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German Pages 228 [236] Year 2012
Erik Nagel (Hrsg.) Forschungswerkstatt Innovation
Forschungswerkstatt Innovation Verständnisse — Gestaltung — Kommunikation Ressourcen
Herausgegeben von Erik Nagel
Lucius & Lucius · Stuttgart
Anschrift der Herausgeber: Prof. Dr. Erik Nagel Hochschule Luzern — Wirtschaft Institut für Betriebs- und Regionalökonomie Zentralstrasse 9 6002 Luzern SCHWEIZ Email: [email protected]
Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb. de abrufbar
ISBN 978-3-8282-0561-1 © Lucius & Lucius Verlagsgesellschaft mbH · Stuttgart · 2012 Gerokstraße 51 · D-70184 Stuttgart · www.luciusverlag.com
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Druck und Einband: Rosch-Buch, Scheßlitz Printed in Germany
Vorwort Verbunden mit der Entscheidung, an den Fachhochschulen Masterprogramme an2ubieten, wurden an der Hochschule Luzern gezielt Mittel für die Forschung in den Masterthemen zur Verfügung gestellt. Für das wirtschaftswissenschaftliche Departement der Hochschule wurde sodann das Programm „Business Development and Promotion" entwickelt und mit knapp 1.8 Millionen Franken über drei Jahre hinweg ausgestattet. Ziel des Forschungsprogramms war es, die wissenschaftliche Kompetenz thematisch gezielt und nachhaltig aufzubauen und weiter zu entwickeln. Dieses Ziel wurde in mehrfacher Hinsicht erreicht. Erfahrene Forscherinnen und Forscher konnten ihren Interessensgebieten nachgehen und es konnten diverse Nachwuchsforschungskräfte an die Hochschule geholt und in konkrete Forschungsprojekte eingebunden werden. Dank des Programms entstand eine Vielzahl wissenschaftlicher Publikationen (26) und Konferenzbeiträge (15) sowie der vorliegende wissenschaftliche Sammelband. Die Hochschule konnte sich auch in europäischen Forschungsnetzwerken bekannt machen und spielt dort nun über die gemeinsame Ausrichtung einer Konferenz mit anderen Hochschulen (CInet) sowie eine assoziierte Mitgliedschaft in einem Forschungskonsortium (Netgrow) eine aktive Rolle in der Wissenschaftsgemeinschaft. Als Hochschule, die angewandte Wissenschaften betreibt, ist es ebenso wichtig, dass die Erkenntnisse der Praxis zur Verfügung gestellt und die Zusammenarbeit mit der Praxis gefördert werden. Auch dazu hat das Forschungsprogramm einen wichtigen Beitrag geleistet. Es sind 35 Veröffentlichungen in praxisorientierten Organen entstanden. Darüber hinaus sind unzählige Kontakte zu Führungskräften und Unternehmen entstanden, mit Schwerpunkten in der Zentralschweiz. Schließlich ist hervorzuheben, dass die Hochschule aufgrund ihrer intensiven Forschungs- und Vernetzungsarbeit das Schweizer Innovation Lab (ILab) in Kooperation mit anderen Schweizer Hochschulen in Luzern gründete. Innovation Labs entstanden zuerst als Kooperation von deutschen, britischen und dänischen Wissenschaftlern und Praktikern. Die Plattformen existieren mittlerweile in verschiedenen Ländern und dienen der Vernetzung zwischen Praxis und Forschung. Ziel eines ILabs ist, dass neue Erkenntnisse zur wirksamen Gestaltung von Innovationen generiert und neue Managementkonzepte diskutiert werden. Das Forschungsprogramm hat die Forschung an der Hochschule nachhaltig gefördert. Auch dies wurde erreicht, indem aus dem Forschungsprogramm unmittelbar elf neue Forschungsinitiativen und drittmittelfinanzierte Projekte entstanden oder am Entstehen sind. Aus dieser differenzierten Darstellung geht nicht nur die Wirkung des Forschungsprogramms hervor, es wird auch der mehrfache Leistungsauftrag an die
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Fachhochschule deutlich. Sie muss sich zum einen wissenschaftlich profilieren, um in der Wissenschaftsgemeinschaft Anschluss zu finden und so auch an spannenden (internationalen) Forschungsprogrammen teilnehmen zu können. Sie ist aber ebenso gefordert, den „Wert" der Forschung in der Praxis erlebbar zu machen. Ich spreche hier nicht vom (unmittelbaren, ex ante quantifizierbaren, ökonomisch bezifferbaren) Nutzen. Der Wert der Forschung für die Praxis entsteht zumeist dann, wenn eine Verständigung über den zu beforschenden Gegenstand stattfindet. Gute Forschung setzt aber auch Unabhängigkeit voraus. So wird denn auch ein Auflösen der Grenzen von Wissenschaft und Praxis beobachtet oder gar auch gefordert1. Diese Grenzarbeit an den Schnittstellen zwischen Wissens-, Wertund Handlungsfeldern2 erfordert ein Umdenken, aber auch neue Handlungskompetenzen. Die Forschung muss sich „ins Getümmel werfen", mit den Praktikern ins Gespräch kommen und den Forschungsgegenstand aushandeln. Dies geht aber nur, wenn weder die Praxis sich „verakademisiert" noch die Wissenschaft sich von praktischen Interessen von ihrem Erkenntnisauftrag abbringen lässt. Die gegenseitige Anerkennung der je spezifischen Anforderungen ist Voraussetzung für eine fruchtbare Zusammenarbeit. Wird die Forschung rein in den Dienst eines spezifischen Zwecks gestellt, produziert sie (von wem auch immer) Gewünschtes. Entfernt sich die angewandte Forschung wiederum zu sehr von Anliegen, Interessen und vor allem auch der Sprache der Praxis, so ist sie dort nicht anschlussfähig und kann auf keine Unterstützung hoffen. Die Fachhochschulen haben mittlerweile eine neue Praxis der angewandten oder praxisorientierten Forschung entwickelt, die bislang noch zu wenig erkundet ist. Es muss den Fachhochschulen der Freiraum zugesprochen werden, ihr spezifisches, eigenes, wenn auch über verschiedene Disziplinen und Zielgruppen hinweg unterschiedliches Forschungsverständnis zu entwickeln und zu etablieren. Die Fachhochschulen existieren seit 1995. Wenig fruchtbar und zweckmäßig scheint es, die universitäre Forschungslogik kopieren zu wollen. Die Forschung an der Fachhochschule bewegt sich schließlich an deutlich mehr Schnittstellen. Luzern, den 23. September 2011 Erik Nagel Leiter Forschungsprogramm „Business Development and Promotion"
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Nowotny, H., Scott, P., & Gibbons, M. (2001). Re-Thinking Science. Knowledge and the Public in an Age o f Uncertainty. Cambridge: Polity Press. Lieven, Oliver; Maasen, Sabine (2007): Transdisziplinäre Forschung: Vorbote eines "New Deal" zwischen Wissenschaft und Gesellschaft? In: G A I A 1 / 2 0 0 7 , S. 35-40.
Inhaltsübersicht Vorwort Inhaltsübersicht
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Einleitung
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Systeminnovationen — Die zukünftige Herausforderung für Unternehmen Christine Larbig, Nikola Bohrer & Stefan Hermann
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Bedeutungskonstruktion in Innovationsprozessen: Artefakte als Mittler (mediators) zwischen Struktur und Chaos Jacqueline Holzer
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Corporate Innovation Politicians: Practicing the High Arts of Innovation Politics in a Large Service Company Culture Martin Sprenger & Jens O. Meissner
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Innovation leadership: balancing paradoxes of innovation Stephanie Kaudela-Baum Schlüsselherausforderungen fur Innovationen in der Nahrungsmittelbranche: Die Sicht von KMU-Managern Pierre-Y ves Kocher & Patricia Wolf Berücksichtigung der Innovation in der Integrierten Unternehmens-Planung Michael Blankenagel & Thomas Fischer Service Innovation and Storytelling - Results from a case study Roman Aebersold & Adrienne Schäfer Erfolgsfaktor Innovationskommunikation — Eine explorative Analyse der Gestaltung und Wahrnehmung von Innovationskommunikation Dorothea Schaffner Nutzung von Social Media für die Marketingforschung: Kommunikationsräume, Analysemethoden und Anwendungsbereiche Seraina Mohr & Dorothea Schaffner Corporate Venturing Eine strategische Handlungsalternative im Business Development Stephan Emi & Christian Wunderlin
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Einleitung In diesem Sammelband sind, wie im Vorwort ausgeführt, diverse Forschungserkenntnisse aus dem Forschungsprogramm „Business Development and Promotion" versammelt. Handelt es sich hier um trans-, inter- oder multidisziplinäre Projekte - alles mehrfach definierte und bis zur Unkenntlichkeit und unter Beweis des Gegenteils umgedeutete Begriffe? Bleiben wir bei der Wortbedeutung, dann kennzeichnet der Wortstamm „trans" das enge Zusammenspiel und die Überschreitung der Grenze zwischen Wissenschaft und Praxis. Die Arbeit wurde teilweise in Gruppen realisiert, die disziplinär ausgerichtet waren (z.B. Corporate Finance) oder in Gruppen, die sich aus verschiedenen disziplinären Hintergründen zusammensetzten (Betriebswirtschaft, Soziologie, Sozialpsychologie, Sprachwissenschaft, Design etc.). Zudem verschwimmen heute ohnehin eindeutige Grenzen zwischen den Disziplinen. Die Forschung im Bereich Management bedient sich seit langem verschiedener Disziplinen. Einzelne Beiträge bewegen sich über Disziplinen hinweg („trans") oder zwischen den Disziplinen („inter"). Der Band versammelt Erkenntnisse, die mit unterschiedlichen Methoden (qualitativ, quantitativ) und unterschiedlichen theoretischen Zugängen erkundet wurden und zu spannenden und sich gegenseitig ergänzenden Erkenntnissen gelangen. Dies liegt wohl auch daran, dass den einzelnen Forschungsprojekten ein gemeinsamer Erkenntnisrahmen zur Verfügung stand. Im Zentrum steht die Frage danach, wie „das Neue in die Welt kommt" oder dabei „behindert wird, in die Welt zu kommen". Es wird über alle Projekte hinweg zu klären versucht, welche Prozesse, Verfahren oder Ressourcen diesen Entstehungsprozess fördern oder behindern. Dies ist denn auch die im Verlauf des Forschungsprogramms entstandene inhaltliche Ausfüllung des englischen Begriffs „Business Development and Promotion". In diesem Band finden sich auch Beiträge auf Englisch, da einzelne Forschungsarbeiten ihre Erkenntnisse gezielt in die internationale Forschungsgemeinschaft einbringen. Die Beiträge des Sammelbandes sind wie folgt gegliedert: In einem ersten Teil werden unterschiedliche Verständnisse von Innovationen dargestellt und die Systeminnovation als mehrdimensionale, erfolgversprechende aber auch herausforderndste Innovationsart theoretisch vorgestellt und an einem Praxisbeispiel veranschaulicht. Im ^weiten Teil wird dem innerorganisatorischen Innovationsprozess auf die Spur gegangen und organisationale Bedingungen für Innovation, aber auch Anforderungen an Innovation erkundet. Der dritte Teil befasst sich mit der Frage, wie ,der Kunde' erreicht und vom Produkt oder der Dienstleistung besser überzeugt werden kann, aber auch wie dessen Einschätzungen und Meinungen (für die Angebotsentwicklung, das Image der Unternehmung etc.) besser eingefangen werden können. Im vierten und letzten Teil wird der Frage der Inno-
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Einleitung
vationsfinanzierung nachgegangen und dabei die besondere Form des Corporate Venturing genauer analysiert. Teil 1:
Innovationsverständnis
Der Beitrag von Christine iMrbig, Nikola Bohrer und Stefan Hermann stellt die Systeminnovation als besondere Innovationsform oder -kategorie vor, mit der technische, organisatorische, marktbezogene und akteurs-strukturelle Veränderungen verbunden sind und so, nach ihrer Einschätzung, ein nachhaltiges Wertschöpfungspotential gewonnen werden kann. Der Beitrag fasst die wichtigsten Charakteristika von Systeminnovationen zusammen und veranschaulicht diese anhand eines aktuellen Beispiels. Mit Chancen und Herausforderungen von Systeminnovationen zeigt der Artikel zum Abschluss auf, worauf Unternehmen, die den Weg über Systeminnovationen gehen möchten, zu achten haben. Teil 2: Gestaltung des
Innovationspro^esses
Der Beitrag von Jacqueline Holser betrachtet den o r g a n i s a t i o n a l Innovationsprozess als Ablauf von Ereignisketten. Sie befasst sich mit der Frage, welche Bedeutungskonstruktionen in Innovationsprozessen entstehen und wirken; sie kommt zum Schluss, dass Artefakte in organisationalen Konstruktionsprozessen zwischen Struktur und Chaos als Mittler (mediators) fungieren (können). Anhand einer Fallstudie wird dargelegt, wie es einem interdisziplinär zusammengesetzten Team gelingt, sich in einem von Routine geprägten Innovationsprozess über Abteilungsgrenzen hinweg zu verständigen und neue Produkte herzustellen. Zudem widmet sich die Studie der Frage, wie mit nicht intendierten Handlungsfolgen, die während eines von Routine bestimmten Innovationsprozesses auftreten können, umzugehen ist. Martin Sprenger und Jens 0. Meissner legen ebenfalls eine prozess- und ereignisorientierte Perspektive auf den Innovationsprozess. Sie stellen einen konkreten Innovationsprozess dar und kommen zum Schluss, dass die Organisationskultur Innovationsprozesse maßgeblich prägt. Sie identifizieren kulturelle Merkmale, die sich förderlich auf Innovationsprozesse auswirken und kommen zum Ergebnis, dass Innovationsmanager ein dynamisches, dem jeweiligen Firmenkontext angepasstes Rollenmodell, bestehend aus dem Visionär, dem Teamleader und dem Politiker, anwenden sollten, um Innovationen zum Erfolg zu führen. Der von Stephanie Kaudela-Baum verfasste Beitrag geht der Frage nach, wie Führungskräfte in innovativen Unternehmen (klein- und mittelständischen Betrieben der Zentralschweiz) die Dynamiken in Innovationsprozessen in ihren Unternehmen deuten und wie sie diese im Führungs- und Arbeitsalltag bewältigen. Auf der Grundlage qualitativer Verfahren wurden Themen und Muster ergründet, die Auskunft geben über die weitgehend impliziten Alltags- und Gebrauchstheorien von Führungskräften, die wiederum von der Unternehmenskultur geprägt sind und diese mitprägen. Es zeigt sich, dass das Denken, Wahrnehmen
Einleitung
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und Handeln der Akteure in Innovationsprozessen ausgeprägt widersprüchlich ist. Auf der Grundlage der Erkenntnisse aus der empirischen Forschung wird ein Rahmenmodell entwickelt, das die grundsätzlichen Widersprüche zwischen „exploitation" und „exploration" aufzeigt und darlegt, wie mit diesen umgegangen werden kann. Pierre-Yves Kocher und Patricia Wolf fokussieren in ihrem Beitrag nicht einen spezifischen Prozess (wie bei Holzer) oder eine spezifische Funktion oder Perspektive (wie bei Kaudela-Baum), sondern eine Branche. Aus Sicht der Managerinnen und Manager in klein- und mittelständischen Betrieben der Zentralschweizer Nahrungsmittelbranche werden die wesentlichen zukünftigen Herausforderungen genauer erkundet. Dabei wird deutlich, dass der Markt als träge beurteilt wird, aber gleichzeitig der Innovationsdruck aufgrund veränderter Marktbedingungen deutlich steigt. Für die befragten Managerinnen und Manager ist die Zukunft ungewiss. Als mögliches Szenario steht die Vernetzung im Vordergrund: Die Akteure versprechen sich durch eine interorganisationale Zusammenarbeit in der Nahrungsmittelbranche eine Verbesserung der Innovationsfähigkeit. Michael Blankenagel und Thomas Fischer basieren ihre Forschung auf einem ganzheitlichen Verständnis von Unternehmensplanung und gehen von einem differenzieren Innovationsverständnis aus: Innovationen kommen geplant oder emergent zustande. Aus der planerischen Perspektive fordern sie, dass das Nutzenpotenzial von Innovationen so früh wie möglich im Prozess thematisiert und identifiziert wird. Hierfür entwickeln sie einheitliche Bezugsgrößen und zeigen auf, wie Innovation als Teil der gesamten Unternehmensentwicklung betrachtet und bewertet werden sollte. Mit der Entwicklung eines Unternehmensmodells machen sie Innovationen als Teil der Integrierten Unternehmens-Planung (IUP) beschreibbar sowie ansatzweise mess- und vergleichbar. Teil 3: Kommunikation mit den Kunden Der Beitrag von Roman Aebersold und Adrìenne Schäfer stellt fest, dass sich mithilfe des Ansatzes des Service Engineering Innovationsprozesse strukturieren und formalisieren lassen. Dieser blendet jedoch die emotionale Dimension (immaterieller) Serviceangebote aus. Die kreativen Branchen, wie Theater oder Kunst, bieten hier eine Möglichkeit, den emotionalen Aspekt zu integrieren. In diesen Branchen findet das Verfahren der „Storytelling" Anwendung. Dem Publikum werden keine sachliche Botschaft oder Informationen vermittelt, es wird vielmehr eine Geschichte erzählt, die intuitiv verstanden wird oder zu entschlüsseln ist. Der Beitrag zeigt anhand einer Fallstudie auf, wie Service Engineering und Storytelling kombiniert werden können, um ein Diensdeistungsangebot strategisch zu positionieren und mit den Kunden in Interaktion zu treten.
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Einleitung
Dorothea Schaffner misst der Kommunikation die entscheidende Bedeutung für die erfolgreiche Lancierung von Innovationen zu. Eine Analyse der Innovationskommunikation aus Sicht der Praxis offenbart die Bedeutung einer klaren und vertrauensbildenden Vermittlung von Botschaften. Zudem wird deutlich, dass Kommunikationsmitdern eine wichtige Funktion im Kommunikationsprozess zukommt. Eine qualitative Analyse aus Sicht der Zielgruppen bestätigt die gewonnenen Einsichten. Zusammenfassend werden ein Modell der kommunikationsbezogenen Einflussfaktoren sowie konkrete Handlungsempfehlungen für eine zielführende Innovationskommunikation vorgeschlagen. Seraina Mohr und Dorothea Schaffner stellen fest, dass sich das Kommunikationsverhalten von Konsumenten radikal verändert hat. Das Internet bietet die Möglichkeit, unabhängig von Institutionen und klassischen Medien, Informationen zu publizieren und sich auszutauschen. Diese Informationen bieten ein bislang noch weitgehend nicht ausgeschöpftes Potential für die Erkenntnisgewinnung in Unternehmen hinsichtlich der Marktentwicklung. Vor diesem Hintergrund geht der Beitrag den Fragen nach, wie Unternehmen diese Konversationen im Web 2.0 für die Entwicklung neuer Produktideen nutzen oder auch initiieren können und welche Vorteile dies gegenüber klassischen Marktforschungsinstrumenten bringt. Teil 4: Ressourcenbeschaffung für Innovationen Der Beitrag von Stephan Erni und Christian Wunderlin widmet sich dem Aspekt der Finanzierung von Innovationen. Sie gehen davon aus, dass sich reife Unternehmen Innovation unter anderem durch die Beteiligung an jungen Unternehmen (Corporate Venturing, CV) sichern. Finanzielle und strategische Ziele halten sich hierbei die Waage. Sie kommen aufgrund einer empirischen Untersuchung zum Schluss, dass in der Schweiz neben den Großunternehmen auch der Mittelstand signifikante CV-Aktivitäten aufweist. Die Studie analysiert anhand von Fallstudien die Charakteristika von CV-Aktivitäten in Großunternehmen und zieht einen Vergleich zu denen des Mittelstandes. Die Erkenntnis ist, dass der Mittelstand seine CV-Aktivitäten nicht strategisch plant, sondern opportunistisch wahrnimmt.
Systeminnovationen - Die zukünftige Herausforderung für Unternehmen Christine Larbig, Nikola Bohrer & Stefan Hermann
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Einleitung
Wachstum ist für Volkswirtschaften von großer Bedeutung. Unser gesellschaftlicher Wohlstand der vergangenen Jahrzehnte basiert auf dem wirtschaftlichen Wachstum von Unternehmen (NESTA, 2007), das auf wandelnde Erfolgsfaktoren im Marktumfeld der Unternehmen zurückzuführen ist. Waren in den 70er und 80er Jahren Qualität und Zuverlässigkeit wichtige Faktoren, Kunden von Marktleistungen zu überzeugen (Chase, Jacobs, Robert & Aquilano, 2007), so standen in den 90er Jahren Produktivität und Effektivität im Fokus der unternehmerischen Wettbewerbsfähigkeit. Seit der Jahrtausendwende zählt die Innovationskraft zu den wichtigsten Voraussetzungen, um am Markt erfolgreich zu sein. Die steigende Dynamik und Komplexität der Wirtschaft zwingt Unternehmen dazu, in immer kürzeren Zeitabständen neue Produkte zu entwickeln, um ihre Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten (Gaubinger, Werani & Rabl, 2009) und zu stärken (Thom & Müller, 2006). Gemäß der Excellence-Studie des Beratungsunternehmens Arthur D. Little (Arthur D. Little, 2010) ist Innovation ein wichtigstes strategisches Unternehmensziel für das Jahr 2011. Sie weisen in der Studie nach, dass innovative Unternehmen über ihre neuen Produkte und Services doppelt so viel Umsatz und ein zweimal höheres EBIT realisieren als Unternehmen, die weniger innovativ sind. Innovationskraft wird häufig mit Investitionen in Forschung und Entwicklung (F&E) gleichgesetzt (PRO INNO, 2008), obgleich der Begriff „Innovation" (lat: Erneuerung) ein breites Spektrum von Neuerungen umfasst und damit einen großen Spielraum von Interpretationen zulässt. Es gibt Innovationen, denen besondere Bedeutung zukommt, weil sie gravierende Veränderungen ausgelöst haben. So führte der Container zu einer Verbesserung des intermodalen Transportwesens und revolutionierte die Beschaffungsketten von Unternehmen im globalen Marktplatz. Die Satellitennavigation hat die Bereiche Information und Mobilität von Grund auf umgestellt, und durch die Einführung des Barcodes wurden Warenidentifikation und Qualitätssicherung nicht nur im Einzelhandel sondern auch im medizinischen Sektor auf ein neues Niveau gehoben (Grün, Hauschildt & Jonasch, 2008). Dies alles sind Beispiele von Systeminnovationen. Als Hauptziel wurden Kostensenkung und Rationalisierung genannt.
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Christine Larbig, Nikola Bohrer & Stefan Hermann
Systeminnovationen generieren ein nachhaltigeres Wertschöpfungspotential als die klassischen Produkt- und Prozessinnovationen, da sie technische, organisatorische, marktbezogene und akteurs-strukturelle Veränderungen bewirken (Konrad & Scheer, 2004). Systeminnovationen generieren neues Wachstum in neuen Märkten und bieten Wege, um in radikal veränderten Systemen gewinnbringend zu wirtschaften. Durch die Entwicklung neuer Absatzmärkte sorgen sie für ein profitables Unternehmenswachstum (Weisshaupt, 2008). Nach Weisshaupt (2007) sind es ausschließlich Systeminnovationen, die Kundenorientierung ins Zentrum der Erneuerung setzen. Und obgleich ihre Bedeutung innerhalb der Innovationslandschaft als herausragend zu bezeichnen ist, standen sie bisher nur wenig im Fokus der betriebswirtschaftlichen Innovationsforschung (Grün et al., 2008). Ziel des vorliegenden Beitrages ist es daher, die Systeminnovation in ihrem Wesen darzustellen und sie anhand ihrer Charaktereigenschaften innerhalb der Innovationspraktiken zu positionieren. Im ersten Teil des Artikels werden dabei zentrale Eingrenzungs-, Abgrenzungs- und Definitionsfragen aufgegriffen: Was macht Systeminnovationen so herausragend? Was sind ihre spezifischen Merkmale? Im zweiten Teil des Artikels wird eine zukunftsweisende Systeminnovation in ihren Grundzügen beschrieben, um die Merkmale und Erfolgsfaktoren einer Systeminnovation zu veranschaulichen. Es handelt sich dabei um das Projekt Castrum, welches Anfang 2010 erfolgreich in der Finanzbranche der Schweiz eingeführt wurde. Der Artikel schließt mit den spezifischen Herausforderungen von Systeminnovationen ab, die von Unternehmen, die sich der Herausforderung Systeminnovation stellen, sorgsam durchdacht und gemanagt werden sollten.
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Charakteristika von Systeminnovationen
2.1 Verändern eines Systems Als Objekte der Veränderung im Rahmen eines Innovationsprozesses galten bisher (1) Produkte, (2) Dienstleistungen und (3) Prozesse (Thompson, 1965). Im Alltagssprachgebrauch werden Innovationen primär auf Produktinnovationen bezogen 2 . Darunter sind neue, teils ausgefallene, Produkte zu verstehen, die bestehende oder zukünftige Kundenbedürfnisse befriedigen (Arthur D. Little, 2006) und die die Überlebens- und Wettbewerbsstärke eines Unternehmens durch zukünftige Einnahmeströme sichern (Thom & Müller, 2006). DienstleisIn Erhebungen befragte Manager denken beim Stichwort „Innovation" erwiesenermaßen überwiegend an Produkt- und Verfahrensinnovationen (Thom, 2001).
Systeminnovationen
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tungsinnovationen, als zweite Kategorie der objektbezogenen Abgrenzung, sind neue, immaterielle Markdeistungen, welche uns das Leben vereinfachen. Hierzu zählen integrierte Finanzdiensdeistungen, die die Versicherungs- und Sparprobleme einer Privatperson übergreifend lösen (Bieger, 2000). Weiterhin in diesem Zusammenhang sind Umweltprüfungen für Produktionsprozesse zu nennen, die der zunehmende Sensibilisierung der Gesellschaft für ökologische Belange zuzurechnen sind (Bieger, 2000; Damanpour & Evans, 1984; Schmidheiny, 1992). Analog der Produktinnovation befriedigen Diensdeistungs- oder Serviceinnovationen bestehende oder zukünftige Kundenbedürfnisse (Arthur D. Litde, 2006). Einen hohen Stellenwert für die heutige Wirtschaftswelt nehmen Prozessinnovationen (auch Verfahrensinnovation genannt) ein, welche die Geschäftsabläufe im Hinblick auf operative Effizienz und Effektivität verbessern. Es handelt sich dabei um Verfahren, bei denen Produktionsfaktoren neu miteinander kombiniert werden. Sie sind in der Logistik, der Fertigung und in kaufmännischen Bereichen zu finden (Thom, 2001). Ein anschauliches Beispiel liefert die Entwicklung des papierlosen Büros. Die gestiegene Datenmenge und die elektronischen Kommunikationsmedien sowie die Möglichkeit des zeitgleichen Datenzugriffs förderten die Entwicklung der papierlosen Büros, in denen Expertenteams effizienter und simultan Fälle bearbeiten (Workflow Management, Groupware, Business Process Management). So wurde beispielsweise die Bearbeitung von Baugesuchen digitalisiert. Baugesuche werden in elektronischer Form eingereicht und von verschiedenen Experten für Erdbebensicherheit, Umweltgerechtigkeit, Stadtplanung, etc. gleichzeitig bearbeitet und beurteilt. Die Abkehr vom manuellen Fließprinzip führt zu Kosten- und Zeitersparnissen, von denen auch der Kunde profitiert (Bieger, 2000). Neben den drei objektbezogenen Innovationsformen gibt es die Möglichkeit, über Sozialinnovationen bestehende Beziehungen weiterzuentwickeln. Das Aufkommen von Customer Relationship Management (CRM) förderte die Entwicklung innovativer Marken - z.B. Ritz Carlton - und generierte neue Beziehungslösungen zum Aufbau von Kundenvertrauen und Kundenloyalität (Arthur D. Litde, 2006). Sozialinnovationen beziehen sich zudem auf bewusst gestaltete Neuerungen im Humanbereich innerhalb eines Unternehmens. Ihr primäres Ziel ist die Verbesserung sozialer Beziehungen zwischen zwei Akteuren (Thom & Müller, 2006). Dazu zählen neue Lohnsysteme, innovative Arbeitszeitmodelle oder die Einführung verbesserter Aus- und Weiterbildungskonzepte (Thom, 2001). Die genannten Innovations formen sind nicht losgelöst voneinander zu betrachten; zwischen ihnen können Wechselwirkungen auftreten. So kann beispielsweise die unternehmerische Absicht, ein neues Produkt einzuführen, eine Neuerung im Logistikprozess voraussetzen und initiieren, welche wiederum zu einem neuen Weiterbildungsprogramm für Mitarbeiter führt (Thom, 2001). Obgleich die genannten Innovationsformen weitreichende Veränderungen für den einzelnen oder für eine ausgewählte Gruppe haben können, greifen sie nicht
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in das bestehende System ein. Ein System ist eine gegenüber der Umwelt abgegrenzte Gesamtheit von Elementen, die miteinander in Beziehung stehen. Systeme sind offen gegenüber ihrer Umwelt, welche ihrerseits wiederum ein Supersystem darstellt und das betrachtete System einbettet (Rüegg-Stürm, 2002). Ein grundlegendes Merkmal von Systeminnovationen ist das Generieren tiefgreifender Veränderungen — Veränderungen eines ganzen Systems. Systeminnovationen stellen die gewachsenen Strukturen in Frage. Ein neues System entwickelt sich, Bestehendes wird abgelöst, neue Zusammenhänge und Regeln etablieren sich. Freeman und Perez (1988) schreiben in diesem Zusammenhang von neuen sozio-technischen Konfigurationen, die häufig branchenübergreifend eingeführt werden. Sie knüpfen an lebensweltlichen, gesellschaftlichen und ökologischen Problemstellungen an. Indem sie in bestehende Beziehungen zwischen Organisationen eingreifen, führen sie vielmals zu Änderungen von (1) Produktstandards, (2) Arbeitsprozessen, (3) systemimmanenten Regelungen, (4) Unternehmensstrukturen oder (5) lassen sogar neue Sektoren entstehen. Sie ermöglichen damit technologische sowie soziokulturelle Veränderungen und gehen gleichermaßen mit einer Verhaltensänderung auf der Nutzerseite einher, da sie neuartige ZweckMittel-Kombinationen generieren (Konrad & Scheer, 2004). Systeminnovationen stellen bspw. bestehende Rechte und Standards in Frage, indem sie andere Lösungen aufzeigen. Elemente eines Systems wie Technologie, Märkte, Regulierungen oder Infrastruktur werden neu aufeinander abgestimmt, wodurch sich Beziehungen zwischen diesen Elementen ändern und neue Regeln entstehen (Geels, 2004). Langwierige Verhandlungen mit wirtschaftlichen, politischen und juristischen Akteuren sind deshalb Teil der Systeminnovation. Wirtschaftliche Rahmenbedingungen werden dabei durch diese komplexen Interaktionsprozesse verändert und bewirken eine Beeinflussung der vorherrschenden Machtverhältnisse zugunsten der Systeminnovation (Konrad & Scheer, 2004).
2.2
Mehrdimensionaler Neuigkeitsgrad
Grundlegendes Definitionsmerkmal jeder Innovation ist ihr Neuigkeitsgrad 3 . Der relative Neuigkeitsgrad eines Objektes als Abgrenzungskriterium stellt die Anschlussfähigkeit an bestehende Konstellationen in den Vordergrund. Beeinflussen Innovationen die Beziehungen am Markt bzw. zwischen Marktakteuren und unterstützen die Entwicklung neuer Technologien maßgeblich, ist ihr Neuigkeitsgrad am höchsten (Salomo, Gemünden & Billing, 2007). Sie weisen Neuerungen sowohl auf der Beziehungs- als auch auf der Technologieseite auf. Aus
Siehe die Wortherkunft aus dem Lateinischen innovado — Erneuerung, Schaffen von etwas Neuem.
Systeminnovationen
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dieser Logik lassen sich vier Innovationskategorien entsprechend ihres Neuigkeitsgrades auf den beiden Dimensionen Beziehungen und Technologie ableiten (siehe Abbildung 1): (1) inkrementelle, (2) radikale, (3) beziehungsverändernde Neuerungen (Verhaltensinnovationen) sowie (4) Systeminnovationen. Durch das weitreichende Veränderungsvermögen von Systeminnovationen ist deren Neuigkeitsgrad im Gegensatz zu den anderen Innovationsformen als mehrdimensional zu bezeichnen. Dies lässt sich an den folgenden Ausführungen veranschaulichen. Inkrementelle Innovationen stellen verbesserte Eigenschaften eines Objektes dar und/oder dienen zur Kostensenkung bestehender Produkte, Dienstleistungen oder Prozesse und weisen sowohl auf Beziehungs- als auch auf Technologieseite einen geringen Neuigkeitsgrad auf. Thom und Müller (2006) bezeichnen diese Art der Innovation auch als „Verbesserungsinnovationen". Inkrementelle Innovationen bedienen sich bestehender Technologien, was existierendes Wissen verstärkt (Beritelli and Romer, 2006). Diese relativ geringen Veränderungen im Sinne einer evolutionären Verbesserung (Vahs & Burmester, 2005) finden in allen Wirtschaftszweigen kontinuierlich statt und sind häufig das Ergebnis der Praktiken „learning by doing" und „learning by using" (Konrad, Tischer und Scheer, 2003). Beispiele hierfür sind der Direkteinspritzer-Motor oder SoftwareUpdates. Innovationen, die eine neue Technologie hervorbringen, werden radikale Innovationen genannt. Sie sind häufig das Ergebnis gezielter Forschungsaktivitäten, beinhalten eine kombinierte Produkt-, Prozess- und Organisationsinnovation und bringen einen Produktivitäts- oder Leistungssprung mit sich. Sie werden daher auch häufig als Basisinnovation bezeichnet. Bekannte Beispiele sind die Atomkraft, die Antibabypille, der Transrapid oder die Dampfmaschine (Vahs & Burmester, 2005; Freeman & Perez, 1988). Beziehungsverändernde Innovationen werden auch als Verhaltensinnovationen bezeichnet. Im Fokus stehen dabei neue Nutzungsformen bestehender Objekte und Technologien sowie die Veränderung von Akteursbeziehungen. Hierzu zählen Neuerungen wie Mobility Car-Sharing, eine Innovation, welche unserem steigenden, verkehrsträgerübergreifenden Mobilitätsbedürfnis gerecht wurde. Durch die Neukonzeption der Fahrzeugnutzung innerhalb einer Gemeinschaft entstanden neue Formen der Zusammenarbeit zwischen Dienstleistern wie der Bahn und den Autovermietungen und damit ein gänzlich neuer Markt (Nili, Einacker, Korbun, Nordbeck & Peine, 2001). Das zugrundeliegende technische Produkt „Automobil" blieb von der Innovation unberührt. Systeminnovationen verändern sowohl Markt- und Akteursbeziehungen als auch bestehendes Wissen, Technologien und/oder Organisationsformen.
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Systeminnovation Verh al tensinno vation (z.B. Mobility^ FOKUS (z.B. Castrum) Geschäftsmodell
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ε < 's 1 feb ? M +l> .ti ^ ω b .SP = Ä ζ
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Produkt
Inkrementelle Innovation (z.B. Direkteinspritzer)
Radikale Innovation (z.B. Atomkraft) •
Neuigkeitsgrad im Sinne der Veränderung von Wissen Technologie und/oder Organisation Abbildung 1: Unterscheidung von Innovationsformen in Anlehnung an Konrad und Scheer (2004) sowie Arthur D. Little (2010) Während bei inkrementellen und radikalen Innovationen die Produktentwicklung - respektive die Prozess- oder Dienstleistungsentwicklung - im Vordergrund steht, steht die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle im Zentrum von Verhaltens· und Systeminnovationen. Firmen, die bei der Produktentwicklung ihren Fokus auf die Konzeption eines neuen Geschäftsmodells ausweiten, können demzufolge auch eine System- oder Verhaltensinnovation generieren (Arthur D . Little, 2010).
2.3
Ausgeprägte Kundenorientierung als Innovationstreiber
Ausgangspunkt von Innovationen sind die Dynamik innerhalb des Unternehmens u n d / o d e r die Triebkräfte des Marktes. Ersteres wird als Innovation Push, letzteres als Market Pull bezeichnet (Zinkl, 2007). Einen jahrzehntelangen Innovation Push kennen wir aus der Automobilindustrie. Anstelle aktiv an Elektrofahrzeugen mit neuem „Tankstellennetz" oder gänzlich neuen Beförderungsal-
Systeminnovationen
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ternativen wie den Urbanaut (www.urbanaut.com) zu arbeiten, werden unsere Fahrzeuge schneller und/oder spritsparender. Es ist die lineare Weiterführung bestehender Technologien. Das eigentliche Kundenbedürfnis oder die Sättigungsgrenze auf Nutzerseite hinsichtlich bestehender Produktverbesserungen wird dabei vernachlässigt. Nach Weisshaupt (2007) orientieren sich echte Innovationen — wie Systeminnovationen — nicht an der Technik und ihren Funktionalitäten, sondern an Märkten und Prozessen und sind demnach nutzergetrieben (Market Pull). Anstatt den Nutzern neu entwickelte Lösungen schmackhaft zu machen, stehen die Bedürfnisse von Nutzern im Zentrum. Losgelöst von vorgegebenen technischen Lösungen werden sämtliche Leistungen aus der Sicht des Kunden konzipiert. Zwar nutzen sie häufig bereits existierende Technologien oder soziale Elemente, doch durch die Definition eines neuen Zweck-Mittel-Verhältnisses (Weisshaupt, 2008; Weisshaupt, 2007) wird ein nachhaltiger Kundennutzen geschaffen. Das Kundenproblem wird auf neuartige Art und Weise gelöst (Rickards, 1985).
2.4
Kooperation wirtschaftlicher unabhängiger Akteure
Innovationsfelder liegen heute immer häufiger außerhalb der eigenen Kernkompetenzen und erfordern demzufolge zunehmend Kooperationen mit externen Partnern (Arthur D. Little, 2006). Systeminnovationen stellen eine Reaktion auf diese Entwicklung dar, indem sie innerhalb inter-organisationaler Netzwerke entwickelt werden (Grün et al., 2008). Eine Anzahl rechtlich und wirtschaftlich unabhängiger Akteure (— "Enabler") teilt ein gemeinsames Interesse an einer nachhaltigen, organisationsübergreifenden Problemlösung. Diese Enabler entstammen Institutionen unterschiedlicher Größen und Branchen mit spezifischen Interessen. Die gemeinsame Nutzung von Wissen und Einfluss innerhalb der Netzwerke ist eine wichtige soziale Form der Gestaltung von Systeminnovationen (Konrad & Scheer, 2004). Ressourcenpotenziale werden gegenseitig erweitert. Aufgrund dieses inter-organisationalen Arrangements sprechen Grün et al. (2008) in Bezug auf Systeminnovationen von „Multi-Organization Innovation — MOI". Häufig bringen Systeminnovationen mit dieser Kooperationspraxis sogar neue Anbietergruppen - vor allem Start-Ups und Forschungsinstitute - auf den Markt wie bspw. Toll Collect für das Roadpricing (Konrad & Scheer, 2004).
2.5
Entstehung innerhalb einer Nische im Rahmen eines Technologieverbunds
Innerhalb von Systeminnovationen werden mehrere Technologiekomponenten so miteinander kombiniert, dass ein Mehrwert entsteht. Es kann von einem komplexen Technologieverbund gesprochen werden, der häufig interdisziplinär ist (bspw. die Kombination aus Chemie, Physik, Elektrotechnik und Materialfor-
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schung bei der Brennstoffzelle) (Konrad & Scheer, 2004). Nicht der Innovationsgrad einzelner Komponenten macht dabei die Systeminnovation aus, sondern deren neuartige Kombination (Grün et al., 2008). So stand beim Container nicht nur die Reduzierung der Produktkomplexität im Fokus der Innovationsbemühungen, sondern auch die Kompatibilität, d.h. die Nutzungsmöglichkeiten des Lademittels (Rogers, 1995). Nischen spielen dabei eine herausragende Rolle. Innerhalb dieser geschützten Räume, isoliert vom Markt, können neue Technologiekombinationen getestet werden und bis zur Lösung reifen (Tukker & Tischner, 2006). Schot (1998) bezeichnet Nischen als Inkubationsraum innerhalb dessen Lernprozesse stattfinden können und soziale Netzwerke gefestigt werden (Versorgungsketten, KundenLieferanten-Beziehungen). Neuigkeiten tauchen zuerst in Nischen auf, innerhalb derer anfangs verschiedene Ideen miteinander konkurrieren. Nach einer Weile setzt sich eine Innovation innerhalb der Nische durch. Stetige Verbesserungen dieses dominanten Designs führen irgendwann zum Durchbruch. Dieser kann sich anfangs dadurch auszeichnen, dass die Systeminnovation in weiteren Nischen Anwendung findet, was als Nischenakkumulation bezeichnet wird. Eine Akzeptanz der neuen Technologie außerhalb der Nischen wird durch diverse Einflüsse forciert, die die Ära für ein neues Zweck-Mittel-Verhältnis einleiten, wie bspw. Probleme mit bestehenden Lösungen oder Bedürfnisänderungen (Geels, 2004).
2.6
Langfristige Betrachtung des Produktlebenszyklus
Von der Erfindung bis zur Diffusion einer Systeminnovation können 50 Jahre vergehen. Zahlreiche Verhandlungen innerhalb des Innovatoren-Netzwerkes sowie mit externen Anspruchsgruppen zeichnen diese Periode aus, innerhalb derer die Zahl der Innovatoren und Nutzer sowie deren Interessen und Präferenzen ändern können. Wann das Ende einer Systeminnovation erreicht ist, ist noch nicht erforscht. Die für die „traditionellen" Innovationen entwickelten Lebenszyklusmodelle scheinen für Systeminnovationen nicht anwendbar (Grün et al., 2008). Prinzipiell ist anzumerken, dass die bisher angeführten Merkmale von Systeminnovationen nicht als abschließend zu betrachten sind. Sie gelten als Untersuchungsansatz für das noch neue und relativ unerforschte Phänomen der Systeminnovation. Systeminnovationen können vielfältige Formen annehmen und daher sämtliche Charakteristika aufweisen oder sich auf einige konzentrieren. Das Beispiel des Projektes Castrum, das in Kapitel 3 detailliert beschreiben wird, zeigt deutlich, dass eine ausgeprägte Vision ein wichtiges Merkmal darstellt, um eine Systemveränderung zu bewirken. Abbildung 2 illustriert, dass die Vision die treibende Kraft für die Systeminnovation Castrum darstellt. Das Zukunftsbild ist
Systeminnovationen
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relevant, um die Barrieren der mit der Systeminnovation verbundenen Veränderungen zu überwinden. Hingegen sind anhand des Projektes Castrum kaum Aussagen zu dem Merkmal „langfristiger Produkdebenszyklus" möglich. Es ist jedoch davon auszugehen, dass die systemischen Anpassungen mit einem langfristigen Zielbewusstsein der Akteure erfolgten.
3
Systeminnovation am Beispiel des Projektes Castrum
Castrum (= lat. befestigter Ort) ist eine web-basierte Informationsplattform für Versicherungen und Banken, um gemeinsame Abläufe wie den Informationsaustausch im Rahmen einer Lebensversicherungsverpfandung effizienter und kundenorientierter abzuwickeln. Die Plattform folgt damit einem wichtigen Trend in der Informationstechnologie: Reduktion der Komplexität zwischenbetrieblicher Abläufe durch serviceorientierte Architekturen (SOA) (Hagel & Brown, 2001). Im Rahmen von SOAs werden EDV-Komponenten-Programme, Datenbanken, Server und Websites zur gemeinsamen Bearbeitung eines oder mehrerer Dienstleistungsprozesse/s miteinander kombiniert. Aufgrund der Verknüpfung mit
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einer zentralen Orchestrierungssoftware können unterschiedliche IT-Systeme (legacy applications) diverser Unternehmen Diensdeistungsprozesse gemeinsam und ohne Medienunterbruch abwickeln. Durch die Anbindung der Orchestrierungssoftware an ein Webportal können zudem andere potentielle Nutzer ohne programmierte Softwareschnittstelle, z.B. Privatpersonen, die Diensdeistungen in Anspruch nehmen. Die flexiblen und vielfältigen Einsatzmöglichkeiten gelten als größte Vorteile der IT-Architektur (Coffee, 2004). Der Entwicklungsschwerpunkt von Castrum liegt in der Anfangsphase auf der Automatisierung des Hypothekenfinanzierungsprozesses, d.h. der Verpfandung von Lebensversicherungspolicen zur Finanzierung privater Eigenheime. Dabei schließen zukünftige Wohneigentümer mit der finanzierenden Bank zuerst einen Kreditvertrag ab. Zur Sicherung der Hypothek werden die Ansprüche aus der Lebensversicherung an die Bank abgetreten. Ein aufwändiger, manueller Schriftwechsel zur Abwicklung der Rechtsgeschäfte zwischen den drei Akteuren Bank, Wohneigentümer und Lebensversicherer entsteht. Obgleich diese Beschreibung auf eine Prozessinnovation im Bereich der Wertschöpfungskette von Finanzdienstieistern schließen lässt, ist Castrum mehr als nur die Vereinfachung von Geschäftsabläufen. Die Merkmale von Castrum sprechen für eine simultane wissens- und marktakteursbezogene Veränderung. Die SOA war das Mittel, welches die n:n-basierte Kommunikationsvernetzung ermöglichte. Die gewachsenen Interaktionsstrukturen zur Absicherung einer Hypothekenfinanzierung auf Basis herkömmlicher Medien wurden aufgebrochen. Die physische Lebensversicherungspolice verlor ihre Bedeutung als Sicherungsinstrument, was einen eklatanten Einschnitt in das Rechtsgeschäft zwischen Endkunden und Bank darstellte. Insgesamt zeichnete sich Castrum durch folgende Innovationsmerkmale aus: —
Verändern eines Systems: Einfluss von Castrum auf andere Gesellschaftsbereiche (gesetzliche und rechtliche Rahmenbedingungen)
—
Mehrdimensionaler Neuigkeitsgrad: Veränderung von Wissen und Akteursbeziehungen durch neuen Technologieverbund
—
Ausgeprägte Kundenorientierung als Innovationstreiber
—
Kooperation wirtschaftlich unabhängiger Akteure
—
Castrum als Nische und Ausgangspunkt für weitere systemische Veränderungen
—
Visionsgestützte, langfristige Veränderung eines Netzwerkes
Systeminnovationen
3.1
15
Verändern eines Systems: Einfluss von Castrum auf gesetzliche und rechtliche Rahmenbedingungen
Castrum ging eine tiefgreifende Veränderung voraus, die Dematerialisierung. Um echte Systeminnovationen zu schaffen, hieß es Abschied nehmen von Gewohnheiten und der Vorstellung, dass nur „echte" Dokumente mit Originalunterschrift von Vertragsparteien eine rechtliche Grundlage für Finanzgeschäfte darstellen. Die Verwirklichung von Castrum bedingte die Akzeptanz elektronischer Zertifikate als rechtsgültige Vertragsbasis seitens der Beteiligten und der Gesetzgebung. Die Gesetzgebung widersprach dieser neuen Form nicht. Einzelne rechtliche Auswirkungen gab es trotzdem in Geschäfts- und Vertragsformalitäten. Begleitend wurde das Datenschutzgesetz (DSG) intensiv überprüft. Unter anderem musste der im DSG verankerte Grundsatz der Zweckmäßigkeit für Castrum überprüft und ausgelegt werden; kurzum es darf nur so viel Datenbearbeitung wie unbedingt notwendig erfolgen, um den Zweck zu erreichen. Die Umsetzung dieses Grundsatzes erfolgte durch die Fesdegung von Systemberechtigungen sowie organisatorische Anpassungen und verhaltensrelevante Anweisungen.
3.2
Mehrdimensionaler Neuigkeitsgrad: Veränderung von Wissen und Akteursbeziehungen durch neuen Technologieverbund
Technologie zur Datenverarbeitung spielt in der Finanzbranche eine große Rolle. Obgleich eine einheitliche IT-Systemlandschaft in Unternehmen als notwendige Voraussetzung für einen reibungslosen Informationsaustausch immer wieder gefordert wird, ist in der Praxis häufig eine Vielzahl von Systemen innerhalb eines Unternehmens vorzufinden. Die Finanzbranche macht in diesem Punkt keine Ausnahme. Es ist das Resultat unzähliger Prozessverbesserungen innerhalb eines Unternehmens zur Steigerung der eigenen Effizienz und Effektivität. Eine multi-systemische Prozessabwicklung ist sicherlich vor dem Hintergrund der eigenen, internen Verbesserung gerechtfertigt, jedoch nützt sie nur bedingt, wenn es darum geht, Neues zu schaffen. Für Unternehmen ist es vielmals schwer, die in der Vergangenheit getätigten Investitionen in Technologien und Systeme aufzugeben und in völlig neue Infrastrukturen und Prozesse zu investieren. Im Fall Castrum, war es für Lebensversicherer und Banken erforderlich, Schnittstellen zu der neuen Plattform herzustellen und bestehende, technologisierte Abläufe aufzugeben. Die SOA, die im Projekt zum Einsatz kam, stellte an für sich keine Innovation dar. Zentrale Orchestrierungssoftware wie MS BIZTalk existiert bereits seit einem Jahrzehnt. Ihre Nutzbarmachung für unternehmensübergreifende Prozesse in der Finanzbranche ist jedoch neu. Neu sind auch die
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Christine Larbig, Nikola Bohrer & Stefan Hermann
Akteursbeziehungen. Sowohl Banken als auch Versicherungen übernehmen in diesem Sicherungsgeschäft eine Datenbezüger und —lieferantenrolle ein, die sie im Rahmen ihrer originären, operativen Prozessen wahrnehmen. Ein Lebensversicherer aktualisiert täglich die Rückkaufswerte von Lebensversicherungspolicen in seinem System. Durch die Verknüpfung mit Castrum wird diese Information automatisch an die Bank, an welche die Abtretung der Rechte aus der Police erfolgte, sowie an den Endkunden (Versicherungsnehmer) übermittelt. Wissen wird auf diese Weise neu verteilt.
3.3 Ausgeprägte Kundenorientierung als Innovationstreiber Den Anspruch kundenorientiert zu sein nimmt eine Vielzahl von Unternehmen für sich in Anspruch. Im Fall Castrum wurde die Kundenorientierung über die internen Prozesse eines Netzwerkakteurs ausgedehnt. Ursprünglich war der (End-)Kunde gefordert, die notwendigen Unterlagen zur Abtretung der Ansprüche aus der Lebensversicherung bei der Bank einzureichen und die Versicherungsgesellschaft darüber zu informieren, um einen manuellen Schriftwechsel zwischen Bank und Lebensversicherer zu initiieren. Ein Prozess, der rund 30Ό00 mal im Jahr in der Schweiz stattfindet. Hinzu kam weiterer Schriftwechsel zwischen den Beteiligten zur Aktualisierung der Lebensversicherungsdaten z.B. Aktualisierung des Rückkaufswertes der Lebensversicherung, eine wichtige Information zur Risikobewertung im Finanzierungsprozess. Die rund 450Ό00 verpfändeten Policen können somit täglich aktualisiert durch die Pfandgläubiger abgefragt werden. Im Entwicklungsstadium befindet sich zurzeit die Anwendung für den Endkunden. Es ist das zentrale Element der Kundenorientierung von Castrum. Der Kunde kann jederzeit abfragen, welche Organisation aktuelle Informationen über ihn hat und Berechtigungen zur Datennutzung erteilen. Hat ein Kunde z.B. zwei Banken und zwei Versicherungen seine Adressdaten mitgeteilt, so kann er diese mit Castrum bei allen vier Organisationen gleichzeitig aktualisieren. Ein vierfaches Schreiben zur Adressänderung entfällt. Weiterhin ist es für ihn möglich, auf die aktuellen Rückkaufswerte direkt zuzugreifen, um sie für andere Zwecke z.B. Steuererklärung zu nutzen. In Zukunft soll diese Applikation zudem weiter ausgebaut werden. Obgleich dies eine einfache Anwendung darstellt, war es bisherige Praxis, den Endkunden den organisatorischen und rechtlichen Gegebenheiten unterzuordnen. Eine Kundenorientierung fand primär auf der Ebene des jeweiligen Unternehmens statt.
Systeminnovationen
3.4
17
Kooperation wirtschaftlich unabhängiger Akteure
Für die Entwicklung von Castrum wählte der castrum-Betreiber einige Finanzinstitute aus. Die teilnehmenden Organisationen waren aus zwei verschiedenen Branchen (Banken und Versicherungen) und unterschieden sich hinsichtlich ihrer Größe, ihres Markteinflusses sowie ihrer geographischen Ausrichtung. Um Leben in die zukünftige Informationsplattform einzuhauchen, musste jedes Unternehmen der Innovatorengemeinschaft intern organisatorische, rechtliche und systemtechnische Voraussetzungen schaffen. Diese wurden in gemeinsamen Sitzungen besprochen und unternehmensübergreifend abgestimmt, so dass eine standardisierte Abwicklung der neuen Informationsprozesse möglich wurde. Auf diese Weise entstand eine netzwerkbasierte Form der Zusammenarbeit zwischen Unternehmen die es den Akteuren gestattete, heterogenes Wissen zur Generierung von neuem Wissen auszutauschen. Die Abläufe der beteiligten Unternehmen unterschieden sich nicht nur aufgrund unterschiedlicher Branchenzugehörigkeit, sondern waren stark geprägt von gewachsenen, internen Strukturen innerhalb der jeweiligen Organisation. Der Austausch über bestehende Abläufe zum Umgang mit Lebensversicherungspolicen zur Kreditsicherung war jedoch notwendig, um ein gemeinsames Verständnis über erforderliche Veränderungen und damit „neues Wissen" zu schaffen. Im Fall Castrum dienten bilaterale Gespräche und Teamsitzungen dazu, einen „neuen Standard" für die branchenübergreifende Abwicklung der Hypothekarfinanzierung zu schaffen. Die kooperative Zusammenarbeit machte sich auch in dem Preismodell bemerkbar. Für jede Transaktion — Informationsaustausch — fallen die Gebühren jeweils zur Hälfte bei dem Informationsbezüger und -lieferant an. Ein Preiskonzept, das nicht nur ein neues Geschäftsmodell aufbrachte, sondern den Nutzen auf beiden Seiten widerspiegelte. Bei beiden Parteien entfiel der Aufwand für den manuellen Schriftwechsel.
3.5
Castrum als Nische und Ausgangspunkt für weitere systemische Veränderungen
Castrum, dessen Markteinführung in Teilschritten im Januar 2010 erfolgte, gilt als Nischeninnovation. Die Erfahrungen aus der Markteinführung dienen dazu, weitere Plattformen dieser Art zu entwickeln, die in anderen Bereichen Anwendung finden. Wichtig dabei ist, die Vorstellung der bisherigen Marktprozesse aufzugeben, damit sich eine solche Systeminnovation verbreiten kann. Der Betreiber von Castrum hat bereits weitere Anwendungsfelder für die nahe Zukunft definiert.
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3.6 Visionsgestützte, langfristige Veränderung der Akteursbeziehungen im Markt Mit Castrum veränderte sich die Form der Zusammenarbeit zwischen den beteiligten Akteuren in der Finanzbranche. Das grundlegende Denken in KundenLieferanten-Verhältnissen musste bei allen Beteiligten aufgegeben werden. Ihre Rollen wurden neu definiert, indem sie sich alle dazu verpflichteten Informationen bereitzustellen, abzurufen und zu aktualisieren. Ein Schritt, der die Gleichstellung aller Akteure forcierte. Eine wegbereitende Voraussetzung für diese Veränderung war die Vision des Betreiberunternehmens Bestehendes grundlegend zu ändern und einen Markt zu schaffen, der für andere IT-Unternehmen nicht unmittelbar erkennbar war. Kern der Vision war die Barrieren der Kommunikation innerhalb eines Netzwerkes aufzulösen; getrieben von der Vorstellung dass der Endkunde respektive seine Daten die Verknüpfung der Beteiligten darstellt - eine andere Sichtweise, die Neues schaffen ließ. Obgleich diese Erkenntnisse auf einer einzigen Fallstudie basieren und nicht für alle Systeminnovationen zwangsläufig Gültigkeit haben müssen, zeigt dieses Beispiel zentrale Ansatzpunkte für Organisationen auf, die nachhaltig die ZweckMittel-Kombination verändern möchten. Weitere Forschungsprojekte sind notwendig, um die Resultate aus diesem Innovationsgebiet zu vertiefen und ergänzen.
4
Chancen und Herausforderungen von Systeminnovationen
Systeminnovationen sind essentiell in der globalisierten, schnelllebigen Wirtschaftswelt von heute. Die in den vorangegangenen Kapiteln beschriebenen Merkmalsausprägungen von Systeminnovationen bieten Unternehmen und der Gesellschaft zahlreiche Chancen, bergen gleichzeitig aber auch Gefahren in sich. Diesen Herausforderungen müssen sich innovative Unternehmen bewusst sein, wollen sie mit Systeminnovationen erfolgreich Veränderungen generieren. In den nachfolgenden Abschnitten werden Chancen und Herausforderungen der drei Spezifika Systemveränderung, mehrdimensionaler Neuigkeitsgrad und Kooperation mit wirtschaftlich unabhängigen Akteuren dargestellt. Auch die weiteren in den Kapiteln 2 und 3 aufgeführten Eigenschaften von Systeminnovationen bieten Chancen und bergen Herausforderungen. Diese Details sind zum heutigen Zeitpunkt noch kaum erforscht. Fallstudien oder Erfahrungsberichte gibt es noch nicht. Aus diesem Grund wird im Folgenden nur ein Ausschnitt möglicher Chancen und Herausforderungen dargestellt.
Systeminnovationen
19
Da Systeminnovationen diverse Elemente eines Systems einbeziehen und dieses gesamthaft verändern, sind sie nachhaltiger (Konrad & Scheer, 2004). Systeminnovationen sind zudem resistent gegenüber Nachahmerstrategien, da sie nicht marginale Verbesserungen an bestehenden Produkten vornehmen, sondern den zukünftigen Markt entwerfen und ein ganzes System verändern. Doch Systemveränderungen stoßen auf Widerstand vor allem von denjenigen, die vom aktuellen System profitieren. So können bspw. dominante Netzwerke aus Banken, Nutzern und Anbietern Praktiken, Regeln und Interessen so institutionalisieren, dass Systeminnovationen keine Chance auf einen Durchbruch haben (Geels, 2002). Nicht immer kann eine Win-Win-Situation entstehen. Systeminnovationen sind eine Form der kreativen Zerstörung, innerhalb derer sich auch die Kontextfaktoren und Rahmenbedingungen verändern müssen. Die Herangehensweise muss deshalb systemisch erfolgen und nicht nur die Anbieter-KundenBeziehungen entlang der Wertkette berücksichtigen (Tukker & Tischner, 2006). Der mehrdimensionale Neuigkeitsgrad, der diese Systemveränderung unterstützt, birgt ebenfalls Gefahren in sich, denn mit steigendem Neuigkeitsgrad wachsen die Probleme und Risiken einer Innovation (Thom, 2001). Je mehr Wissensbereiche (Technik, Markt, Produktion, Prozesse, etc.) kombiniert und koordiniert werden müssen, umso zentraler werden Informationsflüsse und das Erarbeiten einer umfassenden, integrierten Wissensbasis. Die Kooperation mit wirtschaftlich unabhängigen Akteuren ist eine weitere Herausforderung für Unternehmen, die an Systeminnovationen arbeiten. Da Nichtlinearität und Arbeitsteilung als wichtige Ursachen von Komplexität gelten (Thom, 2001), verlangen besonders Systeminnovationen ein hoch entwickeltes Netzwerk- und Projektmanagement. Die größten Probleme in Bezug auf Innovation liegen heute nicht mehr im Mangel an Innovationsmanagementinstrumenten oder Innovationsspezialisten. Es ist die Koordination dieser Spezialisten innerhalb und über die Unternehmensgrenzen hinweg und das Überwinden organisatorischer Hindernisse, z.B. von Schnittstellen (Thom & Müller, 2006). Innerhalb eines Netzwerkes können Interessenskonflikte und erhöhte Transaktionskosten entstehen (Tukker & Tischner, 2006). Da Hierarchien innerhalb der multiorganisationalen Arrangements eher die Ausnahme bilden, sind Verhandlungen und Anreize die essentiellen Steuerungsmechanismen, die es gilt kontrolliert einzusetzen. Der hohe Koordinationsaufwand kann in Konflikt stehen mit dem Bedürfnis nach Autonomie innerhalb des Netzwerkes. Enabler, die einen Großteil ihres Umsatzes aus ihren spezifischen Teilleistungen innerhalb der Systeminnovation generieren, schränken ihre wirtschaftliche Selbstständigkeit ein. Aufgrund der Erfolgsunsicherheit von Systeminnovationen können innerhalb des Enabler-Netzwerkes aber nur unvollständige Verträge geschlossen werden. Im Gegensatz zu „traditionellen" Innovationen, in denen vertikale Zusammenarbeit bspw. zwischen Lieferanten und Kunden stattfindet, stellt die Kooperation bei Systeminnovationen höhere Ansprüche an die Kompatibilität der individuellen
20 Christine Larbig, Nikola Bohrer & Stefan Hermann
Beiträge (Grün et al., 2008). Diese Öffnung und Bereitschaft zur Zusammenarbeit bedarf einer innovationsförderlichen Unternehmenskultur als Grundlage, um die Beiträge der Netzwerkpartner als wertvoll zu betrachten und respektvolles Verhalten zu fördern (Thom & Müller, 2006).
5
Abschließende Bemerkungen
Für die Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen aller Größenklassen und für den Wohlstand unserer Gesellschaft sind Innovationen unverzichtbar. Ob innoviert werden soll, ist heute nicht mehr die Frage. Essentiell ist vielmehr, wie effizient und effektiv innoviert werden kann (Thom, 2001). Unternehmen sollten sich deshalb die Frage stellen, wie ihr „mentales Modell Innovation" aussieht und ob es erfolgsversprechende Innovationen, die Wachstum generieren und dauerhaften Wettbewerbsvorteil ermöglichen, überhaupt zulässt. Wie viel Neuigkeitsgrad verbindet man innerhalb seines Unternehmens mit dem Begriff Innovation? Handelt es sich bei den vergangenen und aktuellen Innovationsprojekten um Modifikationen bestehender Angebote oder hat man sich zum Ziel gesetzt, neue Geschäftsideen zu generieren, neue Geschäfte zu identifizieren? Das Wissen und die Kompetenz von Personen, die außerhalb des internen F&EBereiches tätig sind (Mitarbeitende anderer Abteilungen, Kunden, Partnerunternehmen, Universitäten), sind häufig ungenutzte Innovationsquellen. Innovationsmanagement macht hier ein ganz neues Kapitel auf, das in der Theorie intensiv beforscht wird, in der Praxis aber noch zu wenig zur Anwendung kommt. Weshalb wählen heute nur wenige Unternehmen den Weg des offenen Innovationsansatzes und arbeiten nicht gemeinsam mit Partnern unterschiedlicher Bereiche um zu wachsen? Das Beschäftigen mit Systeminnovationen in Theorie und Praxis wirft zahlreiche derartiger Fragen auf und bietet damit eine einmalige Chance für Forscher und Unternehmen, über den Tellerrand zu blicken - und das System zu verändern.
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Systeminnovationen
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22
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Bedeutungskonstruktion in Innovationsprozessen: Artefakte als Mittler (imediators) zwischen Struktur und Chaos Jacqueline Holzer
Innovation ist ein schillernder Begriff mit einer eigenen Geschichte. Ein Begriff, dessen Bedeutung je nach Perspektive, Situation, Dis2iplin und Gegenstand unterschiedlich ausfallt. Auch wenn dieser Hochwertbegriff kaum präzise zu fassen ist, ist das Phänomen Innovation in der heutigen globalisierten Welt zu einem unhinterfragbaren Paradigma geworden. Seit den 1990er Jahren unterstützt etwa die Europäische Kommission mit großer Verve Forschungsprogramme, die versprechen, Licht ins Dunkel „Innovation" zu bringen. Es handelt sich beinahe um eine Suche nach dem heiligen Gral. Der, der ihn findet, verfügt über die Wahrheit, die Wahrheit, wie und womit unsere Zukunft zu gestalten ist. Je nach Perspektive, die eine Wissenschaftlerin einnimmt, erhöht sich die Komplexität der Analyse von Innovationen. Die vorliegende Studie konzentriert sich derweil auf die Bedeutungskonstruktionen, die in organisationalen Innovationsprozessen stattfinden und stellt die folgenden Fragen. Erstens: Wie lässt es sich in Organisationen mit von Routinen bestimmten Abläufen über Dinge wie neue Produkte oder Dienstleistungen reden, für die es noch keine Begriffe gibt? Zweitens: Wie geht ein interdisziplinär zusammengesetztes Team mit krisenhaften, nicht-intendierten Handlungsfolgen um, die während eines von Routinen geprägten Innovationsprozesses entstehen können? Und schließlich: Sind allenfalls allgemein gültige Aussagen darüber zu machen, wie die Kommunikationsstrukturen innerhalb einer Organisation zu gestalten sind, die Innovationen fördern? Innovationsprozesse sind komplex. Sie zu beschreiben oder gar mögliche Regeln für die Organisation abzuleiten, um zukünftige Innovationen zu gestalten, erweist sich also als schwieriges Unterfangen. Dennoch ist es denkbar, dass sich einige Bedingungen formulieren lassen, die für organisationale Prozesse, die sich zwischen Struktur und Chaos verorten (vgl. Gebert, 2000), notwendig — wenn auch nicht hinreichend — sind für eine aussichtsreiche Innovation. Der Beitrag gliedert sich wie folgt: Den Beginn machen die Ausführungen zur Interdiszipünarität als sine qua non für eine zukunftsträchtige Innovation. Wie sich heterogene Teams während eines Innovationsprozesses verständigen, ist eine weitere Frage, die es zu beantworten gilt. Es wird sich zeigen, dass anhand so genannter Artefakte — definiert als „objects made by humans for particular purposes" (Franssen, 2006, S. 42) — der Verständigungsprozess einfacher wird, aller-
24 Jacqueline Holzer
dings auch Risiken in sich birgt, die in einem von Routinen determinierten Organisationsalltag zu beachten sind. Die Fallstudie „Carmlod" 1 zeugt darauf von den Schwierigkeiten, die während eines einer Linearität verpflichteten Innovationsprozesses auftauchen können. Im Schlussteil folgen nach Diskussion und Konklusion einige Bemerkungen, die für eine praktische Umsetzung relevant sind.
1
Interdisziplinarität als sine qua non für eine erfolgreiche Innovation
In der neueren Innovationsforschung besteht Konsens darüber, dass interdisziplinäre Teams mit einer entsprechenden Größe und einer effizient gestalteten Arbeitsweise (Matz, 2007, S. 266) eine notwendige Bedingung für erfolgreiches Innovieren sind (Dougherty, 1992). Erfolgreich heißt hier, durch interdisziplinäre Zusammenarbeit blinde Flecken, die in einem homogenen Team entstehen können, zu verhindern. In der Kooperation mit anderen Akteuren bauen die Involvierten ihren Handlungsspielraum — so die These - aus, gewinnen mehr Verbündete für ihre eigene Sache und erweitern so ihre mentalen Schemata oder kognitiven Regelsysteme (Siegenthaler, 1993), die es ihnen gestatten, eine umfassendere Analyse des Problems vorzunehmen (Akrich, Callón & Latour, 2002b, S. 222). In der Fachliteratur finden sich unterschiedliche Bezeichnungen für Gemeinschaften, die sich innerhalb einer Organisation bilden und sich in der alltäglichen Praxis reproduzieren. Organisationsforscher greifen in diesem Zusammenhang gerne auf wissenssoziologische Studien zurück, die sie auf die Organisationsrealität übertragen. Es sind dies etwa Karin Knorr-Cetinas Begriff der epistemischen Kulturen, die Wissen schaffen und gewährleisten (Knorr-Cetina, 1999, Kapitel 1), oder Ludwik Flecks Denkkollektiv (1980, S. 54f.). Fleck hat in den letzten Jahren nicht nur in der Organisationsliteratur eine eigentliche Renaissance erlebt. In seinem 1935 erstmals publizierten Werk „Entstehung und Entwicklung einer wissenschaftlichen Tatsache" untersuchte der Mediziner Fleck, wie Wissenschaftler in Forschungszusammenhängen einen bestimmten Denkstil ausbilden, der handlungs(an)leitend für die ganze Forschergemeinschaft, d.h. das Denkkollektiv, wird. Erkennen ist für Fleck das „Ergebnis sozialer Tätigkeit" (vgl. Fleck, 1980, S. 54). Flecks Begriffsrepertoire eignet sich in besonderer Art und Weise, Innovationsprozesse in Organisationen mit ihren unterschiedlichen Denkkollektiven abzubilden (vgl. Carlile, 2002; Dougherty, 1992).
Es handelt sich um einen fiktiven Namen; das Beispiel ist anonymisiert.
Bedeutungskonstruktion in Innovationsprozessen 25
Eine andere Bezeichnung, die sich an Flecks Ausführungen anschließen lässt, ist die der „communities of practice". Diejenigen Akteure, die spezifischen Praxisgemeinschaften angehören, „acquire a particular community's subjective viewpoint and learn to speak its language" (Brown & Duguid, 1991, S. 48). Ganz im Sinne Ludwik Flecks werden die Akteure durch die Partizipation in Gemeinschaften zu Mitgliedern, welche eine gemeinsame Welt mit ihren je eigenen „Wahrheiten" teilen und auch reproduzieren (Lave & Wenger, 1990). Zuletzt findet sich in der Organisationsforschung eine weitere begriffliche Differenzierung, die „occupational communities". Diese Berufsgemeinschaften ergeben sich aus einer für die heutige Praxis vorhandenen Erfordernis: Eine Spezialisierung in diverse Arbeitsbereiche ist notwendig, um die verschiedenen Aufgaben, die in einer Organisation anfallen, erfolgreich zu bewältigen. Die spezialisierten Teams bilden dabei unterschiedliche Perspektiven auf das Unternehmensziel und die Organisation aus, die sie in ihrem Handeln anleiten (Dougherty, 1992; Boland & Tenkasi, 1995; Maaninen, Wisme, & Carlsson, 2008; Bechky, 2003a, S. 312). Diese theoretischen Richtungen gehen sonach alle davon aus, dass neue Bedeutungen, neues Wissen bzw. neue Erkenntnisse nur durch und in einer bestimmten, sich ausdifferenzierten Gemeinschaft definiert werden und dass diese Bedeutungen denn auch ihre je eigene Realität bestimmen, die in Bezug steht zu ihren Praktiken (Ewenstein & Whyte, 2009; D'Adderio, 2001 & 2009; Tuomi, 2002, S. 114; Brown & Duguid, 1991; Lave & Wenger, 1990). Die offene Frage ist nunmehr, wie heterogene Teams zusammen neue, innovative Produkte hervorbringen. Tatsächlich widmet sich die aufgeführte Literatur kaum den Schwierigkeiten, in die einzelne Gemeinschaften geraten, wenn sie sich zusammen über ihre Grenzen hinweg verständigen und ihre jeweiligen Sichtweisen einander anpassen oder allenfalls gar verwerfen müssen (Bechky, 2003a, S. 314). Zentral ist: Wie schaffen es interdisziplinäre Teams, ihr Wissen auszutauschen, zu integrieren und schließlich neue Bedeutungskonstruktionen und damit neues Wissen zusammen über die Systemgrenzen zu generieren? — Ein Prozess, der letztlich immer ein Risiko in sich birgt oder gar einen Verlust nach sich zieht. Neue Sichtweisen auszudifferenzieren heißt für die beteiligten Akteure immer, sich von alten zu verabschieden. Ein Unterfangen, das nicht leicht fallt. Oder wie es Cadile (2002) formuliert: Akteure „[...] are reluctant to change their hard-won outcomes because it is costly to change their knowledge and skills. The cross-boundary challenge is notjust that communication is hard, but that to resolve the negative consequences by the individuals from each function they have to be willing to alter their own knowledge, but also be capable of influencing or transforming the knowledge used by the other function. " (S. 445)
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Verständigungsorientierte Kommunikation über diese Grenzen hinweg ist bereits in Alltagsprozessen schwierig. Handelt es sich um in ihrem Ausgang offene Innovationsprozesse, nimmt die Komplexität noch zu; es geht um Macht, um Verhandlungsgeschick der jeweiligen Parteien, aber auch um gegenseitiges Infragestellen der jeweiligen eingebrachten Kompetenz - oder um die Worte von Akrich, Callón und Latour zu verwenden: „The management of innovation begins with the confrontation of various discourses of accusation which govern strategic decisions." (Akrich et al., 2002b, S. 224) Wie diese strategisch geführte Interaktion in einen verstehens- und verständigungsorientierten Kommunikationsprozess überführt werden kann, ist Gegenstand des folgenden Abschnittes.
2
Verständigung durch Grenzobjekte {boundary objects) und Mittler (mediators)
Kommunikation wird in unserem Zusammenhang nicht als einfacher Informationstransfer von Sprecher A zu Sprecher Β verstanden. Kommunikation ist vielmehr als eine Schlüsselfunktion sozialen Handelns zu verstehen, „als eine spezifische Form sozialer Interaktionen, die sich auf symbolische Strukturen stützen und durch aufeinander bezogene Kommunikationshandlungen der beteiligten Akteure konstituiert werden." (Zerfass, 2009, S. 31). Sie ist das Resultat eines Herstellungsprozesses, den Menschen durch ihr gemeinsames interaktives Handeln hervorbringen. Bedeutungen, die im kommunikativen Kontext produziert werden, sind denn auch abhängig von der Situation, vom Kontext und von den am Gespräch beteiligten Gemeinschaften (Blom & Gumperz, 1972). Es geht also um bedeutungsgenerierende Verstehensprozesse (vgl. auch Linke, 2009, S. 41), die sich im Dialog konstituieren. Denn: „Verstehen auf der Ebene sprachlicher Interaktion, ist nicht im Vorneherein, schon vor dem Beginn jeden Dialogs, definiert, sondern wird im Prozess des dialogischen Handlungsspiels ausgehandelt. Verstehen kann nicht vorausgesetzt werden, sondern ereignet sich im Dialog" (Weigand, 2001, S. 68). Verwenden wir diesen Ansatz für Innovationsprozesse, an denen interdisziplinäre Gruppen mit verschiedenen Sichtweisen und Wissensbeständen beteiligt sind, bedeutet dies, dass ein eigentlicher Prozess der Transformation stattfinden muss. Information bzw. Wissen wird als ,fixierte Einheit' nicht in einem einfachen Sender-Empfanger-Modell entsprechend problemlos weitergegeben (vgl. auch Bechky, 2003a, S. 313). Vielmehr versuchen die Mitglieder durch die Kommunikation, ihr Verständnis eines Problems in einer Art und Weise zu veranschaulichen, dass andere Gemeinschaften daran anschließen und dieses verstehen können. Ob es gelingt, neue Bedeutungen zu konstruieren, ist somit davon abhängig,
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ob interdisziplinäre Teams eine gemeinsame Basis ausdifferenzieren können, auf deren Grundlage eine Verständigung möglich ist. Die Frage ließe sich auch anders stellen: Wie können die Beteiligten über die Dinge reden, die noch nicht als solche existieren? Und wie lassen sich diese neuen Konzepte vor dem Hintergrund unterschiedlicher Wissensbestände auch so verfestigen, dass sie für die Organisation anschlussfahig werden? Antworten auf dieses Problem finden sich in der Literatur der Wissenschaftsund Technikforschung, die sich insbesondere mit der Frage beschäftigen, wie neue wissenschaftliche Erkenntnisse und neue Technologien konstruiert werden - Prozesse also, die der Innovation entsprechen. Susan Leigh Star und James R. Griesemer (1999) schrieben dazu den Schlüsselaufsatz „Institutional ecology, ,translation', and boundary objects." Wissenschaftliche Arbeit ist, so das Fazit der beiden Autoren, auf der einen Seite sehr vielfältig und heterogen, auf der anderen Seite verlangt sie auch Kooperation, soll sie generalisierbare Lösungen nach sich ziehen. Aus der Sicht von Star und Griesemer sind zwei unterschiedliche Aktivitäten wichtig, um verschiedene Standpunkte in Einklang zu bringen: die Standardisierung von Methoden und die Entwicklung so genannter „boundary objects". Als Resultat laufender Verhandlungen sind diese Grenzobjekte so stabil, dass jeder, der an der Verhandlung beteiligt ist, sich auf diese beziehen kann und damit weiß, von was er spricht (Star & Griesemer, 1989). Die beiden Autoren definieren die Grenzobjekte als: „objects which both inhabit intersecting sonai worlds and satisfy the informational requirements of each. Boundary objects are both plastic enough to adapt to local needs and constraints of the several parties employing them, yet robust enough to maintain a common identity across sites. They are weakly structured in common use, and become strongly structured in individual-site use" (Star & Griesemer, 1999, .V. 509). Als physische und greifbare Gegenstände schaffen sie also Verbindungen zwischen sozialen Welten, indem sie als Referenzobjekte unterschiedlicher gesellschaftlicher Realitäten dienen. In der Literatur zur Organisationsforschung ist das Konzept der Grenzobjekte, denen die Fähigkeit zugesprochen wird, in interdisziplinären Teams eine gemeinsame Kommunikation über Fachgrenzen hinaus zu ermöglichen (Star & Griesemer, 1999, S. 506), breit rezipiert worden. Es dient als heuristisches Modell, um Fragen zu beantworten wie etwa: Welche Effekte hat das partizipative Modellieren auf die Produktion bzw. Implementierung der Computersimulationen in der Planung regionaler Projekte (Foerster, 2009)? Wie wird Wissen in unterschiedlichen Arbeitsgruppen integriert (Maaninen et al., 2008)? Wie betten Artefakte das Wissen ihrer Begründer ein und wie fungieren sie als „cross-occupational problem solvers" (Bechky, 2003b, S. 724)? Wie transformieren bzw. generieren sie Bedeutungen in heterogenen Teams (Bechky, 2003a)? Welche Rolle übernehmen Objekte in der Designkommunikation (Eckert & Boujut, 2003)? Wie koordinie-
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ren Grenzobjekte die gemeinsame Wissensbenutzung innerhalb einer Organisation oder zwischen unterschiedlichen Firmen (Koskinen, 2005)? Oder — um die nicht vollständige Aufzählung abzuschließen — den Diskurs synthetisierend: Wie ist die Anwendbarkeit der boundaiy objects in den Organisations- und Managementstudien zu beurteilen (Zeiss & Groenewegen, 2009)? Neben diesen zahlreichen Arbeiten, die ein besonderes Augenmerk auf die Rolle von unterschiedlichen Dokumenten, Prozessen sowie eingesetzten materiellen Objekten — etwa Grafiken, Modelle und virtuelle digitale Objekte wie spezielle Computerprogramme — im Innovationsprozess richten, findet sich in den Organisationsstudien auch eine Weiterführung des Konzeptes der boundary objects. Paul R. Carlile (2002, 2004) nahm eine Differenzierung des Konzeptes vor, um dieses für die Erklärung, wie neue Produkte in Organisationen entwickelt werden, fruchtbar zu machen. Carlile hat in seinen Arbeiten, die sich vor allem an einem Aufsatz von Star orientieren (1989), boundary objects in syntaktische, semantische und pragmatische Grenzobjekte unterteilt — eine semantische Differenzierung, die er vom Zeichentheoretiker Charles William Morris (1988) übernimmt. Er stellt die Entwicklung neuer Produkte ins Zentrum seines Interesses und stellt fest, dass während dieses Prozesses unterschiedliche Grenzobjekte gleichzeitig zum Zug kommen. Einerseits können sich die Akteure auf gemeinsame Informationen, die in ihrer Interpretation eindeutig sind, zum allgemeinen Organisationswissen gehören und auch als solche archiviert sind, abstützen. Diese so genannten syntaktischen Grenzobjekte fungieren als gemeinsamer Referenzpunkt und helfen, eine gemeinsam geteilte und stabile Ordnung über die Abteilungsgrenzen hinweg zu etablieren; so ist ein Informationsaustausch überhaupt möglich (Carlile 2002). Die semantischen Grenzobjekte beinhalten die jeweiligen bereits von Star und Griesemer als Voraussetzung für die kooperative Arbeit erwähnten Methoden und Standardisierungen — oder auch Routinen im Sinne eines „stabilized way of acting" (vgl. Miettinnen & Virkkunen, 2005, S. 437) —, die es den Akteuren ermöglichen, neue Information auf der Basis einmal festgelegter Vorgehensweisen zu erstellen. Folglich ist die Art und Weise, wie neue Produkte bzw. neue Bedeutungen konstruiert werden, festgelegt und wird während des Prozesses nicht hinterfragt. In diesem Kontext von unzweifelhaften Informationen und einmal festgelegten Abläufen dienen die pragmatischen Objekte schließlich dazu, die verschiedenen funktionalen Interessen der Beteiligten zu repräsentieren und Verhandlungen sowie Wissenstransformationen innerhalb der Prozesse, in denen neue Produkte entwickelt werden, zu unterstützen (Carlile 2004). In der letzten Begriffsbestimmung folgt Carlile der von Star und Griesemer festgelegten Definition der (pragmatic) boundary objects. Zusammenfassend ließe sich folglich argumentieren, dass es die Grenzobjekte sind, die in der interdisziplinären Zusammenarbeit eine spezifische Funktion in der verstehens- und verständigungsorientierten Kommunikation erfüllen: Inner-
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halb der Kooperation versuchen die Akteure verschiedener sozialer Welten Akteure, die anderen sozialen Welten oder Abteilungen angehören, für ihre Perspektive zu gewinnen. Mittels der Grenzobjekte gelingt es den Mitgliedern, einerseits miteinander zu kommunizieren und andererseits ihre Interessen zu verfolgen. Die Objekte ermöglichen so die Aufrechterhaltung der Grenzen zwischen den sozialen Welten und gleichzeitig handlungspraktische Grenzüberschreitungen. Unterschiedliche Akteure sind — so die Mutmaßung von Star, Griesemer und Carlile — mittels der Grenzobjekte in der Lage, gemeinsam ein Ziel zu erreichen. Doch trotz aller Überzeugungskraft birgt das interpretativ sehr flexible Konzept auch einige Risiken: Es besteht immer die Gefahr, dass sich in der Auseinandersetzung mit dem (pragmatic) boundaiy object kein tatsächliches Verständnis über die Grenzen hinweg herausbildet. Denn jeder der an der Kommunikation Beteiligten versucht seine strategischen Ziele zu erreichen und verwendet so die eigene Bedeutung für das gemeinsame Material und arbeitet mit dieser in je ihrer Besonderheit (Collins, Evans & Gormann, 2007, S. 662, vgl. auch D'Adderio, 2003). Die Akteure testen diese in der Auseinandersetzung mit den anderen. Doch welche Vorschläge von den anderen Gemeinschaften angenommen werden und sich letztlich durchsetzen, bleibt offen. In letzter Konsequenz würde dies bedeuten, dass die Akteure nur meinen, von demselben zu sprechen, aber letzten Endes etwas anderes darunter verstehen. Wie wäre dann eine Konstruktion gemeinsamer Bedeutung überhaupt noch möglich? Es scheint, dass ein anderer Ansatz ergänzend miteinbezogen werden muss, um diese Fragen zu beantworten. Die (pragmatic) boundaiy objects sind zwar in ihrer Funktion als Transformationsträger wichtig. Doch ist eine genuine Verständigung zwischen heterogenen Gemeinschaften für den Fortgang eines Prozesses zwingend, befriedigt das Konzept der boundary objects als heuristisches nicht vollends. In der neueren Soziologie findet sich eine Theorie, welche den Artefakten eine andere Funktion zuweist. Es geht nicht mehr darum, dass Akteure Artefakte für ihre Arbeit verwenden, sondern dass die Objekte selbst zu eigentlichen Handlungsträgern werden und eine entscheidende Rolle in der Konstruktion von Bedeutung übernehmen. Artefakte werden nicht mehr nur als „objects made by humans for particular purposes" (Franssen, 2006, S. 42) interpretiert, sondern übernehmen in interaktiven Handlungen selbst eine eigene, aktive Rolle. Artefakte und Menschen werden dadurch auf dieselbe Ebene gestellt und stehen in einem symmetrischen Verhältnis zueinander (vgl. Feit, Nowotny & Taschwer, 1995, S. 143). Es sind vor allem die Arbeiten von Bruno Latour (1992, 2007), Michel Callón (1992), John Law (2002) und Madeleine Akrich (2002), welche die AkteurNetzwerk-Theorie in den letzten Jahren zu einem Erfolg in der Soziologie, vor allem in der Wissenschafts- und Technikforschung verholfen haben (Shapin,
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1995, S. 301). Das Interesse dieser Autoren besteht nicht darin, eine so^alkonstruktivistische Erklärung für gesellschaftliche Phänomene abzugeben, vielmehr haben sie sich zum Ziel gesetzt „to explain society, of which the things, facts, and artefacts, are major components" (Callón & Latour, 1992, S. 348). Die Soziologen richten sich in ihren Ausführungen gegen die Ao^a/konstruktivisten, die davon ausgehen, dass eine weit reichende und dauerhafte Form einer sozialen Ordnung nur durch face-to-face-Interaktionen entstehen kann. Doch diese vermögen es nicht, so Latour in seinem Grundlagenwerk „Eine neue Soziologie für eine neue Gesellschaft", eine „Grundlage bereit[zu] stellen, um eine ,soziale' Kraft zu definieren." (Latour, 2007, S. 113) Denn: „Bestünde die soziale Welt aus lokalen Interaktionen, so würde sie einen provisorischen, instabilen und chaotischen Anblick bieten." (ebd., S. 115) Und: „Sobald man beginnt, Zweifel an der Fähigkeit sozialer Bindungen zu hegen, sich von selbst dauerhaft auszudehnen, lässt sich eine plausible Rolle für Objekte erkennen." (ebd., S. 121) Diese „Gleichstellung" der Objekte mit den Menschen hat zu zahlreichen Diskussionen und Missverständnissen geführt. Doch es erscheint zentral, dass es sich bei dem Argument der Akteur-Netzwerk-Theorie, „dass Objekte etwas ,anstelle' der menschlichen Akteure tun" (ebd., S. 124), wie deren Gegner oft verlauten ließen, nicht um eine leere Behauptung handelt. Denn: „Sie sagt einfach, dass eine Wissenschaft des Socialen nicht einmal beginnen kann, wenn die Frage, wer oder was am Handeln beteiligt ist, nicht zunächst einmal gründlich erforscht ist, selbst wenn das bedeuten sollte, Elemente zuzulassen, die wir, in Ermangelung eines besseren Ausdrucks, nicht-menschliche Wesen (non-humans) nennen könnten" (ebd., S. 124). Die Soziologen schlagen vor, den Akteuren zu folgen, seien es Menschen oder Objekte, die sich in einem Handlungsgefüge vernetzen (Preda, 2000, S. 286). Letztlich geht es hier um Mittler (mediators) — menschliche oder nichtmenschliche Wesen —, welche die Bedeutung „übersetzen, entstellen, modifizieren und transformieren" (Latour, 2007, S. 70). Übertragen wir dieses Verständnis auf Innovationsprozesse, die sich zwischen Chaos und Struktur verorten, ist das Phänomen der Innovation nur zu verstehen, wenn die „collection of all sorts of allies, human or non-human" (Akrich, Callón & Latour, 2002a, S. 222) entwirrt wird und deren gegenseitigen Abhängigkeiten und Vernetzungen sichtbar gemacht werden. Oder wie es Akrich, Callón und Latour formulieren: „Since the outcome of a project depends on the alliances which it allows for and the interests which it mobilises, no criteria, no algorithm, can ensure success a priori. Rather than speak of the rationality of dedsions, we need to speak of the aggregation of interests which dedsions are capable or incapable ofproducing. Innovation is the art of interesting an increasing number of allies who will makejou stronger and stronger" (Akrich et al., 2002a, S. 205).
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Es geht es also darum, den verschiedenen, am Innovationsprozess beteiligten Akteuren zu folgen, die Vernetzungen der Menschen und Artefakte aufzuzeigen und herauszufinden, welche Rolle Teammitglieder, Prototypen, Routinen, Kunden, Prozessschemata, Geschäftsleitung etc. spielen.
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Methoden: Fallstudie und Triangulation
Die vorliegende Untersuchung bedient sich der Fallstudienmethodik. Sie erforscht ein Phänomen innerhalb eines Unternehmenskontextes. Eine (sozial-) konstruktivistische Perspektive hilft, die einzelnen Kommunikationsprozesse genauer zu betrachten. Aus dieser Sicht wird Innovation als Teil einer organisationalen Realität betrachtet, die durch die Mitarbeitenden, die eingebunden sind in tägliche Routinen, in interaktiven Prozessen ko-gestaltet wird (Pohlmann, Gebhardt & Etzkowitz, 2005). Die Anwendung einer (sozial-)konstruktivistischen Theorie schreibt kein konkretes Forschungsdesign vor (Burr, 2003, S. 24), allerdings ist eine hermeneutische Vorgehensweise, welche den Vernetzungen der beteiligten Akteure — der menschlichen und nicht-menschlichen Wesen — folgt, sinnvoll (vgl. auch Guba & Lincoln, 1989). Für die Fallstudie wurden multiple Quellen verwendet (Eisenhardt, 1989), um "(...) a contemporary phenomenon mtbin its real-life context, when the boundaries between the phenomenon and the context are not evident" (Yin, 2003, S. 23), zu analysieren. Da der konkrete Innovationsprozess in der Organisation „Carmlod" bereits zwei Jahre abgeschlossen war, dienten Archivalien dazu, den Prozess zu rekonstruieren. Um die interne Validität der Fallstudie zu gewährleisten, fiel die Entscheidung auf die Triangulation verschiedener qualitativer Forschungsmethoden (Denzin, 1989; Flick, 1992): Einerseits standen ca. 500 Dokumente für eine qualitative Auswertung zur Verfügung — E-Mails, Gesprächsprotokolle, Qualitätsstudien, Prozessbeschreibungen, SWOT-Analysen etc. Die Dokumentenanalyse (Prior, 2003) ermöglichte es, ein kontextuelles Verständnis der (kommunikativen) Praktiken zu generieren sowie die von den Akteuren entworfenen Artefakte und Themen während des Prozesses und innerhalb des Unternehmensumfeldes, in dem der Innovationsprozess stattfand, in den Blick zu nehmen. Andererseits fanden mit den fünf am Innovationsprozess beteiligten Schlüsselfiguren narrative Interviews (Schütze, 1977) statt, um deren Sichtweise, deren Kategorien und Konzepte, die sie über die Zeit entwickelt haben, zu eruieren. Schließlich wurden etliche iterative Prozesse der Datensammlung, der Konstruktion geeigneter Codes sowie der Validierung vollzogen sowie „member checks" in die Analyse eingebaut (Guba & Lincoln, 1985).
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Fallstudie „Carmlod" Innovation des Produktes „Vailla"
Die Firma Carmlod hat ihren Hauptsitz in der Schweiz und beschäftigt mehr als 800 Mitarbeitende weltweit. Das neue Produkt „Vailla", um das es in diesem Fall geht, hat in den letzten Jahren zahlreiche Innovationspreise gewonnen. Zwei Dinge sind an dieser Studie bemerkenswert: Zum einen haben die Mitarbeitenden in einem sehr heterogenen, interdisziplinären Team mit Vertretern unterschiedlicher Berufsgemeinschaften von Beginn der Produktentwicklung an zusammengearbeitet. 2 Interdisziplinarität ist in dieser familiär geführten, mit flachen Hierarchien ausgestatteten Firma nicht nur eine Phrase, sondern wird als klarer Auftrag verstanden. Zum anderen schreibt ein im vorliegenden Falle erstmals in dieser Version angewendeter Stage-Gate-Prozess vor, dass gleich zu Beginn des Innovationsprozesses externe Designer zu einem Wettbewerb eingeladen werden, einen Prototyp des zu entwickelnden Produktes zu entwerfen. Der Prototyp, für den sich das Team und die Geschäftsleitung zu jener Zeit entschieden haben, diente während des ganzen Prozesses als Referenzobjekt, auf das sich die Beteiligten in ihren Ausführungen immer wieder bezogen.
4.1 Ausgangslage: Der Innovationsprozess bei der Firma Carmlod Die Firma Carmlod bedient sich für die Entwicklung neuer Produkte eines sieben Meilensteine umfassenden Routineprozesses. Dieser schreibt vor, dass sich die Mitarbeitenden der Produktions-, Verkaufs-, Entwicklungs- und Marketingabteilung der Entwicklung eines gemeinsamen Produktes widmen und zusammen die Meilensteine dokumentarisch abschließen, nachdem der Marketingprozess/Designprozess, die Pflichtenheftphase, Variantenphase, Konzeptphase, Detaillierungsphase, Produktrealisierungsphase, Nullserienphase, Serienphase beendet waren.
Der Aufbau des Teams veränderte sich je nach Phase und Aufgaben des Prozesses: Vertreter der Marketing-, Entwicklungs- und Forschungsabteilung, des Qualitätsmanagements und der Verkaufsabteilung waren von Anfang an mit dabei. Am Kick-Off-Meeting selbst war zusätzlich ein Vertreter der Produktionsabteilung präsent. Zum Ende bestand das Team aus Repräsentanten der genannten Abteilungen sowie der Logistik und aus je einem Vertreter der zwei Gruppen, die für Qualitätstests sowie für die TestprogrammServices zuständig waren.
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Der Prozess ist ein von Mitarbeitern hergestelltes Konstrukt, das sich auf die langjährige Erfahrung in der Entwicklung innovativer Produkte des Unternehmens abstützt. Der Routineprozess stellt also ein Artefakt dar, das in der Entwicklung des Produktes eine entscheidende Rolle übernehmen wird und, wie Carlile (2002) ausführt, als semantisches boundaiy object fungiert: Der MeilensteinProzess legt den Ablauf des Innovationsprozesses fest und leitet die Mitarbeitenden an, wie sie diesen nachzuweisen haben. „Jeder Schritt, den wir hier machen, ob erfolgreich oder nicht, wird dokumentiert." (Interview, 22.10.2008) fasst der Geschäftsleiter die Vorgehensweise zusammen. Der Prozess wird detailliert in spezifischen Formularen beschrieben und archiviert. Diese Dokumente haben in der Bewältigung des Innovationsprozesses einen entscheidenden Einfluss: Die leer stehenden Felder sind auszufüllen; anderen Belangen, die nicht in den Formularen aufgeführt sind, wird keine Aufmerksamkeit geschenkt.
4.2
Die ersten sechs Meilensteine des Innovationsprozesses des Produktes „Vailla"
Der Start der Entwicklung des neuen Produktes fand im Dezember 2002 statt, nachdem die Geschäftsleitung den Entwurf für den Projektplan sechs Monate früher abgesegnet hatte. Der Produktentwicklungsauftrag war allen Teammitarbeitenden klar. Es galt, ein langjähriges Produkt durch ein neues zu einem vergleichbaren Preis zu ersetzen; es musste einerseits mit der neuesten Technologie ausgestattet ein und andererseits über ein modernes Design verfügen. Die Design-Visionen wurden zu Beginn des Prozesses dokumentiert: „round in shape, smooth, revolutionary, modern and attractive, eye-catching". Der von externen Designern entwickelte Prototyp wurde diesen Ansprüchen gerecht. Die Hülle aus Kunststoff, die es noch mit der neuesten Technologie zu füllen galt, ermöglichte es den Teammitgliedern, gleich von Beginn an eine gemeinsame Produktvision zu entwickeln. „... manchmal forderten wir uns gegenseitig auch heraus. ... Aber grundsätzlich verstanden wir einander. Wir wussten, dass der andere auch Probleme hat... Wir hatten ^war Diskussionen, wir fragten zurück, ob es wirklich so sei. Also wir akzeptierten nicht einfach jede Aussage. Ich denke, das ist normal. Das hatte eine gute Dynamik, dass man sich gegenseitig Fragen stellte und herausforderte. Und auch wieder neue Ideen hereinbrachte" (Marketingleiterin, Interview, 23.12.2008). Die Kommunikation war nicht immer einfach. Die einzelnen Vertreter der occupational communities versuchten, ihre Ideen und bereichsspezifischen Strategien durchzusetzen. Im folgenden Beispiel, das der Geschäftsleiter schildert, geht es um ein zusätzliches Accessoire, das einige Änderungen nach sich zog:
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„[Zu diesem Accessoire des Prototyps] hatte die Entwicklung auch einiges sagen. Und da gab es ^um Teil sehr harte Diskussionen. ... [Aus forschungsbasierter Perspektive war klar,] dass es so und so aussehen müsste. Die Marketingabteilung sagt: ,Tja, es mag %warforschungsbasiert sein, aber es sieht seltsam aus. Wer wird schon bereit sein, ein Ding kaufen, das seltsam aussieht?' Und die Entwicklung wollte es sogar noch gami ar>ders machen, weil es rein technisch gesehen die schönere iJisung wird. Und dann muss man sich zusammenraufen und versuchen, das Beste von allen Welten ψ nehmen. In dem Fall haben wir gesagt, wir setzen auf das Forschungsbasierte, da haben wir die Daten ... Auch wenn der [Kunde] vielleicht querst findet, es sieht ein bißchen eigenartig aus. Das kann ja auch én Argument sein, um das Produkt kaufen, weil es etwas anderes ist, als das, was es bereits auf dem Markt gibt. ... Aber es könnte auch problemlos sein, dass das Marketing kommt und sagt: ,Das Ding kann man nicht putzen. Also muss man es anders machen, damit es gereinigt werden kann. ' — Und das sind effektiv lange Diskussionen, Auseinandersetzungen, bis sich dann irgendwann mal eine gemeinsame Ansicht herauskristallisiert. Dann macht man lieber noch eine Sitzung länger, als dass man der F&E oder dem Marketing etwas überstülpt. Denn ansonsten wären nicht mehr alle voll dabei und tragen die Idee auch nicht" (Interview, 22.10.2008). Manchmal wünschten sich die Beteiligten, „dass mal jemand ein Machtwort gesprochen hätte" (Marketingleiterin, Interview, 23.12.2008). Denn die verstehensund verständigungsorientierte Kommunikation „erschwert alles ein bisschen, ... weil wir alle so nett zueinander sind (lochen). Und ja man versucht, den anderen zu verstehen." — Eine sehr zeitintensive Kommunikation also. Alle unterschiedlichen Vorstellungen, welche die Teammitglieder in die Runde warfen, handelten sie anhand des Prototyps aus. Er erlaubte es, dass sich die Beteiligten auf Änderungen, die weit reichende Konsequenzen nach sich zogen — wie etwa die Generierung kleinerer technischer Komponenten, neue Justierungen der Fertigungsmaschinen und des Produktionsprozesses, die Verfeinerung des ganzen Verpackungsmaterial —, verständigten, diese akzeptieren und annehmen konnten. Der Prototyp fungierte also als Referenzobjekt, auf den sich die einzelnen Teammitglieder bezogen, um Dinge wie Größe, Accessoires, Details etc. zu besprechen. Und zudem befähigte der Prototyp die Marketingleute dazu, über die Teamarbeit hinaus Kundenmeinungen früh zu sammeln und auf diese zu reagieren: ,Aber es stimmt schon, ich denke etwas Visuelles hilft für unterschiedliche Belange: Ein Beispiel sind etwa die Tests, die vor der Produktlancierung mit den zukünftigen Kundinnen durchgeführt werden. Deren Antworten fallen viel genauer aus, wenn sie unsere Fragen auf der Grundlage eines Prototyps beantworten. So haben sie eine bestimmte Vorstellung vom Produkt und können dieses auch besser beurteilen " (Marketingleiterin, Interview, 23.12.2008).
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Der Prototyp verband die verschiedenen sozialen Welten und befriedigte die jeweiligen Informationsbedürfnisse. Durch das Objekt gelang es den Beteiligten, die eigenen Bedürfnisse zu klären und diejenigen der anderen besser nachzuvollziehen. Das Team rückte zusammen und kooperierte erfolgreich miteinander. Der Prototyp, der also eine abteilungs- bzw. grenzüberschreitende Kommunikation ermöglichte und für die Bedeutungskonstruktion wichtig war, stattete die Mitarbeitenden mit einem gemeinsamen Orientierungsrahmen aus, um zu entscheiden, wie das Endprodukt aussehen sollte. Dieser Rahmen wirkte allerdings auch — wie zu zeigen sein wird — begrenzend, denn er ließ im Gegenzug nicht mehr alle Möglichkeiten offen. Während der ersten sechs Phasen des Innovations- und Entwicklungsprozesses verliefen die Arbeiten gut. Die einzige Problematik, mit der das Team zu kämpfen hatte, war, dass sie den zu Beginn des Projektes festgeschriebenen Produktionspreis nicht erreichten. So bestand die Hauptarbeit darin, sämtliche Preissenkungsmöglichkeiten auszuschöpfen: „Man hat noch nie so extrem auf dem Preis ... rumgehackt... Man hat wirklich von Beginn weg jeden 5-Käppier umgedreht, um noch mehr Kosten einzusparen. Und das war nicht immer einfach. Also wirklich " (Virtreter der Forschungs- und Entwicklungsabteilung, Interview, 16.12.2008). Im Abschlussbericht der Nullserien-Phase war deutlich, dass alles versucht worden war, um die Produktionskosten noch weiter zu verringern — leider umsonst. So hoffte man im vierten Jahr nach Beginn der Produktion die geplanten Kosten durch Skaleneffekte zu erreichen.
4.3
Fundamentale Krise unmittelbar nach Erreichen des sechsten Meilensteins
Wenige Tage nach der offiziellen Markteinführung, nachdem die Massenproduktion ohne Probleme angelaufen war und der siebte Meilenstein in Angriff genommen werden konnte, begann eine fundamentale Krise: Die Produktion und die Lieferung mussten gestoppt werden, weil es mit dem Vakuum und der Ventilation des für das Produkt vorgesehenen Motorenteils Schwierigkeiten gab. Das Entwicklungsteam fand heraus, dass das spezifische technische Produkt — ein Hubmagnet - nach zwei Wochen Lagerung nicht mehr funktionierte. Es war ein eigentliches Desaster. Die Arbeit von drei Jahren stand auf dem Spiel. Die wohl wollende Geschäftsleitung unterstützte die Gruppe. Sie stellte die finanziellen Mittel bereit und entschied, die Produktion wieder laufen zu lassen, allerdings mit verringerter Stückzahl. Das Team erhielt Zeit, um dem Problem auf den Grund zu gehen.
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Die Krise ist in den Unterlagen der Firma Carmlod ausführlich dokumentiert und zeugt von der Dramatik dieser Ereignisse. Zwei Monate nach der Entdeckung der Fehleranfalligkeit des Hubmagneten schrieb der Vertreter des Forschungs- und Entwicklungsteams: „Wir verstehen noch immer noch nicht die Gründe für dieses Problem." (Interview, 16.10.2008) Der Geschäftsleiter selbst schilderte die Krisenphase wie folgt: „[Plötzlich] hat es ... irgendwo ein gröberes Problem gegeben. Da kämpften wir relativ lange. ... Da waren χ heute involviert. Es wurde Tag und Nacht gearbeitet. Wir leisteten Über^eit. Wir mussten sehr nel kontrollieren. ... Wir mussten gewisse Sachen umkonstruieren. Man musste externe Experten holen für ein kleines Teil. ...So ein blödes, kleines Teil kann doch keine Probleme geben, sagte man sich. ... Wir haben also relativ lange viel „gekaut", bis es dann so weit war. Jet^t... läuft es. Jet%t läuft es gut" (Interview, 22.10.2008). Um die Worte des Vertreters der Forschungs- und Entwicklungsabteilung zu verwenden: „Es war ein traumatisches Szenario" (Interview, 16.12.2008). Eines war klar: Der letzte in der Planung festgeschriebene Meilenstein war nicht mehr termingerecht zu erreichen. Sämtliche Aktivitäten der Teammitglieder konzentrierten sich von nun an auf die Lösung des Problems. Jeder einzelne versuchte, mit dem eigenen Hintergrundwissen einen Beitrag zu einem erfolgreichen Abschluss zu leisten. Für diesen Findungsprozess, der letztlich die eigentliche technische Innovation — einen Hubmagneten mit spezifischen Eigenschaften — hervorbrachte, waren keine standardisierten Prozesse vorhanden, denen die Akteure hätten folgen können. Sämtliche Routinen griffen zu kurz. Der Vertreter der Forschungs- und Entwicklungsabteilung schildert die wahrgenommene Krisensituation wie folgt: „Man hatte einfach kein Szenario mehr in der Schublade, das eine Alternative aufgezeigt hätte" (Interview, 16.10.2008). Mit einem trial and irrer-Verfahren suchten die Teammitglieder nach einem überzeugenden Ergebnis. Die kommunikative Zusammenarbeit verdichtete sich zu dieser Zeit. Alle zogen am gleichen Strick. Alle Teammitglieder gaben ihre jeweiligen Strategien auf und stellten die Erreichung eigener bereichsspezifischer Resultate in den Hintergrund. Und wie der Geschäftsleiter dies beschrieb: „Da mussten viele Leute über den eigenen Schatten springen" (Interview, 22.10.2008). Als das Forschungs- und Entwicklungsteam drei Monate später glaubte, das Problem endlich entschlüsselt zu haben, erzeugte die Produktadaptierung einen neuen Vakuumfehler. War dieser enträtselt, zeigte sich erneut eine Schwierigkeit. Die neuen Hubmagnete, die eine asiatische Organisation für Carmlod produzierte, waren von unterschiedlicher Qualität; während eines Firmenbesuches schließlich entdeckten die F&E-Manager und der Chef der QualitätsmanagementAbteilung, dass diese fehlerhaftes Material verwendete. Also suchte man nach
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einem neuen Hubmagneten-Zulieferer — erfolglos. Knapp ein Jahr nach dem Start der Massenproduktion sah sich das Team gezwungen, zusammen mit einer externen Firma einen für das neue Produkt eigens entwickelten Hubmagneten herzustellen. Dessen Massenproduktion startete nur einen Monat später, sämtliche Vakuumprobleme waren gelöst. Der Hubmagnet entwickelte sich zu einer regulären, und wie sich aus einer ex Post-Perspektive zeigte, sehr innovativen Produktkomponente. Die Krise hatte auf den weiteren Projektverlauf einige Konsequenzen: Die Produktionskosten der neuen Technologie übertrafen den geplanten Produktionspreis um 50 % — der angestrebte Preis war nur noch Makulatur. Doch durch die fundamentale Krise war dem Team letzten Endes eine Repositionierung des Produktes auf dem Markt möglich. Die Marketingleute definierten ein neues Kundensegment. „Ich denke, wir haben auch eine gewisse Verschiebung generiert. Aber in einem Bereich, welchen wir nicht erwartet haben. ...Zu Beginn haben wir nach einem Ersat^Jür ein langjähriges Modell gesucht. Aber wir schafften es nicht, die Produktionskosten entsprechend der Planung reduzieren. ... Jet^t haben wir einjach ein Premium-Produkt geschaffen und so eine neue Kundengruppe gewonnen " (Marketingleiterin, Interview, 23.12.2008). Das Produkt, das ursprünglich hätte ersetzt werden sollen, blieb auf dem Markt und wird noch immer sehr erfolgreich verkauft, „das läuft nach wie vor weiter. Das ist... interessant. Da planen wir, ein Produkt ersetzen, das wir als technisch nicht auf dem neuesten Stand betrachten. Und irgendwann sieht man, dass dies gar nicht nötig ist" (Vertreter der Forschungs- und Entwicklungsabteilung^ Interview, 16.12.2008). Die neue Marktpositionierung des innovativen Produktes war die Folge dieser fundamentalen Krise. Das Projekt endete am 7. März 2007.
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Diskussion & Konklusion
Der vorliegende Beitrag befasst sich mit den drei folgenden Hauptfragen. Erstens: Wie lässt es sich in Organisationen mit von Routinen bestimmten Innovationsprozessen über Dinge wie neue Produkte oder Dienstleistungen reden, für die es noch keine Begriffe gibt? Zweitens: Wie geht ein interdisziplinär zusammengesetztes Team mit krisenhaften, nicht-intendierten Handlungsfolgen um? Und schließlich: Sind allenfalls Aussagen darüber zu machen, wie die Kommunikationsstrukturen innerhalb einer Organisation zu gestalten sind, die Innovationen fördern?
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Die Auseinandersetzung mit Theorien aus dem Bereich der Wissenschafts- und Technikforschung im Rahmen der Auswertung der Fallstudie ermöglicht neue Erkenntnisse für den organisationalen Innovationsprozess.
5.1
Artefakte als Grenzobjekte und als Mittler
Die Fallstudie zeugt von einem Prozess, an dem unterschiedliche Akteure und Artefakte beteiligt waren. Allen Teammitgliedern war von Anfang an klar, welchen Auftrag sie zu erfüllen hatten: Es galt, ein altes Produkt mit einem neuen zu ersetzen, das technologisch auf dem neuesten Stand und mit einem guten Design versehen war. Des Weiteren hatten sie sich an den Stage-Gate-Prozess zu halten, der sie zwang, sich nach dem Abschluss eines jeden Meilensteins auf die gewonnenen Ergebnisse zu einigen und diese zu dokumentieren. Dieser Innovations- und Entwicklungsprozess generierte von Beginn weg einen Kommunikationsprozess, der zwar vage und ambig war, dennoch nicht gänzlich offen. Mitglieder des heterogenen Teams versuchten in den ersten sechs Phasen des Prozesses, je ihre eigenen Ziele und Interessen strategisch zu verfolgen. Durch den Prototyp gelang diese Kommunikation und die Gruppe verstand es — über die Innovations- und Entwicklungszeit des neuen Produktes hinweg —, sich trotz der offensichtlichen Differenzen zu verstehen und zu verständigen. Der Prototyp als pragmatic boundary object diente in der Konstruktion neuer Bedeutungen als Referenzobjekt, auf das sich die Mitglieder bezogen, um ihre eigenen Semantiken auszutesten und ihre jeweiligen Bedeutungen auch dem Team als Diskussionsbeitrag zur Verfügung zu stellen. Wissenstransformationen wurden so am und durch den Gegenstand überhaupt möglich (vgl. auch Bechky 2003b, S. 324). Die Teilnehmenden gingen in ihrer Zusammenarbeit davon aus, vom Gleichen zu sprechen, obwohl sie allenfalls in Abhängigkeit ihres eigenen Hintergrunds andere (implizite) Bedeutungen zugrunde legten. Doch entscheidend ist, dass der gemeinsame Verstehensprozess eine Entwicklung erfuhr, der zur Verdichtung der Bedeutung des Produktes führte. Der Prototyp eröffnete einen Raum, der Repräsentationen eigener Bedeutungen zuließ und in diesem Falle Modifikationen und Änderungen des zu entwickelnden Produktes nach sich zog. Von anderer Qualität war das Artefakt des Hubmagnets, der zu einer fundamentalen Krise führte. Das Objekt vereitelte den Mitgliedern ihr Vorhaben, den Prozess planmäßig abzuschließen: Eine für das Produkt entscheidende Spezifikation, ein Maximalvakuum konstant zu halten, funktionierte, wie Tests ergaben, nach zweiwöchiger Lagerung nicht mehr. Der Hubmagnet generierte somit ein effektives „Widerstandsaviso" (Fleck, 1980, S. 124), entwickelte sich zu einem sperrigen Objekt, mit dem sich die Beteiligten auseinanderzusetzen hatten. Es „präsentierte sich in einer ... charakteristischen, irreduziblen Verschwommenheit und
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Vagheit" und fungierte so als exemplarisches epistemisches Objekt, wie es der Wissenschaftshistoriker Hans-Jörg Rheinberger in Anlehnung an Latour definiert (2001, S. 24). Die Krise führte zu einem kontingenzerweiterten Handlungsspielraum: Keine der Parteien wusste, was zu tun war. Standardisierungen oder Methoden griffen nicht mehr. Um die Krise erfolgreich zu lösen, waren die folgenden Belange entscheidend: Als erstes räumte die Geschäftsleitung dem Team mehr Zeit und vor allem auch finanzielle Mittel ein und übernahm so eine wichtige Brückenfunktion, indem sie dem Team Vertrauen schenkte. Als zweites intensivierte das Team die Zusammenarbeit und begann Experten außerhalb der Firma zu suchen. Zusätzlich führte sie zahlreiche Tests im trìal and error-Verfahren durch. Nur in der Zusammenarbeit aller und durch den Gewinn von „Verbündeten" — wie einem externen Entwickler, der Geschäftsleitung und neuer Prototypen — war es den Mitarbeitenden möglich, eine Lösung zu finden. Die Kommunikation war genuin verstehens- und verständigungsorientiert. Denn strategische Ziele zu verfolgen war in diesem Kontext nicht weiter möglich. Erst in diesem Prozess, den man in Anlehnung an Jürgen Habermas (1981) als „herrschaftsfreien Diskurs" bezeichnen könnte, rücken die eingangs erwähnten „discourses of accusation" (vgl. S. 3) in den Hintergrund. Konsequenz dieser Krise waren die erfolgversprechenden Verschiebungen innerhalb des vor der Krise festgelegten Gefüges: Das kleine, innovative, neu entwickelte Teil musste von Hand hergestellt werden. Die Produktionskosten wurden um einiges teurer. Der ursprünglich festgesetzte Preis konnte nicht mehr eingehalten werden. Damit ersetzte es auch nicht wie vorgesehen das alte Produkt. Die Konstruktion eines technischen Objektes, das den zu Beginn festgelegten Anforderungen nicht gerecht zu werden vermochte, zog eine Neupositionierung des innovativen Produktes im Premium-Segment nach sich. Der Hubmagnet fungierte ganz im Sinne von Latour (2007) als Mitder, der die aussichtsreichen Transformationen, die zum Innovationserfolg führten, überhaupt erst ermöglichte. Er initiierte unter den Mitarbeitenden einen verstehens- und verständigungsorientierten Diskurs und steuerte ihn.
5.2
Routineprozess mit performativer Wirkung
Der lineare Stage-Gate-Prozess gab einige Regeln vor: die Teamzusammensetzung, den Prozessablauf und schließlich die in den Dokumenten vorgesehenen Fragen, welche konkret beantwortet werden sollen. Diese routinierte Linearität gibt den Beteiligten eine Orientierung und einen Handlungsrahmen für den Kommunikationsprozess; er leitet sie in ihrer Arbeit an durch klar strukturierte Dokumente. Doch führte diese Standardisierung auch zu blinden Flecken. Gewisse Fragen, die nicht in den Formalitäten vorgesehen sind, wurden nicht gestellt, allfállige Probleme, die jemandem auffielen, nicht mehr weiterverfolgt.
40 Jacqueline Holzer
Der Routineprozess entfaltete so eine performative Wirkung, er war „actively engaged in the constitution of the reality that [it] describe[s]" (Callón, 2008, S. 318). Die Routineprozesse ko-konstituierten die Realität entscheidend mit, prägten sie auch und setzten Grenzen in der Entscheidungsfindung. So entstand „das Neue unter Voraussetzungen, die ihm nicht angemessen [waren], so dass die Bedingungen für den Erfolg der Innovation miterzeugt werden [mussten]." (John, 2005, S. 54).
6
Konsequenzen für die Praxis
Was heißt dies nun für die Gestaltung der Kommunikationsprozesse in einem Unternehmen, das erfolgreiche Innovationen anstrebt? Routineprozesse, welche die Kommunikation zwischen den Teammitgliedern anleiten und regeln, geben ihnen Orientierung, Handlungsspielraum und damit Sicherheit. Dokumente fungierten als Referenzpunkte, um das heterogene Wissen und die divergierenden Ansichten innerhalb der occupational communities zu koordinieren. Andererseits bergen die routinehaften Prozesse immer die Gefahr, dass sie aufgrund ihrer performativen Wirkung blinde Flecken erzeugen und die Situation der Mitglieder entscheidend verändern. Denn im Fallbeispiel hinderten die Dokumente die Beteiligten daran, Fragen zu stellen, die nicht vorgesehen waren. Der Vertreter der Forschungs- und Entwicklungsabteilung fasst dieses Problem treffend zusammen: „Es ist schon die Gefahr, dass man etwas einfach abhakt, damit es im Prozess weitergehen kann. Der Entwickler hat melleicht noch etwas im Bauch und sagt: ,Nein, dort haben wir noch irgendwie ein Thema. ' Und es heißt dann: ,Nein, jet^tgehen wir weiter. Es geht schon irgendwie. Und genau an dem hängen wir nachher. Genau an diesen Punkten. Dann haben sie danach einen wahnsinnigen Aufwand. ... Das passiert immer wieder. ... Also für mich ist es einfach, sagen wir so, man darf sich nie aufs Papier verlassen " (Interview, 16.12.2008). Das Verfahren, so der Entwickler etwas absolut, „tötet jegliche Kreativität" ab. Will eine Organisation einen routinierten Innovationsprozess institutionalisieren, ist es notwendig, sich dieser Performativität der Routinen bewusst zu sein. Es ist immer möglich, dass experimentelle Effekte eines sich fortschreitenden „Diskurses der Umstände" (Rheinberger, 2005, S. 98) zu krisenhaften Situationen führen. Eine Reflexion dieser Umstände wäre von Nöten, um fundamentale Krisen zu verhindern. Doch eine Garantie, dass diese verhindert werden können, gibt es nie. — Die Suche nach dem heiligen Gral geht weiter. Für die Praxis sind folgende Aspekte abzuleiten:
Bedeutungskonstruktion in Innovationsprozessen 41
1)
Prototypen scheinen in einem besonderen Masse geeignet, die Kommunikation zwischen Vertretern verschiedener occupational communities zu gestalten. Physische Objekte sollten entsprechend gleich zu Beginn einer Zusammenarbeit eingesetzt werden. Einerseits erleichtern sie diese, indem sie als Referenzobjekt zu Bedeutungskonstruktionen über die Abteilungsgrenzen hinweg beitragen und so Kommunikation überhaupt erst ermöglichen. Andererseits meistern die Mitarbeitenden die Schwierigkeiten, die in einem interdisziplinär ausgestalteten Innovationsprozess anfallen — wie etwa die Konstruktion neuen Wissens, das nicht nur den eigenen abteilungsspezifischen Einsichten entspricht, also die Aufgabe von bereichsspezifischen Selbstverständlichkeiten bedingt (Bechky, 2003a, S. 317). Ein positiver Nebeneffekt dieser Kooperation ist, dass die Gruppen durch diese Wissenstransformationen ein gemeinsames Verständnis herstellen und dadurch ein neues Denkkollektiv mit einer gemeinsamen Sprache und einer eigenen Perspektive gründen.
2)
Routineprozesse sind ein zweischneidiges Schwert. Auf der einen Seite garantieren sie den Mitarbeitenden einen Handlungsspielraum, der ihre Kommunikation während des Innovationsprozesses leitet. Auf der anderen Seite generieren sie im Vollzug der eigenen Regeln eine Realität, die Ereignisse mit sich bringt, welche nicht zu planen sind. Nach jedem Meilenstein wären deshalb Reflexionsschlaufen einzubauen, die es den Mitarbeitern ermöglichen, nochmals grundsätzliche Fragen zu stellen, um blinde Flecken zu verhindern.
3)
Die Geschäftsleitung agierte im dargestellten Fall exemplarisch. Indem sie dem Team ihr Vertrauen schenkte, ihm weitere Zeit (17 Monate!) und finanzielle Mittel einräumte, übernahm sie eine wichtige Brückenfunktion und trug so letztlich zum Gelingen des Prozesses bei. Nur weil die Geschäftsleitung dem Team vertraute, war die Weiterführung möglich. Ohne dieses wäre das Projekt gescheitert. Denn: „No innovation, no invention develops without this initial bet, without this act of elementary trust, which defines our relation with others, and which leads to regarding the spokespersons with whom you prepare to negotiate your innovation project as legitimate." (Akrich et al., 2002b, S. 219).
4)
Die Beteiligten standen unter Druck. In dieser von Unsicherheit geprägten Phase war ein aussichtsreicher Abschluss nur möglich, wenn sie sämtliche Allianzen mit externen Experten, mit neuen Prototypen, mit der Geschäftsleitung, mit sämtlichen Mitgliedern des Teams, eingingen, die einen Erfolg versprachen. Denn: „Lost in this world of ,fog and illusion' the innovators] can only find [their] bearings by endeavouring, through negotiations and socio-technical compromises, to interest more and more actors. It is a ques-
42 Jacqueline Holzer
don of research, this collection of all sorts of allies, human or non-human." (Akrich et al., 2002b, S. 222). Literaturverzeichnis Akrich, M., Callón, M. & Latour, Β. (2002a). The key to success in innovation, Part I: The art of intéressement. International Journal of Innovation Management, 6 (2), S. 187-206. Akrich, M., Callón, M. & Latour, Β. (2002b). The key to success in innovation, Part II: The art of choosing good spokespersons. International Journal of Innovation Management, 6 (2), S. 207-225. Bechky, B. A. (2003a). Sharing Meaning across occupational communities: the transformations of understanding on a production floor. Organization Science, 14 (3), S. 312-330. Bechky, B. A. (2003b). Object lessons: workplace artefacts as representations of occupational jurisdiction. American Journal of Sociology, 109 (3), S. 720-752. Blom, J.-P., & Gumperz, J. J. (1972). Social meaning in linguistic structure: codeswitching in Norway. In: Dell Hymes (ed.), Directions in sociolinguistics: the ethnography of communication. New York: Holt, Rinehart and Winston, S. 407434. Boland, R . J . & Tenkasi, R. V. (1995). Perspective making and perspective taking in communities of knowing. Organization Science (Special Issue on Electronic Communication and Changing Organizational Forms), 6 (4), S. 350-372. Brown, J. S. & Duguid, P. (1991). Organizational learning and communities of practice. Organization Science, 2, S. 40-57. Burr, V. (2003). Social constructionism, 2nd edn. London: Routledge. Callón, M. (2008). What does it mean to say that economics is performative? In: D. MacKenzie, F. Muniesa & L. Siu (eds.), Do economists make markets. On the performativity of economics. Princeton: Princeton University Press, S. 311-357. Callón, M. & Latour, Β. (1992). Dont' throw the baby out of the Bath school! A reply to Collins and Yearley. In: A. Pickering (ed.), Science as practice and culture. Chicago: The University of Chicago Press, S. 343-368. Carlile, P. R. (2002). A pragmatic view of knowledge and boundaries: boundary objects in new product development. Organisation Science, 13 (4), S. 442-455. Carlile, P. R. (2004). Transferring, translating, and transforming: an integrative framework for managing knowledge across boundaries. Organisation Science, 15 (5), S. 555-568. Collins, H., Evans, R. & Gormann, M. (2007). Tradinz zones and interactional expertise. Studies in History and Philosophy of Science, 38, S. 657-666.
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Corporate Innovation Politicians: Practicing the High Arts of Innovation Politics in a Large Service Company Culture Martin Sprenger & J e n s O. Meissner
1
Introduction
Two trends in innovation management influenced the basic idea of this paper: Firstly, the increasing amount of managerial attempts to design linear innovation management processes that can be derived from literature and practice. Secondly, the increasing acceptance of innovation culture dynamics as key driver for innovations. Both approaches partially are contrasting each other. In the following, these two trends are presented in short: The first approach supposed that innovation management processes can be structured in a more or less rigid manner. Exponents of this stream are as an example Cooper's stage-gate-model (see Cooper, 1998), the funnel model (e.g. Terwiesch & Ulrich, 2009) or the open innovation process model (Chesbrough, 2003). These concepts are hardly capable to adequately deal with innovation dynamics (and sources) that cannot be regulated by a process model. This is usually the case within irregular business circumstances or the exposition to unpredictable societal dynamics. However, in organizational innovation, irregularity is a typical variable. The second approach bases on culture concepts. Exponents of this stream are as an example Schein's culture model (Schein, 1992), Sackmann's iceberg model (Sackmann, 1991), or Want's corporate culture hierarchy (Want, 2003). These models explain the relevance of implicit, more or less hidden or invisible dynamics of innovation within social structures and organizations. It has been widely confirmed in theory and practice that companies can hardly assess the tacit dimension of innovation culture (e.g. Nonaka & Takeuchi, 1995). However, it never can be systematically assessed and completely explained by management initiatives. Even so, the hidden beliefs and attitudes about innovation and innovativeness massively influence the social processing of innovation projects. The topic of product development has been picked up by Brown and Eisenhardt (1995). According to them the empirical literature about product development can be organized into three streams. First of it is product development as a rational plan. According to this perspective a product that is well planned, implemented and appropriately supported will be a success. That is when the product
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has market place advantages, is targeted in an attractive marked and is well executed through excellent internal organization. Selected studies of this stream are e.g. Cooper & Kleinschmidt (1987) or Zirger & Maidique (1990). The second stream of research is product development as communication web. According to this stream, external communication (with suppliers and customers) is critical to successful product development. Successful product development teams include gatekeepers who encourage team communication outside of their groups, and powerful project managers who communicate externally to ensure resources for the group. Internal communication improves development-team performance. Cross functional teams that structure their internal communication around concrete tasks, novel routines and fluent job descriptions have for example been associated with improved internal communication and successful products. Selected studies of this stream are e.g. Anaconda & Caldwell (1990) or Dougherty (1992). As third stream they have termed the problem solving perspective. According to this stream, successful product development involves relatively autonomous problem solving by cross functional teams with high communication and the organization of work according the demands of the development task. Extensive supplier network coupled with overlapping product development phases, communication and cross functional groups improve the performance of development teams. This perspective also highlights the role of project leaders and senior management. There is an emphasis on both project and senior management, on the one hand, to provide a vision or discipline to the development efforts, on the other hand to provide autonomy to the teams. Examples of studies of this stream are Womack, Jones & Roos (1990) or Clark & Fujimoto (1991). Based on the analysis of literature, Brown and Eisenhardt (1995) developed an integrative model which summarizes the key findings (see figure 1). Crucial for the development of such an integrative model was the observation that the streams have complementary theoretical approaches. The organizing idea behind the model was that there are multiple players who perform the product. Specifically, they argue, that the project team, project leader, senior management, and suppliers affect process performance (e.g. speed and productivity of product development), the project leader, customers, and senior management affect product effectiveness (i.e., the fit of the product with firm competencies and market needs), and the combination of an efficient process, effective product (i.e. a product accepted by the market) and munificent market shapes the financial success of the product (i.e., revenue, profitability, and market share).
Corporate Innovation Politicians 49
Suppliers
Note: Capital letters and thickened lines indicate robust findings
Figure 1:
Factors Affecting the Success (Brown & Eisenhardt, 1995)
of
Product-Development
Projects
A missing issue in this study and in general in the literature is the link between innovation culture and project management. Classical innovation management is based on the assumption that ideas can be more or less easily generated (e.g. with idea management), or that they can be handled like a production process (e.g. stage gate process). This is in large part a sterile and dehumanized view of innovation management. Important questions regarding a company's corporate culture remain unanswered, for example, how and wherefrom did the idea originate, what role do individuals or groups of people play, and how will the power structure of the enterprise be decided? This missing link represents the theoretical field of this paper. Our research question focuses on how basic assumptions of team members do occur in managed organizational innovation activities and how they influence the effectiveness of the innovation process. In order to answer these questions, a group of researchers analyzed the development process of a new product. More precisely, the innovation process of the telecom enterprise TELE has been studied in the context of a single case study. The goal of the case study was to investigate the individual dynamics of innovation, and to describe their impact on the new product. Of special interest to our study was the interaction of innovation behavior and the corporate culture of the
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firm. In this case study, innovation generally will be considered from a systemic construcdvist perspective (Berger, Luckmann, 1967; Gergen, 1985; Luhmann, 2000; Baecker, 2003; Aderhold & John, 2005), which focuses on the social dynamics in innovation processes and their impact.
2
TELE: An Enterprise from the Swiss Telecom Industry
The case study was completed in conjunction with a major enterprise within the telecom industry in Switzerland. For decades the telecom industry in Switzerland has been a controlled monopoly market. With the revision of the Communications Law in 1998, the market in Switzerland — and in the EU — was liberalized. One of the reasons for this governmental change was the hope of various economic advantages to be realized. The legislature estimated that as a result telecommunication costs would be lowered, and an additional wave of innovation would spawn (Abegg, 2005, p. 76). Evidence shows that these goals were not too audacious and have indeed been met. With this liberalization, a number of telecommunications firms have entered the market. Since then, a lot of betterpriced, high quality products and services have become available (Vaterlaus, Bühler, Telser & Zenhäusern, 2004, p. 10). Worldwide, in general, the telecom market is dynamic and is attributed with very fast-paced technological growth. In addition, it is characterized by the convergence of the technologies of telecommunication, data communication and television. This is because the télécoms of today are offering a new mix of services to their customers, this, in addition to their traditional telecommunications product offerings. Therefore, a mixture of technologies arises, which are tailored to specific customer needs, many times in the form of a bundle of services. So it is not amazing, that according to a study done by the University of Zurich in 2004, in this mature industry, there still prevails a lot of above-average innovation activity (Vaterlaus et al., 2004, p. 10). The company being investigated, (for the purpose of anonymity will subsequently be named "TELE") is a subsidiary of a large foreign telecom company, but with respect to its daily business operations/decisions, operates more or less autonomously. Especially for innovation projects, TELE has its own allocated budget to develop new products and services. TELE has approximately 1,000 employees within Switzerland, which are shared at several locations around the country. Up until now, TELE has worked more or less only in one business segment. In this segment TELE fills the needs of both business and private customers. The percentage share of the company's entire business volume for business custom-
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ers encompasses a mere 10 per cent. This has a significant impact on the budget allocation of these two business units Therefore our study observes the innovation which takes place in a business unit, which receives a significandy smaller portion of the entire corporate budget i.e. versus the private customer unit.
3
Methodology
The present study was applied as a single case study. Yin (2003) maintains that a case study is a research design "that investigates a contemporary phenomenon within its real-life context, especially when the boundaries between phenomenon and context are not clearly evident" (Yin, 2003, p. 40). Yin also emphasizes the importance of having "multiple source[s] of evidence" to get a broad comprehension of the observed phenomenon. Thus, in this in-depth case study, the researchers have chosen different methodical approaches for the different phases of the project. The collection of data happened in two waves. In the first wave, problem centered interviews with key persons of the innovation project (e.g. marketing manager, technical support) were conducted. The problem centered interview is characterized by an open structuring (Witzel, 1982; 2000) and looks at the individual themes of the interviewed people. For instance, how do they perceive the problem, and what are the consequences? The problem itself is not necessarily a problematic circumstance but the issue the interviewee is interested in during his interview narrations. The interviewer is interested in understanding the perspective of the interviewee by carefully listening to his or her stories and explanations. The researchers always began by asking the interviewees to tell them how they personally experienced the project from the beginning, in other words, they asked them their own personal story. This established a comfortable atmosphere for the interviewees to tell the researchers their side of the story; one without any adverse consequences for them professionally. In the second phase, a method called "structuring technique' was applied (Geise, 2006). The structuring technique method specifies a means of knowledge acquisition, where terms are grouped together according to the relationship of these terms to others already collected (Hackel & Klebl, 2008). With this approach, subjective theories how the process runs were clarified visually. In this project, the interviewee groups together eleven terms written down on cards, which had been mentioned previously. The respondents then brought them together to form a relationship. With the help of symbols (e.g. arrows) , the relationship was clarified.
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For data analysis, the interviews were recorded, and a transcript was drawn up. Later, the content of the data obtained was interpreted by a group of researchers. In a second series we combined the interview results with the structure analysis technique. The goal of the analysis was to find out the relevant statements, which could then give advice on the innovation process of the TELE. This was done by a researcher, who then extracted the contents in the form of quotations. As a result, a number of statements could be identified, which were later critically appraised with relation to the theme of innovation. Thereafter, in a subsequent meeting, a verbal comparison of the statements was done with the interviewees. Finally, a white paper was drawn up utilizing the respective quotes that the interviewees gave. These quotes focus on the innovations theoretical aspects and approaches. During the whole analysis process, a group of researchers regularly met to discuss and reflect on the results interpreted and crafted-out so far to achieve a maximum degree of interpretive validity (Meissner, 2007). However, it was not possible to trace the results of the structuring technique back to the interviews. So we took both, the results of the interviews as well as the statements from the structuring technique, as sources for the rich case description. This increased the quality of the case interpretation and increased the quality of the process reconstruction as a whole. The examination of the study happened on the basis of the classic quality criteria, which is validity, reliability and objectivity (Petrucci & Wirtz, 2007). Objectivity and validity were ensured by the fact that the results were discussed by the test persons and — as mentioned above — during the whole research process by the group of researchers. Thus, the results base on the inter-subjective consensus of a small team. Finally, the criterion of reliability was maintained by the repeated use of the same aforementioned structuring technique, which was completed in two stages. In the first stage, the findings were supplemented by the statements made by the interviewees. Through ordinal classification, the research team could then check whether or not the findings in themselves were conclusive, based on the network of relationships established in the first phase. Our results are reliable, because they would have resulted in very similar data when we would have repeated the method another time. However, our study follows the paradigm of interpretive social sciences, and thus our results are always a heuristics to social reality.
4
Results
Based on the collected data, the innovation process could be reconstructed in detail. Typical dynamics could be identified, which are shown in figure 2.
Corporate Innovation Politicians
4.1
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Reconstruction of the Innovation Management Process
The upper half of the diagram shows the different steps of the observed innovation process. The impulse for the development of the new product in this case was not an internal one. The idea for the project arose from a conversation with an important customer. The customer told a segment manager at TELE that he would be interested in a new telecom solution, because the old one was too expensive. Based on the criteria set by the customer, an internal proposal was created.
Visionary
Figure 2:
Management role transformation: Innovation Team Leader Corporate Innovation Politician
Reconstruction o f the T E L E innovation management process with main cultural themes
After they overcame the first stage gate, a core team was assigned to handle the development of the product. This core team was very heterogeneous and all members were from fairly import departments within the company. From the beginning, the team had members that were qualified and could contribute
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something vital to the success of the undertaking. This circumstance is an important prerequisite for innovation. For an optimal use of know-how, it is also important, that the people from the different departments are part of the team from the beginning. "For an optimal [use of know-how],yes, this [is] what I have toldyou, you should really have one representative of each one [of the] impacted segment[s], β: from the beginning?) from the beginning·; even from the product conception. " 'If you don't have people that understand the business, and know how to use internal knowledge you don't succeed. " In the observed project, this is not done so. For example, the marketing communication department should have become involved much earlier in the project than it was. As a result, the influence of this department was minor, and the know-how was not used in an optimal way. The reason for this late involvement lies in the internal process schema. During the whole development process, there were several stage gates to overcome. In TELE, this process is called the "ΤΡΙΑ process" (to be honest: no interviewee was able to explain the original meaning of TPLA to us). According to this internal procedure scheme, the marketing communication department is not involved from the beginning. Possible influences and improvements from this department's side were therefore not possible. One member of the marketing communication department states: "To some extent there are certain process cycles and milestones, and the marketing communication department becomes involved at a much later point in time. [Also] we are not involved from the beginning of the project, and therefore, our input is rather limited. [Additionally], the project has been protracted over many years now, and yes, well, the influence that I have had on the project itself is almost nonexistent. This is because this is the way the project was designed from the beginning. " Also noteworthy is the fact that TELE has had several staff changes throughout the whole project process. These changes were made both to the development team and the management. This lack of staff continuity was assessed by various stakeholders of the project as being problematic. "Change is another problem if y ou spend two hours explaining [how things work] to a guy, and then six months later he's gone, and there's a new guy. " In a broader sense, the customers are also a part of the development team. Before the launch of the product, there was a phase of customer acceptance tests. This step can be regarded as a trial-run where the products were tested and improved. For the development phase, TELE worked together with an external partner, which appears as supplier of technology. Thereby, a lot of time and money could
Corporate Innovation Politicians
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be saved, because TELE did not have to build up these skills/competencies to bring the product to realization. "Externalpartners are really important when considering the time-to-market aspect of things, as we don't have to build up all the knowledge and technology, which the partner already has. Instead, we merely have to integrate it, which first of all gives us a major head start on the project. Alongside the time saved, we also receive the externalpartner's services, which bundled together result in an interesting package. " The collaboration with an external partner brings with it not just advantages, but also inherent dangers. One example is when the external partner becomes so crucial that he is indispensable in the future. This can become problematic because of technical barriers, or if promises are not kept according to the skill level required (as described e.g. in principal-agent theory), which is precisely what happened to TELE. The originally selected partner had to be changed because they did not have the desired know-how to finish the job. This change cost TELE a lot of time and money. At the end, however, the new partner was quick and competent. 4.2
Culture Description
Based on the data, three prominent cultural influence factors could be identified: Formal power, averseness to experiments, and transactional relationships. These will now be described in detail. 4.2.1
Formal Power
The analysis of the process has shown that formal power is the most important factor during the whole process. Without the acceptance of the top management, innovations are doomed to fail from the beginning, as it is the management that holds the responsibility for the allocation of resources. "Without the support of top-management, innovations don't have any chance in our company, which is true, we have, we need to, we have to tell them this is something that we really need, and we have to convince them what is the benefit of this, because when they are not convinced, yourproject willjust be put on the side. " The power in TELE is not shared. Only one authority, organizationally attached to the top management, decides which innovation project will be carried out. Therefore, there is a high concentration of power on a few individuals. This circumstance influences an innovation process in TELE decisively. This also makes the whole process unnecessarily prolonged and more complicated. According to the people involved, the most difficult part was not the product development, but rather assuring the management that this was the right direction for the company.
56 Martin Sprenger & Jens O. Meissner
"Because the technical part is not the difficult part, it is the, I guess the process part which has taken us the longest. " However, if the management is committed to the project, it gives significant tailwind to the entire success of the project. According to the interviewed people, management support was the most important factor for an innovation project in TELE. 4.2.2
Averseness to Experiments
The considered innovation project also comprised the development of a new business segment. This circumstance resulted in resistance against the new product. The TELE culture was to date fully aligned to this unique segment. Especially the management board was totally fixed on this. The employees not involved in the project had to, in a first step, comprehend that a new era was now being ushered. In the TELE there were 2-3 staff members who took this task. They were able to push the development of the product so that it could be successfully finished. According to the interviewed people, this is another prerequisite for the successful completion of innovation projects. "[...] that two flag bearers were needed to bring the project forward. " As previously mentioned, the customer is also a part of the wider development team. However, he is also very helpful to enforce management support. If there is opposition against the new product idea, the customer, or rather the customer need, is a very strong argument to push it through the stage gates. This strategy is often used by the employees of TELE. One TELE associate states: "For me, the customer was the steamroller/inspiration for me to go ahead in these times. The customer wanted this ¡product] and was really interested, and wanted to buj thousands of units as soon as the solution would become operational. This appeal for the produrt was immediately internalized and transferred to the marketing segment. " The people in the development circle did not have this resistance against the new product. They were very motivated to get away from only the one business segment, which the company had been focusing on. The certainty of entering new terrain seemed to be a positive thing. "And the employees here at TElJïi are actually really motivated, and also wanted to, so to say, get away from only working in business segment X. " Not only did the management board have this resistance against the new product, but also the sales department as well. If the sales team does not understand or know about the new product features they will not sell it and simply resort to selling the proven products that they already know. Regular training sessions to show them the functionality and the advantages of the product are important elements in the whole process.
Corporate Innovation Politicians
57
"We have regular sales training and we also have an internal sales training department. In conjunction with the marketing manager, the sales training is setup and the sales team is instructed to focus on the benefits and the key factors, so that they are communicated in the best possible way to the customer. " For the salespeople, selling the new product must also be worthwhile in a financial sense. Therefore, giving them the proper incentive to sell the product is also a part of the considerations involved. "On the one hand, you can have a really great product, but if you don't properly motivate your sales staff by giving them the proper incentives to sell the product, then they simply won't sell iti They will only sell something that will pay o f f f o r them. In the implementation phase, these kinds of things are crucial. You have to think these things through before-hand, otherwise theyjust won't work. If there is some sort of a hindrance then it won't work. " 4.2.3
Transactional Relationship
As mentioned, the idea for the innovation was not an internal one, but rather an idea from a customer. During the whole process, the customer had an important role as a supplier of ideas, and as a purveyor of arguments for the implementation of the project. Ί am also even talking to customers, so I am actually also implementing part of the functionality, and then they give me input, and I am also discussing with different vendors to get ideas on innovation. " Even though customers are an important part, they are not systematically managed. The relationships are more informal and dealt with by personal contact of the various sales people involved. For the product development, TELE worked together with an external partner. The relationship with this partner was not very strong, so there is no interest in building a long-term relationship. The relationship is more results-oriented, in the sense that he is merely a supplier of know-how which TELE lacked and which thereby helped them reduce their time-to-market for the product. "B: Externalpartners are important. If we don't have the capability to complete thejob the externalpartners are importantfor the technologies we don't yet have. I: Is this is the only reason? B: If it was for me, I'm not going to be using an external partner because this is something that you don't control. I am a controlfreak, I would want to know what happens. And externalpartners fortunately are there if you don't have the capability to do it. But there is also the problem, that depending on the partners, the product might be ok or might not be ok. "
58
Martin Sprenger & Jens O. Meissner
For the interviewee, the suppliers are exchangeable providers of a service. There is no transformational perspective on them, no 'we' as a supplier-customerrelationship that can grow and where mutual learning occurs. Thus, relationships in this sense are perceived as exchangeable, replaceable. They are transactional in character.
5
Conclusion
In summary, it is striking that a development process in TELE is characterized by skepticism and formal power. Innovative people need to not only have creative abilities, but also a lot of diplomacy and sales skills. In a first step, an innovator has to persuade the management board of his idea. This is the most important step in the whole process, because the management board has the authority to approve or deny any undertaking the firm is involved in, and thereby also sets the budget for it. In a second step, after the development, an innovator has to provide the sales team with a thorough understanding of the products benefits, so that they may in turn sell the product in the most effective way to the customer. While carrying out the project, it is important, that the innovator pushes the development in the right direction. A manager has to be a visionary to plant the seed of an innovative idea. He has to be a team leader to enforce the idea with conceptional and transdisciplinary human resources. And he has to be a politidan, to protect the grown idea against micro political influences and takeovers. The innovation manager has to adopt these roles due to the specific project context and should not mix up these roles within the different project stages. The cultural preconditions of TELE are bound to the innovation process through the formal innovation process which functions like an eye of a needle: The innovation process has to organize and catch creative ideas to bring the product idea to the next development stage. For this, transactional partnerships are organized, key stakeholders are involved and dynamic team structures are enabled. This organizational scaffold serves the function to irritate the internal structures and convince the decision makers within the formal process. Compared to the study of Brown & Eisenhardt (1995) presented at the beginning of the paper, many of their findings could be confirmed. Most of their model's factors we have found in the innovation process in TELE (e.g. management support or the power of the project leader). What is missing in their model is the factor "corporate culture". Of course there are some aspects in the model, but not the culture as a whole. As we have shown, the cultural issue "adverseness to experiments" had a strong influence on the whole process which is reflected in the resistance against the innovation initiative. But also the "power culture" which made the whole process unnecessarily prolonged and more complicated was an important issue as well as the "transactional relationships". The
Corporate Innovation Politicians
59
culture in TELE is very goal-oriented. During the whole process, there was no interest to build long time relationships. While management theory starts to realize these hybrid affordances of intrafirm innovativeness (e.g. Almirall & Casadesus-Masanell, 2010), management education seems to be deeply lagging behind. At least, a first yet shallow research query concerning the term 'dynamic innovation management role models' (and others similar to this) offered no helpful information for research and practice. This insight can be seen as the main finding of our paper. Thus, future research should keep an eye on the transformation of this academic knowledge in applied concepts and recommendations for practicians. Obviously, this is an ambitious aim. But we see no other possibility to adequately appreciate the innovation management practice we found at TELE — which was an artful and mindful combining of interdisciplinary management skills to bring the innovation to life — against all the powerful internal barriers that the company tried to set up. References Abegg, Ch. (2005). Liberalisierung von Netzsektoren — Auswirkungen auf die Unternehmen im Schweizer Alpenraum. IRL-Report 3, Institut für Raum- und Landschaftsentwicklung. Zürich: vdf Hochschulverlag AG. Aderhold, J. & R. John (2005). Innovation. Sozialwissenschaftliche Perspektiven. Konstanz: UVK. Almirall, E. & R. Casadesus-Masanell (2010). Open vs. Closed Innovation: A Model of Discovery and Divergence. Academy of Management Review, Vol. 35, No. 1, p. 27-47. Anaconda, D. G. & Caldwell, D. F. (1990). Beyond boundary spanning: Managing external dependence in product development teams. Journal of High Technology Management Research, 1, p. 119- 135. Baecker, D. (2003). Organisation und Management. Frankfurt am Main: Suhrkamp. Berger, P. L. & T. Luckmann (1980). Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit. Eine Theorie der Wissenssoziologie. Frankfurt am Main: FischerTaschenbuch Verlag. First edition (1967): The social construction of reality. New York: Doubleday. Brown, S. / Eisenhardt, K. (1995). Product Development: Past Research, Present findings, and Future Directions. Academy of Management Review. 20 (2), p. 343-378. Chesbrough, H. W. (2003). Open Innovation. The New Imperative for Creating and Profiting from Technology. Boston: Harvard Business School Press.
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Corporate Innovation Politicians 61
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Innovation leadership: balancing paradoxes of innovation Stephanie Kaudela-Baum
1
Introduction
This article is based on research undertaken to explore and support innovation processes in small and medium sized enterprises (SME) in Switzerland (KaudelaBaum et al., 2008) and refers to a qualitative research project that is called "Innovation Dynamics in Practice" (IDIP). Among other things, IDIP aimed at examining how innovation leaders in SME interpret the innovation dynamics in their companies and how they cope with these dynamics in their everyday life. To develop an applied innovation leadership concept, the research team sought to learn from the experiences of 17 innovation leaders. By exploring the dilemmas and paradoxes of managing innovation in practice it shows how difficult it is and why it is so difficult to adopt a clear role as a "head of innovation" or "innovation leader" (Gebert, 2002; Rickards & Moger, 2006). Based on these empirical findings effective leadership strategies for SME innovation leaders have been developed. This article attempts to address the knowledge deficit as regards leadership practices that enhance the innovativeness of SME and to overcome the lack of integration of leadership constructs with socio-scientific innovation constructs by using inductive research methods.
2
Theoretical Framework and Methodology
2.1 Innovation Dynamics The title of the IDIP project expresses our assumption that organizations change 'dynamically'. In other words, we presume that changes do not flow from plans in a predetermined, linear way but that they result from rather unpredictable processes of social construction (Berger & Luckmann, 1966; Gergen, 1994; Burr, 2003) and system dynamics (Luhmann, 2000; Baecker, 2003). The project assumes therefore that organizations firstly make decisions based on their own partially implicit rules, secondly pursue certain paths they consider to be selfevident but which are in fact hardly observable and thus virtually unpredictable,
64 Stephanie Kaudela-Baum
and thirdly vary in culture which is historically determined and which organizations are reluctant to abandon. The term 'dynamic' also refers to the phenomenon of innovations resulting from unforeseen 'turning points' arising suddenly and triggered by various people in different departments (John, 2005). Next to the systemic constructionist view of innovation which acts as our epistemological standpoint the differentiation between explorative and exploitative innovation strategies according to March (1991) and the corresponding "tensions" (Andriopoulos & Lewis, 2008) in organizations act as further heuristic devices to capture the empirically grounded "innovation dynamics" in the study. Exploitative as well as explorative innovation strategies entail combining knowledge — first mentioned employing existing knowledge (e.g. from customers) in well-understood ways, second mentioned leveraging varied and dispersed knowledge in new ways (Taylor & Greve, 2006). As Wadhaw & Kotha (2006) describe, exploitation demands efficiency and convergent thinking to harness current capabilities and continuously improve product and service offerings. Exploration, in contrast, entails search, variation, freedom and experimentation efforts to generate novel recombination of knowledge. Recently, organizational research has seen a surge of studies engaging a paradox perspective. This research spans phenomena and levels of analysis, including innovation and change (Andriopoulos & Lewis, 2008; Beech et al., 2004; Smith & Tushman, 2005), strategic leadership (Jarzabkowski & Silence, 2007) or corporate governance (Sundaramurthy & Lewis, 2003). Consistent across these studies is a recognition that organizational success and sustainability derives from engaging multiple, inconsistent, even seemingly opposing aspects. In my point of view, the differentiation between explorative and exploitative dynamics in the innovation context and the corresponding implications for innovation management can be subsumed under this "new" paradox perspective of organizational phenomena
2.2
Leadership Practice
A growing amount of leadership and innovation literature (Mumford & Licuanan, 2004; Rickards & Moger, 2006) focuses on the role of leadership in enhancing innovation. Many scholars agree that leadership is the critical driving force behind innovation (Bossink, 2007; Frost, 1994; Jong, de & Den Hartog, 2007; Jung et al., 2003; Miles, 2007; Surie & Hazy, 2006). According to Rickards & Moger (2006) leadership remains an implicit factor within models of change and innovation. They suggest "that leadership, creativity and innovation are knowledge systems which can be more closely integrated for improved theory and practice within communities of practice" (Rickards & Moger, 2006, p. 4). Despite agreement on the importance of leaders in triggering innovation, de Jong & den Hartog (2007) point out that little integration of leadership and innovation
Innovation leadership
65
research is found in the literature. „Various innovation studies explore the influence of leader behaviors using models developed in relation to performance outcomes, that is, leader behaviors that positively affect outcomes such as effectiveness and efficiency rather than innovation-related outcomes" (De Jong & den Hartog, 2007, p. 42). Sternberg et al. (2003) observations suggest that far more attention should be given to understanding how the performance strategies selected by leaders shape the nature of the innovations they are willing to support. Mumford & Licuanan (2004) call for a careful distinction between leader effects on idea generation and idea implementation. "We cannot expect that extant models, typically models developed to account for leadership performance in more routine, or more normative, settings can be arbitrarily extended to account for the leadership of creative ventures" (p. 170). All these articles call for a new wave of innovation leadership research that follows a more multi-level approach and that allow for different innovation dynamics. Whereas most of the leadership research is inspired by positivistic assumptions (Rickards & Moger, 2006; Surie & Hazy, 2006), most modern organizational innovation studies seek ways of dealing with ambiguities, paradoxes and complexity in innovation processes (Aderhold & John, 2005; Andriopoulos & Lewis, 2008; Sauer & Lang, 1999). In particular, systemic (John, 2005; Luhmann, 2000; Ortmann, 1999) and constructionist views (Bouwen & Fry, 1991; Steyaert et al., 1996) as well as complexity views (Brown & Eisenhardt, 1998) of innovation processes in organizations emphasize the complexity and paradoxes involved in them and the difficulties inherent in directing and controlling innovation. So the theoreticalfoundation of leadership in the paper is expressed in the second part of the IDIP-project title: 'in practice'. It highlights the focus on the contextual bounded work of innovation practitioners in SME in their day-to-day routines (Johnson et al., 2007, Jarzabkowski, 2005). Metaphorically speaking, the research team attempts to see "through the eyes of the people being studied" (Bryman et al., 1988, p. 63) and to investigate how innovation leaders experience, view and organize involvement in innovation processes in everyday life. This perspective highlights the dynamics of interaction between leadership practices and innovation contexts in complex organizations. Leadership is seen as interpretive, and a "property of the perceptual relationship between leaders and others within a context, or community of practice" (Rickards & Moger, 2006, p. 14). Working in the interpretive tradition (Burrell and Morgan, 1979; Prasad, 2005) the aim was to explore the meaning of "innovation leadership" from the respondent's point of view rather than confirming any particular hypothesis or pre-defined category that would only reflect our own understanding of leadership (Alvesson & Sveningsson, 2003) in the innovation context.
66
2.3
Stephanie Kaudela-Baum
Innovation in SME
A significant number of studies have examined a wide range of singular aspects of SME innovation, such as financing of innovation (e.g. Maula et al., 2009), technology adaptation and transfer (e.g. Panizzolo, 1998) and the success or failure of SME support programs designed by public authorities (e.g. Acs et al., 1997; Macdonald et al., 2007). Further studies gained insight into the relationship between innovation and organizational size (McAdam et al., 2004) and the collective learning processes in SME networks (Keeble et al., 1999). Although there are a number of studies on continuous improvement in SME (Gunasekaran et al., 1996; Bessant & Caffyn, 1997), there is a relative paucity of studies of innovation implementation in SME (McAdam, 2000) and therewith studies of social dynamics during innovation processes. Humphreys et al. (2005) emphasize that it cannot be assumed that innovation implementation principles in large organizations are direcdy transferable to SME, where the SME is treated as a scaled version of the large organization. Thus, there is a need for studies on how innovation is implemented within the constraints and characteristics of SME. The findings of Humphreys et al. (2005) show that SME must adopt a broader approach to innovation in contrast to large organizations to include people and cultural issues in addition to technological innovation. Furthermore, innovation could not be seen as a quick fix; rather, it should be seen as a longitudinal development program. The findings indicate that leadership is a relevant factor impacting innovation success. "Innovation driven organizations must have innovative and committed leaders. There is a risk of losing touch with the core workforce if communication issues are left unresolved. The organization must continually show commitment to the process of innovation. It is much more difficult to maintain momentum than set the process in motion. There is an attendant danger of relying on past performance" (Humpreys et al., 2005, p. 299). Furthermore, empowerment was found to have an upper limit to its usefulness as a key enabler in SME (Humphres et al., 2005, p. 299). These kinds of conclusions how leadership performance influences innovation dynamics in SME is typical: mostly the leadership topic is one of many impact factors on the innovation performance and most of the studies provide very general insights into the relationship between leadership an SME innovation. Recapping, we see that numerous excellent studies exist but they do not provide insights into practices of leading innovation in SME. Little is known about the leadership reality in SME, where "innovation" is often not clearly organized as a leadership or management field or function. So, our research work aims at enhance the knowledge concerning "doing" innovation in SME from a leadership perspective.
Innovation leadership 67
2.4
Methodology - Data Collection and Data Analysis
The focus in the research project was on theories that guide the practices of innovation leaders in terms of "day-to-day routines" (Whittington, 1996, p. 734). To this end, the problem-centered interview (Witzel, 2000) with the narrative interview technique (Schütze, 1977) was used. This interview technique aims to record stories, experiences and behaviors, impressions and emotions (KaudelaBaum & Endrissat, 2009), i.e. it provides insights into the leadership practices involved in innovation work. By asking respondents to tell stories without providing any fully elaborated categories or concepts, the narrative interview technique provides access to experiences that constitute the narrator's everyday reality (Bryman et al., 1988). Sackmann (1991) emphasizes that while "the different kinds of knowledge may be quite elaborate in a given organization, the strongly emphasized ones — those of the highest priority — are considered the best indicators for understanding an organization's specific cultural context" (ibid, p. 37). Leadership patterns or practices are interpreted here as important part of the organizational cultural pattern of the organization. The interviews began with a single question to stimulate the narration: "Mr. /Ms , I would like to ask you to tell me the story of a typical innovation process in your company. Please start with the situation at the beginning of the process and then describe everything that happened during this process up to now." Each interview took approximately one and a half hour, and was recorded and transcribed verbatim. We conducted the interviews with people nominated by SME as a 'person responsible for innovation' — most of them (part-time)innovation managers working as R&D managers, managing directors or marketing managers in SME or autarkic operating small and medium sized divisions of large companies that were organized as profit center (see table 1). The empirical results are based on 17 interviews. We applied the US and not the EU definition of SME, which classifies companies with less than 500 employees as small businesses (Storey, 2003, p. 475).
68
Stephanie Kaudela-Baum
Table 1: Characteristics of the interviewees Company Industry Sector
Size (Number of Employees)
Function Interviewee
(Interpretive) Validation with Interviewee
1
Service Industry
ca. 300
General Manager No
2
Chemical Industry
380
Managing Director
Yes
3
Banking/ Insurance Industry
1000 (Div.=250)
Head of Marketing
Yes
4
Metal Industry
200
Director
Yes
5
Food Industry
3000 (Div.=300)
Head of Marketing
Yes
6
Mechanical Engineering Industry
ca. 300
CEO & Assistant Yes to CEO
7
Pharmaceutical Industry
180
Managing Director
Yes
8
Food Industry
40
Managing Director
Yes
9
Mechanical Engineering Industry
4800 (Div.=350)
Vice Pres. Innovation Mgt.
Yes
10
Mechanical Engineering Industry
900 (Div.-150)
Head of R&D Department
Yes
11
Pharmaceutical Industry
180
President
Yes
12
Mobility & 150 Transport Industry
Managing Director
Yes
13
Banking/ 70 Insurance Industry
CEO
Yes
14
Wood Industry
130
Managing Director
No
15
Metal Industry
450
Head of Strategic Yes Marketing
16
Mechanical Engineering Industry
815 (Div.=200)
Head of R&D Department
Yes
17
Food Industry
11
Managing Director
Yes
The sampling strategy has been derived from the overall sampling strategy of the IDIP research project and encompassed industry contexts that are typical of the German-speaking part of Switzerland. The size of target organizations or divisions for this study varied from 11-400 employees. No start-up companies were
Innovation leadership
69
selected; all the companies have been operating for decades in a hypercompetitive environment and are continually striving to remain competitive. The data were collected in 2008.
3
Findings - Understanding paradoxical tensions in leading innovation "I mean it's as if billiard balls are continuously slamming into each other. Bang! They first spread out, only to converge again. We are now trying to introduce some form of system, but I don't think they'll ever succeed in fully managing the initial creative process. For this they would have to have therightpeople in the right place. " (11)
The analysis focuses on the understanding of the narrator's everyday reality (Bryman et al., 1988). The study aims at gaining insights into the rhetoric and metaphors used by the interviewees in connection with the specific innovation dynamics in their enterprises. This in turn makes it possible to identify and compare different logics of action (Bacharach et al., 1996) and to extract from the narratives the typical patterns that govern thought and action (Barry & Eimes, 1997). Findings reveal that these logics of action follow on the one hand processes of experimentation, risk-taking and variation — in terms of March (1991) they express logics of exploration. On the other hand, the extracted leadership practices can be related to logics of exploitation that are characterized by processes like improvement, customer-orientation, efficiency and implementation. Findings also reveal that these logics co-evolve simultaneously and that leaders have to balance these tendencies of exploration and exploitation continuously to create the conditions that allow their organizations to evolve. An observation by the following innovation leader expresses this phenomenon: "Ληά that's a difficult profile. I'd say that the profile I have to offer has a certain order or structure, and it's analytical. Of courseyou need to know what you're doing and you need to be somewhat organised as well. But that definitely needs to be connected to a very high level of creativity. In other words, it involves a range of abilities of the brain thatyou need to be able to combine to some extent. Otherwise, you get nowhere, that's clear." (16) The findings will be presented in the form of an overall landscape of innovation leadership practices. The landscape can be divided into two main regions through which the reader will be guided successively. These two regions are characterized by (3.1) the terms "Organizing innovation" and (3.2) "Creating freedom of action". We will start at the inner main sections and then take a trail
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to discover what lies at the heart of the different ways of looking at innovation leadership. Each region will be explained, some of them will be illustrated by quotations. Figure 1 shows the overall landscape with the different regions and trails. All the cursive words in the text are directly gathered from the interviews.
Figure 1: Leadership between exploitation-exploration tensions in SME
3.1
Organizing Innovation
The following section describes and analyses management issues that are more likely to belong to the left side of the management landscape. They constitute headings for the thought and action patterns of the managers who were interviewed and follow a somewhat formalized, systematic and strategy-driven path. They could even be described as a "safety zone" in the context of managing innovative processes.
3.1.1
Standardize and structure innovation
Creating order by means of regular processes, control measures and specifications counts as a key management issue as well. Managers believe they face the challenge of having to tackle the dynamic that surrounds them. By formalizing innovation processes it becomes possible to address projects that lie ahead and to break down complex problems into more manageable steps. As soon as it
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becomes necessary to integrate the decisions that have been made (including those made individually), i.e. to make organization members as well as those externally aware of the innovation and obtain feedback, those in charge of innovation will invariably face questions on how complex processes are to be structured. By using standardized processes, such as setting milestones, it becomes possible to associate innovation processes with the persons and positions that are responsible, i.e. each person will know who in the organization is responsible for innovation. Furthermore, additional decision-making scope in the form of meetings, travel, participation in conventions, is defined clearly for the purpose of "innovation work". And positions (in percent of full-time jobs) are allocated for innovation management. Explicit processes help to make innovation more tangible and understood, whereby it becomes easier to understand and describe.
3.1.2
Execute secure innovation projects in line with customer instructions
When speaking of innovation projects in which the client prescribes or clearly requests a development mandate, managers will easily seek to confirm the innovation process rationally after the fact and reconstruct it precisely. In cases where the benefit to the client has already been clearly stated in advance, innovation becomes much more predictable and subject to lower risk than would be the case for an innovation process that is driven by technology or research, and that may be directed at entirely new clients or markets or plays a role in their creation based on the results. Solutions that are developed jointly with the client provide security and are rarely associated with costly and high personal risks or negative experiences. Furthermore, the client's concept is often introduced into the organization whereby people are figuring out "how it could be made to work" and are busy looking for a suitable technical solution.
3.1.3
Network, cooperate and share knowledge
As regards innovation management, all managers, in particular those working in organizations with a strong emphasis on research and innovation, place great store in combining knowledge management with measures aimed at promoting creativity in connection. Such organizations often work closely with universities, for example, and they pay particularly close attention to developing their human resource and management capabilities, whereby universities are seen as the source of future talent and research findings. When working together with universities, the field of specialization rather than geographic proximity becomes the determining factor. Besides this, those surveyed were concerned about being sufficient transparent as regards skill and talent among the employees in order to ensure that managers will have a basis when making decision to fill vacancies in interdisciplinary teams (from the internal talent pool). This topic is related to
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efforts to build strong internal networks to find the right people for innovation projects quickly. "Finding the right team with the right people who can quickly complete an innovation project is one of our daily concerns. " (11) From a management perspective it is important to have the right people working together. Allowing for innovation processes to unfold or managing co-innovation processes poses a special challenge for those in charge. And a high level of uncertainty is likely to prevail when dealing with external partners to the process. Today, numerous innovations are no longer completed within the organization itself but instead are realized jointly with other companies by means of various forms of divided labor. For managers it is often particularly problematic to deal with different innovation cultures within an innovation network because a wide range of basic assumptions, values and norms are likely to come to emerge through close collaboration, especially in the context of international projects. The cultural values that are exemplified by managers and maintained with a view to spurring innovation and building trust between them and their subordinates make up a part of the organization in question. Particularly in the case of informal forms of cooperation or of networks involving repeatedly changing partners, it becomes very difficult to agree on a joint basis for working together on a given process or product. In other words, companies often fail to fully understand the networks outside of their own innovation process, culture and associated motivation measures and incentive schemes, making it difficult for employees to orient themselves and their actions as prescribed by the cooperation arrangement in question. 3.1.4
Foster innovation as culture
A strong focus on the development of a specific organizational innovation culture and a therewith related value based leadership style act as a relatively strong behavior guideline for employees" innovative behavior. One might argue from a systemic perspective that a strong innovation culture could act as an element of preselection of innovation possibilities. From that perspective, culture preselects possibilities to innovate or divides them into eligible and ineligible ones. Most of the individuals surveyed considered "tolerance" and "openness" as fundamental values for developing a culture conducive to innovation. Furthermore, interviewees believed that having trust-based, stable relationships with their employees is very important, and that a top-down and controlling management style would undermine such a culture. This means paying close attention at the selection stage already in order to ensure that candidates are sufficiently committed to an open culture and that they possess the high levels of personal responsibility, selfconfidence and motivation that this entails.
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"It starts already when recruiting employees, with the culture, and with the soft facts. Those three things are cruaal during selection so as to ensure that new ideas are introduced." (5) Managers also emphasized that tolerating mistakes is an unconditional prerequisite when building a culture of innovation. Here, interviewees often stressed also the importance of clearly separating a transformational management style when working with developers and innovators from a top-down management style when working with employees at the operational level, which often involves making gradual product adjustments or quality improvements. In many instances managers need to wear both "thinking caps" when practicing both management styles simultaneously. The managers that were interviewed typically also were of the opinion that it is important grant more freedom to creative employees and to clearly separate research from the operational side of the business. This, however, often remains wishful thinking because especially managers in SME often face the challenge of managing highly structured business units and at the same time running innovation centers that place a stronger emphasis on allowing for decision making scope, i.e. for trying to harmonize both philosophies while serving as a creditable role model at the same time.
3.2
Creating freedom of action
The following section describes and analyses the management issues that are more closely associated with the concepts on the right side of Figure 1. They govern the patterns of thought and action assumed by the managers that were interviewed and are characterized to some extent by creativity, curiosity, the urge to explore new territory, a strong will to influence and bring about change, as well as the quest for self-actualization. These topic areas could also be referred to as an "%one of experimentation" or "insecurity zone" that comes with leading innovative processes. The episodes portray management experiences that primarily involve deliberately unlearning certain behavior, intentionally introducing stress, creating and preserving room in which to effect change, and dealing with resistance within innovation processes.
3.2.1 Deal with path dependencies and resistance The IDIP research team encountered a wide range of approaches to innovation. It found that it is often very difficult for managers to abandon ingrained patterns of behavior or uses of technology and to opt for a new approach instead. The way that an organization innovates and deals with the new information it obtains from its environment is of central importance in establishing its identity and needs to be studied and discussed in detail among employees before any change initiative is launched. Each organization plays a unique innovation game (regardless of whether or not the organization is aware of it), and managers need to identify
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suitable means of intervention through their employees relations whenever they wish to change the rules. As a manager, it is important to understand why, for example, the head of production, at the end of each meeting, makes side comments about how each new idea potentially interferes with the production process when in fact he is thinking about utilising the capacity of his machinery. "I think innovation somehow interferes with what a company does, espeàally in production, and also to some extent in product development. " (1) 3.2.2
Enthuse and involve employees
The stories told by managers make it clear that getting employees excited and involved is of central importance as a management responsibility, besides the manager's own passion for pursuing ideas until a product is ready for the market. The aim is to "transfer'' the person's own passion for new ideas onto the employees. "And when people notice that you're doing something, and thatyou like doing it and are hamngfun as well — in other words, that you're passionate about it and are notjust doingyour job —you will be building trust as well. " (2) Many managers emphasize that they are trying to continuously involve all employees in organizational development processes and in the company's efforts to map out new strategies. "We have 150 employees involved in research, and whenyou listen to them..." — in other words, to be able to tap into the potential for innovation (the signals sent by employees), managers need to take time to actively analyze the ideas put forward by employees. From a management perspective, joint strategy sessions, planning sessions, and setting objectives are seen as suitable measures. 3.2.3
Innovation as creative, individual act
The managers who were interviewed emphasized the importance of having suffirentfreedom in connection with their work in innovation, something that becomes evident in a number of ways. Firstly, providing freedom means scheduling time away from daily business (walks in the forest, travel etc.) and the associated routines. Such times are used for reflecting on the meaning of the development projects the company has chosen and for coming up with new ideas in a different setting. Secondly, the interviews made it clear that it is possible to develop new ideas also by acting alone, without the involvement of others and without having to be considerate, with no guarantees, and without having to share the risks and all the consequences that come with it. This also means a lengthier and very personal involvement with the product, service, or business concept, and those involved in the process often realize the importance of being able to make decisions imme-
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diately. In addition, there will be long periods of waiting and persevering until either an investor or partner is found to tackle the idea, vision, or plan with the necessary intensity. The idea thus becomes the "baby" that is not easily shared with others or with an organization or a group. Managers will attempt to make sure that others won't "talk to death" ideas or "water down" the clarity they have developed for their vision, especially during the initial phases of the innovation process. Showing mutual consideration and entering into compromises as paradigms of formalized expectations on behavior within major companies is seen as impeding with the innovation processes. In this connection, "creating freedom" means making only one's own expectations contingent on the success of the innovation and not those of other organization members. It also means abandoning the formal boundaries and decision-making schemes of the organization. Decisions taken alone accelerate the pace at which innovation is realized and quickly provide a basis for taking action — especially at the beginning of an innovation process. This doesn't mean that complexity and the "need to establish order" re-establish themselves quickly afterwards. But scheduling periods in which freedom is granted allows for ideas to be generated and developed further with a high level of motivation. Furthermore, the quicker the pace of the innovation process and the associated experience of success, the higher the level of ambition and will to succeed are likely to be. By talking at excessive length about ideas, innovators will lose their will to go on developing them and find it difficult to continue investing in their brainchild. 3.2.4
Allow and force through new ideas, and think in new markets
This topic is closely associated with a strategy for action that considers innovation as a creative, individual act. Many of the statements provided by interviewees confirm the importance of supporting the idea or the product being developed without veering from the course of action that has been decided on. An idea that the organization and its managers are convinced of is unlikely to be cast aside without a fight, something that becomes evident also during the interviews where there was talk of "pushing on", "sticking toyour guns", "prevailing, and "persevering . The purpose is to reach the goal, i.e. to "go the whole nine yards". Quitting and letting others finish the job is not an option because doing so runs the risk that an idea will never actually become an innovation. The stories that were told indicate that managers attribute successful innovations to individuals who acted on an inner conviction and dedicated their full attention to a new product or service. Whenever you have an exciting new product, you'll find a lack of acceptance at first. Essential leadership characteristics for facilitating innovation is the ability to keep going and to be patient in the face of low expectations or when confronted with weak demand. This requires to think in new markets
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and to be willing to actively work on creating new markets over a long period of time.
3.2-5 Confront innovation pressure: the diffuse market that demands everything The companies that were interviewed operate almost exclusively in saturated markets, which are seen as the "front" that involves an "all-consuming" effort. Even those companies that are currendy in good shape will need to continue to innovate and stay on the ball in order to hold their own against tough competitors. While the power of clients to negotiate continues to rise, the respect they show is on the decline. In the meantime, clients have gotten used to the quick pace of innovation and short product life cycles and are ratcheting up the demands the place on companies in shorter and shorter intervals. Many of the interviews underscored the feeling of "being driven", and many managers equate innovation with defusing pressure from the market. Having more innovative products also means having a stronger position to negotiate in the market and being less exposed to price pressure. Even companies whose products are "a hit" cannot afford to lay back, and they are likely to emphasize how "hard" it is to keep up the high level of innovation and staying on the ball — even when business is good. This requires a particularly high level of motivation, commitment and ability to inspire.
3.2.6
Allow yourself to be guided by feelings and chance encounters
When asked to reconstruct innovation processes, the managers who were interviewed invariably told "stories" that involved coincidence and gut feeling. This theme was encountered by all interviewees and can, of course, be attributed to the narrative and compelling nature of experiences relating to innovation. After the fact there is a lot of talk about the role that chance plays in the innovation process. It refers to those moments in the process that interviewees are unable to explain rationally or reconstruct logically. The conditions that allow for innovation are subject to numerous constraints, and the interviewees generally had difficulties in recounting them separately in an analytical and a structured manner. In other words, coincidence is the driving force in innovation that spurs actions and decisions without encumbering the causal connection between the individual episodes. In that it is impossible to trace a new idea rationally to the time of its origin, it thus becomes "unfounded". The reason often develops together with the idea, allowing for innovation in propitious circumstances. This constitutes a part of the paradox encountered when managing innovation processes, as captured in the following quote:
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"Yes were amazingly lucky. After all we were extremely fortunate, really lucky that we found the right people, really exatingguys who fitted with our way of doing things. We hadfound the right mix. [...] How lucky we were to have been accepted so well. " The probability that a lucky moment leads to an innovation also seems to be connected to the freedom that innovators have in making decisions. "We then simply continued to develop. " (8) Being able to simply develop implies having a certain amount of freedom that increases the probability of recognizing a coincidence. Coincidence and luck can thus be seen as formulas for all that is inexplicable in parallel to innovation-conducive qualities, such as tenacity and consistent action, for example. Innovation processes often fail when minor tools or facilities are missing, but a small yet very specific element may prevent an idea from advancing to the level where it can be released in the market. By "coincidentally" changing the external situation, e.g. by shifting organizational boundaries or bringing certain people into contact, the scope in which to act and develop suddenly expands, allowing for the innovation process to move to the next stage. In such moments, a manager will need to avoid being driven randomly by prevailing expectations, but instead must recognise and evaluate the new possibilities and sei^e the newly created opportunities actively, with a deliberate and targeted view of the organization's objectives.
4
Implications and Main Conclusions
In the case of leadership in the context of innovation processes and an orientation towards the sustainable innovative strength of SME, the empirical results show that the crucial factor is to achieve the right balance between planning (i.e. the organization of innovation in the sense of structuring) and the creation of freedom of action as such for managers, as well as for employees. It is essential that innovation leaders examine the issue of the extent to which structure and regulations within their organization, and in particular within their organizational and innovation culture, is functional in allowing it to achieve high levels of innovation. Empirical findings clearly support that "overshooting the target" has a destructive impact on creative processes, giving rise to a dominant work culture that is focused on administering individual innovation steps, whereby employees working in innovation teams are no longer motivated to search for new ideas. Instead, their motivation is largely focused on doing "the homework" as part of the predefined innovation process. The empirically grounded leadership dynamics in the present research project can be related to the organizational ambidexterity concept (Andriopoulos & Lewis, 2008). The word "ambidextrous" is derived from the Latin roots ambi,
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meaning "both," and dexter, meaning "right" or favorable. Thus, "ambidextrous" is literally "right on both sides." The transfer of the organizational ambidexterity concept to the empirically based leadership dynamics offers a useful framework to describe the practice of leading innovation in SME as a continuous balancing act. "Ambidexterity" refers to a leader's ability to manage these tensions. One could also refer to "leadership at the edge of chaos". The term "edge of chaos" comes from complexity theory (Olson & Eoyang, 2001) and is also a good metaphor for the central area of tension in which many innovation managers in SME find themselves. On the one hand they have to allow themselves and their employees' freedom of action in the innovation process and practice tolerance in order to strengthen the necessary creativity and persistence of their employees in the development process. Often rules have to be ignored or overridden. It is a matter of letting oneself be unsettled in a specific way (e.g. by opening the innovation process). The "logics of exploration" come into play here. On the other hand, one has to keep the dynamics of the process under control and enable it to hook up again with the classic function logic of the business. The "logics of exploitation" come into play here. According to complexity theory a system is most capable of development when it is at the edge of chaos, a median area between too much structure and too little structure (Brown & Eisenhardt, 1998). It is here that companies achieve a balance between planning and improvisation. The aim of innovation at the edge of chaos is to use planning and improvisation in such a way as to achieve the optimum interplay between deliberately formative, adaptive management approaches. This artful interplay can be described as "leadership ambidexterity", a leadership concept that emphasizes ways in which complexity can be reduced and absorbed in organizations without limiting the richness of interaction and openness that are critical to innovation (Gebert, 2000; Kearney, 2009). Figure 2 illustrates the tensions between the logics of exploration and the logics of exploitation as a typical setting for innovation leaders.
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creativity, changeability,
zone of experimentation: enlargement of room for manoeuvre
focus on less urging topics (future topics)
L o g i c s of e x p l o r a t i o n F i g u r e 2:
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time- and cost-budgets, coordination, efficiency, steadiness
safety zone: restriction of room for manoeuvre
tocus on urging topics (current topics)
L o g i c s of e x p l o i t a t i o n
L e a d e r s h i p a m b i d e x t e r i t y - B a l a n c i n g b e t w e e n logics o f e x p l o r a t i o n a n d exploitation
This leadership concept adapts to the dynamics of the innovation processes in SME and shows the many-sided nature of the innovation topics and worlds that have to be brought into harmony on a daily basis. Above all else, innovation leaders in SME must learn to take apparently contradictory courses of action at the same time and play apparently contradictory roles at the same time because the degree of specialization in innovation management is often negligible and allround talents are required. Underlying tensions in the day-to-day routines of innovation leaders are the sources of paradoxes and evident in interrelated, yet seemingly contradictory polarities. Although the typical reaction is to pull in one direction or the other, without its opposite, each side in isolation is incomplete (Slaatte, 1968; Lewis, 2000; Andriopoulos & Lewis, 2008). According to Eisenhardt (2000, p. 703), effective leadership leverages paradoxical tensions "in a creative way that captures both extremes". These insights can be transferred to the challenges innovation leaders are confronted with. Paradoxical tensions are attended by a high density of expectations across organizational members and leadership decisions
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are requested that could make a difference i.e. that changes existing practices. Leadership decisions thus can be understood as pattern of connectivity between paradoxical tensions for sustaining the development of the organization in the long-term. This area of tensions can be interpreted as a "development %one" for the companies. In this development zone leaders are under pressure as a result of employees' expectations and have to be very sensitive concerning signals of the innovation system. The present research project highlights an integration approach to paradox leadership, because in SME contexts a differentiation approach in terms of a functional separation of different poles of innovation leadership is difficult to implement. SME innovation leaders are mostly not capable to split the paradoxes they are confronted with (e.g. through a functional splitting involving different experts), but they should try to reflect the implications of the practices of each pole to accentuate its distinct value. A possible integration approach could follow an agile leadership way, which is capable to cope with the existing ambidexterity in leading innovation: Leaders can go about balancing out deliberately and flexibly the conflicting requirements and expectations they encounter on a daily basis. And they can again and again set out to search for management practices that foster innovation and try out different approaches, something that could be labeled as an "agile leadership" style. Trying out a range of intervention options in specific phases of the innovation process can at least increase the probability of getting the participating parties successfully involved. Honing one's own awareness along the lines of "I know that I (often) don't have everythingfully in control' creates a heightened sense of humility and clarity for leaders and their direct reports and thus can contribute toward the ability to innovate. Leaders who successfully shoulder their responsibility as innovators will seek to accompany the innovation process as an agile and expert coach who facilitates development and learning - instead of opting for a captain-like top-down approach. The following (very) general formative leadership principles can be derived from empirical findings that tend to secure innovation sustainability under conditions of complexity and chaos, namely: (1) reflection, (2) empowerment, (3) appreciation of difference, (4) room to experiment, (5) opening. Reflection: This means that awareness-building must first set in whenever an innovation process is actively being led so as to allow the parties involved to name their specific innovation strategy and culture prior to evaluating it in the context of their current endeavors. Empowerment: Momentum in social systems can change only when its members empower themselves and start to use their newfound autonomy to revamp their relationships. This assumes that members view themselves as self-empowered individuals who commit themselves to cooperating with others. An open and
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agile innovation culture is possible only when employees come up with ideas and are also willing to develop them. Appreciation of difference: In order to turn paradoxes into learning experiences and to prevent individual poles from calcifying, it becomes necessary to introduce other realities on a regular basis. This means repeatedly agreeing to and practicing new patterns of behavior among all the involved parties. It also means that leaders, in particular, have an important function in acting as role models, which also involves actively promoting the efforts of interdisciplinary workgroups. Room to experiment: Innovation within an organization is contingent on there being room to experiment. This means ruling out labeling failures as mistakes and calculated risks as unprofessional actions. In the context of an agile leadership culture, employees must muster up the courage to fight for ideas that may not appear practical at first sight. Opening: Many new ideas are born through productive tensions with competitors, research institutes, suppliers and clients. Continuously establishing and maintaining networks enhances a company's vitality and establishes its identity as an innovator. Initiating learning processes and developing a unique innovation strategy is possible only through the process of drawing comparisons. The empirical research presented and the resulting theoretical framework offer insights into the subtleties of ambidexterity and may spark future attempts to disprove or elaborate the findings and the potentially important role of a paradox perspective for research in the field of innovation leadership. The research team encourages future studies to extend our work to other types of organization as well as for specific sectors. Furthermore, the present research can be enhanced by further analyzing this framework of leadership ambidexterity, e.g. through more case studies or large-sample studies.
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Schlüsselherausforderungen für Innovationen in der Nahrungsmittelbranche: Die Sicht von KMU-Managern Pierre-Yves Kocher & Patricia Wolf
1
Einführung
In allen modernen Gesellschaften lautet das Credo in Bezug auf Innovation: „Innovationen tragen maßgeblich %ur Sicherung und Steigerung des Wohlstands bei. " (Briken, 2006, S. 17) Dabei wird der Begriff „Innovation" immer positiv konnotiert und ist geradezu allgegenwärtig (ebd. S. 23). Dies ist in Ländern wie der Schweiz keine Überraschung. Schweizer Produzenten haben nicht nur schwierige Produktionsvoraussetzungen aufgrund teurer Arbeitsressourcen. Besonders für Unternehmen der Nahrungsmittelbranche wirkt auch die Kleinheit des Heimmarkts einschränkend. Die allmählich wegfallenden Handelsschranken befeuern den internationalen Wettbewerb zwar zunehmend, setzen aber für den langfristigen wirtschaftlichen Erfolg neue Kompetenzen voraus. Picot, Reichwald und Wigand (1998) nennen dafür vor allem die Fähigkeiten, erstens den Umgang mit kulturell unterschiedlichen Eigenheiten verschiedener Unternehmen zu gestalten, zweitens die Verzahnung mit Kooperationspartnern sicherzustellen und drittens die Unternehmensgrenzen an veränderte Markt- und Wettbewerbsbedingungen anzupassen als entscheidend (S. 61). Gerade in einem Marktumfeld, das sich im Wandel befindet, ist die Fähigkeit zum Erkennen von Möglichkeiten und das schnelle Nutzen sich bietender Opportunitäten eine wichtige Kompetenz zur Sicherstellung des langfristigen Überlebens von Organisationen. Trotzdem tun sich viele Unternehmen, vor allem auch kleine und mitdere Unternehmen (KMU) schwer, für diese Marktbedingungen eine zielorientierte und systematische Innovationsstrategie zu erarbeiten und ihr nachzuleben (Wolf et al., 2008). Die in diesem Beitrag präsentierte Studie fokussiert die Herausforderungen, die sich aus Sicht von Managern in Zulieferer-KMU der Schweizer Nahrungsmittelindustrie im Rahmen von Innovationsbestrebungen ergeben. "Innovation" wird in dieser Studie aus einer systemisch-konstruktivistischen Forschungsperspektive (Berger & Luckmann, 1967; Luhmann, 2000, Baecker, 2003, Aderhold & John, 2005) betrachtet, welche sich vor allem an den sozialen Dynamiken in Innovationsprozessen und deren Auswirkungen orientiert (Kaudela et al., 2008). Aus dieser Perspektive können Innovationsprozesse als komplexe soziale Prozesse definiert werden, die eine hohe Eigendynamik aufweisen. Diese Perspektive lenkt den Blick auf die wahrnehmungsabhängigen und mitunter paradoxen Bezie-
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hungs- und Kommunikationszusammenhänge (vgl. Ortmann, 1999) sowie Prozesse der Sinn(re)konstruktion (Weick, 1995) in Innovationsprozessen und ist deshalb wichtig, weil die Grundlage von Managemententscheidungen in diesem Verständnis nicht eine angenommene, objektive Realität ist. Vielmehr ist die subjektive, in Interaktionen mit anderen ko-konstruierte Sichtweise und Beurteilung von Umweltbedingungen für das Verhalten von Führungspersonen entscheidend. Folglich soll durch die in dieser Studie gewählte qualitative Forschungsmethode ein besserer Einblick in den tatsächlich ablaufenden Managementalltag ermöglicht und die Bedeutung von „Innovation" aus Sicht von KMU-Managern praxisnah verstanden werden. In der hier präsentierten Studie wurde darauf fokussiert, herauszuarbeiten, was aus der Sicht von Managern in Zulieferer-KMU der Schweizer Nahrungsmittelbranche die speziellen Herausforderungen im Bereich Innovation sind.
2
Innovation in der Nahrungsmittelbranche
Die Nahrungsmittelbranche lässt sich bezüglich ihrer Innovationsbedingungen nicht mit anderen Wirtschaftszweigen gleichsetzen. Sie weist besondere Charakteristika auf, die einen wesentlichen Einfluss auf das Innovationsverhalten kleiner und mittlerer Unternehmen in diesem Segment haben. Typischerweise sind in der Nahrungsmittelbranche die Produktlebenszyklen erfolgreicher Produkte eher lang. Gut eingeführte und etablierte Produkte machen für die Unternehmen einen wichtigen Teil des Umsatzes aus. Daraus leiten Unternehmen für sich einen geringen Innovationszwang ab. Die Entwicklung von Innovationen wird vor diesem Hintergrund als Tätigkeit angesehen, die mittelfristig ihre Wichtigkeit hat, die aber nicht als drängend empfunden wird (Miotti et al., 2008, S. 50). Die langen Zyklen bestehen auch deshalb, weil sich die Konsumenten als sehr konservativ in der Wahl ihrer Nahrungsmittel erweisen. In einer Vielzahl von Untersuchungen wurde wiederholt nachgewiesen, dass Menschen (und nicht nur sie) in jedem Alter ganz grundsätzlich neuen Nahrungsmitteln ablehnend gegenüberstehen. Diese Haltung wird in der Literatur als "neophobia" bezeichnet und Birch et al. (1996) stellen abschließend fest: "Adult humans are neophobic, as are rats, Japanese macaques and chimps" (S. 180). Die erfolgversprechende Positionierung radikal innovativer Nahrungsmittel wird somit auch durch verhaltensbiologische Hemmschwellen erschwert. Grunert und Valli (2001) halten bezüglich Innovationen im Nahrungsmittelbereich fest, dass die Entwicklung neuer Produkte überaus unsicher ist und die meisten neuen Nahrungsmittel vom Konsumenten nicht akzeptiert werden. Der geschätzte Anteil gescheiterter neuer Produkte beträgt 60 - 80%.
Schlüsselherausforderungen für Innovationen
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Für die Nahrungsmittelbranche lässt sich insgesamt eine eher geringe Marktnachfrage nach innovativen Produkten feststellen. Innovationsdruck entsteht dann, wenn Trends oder gesellschaftliche Veränderungen Auswirkungen auf die Ernährung haben. In diesem Zusammenhang verweisen Colurcio und Russo Spena (2008) beispielsweise auf die wachsende Nachfrage nach schnell zubereitbaren Mahlzeiten als Antwort auf die knapperen Zeitressourcen, die für die Zubereitung von Speisen eingeräumt werden (S. 204). Auch der Technology Push ist für die Entwicklung von Produktinnovationen kein wichtiger Treiber (Moskowitz & Hartmann, 2008). Gerade produzierende KMU verhalten sich pfadabhängig (Johnsen & Ford, 2006, S. 1002) und trachten meist nicht danach, neue Technologien für die Entwicklung gänzlich neuer Produkte einzusetzen. Bessant et al. erklären dieses Phänomen mit gesunkenen Produktionskosten in etablierten Prozessen, mit der großen Vertrautheit mit den eigenen technologischen Produktionsbedingungen und mit der psychologischen Barriere zum Erproben von unbekannten und deshalb risikobehafteten Technologien (2005, S. 1367). Die Neuentwicklung von Produkten erfolgt deshalb traditionellerweise Schritt für Schritt in internen F&E-Abteilungen, in denen lebensmitteltechnologische Erkenntnisse umgesetzt werden. Abschließend können mit Moskowitz (2008) die vorherrschenden Marktbedingungen in der Nahrungsmittelbranche folgendermaßen zusammengefasst werden: „The world's food industry tends to be steady, relatively boring slow-moving behemoth, not particularly jogged by those technical innovations which themselves turbocharge business innovation, " (S. 582). Vor diesem Hintergrund überrascht es denn auch nicht, dass der Fokus heutiger Innovationen im Nahrungsmittelbereich vor allem auf Marketing, Verpackung, Vertrieb und Erweiterung von Produktlinien liegt (Earle, Earle & Anderson, 2001).
2.1
Entwicklung in der Schweiz
Dennoch stimmt das Bild des trägen und konservativen Markts für Nahrungsmittel zumindest für Schweizer Verhältnisse nicht mehr uneingeschränkt. Die Marktbedingungen verändern sich durch Liberalisierungstendenzen, geplante Freihandelsabkommen und Globalisierung zurzeit sehr stark und voraussichtlich auch nachhaltig. Die Nahrungsmittelpreise werden beispielsweise durch das Freihandelsabkommen (FHAL) mit der EU stark unter Druck geraten. In Dokumenten des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartement (EVD) wird am Beispiel der Preise für Babynahrung aufgezeigt, dass diese im Inland um „mehr als 100%" (2008, S. 6) höher sind als im Ausland. Der Bundesrat strebt mit dem FHAL erklärtermaßen eine Kostensenkung der Nahrungsmittel an, indem „die
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gan^e ernährungswirtschafiliche Produkttons kette für die Konkurrent geöffnet wird. Dies ist das Ziel eines FHAL·". (ebd., S. 6) Es ist somit davon auszugehen, dass sich produzierende Schweizer KMU künftig einem stärkeren Preisdruck ausgesetzt sehen und langjährig gültige Wettbewerbsregeln verändert werden. Andererseits eröffnen sich für innovative Unternehmen neue Märkte, in die sie vordringen könnten. Neben politisch induzierten, legislativen Veränderungen wirken sich auch Entwicklungen auf Seiten der Vertriebspartner tendenziell preissenkend aus. Der Großhandel deckt zunehmend Bereiche mit Eigenmarken ab und ist somit aufgrund großer Abnahmemengen in der Lage, bessere Konditionen bei den Produktionsbetrieben auszuhandeln. Gleichzeitig steigt für die Produzenten die Abhängigkeit von diesen Unternehmen (vgl. für diese Entwicklung Dawson 1995, S. 92). Die Innovation in produzierenden KMU erfolgt so heute im Spannungsfeld zwischen Marktregulierungen und -deregulierungen bzw. Bewahrung und strategischem Aufbruch sowie sich verändernden Kräfteverhältnissen auf dem Markt.
2.2
Asymmetrische Beziehungen im Markt
In diesem Kontext kommt der Art der Beziehungen zwischen den Unternehmen und der Dynamik der Interaktionen zwischen verschiedenen Marktakteuren eine Schlüsselrolle zu. Insbesondere wenn Unternehmensnetzwerke aus Akteuren mit verschiedenen Positionierungen und unterschiedlichen Größen- und somit auch Machtverhältnissen bestehen, werden die Kooperationsbeziehungen untereinander beeinflusst. Johnsen und Ford (2008) sehen die Unterschiedlichkeit der Machtverhältnisse insbesondere in den Bereichen: Technologie, Wissen, Soziales, Logistik und Administration (S. 473). Diese Asymmetrien können in Geschäftsbeziehungen sowohl Auslöser von Ängsten sein, als auch eine große Chance zur Netzwerkentwicklung darstellen (Holmlund & Kock, 1996; Johnsen & Ford, 2001; 2006; 2008). In Netzwerken, in denen große, starke Partner und wirtschaftlich schwächere — häufig KMU in einer Zuliefererposition — zusammen arbeiten, können sich für die schwächeren Netzwerkpartner Vor- und Nachteile ergeben. Ein Hauptvorteil kann dabei sein, dass man in gemeinsame Innovationsprozesse einbezogen wird, sich im Netzwerk Zugänge zu spezifischen Kompetenzen aneignen kann und eine möglicherweise verbesserte Kollaboration mit großen Kunden möglich wird (Johnsen & Ford 2006; 2008). Schwierigkeiten hängen meist mit dem (Un)Vermögen kleinerer Zulieferer zusammen, die nötigen Ressourcen für die Netzwerkarbeit bereitzustellen und aufrechtzuerhalten (Matthyssens, Vandenbempt & Berghman, 2006). Zudem ist es für kleine Unternehmen herausfordernd, sich eine konkurrenzfähige Position im Netzwerk zu erarbeiten (Colurcio & Russo Spena, 2008; Day & Nedungadi, 1994) und Wertschöpfung für das eigene
Schlüsselherausforderungen für Innovationen
91
Unternehmen und das gesamte Netzwerk sicherzustellen (Johnsen & Ford, 2006; Donada & Nogatchewsky, 2006; Ulaga, 2003; Ulaga & Eggert, 2005). Wissenschaftler haben bis jetzt aus einer eher abstrakten (Netzwerk-)Perspektive potentielle Vorteile, Problemfelder und Herausforderungen des Wissensaustauschs in Innovationsnetzwerken untersucht, die aufgrund von Machtasymmetrien und unterschiedlichen Positionierungen auftreten. Empirische Arbeiten, die unser Verständnis für Herausforderungen in Interaktionsprozessen zwischen Zulieferer-KMU, Partnern in der Wertschöpfungskette und großen Vertriebspartnern in ihrer Rolle als Großkunden aus der Sicht der KMU-Zulieferer vertiefen, sind jedoch bisher kaum vorhanden. Insbesondere ist bisher wenig darüber bekannt, wie Manager in Zulieferer-KMU den Prozess der Kooperation und Interaktion mit Partnern und ihr Eingebettetsein in das Innovationsumfeld erleben. Einsichten in die Perspektive dieser Akteure in der Nahrungsmittelindustrie wären jedoch aufschlussreich für das Verständnis ihres Innovationsverhaltens in der Branche. Dieses bessere Verständnis ist auch volkswirtschaftlich relevant, denn den KMU wird für die Entwicklung und Konkurrenzfähigkeit von nationalen Volkswirtschaften eine wichtige Rolle zugesprochen (Wolff & Pett, 2006). Innovation wurde dabei als entscheidender Faktor für das Überleben von KMU in Heimund Weltmärkten herausgearbeitet (Hitt, Ireland, Camp & Sexton, 2001). Nicht zuletzt deshalb soll in dieser Studie die Perspektive von Schweizer KMUManagern der Nahrungsmittelbranche auf Herausforderungen im Innovationsprozess untersucht werden.
3
Methode
Sozialkonstruktionismus als Forschungsperspektive, wie sie in dieser Studie eingenommen wird, gibt keine konkrete Forschungsmethode zur Datenerhebung und -analyse vor (Burr 2003, S. 24). Ein Studiendesign wird dann als passend angesehen, wenn die angestrebten Forschungsziele berücksichtigt werden. Die Methodologie in sozialkonstruktivistischer Forschung ist darüber hinaus hermeneutisch (Lincoln & Guba, 1989): Es wird angenommen, dass die kommunikative Konstruktion von sozialer Realität durch Forschende eine Rekonstruktion der vorhandenen Beziehungsmuster im Feld als Startpunkt für ein Forschungsvorhaben erlaubt (Flick, 2006). Im vorhandenen Forschungsprojekt wurde ein exploratives Methodendesign gewählt. Vorgegangen wurde in einem zweistufigen Prozess: Zunächst wurden problemzentrierte Interviews mit Managern aus sechs verschiedenen Nahrungsmittelunternehmen geführt, und anschließend eine Fallstudie in einem typischen Unternehmen im Sample durchgeführt.
92
3.1
Pierre-Yves Kocher & Patricia Wolf
Problemzentrierte Interviews
Für die Befragung der KMU-Manager wurde die Methode des problem%entrierten Interviews (PZI') angewendet. Es zeichnet sich durch eine offene Strukturierung aus (vgl. Witzel, 2000) und ist an den individuellen Themen der Befragten interessiert: Wie nehmen diese das „Problem" bzw. das Forschungsthema (hier: Innovation) wahr? Der Verlauf des Gespräches richtet sich an den Erfahrungen, Erlebnissen und Geschichten der Interviewten aus. Das PZI orientiert sich in großen Teilen an dem von Schütze (1977) ausgearbeiteten narrativen Interview. Dieser Interviewform „liegt die Hypothese zugrunde, dass spontane Erzählungen sich an den grundlegenden kognitiven Figuren oder Mustern der Erfahrungsrekapitulation ausrichten, die zugleich elementare Orientierungsraster darstellen. Es beansprucht, besser als alle anderen Verfahren, Aufschluss über tatsächliche Werthaltungen und Grundannahmen der Befragten ψ geben." (Osterloh, 1988, S.142). Im Unterschied zum narrativen Interview, welches an der Stegreiferzählung eigenen Erlebens des Interviewten interessiert ist, fokussiert das PZI stärker die Lebens- und Erfahrungswelt des Befragten im Hinblick auf die wissenschaftliche Forschungsfrage und versucht diese sichtbar zu machen. Interviewt wurden ein bis zwei Manager aus sechs verschiedenen Zuliefer-KMU der Schweizer Nahrungsmittelindustrie. Tabelle 1 stellt eine Übersicht über das Sample der befragten KMU-Manager dar: Tabelle 1: Sample der befragten KMU-Manager
Firma
Angestellte
Interviewees
1
240
Managing Director & Marketingassistenz
2
> 100
Managing Director & Leiter F & E
3
125
Leiter Produktentwicklung & Verkaufsleiter Schweiz
4
157
Leiter Produktentwicklung & Mitglied des Verwaltungsrats
5
> 300
Leiter Markenentwicklung
6
30 (Division) 400 ( Holding)
Managing Director
Die Interviewten wurden am Anfang des Interviews gebeten, zunächst eine generelle Einschätzung zur Nahrungsmittelbranche abzugeben. Im Anschluss daran wurden sie aufgefordert, die internen Innovationsprozesse grob zu beschreiben. Zum Schluss wurden sie eingeladen, ganz konkrete, erlebte Innovationssituationen zu beschreiben. Die Interviews wurden aufgenommen und wortwörtlich transkribiert. Die Datenanalyse und Interpretation wurde dann in mehreren Schritten durchgeführt. Das Ziel der Untersuchung war die Vertiefung des Verständnisses über die Ansicht von KMU-Managern zu Innovation, zu Interaktionen mit Partnern, zu
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93
Vor- und Nachteilen asymmetrischer Beziehungsmuster zwischen KMUs und Vertriebspartnern in Innovationsprozessen. Die Datenauswertung erfolgte aber nicht aufgrund prädefinierter Kategorien. Vielmehr wurde eine bottom-up Herangehensweise an das Material gewählt. Dabei stützten sich die Forschenden auf von Miles und Huberman (1994) beschriebenen Techniken: Zwei bis vier Forschende vercodeten die Daten in einem ersten Schritt unabhängig voneinander. In folgenden Treffen wurden gemeinsam relevante Themen ausgearbeitet, beschrieben und in Clustern angeordnet. Dabei wurden die Verbindungen und Kopplungen zwischen den einzelnen Themenfeldern festgehalten. Die Ergebnisse der Analyse und Interpretationen durch die Forschenden wurden dann in Feedbackgesprächen mit den Interviewten validiert.
3.2
Einzelfallstudie
Nach der Analyse der Interviewdaten wurde, ergänzend und zur besseren Verortung der erhaltenen Informationen, ein besonders typischer Fall (6) aus dem Sample für eine vertiefende Einzelfallstudie ausgewählt (Yin, 2003, S. 40ff). Der Managing Director dieses Unternehmens war mit einer detaillierteren Untersuchung des Innovationsprozesses einverstanden. Yin beschreibt die Fallstudie als Untersuchungsdesign „that investigates a contemporary phenomenon within its real-life context, espedally when the boundaries between phenomenon and context are not clearly evident, " (S. 13). In dieser Fallstudie war das interessierende Phänomen der im untersuchten Unternehmen erstmalig durchgeführte Innovationsprozess „Driving Innovation". In diesem Innovationsprozess wurden neu drei interdisziplinäre Teams gebildet, die innerhalb von sechs Monaten in drei Geschäftsfeldern je mindestens eine Marktinnovation entwickeln sollten. Der Prozess sollte mit einer Präsentation der erarbeiteten Innovationsideen vor der Geschäftsleitung enden. Ziel dieser Fallstudie war es, die Sicht von KMU-Managern auf Innovationen in der Nahrungsmittelbranche durch zusätzliche Erkenntnisse über interne Abläufe besser einordnen zu können. Es wurden deshalb in verschiedenen Forschungsphasen zwei methodische Vorgehensweisen für die Fallstudie ausgewählt und angewandt. Yin (2003) unterstreicht die Wichtigkeit der „multiple sources of evidence" (S. 34), um ein breites Verständnis der untersuchten Phänomene zu erhalten. Das Vorgehen innerhalb der Einzelfallstudie gründet in einem Methodenmix aus Beobachtung und problemzentrierten Interviews. Während des sechsmonatigen Innovations- und Forschungsprozesses wurden jeweils die Sitzungen der Innovationsteams und am Prozessende die Ergebnispräsentation beobachtet. Die Rolle der Forschenden entsprach dabei der des „Beobachters als Teilnehmer" (Flick, 2007, S. 282). Ein Forschender setzte sich während der Sitzungen mit den Teammitgliedern an denselben Tisch, ohne sich allerdings an der Diskussion zu beteiligen. Das Verhalten der Beobachter kann als „peripheral membership role" (Adler & Adler, 1994, S. 380) beschrieben werden. Während der teilnehmenden
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Pierre-Yves Kocher & Patricia Wolf
Beobachtung ging es nicht darum, das Verhalten der Beteiligten detailliert zu protokollieren. Vielmehr war das Ziel, die Diskussionen und Argumente der Beteiligten aufzunehmen. Die Fixierung der Daten erfolgte über die digitale Aufzeichnung der verbalen Äußerungen der Teilnehmenden. Mit sieben ausgewählten Mitgliedern der Innovationsteams wurden im Anschluss an die Ideenpräsentation Interviews durchgeführt. Als Methode wurde wiederum das problemzentrierte Interview eingesetzt (Witzel, 2000). Die Interviewten wurden nach ihrer Einschätzung des Innovationsprozesses und nach konkreten Erlebnissen, welche diese Einschätzung belegen, befragt. Alle Beobachtungssitzungen und Interviews wurden wortwörtlich transkribiert und nach dem oben für die problemzentrierten Interviews beschriebenen Vorgehen ausgewertet. Die Ergebnisse und Interpretationen wurden der Geschäftsleitung präsentiert und mit ihr validiert.
4
Ergebnisse
Aus den Interviews wurde deutlich, dass Manager von Zulieferer-KMU in Innovationsprozessen vor Herausforderungen stehen, die in den drei zentralen Themenfeldern "Markteinschätzung", „Asymmetrie in den Beziehungen in der Nahrungsmittelbranche" und „Folgen der Marktderegulierung" verortet werden können. Diese Themenfelder werden nachfolgend detailliert beschrieben. Erste Herausforderung: „Innovationen sind in einem trägen Markt nicht nötig. " Diese Herausforderung leitet sich aus dem Themenfeld „Markteinschätzung" ab. Die KMU-Manager der befragten Unternehmen teilen übereinstimmend die Einschätzung, dass das Innovieren in der Nahrungsmittelbranche schwierig ist: „Die Ijebensmittelbranche
ist relativ eingeschränkt und auch träge, eher bodenständig. "
(2)
Die befragten KMU-Manager betrachten Nahrungsmittelunternehmen insgesamt als nicht sehr innovativ. Diese Sichtweise bildet für sie die Hintergrundfolie, vor der in der Nahrungsmittelbranche innoviert wird. Wenn man in der Innovationsliteratur davon ausgeht, dass einerseits auf Konsumentenseite ein Market Pull durch Nachfrage entwickelt wird und andererseits ein Technology Push dazu führt, dass von Unternehmensseite Neuentwicklungen in den Markt gedrängt werden (Disselkamp, 2005), sind beide Bedingungen gemäß der Befragten in der Nahrungsmittelbranche nur in geringem Ausmaß vorhanden. Beim Konsumenten gehen die Befragten von einem geringen Bedürfnis nach gänzlich neuen Produkten aus:
Schlüsselherausforderungen für Innovationen
95
„Aber ich habe das Gefühl, dass der Konsument gar nicht unbedingt große Neuigkeiten wünscht. Oder vielleicht probiert er es einmal\ aber schlussendlich geht er wieder auf das Ursprüngliche zurück. "(6) Die Nachfrage kann somit in der Beurteilung durch KMU-Manager nicht durch gänzlich neue Produkte stimuliert werden. Diese Einschätzung führt dazu, dass aus Managementperspektive keine radikalen Innovationsstrategien ins Auge gefasst werden. Der Innovationsdruck wird, trotz der (durchaus wahrgenommenen) potentiell einschneidenden Veränderungen der Marktbedingungen im Schweizer Nahrungsmittelmarkt (s.o.), deshalb für das eigene Unternehmen nicht als wesentlich erhöht beurteilt. Demzufolge werden von den KMUManagern keine negativen Konsequenzen für ihr Unternehmen erwartet, wenn sie nicht stetig neue Produkte auf den Markt bringen. Aus Sicht der KMUManager wird dies von ihnen auch nicht erwartet. „Die [Unterhaltungselektronikbranche] ist so unter Druck ständig Neues bringen, sonst ist man weg vom Fenster. Das ist bei uns ein bisschen weniger, weil es eben schon traditionell ist. Da kann man sich schon Zeit lassen. Wenn mal ein Jahr nichts kommt ist man nicht gerade weg vom Fenster. " (1) Vor diesem Hintergrund schätzen es die Befragten als unproblematisch ein, wenn man „so richtige Innovationen alle 5—10 Jahre" (2) hervorbringt. Der wahrgenommene Innovationsdruck wird auch dadurch gemindert, dass die befragten Unternehmen teilweise traditionsreich sind und sehr gut etablierte Produkte pflegen, mit denen sich ein Großteil des Umsatzes erwirtschaften lässt. „Die stärksten Produkte bei allen Herstellern — sei es bei (x), ( y ) oder uns — sind die, die schon 60 Jahre auf dem Markt sind. Vielleicht immer wieder leicht modernisiert. " O) Aus Sicht der KMU-Manager führen die langen Lebenszyklen einiger Produkte dazu, dass diese nur graduell justiert und in kleinen Optimierungsschritten an Marktveränderungen angepasst werden. Die Innovationstätigkeit wird in diesem Zusammenhang häufig als Entwicklung in kleinen Schritten verstanden. Innovation wird dann auch als „eigentlicher kontinuierlicher Verbesserungspro^ess" (2) beurteilt und besteht aus Anpassungen und inkrementellen Veränderungen. Diese Veränderungen müssen allerdings über eine bloße kosmetische Anpassung hinausgehen: „Man darf sich unter Innovationen einfach nicht jedes Mal vorstellen, dass da immer ein 'Mega-Ding" kommt, das vorher noch niemand gesehen oder erschaffen hat und alle daraufgewartet haben. " (4) „Jet^t können wir jeder Verpackungsänderung stimmt ja auch nicht gan^. " (2)
als Innovation anschauen, aber das
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Ist die Nachfrage auf dem Markt gemäß den KMU-Managern als gering einzuschätzen, ist auch der Technology Push bei den produzierenden KMU der Nahrungsmittelbranche vielfach nicht sehr ausgeprägt. Häufig verfügen die Unternehmen über hoch spezialisierte Produktionseinrichtungen, die genutzt und ausgelastet werden müssen und die mögliche radikale Entwicklungsschritte beschränken. Neue Ideen werden im Rahmen von Innovationsbestrebungen und in Ideenselektionsverfahren deshalb hauptsächlich vor diesem Hintergrund beurteilt und der Umsetzbarkeit auf eigenen Maschinen wird bei Abwägungen großes Gewicht eingeräumt. Gänzlich neue Produkte haben somit nicht nur eine äußerst ungewisse Akzeptanz auf dem Markt zu erwarten, vielmehr werden aus Sicht der Befragten auch die internen Abläufe durch sie viel komplexer, dadurch risikoreicher und zuletzt auch kostspieliger. Die KMU sind deshalb im Allgemeinen einer gewissen Pfadabhängigkeit verhaftet, die die Innovationstätigkeit erschwert und die erwähnte schrittweise Optimierung fördert. Zweite Herausforderung: "Vertriebspartner bestimmen, was
tun ist. "
Diese Herausforderung leitet sich aus dem Themenfeld „Asymmetrie in den Beziehungen in der Nahrungsmittelbranche" ab. Diese Marktasymmetrien sind in der Schweizer Nahrungsmittelbranche aus Sicht der befragten KMU-Manager stark ausgeprägt. Es gibt hauptsächlich zwei große Vertriebspartner, die dem Konsumenten neue Produkte zugänglich machen. Von Ungern-Sternberg & Jametti (2007) stellen fest, dass diese Anbieter über 70% des Schweizer Nahrungsmittelvertriebs abdecken. Sie schätzen diese Situation als problematisch ein, weil sie einen stark limitierenden Effekt auf die Markteintrittschancen potentieller Konkurrenten hat. Die produzierenden Unternehmen sind so insgesamt stark von der guten Kollaboration mit den Vertriebspartnern abhängig und richten ihre Innovationstätigkeit an deren (teilweise auch nur vermuteten) Erwartungen aus. Die Großverteiler werden dementsprechend durch die KMU-Manager meist nicht als innovationsfördernde Partner gesehen. Sie werden eher als direkte (Groß) Kunden betrachtet und aufgrund ihrer Marktmacht als Akteure beurteilt, die den Preisdruck im Nahrungsmittelmarkt erhöhen und das kompetitive Umfeld fördern. Die Beziehung zu Vertriebspartnern wird denn auch als risikoreich und als äußerst asymmetrisch geschildert: „Ja, genau genommen wird es im Schweiber Markt, glaube ich, langsam ein bisseben schwieriger weil der Markt langsam gesättigt ist. (Verteiler 1), (Verteiler 2): Da sind wir drin, aber es besteht die Gefahr dass wir rausfliegen, weil der Preisdruck kommt. " (2) In der Wahrnehmung der Interviewpartner beschränken — eher als ermöglichen diese beiden Vertriebspartner auch die internen Innovationsprozesse. Häufig wird erwähnt, dass von Seiten der Vertriebspartner Anfragen eingehen, ein Produkt mit spezifischen Eigenschaften zu entwickeln. Die KMU kommen diesen
Schlüsselherausforderungen für Innovationen 97 Anfragen meist nach, allerdings kommt in diesen Zusammenarbeitsformen eher eine Auftraggeber (Kunde) — Auftragnehmer-Logik zum Tragen: „Es kommen natürlich auch Kundenanforderungen auf uns ψ. Da muss man rechtzeitig bereit sein diese %u erfüllen. " (1) „Das ist gan\ eindeutig aus unserer Historie. Wir haben bis jet%t immer entwickelt, mas der Kunde wollte. Der Kunde hat eigentlich die Bedürfnisse kreiert. Selbst wenn wir das Geßhl hatten, das seien nun nicht gerade die neusten Trends oder so, dann machten wir das, weil wir dem Gegenüber eigentlich immer mehr Kompetenz eingeräumt haben als uns selbst. "(6) Diese Anfragen seitens der Vertriebspartner werden partiell auch als Mittel zur Steigerung des Kostendrucks wahrgenommen. Befragte schildern die Situation, dass Vertriebspartner verschiedene K M U zur Entwicklung eines Produkts einladen. Die Auftraggeber wählen dann das günstigste Angebot aus: "Es wäre natürlich besserfirstsource [erste Bezugsquelle] %u sein, und das sind wir in einigen Fällen auch. Als second source kannst du nur verlieren. " (6) Die Asymmetrie in der Beziehung zwischen produzierendem K M U und Vertriebspartner beeinflusst nachweislich die internen Innovationsprozesse der Zulieferer. Die (teilweise durch die KMU-Manager nur vermuteten) Erwartungen der Partner fliessen in die Ideengenerierungs- und Selektionsprozesse der produzierenden Industrie mit ein. Produktideen werden vielfach nicht weiter verfolgt, wenn keine Unterstützung seitens der Vertriebspartner erwartet wird. Ideengenerierung und -Selektion erfolgen so im Geiste eines vorauseilenden Gehorsams, was das Entfalten radikal neuer Ideen innerhalb der befragten Organisationen stark behindert und den Raum zur Entwicklung innovativer Produkte einengen kann. Die Zuschreibungen der Manager bezüglich der vermuteten Erwartungen der Vertriebspartner entfalten innerhalb der Innovationsteams große Wirkung: Reaktion auf einen Vorschlag für ein neues Produkt durch den Sales Manager. „Ich kann mich nur noch erinnern, dass bei [einem Kunden] gesagt wurde, dass sie nie etwas mit Stückchen darin wollen, weil sie genau in den Kanal von Alters- und Pflegeheim gehen und dort das Problem auftaucht mit dem Verschlucken. Ich glaube da war etwas, aber ich habe es nicht mehr ganz im Kopf. Aber sie haben sicher einmal gesagt, dass sie nichts mit Stückchen wollen. " (6) Die Asymmetrie im Markt entsteht auch durch das unterschiedliche verfügbare Wissen über die Konsumgewohnheiten der Endverbraucher. Hier haben die Vertriebspartner deutlich mehr Ressourcen, um mittels Kundenbindungsprogrammen detaillierte Einsichten in Konsumgewohnheiten zu gewinnen oder aber Marktforschung in größerem Maßstab durchzuführen.
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Den KMU gelingt es meist nicht, dieses Ungleichgewicht in Bezug auf nutzbares Kundenwissen durch eigene Forschungsaktivitäten auszugleichen. Marketingagenturen, Medien, Zulieferer und Konkurrenten werden zwar durch die KMUManager als weitere wichtige Quellen für neue Produktideen angesehen. Direkte Formen der Zusammenarbeit, die über einzelne, klar definierte Projekte hinausgehen oder konkrete Absichten sich zu vernetzen lassen sich aber in den Antworten der Befragten kaum nachweisen. Die „Nähe %um Markt" (2) wird zwar als wichtiger Faktor zur erfolgreichen Lancierung von Produkten erwähnt. Daraus ergibt sich eine punktuelle Zusammenarbeit mit Marktforschungsunternehmen, auch wenn diese teilweise kritisch beurteilt wird: „[...]), aber wir haben nicht so wissenschaftliche, also pseudowissenschaftliche [Marktstudien], ich gebe da nicht mei drauf Wir machen weniger bezahlte Mark forschung denn es kostetjedes Mal20Ό00-30Ό00 CHF. Wir wissen doch schon einiges, glaube ich (...)"• (2) Da Informationen über Kundenverhalten und Konsumenten im Detail nicht eingeholt werden, versuchen die KMU-Manager die großen Veränderungen selbst zu antizipieren und sich abzeichnende Trends frühzeitig zu erfassen, um ihr Produktportfolio so auf neue Anforderungen auszurichten. „Einfluss nehmen [auf Trends] wäre für unsere Größenordnung fast ein bisschen übertrieben. Aber wir versuchen solche Sachen aufzugreifen und dann unterstützen. Oder probieren eben auf solchen kleineren oder größeren Wellen mit %u reiten. " (1) Dieses Trendscouting ist in der Wahrnehmung der KMU-Manager eine wichtige Aufgabe und für die Entwicklung von Innovationen unerlässlich. Das Aufspüren und Antizipieren dieser vielversprechenden Trends erweist sich aber für Manager produzierender KMU als Herausforderung. Um Trends erkennen zu können, haben die Unternehmen der Befragten meist keine Strukturen aufgebaut. Häufig wird deshalb auf Informationsplattformen wie dem „GlobalNew Products Database (GNPD)" (6) zurückgegriffen oder „die Medien" (1) beobachtet. All dies gibt allerdings keine Sicherheit, dass ein innovatives Produkt erfolgreich sein wird. Den neuen Produkten bieten sich Zeitfenster, die genutzt oder verfehlt werden können. Die Produkte sind dann „zu neu" oder bereits auf dem Markt. „Man kann auch weit vorne sein bei einer Innovation, dass man im Prinzip früh ist und dass die Antwort vom Markt gar nicht gegeben wird, dass es gar nicht geschätzt wird. Und dann landet man halt einen Flop und dann fünf Jahre später mit dem gleichen Produkt ist es perfekt im Ziel. Das ist die große Kunst bei der Innovation, immer wieder so weit vorne sein, dass es der Konsument immer noch nachvollziehen kann. Nicht dass man ψ große Schritte macht. " (2)
Schlüsselherausforderungen für Innovationen
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Mehr als die Hälfte der befragten Unternehmen (1, 3, 5, 6) kooperieren mit Universitäten oder externen Forschungsinstituten in Produktentwicklungsprojekten. Allerdings betreffen diese Kooperationen hauptsächlich technologiebasierte Weiterentwicklungen. Dritte Herausforderung: „Die Folgen des Wandels in der Branche sind noch ungewiss. " Diese Herausforderung leitet sich aus dem Themenfeld „Folgen der Marktderegulierung" ab. Der Markt für Nahrungsmittel wird aufgrund anstehender regulatorischer Veränderungen durch die KMU-Manager als äußerst bewegt beschrieben. Die wichtigsten Veränderungen werden im Wandel politischer Rahmenbedingungen, einem globalisierten Wettbewerb auf allen Stufen der Wertschöpfungskette und in besonderen Vertriebsbedingungen in der Schweiz gesehen. Die Deregulierungsabsichten der politischen Führung, wie beispielsweise das angestrebte Freihandelsabkommen mit der EU, werden von den Befragten als kritisch wahrgenommen; es ist aus ihrer Perspektive unbestritten, dass der Wandel Folgen zeitigen wird. Wie diese ausfallen werden, ist je nach Marktsegment der Lebensmittelbranche zurzeit nicht vollumfanglich abschätzbar, was teilweise zu Unsicherheit führt. „ Was natürlich eine Besonderheit ist, im Moment sicher, ist unsere Marktabschottung die wir haben in der Schweif. Das ist sicher eine markante Besonderheit. (...) Jet^t bei uns noch. Und wenn mal dann die Grenzen offen sind, weiß ich nicht wie es aussieht. "
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Allerdings schätzen die KMU-Manager den Wettbewerb schon heute als hart ein. Dies wird mit der „gesteigerten Internationalisierung" (2) erklärt. Zudem beeinflussen globale Entwicklungen, die sich jedem Einfluss der Betroffenen entziehen, die Geschäftsbedingungen in der Schweiz. Rohstoffknappheit führt zu steigenden Preisen bei der Beschaffung. Die Verteuerung der Rohstoffe verschlechtert die Ausgangslage für KMU, die sich bereits in einem von den Befragten als deutlich kompetitiver wahrgenommenem inländischem Umfeld bewegen. Der „Kon^entrationspro^ess im Detailhandel" (1) akzentuiert den Preisdruck, dem sich die Marktteilnehmer ausgesetzt sehen und der als lähmend beurteilt wird: „ Undjet^t auch das mit der Klimaerwärmung das hat alles wirklich einen direkten Einfluss auf unsere Produktion. Wir kommen nicht mehr an Rohstoff ran. [...] Ver knappen heißt Preise rauf und die Konsumenten sagen, die Preise müssen runter und der Detailhandel sagt die Preise müssen runter, denn Aldi und Udl sind die billigsten auf dem Markt, dorthin wollen wir auch. Das wird immer enger und irgendwann müssen wir sagen, sojet^t können wir nicht mehr, sonst legen wir drauf. " (2) „Ich glaube schon dass dieser Preisdruck führt." (2)
einem gewissen Verlust der Menschlichkeit
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Aus der Sicht der Manager wird es vor diesem Hintergrund für Zulieferer-KMU immer schwieriger, sich auf risikoreiche Innovationen einzulassen. Der Druck, dass man mit jedem neuen Produkt erfolgreich sein muss, engt die Perspektive auf mögliche Neuentwicklungen ein und kann so die Innovationstätigkeit einschränken. „ Wir wissen andererseits, dass die Einführung eines neuen Produktes in der Schweif 700'000 CHF kostet [...] und wir wissen, wir können das nur alle %wei Jahre machen." (2) Die positiven Aspekte des Freihandelsabkommens zu nutzen und sich stärker auf den internationalen Märkten zu bewegen, wird teilweise als profitables Zukunftsszenario in Betracht gezogen. Aber die Unwägbarkeiten werden als ungleich höher beschrieben und die eigenen Kompetenzen für dieses Vorhaben als ausbaufähig: „Die Zukunft ist wahrscheinlich eher verstärkt ins Ausland gehen, da glaub ich dran (...). Ja also, da glaub ich schon dran, da investieren wir auch groß, da muss man dran glauben sonst kommt esja nicht gut raus. Aber es ist sicher nicht einfach. " (2) Obwohl sich einige befragte Manager über die künftigen Entwicklungen besorgt zeigen und auch das Bilden von Allianzen als möglicher Weg gesehen wird, um auf die veränderten Bedingungen zu reagieren und so Sicherheit zu gewinnen, wird über den Aufbau von Netzwerken oder das Anstoßen gemeinsamer Innovationsaktivitäten wenig gesprochen. Eher sieht man sich als „Alleinkämpfer" im Markt und damit als KMU, die auf noch ungewisse Art und Weise mit den künftigen Herausforderungen umgehen wird. "Wir sind alleine da draussen, im globalen Markt. Wir haben keinen SchutUnd einfach das Vertrauen ψ haben, dass wir es richtig machen, dass die Produkte, welche wir haben in Zukunß eine Chance haben, das ist immer das grosse Fragezeichen. Und da braucht es ein gewisses Selbstvertrauen, dass wenn man es die letzten fünfzig Jahre gut gemacht hat, es auch die nächsten ^wan^g Jahre gut geht. "(2)
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Diskussion
In unserer Studie wurde die Perspektive von Schweizer KMU-Managern der Nahrungsmittelbranche auf Herausforderungen im Innovationsprozess untersucht. Es konnte gezeigt werden, dass Manager aus Zulieferer-KMU in Innovationsprozessen zentrale Herausforderungen in den drei Themenfeldern "Markteinschätzung", „Asymmetrie in den Beziehungen in der Nahrungsmittelbranche" und „Folgen der Marktderegulierung" sehen. Diese Themenfelder wurden detailliert beschrieben. Aus unserer Sicht ergeben sich daraus folgende Themen für eine Diskussion und einige Ansatzpunkte für eine Weiterentwick-
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lung und Verbesserung der Marktposition von Zulieferer-KMU im Schweizer Nahrungsmittelmarkt: Erstens wird aufgrund der vorherrschenden Beurteilung der Nahrungsmittelbranche die eigene Innovationsfähigkeit und die der gesamten Branche als optimierbar eingeschätzt. Trotz sich verändernder Marktbedingungen wird ein stärkerer und weitergehender Austausch mit Partnern oder anderen Akteuren aus der Nahrungsmittelbranche relativ selten thematisiert und kaum als gangbarer Weg im Umgang mit dem sich verschärfenden Wettbewerb beschrieben. Sich in Kollaboration mit anderen Netzwerkakteuren Wissen zum Umgang mit neuen Herausforderungen anzueignen, liegt für Manager in Schweizer Zulieferer-KMU nur auf der Hand, wenn es um Marketingfragen, um spezifische Details in der Gesetzgebung oder um technische Produktentwicklung geht. Zur Verbesserung der Ideengenerierung werden Vernetzungsbestrebungen kaum angesprochen oder als vage, künftige Entwicklung geschildert. Die interorganisationale Generierung innovativer Produktideen wird (noch) nicht in Erwägung gezogen, hätte jedoch unter Nutzung gemeinsamer Ressourcen und Wissensbestände großes Potential. Die zweitens allseits festgestellte und anhaltende Zunahme der Kompetitivität in der Nahrungsmittelbranche bringt die vorherrschenden Asymmetrien deutlicher hervor. Die Vertriebspartner fördern in der Wahrnehmung der KMU-Manager eher den Druck in Preisgestaltungsfragen, als dass ein Austausch über künftige vielversprechende Marktsegmente ermöglicht würde, der der Branche insgesamt förderlich sein könnte. Vernetzung könnte hier über die reine Ideengenerierung hinausgehen und Produktentwicklungen gemeinsam als strategische Überlegung bedacht werden. Die Bildung solcher Netzwerke könnte somit helfen, bestehende Asymmetrien abzubauen. Denkbar wäre z.B. ein Zusammenschluss von Konkurrenten, um Innovationsanforderungen der Vertriebspartner gemeinsam zu bearbeiten. Zur Verbesserung der eigenen Vernetzungsfahigkeit müssen dafür in einem ersten Schritt das unternehmerische Umfeld genau analysiert und mögliche passende Partner erkannt werden. Zu diesem Zweck müssen zuerst die eigenen Stärken und Schwächen analysiert und die Positionierung in der Branche bewusst aufgearbeitet werden. Dies beinhaltet auch klare Überlegungen zu bestehenden Kontakten mit anderen Firmen (Zulieferer, Vertriebspartner, Wertschöpfungskette) und der möglichen Veränderung bestehender Interaktionen, um sie für die Innovationstätigkeit besser zu nutzen oder Möglichkeiten anderer Firmen überhaupt in internen Innovationsprozessen mitzudenken. Auf diese Weise kann der Handlungsspielraum erweitert werden. Zu diesem Zweck müssen allerdings Ressourcen bereitgestellt und gegebenenfalls die organisationalen Interaktionskompetenzen verbessert werden.
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Drittens bedarf es für die bessere Abschätzung künftiger Entwicklungen in der Nahrungsmittelbranche und für die Erarbeitung eines fundierten Wissens eines verbesserten Zugangs zu Konsumenten. Um diese Wissenslücke aufzufüllen, versucht man heute längerfristige Trends zu eruieren und zu nutzen. Den Medien wird hier eine gewisse „Beobachterfunktion" in Bezug darauf eingeräumt, was sich bei den Konsumenten durchsetzen könnte. Hier könnten, wiederum in Zusammenarbeit mit Partnern, Wege gesucht werden, um die Endkonsumenten besser zu verstehen und gezielt Innovationen anzubieten, die mit Unterstützung eigener Daten den Vertriebspartnern umso überzeugender angeboten werden können. Der proaktive Dialog mit Endverbrauchern verringert die Machtasymmetrie zwischen KMU (als Zulieferer) und den Detailhändlern (Vertriebspartner), weil sich die Machtverhältnisse so angleichen. Asymmetrische Machtverhältnisse sind ambivalente Zustände. Einerseits haben sie negative Auswirkungen: Weil mächtige Akteure Marktmacht und häufig technologische Vorteile haben, können Innovationsmöglichkeiten für KMU gehemmt werden (Colurcio & Russo Spena, 2008). Andererseits können erschwerte Bedingungen in den Marktbeziehungen dazu führen, dass der Wettbewerb als treibende Kraft die Kreativität in Kollaborationen verschiedener Unternehmen fördert (Colurcio & Meie, 2008). Der kontinuierliche Austausch mit Verbrauchern fördert den Prozess des organisationalen Lernens und führt somit zur Verbesserung der involvierten Unternehmen Zusammenfassend kann man sagen, dass die Kooperation von Schweizer Zulieferer-KMU in der Nahrungsmittelbranche in Netzwerken potentiell heutige Machtasymmetrien in bestehenden Beziehungsgeflechten ausgleichen könnte. Indem zum einen Technologien, Kompetenzen und Wissen zugänglich gemacht werden, verbessern sich potentiell die Innovationsmöglichkeiten aller beteiligten KMUs weil ihre Innovationsbasis verbreitert wird. Zum anderen kann in der Kollaboration aber auch ganz Neues entstehen. Von diesem Standpunkt aus ist "Innovation in Netzwerken" nicht ein Schlussresultat. Es ist vielmehr der Anfangspunkt eines kontinuierlichen Prozesses, in dem es darum geht, sich als KMU in Netzwerken weiter zu entwickeln. Außerhalb der eigenen Organisation bedeutet dies, andere in ihren Prozessen zu unterstützen und sich an diesen nach Möglichkeit zu beteiligen. Für interne Zwecke heißt das, Ressourcen von Kunden, Zulieferern und anderen Anspruchsgruppen für interne Anwendungen einzusetzen (Vargo, 2008). Innovation muss künftig vor diesem Hintergrund stärker als offener, demokratisierter Prozess gesehen werden (von Hippel, 2005). Gemäß Lusch, Vargo und Tannini (2009) haben nämlich künftig einzelne Unternehmen, insbesondere KMU, nicht genug Wissen und ausreichend Personal, um die Innovationen zu kreieren, die es braucht, um global wettbewerbsfähig zu sein (S. 29).
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Berücksichtigung der Innovation in der Integrierten Unternehmens-Planung Michael Blankenagel & Thomas Fischer
1
Zusammenfassung
Controlling im Sinne einer Rationalitätssicherung der Unternehmensführung hat sich mit der Rationalität von Innovationen zu befassen und Aussagen über diese zu treffen. Die herkömmlichen Ansätze des Rechnungswesen und Controlling konnten noch kein überzeugendes Konzept liefern, wie die Rationalität von Innovationen überhaupt erfasst werden kann. Rationalitätssicherung kann aufgrund der menschlichen Limitationen und der Komplexität und Eigendynamik von Systemen immer nur eingeschränkt sein. Darüber hinaus ist Rationalität im eigentlichen und nicht im rein ökonomischen Sinne als Beziehung zwischen Zielen und Mitteln sowie deren Bewertung zu verstehen. Die Schaffung eines kreativen Klimas und der Verzicht auf Zielvorgaben für Innovationen können demnach durchaus rational sein. Es fehlen heute aber gerade noch die Kriterien und Modelle, um dies unternehmensspezifisch beurteilen und zum Anlass für intentionale Einflussversuche machen zu können. Innovation kann nie isoliert betrachtet und bewertet werden, sondern immer nur als Teil der gesamten Unternehmensentwicklung. Für deren Beschreibung fehlen aber ebenfalls durchgängige Bezugsgrößen. Neben diesen einheitlichen Bezugsgrößen soll in diesem Beitrag ein Unternehmensmodell entwickelt werden, mit dem zusammen sich Unternehmensentwicklung als Änderung von Unternehmenszuständen beschreiben und zumindest teilweise planen lässt. Innovation und die Voraussetzungen für Innovation als Teile dieser Integrierten Unternehmens-Planung werden damit beschreibbar und zumindest ansatzweise mess- und vergleichbar und so einer intentionalen Einflussnahme eher zugänglich gemacht.
2
Ausgangslage
2.1 Themenfelder in Planung und Management Warum wird eine Integrierte Unternehmens-Planung benötigt? Betrachtet man die Themenfelder Planung und Management, so werden viele Probleme und
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Michael Blankenagel & Thomas Fischer
Mängel offensichtlich, mit denen sich Theorie und Praxis heute auseinandersetzen: —
Die mangelnde Umsetzung von Strategien wird von vielen Managern als ein Hauptproblem der Unternehmensführung beschrieben (vgl. McKinsey, 2006, S.2). Zu diesem Themenkreis gehören unter anderem folgende Beanstandungen: •
Der Strategie wird eine dominierende Stellung eingeräumt (vgl. stellvertretend für viele Kaplan & Norton, 2008, S. 1-18; Hungenberg & Wulf, 2003, S. 249f.; Hahn & Hungerbühler, 2001; S. 100-102; IBM, 2009, S. 14 und McKinsey, 2006, S. 2), deren Vorgaben nicht oder nur unzureichend umgesetzt werden (vgl. McKinsey, 2006, S. 2; Kraus, 2007, S. 374). Eine echte Interaktion von strategischer und operativer Planung findet nicht statt (vgl. Rieg, 2008, S. 127-128).
•
Entscheide — auch im Hinblick auf Innovationen - werden mit „strategischen" Faktoren begründet.
•
Die Vergleichbarkeit von strategischen und operativen Optionen fehlt (was ist wichtiger: die Weiterentwicklung eines Produktes oder die Schaffung eines innovationsfreundlichen Klimas?) (vgl. Rieg, 2008, S. 127-128).
—
Es werden Partialansätze, die Teilthemen berücksichtigen, größtenteils ungeordnet nebeneinandergestellt, ohne deren Interdependenz aufzuzeigen. Zu solchen Partialansätzen zählen unter anderem Innovationsmanagement (vgl. für eine Übersicht der Vielzahl von Ansätzen: Dönitz et.al, 2010, S. 641), immaterielle Vermögenswerte 1 (vgl. Lev & Daum, 2003, S. 33-50) und intellectual capital statements als Berichterstattung über das geistige oder intellektuelle Vermögen eines Unternehmens (Daum, 2004, S. 47-80), Umweltkostenmanagement (vgl. Prammer, 2009, S. 194-216), social responsibility accounting, Nachhaltigkeit (vgl. Figge et. al., 2006, S. 8-19) und Risikomanagement (Gleissner, 2008, S. 1-11) und IKS (vgl. Pfaff & Ruud, 2008, S. 24-34 und S. 41-83; und zu einer ähnlichen Einschätzung Oehler, 2006, S. 46).
—
Die heute verwendeten Konzepte werden der Komplexität der Problemstellungen nicht gerecht: •
Moderne Budgetierungsansätze predigen unreflektierte Vereinfachung (das kommt zumindest oftmals in der Praxis so an) (vgl. Gleich et. al.,
Immaterielle Vermögenswerte zählen insofern zu den Partial-Ansätzen, als dass mit ihnen vorwiegend eine neue Vermögensklasse neben die bereits bestehenden gestellt wird.
Berücksichtigung der Innovation
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2009, S. 87-88; Tschandl et. al., 2009, S. 67-69) oder gar Verzicht auf Planung (vgl. Hope & Fraser, 2003, S. 19-29 und die Kritik bei Rieg, 2008, S. 164-173 und Rieg & Oehler, 2009, S. 97-114) •
Planungsintegration in heutigen computergestützten Planungs systemen bezieht sich vielfach nur auf relativ einfache sachlogische Zusammenhänge (vgl. zum Überblick über computergestützte Planungssysteme Oehler, 2006, S. 303-334)
Dies deutet auf Defizite in den heute verwendeten Management-Konzepten hin, die im Folgenden aus praktischer und theoretischer Sicht näher betrachtet werden sollen, wobei im Rahmen der theoretischen Sicht die Komplexitätsreduktion aufgrund ihrer Bedeutung separat beleuchtet wird.
2.2
Defizite heutiger Managementkonzepte aus praktischer Sicht
„Sollen wir das neue Produkt entwickeln? Können wir uns das leisten? Auf was müssten wir dafür verzichten? Welche Konsequenzen hätte dies?" Diese und ähnliche Fragen — meist an Geschäftsleitungssitzungen gestellt — verlangen immer öfter sehr schnelle und vor allen Dingen „richtige" Antworten, für die Controlling im Sinne seiner rationalitätssichernden Funktion (vgl. Weber & Schäffer, 2008, S. 26 und S. 33-53) Antworten geben können sollte. Das heutige Management ist größtenteils nicht in der Lage, solche Entscheide, die sowohl den strategischen als auch den operativen Bereich tangieren, in Situationen der Ressourcenknappheit betriebswirtschaftlich gesichert „rational" zu fällen: Die Abstimmung zwischen heutigem Mitteleinsatz, heutiger und morgiger Mittelerwirtschaftung und der Erreichung strategischer Ziele, die zukünftig die Mittelerwirtschaftung ermöglicht, und der Schaffung von Voraussetzungen für zukünftige Entwicklungen, fallt aufgrund der Unsicherheit über Wirkungszusammenhänge und Eintrittswahrscheinlichkeiten, der schwer abzubildenden Interdependenz der einzubeziehenden Faktoren, der Komplexität und der Unklarheit über die Ziele des Unternehmens schwer. Während die strategische Planung gemäß einer Umfrage von Bain & Company (Rigby, 2007) das am meisten eingesetzte Managementtool (aus einer Auswahl von 25) ist und auch in Bezug auf die Zufriedenheit der Nutzer am besten abgeschnitten hat, was auch durch Untersuchungen von McKinsey (McKinsey, 2006) gestützt wird, weisen weitere Untersuchungen (vgl. Kaplan & Norton, 2001 und 2008; Neilson, Martin & Powers, 2008, S. 61 ff. und Yukl & Lepsinger, 2007) darauf hin, dass die erfolgreiche Strategieumsetzung heute zu einem Hauptproblem erfolgreicher Unternehmensführung geworden ist. Eine entsprechende In-
110 Michael Blankenagel & Thomas Fischer tegradon von strategischer und operativer Planung zu diesem Zwecke gehört auch zu den Hauptforderungen des sogenannten „Advanced Budgeting" 2 (vgl. Leyk & Kopp, 2002 und 2004). In der Praxis werden strategische und operative Planung aber meistens unabhängig voneinander durchgeführt. Allenfalls werden aus der strategischen Planung Vorgaben für die operative Planung abgeleitet. Von einer Integration kann in der Praxis keine Rede sein.
2.3
Defizite heutiger Managementkonzepte aus Sicht der Komplexitätsreduktion
Managementkonzepte reduzieren wie jedes Modell die Komplexität (vgl. Beer, 1979, S. 69). Dies ist ein absolut notwendiger Schritt um die Handhabbarkeit und Handlungsorientierung des Modells zu gewährleisten (vgl. Malik, 1986, S. 169247; Horváth, 2003, S. 4; und mit der Betonung auf Varietätsengineering Beer, 1979, S. 31-73). Ein grundsätzliches Problem von Managementkonzepten liegt in ihrer wahrnehmungsleitenden Funktion (vgl. Rüegg-Stürm, 2003a, S. 11-16, insbesondere S. 14; Scharmer, 2009, S. 106-109 und Neisser, 1979, S. 50): in den Extrema wird das Konzept als realitätsfremd verworfen oder es wird als realitätswiderspiegelnd wahrgenommen, was zur Ignoranz von Wirklichkeitsaspekten führt, die es gemäß Modell nicht gibt, da sie der Komplexitätsreduktion zum Opfer gefallen sind (vgl. hierzu auch Weick, 1985, S. 11 f. und S. 293-330; Neisser, 1979, S. 48-65). Aber auch als komplexitätsreduzierende Modelle wahrgenommene und verstandene Managementkonzepte steuern die Aufmerksamkeit der Anwender (vgl. Rüegg-Stürm, 2003a, S. 14). Diese Wahrnehmungsleitung ist der Komplexitätsreduktion inhärent, verdeutlicht aber auch die Brisanz der Auswahl des „richtigen" Modells. Den meisten heutigen Managementkonzepten muss vorgeworfen werden, dass sie die ihnen inhärente Komplexitätsreduktion nicht reflektieren. Nachfolgend werden einige gängige Komplexitätsreduktionsmechanismen Managementkonzepten beschrieben.
2.3.1
in
Komplexitätsreduktion durch Differenzierung
Im heutigen Sprachgebrauch hat sich vor allem durch ihre Verwendung in Managementkonzepten eine Differenzierung des Managements in verschiedene Ebenen, meistens normative, strategische und operative, durchgesetzt (vgl. stellvertretend für viele Bleicher, 1991, S. 52-56; Gälweiler, 1987, S. 27-35; Hahn & Hungenberg, 2001, S. 96-107 und Rüegg-Stürm, 2003a; S. 70-73). Diesen Ebe-
Advanced Budgeting umfasst Ansätze zu einer Neugestaltung der Budgetierung, die aufgrund der gravierenden Mängel der traditionellen Budgetierung, insbesondere der Schwerfälligkeit, Inflexibilität und des immensen Aufwandes, nötig wurde.
Berücksichtigung der Innovation
111
nen werden verschiedene Gegenstandbereiche zugeordnet. Diese dem Verständnis der einzelnen Managementaufgaben sicherlich zuträgliche Differenzierung geht aber auf Kosten der Berücksichtigung der Interdependenz zwischen diesen Management-Subsystemen. Besonders deutlich wird dies an der Verwendung unterschiedlicher Bezugsgrößen für die einzelnen Managementebenen (vgl. hierzu Kapitel 2.4.2; Gälweiler, 1987, S. 34 und Rüegg-Stürm, 2003a, S. 71). So ist auch theoretisch der Zusammenhang zwischen strategischen Erfolgspotentialen oder Wettbewerbsvorteilen einerseits und der finanziellen Führung nur aufgezeigt, aber nicht erklärt oder differenziert worden. Zusätzlich zu den verschiedenen Ebenen neu in den Fokus des Interesses gerückte Managementbereiche sind das Risikomanagement und das Innovationsmanagement. Aber auch schon früher hat es immer wieder die Ausdifferenzierung von Querschnittsthemen wie beispielsweise des Qualitätsmanagements (vgl. SAQ-Qualicon, 2008) gegeben oder es gibt sie immer noch, wie funktionale Betrachtungen, beispielsweise die Personalpolitik eines Unternehmens (vgl. zum Beispiel Remer, 1978, S. 20-90), zeigen. Erfolgreiche Versuche, diese Partialansätze zu integrieren, fehlen allerdings.
2.3.2
Komplexitätsreduktion durch Zielauswahl
Betrachtet man heutige Managementkonzepte hinsichtlich ihrer Ziele im Hinblick auf die Unternehmensentwicklung, lassen sich drei Gruppen identifizieren (vgl. zu einer ähnlichen Differenzierung Rüegg-Stürm, 2003a, S. 28-31): —
Stakeholder-orientierte Ansätze (vgl. Rüegg-Stürm, 2003a, S. 28-31 und Bleicher, 1991, S. 73-114)
—
Shareholder-orientierte Ansätze (vgl. stellvertretend Rappaport, 1999, S. 6-9 und S. 39-70 sowie für einen Überblick über wertorientierte Ansätze Hahn & Hungenberg, 2001, S. 191-217)
—
Die Übereinstimmung von stake- und shareholder-Interessen postulierende Ansätze (vgl. Dubs, 2010, S. 1-3; Hahn & Hungenberg, 2001, S. 11-22)
Die letzten beiden Ansätze reduzieren alleine durch die Festschreibung von Zielkategorien die Komplexität immens.
2.3.3
Komplexitätsreduktion durch Kombination von Determinismus und Indeterminismus
Managementkonzepte reduzieren teilweise ihre Komplexität, indem sie einzelne Konzeptbestandteile oder -detaillierungen als unternehmensspezifisch deklarieren (vgl. beispielsweis EFQM, 2010, S. 15). Dies erhöht sicherlich den Realitätsgrad, geht aber auf der anderen Seite mit einer Reduktion der Handlungsanlei-
112 Michael Blankenagel & Thomas Fischer
tung einher: die grundsätzlichen Kategorien oder Grundsätze des Managementkonzeptes werden im Sinne eines Sollzustandes postuliert, aber die Ausgestaltung oder Umsetzung wird dem einzelnen Unternehmen überlassen, wie beispielsweise beim EFQM-Modell (vgl. EFQM, 2010, S. 15). Diese Art der Komplexitätsreduktion beinhaltet normalerweise zwei Nachteile: der deterministische Teil wird nicht reflektiert, und der indeterministische Teil lässt nur eine abstrakte Beschreibung des Unternehmenszustandes zu, wie bei EFQM mit einer Punkteskala, der nur sehr unspezifische Handlungsanleitungen zulässt. Darüber hinaus lassen sich solche Modelle wieder nur schwer mit anderen Ansätzen integrieren (vgl. hierzu auch Oehler, 2006, S. 46).
2.4
Defizite heutiger Managementkonzepte aus theoretischer Sicht
2.4.1
Defizite im Bereich der Planung
In Bezug auf eine Wahrnehmung der Koordinations funktion durch Pläne ist der Stand der Forschung uneinheitlich: Aus kybernetischer Sicht wurde die Notwendigkeit zur Koordination von strategischem und operativem Management vor allen Dingen von Stafford Beer aufgezeigt (1979, S. 251ff.). Während es viele Forderungen nach Koordination von strategischer und operativer Planung gibt (Leyk & Kopp, 2002 und 2004; Hope & Fraser, 2003, S. 77-82; Tschandl et. al., 2009, S. 67-69 und Gleich et. al., 2009, S. 89), und auch viele partielle Konzepte Methoden und Instrumente bereitstellen, die hierfür eingesetzt werden (vgl. u.a. Horváth, 1998, S. 159ff.; Weber & Schäffer, 2008, S. 241 ff.; Coenenberg et. al. 2007, S. 859ff.) sind wirklich integrierte, holistische Ansätze selten. Diesbezüglich am weitesten fortgeschritten sind die Arbeiten von —
Hahn: Planung und Kontrolle PuK (Hahn & Hungenberg, 2001)
—
Kaplan: Management System für Integrating Strategy Planning and Operational Execution (Kaplan & Norton 1996, 2001 und 2008) und
—
Simons: Levers of Control (1995 und 2000).
Alle drei Ansätze werden den Anforderungen aus der Managementpraxis jedoch nicht gerecht: Sie alle können letztlich die eingangs in Kapitel 2.1 und 2.2 aufgeworfenen Fragen nicht beantworten: Hahn erhebt zwar die „gesamtunternehmensbezogene Ergebnis- und Finanzplanung" (Hahn & Hungenberg, 2001, S. 103ff.) zur übergreifenden Klammer über generelle Zielplanung, strategische und operative Planung, greift aber mit der Reduktion der strategischen Planung auf die monetär beschreibbare Programm- und Potentialplanung (Hahn & Hungenberg, 2001, S. lOOf.) zu kurz: strategische Größen wie Erfolgspositionen und Wettbewerbsvorteile sind in seinen Ansatz nicht integrierbar.
Berücksichtigung der Innovation 113 Kaplan stellt ein umfassendes und kohärentes Managementsystem vor (Kaplan & Norton, 2008), dass aber aus europäischer Sicht eher bei einer Mehrjahresplanung stehen bleibt und davon ausgeht, dass Ressourcen in mehrheitlich unbeschränkter Höhe vorhanden sind oder beschafft werden können. Ein weiterer entscheidender Kritikpunkt ist die Unidirektionalität des Systems, das nur einen Feedback der operativen Planung an die strategische Planung vorsieht, aber keine Interdependenz. Simons Konzept der „Levers of Control" (Simons, 1995 und 2000) wirkt als in sich stimmiges System, kann aber in der operativen Umsetzung ebenfalls die strategischen Größen nur unzureichend mit einbeziehen. Zusätzlich zum Stand der Forschung bezüglich Integrierter UnternehmensPlanung müssen natürlich auch die gewonnenen Erkenntnisse auf den einzelnen Planungsebenen berücksichtigt werden: Bei der strategischen Planung scheint die Geschwindigkeit der Erkenntnisgewinnung leicht abgenommen zu haben (vgl. für eine Überblick Mintzberg et.al. 2005). Neue planungsrelevante Aspekte im Bereich der „Corporate Foresight" im Sinne von Langfristdenken (Burmeister et. al., 2005, S. 15-20) und der Trendforschung (Horx, 2000; Horx et.al. 2007 und Burmeister & Glockner, 2009) müssen aber sicherlich bei der Modellbildung einer Integrierten UnternehmensPlanung beachtet werden. Auf der Seite der operativen Planung sind vor allen Dingen getrieben durch die Kritik aus der Beyond Budgeting-Bewegung (Hope & Fraser, 2003) Fortschritte erzielt worden in Richtung Better und Advanced Budgeting (Weber & Linder 2005; Leyk & Kopp, 2002 und 2004). In diesem Zusammenhang sind insbesondere auch die zeitgetrieben Aktivitätskostenmodelle 3 von Kaplan & Anderson (2007) (vgl. auch Kaplan &Norton 2008, S. 209ff.) zu nennen. Auch die Entwicklungen im Bereich Business Intelligence beschränken sich aufgrund der Komplexität auf Partialabbildungen (vgl. Oehler, 2006, S. 24 und Seifert & Oehler, 2009, S. 40).
3
time driven activity based costing
114
Michael Blankenagel & Thomas Fischer
2.4.2
Defizite im Bereich der Bezugsgrößen der strategischen und operativen Planung
Eine der Hauptschwierigkeiten, die sich bezüglich einer optimalen Koordination und Umsetzung der strategischen und operativen Pläne durch Integration in ein Planungssystem ergeben, ist das Fehlen eines durchgängigen Integrationskriteriums. „Durch Planung wird ein vereinfachtes Modell der Realität erarbeitet (Komplexitätsreduktion) und es werden Prognosen zu Zukunftsentwicklungen formuliert (Abbau der Unsicherheit)" (Horváth, 2003, S. 4). Die gängigen Modelle für strategische und operative Planung stellen auf unterschiedliche Bezugsgrößen ab, die auf den Arbeiten von Gälweiler (1986 und 1987, Schwaninger, 1989, S. 163ff.) fußen. Diese Bezugsgrößenhierarchien wurden noch um die normative Dimension (vgl. Rüegg-Stürm, 2003a, S. 71 f.) ergänzt. Die Bezugsgrößen der verschiedenen Planungsebenen stehen immer noch weitgehend isoliert nebeneinander (Hungenberg & Wulf, 2003, S. 256): auf der strategische Ebene Konzepte wie „Wettbewerbsvorteile" und „Erfolgspotentiale und -positionen", auf der operativen Ebene Gewinn, Liquidität und Cash Flow. In der folgenden Abbildung 1 werden gängige Bezugsgrößen für Managementebenen dargestellt. Es wird deutlich, dass aufgrund ihrer Verschiedenheit ein Koordinationsmechanismus zwischen den Ebenen nicht selbstevident ist.
Normatives Management
Entwicklungsfähigkeit Lebensfähigkeit Autonomie
Strategisches Management
Neue Erfolgspotentiale Bestehende Erfolgspotentiale Wettbewerbsvorteile
Operatives Management
Gewinn Liquidität Zeithorizont
Abbildung 1 : Konventionelle Bezugsgrößen des Managements
Berücksichtigung der Innovation
2.4.3
115
Defizite im Bereich des Performance Measurement
Durch das Fehlen einheitlicher Be2ugsgrößen, insbesondere der Schwierigkeit, deren Abhängigkeiten wirklich greifbar zu machen, wird eine Koordination der Pläne weitgehend verunmöglicht. Hinzu kommt, dass es keine anerkannte Definition der Corporate Performance im Sinne einer unternehmensweiten Leistungsmessung gibt, die als Abstimmungsmechanismus zwischen strategischer und operativer Planung dienen könnte. Dies zeigt sich vor allem in der kontroversen Diskussion, wie Unternehmensleistung zu messen ist: neben der Diskussion, ob eher rein monetäre wie beispielsweise der Shareholder Value (vgl. Rappaport, 1999) oder eher mehrdimensionale Leistungskriterien basierend auf dem Stakeholder-Ansatz (vgl. Rüegg-Stürm, 2003a, S. 28-35) zugrunde gelegt werden, besteht auch große Uneinigkeit über die adäquaten Maßstäbe. Diskutiert und auch in der Unternehmenspraxis verwendet werden vor allem shareholder value orientierte Größen wie der economic value added (EVA) (Hostettler, 2000), discounted cash flows (DGF) (Volkart, 2008, S. 185-201.; Loderer et.al. 2000, S. 677ff.; Dück-Rath, 2005, S. 37-124 und S. 239-268), Renditen und absolute Gewinngrößen 4 (vgl. auch Nadig et.al., 2007). In jüngerer Zeit sind diese Ansätze in Bezug auf die Berücksichtigung von Risikokomponenten (Boemie & Stolz, 2002, S. 58) und den Einbezug immaterieller Werte (Neely et. al., 2004, S. 31-43) wie beispielsweise „Wissen" und „Organisation" erweitert worden. Bei den mehrdimensionalen Performance Measurement Ansätzen sind beispielsweise das EFQM-Modell (EFQM, 2003 und 2010) und die Balanced Scorecard (Kaplan &Norton, 1996) zu nennen. Die Performance von Unternehmen auf einzelnen Dimensionen innerhalb der mehrdimensionalen Modelle haben in jüngerer Vergangenheit ebenfalls Beachtung gefunden, was die Entwicklung entsprechender Performance Measurement Modelle vorangetrieben hat wie z.B. die Sustainable Value Calculation 5 (Figge et. al., 2006, S. 8-19). Die Relevanz des Performance Measurement liegt neben seiner Funktion als Abstimmungsmechanismus in seiner aufmerksamkeitssteuernden Wirkung (Gladen, 2008, S. 14-15 und S. 20-34), die als Komplexitätsreduktionsmechanismus bei der Planungsmodellbildung einfließt: relevante und damit im Modell abzubildende Elemente der „Realität" sind nur solche, die mit dem PerformanceKriterium in Beziehung stehen. Die oben aufgezeigten Diskrepanzen zwischen den heutigen Ansätzen verunmöglichen die Übernahme eines allgemein anerkannten Konzeptes. Weitere Schwierigkeiten ergeben sich daraus, dass die meisten Ansätze zur Messung der Corporate Performance kapitalmarktorientiert und nicht managementorientiert sind (vgl. hierzu auch Eccles et. al., 2001). Ein Mo-
wie beispielsweise earnings before interest and taxes (EBIT) Bewertung der Nachhaltigkeit
116
Michael Blankenagel & Thomas Fischer
dell zur integrierten Planung bedarf damit eines Corporate Performance Measurement Konzeptes, das zum einen die Integration verschiedener Bezugsgrößenebenen ermöglicht und zum anderen die Unternehmensführung in den Mittelpunkt stellt.
2.5
Identifizierung von Problemfeldern in Planungs- und Managementkonzepten
Die Problemfelder in Planungs- und Managementkonzepten lassen sich analog zu Hungenberg & Wulf (2003, S. 255-258) in zwei Gruppen aufteilen, die sich beliebig weiter differenzieren lassen: —
Sozio-emotionale Probleme •
Mangelnde Akzeptanz der Planung im Unternehmen
•
Anreizsysteme, die Planungsergebnisse als Zielvorgaben enthalten, weshalb in die Planung Partikularinteressen einfließen
•
Behavioral budgeting 6
•
— Sachlogische Probleme •
Inhaltliche Abstimmung / Bezugsgrößen
•
Informationstechnische Probleme
•
Strukturelle Probleme durch die Zuweisungen strategischer und operativer Planung auf verschiedene Mitarbeitenden(-gruppen)
Die Schwerpunktsetzung des vorliegenden Beitrages liegt entsprechend der konkret in den Kapiteln 2-2, 2.3 und 2.4 beschriebenen Defizite insbesondere bei der inhaltlichen Abstimmung. Allerdings werden auch sozio-emotionale Themen zum Inhalt der Planung und müssen als solche Berücksichtigung finden.
Menschen als Träger von Planungs- und Budgcüerungsprozessen verhaken sich in ihren kognitiven Urteils- und Entscheidungsprozessen nur beschränkt rational, d.h. sie machen bewusst oder unbewusst Fehler.
Berücksichtigung der Innovation
2.6
117
Fragestellung
Die beschriebene Ausgangslage führt zu folgenden Fragenstellungen, denen im Folgenden nachgegangen werden soll: —
Mit welchen Bezugsgrößen lässt sich im Zuge einer controlling-orientierten Modellbildung der Zustand eines Unternehmens anwendungsorientiert beschreiben / messen?
—
Wie kann man die Corporate Performance messen und als Abstimmungsmechanismus zwischen strategischen und operativen Plänen verwenden?
—
Wie können die strategische und operative Planung in einer Integrierten Planung zusammengefasst werden?
—
Wie können innovationsrelevante Themen in einer Integrierten Unternehmens-Planung berücksichtigt werden?
2.7 Vorgehen Um Antworten auf die vorgängig gestellten Fragen zu finden und deren Interpretadon zu erleichtern wird im Folgenden das Selbstverständnis des hier entwickelten Konzeptes aufgezeigt (Kapitel 3). Daran anschließend werden in Kapitel 4 die Grundlagen eines Managements der Unternehmensentwicklung erarbeitet, die die Basis bilden, um dann in Kapitel 5 ein Konzept Integrierter Unternehmens-Planung zu entwerfen. Die Berücksichtigung innovationsrelevanter Themen wird daran anschließend beleuchtet (Kapitel 6).
3
Selbstverständnis des Konzeptes Integrierter Unternehmens-Planung
Integrierte Unternehmens-Planung soll im Folgenden als Metamodell und damit Gestaltungsrahmen für unternehmensspezifische Planungskonzepte verstanden werden. Als Rahmen soll eine Reduktion auf heutige Managementkonzepte möglich, aber nicht vorgeschrieben sein, um deren Integration zu ermöglichen. Die oben gemachten kritischen Anmerkungen zu den heutigen Managementkonzepten sollen in der Konzeption der Integrierten Unternehmens-Planung berücksichtigt werden, insbesondere durch eine integrative Betrachtung des Managements und seines Gegenstandes, der Unternehmung, durch eine Offenheit der Zielauswahl und die Reflektion seiner vorgegebenen und seiner individuell anpassbaren (Modell-) Bestandteile.
118
3.1
Michael Blankenagel & Thomas Fischer
Radikaler Konstruktivismus als wissenschaftstheoretische Position
Fußend auf dem radikalen Konstruktivismus als wissenschaftstheoretischer Position (vgl. Glaserfeld, 1986, S. 16-38 und Schmidt, 1988, S. 11-76) verstehen die Verfasser das hier entwickelte Konzept als Aufmerksamkeit steuerndes Denkkonzept (vgl. Rüegg-Sturm, 2003a, S. 14), das gegenüber bestehenden Konzepten und Ansätzen aus evolutionärer Sicht Vorteile verspricht, die sich naturgemäß aber erst im Laufe der Zeit erweisen können. Die Postulierung dieses Vorteils ergibt sich aus der in Kapitel 3.3 beschriebenen Konzeption als MetaModell, das unternehmensindividuelle Anpassungsmöglichkeiten beinhaltet und im hermeneutischen Sinne die Verstehbarkeit der wahrgenommenen Realität steigert.
3.2 Systemisch-kybernetischer Ansatz als Grundlage der Integrierten Unternehmens-Planung Wie bereits aus den Ausführungen zu den Defiziten der heutigen Managementkonzepte in Kapitel 2.3 deutlich wurde, fußt das entwickelte Konzept der Integrierten Unternehmens-Planung auf dem systemisch-kybernetischen Ansatz. In Verbindung mit der Position des radikalen Konstruktivismus bedeutet dies insbesondere, dass jegliche Lenkungsmodelle sowohl die Eigendynamik sozialer Systeme als auch die Anpassungsmöglichkeit der sich als falsch erweisenden Realitätsinterpretationen berücksichtigen müssen (vgl. hierzu auch Gomez, 1981, S. 171-212). Als weitere Konsequenz dieses Ansatzes ergibt sich, dass sich ein Erkenntnisgewinn durch eine Integration bestehender Konzepte und Erfahrungen auf einer höheren Ebene erzielen lässt: Durch die Integration von Partialmodellen, die Ausschnitte der Realität verstehbar machen, zu einem konsistenten Gesamtbild wird ein größerer Teil der Realität begreifbar, ihre erfolgreiche Bewältigung wahrscheinlicher und ein weiterer Erkenntnisfortschritt möglich, da das Modell falsifizierbarer wird.
3.3
Integrierte Unternehmens-Planung als integratives Meta-Modell
Dementsprechend versteht sich die Integrierte Unternehmens-Planung als integratives Meta-Modell, in dem die heutigen Ansätze auffindbar und abbildbar sein müssen. Sogar eine Reduktion des Meta-Modells auf heutige Konzepte sollte möglich sein, aber diesmal in einem gesteuerten Prozess der Komplexitätsreduktion. Grundsätzlich ist es z.B. möglich, mit dem im Folgenden zu entwickelnden Konzept die klassische Betriebswirtschaftslehre mit der Forderung nach der
Berücksichtigung der Innovation
119
Maximierung des Shareholder Value darzustellen. Damit ist das Modell auch in der heute immer noch andauernden „paradigmatischen Transitionsperiode" (Bleicher, 1991, S. 44) anwendbar. Durch den erreichten Erkenntnisfortschritt hilft die Integrierte UnternehmensPlanung die Unternehmensentwicklung als Ganzes verstärkt intentional zu beeinflussen. Damit soll keinem neuen Machbarkeitswahn (vgl. zu Unmöglichkeit der Beherrschbarkeit von sozialen Systemen Gomez, 1981, S. 49-50) Vorschub geleistet werden, sondern die Möglichkeiten der intentionalen Beeinflussung systematisch zu einem konsistenten Lenkungsmodell verknüpft werden, das eine größere Verhaltensvariabilität des Gesamtsystems als bisherige Partialmodelle ermöglicht. Ziel der Integrierten Unternehmens-Planung ist die Schaffung eines Bezugsrahmens, der unternehmensindividuell angepasst werden kann, sowie die Kategorien zu benennen und damit denkbar zu machen, die Bestandteil eines Lenkungsmodells sein können. Im Sinne der bewussten Komplexitätsreduktion im Gegensatz zur Ignoranz (vgl. hierzu auch Gomez, 1981, S. 52-65 und Ulrich, 1984, S. 50-53) soll der Bezugsrahmen helfen, unbewusst getroffene Entscheidungen bewusst und damit als Teil eines potentiellen Lernprozesses hinterfrag- und änderbar zu machen.
4
Grundlagen eines Managements der Unternehmensentwicklung
Im Folgenden werden die Grundlagen eines Managements der Unternehmensentwicklung erarbeitet, die die Basis für die Entwicklung des Konzeptes Integrierter Unternehmens-Planung bilden.
4.1 Beschreibung der Unternehmensentwicklung Unternehmensentwicklung (vgl. Bleicher, 1991, S. 319-325) wird nur auf Basis eines Unternehmensmodells (vgl. für einen Überblick Marek, 2010, S. 20-33), das die wichtigsten Teile und Funktionen eines Unternehmens abbildet, erfahrbar, da sonst die Referenz für die Entwicklung fehlt: Differenz als Ausdruck der Entwicklung bedarf immer eines Vergleichswertes, der die Veränderung im Vergleich konstituiert. Entwicklungsmodelle (vgl. für einen Überblick Marek, 2010, S. 34-54), die die Unternehmensentwicklung aus einer wissenschaftlichen Außenperspektive beschreiben, erklären die Eigenbewegung eines Unternehmens aus verschiedenen
120
Michael Blankenagel & Thomas Fischer
internen und externen Faktoren. Zumindest implizit basieren diese Faktoren wieder auf einem Unternehmensmodell. Management- oder Entwicklungskonzepte beschreiben Ziel und Vorgehen der intentionalen Beeinflussung der Unternehmensentwicklung (vgl. Marek, 2010, S. 71-73). Damit fußen sie wiederum zumindest implizit auf einem Entwicklungs- und einem Untemehmensmodell. Das durch das Unternehmensmodell repräsentierte Unternehmen stellt aus kybernetischer Sicht die Regelstrecke für das Lenkungsmodell dar, das aus dem intentionalen Managementkonzept besteht. Entwicklungskonzepte und voluntaristische, innere Faktoren betonende Entwicklungsmodelle überlappen sich weitgehend, wohingegen sich Entwicklungskonzepte und vollständig deterministische Entwicklungsmodelle gegenseitig ausschließen. In den Dimensionen „Gestaltbarkeit" und „Betonung innerer oder äußerer Faktoren" nicht extrem positionierte Entwicklungsmodelle, die also eine beschränkte Einflussnahme aber keine vollständige Kontrolle zulassen, ergänzen das Lenkungsmodell um weitere Bestandteile. Innovation trägt einen bedeutenden Teil zur Unternehmensentwicklung bei. Letztlich ist sogar jegliche Unternehmensentwicklung per Definition durch eine Innovation — die Einführung von etwas Neuem in das System — gekennzeichnet. Damit wird bereits deutlich, dass im Folgenden nicht nur die intentionale Innovation, sondern ebenso die nicht geplante, emergente Innovation unter dem Oberbegriff der Innovation zu verstehen ist. Management der Unternehmensentwicklung setzt die Möglichkeit voraus, den Zustand eines Unternehmens zu einem Zeitpunkt t¡ zu erfassen und zu beschreiben. Hier soll keinem deterministischen Macher-Bild Vorschub geleistet werden. Auch Ansätze einer inkrementellen, eigendynamischen Unternehmensentwicklung geben hinsichtlich der Gestaltung des Unternehmens Handlungsempfehlungen, meistens in Richtung der Schaffung kreativer Freiräume (vgl. für eine Uberblick über diesbezügliche Forschungsansätze Kaudela-Baum et. al., 2008, S. 13-16). Aber auch diese Handlungsempfehlungen basieren auf der Erfassung eines Unternehmenszustandes und seines Vergleichs mit einem Soll-Zustand. Zweite wesentliche Voraussetzung für das Management der Unternehmensentwicklung ist das Realisieren einer Differenz, wie eben beschrieben zu einem Solloder Zielzustand oder zu einem Zustand in der Vergangenheit. Letzteres ist ja gerade der Ausdruck der Unternehmensentwicklung: die Veränderung des Unternehmenszustandes im Laufe der Zeit.
Berücksichtigung der Innovation
t¡
ti+i
121
Zeit
CPM: Corporate P e r f o r m a n c e M e a s u r e m e n t
Abbildung 2: Untemehmensentwicklung als Differenz von Unternehmenszuständen über die Zeit
Der Unternehmenszustand ist aufgrund seiner hohen Komplexität nicht vollumfánglich beschreibbar (vgl. für die Implikationen für ein Lenkungssystem Beer, 1979, S. 234-243). Aus Controlling-Sicht ist nur ein Teil des Zustandes überhaupt beschreibbar. Die effektive Beschreibung erfolgt über ein Set von Merkmalen, die erfasst werden, im folgenden Leistungsmaß oder Performance Measure genannt. Ein Corporate Performance Measurement System fasst diese erfassten Merkmalsausprägungen zusammen. Die erfassten Merkmale können sowohl aus dem Subsystem Management als auch aus dem Subsystem Transformation stammen, das die Leistungserstellung im weitesten Sinne und damit die Transformation von Input zu Output umfasst. Das Corporate Performance Measurement System selbst ist Teil der Integrierten Unternehmens-Planung, die wiederum Teil des Managements ist. Um die Selbstreflektion der eigenen Tätigkeit zu ermöglichen, müssen Merkmale des Planungssystems und des Measurement Systems Bestandteil der Beschreibung sein (vgl. Beer, 1979, S. 234).
122 Michael Blankenagel & Thomas Fischer
Unternehmens-Planung
aus Controllingsicht beschreibbarer Zustand Performance Measure Unternehmenszustand
t, CPM: Corporate Performance Measurement
Abbildung 3: Corporate Performance Measurement als Beschreibung des Unternehmenszustandes Unternehmensentwicklung ist damit begreifbar als Entwicklung des Zustandes im Transformations-Subsystem und im Management-Subsystem, wobei ein Teil der Entwicklung intentional beeinflusst wird auf Basis von Informationen über einzelne Aspekte des Zustandes der Subsysteme, die als Corporate Performance Measurement die Grundlage für die Planung des zukünftigen Unternehmenszustandes bilden und der Lenkungseingriffe in das System, um diesen Zustand zu erreichen. Das Controlling leistet seinen Beitrag zur Strategieumsetzung vor allen Dingen durch die Wahrnehmung der Koordinationsaufgaben durch Planung, was gemäß allgemeinem Verständnis die Hauptaufgabe des Controllings bildet (Weber & Schäffer, 2008, S. 5f. und S. 55ff. und Horváth, 1998, S. 112ff.).
Berücksichtigung der Innovation
CPM )
Integrierte Unternehmens-Planung
(
123
CPM
Performance,,-'-' Measure .. aus Controllingsicht beschreibbarer Zustand
:ansformation'
Unternehmens zustand
h
t i+1
Zeit
CPM: Corporate Performance Measurement
Abbildung 4: Unternehmensentwicklung, Corporate Measurement und Integrierte Unternehmens-Planung im Zusammenspiel
4.2
Unternehmensmodell
Management der Unternehmensentwicklung kann nur auf Basis eines — oftmals nur implizit unterstellten — Modells der Unternehmung von statten gehen. Der Versuch der intentionalen Einflussnahme auf die weitgehend von Eigendynamik und systeminhärenten Interdependenzen getriebenen Geschehnisse im Unternehmen unterstellt grundsätzlich das Vorliegen von zwei Voraussetzungen: -
Ziel
—
Lenkungsmodell (Ursache- / Wirkungsmodell)
Um die Wirkung intentionaler Lenkungseingriffe messen und damit zukünftig verbessern zu können müssen die Zustände des Unternehmens vor und nach dem Lenkungseingriff erfasst und miteinander verglichen werden. Eine solche Beschreibung kann nie die Komplexität der Realität widerspiegeln. Allerdings ist eine bewusste, gemanagte und damit Lernprozessen zugängliche Komplexitätsreduktion einer unbewussten und damit nicht refleküerbaren vorzuziehen.
124
Michael Blankenagel & Thomas Fischer
Leistungsmessung ist nichts anderes als die Beschreibung des Unternehmenszustandes nach bestimmten Kriterien, die von den Zielen des Unternehmens abgeleitet werden. Damit treibt letztlich der Zweck des Systems, in diesem Fall der Unternehmung, die Leistungsmessung und damit die Zustandsbeschreibung. Diesem Vorgehen inhärent ist die Nichtbeschreibung nicht zielbezogener Elemente und Beziehungen. Somit wirkt bereits die Zielwahl leitend für die Komplexitätsreduktion.
4.3 Zielsysteme von Unternehmen Heutige Unternehmen unterstellen als Ziel oft den Shareholder Value. Unternehmen, die dies nicht tun, sondern einem Stakeholder-Ansatz folgen, benutzen in der Performance Messung aber häufig ebenfalls einen Unternehmenswert, da postuliert wird, dass Gewinn für die Shareholder auch Nutzen für alle anderen Stakeholder bedeutet. Letztlich laufen solche Performance Measurement Systeme auf das Ziel „Gewinn unter Einhaltung von Nebenbedingungen" hinaus (vgl. hierzu die Ausführungen in Kapitel 2.3.2 und die dort angegebene Literatur). Die Konzepte, nach denen heute der Unternehmenswert berechnet wird, fußen letztlich immer auf zwei Grundannahmen: —
die in Geldeinheiten bewertete zukünftige Differenzgröße zwischen bewerteten In- und Output (sei es als Gewinn oder als Cash Flow), wird
—
aus dem Blickwinkel von Eigenkapitalgebern bewertet, wozu standardmäßig der auf dem Capital Asset Pricing Model (CAPM) basierenden durchschnittlichen Kapitalkostensatz (WACC) benutzt wird (vgl. Hahn & Hungenberg, 2001, S. 191-218).
Im Folgenden wird ein Unternehmensmodell zur Beschreibung des Unternehmenszustandes präsentiert, das die Erfassung einer höheren Komplexität als ein auf einem Unternehmenswert basierendes Modell ermöglicht, dies aber nicht erzwingt, da es wie bereits beschrieben als Meta-Modell konzipiert ist. Allen Zielsystemen ist eigen, dass sie Unternehmenszustände als erwünscht oder nicht erwünscht bestimmen und einen Soll-Zustand mehr oder weniger präzise festlegen, der über eine Aneinanderreihung erwünschter Systemzustände im Zeitablauf durch das Unternehmen erreicht werden soll.
Berücksichtigung der Innovation 125
Unternehmensentwickiung als Aufrechterhalten eines dynamischen Gleichgewichts in einem zulässigen Zustandsraum
Systemzustände
Unerwünschte Systemzustände
Akzeptable Systemzustände Abbildung 5: Untemehmensentwicklung als Pfad von akzeptablen Systemzuständen (in Anlehnung an Piimpin, 1986, S.41) Abgeleitet aus dem Z w e c k / d e r Funktion des Unternehmens obliegt es der Unternehmensleitung, die Zweckerfüllung sicherzustellen. Grundsätzlich ist die fortgesetzte Existenz des Unternehmens nicht unbedingt Inhalt dieses Ziels: Wenn eine Auflösung des Unternehmens eine höhere Nutzenstiftung verspricht als seine fortgesetzte Existenz, so sollte diese Auflösung vollzogen werden 7 . Im Normalfall wird aber — schon aus Eigeninteresse — an der fortgesetzten Existenz festgehalten, da die zukünftige Nutzenstiftung höher eingestuft wird.
Beispiel: die Beteiligungsgesellschaften, die nach Verkauf ihrer Gesellschaften nur noch aus Cash bestanden und liquidiert wurden, da die Unternehmung das Geld nicht nutzbringend investieren konnte.
126 Michael Blankenagel & Thomas Fischer
4.4
Entwicklungsmodelle
Erfolgreiche Strategieumsetzung ist sicherlich von vielen Faktoren abhängig (vgl. für einen ersten Überblick Lombriser & Aplanalp, 2005, S. 327 ff. und Bleicher, 1991, S. 302-304) und kann letztlich vom Management beeinflusst, aber nicht gänzlich beherrscht werden. Unternehmensentwicklung — quasi als Resultierende aller Einflüsse — wird aus systemtheoretischer Sicht als selbstreferentieller und eigendynamischer hochkomplexer Prozess verstanden (Kaudela-Baum et. al., 2008, S. 25 ff.). Dieser Prozess kann theoretisch als Abfolge diskreter Zustände beschrieben werden. Die Systemzustände sind aufgrund ihrer Varietät nicht abschließend beschreibbar. Die Konzepte, mit deren Hilfe anwendungsorientiert ein Beschreibungsversuch der einzelnen Systemzustände und der Unternehmensentwicklung als Ganzes unternommen wird, steuern zu einem maßgeblichen Teil das Ergebnis (vgl. Rüegg-Stürm, 2003b, S. 27). Entwicklungsmodelle versuchen die Entwicklung von Unternehmen zu beschreiben. Verbreitet sind Phasenmodelle, die die Unternehmensentwicklung in typische Phasen unterteilen (vgl. Bleicher, 1991, S. 340-365 und Pümpin & Wunderlin, 2005, S. 39-52). Auch Nutzenpotentiale als die gedankliche Vorwegnahme der Möglichkeit eines Unternehmens, zukünftig eine spezifische Art von Nutzen zu stiften, unterliegen einer Entwicklung. Wichtig scheint hier die konsequente Umsetzung der Erkenntnis, dass es nur wenige Nutzenpotentiale gibt, die nicht im Laufe der Zeit degenerieren. Unternehmens- und Entwicklungsmodell müssen die Schaffung und Nutzung von Nutzenpotentialen im Zeitablauf berücksichtigen. Ansonsten besteht die Gefahr, dass die Unternehmensleistung im Laufe der Zeit abnimmt, wie in Abbildung 6 dargestellt.
Berücksichtigung der Innovation 127
Abbildung 6: Zusammenspiel von Untemehmensmodell, Entwicklungsmodell Corporate Performance
4.5
und
Lenkungsmodelle
Die Planung als Vorwegnahme zukünftiger Zustände (vgl. Hahn & Hungenberg, 2001, S. 61) nimmt einen wichtigen Teil im Führungsprozess ein. Grundsätzlich fußt diese Bedeutung auf der Einsicht, dass Koordination und Integration in bestimmten Fällen einen effizienteren Koordinationsmechanismus darstellen als der Markt (vgl. Frese, 2003, S. 19-30). Das in diesem Beitrag geschilderte Konzept der Integrierten UnternehmensPlanung soll helfen, die Schwierigkeiten bei der Planung und ihrer Umsetzung zu überwinden. Planung im Rahmen des Führungsprozess des Unternehmens muss die zukünftige Nutzenstiftung des Unternehmens thematisieren, um ihrer Aufgabe gerecht zu werden. Insbesondere wurden unterschiedliche Bezugsgrößen als Hauptschwierigkeit der Integration von strategischer und operativer Planung identifiziert.
128 Michael Blankenagel & Thomas Fischer
Integrierte Planung
Realisierte Unternehmensentwicklung
CPMs Corporate Performance M easurement
Abbildung 7: Integrierte Planung als Integration der Managementebenen
5
Integrierte Unternehmens-Planung
Basierend auf den in Kapitel 4 beschriebenen Grundlagen sollen im Folgenden die Bestandteile des Konzeptes der Integrierten Unternehmens-Planung beschrieben werden: —
Die Nutzenstiftung für Bezugsgruppen als Ausdruck eines generischen Zielsystems (Kapitel 5.1)
—
Ansätze eines auf dem Zielsystem basierenden Corporate Performance Measurement Systems zur Beschreibung des Unternehmenszustandes (Kapitel 5.2)
—
Das Unternehmensmodell der Integrierten Unternehmens-Planung (Kapitel 5.3)
Auf die Beschreibung eines Entwicklungsmodells und des isolierten Lenkungsmodells der Integrierten Unternehmensplanung wird an dieser Stelle aus Platzgründen verzichtet. Jedoch ist aus den vorherigen Ausführungen bereits deutlich geworden, dass jedes Lenkungsmodell auch immer ein Subsystem des Unter-
Berücksichtigung der Innovation
129
nehmensmodells sein muss, als welches es kurz angedeutet werden wird. Insbesondere besteht das Lenkungsmodell selbstreferentiell ja gerade aus Zielsystem und Corporate Performance Measurement System, einem Unternehmensmodell, einem Entwicklungsmodell sowie der Annahme von Ursache-WirkungsBeziehungen. Letztlich ist die Integrierte Unternehmens-Planung ja gerade dieses Lenkungsmodell. In Kapitel 6 wird auf die Rolle der Innovation im Rahmen dieses Lenkungsmodells eingegangen.
5.1
Nutzenstiftung als Systemzweck
Soziale Systeme und damit auch Unternehmen existieren aufgrund eines Zweckes, über den sie sich definieren. Diese Zweckdefinitionen müssen nicht übereinstimmen, sondern es lassen sich eben gerade zwischen verschiedenen Anspruchsgruppen sehr unterschiedliche Zweckdefinitionen ausmachen. Die Steigerung des Unternehmenswertes - wie oben beschrieben - erfasst einen großen Teile der Zweckdefinition von Seiten der Kapitalgeber, aber durchaus nicht alle Nuancen, wie jeder Unternehmer bestätigen wird. Eine Anspruchsgruppe, die sich in den letzten Jahren von der Dominanz der eigenkapitalgeberorientierten Zweckdefinition befreit hat, sind die Manager. Letztlich sind die Diskussionen um Corporate Governance und Offenlegung oder Absegnung von Managergehältern nichts anderes als der Versuch der Eigenkapitalgeber, ihrer Zweckdefinition wieder ihre alte dominanten Rolle zuzuweisen, die sich aus den Gesetzgebungen der westlichen, marktwirtschaftlich orientierten Nationen ableitet. Wie bereits erwähnt berücksichtigen Stakeholder-Ansätze die Ansprüche von deutlich mehr Gruppen 8 . Zu den normalerweise genannten zählen (vgl. Meckel/Schmid, 2008, S. 70): —
Kunden
-
Mitarbeiter
—
Management
—
Lieferanten
-
Staat
-
Öffentlichkeit / Gesellschaft
Auf eine weitere Differenzierung in Bezugs-, Interessens- und strategische Anspruchsgruppen wird an dieser Stelle verzichtet. Vgl. hierzu Rüegg-Stürm, 2003a, S. 28-31 und die dort angegebene Literatur.
130
Michael Blankenagel & Thomas Fischer
—
Fremdkapitalgeber
—
Eigenkapitalgeber
—
Konkurrenten
Die Bedeutung jeder einzelnen Anspruchsgruppe wird in einem unternehmenspolitischen Harmonisierungsprozess dynamisch festgelegt, womit das zur Existenzsicherung der Unternehmung notwendige Fließgleichgewicht konstituiert wird. Das genetische Hauptziel der Unternehmung ist die Nutzenstiftung, nicht die Gewinnmaximierung. Insbesondere die Bedürfnisse der Kunden (vgl. hierzu Ulrich, 1987, S. 108) müssen in ausreichendem Masse befriedigt werden, ansonsten reicht die Nutzenstiftung des Unternehmens nicht, um seine Existenz zu legitimieren (vgl. auch Stöger, 2007, S. 93; Rüegg-Sturm, 2003a, S. 20-21 und S. 71 und Bleicher, 1991, S. 73). In großen Teilen der betriebswirtschaftlichen Literatur wird die Gewinnmaximierung als oberste Leitlinie der Unternehmensführung genannt, aber ohne die Befriedigung der Kundenbedürfnisse kann die Unternehmung als System ihre Austauschbeziehungen mit ihrer Umwelt nicht aufrecht erhalten. Die Unternehmung überlebt solange, wie jeder Anspruchsgruppe gesamthaft so viel Nutzen gestiftet wird oder sie Hoffnung auf einen so hohen zukünftigen Nutzen hat, dass sie — als Gruppe, nicht als Individuen - die Austauschbeziehungen mit dem Unternehmen aufrecht erhält. Eine Ausnahme bildet hier die Gründung einer Unternehmung, die basierend auf der heutigen Gesetzeslage nur eine ausreichende Nutzenantizipation der Eigenkapitalgeber voraussetzt. Die Messung dieser Nutzenstiftung gewinnt damit für die Steuerung eines Unternehmens eine zentrale Bedeutung. Dabei kann Nutzenstiftung für eine Gruppe nicht durch Nutzenstiftung für eine andere Anspruchsgruppe kompensiert werden. Ein Mindestmaß an Nutzenstiftung für jede Anspruchsgruppe muss aufrechterhalten werden, sonst ist die fortgesetzte Existenz im Sinne einer Fortführung der Nutzenstiftung gefährdet. Auf eine Darstellung der Ansprüche all dieser Bezugsgruppen und ihrer teilweise konfligierenden Beziehungen zueinander wird an dieser Stelle verzichtet (vgl. für eine solche Darstellung Wilbers, 2004, S. 331-351). In welcher Weise und in welchem Zeitrahmen das absolute Mindestmaß an Nutzenstiftung je Bezugsgruppe erfüllt werden muss, richtet sich nach der Gesetzgebung, die unterschiedlichen Anspruchsgruppen unterschiedliche Rechte und Pflichten einräumt.
Berücksichtigung der Innovation
131
Gerade Diskussionen über die Mitbestimmungsrechte der Mitarbeitenden, das Konkursrecht, oder Ausnahmen wie dem Chapter 11 der USA, Bonuszahlungen an Manager und die Verteilung des Gewinns an Aktionäre, Mitarbeiter und das Management zeigen, dass sich diese Grenzen durchaus verändern können.
5.2
Performance Measurement als Bestandteil der Integrierten Unternehmens-Planung
Integrierte Unternehmens-Planung als Teil des Management Subsystems nimmt die Entwicklung einer Corporate Performance im Zeitpunkt t, zu einer im Zeitpunkt ti+i oder mehreren weiteren Zeitpunkte planerisch vorweg und liefert damit konsistente Handlungsanweisungen. Als Koordinationskriterium für die Abstimmung von strategischer und operativer Planung kann nur die Corporate Performance dienen, da sonst jeglicher Maßstab für die Qualität der Koordination respektive für die durch die Integration geschaffene Verbesserung fehlt. Damit müssen im Rahmen einer Integrierten Unternehmens-Planung einheitliche Bezugsgrößen zur Beschreibung der Unternehmensentwicklung als auch die Corporate Performance Kriterien als Koordinationsmechanismen erarbeitet werden. Unabhängig davon, welche Bedürfnisse von welchen Anspruchsgruppen unternehmungsindividuell berücksichtigt werden, lassen sich damit drei Kategorien identifizieren, die für die Leistungsmessung eines Unternehmens relevant sind: —
Nutzen(-stiftung)
—
Nutzenpotential als die Möglichkeit, zukünftig Nutzen zu stiften und
—
Risiko als Möglichkeit, dass die zukünftigen Unternehmenszustände von den geplanten und intendierten abweichen.
132 Michael Blankenagel & Thomas Fischer
Nutzen
der heute Bezugsgruppen effektiv gestiftet wird
Risiko
Jj|jj|ef zukünftig! Nutzen vom geplanten Nutzen
abweicht
'
Unternehmen Bereich -Projekt Aktivität
/ Nutzenpotential
%
das zukünftig Bezugsgruppen gestiftet werden \ kann·' v a
Abbildung 8: Bestandteile der Corporate Performance 5.2.1
Messung der Nutzenstiftung
Wenn der Zweck des Unternehmens in der Nutzenstiftung besteht, wie oben gezeigt wurde, dann muss die Nutzenstiftung zentraler Bestandteil jedes Systems der Leistungsmessung sein: Nur wenn das Corporate Performance System in der Lage ist, über die Nutzenstiftung Auskunft zu geben, kann die Unternehmensleitung die Funktionserfüllung des Systems konstatieren und Maßnahmen zur Steigerung seiner Zweckerfüllung einleiten. Die Messung der Nutzenstiftung gestaltet sich als schwierig, da der Nutzen letztlich durch den Empfänger bewertet wird und diese Bewertungen nicht zweifelsfrei erhoben werden können. Exemplarisch wird im Folgenden die Nutzenstiftung für die Kunden und die Möglichkeiten zu seiner Messung ansatzweise aufgezeigt. Selbst bei grundsätzlich anscheinend so einfachen Beziehungen wie der zu den Kunden ist die Nutzenstiftung nicht klar: aus der erfolgten Transaktion geht nicht hervor, was der Grenzpreis wäre, zu dem die Leistung gerade noch erstanden würde. Die Nutzenstiftung wäre die Differenz zwischen dem aktuell bezahlten Preis und dem Grenzpreis, zu dem die Leistung gerade noch erstanden wür-
Berücksichtigung der Innovation
133
de/zu dem Preis, den der Kunden gerade noch bereit wäre zu zahlen. Für Kunden, die bei einem Preis χ indifferent sind, ob durch einen Erwerb Nutzen gestiftet würde, oder ob sie ihre Mittel anderweitig einsetzten sollten, wird kein Nutzen gestiftet. Dafür wird für die Kunden, die auch bereit gewesen wären, einen deutlich höheren Preis zu zahlen, ein hoher Nutzen gestiftet. Die Nachfragekurve (vgl. Wöhe, 1984, S. 559-560) kann damit als Indikator für die Nutzenstiftung der Kundenbeziehung angesehen werden. Diese ist aber nur in den seltensten Fällen bekannt. Als Ersatzgröße könnte der Umsatz herangezogen werden, der misst, auf welche Nutzenstiftung (in Form von Opportunitätskosten) die Kunden bereit sind zu verzichten, um die Leistungen des Unternehmens zu erstehen. Der effektiv erzielte Umsatz stellt damit eine Möglichkeit dar, die Nutzenstiftung abzuschätzen: die kaufenden Kunden haben bei einem gegebenen Preis die Nutzenstiftung höher angesehen als den Nutzenverzicht. Unter Vernachlässigung der sehr individuellen alternativen Nutzungsmöglichkeiten kann der Umsatz damit als Annäherung für eine Maßzahl der Nutzenstiftung verwendet werden. Außer der Nutzenstiftung über den direkten Leistungsbezug gibt es möglicherweise aus individueller Sicht noch andere Elemente der Beziehung des Unternehmens zu Kunden, aus denen dieser Nutzen zieht. So kann beispielsweise die ökologische Herstellung oder ein guter Ersatzteilservice dem Kunden Nutzen stiften. Bei einer entsprechend weiten Definition des Begriffs können aber auch diese Aspekte unter dem Begriff der Leistung subsumiert werden. Eine weitere wichtige Kategorie von Indikatoren sind Gewinn und Cash-Flow. Als Differenz der Nutzenstiftung (für Kunden, etc.), auf der einen und dem dafür getriebenen Aufwand auf der anderen Seite sind sie eine wichtige Performance-Maßzahl für das Unternehmen. (Auf Möglichkeiten zur Gewinnmanipulation wird hier nicht eingegangen.) Ein Zielsystem, bei dem die Gewinnmaximierung an oberster Stelle steht, lässt sich damit durchaus auch im Performance Measurement System abbilden.
5.2.2 Zukünftige Nutzenstiftung durch Nutzenpotentiale Die Unternehmung kann nur dann ihre Nutzenstiftung optimieren und ihren Zweck erfüllen, wenn sie auch zukünftig Nutzen generiert. Und zwar mehr, als bei einer Auflösung der Unternehmung entstehen würde (vgl. auch die Ausführungen in Kapitel 5.1). Gegenstand der Performance eines Unternehmens ist damit immer auch das dem Unternehmen inhärente Potential zukünftiger Nutzenstiftung. Die Problematik der Messung der Nutzenstiftung wird damit noch um die zeitliche Dimension und die Harmonisierungsüberlegungen von zukünftigen Bedürfnissen und den zukünftigen Fähigkeiten des Unternehmens, diese zu befriedigen, ergänzt. Es lassen sich aber die gleichen Grundsätze anwenden wie bei der Messung der
134
Michael Blankenagel & Thomas Fischer
Nutzenstiftung: Jegliche Entscheidungen im Unternehmen müssen sich an der Frage messen lassen, inwieweit zukünftig basierend auf diesen Entscheidungen Nutzen gestiftet werden kann. Eine arbiträre Klassifikation als „strategisch" kann hier nicht genügen. Aus dem Zielsystem des Unternehmens heraus muss eine Abschätzung zwischen heutigem Nutzen und zukünftigem Nutzen getroffen werden, die über eine reine Abdiskontierung mit dem WACC hinausgeht.
5.2.3
Risiko
Jeglicher Aktion im Unternehmen ist das Risiko inhärent, dass das Ergebnis nicht zur Zweckerfüllung des Unternehmens in Form des angestrebten oder geplanten Systemzustandes beiträgt. Dabei bezieht sich das Risiko nicht auf die Intention der einzelnen Aktion, sondern auf die Zweckerfüllung: eine Maßnahmen kann durchaus das gewünschte Ergebnis zeitigen und gerade dadurch die Zweckerfüllung des Unternehmens beeinträchtigen. Die Risikoposition eines Unternehmens bezeichnet die Wahrscheinlichkeit, dass die zukünftige Nutzenstiftung von der geplanten Nutzenstiftung abweicht. Der Planwert muss dabei die Einschätzung der operationalisierten Chancen enthalten sowie die Veränderung der Chancenbeurteilung zukünftiger Nutzenpotenziale. Im Gegensatz zu den heute teilweise angepriesenen risikoadjustierten Kennzahlen (vgl. Stephan, 2006, S. 216ff.), muss sich Risiko auf einen durchgängigen Zeitraum beziehen: Es reicht nicht, die Schwankungsbreite von zukünftigen Cash-Flows über einen Risikozuschlag bei der Abdiskontierung zu berücksichtigen, sondern es müssen die Risiken der einzelnen Nutzenpotentiale so zu einem Unternehmensrisiko aggregiert werden, dass deutlich wird, mit welcher Wahrscheinlichkeit die kritische Nutzenstiftung für Bezugsgruppen unterschritten wird, sodass die weitere Existenz der Unternehmung nicht mehr gewährleistet ist. Beispielsweise muss ein ermittelter Unternehmenswert um die Information ergänzt werden, wie groß die Wahrscheinlichkeit ist, dass im Betrachtungszeitraum die Liquiditätsreserve unter null sinkt und damit die Illiquidität droht.
5.2.4
Einheitlicher Bezugsrahmen für die Erfassung der Unternehmensentwicklung
Die konventionelle betriebswirtschaftliche Literatur unterscheidet Aktionen und Projekte nach ihrer Bedeutsamkeit in operative und strategische. Es existiert eine gewisse Überdeckung mit den hier vorgestellten Begrifflichkeiten, da sich operative Projekte primär mit der aktuellen Nutzenstiftung und strategische mit der Pflege von Nutzenpotentialen befassen. In der Realität hat jede Aktion oder Handlung, jedes Projekt aber Auswirkungen sowohl auf die Nutzenstiftung, die Nutzenpotentiale als auch auf die Risikoposition. Ersteres alleine schon durch
Berücksichtigung der Innovation 135
den Einsatz von Ressourcen, die anderen Einsatzmöglichkeiten nicht mehr zur Verfügung stehen, letztere beiden alleine schon über den Trainingseffekt, der bestimmte Verhaltensweisen einübt, verinnerücht und eine Wiederholung wahrscheinlicher werden lässt. Die Frage ist nicht, ob eine Aktion eine operative oder strategische Komponente aufweist, sondern nur in welchem Masse. Jede Handlung, Aktion oder jedes Projekt lässt sich damit danach charakterisieren, inwieweit sie —
Nutzen für welche Anspruchsgruppe stiftet
—
Nutzenpotentiale auf- oder abbaut
—
die Risikoposition des Unternehmens verändert,
was grundsätzlich wieder im Performance Measurement System über Indikatoren erfasst werden kann. Damit können die Größen Nutzenstiftung, Nutzenpotential und Risikoposition als durchgängige Bezugsgrößen verwendet werden.
5.3
Unternehmensmodell der Integrierten Unternehmens-Planung
Im Folgenden wird erst kurz das Unternehmensmodell überblicksartig vorgestellt um dann die Leistungspotentiale als einen Modellbestandteil beispielhaft vertieft zu betrachten.
5.3.1 Überblick über das Unternehmensmodell Nutzenstiftung entsteht durch die Erbringung und Verwertung von Leistungen. Die Leistungspotentiale des Unternehmens werden durch sinnvolle Prozesse so kombiniert und aktiviert, dass Leistungen entstehen, die bei Verwendung/Erwerb oder auch nur durch ihre bloße Existenz, respektive die Kenntnis darüber, den Anspruchsgruppen Nutzen stiften. Sowohl die Leistungspotentiale als auch die Prozesse, die Leistungen selbst sowie das Verhalten der Anspruchsgruppen und der Konkurrenz sind bezüglich ihres Beitrages zur Nutzenstiftung aus Sicht des Unternehmens risikobehaftet. Grundsätzlich entspricht die zukünftige Nutzenstiftung analog zur oben beschriebenen aktuellen Nutzenstiftung der zukünftigen Kombination aus Leistung, Bedürfnissen der Anspruchsgruppen und alternativen, in Konkurrenz zu den Leistungen des Unternehmens stehenden, Befriedigungsmöglichkeiten. Die Fähigkeit des Unternehmens, die zukünftigen Leistungspotentiale zu schaffen und zu sinnvollen Prozessen kombinieren zu können, die Leistungen erstellen, die den zukünftigen Anspruchsgruppen durch die Befriedigung von Bedürfnissen mehr Nutzen stiften als alternative Verwendungsmöglichkeiten, wird als Organizational Effectiveness bezeichnet (vgl. hierzu auch Lev & Daum, 2003, S.
136 Michael Blankenagel & Thomas Fischer
45-47, die den Begriff „Organisatorische Infrastruktur" verwenden und die „Total Factor Productivity" als Messgröße einführen). Diese Kombination selbst ist aber selbstverständlich auch wieder risikobehaftet. Die zukünftigen Leistungspotentiale entwickeln sich aus den heutigen, teilweise getrieben durch bewusste Entscheidungen, teilweise durch organisationales Lernen (vgl. Senge, 2006, S. 3 und S. 57-252 sowie Scharmer, 2009, S. 49-52) im Rahmen der Unternehmenskultur und der intendierten und emergenten Unternehmensstrategie. Die zukünftigen Bedürfnisse der Anspruchsgruppen entwickeln sich aus den heutigen Bedürfnissen, unter Beeinflussung von gesellschaftlichen Tendenzen, aber teilweise auch den Leistungsangeboten der Unternehmen als Gruppe oder auch einzeln. Diese Entwicklungen sind wiederum risikobehaftet.
eutige Nutzenstiftung Ressourcen und Prozesse . SSW« Risiko
^Leistung. ) j /
heutige Bedürfnisse • Nte-MW * iMfenettn - Sfi3£ SCilBÄ
Organizational Effectiveness
Leistungspotentiale • Pi-t^ie-i-i • Qj&'tâe
Leistungen
zukünftige Bedürfnisse * Wjtiaapi
» MMW zukünftige Nutzenstiftung Abbildung 9: Bestandteile des Untemehmensmodells Aus diesen Beschreibungskategorien lässt sich folgendes genetisches Unternehmensmodell ableiten, das die Zustände zu einzelnen Zeitpunkten beschreibbar macht und damit gleichzeitig die Objekte der Integrierten UnternehmensPlanung darstellt. Projekte als Ausdruck des bewussten Gestaltungswillens aber auch emergenter Veränderungen greifen ebenfalls auf Leistungspotentiale zu. Jegliche geplante aber auch ungeplante Neuerung oder Innovation wird über ein Projekt initiiert. Projekte nehmen damit eine besondere Stellung in der Unter-
Berücksichtigung der Innovation
137
nehmensentwicklung ein. Dabei wird die Projektdefinition hier bewusst weit gefasst. Wichtig ist festzuhalten, dass durch Projekte nur für wenige Bezugsgruppen Nutzen gestiftet wird - vor allen Dingen für Mitarbeitende - aber noch kein Nutzen für Kunden generiert wird. Unternehmenszustand t 0 Organizational Effectiveness Nutzenstiftung
Leistungspotentiale
Projekte *
1/
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Untern'ehrnenszustand t x \\
»
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Τ Leistungspotentiale
: Nutzenpotential ;
•
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y
Prozesse Projekte
NutzenStiftung
Nutzenpotential
j j
i
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Abbildung 10: Unternehmensmodell der Integrierten Unternehmens-Planung In der Grafik wurden die wichtigsten sachlogischen Auswirkungen des Unternehmenszustandes zum Zeitpunkt to auf den Unternehmenszustand zum Zeitpunkt ti berücksichtigt. Auf eine detaillierte Beschreibung wird an dieser Stelle aus Platzgründen verzichtet. Gegenstände der Integrierten Unternehmens-Planung sind damit: —
Prozesse als Bündelung von Aktivitäten zur Leistungserstellung und -Verwertung und damit grundsätzliche Voraussetzung der Nutzenstiftung. Prozesse nutzen Leistungspotentiale, trainieren Fähigkeiten und verbrauchen diese teilweise auch. Sie beeinflussen die Organizational Effectiveness.
—
Projekte als Aktionen mit dem Ziel und / oder dem Ergebnis, Leistungspotentiale, Prozesse, Nutzenpotentiale und die Organizational Effectiveness zu verändern.
138
Michael Blankenagel & Thomas Fischer
—
Nut^enstiftung als Zweck des Unternehmens beeinflusst die Organizational Effectiveness aber auch die Leistungspotentiale.
—
Nut^enpotential als die gedankliche Vorwegnahme der Nutzenstiftung, die zukünftig aufgrund der Leistungspotendale, Prozesse, Projekte und Organizational Effectiveness gestiftet werden kann.
—
Organisational Effectiveness als Fähigkeit, Leistungspotentiale in Prozessen zur Leistungserstellung und -Verwertung einzusetzen um damit Nutzen zu stiften, sowohl heute, als auch zukünftig und Leistungspotentiale entsprechend der zukünftigen Nutzenpotentiale aufzubauen und zu pflegen. Die Organizational Effectiveness beschreibt die Fähigkeit eines Unternehmens, die Leistungspotentiale zu sinnvollen Prozessen zu verknüpfen, die Leistungen erstellen und verwerten, die den Anspruchsgruppen Nutzen stiften und diesbezüglich Projekte durchzuführen. Dabei wird bewusst von Organizational Effectiveness gesprochen und nicht von Managerial Effectiveness, um zu betonen, dass dieser Prozess auch nicht durch das Management gesteuert und letztlich unintentional ablaufen kann.
—
Risiko als Möglichkeit, dass der angestrebte Zustand zu jedem Zeitpunkt vom tatsächlichen abweicht (vgl. Gleissner, 2008, S. 8-9).
—
Ijeistungspotentiale als Ressourcen, die zur Nutzenstiftung eingesetzt werden können.
Im Folgenden werden die Leistungspotentiale beispielhaft vertieft, um die Differenzierungsmöglichkeiten des Modells zu verdeutlichen. 5.3.2
Beispielhafte Vertiefung der Leistungspotentiale
Unter Leistungspotentialen werden alle heutigen und zukünftigen Fähigkeiten, Ressourcen und Kapazitäten einer Unternehmung in ihren jeweiligen Qualitätsausprägungen verstanden. Sie umfassen damit grundsätzlich alle Produktivfaktoren wie Kapital, Informationen, Sachmittel und Humanpotentiale und deren Fähigkeiten und Fertigkeiten. Leistungspotentiale lassen sich hinsichtlich verschiedener planungsrelevanter Merkmale qualifizieren: —
Der Fähigkeit, die dieses Leistungspotential repräsentiert.
—
Der Kapazität, und damit der Menge, in der die Fähigkeit eingesetzt werden kann.
—
Der Qualität als Differenzierung des Niveaus, auf dem die Fähigkeit ausgeübt werden kann.
Berücksichtigung der Innovation
139
—
Den Effekt, den der Einsatz des Leistungspotentials auf dessen zukünftigen Einsatz hat.
—
Der Verfügbarkeit, mit der dieses Leistungspotential beschafft oder geschaffen werden kann.
Die Entwicklung der Leistungspotentiale in ihren Merkmalsausprägungen wird teilweise willentlich durch Führungspersonen des Unternehmens beeinflusst (z.B. Investitionsentscheidungen über Produktionsmittel). Die Entwicklung von Leistungspotentialen kann aber auch ohne bewusste diesbezügliche Entscheidung (z.B. Personalmaßnahmen) oder selbstevolutionär (Trainingseffekte und Aneignen von zusätzlichen Fähigkeiten durch die Mitarbeiter) vor sich gehen. Wichtig für die Entwicklung des Leistungspotentials sind dabei Entscheidungen und Akdvitäten, die im hier und heute, im sogenannten operativen Bereich des Unternehmens getroffen, respektive durchgeführt werden. Natürlich gibt es strategische Projekte, die verfolgt werden, und deren Abwicklung die Entwicklung von Leistungspotentialen beeinflussen. Aber ebenso beeinflussen die heutigen Leistungserstellungs- und -verwertungs-, sowie die Unterstützungsprozesse die Entwicklung der Leistungspotentiale, indem z.B. gewisse Handlungsweise trainiert, belobigt, bestraft, übernommen, etc. werden. Fähigkeiten sind nicht an Personen gebunden, sondern können z.B. auch in Form von Sachmitteln und automatisierten Abläufen vorliegen. Das Vorhandensein einer Fähigkeit heißt nicht, dass das Unternehmen sie braucht oder einsetzt. Es bedeutet nur, dass sie im Unternehmen existiert. Gerade hier wird der potentielle Mehrwert der Unternehmensplanung deutlich, wenn das Unternehmen über Fähigkeiten verfügt, die es nicht braucht und auch nicht brauchen wird, um in der Zukunft Nutzen zu stiften. Mit jeder Fähigkeit ist auch immer ein Aspekt der Menge, in der diese Fähigkeit vorliegt, respektive für wie viele Aktionen sie eingesetzt werden kann, verbunden.
5.4
Entwicklungsmodell der Integrierten Unternehmens-Planung
Wie bereits in Kapitel 4.4 angeschnitten gibt es verschiedene Entwicklungsmodelle. Die Integrierte Unternehmens-Planung als Meta-Modell muss und kann diesen allen ihren Raum geben, fußt aber grundsätzlich auf einem evolutionären Ansatz, der an sich bereits andere Entwicklungsmodelle integriert. Besondere Betonung verlangt an dieser Stelle die Trendforschung oder auch „Corporate Foresight" (vgl. die Literaturhinweise in Kapitel 2.4.1), die letztlich versucht, Aussagen über zukünftige Bedürfnisse und Nutzenpotentiale zu machen, um die Gesellschaft zu skizzieren, in der sich das Unternehmen zukünftig über seine Nutzenstiftung legitimieren muss. Wesentliche Aspekte aus der Corporate Fore-
140 Michael Blankenagel & Thomas Fischer
sight sind unter anderem Vorstellungen über den Zeithorizont und die Größe der Nutzenpotentiale.
5.5
Grundzüge eines Planungssystems für eine Integrierte Unternehmens-Planung
Integrierte Planung bedeutet im eigentlichen Sinne „Herstellung eines Ganzen" und damit — übertragen auf den Gegenstand der Planung — das Zusammenfügen von Teilen zu einem systemischen Ganzen. Mit dem Postulat einer Integrierten Unternehmens-Planung geht die Unterstellung einher, dass Planung heute in vielen Fällen desintegriert erfolgt und dass diese Aufteilung zu suboptimalen Ergebnissen führt. Grundsätzlich ist die Differenzierung eines Systems in Subsysteme arbiträr. Insbesondere betont gerade der Systemansatz die Funktion des Systems und die Möglichkeit der Systembetrachtung als Black Box vor dem Verständnis des Zusammenspiels der Elemente im Detail. Insofern ist gegen eine Differenzierung von Plänen grundsätzlich aus Sicht der Funktionalität nichts einzuwenden. Verschiedenste Studien in der Praxis haben aber gezeigt, dass die Differenzierung der Planung, sei es in funktionale Teilpläne oder in operative und strategische Ebenen, nicht systemkompatibel vorgenommen wurden; insbesondere die Umsetzbarkeit der Pläne wird bemängelt. Neben verhaltenspsychologischen Gründen liegt dies auch an der mangelnden Integration der Planung.
5.5.1 Corporate Modelling Eine Planung der zukünftigen Unternehmensentwicklung muss - wie bereits beschrieben - immer auf einem komplexitätsreduzierenden Modell des Unternehmens basieren. Damit die Komplexitätsreduktion gesteuert und nicht willkürlich vonstattengeht, ist es wichtig, die Hauptdimensionen des Modells festzulegen: bei Ignoranz einzelner Dimensionen oder deren Übersimplifizierung wird die Verwendung des Modells stark eingeschränkt. Die bisherige Sicht der strategischen Planung als Vorgabenlieferant für die mit deren Umsetzung betraute operative Planung hat zu einer unzulässigen Vereinfachung geführt, die letztlich suboptimale oder gar kontraproduktive Ergebnisse gezeitigt hat. Basis einer Darstellung des Unternehmenszustandes muss die Beziehung der einzelnen Maßnahmen und Aktionen in Bezug auf Nutzenstiftung, Nutzenpotential und Risiko sowie aller ihrer Komponenten sein. Erst dann kann die Unternehmensplanung „integriert" erfolgen, da die Konsequenzen auf den gesamten Unternehmenszustand abgeschätzt werden kann.
Berücksichtigung der Innovation 141
5.5.2
Integrationsdimensionen
Eine fortschreitende Integration hin zu höheren Integrationsgraden muss im Zusammenhang der Planung mehrere Integrationsschritte durchlaufen: —
Integration von Teilplänen: hier geht es letztlich um die Berücksichtigung sachlogischer Zusammenhänge. Eine Planung kann nicht gleichzeitig eine Umsatzsteigerung, eine Erhöhung der Zahlungsfristen und eine Reduktion der Debitorenausstände vorsehen, ebenso wenig wie eine Forcierung der internen Stellenbesetzungen mit einer verstärkten Rekrutierung bei gleichzeitigem Stellenabbau und sinkender Fluktuation einhergehen kann. Viele Unternehmen bekunden bereits Mühe, Bilanzen, Erfolgsrechnungen und Mittelflussrechnungen zu integrieren.
—
Integration über Perioden
—
Integration sach- und formalzielorientierter Planung
—
Integration von Performance Measurement-Größen: Ausweis der Zielgrößen als Bestandteil der Planung
—
Integration der Planung in Management- und Anreizsysteme
—
Integration von Entscheidungs- und Optimierungsregeln: Beispielsweise die Berücksichtigung von Leitungsspannen: Ab wann braucht es eine neue Managementebene beim Personalaufbau
—
Integration verschiedener Planungsobjekte wie Mengen, Kapazitäten, Werte, Zeiten, Fähigkeiten, Personen, Effizienz, Faktor Input-Relationen wie Rezepte, Stücklisten und Arbeitspläne.
—
Integration unternehmensindividueller Zielsysteme
—
Integration einheitlicher Bezugsgrößen
—
Integration von Projekten
—
Integration diverser interner und externer Datenquellen
Die Dimensionen sind nicht alle vollständig unabhängig voneinander, was aber bei ihrer Synthese im Hinblick auf eine Integrierte Unternehmens-Planung im Gegensatz zu ihrer Analyse kein Problem darstellt. Letztlich richten sich die Integrationsdimensionen nach dem Unternehmensmodell und seinen Bestandteilen, aus dem sich die Elemente ergeben, die ganzheitlich zusammengefasst werden müssen.
142
Michael Blankenagel & Thomas Fischer
5.5.3
Integration vs. Differenzierung
Neuere Planungsansätze wie Better und Advanced Budgeting plädieren für eine geringere Differenzierung in der Planung. Dies steht nicht unbedingt im Widerspruch zur Forderung nach Integration. Während Integration die Differenzierung als Herauslösen eines Teils aus dem Ganzen voraussetzt — sonst wäre keine Integration nötig — wird Differenzierung in den erwähnten Planungsansätzen eher im Sinne einer Detaillierung verwendet. Während sich dort Detaillierung oder Differenzierung als Prozess der Unterscheidung auf die Aufteilung eines Planungsobjektes beziehen, versteht sich Integration als Berücksichtigung der Interdependenz zwischen verschiedenen Planungsobjekten und -dimensionen.
Detaillierung / 20 Details statt 1 Oberbegriff
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7
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Integration Berücksichtigung der Interdependenzen (sachlogischen Zusammenhänge)
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