Fortbestand akzessorischer Sicherheiten: Eine gesellschaftsrechtliche Lösung am Beispiel der Bürgschaft bei Wegfall des Hauptschuldners. Dissertationsschrift 9783161559686, 9783161559693, 3161559681

Fällt ein Hauptschuldner und mit ihm die Hauptschuld weg, kommt es bei hierfür bestehenden akzessorischen Sicherungsrech

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German Pages 210 [229] Year 2018

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Titel
Vorwort
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
A. Rechtfertigung der Arbeit
B. Einführung in das Problemfeld des weggefallenen Hauptschuldners einer Bürgschaft
I. Die höchstrichterliche Rechtsprechung zum weggefallenen Hauptschuldner einer Bürgschaft
1. Von der akzessorischen zur verselbstständigten Bürgschaft – Die Entwicklung der Rechtsprechung
a) Beginn der Rechtssprechungslinie beim RG
b) Weiterentwicklung durch den BGH
2. Die verselbstständigte Bürgschaft im Lichte der §§ 765 ff. BGB
a) Die Einrede der Verjährung
b) Der gesetzliche Forderungsübergang nach § 774 BGB
aa) Bei der übergegangenen Hauptforderung
bb) Bei den Sicherungsrechten
cc) Bei der Nachbürgschaft
dd) Zwischenergebnis
c) Die Aufgabe von Sicherheiten
d) Die Übertragung der Bürgschaft
3. Stellungnahme zur Rechtsprechung von RG und BGH
a) Fehlende Regelungslücke
b) Vermeintliche Untätigkeit des Gesetzgebers
c) Keine Akzessorietätsausnahme, sondern Akzessorietätsaufgabe
d) Keine volle Vorbildfunktion vergleichbarer Vorschriften
e) Zwischenergebnis
II. Materiell-rechtliche Grundlagen der Rechtsprechung
1. Die Person des weggefallenen Hauptschuldners
a) Natürliche Personen
b) Juristische Personen des Privatrechts
c) Personengesellschaften
d) Juristische Personen des öffentlichen Rechts
e) Zwischenergebnis
2. Der Wegfall des Hauptschuldners im Bürgschaftsdreieck
a) Der Wegfall des Bürgen
b) Der Wegfall des Gläubigers
c) Der „vermögensbedingte“ Wegfall des Hauptschuldners
d) Zwischenergebnis
III. Begründung für Aufbau und Gang der weiteren Darstellung
C. Gegenauffassungen in der Literatur
I. Die reine Gläubigerschuld und das sog. Sollenselement der Hauptforderung
1. Die Gläubigerschuld
2. Vorteile und Kritik zur Gläubigerschuld
3. Das fortbestehende Sollenselement nach Becker-Eberhart
4. Vorteile und Kritik zum fortbestehenden Sollenselement
5. Auswirkung beider Ansichten auf die §§ 765 ff. BGB
6. Stellungnahme
II. Die Akzessorietät als Zurechnungsmodell nach Iversen
1. Auswirkung auf §§ 765 ff. BGB
2. Kritik und Stellungnahme
III. Die kausale Akzessorietät nach C. Schmidt
1. Auswirkungen auf die §§ 765 ff. BGB
2. Kritik und Stellungnahme
IV. Die Forderungsfiktion
1. Auswirkungen auf die §§ 765 ff. BGB
2. Kritik und Stellungnahme
a) Ewige Fiktion
b) Fiktion nur bei Vereinbarung
c) Ergebnis
D. Eigene denkbare Lösungsansätze
I. Ansätze im BGB abseits der Bürgschaftsregelungen
1. Störung der Geschäftsgrundlage
a) Fehlvorstellung in Bezug auf den Hauptschuldner
b) Fehlvorstellung in Bezug auf den Bürgen
2. Die Bürgschaft als Schuldbeitritt
3. Analoge Anwendung des § 418 BGB
II. Das Preußische Allgemeine Landrecht
1. Die Bürgschaft im ALR
2. Die Gesellschaften im ALR
3. Ergebnis
III. Draft Common Frame of Reference
1. Die Bürgschaft im DCFR
2. Der weggefallene Hauptschuldner im DCFR
a) Art. IV.G. – 2:102
b) Art. IV.G. – 2:103
c) Art. IV.G. – 2:106
d) Art. IV.G. – 2:113
3. Ergebnis
IV. Die Insolvenzordnung
V. Ergebnis und Konsequenz für die weitere Darstellung
E. Die Darstellung des eigenen gesellschaftsrechtlichen Lösungsansatzes
I. Die eigene These
II. Gesellschaften zwischen Vollbeendigung und Nachtragsliquidation
1. Die Nachtragsliquidation
2. Die Vollbeendigung
a) Die ungeregelte Vollbeendigung
b) Die konstitutive Löschung aus dem Handelsregister
aa) Fiktive Nachgesellschaft
bb) Sondervermögen
cc) Die Nachgesellschaft sui generis
dd) Teilrechtsfähige Nachgesellschaft
ee) Ergebnis
c) Vermögenslosigkeit
aa) Die Schwierigkeiten alleiniger Vermögenslosigkeit
bb) Ergebnis
d) Löschung aus dem Handelsregister und Vermögenslosigkeit
aa) Fortgesetzte Schwierigkeiten des Merkmals objektiver Vermögenslosigkeit
bb) Die Lehre vom Doppeltatbestand als vermittelnde Lösung?
cc) Das Merkmal der Vermögenslosigkeit als Garant für fortbestehende Verbindlichkeiten
e) Das Fehlen sonstigen Abwicklungsbedarfes als Erweiterung der Lehre vom Doppeltatbestand
aa) Gegenansichten
bb) Probleme bei der Ausweitung des Doppeltatbestandes
f) Personengesellschaften
aa) Probleme bei der Gesellschafterhaftung von OHG und KG
bb) Probleme bei der Gesellschafterhaftung der GbR
cc) Schlussfolgerung der Gesellschafterhaftung für die Vollbeendigung
g) Nachtragsliquidation als Nachtragsverteilung im Insolvenzverfahren
h) Zwischenergebnis
aa) Die Nachtragsliquidation in § 273 Abs. 4 AktG als Ausgangspunkt
bb) Die rechtstheoretische Realität ewig bestehender Rechtsträger und Verbindlichkeiten
cc) Unerreichbarkeit der Vollbeendigung
dd) Keine Abhilfe durch Einbeziehung der Verbindlichkeiten zum Merkmal Vermögenslosigkeit
ee) Keine zivilprozessualen Parteiprobleme
F. Beweisführung und generelle Übertragbarkeit des Lösungsansatzes
I. Keine entgegenstehenden Gründe in Rechtsprechung und Lehre
1. Anhaltspunkte in der neueren Rechtsprechung
a) BGHZ 48, 303 – Kein Erlöschen der Verbindlichkeiten
b) BGHZ 53, 264
c) OLG Hamm – Keine Verjährung der Verbindlichkeiten
2. Alternative Rechtsprechungslinie des RG
a) Von der Hauptschuld zum Hauptschuldner, RGZ 153, 338
b) Keine restlose Vernichtung der Rechtspersönlichkeit
c) Ergebnis
3. Insolvenzrecht
4. Kein nicht beendetes Liquidationsverfahren
a) Kritik zu dieser Ansicht
b) Ergebnis
5. Kein ewiges Steuersubjekt
a) Anknüpfung der Steuerpflichtigkeit an die Vollbeendigung im KStG
b) Unbedenklichkeit der Steuerpflichtigkeit
c) Ähnliche Regelung nach EStG für Personengesellschaften
d) Ergebnis
6. Keine ewig blockierte Firma
a) Fortsetzungsfähigkeit der Gesellschaft während der Nachtragsliquidation
aa) Kapitalgesellschaften
bb) Personengesellschaften
b) Die Nachtragsliquidation als Grund zur Verneinung der Fortsetzungsmöglichkeit von Gesellschaften
c) Ergebnis
7. Keine bloße Teilrechtsfähigkeit
a) Die Heller und Buchner’sche Teilrechtsfähigkeit
b) Relative Rechtsfähigkeit
c) Ergebnis
8. Sonderfall eines verdeckten Ermittlers gemäß § 110a StPO
a) Der zivilrechtliche Aspekt zur Lage des verdeckten Ermittlers
b) Inkonsistenzen bei der Entschädigung durch verdeckte Ermittler
c) Der verdeckte Ermittler und die Bürgschaft
d) Übertragung der These auf den verdeckten Ermittler
9. Vergleich zu den Gegenmodellen der Literatur
a) Gläubigerschuld und Sollenselement
b) Verständnisänderung der Akzessorietät
c) Forderungsfiktion
II. Zusammenfassung der These und Endergebnis
III. Übertragbarkeit auf den Wegfall des Hauptschuldners bei anderen (nicht) akzessorischen Sicherheiten
1. Nicht akzessorische Sicherheiten
2. Andere akzessorische Sicherheiten
3. Relevanz jenseits der Bürgschaft
4. Ergebnis
G. Zusammenfassung
Literaturverzeichnis
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 9783161559686, 9783161559693, 3161559681

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Studien zum Privatrecht Band 80

Normen Hörnig

Fortbestand akzessorischer Sicherheiten Eine gesellschaftsrechtliche Lösung am Beispiel der Bürgschaft bei Wegfall des Hauptschuldners

Mohr Siebeck

Normen Hörnig, geboren 1988; Studium der Rechtswissenschaft an der Martin-Luther Universität Halle-Wittenberg; 2013 Erstes Juristisches Staatsexamen; seit 2014 wissenschaft­ licher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Zivilprozess- und Insolvenzrecht an der Martin-Luther Universität Halle Wittenberg; 2015 LL.M.oec am Institut für Wirtschaftsrecht der Martin-Luther Universität Halle-Wittenberg; 2017 Promotion; seit 2017 Rechtsreferendariat am Oberlandesgericht Naumburg.

Gedruckt mit Unterstützung der Studienstiftung ius vivum, Kiel und der Johanna und Fritz Buch Gedächtnis-Stiftung in Hamburg. ISBN 978-3-16-155968-6 / eISBN 978-3-16-155969-3 DOI 10.1628/978-3-16-155969-3 ISSN 1867-4275 / eISSN 2568-728X (Studien zum Privatrecht) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National­ bibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2018  Mohr Siebeck Tübingen. www.mohrsiebeck.com Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für die Verbreitung, Vervielfältigung, Übersetzung und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von Gulde Druck in Tübingen aus der Times New Roman gesetzt, auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier gedruckt und von der Buchbinderei Spinner in Ottersweiher gebunden. Printed in Germany.

Meinen Eltern

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde in geringfügig überarbeiteter Fassung im Sommersemester 2017 von der Juristischen und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg als Dissertation angenommen. Literatur und Rechtsprechung konnten für die Drucklegung bis Juni 2018 berücksichtigt werden. Mein besonderer Dank gilt zunächst meinem hochverehrten Doktorvater Herrn Prof. Dr. Stephan Madaus, welcher mich wohlwollend während der Erstellung der gesamten Arbeit mit zahlreichen Denkanstößen und wertvollen Ratschlägen begleitete. Zugleich hat er mir vertrauensvoll alle akademischen Freiheiten während meiner Zeit an seinem Lehrstuhl gelassen und durch seine offene wie auch freundschaftliche Art keinen bloß inhaltlichen Beitrag geleistet, sondern dieser Arbeit eine unschätzbar ideelle Prägung verliehen. Großen Dank gebührt auch Herrn Prof. Dr. Christoph Kumpan für dessen äußerst zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Der Studienstiftung ius vivum sowie der Johanna und Fritz Buch GedächtnisStiftung, Hamburg danke ich für ihre jeweils großzügig gewährten Druckkostenzuschüsse. Daneben möchte ich allen Mitarbeitern des Lehrstuhls von Prof. Dr. Stephan Madaus danken, wobei hier besonders Anna Katharina Wilke hervorzuheben ist, die mir mit Wohlwollen und Großzügigkeit den Rücken freigehalten hat. Von ganz besonderem Wert ist für mich jedoch die Freundschaft, die sich während meiner dreijährigen Tätigkeit am Lehrstuhl zu meinen ehemaligen Kollegen Susen Grompe, Armin Grimm und Philipp Knauth entwickelt hat. Sie waren mir nicht nur an jedem einzelnen Tag des Verfassens dieser Arbeit eine Stütze, sondern vermochten auch in persönlicher Hinsicht eine exzellente Bereicherung für mich darzustellen. Ich danke ihnen aufrichtig für die gemeinsam erlebte Zeit. Dank schulde ich zudem Herrn Torsten Schüller, der durch sorgfältiges Korrekturlesen und konstruktive Anregungen ebenso zum Gelingen der Arbeit beitrug.

VIII

Vorwort

Herzlich danken möchte ich auch Georg Mitsching, der mir während meines gesamten juristischen Werdeganges stets mit Rat und Tat ebenso freundschaftlich wie verständnisvoll zur Seite stand. Schließlich standen mir noch eine ganze Reihe weiterer Menschen zur Seite, die mich schon seit jeher und nicht nur während der Erstellung dieser Arbeit, sondern bereits davor unterstützt haben. Auch ihnen sei an dieser Stelle Platz eingeräumt für den zwar weniger inhaltlichen, dafür aber umso mehr moralisch erfolgten Beistand sowie intensive Ablenkung, ohne die eine Fertigstellung der Arbeit nur sehr viel schwieriger von der Hand gegangen wäre. Deshalb danke ich, keineswegs abschließend, Kristin und Tobias Friedrich, Julia Backhaus, Bastian Klemet, René Haußner, Vanessa Ferber, Daniela Waage und AnneMarie Rohloff. Ein letzter und ganz herausragender Dank von ganzem Herzen gilt schließlich meinen Eltern, Ina und Klaus-Dieter Hörnig! Alles Erreichte ist Ergebnis der unendlichen elterlichen Mühen, die von Beginn an selbstlos und aufopferungsvoll allein auf das Wohlergehen und die Förderung ihres Sohnes gerichtet waren. Ihnen ist diese Arbeit gewidmet. Halle (Saale), im Sommer 2018

Normen Hörnig

Inhaltsverzeichnis Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XV

A. Rechtfertigung der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 B. Einführung in das Problemfeld des weggefallenen Hauptschuldners einer Bürgschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 I. Die höchstrichterliche Rechtsprechung zum weggefallenen Hauptschuldner einer Bürgschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 1. Von der akzessorischen zur verselbstständigten Bürgschaft – Die Entwicklung der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . 7 a) Beginn der Rechtssprechungslinie beim RG . . . . . . . . . 8 b) Weiterentwicklung durch den BGH . . . . . . . . . . . . . . 10 2. Die verselbstständigte Bürgschaft im Lichte der §§  765 ff. BGB . 13 a) Die Einrede der Verjährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 b) Der gesetzliche Forderungsübergang nach §  774 BGB . . . . 16 aa) Bei der übergegangenen Hauptforderung . . . . . . . . . 16 bb) Bei den Sicherungsrechten . . . . . . . . . . . . . . . . 20 cc) Bei der Nachbürgschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 dd) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 c) Die Aufgabe von Sicherheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 d) Die Übertragung der Bürgschaft . . . . . . . . . . . . . . . 23 3. Stellungnahme zur Rechtsprechung von RG und BGH . . . . . 24 a) Fehlende Regelungslücke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 b) Vermeintliche Untätigkeit des Gesetzgebers . . . . . . . . . 27 c) Keine Akzessorietätsausnahme, sondern Akzessorietätsaufgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 d) Keine volle Vorbildfunktion vergleichbarer Vorschriften . . 31 e) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 II. Materiell-rechtliche Grundlagen der Rechtsprechung . . . . . . . 33 1. Die Person des weggefallenen Hauptschuldners . . . . . . . . . 33 a) Natürliche Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33

X

Inhaltsverzeichnis

b) Juristische Personen des Privatrechts . . . . . . . . . . . . . 34 c) Personengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 d) Juristische Personen des öffentlichen Rechts . . . . . . . . . 39 e) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 2. Der Wegfall des Hauptschuldners im Bürgschaftsdreieck . . . . 41 a) Der Wegfall des Bürgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 b) Der Wegfall des Gläubigers . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 c) Der „vermögensbedingte“ Wegfall des Hauptschuldners . . . 43 d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 III. Begründung für Aufbau und Gang der weiteren Darstellung . . . 45

C. Gegenauffassungen in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . 47 I. Die reine Gläubigerschuld und das sog. Sollenselement der Hauptforderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 1. Die Gläubigerschuld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 2. Vorteile und Kritik zur Gläubigerschuld . . . . . . . . . . . . . 49 3. Das fortbestehende Sollenselement nach Becker-Eberhart . . . 51 4. Vorteile und Kritik zum fortbestehenden Sollenselement . . . . 53 5. Auswirkung beider Ansichten auf die §§  765 ff. BGB . . . . . . 55 6. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 II. Die Akzessorietät als Zurechnungsmodell nach Iversen . . . . . . 56 1. Auswirkung auf §§  765 ff. BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 2. Kritik und Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 III. Die kausale Akzessorietät nach C. Schmidt . . . . . . . . . . . . . 60 1. Auswirkungen auf die §§  765 ff. BGB . . . . . . . . . . . . . . 62 2. Kritik und Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 IV. Die Forderungsfiktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 1. Auswirkungen auf die §§  765 ff. BGB . . . . . . . . . . . . . . 67 2. Kritik und Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 a) Ewige Fiktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 b) Fiktion nur bei Vereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 D. Eigene denkbare Lösungsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 I. Ansätze im BGB abseits der Bürgschaftsregelungen . . . . . . . . 73 1. Störung der Geschäftsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 a) Fehlvorstellung in Bezug auf den Hauptschuldner . . . . . . 74 b) Fehlvorstellung in Bezug auf den Bürgen . . . . . . . . . . . 75 2. Die Bürgschaft als Schuldbeitritt . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 3. Analoge Anwendung des §  418 BGB . . . . . . . . . . . . . . . 80

Inhaltsverzeichnis

XI

II. Das Preußische Allgemeine Landrecht . . . . . . . . . . . . . . . 81 1. Die Bürgschaft im ALR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 2. Die Gesellschaften im ALR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 III. Draft Common Frame of Reference . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 1. Die Bürgschaft im DCFR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 2. Der weggefallene Hauptschuldner im DCFR . . . . . . . . . . 87 a) Art.  IV.G. – 2:102 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 b) Art.  IV.G. – 2:103 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 c) Art.  IV.G. – 2:106 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 d) Art.  IV.G. – 2:113 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 IV. Die Insolvenzordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 V. Ergebnis und Konsequenz für die weitere Darstellung . . . . . . . 99

E. Die Darstellung des eigenen gesellschaftsrechtlichen Lösungsansatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 I. Die eigene These . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 II. Gesellschaften zwischen Vollbeendigung und Nachtragsliquidation 105 1. Die Nachtragsliquidation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 2. Die Vollbeendigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 a) Die ungeregelte Vollbeendigung . . . . . . . . . . . . . . . 109 b) Die konstitutive Löschung aus dem Handelsregister . . . . . 111 aa) Fiktive Nachgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 bb) Sondervermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 cc) Die Nachgesellschaft sui generis . . . . . . . . . . . . . 115 dd) Teilrechtsfähige Nachgesellschaft . . . . . . . . . . . . 116 ee) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 c) Vermögenslosigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 aa) Die Schwierigkeiten alleiniger Vermögenslosigkeit . . . 119 bb) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 d) Löschung aus dem Handelsregister und Vermögenslosigkeit . 121 aa) Fortgesetzte Schwierigkeiten des Merkmals objektiver Vermögenslosigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 bb) Die Lehre vom Doppeltatbestand als vermittelnde Lösung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 cc) Das Merkmal der Vermögenslosigkeit als Garant für fortbestehende Verbindlichkeiten . . . . . . . . . . . . . 125 e) Das Fehlen sonstigen Abwicklungsbedarfes als Erweiterung der Lehre vom Doppeltatbestand . . . . . . . . . . . . . . . 126

XII

Inhaltsverzeichnis

aa) Gegenansichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 bb) Probleme bei der Ausweitung des Doppeltatbestandes . . 128 f) Personengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 aa) Probleme bei der Gesellschafterhaftung von OHG und KG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 bb) Probleme bei der Gesellschafterhaftung der GbR . . . . 133 cc) Schlussfolgerung der Gesellschafterhaftung für die Vollbeendigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 g) Nachtragsliquidation als Nachtragsverteilung im Insolvenzverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 h) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 aa) Die Nachtragsliquidation in §  273 Abs.  4 AktG als Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 bb) Die rechtstheoretische Realität ewig bestehender Rechtsträger und Verbindlichkeiten . . . . . . . . . . . 141 cc) Unerreichbarkeit der Vollbeendigung . . . . . . . . . . . 142 dd) Keine Abhilfe durch Einbeziehung der Verbindlichkeiten zum Merkmal Vermögenslosigkeit . . . . . . . . . . . . 143 ee) Keine zivilprozessualen Parteiprobleme . . . . . . . . . 145

F. Beweisführung und generelle Übertragbarkeit des Lösungsansatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 I. Keine entgegenstehenden Gründe in Rechtsprechung und Lehre . 147 1. Anhaltspunkte in der neueren Rechtsprechung . . . . . . . . . 147 a) BGHZ 48, 303 – Kein Erlöschen der Verbindlichkeiten . . . 147 b) BGHZ 53, 264 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 c) OLG Hamm – Keine Verjährung der Verbindlichkeiten . . . 150 2. Alternative Rechtsprechungslinie des RG . . . . . . . . . . . . 152 a) Von der Hauptschuld zum Hauptschuldner, RGZ 153, 338 . . 152 b) Keine restlose Vernichtung der Rechtspersönlichkeit . . . . 153 c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 3. Insolvenzrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 4. Kein nicht beendetes Liquidationsverfahren . . . . . . . . . . . 158 a) Kritik zu dieser Ansicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 b) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 5. Kein ewiges Steuersubjekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 a) Anknüpfung der Steuerpflichtigkeit an die Vollbeendigung im KStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 b) Unbedenklichkeit der Steuerpflichtigkeit . . . . . . . . . . . 163 c) Ähnliche Regelung nach EStG für Personengesellschaften . 165

Inhaltsverzeichnis

XIII

d) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 6. Keine ewig blockierte Firma . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 a) Fortsetzungsfähigkeit der Gesellschaft während der Nachtragsliquidation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 aa) Kapitalgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 bb) Personengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 b) Die Nachtragsliquidation als Grund zur Verneinung der Fortsetzungsmöglichkeit von Gesellschaften . . . . . . . . . 172 c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 7. Keine bloße Teilrechtsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 a) Die Heller und Buchner’sche Teilrechtsfähigkeit . . . . . . . 174 b) Relative Rechtsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 8. Sonderfall eines verdeckten Ermittlers gemäß §  110a StPO . . . 176 a) Der zivilrechtliche Aspekt zur Lage des verdeckten Ermittlers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 b) Inkonsistenzen bei der Entschädigung durch verdeckte Ermittler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 c) Der verdeckte Ermittler und die Bürgschaft . . . . . . . . . 180 d) Übertragung der These auf den verdeckten Ermittler . . . . 182 9. Vergleich zu den Gegenmodellen der Literatur . . . . . . . . . 183 a) Gläubigerschuld und Sollenselement . . . . . . . . . . . . . 183 b) Verständnisänderung der Akzessorietät . . . . . . . . . . . . 184 c) Forderungsfiktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 II. Zusammenfassung der These und Endergebnis . . . . . . . . . . . 185 III. Übertragbarkeit auf den Wegfall des Hauptschuldners bei anderen (nicht) akzessorischen Sicherheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 1. Nicht akzessorische Sicherheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 2. Andere akzessorische Sicherheiten . . . . . . . . . . . . . . . . 188 3. Relevanz jenseits der Bürgschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190

G. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209

Abkürzungsverzeichnis a. A. anderer Ansicht Abs. Absatz AcP Archiv für civilistische Praxis ACQP Principles of the Existing EC Private Law AG InsO LSA Ausführungsgesetz zur Insolvenzordnung des Landes Sachsen-Anhalt AktG Aktiengesetz allg. allgemein ALR Preußisches Allgemeines Landrecht Anm. Anmerkung AnwBl Anwaltsblatt AT Allgemeiner Teil BB Betriebs-Berater BeckOGK Beck’scher Online-Grosskommentar BeckOK Beck’scher Online-Kommentar BFH Bundesfinanzhof BFH/NV Sammlung nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH BGB Bürgerliches Gesetzbuch BGBl. BundesgesetzblattLG BGHZ Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen (Amtliche Sammlung) bspw. beispielsweise BT Besonderer Teil BT-Drucks. Bundestagsdrucksache BVerfGE Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts BW-AGGVG Gesetz zur Ausführung des Gerichtsverfassungsgesetzes und von Verfahrensgesetzen der ordentlichen Gerichtsbarkeit des Landes BadenWürttemberg bzw. beziehungsweise DCFR Draft Common Frame of Reference ders. derselbe dies. dieselben Diss. Dissertation DNotZ Deutsche Notarzeitschrift DStR Deutsches Steuerrecht DStRE Deutsches Steuerrecht Entscheidungsdienst

XVI et al. EuZW

Abkürzungsverzeichnis et alii (und andere) Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht

FK Frankfurter Kommentar FS Festschrift GbR Gemeinschaft bürgerlichen Rechts GG Grundgesetz GmbH Gesellschaft mit beschränkter Haftung GmbHG GmbH-Gesetz GmbHR GmbH-Rundschau Großkomm Großkommentar GS Gedächtnisschrift Habil. Habilitation HGB Handelsgesetzbuch h. L. herrschende Lehre h. M. herrschende Meinung i. S. d. im Sinne des i. V. m. in Verbindung mit InsO Insolvenzordnung JA Juristische Ausbildung JuS Juristische Schulung JW Juristische Wochenschrift JZ Juristenzeitung KG Kommanditgesellschaft/Kammergericht KK Karlsruher Kommentar KStG Körperschaftssteuergesetz KWG Kreditwesengesetz Lfg. Lieferung LG Landgericht LMK Lindenmaier-Möhring – Kommentierte BGH-Rechtsprechung Ls. Leitsatz m. Anm. m. w. N. MDR MüKo MünchHdb. GesR

mit Anmerkung mit weiteren Nachweisen Monatsschrift für Deutsches Recht Münchener Kommentar Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechtes

NJW Neue Juristische Wochenschrift NK Nomos-Kommentar NZG Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht

Abkürzungsverzeichnis

XVII

o. N. ohne Namensangabe OHG Offene Handelsgesellschaft OLG Oberlandesgericht PECL Principles of European Contract Law RG Reichsgericht RGRK Reichsgerichtsräte-Kommentar BGB RGZ Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen (Amtliche Sammlung) RRa Reiserecht aktuell S. Seite/Satz StPO Strafprozessordnung u. a. unter anderem Überbl. Überblick UmwG Umwandlungsgesetz VAG Versicherungsaufsichtsgesetz Vorb. Vorbemerkung WM Wertpapier-Mitteilungen WRV Weimarer Reichsverfassung WuB Entscheidungssammlung zum Wirtschafts- und Bankrecht ZEuP Zeitschrift für Europäisches Privatrecht ZGR Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht ZHR Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht ZIP Zeitschrift für Wirtschaftsrecht zit. zitiert zugl. zugleich

A. Rechtfertigung der Arbeit Das oben erwähnte Thema läuft Gefahr, dass es von vornherein bei einem Teil der Leser kühle Zurückweisung erfährt, allerdings nicht wegen einer vermeintlich mangelnden Relevanz für das Zivilrecht im Allgemeinen oder dem Kreditsicherheitsrecht im Besonderen. Die Zurückweisung könnte vielmehr darin begründet sein, dass jegliche Problematiken und Fragestellungen nach dem Fortbestand akzessorischer Sicherheitsrechte, wie etwa der Bürgschaft, der Hypothek oder dem Pfand, dogmatisch bereits hinreichend untersucht, jedenfalls aber durch die Rechtsprechung und Lehre über die Jahrhunderte erschöpfend ausgeformt und gelöst zu seien scheinen.1 Dies ist allerdings nur oberflächlich betrachtet zutreffend. So zeigt sich schon bei der titelgebenden Frage nach dem Fortbestand akzessorischer Sicherheiten im extremsten aller Fälle, nämlich beim Wegfall des Hauptschuldners samt seiner akzessorisch gesicherten Hauptschuld, dass viel Einigkeit in Rechtsprechung und Lehre nicht zwangsläufig mit dogmatischer Stringenz einhergehen. Auf den ersten Blick scheint auch diese Fallgruppe eine einfach aufzulösende Fragestellung darzustellen, dessen rechtspraktische wie -dogmatische Antwort in der Verneinung des Fortbestandes liegen müsste. Immerhin führt die Akzessorietät zu einer untrennbaren Gemeinschaft zwischen dem gesicherten Recht und der Sicherheit selbst, weswegen dem akzessorischen Sicherungsrecht das gleiche Schicksal zuteilwird wie die zugrundliegende – nunmehr weggefallene – Hauptschuld. Dass dieser Schluss jedoch keinesfalls zwingend ist, beweisen nicht zuletzt die gesetzlich normierten Akzessorietätsausnahmen. Bspw. erlischt eine Hypothek nicht einfach, wenn die zugrundeliegende gesicherte Hauptschuld wegfällt, sondern fällt dem Eigentümer nach §§  1163 Abs.  1 S.  2 BGB zu und wandelt sich zur Eigentümergrundschuld. Neben den gesetzlichen treten aber noch die von der Rechtsprechung für bestimmte Fallgruppen aufgestellten Ausnahmetatbestände, welche die Frage nach dem Fortbestand akzessorischer Sicherungsrechte nicht weniger vereinfa1  Der

Gedanke akzessorischer Sicherheiten lässt sich bis ins römische Recht nachvoll­ ziehen, vgl. Habersack, JZ 1997, 857, 860; Pöggeler, JA 2001, 65, 66 f.; Becker-Eberhard, S.  104 ff.

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A. Rechtfertigung der Arbeit

chen. Eine besonders gravierende Ausnahme stellt jene des vermögenslos weggefallenen Hauptschuldners einer Bürgschaft dar.2 Demnach bestünde die Verpflichtung des Bürgen gegenüber dem Gläubiger zu leisten unvermindert fort, wenn die gesicherte Hauptschuld gerade deshalb weggefallen ist, weil der Hauptschuldner vermögensbedingt aufgehört hat zu existieren. Nach ständiger Rechtsprechung stelle nämlich gerade dieser Umstand den Sinn und Zweck einer Bürgschaft dar, die den Gläubiger vor einem Vermögensausfall des ­ ­Hauptschuldners bewahren und ihm stattdessen den Bürgen zur Verfügung stellen soll. Diese eigentlich anhand der Bürgschaft entwickelte Ausnahme wurde im Laufe der Jahrzehnte zu einem nicht zu unterschätzenden Begründungsfundament für die generelle Durchbrechung des Akzessorietätsgrundsatzes aller akzessorischen Sicherheiten.3 Dies beweist einerseits recht eindrucksvoll die Vorbildwirkung der Bürgschaftsdogmatik, welche zwanglos Argumentationshilfen und Querverbindungen für Begründungsansätze anderer akzessorischer Sicherungsmittel zulässt. Andererseits offenbart sich an dieser Rechtsprechung zum vermögenslos weggefallenen Hauptschuldner einer Bürgschaft eine fast schon bedenklich gewordene Alternativlosigkeit. Denn das mittlerweile jahrzehntelange Festhalten4 der Gerichte an einer einzigen, lediglich auf Sinn und Zweck basierenden Argumentationslinie hat in beeindruckender Art und Weise zu einer kritiklosen Bejahung innerhalb der Lehre geführt, der sich nur selten kritisch und noch weniger ausführlich angenommen wurde.5 Obwohl akzessorische Sicherheiten und insbesondere die Bürgschaft in Wissenschaft und Praxis mitnichten zu einem Rechtsinstitut ohne Bedeutung verkommen sind, lässt es die Lehre zu, dass ganz grundlegende Charakteristika ohne gesetzliche Grundlage zugunsten einer einzigen – wenn auch bedeutsamen – Konstellation aufge2 

BGHZ 82, 323. Etwa auch bei Pfandrechten BeckOGK-BGB/Förster, §  1204 Rn.  47.1; bei der Begründung der Gesellschafterakzessorietät bei Personengesellschaften K Schmidt, Gesellschaftsrecht, §  11 V 3 b), S.  311 Fn.  67 (siehe hierzu ausführlich Abschnitt E. II. 2 f) aa)); infolge der Verschmelzung bei einer Mietbürgschaft Eusani, WM 2004, 866, 868. 4  In st. Rspr. BGHZ 82, 323; 153, 337; BGH NJW 2003, 59, 60; 2012, 1645; KG WM 1955, 1388; NJW-RR 1999, 1206; OLG Schleswig WM 1993, 15, 16; OLG Düsseldorf WM 2003, 1318, 1320; LG Lübeck GmbHR 1992, 539; OLG Dresden, ZIP 2013, 1341. 5  Ohne Bedenken und kritiklos zur verselbstständigten Bürgschaft etwa BGH ZIP 1982, 294 m. Anm. K. Schmidt; Kühn/Rotthege, NJW 1983, 1233, 1235; Depping, GmbHR 1993, 731; Graf Lambsdorff/Skora, S.  172; Habersack JZ 1997, 857, 864 f.; Lettl, WM 2000, 1316, 1320; Reinicke/Tiedtke, S.  45; Tiedtke, FS Kollhosser, S.  744 f.; LG Lübeck WuB I F 1 a. – 17.91, 1329 ff. m. Anm. Eckert; Holznagel, S.  45 f., 49; Eusterhus, S.  121 ff.; Peters NJW 2004, 1430; A. Wiedemann, S.  71; Staab/Staab, S.  247 f., den Bedarf einer zusätzlichen dogmatischen Rechtfertigung dieser Konstruktion bestreitend, Soergel/Gröschler, §  767 Rn.  9. 3 

A. Rechtfertigung der Arbeit

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geben werden. Die in dem Urteil konkret erfolgte ergebnisorientierte Positionierung des BGH hin zu einer verselbstständigten Bürgschaft, welche wie eine Garantie akzessorietätslos neben die ursprüngliche Forderung tritt, hat bei Weitem nicht das Echo erhalten, das es verdient hat. Dies verwundert ob der bereits erwähnten Vorbildfunktion für andere akzessorische Sicherheiten umso mehr. Dabei geht es weniger um das Ergebnis einer fortwährenden Bürgenhaftung beim vermögenslos weggefallenen Hauptschuldner, mithin also eine Haftung des Sicherheitengebers gegenüber dem Gläubiger trotz untergegangenen Schuldner, als vielmehr um den gewählten Lösungsansatz. Dass der Zweck einer gewährten Sicherheit gerade darin besteht, den Zahlungsausfall des Schuldners abzudecken, steht freilich außer Frage. Es muss jedoch in diesem Zusammenhang fraglich erscheinen, ein immanentes Strukturprinzip wie die Akzessorietät dogmatisch derart leichtfertig zu opfern. Genau hieraus zieht die vorliegende Arbeit auch ihre Rechtfertigung, da sie den Beweis antreten soll, dass ebenso die Fallgruppe des weggefallenen Hauptschuldners keine Entscheidung zwischen Akzessorietät und Sicherungszweck erfordert, sondern ein kumulatives Miteinander von Strukturprinzip und Haftungsbedürfnis möglich ist. Das Ziel der Arbeit ist es daher, der grundsätzlichen Frage nach dem Fortbestand akzessorischer Sicherheiten beim weggefallenen Hauptschuldner eine dogmatisch verträglichere Antwort anhand des derzeit geltenden Rechts zu geben. Diese Antwort soll sich stärker an der Gesetzessystematik orientieren und einen über die Bürgschaft hinausgehenden rechtseinheitlicheren Ansatz bieten, ohne in ihrer Begründung auf einzelfallbezogene Ausnahmetatbestände einzelner spezialgesetzlicher Regelungen zurückzugreifen. Dabei soll es aber nicht um eine schlichte Umdeutung der BGH-Argumentation gehen, sondern um einen ganz anderen Ansatz, welcher weniger im Bürgschafts- bzw. Kreditsicherheitsrecht, denn im gesellschaftsrechtlichen Kontext zu finden ist. Fällt nämlich schon der Hauptschuldner nicht restlos weg, weil die Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen, dann bleiben auch seine Hauptschuld und mit ihm die akzessorische Sicherheit bestehen. Wie auch bei dem hier zugrunde gelegten Urteil des BGH (BGHZ 82, 323), so soll auch diese Arbeit den Beweisantritt am Beispiel der Bürgschaft erbringen, um erst anschließend die Übertragung der gewonnenen Erkenntnisse auf andere akzessorische Sicherheiten zu überprüfen. Entscheidend für diesen Aufbau ist auch hier, dass die Problematik im Ausgangspunkt nur im Rahmen der Bürgschaft diskutiert wird. Bei einer konfliktfreien Integrierung des Lösungsansatzes in die Bürgschaft erscheint wegen deren Vorbildfunktion für andere akzessorische Sicherungsrechte die generelle Umsetzung gewonnener Erkenntnisse umso einfacher.

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A. Rechtfertigung der Arbeit

Bei der konkreten zur Beweisführung aufgestellten These handelt es sich wiederum um einen sehr breit gefächerten und gesellschaftsrechtlich geprägten Lösungsansatz, welcher sich schwerpunktmäßig zunächst an eher bürgschaftsfremden Erwägungen orientiert, ohne diese jedoch vollständig aus dem Auge zu verlieren. Die sich anschließende Überprüfung anhand der bürgschaftsspezifischen Fragestellungen stellt aber zugleich sicher, dass nicht nur eine bloß übergeordnete abstrakte Lösung erarbeitet wurde, sondern auch eine dem konkreten Bedürfnissen des Einzelfalles gerecht werdende. Davon abgesehen soll aber auch ein Beitrag für eine weiter voranschreitende Mobilisierung sowohl zum Bürgschafts- als auch Gesellschaftsrecht geleistet werden. Allein schon aufgrund des Fehlens gegenwartsnaher und ausführlicher Arbeiten zum untergegangenen Hauptschuldner einer Bürgschaft bzw. anderer akzessorischer Sicherheiten erscheint es gerechtfertigt, neben der Konzentrierung aller wichtigen Argumente aus Literatur und Rechtsprechung all jene zum Thema erörterten Ansätze geordnet zusammenzutragen, die bisherigen Lösungen auf ihre dogmatische Verwertbarkeit hin einer kritischen Würdigung zu unterziehen und die wissenschaftliche Diskussion durch die eigene Überlegung fortzuführen.

B. Einführung in das Problemfeld des weggefallenen Hauptschuldners einer Bürgschaft Für die Bürgschaft kennzeichnend, ist das in den §§  765 Abs.  1, 767 Abs.  1 S.  1 BGB festgeschriebene strenge Akzessorietätsprinzip, wonach die Bürgschaft rechtlich von der Hauptschuld abhängt und der Bürge nur entsprechend dieser zugrundegelegten Forderung haftet.1 Dabei äußert sich die Akzessorietät nicht allein im Haftungsumfang und damit im Gleichlauf zwischen gesicherter Forderung und Bürgschaft, auch in der Möglichkeit des Bürgen die Durchsetzung seiner Bürgschaftsverpflichtung durch Einreden des Hauptschuldners gemäß §  768 BGB oder unter Berufung auf die Aufrechnungs- und Anfechtungsrechte des Schuldners gemäß §  770 BGB zu verhindern, kommt die Akzessorietät zum Ausdruck. Am deutlichsten kommt sie jedoch zum Tragen, wenn sie die Leistungspflicht des Bürgen mangels zugrundeliegender Hauptschuld entfallen lässt. So etwa, wenn nie eine gesicherte Hauptschuld bestand, weil die Willenserklärungen angefochten wurden (§§  105, 117 Abs.  1, 123 Abs.  1 iVm. §  142 Abs.  1 BGB) oder wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot bzw. Sittenwidrigkeit (§§  134, 138 BGB) eine von Anfang an wirkungslose Bürgschaft zur Folge haben.2 Das Gleiche gilt aber auch, wenn die Hauptschuld erst nachträglich erlischt und damit gleichsam keine wirksame Bürgschaftspflicht mehr begründen kann. Dergestalt etwa in allen Fällen der Erfüllung (§  362 BGB) sowie Rechtshandlungen mit Erfüllungswirkung (Erfüllungssurrogate), beim Erlassvertrag (§  397 BGB), bei der Erklärung von Widerruf und Rücktritt, aber auch bei Übernahme der Hauptschuld gemäß §  418 Abs.  1 S.  1 BGB durch einen neuen Schuldner.3 Freilich bleibt hier zu beachten, dass die Bürgschaft nur dann keine Leistungspflicht des Bürgen begründet, wenn die zugrundeliegende Hauptschuld auch tatsächlich ersatzlos wegfällt. Tritt an die Stelle der Hauptschuld ein Surrogat in Form von Rückgewähr-, Bereicherungs- oder Schadener1 BeckOGK-BGB/Madaus,

§  765 Rn.  23.1. Die Bezeichnung als „streng akzessorisch“ eher ablehnend MüKo-BGB/Habersack, §  765 Rn.  61; Erman/Herrmann, 14.  Aufl. 2014, Vorb. §  765 Rn.  3. 2 BeckOGK-BGB/Madaus, §  765 Rn.  104 ff. 3  BeckOGK-BGB/Madaus BGB §  765 Rn.  139; §  767 Rn.  9, 11, 17; MüKo-BGB/Habersack, §  767 Rn.  3 f.; Staudinger/Horn (2013), §  767 Rn.  10.

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B. Das Problemfeld des weggefallenen Hauptschuldners einer Bürgschaft

satzansprüchen, kommt im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung anhand des Vertragszwecks und der Interessenlage ggf. eine Haftung des Bürgen für diese Ersatzforderungen anstelle der Hauptschuld in Betracht.4 Nun läge es nahe, das Erlöschen der Hauptforderung und somit das Freiwerden des Bürgen gemäß §  767 Abs.  1 S.  1 BGB auch dann anzunehmen, wenn der Hauptschuldner samt Hauptschuld erlischt.5 Der ersatzlose Wegfall des Hauptschuldners als Vertragspartner hat nach allgemeiner zivilrechtlicher Lehre stets auch das Erlöschen aller synallagmatischen Rechtsverhältnisse zur Folge.6 Dies kommt nicht selten vor und ist überall dort möglich, wo nicht nur die Entstehung von Rechtsträgern, sondern auch deren Beendigung möglich ist. Allerdings findet die Akzessorietät der Bürgschaft genau hier ihre Grenzen. Wird die gesicherte Forderung teilweise nicht durchsetzbar oder erlischt sie vollständig, kann sich der daraufhin in Anspruch genommene Bürge nicht mit befreiender Wirkung auf eben diesen Umstand berufen, wenn dies durch den Untergang des Hauptschuldners infolge Vermögenslosigkeit und Löschung im Handelsregister verursacht wurde.7 Zur Begründung wird hierfür der allgemeine Sicherungszweck der Bürgschaft herangezogen, welcher gerade dieses Risiko absichern soll und es daher auch rechtfertigt, deswegen das Akzessorietätsprinzip zu durchbrechen.8 Ob diese Ausnahme überhaupt nur für den Fall gelte, in denen eine wegen Vermögenslosigkeit vollständig erloschene juristische Person involviert ist oder die Verselbstständigung der Bürgschaft auch dann eintritt, wenn anders organisierte Hauptschuldner untergehen, bleibt offen. Im gleichem Maße offen sind auch die Übertragbarkeit bzw. Auswirkung der Rechtsprechung auf die bestehende zivilrechtliche Dogmatik allgemein, d. h. also auf vergleichbare Rechtsinstitute, Auslegungen und Problemfelder. Eine vollumfängliche Darstellung genau dieser Konsequenzen kann aber nur dann gelingen, wenn zunächst die Ausgangsbedingungen der hier besprochenen Grundproblematik feststehen. Aus diesem Grund soll zunächst die aktuelle Rechtsprechung erfasst, die Bedeutung der Hauptschuldnerstellung beschrieben, sein Schicksal dargestellt und die damit einhergehenden Auswirkungen auf die Bürgschaft un-

4  Vgl. ausführlich BGH NJW 2001, 1859, 1860; 1987, 2076, 2077; BeckOGK/Madaus, BGB §  765 Rn.  105 ff.; MüKo-BGB/Habersack, §  765 Rn.  62. 5  So noch RGZ 148, 65. 6  BGHZ 74, 212; MüKo-GmbHG/Berner, §  60 Rn.  41; Baumbach/Hueck/Haas, §  77 Anh. Rn.  16; Palandt/Grüneberg, Überbl. §  362 Rn.  4; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, §  11 V 3b, S.  310 f.; Hüffer/Koch, §  273 Rn.  14. 7  BGHZ 82, 323; BGH NJW 1992, 3228; 1993, 1917; 2003, 59; 1250; NJW-RR 2004, 1683; zuletzt BGH NJW 2012, 1645 Rn.  12. 8  Ständige Rechtsprechung seit BGHZ 82, 323, 326 f.

I. Die höchstrichterliche Rechtsprechung zum weggefallenen Hauptschuldner

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tersucht werden, damit anschließend die eigenen und alternativen Erklärungsansätze zur BGH-Rechtsprechung besser nachvollzogen werden können.

I. Die höchstrichterliche Rechtsprechung zum weggefallenen Hauptschuldner einer Bürgschaft In einem ersten Schritt erfolgt nun die vollumfängliche Darstellung des Status quo zum vermögenslos untergegangenen Hauptschuldner anhand der Rechtsprechung, welche zugleich durch verschiedene Fallgruppen auf ihre Tauglichkeit hin überprüft wird. Hieran soll die Notwendigkeit für eine Neubewertung dieser Frage deutlich und ein Bewusstsein für die eigentlich zu kurz gegriffene h. M. geschaffen werden.

1. Von der akzessorischen zur verselbstständigten Bürgschaft – Die Entwicklung der Rechtsprechung Wie schon eingangs erwähnt, legt es der eindeutige Wortlaut des §  767 Abs.  1 S.  1 BGB und dementsprechend die Akzessorietät nahe, die Bürgschaft mit Wegfall der Hauptschuld infolge des vollbeendeten Rechtsträgers entfallen zu lassen. Zu diesem durchaus schlüssigen Ergebnis gelangte bereits das RG, als es sich erstmals im Jahr 1935 mit dieser besonderen Art der Bürgschaftsbeendigung auseinandersetzen musste.9 Dem damaligen Sachverhalt lag eine zwei Jahre zuvor ergangene Verfügung des Landes Thüringen zugrunde, in welcher die restlose Auflösung eines Turnvereins angeordnet wurde. Im Zuge dieser Verfügung verfiel dem Land nicht allein das gesamte Vermögen des Vereins; es stellte gleichsam durch Verfügung fest, dass damit einhergehend auch sämtliche Verbindlichkeiten des Turnvereins erloschen waren. Der damalige Kläger war Gläubiger einer solchen erloschenen Forderung und hielt sich nunmehr an den verbliebenen Bürgen, welcher jedoch die Zahlung mit Verweis auf die erloschene Hauptschuld verweigerte. Das RG wies die Klage zugunsten des Bürgen ab und begründete dies mit dem streng vorherrschenden akzessorischen Charakter der Bürgschaft gemäß §  767 Abs.  1 S.  1 BGB, welche stets vom Bestand der Hauptschuld abhängig sei.10 Gleichwohl antizipierte es schon damals die Schwierigkeit etwaiger Gegenargumentationen, indem es daran erinnerte, dass die untergegangene Forderung auch als Grundlage für einen Regressanspruch

9 

RGZ 148, 65. RGZ 148, 65, 66.

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8

B. Das Problemfeld des weggefallenen Hauptschuldners einer Bürgschaft

des Bürgen seinerseits gemäß §  774 BGB herhalten müsste, sollte die Bürgschaft in diesem Fall nicht auch als erloschen angesehen werden.11 a) Beginn der Rechtssprechungslinie beim RG Völlig konträr hierzu urteilte wenig später das OLG München in einem ähnlichen Fall der staatlich angeordneten Liquidierung einer juristischen Person.12 Neben spezialgesetzlichen Argumenten, die sich auf die zugrundeliegenden Durchführungsgesetze der Verfügung bezogen, stützte sich das OLG aber auf die Lehre von „Schuld und Haftung“. Diese, als Reaktion zum vormals ergangenen Reichsgerichtsurteil neu verbreitete Ansicht, unterschied zwischen dem Schulden und Haften. Demnach sei das „Haften“ die bloße vom Schuldner zu ertragende Repressalie einer Pflichtverletzung13, wohingegen das Schulden primär als ein rechtliches „Bekommensollen“ des Gläubigers und sekundär als „Leistensollen“ des Schuldners verstanden wurde.14 Wegen des Schwerpunkts der Schuld auf dem Bekommensollen war der Begriff der „Gläubigerschuld“ gebräuchlich, um damit die Überbetonung des Gläubigers innerhalb der Schuld aufzuzeigen.15 Von diesem Standpunkt aus betrachtet, sei sowohl das Haften als auch das Leistensollen allein Angelegenheit des Schuldners, wohingegen das Bekommensollen des Gläubigers durch jedermann erfolgen kann, da es i. S. d. §  267 BGB ohne Ansehung der Person durch zulässige Drittleistung oktroyierbar ist.16 Die Bürgschaft selbst ist nun aufgrund ihrer Rechtsnatur kein bloßes Haften, sondern eine Schuld und daher vom Bekommen- und Leistensollen geprägt.17 Beim Untergang des Hauptschuldners bleibt deshalb das primäre Schuldelement, nämlich das Bekommensollen als wesentliches Merkmal der Schuld unverändert, da mit dem untergegangenen Hauptschuldner lediglich das sekundäre Leistensollen und die Haftung entfallen.18 Der Gläubiger ist noch immer existent und kann deshalb jederzeit von einem Dritten – u. a. dem Bürgen – weiterhin befriedigt werden, ohne dass sich etwas an der Hauptschuld respek­ tive Bürgschaft geändert hätte. Das OLG München schloss sich dieser Auffassung in seinem Urteil an und ließ deshalb die Bürgenschuld in ihrem Fall fortbestehen, da schon die Hauptschuld trotz weggefallenem Hauptschuldner nicht RGZ 148, 65, 66; später kritisch wieder aufgreifend Beitzke, NJW 1952, 841, 844. OLG München JW 1936, 2007. 13  v. Schwerin, S.  9; Buch, S.  8, 17. 14  v. Schwerin, S.  16; Strohal, S.  282 ff., 291 ff.; Buch, S.  13, 16 m. w. N. 15  Buch, S.  16 Fn.  10. 16  Buch, S.  15. 17  Buch, S.  38 f.; Schneider JW 1935, 2625, 2626 f.; bestätigend auch OLG München JW 1936, 2007, 2008. 18  Schneider JW, 1935, 2625, 2626 f. 11 

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I. Die höchstrichterliche Rechtsprechung zum weggefallenen Hauptschuldner

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untergegangen sei.19 Unterstützend merkte es an, dass dies schließlich auch der „Billigkeit und dem Wesen der Bürgschaft“ als Kreditsicherungsinstrument entspreche.20 Mit dieser eher beiläufigen Anmerkung zum Wesen der Bürgschaft legte das OLG gleichzeitig als erstes Gericht das Fundament für eine bis heute geltende Argumentation. Bis auf eine kurze Ausnahme21 wird kein Gericht mehr auf den Verweis zum Bürgschaftszweck verzichten, bevor er schließlich einziger und zentraler Bestandteil einer jeden Argumentation hierzu wird.22 Dabei war das OLG gar nicht zuerst auf den Gedanken gekommen, die Akzessorietät vom Zweck, d. h. Wesen der Bürgschaft abhängig zu machen. Westerkamp stellte nämlich bereits 1908 hierzu fest: „Dem obersten Grundsatz des Bürgschaftsrechts [ist], ihrem Sicherungszweck […] überall Rechnung zu tragen; alles, was mit diesem Grundsatz unvereinbar ist, ist mit der Bürgschaft unverträglich […].“23 So wie das OLG München entschied noch im selben Jahr das KG Berlin, als es darüber zu urteilen hatte, ob auch der Untergang einer juristischen Person wegen Vermögenslosigkeit die Bürgenschuld unberührt lässt.24 Mit dieser Argumentation setzte sich wenig später abermals das RG in einer weiteren Entscheidung auseinander. Dabei widersprach es der Begründung aller unteren Gerichte und verwarf die Theorie über „Schuld und Haftung“.25 Es verfestigte nochmals das eigene zuvor ergangene Urteil, spaltete aber nunmehr den Untergang einer juristischen Person in zwei verschiedene Schweregrade mit unterschiedlichen Folgen auf.26 Zum einen erfolge die Löschung der juristischen Person durch einen Staatsakt27 mit der Konsequenz des stets rückstandslosen Wegfalls der juristischen Person und Vernichtung ihrer Rechtspersönlichkeit inklusive all ihrer Verbindlichkeiten.28 Zum anderen basiere der Untergang auf Vermögenslosigkeit bzw. Konkurs, welches zwar gleichfalls ein Erlöschen der juristischen Person nach sich zieht, jedoch keine ähnlich tiefgreifende Erschüt19 

OLG München JW 1936, 2007, 2008. OLG München JW 1936, 2007, 2008. 21  BGHZ 6, 385 – dazu sogleich. 22  Vor allem BGHZ 82, 323. 23  Westerkamp, S.  139. 24  KG Berlin JW 1936, 2342, 2343. 25  RGZ 153, 338, 340 f. 26  RGZ 153, 338, 343. 27  Gemeint waren Enteignungen, die etwa auf der Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat vom 28.02.1933 (RGBl. I, 83) basierten. 28  Diese Auffassung wurde später vom Gesetzgeber geteilt und durch Änderung des Gesetzes über die Einziehung kommunistischen Vermögens am 9.12.1937 (RGBl. I. S.  1333) bestätigt – im Übrigen keine rein nationalsozialistische Rechtsauffassung (so aber fälschlicherweise BGHZ 48, 303, 306), da der Tradition des Weimarer RepublikschutzG vom 25.03. 1930 folgend. 20 

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B. Das Problemfeld des weggefallenen Hauptschuldners einer Bürgschaft

terung der Rechtspersönlichkeit wie das Löschen durch Staatsakte bewirke. Nur in letzterem Fall soll die Hauptverbindlichkeit wegen der noch vorhandenen Rechtspersönlichkeit weiter bestehen bleiben und mit ihr die Bürgschaft. Zu beachten ist, dass sich die Zweiteilung für das RG hier aus einer Überlegung zum Zweck der Bürgschaft ergab. Dieser liege bei der Bürgschaft in der Sicherung des Gläubigers gegen den Vermögensverfall des Schuldners. Der Zweck sei aber keinesfalls darin zu sehen, die Gläubiger auch gegen Schäden zu schützen, die aus politischen Gründen zur Vernichtung des Schuldners geführt haben.29 Die Rechtfertigung über den Bürgschaftszweck griff das RG schließlich auch in seiner letzten hierzu ergangenen Entscheidung wieder auf. Allerdings überdehnte es diese Argumentationslinie, indem es zwar an dem zu beachtenden Bürgschaftszweck festhält, diesen jedoch vom Einzelfall abhängig machte. Demnach könne die Akzessorietät der Bürgschaft überall dort keine Geltung mehr beanspruchen, wo sie zu unbilligen Ergebnissen bzw. die Anwendung „nicht zum richtigen Recht“ führe.30 Bei dem zugrundeliegenden Sachverhalt der damaligen Entscheidung fiel die Entschließung wiederum zugunsten des Gläubigers aus, da der Bürge eine Unterhaltsschuld absicherte und die Umstände ihn weniger schützenswert erscheinen ließen. Das RG stellte jedoch klar, dass eine derartige Billigkeitsabwägung nicht immer zugunsten des Gläubigers ausfallen müsse, sondern bei „reinen“ Bürgschaften auch anderes zu rechtfertigen wäre.31 b) Weiterentwicklung durch den BGH Doch schon im Jahr 1952 durchbrach der neugegründete BGH bei nächster Gelegenheit die eingeschlagene Linie des RG und berief sich in einem Fall des kriegsbedingten Herabsetzens einer Hauptschuld erneut auf den übergeordneten Akzessorietätsgrundsatz.32 Demnach könne der Gläubiger vom Bürgen nicht den Betrag als Ausgleich verlangen, um welche die Hauptschuld durch gesetzliche Verfügungen33 herabgesetzt wurde. Das Gericht führte hierzu aus, 29 

RGZ 153, 338, 343 f. Bemerkenswert bleibt allerdings, dass sich auch der BGH nie vollständig zu dieser grundlegenden Auffassung der „unpolitischen“ Bürgschaft äußerte. So ließ er in BGHZ 31, 168 ff. im Falle einer durch die sowjetischen Militärregierung angeordneten Liquidation einer GmbH die Frage offen, ob die Bürgschaft politische Risiken überhaupt abdecke. Ähnlich auch BGHZ 32, 97 ff. 30  RGZ 163, 99. 31  RGZ 163, 99. 32  BGHZ 6, 385. 33  Gemeint waren richterliche Vertragshilfe- und Schuldregulierungsgesetze, welchen jedoch mittlerweile keine Bedeutung mehr zukommt, hierzu ausführlich Madaus, Insolvenzplan, S.  82.

I. Die höchstrichterliche Rechtsprechung zum weggefallenen Hauptschuldner

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dass der Gesetzgeber nur in ausdrücklich normierter Form den Grundsatz der Abhängigkeit zwischen Bürgschaft und Hauptverbindlichkeit außer Kraft setze, wie etwa beim Zwangsvergleich im Konkurs des Hauptschuldners, §§  193 S.  2 KonkO, 82 Abs.  2 VerglO.34 Dies gelte als Indiz dafür, der Akzessorietät in allen anderen nicht normierten Fällen streng zu folgen. Dem stünden auch keine allgemeinen Überlegungen zum Wesen der Bürgschaft als Haftungsvertrag im Wege, auf welches sich noch das RG in RGZ 153, 338 berief. Es gebe keine gesicherten Hinweise dafür, ob der Akzessorietätsgrundsatz dem Sicherungszweck der Bürgschaft tatsächlich untergeordnet werden könne.35 Wenn überhaupt, dann muss dies am Einzelfall festgemacht werden, sofern die besondere Rechtslage dies rechtfertigt.36 Überdies führte es die letzte (umstrittene) Entscheidung des RG zur Bürgschaftsakzessorietät an.37 Dort vertrat das RG die Auffassung, dass auch die Bürgschaft überall dort einen nur „verminderten Wert“ hat, wo die Hauptschuld nach der gesetzlichen Regel durch die Veränderung der Verhältnisse beeinflusst wird.38 Hieraus zog der BGH den Schluss, dass sich auch der Bürge auf eine Verschlechterung der Vermögensverhältnisse des Hauptschuldners berufen kann und die Bürgenschuld daher gleichsam entfällt. Allerdings verliert schon das zuletzt genannte Argument dadurch erheblich an Überzeugungskraft, weil die Äußerungen des RG im Zusammenhang mit den Besonderheiten einer verbürgten Unterhaltssschuld verstanden werden sollten und gerade keine allgemeine Geltung für eine „reine Bürgschaft“ beansprucht haben.39 Wie das vermögensbedingte Erlöschen einer juristischen Person demnach einzuordnen wäre, war somit wieder höchst umstritten.40 Erst die Entscheidung des KG Berlin läutete zwei Jahre später den Beginn einer länger anhaltenden neuen Rechtsprechungslinie ein.41 Im Kern war das KG, wie schon zuvor das alte RG in seinen beiden Entscheidungen42 , der Auffassung, dass die Rechtspersönlichkeit einer juristischen Person mit deren vermögensbedingtem Erlöschen nicht vollständig endet. Die im Tenor meist gegensätzlich ergangenen Urteile BGHZ 6, 385, 392 f.; ähnlich schon RGZ 148, 65, 66 f. BGHZ 6, 385, 390. 36  BGHZ 6, 385, 391. 37  BGHZ 6, 385, 390. 38  RGZ 163, 91, 99. 39  Im Wortlaut dazu RGZ 163, 91, 99: „Die Bürgschaft für eine gesetzliche Unterhaltsforderung ist ein Sonderfall. Wird die Hauptschuld nach der gesetzlichen Regel durch die Veränderung der Verhältnisse beeinflusst, so hat eine Bürgschaft bei einer solchen Schuld überhaupt nur einen gegen sonst verminderten Wert.“ 40 Vgl. Coing, NJW 1951, 384; Beitzke, NJW 1952, 841 ff.; Jauernig, NJW 1953, 1207. 41  KG NJW 1955, 1152. 42  Gemeint sind RGZ 148, 65 und RGZ 153, 338. 34  35 

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B. Das Problemfeld des weggefallenen Hauptschuldners einer Bürgschaft

des RG seien nur eingeschränkt verwertbar, da sie stets vor dem Hintergrund des Erlöschens juristischer Personen durch Staatsakte spielten und gerade nicht das vermögensbedingte Erlöschen zum Gegenstand hatten.43 Wiederum griff auch das KG auf Sinn und Zweck der Bürgschaft als Sicherungsmittel zurück. Soll doch die Bürgschaft gemäß ihres Inhaltes gerade das Risiko des Schuldnerausfalles absichern, weswegen diese Vereinbarung nicht mit dem Verweis auf den Akzessorietätsgrundsatz ignoriert werden kann.44 Das Bürgschaftsverhältnis entfallen zu lassen, würde das auslösende Moment für die Durchsetzung des Bürgschaftsanspruchs beim Gläubiger ins Gegenteil verkehren und die Bürgschaft als Sicherungsmittel konterkarieren. Daneben seien die gesetzgeberischen Ausnahmen vom Akzessorietätsprinzip weniger als Indiz für strenge Einzelfälle ohne Abweichung anzusehen als vielmehr für allgemeine Rechtsgedanken. So käme in der Aufweichung der Akzessorietät beim Zwangsvergleich45 der Gedanke des Gesetzgebers zum Ausdruck, die Bürgenschuld trotz Untergangs des Hauptschuldners weiter fortbestehen zu lassen.46 Dem schloss sich der BGH schließlich in einer Reihe weiterer Entscheidungen endgültig an47 und schuf 1981 ein noch tieferes Fundament zur Begründung dieses Ergebnisses. Wichtigster Gedanke war hierbei die nunmehr bedingungslose Aufwertung des Sicherungszwecks der Bürgschaft gegenüber dem Akzessorietätsgrundsatz. Beruht demnach der Untergang des Hauptschuldners auf seinem Vermögensverfall und liegt der Bürgschaftszweck darin, den Gläubiger vor einem Zahlungsunvermögen des Hauptschuldners abzusichern, gelte die Akzessorietät aus diesem Grunde nicht mehr.48 Richtungsweisend waren hierfür vor allem die in BGHZ 6, 385 begonnenen und vom KG weitergeführten Überlegungen zum Insolvenzrecht. Es sei nicht einzusehen, dass der Bürge bei Ablehnung eines Insolvenzverfahrens des Hauptschuldners mit dessen anschließendem Untergang einen größeren Vorteil erlangt als beim herkömmlichen Verlauf der Bürgschaft.49 Überhaupt seien es gerade diese gesetzlich kodifizierten Abweichungen in §  768 Abs.  1 S.  2, §  192 S.  2 KO und §  82 Abs.  2 VerglO, die beispielhaft für ein etabliertes Ausnahmesystem der Akzessorietät stünden. Sie ließen die unbedingte Bevorzugung des Gläubigerinteresses am Sicherungszweck der Bürgschaft erkennen, der überall dort Vorrang genießt, in denen der Bürge von Umständen profitieren könnte, die sich aus den Vermögensunzuläng43 

KG NJW 1955, 1152. KG NJW 1955, 1152. 45 Vgl. BGHZ 6, 385, 392 mit dem Verweis auf §§  193 S.  2 KonkO, 82 Abs.  2 VerglO. 46  KG NJW 1955, 1152. 47  BGH NJW 1955, 1152; BGHZ 25, 217. 48  BGHZ 82, 323, 326. 49  BGHZ 82, 323, 328. 44 

I. Die höchstrichterliche Rechtsprechung zum weggefallenen Hauptschuldner

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lichkeiten des Hauptschuldners ergeben.50 Daneben setzte sich der BGH mit der Vorgehensweise der Berufungsinstanz auseinander und legte einen der zentralen Anknüpfungspunkte für seine Argumentation dar. So versuchte das OLG Hamm die Lösung weniger auf eine Ausnahme vom Akzessorietätsgrundsatz zu stützen, sondern vielmehr auf eine Fiktion der Hauptschuld, die mit dem Erlöschen des Hauptschuldners eintritt.51 Dies hätten die Parteien in der Form vereinbaren können, um alle damit im Zusammenhang stehenden Schwierigkeiten schon im Vorfeld abzuwenden. Der BGH verwarf diesen Vorschlag jedoch mit dem Verweis, dass sich die Forderung gegen den Bürgen infolge der ausgesetzten Akzessorietät von einem abhängigen Nebenrecht in einen selbstständigen Anspruch umwandeln würde.52 Bedauernswerterweise äußerte er sich alternativ zur rechtstheoretischen Möglichkeit einer nur fiktiv bestehenden Hauptschuld nicht mehr. Nichts desto trotz reichten seine Ausführungen aber aus, um hiermit die Etablierung einer bis heute andauernden richterrechtlich begründeten Akzessorietätsdurchbrechung zu legitimieren. Die Konsequenzen dieser Rechtsprechung beschränken sich allerdings nicht allein auf eine von der Hauptschuld verselbstständigte Bürgschaft, sondern führen noch zu anderen systematischen Effekten innerhalb der bürgenrechtlichen Regelungen.

2. Die verselbstständigte Bürgschaft im Lichte der §§  765 ff. BGB Wie soeben dargestellt, mussten sich die Gerichte lange Zeit nur mit der Inanspruchnahme des Bürgen durch den Gläubiger infolge des untergegangenen Hauptschuldners auseinandersetzen. Seit der Entscheidung in BGHZ 82, 323 bot der BGH mit der verselbstständigten Bürgschaft eine vollkommen neue Erklärung für das schon damals einhellige Ergebnis der weiter andauernden Bürgenhaftung. Von diesem Augenblick an schafften es nur wenige Urteile in die Revison zum BGH, die sich ausdrücklich mit den damit einhergehenden Folgewirkungen der von ihm selbst erschaffenen Auffassung auseinandersetzten. Betrachtet man die bisher wenig untersuchten Wechselwirkungen der verselbstständigten Bürgschaft, erscheint dies umso erstaunlicher, ergibt sich doch eine Vielzahl eindringlicher und praktischer Probleme im gesamten Bürgschaftssystem, zu denen sich weder Lösungen noch Anhaltspunkte in den Urteilen des 50  BGHZ 82, 323, 327; Im Sinne des BGH müsste die Aufzählung kodifizierter Akzessorietätsausnahmen seit 1999 wohl noch um den §  1629a BGB erweitert werden, welcher in seinem Abs.  3 den Bürgen die Berufung auf die Einrede des Minderjährigen – seine Haftung auf das bei Eintritt in die Volljährigkeit vorhandene Vermögen zu beschränken – versagt, vgl. BeckOGK-BGB/Amend-Traut, §  1629a Rn.  4, 63. 51  BGHZ 82, 323, 327. 52  BGHZ 82, 323, 327; Vgl. ständige Rechtsprechung BGH NJW 2012, 1645.

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BGH finden lassen. Nachfolgend sollen die eindringlichsten Fälle einer kritischen Betrachtung unterzogen werden und ein Bewusstsein für die Notwendigkeit einer Rechtssprechungsänderung schaffen. a) Die Einrede der Verjährung Legt man etwa zugrunde, dass nach Ansicht des BGH die Bürgenschuld zu einem selbstständigen Anspruch erwächst und die zugrundeliegende Hauptschuld wegfällt, kann sich der Bürge auch nicht mehr auf eventuelle, mit dieser Hauptschuld im Zusammenhang stehende Abwehrrechte gemäß §  768 BGB berufen.53 So läuft die Einrede der verjährten Hauptforderung ins Leere, da es selbige gar nicht mehr gibt, sondern nur noch eine eigenständige Zahlungsverpflichtung des Bürgen. Mithin entstand durch die strenge Anwendung der BGH-Auffassung zeitweise eine Benachteiligung des Bürgen in seinen Abwehrrechten, derer er sich ohne Wegfall des Hauptschuldners nicht hätte aussetzen müssen. Deutlich wurde diese Problematik in einem Urteil des KG Berlin, welches wegen der verselbstständigten Bürgenschuld die fehlende Möglichkeit der Verjährungseinrede mit dem allgemeinen Bürgenrisiko rechtfertigte.54 Als das Urteil schließlich zur Verhandlung vor den BGH kam,55 widersprach dieser dem KG, obwohl sich letzteres auf ganzer Linie der Auffassung der verselbstständigten Bürgschaft befand. Die Wertungen und die schutzwürdigen Interessen des Bürgen sprächen vielmehr dafür, ihm trotz untergegangener Hauptschuld weiterhin die Einrede der Verjährung gegenüber dem Gläubiger zu ermöglichen.56 Dabei stellte der BGH fest, dass es mitnichten so sei, dass der Bürge zwingend auf den Bestand der Hauptforderung angewiesen sei, um die Verjährungseinrede geltend zu machen.57 Die verselbstständigte Bürgschaft gebe lediglich ihre Abhängigkeit vom Bestand der Hauptschuld auf, bleibt aber dergestalt weiterhin unselbstständig, als dass sie sich inhaltlich noch immer zwingend nach ihr richte und mit ihr verjähre. Die Verjährungshemmung selbst könne aber mangels Hauptschuldner nur noch gegenüber dem Bürgen selbst erklärt werden.58

53  Für dieses Ergebnis: KG NJW-RR 1999, 1206, 1207; OLG Celle OLG Report Celle 2001, 87; Lettl, WM 2000, 1316, 1321; Klose, WM 2009, 300 f.; a. A. LG Würzburg WM 1989, 405, 406; Hadding, FS Wiegand, S.  313. 54  KG Berlin NJW-RR 1999, 1206, 1207; aber auch OLG Celle OLG-Report 2001, 87. 55  Schon einmal wurde der BGH in BGHZ 139, 214, 220 am Rande mit dieser Problematik konfrontiert, konnte damals aber eine Entscheidung offen lassen. 56  BGHZ 153, 337, 342; ständige Rechtsprechung BGHZ 182, 76; zuletzt BGH NJW 2012, 1645. 57  BGHZ 153, 337, 340. 58  BGHZ 153, 337, 341 f., 182, 76, 80.

I. Die höchstrichterliche Rechtsprechung zum weggefallenen Hauptschuldner

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Ergebnisorientiert betrachtet, sind die Ausführungen des BGH zwar nachvollziehbar, gleichzeitig aber auch alternativlos und aus dogmatischer Sicht mehr als fraglich.59 Statt korrigierend in den Ursprung dieses Konfliktes einzugreifen, setzt der BGH die verfehlte Annahme einer hauptschuldlosen Bürgschaft auch innerhalb des §  768 BGB fort. Dass sich ein solches Problem überhaupt erst durch die verselbstständigte Bürgenschuld ergeben hat, ignoriert er stattdessen. Bereits die Herleitung hierfür ist zweifelhaft, wenn dahingehend argumentiert wird, dass die Verselbstständigung der Bürgschaft nur zu einer Abkehr der Bestandsakzessorietät geführt habe, nicht aber auch zu einer inhaltlichen Ablösung der Bürgenverpflichtung von der Hauptschuld. Fraglich ist nämlich, wie man sich eine inhaltliche Bezugnahme auf die weggefallene Hauptschuld überhaupt vorzustellen hat und ob damit nicht eigentlich das Geständnis ihrer Unverzichtbarkeit für die Bürgschaft einhergeht.60 Zudem wirkt es inkonsequent, weil die (materielle) Verselbstständigung der Bürgschaft eigentlich auf eine vollständige und endgültige Trennung von der Hauptschuld hindeutet, welche eine eigene Verjährung nach sich ziehen müsste.61 An dieser Stelle offenbart sich die ganze Widersprüchlichkeit der Rechtsprechung, da sich entsprechend der Begründung des BGH die Bürgschaft doch gerade deshalb verselbstständigt, damit der Bürge nicht vom vermögensbedingten Wegfall des Hauptschuldners profitieren kann. Der Bürge würde jedoch nicht nur vom Wegfall profitieren, wenn er gemäß §  768 Abs.  1 BGB nicht mehr leisten müsste, sondern auch wenn der Gläubiger die Verjährung der Hauptschuld samt Bürgschaft nicht mehr hemmen könnte. Aus diesen Grund hätten sich auch hier die exakt gleichen Ergebnisse in Form einer verselbstständigten Verjährung, abseits der weggefallenen Hauptschuld, ergeben müssen.62 Vielmehr verschärft der BGH die Dogmatik noch dadurch, dass er nur für die Verjährung eine Lösung anbietet, ohne dabei die Allgemeingültigkeit dieses Problems in Bezug auf andere Einreden zu erkennen. Unklar bleibt nämlich, inwiefern diese Entscheidung etwa für das Zurückbehaltungsrecht gemäß §§  273, 320 BGB, §  369 HGB, die ausstehende Fälligkeit oder eine nachträgliche Stundung wegweisend sein soll.63 Dabei ist es auf der einen Seite kaum 59  So auch BeckOGK-BGB/Madaus, §  768 Rn.  10; Reinicke/Tiedtke, S.  86 Rn.  259; Lettl, WM 2000, 1316, 1321; Peters, NJW 2004, 1430 f. 60 BeckOGK-BGB/Madaus, §  768 Rn.  10 vermutet deshalb ein „fiktives“ Fortlaufen der eigentlich entfallen Hauptschuld, um die anhaltende Bezugnahme der Verjährung begreifbar zu machen. 61  Reinicke/Tiedtke, S.  86 Rn.  259; Peters, NJW 2004, 1430. 62  KG Berlin NJW-RR 1999, 1206, 1207; Reinicke/Tiedke, S.  87 Rn.  259. 63  Für die generelle Erhebung für alle Arten von Einreden trotz weggefallener Hauptschuld: MüKo-BGB/Habersack, §  767 Rn.  6a.

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B. Das Problemfeld des weggefallenen Hauptschuldners einer Bürgschaft

vorstellbar, dass eine analoge Argumentation nicht auch für andere Einreden gelten soll, da sich die Bürgschaftseinreden nicht allein mit der Verjährung erschöpfen. Auf der anderen Seite würde dies, wie soeben ausgeführt, zu weiteren dogmatischen Unstimmigkeiten führen, die weit über das eigentliche Problem eines weggefallenen Hauptschuldners hinausgingen. Es erscheint damit weder sachgemäß noch erstrebenswert, einzig und allein auf das Wesen der Bürgschaft oder den unscharfen Grundsatz von Treu und Glauben abzustellen64, um die Folgeprobleme einer bereits im Ansatz ungünstigen Grundauffassung zu rechtfertigen. b) Der gesetzliche Forderungsübergang nach §  774 BGB Die nächste problembehaftete Auswirkung ergibt sich aus einem verloren gegangenen Aspekt des RG aus seiner allerersten Entscheidung.65 Damals vertrat das Gericht die Auffassung, dass die Hauptschuld mit dem Untergang des Schuldners weggefallen und die Bürgenschuld daher gleichsam erloschen sei. Als Begründung für diese Entscheidung wurden u. a. Bedenken im Hinblick auf den Regress des Bürgen nach §  774 BGB geäußert, die sich bei gegenteiliger Ansicht ergäben.66 Befriedigt nämlich der Bürge seine Bürgenschuld, geht die Hauptschuld samt aller in Betracht kommender Nebenrechte gemäß §§  774, 412, 401 BGB auf ihn über (cessio legis).67 Verselbstständigt sich nun aber nach Ansicht des BGH die Bürgenschuld, während die Hauptschuld erlischt, würde man den Bürgen gleich doppelt belasten. Zum einen hätte er wegen der Verpflichtung an den Gläubiger weiter zu leisten. Zum anderen wäre er aufgrund der fehlenden Hauptschuld jeglicher Rückgriffs- und Sicherungsrechte gegenüber dem untergegangenen Hauptschuldner und Dritten beraubt. Es erscheint indes fraglich, ob mit Erfüllung der verselbstständigten Bürgenschuld an den Gläubiger und der fehlenden Hauptforderung durch den untergegangenen Hauptschuldner die Voraussetzungen des gesetzlichen Forderungsüberganges überhaupt noch erfüllbar sind. aa) Bei der übergegangenen Hauptforderung Möglicherweise bewahrheitet sich die angemahnte Unbilligkeit des RG doch noch und könnte als ganz entscheidendes Gegenargument zum BGH herhalten. So aber in Erwägung gezogen von Klose, WM 2009, 300, 301. Gemeint ist RGZ 148, 65. 66  RGZ 148, 65, 66. 67  Vgl. BeckOGK-BGB/Madaus, §  774 Rn.  1; MüKo-BGB/Habersack, §  774 Rn.  8 f.; Larenz, Schuldrecht BT, §  60 IV, 15; dies gilt sowohl für akzessorische als auch nicht akzessorische Nebenrechte: vgl. stRspr. BGHZ 144, 52, 57. 64  65 

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So setzt §  774 BGB zwingend den Bestand der Hauptschuld voraus, da eine nicht existente Forderung nicht wirksam mit Zahlung der Bürgenschuld übergehen kann.68 Normalerweise ist die Leistung des Bürgen in diesem Fall rechtsgrundlos und ein Regress wiederum nur beim Gläubiger selbst über §  812 Abs.  1 S.  1 Alt.  1 BGB möglich.69 Mit Verselbstständigung der Bürgschaft leistet der Bürge nun aber nicht mehr ohne Grund, so dass selbst jener Kondiktionsanspruch wegfällt. Mangels hierzu ergangener Urteile kann keine eindeutige Aussage getroffen werden, inwiefern die h. M. eine Ausnahme für den Bürgen machen will und ob §  774 BGB damit zum Schutz des Bürgen70 weiter anwendbar bleibt oder nicht. Konsequent wäre es jedenfalls, die Anwendbarkeit zu verneinen, da sich der BGH bewusst dafür entschieden hat, die Bürgschaft zu verselbstständigen und nicht die ihr zugrundeliegende Hauptschuld, wie es noch die Revision mithilfe einer Fiktion vorschlug. Die damit einhergehenden Folgen für die Regressnahme des Bürgen können deshalb keine zufälligen sein, sondern müssen vom BGH bei der Entscheidung einer verselbstständigten Bürgschaft in Kauf genommen worden sein. Betrachtet man die Wertungen des Gesetzgebers an anderer Stelle, etwa im Zusammenhang mit den Forderungen des Gläubigers beim Insolvenzplan (§  254 Abs.  1 S.  1 InsO) oder der Restschuldbefreiung (§  301 Abs.  2 S.  1 InsO), lässt sich die vermeintliche gleiche Problemlage jedoch nicht zur Lösung auf die vorstehende Schwierigkeit übertragen. Werden die Forderungen im Zuge des Insolvenzplans oder der Restschuldbefreiung für den Gläubiger nicht mehr durchsetzbar, kann er zwar nicht länger zur Befriedigung auf den Hauptschuldner zurückgreifen, wohl aber auf den Bürgen.71 Mit der teilweisen oder völligen Undurchsetzbarkeit der Hauptforderung geht nun jedoch keinesfalls der Regressanspruch des Bürgen gegen den Hauptschuldner verloren. Die Hauptschuld fällt nicht weg, sondern besteht – wenn auch nicht einklagbar – weiter fort. Rechtsprechung wie auch Lehre betrachten die fehlende Durchsetzbarkeit der Hauptschuld infolge der §§  254 Abs.  3, 301 Abs.  3 InsO daher als Umwandlung der Schuld in eine Naturalobligation.72 Gemeint ist damit die Umwandlung in eine bloß unvollkommene Verbindlichkeit, welche prozessual nicht bzw. nicht

68 BeckOGK-BGB/Madaus,

§  774 Rn.  17. BGH WM 1964, 849, 850 f.; MüKo-BGB /Habersack, §  774 Rn.  6. 70  §  774 BGB ist als Schutzvorschrift für den Bürgen angedacht, vgl. MüKo-BGB/Habersack, §  774 Rn.  1; Staudinger/Horn (2013), §  774 Rn.  3. 71 MüKo-InsO/Huber, §  254 Rn.  25; MüKo-InsO/Stephan, §  301 Rn.  28. 72  BGH NZI 2011, 538 Rn.  8; BGH NJW-RR 2012, 1255 Rn.  9; MüKo-InsO/Huber, §  254 Rn.  27, 33; sogar der Gesetzgeber selbst, welcher in der RegE zur InsO BT-Drucks 12/2443, 213 von einer „natürlichen Verbindlichkeit“ spricht. 69 

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B. Das Problemfeld des weggefallenen Hauptschuldners einer Bürgschaft

gegen den Willen des Schuldners durchgesetzt werden kann.73 Ansonsten hätte es der expliziten Anordnungen zum Freiwerden des Schuldners auch gegenüber den Regressansprüchen des Bürgen in §  254 Abs.  2 S.  2 und §  301 Abs.  2 S.  2 InsO nicht bedurft. Diese ist nötig, weil die zur Naturalobligation mutierte Hauptschuld den Bestand und die Wirksamkeit der Bürgschaft unberührt lassen und der Bürge daher unbenommen vom Gläubiger weiter in Anspruch genommen werden kann. In dem ausdrücklichen Regressverbot kommt nun zum Ausdruck, dass der anvisierte Neustart des Schuldners infolge der durchgeführten Restschuldbefreiung bzw. des vollzogenen Insolvenzplanes nicht mit alten Verbindlichkeiten im Gewandt neuerer Regressforderungen des Bürgen belastet werden soll. Den §§  254 Abs.  2 S.  2, 301 Abs.  2 S.  2 InsO wird damit eigentlich nur eine klarstellende Wirkung zuteil, da der Bürge trotz voller Leistung an den Gläubiger im Gegenzug nur eine (teilweise) mit einer Naturalobligation behaftete Forderung erhält, die er nur insoweit geltend machen kann, wie es ihm nach dem nicht-naturalobligatorischen Teil der Forderung gelingt.74 Damit können also wegen der eigentlich noch immer bestehenden Hauptschuld die Regelungen der Insolvenzordnung, trotz ähnlicher Konstellation, nicht als Vorbild für die vorstehende Problematik dienen. Anhaltspunkte für eine Tendenz lassen sich deshalb allenfalls aus BGHZ 153, 337 entnehmen, in welcher der BGH die Verjährungseinrede in Einklang mit seiner Auffassung zur verselbstständigten Bürgenschuld brachte.75 Dort stützten sich die Ausführungen im Wesentlichen auf die übergeordneten Interessen des Bürgen, die sich aus praktischen Erwägungen sowie der Vermeidung von Zufallsergebnissen ergaben.76 Insbesondere sollte das Vertrauen des Bürgen in den Umfang seiner Haftung, welches durch das Vorenthalten von Hemmungsoder Unterbrechungstatbeständen Schaden nähme, nicht erschüttert werden.77 Ganz ähnlich ließe sich auch im Zusammenhang mit §  774 BGB argumentieren. Auch hier hat der Bürge ein nicht minder schutzwürdigeres Interesse daran, Regressansprüche nach Begleichen der Bürgenschuld zu erhalten, weil er sie regelmäßig bei Bürgschaftsabschluss in sein Übernahmerisiko einbezieht. Im Gegensatz dazu dürfte die Vermeidung von Zufallsergebnissen eine ebenso große Rolle spielen und eher gegen die Anwendung des §  774 BGB sprechen. Sollte die Rechtsprechung nämlich soweit gehen und die cessio legis auch für den Fall bejahen, in welchem der Bürge auf die Bürgenschuld leistet, nachdem der Hauptschuldner untergegangen ist – also den klassischen vom BGH ent73 

Vgl. Jauernig/Mansel, §  241 Rn.  20. Bülow, S.  360 Rn.  970; MüKo-InsO/Huber, §  254 Rn.  32; Klose, WM 2009, 300, 304. 75  Siehe unter Abschnitt B. I. 2. a). 76  BGHZ 153, 337, 342 f. 77  BGHZ 153, 337, 342 f. 74 

I. Die höchstrichterliche Rechtsprechung zum weggefallenen Hauptschuldner

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schiedenen Fall –, müsste sie in zeitlich nachgelagerten Konstellationen hingegen verneint werden. In den Fokus rückt damit die Situation eines Bürgen, welcher zunächst leistet und die Sicherungsrechte samt Forderung erhält und erst anschließend mit dem Untergang des Hauptschuldners konfrontiert wird. Nach Kloses zutreffender Ansicht entfällt in diesem Fall für den BGH der Grund, die Bürgschaft zu verselbstständigen.78 Der Gläubiger sei bereits befriedigt worden, weshalb es dann nicht mehr zu einer Kollision zwischen Akzessorietätsgrundsatz und Bürgschaftszweck kommen kann. Daraus lässt sich schließen, dass die Hauptschuld dann zwar samt ihrer Nebenrechte im Vorfeld gemäß §  774 BGB auf den Bürgen übergeht, anschließend beim normalen Gang der Dinge mit dem Untergang des Hauptschuldners aber wieder erlischt. Geht man nun davon aus, dass die h. M. in der Ausgangskonstellation den Regressanspruch gemäß §  774 BGB trotz zuvor entfallener Hauptschuld bejaht, wäre der Bürge bei der nachträglich weggefallenen Hauptschuld schlechter gestellt. Diese Ungleichheit entsteht damit rein zufällig, je nachdem, wie schnell es der Bürge schafft, beim Hauptschuldner Regress zu nehmen. Zwar zählen Unsicherheiten im Hinblick auf die Liquidität eines Schuldners freilich zu den Risiken wirtschaftlichen Handelns. Das Risiko wird allerdings im unkorrigierten Normalfall durch die Chancen eines frühzeitigen Untergangs ohne Bürgenverpflichtung für alle Parteien gleichermaßen abgefedert. Während der Gläubiger nun aber in jedem Falle, ob mit oder ohne Verselbstständigung, seinerseits Zahlung vom Bürgen verlangen kann, trägt Letzterer das volle Risiko. Er wäre damit vom Gläubiger abhängig, möglichst schnell leisten zu dürfen, um beim Hauptschuldner noch Regress nehmen zu können und sich ggf. Nebenrechte und Mitbürgen zu erhalten. Damit lässt sich festhalten, dass die Entscheidung, dem Bürgen Regress nach §  774 BGB zu ermöglichen, zwar nicht vollkommen unbillig und von einem natürlichen Bedürfnis dem Bürgschaftszweck zu entsprechen, getragen ist, doch entstehen verschiedentliche Probleme im Hinblick auf dessen dogmatische Begründung. Bereits der genaue Anknüpfungspunkt ist völlig unklar. Zunächst wäre eine erste Lösungsvariante dahingehend denkbar, das Ausgangsurteil in BGHZ 82, 323 großzügig auszulegen und die Verselbstständigung der Bürgschaft für alle Fälle des vermögensbedingten Untergangs zu bejahen, unabhängig vom Zeitpunkt und der Frage, ob dies zum Schutze des Gläubigers oder des Bürgen geschieht. In einem zweiten Schritt müsste dann eine einheitliche Rechtfertigung dafür gefunden werden, in Fällen der verselbstständigten Bürgschaft auch §  774 BGB für anwendbar zu erklären. Damit würde man die so78  Klose, WM 2009, 300, 302, so aber auch die Urteilsbegründung in BGHZ 82, 323, 326 f., welche nur den Anspruch des Gläubigers der Hauptschuld schützen will.

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eben erörterte Problematik soweit entschärfen, als dass eine einheitliche Ausgangssituation entstünde, die mit der Verselbstständigung zu keinen ungleichen Regressmöglichkeiten und Zufallsergebnissen führen würde. Die analoge Anwendung des §  774 BGB könnte sodann einheitlich mit einem Rückgriff auf Treu und Glauben für alle denkbaren Fälle geschehen. Eine andere Lösungsvariante könnte darin bestehen, nicht allein die Bürgenforderung zu verselbstständigen, sondern in Anbetracht der Akzessorietätsentkoppelung auch den Bürgenregress. Der Regress wird nicht durch den klassischen Forderungsübergang herbeigeführt, welcher eine bestehende Forderung voraussetzt, die gesetzlich dem Bürgen zufällt, sondern entsteht wiederum entkoppelt vom Abhängigkeitsgedanken einer zugrundeliegenden Hauptschuld. Auch hier könnte man den Bürgen entweder analog §  774 BGB einen verselbstständigten Regressanspruch zugestehen, welcher mit Leistung an den Gläubiger und unabhängig von dessen Willen entstünde. bb) Bei den Sicherungsrechten Grundsätzlich dürfte es bei der Aufrechterhaltung des Regressanspruches allerdings weit weniger um die übergegangene Hauptschuld gehen, deren Werthaftigkeit wegen des untergegangenen Hauptschuldners ohnehin bezweifelt werden kann, als vielmehr um die damit einhergehenden Sicherungsrechte vermögender Dritter, obgleich es auch hier vollkommen ungeklärt ist, inwiefern die Sicherungsrechte mit dem Wegfall der Hauptschuld nach Ansicht der Rechtsprechung überhaupt noch bestehen und für den Bürgen brauchbar sind. Akzessorische Sicherungsrechte sind ihrer Natur entsprechend von der Hauptschuld abhängig und gehen nur mit ihr gemäß §§  412, 401 Abs.  1 BGB über.79 Daran ändert sich auch dann nichts, wenn mit der Verselbstständigung der Bürgenschuld gleichzeitig eine Verselbstständigung aller anderen akzessorischen Sicherungsrechte einherginge80, da es prinzipiell einer Forderung zum Übergang bedarf, §  401 Abs.  1 BGB. Es wäre jedoch im höchsten Maße inkonsequent, dem Bürgen lediglich einen Regressanspruch über die Hauptschuld einzuräumen und die weitaus leistungsfähigeren Sicherungsrechte ungeachtet zu lassen. Die Frage nach dem Schicksal des Regressanspruches durch den Bürgen beschränkt sich daher nicht nur auf den bloßen Übergang der Hauptschuld, sondern weitet sich auch auf die Nebenrechte aus. Das Gleiche gilt für die nichtakzessorischen Sicherungsrechte. Bei ihnen besteht für den Gläubiger – wegen des identischen Sicherungszwecks im Vergleich zu den akzessorischen Nebenrechten – nur eine Übertragungspflicht kraft 79 

80 

RGZ 60, 191, 193; BGHZ 110, 41, 43; BeckOGK-BGB/Madaus, §  774 Rn.  29. So jedenfalls die beiläufige Schlussfolgerung von Klose, WM 2009, 300, 302.

I. Die höchstrichterliche Rechtsprechung zum weggefallenen Hauptschuldner

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Rechtsgeschäftes an den Bürgen analog §§  774, 412, 401 Abs.  1 BGB.81 Eine Übertragung ex lege findet somit schon ursprünglicher Weise nicht statt, weswegen sich die Verselbstständigung der Bürgenschuld mit der nunmehr fehlenden Hauptschuld dogmatisch besser bewältigen lässt.82 An dem analogen Übergang nicht akzessorischer Sicherungsrechte dürfte sich daher mit entsprechend modifizierter Begründung nichts ändern, wenn zugrunde gelegt werden kann, dass nach Ansicht des BGH §  774 BGB weiterhin anwendbar bleibt. Aus diesem Grund wird man einen Übergang akzessorischer und nicht akzessorischer Sicherungsrechte bejahen müssen, um weder den Regressanspruch aus §  774 BGB noch die allgemeinen Wertungen zum Bürgenschutz zu konterkarieren. cc) Bei der Nachbürgschaft Eine artverwandte Problematik ergibt sich auch in Fällen der Nachbürgschaft.83 Will der Gläubiger das Risiko eines Bürgenausfalles minimieren, gleichzeitig aber keine anderen Sicherheiten oder einen gleichberechtigten Mitbürgen, kann er einen weiteren Bürgen verpflichten, welcher nur dann leisten muss, wenn der Hauptbürge ausfällt.84 In diesen Fällen ist der zweite Bürge ein Bürge des ersten Bürgen und es liegt als Untersicherheit zur Hauptbürgschaft eine Nachbürgschaft vor. Muss der Nachbürge schließlich an den Gläubiger leisten, gehen gemäß §  774 Abs.  1 BGB dessen Ansprüche gegen den Hauptschuldner und Hauptbürgen auf ihn über.85 Fällt nun wiederum der Hauptschuldner weg und 81  Ständige Rechtsprechung RGZ 89, 193, 195; BGHZ 144, 52, 57; 130, 101; Müko-BGB/ Habersack, §  774 Rn.  10; Erman/Herrmann, 14.  Aufl. 2014, §  774 Rn.  8; nur auf Sicherheiten beschränkend, die einen bevorzugten Zugriff auf das Vermögen des Hauptschuldners erlauben: BeckOGK-BGB/Madaus, §  774 Rn.  31 f. 82  Im Rahmen der Auffassung von BeckOGK-BGB/Madaus, §  774 Rn.  32 wäre dies hingegen vollkommen obsolet, da Sicherheiten, welche nur Zugriff auf das Vermögen des Hauptschuldners zulassen, mangels Existenz des selbigen wirkungslos sind. 83  In WM 2009, 300, 303 sieht Klose noch in der Rückbürgschaft Wertungsprobleme, wenn sich der Rückbürge für künftige Regressverbindlichkeiten des Hauptschuldners verbürgt. Dem muss allerdings eingewendet werden, dass es derzeit keine punktuellen Probleme bei der Rückbürgschaft für künftige Verbindlichkeiten gibt, sondern generelle, da es hier schon – mangels vergleichbarer Interessenlage – gar nicht zu einer Verselbstständigung der Rückbürgschaftsforderung kommen darf. In BGHZ 82, 323, 326 f. geht es den BGH nämlich nur darum, den Gläubiger vor dem Vermögensverfall des Hauptschuldners zu schützen und nicht den Bürgen. Nur wenn man diese Entscheidung über den Wortlaut des Urteils hinaus weiter auslegt (wie aus anderen Gründen bereits vorgeschlagen), käme man überhaupt zu diesem Problem. 84 BeckOGK-BGB/Madaus, §  765 Rn.  354; Bülow, S.  360 Rn.  1031; Lwowski/Fischer/ Langenbucher/Fischer, S.  331 Rn.  181. 85 BeckOGK-BGB/Madaus, §  765 Rn.  357; Bülow, S.  360 Rn.  1031; Lwowski/Fischer/ Langenbucher/Fischer, S.  331 Rn.  182.

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B. Das Problemfeld des weggefallenen Hauptschuldners einer Bürgschaft

mit ihm die Hauptschuld, kommt es beim Regress des an den Gläubiger zahlenden Nachbürgen zu denselben oben beschriebenen Wertungsproblemen. Diesmal fehlen mit Verselbstständigung der Hauptbürgschaft die Voraussetzungen des §  774 Abs.  1 BGB im Verhältnis zwischen Hauptbürgen und Nachbürgen. Aufgrund der fehlenden Hauptschuld kann kein Übergang der Forderung samt aller dazugehörigen Sicherungsrechte von statten gehen und der Nachbürge bleibt ohne Regress. Auch wegen dieser Konstellation müsste die h. M. korrigierend in §  774 BGB eingreifen, um das damit erhöhte Risiko des Nachbürgen, welcher eigentlich nur ein sekundärer Unterhafter ist, wieder zu senken.86 dd) Zwischenergebnis Insgesamt zeigt sich, dass die Rechtsprechung des BGH zu einer unsicheren Regressmöglichkeit des Bürgen führt und damit einen zentralen Anreiz für die Übernahme einer Bürgschaft entwertet. Freilich verschärft sich die Problematik nochmals, da auch keine alternative Regressnahme mehr im Innenverhältnis nach §  670 BGB als Aufwendungsersatz durch Geschäftsbesorgung (§  675 Abs.  1 BGB), Auftrag (§  662 BGB) oder über §  683 S.  1 BGB als berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag denkbar ist.87 Hinzukommt, dass ohnehin nur der Anspruch aus dem nach §  774 BGB übergegangenen Recht Vorzüge birgt, die der einfache Aufwendungsersatzanspruch nicht decken würde. Zwar hätten auch bei letzteren alle für erforderlich gehaltenen Aufwendungen geltend gemacht werden können, die etwa auch Vertragsabschlusskosten beinhalten und somit u. U. weit über die Regressleistungen des §  774 Abs.  1 S.  1 BGB reichen, ein eventueller Zugriff auf weitere Sicherungsrechte ist bei diesem Anspruch jedoch nicht mitumfasst.88 Demzufolge wiegt nicht allein die Tatsache vollständiger Regresslosigkeit problematisch, vor allem die in jedem Falle fehlende Möglichkeit, auf eventuelle Nebenrechte zurückzugreifen, muss doch als spürbar nachteilig gewertet werden. Zum einen weil auch sie als potentielle Regresschancen des Bürgen einem besonderen Schutz des Gesetzgebers in §  776 BGB unterliegen. Zum anderen sind es doch gerade die Sicherungsrechte Dritter, welche dem Bürgen überhaupt noch eine irgendwie geartete Hoffnung für einen Ausgleich geben. Dies wirkt umso drastischer, wenn man sich die Zahlungspflicht des Bürgen vergegenwärtigt, der um den bereits weggefallenen Hauptschuldner weiß und bspw. bei Übernahme der Bürgschaft auf die bestehenden Nebenrechte eines Dritten spekulierte. Insofern ergibt sich aus der nur schwach zu begründenden analogen Anwendung des Klose, WM 2009, 300, 302. Vgl. hierzu allg. BGHZ 95, 375, 380; BGH NJW-RR 2008, 1007, 1008; 1993, 1377. 88 BeckOGK-BGB/Madaus, §  774 Rn.  38. 86 Ähnlich 87 

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§  774 BGB – ganz gleich, ob ebenfalls verselbstständigt oder aus dem Grundsatz von Treu und Glauben heraus – eine wirtschaftliche Notwendigkeit. Die damit einhergehenden Inkonsequenzen der ursprünglich stringenten Bürgschaftssystematik ohne kodifikatorische Ansätze werden hieran umso deutlicher. c) Die Aufgabe von Sicherheiten Die Regressproblematik setzt sich jedoch noch an anderer Stelle fort, nämlich im Rahmen des §  776 BGB und der Aufgabe von Sicherheiten Dritter durch den Gläubiger. Gibt dieser nämlich die Sicherheit eines Dritten auf, wird der Bürge insoweit von seiner Pflicht zur Leistung frei, als er nach §  774 BGB Ersatz für die ursprüngliche Hauptschuld hätte hieraus erlangen können. Wird nun aber, wie soeben untersucht, der Regressanspruch aus übergegangenem Recht nicht zwingend fingiert, kann sich der Bürge auch nicht mehr darauf berufen, frei zu werden, da wegen der fehlenden Hauptschuld auch kein Regressanspruch i. S. d. §  776 BGB vorliegt, der hätte aufgegeben werden können. Bejaht man diesen hingegen durch eine zumindest analoge Anwendung des Anspruchs nach §  774 BGB, steht es auch nach Verselbstständigung der Bürgschaft noch zu befürchten, dass der Gläubiger andere Vorzugs- oder Nebenrechte aufgibt. §  776 BGB müsste somit auch in diesem Fall Anwendung finden, damit der Bürge auch weiterhin von der Ratio dieser Vorschrift profitieren kann.89 d) Die Übertragung der Bürgschaft Eine zumindest als fragwürdig geltende Vorgehensweise ergibt sich auch unter dem Gesichtspunkt der Abtretung einer Bürgschaft. Gemäß §  401 BGB kann einzig die zugrundeliegende Hauptforderung übertragen werden, nicht jedoch das Sicherungsrecht selbst. In Folge des weggefallenen Hauptschuldners wäre nunmehr aber eine Übertragung nicht mehr möglich, weil die zur Abtretung erforderliche Forderung durch die Vermögenslosigkeit des Schuldners erloschen ist. Die h. M. behilft sich nun mit dem naheliegenden Schluss, dass mit der Verselbstständigung der Bürgschaft auch die Eigenschaft einer eigenständigen Übertragung einherginge.90 Zwar erscheint dies konsequent und als einzig denkbare Alternative, um völlig unbillige Ergebnisse im Hinblick auf eine fehlende Übertragbarkeit zu vermeiden, allerdings findet diese Ausnahme keine Grundlage im Rahmen der §§  398 ff. BGB. Einmal mehr kommt hier zum Ausdruck, dass der Gesetzgeber das isolierte Bestehen unselbstständiger akzessoriSo auch Klose, WM 2009, 300, 302. §  765 Rn.  52; MüKo-BGB/Roth/Kieninger, §  401 Rn.  5; Staudinger/Busche (2012), §  401 Rn.  19; BeckOGK-BGB/Lieder, §  399 Rn.  41; a. A. BeckOGK-BGB/Madaus, §  765 Rn.  145.3; RGRK/Weber, §  401 Rn.  8. 89 

90 MüKo-BGB/Habersack,

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B. Das Problemfeld des weggefallenen Hauptschuldners einer Bürgschaft

scher Sicherheiten, wie jene in §  401 Abs.  1 BGB ausdrücklich aufgezählten Rechte, nicht vorgesehen hat. Die selbstständig übertragbare Bürgschaft entspricht in jeder gesetzlichen Hinsicht nicht der vorgesehenen ureigenen Bürgschaftsstruktur. Zudem ist es inkonsequent, da sich im Rahmen der Verjährung, die Verjährungsfrist an der eigentlich erloschenen Hauptschuld orientiert, während die Abtretung wiederum hiervon vollkommen unabhängig ist. Konsequent wäre es nur, die Umwandlung der Bürgschaft von einer akzessorischen Haftung in eine nicht akzessorische Haftung dann auch konsequent und in jeglicher Hinsicht zu vollziehen. Es folgt keiner einheitlichen Linie, auf der einen Seite die Verjährungsfrist von der eigentlich erloschenen Hauptschuld abhängig zu machen, weil es sich bei der verselbstständigten Bürgschaft nur um eine Loslösung der Bestandsakzessorietät handele und die Bürgschaft inhaltlich weiter unselbstständig sei. Auf der anderen Seite aber eine selbstständige Übertragung der Bürgschaft nach §§  398 ff. BGB anzunehmen und völlig auf die Hauptschuld zu verzichten. Entweder unterliegt die Bürgschaft einer eigenen, von der Hauptschuld losgelösten Verjährung und kann dann auch isoliert übertragen werden oder die Verjährung richtet sich weiter nach der untergegangenen Hauptschuld mit der Folge, dass sich dies auch in der Übertragung niederschlagen müsste. Doch selbst wenn man die isolierte Abtretung der Bürgschaft für sinnvoll hält, sprächen dann doch aber dieselben Gründe auch dafür, die Verjährung selbstständig und unabhängig von der erloschenen Hauptschuld neu zu berechnen, ohne auf eine weitere inhaltliche Bezugnahme zurückzugreifen. Insofern läge die hilfsweise angestellte Überlegung von K. Schmidt näher, im Zusammenhang mit dieser Problematik notfalls auf eine Fiktion der Hauptforderung zu setzen, da genau hiermit eine Reihe von Problemen umgangen würde.91 Im Ergebnis ist zwar eine konsequente Lösung von der h. M. hierzu gefunden, doch zeigt sich in einer Gesamtschau, dass die dogmatischen Grundstrukturen an vielen Stellen des Gesetzes entgegen dem Wortlaut fundamental aufgebrochen werden.

3. Stellungnahme zur Rechtsprechung von RG und BGH Auf den ersten Blick erscheint es zwar sinnvoll, wenn der BGH, um die weitere Haftung des Bürgen durchzusetzen, gerade an der Akzessorietät ansetzt. Ist es doch genau dieser Schnittpunkt im Bürgschaftsrecht, der das Dilemma der weggefallenen Bürgenverpflichtung erst auslöst. Allerdings führt genau dies zu einem ungerechten Konflikt zwischen dem gesetzlichen Prinzip der Akzessorietät auf der einen und dem Bürgschaftszweck als Ergebnis aller der Bürgschaft 91 

K. Schmidt, ZIP 1982, 294, 297.

I. Die höchstrichterliche Rechtsprechung zum weggefallenen Hauptschuldner

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innewohnenden Prinzipien und Wertungen auf der anderen Seite. Es kann dogmatisch nicht richtig sein, wenn sich das Prinzip einer Wertung unterordnet und nicht die Wertung dem Prinzip.92 Die vom BGH vertretene Akzessorietätsdurchbrechung führt damit in ihren Wirkungen zu einer gewissen Beliebigkeit. Indem das Prinzip auch außerhalb der kodifizierten Grenzen je nach Anlass interpretiert wird, entsteht neben Rechtsunsicherheit auch eine fehlende Rechtsnachvollziehbarkeit. Dabei darf nicht verwechselt werden, dass zwar das Ergebnis zweifellos nachvollziehbar bleibt, die Begründung hingegen nicht.93 a) Fehlende Regelungslücke Die Bürgenzweckerwägung, zuerst des RG und dann des BGH, wurde schon in der Vergangenheit mit dem Verweis auf eine Regelungslücke des Gesetzgebers bei Schaffung des BGB gerechtfertigt.94 Dieser maß, laut den Motiven der Kommission, einer Einredebeschränkung des Bürgen bei Vermögenslosigkeit des Hauptschuldners keine Bedeutung bei, da „andere Fälle […] äußerst selten vorkommen“ und verzichtete dementsprechend auf eine dahingehende Berücksichtigung in §  768 Abs.  1 S.  2 BGB.95 Die Rechtsprechung folge daher in ihrer Argumentation lediglich dem unausgesprochenen Rechtsgedanken des §  768 Abs.  1 S.  2 BGB, welcher die unbedingte Einstandspflicht des Bürgen für jedwede Art der Vermögensverschlechterung – nicht nur durch Tod, sondern auch durch Vollbeendigung – zum Ausdruck bringt.96 Aus dieser gesetzgeberischen Ungenauigkeit heraus könne deshalb im Nachhinein nichts anderes als eine ungeschriebene, richterrechtlich begründete Akzessorietätsdurchbrechung anhand des Bürgschaftszwecks in Frage kommen. Es überzeugt allerdings schon im Ansatz nicht die Unvereinbarkeit von Bürgschaftszweck Akzessorietätsprinzip (auch) aus dieser angeblichen Gesetzeslücke zu folgern.97 Die ArgumentatiVgl. hierzu ähnlich C. Schmidt, S.  74. So auch BeckOGK-BGB/Madaus, §  765 Rn.  138.4. 94 Ausdrücklich Jauernig, NJW 1953, 1207; Reinicke, MDR 1952, 708 als Reaktion infolge des kurzzeitigen Rechtssprechungswandels in BGHZ 6, 385 ff.; dem heute noch zustimmend C. Schmidt, S.  70. 95  Vorgeschlagen wurde §  768 Abs.  1 S.  2 BGB dahingehend zu erweitern: „Ausgeschlossen ist die Geltendmachung von Mängeln, welche aus der Vermögensunzulänglichkeit des Hauptschuldners sich ergeben […]“, Mugdan, Band II, S.  1022. 96  BGH NJW 2003, 59, 60; Jauernig, NJW 1953, 1207; Reinicke, MDR 1952, 708; jeweils mit eindeutigem Verweis auch auf die Fälle nicht-natürlicher Personen aufgrund des Sicherungszwecks: BeckOGK-BGB/Madaus, §  765 Rn.  138.1; Soergel/Gröschler, §  768 Rn.  4; MüKo-BGB/Habersack, §  768 Rn.  7. 97  Der von Jauernig und Reinicke zitierte Halbsatz kann nicht isoliert herangezogen werden, sondern muss im Gesamtzusammenhang gelesen werden: „Der Antrag, welcher die im §  671 Abs.  2 des Entw. enthaltene Vorschrift verallgemeinern will, wurde abgelehnt, da im 92  93 

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B. Das Problemfeld des weggefallenen Hauptschuldners einer Bürgschaft

on geht schon deshalb zu weit, weil sich die 2. Kommission bei ihrer Bewertung anscheinend nur auf natürliche Personen bezog. So vermittelt nicht zuletzt die ablehnende Begründung, gestützt auf das „beneficium competentiae“, also das lebensnotwendige Schuldnervermögen, keineswegs den Eindruck, dass hierbei juristische Personen im Fokus der Betrachtung standen. Aber selbst wenn die Ausführungen nicht allein auf natürliche Personen beschränkt bleiben sollten, sind sie doch vor dem Hintergrund der damaligen Rechtsausauffassung zu betrachten. So war noch die 1. Kommission im Rahmen ihrer Motive über juristische Personen ausdrücklich der Ansicht: „Das Erlöschen der Körperschaft kann nicht zur Folge haben, daß die im Körperschaftsvermögen zusammengeschlossenen Rechte und Verbindlichkeiten untergehen, die zu diesem Vermögen gehörenden Sachen herrenlos werden. Die Rechtsordnung hat dafür zu sorgen, daß eine geeignete, die Interessen der Gläubiger wahrende Ueberleitung des Vermögens auf andere Personen eintritt.“98

Für die 1. Kommison war somit der vermögenslose Hauptschuldner kein Thema, da der ersatzlose Wegfall seiner gesicherten Hauptschuld gar nicht denkbar erschien. Dementsprechend fehlten bereits im Entwurf der 1. Kommission jegliche Akzessorietätsausnahmen in Bezug auf vermögenslose Hauptschuldner bei der Bürgschaft. Durch die unveränderte Übernahme der entsprechenden Regelung nahm auch die 2. Kommission keinerlei abweichende Haltung hierzu ein. Dafür spricht schließlich auch die Argumentation der 2. Kommission selbst, welche die Ablehnung einer solchen Vorschrift gerade damit begründete, dass die Übernahme einer Bürgschaft für einen Hauptschuldner ohne Rechtsnachfolger nicht vorkommen könne. Dass sie sich hierbei auf eine Erblasserkonstellation beziehen, ist schlicht der Tatsache geschuldet, dass der zur Diskussion gestellte Entwurf seine beispielhafte Aufzählung einzig auf die Erbschaft bezog und deshalb nur in dieser Hinsicht Klarstellungsbedarf herrschte. Der Kern dieser Begründung orientiert sich jedoch genau an der Stellungnahme der 1. Kommission zu den juristischen Personen insgesamt. In diesem Zusammenhang wird auch die ablehnende Haltung beider Kommissionen deutlich, für die es nach damals geltendem Verständnis einfach nicht möglich war, dass dem Bürgen eine Einrede zustünde, die sich auf den Vermögensverfall des HauptschuldWesentlichen nur die Hereinziehung des beneficium competentiae in Frage kommen würde, und bei diesem die Entscheidung sachlich nicht unzweifelhaft sei; andere Fälle würden äußerst selten vorkommen, insbes. der als Beispiel angeführte, daß eine Bürgschaft übernommen sei für einen Schuldner, dessen Nachlaß keine Erben finde und auch nicht vom Fiskus übernommen werde; in letzterem Falle, der bei Annahme des §  1974 des Entw. nicht vorkommen könne, sei auch sehr zweifelhaft, ob die vorgeschlagene Bestimmung anwendbar sein würde.“, Mugdan, Band II, S.  1022. 98  Mugdan, Band I, S.  413.

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ners und damit den Wegfall der Hauptschuld stützen könnte. Entweder, weil es sich um eine natürliche Person handelt, die auch nach ihrem Ableben einen Rechtsnachfolger hat, oder weil das Erlöschen juristischer Personen nicht den Wegfall ihrer Verbindlichkeiten zur Folge hat. Zu berücksichtigen ist hier aber weiter, dass die zwischen 1874 und 1895 tagenden beiden Kommissionen jene Inkonsequenzen und Streitigkeiten im Hinblick auf die Vollbeendigung und Vermögenslosigkeit des gerade in Entstehung befindlichem GmbHG und erst noch zu erlassenden AktG nicht vorhersehen konnten und es auch nicht wollten. Vielmehr wollten die Kommissionen dem BGB keine Auffassung oktroyieren, die konkrete Rückschlüsse auf gesellschaftsrechtliche Schnittpunkte zulässt.99 Eher noch sollten die gesellschaftsrechtlichen Wechselwirkungen der im BGB aufgestellten Grundsätze durch andere Gesetze ausgeformt werden und nicht über gelegentliche Grundannahmen hinausgehen. Die Unvereinbarkeit von Bürgschaftszweck und Akzessorietät lässt sich jedenfalls mit diesen Äußerungen nicht belegen. Ganz im Gegenteil zeigt eine nähere Betrachtung der Motive doch, dass ein vollständiger Wegfall gesicherter Verbindlichkeiten des vermögenslosen Hauptschuldners nach Ansicht der Kommissionen gar nicht eintreten konnte. Bei genauerer Betrachtung lässt sich vielmehr der Hinweis entnehmen, dass sie zur Vermeidung genau dieses Widerspruchs auf das Gesellschaftsrecht vertrauten, weil diese Regelungsmaterie mit dem noch 1892 inkraftgetretenen GmbHG dem BGB letztlich entrückt wurde. Dies kommt auch durch die Autoren selbst zum Ausdruck, indem sie die Anwendung der vorgeschlagenen Einredebeschränkung bezweifeln. Hinzu kommt aber noch, dass auch im Wissen um die problematische Situation bei vermögenslos gewordenen Schuldnern dem Bürgschaftsrecht seit über hundert Jahren keine nachträgliche Ausnahme hinzugefügt worden ist. Und das, obwohl der neuere Gesetzgeber an anderer Stelle weniger Zurückhaltung besaß, siehe etwa §  1629a BGB oder §§  254 Abs.  2 S.  2, 301 Abs.  2 S.  2 InsO. b) Vermeintliche Untätigkeit des Gesetzgebers Darüber hinaus ist es schwer zu glauben, dass sich weder die Autoren des BGB noch der heutige Gesetzgeber den Zweck der Bürgschaft und deren Sicherungsfunktion nicht bewusst gemacht hätten. Dass es gerade dem Sinn der Bürgschaft entspricht, den Zahlungsausfall des Hauptschuldners abzusichern, soll freilich nicht in Frage gestellt werden, dass dies jedoch in jedem Fall und damit bedingungslos geschieht, hingegen schon. Denn die unbedingte Ausfallhaftung ist kein Wesensmerkmal der Bürgschaft, sondern der Garantie. Warum es gera99  So ganz ähnlich auch Mugdan, Band I, S.  609; Vgl. hierzu insgesamt ausführlich Flume, I/2, §  1 III, S.  19 ff.

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B. Das Problemfeld des weggefallenen Hauptschuldners einer Bürgschaft

de dem Sicherungszweck der Bürgschaft entsprechen soll, unabhängig von der Typik des weggefallenen Hauptschuldners zu haften, bleibt unklar, obwohl doch gerade dieser Umstand kennzeichnend für die Garantie ist.100 Diese Gegebenheit ist nicht nur rechtshistorisch belegt, sondern noch heute dogmatisch im Gesetz verankert, indem die Bürgschaft ganz bewusst strenger geregelt wurde als vergleichbare akzessorische Sicherungsrechte.101 Dies erkennt man bspw. daran, dass gemäß §  216 Abs.  1 BGB (§  223 BGB a. F.) eine verjährte Hauptforderung nur die Hypothek und das Pfandrecht unberührt lassen, wohingegen die Bürgschaft das Schicksal ihrer zugrundliegenden Forderung teilt und gleichsam nicht durchsetzbar ist. Diese vom Gesetzgeber eingeräumte Sonderstellung zeigt, für wie wichtig er die Akzessorietät innerhalb der Bürgschaft bewertet und wie gut jegliche (außergesetzlichen) Durchbrechungen daher begründet sein müssen. c) Keine Akzessorietätsausnahme, sondern Akzessorietätsaufgabe Diese Folgewirkung kann auch nicht mit dem Argument relativiert werden, dass sich die Bürgschaft nur im Falle eines wegen Vermögenslosigkeit gelöschten Hauptschuldners verselbstständigt, in allen anderen Fällen aber die (Beendigungs-)Akzessorietät unangetastet bleibe, so dass es sich im Ergebnis eher um eine Ausnahme statt um die grundlegende Wandlung eines Rechtsprinzips handelt.102 Der Einwand verlor spätestens mit der richterlichen Anerkennung der Lehre vom Doppeltatbestand für die Beendigung juristischer Personen seine Berechtigung. Weil Gesellschaften demnach erst mit Löschung im Handelsregister und mit Vermögenslosigkeit als Rechtsträger aufhören zu existieren, kommt der Wegfall gesicherter Forderungen damit praktisch nie ohne gleichzeitigen völligen Vermögensverlust in Betracht. Die Frage nach dem Schicksal der Bürgschaft stellt sich daher in anderen Fällen gar nicht, da eine Gesellschaft mit noch vorhandenem Vermögen weiterhin als Hauptschuldnerin existiert und bis zur vollständigen Vermögenslosigkeit nicht erlischt.103 Der Akzessorietätsdurchbruch beim vermögensbedingten Wegfall des Hauptschuldners hat somit keinerlei Ausnahmecharakter mehr, sondern muss bei offenen Verbindlichkeiten als regelmäßige Tatsache einer zu beendenden Gesellschaft angesehen wer100 BeckOGK-BGB/Madaus,

§  765 Rn.  490 f. BeckOGK-BGB/Madaus, §  765 Rn.  23.1 ist die Bürgschaft „diejenige unter den Personalsicherheiten mit der höchsten Form der Abhängigkeit“. 102  So LG Lübeck, GmbHR 1992, 539, 540; ähnlich auch Depping, GmbHR 1993, 731. 103  Im Gegensatz zum LG Lübeck erkennt diesen Umstand zwar auch Depping in ­G mbHR 1993, 731, allerdings ohne hieraus Konsequenzen zu ziehen. Siehe hierzu nochmal ausführlich unter Abschnitt E. II. 2. h) dd). 101  Laut

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den. Angesichts der Häufigkeit104, in denen gescheiterte Gesellschaften bei noch offenen Verbindlichkeiten vermögensbedingt beendet werden und nicht einmal mehr das Insolvenzverfahren durchlaufen können, muss für diese standardisierte Fallgruppe eine umfassendere dogmatische Antwort gelten als eine bloße nicht-kodifizierte Akzessorietätsausnahme. Doch besteht schon seit langem innerhalb der Rechtsprechung, vor allem beim BGH, die Neigung, die Bürgschaftsakzessorietät anhand des Einzelfalls auszuformen und damit aufzuweichen.105 Außer Acht lässt aber gerade eine solche Tendenz, dass neben der Vermögenslosigkeit auch andere in der Verantwortung des Hauptschuldners liegenden Gründe den Wegfall des Hauptschuldners samt Hauptschuld zur Folge haben kann. So etwa die Auflösung wegen Gefährdung des Gemeinwohls nach §  396 AktG, wegen Verstoßes gegen die verfassungsmäßige Ordnung, der Völkerverständigung bzw. strafrechtlicher Schutzvorschriften gemäß §§  3, 17 VereinsG oder wegen der Rücknahme der Geschäftserlaubnis nach §  38 KWG oder §  87 VAG.106 Wird der Hauptschuldner in Folge eben dieser genannten Gründe liquidiert bzw. sein Vermögen eingezogen, ohne seine Verbindlichkeiten erfüllen zu können, müsste der Bürge anhand der bisherigen Rechtsprechung und dessen interpretierten Verständnis nicht zahlen. Dieser Schluss wird zumindest durch den Wortlaut aller höchstrichterlichen Entscheidungen nahegelegt, welche die Verselbstständigung der Bürgschaft stets nur auf Grundlage eines infolge von Vermögensverfalls bzw. Vermögenslosigkeit untergegangenen Hauptschuldners bejahen.107 Zwar ist auch hier der Bürgschaftszweck betroffen, da sich der Bürge naturgemäß gegen jede Art des Zahlungsausfalles (insbesondere bei derart unzuverlässigen/kriminellen Hauptschuldnern) absichern wollte, allerdings beruht der Wegfall der Forderung nicht auf einer Vermögenslosigkeit des Hauptschuldners. Vielmehr liegt dem Untergang ein hoheitlich (politischer) Staatsakt zugrunde.108 In diesem Fall dürfte dann aber eine Durchbrechung der Akzessorietät konsequenterweise nicht mehr in Frage kommen. Es dürfte jedoch unstrittig sein, dass die oben genannten 104  2015 wurden in Deutschland immerhin knapp 10.000 von 130.000 Insolvenzverfahren mangels Masse abgewiesen, siehe Statistisches Bundesamt, Insolvenzverfahren-Statistik, Fachserie 2, Reihe 4.1, 11/2016, S.  3. 105  So auch Coing, NJW 1951, 384; Kühn/Rotthege, NJW 1983, 1233, 1236. 106  Zu den einzelnen Auflösungsgründen m. w. N. Raiser/Veil, S.  354 f.; MünchHdb. GesR IV/Hoffmann-Becking, §  66 Rn.  10. 107  So jedenfalls die wohl h. M. unter Berufung auf RGZ 153, 338; 148, 65: Beck­OGKBGB/Madaus, §  765 Rn.  138; PWW/Brödermann, §  767 Rn.  10; MüKo-BGB/Habersack, §  765 Rn.  51. 108  Bei der GmbH reicht ein Verwaltungsakt durch die Verwaltungsbehörden, §  62 ­GmbHG; wohingegen die Aktiengesellschaft nur durch ein Urteil des Landgerichts außerordentlich aufgelöst werden kann, §  396 Abs. I S.  2 AktG.

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B. Das Problemfeld des weggefallenen Hauptschuldners einer Bürgschaft

Gründe in ihrer Dimension nicht weniger in die Verantwortung des Hauptschuldners fallen, als es der Vermögensverfall tut, zumal im Rahmen der §  62 GmbHG und §  396 AktG u. a. gesetzes- und sittenwidrige Handlungen nach §§  134, 138 BGB fallen.109 Wenn die ganz herrschende Auffassung den Bürgen deshalb nicht vom Wegfall des Hauptschuldners partizipieren lassen will, weil ihm dessen Unfähigkeit, die zum Vermögensverfall geführt hat, nicht zugutekommen soll, müsste dies eigentlich erst recht bei gesetzeswidrigem Verhalten gelten. Der Gläubiger wäre auch in diesen Fällen als schützenswert anzusehen, da der Bürge nicht vom Versagen des Hauptschuldners profitieren soll. Zwar wird dieses Versagen weniger durch ein konkretes Zahlungsunvermögen verursacht, sondern vielmehr durch einen zielgerichteten Hoheitsakt, doch ändert dies nichts am Grund des Wegfalles. Auch das Verbot und die damit einhergehende Vermögensentziehung führen zum gleichen wirtschaftlichen Tod, welcher, ähnlich einer finanziellen Misswirtschaft, durch unternehmerische Fehlentscheidungen und Unfähigkeit herbeigeführt worden ist. Aus diesem Grund müsste bei strenger Folge der BGH-Rechtsprechung und entgegen derjenigen des RG vor 1945 die Akzessorietät auch außerhalb des Vermögensverfalles zugunsten des Sicherungszweckes ausgesetzt werden. Immerhin würde damit nicht nur konsequent die Argumentation des BGH zu Ende gedacht, auch die ohnehin vom ihm abgelehnte – weil angeblich unvergleichbare – Rechtsprechungstradition des RG aufgelöst werden.110 Dies würde auch insofern Sinn machen, wenn man die Vorschriften über „staatsfeindliche“ Gesellschaften im Dritten Reich nicht mit den heutigen Verbotsnormen gleichsetzen will. Doch ganz unabhängig von der Frage nach der Ausnahmenerweiterung auch auf Fälle vernichtender Hoheitsakte zeigt sich doch hier eine gewisse Irrelevanz des Merkmals der Vermögenslosigkeit auf, da sie in jedem Falle zwangsläufig mit dem Ende einer juristischen Person verbunden ist. Auch die im Zuge des Verbotes eintretende Vermögenseinziehung führt letztlich zur Vollbeendigung aufgrund Vermögenslosigkeit. Zum anderen offenbart es die unbedingte Subsidiarität der Akzessorietät, die zugunsten des Einzelfalles immer als disponibel erklärt wird. Ob in diesem Fall immer noch von einem Akzessorietätsgrundsatz bzw. -prinzip gesprochen werden kann, muss fraglich erscheinen. Hinzukommt, dass es die Grenzen zwischen Bürgschaft und Garantie mit dem bloßen Verweis 109 Baumbach/Hueck/Haas, §  62 Rn.  7; MüKo-GmbHG/Limpert, §  62 Rn.  19; Spindler/ Stilz/Spindler, §  396 Rn.  8; Hüffer/Koch, §  396 Rn.  3. 110  In BGHZ 48, 303, 306 weist er einen argumentativen Rückgriff auf RGZ 148, 65 und 153, 338 zurück, da es sich hierbei speziell um „die Auslegung von Vorschriften des sog. Dritten Reiches über Maßnahmen gegen ‚staatsfeindliche‘ Vereinigungen“ gehandelt habe. Warum aber zumindest eine partielle Vergleichbarkeit möglich und sogar angebracht ist, siehe hierzu mit ausführlicher Begründung unter Abschnitt F. I. 2. c.

I. Die höchstrichterliche Rechtsprechung zum weggefallenen Hauptschuldner

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auf den Sicherungszweck zu verwischen droht. Bei der weggefallenen Hauptschuld gebe es sodann keinerlei Unterschiede zwischen einer abhängigen und unabhängigen Sicherheit mehr, obwohl doch gerade diese typprägend für beide Sicherungsformen sind. Das eigentlich durchdachte und diffizile Regel-Ausnahme-System hat nicht zuletzt deshalb eine dogmatisch überzeugendere Erklärung verdient. Ansonsten müsste sich die h. M. entgegenhalten lassen, dass es Gläubiger und Bürge doch frei stand, alternative Sicherungsrechte zu vereinbaren, welche zweifelsfrei darauf ausgelegt sind, unabhängig von Art und Vorhersehbarkeit, einen Zahlungsausfall des Hauptschuldners abzudecken. d) Keine volle Vorbildfunktion vergleichbarer Vorschriften Wenig überzeugen kann auch der vom BGH herangezogene Vergleich zum Insolvenzrecht. Er schlussfolgert, dass schon in den §  193 S.  2 KO und §  82 Abs.  2 VerglO der Vorrang des Sicherungszwecks vor dem der Akzessorietät zum Ausdruck komme und der Bürge sich deshalb gerade nicht auf einen Vermögensverfall berufen dürfe.111 Grundsätzlich ist dieser Schlussfolgerung nichts entgegenzusetzen, allerdings hätte der BGH, sofern er sich denn in seiner Argumentation auf diese Vorschriften stützt, einen ganzheitlichen Blick vornehmen müssen und auch auf die Integrierung der insolvenzrechtlichen Regelungen in das bürgschaftsrechtliche System insgesamt achten sollen. Kommt doch in diesen mittlerweile durch §§  254 Abs.  2 S.  1, 301 Abs.  2 S.  1 InsO ersetzten Vorschriften durchaus ein Verständnis des Gesetzgebers für akzessorische Sicherheiten zum Tragen. Während auf der einen Seite der besicherte (Insolvenz-) Schuldner verschont bleibt, sollen die (akzessorischen) Sicherungsgeber trotzdem zahlen.112 Geschafft wird dieser Spagat durch die Umwandlung der Hauptschuld in eine Naturalobligation.113 Zwar behilft er sich im Rahmen des Regresses gleichfalls mit einem Ausnahmetatbestand, allerdings ist dieser ein weit geringerer und folgenloserer Eingriff als die verselbstständigte Bürgschaft des BGH. Die dogmatische Schwierigkeit im Rahmen der InsO bestand gerade darin, die Bürgschaft aufrechtzuerhalten und den Hauptschuldner außer Acht zu lassen – also ganz ähnlich wie bei seinem Wegfall. Einleuchtender für den BGH wäre es daher gewesen, sich nicht allein den Sicherungszweck zum Vorbild zu nehmen, sondern auch die damit einhergehenden Folgen einer zur Naturalobligation gewandelten Hauptschuld, um zu erkennen, dass gerade die Hauptschuld den Ausgangspunkt der Problematik darstellt und nicht die Akzessorietät selbst. 111 

BGHZ 82, 323, 327.

112 BeckOK-InsO/Freund,

§  254 Rn.  5; BeckOK-InsO/Riedel, §  301 Rn.  5. BT-Drs. 12/2443, 213; BGH NZI 2011, 538 Rn.  8; K. Schmidt-InsO/Spliedt, §  254 Rn.  12. 113 

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B. Das Problemfeld des weggefallenen Hauptschuldners einer Bürgschaft

Stattdessen orientiert er sich nur am Fakt einer vom Gesetzgeber gleichfalls vorgenommenen Akzessorietätsausnahme und ignoriert die vom Gesetzgeber im Rahmen des Insolvenzrechtes zuvor geschaffenen Zugeständnisse in Form der noch immer bestehenden Hauptschuld durch den Insolvenzschuldner. Ähnliches gilt für §  768 Abs.  1 S.  2 BGB, welcher ebenso vom BGH als Vergleichsmaßstab herangezogen wird. Zwar liegt dieser Vorschrift auch der Wegfall des Hauptschuldners zugrunde, nicht jedoch der Wegfall der Hauptschuld.114 Letztere geht im Wege der Gesamtrechtsnachfolge gemäß §  1922 BGB auf den Erben über, bleibt aber unbenommen als Bezugsobjekt der Bürgschaft i. S. d. §  768 BGB erhalten. Wiederum hätte bei Hinzuziehung dieser Vorschrift klar sein müssen, dass es auch hier nicht allein um eine Akzessorietätsdurchbrechung geht. Die Verselbstständigung der Bürgschaft daher aufgrund der Wirkungen dieser Regelungen zu rechtfertigen, wird den ihr innewohnenden Voraussetzungen einer trotz alledem bestehenden Hauptschuld nicht gerecht. e) Zwischenergebnis Die Begründung der Rechtsprechung zur fortdauernden Bürgenhaftung trotz des vermögenslos weggefallenen Hauptschuldners kann im Ergebnis daher nicht überzeugen. Neben der dogmatischen Konstruktion einer Akzessorietätsausnahme, die keine darstellt, weil deren Voraussetzungen fast zwangsläufig bei der Beendigung eines Rechtsträgers auftreten, offenbaren sich noch schwerwiegende rechtliche Folgeprobleme. Nicht allein die als unbefriedigend empfundene Lösung des BGH zur Verjährungshemmung sowie Bürgschaftsübertragung, auch das völlig ungeklärte Schicksal des Anspruchs aus übergegangenem Recht nach §  774 BGB und eventuell bestehender Sicherungsrechte Dritter spiegeln die Unzulänglichkeit dieser Auffassung wider. Die vom BGH konstatierten Folgen einer weggefallenen Hauptschuld mit der Konsequenz sich verselbstständigender Bürgschaft fügen sich insgesamt nicht nur sehr mühsam, sondern auch noch systemwidrig in das Recht der Bürgschaft ein. Dies liegt schlicht darin begründet, dass die §§  765 ff. BGB für den Fall einer Bürgschaft ohne Hauptschuld weder historisch durch die Autoren noch dem heutigen Gesetzgeber angedacht und auf diesen Fall ausgelegt waren.115 Hinzu kommt, dass die wenigen tatsächlich existierenden Akzessorietätsausnahmen (etwa §  768 Abs.  1 S.  2 BGB oder §§  254 Abs.  2, 301 Abs.  2 InsO) nicht die Bürgenschuld verselbstständigen, sondern darauf bedacht sind, die zugrundeliegende Hauptschuld als Naturalobligation zu erhalten. Dies geschieht freilich im Wissen um die andernfalls damit einhergehenden Systemwidrigkeiten. Weshalb der BGH trotzdem 114 BeckOGK-BGB/Madaus, 115 

§  768 Rn.  19. So auch BeckOGK-BGB/Madaus, §  765 Rn.  138.2; Klose, WM 2009, 300, 301.

II. Materiell-rechtliche Grundlagen der Rechtsprechung

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die Bürgenschuld und nicht die Hauptschuld fortbestehen lässt, folgt damit selbst unter dem Gesichtspunkt vergleichbarer gesetzlicher Akzessorietätsdurchbrechungen keinem Vorbild. Vielmehr droht ein Zerrbild der Bürgschaft zu entstehen, welches durch eine veränderte Begründung für das ansonsten richtige Ergebnis dringend einer Korrektur bedarf.

II. Materiell-rechtliche Grundlagen der Rechtsprechung Nachdem die Situation der Rechtsprechung in Bezug auf den weggefallenen Hauptschuldner einer Bürgschaft dargestellt und die Notwendigkeit einer völligen Neubewertung deutlich wurde, sind die Konditionen und Ausgangsbedingungen, denen sich alternative Auffassungen konfrontiert sehen, deutlich zu machen. Steht diese fest, wird zugleich deutlich werden, welchen Umfang und welche Reichweite die Gegenauffassungen leisten müssen.

1. Die Person des weggefallenen Hauptschuldners Zunächst ist deshalb die Rechtsnatur des weggefallenen Hauptschuldners näher zu erläutern, um zum einen die vollständig einschlägige Zielgruppe des hier besprochenen Problems zu klären und zum anderen die Grenzen einer möglichen Übertragbarkeit zu definieren. a) Natürliche Personen Geht ein Mensch als sog. natürliche Person „unter“, indem er verstirbt, so erhält der Erbe im Wege der Gesamtrechtsnachfolge gemäß §  1922 Abs.  1 BGB das gesamte Vermögen. Gleichzeitig haftet er aber auch für die noch bestehenden Verbindlichkeiten gemäß §  1967 BGB. Es findet auch kein teilweiser Forderungsuntergang statt, indem die Erben ihre Haftung entsprechend §  1975 BGB auf den Nachlass begrenzen, da §  768 Abs.  1 S.  2 BGB als echte gesetzliche Akzessorietätsausnahme die Einrede im Falle einer Bürgschaft ausschließt. Gleichzeitig kommt hiermit aber auch zum Ausdruck, dass der Tod des Hauptschuldners den Bestand der Bürgschaft unberührt lassen soll.116 Über das Schicksal der Bürgschaft beim Untergang anderer Rechtsträger, die keine Menschen, sondern Gesellschaften mit eigener Rechtspersönlichkeit sind und gerade nicht vererben, sondern nur erlöschen können, findet sich kein Hinweis. Der Erbe sorgt also als Rechtsnachfolger in jedem Falle für den Erhalt von Forderung und Bürgschaft, da er als rechtsfähige natürliche Person stets auch die 116 BeckOGK-BGB/Madaus,

§  765 Rn.  134; §  768 Rn.  19.

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B. Das Problemfeld des weggefallenen Hauptschuldners einer Bürgschaft

Fähigkeit besitzt, Schuldner zu sein. Die Forderungen bleiben selbst dann erhalten, wenn es keine Erben gibt oder diese die Erbschaft ausschlagen, da in letzter Konsequenz stets der Fiskus als Not- bzw. Zwangserbe in Betracht kommt, §§  1936 Abs.  1, 1942 Abs.  2 BGB. Es bleibt also festzuhalten, dass damit auch jedwede im Zusammenhang stehenden akzessorischen Sicherungsrechte beim Gläubiger den Tod des Hauptschuldners überdauern. Ein Bedürfnis, eventuell bestehende Bürgschaften zu verselbstständigen, gibt es somit nicht, weswegen auch die Rechtsprechung des BGH zu weggefallenen Hauptschuldnern für natürliche Personen keine Relevanz besitzt. b) Juristische Personen des Privatrechts Ein vollkommen rückstandsloser Wegfall kann somit nur bei Gebilden vorkommen, welche zwar ebenfalls als Rechtsträger in Erscheinung treten und daher auch selbst Verbindlichkeiten eingehen können, im Falle ihres Untergangs jedoch von keinem Nothaftenden „beerbt“ werden. Hierfür in Frage kommen sowohl juristische Personen – also Kapitalgesellschaften (GmbH, AG) oder Vereine – als auch Personengesellschaften (OHG, KG, GbR). Kapitalgesellschaften durchlaufen bis zu ihrem Untergang (Vollbeendigung) drei Stadien. Zunächst erfolgt die durch Beschluss, gerichtlichen, behördlichen oder durch gesetzliche Anordnung gefasste Auflösung der Gesellschaft, welche auch ins Handelsregister einzutragen ist, §  262 f. AktG bzw. §§  60–62, 65 ­GmbHG. Anschließend folgt das bei der AG als Abwicklung (§§  264 ff. AktG) und bei der GmbH auch als Liquidation (§§  66 ff. GmbHG) bezeichnete Stadium. Bei Vorliegen der Voraussetzungen der §§  11 ff. InsO kann die Liquidation bzw. Abwicklung auch durch ein Insolvenzverfahren ersetzt werden oder – im Falle der Einstellung mangels Masse gemäß §  207 InsO – diesem nachfolgen.117 Die Phase der Liquidation bzw. Abwicklung ist in diesem Sinne auch wörtlich zu nehmen, da die Gesellschaft nach ganz herrschender Ansicht mit Auflösung auch ihren Zweck von einer „werbenden“ Gesellschaft zur liquidierenden, deren Zweck einzig vom Ende der Gesellschaft geprägt ist, ändert.118 So sind in dieser Phase etwa laufende Geschäfte zu beenden, Verbindlichkeiten zu erfüllen, Forderungen einzuziehen und jegliches Vermögen zu verflüssigen.119 Ist dies schließlich getan, erfolgt die Löschung der Gesellschaft im Handelsregister, §§  74 Abs.  1 S.  1 GmbHG, 273 Abs.  1 S.  1 AktG. Müller, §  64 Rn.  79, §  66 Rn.  3. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, §  11 V 4c), S.  313; zustimmend Mehrbrey/Paura, §  10 Rn.  2; Hüffer/Koch, §  262 Rn.  2; Baumbach/Hopt/Roth, §  145 Rn.  4; Müko-AktG/Hüffer, 3.  Aufl. 2011 §  262 Rn.  12. 119  Raiser/Veil, §  22 Rn.  16; Mehrbrey/Paura, §  10 Rn.  18 ff. 117 MüKo-GmbHG/H.-F. 118 

II. Materiell-rechtliche Grundlagen der Rechtsprechung

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Allerdings können Auflösung und die hieraus resultierende Liquidation auch völlig ausgesetzt werden. So sind etwa Formwechsel nach §§  190 ff., 226 ff. UmwG für die vorstehende Problematik von geringer Bedeutung, da die Gesellschaft hierbei, ohne Einfluss auf ihren Bestand und ihr Vermögen, lediglich ihre Rechtsform ändert.120 Ähnliches gilt etwa bei der Verschmelzung (§  2 ff. UmwG) oder der Aufspaltung (§  131 Abs.  1 Nr.  2 UmwG). Zwar führen auch sie zur Beendigung des alten Rechtsträgers, jedoch gehen hier das Vermögen und damit auch die Schulden auf einen anderen bzw. neuen Rechtsträger über, §§  20 Abs.  1 Nr.  1, 131 Abs.  1 Nr.  1 UmwG. Eine Gefährdung der Bürgschaft ist in diesen Fällen nicht zu befürchten, da die zugrundeliegende Hauptschuld bei verschmolzenen oder aufgespaltenen Hauptschuldnern in jedem Fall bestehen bleibt. Bei bloßen Vermögensübergängen, die gleichsam zu einer Beendigung der Gesellschaft führen können, etwa bei der Übertragung aller Gesellschaftsanteile einer Personengesellschaft auf einen einzigen Gesellschafter, kommt es nicht zu einem Verlust der Forderung. In all diesen Fällen kommt es stets im Wege der Gesamtrechtsnachfolge zu einem neuen Schuldner, welcher fortan für die Verbindlichkeiten haftet und dieser als Vertragspartei dient.121 Zu keinem neuen Schuldner und daher trotz ähnlicher Ausgangslage völlig anderen Ergebnis kommt die im Insolvenzrecht bekannte übertragene Sanierung. Sie führt dazu, dass lediglich die als ertragsfähig geltenden Teile einer Gesellschaft als Einheit an einen anderen Rechtsträger übertragen werden, während die Schulden und die nicht mehr überlebensfähigen Teile zurückbleiben.122 Insofern laufen die beim alten Rechtsträger verbliebenen Schulden im Zuge der anschließend stattfindenden Liquidation wiederum Gefahr, vollständig wegzufallen und damit auch nicht als gesicherte Hauptschulden für eine Bürgschaft zur Verfügung zu stehen. Einzig entscheidend ist damit die Vollbeendigung des Rechtsträgers mittels Auflösung und Liquidation. Wann genau nun aber eine juristische Person vollbeendigt wird und mit welchen konkreten Folgen dies einhergeht, ist in Rechtsprechung und Lehre schon seit langem umstritten und wird später noch näher zu beleuchten sein.123 Heute vorherrschend ist wohl die Lehre vom Doppeltatbestand, wonach sowohl die Vermögenslosigkeit als auch die Löschung im Handelsregister Voraussetzung für die Vollbeendigung sind.124 Ist das Stadium der Liquidation bzw. Abwicklung also vollständig durchlaufen und ist die Gesellschaft im Handelsregister gelöscht, dann entfallen nach ganz herrschender Meinung in der Folge auch alle 120 

BGH NJW 1993, 1917, 1919. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, §  11 V 3, S.  308 ff. 122  Vgl. nur BeckOK-InsO/Madaus, §  1 Rn.  10. 123  Hierzu ausführlich unter Abschitt E.II.2. 124 Vgl. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, §  11 V 6, S.  316 ff. 121 

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B. Das Problemfeld des weggefallenen Hauptschuldners einer Bürgschaft

gegen sie noch existierenden Verbindlichkeiten, weil solche ohne Schuldner nicht bestehen können.125 Nur wenn sich im Nachhinein noch herausstellen sollte, dass noch immer Vermögen vorhanden ist, lebt die eigentlich erloschene Gesellschaft zum Zwecke der Nachtragsliquidation gemäß §  273 Abs.  4 AktG bzw. §  66 Abs.  5 GmbHG wieder auf. Allerdings ist dies nur bei noch vorhandenem Vermögen möglich, nicht jedoch bei lediglich offen gebliebenen Verbindlichkeiten126, da diese nicht zum Vermögen der Gesellschaft zählen, so dass es mithin keine Möglichkeiten gibt, die Forderungen der Gläubiger vor dem endgültigen Erlöschen zu bewahren. Bei einer Bürgschaft mit vollbeendigtem Hauptschuldner fällt somit stets auch die Forderung des Gläubigers weg und es entsteht die oben bereits dargestellte Konstellation, welche zur Fiktion der Bürgschaftsforderung führt. c) Personengesellschaften Etwas anderes könnte sich jedoch bei Personengesellschaften ergeben, welche den juristischen Personen nicht per se gleichgestellt sind und daher einer eigenen Untersuchung bedürfen. Entgegen den früher vertretenen Meinungen127 hat sich, nicht zuletzt durch den klaren Wortlaut des §  124 HGB, auch für Personengesellschaften die Auffassung durchgesetzt, dass sie selbst Träger von Rechten und Pflichten sein können.128 Eklatante Unterschiede zu den klassischen juristischen Personen bleiben jedoch erhalten. Dies äußert sich vor allem in der beschränkten Haftung der Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft für Gesellschaftsschulden. Im Gegensatz zum Aktionär (§  1 Abs.  1 S.  2 AktG) oder ­GmbH-Gesellschafter (§  13 Abs.  2 GmbHG) haftet etwa der Gesellschafter einer OHG gegenüber Gläubigern persönlich gemäß §  128 HGB mit seinem Privatvermögen. Dabei ordnet §  128 HGB eine bürgschaftsähnliche Gesellschafter-Akzessorietät an, wonach die Gesellschafter mit einer eigenen (gesonderten) Gesellschafterverbindlichkeit haften, die sich aber in Art, Umfang und Bestehen an der Gesellschaftsverbindlichkeit (sog. Leitforderung) orientiert.129 Ansonsten kommen die bereits oben angesprochenen Phasen zur Auflösung 125  BGHZ 74, 212, 215; 96, 151, 155; BGH NJW 2012, 1645 Rn.  11; Beitzke NJW 1952, 841 f.; MüKoAktG/J. Koch, §  273 Rn.  14; MüKo-AktG/Hüffer, 3.  Aufl. 2011, §  262 Rn.  86; Palandt/Grüneberg, Überbl. §  362 Rn.  4; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, §  11 V 3b, S.  310 f.; Baumbach/Hueck/Haas, §  74 Rn.  16 a. A Spindler/Stilz/Bachmann, §  273 Rn.  12. 126  BGH NJW 1989, 220; MüKo-GmbHG/Berner, §  60 Rn.  46; Hüffer/Koch, §  273 Rn.  14; BeckOGK-BGB/Madaus, §  765 Rn.  138.3. 127  RGZ 139, 252, 254; BGHZ 34, 293, 297; BGHZ 110, 127 128  MünchHdb. GesR I/Neubauer/Herchen, §  67 Rn.  1 ff.; MüKo-HGB/K. Schmidt, §  124 Rn.  1; EBJS/Hillmann, §  124 Rn.  1. 129  Bereits RGZ 136, 266, 270 f.; MüKo-HGB/K. Schmidt, §  128 Rn.  1; Mehrbrey/Mehr-

II. Materiell-rechtliche Grundlagen der Rechtsprechung

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(§§  131 ff. HGB), Liquidation (§§  145 ff. HGB) und Vollbeendigung auch bei den Personengesellschaften zum Tragen.130 Als Besonderheit bei den Personengesellschaften tritt im Rahmen der Liquidation lediglich noch ein interner Ausgleich der Gesellschafter hinzu.131 In Ermangelung gesonderter Regelungen zur Vollbeendigung führt nach übereinstimmender Ansicht schon die Vermögenslosigkeit bei Personengesellschaften zur sofortigen Vollbeendigung.132 Die Lehre vom Doppeltatbestand kommt hier nicht zum Tragen, weil schon der Eintrag ins Handelsregister für Personengesellschaften keine konstitutive Wirkung vergleichbar mit §  41 Abs.  1 AktG oder §  11 Abs.  1 GmbHG entfaltet und es daher nicht auf die Löschung aus dem Handelsregister ankommen kann. Mit Vollbeendigung entfallen, wie auch bei den juristischen Personen, alle gegen die Personengesellschaft gerichteten Forderungen. Eine im Vergleich zu den juristischen Personen unterschiedliche Konsequenz für akzessorische Sicherheiten ergibt sich, wegen der wiederum gleichfalls weggefallenen Hauptschuld, deswegen nicht. Dem Wegfall der Hauptschuld steht auch nicht die trotz Vollbeendigung andauernde persönliche Haftung der Gesellschafter im Wege. Selbiges gilt für die Anordnung in §  159 Abs.  1 HGB, wonach die Ansprüche gegen Gesellschafter für Verbindlichkeiten der Gesellschaft, mangels kürzerer Verjährungsfrist, auf maximal fünf Jahre begrenzt sind. In beiden Fällen könnte angenommen werden, dass Verbindlichkeiten der eigentlich vollbeendigten Gesellschaft erhalten bleiben müssen, um die Haftung der Gesellschafter zu gewährleisten. Dem ist jedoch nicht so, da die Gesellschafter nicht aus der Gesellschaftsverbindlichkeit haften, sondern nach allen hierzu vertretenen Ansichten aus einer eigenen Gesellschafterverbindlichkeit.133 Beim Erlöschen der Gesellschaft fallen zwar ihre Verbindlichkeiten weg, nicht aber jene der Gesellschafter. §  159 HGB knüpft deshalb mit der Regelung anhaltender Haftung nur an die bestehende Gesellschafterverbindlichkeit an und nicht an die Gesellschaftsverbindlichkeit.134 Die persönliche, unbeschränkte Haftung der Gesellschafter steht der hier untersuchten Grundkonstellation damit nicht im Wege, weswegen der brey, §  37 Rn.  5; EBJS/Hillmann, §  128 Rn.  19; Oetker/Boesche, §  128 Rn.  5; MünchHdb GesR I/Gummert, §  18 Rn.  9 ff.; Wiedemann, WM 1975 Sonderbeilage IV, S.  43. 130  K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, §  52 I 1, S.  1509 f.; MünchHdb GesR I/Butzer/Knof, §  83 Rn.  4 ff. 131 Müko-HGB/K. Schmidt, §  155 Rn.  53, 55; a. A. EBJS/Hillmann, §  155 Rn.  21, 23 f. 132  RG JW 1926, 1432, 1433; BGH NJW 1979, 1987; BFH NJW 1990, 2647; Baumbach/ Hopt/Roth, §  157 Rn.  3; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, §  11 V 6, S.  316; Mezger, S.  89; EBJS/ Hillmann, §  155 Rn.  21. 133  Sowohl nach der Doppelverpflichtungstheorie als auch der Akzessorietätstheorie haften die Gesellschafter aus einer eigenen Verbindlichkeit; siehe hierzu ausführlich unter Abschnitt E. II. 2. f) bb). 134 EBJS/Hillmann, §  159 Rn.  7; MüKo-HGB/K. Schmidt, §  159 Rn.  20.

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B. Das Problemfeld des weggefallenen Hauptschuldners einer Bürgschaft

rückstandslose Wegfall einer Forderung auch für Personengesellschaften bejaht werden kann. Gleichwohl wird eine problembehaftete Inanspruchnahme des bürgenden Dritten, wegen der Gesellschafterakzessorietät, wohl nur selten vorkommen. Für den Gläubiger wird es – nicht allein des fünf Jahres Zeitraums wegen – praktischer sein, sich direkt an die Gesellschafter zu halten. Für die GbR gilt nichts Abweichendes. Auch sie unterliegt den drei verschiedenen Stadien des Erlöschens und verschwindet nicht sofort als Rechtsträger mit beginnender Auflösung (§§  726–729 BGB), sondern erfährt mit Eintritt in das Liquidationsverfahren lediglich eine Zweckänderung. Die Liquidation (§§  730– 735 BGB) wird in §  730 BGB als Auseinandersetzung bezeichnet, unterscheidet sich aber in seiner Durchführung nicht von der der OHG bzw. KG. Im gleichen Maße unterschiedslos vollzieht sich auch die Einstandspflicht der GbR-Gesellschafter für die Verbindlichkeiten der GbR, welche nach einhelliger Auffassung analog §  128 HGB als unmittelbare und persönliche Haftung geregelt ist.135 Konkret ausgestaltet ist sie als gesetzlich angeordnete – aber dispositive – Nachschusspflicht gemäß §  735 BGB gegenüber der Gesellschaft.136 Hieraus ergibt sich, dass die Gesellschaft solange nicht abgewickelt und damit vollbeendigt ist, bevor nicht die Ansprüche der Gesellschaft gegen die Gesellschafter auf den Nachschuss verteilt sind.137 Die Frage, ob eine gesicherte Hauptschuld der GbR im Zuge der Beendigung wegfallen und daher zu akzessorischen Sicherungsproblemen führen kann, ist deshalb nur dann zu bejahen, wenn die Verlusttragungspflicht der Gesellschafter ausgeschlossen wurde und es keine über das Gesellschaftsvermögen hinausgehenden Vermögenszuschüsse gibt.138 Ansonsten kann die Hauptschuld gegenüber dem Gesellschaftsgläubiger nämlich nicht unbefriedigt wegfallen. Ist die Nachschusspflicht aber ausgeschlossen, kann daher auch die als eigenes Rechtssubjekt auftretende GbR mit Vollbeendigung ihre Verbindlichkeiten restlos verlieren. Wenn gleich auch die Relevanz bei Personengesellschaften wegen der persönlichen Haftung der Gesellschafter, an die sich Gläubiger vor dem Erlöschen wohl primär halten werden, geringer ausfällt, entfällt sie dennoch nicht vollständig. Rechtstheoretisch lässt sich jedenfalls feststellen, dass für erloschene Personengesellschaften grundsätzlich die gleichen Schwierigkeiten für die vorstehende Problematik bestehen wie für juristische Personen des Privatrechts.

135 

BGH NJW 1999, 3483; 2001, 1056; 2003, 1445; MüKoBGB/Ulmer/Schäfer, §  705 Rn.  31; BeckOGK-BGB/Koch, §  735 Rn.  10; MüKo-HGB/K. Schmidt, §  128 Rn.  4; Oetker/ Boesche, §  128 Rn.  12. 136 BeckOGK-BGB/Koch, §  735 Rn.  8. 137 BeckOGK-BGB/Koch, §  730 Rn.  17; MüKo-BGB/Schäfer, §  730 Rn.  5. 138 BeckOGK-BGB/Koch, §  735 Rn.  13; Soergel/Hadding/Kießling, §  735 Rn.  1.

II. Materiell-rechtliche Grundlagen der Rechtsprechung

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d) Juristische Personen des öffentlichen Rechts Allerdings gilt diese Feststellung nicht ohne Einschränkungen, da sich für juristische Personen des öffentlichen Rechts, die in Körperschaften (z. B. Gemeinden, Gemeindeverbänden, Universitäten), Anstalten oder Stiftungen organisiert sind und hoheitliche Aufgaben außerhalb der unmittelbaren Staatsverwaltung wahrnehmen, etwas anderes ergibt. Sie sind zwar selbstständige Träger von Rechten und Pflichten, besitzen aber kein gesondertes äquivalentes Beendigungsverfahren. Hinzu kommt, dass sie regelmäßig von den Ländern aufgrund der Ausnahmeregelung des §  12 Abs.  1 Nr.  2 InsO i. V. m. der jeweiligen landesspezifischen Regelung für insolvenzunfähig erklärt wurden.139 Bund und Länder sind per se schon wegen des §  12 Abs.  1 Nr.  1 InsO nicht insolvenzfähig, wohingegen sich selbiges auch ohne Anordnung im Insolvenzrecht für öffentlich-rechtliche Rundfunk- und Fernsehanstalten aus Art.  5 Abs.  1 S.  2 GG140 und für öffentlich-rechtlich organisierte Kirchen aus Art.  140 GG i. V. m. Art.  137 Abs.  3, 5 und 6 WRV141 ergibt. Nicht zuletzt durch die fehlende Insolvenzfähigkeit drängt sich nun der Schluss auf, dass derartige juristische Personen des öffentlichen Rechts bei Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung gar nicht einem (ordentlichen) Verfahren zur Abwicklung respektive einer Liquidation unterliegen können bzw. sollen. Dies erscheint wenig verwunderlich, wenn man sich Art, Dimension und Zweck der Körperschaften, Anstalten oder Stiftungen näher vor Augen führt. So haben die Gemeinden eine nicht unerhebliche und teilweise lebensnotwendige Fürsorgepflicht gegenüber dem Bürger, die nur mit der Aufrechterhaltung der öffentlichen Verwaltung erfüllt werden kann.142 Eine mit Einleitung eines Insolvenzverfahrens einhergehende Beschränkung der Verfügungsbefugnis würde die immanenten Fürsorgepflichten nicht nur einschränken, sondern auch unmöglich machen. Überhaupt lässt sich anhand der Aufsichtspflicht des Staates und am Beispiel seiner gegenwartspolitischen Praxis erkennen, dass ein zur Insolvenzreife führender Zustand möglichst bedingungslos vermieden werden soll.143 Verfahren, die also generell zu einer wie auch immer gearteten Liquida-

139  Bspw. §  6 AG InsO LSA oder §  45 BW-AGGVG; vgl. darüber hinaus MüKo-InsO/Ott/ Vuia, §  12 Rn.  22 ff. für die umfangreiche Auflistung aller Ausnahmeregelungen zu jeglichen Formen juristischer Personen des öffentlichen Rechts durch die Länder. 140  Erstmals BVerfGE 89, 144, 151; BVerfG NJW 1994, 2348; zur mittlerweile spezialgesetzlichen Regelung vgl. Jaeger/Ehricke, §  12 Rn.  39. 141  BVerfGE 66, 1, 18; AG Potsdam DZWIR 2001, 526; Jaeger/Ehricke, §  12 Rn.  37 f.; MüKo-InsO/Ott/Vuia, §  12 Rn.  4, 11. 142 FK-InsO/Schmerbach, §  12 Rn.  2. 143  Für diese Annahme sprechen nicht zuletzt die gesamteuropäischen Maßnahmen zur

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B. Das Problemfeld des weggefallenen Hauptschuldners einer Bürgschaft

tion führen können, verbieten sich daher.144 Es kommt demzufolge nie zu einem Wegfall bestehender Forderungen der Gläubiger, da der Schuldner immerwährend existent bleibt.145 In Anbetracht der vorliegenden Fragestellung bedeutet dies aber auch, dass damit im Zusammenhang stehende Bürgschaften niemals Gefahr laufen unterzugehen. Die Bürgschaft müsste hierbei schon gar nicht fingiert werden, da es keine Probleme im Bestand der zugrundeliegenden Hauptforderung gibt. Mithin lässt sich der Schluss ziehen, dass die vorliegende Arbeit in diesen Fällen keinerlei Relevanz mit sich bringt. Auch eine Entscheidung bei der höchst umstrittenen Frage nach der Durchgriffshaftung des Staates in derartigen Fällen verspricht keine andere Lösung. Es geht dabei um die Frage, ob der Staat eine generelle Einstandspflicht in Bezug auf die Verbindlichkeiten öffentlich-rechtlich organisierter juristischer Person hat. Vereinzelt wird dies aus dem Rechtsund Sozialstaatsprinzip geschlussfolgert, da dem Staat als Gesellschafter unbegrenztes Vertrauen und Liquiditätsglauben entgegengebracht wird.146 Egal, zu welcher Lösung man hier auch gelangt, wird eine Einstandspflicht bejaht und springt der Staat (ähnlich einem Noterben) für die Körperschaft, Anstalt oder Stiftung ein, hält er damit auch jegliche akzessorische Sicherungsrechte gegenüber Dritten aufrecht. In diesem Fällen würde es schon aus fiskalpolitischen Gründen seltsam anmuten, wenn dem Staat nicht auch die Inanspruchnahme fremder Sicherungsgeber zugute kommen würde. Lehnt man eine solche ab, dann bleibt es immer noch beim oben gefunden Ergebnis. Ganz anders und daher als völlig deckungsgleich können die nachfolgenden Ausführungen der privatrechtlichen juristischen Personen mit denen der öffentlich-rechtlichen gelten, wenn sie entsprechend §  11 InsO mit all ihren Konsequenzen als insolvenzfähig gelten. Nach ganz herrschender Meinung gilt dies für Kammern, Sozialversicherungsträger, Ersatz- und Ortskrankenkassen, öffentlich-rechtliche Bank- und Kreditinstitute, Studentenwerke, Gewerkschaften, Parteien sowie staatlich anerkannte Ersatzschulen.147 Weil mit der Fähigkeit zur Insolvenz auch die Möglichkeit zur Abwicklung und Löschung einhergeht, Sanierung von Griechenland, Irland, Portugal, Italien, Island oder Spanien. In Bezug auf die Gemeinden genau diesen Umstand kritisierend Kropf ZInso 2012, 1667. 144  Nicht so in den USA, dort ist es sehr wohl möglich, dass Kommunen aufgrund des Chapter 9 Verfahrens offiziell Insolvenz anmelden und sich in einem planmäßigen Verfahren restrukturieren können (Restrukturierung meint hier jedoch nur die Verhandlung über Zins, Laufzeit und Rückzahlungsquote), vgl. hierzu ausführlich Mears, ZinsO 2015, 1813. 145 Selbst bei einem Systemwechsel würden die Verbindlichkeiten nicht wegfallen, da nach den Grundsätzen der sog. Funktionsnachfolge ein entsprechender Haftungsnachfolger zur Verfügung stünde, BGHZ 127, 285, 295; 128, 140, 147; 139, 357, 365. 146  Vgl. Jaeger/Ehricke, §  12 Rn.  51. 147  Vgl. hierzu MüKo-InsO/Ott/Vuia, §  12 Rn.  17 m. w. N.

II. Materiell-rechtliche Grundlagen der Rechtsprechung

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scheint der Wegfall eventuell noch vorhandener Verbindlichkeiten denkbar und somit auch die Gefahr einer verselbstständigten Bürgschaft nicht gänzlich ausgeschlossen. e) Zwischenergebnis Damit bleibt festzuhalten, dass die Ursache für die Problematik um das Schicksal der Bürgschaft beim weggefallenen Hauptschuldner weniger in der Bürgschaft begründet liegt als vielmehr in der Natur des Hauptschuldners. Der rückstandslose Wegfall von Vertragsparteien außerhalb von Gesellschaften ist deshalb irrelevant und die vorstehende Problematik auch nur in Folge der gesellschaftsrechtlichen Komponente abseits natürlicher Personen überhaupt von Bedeutung.148

2. Der Wegfall des Hauptschuldners im Bürgschaftsdreieck Dass die Konstellation und ihre Lösung durch den BGH überhaupt zu einer gesteigerten Bedeutung gelangt, ist nicht allein auf die Person des Rechtsträgers in seiner Rolle als Hauptschuldner zurückzuführen. Auch die Rolle des Hauptschuldners innerhalb der Bürgschaftskonstellation selbst sowie dessen Art und Weise des Wegfalls tragen ein nicht unerhebliches Gewicht zur Komplexität der Streitfrage bei. a) Der Wegfall des Bürgen Besonders anschaulich wird dies bei einem direkten Vergleich der Rechtsfolgen anderer weggefallener Beteiligter einer Bürgschaftskonstellation. Fällt nämlich anstatt des Hauptschuldners der Bürge ersatzlos weg, erlischt typischerweise auch die Bürgschaft. Weil nun aber die Hauptschuld von der Bürgschaft gänzlich unabhängig weiter fortbesteht, liegt die einzige Konsequenz dieser Konstellation darin, dass der Gläubiger um einen Sicherungsgeber gebracht worden ist. Eine Ergebniskorrektur ist hier weder möglich noch angebracht, da der Ausfall von Sicherungsgebern zweifellos ein allgemeines Risiko des Gläubigers ist. Etwas anderes kann sich jedoch ergeben, wenn es sich beim Bürgen um eine natürliche Person handelt. Sodann besteht gemäß §  1922 BGB im Wege der Gesamtrechtsnachfolge die Möglichkeit, dass ein Erbe für die Bürgschaft zur Verfügung steht, welcher im Rahmen seiner Erbenhaftung an die Stelle des verstorbenen Bürgen tritt, §  1967 Abs.  1 BGB.149 Insofern lässt auch eine vom 148  149 

So auch Becker-Eberhard, S.  462. BGH WM 1976, 808.

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B. Das Problemfeld des weggefallenen Hauptschuldners einer Bürgschaft

Erben erklärte Beschränkung seiner Haftung nach §§  1975 ff. BGB den Fortbestand der Bürgschaft unberührt.150 Einzig im Falle der gegenseitigen Beerbung von Bürgen und Gläubiger kommt ein Erlöschen durch Konfusion in Betracht. Im Gegensatz zur Beerbung des Bürgen durch den Hauptschuldner liegen hier keine getrennten Vermögensmassen durch das Vermögen des Hauptschuldners einerseits und den Nachlass des Bürgens andererseits vor, so dass sich Gläubiger und Schuldner (Bürge) in einer Person vereinigen.151 b) Der Wegfall des Gläubigers Völlig unproblematisch gestaltet sich auch der umgekehrte Fall, wenn also in Rede steht, dass der Gläubiger ersatzlos wegfällt. Handelt es sich beim Gläubiger um eine natürliche Person, ergibt sich nichts Abweichendes zu dem oben Gesagten. Auch hier besteht wiederum die Möglichkeit, dass die Erben des Gläubigers gemäß §  1922 BGB dessen Position im Verhältnis zur Bürgschaft und Hauptforderung einnehmen. Nur in den Konstellationen der Konfusion, wenn also Bürge oder Hauptschuldner den Gläubiger beerben, erlischt die Bürgschaftsverpflichtung bzw. die Hauptschuld mit befreiender Wirkung für den Bürgen nach §  767 Abs.  1 S.  1 BGB.152 Handelt es sich allerdings bei der Person des Gläubigers um eine Gesellschaft, können weder der mit dem Bürgen geschlossene Bürgschaftsvertrag noch die Hauptschuld Gefahr laufen zu entfallen. Beide stellen Vermögensvorteile für den Gläubiger dar, die einen ersatz­ losen Wegfall des selbigen verhindern, da weder das Liquidationsverfahren noch die Voraussetzungen der Vollbeendigung – nach der Lehre vom Doppeltatbestand – vorliegen. Mithin ist es genau dieser Unterschied in der Vermögensbewertung zwischen Gläubiger und Hauptschuldner, der die Situation zwar sehr ähnlich erscheinen lässt, im Ergebnis jedoch zu völlig unterschiedlichen Situationen führt. Im Ergebnis stellt sich somit der Wegfall von Bürgen oder Gläubiger stets als unproblematisch dar, da die Folgen vorhersehbar sind und die Wertungen des Rechtsverkehrs und des Gesetzes stets miteinander korrespondieren. Einzig der Wegfall des Hauptschuldners führt, wie bereits oben dargestellt, zu weitreichenden dogmatischen Schwierigkeiten, da hier die Wertung des Gesetzes (Akzessorietät) nicht mit den Bedürfnissen des Rechtsverkehrs nach andauernder Bürgenhaftung einher gehen. 150 Abweichendes ergibt sich hier nur im Falle einer Globalbürgschaft, welche mittels Kündigung aus wichtigem Grund durch den Erben ebenfalls zum Erlöschen gebracht werden kann, hierzu ausführlich BeckOGK-BGB/Madaus, §  765 Rn.  131 f., 165. 151 BeckOGK-BGB/Madaus, §  765 Rn.  132; MüKo-BGB/Habersack, §  765 Rn.  49. 152 BeckOGK-BGB/Madaus, §  765 Rn.  142.

II. Materiell-rechtliche Grundlagen der Rechtsprechung

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c) Der „vermögensbedingte“ Wegfall des Hauptschuldners Von der bloßen Tatsache des weggefallenen Hauptschuldners zu trennen, ist die Art und Weise seines Fortfalls. Nach ganz h. M. bleibt die Bürgschaftsverpflichtung nämlich nur bestehen, wenn die Ursache des Schuldneruntergangs durch einen Vermögensverfall verursacht wird, insbesondere im Rahmen der Löschung nach §  394 FamFG. Nur dann würde das vom typischen Sicherungszweck der Bürgschaft getragene Interesse des Gläubigers, Sicherheit für den Fall des Zahlungsunvermögens des Hauptschuldners zu erlangen, tatsächlich verletzt sein.153 Fällt der Hauptschuldner also aus anderen Gründen als dem Vermögensverfall weg, blieben, bei wortlautgetreuer Auslegung der Rechtsprechung, die Hauptschuld und auch die Bürgschaft nicht bestehen. Gemeint sind damit politisch motivierte Eingriffe, die zum Wegfall der Gesellschaft führen, wie etwa das Parteiverbot oder die Auflösung der Gesellschaften wegen des Verstoßes gegen die Ordnung. Die vermeintliche Beschränkung auf Fälle des Vermögensverfalls beim Hauptschuldner stellt sich jedoch bei näherer Betrachtung nicht als Ausnahmeregelung oder gar Voraussetzung dar. Spätestens mit der Etablierung der Lehre vom Doppeltatbestand, in welcher für die Vollbeendigung neben der Löschung aus dem Handelsregister auch die Vermögenslosigkeit der Gesellschaft tritt, taugt eine derartige Klassifizierung nicht mehr als Einschränkung. Vermögenslosigkeit muss dann nämlich schon tatbestandsmäßig vorliegen. Von einer Verselbständigung der Bürgschaftsverpflichtung, lediglich beim vermögensbedingten Wegfall des Hauptschuldners, kann daher keine Rede mehr sein, weil die Beendigung zwangsläufig mit der Vermögenslosigkeit einhergehen muss. Unabhängig davon würde es auch widersprüchlich erscheinen, im Rahmen eines normalen Liquidationsverfahrens, welches schon charakteristisch auf die Liquidierung jeglichen Vermögens ausgelegt ist, keine Verselbständigung anzunehmen.154 Soll der Bürge nämlich nach Ansicht des BGH nicht von der Zahlungsunfähigkeit des Hauptschuldners profitieren, dann geht in jeder Konstellation unbefriedigt gebliebener Verbindlichkeiten die Zahlungsunfähigkeit

153  BGHZ 82, 323, 326. Für wie entscheidend das Merkmal des Vermögensverfalls gehalten wird, ist durch das Urteil des LG Lübeck in WM 1991, 1337 deutlich geworden. Dort hat das LG den Bürgen nur deshalb nicht weiter haften lassen, weil der Gläubiger seiner Darlegungs- und Beweislast für den Wegfall des Hauptschuldners infolge Vermögenslosigkeit nicht hinreichend substantiiert nachgekommen ist. 154 So aber zur vorstehenden Konstellation irrigerweise Derleder/Knops/Bamberger/ Knops, §  25 Rn.  18, wonach der Grund für den Untergang des Hauptschuldners in einem „normalen“ Liquidationsverfahren nicht auf der Vermögenslosigkeit beruhe und deshalb keine Verselbständigung der Bürgschaft rechtfertige.

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B. Das Problemfeld des weggefallenen Hauptschuldners einer Bürgschaft

auf das Unvermögen des Hauptschuldners zurück.155 Dabei spielt die Ursache des Unvermögens aber gerade keine Rolle, weil ihr immer ein fehlendes Leistungsvermögen des Hauptschuldners, die Hauptschuld decken zu können, voraus geht. Daran ändert auch die potentielle Möglichkeit, noch im Rahmen des Liquidationsverfahrens die Forderung realisieren zu können, nichts.156 Der Sicherungszweck der Bürgschaft differenziert nicht nach dem Zeitpunkt des Vermögensverfalls, sondern stellt auf die generelle vermögensbedingte Unfähigkeit des Hauptschuldners ab. Erwägungen, dem Gläubiger noch eine irgendwie geartete Mitschuld zu geben, indem man ihm ein Zeitfenster setzt, in welchem er sich noch hätte befriedigen können, stellen nichts anderes als einen verdeckten Wettlauf gegen andere Gläubiger dar. Diese Sichtweise ignoriert jedoch den generellen Sinn von Kreditsicherheiten, die gerade in einer zusätzlichen Absicherung unabhängig vom Schuldner besteht. Andernfalls wäre die Verselbständigung der Bürgschaft dem Zufall überlassen und könnte aufgrund der Beendigungsumstände maßgeblich vom Hauptschuldner selbst beeinflusst werden – je nachdem, ob er mit der Einleitung der Liquidation abwartet oder nicht. Zudem entstünden Anreize, das Liquidationsverfahren des Hauptschuldners so kurz wie möglich zu halten, damit der Bürge durch die fehlende Reaktion des Gläubigers von der Haftung befreit werden würde. Es macht daher keinen Unterschied, ob ein Hauptschuldner schon vor Eintritt in die Liquidation die verbürgte Hauptschuld nicht befriedigen kann oder sich erst im Rahmen bzw. am Ende des Liquidationsprozesses herausstellt, dass nicht genügend Mittel zur Befriedigung vorhanden sind. Als tatsächlich beachtenswerte Voraussetzung dient der Wegfall infolge Vermögensverfalls somit nicht, da den wenigen verbliebenen ordnungspolitisch motivierten Ausnahmen kaum Bedeutung zukommt. d) Zwischenergebnis Mithin kann also festgehalten werden, dass nur der Wegfall des Hauptschuldners die größtmöglich anzunehmenden Probleme bei allen Parteien hervorzubringen vermag. Sichert er doch mit seiner Existenz jene Forderung ab, Kraft derer der Gläubiger sowohl ihm gegenüber als auch gegenüber dem Bürgen Leistung verlangen kann. Ein Wegfall seinerseits würde also die gesamte Bürgschaftskonstruktion sprengen und den Gläubiger gleich doppelt unbefriedigt zurücklassen. Weder der Ausfall des Gläubigers noch des Bürgen vermag ähnlich unbefriedigende Konsequenzen hervorzubringen. Das hierbei nur die Fälle 155 

156 

OLG Köln GmbHR 2004, 1020. Eine derartige Differenzierung anstellend LG Lübeck, GmbHR 92, 539, 540.

III. Begründung für Aufbau und Gang der weiteren Darstellung

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vermögensbedingten Wegfalls in Erscheinung treten, liegt daran, dass diese Fallgruppe keine ausdrückliche Kodifizierung im BGB erfahren hat und mit dem strengen Akzessorietätsprinzip der Bürgschaft in einem gewissen Widerspruch zu stehen scheint. Die Komplexität und Relevanz resultiert hierbei aus den bisher missglückten Versuchen, die rechtsdogmatische Realität mit dem gefühlt zu erzielenden Ergebnis in Einklang zu bringen, und zwar so, wie es der Rest des Bürgschaftsrechtes in verwandten Fällen auch tut. Soll das Recht nicht zum Selbstzweck verkommen und soll sich trotzdem eine einfache und zufriedenstellende rechtliche Begründung ergeben, liegt die Bedeutung einer konkreten Lösungsfindung gerade dieser Konstellation auf der Hand.

III. Begründung für Aufbau und Gang der weiteren Darstellung Damit ist die Ausgangslage nunmehr abschließend umrissen: Neben eines in Form einer juristischen Person oder Personengesellschaft organisierten Hauptschuldners, bedarf es auch zwingend dessen vollständigen und rückstandslosen Untergangs. Im Rahmen des BGH und der ganz h. M. muss der Untergang zudem durch Vermögenslosigkeit hervorgerufen werden, damit eine Verselbstständigung der Bürgschaft stattfinden kann. Nach Erläuterung der materiell-rechtlichen Ausgangssituation und Darstellung der Rechtsprechung kann nun in einem zweiten Schritt auf die Reaktion der Lehre und ihren Versuch, alternative Lösungsansätze anzubieten, eingegangen werden. Dabei soll deutlich werden, welches Verständnis sie der Problematik zugrunde legen und inwiefern sie hierdurch tatsächlich als echte ganzheitliche Alternativen zum BGH verstanden werden können. Anschließend wird zu befinden sein, welche Dringlichkeit und welchen Raum einem eigenen Ansatz überhaupt noch verbleiben.

C. Gegenauffassungen in der Literatur Trotz der Vielzahl an Wertungswidersprüchen schließt sich der ganz überwiegende Teil der Literatur sowohl im Ergebnis als auch in argumentativer Hinsicht der Rechtsprechung an.1 Nahezu übereinstimmend räumen sie dem Sicherungszweck der Bürgschaft Vorrang vor dem Akzessorietätsprinzip ein und bejahen mit nur geringfügig abweichender Begründung ebenfalls das Fortbestehen einer verselbstständigten Bürgschaftsverpflichtung. Aus diesem Grund kann auf eine detaillierte Darstellung der h. M. innerhalb der Literatur verzichtet werden, da sie mit jenen Argumenten und Erwägungen des BGH fast vollständig übereinstimmen.2 Nur vereinzelt geht die Zustimmung am Ergebnis der Rechtsprechung nicht notwendigerweise mit einer Anerkennung ihrer Begründung einher und noch viel seltener entwickelt sich aus dieser Kritik auch ein neuer Lösungsansatz. Auf die wenigen unterschiedlichen Ansätze, deren Vor- oder Nachteile gegenüber den Problemen der Rechtsprechung, soll daher im Folgenden näher eingegangen werden.

I. Die reine Gläubigerschuld und das sog. Sollenselement der Hauptforderung Einen nicht allein auf das Bürgschaftsrecht fokussierten Ansatz liefern zwei ganz ähnliche Neudefinitionen zum Forderungsbegriff. Mit über 80-jährigem Abstand widmen sich beide Auffassungen den dogmatischen Bestandteilen der Forderung und führen als Konsequenz auch zur Auflösung verschiedener ak1  Westerkamp, S.  102, 133 ff.; Bülow, S.  336 Rn.  971; Lwowski/Fischer/Langenbucher/Fischer, S.  308 Rn.  129; Graf Lambsdorff/Skora, Rn.  365; Lettl, WM 2000, 1316, 1320; Soergel/ Gröschler, §  767 Rn.  9; Palandt/Sprau, §  765 Rn.  29a; Eusterhus, S.  121 ff.; Reinicke/Tiedtke, S.  45 f.; Tiedtke, FS Kollhosser, S.  743; Holznagel, S.  45 f., 49; PWW/Brödermann, §  765 Rn.  45, §  767 Rn.  10; Staudinger/Horn (2013), §  767 Rn.  51; Piekenbrock/Ludwig, S.  65; Staab/Staab, S.  247 f.; Derleder/Knops/Bamberger/Knops, §  25 Rn.  17; Brox/Walker, §  32 Rn.  22, 30; Erman/Zetzsche, §  767 Rn.  5; Heyers, JA 2012, 81, 83 f.; Siegmann/Polt, WM 2004, 766, 768 f.; Schimansky/Bunte/Lwowski/Nobbe, §  91 Rn.  262; BeckOK-BGB/Dennhardt, §  362 Rn.  8. 2  Dies ebenso bemängelnd BeckOGK-BGB/Madaus, §  765 Rn.  138.2 ff.

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C. Gegenauffassungen in der Literatur

zessorischer Probleme, wie eben jene beim vermögenslosen Wegfall des Hauptschuldners. Namentlich handelt es sich hierbei um die bereits erwähnte und vom RG aufgegriffene Gläubigerschuld sowie das hieran angelehnte Erklärungsmodell von Becker-Eberhart.

1. Die Gläubigerschuld Die vom OLG München 1936 aufgegriffene Idee einer Gläubigerschuld 3 gilt heute als überholt und wird von der h. M. nicht mehr als Begründung herangezogen.4 Zwar ist die damit im Zusammenhang stehende Lehre von „Schuld und Haftung“ auch heute noch anerkannt5; die dezidierte Unterscheidung der Schuld in Bekommen- und Leistensollen konnte sich aber letztlich nie durchsetzen. Trotzdem bringt der Ansatz im Falle des untergegangenen Hauptschuldners sowohl den Sicherungszweck der Bürgschaft als auch die Akzessorietät zu einem sehr viel schlüssigeren Ausgleich, als es der BGH mit der Verselbstständigung der Bürgenschuld vermag.6 Betrachtet man die zugrundeliegende Personenkonstellation beim Untergang des Hauptschuldners, dann stellt sie sich im Ergebnis als ein – wie auch immer verursachtes – Scheitern des Schuldners dar.7 Es entbehrt, auch dem BGH zufolge,8 jeder Grundlage, dem Gläubiger seine Leistung nur deshalb zu versagen, weil der Schuldner vermögenslos ausfällt. Die Gläubigerschuld trägt dieser Erkenntnis insofern Rechnung, wie dieses alleinige Versagen des Hauptschuldners lediglich das eigene (sekundäre) Leistensollen des Schuldners, nicht aber das (primäre) Bekommensollen des Gläubigers berührt. Das noch immer bestehende Bekommensollen des Gläubigers reicht als primäres Element der Schuld aus9, um die Hauptschuld (auch ohne Hauptschuldner) nicht entfallen zu lassen und die Bürgschaft somit weiter aufrechtzuerhalten. Damit gelangen die Vertreter der Gläubigerschuld zum selben Ergebnis wie die h. M.

3 

Zur Darstellung siehe bereits B.I.1.a). KG NJW 1955, 1152; Beitzke, NJW 1952, 841 (843); Enneccerus/Lehmann, §  2 Anm.  2, S.  10; Gernhuber, S.  64; Hübner, S.  497 ff.; Larenz, Schuldrecht AT, §  2 II. 5  Gernhuber, S.  63 ff.; Jauernig/Mansel, §  241 Rn.  18 f.; NK-BGB/Krebs, §  241 Rn.  16; ­Palandt/Grüneberg, Vorb. §  241 Rn.  10. 6 Zustimmend Iversen, Die Akzessorietät als Zurechnungsmodell des Bürgschaftsrechts, S.  65. 7 Vgl. Becker-Eberhard, S.  474 f. 8  So die Äußerungen zum Sicherungszweck der Bürgschaft in BGHZ 6, 385 (390) und BGHZ 82, 323 (326). 9  v. Schwerin, S.  16; a. A. Buch, S.  16, welcher der Gläubigerschuld grundsätzlich zustimmt, jedoch beiden Elementen gleich viel Gewicht zuschreibt. 4 

I. Die reine Gläubigerschuld und das sog. Sollenselement der Hauptforderung

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2. Vorteile und Kritik zur Gläubigerschuld Kritiker wenden gegen die Gläubigerschuld ein, dass die Herleitung im Rahmen der allgemeinen rechtlichen Grundsätze zwar nachvollziehbar erscheine, sich jedoch ein solches für die Bürgschaft relevantes Ergebnis nicht aus dem Verhältnis zwischen Gläubiger und Hauptschuldner ergeben dürfe, sondern ursächlich aus der Beziehung zwischen Gläubiger und Bürgen resultieren müsse.10 Darüber hinaus wird die Zweiteilung der Schuld in Bekommensollen und Leistensollen als künstliche Aufspaltung einer einzigen Verpflichtung zur Leistung kritisiert.11 An dieser Wertung würde auch die Möglichkeit zur Drittleistung in §  267 BGB nichts ändern, weil der Dritte auch hier nur aufgrund der Verpflichtung des Schuldners leistet und nicht aus sich selbst heraus für den Gläubiger.12 Bei näherem Hinsehen ist jedoch nicht von der Hand zu weisen, dass die zivilrechtliche Terminologie, wenn sie begrifflich von Verbindlichkeit, Schuld und Forderung spricht, sehr wohl die unterschiedlichen Perspektiven und Interessen an der Leistungshandlung kennt. Die Vermutung also, das jeweilige Rechtsverhältnis durch verschiedene perspektivische Elemente der Schuld – wie dem Bekommen- und Leistensollen – zu definieren, erscheint somit weder unvertretbar noch künstlich. Die Zweiteilung der Pflichten in diejenige des Schuldners, nämlich Schulden, und diejenige des Gläubigers, nämlich Fordern, liegt dem BGB deshalb schon terminologisch zu grunde und wird durch die Gläubigerschuld nur eingegrenzt. Für die Aufteilung der Schuld in Bekommenund Leistensollen spricht auch die Überlegung des viel genutzten Arguments des Sicherungszwecks der Bürgschaft. Erkennt man den Zweck der Bürgschaft darin, die Leistung des vermögenslos gewordenen Hauptschuldners abzusichern, kann es nicht darauf ankommen, welche Folgen die Vermögenslosigkeit auf die gesicherte Hauptschuld hat.13 Vielmehr spricht die Überlegung dafür, ein Element innerhalb dieser Hauptschuld aufrechtzuerhalten, welches die hierauf akzessorische Bürgschaft innerhalb der hiesigen Gesetzessystematik nicht entfallen lässt. Will man hierfür keine Änderung am Gesetz selbst vornehmen und einen ausdrücklichen Ausnahmetatbestand in §§  765 ff. BGB schaffen, spiegelt sich dieses als Bürgschaftszweck vom BGH bezeichnete Interesse an der Bürgenleistung im Element des Bekommensollens wider. Die Zweiteilung der Schuld in Bekommen- und Leistensollen wird insbesondere in einigen relevanten Einzelfällen deutlich. So begründete Strohal die AufIversen, S.  66. Iversen, S.  64 f.; Gernhuber, S.  64; Larenz, Schuldrecht AT, §  2 II.; Becker-Eberhart, S.  222 Fn.  72. 12  Gernhuber, S.  6 4. 13 Vgl. Becker-Eberhard, S.  476. 10  11 

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C. Gegenauffassungen in der Literatur

teilung mit dem Beispielfall eines Darlehensgebers, welcher dem Darlehensnehmer das Darlehen mit der Abrede zur Verfügung stellt, dass er die Rückzahlung zwar jederzeit annehme, aber keinesfalls fordern werde.14 Bereits als Strohal im Jahr 1910 jenes Beispiel aufstellte, wurde ihm kritisch entgegengebracht, dass es sich hierbei viel eher um eine Schenkung oder einen Erlass handele, statt um ein treffendes Beispiel für den rechtstheoretischen Beweis von Bekommen- und Leistensollen.15 Die Erläuterung anhand einer verjährten Forderung vorzunehmen, erscheint deswegen sehr viel treffender.16 Ist die Forderung verjährt, hat der Gläubiger zwar einen Anspruch, kann ihn jedoch mangels Durchsetzbarkeit nicht vom Schuldner einfordern, §  214 Abs.  1 BGB. Somit liegt auf Seiten des Gläubigers ein Bekommensollen vor, denn der Anspruch besteht noch und ist gerade nicht untergegangen, wohingegen das Leistensollen des Schuldners fehlt, da er aufgrund der verjährten Forderung nicht leisten muss. Der Schuldner hat in dieser Situation die gleiche Stellung inne wie ein Dritter, der auf eine fremde Schuld leistet und von dem keiner behaupten würde, dass er schon zuvor in irgendeiner Beziehung zum Gläubiger in Form eines Leistensollens stünde. Damit besteht eine „Gläubigerschuld“ ohne entsprechende „Schuldnerschuld“.17 Hierfür spricht auch die Wertung des Gesetzgebers, dem Gläubiger in einem solchen Fall nur noch mittels Aufrechnung Befriedigung zu gewähren, §  215 BGB. Denn die alleinige Möglichkeit, mithilfe einer fremden Gegenforderung die eigene Forderung wiederzubeleben, ist gerade ein Indiz dafür, dass Leistenund Bekommensollen nicht zwei Seiten derselben Medaille sind. So wird das fehlende Leistensollen des Schuldners der verjährten Forderung durch die Aufrechnung mit dem spiegelbildlichen Bekommensollen der Gegenforderung zu einem neuen Leistensollen ausgeglichen. In diesem Beispiel wird das Sollenselement auch nicht durch ein moralisch-sittliches Leisten vermischt18 (wie im Beispiel Strohals – der Darlehensnehmer könnte die Rückzahlung trotzdem absprachewidrig einfordern und durchsetzen, was ihm bei der verjährten Forderung aber nicht gelänge), sondern streng am rechtlichen Bestand aufgezeigt. Daneben ließe sich auch der Spiel- oder Wettvertrag nach §  762 BGB anführen. Eine Verbindlichkeit kann durch Spiel oder Wette zwar nicht begründet, das einmal geleistete aber wegen dieses Mangels auch nicht zurückgefordert werden, §  762 Abs.  1 S.  1 BGB. Damit läge, in den Kategorien der Gläubigerschuld gedacht, definitiv kein Leistensollen des Schuldners vor. In Bezug auf das Bekommensollen ist hingegen auf §  762 Abs.  1 S.  2 BGB abzustellen. Indem der Strohal, S.  61 f. Buch, S.  16 f. 16  Buch, S.  16 Fn.  13. 17  Zu den Begriffen: v. Lübtow, FS Lehmann, S.  339; vgl. auch Gernhuber, S.  6 4 f. 18  Zu Recht kritisiert in Iversen, S.  65 Fn.  237. 14 

15 

I. Die reine Gläubigerschuld und das sog. Sollenselement der Hauptforderung

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Gesetzgeber das einmal Geleistete des Schuldners an den Gläubiger für nicht kondizierbar erklärt, begründet er zumindest die Spur eines Rechtsverhältnisses bzw. etabliert eine gewisse Berechtigung des Gläubigers, die Leistung behalten zu dürfen. Damit verbunden wäre die Schlussfolgerung einer Schuld ohne (echten) Schuldner, mithin eines Bekommensollens ohne Leistensollen. All diesen Beispielen ist jedoch zuzugestehen, dass sie nur dann die Lehre der Gläubigerschuld stützen, wenn es sich um Schulden ohne Schuldpflichten handelt und der Schuldner sich keiner Klage des Gläubigers auf Leistung aussetzen muss. Daher wirkt die Gläubigerschuld, welche universelle Geltung beansprucht, im Ergebnis aber häufig nur durch Naturalobligationen oder rechtshemmende Einreden beweisbar bleibt, wenig überzeugend. Schon begrifflich meint das Bekommensollen zwar keine Pflicht zur Leistung, wohl aber eine gewisse Verbundenheit der Parteien zur Leistungserwartung. Mithin wird deutlich, dass die Erfüllung sowohl Gläubiger als auch Schuldner gleichermaßen bindet, denn die Verpflichtung zur Leistung gibt im selben Maße den Umfang der Schuldnerpflicht vor und damit den Erfolg der Gläubigerbefriedigung. Bekommen- und Leistensollen hängen damit am selben rechtlichen Band.19 Selbst wenn man diesen Aspekt vernachlässigt, fällt es wohl schwer, das Bekommensollen i. S. d. Gläubigerschuld als primäres Element der Schuld zu akzeptieren, da doch schon in der Vergangenheit eine Tendenz für das gleichberechtigte Nebeneinander beider Elemente bestand.20 Heute ist vielmehr das Verständnis zu einem Erfüllungs- und Verhaltensprogramm des Schuldners vorherrschend und damit eher zu einem Leistensollen 21, zumal die zivilrechtliche Terminologie, wenn sie von Schuldverhältnissen spricht und bereits §  241 BGB mit „Pflichten aus dem Schuldverhältnis“ umschreibt, den Fokus wohl eher auf den Schuldner als den Gläubiger legt.22 Aus diesen Gründen stellt die Gläubigerschuld zwar keine ernsthaft zu erwägende Alternative dar, gleichwohl ihre Wertungen die eingangs ausgeführte Problematik zum untergegangenen Hauptschuldner richtig auflösen würden.

3. Das fortbestehende Sollenselement nach Becker-Eberhart Neueren Auftrieb bekamen diese Gedanken erst Mitte der 90er Jahre wieder, als sich ihr Becker-Eberhard mit einem neuen Verständnis und abgewandelten Argumenten näherte. Zwar differenziert auch er beim Schuldverhältnis zwischen Larenz, Schuldrecht AT, §  2 II. Buch, S.  16. 21  Gernhuber, S.  15 ff.; Palandt/Grüneberg, §  241 Rn.  5; MüKo-BGB/Kramer, §  241 Rn.  14 ff.; Soergel/Teichmann, §  242 Rn.  132 ff.; Deutsch, AcP 202 (2002), 900. 22  Sutschet, S.  17. 19 

20 

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C. Gegenauffassungen in der Literatur

Schuld und Haftung, allerdings sieht er die Schuld nicht als eine reine, nur an den Bedürfnissen und der Befriedigung des Gläubigers orientierte, Gläubigerschuld an. Er verzichtet deshalb auf die bloß einseitig ausgerichtete Unterteilung der Schuld in Bekommen- und Leistensollen, ohne jedoch den grundsätzlichen Gedanken des „Sollens“ aufzugeben. So bestünde ihm zufolge die Schuld nicht aus verschiedenen Sollenselementen, die primär und sekundär unterschiedlich gewichtet sind, sondern nur aus einem einheitlich als „Sollenselement“ zu bezeichnenden Gesamtbestandteil.23 Bei der im Rahmen von Schuld und Haftung zweiten Komponente, der Haftung, bliebe es hingegen beim Verständnis eines als „Zwangselement“ zu verstehenden Bestandteils.24 Gleichwohl Becker-Eberhard die Idee eines primären und sekundären Elementes innerhalb der Schuld aufgab, machte er sie sich bei der Bewertung des Sollenselementes innerhalb der Forderung zunutze. Obwohl Sollens- und Zwangselement nebeneinander stehen und beide unter dem gemeinsamen Dach der Forderung zusammengehalten werden, kommt nur dem Sollenselement tatsächlich primäre Bedeutung zu.25 Inhalt und Zweck einer Forderung bestimmten sich nämlich einzig nach diesem Element. Sicherungsrechte, die zur Forderungsabsicherung gedacht sind, dienen damit faktisch nur der Absicherung des Sollenselement ihrer gesicherten Forderung.26 Im Ergebnis verfolgen sie somit denselben Zweck, genauer gesagt richtet sich der Sicherungszweck der Bürgschaft nach dem Zweck der Forderung – und somit dessen Sollenselements. Mithin verändert sich auch der akzessorische Bezugspunkt einer Bürgschaft, welcher zwar dem Wortlaut des Gesetzes zufolge eigentlich von der gesicherten Hauptschuld abhängt; ausgehend von dem soeben referierten Verständnis jedoch in Wirklichkeit nur deren Sollenselement meint. Dies geht auch mit den verschiedentlichen Akzessorietätsausnahmen des Gesetzes in §§  768 Abs.  1 S.  2, 1629a Abs.  3 BGB und §§  254 Abs.  2, 301 Abs.  2 InsO konform, da im Zuge dieser Ausnahmen allein die Durchsetzbarkeit (Zwangselement) der Forderung gegenüber dem Gläubiger wegfällt, nicht jedoch deren theoretisch volle Erfüllbarkeit an den Gläubiger (Sollenselement).27 Insofern ergäbe sich beim vermögenslos weggefallenen Hauptschuldner auch nichts anderes, da dessen Untergang das Sollenselement, mithin also auch Inhalt und Zweck der Haupt-

23  Je nachdem, aus welcher Perspektive man die Schuld dann betrachtet, könnte das Sollenselement aus Sicht des Gläubigers als ein Bekommensollen und aus Sicht des Schuldners als ein Leistensollen verstanden werden, Becker-Eberhard, S.  222 f. 24  Becker-Eberhard, S.  222. 25  Becker-Eberhard, S.  222. 26  Becker-Eberhard, S.  223 f. 27  Becker-Eberhard, S.  224 f.

I. Die reine Gläubigerschuld und das sog. Sollenselement der Hauptforderung

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schuld, völlig unberührt lässt.28 Zwar ist es in diesem Fall allein nicht in der Lage, die gesamte Forderung aufrechtzuerhalten, allerdings bleibt es doch auch ohne den Durchsetzungszwang noch stark genug, um als Bezugspunkt der Akzessorietät zu dienen.

4. Vorteile und Kritik zum fortbestehenden Sollenselement Grundsätzlich führen die Ausführungen von Becker-Eberhart zu keiner derart tiefgreifenden Neudefinition, wie es oberflächlich betrachtet zunächst erscheinen mag. Vielmehr kombiniert er im Kern nur zwei verschiedene schuldrechtliche Erklärungsmodelle zur Forderung miteinander. So lässt er zum einen die ganz allgemein anerkannte Unterteilung der Forderung in Schuld und Haftung unberührt und benennt die Bestandteile zunächst lediglich in Sollens- und Zwangselement um.29 Zum anderen orientiert er sich bei der inhaltlichen Erklärung des Sollenselement stark an den Grundsätzen der Gläubigerschuld und gibt allein die Unterteilung der Schuld in primäres Bekommen- und sekundäres Leistensollen auf. Ansonsten belässt er es aber verallgemeinernd bei den annähernd gleichen Überlegungen, die auch schon v. Schwerin angestellt hat und die schon aus denselben Gründen (Schuld ohne Schuldner) nicht überzeugen konnten. Bezogen auf die konkreten Folgen dieser Ansicht für die Bürgschaft, muss das hiermit einhergehende veränderte Akzessorietätsverständnis kritisch gewertet werden. Die Akzessorietät nach Becker-Eberhart richtet sich entgegen des ausdrücklichen Wortlauts in §  767 BGB nicht nach der Forderung selbst, sondern nur nach dem Sollenselement der Forderung. Der im Sollenselement zum Ausdruck kommende Zweck der Forderung sei dann wiederum bestimmend für den Zweck – des Sollenselementes – der Bürgschaft. Damit definiert er die Akzessorietät als eine Art Gleichsetzung von Forderungs- und Bürgschaftszweck. Dieser Ansicht steht jedoch entgegen, dass sich der Bürgschaftszweck mitnichten am Inhalt der gesicherten Forderung orientiert, sondern vielmehr in der Bürgschaft selbst begründet liegt.30 So besteht der Zweck der Bürgschaft in einer Haftung des Bürgen für eine fremde Verbindlichkeit und bestimmt sich nicht nach dem Zweck der gesicherten Forderung. Dies würde schließlich zu einem sich ständig wechselnden und uneinheitlichen Sicherungszweck der Bürgschaft führen, je nachdem, ob mit der zugrundeliegenden Hauptschuld eine Kaufpreis- oder Werklohnforderung gesichert wird.31 Becker-Eberhard, S.  224. So auch C. Schmidt, S.  89. 30  Vgl. BeckOGK-BGB/Madaus, §  765 Rn.  20; MüKo-BGB/Habersack, §  765 Rn.  2; Larenz, Schuldrecht BT, §  60 I 3d. 31  C. Schmidt, S.  90. 28  29 

54

C. Gegenauffassungen in der Literatur

Fraglich bleibt auch, wie die Konsequenzen für die Bürgschaftsforderung zu bewerten sind, wenn etwa im Zuge des weggefallenen Hauptschuldners einzig das Zwangselement, also die Haftung, entfallen soll. Streng genommen würde die Hauptschuld sodann eine Naturalobligation darstellen, deren fehlende Durchsetzung, d. h. Zwang, hierfür gerade charakteristisch ist.32 Auf grundsätzliche Bedenken stößt dies nicht, kommt doch auch genau dies der Antwort von Rechtsprechung und Literatur auf die Akzessorietätsausnahmen in §§  254 Abs.  2 und 301 Abs.  2 InsO recht nahe.33 Insofern würde die Idee Becker-Eberharts sogar ein entsprechendes Vorbild in der Bürgschaftssystematik haben. Allerdings müsste dies nach hiesigem Verständnis auch für die Bürgschaft gelten, welche als Naturalobligation dann gleichfalls für den Gläubiger nicht mehr durchsetzbar wäre. Dies ergibt sich unmittelbar aus §  767 Abs.  1 S.  2 BGB, welcher eine Veränderung der Hauptschuld, die auf einem „Verschulden oder Verzug des Hauptschuldners“ beruht, auch den Bürgen zuteilwerden lässt.34 Hieraus lässt sich nun ableiten, dass mit der Umwandlung der Hauptschuld zur Naturalobligation selbiges auch für die Bürgschaft gelten müsse.35 Etwas anderes kommt nur dann in Betracht, wenn das Gesetz hiervon eine Ausnahme macht und das Schicksal der Bürgschaft von jenem der Hauptschuld unberührt lässt. Insofern regelt etwa der Abs.  2 in §  254 und §  301 InsO ausdrücklich, dass die Bürgschaft weiterhin voll durchsetzbar bleibt und gerade nicht zur Naturalobligation wird. Diesem deutlich kodifizierten Anordnungsregime könnte sich auch nicht die Ansicht von Becker-Eberhart entziehen. Eine entsprechende Lösung für die unverändert fortbestehende Haftung des Bürgen ergäbe sich für den anspruchsberechtigten Gläubiger beim weggefallenen Hauptschuldner damit nicht. Zudem kann die Überlegung beim vermögenslos weggefallenen Hauptschuldner auch deshalb nicht überzeugen, weil die Wechselwirkungen seiner Argumentation in Bezug auf den verbliebenen „Rest“ einer Forderung durch das noch erhalten gebliebene Sollenselement und den gesellschaftsrechtlichen Konsequenzen nicht in Einklang zu bringen sind. Konkret geht es darum, dass das Sollenselement in diesen Fällen nicht ausreicht, um die Forderung noch durchsetzbar zu machen (deswegen Wegfall des Zwangselementes/Haftung), jedoch allein noch so viel Kraft besitzt, um als akzessorischer Bezugspunkt zu dienen.36 Was dies jetzt konkret für gesellschaftsrechtliche Folgen, insbesondere die Vollbeendigung, haben soll, bleibt offen. Unklar bleibt auch das Schicksal des Hauptschuldners selbst, dessen Schulden noch irgendwie fortbestehen und Gernhuber, S.  85. Statt aller K. Schmidt-InsO/Spliedt, §  254 Rn.  8; §  301 Rn.  11. 34  Vgl. BeckOGK-BGB/Madaus, §  767 Rn.  20. 35  Gernhuber, S.  80 f. 36  Becker-Eberhart, S.  225. 32  33 

I. Die reine Gläubigerschuld und das sog. Sollenselement der Hauptforderung

55

dessen Existenz in diesen Fällen zumindest fingiert werden müsste, um keine Schulden ohne Schuldner zu provozieren.37

5. Auswirkung beider Ansichten auf die §§  765 ff. BGB Aufgrund dessen, dass das Sollenselement der Hauptschuld vom Untergang des Hauptschuldners unberührt bleibt, besteht die Forderung des Gläubigers weiter. Nichts anderes gilt für das Bekommensollen im Rahmen der Gläubigerschuld, welche zu den exakt gleichen Ergebnissen führt: Der Bürge bleibt wegen des noch bestehenden Bezugspunktes der Akzessorietät weiterhin aus der Bürgschaft verpflichtet und erlangt auch unproblematisch nach §  774 BGB die (Rest-) Hauptschuld. Dadurch kommt es weder zu Wertungsproblemen beim Regress des Bürgen noch des Nachbürgen. Darüber hinaus bleibt es den Bürgen unbenommen, sich nach §  768 BGB auf die Verjährung der Hauptforderung zu berufen, ohne dass es hierbei einer juristischen „Verrenkung“ wie in BGHZ 153, 337 bedarf. Auch die Aufgabe von Sicherheiten nach §  776 BGB kann unproblematisch zur Befreiung des Bürgen führen, weil es immer noch eine Hauptschuld samt Nebenrechten gibt und die Anwendungsvoraussetzungen somit vorliegen. Das Gleiche gilt für die Übertragung der Bürgschaft, welche gemäß §  401 BGB weiterhin Hand in Hand mit dem „Rest“ der gesicherten Hauptschuld übergeht.

6. Stellungnahme Sowohl die Gläubigerschuld i. S. d. Lehre von Schuld und Haftung als auch der von Becker-Eberhard neu definierte Erklärungsansatz kommen zu einer widerspruchslosen Lösung. Es entstehen keine wesentlichen Schwierigkeiten und das Bürgschaftssystem unterliegt keinen akzessorischen Ausnahmen. Allerdings heiligt der Zweck auch hier nicht die Mittel. So geht die beanstandungslose Lösung mit einem dogmatisch eher fragwürdigen Ansatz in der Bewertung der Elemente von Schuld und Haftung einer Forderung einher. Beide Ansichten verfügen zwar über einen nachvollziehbaren Ansatz, allerdings wurde dieser schon von der ganz überwiegenden Auffassung in Literatur und Rechtsprechung seit langem vielfältig widerlegt. So überzeugt etwa nicht so recht, wie diese, durch das Sollenselement (bzw. Bekommensollen) geschaffene, Aufrechterhaltung der Hauptschuld ohne Hauptschuldner im geltenden dogmatischen Kontext gerechtfertigt werden kann. Zurecht lehnten Literatur und Rechtsprechung auch die hiermit einhergehende Etablierung einer schuldnerlosen Schuld ab, die dem BGB seit jeher fremd erscheint. Im Ergebnis bleibt deshalb 37 

Selbstkritisch zu dieser Tatsache, Becker-Eberhart, S.  489 f.

56

C. Gegenauffassungen in der Literatur

festzuhalten, dass zwar das spezielle bürgschaftsrechtliche Problem eines weggefallenen Hauptschuldners gelöst werden würde, damit jedoch zugleich weitere, über die Rechtsprechung des BGH hinausgehende Unwägbarkeiten, einhergingen. Bei näherem Hinsehen ergäben sich weit größere Streitfragen im Rahmen des allgemeinen Zivilrechts, die etwa mit der dezidierten Klärung eines übriggeblieben Sollenselementes weit schwieriger zu lösen wären als die ursprünglich bürgschaftsrechtliche Grundproblematik. Würde man die Ansichten mithin als Lösung in Betracht ziehen, löste man eine wertungsjuristische Divergenz zugunsten einer anderen noch schwerwiegenderen auf, weswegen sich kein spürbarer Vorteil zur verselbstständigten Bürgschaft der h. M. ergäbe.

II. Die Akzessorietät als Zurechnungsmodell nach Iversen Iversen stützt sich zur Lösung dieses Problems auf das sog. Befriedigungsinteresse des Gläubigers und schafft es, mit dieser eigenen Auffassung die Bürgschaft trotz untergegangenen Hauptschuldners aufrechtzuerhalten. Das Befriedigungsinteresse stellt den Bezugspunkt zur Akzessorietät zwischen Hauptschuld und Bürgenschuld dar und wird als die geschuldete Erfüllungsleistung gegenüber dem Gläubiger verstanden.38 Bei der Bürgschaft erlischt die Bürgenschuld nur dann, wenn der Schuldner dergestalt an den Gläubiger leistet, dass sich dadurch sein Befriedigungsinteresse an der Hauptschuld erfüllt, sog. erfüllungsäquivalente Veränderung der Verbindlichkeit.39 Welche Handlungen erfüllungsäquivalenten Charakter aufweisen, bestimmt sich aus dem Gesetz oder aus privatautonomen Vereinbarungen.40 Ihnen ist jedoch gemein, dass sie sich in ihrer Wirkung direkt auf den Bestand des Befriedigungsinteresses des Gläubigers auswirken müssen. Die Erfüllungsäquivalenz ergibt sich nun zum einen aus §  765 Abs.  1 BGB, welcher die Pflicht des Bürgen konstatiert, für die Erfüllung der Hauptverbindlichkeit im Verhältnis von Gläubiger und Schuldner einzustehen. Zum anderen aus §  767 Abs.  1 S.  1 BGB als äußerem Bezugspunkt zur Hauptschuld, welcher sich auf den Fortbestand der Bürgschaft auswirkt.41 Somit wirken sich Ereignisse im Verhältnis von Gläubiger und Schuldner auch auf das Verhältnis von Gläubiger und Bürgen aus, beschränken sich jedoch in ihrer Wirkung auf eben jene erfüllungsäquivalenten Veränderungen.42 Fällt nun die Hauptschuld wegen des untergegangenen Hauptschuldners weg, bleibt das Iversen, S.  17, 20. Iversen, S.  17, 66. 40  Iversen, S.  17, 66. 41  Iversen, S.  66 f. 42  Iversen, S.  67. 38  39 

II. Die Akzessorietät als Zurechnungsmodell nach Iversen

57

Befriedigungsinteresse des Gläubigers im Hinblick auf sein Rechtsverhältnis zum Bürgen weiter bestehen, da es sich nur um ein Ereignis handelt, welches Gläubiger und Schuldner betrifft, nicht aber in erfüllungsäquivalenter Weise auf die Beziehung zwischen Gläubiger und Bürgen einwirkt und deshalb auch nicht das Befriedigungsinteresse des Gläubigers berührt.43 Damit begründet Iversen zugleich seinen gewollten Effekt, die Akzessorietät nicht mit der Hauptschuld zu verbinden, sondern einzig am Befriedigungsinteresse des Gläubigers festzumachen.

1. Auswirkung auf §§  765 ff. BGB Ein derart geändertes Akzessorietätsverständnis geht freilich nicht ohne eine Reihe von Auswirkungen auf die allgemeine Bürgschaftsdogmatik einher. So rechnet Iversen bei der Erhebung von Einreden nicht die Einrede als Recht im Rahmen des §  768 BGB zu, sondern nur den rechtlichen Tatbestand, welcher zur Entstehung der Einrede führt.44 Damit erfolgt die Rechtsentstehung schon nicht originär beim Hauptschuldner und wird für den Bürgen später lediglich abgeleitet 45, sondern erfolgt direkt beim Bürgen selbst.46 Der Abschluss des Bürgschaftsvertrags löst dabei die Zurechnungswirkung des §  768 BGB für den Bürgen aus. Dabei kommt es einzig auf das Verhältnis zwischen Bürgen und Gläubiger an, da nur in dieser Beziehung der objektive Moment für die tatbestandsbezogene Zurechnung zu finden ist.47 Das Verhältnis zwischen Hauptschuldner und Gläubiger diene nur dem konkreten Zurechnungsinhalt und sei daher nur bedingt abhängig für die Erhebung von Einreden nach §  768 BGB.48 Demzufolge verhindere der Wegfall der Hauptschuld auch nicht dessen Geltendmachung. Im Fall der Verjährung werde nämlich der spätere prognostizierende Verjährungszeitpunkt der Hauptschuld bereits mit Abschluss des Bürgschaftsvertrags dem Bürgen durch §  768 BGB zugerechnet, so dass ein späterer Wegfall die Einrede nicht mehr berührt, da sie bereits originär beim Bürgen entstanden ist.49 Damit kommt auch Iversen trotz weggefallener Hauptschuld zur Aufrechterhaltung der Verjährungseinrede nach §  768 BGB. Unklar ist jedoch die Behandlung der Folgeprobleme im Rahmen des §  776 BGB und insbesondere des Forderungsübergangs nach §  774 BGB. Geht man Iversen, S.  67. Iversen, S.  69, 92. 45 Vgl. BeckOGK-BGB/Madaus, §  768 Rn.  3; MüKo-BGB/Habersack, §  768 Rn.  5. 46  Iversen, S.  69. 47  Iversen, S.  92, 94. 48  Iversen, S.  92 f. 49  Iversen, S.  92 43 

44 

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C. Gegenauffassungen in der Literatur

davon aus, dass die „Verbindlichkeit“ i. S. d. §§  765 ff. BGB durch das Befriedigungsinteresse bestimmt wird und Bezugspunkt für die Akzessorietät ist, geht damit zwar nicht die Bürgschaft unter, wohl aber die Regressmöglichkeit des Bürgen. Dies impliziert Iversen selbst, indem er die verminderte Regressmöglichkeit des Bürgen beim Insolvenzplan nach §  254 InsO als Indiz dafür sieht, dass die Regressmöglichkeit des Bürgen nicht Bestandteil des Akzessorietätsgrundsatzes ist.50 Entfällt also die Hauptschuld und besteht die Bürgschaft nur wegen des Befriedigungsinteresses weiter, fehlt es damit an einer Regressmöglichkeit des Bürgen nach §  774 BGB.51 Dafür würde auch der von ihm gemachte Unterschied zwischen Verbindlichkeit und Forderung sprechen. Nur die Verbindlichkeit, also das Befriedigungsinteresse,52 bleibt mit Wegfall bestehen, nicht aber die hiervon zu unterscheidende „Forderung“ i. S. d. §  774 BGB.53 Die Schwierigkeiten im Hinblick auf eventuell bestehende Nebenrechte und §  776 BGB bleiben deswegen ebenso bestehen wie die Probleme im Rahmen der Nachbürgschaft. Die gleiche Problematik ergibt sich auch für den Übergang einer Bürgschaft, welche mangels vorhandener und abtretungsfähiger Hauptschuld nicht mehr übertragbar erscheint. Selbst wenn das Befriedigungsinteresse des Gläubigers noch bestehen bleibt, ändert dies doch nichts an den Voraussetzungen der §§  398 ff. BGB, welche nur eine Forderung als abtretungsfähig anerkennen. Ob aus diesem Grund hier gleichsam eine Ausnahme von §  401 BGB einhergeht oder gar das Befriedigungsinteresse abgetreten wird, muss offen bleiben.

2. Kritik und Stellungnahme Dessen ungeachtet kann aber mit dem Modell eines Befriedigungsinteresses und dem damit einhergehenden geänderten Verständnis von Verbindlichkeit und Akzessorietät das Grundproblem des untergehenden Hauptschuldners in der Bürgschaft richtig gelöst werden. Obwohl diese Ansicht nicht als Rückkehr zur Lehre der Gläubigerschuld verstanden werden soll54, lässt sich der gegenteilige Eindruck stellenweise kaum verleugnen. Das Befriedigungsinteresse, welches sich ausschließlich daran orientiert, inwiefern der Gläubiger Befriedigung Iversen, S.  58, insbesondere Fn.  183. Dafür spricht zumindest auch, dass er den Zweck der Bürgschaft ausschließlich in der Absicherung des Befriedigungsinteresses des Gläubigers vor dem Vermögensverfall des Hauptschuldners sieht, Iversen, S.  43; wohingegen er das Interesse des Bürgen am Regress unbeachtet lässt. 52  Verbindlichkeit = Befriedigungsinteresse, ausdrücklich: Iversen, S.  4 4. 53  Iversen, S.  40. 54  Iversen, S.  65, 67. 50  51 

II. Die Akzessorietät als Zurechnungsmodell nach Iversen

59

bzw. Erfüllung erlangt hat, kann im Ergebnis gleichsam als Bekommensollen verstanden werden.55 Wenn der Gläubiger ein Befriedigungsinteresse seiner Forderung besitzt, muss es als Pendant auch ein Erfüllungsinteresse des Schuldners geben, damit einer Bedürfnisbefriedigung überhaupt ein sinnvolles Äquivalent geboten werden kann. Doch mit genau diesen Überlegungen nähert sich die Ansicht, wenn auch ungewollt, der Gläubigerschuld an, welche sowohl die Hauptschuld als auch die Bürgenschuld jeweils in das einteilt, was Iversen mit dem Befriedigungsinteresse meint. Mit dem Befriedigungsinteresse ist eine einzige kongruente Einheit gemeint, die sich akzessorisch sowohl im Hinblick auf die Hauptschuld und im Verhältnis von Gläubiger und Schuldner als auch bei der Bürgenschuld zwischen Gläubiger und Bürgen verhält. Befriedigt der Bürge oder Schuldner das Interesse des Gläubigers, wirkt es sich jeweils auch auf das andere Verhältnis aus. Dies umschreibt jedoch im Wesentlichen das Prinzip der Gläubigerschuld, welches lediglich beide Schuldverhältnisse, also Hauptschuld und Bürgenschuld, weiter in ein Bekommen- und Leistensollen einteilt. Auch hier verhält sich das Bekommensollen der Bürgenschuld akzessorisch zum Bekommensollen der Hauptschuld bzw. richtet sich nach BeckerEber­hart das Sollenselement der Bürgschaft akzessorisch nach dem Sollenselement der Hauptschuld, so dass im Ergebnis dieselben Abhängigkeiten bestehen wie beim Befriedigungsinteresse nach Iversen. Der allgemeine Grundgedanke ist somit derselbe. Bemerkenswert ist daher nicht die Kategorisierung in ein Befriedigungsinteresse auf höherer Ebene, sondern die Entwicklung eines erfüllungsäquivalenten Merkmals für Handlungen, die sich auf den Bestand der Forderung auswirken sollen. Nur dadurch wird ein Instrument geschaffen, welches die Akzessorietät in der Bürgschaft von der Erfüllungsäquivalenz der Handlungen aller Parteien abhängig macht, anstatt vom Bestand der Hauptforderung. Weil sich die Erfüllungsäquivalenz am Gläubigerinteresse orientiert, verlagert diese Ansicht die Ausrichtung der Akzessorietät von einer stark von der Person des Hauptschuldners abhängigen Ausrichtung zu einer stark von der Person des Gläubigers abhängigen Ausrichtung.56 Fraglich erscheint dabei, ob diese geänderte Ausrichtung tatsächlich nötig ist. Die Bürgschaft ist als kreditsicherndes Institut gerade ein Instrument des Schuldners und findet ihren Anlass regelmäßig in der Rechtsbeziehung zwischen Bürgen und Schuldner. Die Abhängigkeit von der 55  Besonders eindringlich ist die Parallele zu einer Gläubigerschuld, wenn Verbindlichkeit i. S. d. §  765 Abs.  1 BGB als vom Hauptschuldner geschuldete Erfüllung definiert wird; Iversen, S.  44. 56  Dies entspricht in der Konsequenz auch seiner geäußerten Kritik gegenüber der h. M., Iversen, S.  65.

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C. Gegenauffassungen in der Literatur

Person des Hauptschuldners stellt keine zwingend zu beseitigende Unart dar, da es ihn auch im Wesentlichen angeht. Damit stellt diese Auffassung nur eine unwesentlich bessere Variante des BGH dar, da sie zwar keine Ausnahme von der Akzessorietät macht, in deren Folge aber zu den gleichen Problemstellungen beim Regress gelangt. Es muss darüber hinaus skeptisch betrachtet werden, das Akzessorietätsverständnis derart neu zu definieren. Als echte Alternative für eine dogmatisch einfachere und widerspruchsfreie Variante überzeugt diese Ansicht deshalb nicht.

III. Die kausale Akzessorietät nach C. Schmidt Ähnlich wie Iversen setzt auch C. Schmidt bei der Lösung bürgschaftsrechtlicher Problemstellungen am Akzessorietätsprinzip der Bürgschaft an. Auch er nimmt hierbei eine ganzheitliche Neubewertung dieses Instituts vor und versucht anhand des geänderten Verständnisses jegliche Probleme und inkonsistenten im aktuellen Recht aufzulösen. Hierfür bestimmt er das Verständnis und die Begründung der Akzessorietät völlig neu. Die Vorstellung, dass Akzessorie­ tät einfach nur als unmittelbare und dauernde Abhängigkeit der Bürgenschuld von der zugrundeliegenden Hauptschuld angesehen wird, will er anwendungsorientierter präzisieren. Er bringt dies schon definitorisch damit zum Ausdruck, indem er den Begriff der Akzessorietät als inhaltliche und äußerliche Kausalität begreift, die sich von nicht-akzessorischen, d. h. abstrakten, Rechtsverhältnissen abgrenzen lässt.57 Diese doppelte Kausalität entwickelt er aus dem direkten Vergleich zwischen der Bürgschaft als unselbstständige und dem Schuldversprechen als selbstständige Forderungszuwendung. So handele es sich beim Schuldversprechen um ein Versprechen, das „die Verpflichtung selbstständig begründen soll“, §  780 BGB. Die deutliche Konnotation des Gesetzes als selbstständige, somit also abstrakte, Verpflichtung helfe nun dabei zu erfahren, was nicht-akzessorisch bedeutet. Lässt sich die dogmatische Bedeutung dieser Abstraktheit genau ergründen, ergibt sich in Abgrenzung zu der als unselbstständig geltenden Bürgschaft umgekehrt ein Bild darüber, was konkret unter nicht selbstständig, mithin also kausal und damit akzessorisch, zu verstehen ist.58 Als kennzeichnend für die Abgrenzung deklariert er hierbei, die vollständige Loslösung der übernommenen Verpflichtung vom Rechtsgrund im Rahmen des Schuldversprechens.59 Weil diese C. Schmidt, S.  238 ff.; zur Gleichsetzung von Kausalität und Akzessorietät, S.  244. C. Schmidt, S.  96 ff. 59  C. Schmidt, S.  103 ff. 57 

58 

III. Die kausale Akzessorietät nach C. Schmidt

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Art der Loslösung bei der Bürgschaft fehle, liege in der Beziehung zum Rechtsgrund auch die Antwort darauf, wie die abstrakten Rechtsgeschäfte von den kausalen zu trennen sind.60 Dem Verständnis C. Schmidts zufolge besteht wiederum der Rechtsgrund beim Verpflichtungsgeschäft aus zwei Bestandteilen, die zum einen von den Parteien bestimmt werden (inhaltlich), indem sie einen Geschäftszweck vereinbaren, und zum anderen durch das Gesetz (äußerlich), welches die Möglichkeit verlangt, den vereinbarten Geschäftszweck zu erreichen.61 Je nachdem, ob das Gesetz die Vereinbarung eines Geschäftszwecks zwischen den Parteien für erforderlich hält bzw. die Wahrscheinlichkeit der Erreichung desselbigen, ergäben sich nun Konsequenzen für die Einordnung und Abgrenzung beim Verständnis von Akzessorietät. Das Schuldversprechen würde demnach für eine Verpflichtung weder die Einigung eines Geschäftszwecks der Parteien noch die Wahrscheinlichkeit, diesen auch zu erreichen, voraussetzen, weswegen damit eine inhaltliche und äußerliche Abstraktheit bestünde.62 Bei der Bürgschaft sei dies hingegen genau umgekehrt, hier bedarf es im Rahmen der inhaltlichen Kausalität nach §  765 Abs.  1 BGB der Einigung zwischen Gläubiger und Bürgen über einen Geschäftszweck, welcher die Sicherung einer zugrundegelegten Hauptforderung darstellt.63 Wohingegen das Gesetz nach §  767 Abs.  1 S.  1 BGB im Rahmen der äußerlichen Kausalität mit dem Bestehen einer zu sichernden Forderung bei Geltendmachung der Bürgschaft gleichzeitig auf die Wahrscheinlichkeit der Zweckerreichung abstelle.64 Mit diesem Verständnis der Akzessorietät bei der Bürgschaft als inhaltlich und äußerlich kausal, versucht C. Schmidt nunmehr auch die hier bearbeitete Problematik aufzulösen. Dabei muss er jedoch eine Ergänzung seiner gefundenen Klassifizierung vornehmen, da ansonsten auch nach seiner Auffassung keine Haftung des Bürgen beim vermögenslos weggefallenen Hauptschuldner möglich ist. So macht die äußerliche Kausalität die geforderte Wahrscheinlichkeit der Zweckerreichung vom Bestehen der Hauptforderung abhängig und führt damit zu derselben Ausgangssituation wie bei der h. L. Aus diesem Grund entkoppelt er den Bestand der Hauptforderung vom Merkmal „Wahrscheinlichkeit der Zweckerreichung“ und rechtfertigt dies aus einer Gesamtschau aller gesetzlich kodifizierten Akzessorietätsdurchbrechungen. Sie seien seiner Meinung nach ein Beleg dafür, dass trotz verminderter oder weggefallener Hauptschuld eine fortdauernde Bürgenhaftung nicht in jedem Falle vom Bestand der Hauptschuld abhängig sei. Dies müsse auch eine entsprechende BerücksichtiC. Schmidt, S.  107, 194 f., 209, 224 f. C. Schmidt, S.  164 ff., 188 ff., 214 ff. 62  C. Schmidt, S.  218 ff., 224. 63  C. Schmidt, S.  226 f., 237. 64  C. Schmidt, S.  230, 233, 237. 60 

61 

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C. Gegenauffassungen in der Literatur

gung für das Merkmal die Zweckerreichung mit sich bringen, welche definitorisch mit folgender Ausnahmeregelung einhergeht: „Die Wahrscheinlichkeit der Zweckerreichung ist zu bejahen, wenn die Hauptforderung besteht oder wenn sie infolge Vermögensunzulänglichkeit des Hauptschuldners erlischt oder mit einer Einrede behaftet ist.“65 Nur so ließe sich auch diese Problematik innerhalb seiner entwickelten Vorstellungen zur Akzessorietät dogmatisch sauber bewältigen.

1. Auswirkungen auf die §§  765 ff. BGB Die dergestalt ausgeformte kausale Akzessorietät reduziert sich auf eine Neudefinierung des Akzessorietätsgedankens. Insofern sollen sich die Auswirkungen auf andere Bereiche der Bürgschaft darauf beschränken, die ohnehin schon geltenden Ergebnisse und Wertungen zu bestätigen und nur punktuell ihre Herleitung dogmatisch anders zu erklären oder atypische Problematiken besser aufzulösen. So etwa den vermögensbedingten Wegfall des Hauptschuldners oder die Bürgschaft auf erstes Anfordern. Bei letzterem Bürgschaftstypus besteht etwa die Schwierigkeit darin, die gelockerte oder fast vollständig aufgehobene Akzessorietät durch die Abbedingung aller Einreden des Bürgen zu rechtfertigen.66 Im Rahmen seiner dogmatischen Grundlagen ordnet er die Bürgschaft auf erstes Anfordern daher zwar weiterhin als inhaltlich kausales, äußerlich jedoch abstraktes Rechtsgeschäft ein.67 Dies resultiere wiederum aus einem doppelt vereinbarten Geschäftszweck, welcher sich nicht allein auf die Sicherung der Forderung beschränkt, sondern auch die Liquidität des Gläubigers absichern soll. Durch Letzteres käme sodann zum Ausdruck, dass es für die Wahrscheinlichkeit der Zweckerreichung gerade nicht auf das Bestehen der Hauptschuld ankomme und sie sich aus diesem Grund äußerlich als abstrakt darstellt.68 Der Charakter einer Bürgschaft gehe aber durch die verschiedentliche Einteilung von kausal und abstrakt dennoch nicht verloren und stelle auch keinen Widerspruch zu den gefundenen Wertungen dar, da die Gegenrechte des Bürgen nur temporär beschränkt seien. Aufgrund dessen, dass der Bürge im Fall des Nichtbestehens der Hauptforderung nämlich das Geleistete als rechtsgrundlose Leis-

C. Schmidt, S.  250. Vgl. BGH NJW-RR 1987, 683, 685 „gelockerte Akzessorietät“; fehlende Akzessorietät etwa Hadding/Welter, WM 2015, 1545, 1549 f.; Kopp, WM 2010 640, 641; C. Schmidt, S.  52; nur vorrübergehende Suspendierung aller Gegenrechte ohne Akzessorietätseinschränkung BeckOGK-BGB/Madaus, §  765 Rn.  304 ff. 67  C. Schmidt, S.  262. 68  C. Schmidt, S.  259. 65 

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III. Die kausale Akzessorietät nach C. Schmidt

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tung zurückfordern kann, wenn er nicht hätte leisten müssen69, spricht auch C. Schmidt von einer nur vorübergehenden äußerlichen Abstraktheit. Sie wandelt sich sodann wieder in eine äußerliche Kausalität um und entspricht damit seinem Akzessorietätsverständnis.70 Trotzdem gelingt ihm die rückstandlose Erklärung nicht in jeder Konstella­tion. Es bleibt etwa offen, wie die Einordnung eines Regressanspruches beim Bürgen gegenüber dem Hauptschuldner nach §  774 BGB abzuwickeln ist, wenn nach ganz h. M. die Hauptschuld mit Beendigung des vermögenslos gelöschten Haupt­ schuldners erlischt. Diesen gesellschaftsrechtlichen Umstand lässt C. Schmidt freilich völlig unangetastet, weswegen er seine Definition zur äußerlichen Kausalität auch von der Forderungsexistenz abgekoppelt hat. Soll die Bürgen­ haftung nun aber fortbestehen, ohne, dass sich Bürgenforderung oder Hauptschuld verselbstständigt hätten oder fingiert wurden, fehlt es an den Voraus­ setzungen des gesetzlichen Forderungsüberganges in §  774 BGB, welche neben einer bestehenden Hauptschuld auch deren Übertragbarkeit voraussetzt.71 Die Tatsache, dass die Bürgenhaftung nach dem hier referierten Verständnis im Rahmen der äußerlichen Kausalität eine Ausnahme beim Merkmal „Wahrscheinlichkeit der Zweckerreichung“ macht, ist zwar für die Bejahung der Haftung sinnvoll, wirft jedoch für den Bürgenregress Fragen auf, da sich hieraus nicht ohne Weiteres eine Lösung ergibt. Ähnlich wie bei der verselbstständigten Bürgenforderung durch die h. M. bleibt auch hier wohl nur zu vermuten, ob und wie sich das Schicksal eines dazugehörigen Regressanspruchs des Bürgen gegen den Hauptschuldner verhält. Falls ein Regressanspruch bestehen soll, ist die Herleitung jedenfalls völlig offen. Auch im Rahmen der Bürgschaftsübertragung ergibt sich keine mindere Problematik, da hier gleichfalls offen bleiben muss, wie ein Übergang ohne abtretungsfähige Hauptschuld vonstattengehen soll. Ein Vorteil dieser Auffassung gegenüber Rechtsprechung und h. L. ergibt sich in dieser Hinsicht also nicht.

2. Kritik und Stellungnahme Die Ansicht C. Schmidts ist ohne Zweifel ein umfangreiches Konzept für eine Neuorientierung der Akzessorietät in der Rechtswissenschaft. Allerdings ergeben sich, nicht nur beschränkt auf den Gesichtspunkt der hier thematisierten 69 

So zumindest in ständiger Rspr seit BGHZ 74, 244, 248; a. A. MüKo-BGB/Habersack, §  765 Rn.  104 m. w. N. in ergänzender Vertragsauslegung aus dem Bürgschaftsvertrag hergeleitet; BeckOGK-BGB/Madaus, §  765 Rn.  315 als verschuldensunabhängiger Schadenersatz­ anspruch analog §  600 Abs.  2 BGB, §  302 Abs.  4 S.  3 ZPO. 70  C. Schmidt, S.  275. 71  Vgl. BeckOGK-BGB/Madaus, §  774 Rn.  15.

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C. Gegenauffassungen in der Literatur

Problematik zum vermögenslos weggefallenen Hauptschuldner, Zweifel, welche eine Bevorzugung gegenüber der heute vorherrschenden Auffassung in Rechtsprechung und Lehre nicht rechtfertigen würden. Kritisch ist schon die Grundlage der Überlegungen anzusehen, welche davon ausgeht, dass in der effektiven Erreichung des Sicherungszwecks das maßgebliche Motiv für die Akzessorietät der Bürgschaft läge.72 Diese Annahme führt in der Folge dazu, dass sein neu entwickeltes akzessorisches Verständnis die Frage, ob Abstraktheit oder Kausalität (mithin Akzessorietät) vorliegt, nur von der Vereinbarung des Sicherungszwecks abhängig macht. Begründet wird dies mit der gesetzgeberischen Intention effektiver Zweckverwirklichung, die ihren Ausdruck in gesetzlich angeordneter Abhängigkeit der Hauptschuld gefunden habe. Letzteres sei wiederum Ausdruck der effizientesten Möglichkeit des Gesetzgebers, Sicherungsrechte durchzusetzen und daher nur mit der Akzessorietät als „kausale“ Verknüpfung gleichzusetzen.73 Allerdings übersieht diese Überlegung, dass die Akzessorietät mitnichten die einzige und höchste Möglichkeit einer effizienten Sicherung darstellt, wofür bspw. die höhere Verbreitung der nichtakzessorischen Grundschuld vor der akzessorischen Hypothek spricht.74 Begreift man dies vor allem auch dahingehend, dass die akzessorische Verknüpfung gerade dazu dienen soll, dem Bürgen vor einer Überbeanspruchung des Gläubigers zu schützen, wird die Überlegung sogar unlogisch. In diesem Fall ist die Akzessorietät nicht Ausdruck einer Effizienzsteigerung zugunsten des Gläubigers, sondern unentbehrliches Mittel zum Schutz des Bürgen, den es ohne eine gesetzliche Akzessorietätsanordnung nicht gäbe.75 Insofern ergeben sich dann auch keine Widersprüche in der unmittelbaren und dauernden Abhängigkeit der Bürgschaftsforderung durch die gesetzlichen Wertungen akzessorischer Ausnahmen, welche durch ein geändertes Verständnis korrigiert werden müssten.76 So ist das Gesetz u. a. in §  768 Abs.  1 S.  2 BGB lediglich darum bemüht, den Sicherungszweck der Bürgschaft durch einen übermäßigen Bürgenschutz nicht völlig zu entwerten und bringt daher die widerstreitenden Interessen der Parteien für bestimmte Fälle in Einklang.77 Als ähnlich problematisch muss auch das spezielle Verständnis eines Rechtsgrundes gesehen werden, dass sich in einen äußeren und inneren Tatbestand gliedert und dergestalt in der Lehre auch keine Durchsetzung erfahren hat. DieC. Schmidt, S.  53 ff. C. Schmidt, S.  56. 74 BeckOGK-BGB/Madaus, §  765 Rn.  25. 75 BeckOGK-BGB/Madaus, §  765 Rn.  25; MüKo-BGB/Habersack, §  765 Rn.  61; Lettl, WM 2001, 1316 f. 76  C. Schmidt, S.  59. 77 BeckOGK-BGB/Madaus, §  765 Rn.  25. 72  73 

III. Die kausale Akzessorietät nach C. Schmidt

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ses Verständnis weicht nicht nur von dem der h. M. ab, sondern lässt auch keine generelle oder verallgemeinerungsfähige Übertragung auf andere Fälle zu. Zweifel an der Zweckmäßigkeit der Auffassung werden aber auch an der hier vorliegenden Problematik erkennbar. Deutlich tritt dies vor allem an der Erweiterung der „Formel“ für den Rechtsgrund der Bürgschaft zutage. So liest sich die Ergänzung des Merkmals „Wahrscheinlichkeit der Zweckerreichung“ wie die abgelehnten Entwürfe der alten BGB-Kommission des 19. Jahrhunderts und könnte damit ebenso gut eine Erweiterung des §  768 Abs.  1 S.  2 BGB darstellen. Auch die hierzu aufgestellten Erwägungen, welche zu dieser Präzisierung geführten haben, orientieren sich im Wesentlichen an jenen des BGH, ohne dabei über dessen Lösungsansätze hinauszugehen. Während der BGH die Lösung in einer ungeschriebenen Akzessorietätsausnahme sieht, bedient sich das kausale Akzessorietätsverständnis im Prinzip keines anderen Ansatzes. Dadurch, dass die Korrektur im Rahmen der eigens gefundenen Akzessorietätsinterpretation vorgenommen wird, verlagert sich lediglich die Ausnahmeerwägung von Rechtsprechung und Literatur auf eine andere Ebene. Der eigentlich nur aktuell als Ausnahme von der Regel geltende Lösungsansatz wird somit in die Regel selbst eingebunden. Streng genommen macht es für diese Art der Lösung nämlich keinen Unterschied, ob man die Haftung des Bürgen beim vermögensbedingt weggefallenen Hauptschuldner mit einer Ausnahme der Akzessorietät begründet oder diese Ausnahme von vornherein als Teil der Akzessorietät selbst versteht. Als Alternative vermag diese Ansicht deshalb nicht zu überzeugen, da sie zur hier diskutierten Grundproblematik keinen neuen Ansatz bietet und in ihrer dogmatischen Herleitung wie auch Anwendung zu kompliziert erscheint. Sie bietet weder im Allgemeinen für die Bürgschaft noch im Speziellen für den weggefallenen Hauptschuldner einen spürbaren Vorteil. Gleichwohl auch sie die Problematik eleganter als die Rechtsprechung auflöst, muss sie sich doch gleichfalls den Vorwurf einer gewissen Beliebigkeit vorwerfen lassen, wenn sich das zunächst stringent hergeleitete Akzessorietätsverständnis in Anbetracht prominenter Bürgschaftsprobleme sogleich einer Korrektur unterworfen wird. Weder in dogmatischer Hinsicht noch vom Ergebnis betrachtet, lässt sich ein Mehrwert gegenüber der h. M. und einer verselbstständigten Bürgschaft feststellen, da die aktuell gängigen Problemlösungen zum Teil der Definitionen gemacht (vermögensloser Hauptschuldner), nur schwerlich überzeugen (Bürgschaft auf erstes Anfordern) oder offen bleiben (cessio legis, Bürgschaftsübergang).

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C. Gegenauffassungen in der Literatur

IV. Die Forderungsfiktion Daneben tritt noch eine dritte Gruppe, welche die Idee einer gesetzlichen Fiktion aufgreift.78 Diese Auffassung fingiert die eigentlich erloschene Hauptschuld, um somit die Akzessorietät und damit die Bürgschaftsverpflichtung aufrechtzuerhalten. Sie wird gelegentlich79 auf K. Schmidt zurückgeführt, welcher die Wertungen des BGH dogmatisch dergestalt eingeordnet hätte, dass mit der fortbestehenden Bürgenhaftung, die sich noch immer akzessorisch an der eigentlich erloschenen Hauptschuld orientiere, eine Fiktion der Hauptschuld einhergehen müsse.80 Sodann wäre dieser Schluss aber von ihm gezogen worden, obwohl sich der BGH von der Idee einer Fiktion der Hauptschuld distanzierte und ausdrücklich auf die Verselbstständigung der Bürgenverpflichtung abstellte.81 Tatsächlich aber war die Fiktion nur eine hilfsweise Überlegung von K. Schmidt, die er lediglich als notwendige Konsequenz ansah, wenn mit dem damals vom BGH begründeten Verständnis einer verselbstständigten Bürgschaft, nicht auch dessen selbstständige Abtretung einhergehen würde. Denn grundsätzlich bliebe es bei der Anordnung des §  401 Abs.  1 BGB, wonach die Bürgschaft selbst nicht abgetreten werden kann, sondern nur die zugrundeliegende Hauptschuld. Wolle man also dies nicht akzeptieren, dann wäre es ihm zufolge nur sinnvoll, die Hauptschuld generell zu fingieren, nicht nur zum Zwecke der Abtretung. Das Fingieren einer Forderung ist aber nicht erst seit der Problematik rund um den weggefallenen Hauptschuldner in den Fokus gerückt, sondern schon an anderer Stelle in der zivilrechtlichen und zivilprozessualen Dogmatik anerkannt. So etwa prozessual bei der fingierten Abgabe einer Willenserklärung nach §  894 ZPO oder materiell-rechtlich bei der „forderungsentkleideten Hypothek“. Bei Letzterem überträgt der als Hypothekengläubiger Eingetragene eine nicht mehr bestehende oder fremde Forderung dem Zessionar. Die Inhaberschaft bzw. das Bestehen der Forderung wird dann nach §  1138 i. V. m. §  892 Abs.  1 S.  1 BGB für eine juristische Sekunde fingiert.82 Die Fiktion findet auch nach teilweise vertretener Ansicht im Gesellschaftsrecht Anwendung, wenn sich im Rahmen der Nachtragsliquidation herausstellt, dass eine eigentlich voll-

78 

Die Forderungsfiktion war eine Idee der Revision, BGHZ 82, 323 (327); ähnlich aber schon Geib, S.  100, welcher die untergegangene Hauptschuld gegenüber dem Bürgen gleichsam fingieren (perpetuieren) wollte. Als Vertreter dieser Ansicht Klose, WM 2009, 300, 301; BeckOGK-BGB/Madaus, §  765 Rn.  138.4; MüKo-BGB/Habersack, §  767 Rn.  6a. 79  So jedenfalls von C. Schmidt, S.  73. 80  BGH ZIP 1982, 294 m. Anm. K. Schmidt. 81  BGHZ 82, 323, 327. 82  Vgl. hierzu MüKo-BGB/Eickmann, §  1138 Rn.  15.

IV. Die Forderungsfiktion

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beendete Gesellschaft noch Vermögen besitzt.83 Der Vorschlag einer Forderungsfiktion zur Überbrückung erscheint deshalb auch nicht per se unzulässig, gleichwohl sie der BGH im Zusammenhang mit der Bürgschaft zwar abgelehnt, aber nicht generell für unzulässig erklärt hatte. Dabei erweist sich die Forderungsfiktion als komfortable Möglichkeit, die Grundproblematik gut aufzulösen, da die fingierte Forderung die Bürgschaft einfach weiter aufrechterhält und das Verhältnis zwischen Gläubiger und Bürgen unangetastet lässt. Materiellrecht­lich ergeben sich dieselben Konsequenzen, die auch bestehen würden, wenn die ursprüngliche Hauptschuld nicht weggefallen wäre.

1. Auswirkungen auf die §§  765 ff. BGB Die aufgezeigten Folgeprobleme des BGH werden bei der Forderungsfiktion schon im Ansatz vermieden. Dadurch, dass die Hauptforderung weiterhin, wenn auch nur fingiert, bestehen bleibt, kommt es zu keinerlei Widersprüchen der §§  765 ff. BGB, wenn man – wie kritisch oben aufgezeigt – die fingierte Hauptforderung dauerhaft und bedingungslos in jeglichen Belangen der erloschenen Hauptforderung gleichstellt. Geschieht des konsequent, bleiben alle im Zusammenhang mit der Bürgschaft stehenden Vorschriften ohne Abweichung und Schwierigkeiten anwendbar. Eventuelle Kompromisse oder die Begründung mittels Ausnahmeregelungen zur Korrektur des Gesamtergebnisses entfallen.

2. Kritik und Stellungnahme Allerdings geht mit der fingierten Forderung ebenso die Gefahr einer zur Rechtsunsicherheit führenden Vervielfältigung einher. Es müsste geklärt werden, wie lange und in welchem Zustand, d. h. als Naturalobligation oder Vollrecht, die Forderung zu fingieren ist. a) Ewige Fiktion So lässt sich eine nicht existente Forderung für den überschaubaren Zeitraum einer juristischen Sekunde noch gut rechtfertigen, um damit kleinere dogmatische Schwierigkeiten mit großer Wirkung in einen angemessenen Ausgleich zu bringen, wie etwa bei der der forderungsentkleideten Hypothek. Zumal die Fiktion im zuletzt genannten Fall einzig dem Zweck des Hypothekenübergangs dient und für sich betrachtet durch die Forderungsfiktion keine kollateralen Ne83  So etwa bei Anhängern der Fiktionstheorie, welche die eigentlich erloschene Gesellschaft fingieren, siehe hierzu ausführlich unter Abschnitt E. II. 2. b) aa).

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C. Gegenauffassungen in der Literatur

benwirkungen entfacht. Anders wird dies jedoch im Fall der Bürgschaft sein müssen, da es die Forderung als Hauptschuld nicht nur für einen einzigen Vorgang, also den Bürgschaftsanspruch des Gläubigers bedarf, sondern auch für die Regressansprüche des Bürgen. Dabei müsste die Fiktion derart weitreichend sein, um dem Bürgen dauerhaft den Zugriff auf zugunsten der Hauptschuld bestellte Sicherungsrechte zu ermöglichen. Hinzu kommt, dass ihre Übertragbarkeit nach §  401 BGB gewährleistet bleiben muss, so dass mit der Fiktion gleichzeitig auch eine unveränderte Abtretungsfähigkeit der Hauptschuld einherzugehen hat. Ansonsten gäbe es keinen Vorteil zur verselbstständigten Bürgschaft, die selbstständig und ohne Rücksicht auf §  401 Abs.  1 BGB übergehen kann. Ähnlich wie bei der forderungsentkleideten Hypothek würde also auch in diesem Fall die fingierte Hauptschuld als Bindeglied für die Abtretung der Bürgschaft selbst dienen. Während die Fiktion jedoch bei der Hypothek auf eine juristische Sekunde begrenzt ist, wäre dies bei der Hauptschuld anders, da es hier nicht bloß um einen einzigen kurzen Übertragungsvorgang geht, sondern um eine dauerhafte lebenserhaltende Konstruktion. Insofern muss die Hauptschuld dauerhaft fingiert werden, um das hierauf basierende Vermögen planungsfest in der Bilanz des Gläubigers bzw. regeressberechtigten Bürgen zu simulieren. Überdies würde es absonderlich anmuten, wenn der Bürge Verzugszinsen auch für den Zeitraum der weggefallenen Hauptschuld zahlen müsste, weil deren Bestehen weiterhin fiktiv angenommen wird. Mindestens im selben Maße verwirrend wäre die Sanktionierung eines Gläubigers, welcher eine Sicherheit auf die nicht mehr bestehende Forderung i. S. d. §  776 BGB aufgibt. Handelt es sich also bei der Forderungsfiktion um eine allumfassende Strategie, bedarf es daher zunächst einer konkreten gesetzlichen Legitimation, wie sie bei ähnlich weitreichenden und dauerhaften Fiktionen üblich ist (vgl. §  894 ZPO). Eine bloß richterrechtlich begründete Herleitung würde den hiermit einhergehenden Fragen in Bezug auf die Reichweite und Folgen der Fiktion nicht gerecht werden. Hinzu kommt ein gewisses Glaubwürdigkeitsproblem, dem jede wie auch immer geartete Fiktion unterliegt, wenn es etwas eigentlich Ungleiches gleichsetzt.84 Indem man die Forderung zunächst wegfallen lässt, nur um sie später doch wieder zurückzuholen, stellt sich immer auch die Frage, weshalb der Wegfall überhaupt nötig ist und ob es nicht einen Weg zur Erhaltung gibt. Dies wäre mit der hier vertretenen These der Fall, welche die alles entscheidende Hauptschuld vollumfänglich bestehen lässt.

84 Vgl.

Larenz/Canaris, S.  83.

IV. Die Forderungsfiktion

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b) Fiktion nur bei Vereinbarung Eine Steigerung dieser Kritik erfährt die vom OLG Hamm als Revisionsinstanz zu BGHZ 82, 323 ursprüngliche Idee, eine Forderungsfiktion nicht in jedem Falle, sondern nur bei privatautonomer bzw. formularmäßiger Vereinbarung der Parteien zuzulassen.85 Eine derartige Vereinbarung im Speziellen würde, wie auch schon Bürgschaftsverträge im Allgemeinen, jedoch weniger individualvertraglich als vielmehr formularmäßig geschlossen werden.86 Für relevanter, und damit vordringlich zu erörtern, dürfte daher die Frage nach der Zulässigkeit einer solchen formularmäßigen Vereinbarung im Rahmen einer AGB-Kontrolle nach §§  305 ff. BGB gehalten werden. Unwirksam und damit gegen §  307 Abs.  1, Abs.  2 Nr.  1 BGB wäre eine formularmäßig getroffene Vereinbarung nur dann, wenn sie dem gesetzlichen Leitbild der Akzessorietät aus den §§  767, 768, 770 Abs.  1 BGB widerspräche.87 Gemeint sind hiermit nach ständiger Rechtsprechung etwa Fälle, in denen der Bürge pauschal bzw. ausnahmslos auf seine ihm zustehenden gesetzlichen Einwendungen und Einreden verzichtet und damit von dem Grundgedanken einer Haftung, die von der gesicherten Forderung abhängig ist, nichts mehr übrig bliebe.88 Würde nun die fortdauernde Verpflichtung des Bürgen trotz weggefallener Hauptschuld formularmäßig zwischen den Parteien vereinbart, stellt dies aber eine bloß partielle Kürzung der Bürgeneinreden dar und keine generelle. Höhlen die Klauseln in ihren Wirkungen hingegen den akzessorischen Grundgedanken der Bürgschaft nicht aus und bewahren die hiermit verbundenen Vorteile des Bürgen, dann sind der Ausschluss einzelner Einreden des Hauptschuldners durch den Bürgen zulässig.89 Dabei spielt es vorliegend für die rechtliche Zulässigkeit keine Rolle, ob die Klausel sich darauf beschränkt, die Haftung des Bürgen beim vermögensbedingten Wegfall des Hauptschuldners pauschal fortzusetzen oder in diesem Falle konkret die Fiktion der erloschenen Hauptschuld anzuordnen. Handelt es sich doch beim bloßen Ausschluss der Erhebung bzgl. des Fehlens der gesicherten Forderung nur um eine einzelne Fallgruppe, welche die Akzessorietät zwar lockert, aber nicht vollständig aufgibt. Ganz ähnlich verhält es sich bei der Vereinbarung einer Fiktion, welche zwar mit sehr viel weitreichenderen Folgen einhergeht, dabei allerdings nicht zwangsläufig einseitig 85  Ähnlich

auch BeckOK-BGB/Rohe, §  767 Rn.  5, 12; welcher bei getroffener Vereinbarung nur die Bürgschaft unter Verweis auf BGHZ 82, 323 verselbstständigen will und gerade nicht die Hauptschuld. Bei fehlender Vereinbarung hierüber sieht er die Bürgschaft in diesen Fällen als unwirksam an. 86 BeckOGK-BGB/Madaus, §  768 Rn.  33. 87 BeckOGK-BGB/Madaus, §  765 Rn.  216. 88  BGHZ 181, 278; 179, 374; 147, 99; BeckOGK-BGB/Madaus, §  768 Rn.  34. 89  Vgl. BeckOGK-BGB/Madaus, §  765 Rn.  217; §  768 Rn.  35 m. w. N.

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C. Gegenauffassungen in der Literatur

zulasten des Bürgen wirkt, sondern mit beiderseitigen Chancen und Risiken der Parteien verbunden wäre. Demzufolge wäre es nicht nur konsequent, dem Gläubiger die Durchsetzung seiner Bürgschaftsforderung zu ermöglichen, sondern auch dem Bürgen alle Vorteile einer weiterhin existierenden Hauptforderung. Das meint dann eben auch die dauernde Erhebung von eventuell bestehenden Einreden und Einwendungen (Verjährungseinrede), damit dem Vorwurf einer unangemessenen Benachteiligung des Bürgen gemäß §  307 Abs.  1 BGB kein Vorschub geleistet werden kann. Schließlich würde die Klausel auch nicht mit Blick auf die Wertungen des BGH in Bezug auf eine eventuell zu befürchtende Änderung der Rechtsnatur hin zu einer Garantieverpflichtung90 unzulässig sein. Argumentiert der BGH bereits im Rahmen des Bürgschaftszwecks dahingehend, dass das Interesse des Gläubigers an der Leistung des Bürgen vor dem Akzessorietätsprinzip der Bürgschaft überwiegt, könnte gleichfalls nichts anderes bei einer Inhaltskontrolle nach §§  307 Abs.  1, Abs.  2 Nr.  1 BGB gelten. Ob dies auch bei einer privatautonomen Vereinbarung so gilt, muss wenigstens als fragwürdig angesehen werden, wenn man nicht den übereinstimmenden Willen der Parteien, den Bürgen nicht-akzessorisch haften zu lassen, eher als Schuldbeitritt oder Garantie, denn als Bürgschaft qualifizieren will.91 Zumindest aber sah auch das OLG Hamm hieran nichts evident Widersprüchliches, da es sonst den Vorschlag gar nicht erst ernsthaft unterbreitet hätte. Gleichwohl es sich bei der Fiktion letztlich nur um eine Modifizierung der Bestandsakzessorietät für die Fallgruppe des vermögenslos weggefallenen Hauptschuldners handelt, sind die Nachteile des Bürgen jedoch überragender. Zwar bleiben die restlichen Regelungen und Prinzipien des Bürgschaftsrechts außerhalb dieser Fallgruppe vollkommen unangetastet, aber eben nur im Verhältnis Gläubiger und Bürge. Dadurch, dass die Fiktion nur zwischen diesen beiden Parteien vertraglich fingiert wurde, ist der Regress beim Hauptschuldner nach §  774 Abs.  1 BGB für den Bürgen unmöglich, wenn er durch eine vergleichbare Vereinbarung im Verhältnis zum Hauptschuldner die Forderung nicht gleichfalls fingiert. Hieran wird zugleich die Schwäche der vom OLG Hamm vorgeschlagenen Variante im Gegensatz zur gesetzlichen Fiktion deutlich, die den Bürgen vor die Herausforderung stellt, sich selbst einen vertraglichen Regeressanspruch zu organisieren, da er sich auf den gesetzlichen Regressanspruch in diesem Fall nicht verlassen kann. Diese Angelegenheit verschärft sich nochmals, wenn man bedenkt, dass ein vertraglicher Regressanspruch des Bürgen im Innenverhältnis zum Hauptschuldner (§  670 BGB) aber ebenso 90 

Vgl. BGHZ 95, 350, 356 f. zur individualvertraglichen Abbedingung der Akzessorietät BeckOGK/Madaus, §  765 Rn.  213, §  768 Rn.  31 f. 91  Vgl.

IV. Die Forderungsfiktion

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völlig nutzlos ist, wenn Letzterer untergegangen ist. Abhilfe kann sich der Bürge darum auch nicht mit einer weiteren, gegenüber dem Hauptschuldner abgeschlossenen Fiktionsvereinbarung verschaffen, da dessen Wegfall nicht nur die Hauptschuld, sondern sämtliche auch gegenüber dem Bürgen getroffene Rechtsverhältnisse betrifft. Stimmt der Bürge mithin einer vereinbarten Fiktion der Hauptschuld (auch) für den Fall zu, dass der Hauptschuldner vermögensbedingt wegfällt, kommt dies also einem pauschalen Verzicht jeglicher Regressmöglichkeiten gleich. Schwierigkeiten könnten sich nun dahingehend ergeben, dass das Abbedingen der cessio legis nach §  774 BGB zwar nicht per se für unzulässig gehalten wird92 , allerdings zumeist unter dem Vorbehalt einer immerwährenden Regressmöglichkeit des Bürgen im Innenverhältnis über §  670 BGB steht.93 Weil dieser Aufwendungsersatz dem Bürgen mangels vorhandenen Hauptschuldners jedoch faktisch nicht mehr zusteht, droht mit der Vereinbarung eine vollständige Regresslosigkeit und damit eine Aufhebung der für die Bürgschaft typischen Interzession. Im Gegensatz zur gesetzlich angeordneten, muss sich eine formularmäßig vereinbarte Fiktion an diesen Überlegungen messen lassen können, weswegen die Zulässigkeit unter diesem Gesichtspunkt zumindest als fraglich angesehen werden muss.94 Mildern ließe sich diese Einschätzung wohl nur unwesentlich, wenn mit der Fiktion geringstenfalls noch die Übertragung anderer – ebenfalls durch die Fiktion gesicherter – (nicht‑) akzessorischer Sicherungsrechte einherginge. c) Ergebnis Im Ergebnis ist damit zu konstatieren, dass die Fiktion der Hauptschuld ein dogmatisch denkbares und sicherlich auch probates Mittel für den Erhalt der Bürgschaft darstellt. Kann man die oben erwähnten Bedenken überwinden, bietet sie, zumindest bei gesetzlich angeordneter Fiktion, wenn auch nicht die, so doch aber eine der schonendsten Lösungen zur Auflösung des Grundproblems. Die Forderungsfiktion kommt dabei nicht nur zum gleichen Ergebnis wie der BGH, sondern fügt sich störungsfrei in die Bürgschaftssystematik ein, indem sie die Rechte des Bürgen entsprechend der gesetzlichen Vorschriften vollumfänglich beibehält, ohne dabei auf gesonderte Begründungskonstruktionen ab92 

RGZ 148, 65, 66; BGHZ 92, 374, 382; OLG Köln NJW-RR 1989, 1266; Staudinger/Horn (2013), §  774 Rn.  24; MüKo-BGB/Habersack, §  774 Rn.  14; Soergel/Gröschler, §  774 Rn.  15. 93 BeckOGK-BGB/Madaus, §  774 Rn.  86, vgl. ebenso MüKo-BGB/Habersack, §  774 Rn.  14. 94 BeckOGK-BGB/Madaus, §  774 Rn.  86 und MüKo-BGB/Habersack, §  774 Rn.  14 müssten dann wohl beide eine solche Vereinbarung als unzulässig deklarieren, wenn sie den unveränderten Charakter der Interzession bei der Bürgschaft als Voraussetzung für einen vollständigen Ausschluss der Legalzession ansehen.

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C. Gegenauffassungen in der Literatur

stellen zu müssen. Es kann überdies nicht nur auf Bürgschaften beschränkt bleiben, sondern für jegliche akzessorische Sicherungsinstrumente gleichermaßen verwandt werden. Als Instrument für eine einfach begründetere und nachvollziehbarere Lösung stellt sie damit unter allen fremden Vorschlägen noch die effektivste Alternative dar. Allerdings ist auch die Forderungsfiktion nicht frei von Unstimmigkeiten, da sie den Interzessionscharakter der Bürgschaft mit der als ungeklärt zu erkennenden Regressmöglichkeit des zahlungsverpflichteten Bürgen völlig aufzuheben scheint. Wenngleich diese Kritik ganz generell für die Fiktion konstatiert werden kann, tritt ein dahingehend erhöhter Rechtfertigungsdruck für die Alternative einer individualvertraglichen bzw. formularmäßigen Vereinbarung ein, da die Festlegung definitiver Regresslosigkeit des Bürgen bisher nur dem Gesetzgeber vorbehalten blieb (§§  254 Abs.  2 S.  2, 301 Abs.  2 S.  2 InsO). Hinzu kommt, dass der Ansatz in einer ergebnisorientierten Argumentation überhaupt erst ihren Ursprung fand. So steht die Idee einer Fiktion dogmatisch auf derselben Stufe wie die Argumentation des BGH, das strenge Akzessorietätsprinzip allein aufgrund des Zweckes auszusetzen. Des Weiteren, dass Reichweite und Dauer der Fiktion erst noch geklärt und allgemein anerkannt werden müssten. Nicht vollkommen unbeachtet sollte auch die mit einer Fiktion einhergehende beeinträchtigte Rechtssicherheit sein, da fingierte Rechtsverhältnisse eben nur simulierte und keine tatsächlichen Rechtsverhältnisse darstellen. Der Idealzustand einer noch vollständig vorhandenen Forderung des Gläubigers wird hier nur fingiert. Die Forderungsfiktion muss daher als verdecktes Eingeständnis all jener Vertreter gewertet werden, dass eigentlich nur das Vorhandensein einer zugrundeliegenden Hauptschuld die gesamte Problematik widerspruchslos lösen kann.

D. Eigene denkbare Lösungsansätze Bei genauerem Betrachten erweisen sich damit sowohl die Rechtsprechung im Rahmen der verselbstständigten Bürgschaft als auch die in der Literatur hierzu vertretenen Gegenauffassungen als nicht stichhaltig. Keine der vorgestellten Literaturmeinungen ist dabei tragfähig genug, als Alternative zur h. M. aufzutreten, da sie ausnahmslos an anderer Stelle neue Schwierigkeiten auslösen und damit ihre zunächst gewonnene Überzeugungskraft selbst relativieren. Folglich kann es als gerechtfertigt angesehen werden, eigene und vor allem neue Lösungsansätze zu diskutieren. Als diskutabel erscheint es daher, ob Lösungsansätze inner- und außerhalb des BGB gefunden werden können, die ggf. im Wege einer Analogie oder Rechtsfortbildung als Vorbild taugen. Neben einem genaueren Blick ins BGB kämen hierfür andere Gesetzeswerke, die sich in ähnlicher Art und Weise mit dem Schicksal weggefallener Hauptschuldner befassen, wie etwa die Insolvenzordnung, in Betracht. Darüber hinaus soll ein rechtsvergleichender Blick in gleich zweifacher Hinsicht vorgenommen werden. Zum einen in die Zukunft eines gesamteuropäischen Rechtssystems mit einer Betrachtung des Draft Common Frame of Reference, einer Blaupause zukünftigen europäischen Privatrechts, und zum anderen in die Vergangenheit mit dem Preußischen Allgemeinen Landrecht, dessen Geltungsbereich zwei Drittel Deutschlands umfasste. Anschließend wird sich zeigen, inwiefern die dargestellten Ansätze überzeugen oder zumindest als Ausgangspunkt einer tragfähigeren Auffassung dienen können.

I. Ansätze im BGB abseits der Bürgschaftsregelungen Die eigenen Untersuchungen beginnen beim BGB und bei gelegentlich in anderen Zusammenhängen diskutierten Ansätzen. Eventuell ergeben sich hieraus bereits Schlussfolgerungen für die in Frage stehende Problematik. Insbesondere Überlegungen zum Wegfall der Geschäftsgrundlage und dem Verhältnis zwischen Bürgschaft und Schuldbeitritt stehen hierbei im Mittelpunkt der Betrachtung.

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D. Eigene denkbare Lösungsansätze

1. Störung der Geschäftsgrundlage Zumindest denkbar erschiene es, mithilfe der Grundsätze über die Störung der Geschäftsgrundlage in §  313 BGB eine Lösung herbeizuführen, gleichwohl dem im Rahmen der Bürgschaft bisher ein überwiegend geringer Anwendungsbereich eingeräumt wird.1 Will man trotzdem eine Argumentation wagen, käme als Geschäftsgrundlage der zwischen Bürge und Gläubiger abgeschlossene Bürgschaftsvertrag in Betracht. Gestört ist die Geschäftsgrundlage, wenn die Parteien bei Vertragsschluss einer Fehlvorstellung unterlagen und ohne diese Fehlvorstellung den Vertrag nicht oder nur mit anderem Inhalt abgeschlossen hätten (§  313 Abs.  2 BGB).2 Als Fehlvorstellungen können auch später vorliegende Umstände herangezogen werden, die nicht bereits bei Vertragsschluss vorlagen oder absehbar waren – wie eben der Wegfall des Hauptschuldners. a) Fehlvorstellung in Bezug auf den Hauptschuldner Es böten sich hierfür nun zwei verschiedene Erklärungsmuster an: Im Rahmen des ersten Ansatzes argumentiert man zugunsten des Bürgen, indem man den Wegfall des Hauptschuldners infolge seines Vermögensverfalls als eine Fehlvorstellung in Bezug auf seine Bonität oder unvorhersehbare Entwicklung deklariert. Ist es dem Bürgen infolgedessen unzumutbar, an der Bürgschaft festzuhalten und kommt eine Anpassung nicht in Frage, kann er die Auflösung des Bürgschaftsvertrags erklären, §  313 Abs.  3 BGB. Dies geschehe dann unabhängig von der Rechtsprechung des BGH und der verselbstständigten Bürgschaft. Diese bezieht sich nur auf die Entkoppelung der Bestandsakzessorietät. Der ursprüngliche Bürgschaftsvertrag aber bliebe unberührt und daher über §  313 BGB weiter angreifbar. Trotz vereinzelter Tendenzen3 hätte eine solche Argumentation jedoch keine juristische Grundlage. Weil die Bürgschaft ihre Zahlungsverpflichtung gerade aus dem Unvermögen des Hauptschuldners zu leisten herleitet, kann genau jener Umstand nicht Gegenstand eines Irrtums beim Bürgen sein.4 Die Fehlein1  So schon RGZ 146, 376, 379; vgl. auch BeckOGK-BGB/Madaus, §  765 Rn.  167; Henssler, S.  328 ff. 2 BeckOGK-BGB/Martens, §  313 Rn.  1. 3  Die Idee hierzu fußt auf Einzelfallentscheidungen des BGH. So war bspw. in BGH NJW 1966, 448 noch der unerwartete Konkursantrag des Hauptschuldners oder der (denkbare) Verlust einer Hauptforderung infolge von Kriegsereignissen, BGH NJW 1960, 1052, Grund für eine Fehlvorstellung gewesen. Hierauf fußt der Gedanke, dass sich eine ebenso schnelle liquidationslose Beendigung des Hauptschuldners – etwa nach §  394 FamFG – als ebenso unerwartet und schützenswert darstellt. 4 BeckOGK-BGB/Madaus, §  765 Rn.  168.

I. Ansätze im BGB abseits der Bürgschaftsregelungen

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schätzung des Bürgen in Bezug auf die Leistungsfähigkeit des Hauptschuldners ist daher ein typisches Bürgenrisiko, welches zwar Geschäftsgrundlage, nicht aber Basis einer Fehlvorstellung sein kann.5 Der Grund für die Ablehnung des §  313 BGB im Rahmen der Bürgschaft sind die Besonderheiten des einseitig auf Risikoübernahme gerichteten Bürgschaftsvertrages. Wird diesem nicht mehr Rechnung getragen, indem die Risikoverteilung Gegenstand von Fehlvorstellungen wird, führt dies zur Entwertung des gesamten Instituts.6 Dieses Ergebnis ergibt sich auch abseits aller spezifisch bürgschaftsrechtlichen Erwägungen, da die wirtschaftlichen Verhältnisse der Parteien und ihre weitere Entwicklung im Rahmen des §  313 BGB ohnehin keine Berücksichtigung finden.7 Der Wegfall der Geschäftsgrundlage kommt für den Bürgen deshalb in diesem Zusammenhang nicht in Betracht und wäre auch für die vorliegende Problematik wenig hilfreich gewesen. b) Fehlvorstellung in Bezug auf den Bürgen Die zweite Argumentation würde zugunsten des Gläubigers wirken und eine Alternative zur h. M. und des hier untersuchten Themas darstellen. Als Geschäftsgrundlage käme hier die von Beginn an unzutreffende Vorstellung des Gläubigers in Betracht (§  313 Abs.  2 BGB), dass der Bürge auch beim vermögensbedingten Wegfall des Hauptschuldners für die (weggefallene) Hauptschuld einzustehen habe. Ignoriert man nun die Lösung der Rechtsprechung und macht sich nur deren Argumentation zunutze, stellt sich genau diese Vorstellung des Gläubigers als unzutreffend heraus. Die Verselbstständigung der Bürgschaft und die Durchbrechung der Akzessorietät werden gerade deshalb notwendig, weil sich anhand der Bürgschaftsvorschriften keine Zahlungsverpflichtung des Bürgen ergibt. Aus diesem Grund wäre die Annahme des Gläubigers, der Bürge müsse auch im Falle des wegen Vermögensverfalls entfallenen Hauptschuldners zahlen, also falsch. In diesem Fall liegt dann nicht nur eine tatsächliche Regelungslücke des Bürgschaftsvertrags vor, sondern auch eine gesetzliche, da die Regelungen der Bürgschaft die Zahlungsverpflichtung dem Bürgen nicht ausdrücklich zuweist. Ganz im Gegenteil, der Akzessorietätsgrundsatz würde sogar noch dagegen sprechen. Hätte er hingegen gewusst, dass Derartiges vom Gesetz gar nicht umfasst ist – ansonsten wäre eine bloß richterrechtlich begründete Akzessorietätsausnahme nicht notwendig gewesen – hätte er in diesen Fäl-

5  RGZ 158, 166, 175 f., 163, 91, 96 f.; BGHZ 128, 230, 236; 88, 185, 191; BGH NJW 1966, 448, 449; vgl. allg. aus der Lit. BeckOGK-BGB/Madaus, §  765 Rn.  167 ff. 6 Erman/Böttcher, §  313 Rn.  50; Henssler, S.  329 ff. 7 BeckOGK-BGB/Martens, §  313 Rn.  246.

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D. Eigene denkbare Lösungsansätze

len keine Bürgschaft, sondern eine andere (Personal-)Sicherheit abgeschlossen.8 Da insofern auch der Rechtsirrtum dem Tatsachenirrtum gleichgestellt ist, kommt diese Fehlvorstellung als Geschäftsgrundlage auch durchaus nach §  313 Abs.  2 BGB in Betracht.9 Würde man nun die Grundsätze zur Störung der Geschäftsgrundlage anwenden, müsste der Gläubiger vor Loslösung des Vertrags, was ohnehin seinem Interesse widerspricht, Anpassung des selbigen verlangen. In Anbetracht der Herkunft des Rechtsinstituts aus §  242 BGB10 könnte diese Anpassung dabei so weit reichen, dass sie entweder zu einem Ausschluss der Bestandseinrede durch den Bürgen oder zu einem völlig neuen Vertragstyp führt. In diesem Fall wandelt sich die Bürgschaft in den naheliegendsten Typus für die unbedingte Einstandspflicht eines Dritten um: die Garantie.11 Allerdings stünden dieser Überlegung einige noch zu klärende Hindernisse entgegen. Vor allem der bereits erwähnte Grundsatz, dass Vorstellungen in Bezug auf die typische Risikoverteilung der Parteien keine irrtumsfähige Geschäftsgrundlage i. S. d. §  313 BGB darstellen. Dass diese auch im Rahmen der Bürgschaft nicht unterlaufen werden darf, wird in Literatur und Rechtsprechung stets nur beispielhaft anhand der Fehlvorstellungen des Bürgen und seines Leistungsrisikos erläutert.12 Weitgehend ungeklärt sind die Fälle, in denen, wie hier, der Gläubiger einer Fehlvorstellung unterliegt. So handelt es sich nämlich nicht um eine Erwartung des Bürgens über seine Inanspruchnahme oder der Leistungsfähigkeit des Hauptschuldners, sondern um eine Vorstellung des Gläubigers. Dieser irrt sich nämlich über die Zahlungspflicht des Bürgen. Trotz der eindeutigen Bezugnahme würde die Risikobetrachtung beider Parteien der Anwendung des §  313 BGB daher nicht entgegenstehen, weil sie nicht die typische Risikoverteilung innerhalb der Bürgschaft entwertet, sondern sie durch die vorzunehmende Korrektur erst wiederherstellt. Problematischer könnte hier indes sein, dass die Grundsätze des §  313 BGB nur dann in Betracht gezogen werden können, wenn eine gemeinschaftliche

8  Die Idee hierzu begründet sich auf der Überlegung, dass ein nach §  313 BGB beachtlicher Irrtum auch auf die Rechtsnatur des Vertrags gestützt werden kann, so nämlich BAG NJW 1987, 918 zum Fehlverständnis eines Gesellschaftsvertrages als Arbeitsvertrag. 9  BGHZ 25, 390, 392 Umstellungssatz bei Währungsreform; BGH NJW 1986, 1348, 1349 noch keine Verjährung; 2005, 2069 Bestehen von Versicherungsschutz. 10  Vgl. Erman/Böttcher, §  313 Rn.  41. 11  A. A. Beitzke, NJW 1952, 841, 844, welcher die Vertragsanpassung im Rahmen der Störung der Geschäftsgrundlage zwar nicht generell ablehnt, aus Gründen des Bürgenschutzes aber der Anpassung des Vertrags hin zu einer Garantie widerspricht. 12  St. Rspr. BGHZ 88, 185, 191; 107, 92, 104; Erman/Herrmann, 14.  Aufl. 2014, §  765 Rn.  15; MüKo-BGB/Finkenauer, §  313 Rn.  226 f.; Reinicke/Tiedtke, S.  73; Lwowski/Fischer/ Langenbucher, S.  311, Rn.  135; Bülow, S.  324; Henssler, S.  334.

I. Ansätze im BGB abseits der Bürgschaftsregelungen

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Fehlvorstellung zugrunde liegt.13 Regelmäßig würde sich wohl nur der Gläubiger, nicht aber der Bürge auf diese für ihn günstige Fehlvorstellung berufen, sodass sich die Fehlvorstellung des Gläubigers stets als einseitiger Rechtsirrtum darstellt. Einseitige Fehlvorstellungen sollen dem jedoch gleichgestellt werden, wenn die andere Partei von der Erwartungshaltung Kenntnis genommen hat bzw. unwidersprochen in den dem Vertrag zugrundeliegenden Geschäftswillen aufgenommen wurde.14 Aufgrund dessen, dass nicht zuletzt der BGH im Rahmen seiner Erwägungen davon ausgeht, dass die Haftung des Bürgen auch in diesem Fall schon vom Zweck der Bürgschaft getragen ist, ließe sich also eine beiderseitige diesbzüglich Erwartungshaltung kaum verleugnen. Eher unproblematisch ist schließlich die Begründung für die Unzumutbarkeit des Gläubigers, am unveränderten Vertrag weiter festzuhalten. Macht man sich auch hier wieder die Intention des BGH zunutze, ergibt sich die Unzumutbarkeit aus dem Bürgschaftszweck, der gerade darin zu sehen ist, in der Not des Hauptschuldners, vor allem bei dessen vermögensbedingtem Wegfall, eine alternative Befriedigungsmöglichkeit anzubieten. Wäre es dem Gläubiger nämlich zumutbar, in diesem Fall auf die Leistung des Bürgen verzichten zu können, hätte es keiner höchstrichterlichen Bestätigung der Bürgenhaftung bedurft. Somit stellt die fehlende Zahlungspflicht des Bürgen in diesem Fall ein nach Recht und Gerechtigkeit schlechthin nicht zu vereinbarendes Ergebnis dar15 und würde somit die Berichtigung des Vertrags über §  313 BGB rechtfertigen. Trotz der vorstehenden Ausführungen, welche die Möglichkeit einer Anpassung der Geschäftsgrundlage über §  313 BGB für die vorstehende Problematik aufzeigen, kann dies nicht als alternativer Erklärungsansatz in Betracht kommen. Zwar wäre es mithin denkbar, die Anpassung des Bürgschaftsvertrages hin zu einer Garantie zu führen, doch würde dies mit dem Eingeständnis einhergehen, dass der Wegfall des Hauptschuldners samt Forderung eben doch nicht von der Bürgschaft erfasst wäre. Weil jedoch die Bürgschaft als gebräuchlichstes Instrument der Kreditsicherung auch die Einstandspflicht im Falle des vermögenslos gelöschten Hauptschuldners abdecken soll, kann der Verweis auf ein alternatives Regelungsinstitut, wie der Garantie, nicht Lösung für die Bürgschaft sein. Gleichzeitig werden auch nur diejenigen Rechtsbeziehungen zur Garantie umgewandelt, auf die sich der Gläubiger beruft. Dies müsste er dann freilich für jede andere akzessorische Sicherheit gleichermaßen tun und könnte 13 

BGH NJW 2002, 292, 294; OLG Hamm NJW-RR 1992, 1415, 1416; Erman/Böttcher, §  313 Rn.  30; BeckOGK-BGB/Martens, §  313 Rn.  111; BeckOGK-BGB/Madaus, §  765 Rn.  168. 14 Erman/Böttcher, §  313 Rn.  30; BeckOK-BGB/Lorenz, §  313 Rn.  17. 15  Vgl. zur Unzumutbarkeitsformel BGHZ 84, 1, 9; 121, 379, 393; 128, 230, 238; 133, 281, 295; BGH NZM 2005, 144; BB 2006, 911; NJW 2012, 1718 Rn.  30.

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D. Eigene denkbare Lösungsansätze

damit bestimmte Sicherheitsgeber bevorteilen oder benachteiligen. Eine bürgschaftsübergreifende Gesamtlösung stellt die Störung der Geschäftsgrundlage schon deshalb in keinem Fall dar. Daneben soll sich eine dogmatisch verträglichere Alternative zur Rspr. des BGH nicht allein am Bürgschaftszweck und damit der Bürgenhaftung beim vermögensbedingten Schuldnerwegfall erschöpfen. Vielmehr soll sie auch den anderen Sicherungszwecken gerecht werden. So vermag auch nicht die Anpassung der Geschäftsgrundlage andere akzessorische Sicherungsrechte zu bewahren, da die Hauptschuld, im Gegensatz zur vorliegend favorisierten Ansicht, immer noch wegfällt. Und auch vereinzelte Folgeprobleme durch die BGH-Rechtsprechung, wie etwa die Einrede der Verjährung bei nachträglich weggefallenen Hauptschuldnern, hierdurch nicht in Einklang gebracht werden können.

2. Die Bürgschaft als Schuldbeitritt In der Vergangenheit wurde vereinzelt die Möglichkeit diskutiert, die Bürgschaft gleichzeitig als Schuldbeitritt zur Hauptschuld zu qualifizieren.16 Beim Schuldbeitritt, welcher die Schuldner nach den Regeln der Gesamtschuldnerschaft in den §§  421 ff. BGB haften lässt17, ist ein jeder Gesamtschuldner zur gesamten Leistung verpflichtet, der Gläubiger aber nur einmal zur Forderung der Leistung berechtigt, §  421 BGB. Den Vertretern dieser Meinung zufolge haftet der Bürge neben dem Hauptschuldner für die zugrundeliegende Hauptschuld als gleichrangiger Schuldner nach den Regeln der §§  421 ff. BGB. Erkennt man an, dass der Bürge, neben den bürgschaftsrechtlichen Vorschriften auch dem Regelungsregime der Gesamtschuldnerschaft unterworfen ist, würde dies den Rückgriff auf die Bürgschaft und mithin einen Durchbruch der Akzessorietät entbehrlich machen. Ist der infolge seiner Vermögenslosigkeit gelöschte Hauptschuldner nämlich aus dem Gesamtschuldnerverband weggefallen, dann geht damit kein Erlöschen der Zahlungsverpflichtung des anderen Schuldners (in diesem Fall des Bürgen) einher. Im Gegensatz zur Bürgschaft liegt dem Schuldbeitritt keine akzessorische Haftung zugrunde, so dass zwischen Beitritts- und Hauptschuld keine im Ansatz vergleichbare Abhängigkeit vorherrscht wie zwischen Bürgen- und Hauptschuld.18 Vielmehr beschränkt sich der Wegfall in seinen Wirkungen gemäß §  425 BGB voll und ganz auf die Per16 Staudinger/Brändl, (2013) Vorb. §§  765 ff. Nr.  9; im übrigen Staudinger/Looschelders (2012), §  421 Rn.  37 m. w. N. zu dieser veralteten Ansicht. 17  RGZ 51, 120, 121; MüKo-BGB/Bydlinski, Vorb. §  414 Rn.  10; BeckOGK-BGB/Madaus, §  765 Rn.  395. 18  Vgl. generell BeckOGK-BGB/Madaus, §  765 Rn.  401.

I. Ansätze im BGB abseits der Bürgschaftsregelungen

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son, in der sie eintritt.19 Das Problem im Hinblick auf den weggefallenen Hauptschuldner wäre demnach gelöst, weil der Bürge dem Gläubiger mit seiner Beitrittsschuld erhalten bleibt. Diese heute nicht mehr zu vertretende Ansicht hätte, würde man sie denn ernsthaft in Betracht ziehen, eine rechtstechnisch praktikable und im Gesetz verankerte Lösung zur Folge. Allerdings lässt sie ihre Überzeugungskraft in Bezug auf den weggefallenen Hauptschuldner im größeren dogmatischen Rahmen missen. Zu groß sind die Unterschiede zwischen Schuldbeitritt und Bürgschaft, als dass sie sich subsidiär, konkludent oder materiell stets als mit vereinbart rechtfertigen lassen, die dann auch noch irgendwie geartet gleichstufig20 nebenher existieren sollen. Dabei ist schon unklar, weshalb der Schuldbeitritt als Alternative zur Bürgschaft überhaupt parallele Geltung beanspruchen sollte, obwohl doch nur die Bürgschaft in §  765 Abs.  1 BGB kodifikatorischen Eingang für die rechtsgeschäftliche Verpflichtung von Verbindlichkeiten Dritter gefunden hat.21 Anderweitige Hinweise zu einer besonderen Haftungsstellung des Bürgen als Gesamtschuldner finden sich in den §§  765 ff. BGB gerade nicht. Vielmehr stellte der Gesetzgeber die Personenverschiedenheit von Bürgen und Gesamtschuldnern in §  44 InsO bereits fest.22 Die Regelungen zur Bürgschaft begründen durch ihre umfangreichen Akzessorietätsvorschriften (§§  767, 768, 770, 401 BGB) ein ganz anderes Verhältnis zur Hauptforderung, sperren mit eigenen Normen den Rückgriff auf die Gesamtschuldnerschaft (etwa §  774 Abs.  1 zu §  426 BGB) oder bestimmen eine eigene Rückgriffsreihenfolge (nur subsidiäre Bürgenhaftung, §  771 BGB).23 Überwiegend werden daher die besonderen bürgschaftsrechtlichen Regelungen den allgemeinen Vorschriften der §  421 ff. BGB vorgezogen.24 Schließlich würde, neben der fraglichen Begründung für die Stellung des Bürgen als Gesamtschuldner, auch die Einordnung seines Regressanspruches Schwierigkeiten bereiten. Zwar sieht auch §  426 Abs.  2 BGB einen ähnlichen §  774 Abs.  1 BGB vergleichbaren Regressanspruch vor, dieser dient jedoch nur der Absicherung seines persönlichen Ausgleichsanspruches (sog. Bestärkende Legalzession 25) und stellt gerade nicht den typischen Übergang der vollen ursprünglichen Hauptschuld dar, gleichwohl dem Schuld-

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Vgl. generell BeckOGK-BGB/Madaus, §  765 Rn.  459. So auch Staudinger/Looschelders (2012), §  421 Rn.  37. 21  Madaus, Schuldbeitritt, S.  85. 22 MüKo-BGB/Bydlinski, §  421 Rn.  33. 23 Staudinger/Looschelders (2012), §  421 Rn.  37 f.; BeckOGK-BGB/Madaus, §  765 Rn.  401, 404, 412, 462, 481. 24 Staudinger/Looschelders (2012), §  421 Rn.  37; Medicus/Petersen, S.  458 Rn.  922. 25 Staudinger/Looschelders (2012), §  426 Rn.  135. 20 

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D. Eigene denkbare Lösungsansätze

beitretenden bei entsprechender Vereinbarung ein solcher zustehen kann.26 Es wäre mithin auch stets unklar, ob die Hauptschuld mit Leistung des Bürgen als Gesamtschuldner nun teilweise erlischt oder vollständig übergeht, wenn er aus seiner Bürgschaftsverpflichtung heraus leistet. Darüber hinaus dürfte es auch am Rechtsbindungswillen der Parteien fehlen, da sie sich mit der Bürgschaft lediglich auf jenes §  765 ff. BGB bezeichnete Institut einigten und nicht konkludent noch auf einen Schuldbeitritt des Bürgen.27 Aus diesem Grund würde die Überlegung eines Bürgen als Gesamtschuldner die vorstehende Problematik zwar gut auflösen, im Gegenzug dafür jedoch schwerwiegendere dogmatische Probleme im genauen Verhältnis beider Institute mit sich bringen.

3. Analoge Anwendung des §  418 BGB Eventuell ließe sich jedoch ein völlig anderes Ergebnis herleiten, wenn man sich eine ganz artverwandte Konstellation des weggefallenen bzw. ausgewechselten Hauptschuldners vergegenwärtigt. Wirkt sich der vermögensbedingte Wegfall des Hauptschuldners nämlich noch direkt auf den Bestand der Forderung aus, ohne dass die Zahlungsverpflichtung des Bürgen lt. Rspr. entfiele, bleibt die Forderung beim bloßen Personenwechsel des Schuldners unberührt. Trotzdem entfällt in diesem Fall nach §  418 Abs.  1 S.  1 BGB die Bürgenverpflichtung, obwohl die Hauptschuld als akzessorisches Bindeglied zur Bürgschaft durch die Kontinuität eines Rechtsträgers erhalten bleibt.28 Insofern stellt sich die Frage nach einer der Rechtsprechung entgegenstehenden Vorbildfunktion des §  418 BGB für den weggefallenen Hauptschuldner. Allerdings kommt dies aus verschiedenen Gründen nicht in Betracht. So findet die Vorschrift nur dann Anwendung, wenn ein Dritter durch Vertrag mit Gläubiger (§  414 BGB) oder Schuldner (§  415 BGB) die Verbindlichkeiten des Hauptschuldners übernimmt. Ein vollständiger Wegfall der Hauptschuld durch den Schuldnerwechsel findet der Intention des §  418 BGB nach nicht statt, weswegen die Übertragbarkeit auf die vorstehende Problematik scheitert. Aber auch eine analoge Anwendung kann hier in Ermangelung einer Regelungslücke nicht bejaht werden. §  418 Abs.  1 S.  1 BGB lässt nur deshalb die akzessorischen Sicherungsrechte mit befreiender Wirkung für den Bürgen entfallen, weil dieser der Auswechslung seines ursprünglich besicherten Hauptschuldners schutzlos ausgeliefert ist. Etwas anderes soll nur dann gelten, wenn er hierin einwilligt, 26  BGHZ 103, 72, 76; BGH NJW 1991, 97, 98; 2010, 831, 832; BeckOGK-BGB/Kreße, §  426 Rn.  1, 83; Staudinger/Looschelders (2012), §  421 Rn.  37, 39; Palandt/Grünberg, §  426 Rn.  16. 27  So auch Beitzke, NJW 1952 841, 843. 28  Vgl. MüKo-BGB/Bydlinski, §  418 Rn.  1; BeckOGK-BGB/Heinig, §  418 Rn.  1.

II. Das Preußische Allgemeine Landrecht

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§  418 Abs.  1 S.  3 BGB. Die Vorschrift nimmt damit explizit auf jene Situation Bezug, die dadurch entsteht, dass es der Bürge mit einem finanzschwachen oder weniger verlässlichen Hauptschuldner zu tun hat, für den er ursprünglich niemals eine Bürgschaft übernommen hätte.29 Zwar geht es auch hier um einen Wegfall des (ursprünglichen) Hauptschuldners, allerdings aus vollkommen anderen Gründen. Bereits wegen dieser unterschiedlichen Ausgangsvoraussetzungen und der abweichenden Gefahrenlage für den Bürgen verbietet sich eine analoge Anwendung des §  418 BGB.

II. Das Preußische Allgemeine Landrecht Da die Bürgschaft als Rechtsinstitut bereits im Römischen Recht eine nicht unerhebliche Rolle eingenommen hat, entwickelten sich deren Regelungen nicht erst seit in Kraft treten des BGB am 1. Januar 1900. Bereits dessen Vorgängerkodifikation, das ALR von 1794, normierte die Rechte von Gläubiger, Bürge und Hauptschuldner in einem nicht unerheblichen Maße, so dass sich auch hier­ aus möglicherweise Rückschlüsse auf eine Lösung ziehen lassen könnten. Dies erscheint schon deshalb nicht abwegig, weil auch heute noch Erwägungen oder konkrete Regelungen des ALR, sofern sie nicht der Rechts- und Gesellschaftsordnung des GG entgegenstehen, zur Lösung von Streitigkeiten herangezogen werden. Dies geschieht etwa durch den BGH in Form von Rechtsgedanken, die zur Begründung eines Aufopferungsanspruches aus den §§  74, 75 ALR entnommen werden und einen Ersatzanspruch des Bürgers gegen den Staat rechtfertigen.30 Aber auch ganz konkrete Regelungen des ALR können bei Konflikten noch herangezogen werden. Gemeint sind solche, die keinen Eingang in die umfangreiche Neukodifizierung des BGB gefunden haben und kraft Übergangsbestimmungen noch ergänzend Anwendung finden. So sind etwa heute noch nachbarschaftsrechtliche Bestimmungen des ALR in Teilen Mecklenburg-Vorpommerns anwendbar31 und verdeutlichen damit die durchaus noch vorhandene Relevanz dieser Kodifikation.

1. Die Bürgschaft im ALR Im 14. Titel des ersten Teils im ALR befindet sich die Bürgschaft innerhalb des dritten Abschnittes unter der Überschrift „Von Caution und Bürgschaft“. Wer29 MüKo-BGB/Bydlinski, §  418 Rn.  1; BGH NJW 1993, 1917, 1981; Lambsdorff/Skora, S.  170. 30  BGHZ 9, 83, 85; Ossenbühl/Cornils, S.  130. 31  LG Neubrandenburg, Urteil vom 15.09.2011 – 1 S 100/10.

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D. Eigene denkbare Lösungsansätze

den nun die zahlreichen Einzelfallvorschriften zusammengefasst und nach dem Vorbild des BGB abstrahiert, dann ergeben sich damals wie heute kaum Unterschiede. Dies verwundert umso weniger, wenn man sich bewusst macht, dass sich das BGB materiell-rechtlich stark am ALR orientierte und ganze Regelungsbereiche teilweise nur redaktionell an die neue hohe Abstraktheit angepasst wurden. So finden sich die konkreten Rechtsgedanken zur Einrede der Vorausklage aus §  771 BGB in §  283 ALR und deren begründete Ausnahmen aus §  773 BGB in den §§  297 ff. ALR wieder (Theil I Titel 14 Abschnitt 3). Vor allem aber bekommt auch das Akzessorietätsprinzip der Bürgschaft in §  385 ff. ALR desselben Abschnittes sowie in §  8 (Theil I Titel 16) deutlichen Ausdruck. Letzterer ist sogar unter der bezeichnenden Überschrift „von Arten, wie Rechte und Verbindlichkeiten aufhören“ zu finden. Eine gesetzlich normierte Ausnahme zum Akzessorietätsprinzip fand sich mithin abseits jeglicher historischer Rechtsprechung nicht. Vielmehr wird die immer währende Abhängigkeit der Bürgschaft von der zugrundeliegenden Hauptschuld betont. Mithin ergibt sich anhand des Wortlautes der bürgschaftsrechtlichen Vorschriften im ALR kein über das BGB hinausgehender Ansatz.

2. Die Gesellschaften im ALR Es bleibt allerdings noch der gesellschaftsrechtliche Aspekt für einen Lösungsansatz in diesem Zusammenhang übrig. Damit also die zu problematisierende Frage, wie das ALR mit den noch vorhandenen Verbindlichkeiten einer aufgelösten Gesellschaft umgeht und wie deren Folgen für die Bürgschaft sind. Zu beachten ist hierbei jedoch, dass das Gesellschaftsrecht heutiger Ausprägung mit dem ALR gerade im Entstehen begriffen war. Aus diesem Grund war das Handelsrecht nicht in einer externen Kodifikation zu finden, sondern gleichsam im ALR integriert und in Anlehnung der mittelalterlichen Ständetradition bei den besonderen Regelungen einzelner Gesellschaftsschichten (Bürgerstand und Adelsstand) verzeichnet gewesen. Ein genauerer Blick hierauf lohnt sich nun deshalb, weil die Regelungen über Gesellschaften noch vollkommen frei von den später maßgeblichen französischen und englischen Vorschriften32 über (Kapital-) Gesellschaften sind und daher eine ganz ursprüngliche Sichtweise bieten. Die Regelungen für das Gesellschaftsrecht finden sich im 7. Abschnitt des 8. Titels im 2. Teil des ALR in den §§  614–683 und werden laut §  614 ALR (Theil II Titel 8) von den allgemeinen zivilrechtlichen Regelungen zur Behand32  Gemeint sind die Einführung der Aktiengesellschaft (société anonyme) durch den französischen Code de commerce von 1807 und die Einführung der Haftungsbeschränkung für Kapitalgesellschaften mit dem Limited Liability Act von 1855 sowie dem Joint Stock Companies Act von 1856 durch das Vereinigte Königreich.

II. Das Preußische Allgemeine Landrecht

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lung von Personenmehrheiten nach §§  186 ff. ALR (Theil I Titel 17) ergänzt. Das ALR bezeichnet Verbünde, die aus welchen Gründen auch immer einer gemeinsamen Haftung unterliegen, schlicht als societät. Im Falle der besonderen gesellschaftsrechtlichen Ausgestaltung im handelsrechtlichen Teil wählt §  617 (Theil II Titel 8) für Beteiligungen an einem Handelsgewerbe die Bezeichnung fortwährender „Societätshandlungen unter einer gemeinschaftlichen Firma“. Sowohl in begrifflicher als auch rechtlicher Hinsicht ist hiermit der erst noch zu entwickelnde Begriff einer Offenen Handelsgesellschaft gemeint, deren Errichtung, Führung und Beendigung maßgeblich für die entsprechenden Regelungen des späteren HGB werden.33 Allenfalls durch die verschiedentliche Aufteilung der Einlagen bzw. der Gewinne und Verluste konnten die nach §§  241 ff. ALR (Theil I Titel 17) persönlich haftenden Gesellschafter eine gewisse Variation ihrer Haftung hin zu anderen Gesellschaftsformen wie der Kommanditgesellschaft erzeugen.34 Nur durch Hinzutreten besonderer Schuldverhältnisse in Form der Associé en commendite35 (heute stille Gesellschaft) nach §§  651 f. ALR (Theil II Titel 8) konnte eine Haftungsbeschränkung herbeigeführt werden, wobei in der zeitgenössischen Rechtswissenschaft nicht ganz klar war, ob es sich hierbei um eine eigene Gesellschaftsform handelt oder nur um eine gesetzlich unterstützte besondere Regelung im Innenverhältnis der Gesellschafter.36 Etwas anderes ergab sich lediglich in Ausnahme zu den Regelungen des Handelsrechtsteils für sog. Corporationen und Gemeinen. Diese, nicht frei gründbaren und daher unter staatlicher Genehmigung stehenden Gesellschaften, fungieren als „moralische Personen“ mit den gleichen für natürliche Personen geltenden Rechten, §§  81 f. ALR (Theil II Titel 6). Die Haftung beschränkt sich nach §  91 ALR (Theil II Titel 6) nur auf das eingebrachte Vermögen, wobei die Gesellschafter nur ausnahmsweise – etwa bei Verboten der Gesellschaft, §  7 ALR (Theil II Titel 6) – persönlich haften mussten. Damit nähert sich die Konstruktion bereits den späteren Kapitalgesellschaften mit eigener Rechtspersönlichkeit an. Bemerkenswert ist dabei nun, dass bei Auflösung der „moralischen Person“ gleichsam ein der Liquidation ähnliches Verfahren tritt, §§  189 ff. ALR (Theil II Titel 6). Auch hier sollten noch offene Verbindlichkeiten beglichen und das Vermögen verteilt werden. Allerdings nur mit dem Staat als Liquidator, welcher zudem bei noch offenen Verbindlichkeiten an die Stelle der Gesellschaft tritt Ausführlich hierzu Servos, S.  18 ff.; Ebert, S.  61 f. Servos, S.  61; Ebert, S.  63. 35  So jedenfalls die deutsche Bezeichnung, obwohl die direkte französische Übersetzung mit „Kommanditist“ widersprüchlich ist, da die Regelungen des ALR zur stillen Gesellschaft nicht auf eine Kommanditgesellschaft zu übertragen waren, hierzu ausführlich Servos, S.  61 ff. 36  Servos, S.  62 m. w. N. 33 

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D. Eigene denkbare Lösungsansätze

und somit gemäß §  201 ALR (Theil II Titel 6) ausdrücklich die Forderungen der Gläubiger aufrechterhält. So erübrigte sich im ALR das vorstehende Problem und konnte somit niemals zu Schwierigkeiten führen. Entweder gab es, wie auch im heutigen BGB, eine Erbenhaftung für Verstorbene §  350 (Theil I Titel 9), die Gesellschafter regelmäßig persönlich hafteten oder – wenn diese Haftung ausnahmsweise bei besonderen Gesellschaftsformen ausgeschlossen war – der Staat einsprang. In allen Varianten war somit ein restloser Wegfall der Hauptschuld nicht denkbar. Die zugrunde gelegte Bürgschaft blieb also immer ohne Durchbrechung des Akzessorietätsprinzipes erhalten und konnte vom Gläubiger durchgesetzt werden.

3. Ergebnis Abschließend lässt sich damit weder aus den bürgschaftsrechtlichen Vorschriften noch aus dem Schicksal der Verbindlichkeiten aufgelöster Gesellschaften des ALR eine Lösung für die derzeit geltende Rechtsordnung herleiten, da das vorstehende Problem in dieser Form nie vorkommen konnte. Einzig der Schluss, dass Gesellschaftsverbindlichkeiten nicht einfach erlöschen konnten, weil es ein dahinterstehendes Haftungsregime des Staates gab, könnte als Anhaltspunkt für weitere Betrachtungen dienlich sein.

III. Draft Common Frame of Reference Schon lange vor der Erarbeitung des DCFR existierte mit der „Commission on European Contract Law“ eine von Ole Lando initiierte Expertengruppe, die sich, motiviert vom Gedanken der europäischen Einigung, selbstständig einem Projekt zur europäischen Privatrechtsvereinheitlichung verschrieb.37 Dieser auch als „Lando-Kommission“ bekannte Kreis von Juristen erarbeitete im Rahmen rechtsvergleichender Untersuchungen die sog. „Principles of European Contract Law“.38 Neben der Lando-Kommission existierte mit der „Study Group on a European Civil Code“ aber noch eine weitere Gruppe von Experten. Zwar verfolgten auch sie die gleichen Ziele, gingen hierfür jedoch in ihrer Arbeitsweise einen Schritt weiter, indem sie sich bei der Erarbeitung nicht mehr nur auf rechtsvergleichende Grundregelungen des allgemeinen Vertragswerks beschränkten, sondern ausdifferenzierte Regelungen für das gesamte Schuld-

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DCFR-Full Edition, S.  1. DCFR-Full Edition, S.  1.

III. Draft Common Frame of Reference

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und Sachenrecht entwickelten.39 Im Zuge der Veröffentlichungen beider – beinahe personenidentischer – Gruppen setzte sich dann die Europäische Kommission im Jahr 2001 erstmals mit der möglichen Harmonisierung des materiellen Privatrechts und damit der Schaffung eines europäischen Zivilgesetzbuches auseinander. Die Diskrepanzen des bis dahin geltenden europäischen Vertragsrechtes der einzelnen Mitgliedsstaaten und deren inkonsequente Lösungen im Rahmen des internationalen Privatrechtes stellten – nach Meinung der Kommission – eine Beeinträchtigungen für den europäischen Binnenmarkt dar.40 Um dieser Beeinträchtigung zu begegnen, schlug sie deshalb eine Reihe denkbarer Lösungsansätze vor, welche u. a. die Möglichkeit zum Erlass neuerer und umfangreicherer Rechtsvorschriften auf gesamteuropäischer Ebene vorsahen, an deren Ende die nationalen zivilrechtlichen Rechtsvorschriften abzulösen wären.41 Infolgedessen sollte sich nicht nur die Study Group mit der europäischen Rechtsvereinheitlichung beschäftigen, sondern auch die neu gegründete „Re­ sarch Group on the Existing EC Private Law“ bzw. „Acquis Group“. Letztere veröffentlichten mit den von ihr verfassten „Principles oft the Existing EC Private Law“ keine rechtsvergleichende Untersuchung, sondern systematisierten bestehendes Gemeinschaftsrecht zugunsten einheitlicher europäischer Privatrechtsdogmen.42 Erst 2009 stellten dann, nach wiederholtem Dafürhalten der Kommission zugunsten einheitlicher Regelungen im Bereich des Vertragsrechtes43, die Study und Acquis Group den gemeinsam erarbeiteten DCFR vor. Dieser wurde von einem bestehenden Netzwerk beider Gruppen, basierend auf dem ACQP der Acquis Group, und sogar noch dem PECL, der zwischenzeitlich aufgelösten Lando-Kommission, entwickelt.44 Im Rahmen seiner Veröffentlichung sah sich der DCFR jedoch immer wieder heftiger Kritik ausgesetzt.45 Vor allem die nur wenige Jahre umfassende Ausarbeitungsdauer des Regelwerkes hätte sich den Kritikern zufolge in der Qualität niedergeschlagen. Dies zeige sich u. a. in der mangelhaften Zusammenarbeit mancher Autoren untereinander oder in der fehlenden Diskussion von Zwischenergebnissen, die häufig gar nicht publiziert wurden.46 Zudem hätte der DCFR den Charakter eines gesamt kodifikatorischen Gesetzwerkes, der eine 39  DCFR-Full Edition, S.  1; Schulte-Nölke, NJW 2009, 2161, 2163; Wurmnest, ZEuP 2003, 714, 732. 40  KOM(2001) 398 endgültig vom 11.07.2001, S.  8 ff. 41  KOM(2001) 398 endgültig vom 11.07.2001, S.  20 f. 42  Schulte-Nölke, NJW 2009, 2161, 2163. 43  KOM(2003) 68 endgültig vom 15.03.2003; KOM(2004) 651 endgültig vom 11.10.2004. 44  DCFR-Outline Edition, S.  3 f.; Brinkmann, S.  436; Schulte-Nölke, NJW 2009, 2161, 2163. 45 Ausführlich Eidenmüller/Faust/Grigoleit/Jansen/Wagner/Zimmermann, JZ 2008, 529; Martens, EuZW 2010, 527; Hellwege, AcP 211 (2011), 665. 46  Hellwege, AcP 211 (2011), 665, 700; Schulte-Nölke, NJW 2009, 2161, 2164.

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D. Eigene denkbare Lösungsansätze

nur teilweise Übernahme oder Betrachtung erschwert und somit die gesellschaftliche Akzeptanz unnötig verkompliziert.47 Trotz der vorgebrachten Kritik erscheint es angemessen, diesen rein akademischen Entwurf eines Vertragswerkes im Hinblick auf die Bürgschaft einer kritischen Würdigung zu unterziehen und in der, von der EU-Kommission so bezeichneten, offiziellen „Toolbox“48 ebenfalls nach einer Lösung zu suchen. Stellt sie doch den einmaligen Versuch europäischer Privatrechtsvereinheitlichung. Der universale Ansatz des DCFR ist deshalb weniger als Makel, sondern eher als Stärke zu begreifen, bei speziellen Rechtsfragen ganzheitliche Lösungsansätze zu erhalten, deren Ursprung aus einer Vielzahl unterschiedlicher Rechtskreise herrührt.

1. Die Bürgschaft im DCFR Auf eine Gesamtdarstellung und Einordnung des Mustergesetzes im Vergleich zum BGB soll vorliegend verzichtet werden.49 Vielmehr beschränkt sich die nachfolgende Darstellung auf die Vorschriften zu den Personalsicherheiten im Allgemeinen und der Bürgschaft im Besonderen. Näher zu untersuchen ist daher das vierte Buch des DCFR, welches sich mit speziellen Verträgen befasst. Hierunter fallen, ähnlich dem besonderen Teil des Schuldrechts im BGB, unterschiedlichste Arten von Schuldverhältnissen, wie etwa Warenmiet- (Teil B), Service- (Teil C) oder Darlehensverträge (Teil F). Unter Teil G finden sich sodann Vorschriften über „Personalsicherheiten“ (personal security) als spezielle Schuldverhältnisse. Dieser Teil fächert sich wieder­ um in vier einzelne Kapitel auf, wobei das erste Kapitel als eine Art allgemeiner Teil (common rules) der nachfolgenden Teile fungiert. Sodann schließt sich jeweils ein Kapitel für die unselbstständigen und selbstständigen Sicherheiten an (dependent/independent personal security), während als letztes in einem vierten Kapitel auf Besonderheiten im Zusammenhang mit der Beteiligung eines Verbrauchers eingegangen wird (special rules for personal security of consumers). Mit der (Un-)Selbstständigkeit ist der Akzessorietätsgrad der Sicherheit an die zu sichernde Forderung gemeint (Art.  IV.G. – 1:101, 2:102), so dass für die Bürgschaft als abhängige Sicherheit das zweite Kapitel einschlägig ist. In diesem Zusammenhang bleibt zu bemerken, dass – im Gegensatz zum BGB – nun aber auch die Garantie als selbstständige Sicherheit eine „quasi kodifikatorische“ Regelung erfahren hat. Im Hinblick auf die bürgschaftsrechtlichen Regelungen des 47  Eidenmüller/Faust/Grigoleit/Jansen/Wagner/Zimmermann, JZ 2008, 529, 533; Martens, EuZW 2010, 527, 528. 48  KOM(2010)348 endgültig vom 01.07.2010, S.  8. 49  Siehe hierzu ausführlich Schürnbrand, WM 2009, 873 f.; Jansen, S.  36 ff.

III. Draft Common Frame of Reference

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DCFR ergeben sich nur wenige konzeptionelle Unterschiede zum BGB. Am augenscheinlichsten dürften hier noch die Diligenzpflichten des DCFR bei Nichtleistung des Hauptschuldners bzw. Übersicherung im Falle einer Globalzession (Art.  IV.G. – 2:107) und bei einer Verbraucherbürgschaft (Art.  IV.G. – 4:103, 106) sein. Wenig überraschen dürften hingegen die Regelungen in Bezug auf die Ein­ reden des Bürgen, Art.  IV.G. – 2:103 (§§  768, 770 BGB), der Vorausklage, Art.  IV.G. – 2:105, 106 (§§  771 ff. BGB); des Forderungsüberganges, Art.  IV.G – 2:113 (§  774 BGB) oder zur Bürgschaft auf Zeit, Art.  IV.G. – 2:108, 109 (§  777 BGB). Ganz ähnlich sind auch die Formvorschriften geregelt, welche in Art.  IV.G. – 4:104 lediglich für Verbraucher einen Formzwang vorsehen und sich damit in umgekehrter Weise an §  350 HGB orientieren. Allerdings beherbergen auch die vermeintlich identischen Vorschriften des DCFR kleinere, vom BGB abweichende Unterschiede, die sich im Ergebnis als heimliche Haftungserweiterung zulasten des Bürgen auswirken. So etwa im Falle der Vorausklage, auf welche der Bürge gemäß §  773 I Nr.  1 BGB ausdrücklich verzichten muss und daher bei Übernahme der Bürgschaft zu seiner eigenen Verhandlungsdisposition steht. Demgegenüber entzieht Art.  IV.G. – 2:106 dem Bürgen diese eigene Disposition, indem er seine gegenüber dem Hauptschuldner bloß subsidiäre Haftung nunmehr ausdrücklich schriftlich festhalten muss.50

2. Der weggefallene Hauptschuldner im DCFR Eine ganz ähnliche Haftungserweiterung ergibt bei der Frage nach der Bürgschaftsverpflichtung beim weggefallenen Hauptschuldner. Im Gegensatz zum BGB bezieht der DCFR nämlich mehr oder weniger deutlich diesen Fall in seine Regelungssystematik mit ein und kommt so zu einer dogmatisch saubereren Lösung. Nachfolgend sollen daher die Indizien für einen Ansatz gemäß dem DCFR zusammengetragen und bewertet werden. a) Art.  IV.G. – 2:102 Ein erster Hinweis befindet sich in Art.  IV.G. – 2:102, welcher neben einem eindeutigen Bekenntnis des DCFR zur Bürgschaftsakzessorietät in Abs.  1 auch gleich dessen Ausnahmen regelt: „IV.G. – 2:102: Dependence of security provider’s obligation […] Schürnbrand misst dieser Abweichung in WM 2009, 874 nur geringe Bedeutung zu, da diese Form der Haftungserweiterung des Bürgen auch in Deutschland längst gängige Praxis ist. 50 Auch

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D. Eigene denkbare Lösungsansätze

(2) The security provider’s obligation does not exceed the debtor’s obligation. This rule does not apply if the debtor’s obligations are reduced or discharged: (a) in an insolvency proceeding; (b) in any other way caused by the debtor’s inability to perform because of insolvency; or (c) by virtue of law due to events affecting the person of the debtor. […]“

Der Abs.  2 entspricht in den Punkten a) und b) im Wesentlichen den deutschen Grundsätzen des §  254 Abs.  1 S.  1 InsO und §  301 Abs.  2 S.  1 InsO beim Planverfahren und der Restschuldbefreiung. Demnach handelt es sich um eine gesetzlich kodifizierte Ausnahme des Akzessorietätsprinzips, indem eine Verminderung von Schuldner-Verbindlichkeiten im Insolvenzverfahren nicht den akzessorischen Sicherungsgebern zugutekommen soll. Der DCFR regelt in den Punkten a) und b) an dieser Stelle nichts anderes. Er greift diese Wertung auf und verortet sie lediglich an anderer Stelle, nämlich beim Bürgschaftsrecht selbst. Entscheidend ist hier Punkt c), welcher ein Auffangtatbestand für all jene Fälle bildet, die kraft Gesetzes zu einer Verringerung oder Wegfall der gesicherten Hauptschuld führen. Weil unter dem Rechtsbegriff kraft Gesetzes jedoch alle erdenklichen Fälle gemeint sein können – im Deutschen würde schon die Leistungserbringung nach §  362 BGB zum Erlöschen der Hauptschuld kraft Gesetzes führen – muss eine Präzisierung vorgenommen werden. Erfasst werden sollen deshalb, laut Anmerkung der Autoren, neben besonderen Gesetzen, die in Not-, Kriegs- oder Krisenzeiten zu einem irgendwie gearteten gesetzlichen Wegfall der Hauptschuld führen, auch Richterrecht und vermutlich auch weitere unbenannte Fälle.51 Es bliebe also Auslegungsspielraum, auch den Wegfall der Hauptschuld infolge vermögensbedingter Liquidation hierunter zu fassen. Legt man das Verständnis der h. M. und des BGH zur Vollbeendigung zugrunde, entfallen die Forderungen der Gläubiger – mangels eindeutiger gesellschaftlicher Regelung also durch Richterrecht. Sind schon der Wegfall von Verbindlichkeiten im Rahmen des Insolvenzverfahrens von der Akzessorietät ausgenommen wie in den Punkte a) und b), dann muss dies erst recht im Rahmen des Liquidationsverfahrens mit anschließender Vollbeendigung gelten. Bei Letzteren entfällt die Verbindlichkeit dann aufgrund von Richterrecht und versetzt den Bürgen in die gleiche, als unbillig empfundene Lage, nichts leisten zu müssen. Auch liegt die Vermögenslosigkeit in der Person des Hauptschuldners begründet, was die Anwendung des Artikels mithin nicht völlig ausschließt. Im Ergebnis muss jedoch konstatiert werden, dass diese Auslegung wohl zurecht als eher unbefriedigend empfunden werden kann, bleibt sie doch hinter den noch folgenden sehr viel präziser werden Regelungen des DCFR zurück. Gleichwohl soll die Erwähnung der Vorschrift auch als Beispiel für die Vielsei51 

DCFR-Full Edition, S.  2585; so auch Jansen, S.  51.

III. Draft Common Frame of Reference

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tigkeit des Bürgschaftsrechtes dienen.52 So lassen sich, wie noch aufzuzeigen sein wird, an vielen Stellen Anknüpfungspunkte zu dieser Problematik finden, die das deutsche Bürgschaftsrecht nicht bietet. b) Art.  IV.G. – 2:103 Sehr viel Eindeutigeres ergibt sich aber aus Art.  IV.G. – 2:103 bei den, an §  768 BGB angelehnten, Möglichkeiten des Bürgen, sich auf die Einreden des Schuldners zu berufen. Darin heißt es: „IV. G. – 2:103: Debtor’s defences available to the security provider […] (3) The security provider may not invoke the lack of capacity of the debtor, whether a natural person or a legal entity, or the non-existence of the debtor, if a legal entity, if the relevant facts were known to the security provider at the time when the security became effective.“

Absatz drei ordnet an, dass der Bürge sich nicht dadurch von seiner Leistungspflicht befreien kann, indem er sich auf die fehlende Rechtsfähigkeit des Schuldners oder, im Falle einer juristischen Person, auf deren Nichtexistenz beruft, wenn er zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Bürgschaft hierüber bereits Kenntnis hatte. Dabei bleibt anzumerken, dass der Wortlaut mit „security became effective“ nicht ganz eindeutig ist. Fraglich erscheint, was der DCFR unter Wirksamwerden versteht, d. h., wann genau der Bürge von der fehlenden Geschäftsfähigkeit wissen musste. Neben dem bloßen wirksamen Vertragsschluss kann hier auch das wirksame Begründen der Bürgenhaftung – damit also die Entstehung der gesicherten Forderung – gemeint sein oder das wirksame Erfüllungsverlangen des Gläubigers gegenüber dem Bürgen. An anderer Stelle des DCFR ergibt sich in Art.  IV.G. – 2:102 (3) bei gleicher Terminologie unter Zugrundelegung der Autorenanmerkungen, dass damit auf die Bestellung der Bürgschaft samt Bestehen der gesicherten Forderung abgezielt wurde.53 Etwas anderes würde auch dem Sinn und Zweck des Art.  IV.G. – 2:103 (3) widersprechen, da hier wohl Eingehungsrisiken einer Bürgschaft Rechnung getragen werden sollte und nicht Risiken der Inanspruchnahme. Hierfür spricht zudem, dass die Kommentierung davon spricht, dass der Bürge die wirtschaftlichen Risiken zu verantworten habe, wenn er die Bürgschaft gerade deshalb übernahm, um die Folgen eines „persönlichen Mangels“ in der Person des Hauptschuldners zu kompensieren.54 Wie auch im deutschen Bürgschaftsrecht ist also auf die Voraussetzungen der Bürgenhaftung, nicht aber auf den Abschluss des Hierzu insgesamt kritisch Jansen, S.  59. DCFR-Full Edition, S.  2585. 54  DCFR-Full Edition, S.  2599. 52  53 

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D. Eigene denkbare Lösungsansätze

an sich effektlosen Bürgschaftsvertrags oder das konkrete Leistungsverlangen abzustellen. Unabhängig von dieser terminologischen Einordnung hat diese Regelung materiell-rechtlich jedenfalls zwei ganz eindeutige Konsequenzen zur Folge: Zum einen muss der Bürge leisten, obwohl die Bürgschaft als unselbstständige Sicherheit eigentlich gar nicht besteht bzw. nie bestand, weil auch die hierfür nötige zugrundeliegende Forderung im Falle der Nichtexistenz des Schuldners niemals vorhanden war. Man könnte hier sogar von einer doppelten Fiktion von Hauptschuld und Bürgenschuld sprechen. Zum anderen ist festzustellen, dass der DCFR den Fall des untergegangenen Hauptschuldners in einer Bürgschaft kennt, wenn er von der fehlenden Existenz der juristischen Person spricht und ihn, zunächst in Hinsicht eines von Anfang an fehlenden Hauptschuldners, auch regelt.55 Im Gegensatz zum BGB erkennen die Autoren des DCFR damit eine gewisse Regelungsrelevanz dieser Konstellation an. Der Sicherungsgeber, welcher treuwidrig Sicherungsversprechen entgegen besseren Wissens abgibt, soll also trotz nicht vorhandener Voraussetzungen wie ein Bürge haftbar gemacht werden. Damit gäbe es einen gutgläubigen Bürgschaftserwerb und entgegen der angedachten Regelungssystematik des BGB56 einen gutgläubigen Forderungserwerb. Vermutlich hat die Vorschrift aber auch deswegen ausdrücklichen Eingang in den Entwurf gefunden, weil es ansonsten bei derartig treuwidrigem Verhalten keine Sanktionsmöglichkeit gebe, den Sicherungsgeber haftbar zu machen. Aus welchen Motiven auch immer der Sicherungsgeber die Bürgschaft abgibt, weiß er bei Vertragsschluss, dass der Schuldner nicht (mehr) existiert, rechnet er jedenfalls nicht damit, bei einer forderungsabhängigen Sicherheit jemals zahlen zu müssen. Er willigt bei Kenntnis gerade deshalb in die Bürgschaft ein, weil er damit bloß ein „leeres Versprechen“ abgibt. Das zerstörte Vertrauen des Gläubigers, der womöglich gar nichts vom Verlust seiner Forderung aufgrund des weggefallenen Schuldners weiß und hofft, sie gerade mit dieser Bürgschaft im Verlustfalle absichern zu können, wurde mithin zerstört. Art.  IV.G. – 2:103 (3) greift dieses Verhalten auf, indem es entgegen des Akzessorietätsgrundsatzes die Haftung zur Kompensation des begangenen Unrechts zulässt. Alternativ sind damit wohl auch Fälle gemeint, in denen genau wegen eines unsicher existierenden Hauptschuldners die Bürgschaft abgeschlossen wurde. Der Gläubiger soll dann rechtsverbindlich seinen Anspruch durchsetzen können, ohne dass sich der Bürge im Nachhinein treuwidrig auf das Nichtbestehen der Bürgschaft 55 

So auch ausdrücklich DCFR-Full Edition, S.  2599. Sieht man von einigen wenigen Ausnahmen wie §§  405, 2366 BGB oder der Behandlung des BGH beim fehlenden Erklärungsbewusstsein einer Willenserklärung anhand des „fahrlässigen“ Verhaltens des Erklärenden beim Erklärungsempfängers ab. 56 

III. Draft Common Frame of Reference

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berufen könnte. Hiermit würden nicht zuletzt das Vertrauen und die Flexibilität des Rechtsinstituts gestärkt werden, wenn die Parteien eine dynamische Sicherung für die Zukunft wünschen. Diese Fallgruppe stellt eine Regelung dar, die dem deutschen Zivilrecht in dieser Weise fehlt und nur partiell richterrechtlich entwickelt wurde. So muss der Bürge zwar auch dann leisten und kann sich nicht auf §  768 BGB berufen, wenn er bei Übernahme der Bürgschaft wusste, dass die zu sichernde Forderung bereits verjährt gewesen ist oder alsbald verjähren wird57; ob dies auch Für den Fall des Art.  IV.G. – 2:103 (3) gilt, muss jedoch offen bleiben. Weil das BGB auch bereits den weggefallenen Hauptschuldner innerhalb der Bürgschaftskonstellation für sich genommen nur mit einer richterrechtlich gebildeten Akzessorietätsdurchbrechung begegnen kann, offenbaren sich hier grundlegende Wertungs- und Regelungsunterschiede. Nach deutschem Recht wäre der Bürgschaftsvertrag entweder bereits wegen §  117 BGB unwirksam58, da er nur zum Schein eingegangen wurde oder in Ermangelung der fehlenden Verbindlichkeit eines Dritten i. S. d. §  765 Abs.  1 BGB wirkungslos59. Eine Haftung des vermeintlichen Bürgen käme nach BGB also gar nicht in Betracht. Gleichwohl die mögliche Kompensation eines Schadens aus §  826 BGB denkbar wäre, erkennt man denn in dem Verhalten eine sittenwidrige vorsätzliche Schädigung.60 Aber selbst in diesem Fall würde sich der von §  826 BGB gedeckte Schaden nur auf den kausal durch das treuwidrige Verhalten verursachte erstrecken, nicht jedoch auf die zugrundeliegende Forderung zwischen Gläubiger und weggefallenem Hauptschuldner. Insofern geht der DCFR mit seiner Bürgenhaftung weit über eine Schadenskompensation hinaus und fügt so eine Bestrafungskomponente hinzu. c) Art.  IV.G. – 2:106 Als Nächstes seien die Äußerungen über die bloß nachrangige Haftung des Bürgen herangezogen. Im DCFR wird die im BGB bezeichnete „Einrede der Vorausklage“ dem weiter gefassten Terminus der „subsidiären Haftung des Sicherheitsgebers“ zugeordnet, Art.  IV.G. – 2:106. Wie in §  771 BGB handelt es sich auch hierbei um die Möglichkeit des Bürgen, die Zahlung gegen den Gläubiger aus einem eigenen bürgschaftsspezifischen Grund und unabhängig vom Haupt57  BGHZ 143, 381, 385 f., 121, 173, 177 f.; Lettl, WM 2000, 1316, 1321; Staudinger/Horn (2013), §  768 Rn.  13. 58  OLG Frankfurt am Main WM 1996, 715. 59 BeckOGK-BGB/Madaus, §  765 Rn.  105. 60  Wohl aber auch nur, wenn der vermeintliche Bürge den Gläubiger mit Abgabe der Sicherheit zu einem schädigenden Verhalten drängen will (verspätete Abschreibung, Zessionen an einen Dritten mit anschließenden Schadensersatzforderungen etc.).

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D. Eigene denkbare Lösungsansätze

schuldner zu verweigern.61 Art.  IV.G. – 2:106 regelt nun in den ersten beiden Absätzen die im Falle des DCFR freiwillig zu vereinbarende subsidiäre Haftung des Bürgen gegenüber dem Gläubiger. In dessen Dritten Absatz heißt es: „IV. G. – 2:106: Subsidiary liability of security provider […] (3) The creditor is not required to attempt to obtain satisfaction from the debtor and any other security provider according to the preceding paragraph if and in so far as it is obviously impossible or exceedingly difficult to obtain satisfaction from the person concerned. This exception applies, in particular, if and in so far as an insolvency or equivalent proceeding has been opened against the person concerned or opening of such a proceeding has failed due to insufficient assets, unless a proprietary security provided by that person and for the same obligation is available.“

Hiernach kann sich der Gläubiger, trotz subsidiärer Bürgenhaftung, sofort an den Bürgen wenden, ohne sich zuvor an den Schuldner oder andere Sicherungsgeber zu halten, wenn es offensichtlich unmöglich oder sehr schwierig ist, von diesem Befriedigung zu erlangen. Im nachfolgenden Satz wird sodann die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens als mögliches schwerwiegendes Ereignis beispielhaft aufgezählt. Überdeutlich zeigt sich hier die Nähe zu §  773 BGB, welche gleichsam Ausnahmen der subsidiären Bürgenhaftung vorschreibt. Allerdings vollzieht sich die Regelungsweise des Art.  IV.G. – 2:106 im Gegensatz zu §  773 BGB völlig offen in Form einer Generalklausel für allerhand schwerwiegende und unmögliche Fälle, die einen Befriedigungsversuch des Gläubigers entfallen lassen könnten. Der Verzicht auf die Benennung verschiedener, abschließend aufgezählter Fälle lässt insoweit Raum für Interpretationen zu.62 Vor allem dann, wenn in der beispielhaften Nennung vom Insolvenzverfahren oder einem gleichwertigen Verfahren gesprochen wird. Da die Vorschrift den direkten Durchgriff des Gläubigers auf den Bürgen erreichen will, sind hier wohl jedwede Verfahrensweisen gemeint, die auf den Bestand des Vermögens und dessen Entwicklung bezogen sind. Somit also auch Liquidationsverfahren und Abwicklungen, die zur Vollbeendigung des Schuldners als juristische Person führen, ohne zwangsläufig insolvenzrechtlichen Bezug aufzuweisen. Hiermit ist also wiederum das Bewusstsein der Autoren des DCFR erkennbar für den Wegfall des Schuldners in einer Bürgschaftskonstellation. In einer weiten Auslegung kann sogar der erste Satz, welcher von schwierigen oder „unmöglichen“ Umständen der Befriedigung ausgeht, dahingehend verstanden werden, dass Unmöglichkeit zur Leistungserbringung u. a. bei einem untergegangenen Hauptschuldner vorliegt. Der Gläubiger also vom Bürgen auch dann Erfüllung 61 

62 

DFRC-Full Edition, S.  2624. Hierauf lassen auch die Kommentare schließen, DCFR-Full Edition, S.  2625.

III. Draft Common Frame of Reference

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verlangen kann, wenn es dem Schuldner aufgrund seiner fehlenden Existenz unmöglich ist zu erfüllen. d) Art.  IV.G. – 2:113 Als letztes Indiz sei die Regelung zum Bürgenregress in Art.  IV.G. – 2:113 (4) angeführt: „IV. G. – 2:113: Security provider’s rights after performance […] (4) Where the debtor due to incapacity is not liable to the creditor but the security provider is nonetheless bound by, and performs, the security obligation, the security provider’s right to reimbursement from the debtor is limited to the extent of the debtor’s enrichment by the transaction with the creditor. This rule applies also if a debtor legal entity has not come into existence.“

Auch der DCFR kennt den gesetzlichen Forderungsübergang des §  774 BGB.63 Allerdings begrenzt er in einem Sonderfall den Regress auf das Ausmaß der Bereicherung des Schuldners. Der Bürge kann somit nur dasjenige vom Schuldner zurückfordern, um das dieser in Folge der Bürgenleistung an den Gläubiger bereichert ist. Der Sonderfall auf die Begrenzung der tatsächlichen Bereicherung des Schuldners gilt jedoch nur, wenn der Bürge trotz fehlender Rechtsfähigkeit des Schuldners zur Leistung verpflichtet gewesen ist. Im zweiten Satz wird sodann klargestellt, dass dies auch dann gelte, wenn sich der Bürge für die Verbindlichkeit einer erst noch in Entstehung befindlichen juristischen Person verbürgt hat. Hieraus ergeben sich abermals zwei Konsequenzen. Wenn Art.  IV.G. – 2:113 (4) mit dem zweiten Satz vorschreibt, dass Bürgen auch für Verbindlichkeiten von nicht zur Existenz gebrachten juristischen Personen haften, könnte dies erst recht für bereits einmal existierende juristische Personen gelten, die später erloschen sind. Sofern nicht schon durch Art.  IV. G. – 2:106 herangezogen, wäre diese Vorschrift in analoger Anwendung oder als richterrechtlich begründete Fallgruppe eine bessere Grundlage als die Rspr. des BGH zum BGB. Darüber hinaus offenbart die Regelung einmal mehr das Wertungsbild des DCFR zu dieser Frage, denn es lässt ausdrücklich den Fall der Bürgenhaftung eines rechtsunfähig gewordenen oder von Anfang an gewesenen Schuldners zu, selbst wenn dies zunächst einmal auf die Kenntnis des Bürgen zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Bürgschaft begrenzt ist.64 In diese Auffassung fügt sich dann auch die Begrenzung der Regressmöglichkeit des Bürgen gegenüber dem Schuldner ein, die auf ein Minimum, näm-

63 

64 

DCFR-Full Edition, S.  2682. DCFR-Full Edition, S.  2684.

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D. Eigene denkbare Lösungsansätze

lich den bloßen Umfang der Bereicherung reduziert ist.65 Dies ist womöglich so, weil man die Regressforderung letztlich für aussichtlos hält. Während §  774 BGB den Forderungsübergang immer parallel zur befriedigten Bürgenschuld ansteigen lässt, bricht der DCFR wiederum mit dieser Art des akzessorischen Übergangs. Dies rechtfertigt er jedoch offenbar mit der besonderen Ausnahmesituation. Er stellt klar, dass wenn der Bürge schon entgegen des Akzessorietätsprinzips haften muss, er gleichsam nicht erwarten kann, auch akzessorisch Regress zu nehmen. Insofern mutet diese Entscheidung konsequent in der Inkonsequenz unselbstständiger (akzessorischer) Sicherheiten an.

3. Ergebnis Es zeigt sich mithin nun ein vergleichsweise unerheblicher Wertungsunterschied zwischen der Rechtsprechung des BGH und dem DCFR. Beide verorten und lösen das Problem eines untergegangenen Hauptschuldners mit anschließender Bürgschaftsforderung durch den Gläubiger gegenüber dem Bürgen an gleicher Stelle. Die Rechtsprechung und die ihr zustimmende Lehre ordnen den Konflikt der Bestandsakzessorietät zu. Sie sehen die Lösung daher in einer Durchbrechung des der Bürgschaft immanenten Akzessorietätsprinzips, da sie die Zahlungspflicht des Bürgen wegen der weggefallenen Hauptschuld ansonsten als wirkungslos ansehen müssten. Der DCFR wählt grundsätzlich den gleichen Weg über eine Akzessorietätsdurchbrechung, kann jedoch wegen der redaktionellen Beachtung der Problematik positiv gesetzlich mit einem besseren und allumfassenderen Normenfundament hierauf reagieren. Im Ergebnis ließe sich deshalb mit den Vorschriften des DCFR gut die Verpflichtung des Bürgen beim (nicht nur) vermögensbedingt weggefallenen Schuldner vertreten. Allerdings sind die vorliegend gefundenen Ergebnisse im gleichen Maße rein akademischer Natur wie der DCFR selbst. Neben Äußerungen des Rates der Europäischen Union66 lässt schon der „Draft“-Zusatz im Titel darauf schließen, dass die vorgestellten Regelungen keinerlei verbindlichen Charakter für die Zukunft eines irgendwie gearteten europäischen Zivilgesetzbuches haben werden.67 Auch wenn die soeben untersuchte und für durchaus gangbar befundene Regelungssystematik des DCFR womöglich noch vielen Änderungen unterwor65  Laut Kommentierung ist mit der Bereicherung nur dasjenige gemeint, das der Schuldner durch eine Leistung des Gläubigers erreicht haben kann, wie bspw. den Betrag eines erhaltenen Darlehens, DCFR-Full Edition, S.  2684. 66  So handele es sich bei dem „Gemeinsamen Referenzrahmen [um] ein nicht bindendes […] Bündel von Leitlinien.“ Dok. 15306/08, S.  4 Nr.  16; siehe aber auch DCFR-Outline Edition, S.  44 ff. 67  Brinkmann, S.  437.

III. Draft Common Frame of Reference

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fen werden wird, erfüllt sie doch zumindest beim Wegfall der gesicherten Forderung einer Bürgschaft ihren Zweck als toolbox für ein modernes und intelligentes Gesetzbuch. Eine aktuell brauchbare Lösung stellen die Ergebnisse jedoch aus diesen Gründen nicht dar und es scheint auch nicht absehbar, wann das so wäre. Aufgrund dessen, dass den Bemühungen um eine solch gesamteuropäische Zivilrechtskodifikation keine wesentlichen Impulse mehr versetzt werden, kann auch das Abwarten auf ein Inkrafttreten keine Lösung sein. Als Vorbild dient der DCFR höchstens für eine Übernahme vereinzelte Regelungen, welche genau das Schicksal der Bürgenschuld beim weggefallenen Hauptschuldner ansprechen (Art.  IV.G. – 2:103 (3)). Allerdings stellt die kodifikatorische Regelung eines dogmatischen Problems nur das letzte und schlechteste Mittel dar, wenn sich die Lösung auch anders herleiten lässt und man der schlechterdings um sich greifenden Einzelfallgesetzgebung keinen Auftrieb verleihen möchte. Hinzu kommt, dass die Autoren des DCFR insofern auch keine andere Wahl hatten, als das Problem, wollten sie es denn auflösen, im Rahmen der Bürgschaft selbst zu regeln. Die Ursache hierfür liegt in der Beschränkung auf jene dem BGB angelehnte Rechtsmaterie, ohne jegliche dogmatisch miteinander verknüpften gesellschafts- oder insolvenzrechtlichen Regelungen. Wie schon der BGH-Senat suchten somit auch diese Autoren ganz isoliert nach einer Antwort bzw. einem Entwurf für ihre Regelungssystematik. Die Vorbildfunktion für eine Lösung muss also auch unter diesem Gesichtspunkt in Zweifel gezogen werden, weil sie zu dem Ursprung des Problems, welches im Verständnis um die weggefallene Hauptschuld begründet liegt, nichts für das deutsche Recht Bedeutungsvolles aussagt. Der den Autoren nur begrenzt zur Verfügung stehende Raum zur Lösung gebietsübergreifender Probleme lässt deshalb keine Rückschlüsse über die Richtigkeit der hier vertretenen These zu. Das Gleiche gilt für die Möglichkeit einer eventuellen indiziellen Wirkung dahingehend, dass die Lösung des Problems nur im Bürgschaftsrecht selbst zu finden sei. Letzteres lässt sich allein schon vor dem Hintergrund der eher deutsch geprägten Herkunft des Teil G nicht resümieren und der Annahme, dass die Autoren beim Verfassen der Regelungen zu einem nicht unerheblichen Teil durch die Annahmen des BGH über den Bürgschaftszweck geprägt sein dürften.68 Richtig muss vielmehr der ganzheitliche Blick auf die Rechtsordnung sein ohne Beschränkungen auf eng umgrenzte Rechtsmaterien.

68  So

waren Grundlage für die Personalsicherheiten im DCFR die von der Study Group am Hamburger Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht herausgegebenen „Principles of European Law – Personal Security“, Jansen, S.  47.

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D. Eigene denkbare Lösungsansätze

IV. Die Insolvenzordnung Ein ganz anderer Ansatzpunkt könnte sich aus den Voraussetzungen ergeben, unter denen der BGH seine Rechtsprechung überhaupt entwickelt hat. Verselbstständigt er nämlich die Bürgschaftsverpflichtung nur beim Wegfall vermögenslos gewordener Gesellschaften, greift er auf eine gesellschaftsrechtliche Bedingung zurück. Eine Gesellschaft kann, wie bereits dargestellt, nämlich nur mit Vollbeendigung nach den einschlägigen spezialgesetzlichen Vorschriften erlöschen. Geschieht das, wie vom BGH zudem gefordert, infolge ihres Vermögensverfalls, erscheint es jedenfalls nicht abwegig, dass bei derartigen Schuldnern auch die Frage eines Insolvenzverfahrens von Bedeutung gewesen ist. Kommt es nämlich dazu, dass die Gesellschaft wegen ihrer Vermögenslosigkeit erlöschen soll und mangels Masse bereits im Vorfeld kein Insolvenzverfahren eröffnet wurde (§  26 InsO), welches durch die quotale Befriedigung zumindest eine ansatzweise gerechte Verteilung noch hätte gewährleisten können, werden die Gläubiger im anschließenden reinen Liquidationsverfahren benachteiligt. Die Befriedigung läuft hier in Abweichung von §  1 S.  1 Alt.  1 InsO nicht gemeinschaftlich, sondern anhand der Reihenfolge ihrer Anmeldung bzw. ihres Vollstreckungszugriffs ab. Obendrein drängen die Geschäftsführer oder Gesellschafter, welche regelmäßig als Liquidatoren auftreten69 und daher bei eigenen Ansprüchen als Erstes auf das Restvermögen zugreifen, die (Dritt-)Gläubiger in eine ohnehin schon nachteilige Position.70 Dies kommt polemisch durch Kilgers berühmt gewordenes Motto zum Ausdruck: „Ein Könner macht nicht einfach Konkurs! – Der Könner macht masselos Konkurs.“71 Allerdings kann sich dieses Szenario noch weiter verschärfen, da es – selbst unter dem Gesichtspunkt eines gesellschaftsrechtlich organisierten Liquidationsverfahren – wohl regelmäßig überhaupt kein irgendwie geartetes Vermögen mehr zu verteilen gibt. Weil sich mit der Abweisung mangels Masse nun aber für AG und GmbH zwingend die Anordnung zur Auflösung der Gesellschaft anschließt (§§  262 Abs.  1 Nr.  4, 289 Abs.  2 Nr.  1 AktG, §  60 Abs.  1 Nr.  5 GmbHG), nicht jedoch bei OHG, KG und Vereinen (§§  161 Abs.  2, 131 HGB; §  42 Abs.  1 BGB), kommt es aufgrund der von Amts wegen durchgeführten Löschung aus dem Handelsregister 69 

Sog. geborene Liquidatoren (Mehrbrey/Paura, §  10 Rn.  11), die bei Kapitalgesellschaften von den Mitgliedern des Vorstandes oder dem Geschäftsführer (§  265 Abs.  1 AktG, §  66 Abs.  1 GmbHG) und bei Personenhandelsgesellschaften (§  146 Abs.  1 S.  1 HGB) durch die Gesellschafter selbst gestellt werden. 70 So K. Schmidt, ZGR 1996, 209, 221 f.; Uhlenbruck, ZIP 1993, 241; Burgard/Gundlach, ZIP 2006, 1568 ff.; Roth/Altmeppen/Altmeppen, Vorb. §  64 GmbHG Rn.  4; MüKo-AktG/ J. Koch, §  262 Rn.  53. 71  Kilger, AnwBl 1987, 424, 425.

IV. Die Insolvenzordnung

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gemäß §  394 FamFG zu einer Vollbeendigung.72 In jenen Fällen einer vermögenslos zusammengebrochenen Kapitalgesellschaft führt die Versagung des Insolvenzverfahrens für den Schuldner also de facto zu einer Vollbeendigung und damit zu einem raschen Verschwinden. Haben nun bspw. Gläubiger den Insolvenzantrag in der Hoffnung gestellt, eine Vollstreckungssperre zu erwirken, sehen sie sich nun mit der Situation eines weggefallenen Schuldners konfrontiert und laufen Gefahr, eventuell bestehende akzessorische Sicherungsrechte mit der weggefallenen Hauptschuld zu verlieren. Sie hätten damit in bester Absicht das genaue Gegenteil von dem erreicht, was sie sich ursprünglich mit Beantragung des Insolvenzverfahrens erhoffen durften. Freilich ist diese Bedrohung der Sicherungsnehmer durch die Rechtsprechung mit einer sich verselbstständigenden Bürgschaft ausgeschaltet. Allerdings sollte dies nicht dazu verführen, die vom BGH verfehlte Vorgehensweise nun doch auf einem dogmatisch gerechtfertigten Fundament stehen zu sehen. Vielmehr sind die Folgen einer Abweisung mangels Masse vom Gesetzgeber nicht vollständig durchdacht und zeigen deutlich, wie dogmatisch isoliert sich die Rechtsprechung in diesem Fall mit gesellschafts- und insolvenzrechtlichen Wechselwirkungen auseinandersetzt. Dies ist nicht zuletzt dem BGH selbst bekannt, indem er sich mangels insolvenzrechtlicher Möglichkeit selbst um eine rein bürgschaftsrechtliche Lösung im vorstehenden Fall bemühen musste: „Es ist nicht einzusehen, dass der Bürge demgegenüber nur deshalb in einer günstigeren Lage sein sollte, weil die Vermögensverhältnisse des Hauptschuldners so schlecht sind, dass sie nicht einmal die Konkurseröffnung zulassen.“73 Womöglich war er sich einer besseren Verortung des Grundproblems von vermögenslos weggefallenen Hauptschuldnern bewusst und hätte die Lösung gern in einem anderen Rechtsgebiet als der Bürgschaft gefunden. Das Zitat zeigt aber auch exemplarisch, wie wenig sich das Insolvenzrecht selbst um eigene Lösungen bemüht. So etwa, indem es staatliche Notliquidatoren mit gesonderten Rechten und Pflichten einsetzt, welche der besonderen Situation masseloser, verschuldeter Gesellschaften besser gerecht wird als das herkömmliche Abwicklungsverfahren im Gesellschaftsrecht.74 Es ist nämlich nur schwerlich einzusehen, dass Sonderwissen, Zeitvorsprung, Schuldnernähe oder der bloße Zufall bei der Gläubigerbefriedigung wieder maßgebliches Kriterium werden, weil das Insolvenzverfahren mangels Masse abgelehnt worden ist. Ziel des Insolvenzverfahrens ist es, ebenso dafür zu sorgen, dass die Krisensituation des Schuldners nicht durch die Gläubiger untereinander ausgenutzt wird und Sondervorteile 72 Uhlenbruck/Hirte, §  11 Rn.  110, 286; §  26 Rn.  55; K. Schmidt-InsO/Keller, §  26 Rn.  57 ff.; MüKo-InsO/Haarmeyer, §  26 Rn.  46. 73  BGHZ 82, 323, 328. 74  So jedenfalls eine Idee von Schulz, S.  106 ff.

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D. Eigene denkbare Lösungsansätze

keine Rolle spielen.75 Gleichzeitig soll damit aber auch eine gewisse Verteilungsgerechtigkeit zur Wahrung des sozialen Friedens erreicht werden.76 Weshalb diese aber ausgerechnet dann zu vernachlässigen ist, wenn der Schuldner fast vollständig vermögenslos ist, lässt sich wohl nur mit finanzpolitischen Gesichtspunkten begründen. Unternehmen, welche nicht einmal die Mittel für eine Deckung der Verfahrenskosten aufbringen können, sind es nach Auffassung des Gesetzgebers schlicht und ergreifend nicht Wert, in ein geregeltes Verfahren einzutreten, da dies nicht umsonst oder zulasten der Staatskasse geschehen soll.77 Dabei bedürfen in derartigen Situationen Schuldner wie auch Gläubiger erst recht klare Haftungs- und Befriedigungsregelungen, die diesem für den Schuldner aussichtslosen und den Gläubiger risikoreichen Zustand gerecht werden. Nicht unterschätzt werden sollte hierbei auch, dass eine nach Insolvenzrecht qualifizierte Masselosigkeit nicht automatisch Vermögenslosigkeit bedeutet. Je nach Größenordnung des Unternehmensträgers können noch bedeutende Vermögenswerte existieren, die vielleicht ein Insolvenzverfahren herkömmlicher Art, nicht aber ein spezialisierteres Liquidationsverfahren obsolet erscheinen lassen.78 Dies hat auch der DCFR erkannt und regelt bspw. in Art.  IV.G. – 2:106 (3) die Befriedigungsansprüche der Gläubiger gegenüber akzessorischen Sicherungsgebern explizit für den Fall, dass das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Hauptschuldners mangels Masse nicht eröffnet bzw. eingestellt wurde.79 Hieran ist eindeutig zu erkennen, dass es ein Bedürfnis gibt, explizitere Regelungen genau für diese Fälle zu entwickeln. Zumindest aber gibt es ein Potential, die unbilligen Auswirkungen des abgelehnten Insolvenzantrages entweder wie im DCFR an entsprechender Stelle zu verorten oder ganzheitliche Regelungen zu erlassen. 75 BeckOK-InsO/Madaus,

§  1 Rn.  5. BGH NJW 1983, 2147 f.; BeckOK-InsO/Madaus, §  1 Rn.  3. 77 Uhlenbruck/Vallender, §  26 Rn.  1. Um aber möglichst vielen natürlichen Personen, trotz fehlender Mittel, den Zugang zum Insolvenzverfahren zu geben, gibt es für diese in §  4a InsO die Möglichkeit zur Verfahrenskostenstundung. Dies gilt jedoch ausdrücklich nicht für juristische Personen. Der Unterschied zwischen beidem liegt dem Gedanken nahe, dass eine Rückzahlung der Verfahrenskosten nur bei Letzterem überhaupt noch zu erwarten ist. Dies liegt darin begründet, dass juristische Personen am Ende des Insolvenzverfahrens, welches lediglich ein besonderes Liquidationsverfahren darstellt, vollbeendigt werden und eine Nachzahlung der gestundeten Verfahrenskosten damit unmöglich ist, siehe hierzu BeckOKInsO/Madaus, §  1 Rn.  18 ff., §  4a Rn.  1. 78  Dafür würde auch die Zahl von 10.000 masseloser Verfahren bei einer Gesamtverfahrenszahl von 130.000 im Jahr 2015 sprechen. Von einem zu vernachlässigenden Phänomen kann mithin keine Rede sein, siehe Statistisches Bundesamt, Insolvenzverfahren, Fachserie 2, Reihe 4.1. 79  DCFR-Full Edition, S.  2625. 76 

V. Ergebnis und Konsequenz für die weitere Darstellung

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Wenn auch das deutsche Insolvenzrecht selbst derzeit keinen Ansatzpunkt anbietet, so zeigt sich vor diesem Hintergrund doch zumindest die Dringlichkeit für eine stringente, rechtsgebietsübergreifende Lösung.80 Akzeptiert man die Situation nun aber als bewusste Entscheidung des Gesetzgebers und lehnt man aus den vorstehenden Gründen die Rechtsprechung des BGH zur Bürgschaft ab, dann offenbart sich für akzessorische Sicherungsnehmer eine nicht unerhebliche Schwierigkeit. Will man sich nun in dieser Frage aber nicht von einer rein insolvenzrechtlichen Klärung abhängig machen, erscheint es nicht unangebracht, den Gläubigern, etwa durch das weitere Aufrechterhalten der Gesellschaft oder dessen Verbindlichkeiten, zumindest ihre Sicherungsverwertung zuzugestehen. Es würde damit nicht nur eine dogmatisch verträglichere Lösung für das Bürgschafts- und Insolvenzrecht in dieser Angelegenheit gefunden, vielmehr entstünde auch der angenehme Nebeneffekt, dass sich akzessorische Sicherungsnehmer nicht um die Geltendmachung ihrer Ansprüche sorgen müssten.

V. Ergebnis und Konsequenz für die weitere Darstellung Der Ansatz der Rechtsprechung und die bisher angestellten Überlegungen haben gemeinsam, dass sie das Problem vornehmlich aus materiell-rechtlicher Bürgschaftssicht zu lösen versuchen. Wie auch der BGH versuchen die Gegenauffassungen variantenreich entweder die zugrundeliegende Akzessorietätsdogmatik (Iversen, C. Schmidt) umzuformulieren bzw. auszusetzen oder mit einer eher problematischen statt gewinnbringenden Erklärung die Hauptschuld aufrechtzuerhalten (Forderungsfiktion, Gläubigerschuld). Nur selten wird dabei auf ein darüber hinaus reichendes Begründungsfundament zurückgegriffen, welches dann aber, wie im Falle des DCFR oder ALR, in eine vollständig andere Dogmatik mündet und deshalb keine wirklich tragfähige Alternative darstellt. Zugleich ist aber deutlich geworden, dass die Ursache der Problematik nicht zwangsläufig im Rahmen mangelnder Bürgschaftsregelungen oder der Akzessorietät begründet liegt, sondern vielmehr im Wegfall des Hauptschuldners. Die Lösung muss daher gar nicht in einer irgendwie gearteten Fiktion oder Neubewertung von Akzessorietät, Haupschuld oder Bürgenverpflichtung zu suchen sein, sondern vielmehr beim Verbleib des Rechtsträgers. Um die Bürgschaftsverpflichtung mit dem Inhalt der eigentlich untergegangenen Hauptforderung 80  Aus diesem Grund wird in diesen Fällen zunehmend von Teilen der Literatur zu einer gleichmäßigen Befriedigung tendiert, MüKo-GmbHG/H.-F. Müller, §  70 Rn.  12; MüKoHGB/K. Schmidt, §  131 Rn.  36; Konzen, FS Ulmer, S.  323, 346 ff.; a. A. Roth/Altmeppen/ Altmeppen, §  70 Rn.  15; Koller/Kindler/Roth/Morck/Kindler, §  145 HGB Rn.  1.

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D. Eigene denkbare Lösungsansätze

aufrechtzuerhalten, erscheint es gebotener, beim Wegfall des Hauptschuldners anzusetzen und nicht bei der Bürgschaft. Anstatt nämlich nur die Folgen der erloschenen Hauptschuld, also deren Symptome, mithilfe des Bürgschaftsrechts zu korrigieren, muss schon bei deren Ursache angesetzt werden, nämlich dem Untergang des Hauptschuldners. Es erscheint verwunderlich, weshalb dieser Ansatzpunkt nicht die Beachtung erhalten hat, die er verdient. So ist doch vor allem schon durch die eingangs erfolgten Ausführungen deutlich geworden, dass die Art der Rechtsträgerschaft, d. h., ob und um welche Art von Gesellschaft es sich beim Hauptschuldner handelt, keine ausschlaggebende Bedeutung für die Entstehung des Problems hat. Nur weil die Gesellschaften infolge der Vollbeendigung überhaupt rückstandslos untergehen, kommt es dazu, dass die gesicherte Hauptschuld entfällt. Überall dort, wo die Forderungen bestehen bleiben (bspw. bei natürlichen oder juristischen Personen des öffentlichen Rechts), wird das Problem in Gänze vermieden. Aus diesem Grund liegt der Schluss nahe, an genau dieser Stelle nach einer Lösung zu suchen, da hier die früheste mögliche Ursache für die Problematik gelegt wird. Das Bürgschaftsrecht als Lösungsansatz kann auch deshalb nicht überzeugen, weil es nur die Folgen des weggefallenen Hauptschuldners in Bezug auf die Verpflichtung des Bürgen korrigieren kann, nicht jedoch den Ursprung. Diesen Ursprung ausgerechnet bei der weggefallenen Forderung zu suchen, ist nicht zuletzt durch die Argumentation der h. M. naheliegend, welche die Bürgschaft gerade deshalb verselbstständigt, um sie von den Wirkungen der fehlenden Hauptschuld zu entkoppeln. Will man nun also das Problem lösen, müsste man wohl eher beim Wegfall der Hauptschuld ansetzen. Der Wegfall ist wiederum dem Gesellschaftsrecht und dessen Auffassung geschuldet, wonach die Verbindlichkeiten einer vollbeendeten Gesellschaft restlos erlöschen. Eine günstigere Lösung des Problems muss sich also direkt aus dem Gesellschaftsrecht ergeben. Der Lösungsansatz ergibt sich hieraus umso mehr, wenn man die Beendigung von Gesellschaften infolge ihrer Liquidation jedoch weniger als einen physischen (sterbenden) und mehr als einen rein rechtlichen Vorgang begreift. Es fällt dann nicht schwer, einen differenzierteren Blick auf die Vorgänge des vermögenslosen Hauptschuldners zu werfen und sich die Fortexistenz durch begründete Einwände weiter vorzustellen. Bliebe er nämlich Träger von Rechten und Pflichten, zumindest gegenüber alten Gläubigern und Sicherungsgebern, würden bestehende Verbindlichkeiten aufrechterhalten. Hierdurch entfiele jeglicher Begründungsaufwand im Rahmen des bürgschaftsrechtlichen Systems, da keine Anstrengungen unternommen werden müssten, eine Durchbrechung des Akzessorietätsgrundsatzes zu rechtfertigen. Die der Bürgschaft zugrundeliegende Hauptforderung bestünde noch und ein Regress des Gläubigers gegenüber den Bürgen wäre unproblematisch im Rahmen der §§  765 ff. BGB möglich.

V. Ergebnis und Konsequenz für die weitere Darstellung

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Freilich soll diese Fortexistenz aber nicht zum Selbstzweck geschehen und dazu führen, dass nur wegen einer einzigen bürgschaftsrechtlichen Fallgruppe andere gesellschaftsrechtliche Institute Einschränkungen erfahren müssten. Um dies zu vermeiden, soll sich die Beweisführung des angestrebten Lösungsansatzes auch vornehmlich aus dem Gesellschaftsrecht selbst ergeben, ohne hierbei auf isolierte bürgschaftsrechtliche Argumente abzustellen. Der Lösung muss deshalb eine vollumfängliche Darstellung aller relevanten Ansätze zur Beendigung einer Gesellschaft vorangehen, die im Ergebnis zur hier vertretenen These führt, um anschließend einer Überprüfung und Verteidigung zu widerstehen. Die aus ihr stammenden Erkenntnisse sollen schließlich zu einer intensiveren Darstellung anhand der Bürgschaft mit allen Fragestellungen führen und sich an allen hierzu vertretenen Theorien messen.

E. Die Darstellung des eigenen gesellschaftsrechtlichen Lösungsansatzes Wie soeben ausgeführt, soll deshalb mit der vorliegenden These nicht nur versucht werden, lediglich die Folgen der weggefallenen Forderung – also die Symptome – mithilfe des Bürgschaftsrechts zu korrigieren, sondern schon bei der Ursache anzusetzen, nämlich dem untergegangenen Hauptschuldner. Alle denkbaren Fallkonstellationen, welche zur vorstehenden Problematik und damit zur verselbstständigten Bürgenverpflichtung führen, haben den Wegfall der Hauptschuld infolge des vermögenslos untergangenen Hauptschuldners gemeinsam. Hiervon geht nicht zuletzt auch der BGH aus, wenn er den Vermögensverfall, aufgrund dessen der Hauptschuldner erlischt, sogar explizit als Voraussetzung seiner Rechtsprechung bestimmt. Umgekehrt ist damit anzunehmen, dass die Chancen zur Beachtung des Akzessorietätsgrundsatzes und damit zum Entfallen der Bürgschaftsverpflichtung steigen, wenn die zugrundeliegende Forderung aus anderen Gründen, etwa durch Erlass, Tilgung oder gar behördlichen bzw. gerichtlichen Akt, entfällt. Die Beendigung des Hauptschuldners infolge seines Vermögensverfalls muss also eine Konsequenz in Gang setzen, die im Rahmen der Bürgschaft zu einem irregulären Ergebnis führt. Wie bereits dargestellt, liegen die Ursachen für die Problematik in der Stellung des Hauptschuldners als zentrale Figur im Bürgschaftsdreieck. Sein Wegfall ist schließlich der Ursprungspunkt für jene Probleme, welche die Rechtsprechung mithilfe des Bürgschaftszwecks zu korrigieren versucht. Erkennt man nun aber an, dass die Zweckerwägungen zwar naheliegend, allerdings ungeeignet dafür sind, eine dogmatisch stringente Argumentationslinie im Rahmen des Akzessorietätsgrundsatzes und der §§  765 ff. BGB zu rechtfertigen, muss sich eine Lösung außerhalb des Bürgschaftsrechts ergeben. Dabei sind zwei Ausgangspunkte festzuhalten: Erstens, es muss der Akzessorietät entsprochen werden, da keinerlei fundierte Hinweise im Bürgschaftsrecht zu finden sind, die in diesem Fall eine Ausnahme zulassen. Zumindest aber lassen sich keine Ansatzpunkte ausmachen, welche die Bürgschaft derartig von der Hauptschuld entkoppelt, dass von einer Verselbstständigung gesprochen werden kann. Zweitens muss ein Lösungsansatz, welcher sich konform in die Regelungssystematik der Bürgschaft einfügen

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E. Die Darstellung des eigenen gesellschaftsrechtlichen Lösungsansatzes

will, auch zwingend die Hauptschuld, d. h. die Forderung des Gläubigers gegen den Hauptschuldner, aufrechterhalten. Zwischen dem Wegfall des Hauptschuldners und der Bürgschaftsproblematik steht rechtstechnisch nur dessen Abwicklung und Vollbeendigung im Rahmen des Gesellschaftsrechts. Das Gesellschaftsrecht stellt sozusagen das Bindeglied dar, da hier zugleich auch die Ursache für das eigentliche Entfallen der Hauptschuld gelegt wird, indem das Ende der Gesellschaft auch das Erlöschen aller Schulden zur Folge hat. Findet sich nun aber durch eine Untersuchung dieser Beendigung eine Möglichkeit, die Verbindlichkeiten der Gesellschaft zu erhalten, haftet der Bürge nicht nur weiterhin für seine Verbindlichkeit, man beseitigt damit auch den Grund für irgendwie geartete Fiktionen von Hauptschuld, Akzessorietät oder Bürgschaft. Es bietet sich deshalb nahezu an, genau diesen Ansatz weiter zu verfolgen und ihn schließlich als echte dogmatisch verträglichere Alternative aufzubereiten.

I. Die eigene These Damit ist aber keinesfalls das Wiederbeleben einer alten oder gar die Etablierung eines neuen Konstruktes zu verstehen, sondern das Aufstellen einer These anhand einer schlichten Untersuchung des Ist-Zustandes. Sie bezieht sich auf die Theorien zur Vollbeendigung von Gesellschaften und kann die Problematik des weggefallenen Hauptschuldners nur durch konsequentes Weiterdenken sicher auflösen. Die These lautet: Der Bürge kann vom Gläubiger auch dann wirksam in Anspruch genommen werden, wenn der Hauptschuldner wegen Vermögenslosigkeit weggefallen ist, ohne dass es einer Akzessorietätsdurchbrechung oder Verselbstständigung der Bürgschaft durch die h. M. bedarf. Die zugrundeliegende Hauptschuld besteht weiterhin, weil die Gesellschaft niemals aufgehört hat, Träger von Rechten und Pflichten zu sein, zumindest aber weil die Verbindlichkeiten in Nachfolgegesellschaften stets fortbestehen. Die These ergibt sich aus der Tatsache, dass der Rechtsträger erhalten bleiben muss, um im Rahmen einer jederzeit durchzuführenden Nachtragsliquidation Zuordnungssubjekt für nachträglich anfallendes Vermögen zu sein. Aufgrund des noch bestehenden Rechtsträgers gibt es keinen Grund, die Verbindlichkeiten entfallen zu lassen, da alle Voraussetzungen für den Erhalt dieser Rechtsbeziehung (Rechtssubjekt als Träger von Rechten und Pflichten, zwei Vertragspartner etc.) nach wie vor bestehen. Überdies gelten innerhalb der Nachtragsliquidation dieselben Vorschriften wie auch im Regelliquidations- bzw. Regelabwicklungsverfahren. So dient auch das erst später bekannt gewordene Vermögen zuvor-

II. Gesellschaften zwischen Vollbeendigung und Nachtragsliquidation

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derst der Befriedigung noch verbliebener Gläubiger und erst anschließend der Verteilung an die Gesellschafter. Den Gläubigern muss deshalb auch weiterhin ein Anspruch auf Leistung des Schuldners mit Rechtsgrund zustehen. Zum einen, damit sie nicht bloß dem guten Willen der Liquidatoren auf Leistung ausgeliefert sind und ihren Anspruch ggf. auch prozessrechtlich durchsetzen können. Zum anderen, um im Vergleich zur erstmalig durchgeführten Liquidation bzw. Regelliquidation nicht schlechter zu stehen. Das Fortbestehen der Verbindlichkeit als Hauptschuld einer Bürgschaft ergibt sich somit aus mehreren Gründen und lässt die Verselbstständigung akzessorischer Sicherheiten obsolet erscheinen. Ein Bürge ist damit etwa stets und im Einklang mit dem Akzessorietätsprinzip verpflichtet, an den Gläubiger zu leisten, wenn der Hauptschuldner wegen Vermögensverfalls oder im Zuge eines Insolvenzverfahrens beendigt wurde. Die Begründung einer Akzessorietätsdurchbrechung entfällt, weil der weggefallene Hauptschuldner nur ein Scheinproblem im bürgschaftsrechtlichen Kontext ist. Wie genau sich der Wegfall einer Gesellschaft hin zur Vollbeendigung vollzieht, wurde bereits an anderer Stelle überblickartig für ein Verständnis über die Voraussetzungen des vermögenslos weggefallenen Hauptschuldners dargestellt. Aufgrund der Tatsache, dass die hier vertretene These in ihrer dogmatischen Begründung aber ganz maßgeblich auf die Wirkungen und Voraussetzungen der Vollbeendigung Bezug nimmt, ist in einem ersten Schritt auf die relevantesten Eckpunkte in der letzten Phase einer Gesellschaft einzugehen, die zur Vollbeendigung und damit zum Wegfall führen. Erst anschließend soll die These im zweiten Schritt konkret hergeleitet und anhand von Beispielen und Gegenargumenten weiter beleuchtet werden, um sie schließlich in gesonderten Abschnitten kritisch anhand der anderen Lösungsansätze zu vergleichen.

II. Gesellschaften zwischen Vollbeendigung und Nachtragsliquidation Entscheidend für die Betrachtung ist zweierlei. Zum einen der Zeitpunkt der Vollbeendigung einer Gesellschaft, d. h. jener Augenblick, in denen die Gesellschaft rechtlich verschwindet, und zum anderen die hierauf folgende Nachtragsliquidation. Eine detaillierte Auseinandersetzung zu beiden Instituten ist notwendig, da die Einordnung der Nachtragsliquidation vom Verständnis über die Voraussetzungen der Vollbeendigung abhängt und umgekehrt die Theorien zur Vollbeendigung vom Verständnis der Nachtragsliquidation abhängen. Während die Vollbeendigung zwingend zum Lebenszyklus einer Gesellschaft gehört, muss die Nachtragsliquidation nicht zwangsläufig erfolgen. Trotzdem soll die

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E. Die Darstellung des eigenen gesellschaftsrechtlichen Lösungsansatzes

nachfolgende Untersuchung beide Institute näher beleuchten und mit der eher unverbindlicheren Nachtragsliquidation beginnen, da sie sich in dem hier zu analysierenden Umfang deutlich unumstrittener darstellt als die Theorien zur Vollbeendigung.

1. Die Nachtragsliquidation Stellt sich nach Abschluss der Liquidation oder nach Registerlöschung gemäß §  394 FamFG ohne vorangegangenes Liquidationsverfahren heraus, dass noch Vermögen vorhanden ist bzw. anderer (nichtvermögensrechtlicher) Handlungsbedarf besteht, schließt sich eine sog. Nachtragsliquidation1 an. Geht es um nachträglichen Vermögensanfall, sind hierbei sowohl Fälle des von Anfang an vorhandenen Gesellschaftsvermögens als auch des späteren Vermögenserwerbs gemeint.2 So etwa in Fällen, in denen sich ein ehemaliger illiquider Schuldner als zahlungsfähig herausstellt3 oder Ansprüche gegen frühere Gesellschafter respektive Liquidatoren durchsetzbar erscheinen4. Bei der Nachtragsliquidation handelt sich um ein eigenständiges, nachträglich in Gang gesetztes Liquidationsverfahren, welches ein vorangegangenes Liquidationsverfahren weder voraus- noch fortsetzt.5 Dies ist nur konsequent, wenn man bedenkt, dass auch in Fällen der Beendigung nach §  394 FamFG ohne vorangegangenes (Regel-) Liquidationsverfahren noch eine Nachtragsliquidation möglich sein soll. Die vom Registergericht zu bestimmenden Nachtragsliquidatoren können von den ursprünglichen Liquidatoren personenverschieden sein, da deren Amt gemäß §  273 Abs.  1 S.  2 AktG bzw. §  74 Abs.  1 Satz  2 GmbHG mit Löschung der Gesellschaft endet.6 1  Zur eigentlich unrichtigen, aber gebräuchlichen Bezeichnung einer „Nachtragsliquida­ tion“, deren vereinfachte Begrifflichkeit auch hier für alle Formen der Liquidation bzw. Abwicklung nach §§  264 Abs.  2, 274 Abs.  4 AktG, §  66 Abs.  5 GmbHG verwendet wird: Rowedder/Schmidt-Leithoff/Rasner, §  60 Rn.  64. 2  Ohne Einschränkungen Spindler/Stilz/Bachmann, §  273 Rn.  21; MüKo-AktG/J. Koch, §  264 Rn.  11, §  273 Rn.  33; Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, §  74 Rn.  19; Rowedder/SchmidtLeithoff/Rasner, §  74 Rn.  18; a. A. Roth/Altmeppen/Altmeppen, §  74 Rn.  21; Baumbach/ Hueck/Haas, §  60 Rn.  104 mit Verweis auf OVG Berlin GmbHR 1993, 510 für lediglich von Anfang an vorhandenes Vermögen. 3  OLG Karlsruhe ZIP 1989, 1261; BayObLG ZIP 1985, 33. 4  BGH NJW 2001, 304, 305; KG GmbHR 2007, 542, 543; OLG Stuttgart GmbHR 1995, 595. 5  BayObLGZ 1955, 288, 292; MüKo-AktG/J. Koch, §  264 Rn.  9; Roth/Altmeppen/Alt­ meppen, §  74 Rn.  21. 6  BGHZ 53, 264, 269; MüKo-AktG/J. Koch, §  273 Rn.  39; Spindler/Stilz/Bachmann, §  273 Rn.  22; Michalski/Nerlich, §  74 Rn.  49.

II. Gesellschaften zwischen Vollbeendigung und Nachtragsliquidation

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Die rechtliche Grundlage hierfür findet sich sowohl in §  264 Abs.  2 AktG als auch in §  273 Abs.  4 AktG. Beide Normen ordnen die Nachtragsliquidation an, mit dem Unterschied, dass nur im ersten Fall kein vorheriges (Regel-) Abwicklungsverfahren stattfand. Bedingt durch die Tatsache, dass beiden Vorschriften damit ganz identische Rechtsfolgen und Prinzipien zugrundeliegen, erfolgt regelmäßig eine simultane Auslegung, die zu einem einheitlichen und unterschiedslosen Institut der Nachtragsliquidation führt.7 Dies bleibt freilich nicht auf die AG beschränkt, sondern wird nach unbestrittener Ansicht mangels eigener Regelung auch auf die GmbH analog angewandt.8 Die ganz ähnliche Regelung des §  66 Abs.  5 GmbHG taugt hierbei nicht als Rechtsgrundlage, da sie als zu eng angesehen wird und nur den Fall einer Nachtragsabwicklung bei einer nach §  394 FamFG wegen (angeblicher) Vermögenslosigkeit gelöschten Gesellschaft meint. Bei Personengesellschaften hingegen fällt die Begründung mit einer analogen Anwendung des §  273 Abs.  4 AktG ganz ähnlich aus, da der einzig hierzu vorhandene §  145 Abs.  3 HGB gleichfalls nur den Fall einer wegen Vermögenslosigkeit gelöschten Gesellschaft ohne vorheriges Liquidationsverfahren meint.9 Unterschiede ergeben sich hier aber im Hinblick auf die nicht notwendigerweise gerichtliche Bestellung der Nachtragsliquidatoren.10 Generell gilt aber sowohl für Personen- als auch für Kapitalgesellschaften, dass auch im (Regel-)Liquidationsverfahren der Zweck der Nachtragsliquidation darin besteht, eine offene Rechtsbeziehung abzuwickeln, um ein nachhaltig restloses Erlöschen der Gesellschaft zu ermöglichen. Sie sind in diesem Rahmen auch grundsätzlich von Amts wegen wieder ins Handelsregister einzutragen und mit Beendigung wieder zu löschen.11 Abgesehen von der umstrittenen Fallgruppe nichtvermögensrechtlicher Abwicklungsmaßnahmen, beschränken sich bei der Nachtragsliquidation die Abwicklungspflichten regelmäßig auf eine Koch, §  264 Rn.  9. BGHZ 48, 303, 307; 53, 264, 266; 105, 259, 262; BAG NJW 2008, 603 Rn.  7; OLG Düsseldorf NZG 2014, 230; OLG München NZG 2008, 555, 556 f.; OLG Stuttgart GmbHR 1994, 485; Bork JZ 1991, 841, 845; Heller, S.  158 ff.; MüKo-GmbHG/H.-F. Müller, §  74 Rn.  41 f.; Henssler/Strohn/Büteröwe, GmbHG §  74 Rn.  24; Hachenburg/Hohner, §  74 Rn.  29. 9  BGH NJW 1979, 1987; MüKo-HGB/K. Schmidt, §  155 Rn.  56; Baumbach/Hopt/Roth, §  157 Rn.  3; Riehm, NZG 2003, 1054, 1055. 10  Die Unterschiede gründen sich hier insbesondere auf die Publikums KG, die wegen ihrer Nähe zum Recht der Kapitalgesellschaften stets eines gerichtlich bestellten Nachtragsliquidators bedarf, BGH NJW 2003, 2676; MüKo-HGB/K. Schmidt, §  155 Rn.  56, §  157 Rn.  33. Aus diesem Grund in voller Analogie zu §  273 Abs.  4 AktG stets gerichtlich bestellte Liquidatoren bei Personengesellschaften fordernd Riehm, NZG 2003, 1054, 1056; Neumann, NZG 2015, 1018, 1019 ff. 11  KG JW 1937, 1739 f.; Michalski/Nerlich, §  74 Rn.  59; Scholz/K. Schmidt, §  74 Rn.  23. 7 MüKo-AktG/J. 8 

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E. Die Darstellung des eigenen gesellschaftsrechtlichen Lösungsansatzes

Verteilung des angefallenen Vermögens. So müssen mit dem nachträglich aufgetauchten Vermögen zuerst die verbliebenen Verbindlichkeiten erfüllt werden, bevor der Rest an die Gesellschafter ausgekehrt werden kann.12 Der Überblick zeigt, dass die Nachtragsliquidation ein festes und unbestrittenes Werkzeug des Gesellschaftsrechtes für alle (nicht) vermögensrechtlich relevanten Maßnahmen darstellt. Sie soll der Gefahr herrenlosen Vermögens begegnen, die entstünde, wenn Gesellschaften erloschen sind und damit nicht mehr als Zuordnungsobjekt zur Verfügung stünden.13 Überhaupt würde Herrenlosigkeit – ganz gleich, ob an beweglichen oder unbeweglichen Sachen, §§  928, 959 BGB – auch immer ein aktives Tun des Eigentümers mittels Willenserklärung und ­Realakt voraussetzen.14 Hieran fehlt es aber schon wegen der vorangegangenen Vollbeendigung und des Unvermögens der Gesellschaft, auf später aufgefundenes Vermögen aktiv zu verzichten. Der Gesetzgeber hat also aus Gründen der Rechtssicherheit in Bezug auf das Schicksal des ehemaligen Gesellschaftsvermögens und aus dogmatischen Gründen kein Interesse an der Herrenlosigkeit. Gleichzeitig verleiht sie aber auch dem Gläubigerschutz Ausdruck, indem nachträglich aufgetauchtes Vermögen nicht einfach an die ehemaligen Gesellschafter ausgeschüttet wird, sondern vornehmlich der Gläubigerbefriedigung dienen soll. Allerdings bergen die guten Absichten auch gewichtige, im Folgenden noch aufzuzeigende Nebenwirkungen, weil die eigentlich erloschene Gesellschaft jederzeit als Zuordnungssubjekt zur Verfügung stehen muss. So wird schon an dieser Stelle deutlich, dass sich die Nachtragsliquidation – außer in den Fällen des §  394 FamFG – auf den Zeitpunkt nach Abschluss des Liquidationsverfahrens bezieht. Ansonsten läge die Konsequenz bei einer schlichten Fortführung oder Wiederaufnahme der Liquidation. Von Bedeutung ist deshalb weniger die Nachtragsliquidation als vielmehr die Verknüpfung ihrer Auswirkungen mit den Voraussetzungen der Vollbeendigung. Das heißt also, der Zuordnung des u. U. Jahre später aufgetauchten Vermögens mit dem alten Rechtsträger und seiner Verpflichtung damit auch die ehemaligen Forderungen der Gläubigers erfüllen zu müssen. Ergäben sich hieraus Schlussfolgerungen, die darauf schließen lassen, dass der Rechtsträger deswegen gar nicht untergehen kann bzw. erhalten bleiben muss, könnte dies im Hinblick auf das Schicksal seiner Schulden ein ganz neues Bild ergeben. Es kommt also entscheidend darauf an, wann und wie Vollbeendigung eintritt, um zu erfahren, ob sich die Dogmatik zur Nachtrags­ liquidation tatsächlich auswirkt. Aus diesem Grund ist als Nächstes auf die entsprechenden Theorien zur Vollbeendigung einzugehen. 12  Michalski/Nerlich, §  74 Rn.  58; Hachenburg/Hohner, §  74 Rn.  31; Henssler/Strohn/ Drescher, §  273 Rn.  20. 13  Vgl. Jaeger/Schilke, §  26 Rn.  48; Spindler/Stilz/Bachmann, §  273 Rn.  10. 14 MüKo-BGB/Oechsler, §  959 Rn.  1.

II. Gesellschaften zwischen Vollbeendigung und Nachtragsliquidation

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2. Die Vollbeendigung Völlig unstrittig ist heute, dass die Gesellschaft, sofern sie bereits vor ihrer Auflösung Trägerin von Rechten und Pflichten gewesen ist, auch bis zur Vollbeendigung rechtsfähig bleibt. Die Rechtsverhältnisse, etwa Forderungen und Verbindlichkeiten, bleiben auch nach Auflösung und vor allem während der Liquidationsphase erhalten (sog. Kontinuität der Rechtsverhältnisse15). Damit sind sowohl die Erhaltung der Gesellschaftsstruktur (durch Organe und deren Organisation) als auch die Fortgeltung ihrer Prozess-, Partei-, Insolvenz- und Rechtsfähigkeit gemeint.16 Sicher geklärt ist somit, dass die Gesellschaft bis zur Vollbeendigung weiterhin am Rechtsverkehr teilnehmen kann; ungeklärt hingegen, wann nun aber die Vollbeendigung konkret eintritt. Sowohl dieser Zeitpunkt als auch dessen konkrete Voraussetzungen und insbesondere die daraus resultierenden Folgen sind im Gesetz nicht zur Gänze geregelt und daher seit langem umstritten.17 Selbst der BGH lässt im Rahmen seiner Bürgschaftsrechtsprechung oftmals die Frage dahinstehen, ob die im Fokus stehende Gesellschaft denn nun wirklich untergegangen ist oder nicht.18 Freilich geschieht dies aus der Intention heraus, dass der Bürge aufgrund des Bürgschaftszwecks sowieso haftet und die Feststellung deshalb entbehrlich ist. Geschuldet ist dies aber auch der Tatsache, dass lediglich vereinzelte Vorschriften existieren, die meist ohne konkreten gegenseitigen Bezug Indizien setzen, aber keine rechte Antwort erkennen lassen, wie sich der Gesetzgeber die Wirkung der Vollbeendigung vorgestellt hat.19 a) Die ungeregelte Vollbeendigung So macht das Gesetz noch nicht einmal genaue Angaben dazu, wie die Liquidation überhaupt stattfinden soll, sondern umschreibt lediglich allgemeingültige Pflichten. Diese sind fast wortlautidentisch in den §  268 AktG, §  70 GmbHG und §  149 HGB geregelt und beschränken sich im Wesentlichen darauf, dass die Liquidatoren laufende Geschäfte zu beenden und jegliches Vermögen zu ver15 Mehrbrey/Paura, §  10 Rn.  8; Scholz/K. Schmidt, §  69 Rn.  4; Spindler/Stilz/Bachmann, §  264 Rn.  34; MünchHdb. GesR IV/Hoffmann-Becking, §  67 Rn.  1. 16  Vgl. RGZ 82, 84; 134, 94; BGHZ 14, 163, 168; 24, 279, 286; MüKo-AktG/Hüffer, §  262 Rn.  2; Mehrbrey/Paura, §  10 Rn.  8; Henssler/Strohn/Drescher, AktG §  262 Rn.  1; Spindler/ Stilz/Bachmann, §  262 Rn.  5. 17 MüKo-AktG/J. Koch, §  262 Rn.  17; Hopt/Wiedemann/K. Schmidt, §  273 Rn.  2; Godin/ Wilhelmi, §  273 Anm.  3. 18  Vgl. BGHZ 48, 303, 306 f., 82, 323, 326, 153, 337, 339. 19 Spindler/Stilz/Bachmann, §  262 Rn.  3 spricht etwa davon, dass die gesellschaftsrechtlichen Vorschriften teilweise „unvollständig“ und nur „schwer handhabbar“ sind.

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E. Die Darstellung des eigenen gesellschaftsrechtlichen Lösungsansatzes

flüssigen haben, ohne jedoch zu regeln, wie sie sich bspw. über den Bestand der Verteilungsmasse Klarheit verschaffen sollen.20 Das Gleiche gilt für §  157 HGB, welcher nur davon spricht, dass nach der Liquidation auch die Löschung im Handelsregister vorzunehmen ist, ohne darauf einzugehen, ob hiermit die Gesellschaft wirklich beendet ist oder noch weitere Bedingungen hinzukommen müssen. Für den Beginn der in §  159 HGB geregelten Nachhaftung der Gesellschafter, welche historisch die Haftung nach Wegfall der Personengesellschaft regeln soll21, stellt er hingegen auf den Zeitpunkt der Auflösung ab und damit auf einen Moment der noch vor der Liquidation liegt. Ursprünglich ging der Gesetzgeber zwar schon mit Auflösung der Gesellschaft von einem Ende ihrer rechtlichen Existenz aus, nach neuerem Verständnis ist der Wortlaut aber nur noch verwirrend, da in diesem Fall eine bloße Zweckänderung der Gesellschaft eintritt.22 Ähnliches gilt bei §  730 BGB für die GbR, bei der es auf die Löschung im Handelsregister nicht ankommt und deren einziger Hinweis auf die Beendigung lediglich von der Pflicht zur Auseinandersetzung, d. h. der Loslösung aller rechtlichen Beziehungen, begleitet wird.23 Gleiches gilt für §  273 Abs.  1 S.  1 AktG und §  74 Abs.  1 S.  1 GmbHG, welche das Erlöschen der Gesellschaft an den Schluss der Abwicklung knüpfen, ohne dabei eine konkrete Aussage zur rechtlichen Beendigung der Gesellschaft zu treffen. Ebenso wenig aussagekräftig ist dessen Abs.  4 mit der Möglichkeit zur Nachtragsabwicklung bei noch vorhandenem Abwicklungsbedarf und der Frage, wie sich diese Anordnung zum ursprünglich gelöschten Rechtsträger verhält.24 Nichts anderes gilt für §  394 FamFG, welcher klarstellt, dass bei eingetretener Vermögenslosigkeit die Gesellschaft von Amts wegen zu löschen ist. Im Hinblick auf die Beendigung der rechtlichen Existenz bzw. dessen Wirkung und das Verhältnis bei nachträglich auftretendem Vermögen gemäß §  264 Abs.  2 AktG lässt sich aber kein Schluss ziehen.25 Die Beispiele führen eindrucksvoll vor Augen, dass es keine gesicherte unumstrittene Lösung hierzu gibt, da die Vorschriften allesamt keinen eindeutigen Schluss für den generellen Willen des Gesetzgebers in Bezug auf die konKoch, §  271 Rn.  10. Schmidt, §  156 Rn.  1. 22 MüKo-HGB/K. Schmidt, §  157 Rn.  7; vgl. zur Fortexistenz der aufgelösten Gesellschaft Mehrbrey/Paura, §  10 Rn.  1 m. w. N. 23 BeckOGK-BGB/Koch, §  730 Rn.  7, welcher zudem konstatiert, dass die Regelung unvollständig sei, da keine Aussage zur Aufbewahrungspflicht von Unterlagen getroffen wird, im Übrigen auch keine Anordnung zur Liquidation, K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, §  59 V 2, S.  1760 ff. 24 Spindler/Stilz/Bachmann, §  262 Rn.  91. 25 MüKo-AktG/J. Koch, §  262 Rn.  86; Spindler/Stilz/Bachmann, §  262 Rn.  99. 20 MüKo-AktG/J.

21 MüKo-HGB/K.

II. Gesellschaften zwischen Vollbeendigung und Nachtragsliquidation

111

kreten Voraussetzungen und Folgen der Vollbeendigung zulassen.26 Beginnt man also die gesetzlichen Regelungen zusammenzutragen, ergibt sich nicht ohne Weiteres ein zusammenhängendes Bild. Lediglich Anhaltspunkte sind den einzelnen Vorschriften zu entnehmen, die darauf schließen lassen, dass sowohl die Löschung aus dem Handelsregister als auch das Vermögen und etwaig bestehende Pflichten eine nicht unerhebliche Rolle zu spielen scheinen. An diesen Kriterien orientiert sich auch das Meinungsspektrum in Lehre und Rechtsprechung. So existieren in Bezug auf Kapitalgesellschaften im Wesentlichen drei Strömungen, die sich in ihren Voraussetzungen auf die soeben genannten Ansatzpunkte beziehen und sie auf verschiedene Weise als Voraussetzung für die Vollbeendigung begreifen. Obwohl alle Auffassungen ein unterschiedliches Verständnis zugrundelegen und hieraus resultierend auch andersartige Folgeprobleme erzeugen, lassen sie sich im Ergebnis auf einen gemeinsamen Nenner bringen. Wegen der höheren Relevanz ist im Folgenden zunächst ausschließlich auf die Vollbeendigung bei Kapitalgesellschaften einzugehen, bevor in einem gesonderten Abschnitt Erläuterungen im Hinblick auf die Personengesellschaften erfolgen. b) Die konstitutive Löschung aus dem Handelsregister Teile der Literatur27 folgen der Meinung, dass nur die Löschung aus dem Handelsregister etwas über den rechtlichen Fortbestand einer Gesellschaft aussagen kann. Die Löschung ist hierbei nicht nur notwendige, sondern einzige Voraussetzung für die Vollbeendigung und unabhängig von jedweden anderen (nicht-) vermögensrechtlichen Fragestellungen der Gesellschaft. Im Grunde wird damit nur den Normativbestimmungen des Gesetzes Rechnung getragen, die bei der Entstehung von Kapitalgesellschaften zwingendes Recht normieren und deshalb auch bei dessen Beendigung Berücksichtigung finden müssten. Wenn die Gesellschaft nur dadurch Rechtsfähigkeit erlangt, indem nach Vorliegen aller Voraussetzungen auch eine entsprechende Eintragung ins Handelsregister erfolgt (§  36 AktG, §  7 GmbHG), muss dies umgekehrt auch im Falle des Verlustes ihrer Rechtsfähigkeit gelten.28 Das Handelsregister gibt sodann nicht nur korrekt darüber Auskunft, welche Gesellschaften rechtsfähig sind, sondern, Vgl. hierzu auch Hönn, ZHR 138 (1974), 50, 51 f.; Raiser/Veil, §  22 Rn.  2; H. Schmidt, S.  113. 27  Hönn, ZHR 138 (1974), 50, 59; Herbig, DNotZ 1935, 787, 790; Hüffer/Koch, §  273 Rn.  7, 13; Heller, S.  128 ff.; MüKo-AktG/J. Koch, §  262 Rn.  17; Lindacher, FS Henckel, S.  553; Hachenburg/Ulmer, Anh. §  60 GmbHG Rn.  36 ff.; Hachenburg/Hohner, §  74 Rn.  26; Hüffer, GS Schultz, S.  99, 103 ff.; Raiser/Veil, §  22 Rn.  2; Roth/Altmeppen/Altmeppen, §  65 Rn.  21; Godin/Wilhelmi, §  273 Anm.  3; Buchner, S.  105. 28 Roth/Altmeppen/Altmeppen, §  65 Rn.  21. 26 

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E. Die Darstellung des eigenen gesellschaftsrechtlichen Lösungsansatzes

durch das Fehlen eines Eintrages, auch sicher darüber Antwort, welche Gesellschaften es nicht sind. Auf anderweitige schwer bestimm- und beschaffbare Kriterien wie die Vermögenslosigkeit käme es dann nicht mehr an. Für diese Ansicht spräche auch der etwa durch §  273 Abs.  4 AktG deutlich zum Ausdruck gebrachte Strukturwandel, welcher der Gesellschaft zugunsten des Gerichts nach Registerlöschung die Fähigkeit abspricht, eigenständig Liquidatoren zu bestellen oder abzuberufen. Die Löschung führe also zu einer Rechtebeschneidung der Gesellschaft und damit zu einer vollkommen anderen Sichtweise, welcher nur durch die Registerlöschung als entscheidendes Merkmal der Beendigung Rechnung getragen werden kann.29 Eine zu Unrecht erfolgte Registerlöschung oder ein sich später ergebender Abwicklungsbedarf ändern an den Wirkungen dieses festen Kriteriums nichts.30 Aus diesem Grund spielt auch die Natur der noch vorzunehmenden Abwicklungsmaßnahmen, d. h. vermögensrechtlicher oder nicht vermögensrechtlicher Art innerhalb der Nachtragsliquidation keine Rolle.31 Dem Vorwurf, dass die konstitutive Löschung in diesen Fällen zu unbilligen Ergebnissen führt32 , begegnen die Vertreter mit einer Reihe Theorien, deren Ziel die irgendwie geartete Verknüpfung des eigentlich vollbeendigten Rechtsträgers mit den noch vorhandenen Vermögenswerten ist. Problematisch ist an dieser Stelle nämlich, dass mit Erlöschen der Gesellschaft zum einen alle Verbindlichkeiten entfallen, weil es an zwei Vertragsparteien fehlt. In dessen Folge mangelt es im Rahmen der Nachtragsliquidation an einem Rechtsgrund, der zur Leistungsbewirkung an die Gläubiger zwingen würde. Zum anderen fehlt es an einer Erklärung, weshalb die eigentlich vernichtete und für niemanden mehr existente Gesellschaft plötzlich wieder Inhaber von Vermögen sein kann. Aus diesem Grund existieren eine Reihe von Erklärungsmodellen, die versuchen, einen Lösungsansatz zu bieten, ohne in einen Widerspruch mit der Nachtragsliquidation zu gelangen. aa) Fiktive Nachgesellschaft Hönn begegnet dem Problem damit, dass er die Gesellschaft in derartigen Fällen zwar als erloschen ansieht, bei Bedarf aber als fortbestehend fingiert (Fiktionstheorie). Sie ist sodann zwar mit der ehemaligen Gesellschaft nicht mehr 29 Hachenburg/Ulmer, §  60 GmbHG Rn.  18; Anh. §  60 GmbHG Rn.  37; Lindacher, FS Henckel, S.  549, 553; Hüffer, GS Schulz, S.  99, 105; Heller, S.  109. 30 MüKo-AktG/J. Koch, §  262 Rn.  17; Hüffer, GS Schulz, 99, 105. 31  Godin/Wilhelmi, §  273 Anm.  8; Roth/Altmeppen/Altmeppen, §  74 Rn.  27; Heller, S.  148; H. Schmidt, S.  133; Buchner, S.  99 f. 32  Bork, JZ 1991, 841, 843; Müko-GmbHG/Berner, §  60 Rn.  31; selbstkritisch hierzu H. Schmidt, S.  134; Heller, S.  109; Buchner, S.  101; Hüffer, GS Schultz, 99, 105 f.

II. Gesellschaften zwischen Vollbeendigung und Nachtragsliquidation

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identisch, lebt aber als atypische Kapitalgesellschaft wieder auf.33 Allerdings mangelt es dieser Theorie gleichsam an einem fundierten Erklärungsansatz für die Zuordnung des verbliebenen Vermögens zur nunmehr fingierten Gesellschaft.34 Denn auch die Fiktion kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Gesellschaft mit Registerlöschung erst einmal erloschen ist, die alten Rechte und Pflichten aber erhalten bleiben müssen. Als problematisch muss hier schon angesehen werden, dass sich die zu erzielenden Rechtsfolgen nicht allein auf den Zeitpunkt und die Dauer der Fiktion beschränken dürfen. So dient die Fiktion gerade dazu, den Fortbestand von Rechten und Pflichten zu erklären35, damit Vermögen im Falle der Nachtragsliquidation zugeordnet und Schulden mit Rechtsgrund zu erfüllen sind. Wenn die Gesellschaft nur ausnahmsweise fingiert und ansonsten darauf verzichtet werden würde, verfehlte die Nachtragsliquidation ihren Zweck. Zwar wäre es wohl unschädlich, den Rechtsträger als Zuordnungsobjekt für Vermögen nur bei Bedarf zu fingieren; im Rahmen der Verbindlichkeiten bedürfte es jedoch einer fortwährenden Fiktion des Rechtsträgers, damit die Verbindlichkeiten mangels synallagmatischem Gegenpart nicht untergehen und es an einer Verpflichtung zur Leistung ermangelt. Hier offenbart sich der Zirkelschluss dieser Theorie: Im Falle von Schulden müssen die noch offenen Verbindlichkeiten ununterbrochen bestehen bleiben, damit die Gläubigern einen Anspruch auf Leistung haben. Dies geschieht zweifellos durch die Fiktion, richtet sich aber in ihrer Dauer wiederum danach, wie lange noch mit einem Vermögensanfall gerechnet werden kann, da es überhaupt nur dann noch sinnvoll erscheint. Aufgrund dessen, dass aber ein nachträglicher Vermögensanfall grundsätzlich nie vollständig ausgeschlossen werden kann, muss die Fiktion somit ewig geschehen. Die Tatsache, dass die Gesellschaft eigentlich vollbeendigt ist, wird damit vollkommen bedeutungslos, weil sich für den alten Rechtsträger, bis auf die Fiktion, im Ergebnis nichts ändert. Zugleich wird nicht hinreichend deutlich, wie mit der „Fiktion“ rechtstheoretisch umzugehen ist, da sie sich in jedem Fall zu widersprechen scheint. Entweder soll die Fiktion darauf hindeuten, dass der nunmehr – nach Vernichtung des alten – neue fingierte Rechtsträger gar nicht real ist, was darauf schließen ließe, dass er damit auch gar nicht Träger von Rechten und Pflichten sein dürfte.36 Oder die Fiktion widerspricht ihrer eigenen Annahme dahingehend, dass sie eben doch ein Beweis dafür ist, dass der anscheinend vollbeendigte RechtsträHönn, ZHR 138 (1974), 50, 74 ff.; H. Schmidt, S.  138 ff.; Uhlenbruck/Hirte, §  11 Rn.  151, welcher zumindest für die Nachtragsliquidation ausdrücklich auf eine Fiktion abstellt. 34  Bork, JZ 1991, 841, 843; Müko-GmbHG/Berner, §  60 Rn.  31; Hopt/Wiedemann/ K. Schmidt, §  264 Rn.  16; Rowedder/Schmidt-Leithoff/Rasner, §  60 Rn.  53. 35  Hönn, ZHR 138 (1974), 50, 77. 36 Rowedder/Schmidt-Leithoff/Rasner, §  60 Rn.  53; Heller, S.  120. 33 

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E. Die Darstellung des eigenen gesellschaftsrechtlichen Lösungsansatzes

ger gar nicht vollständig aufgehört hat zu existieren.37 Neben materiellrechtlichen Problemen führt die Fiktion aber auch in prozessrechtlicher Hinsicht zu Problemen, wenn etwa die Teilnahme einer bloß fingierten Partei bei Streitigkeiten über die Nachtragsliquidation im Zivilprozess erklärt werden soll.38 Eine tragfähige Erklärung bietet die Fiktionstheorie im Ergebnis also nicht. bb) Sondervermögen Demgegenüber versucht die von Ulmer vertretene Theorie eines „Sondervermögens“ diese Unstimmigkeit zu vermeiden. Als Sondervermögen bezeichnet er das nachträglich aufgetauchte Vermögen der erloschenen Gesellschaft, welches rechtlich den ehemaligen Gesellschaftern zuzuordnen ist. Hierüber verfügungsbefugt seien gerichtlich bestellte Liquidatoren, die u. U. mit den alten Gesellschaftern personenidentisch sein können.39 Problematisch ist aber auch hier die genaue dogmatische Zuordnung der Gesellschafter in Bezug auf das Vermögen. Ihnen wird entweder eine Stellung als jeweils einzeln oder Gesamthandsverpflichtete zugedacht.40 Auf welcher Grundlage aber die eigentlich erloschene Gesellschaft fiktiv wiederauflebt, ehemalige Gesellschafter persönlich verpflichtet oder als Gesamthand kapitalgesellschaftsrechtlichen Liquidationsregelungen unterworfen sein sollen, bleibt vollkommen offen.41 Selbst wenn sich die Haftung nur auf das nachträglich vorhandene Vermögen beschränken würde, ergibt sich, etwa bei einer Einzelverpflichtung der Gesellschafter, ein fundamentaler Wertungswiderspruch zum Grundgedanken einer juristischen Person.42 So haften die Gesellschafter gerade nur bis zur Höhe ihrer Einlage (§§  13 Abs.  2, 14 GmbHG) und nicht darüber hinaus, weswegen die Konstruktion einer antizipierten persönlichen oder gesamthänderischen Übernahme von Vermögen und Schulden nach Beendigung der GmbH nicht nur jeder rechtlichen Grundlage entbehrt, sondern auch dem Willen der Gesellschafter entgegenstünde.43 Für die Gesamthand bliebe aufgrund des Typenzwangs im GesellschaftsBork, JZ 1991, 841, 843. Hüffer, GS Schultz, S.  99, 107. 39 Hachenburg/Ulmer, Anh. §  60 GmbHG Rn.  18, 35; so auch Hüffer, GS Schultz 1987 S.  99 (103 ff.); Lindacher, FS Henckel, S.  549, 553 ff.; Wiedemann, WM 1975 Sonderbeilage IV, S.  8. 40 Hachenburg/Ulmer, Anh. §  60 GmbHG Rn.  37; Hüffer, GS Schultz, S.  108 ff.; H. Schmidt, S.  140. 41  H. Schmidt, S.  140; Hüffer, GS Schultz, S.  108; Scholz/Schmidt/Bitter, §  60 Rn.  56a; Saenger, GmbHR 1994, 300, 302; Rowedder/Schmidt-Leithoff/Rasner, §  60 Rn.  53. 42  Hüffer, GS Schultz, S.  108; Müko-GmbHG/Berner, §  60 Rn.  38; MüKo-AktG/J. Koch, §  262 Rn.  91; Saenger, GmbHR 1994, 300, 302. 43  Bork, JZ 1991, 841, 844; Hüffer, GS Schultz, S.  108 f.; Schmelz, NZG 2007, 135, 137; Mezger, S.  78. 37 

38 

II. Gesellschaften zwischen Vollbeendigung und Nachtragsliquidation

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recht als rechtliche Einordnung ohnehin nur eine der GbR angelehnte Gesellschaftsform übrig, weil Kapitalgesellschaften mit beschränkt haftenden Gesellschaftern wiederum eine Eintragung ins Handelsregister benötigen.44 Als problematisch muss aber auch hier angesehen werden, dass die ehemaligen Gesellschafter wegen der bereits oben aufgeführten Gründe schier endlos zur Verfügung stehen müssen, um das eventuell anfallende Vermögen als Gesamthand entgegenzunehmen und zu verteilen. Die Sondervermögenstheorie bietet jedoch noch an anderer Stelle Schwierigkeiten. Aufgrund der Tatsache, dass nicht nur nachträglich aufgetauchtes Vermögen zur Nachtragsliquidation i. S. d. §  273 Abs.  4 AktG führen kann, versagt die Theorie auch überall dort, wo es zu nicht vermögensrechtlichem Abwicklungsbedarf kommt. Die einseitige Fixierung auf das sog. Sondervermögen führt damit schon in ihrem grundlegenden Ansatz zu weiteren Folgeschwierigkeiten, denen mit der nächsten Rechtsfigur in Form eines Pflegers analog §  1913 BGB wiederum nur unzureichend beigekommen werden kann.45 cc) Die Nachgesellschaft sui generis Nur bedingt überzeugender erscheint die von einigen Vertretern dieser Ansicht gewählte Lösung einer „körperschaftlich strukturierte (Nach) Gesellschaft sui generis“46. Die in ihren Wirkungen einer Vor-AG gleichgestellte Nachgesellschaft gründet sich auf den Gedanken eines Gleichlaufs zwischen Gründungsphase und Nachtragsliquidation.47 So wie es etwa bei der Gründung einer AG eine Vor-AG gibt, in deren Rechtsnachfolge dann die letztlich gegründete AG tritt, soll es auch eine Nach-AG geben, die wiederum die Rechtsnachfolge der AG antritt. Dogmatisch soll die Nachgesellschaft auf einer Stufe „unterhalb der juristischen Personen“, aber über derjenigen einer Gesamthand stehen.48 Offen bleiben in diesem Zusammenhang aber die genauen rechtlichen Anknüpfungspunkte, welche eine Parallele von Gründungs- und Nachtragsliquidationsphase rechtfertigen und dazu noch als Indiz für die Einordnung dieses Rechtsträgers dienen. Aufgrund dessen, dass eine wie auch immer körperschaftlich strukturierte Gesellschaft die Eintragung ins Handelsregister erfordert, bliebe nur die Qualifizierung als Personengesellschaft übrig. In diesem Fall ergäben sich dieselben Schwierigkeiten wie bei der Sondervermögenstheorie auch. Jede andere 44 Mehrbrey/Paura,

§  10 Rn.  5. Ebenso schon die Erforderlichkeit eines weiteren Erklärungsmodells kritisierend Heller, S.  123; H. Schmidt, S.  140 f.; Buchner, S.  108; Mezger, S.  77. 46 Hüffer/Koch, §  262 Rn.  23a; MüKo-AktG/J. Koch, §  262 Rn.  92; §  273 Rn.  32; Raiser/ Veil, §  22 Rn.  2; A. Wiedemann, S.  227, 243; MüKo-ZPO/Lindacher, §  50 Rn.  14. 47 MüKo-AktG/J. Koch, §  262 Rn.  91 f. 48 Hüffer/Koch, §  262 Rn.  23a; H. Schmidt, S.  139. 45 

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E. Die Darstellung des eigenen gesellschaftsrechtlichen Lösungsansatzes

Qualifizierung würde eine Registereintragung bedingen und damit die Voraussetzungen zur Vollbeendigung, die dieser Ansicht zufolge gerade in der Registerlöschung liegen, konterkarieren. Weil auch die naheliegende Einordnung einer bloß teilrechtsfähigen Nachgesellschaft abgelehnt wird49, bleibt die rechtliche Einordnung als körperschaftlich strukturierte Gesellschaft unterhalb einer juristischen Person umso mehr vage. Insofern vermag auch dieses Konstrukt nicht besser zu überzeugen. Selbst wenn man diesem Modell folgt, bleibt es im Ergebnis bei einer immerwährenden Nachgesellschaft, die als Zuordnungsobjekt sowohl für das anfallende Vermögen als auch für die Verbindlichkeiten fungiert. Dabei ist auch der Hinweis wenig hilfreich, dass Verbindlichkeiten nur dann durch die Nachgesellschaft bestehen blieben (und ansonsten wegfallen), wenn die erloschene Gesellschaft noch über Vermögen verfügt und deshalb zu Unrecht gelöscht wurde.50 Ob eine Gesellschaft zu Unrecht gelöscht wurde, weiß man überhaupt erst dann, wenn nachträglich Vermögen angefallen ist. Würde die Nachgesellschaft nur bei Bedarf entstehen, hätte diese Ansicht Mühe zu erklären, weshalb die einmal erloschenen Verbindlichkeiten noch bestehen. Aus diesem Grund muss die Nachgesellschaft fortwährend und automatisch bestehen. Insofern handelt es sich auch lediglich um eine Auswechselung des Schuldners, die von einer erloschenen Gesellschaft zu einer Nachgesellschaft führt, ansonsten aber den rechtlichen Bestand der Verbindlichkeiten unberührt und kaum noch Unterschiede zu den anderen Ansichten erkennen lässt. dd) Teilrechtsfähige Nachgesellschaft Aus denselben Gründen kritikwürdig ist die ganz ähnliche, aber als „teilrechtsfähig“ bezeichnende Nachgesellschaft von Heller.51 Sie stützt sich gleichsam auf die Fiktion einer Nachfolgegesellschaft, die entsprechend des Gedankens aus §  49 Abs.  2 BGB nur insofern Rechtsfähigkeit aufweist, wie es zum Zweck der Abwicklung erforderlich ist. Zu einer ganz ähnlichen Argumentation führt auch die von Bachmann gewählte Qualifizierung als „theoretisch ewig bestehende latente Nachgesellschaft“.52 Den Wirkungen der Nachtragsliquidation begegnet er mit einer latenten Existenz der als Nachgesellschaft bezeichneten juristischen Person. Angelehnt an Hellers formulierter Teilrechtsfähigkeit, soll sie mit einer nur eingeschränkten Rechtsfähigkeit nach Registerlöschung ausgestattet sein, welche ihr lediglich alle notwendigen Maßnahmen im Falle einer Koch, §  262 Rn.  91 Fn.  251. So aber MüKo-AktG/J. Koch, §  273 Rn.  14, 34. 51  Heller, S.  128 ff., 146 ff. 52 Spindler/Stilz/Bachmann, §  273 Rn.  10, 12; ähnlich aber ohne auf eine Teilrechtsfähigkeit abstellend A. Wiedemann, S.  263. 49 MüKo-AktG/J. 50 

II. Gesellschaften zwischen Vollbeendigung und Nachtragsliquidation

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Nachtragsliquidation noch ermöglichen soll, analog §  49 Abs.  2 BGB.53 Die teilweise Rechtsfähigkeit äußert sich in einer nur begrenzten Autonomie der Gesellschaft, welche eine Fortsetzung nicht mehr zulasse und zudem der gerichtlichen Vormundschaft unterliege. Erst mit endgültiger Vermögensverteilung und Verlust der Handlungsfähigkeit würde die Gesellschaft tatsächlich enden und vollbeendigt sein.54 Problematisch gestaltet sich bei dieser Auffassung jedoch die nur begrenzte Rechtsfähigkeit der Gesellschaft, welche dem deutschen Recht fremden ultra-vires Prinzip sehr nahe kommt. Unabhängig jeglicher generellen Vorbehalte gegenüber Fiktionen, ist doch schon das hier vorliegende Verständnis des §  49 Abs.  2 BGB problematisch. Hat sich doch mittlerweile die ganz allgemeine Ansicht durchgesetzt, dass im Rahmen dieser Vorschrift keine teilweise bzw. partielle, sondern eine allumfassende Rechtsfähigkeit gemeint ist.55 Hinzu kommt die damit einhergehende Schlechterstellung im Rahmen der Nachtragsliquidation. Während das Liquidationsverfahren unstreitig unter Beibehaltung der vollen Rechtsfähigkeit durchgeführt wird, wäre die Gesellschaft im Rahmen der Nachtragsliquidation nicht nur in ihren Handlungsmöglichkeiten begrenzt, sondern stünde zudem noch unter gerichtlicher Aufsicht. Überdies wäre der konkrete Status der Nachgesellschaft unklar, da Bachmann im Rahmen seiner hierzu ergangenen Ausführungen vereinzelt von einer Schuld ohne Schuldner spricht56 und damit eine fest umrissene Klassifizierung seiner latenten Nachgesellschaft schwierig macht.57 Schuldnerlose Verbindlichkeiten würden dann insofern ein Widerspruch zur Teilrechtsfähigkeit darstellen, da es dann auch keiner latenten Weiterexistenz bedürfte. ee) Ergebnis Insgesamt muss daher konstatiert werden, dass die Auffassung über eine kon­ stitutive Registerlöschung nicht die Probleme in Bezug auf eventuell nachträglich vorhandenes Vermögen in den Griff bekommt. Die divergierenden Ansichten innerhalb dieser Auffassung vermögen nicht durch die unterschiedlich be53 Spindler/Stilz/Bachmann,

§  273 Rn.  20. §  262 Rn.  90. 55  K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, §  11 V 4b, S.  312; MüKo-BGB/Arnold, §  49 Rn.  10 ff.; BeckOK-BGB/Schöpflin, §  49 Rn.  5. 56  „Die Vorstellung, ohne Schuldner könne es keine Schulden geben, ist ein naturalistischer Fehlschluss. Solange der Gläubiger ein berechtigtes Interesse daran hat, erlischt seine Forderung nicht. Das folgt schon aus dem wohlverstandenen Wesen der Obligation.“, Spindler/Stilz/Bachmann, §  273 Rn.  12. 57  Vermutlich will er das auch nicht, wenn er in Spindler/Stilz/Bachmann, §  262 Rn.  92 zur latenten Nachgesellschaft resümiert: „Sie ist auch elastisch genug, um Einzelfragen der Nachtragsliquidation sach- und praxisgerecht lösen zu können.“ 54 Spindler/Stilz/Bachmann,

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E. Die Darstellung des eigenen gesellschaftsrechtlichen Lösungsansatzes

gründeten Fiktionen von Nachgesellschaften zu überzeugen. Neben der fragwürdigen dogmatischen Konstruktion einer fingierten, gesamthänderisch oder körperschaftlich strukturierten Gesellschaft sui generis kann doch vor allem die Frage nach der Zuordnung übersehender Vermögenswerte und Schulden nicht überzeugen. Auch hier müsste gelten, dass bei konstitutiver Registerlöschung und Vollbeendigung sämtliche Verbindlichkeiten entfielen. Weshalb diese aber auf die wie auch immer strukturieren Nachgesellschaften übergehen und Verpflichtungen begründen, bleibt stets ungeklärt. Doch muss auch schon das alleinige Abstellen auf die Registerlöschung in Zweifel gezogen werden. Der hierfür als Indiz vermeintlich geltende Strukturwandel durch die verlorene Befugnis zur Bestellung und Abberufung von Liquidatoren, ist lediglich als konsequente Folge des mit Löschung niedergelegten Liquidatorenamtes zu verstehen. So kann bei einer späteren Nachtragsliquidation die Wiederannahme seines Amtes nicht ohne Weiteres unterstellt werden.58 Gleichwohl der Auffassung konstitutiver Registerlöschung zugutegehalten werden muss, dass sie einen festen und unumstößlichen Zeitpunkt der Vollbeendigung kennt. Dieser wird zwar durch die Existenz einer Nachfolgegesellschaft fast schon zur Bedeutungslosigkeit abgeschwächt, lässt sich aber im Vergleich zur Gegenansicht objektiv durch die Löschung ermitteln. c) Vermögenslosigkeit Völlig konträr hierzu ließ eine heute kaum mehr vertretene Meinung die Vollbeendigung der Gesellschaft bereits mit Vermögenslosigkeit eintreten, unabhängig von der Löschung aus dem Handelsregister.59 Damit kann diese Ansicht einheitlich die Vollbeendigung für juristische Personen und Personengesellschaften regeln, da bei Letzterer keine konstitutive Eintragung ins Handelsregister erfolgt, wohl aber Vermögenslosigkeit eintreten kann. Die fehlerhafte Löschung trotz vorhandenen Vermögens stellt demzufolge auch kein Problem dar, da die Gesellschaft noch fortbestehe und die Registerlöschung nur deklaratorischen, widerlegbaren Charakter hat. Begründet wurde diese Annahme mit Verweis auf die Nachtragsliquidation gemäß §  2 Abs.  3 LöschG a. F. bzw. mit §§  264 Abs.  2, 273 Abs.  4 AktG, §  66 Abs.  5 GmbHG oder §  145 Abs.  3 HGB als BGHZ 53, 264, 267; Mezger, S.  75. Schon RGZ 15, 102, 104, 149, 293, 296, 155, 42, 45; KG JW 1935, 3165; Marowski, JW 1938, 11; Crisolli, JW 1934, 2657 ff.; BayObLGZ 1955, 288; OLG Düsseldorf JR 1951, 666; OLG Stuttgart NJW 1974, 1627; ZIP 1986, 647, 648; BAG NJW 1988, 2637; BGHZ 53, 264, 266, 94, 105, 108, 105, 259, 262. Teilweise noch zusätzlich auf eine Betriebsstillegung abstellend: KG JW 1927, 1383; BayObLG GmbHR 1979, 176 f.; Hopt/Wiedemann/Wiedemann, 3.  Aufl. 1973, §  262 Anm.  36, §  273 Anm.  3; heute noch vertreten Bokelmann, NJW 1977, 1130, 1131; Zöller/Althammer, §  50 Rn.  4. 58  59 

II. Gesellschaften zwischen Vollbeendigung und Nachtragsliquidation

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entsprechend identisch ausgestaltete Nachfolgeregelungen.60 Die Vorschriften seien ein Indiz dafür, dass es bei der Beendigung überhaupt nicht auf die registerrechtliche Löschung ankomme, da der Gesetzgeber die einer Vollbeendigung im Wege stehende Nachtragsliquidation ohne Rücksicht auf die Eintragung im Handelsregister anordne. Aus diesem Grund könne somit nur die Vermögenslosigkeit als entscheidende und einzige Voraussetzung angesehen werden, selbst wenn sich hierin ein gewisser Widerspruch zwischen dem Entstehen der juristischen Personen und ihrem Erlöschen ergibt.61 aa) Die Schwierigkeiten alleiniger Vermögenslosigkeit Die hiermit einhergehende Abschwächung der positiven Publizität des Handelsregisters nimmt diese Meinung ebenso in Kauf wie die Konsequenz des Rechtsverkehrs, sich ständig anderweitig über den (Vermögens-) stand der Gesellschaft informieren zu müssen.62 Offen bleibt in diesem Zusammenhang vor allem die Frage, weshalb die Vermögenslosigkeit Tatbestandsmerkmal des Erlöschens sein soll, umgekehrt der Besitz von Vermögen aber kein alleiniges Merkmal zur Gründung.63 Zu unbilligen Ergebnissen kommt es nach dieser Ansicht aber auch, wenn die Gesellschaft nur temporär vermögenslos gewesen ist. Da es auf die Registerlöschung nicht ankommt, kann sich die Gesellschaft unbemerkt ihrer Leistungspflicht mit dem Argument entledigen, dass sie bei Abschluss der Verbindlichkeit vermögenslos und daher rechtsunfähig gewesen sei.64 Indes erscheint das Gegenargument aber zugegebenermaßen wenig drastisch, da es der Gesellschaft grundsätzlich schon gar nicht möglich sein sollte, mit Vollbeendigung, d. h. Vermögenslosigkeit noch irgendwelche wirksamen Verbindlichkeiten einzugehen.65 Sehr viel drastischer erscheint hingegen das Problem, dass die mit Schlussverteilung an die Gesellschafter eintretende Vermögenslosigkeit eine Schlussrechnung durch die Gesellschafter gar nicht mehr zulässt, da bereits Vollbeendigung eingetreten ist und diese letzte Handlung damit undurchführbar erscheint.66 Es stellt sich zudem abermals die Frage, inwiefern eine Nachtragsliquidation dogmatisch zu rechtfertigen ist, wenn sich nachträglich Vermögensquellen ergeben. Im Falle von Anfang an vorhandenen 60 

BGHZ 48, 303, 307; RGZ 155, 42, 45. Herbig, DNotZ 1935, 787, 789; kritisch Heller, S.  107; Bork, JZ 1991, 841, 842; Hüffer, GS Schultz, S.  104; Kantak, S.  104. 62 Vgl. Hachenburg/Ulmer, §  60 GmbHG Rn.  15; Heller, S.  43; Müko-GmbHG/Berner, §  60 Rn.  33. 63  Godin/Wilhelmi, §  273 AktG, Anm.  3 b). 64 K. Schmidt, GmbHR 1988, 209, 210. 65  Herbig, DNotZ 1935, 787, 790; Buchner, S.  89 f. 66  Heller, S.  43; Hönn, ZHR 138 (1974), 54; Kantak, S.  103. 61 

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E. Die Darstellung des eigenen gesellschaftsrechtlichen Lösungsansatzes

Vermögens kann die Zuordnung des Vermögens dogmatisch problemlos erfolgen, weil sich die vorausgesetzte Vermögenslosigkeit als falsch erwies und die Vollbeendigung damit unrichtig gewesen ist.67 Dieses Verständnis ist selbst dann noch unproblematisch, wenn die Gesellschaft zwischenzeitlich aus dem Handelsregister gelöscht wurde. Aufgrund dessen, dass sie nur scheinbar vollbeendigt wurde, hat sie nie aufgehört zu bestehen und muss beim nachträglichen Entdecken von Vermögenswerten auch nicht neu entstehen, wiederbelebt oder fingiert werden. Die Gefahr einer systemwidrigen Neugründung der alten oder einer irgendwie gearteten Nachfolgegesellschaft außerhalb des Handelsregisters wie bei der konstitutiven Registerlöschung ist damit gebannt. Allerdings kann damit nie sicher gesagt werden, ob die Gesellschaft nun tatsächlich erloschen ist oder nicht. Die Möglichkeit, dass jederzeit Vermögen auftauchen und rückwirkend die Vollbeendigung als fehlerhaft deklariert werden kann, macht die Bestimmung eines Vollbeendigungszeitpunktes annähernd unmöglich.68 Gleichzeitig besteht der Rechtsträger solange noch weiter, wie der nachträgliche Vermögensanfall nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann. Fast schon zu vernachlässigen erscheint vor diesem Hintergrund die oftmals vorgebrachte Kritik, dass die Vertreter dieser Ansicht ohne schlüssige dogmatische Begründung ein Fortbestehen der Gesellschaft auch dann zulassen, wenn ihr nach Eintritt der Vermögenslosigkeit, aber vor Registerlöschung neue Vermögenswerte zugeführt werden.69 Den Kritikern zufolge erscheine es nicht vertretbar, der wegen tatsächlicher Vermögenslosigkeit vollbeendeten Gesellschaft noch Kapital zuzuführen (sog. Mantelkauf), weil sie damit nicht nur außerhalb des (rein deklaratorischen) Handelsregisters erloschen wäre, sondern auch außerhalb desselbigen neu entstünde.70 In Ermangelung einer vollkommen sicheren Bestimmung der Vermögenslosigkeit und des damit einhergehenden sicheren Ausschlusses einer Nachtragsliquidation zu dessen Zwecken die Gesellschaft ohnehin stets erhalten bleiben muss, spielt dieses Argument allerdings keine Rolle. Indes wurde von einigen Vertretern versucht, der vorgebrachten Kritik mit dem Abstellen auf die tatsächliche Vermögenslosigkeit im Zeitpunkt der Löschung zu begegnen.71 Die Verengung des Vermögenslosigkeitserfordernisses auf den Moment der Löschung aus dem Handelsregister nach Maßgabe des §  2 So ausdrücklich RGZ 149, 293, 296 f.; Crisolli, JW 1934, 962, 963. Kantak, S.  103; Scholz/K. Schmidt, §  74 Rn.  14; Baumbach/Hueck/Haas, §  60 Rn.  6. 69  BGHZ 75 178, 180; LG Ravensburg, NJW 1964 597; OLG Hamburg, GmbHR 1983 219; Crisolli, JW 1934, 936 ff.; Hopt/Wiedemann/Wiedemann, 3.  Aufl. 1973, §  262 Anm.  34; a. A. Groschuff, JW 1935, 1739; Herbig, DNotZ 1935, 790. 70  Buchner, S.  90; Bork, JZ 1991, 841, 842; Kantak, S.  103. 71  Vgl. hierzu Hachenburg/Ulmer, Anh. §  60 GmbHG Rn.  19; Buchner, S.  90. 67 

68 

II. Gesellschaften zwischen Vollbeendigung und Nachtragsliquidation

121

Abs.  1 LöschG a. F., stellt jedoch keinen Vorteil dar. Zum einen, weil das Problem weniger in der Bestimmung eines Zeitpunktes für die Vermögenslosigkeit liegt, sondern vielmehr in dessen tatsächlicher Feststellung. Zum anderen die Registerlöschung für die Vollbeendigung damit eine Aufwertung erfährt, die mit der Auffassung vom bloß deklaratorischen Handelsregister kaum vereinbar erschiene. Hinzu kommt, dass damit weder der Ratio des damaligen §  2 LöschG noch des heutigen §  394 Abs.  1 S.  1 FamFG, in Bezug auf den Schutz des Rechtsverkehrs vor vermögenslosen Gesellschaften, entsprochen werden würde. Führt nämlich allein die Vermögenslosigkeit zur Vollbeendigung, muss sich hieraus erst recht die angeordnete Löschung ergeben, ohne dabei auf einen späteren Zeitpunkt (Antragsstellung zur Löschung, Entscheidung des Gerichts etc.) abzustellen und das Erlöschen bis dahin formal hinauszuzögern.72 bb) Ergebnis Damit vermag auch diese Auffassung im Ergebnis nicht völlig widerspruchslos über die Schwierigkeit der Nachtragsliquidation bei Bestimmung der Vollbeendigung hinwegzuhelfen. Abermals bleiben dogmatische Zweifel in Bezug auf die Begründung und den eigentlichen Zeitpunkt der Vollbeendigung bestehen. Aufgrund dessen, dass diese Auffassung aber kaum noch vertreten wird, kann eine tiefergehende Auseinandersetzung an dieser Stelle ausbleiben. Vielmehr wird auf die nachfolgenden Ausführungen im Rahmen der Lehre vom Doppeltatbestand verwiesen, die fast identische Konsequenzen zur Folge hat. d) Löschung aus dem Handelsregister und Vermögenslosigkeit Ausgehend von beiden Auffassungen, bot K. Schmidt mit der sog. Lehre vom Doppeltatbestand eine Kombination beider Erklärungsansätze an. Neben der Löschung im Handelsregister soll kumulativ auch die Vermögenslosigkeit zur Voraussetzung für die Vollbeendigung zählen.73 Diese mittlerweile als h. M. zu bezeichnende Auffassung innerhalb der Lehre findet – wenn auch nicht ausdrücklich beim BGH – zunehmend innerhalb der Rechtsprechung Anhänger.74 Buchner, S.  90. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, §  11 V 6, S.  316 ff.; Mehrbrey/Paura, §  10 Rn.  4; K. Schmidt, GmbHR 1988, 209; Michalski/Nerlich, §  74 Rn.  31 ff.; Schmelz, NZG 2007, 135, 137; Hölters/Hirschmann, §  273 Rn.  5; Jaeger/Schilken, §  26 Rn.  48; Rowedder/Schmidt-Leit­ hoff/Rasner, §  60 Rn.  54; Baumbach/Hueck/Haas, GmbHG §  60 Rn.  6; Lutter/Hommelhoff/ Kleindiek, §  74 Rn.  7. 74  Unklar geäußert in BGH ZIP 1988, 175; eindeutig zugunsten der Lehre vom Doppeltatbestand BAG NZA 2003, 1049; NJW 1988, 2637; so auch die unteren Instanzgerichte OLG Celle NZG 2008, 271; OLG Düsseldorf NZG 2004, 916; OLG Koblenz NJW-RR 1991, 933; OLG Stuttgart NZG 1998, 637 f. 72 

73 

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E. Die Darstellung des eigenen gesellschaftsrechtlichen Lösungsansatzes

Vorzugswürdig lässt diese Ansicht erscheinen, dass sie nicht Gefahr läuft, eine aufwändige Fiktion konstruieren zu müssen, wenn die Gesellschaft bereits gelöscht, aber noch nicht vermögenslos ist. Umgekehrt entstehen keine Probleme für den Fall, dass schon Vermögenslosigkeit eingetreten ist, aber noch nicht gelöscht wurde.75 Dadurch, dass es eben zweierlei Voraussetzungen bedarf, bleibt die Gesellschaft bei jeweils nur einem erfüllten Merkmal noch bestehen. Die Gläubiger laufen somit nicht Gefahr, an eine rechtsunfähige Gesellschaft zu geraten bzw. unterliegen nicht unnötigen Nachforschungspflichten, weil sie etwa dem Inhalt des Registers nicht trauen können. Dem Rechtsverkehr sowie der Publizitätswirkung des Handelsregisters wird damit besser Rechnung getragen und eine gewisse Stringenz beim Entstehen sowie Erlöschen juristischer Personen aufrechterhalten. Hervorgehoben wird von den Vertretern dieser Auffassung zudem, dass die Regelungssystematik in §  394 FamFG mit der Lehre vom Doppeltatbestand am besten korrespondiert.76 So kann die Gesellschaft beim Vorliegen der Vermögenslosigkeit nach §  394 Abs.  1 FamFG einfach liquidationslos durch Registerlöschung beendigt werden. Sollte sich im Nachhinein herausstellen, dass doch noch verteilungsfähiges Vermögen vorhanden ist, dann sei dies unproblematisch möglich, weil die Gesellschaft in diesem Fall gar nicht wirklich erloschen war. Vielmehr sei sie in diesem Fall materiell zu Unrecht aus dem Handelsregister erloschen und eine Vollbeendigung niemals eingetreten, weil die Vermögenslosigkeit unbedingte Voraussetzung hierfür sei. Das Gleiche gilt hier freilich für die nach Verteilung und Schlussrechnung gelöschte Gesellschaft. Aus diesem Grund könne die Gesellschaft auch weiterhin als Zuordnungssubjekt für Schulden und Vermögen dienen, ohne dass es hierfür auf die Fiktion irgendeiner spiegelbildlichen Nachgesellschaft ankäme.77 Die bis dahin unbemerkte Fortexistenz der Gesellschaft sei vollkommen unschädlich, da es niemand geben würde, dem hieraus ein Schaden erwächst, bspw. weil er auf ihren Untergang vertraut hat.78 aa) Fortgesetzte Schwierigkeiten des Merkmals objektiver Vermögenslosigkeit Hieran wird aber zugleich auch die Schwäche der Lehre vom Doppeltatbestand deutlich, welche, wie alle anderen Auffassungen, die Zuordnung von Schulden und Vermögen nicht einwandfrei dogmatisch lösen kann. Die Schlussfolgerung, Bork, JZ 1991, 841, 844; Kantak, S.  99 f. §  60 Rn.  56; Bork, JZ 1991, 841, 844. 77  K. Schmidt, GmbHR 1988, 209, 211 f.; Bork, JZ 1991, 841, 844; Müko-GmbHG/Berner, §  60 Rn.  33, 291; Baumbach/Hueck/Haas, §  60 Rn.  104; MüKo-GmbHG/H.-F. Müller, §  74 Rn.  43; Schmelz, NZG 2007, 135, 137. 78 So Scholz/Schmidt/K. Schmidt, §  74 Rn.  14; Hopt/Wiedemann/K. Schmidt, §  264 Rn.  16; Bork, JZ 1991, 841, 844; Mezger, S.  82. 75 

76 Scholz/Schmidt/Bitter,

II. Gesellschaften zwischen Vollbeendigung und Nachtragsliquidation

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dass im Falle nachträglich noch vorhandenen Vermögens eigentlich gar nicht die Voraussetzungen für das Erlöschen vorlagen und die Gesellschaft daher nie untergegangen sei, stellt sich im selben Maße als problematisch dar wie bei der nicht mehr vertretenen Auffassung alleiniger Vermögenslosigkeit. Es kann nämlich nach der so referierten Ansicht ebenfalls nicht sicher gesagt werden, wann und ob die Gesellschaft nun endgültig erlischt, da jederzeit Vermögen auftauchen und rückwirkend die Vollbeendigung falsch gewesen sein kann. Zwar mag hier der Einwand richtig sein, dass dem Rechtsverkehr wie auch der Rechtssicherheit kein Schaden entstünde, dogmatisch beachtenswert ist der Zustand dieses nur eventuellen vollbeendigt Seins der mittlerweile h. M. aber allemal. Immerhin kennt demgegenüber die gleichfalls vertretene Auffassung der konstitutiven Registerlöschung einen festen und erreichbaren Zeitpunkt für die Vollbeendigung. Wie auch bei der vorherigen Auffassung dürfte die Gesellschaft nach Ansicht der Lehre vom Doppeltatbestand konsequenterweise nämlich nie untergehen, da man nicht sicher sein kann, ob man sie noch als Zuordnungssubjekt für aufgetauchtes Vermögens benötigt. Dies gesteht K. Schmidt sogar selbst ein, wenn er die Unschädlichkeit dieses Zustandes beschreibt und dabei von einer „unbemerkten Fortexistenz“79 der eigentlich erloschenen Gesellschaft spricht oder sie als „potentiellen Wiedergänger“ mit „Geisterexistenz“80 bezeichnet. Andere Vertreter dieser Ansicht bezeichnen den Zustand als „Scheintod“81 oder versuchen den scheinbaren Wegfall als jederzeit widerlegbare „Vermutung“ für das Vorliegen der Vermögenslosigkeit nach Registerlöschung und Liquidation zu beschreiben.82 Dabei stehen die Vertreter der Lehre vom Doppeltatbestand in der Deutlichkeit ihres Vokabulars den Vertretern der reinen Vermögenslosigkeit in nichts nach, welche für den exakt gleichen Zustand auch schon die Begrifflichkeit „Scheintod“83 verwendeten. Insbesondere K. Schmidt musste dies so deutlich charakterisieren, weil sonst auch die Lehre vom Doppeltatbestand keine bessere und vernünftigere Erklärung für die Zuordnung von Vermögen und Verbindlichkeiten liefern könnte. Würde die Gesellschaft nämlich endgültig beendet, sobald subjektiv, d. h. aus Sicht der Liquidatoren, des Gerichts etc., erstmalig Vermögenslosigkeit eingetreten und die Löschung vollzogen ist, dann gäbe es zwar einen ultimativ-bestimmbaren Zeitpunkt für die Vollbeendigung, gleichzeitig wäre dann aber neben den Verbindlichkeiten auch das Zuordnungssubjekt für später aufgetauchtes Vermögen entfallen. Mangels Vorteils gegenüber anderen Auffassungen, welche bei nachträglichem Schmidt, §  74 Rn.  14. Schmidt, §  264 Rn.  16. 81  Fichtelmann, GmbHR 2011, 912, 914. 82 Rowedder/Schmidt-Leithoff/Rasner, §  74 Rn.  14. 83  Crisolli, JW 1934, 962. 79 Scholz/Schmidt/K.

80 Hopt/Wiedemann/K.

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E. Die Darstellung des eigenen gesellschaftsrechtlichen Lösungsansatzes

Vermögensanfall Gesamthands- oder (fiktive) Nachgesellschaften bemühen, stellen die Vertreter dieser Ansicht daher auf eine streng objektiv-allwissende Sicht ab. Sie behaupten sodann, dass die Voraussetzungen der Vollbeendigung nie vorgelegen haben und die Gesellschaft damit nach wie vor und in ursprünglicher Gestalt existent ist.84 Die hiermit einhergehenden Konsequenzen nie vollbeendeter Gesellschaften werden freilich stillschweigend akzeptiert. Nur gelegentlich wird dieser Vorgang fälschlicherweise als „Wiederbelebung“85 und damit unpräzise wiedergegeben, da die Gesellschaft nie wirklich untergeht und deshalb auch nicht neu auferstehen kann. Ansonsten müsste sie den gesamten Entstehungsprozess einer Gesellschaft von neuem durchleben. bb) Die Lehre vom Doppeltatbestand als vermittelnde Lösung? Insofern kann es nicht verwundern, dass mit der hier sehr deutlich zutage tretenden parallelen Begründung die alte, heute nicht mehr vertretene Ansicht durch die Lehre vom Doppeltatbestand abgelöst wurde. Muss es doch vielen Vertretern der damals h. M. nicht schwer gefallen sein, ihre Auffassung unter Beibehaltung wesentlicher Argumentationsmuster, zu Gunsten dieser neuen Lehre abzuändern. Neben der unkomplizierten Zuordnung des nachträglich vorgefundenen Vermögens gelingt nämlich nicht nur eine widerspruchsfreie Nachtragsliquidation, vielmehr kann diese auch anhand der jeweils für sie einschlägigen gesellschaftsrechtlichen Regelungen vollzogen werden. Die Logik, dass eine zu beendende GmbH auch während der Nachtragsliquidation noch denselben GmbH-Regelungen unterliegt, wird nicht durchbrochen, weil ihr Untergang tatsächlich mangels Vermögenslosigkeit nie vorlag. Den Widerspruch (fiktiver) Gesamthands- oder Nachgesellschaften, die gar keine GmbH im eigentlichen Sinne mehr darstellen, trotzdem aber nach deren Regelungen liquidiert werden sollen, begehen die Vertreter von der Lehre des Doppeltatbestandes damit weiterhin nicht nicht.86 Gleichzeitig ließen sich fast sämtliche Kritikpunkte des Merkmals Vermögenslosigkeit beseitigen, weil die inkonsequente Beachtung des Handelsregisters beim Erlöschen der Gesellschaft mit der gleichzeitigen Registerlöschung an Argumentationskraft verlören. Insofern wurde die 84  „nur scheinbar beendet“ MüKo-GmbHG/H.-F. Müller, §  74 Rn.  43; „nicht erloschen, sondern nur […] aufgelöst“ Baumbach/Hueck/Haas, §  60 Rn.  104; „nicht erloschen, weil sie als Rechtssubjekt noch […] benötigt wird“ Michalski/Nerlich, §  74 Rn.  43; „die Gesellschaft besteht trotz ihrer Löschung im Handelsregister fort“ Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, §  74 Rn.  19; „nicht erloschen, da […] die Vermögenslosigkeit nicht hinzugetrteten ist.“ Rowedder/ Schmidt-Leithoff/Rasner, §  60 Rn.  57. 85  OLG Köln GmbHR 1993, 823; OLG Celle GmbHR 2008, 211; so auch Rödding/Scholz, DStR 2013, 993, 999. 86 MüKo-GmbHG/Berner, §  60 Rn.  38; Scholz/Schmidt/Bitter, §  60 Rn.  56a.

II. Gesellschaften zwischen Vollbeendigung und Nachtragsliquidation

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Kombination von Vermögenslosigkeit und Registerlöschung noch als beste Lösung betrachtet, die gesetzgeberischen Wertungen unter ein gemeinsames Dach zu vereinigen. cc) Das Merkmal der Vermögenslosigkeit als Garant für fortbestehende Verbindlichkeiten Festzuhalten sind hierbei jedoch zwei Punkte. Erstens: Der konkrete Vollbeendigungszeitpunkt ist nach dieser Ansicht, trotz hinzutretender Registerlöschung, faktisch immer noch von der Annahme absoluter Vermögenslosigkeit abhängig. Das bedeutet, es muss nach erfolgter Liquidation der Anfall von Vermögen auch für die Zukunft ausgeschlossen sein, da ansonsten keine objektive Vermögenslosigkeit vorlag. Weil nachträglich auftauchendes Vermögen aber naturgemäß nicht mit restloser Sicherheit auszuschließen ist, kann objektive Vermögenslosigkeit und damit Vollbeendigung für die Vielzahl der Gesellschaften gar nicht erreicht werden.87 Sie bestehen damit praktisch ewig als rechtsfähige, aber am Rechtsverkehr teilnahmeunfähige Geister-Gesellschaften fort. Nur ausnahmsweise, wenn nachträglich aufgetauchtes Vermögen nicht der erloschenen Gesellschaft, sondern einem anderen Rechtsträger zugerechnet wird, kann bei ordnungsgemäßer Liquidation auch Vermögenslosigkeit und damit Vollbeendigung eintreten. Dies ist klassischerweise bei der Verschmelzung nach UmwG der Fall, da hier der übernehmende bzw. neugegründete Rechtsträger als Gesamtrechtsnachfolger alle Rechte und Pflichten des übertragenden Rechtsträgers übernimmt, §§  2, 20 Abs.  1 Nr.  1 UmwG. Er ist es dann, welchem das später auftretende Vermögen zugeordnet wird, sodass bei den übernommenen Rechtsträgern auch die echte bzw. objektive Vermögenslosigkeit eintreten und eine Nachtragsliquidation ausgeschlossen werden kann.88 87 

Genau diesen Umstand, nämlich die Schwierigkeit, überhaupt objektive Vermögenslosigkeit festzustellen, missachtet A. Wiedemann, wenn sie es ablehnt, den Rechtsträger nur wegen der jederzeitigen Möglichkeit zur Nachtragsliquidation aufrechtzuerhalten, A Wiedemann, S.  34. 88  Ganz ähnlich auch Eusani, WM 2004, 866, 868; a. A. Fichtelmann, GmbHR 2011, 912, 913, welcher nur den Fall der Vermögensübertragung abseits des UmwG für relevant hält, da es sich bei der Verschmelzung nach UmwG nicht um vermögenslose Gesellschaften handele, die wegen ihrer Vermögenslosigkeit gelöscht würden. Dies greift aber zu kurz, da der hierfür einschlägige §  20 Abs.  1 Nr.  2 UmwG ähnlich wie §  394 Abs.  1 FamFG die selbstverständliche Auffassung des Gesetzgebers wiedergibt, dass vermögenslose Gesellschaften aus dem Handelsregister gelöscht und der Vollbeendigung zugeführt werden sollen. Nichts anderes konstatiert §  20 Abs.  1 Nr.  2 UmwG. Hier wird lediglich klargestellt, dass der Rechtsträger erlischt und es keiner besonderen Löschung bedarf, weil die Vermögenslosigkeit (ipso jure durch §  20 Abs.  1 Nr.  1 UmwG) und Registerlöschung (keine Löschung, aber Berichtigung

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E. Die Darstellung des eigenen gesellschaftsrechtlichen Lösungsansatzes

Zweitens: Sofern die Vertreter der Lehre vom Doppeltatbestand in Literatur und Rechtsprechung hierin kein Problem erkennen, wäre es nur konsequent, die sich hieraus ergebenden Rechtsfolgen gleichsam zu akzeptieren. Das bedeutet, dass mit Beibehaltung der Gesellschaft für die Zuordnung des Vermögens auch die Beibehaltung ihrer Verbindlichkeiten einhergehen muss, da es ansonsten keinen Rechtsgrund für das Leistungsverlangen der Gläubiger im Rahmen der Nachtragsliquidation gibt. Mit dieser Konsequenz ist gleichzeitig die teilweise vorgebrachte Äußerung hinfällig, dass lediglich noch vorhandenes Vermögen, nicht aber noch vorhandene Verbindlichkeiten dem Erlöschen im Wege stünden, weil andernfalls überschuldete Gesellschaften nach Ablehnung eines Insolvenzverfahrens mangels Masse nie gelöscht werden können.89 Dieser Zustand des niemals Erlöschens ist aber gerade die Stärke der Lehre vom Doppeltatbestand. Nur deswegen schafft sie es, den Rechtsträger und damit die Verbindlichkeiten aufrechtzuerhalten. De facto stehen die Verbindlichkeiten der Vollbeendigung eben doch im Wege, da sie erhalten bleiben müssen, um sie im Wege einer nicht auszuschließenden Nachtragsliquidation, gemäß den allgemeinen Liquidationsregeln, vorrangig zu befriedigen. e) Das Fehlen sonstigen Abwicklungsbedarfes als Erweiterung der Lehre vom Doppeltatbestand Eine Erweiterung ihrer Dogmatik (und Kritik) erfährt die Lehre vom Doppeltatbestand durch das seit einiger Zeit theorienübergreifend aufkommende Bedürfnis, auch jeglichen sonstigen Abwicklungsbedarf im Rahmen der Nachtragsliquidation zu berücksichtigen. Abgeleitet wurde diese Notwendigkeit in Anlehnung an §  273 Abs.  4 AktG, welcher für die Eröffnung eines Nachtragsliquidationsverfahrens schon den Abschluss weiterer von einem berechtigten Interesse getragener Abwicklungsmaßnahmen (nicht-)vermögensrechtlicher Art ausreichen lässt.90 So kann sich etwa neben dem nachträglich aufgetauchten Vermögen auch daraus Abwicklungsbedarf ergeben, dass etwa noch Willenserklärungen abzugeben oder Zeugnisse erteilt werden müssen.91 Rechtfertigen nach §  16 UmwG) bereits stattgefunden haben. Insofern handelt es sich auch hierbei im Ergebnis um ein den allgemeinen Regeln zur Vollbeendigung folgendes – auf Vermögenslosigkeit und Registerlöschung – beruhendes Verfahren. 89 So etwa Rödding/Scholz, DStR 2013, 993, 998; Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, §  74 Rn.  4. 90  BGH NJW 1989, 220; OLG Hamm NJW-RR 1990, 1371, 1372, 1997, 32, 33 f.; MüKoGmbHG/Berner, §  60 Rn.  43; Baumbach/Hueck/Haas, §  60 Rn.  105; Roth/Altmeppen/Alt­ meppen, §  74 Rn.  27; Bork, JZ 1991, 841, 845; Saenger, GmbHR 1994, 300, 302 f. 91  So bspw. im Fall der Erfüllung eines durch eine Vormerkung gesicherten Anspruches, BGHZ 105, 259, 261; Nachholung unterlassener Liquidationsrechnungslegung gem. §  71

II. Gesellschaften zwischen Vollbeendigung und Nachtragsliquidation

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noch offene Maßnahmen also eine Nachtragsliquidation, dann müssen sie umgekehrt erst recht das Ende der Abwicklung bzw. Liquidation verhindern, da sie offenbar wichtig genug sind, die eigentlich vollbeendete Gesellschaft in ein erneutes (Nachtrags-)Liquidationsverfahren zu überführen. Insofern sollen nach dieser Ansicht auch der Abschluss allen sonstigen Abwicklungsbedarfes an den Schluss der Abwicklung bzw. Liquidation geknüpft werden, um die Gläubiger nicht mit zeitlicher Verzögerung in eine vorhersehbare und kostenverursachende Nachtragsliquidation zu treiben.92 Im Rahmen der Lehre vom Doppeltatbestand steht daher jeglicher sonstige anderweitig vorhandene (nicht-) vermögensrechtliche Abwicklungsbedarf der Vollbeendigung als weitere zusätzliche Tatbestandsvoraussetzung entgegen.93 aa) Gegenansichten Trotz vielfach vertretener Ansicht wird diese Argumentation jedoch heftig kritisiert, da es sich bei derlei Handlungen nicht um ausstehende Maßnahmen handelt, die der Beendigung des Rechtsträgers entgegenstünden, sondern schlicht um nachwirkende Handlungspflichten ohne Auswirkung auf die Vollbeendigung.94 Auch K. Schmidt lehnt die Erweiterung der Lehre vom Doppeltatbestand aus diesen Gründen ab. Es ginge hierbei nicht um die Durchführung einer Nachtragsliquidation, weswegen hierzu nicht auf §  273 Abs.  4 AktG, sondern vielmehr auf §  74 Abs.  2 GmbHG abzustellen sei.95 Demzufolge bedürfe es einer – ggf. vom Gericht zu bestimmenden – Aufbewahrungsperson, welche Bücher und Schriften für einen Zeitraum von zehn Jahren sicherstellt. In einer extensiven Auslegung der Vorschrift soll die Person neben den Aufbewahrungspflichten auch die wenigen nachwirkenden Handlungspflichten treffen. Ulmer, welcher bereits auf die Vermögenslosigkeit als Voraussetzung der Vollbeendigung verzichtet und von einer rein konstitutiven Registerlöschung ausgeht, erkennt gleichwohl ein Bedürfnis für nichtvermögensrechtlichen AbwickAbs.  1 GmbHG, OLG Stuttgart NJW-RR 1995, 805, 806 oder Zeugniserteilung für Arbeitnehmer BAG NJW 1982, 1831. 92  OLG München GmbHR 2006, 91, 94; Galla, GmbHR 2006, 635, 637. 93  OLG Köln GmbHR 1993, 823; OLG Hamm NJW-RR 1997, 32, 33 f.; OLG Stuttgart NJW-RR 1995, 805 f.; OLG Hamburg NJW-RR 1989, 570; wohl auch BAG NJW 2008, 603; ständige Rspr. im Hinblick auf verbleibende steuerrechtliche Pflichten, vgl. BFH NJW 1986, 2594 m. w. N.; H. Schmidt, S.  103 ff., 122 ff., 137; Bork, JZ 1991, 841, 844; Galla, GmbHR 2006, 635, 637; Baumbach/Hueck/Haas, §  60 Rn.  105; MüKo-GmbHG/Berner, §  60 Rn.  51; Saenger, GmbHR 1994, 300, 302. 94  OLG Hamm NJW-RR 1987, 348; OLG Jena NZG 2007, 717, 718 f.; Scholz/Schmidt/ Bitter, §  60 Rn.  61. 95  Schmidt GmbHR 1988, 209, 213; Scholz/Schmidt/K. Schmidt, §  74 Rn.  20a.

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E. Die Darstellung des eigenen gesellschaftsrechtlichen Lösungsansatzes

lungsbedarf an. Er spricht sich ebenfalls gegen eine Nachtragsliquidation aus und wählt abseits des Gesellschaftsrechts einen eher allgemeinen zivilrechtlichen Lösungsansatz mit der Bestellung eines Pflegers analog §  1913 BGB.96 Nicht zuletzt die von ihm favorisierte Sondervermögenstheorie, welche lediglich nachträglich anfallendes Vermögen, nicht jedoch sonstigen nicht vermögensrechtlichen Abwicklungsbedarf einzuordnen vermag, macht ein alternatives Modell zur allgemeinen Nachtragsliquidation erforderlich. Indes vermögen beide Gegenauffassungen nicht zu überzeugen. Weder Wortlaut noch Telos des §  74 Abs.  2 GmbHG lassen derartig weitreichende und haftungsbegründete Handlungen des nur zur Aufbewahrung Verpflichteten zu.97 Gleiches gilt für den Pfleger, welcher gemäß §  1913 BGB eigentlich eine rechtsfähige Person vertreten soll, die jedoch im Rahmen einer – nach Ulmer – konstitutiven Registerlöschung fehlt, so dass hier schon gar keine vergleichbaren Anknüpfungspunkte vorliegen.98 Im Ergebnis erscheint es daher am sinnvollsten, den nichtvermögensrechtlichen Abwicklungsbedarf entsprechend der ganz überwiegenden Ansicht als Teil des Nachtragsliquidationsverfahrens anzusehen. Hierfür spricht nicht zuletzt, dass derartige Handlungen regelmäßig schon im Rahmen der gewöhnlichen Liquidation stattfinden und die logische Fortsetzung daher auch die Nachtragsliquidation darstellen sollte. bb) Probleme bei der Ausweitung des Doppeltatbestandes Mithin bleibt festzuhalten, dass mit der erweiterten Auffassung eine gewisse Widersprüchlichkeit durch deren Anhänger einhergeht. Wenn der sonstige Abwicklungsbedarf zur Voraussetzung für die Vollbeendigung mit dem Argument erhoben wird, dass sich das Liquidationsverfahren nicht bloß auf eine Vermögens- und Erlösverteilung beschränkt, sondern vollumfänglich den Gläubigern dienen soll99, müsste selbiges erst recht für noch vorhandene Verbindlichkeiten gelten. Immerhin werden Geldforderungen wohl noch den Großteil des Gläubigerinteresses ausmachen und es daher allemal rechtfertigen, den Abschluss der Liquidation bzw. Abwicklung zu verhindern. Dass ein solcher Schluss nicht völlig fernliegt, beweist eine vereinzelt gebliebene Entscheidung des BGH, in welcher er es für notwendig erachtete, im Rahmen der Liquidation für das Ende aller gesellschaftlichen Beziehungen auch die abschließende Abwicklung noch 96 Hachenburg/Ulmer, Anh. §  60 GmbHG Rn.  40; im Rahmen der Auflösung einer englischen Limited ähnlich OLG Nürnberg NZG 2007, 76, 77. 97 MüKo-GmbHG/Berner, §  60 Rn.  52 ff. 98  K. Schmidt, GmbHR 1988, 209, 212; Bork, JZ 1991, 841, 845; Scholz/Schmidt/Bitter, §  60 Rn.  61. 99  Saenger GmbHR 1994, 300, 303; MüKo-GmbHG/Berner, §  60 Rn.  43 unter Verweis auf BGH NJW 1982, 1831.

II. Gesellschaften zwischen Vollbeendigung und Nachtragsliquidation

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offener Verbindlichkeiten anzusehen.100 Auch ist nur schwer einzusehen, weshalb die Erteilung eines Arbeitszeugnisses die Vollbeendigung einer Gesellschaft verhindern soll, nicht aber eine an die Gesellschaft gerichtete Forderung, mit einer wirtschaftlich sehr viel höheren Bedeutung. Gleichzeitig wird hieran aber auch eine gewisse Beliebigkeit deutlich101, die in eine immer weiter ausufernde Rechtsprechung mündet und neben der Erteilung von Arbeitszeugnissen die Beendigung einer Gesellschaft auch dann noch ablehnt, wenn sie an der Auszahlung hinterlegter Beträge mitwirken muss102 , Steuerverfahren gegen sie betrieben werden103 bzw. Steuerbescheide entgegengenommen werden müssen104 oder Erklärungen an das Grundbuchamt vorzunehmen sind105. Die andauernde Schaffung von Fallgruppen lässt den Zeitpunkt der Vollbeendigung damit immer weiter nach hinten verschieben. Aufgrund der oben aufgezeigten Ungewissheit in Bezug auf die Vermögenslosigkeit, wird die Vollbeendigung bei derart ausgedehntem faktischem Abwicklungsbedarf noch unwahrscheinlicher, als sie es ohnehin schon ist. Insofern tritt Vollbeendigung dann wohl gar nicht mehr ein, weil der neue Rechtsträger auch bei einer Verschmelzung oder Übertragung die Pflichten in Angelegenheiten alter Steuersachen oder Arbeitszeugnisse nicht zu überwinden vermag. An dieser Stelle ist freilich zu würdigen, dass die von K. Schmidt vorgeschlagene analoge Anwendung des §  74 Abs.  2 GmbHG genau dieses Dilemma zu umgehen versucht, indem derlei Maßnahmen dem Anwendungsbereich einer Nachtragsabwicklung entzogen werden. Allerdings würde der Aufbewahrungsverpflichtete nur als Vertreter oder Organ der Gesellschaft handeln und nicht selbst die Abwicklungsmaßnahmen in eigener Person schulden.106 Das Zuordnungsobjekt der Verpflichtung müsste also auch bei analoger Anwendung des §  74 Abs.  2 GmbHG erhalten bleiben, da ansonsten kein verpflichtender Anspruchsgegner übrig bliebe. Das Gleiche gilt für den Pfleger nach §  1913 BGB, welcher als Vertreter gleichsam ein Zuordnungssubjekt benötigt, da er nicht selbst als Verpflichteter fungiert. Ein Vorteil beider Gegenauffassungen gegenüber der analogen Anwendung des §  273 Abs.  4 AktG ergibt sich in dieser Hinsicht also nicht.

100 

BGH WM 1967, 275, 277. So auch MüKo-GmbHG/Berner, §  60 Rn.  57. 102  BGH WM 1982, 1266, 1267. 103  BayObLG ZIP 1983, 938, 940 f. 104  BayObLG BB 1984, 446, 447; OLG München GmbHR 2008, 821, 822. 105  Bei Löschungserklärung KG Berlin Rpfleger 2007, 398, 399; Wahrnehmung eingetragener Grundpfandrechte BayObLG DNotZ 1955, 638, 640 f. 106  Bork, JZ 1991, 841, 845; H. Schmidt, S.  144 f. 101 

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E. Die Darstellung des eigenen gesellschaftsrechtlichen Lösungsansatzes

Die Frage, inwiefern die Berücksichtigung sonstigen Abwicklungsbedarfes nun als ein die Nachtragsliquidation auslösender Umstand angesehen werden kann, stellt sich unter Zugrundelegung der oben genannten Ergebnisse nicht mehr. Denn auch beim nichtvermögensrechtlichen Abwicklungsbedarf bedarf es in jedem Falle eines irgendwie erhalten gebliebenen Rechtsträgers. Mit der Anerkennung sonstigen Abwicklungsbedarfes ist lediglich ein weiteres, wenn auch kritisches Tatbestandsmerkmal hinzugekommen, welches nichts an der sog. Geisterexistenz der Gesellschaft und ihrem Fortbestand ändert. Vielmehr kommt hier das Bedürfnis eines ganz überwiegenden Teils von Rechtsprechung und Lehre zum Ausdruck, die Gesellschaften wegen der Vielzahl an möglichen rechtlichen Beziehungen aufrechtzuerhalten. Vor allem aber zementiert sich in der fortgeführten Diskussion inner- und außerhalb der hier referierten Lehre die unerlässliche Bedeutung der Gesellschaft als Zuordnungsobjekt für Rechte und Pflichten auch weit nach ihrer Beendigung. f) Personengesellschaften Wie bereits erläutert, reicht bei Personengesellschaften bereits der Eintritt ihrer Vermögenslosigkeit aus, um Vollbeendigung zu erreichen, da ihr Eintrag ins Handelsregister nur rein deklaratorische Wirkung hat. Die soeben getroffene Feststellung gilt also auch für sie, da hier gleichsam keine ultimative Vermögenslosigkeit herbeigeführt werden kann und die Grundsätze der Nachtragsliquidation zu denselben Problemen beim Zuordnungssubjekt und den Verbindlichkeiten führen. Es gilt jedoch, einen zusätzlichen Aspekt zu beachten, welcher die hier vertretene These deutlicher und doppelt konsequent erscheinen lässt. aa) Probleme bei der Gesellschafterhaftung von OHG und KG In den Fokus rücken soll die im Vergleich zu den Kapitalgesellschaften typprägende Ausgestaltung der persönlichen Haftung aller Gesellschafter für die Verbindlichkeiten der Personengesellschaften. Sie endet nicht automatisch dort, wo auch die Existenz der Gesellschaft endet, sondern geht sowohl in zeitlicher als auch quantitativer Hinsicht über den Bestand der Haftungsmasse des Gesellschaftsvermögens hinaus. Bei OHG und KG kommt dies kodifiziert durch §§  128, 129, 161 Abs.  2 HGB zum Ausdruck, wonach die Gesellschafter mit einer gesonderten eigenen Verbindlichkeit haften, die sich in Art und Umfang an der bestehenden Verbindlichkeit der Gesellschaft orientiert (sog. Gesellschafterakzessorietät).107 107 

Bereits RGZ 136, 266, 270 f.; MüKo-HGB/K. Schmidt, §  128 Rn.  1; Mehrbrey/Mehr-

II. Gesellschaften zwischen Vollbeendigung und Nachtragsliquidation

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Dieser Ausgestaltung der Gesellschafterhaftung schließt sich nun die naheliegende Schlussfolgerung an, die stark an die generelle Problematik zur Nachtragsliquidation und Zuordnung des eigentlich vollbeendeten Rechtsträgers erinnert. Das Entfallen der Gesellschaftsverbindlichkeit mit Vollbeendigung muss konsequenterweise auch das Ende der Gesellschafterakzessorietät zur Folge haben. Dadurch, dass sich die Gesellschafterverbindlichkeit akzessorisch verhält, verliert sie mit dem Erlöschen ihrer Leitforderung jeden Bezug und wird wie bei der Bürgschaft damit auch unwirksam. In dem Moment, in dem die Gesellschaft mithin vermögenslos und nach allgemeiner Ansicht vollbeendigt ist, verlören die Gläubiger somit auch die persönlich haftenden Gesellschafter als anspruchsverpflichtete Schuldner. Wie bereits an anderer Stelle erläutert, ergibt sich nichts anderes durch die Wertung des §  159 HGB oder auch §  156 HGB, da es hier keinesfalls um die Fiktion von Verbindlichkeiten oder Akzessorietät geht.108 Im Ergebnis bleibt also festzustellen, dass §  128 HGB die Gesellschafterakzessorietät nämlich nur unter der Voraussetzung einer existenten Gesellschaft normiert. Zwar vermag dies einerseits einzuleuchten, steht doch aber andererseits im Widerspruch zum typprägenden Merkmal des unbeschränkt, persönlich haftenden Gesellschafters einer Personengesellschaft, dessen Einstandspflicht nicht dort enden soll, wo auch die Haftung juristischer Personen endet. Aus diesem Grund wird die Schlussfolgerung auch überwiegend abgelehnt und mit Verweis auf den Umgang des BGH beim weggefallenen Hauptschuldner einer Bürgschaft entkräftet.109 Die Gesellschafterakzessorietät verselbstständige sich demnach mit Vermögenslosigkeit und könne so die Haftung auch nach Vollbeendigung des Rechtsträgers noch ermöglichen. Hierdurch kann die in §  159 HGB angemahnte fünfjährige Haftung der Gesellschafter für Verbindlichkeiten auch dann problemlos begründet bleiben, wenn der Zeitraum zwischen Auflösung und Vollbeendigung nicht mindestens fünf Jahre beträgt.110 Die Ähnlichkeit sowohl zur Situation der Nachtragsliquidation als auch der des weggefallenen Hauptschuldners einer Bürgschaft liegen hierbei – nicht zuletzt aufgrund des von K. Schmidt selbstgewählten Lösungsansatzes – auf der Hand, da in allen Fällen das Erlöschen des Rechtsträgers zu Problemen führt. brey, §  37 Rn.  5; EBJS/Hillmann, §  128 Rn.  19; Oetker/Boesche, §  128 Rn.  5; MünchHdb GesR I/Gummert, §  18 Rn.  9 ff.; Flume, I/1, §  16 II 1 und 2, S.  283 ff. 108  Siehe hierzu bereits unter Abschnitt B. II. 1. c). 109  So zumindest deutlich auf BGHZ 82, 323 Bezug nehmend K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, §  11 V 3 b), S.  311 Fn.  67. Allg. hierzu bereits K. Schmidt, ZHR 152 (1988) 105; Rechtslage wie Bürgschaft Staudinger/Looschelders (2012), §  421 Rn.  41; bürgschaftsähnliche Stellung und damit wohl indirekt der oben genannten Überlegung anschließend Canaris/Habersack/Schäfer/Habersack, §  128 Rn.  2; MünchHdb GesR I/Neubauer/Herchen, §  68 Rn.  4 ff. 110  Im Ergebnis K. Schmidt zustimmend, aber ohne Begründung MünchHdb GesR I/Neubauer/Herchen, §  68 Rn.  13b; EBJS/Hillmann, §  159 Rn.  5 f.; Oetker/Boesche, §  128 Rn.  17.

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E. Die Darstellung des eigenen gesellschaftsrechtlichen Lösungsansatzes

Allerdings wiederum die Lösung am Zweck eines Haftungsinstitutes festzumachen und wiederholt die Akzessorietät mit einer Fiktion zu durchbrechen, überzeugt trotz Wissens um die historische Auffassung des Gesetzgebers zu §  159 HGB wenig. Sicherlich wäre es, wie K. Schmidt anmerkt, idealer, wenn der Wortlaut statt von „Auflösung“ besser von Vollbeendigung sprechen würde111, doch diese Chance wurde selbst vor dem Hintergrund der Vorgängerregelung im Rahmen ihrer Neufassung nicht ergriffen.112 Letztlich würde der geänderte Wortlaut dann aber in Konflikt mit der Gesellschafterakzessorietät kommen, da mit Vollbeendigung auch die Verbindlichkeiten erlöschen und es so an einer Leitforderung fehlen würde. Es wäre daher ebenso vernünftig, den möglicherweise hervortretenden Willen des Gesetzgebers als solchen zu erkennen und ihn nicht als Regelungslücke zu geißeln. Zeigt doch aber das Beispiel im Ergebnis nur einmal mehr die irregulären Strukturen des Gesellschaftsrechts für die gesamte Dogmatik auf. Aus diesem Grund sollte eine eventuelle Korrektur auch weniger stark auf Ausnahmeregelungen basieren, als es das ursprüngliche Problem jemals tat. Die Verselbstständigung eigentlich akzessorischer Verbindlichkeiten wird diesem Anspruch jedenfalls nicht gerecht. Dass es aber bereits gar keiner Korrektur bedarf, wird durch die dargelegte Sichtweise im Zusammenhang mit der Vollbeendigung wiederum deutlich. Begreift man nämlich, dass die Gesellschaft mangels objektiv vorhandener Vermögenslosigkeit niemals untergeht und akzeptiert damit auch das Vorhandensein von Rechtsträgerschaft bzw. noch bestehenden Verbindlichkeiten, verpufft auch diese Problematik. Die für die Gesellschafterakzessorietät so wichtige Leitforderung bleibt erhalten und die Haftung der Gesellschafter damit auch. Das irgendwie geartete Fingieren von Akzessorietät oder Verbindlichkeit erübrigt sich, ohne dass Kompromisse beim allgemein gewünschten Ergebnis oder zulasten der Dogmatik nötig würden.

111 MüKo-HGB/K. Schmidt, §  159 Rn.  7; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, §  52 IV 3b), 1525 f. 112  Der jetzige §  159 HGB gilt seit dem Nachhaftungsbegrenzungsgesetz vom 18.3.1994 (BGBl. I S.  560) in seiner derzeitigen Form. Seine ursprüngliche Fassung stellte in §  159 a. F. HGB ebenfalls auf die Auflösung für den Beginn der Verjährung ab. Die von K. Schmidt vertretene Auffassung hat sich der Gesetzgeber damit bewusst nicht zu eigen gemacht. K. Schmidt gibt deshalb selbst zu, dass sich ein Fehler oder Verkennen des Gesetzgebers um die Unterschiede zwischen Auflösung und Vollbeendigung nicht mehr vertreten ließe, MüKoHGB/K. Schmidt, §  159 Rn.  8, ausführlich in K. Schmidt, Gesellschaftsrecht §  52 IV 3b), 1525 f. Es bleibt deshalb zu vermuten, dass ihm die auf einer fiktiven Akzessorietät aufbauende Argumentation als einzig sinnvolle Alternative erscheint, um die Haftung der Gesellschafter auch nach vollbeendeter Gesellschaft noch irgendwie aufrechtzuerhalten.

II. Gesellschaften zwischen Vollbeendigung und Nachtragsliquidation

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bb) Probleme bei der Gesellschafterhaftung der GbR Bei der GbR hingegen lässt sich ein ähnlicher Schluss nicht ohne nähere Erläuterungen ziehen, da hier schon die Begründung der Gesellschafterhaftung problematisch ist und partiell zu einem anderen Ergebnis führt. Obwohl Einigkeit bei der persönlichen Haftung aller GbR-Gesellschafter vorherrscht, könnte die rechtliche Begründung hierfür, mangels gesetzlicher Bestimmungen, nicht gegensätzlicher ausfallen. Der Streit geht zurück auf den Gesetzgeber, welcher bei Schaffung seiner Regelungen am Ende des 19. Jahrhunderts nicht von einer eigenen Rechtspersönlichkeit der GbR (früher BGB-Gesellschaft) ausging. Dementsprechend ungenannt blieb auch die Ausgestaltung der Gesellschafterhaftung. Nach damals herrschender Auffassung konnte die Gesellschaft ohnehin nie Träger von Rechten und Pflichten sein und die im Rechtsverkehr handelnden Gesellschafter sich somit nur selbst bzw. gegenseitig verpflichten.113 Erst nach Etablierung ihrer Rechtsfähigkeit offenbarte sich durch die mittlerweile veraltete Annahme fehlender rechtlicher Verselbstständigung der GbR die Argumentationslücke im Hinblick auf die persönliche Haftung ihrer Gesellschafter.114 Nunmehr stellte sich das rechtsgeschäftliche Handeln der Gesellschafter nicht mehr als ein eigenes unmittelbar verpflichtendes Tun dar, sondern als Vertreterhandeln der dahinterstehenden GbR.115 Zwar herrschte daraufhin noch immer Übereinstimmung darin, dass sich an der persönlichen Haftung aller Gesellschafter nichts ändern sollte. Nicht zuletzt wegen der als zu groß empfundenen Unterschiede bei Kapitalgesellschaften, insbesondere das fehlende Mindestkapital und die nichtvorhandenen gläubigerschützenden Eigenkapitalerhaltungsvorschriften, blieb die Notwendigkeit für ein Festhalten der persönlichen Gesellschafterhaftung erhalten.116 Gleichwohl hierin Einigkeit besteht, fällt die dogmatische Begründung dazu umso kontroverser und uneinheitlicher aus. Von den beiden im Wesentlichen117 vertretenen Strömungen, namentlich der DoppelMünchHdb GesR I/Gummert, §  18 Rn.  4; Wiedemann/Frey, DB 1989, 1809. Flume, I/1, §  16 IV 3, S.  327 merkt nicht zu Unrecht an, dass die persönliche Haftung der Gesellschafter auch einfach nicht vorgesehen sein könnte. Die fehlende Regelung und die Schwierigkeiten der Begründung lassen diesen Gedanken jedenfalls nicht fernliegend erscheinen. 115  Hadding, FS Rittner, S.  133, 138 (Fn.  11); Wiedemann, WM 1975 Sonderbeilage 4, 7, 43. 116  MünchHdb GesR I/Gummert, §  18 Rn.  4; Thielmann, ZHR 136 (1972), 397, 400; Mülbert, AcP 199 (1999), 38, 67. 117  Nur vereinzelt wurde eine auf §  427 BGB gestützte Ansicht vertreten, BGHZ 72, 267; BVerwG NJW 1994, 602, 603; OLG Karlsruhe NJW-RR 1987, 671. Allerdings handelt es sich bei der Vorschrift lediglich um eine Auslegungsregel, die nicht zur Begründung einer generellen Dogmatik taugt und deshalb keine weitere Verfolgung gefunden hat, Flume, I/2, §  6 IV 1, S.  314 f.; MünchHdb GesR I/Gummert, §  18 Rn.  4. 113  114 

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E. Die Darstellung des eigenen gesellschaftsrechtlichen Lösungsansatzes

verpflichtungs- und Akzessorietätstheorie, hat sich schließlich die Letztere als herrschende Meinung durchgesetzt. Gleichwohl die Doppelverpflichtungstheorie auch schon vor dem Erstarken der rechtsfähigen GbR eine dogmatische Erklärung für das Haftungsregime liefern sollte, verlieh ihr die nunmehr geänderte Rechtslage unter neuen Vorzeichen einen Auftrieb.118 Sie ging von der Prämisse aus, dass parallel zur Verpflichtung der Gesellschaft immer auch eine gesonderte vertragliche Verpflichtung der Gesellschafter, ggf. unter Zugrundelegung der §§  133, 157 BGB, begründet werde. Die Abgabe einer Willenserklärung zur Verpflichtung der Gesellschaft zieht dieser Ansicht zufolge die konkludente Abgabe weiterer Willenserklärungen zur Begründung einer inhaltlich identischen persönlichen Verbindlichkeit nach sich; mithin also eine Doppelverpflichtung.119 Allerdings war die unterstellte Abgabe einer persönlich verpflichtenden zweiten Willenserklärung, zumeist gegen den wirklichen Willen des Gesellschafters, eine wesentliche stark kritisierte Schwäche dieser Theorie.120 Wegen der zweifachen Fiktion von Erklärung und Willen des Betroffenen, konnte sich die Auffassung schließlich nicht gegen die Akzessorietätstheorie durchsetzen. Diese vermochte durch ihre analoge Anwendung der §§  128, 129 HGB zu überzeugen, da sie die Verpflichtung der Gesellschafter auf die akzessorisch ausgestaltete Gesellschafterhaftung der Personengesellschaften zurückführt.121 Folgt man dieser Ansicht, würde es bei einer Vollbeendigung selbstredend zur gleichen Kritik führen wie schon bei OHG und KG. War die GbR nämlich Schuldnerin einer gesicherten Forderung, fällt mit ihr also nicht nur die Hauptschuld einer bestehenden Bürgschaft weg, sondern gleichzeitig auch die für die Gesellschafterakzessorietät wichtige Leitforderung. Das Problem entfiele nur mit der alten und nicht mehr vertretenen Doppelverpflichtungstheorie, wonach sich die Gesellschafter mit ihrer (rechtsfähigen122) 118 

Auflistung der Vertreter ohne GbR-Rechtsfähigkeit MüKo-BGB/Ulmer, §  714 Rn.  24 Fn.  51 f. (3. Auflage); mit Anerkennung ihrer Rechtsfähigkeit vgl. nur Hadding, FS Rittner, S.  133, 134 m. w. N. 119 MüKo-BGB/Ulmer, §  714 Rn.  29 ff. (3. Auflage); hiervon mittlerweile distanziert Ulmer, ZGR 2000, 339 ff. 120  Wiedemann, WM 1975 Sonderbeilage IV, S.  42; Gummert, ZIP 1993, 1063 ff.; MünchHdb GesR I/Gummert, §  18 Rn.  8. 121  BGHZ 142, 315, 146, 341, 154, 88 und 370; MünchHdb GesR I/Gummert, §  21 Rn.  105; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, §  60 III 2, S.  1497 ff.; Ulmer, ZIP 1999, 509, 512 Fn.  25; Flume, I/2, §  16 II 2, S.  286 ff. 122  Die Doppelverpflichtungstheorie spaltete sich in zwei Lager. Ein Teil vertrat sie unter dem Aspekt einer früher noch zu vertretenen fehlenden Rechtsfähigkeit der GbR (MüKoBGB/Ulmer, §  714 Rn.  24 m. w. N. (3. Auflage)) und der andere Teil unter Berücksichtigung ihrer Rechtsfähigkeit. Da nur die letztere Ansicht überhaupt noch vertretbar erscheint, wird

II. Gesellschaften zwischen Vollbeendigung und Nachtragsliquidation

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Gesellschaft gleichsam mitverpflichten und damit unabhängig vom weiteren Schicksal der Gesellschaft agieren. In dem Falle einer Gesamtschuld würde beim Wegfall der Gesellschaft die Verbindlichkeit weiter bestehen und damit auch eine eventuell bestehende Bürgschaft.123 Selbstredend entfiele bei diesem Ansatz auch die Problematik, um die zu fingierende Gesellschafterakzessorietät. Weil es sich bei der Gesellschafterhaftung aber tatsächlich um eine Regelungslücke des BGB handelt und die Bezugnahme auf ein bereits vorhandenes gesetzliches Institut sehr viel schonender ist als das abermalige Fingieren von Willen bzw. Erklärung, muss die Akzessorietätstheorie, wenn auch nicht rechtstheoretisch, so doch aber rechtspraktisch wegen der Zustimmung des BGH als unumstößlich betrachtet werden.124 Soll es aber auch hier im Ergebnis bei der persönlichen und unmittelbaren Haftung aller Gesellschafter bleiben, kann dies unproblematisch durch die Erkenntnis, dass Rechtsträger wie Verbindlichkeiten nach allen Ansichten aufgrund der Nachtragsliquidation eigentlich noch fortbestehen, erreicht werden. cc) Schlussfolgerung der Gesellschafterhaftung für die Vollbeendigung Gleich in doppelter Hinsicht wird damit klar, weshalb die exakte Einordnung des (materiell-) rechtlichen Schicksals einer beendeten Gesellschaft und ihrer Schulden von Bedeutung ist. Der zentrale Aspekt absoluter Vermögenslosigkeit und das Fehlen sonstiger Abwicklungsmaßnahmen lässt den Rechtsträger dauerhaft fortbestehen. Dass dies insofern kein Zufallsergebnis sein muss, zeigt sich nicht zuletzt am Beispiel der Gesellschafterhaftung bei Personengesellschaften. Auch sie kommt, ähnlich wie die Bürgschaft, nicht ohne eine zugrundeliegende Leit- oder Hauptschuld aus, da die Haftung der Gesellschafter akzessorisch zu den Gesellschaftsverbindlichkeiten ausgestaltet ist. Der Wegfall der Gesellschaft zieht für deren Haftung somit unweigerlich dieselben Schwierigkeiten nach sich wie für den Bürgen. Diese bisher eher vernachlässigte Frage nach ihrer dogmatischen Rechtfertigung bekommt bei näherer Betrachtung eine Dimension verliehen, welcher nicht einfach mit der nächsten Verselbstständigung eigentlich akzessorischer Institute beigekommen werden kann. Insofern auch nur diese mit ihren Argumenten dargestellt. Das Gleiche gilt für die sog. traditionelle oder gesetzestreue Theorie, welche durch die mittlerweile ergangene Entscheidung zugunsten einer eigenen Rechtspersönlichkeit der GbR jede Grundlage verloren hat, vgl. MüKoBGB/Schäfer, §  714 Rn.  3. 123  BGHZ 74, 242, 79, 377; siehe nunmehr noch Hadding, FS Raiser, S.  130, 143 f.; Erman/ Westermann, 10.  Aufl. 2000, Rn.  10, 3.  Aufl. Rn.  26, 31 f. 124  BGH NJW 1999, 3483; 2001, 1056. Für mittlerweile unstrittig erklärt MünchHdb GesR I/Gummert, §  18 Rn.  4 m. w. N.; Altmeppen, NJW 2004, 1563; a. A. Canaris, ZGR 2004, 69, 86 ff.

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E. Die Darstellung des eigenen gesellschaftsrechtlichen Lösungsansatzes

wird hieran zugleich die Universalität der hier vertretenen These deutlich. Sie beschränkt sich nicht nur darauf, schadlos ein einzelnes Problem zu beseitigen, sondern auch gezielt artverwandte Unstimmigkeiten aufzulösen, ohne hierbei neue Theorien zu begründen oder auszuhöhlen. g) Nachtragsliquidation als Nachtragsverteilung im Insolvenzverfahren Parallel zur Nachtragsliquidation existiert mit der Nachtragsverteilung gemäß §  203 InsO ein hieran angelehntes insolvenzrechtliches Pendant. Die Nachtrags­ abwicklung dient dazu, zurückbehaltene Beträge sowie Rückflüsse oder nachträglich ermittelte (Vermögens-) Gegenstände der Insolvenzmasse, die erst nach dem Schlusstermin anfallen, unter den noch nicht befriedigten Gläubigern zu verteilen, §  203 Abs.  1 Nr.  1–3 InsO.125 Sie bewirkt, dass hinsichtlich des neu zugeführten Vermögens der Insolvenzsbeschlag neu begründet bzw. aufrechterhalten und die Vertretungs- und Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters ungeachtet der vorherigen Aufhebung oder Einstellung beibehalten wird.126 Spiegelbildlich zur Nachtragsliquidation tritt hierbei der Gedanke des Gesetzgebers zum Vorschein, auch lange nach Beendigung aller Verfahrenshandlungen noch für einen unbedingten Gläubigerschutz zu sorgen. Während bei der Nachtragsliquidation der Zeitpunkt nach Abschluss der Liquidation gemeint ist – gleichgültig, ob vor oder nach Vollbeendigung –, kommt die Nachtragsverteilung ab dem Ende des Schlusstermins (§  197 InsO) in Betracht, §  203 Abs.  1 InsO. Doch auch in diesem Fall spielt der Eintritt der Vollbeendigung keine Rolle, weil §  203 Abs.  2 InsO die Nachtragsverteilung ausdrücklich auch nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens für zulässig erklärt, ohne gleichzeitig eine zeitliche Begrenzung vorzugeben.127 Die Möglichkeit zur Nachtragsverteilung besteht sogar nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit gemäß §  211 Abs.  3 S.  1 InsO und auch noch nach Einstellung des Verfahrens mangels Masse gemäß §  207 InsO128. Damit ist die Nachtragsverteilung auf alle Fälle einer Insolvenzverfahrensbeendigung anwendbar und kann in ihrer Folge auch als Ausdruck eines generellen Gesetzgebungswillens verstanden werden. Aufgrund dessen, dass in der Zeit zwischen dem Ende bzw. der Einstellung des Insolvenzverfah125 MüKo-InsO/Hintzen,

§  203 Rn.  1 ff.; K. Schmidt-InsO/Jungmann, §  203 Rn.  1. BGH NJW 2011, 1448 Rn.  6b; BeckOK-InsO/Nicht, §  203 Rn.  2, 20; MüKo-InsO/Hintzen, §  203 Rn.  3, 19. 127 K. Schmidt-InsO/Jungmann, §  203 Rn.  2; §  203 Rn.  1; MüKo-InsO/Hintzen §  203 Rn.  1, 7. 128  Trotz fehlender ausdrücklicher Normierung ganz h. M. LG Oldenburg ZIP 1992, 200; LG Darmstadt Rpfleger 2001, 512 m. Anm. Kneller; OLG Celle NdsRpfl 1965, 200; BeckOK-InsO/Nicht, §  203 Rn.  6 f.; a. A. LG Marburg NJW-RR 2003, 266; Uhlenbruck/ Wegener, §  203 Rn.  38; MüKo-InsO/Hintzen, §  203 Rn.  29. 126 

II. Gesellschaften zwischen Vollbeendigung und Nachtragsliquidation

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rens und der Anordnung zur Nachtragsverteilung bei vermögenslosen Gesellschaften gemäß §  394 Abs.  1 S.  2 FamFG die Löschung aus dem Handelsregister erfolgt, müssen dem Gesetzgeber die dogmatischen Konsequenzen daher bewusst gewesen sein.129 So stellt sich im Vergleich zu dem oben gesagten Ausführungen im Ergebnis eine deckungsgleiche Situation dar. Sowohl bei der Nachtragsliquidation als auch bei der Nachtragsverteilung will der Gesetzgeber nicht auf die Möglichkeit verzichten, auch noch lange Zeit nach Beendigung der letzten Maßnahmen auf die Gesellschaft zwecks nachträglichen Vermögensanfalles zurückzugreifen. In beiden Fällen muss hierfür der Rechtsträger für den Anfall des Vermögens erhalten bleiben. Hinzukommt aber noch, dass nicht nur der Rechtsträger als Zuordnungssubjekt benötigt wird, sondern auch die nicht erfüllten Verbindlichkeiten. Eine Nachtragsverteilung kommt überhaupt nur dann in Betracht, wenn im Insolvenzverfahren eine vollständige Befriedigung der Gläubiger unterblieben ist.130 Dies erfolgt analog zur Nachtragsliquidation, welche bei später anfallendem Vermögen immer stattfindet und damit auch zu einer Verteilungsgerechtigkeit zwischen den Gesellschaftern führt, dient die Nachtragsverteilung in erster Linie den Gläubigern.131 Sie sollen berichtigend zum Insolvenzverfahren dasjenige erhalten, was sie auch vor Beendigung des Verfahrens hätten erhalten müssen. Erst wenn alle zur Tabelle angemeldeten Gläubiger befriedigt wurden, kommt entsprechend §  199 InsO ein etwaiger Überschuss den Gesellschaftern zugute.132 Erkennbar wird dies bereits an den Zielen der Insolvenz (§  1 InsO) sowie dem Standort im Insolvenz- und gerade nicht im Gesellschaftsrecht analog zu §  273 Abs.  4 AktG. Noch deutlicher kommt dies nach allgemeiner Ansicht in der Möglichkeit zum Tragen, auch im Falle der Einstellung des Insolvenzverfahrens mangels Masse gemäß §  207 InsO und wegen Massearmut gemäß §  208 InsO eine Nachtragsverteilung durchzuführen.133 Die Parallelität zwischen Nachtragsliquidation und -verteilung kommt aber nicht nur in den Rechtsfolgen zum Ausdruck, sondern auch in ihrer zugrundeliegenden Dogmatik. Aufgrund dessen, dass die InsO keine gesonderte Lösung für die Frage nach dem zwischenzeitlichen Schicksal von Rechtsträger und Verbindlichkeiten anbietet, stützt sich der Gesetzgeber offensichtlich auf die Grundlagen des Gesellschaftsrechts. Damit richtet sich die rechtliche Ausge129  Klarstellend, dass auch die Registerlöschung der Nachtragsverteilung nicht im Wege steht BGH ZIP 2013, 2320; 2014, 437. 130 Braun/Kießner, §  203 Rn.  4. 131  K. Schmidt-InsO/Jungmann, §  203 Rn.  1 f. 132 Uhlenbruck/Wegener, §  203 Rn.  5; MüKo-InsO/Hintzen, §  203 Rn.  7. 133  BGH NZI 2013, 1019; Kübler/Prütting/Bork/Pape, §  207 Rn.  39; BeckOK-InsO/Nicht, §  203 Rn.  6 ff.; a. A. K. Schmidt/Jungmann, §  203 Rn.  16, 19 f.

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E. Die Darstellung des eigenen gesellschaftsrechtlichen Lösungsansatzes

staltung der Nachtragsverteilung gleichsam danach, welcher Auffassung der Vollbeendigung gefolgt wird. Je nachdem besteht der Rechtsträger mangels Vermögenslosigkeit weiter oder muss fingiert werden. Die bereits gezogenen Konsequenzen bleiben aber dieselben, weil man auch hier nicht umhinkommt, die bestehenden Verbindlichkeiten für den Fall einer denkbaren Nachtragsverteilung zu bewahren. h) Zwischenergebnis Schließlich ist zu konstatieren, dass nach ausnahmslos allen Ansichten die Verbindlichkeiten einer erloschenen Gesellschaft bestehen bleiben müssen. Dies liegt entweder darin begründet, dass ein Vermögensanfall für die Zukunft nicht ausgeschlossen werden kann, obwohl genau dies aber Voraussetzung für das Erlöschen der Gesellschaft ist, so dass es schon gar nicht zur Vollbeendigung kommen kann. Oder das Vorhandensein von Vermögen keine Rolle spielt, weil es nur auf die Löschung aus dem Handelsregister ankommt und für den Fall der Liquidation – ganz gleich, ob Nachtragsliquidation oder nicht – ohnehin die Erzeugung einer Nachgesellschaft für das Stadium der Vollbeendigung vorgesehen ist. In allen Fällen muss für einen Rechtsgrund zum Begleichen der Schulden gesorgt werden, um der Anordnung einer Nachtragsliquidation Sinn zu verleihen. Sinn hat sie nur dann, wenn das Vermögen dem richtigen Inhaber zugeordnet werden kann, d. h. der eigentlich erloschenen Gesellschaft, und den Gläubigern ein Anspruch auf Erfüllung ermöglicht wird, um ihre Befriedigung ggf. zu erzwingen. Letzteres geht aber nur dann, wenn man den Anspruch der Gläubiger als das qualifiziert. was er ist, nämlich ein zweiseitiges Schuldverhältnis. Es entbehrt jeder Grundlage, die Voraussetzungen, die an ein solches Schuldverhältnis gestellt werden, im Falle der Nachtragsliquidation rechtsdogmatisch anders zu bewerten. So bedarf es entsprechend §  241 BGB genau zweier personenverschiedener Parteien, die ununterbrochen in einem Schuldverhältnis zueinander stehen.134 Das Unterbrechen mit Vollbeendigung und Wiederaufleben des Schuldverhältnisses im Falle einer Nachtragsliquidation ergibt weder rechtsdogmatisch einen Sinn noch lassen sich in §  273 Abs.  4 AktG oder sonst wo Hinweise für ein derartiges Verständnis erblicken. Aus diesem Grund sind alle Auffassungen auch bemüht, genau diese Kontinuität, wenn auch nicht des Rechtsträgers so doch der Verbindlichkeit, herbeizuführen. Nimmt man genau diesen Umstand zur Kenntnis, erkennt man die unendliche Fortdauer von Verbindlichkeiten untergegangener Schuldner.

134 

So auch Beitzke, NJW 1952, 842; Däubler, GmbHR 1964, 246, 247.

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aa) Die Nachtragsliquidation in §  273 Abs.  4 AktG als Ausgangspunkt Dieses Ergebnis muss nicht zuletzt wegen des Mangels an Informationen über die Nachtragsliquidation selbst gelten. Zwar ist das Institut einhellig in theoretischer wie praktischer Hinsicht unumstritten anerkannt, ihre rechtliche Ausgestaltung, das Schicksal der Gesellschaft und ihrer Organe sowie die Auswirkungen auf die Vollbeendigung jedoch vollkommen offen geblieben. Aus diesem Grund wäre es auch zu kurz gegriffen, die These mit dem Verweis abzulehnen, dass der Nachtragsliquidation überhaupt nur im Falle eines Vermögensanfalles Bedeutung zukomme und es abseits jeglichen später aufgefundenen Vermögens keine (universelle) Relevanz besitzt. Dem ist zu entgegnen, dass der Vermögensanfall nur Durchführungsvoraussetzung der Nachtragsliquidation ist, dem vorgeschaltet sind aber noch Grundvoraussetzungen, ohne die eine Durchführung unmöglich bzw. sinnlos erscheint. Gibt es nämlich kein rechtsfähiges Zuordnungssubjekt, kann auch kein Vermögen mehr anfallen und gibt es keine Verbindlichkeiten, können auch keine Schulden mehr getilgt werden. Insofern kommt es bei der Nachtragsliquidation nicht allein auf den nachträglichen Vermögensanfall an, sondern auch auf einen vorhandenen Rechtsträger und – sofern noch Gläubiger vorhanden – bestehende Verbindlichkeiten. Rechtsträger und Verbindlichkeiten müssen hierbei zwingend kontinuierlich fortbestehen, da ein beliebiges Erlöschen und neues entstehen, etwa der Gläubigeransprüche, nicht nur undenkbar, sondern auch unzulässig wäre. Bedingt durch die Tatsache, dass grundsätzlich jeder Gesellschaft zu jeder Zeit Vermögen anfallen kann und eine Nachtragsliquidation durchführen muss, ergibt das ständige Vorhalten aller Grundvoraussetzungen eine universelle Geltung. Ganz Ähnliches lässt auch die Begründung des Gesetzgebers in der amtlichen Begründung zu §  214 Abs.  4 AktG 1937 (heute ohne inhaltliche Änderung §  273 Abs.  4 AktG) entnehmen, wonach die Gesellschaft auch nach Erlöschen noch als Rechtsträger des erst später entdeckten Vermögens fungieren soll. So schreibt der Gesetzgeber ausdrücklich: „Mit der Löschung beendet die Gesellschaft das Stadium der Auflösung und verschwindet aus dem Rechtsleben. Jedoch kommt der Löschung der Gesellschaft insofern keine rechtsvernichtende Bedeutung zu, als die Gesellschaft trotz der Löschung Trägerin etwa noch vorhandenen Vermögens bleibt und als nötigenfalls weitere Abwicklungsmaßnahem vorgenommen werden können.“135

Irgendwie geartete Fiktionen oder Sonderkonstruktionen verbieten sich somit, da auch der Gesetzgeber keine andere Möglichkeit gesehen hat, Rechte und Pflichten der eigentlich erloschenen Gesellschaft aufrechtzuerhalten, ohne den 135 

Amtl. Begründung AktG 1937 zu §  214 Abs.  4 AktG.

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E. Die Darstellung des eigenen gesellschaftsrechtlichen Lösungsansatzes

Rechtsträger selbst zu bewahren. Hierdurch kommt einmal mehr zum Ausdruck, dass die materiell-rechtliche Lage der Gesellschaft während der Nachtragsliquidation die Gleiche sein muss wie davor. Dem steht auch nicht zwangsläufig das Wörtchen „insofern“ der soeben zitierten Begründung entgegen, welches vereinzelt als Indiz für eine bloße Teilrechtsfähigkeit136 oder Fiktion137 der ansonsten vollbeendeten Gesellschaft gewertet wird. Vielmehr muss die Äußerung vor dem Hintergrund des damals schwelenden Streites deklaratorischer oder konstitutiver Löschungswirkungen verstanden werden, auf welchen sich der Gesetzgeber auch ausdrücklich bezog. Im Gegensatz zur missverständlich alten Formulierung des §  302 Abs.  1 HGB von 1897, wonach nur das „Erlöschen“ der Firma im Handelsregister anzumelden sei, wollte er sich im ersten Satz seiner Begründung dahingehend positionieren, dass die juristische Person nicht ohne Löschung aus dem Handelsregister verschwinden kann.138 Ob dies allerdings die einzige Voraussetzung ist oder es zur endgültigen Beendigung noch weiterer Tatbestände bedarf, wie eben der Vermögenslosigkeit, geht hieraus aber nicht hervor. Im Bewusstsein um die Bemühungen des Gesetzgebers, die Wirkungen der Registerlöschung am „Schluß der Abwicklung“ zu erläutern, kommt in dem Wort „insofern“ deshalb weniger eine (relativierende) Teilrechtsfähigkeit zum Ausdruck als vielmehr eine Klarstellung, dass die Nachtragsliquidation eben auch nach Löschung noch durchzuführen sei. Eine ultimative – die Nachtragsliquidation verhindernde – Wirkung werde durch die Registerlöschung nicht bewirkt, weil deren Voraussetzungen nicht gegeben waren.139 So sollte in dem Bekräftigen der Nachtragsliquidation wohl eher ein Nachfolgestreit im Verhältnis zur erfolgten Registerlöschung vorgebeugt werden, anstatt fundamentale Rechtsinstitute zu erschaffen. Heller, S.  128; Buchner, S.  95 f. Hönn, ZHR 138 (1974) 57 ff., 74 f. 138  Buchner, S.  95. 139  Davon geht heute wohl auch Jaeger/Schilken, §  26 Rn.  48 aus, wenn er zunächst die Vermögenslosigkeit als Voraussetzung der Registerlöschung ansieht und beide Tatbestände damit in eine zwingende Reihenfolge für den Eintritt zur Vollbeendigung bringt, so auch Herbig, DNotZ 1935, 790; Däubler, GmbHR 1964, 246, 247. „Insofern“ wird demzufolge auch als Andeutung einer Wirksamkeitsvoraussetzung in Bezug auf die Löschung verstanden, die eben nur beim Vorliegen absoluter Vermögenslosigkeit gegeben ist. Hierzu kritisch Mezger, S.  71, welcher zu Unrecht die Ansicht von Schliken nur auf den Fall einer nach §  394 FamFG gelöschten Gesellschaft beschränkt sieht. In Jaeger/Schilken, §  26 Rn.  49 macht dieser nämlich deutlich, dass mit dem Ende der Regelliquidation nach Verteilung und Schlussrechnung gemäß §  273 AktG bzw. §  74 GmbHG dieselbe Vermögenslosigkeit erreicht werde, die auch §  394 FamFG (damals §  141a FGG a. F.) zum Gegenstand habe. Beide Norm-Gruppen schließen sich daher nicht aus, sondern seien nebeneinander anwendbar. Zu dieser Erkenntnis würde es nicht passen, die Reihenfolge von Vermögenslosigkeit und Registerlöschung einseitig auf die Fälle ohne vorangegangenes Liquidationsverfahren zu beschränken. 136  137 

II. Gesellschaften zwischen Vollbeendigung und Nachtragsliquidation

141

Darüber hinaus bliebe die vorliegende These aber auch bei einem gegenteiligen Verständnis gestützt, da die hieraus interpretierte partielle Rechtsfähigkeit bzw. Fiktion auf jeden Fall zum Zwecke der Nachtragsliquidation zu erfolgen hat. Dem Zweck kann aber nur mit der Bewahrung des Rechtsträgers als Zuordnungsobjekt für Vermögen bzw. Schulden entsprochen werden. Ein Widerspruch zu den Grundpfeilern dieser These, welche im Erhalt von Verbindlichkeiten wie Rechtsträger liegen, ist deshalb nach beiderseitigem Verständnis nicht zu erkennen. Vielmehr stellt sich nach dem soeben Gesagten die Frage, ob es dogmatisch überhaupt vertretbar ist, beim Erhalt von Rechtsträger und Rechtsverhältnissen noch von bloßer Teil-Rechtsfähigkeit zu sprechen. Beides sind fundamentale Eigenschaften, welche der Bedeutung von Rechtsfähigkeit für den Rechtsverkehr überhaupt erst einen tieferen Sinn verleihen. Aus diesem Grund müsste es eher schwer fallen, so leichtfertig eine Beschränkung der Rechtsfähigkeit oder gar Fiktion anzunehmen. bb) Die rechtstheoretische Realität ewig bestehender Rechtsträger und Verbindlichkeiten Doch selbst wenn man den Fortbestand der Gesellschaft für den Fortbestand von Vermögenszuordnung und Verbindlichkeiten nicht für zwingend halten will140, bedarf es einer Konstruktion, die im Ergebnis auf die Zuordnung von Rechten (Vermögen) und Pflichten (Verbindlichkeiten) hinausläuft. Der gelegentlich vorgebrachte Einwand, dass der Gesetzgeber aus Gründen der Rechtssicherheit keine scheinbare Fortexistenz einer eigentlich erloschenen Gesellschaft gewollt haben kann141, mag als Kritik vielleicht einleuchtend erscheinen, scheitert jedoch an den rechtstechnischen Gegebenheiten. So wünschenswert es auch erscheint, täuscht es doch nicht darüber hinweg, dass trotz alledem eine ständige Möglichkeit zur Aufrechterhaltung von Zuordnungssubjekt und Verbindlichkeiten für Nachtragsliquidation bzw. Nachverteilung gefunden werden muss. In diesem Punkt treffen sich alle Ansichten und lassen die Erklärung hierfür auf das immer gleiche Ergebnis hinauslaufen, so dass es dahinstehen kann, ob dies mit der Erhaltung des (ggf. fingierten) alten oder der Schaffung eines neuen nachfolgenden Rechtsträgers begründet wird. Die Vorstellung unsterblicher Gesellschaften ist damit keine bloße in Auseinandersetzung verwendete Warnung, sondern Ausdruck rechtstheoretischer Realität.

140  141 

Hönn, ZHR 138 (1974), 50, 77. Hönn, ZHR 138 (1974), 50, 67; A. Wiedemann, S.  34.

142

E. Die Darstellung des eigenen gesellschaftsrechtlichen Lösungsansatzes

cc) Unerreichbarkeit der Vollbeendigung Klarzustellen bleibt aber Folgendes: Die allgemein vorherrschende Ansicht, wonach Schuldverhältnisse erlöschen, wenn der Schuldner ersatzlos wegfällt, bleibt – auch für die Anhänger der Lehre vom Doppeltatbestand – immer noch richtig. Daran ändert sich auch nichts durch die hier vertretene These. Voraussetzung für das Erlöschen des Schuldverhältnisses ist aber nach nahezu unwidersprochener Ansicht das endgültige Erlöschen der Rechtspersönlichkeit.142 Die Rechtspersönlichkeit erlischt aber nur dann, wenn die Voraussetzungen der Vollbeendigung vorliegen, welche nach der ganz herrschenden Ansicht neben der Registerlöschung auch die „tatsächliche“143 Vermögenslosigkeit erfordert. Eine Gesellschaft ist aber nur dann tatsächlich vermögenslos, wenn rechtlich ausgeschlossen werden kann, dass kein Vermögen mehr besteht bzw. anfällt. Da dies aber, wie bereits dargestellt, überhaupt nicht objektiv feststellbar ist und deshalb auch jederzeit mit dem Anfall von übersehenem Vermögen gerechnet werden muss, tritt Vollbeendigung und damit ein Verlust der Verbindlichkeiten nur in eng begrenzten Fällen ein. So etwa ausnahmsweise bei einer Vermögens­ übertragung durch den übernehmenden Rechtsträger, welcher als Zuordnungsobjekt des später auftauchenden Vermögens und der Schulden fungiert. Trotzdem bleibt die Rechtsfolge des Erlöschens aller Verbindlichkeiten bei eingetretener Vollbeendigung theoretisch korrekt.144 Beiwohnen könnte die Lehre vom Doppeltatbestand diesem Umstand nur, indem sie auf eine festgestellte Vermögenslosigkeit – etwa durch das Gericht oder den Liquidator – abstellt, wodurch es einen Fixpunkt für den Eintritt der Vollbeendigung gäbe und die Gesellschaft damit wahrhaftig erlöschen könnte. Freilich würde dies aber unter den Vertretern dieser Lehre keinen Zuspruch finden, da sich eine eventuell zu vollziehende Nachtragsliquidation dogmatisch dann nur noch mithilfe von Wiederbelebungsfiktionen oder Nachgesellschaften 142 

BGHZ 74, 212, 215; Palandt/Grüneberg, Vorb. §  362 Rn.  4; MüKo-BGB/Fezer, Vorb. §  362 Rn.  5; Rödding/Scholz, DStR 2013, 993, 998; BeckOGK-BGB/Looschelders, §  362 Rn.  19. 143  So BFH GmbHR 2010, 1272; vereinzelt wird auch innerhalb der Literatur ausdrücklich auf das tatsächliche Vorliegen der Vermögenslosigkeit abgestellt: Lutter/Hommelhoff/Kleindick, §  74, Rn.  17; Rödding/Scholz, DStR 2013, 993, 998; Galla, GmbHR 2006, 635; Fichtelmann, GmbHR 2011, 912, 913. Letzterer deutet einzig wie Hönn, ZHR 138 (1974), 50, 70 die Problematik einer „tatsächlichen“ Vermögenslosigkeit an. 144 Scholz/Schmidt/K. Schmidt, §  74 Rn.  15 lässt es in diesem Zusammenhang unter Verweis auf BGHZ 48, 306 offen, ob bei Vollbeendigung tatsächlich die Verbindlichkeiten erlöschen oder nur das „Haftungssubstrat“ wegfällt, da nach Ansicht der Lehre vom Doppeltatbestand die Verbindlichkeiten ohnehin vollständig erhalten bleiben. Für eine Beibehaltung zumindest des Haftungssubstrates, um somit zumindest die akzessorischen Sicherheiten zu retten, Michalski/Nerlich, §  74 Rn.  42.

II. Gesellschaften zwischen Vollbeendigung und Nachtragsliquidation

143

erklären ließe. Die Unterschiede zu den Vertretern der vielfach als unzulänglich abgelehnten konstitutiven Registerlöschung wären sodann nur noch Makulatur, weil beide Ansichten unter gleichen Voraussetzungen das Zuordnungsobjekt für nachträgliches Vermögen fingieren müssten. Auch unter dem Gesichtspunkt missbräuchlicher Vermögensverschleierung zum Abschütteln von Schulden stellt die bloß subjektive Vermögenslosigkeit keine nennenswerte Lösung dar. Muss es doch gerade als Stärke der Lehre vom Doppeltatbestand gewertet werden, wenn sie im Rahmen der Nachtragsliquidation schlicht auf den Fortbestand der Gesellschaft verweisen kann. Ein etwas anderes, im Ergebnis jedoch identisches Bild ergibt sich bei den Vertretern der bereits konstitutiven Registerlöschung. Hier gibt es mit der Registerlöschung für die Vollbeendigung einen festen, vom nachträglichen Vermögensanfall unabhängigen Zeitpunkt. Zwar wird damit das Ziel eines endgültigen und nicht unendlich lang herausgeschobenen Erlöschens erreicht, allerdings müssen dafür ewig bestehende Nachgesellschaften erschaffen werden, damit Zuordnungssubjekt und Verbindlichkeiten den Anforderungen einer Nachtragsliquidation genügen können. Während also dieser Auffassung zufolge die Nachtragsliquidation stets nach Vollbeendigung Bedeutung erlangt, kommt sie im Rahmen der Lehre vom Doppeltatbestand schon vor Vollbeendigung zum Tragen. Eine unterschiedliche Konsequenz ergibt sich dabei aber nicht, weil in jedem Falle Rechtsträger wie Verbindlichkeiten erhalten bleiben (müssen). Folgt man also den Vertretern der konstitutiven Registerlöschung, bleiben offene Verbindlichkeiten ewig bestehen und machen die Aussage, dass selbige mit Vollbeendigung erlöschen, unrichtig. dd) Keine Abhilfe durch Einbeziehung der Verbindlichkeiten zum Merkmal Vermögenslosigkeit Insofern zeugen auch die in Rechtsprechung145 und Literatur146 vereinzelt gebliebenen Ansätze darüber, dass eine Gesellschaft, solange sie noch Verbindlichkeiten hat, nicht vollbeendet werden kann, zwar von dem Versuch einer Einordnung, reichen aber mangels konsequenter Beachtung nicht an ein wirkliches Umdenken heran. Schon ökonomisch und juristisch betrachtet, spricht nichts dafür, den Begriff der Vermögenslosigkeit als Nullsumme der Verrechnung positiven wie negativen Vermögens zu verengen. Dem Vermögensbegriff muss an 145 

RGZ 155, 42, 48; BGHZ 48, 303, 307; BGH NJW 1981, 47; BAG NJW 1982, 1831. Ebenso, aber ohne Begründung und Konsequenzen Godin/Wilhelmi, §  273 Anm.  3 d; RGRK-BGB/Steffen, §  41 Rn.  5; Hachenburg/Hohner, §  74 Rn.  27; Problem erklärend, aber ohne konkrete Konsequenzen Fichtelmann, GmbHR 2011, 912, 914 f.; nur andeutungsweise Entsthaler, S.  61 f. und Depping, GmbHR 1993, 731. 146 

144

E. Die Darstellung des eigenen gesellschaftsrechtlichen Lösungsansatzes

dieser Stelle mit dem Fehlen jeglicher Aktiva dieselbe Bedeutung zukommen, wie es ihm auch in anderen Regelungsbereichen zuteil wird.147 Auch dem ansonsten sprachlich kaum zu vermittelnden Verständnis des Vermögens als etwas Positives (Vermögens als Bezeichnung für materiellen Wert bzw. als existente Fähigkeit148) und der Vermögenslosigkeit als Mangel desselbigen, nicht aber auch dem Fehlen jeglicher Unvermögenheit. Vor allem aber ist es die Unschädlichkeit dieser Konsequenz, die zu einer Ablehnung führen muss. Zum einen ist es schlicht nicht nötig, dem Bedürfnis um die Befriedigung der Gläubiger mit der Aufwertung als Tatbestandsmerkmal der Vermögenslosigkeit Nachdruck zu verleihen. Dies geschieht bereits viel besser mit dem Bekenntnis um die ewig andauernde Möglichkeit einer Nachtragsliquidation, kraft derer die alten Gläubiger nämlich bevorzugt zu befriedigen sind. Dem Schutz der Gläubiger vor einem unbilligen Zahlungsausfall durch zu schnelle Vermögenslosigkeit, falls man diesen nicht auch negativ verstehen würde, ist damit bereits ausreichend Genüge getan. Zum anderen bleibt es im Ergebnis in Bezug auf die Vollbeendigung wirkungslos. Während bei den Vertretern konstitutiver Registerlöschung die Vermögenslosigkeit sowieso keine Rolle spielt, tritt nach Ansicht der Lehre vom Doppeltatbestand nämlich ohnehin keine Vollbeendigung ein, da jederzeit mit dem Anfall positiven Vermögens gerechnet werden muss. Teilweise wird in der Literatur noch hervorgehoben, dass es ansonsten zu Gesellschaften käme, die nicht aus dem Rechtsleben ausscheiden könnten, was insbesondere bei Gesellschaften, die bereits mangels Masse kein Insolvenzverfahren durchlaufen konnten, zu großen Schäden führen würde.149 Zwar mag dies im ersten Moment richtig erscheinen, kann aber bei genauerer Betrachtung schon wegen der derzeit vorherrschenden Realitäten innerhalb der h. M. vom Doppeltatbestand kein tragfähiges Argument darstellen. Richtig ist hierbei lediglich, dass der Intention zur Löschung „lebensunfähiger“ Gesellschaften nach §  394 FamFG nicht das Verständnis einer Vermögenslosigkeit zugrunde lag, die auch das Fehlen jeglicher Verbindlichkeiten im Blick hatte.150 Überhaupt ließen sich offene Verbindlichkeiten weniger als Teil abzuwickelnden Vermögens klassifizieren als vielmehr dem Beenden aller Rechtsbeziehungen im Rahmen des Liquidationsverfahrens. Es kann damit konstatiert werden, dass 147 

BayObLG NZG 1999, 399; OLG Brandenburg NJW-RR 2001, 176, 177; OLG Düsseldorf FGPrax 1997, 36, 37; Hachenburg/Ulmer, Anh. §  60 Rn.  15a; Heller, S.  145; Lutter/ Hommelhoff/Kleindiek, §  74 Rn.  4; Jessen, NJW 1974, 2274; Scholz/K. Schmidt/Bitter, §  60 Rn.  49; MüKo-AktG/J. Koch, §  262 Rn.  78. 148  So die Erklärung im Duden, http://www.duden.de/rechtschreibung/Vermoegen. 149  BayObLG NJW-RR 1995, 612, 613; K. Schmidt, GmbHR 1994, 829, 830; Mezger, S.  84. 150 BeckOK-FamFG/Otto, §  394 Rn.  9 ff.; MüKo-FamFG/Krafka, §  394 Rn.  4.

II. Gesellschaften zwischen Vollbeendigung und Nachtragsliquidation

145

sich dieser Ansatz zurecht nicht als Teil des Kriteriums einer Vermögenslosigkeit durchgesetzt hat, weil damit keinerlei Vorteil für die Klärung der Vollbeendigung erzielt werden würde. ee) Keine zivilprozessualen Parteiprobleme Aus diesem Grund ergeben sich hieraus auch für die Parteifähigkeit im Rahmen des Zivilprozesses Konsequenzen. Eine Gesellschaft, die ihre Rechtsfähigkeit nicht verliert, behält auch weiterhin nach §  50 Abs.  1 ZPO die Fähigkeit, Partei eines Rechtsstreits zu sein. Hier wäre es nur inkonsequent, die als widersprüchlich deklarierte Nichtexistenz gelöschter und vermögensloser Gesellschaften trotz immerwährender Möglichkeit einer Nachtragsliquidation nur auf den materiell-rechtlichen Bestand zu reduzieren. Weiterreichende Probleme dürften hierdurch aber nicht zu befürchten sein, da der Vielzahl aller denkbaren Klagen schlicht das Rechtsschutzbedürfnis fehlt. Insofern divergiert hier die lediglich abstrakt bestehende Möglichkeit eines Vermögensanfalls in zweifacher Hinsicht. Während die abstrakte Eventualität in materiell-rechtlicher Hinsicht die Aufrechterhaltung von Rechtsträger und Verbindlichkeiten rechtfertigt, taugt sie vom zivilprozesssualen Standpunkt aus gesehen hierfür nicht. So ist eine Klage bzw. ein Urteil etwa dann als unbegründet abzuweisen, wenn der Schuldner die Leistung mit Sicherheit nicht bewirken kann oder diese nicht vollstreckbar ist.151 Genau das wäre bei den Gesellschaften der Fall, da es sich nur noch um mittellose und handlungsunfähige Parteien handelt, welche, abgesehen von einer Zahlungsleistung bei Vermögensanfall und Einzelfallhandlungen nichtvermögensrechtlicher Art, keinerlei Leistung mehr erbringen kann. Allein der verschlossene Weg zurück in die werbende Tätigkeit und das öffentliche Interesse an schonender Inanspruchnahme knapper Rechtsschutzressourcen dürfte hier dazu führen, dass Gerichte nur wegen einer Eventualität als völlig sinnlos bemüht angesehen werden müssen.152 Eine Welle von Klagen gegen Geisterparteien würde deshalb vom Gericht schon im Vorfeld als unbegründet abgewiesen werden.

151 

152 

Vgl. BGHZ 68, 372; 97, 181; 141, 179; MDR 62, 398; BAG NZA 1987, 379. Vgl. BGH NJW 2015, 2424; MüKo-ZPO/Lindacher, §  50 Rn.  15.

F. Beweisführung und generelle Übertragbarkeit des Lösungsansatzes I. Keine entgegenstehenden Gründe in Rechtsprechung und Lehre Nach der soeben erfolgten Darstellung und Herleitung der These zum dauerhaft fortbestehenden Rechtsträger soll nunmehr die genauere und möglichst widerspruchsfreie Darstellung erfolgen. Dabei ist die These unter allen denkbaren Gesichtspunkten, welcher der Idee eines ewigen Fortbestands von vermögenslosen Rechtsträgern entgegensteht, zu untersuchen.

1. Anhaltspunkte in der neueren Rechtsprechung Auch die Rechtsprechung des BGH und die oberen Instanzgerichte haben in der Vergangenheit in vereinzelten, dafür aber umso deutlicheren Entscheidungen aufgezeigt, dass die Nachtragsabwicklung als Beleg für den Fortbestand der eigentlichen beendeten Gesellschaft gilt. Gleichwohl hiermit keine allgemeinen Konsequenzen einhergegangen sind, die etwa eine Neubewertung der Voraussetzungen oder Wirkungen der sich anschließenden Vollbeendigung mit sich brachten, können sie doch als Beweis für die dargestellten Ergebnisse angesehen werden. a) BGHZ 48, 303 – Kein Erlöschen der Verbindlichkeiten So sah sich selbst der BGH schon gezwungen, den Voraussetzungen und Folgen der Nachtragsliquidation durch eine präzisere Betrachtung von Rechtsträger und Verbindlichkeit Rechnung zu tragen. Aufhänger dieser genaueren Auseinandersetzung war die Frage, ob der Eigentümer eines mit Hypotheken belasteten Grundstücks die Hypothek erwerben würde, wenn der Schuldner der gesicherten Forderung ersatzlos wegfällt. Verschärft wurde die Fragestellung allerdings um den Umstand, dass der Anspruchsgegner der Forderung – eine GmbH – wegen Vermögenslosigkeit im Handelsregister gelöscht wurde und es deshalb überhaupt erst zur Problematik des rückstandslosen Fortfalles von Schuldner

148

F. Beweisführung und generelle Übertragbarkeit des Lösungsansatzes

und Verbindlichkeit kommen konnte. Die nun widerstreitenden Parteien in Gestalt des Grundstückseigentümers und Hypothekengläubigers berufen sich jeweils auf das Erlöschen bzw. Fortbestehen der Forderung, um entweder die Entstehung einer Eigentümerhypothek (unter Abweisung der Zwangsvollstreckung) oder die Duldung der Zwangsvollstreckung zu rechtfertigen. Der V. Zivilsenat entschied sich gegen den Übergang der Hypothek auf den Eigentümer nach §  1163 Abs.  1 S.  2 BGB und verneint gleichzeitig das Erlöschen der Forderung infolge der Registerlöschung wegen Vermögenslosigkeit.1 Er stellte hierzu fest, dass der Löschung im Handelsregister nur eine Bekundungsfunktion zukommt, die den Bestand von Gesellschaft und Verbindlichkeit unberührt lässt.2 Als Begründung führt er dabei die „Möglichkeit der Geltendmachung und Durchsetzung von Ansprüchen gegen die gelöschte GmbH, bei der sich nachträglich noch das Vorhandensein von Vermögen herausstellt […]“, an. Die nachträgliche Befriedigung der Gläubiger im Falle einer Nachtragsliquidation könne nämlich gar nicht vollzogen werden, wenn nicht auch „[…] in materiellrechtlicher Hinsicht zum Ausdruck [komme], dass die gegen sie gerichteten Ansprüche trotz Löschung bestehen geblieben waren.“ Der für das Urteil zuständige V. Zivilsenat ließ sich hier wohl gleichsam von der Überlegung leiten, dass an eine Nachtragsliquidation, welche in erster Linie die Erfüllung unbefriedigter Verbindlichkeiten zum Ziel haben soll, überhaupt nicht zu denken ist, wenn diese nicht weiterhin existent bleiben. Vor allem in der Feststellung, dass die Ansprüche der Gläubiger gerade auch in materiellrechtlicher Hinsicht bestehen müssen, kommt die Alternativlosigkeit des gesamten Instituts der Nachtragsliquidation zum Ausdruck. So zwingt es die Rechtsordnung förmlich dazu, die Ansprüche in vollem Umfang zu erhalten, da die ansonsten fehlende Möglichkeit der zwangsweisen Geltendmachung und Durchsetzung nicht nur dem Sinn zuwider laufen würde, sondern auch den Voraussetzungen. Diese Voraussetzungen liegen nicht nur im materiellrechtlichen Erhalt der zu erfüllenden Verbindlichkeiten, sondern auch im Vorhandensein von Vermögen. Beides wiederum bedingt den Rechtsträger in Gestalt der Gesellschaft und das sogar unabhängig von der Frage, ob der eigentlich erloschenen Gesellschaft jemals Vermögen anheimfällt: „Dass ihre erfolgreiche Durchsetzung gegen die gelöschte GmbH voraussetzt, dass diese noch Vermögen hat, rechtfertigt nicht den Schluss, dass sie auch materiellrechtlich nur unter dieser Voraussetzung bestehen blieben.“ Vielmehr lässt sich hieraus entnehmen, dass auch der V. Zivilsenat davon ausgeht, dass die Verbindlichkeiten ohne Rücksicht auf die tatsächliche Vermögenslage bestehen bleiben. Ansonsten könnte bei einer Nachtragsliquidation in der Rückschau 1  2 

BGHZ 48, 303, 306 ff. BGHZ 48, 303, 307, auch für die nachfolgenden Zitate.

I. Keine entgegenstehenden Gründe in Rechtsprechung und Lehre

149

nicht erklärt werden, weshalb die Verbindlichkeiten nur aufgrund vermeintlicher Vermögenslosigkeit und Registerlöschung erloschen waren, später aber wieder von neuem entstanden seien. Will man also diesen logischen Schluss nicht durchbrechen und die Nachtragsliquidation trotzdem rechtsdogmatisch vertretbar zulassen, dann ist dies auch nach Ansicht des V. Zivilsenates ein Indiz dafür, dass weder Gesellschaft noch deren Verbindlichkeiten tatsächlich erlöschen können. Freilich lassen sich wegen der eingeschränkten Fragestellung des Ausgangsfalles keine weiterführenden Hinweise – vor allem auf die Vollbeendigung bezogen – entnehmen. Als generelle Einordnung in Bezug auf das Schicksal von Forderungen weggefallener Schuldner wollte der Senat seine Entscheidung gerade nicht verstanden wissen3, gleichwohl die Äußerungen hierfür ein gewisses Potential mitbringen. Besonders weil der damals in Rede stehende §  2 LöschG4 dem Grunde nach als Vorgängerregelung zu §  394 FamFG weiter besteht und damit bis heute keine geänderte Rechtslage vorliegt. Schon damals bestand Einigkeit im Hinblick auf dessen Wirkungen, die sich nicht nur darin erschöpften, die Auflösung der vermögenslosen Gesellschaft einzuläuten, sondern aufgrund der Registerlöschung zugleich auch deren Vollbeendigung.5 Der entscheidende Senat muss sich also bewusst gewesen sein, dass er mit seiner Argumentation die damals wie heute noch vorherrschende Ansicht einhergehender Vollbeendigung mit Registerlöschung wegen Vermögenslosigkeit vollständig umkehrt. Ob er hier nur unbewusst der Lehre vom Doppeltatbestand vorgriff, weil sich bei nachträglich vorgefundenem Vermögen die Vermögenslosigkeit und mithin die Vollbeendigung als falsch herausgestellt hat, muss wohl offen bleiben. Als sicher kann jedoch gelten, dass sich die aufgezeigten Überlegungen des V. Zivilsenates mit den Ausgangsüberlegungen der hier vertretenen These decken. b) BGHZ 53, 264 Nur wenig später griff schon der II. Zivilsenat auf die Entscheidung aus BGHZ 48, 303 zurück und berief sich deshalb ohne weitere Ausführungen auf die Tatsache, dass die Gesellschaft trotz Registerlöschung während der Nachtragsabwicklung ohne Einschränkungen fortbestünde.6 Vordergründig ging es hierbei nur um die Frage, ob es während der Nachtragsliquidation auch bei der GmbH einer Neubestellung der Liquidatoren durch das Gericht bedarf, so wie es die aktienrechtliche Vorschrift des §  273 Abs.  4 AktG für Aktiengesellschaften 3 

BGHZ 48, 303, 306. RGBl I, 914. 5 Hachenburg/Ulmer, §  60 Rn.  10, Anh. §  60 Rn.  5, 35 m. w. N. 6  BGHZ 53, 264, 266. 4 

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F. Beweisführung und generelle Übertragbarkeit des Lösungsansatzes

vorsieht oder die Vertretungsbefugnis einfach wiederauflebt. Gleichwohl die Frage mangels eigener GmbH-Vorschriften mit einer vollständig analogen Anwendung – also auch der Neubestellung durch das Gericht – beantwortet wurde, hielt dies den entscheidenden Senat nicht davon ab, ganz selbstverständlich den Fortbestand der Gesellschaft bis zur Nachtragsliquidation und währenddessen festzustellen. Womöglich geschah dies auch hier wieder aus dem Grund, dass eine Auseinandersetzung über die Modalitäten der Nachtragsliquidation sinnlos erscheint, wenn keine vollumfängliche Gesellschaft mehr besteht, welche nachträglich noch zu liquidieren sei.7 c) OLG Hamm – Keine Verjährung der Verbindlichkeiten Aber auch abseits der BGH-Rechtsprechung wurden bereits Problemkonstellationen erörtert, welche der hier vertretenen These nicht nur entgegenkommen, sondern sie erst ermöglichen. So wurde durch das OLG Hamm die aufgeworfene Problematik der Verjährung unbefriedigt gebliebener Verbindlichkeiten bereits gelöschter Schuldner abschließend entschieden.8 Im Fokus stand hierbei die Frage, wie eine Verjährungshemmung zu erreichen ist, wenn die Frist noch vor Bestellung eines Nachtragsliquidators endet. Allgemein betrachtet ging es also darum, ob der zwischenzeitlich als vollbeendigt geltende Schuldner eine Unterbrechung der Verjährung bis zur Nachtragsliquidation rechtfertigt oder nicht. Würde man dies verneinen, könnten nur noch diejenigen Forderungen geltend gemacht werden, die auch bei einem gewöhnlichen Lauf der Dinge noch nicht verjährt gewesen wären. Die Tatsache, dass der Schuldner als vermeintlich vermögenslos gelöscht wurde und somit für eine Hemmung durch den Gläubiger in Ermangelung seiner Existenz gar nicht zur Verfügung stand, würde hierbei ebenso ignoriert werden, wie eine damit einhergehende Entwertung der Nachtragsliquidation. So würde nämlich mit der fortlaufenden Verjährung eine eigentlich nicht vorgesehene zeitliche Beschränkung für die Möglichkeit der Geltendmachung aller Gläubigerforderung einhergehen. Allein mit dem Ablauf 7 

Das hierdurch zum Ausdruck kommende Prinzip, dass eine Gesellschaft trotz vorangegangener Löschung zum Zwecke der vollständigen (Nachtrags-) Liquidation ununterbrochen fortbesteht, wird sogar auf Gesellschaften ausländischen Rechts übertragen, die infolge der Registerlöschung ihres Heimatstaates durch eine behördliche Anordnung ihre Rechtsfähigkeit verloren haben, ständige Rechtsprechung BGHZ 33, 195, 198; 43, 51, 55; BGH WM 1977, 730, 732; zuletzt BGH ZIP 2017, 421. Dies wird gleichfalls mit dem Interesse der Beteiligten an der Zuordnung und Verteilung des ansonsten herrenlosen Vermögens gerechtfertigt (BGH ZIP 2017, 421, 422). Erkennt man in dieser Begründung nicht wenigstens mittelbar den Rückschluss auch alle Verbindlichkeiten zu erhalten, und damit ein wiederholtes Indiz für die vorstehende These, würde die Intention der (Nachtrags-) Liquidation konterkariert. 8  OLG Hamm NJW-RR, 1990, 477.

I. Keine entgegenstehenden Gründe in Rechtsprechung und Lehre

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der regelmäßigen Verjährungsfrist gemäß §  195 BGB würde somit schon nach drei Jahren ein Großteil aller Forderungen dem Anwendungsbereich der Nachtragsliquidation entzogen. Der Grundsatz, dass eine Verteilung des Vermögens erst an die ehemaligen Gesellschafter zu erfolgen hat, wenn eine vorherige vollständige Gläubigerbefriedigung stattgefunden hat (§  271 Abs.  1, §  73 Abs.  1 GmbHG, §  149 S.  1 HGB), würde sodann durch Abwarten und Verzögerung umgangen werden. Aus diesen Gründen erscheint es wenig überraschend, dass das OLG Hamm die Verjährung in diesen Fällen so lange durch höhere Gewalt nach §  206 BGB für gehemmt hält, wie der Schuldner im Handelsregister wegen Vermögenslosigkeit gelöscht und der Gläubiger schuldlos in Unkenntnis von Tatsachen ist, die eine Nachtragsliquidation rechtfertigen.9 Dem eventuell vorzubringenden Einwand, dass ein kontinuierliches Fortbestehen der Verbindlichkeiten nutzlos sei, wenn der nachträgliche Vermögensanfall so lange auf sich warten lässt, dass mittlerweile Verjährung eintritt, schlägt damit nicht durch und spricht nicht gegen die vorstehende These. Ganz im Gegenteil, ist hieran doch zu erkennen, dass selbst die Rechtsprechung den Wirkungen der Nachtragsliquidation dahingehend Rechnung trägt, von einem Erlöschen der Forderungen gar nicht mehr auszugehen. Allein die Diskussion, ob die Forderung verjährt sei, zeugt bereits davon, dass der Zeitraum zwischen Beendigung und Nachtragsliquidation als unschädlich für den Fortbestand der Verbindlichkeit angesehen wird. Ansonsten könnte sie bei einem Erlöschen auch gar nicht mehr verjähren. Das OLG Hamm geht damit also nicht nur von der fortwährenden Existenz einer solchen aus, sondern auch von ihrer jederzeitigen Durchsetzbarkeit im Rahmen der Nachtragsliquidation. Legt man allein dieses Verständnis zugrunde und kombiniert es mit der Tatsache, dass dies für alle Forderungen gelten muss, stellt sich die Frage, weshalb es noch einer verselbstständigten Bürgschaft bedarf, wenn doch die gesicherte Hauptschuld noch immer existiert. Im Vorfeld eine Reduzierung der Hemmung wegen höherer Gewalt nur auf Forderungen vorzunehmen, die tatsächlich Gegenstand einer durchgeführten Nachtragsliquidation werden, ist unmöglich. Hiergegen spricht schon die Annahme des Gerichtes, welches die Voraussetzungen seiner Rechtsprechung nur dann als erfüllt ansieht, wenn der Gläubiger schuldlos in Unkenntnis von Tatsachen ist, die eine Nachtragsliquidation rechtfertigen. Das bedeutet, dass der Gläubiger grundsätzlich mit einer Nachtragsliquidation zu rechnen und dann entsprechend zu reagieren hat. Es wäre nur inkonsequent, allein vom Gläubiger zu verlangen, stets schuldlos mit einem nachträglichen Vermögensanfall des Schuldners rechnen zu müssen, keine Indizien zu ignorieren und damit die 9 

OLG Hamm NJW-RR, 1990, 477, 478.

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F. Beweisführung und generelle Übertragbarkeit des Lösungsansatzes

Möglichkeit der Nachtragsliquidation als echte Option zu begreifen, während die Rechtswissenschaft hierin nur eine zu vernachlässigende Ausnahme erkennt und gegenteilig verfährt. Sofern der Gläubiger dazu verpflichtet ist, seine Forderung nicht als vollkommen verloren anzusehen, sollte sich dies auch von vornherein in ein dogmatisch als fortwährend existentes Rechtsverhältnis widerspiegeln.

2. Alternative Rechtsprechungslinie des RG Was die Betrachtung der neueren Entscheidungen durch den BGH erschwert, ist die mittlerweile festgefahrene Rechtsansicht bzw. inkonsequente Fortführung neu entwickelter Erklärungsansätze. Beispielhaft sei hier nochmal die Stellungnahme des V. Zivilsenates in Bezug auf den Fortbestand der Gesellschaft während der Nachtragsliquidation erwähnt, welche das Einfallstor eines völlig neuen Verständnisses der Vollbeendigung und akzessorischer Sicherheiten sein könnte. Es erfolgt neben der fehlenden Fortentwicklung auch kein Erkenntniszugewinn mehr. Zwar benennt auch der BGH, etwa in BGHZ 82, 323, deutlich den Wegfall der Gesellschaft als Dreh- und Angelpunkt seiner Dogmatik im Hinblick auf die akzessorischen Sicherungsrechte, allerdings zieht er hieraus schon lange keine Schlussfolgerungen mehr, die eine völlig neue Lösung zuließen. Im Gegensatz dazu stellte das RG neben dem heute noch vorherrschenden Bürgschaftszweck-Gedanken andere konkrete Erwägungen an, die auch dem hier gefundenen Ergebnis sehr nahe kommen. a) Von der Hauptschuld zum Hauptschuldner, RGZ 153, 338 Besondere Beachtung fällt dabei den bereits angesprochenen Entscheidungen des RG zu, in denen über das Schicksal einer Bürgschaft zu entscheiden war, wenn der Hauptschuldner der zugrundeliegenden Hauptschuld auf Veranlassung des Staates beendet wird, ohne dass zuvor ein Auflösungsgrund oder eine Vermögenslosigkeit gedroht hätten.10 Das Gericht stellte hierzu fest: „Die Auflösung […] durch Konkurs wie auch die Löschung […] wegen Vermögenslosigkeit und Einstellung des Geschäftsbetriebes vernichten die Rechtspersönlichkeit nicht in der Weise wie jener Staatsakt. Anders wie dort bleibt die rechtliche Möglichkeit eines Wiederauflebens zum Zweck der Abwicklung, wenn nachträglich Vermögen ermittelt wird, bestehen.“11

Voranzustellen ist hierbei, dass es zunächst wenig verwunderlich erscheint, wenn sich das RG in seiner Entscheidung über die Zahlungspflicht des Bürgen 10  11 

RGZ 148, 65; 153, 338. RGZ 153, 338, 343.

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auch zum Schicksal des Hauptschuldners äußert. Zum einen, um deutlich zu machen, dass es vorliegend um einen rechtlichen Sonderfall geht, der keine Grundlage für die allgemeine Dogmatik sein kann. So ist mit „jener Staatsakt“ eben dieser im Einzelfall erfolgte hoheitlich politisch motivierte Eingriff gemeint, der zur Beendigung der Gesellschaft führte. Zum anderen soll der Wegfall der Bürgschaft nicht allein auf den Wegfall der Hauptschuld zurückgeführt werden, sondern vielmehr auf den Mangel in der Rechtsfähigkeit des Hauptschuldners, welche dann erst zum Verlust der Forderung des Gläubigers führt. Die Idee hierzu resultiert u. a. aus dem Gedanken, die damals in Entstehung begriffene Gläubigerschuld12 zu widerlegen und deshalb die Bürgschaft zu erhalten, ohne auf das Begründungsfundament einer Schuld ohne Schuldner zurückgreifen zu müssen. Deshalb versucht das RG den Fokus bei der Frage nach einer Verpflichtung des Bürgen direkt auf den Hauptschuldner und seine Rechtspersönlichkeit als Ursache für die fehlende Hauptschuld zu legen und nicht allein auf die Hauptschuld an sich. b) Keine restlose Vernichtung der Rechtspersönlichkeit Entscheidend ist nun die inhaltliche Ausführung des RG zur Rechtsfähigkeit, welche eindeutige Parallelen zur vorstehenden These aufzeigt, im Folgenden jedoch ohne tatsächliche Konsequenzen bleibt. So wird ausgeführt, dass es verschiedene Schweregrade beim Verlust der Rechtsfähigkeit gibt und sich die politisch angeordnete liquidationslose Beendigung als eine der schwersten darstellt. Jedenfalls ist das RG so zu verstehen, wenn es im selben Satz davon spricht, dass das Konkursverfahren bzw. die Löschung wegen Vermögenslosigkeit nicht in derselben Weise zur Vernichtung der Rechtspersönlichkeit führen. Mithin muss also in den beiden genannten Fällen noch etwas an Rechtspersönlichkeit übrig bleiben, da es ansonsten zu keiner unterschiedlichen Wirkung kommen könnte. Damit kann also das herkömmliche Liquidationsverfahren niemals vollständig die Rechtsfähigkeit der Gesellschaft beseitigen.13 Laut RG wird dies vor allem an der Möglichkeit zur Nachtragsliquidation deutlich, welche die Gesellschaft wiederaufleben lässt und bei der aus „politischen Gründen verhängten Vernichtung“ gerade nicht gegeben ist.14 Überall dort nämlich, wo sich die Möglichkeit ergibt, dass es zu einem Wiederaufleben der Gesellschaft 12 

Zur Erklärung dieser Auffassung, siehe hierzu bereits unter Abschnitt C. I. 1. So nochmals deutlich RGZ 155, 42, 48. Hier führt das RG seine Auffassung weiter aus, indem es sagt, dass nur die politisch motivierten Staatsakte „eine gänzliche abwicklungslose Vernichtung der Rechtspersönlichkeit ermöglichen“, während die Folgen herkömmlicher zivilgesetzlicher „Auflösungs- und Löschungsfälle die Schuldnerrechtspersönlichkeit nicht gänzlich, nicht bis auf den letzten Rest der Möglichkeit einer Lebensbetätigung vernichtet.“ 14  RGZ 153, 338, 344. 13 

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F. Beweisführung und generelle Übertragbarkeit des Lösungsansatzes

bei nachträglich ermitteltem Vermögen kommt, bleibt die Rechtspersönlichkeit einer Gesellschaft also erhalten. Die Herleitung des RG ist insoweit überzeugend, da es mit der Rechtspersönlichkeit die Rechtsfähigkeit der Gesellschaft meint und im Ergebnis keine andere Möglichkeit sieht, ein nachträgliches Wiederaufleben zu rechtfertigen als durch den Erhalt der Rechtsfähigkeit. Völlig unlogisch ist jedoch die Konsequenz des RG, da dessen Ausführungen eigentlich darauf hinauslaufen, dass der Hauptschuldner, abseits staatlich verhängter Beendigung, niemals seine ganze Rechtsfähigkeit verlieren kann. Aus diesem Grund bleibt er, wenn auch nicht im vollen Maße, weiterhin Existent und damit Träger von Rechten und Pflichten, zumindest aber Träger seiner Verbindlichkeiten um dem Sinn der Abwicklung zu entsprechen. Dies deutet dann eigentlich auch auf eine Beibehaltung der Hauptschuld hin, welche gemäß dem Akzessorietätsgrundsatz die Bürgenschuld unberührt lässt. Weshalb das RG diesen einfacheren Schluss für die Bürgschaft nicht zieht und stattdessen vornehmlich auf den Bürgschaftszweck abstellt, bleibt fraglich. So stellt das Gericht am Ende fest: „Die Schuldnerpersönlichkeit ist also nicht gänzlich vernichtet, und die Bürgschaft behält ihren Zweck, den Gläubiger vor Vermögensverfall des Schuldners zu sichern. Das Gesetz vom 26. Mai 1933 ermöglicht aber eine gänzliche, liquidationslose Vernichtung juristischer Personen, und deren Gläubiger gegen Schaden aus dieser, aus politischen Gründen verhängten Vernichtung zu schützen, ist keineswegs Zweck der Bürgschaft.“15

Damit stellt das RG schließlich doch im Wesentlichen auf den Zweck der Bürgschaft, den Gläubiger vor Vermögensverfall des Schuldners zu schützen, ab. Es entsteht der Eindruck, dass es nur auf den immer noch vorhandenen Bürgschaftszweck ankommt und ob dieser als noch durchsetzungswert anzusehen ist oder nicht, ganz gleich, ob die Voraussetzungen einer Bürgschaft überhaupt noch vorliegen.16 In diesem Zusammenhang hätte die Schlussfolgerung des RG deshalb eher lauten müssen, dass mit dem Gesetz vom 26. Mai 1933 eine derart rückstandslose Vernichtung der Schuldnerpersönlichkeit einhergegangen ist, die weder Zweifel am Erlöschen der Hauptschuld noch an der Undurchsetzbarkeit der Bürgschaft übrig lässt. Es kann wohl u. a. dieser inkonsequente Schluss als Indiz für die fortwährend verschobene Fokussierung weg vom untergegangenen Schuldner und hin zum Bürgschaftszweck angesehen werden. Dafür, dass dem RG aber die dogmatisch einfachere Lösung über den Erhalt der Hauptschuld samt Hauptschuldner bekannt gewesen sein muss, spricht seine 15 

RGZ 153, 338, 343 f. Dafür sprechen ebenso die noch nachfolgenden Ausführungen, in welchem das RG sein Ergebnis mit Billigkeits- und Gerechtigkeitsgesichtspunkten rechtfertigt, statt auf das permanente Vorhandensein aller Voraussetzungen, RGZ 153, 338, 344. 16 

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Nachfolgeentscheidung in einem bürgschaftsfremden Zusammenhang. In RGZ 155, 42 ging es um die Unwirksamkeitsvoraussetzungen eines Schuldtitels, wenn die Person, gegen die er erlassen wurde, nicht mehr besteht. Untersucht wurde hierfür, wie lange eine juristische Person ihre Rechtsfähigkeit nach Auflösung und Beendigung beibehalten kann. Das RG stellte hierzu ausdrücklich fest: „Ihre Rechtspersönlichkeit endet erst dann, wenn nach Wegfall ihrer Organisation durchaus kein Vermögen und keine Schulden mehr vorhanden sind.“17 Damit kommen zum einen, die vertretenen Auffassungen, dass nicht allein das Vermögen als Indikator für den Verbleib der Rechtsfähigkeit ausschlaggebend ist, in aller Klarheit zum Tragen. Zum anderen wird auch die Unsinnigkeit der Bürgschaftszweckerwägung aus RGZ 153, 338 deutlich. Ist der Hauptschuldner nämlich nicht wegen eines politisch motivierten Eingriffs beendigt worden, dann besteht er hiernach solange weiter, bis Vermögen und Schulden abgewickelt sind. Dies bedeutet im Rahmen einer Bürgschaft dann also, dass der Bürge unproblematisch weiter in Anspruch genommen werden kann, ohne umfangreiche Erwägungen zum Bürgschaftszweck anstellen zu müssen.18 Vornehmlich auf den Bürgschaftszweck abzustellen, erscheint deswegen weder einleuchtend noch notwendig. c) Ergebnis Was die Ausführungen des RG so übertragbar und hilfreich für eine Lösungsfindung macht, ist nicht allein die Tatsache, dass sie damals schon die exakt gleiche Problematik betrifft. Auch die rechtlichen Umstände in BGB und Gesellschaftsrecht haben sich in diesem Zusammenhang nicht entscheidend geändert. Der Vorwurf, dass eine Verwertung der Aussagen des RG hierzu nur sehr eingeschränkt stattfinden könne19, muss gerade deshalb zurückgewiesen werden. Nicht allein, weil es auch heute noch mit §  62 GmbHG und §  396 AktG Fälle von politisch motivierten Staatsakten gibt, die zur Auflösung samt Beendigung von Gesellschaften führen können.20 Auch hebt das RG in seinen Urteilen die so benannten politisch motivierten Eingriffe des Staates sehr deutlich hervor und grenzt sie eindeutig vom gewöhnlichen gesellschaftsrechtlichen Geschehen ab. Aus diesem Grund ist der Anstoß, betreffend bestimmte Rück17 

RGZ 155, 42, 48. In RGZ 163, 91, 98, dem letzten Bürgschaftsurteil des RG hierzu, ließ das Gericht genau diese Argumentationslinie ausdrücklich offen. Es stützte sich in seiner Begründung aber wiederum auf den Bürgschaftszweck. 19  So etwa BGHZ 48, 303, 306 oder H. Schmidt, S.  112. 20  Beide Auflösungstatbestände stützen sich nach h. M. u. a. auf §  138 BGB, also der Sittenwidrigkeit und werden seit jeher gesellschaftspolitisch ausgeformt, vgl. Spindler/Stilz/ Spindler, §  396 Rn.  3; BeckOK-GmbHG/Lorscheider, §  62 Rn.  1. 18 

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schlüsse für die heute allgemeine zivilrechtliche Dogmatik, als unbegründet anzusehen. Im Ergebnis bleibt aber für die vorliegende These festzuhalten, dass schon das RG erkannt hatte, dass auch nach dem Liquidationsverfahren bzw. der Löschung wegen Vermögenslosigkeit noch etwas an Rechtsfähigkeit bei der Gesellschaft übrig bleibt und eine Tendenz dazu entwickelte, diese sowohl von der Wiederbelebungsmöglichkeit als auch vom Aktiv- und Passivvermögen abhängig zu machen. Das hieraus nur der unglückliche Schluss gezogen wurde, den Zweck und damit die Bürgenverpflichtung aufrechtzuerhalten, kann über das Zugestehen alternativ vorhandener Erklärungsmodelle jedenfalls nicht hinwegtäuschen.

3. Insolvenzrecht Wie bereits ausgeführt, kennt auch das Insolvenzrecht mit der in §  203 InsO geregelten Nachtragsverteilung ein an die Nachtragsliquidation angelehntes Rechtsinstitut. Dieses ordnet ebenfalls ohne Rücksicht auf die Voraussetzungen und Folgen einer eventuellen Vollbeendigung ein wie auch immer begründetes Wiederaufleben der Gesellschaft bei nachträglichem Vermögenszufluss an. Die Frage nach der dogmatischen Erklärung für Rechtssubjekt und Verbindlichkeiten bleibt auch im Rahmen der InsO sowie von Rechtsprechung und Literatur offen. Obwohl allein die Existenz der Nachtragsabwicklung, wie auch die Nichtexistenz aller Folgeregelungen zum gesellschaftsrechtlichen Zustand des Schuldners, Grund genug sind, die offenen Fragen entsprechend der vorgestellten These zu beantworten 21, liegen in der InsO noch andere gute Gründe hierfür vor. Betrachtet man nämlich die bereits genannten Wertungen des Gesetzgebers zu den Wirkungen des Insolvenzplanes oder der Restschuldbefreiung etwas genauer, dann zeigt sich kein Widerspruch im Schicksal der ewig bestehenden Verbindlichkeiten und Gesellschaften auf. Beweisen doch etwa die §§  254, 301 InsO, dass der Gesetzgeber durchaus Fälle schaffen will, in denen Verbindlichkeiten gegen den Schuldner zwar noch bestehen, allerdings nicht durchgesetzt werden können, wohingegen dieselben Verbindlichkeiten Dritten gegenüber unbenommen erhalten bleiben. Die Verbindlichkeiten nach einer Restschuldbefreiung bzw. all jene nicht im gestaltenden Teil des Insolvenzplanes zu berücksichtigenden Forderungen der Gläubiger fallen nicht einfach restlos weg, sondern bleiben erhalten. Sie wandeln sich dann Kraft Anordnung der §  254 Abs.  3

21 

Siehe hierzu bereits die Ausführungen unter Abschnitt E. II. 2. g.

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und §  301 Abs.  3 InsO in Naturalobligationen um.22 Da aber bspw. die Bürgschaft als akzessorische Sicherheiten das Schicksal ihrer zugrundegelegten Hauptforderung teilt, wandelt auch sie sich zu einer Naturalobligation um und könnte von den Gläubigern nicht mehr in Anspruch genommen werden. Dies hat auch der Gesetzgeber erkannt und ausdrücklich in den §  254 Abs.  2 S.  1 und §  301 Abs.  2 S.  1 InsO angeordnet, dass die Bürgschaft von dieser Umwandlungswirkung unberührt bleibt und weiterhin geltend gemacht werden kann.23 Hieraus ergibt sich nun der Schluss, dass es sich um eine explizite Anordnung des Gesetzgebers handelt, welcher die eigentlich konsequente akzessorische Folge absichtlich außer Kraft setzt. Es zeigt sich einmal mehr, dass die von der Rechtsprechung als ungeschriebene Ausnahme zur Akzessorietät vertretene Selbstständigkeit der Bürgenverpflichtung nicht ohne Weiteres als vom Willen des Gesetzgebers umfasst bezeichnet werden kann. Zumal er ganz offensichtlich gewillt ist, derartige Ausnahmen selbst zu bestimmen. So wäre es ein Leichtes gewesen, auch die Ausnahme beim wegen Vermögenslosigkeit gelöschten Hauptschuldner zu kodifizieren, wenn er dies seit jeher schon im Rahmen von Insolvenzplan und Restschuldbefreiung tat.24 Vielmehr muss es in Anbetracht dieser Regelungen als gesichert gelten, dass ihm der Wegfall akzessorische Sicherungsrechte im Zusammenhang mit dem irgendwie gearteten Wegfall von Schuldnerverbindlichkeiten bekannt gewesen war und er, im Gegensatz zum Insolvenzrecht, trotzdem auf eine Klarstellung verzichtete. Es spricht nichts dafür, dass die Ursache hierfür einzig im Vertrauen auf die Rechtsprechung des BGH lag. Ansonsten ließe sich die Frage stellen, warum es denn einer insolvenzrechtlichen Regelung in den Abs.  2 der §§  254 und 301 InsO bedurfte. Vielmehr wäre es ausreichend gewesen, wenn auch in diesem Fall auf den Bürgenzweck oder den Rechtsgedanken des §  768 Abs.  1 S.  2 BGB abgestellt worden wäre, wonach der Bürge nicht von den Vermögensunzulänglichkeiten (Insolvenzverfahren bzw. -plan) des Hauptschuldners profitieren solle. Dieses jüngste Beispiel einer vom Gesetzgeber kodifizierten Ausnahme zur Akzessorietät sollte daher Anlass genug sein, den Fortbestand der Bürgenverpflichtung an anderer Stelle zu suchen. Offenbar sieht ihn auch der heutige Gesetzgeber an anderer Stelle, die dann wohl weniger im Bürgschafts- denn im Gesellschaftsrecht zu finden ist. 22 Kübler/Prütting/Bork/Spahlinger, §  254 Rn.  12; Kübler/Prütting/Bork/Wenzel, §  301 Rn.  1; BeckOK-InsO/Freund, §  254 Rn.  9, §  301 Rn.  2. 23  RGZ 140, 132, 136; KG Berlin NJW 1956, 1481, 1482; OLG Düsseldorf ZIP 1983, 1188, 1189; Palandt/Sprau, §  765 Rn.  29a; K. Schmidt-InsO/Splied, §  254 Rn.  8; §  301 Rn.  11; BeckOK-InsO/Freund, InsO §  254 Rn.  7; §  301 Rn.  6; a. A. Wittig, WM 1998, 209, 219. 24  Eindeutige Bezugnahme in BT-Drucks. 12/2443, 212 f.; vgl. bereits §  82 Abs.  1 VerglO und §  193 S.  1 KO.

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4. Kein nicht beendetes Liquidationsverfahren Zu einem ganz ähnlichen Ergebnis im Hinblick auf den Fortbestand der Forderung aufgrund gesellschaftsrechtlichen Fortbestandes kommt auch eine bisher nur vereinzelt gebliebene Auffassung.25 Diese geht zwar ebenfalls davon aus, dass mangels weggefallenen Hauptschuldners die Hauptschuld und damit die Bürgschaft weiter existieren, allerdings führt sie dies darauf zurück, dass die Gesellschaft noch „nicht abgewickelt“ sei. Die noch offenen Forderungen gegenüber dem abzuwickelnden Hauptschuldner seien ihr zufolge ein Beweis dafür, dass die Abwicklung bzw. Liquidation noch nicht vollständig erledigt wurde und daher sowohl Hauptschuld als auch Hauptschuldner fortbestehen. Anscheinend sieht sie die völlige Befriedigung oder auch Erfüllung noch bestehender Forderungen als Grundvoraussetzung für den Abschluss des Liquidationsverfahrens und damit wohl auch der Vollbeendigung an.26 Völlig unvertretbar erscheint dies freilich nicht, ist doch in §  149 HGB wie auch in §  268 Abs.  1 AktG ausdrücklich davon die Rede, dass die Gläubiger zu befriedigen seien. Selbiges legt §  70 GmbHG fest, wenn von der Erfüllung aller Verpflichtungen der aufgelösten Gesellschaft gesprochen wird. Insofern könnte an dieser Stelle durchaus die Argumentation vertreten werden, dass zumindest solche Verbindlichkeiten den Schluss der Liquidation hemmen, die akzessorisch gesichert sind, um im Ergebnis die Vollbeendigung des Hauptschuldners zu verhindern und damit eine andauernde Bürgenhaftung ermöglichen. a) Kritik zu dieser Ansicht Allerdings stehen dieser Überlegung einige Bedenken gegenüber, welche sie gegenüber der hier vertretenen These nachteiliger erscheinen lassen. So legt der im Gesetz geregelte Verfahrensgang etwa keine konkreten Vorgaben fest, wie zu liquidieren ist, sondern gibt lediglich Pflichten vor, welche nach ganz allgemeiner Auffassung nicht um ihrer selbst willen zwingend einzuhalten sind.27 Gibt es etwa nichts zu verteilen, weil die versilberten Vermögenswerte gerade so die Verbindlichkeiten decken konnten, entfällt auch die Schlussverteilung mit der Folge, dass das Liquidationsverfahren entsprechend früher endet. Das Gleiche gilt für die Erfüllungspflicht in Bezug auf verbliebene Verbindlichkeiten, welche mangels Vermögenswerte gleichermaßen den Schluss der Liquida25 

Ohne weitere Begründung Erman/Herrmann, 14.  Aufl. 2014, §  767 Rn.  7; zustimmend BeckOGK-BGB/Madaus, §  765 Rn.  138.3, §  768 Rn.  10. 26  Zumindest im Rahmen des Personengesellschaftsrechts wird genau dies teilweise vertreten: Ensthaler, S.  61; Baumbach/Hopt/Roth, §  157 Rn.  1; ähnlich MüKo-HGB/K. Schmidt, §  157 Rn.  9. 27  K. Schmidt, ZHR 145 (1981), 540, 563; Mehrbrey/Paura, §  10 Rn.  14.

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tion nicht verhindern sollen.28 Insofern ist nach ganz allgemeiner Auffassung das bloße Vorhandensein noch bestehender Verbindlichkeiten ohne Einfluss auf die Beendigung der Liquidation. Zu bedenken gilt auch, dass eine solche Argumentation zu einer weiteren Verkomplizierung über die Voraussetzungen der Vollbeendigung führen würde. Konsequenterweise muss dann nämlich das nicht beendete Liquidationsverfahren auch zwingend die Aussetzung der Vollbeendigung bewirken. Dies würde dann zu einer Erweiterung der Vollbeendigungsvoraussetzungen einer Gesellschaft führen, da weder die Lehre vom Doppeltatbestand noch die Anhänger der konstitutiven Registerlöschung den Liquidationsabschluss im Rahmen der Vollbeendigung berücksichtigen. Das diese Berücksichtigung bisher – zurecht – nicht erfolgte und wohl auch nie erfolgen wird, liegt in der Existenz des §  394 FamFG begründet, welcher in Fällen der Vermögenslosigkeit auch ohne vorheriges Liquidationsverfahren die zwingende, nach beiden Ansichten, konstitutive Löschung aus dem Handelsregister anordnet.29 Überdies wäre bei einer solchen Argumentation unklar, zu welchen Ergebnissen man gelangt, wenn kein erstes Liquidationsverfahren stattfand, etwa im Rahmen des §  394 FamFG. In diesem Fall wäre die Argumentation zum Erhalt der akzessorischen Bürgschaft nicht mehr durchzuhalten, da mangels nie eröffnetem und damit auch nicht beendeten Liquidationsverfahren kein Ansatzpunkt für den Erhalt der Gesellschaft samt Forderung bestünde. Aus diesem Grund, einzig um den Erhalt akzessorischer Drittsicherheiten zu gewährleisten, ein Liquidationsverfahren zu eröffnen, würde dabei nicht allein den Zweck des §  394 FamFG lebensunfähige Gesellschaft schnell und unkompliziert aus dem Rechtsverkehr zu ziehen, konterkarieren, sondern auch eine generelle Argumentationslücke schaffen. Sodann ließe sich nämlich wegen jeglicher unerfüllter Verbindlichkeiten ein (erneutes) Liquidationsverfahren rechtfertigen, um der Vollbeendigung des Hauptschuldners zuvorzukommen und damit die Forderungen der Gläubiger noch zu „retten“. Würde man nämlich das Liquidationsverfahren in diesen Fällen initiieren bzw. gar nicht erst beenden, müsste das, was für Verbindlichkeiten gelte, die akzessorisch abgesichert sind, erst recht für all jene ungesicherten Verbindlichkeiten gelten. So wären Letztere doch im gleichen Maße wert, erhalten zu bleiben, weil der Gläubiger sie etwa Für Kapitalgesellschaften: MüKo-AktG/J. Koch, §  273 Rn.  3; Henssler/Strohn/Drescher, AktG §  273 Rn.  2; Hüffer/Koch, §  273 Rn.  2; Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, §  74 Rn.  3; Baumbach/Hueck/Haas, §  74 Rn.  2; Henssler/Strohn/Büteröwe, GmbHG §  74 Rn.  8; deshalb auch kein Abwarten des Sperrjahres OLG Köln NZG 2005, 83; OLG Naumburg ZIP 2002, 1529. Für Personengesellschaften: EBJS/Hillmann, §  155 Rn.  21; Oetker/Kamanabrou, §  157 Rn.  5; Koller/Kindler/Roth/Morck/Kindler, §  157 Rn.  1. 29 Dies gleichfalls gegen diese Ansicht einwendend BeckOGK-BGB/Madaus, §  765 Rn.  138.3. 28 

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mit Blick auf eine eventuelle Nachtragsliquidation verkaufen könnte. Hinzukommt, dass die Nachtragsliquidation ein neues, eigenes Verfahren darstellt, welche nicht an eine vorangegangene Liquidation anknüpft; infolgedessen aber das ohnehin nicht immer durchgeführte, ursprüngliche Liquidationsverfahren für nicht beendet zu erklären, ignoriert genau diese Unabhängigkeit.30 Hat doch die Nachtragsliquidation gerade auch deshalb Eingang ins Gesetz gefunden, um zu Unrecht beendete Verfahren auch danach noch unproblematisch durchführen zu können. Der Gesetzgeber wollte damit die Liquidation als ein aktives Mittel der Auseinandersetzung in der letzten Phase im Leben einer Gesellschaft erhalten, um das Ziel einer nicht nur rechtlichen, sondern auch tatsächlichen Vernichtung aller Vermögensgegenstände zu erreichen. Dem wäre aber nicht mehr so, wenn zum einen offene Verbindlichkeiten den Abschluss der Liquidation verhindern und zum anderen der Abschluss der Liquidation selbst als Voraussetzung der Vollbeendigung gesehen würde. Zudem ergäbe sich der Nachteil, dass das unbeendete Liquidationsverfahren, im Gegensatz zur Nachtragsliquidation, den unterbrechungsfreien Einsatz aller Liquidatoren erfordert. Diese müssten dann u. U. jahrelang wegen der offenen Forderungen zur Verfügung stehen. Erklärt man hingegen das Verfahren für beendet, können die Gläubiger noch immer in der Nachtragsliquidation bedient werden und es bedürfte bis zu diesem Zeitpunkt keines aktiv eingesetzten Liquidators. Eine Abhilfe zu den Bedenken ergibt sich auch nicht, wenn man die Erfüllung der Gläubigerforderungen als Teil der geforderten Vermögenslosigkeit im Rahmen der Lehre vom Doppeltatbestand ansieht, da das nicht Vorhandensein von negativem Vermögen kein Teil des traditionell-juristischen wie ökonomischen Vermögensbegriffes ist. Nur im Rahmen der Lehre vom Doppeltatbestand gilt das alte Liquidationsverfahren faktisch als unerledigt und könnte daher zur Annahme verleiten, es von vornherein bei offenen Verbindlichkeiten als Hindernis der Vollbeendigung zu erblicken. Indes liegt dieser Eindruck allerdings darin begründet, dass bei nachträglich aufgetauchten Vermögenswerten die Vermögenslosigkeit als Voraussetzung zur Vollbeendigung nie wirklich vorlag. Die Gesellschaft muss mangels tatsächlicher Beendigung im Rahmen der Nachtragsliquidation von neuem bzw. erstmalig liquidiert werden. Dass hierdurch weder der Rechtsträger noch dessen Verbindlichkeiten jemals entfallen können, weil Vermögenslosigkeit nie mit Sicherheit bestimmt werden kann und dies auch den Fortbestand akzessorischer Sicherheiten mit sich bringt, ist eine bloße unberücksichtigt gebliebene Nebenfolge. 30  Ganz ähnlich ist es auch bei der Nachtragsverteilung im Insolvenzrecht. Nach beendetem Insolvenzverfahren (§  200 InsO) wird die abgeschlossene Schlussverteilung nicht einfach wieder durch die Nachtragsverteilung fortgesetzt, vgl. Uhlenbruck/Wegener, §  203 Rn.  1; K. Schmidt-InsO/Jungmann, §  203 Rn.  14.

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b) Ergebnis Aus diesem Grund kann sich auch nichts anderes unter dem Gesichtspunkt einer bloß einmalig zu rechtfertigenden Ausnahme im Falle akzessorischer Sicherungsrechte ergeben. Dem Gedanken, ausgerechnet die Liquidation für nicht beendet zu erklären, liegt eigentlich nur das Ziel zugrunde, die Vollbeendigung entsprechend hinauszuzögern, um Hauptschuldner und damit Hauptschuld zu wahren. Vergegenwärtigt man sich jedoch die hier vertretene These, dann wird deutlich, dass eine so begründete Ausnahme unnötig ist, da die von ihr gewünschten Wirkungen – keine Vollbeendigung bzw. Schuldnererhalt – ganz anders zu begründen sind. Entscheidend ist nämlich keinesfalls, dass die Nachtragsliquidation deswegen nicht abgeschlossen sei, weil noch akzessorisch gesicherte Verbindlichkeiten oder Regressverpflichtungen des Schuldners übrigen geblieben sind. Von Bedeutung ist vielmehr die Logik hinter der Nachtragsliquidation. Diese kommt zwar nur dann zum Tragen, wenn es auch tatsächlich Vermögen gibt, allerdings kann das Wiederaufleben der alten Gesellschaft und im Falle von noch offenen Verbindlichkeiten deren Zuordnung nur dann dogmatisch konsequent erfolgen, wenn beides nie wirklich erloschen ist. Ansonsten gäbe es keine vernünftige Erklärung dafür, wie die juristische Auszeit in der Existenz von Rechtsträger und Verbindlichkeiten dogmatisch zu rechtfertigen sind. Mithin liegt die Antwort weniger im Fortbestand der Hauptforderung wegen eines noch andauernden Liquidationsverfahrens. Eine dahingehende Ausnahme würde lediglich zum Austausch zweier dogmatisch nicht zu rechtfertigender Unstimmigkeiten – verselbstständigte Bürgschaft gegen unbeendetes Liquidationsverfahren – führen. Vielmehr muss der ständig denkbaren Nachtragsliquidation entsprochen werden und deswegen Hauptschuldner sowie Verbindlichkeiten fortbestehen lassen. Gleichwohl sich im Ergebnis zur eben referierten Ansicht nicht viel ändert, ist doch gerade ihre dogmatische Begründung maßgeblich, um einen wirklich brauchbaren Lösungsansatz anzubieten. Die hier vertretene These vermeidet es gerade, die gesellschaftsrechtlichen Normen zugunsten einer besonderen Fallgruppe umzudeuten. Es werden auch keine neuen Widersprüche geschaffen, die es im Verhältnis der Nachtragsliquidation zu den Theorien der Vollbeendigung nicht ohnehin schon gäbe. Dass die Vollbeendigung im Rahmen einer sich anschließenden Nachtragsliquidation zur bloßen Makulatur mutiert, darf deswegen aber zu keinen Rückschlüssen auf das allgemeine Liquidationsverfahren führen. Letzteres ist in jedem Falle beendet, nicht zuletzt weil die mit einer Ausnahme angestrebten Ziele längstens verwirklicht sind.

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5. Kein ewiges Steuersubjekt Möglicherweise könnte der hiesigen These jedoch steuerrechtliche Bedenken entgegenstehen, welche sich aus der Frage einer Zahlungsverpflichtung von Körperschafts- oder Gewerbesteuer ergeben. Die dergestalt zu einer Mehrbelastung für Kapitalgesellschaften führende ewig fortdauernde Steuerlast könnte der hier offerierten Ansicht zuwiderlaufen. Denkbar erscheint dies vor dem Hintergrund, dass die Steuerpflichtigkeit bei Kapitalgesellschaften als Körperschaftssubjekt nach §  1 Abs.  1 Nr.  1 KStG erst mit Verlust der Rechtsfähigkeit infolge eines beendeten Liquidationsverfahrens endet.31 Daran ändert sich auch nichts, wenn sich die Gesellschaft in Liquidation bzw. Abwicklung befindet, denn auch in diesem Fall gilt nach §  11 Abs.  1 KStG eine ausdrückliche, wenn auch im Rahmen des Besteuerungszeitraumes und der Gewinnermittlung abweichende Steuerpflicht.32 Dies erscheint schon allein deshalb konsequent, weil die Gesellschaft auch während der Liquidationsphase nichts von ihrer Rechtsfähigkeit einbüßt. Sie kann sogar weiter Gewinne erwirtschaften, wenn sich liquidierte Vermögensgegenstände als besonders werthaltig erweisen und soll deshalb hierauf gleichermaßen Steuern entrichten. Dieser während der Liquidation andauernde und der Vereinfachung wegen nur mit einer einzigen Veranlagung33 zu erfassende Besteuerungszeitraum „soll“ dem Wortlaut von §  11 Abs.  1 S.  2 KStG drei Jahre nicht überschreiten. Damit ist nicht die maximale Besteuerungsdauer gemeint, sondern die Verknüpfung von Besteuerung und tatsächlichem Abwicklungs- bzw. Liquidationszeitraum. In der zeitlichen Deckelung von drei Jahren kommt lediglich die Annahme des Gesetzgebers über die gewöhnliche Dauer des Auflösungsprozesses einer Gesellschaft zum Ausdruck. Die zeitlich bedingungslose Bindung an das Ende der Liquidation wurde bewusst vermieden, um eine bis dahin anhaltende ungerechtfertigte Steuerpause zu vermeiden und Scheinliquidationen nicht nachweisen zu müssen.34 Aufgrund dessen, dass die Besteuerung also auch bei länger andauernden Liquidationen aufrechterhalten wird, kann es vorliegend dahinstehen, ob der Bemessungszeitraum sodann durch eine jährliche oder aller drei Jahre stattfindende Zwischenveranlagung unterbrochen wird.35 31  BFH BStBl. II 1990, 468 (469); Gosch/Hummel, §  1 Rn.  32, 38; Blümich/Rengers, KStG §  1 Rn.  190. 32  BFH BStBl II 86, 589; BFH/NV 1997, 166; 2001, 1284; BFH/NV 2002, 1601; BFH/NV 2004, 670; Blümich/Rengers, KStG §  1 Rn.  190. 33  Vgl. BFH DStRE 2007, 1076; Küster, DStR 2006, 209, 210; Gosch/Stalbold, §  11 Rn.  4. 34  Vgl. RStBl 1935, 81, 85; Küster, DStR 2006, 209; Gosch/Stalbold, §  11 Rn.  1 ff. 35  Alle drei Jahre: BFH I R 67/05, BStBl. II 2008, 312; BFH I R 44/06, BStBl. II 2008, 319; Gosch/Stalbold, §  11 Rn.  48; Prinz/Winkeljohann/Helm/Haaf, §  16 Rn.  76; jährlich: Dötsch/ Pung/Möhlenbrock, KStG §  11 Rn.  18.

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a) Anknüpfung der Steuerpflichtigkeit an die Vollbeendigung im KStG Entscheidend ist vielmehr, dass die Besteuerung überhaupt bis zum Ende der Rechtsfähigkeit aufrechterhalten wird. Da aber die Rechtsfähigkeit solange bestehen bleibt, wie auch Verbindlichkeiten gegen die Gesellschaft existieren und mit Vermögen gerechnet werden kann, würde sich dieser steuerpflichtige Zeitraum mangels endgültiger Vollbeendigung unendlich verlängern. Zwar hat die Literatur und Rechtsprechung bei den Regelungen zur Besteuerung in §  11 KStG die immer währende Möglichkeit einer Nachtragsliquidation im Blick gehabt, allerdings beziehen sie diese ausdrücklich in die Voraussetzungen zur Beendigung der Steuerpflicht mit ein, ohne eine Antwort auf die sich hieraus ergebenden Konsequenzen zu geben.36 In Auflösung begriffene Gesellschaften würden hierdurch bedeutende Nachteile erleben, da sie schier endlos als Rechtssubjekt steuerpflichtig blieben. Verursacht wird dieses Problem durch die Bindung der einschlägigen Steuervorschriften (§  11 Abs.  1 KStG, §  4 GewStDV) an die jeweiligen zivilrechtlichen Regelungen und somit an die Wertung der gesellschaftsrechtlichen Vorschriften über das Ende der Liquidation bzw. die Abwicklung mit anschließendem Verlust der Rechtsfähigkeit durch Vollbeendigung. Bei der Beurteilung des Endes über den Besteuerungszeitraum gilt also regelmäßig die letzte zivilrechtliche Maßnahme in Form der Schlussverteilung des Liquidationsüberschusses nach Ablauf des Sperrjahres, §  72 f. GmbHG, §  271 f. AktG bzw. Löschung im Handelsregister bei Vermögenslosigkeit.37 So auch bei der zu zahlenden Gewerbesteuer, deren Steuerpflichtigkeit nach §  4 GewStDV erst mit der Beendigung der Abwicklung endet, damit also gleichfalls die Verteilung des Restvermögens meint und an der Vermögenslosigkeit anknüpft.38 b) Unbedenklichkeit der Steuerpflichtigkeit Allerdings führt dies nur zu einem scheinbaren Problem, da die Vermögens-, aber nicht schuldenbereinigte Gesellschaft über keinerlei Ansätze zur Besteuerung mehr verfügt. Ziel der Besteuerung auch während des Liquidationsverfahrens (Schlussbesteuerung genannt) ist es, dass die in der Körperschaft enthaltenen und während der Liquidation aufgedeckten stillen Reserven oder erzielten BFH/NV 1985, 63; Gosch/Stalbold, §  11 Rn.  39; Küster, DStR 2006, 209 ff.; Fichtelmann, GmbHR 2011, 912, 913. 37 Gosch/Stalbold, §  11 Rn.  34; Prinz/Winkeljohann/Helm/Haaf, §  16 Rn.  77; MünchHdb GesR IV/Kraft, §  68 Rn.  4. 38  Vgl. BFH/NV 2001, 816; MünchHdb GesR IV/Kraft, §  68 Rn.  16; Prinz/Winkeljohann/ Helm/Haaf, §  16 Rn.  87. 36 

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Gewinne entsprechend besteuert werden können.39 Noch bestehende Verbindlichkeiten stellen jedoch kein wirksames zu besteuerndes Vermögen der Gesellschaft dar, weswegen hieraus weder eine einmalige noch fortwährende Steuerpflicht resultiert. Dies muss nicht allein deshalb schon gelten, weil ab einem bestimmten Zeitpunkt und bis zum tatsächlichen Vermögensanfall auch keine Gewinne der Gesellschaft mehr anfallen. Aus diesem Grund könnte §  11 KStG bzw. §  4 GewStDV unproblematisch dergestalt angewandt werden, die Beendigung der Besteuerung nicht an die Rechtsfähigkeit zu knüpfen, sondern an die Vornahme aller für die Beendigung vorgesehenen rechtlichen und tatsächlichen Maßnahmen, mit Ausnahme der Nachtragsliquidation. Alternativ könnte eine Zwischenveranlagung erfolgen, welche einigen Stimmen in Literatur und Rechtsprechung zufolge gleichsam den Charakter einer abschließenden Veranlagung erkennen lässt.40 Diese Zwischenverfügung würde ergehen, nachdem das Liquidationsverfahren zwar abgeschlossen, die abstrakte Gefahr nachträglichen Vermögensanfalls aber noch besteht. In diesem Fall könnte die Steuerpflichtigkeit als lediglich ruhend angesehen und jederzeit fortgeführt werden. Beide Vorschläge hätten zur Folge, dass die Beendigung bzw. Pausierung des Besteuerungszeitraumes auf einen Zeitpunkt vorverlagert werden würde, in dem lediglich Schulden übrig sind und die Gesellschaft bis in alle Ewigkeit als leere, aber rechtsfähige Hülle auf den Zufall von Vermögen wartet. Tritt dieser Fall dann aber tatsächlich ein, rechtfertigt die als eigenständiges neues Verfahren angesehene Nachtragsliquidation auch gleichermaßen den Beginn eines erneuten eigenen Besteuerungszeitraums. Erst recht ließe sich so aber die alternativ ruhende Steuerpflichtigkeit mit einer eigenen neuen Steuerveranlagung rechtfertigen41. Die drei Jahresfrist ist sodann entsprechend der allgemeinen Auffassung nicht als starre Grenze jedweder Besteuerung und Liquidation zu verstehen, sondern gibt nur den Zeitraum einer Zwischenveranlagung vor. Steuerrechtlich vertretbar wäre die letzte der beiden Möglichkeiten allemal, da wie im Gesellschaftsrecht weder dogmatische Schwierigkeiten noch ein irgendwie gearteter Schaden durch das nicht endende Prozedere entstünde.

39 Prinz/Winkeljohann/Helm/Haaf,

§  16 Rn.  75; Gosch/Stalbold, §  11 Rn.  3. Vgl. BFH BStBl. II 2008, 319; dazu BMF BStBl. I 2008, 542; MünchHdb GesR IV/ Kraft, §  68 Rn.  6. 41  Das schlägt ähnlich auch Küster in DStR 2006, 209, 214 vor, welcher gleichwohl die Nachtragsliquidation in §  11 KStG nicht berücksichtigt sieht und die nur rudimentäre Beachtung in Lehre und Rechtsprechung kritisiert. 40 

I. Keine entgegenstehenden Gründe in Rechtsprechung und Lehre

165

c) Ähnliche Regelung nach EStG für Personengesellschaften Nur bedingt anderes gilt für Personengesellschaften, welche zwar selbst weder einkommensteuer- noch körperschaftssteuerpflichtig sind, aber insoweit als Steuerrechtssubjekt gelten, als die durch ihre erzielten Einkünfte Besteuerungstatbestände verwirklichen, welche dann gesondert und einheitlich festgestellt den Gesellschaftern zugerechnet werden.42 Während der Liquidation wird die Besteuerung daher nach §  16 EStG vorgenommen. Zwar liegt hierin keine identische, am Wortlaut des §  11 KStG angelehnte Regelung vor, weil es dafür schon an einem gesetzlich vorgeschriebenen Besteuerungszeitraum mangelt, doch dem Wesen nach ergibt sich auch aus ihr nichts anderes. Entscheidend bei Personengesellschaften ist die „Aufgabe“ des Gewerbebetriebes gemäß §  16 Abs.  3 S.  1 EStG. Als Aufgabe ist hier ebenfalls die Auseinandersetzung, d. h. Liquidation der Gesellschaft infolge ihrer Auflösung bis zum Ende der Vermögensverteilung gemeint.43 Die Festlegung eines Zeitpunktes wie in §  11 KStG fehlt allerdings, weil im Rahmen des §  16 EStG schon immer auf eine traditionell ausführliche Rechtsprechung zurückgegriffen werden konnte.44 Aus diesem Grund wird der Besteuerungszeitraum während der Aufgabe gleichwohl als ein einheitlich zu besteuernder, da innerhalb einer „angemessenen“ Frist durchzuführender, Akt angesehen.45 Dabei läuft es in einer Gesamtschau, die im Wesentlichen von den Umständen des Einzelfalls abhängt, ebenso auf einen Bemessungszeitraum von wenigen Monaten bis mehreren Jahren hinaus.46 Nur ausnahmsweise, wenn die Liquidation bedeutend länger andauert, stellt der erzielte Liquidationsgewinn eine gewöhnliche Einkunft aus dem Gewerbebetrieb dar und wird herkömmlich nach §  15 EStG besteuert.47 Im Ergebnis ergeben sich also im Hinblick auf die Besteuerung und deren Handhabung nur marginale Unterschiede, die eher im Bereich des Bemessungszeitraumes liegen. Auch für Personengesellschaften kann deshalb das zuvor Gesagte gelten.

42 

BFH BStBl II 1995, 617 (621); MünchHdb GesR I/Inhester/Herrmann, §  65 Rn.  1, 5. EStG §  16 Rn.  463; MünchHdb GesR I/Diers/Eickmann, §  23 Rn.  1, 13; Lüdicke/Sistermann/Teske/Keß, §  18 Rn.  2. 44  Küster, DStR 2006, 209. 45 Blümich/Schallmoser, EStG §  16 Rn.  463; MünchHdb GesR I/Diers/Eickmann, §  23 Rn.  14. 46 Lüdicke/Sistermann/Teske/Keß, §  18 Rn.  5; Blümich/Schallmoser, EStG §  16 Rn.  464 f. m. w. N. 47 Lüdicke/Sistermann/Teske/Keß, §  18 Rn.  4. 43 Blümich/Schallmoser,

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F. Beweisführung und generelle Übertragbarkeit des Lösungsansatzes

d) Ergebnis Insgesamt bleibt somit zu konstatieren, dass für Unternehmen in keinem Fall eine steuerliche Mehrbelastung oder Rechtsunsicherheit bei Zugrundelegung der hier vertretenen These entstünde. Das Problem der Vereinbarung von steuerlicher Veranlagung und Nachtragsliquidation ist nicht unbekannt und ihre Besteuerung unabhängig von jeglichen Auffassungen zur Vollbeendigung. Zu lösen ist die Problematik entweder durch ein komplett neues Besteuerungsverfahren während der Nachtragsliquidation oder schlicht durch gesonderte Veranlagung. Bei letzterer Alternative gilt es lediglich zu akzeptieren, dass das Steuersubjekt nicht untergeht und damit praktisch ewig besteuerungspflichtig bleibt, dies aber keine Probleme bereitet, da die Gesellschaft irgendwann keine wirtschaftlichen Gewinne mehr generiert. Aus diesem Grund kann das KStG oder EStG für die Bemessungsgrundlage ihrer Besteuerung bei einer sich in Auflösung befindlichen Gesellschaft an den zivilrechtlichen Grundsätzen haften bleiben, ohne eigene bzw. fremde Schwierigkeiten zu verursachen, die nicht sowieso schon bestünden. Die hier vertretene Auffassung steht der Frage nach der Steuerpflichtigkeit deshalb jedenfalls nicht in unangemessener Art und Weise entgegen. So bleibt immer noch die gesellschaftsrechtliche Entscheidung zur Nachtragsliquidation und ihre dogmatische Einordnung die Ursache dafür, dass die Gesellschaft durch die fehlende Vollbeendigung Steuersubjekt bleibt oder durch Nachfolgegesellschaften ein neues Steuersubjekt entsteht.

6. Keine ewig blockierte Firma Anderseits könnte es jedoch zu Problemen in Bezug auf die Firma, d. h. den Geschäftsnamen der Gesellschaft i. S. d. §  17 HGB kommen. Unbillige Zustände, welche durch die Blockade besonders beliebter Namen entstünden, weil die ewig bestehende Gesellschaft nicht verschwindet, wären die Folge niemals enden wollender Rechtsträger. Für eine freie Marktwirtschaft, die auf Individualität und Freiheit des unternehmerischen Handelns setzt, wäre dies ein enormer Verlust an Rechtssicherheit. Konkret ginge es um die heute unbestrittene48 Möglichkeit der Gesellschaft, jederzeit die Auflösung zu überwinden und sich von einer in Auflösung befindlichen Gesellschaft, deren einziges Ziel die Vollbeendigung ist, zurück zu einer 48  Im Rahmen der GmbH wurde die früher vertretene Auffassung, wonach im Umkehrschluss zu §  60 Abs.  1 Nr.  4 GmbHG die Fortsetzung in gesetzlich nicht geregelten Fällen unzulässig ist, überwunden, Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, §  60 Rn.  28; Scholz/K. Schmidt/ Bitter, §  60 Rn.  79.

I. Keine entgegenstehenden Gründe in Rechtsprechung und Lehre

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am Rechtsverkehr aktiv teilnehmenden werbenden Gesellschaft zu wandeln. In diesen Fällen müsste die Firma fortwährend blockiert bleiben und dürfte nicht neu vergeben werden, um die Identifizierungsfunktion49 nicht durch die doppelte Verwendung zweier Firmen durch unterschiedliche Rechtsträger zu konterkarieren. Einer damit einhergehenden Verwechslungsgefahr steht nämlich auch nicht die in den jeweils einschlägigen gesellschaftsrechtlichen Vorschriften stehende Anordnung entgegen, dass die sich in Auflösung befindliche Gesellschaft diesen Zustand auch nach außen sichtbar als Zusatz der Firma beifügen soll, §  153 HGB, §§  68 Abs.  2, 71 Abs.  5 GmbHG, §  268 Abs.  4 AktG. So ist diese regelmäßig durch „in Abwicklung“, „in Liquidation“ oder abgekürzt „i. L.“ zum Ausdruck gebrachte Ergänzung nicht originärer Bestandteil der Firma, sondern lediglich Folge der ohnehin bereits in Gang gesetzten und ins Handelsregister eingetragenen Auflösung, weswegen der Zusatz selbst keinen besonderen Registervermerk mehr erfordert.50 Aus diesem Grund taugt die gesonderte Bezeichnung auch nicht einer Verwechslungsgefahr zu begegnen, indem damit eine Abgrenzung zwischen alter und neuer Gesellschaft geschaffen würde. Doch selbst wenn das Kürzel Firmenbestandteil werden würde, wäre es doch bei einer Fortsetzung von einer in Auflösung begriffenen Gesellschaft zurück zu einer werbenden Gesellschaft ohnehin wieder obsolet und könnte gestrichen werden. Die Verwechslungsgefahr bliebe daher langfristig bestehen. Entscheidend ist deshalb die Frage nach der Zulässigkeit einer solchen Fortsetzung. Hier­auf deuten vor allem die soeben vorgetragenen Ergebnisse hin, die nahelegen, dass der Rechtsträger in den aller meisten Fällen ewig fortbesteht, um für den Anfall und die Verteilung nachträglich aufgetauchten Vermögens zur Verfügung zu stehen, ein endgültiges Verschwinden der Gesellschaft also gerade nicht gegeben ist. Freilich relevant ist dies nur für die Vertreter der Lehre vom Doppeltatbestand, da sie, entgegen der Ansicht von der konstitutiven Registerlöschung, im Zeitpunkt der Nachtragsliquidation noch nicht das Stadium der Vollbeendigung erreicht sehen. Die Vollbeendigung als Phase der endgültigen Vernichtung steht schon ihrem Zweck nach der Fortsetzung entgegen.51 Wird die Nachtragsliquidation wie bei der konstitutiven Registerlöschung also erst nach Vollbeendigung vollzogen, stellt sich die Frage der Fortsetzung mithin K. Schmidt, Handelsrecht, §  3 IV Rn.  55. RGZ 15, 103, 105; 29, 66, 68; MüKo-HGB/K. Schmidt, §  153 Rn.  7; EBJS/Hillmann, §  153 Rn.  2; Baumbach/Hueck/Haas, §  68 Rn.  11; Michalski/Nerlich, §  68 Rn.  14; Spindler/ Stilz/Bachmann, §  268 Rn.  25; Hopt/Wiedemann/K. Schmidt, §  268 Rn.  10. 51  Ganz generell für Kapitalgesellschaften RGZ 118, 337, 340; Raiser/Veil, §  51 Rn.  16; Fichtelmann, GmbHR 2003, 67; Galla, GmbHR 2006, 635, 638; Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, §  60 Rn.  32 f.; Scholz/K. Schmidt/Bitter, §  60 Rn.  81; Hopt/Wiedemann/K. Schmidt, §  274 Rn.  4. 49 

50 

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F. Beweisführung und generelle Übertragbarkeit des Lösungsansatzes

nicht. Zumal diese Ansicht ohnehin auf Nachgesellschaften abstellt, die zwar ein Spiegelbild zur beendeten Gesellschaft darstellen, von ihr aber Personen verschieden sind und daher ohnehin nicht zur Fortsetzung taugen. Einzig die Lehre vom Doppeltatbestand lässt die Nachtragsliquidation nach Auflösung aber vor Vollbeendigung geschehen und damit die Möglichkeit einer Fortsetzung für denkbar erscheinen. a) Fortsetzungsfähigkeit der Gesellschaft während der Nachtragsliquidation Für die in Frage stehende Fortsetzung während der Nachtragsliquidation kommen nach dem soeben Gesagten all jene Fälle in Betracht, die sich aus dem nachträglich aufgetauchten Vermögen einer nach §  394 FamFG oder nach Verteilung und Schlussrechnung gelöschten Gesellschaft (§  74 GmbHG, 273 AktG, §  157 HGB) ergeben. Hierbei wird vereinzelt eingewandt, dass die Fortsetzung noch möglich sei, weil sich gezeigt habe, dass Vermögenslosigkeit nicht vorlag und die Gesellschaft damit noch besteht.52 Schon aus Gläubigerschutzgesichtspunkten sei dies geboten und müsse nicht zuletzt als Kompensation für die offensichtlich fehlerhaft gelöschte und zu Unrecht bestrafte Gesellschaft gelten.53 Zwar erscheint es konsequent, wenn dem immer noch bestehenden Rechtsträger – vor allem bei genügendem Vermögensanfall54 – die Fortsetzung als werbende Gesellschaft ermöglicht wird, allerdings steht dies konträr zum Willen des Gesetzgebers. aa) Kapitalgesellschaften Bei der AktG ergibt sich dieser Wille aus §  274 Abs.  1 S.  1 AktG, wonach schon der Beginn der Vermögensverteilung ein Fortsetzungshindernis darstellt, welches es der sich in Auflösung begriffenen Gesellschaft unmöglich macht, wieder zu einer werbenden Gesellschaft zu wechseln. Nichts anderes kann also gelten, wenn es mangels (ausreichenden) Vermögens erst gar nichts zu verteilen gab und die Gesellschaft nur gelöscht werden konnte.55 In diesem Fall kann eine Gesellschaft, die (lediglich) das Stadium der Nachtragsliquidation durchläuft, 52 Michalski/Nerlich, §  66 Rn.  106; Fichtelmann, GmbHR 2003, 67; Galla, GmbHR 2006, 635, 638 ff. 53  Galla, GmbHR 2006, 635, 638. 54  So einschränkend die Fortsetzung ausnahmsweise zulassend Baumbach/Hueck/Haas, §  60 Rn.  98; Hirte, ZInsO 2000, 127, 131; a. A. OLG Celle NZG 2008, 271; MüKo-GmbHG/ Berner, §  60 Rn.  282. 55 Hopt/Wiedemann/K. Schmidt, §  274 Rn.  10; Hopt/Wiedemann/Wiedemann, 3.  Aufl. 1973, §  273 Anm.  5d; MüKo-AktG/J. Koch, §  274 Rn.  14 ff.; Spindler/Stilz/Bachmann, §  274 Rn.  14; Henssler/Strohn/Drescher, AktG §  274 Rn.  7; Hölters/Hirschmann, §  274 Rn.  15.

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nicht besser gestellt werden als eine Gesellschaft in Auflösung, die bereits mit der Vermögensverteilung begonnen hat.56 Dies muss erst recht wegen des in §  394 FamFG beabsichtigten Bereinigungseffektes verfangen, welcher vermögenslose und damit gescheiterte Gesellschaften möglichst schnell aus dem Rechtsverkehr tilgen will.57 Überdies droht eine Umgehung des Grundsatzes der Kapitalerhaltung58 nach §  57 AktG59, wenn das Grundkapital zwischenzeitlich an die Anteilseigner zurückfließt. So ist die Kapitalerhaltungspflicht gerade von dem Gedanken geprägt, die Gesellschaft ihre gesamte Existenz über auf einem finanziellen Fundament zu wissen. Eine u. U. mehrjährige Unterbrechung bis zur eventuell stattfindenden Nachtragsliquidation ist hiermit kaum vereinbar und böte ungerechtfertigte Kapitalerhaltungspausen. Hierfür spricht schon das zeitliche Ausmaß der Kapitalerhaltungspflicht, welches mangels gegenteiliger Anordnung des §  264 Abs.  3 AktG über die Auflösung hinaus bis zum Ende der Abwicklung dauert.60 Darüber hinaus ließe sich anführen, dass die Stellung der Nachtragsliquidation in §  273 Abs.  4 AktG, d. h. innerhalb des von §  264 Abs.  3 AktG erfassten Abschnittes, für eine immerwährende Kapitalerhaltung auch während der Nachtragsliquidation spräche. Dass dies freilich unmöglich ist, weil der Vermögensanfall dann schon mangels zuerst abgeschlossenen Liquidationsverfahrens keine Nachtragsliquidation in Gang setzen würde, muss Beleg dafür sein, dass eine Fortsetzung in diesem Fall auch gar nicht gewollt ist. Das gilt vor allem bei einer im Rahmen nach §  394 FamFG gelöschten Gesellschaft, bei welcher die Nachtragsliquidation das erste Liquidationsverfahren überhaupt darstellt.61 Als Teil des im Zuge der Auflösung zu vollziehenden Abwicklungsprozesses gibt es mithin keinen Grund, die Nachtragsliquidation ohne vorangegangene Abwicklung anders zu beurteilen. Es erschiene zudem merkwürdig, die Fortsetzung einer Gesellschaft von der Bejahung der Vermögenslosigkeit nach dem subjektiven Eindruck des §  394 FamFG abhängig zu machen, wohingegen es bei der Vollbeendigung, wie aufgezeigt, immer auf die objektiv vorliegende Vermögenslosigkeit ankommt. Hier würden vielmehr diejenigen mit einer Fortsetzungsmöglichkeit belohnt, die geschickt den Eindruck der VerSchmidt, 9. Auflage §  60 Rn.  83; Erle, GmbHR 1997, 973, 979. Schmidt, §  274 Rn.  19; für die GmbH argumentiert, aber insofern übertragbar MüKo-GmbHG/Berner, §  60 Rn.  283; Rowedder/Schmidt-Leithoff/Rasner, §  60 Rn.  79. 58  Vgl. hierzu MüKo-AktG/Bayer, §  57 Rn.  1. 59  Für die GmbH gilt gemäß §  30 GmbHG argumentativ das Gleiche. 60  Vgl. RGZ 81, 404, 412; Hüffer/Koch, §  57 Rn.  1; MüKo-AktG/Bayer, §  57 Rn.  14; Spindler/Stilz/Cahn/v. Spannenberg, AktG §  57 Rn.  50. 61  A. A Galla, GmbHR 2006, 635, 640, welcher in diesen Fällen keine Umgehung des Kapitalerhaltungsgrundsatzes erblickt und deshalb auch keinen Grund für das Verneinen einer Fortsetzungsmöglichkeit erkennt. 56 Scholz/K.

57 Hopt/Wiedemann/K.

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F. Beweisführung und generelle Übertragbarkeit des Lösungsansatzes

mögenslosigkeit suggerieren, um ein erstes Liquidationsverfahren zu vermeiden. Überhaupt zeigt sich am Wesen der Nachtragsliquidation doch, dass eine erste Liquidation, sofern keine stattfand, gerade notwendig gewesen wäre, da sich noch Vermögen ergab. Diesen Fehler mit einer Fortsetzung zu belohnen und keine Neugründung zu fordern, erscheint unverhältnismäßig. Nichts anderes soll nach der ganz überwiegenden Ansicht auch für die GmbH gelten, dem sich der Gesetzgeber entsprechend Art.  12 §  1 Abs.  3 S.  1 der GmbH-Novelle von 1980 mit einer analogen Anwendung des §  274 Abs.  1 S.  1 AktG angeschlossen hat.62 bb) Personengesellschaften Weit weniger eindeutig geregelt ist dies für Personengesellschaften, wird doch vielfach die Fortsetzung wegen §  144 HGB bis zur Vollbeendigung und damit endgültigen Vermögenslosigkeit für möglich gehalten.63 Nur teilweise besteht Einigkeit darüber, dass trotz fehlender ausdrücklicher Anordnung, in der Verteilung des Gesellschaftervermögens, ähnlich §  274 Abs.  1 S.  1 AktG, gleichsam ein Fortsetzungshindernis zu sehen sein müsse.64 Folgt man dem nicht, würde nach der derzeit geltenden Rechtslage die ungehemmte Möglichkeit der Fortsetzung bis zum Eintritt der Vollbeendigung eine dauerhafte Blockade jeglicher Firmen im Personengesellschaftsrecht zur Folge haben. Aufgrund dessen, dass Vollbeendigung mangels absolut bestimmbarer Vermögenslosigkeit nie erreicht werden kann, müssten auch sämtliche Firmen erhalten bleiben, da die ehemaligen Gesellschafter jederzeit die Möglichkeit zur Fortsetzung hätten und damit ein Vorrecht unter altem Namen zu firmieren. Hier stellt sich insofern eine planwidrige Regelungslücke dar, welche durch die analoge Anwendung des §  273 Abs.  4 AktG in Bezug auf die Nachtrags­ liquidation überhaupt erst forciert wurde. Es geschah wohl deshalb auch nicht grundlos, dass der Gesetzgeber in §  273 AktG vom „Schluß der Abwicklung“ spricht und die Anordnung zur Nachtragsliquidation unter genau dieser amtlichen Überschrift fasst, gleichzeitig in §  274 die Fortsetzung aber nur bis zur 62  OLG Düsseldorf GmbHR 1979, 227 f.; OLG Celle NZG 2008, 271; OLG Stuttgart FGPrax 2012, 25; MüKo-GmbHG/Berner, §  60 Rn.  241; Scholz/K. Schmidt/Bitter, §  60 Rn.  83; Rowedder/Schmidt-Leithoff/Rasner, §  60 Rn.  67, §  74 Rn.  29; Henssler/Strohn/Arnold, ­GmbHG §  60 Rn.  62; grundsätzlich auch Baumbach/Hueck/Haas, §  60 Rn.  91a; Heller, S.  133. 63  Vgl. BGH NJW 1995, 196; Baumbach/Hopt/Roth, §  131 Rn.  30; Oetker/Kamanabrou, §  131 Rn.  20; EBJS/Lorz, §  131 Rn.  32. 64  K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, §  11 V 5; EBJS/Lorz, §  131 Rn.  32, §  144 Rn.  4; Oetker/ Kamanabrou, §  131 Rn.  20; widersprüchlich MüKo-HGB/K. Schmidt, §  144 Rn.  2, §  145 Rn.  76.

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Verteilung des Vermögens und damit nicht vom Schluss der Abwicklung abhängig macht. Es war ihm wohl auch bewusst, dass die dem Schluss der Abwicklung folgende Nachtragsliquidation zu einem sehr viel späteren Zeitpunkt stattfindet und damit erst recht keine Fortsetzung rechtfertigt. Aus diesem Grund erfolgte die Äußerung über die Fortsetzungsmöglichkeit erst am Ende des gesamten Abschnittes, damit nach gesetzgeberischer Darstellung aller denkbaren Abwicklungs- bzw. Liquidationsphasen keine systematische Analogie auf nachfolgende Abwicklungsstadien gezogen werden können. Sowohl die Nachtragsabwicklung als auch die anschließende Fortsetzungsbegrenzung müssen daher als gegenseitige Bedingung gelten, um uferlose Fortsetzungen bei einem jederzeit möglichen Nachtragsliquidationsverfahren zu vermeiden. Die analoge Anwendung der Nachtragsliquidation in §  273 Abs.  4 AktG auf Personengesellschaften hinterlässt mithin die identische Ausgangslage, die den Gesetzgeber zur Schaffung des §  274 Abs.  1 AktG bewogen haben muss. Würde man nämlich schon die Nachtragsliquidation ablehnen und einen festen Zeitpunkt für die Vermögenslosigkeit nach – wenn auch subjektiv – beendetem Liquidationsverfahren bzw. nach Löschung entsprechend §  394 FamFG annehmen, käme es erst gar nicht zu den Problemen, welche die Fortsetzung mit sich bringt. Völlig unabhängig von der Tatsache blockierter Firmen ist die Frage, welchen Nutzen es bringt, die Fortsetzung über derart lange Zeiträume zu ermöglichen. Die damit einhergehende unternehmerische Namensfreiheit und Rechtsunsicherheit steht in keinem Verhältnis und wird auch bei Kapitalgesellschaften nicht in dem Maße zugelassen. Insofern besteht eine Regelungslücke, der auch eine vergleichbare Interessenlage gegenübersteht, da die sich für Kapital- und Personengesellschaften ergebenden Folgen von Nachtragsliquidation und vorausgesetzter Vermögenslosigkeit zur Vollbeendigung völlig simultan sind. Es wäre deshalb zu begrüßen, die Regelung des §  273 Abs.  1 AktG analog auch auf Personengesellschaften anzuwenden. Damit würde – unter Beachtung der im Kapitalgesellschaftsrecht ausgetauschten Argumente – die stets denkbare Nachtragsliquidation sowohl im Falle eines vorangegangenen Liquidationsverfahrens als auch bei der bloßen Löschung nach §  394 FamFG keine immerwährende Möglichkeit zur Fortsetzung ermöglichen. Die Firma wäre somit von den alten Gesellschaftern nicht auf ewig blockiert und Rechtssicherheit im Zusammenhang mit der Verwendung alter Namen wiederhergestellt. Um die analoge Anwendung kommt man schon deshalb nicht herum, weil die Nachtragsliquidation zwar ein eigenes von der vorhergehenden Liquidation gesondertes Verfahren darstellt, trotzdem aber Teil des gesamten Liquidationsprozesses ist. Die lapidare Begrenzung auf das Ende der Abwicklung taugt deshalb ebenso wenig wie das Abstellen auf die Vollbeendigung. Nur der in §  274 Abs.  1 S.  1 AktG hiervon unabhängige Zeit-

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punkt der Vermögensverteilung bzw. – ohne vorangegangenes Verfahren – die theoretische ausgebliebene Verteilung kann die unendlich gedachte Fortsetzung sicher eindämmen. b) Die Nachtragsliquidation als Grund zur Verneinung der Fortsetzungsmöglichkeit von Gesellschaften Richtigerweise wird die Fortsetzungsmöglichkeit der Gesellschaft aufgrund der verschiedenen Auflösungsgründe unterschiedlich beurteilt. Die verschiedenen Umstände, welche zur Auflösung führen, lassen kein generelles Verbot einer Fortsetzung zu, da etwa im Falle des bloßen Zeitablaufs (§  262 Abs.  1 Nr.  1 AktG, §  60 Abs.  1 Nr.  1 GmbHG) oder bei genügend Kapital kein Grund für ein Fortsetzungsverbot vorläge. Weitestgehend Einigkeit besteht jedoch über die Bejahung eines Fortsetzungshindernisses bei der Nachtragsliquidation. Zwar bleibt die Gesellschaft weiterhin rechtsfähig und damit bereit, wieder in das werbende Stadium zu wechseln, doch kommt es für die Frage der Fortsetzung hierauf gar nicht primär an. Unbestritten entscheidend ist entsprechend §  274 Abs.  1 S.  1 AktG der Beginn jeglicher Vermögensverteilung und damit das Signal, welches an den Rechtsverkehr davon ausgeht.65 Insofern darf es auch keine Rolle spielen, wenn durch die Nachtragsliquidation so viel Vermögen anfällt, dass eine Fortsetzung im Nachhinein problemlos möglich erschiene. Es wäre nur inkonsequent, die Fortsetzung beim Verteilen unbeachtlichen Vermögens mit Verweis auf §  274 Abs.  1 S.  1 AktG zu verneinen, sie gleichzeitig aber ohne gesetzliche Anhaltspunkte bei Wiederherstellung der Schuldendeckungsfähigkeit entgegenkommend zu bejahen.66 Letztlich muss konstatiert werden, dass bereits in der Bezeichnung der Nachtragsliquidation eher der Gedanke endgültiger restloser Liquidierung zum Tragen kommt und nicht das Einräumen einer zweiten Chance bei genügend Vermögensanfall. In diesem Zusammenhang erscheint es sinnvoll, wenn man die Diskussion im Hinblick auf die Fortsetzungsfähigkeit der Gesellschaft um den Umstand dauerhaft blockierter Firmen komplettiert. So ließe sich anführen, dass eine Fortsetzung auch deshalb abgelehnt werden muss, damit die Firma nicht auf ewig blockiert ist. Findet nämlich eine Fortsetzung im Falle einer Nachtragsliquidation statt, müsste die Firma wieder zur Verfügung stehen und dürfte zwischenzeitlich nicht anderweitig vergeben worden sein. Weil sowohl die Nachtragsliquidation als auch die Fortsetzung ungewiss, aber stets möglich sind, käme dies 65  Vgl. Rowedder/Schmidt-Leithoff/Rasner, §  60 Rn.  66 f.; Scholz/K. Schmidt/Bitter, §  60 Rn.  99; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, S.  315. 66  Hierzu kritisch Scholz/K. Schmidt/Bitter, §  60 Rn.  82; Fichtelmann, GmbHR 2003, 67, 68.

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einer dauerhaften Sperre der Firma gleich. Gleichzeitig zeigt sich am Beispiel der Firma, dass der vereinzelt als „rechtspraktisch“67 verwendete Terminus mit einer konkreten Fallgruppe ausgefüllt werden kann, welche aus praktischen Gründen gegen die Fortsetzungsmöglichkeit während der Nachtragsliquidation spricht. c) Ergebnis Aus diesem Grund kann also geschlussfolgert werden, dass sich schon aus dem Zustand der Gesellschaft bei Beginn der Auflösung das spätere Freiwerden der Firma abzeichnet. So verfolgt die sich in Auflösung befindliche Gesellschaft keine gegenüber Dritten werbende Tätigkeit innerhalb des Rechtsverkehrs mehr. Sie ist in ihrem ganzen Tun einzig auf die Liquidation und damit angestrebte Vollbeendigung gegenüber Gläubigern und Gesellschaftern ausgerichtet. Deshalb kann es als völlig unschädlich angesehen werden, wenn ab dem Bestehen eines Fortsetzungshindernisses eine andere Gesellschaft mit identischem Namen existiert. Es gibt immer nur eine einzige Gesellschaft, die unter dieser Firma werbend tätig auftreten kann, da die alte Gesellschaft mit gleicher Firma gar nicht mehr in relevanter Weise im Rechtsverkehr agiert. Zwar handelt sie auch dann noch unter ihrer Firma, weil deren identifizierende Funktion bei Versilberung, dem Beenden der Rechtsbeziehungen und der Vermögensverteilung mehr denn je von Bedeutung sind; im Rahmen der Nachtragsliquidation ist dies hingegen anders. Spätestens dann dient ihre verbleibende Rechtsträgereigenschaft – gleichwohl vollumfänglich gegeben – einzig der Restabwicklung und nicht dem Neubeginn. Längstens zum Zeitpunkt, in welchem die Fortsetzung der Gesellschaft nicht mehr möglich ist, kommt auch der Firma keine bedeutsame Funktion mehr zu. Die Gesellschaft tritt zwar u. U. noch einmal aufgrund der Nachtragsliquidation zur Befriedigung der Gläubiger und Verteilung des Restvermögens unter den Gesellschaftern auf, allerdings niemals mehr in werbender Tätigkeit gegenüber dem gesamten Rechtsverkehr. Den Gläubigern und ehemaligen Gesellschaftern als potentiell einzige, der Verwechslungsgefahr ausgesetzten Gruppe ist die mangelnde Identifikationsfunktion allerdings zuzumuten. Nicht zuletzt deshalb, weil die Nachtragsliquidation wohl eher eine Ausnahme darstellt und genau dieser Fall vom Sinn und Zweck der Firma gar nicht erfasst wird. Das Freiwerden der Firma für die Gesamtheit ist hierbei höher zu bewerten als der Schutz vor Verwechslung einiger verbliebener Gläubiger. Die vor Verwechslung schützende Identifikationsfunktion der Firma verliert für die beendete, aber nicht vollbeendete Gesellschaft damit an Bedeutung und kann mithin an eine andere werbende Gesellschaft neu vergeben werden. 67 

Galla, GmbHR 2006, 635, 638 ff.

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7. Keine bloße Teilrechtsfähigkeit Abgrenzen soll sich die hier vertretene These darüber hinaus von jeglichen Erklärungsansätzen, welche der Gesellschaft zwischen Beendigung und Vollbeendigung bzw. dem Zustand des „Wartens“ auf die Nachtragsliquidation einen völlig neuen Status an Rechtsfähigkeit verleihen wollen. a) Die Heller und Buchner’sche Teilrechtsfähigkeit Die vorliegende Untersuchung versteht sich auch keinesfalls als Wiederbelebung der von Heller und Buchner entwickelten Teilrechtsfähigkeit.68 Sie vermag zwar die Rechtsfähigkeit der Gesellschaft insofern aufrechtzuerhalten, wie es zum Zwecke der Nachtragsabwicklung nötig ist und kommt durch die somit erhalten gebliebene Hauptforderung auch im Rahmen der Bürgschaft zu billigen Ergebnissen, allerdings sind ihre Ausgangsbedingungen vollkommen andere. Zum einen schon deshalb, weil die Gesellschaft mangels Bejahung aller Voraussetzungen der Vollbeendigung schlicht und ergreifend weiterhin existent bleibt und damit gerade nicht ihre Rechtsfähigkeit einbüßt. So passt die Teilrechtsfähigkeit aus diesem Grund weder zur Lehre vom Doppeltatbestand noch zur konstitutiven Registerlöschung. In der Wiedereintragung der Gesellschaft69 – zumindest aber des Nachtragsabwicklers70 – kommt eben jene fehlerhafte, d. h. verfrühte Löschung zum Ausdruck, welche auch den Vertretern konstitutiver Registerlöschung zufolge erst nach tatsächlichem Abschluss der Liquidation hätte erfolgen dürfen. Hält man sich nun noch die Publizitätsfunktion des Handelsregisters vor Augen, kann die Eintragung nichts anderes aussagen als in den Fällen des §  36 AktG und §  7 GmbHG, nämlich die Fähigkeit des eingetragenen Rechtssubjektes Träger von Rechten und Pflichten zu sein. Dem kann auch nicht dadurch abgeholfen werden, nur die Gesellschaft bzw. Nachtragsabwickler einzutragen, um somit nach außen die bloße Teilrechtsfähigkeit der Rest-Gesellschaft kundzutun, da das Handelsregister für derartige Differenzierung innerhalb der Rechtsfähigkeit gar nicht entwickelt wurde. Dafür spricht nicht zuletzt das ultra-vires Verbot, welches nur in der anglo-amerikanischen, nicht aber innerhalb der europäischen bzw. deutschen Rechtsdogmatik beheimatet ist und deshalb die Möglichkeit einer Bindung der Rechtsfähigkeit an einen festgelegHeller, S.  130 f.; Buchner, S.  115 f. So selbst Heller, S.  167 f., der aber bloß die Gesellschaft und nicht auch den Nachtragsabwickler eintragen lassen will; Hüffer/Koch, §  273 Rn.  17; Baumbach/Hueck/Haas, §  60 Rn.  108; Marowski, JW 1938, 13; Gottschling GmbHR 1956, 76; Rowedder/Schmidt-Leithoff/Rasner, §  74 Rn.  27; Scholz/Schmidt/K. Schmidt, §  74 Rn.  23. 70  Nur Nachtragsabwickler Herbig, DNotZ 1935, 793 f.; Hachenburg/Ulmer, Anh. §  60 Rn.  35, 42. 68  69 

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ten Geschäftszweck nicht kennt.71 Daneben ist es nicht nötig, der Gesellschaft ein irgendwie geartetes Konstrukt mit eingeschränkten Rechten und Pflichten für bestimmte Rechtsgeschäfte überzuziehen. Die Rechtsfähigkeit zwischen Ende der Liquidation mit anschließender Registerlöschung und Nachtragsliquidation ist die gleiche wie davor, da es für eine Beschränkung auf die Liquidationspflichten keinen Raum gibt.72 Ansonsten müsste die Teilrechtsfähigkeit auch im Hinblick auf das Regelliquidationsverfahren gelten, dessen Regeln gleichsam auf die Nachtragsliquidation Anwendung finden. b) Relative Rechtsfähigkeit Es ließe sich allenfalls eine Klassifizierung der Rechtsfähigkeit vornehmen, die dem Bedürfnis für einen Ausdruck einer nur vermeintlich beendeten Gesellschaft Rechnung trägt. So könnte hier bestenfalls noch von einer relativen Rechtsfähigkeit gesprochen werden, da die Gesellschaft nicht gegenüber bestimmten Rechtsgeschäften für rechtsfähig erklärt wird, sondern nur gegenüber bestimmten Personen. Diese lediglich gegenüber bestimmten Personen schwelende Rechtsfähigkeit beschreibt dann auch sehr präzise die faktische Situation, da die Gesellschaft bis zur Nachtragsliquidation und währenddessen stets nur mit all jenen Parteien in Verbindung tritt, die auch in einem irgendwie gearteten Rechtsverhältnis mit ihr stehen. Entweder weil sie ihr Vermögen anheim fallen lassen oder weil sie eine Gläubigerposition innehaben. Gegenüber Dritten ist sie zwar ebenfalls rechtsfähig, allerdings ist dies vollkommen bedeutungslos, weil diese nach Registerlöschung und Liquidation aller Unternehmensstrukturen weder das Interesse noch die Möglichkeit haben, neue Rechtsbeziehungen zu ihr aufzubauen. Die Situation zwischen der für beendigt gehaltenen Gesellschaft und ihren Gläubigern auf der einen sowie allen anderen am Rechtsverkehr Teilnehmenden auf der anderen Seite erinnert stark an die relative Wirkung der Vormerkung in §  883 Abs.  2 BGB. Auch dort hat ein und dieselbe Verfügung unterschiedliche Wirkungen gegenüber unterschiedlichen Personengruppen. Die Rechtsfähigkeit wirkt sich hier quasi nur gegenüber denen, die es angeht, aus (Gläubiger oder Sicherungsgeber), nicht aber im Verhältnis zu Dritten. Mit diesem Verständnis von Rechtsfähigkeit ließe sich womöglich auch das Institut der Nachtragsliquidation mit einem besseren dogmatischen Erklärungsansatz deuten.

K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, S.  165 ff. Dies gesteht sogar Heller ein, indem er konstatiert, dass der Rest-Gesellschaft eigentlich auch über die Pflichten der Nachtragsabwicklung hinaus noch vermögensneutrale Rechte und Pflichten zugeordnet werden können, Heller, S.  128. 71 

72 

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F. Beweisführung und generelle Übertragbarkeit des Lösungsansatzes

Ganz ähnlich hat es auch schon Geib formuliert, welcher bereits eine gewisse Relativität der Rechtsfähigkeit und ihrer Wirkungen zum Ausdruck brachte. Er lehnte eine Akzessorietätsausnahme bei der Bürgschaft ab und ließ stattdessen die Hauptschuld isoliert fortbestehen. Dies begründete er damit, dass der Untergang des Hauptschuldners keinen absoluten Charakter gegenüber dem Bürgen hätte, sondern nur relativen.73 Allerdings beschränkte er dies nur auf den Bürgen und nicht auf alle Rechtssubjekte oder zog hier gar einen allgemeinen gesellschaftsrechtlich orientierteren Schluss. Ganz ähnliches entsprach auch dem Verständnis von Kipp, wonach die Gesellschaft nicht stirbt, sondern lediglich nicht mehr handlungsfähig ist, gleichwohl aber noch in ihrem Bestand existent.74 Bei ihm kommt damit der Gedanke zum Tragen, dass selbst die vollbeendete Gesellschaft irgendwie geartet rechtlich verankert ist, etwa noch in den Büchern seiner Gläubiger, die Abschreibungen vornehmen etc. Die Beispiele zeigen somit exemplarisch das Bedürfnis zur Beschreibung des befriedigungslosen Untergangs der Gesellschaft und das Verhältnis zu deren verbliebenen Verbindlichkeiten auf. Insgesamt taugen aber beide Ansichten für sich genommen weniger als Lösungsansatz, denn viel mehr als Ideengeber. c) Ergebnis Selbst wenn man die improvisiert anmutende Bezeichnung relativer Rechtsfähigkeit ablehnt, täuscht dies doch im Ergebnis nicht über die Ablehnung jeglicher irgendwie gerechtfertigter Teilrechtsfähigkeiten hinweg.

8. Sonderfall eines verdeckten Ermittlers gemäß §  110a StPO In diesem Zusammenhang soll die Überprüfung der Tauglichkeit dieses Lösungsansatzes auf eine ganz ähnliche Konstellation ausgeweitet werden. So nämlich auf die im Strafprozessrecht etablierte Figur des verdeckten Ermittlers. Gemäß §  110a Abs.  2 S.  1 StPO werden unter einem verdeckten Ermittler „Beamte des Polizeidienstes, die unter einer ihnen verliehenen, auf Dauer angelegten, veränderten Identität (Legende) ermitteln“ verstanden. Hierzu gesteht der Gesetzgeber in S.  2 des Abs.  2 dem verdeckten Ermittler zu, auch am Rechtsverkehr teilzunehmen. Dazu dürfen ihm sogar nach §  110a Abs.  3 StPO jegliche, für eine veränderte Identität notwendigen Urkunden wie Ausweise und Pässe ausgestellt werden.75 Die so vorgenommenen Rechtshandlungen und -geschäfte 73  Geib, S.  100; formuliert dies aber schon 1894 und wird später wegen der Entfernung zur römisch-rechtlichen Tradition abgelehnt, siehe hierzu Westerkamp, S.  67. 74  Kipp, FS v. Martitz, S.  211, 220, 223, 225; Tiedke, FS Kollhosser, S.  750. 75 KK-StPO/Bruns, §  110a Rn.  10.

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können, neben Vertragsabschlüssen, auch das Klagen und Verklagtwerden sowie Firmengründungen und die Eintragung des Namens in öffentliche Register umfassen.76 Für die vorliegende Arbeit ist hierbei das Schicksal der Rechtsgeschäfte nach Aufhebung der Legende von Interesse. In Ermangelung jeglicher Regelungen, die einen Schadensersatzanspruch Dritter zuließen, müssten nämlich nach allgemeinen zivilrechtlichen Maßstäben sämtliche Rechtsverhältnisse, welche der verdeckte Ermittler im Rahmen seiner Tätigkeit eingegangen ist, mit dessen Aufhebung rückstandslos erlöschen. Dies ergibt sich zum einen daraus, dass Vorschriften in Bezug auf eine Einstandspflicht des Bundes oder Landes fehlen und es regelmäßig keine sonstigen Rechtsnachfolger im Sinne der §§  1922 ff. BGB geben wird, da eventuelle Erben zur Aufrechterhaltung der falschen Identität nur erfunden oder wiederum selbst Legenden besitzen. Zum anderen existiert für den verdeckten Ermittler als natürliche Person auch kein den Gesellschaften gleichstehender Liquidationsprozess, in welchem die vorhandenen Vermögenswerte abgewickelt und verteilt werden. Möglicherweise ließe sich eine Erkenntnis bei der Behandlung des rückstandlosen Ausscheidens des verdeckten Ermittlers aus dem Rechtsverkehr auch für den weggefallenen Hauptschuldner ziehen. a) Der zivilrechtliche Aspekt zur Lage des verdeckten Ermittlers Die Verdeutlichung der Problematik um die Legende sei an folgendem Beispiel erläutert: Der verdeckte Ermittler hat bei einer Bank ein Darlehen aufgenommen, um das Vertrauen einer verbrecherischen Organisation zu gewinnen. Ein Dritter hat sich, ohne Wissen um die wahre Identität, zu dessen Gunsten hierfür verbürgt. Die ausgezahlte Summe wurde sodann vollständig verbraucht. Zum Zeitpunkt der Legendenauflösung wurde das fällige Darlehen jedoch nicht oder nur teilweise zurückgezahlt, so dass der Bank noch ein Rückzahlungsanspruch aus §  488 Abs.  1 S.  2 BGB gegen den verdeckten Ermittler zusteht. Mangels Rechtsnachfolgers oder anderweitiger Verfahren wäre nunmehr der Anspruch der Bank untergegangen, da sich auch die tatsächlich hinter der Legende stehende Person nie selbst rechtlich binden wollte. Auch die Haftung des verdeckten Ermittlers als Vertreter ohne Vertretungsmacht (§  179 BGB) geht hier fehl, weil er keine Vertretung für einen anderen (den Ermittler selbst) vornimmt. Zwar hat der Ermittler mit seiner Legende gleichsam Vertrauen veranlasst und enttäuscht, dies geschah jedoch aufgrund ermittlungstaktischer und strafrechtlich gedeckter Erwägungen heraus. Ist die Aufklärung der Bank als potentiell geschädigter Dritter nun aber nach §  101 Abs.  4 S.  1 Nr.  9b StPO aus ermittlungstaktischen 76 

BT-Drucks 12/989, 42; KK-StPO/Bruns, §  110a Rn.  10 f.

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Gründen unterblieben, entsteht ihr ein Schaden, da sie im Hinblick auf die Bereitstellung des Darlehens noch offene Forderungen unterhält. Der Gesetzgeber selbst äußert sich zur Frage der verbliebenden Rechtsbeziehungen nach Aufhebung der Legende lediglich dahingehend, dass es Aufgabe des Dienstherrn sei, „dafür zu sorgen, dass der Gläubiger keinen Nachteil erleidet.“77 Allerdings wird diese Sorge im Allgemeinen nur als Unterrichtungspflicht i. S. d. §  101 Abs.  4 S.  1 Nr.  9b StPO gegenüber den potentiell geschä­ digten Gläubigern verstanden.78 Eine weiterführende darüberhinausgehende Auseinandersetzung findet hierüber nicht statt, da der Gesetzgeber der Legendenauflösung keine Schwierigkeiten beigemessen hat.79 In Anlehnung zur abgeleiteten Unterrichtungspflicht und mangels konkreter Anhaltspunkte beruft sich die Strafrechtswissenschaft deshalb bei eventuellen Ansprüchen der Gläubiger wahlweise80 auf einen Amtshaftungsanspruch gemäß §  839 BGB i. V. m. Art.  34 GG oder einen Aufopferungsanspruch.81 Bei dem oben vorgestellten Beispiel würde die Bank nun für ihren Schaden auf eben jenen Amtshaftungs- oder Aufopferungsanspruch verwiesen werden. b) Inkonsistenzen bei der Entschädigung durch verdeckte Ermittler Eigentlich fehlt es in diesen wie auch den meisten anderen Fällen stets an einer Amtspflichtverletzung (Rechtswidrigkeit) für einen Amtshaftungsanspruch aus §  839 BGB i. V. m. Art.  34 GG.82 So handelt nämlich der verdeckte Ermittler mit der Aufnahme eines Darlehens nicht entgegen seiner Pflicht zu gesetzmäßigem 77 

BT-Drucks 12/989, 42. §  110a Rn.  12. 79  So ausdrücklich BT-Drucks 12/989, 42: „Schwierigkeiten sind in der Vergangenheit nicht aufgetreten.“ 80 KK-StPO/Bruns, §  110a Rn.  12 sieht darüber hinaus noch die Möglichkeit einer privatrechtlichen Staatshaftung nach §§  89, 30, 31, 831 BGB bzw. eines vertraglichen Erfüllungsanspruches direkt gegen den Staat. Dies kann jedoch nicht überzeugen. Zum einen fehlt es auch bei der Konstruktion über §§  31, 89 BGB an einer zum Schadensersatz verpflichtenden Handlung des verdeckten Ermittlers, da er weder Sorgfaltspflichten aus Sonderrechtsbeziehungen noch andere deliktische Verkehrspflichten verletzt hat (BGH NJW 1952, 1130; 1959, 379 Ls.; 1972, 940). Zum anderen dürfte die Grundlage für einen von Bruns uneindeutig formulierten „vertraglichen Erfüllungsanspruch“ gänzlich fehlen oder ebenso auf eine Amtshaftung hinauslaufen. Für Letzteres dürfte es dann wiederholt an der Rechtswidrigkeit fehlen, will man in diesem Vorschlag keinen zwischen Staat und Geschädigten im Vorfeld eingegangenen Vertrag sui generis auf Entschädigung erkennen oder einer verdeckte Schuldübernahme (den Staat als Dritten), welcher aber §  415 BGB entgegenstünde. Hierfür bedürfte es, wenn überhaupt, eines gesetzlich angeordneten Schuldbeitrittes. 81 KK-StPO/Bruns, §  110a Rn.  12; BeckOK-StPO/Hegmann, §  110a Rn.  4; ebenso, aber die Frage noch als weitgehend ungeklärt ansehend Meyer-Goßner/Schmitt, §  110a Rn.  7. 82  BGH NStZ 1988, 510; KK-StPO/Bruns, §  110a Rn.  12. 78 KK-StPO/Bruns,

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Verhalten oder entgegen objektiven Rechts, da ihn §  110a StPO ausdrücklich hierzu ermächtigt. Etwas anderes würde nur dann gelten, wenn es ihm nicht erlaubt gewesen wäre, das Darlehen aufzunehmen83. Denkbar wäre allenfalls noch eine Pflichtverletzung wegen der fehlenden Schonung unbeteiligter Dritter (Bank) bzw. mangels richtig erteilter Auskünfte, Belehrungen etc. trotz gegenteiliger Dienstanweisung.84 Andererseits dürfte diese Art Amtspflichtverletzung aufgrund der hohen ermittlungs- und polizeitaktischen Bedeutung einer Legende eher selten einschlägig sein. Sowohl im vorliegenden Fall als auch im Allgemeinen dürfte es bereits an der Verletzung einer Amtspflicht fehlen. Allerdings geht auch der gewohnheitsrechtliche aus §§  74 und 75 ALR geschlussfolgerte Aufopferungsanspruch ins Leere, da dieser nämlich nur nicht-vermögenswerte Rechte oder Rechtsgüter85 erfasst. Der Darlehensrückzahlungsanspruch der Bank ist jedoch rein vermögensrechtlicher, d. h. materieller Natur, weswegen der Aufopferungsgrundsatz mangels relevanter Schutzgüter überhaupt keine Anwendung findet. Der Aufopferungsanspruch stellt damit ebenfalls mangels einschlägigen Rechtsgutes und hoheitlichen Eingriffs keine Möglichkeit zur Entschädigung dar. Interessanterweise bietet die Literatur auch keine anderweitigen Lösungen an, welche das durch den verdeckten Ermittler verursachte Entschädigungsbedürfnis der Bank befriedigen. Systematisch ist die infrage stehende Forderung der Bank als Vermögen zu qualifizieren und mithin vom Schutzbereich des Art.  14 GG umfasst.86 Eventuelle staatliche Beeinträchtigungen sind daher vornehmlich im Rahmen einer Enteignung, eines enteignungsgleichen oder enteignenden Eingriffs zu untersuchen. Die Entschädigung als Enteignung kommt vorliegend mangels gezielten hoheitlichen Rechtsakt nicht in Betracht, da die Auflösung der Legende und der Wegfall als Schuldner für die Darlehensforderung der Bank bloße Nebenfolgen sind.87 Übrig und einzig relevant bleibt daher das Institut des enteignenden Eingriffs. Gesteht man dieser Art Eingriff trotz Rechtsprechung des BVerfG zur Rechtsfigur der ausgleichspflichtigen Inhaltsbestimmung noch einen gewissen Anwendungsspielraum bei Zufalls- und Unfallschäden zu88, ließe sich hierdurch eine dogmatisch fundierte Lösung finden,

83 

Gemeint ist das Handeln entgegen Dienstanweisungen, sog. administrativen Innenbereich, vgl. Ossenbühl/Cornils, S.  44 m. w. N. 84 Vgl. Ossenbühl/Cornils, S.  49. 85  Vgl. RGZ 102, 390, 391; BGHZ 6, 270 (275); 7, 33; Maurer/Waldhoff, §  28 Rn.  12; Ossenbühl/Cornils, S.  131, 138; Johlen/Oerder/Jeromin/Kirchberg, §  18 Rn.  178 f. 86  Vgl. Maunz/Dürig/Papier, GG Art.  14 Rn.  201. 87 Vgl. Maurer/Waldhoff, §  27 Rn.  49 ff. 88  Maurer/Waldhoff, §  27 Rn.  108 f.; Ossenbühl/Cornils, S.  327 ff. m. w. N.

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als es die bisherigen Ansätze der Strafrechtswissenschaft vermögen.89 Der enteignende Eingriff stellt bereits aufgrund seiner Rechtsnatur genau das dar, was dem Rechtsverkehr bei Schäden durch den verdeckten Ermittler zusteht, nämlich eine Kompensation anstatt einer Unrechtsbestrafung wie der Amtshaftungsanspruch sie verspricht. Dies entspricht auch eher dem Verständnis als zulässiges Mittel der Verbrechensbekämpfung. Zumal dessen Voraussetzungen auch viel eher vorlägen als der des Amtshaftungs- oder Aufopferungsanspruches.90 Mithin gäbe es mit dem enteignenden Eingriff eine staatsrechtlich gangbare und vor allem zulässige Möglichkeit unter der derzeit herrschenden Rechtslage eine Entschädigung herbeizuführen.91 c) Der verdeckte Ermittler und die Bürgschaft Sieht man nun aber von der korrekten juristischen Begründung eines Entschädigungsanspruches ab und widmet sich lediglich dessen Wirkung im Zusammenhang mit der aufgeworfenen Bürgschaftsproblematik, erscheint das Ergebnis unter Beachtung der ständigen Rechtsprechung des BGH missverständlich. Konsequenterweise müsste die Bürgenforderung nach Wegfall des Hauptschuldners (Legende des verdeckten Ermittlers) auch hier verselbstständigt 89  Die idealste staatsrechtliche Lösung wäre hingegen eine ausgleichpflichtige Inhaltsbestimmung innerhalb des §  110a StPO, etwa durch Formulierung: „Offene Rechtsverhältnisse verfallen an den Staat“ – ähnlich dem §  201 ALR (Theil II Titel 6). Alternativ wäre hier auch eine Regelung in Betracht zu ziehen, die zu einem gesetzlich Schuld- bzw. Forderungsübergang vom verdeckten Ermittler auf den Staat führt. 90  Zu den Voraussetzungen: Als vermögenswerte Rechtsposition kommt das Vermögen der Bank in Gestalt der weggefallenen Forderung in Betracht, welche als bloße Nebenfolge des an sich rechtmäßigen Verwaltungshandelns (Auflösung der Legende) als unbeabsichtigte und atypische Nebenfolge auftritt. Hierdurch entsteht auch die unmittelbare Beeinträchtigung, nämlich der Wegfall der Forderung als Folge des fehlenden Schuldners. Auch ein Sonderopfer aufgrund übermäßiger Belastung durch diese Beeinträchtigung dürfte gegeben sein, da der verdeckte Ermittler im Rechtsverkehr eher selten vorkommt und vorrangig zu treffende Schutzvorkehrungen nur sehr eingeschränkt möglich sind. Auch die strengen Voraussetzungen, welche an den Einsatz geknüpft werden und die enge polizeiliche- und staatsanwaltliche Zusammenarbeit sprechen für das Vorliegen eines Sonderopfers, welches damit eher einem Querschläger beim polizeirechtlich konformen Schusswaffengebrauch gleich kommt als der bloßen Verwirklichung oder Erhöhung eines allgemeinen Lebensrisikos (Vgl. Ossenbühl/Cornils, S.  145 f.). 91  Will man jedoch auch abseits des Staatsrechts noch nach einer denkbaren Lösung suchen, wäre die ideale zivilrechtliche Konstruktion wohl de lege ferrenda als sog. Verpflichtungsermächtigung in Betracht zu ziehen. Im Rahmen einer Verpflichtungsermächtigung könnte der verdeckte Ermittler in Stellvertretung für den Fiskus handeln. Aufgrund dessen, dass dieser ihn nämlich ohnehin mit allen nötigen (finanziellen) Mitteln ausstattet, kann er auch nach Auflösung über diese Rechtsfigur rechtsverbindlich und vor allem verklagbar für offene durchsetzbare Forderungen einstehen.

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werden, um den Bürgschaftszweck aufrechtzuerhalten. Ob dies zulässig wäre oder es hierfür einer entsprechenden Änderung der Rechtsprechung bedürfte, wird sogleich noch zu erörtern sein. Ungeklärt ist in diesem Zusammenhang jedoch, ob eine Bürgenhaftung auch dann noch gelten soll, wenn dem Gläubiger nach herrschender, und entgegen der soeben vorgebrachten Bedenken92 beinahe unwidersprochener Strafrechtswissenschaft ein Amtshaftungs- oder Aufopferunsganspruch gegen den Staat zusteht. Das Gleiche gilt für die Frage, ob der Bürge dann immer noch die Einrede der Vorausklage erheben kann oder sich die Ansprüche gegen den Staat wegen des Verpflichtung schon gar nicht zum Tragen kommen, weil sich der Gläubiger – freilich nur wegen der BGH-Kon­ struktion – an einen Bürgen halten kann. Hierfür würde die subsidiäre Geltung des Aufopferungsanspruches gegenüber anderen Ansprüchen sprechen, die einen vergleichbaren Schadensausgleich gewähren. So etwa in Fällen, in denen gleichsam privatrechtliche Ersatzansprüche für den entstandenen Schaden aufkämen.93 Existierte mithin ein Bürge, dessen Verpflichtung trotz fehlenden Hauptschuldners nicht weggefallen ist, würde bzgl. des Aufopferungsanspruchs nur eine subsidiäre Geltung eintreten, da sich der Gläubiger primär an den Bürgen halten könnte und auch müsste. Ein Ansatz zur Lösung dieser Fragen ließe sich hierfür mit der Anfechtung finden. Es erscheint vertretbar, dem Bürgen im Falle seiner Haftung zumindest noch die Anfechtung nach §  119 Abs.  2 BGB zuzugestehen, um sich vor einer Inanspruchnahme zu schützen. Als Irrtum über eine verkehrswesentliche Eigenschaft käme hier der Irrtum über wahre Herkunft bzw. Eigenschaft des Hauptschuldners in Betracht. Bei Übernahme der Bürgschaft ging der Bürge nämlich davon aus, dass es sich beim Hauptschuldner um eine natürliche Person handelt und nicht um eine Legende.94 92  Neben den bereits vorgerbachten Gründen soll sich an dieser Stelle noch der Hinweis auf eine mögliche Verfassungswidrigkeit der Norm anschließen, da der Gesetzgeber gemäß BT-Drucks 12/989, 42 von den möglichen Schädigungen durch das rechtsgeschäftliche Tätigwerden weiß und die Entschädigung nur in Ermangelung bisheriger Schwierigkeiten nicht gesetzlich geregelt hat. Von unvorhergesehenen (zufälligen) Belastungsfolgen, die eine fehlende Regelung rechtfertigen würden, kann deshalb eigentlich gar keine Rede mehr sein. Die bisher fehlende Signifikanz sagt weniger etwas über die generelle Vorhersehbarkeit des Problems aus, als vielmehr etwas über das lapidare Glück im Hinblick auf das Ausbleiben konfliktträchtiger Konstellationen. Bei einer derartigen Vorhersehbarkeit wäre der Gesetzgeber daher zu einem Ausgleich in Form einer Entschädigungsregelung nach Rechtsprechung BVerfG verpflichtet (vgl. Ossenbühl/Cornils, S.  326 f.). 93  BGHZ 28, 297, 300; Maurer/Waldhoff, §  27 Rn.  104, §  28 Rn.  6; Ossenbühl/Cornils, S.  150. 94  Eine ganz generelle Lösung für den Bürgen, sich der Zahlungspflicht zu entziehen, stellt dies aber nicht dar. Ist kein verdeckter Ermittler involviert, wird sich der Bürge eine Personentäuschung nur im Falle des §  119 Abs.  1 BGB berufen können (Erklärungsirrtum).

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d) Übertragung der These auf den verdeckten Ermittler Doch selbst wenn sich der Bürge nun in dieser freilich seltenen Konstellation mithilfe einer Anfechtung vor einer Inanspruchnahme wehren könnte, stellt sich die Frage, ob die hier vertretene These nicht auch ein probates Mittel für weggefallene verdeckte Ermittler darstellt. Wie bereits eingangs erwähnt, sind sich die Konstellationen zweier weggefallener Hauptschuldner sehr ähnlich, in einer für die vorstehende These jedoch entscheidenden Bedingung unterscheiden sie sich allerdings. Während die Gesellschaften, wie aufgezeigt, aufgrund der Wirkungen der Nachtragsliquidation noch fortbestehen, fällt der verdeckte Ermittler vollständig und restlos weg. Dies liegt daran, dass der verdeckte Ermittler gerade kein bloß rechtsfähiges Gebilde darstellt, sondern in praktischer wie auch materiell-rechtlicher Hinsicht eine natürliche Person ist. Aufgrund dessen, dass es für natürliche Personen keinerlei Liquidationsverfahren gibt, existiert mithin auch kein Anhaltspunkt für ein Fortbestehen der selbigen. In diesem Fall würde die Bürgschaft bei Zugrundelegung der hier referierten These tatsächlich unwirksam werden und den Bürgen von seiner Pflicht befreien. Wirklich entscheidend sind nun aber die hieraus zu ziehenden Konsequenzen und die Frage, ob das gefundene Ergebnis zu Änderungen oder gar zur Ablehnung der These führt. Hierfür muss man sich jedoch gleichfalls die Ergebnisse der Rechtsprechung in Bezug auf die verselbstständigte Bürgschaft vergegenwärtigen. Im Rahmen der h. M. erfolgt die Aufgabe der Bestandsakzessorietät gerade deshalb, weil vom restlosen Wegfall des vermögensbedingt beendeten Hauptschuldners als Gesellschaft ausgegangen wird. Oberflächlich betrachtet, müsste dies dann erst recht bei dem tatsächlich weggefallenen verdeckten Ermittler gelten. Allerdings macht die herrschende Lehre bei der Anwendung dieser Rechtsprechung und dem Wegfall des Schuldners einen Unterschied zwischen dem Wegfall aufgrund wirtschaftlicher und politischer bzw. verbotsorientierter Umstände.95 Wenn damit also einhergeht, dass der Bürge nicht von wirtschaftlich ausgerichteten Unwirksamkeitsgründen geschützt werden soll, kann im Rahmen eines weggefallenen verdeckten Ermittlers nichts anderes gelten. Letzterer fällt nicht wegen Vermögenslosigkeit weg, sondern wegen polizeitaktischer Erwägungen und damit im Ergebnis aufgrund eines hoheitlichen Eingriffs. Mithin führt auch die Rechtsprechung des BGH zu keinem anderen Rückschluss als die vorliegend referierte These. Selbst wenn im Wege einer Analogie hierüber noch hinweggesehen werden würde, könnten doch nicht die Beim Wegfall des Hauptschuldners infolge seiner Vermögenslosigkeit stellt die falsch eingeschätzte Bonität nämlich gerade keinen tauglichen Anfechtungsgrund dar, vgl. hierzu RGZ 85, 322, 325; BGH NJW 1988, 3205; BeckOGK-BGB/Madaus, §  765 Rn.  51. 95  Siehe hierzu bereits Abschnitt B. I. 3. c).

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damit einhergehenden Nachteile aufgewogen werden. So stellt doch der vorgetragene Aspekt eines verdeckten Ermittlers als Hauptschuldner nur einen Teil des Problems dar. Offen ist nämlich ebenso das Schicksal generell unbefriedigt gebliebener nicht gesicherter Verbindlichkeiten. Dem Gläubiger fehlt es in einer Zweipersonenkonstellation schlicht am Schuldner, weswegen die Verselbstständigung hier also keinen Nutzen mit sich bringt. Des Weiteren bedarf die Problematik rund um die Rechtsgrundlage der Gläubiger für offen gebliebene Forderungen und eventueller Schadensersatzansprüche eine weit umfassendere Lösung. Aus diesem Grund vermag weder die Rechtsprechung zur verselbstständigten Bürgschaft noch die eigene These in diesem Einzelfall eine Lösung zur fortgesetzten Haftung des Bürgen liefern. In diesem Zusammenhang muss jedoch gefragt werden, ob nicht gerade dieses Ergebnis billig und gerecht erscheint. Sofern nun keine anderweitigen, bereits ausgeführten Überlegungen greifen, welche etwa wie bei allen natürlichen Personen auch den verdeckten Ermittler in den Genuss eines „Noterben“ bringen und damit die Hauptschuld aufrechterhält, kann das Freiwerden des Bürgen schlicht zu akzeptieren sein. Die Unterschiede im Rahmen der Qualität und Organisation als Rechtssubjekt, ihre Beendigung, praktische Relevanz und vor allem die ursprüngliche Interessenlage zwischen Gesellschaften und verdecktem Ermittler sind am Ende zu groß, als dass sich hieraus tatsächliche Konsequenzen ergeben könnten. Versteht sich doch sowohl die Rechtsprechung des BGH als auch die hier vertretene These eher als Element der bürgschaftsrechtlichen Dogmatik im rein zivilrechtlichen Kontext, denn als staatsrechtliches Korrektiv. Ein irgendwie gearteter Widerspruch lässt sich aus diesem Grund gegen diese These daher nicht ziehen.

9. Vergleich zu den Gegenmodellen der Literatur Zu untersuchen ist nunmehr noch, ob die vorliegende These einen spüren Vorteil gegenüber anderen Gegenauffassungen bringt und damit im Ergebnis als echte Alternative zum BGH und zur h. M. verstanden werden kann. a) Gläubigerschuld und Sollenselement Die Gläubigerschuld wie auch die Weiterentwicklung durch Becker-Eberhard setzen mit ihrer Neubewertung der Schuld auf ein Sollenselement, welches den Wegfall des Gläubigers überlebt. Gleichzeitig stellen sie damit aber einen schon immer bestehenden Konsens im Hinblick auf die Bewertung von Schuld und Haftung im Verhältnis Gläubiger und Schuldner in Frage, der zu erheblichen dogmatischen Eingriffen des Schuldrechts führt.

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F. Beweisführung und generelle Übertragbarkeit des Lösungsansatzes

Sucht man hingegen die Lösung weniger in einer Neubewertung der Hauptschuld und vielmehr im Gesellschaftsrecht, kann man nicht nur eine Schuld ohne Schuldner verhindern, sondern auch die immer noch vorhandene Hauptschuld retten ohne zentrale schuldrechtsdogmatische Ansichten aufzugeben. Geht nämlich nach der hier vertretenen These der Hauptschuldner – nach allen Ansichten – niemals vollständig unter, bleiben auch seine Verbindlichkeiten erhalten und damit ebenso die Bürgschaft. Eine Neudefinition ist hierbei ebenso wenig notwendig, wie jegliche Art von Folgetheorien, da die Fallgruppe eines fehlenden Hauptschuldners innerhalb der Bürgschaft keine nicht kodifizierten Konsequenzen mehr mit sich bringt. b) Verständnisänderung der Akzessorietät Iversen und C. Schmidt kommen zwar gleichfalls zur fortwährenden Verpflichtung des Bürgen, sind hierbei jedoch auf eine komplette Umstrukturierung dessen, was unter Akzessorietät verstanden und wie sie sich im geltenden Kontext herleiten lässt, angewiesen. An dieser Stelle wird deutlich, dass die gesellschaftsrechtlich orientierte These das jahrzehntelange Verständnis zur Akzessorietät samt ihren Wertungen freilich unberührt lässt, darüber hinaus aber auch in keinem anderen Bereich eine Neudefinition vornimmt. So geht es bei ihr gerade nicht darum, eine neue Dogmatik zu entwickeln, sondern vorhandene Auffassungen über den Eintritt der Vollbeendigung zu systematisieren und hieran angelehnt eine Lösung zu ergründen, die es eigentlich schon immer gab. Die Feststellung, dass aufgrund fehlender Vermögenslosigkeit und ewig andauernder Nachtragsliquidation jegliche (gesicherten) Forderungen der Gläubiger wie auch die Schuldnergesellschaften nach allen Ansichten niemals untergehen, sind wertungsunabhängige Ergebnisse. Das Akzeptieren einer neueren übergeordneteren Dogmatik, welche in ihrer Begründung sogar noch mit einer Verdichtung der Dogmatik einhergeht, ist hierfür nicht nötig. c) Forderungsfiktion Schließlich stellt sich die hier entwickelte These auch als vorteilhafter gegenüber der Forderungsfiktion dar, welche die vermeintlich erloschene Hauptschuld durch eine Fiktion ersetzt, um damit ohne eine Ausnahme von der Akzessorietät die andauernde Bürgenhaftung zu rechtfertigen. Es ist genau dieses Bedürfnis nach der von Anfang an vorhandenen ursprünglichen Hauptschuld, welches mit der gesellschaftsrechtlich orientierten These befriedigt wird, ohne auf jegliche dogmatisch unklare und nur ausnahmsweise zu benutzende Konstruktionen zurückzugreifen. Die damit einhergehenden Auseinandersetzungen sind dann ob-

II. Zusammenfassung der These und Endergebnis

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solet, da die Hauptschuld völlig unverändert weiterbesteht. Im Ergebnis ergeben sich freilich keine Unterschiede, ist es doch die Stärke der Forderungsfiktion, genau jene Umstände zu erschaffen, die bestehen würden, wenn die Hauptforderung noch existierte. Allerdings wird genau dies auch von der hier vertretenen These erreicht, ganz ohne ausnahmsweise eine gerechtfertigte Systemwidrigkeit zu begründen und ohne die Parteien über das Fehlen einer realen Hauptschuld hinwegzutäuschen.

II. Zusammenfassung der These und Endergebnis Abschließend bleibt somit festzuhalten, dass der Bürge vom Gläubiger auch dann wirksam in Anspruch genommen werden kann, wenn der Hauptschuldner wegen Vermögenslosigkeit nach h. M. vermeintlich weggefallen ist. Die zugrundeliegende Hauptschuld besteht weiterhin, weil die Gesellschaft niemals aufgehört hat, Träger von Rechten und Pflichten zu sein. Dies ergibt sich aus der Tatsache, dass im Rahmen der Nachtragsliquidation, die i. S. v. §  273 Abs.  4 AktG analog auf alle Gesellschaften angewandt wird, stets nachträglich noch Vermögen an die eigentlich beendete Gesellschaft fallen kann. In diesem Fall müssen sowohl Rechtsträger als auch Verbindlichkeiten fortbestehen, um das Vermögen zuordnen zu können und den Gläubigern auch während der Nachtragsliquidation die Möglichkeit zur Geltendmachung ihrer Ansprüche zu gewähren. Diese Überlegung beansprucht universelle Geltung, da nie völlig ausgeschlossen werden kann, ob Vermögen anfällt oder nicht. Aufgrund dessen, dass ein und dasselbe Schuldverhältnis nicht beliebig erlöschen und neu entstehen kann, je nachdem, ob die Gesellschaft gerade existiert oder nicht, muss sie kontinuierlich fortbestehen. Nur das eigentlich kontinuierliche Fortbestehen sichert die alten Verbindlichkeiten und damit die Ansprüche der Gläubiger im Falle einer Nachtragsliquidation. Für den Vorgang, dass Ansprüche entstehen, dann erlöschen und anschließend wieder zurück entstehen, ohne dass es die nochmalige Erfüllung aller Entstehungsvoraussetzung bedürfte, liegt kein alternatives Erklärungsmodell vor. Einmal als erloschen angesehene Ansprüche sind in der hiesigen Rechtsordnung als verloren zu werten und können nur durch eine erneute Einigung über denselben Inhalt, allerdings als neues Rechtsverhältnis, Wirksamkeit beanspruchen.96 96  Völlig widersprüchlich etwa Rowedder/Schmidt-Leithoff/Rasner, §  60 Rn.  56, welcher zunächst konstatiert: „Verbindlichkeiten der Gesellschaft hindern die Beendigung nicht, sie entfallen vielmehr.“ Anschließend im direkt folgenden Satz jedoch erläutert: „Stellt sich später das Vorhandensein von Vermögen heraus, könnten die Forderungen der Gläubiger ver-

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F. Beweisführung und generelle Übertragbarkeit des Lösungsansatzes

Die Geltendmachung der Ansprüche mit Rechtsgrund und das gleichzeitige Freiwerden des Schuldners kann auch nicht dadurch erreicht werden, die Verbindlichkeiten als bloße Naturalobligationen analog des Insolvenzrechts anzusehen. Hierfür gibt es, entgegen der InsO, auch keinerlei Hinweise, weswegen es sich auch im Rahmen der Nachtragsliquidation um die inhaltlich identische Forderung des Gläubigers bzw. Verbindlichkeit des Schuldners handeln muss. Die bestehenden Theorien zur Vollbeendigung lassen die Gesellschaft rückblickend betrachtet entweder nie untergehen oder fingieren Nachgesellschaften, die zu einer kontinuierlichen Rechtsträgerschaft von Vermögen und Schulden führen. Sie akzeptieren damit das Bedürfnis, der Nachtragsliquidation nur dann gerecht werden zu können, wenn auch der Rechtsträger als Zuordnungsobjekt von Vermögen und Schulden nie wirklich erloschen ist. Genau diesen, alle Theorien einigenden Umstand zu akzeptieren und ganzheitliche Schlüsse zu ziehen, ist Gegenstand der vorliegenden These. Sie ist damit für alle Vertreter jedweden Lagers akzeptierbar und es bedarf aus diesem Grund auch keiner Entscheidung, ob die Lehre vom Doppeltatbestand oder die konstitutive Registerlöschung als richtig anzusehen sind. Dem hier referierten Ansatz stehen dabei auch keine schwerwiegenden Bedenken gegenüber, da sich Anleihen zu diesem Schluss sowohl beim RG wie auch beim BGH selbst finden. Auch Einwände um eine ewige Steuerpflicht bzw. endlos blockierte Firmen oder die Sorge, hierdurch die Theorie eines nicht beendeten Liquidationsverfahrens respektive mit einer Teilrechtsfähigkeit nur bedingt überzeugende dogmatische Konstruktionen zu erschaffen, bestätigen sich nicht. Hinzukommt, dass sich jegliche Schwierigkeiten im Rahmen der cessio legis (§  774 BGB), der Aufgabe von Sicherheiten (§  776 BGB), der Geltendmachung der Verjährungseinrede (§  768 BGB) oder der Übertragung (§§  398, 401 BGB) völlig zwanglos ausräumen lassen, da die Hauptschuld nach wie vor besteht. Es handelt sich hierbei schlicht um eine rechtstheoretische Realität, welche konsequent zu Ende gedacht, nur die gesetzlich unverrückbaren Gegebenheiten ausnutzt. Diese, mit der Nachtragsliquidation vorliegende Gegebenheit lässt sich durch die unbestrittene Akzeptanz dieses Instituts nicht ändern, weswegen es der These nicht zum Nachteil gereichen kann, dass sie diese ausnutzt. Einer Akzessorietätsdurchbrechung oder Verselbstständigung der Bürgschaft bedarf es somit nicht, da die Verbindlichkeiten für die Nachtragsliquidation bereit stehen müssen und somit auch weiterhin als akzessorischer Bezugspunkt zur Verfügung stehen. Die Rechtsprechung des BGH zum vermögenslos wegjährt sein […]“ Hier muss offen bleiben, weshalb die Forderung der Gläubiger bzw. die Verbindlichkeiten des Schuldners erst als erloschen gelten und dann wiederum Gefahr laufen sollen zu verjähren.

III. Übertragbarkeit auf den Wegfall des Hauptschuldners

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gefallenen Hauptschuldner entpuppt sich damit als überflüssig, da sie die real existierenden gesellschaftsrechtlichen Wirkungen ignoriert. Die mit einer Akzessorietätsdurchbrechung zu korrigierende Problematik im Bürgschaftsrecht ist in Wirklichkeit keine und stellt sich als Scheinproblem dar. Es resultiert vornehmlich aus einer isolierten bürgschaftsrechtlich orientierten Perspektive, welche sich mit der Verselbstständigung über all jene in §§  765 ff. BGB aufgestellten Grundsätze hinwegsetzt.

III. Übertragbarkeit auf den Wegfall des Hauptschuldners bei anderen (nicht) akzessorischen Sicherheiten Abschließend stellt sich die Frage, inwiefern die hier entwickelte These auch bei anderen Sicherungsinstituten außerhalb der Bürgschaft anwendbar ist und damit – entsprechend des Titels – universelle Geltung beanspruchen kann. Zuvor ist jedoch noch darauf einzugehen, ob es dafür letztlich ein Bedürfnis gibt, weil die Problemkonstellation im Rahmen der Bürgschaft zu speziell und eine Übertragbarkeit aus diesem Grund dahinstehen könnte. So mutet es doch fast schon seltsam an, dass die meisten Urteile zu diesem Problemkreis fast ausschließlich im Rahmen der Bürgschaft entschieden wurden und andere Kreditsicherheiten von einer höchstrichterlichen Beurteilung verschont blieben.

1. Nicht akzessorische Sicherheiten Bei nicht akzessorischen (fiduziarischen) Sicherheiten, wie etwa der Garantie97, dem Schuldbeitritt98, der Sicherungsgrundschuld99, der Sicherungsübereignung100 oder der Sicherungsabtretung101 hat der Wegfall des Hauptschuldners grundsätzlich keine Auswirkung auf diese Sicherheiten, da sie abstrakt, d. h. unabhängig und losgelöst von der gesicherten Forderung sind. Nur ausnahmsweise können sich hier aufgrund einer freiwilligen Vereinbarung im Sicherungsvertrag auch mittelbare Auswirkungen ergeben, wenn die dingliche Einigung oder Abtretung unter die auflösende Bedingung (§  158 Abs.  2 BGB) des Wegfalls der gesicherten Forderung gestellt würde.102 Eine solche Vereinbarung 97 BeckOGK-BGB/Madaus,

§  765 Rn.  496. §  491 Rn.  57; BeckOGK-BGB/Madaus, §  765 Rn.  401, 452 spricht einschränkend nur von einer sog. Anfangsakzessorietät. 99  Bülow, S.  360 Rn.  306h. 100  Bülow, S.  425 Rn.  1180. 101  Bülow, S.  492 Rn.  1368. 102  Vgl. zur Zulässigkeit einer solchen Konstruktion für Garantie und Schuldbeitritt: 98 MüKo-BGB/Schürnbrand,

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F. Beweisführung und generelle Übertragbarkeit des Lösungsansatzes

wird sich jedoch regelmäßig nur auf den Wegfall durch Tilgung bzw. Fortfall des Sicherungszwecks beschränken. Dies ergibt sich aus der Überlegung heraus, dass eine Vereinbarung, welche den Hauptschuldner ohne Leistung und mit ihm auch die dingliche Einigung oder Abtretung der Sicherheit erlöschen lässt, als zu untypisch für fiduziarische Sicherheiten angesehen werden muss.103

2. Andere akzessorische Sicherheiten Denkbar erscheint eine vergleichbare Problematik somit nur für andere akzessorische Sicherungsrechte, denn auch der Pfandrechtsgläubiger läuft wegen der strengen Akzessorietät des §  1252 BGB Gefahr, sein Pfandrecht zu verlieren. Ist nämlich der Pfandrechtsgeber vom Schuldner Personen verschieden und fällt Letzterer mit samt der gesicherten Forderung weg, besteht die gleiche oben beschriebene Ausgangslage des Bürgen. Auch in diesem Fall geht die Lehre in Anlehnung an die Rechtsprechung des BGH zur Bürgschaft davon aus, dass der Sicherungszweck des Pfandrechts §  1252 BGB überwindet und der Gläubiger auch ohne Forderung das Pfand verwerten darf.104 Etwas nur geringfügig anderes ergibt sich bei der Hypothek, die beim Wegfall der Forderung zur sog. forderungsentkleideten Hypothek und damit zu einer Grundschuld wird.105 Dass die Hypothek wegen der eigentlich nicht mehr vorhandenen Forderung gleichsam des Sicherungszweckes wegen fingiert werBeckOGK-BGB/Madaus, §  765 Rn.  403, 523 jeweils m. w. N. Für die Grundschuld bejahend: RG JW 1934, 3125; MüKo-BGB/Eickmann, §  1191 Rn.  19; Erman/Wenzel, §  1191 Rn.  8; a. A. Jauernig/Berger, §  1191 Rn.  8. Für die Sicherungsübereignung: BGH NJW-RR 2005, 280, 281; Bülow, S.  413 Rn.  1147, S.  425 1180; BeckOGK-BGB/Klinck, §  930 Rn.  65. Für die Sicherungsabtretung: Lwowski/Fischer/Langenbucher/Brünink, S.  663, Rn.  102; MüKo-BGB/ Roth/Kieninger, §  398 Rn.  107. 103 Vgl. Bülow, S.  10 Rn.  30; Lwowski/Fischer/Langenbucher/Brünink, S.  79 Rn.  40; BeckOGK-BGB/Heinig, §  418 Rn.  7. Eine solche Vereinbarung verstieße wohl auch gegen den Sicherungszweck. In diesem Fall würde sich ein Dilemma des Gläubigers entwickeln, dass er mit der Sicherheit gerade zu überwinden versuchte. Dass an dieser Stelle trotzdem auf die Sicherungszweck-Argumentation des BGH zurückgegriffen werden würde, ist aber keineswegs inkonsequent, erwachsen doch hieraus keinerlei dogmatische Bedenken, da es lediglich um die Wirksamkeit einer getroffenen Vereinbarung geht. 104  Becker-Eberhard, S.  451 ff.; MüKo-BGB/Damrau, §  1204 Rn.  15. 105 Ausdrücklich Bülow, S.  106 Rn.  295; das Schicksal offen lassend und als irrelevant bezeichnend BeckOGK-BGB/Kiehnle, §  1138 Rn.  18 m. w. N. Eine Parallele zum sonstigen Wegfall einer Forderung, etwa wegen Nichtigkeit durch Anfechtung oder Widerruf, kann hier nicht gezogen werden. Sie stützt sich im Wesentlichen auf einen dann noch vorhandenen bereicherungsrechtlichen Anspruch gegen den Hauptschuldner, welcher die ursprüngliche Forderung ersetzt, Erman/Wenzel, §  1163 Rn.  8. Da dieser Ansatz aber wiederum einen Hauptschuldner als Anspruchsgegner benötigt, kann er beim Wegfall infolge einer Vollbeendigung nicht zum Tragen kommen.

III. Übertragbarkeit auf den Wegfall des Hauptschuldners

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den müsste, ist wohl schon wegen des §  1138 i. V. m. §  892 BGB nicht völlig ausgeschlossen. Dieser ermöglicht zwar den Erwerb der Hypothek ohne Forderung und bildet damit eine ausdrückliche gesetzliche Ausnahme zur Akzessorietät. Umgekehrt lässt sich hieraus aber nicht schließen, dass es auch ohne den Erwerb eines gutgläubigen Dritten noch eine Durchbrechung des Akzessorietätsgrundsatzes gäbe und damit eine forderungsentkleidete Hypothek. Der zu strenge und eng auszulegende Anwendungsbereich des §  1138 BGB lässt hier schon wegen seines ausschließlich auf die Grundbuchwirkungen abzielenden Charakters keine andere Auslegung zu. Weil es eben in jeder Hinsicht an einer ausdrücklichen Bezugnahme auf den Sicherungscharakter der Hypothek fehlt, müsste, für den Fall des vermögenslos weggefallenen Hauptschuldners einer Hypothek, selbst eine bloß analoge Anwendung des §  1138 BGB zweifelhaft erscheinen. Daran ändert sich auch dann wenig, wenn man den Grundgedanken der Vorschrift heranzieht, welcher in Bezug auf die Übertragbarkeit wohl gleichfalls die Verkehrsfähigkeit106 der Hypothek gewährleisten will. Eine, für die Analogie notwenige, vergleichbare Interessenlage ergäbe sich nämlich auch dann nur schwerlich, da die eigentlich nur eine „logische Sekunde“107 andauernde Fiktion zu einer dauerhaften gemacht und über die Verkehrsfähigkeit hinaus den Bestand der Hypothek beinhalten würde. Alternativ müsste deshalb die automatische Umwandlung der Hypothek in eine Grundschuld – ähnlich §  1177 Abs.  1. S.  1 BGB – diskutiert werden. Gleichwohl auch diese Lösung nur eingeschränkt überzeugt, lässt sie sich überhaupt nur wegen des Gleichlaufs von Hypothek und Grundschuld diskutieren, deren Unterschied einzig im Grad ihrer Akzessorietät besteht. Weder für das Pfandrecht noch für die Bürgschaft hat der Gesetzgeber ein paralleles, nicht akzessorisches Gegenstück geschaffen, auf welches – zumindest ansatzweise – im Notfall zurückgegriffen werden könnte (Vgl. §  1177 BGB). Nichtsdestotrotz dürfte hieran bewiesen sein, dass die Frage nach dem Schicksal aller Sicherheiten im Falle einer Störung beim Hauptschuldner als völlig unbefriedigend gelöst gilt. Einzig im Rahmen der Hypothek gibt es zumindest für die Übertragung eine wenigstens partielle, aber keinesfalls verallgemeinerungsfähige Lösung.

3. Relevanz jenseits der Bürgschaft Unbeantwortet ist damit lediglich noch die Frage, weswegen gerade die Bürgschaft vornehmliche Beachtung in der höchstrichterlichen Rechtsprechung ge106 BeckOK-BGB/Rohe,

§  1138 Rn.  1. §  1138 Rn.  15.

107 MüKo-BGB/Eickmann,

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F. Beweisführung und generelle Übertragbarkeit des Lösungsansatzes

funden hat. Dies lässt sich teilweise dadurch erklären, dass die Vorschriften, welche den Wegfall des Hauptschuldners und damit die hierzu ergangenen Entscheidungen des RG erst provozierten, ein eher variierendes Schicksal für eventuelle bestehende Sicherungsrechte vorsahen. In §  3 des Gesetzes über die Einziehung kommunistischen Vermögens vom 26. Mai 1933108 sollten einzig die an Grundstücken bestehenden Sicherungsrechte aufgrund ausdrücklicher Anordnung unberührt bleiben, wohingegen alle anderen Rechte ungeachtet ihrer Folgen erlöschen sollten. Dies erklärt zumindest in den vom RG behandelten Entscheidungen den fehlenden Bezug auf Hypotheken, da sich hier kein akzessorisches Spannungsfeld auftat und sich eventuell forderungsentkleidete Hypotheken somit stets in Fremdgrundschulden umwandelten.109 Andererseits muss die Einseitigkeit zulasten der Bürgschaft110 als vollkommen zufällig gewertet werden, weil sich die hierzu ergangenen Urteile problemlos auch auf die anderen akzessorischen Sicherheiten übertragen ließen. So ist es im Ergebnis irrelevant, ob die Hauptschuld der wegen Vermögenslosigkeit gelöschten Gesellschaft in BGHZ 82, 323 durch Pfandrecht, Bürgschaft oder Hypothek gesichert war. Die spezifische Einmaligkeit der Bürgschaft spielt weder bei den vom RG entschiedenen Fällen noch beim BGH eine Rolle. Entscheidend war nur die akzessorische Verknüpfung zur Hauptschuld und nicht die Klassifizierung als Hypothek, Pfandrecht oder Bürgschaft.

4. Ergebnis Die generelle Relevanz des vermögensbedingt weggefallenen Hauptschuldners für akzessorische Sicherungsrechte dürfte mithin deutlich geworden sein und die Verortung der hierzu ergangenen Rechtsprechung als unübertragbares Bürgschaftsspezifikum wurde klar widerlegt.111 Eine Korrektur bzw. Neubewertung dieser Fragestellung ist deshalb von einem weit größeren Interesse getragen, als zunächst vermutet werden könnte, da die Problematik prinzipielle Schwierigkeiten bereitet. Es kann in Anlehnung an die bereits ausgeführte Theorien- und Rechtslage aus diesem Grund gleichfalls festgestellt werden, dass aufgrund der nach allen Ansichten aufrechtzuerhaltenden Verbindlichkeiten auch alle akzessorischen Sicherheiten vollumfänglich bestehen bleiben. Dabei spielt die Art des Sicherungsrechtes keine Rolle, weil die Ausgangsbedingungen eines weggefallenen Hauptschuldners und einer Sicherheit, die einer zu sichernden Hauptschuld be108 

RGBl. 1933 I S.  293. RGZ 153, 338, 342. 110  Mit einer einzigen Ausnahme zur Hypothek, BGHZ 48, 303. 111 Ebenso Becker-Eberhard, S.  470. 109 

III. Übertragbarkeit auf den Wegfall des Hauptschuldners

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darf, in jedem Falle gleich sind. Die gesamte Dogmatik rund um die sich verselbstständigende Bürgschaft bzw. ausnahmsweise auszusetzender Akzessorietät bedarf keiner analogen oder sinngemäßen Übertragung auf andere akzessorische Sicherheiten. Inwiefern eine solche Übertragung daher wünschenswert oder überhaupt zulässig erscheint, kann deshalb dahinstehen, weil in allen relevanten Konstellationen vermögenslos weggefallener Hauptschuldner die gesicherte Hauptschuld fortbesteht. Wiederum spielt es keine Rolle, welche Ansicht zur Vollbeendigung hierzu vertreten wird, da sie, wie aufgezeigt, allesamt die Wertungen des Gesetzgebers zur Nachtragsliquidation berücksichtigen müssen. Das von den wenigen gesetzlichen Normen geschaffene Kontinuitäts-Korsett der Nachtragsliquidation, welches genau diesem einen vermeintlich beendeten Rechtsträger auch exakt sein einstiges Vermögen und seine alten, aber inhaltlich unveränderten Verbindlichkeiten zubilligen will, lässt gar keine anderen Schlüsse zu, als ihn samt Hauptschuld für noch vorhanden anzusehen. Die Voraussetzungen für die Durchsetzung der Gläubigerforderung gegenüber dem Hypothekenschuldner oder Pfandgeber sind erfüllt, da neben dem eingetretenen Sicherungsfall auch der Sicherungsvertrag und die zu sichernde Forderung vorliegen. Die Problematik in Bezug auf die wegen Vermögenslosigkeit des Hauptschuldners weggefallene Hauptschuld stellt sich als bloßes Scheinproblem darum nicht.

G. Zusammenfassung Die Auffassung des BGH ist im Ergebnis der Ausdruck eines über die Rechtsprechung hinweg verlaufenden Konsens, den Gläubiger bei Wegfall des Hauptschuldners, trotz bzw. gerade wegen einer damit einhergehenden Bürgschaftsabsicherung nicht unbefriedigt zurückzulassen. Diesem Gedanken wird sich vorliegend auch aus Billigkeitsgründen ausdrücklich angeschlossen, da der Bürge nicht die Vermögenslosigkeit absichern und hierdurch gleichzeitig von seiner Pflicht zur Leistung befreit werden kann. Freilich sollen diese Gerechtigkeitsüberlegungen nur als Intention zum Ergebnis herangezogen werden und nicht als Begründung für das Ergebnis selbst. Trotzdem gilt auch bei einhelligen Zielen innerhalb der Rechtswissenschaft, dass sie sich juristisch begründen und messen lassen müssen, ohne dogmatische Kollateralschäden zu verursachen. Der BGH hat jedoch – wie aufgezeigt – mit der Etablierung einer verselbstständigten Bürgenschuld dem Bürgschaftsrecht einen schweren dogmatischen Schlag versetzt. Nicht zuletzt das über 20 Jahre später ergangene Nachfolgeurteil zur Korrektur der Verjährungseinrede nach §  768 BGB zeugt von einer zutiefst ergebnisorientierten Argumentation, welche die gesamtstrukturelle Sichtweise missen lässt. Am Ergebnis gemessen erscheint es unverständlich, weshalb der BGH auf eher unscharfe Erwägungen wie den Bürgschaftszweck zur Begründung einer nicht kodifizierten Ausnahmeregelung der Akzessorietät zurückgreift. Damit gibt er die Akzessorietät als Strukturprinzip der Bürgschaft nicht nur auf, um einen einzigen Sonderfall richtig aufzulösen, sondern kehrt sie regelrecht um. Die Bürgschaft soll vom Bestand der Hauptschuld abhängig sein und eben nicht losgelöst von ihr existieren. Lässt man die Bürgschaft deshalb aus Gründen, die vom Zweck getragen sind, nicht untergehen, missachtet man zudem genau jenen Zweck, den man vorgibt zu schützen, indem man wertungswidrig den Gläubiger zulasten des Bürgen übervorteilt. Durch die Verselbstständigung der Bürgschaft erschafft der BGH eine neue Kreditsicherheit, die unter den Vorzeichen fraglicher Regress- (§  774 BGB), Sanktionsmöglichkeiten (§  776 BGB) und Übertragung (§  401 BGB) vom Bürgen in dieser Form niemals akzeptiert worden wäre. An dessen Ende steht dann eine auf Garantiebedingungen heruntergebrochene Bürgschaft, welche vom Gesetzgeber derge-

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stalt nicht geregelt wurde1 und in ihrer aktuellen Begründung zu einer nur schwer erträglichen Rechtsunsicherheit führt.2 Richtiger ist es vielmehr, auf eine Ausnahme zu verzichten und die Lösung dort zu suchen, wo das Problem seinen Lauf genommen hat. Deshalb ist nicht etwa beim Wegfall der Bürgschaft aufgrund des Akzessorietätsprinzipes anzusetzen und schon gar nicht auf eine Verselbstständigung, sondern bereits beim Wegfall der zugrundeliegenden Hauptschuld und damit beim Hauptschuldner selbst. Dabei ist nicht zuletzt auch eine Neubewertung von Argumenten der damals wie heute h. M. nötig. Fragen der Vertragshilfe, welche noch ausschlaggebende Überlegungen in der Nachkriegszeit zur Folge hatten3, haben heute keine Bedeutung mehr und müssen dergestalt auch keine Berücksichtigung finden. Handelt es sich hierbei doch ohnehin um extreme Ausnahmefälle, die keiner allgemeinen Regel gehören können, sondern stets in ihren Folgen einer Ausnahme bedürfen. Der vermögenslose Hauptschuldner ist hingegen keine solche Ausnahmeerscheinung, sondern Teil der wirtschaftlichen Realitäten einer jeden Marktwirtschaft. Sie müssen dementsprechend auch eine regelmäßige und keine ausnahmsweise Berücksichtigung finden. Die vorliegende These vermag der Problematik zu eben jener routinemäßigen Betrachtung zu verhelfen, der ihr gebührt. Insofern hat sich die Annahme, dass der Bürge auch beim vermögensbedingten Wegfall des Hauptschuldners, abseits jeglicher Verselbstständigung und Fiktion, weiterhin haftet, bewahrheitet. Dies ergibt sich: 1. Aus der Gesamtschau aller vertretenen Ansichten zur Vollbeendigung ergibt sich, dass unbefriedigt gebliebene Verbindlichkeiten nicht untergehen. Es wurde deutlich gemacht, dass der alte Rechtsträger wegen der ständig denkbaren Nachtragsliquidation entweder nie vollbeendigt wird (Lehre vom Doppeltatbestand) oder eigenständige Nachgesellschaften entstehen (Lehre konstitutiver Registerlöschung), welche durch eine Art Rechtsnachfolge als neues Zuordnungssubjekt des alten Vermögens und der noch bestehenden Verbindlichkeiten fungieren. Gemeinsam sind diesen Meinungen, dass sie in jedem Fall eine Erklärung für den kontinuierlichen Bestand der alten Verbindlichkeiten durch einen nach wie vor existierenden Rechtsträger bieten. 1  Die

Bürgschaft sollte mit ihren Eigenarten als besonderer Fall der Garantie geregelt werden, da alle anderen Garantieausprägungen, gerade wegen ihrer Verschiedenartigkeit keine Kodifikation erleben sollten, vgl. hierzu ausführlich m. w. N. BeckOGK/Madaus, §  765 Rn.  492 ff. 2  Ähnlich auch schon RGZ 148, 65 (66), in welcher es das RG als zwingend ansieht, dass mit der Hauptschuld auch die Bürgschaft erlöschen muss, da ansonsten ein selbstständiges Garantieversprechen vorläge. 3  So etwa bei Jauernig, NJW 1953, 1207 und Reinicke, MDR 1952, 708.

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2. Der Grund hierfür liegt im Vorhandensein einer potentiell ewig durchführbar erscheinenden Nachtragsliquidation. Die Nachtragsliquidation, welche gerade damit gerechtfertigt wird, dass man die tatsächliche Vermögenslosigkeit nicht mit Sicherheit bejahen kann und deshalb für den Fall doch noch vorhandener Vermögenswerte auch Jahre später eine Liquidation durchzuführen ist, steht jeder endgültigen Vernichtung entgegen. Sie kann eben nicht nur als bloßes Hilfsvehikel deklariert werden, das nur im Falle von Vermögen in Erscheinung tritt und ansonsten nicht für eine generelle Argumentation taugt. Entscheidend ist die unabänderliche Unfähigkeit aller Beteiligten zur Beurteilung, ob denn wirklich keinerlei Vermögen mehr vorhanden ist und die Reaktion der Wissenschaft, hierauf mit einem allzeit bereiten dogmatischen Fundament antworten zu müssen. Ganz gleich, ob eine Vollbeendigung mit Registerlöschung theoretisch erreichbar erscheint, verliert sie in Anbetracht wie auch immer gearteter Nachgesellschaften jegliche Konsequenzen, wenn die Rechtsträgerschaft – wenn auch in anderer Form – samt Verbindlichkeiten einfach fortlebt. Will man jedoch herrenloses Vermögen verhindern und gleichzeitig während der möglichen Nachtragsliquidation mit Rechtsgrund alte Verbindlichkeiten erfüll- bzw. durchsetzbar machen, verbieten sich auch jegliche Beschränkungen in zeitlicher oder sachlicher (bspw. bloß subjektive Vermögenslosigkeit etc.) Hinsicht. 3. Infolgedessen lässt sich, bezogen auf die Bürgschaft im Speziellen und alle akzessorischen Sicherheiten im Allgemeinen, konstatieren, dass jegliche Schwierigkeiten mit (vermögenslos) weggefallenen Hauptschuldnern im Bereich der Bestandsakzessorietät Scheinprobleme sind. Die Verbindlichkeiten bestehen ebenso weiter wie die zugrundeliegenden akzessorischen Sicherungsrechte, da noch immer eine sicherbare Hauptschuld existent ist. Damit die hierzu ergangene Rechtsprechung nicht zum Selbstzweck mutiert, muss die Frage, ob die Hauptschuld denn nun tatsächlich durch Vollbeendigung des Hauptschuldners weggefallen ist, mit Verweis auf einen eventuellen Vermögenszufluss mit anschließender Nachtragsliquidation verneint werden. Die Beantwortung genau dieser Frage kann eben nicht mit dem Argument offengelassen werden, dass sich die Akzessorietät bei der Bürgschaft ohnehin verselbstständige, so dass es nicht darauf ankäme, den Verbleib der Hauptschuld zu hinterfragen.4 Völlig unbefangen und ohne Verwendung jeglicher Theorien oder Annahmen kann damit die cessio legis (§  774 BGB), Übertragbarkeit (§§  398, 401 BGB) oder Verjährungseinrede (§  768 Abs.  1 S.  1 BGB) erklärt werden.

4 

Vgl. BGHZ 48, 303; 74, 212; 153, 337; BGH NJW 2012, 1645 Rn.  11.

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Schon eine ganz natürliche und untechnische Betrachtungsweise spricht für die hier vertretene These. So kann man sich etwa einen unbedarften Gläubiger mit einer Forderung vorstellen, der sich einem vermögenslosen und mittlerweile gelöschten Schuldner gegenübersieht. Dem Gläubiger würde nun gesagt, dass nach allen erdenklichen Ansichten Vollbeendigung eingetreten ist mit der gleichfalls unbestrittenen Folge des Erlöschens seiner Forderung. Erläutert würde ihm das freilich mit der in jedem Lehrbuch und Kommentar nachzulesenden Begründung, dass ein gegenseitiges Schuldverhältnis auch zwei Parteien bedarf, die nun aber nicht mehr gegeben seien, weil Vollbeendigung die rückstandslose Vernichtung der ehemals mit Rechtsfähigkeit ausgestatteten juristischen Person meint. Als Konsequenz dieser Aussagen würde der Gläubiger seine Forderung nun abschreiben wollen, die Unterlagen hierfür nach einiger Zeit vernichten, da sie ihm als völlig wertlos bestätigt wurden. Wird nun nach vielen Jahren doch noch Vermögen aufgefunden und ein Nachtragsliquidationsverfahren initiiert, war nicht nur die Abschreibung der Forderung falsch, sondern auch die gegenüber dem Gläubiger getätigte Auskunft über deren Wertlosigkeit. Zurecht würde er sich schlecht beraten fühlen, wenn er um diese Ausnahme gewusst hätte, denn das Vernichten eventueller Unterlagen hierzu ist dann umso fataler, wenn ihm dadurch der Nachweis für seine Befriedigung nicht mehr gelingt. Freilich kommt eine seriöse anwaltliche Beratung nicht um den Hinweis einer theoretisch jederzeit denkbaren Nachtragsliquidation umhin. Das Beispiel sollte zugespitzt jedoch verdeutlichen, dass es, abseits jeglicher theoretischer Konstrukte, in der Praxis keine Vollbeendigung gibt. Es nützt dem Gläubiger nichts, wenn er um das Schicksal und die Werthaftigkeit seiner Forderung Bescheid wissen will und dabei lediglich auf die Vollbeendigung und deren Bedeutung hingewiesen wird, ohne dass ihm die Folgen der Nachtragsliquidation vor Augen geführt werden. Für den Gläubiger macht es nämlich praktisch keinen Unterschied, ob die Rechtswissenschaft ewig bestehende Gesellschaften durch allerhand dogmatische Konstruktionen sowie Erklärungen zu vermeiden versucht, wenn es sich im Rahmen der Nachtragliquidation eben auch nach Jahren noch so darstellt, als bestehe die Gesellschaft samt ihrer Schulden immer noch. Läuft es in der Konsequenz darauf hinaus, dass die Vollbeendigung nach allen Ansichten de facto entwertet ist, sind die bloß theoretisch damit einhergehenden Folgen für ihn völlig irrelevant. Dass dies auch rechtstheoretische Realität ist und trotzdem größtenteils vollkommen folgenlos hingenommen wird, ist umso erstaunlicher, kommt doch dieser Umstand bei konsequenter Anerkennung und Fortentwicklung einer Menge entstandener Probleme entgegen. Obendrein bedarf es einer sehr viel stärkeren Verzahnung des Bürgschafts- mit dem Gesellschaftsrecht. Anders lässt sich die fast schon abgekoppelte Rechtsprechung mit ihrem sehr isolierten und einseitigen Lösungsansatz gar nicht erklären. Die sich

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aus dieser Begleiterscheinung zur Nachtragsliquidation ergebenden Schlüsse sind es deshalb wert, nicht länger ignoriert zu werden und verdienen nicht nur im Gesellschaftsrecht selbst, sondern in allen hiermit verbundenen Rechtsgebieten eine sehr viel stärke Berücksichtigung.

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Register Abtretung  23, 186 Abwicklungsbedarf  34 ff., 106 ff., 126 ff. Akzessorietät – Ausnahme  10 ff., 28 ff., 52 – kausale  60 ff. – Zurechnungsmodell  56 ff. Akzessorische Sicherheiten  188 Auflösung – Gesellschaft  34 ff., 96 f. – politisch  29, 43, 153 ff. Aufopferungsanspruch 179 Becker, Eberhard siehe Sollenselement Beendigung siehe Vollbeendigung Befriedigungsinteresse  56 ff. Bekommensollen  8 f., 48, 51 ff. Bürge – Einreden  14, 25 ff. – Regress siehe Cessio legis – Stellung  41 Bürgschaft – Übertragung siehe Abtretung – Verpflichtung  5 ff., 41 ff. Cessio legis  16 ff., 186 Doppeltatbestand  35 f., 126 ff. Doppelverpflichtungstheorie  134 Draft Common Frame of Reference  84 ff. Firma  166 ff. Firmenfortsetzung  168 Forderungsfiktion  66 ff., 184 Fortbestand – Bürgenschuld  7 ff., 47 – Gesellschaft  103, 141 – Hauptschuld siehe Forderungsfiktion

Garantie  187, 193 f. Gesellschafterhaftung  130 ff., 133 f. Gläubiger  42 Gläubigerschuld  47 ff., 183 Grundschuld 187 Handelsregister  35, 37, 109 f., 111 ff., 121 Hauptschuld  43 f., 49, 141 f., Hauptschuldner  5 ff., 33 ff., 43 f., 187 ff. Hypothek 188 Insolvenz  136 ff., 156 ff. Iversen siehe Akzessorietät Zurechnungsmodell Juristische Person des öffentlichen Rechts  39 f. Konstitutive Registerlöschung siehe auch Handelsregister  111 ff. Legende  176 ff. Leistensollen  8, 48 ff. Liquidation  34 ff., 106 ff., 158 ff. Nachbürgschaft  21 Nachgesellschaft – fiktiv  112 ff. – sui generis 115 f. – teilrechtsfähig  116 f. Nachtragsliquidation  106 ff. Nachtragsverteilung  136 ff. Naturalobligation  17 f., 31 f., 54 nicht akzessorische Sicherheiten  187 Parteifähigkeit  145 Personengesellschaft  36 ff., 130 ff. Pfand 188 Preußisches Allgemeines Landrecht  81 ff.

210 Rechtsprechung – des BGH  10 ff., 147 ff. – des RG  8 ff., 152 ff. Relative Rechtsfähigkeit  175 Schmidt, Karsten siehe Doppeltatbestand Schuld und Haftung  8 f., 51 ff. Schuldbeitritt  78 ff., 187 Sicherheitenaufgabe  23 Sicherungsabtretung 187 Sicherungsgrundschuld 187 Sicherungsübereignung 187 Sondervermögen  114 Steuerpflichtigkeit  162 ff. Störung der Geschäftsgrundlage  74 ff.

Register Teilrechtsfähigkeit  174 ff. Übertragung siehe Vermögensübertragung Ultra-vires Verbot  117, 174 Verdeckter Ermittler  176 ff. Verjährung  14, 150 ff. Vermögensbegriff  143 f., 160 Vermögenslosigkeit  118 ff., 122 f., 142 ff. Vermögensübertragung  125 Verschmelzung  125 Vollbeendigung  34 ff., 109 ff., 142