welt machte, führten bei Stephan nur zu Kopfschütteln, ja er nannte ihn sogar einen „Hanswursten“.119 Mokant sah er ihn als poetischen Menschen, nicht als Realpolitiker an. Das Irrationale, das Prinzgemahl Albert von Großbritannien als „Verwirrung der Begriffe“ abgetan hatte,120 war ebenso wenig Stephans Sache wie die weltabgewandte Seite der Romantik, die sich in andere Welten träumte. Auch von Königin Amalie von Griechenland, seiner Freundin, behauptete er, sie lebe dort „in Illusionen“.121 Stephans Schaumburg war demgegenüber kein mittelalterliches Refugium, in das er sich zurückzog, um in einer Welt zu leben, die es nicht mehr gab. Sie muss vielmehr als öffentlicher Ort 115 HU MNL OL P 301 (7. September 1865). 116 BayHStA GHA Nachlass Erzherzogin Elisabeth von Österreich Nr. 98 (10. September 1854). Zu dieser Zeit führte Stephan selbst noch die Touristen durch das Schloss. 117 Hilmes (2015), S. 290; Götterdämmerung, S. 94–95. 118 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 b (10. Januar 1865). Stephan bezeichnete Wagner als „fertilen Compositeur“. 119 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 a (2. März 1847 und 23. April 1848). 1845 mokierte sich Stephan über den Preußenkönig: „Kann der König deutsch, muß er ihn [den Brief Metternichs] verstehen, ich fürchte aber er versteht nur Poesie, und während Euere Durchlaucht sehr gereimt ist, wird er am Ende nur Dichtereien auffaßen! Au malheur pour un roi d’être un génie!“ NA Prag Fond MRA AC 1 18-A (6. August 1845). Stephans eigene Gedichte fielen demzufolge nicht in diese Kategorie. 120 Bußmann, S. 210. 121 NLA Oldenburg Dep. 50 Best. 6 F Nr. 134 (7. Juli 1851).
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verstanden werden, mit dessen Hilfe Stephan auf sich aufmerksam machen wollte, gerade ab dem Zeitpunkt nach 1858/59, an dem er hatte erfahren müssen, dass ihm trotz aller Öffnungen von Wiener Seite keine Rehabilitation zuteilwerde. Stephan bot fortan dem Publikum, was es verlangte, um es an sich zu ziehen und damit sich selbst einen Ersatz für die Verluste zu schaffen, die er durch seine Verbannung erlitten hatte. Nachdem er in Wien wieder akzeptiert worden war, konnte ihm dies niemand mehr verbieten. Anfänglich also nur auf wissenschaftlichem Gebiet präsent, wurden die Schaumburg seit den 60er Jahren zu einem Touristenziel und damit auch der Burgherr zu einer in der breiten Öffentlichkeit wahrgenommenen Größe. Seine Hofhaltung war dabei keine höfische, sondern eine touristische, in der auch der Erzherzog als Protagonist vermarktet wurde. Extravagant war das und im Vergleich zum elitären Wiener Hofleben jahrmarktartig und sich anbiedernd. Der privilegierte Raum um den Adel wurde ganz bewusst den Betrachtern freigegeben und schließlich von diesen besetzt. Das Schauspiel auf der Schaumburg schien ihnen sogar explizit gewidmet.122 All das muss als einzigartige Popularisierung eines Mitglieds des europäischen Hochadels angesehen werden. 7.2 Europäische Reputation Zu dieser ganz eigenen Selbstvermarktung zum Zwecke einer Positionierung in der Welt gesellten sich aber auch traditionelle Kontakte in Hochadelskreise, die Stephan wieder verstärkt in die Öffentlichkeit brachten. Denn just in den Jahren, in denen die Schaumburg zum Touristenmagnet avancierte, intensivierten sich auch erneut Stephans nie gänzlich erloschenen Beziehungen in die Adelswelt.123 Bei regelmäßigen, auch längeren Besuchen – zum Teil in Begleitung seines Halbbruders Joseph – in Wiesbaden,124 die auch mit offiziellen Theaterbesuchen einhergingen, begegnete er Persönlichkeiten aus dem europäischen Hochadel. Im Spätsommer und Herbst 1862 traf er neben Adligen aus der Region Königin Maria von Neapel, König Wilhelm III. der Niederlande, Herzog Adolph von Nassau und Erzherzog Albrecht.125 Alles in 122 Belting, S. 21–22. 123 Um seine Schwester Elisabeth und die Königin von Neapel in Bad Soden aufsuchen zu dürfen, hatte Stephan in Wien angefragt. Ob es genehmigt wurde, bleibt offen; OeStA HHStA HA Familienkorrespondenz A 52-19-6 (9. August 1862). 124 HLA HHStAW Best. 130 II Nr. 2918 (25. Februar 1862, 9. März 1862 und 7. April 1862). Die Besuche wurden auch dadurch unterbrochen, dass Stephan kurzzeitig auf die Schaumburg zurückkehrte. Auch ebd. (4. April 1863 und 23. Mai 1863). 125 HLA HHStAW Best. 1174 Nr. 11 (2. September 1862); Anders (1868), S. 332.
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allem freilich schätzte er das Wiesbadener Hofleben, das aus nichts anderem bestehe als aus Diners, Spazierengehen, Spazierenreiten, Visiten machen und gelegentlichen Theaterbesuchen, despektierlich für so belanglos ein, dass er darüber in seinen Berichten nach Wien lieber schwieg.126 Sein Blick verließ also wieder die Sphäre des deutschen Kleinstaates. Das konnte er auch getrost, da sich mittlerweile auch auf der Schaumburg regelmäßig eine illustre Gesellschaft einstellte: die Witwe des Erzherzogs Johann mit ihren Kindern, das Großherzogspaar aus Weimar, Stephans Schwester aus Brüssel. Am 7. Juli 1863 befanden sich zeitgleich fünfzehn Personen als Gäste auf der Schaumburg.127 1862 machte er die Begegnung mit seinem Cousin Erzherzog Wilhelm, einem Sohn Erzherzog Karls, der neuer Gouverneur der Bundesfestung Mainz geworden war, als dieser ihn auf der Schaumburg besuchte.128 Dass Stephan diese wiedergefundene soziale Eingliederung genoss und als Prestigegewinn empfand, belegt auch die Errichtung des sogenannten KJAMKJ-Brunnens bei der Schaumburg. Anlass war im Sommer 1864 der Besuch der Clementine, Tochter des französischen Königs Louis Philippe, Herzogin von Sachsen-Coburg, des Erzherzogs Joseph, des Herzogs August von Sachsen-Coburg, der Schwester Stephans Marie Henriette von Belgien und der Prinzessin Clothilde von Sachsen-Coburg, Braut Erzherzog Josephs, auf der Schaumburg. Deren Initialen bilden KJAMK, das finale J steht für Istvan (Stephan).129 Wenn auch auf informeller Ebene, so war die Schaumburg doch zu einem Treffpunkt europäischer Entscheidungsträger geworden, und Stephan selbst war Teil des Marktplatzes an Informationen und der politischen Kommunikationswege. Das dynastische Netzwerk, das sich im 19. Jahrhundert europaweit verselbstständigt hatte und neben die souveräne Macht des Herrschenden als annähernd gleichwertiges Feld getreten war und seine eigene politische und kulturelle „Definitionsmacht“ entwickelt hatte, ließ Stephan wieder an Gewicht und Einfluss gewinnen.130 Dass er im Mai 1863 in Wiesbaden den Grafen Grünne traf, der 1859 zwar seines Amtes als Adjutant 126 OeStA HHStA HA Familienkorrespondenz A 52-19-6 (3. März 1862). 127 HLA HHStAW Best. 1174 Nr. 11 (7. Juli 1863); LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVII Nr. 167 (30. Juli 1863). 128 Haidinger (1897), S. 106; auch HLA HHStAW Best. 130 II Nr. 2918 (12. Mai 1862 und 14. Mai 1862). 129 Gehler, S. 153–154; OeStA HHStA SB Familienarchiv Sachsen-Coburg-Gotha II-23-13 (13. April 1864). In Zeitungen war 1864 auch wieder zu lesen, Stephan werde nach Österreich zurückberufen; Neues Tagblatt aus der östlichen Schweiz Nr. 93 (23. April 1864), S. 373; Zürcherische Freitagszeitung Nr. 16 (29. April 1864), o. S. 130 Riotte (2018), S. 23 und S. 28; Frevert, S. 24.
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des Kaisers enthoben worden war, mittlerweile aber als Oberstallmeister fungierte, wird auch nicht ohne Auswirkungen gewesen sein.131 Nicht ohne Grund dürften genau in dieser Zeit die Porträtfotografien entstanden sein, die Stephan alleine oder zusammen mit seinen Geschwistern zeigen und die er an andere Mitglieder des Hochadels versandte (s. Abb. S. 554–555). Stolz machte es ihn, wenn sie wiederum weitergereicht und verteilt wurden.132 Der Erzherzog, der sich angeblich hatte vergessen machen sollen, hatte dank eines wenige Jahr zuvor in England aufgekommenen Mediums133 sein Gesicht zurück. Ende Oktober 1862 ging Stephan auf persönliche Einladung des Königs von Belgien nach Brüssel, um dort seine Schwester zu besuchen. Es dürfte sich hierbei um die erste offizielle Visite Stephans außerhalb Deutschlands seit 1848 gehandelt haben, und auch der Umstand, dass König Leopold ihn bisher gemieden hatte, lässt diese Einladung umso bedeutsamer werden. Ganz ohne Einschränkungen ging es aber trotzdem nicht einher, weil Stephan als Vertreter des Hauses Habsburg in der Öffentlichkeit sofort Anlass zu Interpretationen gab. König Leopold untersagte deshalb – völlig zum Unverständnis seiner Schwiegertochter, Stephans Schwester – die Besichtigung der Befestigungswerke in Antwerpen und im Norden des Landes, weil er den Zeitungen keine Gelegenheit für politische Spekulationen bieten wollte.134 Doch ansonsten war der ungefähr fünfwöchige Besuch für den Erzherzog ein weiteres Zeichen dafür, in der Welt des europäischen Hochadels wieder rehabilitiert zu sein, traf er dabei doch auch zum ersten Mal kurz auf Queen Victoria und ihre vier jüngsten Kinder, den Herzog von Albermale, den Großherzog von Baden sowie Großherzogin Alice von Hessen, eine Tochter der Queen, wie er dem Mineralogen Senoner stolz zu berichten wusste.135 131 HLA HHStAW Best. 130 II Nr. 2918 (25. Mai 1863). 132 StA Diez Sch 55/Sch 332 (3. Januar 1861), Fotografie bei Wagner in Wiesbaden; HLA HHStAW Best. 1174 Nr. 11 (7. Juli 1863): Joseph, Marie Henriette und Stephan beim Fotografen; StAD D 25 Nr. 2/25 (23. Dezember 1863): Stephan überschickte eine Billettfotografie im Jägerkostüm an Alexander von Hessen. 1862 übersandte er solche Fotografien auch an den Mineralogen Senoner nach Wien; OeStA HHStA HA Familienkorrespondenz A 52-19-6 (9. August 1862); BayHStA GHA Nachlass Erzherzogin Elisabeth von Österreich Nr. 98 (29. Mai 1864). 133 Seit 1857 ließ sich die königliche Familie in England durch Billettfotografien ablichten; Müller (2019), Thronfolger, S. 251. 134 Kerckvoorde, S. 93–94. Noch am 16. November 1862 war Stephan von deren Besichtigung ausgegangen; HU MNL OL P 301 (16. November 1862). 135 OeStA HHStA HA Familienkorrespondenz A 52-19-6 (22. Oktober 1862). Queen Victoria hielt in ihrem Tagebuch lediglich fest: „Just before dinner Marie B. brought her step brother, the Arch. Duke Stephen, to see me for a moment, then Uncle came & sat with me“; Journal der Queen Victoria Band 51 (14. Dezember 1861 bis 31. Dezember 1862), S. 272 (23. Oktober 1862), http://qvj.chadwyck.com/marketing.do. Interessanterweise datiert der
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König Leopold verlieh ihm den belgischen Leopoldsorden und lud ihn beim Abschied sogar ein, den Besuch zu wiederholen. Hierbei stellte er ihm sogar die Inaugenscheinnahme des Truppenübungsplatzes im Lager von Beverlo während eines Militärmanövers in Aussicht, „was er noch niemand bis nun gethan hat.“136 Auch wollte Stephan bei diesem nächsten Besuch die Fabriken des Landes inspizieren.137 Belgien gefiel dem Gast ausgezeichnet, weil in der Mittelklasse viel Intelligenz, Bildung und Takt herrsche. Das Taubstummeninstitut, das Pfandund Leihhaus, das Rathaus, das Spital St. Jakob und der botanische Garten mit den Aquarien interessierten ihn in Brüssel besonders, was in Anbetracht seiner bisher gezeigten Interessenschwerpunkte nicht verwundert. Gerade die Hortikultur und die Glashäuser besichtigte er mit großer Aufmerksamkeit und Bewunderung, wenn ihm auch die Gärten von Laeken ziemlich vernachlässigt vorkamen.138 Es folgten zwei weitere Besuche in Belgien im darauffolgenden Jahr. Dabei lernte er König Leopold so sehr zu schätzen, dass er nur noch in den lobendsten Worten von ihm sprach.139 Diese positive Einstellung dürfte der König erwidert haben, da Stephan im Februar 1864 nun endlich auch die Festung Antwerpen besichtigen durfte. Gefolgt wurde diese Inspektion durch einen Besuch des Schlachtfelds von Waterloo.140 Im Herbst 1864 hielt er sich erneut in Brüssel auf, weil er dort, neben seiner Schwägerin Clothilde, als Mitpate der nach ihm benannten Tochter des Thronfolgers, Prinzessin Stephanie, Präsenz zeigen musste.141 König Leopold zog übrigens gleich eine spätere Vermählung seiner Enkelin mit dem österreichischen Thronfolger Rudolf in Betracht – auch hier fungierte Stephans Familie mittlerweile als Scharnier. Nur folgerichtig besuchte auch der österreichische Gesandte in Brüssel Stephan während seines Kuraufenthalts in Bad Ems auf der Schaumburg.142 Tagebucheintrag einen Tag nach Stephans Mitteilung, was womöglich daher rührt, dass Stephan sie vorher nur gesehen hatte, ihr aber nicht vorgestellt worden war. Die Notiz der Königin lässt darauf schließen, dass sie mit Stephan wenig mehr verband, als dass er der Halbbruder der belgischen Königin war. 136 StA Diez Sch 55/Sch 332 (25. November 1862). 137 HLA HHStAW Best. 1174 Nr. 11 (28. November 1862). 138 HU MNL OL P 301 (16. November 1862). 139 Haidinger (1897), S. 127. 140 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 b (26. Februar 1864). Zu diesem Zeitpunkt traf er auch mit Erzherzog Maximilian und seiner Ehefrau Charlotte vor deren Abreise nach Mexiko zusammen; Revalsche Zeitung Nr. 46 (25. Februar 1864), o. S. 141 Angeboten bei ZVAB (Zugriff 25. Januar 2017), Brief an Anders vom 26. Juni 1864; Kerckvoorde, S. 43–44; NLA Oldenburg Dep. 50 Best. 6 M Nr. 44 (11. Juni 1864); BayHStA GHA Nachlass Erzherzogin Elisabeth von Österreich Nr. 98 (29. Mai 1864). 142 NLA Oldenburg Dep. 50 Best. 6 M Nr. 44 (11. Juni 1864).
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Bei einem weiteren Besuch im Februar 1865 offenbarte König Leopold ihm dann sogar seine politischen Vorstellungen, was Vertrauen beweist, aber auch, dass der König mittlerweile auf den Erzherzog im politischen Gefüge Europas zählte. Stephan nahm diese Rolle gerne an, wenn er sich auch üblicherweise politischen Gesprächen enthielt oder enthalten musste. An den Mineralogen Senoner in Wien schrieb er diesbezüglich, dass man in Brüssel wegen der Auseinandersetzungen zwischen der katholischen und der liberalen Partei nicht über Politik reden dürfe, sondern nur über das Wetter und Promenaden. Das langweile ihn so sehr, dass er sich am liebsten nicht beteilige.143 Gegenüber nassauischen Briefpartnern wurde er konkreter. In den Auseinandersetzungen zwischen den belgischen Klerikalen und Anti-Klerikalen sah er die „Religion zum Deckmantel politischer Leidenschaften, zum Panier der Parteien“ werden.144 Parteien fanden ja ohnehin immer Stephans Missachtung, weil sie vermeintlich das harmonische Gesamtgefüge störten. Hier aber sah er diese auch noch die christliche Religion instrumentalisieren, die ihm als Religion der Liebe und der Duldung galt.145 Das konfliktbeladene Gesellschaftsgefüge Belgiens widersprach einmal mehr Stephans Vorstellungen von sozialer Ordnung. Das setzte sich sogar innerhalb der ihm fremden Hofgesellschaft fort. Sie versammle sich auf Hofbällen von 2000 Personen und sei ärger als „die 100 köpfige Hydra“, weshalb er sie mied.146 Da Stephan sonst bewusst die Öffentlichkeit suchte, kann diese Zurückhaltung nur auf seine Unsicherheit gegenüber einer von Fraktionen zerrissenen Gesellschaft gewertet werden. Dieses ganze Gefüge widersprach zutiefst Stephans Idealvorstellungen, wurde aber dadurch für ihn besonders brisant, weil er durch unvorsichtige Äußerungen leicht in politische Lager gezogen werden konnte, was er unbedingt vermeiden musste. Das Terrain war ihm unvertraut und vermint. Aber es hatte ihm den Weg zurück auf das europäische Parkett geebnet. Angesichts dieser allgemeinen Akzeptanz und Prominenz war Stephan auch vom Frankfurter Fürstentag im August 1863, auf dem Kaiser Franz Joseph vergeblich versuchte, den Deutschen Bund durch den Ausbau föderaler Institutionen und die Steigerung der Partizipationsmöglichkeiten der Mitgliedsstaaten zu reformieren147 und hinter sich zu vereinen, nicht komplett 143 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 b (11. Februar 1865); auch: Haidinger (1897), S. 148; Kerckvoorde, S. 72. 144 HLA HHStAW Best. 1174 Nr. 11 (28. November 1862). 145 StA Diez Sch 55/Sch 332 (7. Mai 1864). 146 OeStA HHStA HA Familienkorrespondenz A 52-19-6 (22. Februar 1865). In den österreichischen Zeitungen wird mit Blick auf den Aufenthalt Stephans nur kurz über seine Ankunft sowie seine Abreise berichtet. Der Aufenthalt selbst fand keinen Niederschlag. 147 Ziegler, S. 374.
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auszuschließen. Er durfte daher dem Kaiser zusammen mit seinem Halbbruder Joseph, der sich für die Zeit der kaiserlichen Anwesenheit in Frankfurt auf der Schaumburg zur Verfügung hielt,148 in Uniform die Aufwartung machen.149 Insgesamt aber wurden seiner Öffentlichkeit Grenzen gesetzt.150 Einem Brief an Carl Alexander von Sachsen-Weimar zufolge war er während der ganzen Veranstaltung zweimal anwesend. Er hatte Kaiser Franz Joseph, wohl auch weil es sich bisher nur jeweils um sehr kurze Aufenthalte gehandelt hatte, angeboten, zur Verabschiedung der Fürsten auch noch ein drittes Mal zu kommen, wenn der Kaiser ihn herbeizitieren wolle. Das wurde jedoch von Franz Joseph als zu viel verlangt abgelehnt.151 Zeitungen jedoch hatten berichtet, Franz Joseph habe seinen Verwandten selbst zuvor per Telegramm nach Frankfurt zitiert, weshalb diese Nachricht als politisch brisant eingestuft wurde. Es schien für alle klar zu sein, dass es um die ungarische Verfassungsfrage ging. Das Gerücht, demzufolge Stephan wieder in sein Amt als Palatin von Ungarn eintreten werde, wurde als sich erhärtend eingestuft.152 Dem Kaiser muss also bewusst gewesen sein, dass die Anwesenheit Stephans die Gerüchte schüren werde, weshalb darin eine politische Dimension begründet lag. Bereits Ende 1862 hatte der Schriftsteller Friedrich Hebbel das Gerücht kolportiert, das Wiener Kabinett werde Stephan bald wieder an die Spitze der ungarischen Angelegenheiten berufen.153 Stephan durfte in Frankfurt daher – entsprechend der Wiener Strategie – so viel Raum als nötig, aber keinesfalls mehr geboten werden. Franz Joseph wollte mit ihm kein politisches Zeichen setzen, weshalb er auch anlässlich des Privatbesuchs der Erzherzogin Sophie bei Herzog Adolph in Biebrich nicht hinzugebeten wurde.154 Stephans Anwesenheit bei der Verabschiedung der Fürsten hätte, gerade weil er nicht zu diesem Gremium gehörte, ein Zeichen gesetzt, das Franz Joseph nicht brauchen konnte. Als Entschädigung lud der Kaiser ihn aber 148 OeStA HHStA SB NL Adolf Braun 30–2–7–13 (1. August 1863). Bericht über den Besuch am 17. August im Lindauer Tagblatt für Stadt und Land Nr. 195 (20. August 1863), S. 822. 149 OeStA HHStA NL Adolf Braun 30–2–7–13 (16. August 1863). 150 Vgl. auch die Lithographie aller Erzherzöge von Vinzenz Katzler, um 1863, auf der Stephan neben seinem Bruder Joseph und seinem Schwager Karl Ferdinand in der zweiten Reihe zu sehen ist; Zeitalter Franz Josephs, Katalogband, S. 343. Abb. siehe S. 504 (Nr. 36). 151 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 b (5. September 1862); NLA Oldenburg Dep. 50 Best. 6 M Nr. 44 (23. September 1863). Zur Anfrage auch OeStA HHStA NL Adolf Bach 30–2–7–13 (9. September 1863); BayHStA GHA Kabinettsakten König Maximilians II. 408 (o. D., 1863). 152 Vorarlberger Landeszeitung Nr. 9 (20. August 1863), o. S., und Nr. 10 (1. September 1863), o. S.; Fremdenblatt Nr. 227 (20. August 1863). 153 Pöthe, S. 226. 154 HLA HHStAW Best. 130 II Nr. 2918 (8. September 1863).
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dann zu sich ein, sollte er zur Hochzeit seines Halbbruders Joseph nach Wien kommen.155 Spätestens jetzt muss Stephan bewusst geworden sein, dass er nach dem Scheitern des Fürstentags durch die Wiener Politik wieder einmal auf seine innerdynastische Bedeutung reduziert werden sollte. Die kurze Phase seiner Instrumentalisierung auf dem deutschen Parkett war vorüber.156 Beleidigt und fast brüsk erfolgte daher auch seine Bemerkung gegenüber Carl Alexander von Sachsen-Weimar, er habe nicht die Absicht, nach Wien zu gehen, wenn ihn nicht sein Bruder brauche.157 Schmerzhaft hatte er wieder einmal erkannt, dass die ausgestreckte Hand des Kaisers allein der diplomatischen Besänftigung liberaler deutscher Fürsten galt und der Vermeidung von Angriffsflächen. Gegenüber Haidinger verkehrte er dieses Urteil dann in sein Gegenteil, um in Wien ein anderes Bild von sich zu vermitteln. Auslöser war, dass dieser ihn gefragt hatte, ob das in Wien kursierende Gerücht berechtigt sei, er werde 1864 in die kaiserliche Residenzstadt zurückkehren. Stephan antwortete: „Diesmal hat das Gerücht etwas mehr an sich denn sonst – weil ich wirklich in Folge der Verlobung meines Bruders Joseph und bei dem Umstande, daß der Heirat zu lieb’ vielleicht manche Arrangements nothwendig sein werden, bei denen ich mich selbst betheiligen muß – meinem Herrn und Kaiser die Möglichkeit unterthänigst vor Augen geführt habe, im Laufe des Winters in der Residenz erscheinen zu müssen.“158 Stephan selbst hatte also dem Kaiser die Notwendigkeit eines Besuches klargemacht. Von einer kaiserlichen Einladung ist hier nicht die Rede, und Stephan präsentierte sich als der Starke und Selbstbestimmte. In einem Schreiben an Erzherzog Albrecht, also in das engste kaiserliche Umfeld, von Anfang September 1863 war Stephan wieder voller Loyalität. Er pries das Auftreten des Kaisers in Frankfurt in den höchsten Tönen. Es habe „Epoche gemacht“ und sein „überwältigender Entschluß“ werde zum Segen für Deutschland, auch wenn die Signale aus Berlin wenig hoffnungsfroh stimmten. Niemals erschöpft, sei Franz Joseph in Frankfurt als Erster morgens aus dem Bett gewesen und habe sich als Letzter wieder zurückgezogen. Bei einem Militärdiner, dem auch Stephan beigewohnt habe, habe Franz Joseph für jeden Offizier freundliche Worte übriggehabt, und an viele konnte er sich noch erinnern, obwohl die jeweilige Begegnung sehr lange 155 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 a (19. September 1863); BayHStA GHA Kabinettsakten König Maximilians II. 408 (o. D., 1863). 156 Der König von Bayern verlieh ihm nach dem Fürstentag den Hubertusorden; BayHStA GHA Kabinettsakten König Maximilians II. 408 (19. September 1863). 157 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 a (19. September 1863). 158 Haidinger (1897), S. 114.
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zurückgelegen hatte. „Die Leute waren überglücklich!!“ Dass „Schand- und Sudelblätter“ sich bemühten, diesen Eindruck schlecht zu machen, ärgerte Stephan angeblich. Aber er war sich sicher, dass dies nicht fruchten werde, habe doch der Auftritt Franz Josephs sogar Napoleon III. in Paris schlaflose Nächte bereitet.159 Die verschiedenen Schlussfolgerungen des Erzherzogs, wozu auch die wiederum gänzlich konträre Einschätzung gehörte, Österreich habe auf dem Fürstentag seine Sympathien verspielt,160 lassen keine klare Linie erkennen. Sie bestätigen erneut, dass Stephan keinen eindeutigen Standpunkt artikulierte und je nach Situation und Korrespondenzpartner von loyal bis brüsk reagieren konnte. Der Adressat bestimmte – wie so oft – sein Urteil. Stephan war daher auch gedanklich „überall und nirgends“, wie er es physisch angesichts seiner rastlosen Reisetätigkeit selbst erkannte.161 So rastlos er also unterwegs war, so schwer zu fassen blieben Stephans Überzeugungen und Absichten. Nicht zuletzt war es diese Proteushaftigkeit, die ihn als Hoffnungsträger und Verräter weiter in den Köpfen der Menschen am Leben hielt. Sein Vetter Rainer, der zu jener Zeit der ersten konstitutionellen Regierung Österreichs vorstand, und dessen Ehefrau besuchten ihn auf der Schaumburg.162 Erzherzog Rainer schien auch politisch auf Stephan zu setzen, denn laut einer Pressemeldung ging bereits 1861 auf ihn das Gerücht zurück, Stephan werde bald als Palatin nach Ungarn zurückkehren und dort die Konstitutionalisierung des Landes vorantreiben, wozu ihn sicherlich nicht nur sein ehemaliges Amt zu prädestinieren schien, sondern auch der Kontext zum Haus Sachsen-Coburg in Belgien.163 Ja, es war sogar davon die Rede, Stephan habe das erste Angebot der Ungarn zur Rückkehr in sein ehemaliges Amt persönlich ausgeschlagen und auf eine zweite Anforderung Bedingungen gestellt.164 Ein Schreiben Stephans nach Bückeburg belegt hin159 HU MNL OL P 301 (7. September 1863). 160 So gegenüber einem unbenannten Generalkonsul (vermutlich Wilhelm Karl Rothschild in Frankfurt), ÖNB Autogr. 1499/9 (13. Januar 1865). Vgl. auch Deusch, S. 117. 161 HLA HHStAW Best. 1174 Nr. 11 (20. September 1863). Im Herbst 1863 hielt er sich in Frankfurt, Montabaur, Köln, Bonn, Neuwied und in der Schweiz auf. Letzteres bezog sich vermutlich auf Stippvisiten von Konstanz aus, wohin Stephan seinen Bruder zur Verlobung begleitet hatte; HU MNL OL P 301 (7. September 1863); OeStA HHStA SB NL Adolf Braun 10 (9. Oktober 1863). 162 Sowie Erzherzogin Marie und Erzherzog Albrecht mit seinen beiden Töchtern; NLA Oldenburg Dep. 50 Best. 6 M Nr. 44 (11. Juni 1864). 163 La Presse (27. August 1861), S. 1; Innsbrucker Nachrichten Nr. 6 (8. Januar 1861), S. 44; Die Neue Zeit. Olmützer politische Zeitung Nr. 3 (4. Januar 1861), o. S.; Ost-Deutsche Post Nr. 5 (5. Januar 1861), o. S.; Die Presse Nr. 2 (2. Januar 1861), S. 5; Fremdenblatt Nr. 3 (3. Januar 1861), S. 3; Pusterthaler Bote Nr. 2 (11. Januar 1861), S. 6–7; Kletecka, S. 122. 164 Die Presse Nr. 9 (9. Januar 1861), o. S.; Fremden-Blatt Nr. 9 (9. Januar 1861), o. S.; Boze-
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gegen, dass diese Ablehnung nicht den Tatsachen entsprochen haben dürfte. Denn er sagte darin einen Besuch in Bückeburg ab, weil er in der Palatinsfrage mit Angeboten rechnete, auf die er sofort reagieren müsse. Dass er daheim blieb, achtete er – ganz im Sinne Schillers – als eine jener moralischen Verpflichtungen, „die einer freiwilligen Gefangenschaft ziemlich gleichkommen.“165 Aber es war wohl mehr Wunschdenken als Verpflichtung, denn er schrieb auch: „Ich suche nichts und suche niemand, und trotzdem werde ich gesucht – emsiger gesucht, als es gar Manchem lieb ist.“ Das war eine deutliche Spitze gegenüber Wien, auch wenn seine vorgeschützte Bescheidenheit sicherlich nur die halbe Wahrheit war. „Welch’ Stoff zur größten Genugthuung, wenn ich eitel sein wollte!“ Doch er relativierte seinen Überschwang auch, indem ihm der „Umschwung“ zu „plötzlich kam und gewaltig auf Anarchie lossteuert!“166 Anarchie war es ihm, weil die Wiederberufung vom ungarischen Landtag ausgegangen sei und damit ein demokratisches Element in sich barg. Der übliche Zwiespalt in seinem Denken kam auch hier wieder zum Ausdruck: sich auf der einen Seite zum Hoffnungsträger der gegen den Wiener Hof ausgerichteten nationalungarischen Bestrebungen gemacht zu haben und sich von deren Avancen gerne hofiert zu sehen, auf der anderen Seite aber jegliche demokratischen oder eigenmächtigen Elemente abzulehnen, obwohl sie ihn erst in seine Position gebracht hatten und dort hielten. Stephan blieb also zunächst auf der Schaumburg und wartete. Die Zeitungen schwiegen sich aber bald wieder über die gedachten Möglichkeiten aus, so dass auch dem Erzherzog klargeworden sein muss, dass eine Rückkehr nach Ungarn zunächst nicht anstand. Aber andere ehrenvolle Aufgaben warteten auf ihn. Im Sommer 1864 begab er sich nach Bad Kissingen, um Kaiserin Elisabeth von Österreich seine Aufwartung zu machen, die sich dort zu einem informellen Treffen des österreichischen Kaiserpaars mit dem Zarenpaar zusammen mit zahlreichen Vertretern des europäischen Hochadels im Rahmen der sogenannten „Kaiserkur“ aufhielt. Stephan wartete in Gemeinschaft seines Bruders und seiner Schwägerin darauf, dass Elisabeth ner Zeitung Nr. 7 (15. Januar 1861), o. S.; Tagespost Nr. 9 (10. Januar 1861), o. S. Es wurde berichtet, dass zur Einberufung des Landtags der gewählte Palatin nötig sei. In der „Tagespost“ wurde aber auch angemerkt, dass anderslautenden Zeitungsmeldungen zufolge diese Gerüchte als nichtig anzusehen seien. 165 NLA Bückeburg F 1 A XXVI Nr. 9 (17. Januar 1861). Es sei denn, diese Haltung war darauf zurückführen, dass Stephan auf Antwort bezüglich seiner Bedingungen wartete. 166 NLA Bückeburg F 1 A XXVI Nr. 9 (17. Januar 1861). Allerdings hielt er sich nationalungarisch im Gespräch. So stiftete er im Herbst 1861 1600 fl. im Namen der Erben des Palatins Joseph für das ungarische Volkstheater; Temevarer Zeitung Nr. 209 (12. September 1861), o. S.
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ihn nach Kissingen befahl, was am 1. Juli auch für zwei Tage geschah.167 Anschließend beabsichtigte Stephan, seine Jugendfreundin Amalie von Griechenland zu besuchen, die in der Bamberger Residenz im Exil lebte. Der Bericht, den Stephan über den Besuch in Kissingen verfasste, ist voller Stolz und Begeisterung. „Mit einer tüchtigen Porzion Potentaten“ sei er dort zusammengetroffen, darunter auch der österreichischen Kaiserin, und dann nach Bamberg gereist. Wegen der Reise verfehlte er sogar Königin Augusta von Preußen, die ihn auf der Schaumburg hatte besuchen wollen.168 In Kissingen war Elisabeth Stephan zufolge voller Gnade und Freundlichkeit: So oft er die Promenade betrat, hatte er mit ihr gehen müssen, „so daß die guten Kissinger schon Kombinazionen aller Art zu machen begannen, besonders so Ihre Majestät meist ungarisch mit mir sprachen – eine Sprache, die sie erst vor 13 Monaten begonnen, liebgewonnen und trefflich geübt hat, daß sie fließend Conversazion zu machen versteht!“ Das Verhältnis zwischen der ungarnfreundlichen Kaiserin und dem ehemaligen Palatin scheint also von Anfang an ein gutes und entspanntes gewesen zu sein.169 Die Tatsache, dass Elisabeth den abgesetzten Palatin in Abwesenheit ihres Mannes so herzlich empfing, setzte ein öffentliches politisches Zeichen – sei es im Einverständnis mit der Wiener Regierung, sei es in Opposition zu ihr. Und Stephan musste das genauso empfinden. 167 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XVI Nr. 167 (29. Juni 1864); NLA Oldenburg Dep. 50 Best. 6 M Nr. 44 (30. Juni 1864); LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 b (1. Juli 1864); HLA HStAD Best. D 25 Nr. 1/10 (4. Juli 1864). Kaiser Franz Joseph war bereits am 22. Juni abgereist; Wiener Zeitung Nr. 156 (24. Juni 1864), S. 937. Stephan war am 3. Juli in Kissingen angekommen und im Hotel Wittelsbach abgestiegen; Wiener Zeitung Nr. 166 (6. Juli 1864), S. 62. Inwiefern Stephan der Kaiserin durch ihre Ausbildung bei Johann Graf Mailáth schon ein Begriff gewesen war, ist leider nicht zu beantworten. Mailáths fünfbändige Geschichte Österreichs reicht nicht bis zu Stephans Zeit in Ungarn heran; Hamann (1987), S. 46–48. 168 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 b (18. Juli 1864). 169 Stephan berichtete Elisabeth voller Heiterkeit, dass ihn die Großherzogin Marie von Mecklenburg-Strelitz gesehen habe, wie er mit dem liberal gesinnten Großfürsten Konstantin, der bis 1863 kurzzeitig Vizekönig von Polen gewesen war und wegen der Revolte in der Bevölkerung hatte zurücktreten müssen, Arm in Arm auf der Promenade gegangen war. Sie hatte beide, die sich wohl schon seit längerer Zeit gut kannten, als „gefallene Größen“ bezeichnet, die jetzt in „friedlicher Eintracht“ zu sehen seien. „Dass ich ihr nicht geradezu in’s Gesicht platzte, darüber muß ich mich selbst loben, aber lächerlich war es mir in hohem Grade, und denselben Abend mußte es meine Kaiserin noch von mir hören, die herzlich mitlachte!“ Stephan und Konstantin trafen u. a. am 20. November 1858 in Weimar aufeinander; Wiener Zeitung Nr. 269 (24. November 1858); Klagenfurter Zeitung Nr. 266 (20. November 1858), S. 1066; Stadelmann, S. 208; LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 b (28. Juli 1864). Elisabeths Zuneigung zu Ungarn kann aus der Opposition zum Wiener Hof heraus interpretiert werden; Hamann (1987), S. 216.
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Die – schwer zu beantwortende – Frage, warum all diese Kreise seine Nähe suchten, dürfte er sich kaum gestellt haben. Eine Welle des Liberalismus zu Beginn der 60er Jahre mochte ein Anlass gewesen sein, den im Ruf des Liberalen stehenden Erzherzog wieder in die Gesellschaft einzugliedern. Dass der belgische König aber so lange darauf warten ließ, ihn zu empfangen, spricht nicht dafür. Und auch andere Kontakte waren eher brüchiger Natur.170 Zwar kam es mit Zar Alexander II. zu einer erfreulichen Begegnung. Er verlieh Stephan den St.-Andreas-Orden und bot ihm das „seit 16 Jahren verschollene Du wieder“ an. Nur wenige Wochen darauf aber scheiterte Stephans Begegnung mit Zar Alexander II. in Schwalbach, da er vom Feldjäger des Zaren brüsk zurückgewiesen wurde.171 Ganz dauerhaft scheint die Versöhnung mit Stephan also nicht gewesen zu sein. In Kissingen aber sah alles noch sehr positiv aus. In der Zeitung wurde ausdrücklich vermerkt, Franz Joseph habe seinem Verwandten die Erlaubnis erteilt, russische Orden annehmen und den Andreas-, Alexander-Newsky- und den weißen Adler-Orden tragen zu dürfen.172 Stephan war, gewiss auch dank seiner oldenburgischen Verwandtschaft, zu einem offiziellen Bindeglied Habsburgs nach Russland geworden. Nach den Zerwürfnissen im Krim-Krieg und der weiterhin nicht konfliktfreien Situation war das nicht ganz zu vernachlässigen, und der Erzherzog genoss es, diese neue Position in Kissingen zur Schau zu stellen. Der ganze Stolz, wieder in die Gesellschaft aufgenommen zu sein, fand in der Mitteilung ihren Ausdruck, im Juli zunächst zwei Kaiserinnen – die österreichische und die russische – gesehen zu haben und dann eine Königin – Amalie von Griechenland.173 In der dynastischen Welt des Hochadels war im 19. Jahrhundert eine Überlebensstrategie entstanden, die jenseits regierender Politik „Prestige und Privilegien“ – und dazu gehörte es, aktives Mitglied im Netzwerk des internationalen Hochadels zu sei – als soziopolitische Qualität wertete. Der vielfältige internationale dynastische Zusammenhalt gewährleistete die Außenwirkung der Monarchen und stellte damit einen kaum fassbaren, aber trotzdem extrem validen Machtfaktor dar.174 Insbe170 Die Erwähnung Ludwigs II. von Bayern in einem Brief dürfte nicht auf eine Bekanntschaft, sondern nur auf Gerüchte über ihn zurückgehen; LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 b (10. Januar 1865). Ludwig erwähnt Stephan in seinem Tagebuch während des Aufenthalts in Kissingen nicht; frdl. Hinweis von Dr. Gerhard Immler, Geheimes Hausarchiv München. 171 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 b (28. September 1864). 172 Fremdenblatt Nr. 202 (23. Juli 1864). 173 Haidinger (1897), S. 173. Zu den Schönen und Reichen zu gehören, war für den Adel im 19. Jahrhundert ein Definitionskriterium für ein gesellschaftliches Oben; Frie (2005), S. 17. 174 Machtan, S. 205; Riotte (2018), S. 49–51.
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sondere die mittlerweile quasi rituell durchgeführten Kuraufenthalte175 verfolgten das Ziel der sozialen Vernetzung und der für die Dynastie unverzichtbaren Darstellung nach außen.176 Da es sich hierbei um eine Zone zwischen offiziell und informell handelte, war es dem bisher am Rande der Hochadelsgesellschaft agierenden Stephan leichter möglich, anhand der von ihm beherrschten sozialen und medialen Fähigkeiten wieder zu „seiner“ Gesellschaftsschicht aufzuschließen. Wenn er auch nicht rehabilitiert war und keinen klar benennbaren politischen Einfluss besaß, die Wiederaufnahme in die dynastische Welt, die auf diesem Weg erfolgte, konnte das Defizit in seinen Augen aufwiegen. Die Freude über die neuen oder wiederaufgelebten Kontakte war damit nicht nur Zeichen seiner Eitelkeit, sondern Genugtuung darüber, seinem gesellschaftlichen Tod entgangen zu sein. Wie groß die Akzeptanz Stephans in Adelskreisen aber tatsächlich war, ist aus seinen emphatischen Berichten nicht abzuleiten. Ein Blick in die Gegenüberlieferung an Tagebüchern und Korrespondenzen seiner neuen Gesprächspartner lässt es zumindest nicht zu, Stephans optimistischen Blick zu bestätigen. Die Zarin, die Stephan etwas später erneut in Schwalbach sah,177 war ihm gegenüber angeblich sehr leutselig. Er hoffte sogar, sie werde ihn im Inkognito der Gräfin von Borodino zusammen mit ihrem Bruder, Alexander von Hessen, im August 1864 persönlich von Schwalbach aus besuchen. Stephan versprach, dafür zu haften, dass ihr Inkognito nicht gelüftet werde. Jedoch scheint aus der Visite nichts geworden zu sein.178 Eine Notiz des Prinzen Alexander von Hessen über Stephans Besuch zusammen mit Herzog Adolph von Nassau bei der Zarin in Schwalbach rückt die Euphorie hingegen in ein ganz anderes Licht: „Ersteren [Stephan] manövrierten wir fort“, heißt es da.179 Die Anerkennung Stephans in diesen Kreisen scheint also nicht so ausgeprägt gewesen zu sein, wie er es selbst glaubte. Aber daran zu glauben, wurde ihm auch leichtgemacht. So setzte ihn auch Kaiser Franz Joseph zur Weichenstellung und zum Knüpfen von Kontakten persönlich ein. Auf seinen Wunsch hin stattete Stephan im September 1864 der französischen Kaiserin Eugenie in Schwalbach einen offiziellen Besuch ab.180 Diese Aktion war als letzter Versuch zu werten, schlimmere Zer175 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 a (13. September 1856), vgl. Anm. 442 im vorangehenden Kapitel 176 Soroka, S. 137. 177 HLA HHStAW Best. 1174 Nr. 11 (25. Juli 1864). 178 HLA HStAD Best. D 25 Nr. 2/28 (10. August 1864); HU MNL OL P 301 (14. August 1864); HLA HStAD Best. D 25 Nr. 1/10: Im Tagebuch des Alexander von Hessen wird ein solcher Besuch nicht erwähnt. 179 HLA HStAD Best. D 25 Nr. 1/10 (30. Juli 1864). 180 HU MNL OL P 301 (20. September 1864); Haidinger (1897), S. 138. Ein Bericht darüber
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würfnisse zu verhüten. So hatte Napoleon III. im Februar 1863 einen Plan zur Neuaufteilung Europas – und damit auch Deutschlands – vorgelegt, bei dessen Umsetzung das Kaiserpaar insbesondere auf Österreich setzte. Die Donaumonarchie sollte nach diesen Vorstellungen Venetien, Lemberg und Krakau verlieren, dafür aber Serbien, Schlesien und alle deutschen Gebiete südlich des Mains, die es für sich wünschte, in Besitz nehmen dürfen. Die dann depossedierten deutschen Fürsten sollten wiederum helfen, amerikanische Republiken in Monarchien zu überführen. Österreich reagierte auf solche hochfahrenden Pläne allerdings sehr zögerlich und wich den massiven Annäherungsversuchen Frankreichs aus.181 Da Russland 1863 Polen militärisch niederwarf und Preußen in den Auseinandersetzungen mit Dänemark ein Bündnis mit Österreich schloss, trat der französische Plan in den Hintergrund. Das Kaiserpaar bemühte sich um die Einberufung eines Kongresses, der jedoch ebenfalls am Desinteresse der europäischen Mächte scheiterte. Schließlich rückte – nach einem Wutausbruch der Kaiserin Eugenie gegenüber dem österreichischen Botschafter in Paris, Richard von Metternich – Frankreich im Januar 1864 von Österreich ab.182 Als Frankreich aber Planungen in Gang setzte, Florenz zur Hauptstadt Italiens zu machen, wurde Österreich unruhig und der Vatikan hellhörig. Auf diplomatischem Weg musste größeres Unglück verhütet werden. Zunächst vermieden es einige Erzherzöge auf Besuch in Paris, Napoleon III. die Aufwartung zu machen. Das war Stephans Chance. Zwar befürchtete er, von Kaiserin Eugenie in Schwalbach, wohin sie sich wegen einer Kontaktaufnahme mit dem preußischen König begeben hatte,183 nicht einmal vorgelassen zu werden. Dass er womöglich nur als „zweite Wahl“ für diesen Besuch eingesetzt wurde, kam ihm nicht in den Sinn. Womöglich erkannte er in seiner Aufgabe die besondere Ehre, eine Brücke nach Paris zu schlagen. Der freundliche Empfang der Kaiserin erweckte in ihm den Eindruck, seine in: Linzer Abendbote Nr. 222 (28. September 1864). Zu Eugenie in Bad Schwalbach auch Soroka, S. 210–123. 181 Dargent, S. 422–426. Einer Zeitungsmeldung zufolge soll Stephan den Verkauf Venetiens sehr befürwortet haben. Noch auf dem Sterbebett, als das Gebiet an Frankreich bzw. Italien verloren gegangen war, soll er immer wieder murmelnd beteuert haben, dass eine solche Veräußerung für Österreich vorteilhaft gewesen wäre. Nun sei es verloren, und Österreich habe dafür nichts bekommen. Vermutlich waren das aber tendenziöse Legenden in einem Nachruf, der Stephan als Fürsten der Freiheit und als Partisan progressiver Ideen feierte. Aus seinen Korrespondenzen lassen sich solche Äußerungen nicht ablesen, wenn er auch nach wie vor kein Freund Italiens war; Journal de Monaco Nr. 455 (3. März 1867), o. S. 182 Dargent, S. 422–426. 183 Ernst von Sachsen-Coburg III, S. 456.
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Befürchtungen seien unbegründet gewesen.184 Eine halbe Stunde sprach sie mit Stephan, ohne dass der Erzherzog inhaltliche Aspekte der Post anvertrauen wollte. Deshalb lassen sich aus den Briefen nur seine Genugtuung und sein Stolz rekonstruieren, mit so vielen gekrönten Häuptern Europas verkehrt zu haben. Zum Ende des Jahres, so sein Resümee, war er nicht nur drei Kaiserinnen begegnet, sondern auch noch dem König von Belgien, dem König von Bayern, der Königin von Württemberg sowie der Königin von Griechenland. „Was will man mehr!“185 Dass aber König Wilhelm von Preußen bei Eugenie eine lange Visite gewährt bekam, die Furore machte, irritierte ihn dann doch.186 Und seine Nerven hatte er sich ruiniert, wie er schrieb. Hätte es sich aus seiner Sicht nur um reine Höflichkeitsvisiten gehandelt, wäre dazu keine Veranlassung gewesen.187 Dass Wien ihn vorrangig in diplomatischen Missionen einsetzte, die absolviert werden mussten, deren Erfolg aber aussichtslos war, dürfte seiner Wahrnehmung nicht entsprochen haben. Die Gespräche Stephans bezeugen eine informelle Diplomatie im Dienste Österreichs, die mittlerweile auch durch seine persönlichen Kontakte zur österreichischen Legation mit Informationen gefestigt werden konnte.188 Es nimmt daher nicht wunder, dass wieder einmal und sogar in der „New York Times“ zu lesen war, er, dessen Ansichten dem Kaiserhaus 1848 zu freisinnig und liberal gewesen seien, werde wieder als Palatin nach Ungarn zurückkehren. Die Zeitung bezog sogar deutlich Position: „now, in its utmost needs, this court is not too proud to ask for help from the man who sent away when considered superfluous, or perhaps even an adversary to their proceedings.“189 Stephan blieb also das Menetekel des Hauses Habsburg. Mit einem Mal stand er wieder im Rampenlicht. Er besuchte Königin Augusta von Preußen in Koblenz, führte „ernste Gespräche“ mit Großherzogin Sophie von Sachsen-Weimar und traf „preußische Herrschaften“ in Bad Ems, hier allerdings ohne „viel“ mit ihnen über Politik zu bereden.190 Selbst 184 Sie könne ihre 38 Jahre nicht verleugnen, schrieb Stephan, „und das bei dem Ruf, der ihr vorauseilt“. Sie sei „nicht imposant und gemalt, aber liebenswürdig, das muß ihr ihr Feind lassen“; LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 b (28. September 1864). 185 Haidinger (1897), S. 139; auch Lindauer Tagblatt für Stadt und Land Nr. 232 (29. September 1864), S. 390. 186 HU MNL OL P 301 (20. September 1864). 187 Haidinger (1897), S. 134. 188 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 b (9. Juni 1860). 189 Supplement of the New York Times (2. Juni 1860), S. 9 (Bericht aus Österreich vom 17. April 1860). 190 HLA HHStAW Best. 1174 Nr. 11 (9. November 1864); LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 167 (29. Juli 1859); Haidinger (1897), S. 65.
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wenn Letzteres stimmen sollte, so waren gleichzeitige Besuche bei der Zarinwitwe in Ems und der Kontakt zu sonstigen Entscheidungsträgern von Gewicht genug, um Stephan mittlerweile eine informelle Größe zu nennen. Er hatte in kürzester Zeit alle Protagonisten persönlich gesprochen, die im konfliktreichen Jahr 1864 entscheidende Rollen spielten. Stephan selbst hatte die Jahreswende 1863/64 im Neujahrsschreiben an den Pädagogen Kehrein als „Vorabend ernster Ereignisse“ bezeichnet. „Der politische Horizont verdunkelt sich immer mehr und unser heimischer Heerd ist in neuester Zeit auch etwas berußt worden.“191 Seit 1858/59 forcierte Frankreich die Einigung Italiens unter dem König von Piemont-Sardinien – die Lombardei war Österreich 1859 verloren gegangen. Es war abzusehen, dass auch Venetien und andere Landesteile, die noch unter Österreichs Regierung standen, vor dieser Dynamik in Verlust zu geraten drohten. Des Weiteren hatte das Scheitern des Fürstenkongresses in Frankfurt, auf dem Kaiser Franz Joseph zunächst noch freudig und voller Hoffnungen empfangen worden war, deutlich gemacht, wie wenig an Preußen vorbeizukommen war. Der Konflikt Österreichs mit Frankreich, Italien und Preußen, der sich ab 1864 mehrfach in Kriegen entladen und schließlich den Kaiserstaat ganz aus Deutschland und Italien verdrängen sollte, zeichnete sich folglich schon ab. Die leicht gemäßigten Töne in Ungarn, die einen dortigen Ausgleich erkennbar werden ließen, schlugen dagegen kaum zu Buche.192 Dass Stephans Stern nun wieder deutlich im Steigen begriffen war, zugleich aber die Situation Österreichs eine unklare blieb, führte wiederum zu sehr gewagten Spekulationen in den Zeitungen. Die eher konservativ ausgerichtete Zeitung „Die Presse“ wusste für den 15. September 1864 zu berichten, die französisch-italienische Konvention habe „unsere actionslüsternen Kreise“ zur Annahme veranlasst, dass die Regierung „durch die Sorge um die nächste Zukunft, zu weitgehenden Concessionen sich herbeilassen werde. Colportirt man doch bereits, daß Erzherzog Stephan die Palatinatswürde, nachdem sie ihm neuerdings, aber unter den von ihm gestellten Bedingungen angeboten worden sei, übernehmen und als Folge davon der Schwerpunkt der Staatsgewalt von Wien nach Ofen fallen werde. Man bezeichnet, um die Glaubwürdigkeit dieser Anstrengungen darzulegen, das Palais eines mit den Regierungs-Notabilitäten des Auslandes lebhaft verkehrenden Magnaten als den Ort des Ursprungs der oben mitgetheilten Conjecturen, und rechnet demgemäß sicherer denn je auf die alsbaldige Einberufung des Landtages und die von demselben abhängige Krönung des Königs.“193 Auch wenn es nur halt191 HLA HHStAW Best. 1174 Nr. 11 (3. Januar 1864). 192 Zöllner, S. 403–406; Altgeld, S. 305–306; Hantsch, S. 396–397; Bellabarba, S. 149–151. 193 Die Presse Nr. 268 (28. September 1864).
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lose Gerüchte waren, allein dass eine solche Perspektive angedacht und mit vermeintlich verbürgten Fakten hinterlegt wurde, um dann den Weg in die konservativen Zeitungen zu finden, unterstreicht Stephans Stellung in der Öffentlichkeit. Wiens Politik, ihn so weit wie möglich einzugliedern, um den mit Hoffnungen anderer beladenen oder begünstigten Exilanten nicht zum unkontrollierbaren Akteur aus einer Opferrolle heraus werden zu lassen, war wichtiger denn je. Diese Zugeständnisse aber nur so weit zuzulassen, dass er nicht zu einer „Grauen Eminenz“ werden konnte, war angesichts der in ihn gesetzten Hoffnungen äußerst schwierig. Stephan hätte sich dazu im dynastisch-familiären Bereich unterordnen müssen. Inwiefern die Öffentlichkeit das akzeptiert hätte, ist nicht zu beantworten. Auch blieb sein Ehrgeiz nach wie vor eine schwer zu zähmende Größe. Jeder Schritt von Wiener Seite konnte Stephans Position ungefährlich machen, aber auch erst ins Rampenlicht führen. Die Dynastie musste ihn weiterhin einbinden. Dass Stephan das Spiel durchschaute oder gar für sich nutzen wollte, ist, so zumindest legen es die Quellen nahe, eher unwahrscheinlich. Im Sommer 1864 stand eine zwölftägige Kur in Wildbad an, in der er seine angegriffenen Nerven wiederherstellen wollte. Die elegante Kurzeit war dort bereits vorüber, so dass er sich seinen Studien widmen konnte. „Daß Langeweile ein Mittel mehr zur nachhaltigen Genesung ist; wenn dem so ist, haben diese zwei Bäder ihren Zweck vollständig erreicht!“194 Anschließend fuhr er in die Schweiz, um dort mit Erzherzog Albrecht und seiner Familie sowie Erzherzog Rainer und seiner Ehefrau, einer Schwester Erzherzog Albrechts, – wenn auch jeweils getrennt – zusammenzutreffen.195 Dieser Besuch war bereits 1862 ins Auge gefasst worden, hatte sich dann aber zerschlagen, ebenso wie übrigens ein Besuch der Londoner Weltausstellung.196 Jetzt ergriff er die Gelegenheit, von Wildbad aus die Reise zu unternehmen, die als Gegenbesuch für die Visiten der Ehepaare auf der Schaumburg galt, weil er „vorerst“ davon Abstand nehmen wollte, einen solchen Gegenbesuch in Wien abzustatten.197 Trotz allem Anspruchsdenken hatte er sich wieder zur Gänze in den engen Familienverband integrieren lassen. Selbst ein erneuter Wien-Besuch war nicht mehr ausgeschlossen. Ein Zusammentreffen mit anderen Habsburgern in Interlaken198 kam nicht zustande, aber der als Graf Steinsberg inkognito reisende Stephan sah auf diese Weise Basel, Otten, Zürich und den Zürichsee, Wesen, Glarus, Ra194 Haidinger (1897), S. 135. 195 StA Diez Sch 55/Sch 332 (12. September 1864). 196 HU MNL OL P 301 (30. Juli 1862). 197 HU MNL OL P 301 (23. Juli 1864). 198 HU MNL OL P 301 (14. August 1864).
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Abb. 36: Vinzenz Katzler, Gruppenbild mit 23 männlichen Mitgliedern des österreichischen Kaiserhauses im Schloss Schönbrunn, 2. v. r. Erzherzog Stephan, 1. v. r. Erzherzog Joseph, um 1863 (ÖNB Bildarchiv und Grafiksammlung Pg III/9/28)
gatz, Pfeffers, Chur, Thusis, den Splügen, wo – wie auch auf der italienischen Seite der Schweiz – Schnee lag, so dass Stephan mit „frischen Schneeballen Kurzweil“ treiben konnte.199 Es folgten Reisen nach Luzern mit dem Vierwaldstätter See, zum Rigi, nach Zug mit dem Zuger See sowie in einige Nebentäler. Unterwegs half er auch Bauernmädchen den Grummetkarren ziehen, wodurch er sich wieder „sehr populär“ machte, was nichts anderes heißen soll als „volksnah“.200 Und das bekundete er selbst. In einer solchen Schilderung schwingen Assoziationen zum Anekdotenschatz um Kaiser Joseph II. mit: 1769 hatte die199 Die ganze Fahrt fand mit der Eisenbahn statt, was „ein wenig auf Kosten des Idillischen“ ging, außerdem monierte Stephan, die Gasthäuser seien überfüllt mit Fremden, vor allem mit Engländern, so dass man sich Tage im Voraus eine Unterkunft sichern musste; StA Diez Sch 55/Sch 332 (12. September 1864). 200 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 b (12. September 1864). Zur negativen Konnotation des Wortes vgl. Ketterl, S. 50: Erzherzog Joseph Ferdinand habe sich „mit Krethi und Plethi gmein zu machen [versucht], triefe von falscher Leutseligkeit und wollte bei den Soldaten ‚populär‘ sein“, was Kaiser Franz Joseph missfiel.
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ser selbst bei Slavikovice auf dem Feld eines Bauern eine zweite Furche gezogen. Eine solche Geschichte war konstitutioneller Teil des Josephskults im 19. Jahrhunderts.201 Stephan stellte sich also direkt in diese Tradition. Im Engadin muss Stephan auch die Bekanntschaft eines Karl gemacht haben, der den Grafen Steinsberg liebgewonnen hatte. Der Erzherzog versprach daraufhin, im nächsten Jahr, wenn er wieder dorthin käme, Karl mit sich auf die Schaumburg zu nehmen.202 Leider ist über diesen Fall wenig bekannt, doch spricht alles für ein leutseliges, nahbares Wesen des Erzherzogs. Ob er wirklich an eine weitere Reise in die Schweiz gedacht hat, ist ungewiss.203 7.3 Die Standesherrschaft als Kulisse Den Hintergrund all dieser Aktivitäten bildete Stephans Domizil in der Standesherrschaft, auch wenn sie in der Korrespondenz nicht die Rolle spielte, wie es womöglich anzunehmen wäre. Wenn man, wie moderne Forschungsansätze nahelegen, den Stephan umgebenden Raum mental-kulturell als „Ergebnis sozialer Beziehungen“ interpretieren möchte, bleibt die Standesherrschaft stets im Hintergrund.204 Aber sie existierte und ist damit im Rahmen der Biographie zu berücksichtigen, zumal sich Stephan notgedrungen in der Selbstwahrnehmung als Standesherr definieren musste und – noch viel gewichtiger – die Öffentlichkeit dies ganz natürlich tat. Gewissen Raumkonstruktionen konnte er sich nicht entziehen, so dass er sich diese idealerweise dienstbar machen musste. Ein Artikel in der „Leipziger Zeitung“ – dem amtlichen Organ der sächsischen Regierung – vom 13. August 1851, der in dem in Wien erscheinenden „Fremdenblatt“ vom 17. August 1851 wiederholt wurde, berichtete ausführlich über sein Leben vor Ort.205 Dort bilde er „eine österreichische Colonie im Rheinlande“ und habe selbst die Oberleitung der herrschaftlichen Verwal201 Vocelka (1997), S. 321 und S. 324; Gutkas, S. 136–137, der Kaiserhof hatte die Geschehnisse bereits gleich nach dem Ereignis medial verarbeitet; zur Legende Josephs auch ebd., S. 459–462. 202 HU MNL OL P 301 (20. September 1864). 203 Diese Leutseligkeit offenbarte sich auch 1864, als er anlässlich des Festprogramms zur Hochzeit seines Bruders Joseph in Coburg in den Zwischenakten die Bühne betrat und zusammen mit dem Herzog mit Künstlern sprach. Die „gesuchte Nähe“ zu den Künstlern wurde in Hofkreisen belächelt; Tasler, S. 229. 204 Mecking, S. 5; Schroer, S. 174–181; auch Pons (2009/2010), S. 430–431. 205 Leipziger Zeitung Nr. 221 (15. August 1851), S. 4399–4400; Fremden-Blatt Nr. 195 (17. August 1851), o. S.
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tung inne, hieß es da. Die Förderung der Landwirtschaft, des Gewerbes und der Volksbildung habe er sich zum Ziel gesetzt; durch die Baumaßnahmen an der Schaumburg habe er der „arbeitenden Classe eine große Wohlthat erwiesen.“ Die Herzen der Bevölkerung habe er sich durch die Erziehung der Kinder im Standesgebiet gewonnen, und auch bei den politischen Parteien genieße er größte Popularität, weil er stets den Charakter des Menschen ohne Ansehen der Person in den Blick nehme. Selbst die Anhänger der gothaischen Partei, also derjenigen, die einen deutschen Bundesstaat mit Preußen an der Spitze befürworteten, in den Städten an der Lahn habe er wieder für die Idee „des gesammten Deutschlands“ gewonnen. Kurzum: „Der Kaiserstaat könnte in den Rheinlanden keinen liebenswürdigeren Apostel besitzen.“ Die politische Enthaltsamkeit und das Exil deutete der Artikel damit als Dienst an Österreich um. Da die Argumentation auch in Stephans Briefen, wenn auch sehr verstreut und versteckt, wiederkehrt, ist davon auszugehen, dass er damit über die Zeitung seine Bedeutung für Habsburg unterstreichen wollte, sprich: dass er an diesem Zeitungsbericht nicht ganz unbeteiligt war. Der Artikel war auch eine politische Stellungnahme in einer Zeit, in der er sich von Wien zurückgesetzt fühlte. Das von ihm geforderte Zeichen, sich auf der Schaumburg niedergelassen zu haben, wurde durch einen öffentlichkeitswirksamen Florettstoß gesetzt. Als Erzherzog Stephan die Standesherrschaft Schaumburg übernahm, bestand diese aus 17 Gemeinden, nämlich aus den Orten der Grafschaft Holzappel (Charlottenberg, Dörnberg, Eppenrod, Geilnau, Giershausen, Holzappel, Horhausen, Isselbach, Kalkofen, Langenscheid, Laurenburg, Ruppenrod und Scheidt) sowie der Herrschaft Schaumburg (Biebrich, Cramberg, Habenscheid, Schaumburg und Steinsberg). Sie umfasste im Jahr 1846 insgesamt eine Einwohnerzahl von 4509 Personen. Der Zuschnitt der Standesherrschaft sollte sich unter Erzherzog Stephan nicht ändern. Die Zahl der Einwohner stieg im Laufe von zwanzig Jahren auf 5301 Personen an.206 Zu den Privilegien des Standesherrn gehörten u. a. das Präsentationsrecht zur Besetzung von Pfarr- und Schulstellen, das Salinenrecht, die Verwaltung des Berg- und Hüttenwesens, die Armenfürsorge, das Recht zur Errichtung einer standesherrlichen Kanzlei sowie zur Anstellung von Personal. Andere hatte ihm die Revolution von 1848 genommen. Der Erzherzog ging mit der Meinung konform, es habe sich dabei um Raubgesetze gehandelt.207 Gegenüber Wessenberg brachte er das patriarchalische System der Standesherrschaft mit dem englischen Pachtsystem in Verbindung, was wohl auch 206 Bode (2017), S. 43. 207 AMgdL Nr. 4990 (6. Januar 1849). Hier stimmte er den Darlegungen des Karl von Oettingen-Wallerstein zu, der genau dies behauptet hatte; Oettingen-Wallerstein, S. 17.
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im Sinne einer geordneten, direkten Beziehung von Herr und Untertan zu verstehen ist.208 Als Standesherr war er in der Ersten Kammer des Nassauischen Landtags vertreten. Im Gegensatz zu anderen Standesherrn ließ er sich dort jedoch vertreten, weil ihm dies von österreichischer Seite auferlegt worden war.209 Ganz grundsätzlich wollte er sich als Privatmann verstanden wissen und hielt sich – wenn es ihm gelegen war – von der Einmischung in politische Verhandlungen fern.210 Grundsätzlich trat er dem Landtag aber mit größtem Argwohn entgegen: Mit den Vertretern war in seinen Augen nur schwer zu regieren,211 und der Wahlkampf führe nur zu Zerwürfnissen bis in die Familien hinein, was er nicht dulden wollte.212 Politische Debatten und divergierende Auffassungen führten in Stephans Sicht zur Spaltung der Gesellschaft, als seien sie von außen herangetragen und nicht aus der Gesellschaft heraus entstanden. Im Jahr 1852 – und nur in diesem – nahm Karl Friedrich Ludwig Löw von und zu Steinfurth, der von Herzog Adolph dafür vorgeschlagen worden war, Stephans Vertretung im Landtag wahr.213 Der Standesherr hatte sich zunächst dagegen gesträubt, weil er den Vorgeschlagenen nicht kannte und seine Vertretung im Landtag nicht nur als „Spielerei“ bewertet sehen wollte. Stephan schlug vielmehr ausgerechnet den Minister Friedrich Gerhard von Wintzigerode vor, der 1851 wegen seiner Preußenfreundlichkeit und seiner unentschiedenen Haltung gegenüber liberalen Forderungen entlassen und durch den hochkonservativen Prinzen August von Sayn-Wittgenstein ersetzt worden war.214 Stephan hatte seine Empfehlung etwas abwegig damit begründet, im Sinne der Regierung zu handeln. Alternativ zu Wintzigerode schlug Stephan den Oberst Friedrich August Weiz215 vor, der zwar nur ein Bürgerlicher, aber doch ein Ehrenmann sei. Fast hat es den Anschein, als sei es Stephan in dieser Situation nicht um einen politischen Kurs gegangen, sondern lediglich darum, sich durch eine Person im Landtag vertreten zu wissen, die er kannte und der er menschlich vertraute. „Aufrichtig gesagt, lieber gar nicht vertreten als durch einen mir ganz frem208 ÖNB Autogr. 55/33-18 (24. Oktober 1851), an Wessenberg; Schröder, S. 41 und S. 47; Schüler (2006), S. 32–34. 209 HLA HHStAW Best. 130 II Nr. 3271, fol. 150ff. (13. Februar 1856). 210 HLA HHStAW Best. 1174 Nr. 11 (12. März 1852), auch ebd. (23. August 1854): Stephan machte eine Ausnahme und reichte dem Herzog eine Petition ein. 211 Haidinger (1897), S. 121 (6. Januar 1864). 212 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVII Nr. 167 (12. Januar 1865). 213 Rösner, S. 106 (Nr. 149); Renkhoff, S. 473. 214 Schüler (1984), S. 215; Renkhoff, S. 880. 215 Renkhoff, S. 859–860.
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den.“216 Allerdings stellte Stephan schließlich doch drei Vollmachten aus, was zur Entscheidung Adolphs für Löw von Steinfurth führte. Dieser votierte dann allerdings in der ersten Kammer der Ständeversammlung gegen eine Ausweitung des mit Preußen zu schließenden Zollvereins auf Österreich. Stephan wertete das als Parteinahme für Preußen und gegen Österreich, weshalb er das Verhalten als Kompromittierung verstand und seinen Unwillen zum Ausdruck brachte.217 Im Recht befand sich Löw von Steinfurth zwar, weil er auch als Vertreter nur seinem Gewissen, nicht Stephan verantwortlich war. Aber aus nachvollziehbaren Gründen war er für den Erzherzog nicht tragbar. Löw von Steinfurth erklärte daraufhin, wohl auf Druck des Erzherzogs, in der nächsten Sitzung der Kammer, dass sein Verhalten zu „Mißdeutungen“ Anlass gegeben habe, weil er es nicht näher erläutert hatte. Letztlich hege er aber ein solches Vertrauen zur nassauischen Regierung, die auf Seiten Österreichs stand, dass er ihre Entscheidungen zum Wohl des Landes nicht durch die Äußerung eines Wunsches hatte beeinflussen wollen.218 Das war nur noch der ebenso devote wie fadenscheinige Versuch einer Schadensbegrenzung, die freilich nicht verhindern konnte, dass der Vertreter das Feld räumen musste. 1855 wurde Friedrich August Graf von Bismark Stephans Bevollmächtigter und sollte es bis 1858 bleiben. Als Badekommissar in Ems, später Direktor der Badeanstalten, dürfte er Stephan bekannt gewesen sein. Aber auch über ihn war der Erzherzog nicht recht glücklich. Er unterzeichnete die Vertretungsvollmacht für ihn nur, weil er „ohnehin bald weggejagt werden soll“, also keine dauerhafte Vertretung zu befürchten stand.219 Bismark galt ihm als das kleinste Übel, was sich auch ein Jahr später bewahrheitete, als der Graf Ingelheim als Bevollmächtigter zur Sprache gebracht wurde. Diesen musste Stephan nicht nur ablehnen, weil er ihm gegenüber einen Groll hegte, sondern auch, weil er österreichischer Offizier war.220 In Wien würde es nicht gerne gesehen, wenn er in Uniform seine Stimme abgebe, wenn er das, was Stephan untersagt war, als sein Vertreter ausführe. Er sei ein „guter Kamaschenknopf, wie sie duzend- und Schockweise in der österreichischen Armee herumlaufen, aber weiter nichts.“ Bismark gehöre zwar auch nicht zu den „Weisen Griechenlands“, sei aber allemal besser. Bismark blieb also im Amt, und so vertrat er noch im Frühjahr 1858 den Erzherzog. 216 HLA HHStAW Best. 130 II Nr. 3271, fol. 71ff. (14. März 1852). 217 HLA HHStAW Best. 130 II Nr. 3271, fol. 285ff. (9. April 1858). 218 Verhandlungen der ersten Kammer 1852, S. 121. Die Vorlage, gegen die Löw von und zu Steinfurth votiert hatte, dort auf S. 119–120. Zur Politik Nassaus vgl. Schüler (2006), S. 224–225. 219 HLA HHStAW Best. 130 II Nr. 3271, fol. 138ff. (10. April 1855); Rösner, S. 14–15. 220 HLA HHStAW Best. 130 II Nr. 3271, fol. 150ff. (13. Februar 1856).
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„Ich weiß außer Bismarck keinen anderen, wenngleich ein gescheidterer mir lieber wäre.“221 1858 folgte auf Bismark Anton Philipp Freiherr von Breidbach-Bürresheim222 und 1864 schließlich der aus Mähren gebürtige Johann Nepomuk Tengg Edler von Lanzensieg.223 Keine der genannten Persönlichkeiten aber scheint für Stephans Leben eine größere Bedeutung erlangt zu haben, wenn man die fehlende Erwähnung in den Korrespondenzen hierfür als Indiz werten möchte. Sein Leben als Standesherr spielte sich nicht in politischen Debatten ab, sondern ganz gezielt vor Ort, in der Standesherrschaft selbst. Diese Standesherrschaft versuchte Stephan zu einem in seinen Augen idealen (kleinen) Gemeinwesen zu gestalten. Sowohl nach Weimar als auch nach Oldenburg schrieb er im Frühjahr 1850, kurz nachdem ihm deutlich geworden war, dass sich sein Aufenthalt auf der Schaumburg in ein Exil verwandelt hatte, im Nassauischen sei alles ruhig, und das trotz der Heimschickung der Stände, „nach denen, namentlich in meiner Gegend, kein Hahn kräht.“ Die Landbevölkerung sei der Herrschaft zugeneigt. Diese Wertschätzung der Standesherrschaft, die zuvor nicht in den Briefen aufscheint und durch seine ständigen Reisen auch kaum Erwähnung hatte finden können, wurde ihm jetzt – bis zu einem gewissen Grad gezwungenermaßen – zum stabilen und positiven Gegenentwurf einer, wie er empfand, transitorischen Welt, eines „Krater[s] momentan ohne Eruption“.224 Und was war besser dazu angetan, eine stabile Gesellschaftsstruktur zu schaffen, als sich der Pädagogik zu bedienen? „Heitere Jugend zu sehen, ist ein erfreulicher Anblick, besonders der jetzt sonst so trüben und politisch unheilschwangeren Welt gegenüber.“225 Die als „Privat-Institut“226 geltende und daher der staatlichen Schulaufsicht entzogene Schaumburger Schlossschule konnte Stephan nach seinen Vorstellungen einrichten, vor allem auch nachdem durch die Vermittlung des Herzogs Adolph die Auseinandersetzungen mit dem nassauischen Schulrat beigelegt worden waren.227 Ab 1850 wurde der Lehrstoff angereichert und der Lehrkörper erweitert. Zwei Lehrer standen täglich für insgesamt 30 bis 40 Kinder aus Familien der erzherzoglichen Diener, Beamten und Angestellten zur Verfügung. Es scheint sich um 221 HLA HHStAW Best. 130 II Nr. 3271, fol. 285ff. (9. April 1858). 222 Rösner, S. 24 (Nr. 29); HLA HHStAW Best. 130 II Nr. 3271, fol. 363ff. (17. März 1862). 223 Rösner, S. 175 (Nr. 253). 224 NLA Oldenburg Dep. 50 Best. 6 F Nr. 134 (29. April 1850). 225 HLA HHStAW Best. 1174 Nr. 11 (16. Juni 1855). Bereits 1843 notierte Prinz Karl von Hessen, dass sich Stephan „mit den Kindern sehr gut“ stelle; HLA HStAD Best. D 23 Nr. 2474 (30. Juni 1843). 226 HLA HHStAW Best. 405 Nr. 28756 (27. März 1849, 12. April 1849 und 30. Juli 1851). 227 Schmiedel, S. 140–141 (ohne Quellenangabe).
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eine Art Reformschule gehandelt zu haben,228 trat doch die klassische humanistische Bildung hinter praxisbezogene und naturkundliche Fächer zurück: Noch 1849 war neben den Grundfächern Lesen, Schreiben, Rechnen und Religion auch Geographie, Französisch und Latein durch den Lehrer Böhm unterrichtet worden. Das war Stephan allerdings nicht genug, weshalb er auf die Suche nach einem „wissenschaftlich gebildeten jungen Mann“ ging, „welcher Unterricht in den Realien und den alten und neuen Sprachen ertheilen könnte“.229 Gewonnen wurde der Biebricher Reallehrer Wilhelm Hofmann, der fortan katholische Religion, Rechnen, Mathematik, deutsche Sprache, Orthographie, Französisch, Naturgeschichte, Schönschreiben, Zeichnen, Musik, Gesang und Diktatschreiben lehrte, während Böhm Latein, Geographie, Geschichte, protestantische Religion und Lesen übernahm.230 Sogar von Unterricht in englischer Sprache ist die Rede. Neben die Grundfächer traten also Naturgeschichte (Botanik und Zoologie), Geographie (Deutschland und Europa), Geschichte des Mittelalters nach dem verbreiteten Lehrbuch von Theodor Bernhard Welter,231 moderne Sprachen, Klavier, Zeichnen und Singen.232 Im Frühjahr 1851 wurde auf Stephans Kosten der Schlossschule sogar eine Turnanstalt angegliedert,233 so dass von einer praktisch und an modernen Bedürfnissen orientierten Lehranstalt gesprochen werden kann, für die in Notfällen sogar das Schulgeld erlassen werden konnte. Doch beschränkten sich Stephans reformatorische Absichten nicht auf die Schlossschule. Deshalb begann er auch 1849/1850 damit, die Schulprüfungen in seiner Standesherrschaft zu besuchen.234 Wie künftig jedes Jahr beschenkte er die klassenbesten Schülerinnen und Schüler mit Büchern und verteilte an alle Schulkinder Brötchen und Bier. Die Schulprüfungen waren ihm aber auch dazu dienlich, jeden einzelnen Einwohner sei228 Schmiedel, S. 137; HLA HHStAW Best. 405 Nr. 28756. Ob Stephans pädagogische Interessen auch in seiner Jugend durch Therese von Brunswick befördert worden waren, ist unklar; vgl. Beichler, passim. 229 LHA Koblenz Best. 47 Nr. 10816 (Gutachten o. D.). 230 LHA Koblenz Best. 47 Nr. 10816 (30. August 1850). 231 Hanke (2011), S. 44–45: Das Buch war 1826 erstmal erschienen und rasch sehr verbreitet. Welter befürwortete in ihm die nationalen Forderungen des Volkes, nicht aber revolutionäre Handlungen. Revolutionäre Unruhen lastete er den Parteien an, ohne welche die Einheit von Volk und Fürst nie gestört worden wäre. 232 HLA HHStAW Best. 405 Nr. 28756. Der Stundenplan stammte vom Dezember 1867, dürfte aber auf ältere Vorlagen zurückgreifen. Erst mit der Aufhebung des Privatinstituts durch die Preußen in der folgenden Zeit kam es zu markanten Einschnitten. 233 LHA Koblenz Best. 4 7 Nr. 10816 (15. Mai 1851). Luise Büchner, S. 470, sah den Unterricht in der Schlossschule als Hauptbetätigung in Stephans Exilzeit an. 234 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 738 a (23. April 1850); fast wortgleich NLA Oldenburg Dep. 50 Best. 6 F Nr. 134 (29. April 1850); Schmiedel, S. 136.
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nes Standesgebiets kennenzulernen. „Ich kenne bald mein Standesgebiet wie mein eigenes Haus, und wird dies konsequent durchgeführt, stellt sich ein patriarchalisches Verhältnis her, das nur gute Früchte bringen kann.“235 Erwähnt werden sollte auch, dass es sich bei diesen Besuchen um regelrechte Festivitäten handelte, mit denen der Standesherr sich selbst feiern lassen konnte. Anlässlich der Frühjahrsprüfung in der Volksschule Holzappel 1863 kam der Erzherzog mit der Kutsche vorgefahren, während ihm die Schul- und Ortsvorsteher, der Lehrer mit den Schulkindern sowie der Gesangsverein entgegenzogen. Der Verein und die Kinder der Töchterschule sangen das Lied „Unsern Standesherrn erhebe!“ auf die Melodie der österreichischen Volkshymne. Stephan bedankte sich dafür und begab sich anschließend zur Prüfung. Der Eingang der Schule war durch die Kinder mit Tannenbäumchen und Girlanden geschmückt worden, die Lehrsäle mit Blumen.236 Diese biedermeierlich anmutende Szenerie unterstrich das standesherrliche, patriarchalische Verhältnis, das Stephan gepflegt sehen wollte. Ständchen und Huldigungsdarbietungen gehörten – zumindest seinen Briefen zufolge – fast zu seinem Alltag.237 „Wo ich erscheine und angesagt bin, kommt mir Alt und Jung entgegen, die Sängervereine empfangen mich am Eingang mit der österreichischen Volkshymne“, und Blumensträuße wurden stets „durch eine Prämiantin aus alter Zeit dargebracht.“238 Das war Anerkennung, wie er sie auch durch die Touristen auf der Schaumburg fand, aber es hatte auch etwas Unwirkliches, Fassadenhaftes, bei all den Problemen in der Welt, mit denen er direkt oder indirekt konfrontiert war. An Weihnachten empfing Stephan regelmäßig ca. vierzig Kinder mit ihren Eltern auf dem Schloss und verteilte Geschenke,239 die er sehr gewissenhaft und engagiert im Vorfeld besorgt hatte. Sechs bis sieben Präsente pro Kind waren vorgesehen, die sich in den nächsten fünf bis sechs Jahren nicht wiederholen durften.240 Für das Jahr 1853 sprach er von 400 brennenden Lichtern im Saal, über 1000 Gegenständen auf Tischen und Bäumen und Kosten von 1000 bis 2000 fl., die er dafür hatte aufbringen müssen.241 Bereits acht Tage vor dem Fest habe man überall in der Standesherrschaft 235 StA Diez Sch 55/Sch 332 (12. April 1864); ähnlich HLA HHStAW Best. 1174 Nr. 11 (10. April 1865). 236 Schmiedel, S. 136. 237 U. a. StA Diez Sch 55/Sch 332 (21. August 1857 und 29. September 1865); HLA HHStAW Best. 1174 Nr. 11 (24. Juli 1862, 2. September 1862 und 14. Oktober 1863); Haidinger (1897), S. 171. 238 Haidinger (1897), S. 155. 239 HLA HHStAW Best. 1174 Nr. 11 (10. Januar 1853 und 16. November 1855). 240 HLA HHStAW Best. 1174 Nr. 11 (16. November 1855). 241 HLA HHStAW Best. 1174 Nr. 11 (29. Dezember 1853), ähnlich ebd. (28. Dezember 1854).
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von nichts anderem als dem nahen Weihnachtsfest reden hören, und da die Eltern mitbeschenkt worden seien, hätten diese wiederum Geld für die Kleidung der Kinder gespart. Das Weihnachtsfest war damit nicht nur ein Ereignis zur Förderung des Gemeinschaftsgefühls, sondern direkte materielle Sozialwohlfahrt. 1859 und 1860, als Finanzengpässe ihn genötigt hatten, einen Teil der Dienerschaft nach Österreich zurückzusenden, war er aber gezwungen, die Weihnachtsfeiern auszusetzen. Das Fest verbrachte er inkognito in Frankfurt. Denn eine Feier hätte seinen Finanzverhältnissen nicht entsprochen. Vor Ort bleiben und nicht zu feiern aber hätte den Einwohnern der Standesherrschaft – und sicherlich auch Stephans Repräsentationsbedürfnis – „wehe gethan“.242 Doch ließ Stephan es nicht bei diesen jährlichen Ritualen bewenden. Sonntags empfing der Standesherr kleine Kinder, „die zwar im Gesang noch wenig Harmonie kund geben, desto mehr in der Lustbarkeit und dem herrlichen Gejohle!“243 Als besonderes Ereignis ist eine Rheinfahrt im Juni 1854 zu nennen, die er zusammen mit dem zehnjährigen Prinzen Elimar von Oldenburg und einer beachtlichen Schar von Kindern auf einem gemieteten Dampfboot von Koblenz nach Bingen als Belohnung für den Eifer der Schulkinder unternahm und die auch in österreichischen Zeitungen und Zeitschriften ausgiebig gewürdigt wurde.244 Die Rheinfahrt mit Kindern war insofern auch ein geschickter Imagecoup.245 Zwei Jahre später machte er einen achttägigen Ausflug zur gut zehn Kilometer entfernten Laurenburg zusammen mit dreißig Jugendlichen.246 Es mag daher nicht verwundern, dass sowohl im Umfeld der Schaumburg als auch „in weiter Ferne“ Gerüchte die Runde machten, bei dem häufigen Umgang Stephans mit den Kindern gehe es nicht ganz mit rechten Dingen zu. Anders wies diese Anschuldigungen in seiner Biographie deutlich zurück.247 Dass dieses Dementi überhaupt in der Biographie seinen Platz fand, ist Indiz für die Hartnäckigkeit der Gerüchte. 242 HLA HHStAW Best. 1174 Nr. 11 (1. Januar 1861). 243 HLA HHStAW Best. 1174 Nr. 11 (18. Dezember 1852). 244 Deutscher Schulbote 13 (1854), S. 364; StA Diez Sch 55/Sch 332 (16. Juni 1854); u. a. auch Innsbrucker Nachrichten Nr. 120 (20. Juni 1854), S. 761; Österreichisches Pädagogisches Wochenblatt zur Beförderung der Erziehungs- und Volksschulwesen Nr. 59 (26. Juli 1854), S. 474–475. 245 Im Sommer 1865 musste er deshalb auch auf eine Rheinfahrt verzichten. Inkognito war es ausgeschlossen, weil er am Rhein zu bekannt war, und offiziell war es nicht möglich, weil er mit seiner Popularität der Familie des Preußenkönigs, „die in der Rheinprovinz ein wenig eifersüchtig darauf ist, sich populär zu machen“, den Rang abgelaufen hätte; Haidinger (1897), S. 159. Zur Wohltätigkeit gegenüber Kindern auch Mittelrheinische Zeitung Nr. 201 (27. August 1864), o. S. 246 OeStA HHStA SB NL Adolf Braun 9–1–152 (7. Juni 1856). 247 Ebenso wie die Gerüchte, dass ein „unerlaubt sträfliches Verhältniß“ des Erzherzogs – hier
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Auch die Schwimmschule, die Stephan bei der Schaumburg hatte errichten lassen, mochte dazu beigetragen haben, solche Verdächtigungen am Leben zu halten. In dem Becken von 91.000 Kubikfuß Wasser (ca. 2.575.300 Liter) mit sechs Badehäuschen der Schweizer Bauart fand dreimal die Woche Knabenschwimmen und ebenso oft Schwimmen für Mädchen statt. In letzterem Fall waren ausschließlich verheiratete Frauen aus Schaumburg anwesend, bei den Knaben hatten nur Anders, der Hausarzt Vogler sowie Stephan Zutritt, was die Gerüchte sicherlich nicht zu unterbinden geeignet war. Zusätzlich gab es ein Frauenbad, ein Männerbad und ein Duschbad, das täglich fünfundzwanzig bis fünfunddreißig Besucher anlockte.248 Diese Badeanstalt – nach Mainzer Vorbild249 – sollte, wie auch die Turnschule mit Turngeräten in der Nähe des Holzmagazins250 die Gesundheit der Bevölkerung stärken, genauso wie Stephans Umgang mit der Jugend das persönliche Band mit dem Standesherrn fördern sollte. Zu diesem Zweck gab es auch eigens Sportveranstaltungen: 1854 fand eine „Schwimmproduktion“ statt, in der fünfundzwanzig Schwimmer aus dem Diezer Bataillon gegen neunzehn Personen aus dem erzherzoglichen Hofstaat antraten. Stolz wusste der Standesherr zu berichten, dass trotz der 14 °C Wassertemperatur die Schaumburger länger ausgehalten hatten als die Soldaten.251 Woher Stephans Ambitionen in dieser Hinsicht kamen, ist nicht recht zu beantworten, da sein Lebensweg ja den militärischen Bereich allenfalls gestreift hatte. Aber diese sportlichen Ertüchtigungen waren im Randbereich seiner Aktivitäten angesiedelt. Viel mehr als sie bildete die Förderung im Sozialbereich ein wichtiges Element in seinem Selbstverständnis als Standesherr. Ein großes Problem bildete die wirtschaftliche Situation der Bergwerke bzw. die soziale Lage der Bergarbeiter im Standesgebiet. Stephan wurde aktiv, um dort die Not zu lindern. Im institutionalisierten Sektor ist hier zunächst die Amalien-Stiftung zu nennen, die er am 1. Januar 1851 infolge eines Vermächtnisses seiner Großmutter ins Leben rief. Fürstin Amalie hatte einen Betrag von bis zu 10.000 Gulden als Fonds aus Zinsen einer Vermögensmasse festlegen lassen, um damit körperlich benachteiligten Kindern des Standesgebietes Unterstützung zuteilwerden zu lassen. Als der Maximalbetrag zusammengekommen war, richtete Stephan die Stiftung ein, damit Mädchen aus dem Standesgebiet, die zu schwach waren, als Dienstboten kann nur Ehebruch gemeint sein – sogar Kinder gezeugt haben soll; Anders (1868), S. 316– 317. 248 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 a (11. Juli 1852). 249 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 a (21. November 1851). 250 Schmiedel, S. 140. 251 OeStA HHStA SB NL Adolf Braun 9–1–152 (10. August 1854).
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ihr Auskommen zu finden, im feinen Weißnähen und „in nützlichen weiblichen Arbeiten“ unterrichtet würden. Jungen, die für Gruben- und Hüttenarbeiten zu schwächlich waren, sollten mit Unterstützung dieser Gelder ein Handwerk erlernen.252 1854 wurde ergänzt, dass junge Männer aus dem Kapital auch bei der Gründung eines Geschäfts unterstützt werden konnten.253 Stephan hatte schließlich mit der Standesherrschaft auch eine ganze Reihe von Bergwerken übernommen, die aber kaum noch rentabel waren. Bereits 1851 hatte er geklagt, dass er als Bergwerksbesitzer angesichts der Konjunktur nicht vom Glück verfolgt sei, was umso schwerer wiege, als es im Herzogtum Nassau sehr viel Eisen gebe und eine große Anzahl Personen damit ihr Brot verdienten.254 Auch schlugen die Zahlungen für Pensionäre, Witwen und Waisen gehörig zu Buche. Trotzdem hätte er, dem eigenen Bekunden zufolge, an seiner Rolle als Bergwerksinhaber festgehalten, wenn ihn nicht seine Mitbesitzer, Peter von Oldenburg und Emma von Waldeck, unter Druck gesetzt hätten, weil die Holzappeller Silber-, Blei- und Eisensteinwerke eine große Summe Geldes verschlangen, aber wenig abwarfen.255 Bereits 1851 hatte Emma von Waldeck Stephan größere Teile ihrer umfangreichen Bergwerksrechte für eine Summe von 45.000 fl. verkauft.256 Zwei Jahre später sollte die Silber- und Bleigewerksgesellschaft Holzappel, die sich über das gesamte Standesgebiet erstreckte, durch Erzherzog Stephan sowie seine oldenburgischen Verwandten Peter, Friederike und Amalie an verschiedene Gesellschaften, vorrangig französische, verkauft werden.257 In den Zeitungen kursierten schon Meldungen, sie seien für 38.000.000 Francs an die Pariser Rothschild veräußert worden. Das war aber nur ein Gerücht. Die Gesellschaft Rougier et Bellot hatte „nur“ die Summe von 1.750.000 Francs geboten, die Stephan eher gering vorkam, da er sie durch verschiedene Verkaufsparteien teilen musste und die weiterhin zu entrichtenden Geldzahlungen an ehemalige Arbeiter abzog. Ihm wären dann, so schrieb er, nur 20.000 fl. geblieben.258 Die Transaktion zur genannten Summe kam allerdings dennoch zustande und teilte sich schließlich auf verschiedene 252 Ediert bei Schmiedel, S. 126–127. Vgl. auch Brommer (1999), S. XLV; Brommer (2014), passim. 253 Schmiedel, S. 126. 254 HLA HHStAW Best. 130 II Nr. 3271, fol. 61ff. (22. Oktober 1851). 255 HLA HHStAW Best. 130 II Nr. 3271 (23. Januar 1853). 256 HLA HHStAW Best. 469/17 Nr. 160 (3. November 1851). 257 HLA HHStAW Best. 469/17 Nr. 160 (1853). 258 Haidinger (1897), S. 5. Aus dem Verkauf ergab sich noch ein Rechtsstreit mit den Erben der Emma von Waldeck; LHA Koblenz Best. 47 Nr. 2868; HLA HHStAW Best. 130 II Nr. 3271, fol. 90ff. (20. Januar 1853).
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Käufer auf, darunter Renouard und Pirot. Mit ein Grund für den Verkauf war gewesen, dass die Gesellschaft, die über ein Kapital von 50 Millionen verfügte, den Fortbetrieb des Bergwerksbetriebs zu garantieren schien und durch Schächte und Dampfmaschinen gehörig investieren konnte. Allerdings wurde ein Teil des Betriebs bereits 1854 für 395.000 Francs an die Gewerkschaft Concordia aus Eschweiler weiterveräußert.259 Erzherzog Stephan und Peter von Oldenburg stifteten aus dem Verkaufs erlös 20.000 fl. für einen Fonds für die Hüttenarbeiter und ihre Familien, der durch Zinsen auf berechnete 50.000 fl. anwachsen sollte. Ab einem Gesamtvolumen von 100.000 fl. sollte das Plus zu anderen wohltätigen Zwecken verwendet werden.260 Zunächst bestand der Stiftungszweck in der Unterstützung der Bergwerksarbeiter, sollte die Grube trotz des Verkaufs nicht recht florieren bzw. sogar eingehen. Die Versorgung seiner Untertanen lag Stephan also sehr am Herzen. Daneben unterhielt er Suppenanstalten261 wie in Böhmen und eine Armenkommission, über deren Umstrukturierung es 1855 zu Irritationen kam, weil Stephan direkt der Regierung in Wiesbaden zugeteilt bleiben und nicht den Ämtern angegliedert werden wollte.262 Arme wurden von Stephan mit Brennholz beschenkt, und Arzneikosten ließ er durch die Landesarmenkasse bezahlen. So konnte er auch im Januar 1859, als der Krieg Österreichs gegen Italien bevorstand, seufzen: „Es ist doch entsetzlich, daß die Leute auf der Welt nie lange Ruhe geben können, ohne sich zu bekriegen oder doch anzufeinden; hätte ich nur ein Zehntel des Geldes, was so eine Campagne kostet, ich würde die Quete jedenfalls gemeinnütziger verwenden als wie zum Todtschießen!“263 Das bezeugt die große Humanität Stephans im Umgang mit seinen notleidenden Untertanen, klammert aber aus der Sicht des Standesherrn die Problematik größerer Politik aus. Aber Stephan war kein weltfremder Träumer, der sich eine bessere Welt nur ausmalte, ohne etwas dafür zu tun. Sein persönliches Eingreifen rief, mehr noch als seine bürokratisch-institutionelle Fürsorge, immer wieder Bewunderung hervor. Und er war sich dessen vollauf bewusst. Deshalb wies er 1851 auch seine Rentkammer an, Unterstützungsgesuche schneller zu erledigen, weil die bisherige Säumnis ihm „zum moralischen Schaden“ gereiche.264 Stephans Sozialfürsorge war für den Standesherrn demzufolge auch 259 HLA HHStAW Best. 469/17 (1854). 260 LHA Koblenz Best. 47 Nr. 3218; Schmiedel, S. 130–131. 261 Schmiedel, S. 153. 262 HLA HHStAW Best. 130 II Nr. 3271, fol. 124ff. (14. Februar 1855). Er wandte sich diesbezüglich direkt an Herzog Adolph. 263 StA Diez Sch 55/Sch 332 (13. Januar 1859). 264 LHA Koblenz Best. 47 Nr. 10818 (1. Januar 1851).
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eine Form des Prestigegewinns. Damit stand er in Kreisen des europäischen Hochadels nicht alleine, aber es zeichnete ihn doch in besonderem Maße aus.265 Immer wieder fanden sich Kranke auf der Schaumburg ein, die dort ärztliche Hilfe, aber auch Stephans ganz persönlichen Beistand suchten. An Röteln und an Herbstdiarrhöen Erkrankten bot er Unterkunft.266 Besonders brenzlig aber wurde die Situation, als Anfang Oktober 1855 die Cholera in Diez mit seinen ca. 2800 Einwohnern ausbrach. Hier hatte Stephan, vergleichbar den Hochwasserkatastrophen in Böhmen und Ungarn, keine Scheu, direkt vor Ort einzugreifen. Ohne Hemmungen besuchte er Kranke in der Nachbarstadt und machte kein Hehl daraus, dass ihm das Verhalten des Landesherrn nicht gefiel267 – Herzog Adolph befand sich außer Landes. „Ganz unter uns gesagt: Gehörte Oranienstein mir, das leere, 100 und 100e von Zimmern enthaltende Schloss, ich wüßte, was ich thäte und wäre deshalb auch die Sack- und Pfaffengasse nicht gerettet, so würden die armen Leute doch darin einen wesentlichen Trost, eine Beruhigung finden, die sie in den bisherigen Regierungsdekreten vergeblich suchen. Der Herzog ist so gut, so theilnehmend für Jedermann, nur muß er mitunter darauf aufmerksam gemacht werden – quid sit faciendum“, schrieb er an Baumeister Boos nach Wiesbaden. Dieser solle dem Herzog den Vorschlag als seine eigene Idee unterbreiten, bloß nicht als die Stephans. „Der Jammer ist zu groß, als daß man kalt dabeibleiben könnte, und anderntheils doch meine Stellung zu delikat, um hier direkte einschreiten zu können.“ Stephan forderte die Übersendung ausgelernter Krankenwärter aus der Sanitätskompanie. Für seine Standesherrschaft wisse er, was zu tun sei – zu diesem Zeitpunkt waren es dort aber nur sehr wenige Erkrankte. In Diez aber, das nicht zur Standesherrschaft gehörte, endete seine „Machtvollkommenheit“, weshalb er sich nicht persönlich einmischen wolle. Aber wütend war er doch. Am 19. Oktober war die Todeszahl auf fünfzehn angestiegen, alles Einwohner der Sackgasse, Kinder, alte Leute und Alkoholiker, kurzum: eine arme Bevölkerung, die häufig mit dem Begriff „Proletarier“ belegt werde. Auch Stephan ging davon aus, dass die Krankheit Alkoholiker und „liederliche Leute“ zuerst ergreife, aber das war für ihn kein Grund, Hilfe zu verweigern. 265 So sind Besuche bei Cholerakranken durch Mitglieder regierender Häuser verbürgt. Häufig versuchten Ärzte erfolglos, die Regenten von einem solchen nicht unriskanten Unterfangen zurückzuhalten, während in der modernen historischen Forschung dieser Einsatz als Investition sozialen Kapitals zur Steigerung des Renommees bewertet wird; vgl. Müller (2019), Thronfolger, S. 34–35; Riotte (2014), S. 311; Mehrkens, passim, Marx (2009), passim. 266 Haidinger (1897), S. 10. 267 StA Diez Sch 55/Sch 332 (12. Oktober 1855).
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Er riet dazu, die Füße zu wärmen und Haferumschläge auf den Bauch zu legen. Bei starken Schmerzen sollte Senfteig auf Leib und Waden helfen, ebenso sei es gut, den Körper kräftig mit Flanell oder Tüchern abzureiben. Das Trinken von Kamillentee sei ebenfalls hilfreich. Wenn dann der Arzt hinzukam, wurden eine Opiattinktur, als Hustenlöser Ipekakuanha (Brechwurzel) und Eispillen gegen das Erbrechen verabreicht sowie ein Kamillenbad verordnet. Als Grundlage der Behandlung empfahl Stephan das Buch von Prof. Pfeuffer aus Heidelberg „Über die Cholera“, so als sei er ein ausgemachter Spezialist.268 Darüber hinaus forderte er – etwas naiv womöglich – das polizeiliche Verbot von unzureichenden Stadtbauten und empfahl das Ausquartieren der Bewohner.269 Ein der Domäne gehörendes Bauwerk könne gut als Krankenhaus genutzt werden. Den inaktiv bleibenden Medizinern in Wiesbaden warf er „Engherzigkeit“ vor. „Durch Zusehen allein erreicht man’s nicht.“270 In Balduinstein, wo sich die Choleraepidemie mit der Erkrankung an Röteln mischte, besuchte Stephan die Kranken in ihren Wohnungen, ließ Speisen verabreichen und einen Arzt herbeiholen, um Vertrauen zu schaffen.271 Er selbst legte auch, wenn es nötig war, Hand an. Dass zehn Personen ihren Leiden erlagen, konnte er zwar nicht verhindern, aber er bemühte sich um jeden Einzelnen, wie er auch in Prag, Wien und Buda-Pest in solchen Fällen die Krankenhäuser besucht hatte.272 Die nassauische Medizinalverwaltung sah Stephans Engagement jedoch sehr kritisch. Mit Hofrat Johann August Vogler, der als Arzt in Bad Ems wirkte, kam es zu Auseinandersetzungen, weil dieser ihn davon abhalten wollte, infizierte Häuser zu besuchen. Stephan war sich sicher, dass die Krankheit bei helfenden Personen nicht ansteckend sei, und folgte damit einem napoleonischen Klischee.273 Nur wenige Ärzte und Krankenschwestern infizierten sich seiner Meinung nach, 268 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 a (2. November 1855). 269 Stephans Argumentation ist hier nicht recht klar: In der Diezer Sackgasse waren von der Cholera Kinder, alte Leute und Alkoholiker betroffen. Die Stadtbauten, in denen diese lebten, sollte man polizeilich verbieten, um die Ansteckung zu verhüten. Stattdessen sollten die Leute in ein größeres Gebäude umquartiert werden, möglichst in ein Gebäude, das als Spital zu nutzen sei; StA Diez Sch 55/Sch 332 (19. Oktober 1855). Auch ÖNB Autogr. 55/3320 (10. Oktober 1855), an Wessenberg. 270 StA Diez Sch 55/Sch 332 (19. Oktober 1855). 271 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 a (2. November 1855); Bode (2017), S. 113. 272 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 a (2. November 1855). 273 Goethe hatte kolportiert, dass Napoleon die Pestkranken besucht habe, um ein Beispiel dafür zu geben, dass die Pest zu überwinden sei, wenn man die Furcht vor ihr überwinde; Eckermann, S. 248–249 (7. April 1829); auch Blumenberg (1996), S. 506. Goethe erkannte darin ein Beispiel dafür, wie viel „der moralische Wille“ zu bewirken vermöge. Zur bild-
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es sei denn, die Lokalitäten seien überfüllt und die Miasmen geballt.274 Das war wieder einmal sehr idealistisch gedacht. Auch den medizinischen Referenten der nassauischen Landesregierung Johann von Franqué, der Stephan gebeten hatte, sich vor Ansteckungen zu hüten, griff er scharf an. Seine Handlungen seien „Menschen- und Christenpflicht“; das, was Franqué unterlassen habe, sei hingegen dessen bloße Dienstpflicht gewesen. Wäre Stephan noch Statthalter in Böhmen und Franqué sein Untergebener, er würde ihn augenblicklich entlassen und seine Gelder einziehen.275 Dem Wiesbadner Medizinalrat Dr. Karl Braun warf der Erzherzog vor, Falschmeldungen nach Wiesbaden übermittelt zu haben, einen Cholerafall für Typhus und einen anderen als „Säuferkolik“ ausgegeben zu haben. Zusätzliche Ärzte nach Diez zu schicken, habe Braun aus finanzieller Habgier abgelehnt. Stephan habe im Interesse „der armen Leute einen Höllenlärm“ geschlagen und fühlte sich darin bestätigt, dass eine Medizinalordnung auf dem Papier schön aussehen, in Wirklichkeit aber sehr schlecht sein könne.276 Auch wenn man Stephans starke Reaktion mit der akuten Belastung angesichts der Epidemie relativieren möchte, wird ein starkes Misstrauen des Erzherzogs gegenüber der Bürokratie erkennbar. Dieser stellte er – wie auch dem abwesenden Herzog – eine praktische, zupackende und fürsorgende Landesherrschaft gegenüber, und das zusätzlich zur Tatsache, dass er immer wieder mangelnde Kompetenz und Halbwissen bei Entscheidungsträgern verurteilte.277 Das patriarchalische System wurde von ihm folglich wieder einmal einer negativ verstandenen bürokratischen Landesverwaltung gegenübergestellt.278 Nicht nur ein persönliches Überlegenheitsgefühl scheint auf, sondern die grundsätzliche Ablehnung der zeitgenössischen mächtigen Propaganda Napoleons bei den Pestkranken von Jaffa vgl. Gonzales-Palacios, S. 16–17. 274 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 a (2. November 1855); Renkhoff, S. 832. 275 StA Diez Sch 55/Sch 332 (3. November 1855), zu Franqué Renkhoff, S. 202. Ähnlich auch in BayHStA GHA Nachlass Erzherzogin Elisabeth von Österreich Nr. 98 (29. Mai 1864): Der Einsatz gegen den Notstand im Standesgebiet und für die Schulen sei Stephans Pflicht. 276 StA Diez Sch 55/Sch 332 (3. November 1855). 277 HLA HHStAW Best. 1174 Nr. 11 (17. Oktober 1854): „denn halbgebildete Leute haben wir bereits viel zu viel, um nicht wünschen zu müssen, daß diese Race möglichst aussterben möge“. 278 Über oldenburgische Beamte, mit denen der Großherzog auf Konfrontation ging, äußerte Stephan despektierlich: „denn es sind zufällig keine solchen Leute mit harten Köpfen oder mit solcher Capacität, daß, wenn man tüchtig mit ihnen zusammenstößt, man ein Platzen des Verstandes wie bei einer Granate zu befürchten hat!“ StA Diez Sch 55/Sch 332 (23. April 1856).
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Landesverwaltung zugunsten einer patriarchalischen, direkten Fürsorge. In Stresssituationen kam Stephans Haltung deutlicher als sonst zum Ausdruck. Anfang November 1855 war die Epidemie vorüber. Stephan meldete 19 Tote in Diez (bei 2800 Einwohnern), drei Tote in Balduinstein (bei 475 Einwohnern) und in Schaumburg nur einige Kranke. Alle Erkrankten in seiner Standesherrschaft hatte er sich persönlich angesehen, „sintemahlen ich gar keine derartige Furcht kenne, und es ein probates Mittel ist, durch muthvolles Auftreten in solchen Fällen sich selbst zu praeserviren und Andre zu animiren!“279 Mangel an Mut und Verantwortungsgefühl warf er hingegen seinem Landesherrn, Herzog Adolph von Nassau, vor. Bereits 1843 schrieb er über ihn: „Er ist ein junger Mann, voll guten Willens nur etwas zu jung zu dem beschwerlichen Amte eines Regenten gekommen, auch wäre es nicht gut, wenn er sich zu viel der Jagd und der Musik ergäbe, da dieß viel Zeit raubt. Freilich ist die Gelegenheit dazu in seinem Herzogthume sehr verführerisch.“280 Solche Urteile folgen auch später immer wieder über den Herzog. Wenn Erzherzog Stephan glaubte, dieser entziehe sich seiner landesväterlichen, sozialen Verantwortung, wie zum Beispiel bei besagter Choleraepidemie, erkannte er darin einen Mangel an patriarchalischer Fürsorge. Grundsätzlich aber war Stephans Verhältnis zu seinem Landesherrn gut.281 Trotz mancher Divergenzen gingen beide politisch weitgehend konform, selbst in Zeiten, in denen Adolphs Politik noch keineswegs als preußenfeindlich einzustufen war. Denn Stephan wusste von ihm, dass er Österreich zugeneigt war. Eine „große persönliche Abneigung des Herzogs von Nassau“ gegen die Erfurter Union war ihm 1850 gewiss282 – mehr womöglich, als es Adolphs politisches Handeln offenbarte. Preußen, Sachsen und Hannover hatten im Mai 1849 für einen deutschen Bundesstaat unter Preußens Führung geworben. Österreich sollte in Form eines Staatenbundes einbezogen werden. Nassau trat der Erfurter Union bei. Bald jedoch scherten die ersten Mitgliedstaaten schon wieder aus, und Österreich konnte im Frühjahr 1850 seine Klientel in Frankfurt um sich scharen: Bayern, Sachsen, Württemberg, Kurhessen und Hannover. Herzog Adolph blieb unentschieden, weil er befürchtete, seine Dynastie und sein Land könnten nur 279 HLA HHStAW Best. 1174 Nr. 11 (12. November 1855). 280 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739a (14. August 1843). 281 Das belegen regelmäßige Besuche in Biebrich und Wiesbaden sowie gemeinsame Jagdveranstaltungen und Jagdausflüge, u. a. nach Weimar zu Carl Alexander, der ähnlich patriarchalisch dachte; HStA Weimar Hofmarschallamt, Fourierbücher, Nr. 4637 (30. November und 2. Dezember 1861); Ziegler, S. 372. 282 NLA Oldenburg Dep. 50 Best. 6 F Nr. 134 (8. Juli 1850).
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vom preußischen König ausreichend geschützt werden. Er zögerte deshalb eine Entscheidung lange hinaus. Erst als sich Preußen mit Österreich geeinigt hatte, auf einer Konferenz in Dresden den Deutschen Bund zu reformieren und wiederherzustellen, konnte Herzog Adolph „aufatmen“.283 So sehr Herzog Adolph mit seinem kleinen Territorium den Unbilden der politischen Situation ausgeliefert war und nicht frei handeln und entscheiden konnte, ohne sein Herrschaftsgebiet und sich selbst zu gefährden, so wenig kann davon gesprochen werden, dass er sich nicht auch auf die preußische Seite hätte ziehen lassen. Vermutlich war in diesen Tagen sogar ein preußisches Heiratsprojekt des Herzogs in den Blick geraten, wenn es auch letztlich scheiterte.284 Stephan hingegen schien sich sicher zu sein, dass Adolphs Haltung zu Österreich stets eine sehr positive war. Diese Erkenntnis mochte er im persönlichen Gespräch gewonnen haben. Adolphs Verhältnis zum Haus Habsburg hat auch Otto Freiherr von Dungern, Flügeladjutant des Herzogs, in seiner Autobiographie im gleichen Tenor beschrieben: „Die Sympathien des Hauses Nassau für Östreich stammten von langer Zeit her. Die verwandtschaftlichen Verhältnisse waren stets rege gepflegt worden, seit der ehelichen Verbindung des berühmten Feldherrn Erzherzog Karl mit der nassauischen Prinzeß Henriette, Schwester des Herzogs Wilhelm, des Vaters des Herzogs Adolf, wurden sie förmlich inniger, der Herzog war verwandtschaftlich befreundet mit seinen Vettern dem Erzherzog Albrecht und Wilhelm und seinen Cousinen den Erzherzoginnen Elisabeth und Marie, später verheiratet mit Erzherzog Rainer. Außerdem that auch das instinktartige Vorgefühl das Seinige, daß unter preußischer Suprematie, die Selbstständigkeit der Kleinstaaten sehr verkümmert werden dürfte, was unter Östreichs Führung wohl nicht zu fürchten gewesen wäre.“285 Kaiser Franz Joseph von Österreich selbst sprach 1863 im Zusammenhang mit dem Frankfurter Fürstenkongress sogar von „blinder Ergebenheit“ Adolphs für ihn und Österreich.286 Er habe sich „für die Sache“ – also die österreichischen Versuche einer Bundesreform – „zerrissen“. Daran mag Stephan, der in Dungerns Aufzählung erstaunlicherweise nicht genannt wurde, keinen geringen Anteil gehabt haben. Denn um Rat fragte Adolph Stephan immer wieder. 1849 hatte er ihn explizit um eine politische Stellungnahme bezüglich des Adelsstandes und der Domänen gebeten, und auch zur optimalen Einführung Herzogin Adelheids im Territo283 Schüler (2006), S. 206–209. 284 Schüler (2006), S. 208. 285 HLA HHStAW Best. 1122 Nr. 201, S. 222. 286 Schnürer, S. 363 (Nr. 230).
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rium nach der Hochzeit machte Stephan hilfreiche Vorschläge.287 Sogar Gesetzesvorlagen wurden ihm zur Stellungnahme übersandt.288 Immer wieder tauschte Adolph mit ihm Personal oder auch Gartenpflanzen aus, und vor allem: Immer wieder hören wir von Ankündigungen, den Herzog besuchen zu kommen, um dann mündlich mit ihm schwierige – vor allem politische – Probleme zu lösen. Wenn von Dungern über Adolph schrieb, er sei auf politischem Gebiet nicht immer genügend auf dem Laufenden gewesen, weil er „kaum las, nicht einmal die Zeitungen“,289 so ist davon auszugehen, dass der belesene und tagesaktuell informierte290 Erzherzog einer derjenigen war, die ihm im regen Verkehr Aufschluss über die eine oder andere Entwicklung gegeben und ihm vor allem auch Einblick in die politische Entwicklung Österreichs ermöglicht haben. Der preußische Ministerpräsident von Manteuffel erkannte in Stephans Einfluss einen der Hauptgründe für das vermeintliche Überlaufen Herzogs Adolphs zum österreichischen Kurs.291 Revolutionsangst und die Angst vor einer – wie auch immer gearteten – Annexion oder Mediatisierung des Herzogtums bestimmten das Denken des Herzogs und spielten in Stephans Einschätzungen eine Rolle. Hier ging man geistig Hand in Hand. Adolph war sich zunehmend sicher, dass die Selbstständigkeit der deutschen Kleinstaaten unter keiner anderen Führung als derjenigen Österreichs so bestehen bleiben könnte, wie sie war.292 Im Dezember 1859, als der Krieg in Italien und die vermeintliche Bedrohung des Rheins durch einen französischen Vorstoß nach Österreich thematisiert wurden, meinte Stephan: „Ich sehe aber sehr, sehr schwarz in die nächste Zukunft, und wäre man Egoist, fast möchte man wünschen die schweren Zeiten nicht zu erleben, die sich langsam, aber umso sicherer vorbereiten!“293 Außenpolitisch sah er die Rheinlinie in Gefahr und Preußen – im Verbund mit Frankreich – als großen Aggressor, als Zerstörer der deutschen Einheit, die in diesem Sinne als Staatenbund unter Einschluss und sicher auch Dominanz Österreichs verstanden wurde. „Bayern, Württemberg, Baden, Hessen und Nassau benehmen sich […] musterhaft, dagegen läßt sich gar nichts sagen; daß es mit Preußen nicht ebenso ist, beweisen die Lobhudeleien, die ihm Frankreich bei jedem Anlasse spendet“, heißt es im 287 HLA HHStAW Best. 130 II Nr. 3271, fol. 53ff. (2. Juni 1851). 288 HLA HStAD Best. O 11 H Nr. 22 (31. Januar 1859). 289 HLA HHStAW Best. 1122 Nr. 201, S. 172. 290 Im zweiten Obergeschoss der Schaumburg konnte der Verfasser unter den abgerissenen Tapeten die auf der Schaumburg gelesenen Zeitungen sehen, darunter die Neue Freie Presse. 291 Poschinger, S. 297. 292 HLA HHStAW Best. 1122 Nr. 201, S. 203. 293 Haidinger (1897), S. 70.
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Frühjahr 1859.294 Nassau, Hessen und Baden waren für ihn eine Vormauer, die der unweigerlich kommende Krieg zunächst treffen werde, weshalb es wichtig sei, sich richtig aufzustellen. Herzog Adolph war in seinen Worten ein „warmer Verfechter Österreichs à toute epreuve“,295 worin nicht nur ein Lob, sondern auch eine Verpflichtung lag. Der Leidensdruck des Herzogs trug dazu bei, dass er diese Haltung nicht verließ. Bereits 1855 hatte Adolph bei jedem der zahlreichen Besuche des Bundestagsgesandten Otto von Bismarck in Wiesbaden gezittert, weil dieser ihm für eine Einigung Deutschlands unter preußischer Führung und damit für den Souveränitätsverlust des Herzogs stand.296 Adolphs früherer Einschätzung, nur Preußen könne das Herzogtum sichern, war die Angst vor der Entmündigung gefolgt. Stephans Beratungen mögen das Ihrige dazu beigetragen haben. Der Erzherzog konnte sich im Laufe der Zeit sicher sein, im Herzogtum Nassau und unter Herzog Adolph dort untergekommen zu sein, wo man dem Haus Habsburg wohlgesonnen war. Gegenüber Adolph war Stephan deshalb voll des Lobes über Nassau und entwarf das Bild eines überschaubaren, konservativ, weil ländlich geprägten Territoriums und damit eines Umfeldes, das Stephans Idealvorstellung eines intakten staatlichen und sozialen Gefüges sehr nahe kam: „das herrliche Ländchen, die wahrhaft patriarchalische Regierung, die großentheils recht braven Leute“.297 Seine humanistisch ausgerichtete Leitung der Standesherrschaft, der soziale Impetus und die Sorge um die Prosperität gliedern sich als Ausfluss des patriarchalischen Denkens in dieses Bild ein. Reaktion und Sozialfürsorge gingen Hand in Hand – auch wenn Stephan angesichts der Choleraepidemie gerade die fehlende soziale Verantwortung Adolphs beklagt hatte. Nach Wien aber, an seinen Vertrauten Adolf Braun, übersandte Stephan eine Schilderung Nassaus, die diesen Idealvorstellungen diametral entgegenstand. Von „Maßvergehungen“ ist da die Rede, von Denunziationen und Untersuchungen, so dass dem Erzherzog vor der Zukunft bang werde. Es stünden, wenn man so weiter verfahre, in Nassau noch schlimmere Zustände als im reaktionären Kurhessen bevor. Schließlich dürfe, wenn einmal der konstitutionelle Weg beschritten sei, dieser nicht mehr verlassen werden, sondern man habe ihn konsequent weiterzuverfolgen.298 Auslöser war das seit Januar 1864 um sich greifende System Werren, be294 Haidinger (1897), S. 56–57. 295 HLA HHStAW Best. 130 II Nr. 3271, fol. 351ff. (9. Juni 1859). Zu dieser Einschätzung war schon Metternich bezüglich der Rhein-Main-Region gelangt; Siemann (1985), S. 151. 296 Prokesch-Osten (1896), S. 424. 297 HLA HHStAW Best. 130 II Nr. 3308, fol. 72ff. (16. November 1866). 298 OeStA HHStA SB NL Adolf Braun 10 (4. April 1864).
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nannt nach dem nassauischen Regierungsdirektor gleichen Namens, der mit rückhaltloser Strenge gegen liberale Kräfte und ihre Unterstützer vorging. Dies paarte sich mit massiven Eingriffen in die Presse- und Vereinsarbeit.299 An anderer Stelle berichtete Stephan über „unerquickliche Zustände im Herzogthum“ und die Wahlagitationen, die „Demoralisazion“ hervorriefen. Trotz seiner Erfahrungen in Ungarn meinte er: „soll es denn gar so schwer sein, mit seinem Volke in Frieden und Eintracht zu leben?“ Er empfahl, gerechten Wünschen des Volkes zu entsprechen, zeitgemäße Konzessionen zu machen, am rechten Ort ein rechtes Wort fallen zu lassen und – das scheint erstaunlich – auf der „konstitutionellen Bahn“ fortzuschreiten.300 Diese Diskrepanz wird wohl kaum aufzulösen sein und ist vielleicht auch wieder einmal der adressatenbezogenen Argumentationsweise Stephans geschuldet. Sicher aber lag sie auch darin begründet, dass sein Ideal und die Wirklichkeit konstant differierten. Sein Bild des Gemeinwesens im biedermeierlich-persönlichen Verhältnis von Landesherr und Untertan verlor sich immer mehr – selbst in einem kleinen Territorium wie dem Herzogtum Nassau. Deshalb sind viele seiner Aktivitäten und Äußerungen in Bezug auf die Standesherrschaft und in Nassau als bewusste Inszenierung einer in Verlust geratenen Wirklichkeit zu verstehen. Insofern beförderte er von sich selbst das Bild eines epigonalen Märchenprinzen,301 das in weiten Kreisen der Bevölkerung und im Hochadel gewisse Saiten anrührte. Das lässt sich anlässlich der Teilnahme Stephans am 25-jährigen Regierungsjubiläum Adolphs deutlich ablesen.302 Weil sich „das Standesgebiet von jeher wegen seiner loyalen Gesinnung gegen das Fürstenhaus auszeichnete“, stand die Teilnahme an den Feierlichkeiten zusammen mit einer Delegation aus der Standesherrschaft außer Frage. Stephan ließ daher Bürgermeister und Lehrer auf Schloss Schaumburg kommen, um sich zu erkundigen, ob sie die Reise nach Wiesbaden mitmachen würden. Zwei „mit Medaillen dekorierte Kinder“, die vom Oberlehrer Wilhelm Hofmann ausgewählt werden sollten, müssten auf jeden Fall dabei sein. Der Erzherzog verlangte innerhalb der darauffolgenden acht Tage eine Namensliste, wer sich mit auf die Reise machen werde. Geplant war eine Beleuchtung des Schlossturms von 20.30 bis 23 Uhr in der Laterne, das Hissen von Flaggen auf drei Türmen bei einigermaßen gutem Wetter am eigentlichen Jubiläumstag, dem 21. August, sowie Festgottesdienste der Katholiken in Balduinstein so299 Schüler (1984), S. 346–348. 300 ÖNB Autogr. 1499/9 (13. Januar 1865), an einen Generalkonsul. 301 Metternich wurde dann zur bösen Fee, so J. Mahias in La Presse (27. August 1861) S. 2. 302 LHA Koblenz Best. 47 Nr. 12113.
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wie der Evangelischen in Cramberg und Habenscheid. Die Finanzierung der Festdekoration übernahm Stephan selbst aus seiner Schatulle. Er plante persönlich am Festtag mit allen Bürgermeistern des Standesgebiets sowie jeweils zwei der bravsten Kinder, „wo möglich Prämianten“ unter der Aufsicht des Lehrers Priester aus Holzappel, nach Biebrich am Rhein zu fahren. Dabei wurden die Reise- und Verpflegungskosten genau geregelt. Die Abfahrt erfolgte um 6.20 Uhr morgens mit allen Bürgermeistern des Standesgebiets, die Rückkehr war am selben Tag für 21.04 Uhr geplant. Stephan sollte in Wiesbaden bei der Veranstaltung anwesend sein303 und später mit seiner Delegation in Eltville zusammentreffen, wo dem Herzog das Geschenk überreicht werden sollte. Der Standesherr selbst hatte ein Gedicht verfasst, das durch lokale Kräfte in Reinschrift gebracht und mit Randemblemen verziert wurde. Sechsundzwanzig Schulkinder sollten es unterzeichnen und die auf der Schaumburger Schlossschule Prämierten es überreichen: „Wer, so wie Du, in fünf und zwanzig Jahren Stets an des Landes Spitze liebreich stand – Um den muß freudig Alt und Jung sich schaaren Am heutigen Tag – ein Fest im Vaterland! So laß’ denn uns aus Schaumburgs treuen Gauen Dir bringen hoher Herr ein herzlich Lebehoch! Den Wunsch zugleich: Wir möchten dich auch schauen Noch fünfzig Jahre auf der Väter Throne noch!!!“304
Stephan selbst beabsichtigte mit diesem Lied, den Herzog so zu besingen, „dass man den Schlosshof damit pflastern könnte.“305 Die Daheimgebliebenen durften mit dem Omnibus nach Diez zu dem dort stattfindenden Fest fahren. In Schaumburg selbst waren keine Veranstaltungen angesetzt. Am 28. September, dem Sonntag nach dem Festakt, erhielten alle Schaumburger Bediensteten, Beamten, Livreediener sowie ihre Frauen und Kinder einen halben Ohm (ca. 80 l)306 guten Weins, für Frauen und Kinder gab es auch Kuchen. Es sollte ein vergnüglicher Abend in „Noll’s Veranda“ werden. Personen, die krank oder anderweitig verhindert waren, durften zwei Schoppen Wein an Ort und Stelle holen lassen. Allerdings fand 303 HLA HHStAW Best. 130 II Nr. 2918 (21. August 1864). 304 LHA Koblenz Best. 47 Nr. 12113 (o. D.). 305 HLA HHStAW Best. 1174 Nr. 11 (17. August 1864). 306 Kunz, S. 430.
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selbst in dieser Feier Stephans Ichbezogenheit ihren Ausdruck, wie die „Mittelrheinische Zeitung“ – wenn auch neutral im Ton – zu berichten wusste. Denn der Erzherzog verband sie mit seinem Namenstag, der am 20. August gefeiert wurde, und ließ unter anderem aus diesem Anlass auf dem Fest die österreichische Kaiserhymne spielen.307 Die Dankadresse der Beteiligten ließ Stephan dem Archiv der Schaumburg übergeben.308 Stephans Aktivitäten für Herzog Adolph waren ihm nicht nur ein Zeichen für seine Anhänglichkeit gegenüber dem Landesherrn, sondern sie demonstrierten ihm auch einen engen Zusammenhalt und ein intaktes Sozialgefüge, so dass sie ihn wieder selbst bespiegelten. Sein Resümee war daher eindeutig: „Auf dem Lande, bei einem so nahen Zusammenleben, wird das Ganze zu einer großen Familie, und wenn diese, so wie es hier der Fall ist, einig bleibt, dann fühlt man sich im Stillleben heimisch und zufrieden“.309 Die Feierlichkeiten wie die Standesherrschaft überhaupt wurden in Stephans Gestaltung zu einer Kulisse – zu einer Kulisse vor der sich ändernden Welt und hinter dem Leben des Erzherzogs. Denn zur gleichen Zeit erlebte er die Welt des Hochadels und der Staatsoberhäupter, was ihn mit Stolz und Zufriedenheit erfüllte. In diesem internationalen Kreis fühlte er sich dort angekommen, wo er vor 1848 gelebt hatte, während die Standesherrschaft und das Herzogtum als positiv umgedeutetes Exil zum Ideal eines unpolitischen Gemeinwesens interpretiert wurden. Sobald Stephan sich wieder von der internationalen Welt angenommen glaubte, brauchte das Exil nicht mehr als Martyrium dienen, sondern wurde zum selbstgewählten Rückzugsort. Das nahm Stephan aus politischen Positionen heraus und ließ sein Ansehen gerade in bürgerlichen Kreisen wachsen.310 Aber es war sicherlich nicht nur auf Außenwirkung berechnet. Denn die Flucht vor den politischen Strömungen der Zeit verankerte ihn dort, wo er schon immer in seinem Denken gewesen war: in persönlichen Bindungen und überschaubaren Netzwerken, jenseits von Theorien und Zwängen, von Parteiungen und Machtinteressen.
307 Mittelrheinische Zeitung Nr. 201 (27. August 1864), o. S. 308 LHA Koblenz Best. 47 Nr. 12113 (25. September 1864). 309 StA Diez Sch 55/Sch 332 (12. September 1864). 310 So schon Henninger (1853), S. 595: Stephan habe „im Nachsommer 1848 hier seine Residenz aufgeschlagen […], um, dem Weltgewühle fern, in glücklicher und bescheidener Zurückgezogen zu leben und zu wirken“. Auch Friedhoff (2000), S. 394.
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7.4.1 Patriarch und Idealist Im Dezember 1864 war Stephans Onkel Erzherzog Ludwig achtzigjährig verstorben, der als grundkonservativ galt, nach Metternichs Rücktritt dessen Kurs fortzusetzen sich bemüht hatte und daran schließlich gescheitert war. Der reaktionäre hessen-darmstädtische Staatsminister Freiherr Bos du Thil hatte ihm als dem „eigentliche[n] Zentralpunkt der Regierung“ die Hauptschuld an der Revolution in Österreich gegeben, seinem „Beharren“ und seiner „Abneigung auch gegen jedes, selbst die wohltätigste Neuerung“.311 Für Stephan hingegen war mit Erzherzog Ludwig „eins der lezten Stücke des alten Oesterreichs zu Grabe getragen worden“,312 ja, er sah mit seinem Tod „die gute alte Generazion nach und nach ganz aussterben“.313 Eine solche Einschätzung stand nicht allein. Anlässlich des Todes des ultrakonservativen hessischen Prinzen Emil, den sowohl Herzog Adolph als auch der konservative nassauische Staatsminister von Sayn-Wittgenstein, der Stephan auch auf der Schaumburg besucht hatte,314 sehr betrauerten, schrieb er, es gebe nun einen „Ehrenmann […] weniger auf Erden!“315 Wie war das in Einklang zu bringen mit Stephans angeblich liberaler Einstellung oder mit seiner Sympathie für die Nationalbewegung der Ungarn? Dafür wird es ratsam sein, Stephans Äußerungen über die politische Situation und die Weltlage seit 1849 nachzuvollziehen. Die politische Begrifflichkeit Stephans macht diese Untersuchung nicht eben leicht, weil vieles sehr diffus blieb. Das muss ihm selbst bewusst gewesen sein, schrieb er doch an Carl Alexander von Sachsen-Weimar: „Du kannst mir wohl füglich den Vorwurf machen: es seien dies viel Gemeinplätze – aber oft haben eben diese die Hauptwirkungen.“316 Diese Gemeinplätze verband allerdings eines: Sie waren allesamt pessimistisch und zeugten von Ratlosigkeit und Überforderung. Deutschland sei ein hoher Berg, um den sich alle Nebel sammeln, heißt es da, und dann wurde ein neuer Napoleon herbeigesehnt, der endlich dreinschlagen sollte.317 Dieser Nebel, so Stephan gegenüber Wessenberg, werde von manchen als ein über die Zukunft gebreiteter Schleier ver311 Ulmann, S. 468. 312 HLA HHStAW Best. 1174 Nr. 11 (27. Dezember 1864). 313 NLA Oldenburg Dep. 50 Best. 6 M Nr. 44 (10. Januar 1865). 314 OeStA HHStA SB NL Adolf Braun 9–1–152 (4. September 1856). 315 HLA HHStAW Best. 130 II Nr. 3271, fol. 168ff. (7. Mai 1856). 316 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 a (1. November 1854). 317 NLA Oldenburg Dep. 50 Best. 6 F Nr. 134 (6. März 1850). Der eine Hoffnungsträger sehnte damit einen anderen herbei.
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standen, während er bewusst an der auf die Gegenwart bezogenen Formulierung festhielt: „Je mehr man mitten darin steckt, desto mehr dunkel“ mache er. Er führe zur völligen Schmerzfreiheit in Österreich, obwohl man dem Ruin entgegengehe.318 Ein andermal sah sich Stephan – einem Topos der Zeit folgend – auf einem Vulkan stehen und bangte, ob die Eruption eine heilsame sein werde.319 Dann klagte er über die „verderbten Zeiten“, weshalb er für die Zukunft schwarzsehe.320 Dem nassauischen Baumeister Boos gegenüber konnte er sich „eines Schauers nicht erwehren bei dem Gedanken, was noch Alles nachkommen kann“.321Alles in der Welt sei schief und wirr, in größter Unsicherheit und „heillosester“ Verwirrung,322 ein Zeitalter der Rätsel, in dem das „Unwahrscheinlichste“ Raum greife.323 Auch bemühte er in mindestens zwei seiner Briefen das Bild des Spaghettiknäuels, das „man recht hin und her geschleudert und dadurch so verwickelt hat, daß es entweder sehr viel Zeit und Mühe erfordern würde, ihn mit Geduld zu lösen, oder aber nach scheidenden Instrumenten gegriffen werden muß, um an eine schnelle, wenn auch nicht sehr gerechte Trennung und Ordnung zu denken.“324 Wenn Stephan tatsächlich einmal konkreter und politischer wurde, brachte es noch lange keine Klarheit. Am 20. März 1862 fragte er angesichts des Kriegs in Italien und der politischen Uneinigkeit in Deutschland, wo das alles enden solle. „Kurz gesagt, die sogenannten Liberalen sehen nicht, oder wollen nicht sehen, daß sie für den Umsturz arbeiten – und die Conservativen erkennen nicht, daß nur die wahrhaft liberalen Principien die erhaltenden sind! Ich glaube die kommende Katastrophe zu sehen, wie ein Zauberbild scheint sie manchmal als dissolving view zurückzutreten, zu verschwimmen, aber sie nähert sich beständig.“ Diese „kolossale politische Discussion“, wie er die Worte selbst bezeichnete,325 erinnert an eine diffuse 318 ÖNB Autogr. 55/33 (15–20) (24. Oktober 1851). 319 Haidinger (1897), S. 61. Solche geologischen Beschreibungen waren nichts Außergewöhnliches; so äußerte etwa Königin Sophie der Niederlande: „What is now so awful in Germany is that one feels the earth cracking under one’s steps. Another state of things is coming on – what can it be? – God knows …“, Jackman/Haasse, S. 223. Zur Geläufigkeit dieses Bildes in jener Zeit vgl. Zamoyski, S. 7. 320 Haidinger (1897), S. 70. 321 StA Diez Sch 55/Sch 332 (3. Januar 1860). 322 Haidinger (1897), S. 71–72. 323 NLA Oldenburg Dep. 50 Best. 6 F Nr. 134 (21. Januar 1851); ähnlich LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 a (25. Januar 1851). 324 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv XXVI Nr. 739 b (10. Januar 1865); auch NLA Oldenburg Dep. 50 Best. 6 M Nr. 44 (10. Januar 1865). Womöglich in Adaption eines Bildes aus Schillers Wallenstein (III,15): „wer / Den Knäu’l entwirren, der, sich endlos selbst / Vermehrend, wächst – Er muß zerhauen werden.“ 325 Haidinger (1897), S. 105.
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Einschätzung Friedrich Schlegels in seinem Werk „Signatur des Zeitalters“ (1820–1823)326 und ist auf den ersten Blick kaum interpretierbar. Was sind „sogenannte“ Liberale und was „wahrhaft liberale Principien“? An anderer Stelle offenbarte Stephan, wie traurig es ihn stimme, dass in Nassau Friedrich August Land und Karl Braun, beides führende Mitglieder der für Stephan „ganz gewaltig an den revoluzionären Boden“ streifenden327 Fortschrittspartei, gewählt worden waren.328 Die Abneigung mag neben ihrer politischen Einstellung auch auf preußenfreundliche und damit antiösterreichische Positionen zurückzuführen sein. Wenn Stephan also vermeintlich eine Nähe zu liberalen Positionen einnahm, auch wenn er sich selbst nie als Liberalen bezeichnete, konnte er sich auf politischem Sektor dort kaum verorten. Er trug damit Vorstellungen aus den ersten Jahrzehnten eines unpolitischen, gesinnungsethischen Liberalismus weiter, der den politischen Liberalismus (Ultraliberalismus, Bewegungspartei) ablehnte. Bis in die 1840er Jahre war das aufklärerische, humanistische Bild des Liberalen präsent. Später aber hatte es sich deutlich zugunsten einer politischen Partei verschoben, was Stephan nicht mittrug. Letztlich blieb Stephans Verständnis so apolitisch, dass er selbst Grundgedanken der Liberalen wie Pressefreiheit, den ungetrübten Fortschrittsglauben oder den Anspruch auf politische Partizipation nicht mittrug.329 So sehr Stephan die Konservativen angriff, letztlich bildeten sie die politische Kraft, die ihm am ehesten entsprochen haben dürfte. Allein seine stetige Berufung auf das patriarchalische System schloss ihn von den politischen Liberalen aus. Gegenüber seinem konservativen Cousin Erzherzog Albrecht äußerte er sich 1863 über die Presselandschaft in Nassau. Mit der „Neuen Wiesbadener Zeitung“ erschien in der nassauischen Residenzstadt zum ersten Mal ein konservatives Blatt, das sehr zur Freude des Erzherzogs die Gegner „in einer höchst amüsanten, piquanten und treffenden Weise herunterkanzelt“. Redakteur war der Österreichfreund und Feind des Liberalismus Christian Gottlieb Abt, der klerikal beeinflusst und von Österreich unterstützt agierte, aber bald sogar der nassauischen Regierung als zu fanatisch galt. Mehrfach stand er deshalb vor Gericht und wurde sogar auf 326 Schlegel, S. 64: „daß die Liberalen uns etwas bloß Negatives als das positive und höchste Ziel des Staatskörpers aufstellen, und das organisch Lebendige und Positive überhaupt, und selbst im politischen Gebiet nichts erkennen; während die Ultras zwar von dem Positiven ausgehen und an diesem festhalten, es aber durch die absolute und leidenschaftliche Behandlung in ein bloß Polemisches und ebenfalls nur Negatives verwandeln.“ Auch Gay (1999), S. 82–83. 327 HU MNL OL P 301 (2. April 1865). 328 HLA HHStAW Best. 1174 Nr. 11 (27. Dezember 1864). Zu Braun vgl. Seelig, passim. 329 Leonhard (2001), u. a. S. 367–369, S. 373–374 und S. 431–432.
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der Marksburg interniert.330 Stephan scheint der radikal-polemische Ton der Zeitung nicht gestört zu haben, vielmehr bedauerte er, dass sie wegen des Mangels an Abonnenten „kränkelte“, „während die Schandpresse eine Unmasse an Abnehmern aufzuweisen“ hatte.331 Dieser dezidierte Konservatismus, der gegenüber dem strikt konservativen Erzherzog Albrecht zum Ausdruck kam, relativierte sich aber anderen, weniger konservativen Korrespondenzpartnern gegenüber deutlich. Nicht selten stand Stephan mit seinen Einschätzungen jenseits der politischen Lager und machte immer wieder beide, Konservative und Liberale, für die drohende Katastrophe verantwortlich. Eine Lösung, die zu Ruhe und Zufriedenheit führen konnte, bot aber auch Stephan nicht. Es ist bezeichnend, dass ihm mehrfach die sogenannten „Dissolving Views“ (Nebelbilder) in den Sinn kamen, die seit dem frühen 19. Jahrhundert besonders populär waren: Glasplattenbilder zweier Laterna Magica wurden so übereinander gebracht, dass es aussah, als ginge das eine in das andere über. So unfassbar und konturlos diese Übergänge waren, so sehr verwischte sich in Stephans Augen, was um ihn herum vorging.332 Deshalb sind seine Worte nur in den seltensten Fällen an einem politischen Standpunkt zu verankern. Vielmehr muss nach den konkreten Ereignissen und den Ansprechpartnern geschaut werden, die Anlass zur Art der Äußerungen gegeben haben. Ein prägnantes Beispiel mag die Wahl des Erzherzogs Johann 1850 zum Bürgermeister der steiermärkischen Gemeinde Stainz sein, in der Johann ein Gut sowie das dazu gehörige Schloss besaß. Der Erzherzog nahm die Wahl tatsächlich an und versah das Amt dann auch ganz aktiv.333 Stephan gratulierte seinem Onkel dazu und zeigte sich beglückt, dass die Wahl belege, wie sehr ihn die Einwohner von Stainz mögen und wie sehr sie Ordnung wünschten. Das Zutrauen der Bevölkerung zu einem Vertreter des Hauses Habsburg ließ Stephans Sicht auf die Dinge optimistischer werden, wobei ihn der Wahlvorgang als demokratisches Element nicht gestört zu haben scheint. Vielmehr lag der wunde Punkt an einer ganz anderen Stelle. Seine Spitze ging in Richtung des Systems Metternich, des bürokratischen Systems: „Wenn so ein 1847er Bureaukrat noch am Ruder säße und Deine Wahl und Annahme erführe, ich glaube der schlüge 20 Purzelbäume!“334 Das war kein Blick hin zu einer Demokratisierung des Adels 330 Seelig, S. 66; Müller-Schellenberg, S. 109–110; Friedel (2012), S. 230–231. 331 HU MNL OL P 301 (2. April 1863). 332 Mildenberger, S. 42–43: Der bei ihr angesprochene Zauberkünstler Ludwig Döbler war ab 1839 auch in Wien aufgetreten. 333 Magenschab (1982), S. 358–360. 334 StMLA Archiv Meran Schuber 7 Heft 5,8 (10. August 1850).
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und seiner Funktionen, sondern im Gegenteil: Stephan erblickte in der Wahl die Hinwendung der Bevölkerung zur angestammten Elite, weg von Regierungen und Bürokratien, die Metternich ja als losgelöst vom Herrscherhaus agierende und damit auch den Staat funktionsfähig haltende Kräfte angesehen hatte. Auch Erzherzog Johann plädierte für die Einheit von Herrscher und Volk.335 Wenn Stephan mit der Wahl die Zeiten sich „in diese Richtung“ verändern sah, dann bedeutete das: in eine Richtung jenseits eines bürokratischen Verwaltungsapparats, hin zur persönlichen Bindung an das Herrscherhaus. Das war keine Reaktion, die mit der Wiedereinsetzung des Metternichschen Systems liebäugelte,336 sondern etwas ganz anderes, etwas politisch kaum Fassbares. Der demokratische Akt wurde zum Ausdruck für etwas in Stephans Augen ohnehin Existentes: die Bindung des Volkes an die Dynastie. Erzherzog Johann mochte ähnlich gedacht haben, wenn er das Volk abschätzig „ganz modernisiert“ empfand.337 Im Falle von Stainz aber war durch moderne Mittel das Alte eingesetzt worden. Damit fielen aber auch Zwischeninstanzen wie die Bürokratie oder Parlamente fort – zugunsten von etwas Gewordenem und ohnehin Existentem, das nur neu sanktioniert zu werden brauchte. Das wiederum deckte sich mit Stephans Vorstellung von Verfassungen. Bereits vor der 1848er Revolution hatte er sich dazu bekannt, dass man in keinem Land, in dem Konstitutionen existierten, diese aufheben dürfe, und dachte dabei sicherlich auch an Ungarn. Sie waren quasi per se existent und gut. Die Neueinführung einer Verfassung lehnte er allerdings grundsätzlich ab, weil anschließend die Untertanen nicht mehr „im Zaum“ zu halten seien.338 In diesem Sinne musste auch die oktroyierte Verfassung in Preußen in Stephans Augen „ein Unding“ sein.339 Der preußische Chefideologe von Radowitz sah in dem Oktroi die Möglichkeit, in einer schwierigen Zeit die Monarchie dadurch zu retten, dass die Verfassung vom König erlassen wurde. Sie erhielt damit einen konservativen, monarchischen Charakter, der Stück für Stück im Laufe der Zeit wieder revidiert werden könnte.340 Das war Stephan zu viel „Bombast, wenngleich sehr schön gedacht, sehr gut gesagt“.341 Es war für seinen Geschmack zu pathetisch oder monumental 335 Magenschab (1982), S. 359. 336 AMgdL Nr. 4990 (6. Januar 1849). 337 Magenschab (1982), S. 360. 338 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 a (2. März 1847). 339 NLA Oldenburg Dep. 50 Best. 6 F Nr. 134 (25. Januar 1850); BayHStA GHA Nachlass Erzherzogin Elisabeth von Österreich Nr. 93 (19. März 1849): Er zeigte sich davon „überrascht“. 340 Sellin (2014), S. 12–14. 341 NLA Oldenburg Dep. 50 Best. 6 F Nr. 134 (29. April 1850).
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formuliert, inhaltlich aber folgte er diesen Vorstellungen. König Friedrich Wilhelm IV. hatte er ja auch Illusionen und Inkonsequenz vorgeworfen, nicht aber seinen Konservatismus. Stephan ging es nicht um Gott und übergeordnete Kategorien, sondern um das direkte, persönliche Band zwischen Herrscher und Beherrschten. Deshalb warnte er auch vor der Aufhebung von Verfassungen, ohne der Bevölkerung etwas „Beruhigendes, Besseres“ zu bieten. Schließlich denke und agiere die Bevölkerung anders als in früheren Zeiten.342 Damit folgte er liberalen Vorstellungen der ersten Jahrzehnte des 19. Jahrhundert, in denen deutsche Liberale auf das Gleichgewicht zwischen Souverän und Bevölkerung sowie auf das gegenseitige Zutrauen der Regierten und Regierenden setzten.343 Dieses Zutrauen hatte aber auch seine Grenzen. So sehr dieses Verhältnis durch soziale Fürsorge und Förderung in Stephans Augen geprägt sein sollte, so blieb es doch für ihn immer ein Verhältnis der Unterordnung des Volkes, dem geholfen und das überwacht zu werden hatte. Deshalb durften dem Volk keine politischen Zugeständnisse gemacht werden, obwohl die Situation in Ungarn ja gerade auf den verbrieften Rechten beruhte. Diese schienen ihm wohl historisch gewachsen und über jeden Zweifel erhaben, während die Erfahrungen aus der Revolution gezeigt hatten, welche Kraft aus neuen Konzessionen entstehen konnte. Aber Stephan blieb in dieser Hinsicht ausgesprochen undurchsichtig. Ende 1850 hoffte er, sofern es nicht zum befürchteten Krieg komme, in Deutschland auf eine „Einigung auf einer konstitutionellen – nicht freigeistigen Basis“, keinesfalls aber wünschte er einen Rückgriff auf die Zeit vor 1848.344 Stand er folglich doch für eine Form des Konstitutionalismus? An König Maximilian II. von Bayern schrieb er gar verängstigt, dass die Regierenden die Lehren von 1848 vergessen hätten und nun erneut dieselben Fehler begingen, aus denen sie damals durch die Revolution „schrecklich geweckt“ worden seien.345 Leider schwieg er sich aus, welche diese von ihm genannten Fehler waren. Sich Illusionen zu machen, warf er sowohl König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen346 als auch Königin Amalie von Griechenland347 vor, denn seiner Meinung nach verschlossen beide ihre Augen vor der drohenden Anarchie,348 der republikanischen Hydra, ja, dem drohenden Kommunismus.349 342 ÖNB Autogr. 55/33 (15–20), an Wessenberg (24. Oktober 1851). 343 Leonhard (2001), S. 188 und S. 198. 344 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 a (7. November 1850). 345 BayHStA GHA Kabinettsakten König Maximilians II. 408 (8. April 1851). 346 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 a (2. März 1847). 347 NLA Oldenburg Dep. 50 Best. 6 F Nr. 134 (7. Juli 1851). 348 HLA HHStAW Best. 130 II Nr. 3271, fol. 9ff. (14. Juli 1850). 349 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 738 a (26. September 1848).
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Eine Wiederherstellung der Politik des Vormärz lehnte Stephan ab und ließ die Option eines konstitutionellen Weges in recht undefinierter Form zu. Bloß zu liberal durfte es nicht werden. Denn mit dem gewünschten konstitutionellen, aber nicht freigeistigen Weg kann im Grunde nichts anderes gemeint sein als die Form einer frühmodernen Ständevertretung, die in der Mitte des 19. Jahrhunderts nur noch ein Anachronismus gewesen wäre. Bereits 1842 hatte sich Stephan über Großherzog Leopold II. von Toskana geäußert, dieser hänge einem „übelverstandenen Liberalismus“ an.350 Eine Erklärung, was er damit meinte, ließ er auch hier offen. Der Großherzog, obwohl ein überzeugter Gegner des politischen Liberalismus, tat sich als Wirtschaftsförderer hervor, ganz in Stephans Sinne, und trieb den Eisenbahnbau voran. Der fortschrittlichen Haltung seiner Regierung war es zu verdanken, dass die europäischen Unruhen 1830 das Großherzogtum kaum berührt hatten. Und wie Stephan selbst gestand er unter Druck weitgehende Rechte während der 1848er Revolution zu.351 Was also war daran übelverstanden? Vermutlich werden die von Stephan nirgends klar definierten Begriffe „konstitutionell“ und „liberal“ am ehesten mit Begrifflichkeiten wie „rechtmäßig“ oder „gemäßigt“ gegenüber „revolutionär“ und „vertragsbrüchig“ zu erklären sein, was insbesondere im habsburgischen Bereich auch eng einherging mit einer legitimistischen, historischen Position gegenüber einem revolutionären, nationalstaatlichen Denken. Die Ungarn waren nicht im politischen Sinne liberal, sondern sie vertraten nationale, eigenstaatliche Interessen. Dieses Element, das auch anderorts Teil liberaler Gesinnung war, aber eben nur ein Teil, konnte in der besonderen Beschaffenheit der Donaumonarchie zum eigentlichen Charakteristikum liberalen Denkens werden.352 Auch der ständisch orientierte Agenor Graf von Gołuchowski, der 1849 bis 1859 als Statthalter in Galizien fungierte und von August 1859 bis 1860 das österreichische Innenministerium versah, wurde von Stephan als „liberal“ bezeichnet, weil er an der föderalistischen Umstrukturierung des Habsburgerreichs mitwirkte, die schließlich 1860 zum Oktoberdiplom führte. Diesem Diplom zufolge sollten ständische Landtage die historischen Kronländer vertreten, während der Reichsrat als zentrale Instanz zur Beratung des Kaisers in Finanz- und Wirtschaftsfragen wirkte. Stephan verlieh seiner Hoffnung gegenüber dem 350 Walter (1960), S. 177. Zum Großherzog von Toskana auch Braun (2010), S. 255–257. Goethe verstand unter übertriebener Liberalität eine zu große Nachgiebigkeit, die Wünsche hervorrufe, so dass die Regierenden durch zu große Güte, Milde und moralische „Delikatesse“ nicht überleben könnten; Eckermann, S. 325 (18. Februar 1831) und S. 326 (19. Februar 1831). 351 Csáky, S. 298–299; Hamann (1988), S. 260–260. 352 Schüler (2016), S. 155.
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Österreicher Haidinger Ausdruck, Gołuchowski möge „liberal genug sein“, um auch für die übrigen Provinzen des Habsburgerreichs zu denken.353 Liberal war hier nichts anderes als ein Denken in föderalen Strukturen. Den Ungarn ging die Einberufung einer zentralen Kammer aber zu weit, während Kaiser Franz Joseph von „etwas“ Parlamentarismus sprach, der ihm die Gewalt nicht aus den Händen nehme.354 An diesen verschiedenen Ansprüchen scheiterte Gołuchowski schließlich, auch wenn die Ursachen tiefer lagen: Der Weg zum Föderalismus konnte auch immer derjenige zu autonomen Staaten sein. In diesen Dimensionen scheint Stephan aber nicht gedacht zu haben. Er glaubte, der Lage sei nicht durch die Verbriefung von Rechten Herr zu werden, sondern durch die Stärkung eines altüberkommenen patriarchalischen Gesellschaftsgefüges, so sehr dies im Missverhältnis stand zur Regierung eines ausgedehnten Vielvölkerstaates. Die Fürsorge des Landesherrn in sozialer und bildungspolitischer Hinsicht, die Förderung des Wirtschaftslebens und der Landwirtschaft hatte Stephan im Blick, und er wollte sie in seiner Standesherrschaft auch leben. Bereits 1842 hatte er geäußert: „Möchte doch die Gemeinde als eine Familie betrachtet werden; je freier und unbeschränkter aber das Familienleben in einem Staate, desto größer ist auch die Liebe zur Heimath, zur gesellschaftlichen Ordnung und desto größer die Sorgfalt für die Bewahrung und Erhaltung jenes Lebensglücks, das aus beiden entspringt. Das Nämliche gilt auch vom Gemeindeleben! Je freier dieses sich bewegt, je weniger die Regierung darauf unmittelbar bevormundend einwirkt, desto kräftiger ist die Entwicklung des wahren, echten patriotischen Geistes, der festen Stütze jeder Regierung, gleichviel, ob diese absolut oder constitutionell, monarchisch oder republikanisch ist.“355 Eine solche Relativierung von Staatsformen ist auch im Lager Metternichs vor 1848 überliefert. Kübeck glaubte, dass die „wahre, vernünftige Demokrazie“ die Hierarchie der Gesellschaft nicht zerstören dürfe und in der Gleichheit vor dem Gesetz bestehe. „Die Demokrazie kann unter jeder Regierungsform stattfinden.“356 Eine solche Hilflosigkeit vor der politischen Entwicklung schwingt auch in Stephans Äußerungen mit. Seine Auslassung über die Gemeinden stammt aber aus einer Zeit, in der er seine Erfahrungen während der Revolution noch nicht gemacht hatte. Sie gehört also vollumfänglich in die Ära Metternich. War das systemkritisch oder systemkonform? Metternich hätte es wohl als Geschwätz abgetan, und es entbehrt auch nicht 353 Haidinger (1897), S. 66; Vocelka (2015), S. 159–161. 354 Vocelka (2015), S. 160; Schmidt (1995), S. 26–27. 355 Anders (1868), S. 62. 356 Kübeck (1910), S. 35 (= 1848).
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einer gutgemeinten, aber ziellosen Haltung. Zu Beginn seiner Regierungszeit als Palatin hielt Stephan daran fest, dass in einem „constitutionellen Lande“ eine Opposition notwendig sei. Das fügt sich in seine Äußerung, dass keine Verfassungen erlassen werden dürften, aber dort, wo sie existierten, zu respektieren seien.357 Die politische Verfasstheit eines Landes war also – weil existent – als unveränderlich anzuerkennen, und der unparteiische Herrscher stand über allen. Er hatte laut Stephan, wie bereits erwähnt wurde, alle diejenigen zu fördern, die sich auf gesetzlichen Bahnen bewegten. Aber wer waren diejenigen, die zwar nicht den Gesetzen entgegenliefen, aber doch ihre Ziele auf ungesetzlichem Weg verfolgen? Stand es im Ermessen des Palatins, diese Definition vorzunehmen? Denn mit rein juristischen oder staatswissenschaftlichen Maßstäben war dem nicht beizukommen. Das waren moralische und sehr subjektive Kriterien, wie Stephan selbst bewusst war. „Das moralische Unwohlsein, das Unbehagen über so Manches, was anders sein müßte“, schrieb er an Haidinger, „sollte es zufriedenstellen, läßt sich nicht herausschwitzen, nicht durch im Bette Liegen curiren – das wurzelt tiefer.“358 Gegenüber Metternich hatte er sogar den Herrscher selbst als „moralische Person“ bezeichnet.359 Und nach Bückeburg schrieb er 1861, es gebe „moralische Verpflichtungen im menschlichen Leben, die einer freiwilligen Gefangenschaft ziemlich gleichkommen.“360 Der Begriff der Moral findet bei Stephan keine klare Definition, hat aber unzweifelhaft eine größere Dimension als das „Konditionierungsmittel“ auf einen gesellschaftlichen Standard, wie der Soziologe Elias sie definierte.361 Er umfasst das ethisch Gute, ohne es näher zu bestimmen, impliziert damit aber auch etwas Feststehendes und Ahistorisches. Ohne Zweifel übernahm Stephan mit diesem Begriff spätaufklärerische Denkmuster Kants, die zu seiner Zeit schon deutlich antiquierte Züge angenommen hatten.362 Kant hatte unter Moral – entsprechend dem kategorischen Imperativ – ein pflichtgemäßes Handeln unter positiv bestehenden Gesetzen und damit eine Verbindlichkeit nach Begriffen der reinen Ver357 Schlitter (1893), S. 74. Ähnlich auch Metternich: „Kein Staat kann ohne eine Constitution bestehen, während keiner unter den Anforderungen des Constitutionalismus zu gedeihen vermöchte“; Hartig, S. 83 (14. Februar 1851). 358 Haidinger (1897), S. 73. 359 NA Prag Fond MRA AC 1 18-A. 360 NLA Bückeburg F 1 A XXV e Nr. 9 (17. Januar 1861). 361 Auch Erzherzog Johann beabsichtigte, die Herrschaft des Gesetzes durch „moralische Einwirkungen“ herzustellen; HLA HStAD Best. G 1 Nr. 182/5 (13. Juni 1848). Elias I (1997), S. 296. 362 Ilting, S. 838.
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nunft verstanden. Bei der kollektiven Einheit „des vereinigten Willens“ aller konnte Politik schließlich in Moral übergehen.363 Das pflichtgemäße Handeln aufgrund eines klar zu definierenden, vernünftigen Gesetzes jenseits egoistischer Eigeninteressen oder reiner Vorlieben konnte Stephan als Rechtfertigungsmuster oder Leitlinie für sein Verhalten im Exil dienen, war ihm aber auch Richtschnur für das Zusammenleben der Völker. Machtpolitik zum Beispiel setzte das System des vernünftigen Gleichgewichts außer Kraft. Machtpolitik, nationaler Eifer und revolutionäre Positionen waren daher unmoralisch, womit der Erzherzog den Vorstellungen aus der Ära der Heiligen Allianz folgte.364 Metternich und Gentz brachten, gespeist aus aufklärerischer Philosophie, die Moral, das Gleichgewicht, die Vernunft und das „gute Prinzip“ ebenfalls immer wieder ins Spiel, so dass eine geistige Beeinflussung Stephans von dieser Seite erfolgt sein mochte.365 Aber auch seine Ausbildung an Schillers Werken könnte hier Früchte getragen haben. Denn auch ihm war, in der Nachfolge Kants, das moralische Gesetz etwas „Bepfähltes“ und damit zu allen Zeiten Bestehendes gewesen.366 Indem Schiller im frühen 19. Jahrhundert auf seine moralischen Kategorien heruntergebrochen und der politischen Dimensionen beraubt worden war, hatte Stephan von ihm einen feststehenden Verhaltenskodex mit klaren ethischen Koordinaten erhalten.367 Stephan unterlegte einer guten, geordneten Welt ethische Kategorien. Wenn der Herrscher zu einer moralischen Person wird, dann meint das den Schiller’schen „Triumph über seine private Existenz“.368 Das bedeutete, auch im Dienste der Dynastie Opfer zu erbringen. Das Denken war aber immer an Personen gebunden und hob sich über politische Strömungen hinweg; der Historiker Dollinger nannte es die beim Adel des 19. Jahrhunderts verbreitete „Flucht ins bloß Ideelle“.369 Den neu aufkommenden Massenbewegungen und den damit einhergehenden Interessenvertretungen wie zum Beispiel Parteien war damit nicht beizukommen. Stephans Welt musste sich daher anderweitig orientieren. Die Gemeinde, die Familie oder die Standesherrschaft mit direkten Verbindungen der Menschen untereinander und 363 Habermas, S. 123 und S. 128–129; Ilting, S. 891–892. 364 Paulmann (2000), S. 18 und S. 63. 365 Siemann (2016), S. 95; Kronenbitter, S. 103. 366 Staiger, S. 6–8. 367 Vgl. das bereits erwähnte Nietzsche-Zitat in Kapitel 2 Anm. 219. Büchner lässt den Hauptmann in seinem Drama „Woyzeck“ gleich zu Beginn des Stückes sagen: „Moral ist, wenn man moralisch ist.“ Damit desavouiert er diese normative Einstellung als hohl und nur dem Machterhalt der Honoratioren dienlich. 368 Staiger, S. 7. 369 Dollinger, S. 342.
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zur Regierung bzw. zum Oberhaupt ermöglichten es ihm aber, sein Bild aufrechtzuerhalten. Auch Stephans Nichte, Louise von Belgien, wusste, dass die Monarchie auf der „Idee der Familie“ beruhte und dass der König „nichts anderes“ als ein Vater sein solle.370 Für Stephan waren diese Bilder adäquat, weil sie weniger abstrakt erschienen als die Debatten politischer Gremien. Immer wieder machte er Erfahrungen, die ihm die Berechtigung seiner Vorstellungen unter Beweis stellten. Als er die Jagdreviere zurückerhielt, war ihm dies ein Beweis für dankbare Untertanen. Sein herzlicher Empfang im „sogenannten und verpönten Demokratenneste“ Diez anlässlich des Geburtstags Herzog Adolphs war ihm ein „Zeichen des sich bessernden Geistes“.371 Je größer der Betrachtungsradius wurde, umso mehr mussten solche Strukturen aber verschwinden und sich verwischen. Das brachte auch die Wortwahl Stephans zum Ausdruck. Kaiser Franz Joseph war bei ihm immer der „ritterliche Herr“,372 ein Begriff, der nicht in erster Linie auf zurückliegende historische Epochen Bezug nahm, sondern eine schwer zu definierende ethische Kategorie darstellt.373 In dieses Gefüge gehört auch der Begriff des Patriarchalischen, den Stephan immer wieder verwandte, um ein gutes Staatsgefüge zu bezeichnen. Als das Herzogtum Nassau 1866 durch die Annexion Preußens untergegangen war, sah Stephan die patriarchalische Regierung des Herzogs und die „großentheils recht braven“ Einwohner durch „schlechtes Advokatenpack […] unterwühlt.“ Das war – ganz im Sinne der polemischen, antiliberalen „Neuen Wiesbadener Zeitung“ – eine Spitze gegen die Fortschrittspartei, welche die Annexion durch Preußen herbeigesehnt hatte, und gegen jegliche Tendenzen, die Stephan als seinem traditionellen Verständnis von Staatlichkeit entgegensetzt ansah. Auch hier war Herzog Adolph der „humane Herr“, was eine vergleichbare Begrifflichkeit zur Ritterlichkeit Franz Josephs sein dürfte.374 Das kann leicht in Verbindung gebracht werden zu Stephans eigenem, 1848 geäußertem Credo zur 370 Princesse Louise, S. 144; Louise von Coburg, S. 202. Dazu auch Telesko (2016), S. 133. 371 StMLA Archiv Meran Schuber 7 Heft 5,8 (10. August 1850). 372 Haidinger (1897), S. 40 und S. 42; HLA HHStAW Best. 130 II Nr. 3271, fol. 331ff. (22. Juni 1859). 373 Der Schriftsteller Adalbert Stifter verwandte ihn 1867 für den erschossenen Kaiser Maximilian von Mexiko: „Gestalt, die wie die schönsten des reinen Ritterthumes ist, eine Gestalt, welche die Geschichte verherrlichen wird“. Bei dieser Begrifflichkeit wird darauf Bezug genommen, dass es „etwas höheres gebe, als das bloße Leben und den Genuß im Leben“; Wiener Abendpost Nr. 161 (16. Juli 1867), S. 642; auch Doppler/Laufhütte, S. 376– 380. 374 HLA HHStAW Best. 130 II Nr. 3308, fol. 72ff. (16. November 1866). Zur Zeitung Friedel (2012), S. 229: Abt wetterte fast schon leitmotivisch ebenfalls gegen Professoren und liberale Advokaten.
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Überparteilichkeit, das aber letztlich auch nur eine Schimäre war. Denn seine Feinde hatte er ja ausgemacht. Auch anlässlich der Wahlen in Böhmen 1861 schimpfte der Erzherzog über Advokaten und Zeitungsredakteure „liberalsten Kalibers“.375 Ein Schreiben Stephans aus dem Herbst 1850 an den Großherzog von Oldenburg bleibt ähnlich diffus. Auslöser war ein Gespräch in Biebrich mit Herzog Adolph von Nassau und seiner Ehefrau Adelheid über die Auswanderung nach Amerika gewesen, die von beiden – zum Unverständnis Stephans – unterstützt wurde.376 Zwar liebäugelte der Erzherzog auch immer einmal wieder mit einem Botany Bay, zu dem Arbeitsunwillige oder Revolutionäre gebracht werden konnten, aber die gezielte Förderung der Auswanderung statt einer Sozialfürsorge vor Ort erschien ihm verwerflich. Den Bericht über das Gespräch nutzte er auch dazu, grundlegende Gedanken zu äußern. „Warum können nicht alle regierenden Herren wie Du denken?“, fragte Stephan den Oldenburger Großherzog, der mit dem Staatsgrundgesetz eine der liberalsten Verfassungen Deutschlands erlassen hatte.377 Stephan lobte seinen „Biedersinn“, seine „Gewissenhaftigkeit“ und seine „liberalen Gesinnungen“ – Letzteres mit einem vielsagenden, aber uneindeutigen „ha!“ davor – und wünschte alles mit Stephans „patriarchalischem Sinne für all’ die Seinen“ durchmischt.378 Das daraus entstandene Elixier sei gut zu nehmen, während das „jetzige oft verteufelt bitter“ schmecke. Der Erzherzog stellte damit auf akute politische Fragen, zu denen jeder Regent Stellung zu beziehen hatte, schwache, unklare und idealisierende Begriffe in den Raum, die letztlich von der Ratlosigkeit zeugen, wie mit den Entwicklungen umzugehen sei. Antworten boten sie nicht.379 Allenfalls im kleinen, überschaubaren Feld der Standesherrschaft griffen seine Modelle, nicht aber in einer größeren Staatlichkeit. Genau das musste Stephan als Problem erfahren. „Unser sogenanntes aufgeklärtes Jahrhundert“, schrieb er 1860, „daß man Rechtsverdrehungen, Begriffsverwirrungen und Mitfüßentreten alles Heiligen ungestraft ausführen, ja sogar gekrönte Häupter dazu die Hände bieten sieht! Wo soll dann die Achtung für Recht und Heiligkeit der Verträge, wo dann die Ehrfurcht für die Gesetze herkommen, ohne welchen kein civilisirter Staat denkbar ist.“380 375 OeStA HHStA SB NL Adolf Braun 10 (25. März 1861). 376 Kropat, S. 123–130. 377 Eckhardt, S. 32. 378 NLA Oldenburg Dep. 50 Best. 6 F Nr. 134 (21. Oktober 1850). 379 Die konservative Erzherzogin Sophie hatte solche Denkweisen im Visier, wenn sie 1849 an ihre Schwester Elisabeth von unpraktischen Männern schrieb: „Das ganze Unglück unserer Zeit ist, daß unpraktische Männer die Oberhand erhielten“; GStA PK Rep. 50 T Nr. 43 (11. Januar 1849). 380 Haidinger (1897), S. 87.
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Es ging wieder einmal um feststehende moralische Kategorien, die in einer angeblich verderbten, von Realpolitik geprägten381 Zeit mit Füßen getreten würden. „Je illoyaler und niedagewesener Etwas ist, umsomehr wächst die Wahrscheinlichkeit des Zustandekommens!“382 Damit wurden die Kant’sche Moral und das traditionelle Interesse am Gleichgewicht aufgehoben – mit allen Gefahren, die es barg. Dem konservativen Prinzip stellte sich ein modernes, dynamisches entgegen. So vage das Denken auch blieb, in einigen Fällen konnte es sich konkret verdichten – insbesondere bei Personen. So sehnte Stephan für das Habsburgerreich im Jahr 1860 Erzherzog Karl, dessen Denkmal auf dem Wiener Heldenplatz just in diesen Tagen enthüllt worden war, als Kämpfer gegen die „Piraterie“ Garibaldis und die Schlechtigkeit der Welt herbei.383 Der Onkel stand Stephan wohl auch zunächst für moralische Kategorien aus einer untergegangenen Zeit, die damit aber nicht institutionalisiert werden konnten. Stephans Alternative für die real existierende Welt, ein ethisch unterfüttertes patriarchalisches System, blieb deshalb schwach. Der Erzherzog brachte Begriffe ein, die kaum dazu angetan waren, das Problem genau zu benennen oder gar zu lösen. Als seine Schwester Marie Henriette auf einem Volksfest in der Herrschaft Schaumburg freundlich empfangen wurde, lobte Stephan die Bescheidenheit und den Takt der Bevölkerung, und dieser Takt war in seinen Augen „die beste Polizei bei den größten Volksversammlungen“.384 Es hat den Anschein, als leide die Welt unter Taktlosigkeit, unter einem Mangel des persönlichen Betragens jedes Einzelnen, weshalb für Stephan wiederum die Erziehung von großer Bedeutung war. Eine politische 381 Paulmann (2019), S. 368–369: Realpolitik habe das politische Handeln von rechtlichen oder moralischen Grundsätzen gelöst. 382 Haidinger (1897), S. 57. Dieses Gefühlsmoment deckte sich mit einer Problematik, die im „Ring des Nibelungen“ des von Stephan so missachteten Richard Wagner keine geringe Rolle spielt. Dort ist es Fricka, die als Hüterin der Ehe mit ähnlichen Worten gegen die Rechtsbrüche ihres Ehemanns Wotan als Wahrerin des positiven Rechts und damit der Rechtsordnung vorgeht. In anarchistischem Denken lässt Wagner Wotan die konservative Staatsidee der Stabilität und Rechtmäßigkeit als „freiheitsvernichtende Selbstfesslung“ abwerten und als „Ausdruck eines traditionellen und atavistischen Rechtsverständnisses“. Er setzt auf diese Weise das Konstrukt des Gesellschaftsvertrags außer Kraft und entzieht sich selbst – aus Machtinteressen heraus – die moralische Grundlage seines Handelns; Bermbach, S. 190–202; Wapnewski, S. 121–125. Zur Heiligkeit der Verträge im Sinne Metternichs vgl. Sked (1993), S. 68. Eine Korrelation dieser Vorstellungen mit (frühneuzeitlichen) politischen Vertragstheorien besteht nicht; vgl. Nohlen, S. 577; Schmidt (2000), S. 72–74 sowie S. 93. 383 OeStA HHStA HA Familienkorrespondenz A 52-19-6 (22. Mai 1860). Das Denkmal war bereits 1848/1853 beauftragt worden und sollte zum fünfzigsten Jahrestag der Schlacht von Aspern errichtet werden. Wegen des Krieges in Italien geschah dies aber erst 1860. 384 HLA HHStAW Best. 1174 Nr. 11 (12. Juni 1861).
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oder soziale Analyse der Probleme war das nicht, vielmehr der Rückzug in ein moralisches Denken, das niemandem weiterhalf, weil es nicht bereit war, Ursachen zu benennen. Stephan war nicht in der Lage, diese zu definieren, weil er an der Gegebenheit der herrschaftlichen Ordnung und der Normierung moralischer Kategorien festhielt. Eine Abweichung davon konnte er nicht erklären, sondern nur beklagen. In diesen Kontext fügt sich auch Stephans Plädoyer für eine tolerante Religionspolitik, die er gegenüber dem protestantischen Theologen Fliedner äußerte. Er halte es für Unrecht, so bekannte er, wenn der Staat die Konfessionen nicht in ihrem jeweiligen Glauben belasse, weil Ruhe und Gehorsam gegenüber dem Staat viel ausgeprägter seien, wenn jeder bei seiner Religion bleiben könne.385 So sympathisch die geäußerte Toleranz auch anmutet, das Konfliktpotential, das religiösen und weltanschaulichen Überzeugungen innewohnt, marginalisierte Stephan ebenso wie die Überzeugung von der Wahrheit einer Glaubenslehre. Einige Jahre später sollte er dies ja gerade selbst in Belgien zu seinem Leidwesen erleben. In Anbetracht ausgetragener Konflikte musste eine solche Einschätzung in ihrem Fokus auf die Wahrung von Ruhe und Untertanengeist scheitern. Stephans diffuses Handeln kann gut auf diese Haltung zurückgeführt werden, selbst seine Sucht nach Popularität. Denn unter diesem Gesichtspunkt ist darin weniger ein innovatives Element zu suchen als der Versuch, in einer sich wandelnden Gesellschaft, in welcher der Adel zunehmend zur „Anomalie“ verkam,386 den direkten Kontakt zu den Beherrschten zu suchen. Mit unkonventionellen, womöglich sogar revolutionär wirkenden Mitteln, die zwischen charismatischer Führung, dynastischem Traditionalismus und plebiszitärer Anerkennung changierten, versuchte er in übersteigerter Überzeugung von der eigenen Vorbildfunktion mittels neu aufkommender Medien die Bevölkerung und die in ihr arbeitenden Strömungen an die Dynastie zu binden. Die Unvertrautheit mit möglichen Konsequenzen, aber auch seine eigene Eitelkeit brachten diesen Versuch eines Spagats aber immer wieder an seine Grenzen.
7.4.2 Zaungast der Weltpolitik Waren schon die innenpolitischen Dimensionen auf diese Weise nicht zu bewältigen, konnte der außenpolitischen keineswegs adäquat begegnet 385 Fliedner Kulturstiftung Archiv II MA (10. September 1852): Notiz Fliedners über sein Gespräch mit Stephan auf dem Dampfboot „Elisabeth“. Ähnlich sprach er auch gegenüber dem Theologen Wimmer; Zimmermann (1941), S. 152. 386 Vocelka (2015), S. 219; Stickler (2012), S. 713.
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werden, obwohl gerade sie auch in Stephans Weltwahrnehmung von der Schaumburg aus einen wichtigen Faktor bildete. Die erste Zeit des Exils war hier auf die Angst fokussiert, es könne zu einem Bruch zwischen Deutschland und Österreich kommen.387 Die Herauslösung Österreichs erschien besonders bedenklich. Die Gesinnung des Ministerpräsidenten Felix von Schwarzenberg, der im Kern eine österreichische Interessenpolitik betrieb, bezeichnete Stephan hingegen als „ehrlich“.388 Schwarzenberg war bestrebt, Deutschland in den Gesamtstaat Österreich einzugliedern, wollte die Bundesverfassung revidieren und hoffte, Preußen seine wirtschaftliche Vorrangstellung streitig machen zu können.389 Hieraus wird ersichtlich, dass Stephans politisches Verständnis nach wie vor von Österreich ausging, auch und gerade, weil er die Kriegsgefahr zwischen Preußen und Österreich erkannte. Preußen war für Stephan der verwerfliche und illoyale Aggressor, in ihm erkannte er „die Segnungen einer künstlich hinaufgeschraubten Großmacht!“390 Dem vermeintlich parvenühaften Verhalten Preußens traute Stephan alles zu, so dass er auch den Zusicherungen, Österreich nicht angreifen zu wollen, keinen Glauben schenken wollte, und das umso weniger, als man im Paulskirchenparlament auch nicht vom Frieden ausging. Von dort erwartete Stephan aber auch nichts. Er warf den Abgeordneten vor, nichts zu tun, als ihre Diäten zu verzehren. Die deutsche Einheit, meinte er, bestehe in der Paulskirche nur darin, dass alle „Repräsentanten gleich gerne die Tagegelder beziehen.“391 So stand für Stephan das friedliebende Österreich alleingelassen einem aggressiven Preußen gegenüber, was für ihn aber wiederum zu einer Chance für die Habsburgermonarchie werden konnte. „Wie groß wird mein geliebtes Vaterland dastehen, wenn es gelingt, den Frieden herzustellen, Alles zur Ruhe zu bringen“ und schließlich die Finanzen zu konsolidieren.392 An Österreichs Friedfertigkeit hielt Stephan grundsätzlich fest, auch wenn er von Seiten des Militärs anderslautende Bemerkungen hören musste.393 Er glaubte sogar, dass Österreich 387 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 738 a (2. Dezember 1848); BayHStA GHA Nachlass Erzherzogin Elisabeth von Österreich Nr. 93 (19. März 1849). 388 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 738 a (23. April 1850). 389 Judson, S. 297; Biographisches Wörterbuch 3, Sp. 2589–2590. 390 StMLA Archiv Meran Schuber 7 Heft 5,8 (18. Januar 1855). 391 StMLA Archiv Meran Schuber 7 Heft 5,8 (10. August 1850). 392 Das im Juni 1854 ins Leben gerufene österreichische Nationalbankanlehen, das mittels freiwilliger Anleihen die Staatsfinanzen sanieren sollte, würde „den Schlußstein zu außerordentlichen Maßnahmen“ bilden; StMLA Archiv Meran Schuber 7 Heft 5,8 (18. Januar 1855). Vgl. auch Zuckerkandl, S. 422. Stephan ging grundsätzlich davon aus, dass eine solide finanzielle Grundlage des Staates eine bessere Stütze für den Kaiser sei als die Armee; ÖNB Autogr. 33/55-18 und -20 (24. Oktober 1851 und 10. Oktober 1855). 393 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 b (19. Februar 1859).
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durch ein ruhiges Verhalten Waffen in die Hände bekomme, die bei einem übereilten Vorgehen verloren gehen würden: moralische Waffen.394 Hier übertrug er seine ideellen innenpolitischen Ziele auch auf die Außenpolitik in der Hoffnung, eine Paralysierung des Krieges herbeizuführen. Nur vertraute Stephan seiner Hoffnung wohl selbst nicht zu sehr, denn zugleich gestand er ein, dass das Misstrauen der Großmächte zueinander sehr groß war. Zur Gefahr für den Vielvölkerstaat wurde die Politik Napoleons III. und der Kaiser der Franzosen daher zum Feindbild Stephans, insbesondere wegen seiner Förderung italienischer Unabhängigkeitsbestrebungen. Liberale, nationalstaatliche Tendenzen, die Stephan in Ungarn befürwortet hatte, lehnte er in diesem Fall ab, weil sie eine Gefahr für die Habsburgermonarchie bedeuteten. Bei der Trennung dieser beiden Ebenen kam ihm zugute, dass er ein demokratisches Element am Walten sah, das in seiner Selbstwahrnehmung auch in Ungarn die guten Absichten zunichte gemacht hatte. Napoleon III. nicht entgegenzutreten, bedeutete für Stephan „der Demokratie Tor und Tür“ zu öffnen.395 Aber Stephan war sich auch sicher, dass Napoleons Politik selbst in Frankreich Furcht erwecke, weil die Bevölkerung davon ausgehe, dass damit das „Nationalunglücke“ herbeigeführt werde.396 Denn Napoleon, den Stephan als „Pariser Mephistopheles“ bezeichnete, habe nur persönliche Machtinteressen im Blick und wolle wie seinerzeit sein Onkel angestammte Regenten durch Familienmitglieder ersetzen. Das hatte der Erzherzog durch gut informierte Kreise in Erfahrung gebracht.397 Als ähnlich gefährlich erachtete er den italienischen Revolutionär Giuseppe Mazzini, den er wegen seiner demokratischen Tendenzen an der Spitze des Radikalismus stehen sah,398 und womöglich sogar Prinzessin Augusta von Preußen, deren Weltanschauung „ein wenig gar zu sehr an’s Demokratische streift“.399 Stephan dachte letztlich legitimistisch, auch wenn streng reaktionäre Kreise in seinem Verhalten antimonarchische Züge wahrnehmen wollten.400 394 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 b (19. Februar 1859). 395 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 b (12. März 1859). 396 Haidinger (1897), S. 92. 397 Haidinger (1897), S. 91–92. 398 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 a (9. Februar 1848); Altgeld, S. 285–285. 399 NLA Oldenburg Dep. 50 Best. 6 F Nr. 134 (21. August 1850). 400 NA Prag Fond MRA AC 7 Bankéri et. 96 A (9. Februar 1858): Der antiliberale Publizist und Politiker Laurenz Hannibal Fischer schrieb an den greisen Fürsten Metternich über Stephan, er sei höchst irritiert, weil er „in einem Erzherzog von Oestereich einen Vertreter antimonarchischer Regierungsmaximen nicht erwartete“. Es handelte sich in Fischers
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So wie Verfassungen existierten und dann von der Krone einzuhalten waren, aber niemals von einer Regierung gegeben werden konnten, so durften in Stephans Sinn Throne wiederum nicht beliebig besetzt werden. Als seine Freundin Amalie von Griechenland 1862 wegen einer Militärrevolte auf den Thron verzichten musste, war dies für Stephan Anlass genug, über Treue und Glauben nachzudenken.401 In einer „frappanten Weise“ habe sie den Thron räumen müssen, schrieb er an seinen Cousin Albrecht.402 Das Verhalten Frankreichs, Englands und Russlands in dieser Angelegenheit galt ihm „eckelhaft“ und „unwürdig“, das Recht der Nationen auf die Wahl ihres Regenten lehnte Stephan rundweg ab – als seien König Otto und Königin Amalie Jahre zuvor nicht auf die gleiche Weise auf den griechischen Thron gelangt. Denn auch Otto von Wittelsbach war auf Vorschlag der genannten Signatarmächte der Unabhängigkeit Griechenlands durch die griechische Nationalversammlung 1832 zum König gewählt worden. Anscheinend genügte Stephan diese Einsetzung, um sie unabänderlich zu machen. Er dachte grundsätzlich nicht historisch, sondern urteilte aus dem momentan Gegebenen heraus, das für ihn unabänderlich war. Throne aber waren ihm etwas Unantastbares. „Was ist die Heiligkeit der Verträge – wo ist die Sicherheit des Besitzes – ist Alles nur eine Frage der Macht? Sollte wirklich ein regierender Fürst die griechische Krone sich aufsetzen lassen, um damit seine eigene Legitimation zu verläugnen? Das sind so die Gedanken, die mich mehr minder über das Kapital beschäftigen und namentlich in eine Art gelinde Wuth versetzen, als die Sprache dazu war, der Herzog von Koburg würde sich dazu herbeilassen, den ungesetzlich erledigten Thron als gute Prise zu erklären!“403 Gemeint war Alfred von Sachsen-Coburg-Gotha, ein Sohn der Queen Victoria, der von den Griechen zum König von Griechenland gewählt worden war. Die Wahl konnte Alfred nicht annehmen, weil dies für den Prinzen einer Großmacht nicht opportun gewesen wäre. Stephan ging es allerdings nicht um politische Wertmaßstäbe. Dass Throne überhaupt zur Disposition standen und sich der nächstbeste Kandidat ihrer bedienen konnte, wenn das europäische Mächtekonzert dem zustimmte, war ihm völlig unverständlich, denn es kratzte an der Legitimation der Herrscherthrone. Unfrieden, Gesetzlosigkeit, Anarchie und Revolution erwuchsen ihm fast zwangsläufig aus der Zerstörung bisheriger Gepflogenheiten. Augen bei Stephan um einen Gegner des monarchischen Prinzips, dem er doch selbst angehöre. Auch hier rieb sich die Wahrnehmung des Erzherzogs wieder am Stereotyp, das man von ihm als Habsburger besaß. „Mein streng monarchischer Sinn“, schrieb Stephan aber selbst über sich; BayHStA GHA Kabinettsakten König Maximilians II. 408 (8. April 1851). 401 NLA Oldenburg Dep. 50 Best. 6 M Nr. 44 (26. Januar 1863); vgl. auch Eichholz, S. 161. 402 HU MNL OL P 301 (16. November 1862). 403 NLA Oldenburg Dep. 50 Best. 6 M Nr. 44 (10. Februar 1863).
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Das war auch insofern von Bedeutung, als Stephan in den 60er Jahren des 19. Jahrhunderts eine Nähe zum Haus Sachsen-Coburg-Gotha und zu seinen liberalen, konstitutionellen Vorstellungen entwickelte – und das nicht nur, weil sein Bruder Joseph Clothilde von Sachsen-Koháry und seine Schwester Marie Henriette den belgischen Thronfolger geheiratet hatte. Ein Brief der liberalen Königin Augusta von Preußen an König Leopold I. von Belgien belegt, dass auch Stephan in den sogenannten Coburg-Plan involviert war. Sie erläuterte darin, dass dieser, der die „anerkennungswerthe[ ] Eigenschaft besitzt, Ihnen treu ergeben zu seyn“,404 ihr nähere Informationen über eine mögliche Eheschließung zwischen des Königs Sohn, Philipp von Belgien, und Marie von Hohenzollern-Sigmaringen im Gespräch zukommen ließ. Der Vater der Braut war 1858 bis 1862 liberaler Ministerpräsident Preußens während der Neuen Ära gewesen.405 In dieser Zeit war der Versuch unternommen worden, Preußen an die Spitze der liberalen Bewegung zu setzen, die auch das sittliche Element heben und „moralische Eroberungen“ machen wollte. Auch Queen Victoria wird als im Hintergrund wirkende Kraft in dem Brief Augustas erwähnt. Allerdings bleibt Stephans Rolle im politischen Sinne diffus, wie auch sein umfangreicher Briefwechsel mit Clothildes Mutter, Clementine von Sachsen-Coburg, einer Tochter des französischen Bürgerkönigs Louis Philippe, belegt.406 So freimütig er gehalten ist, um politische Dinge geht es darin nur am Rande. Den politischen Liberalismus, der sich mit dem Haus Sachsen-Coburg verband, trug Stephan letztlich nicht mit, ja er verurteilte auch die Option, einen Coburger auf den griechischen Thron zu setzen – eine der Grundlagen des Aufstiegs dieser Dynastie, die sich im 19. Jahrhundert mit ihren zahlreichen Nachkommen für vakante Throne anbot. Dem Coburger Plan einer deutsch-englischen Allianz, einer aktiven Mitwirkung an Deutschlands Einigung und der Beförderung der eigenen Dynastie musste er daher fremd gegenüberstehen.407 Vertraut hingegen dürfte Stephan das dynastische Element gewesen sein, das Coburg umtrieb. König Leopold I. war ein Mann des Ancien Régime und des Rationalismus, dem Heiratsallianzen das Mittel der Politik waren. Da das Haus Coburg – ebenso wie das mit ihm verwandte Haus Orléans und, in abgeschwächtem Maß, auch die ungarische Linie des Hauses Habsburg – als revolutionär galt, musste der König versuchen, über Ehebündnisse in das kosmopolitische Konzert mittlerweile gleichrangiger, ehemals hierarchisch überlegener Familien integriert zu werden und sich 404 GStA PK BPH Rep. 51 T Lit. B Nr. 10 Mappe 2, fol. 106 (20. November 1864). 405 Richter (1972), S. 502–503; Hinze, S. 566–567; Gall (1980), S. 186–187. 406 OeStA HHStA SB Familienarchiv Sachsen-Coburg-Gotha II-23-13. 407 Feuerstein-Praßer, S. 126–127.
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damit in der europäischen Elite festzusetzen, was auch blendend gelang.408 Diese aristokratische Politik der Ehebündnisse akzeptierte Stephan vollauf und nahm daran Anteil, so dass er ein Bindeglied zwischen der Sphäre der Coburger und der Romanows gleichermaßen war, die sonst nicht miteinander in Beziehung kamen.409 Dem politisch-liberalen Element des Hauses Coburg stand er hingegen ablehnend gegenüber, weil er es mit der Revolution in Verbindung brachte und weil es an der Legitimität der Throne rüttelte. Die Gefahr, dass die Legitimität bloßem Machtstreben unterliegen könne, musste Stephan immer wieder erkennen. Wie bereits dargelegt wurde, ging es in seiner Prophezeiung, Nassau werde bei einem drohenden Krieg mit Frankreich zur „Vormauer“, auch um Fragen der Ideologie und des Staatsverständnisses. Denn Napoleon III. hatte 1859 mit dem Krieg in Italien in Stephans Augen den „ungerechteste[n] Krieg seit Jahrhundertbeginn ausgelöst“ und damit die „Weltereignisse nicht mehr in seiner Macht“. Wenn Russland nicht eingreife, um der Anarchie ein Ende zu setzen, sei „alles verloren.“410 Österreich war zwar auch nicht mehr in der Lage, alleine den Frieden aufrechtzuerhalten, aber es verkörperte die moralische Weltordnung. Das Szenario steigerte Stephan noch, indem er die Gefahr direkt auf Bayern und das kleine Nassau ausrichtete. Ihre „sehr österreichische[n] Gesinnungen“ seien Frankreich ein Dorn im Auge. Nassau sei zwischen der Bundesfestung Mainz und dem preußischen Koblenz eingepfercht und habe das Schlimmste zu befürchten.411 Er gab daher an Herzog Adolph auch das Lob der Erzherzöge Karl Ferdinand und Albrecht weiter, die dessen Vorgehen in der „Weltfrage“ mit großer Sympathie betrachteten – so als habe das kleine Nassau in dem großen Konflikt die Möglichkeit, entscheidend zu dessen Ausgang beizutragen.412 Dass Preußen daran dachte, in dieser Situation noch vermittelnd agieren zu können, war Stephan reinste Verblendung, ja er wies ihm sogar eine namhafte Schuld zu, dass sich alles so entwickelt hatte.413 Am 9. Mai 1859 schilderte der Erzherzog dem Wiener Mineralogen Haidinger ungewöhnlich ausführlich seine Haltung zur politischen Lage und ging dabei von einer unbeschreiblichen Stimmung aus, die in Deutschland gegen Frankreich herrsche.414 Napoleon III. vertrat dabei – in deutlichem Antagonismus zu Österreich – die ungerechte Sache, indem er, weil Europa 408 Nicklas, S. 96–97. 409 Paulmann (2000), S. 82–83, Kroll, S. 41–42. 410 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 b (8. Juli 1859). 411 HLA HHStAW Best. 1174 Nr. 11 (4. Juli 1859). 412 HLA HHStAW Best. 130 II Nr. 3271, fol. 379ff. (17. Mai 1859). 413 Haidinger (1897), S. 56; HLA HHStAW Best. 1174 Nr. 11 (9. Juni 1859). 414 Dies und das Folgende bei Haidinger (1897), S. 55–57.
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nicht „nach seiner Pfeife tanzen“ wolle, Zwist vom Zaun gebrochen habe, um ein für sich günstiges Ergebnis zu erzielen. Dagegen könne nur ein einiges Deutschland ankommen. Die Loyalität der süddeutschen Staaten, einschließlich Nassaus, gegenüber Österreich war Stephan Ausdruck einer positiven Gesinnung, weil sie jeglicher revolutionären Gesinnung, dem Niedagewesenen,415 die Stirne boten. Auch freute es Stephan, dass sein Cousin Albrecht an den Rhein versetzt wurde, weil er in Deutschland einen guten Namen habe und die ihn begleitenden Truppen eine willkommene Verstärkung seien. Erstaunlich deutschnational fürchtete Stephan zwar, dass Koblenz und Mainz bald durch Kanonen in französischer Sprache begrüßt werden könnten, „während es den Avantgarden dann vergönnt sein soll, mit den Parisern deutsch zu reden.“ Im Kontext anderer Briefe wird jedoch ersichtlich, dass diese deutschnationale Einstellung des Erzherzogs in erster Linie eine pro-österreichische war.416 Der italienische Kriegsschauplatz hatte in seinen Darlegungen ebenso seinen festen Platz wie die angebliche Bedrohung des Rheins. Damit ging er konform mit den Vorstellungen seines Cousins Albrecht. In Berlin war – nach dem Besuch Albrechts – die völlig berechtigte Erkenntnis herangewachsen, Österreich wolle ganz bewusst den Krieg von Italien an den Rhein verlegen, um Deutschland für österreichische Zwecke zu benutzen.417 Stephan wies das zurück, sei es aus Unwissenheit, sei es als bewusste Camouflage. Aber seinen Briefen ist doch zu entnehmen, dass auch er alles von Österreich aus dachte. Der Deutsche Bund musste sich genuin österreichischen Interessen – im Sinne Stephans: dynastisch-gesamtstaatlichen – unterordnen.418 Trotz dieser Denkweise fand Stephan schon bald danach für die österreichische Regierung kaum noch lobende Worte. Missgriffe bei der Wahl des Oberkommandos bemängelte er,419 wobei diese Einschätzungen auf Mitteilungen Erzherzog Albrechts beruhten. Das Auftreten des Kaisers, der in Stephans sonstigen Briefen über alle Zweifel erhaben war, bei der Eröffnung des erweiterten Reichsrates 1860, in der dieser den Zusammenhalt der Monarchie beschworen und allen „Stämmen“ den gleichen Schutz versprochen 415 Haidinger (1897), S. 56; „je illoyaler und niedagewesener Etwas ist“. 416 Haidinger (1897), S. 59. 417 HLA HHStAW Best. 1174 Nr. 11 (26. April 1859); Allmayer-Beck, S. 118–120. 418 An einer Stelle sprach der Erzherzog sogar von Österreich ausdrücklich als „Schwesternstaate“ Deutschlands, was auch in seinem Denken, entsprechend der Entwicklung in der Habsburgermonarchie, ein deutliches Hinauswandern impliziert; Haidinger (1897), S. 62. 419 HLA HHStAW Best. 1174 Nr. 11 (9. Juni 1859). In HLA HHStAW Best. 130 II Nr. 3271, fol. 403ff. (10. Juli 1859), erwähnte Stephan, dass Albrecht ihm die Nachrichten hinterbracht habe.
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hatte,420 bezeichnete Stephan gegenüber Carl Alexander von Sachsen-Weimar als aalglatt. Eine eher formalistische Rede des Reichsratsvorsitzenden, Erzherzog Rainer, tat er als „ganz verschollen“ ab.421 Dass Österreich durch den mittlerweile verlorenen Krieg seine „Berufung“ verloren habe, Europas Geschicke zu lenken, völlig isoliert sei und eine lediglich passive Politik betreiben müsse, betrübte ihn.422 Kurzum: Nach dem verlorenen Krieg von 1859 mehrten sich offene, kritische Worte über die österreichische Regierung – und das nicht nur bei Stephan.423 Die Versprechungen des Kaisers, eine zeitgemäße Verbesserung der Verwaltung und Gesetzgebung zu bewirken, schienen das Ende des zentralistischen Systems einzuläuten und weckten Hoffnungen – gerade auch bei den auf ihre Eigenständigkeit bedachten Ungarn, deren Forderungen nach wie vor Stephans Sympathien galt. Die Antworten Apponyis und Andrássys auf die Ansprache des Erzherzogs Rainer, in denen u. a. Apponyi auf die Bedenken in Ungarn gegenüber dem Reichsrat hingewiesen hatte sowie die historischen Rechte des Landes hatte gewahrt und Missverständnisse beseitigt sehen wollen, lobte der Erzherzog. Ohne diese deutlichen Worte würden die Ansprachen der beiden Habsburger wegen ihrer Bedeutungslosigkeit völlig in Vergessenheit geraten sein.424 Die ungarischen Sonderrechte, die zu gewähren Apponyi als Möglichkeit zum Erstarken der Monarchie propagierte, hielt der abgedankte Palatin weiterhin hoch und schlug sich damit erneut auf die Seite der Opposition. Wie genau Stephan sich derlei vorstellte, bleibt offen. Indem er sich aber als Frondeur, Strelitzen und Janitscharen bezeichnete – wohl im Sinne von Verräter –, betonte er sogar gegenüber Haidinger, dass in ihm der Oppositionsgeist gegen den Wiener Kurs wieder erwacht war.425 Ausgerechnet zu einer Zeit, in der Stephan immer mehr in die europäische Diplomatie hineingewachsen war, brach sich (wieder) eine größere Distanz zum österreichischen Kurs Bahn. Das geht bis hin zu der Bemerkung, er fürchte, demnächst ausgepfiffen zu werden, weil er zum Haus Österreich gehöre.426 Dass der Hof und die Wiener Gesellschaft 1864 trotz des Dänischen Krieges Bälle und andere Veranstaltungen besuchten, ärgerte ihn massiv.427 420 Volks- und Schützen-Zeitung Nr. 68 (6. Juni 1860), S. 363–364; Kronstädter Zeitung Nr. 87 (4. Juni 1860), S. 546. 421 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 b (9. Juni 1860). 422 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 b (4. April 1860). 423 Vocelka (2015), S. 158–159. 424 Volks- und Schützenzeitung Nr. 69 (8. Juni 1860), S. 369–370. 425 Haidinger (1897), S. 76. 426 NLA Oldenburg Dep. 50 Best. 6 M Nr. 44 (23. Januar 1864). 427 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 b (28. Januar 1864).
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Womöglich aber war dies kein Gesinnungswandel, sondern Ausdruck seiner Enttäuschung. Denn 1858/59 hatte er ja regelrecht damit gerechnet, rehabilitiert zu werden und folglich für Österreich in den Einsatz zu kommen. Seine dramatischen Schilderungen sind vor diesem Hintergrund verständlich. Die Rehabilitierung hatte sich zerschlagen, und Stephan musste sich wieder einmal zurückgesetzt fühlen. Die Enttäuschung formulierte nun auch sein Urteil über die österreichische Politik. Durch seine stabilere Position nahm er sich jetzt aber auch die Freiheit, offen in der Post zu schreiben, was er dachte – obwohl er damit rechnete, dass seine Post geöffnet und gelesen wurde. Da er mit den kritischen Äußerungen auch in Österreich Gehör fand, könnte seine Stellungnahme auch als Versuch gewertet werden, sich in der krisengeschüttelten Habsburgermonarchie wieder als Hoffnungsträger in Position zu bringen. Bereits 1860, als Kaiser Franz Joseph gegen den Widerstand des Erzherzogs Albrecht und einiger seiner Minister daran ging, sein hartes Vorgehen gegen Ungarn zu revidieren,428 hielt Stephan seine Haltung von 1848 für rehabilitiert.429 Anlässlich des Erlasses des Sistierungspatents, durch das am 20. September 1865 das Grundgesetz über die Reichsvertretung (Februarpatent) von 1861 aufgehoben worden war, um die Verständigung mit Ungarn herbeizuführen, glaubte er seine Politik von 1848 bestätigt: „Soll ich um 18 Jahr zu früh auf die Welt gekommen sein?“430 Das Februarpatent war über das Oktoberdiplom von 1860, das die Zen tralgewalt durch die Wiedereinführung von Landtagen in den Kronländern geschwächt hatte, im liberalen Sinn hinausgegangen. Als oktroyierte Verfassung schuf es einen Reichsrat und richtete das Zensuswahlrecht ein. Aber es verweigerte Ministerverantwortlichkeit und Immunität der Abgeordneten.431 Eine weitere Kammer sollte „mäßigend“ auf Beschlüsse des Abgeordnetenhauses einwirken. Das Werk des Ministerpräsidenten Schmerling stand für ein deutsch geführtes, zentralistisches Österreich mit konstitutionellen Elementen.432 Die Magyaren erhielten in dieser Gesamtkonzeption eine tragende Position, die ihnen aber nicht weit genug ging, weshalb sie auch dieses Konzept boykottierten.433 Wo aber befand sich Stephan innerhalb dieser umbruchartigen Entwicklung, wenn er sich zu früh geboren sah? Zum ersten Mal seit 1848, wie es 428 Malfèr, S. 52. 429 Haidinger (1897), S. 84. 430 NLA Oldenburg Dep. 50 Best. 6 M Nr. 44 (4. Oktober 1865). 431 Somogyi (1983), S. 14; Judson, S. 324–326. 432 Somogyi (1983), S. 9. 433 Schmidt (1995), S. 28–31.
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scheint, äußerte er sich gegenüber seinem Vertrauten Adolf Braun über die ungarischen Verhältnisse. Dort bestehe die Mehrheit aus Anhängern Kossuths, schrieb er im März 1861, also nach Erlass des Februarpatents. Er hoffte auf die gemäßigten Nationalliberalen Jószef Eötvös und Ferenc Déak, damit diese ein Gegengewicht zu den „Rothen“ bildeten. Folglich erkannte er eine Gefahr, wenn nicht die Nationalliberalen zum Zuge kämen. Sicher war sich Stephan, dass auch die gemäßigte Politik Wiens nicht immer Freude hervorrufen werde. Der Enthusiasmus, den Kaiser Franz Joseph erwecken könne, wenn er die Ungarn in den Reichsrat berufe, werde sicherlich bald wieder verrauschen.434 Besonders die Wahl eines Palatins werde sich zum Problem auswachsen. Stephan selbst brachte sich nicht ins Gespräch, aber er hatte erfahren, dass auch kein anderer der Erzherzöge zur Übernahme dieses Amtes bereit war. Vorgeschlagen worden waren der Kaiserbruder Ferdinand Maximilian sowie Erzherzog Rainer und Stephans Bruder Joseph. Dass diese Kandidaten nicht zum Zuge kamen, begrüßte der ehemalige Palatin ausdrücklich, weil das Amt für jedes Mitglied der Dynastie unhaltbar sein werde. Das war auch eine Form der Rechtfertigung, enthob ihn diese Einschätzung doch einer gewissen Verantwortung. Auch der konservative Georg Graf Apponyi, der Wiener Diplomat Alajos Károlyi, der calvinistische Politiker Miklos Vay und der Offizier István Prónay wurden als Kandidaten vorgeschlagen, was aber trotz der disparaten Zusammensetzung dieser Namen die Radikalen und namentlich den Kossuthianer Laszlo Teleky auf den Plan brächte. Stephan wollte deshalb nicht ausschließen, der Kaiser müsse gegebenenfalls ungekrönt aus Ungarn zurückgehen und den Landtag mit Gewalt auflösen. Ab Februar 1864 rückten die ungarischen Liberalen tatsächlich in den Fokus des Kaisers, der mit ihnen den Ausgleich anstrebte. Auf der Grundlage der Pragmatischen Sanktion sollten die Forderungen nach Reichseinheit und ungarischer Selbstständigkeit miteinander in Übereinstimmung gebracht werden.435 Die Ungarn verweigerten sich den Angeboten und erklärten, wobei sie sich ebenfalls auf die Pragmatische Sanktion bezogen, dass sie es nur mit dem König zu tun hätten, nicht mit der anderen Reichshälfte.436 Am 27. Juli 1865 wurde Richard Belcredi durch Kaiser Franz Joseph zum Staatsminister ernannt. Sein Ziel war es, entgegen den Vorstellungen des Liberalen Schmerling das dynastische Gefühl innerhalb der Habsburgermonarchie zu stärken.437 Deshalb bildete ihm die Pragmatische Sanktion die 434 OeStA HHStA SB NL Adolf Braun 10 (25. März 1861). 435 Somogyi (1983), S. 36–38. 436 Somogyi (1983), S. 53. 437 Somogyi (1983), S. 41; Judson, S. 352.
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Grundlage des Denkens und Handels, indem er das Reich auf ihrer Basis sichern wollte. Damit entsprach er wiederum konservativen Argumentationsmustern, die im Gegensatz zur oktroyierten Verfassung und dem zentralistischen Einheitsstaat die ständischen Rechte in einem föderativen System im Visier hatten.438 Dieses föderalistische Denken und das mit patriarchalischen Vorstellungen einhergehende Bild ständischer Rechte, für das bisher die Konservativen gestanden hatten, mag für Erzherzog Stephan adäquat zu eigenen Vorstellungen gewesen sein. Das Bild eines dynastisch überwölbten Staatenbundes kam wieder auf, dem Stephan sich auch verbunden fühlte und in dessen Sinne er sich – zumindest in der Retrospektive – 1848 hatte handeln sehen, obwohl er sich just nach seinem Rückzug diesbezüglich anderslautend und auch zuvor allenfalls in Andeutungen geäußert hatte. Achtzehn Jahre nach der Revolution sah er „seine“ Politik verwirklicht. Vermutlich war es auch dieser Staatenbund, den Stephan im Blick hatte, als er im Oktober 1865 an Clementine von Sachsen-Coburg schrieb, „für Ungarn wird der nächste Winter unendlich Wichtiges gebären – eine folgenschwere Zukunft liegt vor uns – eine Zukunft, die auch auf die übrige Monarchie rejailliren [zurückwirken] wird.“439 Für Stephan stand damit deutlich das Bild eines Staatenbundes unter dem Monarchen im Blick, so sehr er auch solche Bestrebungen einzelner Teile der Monarchie, insbesondere der Italiener,440 verurteilte und so sehr es auch Differenzen zu seinen eigenen Vorstellungen gab, sofern diese für die Zeit um 1865 überhaupt noch aktuell waren. Auch gab es für ihn keinen Zweifel daran, dass die Dynastie als Klammer im Vielvölkerstaat breite Akzeptanz fand. Dabei setzte er insbesondere auf den Enthusiasmus, den die Ungarn Kaiserin Elisabeth entgegenbrächten, wenn sie „mit ihrem schönen Ungarischsprechen dort Alles bezaubern wird.“441 Die Einzelpersönlichkeit hatte durch ihr Einwirken auf eine – in Stephans Sinn – moralische Ebene das ungebrochene Vertrauen wieder an die Oberfläche zu bringen, um damit das Auseinanderfallen der Monarchie zu verhindern. Wie bereits eingangs erwähnt, machte damit das Individuum nicht die Geschichte, aber es war in der Lage, die ideellen Strömungen zu 438 Somogyi (1983), S. 44. Zu ständischen Gedanken auch Kann 2, S. 98. 439 OeStA HHStA SB Familienarchiv Sachsen-Coburg-Gotha II-23-13 (15. Oktober 1865). 440 Italien scheint Stephan grundsätzlich anders wahrgenommen zu haben als andere Herrschaftsteile. Dem folgt auch Judson, der in seinem Buch nicht auf Italien eingeht. Das ist insofern berechtigt, als die Loslösung vom Habsburgerreich dort die Essenz des Handelns war; Altgeld, S. 238–300. Letztlich verkürzt diese Argumentationsweise aber auch beträchtlich. 441 OeStA HHStA SB Familienarchiv Sachsen-Coburg-Gotha II-23-13 (6. Januar 1866).
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lenken und zu aktivieren, die Geschichte machten. Das ist nicht heroisch, aber doch sehr individualistisch gedacht. Der Bericht Clementines von Sachsen-Coburg über den herzlichen Empfang des Kaiserpaares in Buda-Pest im Februar 1866 wird Stephan in seinem Glauben bestärkt haben.442 Aus Wiener Sicht musste das allzu spekulativ bleiben, weshalb viele verschiedene Überlegungen angestellt wurden, wie weiter zu verfahren sei. Eine Entscheidung brachte schließlich erst die österreichische Niederlage im Krieg gegen Preußen. Hannover, Kurhessen, Hessen-Homburg und Frankfurt gingen in Preußen auf, was Stephan als Zeichen des Machtstrebens schlimm genug erschien. Dass Nassau aber 1866 preußisch wurde, betraf ihn ganz unmittelbar. Auch hier war die Heiligkeit der Verträge und die Ehrfurcht vor dem Gesetz, ohne die „kein civilirter Staat denkbar ist“,443 zerstört worden. All das waren ihm Anzeichen für die fehlende Moral in der Politik, die sich in Raubzügen manifestierte.444 Das rein dynastisch-legitimistisch argumentierende Österreich wurde also auch unter diesem Aspekt zum Vertreter der gerechten Sache.445 Die österreichische Presse hatte diesen Krieg auch als Kampf des Liberalismus, für den die Habsburgermonarchie stehe, interpretiert. Das Reich könne sich der Rückendeckung des Dritten Deutschlands gegen das Preußentum sicher sein.446 In diesem Sinne war natürlich Stephan auch ein Liberaler, weil er aufs Engste mit diesem Dritten Deutschland – vorrangig den mittel- und süddeutschen Staaten – verbunden war und das föderative System des Deutschen Bundes gegen Hegemonialbestrebungen verteidigte, die Preußen geltend machte. Mit politischem Liberalismus hatte dies nichts zu tun, ebenso wenig wie ausgerechnet die Donaumonarchie als liberaler Staat zu gelten hatte.447 Hier verwischten sich wieder Definitionen. Als 1866, in Anbetracht der prekären Situation der Donaumonarchie, der Ausnahmezustand in Ungarn aufgehoben worden war, äußerte sich Stephan ausführlicher und erleichtert, obwohl sich der Dualismus, den Belcredi hatte 442 OeStA HHStA SB Familienarchiv Sachsen-Coburg-Gotha II-23-13 (19. Februar 1866). 443 Haidinger (1897), S. 83 und 87 (bereits 1860 an Haidinger); HLA HHStAW Best. 1174 Nr. 11 (7. Mai 1859). 444 Haidinger (1897), S. 83. 445 HLA HHStAW Best. 1174 Nr. 11 (7. Mai 1859). 446 Somogyi (1983), S. 56–57. 447 Probleme mit der Definition als Liberaler hatte bereits Erzherzog Johann, der diesen Begriff für sich akzeptierte, wenn es darum gehe, „das Stillstehen und das Zurücktrachten auf Altes, Verrostetes, nicht mehr Passendes nicht zu billigen und entgegen zu seyn“; Sutter, S. 172. Allerdings meinte er auch: „Liberale, ein Gemeinplatz, wo man gar vieles damit umfanget, ohne recht zu wissen, was man will“; Sutter, S. 181.
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verhindern wollen, nun definitiv Bahn brach.448 Österreich, meinte der Erzherzog, habe mit seiner Vergangenheit gebrochen, was er sehr begrüßte, weil er darin nicht die „Monarchie auf Kündigung“ sehen wollte, wie die liberalen Gegner des österreich-ungarischen Dualismus es taten.449 Die Zustimmung zu Belcredis Programm und zum Dualismus gleichermaßen lässt erkennen, dass Stephan keiner klaren Argumentation folgte. Es dürfte sich mehr um eine emotionale, ungarnfreundliche Haltung gehandelt haben. Darin folgte er Kaiserin Elisabeth, die er in Kissingen etwas näher kennen und schätzen gelernt hatte. Dass sie die ungarische Sprache erlernt hatte und sich für das Land begeistern konnte, brachte ihr Stephans Sympathien ein. Auch hier waren es moralische Bande, die die Beziehung von Herrscher und Beherrschten festigten. Man denke auch an Stephans Bild des Enthusiasmus wie zu Zeiten Maria Theresias. Es ging um die Kraft der Persönlichkeit, um die „Soft Power“, wie es Joseph S. Nye bezeichnet hat, die Vorhandenes unter Beweis stellen und wachrufen und damit Gefüge stärken kann. Keine reinen theoretischen Begriffe, keine Ideologien schaffen Stabilität, sondern die Bindung über Emotionen und Anziehungskraft – die Persönlichkeit.450 Die Kraft von Ideologien oder auch der Massen wurde dabei von Stephan unterschätzt, weil er das – auch im Bild der Standesherrschaft präsente – familiäre Band als ausreichend ansah. Damit stand Elisabeth für Stephan auch dem abstrakten Regierungssystem entgegen, für das Wien, für das die Politik des Kaiserhofes stehen musste. Diese Oppositionshaltung mag beide verbunden haben. Denn Elisabeth hatte Ungarn besonders deshalb ihre Sympathien entgegengebracht, weil es dem ihr verhassten Wiener Hof entgegenstand. Aus dem Pulverfass Ungarn wurde durch Elisabeths Einstellung und in Stephans Augen ein friedliches und sicheres Gebilde. Wenn sie dorthin komme, so schrieb der Erzherzog nach Weimar, brauche es keine Soldaten, keine Nationalgarde und keine Polizeibegleitung, „höchstens aber eine ordentliche Portion Baumwolle für die Ohren, damit das Trommelfell durch die Eljen’s nicht allzu sehr erschüttert werde, die ihr entgegenschallen werden!“451 Das persönliche 448 NLA Oldenburg Dep. 50 Best. 6 M Nr. 44 (4. Oktober 1865). 449 Somogyi (1983), S. 98. 450 Nye, v. a. S. 167. Die Kraft der Persönlichkeit wurde auch im Zusammenhang mit Napoleon eingesetzt, sei es der Persönlichkeit Napoleons oder derjenigen seiner Widersacher; Heyne, S. 137, S. 146–147, S. 193; Franz, S. 328; Hintze, S. 441. Hier geht es aber dann doch zumeist um ein heroisches Element, das Stephan nicht im Blick hatte. 451 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVII Nr. 167 (6. Januar 1866). Zum Vergleich auch die Beschreibung Ungarns durch Stephans Schwester: die „grenzenlosen Ebenen mit goldener sonnendurchfunkelter Saat“, ein Land „der Freiheit, der Träume und der Musik“, die Gastfreundschaft in Schlössern und Bauernhütten und die patriarchali-
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Verhältnis der Herrschenden zum Volk schlug für Stephan also auch in so großen Verbänden wie dem Habsburgerreich bzw. dem Königreich Ungarn zu Buche. Indem das Verhalten der Kaiserin das Band zwischen beiden wiedergestellt hatte, glaubte er an ein Erwachen Österreichs aus seiner Ohnmacht, an eine Machtentfaltung, „die man sich jetzt kaum träumen lässt“. Stephan rechnete mit „Enthusiasmus von unten herauf“, wie er es Jahre zuvor bezeichnet hatte.452 Die Popularität im Volk und dessen Zustimmung war ihm sehr wichtig, so dass das plebiszitäre Element aus seinen politischen Vorstellungen nicht verbannt war. Die Zustimmung und Anhänglichkeit der Bevölkerung war ein hohes Gut – allerdings nur diese, keine Demokratisierung. Dass dann Bereiche geöffnet wurden, die zu ungefragter Anteilnahme, zum Wunsch nach Mitbestimmung oder gar zur Revolution hätten führen können, wollte er in diesen Äußerungen sicherlich nicht in Betracht ziehen. Ansätze und Möglichkeiten einer solchen Sympathiewelle hatte er bereits neun Jahre zuvor erkennen wollen, als das Kaiserpaar 1857 zusammen mit seinen zwei kleinen Töchtern Ungarn bereist hatte.453 Die Kaiserin habe alle bezaubert, schrieb er damals. Dann war Erzherzogin Sophie, die kleine Tochter des Paares, vor Ort verstorben und das Paar hatte Ungarn sofort verlassen. Das allerdings verurteilte Stephan scharf, weil gerade der Tod des Kleinkindes „konzessionirende Gefühle“ hätte hervorrufen können.454 Diese wenig empathische, berechnende Sicht auf die Dinge findet sich bei Stephan auch an anderer Stelle, und zwar immer dann, wenn der Gesamtdynastie Einzelschicksale unterworfen werden sollen. Verluste von Individuen, so schrieb Stephan 1855 an Haidinger, seien „leichter zu ersetzen, als wenn die Sache Schaden leidet.“455 Die Sache war in erster Linie die schon genannte „gerechte Sache“ und diese mit Österreich und daher mit dem Haus Habsburg gleichzusetzen. Schließlich war Stephan ja auch selbst Opfer Habsburgs geworden – auch hier wieder ganz in Schillers Sinn ein Triumph über die private Existenz. Daraus ergab sich in Konsequenz, dass er zwar immer wieder das menschliche Band zwischen Herrschenden und Untertanen intakt sehen wollte, dass dies aber auch mit einem Zwangssystem einherging: im Familienverband der Dynastie, im Untertanenverband der Standesherrschaft und in größeren staatlichen Gebilden. Immer wurde unschen Beziehungen zwischen Gutsbesitzern und Bewohnern der Höfe und Dörfer; Prinzessin Stephanie, S. 55. 452 Haidinger (1897), S. 159 (30. Mai 1865). 453 HLA HHStAW Best. 130 II Nr. 3271, fol. 172ff. (2. Juni 1857). 454 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 a (5. Juni 1857); zur Reise Hamann (1987), S. 118–121. 455 Haidinger (1897), S. 7.
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weigerlich die Loyalität des Einzelgliedes bzw. des Untertans innerhalb des Gesamtverbandes gefordert. Denn jede Abweichung, jede Auflehnung sorgte für Unfrieden. Sowohl innen- als auch außenpolitisch unterlegte Stephan seiner Betrachtung eine ahistorisch verstandene idealisierende Moral, die Bestätigung fand in Leistungsdenken und Selbstvermarktung und gegen das bürokratische System gerichtet war.456 Der Regent, sei es Kaiser oder Standesherr, hatte sich in seiner moralischen Instanz unter Beweis zu stellen, ohne dass Stephan aber überhaupt in Erwägung zog, dass er in seiner Position grundsätzlich in Frage gestellt werden könnte. So sehr manche Überlegung an ein Volkskaisertum oder eine Wohlfahrtsdiktatur napoleonischer Prägung erinnert,457 womöglich sogar an Ideen eines Volkstribuns, letztlich blieb die von Stephan eingeforderte direkte Beziehung zwischen Herrscher und Beherrschtem in ihrer Rückkoppelung auf Moral, Fürsorge und Überwachung doch vorrangig gespeist aus vormodernen Denkmustern. Allerdings trat der Herrscher nicht mehr hinter das Amt zurück, sondern er wurde in seiner ganzen Persönlichkeit vom Amt gefordert und hatte diese darin unter Beweis zu stellen. Das war dynastische Legitimation und amtscharismatisches Idoneitätsdenken in einem. Entsprechend schwer fiel es dem Erzherzog, sich in der als korrupt verstandenen Welt zu verorten, entsprechend leicht aber seinen Mitmenschen, ihn durch die von ihm propagierten epigonalen Gedankenfragmente im jeweils gewünschten Lager zu sehen. Denn Stephan fehlte letztlich genau das, was er eigentlich einforderte: Persönlichkeit.
456 Kraus, S. 265 und S. 289. 457 Tulard (1977), S. 191 und S. 346; Weber, S. 142. Vgl. auch die Ideen eines Königtums der sozialen Reform bei Lorenz von Stein, dazu Bleeck, S. 598.
8. ENDE EINES LEBENSWEGS (1866–1867)
8.1 Kranke Welt, krankes Ich Grau sei er geworden, schrieb der sechsundvierzigjährige Erzherzog Stephan Ende 1863 an die im Bamberger Exil lebende Königin Amalie von Griechenland, die selbst krankhaft nervös war und daran arbeitete, ihren Körper zur Ruhe zu bringen.1 „Erst stickelhaarig braun, dann Grauschimmel – das ist das Loos des Schönen auf Erden!“2 Körperliche Krankheiten und eine labile Psyche hatten ihn immer begleitet. Bereits kurz nach seinem Amtsantritt in Ungarn war von einer zehrenden Krankheit zu lesen, die sein Leben nach Aussage der Ärzte bedrohe.3 Es ist davon auszugehen, dass Stephans Krankengeschichte eine lange Vorgeschichte hatte. Viele Jahre schien dem Erzherzog selbst jedoch kein Grund zur Sorge zu bestehen. Sein schlechter Gesundheitszustand wird aber auf den in den frühen 60er Jahren in Wiesbaden angefertigten Fotografien erkennbar, die entweder ihn alleine oder in Gesellschaft von Verwandten zeigen.4 Dabei hatten gerade diese Jahre einige familiäre Glücksfälle gebracht. Auf Stephans Vermittlung hin5 hatte sein Halbbruder Joseph Clothilde von Sachsen-Coburg geheiratet, eine Tochter des katholischen Prinzen August von Sachsen-Coburg-Koháry und der Tochter des französischen Königs Louis Philippe, Clementine. Beide verbrachten ihre Flitterwochen für vier Wochen auf der Schaumburg, während Stephan mit der Unterkunft im Hof Hausen bei Balduinstein vorliebnahm.6 Den Hof, in dem „die selige Großmutter so gerne geweilt hat“ und wo sie auch verstorben war, hatte der Erzherzog 1851 mit allen zugehörigen Ländereien von den Freiherren vom Stein als Erben käuflich erworben, um das Anwesen nicht „durch fremde 1 2 3 4
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LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 b (28. Juli 1864). NLA Oldenburg Dep. 50 Best. 6 M Nr. 44 (6. November 1863). HLA HStAD Best. G 1 Nr. 182/4 (6. August 1847). StA Diez Sch 55/Sch 332 (3. Januar 1861); HLA HHStAW Best. 1174 Nr. 11 (7. Juli 1863): Eine Fotografie ist mit Marie Henriette zu identifizieren, nicht mit seiner Zwillingsschwester Hermine, wie zumeist zu lesen ist. Vgl. auch die Royal Collection Trust, Album Photographs Royal Portraits vol. 49, https://www.rct.uk/collection/2908104/archduke-stephen-palatine-of-hungary-1817-1867-with-his-sister-marie-henriette (Zugriff 23. Juli 2019), datiert 1862. HLA HHStAW Best. 1174 Nr. 11 (20. September 1863). NLA Oldenburg Dep. 50 Best. 6 M Nr. 44 (20. Mai 1864); BayHStA GHA Nachlass Erzherzogin Elisabeth von Österreich Nr. 98 (29. Mai 1864).
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Abb. 37: Erzherzog Stephan mit seiner Schwester Marie Henriette, 1862 (Royal Collections Windsor)
Hände profaniert“ zu sehen.7 Hausen war seither immer wieder Ausweichund Zufluchtsort Stephans; auch erkrankten Bediensteten stellte er den Hof zu Genesungszwecken zur Verfügung.8 Jetzt also durfte sein Bruder auf der Schaumburg logieren, während Stephan sich zurückzog. Womöglich war dies weniger als Dezenz des Hausherrn zu interpretieren, denn für alle drei Personen wäre auf Schloss Schaumburg genügend Raum vorhanden gewesen. Vielmehr bereitete er bewusst dem Hochzeitspaar, dessen Ehe einen Markstein auf dem Weg der ungarischen Linie des Hauses Habsburgs zur vollen Rehabilitation bildete, die Bühne. Schließlich war – nach der Vermählung Marie Henriettes mit dem belgischen Thronfolger – mit dieser Eheverbindung jener Zweig endgültig im international vernetzten Hochadel angelangt. Damit war auch Stephan zu einer Größe im Umfeld der liberalen Coburger Familienpolitik geworden. Stephans Biographie trat daher um 1864/65 7 8
NLA Oldenburg Dep. 50 Best. 6 M Nr. 44 (20. Mai 1864). StA Diez Sch 55/Sch 332 (11. Juli 1856); NLA Oldenburg Dep. 50 Best. 6 M Nr. 44 (20. Mai 1864). Zu den Auseinandersetzungen um den Erwerb vgl. LATh StA Meiningen Gutsarchiv Barchfeld Akten Nr. 965.
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Abb. 38: Erzherzog Stephan mit seiner Schwester Marie Henriette und Leopold von Belgien (ÖNB Bildarchiv und Grafiksammlung Pf 16258:B)
in eine entscheidende Phase ein: Im Mai 1864 traf er in Coburg anlässlich der Hochzeit seines Bruders den Herzog von Edinburgh als Vertreter von Queen Victoria, Prinz Georg von Sachsen sowie einige Prinzen und Prinzessinnen aus dem Haus Orléans, ganz abgesehen von den Vertretern des Hauses Coburg.9 Stephan verweigerte sich dieser neuerlichen Entwicklung nicht: Je nach Standpunkt war das ein großes Potential oder eine kaum zu steuernde Gefahr. Jetzt, da in Österreich das System des Neoabsolutismus brüchig geworden war und eine Liberalisierung Raum griff, konnte er der Mann der Stunde werden. Sollte Ungarn wieder aus den Fesseln des restriktiven Systems entlassen werden, hatte sich Wien mit ihm ganz notgedrungen zu arrangieren, zumal die Option einer Rückkehr nach Pest weiterhin in den Zeitungen diskutiert wurde.10 Seine Coburger Verwandtschaft musste seinem liberalen Image Auftrieb verleihen und ihn innerhalb des Hauses Habsburg als Vertreter einer anders ausgerichteten Dynastie auszeichnen.
9 Ernst von Sachsen-Coburg III, S. 451. 10 HLA HHStAW Best. 1174 Nr. 11 (7. Juli 1865).
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Sein Cousin, Erzherzog Albrecht, wollte an solche Sonderwege nicht denken. Er sah die Dynastie als bestimmende Instanz, hinter der jedes Familienmitglied zurückzutreten hatte und in der auch kein Erzherzog gegen den anderen ausgespielt werden durfte.11 Just in der Konkurrenz lag für Albrecht das Unberechenbare für die Dynastie. Stephans Ehrgeiz und sein Renommee ließen ihn gefährlich sein. Selbst die Zurückdrängung durch den Wiener Kaiserhof hatte ihn nicht zum Verschwinden bringen können, und jetzt stützte ihn auch noch das internationale Coburger Netzwerk. Die persönliche Entwicklung Stephans schien viele Optionen bereitzuhalten. Doch wurden alle Möglichkeiten durch den schlechten Gesundheitszustand des Erzherzogs vereitelt. Bereits im September 1864 nahm er – wie bereits erwähnt – im Inkognito eines Grafen von Steinsberg zwölf Bäder in Wildbad, um seine Nerven zu beruhigen.12 Hatte ihn die Herausforderung dieser neuen Lebensperspektive angegriffen? Er genoss den komfortablen Aufenthalt, und es konnte die bereits angesprochene entspannte Reise in die Schweiz folgen. Im Frühjahr 1865 wäre Stephan beinahe wieder nach Wien gereist, wenn seine Schwägerin Clothilde einen Jungen zur Welt gebracht hätte. Da dem nicht so war, blieb er allerdings auf der Schaumburg.13 Kurz nach einem Jagdaufenthalt in Bödefeld (Sauerland) ist dann bereits von einem hartnäckigen Magenkatarrh die Rede,14 dem Stephan durch Emser Wasser entgegenzutreten hoffte.15 Doch das half nichts. Als ihn der Sohn Erzherzog Johanns, der Graf von Meran, auf der Schaumburg besuchte, plagten ihn Husten sowie Magen- und Unterleibsbeschwerden, weshalb ihm eine Badekur verschrieben worden war.16 Eine psychosomatische Erkrankung ist hier nicht ganz auszuschließen, zumal ihn sein langjähriger Weggefährte, der Freiherr Anders, mit seiner Familie in Richtung Graz verlassen hatte, weil dessen Sohn dort studieren wollte.17 Ersetzt wurde Anders durch den Grafen Rudolf Constantin Wratislaw, der bereits während 11 Stickler (1997), S. 262. 12 StA Diez Sch 55/Sch 332 (12. September 1864); HLA HHStAW Best. 1174 Nr. 11 (17. September 1864). 13 HLA HHStAW Best. 1174 Nr. 11 (7. März 1865); OeStA HHStA SB Familienarchiv Sachsen-Coburg-Gotha II-23-13 (24. März 1865); Haidinger (1897), S. 152. 14 Haidinger (1897), S. 157 (9. Mai 1865); Daum, S. 139–140: Stephan hatte die dortige Auerwildjagd gepachtet. Anders (1868), S. 350, spricht von einer Jagd im Kurhessischen. 15 HLA HHStAW Best. 1174 Nr. 11 (27. Mai 1865). 16 Haidinger (1897), S. 161–162; OeStA HHStA HA Familienkorrespondenz A 52-19-6 (6. Juni 1865). 17 HLA HHStAW Best. 1174 Nr. 11 (7. Juli 1865); OeStA HHStA SB NL Adolf Braun (12. April 1865).
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Stephans Amtszeit in Böhmen als dessen Präsidialsekretär gewirkt hatte.18 Doch war die Psyche nicht an allem schuld. Alarmiert stellten die Ärzte fest, dass Stephans Lunge angegriffen war. Erst in der warmen Jahreszeit wurde es wieder etwas besser, und der Patient konnte wieder ausgehen und sich bewegen, „wenn auch langsam, und das ist für mich eine Lebensfrage!! Nun soll ich erst mich scheußlich ruhig halten, das thue ich; Niemand empfangen, das thue ich; mich langweilen, das thue ich; viel schlafen, das thue ich – mit einem Worte, alles unterlassen, was früher meine Gewohnheit war. Dagegen viel essen, was früher nicht meine Gewohnheit war.“19 Man riet ihm zu einer Vorkur in dem östlich von Wiesbaden gelegenen Bad Weilbach,20 „wo ich durch sterbliche Langeweile kurirt werden soll!“ Wie ihm mitgeteilt worden war, kommentierte Stephan ironisch, seien dort schon drei Kurgäste vor Langeweile verstorben,21 ja ein dortiger Aufenthalt gehöre zum gräßlichsten, was einem Menschen widerfahren könne.22 Man werde, nach Stephans Worten, nicht dorthin geschickt, sondern nur „condemnirt“.23 Als Verdammter mietete er sich also vom 15. Juli bis 20. August in der Villa des Arztes Dr. Stifft24 ein. Er war zu diesem Zeitpunkt bereits auf 51,5 kg abgemagert, und neben dem Husten plagten ihn fortwährende Unterleibsbeschwerden. Die Wahrnehmung Weilbachs lässt Rückschlüsse auf sein damaliges Leben zu, das endgültig nichts mehr mit dem vergessenen Exilanten zu tun hatte. „Soll das nicht langweilig sein, ganz zurückgezogen und allein zu leben, in einem Badeort zu sein in extremer Gegend, der nur 3 Häuser zählt“?25 Oder noch drastischer: „Sonst erscheint die Existenz in diesem Schmackerlbade eine wahrhaft trostlose. Drei Häuser mit circa 60 Curgästen, eine Gesellschaft, so gemischt wie Spülichwasser aus einer großen Herrschaftsküche und nichts wie Hustende und Spuckende! Was mir dann am meisten abgeht, sind die Berge, nichts
18 OeStA HHStA HA Familienkorrespondenz A 52-19-6 (5. Januar 1865); BLKÖ 58 (1888), S. 167. 19 HLA HHStAW Best. 1174 Nr. 11 (20. Juni 1865). Vgl. dazu auch das Ebner-Tagebuch, S. 123 (10. September 1842): Stephan esse sehr wenig und trinke nur Wasser. 20 Nitz, S. 264–270. In den „Innsbrucker Nachrichten“ war zu lesen, Stephan gehe wegen eines Augenleidens nach Weilbach; Innsbrucker Nachrichten Nr. 154 (8. Juli 1865), S. 1387. Die Ärzte hätten ihm das Sprechen und jede „ernste Thäigkeit“ verboten. Dieser Umstand lasse aber darauf schließen, was davon zu halten sei, dass Stephans Name wieder einmal in „politische Combinationen“ einbezogen werde. 21 StA Diez Sch 55/Sch 332 (4. Juli 1865). 22 NLA Bückeburg F 1 A XXVI Nr. 9 (18. August 1865). 23 StA Diez Sch 55/Sch 332 (4. Juli 1865). 24 Renkhoff, S. 786–787. 25 HLA HHStAW Best. 1174 Nr. 11 (7. Juli 1865). Näheres auch bei Pons (2019), Kur, o. S.
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als fruchtbare Ebene, wallendes Getreide, jetzt Stoppelfelder, und wenn die Sonne sticht, eine Hitze, um darob zu Grunde zu gehen!“26 Jetzt fühlte sich Stephan erst richtig ins Exil versetzt. Der Abstieg schien ihm deshalb so gravierend, weil seine Bezugsgröße nicht die Herrschaft Schaumburg war, so sehr er sie zur heilen Welt stilisierte, sondern nach wie vor die große Welt: die Besuche auf der Schaumburg, Stephans Begegnungen mit Kaiserinnen und Herrschern, die Kontakte zu Mitgliedern des Hauses Habsburg. Erzherzog Stephan fühlte sich durch seine Erkrankung an „Magen und Nerven“ um sein Leben gebracht, das wieder im Aufwind begriffen war.27 Und dafür stand ihm Weilbach, „das gräßlichste Bad Nassau’s, vielleicht ganz Deutschlands.“28 Sicherlich war Stephan deshalb sehr erleichtert, als er schließlich Ende August 1865 nach Franzensbad zu Kurarzt Dr. Paul Cartillieri wechselte, wo ihm bereits gut zwanzig Jahre zuvor „radikal“ geholfen worden war.29 Stephan schwärmte regelrecht von Franzensbad, von dessen Eleganz und Qualität. „Zehn bis zwölf Minuten in einem solchen Bade […] bringen einen merkwürdigen Hautreiz, eine prickelnde Körperwärme und ein solch’ behagliches Gefühl hervor, als wie man es in seinen Wirkungen bei einem Menschen zu sehen gewohnt ist, der sich einen kleinen Spitz geholt, ohne im Mindesten angetrunken zu sein.“ Aber es war nicht nur die medizinische Wirkung allein, sondern auch das Aufblühen des Kurortes, das Stephan begeisterte: über neunzig Häusernummern, drei neue Gassen mit prächtigen Gebäuden und vergrößerte Anlagen. Eine noch mit Häusern zu bebauende Straße zum Bahnhof sollte künftig sogar nach dem ehemaligen Statthalter von Böhmen „Stephansstraße“ benannt werden.30 Der Erzherzog nahm mit seinem Halbbruder Joseph und seiner Schwägerin Clothilde an der Taufzeremonie der Straße persönlich teil und wertete diesen Akt als Zeichen großer Anhänglichkeit. Auch in Eger und Ellbogen sowie der Umgegend hatten ihm Ovationen entgegengebracht werden sollen, die Stephan aber vermied. Nicht entgehen aber konnte er in Franzensbad einem Ständchen des Schützencorps, einem Feuerwerk der Stadtgemeinde mit seinem Namenszug als Schlussdekoration sowie der Darbringung einer Messe durch den örtlichen 26 27 28 29
Haidinger (1897), S. 165. StA Diez Sch 55/Sch 332 (22. August 1865); Haidinger (1897), S. 167. LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVII Nr. 167 (12. September 1865). HLA HHStAW Best. 1174 Nr. 11 (24. August 1865); LHA Koblenz Best. 47 Nr. 15177 (1. September 1865). Das genaue Datum gibt auch die Kurliste nicht an; Liste der Franzensbader Curgäste 1865, Nr. 51 (8. September 1865). Stephan hielt sich zusammen mit Wratislaw und fünf Personen Gefolge unter dem Pseudonym eines Grafen von Steinsberg in Franzensbad auf. 30 Haidinger (1897), S. 171.
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Gesangsverein. All das rührte ihn zu Tränen, wie er an verschiedene Adressaten schrieb.31 Gegenüber Boos sprach er von Dankbarkeit ihm gegenüber, die noch in den Herzen der Böhmen verankert sei. Diese Dankbarkeit grenzte an eine kaum rational zu fassende Verehrung,32 gerade auch in der Situation, in der seine Bedeutung wieder wachsen konnte. Lediglich das Publikum in der Nachsaison vor Ort fand nicht Stephans Gnade: Nur wenige „Persönlichkeiten“ seien darunter gewesen.33 In Franzensbad traf er daher auch nicht mit jenen Kreisen zusammen, denen er in Kissingen, Schwalbach oder Ems begegnet war. Das war der Grund, weshalb er Amalie von Griechenland gegenüber Franzensbad als „langweilig, aber paisible“ bezeichnete – ein merkwürdiger Widerspruch zu anderen Aussagen. Womöglich war das darauf zurückzuführen, dass er sich in der Korres pondenz mit ihr geistig in Sphären des europäischen Hochadels bewegte, denen Franzensbad in der Nachsaison nicht genügen konnte, während er Haidinger und Boos von seiner Beliebtheit überzeugen wollte. Welchem Stephan zu glauben war, ist nicht zu beantworten.34 Nach seiner vorzeitigen35 Rückkehr auf die Schaumburg hatte man ihm empfohlen, sich über den Winter nach Mittelitalien oder Südfrankreich zurückzuziehen, was er mit seiner Stellung als Erzherzog von Österreich jedoch als unvereinbar betrachtete.36 Vorschläge wie Alexandria, Kairo, Madeira, Nizza oder Menton wurden von den Ärzten und dem Kaiser abgelehnt.37 Die Wahl fiel daher auf Südtirol als Kompromisslösung, da in 31 Haidinger (1897), S. 171; NLA Oldenburg Dep. 50 Best. 6 M Nr. 44 (28. September 1865); StA Diez Sch 55/Sch 332 (29. September 1865); OeStA HHStA HA Familienkorrespondenz A 52-19-6 (29. September 1865); ÖNB Autogr. 55/33-16 (12. Oktober 1865). 32 Neue Freie Presse Nr. 1435 (29. August 1868): „,Beliebt‘ ist kein rechter Ausdruck für das, was der Erzherzog-Gouverneur in Böhmen ist. Beliebt waren auch Graf Chotek und Andere, da sie auf dem Hradschin weilten und regierten, Erzherzog Stephan aber wird in des Wortes schönster Bedeutung verehrt.“ 33 „[…] eine Unmasse polnischer Juden in Seidenkaftans bis an die Erde und Gesichtern, denen man sich nicht in’s Bad nachsehnt“; LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVII Nr. 167 (12. September 1865); ähnlich NLA Oldenburg Dep. 50 Best. 6 M Nr. 44 (28. September 1865). 34 Ab 10. September besuchte ihn sein Halbbruder Joseph mit Familie, auch Szuborits stieß dazu; Liste der Franzensbader Curgäste 1865, Nr. 52 (12. September 1865). 35 Wegen des frühzeitigen Einbruchs der kalten Jahreszeit; BayHStA GHA Nachlass Erzherzogin Elisabeth von Österreich Nr. 98 (25. Februar 1866). 36 HLA HHStAW Best. 1174 Nr. 11 (25. September 1865). 37 Franz Joseph waren wohl Nizza und Livorno vorschlagen worden, was er aber aus politischen Gründen zurückwies; OeStA HHStA SB Familienarchiv Sachsen-Coburg-Gotha II-23-13 (6. Januar 1866). Zur Bedeutung dieser Orte vgl. auch Dupont, S. 7, wobei sich ihre Relevanz für Nerven- und Lungenkrankheiten vermischte. Vgl. dazu auch Radkau, S. 118–119.
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Venedig, die andere Alternative, Öfen eine Seltenheit und Steinfußböden üblich seien, was seiner Gesundheit wiederum schaden könnte. So erklärte er den Sachverhalt zumindest dem nassauischen Pädagogen Kehrein und ähnlich auch den Mineralogen Haidinger und Senoner in Wien.38 Erzherzog Albrecht gegenüber aber ist eine andere Variante zu lesen. Dieser hatte Stephan sehr dazu geraten, das kaiserliche Angebot anzunehmen. Schließlich hatte der Kaiser Stephan seinen Palast in den Neuen Prokuratien in Venedig angeboten, sollte er sich für einen dortigen Aufenthalt entscheiden.39 Doch Stephan lehnte ab. Venedig sei voll von hohen Herrschaften, die nicht zu vermeiden seien, voll von Autoritäten, die man nur vor den Kopf stoßen könne, wenn man sie umgehe, und voll von Eleganz, die eine große Toilette auf dem Markusplatz erfordere. Venedig könne daher nur das notwendige Übel sei, wenn sich Südtirol witterungsbedingt als ungeeignet erweise.40 Letztlich offenbart sich in diesen Worten, dass es Stephan darum ging, in Venedig zu repräsentieren und sein gesellschaftliches Leben auszubauen, das er in den zurückliegenden Jahren wiedergewonnen hatte, was ihm aber aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich gewesen wäre. Die Bühne hätte zur Verfügung gestanden, aber der Körper spielte nicht mehr mit. Gegenüber dem biederen nassauischen Schulmann, dem gegenüber sich Stephan als bodenständiger Standesherr gab, wäre eine solche Argumentation verfehlt gewesen, weshalb eben die vermeintlich schlechten Heizmöglichkeiten als Hinderungsgrund herhalten mussten. Ort der Wahl war Gries bei Bozen, das sich als Kurort für Lungenkranke etabliert hatte und bereits von vielen hochadeligen Personen besucht worden war. Auch konnte ein Besuch bei Bedarf jährlich wiederholt werden. Gries war „nicht amüsant, aber sehr heilsam“.41 Die nach ihrem Erbauer benannte Villa Aufschnaiter (Grieserhof) diente dort als Unterkunft und konnte fünf „große“ Familien, das heißt vor allem Gäste der höheren Gesellschaft, aufnehmen. Sie galt als Refugium der Ruhe und konnte mit Agaven und Palmen aufwarten. Stephan hoffte, auf dem Weg dorthin seine Jugendfreundin Amalie von Griechenland in Bamberg besuchen zu können. Die Ärzte hätten ihn zwar lieber unter eine „Glasglocke gestellt“,42 aber er fühlte sich so weit gestärkt, dass er mit einem Kammerdiener und einem Lakaien den Umweg über Bamberg nahm, nachdem er zunächst noch mit 38 HLA HHStAW Best. 1174 Nr. 11 (25. September 1865); Haidinger (1897), S. 171; OeStA HHStA HA Familienkorrespondenz A 52-19-6 (6. Januar 1866). 39 StA Diez Sch 55/Sch 332 (26. Oktober 1865); HU MNL OL P 301 (12. Februar 1866). 40 HU MNL OL P 301 (27. Februar 1866). 41 StA Diez Sch 55/Sch 332 (26. Oktober 1865); HU MNL OL P 301 (12. Februar 1866); Dupont, S. 14–15; Höffinger, S. 24. 42 NLA Oldenburg Dep. 50 Best. 6 M Nr. 44 (28. September 1865).
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Wratislaw einen Abstecher nach Wiesbaden zu Herzog Adolph gemacht hatte.43 Wratislaw, der gerade erst die Nachfolge Anders’ angetreten hatte, kehrte anschließend direkt auf die Schaumburg zurück, angeblich damit er die dortigen Verhältnisse kennenlerne und sich auch seine junge Ehefrau dort eingewöhne.44 Von Bamberg aus wurde die Reise nach Bozen in einem prächtigen Eisenbahnwagen mit drei Compartimenten und einem Salon bis Kufstein fortgeführt. In München empfing den Erzherzog in Abwesenheit des Königs und anderer Mitglieder der königlichen Familie nur der Bahnhofsverwalter mit Personal. Die Nutzung der königlichen Wartehalle lehnte Stephan ab. Zwischen Innsbruck und Gries musste er auf Postkutschen umsteigen, „eine Post schlechter als die andere“.45 In der Villa Aufschnaiter sagte ihm das Einsiedlerleben eines Kurgastes wenig zu, und Stephan wurde mäkelig, obwohl die komplett möblierten und eingerichteten achtzehn Zimmer dazu sicherlich keinen Anlass gaben.46 Eine Besserung war nicht zu erkennen, die Gottesdienste in der nahe gelegenen Klarissenkirche waren so früh angesetzt, dass man zeitig aufstehen musste, und Luise, eine der unverheirateten Schwestern Herzog Friedrichs VIII. von Schleswig-Holstein, machte Stephan alles nach und suchte seine Nähe – „vielleicht hofft sie auf – brr! Schrecklicher Gedanke!“ Auch die Spazierfahrten mit Esels- oder Maultierwagen, die auch nur möglich waren, wenn es die Temperaturen zuließen, genügten ihm nicht, so dass bald der gesamte Lesestoff ausgelesen war.47 Als Gesellschafter diente dem Erzherzog nur der Oberkommandant Tirols, Feldmarschallleutnant Graf Castiglione, und – wohl etwas später – Ministerialresident Baron Alter.48 Besuche auf den Besitzungen des Erzherzogs Heinrich in der Nähe von Bozen, deren Garten Erzherzog Rainer angelegt hatte,49 füllten Stephan nicht aus, und 43 NLA Oldenburg Dep. 50 Best. 6 M Nr. 44 (4. Oktober 1865); NLA Oldenburg Dep. 50 Best. 6 M Nr. 44 (7. November 1865); HLA HHStAW Best. 130 II Nr. 2918 (13. November 1865). 44 Ein Koch, ein Sekretär und ein Diener gingen nicht mit nach Bamberg, sondern direkt nach Südtirol; Haidinger (1897), S. 174. Später schrieb er, die Ehefrau Wratislaws nicht bei sich haben zu wollen, weil sie „ganz nervös“ geworden sei; OeStA HHStA SB Familienarchiv Sachsen-Coburg-Gotha II-23-13 (9. Juli 1866). 45 NLA Oldenburg Dep. 50 Best. 6 M Nr. 44 (27. November 1865). 46 NLA Bückeburg F 1 A XXVI Nr. 9 (2. November 1865). 47 NLA Oldenburg Dep. 50 Best. 6 M Nr. 44 (20. Dezember 1865); OeStA HHStA SB Familienarchiv Sachsen-Coburg-Gotha II-23-13 (6. Januar 1866). 48 HLA HHStAW Best. 1174 Nr. 11 (1. Januar 1866); NLA Oldenburg Dep. 50 Best. 6 M Nr. 44 (27. April 1866). 49 Erzherzog Rainer hatte sich nach seiner Demissionierung als Vizekönig in Mailand nach Bozen zurückgezogen und sich dort v. a. als Natur- und Pflanzenfreund betätigt. Nach sei-
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Bozen selbst war ihm zu krähwinkelig, und „Krähwinkeltempo“ sei „ärger als Langeweile“.50 Wissenschaftliche Betätigung war ihm angeblich verboten worden, und einen Mineralienhandel gab es vor Ort nicht, so dass er sich – wenn überhaupt – diesbezüglich an wandernde Händler halten musste.51 Über den Winter setzte ihm die Kälte zu, aber auch persönliche Schicksalsschläge machten ihm zu schaffen. Dass das erste Kind seines Halbbruders Joseph verstarb und die trauernden Eltern zu ihm nach Gries kamen, verschärfte Stephans Krankheit und Missstimmung. Ihn plagte zusätzlich Gesichtsrheumatismus.52 Sogar von einem Zusammenbruch ist die Rede.53 Seine Einschätzung der Lage in einer Aussage von ätzender Schärfe ist dieser Situation geschuldet: Die in der „Bozener Zeitung“ zu lesenden Todesfälle seien alle „mehr oder minder lauter Opfer ärztlicher Gewissenlosigkeit, die ihre Patienten dahin schicken, um sie los zu werden und sagen zu können: selbst ein wärmstes Klima hat ihnen nichts genützt“.54 Ab Mitte Februar besserte sich Stephans Gesundheit aber dann doch zusehends, so dass wieder an die Heimkehr auf die Schaumburg zu denken war. Erneut kamen Gedanken auf, das Angebot des Kaisers wahrzunehmen und den kaiserlichen Palast in Venedig zu beziehen. Baumeister Boos hatte ihm als Aufenthaltsort allerdings Menton vorgeschlagen; als Erzherzog hielt Stephan das aber nach wie vor für ausgeschlossen. Jeder Schritt, den ein Erzherzog tue, werde beobachtet und bewertet. Frankreich und Italien seien ihm deshalb verwehrt. Im Gespräch war auch ein Besuch in Wien bei Kaiser Franz Joseph, der sich sogar heimlich nach Stephans Befinden erkundigt hatte. Der Erzherzog wertete diese Fürsorge, von der er merkwürdigerweise nichts hatte erfahren sollen, als heilsame Medizin.55 In den Zeitungen wurden erneut Erwartungen geschürt: Das Kaiserpaar werde demnächst nach Alcsút gehen, hieß es im „Fremdenblatt“, und Stephan werde kurzzeitig auf
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nem Tod lebte sein Sohn Heinrich in dessen Palais in der Mustergasse; BLKÖ 7 (1861), S. 126. NLA Oldenburg Dep. 50 Best. 6 M Nr. 44 (20. Dezember 1865). Noch 1862 war er davon ausgegangen, dass gut Ding „Langeweile“ brauche; OeStA HHStA HA Familienkorrespondenz A 52-19-6 (12. Mai 1862). OeStA HHStA HA Familienkorrespondenz A 52-19-6 (27. Oktober 1865). StA Diez Sch 55/Sch 332 (15. Januar 1866). Auch die Geschwister Clothildes, Prinzessin Amelie und Prinz Philipp von Sachsen-Coburg, besuchten Stephan in Gries; OeStA HHStA SB Familienarchiv Sachsen-Coburg-Gotha II-23-13 (1. Februar 1866); BayHStA GHA Nachlass Erzherzogin Elisabeth von Österreich Nr. 98 (25. Februar 1866). StA Diez Sch 55/Sch 332 (15. März 1866). LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVII Nr. 167 (26. Januar 1866). Zum Todesfall des Kindes ebd. und StA Diez Sch 55/Sch 332 (22. Januar 1866); HLA HHStAW Best. 1174 Nr. 11 (1. Januar 1866). HU MNL OL P 301 (27. Februar 1866).
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die Schaumburg zurückkehren, um sich dann dauerhaft in Österreich niederzulassen.56 Diese Vermutungen waren wieder einmal unbegründet, hielten ihn aber trotz seiner Erkrankung im Bewusstsein. Die in den Zeitungen platzierten rührenden Geschichten, wie er inkognito zusammen mit Bruder und Schwägerin die Kinder eines armen Tagelöhners in Gries neu eingekleidet habe, bildeten einen weiteren Mosaikstein zum Bild Stephans als großem Sympathieträger.57 Nachdem aus gesundheitlichen Gründen Besuche Stephans in Wien beim Kaiser, in Graz bei den Familien Meran und Washington, in Brünn bei seiner Schwester Elisabeth und in Linz bei seinem Halbbruder Joseph verschoben worden waren,58 kehrte er am 19. April auf die Schaumburg zurück, auch wenn er seine „Heiterkeit“ verloren hatte, wie er selbst bekannte.59 Dabei verband sich auch die große Politik mit dem persönlichen Gesundheitszustand. Krieg zwischen Preußen und Österreich drohe, Nassau werde unwillkürlich mit hineingezogen, werde schließlich annektiert „und ich mit ihm“, wie Stephan nach Oldenburg schrieb.60 Immer häufiger verband er sich und sein Schicksal mit den politischen Weltereignissen, so als spiegele sich sein Gesundheitszustand in ihnen oder umgekehrt. Das begann, wie dargelegt, schon damit, dass er angesichts des Sistierungspatents, das die Verständigung zwischen Österreich und Ungarn herbeiführen sollte, die Frage aufwarf, ob er nicht um achtzehn Jahre zu früh auf die Welt gekommen sei. „Zu früh“ – so als ob er in seinem Zustand definitiv nichts mehr ausrichten könne in der Welt.61 Nach seiner Rückkehr aus Gries auf die Schaumburg wurde diese Verbindung quasi eine Konstante, was auch im sich zuspitzenden Konflikt zwischen Preußen und Österreich begründet lag, der zum Krieg führen sollte. Stephan und Österreich wurden in dieser Wahrnehmung beide zu Patienten. „Armes Oesterreich: So oft es daran ist, sich zu erholen, so oft man hoffen kann, nun kommt es wieder auf einen grünen Zweig, kommt die Schlechtig-
56 HU MNL OL P 301 (23. März 1866). 57 Der Volksbote für den Bürger und Landmann Nr. 21 (28. Mai 1866), S. 48; Beiwagen zum Volksboten Nr. 21 (28. Mai 1866), S. 48; Passauer Zeitung Nr. 140 (23. Mai 1866); Tetschner Anzeiger Beilage Nr. 20 (19. Mai 1866), S. 185; Klagenfurter Zeitung Nr. 113 (19. Mai 1866), S. 451. 58 HU MNL OL P 301 (1. April 1866). 59 NLA Oldenburg Dep. 50 Best. 6 M Nr. 44 (27. April 1866); HU MNL OL P 301 (20. April 1866). 60 NLA Oldenburg Dep. 50 Best. 6 M Nr. 44 (27. April 1866). 61 NLA Oldenburg Dep. 50 Best. 6 M Nr. 44 (4. Oktober 1865).
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Abb. 39: Erzherzog Stephan, um 1860–65 (Sammlungen der Stadt Diez)
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keit der Nachbarn in’s Spiel und vereitelt alle Hoffnungen sozusagen über Nacht!“62 Genesung war also für beide Seiten nicht in Sicht. Als nach einer Molkenkur, vielem Schweigen und dem Versagen jeglicher Audienzen für Stephan erneut eine Kur in Franzensbad angesetzt wurde, unkte er, dass die Preußen auch ihn auf dem Gewissen hätten, wenn diese Kur – wegen des Krieges – nicht zustande kommen sollte.63 Österreich, Nassau und Stephan verschwammen in ihrer Bedrohung miteinander, und Preußen mit seinen „Annectirungsgelüsten“ war die große Gefahr – fast eine Art Krankheit. Mit vollem Recht erzähle man sich, so Stephan, dass der Demokrat Ferdinand Cohen-Blind, der am 7. Mai 1866 in Berlin ein gescheitertes Attentat auf Bismarck verübt hatte, von Petrus nicht in den Himmel eingelassen worden sei, weil er nicht getroffen habe. Preußen war die „Geißel Deutschlands“, da es ungehemmt seinen Großmachtgelüsten fröne.64 All das, so bekundete Stephan, ruiniere seinen ohnehin geschädigten Magen gänzlich. Selbst das Wetter spielte in diesem Szenario mit. Denn in Wien herrschte eine so große Kälte, dass das Vieh in einer landwirtschaftlichen Ausstellung erfror. Stephan deutete dies als Zeichen für die Kälte, „mit der uns die Preußen behandeln.“65 Die große Krise kam also durch Preußen über Österreich, das Stephan – wie sich selbst – in einer Opferrolle sah. Er verschwieg freilich, dass er an seiner Erkrankung nicht ganz unschuldig war. Trotz seines schlechten Gesundheitszustandes hatte er auf der Schaumburg noch an einer Jagd teilgenommen, vor Anstrengung sich aber dabei auf den Boden setzen und rasten müssen.66 Diese Jagd war wohl eine Art Ersatz für die bereits angemietete Auerhahnjagd in Westfalen gewesen. Da sich das Gebiet auf preußischem Territorium befand, hatte Stephan angesichts der politischen Lage auf deren Durchführung verzichten müssen.67 Auch war bedenklich, wie „Schandblätter“, von denen es seiner Einschätzung nach in Preußen viele gab, auf seine Jagd in Preußen reagieren würden. So also blieb nichts als die kleinere Variante auf der Schaumburg, aber auf diese wollte er nicht verzichten. Natürlich waren viel Ironie und Sarkasmus bei seinen Bemerkungen über Preußen im Spiel, aber das ständige Ineinandergreifen der eigenen Befind62 Haidinger (1897), S. 177 (28. April 1866). 63 GNM Historisches Archiv, Autographen, Allgemeine Reihe K 24, Stephan Erzherzog von Österreich (11. Mai 1866). 64 Haidinger (1897), S. 178. 65 Haidinger (1897), S. 182. Zu den Beziehungen zwischen Tuberkulose und psychischen Auswirkungen vgl. Kropp, passim. 66 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 167, Bl. 95–100 (18./19. März 1867), Bericht Wratislaws. 67 HU MNL OL P 301 (23. April 1866).
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lichkeit und der politischen Lage weist doch auf einen sehr subjektiven Zugang zur Weltlage hin. Die Zeitverhältnisse spielten ihm dieses Verständnis noch zu. Anfang Juni 1866 befand sich Stephan erneut bei Dr. Cartillieri in Franzensbad zur Behandlung. Wegen seines Zimmerarrestes konnte Stephan allerdings keine Besuche bei anderen Kurgästen machen, die ohnehin im Vergleich zum Vorjahr deutlich zurückgegangen waren. Er verlebte seine Tage in der Gesellschaft Wratislaws, des Sekretärs Cybulak sowie einiger hoher Offiziere. Stephan verwahrte in seinem Zimmer wichtige Briefe und Dokumente sowie Teile seiner Mineraliensammlung auf, die er vor der möglichen Plünderung der Schaumburg in Sicherheit gebracht hatte. Offiziell hatte er sie mitgenommen, weil sie in Österreich gezeichnet werden sollten.68 Die Kriegsvorbereitungen hatte Stephan noch in Böhmen mit Schaudern und großer Bewunderung für die Technik auf sich wirken lassen. In knapp zwei Stunden hatte er 43 Eisenbahnzüge, die Betriebsmaterial aus Sachsen nach Bayern flüchteten, an sich vorbeifahren sehen. Zum Teil führten sie vierzig und mehr Personenwaggons mit sich nach Regensburg. Siebzehn bis zwanzig Lokomotiven waren zusammengehängt worden, Maschinen ohne Kohlentender, „ein Tableau nicht zum Beschreiben!“69 Obwohl er so lange dafür plädiert hatte, dass es nicht zum Krieg kommen möge, hoffte er jetzt, dass Gott die österreichischen Waffen segnen werde, um die Niederlagen von Magenta und Solferino wiedergutzumachen „und den Preußen zu beweisen, daß wir – keine Dänen, der Soldaten Brüste treuere Schanzen für Ehre und Pflicht sind wie Düppel und Alsen“.70 Denn die Niederlagen von Magenta (4. Juni 1859) und Solferino (24. Juni 1859), durch welche die Einigung Italiens in Verdrängung Österreichs von der Halbinsel begonnen hatte, hatte für ihn einen nachhaltigen „moralische[n] Eindruck“ hinterlassen, sprich: das Ansehen des aktiven Oberbefehlshabers, Kaiser Franz Joseph persönlich, geschwächt.71 Die martialischen Töne Stephans steigerten sich in jenen Tagen mehr und mehr. Aus Schaumburg erhielt er laufend Berichte über den Sachstand. Er konnte beruhigt sein, denn noch waren keine Preußen vor Ort. Wenn es so weit käme, wollte sich Stephan an das preußische Kriegsministerium wen68 Haidinger (1897), S. 183; LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 b (18. Juni 1866); Liste der Franzensbader Curgäste Nr. 4 (5. Juni 1866), mit sieben Personen Gefolge. 69 Haidinger (1897), S. 185. 70 Haidinger (1897), S. 186. Am 18. April 1864 waren im Deutsch-Dänischen Krieg die Schanzen von Düppel genommen worden, wodurch der Krieg zugunsten der preußischen und österreichischen Truppen entschieden worden war. 71 StAD Diez (28. Juni 1859).
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den bzw. er bat seinen Freund Carl Alexander von Sachsen-Weimar darum, sich mit seiner Schwester Augusta in Verbindung zu setzen, damit sie sich für das „Eldorado“ Schaumburg verwende, das sie immer so interessiert habe.72 Stephans Schwester Elisabeth kam mit ihrer Tochter Maria Christina auch bei ihm in Franzensbad vorbei.73 Beide verließen den Ort aber schon recht bald wieder, als die preußischen Truppen näher rückten.74 Nachdem Stephan vor den heranmarschierenden Preußen zunächst nach Marienbad ausgewichen war,75 wurde es auch dort zu gefährlich. Über Pilsen ging der Weg weiter nach Linz in das Haus seines Bruders Joseph und nach Gmunden zu seiner Schwester Elisabeth und ihren Kindern, wo er sich nun wiederum ganz im Kreis der habsburgischen Verwandten befand.76 Insgesamt neunzehn Personen, darunter die komplette Familie des Großherzogs von Toskana sowie die Gräfin von Chambord, Maria Theresia von Österreich-Este, mit ihrem Ehemann, dem französischen Thronprätendenten Henri d’Artois, versammelten sich dort. Zu Besuch kamen auch Erzherzogin Sophie, Erzherzog Franz Karl und ihr Sohn Ludwig Viktor, den Stephan nur wenig schätzte.77 Die ärztliche Versorgung des Patienten, bei dem sich Magenleiden („Gastrizismus“) zeigte, war allerdings nur schwer zu gewährleisten, weil es, seinen Aussagen zufolge, nur einen Arzt in ganz Gemunden gab, „der nicht schnell umbringt.“78 Ein vorheriger Aufenthalt Stephans beim Kaiser hatte sich zerschlagen. Besuche und Gegenbesuche wurden deshalb vor Ort gemacht, so dass 72 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 b (18. Juni 1866). Das geschah übrigens auch, so dass der König von Preußen seine Truppen auf Wunsch des Großherzogs von Sachsen-Weimar anwies, die Herrschaft Schaumburg zu schonen; Windelband/Frauendienst 2, S. 715 (12. Juni 1866). 73 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 a (12. und 18. Juni 1866). 74 Haidinger (1897), S. 184. 75 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 167, Bl. 95–100 (18./19. März 1867), Bericht Wratislaws. 76 Gmundner Wochenblatt Nr. 28 (10. Juli 1867), S. 355: Am 6. Juli Ankunft in Gemunden, am 7. Juli Weiterreise nach Linz; Nr. 29 (17. Juli 1866), S. 368: Aufenthalt seit mehreren Tagen bei seiner Schwester; Nr. 30 (24. Juli 1866), S. 383: Ankunft Wratislaws in Gmunden. 77 HU MNL OL P 301 (27. Februar 1866): Ludwig Viktor war wegen eines Balles nach Ofen gefahren, was Stephan als „Geschmackssache“ bezeichnete. Bei dem Erzherzog sei es aber „nichts Neues!“; LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 b (28. September 1864). Er sprach auch von „Unarten“ von Ludwig Viktor in Paris, „daß es mir, wie es scheint, gut gelang, die Sache zu applaniren“; HU MNL OL P 301 (27. August 1866). 78 Diesen bezeichnete Stephan als „Homöopath“; HU MNL OL P 301 (1. September 1866).
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Stephan die Zeit schnell verging. Der Sieg Österreichs bei Custozza über die italienischen Truppen am 24. Juni 1866 erfreute den Erzherzog. Dass sich sein Bruder Joseph in der Schlacht von Königgrätz am 3. Juli 1866 trotz einer Verwundung am Daumen gut und mit solcher Ruhe geschlagen hatte, dass „ihm während des Hauptmomentes das Feuer an seiner Zigarre nicht ausging“, stimmte ihn ebenfalls froh. Die befohlene Erschießung dreier gefangener Italiener, die am Brenner hatten desertieren wollen, begrüßte der Erzherzog, der bisher doch immer für einen humanen Umgang plädiert hatte. Ja, er glaubte mittlerweile sogar, dass „eine gewonnene Schlacht […] für mich die heilsamste Medizin [sei], denn nichts fördert die Gesundheit mehr als ein heiteres Gemüth!“79 Die Choleraepidemie, mit der die siegreichen Preußen nach dem Sieg von Königgrätz zu kämpfen hatten, stimmte ihn „heiter“.80 Allerdings war er von Husten und Atemnot geplagt, hatte Fieber und angegriffene Nerven und fand keine Nacht mehr Ruhe.81 Es musste also etwas geschehen, weshalb er sich zu einer erneuten Untersuchung nach Wien aufmachte, die allerdings sofort wieder Gerüchten Vorschub leistete. Davon, dass er Pest besuchen und – nomen est omen – den Feierlichkeiten zum Stephanstag beiwohnen werde, war in den Zeitungen zu lesen.82 Im „Nordböhmischen Gerichtsboten“ stand sogar, in Ungarn sei die Hoffnung wieder aufgekommen, Stephan erhalte in Pest sein Amt als Palatin zurück.83 Denn sein Sekretär war mit Stephans Kanzleiarchiv in Pest angekommen, woraus man auch auf die baldige Ankunft des Erzherzogs schloss. Dementiert wurde diese Schlussfolgerung aber sogleich, da der Sekretär das Archiv zur Teilung der Privatgüter zwischen Stephan und seinem Halbbruder Joseph mitgeführt habe. All diese Gerüchte waren unbegründet, gaben aber viel von Wünschen und Erwartungen preis. In der kaiserlichen Residenz sollten Stephan der Spezialist für Lungendiagnostik Prof. Dr. Josef Skoda, der kaiserliche Leibarzt Prof. Dr. Josef Wilhelm Freiherr von Löschner, den ihm der Kaiser persönlich geschickt hatte, sowie der Spezialist für innere Krankheiten Prof. Dr. Theodor Helm, den Stephan seit über dreißig Jahren kannte und der ihn auch auf der Schaumburg besucht hatte, untersuchen.84 Auch von Johann Oppolzer als behandelndem Arzt ist die Rede. Die Diagnose wird eindeutig ausgefallen sein, 79 Haidinger (1897), S. 187–188; NLA Oldenburg Dep. 50 Best. 6 M Nr. 44 (13. Juli 1866); HLA HHStAW Best. 1174 Nr. 11 (12. August 1866). 80 HLA HHStAW Best. 1174 Nr. 11 (12. August 1866). 81 Haidinger (1897), S. 191. 82 Innsbrucker Nachrichten Nr. 183 (11. August 1866), S. 1651; Fremdenblatt Nr. 224 (16. August 1866), S. 4. 83 Nordböhmischer Gebirgsbote Nr. 64 (22. August 1866). 84 Neue Freie Presse Nr. 899 (2. März 1867), o. S.; Neue Freie Presse Nr. 4304 (19. August
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denn im September 1866 schilderte Stephan die Symptome seiner schweren Erkrankung in einem Brief an einen Pester Arzt, ohne die Krankheit beim Namen zu nennen. Interessant ist freilich, dass dieser Brief – ein gutes halbes Jahr später und nach Stephans Tod – im „Augsburger Tagblatt“ veröffentlicht wurde. Die Diagnose Lungentuberkulose lag also auch für alle Leser nahe.85 Sollte mit dieser Veröffentlichung anderweitigen Gerüchten entgegengearbeitet werden? Stephan wurde eine „horrible Mixtur“ aus krampflösendem indischen Hanf (Cannabis indica), Wacholdermus (Roob juniperi) gegen Magenschwäche und Venushaar (Syrupus capili veneris) gegen Husten und Bronchialkatarrh verschrieben. Hinzu kam die Inhalation von Mandelöl und Chininmedizin.86 Die Ärzte rieten ihm zu einem Aufenthalt im milden Klima Südfrankreichs, namentlich in Menton, wo zu Weihnachten die Limonenwälder blühten und Ende März Orangenernte war,87 wobei Skoda diesbezüglich schließlich den Ausschlag gab. Andere Orte als Menton wurden u. a. auch deshalb abgelehnt, weil das dortige rege gesellschaftliche Leben, dem sich Stephan nicht hätte entziehen können, ihm hätte schädlich sein können.88 Nach spätestens vier Wochen sollte es ihm dann besser gehen. Neben diesem medizinischen Aspekt des Wien-Aufenthalts wollte Stephan vor dem Kaiser erscheinen, der „so viel Nachricht“ für ihn hatte und den er bisher, wegen seiner angeschlagenen Gesundheit, hatte warten lassen müssen.89 Andere Besuche zu empfangen lehnte der Erschöpfte zumeist ab: Er sprach von achtzig bis einhundert Anmeldungen am Tag. Gesprochen habe er allerdings nur – neben den Erzherzögen Albrecht und Leopold – mit dem Adjutanten des Kaisers Graf Franz Folliot de Crenneville, Stephans Agenten Winter und dem Grafen Grünne, der aber seinen Besuch bei ihm nicht wiederholte, weil er spürte, dass Stephan davon zu sehr in Mitleidenschaft gezogen wurde.90 Allein diese Bemühungen um seine Per-
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1876), o. S. (19. August 1876) an Professor Jacob Reuter; Anders (1868), S. 351; Bode (2017), S. 76. Augsburger Tageblatt Nr. 63 (4. März 1867), S. 568; Bode (2017), S. 77; OeStA HHStA HA Familienkorrespondenz A 52-19-6 (10. September 1866): Stephan sprach von der Behandlung durch vier Ärzte. In der Zeitung „La Presse“ wird am 23. Februar 1867 als Todesursache Schwindsucht („phthisie) angegeben; La Presse (23. Februar 1867), o. S. Augsburger Tageblatt Nr. 63 (4. März 1867), S. 568; Bode (2017), S. 77. Zur Rolle der Tuberkulose im 19. Jahrhundert Evans (2018), S. 543–544. Die Erkrankung erhielt in der Wahrnehmung der Zeitgenossen etwas Adelndes. Haidinger (1897), S. 191–192. Freunde hatten Stephan von Menton wegen des Windes abgeraten; OeStA HHStA HA Familienkorrespondenz A 52-19-6 (10. September 1866). HLA HHStAW Best. 130 II Nr. 3308, fol. 72ff. (16. November 1866). HLA HHStAW Best. 1174 Nr. 11 (12. August 1866). OeStA HHStA HA Familienkorrespondenz A 52-19-6 (10. September 1866).
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son unterstreichen, für wie brisant Stephans Besuch am Vorabend des Ausgleichs mit Ungarn in Wien gehalten wurde. Dass sich das Kaiserpaar diesem Druck nicht entziehen konnte, lag auf der Hand. Wratislaw war deshalb nach Schönbrunn gefahren, um für seinen Herrn einen Termin beim Kaiser zu vereinbaren. Dort war ihm bedeutet worden, der Erzherzog möge in Wien bleiben, wo ihn der Kaiser und die Kaiserin besuchen kämen.91 Das Kaiserpaar fuhr schließlich aus Schönbrunn in die Stadt, um dem Schwerkranken das Treppenlaufen zu ersparen.92 Die Begegnung fand in Stephans Appartement in der Hofburg statt.93 Dadurch, dass Wratislaw durch die geschlossene Tür dem Gespräch hatte folgen können, sind wir auch darüber informiert. Mit erhobener Stimme bat Erzherzog Stephan Kaiserin Elisabeth darum, ihren Einfluss auf die Versöhnung mit Ungarn geltend zu machen. Denn gerade in jenen Tagen hatte die Kaiserin sich in besonderem Maße für Ungarn eingesetzt, was Stephan bekannt gewesen sein muss. Wenn Stephan bei den Unterredungen am anwesenden Kaiser vorbei die Kaiserin direkt angesprochen haben sollte, so war dies ein besonderer Coup. Dass Wratislaw an einer Legendenbildung Stephans in seinem Bericht gearbeitet hätte, ist angesichts seiner sonstigen Äußerungen unwahrscheinlich. Trotzdem ist hier ein gehöriges Maß an Theatralik zu erkennen. So soll Stephan vorgebracht haben, seine Bitte sei „die letzte eines sterbenden Ungarn“. Auf beiden Seiten sei es zum Vergießen von Tränen gekommen, zu einer Szene, „die sich nicht beschreiben läßt“.94 Stephan war anschließend so erschöpft, dass er sich in seinem Appartement mit Fieber auf die Chaiselongue warf und nicht zur Tafel ging. An seinem Namenstag, dem 20. August, an dem in Ungarn des ungarischen Königs Stephan gedacht wurde,95 fuhr er zu den Königen von Hannover und Sachsen und zu allen in der Stadt anwesenden Erzherzögen.96 Ganz so zurückhaltend, wie in manchen Briefen angedeutet, war sein Leben in jenen Wiener Tagen also doch nicht. Von Wien aus zog sich Stephan zunächst wieder auf die nun nach der Annexion des Herzogtums Nassau im Königreich Preußen gelegene Schaumburg zurück, um sich auf die Reise nach Menton vorzubereiten. Erneut 91 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 167, Bl. 95–100 (18./19. März 1867), Bericht Wratislaws. 92 Haidinger (1897), S. 189. 93 Die Presse Nr. 226 (19. August 1866), o. S. 94 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 167, Bl. 95–100 (18./19. März 1867), Bericht Wratislaws. Zu Kaiserin Elisabeth und Ungarn vgl. Hamann (1987), S. 237–239 und S. 250–252. 95 LCI 8 (1976), Sp. 407. 96 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 167, Bl. 95–100 (18./19. März 1867), Bericht Wratislaws.
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verband sich in seiner Wahrnehmung sein persönliches Schicksal mit der politischen Weltlage. Sollte sich in Menton keine Besserung seines Gesundheitszustandes ergeben, würde er dagegen genauso protestieren wie gegen die Absichten des italienischen Königs Viktor Emanuel, das Trentino und Triest für sein Königreich zu beanspruchen.97 Die Krankheit habe sich durch die Niederlage in Böhmen noch beschleunigt.98 In erneuter Analogie der Weltgeschichte zu seiner persönlichen Befindlichkeit wusste Stephan Amalie von Griechenland zu berichten, die „Zeitverhältnisse“ hätten ihn umgebracht.99 Schaumburg war zur preußischen Standesherrschaft geworden, was ihm „gerade noch gefehlt“ habe, weshalb es dort für ihn keine Bleibe mehr habe.100 Die Absetzung Herzog Adolphs durch Preußen tat ihm herzlich leid, und die Nassauer Liberalen, die bei Bismarck vorstellig geworden waren, um den Anschluss an Preußen herbeizuführen, traf sein Zorn. Seitdem diese die Oberhand gewonnen hätten, sei in Nassau nicht mehr gut wohnen. Von grenzenloser Unreife sprach er, von „anwidernde[r] Frivolität, ja Schlechtigkeit so vieler, ja ganzer Städte, die ihren Herrn und Herzog mit Koth bewerfen – was selbst Preußen ungerechtfertigt findet und vermeidet.“ Städte wie Diez, Dillenburg und Wiesbaden könnten ihr „Annexionsfieber nicht unterdrücken“ und versprächen sich „goldene Berge“.101 Dabei war sich Stephan sicher, dass aus den „Annexionsfreudigen“ bald „Annexionstraurige“ werden würden,102 weil mit höheren Steuern, einem größeren Militäraufgebot sowie der Verlegung von Behörden gerechnet werden müsse. Stephan fühlte sich in seinem Misstrauen gegenüber Preußen bestätigt. Denn das Pferd, das König Wilhelm neuerdings ritt, war nach der gleichnamigen Schlacht103 Sadová getauft worden, und der König hatte sogar eine höhere Klasse des Ordens Pour le Mérite gestiftet.104 Als Herzog Adolph 1865 von einem nahen Bruch zwischen Österreich und Preußen und damit von einem bevorstehenden Krieg ausgegangen war, hatte Stephan noch erklärt, Bismarck lege es sicherlich darauf an, König Wilhelm aber werde „in der 12. Stunde“ nachgeben.105 Jetzt hatte sich also erwiesen, dass sich eine 97 Haidinger (1897), S. 191; Vocelka (2015), S. 155. 98 Bode (2017), S. 77 (Brief an einen Arzt, publiziert im „Augsburger Tagblatt“). 99 NLA Oldenburg Dep. 50 Best. 6 M Nr. 44 (18. September 1866). 100 StA Diez Sch 55/Sch 332 (25. September 1866). 101 StA Diez Sch 55/Sch 332 (25. September 1866). 102 NLA Oldenburg Dep. 50 Best. 6 M Nr. 44 (18. September 1866). 103 Die Schlacht von Königgrätz wurde auch nach dem in der Nähe gelegenen Ort Schlacht von Sadová genannt. 104 NLA Oldenburg Dep. 50 Best. 6 M Nr. 44 (25. September 1866). Gerade König Wilhelm von Preußen enttäuschte Stephan sehr. 105 OeStA HHStA SB NL Adolf Braun 10 (22. April 1865).
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Machtpolitik, deren Vertreter Stephan unter anderem in Bismarck, Napoleon III. oder König Viktor Emanuel II. von Italien erkannte, durchgesetzt hatte und der vom Erzherzog als Ehrenmann geachtete König diese Politik mittrug. Als Verbündeter des italienischen Königs habe er von diesem gelernt, unmoralische Politik zu betreiben.106 Wenn Stephan der greise Preußenkönig wäre, schrieb er an den abgesetzten Herzog Adolph von Nassau, könnte er wegen der vielen Ungerechtigkeiten, die er begangen habe, keine Nacht mehr ruhig schlafen. Gleichzeitig würde Stephan, hätte er zwei Millionen Soldaten und ebenso viele Zündnadelgewehre zur Verfügung, sofort losschlagen und mit Adolph im Triumph in Wiesbaden einziehen.107 Die seit Jahrhunderten herrschende Politik, die auf „Treu und Glauben“ beruht habe, sei nun durch die „Politik des Augenblicks“ zerstört worden.108 Damit war von Stephan die ungezügelte, nur auf den momentanen Erfolg ausgerichtete Politik angesprochen, für die – nicht nur für ihn – Bismarck stand und die mit Macchiavelli in Verbindung gebracht wurde. Diese Politik vernichtete in Stephans Augen die moralische Grundordnung und noch viel mehr. Kurzum: Stephan war der Überzeugung, die politische Lage habe seine Krankheit so sehr verschlimmert, dass das Klima Südfrankreichs ausreichend Gelegenheit bekomme, sich auszuzeichnen. Er sei „mit allen Salben beschmiert, mit allen Wassern begossen, mit allen Medicamenten maltraitirt und durch mehr denn 30 Ärzte, darunter mehrere europäische Celebritaeten, die aber am allerwenigsten wußten, noch nicht umgebracht“, und nun sollten „die warme Luft und der Orangenduft mir wieder auf die Beine helfen – recht schön gedacht, aber nicht wahrscheinlich“. Das Jahr 1866 sei mit „allerschwärzester Tinte in meines Herzens Notizbücherl eingetra106 OeStA HHStA HA Familienkorrespondenz A 52-19-6 (9. August 1866). 107 HLA HHStAW Best. 130 II Nr. 3308, fol. 72ff. (16. November 1866). Einen kleinen, wenn auch verspäteten Versuch einer solchen Revanche hatte Stephan sogar direkt in Angriff genommen: Im August 1866 hatte er seinem Cousin Albrecht das Angebot des nassauischen Markscheiders Heinrich Albert Beyer aus Diez für ein Zündnadelgewehr bzw. eine Zündkapsel („Detonationsvesikel“) in einem gesiegelten Brief übermittelt und in einer gesonderten Kapsel Proben beigelegt. Brief und Proben waren während seines Aufenthalts in der Donaumonarchie unversehrt in seine Hände gelangt. Er leitete alles innerhalb Österreichs mit dem Wunsch weiter, dass es dem Erfinder zur Ehre und der Armee zum Nutzen gereichen möge. Gleichgültig, wie gut das nassauische Produkt auch immer war, wäre zu diesem Zeitpunkt nichts mehr auszurichten gewesen. Die Angelegenheit verlief daher im Sand; HLA HHStAW Best. 210 Nr. 6327; HU MNL OL P 301 (27. August 1866). 108 ÖNB Autogr. 1499/9 (13. Januar 1865). Zur Machtpolitik auch Engelberg (2014), S. 254– 260; Clark (2018), S. 170–178; Gall (1980), S. 474. Auch Pfälzische Volkszeitung Nr. 149 (23. Juni 1868), o. S.: Bismarck und Napoleon seien Vertreter der Politik des Augenblicks, welche die Zeit bestimmten.
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gen“.109 Und wieder einmal: Seine Krankheit taufte er in „Königgrätz-Fieber“ um.110 Insofern glaubte er sich zu trösten, dass er jetzt beinahe an das Ende Europa reiste, wo er sich wie ein Hamster unter der Erde vergraben könne.111 Vermutlich war das auch der Grund, weshalb er selbst seiner Freundin Amalie seine neue Adresse nicht verriet, wenn auch mit der Ausrede, er wisse nicht, ob er nicht doch nach Cannes gehe. Allerdings versprach er Artikel in der „Augsburger Allgemeinen Zeitung“ zu lancieren, um alle Interessierten über seinen Gesundheitszustand auf dem Laufenden zu halten.112 Das deutete an, dass er bisher auch schon auf diese Weise vorgegangen war und seinen Zustand für öffentlichkeitsrelevant hielt. Da ein Aufenthalt vor dem 15. Oktober aber nicht möglich war, blieb er zunächst auf der Schaumburg.113 Nachdem alles Notwendige in der Standesherrschaft geregelt worden war – u. a. ließ Stephan Brandgeschädigten in Charlottenberg Streulaub zukommen114 –, verabschiedete er sich am 29. September 1866 von seinen Bediensteten und wies in diesem Zusammenhang auf seine testamentarischen Bestimmungen von 1859 hin.115 Vom Bahnhof Balduinstein telegraphierte er noch einmal um 14.46 Uhr in einem recht theatralischen Akt „Allen Schaumburgern noch ein herzlich Lebewohl! Stephan“, bevor er mit Wratislaw, Cybulak sowie den Leibkammerdienern Joseph Jerger und Joseph Pawliczek die Reise nach Menton antrat.116 8.2 Scheitern der Hoffnung Über Mainz und Basel fuhr Stephan nach Lausanne-Ouchy, wo er sich im Hotel Beau-Rivage für zwei Wochen einquartierte.117 Von dort aus ging es über Genf und Lyon nach Nizza. Die Reise strapazierte ihn über Gebühr. Bereits in Marseille befielen ihn im Zug Ohnmachten, so dass er nicht wei109 StA Diez Sch 55/Sch 332 (26. September 1866). 110 BayHStA GHA Nachlass Erzherzogin Elisabeth von Österreich Nr. 98 (29. Januar 1867). 111 Haidinger (1897), S. 192; NLA Oldenburg Dep. 50 Best. 6 M Nr. 44 (18. September 1866). 112 NLA Oldenburg Dep. 50 Best. 6 M 44 (25. September 1866). 113 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 167, Bl. 95–100 (18./19. März 1867), Bericht Wratislaws. 114 Schmiedel, S. 134. 115 HLA HHStAW Best. 462 Nr. 10, fol. 113; Bode (2017), S. 78. 116 Bode (2017), S. 78. 117 NLA Oldenburg Dep. 50 Best. 6 M Nr. 44 (25. September 1866); LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 167, Bl. 95–100 (18./19. März 1867), Bericht Wratislaws; Bode (2017), S. 79.
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terfahren konnte. Mit einem Kammerdiener blieb er dort zurück, während Wratislaw vorausfuhr. Einen Tag später, am 16. November 1866, kam er unter dem Inkognito eines Comte Etienne de Csaba im Grand Hotel de la Paix in Menton an.118 Der Gesundheitszustand war wieder stabiler, so dass er Zeitung lesen und die Post erledigen konnte. In diesem Jahr war er in Menton der erste Gast.119 Als behandelnder Arzt stand der deutsche Mediziner Dr. Egbert Stiege, der zuvor Militärarzt in Koblenz gewesen war, zur Verfügung. Gesellschaft leisten konnte ihm bald Helene von Waldeck, die Schwester Herzog Adolphs, die sich just zu dieser Zeit mit ihrem Mann und zwei Töchtern in Menton einfand und ihn häufig besuchte. Mit deren Ehemann, Georg von Waldeck, vermied Stephan Gespräche über Politik, weil er dessen Bündnis mit Preußen nicht akzeptieren konnte.120 Die preußischen Bundesgenossen, darunter auch die eigene Verwandtschaft in Waldeck, wertete Stephan als von sklavischer Natur ab.121 Sein Gesundheitszustand sollte sich rasch verschlechtern. Die Husten-, Stick- und Krampfanfälle blieben ebenso bestehen wie das Fieber.122 Man verabreichte das betäubende und fiebersenkende Chinin, das nichts half, so dass Stephan von seinem Tod zu sprechen und bis ins kleinste Detail die letzten Dinge zu regeln begann.123 Auch nahm er sich noch der Verwaltung seiner Standesherrschaft an und bemühte sich um Geld- und Holzgaben für Bedürftige. Ebenso kümmerte er sich weiterhin um den Ausbau der Schaumburg.124 Das mag einmal mehr belegen, dass Stephan das Gebäude als sein persönliches Vermächtnis betrachtete, zumal ihm immer noch die Touristenzahlen am Herzen lagen.125 118 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 167, Bl. 95–100 (18./19. März 1867), Bericht Wratislaws; HLA HHStAW Best. 130 II Nr. 3308, fol. 72 (16. November 1866); Bode (2017), S. 79. Das zur sonstigen Gepflogenheit eines „Grafen von Steinsberg“ abweichend geführte Pseudonym hatte er sich deshalb zugelegt, weil es für Franzosen besser auszusprechen war; LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVII Nr. 167 (24. Dezember 1866). 119 HLA HHStAW Best. 1174 Nr. 11 (24. November 1866). Im Januar 1867 sprach er dann aber von ca. 1000 Leidensgenossen vor Ort; BayHStA GHA Nachlass Erzherzogin Elisabeth von Österreich Nr. 98 (29. Januar 1867). 120 HLA HHStAW Best. 130 II Nr. 3308, fol. 72ff. (16. November 1866); HU MNL OL P 301 (15. Februar 1867). 121 HLA HHStAW Best. 130 II Nr. 3308, fol. 72ff. (16. November 1866). 122 HLA HHStAW Best. 1174 Nr.11 (24. November 1866); BayHStA GHA Nachlass Königin Marie Therese Nr. 174 (11. Februar 1867). 123 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 167, Bl. 95–100 (18./19. März 1867), Bericht Wratislaws. 124 Schmiedel, S. 134–135; StA Diez Sch 55/Sch 332 (6. Januar 1867). 125 NLA Oldenburg Dep. 50 Best. 6 M Nr. 44 (18. September 1866).
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Mitte Dezember lag er schon die meiste Zeit nur noch am offenen Fenster, weil ihm das Aufstehen schwerfiel. Zu den ärztlich verordneten Spazierfahrten musste er sich zwingen. Stephan sprach von sich selbst als von einer Kautschukfigur, „die man nach allen Seiten verquetschen und verziehen, aber selbst in Kinderhänden schwer dahin bringen kann, ganz zu Grund zu gehen.“126 Er sei geradezu für anatomische Studien geeignet, „einem rußischen Juchtenleder in crudo sehr ähnlich, ohne geradezu wasserdicht zu sein“.127 Am 29. Dezember 1866 fuhr er zum letzten Mal spazieren und sprach mit Wratislaw über seinen Tod „wie vom Speisezettel“.128 Abends spielte er, wie gewöhnlich, das Kartenspiel Piquet, tagsüber widmete er seine Aufmerksamkeit weiterhin gerne naturkundlichen und anderen wissenschaftlichen Betrachtungen.129 Am 13. Januar 1867 verließ ihn auch dazu die Lust. Seit Ende Januar 1867 war es ihm weitgehend unmöglich geworden, eigenhändige Korrespondenzen zu führen. Das ließ er zumindest seinen Privatsekretär an den Pädagogen Kehrein schreiben.130 An seinen Cousin, Erzherzog Albrecht, seine Nichte Marie Therese, die spätere Königin von Bayern, und das Weimarer Großherzogspaar richtete er aber noch bis Mitte Februar Schreiben, die in ihrer gestochen scharfen Schrift keine Hinweise auf Krankheit oder Schwäche aufweisen. Fürstin Helene von Waldeck konnte allerdings nach Wiesbaden, an Herzog Adolph von Nassau, berichten, Stephans Sehkraft werde schwächer und er verlasse sein Bett nicht mehr.131 Seinem Cousin Albrecht schilderte er am 15. Februar, dass seit vierzehn Tagen eitriger Auswurf aus dem bisher noch gesunden linken Lungenflügel zu den übrigen Symptomen hinzugekommen sei.132 Bei 94 bis 99 Schlägen war der Puls deutlich erhöht. Seit dem 15. Februar spuckte er auch Blut. 126 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVII Nr. 167 (20. Dezember 1866). 127 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 b (20. Dezember 1866). 128 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 167, Bl. 95–100 (18./19. März 1867), Bericht Wratislaws. 129 In den beiden Briefen an seine Nichte Erzherzogin Marie Therese berichtete er über botanische Erkundungen in seinem Umfeld (mit Analysen und Zeichnungen) sowie von den Vorarbeiten Wratislaws zu dem Buch „Versuch einer Darstellung der Lebensweise, Herkunft und Sprache der Zigeuner im Allgemeinen“, das 1868 erschien und Stephans Schwester Elisabeth gewidmet war; BayHStA GHA Nachlass Königin Marie Therese Nr. 174 (21. Januar und 11. Februar 1867). 130 HLA HHStAW Best. 1174 Nr. 11 (13. Februar 1867); BayHStA GHA Nachlass Erzherzogin Elisabeth von Österreich Nr. 98 (29. Januar 1867). 131 HLA HHStAW Best. 130 II Nr. 3308, fol. 368ff. (21. Januar 1867). Das Bett verließ er nicht mehr seit dem 6. Januar; BayHStA GHA Nachlass Erzherzogin Elisabeth von Österreich Nr. 98 (29. Januar 1867). 132 HU MNL OL P 301 (15. Februar 1867); Bode (2017), S. 82–83.
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Obwohl er Kraftsuppe und Kraftmehl zu sich nahm, wurde er immer schwächer, so dass er keine zehn Schritte mehr alleine zurücklegen konnte. Eines Morgens beim Anziehen fiel er sogar in ein Nachbarbett, das ihm sein Kammerdiener bereitgestellt hatte. „Die Cannabis Indica Pillen, fortwährend vermehrt und verstärkt, sie wirkten eine Weile auf den Schlag, dann war’s aus“, kommentierte er. Dr. Stiege verschrieb ihm Morphiumpulver, was dazu führte, dass er in den ersten zwei Nächten 2,5 bis 3 Stunden Schlaf fand, bis auch das vorüber war. Zweimal am Tag hatte er Stuhlgang. Neben Frühstück und Mittagessen wurde ihm gegen elf Uhr ein nährendes zweites Frühstück aus Liebigs Kraftbrühe, einem Schnapsgläschen alten Malaga und englischem Nährzwieback verordnet:133 Doch auch die Nahrungsaufnahme bereitete ihm große Schwierigkeiten, so dass ihm der Kammerdiener, wenn er sich verschluckt hatte, mit Schlägen auf den Rücken die Luftwege freimachen musste.134 Operative Eingriffe wurden deshalb notwendig: Dr. Stiege zog ihm auf dem rechten Lungenflügel eine Fontanelle auf die Brust, was sehr schmerzhaft war. „Und da behauptet man, die Tortur sei abgeschafft“, schrieb der Patient nach Weimar.135 Bei dieser Behandlungsmethode wurden durch Messerschnitte oder Blasenpflaster offene Wunden erzeugt, die zum Eitern gebracht wurden. So konnte mit dem Messer ein Schnitt von knapp zwei bis zweieinhalb Zentimeter Länge gemacht werden, worin eine getrocknete Erbse gelegt wurde. Beides wurde mit einem Druckverband geschlossen und blieb bis zu fünf Tage bestehen, bis Verband und Erbse gewechselt wurden.136 Interessant bleibt auch, wie lange Stephan selbst in dieser Situation durch ironische oder launige Bemerkungen ein nüchternes, vielleicht auch fassadenhaftes Bild von sich entwarf. Gegenüber seiner Nichte Marie Therese kommt diese Note besonders stark zum Ausdruck, bis hin zu Kalauern, wie wir sie auch aus seinen Jugendbriefen kennen.137 Lange Zeit umging er auch hier eine bewusste Selbstverortung seiner Person und seiner Lebensleistung. In der Nacht zum 17. Februar folgte ein Blutsturz, worauf Stephan einen letzten Brief an Großherzogin Sophie von Sachsen-Weimar aufsetzte. 133 HU MNL OL P 301 (15. Februar 1867); Bode (2017), S. 82–83. 134 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 b (16. Februar 1867). 135 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 739 b (16. Februar 1867). 136 Laut Stephans Angaben war der Schnitt von einem halben bis zu einem Zoll lang; insgesamt zum Verfahren vgl. Practisches Handbuch, S. 673–675. 137 Besonders ausgeprägt im Schreiben vom 21. Januar, in dem er ausführlich und ausgelassen auf Modefragen und Stoffpreise eingeht, seinen Gesundheitszustand aber eher streift und durch ein Zitat nach Nestroy anscheinend humorvoll nimmt; BayHStA GHA Nachlass Königin Marie Therese Nr. 174 (21. Januar 1867).
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Er ging davon aus, dass es sein letzter sein werde. In ihm brachte er den Umschwung der politischen Verhältnisse in Ungarn zu sich in Beziehung: „daß ich nach letztem Aufflackern meiner Lebensfackel in Ungarn Alles das zur Wirklichkeit werden sehe, was ich vor 19 Jahren proposicirt, wofür ich damals beiderseits perhorriscirt wurde. Ob ich noch so lange die Augen offen haben werde, damit der alte Palatin noch begrüßt, ihm ein Abschiedsruf zugesandt werden könne, das hängt von der Beschleunigung der Geschäfte in Pest ab; aber auch diese Eitelkeit will ich gerne fahren lassen, wenn ich nur die unbezahlbare Genugtuung habe, ein Land glücklich oder doch einer Richtung zu wissen, von der es sich seine ganze Zukunft verspricht.“138 Diesen letzten Brief – von Stephan sicherlich als öffentliches Vermächtnis und damit als die lange umgangene Selbstverortung gedacht – vererbte die Großherzogin in frommer Erinnerung ihrem Sohn und, im Falle seines Todes, ihrer ältesten Tochter Maria Alexandrine zusammen mit Rosen, die Stephan der Großherzogin nach einer Jagd am 27. August 1857 überreicht hatte. Die Blumen legte Sophie später der Todesmitteilung bei.139 Als Vermächtnis konnten sich Stephans Äußerungen auch insofern bewahrheiten, als sie in Paraphrase Eingang in Würdigungen seines Lebens fanden, die mit Sicherheit aus dem Umfeld Stephans lanciert worden waren. So wird es in der „Illustrirten Zeitung“ als „tragischer Zufall“ bezeichnet, dass er ausgerechnet an dem Tag, an welchem seit achtzehn Jahren zum ersten Mal wieder ein ungarisches Ministerium ins Amt gebracht worden sei, verstarb. Die Todesmeldung sei schließlich in Wien eingetroffen, „wo man dem weichmüthigen, durch sein Exil vom Nimbus eines Märtyrers umstrahlten Prinzen eine erhöhte Theilnahme zuzuwenden geneigt war.“ Und auch die Ungarn, mit denen Stephan kontinuierlich in Kontakt gestanden hatte, hätten sich nach seiner Entfernung aus dem Land bald wieder ein positives Bild von ihm gemacht.140 Wer auch immer diesen Text geschrieben haben mag, er griff explizit auf Bilder zurück, die der Verstorbene selbst entwickelt hatte, um sich über den Tod hinaus in Szene zu setzen und damit seine Rehabilitation zu betreiben. Insofern gelang dem Verstorbenen dann doch noch ein gewisses Stück Selbstverortung und womöglich gar Selbsttranszendenz.
138 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVII Nr. 167 (17. Februar 1867). 139 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVII Nr. 167 (bei 19. Februar 1867). 140 Illustrirte Zeitung Nr. 1238 (23. März 1867), S. 183. Ähnlich auch in der „Zürcherischen Freitagszeitung“: „Interessant ist, daß der Erzherzog Stephan, einst Palatin von Ungarn, der letzte, gerade an dem Tage starb, da die neue Aera für Ungarn durch Ernennung des besonderen Ministeriums und Wiederherstellung der Verfassung für Ungarn eingeweiht wurde“; Zürcherische Freitagszeitung Nr. 9 (1. März 1867), o. S.
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Am 19. Februar 1867 nahm ein Priester Stephan die Beichte ab und erteilte die Kommunion. Dann verlangte Stephan die Zeitungen. Als dem Kammerdiener auffiel, dass er diese nicht las, sondern nur auf eine Stelle starrte, lief der herbeigeholte Wratislaw zu Stephan hin und wurde von ihm kalt mit der Frage angefahren: „Was wollen Sie?“ Ein Arzt wurde gerufen, der allerdings den Tod noch nicht unmittelbar bevorstehen sah. Wratislaw telegraphierte Erzherzog Joseph, und als er zurückgekehrt war, war die Agonie eingetreten. Der Erzherzog starb nachmittags um 15 Uhr. So der Bericht Wratislaws nach Weimar.141 Stephans Sekretär Cybulak hingegen schilderte die Vorkommnisse in seinem für den Schaumburger Kammerregistrator bestimmten Bericht davon abweichend und deutlich beschönigend. Einen Tag nach Stephans Tod meldete er der Schaumburg: „Der Vater Schaumburgs Er ist nicht mehr.“142 Nach dem Empfang der Sterbesakramente, so heißt es in dem Bericht, habe sich Stephan „in gewohnter Weise“ beschäftigt und die Zeitung gelesen. Nachmittags habe er dann seinen Kammerdiener ans Bett kommen lassen und sich bei ihm sehr emotional bedankt. Wenn er sich jetzt schlafen lege, so werde er nicht mehr aufwachen, habe der Erzherzog gesagt. Als er dann die Augen geschlossen hatte und sehr still geworden war, lief der Kammerdiener Jerger, um Cybulak zu holen. „Der arme Dulder“ habe „mit einem Seufzer seine große Seele seinem Schöpfer“ zurückgegeben. Wratislaw und der Lakai Pawliczek, die außer Haus gewesen waren, seien gerade noch rechtzeitig gekommen, um „seinen letzten Seufzer zu vernehmen!“143 Dem Privatsekretär scheint deutlich daran gelegen zu sein, eine Legendenbildung zu befördern und den Tod des Erzherzogs in ein Rührstück zu verwandeln. Abgesehen aber von diesen Nuancen, wie sich die letzten Stunden Stephans genau abgespielt haben, kann der natürliche Tod des Erzherzogs nicht in Zweifel gezogen werden.144 Wratislaw meldete den Eintritt des Todes sofort per Telegramm nach Wien und nach Weimar. Doch machte die Meldung auch sonst schnell die 141 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVII Nr. 167 (19. Februar 1867); LHA Koblenz Best. 47 Nr. 2799 (20. Februar 1867); LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 167, Bl. 95–100 (18./19. März 1867), Bericht Wratislaws. 142 LHA Koblenz Best. 47 Nr. 2799 (20. Februar 1867). 143 Bode (2017), S. 85. 144 Den Verdacht eines politischen Mordes äußerte Hankó (1990), o. S.; vgl. Szöts, passim. Die bei der Untersuchung der Leiche in den 1980er Jahren erlangten Erkenntnisse geben kein klares Bild. Die vermeintliche Schusswunde kann auch eine Geschwulst an der Brust gewesen sein, was durch das Setzen der Fontanellen belegt ist. Vieles in den Darlegungen bleibt spekulativ und scheint die „schwarze Legende“ des Hauses Habsburg fortspinnen zu wollen. Die Ergebnisse dieser Untersuchung sind dann auch seit den 1990er Jahren nicht weiter aufgegriffen worden.
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Runde. Napoleon III. bot sogar an, die exorbitante Zahl von 10.000 Soldaten aus Paris zu einer militärischen Leichenfeier zu senden, wenn es gewünscht werde. Das Telegramm nach Wien mit der Todesmitteilung war über Paris gegangen und die Information dort abgefangen worden. Die Reaktion Napoleons belegt nicht nur, mit welchem Augenmerk man den Erzherzog selbst in Frankreich verfolgte, sondern das Angebot hatte eine zusätzliche außenpolitische Komponente:145 Frankreich wollte Österreich nach dessen Niederlage von Königgrätz gegen Preußen, von dem man in Paris Gefahren ausgehen sah, auf seine Seite ziehen.146 Die Person Stephans war dafür allerdings nicht geeignet. Der österreichische Gesandte in Paris, Metternich, lehnte das Angebot des Kaisers daher im Auftrag Wiens wohlweislich ab, wurde aber von seiner Regierung persönlich nach Menton beordert. Dort wurden sofort die Papiere versiegelt, und in der Schaumburg wurde Bürgermeister Peter Noll angewiesen, die Wohnung Stephans mit Verschluss zu belegen.147 In Wien ordnete Kaiser Franz Joseph sechzehn Tage Hoftrauer mit einer Abwechslung an – vom 21. bis 28. Februar tiefste Trauer, anschließend bis 8. März mindere Trauer.148 Das war eine deutlich reduzierte Form.149 Am Trauerzeremoniell war also deutlich abzulesen, dass Stephan immer noch nicht wieder voll rehabilitiert war und das vermeintli145 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 167, Bl. 95–100 (18./19. März 1867), Bericht Wratislaws. Die Ablehnung wurde in der Zeitung Le Memorial diplomatique Nr. 9 (24. Februar 1867), S. 181, damit begründet, dass das Haus Habsburg bei seinen Totenfeiern so wenig Pomp als möglich bevorzuge. Bereits im September 1866 hatten französische Blätter berichtet, Stephan werde nach Biarritz fahren; Die Debatte Nr. 243 (5. September 1866). 146 Vocelka (2015), S. 229. Im Frühjahr kam es dann auch zu Treffen zwischen Kaiser Franz Joseph und Napoleon III. in Salzburg; Hankó (1990), o. S. 147 Bode (2017), S. 87. 148 OeStA HHStA OMeA NZA Karton 31; Innsbrucker Nachrichten Nr. 45 (23. Februar 1867), S. 408; auch Bode (2017), S. 87. 149 Als 1864 Prinzessin Auguste, die nach Bayern verheiratete Tochter Großherzog Leopolds II. von Toskana, verstorben war, wurden zwei Wochen tiefe Trauer und vier Wochen mindere Trauer angeordnet. Bei Stephans Zwillingsschwester Hermine waren es 1842 ebenfalls die üblichen sechs Wochen Hoftrauer gewesen: zwei Wochen tiefe Trauer und vier Wochen mindere Trauer; Bukowina Nr. 99 (1. Mai 1864), o. S.; Oesterreichischer Beobachter Nr. 47 (16. Februar 1842), S. 185. Für den Palatin Erzherzog Joseph waren gar vier Wochen tiefe Trauer und zwei Wochen „Abtrauer“ angeordnet worden; Kühn, S. 113 (29. Januar 1847). Selbst für Stephans Halbbruder Alexander, der mit zwölf Jahren verstorben war, gab es eine sechswöchige Trauer. Es hieß damals, dass dies für jeden Habsburger zu gelten habe, der seine Erstkommunion erhalten hat; Diary of Philipp von Neumann, S. 73 (16. November 1837). Mit nur zwölf Tagen musste allerdings Erzherzog Ferdinand Karl von Österreich-Este, Ehemann von Stephans Schwester Elisabeth, auskommen; Abend-Beilage zur Wiener Zeitung Nr. 300 (17. Dezember 1849).
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che Entgegenkommen politischem Kalkül entsprungen war. Auch Stephans Stiefmutter Maria Dorothea hatte 1855 mit einer sechzehntägigen Hoftrauer auskommen müssen, ebenso wie Erzherzog Heinrich 1891, der zeitweise wegen einer morganatischen Verbindung sogar aus dem Familienverband ausgeschlossen worden war.150 Ab dem 24. Februar wurde im Standesgebiet ein achttägiges Trauergeläut angeordnet, die Traueranzeige wurde am 23. Februar im Amtsblatt des Amtsbezirks Diez veröffentlicht.151 Das erste Traueramt im Standesgebiet erfolgte am 25. Februar um 9.30 Uhr in der Kirche zu Balduinstein unter Pfarrer Stähler, das zweite einen Tag später im Beisein der Holzappeller Bergknappen. Auch im Limburger Dom folgte ein Requiem.152 Doch zurück nach Südfrankreich: Nach Stephans Tod wurde die Leiche obduziert: Beide Lungenflügel seien der Länge nach am Brustkorb angewachsen, hieß es im Bericht, und in jeder Lunge habe sich eine Blutgefäßgeschwulst („Caverne“) befunden. Das Herz war klein und „ganz verwelkt“, woraus Wratislaw wiederum den fast poetisch zu nennenden Schluss zog, der Erzherzog sei an gebrochenem Herzen gestorben.153 Aber selbst solche Theorien taugten für die Öffentlichkeit. Im „Journal de Nice“ war zu lesen, dass Stephan der Umstand, mit seiner Stimme nicht in die Hofburg durchgedrungen zu sein, aus Gram ins Grab gebracht habe.154 Am 21. Februar wurde das Seelenamt in Beisein der Fürstin Helene von Waldeck, der Fürstin von Anhalt, des österreichischen Botschafters, Fürst Metternich, mit seinem ersten Botschaftssekretär, des Präfekten des Departements Alpes Maritimes und anderer Amtsträger sowie der Garnison und Gendarmerie begangen. Der französische Kriegsminister hatte den Befehl erteilt, dass ein Detachement des 28. Linienregiments und die Truppen der Gendarmerie im Zollamtsbezirk (Douane) dem Toten die Ehre erwiesen.155 Frankreich zeigte also tatsächlich deutlich Flagge, wenn auch aus politischem Kalkül heraus. Ungefähr zwanzig Österreicher befanden sich in Men150 Neuigkeiten Nr. 92 (2. April 1855), o. S.; Linzer Volksbote Nr. 380 (5. Dezember 1891), S. 3. 151 LHA Koblenz Best. 47 Nr. 2799 (23. Februar 1867); LHA Koblenz Best. 47 Nr. 2799. Auch im Balduinsteiner Kirchenbuch wurde der Tod vermerkt; DAL Limburg Kirchenbuch Balduinstein Tote 1858–1917 (19. Februar 1867). 152 Bode (2017), S. 99; LHA Koblenz Best. 47 Nr. 2799. 153 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 167, Bl. 95–100 (18./19. März 1867), Bericht Wratislaws. 154 Zit. bei Bode (2017), S. 89. 155 Bode (2017), S. 88. Erzherzog Joseph war nicht anwesend, was die Zeitung „Le Memorial diplomatique“ damit begründete, dass wegen der hohen Temperaturen und der unzureichenden Möglichkeiten in dem kleinen Ort alles sehr schnell hatte gehen müssen; Le Memorial diplomatique Nr. 9 (3. März 1867), S. 205.
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ton, die ebenfalls an den Feierlichkeiten teilnahmen. Den Katafalk zierte die Aufschrift: „Au père de l’orphelin et du pauvre SA. L’archiduc Etienne d’Autriche, paix et du pauvre repos éternel“.156 Nach der kirchlichen Feier begaben sich alle Trauergäste in das Hotel, wo der Leichnam aufgebahrt war und eingesegnet wurde.157 Die Fürstin von Waldeck und die Prinzessin von Hannover wohnten dieser Veranstaltung mit ihren Ehrendamen bei.158 Fünf Särge und zwei Urnen wurden schließlich zum Transport versiegelt. Der Leichnam fand die letzte Ruhe in schwarzer Zivilkleidung in einem mit Atlas gefütterten, reichen Holzsarg. Fürstin Helene von Waldeck gab noch Blumen hinzu. Dieser Sarg wurde in einen großen Zinnsarg gesetzt, der wiederum in einen weiteren Zinnsarg gestellt wurde. Die Zwischenräume waren mit Kohlenstaub angefüllt. Dieser Sarg kam in einen mit Goldbrokat und an den Kanten mit Silberblech verzierten Sarg aus Olivenholz. Zwei Urnen wurden mit dem Herz und den Intestina des Erzherzogs gefüllt. Der Leichnam konnte auf dieser Weise nach Ofen überführt werden, wo er mit Zustimmung des Kaisers in der Familiengruft des „ungarischen“ Zweiges des Hauses Habsburg beigesetzt werden sollte.159 In Wien waren derweil auch andere Bestimmungen zur Beisetzung erlassen worden. Grundlage aller Entscheidungen war die letztwillige Anordnung des Verstorbenen vom 20. Juni 1859, die der Propst und Pfarrer zu Ofen, Moriz Hofmann, am 20. Februar 1867 dorthin übersandt hatte und aus der hervorging, dass Stephan in Ofen im Kreise derjenigen, die ihm „über Alles“ teuer gewesen waren, ohne Leichenfeier und in aller Stille beigesetzt werden wollte. Für Heilige Messen an seinem Namens-, Geburts- und Sterbetag in der Ofener Schlosskirche bestimmte er 1000 fl. österreichischer Währung.160 Der Kaiser kam diesem Wunsch entgegen, nutzte aber die Verfügungen dazu, die Beisetzungsfeierlichkeiten insgesamt „thunlichst“ unter Vermeidung „jeden Aufsehens“ durchführen zu lassen. Aus einem Konzept des Trauerzeremoniells im Haus-, Hof- und Staatsarchiv ist heute noch deutlich abzulesen, wie Vertreter aus Politik, Adel und Beamtenschaft systematisch von der Beteiligung ausgeschlossen wurden.161
156 Journal de Monaco Nr. 455 (3. März 1867), o. S.; Bode (2017), S. 88. 157 Journal de Monaco Nr. 455 (3. März 1867), o. S. 158 Allgemeine Zeitung Nr. 61 (2. März 1867), S. 990; Journal de Monaco Nr. 455 (3. März 1867), o. S. 159 OeStA HHStA NZA Karton 31. Die Zeitungsmeldung, die Intestina seien nach Schaumburg, das Herz nach Wien geschickt worden, ist irrig; Journal de Monaco Nr. 455 (3. März 1867), o. S.; Lauro, S. 232. 160 OeStA HHStA NZA Karton 31 (20. Februar 1867). 161 OeStA HHStA NZA Karton 31 (Konzept Nr. 529/4).
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Das Prozedere sah folgendermaßen aus: Am 24. Februar wurde der Sarg auf einen Transportwagen (Fourgon) gesetzt, der mit zwei schwarzen Pferden bespannt war. Der Mentoneser Postillion Witto, den Stephan gemocht hatte, lenkte den Wagen und fuhr damit bis Savona. Wratislaw und der Sekretär, ein Kammerdiener und Wratislaws Lakai folgten zusammen mit einundzwanzig Stück Gepäck in einem vierspännigen Veturino162 der Leiche. Von Savona ging es weiter über Genua, Bologna, Modena, Ferrara, Rovigo, Mestre und Udine nach Görz. Dort kam man am 28. Februar an. Per Sonderzug ging es schließlich weiter über Laibach nach Kanizsa, wo der Bahnhof mit Trauerfahnen drapiert war.163 Ein Separatzug führte den Leichnam anschließend am Südufer des Plattensees entlang über Sio Fok nach Ofen.164 Am 1. März traf er schließlich um Mitternacht dort ein. Kaiser Franz Joseph hatte angewiesen, dass der Zug nicht vor zwölf Uhr nachts in Ofen ankommen dürfe, um jegliches Aufsehen zu vermeiden.165 Er fürchtete wohl, die Bevölkerung der Stadt könne an der Ankunft des verstorbenen Palatins allzu großen Anteil nehmen. Der Leichnam wurde vom ungarischen Innenminister Baron Bela Wenkheim, ehemals Stephans Obersthofmeister und erst 1860 nach zwölfjährigem Exil nach Ungarn zurückgekehrt, 166 als Vertreter des Ministerpräsidenten, dem die Beiwohnung untersagt worden war, von zwei k. k. Kämmerern sowie dem Offizierskorps des Infanterieregiments Nr. 58 „Erzherzog Stephan“ empfangen. Der kommandierende General sowie der Stadtund Festungskommandant waren aus dem Konzept gestrichen worden.167 In aller Stille wurde der Verstorbene auf einem sechsspännigen k. k. Militärleichenwagen in die Siegmundskapelle der Burg überführt, wo die Erzherzöge Joseph, der vom Wiener Hof als ungarischer Spion beargwöhnt wurde,168 und Karl Ferdinand, also Stephans Bruder und Schwager, auf den Leichnam warteten. Nachts um halb drei Uhr verließen alle die Kapelle, die zuvor schon von Offizieren des Regiments „Erzherzog Stephan“ bewacht worden war. Am 2. März fand um zehn Uhr ein stilles Seelenamt statt, an dem Erzherzöge, Minister, Hofwürdenträger, die Generalität, das Offizierskorps, die Spitzen der Behörden sowie Repräsentanten der Städte Ofen und Pest teilnehmen konnten. Für die Dekorationen und die Aufstellung des Katafalks 162 Wagen der Privatfuhrleute, die den Posttransport übernahmen; vgl. Der Gesellschafter Nr. 149 (18. September 1826), S. 752. 163 Kováts, S. 240. 164 Bode (2017), S. 92. 165 OeStA HHStA NZA Karton 31. 166 BLKÖ 54 (1886), S. 264. 167 OeStA HHStA NZA Karton 31. 168 Walterskirchen, S. 134.
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hatte der Kaiserhof gesorgt.169 Die öffentliche Exposition des Leichnams, die in einem ersten Entwurf des Trauerzeremoniells noch vorgesehen war, wurde schließlich doch gestrichen.170 Auf ausdrücklichen Befehl des Kaisers war den beiden Kammern des Landtags eine Teilnahme an den Trauerfeierlichkeiten verboten.171 Das verlieh der Rede des Präsidenten der Magnatentafel, Freiherrn von Senn yey, durchaus Sprengkraft, würdigte dieser doch am 28. Februar 1867 den Verstorbenen unter besonderer Berücksichtigung seiner Jugend in Ungarn sowie der Leistungen seines Vaters und strich sein soziales Engagement heraus. „Mit vollkommener Versöhnlichkeit“, welche die „Erbitterung“ der vergangenen Jahre in den Hintergrund treten lassen sollte, blickte er auf Stephan zurück. Er war davon überzeugt, dass die Stände, „ohne eine solenne Einladung [zur Trauerfeier] abzuwarten, der Eingebung ihrer Herzen folgend, bereitwillig und zahlreich erscheinen“ würden.172 Dass die offizielle „Wiener Zeitung“ diesen Passus publizierte, obwohl von Wiener Seite aus gerade diesem Personenkreis eine Teilnahme untersagt worden war und über die Trauerfeierlichkeiten in Buda-Pest in österreichischen Zeitungen so gut wie nicht berichtet wurde, kann nicht als Versehen gewertet werden. Es sollte damit öffentlich ein Zeichen gesetzt werden, wie sehr sich Ungarn mit der Dynastie ausgesöhnt hatte, auch wenn Wien hinter den Kulissen daran arbeitete, dem verstorbenen Palatin die volle staatliche Aufmerksamkeit nicht zukommen zu lassen. Sechs Tage später publizierte dieselbe Zeitung ein Kondolenzschreiben der Stadt Ofen an Erzherzogin Elisabeth, in dem zu lesen war, wie sehr es bedauert werde, dass Stephan nicht wieder nach Ungarn hatte zurückkehren können. „Den treuesten Sohn“ des Landes betrauerte man zutiefst.173 Jetzt, da er tot war und der Ausgleich mit Ungarn ratifiziert wurde, durften diese Loyalitätsbekundungen also wieder an die Öffentlichkeit dringen, zumal sie das fürsorgende dynastische Band herausstreichen konnten. Im Anschluss an das Seelenamt erfolgte die Überführung des Leichnams in die Gruft, wo er einer letzten Verifikation unterzogen wurde. An der Spitze des Trauerzugs lief ein Hoffourier, ihm folgten sechs Hofchargen mit brennenden Wachslichtern, Geistlichkeit sowie zwei Hoflakaien mit den bei169 OeStA HHStA NZA Karton 31. 170 OeStA HHStA NZA Karton 31. 171 OeStA HHStA NZA Karton 31. 172 Wiener Zeitung Nr. 53 (3. März 1867), S. 670. Zu den Schieflagen dieser „Versöhnung“ vgl. Hamann (1987), S. 266–280; auch Aranyos, S. 117. 173 Wiener Zeitung Nr. 58 (9. März 1867), S. 733. Der Historiker Friedjung ging davon aus, dass Stephan 1867 in Ungarn wieder in Ehren aufgenommen worden wäre; Friedjung 2.1, S. 263.
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den Urnen, die Eingeweide und Herz des Verstorbenen enthielten. Der Sarg wurde von zehn Hoflakaien getragen und von den wachhabenden Offizieren begleitet. Es folgten die bereits genannten beiden Erzherzöge, der belgische Gesandte Graf Moerkerke, der Adjutant des Großherzogs von Oldenburg, Hauptmann von Zedelius, Zivil- und Militärautoritäten und Hofchargen.174 Vertreter des Wiener Hofes oder der kaiserlichen Regierung ließen sich, bis auf die beiden genannten Verwandten, nicht sehen. Dafür strömten, so wusste die liberale Tageszeitung „Bohemia“, Tausende herbei, um Stephan die letzte Ehre zu erweisen, obwohl es sich – ganz nach Stephans letztwilligen Verfügungen – um eine „schlichte stille Beisetzung“ handeln sollte.175 Damit bewahrheitete sich, was der Kaiser durch die nächtliche Überführung des Leichnams vom Bahnhof auf die Burg hatte vermeiden wollen. Zwischen zehn und elf Uhr wurden alle Glocken in Buda-Pest geläutet. Der „Linzer Abendbote“ malte in seinem Nachruf, der bereits am 21. Februar 1867 erschienen war, ein eher liberales Bild des Verstorbenen, dem von Kindheit an ein „Haß gegen Rußland“ eingeprägt worden sei, der sich in Böhmen und Ungarn hervorgetan habe und dann wegen der „Zerwürfnisse mit dem kaiserlichen Hofe“ ins Exil gegangen sei. Der letzte Satz des Nekrologs ließ dann allerhand Spekulationen zu: „Ominös bleibt der Umstand, daß der letzte ungarische Palatin nur um einen Tag die Reactivirung der ungarischen Verfassung überlebte.“176 Ominös, weil auch die Zeitung – wie Stephan – das Leben des Verstorbenen mit der politischen Entwicklung in Verbindung bringen wollte? Oder ominös, weil man unterstellen wollte, man habe Stephan aus dem Weg geräumt? Gab es also Gerüchte, Stephan sei vom Wiener Hof umgebracht worden?177 Den zeitgenössischen Quellen zumindest ist darüber nichts zu entnehmen, aber die Gefahr eines solchen Gerüchtes bestand zumindest für den Wiener Hof. Am 6. März 1867 traf das Gefolge des Erzherzogs wieder auf der Schaumburg ein. Wratislaw gab die Anweisungen des Verstorbenen weiter: Männliche Einwohner der Herrschaft hatten einen Trauerflor am Hut zu tragen und die schwarze Trauerfahne war auf dem Turm zu hissen. Ersteres war bereits umgesetzt, als das Gefolge ankam, Letzterem wurde durch die Be174 LATh HStA Weimar Großherzogliches Hausarchiv A XXVI Nr. 167, Bl. 95–100 (18./19. März 1867), Bericht Wratislaws. 175 Groß-Becskereker Wochenblatt Nr. 10 (9. März 1867), S. 110; Prager Abendblatt Nr. 52 (1. März 1867), o. S.; Bode (2017), S. 97. 176 Linzer-Abendbote Nr. 43 (21. Februar 1867). In den Protokollen des österreichischen Ministerrates wurde bereits 1851 festgehalten, dass „die Palatinswürde in Ungarn nicht mehr besteht“; Rumpler, S. 271 (Nr. 567, 8. Oktober 1851). 177 Hamann (1988), S. 425; zu den Legenden vgl. Vocelka (1997), S. 140; Mezler-Andelberg, S. 216–218.
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auftragung einer Fahne von zwanzig Ellen Länge und fünf Ellen Breite entsprochen.178 In Wien selbst fand am 8. März um elf Uhr das Seelenamt in der Hofburgkapelle im Beisein des Kaiserpaares, der in Wien anwesenden Familienmitglieder und des k. k. Hofstaates und unter Aufführung des Requiems von Cherubini statt. Hierfür war ein kleines, drei Stufen hohes und entsprechend ausgekleidetes Trauergerüst angefertigt worden. Bereits am Vorabend um fünf Uhr hatte die Geistlichkeit in der Hofburgkapelle die Vigilien im Stillen, das heißt ohne jegliche Begleitung, gefeiert.179 Am Vormittag des 8. März läuteten auch im sogenannten Kaiserläuten die Glocken aller Wiener Kirchen.180 Damit hatte auch der Wiener Hof seine Pflicht erfüllt und – wie auch in den Jahren zuvor – die Politik verfolgt, Normalität vorzuspielen, ohne Erzherzog Stephan besondere Ehre oder gar offizielle Rehabilitation zukommen zu lassen. Letztlich unterstrich das Zeremoniell seiner Beisetzung nur, dass er bis zu seinem Lebensende nicht aus dem Exil herausgekommen war und dass der Wiener Hof selbst den Verstorbenen nicht wieder vollumfänglich rehabilitieren wollte. Der Kaiserhof gab Routine vor, um ein Leben zu beenden, das alles andere als routinemäßig verlaufen war. Womöglich ging diese Strategie auf. Womöglich lag es aber auch in den besonderen Umständen Stephans begründet, dass er nach seinem Tod kein größeres Eigenleben mehr entwickeln konnte.181 Im Gegensatz zu Persönlichkeiten des 19. Jahrhunderts, deren „Mythos […] die eigentliche Persönlichkeit […] überwuchert hat“, wie zum Beispiel Prinz Louis Ferdinand von Preußen,182 kamen nach Stephans Tod alle Bilder, Gerüchte und Gedanken annähernd zum Erliegen. Im März 1867 muss beim ungarischen Adel noch die Idee aufgekommen sein, ihm am Quaiplatz in Pest gegenüber der Redoute ein Denkmal zu errichten.183 Dieses Projekt wurde aber nie realisiert. 178 LHA Koblenz Best. 47 Nr. 2799; Bode (2017), S. 99. 179 OeStA HHStA NZA Karton 31; Das Vaterland Nr. 65 (7. März 1867), o. S.; Neue Freie Presse Nr. 906 (9. März 1867), o. S.; Die Debatte Nr. 67 (9. März 1867), o. S. 180 Fremden-Blatt Nr. 67 (9. März 1867), S. 2; Die Debatte Nr. 67 (9. März 1867), o. S.; Neue Freie Presse Nr. 906 (9. März 1867), o. S. 181 So symbolträchtig der Todeszeitpunkt auch durch Zeitgenossen bewertet wurde, zur Schaffung eines Kultes war Stephan vermutlich zu alt geworden. Mechanismen wie beim Herzog von Reichstadt konnten hier nicht mehr greifen; Tulard (1992), S. 206. 182 Kleßmann, S. 401; Nadolny, S. 6 „der erste Star der neuen Geschichte, dessen Bedeutung nicht durch Taten, sondern durch Erscheinung und Ausstrahlung“ geschaffen worden sei. Eine Analyse dieses Urteils unterlässt Nadolny allerdings. 183 Groß-Becskereker Wochenblatt Nr. 10 (9. März 1867), S. 110; Linzer Abendbote Nr. 54 (6. März 1867), o. S. Auch auf dem Josephsplatz wurde ein längst geplantes Standbild Palatin Josephs errichtet und unter „Anwesenheit des Allerhöchsten Hofes“ eingeweiht; Groß-Becskereker Wochenblatt Nr. 19 (1. Mai 1869), S. 216. Das einzige ausgeführte Denk-
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In der Presse war fortan kaum noch etwas über ihn zu lesen. Trotzdem aber können uns ein paar Äußerungen seiner Zeitgenossen helfen, dieses Versiegen der Popularität zu ergründen. Der ungarische Revolutionär Kossuth, der wahrhaft kein spannungsloses Verhältnis zu Erzherzog Stephan gehabt hatte, erklärte nach dessen Tod nüchtern, der ehemalige Palatin sei gestorben, bevor er gelebt habe.184 An anderer Stelle attestierte er: „Möge er in Frieden ruhen, der sein Lebensziel verfehlt hat und so bald hingeschieden ist.“185 Der ungarische Revolutionär definierte Stephans Lebensziel auf die Verwirklichung nationalungarischer Interessen hin. Damit setzte er über den Kopf dessen, der sein Leben zu führen hatte, dessen Ziel fest. Das ist äußerst fragwürdig und anmaßend. Aber es ist auch insofern fatal, weil diese Einschätzung Bilder aus Stephans Leben fortführt: Von außen wurden Absichten, Ziele und vermeintliche Daseinsberechtigungen an ihn herangetragen. Bezeichnend hierfür ist auch die positive Würdigung Stephans durch Großherzog Friedrich I. von Baden 1884 in seinen Lebenserinnerungen, in der es der Eifersucht der Wiener Regierung und ihrer Unschlüssigkeit zugeschrieben wird, dass der beliebte und kenntnisreiche Erzherzog politisch gescheitert war. Abgesehen davon, dass Stephan sich das Vertrauen der Bevölkerung erworben habe, wird dessen Rolle von dem liberal eingestellten und konstitutionell orientierten Großherzog aber nicht näher definiert.186 Kurz nach seinem Tod erschien in den „Deutschen Blättern“, der Beilage zu dem damals noch eher systemkritisch und volksaufklärerisch einzustufenden Massenblatt „Die Gartenlaube“, unter dem Titel „Ein Kranz auf das Grab eines Habsburgers“ ein Nachruf aus der Feder eines anonymen Autors, der Stephan selbst nicht persönlich gekannt hat. Als Quelle zur Rekonstruktion des Lebens ist der Text völlig unbrauchbar. Das Bild Stephans in der Öffentlichkeit aber hilft er zu verdeutlichen. Zunächst beginnt der Verfasser damit, Geist, Bildung, Charakter und Humanität „dieses seit Jahren fast vergessenen Mannes“ herauszustreichen und anhand seiner vermeintlich bürgerlichen Erziehung zu begründen. Kein Pferd, so heißt es nach St. Johns mal für Stephan dürfte im ungarischen Lillafüred zu finden sein, das anlässlich seines dortigen Aufenthalts 1847 errichtet wurde. 184 Hankó (1990), o. S. 185 Kossuth (1881), S. 289. Ähnlich auch Kossuths Anhänger Franz Reisinger (1851), S. 98– 106. 186 Obser, S. 88–90. Der Großherzog geht so weit, zu attestieren, „daß man erst nach seinem Tode in maßgebenden Kreisen erkannt hat, wie das ihm zugeschriebene strafbare Verhalten während des ungarischen Aufstandes ihm mehr zur Ehre denn zum Vorwurf gereichte und wie die damalige Regierung das ganze Unheil nur durch ihre eigene schwankende Haltung und Unschlüssigkeit herbeiführte.“
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Schilderung von 1848, sei dem Knaben „zu wild, kein Mensch zu gering gewesen“.187 In seiner Prager Zeit, in welcher nationalistische „Hetzereien“ in Böhmen aufgekommen seien, habe er sich auf das „Menschliche“ verlegt. So wenig der Verfasser von den nationalistischen Tendenzen zu halten scheint, so merkwürdig ist es, dass er Stephan als Statthalter von Böhmen den Ausspruch in den Mund legt: „Wir sind nicht Oestreicher, wir haben keinen Kaiser“188 – ganz so, als sei er Teil der antideutschen Bewegung in Böhmen gewesen. Für seine Zeit als Palatin von Ungarn wird Stephan positiv angerechnet, dass er sich die Krone des Königs eben nicht habe aufsetzen lassen. Und all das wird unter dem Begriff der „Vaterlandsliebe“ gebündelt. Schließlich kommt der Artikel zu einem überaus interessanten Fazit: „Der Erzherzog lebte und starb in der festen Ueberzeugung, daß Ungarn ohne Oestreichs Macht und ohne das deutsche Element mit der Zeit verarmen und verkommen würde. Er wollte ein mächtiges Land unter dem Banner des Doppelaars, aber für die ganze östreichische Monarchie volle Freiheit. Er wollte weder den Magyaren noch den slavischen Stämmen, nicht den Italienern oder den Türkisch oder Griechisch sprechenden Bewohnern Oestreichs die Sprache verbieten, nicht der Verbreitung ihrer Literatur hinderlich sein, aber er wollte, daß der ganze Kaiserstaat begünstigt durch eine freie Verfassung, germanisirt würde. Nicht in der allzu energischen, gewaltsamen Weise Kaiser Joseph’s II., aber auch nicht lässig. Er tadelte das Metternich’sche System, die Nationalitäten wie Schachfiguren zu benützen und mit ihnen sein Spiel zu treiben, er war Kosmopolit, weil er durch und durch human war.“189 Das ohnehin schon ausgesprochen konturlose, wenn auch sehr positive Bild des Verstorbenen kulminiert hier in einem definitorischen Nebel: Freiheit, Humanität und Kosmopolitismus. Stephan steht schlichtweg für das Gute, so widersprüchlich dieses auch sein mag. Damit wird er eher zu einer Märchenfigur in einer zerrissenen Zeit, die durch eine Wolke unklarer Begrifflichkeiten aus dem späten 18. Jahrhundert ausgezeichnet ist. Der „nur Vernunft und Humanität verpflichtete Weltbürger“, der sich dem Besten seiner Zeitgenossen verschrieben hatte, hatte rund achtzig Jahre vor Stephans Tod gewirkt und war v.a. einige Jahre nach seinem Tod zum Ideal eines „säkularen ‚Heiligen‘“ geworden.190 Damals war der Nationalismus erst im 187 Deutsche Blaetter. Literar.-polit. Feuilleton-Beilage zur Gartenlaube Nr. 10 (1867), S. 37– 39, hier: S. 37. Zu St. John vgl. Kapitel 1.1, Anm. 21. 188 Deutsche Blaetter. Literar.-polit. Feuilleton-Beilage zur Gartenlaube Nr. 10 (1867), S. 38. 189 Deutsche Blaetter. Literar.-polit. Feuilleton-Beilage zur Gartenlaube Nr. 10 (1867), S. 39. 190 Schmidt (2009), S. 374. Zum Begriff der Humanität am Beispiel Herders vgl. Johann Gottfried Herder. Ahndung künftiger Bestimmung, S. 170; auch Meinecke, u. a. S. 18–19. Vgl. auch Stephans Stellungnahme zu Goethe oben Kapitel 2.3, Anm. 220.
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Entstehen begriffen und hatte noch nicht die Schärfe entwickelt, mit der die Zeit um 1867 konfrontiert war. Ihm war – wie zum Beispiel in Ungarn – mit diesen schwachen und zumal undefinierten Begriffen nicht beizukommen, zumal der Verfasser des in den „Deutschen Blättern“ erschienenen Nachrufs mit seinen Darlegungen so weit greift, dass er nichts benennen kann. Womöglich bezog sich das Humane auf Stephans oft genannte Leutseligkeit. Goethe hatte 1810 für Deutschland den Trend „einer Art Humanitätskultur“ erkannt: ein „Heruntersteigen der Vornehmen, um sich wert zu machen“,191 also das, was im habsburgischen Kontext als Leutseligkeit eingestuft wurde. Auch das waren Wertvorstellungen, die aus einer längst vergangenen Zeit stammten und mit denen eine progressiv erscheinende, aber letztlich aus der Zeit gefallene Figur konstruiert wurde. In einer sich wandelnden Welt war diesen Wertmaßstäben, die aus dem späten 18. Jahrhundert stammten, auf Dauer kein Bestand beschieden. Unter Machtpolitikern und einem stärker werdenden Nationalismus wurde diese Reminiszenz nach dem Tod dessen, der sie verkörperte, zusehends bedeutungslos. Dazu trug auch bei, dass seine Politik keine bleibenden Resultate gezeitigt hat und er kein prägnanter Vertreter einer politischen Strömung gewesen war. Er stand daher weder für die „sinnbildliche Existenz“, die Thomas Mann manchen Aristokraten zugeschrieben hat,192 noch für einen politischen Gestalter. Ja, er hat das „Liberalsein“ nicht einmal als „Sport“ betrieben wie andere „seiner Standesgenossen das Taubenschießen“, wie es Arthur Schnitzler einem fiktiven Prinzen zuschrieb.193 Eine Würdigung des Verstorbenen war daher auch für die Zeitgenossen schon ausgesprochen schwierig. Nur solange er lebte, konnte er als Wunsch-, Gegen- oder Hassbild dienen. Nach seinem Tod war diese Funktion erloschen, so sehr auch eine gewisse Sentimentalisierung seiner Todesumstände dazu hätten beitragen können, den Nachruhm zu verstetigen. Es blieben allenfalls ein paar Anekdoten aus seinem Leben als Standesherr.194 191 Goethe (1998), S. 552 (18. Mai 1810); Pons (2008), S. 405. In Schillers „Maria Stuart“ (II,9) wird der Besuch Elisabeths bei ihrer Kontrahentin als Zeichen der Staatskunst gewertet, „die öffentliche Meinung / Durch eine Tat der Großmut“ zu gewinnen. 192 Mann, S. 82. 193 Schnitzler, S. 158. 194 Spielmann (1900), S. 50–59. Dazu gehören auch die Geschichten etwaiger Liebesbeziehungen u. a. zu Kossuths Schwester Isabella, die Stephan auf der Schaumburg aufopfernd gepflegt haben soll; Fiebig, S. 29. Vgl. auch die Sammlung von Zeitungsausschnitten in HLA HHStAW Best. 1163 Nr. 652, darunter der sehr fehlerhafte und äußerst idealisierende Artikel „Porträt großer Männer unserer Heimat: Stephan Franz Viktor Erzherzog von Oesterreich, Palatin von Ungarn“, in: Lahnzeitung Nr. 32 (8. Dezember 1949). Zur Fiktion einer Beziehung Stephans zur Tochter eines ungarischen Klavierbauers vgl. Gaiger II, S. 57.
9. ROLLEN UND BILDER Auf den Tag genau vier Monate nach Stephans Tod, am 19. Juni 1867, wurde Kaiser Franz Josephs Bruder Maximilian als Kaiser von Mexiko nach seiner Verurteilung durch ein Kriegsgericht in Queretaro erschossen. Die zuvor angebotene Flucht hatte er abgelehnt.1 Die beiden ehrgeizigen und als nonkonformistisch geltenden Habsburger, die von der zeitgenössischen Publizistik miteinander in Beziehung gesetzt wurden, obwohl zwischen ihnen persönlich kein nennenswerter Kontakt bestanden hatte, waren damit innerhalb weniger Monate verstorben.2 Das Medienecho war allerdings im Falle Maximilians deutlich größer, was den spektakulären Umständen geschuldet war, aber natürlich auch der Tatsache, dass dieser sich in Amt und Würden befand und kein fast zwanzigjähriges Exil hinter ihm lag. Trotzdem stehen beide fast symbolisch für das Scheitern ehrgeiziger Alternativen zum Dasein eines „nutzlosen“ Erzherzogs und – zumindest in der Wahrnehmung vieler – zum reaktionären Kurs der kaiserlichen Regierung. Ähnlich wie Stephan Jahre zuvor war auch Maximilian als „Messias“ gefeiert worden,3 was zumindest belegt, wie sehr die Publizistik der Zeit nach einer Erlöserfigur suchte.4 Im Gegensatz zu Kaiser Maximilian endete das Leben Stephans ohne besonderen Akzent, den auch alle diesbezüglich unternommenen Versuche nicht zu setzen vermochten. Der Erzherzog verschwand aus dem Bewusstsein und geriet, trotz aller Bemühungen zu seinen Lebzeiten, in Vergessenheit. Nur im direkten Umfeld der von ihm errichteten Schaumburg blieb die Erinnerung an ihn wach. Dieser Umstand streicht das Fassadenhafte dieses Lebens aber umso deutlicher hervor, so dass moderne Fragestellungen, die aus der Medien-, Theater- und Kulturgeschichte übernommen wurden, einem ganz besonderen Phänomen auf die Spur kommen konnten, einem Phänomen, das sich aus Rollen und Bildern zusammensetzte, nicht aus Leistungen und Taten. Konstruktionen schmälerten nicht den Wert dieser Bio1 2 3 4
Hamann (1988), S. 372–375. Vgl. Kapitel 1.1. House, S. 37. Das sicherlich einprägsamste Bild des Scheiterns Maximilians entwerfen die Gemälde des Malers Édouard Manet von 1867/68, die bis heute zu verschiedenen Interpretationsansätzen Raum geboten haben; vgl. u. a. Fath, passim; Sellin (1996), passim. Lohnend wäre sicherlich auch ein Vergleich des Schlosses Miramar mit der Schaumburg, das jeweils zwei aus dem politischen Leben entfernte Habsburger als Rückzugsort errichten ließen; vgl. Perotti, passim (hier keine Nennung der Schaumburg). Auch das Achilleion der Kaiserin Elisabeth auf Korfu könnte in diese Betrachtung miteinbezogen werden.
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graphie, sondern sie öffneten ganz neue Räume, um das Bild einer historischen Persönlichkeit zu entwickeln. So konnte das erneute Durchschreiten der Vita Erzherzog Stephans in Form einer biographischen Annäherung aufzeigen, dass bei ihm nicht das äußere Leben das beherrschende war, sondern dessen Konstruktion in Form von Rollen, die Stephan sich selbst zuschrieb und die andere ihm von früher Jugend an auferlegten. Stephan führte ein Leben der Erwartungen und Ansprüche, was eine Annäherung an den Menschen fast gänzlich unmöglich macht, weil es diesen Menschen hinter diesen Fassaden nicht zu geben scheint. Die verschiedenen – oft widerstreitenden – Bilder verwischen sich und gehen ineinander über. Wollte man trotzdem versuchen, sie klar zu benennen, liefe es auf die Freund- oder Feindbilder des progressiven Liberalen, des Vertreters der (reaktionären) Dynastie, des patriarchalisch-leutseligen Habsburgers bzw. Standesherrn, des eitlen Selbstdarstellers, Dandys und Märchenprinzen, des oberflächlichen Plauderers oder des ambitionierten Naturkundlers hinaus. Je nach Standpunkt war Stephan Vermittler oder Scharfmacher. Für konservative Kreise wurde er zum Verräter, hingegen zum Hoffnungsträger für Liberale und Revolutionäre. Er konnte aber auch schnell wieder zu deren Verräter werden, wenn sich offenbarte, dass er nicht bereit oder in der Lage war, deren politische Forderungen zu erfüllen. Für Realisten war Stephan der gefährliche Träumer, Schwätzer und Hanswurst. Für Personen, die eindeutige Positionen verlangten, war er der Spaßmacher. Er war zugleich der Vater der Landbevölkerung wie auch der Salonlöwe im Kreis der gekrönten Häupter Europas. All diese Bilder umfingen den Erzherzog und schufen ihn erst. Stephan selbst förderte dies noch dadurch, dass er sich häufig klaren Stellungnahmen entzog und in seinen Briefen je nach Gesprächspartner unterschiedliche Positionen bezog und verschiedene Rollen – durchaus auch manipulativ – einnahm. Bezeichnend hierfür ist auch die Ironie, die er selbst in der Beschreibung seiner Leiden kurz vor seinem Tod an den Tag legte. Wie geschildert wurde, handelte es sich bei ihm um einen recht typischen Vertreter des bürgerlich anmutenden österreichischen Spätjosephinismus: Zurück in die Vergangenheit wollte er nicht, die Zukunft erschien ihm gefährlich und die Gegenwart war – abgesehen davon, dass der Augenblick ohnehin nicht festgehalten werden kann – erfüllt von Problemen. Diese Haltung war denkbar ungeeignet, um in einer Zeit der politischen Umbrüche und Revolutionen, der ideologischen Kämpfe und der Mobilisierung neuer Akteure Position zu beziehen und Geschicke zu lenken. In den wenigen Jahren als Landeschef von Böhmen konnte er im Schatten der Politik agieren, deren Forderungen von anderer Seite abgefangen wurden, und als Wohltäter auftreten. Seine Haltung war aber bereits zu dieser Zeit uneindeutig
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– gerade im Fall von politischen Entscheidungen. Als Palatin von Ungarn sollten Positionen von ihm gefordert werden, die er jedoch nicht bereit war auszuformulieren oder mit deren Erfüllung er überfordert war. Er wurde zum Getriebenen, nicht zum Gestalter, der von Wien als „kleineres Übel“ im Amt belassen und von den ungarischen Revolutionären hingenommen oder instrumentalisiert wurde. Stephans Äußerungen waren zumeist haltlos und unscharf, manchmal überpointiert und radikal. Dann aber blieben sie ohne Folgen. Letztlich kam er humanistisch und wohltätig, föderalistisch und kaisertreu daher, aber nur selten war seine Haltung politisch zu bestimmen, und das barg viel Sprengstoff. Er zog sich angesichts der Tatsache, dass sein Weltverständnis der politischen Situation Europas nicht standhalten konnte, neben der manchmal sehr feinen, ein andermal recht kalauernden Ironie, hinter der die Persönlichkeit trotz aller extrovertierten Präsentation zurücktreten konnte, auf normativ verstandene humanistische Kategorien zurück, die eklektizistisch und epigonal waren, dadurch aber dem Zeitgeist entgegenkamen und diesem die erwarteten oder erhofften Schlüsselbegriffe lieferten. Das mochte persönliche Gründe gehabt haben und womöglich auch damit zusammenhängen, dass die Legitimität des Herrschers in dem durch größere (ständische) Partizipation geprägten Ungarn noch einmal anders zu definieren war als in der restlichen Habsburgermonarchie. Insbesondere aber mögen das unkonventionelle Elternhaus, seine ideologisch disparate Erziehung und das Aufwachsen in einer sehr heterogenen Sozialstruktur die Weichen gestellt haben. Schon früh konnte Stephan erkennen, wie Signalworte und performative Aktionen bei bestimmen politischen, religiösen und sozialen Gruppierungen auf Wohlwollen stießen. Dieses oberflächliche Bedienen von Wünschen und Bedürfnissen ließ ihn in verschiedenen Rollen agieren, die ihn durch die entgegengebrachten Sympathien in seiner Position bestätigten. Er lieferte Bilder, um damit die seiner Meinung nach unumstößliche Position als Erzherzog unter Beweis zu stellen. Dieses Verständnis litt auch nicht unter dem eigenen Exilstatus und unter der Erfahrung andauernder Bedrohung von Königs- und Fürstenhäusern. Er erkannte das Wanken der Throne und schrieb es einer unmoralischen Machtpolitik zu. An seiner eigenen sozialen Position aber zweifelte er nicht. Nicht selten beruhte dieses Denken und Agieren auf vormodernen patriarchalischen Denkmustern, in denen die Bevölkerung eine vorderhand bedeutende Rolle spielte. Eine fürsorgliche, aber auch herablassende Leutseligkeit sowie der Einsatz für die vor allem sozialen Belange der Bevölkerung waren Mittel, diese für sich zu gewinnen und damit das vorhandene System – gerade unter den revolutionären Erfahrungen der zurückliegenden Jahrzehnte – zu untermauern. Der Rückhalt in der Gesellschaft wurde nicht
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als politische Kraft gesucht, sondern nur zur Bestätigung eines unumstößlich Gesetzten. Auf diese Weise interpretierte Stephan auch sein politisches Agieren. Einer als verirrt verstandenen Welt setzte er die wohlmeinende Fürsorge entgegen, die er als seine Pflicht ansah, die unterschwellig aber auch den Wunsch nach Kontrolle in sich barg. Die Wurzeln dazu sind unter anderem in der Generation von Stephans Vater zu suchen, in den Erzherzögen Joseph, Karl und Johann, die ihn schon sehr früh als Spielstein nutzen wollten, um die Dynastie wieder zurück auf die politische Bühne zu führen. Im Gegensatz zu Metternichs Bürokratie, welche die kaiserliche Familie in eine rein repräsentative Funktion jenseits des politischen Geschehens zurückgedrängt hatte, suchte diese am Josephinismus geschulte Generation aus dem späten 18. Jahrhundert eine charismatische Persönlichkeit, die der Dynastie die Gestaltungskraft zurückbringen konnte. Stephan schien hier – auch optisch – die geeignete Figur zu sein. Er trat damit, gefördert von seinen Onkeln, gegen das Metternichsche System auf und wurde damit zu einem zeitweise durchaus erfolgreichen Spielstein der alten dynastischen Machtelite gegenüber einem moderneren Regierungsverständnis. Der Staatskanzler musste dem reserviert gegenüberstehen, konnte aber gegen einen Vertreter der Monarchie und damit gegen das monarchische Prinzip nichts unternehmen, selbst wenn dieser – wie zum Beispiel Stephan in Böhmen – den Schritt fast bis zur parlamentarischen Monarchie tat. Dieses Dilemma des Metternischen Systems brachte Stephan in Ämter, für die er von seinem Auftreten her geeignet erschien, denen er aber nicht gewachsen war. Stephan sollte aber weder als Antipode Metternichs noch als passives Opfer einer von ihm unverstandenen Welt und der mit ihr aufkommenden Öffentlichkeitsräume und Medien gesehen werden. Denn er wurde nicht nur von den Verwandten schon früh in die Öffentlichkeit gebracht. Zumeist suchte er diese ganz bewusst, um seine Position zu manifestieren. Leider ist über die genauen Kanäle der Medienberichterstattung wenig bekannt. Vieles spricht aber dafür, dass er diese Kanäle zu nutzen wusste und damit eine öffentliche Person aufbaute, die nicht umgangen werden konnte, so dass sein Leben auch wichtige Einblicke in die Vorgeschichte der Medienmonarchien geben kann. Aber auch das ist nur die halbe Wahrheit. Denn ebenso wichtig wie Stephans Agieren ist die Reaktion der Öffentlichkeit, die als Partnerin in diesem Spiel fungierte. Stephan fand den breiten Resonanzraum nicht zuletzt, weil die Zeitgenossen nach einer persönlichen Alternative zum System Metternich, zu den anderen Vertretern des Hauses Habsburg oder ganz grundsätzlich den Herrschaftseliten suchten. Ein gewisses deviantes Auftreten und ein gewinnendes, von manchen womöglich sogar als charismatisch wahrgenommenes Aussehen trugen zu diesem Bild bei. Dass Stephan bereit
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war, sich in der genannten Weise auf die Öffentlichkeit einzulassen, brachte seine Zeitgenossen dazu, in ihm das zu finden, was sie suchten oder fürchteten. Für den Erzherzog war dies nicht gefahrlos, wie ja auch sein Lebensweg belegen kann. Es war ein Vabanque-Spiel, wenn sich die Idoneität des Dynasten unter Beweis zu stellen hatte. Denn jede Präsentation ließ zumindest den Aspekt des Plebiszitären zu und stellte wiederum Forderungen an den sich Präsentierenden. Die Öffentlichkeit wurde sehr modern an den Dynasten herangeholt. Was sie zu sehen glaubte, wurde Stephan. Noch nach 1848 konnte er von seiner Reputation, die er in der Öffentlichkeit genoss, profitieren und diese auch nutzen. Probleme, die sich daraus ergaben, waren nur die sprichwörtliche Kehrseite der Medaille. Das zeichnete sich in seinem Lebensweg ab, ohne dass ihm das in seiner Konsequenz bewusst geworden wäre. Seine innovative Selbstverortung ging mit einer gewissen Unvertrautheit mit den neuen medialen Möglichkeiten einher. Dass er sich bestätigt finden wollte, legte unterschwellig den Schluss nahe, sich eines plebiszitären Elements versichern zu wollen. Er selbst interpretierte sein volksnahes Agieren und das Suchen nach Öffentlichkeit gewiss nur als ein Handeln aus einer patriarchalischen Pflicht heraus. Weitere Rückschlüsse zog er sicherlich nicht. Das wird schon im inneren Zirkel seines Agierens deutlich, suchte Stephan doch so gut wie nie den Weg einer substantiellen, zielgerichteten Selbsttranszendenz oder Selbstmythisierung. Lediglich der Bau der Schaumburg scheint hier auf den ersten Blick ein Gegenbeweis zu sein. Aber auch dieses Monument wich – ob aus freien Stücken oder durch indirekten Druck von außen – von Anfang an in die Parallelwelt naturhistorischer Sammlungen aus. In Selbstüberschreitung im Sinne Huxleys präsentierte sich der Erzherzog dort zunächst als Freund der Wissenschaft. Später wandelte sich die Schaumburg mitsamt ihrem Erbauer sogar zur Touristenattraktion. Die damit gewonnene Popularität ließ die Publizistik und die Bevölkerung weiter von ihm reden, was auch ein Grund für seine Aktivitäten gewesen sein mag. Allerdings blieben sie oberflächlich und unbestimmt, genauso wie die meisten seiner intensiven Kontakte mit der Welt des Hochadels. Weder schuf sich der Erzherzog mit dem Bau eine Daseinsberechtigung im Sinne einer Selbsttranszendenz, noch verortete er sich damit politisch innerhalb des Kaiserhauses oder der europäischen Adelsfamilie. Es blieb perspektivlos und auf den Augenblick berechnet, womöglich auch, weil er sich innerhalb des europäischen Hochadels bereits eine unumstößliche Position zuschrieb, die im Zweifelsfall mehr wog als operative Macht und die von ihm gerne beschworene Idoneität des Herrschenden abfedern konnte. Dass ihm damit aber substantielle Tragweite abhandenkam, scheint er nicht
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bemerkt zu haben. Deshalb blieb die Popularität auch ohne Auswirkungen und Nachhaltigkeit. Aber selbst wenn man die Sphäre von Selbsttranszendenz oder Selbstmythisierung nicht bemühen möchte, bleibt wenig an eigener Aussage. Selbst Rechtfertigungen sind bei Stephan eher selten. Das Meiste blieb offen, adressaten- und anlassbezogen und nur auf eine kurzzeitige, wenn nicht gar momentane positive Rückwirkung berechnet. Damit bediente er das Bild des tagespolitischen Helden, wozu geschickte Auftritte zu konkreten Anlässen beitrugen. Letztlich stand er damit für alles und nichts. Die von Stephan exzessiv betriebene Selbstdarstellung blieb daher fassadenhaft, widersprüchlich und damit inkonsistent. Das setzte ihn natürlich wiederum den bereits genannten Gefahren aus, weil ihn der Konnex zu aktuellen Ereignissen auch von diesen abhängig machte, eine stetige Leistungsbereitschaft voraussetzte und die Augen der Öffentlichkeit auf ihn gerichtet waren. Der Fokus auf dem Leistungsdenken ließ ihn das legitimatorische Fundament der Dynastie untergraben, ohne dass er es beabsichtigt oder gar erkannt hätte. Das lag daran, dass er seine Position als Erzherzog für unantastbar hielt. In der ersten Zeit seines Exils glaubte er sogar, nur er selbst sein zu können, obwohl gerade seine bis dahin betriebene und auch weiterhin fortgesetzte Medienpolitik dies ausschloss. Stephan wurde so ein für den jeweiligen Markt zugeschnittenes Produkt. Bis zum Ruhm einer über jeglichen Inhalt erhabenen Ikone erhob er sich nie. Durch die Polyvalenz seines Auftretens und seiner Äußerungen stand er aber für verschiedene, oft disparate Inhalte. Das barg ebenso viele Chancen wie Gefahren, denen er allesamt in seinem Leben ausgesetzt war. Erst durch die mediale Präsenz und dadurch, dass er für verschiedene Gesellschaftskreise und politische Lager zur positiv oder negativ konnotierten Projektionsfläche geworden war, war er ideell wirkmächtig geworden. Nicht er selbst erzielte den Erfolg, sondern die öffentliche Person, die in verschiedene Facetten und Bilder zerfiel und in den Köpfen und Zeitungen Europas als verschiedene Entwürfe einer Person5 herumgeisterte. Auch wenn Stephan nichts tat und für nichts stand, beeinflusste er das Agieren und Denken seiner Zeitgenossen. Die Folgen davon, sich an die Öffentlichkeit begeben und bürgerliche Tugenden wie zum Beispiel den Leistungsgedanken in den Vordergrund gestellt zu haben, bekam er unweigerlich zu spüren. Denn er machte sich damit von den Einschätzungen anderer abhängig. Insofern ist ihm die Strategie, die ihn aus nachgeordneter Reihe des Hauses Habsburg so weit nach vorne gebracht hatte, auch zum Verhängnis gewor-
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Nach Max Frischs Formulierung „Entwürfe zu einem Ich“; Frisch, S. 109.
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den. Gerade dieser Umstand rechtfertigt es, sich so intensiv mit ihm zu beschäftigen. Aus den drei Blickwinkeln der Mediengeschichte, der Dynastiegeschichte sowie des ganz persönlichen biographischen Ansatzes wird Erzherzog Stephan zu einer mehrdimensionalen Persönlichkeit, die wiederum Rückschlüsse auf die Gesellschaft ihrer Zeit und die politischen Gegebenheiten und Erwartungen zulässt. Inwiefern diese Biographie paradigmatisch sein kann, bleibt allerdings angesichts der bisher fehlenden vergleichbaren Studien schwer zu beantworten. Die politische und soziale Basis der Donaumonarchie in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts hat sicherlich einen guten Nährboden für die Entstehung dieser Biographie bereitet. Ebenso förderte die Eitelkeit des Protagonisten die Entwicklung. Die Beteiligung vieler verschiedener Kommunikationsträger, auch weit über die Grenzen des Habsburgerreichs hinaus, schließt aber eine monokausale Herleitung aus, so dass anzunehmen ist, dass vergleichbare Entwicklungen zur selben Zeit auch in anderen Kontexten zu finden sein dürften, sobald die Selbstdarstellung und der Resonanzraum der Person das Klima hierfür schufen. Im Grunde erzählt die vorliegende Biographie ein fiktives Leben, das gelebt wurde. Der konstruierte Stephan wurde in seiner Relevanz zur eigentlichen historischen Persönlichkeit. Denn viel schwächer und unergiebiger ist über historische Zeugnisse zu greifen, wer Stephan war, als zu wem er gemacht wurde – auch von sich selbst. Der Erzherzog unterschied sich hierbei nicht von Virtuosen und Künstlern seiner Zeit, wenn auch das Dämonische oder Erotische in seiner Wahrnehmung keine tragende Rolle spielte. Aber er agierte wie diese vor einem Publikum und musste dessen Erwartungen erfüllen. Diese Divergenz der Wünsche, Erwartungen und Befürchtungen und seine mangelnde Zielgerichtetheit ließen eine Vielzahl von Persönlichkeiten entstehen und geben bis heute Rätsel auf. Der Erzherzog war wenig zu fassen und wurde als Gegenfigur zu Bestehendem gesehen. Die Unfassbarkeit seiner Persönlichkeit und die – seit jungen Jahren – geschickt angewandte Vermarktung Stephans ließen den Erzherzog zu einem Produkt werden, das sich jeder, der mit den Zeitverhältnissen unzufrieden war, als seinen Parteigänger vorstellen konnte, ohne dass er wirklich ein verlässlicher und überzeugter Partner gewesen wäre. Hier liegt auch der große Unterschied zwischen Selbsttranszendenz und einer an die Selbstvermarktung grenzenden Selbstüberschreitung. In dieser Hinsicht war Stephan so etwas wie ein It-Boy des 19. Jahrhunderts, dessen Leben auf der Grundlage eines Erfolgs- oder Leistungsgedankens vermutlich als gescheitert angesehen werden muss. Sein Status als Exilant verleiht ihm dann zusätzlich eine besondere Relevanz, weil sich darin eine vermeintliche Außenseiterrolle sichtbar verkörperte.
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War Stephan womöglich sogar einer der frühesten „Aussteiger“ aus dem Haus Habsburg, wie sie im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert mehrfach in Erscheinung traten? Ein etwas paradoxer Aussteiger wider Willen, aber aus innerem (und äußerem) Antrieb? Zeigte sich in ihm schon das „Symptom einer gesellschaftlichen Erkrankung, die das Haus Habsburg erfaßt hatte und letztlich zu seinem politischen Untergang 1918 wesentlich beitrug“?6 Ein eingehender Vergleich mit späteren Antipoden Franz Josephs wie Kronprinz Rudolf oder Erzherzog Franz Ferdinand wäre daher – neben den genannten Aussteigern – sicherlich lohnend. Nach dem eingehenden Studium des Lebenswegs kann sich die mehr unterschwellig denn explizit in zeitgenössischen Texten aufscheinende Absicht nicht aufrechterhalten lassen, Stephan als positive, weil moderne, leutselige und liberale Gegenfigur der Habsburger innerhalb des Kaiserhauses zu propagieren.7 Hierfür war seine Verbindung in das internationale Adelsnetzwerk des 19. Jahrhunderts doch zu stabil, zu eng und wurde von ihm zu sehr gesucht. Neben dem Aspekt der breiten (politischen) Öffentlichkeit war es diese Facette, die sein Leben in besonderem Maße prägte. Es fügt sich aufs Beste ein in das Bild der königlichen Internationale, das in den letzten Jahren in den Fokus der historischen Wissenschaft gerückt wurde. Als Scharnier zwischen dem Haus Coburg und den Romanows, zwischen Habsburg und den deutschen Fürsten entwickelte Stephan sich zu einer festen Größe: apolitisch im Auftreten, aber von einer enormen informellen politischen Tragweite, die er nutzte und für die er sich benutzen ließ. Stephan war daher alles andere als ein Widerständler oder ein Opfer. Denn er hatte selbst genügend Anteil daran, wie er wirkte und wo er sich bewegte. Seinen Platz in der hochadligen Internationale suchte und verteidigte er intensiv. Aber auch schon sehr früh war er bewusst in die Öffentlichkeit lanciert worden. Bewusst führte er diese Strategie fort, zum Teil aus einer unmotivierten Eitelkeit heraus, zum Teil aber gewiss auch manipulativ und strategisch. Das Ideal der späten franzisko-josephinischen Epoche, dass der Amtsträger hinter seinem Amt gänzlich zurückzutreten und „durchsichtig“ zu werden habe, dass er in aller Diskretion nicht „persönlicher auszusehen“ sich bemühe als der Kaiser,8 war nicht seine Sache, so sehr ihm auch – nach 6 7
8
Vocelka (1997), S. 262. Seine Einzelpersönlichkeit taugt nicht als möglicher Retter der „Monarchie auf Kündigung“. Wenn der Historiker Arne Karsten attestierte, dafür hätte es eines „kreativ-gestalterischen Oberhauptes mit der Fähigkeit zu situationsbedingter Skrupellosigkeit“ bedurft, so war Stephan ganz sicherlich keine solche Persönlichkeit, vielmehr bot er heterogene Projektionsflächen, ohne diese Erwartungen einlösen zu können; Stickler (2018), S. 150; Karsten, S. 74. Und der Kaiser nicht persönlicher als seine Beamten; Musil 1, S. 84; allgemein auch Magris, S. 16–18.
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eigener Aussage – die Loyalität am Herzen lag. Bei aller politischen und ideellen Konturlosigkeit blieb er doch eines nie: öffentlichkeitsscheu und dezent. Damit aber widersprach er offensichtlich der modernen Regierungsbürokratie.9 Im Gegensatz zu Vertretern dieser Geisteshaltung schien gerade er mit seinem proteushaften Image den sonst üblich gewordenen abstrakten Mittelpunkt der Monarchie in der Öffentlichkeit mit einer greifbaren Persönlichkeit zu füllen, vergleichbar womöglich mit Persönlichkeiten, wie sie der volkstümliche Erzherzog Johann oder die extravagante Kaiserin Elisabeth vorgaben. Das macht diesen Lebensweg so interessant. Der Biograph kann das Gemachte und Konstruierte einer Persönlichkeit ausloten, die Fremd- und Selbstbilder nebeneinanderstellen und schließlich die Facetten aufzeigen, die eine Persönlichkeit ausmachen und auszumachen scheinen. Doch das lässt auch wieder Rückschlüsse auf die Gesellschaft zu, in der der Protagonist lebte – denn der Erzherzog wird dann mehr zum Bild der Gesellschaft, als dass er eine autonome Persönlichkeit bildete. Nicht – wie in Biographien vergangener Zeiten – macht der bedeutende Mensch Geschichte, sondern die Gesellschaft schafft sich ihren Menschen. Dem kam im Fall Stephans eine weitreichendere Bedeutung zu, weil auf diese Weise – nicht ohne Zutun des Objektes selbst – das Idealbild eines Monarchen oder Adligen entstand, das den Wünschen und Sehnsüchten der Gesellschaft entsprach. Dieses Image eines Märchenprinzen konnte, ja musste wohl auch im Lichte der Realität vergehen, war aber auch so wandelbar und beständig, dass es trotz der Fehlschläge nicht zerstört wurde. Stephan fügt sich daher konsequent in den Personenkreis idolisierter Künstler ein und reflektiert damit wie diese tief verwurzelte Ideale der heterogenen Gesellschaft, in der er lebt. Die von ihm entworfenen Rollen mit allgemeinen Bildern von Adligen und Regenten in der Trivialliteratur der Zeit abzugleichen, wäre sicherlich ein lohnender Schritt, der in der vorliegenden Studie allenfalls am Rande gestreift werden konnte. Ohnehin wäre zu wünschen, dass mehrere biographische Studien entstünden, die das Leben und Auftreten Erzherzog Stephans sowohl im gesellschaftlichen Umfeld des Hochadels als auch in der internationalen Presse durch Vergleiche noch besser beurteilen ließen. Hierzu wäre insbesondere auch ein Blick auf andere Exilanten der Zeit von Interesse, 9
Hofmannsthal (1948), Der Schwierige (1921), S. 455–456: Es liege „doch geradezu etwas Unverschämtes darin, daß man sich herauswagt, gewisse Dinge überhaupt zu erleben! Um gewisse Dinge zu erleben und sich dabei nicht indezent zu finden, dazu gehört ja eine so rasende Verliebtheit in sich selbst und ein Grad von Verblendung, den man vielleicht als erwachsener Mensch im innersten Winkel in sich tragen, aber niemals sich eingestehen kann!“
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die laut dem Schriftsteller Gregor Samarow in der öffentlichen Meinung nur geduldet wurden.10 Die soziale Rückkoppelung und die Individualität oder Konformität von Selbstvermarktungs- und Selbstdarstellungsmechanismen könnten dann noch besser dargelegt und auf die Rezeption in der Presse, in der Gesellschaft und in der öffentlichen Meinung hin untersucht werden. Denn der Epilog zu einer Biographie kann nicht der Ort sein, die – spätestens seit Bourdieu unbestrittene – gesellschaftliche Rückkoppelung dahingehend aufzulösen, aus den verschiedenen Bildern, die sich die Gesellschaft vom biographischen Objekt gemacht hat, wiederum die gesamte Gesellschaft zu rekonstruieren. Das Bild eines heterogenen Sozialgefüges anhand der Erwartungen an eine Person und der Vorstellungen von ihr zu schaffen, wäre überaus reizvoll, bedürfte aber eines anderen Zugangs als des hier gewählten sowie eines umfangreicheren Studienmaterials. Bleiben wir also hinter diesen Erwartungen zurück und wagen uns trotzdem an ein Resümee. Ein Fazit über das Leben eines Menschen zu ziehen, hat immer etwas Übergriffiges und Richtendes. Im Falle Stephans aber ist es schier unmöglich: Das Leben eines Mannes, der seinen Platz in der Welt nicht gefunden hat und vielleicht auch nicht finden konnte, aus einer Gesellschaftsschicht, die ihren Platz in der Welt zu verlieren drohte, in einer Welt, die sich schmerzhaft sortierte und suchte, ist nicht dazu angetan, zu einem klaren Ergebnis zu kommen. Worin liegt aber dann die heutige Relevanz dieser Persönlichkeit? Sicherlich nicht, kann die Antwort sein, in seiner politischen Bedeutung – weder realpolitisch oder als propagandistisch eingesetzte Gegenfigur. Vielmehr liegt die Faszination für uns heute darin, sensibilisiert durch die Mechanismen modernen Medien und zeitgenössischer Werbemaschinerien das Leben eines Menschen in seinen von außen an ihn herangetragenen Bildern und Rollenmustern sowie die Wirkmächtigkeit, die daraus resultiert, zu studieren. Damit legt das biographische Objekt im Falle Stephans selbst die Mechanismen eines Lebens und seiner Rezeption offen und führt zwangsläufig zur Thematisierung der grundsätzlichen Frage, worin ein menschliches Leben – ganz abgesehen von seiner bloßen physischen Existenz – besteht und was seine historische Bedeutung ausmacht, und zwar letztlich nicht nur das Leben derjenigen, deren „Leistungsbilanz“ vermeintlich schlecht ausfällt, sondern auch das all der anderen, die ebenfalls mit an sie herangetragenen und aus ihnen selbst erwachsenen Erwartungen und Konstruktionen zu leben hatten bzw. haben. Die vielen gelebten und nicht gelebten Leben des Erzherzogs, die in seiner Existenz immer mitschwingen und in Selbstzeugnissen, Urteilen und Zeitungsberichten manifest geworden sind, formen 10 Samarow, S. 150.
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durch den an virtuellen Realitäten geschulten Blick das vielschichtige und widersprüchliche Gesamtbild eines Menschen, das per se die (Re-)Konstruierbarkeit einer Biographie in Frage stellt und zugleich danach verlangt, sich dieser anhand authentischer Quellen und gewissenhafter Quellenkritik anzunehmen. Dem Leser bleibt es freigestellt, das Dargelegte in Bezug auf die historische Epoche, die Gesellschaftsschicht oder ganz allgemein soziologisch oder womöglich gar anthropologisch aufzufassen. Was aber so oder so bleibt, ist eine vielschichtige Verbindung verschiedener Ebenen, die es überaus lohnend macht, sich dieser Persönlichkeit, ihren Rollen und Bildern mit einem ganz grundsätzlichen Interesse an menschlichen Schicksalen in ihrer Zeit zu nähern. Und damit ergänzt die Studie über Erzherzog Stephan von Österreich die in den letzten Jahren aufgekommene Betrachtung der Dynastien des 19. Jahrhunderts, ihres Selbstverständnisses und ihrer Überlebensstrategien aufs Beste.
10. A NHANG
10.1 Verzeichnis der Siglen und Abkürzungen ADB AMgdL APR ASM BayHStA GHA BLKÖ BUPD MS CC DBE DHM DAL Nachlass Fliedner GNM GStA PK HLA HStAD HLA HHStAW HLA HStAM HLB HU MNL LA BW HStAS LATh HStA Weimar LATh StA Meiningen LCI LHA Koblenz LHAS MIÖG MM
Allgemeine Deutsche Biographie Archives Maison Granducale de Luxembourg Archives du Palais Royal Brüssel Archivio di Stato di Mantua Bayerisches Hauptstaatsarchiv München, Geheimes Hausarchiv Biographisches Lexikon des Kaiserthums Österreich Biblioteca Universitaria di Padova, Carteggio Catullo Deutsche Biographische Enzyklopädie Deutsches Historisches Museum Berlin Diözesanarchiv Limburg Fliedner Kulturstiftung Kaiserswerth, Archiv, Nachlass Fliedner Germanisches Nationalmuseum Nürnberg Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz Hessisches Landesarchiv, Abteilung Staatsarchiv Darmstadt Hessisches Landesarchiv, Abteilung Hauptstaatsarchiv Wiesbaden Hessisches Landesarchiv, Abteilung Staatsarchiv Marburg Hochschul- und Landesbibliothek Rheinmain, Wiesbaden Ungarisches Nationalarchiv Budapest Landesarchiv Baden-Württemberg, Hauptstaatsarchiv Stuttgart Landesarchiv Thüringen, Hauptstaatsarchiv Weimar Landesarchiv Thüringen, Staatsarchiv Meiningen Lexikon der christlichen Ikonographie Landeshauptarchiv Koblenz Landeshauptarchiv Mecklenburg-Vorpommern, Schwerin Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung Metternich, Richard von (Hrsg.): Mémoires, documents écrits divers laissés par le Prince de Metternich, Paris 1883 NA Prag Nationalarchiv Prag NDB Neue Deutsche Biographie NL Nachlass NLA Bückeburg Niedersächsisches Landesarchiv, Standort Bückeburg NLA Hannover Niedersächsisches Landesarchiv, Standort Hannover NLA Oldenburg Niedersächsisches Landesarchiv, Standort Oldenburg NZA Neue Zeremonialakten ÖBL Österreichisches Biographisches Lexikon ÖNB Österreichische Nationalbibliothek OeStA AVA Österreichisches Staatsarchiv, Allgemeines Verwaltungsarchiv OeStA HHStA Österreichisches Staatsarchiv, Haus-, Hof- und Staatsarchiv PHSt Polizeihofstelle SächsStA HStAD Sächsisches Staatsarchiv, Hauptstaatsarchiv Dresden StA Diez Stadtarchiv Diez
Quellen- und Literaturverzeichnis
StMLA Archiv Meran Steiermärkisches Landesarchiv Graz, Archiv Meran ZVAB Zentralverzeichnis antiquarischer Bücher
10.2 Quellen- und Literaturverzeichnis
10.2.1 Ungedruckte Quellen Berlin Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz I. Hauptabteilung Rep. 81 Gesandtschaft Wien III. Hauptabteilung Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten (MdA) Brandenburg-Preußisches Hausarchiv (BPH) Brüssel Archives du Palais Royal Bruxelles Fonds Goffinet Bückeburg Niedersächsisches Landesarchiv, Standort Bückeburg Fürstliches Hausarchiv (Haus- und Familienarchiv) (F 1) Budapest Magyar Nemzeti Levéltár (= Ungarisches Nationalarchiv Budapest) Nachlass Erzherzog Albrecht Darmstadt Hessisches Landesarchiv, Staatsarchiv Darmstadt Großherzogliches Haus (D 4) Fischbacher Archiv (D 22) Großherzogliches Familienarchiv Älterer Teil (D 23) Großherzogliches Familienarchiv Jüngerer Teil (D 24) Battenberg Archiv (D 25) Staatsministerium (Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten) (G 1) Familienarchiv Freiherren von Gagern (O 11) Diez StA Diez – Stadtarchiv Diez Dresden SächsStA HStAD – Sächsisches Staatsarchiv, Hauptstaatsarchiv Dresden Oberhofmarschallamt (loc. 10006) Geheimes Kabinett (loc. 10026) Personennachlass Karl Steinmüller (loc. 12790) Graz StMLA Archiv Meran – Steiermärkisches Landesarchiv Graz Archiv Meran
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602 Hannover Niedersächsisches Landesarchiv, Standort Hannover Archiv des hannoverschen Königshauses, Korrespondenzen (Dep. 103 II) Kaiserswerth Fliedner Kulturstiftung Kaiserswerth, Archiv Nachlass Theodor Fliedner Koblenz Landeshauptarchiv Koblenz Reichsgrafschaft Holzappel und Herrschaft Schaumburg (Best. 47) Limburg Diözesanarchiv Limburg Kirchenbücher Balduinstein Luxemburg Archives Maison Granducale de Luxembourg Mantua Archivio di Stato di Mantova Legato Luzio Alessandro Marburg Hessisches Landesarchiv, Staatsarchiv Marburg Waldeckisches Kabinett (Best. 118 a) Meiningen Landesarchiv Thüringen, Staatsarchiv Meiningen Gutsarchiv Barchfeld München Bayerisches Hauptstaatsarchiv München, Geheimes Hausarchiv Kabinettsakten König Maximilians II. Nachlass Erzherzogin Elisabeth von Österreich Nachlass Königin Marie Therese Nürnberg Germanisches Nationalmuseum Nürnberg Historisches Archiv, Autographen, Allgemeine Reihe Oldenburg Niedersächsisches Landesarchiv, Standort Oldenburg Hausarchiv Holstein-Gottorf (Dep. 50) Niedersächsisches Landesarchiv – Abteilung Oldenburg (Rep. 420) Padua Biblioteca universitaria (Universitätsbibliothek)
Anhang
Quellen- und Literaturverzeichnis
603
Carteggio Catullo
Prag Národní archiv (Nationalarchiv) Familienarchiv Metternich (Acta Clementina) Schwerin Landeshauptarchiv Mecklenburg-Vorpommern Hausarchiv des Mecklenburg-Schwerinschen Fürstenhauses, Nachlässe (5.2-4/1) Stuttgart Landesarchiv Baden-Württemberg, Hauptstaatsarchiv Stuttgart Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten (E 50/02) Weimar Landesarchiv Thüringen, Hauptstaatsarchiv Weimar Großherzogliches Hausarchiv Hofmarschallamt Wien Österreichische Nationalbibliothek Autographen Österreichisches Staatsarchiv, Allgemeines Verwaltungsarchiv Familienarchiv Harrach Inneres, Polizei Inneres, Polizeihofstelle (PHSt) Österreichisches Staatsarchiv, Haus-, Hof- und Staatsarchiv Hausarchiv (HA) Familienkorrespondenz Hausarchiv (HA) Große Korrespondenz Hausarchiv (HA) Hofmobiliendepot Hausarchiv (HA) Nachlass Erzherzog Franz Karl Hofarchive Obersthofmeisteramt (OMeA) Hofarchive Oberststallmeisteramt (OStMA) Kabinettsarchiv (KA) Nachlass Franz A. Kolowrat Kabinettsarchiv (KA) Nachlass Kübeck Privat- und Familienfonds Generaldirektion der ah. Privat- und Familienfonds, Ältere Reihe (PFF) Sonderbestände (SB) Nachlass Adolf Braun Sonderbestände (SB) Nachlass Coronini-Cronberg Sonderbestände (SB) Nachlass Prokesch-Osten Sonderbestände (SB) Nachlass Wessenberg Sonderbestände (SB) Familienarchiv Sachsen-Coburg-Gotha Staatenabteilungen (StA) Russland Staatskanzlei (StK) Notenwechsel Hofämter und -dienste Wiesbaden Hessisches Landesarchiv, Hauptstaatsarchiv Wiesbaden Herzoglich Nassauisches Hausarchiv (Best. 130 II)
604
Anhang
Militärverwaltung (Best. 202) Staatsministerium (Best. 210) Landesregierung (Best. 211) Amt Diez (Best. 221) Bau- und Kurverwaltung (Best. 251) Oberappellationsgericht Wiesbaden (Best. 290) Amt Nassau, vierherrisch (Best. 351) Regierungspräsidium Wiesbaden (Best. 405) Landgericht Limburg (Best. 462) Amtsgericht Diez (Best. 469/2) Amtsgericht Limburg (Best. 469/17) Christian Daniel Vogel (Best. 1001) Verein für Nassauische Altertumskunde und Geschichtsforschung (Best. 1098) Familienarchiv Freiherren von Dungern (Best. 1122) Joseph Kehrein (Best. 1174) Familienpapiere von Grimm/Clouth (Best. 1269) Allgemeine Kartenabteilung (Best. 3011/1) Hochschul- und Landesbibliothek RheinMain, Wiesbaden Handschriften
10.2.2 Zeitungen und Amtsblätter Allgemeine Kirchenzeitung 1850 Allgemeines Intelligenzblatt zur Oesterreichisch-Kaiserlich privilegirten Wiener Zeitung 1842 Allgemeine Theaterzeitung 1844, 1847 Allgemeine Zeitung des Judenthums 1838 Allgemeine Zeitung München 1843, 1845 Augsburger Tagblatt 1867 Bamberger Zeitung 1848 Bayreuther Zeitung 1837, 1848 Beiwagen zum Volksboten 1866 Blätter für literarische Unterhaltung 1846 Bozener Zeitung 1842, 1861 Bregenzer Wochenblatt 1848 Brünner Politische Zeitung 1817 Brünner Zeitung der k. k. priv. mähr. Lehenbank 1841 Bukowina 1864 Das Vaterland 1867 Der Adler 1839, 1841–1843 Der Grenzbote 1858 Der Humorist 1844, 1846–1849, 1852, 1858 Der Lechbote 1849 Der Lloyd 1849 Der österreichische Bote für Stadt und Land 1848 Der Oesterreichische Zuschauer 1838, 1849 Der Sammler. Augsburger Abendzeitung 1865, 1867 Der Schmetterling 1845
Quellen- und Literaturverzeichnis
Der Siebenbürger Bote 1847 Der Ungar 1843–1844, 1848 Der Wanderer 1821, 1824–1825 Der Wiener Bote 1849 Der Zwischen-Akt 1859 Deutsche Allgemeine Zeitung 1845, 1847–1849, 1853, 1856–1858 Deutsche Blaetter. Literar.-pol. Feuilleton-Beilage zur Gartenlaube 1867 Deutscher Schulbote 1854 Die Constitution 1848 Die Debatte 1866–1867 Die Geißel 1848 Die Grenzboten 1843–1844, 1847 Die Neue Zeit. Olmützer politische Zeitung 1861 Die Presse 1848, 1850–1851, 1853, 1858, 1861–1862, 1864, 1867–1868, 1879 Die Wage für Freiheit, Recht und Wahrheit 1849 Dresdner Zeitung für sächsische und allgemeine deutsche Zustände 1848 Eidgenössische Zeitung 1848 Fatti e parole 1848 Frankfurter Journal 1858 Frankfurter Ober-Postamts-Zeitung (mit Beilagen) 1839 Fränkischer Merkur 1837, 1839, 1846 Fremdenblatt 1850–1851, 1853, 1856, 1858, 1861–1864, 1866–1867 Gazzetta di Genova 1841 Gazzetta di Parma 1842 Gazzetto ufficiale del regno 1869 Gemeinde Zeitung 1864 Gmunder Wochenblatt 1867 Grätzer Zeitung 1817–1818, 1843 Groß-Becskereker Wochenblatt 1867, 1869 Illustrirte Zeitung 1843–1844, 1847–1848, 1867 Il nuovo osservatore veneziano 1836 Innsbrucker Zeitung 1849, 1859, 1861, 1864, 1866–1867 Jeversches Wochenblatt 1849 Journal de Monaco 1867 Journal des Debats 1860 Journal des Österreichischen Lloyd 1845, 1849 Kais. Königl. Priv. Bothe von und für Tirol und Vorarlberg 1842 Kais. Königl. Privilegirte Linzer Zeitung 1817, 1837, 1841–1843 Kais. Königl. Privilegirte Prager Zeitung 1819 Kais. Königl. Schlesisch-Troppauer Zeitung 1819, 1843 Karlsruher Zeitung 1843 Klagenfurter Zeitung 1842–1843, 1849, 1853, 1858–1859, 1866 Königlich-privilegierte Baierische National-Zeitung 1817–1818, 1839, 1848 Königlich-privilegierte Berlinische Zeitung von Staats- und gelehrten Sachen 1848, 1853 Kourier von der Donau 1836, 1844 Kronstädter Zeitung 1848, 1856, 1860 Laibacher Zeitung 1838, 1847 L’ami de la religion 1843
605
606
Anhang
La Presse 1861, 1867 Leipziger Zeitung 1819, 1851, 1853, 1856–1857 Leitmeritzer Allgemeiner Schreib-, Haus- und Wirthschafts-Kalender auf das gemeine Jahr 1845 […], 28. Jahrgang, Prag, Leitmeritz, Teplitz o. J. Le Memorial diplomatique 1867 Le Siècle 1845 Lindauer Tagblatt für Stadt und Land 1863 Linzer Abendblatt 1867 Lud. Aug. Frankl’s Abendzeitung 1848 Magdeburgische Zeitung 1848 Mährisch-Ständische Brünner Zeitung 1818, 1837, 1844 Mittelrheinische Zeitung 1852, 1858–1859, 1864 Morgen-Post 1858, 1868 Neue Blätter für Stadt und Land 1849 Neue Freie Presse 1867–1868, 1876, 1880, 1884, 1924–1925 Neue Oder-Zeitung 1848–1849 Neue politische Ofner-Pesther Zeitung 1848 Neue Rheinische Zeitung 1848–1849 Neues Fremden-Blatt 1865 Neueste Nachrichten auf dem Gebiethe der Politik 1856 Neues Tagblatt aus der östlichen Schweiz 1864 Neue Würzburger Zeitung 1848 Neuigkeiten 1855 New York Times (mit Supplement) 1860 Nordböhmischer Gebirgsbote 1866 Nürnberger Kurier 1843 Oesterreichischer Beobachter 1817–1819, 1825, 1838, 1842–1843 Oesterreichisches Botanisches Wochenblatt 1854 Oesterreichisches Morgenblatt 1846 Ost-Deutsche Post 1850, 1853, 1859, 1861 Österreichischer Soldatenfreund 1853, 1858 Österreichisches Bürger-Blatt 1853 Österreichisches Pädagogisches Wochenblatt zur Beförderung des Erziehungs- und Volksschulwesens 1854 Passauer Zeitung 1866 Passavia. Zeitung für Niederbayern 1843 Pfälzische Volkszeitung 1868 Pfennig-Magazin für Belehrung und Unterhaltung 1845 Prager Abendblatt 1867 Pressburger Zeitung 1838–1839, 1842, 1847–1848, 1850 Pusterthaler Bote 1861 Regensburger Zeitung 1837 Reichs-Gesetz-Blatt 1848 Revalsche Zeitung 1864 Ristretto di fogliette universale 1847 Salzburger Constitutionelle Zeitung 1848 St. Petersburgische Zeitung 1838 Siebenbürger Bote 1853
Quellen- und Literaturverzeichnis
607
Siebenbürger Wochenblatt (einschließlich Satellit) 1848 Sonntagsblätter 1848 Stiria 1843 Tagespost 1859, 1861 Temesvarer Zeitung 1859, 1861 Tetschner Anzeiger 1866 The Dublin University Magazine 1843 The Southern Australian 1843 Tiroler Schützen-Zeitung 1858–1859 Troppauer Zeitung 1853 Vereinigte Laibacher Zeitung 1817 Vereinigte Ofner-Pester Zeitung 1841–1843 Volks- und Schützen-Zeitung 1858, 1860 Vorarlberger Landeszeitung 1863 Wiener Abendzeitung 1848 Wiener Gassen-Zeitung 1848 Wiener Volksbote 1891 Wiener Zeitschrift für Kunst, Literatur, Theater und Mode 1843, 1846, 1848 Wiener Zeitung 1841–1844, 1847–1849, 1852, 1858–1859, 1864, 1867 Wiener Zuschauer 1847 Zeitung für das Großherzogtum Posen 1848 Zürcherische Freitagszeitung 1859, 1864
10.3.3 Gedruckte Quellen Acta Borussica Neue Folge. 2. Reihe: Preußen als Kulturstaat. Abteilung II. Der preußische Kulturstaat in der politischen und sozialen Wirklichkeit. Band 7: Zwischen Ehrenpforte und Inkognito: Preußische Könige auf Reisen. Quellen zur Repräsentation der Monarchie zwischen 1797 und 1781. 2. Halbband, hgg. von Gaby Huch, Berlin, Boston 2016. Adler, Hans (Hrsg.): Literarische Geheimberichte. Protokolle der Metternich-Agenten, 2 Bände, Köln 1977 und 1981. Adlgasser, Franz (Hrsg.): Andrian-Werburg, Viktor Franz Freiherr von: Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste. Tagebücher 1839–1858, 3 Bände, Wien, Köln, Weimar 2011 (Veröffentlichungen der Kommission für Neuere Geschichte Österreichs 98). Adressbuch der Haupt- und Residenzstadt Wiesbaden für das Jahr 1850/51, hgg. von Wilhelm Joost, Erster Jahrgang, Wiesbaden o. J. Aland, Kurt (Hrsg.): Die Briefe Johann Philipps von Wessenberg an seinen Bruder, Freiburg, Basel, Wien 1987 (Ignaz Heinrich von Wessenberg. Unveröffentlichte Manuskripte und Briefe II). Andersen, Hans Christian, Lina von Eisendecher. Briefwechsel, hgg. v. Paul Raabe und Erik Dal, Göttingen 2003. [Andrian-Werburg, Victor von:] Oesterreich und dessen Zukunft, Hamburg 21843. Archduke Stephen, Palatine of Hungary, in: Bentley’s Miscellany26 (1848), S. 207–209. Assing-Grimelli, Ludmilla (Hrsg.): Briefwechsel und Tagebücher des Fürsten Hermann von Pückler-Muskau, 9. Band, Berlin 1876 (Aus dem Nachlaß des Fürsten von Pückler-Muskau).
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Anhang
Auszüge aus den geheimen Memoiren des Fürsten Metternich, ehemaliger k. k. österreichischen Staatskanzlers. Mitgetheilt von Seinem Privatsekretär E… L…, Weimar 1849. Badon, Cristina: „Ti lascio con la penna, non col cuore“. Lettere di Eleonora Rinuccini al marito Neri di Principi Corsini 1835–1858, Florenz 2012. Bauernfeld, Eduard: Aus Alt- und Neu-Wien, in: Gesammelte Schriften von Bauernfeld, Zwölfter Band, Wien 1873. Beck, Wilhelmine Baronin von: Memoiren einer Dame während des letzten Unabhängigkeitskrieges in Ungarn. Eine treue Schilderung ihrer abenteuerlichen Reisen und geheimen Missionen, 2 Bände, London 1851. Becker, Heinz; Becker, Gudrun (Hrsg.): Giacomo Meyerbeer. Briefwechsel und Tagebücher, Band 4, 1846–1849, Berlin 1985. Boisserée, Sulpiz: Tagebücher III 1835–1843. Im Auftrag der Stadt Köln hgg. von Hans-J. Weitz, Darmstadt 1983. Börner, Karl-Heinz (Hrsg.): Prinz Wilhelm von Preußen an Charlotte, Berlin 1993. Briefe Kaiser Franz Josephs an Kaiserin Elisabeth 1859–1898, hgg. von Georg Nostitz-Rieneck, Wien, München 1966. Bright, Richard: Travels from Vienna through Lower Hungary with some remarks on the State of Vienna during the congress in the year 1814, Edinburg 1818. British envoys to Germany. Band I: 1816–1829, hgg. von Sabine Freitag und Peter Wende, Cambridge 2000 (Camden Fifth Series 15); Band II: 1830–1847, hgg. von Markus Mösslang, Sabine Freitag und Peter Wende, Cambridge 2002 (Camden Fifth Series 21); Band III: 1848– 1850, hgg. von Markus Mösslang, Torsten Riotte und Hagen Schulze, Cambridge 2006 (Camden Fifth Series 28); Band IV: 1851–1855, hgg. von Markus Mösslang, Chris Manias und Torsten Riotte, Cambridge 2010 (Camden Fifth Series 37). Cerny, Heimo (Hrsg.): Die Jugend-Tagebücher Franz Josephs (1843–1848). Ungekürzte kommentierte Textedition, Wien, Köln, Weimar 2003. Chroust, Anton (Bearb.): Gesandtschaftsberichte aus München 1814–1848. Abteilung I: Die Berichte der französischen Gesandten. Band V: Die Berichte aus der Zeit des Ministeriums Abel bis zur Thronentsagung König Ludwigs I. (vom November 1837 bis zum März 1848), München 1936. Chroust, Anton (Bearb.): Gesandtschaftsberichte aus München 1814–1848. Abteilung II: Die Berichte der österreichischen Gesandten. Band III: Die Berichte aus der Zeit des Ministeriums Abel bis zur Thronentsagung König Ludwigs I. (vom November 1837 bis zum März 1848), München 1942. Cleynmann, Karl: Todten-Feyer bey dem höchstbetrüblichen Hintritte weiland Ihrer K. k. Hoheit und Frau Erzherzogin Hermine von Oesterreich […]. Zur Beförderung des Kirchenbaues und der evang.-reform. Gemeinde in Pesth herausgegeben, Brünn, Pest 1817. Correspondence relative to the affairs of Hungary 1847–1849. Presented to both Houses of Parliament by command of Her Majesty August 15, 1850, London [1850]. The Diary of Philipp von Neumann 1819 to 1850, hgg. und übersetzt von E. Beresford Chancellor, Band 2: 1834–1850, London 1928. [Dino:] Aus der Chronik der Herzogin von Dino, späteren Herzogin von Talleyrand und Sagan 1846–1862, hgg. von Fürstin Anton Radziwill geb. von Castellone, übers. v. Freiherr von Cramm, Berlin o. J. Dino, Duchesse de: Chronique de 1831 à 1862, hgg. durch die Prinzessin Radziwill, Band III: 1841–1850, Paris 31909. Doppler, Alfred; Laufhütte, Hartmut (Hrsg.): Adalbert Stifter. Werke. Historisch-Kritische Gesamtausgabe, Band 8,3, Stuttgart 2012.
Quellen- und Literaturverzeichnis
609
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610
Anhang
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11. PERSONENREGISTER
Abt, Christian Gottlieb 527 Adelgunde Auguste von Bayern, Herzogin von Modena 423 Adelheid Marie von Anhalt-Dessau, Herzogin von Nassau 519, 536 Adelheid von Anhalt-Bernburg-Schaumburg-Hoym, Prinzessin zu Holstein-Oldenburg 63, 70, 103 Adlerberg, Vladimir von 236 Adolf I., Fürst zu Schaumburg-Lippe 370, 422 Adolph, Herzog von Nassau 126, 128, 130, 165, 166, 171, 221, 245, 253, 327, 361, 363 – 365, 367, 368, 372, 378, 380, 384, 391, 397, 406, 412, 416, 422, 423, 425, 426, 429 – 433, 441, 442, 444, 451, 455, 458, 460, 463, 464, 466, 467, 484, 487, 498, 506, 508, 515, 518 – 521, 523 – 525, 535, 536, 543, 561, 571, 572, 574, 575 Albert, Herzog von Sachsen-Teschen 67 Albert von Sachsen-Coburg und Gotha 486 Albrecht, Erzherzog 25, 27, 32, 45, 90, 96, 106, 124, 128, 134, 142, 143, 162, 165, 168, 188, 220, 230, 238, 242, 262, 280, 326, 369, 377, 380, 388, 416, 417, 421, 422, 454 – 457, 459, 461, 463, 469, 478, 479, 487, 493, 494, 502, 519, 527, 528, 541, 543, 544, 546, 556, 560, 569, 572, 575 Alexander, Erzherzog 90, 103, 111, 579 Alexander II., Kaiser von Russland 128 – 130, 215, 441, 465, 497 Alexander Leopold, Erzherzog 57 Alexander, Prinz von Hessen und bei Rhein 110, 134, 183, 450, 489, 498 Alexandra Pawlowna Romanowa, Großfürstin von Russland 57, 58, 228 Alexandra von Sachsen-Altenburg, als Alexandra Iossifowna Großfürstin von Russland 441, 464 Alexandrine, Erzherzogin 57 Alexandrine von Preußen, Großherzogin von Mecklenburg-Schwerin 10, 162, 239 – 241 Alfred von Sachsen-Coburg-Gotha 541, 555 Alice von Großbritannnien und Irland, Großherzogin von Hessen und bei Rhein 482, 489
Almásy, Pál 337 Altieri, Ludovico 229 Amalie von Nassau-Weilburg, Fürstin von Anhalt-Schaumburg-Hoym 62 – 64, 68 – 76, 78, 103, 166 Amalie von Oldenburg, Königin von Griechenland 103, 162, 368, 433 – 435, 442, 486, 496, 497, 513, 530, 541, 553, 559, 560, 571, 573 Amalie von Sachsen-Hildburghausen, Fürstin von Hohenlohe-Neuenstein zu Oehringen 78 Amalie von Sachsen-Weimar-Eisenach, Prinzessin der Niederlande 433 Amelie, Prinzessin von Sachsen-Coburg 562 Amici, Giovanni Battista 146 Anders, Emil Freiherr von 407 Anders, Joseph Freiherr von 21, 22, 40, 41, 46, 108, 118, 124, 133, 137, 139, 142, 147, 150, 152 – 154, 161, 207, 241, 275, 321, 381, 387 – 390, 392, 409, 412, 426, 428, 429, 431, 458, 511, 512, 556, 561 Andrian-Werburg, Victor Franz Freiherr von 120, 145, 150, 151, 226, 231, 261 – 263, 271, 285, 298, 349, 355 Aneck, Victor 138 Anton Viktor, Erzherzog 72, 73 Apponyi von Nagy-Apponyi, Georg Graf 249, 253, 254, 259, 260, 264, 289, 545, 547 Asztalos, Sándor 340 Athanazkovits, Plato 319 Auerbach, Jakob 475 Augusta von Sachsen-Weimar-Eisenach, Königin von Preußen 169, 387, 393, 400, 405, 423, 496, 500, 540, 542 Auguste, Erzherzogin (Toskana) 579 Auguste von Hessen, Herzogin von Cambridge 429 August, Herzog von Sachsen-Coburg-Koháry 488, 553 August I., Großherzog von Oldenburg 63, 75, 103, 245, 365, 369, 370, 404, 421 August, Prinz von Oldenburg 379 August, Prinz von Württemberg 168, 171
651
Personenregister
Bach, Alexander Freiherr von 291 Baillet von Latour, Theodor Graf 306, 349 Barjatinski, Alexander Iwanowitsch 223 Batthyány, Kasimir Graf 284 Batthyány, Lajos Graf 289, 293, 296, 298 – 301, 305, 309, 310, 312, 315, 318, 324, 326, 330, 331, 334 – 340, 342, 343, 350, 353, 360, 361, 363, 365, 371, 375 Batthyány, Lajos Graf, Palatin 67 Batthyány-Strattmann, Auguste Gräfin 284 Bauer, Leopold 425 Bauernfeld, Eduard von 97, 291, 449 Bauhofer, Georg 260, 316 Beck, Wilhelmine Baronin von 293 Bekel, Josef 114 Belcredi, Richard Graf 547, 549 Benedek (Bediensteter) 392 Bentinck, Graf 384 Beöthy, Ödön 341 Beram, Isidor 92 Bernhard, Herzog von Sachsen-Weimar 163 Bernhardt, Sarah 51 Bernstorff, Albrecht Graf 358, 359 Beyer, Heinrich Albert 430, 572 Biegeleben, Ludwig von 249, 281, 301 Birkenthal, Dr. 431 Birly, Florian von 71 Bismarck, Otto von 430, 439 – 441, 444, 521, 565, 571, 572 Bismark, Friedrich August Graf 507, 508 Bocquet, Roland 8 Böhm (Lehrer) 509 Boisserée, Sulpiz 161 Bónis, Sámuel 340 Boos, Carl 20 – 22, 381, 392, 393, 396, 398, 402, 404, 405, 408, 410, 411, 418, 515, 526, 559, 562 Borgnis-Bethmann, Matthias Franz 431 Bos du Thil, Karl Wilhelm Heinrich du 525 Braun, Adolf von 424, 443, 449, 450, 455, 521, 547 Braun, Karl 517, 527 Breda, Gustav Graf 152, 161, 166, 170, 171 Breidbach-Bürresheim, Anton Philipp Freiherr von 508 Breidbach (Familie) 429 Brendel (Pfarrer) 392 Brunn, Friedrich August 104 Brunswick, Therese Gräfin 84, 88
Buol-Berenberg, Franz Freiherr von 117, 119, 137, 142 Buol-Schauenstein, Karl Ferdinand Graf 152, 440, 468 Burg, Adam 100 Burmeister, Hermann 409 Cäcilie von Schweden, Prinzessin von Oldenburg 379 Camphausen, Gottfried Ludolf 359 Canova, Antonio 412 Carl Alexander, Großherzog von Sachsen-Weimar 93, 128 – 132, 138, 156, 163, 169 – 172, 197, 202, 209, 211, 212, 216, 219, 225, 237, 238, 242, 288, 307, 323, 327, 335, 345, 347, 348, 351, 355, 396, 397, 422, 431, 438, 445 – 447, 457, 465, 467, 469, 471, 472, 478, 479, 488, 492, 493, 525, 545, 567 Caroline Auguste von Bayern, Kaiserin von Österreich 25, 124, 202 Caroline von Braunschweig-Wolfenbüttel, Königin von Großbritannien 151 Cartillieri, Paul 558, 566 Castiglione, Joseph von 561 Catullo, Tomaso Antonio 471 Charlotte von Belgien, Erzherzogin und Kaiserin von Mexiko 490 Charlotte von Preußen, als Alexandra Fjodorowna Kaiserin von Russland 213, 235, 442, 498 Charlotte von Preußen, Erbprinzessin von Meiningen 433 Charlotte von Württemberg, als Helena Pawlowna Großfürstin von Russland 171, 221, 239, 423 Cherubini, Luigi 585 Chotek, Karl Graf 140, 141, 173, 174, 178, 183, 184, 189, 559 Clementine d’Orléans, Herzogin von Sachsen-Coburg 488, 542, 548, 549, 553 Cleynmann, Carl 65, 73 Clothilde von Sachsen-Coburg, Erzherzogin 488, 490, 542, 553, 556, 558, 562 Cohen-Blind, Ferdinand 565 Columbus, Joseph 90, 160, 234, 235, 240, 243, 244, 267, 273, 438 Cuntz, Emilie 426 Cuntz (Rentmeister) 426
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Personenregister
Cybulak, Wenzel 276, 392, 421, 425, 429, 566, 573, 578 Czernin von und zu Chudenitz, Johan Rudolf Graf 106 Cziráky von Czirák und Denesfalva, Anton Graf 293
Ernst II., Herzog von Sachsen-Coburg 279, 435, 504 Esterházy, Karl Graf 472 Esterházy, Pál 319 Eugénie de Montijo, Kaiserin der Franzosen 498 – 500
Daffinger, Moritz 216 Déak, Ferenc 301, 547 Deym, Albert Graf 187, 204, 205 Döbler, Ludwig 528 Dochnahl, Anton 402, 406 Dochnal, Johann Baptist 392, 425 Drachenfels, Friedrich Adolf von 448, 459, 461 Droste zu Senden, Edmund Freiherr von 87, 92, 96, 100, 101, 104 Dröthandel, Johann Baptist 392, 425 Dungern, Otto Freiherr von 519, 520
Fach, Alexander 411 Fendi, Peter 124 Ferdinand, Erzherzog 91 Ferdinand I., Kaiser von Österreich 25, 88, 100, 123, 136, 141, 162, 181, 191, 243, 263, 266, 273, 274, 292 – 296, 299, 301, 302, 304, 309, 310, 313, 314, 318 – 321, 323, 324, 329, 333, 340, 342, 346, 349, 357 – 360, 365, 375, 463 Ferdinand Karl, Erzherzog 20, 180, 367, 579 Ferdinand Karl, Erzherzog (Österreich-Este) 349 Ferdinand Karl Viktor, Erzherzog 454 Ferdinand Maria von Savoyen-Carignan, Herzog von Genua 433 Ferdinand Maximilian, Erzherzog, Kaiser von Mexiko 267, 384, 445, 490, 535, 547, 589 Festetics, Marie von 182 Festetics von Tolna, Albert Johann Graf 118 Fischer, Laurenz Hannibal 540 Fischer, Leopold 218 Fliedner, Theodor 538 Foerster, Ludwig von 396 Folliot de Crenneville, Franz Graf 569 Franqué, Johann von 517 Franz Ferdinand, Erzherzog 596 Franz I., Kaiser von Österreich 31, 57, 60, 72, 75, 78, 79, 162, 164, 198, 236, 396, 424 Franz I. Stephan, röm.-dt. Kaiser 72, 471 Franz Joseph, Kaiser von Österreich 13, 25, 49, 243, 248, 261, 267, 273, 277, 287, 289, 350, 358, 360, 362, 376, 380, 381, 385, 389, 437, 438, 445, 447, 450, 451, 456 – 458, 460, 462, 463, 465, 466, 491 – 494, 496 – 498, 501, 503, 519, 532, 535, 546, 547, 562, 566, 579, 582, 589, 596 Franz Joseph, Prinz von Nassau 467 Franz Karl, Erzherzog 24, 27, 76, 130, 160, 175, 176, 178, 192, 196, 234, 278, 295, 304, 310, 312 – 315, 317, 320, 321, 323, 332, 334, 335, 340, 344, 346, 357, 375, 459, 567
Ebner, Johann Nepomuk 153 Eckerts, Lisette 242 Einsle, Anton 216 Elimar, Prinz von Oldenburg 368, 444, 511 Elisabeth Amalie Eugenie von Bayern, Kaiserin von Österreich 18, 23, 48, 50, 438, 456, 463, 495, 496, 548, 550, 570, 589 Elisabeth, Erzherzogin 30, 43, 46, 114, 143, 247, 267, 349, 370, 373, 432, 438, 446, 458, 463, 482, 487, 519, 563, 567, 575, 579, 583 Elisabeth Franziska Maria, Erzherzogin 90 Elisabeth Ludovika von Bayern, Königin von Preußen 10, 168, 231, 235, 237, 358, 445, 536 Elisabeth von Preußen, Prinzessin von Hessen-Darmstadt 133 Elisabeth von Sachsen, Prinzessin von Savoyen-Carignan und Herzogin von Genua 239 Elßler, Fanny 292 Emil, Prinz von Hessen und bei Rhein 525 Emma von Anhalt-Bernburg-Schaumburg-Hoym, Regentin des Fürstentums Waldeck und Pyrmont 63, 65, 73, 367, 369, 421, 513 Engelen, Adriaan Walraven 360 Engels, Friedrich 82 Eötvös, Jószef 301, 317, 321, 547 Erkel, Ferenc 271
Personenregister
Frickhöffer, Wilhelm 391, 393, 395, 396, 402, 406, 411, 475 Frick, Wilhelm 426 Friederike, Herzogin von Oldenburg 103, 368, 463, 513 Friedrich August, Herzog von Nassau 60 Friedrich August II., König von Sachsen 170 Friedrich, Erzherzog 25, 143, 234, 237, 240 Friedrich, Großherzog von Baden 467, 489, 586 Friedrich, Herzog von Anhalt 468 Friedrich I., röm.-dt. Kaiser 14 Friedrich III., röm.-dt. Kaiser 13 Friedrich VIII., Herzog von Schleswig-Holstein 561 Friedrich Wilhelm, Fürst von Nassau-Weilburg 60 Friedrich Wilhelm III., König von Preußen 109, 219 Friedrich Wilhelm IV., König von Preußen 134, 257, 309, 359, 366, 376, 397, 486, 530 Fronard (Obrist) 377 Fürstenberg, Gabriele Prinzessin von 225 Gagern, Hans Christoph Freiherr von 59, 60 Gagern, Heinrich Freiherr von 359, 376 Gagern, Maximilian Joseph Freiherr von 126, 407, 444 Gaiger, Isidor 14 Gentz, Friedrich 534 Georg, König von Sachsen 555 Georg II., Fürst von Waldeck und Pyrmont 63 Georg Ludwig, Großherzog von Oldenburg 470 Georg Viktor, Fürst von Waldeck und Pyrmont 432, 574 Gerlach, Leopold von 440, 441 Gervay, Sebastian Joseph von 177 Ghyczy de Ghycz und Assakürth, Ignaz 426 Goethe, Johann Wolfgang 104, 471 Gołuchowski, Agenor Graf 531, 532 Gregor XVI., Papst 233, 234 Greiner, Moritz 94 Grillparzer, Franz 24 Grimschitz, Friedrich Freiherr von 171 Grün, Anastasius 162, 191 Grünne, Karl Ludwig Graf 25, 152, 181, 182, 211, 276, 277, 285, 322, 323, 370, 387, 388,
653 429, 437, 445, 451, 452, 456, 457, 459, 463, 464, 468, 488, 569 Gustav von Schweden, Prinz von Wasa 379, 433 Hähnel, Ernst Julius 198 Haidinger, Wilhelm 441, 470, 472 – 474, 476, 477, 480, 493, 532, 533, 543, 545, 551, 559, 560 Hannover, Prinzssin von 581 Hartig, Franz de Paula von 177, 180 Hatzfeld (Familie) 429 Hatzfeld, Graf 245 Hauff, Hermann 471 Hebbel, Friedrich 492 Heck (Konditor) 430 Heiger, Dr. 64 Heine, Heinrich 51 Heinrich, Erzherzog 561, 562, 580 Heinrich von Oranien-Nassau, Prinz der Niederlande 433 Helene, Großfürstion von Russland 239 Helene Wilhelmine Henriette von Nassau, Fürstin von Waldeck und Pyrmont 432, 574, 575, 580, 581 Helm, Theodor 143, 568 Henniger (Hofrat) 117 Henri d’Artois, Herzog von Bordeaux 134, 567 Henri d’Orléans, duc d’Aumale 489 Henriette von Nassau-Weilburg, Erzherzogin 60 – 64, 76, 77, 88, 154, 519 Herder, Johann Gottfried 138, 143 Hermine Amalie Marie, Erzherzogin 72, 73, 79, 86, 88, 103, 106, 107, 133, 142, 160, 166, 221, 553, 579 Hermine von Anhalt-Schaumburg-Hoym, Erzherzogin 9, 60 – 71, 73, 76 – 78, 91 – 93, 104, 109 Hermine von Waldeck, Fürstin von Schaumburg-Lippe 370 Herwegh, Georg 191 Herzig, Joseph 138 Hildegard von Bayern, Erzherzogin 162, 168, 459, 463 Hindenburg, Paul von 37, 52 Hoditz (Dienstkämmerer) 270 Hoditz und Wolframitz, Johann Graf von 182, 276
654 Hoernes, Moritz 475 Hofmann, Moriz 581 Hofmann, Wilhelm 430, 522 Hörmann von Hörbach, Max 478 Hofmannsthal, Hugo von 50 Hopfgarten, Emil 404, 405, 485 Horn, Uffo Daniel 199 Hornbostel, Theodor von 100 Horstmann (Bergmeister) 473 Hrabowsky, Johann Freiherr von 311 Hunkár, Anton von 362 Hüppmann, Franz 244 Ibell, Karl von 63 Ida von Anhalt-Schaumburg-Hoym, Prinzessin zu Holstein-Oldenburg 63, 73, 75, 103 Immermann, Karl 16 Ingelheim, Friedrich Hugo Graf 507 Inzaghi, Karl Graf 179, 180 Iwanowitsch Kokscharow, Nikolaus 478 Jakovich, Dr. 444 Jascht, August 425 Jeger, Joseph 425 Jelačić von Bužim, Joseph Graf 305, 306, 310, 311, 317 – 319, 325 – 327, 331, 332, 335, 337, 339 – 346, 360 Jentzsch (Bergrat) 475 Jerger, Joseph 392, 429, 573, 578 Johann Baptist von Keller, Bischof von Rottenburg 78 Johann, Caroline 241 Johann, Erzherzog 25, 27, 36, 45, 59, 60, 81, 90, 117, 120, 160, 162, 196, 223, 239, 249, 250, 255, 260, 262 – 264, 268, 292, 313, 315, 317 – 321, 323, 326, 328, 350, 351, 355 – 357, 360, 367, 369 – 371, 373, 374, 376 – 378, 385, 386, 388 – 391, 412, 420, 421, 435, 436, 438, 443, 448, 450 – 457, 460, 468 – 470, 472, 480, 488, 528, 529, 533, 549, 556, 592, 597 Johann Ludwig, Fürst von Nassau-Hadamar 62 Johann Salvator, Erzherzog 20 Johann von Kovalik, Titularbischof von Tribunitz 74 Joseph, Erbprinz von Sachsen-Hildburghausen 78 Joseph, Erzherzog, Palatin 9, 25, 36, 57, 59,
Personenregister
60, 62, 64, 66 – 71, 73 – 85, 93, 101, 103, 107, 108, 111 – 113, 119, 120, 124, 136, 143, 164, 168, 175, 177, 181, 196, 215, 223, 224, 228, 230, 235, 244, 246 – 250, 254, 266, 277, 278, 329, 376, 430, 438, 495, 579, 585, 592 Joseph II., röm.-dt. Kaiser 81, 191, 290, 395, 503, 504, 587 Joseph Ferdinand, Erzherzog 503 Joseph Karl Franz, Herzog von Reichstadt 52, 216 – 219 Joseph Karl Ludwig, Erzherzog 43, 90, 111, 161, 271, 372, 387, 388, 390, 415, 420, 421, 430, 437, 448, 456, 459, 463 – 465, 467, 469, 473, 485, 487, 488, 492, 493, 504, 542, 547, 553, 558, 559, 562, 563, 567, 568, 578, 580, 582 Jósika von Branyicska, Sámuel Baron 256 Kanitz, August 478 Kant, Immanuel 201, 533, 534, 537 Kanya, Pál 93 Karl, Erzherzog 25, 57, 59 – 61, 64, 65, 70, 74, 78, 81, 85, 86, 88, 112, 122 – 125, 128, 130, 135, 138, 220, 223, 244, 248, 360, 422, 438, 459, 488, 519, 537, 592 Karl IV., röm.-dt. Kaiser 198 Karl VI., röm.-dt. Kaiser 296, 427 Karl X., König von Frankreich 134, 423 Karl, Prinz von Preußen 222, 461, 468 Karl, Henriette 94 Karl Anton, Fürst von Hohenzollern 542 Karl August, Erbgroßherzog von Sachsen- Weimar-Eisenach 577 Karl Christian, Fürst von Nassau-Weilburg 62 Karl Ferdinand, Erzherzog 163, 240, 248, 253, 269, 371, 438, 439, 460, 492, 543, 582 Karl Ludwig, Erzherzog 433, 459, 463 Karl, Prinz von Hessen und bei Rhein 40, 165, 508 Karl Stephan, Erzherzog 102 Karl von Oettingen-Wallerstein 365 Karoline, Landgräfin von Hessen-Philippsthal 75 Karoline von Oranien-Nassau, Fürstin von Nassau-Weilburg 62 Károlyi, László 36 Károlyi, Ludwig von 444
Personenregister
Katharina, Großfürstin von Russland 57, 238, 239 Katzler, Vinzenz 492 Kaunitz, Albrecht Reichsgraf von 456 Kaunitz-Rietberg, Aloys Fürst von 138 Kehrein, Joseph 412, 430, 438, 444, 470, 501, 560, 575 Keil, Karl 418 Kempen von Fichtenstamm, Johann Franz 316, 325, 327, 451, 452, 460 Kenngott, Gustav Adolf 475, 476, 478 Kiesewetter, August 378 Klapp, Michael 13 Klette von Klettenhof, Karl 94, 114 Knaus, Ludwig 21 Koch (Bauaufseher) 391 Kohl von Kohlenegg, Leonhard 10 Kolaczek (Bediensteter) 392 Kólcsey, Ferenc 271 Kolosvary, Franz von 475 Kolowrat-Liebensteinsky, Franz Anton Graf 49, 117, 118, 120 – 122, 124, 136, 138, 141, 173 – 178, 180, 185 – 189, 192, 193, 196, 198, 200, 203, 206, 207, 212, 260, 280, 283, 294 Konstantin, Großfürst von Russland 441, 442, 496 Kossuth, Isabella 588 Kossuth, Lajos 253, 259, 272, 273, 278, 282, 284 – 290, 293, 294, 296, 298, 301, 302, 306, 309, 312 – 314, 324, 326, 327, 329 – 340, 343, 344, 347, 348, 352, 358, 361, 362, 422, 547, 586, 588 Kranner, Josef 198 Kranner, Josef Max 198 Kreizner, Mathias 430 Krieger, A. von 171 Kriehuber, Josef 216 Kübeck, Alois von 449, 450 Kübeck, Carl Friedrich von 116, 117, 244, 277, 343, 344, 532 Kuefstein, Franz Seraph von 222 Lamb, William, 2. Viscount Melbourne 434 Lamberg, Franz Graf 344, 345 Langsdorff, Emile de 12, 79, 81, 82, 85, 325 Lanner, Joseph 142 Lardarelle von Monte Cerboli, Graf 147 Lazansky von Bukowa, Anton Graf 182
655 Lázár, György 375 Lederer, Ignaz Ludwig Paul Freiherr von 311, 322 Leonhard, Carl Caesar von 163, 471, 476 Leonhard, Gustav von 476 Leopold (Bediensteter) 392 Leopold, Erzherzog 248, 463 Leopold Ferdinand Salvator, Erzherzog 20 Leopold I., König der Belgier 435, 444, 489 – 491, 542 Leopold II., Großherzog der Toskana 531, 579 Leopold II., König der Belgier 435 Leopold II., röm.-dt. Kaiser 23, 24, 181 Leopold IV., Herzog von Anhalt-Dessau 63 Leven, Franz 479 Libényi, János 437 Liechtenstein, Karl Fürst 459 Lill von Lilienbach, Alois 474, 475 Lind, Jenny 51 Linden, Jean 481 Liszt, Franz 51, 52, 132, 397 Lobkowitz, August Fürst von 145 Löschner, Josef Wilhelm 568 Louise von Belgien, Prinzessin von Sachsen- Coburg und Gotha 10, 197, 351, 535 Louis Ferdinand, Prinz von Preußen 585 Louis Philippe I., König der Franzosen 79, 81, 115, 226, 313, 488, 542, 553 Löw von und zu Steinfurth, Karl Friedrich Ludwig 506, 507 Ludwig, Erzherzog 27, 107, 124, 127, 175, 178, 179, 193, 209, 222, 224, 237, 239, 255, 262, 265, 266, 288, 292, 294, 295, 304 – 306, 459, 480, 525 Ludwig, Herzog von Württemberg 76, 77 Ludwig I., König von Bayern 236 Ludwig II., König von Bayern 13, 397, 486 Ludwig IV., Großherzog von Hessen und bei Rhein 482 Ludwig Viktor, Erzherzog 20, 459, 567 Luise Auguste von Schleswig-Holstein 561 Luise, Erzherzogin 20 Luise Marie Thérèse d’Artois 134 Luise von Preußen, Großherzogin von Baden 467 Luitpold, Prinz von Bayern 381 Lüttichau, Rudolf von 388, 390, 420
656 Madarász Jószef 352 Madarász, László 352 Mailáth, Johann Graf 496 Majláth, György Graf 344, 345 Manet, Édouard 589 Manteuffel, Otto Theodor Freiherr von 377, 520 Margarete von Sachsen, Erzherzogin 459, 463 Maria, Johann 292 Maria Anna Amalie von Hessen-Homburg, Prinzessin von Preußen 109, 133, 164, 224 Maria Anna von Savoyen, Kaiserin von Österreich 231, 266, 326 Maria Antonia von Neapel-Sizilien, Großherzogin der Toskana 147 Maria Christina, Erzherzogin 567 Maria Dorothea von Württemberg, Erzherzogin 46, 76, 77, 86, 89, 90, 111, 239, 244, 248, 260, 265 – 267, 316, 317, 346, 370, 375, 387 – 389, 421, 445, 580 Maria Feodorowna, Großfüstin 76 Maria in Bayern, Königin von Neapel 487 Maria Luise von Hohenzollern-Sigmaringen, Prinzessin von Belgien 542 Maria Theresia, Erzherzogin, ‚Kaiserin’ 23, 49, 290, 333, 550 Marianne, Erzherzogin 118, 133 Maria Theresia, Erzherzogin, Königin von Neapel 360 Maria Theresia von Österreich-Este 567 Marie, Erzherzogin 519 Marie, Großfürstin von Russland 213 Marie Christine, Erzherzogin, Herzogin von Sachsen-Teschen 67 Marie Henriette, Erzherzogin und Königin der Belgier 43, 82, 90, 248, 349, 389, 421, 433, 435, 436, 444, 452, 488, 489, 537, 542, 553, 554 Marie Karoline, Erzherzogin 459 Marie-Louise, Erzherzogin, Kaiserin der Franzosen 58, 59, 216 Marie Luise, Königin von Etrurieren 76 Marie Therese, Erzherzogin und Königin von Bayern 575, 576 Marie von Hessen, Großherzogin von Mecklenburg-Strelitz 496 Marie von Hessen und bei Rhein, als Maria
Personenregister
Alexandrowna Kaiserin von Russland 220, 236 Marie von Preußen, Prinzessin der Niederlande 433 Marie von Sachsen-Weimar-Eisenach, Prinzessin Reuß zu Köstritz 577 Marie von Sachsen-Weimar-Eisenach, Prinzessin von Preußen 467 Marschall (Familie) 429 Martin, Claude 182, 276 Martini (Apotheker) 473 Mathilde, Erzherzogin 242 Mathilde Karoline, Großherzogin von Hessen und bei Rhein 165 Mavrokefalos, Spyridon 434 Maxeiner (Lehrer) 104 Maximilian, Erzherzog, Kaiser von Mexiko 13, 14 Maximilian, Herzog in Bayern 463 Maximilian II., König von Bayern 384, 530 Mayerhofer von Grünbühel, Ferdinand Freiherr von 331 Mazzarella, Amilcare 146 Mazzini, Giuseppe 540 Meckel, Johann Ludwig 403 Mecséry de Tsoor, Karl Freiherr 377 Medem, Pawel Iwanowitsch 220, 221 Medici-Spada, Lavinio de 471 Melander von Holzappel, Peter 62, 411, 412 Menzenbach, Jakob 412 Meran, Franz von 451, 556 Mertens, Karl Freiherr von 432, 433, 443 Mertz, Hermann 391 – 393, 399 Mészáros, Lázár 319, 322 Metternich (Familie) 429 Metternich, Klemens Wenzel Lothar Fürst von 26 – 28, 30 – 32, 35, 49, 58, 59, 61, 73, 77, 80 – 84, 88, 102, 107, 108, 117, 119, 121 – 128, 137, 143, 144, 157, 158, 160, 161, 164, 166, 173 – 180, 186, 187, 192 – 195, 214, 215, 221 – 230, 233 – 237, 243, 244, 246, 250 – 256, 259, 260, 262, 265, 271, 274, 278, 280, 281, 285, 289, 309, 319, 329, 368, 378, 429, 449, 486, 499, 525, 528, 529, 532 – 534, 540, 587, 592 Metternich, Richard Fürst von 127, 579, 580 Meyerbeer, Giacomo 33 Michael Pawlowitsch, Großfürst von Russland 171
Personenregister
Minarelli-Fitzgerald, Joseph 92, 118 Mittrowsky, Anton Friedrich 117 Möbius, Karl 474 Moerkerke, Graf 584 Móga, János 340, 341, 375 Mohs, Friedrich 470 Moritz, Prinz von Nassau 128, 130, 165, 327, 367, 381 Mühlbach, Luise 99, 397 Müller, Anton 269, 270 Müller von Königswinter, Wolfgang 11 Münch-Bellinghausen, Joachim Eduard Graf 165 Münnich, Franz von 382 Münnich, Friedrich Franz Graf 382 Münnich, Pauline Albertine, Gräfin von Bentinck 382 Nadherny, Franz 117, 202 Napoleon I. Bonaparte, Kaiser der Franzosen 27, 31, 57 – 60, 84, 123, 216, 366, 367, 525 Napoleon III., Kaiser der Franzosen 480, 494, 499, 540, 543, 572, 579 Nesselrode-Ehreshoven, Karl Robert Reichsgraf von 222 Neumann, Josef 10, 194 Nicolas, Prinz von Nassau 430 Nikolaus I., Kaiser von Russland 213, 232 – 236, 238 Nobile, Peter von 396 Noll, Peter 579 Noll, Wilhelm 481 Nostitz, Johann Graf 197 Nyáry, Pál 299, 312, 335 Oettingen-Wallerstein, Karl Fürst von 505 Offenbach, Jacques 26 Olga Nikolajevna Romanova, Königin von Württemberg 9, 213, 215 – 217, 219 – 221, 223 – 226, 229, 233 – 237, 239, 240, 246, 432, 473 Oppolzer, Johann 568 Orlow, Alexei Fjodorowitsch 227 Oskar I., König von Schweden 170 Otto, König von Griechenland 434, 541 Owen, Richard 409 Paganini, Niccolò 51 Palacký, František 190, 351
657 Pálffy, Moritz Graf 280 Palmerston, Lord Henry (John Temple, 3rd Viscount Palmerston) 358 Passbach, Johann Peter 430 Paul I., Kaiser von Russland 57 Pauline, Königin von Württemberg 154, 221 Pauline von Württemberg, Herzogin von Nassau 429 Paumgartner, Franz von 443 Pawliczek, Joseph 573, 578 Pázmándy, Dénes 312, 336 Perczel, Mór 340, 341 Perényi, Zsigmond 335 Peter, Großherzog von Oldenburg 130, 368, 369, 399, 418, 423, 450, 463, 470, 513, 514, 536 Peter Joseph Blum, Bischof von Limburg 467 Pfeuffer, Christian 516 Pfisterer, Andreas von 71, 86 Philipp, Prinz von Belgien 542 Philipp, Prinz von Sachsen-Coburg 562 Philipp August Friedrich, Landgraf von Hessen-Homburg 165 Piller von Merk, Thomas 368, 371, 372, 374, 388, 390 Pleschner, Eduard von 268 Plochl, Anna, Gräfin von Meran 59, 374, 379, 488 Pohl (Bediensteter) 392 Prato, Giovanni Battista a 315 Priner (Major) 443 Prokesch-Osten, Anton Freiherr von 432, 439 – 441, 443 Prónay, István 547 Prutz, Robert 191 Pückler-Muskau, Hermann Ludwig Heinrich Fürst von 195 Pugin, Augustus Charles 396 Radetzky von Radetz, Johann Wenzel Graf 318, 324 Radowitz, Joseph 529 Rainer, Erzherzog 459, 460, 494, 502, 519, 545, 547, 561 Rainer, Erzherzog, früh verstorben 147 Rainer, Erzherzog, Vizekönig von Lombardo- Venetien 24, 25, 27, 59, 118, 144, 145, 147, 149, 160, 196, 234, 260, 351, 430, 561 Rajačić, Joseph 319
658 Rath, Johann Jakob Gerhard von 478 Rechberg und Rothenlöwen, Johann Bernhard Graf 442, 449, 451, 468 Reguly, Anton 444 Reisinger, Franz 12, 271 Reuter, Jacob 100 Revay, Freiin von 86 Rietgen, Hugo von 396 Rivalier, Wilhelm 222 Rothschild, Wilhelm Karl 494 Rubens, Peter Paul 50 Rudolf, Erzherzog 10, 13, 20, 242, 456, 460, 490, 596 Rudolph, Vinzenz 392 Rumpff, Carl 473 Rumpler (Bediensteter) 392 Rupp, Ladislaus 277 Russel, Lord John 356 Salm-Reifferscheidt, Robert Ludwig Altgraf von 173, 180, 186 – 190, 203, 204, 280 Sandberger, Johann Philipp 406 Sartorius, Friedrich 425, 426 Sayn-Wittgenstein-Berleburg, August Ludwig Prinz zu 506, 525 Schaffner, Wilhelm 242 Schariry, Joseph Anton 401 – 404, 425 Schariry, Toni 436 Schildner (Bediensteter) 392 Schiller, Friedrich 13, 50, 96 – 98, 100, 201, 495, 534, 551 Schirndinger von Schirnding, Ferdinand Leopold Graf 217 Schlegel, Friedrich 527 Schlick (Hebamme) 71 Schmerling, Anton von 292, 356, 357, 546, 547 Schmerling, Joseph von 443, 446, 455 Schmid, Franz von 346 Schmidt, F. A. 409 Schneider, Heinrich Ludwig Karl 104 Schnitzler, Arthur 588 Schönborn (Familie) 429 Schönborn, Graf von 152 Schönhals, Karl von 420 Schöning, Fräulein 247 Schrauf, Albrecht 475 Schreyvogel, Joseph 96 Schuselka, Franz 199
Personenregister
Schwarzenberg, Felix Fürst zu 134, 159, 359, 365, 377, 422, 539 Schwind, Moritz von 397 Sedlnitzky, Josef Graf 121, 136, 205, 289 Sennyey, Pál 583 Senoner, Adolf 472, 489, 491, 560 Siemang, Georg 87, 118, 276, 392, 472 Siemang, Georg jun. 276, 409, 425, 472, 474 Siemang, Stephan Joseph Georg 472 Siesmayer, Louise 402 Skoda, Josef 568, 569 Smith, Anna Nicole 13 Sohn, Karl Ferdinand 21 Solms-Wildenfels, Grafen von 382 Sontag, Henriette 51 Sophie Friederike, Erzherzogin 551 Sophie Friederike von Bayern, Erzherzogin 10, 27, 194, 222, 225, 235, 239, 240, 243, 244, 266, 267, 274, 289, 304, 305, 315 – 318, 320, 323, 346, 353, 358, 359, 375, 376, 379, 387, 389, 433, 434, 436, 438, 445, 447, 452, 459, 463, 492, 536, 567 Sophie von Oranien-Nassau, Großherzogin von Sachsen-Weimar-Eisenach 170, 500, 576, 577 Sophie von Württemberg, als Maria Federowna Kaiserin von Russland 76 Sophie von Württemberg, Königin der Niederlande 361, 362, 369, 385, 436, 526 Sophie Wilhelmine, Großherzogin von Baden 222 Spaur, Johann Baptist Graf 280 Spontini, Gaspare 163 Spörlin, Michael 100 Springer, Anton 12 Stadion, Franz Seraph Graf 174 Stadion, Philipp Joseph Rudolf Graf 161, 166, 173, 174, 222, 280 Stadion, Rudolf Graf 171 Stankovich (Geistlicher) 272 Stanz (Bediensteter) 392 Stary (Bedeiensteter) 392 Stein, Friedrich Gustav Freiherr vom 20, 64, 74, 103 Stein, Friedrich Wilhelm Gustav Moritz Freiherr vom 63, 74, 91 Steininger, Karl von 443, 446 Stephan, Fürst zu Schamburg-Lippe 370 Stephan, König von Ungarn 72
Personenregister
Stephan von Fischer, Erzbischof von Erlau 72 Stephanie Clotilde Louise Hermine Marie Charlotte von Belgien, Kronprinzessin von Österreich-Ungarn 490 Stéphanie de Beauharnais, Großherzogin von Baden 163, 369 Stiege, Egbert 574, 576 Stifter, Adalbert 127, 471, 535 Stoffer, Joseph von 276 Stolypin, Marie 225 Straub, Wenzel 92 Struve, Heinrich Christian Gottfried von 234, 434, 472 Stuppan, Ignaz 117 Szalay, Ladislaus 270, 312, 330 Szápáry, Anton Graf 284 Széchenyi, István Graf 144, 272 – 274, 280, 287, 289, 294 – 296, 299, 301, 305, 310, 313, 314, 321, 322, 324 – 326, 331, 332, 334 Székács, József 88, 260 Szemere, Bertalan 334 – 336, 339 Szögyény-Marich von Magyar-Szögyen und Szolgaegyháza, László von 303, 309 Szuborits, Anton 405, 426, 559 Szuborits, Joseph 426 Taaffee, Amalie Walpurga Gräfin 482 Taglioni, Maria 292 Táncsics, Michael 93 Teleky, Ádam von 340, 341 Teleky, Jószef 93 Teleky, Laszlo 547 Tengg von Lanzensieg, Johann Nepomuk 508 Thelemann, Karl Friedrich 402 Therese, Erzherzogin 242 Tolstoi, Lew Nikolajewitsch Graf 397 Toressani, Karl Justus 152 Török, Alexander Graf 118, 142 Trautschold, Wilhelm 20, 381 Urban (Bediensteter) 392 Ürmenyi von Ürmeny, Joszef von 258, 259, 444 Vay de Vaja, Miklos Baron 271, 334, 339, 343, 547 Victoria, Königin des Vereinigten König-
659 reichs Großbritannien 434, 489, 541, 542, 555 Viktor II. Karl Friedrich, Fürst von Anhalt- Schaumburg-Hoym 63, 72 Viktor Amadeus III., König von Piemont- Sardinien 72 Viktor Emanuel II., König von Italien 571, 572 Virozsil, Anton 94 Vogel (Bediensteter) 392 Vogel, Reinhard Berthold 404, 405 Vogler, Johann August 512, 516 Volly, Theres 171 Wagner (Fotograf) 489 Wagner, Friedrich 409 Wagner (Geometer) 409 Wagner, Richard 33, 486, 537 Waldemar, Prinz von Preußen 133, 138, 164, 168, 169, 220, 225, 255 Walderdorff (Familie) 429, 464 Washington, Maximilian Emanuel von 463 Weinbrenner, Friedrich 418 Weiz, Friedrich August 506 Welter, Theodor Bernhard 509 Wenkheim, Adalbert (Bela) Freiherr von 323, 371, 582 Werren, Joseph 521 Wessenberg, Johann Philipp Freiherr von 344, 360, 377, 448, 505, 525 Wilhelm, Erzherzog 459, 463, 488, 519 Wilhelm, Herzog von Nassau 75, 76, 519 Wilhelm, Prinz von Nassau 467 Wilhelm, Prinz von Preußen 109, 110, 133, 165, 168, 220 Wilhelm I., König von Preußen 366, 500, 571 Wilhelm I., König von Württemberg 77 Wilhelm III., König der Niederlande 487 Wille, August 381 Willmann, Charlotte 78 Willmann, Christian 78 Wimmer, August 244 Wimpffen, Victoria Gräfin von 75 Windisch-Graetz, Alfred Fürst von 140, 208, 325, 330, 349, 358 – 360, 450 Winter, Anton 368, 426, 569 Wintzigerode, Friedrich Gerhard von 381, 506
660 Wintzigerorde, Heinrich Friedrich Karl Levin Graf 257 Wirth, Johann Georg August 315 Witto (Postillion) 582 Wolkensperg, August Baron 171 Wratislaw, Rudolf Constantin Graf 203, 556, 561, 566, 567, 570, 573 – 575, 578, 580, 582, 584 Würtler, Joseph von 276, 368, 371, 388 Zanini, Peter 120 Zay von Csömör, Karl Graf 285
Personenregister
Zedelius (Hauptmann) 584 Zepharovich, Victor 471, 472, 476, 477 Zichy-Ferraris, Emanuel Graf 395 Zichy-Vásonykeő, Béla (Adalbert) Graf 265, 276, 341, 351, 371 Zimiecky von Ziemiecin, Hieronymus Freiherr von 430 Zimmermann, Robert von 191 Zippe, Franz Xaver 475 Zitterbarth, Mátyás 277 Zsedényi, Eduard 259, 299, 317, 344 Zsoldos, Ignaz von 279
12. DANK Sich mehr als 150 Jahre nach ihrem Tod einer Person wieder anzunähern, die keinen nennenswerten Nachruhm und keine wissenschaftliche Aufarbeitung erfahren hat, bedeutet, auf die Hilfe vieler angewiesen zu sein, welche die Wege zu den Quellen ebnen. Meine Arbeiten zu Erzherzog Stephan haben von vielen Seiten große Unterstützung erfahren, für die ich mich abschließend herzlich bedanken möchte. An erster Stelle sei all jenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Archive gedankt, die mir kenntnisreich den Zugang zu Archivgut ermöglicht haben und – in nicht seltenen Fällen – rasch und unkompliziert auch Digitalisate bereitstellen konnten, um mir Reisewege zu ersparen. Gerade in Zeiten der Corona-Pandemie war das äußerst hilfreich. Besonders hervorheben möchte ich – neben den Archivarinnen und Archivaren des Österreichischen Staatsarchivs in Wien und des Steiermärkischen Landesarchivs in Graz – Herrn Mgr. Jan Kahuda vom Nationalarchiv in Prag, Herrn Ádám Török vom Nationalarchiv Budapest, Frau Dr. Katja Deinhardt vom Thüringischen Hauptstaatsarchiv in Weimar und Herrn Dr. Gerhard Immler vom Geheimen Hausarchiv in München. Aus meinem direkten Umfeld kamen ebenfalls viele wichtige Hinweisen, vor allem aber nicht zu unterschätzende Hilfestellungen in Form geduldigen Zuhörens durch die Kolleginnen und Kollegen: Zu nennen sind hier Frau Dorothee A. E. Sattler M. A., Frau Roswitha Katterfeld, Frau Dr. Christiane Heineman, Herr Dr. Hartmut Heinemann, Herr Prof. Dr. Klaus Eiler vom Hessischen Hauptstaatsarchiv Wiesbaden bzw. von der Historischen Kommission für Nassau sowie Herr Dr. Rainer Maaß vom Hessischen Staatsarchiv Darmstadt, Herr Dr. René Wiese vom Landesamt für Kultur und Denkmalpflege Mecklenburg-Vorpommern in Schwerin sowie Herr Dr. Mathis Leibetseder vom Geheimen Staatsarchiv – Preußischer Kulturbesitz in Berlin. Zu besonderem Dank bin ich Herrn Dr. Alfred Meurer vom Museum im Grafenschloss in Diez sowie den Mitarbeitern der Schloss Schaumburg GmbH verpflichtet, da ich von dort nicht nur wichtige Hinweise erhielt, sondern sogar die Möglichkeit bekam, die sich in Renovierung befindliche und daher für die Öffentlichkeit unzugängliche Schaumburg eingehend zu besichtigen. Herrn Dr. Peter Forster (Museum Wiesbaden) danke ich für die Bereitstellung von Bildmaterial, ebenso der Österreichischen Nationalbibliothek, der Schloss Schaumburg GmbH, Herrn Dr. Alfred Meurer und den weiteren im Quellennachweis angegebenen Institutionen. Hilfreiche Übersetzungsarbeiten aus dem Ungarischen leistete mir Frau Anna Horvath
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12. Dank
(Wiesbaden), worfür ich sehr dankbar bin. Hinzu kommen all die kleinen, aber deshalb keineswegs unbedeutenden Auskünfte und Hilfestellungen, für die ich mit jeweils in den Anmerkungen direkt bedankt habe. Mein Dank gilt darüber hinaus Herrn Prof. Dr. Hans-Werner Hahn (Jena), der mich – neben dem Ehepaar Prof. Dr. Heide und Dr. Dieter Wunder – ermutigt hat, das Manuskript als Habilitationsschrift einzureichen. Für zahlreiche wissenschaftliche Anregungen bin ich Herrn Prof. Dr. Matthias Schnettger und Herrn Prof. Dr. Michael Kißener von der Universität Mainz, Herrn Günter Schödl von der Humboldt-Universität Berlin sowie Herrn Prof. Dr. Klaus Ries und Herrn Prof. Dr. Werner Greiling von der Universität Jena zu Dank verpflichtet. Für die Annahme als Habilitationsschrift danke ich dem Fachbereich Philosophie und Geschichtswissenschaften der Goethe-Universität in Frankfurt am Main. Besonders gilt mein Dank Herrn Prof. Dr. Andreas Fahrmeir sowie den anderen Gutachtern Herrn Prof. Dr. Christoph Cornelißen, Frau Prof. Dr. Birgit Emich, Herrn Prof. Dr. Hans-Werner Hahn und Herrn Prof. Dr. Torsten Riotte. Für die Aufnahme des Manuskripts in die Reihe der Veröffentlichungen der Kommission für Neuere Geschichte Österreichs – sowie für die Anregungen zur Optimierung des Manuskripts – danke ich Herrn Prof. Dr. Thomas Winkelbauer (Wien). Für die Betreuung gilt mein Dank Herrn Dr. Christof Aichner (Innsbruck), dem auch der Registerteil zu verdanken ist, Frau Eva Buchberger sowie allen anderen Beteiligten vom Böhlau-Verlag in Wien für ihre große Professionalität und Gewissenhaftigkeit. Ihnen allen ist es zu verdanken, dass Erzherzog Stephan so viele Jahre nach seinem Tod eine Biographie gewidmet wurde. Gewiss hätte ihm das sehr gefallen. Darmstadt, im Juni 2022 Rouven Pons