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German Pages 288 Year 2012
Gerstner Forensische Geburtshilfe
Georg J. Gerstner
Forensische Geburtshilfe Geburtshilfliche Gutachten im Verfahren
DE GRUYTER
Univ.-Prof. Dr. med. Georg J. Gerstner Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe Allg. beeid. gerichtl. zertifiz. Sachverständiger Stadiongasse 5/6 A-1010 Wien
Das Buch enthält 98 Abbildungen und 2 Tabellen.
ISBN 978-3-11-027032-7 e-ISBN 978-3-11-027039-6 Library of Congress Cataloging-in-Publication data A CIP catalog record for this book has been applied for at the Library of Congress. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2012 by Walter de Gruyter GmbH & Co. KG, Berlin / Boston Der Verlag hat für die Wiedergabe aller in diesem Buch enthaltenen Informationen (Programme, Verfahren, Mengen, Dosierungen, Applikationen etc.) mit Autoren bzw. Herausgebern große Mühe darauf verwandt, diese Angaben genau entsprechend dem Wissensstand bei Fertigstellung des Werkes abzudrucken. Trotz sorgfältiger Manuskriptherstellung und Korrektur des Satzes können Fehler nicht ganz ausgeschlossen werden. Autoren bzw. Herausgeber und Verlag über-nehmen infolgedessen keine Verantwortung und keine daraus folgende oder sonstige Haftung, die auf irgendeine Art aus der Benutzung der in dem Werk enthaltenen Informationen oder Teilen davon entsteht. Die Wiedergabe der Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen und dergleichen in diesem Buch berechtigt nicht zu der Annahme, dass solche Namen ohne weiteres von jedermann benutzt werden dürfen. Vielmehr handelt es sich häufig um gesetzlich geschützte, eingetragene Warenzeichen, auch wenn sie nicht eigens als solche gekennzeichnet sind. Druck: Hubert & Co. GmbH & Co. KG, Göttingen ∞ Gedruckt auf säurefreiem Papier Printed in Germany www.degruyter.com
Vorwort
Seit dem Erscheinen meines ersten Buches „Forensische Gynäkologie“ im November 2011 war klar, dass bis zur Publikation der dazugehörenden „Forensischen Geburtshilfe“ nicht allzu viel Zeit verstreichen sollte. Der interessierte Leser sei bereits an dieser Stelle auf dieses „Schwesterbuch“ verwiesen. Beiden Büchern liegt dasselbe Material zugrunde: die umfangreichen, langjährigen Erfahrungen des Autors sowie die sich daraus ergebende Gutachtensammlung. Das umfassende Material machte naturgemäß eine gemeinsame Darstellung unmöglich und erforderte eine Selektion der Fälle. Bei der Recherche zu der „Forensischen Geburtshilfe“ traten erwartungsgemäß dieselben Schwierigkeiten auf wie bei der „Forensischen Gynäkologie“: Verantwortliche von Organisationen, wie z. B. Haftpflichtversicherungen, Patientenanwaltschaften, Schiedskommissionen u. a. waren unter Berufung auf den Datenschutz teilweise nicht bereit, dem Sachverständigen Informationen über den Ausgang von Verfahren preiszugeben. Gerichte berufen sich auf die Zivilprozessordnung, derzufolge zur Herausgabe eines Urteils im Zivilverfahren das Einverständnis beider Streitparteien einzuholen ist. Der Sachverständige gelangt damit in die Situation eines häufig unerwünschten, antichambrierenden Bittstellers, wenn er die, aufgrund seines eigenen Gutachtens, ergangenen Entscheidungen für die wissenschaftliche Aufarbeitung nutzen möchte. Tatsächlich gelang dies oft erst nach monatelangem, mühevollem Schriftverkehr, etlichen Telefonaten und zahlreichen geschriebenen E-Mails. Vielfach halfen jedoch die Betroffenen selbst aus, denen es sichtlich wohl tat, zu erfahren, dass sich auch andere Menschen für ihr Schicksal interessieren und die auch gerne bereit waren, ihre wichtigen, persönlichen Informationen für ein wissenschaftliches Buch zur Verfügung zu stellen. Ihnen allen sei an dieser Stelle herzlich gedankt. Es mutet wohl mehr als skurril an, dass der Sachverständige, auf dessen mühevoller, monatelanger, manchmal sogar jahrelanger, Arbeit und Expertise die Entscheidungen und Urteile der zuständigen Juristen basieren, keinerlei Recht hat, diese einzusehen. Derart wird er wie eine Zitrusfrucht ausgepresst und dann weggeworfen. Ganz im Gegenteil dazu wäre es sinnvoll und notwendig, dass sich jeder Sachverständige davon in Kenntnis setzt, welche Entscheidungen letztendlich aufgrund seines Gutachtens in den Verfahren getroffen wurden – wie also die Sache ausgegangen ist. Nur dadurch wäre eine Qualitätskontrolle möglich. Geburtshilfliche Verfahren unterscheiden sich von gynäkologischen ganz wesentlich dadurch, dass aufgrund der meist sehr hohen Schadensumme außergerichtliche Schlichtungen bzw. Vergleiche selten sind. Aus diesem Grund ist es für den praktizierenden Geburtshelfer so wichtig zu wissen, dass im Ernstfall, neben dem unermesslichen menschlichen Leid für die Betroffenen, auch existenzbedrohende Schadenssummen für ihn resultieren können. Wie schon die „Forensische Gynäkologie“ wendet sich auch die „Forensische Geburtshilfe“ an einen breiten Leserkreis: Angefangen bei dem Geburtshelfer in der Facharztausbildung über die Verantwortung tragenden Ober- und Primarärzte (Chefärzte)
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Vorwort
bis zu den Klinikvorständen. Sachverständige für Frauenheilkunde und Geburtshilfe sollten in dem Buch wertvolle Grundlagen und Anregungen für ihre verantwortungsvolle Tätigkeit finden, da in dem Buch erstmals Gutachten umfassend mit Beantwortung der jeweiligen Fragestellung und Verfahrensausgang abgehandelt werden. Bei den Juristen richtet sich das Buch an alle, die mit derartigen Verfahren konfrontiert werden (z. B. Angestellte bei Versicherungen, Schiedskommissionen, Patientenanwaltschaften, Gerichten sowie an Rechtsanwälte). Nicht zuletzt richtet sich das Buch natürlich auch an betroffene Frauen. Auch dieses Buch kann natürlich keinesfalls einen Anspruch auf Allgemeingültigkeit erheben, da es in der Natur der Sache liegt, dass immer auch andere gutachterliche Meinungen möglich und vertretbar sind. Dasselbe gilt für die Vollständigkeit, da natürlich immer wieder neue Fallkonstellationen auftreten. Das Buch soll dem interessierten Leser einen aktuellen Überblick über geburtshilfliche Fälle, die zu rechtlichen Auseinandersetzungen geführt haben, geben. Unseres Wissens wurden erstmals Fragestellungen umfassend, gegliedert in Sachverhalt, gutachtliche Beurteilung und Verfahrensausgang und unter Einarbeitung des entsprechenden Wissensstandes zum Schadensdatum dargestellt. Für den Facharzt, aber auch für den Juristen und den betroffenen Laien, soll damit quasi ein Lehrbuch der forensischen Geburtshilfe vorgelegt werden. Fachausdrücke sind in einem wissenschaftlichen Buch unvermeidbar und werden in einem Glossar dargestellt. Verwiesen sei hierbei auch auf das „Medizinische Wörterbuch“ und die „Praktische Geburtshilfe“, die ebenfalls im Verlag De Gruyter erschienen sind. Zusammen mit dem Schwesterbuch „Forensische Gynäkologie“ soll dieses Buch für einen breiten Leserkreis eine umfassende Informationsquelle für rechtliche Probleme im Fach Gynäkologie und Geburtshilfe bieten. Wien, Dezember 2011
Univ.-Prof. Dr. Georg J. Gerstner
Inhalt
1 1.1 1.1.1 1.1.2 1.1.3 1.1.4 1.1.5 1.1.6 1.2 1.2.1 1.3 1.3.1 1.3.2 1.4 1.4.1 1.4.2 1.4.3 2 2.1 2.1.1 2.1.2 2.1.3 2.1.4 2.2 2.2.1 2.2.2 2.2.3 2.3 2.3.1 2.3.2
Diagnosefehler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Geburtsasphyxie und kindlicher Sauerstoffmangel-Hirnschaden . . . . . . Sauerstoffmangel-Hirnschädigung bei mentoanteriorer Gesichtslage . . . Kindliche Hirnschädigung bei Unterwasser-Hausgeburt . . . . . . . . . . . . Mütterliche Uterusvarizenblutung mit fatalen Folgen für den Fetus . . . . Schwere Geburtsasphyxie durch Vasa praevia-Blutung nach Amniotomie. Schwerste Geburtsasphyxie nach vorzeitiger Plazentalösung . . . . . . . . Schwerste Geburtsasphyxie bei chronischer Plazentainsuffizienz und silentem CTG. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Makrosomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Subpartaler Todesfall durch Schulterdystokie bei kindlicher Makrosomie und mütterlicher morbider Adipositas . . . . . Pränataldiagnostik. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kleinhirnagenesie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Im Ultraschall nicht diagnostizierte Extremitätenmissbildungen (Amelie) . Intrauteriner Fruchttod. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Intrauteriner Fruchttod eines Zwillings bei mütterlichem Leberund Nierenversagen (Verdacht auf HELLP-Syndrom) . . . . . . . . . . . . . . Schwere intrauterine Wachstumsretardation führt zu intrauterinem Fruchttod (SSW 40) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Subpartaler kindlicher Todesfall bei Hausgeburt infolge fehlender Überwachung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Therapiefehler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vaginale Geburt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Narbenkorrektur bei insuffizienter Versorgung eines Dammrisses II . . Erb’sche Lähmung nach Schulterdystokie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Symphysenruptur bei der Spontangeburt eines makrosomen Kindes . Plazentareste nach der Geburt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vaginaloperative Geburt: Zange und Vakuumextraktion. . . . . . . . . . Hohe Querschnittslähmung eines Neugeborenen nach Kielland-Zangenentbindung aus hinterer Hinterhauptshaltung . Mütterlicher Verblutungstod durch Uterusruptur nach Zangenentbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Perirektales Hämatom und Kloakenbildung durch massive Blutung nach Vakuumextraktion. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beckenendlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verspäteter Kaiserschnitt – Schwerste Hirnschädigung bei versuchter vaginaler Beckenendlagen-Entbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erb’sche Lähmung nach Manualhilfe bei Beckenendlage . . . . . . . . .
.. 1 . 1 . 1 . 12 . 16 . 27 . 33 . .
45 51
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51 57 57 67 76
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97 97 97 101 111 119 126
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126
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154 165
... ...
175 183
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VIII
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2.3.3
Inhalt
2.4.5
Manuelle Extraktion wegen Nabelschnurvorfall bei vollkommener Fußlage: Neonataler Todesfall . . . . . . . . . . . . . . . . . Uterusruptur nach Geburtseinleitung bei Beckenendlage: Entfernung der Gebärmutter und beidseitige Ovarektomie . . . . . . . . Kaiserschnitt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sinus sagittalis superior-Blutung durch Schnittverletzung der großen Fontanelle bei Kaiserschnitt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verzögerter Kaiserschnitt bei nicht diagnostiziertem HELLP-Syndrom Verzögerter Kaiserschnitt führt zu schwerstem Mekoniumaspirationssyndrom und extrakorporaler Membranoxygenation (ECMO) . . . . . . Verlust von Gebärmutter und Eierstöcken: Schwere Puerperalsepsis nach Kaiserschnitt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tod durch Verbluten nach Kaiserschnitt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3 3.1 3.1.1 3.1.2 3.1.3 3.1.4
Verkehrsunfälle in der Schwangerschaft . . . . . . . . . . Traumatische Uterusruptur nach Autounfall in SSW 38 Sachverhalt / Kasuistik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beurteilung / Gutachten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verfahrensausgang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
...
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195 205
... ...
205 210
...
214
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224 234
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245 245 245 245 246 247
4 4.1
Tötung des Kindes bei der Geburt (§ 79 StGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tötung eins Kindes bei der Geburt (§ 79 StGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
249 249
4.1.1 4.1.2 4.1.3 4.1.4
Sachverhalt / Kasuistik . . Beurteilung / Gutachten . Verfahrensausgang . . . . Resümee . . . . . . . . . . .
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249 251 252 253
5 5.1 5.1.1 5.1.2 5.1.3 5.2 5.2.1 5.2.2 5.2.3 5.2.4
Diverses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Parotitis bedingt psychomotorischen Entwicklungsrückstand beim Kind. Sachverhalt / Kasuistik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beurteilung / Gutachten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dünndarmperforation nach Mikrowellen-Endometriumablation . . . . . . Sachverhalt / Kasuistik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beurteilung / Gutachten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verfahrensausgang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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255 255 255 256 257 259 259 262 268 268
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Index . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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2.3.4 2.4 2.4.1 2.4.2 2.4.3 2.4.4
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1 Diagnosefehler
1.1 Geburtsasphyxie und kindlicher Sauerstoffmangel-Hirnschaden 1.1.1 Sauerstoffmangel-Hirnschädigung bei mentoanteriorer Gesichtslage Sauerstoffmangel-Hirnschaden (hypoxisch-ischämische Encephalopathie) Asphyxie (gr.) bedeutet „ohne Puls“ oder „Pulslosigkeit“. Im Deutschen wird die Bezeichnung mit Scheintod gleichgesetzt. Asphyxie beschreibt einen akuten klinischen Zustand. Seine Folgen im Hinblick auf einen durch Sauerstoffmangel bedingten Hirnschaden hängen vor allem von der Dauer des Zustandes ab. Leider wird der Begriff Asphyxie häufig vorschnell benutzt. Die Diagnose Asphyxie sollte jedoch nicht leichtfertig, sondern nach von Stockhausen (1994) lediglich bei einem Apgar-Wert von 0 bis 1 verwendet werden. Für eine spätere Begutachtung eines Hirnschadens ist es bedeutsam, dass sich – wie in der Literatur beschreiben – lediglich in 10 bis 20 % der Fälle überhaupt eine perinatale Asphyxie nachweisen lässt. Umgekehrt muss selbst eine länger anhaltende Asphyxie nicht selbstverständlich zu einer cerebralen Schädigung führen. Nach einem asphyktischen Zustand in der Perinatalperiode ist nur dann mit großer Wahrscheinlichkeit mit einem bleibenden Hirnschaden zu rechnen, wenn in den ersten Lebenstagen das klinische Bild einer hypoxisch-ischämischen Encephalopathie (HIE) zu beobachten ist (Sarnat und Sarnat, 1976). Hierbei lassen sich drei Stadien einer HIE unterschieden: ● Stadium 1: Neugeborenenreflexe gesteigert. ● Stadium 2: Lethargie-Hypotonie, Neugeborenenreflexe abgeschwächt. ● Stadium 3: Koma, völlige Schlaffheit, fehlende Neugeborenenreflexe (Untersuchung frühestens eine Stunde postnatal). Die folgende Befunde sind dabei für die spätere Prognose einer HIE als erschwerend anzusehen: ● Anhaltende Lethargie oder Koma eines Neugeborenen über den dritten Lebenstag hinaus, ● Krämpfe bereits am ersten Lebenstag, die sich (wie im vorliegenden Fall) zudem durch Phenobarbital und andere Antikonvulsiva nur schwer unterbrechen lassen, Streckkrämpfe und Atemstillstand sowie eine starke Depression des Elektroenzephalogramms (EEG). Um einen kausalen Zusammenhang zwischen einer Asphyxie und der Entstehung eines kindlichen Hirnschadens sicher annehmen zu können, müssen nach Schneider (1993) für unauffällige Termingeburten vier Voraussetzungen erfüllt sein: 1. Die Asphyxie muss schwer und anhaltend sein. 2. In der frühen Neugeborenenphase müssen klinische Symptome einer mäßigen und schweren HIE mit funktioneller Beeinträchtigung auch anderer Organe gegeben sein.
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1 Diagnosefehler
3. Die neurologische Symptomatik muss typisch für Störungen sein, die als Folge einer intrapartalen Asphyxie auftreten. 4. Die diagnostische Abklärung zum Ausschluss einer schweren Pathologie muss vollständig sein. Mentoanteriore Gesichtslage Bei der mentoanterioren Gesichtslage (s. Abb. 1.1) handelt es sich um eine Deflexionslage mit dem stärksten Grad der Streckhaltung des Kopfes, wobei das Kinn des Kindes vorne steht und der Rücken hinten. Vorliegender Teil ist das Gesicht, Leitstelle ist das Kinn. Die Gesichtshaltung ist dadurch charakterisiert, dass der Umfang des Durchtrittsplanums 34 cm beträgt; im Gegensatz zu 32 cm bei der Hinterhauptshaltung. Die Inzidenz beträgt etwa 1 pro 200–300 Geburten. Solange der Kopf noch nicht tief ins Becken eingetreten ist, ergeben sich bei der Gesichtslage für den Geburtshelfer sowohl bei der äußeren als auch bei der inneren Untersuchung verschiedene charakteristische Merkmale: 1. Bei der äußeren Untersuchung ist das Hinterhaupt auffallend hervorstehend. Es lässt sich oberhalb der Schambeinfuge als einen großen, harten, kugeligen Teil tasten. 2. Sofern die Bauchdecken nicht zu dick sind, fühlt man zwischen Kopf und Rücken einen tiefen charakteristischen Einschnitt, der ebenfalls im Ultraschall zu erkennen ist. 3. Im Gegensatz zu allen anderen Lagen, abgesehen von der Stirnlage, sind die Herztöne bei der Gesichtslage am lautesten zu hören, und zwar nicht auf der Seite des Rückens, sondern auf der Seite der kleinen Teile (Extremitäten), da die Brust der Uteruswand näher liegt als der Rücken. Bei der inneren vaginalen Untersuchung lassen sich Kinn, Mund, Nase und Augenbrauengegend tasten (s. Abb. 1.2). Laut Pschyrembel (1973) sollte bei gewissenhafter vaginaler Untersuchung eine Verwechslung der Gesichtslage mit einer anderen Lage nicht vorkommen. Ungeübte halten den Mund für den After und nehmen eine Steißlage an. Die Unterscheidung zwischen Gesichtslage und Steißlage wird dann schwierig, wenn eine große Geburtsgeschwulst besteht. Der Mund lässt sich leicht dadurch unterscheiden, dass bei ihm scharfe Zahnleisten, die Zunge und manchmal auch Saugbewegungen zu fühlen sind. Beim lebenden Kind hingegen kann man den Finger nicht in den After einführen bzw. nur unter Anwendung eines bohrenden Druckes. Gelingt dies, so ist der Finger mit Mekonium beschmutzt. Bei der Gesichtslage stellt sich bei Normale HHL
Die 3 Deflexionslagen
Abb. 1.1: Gesichtslage (aus Dudenhausen, Joachim W.: Praktische Geburtshilfe. 21., erweiterte Aufl. Berlin, Boston: De Gruyter 2011).
1.1 Geburtsasphyxie und kindlicher Sauerstoffmangel-Hirnschaden
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Abb. 1.2: Befund bei innerer Untersuchung der 1. Gesichtslage (aus Dudenhausen, Joachim W.: Praktische Geburtshilfe. 21., erweiterte Aufl. Berlin, Boston: De Gruyter 2011).
Geburtsbeginn gewöhnlich zunächst die Stirn über den Beckeneingang ein, sie wird vorübergehend zum führenden Teil. Dies wird als Stirnhaltung der Gesichtslage im Beckeneingang bezeichnet. Dabei sieht das Gesicht entweder zur rechten oder zur linken Seite. Die Gesichtslinie steht zunächst im queren Durchmesser des Beckens, das Kinn ganz seitlich links oder rechts. Nach den ersten kräftigen Wehen verstärkt sich die Streckhaltung und der Kopf tritt in das Becken ein. Dabei wird das Hinterhaupt noch mehr gegen den Rücken gedrängt, die Stirn zugleich aus ihrer führenden Stellung weggeschoben. Der Gesichtsschädel mit dem Kinn tritt in das Becken ein und übernimmt die Führung. Die maximale Streckhaltung mit quer verlaufender Gesichtslinie wird beim Tiefertreten des Kopfes unverändert beibehalten, bis der Kopf auf dem Beckenboden angekommen ist. Erst auf dem Beckenboden ändert sich die Stellung der Gesichtslinie und die extreme Streckhaltung des Kopfes. Das Kind dreht sich auf dem Beckenboden zunächst schamfugenwärts in den geraden Durchmesser. Um das Knie des Geburtskanals zu überwinden, muss sich der in maximaler Streckhaltung befindliche Kopf jetzt entstrecken, d. h. beugen. Zunächst bleibt allerdings die Streckhaltung bestehen, bis der Reihe nach Kinn, Mund, Nase und Augen geboren sind. Dann erst stemmt sich das Hypomochlion (Stemmpunkt) der Gesichtslage, das Zungenbein, gegen den Schambogen, und die Beugebewegung des Kopfes zur Überwindung des im Bogen um die Schamfuge herum verlaufenden Geburtskanals beginnt. Langsam werden nun das Vorderhaupt und dann das Hinterhaupt über den Damm geboren (s. Abb. 1.3). Die Geburtsgeschwulst sitzt bei der Gesichtslage auf dem Gesicht, und zwar
Abb. 1.3: Austrittsbewegung: Bei der Gesichtslage wird das Knie des Geburtskanals durch reine Beugung überwunden (aus Dudenhausen, Joachim W.: Praktische Geburtshilfe. 21., erweiterte Aufl. Berlin, Boston: De Gruyter 2011).
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1 Diagnosefehler
in der Hauptsache auf der vorangehenden Wange und deren Umgebung. Die Kinder aus diesen Geburten können aufgrund der Gesichtsverformung, die auch auf Mund und Augen übergreift, für einige Tage entstellt aussehen. Es ist wichtig zu wissen, dass die Geburt aus Gesichtslage häufig länger als die Geburt aus regelrechter Hinterhauptslage dauert. Gründe hierfür sind das größere Durchtrittsplanum, der Umstand, dass das Gesicht als vorangehender Teil weniger geeignet ist, die Weichteile zu weiten, die hohe Streckhaltungsspannung und die starke Überdehnung (quer) des Dammes beim Durchschneiden des Kopfes durch das hinten liegende breite Hinterhaupt (sodass ein energischer Dammschutz erforderlich ist). Prognostisch verläuft der weitaus größte Teil der Gesichtslagen mit nach vorn rotierendem Kinn spontan und bedarf keiner Kunsthilfe. Sehr zu beachten ist dabei die Gefahr eines Dammrisses. Die Behandlung der mentoanterioren Gesichtslage erfolgt streng konservativ. Wie alle Deflexionslagen, abgesehen von der Stirnlage, wird die Gesichtslage streng abwartend geleitet. Die operative Behandlung stellt in jedem Fall eine große Ausnahme dar. Nach Pschyrembel (1973) muss alles versucht werden, um eine Zange zu umgehen. Die häufigste Indikation ist erfahrungsgemäß das Auftreten schlechter Herztöne des Kindes. Tritt zu Beginn der Geburt bei noch beweglichem Kopf eine Indikation zur Geburtsbeendigung auf, so ist die Schnittentbindung die Methode der Wahl. Ergibt sich eine Indikation zur operativen Geburtsbeendigung in Beckenmitte, so wird ebenfalls der Kaiserschnitt ausgeführt. Eine Zangengeburt soll niemals ausgeführt werden, solange die Gesichtslage noch im queren oder annähernd im queren Durchmesser steht. Gesichtslagenzangen sind sehr schwierig und äußerst gefährlich. Variable Dezelerationen im CTG Variable Dezelerationen sind Herzfrequenzdezelerationen mit einer Dauer von über einer Minute und einem Absinken der Herzfrequenz auf etwa 60 e/n (s. Abb. 1.4). Sie
Abb. 1.4: CTG mit variablen Dezelerationen. Späte Eröffnungsperiode einer 29-jährigen Erstgebärenden am Termin (aus Dudenhausen, Joachim W.: Praktische Geburtshilfe. 21., erweiterte Aufl. Berlin, Boston: De Gruyter 2011).
1.1 Geburtsasphyxie und kindlicher Sauerstoffmangel-Hirnschaden
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sind typisch für eine Behinderung der Durchblutung von Nabelschnur und Plazenta, wobei die Störung im kapillaren Bereich der Plazenta liegen kann oder durch eine Kompression der Nabelschnur ausgelöst wird. Eine anhaltende Unterbrechung der Durchblutung von Nabelschnur bzw. Plazenta bewirkt zeitabhängig einen Sauerstoffmangel. Man unterscheidet je nach Ausmaß und Dauer der Zirkulationsunterbrechung nach Kubli et al. (1969) leichte, mittelschwere und schwere variable Dezelerationen. Nach Kubli und Rütgers (1969) kommt es bei Persistenz mittelschwerer und schwerer variabler Dezelerationen zu einem signifikanten Abfall des pH-Wertes, während die leichten variablen Dezelerationen mit normalen pH-Werten einhergehen und die respiratorische Situation des Fetus nicht beeinträchtigen. Das Ausmaß der Veränderungen im Säure-Basen-Haushalt wird vor allem durch die Aktivität der Gebärmutter modifiziert. Eine Basaltonuserhöhung ist dabei im Vergleich zur gesteigerten Wehentätigkeit für das Kind prognostisch ungünstiger. Demgegenüber können bei genügend langem Wehenintervall von über drei Minuten und normalem Basaltonus, selbst bei schweren variablen Dezelerationen, normale Blutgaswerte vorliegen. Nach Göschen (1992) können bei Auftreten variabler Dezelerationen folgende Richtlinien gelten: In der Eröffnungsperiode wird zunächst ein Lagewechsel der Mutter versucht. Dadurch soll die mechanischen Beziehungen zwischen Mutter und Kind so verändert werden, dass die Nabelschnur nicht länger komprimiert wird. Praktisch kommt hierfür die Seitenlagerung oder die Kopftieflagerung in Frage. Treten weiterhin variable Dezelerationen auf, sollte der Versuch unternommen werden, die Wehenpausen durch eine intravenöse Wehenhemmung zu verlängern. Ein Wehenintervall über drei Minuten rechtfertigt indessen eine abwartende Haltung. Wenn trotz Wehenhemmung variable Herzfrequenzalterationen bestehen oder die Wehen in ihrer Frequenz zunehmen – wie im vorliegenden Fall – so sollte das Ergebnis einer Fetalblutuntersuchung über die weiteren geburtshilflichen Maßnahmen entscheiden (Göschen, 1992).
1.1.1.1 Sachverhalt / Kasuistik Die im Jahr 1991 29-jährige Schwangere hatte bereits 1987 ein Mädchen von 3.600 g und 1989 ein Mädchen von 3.142 g entbunden. Bei einer letzten normalen Regel am 21. 07. 1991 fiel der errechnete Geburtstermin auf den 28. 04. 1992. Die Schwangere wurde von einem niedergelassenen Frauenarzt betreut. Insgesamt wurden fünf MutterKind-Pass- und zwei Ultraschalluntersuchungen durchgeführt. Zusätzlich wurde die Schwangere in der Schwangerenambulanz des Krankenhauses, in dem sie entband, betreut. Am berechneten Termin wurde dort ein CTG geschrieben, und laut Auskunft der Hebamme hätte das Kind zu diesem Zeitpunkt „geschlafen“. Tags darauf bekam die Schwangere Wehen und traf um 10.00 Uhr im Krankenhaus ein. Das CTG ließ keine Auffälligkeiten erkennen. Um 10.30 Uhr wurde folgender Befund erhoben: Muttermund dehnbar, dicksäumig, 4 bis 5 cm, die Blase erhalten, führend der Schädel, Höhenstand –4, Wehen in Abständen von drei bis fünf Minuten, Herzfrequenz 120. Der gleiche Befund lag auch um 14.30 Uhr vor. Eine Hebamme hätte sich noch gewundert, dass die Geburt so langsam voranginge, obwohl die Patientin doch bereits zwei normale Geburten hinter sich hatte. Um 17.55 Uhr war der Muttermund dünnsaumig, die Blase erhalten, der Schädel führend, Höhe –4, und es wurde eine Amnio-
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1 Diagnosefehler
Abb. 1.5: 29-jährige III-Gebärende, SSW 40, mentoanteriore Gesichtshaltung. CTG mit schlechter Registrierqualität, Wehen im Abstand von drei Minuten, varibler Dip und Verdacht auf weitere schwere variable Dips mit Absenkung der fetalen Herzfrequenz auf 60 spm. Mädchen, 3.000 g, 51 cm, Apgar-Wert 4/7/7, posthypoxische Encephalopathie II, Cerebralparese.
tomie (Sprengung der Fruchtblase) durchgeführt. Das Fruchtwasser war klar. Um 18.30 Uhr war der Muttermund mittelsaumig, 7 cm, Schädelhöhe –3. Um 19.15 Uhr war der Befund im Wesentlichen identisch. Die Schwangere hatte unerträgliche Schmerzen und schrie. Das CTG wies zwischen 18.30 Uhr und 18.50 Uhr Wehen im Abstand von drei Minuten auf, die Herzfrequenz betrug 125 Schläge/min (spm) (s. Abb. 1.5). Um 18.36 Uhr fand sich im CTG ein tiefer variabler Dip mit einer Dezeleration auf 60 spm. Die Herzfrequenzregistrierung war bis 18.50 Uhr, bei schlechter Registrierqualität, jeweils für gut 60 Sekunden unterbrochen, wobei nicht mit Sicherheit zu entscheiden war, ob es sich um Dezelerationen handelte. Beim letzten CTG zwischen 19.25 und 19.50 Uhr wurden lediglich kurze Stücke der Basalfrequenz registriert. Mehrere schwere, tiefe variable Dips bis 60 spm konnten erahnt werden. Um 19.50 Uhr hörte die Registrierung auf, und es fand sich der Vermerk „Mädchen, 3.000 g, 51 cm, Kopfumfang 35 cm, Apgar-Wert 4/7/7“ (s. Abb. 1.6). Auf einem Blutgas-Säurebasenreport war zehn Minuten postpartum ein pH-Wert von 7,32 vermerkt, wobei es sich sehr wahrscheinlich um Nabelvenenblut handelte. Einem Gedächtnisprotokoll des diensthabenden Gynäkologen war zu entnehmen, dass dieser um 19.15 Uhr bei einem Muttermund von 8 cm und einem Schädelhöhenstand von –3 den Kreißsaal verlassen hatte. Um 19.45 Uhr informierte die Hebamme den Arzt, dass sich das CTG verschlechtert hätte. Beim Wiedereintreffen des Arztes in den Kreißsaal betrug die digitale Aufzeichnung der Herzfrequenz 132 spm. Der Arzt wollte sofort eine Skalp-Elektrode legen, da die Herztonregistrierung von extern nicht funktionierte. Doch bevor dieses geschehen konnte, legte sich die Patientin unvermittelt auf den Rücken und begann spontan zu pressen. In der Vulva erschien das Gesicht des Kindes in mentoanteriorer Gesichtshaltung und war Sekunden später geboren. Das Kind war schlaff und weiß und wurde sofort auf dem Reanimationstisch mit der Maske mit Sauerstoff beatmet. Das Kind wurde rasch rosig, blieb jedoch schlaff. Der Anästhesist intubierte das Kind um 19.55 Uhr, saugte es endotracheal ab und beatmete es mit
1.1 Geburtsasphyxie und kindlicher Sauerstoffmangel-Hirnschaden
Apgar-Zahl
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0
1
2
Hautfarbe
blau oder weiß
Akrozyanose
rosig
Atmung
keine
langsam, unregelmäßig
ungestört
Herzfrequenz
keine
< 100
> 100
Muskeltonus
schlaff
träge Flexion
aktive Bewegung
Reflexe beim Absaugen
keine
herabgesetzt
Schreien
Symptom
Abb. 1.6: Apgar-Schema zur Beurteilung des Neugeborenen.
Sauerstoff. Erst jetzt begann das Kind spontan zu atmen und zeigte an den Händen Greifreflexe. Es blieb ansonsten weiterhin schlaff. Ein Nabelschnur-pH-Wert betrug 7,32. Das Kind wurde dem Neonatologiedienst übergeben und in die Kinderklinik gebracht. Laut Aussage der Mutter sei die Nabelschnur des Kindes bei der Geburt zweimal um den Hals gewickelt gewesen. Dem Arztbrief der Kinderklinik, wo das Kind 21 Tage stationär verblieb, war zu entnehmen, dass das Kind in äußerst schlechtem Zustand intubiert übernommen wurde. Es war blass, sehr schlaff und hatte herabgesetzte Reflexe. Die Azidose wurde auskorrigiert und Volumen substituiert. Bei der Aufnahme war der Muskeltonus der unteren Extremität erhöht, der oberen Extremität normal. Ein Saugreflex war nicht auslösbar. Die Muskeleigenreflexe waren erhöht, zum Teil subklonisch, die Pupillen eng, mit einer trägen Lichtreaktion. Im Schädelultraschall zeigte sich eine generalisierte Echogenitätserhöhung des Hirnparenchyms (wie bei posthypoxischer Encephalopathie). Diese nahm jedoch bei Kontrolluntersuchungen ab. In der Nacht nach der Aufnahme traten auch tonisch-klonische Krämpfe an allen Extremitäten auf, die von oralen Schablonen begleitet waren. Es musste ein Rivotril®-Bypass gegeben werden. In der Folge besserte sich die neurologische Symptomatik. Bei der Entlassung war neben einer Rumpfhypotonie noch das Fehlen des Fußgreifreflexes links und der sehr deutlich verminderte Fußgreifreflex rechts auffällig. Die Abschlussdiagnose lautete Asphyxia pallida, kurzfristige maschinelle Beatmung, neonatale Krampfanfälle im Rahmen einer posthypoxischen Encephalopathie (Stadium II) und Hirnödem. Einem Gutachten, das ein Neonatologe in dem Jahr 1994 verfasste, war zu entnehmen, dass es sich bei dem Mädchen um ein schwer cerebral-retardiertes Kind mit einer deutlichen cerebral-bedingten schlaffen Parese und einer erheblichen psychomotorischen Behinderung handelte. Eine hochgradige cerebrale Schädigung wurde festgestellt, die offenbar auf eine Asphyxie in der Perinatalperiode zurückzuführen war. Das Kind bedurfte einer 24-stündigen Betreuung. Einzelne Fortschritte im Verhalten des Kindes waren zu erkennen, es wurde jedoch nicht erwartet, dass sich der Zustand des Kindes in Zukunft entscheidend verbessern würde. Das minderjährige Mädchen, vertreten durch seine Eltern, verklagte die Krankenhausträger und den betreuenden Gynäkologen auf € 219.459,−.
8
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1 Diagnosefehler
1.1.1.2 Beurteilung / Gutachten Bei Kindern mit einer schweren hypoxisch-ischämischen Encephalopathie ist es Aufgabe des geburtshilflichen Gutachtens, einen Kausalzusammenhang zwischen dem Zustand des Kindes und der perinatalen Asphyxie mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachzuweisen oder zu entkräften. Die geburtshilflichen Ursachen für das Entstehen der Asphyxie sind darzulegen. Aufgrund der vorgelegten Befunde konnte kein Zweifel darüber bestehen, dass es sich bei dem Zustand der Klägerin, dem minderjährigen Mädchen, um einen Restzustand einer schweren, durch Sauerstoffmangel entstandenen Hirnschädigung handelte. Auch der betreuende Gynäkologe und dessen Abteilungsvorstand gingen davon aus, dass der Zustand der Klägerin in kausalem Zusammenhang zur Geburt stand. Wendet man die vier Vorbedingungen (siehe oben) für einen kausalen Zusammenhang zwischen einer perinatalen Asphyxie und der Entstehung eines kindlichen Hirnschadens nach Schneider (1995) auf den vorliegenden Fall an, lässt sich folgendes feststellen: 1. Schwere und Dauer der Asphyxie: Der Apgar-Wert nach einer Minute betrug 4, nach fünf Minuten 7 und nach zehn Minuten erneut 7. Der Nabelarterien-pH-Wert wurde erst nach bereits erfolgter Reanimation, zehn Minuten nach der Geburt, abgenommen und war daher nicht verwertbar. Es war nicht angegeben, ob es sich um einen Nabelarterien- oder Nabelvenen-pH-Wert handelte. Der Befund (pH-Wert 7,32) korrelierte in keiner Weise mit dem Zustand des Kindes. Aufgrund der Befunde der Kinderklinik stand fest, dass sich das Kind in einem äußerst schlechten Zustand befand und eine Azidose auskorrigiert wurde. Auch dies wies auf die Unrichtigkeit des Nabelschnur-pHWertes hin. Das Kind musste sofort intubiert und beatmet werden, besserte sich jedoch in den nächsten Stunden deutlich, sodass es wieder extubiert werden konnte. 2. Hypoxisch-ischämische Encephalopathie: Laut Kinderklinik war das Kind neurologisch hochauffällig. Noch in der Nacht traten tonisch-klonische Krämpfe an allen Extremitäten auf, welche durch Phenobarbital nicht ausreichend behandelt werden konnten. Sonographisch ergab sich der Verdacht auf ein Hirnödem. Zwei Tage nach der Geburt traten zwar keine cerebralen Krampfanfälle mehr auf, es bestanden aber noch deutliche Hirnödemzeichen. Das Kind war somit auffällig im Sinne einer posthypoxischen Encephalopathie (Stadium II). 3. Typische neurologische Symptomatik: Die neurologische Symptomatik entsprach eindeutig der Art von Störungen, die als Folge einer Geburtsasphyxie auftreten. Es wurde jedoch festgehalten, dass sich die Symptomatik in den Folgetagen, neben der Vigilanz, deutlich besserte. 4. Diagnostische Abklärung zum Ausschluss einer schweren Pathologie: Für den Nachweis des Zusammenhangs eines Hirnschadens mit einer Geburtsasphyxie müssen andere Ursachen, wie Fehlbildungen im Bereich des Zentralnervensystems, angeborene Stoffwechselstörungen, intrauterine Infekte etc., ausgeschlossen werden. Dies erfolgt durch die in Serien durchgeführte Schädelsonographie sowie durch Computertomographie und Magnetresonanztomographie. Entsprechende Befunde lagen jedoch nicht vor.
1.1 Geburtsasphyxie und kindlicher Sauerstoffmangel-Hirnschaden
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Aufgrund der zeitlichen Aneinanderreihung eines hochpathologischen CTGs bei erschwerter Geburtssituation (mentoanteriore Gesichtshaltung), einem niedrigen ApgarWert (4/7/7), mit einer im Nabelschnurblut nachgewiesenen Azidose und neurologischen Auffälligkeiten mit Krämpfen in den ersten Lebenstagen war eine schwere durch Sauerstoffmangel bedingte Hirnschädigung höchstwahrscheinlich. Es stellten sich somit weitere Fragen nach dem Geburtsverlauf und möglichen Mängeln in der Geburtsleitung. Aufgrund des Gedächtnisprotokolles des betreuenden Gynäkologen und der Aussagen der Kindeseltern stand fest, dass es sich um eine mentoanteriore Gesichtshaltung gehandelt hat. Wenn man nun das zitierte Lehrbuchwissen auf den vorliegenden Fall anwendet, lässt sich folgendes feststellen: Der Geburtsverlauf war für eine Drittgebärende sicher als protrahiert zu bezeichnen, da die Schwangere praktisch den ganzen Tag starke Wehen hatte. Aus den Aufzeichnungen war ersichtlich, dass der Schädel bis 17.50 Uhr führend war. Möglicherweise hatte es sich zu diesem Zeitpunkt um die für die Gesichtslage typische vorübergehende Stirnhaltung im Beckeneingang gehandelt. Bei der Eintragung um 18.30 Uhr und um 19.15 Uhr (bei einer Muttermundweite von 7 bzw. 8 cm und einem Höhenstand des vorangehenden Kindsteils von -3) fehlte eine Eintragung bezüglich des führenden Kindsteils. Wenn man das CTG des Kindes mit den erhobenen vaginalen Tastbefunden korrelierte, konnte man feststellen, dass das CTG bis zur Amniotomie, und weiter noch bis 18.15 Uhr, als unauffällig bezeichnet werden konnte. Zwischen 18.30 und 18.50 Uhr konnte man bei schlechter Registrierqualität etwa sieben schwere variable Dezelerationen erkennen. Da diese über 60 Sekunden dauerten und mit einer minimalen fetalen Herzfrequenz von weniger als 70 n/n einhergingen, waren sie als schwer zu bezeichnen. Die Wehenfrequenz betrug unter drei Minuten und sie nahm gegen 18.50 Uhr weiter zu. Daher wäre nach Göschen (1992) eine Fetalblutuntersuchung indiziert. Diese Aussage war insofern zu relativieren, da Mikroblutuntersuchungen im Jahr 1992 nicht an allen geburtshilflichen Abteilungen routinemäßig angewandt wurden. Wenn dies nicht der Fall war, konnte gutachtlich kein Zweifel darüber bestehen, dass spätestens um 18.50 Uhr geburtshilflicher Handlungsbedarf bestanden hätte. Aufgrund der zu diesem Zeitpunkt bekannten Muttermundweite und des Höhenstandes des führenden Kindsteils, hätte eine sofortige Schnittentbindung erfolgen müssen. Nicht nachvollziehbar war das Fehlen jeglicher kardiotokographischer Aufzeichnungen bei einem derart pathologischen Befund in der Zeit von 18.50 bis 19.25 Uhr. Ebenso unverständlich war, dass der betreuende Arzt laut Gedächtnisprotokoll um 19.15 Uhr den Kreißsaal verließ. Offensichtlich wurde jedoch auch in der Zeit von 19.25 bis 19.40 Uhr das CTG von der betreuenden Hebamme nicht ausreichend überwacht, da sonst sowohl die mangelhafte Registrierung als auch die, soweit beurteilbar, schweren variablen Dezelerationen hätten auffallen müssen. Es war höchstwahrscheinlich, dass die Kompression der Nabelschnur ab 18.30 Uhr bei immer stärker werdender Wehentätigkeit zu einem schweren Sauerstoffmangel des Kindes geführt hat, der jedoch zwischen 18.50 und 19.25 Uhr nicht und zwischen 19.25 und 19.50 Uhr nur sehr mangelhaft dokumentiert wurde. Ebenso mangelhaft waren die Aufzeichnungen in der geburtshilflichen Krankengeschichte, in denen zwar Hinterhauptshaltung angekreuzt war, darüber jedoch handschriftlich „Gesichtshaltung“ vermerkt wurde. Dieser Widerspruch weist darauf hin,
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1 Diagnosefehler
dass dem Arzt wahrscheinlich der Unterschied zwischen einer Gesichtslage, also einer Deflexionshaltung, und einer Hinterhauptshaltung nicht bekannt war. Aus geburtshilflicher Sicht ist es höchstwahrscheinlich, dass der schlechte Ausgang dieser Geburt bei einem Interventionszeitpunkt um 18.50 Uhr vermieden worden wäre. Einem erfahrenen Geburtshelfer wäre möglicherweise auch das Vorliegen des Gesichtes nicht entgangen. Beantwortung des Fragenkatalogs 1. Wurden nach Aufnahme der Mutter des minderjährigen Mädchens die nach Maßgabe der aktuellen ärztlichen Wissenschaft und Erfahrung zu erwartenden Maßnahmen getroffen? Nach Aufnahme wurden zwar die zu erwartenden Maßnahmen getroffen, es hätte jedoch spätestens um 18.50 Uhr Handlungsbedarf im Sinne eines Kaiserschnittes bestanden. 2. Welche Maßnahmen wurden nicht getroffen? Um 18.50 Uhr wurde versäumt, das Kind weiterhin mittels CTG zu überwachen und dies zu dokumentieren. 3. Wäre für die behandelnden Ärzte bei Beachtung sämtlicher Maßnahmen der komplizierte Geburtsvorgang erkennbar gewesen? Bei Beobachtung sämtlicher Maßnahmen, insbesondere des CTGs, möglicherweise auch der Gesichtshaltung, hätte den behandelnden Ärzten spätestens zu diesem Zeitpunkt die kindliche Notsituation auffallen müssen. 4. Welche Maßnahmen hätten im Falle der Erkennbarkeit getroffen werden müssen? Es hätte zunächst eine intravenöse Wehenhemmung, dann in eventu eine Mikroblutuntersuchung, andernfalls die sofortige Schnittentbindung durchgeführt werden müssen. 5. Wären in diesem Falle die objektivierten Folgen der Geburt vermeidbar gewesen? In diesem Fall wären die objektivierten Folgen der Geburt vermeidbar gewesen.
1.1.1.3 Verfahrensausgang In einer Kommissionssitzung der Schiedsstelle der Ärztekammer (1993) war es für alle Anwesenden unbestritten, dass ein Kausalzusammenhang zwischen der Geburt und dem schlechten Zustand des minderjährigen Mädchens bestand. Der Gerichtssachverständige, Ordinarius für Geburtshilfe an der Universität, kam im Wesentlichen zu denselben Feststellungen wie der Autor des Privatgutachtens. Die Erkrankung des minderjährigen Mädchens war mit sehr großer Wahrscheinlichkeit Folge eines perinatalen Sauerstoffmangels. Zwischen 18.50 und 19.10 Uhr hätte bei korrekter geburtshilflicher Vorgehensweise die Indikation zur Akuttokolyse und wegen fetaler Hypoxie bzw. der Gesichtshaltung die Indikation zum Kaiserschnitt gestellt werden müssen. Damit wäre dem Kind ca. eine Stunde, mindestens aber 40 Minuten ausgeprägter Hypoxie erspart worden, was mit sehr großer Wahrscheinlichkeit zumindest das Ausmaß der neurologischen Schädigung reduziert, oder diese insgesamt verhindert hätte. Im Jahr 1996 wurde ein gerichtlicher Vergleich geschlossen, in dem sich die erstbeklagte Partei verpflichtete, einen Betrag von € 146.306,− samt 4 % Zinsen zu bezahlen. Dieser Betrag setzte sich zusammen aus € 43.892,− Pflegegeld für die ersten drei
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Jahre nach der Geburt sowie € 102.414,− Schmerzensgeld und Entstellungsentschädigung. Die erstbeklagte Partei haftete gegenüber der klagenden Partei für alle künftigen Schäden aus dem schuldhaften Verhalten anlässlich der Geburt. Die erstbeklagte Partei verpflichtete sich, an den Klagevertreter die verglichenen Kosten in der Höhe von € 6.218,−, nach Rechtswirksamkeit dieses Vergleiches, zu bezahlen. Der Vergleich bedurfte der pflegschaftsbehördlichen Genehmigung. Er wurde rechtswirksam.
1.1.1.4 Resümee Dieser Fall beschreibt einen weiteren bedauerlichen Fall einer schweren, durch Sauerstoffmangel bedingten kindlichen Hirnschädigung. Eine Gesichtshaltung wurde nicht erkannt und auf schwere variable Dezelerationen wurde nicht sachgerecht reagiert. Bei korrekter geburtshilflicher Vorgehensweise hätte eine Akuttokolyse, in eventu eine Mikroblutuntersuchung und aufgrund des Vorliegens einer fetaler Hypoxie bzw. Gesichtshaltung die Indikation zum Kaiserschnitt gestellt werden müssen. Höchstwahrscheinlich wäre dadurch das Ausmaß der neurologischen Schädigung reduziert, oder diese sogar verhindert worden.
Literatur ACOG. ACOG Technical Bulletin, No. 2/6, November 1995. Umbilical Artery Blood, Acid – Base Analysis. Dudenhausen JW. Praktische Geburtshilfe mit geburtshilflichen Operationen. 21. Aufl. Berlin, New York: De Gruyter, 2011: 209–15. Göschen K. Kardiotokographie Praxis. 4. Aufl. Stuttgart: Thieme, 1992: 67–72. Kubli F, Hon EH, Khazin AF, Takemura H. Observations on heart rate and the pH in the human fetus during labor. Am. J. Obstet. Gynec. 1969; 104: 1190–1206. Kubli F, Rüttgers H. Die kontinuierliche Registrierung der fetalen Herzfrequenz bei gleichzeitiger Wehenschreibung. I. Nomenklatur, Interpretation und klinische Anwendung. Gynäkologe. 1969; 2: 73. Künzel W. Überwachung, Diagnostik und Therapie des Feten während der Geburt. In: Künzel W (Hrsg). Klinik der Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Bd. 6: 4. Aufl. München, Jena: Urban und Fischer, 2003: 104–154. Martius G, Pfleiderer A, Breckwoldt M. Regelwidriger Geburtsmechanismus. Lehrbuch der Geburtshilfe. Stuttgart: Thieme, 1996: 375–378. Pschyrembel W. Praktische Geburtshilfe und geburtshilfliche Operationen. 14. Aufl. Berlin, New York: De Gruyter, 1973: 281–292. Rabe T. Gynäkologie und Geburtshilfe. Risikogeburt. Edition Medizin. Weinheim: VCH, 1990: 470–471. Sarnat HB, Sarnat MS.Neonatal encephalopahy following fetal distress. Arch. Neurol. 1976; 33: 696–705. Schneider H, Beller FK. Geburtsasphyxie und kindlicher Hirnschaden. Eine Bestandsaufnahme. Fortbildungsreihe des Berufsverbandes der Frauenärzte e. V., 1995; Nr. 2. Schneider H. Die Bedeutung der intrapartalen Asphyxie für die Entstehung von kindlichen Hirnschäden. Geburtsh. u. Frauenh. 1993; 53: 369–378. Stockhausen HP von. Hypoxisch-ischämische Encephalopathie in Relation zu perinatalen Asphyxiezeichen – medizinische und juristische Implikationen. In: Knitza R (Hrsg). Hypoxische Gefährdung des Fetus sub partu. Darmstadt: Steinkopf, 1994: 1–4.
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1 Diagnosefehler
1.1.2 Kindliche Hirnschädigung bei Unterwasser-Hausgeburt Unterwassergeburt Die Geburt unter Wasser wurde Anfang der 1990er Jahre vor allem in der Laienpresse als besonders natürlich und beglückend angepriesen. Eine wissenschaftliche Grundlage für diese Behauptungen lag allerdings nicht vor. Seit der ersten dokumentierten Unterwassergeburt im Jahr 1805 wurde diese Art der Entbindung von einigen Hebammen und Ärzten sowohl im Rahmen der Hausgeburtshilfe als auch vereinzelt im Krankenhaus durchgeführt (Odent, 1983). Laut Schätzungen seien Mitte der 90er Jahre bereits 20.000 Kinder auf diese Weise auf die Welt gekommen. Über die Vor- und Nachteile von Wassergeburten wurden von unterschiedlichen Autoren allerdings divergierende Ergebnisse publiziert, und es wurde heftig über den Sinn einer Geburt unter Wasser gestritten. Laut Befürwortern sollen der im Wasser herrschende Auftrieb und die Wärme zur Entspannung der Mutter und somit zu einem rascheren Geburtsverlauf beitragen (Eberhard et al.,1993; Odent,1983; Walker, 1994; Zimmermann et al., 1993). Weiterhin sollen die sitzende Haltung und der geringere Druckgradient die Gefahr von Weichteilverletzungen verringern. Als weitere Vorteile werden eine verkürzte Geburtsdauer, weniger und leichtere Dammverletzungen sowie ein geringerer Medikamentenverbrauch genannt. Odent, der Pionier der Unterwassergeburt, berichtete 1983 über seine Erfahrungen bei einhundert durchgeführten Wassergeburten. Bei keiner der Gebärenden wurde eine Episiotomie durchgeführt. Dammrisse 1. Grades traten in 29 % der Fällen auf. Bei Erstgebärenden könne sich jedoch die Unterwassergeburt gegen Ende des Geburtsverlaufes im Vergleich zur normalen Entbindung schwieriger gestalten. Rosenthal (1988) fand im Vergleich zu normalen Entbindungen bei 483 Wassergeburten in Kalifornien hingegen keine Abnahme von Weichteilverletzungen (zitiert bei Zimmermann et al., 1993). Im Gegensatz dazu konnten Eldering und Geissbühler (2011) in Deutschland bei 52 Wassergeburten sowohl signifikant geringere Weichteilverletzungen als auch einen deutlich niedrigeren Analgetikaverbrauch nachweisen. Die Geburtsdauer war laut ihrer Studie nicht verkürzt. Gegner der Wassergeburt argumentierten, dass keine gesicherten Erkenntnisse über deren Vorteile vorlägen. Es gebe zudem ein erhöhtes Hypoxierisiko, da die Sauerstoffversorgung des Neugeborenen nach der Geburt durch das Ablösen der Plazenta nicht mehr gewährleistet sei. Weitere Gefahren seien: ● ● ● ● ● ● ● ● ●
Eine erhöhte Infektionsgefahr, eine erhöhte Aspirationsgefahr, ein Hyperhydratationsrisiko durch Aspiration von hypotonem Badewasser, eine Unterkühlungsgefahr des Neugeborenen, eine erhöhte subpartale und postpartale Blutungsneigung durch Gefäßdilatation, eine Zeitverzögerung bei einer notwendigen assistierten Entbindung, mangelhafte Erfahrung, fehlende Sicherheitsnormen, fehlende Ausbildungsbestimmungen zur Überprüfung der speziellen Qualifikation der Geburtshelfer.
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1.1.2.1 Sachverhalt / Kasuistik Die im Jahr 1992 32-jährige Schwangere suchte im März 1992 einen niedergelassenen Frauenarzt auf, der als Verfechter der sogenannten sanften Geburt galt. Anamnestisch lagen zwei Schwangerschaftsabbrüche und eine Geburt im Jahr 1985 in einem großen Wiener Gemeindekrankenhaus vor. Im vorliegenden Fal entschieden sich die Eltern erstmalig für eine Hausgeburt. Der Schwangerschaftsverlauf war im Wesentlichen unauffällig. Die Mutter wurde ab dem sechsten Schwangerschaftsmonat auch bei einer frei praktizierenden Hebamme des Hebammenzentrums Wien betreut und war dort siebenmal bei einer Geburtsvorbereitung. Der berechnete Geburtstermin fiel auf den 03. 11. 1992. Vier Tage vor dem Termin traten Wehen und Blutungen auf, und am folgenden Tag ging zusätzlich Schleim ab. Tags darauf war laut Hebamme der Muttermund um 14.00 Uhr 2 cm eröffnet. Um 18.00 Uhr traten Wehen im Abstand von 20 und ab 21.30 Uhr im Abstand von 5 Minuten auf. Um 21.45 Uhr wurde die Hebamme verständigt, welche zu einem Entspannungsbad riet. Um 22.30 Uhr stieg die Mutter in die Wanne, und um 23.00 Uhr war der Abstand der Wehen nur mehr zwei Minuten. Der Lebensgefährte verständigte erneut die Hebamme und bat sie, zu kommen. Das Kind kam jedoch vor dem Eintreffen der Hebamme um 23.23 Uhr auf die Welt, wobei sich die Mutter in Knie-Ellenbogenlage in der halb vollen Badewanne befand. Nachdem der Kopf geboren war, hätte es noch etwa drei Minuten gedauert, bis der ganze Körper geboren wurde und das Kind ins Wasser glitt. Das Kind hätte nicht geschrien, sich nur wenig bewegt und am Finger gelutscht. Um 23.45 Uhr traf die Hebamme ein und fand Mutter und Kind bei Kerzenlicht in der Badewanne vor. Das Kind lag regungslos am Wannenboden und befand sich insgesamt 19 Minuten unter Wasser. Die Mutter dachte, die Nabelschnur würde wie im Fruchtwasser noch funktionieren und das Kind mit Sauerstoff versorgen. Dies hätte sie so im Hebammenvorbereitungskurs verstanden. Sei meinte, dass das Kind von alleine an die Wasseroberfläche käme und erst dann herausgenommen würde. Das Kind wurde schließlich von der Hebamme und einem Arzt des neonatalen Notfalldienstes reanimiert und in eine Kinderklinik gebracht. Dort wurde in der Folge eine posthypoxische Encephalopathie (Grad II) mit cerebralen Krampfanfällen diagnostiziert. Das Kind litt an einer schweren motorischen Behinderung, es bestand eine totale Hypotonie, eine Athetose und ein cerebrales Anfallsleiden. Diese schwere Behinderung kommt erfahrungsgemäß umso mehr zu tragen, je älter das Kind ist.
1.1.2.2 Beurteilung / Gutachten Ohne Zweifel war die Art der Geburt kausal für die schwere, irreversible Gehirnschädigung des Kindes. Berg und Süss wiesen bereits 1994 auf die erhöhte Mortalität in der Hausgeburtshilfe hin. Eine Geburt in der Badewanne ohne Anwesenheit von Hebamme und / oder Arzt wurde als Kulminationspunkt einer Risikomaximierung bezeichnet. Selbst Odent (1983) wies darauf hin, dass er oder ein anderer Arzt immer anwesend gewesen seien, wenn es zu einer Geburt in der Badewanne kam. Im vorliegenden Fall war es im Rahmen einer Hausgeburt ohne Geburtsleitung, bei Nichtanwesenheit der verantwortlichen Hebamme, zu einer Geburt in einer halb vollen Badewanne gekommen. Aufgrund der fehlenden geburtshilflichen Untersuchungen ließen sich keine sicheren Angaben über die Eröffnung des Muttermundes, den Hö-
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1 Diagnosefehler
henstand des kindlichen Schädels und die Dauer der Eröffnungsperiode machen. Fest stand jedoch, dass die Mutter bereits während des gesamten Tages leichte Wehen hatte, die sich am Abend etwa um 18.00 Uhr verstärkten. Um etwa 21.45 Uhr wären nach übereinstimmenden Angaben in den Gedächtnisprotokollen die Wehen im Abstand von fünf Minuten aufgetreten. Spätestens zu diesem Zeitpunkt wäre es die Aufgabe der Hebamme gewesen, sich zur Schwangeren zu begeben und eine Untersuchung vorzunehmen, da es sich um eine Zweitgebärende handelte. Mit einer relativ schnellen Eröffnung des Muttermundes muss bei Zweit- oder Mehrgebärenden immer gerechnet werden. Die Hebamme gab jedoch den Rat, ein Entspannungsbad zur Schmerzlinderung zu nehmen, anstatt selbst zu erscheinen. Daraus resultierte fraglos eine weitere schwere Risikoerhöhung. Gutachtlich wurde ausgeführt, dass die Hausgeburt die erste schwere Risikoerhöhung darstellte, die Nichtanwesenheit der Hebamme bzw. eines Arztes die zweite und die Badewannengeburt ohne Aufsicht die dritte. Dies wurde als Kulminationspunkt der Risikomaximierung bezeichnet. Im vorliegenden Fall kam es dann in der Badewanne zum Hineingleiten des in Folge fehlender Geburtsleitung wahrscheinlich schon mehr oder weniger stark deprimierten Neugeborenen unter Wasser. In weiterer Folge traten beim Kind typische pathophysiologische Ertrinkungsphänomene auf, wobei die Hypoxie im Vordergrund stand. Es war davon auszugehen, dass ein etwa 20- bis 25-minütiger, dramatischer Sauerstoffmangel bestanden hatte. Ohne Zweifel führte dieser zu der irreversiblen Hirnschädigung. Sowohl die Kindesmutter als auch ihr Lebensgefährte waren fatalerweise der Meinung, ein Neugeborenes würde von selbst vom Badewannengrund auftauchen. Offensichtlich wurde die in der Geburtsvorbereitung vermittelte Information völlig falsch verstanden bzw. missinterpretiert. Die eingeleiteten Rettungsmaßnahmen der Hebamme, im Notarztwagen und des Notfalldienstes der Kinderklinik haben dem Kind zwar das Leben gerettet, die Hirnschädigung jedoch nicht mehr verhindern können. Die Frage des Gerichtes, ob aus medizinischer Sicht die Notwendigkeit für ein früheres Eingreifen durch die Hebamme sowie deren Erkennbarkeit für dieses bestanden hatten, wurde eindeutig bejaht. Es wurde ausgeführt, dass eine Hebamme bei einer Hausgeburt anwesend sein muss, da die Hausgeburt per se bereits eine Risikoerhöhung darstellt. Auch die Erkennbarkeit der Notwendigkeit für ein früheres Eingreifen durch die Hebamme hat im vorliegenden Fall eindeutig bestanden. Jede Hebamme muss wissen, dass die Eröffnungsperiode bei einer Zweitgebärenden rasch voranschreiten kann, weswegen es absolut unvertretbar ist, die Schwangere in diesem Zustand ohne Aufsicht in die Badewanne zu legen. Dieses wird seit Jahrzehnten in der modernen Geburtshilfe und der Perinatologie so gehandhabt und von Ärzten und Hebammen weltweit praktiziert. Auch die Frage, ob das sofortige „Aus-dem-Wasser-nehmen“ und Abnabeln oder andere Maßnahmen durch die Eltern eine Gesundheitsschädigung des Kindes verhindert hätte, war eindeutig zu bejahen. Der Zustand des Kindes unmittelbar nach der Geburt war zwar nur grob abschätzbar, nach übereinstimmenden Zeugenaussagen dürfte das Kind sich jedoch bewegt und am Daumen gelutscht haben. Daher war es wahrscheinlich, dass die schwere Sauerstoffmangelschädigung erst durch das BeinaheErtrinken in der Badewanne zustande kam. Ob die Eltern allerdings in der Lage gewesen wären, das Kind abzunabeln, blieb dahingestellt. Eine Mund-zu-Mund-Beatmung des Neugeborenen wäre allerdings auch für einen Laien zumutbar gewesen.
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1.1.2.3 Verfahrensausgang Die Eltern konnten in dem Strafverfahren glaubhaft machen, dass sie im guten Glauben gehandelt hätten. Der Hebamme konnte nicht nachgewiesen werden, dass sie sich eines fahrlässigen Verhaltens bewusst sein musste. Der ehemalige Leiter der Hebammenschule und Ausbilder der Hebamme sagte als Zeuge aus, dass „die Hebammen bei 5-Minuten-Wehen noch einige Stunden Zeit hätten, um zur Patientin zu gelangen“. Dies steht allerdings in Widerspruch zum Lehrbuchwissen zum Thema Geburtshilfe. Die Mutter und ihr Lebensgefährte wurden schließlich von dem Vorwurf gemäß § 92/2 StGB (Quälen oder Vernachlässigen unmündiger jüngerer oder wehrloser Personen) freigesprochen. Die Hebamme wurde vom Vorwurf nach § 88 StGB (fahrlässige Körperverletzung) freigesprochen, da der Strafantrag von der Staatsanwaltschaft gemäß § 227 und § 447 StPO zurückgezogen wurde. Eine Zivilklage des minderjährigen Mädchens gegen die Hebamme wegen € 109.729,− und Feststellung (€ 7.315,−) wurde abgewiesen. Interessanterweise war das Gericht der Meinung, dass die Rechtssache ohne Beweisaufnahme, nur aufgrund des Vorbringens der klagenden Partei, entschieden werden konnte. Selbst wenn sich das Vorbringen der Klägerin als richtig erweisen sollte und auch tatsächlich der Beklagten der Vorwurf gemacht werden könnte, sich zu spät zur Mutter der Klägerin begeben zu haben, sei eine Haftung der Beklagten für den eingetretenen Erfolg, nämlich die sehr schweren körperlichen und geistigen Beeinträchtigungen der Klägerin, zu verneinen. Eine Hebamme ist laut den gesetzlichen Bestimmungen im Hebammengesetz (BGBI 3/1964 bzw. BGBI 310/1994) dazu da, durch fachkundige Hilfe das Risiko für Mutter und Kind, Schäden davonzutragen, möglichst gering zu halten. Diese Aufgabe der Gefahrenverringerung kann sich jedoch nur auf solche Gefahren beziehen, mit denen nach menschlichem Ermessen im Zusammenhang mit Geburten aufgrund der Erfahrungen des Hebammenstandes – und nicht nur der konkreten Hebamme – gerechnet werden kann. Dazu zähle aber nicht das Risiko, dass Eltern, unter Außerachtlassung von vitalen (Säugetier-)Instinkten, ihr Neugeborenes 20 Minuten unter Wasser belassen, ohne ihm beizustehen. Auch wenn man berücksichtigt, dass der Gesetzgeber Frauen im Zusammenhang mit der Geburt eine verringerte Dispositionsfähigkeit zubilligt (§ 79 StGB), bleibt dennoch der Vorwurf der Mutter gegenüber bestehen, dass sie ihrer Aufsichtspflicht gegenüber dem Neugeborenen nicht nachgekommen ist (§ 82 Abs. 2 StGB). Dem anwesenden außerehelichen Kindesvater, der nach § 166 ABGB keine Obsorgepflichten und daher auch keine Garantenstellung hat, ist vorzuwerfen, dass er es entgegen der Bestimmung des § 95 StGB (Unterlassung der Hilfeleistung) unterlassen hat, der Klägerin die erforderliche Hilfe zu leisten, nämlich das Kind aus dem Wasser zu heben. Das Hebammengesetz hat nicht zum Ziel, derartig schwerwiegende Verstöße gegen andere Schutzgesetze durch Kindesmutter und Kindesvater zu verhindern. Die Klägerin hat nicht vorgebracht, dass für die Hebamme Anzeichen dafür bestanden hätten, dass die Kindeseltern nicht in der Lage oder Willens waren, eine so einfache Maßnahme, wie das Herausnehmens aus dem Wasser nach der Geburt, zu ergreifen. Weil das Verhalten der Eltern der Klägerin nicht im entferntesten vorhersehbar war, kann der Beklagten auch nicht vorgeworfen werden, dass sie eine entsprechende Belehrung unterließ.
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1.1.2.4 Resümee Dieser Fall einer schweren Sauerstoffmangel-Hirnschädigung durch Beinahe-Ertrinken bei einer Unterwassergeburt wurde Anfang der 90er Jahre in den Medien breit diskutiert. Zum gleichen Zeitpunkt starb auch in Frankreich ein Kind während einer Unterwassergeburt, und kurz danach kam es in Deutschland zu einem schweren Zwischenfall während einer Unterwassergeburt in einem Krankenhaus, bei dem sowohl bei der Mutter als auch beim Kind schwere zerebrale Schäden aufgrund einer 4-minütigen Hypoxie entstanden waren. Mittlerweile hat sich das Wissen über die Gefahren bei Unterwassergeburten vergrößert, und die Bedingungen für die Verwendung der Badewanne sind in der Geburtshilfe besser definiert.
Literatur Berg D, Süss J. Die erhöhte Mortalität in der Hausgeburtshilfe. Geburtsh. u. Frauenheilk. 1994; 54: 131–8. Dudenhausen JW. Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Perinatale Medizin – Unterwassergeburt. Mitt. der Dtsch. Ges. für Gyn. u. Geb. Frauenarzt. 1993; 34: 9. Eberhard J, Eldering G, Fasnacht B. Wassergeburt – eine sträfliche Modetorheit? – Erwiderung zur Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Perinatale Medizin. Perinatalmedizin. 1993; 5: 31–32. Eldering G, Geissbühler V. Wassergeburt. Die Geburtshilfe. 2011: 713–22. Gerstner GJ, Lischka A. Schwerste kindliche Hirnschädigung durch Beinahe-Ertrinken bei Unterwasser-Hausgeburt. Gynäkol. Geburtsh. Rundsch. 1994; 34, Suppl 1: 201. Gerstner GJ, Tammaa A. Unterwassergeburt: Fortschrittliche oder fahrlässige Geburtshilfe? Österr. Ärztezeitung. 1996; 5: 33–36. Odent M. Birth under water. Lancet. 1983; 2: 1476–1477. Prinz W. Alternative Geburtshilfe: Sanfte Geburt – Hausgeburt – Unterwassergeburt. Perinatalmedizin. 1993; 5: 20–29. Rosenthal M. Waterbirth, an American experience. Waterbanks information book. San Francisco, 1988. Scheller M, Terinde R. Ein Unglücksfall im Kreißsaal – Aufsichtspflicht der Hebamme bei Entspannungsbädern vor der Geburt. Z. Geburtsh. u. Perinat. 1994; 198: 104–105. Seaward PGR, Sonnendecker EWW. Natural childbirth – the Johannesburg Hospital experience 1983–1989. S. Afr. Med. J. 1990; 78: 677–680. Walker JJ. Birth under water: sink or swim. Brit. J. Obstet. Gynaecol. 1994; 101: 467–468. World Medical Association. Humanexperimentation Code of Ethics of the World Medical Association Declaration of Helsinki. Brit. Med. J. 1964; 2: 177–81. Zimmermann R, Huch A, Huch R. Wassergeburt – wie sicher ist sie? Die Hebamme. 1993; 6: 71–75.
1.1.3 Mütterliche Uterusvarizenblutung mit fatalen Folgen für den Fetus Mütterlicher Schockzustand Bei mütterlichem Blutungsschock oder auch bei anderen Schockzuständen kommt es mit hoher Regelmäßigkeit zur intrauterinen Hypoxie (Sauerstoffmangel), deren Schwere und Progredienz parallel zur Schwere des mütterlichen Krankheitsbildes verläuft. Pathogenetisch handelt es sich um eine plazentare Hypoperfusion (Mangeldurchblu-
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tung des Mutterkuchens) infolge mangelnder vis a tergo, wobei die sogenannte „closing pressure“, also der vollständige Perfusionsstopp, nach Assali bei einem systolischen Blutdruck von 40 mmHg liegt (Käser et al., 1981). Der geburtshilfliche Schock ist durch ein Kreislaufversagen gekennzeichnet, an dem drei wesentliche Faktoren in wechselndem Ausmaß ursächlich beteiligt sind: 1. Die Reduktion des zirkulierenden Blutvolumens, 2. die Verminderung der Herzleistung und 3. ein peripheres Kreislaufversagen. Dabei kommt es zu einer Diskrepanz zwischen den Stoffwechselbedürfnissen des Organismus und den Transportmöglichkeiten des Blutstroms. Die entstehende Sauerstoffschuld und die Anhäufung von Stoffwechselschlacken führen zu anfänglich reversiblen, später schließlich irreversiblen Zellschädigungen. Es muss deshalb beim Schockgeschehen immer auch an die Störungen des Metabolismus gedacht werden. Ziel der Soforttherapie ist die Behebung des Kreislaufversagens durch eine Kombination von Maßnahmen. Einteilung des geburtshilflichen Schocks: ● ● ● ●
Hypovolämischer Schock, Blutverlust (Blutungsschock), Verlust von Plasma, Wasser und Elektrolyten (Ileuserbrechen), kardiogener Schock: Fruchtwasserembolie, Lungenembolie (Luft- oder Fettembolie), Herzinfarkt, ● septisch-toxischer Schock: bakterieller oder Endotoxinschock (Amnioninfektionssyndrom), ● anaphylaktischer Schock: allergische Zwischenfälle, ● neurogener Schock: medikamentöse Intoxikation. Aus der Literatur geht hervor, dass Blutungen in einem nicht ausgewählten Patientengut in 85 % der geburtshilflichen Zwischenfälle am Schockgeschehen beteiligt waren (Käser et al., 1981). Die blutungsbedingten Komplikationen gehören zu den häufigsten Notfallsituationen und verursachen etwa ein Drittel aller geburtshilflichen Todesfälle. Fehlender, ungenügender oder zu später Volumenersatz ist wahrscheinlich für die meisten geburtshilflichen Todesfälle verantwortlich. Eine Varizenblutung, wie im vorliegenden Fall, ist an sich ein seltenes Ereignis. Normalerweise ist die Blutungsquelle eines größeren Blutverlustes unter der Geburt meist eindeutig und lässt sich in der Regel rasch feststellen. Dies gilt vor allem für die Plazentaanomalien und die Zerreißung der Gebärmutter. Begünstigend für den Blutungsschock wirken: ● ● ● ● ● ●
blutdrucksenkende Medikamente, Leitungsanästhesien und Narkosen, Diuretika und lang anhaltende salzfreie Diät, schwere Präeklampsien, Schwangerschaftsanämien, vorbestehende Hypotensionen.
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Als typische Krankheitszeichen gelten: ● eine periphere Vasokonstriktion (Zusammenziehen der peripheren Blutgefäße; bei einem Blutverlust von 10 bis 25 %), ● eine geringe Tachykardie (erhöhter Puls), ● ein normaler oder geringgradig erniedrigter Blutdruck. Bei Blutverlusten von 25 bis 35 % sind ein erhöhter Puls von 100 bis 120 pro Minute, verminderte Blutdruckamplitude, systolische Blutdruckwerte zwischen 90 und 60 mmHg, Unruhe, Blässe, Schweiß und eine Oligurie zu erwarten. Bei Verlusten von 35 bis 50 % des zirkulierenden Blutvolumens ist eine Tachykardie von über 120 pro Minute, ein systolischer Blutdruck unter 60 mmHg, getrübtes Bewusstsein, Blässe, extrem kalte Extremitäten und Oligurie die Regel. Die Behandlung des Blutungsschocks besteht in der operativen Stillung der Blutung und eine ausreichende Volumensubstitution. Als Faustregel gilt, dass ein Blutverlust von 10 % der zirkulierenden Blutmenge, etwa 500 bis 600 ml, zur Zentralisation (latenter Schock) und Verluste von 30 bis 40 % zum manifesten Schock führen. Der Blutverlust wird häufig unterschätzt. Manche Blutverluste sind nicht messbar, wenn sie in Hämatomen angesammelt sind. Therapeutisch steht an erster Stelle die Volumensubstitution. Bei Blutverlusten von über 30 % des Blutvolumens erfolgt diese durch Frischblut.
Sauerstoffmangel unter der Geburt und kindlicher Hirnschaden. Die Zusammenhänge zwischen Sauerstoffmangel unter der Geburt und kindlichem Hirnschaden sind heute klar definiert (ACOG-Kriterien). Nur schwere und anhaltende Asphyxien führen zu einer Hirnschädigung. Ein erhöhtes Risiko einer durch Sauerstoffmangel bedingten Hirnschädigung liegt vor bei: ● einer schweren metabolischen Azidose (pH-Wert < 7,0), ● über fünf Minuten persistierendem erniedrigten Apgar-Wert < 5, ● neurologischen Symptomen (Krämpfen, Koma, Hypotonie in der Neugeborenenphase) und ● Multiorganschäden an Herz-Kreislauf, Magen-Darm-Trakt, Niere und Lunge. Die Mehrzahl der asphyktischen Kinder, die Hirnschäden entwickeln, sind in den ersten Lebenstagen neurologisch auffällig und entwickeln folgende Merkmale (nach Schneider und Beller, 1995): ● Krämpfe, ● Bewusstseinsstörungen, ● Hyperaktivität, Lethargie (bis hin zum Stupor), ● Tonus- und Haltungsanomalien, ● Reflexstörungen, ● auffällige Atmung. Die Zusammenhänge zwischen Geburtsasphyxie und kindlichen Hirnschäden gingen im Wesentlichen auf die grundlegenden Arbeiten von Nelson (1977, 1979 und 1981) zurück.
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Uterus/Gefäße Hypertension Oligo-/Polyhydramnie uterine Tetanie Amnioninfektion
Plazenta Übertragung Pl.-Insuffizienz Pl. praevia vorzeitige Lösung feto-fetale Transfusion
Nabelschnur Prolaps Kompression Umschlingung Knoten
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Mutter Hypoxie Präeklampsie Herzinsuffizienz Schock Diabetes mellitus Rauchen Medikamente (Opiate)
Fetus Hämolyse Anämie Hydrops parox. Tachykardie Herzinsuffizienz Schock sept. Infektion Makrosomie Lageanomalie
Abb. 1.7: Fetale Blutversorgung und pränatale (zirkulatorische) Ursachen der Asphyxie (aus Dudenhausen, Joachim W.: Praktische Geburtshilfe. 21., erweiterte Aufl. Berlin, Boston: De Gruyter 2011).
Wenn man den Apgar-Wert von 0 bis 3 als Parameter des kindlichen Zustandes heranzieht, so muss man davon ausgehen, dass nach 5-minütiger Dauer neuromotorische Störungen in 4,7 % der Fälle, bei einer Mortalität von bereits 15,5 %, anzunehmen sind. Nach 20 Minuten finden sich neuromotorische Störungen in 57,1 % der Fälle, bei einer Mortalität von 59 %. Das Risiko für einen durch Sauerstoffmangel bedingten Hirnschaden unter der Geburt hängt also vor allem davon ab, wie lange ein Sauerstoffmangel sub partu besteht. Nach Brann (1986) kommt bei 5-minütigem Sauerstoffmangel eine Cerebralparese (Hirnlähmung) nur in 1 %, nach 15 Minuten in 10 % und nach 20 Minuten in 50 % der Fälle vor. Daher ist es für die Vermeidung von Hirnschäden entscheidend, den Sauerstoffmangel frühzeitig zu erkennen, damit das Kind unter Einbeziehung der Zeit für die nachfolgende Entbindung nur kurz in dieser Gefahrensituation verbleibt. Dies gilt natürlich
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ZNS Unreife zerebrale Schädigung Opiateinwirkung
Atemwege Glossoptose Choanalatresie Larynxzysten, -hämangiome, -membran Trachealstenose Tracheomalazie
Lungenhypoplasie Zwerchfellhernie Potter-Syndrom Oligohydramnie-Sequenz
Pleura Pneumothorax Pleuraerguss Perikard Pneumoperikard Erguss/Blutung
Lungenerkrankung Surfactantmangel/ Atemnotsyndrom konnatale Pneumonie Flüssigkeitslunge Mekoniumaspiration Malformation
Schock hämorrhagisch kardiogen (Vitium) septisch (B-Strep.)
Abb. 1.8: Atemwege des Neugeborenen und postnatale (respiratorische) Ursachen der Asphyxie (aus Dudenhausen, Joachim W.: Praktische Geburtshilfe. 21., erweiterte Aufl. Berlin, Boston: De Gruyter 2011). Bein reifes Kind mit Asphyxie
unreifes Kind mit PlazentaInsuffizienz
ATPVerlust
druckpassive Zirkulation
Hypoxie
Ischämie
Calcium-Einstrom, Glutamat-Freisetzung Rezirkulation, verminderte Antioxidantien
Rumpf Arm
Mund
intrazelluläre Anhäufung von freien Radikalen, Phospholipasen, Proteasen, Endonukleasen Einwanderung von Leukozyten und Freisetzung v. Entzündungs-Mediatoren Aktivierung und Untergang der Oligodendroglia
Zelltod durch Apoptose und Nekrose
diffuse Läsion
fokale Läsion
Reduktion von Basalganglien u. weißer Substanz
Infarkte, Zysten der periventrikul. weißen Substanz
Abb. 1.9: Pathogenese der hypoxisch-ischämischen Hirnschädigung und typische Lokalisation der zystischen periventrikulären Leukomalazie (aus Dudenhausen, Joachim W.: Praktische Geburtshilfe. 21., erweiterte Aufl. Berlin, Boston: De Gruyter 2011).
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nur für die moderne Geburtshilfe im Kreißsaal, mit einer Überwachung des Kindes durch Kardiotokographie, was leider in diesem schicksalhaften Fall nicht möglich war (s. Abb. 1.7 bis 1.9).
1.1.3.1 Sachverhalt / Kasuistik Die im Jahr 1994 31-jährige Schwangere erwartete ihr drittes Kind. Anamnestisch hatte sie bereits 1983 und 1986 jeweils ein Mädchen geboren und eine Fehlgeburt erlitten. Der errechnete Geburtstermin war der 18. 04. 1994. Im ersten Trimenon bestanden leichte Blutungen, und vom niedergelassenen Facharzt wurde wegen Cervix-Insuffizienz ein Stützpessar gelegt (SSW 17). Wegen leichten Wehen ab SSW 30 wurde der Schwangeren körperliche Schonung verordnet. Am 07. 03. 1994 (SSW 34), gegen 10.40 Uhr, kollabierte die Schwangere im Lift ihres Wohnhauses. Bereits früh morgens hätte sie ein Brennen im Bauchraum bemerkt, welches sich im Laufe des Morgens weiter verstärkte. Zusätzlich zu den starken Bauchschmerzen verspürte die Schwangere zudem eine starke Übelkeit. Zwei Hausbewohner fanden die kollabierte Frau und legten sie in ihre Wohnung ins Bett. Die Frau hatte rasende Bauchschmerzen und war bewegungsunfähig. Der verständigte Hausarzt traf gegen 11.00 Uhr in der Wohnung ein. Nach seiner Untersuchung, die er aufgrund von sich verstärkenden Schmerzen abbrechen musste, ordnete er einen Transport mit dem Rettungswagen in die Gebärklinik des Landeskrankenhauses Graz an. Während des Transportes kam es zu einer dramatischen Verschlechterung des Kreislaufzustandes der Schwangeren. Über Funk wurde der behandelnde Frauenarzt der Klinik verständigt. Bei der Ankunft um 12.13 Uhr fand der bereits wartende Gynäkologe eine schwer schockierte, kaltschweißige Patientin vor: Der Puls war kaum tastbar, ihre Nägel waren verfärbt, der Blutdruck betrug 50 mmHg (systolisch). Eine vaginale Blutung war nicht erkennbar. Eine Sonographie ergab eine anhaltende fetale Bradykardie von 30 spm. Aufgrund des zunehmenden Verfalls der Patientin um 12.14 Uhr, wurde sie in den Kreißsaal-Operationssaal verlegt und das Abdomen per Pfannenstiel-Laparotomie eröffnet. Dabei fand sich im Bauch der Schwangeren sehr viel Blut sowie Koagel. Um 12.25 Uhr wurde ein schlaffes, weiß asphyktisches, weibliches, klinisch totes Neugeborenes aus Schädellage entwickelt. Der Gesundheitszustand der Mutter war zu diesem Zeitpunkt derartig dramatisch, dass bei einer nicht sofort erfolgenden Feststellung der Blutungsquelle mit einem tödlichen Ausgang gerechnet werden musste. Der Operateur fand schließlich an der Hinterwand der Gebärmutter, im Bereich des Sacrouterinligamentes, eine walnussgroße Varize, aus deren Oberfläche es blutete. Die beiden operierenden Oberärzte zogen einen dritten Oberarzt hinzu, der den Befund verifizierte und den Varixknoten mehrfach umstoch, sodass Blutungsfreiheit herrschte. Der postoperative Verlauf wurde noch durch eine Lungenentzündung verkompliziert. Nach elf Tagen konnte die Patientin jedoch wieder in häusliche Pflege entlassen werden. Das neugeborene Mädchen wog bei der Geburt 2.466 g und war 47 cm groß. Der Apgar-Wert nach einer Minute betrug 1, nach fünf Minuten 7, der Nabelarterien-pHWert 6,61. Das Neugeborene befand sich in äußerst schlechtem Zustand, wies einen sehr langsamen Herzschlag sowie eine starke Azidose (Übersäuerung) auf. Es wurde in die Abteilung für Neonatologie der Universitäts-Kinderklinik verlegt, wo eine schwers-
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te hypoxisch-ischämische Encephalopathie (2. Grades), also ein schwerster Hirnschaden bedingt durch Sauerstoffmangel, diagnostiziert wurde. In weiterer Folge kam es zu einem Absterben von weißen Hirnzellen (postasphyktische Leukencephalopathie) in beiden Gehirnhemisphären und Stammganglienregionen sowie in beiden Thalamusgebieten. Im Ultraschall zeigten sich ausgedehnte Zysten in beiden Hemisphären von bis zu 1,5 cm Durchmesser. Das Kind blieb sechs Wochen in der Universitäts-Kinderklinik und konnte dann nach genauer Unterweisung der Mutter in häusliche Pflege entlassen werden. Es wurde eine Physiotherapie eingeleitet sowie Kontrolltermine in der entwicklungsdiagnostischen Ambulanz vereinbart. Es kam zu einem Strafverfahren gegen den praktischen Arzt wegen § 88 Abs. 1 und 4 StGB (Fahrlässige Körperverletzung unter besonders gefährlichen Umständen).
1.1.3.2 Beurteilung / Gutachten Im vorliegenden Fall trafen folgende Diagnosekriterien, die einen Zusammenhang zwischen Sauerstoffmangel unter der Geburt und kindlichem Hirnschaden definieren, zu: ● Schwerste Azidose von pH-Wert 6,61, ● persistierend niedriger Apgar-Wert (nach fünf Minuten 7), ● neurologische Symptome in der Neugeborenenperiode vorhanden (Krampfanfälle, Klonismen), ● Multiorganschäden. Ohne Zweifel handelte es sich daher um einen schwersten kindlichen Hirnschaden bedingt durch Sauerstoffmangel in SSW 34. Der Grund für den Sauerstoffmangel lag im mütterlichen Schockzustand, bedingt durch die Blutung aus einer geplatzten Varize des Sacrouterinligamentes der Gebärmutter. Laut Auskunft des behandelnden und operierenden Geburtshelfers hätte es sich um eine chronische Blutung gehandelt, wobei er annahm, dass diese an dem betreffenden Tag schon vor 10.40 Uhr eingesetzt hätte. Zweifelsohne handelte es sich bei der Patientin um einen schweren Blutungsschock. Eine Varizenblutung ist allerdings ein sehr seltenes Ereignis. Wendet man das Lehrbuchwissen auf den vorliegenden Fall an, so kann festgestellt werden, dass die Patientin offensichtlich alle Stadien des Schockgeschehens durchlief. Möglicherweise bestand ein latenter Schockzustand schon vor dem Morgen des 07. 03. 1994. Manifest wurde der Schock zweifelsohne im Rettungswagen. Da der Blutdruck zum Zeitpunkt der Ankunft im Landeskrankenhaus systolisch 50 mmHg betrug, war davon auszugehen, dass die Sauerstoffversorgung des Kindes bereits über einen längeren Zeitraum äußerst schlecht war. Aufgrund fehlender Aufzeichnungen über Puls- und Blutdruckwerte im Rettungswagen, war es unmöglich zu sagen, wie lange bei dem Kind eine Sauerstoffsättigung von fast 0 vorgelegen hatte. Fest steht, dass die kindliche Sauerstoffsättigung bei einer Frequenz von 30 spm praktisch 0 ist. Zusammenfassend wurde gutachtlich festgehalten, dass es sich bei der Varizenblutung der Patientin um ein schicksalshaftes Elementarereignis gehandelt hat. Die Hirnschädigung des Kindes war die Folge des Sauerstoffmangels, der durch den mütterlichen Kreislaufzusammenbruch bedingt war. Dem praktischen Arzt wurde seitens der Patientin und ihres Ehemannes in einem Schreiben an die Beschwerdestelle der Ärztekammer vorgeworfen, dass er den Gesundheitszustand der Frau nicht näher überprüft hatte. So hätte er den Blutdruck der
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kollabierten Patientin nicht gemessen und die Wohnung vor Eintreffen des Rettungswagens verlassen. Erst durch die Anweisung der Familie wäre es zu einem dringenden Blaulichttransport gekommen. Trotzdem wurde das Landeskrankenhaus erst um 12.14 Uhr erreicht. Die Familie lastete dem praktischen Arzt folgendes Fehlverhalten an: „Es scheint durchaus verständlich, dass die innere Blutung nicht sofort erkennbar war, aber der Zustand der Patientin ließ absolut ein akutes Problem erkennen. Jeder Patient hat das Recht auf eine genaue und sorgfältige Untersuchung, besonders eine werdende Mutter während eines Notfalls. Es dürfte durchaus zum Aufgabengebiet eines praktischen Arztes zählen, den Blutdruck zu überprüfen und Beistand bis zum Eintreffen eines Rettungsdienstes zu leisten. Aufgrund der Vorgeschichte wäre es die Pflicht des Arztes gewesen, so rasch wie möglich den Transport in die nächste Fachklinik zu veranlassen.“ Darunter verstand der Ehemann einen dringenden Rettungstransport und die Verständigung der Klinik, wobei die Anforderung eines Notarztes bzw. der Einsatz eines Notarzthubschraubers angezeigt gewesen wäre. Ein Transport vom Wohnort der Familie bis zum Landeskrankenhaus hätte – realistisch und wenig großzügig gemessen- nur 45 Minuten dauern dürfen (ab Eintreffen eines Arztes) Durch das Fehlverhalten des Hausarztes hätte der Transport allerdings 75 Minuten gedauert. „Dem Kind hätten vielleicht fünf Minuten von dieser verlorenen Zeit genügt, um ein normales gesundes Leben führen zu können.“ Der Vater forderte für sein Kind eine finanzielle Unterstützung, damit es die bestmögliche Versorgung und Betreuung erhalten könne. Das Schreiben schloss dahin gehend, dass die Familie für die Rechte ihrer Tochter kämpfen werde und die Ärztekammer ersucht wurde, Möglichkeiten eines Schadenersatzanspruches bekannt zu geben. Beantwortung des Fragenkatalogs 1. Welcher Art war die Schädigung des Kindes (Grad und Ursache)? Das minderjährige Kind litt an einer schweren, durch Sauerstoffmangel bedingten Hirnschädigung, in deren Folge Zysten im Hirn aufgetreten waren. Diese sind typisch, ebenso wie das neurologische Zustandsbild. Ursächlich für den schweren Sauerstoffmangelzustand war ein schwerer Schockzustand der Mutter, bedingt durch die Varizenblutung der Gebärmutter. Um den aktuellen Zustand des Kindes festzustellen, wurde die Einholung eines neonatologischen Sachverständigengutachtens empfohlen. 2. Hat eine vorwerfbare, schuldhafte ärztliche Fehlleistung des beschuldigten praktischen Arztes zur Schädigung des Kindes geführt, und ist bejahendenfalls das Verschulden als ungewöhnlich und auffallend zu beurteilen (§ 88 Abs. 4 StGB)? Es konnte kein Zweifel darüber bestehen, dass der Kausalzusammenhang der kindlichen Schädigung in der schicksalshaften Varizenblutung aus der Gebärmutter der Patientin zu suchen war und nicht etwa in einer iatrogenen Schädigung durch ein ärztliches Fehlverhalten. Nach den Angaben des behandelnden Geburtshelfers hatte es sich um eine chronische Blutung gehandelt, deren Beginn unbekannt war. Keinesfalls hatte eine vorwerfbare, schuldhafte ärztliche Fehlleistung des beschuldigten praktischen Arztes zur Schädigung des Kindes per se ge-
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führt. Daher war das Verschulden auch nicht als ungewöhnlich und auffallend zu beurteilen. Zu diskutieren war höchstens, ob der praktische Arzt in der gegebenen Situation etwas hätte besser machen können und ob sich dies dann in einem besseren Ergebnis, d. h. einer geringeren Schädigung des Kindes, ausgewirkt hätte. 3. Hätte der praktische Arzt, bei Aufwendung der ihm als Arzt gebotenen Sorgfalt, bei der am 07. 03. 1994 gegen 11.00 Uhr bei der Patientin in deren Wohnung durchgeführten Untersuchung die Schwere des gegenständlichen Schwangerschaftszwischenfalles erkennen müssen? Hätte er Sofortmaßnahmen vor Ort setzen bzw. einen, eine erheblich geringere Zeitspanne in Anspruch nehmenden, Hubschraubertransport in die Universitätsfrauenklinik des Landeskrankenhauses Graz oder gar einen Transport in das jedoch über keine Frauenstation verfügende Bezirkskrankenhaus anordnen müssen? Fest stand lediglich, dass der praktische Arzt einen relativ schonenden Krankentransport mittels Krankenwagen veranlasst hatte. Die Schwere des gegenständlichen Zwischenfalls der Schwangerschaft konnte vom praktischen Arzt vor Ort sicherlich nicht erkannt werden. Ein manifester Kreislaufschock hingegen hätte erkannt werden müssen. 4. Wäre durch einen rascheren Transport, und somit einer früheren Notfallsectio, das Risiko der aufgetretenen Schädigung des Kindes verringert worden? Ein wesentlichster Faktoren für das Entstehen einer Hirnschädigung ist die Zeitdauer des bestehenden Sauerstoffmangels. Daher wäre durch einen rascheren Transport bzw. einer früheren Notfallsectio das Risiko der aufgetretenen Schädigung des Kindes verringert worden. 5. Es war auf den bezughabenden Antrag des öffentlichen Anklägers sowie auf das vorgelegte Privatgutachten des Ordinarius für Gerichtsmedizin einzugehen. Zu dem Privatgutachten des Ordinarius wurde ausgeführt, dass diesem zum Zeitpunkt des Verfassens die Krankenunterlagen der geburtshilflich-gynäkologischen Universitätsklinik nicht vorgelegen hatten. Richtigerweise warf der Ordinarius die Frage auf, ob der gewählte Transportweg der richtige war. Es wurde gutachtlich ausgeführt, dass dies im gegenständlichen Fall die Kernfrage überhaupt sei. Naturgemäß waren dem Sachverständigen die lokalen Verhältnisse unbekannt. Häufig ist es jedoch so, dass bei Distanzen von nur 30 km, ein Rettungswagen genauso schnell am Ziel ist wie ein Hubschrauber. Auch die Klärung dieser Frage musste letztlich einer Hauptverhandlung vorbehalten bleiben. Der Ordinarius kam in seinem Gutachten zu dem Schluss, dass nach Angaben des untersuchenden praktischen Arztes keine Schocksymptomatik bestanden hätte und demnach auch keine persönliche Anwesenheit bis zum Eintreffen des Rettungswagens oder gar die Mitfahrt des Arztes notwendig gewesen wäre. Er bewertete den gesamten Verlauf als schicksalshaft. Hierzu wurde gutachtlich ausgeführt, dass es möglicherweise so gewesen sein kann, dass sich die Patientin zum Zeitpunkt der Untersuchung durch den praktischen Arzt in einem latenten Schockzustand befand, der sich später, während des Rettungstransportes, verstärkte und in einen manifesten Kreislaufschock umwandelte.
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1.1.3.3 Verfahrensausgang Der Beschuldigte wurde nach Durchführung eines aufwändigen Beweisverfahrens in der Hauptverhandlung von dem im Strafantrag gestellten Vorwurf der schweren fahrlässigen Körperverletzung gemäß § 88 Abs. 1 u. 4 StGB an dem minderjährigen Mädchen gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen. Die privat beteiligte Mutter wurde gemäß § 366 Abs. 1 StPO mit ihren Ersatzansprüchen auf den Zivilrechtsweg verwiesen. Aus dem Urteil Der Beschuldigte hatte im Antrag auf Anstaltspflege folgende Diagnose vermerkt: „Kollaps, massive Schmerzen im Unterbauch, SSW 34 (peritoneale Reizung?) und Wehen?“. Dass die Ursache der peritonealen Reizung in einer Varizenblutung im Bereich der Uterushinterwand lag, war vor Ort nicht erkennbar und konnte letztlich erst im Zuge der Notfallsectio im Landeskrankenhaus geklärt werden. Ebenso wenig waren dem Beschuldigten weitere Untersuchungen vor Ort möglich, insbesondere eine aktuelle Beurteilung des Gesundheitszustandes des ungeborenen Kindes, da der Beschuldigte vor Ort nicht über die hierfür erforderlichen Instrumente (z. B. Pinard’sches Hörrohr) verfügte und derartige Geräte auch üblicherweise von praktischen Ärzten nicht mitgeführt werden. Der Arzt verließ mangels Anhaltspunkten für einen manifesten Kreislaufschock der Patientin (und aufgrund der eingeschränkten Behandlungsmöglichkeiten) vor dem Eintreffen des Rettungswagen die Wohnung. Im Zuge der Fahrt verschlechterte sich der Gesundheitszustand der Patientin wesentlich, und der Fahrer kontaktierte die Einsatzzentrale, um den behandelnden Oberarzt an der Gebärklinik vor deren Eintreffen früh zu informieren. Es wurde auch die Verständigung eines Notarztes oder eines Hubschraubers angeboten, wovon die Familie jedoch keinen Gebrauch machen wollte. Gegen 11.59 Uhr traf der Rettungswagen letztlich vor der geburtshilflich-gynäkologischen Universitätsklinik ein. Eine Verkürzung der Fahrzeit des Rettungswagen durch eine schnellere Fahrgeschwindigkeit war nicht möglich da die Patientin bei den damit verbundenen stärkeren Erschütterungen stets über Schmerzen klagte. Ebenso war eine Verkürzung der Transportdauer durch die Anforderung eines Rettungshubschraubers nicht möglich, da hierfür zwischen Verständigung des Hubschraubers und Eintreffen des Patienten an der Gynäkologie eine die tatsächliche Transportzeit erheblich überschreitende Transportdauer von 54 Minuten erforderlich gewesen wäre. Darüber hinaus ist aber auch eine zweckmäßige Behandlung der Patientin, insbesondere aber auch eine Geburt, aufgrund der engen räumlichen Verhältnisse im Hubschrauber im Gegensatz zum Rettungswagen nicht möglich. Aufgrund der chronischen, d. h. bereits früher als um 10.40 Uhr des 07. 03. 1994 begonnenen, Blutung, ist es zu einem Blutungsschock und zu einer länger dauernden, dem Beginn nach retrograd nicht mehr mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit einzugrenzenden Sauerstoffunterversorgung des Kindes gekommen. Als Folge dieser Sauerstoffunterversorgung kam es zu einer schwersten Hirnschädigung des Kindes (hypoxisch-ischämisches Encephalopathie II). Weiter kam es zu einem Absterben von weißen Hirnzellen (postasphyktische Leukencepalopathie) in beiden Gehirnhemisphären und Stammganglienregionen sowie in beiden Thalamusgebieten. Es sind zehn Verzystungen (bis zu 1,5 cm im Durchmesser) eingetreten. Zu welchem Zeitpunkt die dargestell-
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te Hirnschädigung des Kindes eingetreten war und ob eine Sauerstoffunterversorgung über einen Zeitraum von etwa zehn Minuten weniger zu einer Änderung ihres Zustandsbildes geführt hätte, ließ sich medizinisch nicht (mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit) feststellen. Die gegenständliche, als Ursache der schweren Schädigung des Kindes anzusehende Varizenblutung stellt ein außergewöhnliches Ereignis dar. Sie war für den Beschuldigten vor Ort nicht erkennbar. So war diesem lediglich eine Einweisung in das nächstgelegene Krankenhaus mit Gebärabteilung möglich. Auch war eine Beurteilung des Gesundheitszustandes des ungeborenen Kindes vor Ort nicht möglich. Aufgrund der vor Ort fehlenden therapeutischen Möglichkeiten kam für den Beschuldigten nur der schnellstmögliche Transport in ein mit einer Gebärstation ausgestattetes Krankenhaus in Betracht. Ebenso wenig konnte dem Beschuldigten, angesichts der nicht erkennbaren Dramatik des Gesundheitszustandes der Patientin, die verstrichene Zeitspanne zwischen seinem Eintreffen in der Wohnung und der Verständigung des Rettungswagens (ca. 11.00 bis 11.16 Uhr) zum Vorwurf gemacht werden. Selbst der in Notfällen geschulte und erheblich besser ausgestattete Notarzt gab als Zeuge an, für eine Orientierungsuntersuchung 15 Minuten Zeit zu benötigen. Da somit der Beschuldigte der im vorliegenden Fall objektiv gebotenen Sorgfalt entsprochen hat, erübrigen sich weitere Ausführungen zur objektiven Zurechnung der eingetretenen Schädigung sowie der Fahrlässigkeitsschuld. Der Beschuldigte war daher mangels eines objektiv sorgfaltswidrigen Verhaltens, von der gegen ihn erhobenen Anklage gemäß § 259 Z 3 StPO freizusprechen. Als Folge dieses Freispruchs war die Privatbeteiligte Patientin mit ihren Ersatzansprüchen gemäß § 366 Abs. 1 StPO auf den Zivilrechtsweg zu verweisen. In dem folgenden Zivilverfahren kam es interessanterweise nach zwei Sitzungen zu einem gerichtlichen Vergleich, wobei sich die beklagte Partei verpflichtete, der Klägerin, dem minderjährigen Mädchen, € 365.764,− zu bezahlen.
1.1.3.4 Resümee Medizinisch zeigt dieser dramatische Fall einer Varizenblutung aus dem Sacrouterinligament in SSW 34 die Pathophysiologie eines Blutungsschocks mit ihren fatalen Folgen für das Kind. Sinkt der Blutdruck im mütterlichen Kreislauf unter die kritische Grenze von etwa 70 mmHg, so ist die Sauerstoffsättigung beim Kind praktisch 0. Damit wird der klassische Mechanismus der Sauerstoffmangel-Hirnschädigung ausgelöst (hypoxisch-ischämische Encephalopathie). In der Geburtshilfe ist die Zurechnung eines Sauerstoffmangels unter der Geburt als Ursache für kindliche Hirnschäden durch die ACOG-Kriterien definiert. Literatur ACOG. The report of ACOG’s Task Force on Neonatal Encephalopathie and Cerebral Palsy, item AA432. (Erhältlich unter: http//www.sales.acog.org.) Brann AW. Hypoxic ischemic encephalopathy (asphyxia). Pädiat. Clin. N. Amer. 1986; 33: 451–44. Kubli F, und Wernicke K. In:Käser O, Friedberg V, Ober KG, Thomsen K, Zander J. Akute antepartale Hypoxie. Fetale Gefahrenzustände, Gynäkologie und Geburtshilfe, Bd. 2, Teil 1, Schwangerschaft und Geburt 1. Stuttgart: Thieme, 1981: 7.1–7.48
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Gaudenz R, Käser O. In:Käser O, Friedberg V, Ober KG, Thomsen K, Zander J. Hypovolämischer Schock. Peripartualer Notfallsituationen von Seiten der Mutter. Gynäkologie und Geburtshilfe, Bd. 2, Teil 2. Schwangerschaft und Geburt 2. Stuttgart: Thieme, 1981: 15.1–15.30. Nelson KB, Broman SH. Perinatal risk factors in children with serious motor and mental handicaps. Ann. Neurol. 1977; 2: 371–7. Nelson KB, Ellenberg JH. Apgar scores as predictors of chronic neurologic disability. Pediatr. 1981; 68: 36–44. Nelson KB, Ellenberg JH. Neonatal signs and predictors of cerebral palsy. Pediatr. 1979; 64: 225– 32. Schneider H. Intrapartale Asphyxie und ihre Bedeutung für die Entstehung kindlicher Hirnschäden-Konsequenzen für die fetale Überwachung während der Geburt. In: Schneider H, Beller FK (Hrsg). Geburtsasphyxie und kindliche Hirnschäden – eine Bestandsaufnahme. Fortbildungsreihe des Berufsverbandes der Frauenärzte, Medical-Jurisprudenz – Kongressmanagement S.A. Cham. 1995: 12–32 Schneider H. Bedeutung der intrapartalen Asphyxie für die Entstehung von kindlichen Hirnschäden. Geburtsh. u. Frauenheilk. 1993; 53: 369–378.
1.1.4 Schwere Geburtsasphyxie durch Vasa praevia-Blutung nach Amniotomie Geburtsasphyxie als Ursache kindlicher Hirnschäden Die größte Gefahr für das Kind während der Geburt ist Sauerstoffmangel und die durch ihn hervorgerufene intrauterine Azidose (s. Abb. 1.10) mit den möglichen Folgen des organischen Hirnschadens beim Kind (Dudenhausen, 2011).
Abb. 1.10: Modell einer kurzzeitigen intrauterinen Störung mit Hypoxämie, Hyperkapnie, Azidose (nach Saling). Am Anfang steht der Sauerstoffmangel beim Fetus (Hypoxämie), gefolgt von Kohlensäureüberladung (Hyperkapnie). Hält die Hypoxämie an, tritt anaerobe Glykolyse auf mit Milchsäureanstieg: Die respiratorische Azidose geht in eine metabolische über (aus Dudenhausen, Joachim W.: Praktische Geburtshilfe. 21., erweiterte Aufl. Berlin, Boston: De Gruyter 2011).
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Heute ist bekannt, dass nur schwere und anhaltende Geburtsasphyxien tatsächlich ein deutlich erhöhtes Risiko für die weitere Gehirnentwicklung darstellen. Im Jahr 1992 wurde vom American Congress of Obstetricans and Gynecologists (ACOG) ein Katalog erstellt, der seither zur Beweisführung für einen Zusammenhang von Geburtsasphyxie und kindlichem Gehirnschaden benutzt wird. Ein Zusammenhang besteht dann, wenn folgende Voraussetzungen gegeben sind: ● Schwere Azidose vom metabolischen Typ (pH-Wert unter 7,00), ● persistierend fünf Minuten erniedrigter Apgar-Wert von unter 5, ● neurologische Symptome (Krämpfe, Koma, Hypertonie in der Neonatalphase), ● Multiorganschäden (Herz-Kreislauf, gastrointestinal, pulmonal, renal).
1.1.4.1 Sachverhalt / Kasuistik Bei der im Jahr 2008 32-jährigen Schwangeren wurde anamnestisch eine konservative Myomoperation mit Pfannenstiellaparotomie sowie eine Hysterosalpingographie in Bulgarien durchgeführt. Des Weiteren erfolgte eine Dilatation und Curettage des Uterus. Der Schwangerschaftsverlauf war weitgehend unauffällig. Bei einem niedergelassenen Gynäkologen wurden zehn Schwangerenuntersuchungen sowie acht Ultraschalluntersuchungen durchgeführt. Ein Organscreening wurde in der Privatklinik durchgeführt, in der später die Entbindung stattfand. Wegen einer Gewichtszunahme von 18 kg und eines leicht erhöhten Blutdrucks von 130/90 mmHg bestellte der Gynäkologie die Schwangere in SSW 38/0 zur Geburtseinleitung in die Privatklinik. Bei einem für zwei Finger durchgängigen Muttermund, versuchte er die Blase zu sprengen. Unmittelbar danach kam es zu einem dra-
Abb. 1.11: 32-jährige I-Gebärende, Z. n. konservativer Myomoperation, SSW 38, Geburtseinleitung wegen 18 kg Gewichtszunahme durch Amniotomie. CTG mit Abfall der fetalen Herzfrequenz auf 60 bis 80 spm bei Amniotomie. Notsectio, E-E-Zeit 25 min. Mädchen, Apgar-Wert 2/4, 3.500 g, Blutungsschock, Reanimation, Ganzkörperkühlung bei peripartaler Asphyxie.
1.1 Geburtsasphyxie und kindlicher Sauerstoffmangel-Hirnschaden
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matischen Abfall der kindlichen Herzfrequenz. Es wurde eine Ampulle Gynipral® (Wehenhemmer) ohne Erfolg verabreicht. Nach 12 Minuten wurde der Entschluss zu einer Notfallsectio gefasst. 25 Minuten später wurde ein schwer deprimiertes schlaffes Neugeborenes entwickelt. Auf dem CTG-Streifen (s. Abb. 1.11.) war ein völlig unauffälliges CTG mit einer basalen Herzfrequenz von 130 n/n zwischen 9.43 und 10.08 Uhr registriert. Im Zuge der vaginalen Untersuchung bzw. der Amniotomie kam es sofort zu einer massiven Bradykardie von 60 bis 80 spm. Um 12.14 Uhr fand sich der Vermerk „Gynipral“ auf dem CTG, um 10.23 Uhr „Notsectio“, um 10.27 Uhr „Anästhesistin informiert“, um 10.32 Uhr „Einschleusen“ und um 10.50 Uhr „Sectio“. Laut Operationsbericht war das Fruchtwasser bei der Uterotomie klar. Am Uterus fand sich ein gut mandarinengroßes Myom an der Uterusvorderwand. Bei der Schnittentbindung kam es auch zu einer queren, etwa 5 cm langen Blasenverletzung, welche im Anschluss durch einen Urologen zweischichtig vernäht wurde. Das Kind war nach der Geburt weiß asphyktisch, der Apgar-Wert nach einer Minute 2 (Herzaktion unter 100 und Atmung), nach fünf und zehn Minuten 4. Die Kinderärztin beschrieb zunächst eine Herzaktion von 40 spm, die sich nach Sauerstoffgabe auf 120 spm erhöhte. Aufgrund extremer Kreislaufzentralisation gelang es zunächst nicht, einen peripheren Zugang zu legen. Die Sauerstoffsättigung schwankte um 80. Es wurde eine zweite Neonatologin zu Hilfe gerufen, die das Kind intubierte, einen zentralen Zugang legte und das Neugeborene bis zum Eintreffen des Transportinkubators stabilisierte. Das Kind wurde an die neonatologische Intensivstation des Allgemeinen Krankenhauses transferiert. Dort wurde das Kind entsprechend dem Protokoll „peripartale Asphyxie“ für insgesamt 72 Stunden auf 33,5 °C gekühlt (Ganzkörperkühlung). Das Hauptproblem stellte eine postasphyktische Oligoanurie dar, welche am dritten Lebenstag die Implantation eines Dialysesystems erforderlich machte. Nach sieben Tagen konnte das Kind extubiert werden. Bei einem Katheterwechsel des Dialysesystems kam es noch zu einer massiven Blutung aus dem Abdomen, welche jedoch durch Gabe von Blut und Plasma beherrscht werden konnte. In der Folge kam es zu einer zunehmenden Stabilisierung des klinischen Zustandes des Kindes. Das Kind war grob neurologisch weitgehend unauffällig, ein nennenswertes Gehirnödem hatte nie bestanden und Krampfaktivitäten waren nicht erkennbar. Auch klinisch hatte das Kind nie gekrampft. Eine MRT-Untersuchung zeigte keine postasphyktischen Veränderungen. Nach 13 Tagen auf der Intensivstation wurde das Kind noch 21 Tage auf der Normalstation behandelt. Die Kinderärzte sprachen von einem Nierenversagen im Rahmen der schweren Asphyxie, wobei eine völlige Normalisierung der Nierenfunktionsparameter bis zur Entlassung nicht erreicht werden konnte. Daher waren Kontrollen in der Nierenund der Nachsorgeambulanz notwendig. Die Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen bis zum 14. Lebensmonat waren weitgehend unauffällig. Der postoperative Verlauf bei der Mutter war weitgehend unauffällig, die Blase verheilte laut Zystographie komplikationslos.
1.1.4.2 Beurteilung / Gutachten Es war offensichtlich, dass es bei der Schwangeren im Zuge der Geburtseinleitung durch Blasensprengung in SSW 38 zu einem dramatischen Abfall der kindlichen Herzfrequenz gekommen war. Diese wurde von den Kinderärzten als vorzeitige Plazentalö-
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sung interpretiert. Im Mutter-Kind-Pass und im Pflegebericht der Hebamme fand sich jedoch der Vermerk „Insertio velamentosa“, also häutiger Nabelschnuransatz. Aufgrund des Verlaufes kam es offensichtlich bei der Amniotomie zu einer Gefäßverletzung und zu einer massiven Vasa praevia-Blutung. Vasa praevia-Blutungen stellen in 0,5 % der Fälle die Ursache für eine Blutung in der zweiten Schwangerschaftshälfte dar. Ein derartiger Fall wurde von Kainer (2000) publiziert. Gutachtlich führte dies naturgemäß zu der Frage, ob die Amniotomie in SSW 38 überhaupt indiziert war. Bei der Vasa praevia-Blutung nach Blasensprengung handelt es sich ohne Zweifel um die Folge einer rein iatrogenen Maßnahme. Daher war gutachtlich zunächst die Indikation der Amniotomie zur Geburtseinleitung im Allgemeinen und im Speziellen bei einer Patientin mit Zustand nach Myomresektion im Ausland, ohne Vorliegen eines Operationsberichtes, zu diskutieren. Fest steht, dass seit Einführung der Prostaglandine, die Amniotomie zur Geburtseinleitung wegen ihrer Irreversibilität weitgehend aufgegeben wurde. Prostaglandine sind jedoch bei Zustand nach Myomresektion wegen der Gefahr der Uterusruptur kontraindiziert. Die Indikation zur Geburtseinleitung bei einer Gewichtszunahme von 18 kg und einem Blutdruck von 130/90 mmHg musste gutachtlich bestenfalls als relative Indikation bezeichnet werden. Bei Zustand nach konservativer Myomoperation, also nach der Entfernung eines Myoms aus der Gebärmutterwand unter Belassung der Gebärmutter, ist, als Geburtsmodus, wegen der Gefahr einer Uterusruptur, in Abhängigkeit von der Lage des Myoms heute die Sectio caesarea indiziert. Dies gilt insbesondere für Operationen mit Eröffnung der Gebärmutterhöhle und intramurale Myome, d. h. Myome, welche aus der Gebärmutterwand operativ ausgeschält werden. Die Art der Myomoperation in Bulgarien war nicht bekannt, ein Operationsbericht lag nicht vor. Daher hätten sich wohl die meisten Geburtshelfer für eine primäre Sectio in SSW 39 entschieden. Natürlich hätte man auch eine sekundäre Sectio bei langsamem Geburtsfortschritt oder fetaler Beeinträchtigung durchführen können. Bei der Wahl des Geburtsmodus divergierten die Angaben. Laut Gynäkologe wollten die Schwangere und der Kindesvater unbedingt eine vaginale Geburt, die Patientin behauptete, dass der Arzt gegen eine vaginale Geburt keinen Einwand gehabt hätte, da sie noch jung sei. Das Vorliegen einer Insertio velamentosa war naturgemäß nicht bekannt, und die daraus resultierende Vasa praevia-Blutung bei Amniotomie muss als schicksalhaft bezeichnet werden. Die E-E-Zeit (Entscheidungs-Entbindungs-Zeit) betrug 25 Minuten und wurde somit um 5 Minuten überschritten, wenngleich in der Literatur auch eine längere E-E-Zeit toleriert wird. Die Tatsache, dass es bei der Schnittentbindung zu einer Blasenläsion gekommen war, wurde gutachtlich als nicht vorwerfbar gewertet, da die Blase durch die Voroperation höchstwahrscheinlich bis zum Fundus uteri hochgezogen war. Die Läsion wurde kunstgerecht von einem Urologen versorgt und der postoperative Verlauf war komplikationslos. Die gutachtliche Hauptfrage hatte sich darauf zu konzentrieren, ob das Kind durch den Geburtsvorgang zu Schaden gekommen war. Aufgrund der vorgelegten Unterlagen entwickelte sich das Kind nach der schweren Geburtsasphyxie, vor allem aufgrund der hochprofessionellen intensivmedizinischen Betreuung an der Universitätskinderklinik, sehr gut.
1.1 Geburtsasphyxie und kindlicher Sauerstoffmangel-Hirnschaden
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Wenn man nun die ACOG-Kriterien auf den vorliegenden Fall anwendet, so lässt sich folgendes feststellen: 1. Eine schwere Azidose von metabolischem Typ hat ganz offensichtlich vorgelegen, der pH-Wert betrug 6,7. 2. Der Apgar-Wert betrug laut Mutter-Kind-Pass 2/4/4 und laut Neonatologin 2/5/7. 3. Neurologische Symptome wie Krämpfe, Koma oder Hypertonie in der Neonatalphase lagen nicht vor. 4. Multiorganschäden an Herz-Kreislauf, gastrointestinal oder pulmonal lagen nicht vor. Die Niere schien jedoch eine zumindest passagere Schädigung im Rahmen der schweren Asphyxie davongetragen zu haben. Somit waren von den ACOG-Kriterien ohne Zweifel die ersten beiden erfüllt. Die viel schwerwiegenderen dritten und vierten Kriterien trafen nicht oder nur teilweise zu. Positiv war, dass das Kind problemlos extubiert werden konnte, selbst trank, grob neurologisch unauffällig war, kein nennenswertes Gehirnödem hatte und nie gekrampft hatte bzw. im MRT keine postasphyktischen Veränderungen aufwies. Im Mutter-KindPass waren bis zum 14. Lebensmonat keine geburtsrelevanten Behinderungen bzw. keine entsprechenden Diagnosen vermerkt. Gutachtlich wurde ausgeführt, dass sich bei einem geburtshilflich perinatologischen Gutachten die Fragen nicht nur auf die Mutter, sondern vor allem auch auf das Kind beziehen müssen. Beantwortung des Fragenkatalogs 1. Ist ein Behandlungsfehler und damit eine Haftung Ihres Kunden gegeben? Ein Behandlungsfehler und damit eine Haftung des Arztes waren gegeben, da a) die Indikation zur Geburtseinleitung durch Amniotomie in SSW 38 fehlte, b) bei Notwendigkeit zur Beendigung der Schwangerschaft bei Zustand nach konservativer Myomoperation der primären Sectio der Vorzug zu geben gewesen wäre und c) die E-E-Zeit mit 25 Minuten um 5 Minuten klar überschritten wurde. 2. Ist ein Schmerzensgeldanspruch gegeben und wenn ja, in welcher Höhe? Glücklicherweise war der Mutter kein Schaden erwachsen und dem Kind nur ein minimaler. Ein Schmerzensgeldanspruch für das Kind ergab sich schon aus der Tatsache, dass das Kind 13 Tage auf der Intensivstation und 21 Tage auf der Normalstation der Universitätskinderklinik gelegen hatte – und auch danach noch häufige Kontrollen erforderlich waren. 3. Sind Spät- und / oder Dauerfolgen zu erwarten? Bei der Mutter war aufgrund der komplikationslosen Ausheilung der Blasenläsion nicht mit Spät- oder Dauerfolgen zu rechnen. Bei dem Kind waren aufgrund der vorgelegten Unterlagen Spät- oder Dauerfolgen unwahrscheinlich. 4. Ergibt sich ein Pflegebedarf oder eine Minderung der Erwerbsfähigkeit? Ein erhöhter Pflegebedarf oder eine Minderung der Erwerbsfähigkeit haben sich für die Mutter nicht ergeben. Für das Kind war ein erhöhter Pflegebedarf, bedingt durch die häufigen Kontrollen nach der Entlassung aus dem Krankenhaus, durchaus nachvollziehbar und wurde auch tatsächlich durch die aus Bulgarien angereiste Mutter der Patientin geleistet. Eine familiäre Hilfe zur Abdeckung des Pflegebedarfs
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nach der Geburt ist allerdings durchaus üblich und daher ist nur der Mehrbedarf abzudecken. Diskutiert wurde schließlich, ob die primäre Reanimation des Neugeborenen sachund fachgerecht war. Dies ist vom gynäkologischen Sachverständigen nur bedingt und fachübergreifend zu beurteilen, wenngleich Geburtshelfer heute selbstverständlich in primärer Reanimation ausgebildet sind. Soweit aus den Gedächtnisprotokollen der Kinderärztin und der Hebamme ersichtlich war, gelang es primär weder der Kinderärztin, noch der Anästhesistin, einen venösen Zugang zu legen, um Volumen in das schockierte Neugeborene zu bringen. Deshalb wurde eine zweite Neonatologin zu Hilfe gerufen, die sofort einen Zugang legen konnte, Volumen verabreichte und das Kind intubierte. Erst dadurch gelang es das Kind ausreichend zu stabilisieren, um es dann an die Kinderklinik zu transferieren. Aus geburtshilflicher Sicht war somit nicht auszuschließen, dass der persistierend niedrige Apgar-Wert von 4 nach zehn Minuten durch die primär suboptimale Reanimation verursacht wurde.
1.1.4.3 Verfahrensausgang Aufgrund des Gutachtens für die Haftpflichtversicherung des betroffenen Arztes erhielt das Kind außergerichtlich ein Schmerzensgeld in der Höhe von € 9.100,−.
1.1.4.4 Resümee Im vorliegenden Fall kam es zu einer schweren Geburtsasphyxie bedingt durch Vasa praevia-Blutung bei Amniotomie in SSW 38. Vasa praevia-Blutungen bei Insertio velomentosa können bei Blasensprung oder Amniotomie zu lebensbedrohlichen Blutungen beim Kind führen. Dies ist naturgemäß schicksalhaft. Hier war jedoch die Indikation zur Amniotomie (18 kg Gewichtszunahme und ein Blutdruck von 130/90 mmHg) nicht gegeben. Bei Notwendigkeit der Geburtsbeendigung bei Zustand nach Myomresektion im Ausland, ohne Vorliegen eines Operationsberichtes, ist wegen der Gefahr der Uterusruptur der primären Sectio caesarea in SSW 39 der Vorzug zu geben. Daher war eine Haftung des Gynäkologen gegeben. Die E-E-Zeit war mit 25 Minuten überschritten. Zwei der vier ACOG-Kriterien für einen Zusammenhang von Geburtsasphyxie und kindlichem Gehirnschaden waren erfüllt. Das Kind wurde entsprechend dem Protokoll „perinatale Asphyxie“ für 72 Stunden auf 33,5 Grad gekühlt (Ganzkörperkühlung). Es musste wegen einer postasphyktischen Oligoanurie dialysiert werden. Aufgrund der hochprofessionellen intensivmedizinischen Behandlung entwickelte sich das Kind glücklicherweise gut. Literatur American College Obstetricians and Gynecologists (ACOG) Commitee Opinion, Februar 1991. Badawi N. The international consensus statement on cerebral palsy causation. MJA 2000; 173: 199–200. Dudenhausen JW. Praktische Geburtshilfe mit geburtshilflichen Operationen. 21. Aufl. Berlin, New York: De Gruyter, 2011: 263–266. Gnirs J. Intrapartale Asphyxie. In: Schneider H, Husslein P, Schneider KTM (Hrsg). Geburtshilfe, Berlin, Heidelberg, New York: Springer, 2000: 653–664.
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Goeschen K. Asphyxie unter der Geburt - Probleme und Lösungsmöglichkeiten. In: Knitza R. Hypoxische Gefährdung des Fetus subpartu. Darmstadt: Steinkopf, 1994: 21–30. Kainer F. Blutungen im 3. Trimenon. In: Schneider H, Husslein P, Schneider KTM (Hrsg). Geburtshilfe. Berlin, Heidelberg, New York: Springer, 2000: 539–552. McLennan A. A template for defining a causal relation between acute intrapartum events and cerebral palsy: international consensus statement. Brit. med. J. 1999; 319: 1054–1059. Missliwetz J, Denk W, Gerstner GJ. Forensisch-gerichtsmedizinische Aspekte in der Geburtshilfe. Gynäkol. Geburtshilfliche Rundsch. 1997; 37: 169–170. Schneider KTM. Die Überwachung der Geburt aus forensischer Sicht. Gynäkologe. 1994; 27: 212–221. Schulte FJ. Die perinatalen Hirnschäden auch unter forensischen Aspekten. Gynäkol. Geburtshilfliche Rundsch. 1997; 37: 162–173. Von Stockhausen HB. Hypoxisch, ischaemische Enzephalopatie in Relation zu perinatalen Asphyxiezeichen – Medizinische und juristische Implikationen. In: Knitza R (Hrsg). Hypoxische Gefährdung des Fetus subpartu. Klinik und neue Überwachungsverfahren. Darmstadt: Steinkopf, 1994: 1–4.
1.1.5 Schwerste Geburtsasphyxie nach vorzeitiger Plazentalösung Vorzeitige Plazentalösung Bei der vorzeitigen Lösung der normal sitzenden Plazenta kann man zwischen der schmerzhaften Blutung mit Ausbildung eines retroplazentaren Hämatoms ohne einen Blutungsweg nach außen (s. Abb. 1.12) und einer nach außen sichtbaren, schmerzlosen Blutung unterscheiden. Letztere wird verursacht durch einen abgelösten Rand des Mutterkuchens mit Drainage des Blutes durch den Gebärmutterhalskanal und traf im vorliegenden Fall zu (s. Abb. 1.13). Die vorzeitige Lösung der Plazenta kommt bei etwa 0,5 % aller Schwangerschaften vor. In 50 % der Fälle löst sich die Plazenta vor dem Einsetzen der Wehen und in ca. 10 bis 15 % erst während der Wehentätigkeit. Die hauptsächlichsten Ursachen sind Gefäßverletzungen bzw. Gefäßerweiterungen. Ungefähr 80 % der Frauen sind Mehr-
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Abb. 1.12: Vorzeitige Plazentalösung. 1 vollständig abgelöste Plazenta, 2 retroplazentares Hämatom (aus Dudenhausen, Joachim W.: Praktische Geburtshilfe. 21., erweiterte Aufl. Berlin, Boston: De Gruyter 2011).
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1 Diagnosefehler
Abb. 1.13: Vorzeitige Lösung. 1 Zentral abgelöste Plazenta mit retroplazentarem Hämatom (2). 3 Zentral und am Rande abgelöste Plazenta mit retroplazentaremHämatom (4) und Blutung nach außen (5) (aus Dudenhausen, Joachim W.: Praktische Geburtshilfe. 21., erweiterte Aufl. Berlin, Boston: De Gruyter 2011).
gebärende. Häufig kommt die vorzeitige Plazentalösung bei Präeklampsie bzw. Eklampsie vor. Der Schweregrad der Symptome hängt weitgehend von der Geschwindigkeit ab, mit der sich die Lösung ausbreitet, sowie von der Menge des Blutes, das sich zwischen Plazenta und Gebärmutter ansammelt (s. Abb. 1.14). Beim Kind lässt die Registrierung der kindlichen Herzaktion frühe Hinweiszeichen auf ein sogenanntes Fetal-Distress-Syndrom vermissen. Das erste Zeichen ist eine Tachykardie, d. h. eine erhöhte kindliche Herzfrequenz. Danach treten Bradykardie und Herzfrequenz-Alterationen sowie Oszillationsverlust auf. Es werden keine Kindsbewegungen mehr verspürt. Zuletzt sind im Extremfall die Herztöne nicht mehr nachweisbar. Mütterliche Komplikationen sind der Schock infolge der schweren Blutung und die Verbrauchskoagulopathie, also eine Blutgerinnungsstörung. Die kindlichen Komplikationen sind vorwiegend auf den Sauerstoffmangel zurückzuführen, der, wenn er länger anhält, zu einer irreversiblen Hirnschädigung führt. Der Sauerstoffmangel kann die Ursache einer Hirnschädigung sein und bleibende geistige Schäden bewirken. Schwere Grade von vorzeitiger Lösung bzw. schwerem Sauerstoffmangel verursachen
Abb. 1.14: Ultrasonographische Diagnose einer vorzeitigen Lösung mit retroplazentarem Hämatom (aus Dudenhausen, Joachim W.: Praktische Geburtshilfe. 21., erweiterte Aufl. Berlin, Boston: De Gruyter 2011).
1.1 Geburtsasphyxie und kindlicher Sauerstoffmangel-Hirnschaden
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Tab. 1.1: Blutgasanalyse – Normalwerte beim Neugeborenen. Bei der Geburt Parameter pH
Nabelvene 7,32
Nach 24 Stunden Nabelarterie 7,24
Arterielles Blut 7,37
pCO2 (mmHg)
38
49
33
St.-Bik./mmol / l)
20
19
20
BE (mmol / l)
–4
–7
–5
pO2 (mmHG)
27
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73
Quelle: Dudenhausen, Joachim W.: Praktische Geburtshilfe. 21., erweiterte Aufl., Berlin, Boston, De Gruyter 2011
eine fetale Asphyxie und den intrauterinen Tod bzw. das Absterben des Kindes unter der Geburt. Die Therapie bei einer starken anhaltenden Blutung (wie im vorliegenden Fall) und einem gleichzeitig auftretenden Fetal-Distress-Syndrom besteht in einer rasch ausgeführten Sectio (Janisch, 1989).
1.1.5.1 Sachverhalt / Kasuistik Bei der 1993 31-jährigen Zweitgebärenden trat in SSW 41/0 um 1.00 Uhr eine massive vaginale Blutung auf. Ein Rettungswagen brachte sie in das lokale Krankenhaus, wo sie um 1.30 Uhr im Kreißsaal aufgenommen wurde. Zwischen 1.48 und 2.12 Uhr
Abb. 1.15: 31-jährige II-Gebärende, SSW 41/0, massive vaginale Blutung bei vorzeitiger Plazentalösung, hochgradige Bradykardie. CTG mit Dips II, Vakuumextraktion bei eingetretenem Schädel, Mädchen, 3.640 g, 50 cm, Apgar-Wert 3/7/7, NApH-Wert 6,76, BE 21,2, Reanimation, hypoxisch-ischämische Encephalopathie, Cerebralparese.
36
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1 Diagnosefehler
wurde ein CTG geschrieben, welches Wehen im Abstand von zwei bis drei Minuten zeigte (s. Abb. 1.15.). In der Zeit von 1.47 bis 2.00 Uhr fand sich eine Basalfrequenz zwischen 120 und 130 n/n mit einer eingeschränkten Bandbreite und sogenannten Dips II. Zwischen 2.00 und 2.06 Uhr sank die Basalfrequenz unter 100 e/n und zeigte weiterhin Dips II, wobei sich zwischen 2.04 und 2.07 Uhr auf dem CTG Auslackierungen fanden. Nach der FIGO-Klassifikation (Klassifikation der Internationalen Vereinigung für Gynäkologie und Geburtskunde) handelte es sich zunächst um ein suspektes, dann pathologisches CTG. Um 2.07 Uhr wurde das Betamimetikum Ipradol® zur Wehenhemmung injiziert. In der Folge verließ der diensthabende Turnusarzt den Kreißsaal, da in der Ambulanz eine Patientin mit Verdacht auf Herzinfarkt aufgenommen wurde. Der Muttermund bei der Aufnahme war laut Hebamme 3 bis 4 cm, der Höhenstand des Schädels –4 und die Blase offensichtlich gesprungen. Um 2.00 Uhr wurde der Primararzt verständigt, der eine sofortige Akutsectio anordnete. Im Arztbrief hieß es unter Geburtsverlauf: „Bei massiver Blutung und Abgang von Blutkoagula bei der Aufnahme wurde die Patientin in den OP gebracht und am OP-Tisch gelagert. Während der Lagerung begannen Presswehen und der Muttermund war verstrichen, der Schädel eingetreten und fast ausrotiert. Die Herztöne des Kindes waren hochgradig bradykard.“ In der Annahme, die Geburt per vaginam rascher durchführen zu können als mittels einer Sectio, entschloss sich der Primararzt zu einer Vakuumextraktion. Mit zwei wehensynchronen Zügen wurde ein asphyktisches, reifes Mädchen geboren. Es wog 3.640 g und war 50 cm lang. Der Apgar-Wert war 3/7/7. Der Nabelarterien-pH-Wert betrug 6,76 und der base excess (BE) –21,2. Das Kind wurde sofort intubiert, beatmet und mit 10 mval Natriumbicarbonat und 10 ml 10 %iger Glucose gepuffert. Nach 20 Minuten betrug der pH-Wert 7,07 und der BE –16,5. 15 Minuten nach der Geburt wurde der Neonatologie-Intensivtransport verständigt und Mutter und Kind auf die Neonatologie-Abteilung des Landeskrankenhauses verlegt. Ein Neonatologe beschrieb 90 Minuten nach der Geburt den Zustand des Kindes wie folgt: „Asphyktisch, ateminsuffizient, mit leichtem inspiratorischen und exspiratorischen Stridor, Intubation für zehn Minuten. Versorgung: primär intubiert, abgesaugt, vor dem Transport gemessene Temperatur 36,2 °C, Dextrostix® 5 mg %, O2-Bedarf 21 %, dabei Sättigung von 96 %. Problemloser Transport mit dem Inkubator. Aufnahme an der Neonatologie um 5.30 Uhr. Aufnahmestatus: Dextrostix® 231 mg %, Hämatokrit 43 %, pHWert 7,40, BE –0,3, pO2 42, Sättigung 96 % bei 21 % O2. Nicht beatmet, mit leichtem inund exspiratorischem Stridor, blass rosig, Spontanmotorik herabgesetzt, Strecken der oberen Extremitäten, Fäusteln. Thorax-Röntgen rechts parahiläre pulmonale Eintrübung, fragliche Infiltrationen links retrocardial im Sinne einer Pneumonie. Schädelsonographie: linker Seitenventrikel kleiner als rechts. EEG: neuronale Unreife, mangelnde Interhemisphärensynchronie. Das Kind wurde mit der üblichen Infusionstherapie sowie antibiotisch mit Binotal® und Certomycin® und dem Antikonvulsivum Luminal® behandelt.“ Am fünften Tag wurde mit dem Nahrungsaufbau begonnen. Nach zehn Tagen konnte das Kind entlassen werden. Entsprechende entwicklungsneurologische Kontrollen waren vereinbart. Dem Arztbrief des Kinderspitals des Landeskrankenhauses über den zehntägigen Aufenthaltes des neugeborenen Mädchens an der Neonatologie waren die Diagnosen: „Vakuumextraktion SSW 41, AGA (appropriate for gestational age), Asphyxie, Plazentalösung, Azidose, neonatale Hypoglykämie, Pneumonie und periodisches Atmen“ zu entnehmen. „Geburt: Blutung während der Gravidität, vorzeitige Plazentalösung, Nabelschnurumschlingung. CTG pathologisch, Apgar-Wert 3/7/7.“
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Im Alter von 2,5 Jahren wurde von einem Universitätsprofessor für Kinderneuropsychiatrie bei dem Mädchen eine Tetraspastik, d. h. eine Lähmung der gesamten Körpermuskulatur rechts ausgeprägter als links nach vorzeitiger Plazentalösung und dadurch bedingten Sauerstoffmangel, diagnostiziert. Das Mädchen konnte aufgrund dieser Lähmungen nicht frei sitzen, nicht gehen, nicht greifen und die Kau- und Schluckprozedur war behindert. Insgesamt lagen ihre motorischen Möglichkeiten weit unter denen eines gesunden einjährigen Kindes. Das EEG zeigte einen verlangsamten Grundrhythmus ohne Herd und ohne epilepsieverdächtiges Potenzial. Laut Auskunft der Mutter leidet das heute 18-jährige Mädchen an einer schweren Cerebralparese. Sie erhält die Pflegestufe 5 und kann mit dem Elektro-Rollstuhl gut umgehen, am Computer schreiben sowie im Internet arbeiten. Sie besucht die letzte Klasse einer Sonderschule für Körperbehinderte und wird im Anschluss einen Arbeitstrainingslehrgang besuchen.
1.1.5.2 Beurteilung / Gutachten Aufgrund des CTGs war das Kind ab 1.47 Uhr in einem alarmierenden und ab 2.00 Uhr in einem bedrohlichen Sauerstoffmangel-Zustand. Die starke vaginale Blutung wurde zwar von der herbeigerufenen Hebamme, nicht jedoch vom Turnusarzt, diagnostiziert. Es war nicht nachvollziehbar, warum der Turnusarzt die Patientin mit einem derartig katastrophal schlechten CTG verlassen konnte, um in die Ambulanz zu gehen. Offensichtlich hatte er die Notsituation nicht erkannt. Der Primararzt wurde erst um 2.00 Uhr, also nach 13-minütigem Ablauf eines hochpathologischen CTGs, verständigt und ordnete sofort eine Akutsectio an. Der exakte Zeitpunkt seines Eintreffens im Kreißsaal ist nicht dokumentiert. Dem Krankenhaus wurde seitens des die Patientin vertretenden Rechtsanwaltes vorgeworfen, dass kein Anästhesist zur Durchführung der Sectio anwesend war. Es stand fest, dass sich auf dem CTG in der Zeit von 1.48 bis 2.00 Uhr insgesamt acht schwere Herzfrequenzabfälle auf 60 e/n für eine Dauer von 90 Sekunden fanden. Ab 2.04 Uhr war die kindliche Herzfrequenz nicht mehr genügend dokumentiert und schemenhaft bei etwa 80 spm erkennbar. Die Durchführung einer intrauterinen Reanimation des Kindes mittels eines Wehenhemmers (Ipradol®) um 2.07 Uhr war zwar prinzipiell richtig, hätte jedoch schon früher, z. B. um 1.55 Uhr, durchgeführt werden sollen. Gutachtlich wurde zunächst ausgeführt, dass es als Systemfehler bezeichnet werden muss, dass in einem öffentlichen Krankenhaus mit einer Fachabteilung für Geburtshilfe weder eine Hebamme noch ein Facharzt bzw. ein Arzt mit entsprechenden Fachkenntnissen im Haus anwesend waren, um derartige geburtshilfliche Notsituationen versorgen zu können. Unter diesen Umständen ist eine Patientin in einem Krankenhaus ebenso schlecht versorgt wie zu Hause. Naturgemäß konnte der Vorwurf, dass in dem Krankenhaus kein Anästhesist für die notwendige Schnittentbindung zugegen gewesen wäre, nicht beurteilt werden. Dasselbe galt für den Vorwurf, der Inkubator wäre defekt gewesen. Es wurde ausgeführt, dass vaginaloperative Entbindungen bei schwerst beeinträchtigten Ungeborenen – bei noch relativ hohem Höhenstand – nicht durchgeführt wer-
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den dürfen (Weitzel, 1996). Die Vakuumextraktion war daher als schlechte Notlösung zu bezeichnen. Die richtige Vorgehensweise wäre folgendermaßen abgelaufen: ● Eintreffen der Patientin um 1.30 Uhr mit Diagnose der starken vaginalen Blutung, ● sofortiges Anlegen des CTGs (hier waren bereits 17 bis 18 Minuten durch das Herbeiholen der Hebamme verstrichen), ● Diagnose der schweren Herzfrequenzalterationen, ● Indikation zur Schnittentbindung zwischen 1.55 Uhr und 1.58 Uhr, ● Akuttokolyse um 1.55 Uhr, wiewohl bei Blutung diskutabel, ● danach maximale E-E-Zeit 20 bis 30 Minuten (Hillemanns et al., 1996). Die Ursache der schweren Hirnschädigung des Kindes bestand in dem protrahierten Sauerstoffmangel, der zwischen 1.55 und 2.45 Uhr dokumentiert war. Diese 90-minütige Frist hätte standardmäßig bei Annahme einer 20-minütigen E-E-Zeit bis um 2.15 Uhr, bei Annahme einer 30-minütigen E-E-Zeit bis um 2.25 Uhr dauern dürfen. Daher bestand der gravierende Sauerstoffmangel beim Kind, selbst bei Annahme einer 30-minütigen E-E-Zeit, noch immer 20 Minuten zu lang. Die Wehenhemmung wurde etwa zwölf Minuten zu spät durchgeführt. Unklar war, was auf den überlackierten Stellen des CTGs zwischen 2.04 und 2.07 Uhr geschrieben war. Vaginaloperative Entbindungen durch Vakuumextraktion mit mehreren wehensynchronen Zügen dauern mindestens 10 Minuten und schädigen das bereits durch Sauerstoffmangel kompromittierte Kind weiter (Weitzel, 1996). Die Eltern des minderjährigen Mädchens schalteten den lokalen Rechtsanwalt ein, welcher sich mit seinen Forderungen an die betreffende Marktgemeinde, den Träger des Krankenhauses, wandte. Dies erfolgte jedoch erst fast drei Jahre nach der Geburt, nachdem klar war, dass das Kind an einer motorischen Bewegungsstörung im Sinne einer Tetraparese nach primärer Asphyxie, bedingt durch vorzeitige Plazentalösung, litt. Er warf dem Krankenhaus die verspätete Verständigung des Primararztes durch den Turnusarzt, die Nichtdurchführung einer Sectio infolge des nicht zur Verfügung stehenden Anästhesisten und letztlich einen defekten Inkubator vor; also ein ärztliches Fehlverhalten im Sinne eines Diagnose-, Therapie- und Apparateüberwachungsfehlers unter Bedachtnahme der Bestimmungen der §§ 1299 ff ABGB. Da dieses komplexe ärztliche Fehlverhalten kausal für jenen Schaden gewesen wäre, welchen das minderjährige Kind, erlitten hatte, hätte die Marktgemeinde entsprechend den einschlägigen Vorschriften als Rechtsträger und Spitalserhalterin des Krankenhauses für dieses ärztliche Fehlverhalten einzustehen. Daher wurde die Marktgemeinde aufgefordert, die gerechtfertigten Schadenersatzansprüche des minderjährigen Kindes dem Grunde nach anzuerkennen sowie eine Erklärung abzugeben, dass sie auch zukünftig für all jene Schäden hafte, welche in Zusammenhang mit dem ärztlichen Fehlverhalten des Geburtsvorganges stünden. Mit einer Frist von 14 Tagen wurden die Ansprüche der Mandantin klageweise geltend gemacht. Darüber hinaus wurde die Marktgemeinde aufgefordert, auf die Schadenersatzansprüche der Mandantin einen Betrag von € 18.288,− an angemessenem Schmerzensgeld zu zahlen. Von der Haftpflichtversicherung des Krankenhauses wurde der Autor als Sachverständiger benannt und von dem Anwalt akzeptiert. Zum Zeitpunkt der Klage erhielt das minderjährige Kind bereits Pflegegeld der Stufe 1 im Sinne des Pflegegeldgesetzes.
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Beantwortung des Fragenkatalogs 1. Hätte der diensthabende Turnusarzt bereits zu einem früheren Zeitpunkt die Komplikation erkennen können und damit die Verständigung des Primararztes bereits zu einem früheren Zeitpunkt veranlassen müssen? Ohne Zweifel hätte der diensthabende Turnusarzt bereits zu einem früheren Zeitpunkt die Komplikation, nämlich die Blutung und das pathologische CTG, erkennen können und damit die Verständigung des Primararztes zu einem früheren Zeitpunkt veranlassen müssen. Dieser Zeitpunkt war etwa zwischen 1.55 und 1.57 Uhr anzusetzen. 2. Hätte bereits der Turnusarzt die Blutungen feststellen können oder müssen? Selbstverständlich hätte der Turnusarzt die Blutungen feststellen können und müssen. Hierzu wäre eine vaginale Untersuchung bei der Erstaufnahme notwendig gewesen. Dies wurde jedoch offensichtlich unterlassen. 3. Was hätte in der Zeit zwischen 1.47 und 2.00 Uhr aus medizinischer Sicht unternommen werden müssen bzw. was wurde unterlassen? Hätte der eingetretene Schaden durch andere, nicht durchgeführte, Maßnahmen vermindert werden können? War bzw. ist der Zeitraum von 13 Minuten entscheidend für den eingetretenen Schaden? In der Zeit zwischen 1.47 und 2.00 Uhr hätte eine sogenannte Notfalltokolyse durchgeführt werden müssen mit dem Ziel der intrauterinen Reanimation, d. h. der Wiederbelebung des Kindes in der Gebärmutter. Gleichzeitig hätte bei der bestehenden starken Blutung die Indikation zur sofortigen Notsectio gestellt werden müssen. Das impliziert, dass in kürzester Zeit ein Facharzt für Geburtshilfe, der die Operation vornimmt, ein Anästhesist, eine Operationsschwester, eine Hebamme sowie das entsprechende Hilfspersonal verständigt werden müssen bzw. zur Verfügung stehen. Nach dem damaligen und heutigen Wissensstand darf dann die E-EZeit maximal 20 bis 30 Minuten betragen. Nachdem das Ausmaß eines kindlichen Hirnschadens nicht zuletzt von der Zeitdauer des ihn verursachenden Sauerstoffmangels abhängig ist, ist es wahrscheinlich, dass der nunmehrige Schaden bei einer kürzeren E-E-Zeit, wenn auch nicht verhindert, zumindest minimiert worden wäre. Bei einem schweren Sauerstoffmangel ist der Zeitraum von 13 Minuten durchaus relevant für den eingetretenen Schaden, wobei im vorliegenden Fall vermutlich nicht der Zeitraum zwischen 1.47 und 2.00 Uhr, sondern der Zeitraum danach entscheidend gewesen sein dürfte. Für den Zeitraum nach 2.00 Uhr gab es jedoch keine kardiotokographischen Aufzeichnungen mehr. Nur schemenhaft konnte man erahnen, dass die kindliche Herzfrequenz zu diesem Zeitpunkt um die 80 bis 90 spm betrug. Es ist bekannt, dass bei einer derartigen Herzfrequenz die Sauerstoffsättigung des Blutes im kindlichen Gehirn gegen null geht. 4. Ist aufgrund der vorliegenden Unterlagen ersichtlich, wann die Hebamme verständigt wurde (laut Krankenhaus bei der Aufnahme, laut Anwalt zu einem späteren Zeitpunkt)? Aufgrund der Originalkrankengeschichte war nicht sicher ersichtlich, zu welchem Zeitpunkt die Hebamme verständigt wurde. Es wurde jedoch nochmals ausdrücklich festgehalten, dass es sich verbietet, dass an einer geburtshilflichen Abteilung eines öffentlichen Krankenhauses weder Hebamme noch Facharzt für Geburtshilfe,
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noch Anästhesist anwesend sind. Derartige Arbeitsbedingungen sind für alle Beteiligten inakzeptabel und stellen einen Systemfehler dar. 5. War die Durchführung der Vaginalgeburt bei den gegebenen Verhältnissen die Methode der Wahl oder wäre eine Sectio sinnvoller gewesen? Die Durchführung der Vaginalgeburt bei den gegebenen Verhältnissen war mit Sicherheit nicht die Methode der Wahl, eine sofortige Sectio wäre sicherlich zielführender gewesen (Weitzel, 1996). 6. Welche Schäden kann das Ungeborene bereits bis zum Eintreffen in das Krankenhaus durch die vorzeitige Ablösung der Plazenta erlitten haben? Aufgrund des vorliegenden CTGs war das Ungeborene bis etwa 2.00 Uhr in einem zwar gefährdeten aber sicher nicht irreversibel geschädigten Zustand, da die Herzfrequenz trotz Herzfrequenzabfällen noch etwa 120 spm erreichte. Die vorliegenden Herzfrequenzveränderungen wiesen ohnedies eher auf eine Nabelschnurkomplikation als auf eine Beeinträchtigung durch die Ablösung der Plazenta hin. Die schwere Schädigung des Kindes ist mit Sicherheit erst nach 2.00 Uhr im Krankenhaus eingetreten. 7. Welche Begleitmaßnahmen bzw. medizinischen Maßnahmen hätten zwischen dem Zeitpunkt der Geburt und der Ankunft des Kindes in der Neonatologie getroffen werden müssen? Gleichzeitig mit der Entscheidung zur Schnittentbindung hätte selbstverständlich der Neonatologiedienst informiert werden müssen, sodass bei der Geburt oder unmittelbar danach ein Neonatologe für die Reanimation zur Verfügung gestanden hätte. Obwohl die Begutachtung und Versorgung des Neugeborenen nur fachübergreifend in das Fachgebiet des geburtshilflichen Sachverständigen fällt, war evident, dass auch die Reanimation und die Maßnahmen am Kind als unzureichend zu bezeichnen waren. Es wurde ein schwer asphyktisches, schockiertes, ausgekühltes (Temperatur um 3.30 Uhr 35,3 °C) Neugeborenes von einer Kinderschwester übernommen, die dokumentierte: „Ich wollte, dass sich jemand um den erniedrigten Blutzucker kümmert, aber die Ärzte waren nicht mehr im Haus.“ Schließlich wurde das Kind erst nach zwei Stunden von der Neonatologie übernommen. In einem Ergänzungsgutachten wurden weitere Fragen beantwortet: 8. Sie stellten fest, dass die Indikation zur Schnittentbindung um 1.55 Uhr gegeben war. Um 2.00 Uhr, also fünf Minuten später, erfolgte die Verständigung des Primararztes, der um 2.25 Uhr eintraf. Die maximale E-E-Zeit liegt laut Literatur zwischen 20 und 30 Minuten. Die E-E-Zeit würde also vom oben angeführten Zeitraum passen. Sollte die E-E-Zeit jedoch so zu verstehen sein, dass von der Indikationsstellung bis zur erfolgten Geburt maximal 20 bis 30 Minuten vergangen sein dürfen, so stellt sich die Frage, ob der Schaden bis zu Beginn der Geburt nicht schon (zumindest teilweise) eingetreten war? Bei der E-E-Zeit handelt es sich um die Entscheidungs-Entbindungszeit, das ist die Zeit, welche von der Indikationsstellung bis zur Geburt des Kindes vergeht. Wie bereits dargestellt, hätte unter diesen Standardbedingungen das Kind um 2.15 oder um 2.25 Uhr entbunden werden müssen. Zu diesem Zeitpunkt traf jedoch der Primararzt erst im Krankenhaus ein. Der Schaden ist höchstwahrscheinlich in der Zeit zwischen 1.55 und 2.45 Uhr (Geburt) durch Sauerstoffmangel entstanden.
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9. Der Primararzt schreibt in seiner Stellungnahme, dass die Saugglockenentbindung die Methode der Wahl war, da der Kopf des Kindes zu diesem Zeitpunkt bereits am Beckenende sichtbar war (und nicht in der Beckenmitte). Bitte nehmen Sie auch dazu kurz Stellung. Der Primararzt stellte in seiner Stellungnahme fest, dass er bei seiner Untersuchung am OP-Tisch konstatierte, dass der Muttermund verstrichen war, der Schädel eingetreten und die Patientin bereits Presswehen hatte. Eingetreten heißt in der Geburtshilfe, dass der Schädel mit seinem größten Umfang den Beckeneingang überschritten hat, gleich bedeutend damit, dass der tiefste Punkt, die Leitstelle bzw. der Führungspunkt, an der sogenannten Interspinalebene steht. Dieser Höhenstand des kindlichen Schädels entspricht bei der Hinterhauptseinstellung des Kopfes der Beckenmitte und keineswegs dem Beckenboden (Weitzel, 1996). Der Kopf steht bei der Hinterhauptseinstellung in Beckenmitte, wenn das Hinterhaupt vollständig in das Becken eingetreten ist. Die knöcherne Leitstelle hat in der Führungslinie die Interspinallinie (0) erreicht. Das Durchtrittsplanum hat den Beckeneingang mit der engsten Stelle in Höhe der Conjugata vera passiert und befindet sich 4 cm oberhalb der Interspinalebene. Die Beckenmitteposition endet, wenn die Leitstelle den Beckenboden +4 erreicht hat (s. Abb. 1.16 bis 1.18). Der Kopf steht dann auf Beckenboden (Weitzel,1996, Pschyrembel 1973, Käser und Richter, 1981).
Abb. 1.16: Übersicht über die äußeren Handgriffe zur Bestimmung des Höhenstandes (aus Dudenhausen, Joachim W.: Praktische Geburtshilfe. 21., erweiterte Aufl. Berlin, Boston: De Gruyter 2011).
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Abb. 1.17: Interspinallinie (I-Linie), Verbindungslinie der beiden Sitzbeinstachel (Spinae ischiadicae) (aus Dudenhausen, Joachim W.: Praktische Geburtshilfe. 21., erweiterte Aufl. Berlin, Boston: De Gruyter 2011).
Nachdem der Primararzt in seiner Stellungnahme jedoch selbst festhielt, dass der Schädel eingetreten war (Höhenstand 0, d. h., dass die Leitstelle in der Interspinalebene stand) und zu diesem Zeitpunkt die Herztöne des Kindes hochgradig bradykard waren und er das Kind in mehreren wehensynchronen Zügen zur Geburt gebracht hatte, war mit Sicherheit davon auszugehen, dass die eigentliche Geburt einige Zeit gedauert haben muss. Dadurch wurde das Kind zusätzlich geschädigt. Dies stand fraglos im Widerspruch zur Lehrmeinung, derzufolge vaginaloperative Entbindungen bei bereits durch Sauerstoffmangel beeinträchtigten Feten keineswegs durchzuführen sind. Der Rechtsvertreter der Marktgemeinde bemängelte, dass die Beurteilung der gegenständlichen Themenkreise zum Großteil auf Literatur beruhte, die erst nach dem gegenständlichen Ereignis 1993 veröffentlicht wurde, insbesondere die Definition des Begriffes „eingetreten“ aus dem Jahr 1996 stammte. Der Status, den der Primararzt in seiner Stellungnahme beschreiben wollte, decke sich nicht mit der gutachtlich zugrunde gelegten Definition. Es wurde um Überprüfung des Gutachtens gebeten. Gegenstrand dieser Überprüfung sollte sein: ● Die Beurteilung anhand der zur Zeit des Schadensdatums maßgeblichen Erkenntnisse und Vorgaben für ärztliches Handeln und organisatorische Vorkehrungen. ● Ob sich gegenüber dem späteren oder auch aktuellen Stand (der anscheinend der Beurteilung zugrunde gelegt wurde) etwas geändert hat.
Abb. 1.18: Höhendiagnose des Kopfes bei vaginaler Untersuchung durch Abtastung des Verhältnisses Leitstelle zu I-Linie (aus Dudenhausen, Joachim W.: Praktische Geburtshilfe. 21., erweiterte Aufl. Berlin, Boston: De Gruyter 2011).
1.1 Geburtsasphyxie und kindlicher Sauerstoffmangel-Hirnschaden
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● Insbesondere bezog sich diese Frage auch darauf, ob bereits im April 1992 von einer standardisierten E-E-Zeit (und wenn ja, von welcher) ausgegangen werden konnte. Der Rechtsanwalt stellte klar, dass er selbstverständlich davon ausgehe, dass wissenschaftliche Erkenntnisse bzw. Literatur aus der Zeit nach einem Schadensereignis dann zur Beurteilung herangezogen werden können, wenn damit untermauert werde, dass die Beurteilung nach wie vor dem Standard der Wissenschaft und der ärztlichen Kunst entspricht. Dies ginge jedoch nicht, wenn solche Erkenntnisse bzw. deren Publikation erst Grundlage für die Beurteilung sind und bis dahin eben möglicherweise ein abweichender Standard bzw. eine abweichende Meinung vorherrschte oder zumindest vertretbar war. Hierzu wurde ausgeführt, dass es sich beim Begriff „Schädel eingetreten“ um die Höhenstandsdiagnostik des kindlichen Schädels im mütterlichen Becken und um einen der wichtigsten Begriffe in der Geburtshilfe überhaupt handelt, den jeder Medizinstudent kennen muss. Dieser Begriff findet sich in sämtlichen gynäkologischen Textund Lehrbüchern, so auch in dem zitierten Lehrbuch von Pschyrembel (1973) und in dem Lehrbuch von Käser et al. (1981). Aufgrund der Stellungnahme des Primararztes „Schädel eingetreten“ konnte über den kindlichen Höhenstand zu diesem Zeitpunkt keinerlei Zweifel bestehen. Die Publikation der Standardkommission DGGG (Weitzel, 1996) enthält keinerlei neue Erkenntnisse. Es handelt sich lediglich um eine besonders anschauliche Zusammenfassung von schon immer bekanntem geburtshilflichen Standardwissen. Zur E-E-Zeit wurde festgehalten, dass der Rechtsanwalt nicht ganz zu unrecht kritisierte, dass im Gutachten eine Publikation aus dem Jahr 1996 aufgenommen wurde, in der eine E-E-Zeit von 30 Minuten gefordert wird. Diese Publikation wurde deswegen ausgesucht, da sie für den Geburtshelfer günstiger war. In der Originalpublikation aus dem Jahr 1992 wurde von der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe die Zeit zwischen Indikationsstellung und Sectio (Entschluss-Entwicklungszeit) mit 20 Minuten als Zeitvorgabe definiert. Es wurde eingeräumt, dass man aufgrund des Schadendatums 1993 eigentlich den oben zitierten Standard einer 20minütigen E-E-Zeit hätte anwenden müssen.
1.1.5.3 Verfahrensausgang Die Haftung wurde anerkannt. Die Versicherung berief sich auf ihre Verschwiegenheitspflicht und war lediglich bereit mitzuteilen, dass die Schadenhöhe etwa € 200.000,− betragen hätte. Der Vater teilte freundlicherweise mit, dass sein minderjähriges Kind nach acht Jahren eine einmalige Entschädigung von € 130.000,− Schmerzensgeld erhalten hatte und seitdem jährliche Zahlungen von etwa € 20.000,− erhält.
1.1.5.4 Resümee Die vorzeitige Lösung der Plazenta ist naturgemäß ein schicksalhaftes Ereignis, das bei adäquater Betreuung keine Haftung auslösen kann. Im vorliegenden Fall kam es bei der Patientin in SSW 41 in der Nacht zu einer massiven vaginalen Blutung. Im regio-
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1 Diagnosefehler
nalen Krankenhaus musste die Hebamme erst von der Kinderschwester herbeigerufen werden, das CTG war zwischen 1.47 und 2.12 Uhr hochpathologisch. Der Turnusarzt begab sich zu einer anderen Patientin mit möglichem Herzinfarkt, der Primararzt wurde erst um 2.00 Uhr verständigt, orderte eine Notsectio an und traf um 2.25 Uhr in dem Krankenhaus ein. Da zu diesem Zeitpunkt der Muttermund verstrichen und der Schädel eingetreten war, führte er bei schwerster Bradykardie des Kindes eine Vakuumextraktion mit mehreren wehensynchronen Zügen durch. Das schwerst asphyktische Kind hatte einen Apgar-Wert von 3/7/7, acht Minuten postpartum einen Nabelarterien-pH-Wert von 6,76 und einen BE von –21,2. Es entwickelte aufgrund des protrahierten Sauerstoffmangels in der Zeit von 1.55 bis 2.45 Uhr eine Tetraspastik. Bei Einhaltung einer 30-minütigen E-E-Zeit hätte das Kind 20 Minuten früher entbunden werden können. Vaginaloperative Eingriffe dürfen bei bereits hypoxisch beeinträchtigten Feten nicht durchgeführt werden. In Gutachten sollte zur Vermeidung von Missverständnissen immer nur Literatur aus der Zeit vor dem Schadendatum zitiert werden.
Literatur DGGG. Stellungnahme zur Frage der erlaubten Zeit zwischen Indikationsstellung und Sectio (EE-Zeit) bei einer Notlage. In: DGGG (Hrsg). Mitteilung der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe 16, 1992: 90. DGGG. Vaginaloperative Entbindungen; Mindestanforderung an prozessuale, strukturelle und organisatorische Voraussetzungen für geburtshilfliche Abteilungen. Stellungnahme zur Frage der erlaubten Zeit zwischen Indikationsstellung und Sectio (E-E-Zeit) bei einer Notlage. In: DGGG. Leitlinien der Gynäkologie und Geburtshilfe; Bd. III, Pränatalmedizin, Geburtsmedizin. Berlin: Verlag S. Kramarz, 2010: 245–55, 297–304, 317–321. Dudenhausen JW. Praktische Geburtshilfe mit geburtshilflichen Operationen. 21. Aufl. Berlin, New York: De Gruyter, 2011: 347–8, 149–53. Hillemanns P, Hepp H, Rebhan H, Knitza R. Notsectio – Organisation und E-E-Zeit. Geburtsh. u. Frauenheilk. 1996; 56: 423–430. Janisch H. Die Blutungen im dritten Schwangerschaftstrimester. In: Gitsch E, Janisch H. Geburtshilfe. Wien: Maudrich, 1989: 110–114. Käser O, Richter R. Geburt aus Kopflage. In: Käser O, Friedberg V, Ober KG, Thomsen K, Zander J (Hrsg). Gynäkologie und Geburtshilfe. Grundlagen, Pathologie, Prophylaxe, Diagnostik, Therapie, Bd. II, Teil 2, Schwangerschaft und Geburt 2, 2. Aufl. Stuttgart, New York: Thieme, 1981: 12–21. Pschyrembel W. Praktische Geburtshilfe und geburtshilfliche Operationen. 14. Aufl. Berlin, New York: De Gruyter, 1973: 123–130. Schlund GH. Juristische Gesichtspunkte bei der Reanimation lebensbedrohlich erkrankter Neugeborener. Geburtsh. u. Frauenheilk. 1996; 56: 191–194. Schneider H. Bedeutung der intrapartalen Asphyxie für die Entstehung von kindlichen Hirnschäden. Geburtsh. u. Frauenheilk. 1993; 53: 369–378. Schneider KTM. Die Überwachung der Geburt aus forensischer Sicht. Gynäkologe. 1994; 27: 212–221. Schneider KTM. Leitlinie, Anwendung des CTG während Schwangerschaft und Geburt. Frauenarzt. 2008; 49: 68–74. Weitzel H. Vaginal-operative Entbindungen aus Beckenmitte. Standardkommission der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe und der Deutschen Gesellschaft für Perinatale Medizin. Frauenarzt. 1996, 37: 1003–1006.
1.1 Geburtsasphyxie und kindlicher Sauerstoffmangel-Hirnschaden
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1.1.6 Schwerste Geburtsasphyxie bei chronischer Plazentainsuffizienz und silentem CTG CTG-Beurteilung nach dem Fischer-Score Beim Fischer-Score handelt es sich um ein einfaches Beurteilungsschema für das antepartale CTG, wobei in Anlehnung an den Apgar-Wert 0 bis 2 Punkte für die kindliche Basalfrequenz, die Bandbreite, die Nulldurchgänge und die Akzelerationen bzw. Dezelerationen vergeben werden (s. Tab. 1.2). Eine Punktezahl von 8 bis 10 ist Ausdruck des physiologischen fetalen Zustandes, 5 bis 7 Punkte lassen das Wohlergehen des Kindes prognostisch fraglich erscheinen. 0 bis 4 Punkte sprechen für eine bedrohliche Beeinträchtigung des Kindes (Fischer, 1976). Wichtig ist, dass die später von der FIGO empfohlenen Richtlinien zur Beurteilung des intrapartalen CTGs mit dem Fischer-Score weitgehend übereinstimmen.
Silentes CTG Unter einem silenten CTG versteht man ein CTG mit einer Bandbreite unter 5 ohne Akzelerationen, man spricht auch von einem sogenannten präterminalen bzw. terminalen CTG (s. Abb. 1.19).
Abb. 1.19: Aufnahme-CTG mit späten Dezelerationen, 41-jährige Drittgebärende in 38 + 6 SSW bei bekannter intrauteriner Hypotrophie (aus Dudenhausen, Joachim W.: Praktische Geburtshilfe. 21., erweiterte Aufl. Berlin, Boston: De Gruyter 2011).
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1.1.6.1 Sachverhalt / Kasuistik Die 29-jährige Zweitgebärende hatte bereits 1990 ein Mädchen wegen drohender intrauteriner Asphyxie mittels Sectio entbunden. Damals war eine Amniotomie aufgrund reduzierten bzw. missfärbigen Fruchtwassers durchgeführt worden. Die Schwangerschaft verlief laut Krankengeschichte komplikationslos mit einem errechneten Geburtstermin am 08. 08. 1994. In dem Krankenhaus, in dem die Geburt stattfand erfolgten auch die insgesamt acht Schwangerenuntersuchungen in SSW 36, 37, 38 und 39 sowie an T+4, T+5 und T+8. Bei jeder Untersuchung wurde ein CTG geschrieben. Die CTGs waren bis T+4 unauffällig (mit einem Fischer-Score von 9 und 10). An T+8 verspürte die Schwangere alle acht Minuten ein Ziehen im Unterleib und begab sich ins Krankenhaus. Zwischen 11.37 und 11.50 Uhr wurde ein CTG geschrieben, welches einen Fischer-Score von lediglich 6 aufwies (basale Herzfrequenz 100 spm und variable Dezelerationen). Einem Gedächtnisprotokoll der diensthabenden Turnusärztin war zu entnehmen, dass die Patientin seit drei Tagen kaum noch Kindsbewegungen spürte. Im CTG hätte sich ein bradykarder, undulatorisch eingeschränkter Herztonverlauf ohne Wehentätigkeit gezeigt, der sich in Seitenlage jedoch besserte. Auf dieser Grundlage wurde die Patientin zur Beobachtung stationär aufgenommen und ein Einlauf verabreicht. Danach musste die Ärztin bei einer neuerlichen CTGKontrolle kurzzeitig das Zimmer verlassen. Als sie zurückkam, zeigte das CTG einen eindeutig silenten Herztonverlauf, weshalb sie die Hebamme, die diensthabende Fachärztin und – aufgrund der akuten Situation – auch den Primararzt verständigte. Sofort wurde die Indikation zur Sectio gestellt. Bei der Lagerung am OP-Tisch waren die kindlichen Herztöne hochgradig bradykard, und es wurde umgehend eine mediane Unterbauchlaparotomie durchgeführt. Nach sofortiger Hysterotomie im isthmischen Bereich wurde um 15.15 Uhr ein weiß-asphyktischer Knabe aus Hinterhauptshaltung entwickelt. Das Fruchtwasser war mittelgradig grünlich verfärbt, jedoch nicht erbsbreiartig. Es lag keine Nabelschnurumschlingung und keine vorzeitige Plazentalösung vor. Das Kind wurde von zwei Anästhesisten und dem geburtshilflichen Primararzt reanimiert und dem in der Zwischenzeit eingetroffenen Neonatologiedienst des Kinderspitals übergeben. Einem Schreiben des Kinderspitals des Landeskrankenhauses war zu entnehmen, dass bei dem Kind eine massive Schädigung nach postpartaler Asphyxie mit zystischer Encephalopathie und Infarzierung im Arteria-cerebri-posterior-Gebiet und Hydrocephalus internus vorlag. Aufgrund dieser Schädigung waren auch die Entwicklungsbehinderung und das Anfallsleiden zu erklären. Während eines langzeitigen stationären Aufenthaltes war es äußerst schwierig das Anfallsleiden des Kindes einzustellen. Eine ACTH-Kur wurde ohne Erfolg durchgeführt. Die Behinderung und das Anfallsleiden waren als äußerst schwer einzustufen Bezüglich der Prognose war der Verlauf abzuwarten, aller Voraussicht nach war das Kind jedoch als schwerstbehindert einzustufen. Die Eltern wandten sich an die Patientenvertretung des Bundeslandes, in der in der dritten Schlichtungssitzung mit der Haftpflichtversicherung seitens des Primararztes eingeräumt wurde, dass die Geburt jedenfalls eine halbe Stunde, wahrscheinlich aber noch früher, hätte eingeleitet werden müssen. Da in diesem Fall von einer Haftung auszugehen war, wurden Verhandlungen mit der Haftpflichtversicherung geführt. Diese beauftragte den Autor als Gutachter. Ein Verjährungsverzicht des Spitalträgers der Marktgemeinde wurde abgegeben.
1.1 Geburtsasphyxie und kindlicher Sauerstoffmangel-Hirnschaden
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1.1.6.2 Beurteilung / Gutachten Die Tabelle 1.2 zeigt die Beurteilung der neun CTGs beginnend in SSW 39 bis T + 8. Es war zu erkennen, dass die CTGs bis T + 4 einen physiologischen Fischer-Score zwischen 9 und 10 aufwiesen. An T + 5 wurden sogar zwei CTGs geschrieben, wobei das zweite zwischen 18.52 und 19.10 Uhr als Fischer-Score von 7 zu interpretieren war. Nach einem Weckversuch kam es allerdings zu einer Besserung des CTGs auf einen Fischer-Score von 10. Warum die nächste Untersuchung bzw. Schwangerenkontrolle erst drei Tage später durchgeführt wurde, war nicht nachvollziehbar. Es war auch 1994 bereits Standard, Schwangere, die über den errechneten Termin hinaus waren, in maximal zweitägigen, bei bereits pathologischen CTG in täglichen Abständen, zu Tab. 1.2: Beurteilung von neun CTG s nach dem Fischer-Score. Nr.
Datum, Zeitraum
BasalBandbreite frequenz
1
01. 08. 1994 10.52– 11.30 Uhr
120–160 ab 10.55 Uhr über 6 sporadisch 2 Punkte eingeschränkt 2 Punkte 2 Punkte 1 Punkt
Dip 0 2 Punkte
9
2a
08. 08. 1994 11.52– 12.10 Uhr
130 undulatorisch über 6 sporadisch 2 Punkte 2 Punkte 2 Punkte 2 Punkte
Dip 0 2 Punkte
10
2b
08. 08. 1994 12.10– 12.35 Uhr
130
über 6 sporadisch 2 Punkte 2 Punkte
Dip 0 2 Punkte
9
3
12. 08. 1994 11.04– 11.20 Uhr
130–140 undulatorisch über 6 sporadisch 2 Punkte 2 Punkte 2 Punkte 2 Punkte
Dip 0 2 Punkte
10
4
13. 08. 1994 16.30– 17.10 Uhr
145 5–10 bpm 2 Punkte 1 Punkt
über 6 sporadisch 2 Punkte 2 Punkte
variabel 1 Punkt
8, keine Wehen
5
13. 08. 1994 18.52– 19.10 Uhr
145 5–10 bpm 2 Punkte 1 Punkt
2–6 1 Punkt
sporadisch 2 Punkte
variabel 1 Punkt
7, dann Weckversuch, darauffolgend 10, bis 19.16 Uhr
6
16. 08. 1994 11.37– 11.50 Uhr
100 1 Punkt
5–10 bpm 1 Punkt
2–6 1 Punkt
sporadisch 2 Punkte
variabel, 6 Rückkehr über Basalfrequenz 1 Punkt
7
16. 08. 1994 13.22– 14.00 Uhr
ca. 110 1 Punkt
unter 5 (silent) 2–6 0 Punkte 1 Punkt
keine 0 Punkte
variabel 1 Punkt
8
16. 08. 1994 14.00– 14.30 Uhr
ca. 110 1 Punkt
unter 5 0 Punkte
keine 0 Punkte
schwere, 2, entsprechend variable mit einem ungünstigen terminalen CTG Zusatzkriterien
saltotorisch 1 Punkt
0‑Durch- Akzeleration Dezeleration Fischer-Score gänge
2 Punkte
2–6 1 Punkt
3
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1 Diagnosefehler
kontrollieren. Mit großer Wahrscheinlichkeit hätte ein CTG an T + 6 oder 7 bereits eine weitere Verschlechterung des kindlichen Zustandes erkennen lassen. Warum die Schwangere allerdings trotz fehlender Kindsbewegungen nicht von sich aus das Krankenhaus aufsuchte, war möglicherweise dadurch bedingt, dass der 15. August ein Feiertag war. An T + 8 zeigte das CTG zwischen 11.37 und 11.50 Uhr bereits eine deutliche Verlangsamung der kindlichen Herzfrequenz und sogenannte variable Dezelerationen entsprechend einem Fischer-Score von 6. Gutachtlich nicht nachvollziehbar war, warum weiter abgewartet wurde und bei Status post Sectio offensichtlich eine Spontangeburt angestrebt wurde. Das CTG von 13.22 bis 14.00 Uhr war ein sogenanntes silentes CTG mit einem Fischer-Score von 3. Man spricht auch von einem präterminalen CTG (s. Abb. 1.20). Es konnte nun kein Zweifel darüber bestehen, dass der allerletzte Zeitpunkt für eine Intervention im Sinne einer Sectio um 13.22 Uhr bzw. kurz danach gegeben war. Eine Verzögerung bis 15.15 Uhr war mit Sicherheit nicht vertretbar. Wenn man von einer absoluten Indikation zur Sectio um etwa 13.30 Uhr ausging, hätte das Kind nach einer maximalen E-E-Zeit von 20 bis 30 Minuten um 13.50 Uhr oder spätestens um 14.00 Uhr entbunden werden müssen. Wenngleich eine gewisse Vorschädigung des kindlichen Gehirns zwischen T + 5 und T + 8 keineswegs auszuschließen war, so konnte man höchstwahrscheinlich davon ausgehen, dass die schwere Behinderung des Jungen durch den Sauerstoffmangel zwischen 13.22 und 15.15 Uhr begründet war. Die CTG-Dokumentation hörte zwar um 14.30 Uhr bei einer Herzfrequenz von 60 spm auf, der Zustand des Kindes ließ jedoch den Rückschluss zu, dass sich die Situation in der Zeit zwischen 14.30 Uhr und 15.15 Uhr wahrscheinlich noch verschlechtert hat, da bei dieser Herzfrequenz die Sauerstoffsättigung im kindlichen Blut gegen null geht. Nach Meinung des Sachverständigen wäre die Indikation zur Schnittentbindung bei Zustand nach Sectio und bei deutlichen Warnhinweisen im CTG jedoch bereits we-
Abb. 1.20: 29-jährige II-Gebärende mit Z. n. Sectio wegen drohender Asphyxie, jetzt wieder chronische Plazentainsuffizienz, SSW 41/1, drei Tage verminderte Kindsbewegungen, Einlauf, silentes CTG. Not-Resectio, Fruchtwasser grün, keine Nabelschnurumschlingung oder Plazentalösung, Knabe, Apgar-Wert 2/4, weiß asphyktisch, Reanimation, hypoxisch-ischämische Encephalopathie, Anfallsleiden, Hydrocephalus internus, schwerstbehindert.
1.1 Geburtsasphyxie und kindlicher Sauerstoffmangel-Hirnschaden
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sentlich früher im Sinne einer primären Sectio zu stellen gewesen. Nicht nachvollziehbar war, warum die Schwangere bei einem hochpathologischen CTG in SSW 41/1 um 11.37 Uhr überhaupt noch einen Einlauf bekam und das CTG nochmals kontrolliert wurde. Offensichtlich wurde in völliger Verkennung der Situation eine vaginale Geburt unter allen Umständen angestrebt. Wenngleich vom Kind nur eine kurze Zusammenfassung der Krankengeschichte vorlag, stimmte dieser Befund doch gut mit einem protrahierten Sauerstoffmangel unter der Geburt überein. Kritisiert wurde auch, dass keine pH-Wert-Messung aus dem kindlichen Nabelschnurblut vorgenommen wurde. Bei richtiger Indikationsstellung zur Sectio um 13.25 bis 13.27 Uhr wäre die Dauer des Sauerstoffmangels um 90 Minuten verkürzt worden und die Schädigung des Jungen mit Sicherheit wesentlich geringer gewesen. Ursächlich war höchstwahrscheinlich eine chronische Plazentainsuffizienz nach dem Termin. Wahrscheinlich hätten sich die meisten Geburtshelfer spätestens am T + 5 für eine geplante Sectio entschieden, da heute in der modernen Geburtshilfe ein präventives, vorausschauendes Vorgehen bevorzugt wird. Dadurch können derartige Katastrophenfälle a priori verhindert werden.
1.1.6.3 Verfahrensausgang In dem Beschwerdeprotokoll bei der Patientenvertretung des Bundeslandes meinte die Mutter, dass die Herztöne des Kindes ständig hätten kontrolliert werden müssen, wenn schon bekannt gewesen wäre, dass diese bradykard waren. Ihr Sohn hätte einen Herzstillstand erlitten und danach sechs Wochen auf der Neonatologie des Landeskrankenhauses gelegen. Im Alter von zwei Jahren könne er den Kopf noch nicht halten, hätte Krampfanfälle und psychische Störungen. Die Mutter beschwerte sich erst zwei Jahre nach der Geburt, da sie die Erlebnisse und die Geburt ihres Sohnes noch nicht verarbeitet hätte. Sie war der Meinung, dass alles hätte vermieden werden können, wenn sie durchgehend an ein CTG angeschlossen worden wäre. Die Stellungnahme des betroffenen Primararztes des Krankenhauses begann mit den Worten: „Leider muss ich erneut zu einem tragischen Geburtsverlauf Stellung nehmen.“ An T + 8 hätte die Schwangere keine Wehen gehabt, das CTG hätte jedoch in Rückenlage einen eher pathologischen silenten Herztonverlauf mit Herztonabsenkungen gezeigt. Bei Seitenlagerung hätte sich das CTG jedoch deutlich gebessert. Unter dieser Voraussetzung sei die stationäre Aufnahme um 12.00 Uhr erfolgt. Es sollte eine weitere kontinuierliche CTG-Überwachung und eventuell eine Syntocinon®-Belastung durchgeführt werden. Der Primararzt wandte ein, dass von seinen Mitarbeitern die akute Dringlichkeit der Situation unterschätzt worden war und man die akute Sectio zumindest eine halbe Stunde früher hätte veranlassen müssen. Inwieweit dies die postpartale Situation des Kindes verbessert hätte, wagte er jedoch nicht zu beurteilen. In dem Schlichtungsverfahren bei der Patientenvertretung konnte die Angelegenheit aufgrund des Gutachtens außergerichtlich geklärt werden. Die Haftung wurde zu 100 % anerkannt. Dies wurde juristisch in einem außergerichtlichen Vergleich bzw. konstitutiven Haftungsanerkenntnis festgehalten. Es kam zur Auszahlung eines Schmerzensgeldes und eines Verunstaltungsbeitrags. Die Barauslagen wurden ebenfalls von der Versicherung beglichen. Auch die Haftung für Spät- und Dauerfolgen, die ja bedauerlicherweise in vollem Umfang bei dem Kind vorlagen, wurden haftungsmäßig
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anerkannt. Die Schadenssumme bewegte sich in der Größenordnung von € 200.000,− und das Kind erhält laufende Zahlungen.
1.1.6.4 Resümee In dem vorliegenden Fall kam es zu einer schwersten intrauterinen Asphyxie bei chronischer Plazentainsuffizienz in SSW 41/1. Bei Zustand nach Sectio trat bei laufenden CTG-Kontrollen an T + 5 erstmals ein pathologisches CTG (Fischer-Score von 7) auf. Die Patientin spürte dann drei Tage keine Kindsbewegungen mehr und das CTG war an T + 8 gegen Mittag pathologisch (Fischer-Score von 6). Bei einer weiteren Kontrolle um 13.22 Uhr war das CTG silent (Fischer-Score von 3) und ging in ein präterminales bzw. terminales CTG über. Die Sectio wurde verspätet um 15.15 Uhr durchgeführt, das Fruchtwasser war missfärbig, der Apgar-Wert 2/4. Das Kind entwickelte eine posthypoxische Encephalopathie mit einer Infarzierung im Arteria-cerebri-posterior-Gebiet und einem Hydrocephalus internus. Es leidet an einer Entwicklungsbehinderung und einem schwer einstellbaren Anfallsleiden. Der späteste Zeitpunkt für die Indikation zur Sectio war um 13.30 Uhr gegeben. Die Therapieverzögerung betrug somit etwa 90 Minuten und der schwere Sauerstoffmangel war für die schwere Behinderung des Kindes ursächlich. Die meisten Geburtshelfer hätten spätestens an T+5 eine Sectio durchgeführt. Nach Ansicht des Sachverständigen handelte es sich um einen Fall von falsch verstandener, zu konservativ abwartender Geburtshilfe, wie sie heute endgültig der Vergangenheit angehören sollte. Literatur DGGG. Absolute und relative Indikationen zur Sectio caesarea. In: DGGG (Hrsg). Leitlinien der Gynäkologie und Geburtshilfe, Bd. IV, Medizinrecht, Qualitätssicherung. Berlin: Verlag S. Kramarz, 2010: 149–166. Fischer WM, Stude I, Brandt H. Ein Vorschlag zur Beurteilung des antepartalen Kardiotokogrammes. Z. Geburtsh. Perinat.1976; 180: 117–123. Göschen K. Kardiotokographiepraxis. 5. Aufl. Stuttgart: Thieme, 1997: 153–161. Jaisle F. Schnittentbindung in den Akten der Justiz. Stuttgart: Fischer, 1995: 100–190. Knitza R. Hypoxische Gefährdung des Fetus sub partu – Klinik und neue Überwachungsverfahren. Darmstadt: Steinkopf, 1994: 1–30. Schneider H, Beller FK. Geburtsasphyxie und kindliche Hirnschaden – Eine Bestandaufnahme. Medical-Iurisprudenz-Kongreßmanagement Cham, 1995. Rooth G, Huch A, Huch R. FIGO-News: Guidelines for the use of fetal monitoring. Int. J. Gynaecol. Obstet. 1987; 25: 159–167. DGGG. Anwendung des CTG während Schwangerschaft und Geburt. In: DGGG (Hrsg). Leitlinien der Gynäkologie und Geburtshilfe, Band III, Pränatalmedizin, Geburtsmedizin, Berlin: Verlag S. Kramarz, 2010: 183–211.
1.2 Makrosomie
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1.2 Makrosomie 1.2.1 Subpartaler Todesfall durch Schulterdystokie bei kindlicher Makrosomie und mütterlicher morbider Adipositas Makrosomie Als makrosome Kinder bezeichnet man sogenannte Riesenkinder mit einem Geburtsgewicht von üblicherweise mehr als 4.000 bzw. 4.500 g unabhängig vom Schwangerschaftsalter. Ab einem Geburtsgewicht von 4.500 g steigt die Morbidität bei Mutter und Kind. Unabhängig vom Geburtsgewicht haben Kinder von Müttern mit Diabetes ein erhöhtes Risiko für Schlüsselbeinbruch und Plexusläsionen. Die Makrosomie stellt, ebenso wie die Zuckerkrankheit und das Übergewicht der Mutter, auch ein erhöhtes Risiko für eine Schulterdystokie dar (zu Schulterdystokie siehe auch Abb. 2.5 bis 2.7 in Kapitel 2.1.2). Weitere prädisponierende Faktoren sind eine vaginaloperative Entbindung sowie eine vorangegangene Schulterdystokie. Die Schulterdystokie ist ein seltenes, aber immer überraschend auftretendes Ereignis. Sie kann trotz sonographischer Schätzung des kindlichen Gewichtes nicht vorhergesagt werden. Auch heutzutage ist die vorgeburtliche Gewichtseinschätzung noch so ungenau, dass lediglich aus dem hierauf beruhenden Verdacht eines makrosomen Kindes in der Regel keine Indikation zur primären Sectio gestellt werden kann. Ohne Zweifel handelt es sich im vorliegenden Fall um ein makrosomes Kind.
1.2.1.1 Sachverhalt / Kasuistik Die im Jahr 2007 24-jährige Zweitgebärende hatte 2004 ein Mädchen mit einem Geburtsgewicht von 3.960 g und einer Länge von 51 cm problemlos entbunden. Anamnestisch hatte sie im Jahr 2001 eine Gallenblasenoperation und 2006 einen Schwangerschaftsabbruch. Trotz Verordnung des Nuva®-Vaginalringes zur Empfängnisverhütung im Januar 2007 wurde sie wieder schwanger, wobei die letzte normale Regel (LNR) unbekannt war. Am 08. 05. 2007 wurde beim Gynäkologen die Schwangerschaft in SSW 12 festgestellt. Schwangerenkontrollen beim niedergelassenen Gynäkologen erfolgten in SSW 16, 20, 24, 28, 33 und 37. Weitere Untersuchungen wurden in dem die Entbindung durchführenden Regionalkrankenhaus durchgeführt: Der sogenannte combined-test in SSW 13/3, das sogenannte Organscreening in SSW 29/2 und eine weitere Ultraschalluntersuchung in SSW 26/3. Vermerkt war „unauffällige Entwicklung, dorsoanteriore Schädellage“. Hier wurde auch ein oraler Glukose-Toleranztest (OGTT) empfohlen. Dieser Test wurde jedoch nicht durchgeführt. Die Patientin behauptete, der niedergelassene Gynäkologe hätte gesagt, dies wäre nicht notwendig, da der Zucker zu gering sei, was nicht nachvollzogen werden konnte. Eine weitere Ultraschalluntersuchung wurde in dem Krankenhaus in SSW 37 durchgeführt und die Gewichtsschätzung des Kindes betrug 3.572 g. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Schwangere ein Gewicht von 126 kg. Das CTG war unauffällig, der Muttermund für einen Finger passierbar, im Harn Eiweiß und Zucker negativ. In SSW 38/4 kam es schließlich zu einem vorzeitigen Blasensprung. Die Schwangere hatte in einer Woche noch 7 kg an Gewicht zugenommen und wog nun 133 kg. Der Blutdruck betrug 148/67 mmHg, die Ultraschallgewichtsschätzung ergab 3.897 g.
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Die Schwangere wies mäßige Ödeme auf. Vermerkt war „mäßige Lumbago, Fruchtwasser abgegangen, Verdacht auf hohen Blasensprung“. Nach fünf Stunden wurde zur Geburtseinleitung Propess® R (Prostaglandin-Präparat) vaginal gelegt, bei einem dicksaumigen Muttermund von 3 cm und einem Schädelhöhenstand von –5. Das CTG war unauffällig. Nach weiteren fünf Stunden wurde wegen beginnender sekundärer Wehenschwäche bei einem Muttermund von 8 cm und einem Schädel-Höhenstand von –3 Syntocinon® (30 l/h) verabreicht. Diese Dosierung wurde nach 45 Minuten auf 60 l/h erhöht, das CTG war weiterhin ohne Befund. Um 21.46 Uhr schließlich war der Muttermund verstrichen, der Schädelhöhenstand +2. Die Wehen regelmäßig, das CTG unauffällig. Um 22.00 Uhr wurde Syntocinon® (5 iE) intravenös verabreicht, um 22.05 Uhr eine Episiotomie geschnitten, worauf es zur Entwicklung des Kopfes kam. Um 22.06 Uhr trat jedoch eine Schulterdystokie auf, das Syntocinon® wurde sofort abgestellt. Zunächst wurden drei McRoberts-Manöver durchgeführt, die zu keiner Schulterentwicklung führten. Danach führten suprapubischer Druck, Erweiterung der Episiotomie und nochmals drei McRoberts-Manöver wieder zu keiner Schulterentwicklung. Um 22.08 Uhr wurde die hintere Schulter manuell gelöst (Woods-Manöver) und nach drei weiteren McRoberts-Manövern kam es zur Lösung der vorderen Schulter. Um 22.10 Uhr wurde schließlich ein Knabe zur Welt gebracht. Der Apgar-Wert betrug nach einer und nach fünf Minuten 1 (lediglich Herzaktion) und nach zehn Minuten 2. Das Geburtsgewicht betrug 5.880 g, die Länge 58 cm, der Kopfumfang 38 cm und der Schulterumfang 49 cm. Das Fruchtwasser war klar. Das Kind wurde in der Folge eine Stunde durch die Kinderärztin und den zu Hilfe gerufenen Anästhesisten reanimiert. Adrenalin wurde über die Intubation sowie über die Nabelvene indiziert. Es konnte eine Herzfrequenz von 136 spm, jedoch keine Atmung erzielt werden. Das Kind war schlaff, das Hautkolorit dunkelblau-grau, Reflexe fehlten. Unter weiterer Reanimation wurde das Kind an die Neonatologie überführt, wo es eine Stunde lang reanimiert wurde und dann verstarb. Der Nabelarterien-pH-Wert betrug 7,21. Der geburtsleitende Arzt verwies in einem Gedächtnisprotokoll darauf, dass bei einem Schätzgewicht von etwa 4.000 g aus seiner Sicht eine Spontangeburt durchaus möglich gewesen wäre. Hätte er allerdings das tatsächliche Gewicht von 5.880 g auch nur annähernd gewusst, wäre eine primäre Schnittentbindung indiziert gewesen.
1.2.1.2 Beurteilung / Gutachten Dem gerichtsmedizinischen Gutachten war zu entnehmen, dass das Neugeborene während der Geburt an einer beidseitigen Nebennierenblutung gestorben war. Dabei handelt es sich um eine typische Folge eines protrahierten Geburtsverlaufes und einer Sauerstoffmangelversorgung während der Geburt. Am Gehirn waren Blutungen unter den Spinngewebshäuten zu finden. Verletzungen des knöchernen Skeletts waren weder am Schädel, noch an den Gliedmaßen zu erheben. Auch eine vermutete Verrenkung bzw. ein Bruch der Schulter oder des Oberarmes im Rahmen der Kindsentwicklung wurden nicht gefunden. Auffallend am gerichtsmedizinischen Befund war, dass die Lungenschwimmprobe negativ war; ein Hinweis darauf, dass keine Spontanatmung des Kindes nach der Geburt eingesetzt hatte. Wieso trotz einstündiger Beatmung keine Luft in die Lunge ge-
1.2 Makrosomie
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langt war, blieb ungeklärt. Diskutiert wurden hyaline Membranen in den Bronchien des makrosomen Kindes, die sich bei diabetischen Kindern häufig finden und eine Todesursache darstellen können. Es stand fest, dass das männliche, fast 6.000 g schwere Neugeborene während der vaginalen Entbindung mit verzögertem Geburtsverlauf und erschwerter Schulterentwicklung (Schulterdystokie) an den Folgen der verzögerten Geburt mit daraus folgender Sauerstoffmangelversorgung des Kindes an einer Nebennierenblutung gestorben ist. In der Strafsache gegen unbekannte Täter wegen § 80 StGB (fahrlässige Tötung) fragte die Staatsanwaltschaft, inwieweit die Durchführung der Geburt in Anbetracht der äußeren Umstände der Schwangerschaft, insbesondere der deutlich adipösen Kindesmutter, auf vaginalem Weg angezeigt war und ob die Entbindung sachgerecht vorgenommen wurde. Beantwortung des Fragenkatalogs 1. Warum kam es zur Entwicklung eines makrosomen Kindes? Als Hauptrisikofaktoren für Riesenkinder gelten neben anderen Faktoren das Ausgangsgewicht der Mutter vor der Schwangerschaft, die Gewichtszunahme während der Schwangerschaft und ein pathologischer oraler Glucosetoleranztest (OGTT) der Mutter. Das Ausgangsgewicht der Mutter betrug in SSW 12 110 kg, die Gewichtszunahme in der Schwangerschaft betrug 23 kg (angestrebt werden 11 kg), der Zuckerbelastungstest wurde erst im Wochenbett durchgeführt, war aber hochpathologisch (92/257/178 g/l). Auch das HbA1C war mit 6,9 % deutlich erhöht und sprach für eine diabetische Stoffwechsellage der Mutter während der Schwangerschaft. Ohne Zweifel haben diese Faktoren zur Entwicklung des Riesenkindes geführt. Besonders auffällig war, dass die Schwangere noch in der letzten Schwangerschaftswoche 7 kg Gewicht zugelegt hatte, obwohl laut Patientenkartei des niedergelassenen Gynäkologen bereits zu Beginn der Schwangerschaft eine Beratung zum Thema Übergewicht erfolgt sei. In SSW 33 fand sich nochmals der Aktenvermerk „Gewicht !!!“, was für eine weitere Aufklärung sprach. Ungeklärt blieb, warum der im Krankenhaus in SSW 26/3 empfohlene Zuckerbelastungstest nicht durchgeführt wurde. Wäre er durchgeführt worden, so wäre er höchstwahrscheinlich positiv gewesen, und der Schwangeren wäre eine strikte Kalorienrestriktion mit entsprechender Diät verordnet worden. Gutachtlich stellte sich allerdings die Frage, ob eine Diät zwischen der 27. und 38. SSW, falls sie überhaupt befolgt worden wäre, noch eine Auswirkung gehabt hätte. 2. War die Schwangerenbetreuung durch den niedergelassenen Facharzt und durch das Krankenhaus lege artis? Die sieben Schwangerenuntersuchungen bei dem niedergelassenen Gynäkologen und die weiteren fünf Schwangerenuntersuchungen mit Ultraschall im Krankenhaus waren als durchaus ausreichend und lege artis zu bezeichnen. Eine internistische Untersuchung, wie im Mutter-Kind-Pass vorgesehen, wurde allerdings nicht durchgeführt. 3. Wurde der Diabetes in der Schwangerschaft der Mutter erkannt und behandelt? Der Schwangerschaftsdiabetes wurde nicht diagnostiziert und daher nicht behandelt, da der vom Krankenhaus empfohlene Zuckerbelastungstest in SSW 27 nicht durchgeführt wurde.
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4. Wurde die Makrosomie vorgeburtlich diagnostiziert? Die Makrosomie wurde trotz ausreichender und genau durchgeführter Ultraschalluntersuchungen nicht diagnostiziert. Zwei Gewichtsschätzungen, nämlich 3.572 g in SSW 37/0 und 3.897 g in SSW 38/4, kamen dem tatsächlichen Geburtsgewicht von 5.880 g nicht annähernd nahe. Hierzu wurde aus der wissenschaftlichen Literatur Folgendes angeführt: Die vorgeburtliche Diagnose der kindlichen Makrosomie bleibt bedauerlicherweise unpräzise. Die Vorhersagekraft des Ultraschalls bei Makrosomie ist bekanntlich nicht zuverlässig. Eine Überlegenheit des Ultraschalls bei der Gewichtsschätzung gegenüber der klinischen Gewichtsschätzung konnte in Studien nicht bewiesen werden. In einer Studie mit mehr als 1700 teilnehmenden Frauen wurde herausgefunden, dass Ultraschallgewichtsschätzungen ab einem Geburtsgewicht von 4.000 g eine ähnliche Genauigkeit wie der klinische Palpationsbefund haben. Auch prospektive Studien bei diabetischen Frauen haben gezeigt, dass die klinische Diagnose einer Makrosomie dieselbe Aussagekraft hat wie der Ultraschall. Es stellt sich somit die Frage, wie genau Ultraschallgewichtsschätzungen im Fall einer Makrosomie überhaupt sind? Ultraschallgewichtsschätzungen erhält man, indem man die Messergebnisse verschiedener Körperstellen, also z. B. biparietaler Durchmesser, Abdomendurchmesser etc., mithilfe einer Regressionsformel am Computer berechnet. Bedauerlicherweise sind die meisten verwendeten Regressionsformeln bei makrosomen Kindern mit signifikanten Fehlern behaftet. So hat z. B. die in allen Ultraschallgeräten befindliche Hadlock-Formel bei Kindern über 4.500 g einen durchschnittlichen, absoluten Fehlerprozentsatz von 13 %, verglichen mit 8 % für normalgewichtige Kinder. Bei diabetischen Schwangeren hat die Ultraschall-Biometrie zur Entdeckung von makrosomen Kindern lediglich eine Sensitivität von 22 bis 44 %, bei einer Spezifität von 99 %, d. h., dass nur 22 bis 44 % als richtig makrosom erkannt werden. All diese Betrachtungen lassen vermuten, dass der Nutzen der Ultraschallgewichtsschätzung bei makrosomen Kindern äußerst limitiert ist und diese Einschränkung weder vom Untersucher noch vom jeweiligen Gerät abhängig ist. Bei Anwendung dieses Wissen aus der Literatur auf den vorliegenden Fall ergab sich, dass die fehlerhaften Gewichtsschätzungen bei den dokumentierten, äußerst erschwerten Untersuchungsbedingungen (Fettschürze) keinen schuldhaft vorwerfbaren Fehler darstellen konnten. Ohne Zweifel wäre bei richtiger Gewichtsschätzung ein Kaiserschnitt indiziert gewesen. Hierbei darf aber auch nicht übersehen werden, dass ein Kaiserschnitt bei einer Frau mit 133 kg aus vielerlei Gründen risikoreich ist. 5. War der eigentliche Geburtsverlauf in SSW 38/4 nach vorzeitigem Blasensprung und die Entwicklung des Kindes lege artis? Die Verabreichung von Prostaglandin und Syntocinon® bei vorzeitigem Blasensprung in SSW 38/4 und der weitere Geburtsverlauf waren als durchaus lege artis zu bezeichnen. Auch das Vorgehen nach Eintritt der Schulterdystokie war laut Aktenvermerk als adäquat zu bezeichnen. Das CTG war bis zur Geburt unauffällig, der Nabelarterien-pH-Wert betrug erstaunlicherweise 7,21, ein somit noch akzeptabler Wert. 6. War die Reanimation lege artis? Die Einschätzung, ob die Reanimation lege artis erfolgt war, konnte vom geburtshilflichen Sachverständigen naturgemäß nur bedingt beurteilt werden. Auffällig war
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jedoch, dass die Schwimmprobe der Lunge im gerichtsmedizinischen Gutachten als negativ befundet wurde, obwohl das Kind eine Stunde beatmet wurde.
1.2.1.3 Verfahrensausgang Das Strafverfahren wegen § 80 StGB (fahrlässige Tötung gegen unbekannte Täter) wurde erst nach monatelangen, weiteren Erhebungen der Staatsanwaltschaft gemäß § 190 Z 2 StPO (kein Grund zur weiteren Verfolgung) eingestellt.
1.2.1.4 Resümee Die Schulterdystokie ist eine seltene, immer überraschend auftretende Komplikation, die nicht vorhersehbar ist. Ein erhöhtes Risiko findet sich bei makrosomen Kindern mit einem Geburtsgewicht von 4000 bzw. 4500 g, bei Schwangerschaftsdiabetes und Übergewicht der Mutter, bei vaginaloperativer Entbindung und vorangegangener Schulterdystokie. Die Durchführung der Geburt des Kindes auf vaginalem Weg, war – in Anbetracht der äußeren Umstände der Schwangerschaft, insbesondere der deutlich adipösen Kindesmutter – insofern angezeigt, als zwei vorgeburtliche Gewichtsschätzungen ein Geburtsgewicht von etwa 3.900 g ergeben hatten. Die Durchsicht der wissenschaftlichen Literatur bestätigte jedoch, dass Ultraschallgewichtsschätzungen bei Riesenkindern äußerst unzuverlässig sind. Die Durchführung einer vaginalen Geburt konnte daher keinen schuldhaft vorwerfbaren Behandlungsfehler darstellen. Die eigentliche Entbindung nach vorzeitigem Blasensprung sowie nach eingetretener Schulterdystokie wurde als sach- und fachgerecht bezeichnet. Die Schulterdystokie war als Folge der erheblichen kindlichen Makrosomie aufgetreten. Diese wiederum war eine Folge des bereits vorgeburtlich vorgelegenen mütterlichen Gewichts von 110 kg, der massiv überhöhten Gewichtszunahme in der Schwangerschaft von 23 kg und des dadurch bedingten mütterlichen Schwangerschaftsdiabetes. Auf einen fehlenden Zuckerbelastungstest wurde hingewiesen. Insgesamt lag bei der Schwangeren wahrscheinlich eine Essstörung vor. Der perinatale Todesfall des makrosomen, fast 6.000 g schweren Neugeborenen durch Schulterdystokie, bei mütterlicher Adipositas von 133 kg, wurde daher gutachtlich exkulpiert. Literatur American College of Obstetricians and Gynecologists (ACOG). Fetal Macrosomia. Practice Bulletin. 2000; 22: 1–14. Arbeitsgemeinschaft Medizinrecht (Hrsg). Empfehlungen zur Schulterdystokie. Erkennung, Prävention und Management. Frauenarzt. 1998; 39: 1369–70. DGGG. Empfehlungen zur Schulterdystokie, Erkennung, Prävention und Management. In: DGGG (Hrsg). Leitlinien der Geburtshilfe und Gynäkologie, Bd. IV, Medizinrecht, Qualitätssicherung. Berlin: Verlag S. Kramarz, 2010: 143–148. DGGG. Diabetes und Schwangerschaft (Praxisleitlinie). In: DGGG (Hrsg). Leitlinien der Gynäkologie und Geburtshilfe, Bd. III, Pränatalmedizin, Geburtsmedizin. Berlin: Verlag S. Kramarz, 2010: 79–96. DGGG. Diagnostik und Therapie des Gestationsdiabetes. In: DGGG (Hrsg). Leitlinien der Gynäkologie und Geburtshilfe, Bd. III, Pränatalmedizin, Geburtsmedizin. Berlin: Verlag S. Kramarz, 2010: 97–117.
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Link G, Künzel W. Überwachung und Leitung der Geburt aus Schädellage, Schulterdystokie. In: Künzel W (Hrsg). Klinik der Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Bd. 6, Geburt 1. 4. Aufl. München und Jena: Urban & Fischer, 2003: 175–77. Rodis JF. Timing and route of delivery in pregnancies at risk of shoulderdystocia. Up to date. 2011; 19: 2. Schwenzer TH. Die Schulterdystokie und ihre forensischen Aspekte. Gynäkologe. 1994; 27: 222–28.
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1.3 Pränataldiagnostik 1.3.1 Kleinhirnagenesie Kleinhirnagenesie Bei der Kleinhirnagenesie handelt es sich um das angeborene Fehlen des Kleinhirns (Cerebellum). Die Diagnose einer isolierten Kleinhirnhypoplasie bzw. Aplasie ist ein extrem seltenes Ereignis. Meistens fallen Kleinhirnhypoplasien mit anderen Missbildungen im Sinne eines Syndroms zusammen. Der isolierte Ausfall des Kleinhirns hat klinisch oft keine wesentlichen Auswirkungen, da das Großhirn weitgehend die Funktionen des Kleinhirns übernehmen kann. Das Kleinhirn ist der in der hinteren Schädelgrube unterhalb des Hinterhauptlappens des Großhirns gelegene Teil des Gehirns. Das Kleinhirn zerfällt in zwei Hemisphären und einen mittleren Teil, den Kleinhirnwurm (Vermis). Die von der Rinde (Cortex) ganz umhüllte weiße Substanz bildet im Inneren das zusammenhängende Marklager (Corpus medullare), von dem die Markblätter (Laminae albae) in alle Windungen ziehen (Arbor vitae). Das Mark enthält vierpaarige zentrale graue Kerne, in denen vor allem efferente Bahnen umgeschaltet werden. Über die dreipaarigen Kernstiele ist es durch afferente und efferente Bahnen mit Großhirn, Hirnstamm, Vestibularissystem und Rückenmark verbunden. Seine Funktionen erstrecken sich auf die Mitwirkung bei der Aufrechterhaltung des normalen Tonus der Skelettmuskulatur und des Körpergleichgewichtes, der Regulierung der Innervationsgröße der Einzelbewegungen und deren Zusammenfassung zu geordneten, koordinierten, kombinierten Bewegungsabläufen. Die klinischen Symptome der Kleinhirnagenesie können bei intaktem übrigem Gehirn gering sein (Ataxie und Asynergie) oder sogar fehlen. Häufig findet sich jedoch die Kombination mit Schwachsinn. Kleinhirnerkrankungen können zu sogenannten cerebellaren Symptomen führen. Darunter versteht man Störungen der Koordination der Bewegungen (auch der Sprache), genannt Ataxie, eine Überdosierung der Muskelinnervation, z. B. stampfender Gang, genannt Hypermetrie, eine Tonusminderung der Muskulatur (Hypotonus), bzw., wenn dieser besonders ausgeprägt ist, Asthenie oder Pseudolähmung. Bei Erkrankungen des Kleinhirnwurms treten vor allem lokomotorische Ataxie (Gehen und Stehen) sowie Dysarthrie (Störung der Koordination des Sprachvollzugs) auf. Bei Erkrankung der Kleinhirnhemisphären findet sich ein homolateraler Intentionstremor (Zittern) sowie Ataxie und Dysdiadochokinese (Beeinträchtigung der Diadochokinese ist die Fähigkeit, eine Reihe von antagonistischen Bewegungen, z. B. Pronation und Supination, am Unterarm in schneller Folge auszuführen). Eine Kleinhirnrindenatrophie würde zu erheblichen Gangstörungen und Sprachveränderungen führen.
Dandy-Walker-Syndrom Das Dandy-Walker-Syndrom ist charakterisiert durch eine Zyste in der hinteren Schädelgrube, die mit dem vierten Ventrikel kommuniziert. Ätiologisch liegt eine Liquorabflussstörung infolge einer Entwicklungsstörung im Bereich des Dachs des vierten Ventrikels und einer Atresie der Foramina Luschke und Magendii vor. Eine Agenesie
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oder Hypoplasie des Vermis cerebelli ist pathognomonisch für das Dandy-Walker-Syndrom (Dürig, 2000).
Darstellung des Kleinhirns im Ultraschall Um die Frage der Darstellung des Kleinhirns im Ultraschall in Bezug auf das vorgeburtliche Screening zu erörtern, wurde die damalige Literatur durchgesehen: 1984 wurde von Campbell et al. ein Fall von familiärer Agenesie des Kleinhirnwurmes beschrieben, wobei die Schwangerschaft in SSW 26 beendet werden konnte. Andere Autoren beschrieben die fetale Zysterna magna und wiesen darauf hin, dass die Differenzialdiagnose einer Flüssigkeitsansammlung in der hinteren Schädelgrube einerseits eine vergrößerte Zysterna magna, ein sogenanntes Dandy-Walker-Syndrom oder eine Zyste der hinteren Schädelgrube inkludieren kann. Als Ursache für eine vergrößerte Zysterna magna kommen eine Kleinhirnhypoplasie, ein Hydrocephalus communicans (äußerer und innerer Wasserkopf mit Verbindung zwischen inneren und äußeren Liquorräumen) sowie normale Variationsformen in Frage. Eine Kleinhirnhypoplasie kommt häufig bei Trisomien, z. B. der Trisomie 21 (Downsyndrom) vor. Daher sollte bei derartigen Fällen sorgfältig nach den damit assoziierten Herzmissbildungen, einer Wachstumsretardation sowie einem Hydramnion gefahndet werden (Comstock und Boal, 1985). 1986 wurde von D’Ottavio et al. ein Fall von Kleinhirnwurm-Aplasie publiziert, welcher in SSW 36 diagnostiziert wurde. Es fanden sich keine anderen morphologischen Besonderheiten. Im Ultraschall fand sich eine Vergrößerung der hinteren Schädelgrube, worin die beiden Kleinhirnhemisphären ohne Verbindung zueinander in einer großen Liquormenge flottierten. Erst 1988 beschrieben Nyberg et al. die pränatale Ultraschalldiagnostik des DandyWalker-Syndroms und seine klinische Bedeutung. Die Autoren beschrieben sieben Fälle in einem Zeitraum von sechs Jahren. Bei allen Fällen fand sich ein komplettes oder partielles Fehlen des Kleinhirnwurms und eine Zyste in der hinteren Schädelgrube. In fünf Fällen wurde darüber hinaus ein Hydrocephalus und in einem Fall eine Agenesie des Corpus callosum gefunden. In drei von vier Fällen mit multiplen Missbildungen wurden Missbildungen außerhalb des Zentralnervensystems (ZNS) prospektiv entdeckt. Eine Chromosomenanalyse der vier Fälle mit multiplen Missbildungen außerhalb des ZNS zeigte zwei abnorme Karyotypen. Die fetale Mortalität hängt direkt vom Vorliegen einer außerhalb des ZNS gelegenen Missbildung ab. Letztendlich starben fünf Feten, davon alle vier mit Missbildungen außerhalb des ZNS. Zwei Patienten lebten im Alter von 1,5 und 6 Jahren. Die Autoren kamen zu dem Schluss, dass das Dandy-Walker-Syndrom ein bestimmtes sonographisches Erscheinungsbild hat und durch pränatalen Ultraschall entdeckt werden kann. Wenn es entdeckt wird, muss sorgfältig nach weiteren Anomalien gefahndet und eine Chromosomenanalyse durchgeführt werden. 1989 beschrieben Goldstein et al. ein Verschwinden der fetalen Zysterna magna in Verbindung mit einer Myelomeningozele. Andere Autoren beschrieben eine vergrößerte Zysterna magna bei Trisomie 18. Die Autoren wiesen auf die Wichtigkeit der pränatalen Diagnose bei einer Trisomie 18 hin, bei der es sich um eine letale Missbildung handelt (Thurmond et al., 1989).
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1991 beschrieben Hill et al. den Effekt der Trisomie 18 auf den queren Kleinhirndurchmesser. In 11 von 19 Fällen war dieser kleiner als zwei Standardabweichungen des durchschnittlichen Kleinhirndurchmessers, entsprechend dem Schwangerschaftsalter. Sowohl die intrauterine Wachstumsretardation als auch die ZNS-Missbildungen bei der Trisomie 18 scheinen die Kleinhirngröße zu beeinflussen (Hill et al., 1991a). Kofinas et al. untersuchten 1992 bei 53 Feten zwei verschiedene Kleinhirndurchmesser zwischen der SSW 15 und 40. Sie fanden heraus, dass der koronare Durchmesser genauso genau und reproduzierbar gemessen werden kann wie der quere Durchmesser des Kleinhirns und insbesondere dann verwendet werden kann, wenn der quere Durchmesser aufgrund der Lage de Kindes nicht messbar ist. Pretorius et al. (1992) beschreiben lineare Echos in der fetalen Zysterna magna bei geburtshilflichen Ultraschalluntersuchungen. Sie folgerten, dass die Kenntnis der normalen Anatomie des fetalen Gehirns, im speziellen der fetalen Zysterna magna, für das Erkennen von Missbildungen von Bedeutung ist. Bereits 1984 untersuchten Mc Leary et al. den queren Durchmesser des Kleinhirns bei 265 normalen Feten zwischen SSW 15 und 39 im Ultraschall. Sie fanden heraus, dass der quere Kleinhirndurchmesser für die Schätzung des Gestationsalters vor allem bei Beckenendlagen nützlich ist, weil hier der biparietale Durchmesser durch den äußeren Druck geringer ist als bei Schädellagen. Wenn das Kleinhirn nicht darstellbar ist, so kann dies ein Zeichen für Missbildungen, wie das Arnold-Chiari-Syndrom bzw. eine Dandy-Walker-Zyste sein. Beim Arnold-Chiari-Syndrom handelt es sich um eine Hemmungsmissbildung mit Verschiebung von Kleinhirnteilen sowie Medulla oblongata (verlängertes Rückenmark) durch das Foramen magnum in den Spinalkanal, besonders bei Meningomyelozelen. Als Folge ist die Entstehung eines Hydrocephalus internus occlusivus möglich, wie z. B. bei Spina bifida (Spaltwirbel, angeborene Spaltbildung der Wirbelsäule, meist an der hinteren Seite der Wirbelbogen des Lumbal- oder Sakralteils, beruhend auf unvollständigem Verschluss der Medullarinne). Smith et al. untersuchten 1986 bei 79 Feten zwischen SSW 14 und 32 den queren und anterior-posterioren Kleinhirndurchmesser sowie den Durchmesser der Zysterna magna. Die gemessenen Durchmesser wurden bei Fehlgeburten im zweiten Schwangerschaftsdrittel mit den autoptisch gesicherten, tatsächlichen Durchmessern verglichen. Es fand sich eine gute Korrelation zwischen den Ultraschallmessungen und den Ergebnissen der Autopsien. Die Autoren wiesen darauf hin, dass die routinemäßige Messung dieser Durchmesser und die Anfertigung von Nomogrammen entsprechend dem Schwangerschaftsalter für die Diagnose von angeborenen Missbildungen der hinteren Schädelgrube von Bedeutung sind. Sie zeigten ebenfalls, dass auch eine deutliche intrauterine Wachstumsretardation sowie andere Schädigungen, welche das Wachstums und die Entwicklung des Kleinhirns beeinflussen, diagnostiziert werden können. 1986 fanden Nicolaides et al. in einer retrospektiven Untersuchung von 70 Feten mit offener Spina bifida bei 54 Fällen das sogenannte Lemonzeichen und bei 12 von 21 Feten das sogenannte Bananenzeichen, d. h., dass die Zysterna magna verschlossen ist und die Kleinhirnhemisphären in anteriorer Richtung gebogen sind. Kleinhirnveränderungen können daher einen Hinweis für eine Spaltbildung der Wirbelsäule liefern. 1987 fanden Goldstein et al. in einer Studie bei 371 Schwangeren, dass die Messung des queren Kleinhirndurchmessers zur Schätzung des Schwangerschaftsalters ge-
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eignet und unabhängig von der Konfiguration des fetalen Schädels ist. Dies ist im Fall eines abnormalen fetalen Wachstums bzw. einer abnormalen Entwicklung des ZNS von Bedeutung. Dieselbe Arbeitsgruppe beschrieb in einer weiteren Studie, dass der quere Kleinhirndurchmesser von einer intrauterinen Wachstumsretardation unbeeinflusst bleibt und daher unabhängig und verlässlich mit dem Gestationsalter korreliert (Reece et al., 1987). In der Literatur finden sich auch weitere Hinweise, dass eine abnormale Konfiguration des Kleinhirns im Ultraschall im zweiten Schwangerschaftstrimester, als sogenanntes. Bananenzeichen bezeichnet, als Zeichen für eine Spina bifida gelten kann (Goldstein et al., 1989). Auch japanische Autoren beschrieben 1989 die Messung des queren Kleinhirndurchmessers im Ultraschall als nützlichen Parameter für die Bestimmung des Gestationsalters bei Dolichocephalie und Brachycephalie (Lang- und Rundschädel). Außerdem würde die antenatale Entdeckung von angeborenen Missbildungen erleichtert (Hata et al., 1989). Zu diesem Ergebnis kamen auch portugiesische (Montenegro und Leite, 1989) und japanische Autoren (Shimizu et al., 1992). Sie beschrieben, dass der Kleinhirndurchmesser auch bei Zwillingen bei diskordantem Wachstum ein wertvoller Parameter ist. Die wichtigste Arbeit für die vorliegende Fragestellung wurde 1991 von der Arbeitsgruppe Hill vom Ultraschall-Departement der Universität Pittsbourgh publiziert. Der Titel heißt übersetzt: „Die Rolle der Kleinhirnmorphologie für die Entdeckung von ZNS-Anomalien des Fetus“. Die Autoren kamen zu dem Schluss, dass es der damalige Auflösungsgrad der modernen Ultraschallgeräte ermögliche, das Kleinhirn und die Zysterna magna antenatal darzustellen und kritisch zu beurteilen. Veränderungen des Aussehens und der Größe seien für die Entdeckung des Großteils der ZNS-Missbildungen hilfreich (Hill et al., 1991b). Zusammengefasst konnte nach Durchsicht der im Jahr 1993 neuesten Literatur festgehalten werden, dass die antenatale Beurteilung des Kleinhirns im Ultraschall in den besten Ultraschallzentren der Welt und in Universitätskliniken durchaus machbar war, und dass damit sowohl das Schwangerschaftsalter geschätzt werden als auch Missbildungen erkannt werden können. Es wurde allerdings auch darauf hingewiesen, dass es sich bei diesen damals jüngsten wissenschaftlichen Arbeiten um prospektive, wissenschaftliche Studien aus den führenden Ultraschallzentren der Welt handelte, und dass derartige Ultraschalluntersuchungen zum damaligen Zeitpunkt in die klinische Routine des praktizierenden Frauenarztes bzw. Radiologen in Österreich, Deutschland und anderen vergleichbaren westlichen Industrieländern noch keinen Eingang gefunden hatten. Für die Beantwortung der vom Gericht gestellten Fragen war es allerdings erforderlich zu erfahren, wie die Situation der vorgeburtlichen Ultraschalluntersuchungen in Österreich und Deutschland tatsächlich aussah. Pränataldiagnostik In Österreich wurden damals im Rahmen des Mutter-Kind-Passes zwei Ultraschalluntersuchungen, und zwar zwischen SSW 17 und 20 sowie zwischen SSW 30 und 34 empfohlen. Diese waren jedoch nicht obligatorisch. Die Ultraschalluntersuchungen wurden entweder von einem niedergelassenen Frauenarzt mit Ultraschallberechtigung der österreichischen Ärztekammer oder von einem Röntgenologen durchgeführt.
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Erst im Juli 1992 wurde auf Beschluss des Vorstandes der ÖGUM (Österreichische Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin) eine Sektion für Ultraschall in der Geburtshilfe und Gynäkologie gegründet. In Anlehnung an die Richtlinien der DEGUM (Deutsche Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin) hatte sich die Sektion folgende Ziele gesetzt: ● Erstellung von Standards zur Vermeidung von forensischen Problemen, ● Verbesserung der Aus- und Weiterbildung durch ÖGUM anerkannte Fortbildungsveranstaltungen, ● Bekanntgabe von Referenzstellen (Stufeneinteilung). Die Stufeneinteilung wurde in Anlehnung an die Kriterien der DEGUM vorgenommen. Für die Inhaber der Stufe-I-Klassifikation ist die ÖGUM-Mitgliedschaft wünschenswert, für die Erteilung der Stufe-II-Klassifikation obligat. Das ÖGUM- bzw. DEGUM-Mehrstufenkonzept sah folgendermaßen aus: Die Anerkennung der Qualifikation für alle Stufen erfolgt personenbezogen. Stufe I ist Voraussetzung für Stufe II und diese für Stufe III. ÖGUM-Stufe I: ● Die Anforderungen der Sonographieberechtigung der österreichischen Ärztekammer müssen erfüllt sein. Dies gilt auch für Klinikärzte, die keine Kassenzulassung haben. Der Nachweis der Untersuchungen muss über dokumentierte Fälle und nicht über kumulative Bescheinigungen erfolgen. ÖGUM-Stufe II: ● Drei Jahre ununterbrochene klinische Tätigkeit gemäß den Voraussetzungen für die Stufe I oder nach 5-jähriger Tätigkeit in der Stufe I in der Praxis. ● Auflistung der selbst untersuchten und dokumentierten pathologischen Fälle (mindestens 30 Fehlbildungen pro Jahr). ● Fortbildungsnachweis (mindestens zwei pro Jahr). ● Besondere apparative Ausstattung und dynamische Dokumentationsmöglichkeiten. ● Stufenanerkennung für fünf Jahre, danach Aktivitätsnachweis. ÖGUM-Stufe III: ● Erfüllte Stufe-II-Voraussetzungen. ● Habilitation mit einem Thema der Sonographie in Gynäkologie oder Geburtshilfe. ● Nachweis spezieller Erfahrung mit modernen apparativen Techniken (z. B. Doppler, Farbdoppler etc.). ● Umfassende Erfahrung mit invasiven fetalmedizinischen Techniken (z. B. Chorionbiopsie, Amniozentese, Eingriffe am Fetus). ● Verantwortliche Schwangerschaftsbetreuung und Geburtsleitung von Risikofällen mit interdisziplinärer Zusammenarbeit. Qualitätssicherung des sonographischen Fehlbildungsscreenings, Pränatale Diagnostik und Therapie in Österreich und Deutschland In Deutschland (damals Westdeutschland) behandelten etwa 6.500 Gynäkologen 600.000 Schwangerschaften im Jahr. Im statistischen Mittel handelt es sich also um ca. 100 Patientinnen pro Arzt und Jahr. Da in Deutschland Gynäkologen durchschnittlich sechs sonographische Untersuchungen während einer Schwangerschaft abrech-
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nen, kommt ein einzelner Frauenarzt auf 600 Ultraschall-Schwangerschaftsuntersuchungen jährlich. Laut Hansmann et al. (1985) haben niedergelassene Frauenärzte bei einer so geringen Untersuchungsfrequenz in der Schwangerschaftsvorsorge geringe Chancen, pathologische Prozesse zu erkennen. Auf 100 Schwangerschaften kommen etwa zwei fetale Fehlbildungen. Der schallende Gynäkologe sieht also unter seinen 100 Schwangeren bestenfalls zwei Fehlbildungen im Jahr. Ob er sie angesichts der mageren Ausbeute auch als solche erkennt, ist fraglich. Nach einer Hamburger Studie von 1980 wurden nur 15 % aller fetalen Missbildungen in der Praxis entdeckt. Eine Studie von Bernaschek et al. ermittelte 1992 eine 20 %ige Aufdeckungsquote unter niedergelassenen Gynäkologen. Somit wurde nur jede fünfte pränatale Fehlbildung von niedergelassenen Gynäkologen erkannt. Von insgesamt 323 fetalen Fehlbildungsfällen an mehreren geburtshilflichen und Kinderabteilungen im Raum Wien wurden 156 mit pränataler Ultraschalldiagnostik erkannt. Das entsprach einer Erkennungsrate von etwa 50 %. Während alle Fehlbildungen des Halses, etwa 70 % des Harntraktes und des Gehirnschädels sowie 65 % der Wirbelsäule im Ultraschallbild entdeckt wurden, fiel die sonographische Erkennung bei Skelett, Thorax und Abdomendeformationen auf etwa 50 % ab. Schwierigkeiten machte darüber hinaus die fetale Herzdiagnostik, nur jede dritte Fehlbildung wurde diagnostiziert und bei den Gesichtsfehlern lag die Erkennungsquote nur bei 13 %. Aufgeschlüsselt nach dem Erkennungszeitpunkt wurde die Hälfte aller pränatalen Missbildungen in SSW 27 erkannt. Angesichts der Tatsache, dass nur 18 von 100 Fehlbildungen relativ frühzeitig, also vor SSW 24, diagnostiziert werden, plädierte Bernaschek damals für ein einmaliges vorgezogenes Fehlbildungsscreening in hochqualifizierten Zentren, da nur jede fünfte pränatale Fehlbildung von niedergelassenen Gynäkologen erkannt wurde. In diesem Zusammenhang wies Hackelöer (2005), ein weiterer Ultraschallexperte, auf das sogenannte Mehrstufenkonzept in der Fehlbildungsdiagnostik hin. Dieses sieht vor, dass die Basis, das sind etwa 80 % der niedergelassenen Frauenärzte, in Österreich auch die niedergelassenen Röntgenfachärzte, ihre schwangeren Patientinnen im Zweifelsfall an Zentren überweisen, wo in der fetalen Missbildungsdiagnostik höher qualifizierte Kollegen tätig sind. Kommen auch diese, in Deutschland knapp 250 Spezialisten, nicht weiter, werden die verbleibenden zwei Dutzend Experten mit „Nussknackerfunktion“ zurate gezogen. Diese habilitierten „Fehlbildungsprofis“, wie Hackelöer oder Hansmann, lösten dann bis zu 99 von 100 Missbildungsrätseln.
1.3.1.1 Sachverhalt / Kasuistik Die im Jahr 1990 32-jährige Operationsschwester war zum zweiten Mal schwanger. Sie hatte 1980 einen gesunden Jungen entbunden. Anamnestisch hatte sie rezidivierende Nierenbeckenentzündungen im Alter von 10 und 17 Jahren. In dieser Schwangerschaft hätte sie bis LM 7 viel erbrochen. Die Schwangerenbetreuung erfolgte beim Primararzt des lokalen Krankenhauses. Ab LM 7 war die Schwangere wegen vorzeitiger Wehen in Frühkarenz. Wie damals üblich, wurde das Betamimetikum Prepar® zur Wehenhemmung verabreicht. Im Mutter-Kind-Pass waren insgesamt sechs MutterKind-Pass-Untersuchungen sowie vier Ultraschalluntersuchungen in SSW 17, 24, 32 und 34 eingetragen. Sämtliche Ultraschalluntersuchungen in der Praxis des Primararztes waren unauffällig. Es wurde jeweils der biparietale Schädeldurchmesser, der Thoraxquerdurchmesser, die Femurlänge, der Plazentasitz sowie das Herz (Vierkammer-
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blick), Magen und Harnblase als unauffällig befundet. Darüber hinaus wurden in dem Krankenhaus, in dem die Entbindung stattfand, in SSW 30/3 sowie SSW 30/5 zwei weitere Ultraschalluntersuchungen von einem anderen Untersucher durchgeführt. Dabei wurde das Kind für zeitgerecht und proportioniert befunden, die Fruchtwassermenge war jedoch bei beiden Untersuchungen vermehrt. In SSW 38/4 kam es zu einem vermeintlichen vorzeitigen Blasensprung, und es traten ab 14.00 Uhr Wehen auf. Um 17.30 Uhr wurde eine Amniotomie durchgeführt, wobei 1,5 l klares Fruchtwasser abflossen. In der Folge wurde noch eine Peridural-Anästhesie angelegt. Der Muttermund war um 18.30 Uhr vollständig eröffnet. Um 18.55 Uhr kam es aus zweiter Hinterhauptshaltung zur Geburt eines reifen Mädchens mit einem Apgar-Wert von 8/10. Der Nabelarterien-pH-Wert betrug 7,30. Unmittelbar nach der Geburt fiel bei dem Kind ein ausgeprägtes Zittern auf, weswegen das Kind auf die Kinderabteilung des Krankenhauses verlegt wurde. Eine Computertomographie am dritten Tag ergab eine Kleinhirnagenesie. Im Bereich der hinteren Schädelgrube zeigte sich lediglich eine Medulla oblongata sowie Hirnstammstruktur mit Pons und Crura cerebrae, von Kleinhirnstrukturen fanden sich lediglich in der Umgebung des vierten Ventrikels geringfügige Reste. Die hintere Schädelgrube war durch liquordichte Strukturen im Sinne einer massiven Vergrößerung der Zysterna magna ausgefüllt. Auch im Bereich des Tentoriumschlitzes fiel das Fehlen des Kleinhirnwurms auf. Im Bereich der Großhirnhemisphäre zeigte sich eine geringfügige Herabsetzung der Gyrierung im Sinne einer mäßigen Pachygyrie. Die Ventrikel waren noch von regulärer Weite und mittelständig, auch die Sulci erschienen altersentsprechend regulär. Es bestand kein Hinweis auf eine Blutung. Am Augenhintergrund des Kindes zeigte sich rechts eine Opticus-Hypoplasie. Das Kind wurde bis zum achten Lebenstag im Inkubator gepflegt und zeigte während der ersten drei Tage einen auffälligen Tremor bei geringer Berührung, der danach deutlich abnahm. Der zu Beginn erhöhte Muskeltonus normalisierte sich. Stoffwechselstörungen wie Hypoglykämie und Hypocalcaemie wurden ausgeschlossen. Im Alter von vier Monaten wurde das Kind neuerlich wegen eines Harnwegsinfektes und Dystrophie bei Kleinhirnhypoplasie aufgenommen und antibiotisch behandelt. Während der Aufnahme traten tonisch-klonische Zuckungen auf, beginnend im Bereich der linken unteren Extremität, die sich auf die ganze linke Körperhälfte ausbreiteten und mit einer starken Opisthotonushaltung endeten. Diese Myoklonismen traten vereinzelt auch zu Hause auf. Insgesamt bot sich das Bild einer schweren Cerebralparese, entsprechend der Kleinhirnhypoplasie mit Zungenfaszikulationen, Rigor, Strecktendenz, Opisthotonushaltung, die Hände stets gefaustet. Im fünften Lebensmonat erfolgte eine neuerliche Aufnahme wegen Gedeihstörung und enteralem Infekt mit Fieber bis 39 °C sowie vier Wochen später wegen viralen Infektes. Das heute 21-jährige Kind besuchte laut Auskunft des Vaters eine Sonderschule, wohnt bei den Eltern, sitzt im Rollstuhl und wird über eine Magensonde ernährt. Es besucht ein basales Förderzentrum täglich von 9.00 bis 16.00 Uhr.
1.3.1.2 Beurteilung / Gutachten Die Schwangerenbetreuung wurde sowohl quantitativ als auch qualitativ als dem Stand der Wissenschaft entsprechend bezeichnet. Die Ultraschalluntersuchungen gingen weit über das übliche quantitative Ausmaß hinaus und konnten als sorgfältig be-
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zeichnet werden. Der einzige verdächtige Befund war eine vermehrte Fruchtwassermenge in SSW 30, ein für eine Intervention allerdings viel zu später Zeitpunkt. Das Hydramnion von 1,5 l Fruchtwassermenge fiel auch bei der Geburt auf. Der untersuchende Primararzt war entsprechend der ÖGUM-Stufenklassifikation der Stufe I zuzuordnen. Die Geburt selbst verlief ohne nennenswerte Auffälligkeiten, das Kind war lebensfrisch mit einem Apgar-Wert von 8/10 und einem Nabelarterien-pH-Wert von 7,30. Ein Sauerstoffmangel während der Geburt als Ursache für die Hirnschädigung des Kindes konnte somit ausgeschlossen werden. Die Ultraschallbilder aus SSW 17/1, 24/3 und 33/3 wurden nachbefundet. Die Hirnstrukturen waren dabei nicht wirklich beurteilbar, das Fruchtwasser nicht dargestellt. Auch die Computertomographie des kindlichen Schädels wurde von einem Radiologen nachbefundet. Er beschrieb in der hinteren Schädelgrube eine mit Liquor gefüllte hypodense Zone, wobei als solches lediglich die Pons bzw. kleine Anteile des Hirnstammes erkennbar waren. Im Bereich der Großhirnhemisphären fiel eine geringfügige Herabsetzung der Gyrierung auf. Die Sulci waren nahezu altersadäquat. Die Diagnose entsprach einer Kleinhirnagenesie bzw. einem sogenannten Dandy-Walker-Syndrom. Zur Frage, ob eine Kleinhirnaplasie bzw. Hypoplasie im geburtshilflichen Ultraschall-Screening erkannt werden muss, wurde die Österreichische Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin seitens des Sachverständigen 1993 befragt. Diese antwortete, dass die Messung des Kleinhirns weder im Jahre 1990 noch 1993 Bestandteil des Basis-Screenings (Stufe I) war. Dies deckte sich auch mit den Vorstellungen der Deutschen Gesellschaft für Ultraschall. Lediglich bei Erkennen einer Kleinhirnaplasie bzw. Hypoplasie mittels Ultraschall vor dem Erreichen der fetalen Lebensfähigkeit (damals etwa SSW 26) wäre es vertretbar, den Eltern eine Schwangerschaftsbeendigung in Aussicht zu stellen. Bei einer sonographischen Diagnostik nach diesem Zeitpunkt wäre eine Schwangerschaftsbeendigung nicht mehr möglich. Die Kleinhirnaplasie bzw. Hypoplasie kann nämlich nicht der Gruppe der „nicht lebensfähigen Fehlbildungen“ zugerechnet werden. Beantwortung des Fragenkatalogs 1. Wies das Kind der Klägerin eine Unterentwicklung des Kleinhirns auf? Aufgrund der vorgelegten Befunde lag beim Kind tatsächlich eine Unterentwicklung des Kleinhirns vor, es handelte sich höchstwahrscheinlich um ein Dandy-Walker-Syndrom. 2. War diese bejahendenfalls schon aufgrund der vorliegenden Untersuchungsergebnisse erkennbar, oder hätte diese bei fachgerechter Vornahme aller medizinisch indizierten Untersuchungen erkannt werden können? Aufgrund der vorliegenden Untersuchungsergebnisse (Ultraschallbilder) war die Kleinhirnunterentwicklung nicht erkennbar. Alle medizinisch indizierten Untersuchungen, insbesondere die Ultraschalluntersuchungen, wurden fachgerecht vorgenommen. Nachdem sich bei diesen Ultraschalluntersuchungen keine Anhaltspunkte für eine Missbildung des Kleinhirns ergeben hatten wurde keine weitere Ultraschalluntersuchung in einem Zentrum der Stufe II oder III veranlasst. 3. Sind mit einer derartigen Fehlbildung schwere geistige oder körperliche Schädigungen des Kindes verbunden?
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Aufgrund der medizinischen Unterlagen sind mit der beim Kind vorliegenden Fehlbildung ganz offensichtliche schwere geistige Schäden verbunden. Rezente Befunde die Cerebralparese betreffend wurden von der Klägerin jedoch nicht vorgelegt. 4. Worin bestehen diese Beeinträchtigungen und von wem können sie behandelt werden? Auf die Beeinträchtigungen wurde im Gutachten ausführlich eingegangen, das Kind sollte an der Universitätskinderklinik für Kinderheilkunde vorgestellt werden. 5. Liegen bleibende Dauerschäden vor? Es ist bedauerlicherweise davon auszugehen, dass bleibende Dauerschäden vorliegen.
1.3.1.3 Verfahrensausgang In dem zivilrechtlichen Verfahren wegen € 7.315,− und Feststellung € 1.829,− kam es aufgrund des Gutachtens und der Erörterung durch den Sachverständigen nach einer Tagsatzung zum Ruhen des Verfahrens. Zentrale Frage war, warum man das Kleinhirn bzw. das Fehlen desselben im Ultraschall nicht wie auf einem Röntgenbild erkennen kann.
1.3.1.4 Resümee Dieser Fall einer im pränatalen Ultraschall nicht erkannten Kleinhirnagenesie (DandyWalker-Syndrom) stellte 1993 den Beginn einer ganzen Reihe diesbezüglicher Klagen wegen nicht erkannter Missbildungen dar. Die Klage wurde aufgrund der Tatsache abgewiesen, dass zu diesem Zeitpunkt die routinemäßige Darstellung des Kleinhirns im Ultraschall noch nicht Bestandteil des Screenings der Stufe I in Österreich war. An der zitierten Literatur kann man sehr schön erkennen, dass es sich bei der Darstellung des Kleinhirns im Ultraschall um damals rezent publizierte Ergebnisse aus den führenden Ultraschallinstitutionen der ganzen Welt handelte. Diese waren jedoch noch nicht in der frauenärztliche Routinearbeit umgesetzt. Selbstverständlich ist die Messung des Kleinhirns heute fixer Bestandteil des sogenannten Organscreenings, welches in den SSW 20–24 durchgeführt wird (ÖGGG, DGGG). Literatur Arzt W, Krampl-Bettelheim E, Steiner H. Leitlinien der OEGG, der ÖGUM und der ÖGPPM für die Durchführung von Ultraschalluntersuchungen in der Schwangerschaft Speculum – Zeitschrift für Gynäkologie und Geburtshilfe. 2009; 27: 20–23. (www.kup.at / speculum). Bernaschek G, Mauser J, Deutinger J. Zur Qualitätssicherung der echographischen Fehlbildungsdiagnostik in der Region Wien. Ultraschall Klin. Praxis. 1992; 7: 133–136. Bernaschek G, Stuemplen I, Deutinger J. The influence of the experience of the investigator on the rate of sonografic diagnosis of fetal malformations in Vienna. Prenat. Diagn.1996; 16: 807– 811. Campbell S, Tsannatos C, Pearce JM. The prenatal diagnosis of Joubert’s syndrome of familial agenesis of the cerebellar vermis. Prenatal Diagnosis. 1984; 4: 391–395. Comstock CH, Boal DB. Enlarged fetal cisterna magna: Appearance and significance. Obstet. Gynecol. 1985; 66, Suppl.: 25–28.
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1.3.2 Im Ultraschall nicht diagnostizierte Extremitätenmissbildungen (Amelie) Extremitätenfehlbildungen (Amelie, Dysmelie) Unter Dysmelien versteht man Störungen der Extremitätenentwicklung während der sensiblen Phase der Schwangerschaft (29. bis 46. Tag) durch exogene Noxen, (Sauerstoffmangel, Pharmaka u. a.). Je nach Zeitpunkt und Wirkungsdauer entstehen unterschiedliche Fehlbildungen (s. Abb. 1.21). Amelie bezeichnet das Fehlen einer ganzen Extremität, meist auch angrenzender Schulter- oder seltener Beckenteil hypoplastisch. Manchmal wurzelförmige Weichteilknospen am Schulter- bzw. Hüftgelenk. Determinationszeit: 29. bis 38. Tag. Phokomelie ist eine Fehlbildung, bei der Hände bzw. Füße unmittelbar an den Schultern bzw. Hüften ansetzen (29. bis 32. Tag). Peromelie ist eine intrauterine Stumpfbildung einer Gliedmaße und Ektromelie die Sammelbezeichnung für Hypo- und Aplasien einzelner oder mehrerer Röhrenknochen mit konsekutiver Fehlstellung der Gliedmaßen (Pschyrembel, 2007).
1.3.2.1 Sachverhalt / Kasuistik Die im Jahr 1987 34-jährige medizinisch-technische Assistentin erwartete ihr zweites Kind. Bei einer letzten normalen Regel am 03. 04. 1987 fiel der errechnete Geburtstermin auf den 10. 01. 1988. Die Schwangerenuntersuchungen wurden von einem Universitätsprofessor der Universitätsfrauenklinik in seiner Privatpraxis vorgenommen. Die Ultraschalluntersuchungen erfolgten in der Universitätsfrauenklinik, da in der Privatpraxis kein Ultraschallgerät zu Verfügung stand. Anamnestisch war ein Diabetes mellitus beim Vater und bei der Patientin eine Adnexitis (1974) und eine Elektrokoagulation an der Portio und eine Pertubation (1984) bekannt. Von 1970 bis 1974 hatte die Schwangere die Antibabypille genommen, ab 1983 war sie wegen Kinderwunsches in der Hormonambulanz in Behandlung. Eine Schwangerschaft endete 1981 mit der Geburt eines reifen Knaben. Nikotin, Alkohol und Strahlenexposition in graviditate wurden verneint. In SSW 10 wurde im ersten Ultraschall eine positive Herzaktion festgestellt. In SSW 18 wurde wegen anamnestischer Blutung eine zweite Ultraschalluntersuchung durchgeführt. Diese ergab einen biparietalen Durchmesser von 4,2 cm, korrelierend mit der Amenorrhoe, eine positive Herzaktion und eine Plazenta an der Vorderwand. Es wurde körperliche Schonung für drei Tage verordnet. Die dritte Ultra-
Abb. 1.21: Amelie, Phokomelie, Peromelie, Ektromelie (aus Pschyrembel Klinisches Wörterbuch. 261. Aufl. Berlin, NewYork: De Gruyter 2011, Seite 512).
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schalluntersuchung wurde in SSW 24 wegen fraglicher Wehen durchgeführt. Dabei war der biparietale Durchmesser 6 cm, entsprechend dem Schwangerschaftsalter, die Herzaktion positiv. Die Patientin wurde wegen der Wehen stationär aufgenommen und mit dem Wehenhemmer Gynipral® behandelt. Die vierte Ultraschalluntersuchung wurde schließlich in SSW 29 wegen geringer bräunlicher Abgänge mit der Frage „Plazentasitz?“ durchgeführt. Der biparietale Durchmesser betrug 8 cm, entsprechend SSW 30. Die Plazenta war an der Vorderwand, es fand sich kein tiefer Sitz und kein Hämatom und die Herzaktion war positiv. Keine der Ultraschalluntersuchungen ergab Anhaltspunkte für eine Missbildung. In der geburtshilflichen Krankengeschichte war vermerkt, dass die Patientin eine zytogenetische Untersuchung mittels Fruchtwasserpunktion, die damals ab dem 35. Lebensjahr routinemäßig durchgeführt wurde, abgelehnt hatte. Der am 02. 01. 1988 in SSW 39 geborene Knabe wog 2.570 g und war 49 cm groß. Er hatte bedauerlicherweise eine beidseitige Amelie, d. h. es fehlten beide Arme, eine Femurdysplasie links, eine Fibulaaplasie beidseits sowie Klumpfüße. Der Chromosomenbefund war normal. Beide Eltern und das minderjährige Neugeborene klagten den Rechtsträger der Universitätsklinik, den Universitätsprofessor, der die Schwangerschaft betreute und den Vorstand der Universitätsklinik sowie die Republik Österreich wegen € 10.945,− sowie wegen € 7.315,− jährlich. Sie klagten weiter auf Feststellung, dass die beklagten Parteien zur ungeteilten Hand den Eltern für sämtliche künftige Aufwendungen, die diese aufgrund der Behinderung des Drittklägers (des minderjährigen Sohnes) tragen sowie für sonstige Vermögensnachteile, die wegen der Behinderung des Drittklägers bei ihnen eintreten, haften. Weiter wurde gefordert, dass die beklagten Parteien dem Drittkläger für sämtliche künftige Aufwendungen, die dieser zur „Bewältigung seines Lebens“ durch die erlittene Behinderung zu leisten habe sowie für sonstige Vermögensnachteile und Schmerzen, die beim Drittkläger aufgrund seiner Behinderung eintreten, zu haften hätten.
1.3.2.2 Beurteilung / Gutachten Die Fragen des Gerichtes konzentrierten sich im Wesentlichen auf vier Hauptfragen: 1. 2. 3. 4.
Wären die Fehlbildungen im Ultraschall erkennbar gewesen? Hätte der betreuende Arzt die Fehlbildungen erkennen müssen? Waren Hinweiszeichen vorhanden, und sind diese nicht beachtet worden? Konnte die Patientin davon ausgehen, dass die modernsten Möglichkeiten der Pränataldiagnostik genutzt wurden?
In dem Sachverständigengutachten wurde dem deutschen Gutachter ein Fragenkatalog mit insgesamt 61 Fragen vorgelegt. Zusammengefasst führte dieser aus: 1. Ultraschalluntersuchungen von Schwangeren dienten zur Feststellung der Schwangerschaft, der Überprüfung der Integrität eines regelrechten Wachstums des Fetus und zur Abklärung von Missbildungen. 2. Ultraschalluntersuchungen von der Bauchdecke her erlaubten 1987 die Beurteilung fetaler Oberflächen und die Darstellung von vier Extremitäten (in SSW 13 nur bei günstiger Lage).
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3. Das Fehlen der Extremitäten hätte bei den Untersuchungen in SSW 18, 24 und 29 auffallen müssen. 4. Indirekte Hinweise auf fetale Anomalien (Nackenödem, Aszites, Missbildung der vorderen Bauchwand) liegen bei Amelien nicht vor. 5. Eine Therapie ist bei Amelie und Hakenfüßen intrauterin nicht möglich. 6. Die Missbildungen wurden nicht diagnostiziert. 7. Ultraschalluntersuchungen schlossen in den Jahren 1987/88 die Beurteilung der Extremitäten zumindest in SSW 18 und 24 mit ein. 8. Da keine Ultraschalldiagnose gestellt wurde, konnte auch keine Aufklärung stattfinden. 9. Eine psychische Beeinträchtigung war ab dem Zeitpunkt der Geburt möglich. 10. Eine Aufklärung vor der Geburt hätte bei der Mutter (Erstklägerin) den möglichen psychischen Schaden weder verstärkt noch vermindert. 11. Die vorliegenden Missbildungen hatten keine sofortige Therapie postpartum erfordert. Ein Zeitverlust war somit nicht eingetreten. 12. Das Nichtdiagnostizieren der fehlenden Oberarme und Hakenfüße hatte für das Kind keine Konsequenzen vor der Geburt. 13. Bei einem intensiven Missbildungs-Screening wäre das Fehlen der Arme in SSW 18, sicher jedoch in SSW 24, zu erkennen gewesen. 14. Die Missbildungen waren weder zu heilen noch zu bessern.
1.3.2.3 Verfahrensausgang Klagebegehren der Eltern des minderjährigen Kindes Das Fehlen der Extremitäten hätte bereits bei der ersten, spätestens aber bei der zweiten Ultraschalluntersuchung auffallen müssen. Die Tatsache, dass die Behinderungen des Kindes bei den Untersuchungen nicht diagnostiziert worden seien, sei allen Beklagten zuzurechnen. Die Erstbeklagte sei Rechtsträgerin des Krankenhauses und hafte für ihre Erfüllungsgehilfen. Die Viertbeklagte (Republik Österreich) sei in ihrer Eigenschaft als Rechtsträgerin der Universitätsklinik als Betriebsführerin der Universitätsfrauenklinik anzusehen und hafte daher ebenfalls. Dem Erst-, dem Dritt- und der Viertbeklagten seien Mängel der Organisation innerhalb der Krankenanstalt anzulasten, die dazu geführt hätten, dass keine ausreichende Vorsorge für korrekte Untersuchungen und genügend ausgebildetes Personal getroffen worden sei. Der Drittbeklagte (Klinikvorstand) verantworte darüber hinaus Organisationsmängel in der von ihm geleiteten Station. Der Zweitbeklagte (Gynäkologe, der die Schwangerschaft betreute) habe die Unterlassung einer hinreichend gründlichen Analyse der durchgeführten Ultraschalluntersuchungen zu verantworten. Mangels richtiger Diagnose seien die Erstklägerin (Mutter) und der Zweitkläger (Vater) in Verletzung der umfassenden ärztlichen Aufklärungspflicht nicht rechtzeitig von den Missbildungen des Drittklägers (Neugeborenes) informiert worden. Man habe nicht sämtliche Untersuchungen durchgeführt, die dem Standard im Jahr 1987 entsprochen hätten. Durch die unterlassene Aufklärung sei der Mutter auch die Möglichkeit genommen worden, eine Entscheidung über eine Abreibung zu treffen. Der Schaden sei primär dadurch eingetreten, dass eine Abtreibung unterblieben ist.
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Bisher seien Mehraufwendungen im Vergleich zu den Betreuungskosten bei einem nicht behinderten Kind für die Anreise zu Behandlungen, Spezialkleidung, Anschaffung von Computer und Musikinstrumenten, medizinische Hilfsmittel und für Familientherapie in Höhe des geltend gemachten Klagebetrags entstanden. Die unterhaltspflichtigen Eltern würden auch in Zukunft entsprechende Mehraufwendungen wegen des erhöhten Betreuungsbedarfs des Kindes haben. Sie hätten daher ein Interesse an der Feststellung der Haftung der Beklagten für diese erhöhten Aufwendungen sowie für die sonstigen, infolge der Behinderung des Kindes entstehenden Vermögensnachteile. Der Vater sei in den Schutzbereich des Behandlungsvertrages der Mutter mit den Beklagten eingeschlossen. Das Kind habe ein gleich gelagertes rechtliches Interesse an der Feststellung der Haftung für seine korrespondierenden Aufwendungen und seinen Minderverdienst. Seine Feststellungsansprüche gründeten sich auf die nachgeburtliche Fehlbehandlung, deren Ursache in der mangelnden Aufklärung der Mutter vor seiner Geburt zu erblicken sei. Die Mutter habe zudem schwere psychische Beeinträchtigungen durch einen Schock bei der Geburt wegen der erst hierbei entdeckten Behinderung ihre Sohnes erlitten, wofür ein Schmerzensgeld von € 7.315,− angemessen sei. Der Schock der Mutter wäre in dieser Form und Intensität nicht entstanden, hätte sie Zeit gehabt, sich unter Hinzuziehung professioneller Hilfe auf die Behinderung ihres Kindes vorzubereiten. Einen körperlichen Schaden habe die Mutter nicht erlitten. Klagebeantwortung der Beklagten Die Beklagten wendeten ein, bei den durchgeführten Ultraschalluntersuchungen seien die Missbildungen des Drittklägers nicht erkennbar gewesen. Die Untersuchungen hätten dem damaligen Stand in Österreich entsprochen. Es habe auch sonst kein Indiz für das Vorliegen von Missbildungen gegeben. Weiterreichende Untersuchungen seien von der Mutter weder gewünscht worden, noch seien sie indiziert gewesen. Organisationsmängel habe es nicht gegeben, es liege auch kein ärztlicher Kunstfehler vor. Eine medizinische Indikation zum Schwangerschaftsabbruch habe nicht bestanden. Die Abtreibung wäre rechtswidrig gewesen, weil § 97 StGB nur Straflosigkeit zubillige. Die Nichterkennung der Behinderung des Neugeborenen sei für den weiteren Geschehensablauf nicht kausal gewesen. Beim Kind sei ein Schaden im rechtlichen Sinn nicht eingetreten. Der mit dem Vater abgeschlossene Behandlungsvertrag habe Ultraschalluntersuchungen nicht umfasst. Die Viertbeklagte wendete ihre mangelnde Passivlegitimation ein, weil sie nicht Rechtsträgerin der Krankenanstalt sei. Die Amtshaftung des Bundes käme lediglich für die in § 43 Abs. 1 KAG genau umschriebene Unterrichtsund Forschungstätigkeit in Betracht. Die an der Erstklägerin vorgenommenen Ultraschalluntersuchungen könnten diesen Zwecken jedoch nicht unterstellt werden. Entscheidung des Gerichts Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab und traf zusätzlich zum eingangs wiedergegebenen Sachverhalt folgende Feststellungen: Ultraschalluntersuchungen von Schwangeren dienten der Feststellung der Schwangerschaft und deren Integrität, der Feststellung des regelrechten Wachstums des Fetus und der Abklärung von Fehlbildungen. Es werde routinemäßig die fetale Größe und
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die fetale Wachstumsrate erfasst sowie nach Auffälligkeiten gesucht. Im Jahr 1987 hätten Ultraschalluntersuchungen von der Bauchdecke her eine Beurteilung fetaler Oberflächen und die Darstellung der vier Extremitäten erlaubt. Allerdings seien definierte Aussagen über die Integrität des Fetus der SSW 13 nur bei dessen günstiger Lage möglich gewesen. Ultraschalluntersuchungen hätten nach den Vorstellungen in der Bundesrepublik Deutschland in den Jahren 1987 und 1988 zumindest in SSW 18 und in SSW 24 die Beurteilung der Extremitäten eingeschlossen. Das Fehlen der Extremitäten beim Neugeborenen hätte bei der zweiten, spätestens aber bei der dritten Ultraschalluntersuchung auffallen müssen. Auch bei der Untersuchung in SSW 29 hätte das Fehlen der oberen Extremitäten erkennbar sein müssen. Die Mutter hätte aus damaliger Sicht, wenn sie bei der zweiten oder bei der dritten Ultraschalluntersuchung von der Behinderung ihres Sohnes erfahren hätte, einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen lassen. Die Missbildungen des Kindes haben nach der Geburt keine sofortige Therapie erfordert. Der von der Mutter behauptete Schock habe darin bestanden, dass sie beim Anblick des Kindes unmittelbar nach der Geburt das Gefühl gehabt habe „die Welt breche zusammen“. Eine Aufklärung der Mutter vor der Geburt des Sohnes über dessen Behinderung hätte den Schock der Mutter nicht gemindert. Es wurde nicht festgestellt, dass die Intensität des Schocks der Mutter wegen der unterlassenen Aufklärung vergrößert worden sei. Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, § 97 StGB enthalte keine Rechtfertigungsgründe, sondern bloß Strafausschließungsgründe. Dies gebiete eine an Art. 2 EMRK orientierte Gesetzesauslegung. Der Sohn (Drittkläger) sei gemäß § 22 ABGB schon als Nasciturus rechtsfähig und daher zivilrechtlich vor der Verletzung seines Lebens geschützt gewesen. Es könne der Klägerin nicht deshalb ein Schadenersatzanspruch zustehen, weil ihr Sohn nicht rechtswidrig getötet, sondern rechtsmäßig am Leben gelassen worden sei. Da nicht feststehe, dass die Intensität des Schocks der Mutter bei der Geburt durch die unterlassene Information über die Behinderung ihres Kindes vergrößert wurde, bestehe kein Kausalzusammenhang mit der behaupteten Unterlassung der Aufklärung. Soweit sich dieses Klagebegehren darauf stütze, dass mangels Aufklärung vor der Geburt nicht unverzüglich nach der Geburt mit Behandlungen habe begonnen werden können, reichten die Behauptungen der Kläger nicht hin, um ein solches Begehren zu begründen. Es sei zwar eine Verschlechterung des Zustands des Kindes behauptet, dies aber nicht näher ausgeführt worden. Der Hinweis der Kläger, derartige Fragen seien durch einen Sachverständigen zu klären, laufe auf einen unzulässigen Erkundungsbeweis hinaus. Die Kläger führten aus, ihr Sohn habe infolge der Verzögerung seiner Behandlung zumindest ein halbes Jahr lang nicht über die sonst gegebenen Bewegungsmöglichkeiten verfügt. Darüber hinaus seien keine ein Feststellungsbegehren tragenden Dauerfolgen dargelegt worden. Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und entschied, dass der Wert des sich auf den Drittbeklagten beziehenden Entscheidungsgegenstandes € 3.658,− übersteige und dass die ordentliche Revision zulässig sei. Das Berufungsgericht führte zur rechtlichen Beurteilung aus, es schließe sich jenen Lehrmeinungen an, die sich nachdrücklich gegen das Vorliegen eines ersatzfähigen Vermögensschadens aussprechen, wenn ein Schwangerschaftsabbruch infolge mangelnder Aufklärung über die Schädigung des Fetus unterblieben sei.
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Auch das deutsche Bundesverfassungsgericht lege in seiner Entscheidung vom 28. 05. 1993 dar, dass es die Verpflichtung staatlicher Gewalt sei, jeden Menschen in seinem Dasein um seiner selbst willen zu achten, weshalb es sich verbiete, die Unterhaltspflicht für ein Kind als Schaden zu begreifen. Der dies offenbar bejahenden Rechtsprechung der deutschen Zivilgerichte könne nicht beigetreten werden. Der auf den behaupteten Schock gegründete Schmerzensgeldanspruch der Erstklägerin bestehe nicht zu Recht, weil für bloß seelische Schmerzen eine Entschädigung nicht gebühre. Die Einwirkungen in die psychische Sphäre müssten zumindest mit sonstigen Verletzungen einhergehen. Zu einer vorbereitenden Behandlung der Psyche der Erstklägerin seien zudem die gynäkologisch betreuenden Ärzte nicht verpflichtet gewesen. Das Feststellungsbegehren des Drittklägers für künftige Schadensfolgen decke Ansprüche, die durch Unterlassung einer allenfalls möglichen sofortigen Behandlung nach der Geburt insbesondere im ersten Lebensjahr entstanden sein könnten, nicht ab. Der Oberste Gerichtshof entschied, dass die Revision der Kläger zulässig und teilweise auch berechtigt war. Es wurde ausgeführt, dass der Patient aufgrund des Behandlungsvertrages Anspruch auf Anwendung der nach dem Stand der Wissenschaft zu fordernden sichersten Maßnahmen zur möglichen Ausschaltung oder Einschränkung bekannter Risiken und Gefahren habe. Den Arzt treffe die Verpflichtung, sich durch ständige Fort- und Weiterbildung Kenntnisse über den jeweiligen Stand der medizinischen Wissenschaft zu verschaffen und sich nicht einfach auf die Kenntnisse der lokalen Übung oder die subjektive Überzeugung des an einem Krankenhaus tätigen Mediziners zu beschränken. Der Oberste Gerichtshof hat in Sozialrechtsfragen wiederholt ausgesprochen, dass es zur Beurteilung der Zweckmäßigkeit einer Behandlung und der daraus folgenden Verpflichtung des Sozialversicherungsträgers, den Kostenersatz, auf den allgemein anerkannten Stand der medizinischen Wissenschaft ankomme. Der technisch-medizinische ortsübliche Standard eines bestimmten Landes sei dagegen nicht entscheidend. Gerade Ärzte einer Universitätsklinik, denen aufgrund der Verbindung von Lehre und Forschung einerseits und der dort geleisteten Betreuungstätigkeit Patienten gegenüber andererseits eine Sonderstellung zukomme, könnten sich nicht mit Erfolg darauf berufen, der medizinische Standard eines Nachbarlandes sei ihnen unbekannt und dürfe auch unbeachtet bleiben. Zumal ging aus den ergänzenden Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen vor dem Amtsgericht Frankfurt am Main hervor, dass zumindest auf der Ebene der mit Ultraschalluntersuchungen befassten Abteilungsleiter Kontakte zwischen Österreich und Deutschland bestanden. Dieser Vernehmung war ebenso wie dem Gutachten selbst zu entnehmen, dass dem Nachbarland, bezogen auf den Untersuchungszeitpunkt, eine Vorreiterrolle nicht erst kurzfristig zukam, sondern dass Untersuchungen in der vom Sachverständigen beschriebenen und geforderten Art in Deutschland schon seit rund zehn Jahren durchgeführt wurden. Völlig unerheblich war es in diesem Zusammenhang, dass nach dem Vorbringen der Beklagten Ultraschalluntersuchungen im Rahmen des Mutter-Kind-Passes in Österreich erst ab dem Jahr 1988 durchgeführt wurden. Der Sachverständige führte ausdrücklich aus, Ultraschalluntersuchungen hätten auch unter den Vorstellungen des Jahres 1987/88 die Beurteilung der Extremitäten zumindest in der 18. und 24. SSW mit eingeschlossen. Auch die Ausführungen der Revisionsgegner, wegen der unauffälligen Anamnese habe ein „Missbildungs-Screening“ nicht vorgenommen werden müssen, gehen am Kern der gutachterlichen Ausführungen vorbei. Der Sachverständige legte ausdrücklich dar, dass das Fehlen der Extremitä-
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ten schon bei der zweiten, spätestens aber bei der dritten Ultraschalluntersuchung hätte auffallen müssen und es zumindest für die Ersterkennung eines besonderen Screenings gar nicht bedurfte. Aus der ergänzenden Vernehmung ergab sich weiterhin unzweideutig, dass Blutungen und Wehen, die offenbar die Indikation für weitere Ultraschalluntersuchungen bei der Schwangeren bildeten, entgegen der Ansicht der Revisionsgegner das Thema der Untersuchung nicht einschränkte. Diese hätten stattdessen „selbstverständlich dahin erweitert werden müssen, dass auch die Frage nach weiteren Auffälligkeiten am Kind als Routine und nicht als Screening vorauszusetzen gewesen wäre“. Der behauptete Verfahrensmangel, der von den Revisionsgegnern darin erblickt wurde, dass der gerichtliche Sachverständige über entsprechendes und insoweit unbestrittenes Fachwissen nur für den Bereich der Bundesrepublik Deutschland verfüge, lag somit aus den angestellten rechtlichen Erwägungen nicht vor. Das Erstgericht durfte daher die Ergebnisse des Sachverständigengutachtens seinen Feststellungen zugrunde legen. Unmittelbare Vertragspartnerin aus dem Behandlungsvertrag war die Mutter (Erstklägerin) des Neugeborenen (Drittkläger). Nach den bisherigen, allerdings bekämpften, Feststellungen hätte die Mutter das Kind nicht zur Welt gebracht, wenn sie von dessen Schädigung gewusst hätte. Der der Mutter durch die Vertragsverletzung entstandene Schaden kann in dem finanziellen und – in Form von Pflegeleistungen – sachlichen Unterhaltsmehraufwand für das Kind bestehen, den die Mutter ganz oder teilweise, möglicherweise lebenslang, hätte erbringen müssen. Dass auch dieser Mehraufwand einer familienrechtlichen Unterhaltspflicht entspricht, steht im Verhältnis zu einem dafür verantwortlichen Dritten seiner Charakterisierung als Vermögensschaden nicht entgegen. Bezüglich des Schocks der Mutter über die schwere Behinderung des Kindes wurde ausgeführt: Auch wenn der mit einer Schwangeren geschlossene Behandlungsvertrag in erster Linie die gynäkologische Betreuung der werdenden Mutter und die Überwachung der Leibesfrucht umfasst, bestehe doch insbesondere bei einer Ultraschalluntersuchung auch die Vertragspflicht, die Mutter über erkennbare Schäden des werdenden Kindes aufzuklären. Die Aufklärungspflicht könne aber nicht nur auf den Zweck beschränkt bleiben, der Mutter eine Entscheidungshilfe für oder gegen eine Abtreibung zu bieten. Auch wenn der im Rahmen einer Schwangerenbetreuung beigezogene Arzt keine psychiatrischen Leistungen schuldet, sei er doch gehalten, sich das Wohl der Patientin in umfassender Weise angelegen zu sein, wozu auch die Aufklärung über die Missbildung eines Kindes zu einem im Vergleich zum Geburtsvorgang wesentlich günstigeren Termin gehöre. Im Gegensatz zur Ansicht des Berufungsgerichtes könne daher das Vorbringen der Mutter zur Begründung ihres Schmerzensgeldanspruches nicht von vornherein als unschlüssig abgetan werden. Die Mutter behauptete, sie habe schwere psychische Beeinträchtigungen erlitten, die eine monatelange Behandlung notwendig gemacht hätten. Sie legte damit auch die von der Rechtsprechung geforderten Voraussetzungen für die Zuerkennung eines Schmerzensgeldes mit ausreichender Deutlichkeit dar. Dass schließlich über Aufforderung durch den Erstrichter vorgetragen wurde, die Mutter habe einen „körperlichen Schaden“ nicht erlitten, kann nur dahin entstanden werden, dass primär die psychische Sphäre der Mutter betroffen war, vermag aber im Übrigen ihr Vorbringen nicht dahin zu relativieren, dass die Beeinträchtigung bloß im üblichen Erschrecken, in Un-
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lustgefühlen oder im Unbehagen bestanden habe. Dieser Schmerzensgeldanspruch wurde wegen Verfahrensmängeln beim Berufungsgericht als noch nicht spruchreif erklärt. Auch die Haftung der viertbeklagten Partei, der Republik Österreich, wurde bejaht, da die Durchführung von Routine-Ultraschalluntersuchungen nicht der Forschung oder Lehre dienen, sondern ausschließlich der im Rahmen der Krankenanstalt zugewiesenen medizinischen Versorgungspflichten, ohne jeden Bezug zum Lehr- und Forschungszwecken. Die Erstbeklagte (Gemeinde Wien) und die Viertbeklagte (Republik Österreich) haften daher zur ungeteilten Hand nach bürgerlichem Recht für die Folgen der Nichterkennung der Behinderung des Drittklägers bei den in der Universitätsfrauenklinik durchgeführten Ultraschalluntersuchungen. Der Zweitbeklagte (behandelnde Gynäkologe) betreute nach den unbekämpften Feststellungen die Erstklägerin zwar während der Schwangerschaft, verfügte aber selbst über kein Ultraschallgerät und führte auch keine Ultraschalluntersuchungen durch. Damit war aber auch ohne ausdrückliche Absprache zwischen der Erstklägerin und dem Zweitbeklagten klargestellt, dass die Ultraschalluntersuchung aus dem mit der Erstklägerin geschlossenen Behandlungsvertrag ausgenommen sein sollte. Die Schädigung des Kindes konnte durch andere, im Routinebereich eines Gynäkologen liegende Schwangerenuntersuchung nicht erkannt werden. Es scheidet daher eine vertragliche Haftung des Zweitbeklagten für die Ansprüche der Kläger zur Gänze aus. Anhaltspunkte für ein deliktisches Vorgehen des Zweitbeklagten lagen nicht vor. Für das dem Spitalsarzt anzulastende Fehlverhalten haftet der Krankenhausträger dem Patienten als Partner des abgeschlossenen Behandlungsvertrages. Der Drittbeklagte (Klinikvorstand) stand mit der Erstklägerin in keinerlei Vertragsverhältnis. Insbesondere wurde nicht behauptet, es sei eine Sonderhonorarvereinbarung getroffen worden, in welchem Fall die ausschließliche Zurechnung nur an den Klinikvorstand bzw. den Leiter der klinischen Abteilung denkbar wäre. Das Schuldverhältnis bestand nur zwischen der Erstklägerin und dem Träger der Krankenanstalt sowie jenem der Universität. Der Drittbeklagte (Klinikchef) ist lediglich als deren Erfüllungsgehilfe nach § 1313a ABGB anzusehen und muss sich im Gegensatz zur Auffassung in der Revision das Verhalten seiner Mitarbeiter nicht persönlich zurechnen lassen. Die Haftung des Arztes, der als Erfüllungsgehilfe handelt, kommt nur als deliktische Haftung in Betracht. Die bloß allgemein gehaltene Behauptung, der Drittbeklagte habe seine Kontroll- und Aufsichtstätigkeit verletzt, lasse Anhaltspunkte für ein deliktisches Verhalten nicht erkennen. Auch der Drittbeklagte hatte daher für die Ansprüche der Kläger nicht einzustehen. Der Revision war somit nur teilweise insoweit Folge zu geben, als die Erst- und die Viertbeklagte haftungsrechtlich in Anspruch genommen wurden.
1.3.2.4 Resümee Dieser Fall von im Routine-Ultraschall nicht diagnostizierten Extremitätenfehlbildungen war der erste sogenannte „wrongfull birth-Fall“, der bis zum Obersten Gerichtshof herangetragen wurde. In der Revision wurde die Haftung der Krankenhausträger anerkannt. Der Fall wurde breit diskutiert und löste ein umfangreiches Schrifttum aus. Als Gutachter fungierte ein deutscher Ordinarius. Im Jahr 1987/88 gab es in Österreich noch kein organisiertes Missbildungsscreening wie heute. Die Ultraschalluntersuchun-
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gen waren wegen Blutungen und Wehen in SSW 18 und 24 durchgeführt worden. Dies hatte die Haftung jedoch nicht begrenzt, sondern begründet, da bei Vorliegen von Symptomen eine noch genauere Abklärung notwendig ist. Heute sind im österreichischen Mutter-Kind-Pass drei Routine-Ultraschalluntersuchungen vorgesehen, welche durch den sogenannten „combined-test“ in SSW 11 bis 14 zum Ausschluss des Downsyndroms und das Organscreening in SSW 20 bis 22 ergänzt werden. Die Pränataldiagnostik stellt heute eine der haftungsträchtigsten Disziplinen der fetomaternalen Medizin dar. Literatur OGH. 1 Ob 91/99k (OGH-Urteil). Bernaschek G, Stümpflein I, Deutinger J. Zur Qualitätssicherung des sonographischen Fehlbildungs-Screenings. Pränatal-Diagnostik. 1994; 14: 807–812. Bernaschek G. Pränataldiagnostik in Österreich. Jatros-Pädriatrie. 1995; 3: 7–9. DGGG. Pränataldiagnostik. In: DGGG (Hrsg). Leitlinien der Gynäkologie und Geburtshilfe, Bd. III, Pränatalmedizin, Geburtsmedizin. Berlin: Verlag S. Kramarz, 2010: 7 ‑ 31 und Bd. IV, 117– 123. Duda V. Ultraschallfibel in Gynäkologie und Geburtshilfe. Berlin, Heidelberg, New York: Springer, 1994: 101–104. Gerstner G. Gutachten 6 Cg 202/92 – Landesgericht (Fall 1.3.1). Hafner E, Löw M, Schuchta K, Philipp K. Effizienz des geburtshilflichen Missbildungs-Screenings mittels Ultraschall. Der Mediziner, 1993; 5: 57–61. Hafner E. Pränataldiagnostik. In: Kampits, Medizin-Ethik Recht II. Beiträge des postgradualen Lehrganges am Zentrum für Ethik und Medizin, 1994. ÖGUM Richtlinien in Geburtshilfe und Gynäkologie. Österr. Ärztezeitung. 1993; 12: 56. Pschyrembel W. Klinisches Wörterbuch. 261. Aufl. Berlin, New York: De Gruyter, 2007: 468. Schlund HG. Schwangerschaftsbegleitende Ultraschall-Diagnostik und mögliche Arztfehler. Der Frauenarzt. 1993; 34: 533–534. Schlund HG. Sonographische Schwangerschaftsbetreuung und ärztliche Haftung. Geburtsh. u. Frauenheilk. 1995; 55: M42–M45. Sonographie – Richtlinien der Österr. Ärztekammer. Österr. Ärztezeitung. 1993; 13/14: 40–46.
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1.4 Intrauteriner Fruchttod 1.4.1 Intrauteriner Fruchttod eines Zwillings bei mütterlichem Leberund Nierenversagen (Verdacht auf HELLP-Syndrom) Intrauteriner Fruchttod bei Zwillingsschwangerschaft In der Literatur wird die Zahl des Eintretens eines intrauterinen Fruchttodes mit 0,5 bis 6,8 % aller Zwillingsschwangerschaften in der zweiten Schwangerschaftshälfte angegeben. Davon sind, wie im vorliegenden Fall, vor allem Schwangerschaften mit monochorialen Plazenten betroffen. Mögliche Todesursachen bei monochorialer Plazenta sind Nabelschnurkomplikationen, feto-fetales Transfusionssyndrom, ausgedehnte Gefäßverbindungen, intrauterine Wachstumsretadierung, vorzeitige Plazentalösung und Präeklampsie. Bei Absterben des einen Fetus steigt das Mortalitätsrisiko des anderen auf 17 bis 46 %. Dieses gesteigerte Risiko ist vor allem der gesteigerten Frühgeburtenrate von 34 bis 80 % bei intrauterinem Fruchttod eines Mehrlings zuzuschreiben, wobei neurologische Schäden im Vordergrund stehen. Ganz allgemein ist zu sagen, dass bei der Zwillingsschwangerschaft sowohl die mütterliche Morbidität wie auch die perinatale und neonatale Morbidität und Mortalität erhöht ist. Mütterliche Schwangerschaftskomplikationen sind schwangerschaftsinduzierter Bluthochdruck (Präeklampsie), Anämie und vorgeburtliche Blutungen. Zu genetische Faktoren
Umweltfaktoren
immunologische Faktoren
fehlerhafte Plazentation Phase I (1. /2. Trimenon) herabgesetzte Plazentaperfusion
IUGR
Freisetzung plazentärer Faktoren (≠sFlt, ØPIGF, ØVEGF, AT1-AA) andere maternale Faktoren (z. B. Fettleibigkeit, vaskuläre Erkrankungen)
Phase II (3. Trimenon)
systemische vaskuläre Dysfunktion
Proteinurie
Hypertonus
HELLP, Eklampsie
Abb. 1.22: Die „Two-Stage-Theory“ der PE: Maternale Einflussfaktoren, wie genetische Prädisposition, Umweltfaktoren und immunologische Komponenten führen zu einer fehlerhaften Plazentation. Die daraus resultierende erniedrigte Plazentaperfusion führt zu Ischämie und / oder Hypoxämie und triggert die veränderte plazentare Expression plazentarer Faktoren, wie beispielsweise sFlt, PIGF oder Angiotensin1-Rezeptor-Autoantikörper. Die Freisetzung der lokal in der Plazenta gebildeten Faktoren in die mütterliche Zirkulation führt zu einer systemischen Beteiligung des maternalen Organismus. Es resultiert eine vaskuläre / endotheliale Dysfunktion, in deren Folge dann das maternale Syndrom der PE mit Hypertonus, Proteinurie und möglicherweise Fortschreiten zu den Komplikationen HELLP und Eklampsie auftritt (aus Dudenhausen, Joachim W.: Praktische Geburtshilfe. 21., erweiterte Aufl. Berlin, Boston: De Gruyter 2011; mod. nach Lamm et al., 2005).
1.4 Intrauteriner Fruchttod
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Geburtsmodus bei Zwillingen monoamnial, conjoined twins
monochorial / diamnial, dichorial ≥ 34 + 0 SSW
< 34 + 0 SSW oder < 2000 g
Zwilling I nicht SL
Zwilling I in SL
US: II > I: > 20 %
primäre Sektio
I ≥ II / II > I bis 20 % vaginale Geburt beide
Abb. 1.23: Geburtsmodus bei Zwillingen (aus Dudenhausen, Joachim W.: Praktische Geburtshilfe. 21., erweiterte Aufl. Berlin, Boston: De Gruyter 2011).
den kindlichen Komplikationen zählen intrauterine Wachstumsverzögerung, ungleiches Wachstum, intrauteriner Fruchttod eines Kindes, feto-fetales Transfusionssyndrom sowie Polyhydramnium (vermehrte Fruchtwasserbildung). Allgemein geburtshilfliche Komplikationen sind vorzeitige Wehen, Frühgeburt, vorzeitige Plazentalösung sowie perinatale und neonatale Todesfälle. Die Häufigkeit der Präeklampsie wird bei Zwillingsschwangerschaften mit 6 bis 37 % angegeben (s. Abb. 1.22). Interessant ist, dass die routinemäßige CTG-Kontrolle zur Verringerung der Zahl intrauteriner Fruchttode keine signifikante Verbesserung der Ergebnisse zeigte. Die Kombination von Überwachungsmethoden wie CTG, Ultraschall-Biometrie, Dopplerströmungsmessung und Fruchtwasserindex zur Diagnose kindlicher Komplikationen (fetal distress, neonatale metabolische Azidose, intrauterine Wachstumsretardierung, Wachstumsdiskordanz, perinataler Todesfall) bringt nur eine geringe Sensitivitätssteigerung von 53 %. Bezüglich der Auswahl und Frequenz diverser Überwachungsmethoden existiert jedoch keine Übereinstimmung. Die Senkung der perinatalen und neonatalen Mortalität von Zwillings- und Mehrlingsgeburten, insbesondere extremer Frühgeborener, war am Ende des 20. Jahrhunderts mehr der intensivneonatologischen Therapie und Pflege als der geburtshilflichen Prävention zuzuschreiben (Strohmer, 1999) (s. Abb. 1.23).
1.4.1.1 Sachverhalt / Kasuistik Die im Jahr 2004 33-jährige Erstschwangere hatte abgesehen von einer Mumpsmeningitis als Kind und einer Kieferhöhlenoperation eine völlig unauffällige Anamnese. Bei einer letzten normalen Regel im Januar 2004 stellte sie im Februar fest, dass sie schwanger war. Ihr behandelnder Gynäkologe stellte im Ultraschall eine Zwillingsschwangerschaft SSW 7 fest. Auch bei einer Kontrolle in SSW 10 waren beide Zwillinge vorhanden. Die Schwangere entschied sich in einem großen Peripheriekrankenhaus zu entbinden, in dem auch die Messung der Nackenfalte in SSW 13 durchgeführt wurde. Von einem Pränataldiagnostiker wurde die Diagnose „eineiige Zwillinge“ gestellt. Weitere Schwangerenkontrollen erfolgten bei dem niedergelassenen Gynäkologen in SSW 13, 18, sowie in SSW 17 im Krankenhaus. Das sogenannte Organscreening, eine
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erweiterte Ultraschalluntersuchung in SSW 22, war ebenso unauffällig wie weitere fachärztliche Kontrollen in SSW 23, 25 und 26. In SSW 27/6 wurde im Krankenhaus eine Cervixinsuffizienz (Cervixlänge 23 mm) diagnostiziert und die Arbeitsfreistellung dringend empfohlen, was umgehend erfolgte. Bei einer Kontrolle in SSW 29/1 fand sich eine unauffällige, zeitgerecht entwickelte Zwillingsschwangerschaft bei Cervixinsuffizienz und es wurde ein Abstrich entnommen. In SSW 31 erfolgte eine Kontrolle beim Gynäkologen, bei der eine verminderte Fruchtwassermenge im Mutter-Kind-Pass vermerkt war. Bei einer Kontrolle in SSW 31/1 im Krankenhaus fand sich ein unauffälliger, zeitgerecht entwickelter Fetus I sowie ein unauffälliger, zeitgerecht entwickelter Fetus II im Ultraschall. Das Fruchtwasser war bei beiden Zwillingen an der unteren Normgrenze. Das CTG war unauffällig, weswegen von einer stationären Aufnahme abgesehen wurde. In SSW 32/3 kam es zu einem grippalen Infekt der Mutter mit erhöhter Temperatur (37,5 °C) und Schnupfen. Die Hausärztin riet, die Verkühlung im Bett auszukurieren. Am selben Tag erhielt die Schwangere seitens des Krankenhauses ein Rezept für Amoxicomp® und Lactobacillus Vaginalkapseln, da in ihrem Scheidenabstrich Escherichia coli, Proteus mirabilis und Enterococcus faecalis isoliert worden waren. Die Schwangere nahm das Antibiotikum vier Tage und gab an, daraufhin derartig müde geworden zu sein, dass sie unentwegt hätte schlafen können. Deshalb setzte sie das Antibiotikum nach telefonischer Rücksprache ab. Unter Bettruhe besserte sich der Infekt. In SSW 32/1 trat in den frühen Morgenstunden Erbrechen auf, welches sich im Laufe des Tages besserte. Bei einem Geburtsvorbereitungskurs im Krankenhaus am selben Abend fragte die Schwangere die Chefhebamme, ob eine ärztliche Kontrolle notwendig wäre, was diese verneinte. Zu diesem Zeitpunkt spürte die Schwangere beide Kinder und in der darauf folgenden Nacht (SSW 32/2) trat neuerlich Erbrechen auf, welches sich jedoch erneut besserte. Aufgrund der Verbesserung fuhr die Schwangere erst gegen Mittag ins Krankenhaus. Vor dem Spital musste sie erneut erbrechen. Nach einer Wartezeit von 1,5 Stunden wurde festgestellt, dass beim ersten Zwilling keine Herztöne mehr vorhanden waren, die Herztöne des zweiten Zwillings waren bradykard. Es wurde umgehend ein Not-Kaiserschnitt durchgeführt. Die E-E-Zeit betrug zehn Minuten. In einem Gedächtnisprotokoll, welches allerdings erst sechs Tage später verfasst wurde, wies der Pränataldiagnostiker darauf hin, dass er die Schwangere zuletzt acht Tage vor dem Kaiserschnitt gesehen habe. Beide eineiigen Zwillinge hätten entsprechend SSW 32 ein Schätzgewicht von 1.701 und 1.724 g aufgewiesen. Die Durchblutungskontrollen waren ebenfalls bei beiden Kindern im Rahmen der Norm, beim Fetus I war der Pulsatility-Index etwas höher als beim Fetus II, nämlich 1,24 gegenüber 0,97. Beide Werte waren aber völlig normal. Da auch das CTG unauffällig war, wurde die Schwangere in SSW 33 wiederbestellt. Die Patientin konnte sich nach dem Kaiserschnitt erst wieder an den nächstfolgenden Tag erinnern, als man sie fragte, ob sie das tote Kind sehen wolle, was sie bejahte. Danach wusste sie nur noch, dass sie mit dem Hubschrauber in das Wiener Allgemeine Krankenhaus geflogen wurde. Aus der geburtshilflichen Krankengeschichte des entbindenden Krankenhauses ging hervor, dass die Schwangere zunächst wegen deutlich erhöhter Leberfunktionsparameter mit einem Bilirubin-Wert von 6 g/l sowie Zeichen einer Verbrauchskoagulopathie mit verminderten Blutplättchen von 80.000/mm3 und eingeschränkter Gerinnung auf
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die Intensivstation verlegt wurde. Protokolliert war, dass anamnestisch seit einer Woche Krankheitsgefühl mit grippalem Infekt und Halsschmerzen, zuletzt auch Übelkeit und Erbrechen sowie erhöhten Entzündungsparametern bestanden. Aufgrund eines fulminanten Leber- und Nierenversagens mit massiver Verschlechterung der Blutgerinnung, verminderten Blutplättchen und einem Kreatinin-Wert von 2 g/l wurde die Patientin in das Wiener Allgemeine Krankenhaus geflogen. Die Genese des Leberversagens war nicht bekannt. Von den Gynäkologen wurde ein HELLP-Syndrom in Erwägung gezogen. Dabei handelt es sich um ein 1982 erstmals beschriebenes Syndrom mit den Symptomen Hämolyse, erhöhten Leberenzymen und verringerten Blutplättchen. Den Aufzeichnungen der Intensivpflegestation des Krankenhauses zufolge hatte die Patientin zum Zeitpunkt der Einweisung zwar noch ausreichend Harn, war jedoch ödematös und somnolent, kreislaufmäßig jedoch noch stabil. Im Verlauf kam es zu einer Verschlechterung der Blutgerinnung mit einem Abfall des Normotests auf ein Minimum von 15 %, des Fibrinogens auf unter 50 g/l bei einem D-Dimer von 39,3 μg / ml im Rahmen einer Verbrauchskoagulopathie. Diese musste massiv mit Thrombozytenkonzentraten, Erythrozytenkonzentraten, Fibrinogengaben und fresh-frozen Plasma behandelt werden. Drei Tage später wurde in einer Computertomographie ein massives Hämatom in der Bauchwand diagnostiziert, weswegen die Patientin operativ revidiert werden musste. Die Drainagen förderten zwar im weiteren Aufenthalt weiter blutig serös, die Patientin war jedoch kreislaufmäßig und im Blutbild weitgehend stabil, sodass die Drainagen schließlich nach sieben Tagen entfernt werden konnten. Während dieser Zeit wurde auch eine Hämofiltration durchgeführt. Die Patientin erhielt antibiotisch Claforan®, Tazonam®, Diflucan®, Ciproxin® und Dalacin®. Wegen blutigen Durchfällen und einem weiteren Abfall der Thrombozyten auf 33.000 G/l wurde am achten Tag post sectionem ein weiteres Thrombozytenkonzentrat verabreicht. Im weiteren stationären Aufenthalt besserten sich die Lebersyntheseparameter. Bezüglich der Ätiologie des Leberversagens war der gesamte immunologische Befund negativ, es fand sich auch kein Hinweis auf einen Morbus Wilson (Kupferspeicherkrankheit) oder eine virale Leberentzündung. Die Leptospiren waren negativ. Die Intensivmediziner nahmen zusammenfassend ein Leber- und Nierenversagen im Rahmen einer Verbrauchskoagulopathie in erster Linie im Rahmen einer Sepsis an. Nach zwölf Tagen konnte die Patientin wieder in das periphere Krankenhaus verlegt werden, wo sie noch weitere zehn Tage in stationärer Pflege verblieb. Die Leberfunktionsund Entzündungsparameter waren rückläufig und die antibiotische Therapie konnte beendet werden. Die Wundverhältnisse waren bland und es wurde eine psychologische Betreuung eingeleitet. Als Entlassungsdiagnosen waren vermerkt: ● ● ● ●
akutes Leber- und Nierenversagen bei Zustand nach Notsectio, disseminierte intravasale Gerinnungsstörung, Revision eines Bauchdeckenhämatoms, Harnwegsinfekt.
In weiterer Folge wurden zunächst wöchentliche, dann zwei- bis dreiwöchige Blutabnahmen durchgeführt. Die Leberwerte besserten sich bis auf das Bilirubin, das mit
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1,5 g/l zum Zeitpunkt der gerichtsärztlichen Untersuchung noch etwas erhöht war. Die Genese des Leberversagens war zu diesem Zeitpunkt nicht eindeutig geklärt. Das überlebende Kind wurde auf die Kinderintensivstation des Krankenhauses verlegt, wo es eine Woche in künstlichem Tiefschlaf lag. Das Kind hatte eine Gehirnblutung und wurde 14 Tage post sectionem operiert (Drainage des Hohlraumsystems). Nach einem Monat wurde das Kind gesund nach Hause entlassen. Die Patientin erzählte dem Gutachter, dass in Gesprächen mit ihrem Mann seitens der Ärzte auch eine Lebertransplantation in Erwägung gezogen worden war. Zum Zeitpunkt der Begutachtung, neun Monate später, ging es der Patientin gut und auch ihr Kind war wohlauf und ohne Auffälligkeiten.
1.4.1.2 Beurteilung / Gutachten In der Strafsache gegen unbekannte Täter an der Schwangeren und ihrem minderjährigen Sohn wegen § 88 Abs. 1 und Abs. 4, 2. Fall (§ 81 Abs. 1 Z 1 StGB) (fahrlässige Körperverletzung und fahrlässige Tötung unter besonders gefährlichen Verhältnissen) wurde ein Gutachten beauftragt. Gutachtlich stand außer Zweifel, dass es sich bis SSW 32/2 um eine unauffällige Zwillingsschwangerschaft gehandelt hatte. Die Betreuung beim niedergelassenen Facharzt sowie die ambulanten Kontrollen im Krankenhaus waren bis in SSW 31/1 sorgfältig und lege artis, bei einem Ultraschall-Schätzgewicht von 1.701 und 1.724 g. Auch die Kardiotokographie war unauffällig. Fest stand, dass in SSW 31/3 ein grippaler Infekt auftrat und dass deswegen das Antibiotikum Amoxicomp® vier oder fünf Tage eingenommen wurde. In SSW 32/1 trat erstmals Erbrechen auf, die Schwangere hätte jedoch zu diesem Zeitpunkt beide Kinder noch gespürt. Bei neuerlichem Erbrechen in den frühen Morgenstunden des nächsten Tages suchte sie erst zu Mittag das Krankenhaus auf. Beantwortung des Fragenkatalogs 1. Lag ärztliches Fehlverhalten vor? Die Frage nach einem ärztlichen Fehlverhalten wurde eindeutig verneint. Wenn man davon absah, dass der erste Zwilling bedauerlicherweise im Mutterleib abgestorben war, war die Beherrschung einer derartig schweren Komplikation – fulminantes Leber- und Nierenversagen bei einer Zwillingsschwangerschaft – insgesamt eindeutig als medizinische Höchstleistung zu qualifizieren. Gutachtlich wurde betont, dass die Schwangere ihr Leben eindeutig der großartigen Leistung der Intensivstation des Allgemeinen Krankenhauses verdankte. 2. Hätte die Gefahr der Sauerstoffunterversorgung der ungeborenen Zwillinge bereits zu einem früheren Zeitpunkt erkannt werden können? Die Frage, ob die Gefahr einer Sauerstoffunterversorgung der ungeborenen Zwillinge bereits zu einem früheren Zeitpunkt hätte erkannt werden können, war naturgemäß zu bejahen. Hätte die Schwangere beispielsweise nach Auftreten des grippalen Infektes in SSW 31/3 an einem der folgenden Tage das Krankenhaus aufgesucht, so hätte man sie mit hoher Wahrscheinlichkeit stationär aufgenommen und durch regelmäßige CTG-Kontrollen die Gefährdung des Fetus wahrscheinlich festgestellt. Möglicherweise galt dies auch noch für SSW 32/1, als in den frühen
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Morgenstunden wiederum Erbrechen auftrat. Laut ihren eigenen Angaben spürte die Schwangere beide Kinder noch in den Abendstunden dieses Tages. Möglicherweise wäre selbst eine Intervention am Morgen von SSW 32/2, nach neuerlichem Erbrechen in der Nacht, noch erfolgreich gewesen, wenn sich die Schwangere sofort und nicht erst gegen Mittag ins Krankenhaus begeben hätte. Naturgemäß waren jedoch derartige Überlegungen ex post spekulativ, da es sich ohne Zweifel um ein schicksalhaftes Ereignis gehandelt hat. 3. Hätte durch eine früher erfolgte Entbindung das Leben des einen Zwillings gerettet werden können? Unter der Annahme, dass der erste Zwilling am Morgen von SSW 32/2 noch am Leben war (was nicht bewiesen war), hätte ein Kaiserschnitt in den frühen Morgenstunden möglicherweise zum Überleben des Kindes geführt. Bedauerlicherweise hat die Schwangere jedoch zwischen SSW 31/3 und 32/2, 12.00 Uhr mittags außer der Hausärztin weder ihren Gynäkologen noch das Krankenhaus aufgesucht, um fachärztliche Hilfe zu erlangen. Diskutiert wurde auch, dass dies möglicherweise durch die große örtliche Distanz ihres Wohnortes zum Krankenhaus bedingt war. Ohne Zweifel wäre die Schwangere dort stationär aufgenommen oder zumindest engmaschig kontrolliert worden. Nicht zu übersehen war schließlich, dass Erbrechen auch ein Symptom eines intrauterinen Fruchttodes ist. Daher war es genauso gut denkbar, dass der erste Zwilling bereits in SSW 31/6 oder 32/0 verstorben war und daher jede Intervention noch früher hätte einsetzen müssen. Insgesamt war davon auszugehen, dass bei der Schwangeren ein Virusinfekt in SSW 32/3 zu einer derartig schweren Erkrankung mit Versagen von Leber und Niere und disseminierter intravasaler Blutgerinnungsstörung geführt hat, dass der erste Zwilling starb. Diskutiert wurde andererseits, dass eine disseminierte intravasale Gerinnung (DIC) auch als Folge eines intrauterinen Fruchttodes auftreten kann. Dies erschien jedoch wegen der kurzen Latenzzeit eher unwahrscheinlich.
1.4.1.3 Verfahrensausgang Die Strafsache gegen unbekannte Täter wurde aufgrund des Gutachtens gemäß § 90/1 StPO umgehend eingestellt.
1.4.1.4 Resümee Bei Zwillingsschwangerschaften ist sowohl die mütterliche Morbidität als auch die perinatale und neonatale Morbidität und Mortalität erhöht. Ein intrauteriner Fruchttod findet sich in 0,5 bis 6,8 % der Fälle, insbesondere bei monochorialen Plazenten. Im vorliegenden Fall kam es nach einem grippalen Infekt in SSW 32 zu einem massiven mütterlichen Leber- und Nierenversagen mit DIC. Der erste Zwilling starb intrauterin ab, der zweite Zwilling konnte durch eine Notsectio gerettet werden. Die Mutter konnte nur durch höchst qualifizierte intensivmedizinische Pflege gerettet werden. Ein ärztliches Fehlverhalten wurde verneint, da die Schwangere in der Zeit von SSW 31/3 und SSW 32/2 keine fachärztliche Hilfe in Anspruch genommen hatte.
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Literatur Dudenhausen JW. Praktische Geburtshilfe mit geburtshilflichen Operationen, 21. Aufl. Berlin, New York: De Gruyter, 2011: 70–79, 102–104 und 249–257. Leitlinie Geburtshilfe. Univ. Frauenklinik Wien, Ambulante Betreuung von Mehrlingsschwangerschaften. Strohmer H. Mehrlinge. In: Schneider H, Husslein P, Schneider KTM. Geburtshilfe Berlin, Heidelberg, New York: Springer, 1999: 787—807.
1.4.2 Schwere intrauterine Wachstumsretardation führt zu intrauterinem Fruchttod (SSW 40) Intrauterine Wachstumsretardation In der Literatur gelten Kinder mit einem Geburtsgewicht, das unterhalb der zehnten Perzentile für das jeweilige Schwangerschaftsalter liegt, als intrauterin wachstumsretardiert. Man unterscheidet dabei weiter zwischen den Kindern, die für ihr Schwangerschaftsalter zu klein sind (SGA – small for gestational age), wobei in diese Gruppe auch genetisch kleine Kinder kleiner Eltern fallen, und den Kindern, die intrauterin durch einen pathologischen Prozess daran gehindert werden, ihr genetisch determiniertes Wachstumspotenzial zu erreichen. Letztere sind somit intrauterin wachstumsretardiert (IUGR – intrauterine growth retardation). Intrauterin wachstumsretardierte Kinder kommen bei 5 % aller Schwangerschaften vor. Zwei Drittel aller Wachstumsretardierungen stammen dabei aus Risikoschwangerschaften (z. B. Retardierung in vorausgegangener Schwangerschaft, Präeklampsie, Blutungen in der Schwangerschaft, mütterliche Grunderkrankungen und Mehrlinge). Ein Drittel stammt aus unbelasteten Schwangerschaften. Solche dystrophen Kinder unterliegen einer deutlich erhöhten perinatalen Mortalität und Morbidität. Die Mortalitätsrate bei Mangelgeborenen liegt drei- bis achtmal höher als bei normalgewichtigen Neugeborenen. Es finden sich auch Mortalitäten bis zu 11 %. Sowohl die körperliche als auch die neurologische Entwicklung kann bei diesen Kindern erheblich gestört sein und zum Teil nicht mehr ausgeglichen werden, wie insbesondere bei Zwillingen gezeigt werden konnte. Die Prognose intrauterin wachstumsretardierter Kinder hängt dabei wesentlich von der Ursache und dem Zeitpunkt der Wachstumsverlangsamung ab. Eine frühzeitige Erkennung ist von vorrangiger Bedeutung, um entsprechende diagnostische und therapeutische Maßnahmen treffen zu können. 70 % der Todesfälle bei retardierten Kindern würden sich vermeiden lassen, wenn die Diagnose bereits vor der 34. SSW gestellt werden kann. Die Diagnose stützt sich im Wesentlichen auf die pränatale Ultraschalluntersuchung. Da das kindliche Gewicht mithilfe von Ultraschall nur indirekt über einzelne Messparameter geschätzt werden kann, ist es sinnvoller, die Parameter direkt zur Beurteilung von Mangelwachstum heranzuziehen. Es werden dabei routinemäßig der sogenannte biparietale Durchmesser (BPD), der Thoraxquerdurchmesser (THQ) und die Femurlänge bestimmt. Aufgrund eines unterschiedlichen Wachstumsverhaltens können im Ultraschall zwei Formen der Retardierung unterschieden werden. Dies ist zum einen die symmetrische und zum anderen die asymmetrische Wachstumsretardierung. Die symmetrische oder proportionierte Wachstumsverzögerung beginnt schon frühzeitig im zweiten Schwangerschaftsdrittel und betrifft Kopf, Rumpf und Extremitäten gleichermaßen. Diese Form
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kommt laut Literatur mit einer Häufigkeit von 20 bis 30 % vor. Diese Kinder sind entweder genetisch determiniert klein und gesund (bei kleinen Eltern) oder haben eine geringe Wachstumspotenz infolge chromosomaler Störungen, Fehlbildungen, Virusinfektionen oder exogener Schädigungen wie Alkohol, Nikotin, Heroin oder Strahlenbelastung. Die asymmetrische oder dysproportionierte Wachstumsverzögerung beginnt nach anfänglich normalem Wachstumsverhalten im zweiten bis dritten Schwangerschaftsdrittel (nach SSW 30 bis 32). Dabei findet sich bei anfänglich normalem Kopf- und Extremitätenwachstum unter anderem eine mangelhafte Rumpfentwicklung. Diese Gruppe bildet mit 70 bis 80 % den Hauptanteil an Wachstumsretardierungen. Die Hauptursache liegt in einer nutritiven Plazentainsuffizienz, wie z. B. bei Präeklampsie, Diabetes, pathologischen Läsionen der Plazenta, Anämie und Nikotinabusus. Als Folge einer chronischen Zentralisation des Kreislaufs nimmt zuerst das Fettgewebe ab, dann bleiben die inneren Organe des Kindes, wie Leber, Lunge und Thymus, im Wachstum zurück, wo hingegen das Hirngewicht konstant bleibt. Die Retardierung wirkt sich demnach mehr auf das kindliche Gewicht als auf die Länge aus und mehr auf den Rumpf als auf den Schädel. Diese Kinder werden auch als hypotroph bezeichnet, da die Zellgröße, bei nur geringer Reduzierung der Zellzahl, vermindert ist. Insgesamt ist die Typisierung der Wachstumsretardierung nur mit Vorbehalt zu betrachten, da in Abhängigkeit vom Zeitpunkt des Einsetzens einer Störung, vom Schweregrad und von ihrer Dauer jeder Mischtyp entstehen kann. Die Voraussetzung für die Diagnosestellung einer Wachstumsretardierung ist ein gesichertes Gestationsalter, wobei mindestens eine Ultraschalluntersuchung vor SSW 20 vorliegen sollte. Die Diagnose sollte auf einer Verlaufskontrolle beruhen, wobei die Biometrie möglichst jeweils vom selben Untersucher durchgeführt werden sollte. Zur Verlaufskontrolle einer intrauterinen Wachstumsretardation sollten regelmäßige Messungen des Kindes mittels Ultraschall durchgeführt werden, jedoch nicht häufiger als alle acht bis zehn Tage, da bei kürzeren Intervallen der Messfehler größer sein kann als die Wachstumsrate. Abgesehen von der Biometrie gibt es noch andere Hinweiszeichen im Ultraschall, wie z. B. die Fruchtwassermenge und die vorzeitige Plazentareifung (s. Abb. 1.24). Einen wichtigen Stellenwert bezüglich der kindlichen Überwachung bzw. Zustandsdiagnostik nehmen zum einen die Kardiotokographie und zum anderen die DopplerSonographie ein. Besonders beim späten, dysproportionierten Retardierungstyp mit Verdacht auf Plazentainsuffizienz sollten regelmäßige CTG-Kontrollen und DopplerHinweis auf intrauterine Wachstumsretardierung Klinik Anamnese (SGA, SIH)
Ultraschall Befund (SIH, Präeklampsie)
Abdomenumfang 쏝 10. Perzentile
Oligohydamnion (AFI 쏝 5 cm)
Abb. 1.24: Diagnostische Hinweise auf intrauterine Wachstumsretardierung; SIH: schwangerschaftsinduzierte Hypertonie, AFI: amniotic fluid index. (aus Schneider KTM. Die intrauterine Wachstumsretardierung. In: Künzel W (Hrsg). Klinik der Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Band 7, Geburt II, 4. Aufl. München, Jena: Urban und Fischer, 2003, Seite 158).
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1 Diagnosefehler
– 21 Tage
Gefäßwiderstand (DS) Kindsbewegungsdauer (KCTG) Fruchtwassermenge (US) – 14 Tage
biophysikalisches Profil (US + CTG) NST, Steh-Stress-Test (CGT) Blutumverteillung (DS) – 7 Tage
Zero-Reverse-Flow (DS) Herzfrequenz (CTG) – 3 Tage
KBZ (KCTG) Tonus (US)
Abb. 1.25: Zeitliche Sequenz des ersten pathologischen Testausfalls verschiedener antepartualer Überwachungsverfahren bei IUGR-Feten; CTG: Cardiotokographie, DS: Doppler-Ultraschall, KCTG: Kinetkardiotokographie, US: Ultraschall, NST: Non-Stresstest, KBZ: Kindsbewegungszahl (modifiziert nach Nicolaides, 1989); (aus Schneider KTM. Die intrauterine Wachstumsretardierung. In: Künzel W (Hrsg). Klinik der Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Band 7, Geburt II, 4. Aufl. München, Jena: Urban und Fischer, 2003, Seite 164).
Untersuchungen durchgeführt werden. Bei pathologischen Flow empfiehlt sich in der fortgeschrittenen Schwangerschaft ein Wehenbelastungstest, um das kindliche Risiko bei einer normalen Geburt einschätzen zu können (Meyberg und Sohn, 1995) (s. Abb. 1.25).
Doppler-Sonographie Die Untersuchung der Hämodynamik in der Schwangerschaft soll Rückschlüsse auf die Versorgung des Kindes und der Mutter über die Plazenta einerseits und die Kreislaufsituation des Kindes andererseits ermöglichen. Ausgangspunkt ist der Gedanke, dass die Kenntnis der Blutversorgung Grundlage für das Verständnis von Störungen beim Kind sein kann. Bei der Beurteilung von mittels Doppler-Sonographie erfassten Blutströmungskurven haben sich ebenfalls Perzentilenwerte zur Einteilung in normale und pathologische Blutströmungsmuster durchgesetzt. Als pathologisch gelten Gefäßwiderstände oberhalb der 90. (95.) Perzentile für die mütterlichen bzw. fetalen Gefäße im jeweiligen Schwangerschaftsalter. Perfusionsstörungen der Gebärmutter und der Plazenta spielen bei der Ätiologie der intrauterinen Wachstumsretardation eine wesentliche Rolle. Neuere Untersuchungen zeigen, dass Veränderungen der Blutflussmuster einen früheren und sensitiveren Prädikator der kindlichen Kompromittierung darstellen können als konventionelle Überwachungstechniken. Wenn man die angewandten Überwachungsverfahren vor dem Spiegel der neurophysiologischen Entwicklung betrachtet, so scheinen die Doppler-sonographisch messbaren Veränderungen der fetalen Gefäßwiderstände die sich entwickelnde Hypoxie (Sauerstoffmangel) frühzeitiger als andere Überwachungsverfahren anzuzeigen. Kindliche Hirnfunktionen, die bereits in relativ frühen Schwangerschaftswochen nachweisbar sind, z. B. die Tonisierung (Beugetonus) oder die Kindsbewegungen, erweisen sich als zunächst resistent ge-
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genüber Sauerstoffmangel. Der relativ späte Ausfall dieser Funktionen vermittelt entsprechend weniger Vorwarneffekt. An einer Gruppe von 56 schwer wachstumsretardierten Feten unter der 5. Gewichtsperzentile wurde longitudinal in der zeitlichen Sequenz der pathologische Ausfall verschiedener Überwachungs- und Testverfahren festgestellt. Bei IUGR-Feten betrug der mediane Abstand zwischen Doppler-Pathologie und Auftreten von fetaler Herzfrequenz-Pathologie 15 Tage. Dies deckt sich auch mit den Untersuchungen von Bekedam (1990), der bei 70 wachstumsretardierten Kindern ein zeitliches Intervall von 17 Tagen zwischen Doppler-sonographisch feststellbarer Pathologie und pathologischem Ausfall der fetalen Herzfrequenz ermittelte (Schneider, 1997).
Stellenwert der Methoden zur Erkennung der intrauterinen Wachstumsretardation Da die Überwachung des wachstumsretardierten Fetus in erster Linie eine relativ frühzeitige Erkennung von Sauerstoffmangel und die Verhinderung der Azidose (Übersäuerung) zum Ziel hat, muss die Methode der Doppler-Sonographie sich an den etablierten Überwachungsverfahren messen lassen. In der Erkennung der Wachstumsretardation ist die Ultraschall-Biometrie der Doppler-Sonographie überlegen. Umgekehrt belegen prospektive Untersuchungen die Überlegenheit der Doppler-sonographischen Messung von Blutströmungsmustern vor allen anderen Verfahren in der Erkennung der fetalen Asphyxie. Fest gehalten werden muss aber, dass mit dem Doppler-Verfahren andere Funktionen als mit dem CTG-orientierten Verfahren erfasst werden. Abnorme DopplerFlussmuster sprechen dabei für chronische Hypoxie (Schneider, 1997), während pathologische fetale Herzfrequenzmuster akute Störungen in der fetalen Hämostase anzeigen (s. Abb. 1.25).
Klinisches Vorgehen Die Doppler-Sonographie ist die Methode der Wahl zur Unterscheidung zwischen SGA- und wachstumsretardierten Kindern sowie in der Früherkennung der chronisch hypoxischen Gefährdung. Das Ergebnis von vorliegenden prospektiven Studien zeigt, dass bei unauffälligem Ausfall der Doppler-Sonographie auch bei biometrisch kleinen Feten bei unauffälliger Zusatzdiagnostik, insbesondere nach Ausschluss von Fehlbildungen, die ambulante Weiterüberwachung gerechtfertigt ist. Hierdurch lassen sich unnötige Belastungen für die Eltern, aber auch Kosten für das Gesundheitswesen, einsparen. Burke (1990) konnte in einer Gruppe von 179 SGA-Kindern unterhalb der 5. Gewichtsperzentile zeigen, dass in der Gruppe mit normalem Flussmuster kein Todesfall auftrat und wichtige Eckdaten wie Frühgeburt, Notfallkaiserschnitt und Verlegung auf die Kinderintensivstation signifikant niedriger ausfielen als in der Gruppe mit pathologischem Flussverhalten. Andere prospektive Untersuchungen kamen zu ähnlichen Ergebnissen. Die Autoren einer schwedischen Multicenter-Studie an 214 wachstumsretardierten Feten kamen zu dem Schluss, dass die Doppler-Sonographie der Arteria umbilicalis gegenüber der CTG-Überwachung einen Vorwarneffekt besitzt und weniger zeitaufwendig und reproduzierbarer ist (Almström et al., 1992).
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1 Diagnosefehler
Zusammengefasst ist das Geburtsgewicht der wichtigste Indikator für die perinatale Morbidität und Mortalität. Die Diagnostik des zu kleinen Kindes wird am verlässlichsten durch die Kombination mehrerer ultrasonographischer Messparameter, am zuverlässigsten mit der Messung von Kopf- und Bauchumfang ermittelt. Da diese Parameter sich während der Schwangerschaft verändern, ist eine exakte Kenntnis des Schwangerschaftsalters absolute Voraussetzung für eine adäquate Diagnostik. Mithilfe des Ultraschalls gelingt es eher, das normalgroße Kind (hohe Spezifität) als das wachstumsretardierte Kind (relativ niedrigere Sensitivität) zu erkennen. Insgesamt wird auch heute noch jedes dritte bis vierte wachstumsretardierte Kind übersehen und damit auch keiner intensivierten Überwachung zugeführt. Ein optimales Management erfordert jedoch eine möglichst frühe und suffiziente Diagnostik. Die Doppler-Sonographie ist in der Diagnostik des zu kleinen Kindes der Ultraschall-Biometrie unterlegen, erlaubt aber, frühzeitiger und mit höherer Treffsicherheit als das CTG oder andere vorgeburtliche Tests das Vorliegen einer chronischen fetalen Hypoxie festzustellen und das Asphyxie-Risiko des damit diagnostizierten wachstumsretardierten Fetus abzuschätzen. Das perinatal medizinische Ergebnis lässt sich allerdings nur durch einen geeigneten Managementplan verbessern, der sich z. B. an pathologischen Flussmustern orientieren kann. So scheint bei einem wachstumsretardierten Kind mit einer nachgewiesenen Blutumverteilung die stationäre Aufnahme sinnvoll zu sein, da bei diesem Flussmuster bereits gehäuft Hypoxien zu erwarten sind. In dieser Zeit ist eine intensivierte Überwachung (Doppler-Sonographie, Kinetokardiotokographie (KCTG – simultane Registrierung der Kindsbewegungen parallel zur Herzfrequenz), Fehlbildungssuche und Karyotypisierung) sowie ein Versuch, die uteroplazentare Perfusion zu verbessern (z. B. durch Bettruhe und Ausschalten von Noxen), zu veranlassen. Nach SSW 34 ist angesichts der geringen perinatalen Mortalität bei diesen Flussmustern eine Indikation zum Kaiserschnitt vertretbar. Ein unauffälliger Doppler-Befund bei ebenfalls unauffälliger Zusatzdiagnostik erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass das Kind noch ungefährdet ist (Schneider, 1997) und eröffnet die Möglichkeit einer ambulanten Weiterbetreuung (s. Abb. 1.26). Ultraschallbiometrie und Korrekturfaktoren IUGR-Verdacht Doppler-Ultraschall: Peripherie und Gehirn
o.B. bzw. gering pathologisch ambulante Betreuung
ab Blutumverteilung
• stationäre Aufnahme • erweiterte Diagnostik • symptomatische Maßnahmen Entbindung bei Dekompensationszeichen, vor allem bei Zero-Reverse-Flow in Abhängigkeit vom Gestationsalter
Abb. 1.26: Klinisches Vorgehen zur Erkennung und zum klinischen Management der intrauterinen Wachstumsretardierung (modifiziert nach Schneider, 1999); (aus Schneider KTM. Die intrauterine Wachstumsretardierung. In: Künzel W (Hrsg). Klinik der Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Band 7, Geburt II, 4. Aufl. München, Jena: Urban und Fischer, 2003, Seite 166).
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1.4.2.1 Sachverhalt / Kasuistik Die im Jahr 1997 31-jährige Schwangere hatte 1986 ein gesundes Kind geboren und 1992 sowie 1994 Fehlgeburten erlitten, wobei jeweils eine Curettage durchgeführt wurde. Bei einer letzten normalen Regel am 13. 09. 1996 fiel der errechnete Geburtstermin auf den 20. 06. 1997. Die Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen wurden bei einem niedergelassenen Facharzt durchgeführt. In SSW 38/4 suchte die Schwangere wegen verminderter Kindsbewegungen gegen Abend das Krankenhaus auf, in dem ein CTG geschrieben wurde, das laut Krankenblatt keinen pathologischen Befund ergab. Eine Ultraschalluntersuchung zeigte ein Kind, das biometrisch der SSW 36 entsprach, also praktisch vier Wochen zu klein war. Das Fruchtwasser war im unteren Normbereich und die Plazenta war auffallend dick. Die Doppler-Sonographie zeigte keine Auffälligkeiten. Eine weitere Kontrolle am Folgetag ergab ein CTG mit einer Basalfrequenz von 140 spm mit undulatorischem Muster. Im Krankenblatt fand sich der Vermerk „Ultraschall nicht erwünscht, Kontrolle Montag beim Facharzt“. Die Patientin erschien schließlich erst in SSW 39/1 mit fehlenden Kindsbewegungen im Krankenhaus. Weder im CTG noch im Ultraschall ließen sich Herztöne nachweisen. Es musste somit ein intrauteriner Fruchttod am Geburtstermin diagnostiziert werden. In der Folge wurde die Geburt mittels Syntocinon® in steigender Dosierung eingeleitet. Am folgenden Tag um 4.17 Uhr kam es zur Spontangeburt eines toten Mädchens von 2.480 g Gewicht und 49 cm Länge, wobei eine Nabelschnurumschlingung um beide Fußgelenke festgestellt wurde. Wegen einer verstärkten Nachblutung musste noch eine Nachtastung in Allgemeinnarkose durchgeführt werden. Die pathologisch anatomische Diagnose lautete: Intrauteriner Fruchttod am Termin minus zwei Tage ohne äußere und innere Missbildungen, Mazeration (Grad I), Zeichen der intrauterinen Asphyxie. Der Befund würde jenen wie bei Übertragung mit plötzlicher Plazentainsuffizienz und intrauteriner Asphyxie mit Fruchtwasseraspiration entsprechen. Die Ursache für die plötzliche Plazentainsuffizienz war am vorliegenden Material jedoch nicht eindeutig feststellbar. Histologisch fand sich eine reifungsretardierte Plazenta mit Zeichen der Vilitis unbekannten Ursprungs.
1.4.2.2 Beurteilung / Gutachten Bei Anwendung des Lehrbuchwissens auf den vorliegenden Fall konnte man folgendes feststellen: Bei der Schwangeren traten in SSW 38/3 subjektiv verminderte Kindsbewegungen auf. Diese stellen einen Warnhinweis für das Wohlergehen des Kindes dar. Das CTG ergab zu diesem Zeitpunkt nachbefundet einen Fischer-Score von zunächst 6 und dann 7 und war somit nicht als „ohne Befund“ zu bezeichnen (s. Abb. 1.27). Ein Fischer-Score von 5 bis 7 Punkten gilt als Warnsymptom und erfordert für das weitere Vorgehen einen Wehenbelastungstest (Fischer et al 1976; Goeschen, 1997). Heute weiß man, dass unter Belastung registrierte CTG-Kurven insofern gut mit dem kindlichen Zustand korrelieren. Über 90 % der nach unauffälligem Belastungs-CTG vaginal geborenen Kinder wiesen keine neonatale Depression auf, andererseits tolerierten 70 % der Feten mit einem pathologischen Belastungstest eine nachfolgende vaginale Geburt nicht ohne Beeinträchtigung des postpartalen Zustandes. Der Test kann auch ambulant durchgeführt werden.
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1 Diagnosefehler
Abb. 1.27: 31-jährige II-Gebärende, SSW 38/4, intrauterine Wachstumsretardation von 2–3 Wochen. CTG mit basaler Herzfrequenz von 120 spm und eingeschränkt undulatorischer Fluktuation; Fischer-Score 6 und 7. Intrauteriner Fruchttod SSW 39/1. Syntocinon®-Einleitung, Mädchen, 2.480 g, 49 cm, Nabelschnurumschlingung, keine Missbildungen, Mazeration Grad I.
In SSW 38/3 wurde ebenfalls eine kindliche Wachstumsretardation von etwa vier Wochen entsprechend SSW 35 diagnostiziert. Die Fruchtwassermenge befand sich im unteren Normbereich, was ebenfalls ein Hinweiszeichen für eine Wachstumsretardation darstellt. Bedauerlicherweise wurde die Diagnose der intrauterinen Wachstumsretardation aufgrund des Ultraschalls im Einklang mit dem zunächst schlechten CTG (FischerScore von 6 bzw. 7) nicht gestellt. Die Ultraschallbilder konnten nicht nachbefundet werden, da weder der biparietale Durchmesser noch der Thoraxquerdurchmesser bzw. der Abdomen-Querdurchmesser auf diesen Bildern dargestellt war. Die Doppler-Untersuchung der Nabelschnurarterie war jedoch normal und vom Kurvenverlauf als völlig unauffällig zu befunden. Das CTG am folgenden Tag wies einen Fischer-Score von 9 auf und war somit ebenfalls normal. Nicht nachvollziehbar war allerdings, warum die Patientin mit einer Wachstumsretardation von praktisch vier Wochen und einem Fischer-Score von 6 in SSW 38/3 dann erst fünf Tage später zu einer Kontrolle bestellt wurde. Warum sie selbst eine Ultraschalluntersuchung am folgenden Tag ablehnte, war ebenfalls nicht nachvollziehbar. Dies hätte möglicherweise zu einem kürzeren Kontrollintervall geführt. Es wurde gutachtlich ausgeführt, dass in derartigen klinischen Situationen in den meisten Abteilungen, so auch in der eigenen, die stationäre Aufnahme der Patientin angestrebt wird, obwohl aufgrund der zitierten Literatur ambulante engmaschige Kontrollen durchaus vertretbar waren. Sollte die Patientin dies nach eingehender Aufklärung ablehnen, muss sie dies mit ihrer Unterschrift bestätigen. Auf jeden Fall hätten Kontrolluntersuchungen in kürzeren Intervallen erfolgen sollen und auch ein Wehenbelastungstest wäre ambulant durchführbar gewesen. Die ambulante Behandlung in dem Krankenhaus war bis zum Zeitpunkt SSW 38/3 durchaus als lege artis zu bezeichnen. Nicht lege artis war das zu lange Kontrollinter-
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vall zwischen SSW 38/3 und 39/1. Es war wahrscheinlich, dass durch tägliche Kontrollen des CTGs, insbesondere aber auch durch einen Wehenbelastungstest sowie durch eine nochmalige Ultraschalluntersuchung, die für das Kind gefährliche Situation erkannt worden wäre. Daraus hätte sich dann die Indikation für eine, wahrscheinlich lebensrettende, Schnittentbindung ergeben. Eine absolute Indikation für eine Schnittentbindung hatte jedoch weder in SSW 38/3 noch 38/4 bestanden. Eine gewisse Mitverantwortung der Schwangeren bestand darin, dass sie sich weigerte, eine nochmalige Ultraschalluntersuchung durchführen zu lassen. Ein fünftägiges Kontrollintervall wurde als zu lang und daher als nicht lege artis angesehen.
1.4.2.3 Verfahrensausgang Die Patientin wandte sich an die Schiedsstelle in Arzthaftpflichtfragen des betreffenden Bundeslandes, welche den Autor mit dem Gutachten beauftragte. Zur Vermeidung eines Rechtsstreites empfahl die Kommission den Antragstellern, dem Grunde nach die durch den gegenständlichen Vorfall kausal damit verbundenen Schäden zu ersetzen. Ein Mitverschulden der Antragstellerin, der Kindesmutter, wurde nicht angenommen. Es kam zu einer außergerichtlichen Schlichtung und die Haftpflichtversicherung des Krankenhauses bezahlte der Patientin € 8.720,−.
1.4.2.4 Resümee Der im vorliegenden Fall eingetretene intrauterine Fruchttod aufgrund einer schweren Wachstumsretardation in SSW 39 musste als vermeidbar klassifiziert werden. Bei einer Wachstumsretardation von vier Wochen sollte die stationäre Aufnahme angestrebt werden. Sollte dies nicht möglich sein, sind zur Erkennung einer Hypoxie engmaschige, möglichst tägliche Kontrollen des CTGs notwendig. Ein Wehenbelastungstest hätte mit hoher Wahrscheinlichkeit ein pathologisches Ergebnis und damit die Indikation zum für das Kind lebensrettenden Kaiserschnitt erbracht. Aufgrund des zu langen Kontrollintervalls war eine Haftung zu bejahen. Literatur Almström H, Axelson O, Cnattingius S. Comparison of umbilical-artery velocimetry and cardiotocography for surveillance of small- for- gestational-age fetuses Lancet. 1992; 340: 936–940. Bekedam DJ, Visser GHA, van der Zee AGJ, Sniders RJM,Poelmann-Weesjes G. Abnormal velocity waveforms of the umbilcal artery in growth retarded fetuses :relationship to antepartum late heart rate decelerations and outcome. Early human Devel. 1990; 24: 79–89. Burke G, Stuart B, Crowley P, Scanaill S, Drumm J. Is intrauterine growth retardation with normal umbilical artery blood flow a benign condition? Brit. Med. J. 1990; 300: 1044–45. DGGG. Anwendung des CTG während Schwangerschaft und Geburt. In: DGGG (Hrsg). Leitlinien der Gynäkologie und Geburtshilfe, Bd. III, Pränatalmedizin, Geburtsmedizin. Berlin: Verlag S. Kramarz, 2010: 183–201. DGGG. Dopplersonographie in der Schwangerschaft. In: DGGG (Hrsg). Leitlinien der Gynäkologie und Geburtshilfe, Bd. III, Pränatalmedizin, Geburtsmedizin. Berlin: Verlag S. Kramarz, 2010: 7–90. DGGG. Ultraschalldiagnostik im Rahmen der Schwangerenvorsorge. In: DGGG (Hrsg). Leitlinien der Gynäkologie und Geburtshilfe, Bd. III, Medizinrecht, Qualitätssicherung. Berlin: Verlag S. Kramarz, 2010: 117–124.
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Fischer WM, Stude I, Brandt H. Ein Vorschlag zur Beurteilung des antepartualen Cardiotokogramms. Z. Geburtsh. Perinat. 1976; 180: 117–123. Goeschen K. Kardiotokographie-Praxis. 5. Aufl. Stuttgart: Thieme, 1997: 153–161. Meyberg GC, Sohn CH. Störungen des fetalen Wachstums. In: Sohn CH, Holzgreve W. Ultraschall in Gynäkologie und Geburtshilfe. Stuttgart: Thieme, 1995: 491–499. Schneider KTM. Die intrauterine Wachstumsretardierung. In:Künzel W (Hrsg). Klinik der Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Bd. 7, Geburt II, 4.Aufl. München, Jena: Urban und Fischer, 2003: 154–166. Schneider KTM. Intrauterine Wachstumsretardierung. In: Künzel W, Wulf KH. Klinik der Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Bd. 7, Geburt II, 3. Aufl. Münschen, Wien, Baltimore: Urban und Schwarzenberg,1997: 177–192.
1.4.3 Subpartaler kindlicher Todesfall bei Hausgeburt infolge fehlender Überwachung Kontrolle der Herztöne Grundsätzlich werden Herztöne kontrolliert (s. Abb. 1.28) ● in der Eröffnungsperiode bei stehender Blase mindestens alle 10 bis 15 Minuten, ● bei starken und häufigen Wehen bei jeder Wehe, ● nach dem Blasensprung sofort mehrmals hintereinander, ● in der Austreibungsperiode nach jeder Wehe (Pschyrembel, 1973; Dudenhausen, 2011). Diese Art der Kontrolle wird in der Regel auch in allen Hebammenschulen gelehrt. Sinn jeder Überwachung der Herztöne unter der Geburt ist die Früherkennung eines fetalen Gefahrenzustandes und somit die Vermeidung einer Depression des Neugeborenen bzw. sogar das Absterben des Fetus unter der Geburt. Asphyxie und Nabelschnurkomplikationen Einer der Hauptursachen von Depressionszuständen des Neugeborenen ist die Asphyxie. Hauptursachen für eine Asphyxie sind die sogenannte Plazenta-Insuffizienz sowie die Beeinträchtigung der Nabelschnurzirkulation (wie im vorliegenden Fall). Nabelschnurkomplikationen unter der Geburt entstehen durch Umschlingung der Nabelschnur um den Hals oder um andere Körperteile, durch Kompression der Nabelschnur zwischen Fetus und Uteruswand und selten durch Vorliegen bzw. Vorfall der Nabelschnur. In allen Fällen kommt es durch Druck oder Zug zu einer Verengung, gegebenen-
Abb. 1.28: Herztönerohr (nach Pinard) (aus Dudenhausen, Joachim W.: Praktische Geburtshilfe. 21., erweiterte Aufl. Berlin, Boston: De Gruyter 2011).
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falls zum vollständigen Verschluss der Nabelschnurgefäße und damit zur Beeinträchtigung der Zirkulation. Diese Komplikationen und die konsekutive Beeinträchtigung der fetalen Sauerstoffversorgung ist besonders häufig bei langen, dünnen, sulzenartigen Nabelschnüren mit wenig ausgeprägter Torsion der Arterien. Nabelschnurumschlingungen finden sich in etwa einem Drittel der Geburten, führen aber nicht immer zu fetaler Asphyxie. Die nicht mit einer Umschlingung einhergehenden Nabelschnurkompressionen lassen sich klinisch nach der Geburt nicht nachweisen. Über die Häufigkeit von Nabelschnurkomplikationen gibt es daher nur Schätzungen anhand der typischen Herzfrequenzmuster, deren Aussagekraft letztlich auch nicht ganz unumstritten ist. Ihre Frequenz ist allerdings auch abhängig von der Geburtsleitung. Ihr Auftreten wird durch die frühe Eröffnung der Fruchtblase wahrscheinlich begünstigt. Fest steht, dass die Nabelschnurkomplikation die häufigste Ursache von Asphyxien unter der Geburt darstellt und auch bei Nicht-Risiko-Schwangerschaften auftreten kann (Kubli und Wernicke, 1981). Grundsätzlich sind an der Alteration der Herzfrequenz des Kindes drei Mechanismen von Bedeutung: 1. erhöhter Kopfdruck, 2. Nabelschnurkompression, 3. Verminderung der uteroplazentaren Durchblutung. Eines dieser drei Wirkungsprinzipien kann fast immer zur Erklärung bestimmter fetaler Herzfrequenzen herangezogen werden, wobei auch Kombinationsformen möglich sind. Eine Nabelschnurkompression löst je nach Dauer der Zirkulationsstörung und Art der betroffenen Gefäße unterschiedliche Reaktionen aus. Eine Kompression der Nabelvene senkt durch ein vermindertes Blutangebot an das Herz den Druck in der Aorta und Arteria carotis. Infolge abnehmender Reizung der Pressorezeptoren kommt es reflektorisch zur Herzfrequenzbeschleunigung. Bei Verschluss auch der Nabelarterien staut sich das vom Herzen in die Aorta geworfene Blut und führt zu einer Reizung der hier gelegenen Pressorezeptoren und damit zur Herzfrequenzverlangsamung. Ein erster Teil der Frequenzverlangsamung ist primär durch Vagotonussteigerung, ein zweiter sekundär hypoxisch durch Sympathikusverminderung bedingt. Bei anhaltender Unterbrechung der Nabelschnurzirkulation wird der zunehmende Sauerstoffmangel zusätzlich die Dauer und das Ausmaß der Frequenzverlangsamung bestimmen. Bei Persistenz der Zirkulationsstörung kommt es auch zur fetalen Azidose. Mithilfe der Kardiotokographie lassen sich derartige Gefahrenzustände sicher erfassen und die für das Kind lebensgefährliche Hypoxie vermeiden. Aus der Literatur geht allerdings auch hervor, dass man bei genauester klassischer Auskultation mit dem Hörrohr (alle 15 Minuten in der Eröffnungsperiode und alle 5 Minuten in der Austreibungsperiode) fetale Gefahrenzustände ebenso erfassen kann wie mithilfe des CTGs. Das Risiko eines Sauerstoffmangel-bedingten Hirnschadens unter der Geburt hängt vor allem davon ab, wie lange ein Sauerstoffmangel besteht. Daher muss dieser Zeitraum möglichst kurz gehalten werden. Bei einem fünfminütigen Sauerstoffmangel kommt eine Cerebralparese nur in 1 % der Fälle, nach 15 Minuten in 10 und nach 20 Minuten in 50 % der Fälle vor (Brann, 1986). Für die Prävention eines Hirnschadens ist es also entscheidend, einen Sauerstoffmangel frühzeitig zu erkennen, damit das Kind unter Einbeziehung der Zeit für die nachfolgende Entbindung nur kurz in dieser Gefahrensituation verbleibt. Nicht vergessen werden darf, dass bei einer stichprobenartigen Auskultation kindliche Gefahrensi-
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tuationen oft längere Zeit übersehen werden. Ein Herztonabfall, der nach der letzten Auskultation einsetzt, kann erst bei der nächsten Auskultation in der Eröffnungsperiode, also erst nach 15 Minuten, erkannt werden. Daher können bei einer stichprobenartigen Auskultation wichtige Minuten vergehen, die bei einer CTG-Registrierung bereits für die Vorbereitung zu einer operativen Entbindung genützt werden können. Es ist daher insbesondere für Risikofälle (wie im vorliegenden Fall) nötig, den Zeitraum vom Beginn bis zum Erkennen einer kindlichen Gefahrensituation möglichst kurz zu halten. Dies gelingt ausschließlich mit einer kontinuierlichen Registrierung der fetalen Herzfrequenz, da ein Sauerstoffmangel sich immer in einem pathologischen CTG äußert (Göschen, 1997).
1.4.3.1 Sachverhalt / Kasuistik Bei der 26-jährigen Erstgebärenden waren bei einer niedergelassenen Frauenärztin neun Schwangerenuntersuchungen und zwei Ultraschalluntersuchungen durchgeführt worden. Sie hatte sich sowohl in einem Krankenhaus zur Geburt angemeldet als auch bei einer frei praktizierenden Hebamme. Die Schwangere hatte die Absicht, solange wie möglich in gewohnter Umgebung zu Hause zu sein und beim kleinsten Problem sofort in das Krankenhaus zu fahren. In SSW 39 kam es nach einem Geschlechtsverkehr offensichtlich zu einem hohen Blasensprung. Die Schwangere suchte das Krankenhaus auf, lehnte jedoch trotz „ausführlichen Gesprächs“ die Aufnahme ab und unterzeichnete diesbezüglich eine schriftliche Erklärung. Eine Kontrolle am folgenden Tag ergab, dass kein Fruchtwasser mehr abging und das CTG unauffällig war. Bei der nächsten Kontrolle zwei Tage später war das CTG eingeschränkt undulatorisch mit variablen Dezelerationen (Fischer Score von 5 bzw. 6). Eine Aufnahme sowie ein Syntocinon®-Belastungstest wurde neuerlich abgelehnt. Am folgenden Tag ergab ein Syntocinon®-Belastungstest weiterhin leichte variable Dezelerationen bei einer Basalfrequenz von 135 bis 140 spm und positiver Wehentätigkeit. Die Patientin verweigerte abermals, auch nach Zuziehung des Abteilungsvorstandes und genauer Aufklärung, die stationäre Aufnahme. Es wurde die dringende Empfehlung ausgesprochen, bei Blasensprung oder Wehentätigkeit das Krankenhaus sofort wieder aufzusuchen. In sämtlichen Gesprächen im Krankenhaus war von einer geplanten Hausgeburt niemals die Rede. Fünf Tage später setzten Wehen ein und die frei praktizierende Hebamme kam in die Wohnung der Gebärenden. Die Hebamme wusste, dass die Gebärende das Krankenhaus bereits zweimal gegen den Willen der Ärzte verlassen hatte und dass ein Oxytocinbelastungstest durchgeführt worden war. Trotzdem ließ sie sich, ohne ein weiteres ambulantes CTG durchzuführen, auf die Durchführung einer Hausgeburt ein. In der Zeit zwischen 20.00 Uhr und 5.00 Uhr hörte die Hebamme laut Aussagen der Kindeseltern die kindlichen Herztöne lediglich vier- bis sechsmal ab und schlief ansonsten im Nebenzimmer. Um 5.00 Uhr kam es zur Geburt eines weißen, schlaff asphyktischen Knaben (2.980 g und 52 cm), der bei aufrecht stehender Mutter aus der Vulvahöhe herabfiel. Die Nabelschnur war einige Male um den Hals gewickelt. Zur Wiederbelebung blies die Hebamme mit einer kleinen Pumpe händisch Luft vor das kindliche Gesicht. Beim Eintreffen der Notärztin hatte das Neugeborene eine terminale Herzfrequenz von 15 bis 20 spm und weite, lichtstarre Pupillen. Das Neugeborene
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war bereits ausgekühlt und reagierte auch auf die Verabreichung von Adrenalin nicht mehr.
1.4.3.2 Beurteilung / Gutachten Im vorliegenden Fall handelte es sich eindeutig um eine Risikoschwangerschaft, da gegen Ende der Schwangerschaft bereits frühe Warnhinweise aus dem CTG ersichtlich waren. Daraus ergab sich allerdings, dass eine Hausgeburt a priori kontraindiziert war und eine beträchtliche Risikoerhöhung bedeutete. Wenn man diese in Kauf nimmt, wäre es zumindest verpflichtend gewesen, die Geburt auch bestmöglich zu überwachen. Die Ursachen für den tödlichen Ausgang der Geburt lagen zweifelsohne in der Tatsache der mangelhaften Überwachung des Geburtsvorganges. Bei vorschriftsmäßigem Abhören in kurzen Zeitabständen über längere Zeit wäre eine Verlangsamung der Herzfrequenz des Kindes sicher aufgefallen. Die Auswertung der antenatalen CTG-Streifen zeigte, dass bereits fünf Tage vor der Geburt eindeutig pathologische CTG-Muster (Fischer Score von 6) mit frühen Warnsymptomen für eine Nabelschnurkompression vorgelegen hatten, Vier Tage vor der Geburt lag sogar ein Fischer Score von lediglich 5 vor. Der Oxytocinbelastungstest war bei einer Dosierung von 5 mE/min und auch von 10 mE/min noch unauffällig, bei einer Belastung mit 15 mE/min kam es jedoch zu einem pathologischen CTG (Fischer Score von 5). Nach Abstellen des Oxytocins erholte sich die fetale Herzfrequenz jedoch wieder deutlich, sodass ein Fischer Score von 9 befundet wurde. Das Ergebnis dieses Wehenbelastungstestes war nach Hammacher (1974) als verdächtig (variable Dezelerationen ohne Zusatzkriterien, als Ausdruck einer Nabelschnurkompression) bis pathologisch (silenter Oszillationstyp über 30 Minuten) zu klassifizieren. Nach Hammacher korrelieren unter Wehenbelastung registrierte CTG-Kurven insofern mit dem kindlichen Zustand, als über 90 % der nach unauffälligen Belastungs-CTG vaginal geborenen Kinder keine neonatale Depression aufwiesen. Andererseits tolerierten 70 % der Feten mit einem pathologischen Belastungstest eine nachfolgende vaginale Geburt nicht ohne Beeinträchtigung des postpartalen Zustands. Es wurde ausgeführt, dass die Interpretation derartiger Befunde im Krankenhaus naturgemäß immer unter den Bedingungen der Betreuung in der Krankenanstalt erfolgt. Die Patientin lehnte jedoch mehrfach die Krankenhausaufnahme ab. Gutachtlich stand außer Zweifel, dass dieser katastrophale sub partu-Todesfall unter den Bedingungen einer Krankenhausaufnahme sicher vermeidbar war. Man hätte im Krankenhaus nämlich bei Wehenbeginn und neuerlicher Registrierung eines CTGs sofort schwere Herzfrequenzalterationen bemerkt und höchstwahrscheinlich eine Entbindung per Kaiserschnitt durchgeführt. Bedauerlicherweise wurde das Ergebnis des Wehenbelastungstests von der Patientin als „in Ordnung“ fehlinterpretiert, und es kam offensichtlich diesbezüglich zu einem Kommunikationsmangel zwischen ihr, den Krankenhausärzten und der frei praktizierenden Hebamme. Auf jeden Fall hätte sich die Hebamme vor Durchführung der Hausgeburt, da sie von den fraglichen CTGs wusste, über diese informieren müssen bzw. spätestens bei Wehenbeginn selbst ein weiteres anfertigen müssen. Höchstwahrscheinlich hätte sie dann die entsprechenden Herzfrequenzveränderungen, welche allerdings auch durch eine sorgfältige Auskultation der Herztöne mit dem Hörrohr
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festzustellen gewesen wären, diagnostiziert und die Patientin ins Krankenhaus gebracht. Gutachtlich bestand kein Zweifel darüber, dass die vorhandenen CTG-Streifen, sowohl ohne als auch mit Oxytocinbelastung, als verdächtig bzw. pathologisch zu bezeichnen waren. Insbesondere bei den variablen Dezelerationen handelte es sich um Warnhinweise für eine Nabelschnurkompression, welche dann im weiteren Verlauf der Geburt eingetreten ist und zum Tod des Kindes geführt hat. Beantwortung des Fragenkatalogs 1. War die Nabelschnurumschlingung im gegenständlichen Fall zu einem früheren Zeitpunkt als tatsächlich erst bei der Geburt erkennbar und daher eine Hausgeburt von vornherein vom ärztlichen Standpunkt bzw. vom Standpunkt der Hebamme abzulehnen? Diese Frage wurde gutachtlich eindeutig bejaht, da die vorliegenden CTGs eindeutig auf mögliche spätere Komplikationen hinwiesen, weswegen vom ärztlichen Standpunkt bzw. auch vom Standpunkt der Hebamme aus eine Hausgeburt ohne jeden Zweifel von vornherein abzulehnen gewesen wäre. Es war mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auszuschließen, dass ein kompetenter Arzt bei Vorliegen derartiger Befunde einer Hausgeburt zustimmen könnte. Aufgrund der Aktenlage war der Abteilungsvorstand in keiner Weise von einer geplanten Hausgeburt informiert, die frei praktizierende Hebamme war hingegen sehr wohl darüber informiert, dass die Patientin zweimal gegen den Willen der Ärzte das Krankenhaus verlassen hatte und ein Oxytocinbelastungstest durchgeführt worden war. Dies hätte sie dazu veranlassen müssen, neuerlich ein CTG zu schreiben. Es gibt tragbare CTG-Geräte, die nur 3,5 kg wiegen, womit auch zu Hause ein CTG geschrieben werden kann. Es stand fest, dass der gegenständliche Fall mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit a priori für eine Hausgeburt ungeeignet war. Dies sagte jedoch noch nicht, dass der katastrophale Ausgang ausschließlich auf die Hausgeburt zurückzuführen war. Bei entsprechend kompetenter und lege artis-Betreuung durch die Hebamme wäre es durch regelmäßiges Abhören der Herztöne des Kindes mit dem Holzstethoskop durchaus möglich gewesen, eine Verlangsamung der Herzfrequenz festzustellen, und die Schwangere noch rechtzeitig ins Krankenhaus zu bringen, welches in nur sieben Minuten Entfernung vom Wohnort lag. Stattdessen entschied sich die Hebamme für eine Hausgeburt, wobei sie es obendrein unterließ, die Herztöne während der Eröffnungsphase lege artis zu überwachen. Nach übereinstimmenden Angaben hätte sie keine systematische Pulskontrolle, weder mittels CTG noch mit dem Hörrohr durchgeführt, sondern nur etwa fünf- bis sechsmal in dieser Nacht kurz mit dem Hörrohr gehorcht und versichert, dass alles in Ordnung wäre. Nach der Geburt des schlaffen, weißen und regungslosen Neugeborenen hätte die Hebamme keinerlei Reanimation durchgeführt. Laut Aussage des Lebensgefährten hätte sie weder gewusst, wie man eine Herzmassage durchführt, noch die Notrufnummer gekannt. Als die Notärztin eintraf, hatte das Kind bereits eine terminale Bradykardie von 15 bis 20 spm und weite lichtstarre Pupillen. Auch die cardiorespiratorische Wiederbelebung (Intubation) und die Verabreichung von endotrachealem Adrenalin blieben erfolglos, da zu spät damit begonnen wurde.
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Angaben über den Zustand des Kindes zum Zeitpunkt der Geburt (Apgar-Werte) lagen nicht vor. Es war jedoch davon auszugehen, dass sich das Kind bereits zum Zeitpunkt der Geburt in schwerst deprimiertem Zustand befand. Laut der Mutter hätte es sich nach der Geburt noch bewegt. Die Hebamme hätte dann eine kleine, mechanische Blasebalg-Luftpumpe zusammengeschraubt und damit Luft in Richtung Mund und Nase des Kindes geblasen. Die Mutter hätte sogar mit der einen Hand selbst das Kind halten und mit der anderen den Blasenbalg bedienen müssen, während die Hebamme in einer Schachtel mit verschiedenen Bachblüten nach geeigneten Tropfen suchte. Aus geburtshilflicher Sicht bestand somit keinerlei Zweifel daran, dass weder die Betreuung während der Geburt noch die Reanimation dem Stand der Wissenschaft entsprachen und somit nicht lege artis waren. Auch lag keinerlei Dokumentation über den Ablauf der Geburt vor. Hauptkritikpunkt war zweifelsohne das mangelhafte bzw. fehlende Abhören der Herztöne. Das Abhorchen der Herztöne ist bekanntlich eine der wichtigsten Aufgaben von Hebamme und Arzt während des Geburtsvorgangs. Aufgrund der eindeutigen Warnsymptome im vorgeburtlichen CTG konnte man daher mit Sicherheit davon ausgehen, dass eine Nabelschnurumschlingung früher hätte erkannt werden müssen. Gutachtlich wurde ausgeführt, dass hier durch die mangelhafte Auskultation der Hebamme ganz eindeutig weltweit übliche Standards grob verletzt wurden und dass der schlechte Ausgang dieser Geburt damit im kausalen Zusammenhang stand. Bereits bei einer Nicht-Risikoschwangerschaft würde ein derartiges Verhalten zu einer besonders gefährlichen Risikoerhöhung führen. Auch die bei dieser Hausgeburt fehlende Dokumentation geburtshilflicher Befunde stand im Widerspruch zu den Dienstvorschriften für Hebammen. Schließlich hat die, nach Angaben der Anwesenden, völlig unzureichende bzw. fehlende Reanimation zweifelsohne dazu beigetragen, den an sich schon sehr schlechten Zustand des Kindes bei der Geburt noch weiter zu verschlechtern. Dieser Umstand hat somit sicherlich zum tödlichen Ausgang beigetragen.
1.4.3.3 Verfahrensausgang Nach zwei Hauptverhandlungen, lehnte die Angeklagte den Sachverständigen wegen Befangenheit ab, da er selber keine Hausgeburten durchführe. Es wurde eine neue Sachverständige, eine Hebamme aus Deutschland, bestellt. Die Angeklagte behauptete, dass die Herztöne bis unmittelbar vor der Geburt immer normal gewesen seien und dass die Ursache des Todesfalls auf ein Trichterbecken zurückzuführen sei. Völlig überraschend wurde die Angeklagte nach 4-jähriger Verfahrensdauer nach § 259 Z 3 StPO freigesprochen.
1.4.3.4 Resümee In diesem Fall wurde trotz Vorliegens einer Risikoschwangerschaft mit pathologischem Oxytozinbelastungstest eine Hausgeburt durchgeführt. Dabei wurden die kindlichen Herztöne laut übereinstimmenden Aussagen gar nicht bzw. mangelhaft von der Hebamme abgehört. Aufgrund einer deshalb nicht erkannten Nabelschnurumschlingung kam es zur Geburt eines weißen, asphyktischen reifen Knabens. Auch die Reanimation
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der Hebamme war insuffizient, sodass das Kind unmittelbar nach der Geburt verstarb. Gutachtlich war klar, dass es sich um einen vermeidbaren sub partu-Todesfall gehandelt hatte. Der Freispruch der Hebamme stellt deshalb eine völlige Überraschung dar. Literatur Bundesgesetzblatt für die Republik Österreich. Hebammendienstordnung, 1970. Dudenhausen JW. Praktische Geburtshilfe mit geburtshilflichen Operationen, 21. Aufl. Berlin: De Gruyter, 2011: 26–27. Fischer W, Stude M, Brand H. Ein Vorschlag zur Beurteilung des antepartalen Kardiotokogramms. Z. Geburth. Perinanat. 1976; 180: 117. Göschen K. Kardiotokographie-Praxis. Stuttgart: Thieme, 1997: 109–179. Hammacher K, Brun del Re R, Gaudenz R, de Grandi P, Richter R. Kardiotokografischer Nachweis einer fetalen Gefährdung mit einem CTG- Score Gynäk. Rdsch. 1974; Suppl1: 61. Kubli F, Wernicke. Fetale Gefahrenzustände, in: Käser O, Friedberg V, Ober KG, Thomsen K, Zander J (Hrsg), Gynäkologie und Geburtshilfe, Bd. II, Teil 1. Stuttgart: Thieme, 1981: 7.1– 7.42. Martius G, Breckwoldt M, Pfleiderer A (Hrsg). Lehrbuch der Gynäkologie und Geburtshilfe. Stuttgart: Thieme, 1994. Pschyrembel W. Praktische Geburtshilfe und geburtshilfliche Operationen. 14. Aufl. Berlin, New York: De Gruyter, 1973: 63–67. Riss P, Gerstner GJ. Subpartaler kindlicher Todesfall bei Hausgeburt in Folge fehlender Überwachung. Spekulum. 1998; 16, Sonderheft 1: 45. Schneider H, Beller FK. Geburtsasphyxie und kindliche Hirnschäden–eine Bestandsaufnahme. Fortbildungsreihe des Berufsverbandes der Frauenärzte Nr. 2. Medical-Jurisprudenz – Kongressmanagement S.A., Cham 1995. Schneider KTM. Die Überwachung der Geburt aus forensischer Sicht. Gynäkologe. 1994; 24: 212–221. Semmelweis-Frauenklinik. Gemeinsame Richtlinien für ein minimales Geburtsüberwachungsprogramm.
2 Therapiefehler
2.1 Vaginale Geburt 2.1.1 Narbenkorrektur bei insuffizienter Versorgung eines Dammrisses II Versorgung von Dammrissen Alle Dammrisse müssen genäht werden. Bei einem unversorgten Dammriss zweiten Grades kann es später zu einer Senkung der Scheide kommen. Bei komplettem Dammriss mit Verletzung der vorderen Mastdarmwand sind die Frauen für Stuhl und Winde inkontinent. Die Versorgung von frischen Dammrissen geschieht nach Möglichkeit sofort. Die Versorgung beginnt mit der Naht des Scheidenrisses (s. Abb. 2.1). Der Operateur spreizt mit dem zweiten und dritten Finger seiner linken Hand die kleinen Schamlippen und den untersten Scheidenabschnitt. Er kann so den obersten Wundwinkel des Scheidenrisses gut sichtbar machen. Die Vereinigung der Scheidenwundränder wird am obersten Wundwinkel begonnen. Die jeweils nächste Naht wird etwa 1 cm nach unten von der vorherigen Naht angelegt. Nach Versorgung des Risses wird die zerrissene Dammmuskulatur mit versenkten Knopfnähten in ein bis zwei Etagen vereinigt. Der tiefste Wundwinkel der auseinander gewichenen Muskulatur des Dammes wird dadurch gefasst, dass man mit der Nadel nach der Seite ausholt und die gesamte Wundfläche untersticht. Im oberen Anteil der Dammwunde darf jedoch nicht zu tief eingestochen werden, da sich hier der Mastdarm in unmittelbarer Nähe befindet (s. Abb. 2.2). Schließlich wird die Haut des Dammes durch oberflächliche zarte Nähte (s. Abb. 2.3 und 2.4) vereinigt (Reiffenstuhl und Platzer, 1975). Bei der Versorgung eines Dammrisses sind eine gute Exposition und Klarheit über die Wundverhältnisse von großer Wichtigkeit. In jedem Fall darf eine chirurgische Versorgung von Verletzungen der Geburtswege nur bei optimaler Lagerung der Patientin, entsprechender Beleuchtung und verfügbarer Assistenz begonnen werden. Ebenfalls von großer Bedeutung sind die Nahttechnik und das Nahtmaterial. Verwendet wird heute Vicryl® oder Dexon®, beides resorbierbare Polyglycolsäure-Polymere. Die Entscheidung, ob Einzelknopfnähte gesetzt werden oder ob fortlaufend genäht wird,
Vagina
H H Damm
Abb. 2.1: Episiotomienaht. Scheidennaht, H Hymenalrand (aus Dudenhausen, Joachim W.: Praktische Geburtshilfe. 21., erweiterte Aufl. Berlin, Boston: De Gruyter 2011).
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2 Therapiefehler
H
Abb. 2.2: Episiotomienaht. Tiefe Dammnaht (aus Dudenhausen, Joachim W.: Praktische Geburtshilfe. 21., erweiterte Aufl. Berlin, Boston: De Gruyter 2011).
hängt jeweils vom Operateur und der Art der geburtstraumatischen Verletzung ab. Im Vordergrund der Versorgung von Dammschnitten und Dammrissen stehen die Stillung der Blutung und die anatomisch funktionell korrekte Rekonstruktion. Ein Hämatom soll rechtzeitig erkannt und gründlich ausgeräumt werden. Im Einzelfall kann mit einer Saugdrainage eine erneute Blutergussbildung verhindert werden.
2.1.1.1 Sachverhalt / Kasuistik Die im Jahr 2001 25-jährige Schwangere entband ihr erstes Kind in einem privaten Geburtshaus, das auf ambulante Geburten spezialisiert war. Bei der Geburt aus erster Hinterhauptshaltung kam es zu einem Dammriss 2. Grades, d. h., dass der Damm bis zum Anus gerissen war. Das Neugeborene, ein reifer Knabe, wog 3.510 g, war 54 cm groß, und der Apgar-Wert betrug 8/9/10. Somit war das Kind lebensfrisch. Die Geburt und die Versorgung des Dammrisses wurden durch den diensthabenden Geburtshelfer durchgeführt, da sich die betreuende Gynäkologin im Urlaub befand. Die junge Mutter verließ das Geburtshaus fünf Stunden postpartum und wurde zu Hause von einer Hebamme betreut. Es wurde vermerkt, dass die Naht am ersten Tag „schön“ war. Trotzdem wurde eine Laserbehandlung verordnet. Am drittenTag wurde eine „Hautfalte“ diagnostiziert, die mit Laser, Kurzwelle und homöopathischen Tropfen behandelt wurde. Am achten Tag tat die Naht viel weniger weh und am elften Tag wurde bereits ein Gespräch über eine Nahtrevision geführt. Laut Angaben der Mutter hätte der Arzt bei der Naht des Damm-
Abb. 2.3: Episiotomienaht. Hautnaht mit Einzelknopfnähten (aus Dudenhausen, Joachim W.: Praktische Geburtshilfe. 21., erweiterte Aufl. Berlin, Boston: De Gruyter 2011).
2.1 Vaginale Geburt
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Abb. 2.4: Zweischichtig fortlaufende Dammnaht mit intrakutaner Rücklaufnaht (aus Dudenhausen, Joachim W.: Praktische Geburtshilfe. 21., erweiterte Aufl. Berlin, Boston: De Gruyter 2011).
risses eine dritte Schamlippe geformt, welche etwa 2 cm lang gewesen wäre und 1 cm hervorgestanden hätte. Der Mutter wurde weitgehende Bettruhe verordnet, sie sei nur zum Duschen und zur Toilette aufgestanden. Vier Wochen postpartum konsultierte die Mutter ihre Gynäkologin. Laut deren Aussage war die Naht nicht gleichmäßig verheilt, etwa 3 cm von der hinteren Kommissur hätte sich eine 0,5 cm lange Hautfalte (Duplikatur) befunden, die bei Berührung und beim Hinsetzen geschmerzt hätte. Nach einer Woche hätte sich die Mutter telefonisch bei der Gynäkologin gemeldet und eine Nahtkorrektur gefordert. Mit dem Leiter des Geburtshauses wurde vereinbart, dass die Operation auf Kosten des Geburtshauses durchgeführt werden solle. Zwei Monate nach der Geburt führte die Gynäkologin schließlich die Operation im Geburtshaus durch. Später stellte die Ärztin bei einem Hausbesuch fest, dass wieder einige Hautnähte aufgegangen waren. Wegen der offensichtlich schlechten Wundheilungstendenz, empfahl sie der Patientin körperliche Schonung. Vier Wochen später wäre die Naht zufriedenstellend verheilt, und die junge Mutter hätte sich bei der Ärztin nicht mehr gemeldet. Weitere fünf Monate später teilte ihr die Mutter bei einer Untersuchung jedoch mit, dass sie noch immer keine Regelblutung hätte und aus Angst keine sexuelle Lust verspüre. Die Rechnung des Geburtshauses bezahlte sie nicht.
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2.1.1.2 Beurteilung / Gutachten Es stand fest, dass es bei der Geburt im Geburtshaus beim Durchtritt des Kindes zu einem Dammriss 2. Grades gekommen war, also zu einem Reißen der Haut und der Muskulatur des Dammes ohne Verletzung des Afterschließmuskels. Es zeigte sich eindeutig, dass eine anatomisch funktionell korrekte Rekonstruktion nicht gegeben war. Die kleine Rüsche, also die Hautverdoppelung, welche sich etwa in der oberen Hälfte des Dammes befand, konnte nur dadurch zustande gekommen sein, dass der Übergang von der Scheidenhaut auf die Normalhaut des Dammes am linken und am rechten Wundrand unterschiedlich vernäht wurde. Offensichtlich war der linke Wundrand zu tief mit dem rechten vernäht, woraus sich die Duplikatur ergab. Die Beschwerden der Patientin resultierten daraus, dass die Naht nicht aufgegangen war, sondern offensichtlich primär verheilte. Die daraus hervorgehenden Schmerzen beim Sitzen waren durchaus nachvollziehbar. In dem Zivilgerichtsverfahren, welches das Geburtshaus gegen die Patientin wegen € 1.610,− führte, da diese ihre Rechnung nicht bezahlt hatte, stellte das Gericht folgende Fragen:
Beantwortung des Fragenkatalogs 1. Erfolgte die Behandlung unsachgemäß? Die Frage, ob die Behandlung unsachgemäß erfolgt war, wurde eigentlich schon durch die Tatsache beantwortet, dass eine Zweitoperation erforderlich war und auch durchgeführt wurde. Die Notwendigkeit einer derartigen Operation war für alle Beteiligten, also sowohl für die Patientin, die Gynäkologin und den Leiter des Geburtshauses, gegeben und nachvollziehbar. 2. Musste eine neuerliche Operation durchgeführt werden? Eine neuerliche Operation war zwingend notwendig. 3. War eine Haushaltshilfe erforderlich? Es wurde ausgeführt, dass Haushaltshilfen praktisch bei jeder jungen Familie in den ersten Lebenstagen nach der Geburt erforderlich sind. Häufig wird diese Aufgabe von Verwandten oder Freunden übernommen. Gutachtlich nicht nachvollziehbar war, warum über einen längeren Zeitraum Bettruhe verordnet wurde. Dies ist wegen der erhöhten Thrombosegefahr nach der Geburt derzeit nicht mehr lege artis. Nachvollziehbar war jedoch die Notwendigkeit einer Haushaltshilfe für einige Zeit nach der Zweitoperation. 4. Sind Heilungskosten in Höhe von € 36,34 entstanden? Heilungskosten in der Höhe von € 36,34 waren durchaus nachvollziehbar, sollten jedoch von der Krankenkasse bezahlt werden. 5. Wie war die Art, Dauer und Intensität der durch den Dammeinriss bedingten Schmerzen (§ 360 ZPO)? Durch den Dammriss bzw. die Versorgung desselben können bei der Beklagten leichte Schmerzen in der Dauer von gerafft etwa sieben Tagen bis zur Zweitoperation und weiteren drei Tagen nach der Zweitoperation entstanden sein. Hinterfragt wurde aller-
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dings, warum die Zweitoperation erst 57 Tage nach der Geburt durchgeführt wurde, da sofort klar war, dass eine Korrekturoperation notwendig war.
2.1.1.3 Verfahrensausgang In dem Zivilgerichtsverfahren kam es zu einem gerichtlichen Vergleich. Das Geburtshaus verpflichtete sich, der Beklagten € 500,− zu zahlen.
2.1.1.4 Resümee Im vorliegenden Fall handelte es sich um eine insuffiziente Nahtversorgung bei einem Dammriss 2. Grades. Es entstand eine 2 cm lange und 1 cm dicke Hautduplikatur am Damm, die die Wöchnerin vor allem beim Sitzen störte. Derartige Duplikaturen entstehen dann, wenn der Übergang von der Scheidenhaut auf die normale Haut des Dammes an beiden Wundrändern ungleich, d. h. nicht „Stoß auf Stoß“, vernäht wird. Es handelt sich um einen klassischen „Anfängerfehler“. Eine Narbenkorrekturoperation war erforderlich. Der Rechtsstreit entstand, da die Patientin aus den beschriebenen Gründen das Honorar für die Entbindung nicht bezahlte und sich von dem Geburtshaus verklagen ließ. Literatur Reiffenstuhl G, Platzer W. Die vaginalen Operationen, Naht des Dammrisses II. Grades. München, Wien: Urban und Schwarzenberg, 1975: 531–532. Chalubinski KM, Husslein P. Normale Geburt, Episiotomie. In: Schneider H, Husslein T, Schneider KTM: Geburtshilfe. Heidelberg, New York: Springer, 1999: 585–587, 765, 874, 882–883.
2.1.2 Erb’sche Lähmung nach Schulterdystokie Schulterdystokie Bei der Schulterdystokie handelt es sich um ein seltenes, für den Geburtshelfer immer überraschendes Ereignis. Die Inzidenz beträgt ca. 0,5 %. Diagnostisch handelt es sich um einen Geburtsstillstand nach Austritt des Kopfes. Der geborene Kindskopf weicht im Vulva-Damm-Bereich zurück und trotz vorsichtigen Ziehens am Kopf nach unten und hinten kann die vordere Schulter nicht entbunden werden. Es ist bekannt, dass das Risiko bei einer Schulterdystokie mit steigendem Geburtsgewicht ansteigt. So beträgt die Häufigkeit bei einem Kindsgewicht von 4.000 g 1,7 % und bei 4.500 g 10 %. Bei Kindern mit einem Geburtsgewicht von 5.000 g steigt das Risiko der Schulterdystokie auf 40 %. Diagnose der Schulterdystokie Geht die Geburt nach Austritt des Kopfes nicht weiter, wird man versuchen, die Ursache des Stillstandes festzustellen. In Frage kommen, abgesehen von der Schulterdystokie, eine relativ straffe Nabelschurumschlingung, eine absolut zu kurze Nabelschnur oder eine pathologische Vergrößerung des kindlichen Rumpfes. Die Diagnose ergibt sich durch die vaginale Untersuchung. Wird als Ursache ein Hängenbleiben der vor-
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2 Therapiefehler
deren Schulter nachgewiesen, so ist ein ruhiges und systematisches Handeln entscheidend für den Erfolg. Eine der Voraussetzungen für das Zustandekommen der Schulterdystokie ist die Einstellung des Schultergürtels in den geraden Durchmesser, während normalerweise die Schultern im schrägen Durchmesser austreten. Die vordere Schulter kann in diesen Fällen oberhalb der Symphyse hängen bleiben. Prophylaxe und Therapie der Schulterdystokie Die einzig mögliche prophylaktische Maßnahme besteht darin, zu verhindern, dass sich die Schulterbreite in den geraden Durchmesser einstellt. Falsch und gefährlich ist jeder forcierte Extraktionsversuch, z. B. das Kind durch stärkeren Zug am Kopf zu entwickeln. Besonders ungünstig sind gleichzeitige Traktion und Lateralflexion (Umdrehung des Halses) zur Entwicklung der vorderen Schulter, da dieses häufig Plexuslähmungen nach sich zieht. Behandlung der Schulterdystokie Zur Behandlung der Schulterdystokie werden verschiedene Methoden angegeben. Nach Absaugen des Nasopharynx wird folgendes Vorgehen empfohlen: Es wird eine genügend große Episiotomie angelegt oder die schon bestehende geradlinig erweitert, wobei eine mediane Schnittführung zur totalen Perineotomie führen kann. Mit zwei Fingern wird dann auf der Rückenseite des Kindes eingegangen und durch Druck auf die vordere Scapula die Schulterbreite in den schrägen Durchmesser gebracht (s. Abb. 2.5). Häufig genügt diese Maßnahme allein, um den Schulteraustritt zu ermöglichen. Ist dies nicht der Fall, führt der Geburtshelfer zwei Finger oder die halbe Hand auf der Bauchseite des Kindes ein und entwickelt den hinteren Arm zusammen mit der hinteren Schulter (s. Abb. 2.6 und 2.7). Manchmal ist es allerdings leichter, den vorderen Arm zuerst zu entwickeln. Gelingt die Entwicklung der Schulter auf diese Weise nicht, so kann die Rotation des Kindes durch Drehung der hinteren Schulter und des Kopfes um 180 Grad ver-
Abb. 2.5: Schulterdystokie. Innere Rotation der Schultern beim hohen Schultergeradstand (aus Dudenhausen, Joachim W.: Praktische Geburtshilfe. 21., erweiterte Aufl. Berlin, Boston: De Gruyter 2011).
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Abb. 2.6: Schulterdystokie. Flexion des hinteren Armes beim hohen Schultergeradstand (aus Dudenhausen, Joachim W.: Praktische Geburtshilfe. 21., erweiterte Aufl. Berlin, Boston:De Gruyter 2011).
sucht werden. Misslingt dieser Handgriff, bleibt zunächst noch die Fraktur der Klavikula. Dazu wird die vordere Klavikula durch Druck, entweder mit einem Finger oder mit einer eingeführten, geschützten Kocherklemme gebrochen. Prognose Die Komplikationen betreffen vor allem das Kind. Die mütterliche Morbidität besteht in ausgedehnten Weichteilverletzungen, besonders Dammrisse dritten und vierten Grades bei unsachgemäßem Vorgehen, aber auch Uterusrupturen. Erheblich belastet sind die kindliche Morbidität und die perinatale Mortalität. Letztere schwankt
Abb. 2.7: Schulterdystokie. Extraktion des hinteren Armes beim hohen Schultergeradstand (aus Dudenhausen, Joachim W.: Praktische Geburtshilfe. 21., erweiterte Aufl. Berlin, Boston: De Gruyter 2011).
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zwischen 2 und 16 %. Einer Studie mit über 100 Fällen zufolge betrug die kindliche perinatale Mortalität 2 % und die Morbidität knapp 7 %. Bei einer Nachuntersuchung nach acht bis zehn Jahren wiesen etwa 4 % der Kinder eine geistige Retardierung, 10 % einen herabgesetzten Intelligenzquotienten und etwa 15 % Sprachdefekte auf. Die hauptsächlichste Todesursache ist die Asphyxie und das Trauma. Obwohl der Kopf geboren ist und die oberen Luftwege frei sind besteht eine erhöhte Asphyxiegefahr, da bei der starken Thoraxkompression eine pulmonale Ventilation nicht möglich ist und zusätzlich die Nabelschnurzirkulation unterbrochen wird. Unter den Schädigungen stehen Plexuslähmungen, Hirnschäden, Klavikula- und seltener Humerusfrakturen im Vordergrund. Übergewichtige Kinder (Makrosomie) 8 bis 13 % aller Neugeborenen weisen ein Geburtsgewicht von über 4.000 g auf. Dabei sind im zunehmenden Maß Schwierigkeiten im Geburtsverlauf zu erwarten. Das Geburtsgewicht selbst ist dabei von geringerer Bedeutung. Wichtiger ist die damit oft verbundene Vergrößerung einzelner Körperteile, wie z. B. Kopf oder Schultergürtel. Bei normalem Becken wird im Allgemeinen auch ein großes Kind ohne Schwierigkeiten geboren. Bei leichter Beckenverengung kann dagegen ein Missverhältnis zwischen Kopf und Becken oder Schulter und Becken die Ursache einer Dystokie sein. Störungen im Geburtsverlauf bei einem großen (makrosomen) Kind zeigen sich vor allem in der Verlängerung der Geburtsdauer. Davon ist in erster Linie die Eröffnungsperiode betroffen, wo sich als häufigste Ursache Anomalien der Wehentätigkeit und Folgen mangelhafter Beziehung zwischen Kopf und Becken finden. Bei großen Kindern über 4.000 g ist die Frequenz vaginaler und abdominaler operativer Geburten im Vergleich zu leichteren Kindern um rund die Hälfte gesteigert. Bei einem Gewicht über 4.500 g beträgt die Häufigkeit einer Schnittentbindung 25 %. Die Geburtsprognose für die Mutter ist recht gut, Verletzungen, wie Cervix- und Vaginalrisse sowie Weiterreißen der Episiotomie, kommen jedoch gehäuft vor. Die kindliche perinatale Mortalität lässt sich durch entsprechende prospektive Geburtsleitung ebenso niedrig halten wie bei den leichteren Kindern. Dagegen muss mit einer erhöhten neonatalen Morbidität gerechnet werden. Asphyxie, Geburtstraumen, Verletzungen der Extremitäten und Nervenschädigungen sind häufiger. Armplexuslähmung (Lähmung des Plexus brachialis) Armplexuslähmung entsteht durch Druck oder Zerrung des Plexus. Die geburtstraumatische Armplexuslähmung ist häufig mit einer Klavikulafraktur vergesellschaftet. Man unterscheidet die obere Plexuslähmung (Typ Erb-Duchenne), bei der es sich um eine Teillähmung des Plexus brachialis im Bereich von C5 und C6 des Halsrückenmarkes handelt. Die ist die häufigste Geburtslähmung, wobei der Musculus deltoideus, Musculus biceps, Musculus brachialis, Musculus supinator und zuweilen auch der Musculus infraspiatus (selten der Musculus subscapularis) befallen sind. Die Symptomatik besteht in einer nach vorne herabgesunkenen Schulter, der Arm hängt neben dem Brustkorb schlaff herab, der Unterarm ist in Pronationsstellung, d. h. die Handinnenfläche sieht nach rückwärts (s. Abb. 2.8)
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Abb. 2.8: Obere (Erb) Armplexuslähmung. Das Kind ist dargestellt während des Moro-Reflexes (aus Dudenhausen, Joachim W.: Praktische Geburtshilfe. 21., erweiterte Aufl. Berlin, Boston:De Gruyter 2011).
Viel seltener ist die sogenannte untere Plexuslähmung (Klumpke’sche Lähmung). Sie wird durch eine Schädigung im Halsrückenmark im Bereich C7, C8 und Th1 hervorgerufen. Gelähmt sind die Finger und die Hand. Infolge einer Mitläsion sympathischer Fasern kommt es nicht selten zu einem gleichzeitigen Horner’schen Symptomenkomplex. Therapeutisch bedürfen Plexuslähmungen, neben entsprechender, den Plexus entlastender und Gelenkskontraktionen vermeidender Lagerung, konsequenter gymnastischer Behandlung unter neuroneonatologischer Aufsicht. Die Lagerungsbehandlung muss durch orthopädische Apparate unterstützt werden. Eine Elektrotherapie kann adjuvant eingesetzt werden, um die Atrophie der betroffenen Muskeln zu mildern. Die Prognose ist im Allgemeinen gut, sofern es sich nicht um den Ausriss von Wurzeln handelt. Letzteres ist elektromyographisch zu erkennen (Beteiligung der autochthonen Rückenmuskulatur). Es ist zu beachten, dass geburtstraumatisch bedingte Armparesen oft nicht sofort nach der Geburt, sondern erst am zweiten bis dritten Lebenstag deutlich erkennbar werden. Dieser Verlauf spricht gegen eine Kontinuitätstrennung und für ein Ödem oder eine Blutung im Bereich des Nervenplexus. In der Literatur findet sich eine Inzidenz neurologischer Komplikationen von 0,37 bis 3,6 auf 1.000 Spontangeburten. Einer Studie von Jackson et al. (1988) zufolge lag die Wiederherstellungszeit bei Armplexuslähmungen im Mittel zwischen zwei Wochen und zwölf Monaten. Die Autoren kamen zu dem Schluss, dass die Armplexuslähmung eine günstige Prognose bezüglich kompletter Restitution hat. Unter den Risikofaktoren für eine Armplexuslähmung spielt die mütterliche diabetische Stoffwechsellage (s. Abb. 2.9) dabei nachgewiesenermaßen eine Rolle (Acker et al.,1988). Verglichen mit normalgewichtigen Kindern führt ein hohes Geburtsgewicht zwischen 4.000 und 4.500 g bezüglich der Armplexuslähmung zu einem 2,5-fach erhöhtem Risiko. Das Risiko von Kindern mit einem Geburtsgewicht von über 4.500 g war zehnmal so hoch (McFarland et al., 1986). Andere Risikofaktoren waren Beckenendlagenentbindungen, Übertragung und Frühgeburtlichkeit. Eine komplette Lähmung wurde in 12 von 28 Fällen gesehen, sechs Kinder hatten nach 18 bis 24 Monaten noch eine Restlähmung (Soni
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2 Therapiefehler Mutter
Plazenta
Diabetes
Fetus Enzym-Retardierung Insulin ≠
Insulin Ø in Gravidität: Insulinbedarf ≠
B-ZellenHypertrophie
Atemnotsyndrom Fett Bindegewebe Muskel
Makrosomie
Kardiomyopathie
Hyperglykämie
Glukose
Hyperglykämie
Malformation
Vaskulopathie
O2 Ø
Hypoxie
Polyzythämie
Ketoazidose
H+ ≠
Azidose
Fruchttod
Abb. 2.9: Schwangerschaftsdiabetes. Auswirkungen auf das ungeborene Kind (aus Dudenhausen, Joachim W.: Praktische Geburtshilfe. 21., erweiterte Aufl. Berlin, Boston: De Gruyter 2011).
et al., 1985). Laut Brown (1984) ergibt die heute übliche konservative Therapie der geburtsbedingten Armplexuslähmungen gute Ergebnisse. Wichtig ist es, solche Patienten frühzeitig zu erkennen. Die Kinder sollten in monatlichen Intervallen untersucht werden, um das Wiedererlangen der Funktionen zu dokumentieren und das Übungsprogramm des Kindes zu überwachen. Bei Kindern, die sich in den ersten zwei bis drei Monaten nicht schnell verbessern, sollten ein Elektromyogramm bzw. eine Untersuchung der Nervenleitgeschwindigkeit durchgeführt werden. Wenn diese Untersuchungen Anhaltspunkte für eine schwere Läsion erbringen, sollten diese Kinder an Spezialisten überwiesen werden. In praktisch allen Studien über Armplexuslähmungen finden sich als geburtshilfliche Risikofaktoren für die Schulterdystokie Zangenentbindungen aus Beckenmitte bzw. vom Beckenboden, erhöhtes Geburtsgewicht über 3.500 g sowie eine verlängerte Austreibungsperiode über 60 Minuten (Levine et al., 1984). In einer Arbeit von Sjoberg et al. (1988) wird betont, dass die Armplexuslähmung in einigen Fällen mit einem lebenslangen Handicap verbunden ist, und dass daher sowohl die Prävention als auch die Therapie des geburtshilflichen und pädiatrischen Managements essenziell sind. In der deutschen forensischen Literatur betont Rechtsanwalt Ulsenheimer (1996), dass die Schulterdystokie auf einer unvollständigen Rotation des Kindes während der Geburt beruht und erst erkennbar ist, wenn der Kopf geboren ist und die Schulter nicht nachfolgt. Da eine Schnittentbindung zu diesem Zeitpunkt nicht mehr möglich ist, muss sofort manuell eingegriffen werden. Eine Schulterdystokie ist demnach eine niemals vorhersehbare Komplikation.
2.1.2.1 Sachverhalt / Kasuistik Die im Jahr 1991 38-jährige Schwangere erwartete ihr viertes Kind. Bereits in den Jahren 1972, 1978 und 1988 hatte sie jeweils Kinder mit Geburtsgewichten um 3.500 g vaginal entbunden. Als Geburtstermin wurde per Ultraschall der 03. 08. 1991 bestimmt. Eine Fruchtwasserpunktion wegen Altersrisiko in SSW 16 ergab einen norma-
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len Chromosomensatz. In SSW 25 wurde eine Querlage und von SSW 29 bis 35 eine Beckenendlage diagnostiziert. Die Schwangere wurde an eine Landesfrauenklinik überwiesen. Es wurden sechs Schwangerenuntersuchungen bei einem niedergelassenen Frauenarzt sowie fünf Ultraschalluntersuchungen durchgeführt. Vier Tage vor dem errechneten Termin wurde die Schwangere mit Wehen in der Landesfrauenklinik aufgenommen. Um 8.00 Uhr war der Muttermund 5 cm eröffnet und der Schädel führend im Beckeneingang. Um 9.00 Uhr erfolgte spontan der Blasensprung. Das Fruchtwasser war klar. Nach rascher Eröffnung kam es bereits um 9.45 Uhr zur Geburt. Der Krankengeschichte war zu entnehmen, dass die Dauer der Presswehen 15 Minuten betrug und dass eine Schulterdystokie auftrat. Laut Angaben der Schwangeren wurde stark kristellert, d. h. von oben stark auf die Gebärmutter gedrückt. Sie berichtete, dass, nachdem der Kopf geboren war, „nichts mehr ging“. Das Kind wäre blau geworden und von den drei anwesenden Ärzten hätte der Assistent das Kind sofort entwickeln können, wobei er vaginal mit den Händen einging. Über die Art der Handgriffe konnte die Schwangere naturgemäß keine Aussage machen. Über die Geburt selbst bzw. über die geburtshilfliche Operation existierten in der Krankengeschichte keinerlei schriftliche Aufzeichnungen. Das Kind wog 4.270 g und war 52 cm lang. Es hatte einen Schulterumfang von 40 cm sowie einen frontooccipitalen Kopfumfang von 36 cm. Es war somit deutlich übergewichtig. Die Nabelschnur war einmal um den Hals geschlungen. Die Geburtsgeschwulst war am Hinterhaupt links. Sofort wurde als Geburtsverletzung ein Schlüsselbeinbruch rechts sowie eine Plexuslähmung rechts festgestellt. Der Apgar-Wert betrug 3/7/10. Der Nabelarterien-pH-Wert betrug 7,25. Das Kind wurde primär reanimiert, mit Sauerstoff bebeutelt, mit Natriumbicarbonat gepuffert und kurzfristig auch beatmet. Es wurde unter der Diagnose „Anpassungsstörung“ in die Landeskinderklinik verlegt. Bei der Mutter wurde am nächsten Tag eine Tubensterilisation aufgrund des erfüllten Kinderwunsches durchgeführt. Der weitere Wochenbettverlauf war komplikationslos, sie wurde mit Parlodel® abgestillt. Am Landeskinderkrankenhaus wurden im Bereich des Gesichts und des behaarten Schädels des neugeborenen Knaben deutliche zyanotische Verfärbungen sowie massive Stauungshämatome festgestellt. Des Weiteren wurde eine schlaffe Lähmung des rechten Armes diagnostiziert. Das Kind benötigte zunächst Sauerstoff, konnte jedoch am nächsten Tag aus dem Inkubator ausgeschleust werden. Ein vollständiger Ausriss des Armplexus konnte aufgrund des positiven Schweißtests ausgeschlossen werden. Nach Rückbildung der deutlichen Stauungszyanose wurde das Kind nach zehn Tagen entlassen. Als Therapie der Plexuslähmung wurde eine Stromtherapie empfohlen. In der Folge wurde eine intensive Physikotherapie nach Bobath sowie Strombehandlungen durchgeführt. Im Alter von drei Monaten wurde das Kind neuromotorisch als altersgemäß unauffällig bezeichnet, die Armplexuslähmung rechts zeigte, vor allem im Bereich des Schultergürtels, deutliche Zeichen der Besserung. In der Folge wurde auch eine Vojta-Therapie durchgeführt. Zwei Jahre später wurde von einem Neurologen von einer operativen Revision abgeraten. Der Vater des minderjährigen Kindes verklagte den Krankenhausträger des betreffenden Bundeslandes wegen € 19.621,52 und Feststellung € 3.633,61.
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2 Therapiefehler
2.1.2.2 Beurteilung / Gutachten Die Schwangerenbetreuung war im vorliegenden Fall als ausreichend und vollständig zu bezeichnen. Die Eröffnungsperiode von nicht einmal einer Stunde war zwar kurz, was bei einer Viertgebärenden jedoch häufig vorkommt. Die Dauer der Presswehen hätte hingegen 15 Minuten betragen und es wäre kristellert worden. Kritisiert wurde, dass über die Geburt selbst bzw. über die geburtshilfliche Operation keinerlei schriftliche Aufzeichnungen vorlagen. Unbestreitbar war, dass einer der drei anwesenden Ärzte sofort mit den Händen vaginal einging und das Kind entwickeln konnte. Das Kind war mit 4.270 g und 52 cm bei einem Schulterumfang von 40 cm deutlich übergewichtig. Typisch war auch, dass die Nabelschnur einmal um den Hals geschlungen war. Der Apgar-Wert betrug zwar 3/7/10, der Nabelarterien-pH-Wert jedoch 7,25. Somit hatte noch keine Azidose vorgelegen. Wie damals üblich wurde das Kind in die Kinderklinik verlegt. Sofort wurde als Geburtsverletzung ein Schlüsselbeinbruch rechts sowie eine Armplexuslähmung rechts diagnostiziert. Es stand fest, dass bei dem Kind trotz jahrelanger intensiver Physikotherapie im Alter von zwei Jahren eine Restlähmung bestand, sodass das Kind den rechten Arm nicht ganz auf Schulterhöhe anheben konnte. Naturgemäß konnte eine exakte Beurteilung des Ausmaßes der Behinderung sowie der Besserungsmöglichkeiten der beim Kind vorliegenden Restlähmung vom geburtshilflichen Sachverständigen nicht geleistet werden. Daher wurde die Einholung eines kinderneurologischen Fachgutachtens beantragt. Gutachtlich bestand kein Zweifel daran, dass die Armlähmung des minderjährigen Kindes geburtstraumatisch bedingt war und dass es sich um eine sogenannte obere Plexuslähmung (Erb’sche Lähmung) gehandelt hatte. Bei der Kindesmutter dürfte in der Schwangerschaft ein latenter Diabetes vorgelegen haben, der zur Makrosomie des Kindes geführt hat. Die Blutzuckerbelastung postpartum betrug nach einer Stunde 232 g/l, nach zwei Stunden 93 g/l. Gutachtlich wurde betont, dass die Frage, ob die Geburtsverletzungen des minderjährigen Kindes als schicksalshaft und unvermeidbar zu bewerten waren, nur durch die Einvernahme der beteiligten Ärzte und Hebammen als Zeugen in Anwesenheit des Sachverständigen geklärt werden konnten. Es wurde festgehalten, dass auch bei korrekter Behandlung einer Schulterdystokie Folgeschäden nicht immer vermeidbar sind, sodass allein aus dem Auftreten eines Schadens nicht auf eine Fehlbehandlung geschlossen werden darf, sondern immer die individuellen Umstände berücksichtigt werden müssen (Schwenzer, 1994). Der Sachverständige führte weiter aus, dass aufgrund dieser Unvorhersehbarkeit kein Mangel an Ultraschall- oder anderen Untersuchungen gegeben war. Er stellte darüber hinaus klar, dass niemals eine Indikation für einen Kaiserschnitt bestand und die behandelnden Ärzte zu Recht davon ausgegangen waren, dass eine komplikationslose Spontangeburt erwartet werden konnte. Zum Anlegen eines prophylaktischen Dammschnittes bei der Mutter hätte keine Indikation bestanden, da deren Weichteile geräumig genug waren. Zum Zeitpunkt, als die Schulterdystokie auftrat, war ein Kaiserschnitt ohnehin nicht mehr möglich, da das Kind sich bereits im Geburtskanal befunden hatte. Zusammenfassend wurde ausgeführt, dass die Kombination von Schulterdystokie und Schlüsselbeinbruch geradezu klassisch sind. Der Verlauf der Geburt war völlig korrekt, das Auftreten der Schulterdystokie schicksalshaft und unvermeid-
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bar. Seitens der Ärzte wurde die richtige Behandlungsmethode gewählt, in deren Folge jedoch trotzdem eine Armplexuslähmung aufgetreten war. Im Kreißsaal hatte weder ein Mangel an Ultraschall noch an anderen Untersuchungen vorgelegen. Die Mutter des Kindes wurde während der Schwangerschaft bzw. der Geburt auch nicht zu wenig ärztlich versorgt.
2.1.2.3 Verfahrensausgang Nachdem sämtliche Zeugen in einer Verhandlung dem Sachverständigen den Geburtsverlauf und die angewandten Handgriffe darlegten wurde das Klagebegehren abgewiesen. Die klagende Partei war schuldig, der beklagten Partei die Prozesskosten von € 4.187,59 zu ersetzen. In der Beweiswürdigung des Urteils wurde kurz auf das schlüssige und widerspruchsfreie Gutachten des Sachverständigen eingegangen. Die Behandlungsmethode nach der Diagnose Schulterdystokie wurde dort klar dargelegt. Es wurde weiter dargelegt, dass dies genau jene Methode sei, die auch der Assistenzarzt angewandt hatte. Es wurde ausgeführt, dass das Auftreten einer Schulterdystokie zunächst schicksalshaft und erst dann erkennbar sei, wenn der Kopf geboren ist und die Schulter nicht nachfolgt. Es stand fest, dass bei der Mutter des Klägers, einer Viertgebärenden, zu Recht eine komplikationslose Geburt erwartet wurde. Selbst bei Erkennen der Übergröße des Kindes, hätte dies keine Veranlassung zu einer Schnittentbindung gegeben, weil die Mutter bereits drei Kinder mit einem Geburtsgewicht von über 3.000 g vaginal entbunden hatte. Es musste daher nicht mit besonderen Schwierigkeiten und erhöhten Risiken gerechnet werden. Auch bestand keine Indikation für einen Kaiserschnitt. Nachdem die Diagnose Schulterdystokie gestellt worden war, bedeutete dies für den Nichtfacharzt, den verantwortlichen Facharzt zu verständigen. Dieser war rasch im Kreiszimmer eingetroffen, sodass auch bei dessen ununterbrochener Anwesenheit die Geburt des Kindes nicht anders verlaufen wäre. Er hätte auch dann nicht früher eingreifen können, wenn er während der Presswehen ständig anwesend gewesen wäre. Bei der Entwicklung der Schulter des Klägers wählte der Arzt die einzig richtige Behandlungsmethode. Im Übrigen ist beim Eintreten von Komplikationen das Eingreifen eines Facharztes notwendig. Dass die Entbindung des Klägers nicht vom diensthabenden Oberassistenten, sondern von dem noch in Ausbildung stehenden Assistenzarzt vorgenommen wurde, war für die Entstehung des Schadens nicht kausal. Der Assistenzarzt, auf einem sehr hohen Ausbildungsniveau stehend, wählte die einzig richtige Behandlungsmethode und führte diese ordnungsgemäß durch. Mangels Vorliegen objektiver Sorgfaltswidrigkeiten der Handlungen sämtlicher beteiligter Personen, war auf die subjektive Vorwerfbarkeit nicht weiter einzugehen. Sowohl der Feststellungsanspruch als auch das Leistungsbegehren bestehen demnach dem Grunde nach nicht zu Recht, und waren abzuweisen.
2.1.2.4 Resümee Bei der Schulterdystokie handelt es sich um einen Geburtsstillstand nach der Geburt des Kopfes infolge ungenügender Schulterdrehung. Betroffen sind 0,2 bis 3,0 % der vaginalen Geburten, abhängig vom Geburtsgewicht. Bei einem Gewicht von 4.000 g
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2 Therapiefehler
liegt die Inzidenz bei 2 %, bei 4.500 g bei 10 % und bei 5.000 g steigt sie auf 40 %. Andererseits treten mehr als die Hälfte der Schulterdystokien bei einem Geburtsgewicht unter 4.000 g auf. Ätiologisch sind eine frühere Geburt mit Schulterdystokie, die Makrosomie bzw. der Gestationsdiabetes, exzessive Gewichtszunahme während der Schwangerschaft, Übertragung, Multiparität, eine verlängerte Austreibungsperiode sowie vaginaloperative Entbindungen aus Beckenmitte zu nennen. Zu unterscheiden ist der hohe Schultergeradstand (der Kopf erscheint wie auf die Vulva gepresst; sogenanntes turtle-Phänomen) vom tiefen Schulterquerstand. Komplikationen sind die fetale Asphyxie, traumatische Schädigungen des Plexus brachialis (in 13 % der Fälle), Skelettverletzungen und Clavicula-frakturen (in 5 bis 7 % der Fälle). Therapeutisch wird nach Anlegen bzw. Erweitern der Episiotomie und Beenden einer evtl. Oxytocin-Infusion bzw. Tokolyse zunächst das McRoberts-Manöver und dann die innere Rotation der Schultern durchgeführt (s. Abb. 2.5).
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2.1.3 Symphysenruptur bei der Spontangeburt eines makrosomen Kindes Symphysenruptur (Symphysensprengung, Symphysenzerreißung) Einer rezenten Arbeit war zu entnehmen, dass das peripartale Auseinanderweichen der Symphyse als eine Schwangerschaftskomplikation verstanden wird, die in etwa 1:300 bis 1:30.000 Fällen aller Geburten auftritt. Charakteristische Symptome sind Schmerzen über der Symphyse sowie Druckempfindlichkeit mit Ausstrahlung in die Hinterseite der Beine, Gangschwierigkeiten und gelegentlich auch Blasenfunktionsstörungen. Aufgrund der Anamnese und der Symptome bzw. dem Ansprechen auf eine Therapie kann die Diagnose meist leicht gestellt werden. Zur Bestätigung der Diagnose werden die Röntgendokumentation des Auseinanderweichens der Symphyse sowie Ultraschalluntersuchungen verwendet (s. Abb. 2.10). Auch heute noch ist die Ätiologie des Symphysenschadens nicht vollständig geklärt. Dieser wird in Verbindung gebracht mit Multiparität, Makrosomie, pathologischer Gelenkserweichung und erhöhtem Druck auf den Beckenring (s. Abb. 2.11). Die konservative Therapie, bestehend aus Bettruhe und Beckengurt, Gehhilfen und der Gabe leichter Analgetika, führen meistens innerhalb von vier bis sechs Wochen zu einer völligen Rückbildung des Symphysenschadens. Das Auftreten eines Symphysenschadens sollte das Management nach-
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Abb. 2.10: Drei Fälle mit relativ gleicher Symptomatik der Symphyse. Röntgenaufnahmen im Wochenbett. 1 Symphysenschaden bei schmalemSymphysenspalt; 2 bei weitem Symphysenspalt (Symphysenruptur?); 3 sehr weiter Symphysenspalt, abgerissenes Knochenfragment? Offensichtlich Symphysenruptur. Bei 2 und 3 ist auch ein ungleicher Schambeinstand als Zeichen der Beckenringlockerung und Dislokation sichtbar (aus Dudenhausen, Joachim W.: Praktische Geburtshilfe. 21., erweiterte Aufl. Berlin, Boston: De Gruyter 2011).
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2 Therapiefehler Ligg. sacroiliaca interossea et dorsalia Articulatio sacroiliaca Ligg. sacroiliaca ventralia Ligg. sacrotuberale Ligg. sacrospina
Discus interpubicus
Abb. 2.11: Das Becken als statische Konstruktion. Frontalabschnitt in der Hüftgelenksebene. Fortleitung der Rumpflast auf die Femurköpfe. Zug- und Druckbelastung der Symphyse. Zugkräfte an den Bändern. Halbschematisch (aus Dudenhausen, Joachim W.: Praktische Geburtshilfe. 21., erweiterte Aufl. Berlin, Boston: De Gruyter 2011).
folgender Schwangerschaften nicht wesentlich beeinflussen. Eine konservative Therapie wird auch für jegliches Wiederauftreten von Symptomen empfohlen. Retrospektiv fanden sich bei 5.121 Geburten in der Zeit von 1994 und 1995 neun Fälle von peripartalem Symphysenschaden, woraus sich eine Inzidenz von 1 zu 569 Geburten ergibt (Snow et al., 1997). Auch in der deutschen Literatur fand sich ein Bericht über eine „ausgedehnte Verletzung des Geburtskanals als Komplikation einer normalen Geburt“. In dem Fall zeigte die Röntgenübersichtsaufnahme und das CT eine weit klaffende Symphyse sowie eine Fraktur des linken vorderen Beckenringes. Zusätzlich war die Harnröhre der Länge nach auseinandergerissen und die Blase war von der Symphyse abgelöst. Auch hier erfolgte die definitive Versorgung mit einer 7-Loch-Rekonstruktionsplatte (Holzmüller et al., 1984). Eine vermehrte Durchblutung und ödematöse Gewebeauflockerung lassen die Ileosakralfugen und den Symphysenspalt in der Schwangerschaft breiter werden. Im Ultraschall zeigt sich eine Erweiterung des Symphysenspaltes von 4 auf 7 mm. Trotz dieser physiologischen Auflockerung des mütterlichen Beckenringes können vereinzelt in der Schwangerschaft, besonders aber unter der Geburt, Läsionen der Symphyse beobachtet werden. Die Veränderungen reichen von der Überdehnung des Symphysenspaltes bis zur Ruptur (s. Abb. 2.12). Ursächlich werden neben geburtstraumatischen Vorgängen (operative Entbindung, großes Kind) individuelle pathologische Bindegewebsreaktionen bei der Auflockerung des Bandapparates verantwortlich gemacht. Die Symptome sind: ● ● ● ● ● ●
Spontan- und Druckschmerz über der Symphyse und den Ileosakralgelenken, Kraftlosigkeit der Beine, Gangunsicherheit bzw. Watschelgang, Schmerzen beim Heben und Drehen des Beines, Ausstrahlende Schmerzen in die Leistenregion, Rotationshaltung der Beine.
Diagnostisch gelingt die Darstellung des Symphysenschadens sowohl mittels Ultraschall als auch mit der Röntgenuntersuchung. Zur Darstellung der Symphysenruptur ist
2.1 Vaginale Geburt
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Abb. 2.12: Beckenringlockerung. Ungleicher Symphysenstand beim Wechsel des Standbeins (aus Dudenhausen, Joachim W.: Praktische Geburtshilfe. 21., erweiterte Aufl. Berlin, Boston: De Gruyter 2011).
neben der Ruheaufnahme eine Aufnahme im Stehen mit jeweils wechselndem Standbein erforderlich. Unter körperlicher Schonung und Bettruhe verschwinden die Schmerzen relativ rasch. Die Dauer der Immobilisation richtet sich nach der Schwere des Symphysenschadens. Für die Beurteilung des Therapieerfolgs ist die sonographische Verlaufskontrolle besonders geeignet. Der therapeutische Wert von stabilisierenden Beckenbandagen ist nicht sicher belegt. Eine operative Therapie sollte den schweren Verlaufsformen vorbehalten bleiben. Laut Pschyrembel (1973) unterscheidet man heute die Symphysenruptur, das ist die Symphysenzerreißung, und den Symphysenschaden im engeren Sinne. Die Symphysenruptur wird fast immer durch ein schweres Geburtstrauma (schwere Zangenentbindung, enges Becken) verursacht. Sie ist der schwerste Grad einer Symphysenschädigung. Schwere Geburtstraumata, also auch die Symphysenruptur, sind heute sehr selten. Symphysenschaden Die Symphysenruptur wird heute dem sehr viel häufigeren Symphysenschaden geringeren Grades, kurz als Symphysenschaden bezeichnet, gegenübergestellt. Der Symphysenschaden, der zwar auch traumatisch bedingt sein kann (Überdehnung, kleinere Einrisse), hat in den weitaus meisten Fällen eine funktionelle Ursache. Ein Symphysenschaden kann sowohl schon in der Schwangerschaft als auch unter der Geburt oder erst im Wochenbett in Erscheinung treten. Der im Zusammenhang mit einer Geburt auftretende Symphysenschaden findet sich auffälligerweise vorwiegend bei ganz spontan abgelaufenen Geburten. Nur in 10 % der Fälle konnte Kräubig (1962) beim Symphysenschaden gewisse Geburtsschwierigkeiten nachweisen. Somit sind rund 90 % der Symphysenschäden funktionell bedingt. Die funktionellen Schäden der Symphyse bieten mehr oder weniger dasselbe eindrucksvolle Krankheitsbild wie die traumatische Schädigung. Die Erklärung des durch Funktionsstörung bedingten Symphysenschadens sowie der Schäden nach glatt verlaufenden Spontangeburten ist schwierig. Nach langjähriger Auffassung handelt es sich um einen Ursachenkomplex mit den Faktoren einer pathologisch gesteigerten Auflockerung der Symphyse und der Ileosakralfugen sowie statischer Momente und Zusatzbelastungen, wie Zwillinge, Hydramnion oder eventuell auf dem Boden einer Hypoplasie oder einer Bindegewebsschwäche oder einer besonderen Disposition. Traumatisch bedingte Symphysenschäden sind selten. Die heute geübten geburtshilflichen Operationen dürften kaum eine Rolle spielen. Als auslösen-
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2 Therapiefehler
de traumatische Momente werden der Sturz in der Schwangerschaft und die falsche Lagerung der Gebärenden in der Austreibungsphase genannt. Die Häufigkeit hat nach übereinstimmenden Angaben abgenommen, insbesondere wird über die Zunahme der spontan entstandenen Symphysenschäden berichtet. In der Röntgenuntersuchung sind ein erweiterter Symphysenspalt und die Dislokation der Schambeinäste (Stufenbildung) charakteristische Befunde (s. Abb. 12.6). Ein normaler oder sogar enger Schambeinstand spricht gegen die Diagnose Symphysenschaden. Verminderte oder vergrößerte Weite des Symphysenspaltes repräsentieren wahrscheinlich verschiedene Stadien der Lockerung. Hauptzweck des Röntgenbildes ist der Ausschluss entzündlicher oder destruierender Knochenprozesse. Die Prognose ist im Allgemeinen gut. Als Komplikationen kommen Gehstörungen vor, die sich aber auch in schweren Fällen meist weitgehend zurückbilden. Die Therapie des Symphysenschadens besteht in körperlicher Schonung, im Fernhalten von Belastungen, im Nichtnachgehen einer Berufstätigkeit und, bei stärkeren Beschwerden, in einer festen Leibbinde mit seitlichen Stützpelotten. Bei nachgewiesener partieller oder totaler Symphysenruptur hat eine absolute Bettruhe zu erfolgen. Des Weiteren ist ein Fixationsverband um das Becken in Form eines Schlaufenverbandes anzulegen, dessen Zügel mit Sandsäcken von 5 bis 6 kg belastet werden. Die Dauer der Behandlung im Schlaufenverband beträgt etwa 2 bis 3 Wochen, jedenfalls solange, bis die Patientin beschwerdefrei ist. Nach Beendigung der klinischen Behandlung kann auch eine Zeit lang ein Spezialgürtel getragen werden (Pschyrembel, 1973). Ähnliches findet sich auch in anderen Lehrbüchern der Geburtshilfe. Als Ursache für das Entstehen einer Symphysenruptur werden in der Literatur auf der einen Seite geburtstraumatische Vorgänge, z. B. vaginaloperative Entbindungen (Zange), genannt. Auf der anderen Seite spricht man von so unterschiedlichen Faktoren wie dem großen Kind, pathologischen Bindegewebsreaktionen in Form von vermehrten oder verminderten schwangerschaftsbedingten Auflockerungsvorgängen des Bandapparates des Beckens oder aber von der Berufstätigkeit der Schwangeren als Doppelbelastung. Obwohl einige Symptome auf eine gesteigerte, grenzwertige Belastung des Beckenringes in der Schwangerschaft schließen lassen, ist das Auftreten einer Symphysenruptur wahrscheinlich eine unvorhersehbare geburtshilfliche Komplikation, da hierzu mehrere Einzelfaktoren zusammentreffen müssen, deren einzelne Wertigkeit jedoch vorher nicht abzuschätzen ist. In der älteren Literatur wurde darauf hingewiesen, dass vor allem das Nichtdurchführen einer Röntgenaufnahme bei Verdacht auf einen Symphysenschaden und die Entlassung zehn Tage nach der Geburt als Fahrlässigkeit zu bewerten sind. Die Versorgung eines Symphysenschadens mit einem Beckengurt durch den Geburtshelfer galt als kunstgerecht (Naujoks, 1957).
2.1.3.1 Sachverhalt / Kasuistik Die 35-jährige Schwangere war im Jahr 1996 zum vierten Mal schwanger. Sie hatte bereits zwei Fehlgeburten durchlitten. Im Jahr 1991 wurde sie von einem 3.200 g schweren Knaben mittels Zange entbunden. In der diesem Fall zugrunde liegenden Schwangerschaft wurden von einem niedergelassenen Frauenarzt insgesamt neun geburtshilfliche Untersuchungen sowie zwei Ultraschalluntersuchungen durchgeführt.
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Darüber hinaus fanden sich im Mutter-Kind-Pass noch weitere fünf Ultraschalluntersuchungen des Krankenhauses, in dem die Entbindung stattfand. Der mittels Ultraschall errechnete Geburtstermin war der 20. 02. 1997. Am T + 3 kam es um 1.00 Uhr zu leichten Wehen und Blutungen sowie einem hohen Blasensprung. Der Bromthymoltest war positiv. Nach einer Latenz von elf Stunden wurde um 12.00 Uhr eine Prostaglandin-Vaginaltablette (Prostin® E2) gelegt. Zwischen 19.40 Uhr (Muttermund 2 cm) und 20.50 Uhr (Muttermund im Verstreichen) kam es zu einer raschen Eröffnung des Muttermundes. Bei der Geburt wurde auch kristellert. Der Knabe wog 4.370 g, hatte 55 cm Körperlänge und einen Kopfumfang von 37 cm. Der Apgar-Wert betrug 7/ 8/8, der Nabelarterien-pH-Wert 7,21. Aufgrund von Atemproblemen wurde das Kind in die Kinderabteilung verlegt. Das CTG war jedoch völlig unauffällig. Unmittelbar nach der Geburt traten bei der Schwangeren Schmerzen im Bereich der Symphyse auf, weshalb eine Röntgen-Beckenübersichtsaufnahme angefertigt wurde. Diese zeigte eine Symphysensprengung mit beträchtlicher Verbreiterung des Symphysenspaltes auf 4,5 cm. Die Patientin wurde sofort mit dem in der Geburtshilfe üblichen Beckengurt versorgt. Eine verordnete Bettruhe wurde eingehalten. Nach einer Woche zeigte sich in einem Röntgenbild wieder eine Erweiterung des Symphysenspaltes auf etwa zwei Querfinger, ohne Hinweise auf eine Frakturlinie. Ein CT der Sacroiliacalgelenke zeigte keine signifikante Erweiterung des Gelenkspaltes. Ein beigezogener Unfallchirurg empfahl die operative Stabilisierung zentral oder, falls die Patientin keine Operation wünsche, Bettruhe für mindestens drei bis vier Wochen sowie wöchentliche Röntgenkontrollen. Nach Aufklärung entschied sich die Patientin für die operative Therapie. Zehn Tage postpartum wurde von einem Unfallchirurgen die operative Stabilisierung der Symphyse mit einer 3,5-7-Loch-Titanrekonstruktionsplatte durchgeführt. Der postoperative Verlauf war komplikationslos, eine Röntgenkontrolle zeigte die Symphyse geschlossen sowie eine korrekte Lage der Platte. Nach drei Wochen konnte die Patientin das Krankenhaus mit Stützkrücken verlassen. In der Folge wurde zweimal wöchentlich eine Physikotherapie durchgeführt. Danach konnte die junge Mutter wieder ohne Krücken gehen, musste aber noch weitere sechs Monate eine physikalische Therapie durchführen. Ein Jahr später hatte der Symphysenspalt eine Breite von 8 mm. Das Tragen von Lasten bereitete der Patientin laut eigener Aussage weiterhin Schmerzen im Kreuz und in der Symphyse. Sie wandte sich an die Patientenvertretung des betreffenden Bundeslandes, welche den Autor als Sachverständigen mit der Anfertigung eines Gutachtens beauftragte.
2.1.3.2 Beurteilung / Gutachten Bei Anwendung sowohl der älteren als auch der neueren forensischen Literatur auf den vorliegenden Fall ließ sich feststellen, dass sowohl die Schwangerschaft als auch die Geburt der Patientin lege artis betreut worden waren. Sowohl die Frequenz der Schwangerenuntersuchungen als auch der Ultraschalluntersuchungen in der Schwangerschaft waren überdurchschnittlich. Die Geburt am Termin wurde wegen eines hohen Blasensprungs nach adäquater Latenzzeit von elf Stunden mit einer Prostin®-Vaginaltablette eingeleitet. Bei dem Neugeborenen handelte es sich, bei einem Gewicht von 4.370 g, um ein makrosomes Kind. Keinesfalls hat jedoch zu irgendeinem Zeitpunkt die Indikation zu einer primären Sectio bestanden.
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2 Therapiefehler
Die Schmerzen im Schambeinbereich traten unmittelbar nach der Geburt auf und es wurde noch gegen Mitternacht wegen Thromboseverdacht eine Untersuchung mittels Doppler-Sonographie durchgeführt. Am folgenden Tag wurde eine Röntgenuntersuchung veranlasst und der Verdacht auf eine Symphysenüberdehnung ausgesprochen. Völlig lege artis wurde die übliche Therapie mit einem Beckengurt eingeleitet. Nachdem acht Tage später der Befund im Röntgen unverändert war, wurde der Patientin seitens des beigezogenen Unfallchirurgen eine operative Stabilisierung vorgeschlagen. Nach entsprechender Aufklärung stimmte die Patientin dieser zu. Der postoperative Verlauf war völlig komplikationslos. Die postoperativen Beschwerden der Patientin und die erforderliche Physikotherapie (sechs Monate) waren für die Patientin sicherlich äußerst belastend, müssen jedoch als schicksalshaft bezeichnet werden. Bei der Genese der Symphysenruptur hat ohne Zweifel die Größe des Kindes eine Rolle gespielt. Denkbar wäre auch eine Vorschädigung bei der anamnestischen Zangengeburt, in eventu auch eine angeborene Bindegewebsschwäche.
Beantwortung des Fragenkatalogs 1. Wurde die Geburt des Kindes sach- und fachgerecht durchgeführt? Die Geburt des Kindes wurde fach- und sachgerecht durchgeführt. 2. Wurden nach Auftreten der Probleme (Symphysenruptur) die sach- und fachgerechten Entscheidungen getroffen bzw. durchgeführt? Nach Auftreten der Symphysenruptur wurden die Entscheidungen sach- und fachgerecht getroffen und durchgeführt. Die Patientin entschloss sich nach Aufklärung aus freien Stücken für eine operative Stabilisierung, die ohne Komplikationen ablief. 3. Warum wurde die unfallchirurgische Abteilung erst so spät eingeschaltet (nach dem zweiten Röntgen)? Wie ausführlich dargelegt, ist es aus geburtshilflicher Sicht üblich und lege artis, einen Symphysenschaden zunächst mit einem Beckengurt zu behandeln. Der Zeitpunkt der Einschaltung eines Unfallchirurgen nach acht Tagen ist keineswegs als verspätet zu betrachten. 4. Wäre durch mehr Ultraschalluntersuchungen früher zu entscheiden gewesen, dass ein Kaiserschnitt aufgrund der Größe des Kindes notwendig wäre? Die Zahl der Ultraschalluntersuchungen in der Schwangerschaft war überdurchschnittlich. Sowohl der biparietale als auch der Thoraxquer-Durchmesser waren in SSW 38/1 im Normbereich. Es hat daher zu keinem Zeitpunkt eine Indikation für eine primäre Sectio vorgelegen. 5. Wie weit war die Symphyse bei der Geburt gesprungen (Röntgen vom 24. 02. 1997)? Laut dem befundenden Chefarzt der Röntgenologie betrug der Abstand zwischen den Schambeinrändern 4,5 cm. 6. Kann die Symphysensprengung durch Kristellern entstanden sein? Die Symphysensprengung kann durch Kristellern nicht entstanden sein. 7. Warum erfolgte keine Information über die Ruptur der Articulatio sacroiliacalis sin.? Eine Ruptur der Articulatio sacroiliacalis sin. hat laut CT der Sacroiliacalgelenke nicht vorgelegen.
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Ergänzungsgutachten 8. Wie kann ohne CTG in den Krankenunterlagen die Feststellung getroffen werden, dass „keinesfalls zu irgendeinem Zeitpunkt die Indikation zur primären Sectio bestanden hat“? Die Indikation zur Sectio wird keinesfalls nur aus dem CTG gestellt. Ein „schlechtes CTG“ kann lediglich einer von vielen Gründen für eine Schnittentbindung sein, dies wird kindliche Indikation genannt. Daneben gibt es eine Fülle anderer sogenannter mütterlicher Indikationen. Das mittlerweile vorliegende CTG war völlig unauffällig. 9. Wurde auf mögliche Nebenwirkungen des verabreichten Medikaments hingewiesen? Es wurde zum verabreichten Medikament Prostin®-Vaginaltabletten auf die im Austria-Kodex angeführten Gegenanzeigen bzw. Nebenwirkungen hingewiesen. 10. Hat das Medikament Prostin® im konkreten Fall Auswirkungen bei bekannter Anamnese (Zangengeburt im Jahr 1991) auf die Symphyse gehabt? Ob das Medikament Prostin® im konkreten Fall Auswirkungen auf die Symphyse gehabt hat oder nicht, muss spekulativ bleiben. D. h., niemand kann auch nur mit annähender Sicherheit behaupten, dass eine derartige Wirkung vorlag. Diese war andererseits jedoch nicht auszuschließen. Fest stand, dass weder im österreichischen Austria Kodex noch in der Roten Liste in Deutschland Warnhinweise bezüglich einer Symphysenruptur bei Verabreichung von Prostaglandin-Zäpfchen zur Muttermundreifung beschrieben werden. Bei den im Austria Kodex angeführten Gegenanzeigen, wie hochgradige cephalopelvische Disproportion, anamnestische Geburtsschwierigkeiten oder traumatischer Entbindung, steht offensichtlich die Angst vor einer Uterusruptur, wie z. B. bei vorangegangener Sectio oder anderen Operationen an der Gebärmutter, im Vordergrund. 11. Welche alternativen Medikamente bzw. Behandlungsmethoden hätte es gegeben? Konkret wäre eine Sectio eine derartige Alternative gewesen (unter Beachtung der Zangengeburt im Jahre 1991)? Eine Sectio ist naturgemäß immer die einzige Alternative zur natürlichen Geburt auf vaginalem Wege. Keinesfalls ist ein Zustand nach Zangengeburt dafür jedoch eine absolute Indikation. Man könnte bestenfalls von einer relativen Indikation sprechen und dies mit der Patientin diskutieren und in eventu auf deren ausdrücklichen Wunsch hin durchführen. 12. Die Beckenübersichtsaufnahme vom 24. 02. 1996 beschrieb eine Symphysensprengung und keine Symphysenüberdehnung. In der zitierten Literatur wird bei einer Symphysenruptur als Therapie die absolute Bettruhe und ein Fixationsverband bis zur Beschwerdefreiheit beschrieben. Die Patientin wurde jedoch bald darauf mobilisiert, und im Pflegebericht fand sich kein Hinweis auf die Verordnung von Bettruhe. Ist es als fach- und sachgerecht zu bezeichnen, der Patientin in der gegebenen Situation keine Bettruhe zu verordnen? Wenn nein, welcher Schaden ist der Patientin daraus entstanden (unter Einbeziehung und Beachtung des gesamten Heilungs- und Behandlungsverlaufes)? Der Übergang von Symphysenüberdehnung zu Symphysensprengung ist fließend. Richtig ist, dass sich in der Literatur Bettruhe und Beckengurt als primäre Therapie findet. Laut Chefarzt der geburtshilflichen Abteilung wäre in den ersten drei Tagen
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2 Therapiefehler
sehr wohl eine Bettruhe verordnet worden, was auch aus der Fieberkurve ersichtlich war. In dieser Zeit wären nur geringe Beschwerden bezüglich der Symphysenruptur aufgetreten. Nach zwei Tagen war im Pflegebericht beschrieben, dass es der Patientin besser ging und nur wenig Schmerzen vorhanden waren. Daraufhin wurde eine gelockerte Bettruhe (der Gang zur Toilette und Waschen waren z. B. erlaubt) genehmigt. Dies wäre im Einvernehmen mit der Patientin geschehen, die laut Pflegebericht nach der strengen Bettruhe der ersten drei Tage von sich aus immer wieder auf eine gewisse Lockerung gedrängt hatte. Drei Tage später war im Pflegebericht dokumentiert, dass die Patientin, wenn sie Schmerzen hatte, nur zum Duschen aufgestanden war. Später hatte sie keine Schmerzen mehr. Am folgenden Tag wurde dokumentiert, dass die Patientin ihr Baby die ganze Nacht im Sinne eines Rooming-in betreuen möchte. Der Chefarzt hielt daher fest, dass überwiegend Bettruhe angeordnet war, diese jedoch für bestimmte Dinge im Einvernehmen und auf Wunsch der Patientin gelockert worden war. Es wäre sicherlich nicht als fach- und sachgerecht zu bezeichnen, Patientinnen in der gegebenen Situation keine Bettruhe zu verordnen. Absolute Bettruhe, also dass die Patientin nicht einmal die Toilette aufsuchen darf, wird sehr selten verordnet und vor allem von den Patientinnen kaum akzeptiert. Ohne Frage war hier jedoch davon auszugehen, dass der Symphysenschaden unter der Geburt entstanden war und nicht etwa als Folge der diskutierten inkompletten Bettruhe. 13. Hätte sich bei Verordnung der Bettruhe und somit der Einhaltung durch die Patientin die Operation verhindern lassen? Es wurde ausgeführt, dass für die Patientin höchstwahrscheinlich auch bei Verordnung von Bettruhe und Einhaltung derselben die Operation die bessere Therapieoption war. Die Alternative wäre tatsächlich eine zwei- bis dreimonatige vollständige Immobilisation mit Beckengurt gewesen. Röntgenuntersuchungen der Symphyse postpartum und eine Woche danach belegten klar, dass es zu keiner Verschlechterung gekommen war. Der Spalt war zunächst 4,5 cm und nach sieben Tagen zwei Querfinger groß. Laut beigezogenem Unfallchirurgen wäre bei konservativem Vorgehen in vielen Fällen auch eine unzureichende Ausheilung in Kauf zu nehmen, daher könne auch noch eine spätere Operation notwendig werden. Auch aus unfallchirurgischer Sicht wäre durch extrem strenge Bettruhe die Operation nicht zu verhindern gewesen. Dafür würden auch zwei rezente unfallchirurgische Arbeiten sprechen (Rommens, 1997; Kothe et al., 1994).
2.1.3.3 Verfahrensausgang Aufgrund des Gutachtens wurde von der Haftpflichtversicherung des Krankenhauses eine vergleichsweise Schlichtung abgelehnt.
2.1.3.4 Resümee Bei der Symphysenruptur handelt es sich um eine nicht vorhersehbare und daher schicksalhafte geburtshilfliche Komplikation. In der Literatur schwanken die Angaben zur Häufigkeit zwischen 0,1 und 4 %, da meist nicht zwischen Symphysenschaden und Symphysenruptur unterschieden wird. Ursächlich werden geburtstraumatische Vorgänge, wie z. B. vaginaloperative Entbindungen (Zange, Vakuum), große Kinder
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und schwangerschaftsbedingte Auflockerungsvorgänge des Bandapparates, genannt. Bei röntgenologisch nachgewiesener Symphysenruptur ist heute zweifelsohne die operative Stabilisierung die Methode der Wahl. Wenngleich diese geburtshilfliche Komplikation für die Patientin eine äußerst unangenehme und langwierige Behandlung erforderte, war doch die gewählte Methode in allen Phasen lege artis. Die Forderung nach Schadenersatz war daher abzulehnen. Literatur Borell U, Fernström J. Das weibliche Becken. In: Käser O, Friedberg V, Ober KG, Thomsen K, Zander J (Hrsg). Schwangerschaft und Geburt I, Bd. 2, Teil I. 2. Aufl. Stuttgart: Thieme, 1981: 4.1–4.24. Holzmüller W, Huber P, Helling HJ. Ausgedehnte Verletzung des Geburtskanals als Komplikation einer normalen Geburt. Gynäkologie, 1994; 27: 271–272. Kothe S, Keller HW, Heindel W, Rehm KE. Experience with surgical treatment of ruptures of the symphysis pubis. Zentralbl. Chir. 1994; 119: 37–43. Kranzfelder D. Symphysenschaden. In: Künzel W, Wulf KH (Hrsg). Klinik der Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Bd. 6, Geburt I. Wien: Urban & Schwarzenberg, 1996: 341. Kräubig H. Symphysenschaden. Med. Klin. 1962; 57: 883–8. Naujoks H. Gerichtliche Geburtshilfe. Stuttgart: Thieme, 1957: 205–209. Pschyrembel W. Praktische Geburtshilfe und geburtshilfliche Operationen. 14. Aufl. Berlin, New York: De Gruyter, 1973: 584–588. Reusch K, Polte A. Ist die Symphysenruptur ein vorhersehbares Ereignis? Geburtsh. u. Frauenheilk. 1986; 46: 174–175. Rommens PM. Internal fixation in postpartum symphysis pubis rupture: report of three cases. J. Orthop Trauma 11, 1997: 273–276. Schaller AI. Der Symphysenschaden und die Symphysenzerreißung. In Gitsch E, Janisch H. Geburtshilfe. 3. Aufl. Wien, Maudrich, München, Bern, 1989: 215. Snow RE, Neubert AG. Peripartum pubic symphysis separation: a case series and review of the literature. Obstet. Gynecol. Surv. 1997; 52: 438–443. Dudenhausen JW. Symphysenschaden. In: Dudenhausen JW (Hrsg). Praktische Geburtshilfe mit geburtshilflichen Operationen, 21. Aufl. Berlin, New York: De Gruyter, 2011: 385–387.
2.1.4 Plazentareste nach der Geburt Blutungen im Wochenbett Bei Blutungen im Wochenbett werden schon in alten Lehrbüchern vier Hauptgruppen unterschieden: ● Im Uterus zurückgebliebene Plazentareste bzw. Plazentapolypen, die in 66 % aller Fälle Blutungen im Wochenbett verursachen (wie im vorliegenden Fall). ● Endometritis im Wochenbett (Entzündung der Gebärmutterschleimhaut). ● Sogenannte funktionelle Ursachen machen 33 % aller Blutungen im Wochenbett aus. ● Blutungen aus geburtshilflichen Risswunden im Wochenbett, die eher selten sind. Plazentareste Ein Plazentarest ist ein Stück Plazenta, das nach unvollständiger Ausstoßung der Plazenta in der Uterushöhle zurückgeblieben ist. Ein Plazentarpolyp ist ein Plazentarest,
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Abb. 2.13: Plazentapolyp = Plazentarest, um den sich geronnenes Blut in vielfacher Schicht wie ein fester Mantel herumgelegt hat (aus Dudenhausen, Joachim W.: Praktische Geburtshilfe. 21., erweiterte Aufl. Berlin, Boston: De Gruyter 2011).
um den sich geronnenes Blut wie ein fester Mantel herumgelegt hat. Größere Polypen regen Austreibungswehen an. Dabei wird der untere Pol in den Gebärmutterhalskanal hineingetrieben. Der Gebärmutterhalskanal wird eröffnet und man kann dann den unteren Pol des Polypen mit dem Finger tasten. Nach Einsetzen von Spekula kann man ihn häufig auch sehen (s. Abb. 2.13 und 2.14).
2.1.4.1 Sachverhalt / Kasuistik Die im Jahr 2005 33-jährige Schwangere bekam im Herbst 2005 ihr erstes Kind. Nach vorzeitigem Blasensprung und Gabe von lokalen Prostaglandinen sowie dem Setzen einer Epiduralanästhesie wurde sie in einem grossen Peripheriekrankenhaus vom diensthabenden Geburtshelfer per Vakuumextraktion von einem lebensfrischen Mädchen, 3.480 g und 50 cm, entbunden. Das Schwangerschaftsalter betrug 38 Wochen und 6 Tage. Die Kindslage war eine zweite hintere Hinterhauptslage, d. h., dass der kindliche Schädel verkehrt rotiert war. Dies führte zu einem erhöhten mechanischen Widerstand, weshalb es zu einem Geburtsstillstand und einer operativen Entbindung kam. Der Plazentaabgang war spontan, das Plazentagewicht betrug 660 g und die Plazenta wurde von Arzt und Hebamme als vollständig beschrieben. Der Wochenbettverlauf war unauffällig, insbesondere ohne Fieber, und die Gebärmutter bildete sich gut zurück (drei Tage postpartal drei Querfinger unter dem Nabel).
Abb. 2.14: Sonographischer Nachweis eines Plazentarestes drei Wochen post partum; Dopplersonographische Darstellung des durchbluteten Gefäßes im Plazentarest (aus Dudenhausen, Joachim W.: Praktische Geburtshilfe. 21., erweiterte Aufl. Berlin, Boston: De Gruyter 2011).
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Die Klägerin gab vor Gericht an, sie hätte ab der Entbindung durchgehend Blutungen gehabt, wobei die Blutung nach der Entbindung stärker als ihre Regelblutung gewesen wäre, was sie jedoch keinem Arzt gesagt hätte. Es stand fest, dass bei der Nachuntersuchung durch ihre niedergelassene Gynäkologin vier Wochen postpartum ein Plazentarrest im Gebärmutterhalskanal, ohne wesentliche Blutung, gefunden wurde. Die Frau wurde daraufhin unter der Diagnose „Residuen bei Zustand nach Geburt, Curettage erbeten“, in die gynäkologische Abteilung, an der sie entbunden hatte, eingewiesen. Dort wurden bei einer gynäkologischen Untersuchung zunächst blutige Gewebsreste aus dem Gebärmutterhals teilweise geborgen. Im Ultraschall fand sich echoarmes bis echoreiches Material mit einem Durchmesser von 15 mm. Unter der Diagnose „Plazentarest nach der Geburt“ wurde als Therapie Methergin®-Dragees (3 × 1) sowie das Antibiotikum Augmentin® (2 × 1) verordnet. Methergin® sollte die Gebärmutter zusammenziehen, das Antibiotikum Augmentin® eine Entzündung verhindern. Es wurde ein Kontrolltermin nach fünf Tagen vereinbart. Strittig war, ob die Patientin vor die Wahl einer Curettage oder einer konservativen Therapie mit Methergin® und Augmentin® gestellt wurde. Fest stand, dass sie nach eingehender Befragung in der Gerichtsverhandlung aussagte, dass sie sich jedenfalls für die medikamentöse Therapie entschieden hätte. Sie gab des Weiteren an, sie hätte derart starke Blutungen gehabt, dass sie zweimal pro Stunde eine normal dicke Monatsbinde hätte wechseln müssen. Die Schmerzen wären mit Regelschmerzen vergleichbar gewesen. Die Aussage über die Intensität der Blutung war medizinisch insofern nicht nachvollziehbar, als das Blutbild fünf Wochen postpartum weitgehend normal war (Ery: 4,2 × 1012/l, Hk: 35 %, Hb: 10,3 g/l). Fünf Tage später wurde in der Gebärmutter eine echoreiche Raumforderung von 15 × 29,6 mm Größe gefunden und die Patientin zu einer Curettage zwei Tage später bestellt. Es wurde noch ein neuerlicher Abgang von Plazentaresten beschrieben, das Ultraschallbild war jedoch ohne Veränderung. Am Tag darauf wurde die Patientin mit ihrem Kind zu einer Curettage aufgenommen. Von der Patientin wurde ein Aufklärungsbogen unterzeichnet (Aufklärungsgespräch / Einwilligung): „Diagnostische Hysteroskopie, Doku. gyn. 15, diomed Aufklärungssystem“. Die Entscheidung, eine Curettage durchzuführen, wurde nach fünf Tagen konservativer Therapie getroffen. Die Patientin entschied sich jedoch wegen ihrer Tochter, die Operation erst drei Tage später durchführen zu lassen. Bei der operativen Hysteroskopie sah man reichlich Plazentareste, und es konnten mit der Curette reichlichst Residuen gewonnen werden. Der postoperative Verlauf war komplikationslos. Histologisch fanden sich „zusammen 4 cm messende, graurote Gewebsgeschabsl mit Blut, Fibrin und geschichteten thrombotischen Material und hochgradig degenerierten und zum Teil nur mehr schemenhaft erkennbaren Deziduafragmenten sowie vereinzelt schemenhaft erkennbaren Chorionzotten, passend zu Residuen einer Gravidität“. Der weitere postoperative Verlauf war komplikationslos.
2.1.4.2 Beurteilung / Gutachten Bei der Klägerin fanden sich vier Wochen nach der Geburt in der Gebärmutter Plazentareste in der Größe von etwa 3 × 1,5 cm. Diese konnten auch durch Anwendung medikamentöser Maßnahmen, wie der Gabe von Kontraktionsmitteln, nicht zum Ab-
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2 Therapiefehler
gang gebracht werden. Bei der Hysteroskopie und Curettage wurden reichlich Plazentareste gefunden, obwohl die Plazenta von Hebamme und Facharzt, sowie Turnusarzt als vollständig beurteilt wurde und der fünftägige stationäre Wochenbettverlauf bezüglich Rückbildung der Gebärmutter und Fieber völlig unauffällig war. Man spricht in so einem Fall von einer sogenannten Spätblutung. Nachdem im vorliegenden Fall die Plazentareste bereits aus dem Cervikalkanal herausgeragt haben, wurde der Versuch einer konservativen Therapie mit Kontraktionsmitteln als durchaus gerechtfertigt beurteilt. Die Intensität der Blutung wurde aufgrund des weitgehend normalen Blutbildes höchstens als mäßiggradig angenommen. Die klassische Symptomatik einer starken Blutung im Wochenbett, welche meist durch einen Plazentarest hervorgerufen wird, fehlte hier. Die Therapie des Plazentarestes ist klarerweise die Entfernung desselben mittels Curettage. Aufgrund der Ultraschallbefunde postpartum (Raumforderung von 15 × 29,6 mm) sowie des histologischen Befundes (mehrere, zusammen 4 cm messende, graurote Gewebsgeschabsel) und des Operationsberichtes (reichlich Plazentareste und Residuen bei der Curettage) und der Aussage der niedergelassenen Gynäkologin (Plazentarest halbdaumenendgliedgroß, 2 × 2 × 2 cm) wurde gutachtlich davon ausgegangen, dass etwa ein Cotyledo der Plazenta in der Gebärmutter zurückgeblieben war. Darunter versteht man das Zottenbüschel des Chorions als von Plazentasepten umgebenen Lappen der Plazenta. An Schmerzperioden wurden für die Curettage, komprimiert auf den 24 Stundentag, drei Tage leichte Schmerzen angenommen. Die Kosten für die Haushaltsführung aufgrund der starken Schmerzen sowie die Substitution an Drittpersonen wurden gutachtlich mit dem Plazentarest nicht in Zusammenhang gebracht. Dies galt auch für die Beiziehung einer Pflegeperson für die qualifizierte Betreuung des Neugeborenen für die Dauer von zwei Wochen.
Beantwortung des Fragenkatalogs 1. Ist das Zurückbleiben von Plazentaresten in der Gebärmutter auf einen ärztlichen Kunstfehler zurückzuführen? Das Zurückbleiben von Plazentaresten in der Gebärmutter war im vorliegenden Fall auf einen ärztlichen Behandlungsfehler zurückzuführen. Dies deshalb, da offensichtlich ein etwa 2 × 2 × 2 cm haltendes Plazentastück in der Gebärmutter zurückgeblieben war. Daraus ergab sich, dass die Befundung der Plazenta nach der Geburt als vollständig, offensichtlich unrichtig gewesen sein muss. 2. Stellt das Nichterkennen des Zurückbleibens von Plazentaresten unmittelbar bei / nach der Geburt einen ärztlichen Kunstfehler dar? Im vorliegenden Fall wurde das Nichterkennen des Zurückbleibens von Plazentaresten nach der Geburt nicht als ärztlicher Behandlungsfehler gewertet, da dieses keine Symptome, wie fehlende Rückbildung der Gebärmutter, Fieber oder starke Blutungen im Sinne von Sturzblutungen, hervorgerufen hatte. 3. Hätten die zurückgebliebenen Plazentareste im Zuge der Nachbehandlung früher erkannt werden können bzw. müssen? Die zurückgebliebenen Plazentareste hätten im Zuge der Nachbehandlung nicht früher erkannt werden müssen, da sie keinerlei Symptomatik hervorgerufen hatten.
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4. War die Vorgehensweise, nämlich zunächst der konservative Therapieversuch mit Methergin und dann, sieben Tage später, die Curettage, lege artis? Diese Vorgehensweise wurde als lege artis bewertet. Dies nicht zuletzt auch deshalb, da dies offensichtlich von der Klägerin so gewünscht wurde. 5. Wäre eine sofortige Curettage für die Klägerin leidensverkürzend gewesen und wenn ja, in welchem Ausmaß? Wäre eine solche Vorgehensweise lege artis gewesen? Eine sofortige Curettage wäre für die Klägerin insofern nicht leidensverkürzend gewesen, da die Klägerin weitgehend asymptomatisch war. Dies ergab sich schon daraus, dass die Klägerin, die Curettage wegen ihres Kindes erst drei Tage später als geplant durchführen ließ. Ohne Zweifel wäre aber auch eine sofortige Curettage lege artis gewesen. Das Ziel der konservativen Therapie ist natürlich immer die Operation mit ihren möglichen Komplikationen zu vermeiden. 6. Besteht die Möglichkeit von Spät- und Dauerschäden (aufgrund des Zurückbleibens der Plazentareste bei der Geburt und / oder aufgrund der Vornahme der Curettage erst am 35. statt am 28. postpartalen Tag)? Die Möglichkeit von Spät- oder Dauerschäden konnte ausgeschlossen werden, da die Klägerin zum Zeitpunkt des Verfahrens neuerlich schwanger war.
2.1.4.3 Verfahrensausgang Die Klage wegen € 9.640,− (€ 7.640,− Leistung und € 2.000,− Feststellung) wurde abgewiesen. Die klagende Partei war schuldig, der beklagten Partei ihre mit € 8.328,− festgesetzten Kosten zu ersetzen. Aus dem Urteil Die Beweiswürdigung ergab sich aus der vorgelegten geburtshilflichen Krankengeschichte mit Geburtenprotokoll, der Fieberkurve und den Arztbriefen sowie dem Sachverständigengutachten nebst Ergänzungsgutachten. Damit in Einklang standen im Wesentlichen die Aussagen der behandelnden Ärzte und der Hebamme, die einen seriösen und um die Wahrheit bemühten Eindruck machten. Aufgrund des Gutachtens des Sachverständigen stellte das Gericht fest, dass ein Plazentaanteil in der Größe von rund 2 × 2 × 2 cm in der Gebärmutter zurückgeblieben war, was weder der Hebamme noch dem Arzt aufgefallen war. Bei einer ausreichend sorgfältigen Prüfung hätte ihnen die Unvollständigkeit der Plazenta auffallen können und müssen. Die Tatsache des Zurückbleibens des Plazentarestes in der Gebärmutter war durch ärztliche oder pflegerische Maßnahmen nicht zu verhindern, sondern schicksalshaft. Bei sofortigem Auffallen der Unvollständigkeit hätte in Vollnarkose zunächst eine sogenannte Plazentanachtastung erfolgen müssen und dann ein Ausschaben der Gebärmutter mit einer sogenannten Bumm‘schen Schlinge. In der Folge war der Zustand der Klägerin im Wochenbett unauffällig, die Gebärmutterrückbildung regelrecht, sie wies keine, über einen normalen Wochenfluss hinausgehende, Blutungen auf, hatte kein Fieber, das Blutbild wies keine Entzündungszeichen und keine Anzeichen einer Anämie auf. Genau nach vier Wochen suchte die Klägerin ihre Frauenärztin zu einer Routinekontrolle auf. Bei der Untersuchung stellte diese einen Plazentarest im Gebärmutterhals fest, den sie zu entfernen versuchte, was jedoch nicht gelang. Sie überwies die Klägerin daher ins Krankenhaus mit dem Ersuchen, eine Curettage durchzuführen.
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2 Therapiefehler
Im Krankenhaus wurde der Klägerin gesagt, dass statt des Versuches einer konservativen Therapie mit Methergin® auch eine sofortige Curettage möglich wäre. Nicht festgestellt werden konnte, wie diese Aufklärung formuliert war und ob die Klägerin sie als echte Wahlmöglichkeit verstanden hatte. Hätte sie die diesbezügliche Aufklärung im Sinne einer Wahlmöglichkeit verstanden, hätte sie sich jedenfalls zunächst für den Versuch einer konservativen Therapie entschieden. Dass tatsächlich bei der Kontrolle der Plazenta ein Kunstfehler unterlaufen ist, ergab sich eindeutig aus dem Sachverständigengutachten, in dem schlüssig und nachvollziehbar dargelegt wurde, dass ein fehlendes Plazentastück in der Größe von 2 × 2 × 2 cm bei der Kontrolle auffallen konnte und musste, wobei bei Verdacht auf Unvollständigkeit der Plazenta eine sogenannte Milchprobe durchzuführen gewesen wäre, was auch die fachkundigen Zeugen bestätigten. Dass entgegen der Aussage der Klägerin kein auffallend hoher Blutverlust und keine subjektiv spürbaren Entzündungszeichen vorhanden waren, ergab sich zwingend aus dem Blutbild (Erythrozyten, Hämoglobin und Leukozyten). Ein Blutverlust in der von der Klägerin geschilderten Intensität wäre bei den Untersuchungen aufgefallen und fand sich auch in der Dokumentation der behandelnden Gynäkologin nicht. Eine Leidensverlängerung durch die verspätete Curettage wurde vom Sachverständigen ausdrücklich verneint, da die Klägerin entgegen ihren Angaben im Wochenbett weitgehend asymptomatisch war und auch bei sofortiger Curettage nicht weniger Schmerzen zu erdulden gehabt hätte. Die Beschwerden von drei Tagen leichter Schmerzen gerafft sind auf die Curettage selber, die im konkreten Fall unumgänglich war, zurückzuführen, unabhängig vom Zeitpunkt ihrer Vornahme. Daraus ableitbar sind auch Hilfsleistungen, die sowohl die Mutter der Klägerin als auch ihr Gatte zweifellos erbrachten, nicht im kausalen Zusammenhang mit dem ärztlichen Kunstfehler, sondern mit der Betreuung einer jungen Frau, die eine schwere Entbindung hinter sich hat, im Familienverband zu sehen. In der rechtlichen Würdigung wurde ausgeführt, dass die Klägerin ihr Begehren auf § 1295 ff ABGB gründet. Während ein rechtswidrig schuldhaftes Verhalten des Krankenhauspersonales im Sinne einer nicht ausreichend sorgfältigen Plazentaüberprüfung zu bejahen war, ist ein ersatzfähiger Schaden dadurch nicht eingetreten, da die Beschwerden der Klägerin im Wochenbett den Feststellungen zufolge einen „Sowiesoschaden“ darstellen, der nicht ursächlich auf das Übersehen des Plazentarestes und die deshalb nicht unverzüglich erfolgte Curettage zurückzuführen war, sondern auf die schwere Geburt und die damit verbundenen physischen und psychischen Veränderungen und Belastungen. Da diese Beschwerden auch die Ursache für alle weiteren Beeinträchtigungen, insbesondere das subjektive Unvermögen, Haushalt und Kind zu versorgen, waren, haftet die beklagte Partei dafür nicht. Die Curettage selbst war jedenfalls unumgänglich, sodass die damit verbundenen Schmerzen nicht zu vermeiden waren und daher nicht ersatzfähig waren. Das Klagebegehren war daher abzuweisen.
2.1.4.4 Resümee Plazentareste nach der Geburt sind forensisch ein nicht allzu seltenes Klagebegehren. In diesem Fall lag ein bis zur postpartalen Kontrolle praktisch unauffälliger Wochenbettverlauf vor. Die behaupteten Blutungen waren befundmäßig nicht nachvollziehbar. Rechtlich wurde zwar ein rechtswidrig schuldhaftes Verhalten im Sinne einer
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nicht ausreichend sorgfältigen Plazentaüberprüfung bejaht, ein ersatzfähiger Schaden war aber nicht eingetreten, da die Beschwerden einen „Sowiesoschaden“ darstellen, der nicht ursächlich auf das Übersehen der Plazentareste sowie die deshalb nicht unverzüglich erfolgte Curettage zurückzuführen war. Die Ursache der Beschwerden liegt vielmehr in der schweren Geburt und der damit verbundenen physischen und psychischen Veränderungen und Belastungen. Die Curettage selbst war jedenfalls unumgänglich, sodass die damit verbundenen Schmerzen nicht zu vermeiden waren und daher nicht ersatzfähig sind. Literatur Pschyrembel W. Praktische Geburtshilfe und geburtshilfliche Operationen. Berlin, New York: De Gruyter, 1973: 525, 697–700. Schatten CH. Unvollständige Plazenta. In: Husslein P, Bernaschek (Hrsg.). Lehrbuch der Frauenheilkunde, Bd. II, Geburtshilfe. Wien: Maudrich, 2001: 213–217. Zahradnik HP, Kemkes-Matthes B. Postpartale Blutungen. In: Künzel W (Hrsg). Geburt II, Klinik der Frauenheilkunde und Geburtshilfe. 4. Aufl., Bd. 7. München Jena: Urban und Fischer, 2003: 34–40. Dudenhausen JW. Plazentarest und Plazentapolyp. In: Dudenhausen JW (Hrsg). Praktische Geburtshilfe mit geburtshilflichen Operationen, 21. Aufl. Berlin, New York: De Gruyter, 2011: 384–385.
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2 Therapiefehler
2.2 Vaginaloperative Geburt: Zange und Vakuumextraktion 2.2.1 Hohe Querschnittslähmung eines Neugeborenen nach Kielland-Zangenentbindung aus hinterer Hinterhauptshaltung Geburtsverlauf: Kaiserschnitt oder Zangenentbindung Der Höhenstand des kindlichen Kopfes Der Höhenstand des Kopfes wird im Verlauf der Geburt in Stufen von –5 bis +5 angegeben (s. Abb. 1.16): + 5 bedeutet: über dem Beckeneingang, 0 steht für die Interspinalebene und Mitte des Geburtskanals und + 5 steht für den Beckenboden kurz vor dem Austritt des Kopfes. Der Abstand von der bei der vaginalen Untersuchung getasteten Leitstelle im Bereich der kleinen Fontanelle am Kopf bis zum geburtsmechanisch wirksamen Kopfumfang beträgt 4 cm. Bei der Beurteilung des Höhenstandes wird von der Leitstelle ausgegangen und auf den Höhenstand des Durchtrittsplanums im Beckeneingang oder in Beckenmitte geschlossen. Folgende Höhenstandsdiagnosen werden unterschieden: ● Beckeneingang: Hinterwand der Symphyse über die Linea terminalis zum Promontorium (Terminalebene). ● Beckenmitte: Raum zwischen Beckeneingang und Beckenboden. ● Beckenboden: Diaphragma pelvis. ● Beckenausgang: Schambeinbogen, Steißbeinspitze und Sitzbeinhöcker. Der Kopf steht bei der Hinterhauptseinstellung in Beckenmitte, wenn das Hinterhaupt vollständig in das Becken eingetreten ist. Die knöcherne Leitstelle hat dann in der Führungslinie die Interspinallinie (0) erreicht (s. Abb. 1.17). Das geburtshilflich wirksame Durchtrittsplanum hat den Beckeneingang mit der engsten Stelle in der Höhe der Conjugata vera, dem geraden Durchmesser des Beckens, passiert und befindet sich 4 cm oberhalb der Interspinalebene. Die Position Beckenmitte endet, wenn die Leitstelle den Beckenboden (+4 bzw. +5) erreicht hat. Der Kopf steht dann auf dem Beckenboden (s. Abb. 1.18). Zu berücksichtigten ist, dass bei Deflexionshaltungen das Durchtrittsplanum sich mehr als 4 cm über der Leitstelle befindet. Die BeckenmittePosition ist also erst erreicht, wenn die Leitstelle tiefer als 0 steht (s. Abb. 2.15). Der Schwierigkeitsgrad der operativen Entbindung aus Beckenmitte erhöht sich bei einem Höhenstand der Leitstelle über +2 und noch nicht vollendeter Rotation, insbesondere bei einer Abweichung der Pfeilnaht von der anterior-posterioren Position über 45 Grad. Fehlbeurteilungen durch Nichtberücksichtigung von Deflexionshaltungen und Kopfgeschwulst sind eine wesentliche Ursache für misslungene vaginaloperative Entbindungen, die fälschlich als Entbindungen vom Beckenboden eingestuft werden. (Standardkommission der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe und der Deutschen Gesellschaft für perinatale Medizin, 1996).
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Abb. 2.15: Kopf steht mit seinem größten Umfang über dem Becken, wenn der tiefste Punkt des Kopfes bei einer Deflexionslage (Gesichtslage) die I-Linie erreicht (nach de Lee) (aus Dudenhausen, Joachim W.: Praktische Geburtshilfe. 21., erweiterte Aufl. Berlin, Boston: De Gruyter 2011).
Operative Entbindung aus Beckenmitte Voraussetzungen für eine operative Entbindung aus Beckenmitte sind: ● ● ● ● ●
ein vollständiger Muttermund, eine exakte Höhenstandsbestimmung des kindlichen Kopfes, die Beachtung der Kontraindikationen, die Aufklärung der Mutter, die Erkennung und operative Korrektur der noch ausstehenden geburtsmechanischen Adaptation, ● ein positiver „Probezug“. Als Kontraindikationen gelten: ● ein Höhenstand der Leitstelle über 0, ● der Verdacht auf relatives Missverhältnis (großes Kind, Geburtsverlauf), ● bei Deflexionshaltungen, Leitstelle über +2. Bei fetalem Sauerstoffmangel ist die Indikation zur vaginaloperativen Entbindung aus Beckenmitte wegen der eingeschränkten Belastbarkeit des Kindes restriktiv zu stellen und im Zweifelsfall dem Kaiserschnitt der Vorzug zu geben. Der Erfolg vaginaloperativer Entbindungen aus Beckenmitte hängt vor allem von der Indikationsstellung sowie dem Zustand des Kindes bei Operationsbeginn ab. Vor allem aber davon, ob die Technik beherrscht wird. Als Vorteil der Zange gilt, dass sie schneller anlegbar ist, eine aktive Rotation des Kopfes ermöglicht und eine schnellere Geburtsbeendigung erzielt werden kann; technisch ist sie jedoch schwieriger. Wichtig ist, dass bei einem Stand des Kopfes in Beckenmitte die geburtsmechanische Adaptation in Form der Haltungsund Einstellungsveränderungen noch nicht abgeschlossen ist; insbesondere bei einem Höhenstand der Leitstelle über +2. Die instrumentelle Entwicklung des Kopfes hat über das Anlegen des Instrumentes die Raum sparende Adaptation nachzuholen, um die mechanischen Belastungen des Kindes gering zu halten. Traktionen Nach der ersten Traktion ist die Entscheidung zu treffen, ob die Entbindung ohne wesentliche Gefährdung des Kindes und der Mutter möglich ist und fortgeführt werden kann. Folgt der Kopf dem Zug nicht oder gelingt die Rotation mit der Zange nicht leicht, so ist der Versuch einer instrumentellen Entbindung aus Beckenmitte abzubre-
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2 Therapiefehler
chen und unverzüglich ein Kaiserschnitt durchzuführen. Die Mutter muss daher im Rahmen des Aufklärungsgesprächs über die Möglichkeit des Abbruches der instrumentellen Entbindung und der dann notwendigen Durchführung eines Kaiserschnitts unterrichtet werden. Entscheidung für einen Kaiserschnitt und gegen die vaginaloperative Entbindung (Sectio-Bereitschaft) Die korrekt indizierte und ausgeführte vaginaloperative Entbindung ist wegen geringerer Morbidität und Mortalität der Mutter vorzuziehen wenn kein zusätzliches Risiko für das Kind eingegangen wird. Bei fehlendem und unzureichendem Geburtsfortschritt ist ein Schädel-Becken-Missverhältnis auszuschließen. Die Entbindung aus Beckenmitte, insbesondere bei einem Höhenstand der Leitstelle oberhalb von +2 muss dem erfahrenen und in der Technik ausgebildeten Geburtshelfer vorbehalten sein. Schon die Einschätzung der Durchführbarkeit einer instrumentellen Entbindung aus Beckenmitte wird von der persönlichen Erfahrung des Geburtshelfers entscheidend beeinflusst. Bei akuter fetaler Bedrohung (länger dauernde Verlangsamung der kindlichen Herztöne) wird die vaginaloperative Entbindung wegen der schnelleren Entwicklung des Kindes in der Regel bevorzugt. Schwer einschätzbare Beckenmitte-Entbindungen sollten jedoch in solchen Situationen unbedingt unterbleiben. In Grenzsituationen (Höhenstand der Leitstelle über +2 und Abweichung der Pfeilnaht über 45 Grad) ist ein sofortiger Kaiserschnitt vorzunehmen, insbesondere bei diagnostizierter fetaler Wachstumsretardierung. Wenn erst während der Operation eine Fehlbeurteilung des Höhenstandes oder Einstellung des Kopfes erkannt wird, darf die vaginaloperative Entbindung nicht erzwungen werden. Daher müssten generell die organisatorischen Voraussetzungen für die sofortige Durchführung eines Notfallkaiserschnitts erfüllt sein. In besonderen Fällen kann die Durchführung einer vaginaloperativen Entbindung in Anwesenheit von Anästhesie und Operationspersonal im Operationssaal erforderlich sein. Allerdings sollte der Versuch einer vaginaloperativen Entbindung in absoluter Sectio-Bereitschaft eine Ausnahme bleiben. Aufklärung Liegen bei einer Geburt Anzeichen dafür vor, dass die normale vaginale Entbindung nicht zu Ende geführt werden kann, sondern die Indikation für eine vaginaloperative oder Schnittentbindung bestehen kann, so ist der geburtsleitende Arzt verpflichtet, die erforderliche Aufklärung so frühzeitig vor Eintritt dieser voraussehbaren Notsituation vorzunehmen, dass der Schwangeren noch eine Risikoabwägung möglich ist. Naturgemäß hat die Aufklärung umso weniger ausführlich zu sein, je dringender der Eingriff ist. Bei zu erwartender Schwierigkeit vaginaloperativer Entbindungen (Entbindungsversuch in Sectio-Bereitschaft) muss die Patientin über das höhere Risiko für das Kind informiert werden (Standardkommission der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe und der Deutschen Gesellschaft für perinatale Medizin, 1996). Die Entscheidung „Kaiserschnitt oder Zange“ ist ein klassisches Beispiel für die Notwendigkeit der Aufklärung, da die Gefahren für Mutter und Kind bei diesen Verfahren gänzlich unterschiedlich sind und daher, zumindest nach der deutschen Rechtspre-
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Abb. 2.16: Kielland-Zange mit gekreuzter Löffelanordnung (aus Dudenhausen, Joachim W.: Praktische Geburtshilfe. 21., erweiterte Aufl. Berlin, Boston: De Gruyter 2011).
chung, die Mutter die Entscheidung zu treffen hat, ob sie den Interessen des Kindes oder ihren eigenen Interessen den Vorzug gibt. Vorbedingungen für die Zange Pschyrembel (1973) definiert sechs klassische Vorbedingungen für die Zange: 1. Mütterliche Vorbedingungen: Der Muttermund muss vollständig eröffnet sein (was im gegenständlichen Fall zutreffend war). b) Der Beckenausgang darf nicht zu eng sein (was im vorliegenden Fall nicht mit Sicherheit auszuschließen war). c) Die Blase muss gesprungen sein (was im vorliegenden Fall zutreffend war). 2. Kindliche Vorbedingungen: Der Kopf muss zangengerecht stehen (was im gegenständlichen Fall offensichtlich nicht zutreffend war). b) Der Kopf darf nicht zu groß und nicht zu klein sein. c) Das Kind muss leben (was im vorliegenden Fall zutreffend war). Zangengeburt bei hinterer Hinterhauptshaltung (s. Abb. 2.16) Zangenentbindungen bei hinterer Hinterhauptshaltung sind stets sehr schwer, setzen leicht größere Gewebszerreißungen und erfordern große Kraft und viel Geschick. Auch das Kind ist durch die vom Operateur bei der Extraktion aufzuwendenden großen Zugkräfte und durch die Dauer der Extraktion sehr gefährdet. Zangenentbindungen bei hinterer Hinterhauptshaltung sollten möglichst nur durchgeführt werden, wenn der Kopf den Beckenboden schon erreicht hat (Pschyrembel, 1973).
2.2.1.1 Sachverhalt / Kasuistik Die im Jahr 1994 28-jährige, aus dem ehemaligen Jugoslawien stammende, Erstgebärende wies in ihrer Anamnese lediglich eine Abortus-Curettage auf. Nach unauffälligem Schwangerschaftsverlauf traten am 30. 07. 1994 um 19.00 Uhr, zwei Tage vor dem errechneten Geburtstermin, Wehen auf. In dem großen Peripheriekrankenhaus wurde vom diensthabenden Oberarzt folgender Aufnahmebefund erhoben: „Portio stark verkürzt, Mittelstellung, für einen Finger passierbar, Blase erhalten, führend der Schädel mit einem Höhenstand von –4, regelmäßige Wehen im Abstand von fünf Minuten“. Beim Blasensprung um 1.20 Uhr wurde missfärbiges Fruchtwasser festgestellt. Um 3.00 Uhr wurde das Schmerzmittel Tramal® verabreicht und um 4.00 Uhr wurde mit einer Wehenmittelinfusion (Syntocinon®) in einer Dosierung von 15 l/h begonnen, welche über 30 und 45 l/h um 4.51 Uhr schließlich auf 120 l/h erhöht wurde, da der
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2 Therapiefehler
Schädel nur langsam tiefer trat. Um 5.37 Uhr war der Muttermund im Verstreichen und der Schädelhöhenstand 0. Um 7.50 Uhr kam eine andere Assistenzärztin in den Dienst und erhob folgenden Muttermundbefund: „Muttermund verstrichen, Pfeilnaht im ersten schrägen Durchmesser, Höhenstand +1, Geburtsgeschwulst.“ Einem Gedächtnisprotokoll des Oberarztes zufolge, welches allerdings erst nach Bekanntwerden der schweren geburtstraumatischen Läsion des Kindes verfasst und bei der polizeilichen Befragung vorgelegt wurde, hieß es: Der Höhenstand des kindlichen Schädels war um 8.30 Uhr auf +3 und die Pfeilnaht im ersten schrägen Durchmesser gewesen, der Muttermund verstrichen, die Blase gesprungen und eine Geburtsgeschwulst in der Vulva sichtbar. Um 8.40 Uhr wurde in Vollnarkose unter der Diagnose „Geburtsstillstand am Beckenboden, Fruchtwasser stark missfärbig“ eine Zangenextraktion durchgeführt (CTG s. Abb. 2.17). Das Anlegen des rechten Zangenblattes durch die Assistenzärztin gelang jedoch nicht, worauf diese die Operation an den diensthabenden Oberarzt weitergab. Auch diesem gelang es erst nach Kristellern das rechte Zangenblatt anzulegen. Erst nach der dritten Traktion konnte das Kind aus der persistierenden ersten hinteren Hinterhauptshaltung entwickelt werden, wobei beide Blätter regelrecht am Kopf des Kindes lagen. Die drei Traktionen wären schwierig gewesen. Wegen stark missfärbigem Furchtwasser wurde die Luftröhre abgesaugt und das Kind intubiert sowie mit Sauerstoff beatmet. Der neugeborene Knabe wog 3.460 g und war 51 cm lang. Das Kind war in sehr schlechtem Zustand, es atmete nicht, der Apgar-Wert betrug 4/7/8. Der Nabelarterien-
Abb. 2.17: 28-jährige I-Gebärende, SSW 40, missfärbiges Fruchtwasser, Syntocinon®. CTG mit basaler Herzfrequenz zwischen 120–140 n/n und undulatorischer bis saltatorischer Fluktuation. Geburtsstillstand, Fruchtwasser stark missfärbig, Geburtsgeschwulst, Schädelhöhenstand +1, Pfeilnaht im ersten schrägen Durchmesser. Kielland-Zange, schwierige Entwicklung, „hohe Zange“, drei Traktionen. Knabe 3.460 g, 51 cm, Apgar-Wert 4/7/8. NApH-Wert 7,18, keine Spontanatmung. Zangenmarken an Stirn rechts, am Hals und Genick Mitte schräg, Beatmung, MRT: Läsion C2/3, hohe Querschnittslähmung, Tetraparese, Tod nach sieben Monaten.
2.2 Vaginaloperative Geburt: Zange und Vakuumextraktion
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Abb. 2.18: Geburtsgeschwulst, Caput succedaneum (aus Dudenhausen, Joachim W.: Praktische Geburtshilfe. 21., erweiterte Aufl. Berlin, Boston: De Gruyter 2011).
pH-Wert betrug 7,18 (Normalwert: 7,20–7,25). Der Kinderarzt beschrieb das Kind als „blass, schockiert und zentralisiert, ohne Spontanatmung, ohne Brustwandexkursionen, der Muskeltonus verringert, die Reflexe schlecht auslösbar.“ Ebenfalls vermerkt wurde „hohe Zange“. Die Aufnahmediagnose in der Kinderabteilung lautete: ● ● ● ●
Postpartale Asphyxie, Aspiration von grünem Fruchtwasser, Verdacht auf konnatale Infektion, Forceps.
Das Kind wurde auf der Intensivstation der Kinderchirurgie beatmet. Laut der Kindesmutter hätte es auf Reize reagiert, gelacht, geweint und den Kopf leicht bewegt. Im Pflegebericht des Kindes war eine „Verletzung von der Geburt an der linken Nackenregion sowie vorne an der rechten Stirngegend“ dokumentiert. Die Mutter sprach von einer Zangenmarke an der Stirne rechts sowie an Hals und Genick (Mitte schräg). Der Wochenbettverlauf der Mutter war im Wesentlichen komplikationslos. Beim Kind wurde in der zweiten Lebenswoche im MRT eine Läsion im Bereich der oberen Halswirbelsäule als Ursache für die schwere neurologische Symptomatik im Sinne einer Tetraplegie gefunden. Das Kind wies ein Kephalhämatom und einen Turmschädel im Bereich der kleinen Fontanelle auf (s. Abb. 2.18). Neurologisch hatte es eine normale Pupillenreaktion auf Licht, aber zeitweise „schwimmende Bulbi“, keinen Muskeltonus, keine Reflexe und keine Spontanatmung. Die Schmerzempfindung war jedoch positiv. Im Schädelultraschall wurde, ebenso wie im CT, eine Blutung ausgeschlossen. Eine Lumbalpunktion ergab keine Meningitis. Im Ultraschall (musculoskeletal) zeigte sich nach etwa einem Monat eine auffällige Verdünnung des Rückenmarks im occipito-cervicalem Übergangsbereich auf ca. 3 mm über eine Länge von ca. 5 mm. Danach weitete sich das Halsmark auf einen Durchmesser bis 6 mm auf. An der Engstellung zeigte sich eine Echogenitätserhöhung. Der Befund sprach für eine Läsion des Rückenmarks im occipito-cervicalem Übergangsbereich. Ein MRT des Gehirns und der Wirbelsäule am 17. Lebenstag zeigte eine sanduhrförmige Einengung der Medulla oblongata bzw. des cervicalen Rückenmarkes, welche bei ausbleibender extramedullärer Kompression und bei mündlich angegebenen Zustand nach Zangengeburt, trotz der seltenen Inzidenz, als eine partielle Transektion angesehen wurde. Die Signalalteration oberhalb der beschriebenen Läsion dürfte
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2 Therapiefehler
ödematösen und auch kontusionsbedingten Veränderungen entsprechen. Es fand sich kein Hinweis auf eine arterielle bzw. venöse Gefäßmissbildung im untersuchten Bereich. Ein Kinderneurologe beschrieb aufgrund der fehlenden Spontanatmung und der auf angedeutetes Kopfdrehen beschränkten Spontanmotorik bei spontanem Blickkontakt und angedeuteten optischen Folgen am 39. Lebenstag ebenfalls das Vorhandensein eines hohen Querschnittsyndroms ohne sichtbare Seitendifferenz. Die in bildgebenden Verfahren mehrfach verifizierte Einengung des Spinalmarks korrelierte gut mit dem klinisch-neurologischen Befund. Ätiologisch sprach für einen Beitrag der intrapartalen Komplikation das Vorhandensein einer dislocierten Occipitalschuppe sowie eines Resthämatoms in der hinteren Schädelgruppe (wie auf dem ersten MRT dokumentiert). Die Mutter hatte intrauterin offensichtlich normale Kindsbewegungen wahrgenommen. Gegen eine wesentliche Rolle intrapartaler Komplikationen sprach das Fehlen anderer cerebraler Läsionen, wie sie praktisch immer in Kombination mit spinalen Läsionen, die peripartal auftreten, entstanden sind. Des Weiteren sprachen das Fehlen eines postasphyktischen Hirnödems postpartal sowie das Nichtauftreten einer sekundären kortikalen Atrophie im weiteren Verlauf dagegen. Auch die somatosensorisch evozierten Potenziale nach Tibialisstimulation ergaben keine verwertbaren Potenzialantworten auf glutealem Niveau und vom Skalp. Das Kind hatte am 12. Tag eine Bradykardie und fieberte vom 14. Tag an. Nachdem die Läsion am Übergang der Medulla oblongata ins Rückenmark am 17. Tag im MRT diagnostiziert worden war, wurde mit den Eltern ein ausführliches Gespräch geführt. Neurochirurgisch bestand keine Indikation für eine Intervention. Am 25. Tag traten wieder Bradykardien auf, ab dem 28. Tag Fieber über 39 °C und Bradykardien. Am 40. Tag kam es zu Krampfanfällen mit rechts betonten Zuckungen der Mundwinkel, welche sich in den folgenden Tagen fortsetzten. Es trat massives Grimassieren auf (unter Beteiligung der mimischen Muskulatur des Halses bei weit geöffnetem Mund und Blickdeviation nach links oben). Am 45. Lebenstag wurde seitens des Abteilungsvorstandes, des Neurologen und der Psychologin mit den Eltern und Großeltern ein Gespräch geführt. Trotz geringer Chancen auf Besserung der neurologischen Situation wurde eine volle Therapie im Fall von Komplikationen und eine volle Reanimation beschlossen. Das Kind wurde auch getauft. Nachdem sich nach zweieinhalb Monaten die Wahrscheinlichkeit immer mehr verringerte, dass das Kind jemals selbst atmen werde, wurde seitens des Abteilungsvorstandes der Mutter vorgeschlagen, im Falle eines Herzstillstandes keine Reanimation mehr durchzuführen und keine Katecholamine mehr zu verabreichen. Das Kind fieberte in der Folge weiter und verschlechterte sich klinisch mit einem erhöhten Beatmungsaufwand am 105. Lebenstag. Neuerliche Untersuchungen im Alter von drei Monaten (MRT und Angiographie, klinische Beurteilung durch zwei Neurologen) ergaben keine Änderung der Situation. Die Diagnose lautete: „Querschnittläsion bei C2 mit funktionell vollkommener Unterbrechung des Myelons, da weder klinisch noch elektrophysiologisch eine Fortleitung bestand.“ Da nach drei Monaten ein Eintreten einer Spontanatmung extrem unwahrscheinlich erschien, war es der Vorschlag aller behandelnden Ärzte, in der Folge nur mehr eine minimale Therapie ohne Reanimation und ohne Antibiotika durchzuführen. Dies wurde mit den Eltern so besprochen. Vereinbart wurde auch eine großzügige Opiatgabe bei Fortsetzung der Beatmung, Infusion und Ernährung und Bronchialtoilette. Nach sieben Monaten verstarb das Kind schließlich.
2.2 Vaginaloperative Geburt: Zange und Vakuumextraktion
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2.2.1.2 Beurteilung / Gutachten In der Strafsache gegen die Assistenzärztin und den Oberarzt wegen § 80 StGB (fahrlässige Tötung) sollte das Gutachten die Frage der Vorwerfbarkeit der Rückenmarksläsion anlässlich der Geburt klären. Der Erstellung des Gutachtens gingen umfangreiche Erörterungen mit dem Obduzenten und Gerichtsmediziner sowie den betreuenden Kinderärzten voraus. Im Zentrum der geburtshilflichen Begutachtung stand aufgrund der geburtstraumatischen Entstehung der Rückenmarksschädigung naturgemäß die Indikation und Durchführung der operativen Zangenentbindung. Beantwortung des Fragenkatalogs
BE –3
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–2 –1 IE +1 +2 +3
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Muttermundserweiterung (cm)
Höhenstand
1. Wie verlief die Geburt insgesamt? Die Geburt wurde praktisch vollständig mittels CTG überwacht und das CTG war auch unter Syntocinon®-Gabe weitgehend unauffällig. Keineswegs ergab sich jemals eine bedrohliche Situation im Sinne einer durch Sauerstoffmangel bedingten Schädigung, wie sie später im neuropathologischen Gutachten gefunden wurde. Auch der Nabelarterien-pH-Wert von 7,18 sprach eindeutig gegen eine unter der Geburt entstandene und durch Sauerstoffmangel-bedingte Hirnschädigung. Daher wurde aus geburtshilflicher Sicht festgestellt, dass die im neuropathologischen Gutachten gefundene, mäßig schwere und durch Sauerstoffmangel bedingte Hirnschädigung mit hoher Wahrscheinlichkeit als Folge der schweren Rückenmarksschädigung im weiteren Krankheitsverlauf als zusätzliche Komplikation aufgetreten sein muss. Indizien für einen schweren und lang anhaltenden Sauerstoffmangel unter der Geburt lagen sicher nicht vor. Ein vom Sachverständigen angefertigtes Partogramm, also die grafische Darstellung der Eröffnung des Muttermundes im Verhältnis zum Tiefertreten des kindlichen Schädels (s. Abb. 2.19), zeigte, dass der Höhenstand des kindlichen Schädels im Verhältnis zur Muttermundöffnung zeitmäßig eindeutig zurückblieb. Dies spricht entweder für ein relatives Schädel-Becken-Missverhältnis oder eine regelwidrige Haltung des Kopfes, z. B. eine Deflexionshaltung. Das bedeutet, dass sich der Kopf nicht in Beugehaltung befindet, sondern mehr oder weniger gestreckt ist. Charakte-
BB 0 0
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10 Stunden
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Abb. 2.19: Partogramm bei einer Erstgebärenden; Darstellung von Höhenstand der Knöchernen Leitstelle und der Muttermundsweite mit Pfeilnaht und Fontanelle (aus Dudenhausen, Joachim W.: Praktische Geburtshilfe. 21., erweiterte Aufl. Berlin, Boston: De Gruyter 2011).
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ristisch für die Deflexionshaltung ist weiter, dass sich das Hinterhaupt bzw. der Rücken nicht wie üblich nach vorne, sondern nach hinten drehen. Dies war im vorliegenden Fall zutreffend. Soweit aus der Krankengeschichte ersichtlich war, wurde diese regelwidrige Haltung (Deflexionshaltung) vor der Geburt jedoch nicht diagnostiziert, zumindest jedenfalls nicht dokumentiert. Der letzte im Protokoll eingetragene Höhenstand des kindlichen Kopfes war +1, trotz Gabe von Syntocinon® (120 l/h). Es bestand eine deutliche Kopfgeschwulst. Dabei handelt es sich um eine blutig seröse Durchtränkung der Haut und des lockeren Zellgewebes der Leitstelle, also des unter der Geburt vorangehenden kindlichen Teiles. Die Größe der Kopfgeschwulst ist abhängig von der Dauer der Geburt und der Intensität der Wehen. Eine relativ lange Geburtsdauer und starke Wehen, wie im vorliegenden Fall, können ebenfalls zu einer besonders großen Kopfgeschwulst führen. Über die Größe der Kopfgeschwulst fanden sich jedoch keine Angaben. Dies ist für die Diagnostik des kindlichen Höhenstandes insofern von größter Wichtigkeit, als die Größe der Kopfgeschwulst vom Höhenstand abgerechnet werden muss. Jeder erfahrene Geburtshelfer weiß, dass häufig die Kopfgeschwulst bereits in der Tiefe der Vulva sichtbar sein kann, während der Kopf in Wirklichkeit mit seinem größten Umfang noch nicht in das Becken eingetreten ist (s. Abb. 2.20 und 2.21). Hinzu kommt, dass bei Deflexionslagen der Schädel erst dann als eingetreten betrachtet werden kann, wenn die knöcherne Leitstelle zwei Querfinger unterhalb der Interspinallinie, also auf +2, steht (s. Abb. 2.22 und 2.23). Bei den Deflexionslagen kommt es zu fließenden Übergängen zwischen der hinteren Hinterhauptshaltung, der sogenannten Mittelscheitelhaltung und der Vorderhauptshaltung, bei welchen die Gegend zwischen der großen und der kleinen Fontanelle bzw. die große Fontanelle führen (s. Abb. 2.24 und 2.25). In der Praxis kommt es sehr häufig zu Verwechslungen, da bei beiden Lagen der Rücken bzw. das Hinterhaupt mit der kleinen Fontanelle nach hinten, also rückwärts von der Mutter rotiert. Beiden Haltungen ist der stets sehr verzögerte Geburtsverlauf bei ausgetragenen Kindern gemein. Praktisch ist es häufig so, dass eine größere Geburtsgeschwulst die genaue Diagnose verhindert und dass die vorgelegene Haltung
Sp.
Abb. 2.20: Der Kopf hat keine Kopfgeschwulst. Seine Leitstelle hat die Interspinallinie erreicht, der grösste Umfang des Kopfes hat die Terminalebene überschritten. Der Kopf steht also tief und fest im BE (aus Pschyrembel W. Praktische Geburtshilfe und geburtshilfliche Operationen. 14. Aufl. Berlin, New York: De Gruyter 1973).
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Sp.
Abb. 2.21: Nicht die Leitstelle des Kopfes, sondern die Kopfgeschwulst hat die I-Linie erreicht. Der grösste Umfang des Kopfes hat die Terminalebene noch nicht überschritten (nach Beck); (aus Pschyrembel W. Praktische Geburtshilfe und geburtshilfliche Operationen. 14. Aufl. Berlin, New York: De Gruyter, 1973).
Abb. 2.22: Wenn bei der Flexionslage (normale Hinterhauptshaltung) der tiefste Punkt des Kopfes die I-Linie erreicht hat (s. Abb. 2.21), so steht der Kopf tief und fest im BE (aus Pschyrembel W. Praktische Geburtshilfe und geburtshilfliche Operationen. 14. Aufl. Berlin, New York: De Gruyter, 1973).
Abb. 2.23: Wenn der tiefste Punkt bei einer Deflexionslage (Gesichtslage, s. Abb 2.22) die I-linie erreicht, steht der Kopf mit seinem grössten Umfang noch über dem Becken (nach Lee); (aus Pschyrembel W. Praktische Geburtshilfe und geburtshilfliche Operationen. 14. Aufl. Berlin, New York: De Gruyter, 1973).
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Abb. 2.24: Beugehaltung bei normaler Hinterhauptshaltung (a), Vorderhauptslage (b) und Stirnlage (c) (aus Pschyrembel W. Praktische Geburtshilfe und geburtshilfliche Operationen. 14. Aufl. Berlin, New York: De Gruyter, 1973).
Abb. 2.25: Gesichtslage (aus Pschyrembel W. Praktische Geburtshilfe und geburtshilfliche Operationen. 14. Aufl. Berlin, New York: De Gruyter, 1973).
erst nach der Entbindung am Sitz der Kopfgeschwulst erkannt wird. Das Durchtrittsplanum bei der Mittelscheitelhaltung (Fronto-occipitale Circumferenz) ist mit 34 cm im Vergleich zur normalen Geburt in Beugehaltung mit einem Durchtrittsplanum von 32 cm größer. Dies bedingt ein verzögertes Tiefertreten des kindlichen Schädels und einen dadurch verzögerten Geburtsverlauf. Eine Unterscheidung ist insofern von akademischer Bedeutung, da sowohl die Zangengeburten aus hinterer Hinterhauptshaltung als auch aus Mittelscheitelhaltung als äußerst schwierig bekannt sind. Nach Pschyrembel (1973) ist jede hintere Hinterhauptshaltung keine Indikation zu operativer Entbindung. Es ist im Gegenteil so lange wie möglich abwartend zu behandeln, um eine operative Behandlung, die sehr schwierig ist, zu vermeiden. Pschyrembel (1973) empfiehlt dringend, bei schrägstehender Pfeilnaht, wie in diesem Fall, mit der Zange möglichst so lange zu warten, bis der Kopf sich im geraden Durchmesser gedreht hat, da die Gefahr tief gehender Weichteilrisse beim Ziehen und Drehen des Kopfes bestehen. 2. War die Indikation zur vaginaloperativen Entbindung mittels Zange korrekt bzw. bestand eine Kontraindikation? Die exakte Höhenstandbestimmung des kindlichen Schädels ist eine unabdingbare Voraussetzung für vaginaloperative Entbindungen. Das Durchtrittsplanum des Schädels ist mittels vaginaler Untersuchung nicht zu bestimmen. Die Leitstelle dagegen ist durch Angabe von Zentimetern ober- bzw. unterhalb der sogenannten Interspinallinie gut zu verfolgen (s. Abb. 1.16 in Kapitel 1.1.5.2).
2.2 Vaginaloperative Geburt: Zange und Vakuumextraktion
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Abb. 2.26: Kopf ist tief und fest im BE, wenn bei Flexionslage (normale HHL) der tiefste Punkt des Kopfes die I-Linie erreicht hat (aus Dudenhausen, Joachim W.: Praktische Geburtshilfe. 21., erweiterte Aufl. Berlin, Boston: De Gruyter 2011).
Gutachtlich wurde festgehalten, dass es sich im vorliegenden Fall mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht um eine Zange vom Beckenboden gehandelt haben kann, da die letzte, um 7.50 Uhr im Geburtsprotokoll eingetragene, Höhenstandsdiagnose +1 war (handschriftlich sogar 0, ausgebessert auf +1). Inkorrekte Höhenstandsdiagnostik des kindlichen Schädels: Die Indikation zur Zange muss in diesem Fall von vornherein äußerst kritisch beurteilt werden. Obwohl die hintere Hinterhauptshaltung laut Protokoll nicht präpartal diagnostiziert wurde, muss ein sorgfältiger Geburtshelfer bei langsamem Geburtsfortschritt immer damit rechnen. Der entscheidende Punkt war also, ob der Kopf zangengerecht gestanden hat. Zangengerecht heißt im weitesten Sinn des Wortes: Der Kopf muss mindestens so tief im Becken stehen, dass er mit seinem größten Umfang die Terminallinie passiert hat. Das ist der Fall, wenn die Leitstelle die Interspinallinie erreicht hat oder nur wenig darüber steht (s. Abb. 2.26 und 2.27). Nach Pschyrembel (1973) steht der Kopf dann tief und fest im Beckeneingang. Die an diesem Kopf ausgeführte Zange ist nach geltender Auffassung die höchstmögliche, man nennt sie die „hohe Zange“. Auf die Geburtsgeschwulst ist besonders zu achten, da diese leicht einen Tiefstand des Kopfes, wie im vorliegenden Fall, vortäuscht. Die Geburtsgeschwulst muss bei der Höhenbestimmung des Kopfes in Abzug gebracht werden. Niemals darf man aber die Zange dazu benutzen, einen über Geburtsgeschwulst Symphysis
Fallinie funktionelle Kopfplanum
Abb. 2.27: ITU bei vakuumgerecht stehendem Kopf (aus Dudenhausen, Joachim W.: Praktische Geburtshilfe. 21., erweiterte Aufl. Berlin, Boston: De Gruyter 2011).
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dem Becken stehenden Kopf in das Becken hineinziehen zu wollen. Die Zange hat lediglich die Aufgabe, den im Becken stehenden Kopf aus dem Becken herauszuholen. In anderen Lehrbüchern wird als zweite Vorbedingung für eine Zangenextraktion noch angeführt, dass kein Schädel-Becken-Missverhältnis vorliegen darf (Schaller, 1989). Aufgrund dieser Standards kam der Sachverständige zu dem Schluss, dass sich die Geburtshelfer in der Höhenstandsdiagnostik des kindlichen Kopfes geirrt haben müssen. Die Ärzte dachten, der kindliche Schädel würde tiefer stehen als dies tatsächlich der Fall war. Hierfür sprachen folgende Fakten: ● Die letzte im Protokoll eingetragene Höhenstandsdiagnose war +1. ● Die Indikation Geburtsstillstand am Beckenboden konnte insofern nicht richtig sein, da es primär nicht gelang, das rechte Zangenblatt anzulegen und es auch dem Oberarzt erst nach einem Ankristellern gelang, durch Wandern des Blattes dieses in Position zu bringen. Dies bewies klar, dass der Schädel weder am Beckenboden (+5) noch in Beckenmitte (+3) gestanden haben kann, da es bei einem am Beckenboden befindlichen Schädel keineswegs notwendig ist, durch Druck auf den Gebärmutterfundus ein Tiefertreten zu bewirken. ● Der Kopf war bei Anlegen der Zange noch beweglich und nicht fest im Beckenausgang, da kristellert werden musste, um die Zange überhaupt anlegen zu können. ● Die Pfeilnaht stand bei Anlegen der Zange noch schräg. ● Vermerkt war, dass eine Geburtsgeschwulst in der Vulva sichtbar war. Diese kann jedoch eine Höhe von einigen Zentimetern haben, sodass der eigentliche knöcherne Schädel, wenn die Geburtsgeschwulst in der Vulva sichtbar ist, entsprechend viel höher steht. Daher hätten sich die Ärzte spätestens beim Ankristellern zur Anbringung des zweiten rechten Zangenblattes fragen müssen, ob ihre Höhenstandsdiagnose richtig war. ● Die Tatsache, dass drei Traktionen notwendig waren und es sich um eine äußerst schwierige Entwicklung gehandelt hat, beweist, dass der Kopf sich keineswegs am Beckenboden befunden haben kann, sondern höchstwahrscheinlich nicht einmal eingetreten war. D. h., dass die Leitlinie die Interspinallinie nicht erreicht hat. Diese Annahmen wurde schließlich auch durch das Protokoll des anwesenden Kinderfacharztes untermauert, welcher vermerkte: „Hohe Zange mit sehr schwieriger und langer Entwicklung“. ● Weder im Geburtsprotokoll noch im Gedächtnisprotokoll war festgehalten, dass bei hinterer Hinterhauptshaltung, der auf den Beckenboden gezogene Kopf danach um den Stemmpunkt der mütterlichen Symphyse mit der Zange gehoben werden muss, damit das Hinterhaupt überhaupt aus der Kreuzbeinhöhle herausgehoben werden kann. Diese Bewegung geschieht gegen das sogenannte Biegungsfacilimum, also gegen Widerstand, weil der kindliche Kopf nur schwer weiter gebeugt werden kann. Sie erfordert sehr viel Gefühl und operative Erfahrung. Ein Grund für die ärztliche Fehleinschätzung des Höhenstandes des kindlichen Schädels könnte in dem Umstand gelegen sein, dass beide Ärzte erst gegen 8.00 Uhr morgens die Patientin nur einmal vaginal untersucht hatten und daher quasi nur eine Momentaufnahme vor sich hatten. Hätten die beiden Ärzte die Geburt
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auch davor kontinuierlich betreut, so wäre ihnen wahrscheinlich aufgefallen, dass der Schädel nicht tiefer trat. Gutachtlich wurde somit zumindest eine sogenannte „hohe Zange“ durchgeführt, wobei es jedoch wahrscheinlich erschien, dass der Schädel tatsächlich nicht einmal „eingetreten“ war. Eine solche Zange ist mit Sicherheit kontraindiziert. Ein relatives Schädel-Becken-Missverhältnis war nicht auszuschließen. Eine entsprechende Aufklärung über den geplanten Eingriff war nicht erfolgt. Die Richtigkeit der Indikation wurde daher ernsthaft bezweifelt. 3. War die Durchführung der Zangenoperation kunstgerecht? Kritisiert wurde, dass der Operationsbericht lediglich aus einem 5-zeiligen Computerauszug bestand und das Gedächtnisprotokoll erst nach Bekanntwerden des schweren Geburtstraumas verfasst wurde. Details zur Durchführung der unbestritten sehr schwierigen hohen Zange waren im Detail nicht vermerkt. Es hieß lediglich „Entwicklung aus erster vorderer Hinterhauptshaltung“, danach korrigiert auf „hinterer Hinterhauptshaltung“. Daher konnte mangels exakter Dokumentation auf die Durchführung der Zangenoperation nicht näher eingegangen werden. Fest stand lediglich, dass drei Traktionen notwendig waren und die Entwicklung laut Kinderarzt äußerst schwierig war. Auch der Kinderarzt sprach von einer „hohen Zange“. 4. Finden sich Hinweise auf Rückenmarksschädigungen nach Zangenoperationen in der Literatur? Aufgrund des gerichtsmedizinischen Gutachtens war der sieben Monate alte Junge letztlich an einer Lungenentzündung gestorben. Zusammenfassend war es offenbar im Rahmen des Geburtsvorganges zu einer traumatischen Schädigung des Rückenmarks gekommen. Zwischen der traumatisch bedingten Rückenmarksschädigung und dem Tod des Kindes bestand ein ursächlicher Zusammenhang. Auch dem neuropathologischen Befund und Gutachten war zu entnehmen, dass das Kind letztlich an Komplikationen einer schweren Rückenmarksschädigung verstorben war, die als geburtstraumatisch entstanden eingestuft werden musste. Die des Weiteren bestehende mäßig schwere, durch Sauerstoffmangel bedingte Gehirnschädigung dürfte am ehesten als zusätzliche Komplikation im weiteren Krankheitsverlauf eingetreten sein. Unter Umständen könnte sie aber auch, entsprechende zusätzliche Indizien vorausgesetzt, infolge eines allgemeinen Sauerstoffmangels während der Geburt entstanden sein. Ein derartiger intrapartaler Sauerstoffmangelzustand hätte allenfalls den Schweregrad der geburtstraumatischen Rückenmarksschädigung und das dadurch ausgelöste Krankheitsbild in einem nicht näher bestimmten Ausmaß verstärken können. Somit stimmten alle Gutachter darin überein, dass die Querschnittslähmung bei C2/C3 geburtstraumatisch entstanden war. Die Durchsicht der publizierten Literatur zu diesem Thema zeigte, dass derart hohe Rückenmarksschädigungen nach traumatischen Zangenentbindungen zwar äußerst selten vorkommen, aber keineswegs unbekannt sind. Bei den publizierten Fällen und auch bei zwei ähnlich gelagerten Fällen in Deutschland hatte es sich immer um Zangen aus hinterer Hinterhauptshaltung mit verkehrt rotierter dorsoposteriorer Einstellung (wie auch im vorliegenden Fall) gehandelt. Gould und Smith (1984) wiesen darauf hin, dass das Schwierige bei der Zangenentwicklung aus hinterer Hinterhauptshaltung die Tatsache ist, dass die Bewegung des auf den Beckenboden gezogenen Kopfes um den Stemmpunkt der mütterlichen Symphyse herum viel Gefühl und operative Erfahrung erfordert. Für das Kind ist sie
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potenziell gefährlich, da sie das obere Halsmark besonders belastet und deshalb nicht selten misslingt. Die blockierte Situation verführe dazu, ruckartige Bewegungen auszuführen oder etwas mehr Kraft anzuwenden. Die Limits der Widerstandskraft kindlicher Gewebe seien jedoch relativ niedrig. Bei einer normalen Zange sollten Traktionen von nicht mehr als 60 kg aufgewendet werden. Ist die Traktion kräftiger oder erfolgen Traktionen in Serie nicht langsam und mit Pausen, um so der kindlichen Kopf-Hals-Region eine elastische Anpassung zu ermöglichen, bzw. erfolgen sie sogar ruckweise, weil der Kopf anders nicht folgt, so drohen Verletzungen des kindlichen Halsmarkes durch Überdehnung. Nachdem die Entwicklung in allen Protokollen als äußerst schwierig geschildert wurde, war es wahrscheinlich, dass kräftiger gezogen worden sein musste, um den Kopf aus großer Höhe herabzuziehen und das Kind zu entwickeln. Ohne Zweifel muss der Schaden bei diesen kräftigen Handhabungen gesetzt worden sein. Die Schädigung des Kindes war höchstwahrscheinlich während der Zangenoperation durch Überdehnung des kindlichen Halsmarkes bei den drei Traktionen oder beim Heben des Kopfes um den Stemmpunkt der Symphyse herum entstanden. Mit größter Wahrscheinlichkeit war die Zange nicht mit der gebotenen operativen Sensibilität durchgeführt worden. Der kindliche Kopf befand sich zu Beginn der Operation mit Sicherheit nicht am Beckenboden, sondern deutlich darüber und war als hintere Hinterhauptshaltung eingestellt. Daher war die Zangenoperation voraussehbar schwierig. Ein relatives Schädel-Becken-Missverhältnis war nicht auszuschließen, da der äußerer Beckendurchmesser (Conjugata externa) den Grenzwert von 18 cm aufwies. Kritisiert wurde, dass die Zangenentbindung nach den Schwierigkeiten beim Anlegen des rechten Blattes nicht abgebrochen und unverzüglich eine Schnittentbindung durchgeführt wurde. Ob eine Sectio-Bereitschaft bestanden hatte, war jedoch nirgends dokumentiert; es wurde jedoch behauptet. Fest stand, dass ein zu diesem Zeitpunkt durchgeführter Kaiserschnitt mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ein besseres Ergebnis (insbesondere keine Rückenmarksschädigung) erbracht hätte. Mac Kinnon et al. (1993) beschrieben 22 Fälle von Rückenmarksschäden bei der Geburt, wovon 14 Kinder hohe Rückenmarksschädigungen (oberhalb des vierten Halswirbels) nach Entwicklung aus Schädellage erlitten. Bei allen hohen Halsmarkschäden waren komplizierte Rotationszangen bzw. Zangenversuche oder beides durchgeführt worden. In keinem Fall wurde eine Vakuumextraktion angewandt. Diagnostisch war der Ultraschall von den bildgebenden Verfahren von größtem Wert. Zu demselben Ergebnis kam auch Rehan und Seshia (1993). Nach Towbin (1964) würde die unterschiedliche Biegsamkeit des Rückenmarks und der Wirbelsäule für die Schädigung prädisponieren, wenn bei einer Geburt ein entsprechend schwerer longitudinaler Zug ausgeübt wird. Daher könnten Rückenmarksschäden trotz Fehlens jeglicher Wirbelsäulenverletzung vorkommen. Bei Entbindung aus Schädellage wäre die Torsion häufig Bestandteil derart traumatischer Entbindungen. Menticoglou et al. wiesen 1995 auf das Problem der hohen Halsmarkschäden bei Zangenentbindungen hin. Sie empfahlen bei der hinteren Hinterhauptshaltung die Rotation des Schädels in eine vordere Hinterhauptshaltung (occipito-anteriore Position) vor der Extraktion, um den Zug vermindern zu können. Genauso wie in der
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bis dahin publizierten englischsprachigen Literatur von elf Fällen gab es auch in dieser Serie keine andere häufige Ursache von Halsmarkläsionen als die Rotation von 90 Grad oder mehr. Die Autoren folgerten daraus, dass diese Verletzungen das Resultat unphysiologischer Torsionskräfte sind, da die Rotation allen Schädigungen gemeinsam war und sich die Höhe der Halsmarkschäden (C1 bis C3) auf der Höhe der Wirbelsäule befand, an der sich auch die Rotation des Kopfes abspielt. Eine grobe Schätzung der Häufigkeit derartiger Läsionen ergab bei einer Million Geburten in einem Zeitraum von 13 Jahren unter der Annahme von 2 % Rotationszangen eine Inzidenz von Halsmarkverletzungen von 0,7 auf 1000. Diese Inzidenz ist aber so gering, dass es nicht verwundert, dass das Problem in der Literatur auch in großen Serien von Zangenentbindungen von einigen hundert Fällen nicht aufscheint. Die Autoren kamen zu keinem eindeutigen Schluss, ob derartige Fälle die Folge von geburtshilflichen Fehlinterpretationen (z. B. des Höhenstandes des kindlichen Kopfes) bzw. geburtshilflichem Missmanagement sind oder ob diese Verletzungen ein intrinsisches Risiko einer durchgeführten Rotationszange darstellen. Die Geburtshelfer sollten jedenfalls nach Meinung der Autoren ihre Aufmerksamkeit auf Fehler der Technik lenken, die das Risiko dieser Verletzung möglicherweise erhöhen. So würde z. B. exzessive Torsion des kindlichen Nackens bei einer Rotation aus der hinteren Hinterhauptshaltung in die falsche Richtung entstehen, in dem das Hinterhaupt fälschlicherweise über die Seite der Stirn des Kindes anstelle der Seite, an der der Rücken liegt, rotiert wird. Dies traf im vorliegenden Fall zu. Ein weiterer Irrtum wäre es, zu versuchen, eine Rotationshemmung gewaltsam zu durchbrechen. Die Autoren betonen, dass die Rotation sanft und delikat ausgeführt werden muss. Der Rat von Erfahrenen geht dahin, beim Auftreten von Schwierigkeiten bei der Rotation, den Kopf herunter oder leicht hinauf zu bringen, um ein Durchtrittsplanum mit minimalem Widerstand gegen die Rotation zu finden oder den Eingriff überhaupt abzubrechen. Der dritte mögliche Fehler der Technik bestehe darin, die Rotation mit der Traktion zu kombinieren. Gemeinsam durchgeführt überwiege die Kraft, die für die Traktion benötigt wird, die Feinheit, mit der die Rotation durchgeführt werden muss. Es wurde auch darauf hingewiesen, dass die Bewegung der Traktion und der Rotation immer separat voneinander durchgeführt werden sollten. Es sei denn, die Rotation entsteht spontan bei der Traktion. Es wird auch empfohlen, die Rotation während der uterinen Kontraktion zu vermeiden. Unabhängig davon, ob nun die Ursache dieser Läsionen menschliche Fehler oder ein intrinsisches Risiko sind, besteht nach Ansicht der Autoren die einzige Möglichkeit, diese Komplikation zu reduzieren, darin, die Zahl der Frauen, die eine Entbindung aus einem Querstand oder aus einer hinteren Hinterhauptshaltung (occipito-posterior) benötigen, zu verringern. Sie empfehlen als hilfreiche Maßnahmen hierfür die Verwendung von Oxytocin in der Austreibungsperiode, eine ausreichende Schmerzlinderung sowie pH-Wert-Messungen bei fraglichem CTG. Wenn diese Maßnahmen nicht erfolgreich sind und der Kopf in Beckenmitte, unterer Beckenmitte quer oder in hinterer Hinterhauptshaltung bleibt, muss sich der Geburtshelfer zwischen verschiedenen Alternativen entscheiden (die jeweils eigene große Probleme aufweisen): ● Extraktion aus dorso-posteriorer Haltung (wie im vorliegenden Fall), ● manuelle Rotation in die occipito-anteriore Haltung (physiologische vordere Hinterhauptshaltung),
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● Vakuumextraktion, ● Kaiserschnitt, ● Zangenrotation in eine dorso-anteriore Haltung (vordere Hinterhauptshaltung).
2.2.1.3 Verfahrensausgang Der Oberarzt wurde wegen des Vergehens der fahrlässigen Tötung für schuldig befunden und erhielt eine Geldstrafe von € 21.700,−. Die Hälfte der Strafe wurde bedingt nachgesehen. Die Strafe wurde von einem Berufungssenat in zweiter Instanz bestätigt. In der Urteilsbegründung hieß es: „Die vom Beschuldigten gewählte Vorgehensweise war nicht der ärztlichen Kunst entsprechend“. Über den Fall wurde in allen Tageszeitungen berichtet.
2.2.1.4 Resümee In diesem spektakulären Fall kam es nach Durchführung einer hohen Zange aus hinterer Hinterhauptshaltung bei dem Kind zu einer hohen Querschnittslähmung. Zusammenfassend wurde gutachtlich festgehalten, dass der Tod des Kindes im Alter von sieben Monaten die Folge einer geburtstraumatisch bedingten Rückenmarksschädigung (hohe Querschnittslähmung des Halsmarkes bei C2/C3) war. Die Schädigung wurde bei Durchführung einer sogenannten „hohen Zange“ gesetzt, einer äußerst schwierigen, aus drei Traktionen bestehenden Zangenextraktion, wobei der kindliche Kopf höchstwahrscheinlich nicht eingetreten war. Bedingt durch eine Kopfgeschwulst und durch Nichtberücksichtigung der Deflexionshaltung, haben die behandelnden Ärzte den Höhenstand des kindlichen Kopfes missinterpretiert, d. h., fälschlicherweise angenommen, der Schädel stünde bereits am Beckenboden. Diese Fehlbeurteilung hat die behandelnden Ärzte dazu bewogen, eine Zangenoperation und nicht die gebotene Schnittentbindung durchzuführen. Spätestens nach der ersten Traktion hätte aufgrund der dann sichtbar gewordenen Schwierigkeiten die Zangenextraktion abgebrochen werden müssen. Ob eine Sectio-Bereitschaft tatsächlich bestanden hatte, war zumindest nicht dokumentiert. Zangenentbindungen bei einem Höhenstand der Leitstelle über 0 bzw. bei Deflexionshaltungen über +2, sind heute ebenso kontraindiziert wie Zangenentbindungen bei Verdacht auf relatives Schädel-Becken-Missverhältnis. Dieses war nicht auszuschließen. Die Mutter wurde über das erhöhte kindliche Risiko nicht aufgeklärt. Ein weiteres geburtshilfliches Gutachten kam im Wesentlichen zu denselben Schlussfolgerungen. Literatur Albrecht H. Fetaler Notfall bei Kopf auf Beckenmitte - Definition und Diagnostik. Arch. Gynecol. Obstet. 1991; 250: 787–790. Amiel-Tison C, Sureau C, Snider SM. Cerebral handicap in full-term neonates related to the mechanical forceps of labour. Clin. Obstet. Gynaecol. 1988; 2: 145–165. Babyn PS, Chuang SH, Daneman A, Davidson GS. Sonographic Evaluation of Spinal Cord Birth Trauma with Pathologic Correlation. Am. J. Rad. 1988; 151: 763–766. Bresnan MJ, Abroms JF. Neonatal spinal cord transection secondary to intrauterine hyperextension of the neck in breech presentation. J. Pediatr. 1974; 84: 734–737.
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2.2.2 Mütterlicher Verblutungstod durch Uterusruptur nach Zangenentbindung Uterusruptur Die Uterusruptur, also die Zerreißung der Gebärmutter bzw. das Auftreten eines Risses im Gebärmutterhals oder -körper, gehört infolge der vitalen Bedrohung von Mutter und
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Abb. 2.28: Uterusruptur. Riss im unteren Uterinsegment als 1 Längs-, 2 Querruptur, 3 Kolporrhexis (Scheidenabriss) (aus Dudenhausen, Joachim W.: Praktische Geburtshilfe. 21., erweiterte Aufl. Berlin, Boston: De Gruyter 2011).
Kind zu den schwersten geburtshilflichen Komplikationen überhaupt (s. Abb. 2.28). Sie ereignen sich fast ausschließlich unter der Geburt. Ihre Ursachen sind: 1. Wandschadenruptur aufgrund von a) Fehlbildungen der Gebärmutter, b) krankhaften Wandveränderungen, wie Endometriose, Myome, vernarbte Einrisse, c) atypischem Sitz der Plazenta, d) natürlicher Alterungsvorgänge und Abnützungserscheinungen der Gebärmuttermuskulatur bei Vielgebärenden, e) Narbenbildungen nach vorausgegangenen Operationen: Kaiserschnitt, Myomoperationen, Gebärmutterplastik, Curettagen, manuelle Plazentalösung. 2. Violente Uterusruptur bei geburtshilflichen Operationen. 3. Traumatische Uterusruptur als Folge einer Gewalteinwirkung von außen.
Abb. 2.29: Inkomplette Uterusruptur (aus Dudenhausen, Joachim W.: Praktische Geburtshilfe. 21., erweiterte Aufl. Berlin, Boston: De Gruyter 2011).
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4. Spontanrupturen wegen eines Geburtshindernisses, das nicht überwunden werden kann, b) bei Überdosierung von Wehenmittel mit hyperkinetischer Wehenstörung (hyperaktive und hypertone Wehentätigkeit). 5. Stille Rupturen ohne Begleitsymptome und ohne erkennbare Ursachen. Unter violenter Ruptur versteht man einen Riss infolge eines geburtshilflichen Eingriffes, wie es z. B. die Zangenentbindung darstellt. Früher kamen violente Rupturen nach gefährlichen geburtshilflichen Operationen vor (wie z. B. inneren Wendungen, Extraktionen und Beckenendlagen-Geburten). Die kindliche und mütterliche Morbidität und Mortalität bei Uterusrupturen ist hoch. Aufgrund dieser Erkenntnis ist man heute allgemein der Ansicht, dass schwierige vaginale geburtshilfliche Operationen aus Beckeneingang, wie hohe Zangen, hohe Vakuumextraktionen und innere Wendungen, keine Berechtigung mehr haben (Gaudenz und Käser, 1981). Man unterscheidet eine komplette Uterusruptur (s. Abb. 2.30), bei der alle Wandschichten durchrissen sind, von der inkompletten, bei der Endometrium und Myometrium, also die Schleimhaut und die Muskelschicht, zerrissen sind, während das Amnion und die Serosa intakt sind (s. Abb. 2.29). Die Therapie der Uterusruptur besteht in der sofortigen Laparotomie bei gleichzeitiger Schockbekämpfung. Beim Vorliegen großer Hämatome in den Ligamenta lata kann die Ligatur der mitzerrissenen und oft retrahierten Arteriae uterinae schwierig oder unmöglich sein. Sie würde auch die Verletzungsgefahr der Ureteren erheblich erhöhen. In diesen Fällen würde man besser die Arteriae hypergastricae (Arteriae iliacae internae) unterbinden. In Ausnahmefällen ist die Naht der Rupturstelle mit Erhaltung des Uterus möglich. Der Zustand der Mutter, der Lokalbefund, das Alter und ein eventueller Kinderwunsch der Patientin entscheiden letztlich über Art und Ausdehnung des operativen Eingriffs.
Abb. 2.30: Komplette Uterusruptur (aus Dudenhausen, Joachim W.: Praktische Geburtshilfe. 21., erweiterte Aufl. Berlin, Boston: De Gruyter 2011).
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Die kindliche Mortalität ist hoch und liegt bei ca. 50 %, sofern es sich nicht um eine gedeckte Dehiszenz einer tiefen Querschnittsnarbe handelt. Die mütterliche Mortalität bei Ruptur einer Kaiserschnittnarbe liegt bei 3 bis 5 %. Bei der spontanen oder traumatischen Uterusruptur eines normalen und vorher gesunden Uterus ist sie aber wesentlich höher (20 bis 40 %). Neben der Verblutungsgefahr droht auch eine Fruchtwasseroder Luftembolie.
2.2.2.1 Sachverhalt / Kasuistik Die im Jahr 1994 33-jährige Schwangere hatte bereits 1981 und 1988 zwei Mädchen vaginal geboren. Sie wurde in SSW 41/2 wegen beginnender Wehentätigkeit an der Universitätsfrauenklinik aufgenommen. Das Datum der letzten normalen Regel war aufgrund von Sprachschwierigkeiten nicht exakt erhebbar. Nachdem die Wehen am Aufnahmetag wieder zum Stillstand gekommen waren, wurde zwei Tage später ein sogenannter Posé-Test (Wehenmittelbelastungstest) durchgeführt. Dabei traten im CTG leichte variable Herzfrequenzalterationen beim Kind auf. Auf der Station kam es bei der Patientin auf der Toilette zu einer Blutung, die in ihrem Ausmaß jedoch nicht registriert werden konnte, da die Spülung inzwischen betätigt wurde. Nach Verlegung in den Kreißsaal stoppte die Blutung jedoch gänzlich. Im Kreißsaal wurde die Geburt, durch die Gabe von Syntocinon® (2 bzw. 5 U/h) eingeleitet. Das CTG war abgesehen von einigen leichten variablen Dezelerationen weitgehend unauffällig. Etwa vier Stunden später, mit Beginn der Austreibungsperiode, kam es zu einer lang anhaltenden massiven Bradykardie von 90 spm und schweren variablen Dezelerationen im CTG (s. Abb. 2.31). Nach Einleitung einer Intubationsnarkose wurde sofort die Kjelland-Zange am kindlichen Kopf angelegt und das Kind mit einer Traktion entbunden. Es bestand eine Nabelschnurumschlingung um den Hals des Kindes. Der lebensfrische Knabe wog
Abb. 2.31: 33-jährige III-Gebärende, SSW 41/2, unklare Blutung auf Toilette, Syntocinon®, CTG mit Abfall der kindlichen Herzfrequenz von 140 auf 60-80 spm (prolongierte Bradykardie). Zange vom Beckenboden, Knabe, 3.500 g, 49 cm, Apgar-Wert 9/10, Cervixriss bei 7 h, Episiotomie, Naht in Narkose, Herz-Kreislaufzwischenfall, Reanimation, Tod im Kreissbett, 11 cm lange Uterusruptur im unteren Uterinsegment in das lockere parametrane Bindegewebe mit Blutung.
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3.500 g, hatte eine Länge von 49 cm, einen Apgar-Wert von 9/10 und wurde vom Kinderarzt als gesund und unauffällig befundet. Nach dem spontanen Abgang der Plazenta fünf Minuten postpartum wurde ein 3 bis 4 cm langer Cervixriss bei 7.00 Uhr sowie die dextrolaterale Episiotomie auf übliche Weise und in derselben, noch aufrechten, Intubationsnarkose versorgt. Gedächtnisprotokoll des Anästhesisten Laut Gedächtnisprotokoll des Anästhesisten kam es unmittelbar im Anschluss daran bei der Patientin zu einem Herz-Kreislauf-Zwischenfall. Es hieß hier: Wegen drohender fetaler Asphyxie wurde bei der Patientin die Indikation zur raschen Geburtsbeendigung mittels Geburtszange gestellt. Aufgrund der Dringlichkeit war nur eine grobe, präoperative Evaluierung der Patientin möglich. Um 15.00 Uhr erfolgte die Narkoseeinleitung mit Thiopental® (300 mg) und Lysthenon® (70 mg), orotracheale Blitzintubation unter Krikoiddruck, manuelle Beatmung mit reinem Sauerstoff (10 bis 12 l/n). Die Patientin hatte zu diesem Zeitpunkt Blutdruckwerte von 95/65 mmHg, eine Herzfrequenz von 97/min und arterielle Sauerstoffsättigung (SaO2) von 97 %. Nach Kindesentwicklung erfolgte die Episiotomienaht und Übernähung eines Cervixrisses. Wegen beginnender Spontanatmung bei der Patientin kam es zu einer Vertiefung der Narkose mit Diprivan® (40 mg). Die Herzfrequenz stieg auf 120 spm (kurz darauf auf 147 spm) und es kam zu einem Blutdruckabfall auf 60 mmHg systolisch bei weiterem Absinken der Sauerstoffsättigung auf 80 %. Die Verständigung des Oberarztes erfolgte um 15.15 Uhr, sein Eintreffen um 15.17 Uhr. Nach einer Kontrolle der Tubuslage mittels Auskultation und Laryngoskopie wurde eine korrekte Tubuslage mit eindeutiger beidseitiger Ventilation ohne auskultatorischer Auffälligkeit festgestellt. Die Gabe von Ephedrin (5 ml, 0,5 %) und 500 ml Elohäst® zur Blutdrucktherapie bleiben ohne Wirkung, sodass unverzüglich Suprarenin®, zunächst verdünnt (10 ml, 1 : 10.000 fraktioniert), dann unverdünnt verabreicht wird. Beginn der cardiopulmonalen Reanimation war um 15.21 Uhr. Es folgt eine Herzdruckmassage durch den Oberarzt, kontrollierte Beatmung mit 100 %igem Sauerstoff (12 bis 14 l/n), endotracheale Gabe von Suprarenin®, elektrische Kardioversion, Fortführen der cardiopulmonalen Reanimation bis zum Eintreffen des Herzalarmteams. In der weiteren Folge wird vom Herzalarmteam ein zentralvenöser Zugang sowie ein Zollschrittmacher gelegt. Es folgt die Gabe von 100 ml Glucose (33 %) + 20 iE Actrapid®, zweimalige Bolusgabe von 10.000 iE Heparin, Suprarenin®-Gabe endotracheal und zentralvenös (insgesamt 35 mg). Die Reanimation wird um 16.35 Uhr wegen irreversiblen Herzstillstands eingestellt. Gedächtnisprotokoll der Oberärztin In dem Gedächtnisprotokoll der geburtshilflichen Oberärztin, unter Einbeziehung des Pflegepersonals der Bettenstation und nach Teilnahme an der Sektion, hieß es: Nach dem Posé-Test und noch ehe dieser in eine Geburt übergeführt werden konnte, suchte die Patientin nochmals die Station und von dort die Toilette auf. Von dieser zurückkehrend machte sie, die kaum deutsch sprach, die Schwester mit den Worten ‚Blut, Blut‘ auf eine offensichtlich von ihr beobachtete Blutung aufmerksam, die in ihrem Ausmaß jedoch nicht registriert werden konnte, da die Patientin inzwischen die Spülung betätigt hatte. Sie wurde daraufhin in ihr Bett gelegt und mit zwei Vorlagen
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2 Therapiefehler
Abb. 2.32: Ausgedehnte Blutung in das lockere Bindegewebe unter dem rechten Ligamentum latum bei Uterusruptur.
zwischen den Beinen entsprechend gelagert. Diese beiden Vorlagen haben jedoch zur Aufnahme der noch fortbestehenden Blutung ausgereicht, sodass daraus keine Konsequenzen, außer der schon beabsichtigten Verlegung der Patientin in den Kreißsaal gezogen wurden. Im Kreißsaal bzw. unter der Geburt stoppte die Blutung gänzlich. Die bei der Obduktion festgestellten Herzbeuteltamponade, Herzwandruptur, Rippenserien- und Sternumfrakturen waren auf die mehr als eine Stunde währenden Reanimationsmaßnahmen zurückzuführen. Der Uterus wies im Bereich des unteren Uterinsegmentes, nahe der rechten Seitenkante, somit in loco typico, eine longitudinale Ruptur auf, die für vier Finger bequem passierbar war und unter bzw. in das rechte Ligamentum latum führte (s. Abb. 2.32 bis 2.35). Es handelte sich demzufolge um eine gedeckte Ruptur, für deren Entstehung, aus Sicht der Krankenhausabteilung, im Wesentlichen zwei Kausalmechanismen in Frage kamen: 1. Es ist während oder unmittelbar im Anschluss an den Posé-Test zu einer stillen Ruptur an der beschriebenen Stelle gekommen. Dies würde die in ihrem Ausmaß nur von der Patientin beobachtete Blutung erklären, die, nachdem es bei der Drittgebärenden zu einem verhältnismäßig raschen Tiefertreten des die Rupturstelle abdichtenden Kopfes, zum Stillstand kam. Da während dieser Zeit Wehenmittel verabreicht wurde, müsste, neben einer stillen Ruptur, zusätzlich auch von einer sogenannten Wehenmittelruptur gesprochen werden.
Abb. 2.33: Eingang in ausgedehnte Blutungshöhle neben versorgtem Cervixriss rechts.
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Abb. 2.34: Cervixriss rechts mit Einzelknopfnähten versorgt. Eingang in ausgedehnte Blutungshöhle parametran.
2. Es ist im Zuge der Zangenextraktion, wobei es sich dabei allerdings um eine einfache Beckenausgangszange handelte, zu einer violenten Ruptur an der beschriebenen Stelle gekommen. Der oben beschriebene, nahtversorgte Cervixriss und die Rupturstelle waren an derselben, nämlich der rechten Uterusseite lokalisiert. Von den noch auf der Bettenstation erfolgten vaginalen Untersuchungen an den Tagen davor war bekannt, wenngleich nicht eigens dokumentiert, ein alter narbiger Cervixriss zwischen etwa 8.00 und 9.00 Uhr auf der Seite der später erfolgten Ruptur. Da aus der Anamnese keine vorangegangenen Eingriffe am Uterus, wie etwa Interruptiones, bekannt waren, kamen nur die beiden vorangegangenen Geburten für eine präexistente Wandschädigung in Frage. Der Blutverlust nach außen war zwar in seinem Ausmaß weitgehend unbekannt, hatte jedoch offensichtlich das Befinden der Patientin zwischen 12.00 und 15.00 Uhr nicht nachhaltig belastet (Blutdruck um 12.00 Uhr 120/70 mmHg). Der Blutverlust innerhalb der gedeckten Ruptur allein dürfte seinerseits für das Herz-Kreislauf-Versagen nicht ausreichen. Eine Subsumierung beider Blutungen (nach außen und nach innen) war allerdings nicht auszuschließen. Eine Fruchtwasserembolie durch im Rupturbereich eröffnete Cervixvenen wäre denkbar, konnte bislang jedoch im Gefrierschnitt nicht nachgewiesen werden. Ebenfalls nicht auszuschließen war eine stille, gedeckt gebliebene Ruptur, die auf eine der beiden vorausgegangenen Geburten zurückgeht und bei der dritten
Abb. 2.35: Bei Obduktion asserviertes Präparat des aufgeschnittenen Uterus. Mit 11 cm langem Riss in das lockere parametrane Bindegewebe (nota bene nicht in die freie Bauchhöhle).
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2 Therapiefehler
Geburt der Patientin gleichsam reaktiviert wurde. Selbst wenn aus den mehr als diskreten Hinweisen auf ein Rupturgeschehen (Blutung am Beginn der Geburt und insuffiziente Wehentätigkeit am Ende der Austreibungsperiode bei einer Drittgebärenden, die ihre beiden ersten Kinder spontan geboren hat) die Indikation zur Austastung der Gebärmutter gestellt und die longitudinale Ruptur nachgewiesen worden wäre, wäre man in diesem Fall, mit jeglicher chirurgischen Intervention zu spät gekommen. Eine mit den inzwischen voll eingeleiteten Reanimationsmaßnahmen, synchrone Notfalllaparotomie, noch dazu im Kreißsaalbett, kam nämlich nicht in Frage. Es war während der Reanimation lediglich möglich, mittels Ultraschall eine intraabdominelle Blutung und somit eine freie Ruptur auszuschließen. Die gedeckte Ruptur konnte sonographisch nicht zur Darstellung gebracht werden. Obduktion – gerichtsmedizinisches Gutachten Bei der Obduktion war die Haut der Verstorbenen auffallend blass. Eine Luftembolie konnte ausgeschlossen werden. Die Gebärmutter wies eine Länge von 26 cm und eine Breite von 17 cm auf. Nach Eröffnung des Gebärmutterhalses und der Gebärmutterhöhle zeigte sich bei 7.00 Uhr ein 6 cm langer Einriss des Gebärmutterhalses, der mit Einzelknopfnähten chirurgisch versorgt war. Direkt hinter diesem Riss des Gebärmutterhalses fand sich an der Rückseite des Gebärmutterkörpers ein 11 cm langer Längsriss der Muskulatur mit einer handflächengroßen Bluttaschenbildung. In der gesamten Gebärmutterhöhle waren zahlreiche, schwarz-rote Blutkoagel lokalisiert (s. Abb. 2.35). Am knöchernen Skelett fanden sich folgende Verletzungen: Brustbeinfraktur zwischen zweiter und dritter Rippe, Serienrippenfrakturen beidseits, sowohl rechts als auch links sind die zweite bis sechste Rippe im Bereich der Mammillarlinie gebrochen. Die Brüche sind allesamt nur geringgradig unterblutet und nicht verschoben. Aufgrund des gerichtsmedizinischen Gutachtens ergab sich, dass die junge Mutter infolge Verblutens, bei Riss des Gebärmutterhalses und -körpers, nach Ausbildung eines Schockzustandes, an Herz-Kreislauf-Versagen gestorben war. Die Herzmuskelruptur war als Folge der Wiederbelebungsmaßnahmen als agonale Verletzung hinzugekommen.
2.2.2.2 Beurteilung / Gutachten Die terminale Bradykardie (s. Abb. 2.36) in der Pressperiode stellt immer eine Indikation zur schnellen Geburtsbeendigung dar, da bei Fortbestehen der Bradykardie mit der Geburt eines deprimierten Kindes zu rechnen ist (Göschen, 1992). Daher war die sofortige Indikation zur vaginalen Geburtsbeendigung berechtigt. Kritisiert wurde eine gewisse Zeitverzögerung, welche möglicherweise durch das Herbeirufen der Anästhesie bedingt war. Die Durchführung der Zangenoperation mit der Kjelland-Zange und die kindliche Entwicklung mit einem Zug waren kunstgerecht. Die Nabelschnurumschlingung um den Hals des Kindes erklärte die variablen Dezelerationen im CTG. Der Nabelarterien-pH-Wert betrug 6,976 und bestätigte die Diagnose einer drohenden intrauterinen Asphyxie sowie die Indikation zur Geburtsbeendigung. Der Apgar-Wert von 9/10 war jedoch im Normbereich, sodass von einem lebensfrischen Neugeborenen gesprochen
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Abb. 2.36: Therapieresistente akute Bradykardie des Fetus bei einer 32-jährigen Erstgebärenden in SSW 40 + 6 (aus Dudenhausen, Joachim W.: Praktische Geburtshilfe. 21., erweiterte Aufl. Berlin, Boston: De Gruyter 2011).
werden konnte. Die Indikation zur operativen vaginalen Geburtsbeendigung bei einem Höhenstand des Schädels am Beckenboden wurde gutachtlich als völlig korrekt beurteilt. Das Auftreten eines 3 bis 4 cm langen Cervixrisses bei 7.00 Uhr ist nach operativen Entbindungen keine Seltenheit und wurde in derselben aufrechten Intubationsnarkose versorgt. Unmittelbar danach kam es zu dem letztlich tödlichen Herz-Kreislauf-Zwischenfall. Dem Anästhesiebericht war zu entnehmen, dass es unmittelbar nach der Zangengeburt und Plazentalösung zu dem Blutdruckabfall und Abfall der O2-Sättigung gekommen war. Sämtliche, laut Gedächtnisprotokoll durchgeführten, Wiederbelebungsmaßnahmen mit Volumensubstitution, Ephedrin- und Adrenalingabe, Herzdruckmassage, Cardioversion, welche sogar vom Herzalarmteam der Universitätsklinik durchgeführt wurden, waren lege artis. Sie blieben jedoch leider erfolglos. Gutachtlich wurde festgehalten, dass der vorliegende Fall hinsichtlich des extrem schnellen Fortschreitens des letztlich irreversiblen Schockgeschehens als ungewöhnlich zu bezeichnen war. Während der Wiederbelebungsmaßnahmen wurde von geburtshilflicher Seite versucht eine Blutung in die Bauchhöhle mittels Ultraschall nachzuweisen, da eine Blutung nach außen nicht feststellbar war. Es konnte jedoch auch in der Bauchhöhle keine Blutung bzw. freies Blut nachgewiesen werden. Grund hierfür war die Tatsache, dass es sich um eine gedeckte Perforation gehandelt hatte.
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Von den theoretischen Ursachen der Uterusruptur kam hier die violente Uterusruptur bei geburtshilflichen Operationen (wie bei Zangengeburten) in Frage. Natürliche Alterungsvorgänge der Gebärmutter bei Vielgebärenden waren dabei wahrscheinlich. Festgehalten wurde, dass diese Uterusruptur zweifelsohne als violente Uterusruptur zu bezeichnen war, da sie im Zusammenhang mit einer Zangengeburt stand. Die, Zangengeburt vom Beckenboden war jedoch lege artis und aufgrund des CTGs durch die drohende intrauterine Asphyxie des Kindes indiziert. Das Auftreten der Uterusruptur war daher als schicksalhaft zu bezeichnen. Eine Wehenmittelruptur wurde ausgeschlossen, da die Dosierung im unteren therapeutischen Bereich lag. Nicht ausgeschlossen werden konnte hingegen eine Wandschadenruptur im Sinne einer erworbenen Veränderung der Wand der Gebärmutter, die einen Locus minoris resistentiae darstellt, wie er z. B. auch durch natürliche Alterungsvorgänge und Abnutzungserscheinungen der Uterusmuskulatur bei Mehrgebärenden vorkommt. Aufgrund der Sprachschwierigkeiten war auch über vorangegangene, mögliche Ausschabungen der Gebärmutter nichts bekannt. Diese Möglichkeit war jedoch nicht gänzlich auszuschließen, da bekannt ist, dass im ehemaligen Jugoslawien der Schwangerschaftsabbruch die Methode der Geburtenregelung darstellte und viele jugoslawische Frauen anamnestisch mehrere derartige Eingriffe hinter sich haben. Der 11 cm lange Längseinriss der Muskulatur der Hinterwand des Gebärmutterkörpers führte jedoch nicht in die freie Bauchhöhle, sondern in das lockere Bindegewebe des kleinen Beckens, welches sich seitlich und hinter der Gebärmutter befindet. Dementsprechend erfolgte die Blutung auch in diesen Raum und nicht in die freie Bauchhöhle, weshalb dort mittels Ultraschall kein Blut nachgewiesen werden konnte. Ebenso wenig bestand eine Blutung nach außen, die lege artis eine sofortige manuelle Austastung der Gebärmutter hätte nach sich ziehen müssen. Nicht auszuschließen war auch, dass die Uterusruptur bereits exakt mit dem Abfall der kindlichen Herztöne zusammenfiel bzw. diesen verursachte. Derartige Fälle sind in der Literatur beschrieben (Endl et al., 1997; Bernaschek, 1981). Dies war jedoch nicht beweisbar, da keine Laparotomie zum Zwecke eines Kaiserschnitts durchgeführt wurde. Ein weiterer Hinweis hierfür wäre das Aufhören der Wehentätigkeit in der Austreibungsperiode. Die klassische Symptomatologie der Uterusruptur – ein dramatisches Bild mit plötzlichen, explosiven, starken Schmerzen, massiver Blutung und Schock – war im vorliegenden Fall offensichtlich durch die Narkose maskiert und daher für die betreuenden Ärzte nicht erkennbar. Nachdem sich der Gebärmutterriss vom unteren Uterinsegment, also vom Gebärmutterhals bis in den Gebärmutterkörper, gezogen hatte, wäre die komplette Exstirpation, also die Entfernung der gesamten Gebärmutter unter Mitnahme des Gebärmutterhalses, notwendig gewesen. Selbst wenn es gelungen wäre, die Patientin noch auf den Operationstisch zu bringen, so wäre eine derartige Operation technisch äußerst schwierig gewesen, da sich im Ligamentum latum ein sehr großes Hämatom befunden hatte. Aus der Literatur ist bekannt, dass die Versorgung der mitzerrissenen und retrahierten Gebärmutterarterien in solchen Situationen schwierig bis unmöglich ist. Die Mortalität einer traumatischen Uterusruptur liegt zwischen 20 und 40 %. Eine Fruchtwasser- oder Luftembolie konnte bei der Obduktion ausgeschlossen werden. Gutachtlich wurde betont, dass es sich bei dem vorliegenden Fall um einen extremen Krankheitsverlauf gehandelt hatte, bei dem wahrscheinlich alle lebensrettenden Therapiemaßnahmen zu spät gekommen wären.
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Der geburtshifliche Sachverständige kam zu dem Schluss, dass in einem derart gelagerten Fall der Tod der Patientin auch anderswo nicht hätte verhindert werden können. Geburtshilfliche Fehler oder Versäumnisse lagen jedenfalls nicht vor. Der tragische Tod einer 33-jährigen Mutter von drei Kindern unter der Geburt musste somit als schicksalhaft bezeichnet werden. Die Frage des Staatsanwaltes, ob die Blutung aus dem Gebärmutterbereich früher erkannt und damit der Tod der Patientin hätte verhindert werden können, wurde verneint.
2.2.2.3 Verfahrensausgang Aufgrund des Gutachtens wurde die Strafsache gegen unbekannte Täter wegen § 80 StGB (fahrlässige Tötung) von der Staatsanwaltschaft gemäß § 90 StPO eingestellt.
2.2.2.4 Resümee Dieser dramatische und foudroyante Verlauf einer Uterusruptur nach sachgerecht durchgeführter Zangenentbindung zeigt, wie gefährlich operative Geburtshilfe im Einzelfall sein kann. Nicht auszuschließen war eine Wandschädigung der Gebärmutter bei der Mehrgebärenden. Offensichtlich kam es zu einem sehr hohen Blutverlust in das lockere Bindegewebe des kleinen Beckens rechts und links neben der Gebärmutter, sodass auch die sofort einsetzenden Reanimationsmaßnahmen erfolglos blieben. Aufgrund der kurzen Latenzzeit zwischen der Zangenextraktion um 15.04 Uhr und dem massiven Blutdruckabfall um 15.10 Uhr, bei sofort einsetzenden Reanimationsmaßnahmen, war der Vorwurf der fahrlässigen Tötung zurückzuweisen. Literatur Bernaschek G. Verdacht auf Uterusruptur auch durch externes Routine-Cardiotokogramm? Geburtsh. u. Perinat. 1981; 185: 296–297. DGGG. Vaginal-operative Entbindungen und Anwendung des CTG während Schwangerschaft und Geburt. In: DGGG (Hrsg). Leitlinien der Gynäkologie und Geburtshilfe, Bd. III, Pränatalmedizin, Geburtsmedizin. Berlin, Verlag S. Kramarz, 2010: 245–55 und 183–211 (98 Literaturzitate). Dudenhausen JW. Praktische Geburtshilfe mit geburtshilflichen Operationen. 21. Aufl. Berlin, New York: De Gruyter, 2011: 284–288. Endl J, Fröhlich H, Baumgarten K. Fallbericht – spontane Uterusruptur, Interpretation des Cardiotokogramms. Geburtsh. u. Perinat. 1977; 181: 218–221. Gaudenz R, Käser O. Peripartuale Notfallsituationen von Seiten der Mutter. In: Käser O, Friedberg V (Hrsg). Gynäkologie und Geburtshilfe, Bd. II/2, Schwangerschaft und Geburt 2. Stuttgart: Thieme, 1981: 15.1–15.30. Göschen K. Cardiotokographie-Praxis. Stuttgart: Thieme, 1992. Jaisle F. Uterusruptur. In: Jaisle F, Schnittentbindung in den Akten der Justiz, eine Hilfe für Ärzte und Juristen zur Bewertung von Geburtskomplikationen. Stuttgart: Gustav Fischer Verlag 1995: 391–403.
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2 Therapiefehler
2.2.3 Perirektales Hämatom und Kloakenbildung durch massive Blutung nach Vakuumextraktion Sphinkterschäden nach der Geburt Schließmuskelschäden nach Entbindungen sind keineswegs seltene Ereignisse und vor allem okkulte Sphinkterdefekte nach scheinbar glatten Geburten können zu Darmproblemen führen. 1993 untersuchte eine Londoner Arbeitsgruppe 27 Frauen sechs Wochen vor und nach vaginaler Entbindung mittels Endosonographie (Mastdarmultraschall) und Manometrie. Obwohl klinisch nur 3 % der Erstgebärenden und keine der Mehrgebärenden eine Verletzung des analen Schließmuskels aufwiesen, zeigte sich in der Endosonographie, dass 35 % der Erst- und 44 % der Mehrgebärenden einen Sphinkterschaden hatten. Besonders betroffen waren junge Mütter nach erfolgter Zangengeburt. Bei acht von zehn Frauen war der anale Schließmuskel beschädigt, während alle fünf Frauen, bei denen eine Vakuumextraktion vorgenommen worden war, mit heilem Schließmuskel davonkamen. Jede dritte Frau mit einem Sphinkterschaden klagte über unangenehme Darmsymptome, wie Stuhldrang, Flatusinkontinenz oder gar Stuhlinkontinenz. Bei den Frauen ohne Symptome reicht die residuelle Schließmuskelfunktion offenbar aus, um die Kontinenz aufrecht zu erhalten. Erst eine Langzeitbeobachtung würde jeweils zeigen, ob der anfangs okkulte Schließmuskelschaden sich im späteren Leben nicht doch noch bemerkbar macht. Am häufigsten leiden Frauen zwischen 40 und 60 Jahren an Stuhlinkontinenz. Dann summieren sich die Effekte vorausgegangener Geburten, der Menopause, des Alterns und einer möglicherweise vorliegenden Neuropathie (Sultan et al., 1993). Unter Darminkontinenz (fäkale Inkontinenz, anorektale Inkontinenz) versteht man das Unvermögen, den Stuhl willkürlich zurückzuhalten. Drei Stadien werden dabei unterschieden: 1. Bei der Teilinkontinenz 1. Grades besteht eine Inkontinenz für Winde und dünnen Stuhl bei Belastung. 2. Bei der Teilinkontinenz 2. Grades findet sich ein Stuhlschmieren bei Belastung. 3. Bei der Totalinkontinenz geht fester Stuhl ab. Die primäre Darminkontinenz (sogenannte Neuralinkontinenz) tritt u. a. bei Fehlbildungen des zentralen Nervensystems und Querschnittlähmungen auf. Bei der sensorischen Darminkontinenz fehlt der Stuhldrang, dieser kommt z. B. nach Hämorrhodektomie vor. Die motorische Darminkontinenz weist, wie im vorliegenden Fall, eine Schädigung des Sphinkters auf. Sie findet sich auch bei Rektumprolaps oder bei Sphinkterschwäche im Alter. Die Therapie besteht in einer Rekonstruktion der Sphinktermuskulatur. Der anale Schließmuskel besteht anatomisch aus dem Musculus sphinkter ani externus, bestehend aus quergestreifter, also willkürlicher Muskulatur. Man unterscheidet einen subcutanen Teil, einen oberflächlichen und einen tiefen Teil. Dieser umgibt den Analkanal schlingenförmig. Die Funktion des Musculus sphinkter ani externus besteht im willkürlichen Verschluss des Analkanals. Der Musculus sphinkter ani internus besteht aus glatter Muskulatur und dient der Verstärkung der Ringmuskulatur des Mastdarms.
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Blutungen nach der Geburt (postpartale Blutungen) Unter schweren Blutungen nach der Geburt versteht man Blutungen mit einem Blutverlust von mehr als 500 ml. Solche Blutungen kommen in 4 bis 5 % der Fälle bei Wöchnerinnen vor. Blutungen, die gegen Ende der Schwangerschaft, während der Wehen oder nach der Entbindung, wie im vorliegenden Fall, auftreten, stellen noch immer die häufigste tödliche Komplikation von Schwangerschaft und Wochenbett dar. Man unterscheidet die frühe (akute) Blutung nach der Geburt, welche innerhalb von 24 Stunden postpartal auftritt, wie im vorliegenden Fall, von der Blutung zwischen dem 2. und 31. Tag nach der Geburt. Die akute Blutung nach der Geburt (Frühblutung) ist gewöhnlich auf eine Uterusatonie zurückzuführen. Verschiedene Bedingungen begünstigen eine postpartale Blutung: ● Überdehnung der Gebärmutter durch ein großes Kind, Mehrlinge oder ein Hydramnion, ● Multiparität, ● Präeklampsie, ● Sturzgeburt, ● funktionelle Wehenschwäche, ● Anästhesie, ● tiefsitzende Plazenta, ● Plazenta praevia und vorzeitige Plazentalösung, ● traumatische operative Geburt, ● Plazenta accreta, ● Retention von Plazenta und Eihäuten, ● Blutgerinnungsdefekt. Atonische Blutungen können auf ein Minimum beschränkt werden, wenn die Wöchnerin während der ersten vier Stunden nach der Geburt die Rückenlage einnimmt und eine intravenöse Oxytocin-Dauerinfusion für diese Zeit erhält. Ebenso können hohe Scheidenrisse, Cervix- und Gebärmutterrisse oder eine unvollständige Plazentalösung (kornuale Plazenta, Plazenta accreta) größere Blutungen bedingen. Wenn die Blutung trotz Anwendung von Wehenmitteln und manueller Handgriffe (Uteruskompression) und einem gut kontrahierten Uterus nicht stoppt, sollten Verletzungen des Genitaltraktes und nicht eine Uterusatonie als Blutungsquelle angenommen werden und durch digitale und Spekulumuntersuchung lokalisiert und versorgt werden. Wenn ein Dammschnitt (mediolaterale Episiotomie) zu früh ausgeführt wird und dabei ein großer Venenplexus getroffen wird, kann die Patientin sehr schnell 500 ml oder mehr Blut verlieren. Eine größere Blutung kann auch vorkommen, wenn durch einen Scheiden-Vulva-Riss die paravaginalen-vestibulären cavernösen Plexus, die Bulbocavernosus-Gegend oder Vulvavarizen in Mitleidenschaft gezogen werden. Im Allgemeinen verursachen jedoch vaginale, vulväre oder Dammeinrisse nur geringgradige Blutungen (Vorherr, 1981). Hämatome nach der Geburt sind häufige Geburtskomplikationen und können sich überall im Geburtskanal nach Spontangeburt oder häufiger, wie im vorliegenden Fall, nach operativer Entbindung entwickeln. Ein Bluterguss entsteht, wenn Blutgefäße zerreißen, das umgebende Gewebe jedoch unversehrt bleibt. Die meisten Hämatome
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2 Therapiefehler
entwickeln sich unterhalb des Musculus levator ani in der Fossa ischiorectalis, VulvaGegend und Beckenboden. Manche Hämatome entstehen oberhalb des Levatormuskels, wobei das Parametrium und der Retroperitonealraum befallen sind. Im vorliegenden Fall handelte es sich zweifelsohne um ein infralevatorielles Hämatom. Gefäßverletzungen durch den tiefertretenden kindlichen Kopf, Überdehnung und Zerreißung von Gefäßen bei einer Zangengeburt (am häufigsten), zufälliges Anstechen eines Gefäßes während der Lokalanästhesie und unzureichende Hämostase von Episiotomiewunden oder Dammrissen können zur Hämatombildung führen. Lokale Schmerzen, Schwellung, Druckempfindlichkeit, sekundäre Blutung und möglicherweise Anämie und Schock deuten auf eine Hämatombildung hin. Dabei können die Hautregionen des Dammes und der Vulva eine bläuliche oder blauschwarze Verfärbung annehmen als Zeichen eines darunterliegenden Hämatoms. Größere, paravaginale Hämatome können sich in die benachbarten paravesicalen-paraurethralen und pararektalen Gewebe ausbreiten und zu Harn- und Stuhlbeschwerden führen. Infralevatorielle Hämatome werden mit Eispackungen behandelt. Wenn keine sekundäre Infektion auftritt, ist die Prognose für die Spontanheilung gut. Die Blutung in dem Hämatomsack kann stehen bleiben, wenn durch den zunehmenden Druck der angesammelten Blutmenge eine Gefäßtamponade ausgeübt wird. Wenn jedoch dieser Blutstillmechanismus nicht funktioniert und die Hämatombildung zur Überdehnung des Dammes führt, wobei Verdrängungserscheinungen von Scheide und Rektum auftreten, wird ein Schnitt zur Entfernung der Blutkoagel notwendig mit anschließender Blutstillung durch Gefäßligierung oder Tamponade. Lokale, blutstillende Mittel, wie Thrombin, und allgemeine Antibiotikaprophylaxe können erforderlich sein. Anschließend sind Sitzbäder und Wärmebehandlung zur Resorption des Hämatoms empfehlenswert (Vorherr, 1981). Bei einem größeren akuten Blutverlust kommt es immer zu einer sogenannten Verbrauchskoagulopathie bzw. Verlustkoagulopathie, die dann aufgrund einer Gerinnungsstörung des Blutes bestehende Blutungen noch weiter verstärkt oder neue Blutungen verursacht.
2.2.3.1 Sachverhalt / Kasuistik Bei der 33-jährigen Erstgebärenden war der errechnete Geburtstermin der 29. 07. 1994. Der Schwangerschaftsverlauf war unauffällig. An T + 12 wurde die Geburtseinleitung mit einer Prostin®-Vaginaltablette vorgenommen. Um 18.40 Uhr war der Muttermund verstrichen und der Höhenstand des kindlichen Schädels –1. In der Folge kam es zu einem protrahierten Abfall der kindlichen Herzfrequenz (s. Abb. 2.37). Nachdem trotz Sauerstoffgabe keine Besserung eintrat, entschloss sich die diensthabende Oberärztin bei einem Höhenstand des kindlichen Schädels von +2 zur Durchführung einer Vakuumextraktion. Es wurde ein reifer Knabe mit einem Gewicht von 4.150 g und 55 cm Länge sowie dem Apgar-Wert 5/9/10 und einem Nabelarterien-pH-Wert von 7,05 entwickelt. Das Kind wurde sofort rosig und schrie kräftig. Es wurde vom Kinderarzt abgesaugt und mit einer Maske mit Sauerstoff bebeutelt. Nach Abgang der vollständigen Plazenta unter physiologischer Lösungsblutung wurde der Dammschnitt und ein kleiner 2 cm langer Riss im Bereich der linken Scheidenwand sowie ein weiterer im Bereich der rechten Scheidenwand in typischer Weise mittels Naht versorgt.
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Abb. 2.37: 33-jährige I-Gebärende, SSW 42, Geburtseinleitung mit Prostin®-Vaginaltablette. CTG mit Abfall der kindlichen Herzfrequenz von 140 auf 60–80 spm; prolongierte Bradykardie,Vakuumextraktion bei Schädelhöhenstand von +2, Knabe, 4.150 g, 55 cm, Apgar-Wert 5/9/10, NApHWert 7,05, 2 cm Scheidenriss links und rechts, Episiotomie, Naht, diffuse Blutung aus Muttermund, Raffung des Muttermundes, weitere Blutung trotz Methergin, Syntocinon, Revision in Narkose, schwallartige Blutung aus Scheidengewölbe und Episiotomie, Umstechung, Tamponade, Intensivstation, 18 Erythrozyten-Konzentrate, 8 Fresh-frozen-Plasma, Perianalhämatom sechs Tage später, Inzision, Schließmuskel defekt, Kloakenbildung, völlige Stuhlinkontinenz.
Bereits während der Wundversorgung fiel eine diffuse Blutung aus dem Bereich des Muttermundes auf, weshalb zur Blutstillung eine Raffung des Muttermundes mit mehreren Nähten durchgeführt wurde. Es wurde auch eine Infusion mit Ringerlösung und
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den Kontraktionsmitteln Syntocinon® und Methergin® sowie 500 ml Humanalbumin und weitere 500 ml Ringerlösung verabreicht. Der Blutdruck betrug systolisch zunächst nur 70, später dann 90/60 mmHg. Achtzig Minuten später kam es zu einer neuerlichen vaginalen Blutung und die Patientin war kollapsig. Es wurde der diensthabende Anästhesist zur Austastung der Gebärmutter sowie zur Spiegeleinstellung in Narkose verständigt. Bei der nun deutlich schockierten Patientin wurde in Ketalarnarkose eine Inspektion des Geburtskanals vorgenommen. Es fand sich ein gut kontrahierter Uterus, Plazentareste waren nicht auffindbar und es gab keine Anzeichen für eine Uterusruptur. Bei der Spiegeleinstellung war allerdings nun sowohl aus dem hinteren rechten und linken Scheidengewölbe eine diffuse, zum Teil aber auch schwallartige Blutung nachweisbar. Auch aus dem Dammschnitt, welcher vorher völlig blutungsfrei war, kamen jetzt schwallartige Blutungen. Daher wurde der Dammschnitt wieder geöffnet und neu versorgt. Auch die diffusen Blutungsherde im Bereich des Scheidengewölbes wurden umstochen und die Scheide tamponiert. Es wurde Blut zur Gerinnungsdiagnostik ans hauseigene Labor gesandt, wobei sich wegen des hämolytischen Blutes jedoch Schwierigkeiten ergaben. Daher wurde zusätzlich Blut an ein auswärtiges Labor versandt. Der verständigte Primararzt führte nun eine neuerliche Spiegeluntersuchung durch, wobei eine schwallartige Blutung aus dem rechten mittleren Scheidendrittel auffiel. Nach einer neuerlichen Umstechung und einer neuerlichen Tamponade kam es zu einem vertretbaren Rückgang der vaginalen Blutung. Laut Angaben des Primararztes wäre zu diesem Zeitpunkt bei der rektovaginalen Untersuchung der Mastdarm und der Schließmuskel intakt gewesen. Die Analrosette war allseits vorhanden. Die Episiotomie wäre korrekt versorgt gewesen. Von den Ärzten wurde wegen des stark hämolytischen Serums und des hämolytischen Harns (der Harn war fast schwarz), und da mittels D-Dimer-Testes Fibrinspaltprodukte im mütterlichen Serum nachgewiesen worden waren, eine Verbrauchskoagulopathie im Rahmen einer Fruchtwasserembolie vermutet. Die Patientin wurde deshalb sofort voll heparinisiert, und es wurde ein Ersatz von Gerinnungsfaktoren und AT III vorgenommen. Mit einer katecholaminpflichtigen Kreislaufsituation wurde die intubierte Patientin schließlich auf die Intensivstation verlegt. Dort erhielt sie insgesamt 18 Erythrozytenkonzentrate, 8 „fresh frozen“ Plasmakonserven und entsprechende Gerinnungsfaktoren. Sechs Tage später zeigte sich rechts von der Analöffnung eine dunkelblau verfärbte Vorwölbung, offensichtlich einem abgesacktem Hämatom entsprechend. Das wurde am folgenden Tag von einem Chirurgen unter Assistenz der Gynäkologin an der tiefste Stelle inzidiert und dabei reichlich doppelfaustgroße Hämatommassen abgesaugt. Es stellte sich heraus, dass auch der Schließmuskel bei 9.00 Uhr verletzt war. Bei der rektalen Untersuchung fand sich eine äußerst schlaffe Schließmuskelsituation. Das Hämatom reichte bis etwa 15 cm neben dem Rektum in die Höhe und wurde komplett ausgeräumt und danach wurde ein Betaisodona-Streifen eingelegt. In weiterer Folge entwickelte sich perianal eine Infektion mit septischen Fieberschüben und nach Bildung einer Dehiszenz im distalen Drittel des Dammschnittes kam es zur Ausbildung einer Kloake mit völliger Stuhlinkontinenz. Die Wunde wurde chirurgischerseits täglich nach jeder Stuhlverunreinigung mit Betaisodona gespült und mit einem Streifen ausgestopft. Die Episiotomie wurde mit Leukasekegel und BetaisodonaSalbe versorgt.
2.2 Vaginaloperative Geburt: Zange und Vakuumextraktion
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Sechs Tage nach der Inzision wurde die Patientin auf eine chirurgische Station in Wien verlegt, die auf rektumchirurgische Eingriffe spezialisiert ist. Dort wurde unter der Diagnose „perineale Sepsis mit Ausbildung einer Kloake und totaler Stuhlinkontinenz“ von einem Chirurgen eine Wundrevision und gleichzeitig von einem Gynäkologen ein noch bestehender Cervixriss von gut 2 cm im Bereich der hinteren Muttermundslippe sowie ein weiterer kleiner Cervixriss bei 12.00 Uhr versorgt. Des Weiteren wurde die Wunde im Bereich der auseinanderklaffenden Episiotomie im Bereich der Scheide versorgt, sodass keine Verbindung zwischen Scheide und Hämatomhöhle bestehen blieb. Bei einer Curettage der Gebärmutter wurden suspekte Plazentareste entfernt, die histologisch jedoch nicht als solche nachgewiesen wurden. Danach war der Uterus gut kontrahiert, die dehiszente Episiotomie bzw. Hämatomhöhle, in die sich das Rektum eröffnete, wurde offen belassen. Sodann wurde chirurgischerseits laparoskopisch eine fäkale Diversion nach Hartmann angelegt. Es wurde der Dickdarm im Bereich des Sigmas verschlossen und durchtrennt und der proximale Darmschenkel im linken Unterbauch herausgeleitet, sodass eine endständige Colostomie entstand. Der Ehemann der Patientin wandte sich an die Patienten- und Pflegeanwaltschaft des betreffenden Bundeslandes und legte dar, dass seine Frau nach zwei Monaten ihr ca. 6.000 g schweres Neugeborenes noch immer nicht heben und nicht arbeiten könne. Sein Arbeitgeber hätte kein Einsehen damit gehabt, dass seine Frau seine Hilfe benötigte und er Pflegeurlaub (und normalen Urlaub) genommen hatte. Der Ehemann hätte, bedingt durch diese Krankheit, sein Einkommen verloren. Deshalb seien seine Frau und er in ein fürchterliches Desaster geschlittert und hätten hohe Mietrückstände und laufende Kredite. Die Hilfsmittel, die seine Frau benötigte, wie Säckchen, Reinigungssachen für den Anus praeter, Vorlagen etc., würden viel Geld kosten, und von den Schmerzen wollte er gar nicht reden. Schließlich schaltete er einen Rechtsanwalt ein, der an die Haftpflichtversicherung des Krankenhauses unter der Annahme eines Verschuldens am derzeitigen Krankenbild seiner Mandanten seitens des Versicherungsnehmers sechs Monate später folgende Forderungen stellte: 1. Schmerzensgeld bis zum heutigen Tag inklusive der erheblichen seelischen Schmerzen von € 43.892. Es wurde darauf hingewiesen, dass aufgrund der bestehenden Defekte insbesondere kein Geschlechtsverkehr möglich war und auch keinerlei Sportausübung. 2. Verunstaltungsentschädigung: Aufgrund der erlittenen Verletzung hatte die Mandantin einen künstlichen Darmausgang erhalten (ob dieser rückoperiert werden kann, war fraglich). Aus diesem Titel wurde ein Betrag von € 7.315,− geltend gemacht. 3. Unterhaltsansprüche: Die Mandantin ist Hausfrau, kann jedoch keinerlei Hausarbeit selbst verrichten. Sie bedarf, ebenso wie das Neugeborene, ständiger Hilfe und Pflege durch den Ehemann. Dieser hat deshalb seine Berufstätigkeit beenden müssen. Es ergab sich ein monatlicher Unterhaltsanspruch beginnend mit November 1994 von € 53,−. 4. Sachschaden: Die Mandantin bedarf naturgemäß verschiedener Heilbehelfe, z. B Vorlagen-Säckchen für die Stuhlentleerung. 5. Ansprüche des Ehemanns, der seinen Beruf aufgeben musste und sich der Pflege seines neugeborenen Kindes und seiner Frau widmen musste: € 6.392,− Spätere
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Ansprüche bleiben vorbehalten. Aus dem Titel „entgangener Beistand im Haushalt“ wurde ein Betrag von monatlich € 183,− von August bis Dezember 1995 angesprochen. 6. Feststellungsbegehren: Da nicht abgesehen werden kann, welche Dauer- oder Spätfolgen die Mandantin aufgrund der erlittenen Verletzung davontragen wird, ist zumindest ein Verjährungsverzicht seitens des Krankenhauses für sämtliche Folgen aus diesem Vorfall bzw. ein gerichtliches Feststellungsurteil notwendig. Im Hinblick darauf, dass die finanzielle Situation der Mandanten sich durch den Vorfall erheblich verschlechtert hatte, wurde als Ersthilfe um einen Betrag von € 14.630,− ersucht.
2.2.3.2 Beurteilung / Gutachten Bei der Begutachtung elf Monate nach dem Schaden fand sich im linken Unterbauch ein gut funktionierender Anus praeter. Im Bereich des Dammes fand sich eine breite per sekundam geheilte Narbe nach Episiotomie. Im oberen Anteil war eine Schleimhautbrücke als Verbindung zwischen Mastdarm und Scheide noch bestehend. Im Rektum fand sich auf etwa 4 bis 5 cm Höhe eine Fistel zwischen dem Mastdarm und der Scheide (s. Abb. 2.38). Es stand fest, dass bei der Patientin spätestens seit der Hämatomausräumung am 17.08.1994 eine vollkommene Stuhlinkontinenz bestand. Des Weiteren, dass seit dem 26.08.1994 ein Darmausgang im linken Unterbauch bestand, durch welchen die Patientin den Stuhl entleerte. Drittens stand fest, dass weitere aufwändige Operationen notwendig waren, um den Schließmuskel wiederherzustellen und die bestehende Fistel wieder zu schließen.
Abb. 2.38: 5 mm große Rektovaginalfistel mit eingefürtem blauen Szalayspatel auf 4–5 cm Höhe als Restzustand nach perinealer Sepsis (11 Monate post partum).
2.2 Vaginaloperative Geburt: Zange und Vakuumextraktion
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Für die Begutachtung stellten sich folgende Fragen: 1. Woher kam die ursprüngliche massive Blutung? 2. Entstand diese durch eine Verletzung des Schließmuskels im Rahmen der vaginaloperativen Entbindung mittels Vakuumextraktion? 3. Kam die massive Blutung aus dem Uterus oder aus Cervix- und Scheidenrissen? 4. Zu welchem Zeitpunkt wurde der Schließmuskel des Mastdarms beschädigt? Erfolgte dies zum Zeitpunkt der Vakuumextraktion oder zum Zeitpunkt der Zweitoperation im Rahmen der Hämatomausräumung? In diesem Fall lagen sowohl Hinweise dafür vor, dass es sich primär um eine atonische Blutung gehandelt haben könnte. Es gab allerdings auch eindeutige Evidenz für Blutungen aus Vaginalrissen, Cervixrissen und der Episiotomie. Es musste davon ausgegangen werden, dass sowohl eine Blutung aus dem Uterus als auch aus dem Scheidengewölbe bzw. aus Scheidenrissen bestanden hatten, die jeweils versorgt wurden. Schließlich hat auch die Episiotomie massiv geblutet. Nicht auszuschließen war, dass es im Rahmen der Vakuumextraktion zu einer Verletzung des Sphinkters ani mit Blutung gekommen war. Aufgrund der vorliegenden Unterlagen war nicht eindeutig zu entscheiden, ob und welche einzelne Ursache die Blutung hervorgerufen hatte. Wahrscheinlich war es sowohl die Blutung aus dem Uterus als auch aus den Scheiden- und Cervixrissen, da bei der Nachoperation noch ein Cervixriss beschrieben wurde. Es steht fest, dass es bei einem größeren akuten Blutverlust immer zu einer sogenannten Verbrauchskoagulopathie bzw. Verlustkoagulopathie kommt und dass dann aufgrund der Gerinnungsstörung des Blutes bestehende Blutungen noch weiter verstärkt werden bzw. neue auftreten können. Ob eine fragliche Fruchtwasserembolie für die disseminierte Intravasale Koagulation (DIC) verantwortlich war, wie es im Intensivpflegebericht stand, war spekulativ. Für die Entstehung des hier vorliegenden infralevatoriellen Hämatoms war zweifelsohne die operative Entbindung mittels Vakuumextraktion und die danach folgende Blutung ursächlich. Warum sich die Chirurgen hier sofort zu einer Hämatomausräumung entschlossen hatten blieb unklar, da keine Verdrängungserscheinungen beschrieben wurden. Bei dieser Operation wurden dann beträchtliche Hämatommassen abgesaugt (doppeltfaustgroß) und inspektorisch und palpatorisch festgestellt, dass der Schließmuskel bei 9.00 Uhr verletzt war. Somit stand fest, dass bei der Patientin ab dem Zeitpunkt der Hämatomausräumung offensichtlich aufgrund der Durchtrennung des Schließmuskels eine totale Stuhlinkontinenz bestand. Es wurde gutachtlich festgehalten, dass wohl niemand im Nachhinein feststellen konnte, ob der Schließmuskelschaden primär als Folge der Vakuumextraktion und der Entwicklung des großen Kindes bei der Geburt oder sekundär im Rahmen der Hämatomausräumung entstanden war. Diskutiert wurde auch die Möglichkeit, dass es primär zu einer Blutung im Bereich des Schließmuskels gekommen war, wodurch dieser so geschädigt wurde, dass er nicht mehr funktionsfähig war. In der weiteren Folge kam es dann zur Dehiszenz der Episiotomie und zur Ausbildung einer Kloake. Aufgrund der Kontamination des gesamten Wundbereiches mit den Stuhlkeimen kam es zu einer ausgedehnten Infektion des gesamten Vulva-Dammbereiches, sodass im Zweitkrankenhaus von einer perinealen Sepsis gesprochen wurde. Die-
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se machte auch die Stuhlableitung durch einen seitlichen Darmausgang notwendig. Zum Zeitpunkt der Begutachtung waren die Verhältnisse im Vulva-Dammbereich weitgehend bland und es bestand eine etwa 5 mm große Fistel zwischen Scheide und Mastdarm (s. Abb. 2.38). Beantwortung des Fragenkatalogs 1. Welche Einschätzung besteht bezüglich Verletzungsausmaß und Heilungsverlauf? Das Verletzungsausmaß, welches als Folge der geburtshilflichen Operation auftrat, wurde als schwer bezeichnet. Der Heilungsverlauf war äußerst verzögert und protrahiert, da bei der Patientin ein seitlicher Darmausgang weiter bestand und der anale Schließmuskel funktionsunfähig war. Es war klar, dass weitere aufwändige proktologische Eingriffe notwendig sein werden, um diese Situation zu beheben bzw. zu verbessern. 2. Wie groß ist die Dauer und das Ausmaß der Berufsunfähigkeit und der künftigen Minderung der Erwerbsfähigkeit? Eine Berufsunfähigkeit der Patientin war insofern nicht gegeben, da sie lediglich im Haushalt tätig war und die deutsche Sprache nicht beherrschte. Es bestand jedoch kein Zweifel darüber, dass für den Fall einer möglichen Berufstätigkeit eine Minderung der Erwerbsfähigkeit gegeben ist, solange der seitliche Darmausgang besteht. 3. Erfolgte die Entbindung im Krankenhaus und insbesondere das Schneiden und die Versorgung der Episiotomie lege artis? Die Entbindung im Krankenhaus und insbesondere das Schneiden und die Versorgung der Episiotomie erfolgten lege artis. Es wurde festgehalten, dass es sich bei einer derartig lebensbedrohlichen Blutung um einen äußerst dramatischen Zwischenfall handelt, welcher hier insbesondere durch die Intensivmediziner quoad vitam, also was das Überleben betrifft, gut behandelt wurde. Wie ausgeführt, gibt es eine Fülle von Faktoren, die zu derartig schweren Blutungen führen können, an deren Ende letztlich immer eine Blutgerinnungsstörung (Verbrauchskoagulopathie) steht, welche das Zustandsbild noch weiter verschlechtert. 4. Wurde anlässlich der Entfernung des Hämatoms lege artis vorgegangen? Ob chirurgischerseits anlässlich der Entfernung des Hämatoms lege artis vorgegangen wurde, war vom geburtshilflichen Sachverständigen nicht eindeutig zu entscheiden. Es konnte nicht ausgeschlossen werden, dass die endgültige Läsion des Schließmuskels im Rahmen dieser Operation erfolgt war. Der Primararzt der geburtshilflichen Abteilung behauptete jedenfalls, dass der Sphinkter vor der Operation intakt war. 5. Gibt es insgesamt betrachtet Anhaltspunkte für einen im Krankenhaus gesetzten Behandlungsfehler? Für einen im Krankenhaus gesetzten Behandlungsfehler gab es dann einen Anhaltspunkt, wenn man davon ausging, dass die Verletzung des Schließmuskels der Operation der Hämatomausräumung zuzuordnen war. 6. Welche Einschätzung besteht bezüglich der Dauer und Intensität der Schmerzen, soweit diese über die Schmerzen bei einer normalen Geburt hinausgehen. Dauer und Intensität der Schmerzen waren zum Zeitpunkt der Begutachtung noch nicht abzuschätzen, da sich die Patientin einer Reihe weiterer Operationen unterziehen musste. Es stand fest, dass sie vom 9. bis zum 23. 08. 1994 im ersten Kran-
2.2 Vaginaloperative Geburt: Zange und Vakuumextraktion
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kenhaus und von 23. 8. bis zum 10. 09. 1994 im zweiten Krankenhaus hospitalisiert war. 7. Welche Dauerfolgen sind zu erwarten? Endgültige Dauerfolgen waren ebenfalls noch nicht absehbar, da ja noch keineswegs sicher war, ob es gelingen wird, den analen Schließmuskel wieder so zu rekonstruieren, dass er voll funktionsfähig ist. Aufgrund der spezifischen Fragestellung wurde zur weiteren chirurgischen Begutachtung ein Experte aus dem Fachgebiet der Proktologie bzw. Rektumchirurgie empfohlen. Bei der Patientin wurde noch im September 1995 unter der Diagnose „fäkale Inkontinenz, perineale Kloakenbildung“ von den Gynäkologen eine Dammplastik durch Levatorraffung und Vaginalwandverschiebung und von den Chirurgen eine Formierung eines tubulären Analkanals durch Mucosaverschiebung durchgeführt sowie eine Sphinkter externus-Plastik und ein lokaler Hautverschiebelappen eingefügt. Im April 1996 wurde unter der Diagnose „Z. n. laparoskopischer fäkaler Diversion nach Hartmann und Z. n. Schließmuskelrekonstruktion“ die laparoskopisch assistierte intestinale Rekonstruktion vorgenommen. Offensichtlich waren die Operationen erfolgreich, da die Patientin die Ambulanz zuletzt 2001 aufgesucht hatte.
2.2.3.3 Verfahrensausgang Im Rahmen einer Sitzung der Schiedsstelle der Ärztekammer des betreffenden Bundeslandes wurde nach Erörterung die Haftung prinzipiell anerkannt. Nach einer zweimaligen Auszahlung von € 14.630,− und € 7.315,− durch die Haftpflichtversicherung des Krankenhauses kam es etwa zwei Jahre nach dem Schaden zu einer Abfindungserklärung in Höhe von insgesamt € 47.549,−.
2.2.3.4 Resümee Dieser Fall einer massiven Blutung nach vaginaloperativer Entbindung mit Vakuumextraktion und Ausbildung eines hämorrhagischen Schocks, einer Verbrauchskoagulopathie und einem ausgedehnten perianalen Hämatom zeigt in dramatischer Weise erneut, wie risikoanfällig die Geburtshilfe sein kann. Im Prinzip wurde die lebensbedrohliche Blutung von den Geburtshelfern und Intensivmedizinern gut beherrscht. Zu welchem Zeitpunkt es zur Läsion des Sphinkters ani externus gekommen war, war im Nachhinein gutachtlich nicht mit der nötigen Sicherheit festzustellen. Möglicherweise passierte dies bei der operativen Hämatomausräumung. Nicht auszuschließen war jedoch, dass auch die vaginaloperative Entbindung mit Vakuumextraktion zu einer Sphinkterschädigung geführt hatte. Nach der Hämatomausräumung kam es zu einer Kloakenbildung und zu einer perianalen Sepsis. Es musste ein seitlicher Darmausgang im linken Unterbauch für die Zeit von insgesamt 20 Monaten angelegt werden. Danach wurde eine aufwändige Schließmuskel-Rekonstruktion und der Aufbau des Dammes durchgeführt. Die Patientin ließ sich zwei Monate nach Rückoperation des Anus praeter von der Haftpflichtversicherung des Krankenhauses mit € 47.549,− abfinden, nachdem sie bereits € 21.945,− erhalten hatte.
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Literatur De Lancey JOL. Childbirth, Continence, and the pelvic floor. N. Engl. J. Med. 1993; 329: 1956– 1957. DGGG. Diagnostik und Therapie peripartaler Blutungen. In: DGGG. Leitlinien der Gynäkologie und Geburtshilfe, Band III, Pränatalmedizin, Geburtsmedizin. Berlin: Verlag S. Kramarz, 2010: 147–169. DGGG. Vaginal-operative Entbindungen. In: DGGG. Leitlinien der Gynäkologie und Geburtshilfe, Band III, Pränatalmedizin, Geburtsmedizin. Berlin: Verlag S. Kramarz, 2010: 245–255. Dudenhausen JW. Praktische Geburtshilfe mit geburtshilflichen Operationen, 21. Aufl. Berlin, New York: De Gruyter, 2011: 351–360. Künzel W. Operative vaginale Entbindungsverfahren: Indikation, Vorbedingungen und Durchführung. In: Künzel W (Hrsg). Klinik der Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Geburt I, 4. Aufl. München, Jena: Urban und Fischer, 2003: 227–242. Sultan AH, Kamm MA, Hudson CN, Chir M, Thomas JM, Bartram CI. Anal-Sphincter disruption during vaginal delivery. N. Engl. J. Med. 1993; 329: 1905–1191. Vorherr H. Puerperale Komplikationen, Blutungen postpartum. In: Käser O, Friedberg V, Ober KG, Thomsen K, Zander J. Gynäkologie und Geburtshilfe, Band II, Teil 2, Schwangerschaft und Geburt 2. Stuttgart: Thieme, 1981: 1710 –1712. Weitzel HK, Hopp H. Vaginal-operative Entbindung. In: Schneider H, Husslein P, Schneider KTM,(Hrsg) Geburtshilfe. Berlin, Heidelberg, New York: Springer, 2000: 453–467. Zahradnik HP, Kenkes-Martthes B. Blutungen, erworbene Koagulopathien und Schock unter der Geburt. In: Künzel W (Hrsg). Klinik der Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Geburt II, 4. Aufl. München, Jena: Urban und Fischer, 2003: 22–42.
2.3 Beckenendlage
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2.3 Beckenendlage Die geburtsmechanischen Bedingungen bei der Beckenendlage (s. Abb. 2.39 bis 2.42) sind grundsätzlich ungünstiger als bei der Schädellage. Nach den meisten Statistiken stellt die vaginale Entbindung aus Beckenendlage eine höhere fetale Belastung dar als der primäre Kaiserschnitt. Statistiken, welche nicht den Fehler zu geringer Fallzahlen aufweisen, zeigten, dass vaginal geborene Beckenendlagen-Kinder eine doppelt so hohe Sterblichkeit aufweisen wie mit Kaiserschnitt entbundene Kinder (Faktor 1,9). Nach Elimination weiterer Komplikationen, wie Blutungen vor der 28. SSW und Nabelschnurvorfall, hat die vaginale Entbindung sogar ein 4,3-fach höheres Risiko als der Kaiserschnitt (Berg, 1992 und Kiely, 1991, zitiert bei Hickl). So wurden in Deutschland bereits Mitte der 90er Jahre 90 % der Beckenendlagen bei Erstgebärenden per Schnittentbindung entbunden, bei Mehrgebärenden waren es 70 %.
Abb. 2.39: Reine Steißlage (extended legs) (aus Dudenhausen, Joachim W.: Praktische Geburtshilfe. 21., erweiterte Aufl. Berlin, Boston: De Gruyter 2011).
Abb. 2.40: Vollkommene Steißfußlage (aus Dudenhausen, Joachim W.: Praktische Geburtshilfe. 21., erweiterte Aufl. Berlin, Boston: De Gruyter 2011).
Abb. 2.41: Vollkommene Fußlage (aus Dudenhausen, Joachim W.: Praktische Geburtshilfe. 21., erweiterte Aufl. Berlin, Boston: De Gruyter 2011).
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Abb. 2.42: Unvollkommene Fußlage (aus Dudenhausen, Joachim W.: Praktische Geburtshilfe. 21., erweiterte Aufl. Berlin, Boston: De Gruyter 2011).
Die Gefahren für das Kind bei der Geburt aus Beckenendlage resultieren aus der Verzögerung des Geburtsverlaufs, der ausbleibenden bzw. überstürzten Konfiguration des Kopfes und, in erster Linie, dem unter der Geburt zunehmenden Sauerstoffmangel ab der Geburt des Schultergürtels (s. Abb. 2.43). Des Weiteren sind die im Falle hochgeschlagener Beine (extended legs) zusätzlich erschwerte Abbiegung des Rumpfes nach seitwärts, die geringere Dehnung des Weichteilkanals, wie bei Fußlage, sowie eine hyperreflektorische Wehenschwäche durch den vorangehenden, im Gegensatz zum Kopf unregelmäßigen und weichen Steiß, zu nennen, die den Geburtsverlauf verzögern. Ohne vorheriger Konfiguration wird der nachfolgende kindliche Kopf während des Durchtritts jäher Kompression und nach dem Austritt ebensolcher sogenannter Dekompression ausgesetzt. Beide, Kompression und Dekompression, können die Ursache intrakranieller Blutungen sein. Typisch für die Dekompression sind ein Tentoriumriss, eine Sinusblutung und / oder ein Riss der Falx cerebri. Unter der Geburt kann sich als Folge der immer kleiner werdenden plazentaren Haftfläche und der zuletzt durch den Kristeller’schen Handgriff stark exprimierten Plazenta, vor allem aber durch das Komprimiertwerden der Nabelschnur, ein zunehmender fetaler Sauerstoffmangel ausbilden. Es kann hierbei zwischen der obligaten Nabelschurkompression und einer, dieser vorangehenden, potenziellen Nabelschnurkompression unterschieden werden. Die obligate Nabelschnurkompression erfolgt mit dem Eintritt des nachfolgenden Kopfes zwischen diesem und der knöchernen Beckenwand. Der Beginn dieses für das Kind gefahrenvollen Abschnittes des Geburtsverlaufes fällt zeitlich mit dem Sichtbar-
Abb. 2.43: Bei Geburt des Steißes droht der kindliche Erstickungstod (aus Dudenhausen, Joachim W.: Praktische Geburtshilfe. 21., erweiterte Aufl. Berlin, Boston: De Gruyter 2011).
2.3 Beckenendlage
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oder Tastbarwerden des Unterrandes des Schulterblattes der vorderen Schulter bzw. dem Sichtbarwerden des kindlichen Nabels zusammen. Der obligaten kann eine potenzielle, mehr oder weniger ausgeprägte, in bis zu 10 % der Fälle sogar massive, Nabelschnurkompression, schon am Ende der Eröffnungs- oder am Beginn der Austreibungsperiode vorangehen; insbesondere bei Vorliegen der Nabelschnur. Spätestens dann, wenn der vorangehende Teil, der Steiß oder Steiß und Füße am Beckenboden angelangt sind, muss mit einer kompressionsbedingten Hypoxie gerechnet werden. Diese äußert sich in Herzfrequenzalterationen sowie CTG-Veränderungen und sinkenden pH-Werten im kapillaren Blut des vorangehenden Beckenendes. Sicher ist, dass im Falle vaginaler Geburtsbeendigung auf eine derart potenzielle, die obligate Nabelschnurkompression folgt und dadurch die respiratorische Azidose als Parameter der Hypoxie in Dauer und Ausmaß zunimmt (Schaller, 1989). Diagnostisches Vorgehen und Schwangerenberatung bei Beckenendlage Die Diagnose Beckenendlage ist unabhängig von der Anzahl der vorangegangenen Geburten erst ab der 28. SSW von klinischer Relevanz. Meist wird die Diagnose bei der in Österreich zwischen der 30. und 33. SSW durchzuführenden dritten Ultraschalluntersuchung gestellt. Die Ultraschalluntersuchung sollte folgende Befunde erheben: ● ● ● ●
Reine Steißlage (extended legs), vollkommene / unvollkommene Fußlage oder Steiß-Fußlage, vollkommene / unvollkommene Knielage, fetale Größenmessung: Biparietaler Durchmesser, frontooccipitaler Durchmesser, Kopfumfang, abdomino-transversaler Durchmesser, Femurlänge, ● Plazentalokalisation. Klinisch soll durch eine Beckenaustastung festgestellt werden, ob das Promontorium der Mutter erreichbar ist (Ausschluss eines verengten mütterlichen Beckens) (s. Abb. 2.44). Anlässlich der Schwangerenberatung wird die Schwangere über die müt-
Abb. 2.44: Beckenaustastung. Der Mittelfinger erreicht nicht das Promontorium! Das Becken kann im BE nicht verengt sein (aus Dudenhausen, Joachim W.: Praktische Geburtshilfe. 21., erweiterte Aufl. Berlin, Boston: De Gruyter 2011).
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terlichen und kindlichen Risiken einer vaginalen Beckenendlagengeburt sowie über die Risiken einer Geburt mittels Kaiserschnitt aufgeklärt (Feige et al., 1996). Risiken bei der Beckenendlagengeburt Bei der Beurteilung der Risiken einer Beckenendlagengeburt muss zwischen kindlichen und mütterlichen Risiken unterschieden werden. Bei den kindlichen Risiken ist weiterhin zu differenzieren, ob die Schwangerschaft über 37 SSW besteht und ob zusätzlich befundete mütterliche oder kindliche Schwangerschaftsrisiken vorliegen. Das mütterliche Morbiditäts- und Mortalitätsrisiko bei vaginalem Vorgehen ist vernachlässigbar gering und unterscheidet sich nicht von den Risiken einer Spontangeburt aus Schädellage. Bei Durchführung eines Kaiserschnittes liegt es jedoch 5- bis 8-mal höher als bei einer Spontangeburt. Das kindliche Mortalitätsrisiko bei vaginalem Vorgehen lege artis ist zwar gering (Feige et al., 1996), aber nicht zu vernachlässigen (Berg, 1994). Günstige und ungünstige Faktoren für die vaginale Beckenendlagenentbindung Bei der Behandlung der Beckenendlage wird zwischen günstigen und ungünstigen Voraussetzungen unterschieden. Günstige Faktoren: ● ● ● ● ●
Ein Schwangerschaftsalter von 36 bis 38 SSW, ein geschätztes Kindsgewicht von 2.500 bis 3.200 g, ein Höhenstand des vorliegenden Kindsteils von wenigstens –1 bei Wehenbeginn, eine weiche, dehnbare, auf etwa 3 cm eröffnete Cervix, ein gynäkoides und antropoides weiträumiges Becken.
Als günstig erweist sich auch eine vorangehende Geburt aus Beckenendlage mit einem Kindsgewicht von mehr als 3.200 g oder aus Schädellage mit einem Kindsgewicht von mehr als 3.600 g. Ungünstige Faktoren: ● Ein Schwangerschaftsalter über der 38. SSW, ● ein geschätztes Kindsgewicht von mehr als 3.200 g, ● ein Höhenstand des vorangehenden Kindsteils von –2 oder darüber bei Wehenbeginn, ● derbe, straffe, nicht dehnbare bzw. nicht eröffnete Cervix und ein androides, enges Becken. Als ungünstig erweist sich auch der anamnestische Hinweis auf vorangegangene, schwierige vaginale Entbindungen bzw. wenn überhaupt noch keine vaginale Geburt vorangegangen ist. Weitere ungünstige Faktoren: ● ● ● ●
Eine unvollständige Steiß-Fußlage, eine vollständige Fußlage, Knielagen mit der Gefahr des Nabelschnurvorfalls, allenfalls eine röntgenologische Überstreckung des Kopfes.
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Das Risiko der vaginalen Beckenendlagengeburt – zumindest bei Mehrgebärenden – kann durch eine sorgfältige Auswahl der Fälle, bei denen eine vaginale Entbindung angestrebt werden kann, und durch optimale Bedingungen für die Entbindung verringert werden (Richtlinien der deutschen Gesellschaft für Perinatal-Medizin 1984, Standardkommission Beckenendlage). Vorbedingungen für vaginale Beckenendlagengeburten (u. a.) ● ● ● ● ●
Strenge Selektion der zur vaginalen Geburt zugelassenen Beckenendlagen-Kinder, Zentralisation auf besonders ausgestattete Kliniken, ausreichende Aufklärung und Einwilligung der Schwangeren, ständige Anästhesie und Sectio-Bereitschaft, Geburtsleitung durch erfahrene Geburtshelfer und Anwesenheit des Neonatologen.
Folgende Vorbedingungen für eine vaginale Geburt aus Beckenendlage bei reifen Neugeborenen (37 SSW und mehr) definiert die deutsche Gesellschaft für PerinatalMedizin 1984 (Standardkommission Beckenendlage): 1. Ein Missverhältnis ist auszuschließen. Hier wird empfohlen, die Größe des Kindes, insbesondere des Kopfes, klinisch sowie ultrasonographisch so exakt wie nur möglich zu erfassen. Empfohlen wurde, mindestens zwei Schädelmaße und den Kopfumfang oder mindestens zwei Rumpfdurchmesser zu ermitteln. Des Weiteren wurde empfohlen, dass sich der Geburtshelfer über die Zuverlässigkeit der von ihm benutzten Untersuchungstechniken und über seine Kompetenz in der Beurteilung der erhobenen Befunde sorgfältig Rechenschaft ablegen soll. Kinder über 3.500 g sollten einer Schnittentbindung zugeführt werden. 2. Reine Fußlagen sollten ebenfalls einer Schnittentbindung zugeführt werden. 3. Eine Hyperextension des Kopfes ist im Ultraschall oder Röntgen auszuschließen. 4. Bei langwieriger vaginaler Geburt ist die Indikation zu einer sekundären Sectio großzügig zu indizieren. 5. Bei Zusatzkriterien (Diabetes, Plazentainsuffizienz, pathologisches CTG) ist die Sectio ebenfalls großzügig zu indizieren. 6. Bei schweren Missbildungen sollte eine vaginale Entbindung angestrebt werden. Des Weiteren wurden Richtlinien für die Geburtsleitung erarbeitet, die folgende Empfehlungen vorsehen: Richtlinien für die Durchführung einer vaginalen Geburt aus Beckenendlage 1. Venöser Zugang. 2. Ständige Anästhesie- und Sectio-Bereitschaft. Eine Leitungsanästhesie zur Entspannung des Beckenbodens, für die sofortige Notoperation sowie zur Vermeidung der Nachteile der Notfall-Allgemeinnarkose (Aspiration) wird empfohlen. Die Schmerzbetäubung sollte immer vor der letzten Austreibungswehe erfolgen. 3. Die Fruchtblase sollte möglichst lange erhalten werden (CTG-Ableitung extern, erst danach internes CTG). 4. In der Pressphase sollten Wehenmittel verabreicht werden.
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5. Der Steiß sollte zurückgehalten werden, damit das Kind möglichst in einer Wehe entwickelt werden kann. 6. Großer Dammschnitt. 7. Großzügige sekundäre Sectio, auch in der Austreibungsphase. 8. Extraktion hat höhere kindliche Morbidität als Sectio. 9. Bei kleinen Frühgeborenen bei Sectio eventuell Längsschnitt. Vaginale Entbindung bei Beckenendlage heute Die perinatale Sterblichkeit bei vaginaler Beckenendlagengeburt ist 3- bis 6-mal höher als bei vaginaler Geburt aus Schädellage. Die Erhöhung der kindlichen Mortalität geht insbesondere zulasten der erhöhten peripartalen Asphyxie, die 5- bis 10-mal häufiger ist als bei Schädellagengeburten, sowie häufigerer fetaler Traumatisierung bei der Geburt des nachfolgenden Kopfes. Diese Gefahren drohen Frühgeburten überproportional häufig. Nach Hermsteiner und Künzel (2003) sollten folgende personelle und apparative Voraussetzungen zur Durchführung vaginaler Beckenendlagengeburten gegeben sein: ● Ein geübtes geburtshilfliches Team von zwei bis drei Ärzten, davon mindestens ein Fach- oder Oberarzt, die ständig in der Klinik anwesend sind, ● eine 24-stündige anästhesiologische Präsenz, ● eine 24-stündige neonatologische Präsenz, ● eine Entscheidungs-Entbindungszeit (E-E-Zeit) unter 20 Minuten, ● eine kontinuierliche CTG-Registrierung unter der Geburt, ● die Möglichkeit der Mikroblutuntersuchung und / oder Oxykardiotokographie sowie Ultraschall unter der Geburt. Für die Mutter birgt die vaginale Beckenendlagengeburt eine erhöhte Gefahr von Infektionen während und nach der Geburt. Die fehlende Anpassung des vorangehenden Teils des Kindes an das untere Segment der Gebärmutter kann unkoordinierte Wehentätigkeit mit verzögertem Geburtsverlauf und allen entsprechenden begleitenden Risiken zur Folge haben. Die vaginalen Manipulationen bei der Beckenendlagengeburt können Verletzungen des unteren Gebärmuttersegmentes, des Gebärmutterhalses, der Scheide und des Dammes mit der Gefahr von Blutungen und Infektionen nach sich ziehen. Das Behandlungsprinzip bei der vaginalen Beckenendlagenentbindung besteht in der Abkürzung der zeitlichen Limitierung der Phase der obligaten Nabelschnurkompression auf höchstens fünf Minuten durch die sogenannte Manualhilfe (auch halbe Extraktion, d. h. assistierte Geburt). Therapeutische Alternativen sind die Umwandlung der Beckenendlage in eine Schädellage durch die sogenannte terminnahe äußere Wendung und die Umgehung des Geburtskanals mittels Kaiserschnitt. Während der Eröffnungsphase ist das geburtshilfliche Vorgehen streng abwartend. Zur schnelleren Behandlung von Komplikationen soll stets ein venöser Zugang geschaffen und Anästhesie- und Sectio-Bereitschaft obligatorisch sein. Während der gesamten Eröffnungsphase des Muttermundes ist die kontinuierliche und sorgfältige Überwachung des Fetus durch die Kardiotokographie essenziell. Eine Blasensprengung soll in der Eröffnungsphase unterbleiben, deshalb muss die Überwachung mittels Kardiosonographie solange wie möglich extern erfolgen. Wird die Wehentätigkeit regel-
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mäßig und kräftig, so sollte eine Leitungsanästhesie, in der Regel eine Katheterperidural-Anästhesie, durchgeführt werden. Die Vorteile bestehen in der vollständigen Entspannung der Patientin durch steuerbare Schmerzfreiheit während des gesamten Geburtsverlaufes und in der Fähigkeit der Patientin, in der Austreibungsphase aktiv mitzuwirken, durch Entspannung des Beckenbodens und somit Erleichterung der Manualhilfe. Sie ist gleichzeitig Vorbereitung für einen eventuell durchzuführenden Kaiserschnitt, ermöglicht sofortige Notoperationen und dient der Vermeidung von Nachteilen durch Notfall-Allgemeinanästhesie (z. B. durch Aspiration). Die Leitungsanästhesie sollte deshalb für einen Versuch der vaginalen Beckenendlagenentbindung obligatorisch sein (Kirschbaum et al., 1996). Während der Periode des Tiefertretens wird ein großer Teil der Indikationen zur sekundären Sectio gestellt. Tritt der Steiß trotz guter Wehentätigkeit bei vollständigem Muttermund nicht tiefer in das Becken ein oder fehlt die vollständige Eröffnung des Muttermundes bei protrahiertem Geburtsverlauf, so sollte von einem Versuch einer vaginalen Entbindung abgesehen werden. Ebenso wird der Versuch einer vaginalen Entbindung abgebrochen, wenn in der Periode des Tiefertretens bereits regelmäßige wehenabhängige Dezelerationen im CTG erscheinen und eine Beendigung der Geburt nicht absehbar ist. In jeder Phase der Geburt muss die Möglichkeit gegeben sein, ohne Zeitverlust vom vaginalen Vorgehen auf eine Schnittentbindung umzusteigen. Dies gilt selbstverständlich auch für den Fall, dass der Steiß bereits schon auf dem Beckenboden steht. Zusätzliche Komplikationen können jederzeit durch Nabelschnurvorfall oder Kompression und daraus resultierende konsekutive Azidose des Fetus eintreten. Die ganze Extraktion in einer solchen Situation muss unbedingt vermieden werden. Nach Feige et al. (1996) provozieren das geistige Unvermögen des Geburtshelfers und / oder die fehlenden apparativen und personellen Voraussetzungen, trotz einer fetalen Gefährdung vom einmal begonnenen vaginalen Weg abzugehen, schlimme kindliche Schäden. Bei sofortiger Wehenhemmung und anschließender Notsectio ist trotz manifester Azidose die Morbidität für den Fetus geringer, als bei einer in dieser Situation erfolgenden forcierten vaginalen Entbindung. Je weniger der genannten Voraussetzungen von einer Geburtsklinik vorgehalten werden, umso mehr wird der Arzt die Frau auf die Notwendigkeit einer Schnittentbindung hinweisen müssen (Feige et al., 1996). Kaiserschnittentbindung bei Beckenendlage Bei der Schnittentbindung sind es vorwiegend Operationsrisiken, die die Mutter belasten. Das kindliche Risiko wird zwar durch die Schnittentbindung minimiert, kann allerdings nicht gänzlich ausgeschaltet werden (Hermsteiner und Künzel, 2003). Die Schwangere sollte vor der Geburt über die kindlichen und mütterlichen Risiken der vaginalen Entbindung bzw. der Kaiserschnittentbindung aufgeklärt werden. Durch die Schnittentbindung lässt sich das Risiko des Sauerstoffmangels und der Azidose, von Traktion und Torsion, sowie von plötzlicher Kompression und Dekompression weitgehend ausschalten. Durch kardiotokographisch und blutgasanalytisch überwachte sowie durch Wehenmittel gesteuerte Beckenendlagen-Geburt auf natürlichem Weg kann das Hypoxie- und Azidoserisiko zwar erkannt, während der Eröffnungsperiode noch durch eine Schnittentbindung ausgeschaltet werden, zum Zeit-
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2 Therapiefehler
punkt der beginnenden Austreibung aber nicht mehr verhindert werden. Als therapeutische Konsequenz ergibt sich daraus eine großzügige Indikationsstellung zur Schnittentbindung. Es darf aber nicht übersehen werden, dass das mütterliche Morbiditäts- und Mortalitätsrisiko bei einer Schnittentbindung höher ist als bei einer normalen Geburt. Indikationen zur primär elektiven Schnittentbindung bei Beckenendlage ● Fehlendes Einverständnis der Schwangeren zum vaginalen Entbindungsversuch. ● Fehlende Möglichkeit zur Peridural-Anästhesie. ● Bei Zwillingen: Erster Zwilling in Beckenendlage, aufgrund der Gewichtsschätzung kleiner als zweiter Zwilling. ● Alle übrigen Indikationen, die auch bei Schädellageneinstellung zur primären Kaiserschnittentbindung führen. ● Sekundäre Kaiserschnittentbindung, wie bei Schädellageneinstellung, z. B. pathologisches CTG, fehlender Geburtsfortschritt etc. (Feige et al., 1996). Absolute und relative Sectio-Indikationen bei Beckenendlage Bei den Indikationen zur Schnittentbindung muss zwischen absoluten und relativen Sectio-Indikationen unterschieden werden (Schaller, 1989). Absolute Sectio-Indikationen: ● Plazenta praevia, ● Beckenverengung, ● drohende intrauterine Asphyxie in der Eröffnungsperiode (Spätdezelerationen, pHWert im präpathologischen oder pathologischen Bereich), ● Präeklampsie, ● primäre Wehenschwäche, ● Nabelschnurvorfall. Relative Sectio-Indikationen: ● Erstgebärende, besonders ältere und alte Erstgebärende, ● dringender Kinderwunsch mit Sterilitätsanamnese, ● Totgeburten, ● vorzeitiger Blasensprung, ● sekundäre Wehenschwäche, ● Frühgeburten zwischen der 29. und 33. SSW, ● Spätgeburten (Übertragung), ● hyperextendierter Kopf, ● familiär gehäufte auftretende Hüftgelenksluxation, ● Diabetes mellitus. Extended legs Die sogenannte einfache Steißlage, also diejenige mit beiden hochgeschlagenen Beinen (extended legs), ist mit 66 % am häufigsten vertreten. Die Beine schienen dabei den Rumpf des Kindes und behindern dessen erforderliche Abbiegung nach der Seite
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entsprechend dem Verlauf der Führungslinie. Die daraus resultierende Haltungsspannung sowie die wiederum daraus resultierende Bestrebung nach Spannungsauflösung führt dazu, dass der Steiß nach jeder Wehe die Tendenz hat, in das kleine Becken hinauf zurückzuweichen. Beckenverengungen Unter einer Beckenverengung versteht man die erschwerte und daher verzögerte bzw. unmögliche und daher zum Stillstand gekommene Geburt infolge einer Normabweichung des knöchernen Geburtskanals. Die Pathologie des knöchernen Beckens hat in der klassischen Geburtshilfe breiten Raum eingenommen, pathologische Beckenformen aufgrund von Mangelerkrankung (Vitamin D-Mangel) sind jedoch heute überaus selten geworden. Unterschieden werden eine Vielzahl von Verengungen sowohl des Beckenein- als auch des Beckenausgangs. Bei sorgfältiger Schwangerenbetreuung darf ein enges Becken unter der Geburt keine Überraschung darstellen. Die Röntgendiagnostik des Beckens, aber auch die Ultraschallbeckenmessung und die Biometrie des Kindes, stehen am Übergang von der rein anatomischen zur funktionellen Beckendiagnostik. Aufgabe letzterer ist das rechtzeitige Erkennen eines relativen Schädel-Becken-Missverhältnisses. Unter diesem versteht man die Gegebenheiten des für einen kindlichen Kopf von bestimmtem biparietalen Durchmesser bzw. Steiß zu kleinen mütterlichen Beckens. Prinzipiell soll bei der Erstgebärenden die Conjugata vera des mütterlichen Beckens mindestens um 15 mm größer sein als der biparietale Schädeldurchmesser des Kindes. Die Conjugata vera ist die Linie, die das Promontorium, den am weitesten vorspringenden knöchernen Punkt der Wirbelsäule, mit dem am weitesten nach innen vorspringenden Punkt der Schamfuge verbindet. Als Raumdiagonale des Beckeneingangsraums ist die Conjugata vera von größter praktischer Bedeutung (Pschyrembel, 1973). Aus allen Untersuchungen über die Röntgenbeckenmessung geht hervor, dass für eine vaginale Geburt aus Beckenendlage normale oder große Beckenmaße verlangt werden müssen. Grenzwertige Becken sind nach heutiger Auffassung eine Indikation für eine Schnittentbindung. Es muss jedoch betont werden, dass auch normale Beckenmaße keine Garantie für eine unkomplizierte vaginale Geburt darstellen. Fetale Faktoren, wie das Kindsgewicht, die Kopf- und Schultermaße, eine Überstreckung des Kopfes oder Nabelschnurprobleme spielen eine ebenso wichtige Rolle. Ohne Zweifel lässt sich sagen, dass pathologische Beckenmaße eine Schnittentbindung indizieren, normale Beckenmaße jedoch keine optimale vaginale Geburt garantieren (Ramzin und Stamm, 1981). Auch in den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) wird im „Bericht der Standardkommission“ (2010) als Vorbedingung für eine vaginale Geburt aus Beckenendlage verlangt, dass ein Missverhältnis auszuschließen ist. Es wird empfohlen, die Größe des Kindes, insbesondere die des Kopfes, klinisch und ultrasonographisch so exakt wie möglich zu erfassen. Empfohlen wird, mindestens zwei Schädelmaße und den Rumpfumfang oder mindestens zwei Rumpfdurchmesser zu ermitteln. Der Geburtshelfer soll sich des Weiteren über die Zuverlässigkeit der von ihm benutzten Untersuchungstechniken und über seine Kompetenz in der Beurteilung der erhobenen Befunde sorgfältig Rechenschaft ablegen. Alle Methoden zur Beurteilung des Beckens sind mit Ungenauigkeit behaftet. In der Lite-
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ratur besteht keine Einigkeit über die Überlegenheit radiologischer oder klinischer Methoden. Daher sollte immer das vorrangig gewählt werden, womit in der betreffenden Klinik die ausgedehntesten Erfahrungen vorliegen. Literatur ABGB. Aufklärung über Entbindung – Beginn der Verjährungsfrist §§ 1293 ff, §§ 1489 ABGB. Recht der Medizin, 2010: 21–24. Berg D, Selbmann K, Süß J, Galecki A. Neonatale Mortalität bei Geburt aus Beckenendlage. TW gynäkol. 1994; 7: 79–84. Bericht der Standardkommission „Beckenendlage“ der Deutschen Gesellschaft für perinatale Medizin DGGG. Z. Geburtsh. Perinat. 1984; 188: 100. Bericht der Standardkommission „Beckenendlage“. Gynäkologie und Geburtshilfe 3/1992: 226– 230 Borell U, Fernström I A pelvimetric method for the assessment of pelvic mouldability. Acta radiol. (Stockholm). 1957; 47: 347. DGGG. Geburt bei Beckenendlage und Zur Frage der erlaubten Zeit zwischen Indikationsstellung und Sectio (E-E-Zeit) bei einer Notlage. In: DGGG. Leitlinien der Gynäkologie und Geburtshilfe, Bd. III, Pränatalmedizin, Geburtsmedizin. Berlin: Verlag S. Kramarz, 2010: 213–222, 317–321. DGGG. Geburt bei Beckenendlage. In DGGG (Hrsg). Leitlinien der Gynäkologie und Geburtshilfe, Bd. III, Pränatalmedizin, Geburtsmedizin. Berlin: Verlag S. Kramarz, 2010: 2013–2022. Dudenhausen JW. Praktische Geburtshilfe mit geburtshilflichen Operationen. 21. Aufl. Berlin, New York: De Gruyter, 2011: 215–245. Feige A, Rempen A, Würfel W, Caffier H, Jawny J. Frauenheilkunde. Beckenendlage. Wien: Urban & Schwarzenberg, 1996: 325–330. Fochem F, Klumair J: Atlas der röntgenologischen Messmethoden, Maße und Winkel für den praktischen Gebrauch. Wien, New York: Springer, 1976: 64–65. Gerstner GJ. Der gynäkologische Medizinschaden aus gutachterlicher Sicht–Erfahrungsbericht über 10 Jahre. Spekulum 1998; 16: 44–45. Gerstner GJ. Forensische Geburtshilfe und Gynäkologie anhand von Fallbeispielen. Spekulum 1995; 4: 11–14. Hansmann M, Hackelöer BJ, Staudach A. Ultraschalldiagnostik in Geburtshilfe und Gynäkologie. Lehrbuch und Atlas. Berlin: Springer, 1985: 36. Hermsteiner M, Künzel W. Beckenendlage, Quer-und Schräglage. In: Künzel W. (Hrsg). Klinik der Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Geburt I, 4. Aufl. München, Jena: Urban und Fischer, 2003: 180–199. Hickl EJ. Geburtshilfe aus forensischer Sicht am Beispiel der Beckenendlage. Gynäkologie, 1994; 27: 184–190. Hillemanns P, Hepp H, Rebhan H, Knitza R. Notsectio – Organisation und E-E-Zeit. Geburtsh. u. Frauenheilk. 1996; 56: 423–30. Kiely H. Mode of delivery and neonatal death in 17587 infants presenting by the breech. Brit. J. Obstet. Gynecol. 1991; 98: 898–904. Kirschbaum M, Hermsteiner M, Künzel W. Beckenendlage, Quer- und Schräglage. In: Künzel W, Wulf KH. Klinik der Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Geburt I, 3. Aufl. München, Wien, Baltimore: Urban und Schwarzenberg, 1996: 191–224. Künzel W. Diagnose der antepartalen Hypoxämie, Vortrag vor der österreichischen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe. Wien 1992. Missliwetz J, Denk W, Gerstner GJ. Forensisch gerichtsmedizinische Aspekte in der Geburtshilfe. Gynäkol. Geburtsh. Rundsch. 1997; 37: 162–173. OGH. 22.5.2000, 4 Ob 131/00v (OGH).
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Pschyrembel W. Praktische Geburtshilfe und geburtshilfliche Operationen. 14. Aufl. Berlin, New York: De Gruyter, 1973: 295–358. Ramzin MS, Stamm H. Beckenendlage, Verlauf und Leitung der Geburt bei atypischen und pathologischen Lagen. In: Käser O, Friedberg V, Ober KG, Thomsen K, Zander J (Hrsg). Gynäkologie und Geburtshilfe, Schwangerschaft und Geburt, Bd. II/2. Stuttgart: Thieme, 1981: 14.8–14.34. Rooth G, Huch A, Huch R. Figo News, Guidelines for the use of fetal monitoring. Int. J. Gynaecol. Obstet. 1987; 25: 159–167. Schaller A. Die Beckenendlage. In: Gitsch E, Janisch H. Geburtshilfe Lehrbuch. Wien, Maudrich, München, Bern, 1989: 181–195. Thomas J, Paranjothy S, James D. National cross sectional survey to determine whether the decision to delivery interval is critical in emergency caesarean section. British Medical Journal. 2004; 328: 665–668. Thorpe-Beeston JG., Banfield PJ., Sanders N. Outcome of breech delivery at term British Medical Journal. 1992; 305: 746–747.
2.3.1 Verspäteter Kaiserschnitt – Schwerste Hirnschädigung bei versuchter vaginaler Beckenendlagen-Entbindung 2.3.1.1 Sachverhalt / Kasuistik Die 1991 32-jährige Erstgebärende wurde von einem niedergelassenen Gynäkologen betreut, der auch die Entbindung in einem Privatkrankenhaus durchführte. Die Beckenendlage war ab SSW 27 bekannt und persistierte bis zum Termin. Der Arzt erklärte der Patientin, dass eine Entbindung mittels Kaiserschnitt auch sekundär gemacht werden könne, wenn es notwendig sei. Vier Tage nach dem errechneten Geburtstermin setzten um 18.00 Uhr Wehen ein. Protokoll der Geburt 22.45 Uhr: Eintreffen im Privatkrankenhaus gemeinsam mit der Hebamme, Einlauf, Spazieren gehen. 23.20 Uhr: Muttermund 6 cm, Steiß –2, Blase erhalten, gute Wehen, Herztöne 144 spm. 23.55 Uhr: Befund idem, CTG o. B. 00.01 Uhr: Muttermund 8 cm, Steiß –2, Blase gesprungen, Fruchtwasser klar, Wehen gut, CTG o. B., Arzt verständigt. 00.20 Uhr: Muttermund im Verstreichen, Steiß –1, Fruchtwasser: Mekoniumabgang, CTG: Bradykardie (s. Abb. 2.45), Gynäkologe anwesend, Kinderarzt verständigt. 00.40 Uhr: Muttermund verstrichen, Steiß am Beckenboden, CTG pathologisch, CTG ab, Pressversuch laut Gynäkologen, weitere Herztonkontrollen mit dem Stethoskop, Bradykardie. 01.30 Uhr: Zur Sectio verständigt. 02.13 Uhr: Sectio, Indikation zur Sectio: Verzögerte Austreibungsperiode bei vollständig eröffnetem Muttermund und drohender intrauteriner Asphyxie.
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Abb. 2.45: 32-jährige I-Gebärende, SSW 41. CTG mit prolongierter Bradykardie von 60 spm bei Beckenendlage. Steisshöhenstand –1, Muttermund im Verstreichen, weitere Bradykardie von fast zwei Stunden bis zur Sectio, Knabe 3.200 g, 50 cm, Apgar-Wert 7/9/10, Reanimation, hypoxischischämische Encephalopathie Grad II, Tetraparese.
Das CTG zeigte von 0.15 Uhr bis 00.40 Uhr eine Basalfrequenz von 60 bis 70 spm mit völligem Oszillationsverlust. Zwischen 00.40 und 02.13 Uhr lag die kindliche Herzfrequenz laut Aussagen der Hebamme zwischen 80 und 110 spm (mit dem Doptone gemessen). Der neugeborene Junge wog bei der Geburt 3.200 g, hatte eine Länge von 50 cm und einen Apgar-Wert von 7/9/10. Die anwesende Kinderärztin führte eine primäre Reanimation mittels Sauerstoffgabe und Pufferung mit Natriumbicarbonat durch. Das Kind wurde wegen Atemnotsymptomatik in die Abteilung für Neonatologie der Universitätskinderklinik eingewiesen. Noch in derselben Nacht wurde das Kind neurologisch auffällig und zeigte eine Tonuserhöhung. Sowohl Ultraschall als auch CT-Untersuchungen wiesen auf eine diffuse hypoxisch-ischämische Encephalomalazie bis in den Bereich der Stammganglien und das Versorgungsgebiet der Arteria cerebri posterior hin. Die Prognose wurde von den Kinderärzten als äußerst schlecht eingestuft. Das Kind litt in der Folge an einer spastischen Lähmung aller vier Extremitäten sowie an epileptischen Anfällen und Essschwierigkeiten.
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2.3.1.2 Beurteilung / Gutachten Das Schwangerschaftsalter von 40 Wochen und 4 Tagen stand fest. Ebenso stand fest, dass eine zweite vollkommene Steißlage vorgelegen hatte, d. h., dass beide Beine dem Körper des Kindes gestreckt anlagen (extended legs). Die Indikation zur Schnittentbindung erfolgte schließlich wegen verzögerter Austreibungsperiode bei vollständig eröffnetem Muttermund und drohender intrauteriner Asphyxie. Das vorhandene CTG, bei welchem die Wehen aufgrund eines defekten Wehenschreibers nicht registriert werden konnten, zeigte zwischen 0.15 Uhr und 0.40 Uhr ein sogenanntes präterminales bzw. terminales Kurvenbild. Die kindliche Basalfrequenz lag zwischen 60 und 70 spm, damit war die Sauerstoffsättigung im fetalen Blut praktisch 0 (Künzel, 1992). Aufgrund der vorhandenen CTG-Dokumentation konnte daher davon ausgegangen werden, dass das Kind in der Zeit von 0.15 bis 0.40 Uhr einem extremen Sauerstoffmangel ausgesetzt war. Über den Zeitraum nach 0.40 Uhr bis zur Geburt des Kindes mittels Kaiserschnitt um 2.13 Uhr lagen keine Aufzeichnungen vor, da die kindliche Herzfrequenz lediglich mit dem Doptone akustisch abgehört wurde. Nach Angaben des angeklagten Arztes hätte die Herzfrequenz in dieser Zeit zwischen 80 und 110 spm gelegen. Der Apgar-Wert betrug 7/9/10. Das Kind wurde mit Sauerstoff (Maske) beatmet und blind mit Natriumbicarbonat gepuffert. Ein Nabelarterien-pH-Wert konnte aus technischen Gründen nicht durchgeführt werden Das Kind entwickelte eine hypoxisch-ischaemische Encephalopathie und auch klinisch kam es zu einer deutlichen Verschlechterung hinsichtlich der neurologischen Auffälligkeit des Kindes. Den Eltern wurde von den behandelnden Neonatologen mitgeteilt, dass die Prognose des Kindes als äußerst schlecht einzustufen war. Von den sogenannten ungünstigen Faktoren für die Durchführung einer vaginalen Geburt bei Beckenendlage haben im vorliegenden Fall das Faktum der Erstgeburt, das Schwangerschaftsalter von 40 Wochen und 4 Tagen sowie eine röntgenologisch nachgewiesene Formanomalie des Beckens vorgelegen. Diese Beckenverengung und die drohende intrauterine Asphyxie hätten auch eine absolute Indikation für eine Schnittentbindung dargestellt. Eine relative Indikation hatte in der Erstgeburt sowie in der Übertragung (SSW 41) bestanden. Kritisiert wurde an der an sich sorgfältigen Schwangerenbetreuung, dass eine Beckenvermessung mit dem Beckenzirkel nicht durchgeführt wurde und die Michaelis‘sche Raute nicht inspiziert wurde. Die Inspektion derselben zeigte, dass die unteren Schenkel des auf die Spitze gestellten Quadrates kürzer waren als die oberen. Auch eine weitere diagnostische Abklärung des Beckens durch Ultraschall oder Röntgen war nicht durchgeführt worden. Die äußeren Beckenmaße waren zwar normal, die Conjugata externa betrug jedoch nur 17,5 cm (Normalwert 20 cm und darüber, s. Abb. 2.46). Dieser äußere Beckendurchmesser ist insofern von größter Bedeutung, als durch Abzug von 9 cm auf die Conjugata vera, dem wichtigsten inneren Beckendurchmesser, rückgeschlossen werden kann. Eine Conjugata externa von 18 cm und darunter ist mit Sicherheit als verkürzt zu betrachten. Zog man von 17,5 cm die 9 cm ab, so erhielt man im gegenständlichen Fall eine Conjugata vera von 8,5 cm. Der Normalwert beträgt 11 cm. Eine Conjugata vera von 8,5 cm ist als mittelgradige Beckenverengung oder Verengung 2. Grades anzusehen (Pschyrembel, 1973).
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Bei der vaginalen Untersuchung war allerdings das Promontorium nicht erreichbar (s. Abb. 2.44) Die Untersuchung des Beckenausganges, welcher durch die Größe des Schambogenwinkels (Normal größer als 90°) bestimmt wird, ergab bei der Patientin einen schmalen Schambeinwinkel (kleiner als 90°). Dies begründete auch den Verdacht auf eine Beckenausgangsverengung. Eine Ultraschalluntersuchung mit dem Sektorscan ergab eine Conjugata vera von 10,1 cm (Normalwert 11 cm), wobei es sich jedoch um eine Schätzung handelte. Eine vom Sachverständigen veranlasste Röntgenpelvimetrie ergab einen Beckenschiefstand bzw. eine Asymmetrie des Beckens, wodurch die schrägen Beckendurchmesser unterschiedlich lang waren. Der für die vaginale Beckenendlagen-Geburt relevante Parameter, nämlich der Längsdurchmesser des Beckeneinganges, betrug nur 9,8 cm. (Normalwert 11cm) Andererseits ergab die Messung der Conjugata vera einen Wert von 13 cm, was über dem Normalwert liegt (Fochem und Klumair, 1976). Die Schwierigkeit der röntgenologischen Beckenmessung ergab sich im vorliegenden Fall schon aus der Tatsache, dass mit unterschiedlichen Methoden jeweils unterschiedliche Messergebnisse, z. B. der Conjugata vera, erzielt wurden. Nicht zuletzt wurde die röntgenologische Beckenmessung an den meisten Kliniken, so z. B. an der UniversitätsFrauenklinik Basel, weitgehend aufgegeben Unter Anwendung des zitierten Lehrbuchwissens erhob sich gutachtlich somit eindeutig die Frage, ob im vorliegenden Fall nicht eine primäre Schnittentbindung indiziert gewesen wäre. Wahrscheinlich hätten sich die meisten Geburtshelfer, in Kenntnis der zumindest nicht ganz normalen Beckenmaße der Patientin, dafür entschieden. Dem Beschuldigten war jedoch zugutezuhalten, dass auch an vielen großen Kliniken die äußeren Beckenmaße nicht mehr gemessen werden, da sie nach Ansicht mancher Autoren keine ausreichende Auskunft über die inneren Beckenmaße liefern. Dasselbe galt für die röntgenologische Beckenmessung, da erstens normale Beckenmaße keine normale Geburt garantierten, zweitens ein relatives Missverhältnis Kind / Becken nicht voraussehbar wäre und drittens klinische Kriterien und Ultraschallmessungen Priorität hätten. Gutachtlich wurde ausgeführt, dass ohne Zweifel ausreichende Indikationen, wie eher ältere Erstgebärende, Übertragung und vor allem grenzwertige Beckenmaße, vorgelegen haben, welche für eine primäre Schnittentbindung gesprochen haben.
Abb. 2.46: Conjugata externa (aus Dudenhausen, Joachim W.: Praktische Geburtshilfe. 21., erweiterte Aufl. Berlin, Boston: De Gruyter 2011).
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Das Anstreben einer vaginalen Geburt bei großzügiger Indikation zu einer sekundären Schnittentbindung wurde jedoch noch nicht als Behandlungsfehler gewertet. Bei der Erstgebärenden war es zu einer raschen Eröffnungsperiode gekommen und die kindlichen Herztöne wiesen laut CTG bis zum Blasensprung um 0.10 Uhr zwar leichte Dezelerationen auf, welche jedoch noch nicht als Alarmsignal betrachtet werden mussten. Unmittelbar danach kam es allerdings zu einem dramatischen Abfall der kindlichen Herztöne, welche zunächst als breite variable, teils W-förmige Dips (Herzfrequenzabfälle) imponierten. Danach ging die kindliche Herzfrequenz in eine sogenannte präterminale bzw. terminale Bradykardie von etwa 60 bis 80 spm über. Nicht nachvollziehbar war daher, dass das CTG um 0.40 Uhr endete und es keine weitere Dokumentation der kindlichen Herztöne mehr gab. Aufgrund der Bradykardie während der Eröffnungsphase war die Sauerstoffsättigung im fetalen Blut praktisch gleich 0. Es bestand also, dokumentiert von 0.15 Uhr bis 0.40 Uhr, ein dramatischer Sauerstoffmangelzustand, der sicherlich auch noch nach 0.40 Uhr bis zur Entwicklung des Kindes um 2.13 Uhr, also über einen Zeitraum von zwei Stunden, anzunehmen war. Es war jedoch nicht auszuschließen, dass sich die kindlichen Herztöne im nicht dokumentierten Zeitraum zwischen 0.40 Uhr und 2.13 Uhr wieder etwas erholt haben, wofür der relativ gute Apgar-Wert von 7 nach 1 Minute sprach. Gutachtlich musste man mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass die schwere irreversible Hirnschädigung des minderjährigen Jungen auf den etwa zweistündigen Sauerstoffmangel sub partu zurückzuführen war. Es stand völlig außer Zweifel, dass bei der Patientin der absolut späteste Zeitpunkt für die Indikation zu einer Schnittentbindung um 0.15 Uhr gegeben war. Eine drohende intrauterine Asphyxie in der Eröffnungsphase stellt eine absolute Indikation zur Schnittentbindung dar (Schaller, 1989). Wahrscheinlich handelte es sich bei dem beschriebenen dramatischen Herzfrequenzabfall um eine massive „potenzielle“ Nabelschnurkompression, welche in bis zu 10 % der Fälle vorkommt. Oder es handelte sich um einen kompressionsbedingten Sauerstoffmangel beim Tiefertreten des Steißes. Offensichtlich hat die Tatsache, dass der Muttermund bereits im Verstreichen war, den Geburtshelfer zu einem weiteren Zuwarten bewogen. Der Höhenstand des kindlichen Steißes bei Beginn der Bradykardie um 0.20 Uhr war –1, d. h. nicht eingetreten und somit noch viel zu hoch, um in eventu eine manuelle Extraktion durchführen zu können.
Beantwortung des Fragenkatalogs 1. Worin lag die Ursache der Schädigung des minderjährigen Jungen? Die Ursache der Schädigung lag in einem während der Geburt aufgetretenen, protrahiertem, etwa zwei Stunden dauernden Sauerstoffmangel, welcher die kindlichen Hirnzellen teilweise irreversibel geschädigt hatte. 2. Hat eine vorwerfbare, schuldhafte ärztliche Fehlleistung zur Schädigung des Kindes geführt und bejahendenfalls, ist das Verschulden als ungewöhnlich und auffallend zu beurteilen? Der beschriebene schwere und protrahierte Sauerstoffmangel entstand bei dem Versuch, die Geburt aus Beckenendlage auf vaginalem Weg zu beenden und durch zu späte Indikationsstellung zur Schnittentbindung. Diese vorwerfbare schuldhafte ärztliche Fehlleistung ist dem Beschuldigten zweifelsohne im Glauben an eine bal-
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dige vaginale Geburt unterlaufen. Das Verschulden wurde daher gutachtlich nicht als ungewöhnlich und auffallend beurteilt. 3. Welchen Einfluss hätte ein unmittelbar nach Eintritt des pathologischen CTGs veranlasster Kaiserschnitt auf den Geschehnisverlauf gehabt? Ein unmittelbar nach Eintritt des pathologischen CTGs, also um 0.15 Uhr, veranlasster Kaiserschnitt hätte für das Kind höchstwahrscheinlich einen besseren Ausgang bedeutet. Es wurde jedoch kritisch angemerkt, dass die E-E-Zeit, also die Zeit vom Entschluss zum Kaiserschnitt bis zur Entbindung, im vorliegenden Fall von 1.30 bis 2.13 Uhr, also 43 Minuten, gedauert hatte. Sie wurde somit um das doppelte überschritten. 4. War die nach Angaben des Beschuldigten erst um 0.10 Uhr erfolgte Verständigung des Arztes angesichts der besonderen Umstände der gegenständlichen Geburt als Verschulden der Hebamme zu beurteilen? Die Verständigung des Gynäkologen durch die Hebamme erfolgte um 0.10 Uhr bei einer Muttermundöffnung von 8 cm und einen Höhenstand des kindlichen Steißes von –2 bei bereits gesprungener Blase. Zu diesem Zeitpunkt war das Fruchtwasser klar und das CTG noch nicht pathologisch. Hierzu wurde gutachtlich ausgeführt, dass bei der Geburtshilfe in einem Privatkrankenhaus eine besonders gute Absprache zwischen Hebamme und Geburtshelfer absolut notwendig und üblich ist. Dies schien auch im gegenständlichen Fall zuzutreffen, da der Beschuldigte und die Hebamme häufig zusammengearbeitet hatten. Ohne Zweifel zählt die Beckenendlage zu den regelwidrigen Lagen. Laut § 25 Österreichischer Hebammendienstordnung besteht für Hebammen die Pflicht zur Beiziehung eines Arztes bei regelwidrigen Zuständen bei Gebärenden. Nach § 29 hat die Hebamme die Beiziehung eines Arztes bei Verdacht auf Vorliegen einer regelwidrigen Beschaffenheit der Geburtswege, insbesondere eine Verengung des Beckens, unverzüglich zu veranlassen. Auch ist der Hebamme in § 30 die Beckenmessung vorgeschrieben. Schließlich ist im § 34 festgehalten, dass die Hebamme während der Geburt den Verlauf der Geburt durch das Abhorchen der Herztöne des Kindes zu überwachen hat. § 41 besagt, dass die Hebamme insbesondere bei allen regelwidrigen Lagen, Stellungen und Haltungen des Kindes einen Arzt beizuziehen hat. Gleiches gilt, wenn die Herztöne des Kindes regelwidrig werden oder wenn missfärbiges Fruchtwasser abgeht. Die Verständigung des Beschuldigten ist hier zweifelsohne sehr spät erfolgt. Der Gynäkologe ist jedoch innerhalb von zehn Minuten im Kreißsaal erschienen. Zwischen 0.15 Uhr und 0.20 Uhr war die Hebamme allerdings allein mit einem schwerst pathologischen CTG konfrontiert. Ob es sich hierbei um ein Verschulden der Hebamme handelte, hängt nicht zuletzt von den vorbestehenden Vereinbarungen zwischen Hebamme und Geburtshelfer ab, die dem Gutachter jedoch unbekannt waren.
2.3.1.3 Verfahrensausgang Der angeklagte Frauenarzt wurde vom Oberlandesgericht nach Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil erster Instanz für schuldig erkannt, den minderjährigen
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Jungen anlässlich des Vorganges seiner Geburt fahrlässig unter besonders gefährlichen Verhältnissen an der Gesundheit geschädigt zu haben. Die Tat hatte eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs. 1 StGB) zur Folge, da es der Arzt, nach einem dramatischen Abfall der Herzfrequenz des Fetus, über einen Zeitraum von 70 Minuten unterließ, die sofort gebotene Entbindung der Mutter durch Kaiserschnitt anzuordnen. Dies, obwohl über zumindest 25 Minuten eine schwerst pathologische und anschließend ebenfalls schwer pathologische Herzfrequenz im Sinne einer Bradykardie beim Fetus vorlag. Hierdurch wurde eine ischämisch-hypoxische Encephalopathie samt Folgeschäden, insbesondere in Form einer spastischen Lähmung aller vier Extremitäten und einer Epilepsie, herbeigeführt. Der Tatbestand der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs. 1 und 4, 2. Fall (§ 81 Z 1 StGB) war erfüllt, und der Arzt wurde gemäß dem 2. Strafsatz des § 88 Abs. 4 StGB unter Anwendung des § 37 Abs. 1 StGB zu einer Geldstrafe von 240 Tagessätzen, im Uneinbringlichkeitsfall 120 Tagen Ersatzfreiheitsstrafe, und gemäß den § 389 und 390a StPO zum Ersatz der Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz verurteilt. Der Tagessatz wurde mit € 87,20 festgestellt. Gemäß § 43a Abs. 1 StGB wurde ein Teil der Geldstrafe von 120 Tagessätzen, im Uneinbringlichkeitsfall 60 Tagen Ersatzfreiheitsstrafe, unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen. Gemäß § 369 Abs. 1 StPO wurde dem Privatbeteiligten minderjährigen Jungen ein Betrag von € 732,− an Schmerzensgeld vorbehaltlich weiterer Ansprüche zuerkannt. In erster Instanz wurde dem Angeklagten zwar wegen der zu späten Anordnung der Schnittentbindung eine Fahrlässigkeitsschuld im Sinne des Tatbestandes der fahrlässigen Körperverletzung vorgeworfen, nicht jedoch die Begehung der Tat unter besonders gefährlichen Verhältnissen im Sinne des § 81 Z 1 StGB. Daraus ergäbe sich nämlich der Tatbestand der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs. 1 u. 4, 2. Fall (§ 81 Z 1 StGB). Daher führte das Berufungsgericht eine Beweisergänzung in Form einer ergänzenden Einvernahme des geburtshilflichen und neonatologischen Sachverständigen durch. Folgende Feststellung wurde gemacht: Die Verzögerung der Sectio um 70 Minuten war mit Rücksicht auf den konkreten Zustand des Kindes eine ganz wesentliche Verzögerung. Bei der gegebenen Notsituation wäre ein Kaiserschnitt die einzig richtige Art gewesen, zu reagieren. Die Schädigung des Kindes ist wesentlich nicht nur vom Ausmaß des Herzfrequenzabfalles, sondern auch von der Zeitdauer desselben abhängig. Die Wahrscheinlichkeit eines Schadens durch das Zuwarten steigt mit der Dauer des Zuwartens. Um die Zeit bis zur Schnittentbindung zu überbrücken, hätte in der angegebenen Notsituation eine sogenannte intrauterine Reanimation durchgeführt werden sollen, also eine Wiederbelebung des noch in der Gebärmutter befindlichen Kindes mittels Wehenhemmung über die Gabe von intravenösen Medikamenten relativ hoher Dosierung. Das Ziel wäre gewesen, die Sauerstoffversorgung für die Zeitspanne bis zur Geburt etwas zu verbessern. Diese Standardmaßnahme, welche unter den konkreten Bedingungen möglich gewesen wäre, unterließ der Angeklagte. Das von ihm veranlasste seitliche Lagern der Gebärenden und die von ihm getätigte Sauerstoffzufuhr in den Wehenpausen können nicht als hinreichende Maßnahmen zur Überbrückung der Zeit bis zur Schnittentbindung angesehen werden. Mit Rücksicht auf die von dem Angeklagten vorgefundene Notsituation war eine Suche nach den Ursachen derselben nicht gerechtfertigt. Selbst wenn sich in der Zeit ab 0.40 Uhr die Herztöne in einem Bereich bis zu 110 spm bewegt haben sollten, handelte es sich noch immer um ein schwer pathologisches
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Zustandsbild. Nach dem Stand der Wissenschaft war ein Wissen um das Risiko des Sauerstoffmangels dabei zu unterstellen. Zusammenfassend erkannte das Oberlandesgericht daher die Tatbegehung unter besonders gefährlichen Verhältnissen für vorliegend und nahm die Tatbildlichkeit nach dem zweiten Deliktsfall des § 88 Abs. 4 StGB an. Dies wiederum bewirkte aufgrund der dafür vorgesehenen Strafdrohung von bis zu zwei Jahren Freiheitsstrafe, dass die Strafbarkeit der Tat nicht mehr durch Verjährung erloschen war.
2.3.1.4 Resümee Der vorliegende Fall einer bei versuchter vaginaler Beckenendlagenentbindung zu spät durchgeführten Kaiserschnittentbindung zeigt sehr einprägsam sowohl die Probleme der vaginalen Beckenendlagenentbindung als auch des Sauerstoffmangels sub partu. Durch einen dramatischen, nahezu zwei Stunden dauernden protrahierten Sauerstoffmangel kam es beim Kind zu einer schweren hypoxisch-ischämischen Encephalopathie mit spastischer Quadruplegie und epileptischen Anfällen. Ohne Zweifel stellt eine drohende intrauterine Asphyxie in der Eröffnungsphase eine absolute Indikation zur Schnittentbindung dar. Es ist auch wichtig zu wissen, dass bei einer Herzfrequenz von nur 60 spm die Sauerstoffsättigung im kindlichen Blut praktisch 0 ist. Interessanterweise wertete das Oberlandesgericht erst nach Berufung der Staatsanwaltschaft das Tatbild – also die Verzögerung der Sectio um 70 Minuten sowie die Unterlassung der intrauterinen Reanimation durch Gabe von Wehenhemmern – als besonders schwerwiegend und bejahte daher ein fahrlässiges Fehlverhalten des Angeklagten, das den verpönten Erfolg unter besonders gefährlichen Verhältnissen im Sinne des § 81 Z 1 StGB herbeiführte. Besonders gefährliche Verhältnisse liegen dann vor, wenn dem Täterverhalten ein entsprechend gesteigerter Gefährlichkeitsgrad und eine außergewöhnlich hohe Wahrscheinlichkeit einer Schädigung an Leib und Leben inne wohnt. Ferner ist es erforderlich, dass sich diese besondere Gefährlichkeit im eingetretenen Erfolg spezifisch auswirkte, also ein spezieller Risikozusammenhang in dem Sinne besteht, dass der Erfolg vom Schutzzweck auf derjenigen Sorgfaltsnorm erfasst wird, deren Verletzung gerade die besonders gefährlichen Verhältnisse begründet. Damit war dieser sehr bedauerliche Fall auch juristisch von großem Interesse.
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2.3.2 Erb’sche Lähmung nach Manualhilfe bei Beckenendlage 2.3.2.1 Sachverhalt / Kasuistik Die 1990 32-jährige Zweitgebärende hatte bereits 1977 einen gesunden Knaben mit einem Geburtsgewicht von 3.500 g und einer Länge von 50 cm aus Schädellage entbunden. Sie stand in Betreuung eines niedergelassenen Facharztes, der bereits in SSW 26 eine Beckenendlage festgestellt hatte, die auch in SSW 33 und 38 persistierte. Des Weiteren wurde eine pathologische Zuckerbelastung (NBZ 102 g/l, 174 und 157 g/l nach einer bzw. zwei Stunden) diagnostiziert. In SSW 33 wurde im Ultraschall festgestellt, dass die kindliche Größe aufgrund des Schädel- und Brustkorbdurchmessers für das Schwangerschaftsalter um zwei Wochen zu groß war. Daher vermerkte der Frauenarzt auf der Einweisung zur Anstaltspflege: „Beckenendlage, Makrosomie und Gestationsdiabetes“. In SSW 39 erfolgte die stationäre Aufnahme im lokalen Krankenhaus. Eine röntgenologische Beckenmessung nach Borell und Fernström ergab normale Beckendurchmesser, insbesondere eine Conjugata vera von 12,5 cm. Eine Ultraschalluntersuchung im Krankenhaus ergab, dass sich das Kind in erster Beckenendlage mit dem Rücken links befand und für das Schwangerschaftsalter „ein bis zwei Wochen zu groß“ war. Während der niedergelassene Gynäkologe der Schwangeren mitgeteilt hatte, dass sie mit einem Kaiserschnitt rechnen müsse, da das Kind groß und schwer wäre, teilte der die Geburt durchführende Chefarzt und ärztliche Leiter des Krankenhauses in einer Stellungnahme mit, dass „nach Rücksprache mit der Patientin entschieden wurde, eine vaginale Geburt anzustreben, da es sich um eine Zweitgebärende bei weitem Becken und fehlenden pathologischen Parametern von Mutter und Kind handelt“.
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Eine direkte Aufklärung über die Vor- und Nachteile einer vaginalen bzw. einer Schnittentbindung bei Beckenendlage mit entsprechenden Komplikationen wäre laut Angaben der Schwangeren nicht erfolgt. Die klagende Mutter hätte sich jedoch gedacht, „der Primar wird’s schon wissen“ und ihm vertraut. Bei der stationären Aufnahme an T + 2 war der Muttermund verkürzt, für 1 cm eröffnet und in Mittelstellung entsprechend einem Bishop-Score von 5 bis 6 und somit noch nicht reif. Die Ärzte entschlossen sich jedoch, wahrscheinlich nicht zuletzt wegen der Größe des Kindes, zu einer Geburtseinleitung mit einem Prostaglandin-Vaginalzäpfchen, worauf zunächst unregelmäßige und dann regelmäßige Wehen auftraten. Um 15.00 Uhr und um 20.00 Uhr war der Muttermund erst 1 cm eröffnet, um 21.45 Uhr 3 cm. Nach dem Blasensprung um 21.30 Uhr wurde auch Syntocinon® verabreicht. Es kam dann zu einer raschen Eröffnung des Muttermundes, der um 23.30 Uhr verstrichen war. Laut Patientin hätte sie mehrfach den Pressdrang zurückhalten müssen, und das Kind wäre mit dem Geschlecht zuerst gekommen. In der Krankengeschichte fand sich die handschriftliche Eintragung „komplikationslose Entbindung aus erster unvollkommener Steiß-Fußlage nach Bracht (s. Abb. 2.47 bis 2.49), kombinierte Armlösung, anschließend Versorgung der Episiotomie“. Fest stand, dass bei der Entwicklung die Arme hochgeschlagen waren und eine kombinierte Armlösung durchgeführt werden musste. Das Kind war nach der Geburt in einem deprimierten Zustand, der Apgar-Wert betrug 3/6/8. Das Kind wurde reanimiert und auf die pädiatrische Abteilung des Krankenhauses verlegt. Dem Kindesvater, der das Kind als Erster sah, fiel sofort auf, dass der rechte Arm nach innen verdreht war. Von den Kinderärzten wurde zehn Tage postpartum mittels Reizstromdiagnostik eine obere Plexuslähmung rechts diagnostiziert. Diese wurde zunächst mit Ruhigstellung und Gilchrist- bzw. Desoverband während der Schlafphasen behandelt, in weiterer Folge wurde Heilgymnastik durchgeführt. Die Mutter erlernte von einer Physikotherapeutin die Durchführung der heilgymnastischen Übungen.
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Abb. 2.47: Bracht-Handgriff (I). Gürtelförmiges Umfassen des Steißes mit beiden Händen (aus Dudenhausen, Joachim W.: Praktische Geburtshilfe. 21., erweiterte Aufl. Berlin, Boston: De Gruyter 2011).
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Abb. 2.48: Bracht-Handgriff (II). Langsam anheben, nicht ziehen (aus Dudenhausen, Joachim W.: Praktische Geburtshilfe. 21., erweiterte Aufl. Berlin, Boston: De Gruyter 2011).
Nachdem im Alter von vier Monaten keine weitere Besserung eingetreten war, wurde das Kind an der Kinderklinik Linz vorgestellt, wo der Verdacht auf einen Nervenwurzelausriss in Höhe C5 gestellt wurde. Im Jahr 1991 wurde daraufhin in Wien von einem plastischen Chirurgen eine mikrochirurgische Neurolyse durchgeführt. Nachdem nach drei weiteren Jahren immer noch keine wesentliche Besserung eintrat wurde im Januar 1995 ein Muskeltransfer des Musculus latissimus dorsi durchgeführt. Dies brachte dem Kind die Fähigkeit, den Arm im Ellbogen zu beugen. In weiterer Folge wurde auch ein Transfer des Musculus pectoralis major- durchgeführt, der allerdings nach Aussage der Eltern „wenig brachte“. 1998 konnte das Kind den Arm etwa 30 Grad anheben und im Ellbogen beugen.
Abb. 2.49: Bracht-Handgriff (III). Langsam wird die Rotation um die Symphyse herum ausgeführt. Kräftiges Aufdrücken des Steißes auf den Unterbauch der Mutter, Druck von oben (aus Dudenhausen, Joachim W.: Praktische Geburtshilfe. 21., erweiterte Aufl. Berlin, Boston: De Gruyter 2011).
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Nachdem die Eltern 1994 von dem plastischen Chirurgen erfahren hatten, dass bei dem Kind ein Schaden zurückbleiben werde, wandten sie sich zunächst an die Schlichtungsstelle des Bundeslandes. Aufgrund eines Gutachtens eines niedergelassenen Arztes weigerte sich jedoch die Haftpflichtversicherung, eine Entschädigungsleistung zu zahlen. Die Eltern reichten daraufhin Klage ein.
2.3.2.2 Beurteilung / Gutachten Aufgrund des pathologischen Glucosetoleranztests war davon auszugehen, dass die Schwangere an einem Gestationsdiabetes gelitten hatte. Das Schwangerschaftsalter war SSW 40/2 und das geschätzte Kindsgewicht war hoch, da bereits der einweisende Facharzt von einer Makrosomie gesprochen hatte. Aufgrund des im Ultraschall gemessenen biparietalen Durchmessers von 10 cm und einem Thoraxdurchmesser von 10,1 cm war ein Geburtsgewicht von über 3.600 g zu erwarten. Der Höhenstand des kindlichen Steißes war bei der Aufnahme –5 (über dem Beckeneingang beweglich) und der Muttermund war lediglich für 1 bis 2 cm eröffnet. Das mütterliche Becken erschien aufgrund der röntgenologischen Beckenmessung unauffällig und die Patientin hatte bereits eine Geburt aus Schädellage mit einem Kindsgewicht von 3.500 g durchgemacht. Von den fünf günstigen Faktoren für eine vaginale Beckenendlagen-Entbindung trafen somit also nur zwei zu. Die drei ungünstigen Faktoren waren das Schwangerschaftsalter, das Gewicht des Kindes, der Höhenstand des vorangehenden Steißes und der mittelweiche und in Mittelstellung befindliche Muttermund. Von den absoluten Sectio-Indikationen war keine zu nennen, von den relativen die Terminüberschreitung ohne Wehen. Naturgemäß bestand die Hauptfrage im vorliegenden Gutachten darin, ob 1. die Entscheidung, die Beckenendlage vaginal zu entbinden, richtig war, 2. die Geburtsleitung der vaginalen Entbindung bzw. die eigentliche Manualhilfe korrekt durchgeführt wurde. Dies wurde auch aufgrund der Richtlinien der DGGG (DGGG – Standardkommission Beckenendlage, 1984) geprüft: Ein Missverhältnis wurde im vorliegenden Fall sowohl durch Ultraschall-Biometrie als auch durch eine unauffällige röntgenologische Beckenmessung ausgeschlossen. Das geschätzte Geburtsgewicht lag zwar über 3.500 g, wobei man jedoch in Betracht ziehen musste, dass Gewichtsschätzungen am Termin mit einer beträchtlichen Fehlerbreite behaftet sind. Weder lag eine Hyperextension des Kopfes noch eine reine Fußlage vor. Mit einer langwierigen vaginalen Geburt musste insofern gerechnet werden, als der Höhenstand des kindlichen Steißes bei Geburtsbeginn –5, also über den Beckeneingang, die Cervix unreif und die Muttermundöffnung protrahiert war (über viele Stunden nach Prostaglandin-Einleitung). Ein vorliegendes Zusatzrisiko war der Gestationsdiabetes. Somit haben aufgrund der DGGG-Richtlinien (1984) das höhere Geburtsgewicht und der hochstehende Steiß bei unreifem Muttermund am Termin sowie die langsame Muttermundöffnung, zusammen mit der sich in der Schwangerschaft manifestierenden Zuckerkrankheit, eher für eine Entbindung mittels Kaiserschnitt gesprochen. Gutachtlich lagen daher sowohl deutliche Indikationen für eine primäre als auch für eine sekundäre Schnittentbindung vor. Nachdem es sich bei den Richtlinien jedoch
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nur um Empfehlungen von Fachgesellschaften handelt, wurde die Entscheidung, die Beckenendlage vaginal zu entbinden, nach genauester Prüfung nicht als Behandlungsfehler gewertet. Was die Vorbedingungen betraf, war die neonatologische Betreuung sichergestellt. Ob eine sofortige Sectio- und Anästhesiebereitschaft gewährleistet war, blieb unsicher. Ein venöser Zugang war vorhanden, eine Epidural-Anästhesie wurde jedoch nicht durchgeführt, die CTG-Überwachung war bis zum Ende der Geburt weitgehend unauffällig, Oxytocin wurde appliziert, bei der Entwicklung wurde der Steiß zurückgehalten und eine Episiotomie angelegt. Eine Extraktion wurde nicht durchgeführt. Eine Aufklärung entsprechend den Richtlinien der DGGG wurde laut Aussagen der Kindesmutter nicht durchgeführt, nicht zuletzt, da sie dem Primar vertraute. Das entsprechend den Figo-Richtlinien (Rooth et al., 1987) zur Beurteilung des CTGs unter der Geburt ausgewertete CTG zeigte, dass es dem Kind bis unmittelbar vor der Geburt gut ging und der deprimierte Zustand des Kindes erst während der Entwicklung entstanden sein musste. Über die eigentliche geburtshilfliche Operation, die vaginale Entbindung aus Beckenendlage (Manualhilfe), lag nur die handschriftliche Dokumentation „komplikationslose Entwicklung aus erster unvollkommener Steiß-Fußlage nach Bracht, kombinierte Armlösung“ vor. Es war jedoch augenscheinlich, dass diese Entwicklung nicht einfach gewesen sein kann, da das Kind sonst nicht in deprimiertem Zustand mit einem Apgar-Wert von 3/6/8 zur Welt gekommen wäre. Offensichtlich musste aufgrund von hochgeschlagenen Armen die Entwicklung nach Bracht abgebrochen und eine klassische Armlösung durchgeführt werden. Beantwortung des Fragenkatalogs 1. Liegt ein Ursachenzusammenhang zwischen dem Geburtsvorgang und der Schädigung der Klägerin vor? Es bestand kein Zweifel darüber, dass ein Ursachenzusammenhang zwischen dem Geburtsvorgang und der Schädigung der minderjährigen Klägerin vorlag. 2. Welche Möglichkeiten der Vermeidung dieser Schädigung waren gegeben? Eine Möglichkeit der Vermeidung dieser Schädigung wäre eine Schnittentbindung gewesen. Dabei wäre höchstwahrscheinlich keine Armplexus-Lähmung entstanden.
2.3.2.3 Verfahrensausgang Der vorliegende Fall wurde erst am 23. 05. 2000, also zehn Jahre nach dem Vorfall, vom Obersten Gerichtshof (OGH) entschieden (4 Ob 131/00v). Die Klägerin begehrte mit ihrer 1996 bei Gericht eingereichten Klage zunächst nur die Feststellung der Haftung der Beklagten für alle Schäden, die bei der Geburt am 06. 08. 1990 entstanden waren. Erst nach Vorliegen des von dem gynäkologischen Gerichtssachverständigen (dem Autor) erstellten Gutachtens dehnte die Klägerin 1998 die Klage aus und begehrte € 48.984,−. Die Klägerin hätte durch Kaiserschnitt entbunden werden müssen, außerdem seien bei der Entbindung ärztliche Kunstfehler unterlaufen. Das Erstgericht gab dem Feststellungsbegehren statt und sprach der Klägerin € 48.984 zu, wies jedoch das Mehrbegehren von € 1.463,− ab. Es stellte fest, dass eine Kaiserschnittentbindung indiziert gewesen wäre und das Verletzungsrisiko für die Klägerin minimiert hätte. Ein Kai-
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serschnitt hätte zumindest zu dem Zeitpunkt durchgeführt werden sollen, an dem fest stand, dass die Geburt nur sehr langsam voran ging. Dabei sei bewiesen, dass ein ärztlicher Kunstfehler vorliege, welcher für die Verletzung der Klägerin kausal gewesen sei. Es bestünde auch kein Zweifel, dass die Mutter unzureichend aufgeklärt wurde und dass die Dokumentation über die Entwicklung des Kindes unrichtig war. Darauf brauche aber wegen der ohnehin gegebenen Haftung der Beklagten nicht näher eingegangen werden. Die Ansprüche der Klägerin seien nicht verjährt. Die schädigenden Wirkungen seien im Sinne des § 1489 ABGB erst dann bekannt, wenn das gesamte Ausmaß des Dauerschadens überblickt werden könne. Den Eltern der Klägerin sei 1994 mitgeteilt worden, dass weitere Operationen notwendig seien. Erst seit 1998 sei die Behandlung der Klägerin im Wesentlichen abgeschlossen. Die am 26. 03. 1996 eingebrachte Feststellungsklage sei daher nicht verjährt. Ihre Einbringung habe auch die Verjährung der am 15. 04. 1998 geltend gemachten Leistungsansprüche unterbrochen. Das Ausmaß der Leistungsansprüche sei nicht vor Ende der Heilbehandlung absehbar gewesen. Ein Schmerzensgeld von € 21.946,− sei durchaus angemessen. An Verunstaltungsentschädigung seien € 7.315,− angemessen, der Klägerin gebühre auch für die verletzungsbedingten, besonderen Betreuungsleistungen und die Fahrtkosten Ersatz. Der Einwand des Beklagten, das Klagebegehren sei verjährt, weil den Eltern seit 1990 alle wesentlichen Umstände ausreichend bekannt gewesen seien, wurde verworfen. Das Berufungsgericht hob die Klagestattgebung auf und trug dem Erstgericht auf, ergänzend festzustellen, wann für die Eltern abschätzbar gewesen sei, ob die Erb‘sche Lähmung auf einem Kunstfehler beruhte oder ob die Ärzte ihre Aufklärungspflicht verletzt hatten. Im Unterschied dazu sah der OGH kein Erfordernis zu ergänzenden Feststellungen und verneinte die Verjährung. Der Umstand, dass erst sechs Jahre nach der Geburt geklagt wurde, sei nicht relevant, weil die dreijährige Verjährungsfrist erst zu laufen beginne, wenn der Sachverhalt dem Geschädigten soweit bekannt sei, dass er mit Aussicht auf Erfolg klagen könne. Ein geschädigter Laie könne erst durch ein Sachverständigengutachten Einblick in die Zusammenhänge erlangen, er sei aber nicht verpflichtet, ein solches Gutachten einzuholen. Im vorliegenden Fall sei den Eltern erst im Februar 1998 das Gutachten des gynäkologischen Sachverständigen zugekommen. Dort wurde festgestellt, welche Risikofaktoren die Mutter bei ihrer Entscheidung für eine Entbindung auf natürlichem Wege oder durch Kaiserschnitt hätte abwägen sollen. Erst dadurch sei offenbar geworden, dass die Mutter über keine ausreichende Entscheidungsgrundlage (für oder gegen Kaiserschnitt) verfügt habe. Die Geburt sei auf natürlichem Wege ohne die rechtfertigende Einwilligung der Mutter abgewickelt worden. Mangels entsprechender Darstellung der Alternativen (natürliche Entbindung / Kaiserschnitt) durch die behandelnden Ärzte sei der erforderliche Wissensstand erst mit dem Gutachten 1998 hergestellt worden. Der Beginn der dreijährigen Verjährungsfrist schon 1990 sei deswegen ausgeschlossen. Das Ersturteil (Feststellung der Haftung für alle Schäden, zugesprochener Schadenersatzbetrag) wurde wegen ausreichender Entscheidungsgrundlage bestätigt.
2.3.2.4 Resümee In dem vorliegenden Fall kam es bei vaginaler Entbindung eines 3.960 g schweren Kindes einer diabetischen Mutter aus Beckenendlage bei der Armlösung hochgeschlagener Arme (Manualhilfe) in klassischer Weise zu einer persistierenden Erb‘schen Läh-
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mung, offensichtlich bedingt durch Wurzelausriss in der Höhe C5. Eine persistierende Erb‘sche Lähmung bedeutet eine schwere Behinderung, die mit jahrelanger physikalischer Therapie und zahlreichen Operationen verbunden war. Der Dauerschaden bestand schließlich darin, dass die Klägerin ihren rechten Arm bis höchstens 30 Grad anheben konnte, eine deutliche Kraftminderung bestand und das Berührungsempfinden reduziert war. Der Fall ging bis zum Obersten Gerichtshof, da erst sechs Jahre nach der Geburt geklagt worden war. Dies sei jedoch laut OGH nicht relevant, weil die dreijährige Verjährungsfrist erst zu laufen beginne, wenn der Sachverhalt dem Geschädigten soweit bekannt sei, dass er mit Aussicht auf Erfolg klagen könne. Die Eltern hätten erst durch das Gutachten des Sachverständigen Einblick in den Gesamtzusammenhang erlangt. Die ärztliche Aufklärung über Alternativen der Entbindung bei Beckenendlage (hier: Entbindung auf natürlichem Weg oder durch Kaiserschnitt) müsse der Patientin ein umfassendes Bild vermitteln, das sie in die Lage versetzt, die Risiken beider Methoden zu gewichten und gegeneinander abzuwägen. Das bloße Wissen, dass Alternativen bestehen, reiche nicht aus (OGH, 23. 05. 2000, 4 Ob 131/00v). Literatur ABGB. Aufklärung über Entbindung – Beginn der Verjährungsfrist §§ 1293 ff, §§ 1489 ABGB. Recht der Medizin, 2010: 21–24. Berg D, Selbmann K, Süß J, Galecki A. Neonatale Mortalität bei Geburt aus Beckenendlage. TW gynäkol. 1994; 7: 79–84. Bericht der Standardkommission „Beckenendlage“ der Deutschen Gesellschaft für perinatale Medizin DGGG. Z. Geburtsh. Perinat. 1984; 188: 100. Borell U, Fernström I A pelvimetric method for the assessment of pelvic mouldability. Acta radiol. (Stockholm). 1957; 47: 347. DGGG. Geburt bei Beckenendlage. In DGGG. Leitlinien der Gynäkologie und Geburtshilfe, Bd. III, Pränatalmedizin, Geburtsmedizin. Berlin: Verlag S. Kramarz, 2010: 2013–2022. Dudenhausen JW. Praktische Geburtshilfe mit geburtshilflichen Operationen. 21. Aufl. Berlin, New York: De Gruyter, 2011: 215–245. Feige A, Rempen A, Würfel W, Caffier H, Jawny J. Frauenheilkunde. Beckenendlage. Wien: Urban & Schwarzenberg, 1996: 325–330. Hermsteiner M, Künzel W. Beckenendlage, Quer-und Schräglage. In: Künzel W. (Hrsg). Klinik der Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Geburt I, 4. Aufl. München, Jena: Urban und Fischer, 2003: 180–199. Hickl EJ. Geburtshilfe aus forensischer Sicht am Beispiel der Beckenendlage. Gynäkologie, 1994; 27: 184–190. Ramzin MS, Stamm H. Beckenendlage. In: Käser O, Friedberg V, Ober KG, Thomsen K, Zander J. Gynäkologie und Geburtshilfe, Bd. II, Teil 2, Schwangerschaft und Geburt II. Stuttgart: Thieme, 1981: 14.8–14.33. Kiely H. Mode of delivery and neonatal death in 17587 infants presenting by the breech. Brit. J. Obstet. Gynecol. 1991; 98: 898–904. Kirschbaum M, Hermsteiner M, Künzel W. Beckenendlage, Quer- und Schräglage. In:Künzel W, Wulf KH, (Hrsg). Klinik der Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Bd. VI, Geburt I, 3. Aufl. München, Wien, Baltimore: Urban und Schwarzenberg, 1996: 191–213. OGH. 22.5.2000, 4 Ob 131/00v (OGH). Rooth G, Huch A, Huch R. Figo News, Guidelines for the use of fetal monitoring. Int. J. Gynaecol. Obstet. 1987; 25: 159–167.
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Schaller A. Die Beckenendlage. In: Gitsch E, Janisch H (Hrsg). Geburtshilfe, Lehrbuch. Wien: Maudrich, 1989: 181–195. Thorpe-Beeston JG., Banfield PJ., Sanders N. Outcome of breech delivery at term British Medical Journal. 1992; 305: 746–747.
2.3.3 Manuelle Extraktion wegen Nabelschnurvorfall bei vollkommener Fußlage: Neonataler Todesfall 2.3.3.1 Sachverhalt / Kasuistik Bei der 1992 32-jährigen Erstgebärenden fiel der errechnete Geburtstermin auf den 30. 05. 1991. Dieser wurde nach einer Ultraschalluntersuchung auf den 06.06.1991 korrigiert. Die Schwangerenbetreuung bei einem niedergelassenen Facharzt umfasste sechs normale und zwei Ultraschalluntersuchungen. In der 32. SSW wurde die Beckenendlage diagnostiziert und die Patientin in die Abteilung für Geburtshilfe und Frauenkrankheiten des Landeskrankenhauses überwiesen. Dort wurde ein Beckenröntgen angefertigt, welches eine Conjugata vera von 14 cm (Normalwert 11 cm), also einem auffallend hohen Wert, ergab. Ebenfalls festgestellt wurden ein steiler Beckeneingang und eine unauffällige Beckenkrümmung. Nach einer Ultraschalluntersuchung in SSW 39/2 wurde ein primär exspektatives Vorgehen beschlossen. Eine Aufklärung über Risiken und Gefahren der Beckenendlagen-Geburt erfolgte nicht. Am Geburtstermin wurde ein Einleitungsversuch mit einem sogenannten Oxytocinbelastungstest (OBT) durchgeführt. Am nächsten Tag um 6.00 Uhr wurde die Geburt mit einem Prostaglandin-Vaginalzäpfchen (Prostin® E2) eingeleitet. An T + 2 wurde morgens ein neuerliches Prostaglandin-Vaginalzäpfchen und um 12.15 Uhr ein drittes verabreicht, da sich der Muttermund nur sehr langsam öffnete. Um 14.20 Uhr war der Muttermund dicksaumig, weich, sakral, für 3 cm eröffnet und die Blase stand. Das CTG wies 140 spm auf und die Wehen waren unregelmäßig. Zwischen 14.20 und 18.15 Uhr lagen keine weiteren Aufzeichnungen vor. Um 18.15 Uhr kam es zu einem spontanen Blasensprung und für zwei Minuten zu einem Abfall der kindlichen Herzfrequenz auf 60 spm. Das CTG zeigte um 18.06 Uhr eine tiefe, U-förmige, über drei Minuten anhaltende Dezeleration auf 60 spm und endete um 18.11 Uhr. Der in den Kreißsaal gerufene Assistent erhob folgenden Vaginalbefund: Muttermund verstrichen, ein Fuß über dem Beckenboden zu tasten, Steiß in der Interspinallinie. Er veranlasste, dass die Patientin in den Operationssaal gebracht wurde und ein Anästhesist zum Stand-by verständigt wurde, ebenso ein Kinderarzt. Nach Lagerung der Patientin auf dem OP-Tisch war der Höhenstand des Steißes +1. Es wurde eine Syntocinon®-Infusion mit 5 Tropfen/min verabreicht. Die Herztonüberwachung durch Hebamme und Arzt erfolgte akustisch mit dem Fetalmonitor. Bei weiterer Wehentätigkeit kam es zum kontinuierlichen Tiefertreten des Steißes (erste Beckenendlage bei vollkommener Fußlage). Zuerst erschien das rechte hintere Füßchen vor der Vulva. Es wurde dann nach Infiltration des Dammes eine dextrolaterale Episiotomie geschnitten. Bei den nachfolgenden Wehen kam es zur Entwicklung beider Beine. Nachdem das linke Beinchen bis zum halben Oberschenkel geboren war, kam es zum Nabelschnurvorfall. Die Nabelschnur zeigte eine gute kräftige Pulsation mit 100 spm. Bei der nächsten Wehe presste die Patientin überhaupt nicht mit und die Pulsation der Nabelschnur wurde schwächer. Die Herztöne sanken auf 70 bis 80 spm ab. Da es trotz erhöhter Syntocinon®-Infusion
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Abb. 2.50: Lövset-Armlösung. Schritt 1. Erfassen des Kindes am Beckenende, nach unten ziehen und dabei um 180° über vorn drehen (aus Dudenhausen, Joachim W.: Praktische Geburtshilfe. 21., erweiterte Aufl. Berlin, Boston: De Gruyter 2011).
(25 mE/min) zu keiner Wehe kam und die Patientin ohne Wehe nicht pressen konnte, wurde von dem Anästhesisten eine Vollnarkose durchgeführt. Der Assistent entschloss sich zu einer sofortigen manuellen Extraktion mit anschließender Armlösung nach Lövset (s. Abb. 2.50 bis 2.51) und Entwicklung des Kopfes nach Veit-Smellie. Die Kopfentwicklung war ziemlich schwierig und gelang nur unter gleichzeitigem kräftigem Kristellern. Um 18.46 Uhr kam es zur Geburt eines klinisch toten, asphyktischen Knaben, der Apgar-Wert war 0/1/1, der Nabelarterien-pH-Wert betrug 7,07. Das Kind wurde auf die
Abb. 2.51: Lövset-Armlösung. Endstellung nach Ausführung des 1. Schrittes (aus Dudenhausen, Joachim W.: Praktische Geburtshilfe. 21., erweiterte Aufl. Berlin, Boston: De Gruyter 2011).
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Intensivneonatologie verlegt. Das Geburtsgewicht betrug 3.960 g, die Länge 57 cm, die frontooccipitale Zirkumfärenz betrug 35 cm. Im Reanimationsprotokoll des Knaben war handschriftlich vermerkt: Extraktion aus Beckenendlage (Fußlage) in Allgemeinnarkose (protrahiert), Nabelschnurvorfall. Der Apgar-Wert nach 15 Minuten betrug 5 und nach 20 Minuten 7. Das Kind wurde intubiert und es erfolgte eine Herzmassage und Adrenalingabe intratracheal. Über eine periphere Vene wurde eine Schocktherapie durchgeführt. Im Mutter-Kind-Pass fanden sich die Vermerke: „Protrahierte Asphyxie, Apgar-Wert 0/1/1/5/7, Krampfanfälle und Apnoe.“ Unterlagen der neonatologischen Abteilung lagen nicht vor. Dem Mutter-Kind-Pass war jedoch zu entnehmen, dass bei dem Kind neben cerebralen Krampfanfällen in weiterer Folge eine Pneumonie beidseits sowie eine Atelektase links aufgetreten waren. Bei dem Kind bestanden eine Ventrikelasymmetrie (links größer als rechts) sowie ein erhöhter Tonus und eine spastische Tetraplegie und Leukomalazie. Nach Aspiration am 47. Lebenstag kam es zu einer Pneumonie und Schocklunge. Das Kind verstarb schließlich am 49. Lebenstag. Ein Obduktionsbefund wurde nicht vorgelegt.
2.3.3.2 Beurteilung / Gutachten Gutachtlich bestand kein Zweifel daran, dass spätestens nach Diagnose einer vollkommenen Fußlage und Lagerung der Patientin am Operationstisch um 18.15 Uhr die Schnittentbindung hätte durchgeführt werden müssen. Eine vollkommene Fußlage gilt nach übereinstimmender Ansicht in der Literatur als absolute Indikation für eine Schnittentbindung. Der Nabelschnurvorfall bei vollkommener Fußlage und die Kompression der Nabelschnur ist eine zu erwartende Komplikation. Das Kind war aufgrund der schwierigen, manuellen Extraktion in extrem schlechtem Zustand (also klinisch praktisch tot). Es stand völlig außer Zweifel, dass der schlechte Ausgang dieser Geburt in direktem kausalem Zusammenhang mit der vaginalen Entbindung aus Beckenendlage bei vollkommener Fußlage stand. Die vollkommene Fußlage zählt nach Schaller (1989), neben der unvollständigen Fußlage sowie den Knielagen mit der Gefahr des Nabelschnurvorfalls, zu den sogenannten ungünstigen Faktoren bei der Behandlung der Beckenendlage. Bei Anwendung des Lehrbuchwissens und der Empfehlungen der Standardkommission Beckenendlage von 1984 (1992) auf den vorliegenden Fall konnte folgendes festgehalten werden: 1. Um ein Missverhältnis auszuschließen, wurden sowohl mehrfache Ultraschalluntersuchungen des Kindes als auch eine Röntgenuntersuchung des mütterlichen Beckens durchgeführt. Die Gewichtsschätzung im Ultraschall ergab 3.150 g, das tatsächliche Geburtsgewicht betrug 3.960 g. Die Messung der Conjugata vera, des wichtigsten geburtshilflichen Beckendurchmessers, ergab einen Wert von 14 cm. Dieser Wert war auffallend hoch und erschien eher überschätzt. Es ist jedoch bekannt, dass die röntgenologische Beckenmessung mit Fehlern behaftet ist, ebenso wie die Gewichtsschätzung per Ultraschall am Termin. 2. Legte man das tatsächliche Geburtsgewicht von 3.960 g zugrunde, so hätte sich daraus ebenfalls die Indikation für einen Kaiserschnitt ergeben.
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3. Reine Fußlagen stellen wegen der geringen Vordehnung der mütterlichen Weichteile und der immer gegebenen Gefahr des Nabelschnurvorfalls eine Indikation zum Kaiserschnitt dar. 4. Von einer Hyperextension des Kopfes wurde im Röntgenbefund nichts berichtet. 5. Die Geburt wurde hier bei einer rechnerischen Übertragung von acht Tagen zunächst mit Syntocinon® und dann mit Prostaglandin-Vaginaltabletten eingeleitet. Diese Einleitung dauerte 54 Stunden. Danach war der Muttermund eben für einen Finger passierbar. Der Ausgangsbefund des Muttermundes am Nachmittag war dicksaumig, sakralwärts gerichtet und 3 cm eröffnet. Auch diese durchaus langwierige Einleitung hätte die Indikation für eine Schnittentbindung ergeben sollen. Bekannt ist, dass sich der Muttermund bei Prostaglandin-Einleitungen dann innerhalb kurzer Zeit eröffnen kann. 6. Als beträchtliches Zusatzrisiko musste im vorliegenden Fall der 2-minütige Herztonabfall des Kindes auf 60 spm bezeichnet werden, wobei noch dazu kein CTG vorlag. Auch dies hätte eine Indikation für eine Schnittentbindung darstellen müssen. 7. Eine Missbildung lag nicht vor. Zusammengefasst hätten sich also aus den Empfehlungen der Standardkommission Beckenendlage 1984 (1992) insgesamt vier Sectio-Indikationen ergeben, wobei die reine Fußlage und der Herztonabfall in der Eröffnungsperiode als absolute Sectio-Indikationen zu bezeichnen wären. Auch die offensichtlich langwierige Einleitung hätte eine Kaiserschnittentbindung indiziert. Eine Schnittentbindung in der Austreibungsphase, nachdem die Patientin ohnedies bereits am Operationstisch gelagert war, hätte mit hoher Wahrscheinlichkeit den ungünstigen Verlauf der Geburt verhindert, da bekannt ist, dass eine Extraktion eine höhere kindliche Morbidität und Mortalität als eine Schnittentbindung hat. Eine Aufklärung der Mutter fand offensichtlich nicht statt, da sich im gesamten Akt nirgends Vermerke dazu fanden. Die Patientin behauptete ebenfalls, nicht aufgeklärt worden zu sein. Bei dem Herztonabfall für zwei Minuten hatte es sich wahrscheinlich um eine potenzielle Nabelschnurkompression gehandelt. Von den sogenannten ungünstigen Faktoren nach Schaller (1989) trafen im vorliegenden Fall folgende zu: ● ● ● ●
Das Schwangerschaftsalter von 42 Wochen (Übertragung), das tatsächliche Geburtsgewicht von 3.960 g, der Höhenstand des kindlichen Steißes von –5, die unreife, geschlossene Portio.
Die Fußlage wird in der gesamten Literatur als absolute Sectio-Indikation angesehen. Von den absoluten Sectio-Indikationen trafen auch die drohende intrauterine Asphyxie in der Eröffnungsphase, die primäre Wehenschwäche sowie der Nabelschnurvorfall zu. Von den relativen Sectio-Indikationen waren die Tatsache der Erstparität, die sekundäre Wehenschwäche und die Übertragung zu nennen. Somit lagen mehrere absolute und relative Indikationen für eine Schnittentbindung vor.
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Beantwortung des Fragenkatalogs 1. Lag bei der Klägerin lege artis eine Indikation zum Kaiserschnitt vor? Bei der Klägerin lag ohne Zweifel eine Indikation zum Kaiserschnitt vor. Die Indikationen wurden ausführlich dargestellt. 2. War der Nabelschnurvorfall vorhersehbar und vermeidbar? Bei der vollständigen Fußlage muss immer mit einem Nabelschnurvorfall gerechnet werden. Daher ist es fixer Bestandteil der Lehre, bei derartigen Fällen eine Schnittentbindung durchzuführen. Damit kann der Nabelschnurvorfall vermieden werden. 3. War vor der Geburt die Vornahme einer Blutgasanalyse indiziert? Die Vornahme einer Blutgasanalyse vor der Geburt wäre nicht zwingend indiziert gewesen. 4. Sind den behandelnden Ärzten des Landeskrankenhauses Behandlungsfehler anzulasten? Aufgrund des Standes der Wissenschaft von 1991 musste die vorliegende Geburt, wie ausführlich dargestellt, insgesamt als Behandlungsfehler gewertet werden.
2.3.3.3 Verfahrensausgang In dem Zivilrechtsverfahren gegen den Träger des Landeskrankenhauses wurde dieser für schuldig befunden, der klagenden Partei (der Mutter) den Betrag von € 1.381,− zu bezahlen und ihr die Prozesskosten von € 1.554,− zu ersetzen. Es handelte sich letztlich um den Ersatz der durch den Tod des Kindes entstandenen Kosten. Das Urteil des Richters wies nur eine lapidare Begründung auf, weil seitens des Beklagten vor Urteilsverfassung signalisiert wurde, dass das Gerichtsgutachten vollinhaltlich akzeptiert wurde. Es war deshalb im Wesentlichen nur mehr über die Kostenfrage zu entscheiden. Es wurde ausgeführt, dass bei der Klägerin trotz Vorliegens mehrerer absoluter und relativer Indikationen für eine Schnittentbindung eine vaginale Geburt durchgeführt wurde. Auch wurde dem Ersuchen, der durch die Lage des Kindes verunsicherten Klägerin, einen Kaiserschnitt durchzuführen, kein Gehör geschenkt. Der schlechte Ausgang der Geburt stand in direktem, kausalem Zusammenhang mit der vaginalen Entbindung. Der Klägerin entstanden durch den Tod des Kindes Kosten von insgesamt € 1.381,−.
2.3.3.4 Resümee Gutachten über Beckenendlagen-Geburten waren naturgemäß „Klassiker“ in der forensischen Geburtshilfe. Dieser Fall einer manuellen Extraktion aufgrund eines Nabelschnurvorfalls bei vollkommener Fußlage war jedoch auch bereits 1991 als klassischer Behandlungsfehler zu bewerten. Eine vollkommene Fußlage gilt in der gesamten Literatur als absolute Indikation für einen Kaiserschnitt. Der Tod des Kindes stand zweifelsohne in direktem Kausalzusammenhang zur vaginalen Entbindung aus vollkommener Fußlage. Die Summe, die als Schadenersatz gezahlt wurde, würde heute sicherlich ein Vielfaches betragen. Nicht bekannt war, ob damals auch ein Strafverfahren stattgefunden hatte.
2.3 Beckenendlage
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Literatur DGGG. Geburt bei Beckenendlage. In: DGGG (Hrsg). Leitlinien der Gynäkologie und Geburtshilfe, Bd. III. Berlin: Verlag S. Kramarz, 2010: 213–222. Dudenhausen JW. Praktische Geburtshilfe mit geburtshilflichen Operationen, 21. Aufl. Berlin, New York: De Gruyter, 2011: 215–245. Hickl EJ. Geburtshilfe aus forensischer Sicht am Beispiel der Beckenendlage. Gynäkologe. 1994; 27: 184–90. Pschyrembel W. Praktische Geburtshilfe und geburtshilfliche Operationen. 14. Aufl. Berlin, New York: De Gruyter, 1973: 295–358. Ramzin MS, Stamm H. Beckenendlage. In: Käser O, Friedberg V, Ober KG, Thomson K, Zander J (Hrsg). Beckenendlage. Gynäkologie und Geburtshilfe, Bd. II, Teil 2. Schwangerschaft und Geburt 2. Stuttgart: Thieme, 1981: 14.8–14.33. Schaller A. Die Beckenendlage. In: Gitsch E, Janisch H. Geburtshilfe Lehrbuch. Wien: Maudrich, 1989: 181–195. Standardkommission Beckenendlage. Richtlinien der deutschen Gesellschaft für Perinatal-Medizin 1984. Gynäkologie und Geburtshilfe. 1992; 3: 226–230.
2.3.4 Uterusruptur nach Geburtseinleitung bei Beckenendlage: Entfernung der Gebärmutter und beidseitige Ovarektomie 2.3.4.1 Sachverhalt / Kasuistik Die im Jahr 2001 36-jährige aus Russland stammende Krankenschwester erwartete ihr drittes Kind. Bereits 1992 hatte sie in Russland ein Kind mit einem Gewicht von 4.000 g spontan entbunden und 1994 in Wien einen Knaben mit einem Gewicht von 4.800 g und 56 cm Länge sowie einem Kopfumfang von 36 cm zur Welt gebracht. Seit 1992 war ein Myom an der Gebärmuttervorderwand mit einer Größe von etwa 2 x 3 cm bekannt. Der errechnete Geburtstermin nach Nägele war der 01. 12. 2001. Wegen Blutungen in der 10. bis 13. SSW wurde die Schwangere von ihrem betreuenden Gynäkologen von der Arbeit frei gestellt. Bereits ab SSW 10 war ein Schwangerschaftsdiabetes bekannt. Eine Fruchtwasserpunktion wegen Altersrisiko ergab einen normalen weiblichen Chromosomensatz. Ab LM 6 traten Vulvavarizen (Krampfadern am äußeren Genital) auf. In SSW 26 wurde eine Beckenendlage diagnostiziert, welche auch in SSW 31 und 36 fortbestand. Der niedergelassene Gynäkologe meinte, es sei aufgrund der Größe des Kindes besser, einen Kaiserschnitt durchzuführen. Dies teilte die Schwangere auch den Ärzten im Krankenhaus mit, in dem die Entbindung stattfinden sollte. Eine Oberärztin meinte jedoch, dass ihr Becken ausreichend weit und deshalb kein Kaiserschnitt nötig wäre. Zwei Tage nach dem Termin (T + 2) wurde die Schwangere wegen niedriger Thrombozytenwerte und Diabetes stationär aufgenommen. Die höchsten Blutzuckerwerte schwankten zwischen 132 und 138 g/l. Einem Arztbrief war zu entnehmen, dass mit der Patientin im Rahmen der Betreuung in der Schwangerenambulanz vereinbart wurde, nach zweimaliger Spontangeburt erneut eine Spontangeburt anzustreben. Tatsächlich wurde am T + 2 erstmals ein Einleitungsversuch mit einem Prostaglandin-Gel (Prepidil®) unternommen. Zu diesem Zeitpunkt war der Muttermund erhalten, weich, sakral und für die Fingerkuppe einlegbar. Am folgenden Tag (T + 3) erfolgte vormittags und nachmittags die neuerliche Gabe von Prostaglandin-Gel. Am T + 3 lag folgender Portiobefund vor: Muttermund weich,
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sakral, für einen Finger passierbar. Es wurde nun kein Prostaglandin-Gel mehr verabreicht, da die Patientin spontane Wehen hatte. Protokolliert wurde: „Beginnende Wehentätigkeit, Spontangeburt anstreben, Thrombozyten vermindert“. Am T + 4 wurde die Patientin schließlich zu einem Einleitungsversuch mit dem Wehenmittel Syntocinon® im Kreißsaal aufgenommen. Im Protokoll stand: „Syntocinon®-Einleitung, Amniotomie mit dem Amnioskop, laut Chef“. Tatsächlich wurde dann Syntocinon® zunächst in einer Dosierung von 15 l/h und in stündlichen Abständen steigend auf 30 l/h und 45 l/h verabreicht. Der Muttermund war immer noch weich, sakral und für einen Finger passierbar. Um 10.30 Uhr wurde die Fruchtblase eröffnet und es rann viel Fruchtwasser ab. Um 12.25 Uhr war der Muttermund 5 cm und um 14.40 Uhr 7 cm. Um 16.00 Uhr wurde die Wehenmitteldosis laut diensthabenden Oberarzt auf 80 l/h und um 16.20 Uhr auf 100 l/h erhöht. Um 17.00 Uhr schließlich war der Muttermund verstrichen, der Höhenstand des kindlichen Steißes jedoch erst bei –3 (nicht eingetreten). Um 18.00 Uhr wurde das Syntocinon® auf 120 l/h erhöht und um 18.30 Uhr war das Beckenende schließlich auf –2. Ab 18.30 Uhr traten wehensynchrone Herztonabfälle des Kindes auf. Es fand sich der Vermerk: „DIP 1“. Um 19.30 Uhr war der Höhenstand des Beckenendes 0, d. h. eingetreten. Derselbe Befund fand sich um 20.00 Uhr. Danach wurde ein Hämatom am äußeren Genitale rechts diagnostiziert, und das CTG war schlecht. Daraus ergab sich die Indikation zu einem Notkaiserschnitt. Die Schwangere gab später an, zunächst damit einverstanden gewesen zu sein, eine vaginale Geburt zu probieren. Etwa ab 12.00 Uhr hätte sie jedoch sowohl bei der diensthabenden Hebamme als auch bei dem Oberarzt einen Kaiserschnitt verlangt. Als gelernte Krankenschwester fürchtete sie eine Geburtsasphyxie, da mit dem Fruchtwasser immer auch Mekonium (Kindspech) abging. Es wurde ihr jedoch erklärt, dass dies bei einer Beckenendlage normal sei und sie „es schon schaffen“ würde. Ab 14.00 Uhr war der Schwangeren jedoch klar, dass sie „es nicht schaffen“ würde. Nach 17.00 Uhr hatte sie in ihrem Bauch das Gefühl, „als wenn ein Messer sie halbieren würde“. Sie sagte dem Oberarzt, dass sie und ihr Kind langsam sterben würden und bat ihn nochmals um eine Schnittentbindung. Dieser entgegnete, dass es für einen Kaiserschnitt schon zu spät sei. Die Patientin bat auch ihren Mann Hilfe zu holen. Bei der medianen Unterbauchlaparotomie zeigte sich schließlich eine Uterusruptur an der Vorderwand, unterhalb eines marillengroßen Myomknotens. Das große Neugeborene wurde rasch aus Beckenendlage entwickelt, hatte jedoch lediglich einen Apgar-Wert von 3, d. h. es war weißblau. Es hatte einen mäßigen Tonus, mäßige Reflexe, atmete schlecht und war bradykard. Laut Operationsbericht zog die Ruptur vom beschriebenen Myomknoten nach kaudal und bezog ein weiteres, offensichtlich zentral kolliquiertes Myom in sich mit ein. Insgesamt reichte sie bis in die vordere Vaginalwand. Eine Blasenläsion bestand nicht. Zunächst wurde versucht, die Ruptur durch Einzelknopfnähte zu versorgen, dabei fiel jedoch auf, dass sich beidseits parametran, bis in die Ligamenta lata hinein, ein an Größe zunehmendes Hämatom entwickelte. Es zeigte sich, dass die Arteria uterina rechts abgangsnahe abgerissen und Äste der Arteria uterina links lädiert waren. Eine Blutstillung gelang nicht. Daher wurde die Indikation zur Entfernung des Uterus unter Mitnahme der Adnexe gestellt. Nach doppelter Unterbindung der Ligamenta infundibulopelvica sowie Ligamenta rotunda und sacrouterina wurde das Präparat von der Vagina abgesetzt. Jetzt erst konnten weitere spritzende uterine Blutungen gestillt wer-
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den. Intraoperativ erhielt die Patientin drei Erythrozytenkonzentrate. Vor Verschluss der Bauchdecke wurde als Hormonersatztherapie noch ein 50 mg Östradiol-Implantat in die Rektusmuskulatur appliziert. Histologisch wies die Gebärmutter an der Vorderwand einen 9 cm langen durchgreifenden Wanddefekt auf. 5 cm oberhalb des beschriebenen Vorderwanddefektes fand sich ein subserös gelegenes, 4,5 cm im größten Durchmesser haltendes Myom. Im Bereich der benachbarten Wundränder fanden sich ausgeprägte Blutungen. Das histologische Bild war gut mit einer Gebärmutterzerreißung nach Kaiserschnitt vereinbar. Der postoperative Verlauf war abgesehen von einer oberflächlichen Venenentzündung am linken Bein weitgehend unauffällig, und die Patientin konnte nach elf Tagen in häusliche Pflege entlassen werden. Das neugeborene Mädchen hatte ein Geburtsgewicht von 4.390 g, eine Länge von 55 cm und einen Kopfumfang von 36 cm. Bei Übernahme durch den Neonatologiedienst wurde ein makrosomes, deutlich deprimiertes Mädchen mit bradykardem Herzschlag und fehlender Spontanatmung beschrieben. Nach Absaugung, Stimulation, Sauerstoffvorlage und Volumensubstitution ergab sich eine allmähliche Erholung; allerdings mit weiterhin fortbestehender muskulärer Hypotonie. Das Kind wies Blutergüsse im Bereich des Gesäßes und des Genitals sowie großflächige Abschürfungen im Bereich des Gesäßes auf. Es wurde mit folgender Diagnose auf die neonatologische Abteilung verlegt: ● ● ● ● ● ●
Schock nach der Geburt (Apgar-Wert 3), diabetische Fetopathie, Respiratory Distress Syndrom, Zustand nach Schnittenbindung, Hyponatriämie (vermindertes Natrium im Blut), Amnioinfektionssyndrom.
In den ersten Lebenstagen war das Kind sehr irritabel und geringgradig neurologisch auffällig. Es konnte jedoch zusammen mit der Mutter nach elf Tagen nach Hause entlassen werden.
2.3.4.2 Beurteilung / Gutachten In dem Zivilgerichtsprozess wegen € 109.000,− und Feststellung (€ 8.720,−) hinsichtlich der Mutter und € 15.910,− und Feststellung (€ 15.000,−) hinsichtlich des Kindes wurde von dem Autor vorprozessual ein Privatgutachten für die Rechtsanwältin der Patientin erstellt. Es stand fest, dass bei der 36-jährigen Schwangeren forciert versucht wurde, das Kind aus einer Beckenendlage vaginal zu entbinden. Den Ärzten war bekannt, dass die Schwangere bereits 1992 und 1994 zwei makrosome Kinder von 4.000 und 4.800 g spontan entbunden hatte (bei Vorliegen eines Diabetes in der Schwangerschaft). Auch in dieser Schwangerschaft lag ein Gestationsdiabetes vor, der mittels einer Diät behandelt wurde. Des Weiteren waren ein Myom an der Gebärmutter von etwa 2 bis 3 cm, eine Thrombozytopenie von etwa 100.000 n/m3 (Normalwert 150.000) sowie ein relativ großes Kind, welches in Beckenendlage lag, bekannt. Bei einer Ultraschalluntersuchung am Termin fand sich der Vermerk „eine Woche größer“. Die ambulanten Ultraschalluntersuchungen zeigten,
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dass das Kind größenmäßig in SSW 37/4 bereits der 39. SSW und in SSW 38/5 der 40. SSW entsprach. Bereits in SSW 37/4 fand sich der Vermerk „Kind etwa 3.600 g“; daher war sowohl anamnestisch als auch aufgrund der Ultraschalluntersuchungen von einem großen Kind auszugehen. Kritisiert wurde, dass bei dem stationären Aufenthalt am Termin vor der Geburtseinleitung keine weitere Gewichtsschätzung mittels Ultraschall durchgeführt wurde, obwohl aufgrund des Diabetes mit einem makrosomen Kind zu rechnen war. Im Zentrum der Begutachtung stand hier zweifelsohne die Frage, wann der letzte noch vertretbare Zeitpunkt zur Durchführung einer Schnittentbindung gegeben war. Sicher war, dass die Schnittentbindung mehrere Stunden zu spät durchgeführt wurde, offensichtlich nachdem die Gebärmutter bereits mehrere Stunden rupturiert war. Aufgrund des CTGs war der gutachtlich letzte vertretbare Zeitpunkt für einen Kaiserschnitt um 18.30 Uhr gegeben. Festgehalten wurde jedoch, dass sich in der gegebenen Situation die Mehrzahl der Gynäkologen und Kliniken zur Durchführung einer primär elektiven Sectio entschieden hätten. Hierfür lagen eine Reihe von klaren Indikationen vor: Die Anamnese von zwei makrosomen Kindern bei Gestationsdiabetes, das Myom an der Vorderwand der Gebärmutter und der wieder aufgetretene Gestationsdiabetes mit dem zu erwartenden großen Kind. Bekannt ist, dass bei der Beckenendlage der Versuch einer vaginalen Entbindung bei einer Ultraschall-Gewichtsschätzung von über 4.000 g deutlich weniger erfolgreich ist als bei Kindern unter 4.000 g. Jeder erfahrene Geburtshelfer weiß außerdem, dass die Gewichtsschätzung am Ende der Schwangerschaft mit einer Fehlerbreite von bis zu 25 % behaftet ist. Besteht bei einer prädiabetischen oder diabetischen Stoffwechsellage eine Makrosomie, so wird die Indikation zur Kaiserschnittentbindung wegen der Kombination dieser beiden Risiken gestellt. Unter der Geburt ergeben sich zwingende Hinweise für ein relatives Missverhältnis zwischen kindlichem Steiß und mütterlichem Becken aus dem Untersuchungsbefund: Wenn der Steiß trotz ausreichender Wehentätigkeit nicht in das Becken eintritt, sondern sich mit der Leitstelle auf dem Beckeneingang oder darüber befindet. Hier war der Steiß unter sehr hohen Wehenmittelgaben extrem langsam bis auf einen Höhenstand von 0 tiefer getreten. Die Ärzte dachten aufgrund der Anamnese (zwei spontan entbundene makrosome Kinder) offensichtlich, der Patientin einen Kaiserschnitt ersparen zu können. Sie strebten eine Einleitung der Geburt mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln an (nämlich mit der Verabreichung von Prostaglandin-Gel und Syntocinon® bei noch unreifem Portiobefund). Ohne Zweifel hätten bereits die mehrfachen erfolglosen Einleitungsversuche die Indikation zu einer Schnittentbindung ergeben sollen. Auch die Patientin selbst wünschte bereits in den Tagen vor der Geburt einen Kaiserschnitt. Zu den zahlreichen eindeutigen medizinischen Sectio-Indikationen kamen somit noch die Terminüberschreitung und der Wunsch der Patientin hinzu. Die Geburtseinleitung mit sehr hohen Syntocinon®-Dosierungen bei geburtsunreifem Muttermund und Vorliegen eines Myoms war wegen der Rupturgefahr eindeutig kontraindiziert. Eindeutig gegen die Regeln der Kunst verstieß jedoch die Amniotomie (Sprengung der Fruchtblase) bei Beckenendlage.
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Gutachtlich handelte es sich um eine Überstimulierung der Gebärmutter mit Syntocinon® und es war offensichtlich, dass ein Missverhältnis zwischen der Größe des Kindes und dem mütterlichen Becken bestanden haben muss. Zur Zerreißung der Gebärmutter kommt es, wenn über längere Zeit zu hohe Wehenmitteldosierungen, noch dazu bei Vorliegen eines oder zwei Myomen (wie sich nachträglich herausgestellt hatte), appliziert werden. Folgt man der Patientin, die ab 17.00 Uhr unter starken Schmerzen litt und um eine Schnittentbindung bat, so hätte die Uterusruptur praktisch über drei Stunden bestanden, da das Kind erst um 21.16 Uhr entbunden wurde. Bezüglich des Geburtsverlaufes wurde festgehalten, dass bereits die langsame Eröffnung des Muttermundes bei einer Mehrgebärenden und das Fehlen des Tiefertretens des kindlichen Steißes trotz massiver Syntocinon®-Gabe die Indikation zur Schnittentbindung hätte ergeben müssen. Stattdessen wurde verstärkt versucht die Geburt vaginal zu beenden. Man konnte bei Vorliegen einer mehrstündigen Uterusruptur von großem Glück sprechen, dass das Kind überlebt hat. Beantwortung des Fragenkatalogs 1. War bei der Geburt des minderjährigen Mädchens ein medizinischer Kunstfehler unterlaufen, sodass in der Folge der Mutter die Gebärmutter entfernt werden musste? Gutachtlich bestand kein Zweifel, dass der schlechte Ausgang der Geburt und der Verlust von Gebärmutter und Eierstöcken der Patientin in kausalem Zusammenhang mit der Art der angewendeten Geburtshilfe stand. Mit anderen Worten: Es wäre nichts passiert, wenn man, wie es den Regeln der Kunst entsprochen hätte, rechtzeitig einen Kaiserschnitt durchgeführt hätte. Aufgrund des CTGs war der letzte vertretbare Zeitpunkt für die Durchführung einer Schnittentbindung um 18.30 Uhr gegeben. Aus klinischer Sicht jedoch bereits um 12.25 oder spätestens um 13.50 Uhr, da zu diesem Zeitpunkt trotz Syntocinon®-Gabe und Amniotomie die Portio noch immer dicksaumig und 5 cm war. Der Höhenstand des kindlichen Steißes befand sich über dem Beckeneingang. Somit war kaum ein Geburtsfortschritt zu erkennen. Aus den genannten Gründen war es offensichtlich, dass die Schnittentbindung um viele Stunden zu spät durchgeführt wurde und somit unnötige Risiken für Mutter und Kind eingegangen wurden. Die Frage nach einem Behandlungsfehler war daher eindeutig zu bejahen. 2. Warum wurden auch die Eierstöcke entfernt? Die Entfernung der Eierstöcke erachtete der Operateur für notwendig, um die durch die Uterusruptur entstehende Blutung vom Stillstand zu bringen, da sich bereits Hämatome in den Parametrien gebildet hatten. Die Gefäßversorgung des inneren Genitals erfolgt über die Arteriae uterinae (Gebärmutterarterien) und Arteriae ovaricae (Eierstockarterien). 3. Welche Auswirkungen hat die Entfernung der Eierstöcke auf die Gesundheit und das Befinden der Mutter? Die Entfernung der Gebärmutter, vor allem aber der Eierstöcke, versetzt die Patientin in einen künstlichen, vorzeitigen Wechsel; man spricht auch von einer chirurgischen Menopause. Die Menopause wird im Durchschnitt mit 51 Jahren angenommen. Wechselbeschwerden bestehen in Wallungen, Schweißausbrüchen, Schlaflosigkeit
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und depressiver Verstimmung. Diese sind jedoch bei Anwendung einer Hormonersatztherapie weitgehend zu eliminieren. Durch die Entfernung der Gebärmutter wurde der Patientin jedenfalls die Möglichkeit genommen, weitere Kinder zu bekommen. 4. Welche Auswirkungen hat der Geburtsverlauf auf das neugeborene Mädchen? Das neugeborene Mädchen kam deprimiert mit einem Apgar-Wert von 3 zur Welt. Der Herzschlag war langsam und es atmete nicht, es bestand ein Atemnotsyndrom sowie ein Amnioninfektsyndrom. Das Kind hatte Blutergüsse und Abschürfungen am Steiß und am Genitale. Der Nabelarterien-pH-Wert betrug 6,92, d. h., das Kind war mäßig übersäuert. Kurzzeitig war es geringgradig neurologisch auffällig. Im Ultraschall fand sich jedoch kein Hinweis für ein Hirnödem. Ein entwicklungsneurologischer Befund nach zwei Monaten war jedoch weitgehend unauffällig. Zusammenfassend wurde festgehalten, dass der Verlust von Gebärmutter und Eierstöcken durch einen Behandlungsfehler entstanden war.
2.3.4.3 Verfahrensausgang In dem Zivilgerichtsverfahren gegen den Träger des Krankenhauses und den Oberarzt wurden die beklagten Parteien für schuldig erkannt, der erstklagenden Partei (der Mutter) einen Betrag von € 60.000,− zu zahlen. Das Schmerzensgeldmehrbegehren seitens der Mutter von € 40.000,− wurde vom OLG abgewiesen. Hinsichtlich der Zweitklägerin (dem Kind) wurden die beklagten Parteien zur Zahlung eines Schmerzensgeldes von € 3.200,− verurteilt. Aus dem Urteil Unter den vorliegenden Gegebenheiten stellte schon das Eröffnen der Fruchtblase einen medizinischen Fehler dar. Die Entscheidung zum Kaiserschnitt hätte richtigerweise spätestens um 18.30 Uhr getroffen werden müssen. Bei zeitgerechter Schnittentbindung wäre es nicht zur Ruptur der Gebärmutter und zum Reißen der Uterusarterien gekommen. Auch für das Kind hätte sich ein besserer Zustand ergeben. Die Schmerzbelastung der Mutter ab Uterusriss bis Operation ist als die höchstmögliche existierende Schmerzbelastung einzustufen. In der Folge ergaben sich bei der Mutter ein depressives Zustandsbild und ausgeprägte Beschwerden als Folge der durch die Entfernung von Uterus und Eierstöcken bedingten Dysbalance des Hormonhaushalts. Bei dem Kind bestand aufgrund der traumatischen Geburt ein neurologisches Durchgangssyndrom, das sich jedoch vollständig zurückbildete. Die Zustandsbestimmung nach Apgar 1 Minute, 5 Minuten und 10 Minuten nach der Geburt betrug 3/7/8. Das Kind war pulslos und völlig weiß mit einem arteriellen Nabelschnur-pH-Wert von 6,92. Das bedeutet eine Azidose, also eine Anreicherung sauerer Stoffwechselprodukte im Blut. Das Kind erlitt laut neonatologischen Gutachten anlässlich der Geburt vorfallskausale Schmerzäquivalente im Ausmaß von sieben Tagen schwerer Schmerzen, vier Tagen mittelschwerer und drei Tagen leichter Schmerzen. Die erstbeklagte Partei machte ein überwiegendes Mitverschulden der Erstklägerin wegen Unterlassung einer Hormonersatztherapie geltend. Zutreffend ist, dass der Verletzte Verletzungsfolgen nicht durch Unterlassung entsprechender Behandlung vergrö-
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ßern oder verlängern darf (Reischauer in Rummel § 1304 Rz 39 ABGB). Eine Schadensteilung nach § 1304 setzt jedoch voraus, dass das sorglose Verhalten der Geschädigten für den Schadenseintritt bzw. eine Vergrößerung des Schadens kausal ist, wobei die Beweislast für die Kausalität der Unterlassung einer Behandlungsmaßnahme für den Umfang bzw. eine Vergrößerung des Schadens der Schädiger trägt. Dieser Nachweis ist hier aber nicht gelungen, da nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit fest stand, dass die Durchführung einer Hormonersatztherapie im konkreten Fall das bei der Erstklägerin bestehende Beschwerdebild tatsächlich beseitigt bzw. wesentlich gelindert hätte. Der Mitverschuldenseinwand der Erstbeklagten muss aber auch deshalb scheitern, weil der Erstklägerin im konkreten Fall keine Sorgfaltswidrigkeit in eigenen Angelegenheiten vorzuwerfen war. Dass die Erstklägerin angesichts der Berichterstattung in den Medien über die Brustkrebsrisikoerhöhung durch Hormonersatztherapien Bedenken gegen eine weitere Implantierung eines Östradiolkristalls hatte ist grundsätzlich nachvollziehbar. Das Erstgericht erkannte die Beklagten sogar schuldig, der Erstklägerin € 90.000,− und der Zweitklägerin € 3.200,− zu bezahlen. Rechtlich folgerte das Erstgericht hinsichtlich der Erstklägerin, das Schmerzensgeld sei im gegenständlichen Fall nicht in konventioneller Form nach Schmerztagen, sondern als Gesamtheit zu sehen. Es gäbe nämlich nach der herkömmlichen Berechnungsmethode kein Äquivalent für die am Tag der Entbindung, besonders in den letzten Stunden vor der Operation, erlebte Schmerzbelastung und die Existenz- und Todesängste der Erstklägerin für sich und das Kind. Dies aufgrund der Gutachten des Gerichtssachverständigen. Das Ganze bestehe insbesondere auch in dem massiven Verlust der Lebensqualität der Klägerin. Jedoch sei hier die Grenze für jenen Zeitpunkt zu setzen, zu dem diese hormonelle Dysbalance nicht mehr vorfallskausal sei, also etwa nach dem Zeitpunkt der Wechseljahre. Fasse man all diese Umstände zusammen und rechne sie für die Zukunft zusammen (bis zum 52. Lebensjahr), so erscheine ein Schmerzensgeld von € 90.000,− angemessen. Dies lasse sich für die 15 Jahre auch rechnerisch nachvollziehen und ergäbe etwa € 6.000,− im Jahr oder auf den Monat umgerechnet, € 500,−, was einem Wert von fünf Tagen leichter Schmerzen im Monat entsprechen würde. Angesichts der starken Beeinträchtigung der Lebensfreude der Klägerin, wie der Verlust des Selbstwertgefühls als Frau, verloren gegangene Freude am Geschlechtsverkehr bzw. Schmerzen dabei, depressive Verstimmungen, Schlafstörungen etc., erscheine dieser Betrag für die Zeitperiode bis 2016 angemessen. Hinsichtlich der Zweitklägerin folgerte das Erstgericht, dass bezüglich allenfalls vorhandener Leistungsschwächen kein Kausalzusammenhang zur Geburt nachweisbar sei. Ein Schmerzensgeldbetrag von € 3.200,− sei angemessen und das Feststellungsbegehren wurde abgewiesen. Dem Berufungsgericht erschien ein Schmerzensgeld von insgesamt € 60.000,− für die von der Erstklägerin vorfallskausal erlittenen und noch zu erleidenden Beschwerdebildern angemessen. Dieser Betrag bewegt sich auch im Rahmen der von der jüngeren Judikatur in vergleichbaren Fällen zugesprochenen Beträge. Vom gynäkologischen Sachverständigen wurden hinsichtlich der Erstklägerin im Rahmen der verlängerten Geburt und der Rekonvaleszenz nach der Gebärmutterentfernung drei Tage starke, drei Tage mittelstarke und zehn Tage leichte Schmerzen angenommen. In einem neurologisch-psychiatrischen Sachverständigengutachten sowie in einem psychologischen Gutachten wurde eine posttraumatische Belastungsstörung
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infolge zunehmender psychischer Traumatisierung der Erstklägerin im Zeitraum von 12. bis zum 18. 12. 2001 festgestellt. Ein ergänzendes endokrinologisches Gutachten kam zu dem Ergebnis, dass das depressive Zustandsbild der Erstklägerin, die Gewichtszunahme und der Libidoverlust in Kausalzusammenhang mit der Ovarektomie standen. Nach dem heutigen Stand der medizinischen Wissenschaft wäre es nicht möglich, zuverlässig durch Hormongabe die entfallene Produktion der natürlichen Hormone richtig auszugleichen. Es wäre mehr oder weniger eine Glückssache im Einzelfall, wenn es teilweise doch funktioniert, was auch versucht wurde. Es ist jedoch die Dosierung ein kaum zu lösendes Problem im Einzelfall. Die Klägerin hatte, da sie einer Hormontherapie mit Skepsis gegenüberstand, weil sie ein erhöhtes Brustkrebsrisiko annahm, kein einziges Mal mehr einen Hormonkristall, durch den sie von Hitzewallungen und Schlaflosigkeit befreit worden war, einsetzen lassen und habe anschließend versucht, ohne Hormone auszukommen. Schließlich hatte sie ein Hormonpflaster verwendet, wodurch es allerdings nicht gelungen war, die Wallungen und Schlafstörungen zu beseitigen. Sie hatte auch ein Hormongel verwendet und Tabletten, wovon sie allerdings Schmerzen in den Brustwarzen bekommen hatte, weswegen sie sie wieder absetzte. Hinsichtlich der sexuellen Situation habe sich dadurch nichts verändert. Schließlich hätte der Gynäkologe gemeint, sie solle mit den Hormonen überhaupt aufhören. Der endokrinologische Sachverständige führte aus, dass man durch eine Hormonersatztherapie zwar die Hauptsymptome, wie Hitzewallungen und Schlaflosigkeit, eliminieren könne (was bei der Erstklägerin durch den hoch dosierten Kristall, nicht jedoch durch das transdermale System gelungen sei). Allerdings spielten bei einer Frau im reproduktiven Alter für ihre Befindlichkeit auch das Progesteron und die Androgene eine große Rolle. Die Progesteronsubstitution gelinge durch eine Hormonersatztherapie nicht immer im gleichen physiologischen Rahmen wie auf natürlichem Wege. Der Libidoverlust der Erstklägerin sei ein Beispiel für die Folgen des Androgenmangels. Medikamente zur Substituierung der Androgene seien allerdings schwer verfügbar, es gäbe nur ein einziges Präparat, das sehr teuer sei, und von der Krankenkasse nicht vergütet werde. In der Gutachtenserörterung meinte der Sachverständige, dass eine Hormonersatztherapie im Allgemeinen die Beschwerden zwar schon abfedere, dass das aber nicht immer gelinge. Es könne auch sein, dass sie bei der Klägerin nicht wirken würde. Man könne die Natur nicht immer substituieren. Der Verlust der Ovarien sei nicht vergleichbar mit dem Fall des fortgeschrittenen Alters. Bei chirurgischer Entfernung der Eierstöcke sei die Einstellung schwieriger und die Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Substitution geringer als im natürlichen Verlauf. Befindlichkeitsbeschwerden wären ein Indikator für die Dosierungsregulierung. Zu Befindlichkeitsstörungen könne es dadurch kommen, dass man im Einzelfall keine exakte Dosierung fände. Dies lasse sich medizinisch nicht verhindern. Gerade in jüngeren Jahren sei die Hormonersatztherapie diesbezüglich schwierig. Es könne möglich sein, dass das Problem bis zur Menopause fortbestehe. Zur Frage des Brustkrebsrisikos gab der endokrinologische Sachverständige an, dass das Krebsrisiko durch Hormonsubstitution in der Literatur dokumentiert und zutreffend sei, jedoch nur nach der Menopause, da die untersuchten Patientin durchgehend nach der Menopause gewesen seien. Hinsichtlich des Krebsrisikos seien Substitutionen und natürliche Produktion gleichwertig. Das sei auch der Grund für die Logik, dass Östrogen-Abgabe vor der Menopause kein erhöhtes Krebsrisiko auslöse, die Risikoerhöhung
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somit nur durch Substituierung ab der Menopause eintrete. Diesbezüglich gäbe es aber keine wirklichen Studien, da nicht ausreichend Patientinnen in diesem Alter vorhanden seien. Man nehme daher an, dass keine Risikoerhöhung eintrete, dies sei aber mehr eine Überlegung und Annahme. Das Gericht folgerte, dass bei der Erstklägerin durch eine Hormonersatztherapie eine wesentliche Verbesserung ihrer Situation herbeigeführt werden könne, sich dieses unter Berücksichtigung der vorliegenden Beweisergebnisse jedoch nicht mit der erforderlichen Sicherheit feststellen ließ. Bezüglich Spät- bzw. Dauerfolgen für die Erstklägerin führte der endokrinologische Sachverständige aus, dass ein Östrogenmangel das Risiko eines Schlaganfalls, einer Lungenembolie und von Herz-Kreislauf-Erkrankungen erhöhen würde. Das Gericht schloss daraus, dass, zumindest bis zum Zeitpunkt des vermuteten Eintritts der natürlichen Menopause, von einem erhöhten vorfallskausalen Risiko für den Eintritt der genannten Erkrankungen bei der Erstklägerin auszugehen wäre. Bezüglich des Schmerzkalküls wurde festgestellt, dass die somatischen Schmerzen im vorliegenden Fall eine sehr untergeordnete Rolle spielten. Eine globale Gesamtbemessung der Schmerzen sei unbedenklich: Schmerzen als psycho-physisches Phänomen seien eine individuell, subjektive Erscheinung und daher objektiv nie exakt feststellbar. Sie entzögen sich daher einer ausschließlichen naturwissenschaftlichen Betrachtungsweise. Insbesondere seelische Schmerzen ließen sich nicht in das in der Medizin übliche Schema von Schmerzintensitäten einordnen. Die in der Praxis übliche Feststellung von Schmerzen nach Tagen und Schweregraden bilde generell nur ein Hilfsmittel bei der Bemessung des Schmerzensgeldes. Schmerzensgeldsätze stellten nur eine Orientierung und Berechnungshilfe dar, jedoch keine Berechnungsmethode. Bedeutung hätten diese Tagessätze vor allem dort, wo es um mittelschwere Schädigungen ginge und körperliche Beschwerden im Vordergrund stünden. Ihre Orientierungsfunktion trete aber umso mehr zurück, je schwerer die seelischen Beeinträchtigungen wögen. Daher sei das Schmerzensgeld auch nicht in festen Tagessätzen, sondern als Globalsumme nach Art, Dauer und Intensität der Schmerzen unter Berücksichtigung des Gesamtbildes der psychischen und physischen Schmerzen auszumitteln (7 Ob 296/02h). Diese ganzheitliche Betrachtung gebiete die Einbeziehung des gesamten Spektrums der Körperbeeinträchtigungen. Insbesondere im Fall von seelischen Schmerzen seien die einzelnen Bemessungskriterien als „bewegliches System“ zu verstehen, innerhalb dessen Grenzen ein weiterer Spielraum für die den Erfordernissen des Einzelfalls jeweils gerecht werdende Ermessensausübung bestehe.
2.3.4.4 Resümee Im vorliegenden Fall wurde entgegen allen Regeln der Kunst die Geburt bei Beckenendlage eingeleitet, amniotomiert und mit sehr hohen Syntocinon®-Dosen versucht, eine vaginale Geburt zu erzwingen. Als Kontraindikationen lagen jedoch ein anamnestischer Schwangerschaftsdiabetes mit bereits zwei makrosomen Kindern, ein neuerlicher Schwangerschaftsdiabetes mit einem großen Kind, ein Myom an der Uterusvorderwand sowie eine Terminüberschreitung vor. Durch Syntocinon®-Überstimulierung kam es zu einem 9 cm langen Riss an der Uterusvorderwand, der zwei Myome in sich mit einbezog und bis in die Vagina reichte. Das Kind war deprimiert mit einem Apgar-Wert von 3/7/8. Der Uterus musste exstirpiert werden und es wurde aufgrund
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von Blutungen eine beidseitige Ovarektomie notwendig. Das Oberlandesgericht sprach der Patientin, insbesondere wegen des Verlustes der Eierstöcke, € 60.000,− Schmerzensgeld zu. Eine Hormonsubstitution bei chirurgischer Menopause wäre nach Meinung des endokrinologischen Sachverständigen schwierig und nicht immer erfolgreich. Die Patientin lehnte eine Hormonersatztherapie wegen des Brustkrebsrisikos ab. Es wurden ihr Beschwerden bis zum Eintritt der natürlichen Menopause zugestanden. Bezüglich prämaturer chirurgischer Menopause sei auch auf die entsprechenden Kapitel in dem Buch „Gerstner: Forensische Gynäkologie“ (2011; erschienen im selben Verlag) verwiesen. Literatur Gerstner GJ. Forensische Gynäkologie. Berlin, New York: De Gruyter. 2011. Hermsteiner M, Künzel W. Beckenendlage, Quer und Schräglage. In: Künzel W (Hrsg). Klinik der Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Bd. 6, Geburt I. 4. Aufl. München, Jena: Urban und Fischer, 2003: 181–201. Retzke U. Regelwidrigkeiten des Geburtsmechanismus: Lageanomalien. In: Schneider H., Husslein P., Schneider KTM. (Hrsg). Geburtshilfe. Berlin, Heidelberg, New York: Springer, 2000: 809–843.
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2.4 Kaiserschnitt 2.4.1 Sinus sagittalis superior-Blutung durch Schnittverletzung der großen Fontanelle bei Kaiserschnitt Schnittverletzungen Schnittverletzungen des vorangehenden Kindsteils, also des Schädels oder des Steißes, sind eine jedem erfahrenen Geburtshelfer bekannte methodenimmanente Komplikation des Kaiserschnitts, über die in den gängigen Operationsreversen aufgeklärt wird. Zumeist handelt es sich um harmlose oberflächliche Wunden, die jedoch kosmetisch eine Rolle spielen können. Interessanterweise wird dieser Aspekt in den geburtshilflichen Lehr-und Textbüchern nicht behandelt. Dies geschieht jedoch in den entsprechenden Internetforen und in der Literatur. Tiefe Schnittverletzungen mit Verletzung darunterliegender anatomischer Strukturen, wie im vorliegenden Fall, finden sich jedoch nicht im Schrifttum.
2.4.1.1 Sachverhalt / Kasuistik Bei der 22-jährigen Erstschwangeren wurde in SSW 38 wegen Plazentainsuffizienz und pathologischem Wehenbelastungstest eine primäre Schnittentbindung durchgeführt. Tatsächlich wurde ein dystrophes Mädchen mit einem Gewicht von 2.185 g und einer Länge von 49 cm entbunden. Schon während der Entbindung zeigte sich eine Schnittverletzung über der großen Fontanelle, welche noch im Operationssaal von einem Facharzt für Unfallchirurgie versorgt wurde. Der Unfallchirurg beschrieb in seinem Operationsbericht einen etwa 2 cm langen Hautschnitt über dem rechten Scheitelbein mit einer leicht blutenden Wunde. Bei der Revision sah man, dass die unter der Haut liegende Galea aponeurotica und das Periost zweimal im Abstand von 2 mm durchschnitten waren und der Rand des rechten Scheitelbeins freilag. Unterhalb derselben war in der Tiefe eine leichte Blutung erkennbar. Eine Verletzung des Sinus sagittalis superior war nicht ganz auszuschließen. Nachdem das Periost mit drei Vicrylnähten versorgt wurde, war keine weitere Blutung mehr erkennbar. Es erfolgte eine Hautnaht mit Ethilon®. In der Folge wurde das Kind vom neonatologischen Intensivdienst übernommen. Die Neonatologen beschrieben ein schockiert wirkendes, marmoriertes blasses Kind im Inkubator mit akral kühler, livider Haut und dunkelroten lividen Flecken u. a. im Gesicht. Das Kind zeigte Anzeichen eines hypovolämischen Schocks mit einem HbWert von 17,8 g/l. Wegen fortbestehender Sickerblutung aus der Wunde wurde eine Gerinnungsstörung (Verbrauchskoagulopathie) angenommen. Sofort wurde eine Volumentherapie durch fraktionierte Gabe von 35 ml Biseko® sowie im weiteren Biseko®/ Glukose (10 %) 1:1 verdünnt mit einer Infusionsgeschwindigkeit von 40 l/h infundiert. Unter Sedoanalgesierung durch Alodan® (1,5 mg i.v.) wurde ein neuer Druckverband angelegt. Initial konnte kein Blutdruck gemessen werden, beim Eintreffen auf der neonatologischen Intensivstation betrug der Blutdruck 38/22 mmHg. Während des problemlosen Inkubatorfluges im Hubschrauber von 50 Minuten bestand weiterhin eine Sickerblutung durch den Druckverband. Die Blutwerte ergaben ein fehlendes Fibrinogen sowie fehlende Fibrinogen-Spaltprodukte. Daher wurde das Vorliegen einer kon-
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genitalen Afibrinogenämie angenommen. Wegen der andauernden Sickerblutung aus der Kopfwunde wurden sofort 30 ml 0-negativen Erythrozytenkonzentrates verabreicht sowie eine Fibrinogensubstitution mit Hämocomplettan® (100 mg i.v.) durchgeführt. Im Kopfultraschall fand sich eine etwa 10 mm im Durchmesser haltende, echoreiche Struktur hochparietal im Bereich des Interhemisphärenspaltes bzw. links angrenzend an das Parenchym. Ein umgehend durchgeführtes CT ergab jedoch keinen Hinweis auf eine Blutung. Eine Ultraschalkontrolle am folgenden Morgen zeigte eine echoreiche, etwas inhomogene 3 × 2 × 2,5 cm große kugelige Struktur hochfrontoparietal links, die als Blutung interpretiert wurde. Wegen eines eventuell notwendigen neurochirurgischen Eingriffs wurde das Kind in der Folge mittels bodengebundenen Intensivtransport an die Universitätskinderchirurgie der Landeshauptstadt überwiesen. Die Blutung kam erstmals 21 Stunden postpartum zum Stillstand. Neurologisch zeigte sich das Kind zu diesem Zeitpunkt spontan atmend (nicht intubiert), schlaff und sehr apathisch. Eine neurochirurgische Intervention erschien jedoch nicht nötig, und das Kind wurde zwecks weiterer Behandlung, Diagnostik- und Verlaufsbeobachtung auf die neonatologische Intensivstation der Kinderklinik verlegt. Dort stand die Blutung weiter, obwohl das Kind zeitweilig sehr unruhig war. Es erhielt wegen Schmerzen Nubain® und Chloralhydrat. Die große Fontanelle war mäßig gespannt und im Bereich der Wunde zeigte sich eine wulstförmige Verdickung, die sonographisch einem Hämatom entsprach. Dieses bildete sich in der Folge allmählich zurück, sodass am elften Lebenstag die Nähte entfernt werden konnten. Die Wundränder waren mit einer blanden Kruste abgedeckt. Die wulstförmige Verdickung (Serom) bildete sich bis zur Entlassung nahezu vollständig zurück. Das Kind trug zum Schutz immer ein Häubchen. Im Ultraschall fand sich ein im Zentrum inhomogen echodichter Bezirk, der sehr bald eine sehr deutliche Demarkierung mit perifocaler homogener Echogenitätserhöhung erkennen ließ und am Tag vor der Entlassung als ein scharf begrenzter, nahezu echofreier Raum mit einem bis zu 1 cm dicken perifocalen echogenen Saum (vermutlich perifocales Restödem) imponierte. Eine Seitenverschiebung war nach wie vor erkennbar, betrug aber nur mehr etwa 5 mm. Periventriculär fanden sich neben dem Vorderhorn rechts diskrete kleinzystische Aufhellungsbezirke. Die Thrombose des Sinus sagittalis superior schien sich völlig aufgelöst zu haben und die arteriellen Durchblutungsverhältnisse waren regulär. In Plexusnähe fand sich eine 2 × 3 × 3 mm große, vermutlich posthämorrhagische Zyste nahe der hinteren cella media links. Bei der Entlassung nach zwölf Tagen war der Wundbereich nach wie vor bland und zart verkrustet. Neurologisch zeigte sich eine erstaunlich gute Kopfkontrolle bei der Traktion, die Motorik seitengleich alternierend. Das einzig wirklich Auffallende war ein überwiegend eingeschlagener Daumen rechts, dessen Endglied nahezu nie zu sehen war. Die Entlassungsdiagnosen nach 17-tägigem Aufenthalt an der klinischen Abteilung für Neonatologie der Universitätskinderklinik lauteten: ● ● ● ● ●
Fetale Wachstumsretardierung (small for date), Sectio wegen drohender intrauteriner Asphyxie, Schnittverletzung im Bereich des Sinus venosus sagittalis superior, schwerer hämorrhagischer Schock, passagere Afibrinogenämie und Thrombopenie (Verlust- und Schockbedingte Synthesestörung),
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● Einblutung im Bereich der Mantelkante links auf Höhe des Sulcus centralis und Gyrus postcentralis mit posthämorrhagischer, ca. 3,4 × 1,5 × 2,0 cm großer Zyste, ● passagere partielle Thrombose des Sinus venosus sagittalis superior, ● diskrete Halbseitenmotorik rechts (armbetont), ● Mekoniumpfropf. Fünf Monate später wurde das Kind aufgrund von Bauchschmerzen und einer periventrikulären leukencephalen Zyste aufgenommen. Im Schädelultraschall fand sich in der Höhe des Seitenventrikelvorderhorns links eine ca. 1 cm große Zyste. Das Kind war klinisch völlig unauffällig, trank und nahm an Gewicht zu. Vier Monate postpartum wurde bei dem Kind an der entwicklungsdiagnostischen Abteilung der klinischen Abteilung für Neonatologie eine beginnende Hemiparese rechts beschrieben und eine Physiotherapie eingeleitet. Einem Arztbrief der Abteilung für Kinder und Jugendliche über eine ambulante Untersuchung des vier Monate alten Mädchens war zu entnehmen, dass bei dem Kind eine rechtsbetonte Bewegungsstörung bestand. Warum das Kind während des Tages häufig so heftig schrie, war nicht zu beantworten. Es wurden Körperwahrnehmungsprobleme diskutiert und eine Physiotherapie sowie eine Frühförderung eingeleitet. Im Alter von acht Monaten wurde von der entwicklungsdiagnostischen Ambulanz der klinischen Abteilung für Neonatologie eine mäßiggradig ausgeprägte Hemiparese rechts gefunden, die sich allerdings unter Physiotherapie deutlich gebessert hatte. Die Diagnose lauteten: „Zustand nach Schnittverletzung bei Sectio mit konsekutivem Substanzdefekt links frontal, Hemiparese rechts.“ Laut Angaben der Mutter hatte das Kind mit sechs Monaten eine Essstörung, hätte viel geweint und sich an die Narbe auf dem Kopf gegriffen. In weiterer Folge hätte es sich jedoch gut entwickelt. Der Kindsvater wollte sich im Alter von gut einem Jahr für etwaige spätere Schäden absichern und die zusätzlich aufgelaufenen Kosten zurückerstattet bekommen. Daher suchte er einen Rechtsanwalt auf und begehrte Schmerzensgeld für das Kind sowie € 1.463,− für die Fahrtkosten.
2.4.1.2 Beurteilung / Gutachten Es stand fest, dass es bei dem Kind im Rahmen einer Schnittentbindung zu einer Schnittverletzung über der großen Fontanelle gekommen war. Die große Fontanelle ist eine angeborene natürliche Knochenlücke des Schädeldaches, wobei die vordere rautenförmige Fontanelle, auch große oder Stirnfontanelle genannt, am vorderen Ende der Pfeilnaht, begrenzt von den beiden Scheitelbeinen und Stirnbeinhälften, liegt. Die Betreuung während der Schwangerschaft war ausreichend. Die Indikation zur Schnittentbindung war korrekt, denn es fand sich eine deutliche Wachstumsverzögerung bei dem Kind. Gutachtlich wurde festgehalten, dass Schnittverletzungen bei Kaiserschnittgeburten methodenimmanent sind und keineswegs selten vorkommen. Dies deshalb, da der vorangehende Teil des Kindes – also meistens der Schädel, manchmal aber auch der Steiß – oft der Gebärmutterwand sehr eng anliegt. Nachdem diese mit dem Skalpell eröffnet werden muss, sind deshalb Schnitte in das darunter liegende Kind manchmal unvermeidbar. Zumeist sind diese jedoch klein und bedürfen keiner weiteren oder nur einer lokalen Wundtherapie. Die Kindesmutter hatte auch einen Perimed-Bogen zur Schnittentbindung unterzeichnet.
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Die Lokalisation des Schnittes über der großen Fontanelle sowie die Tatsache einer angeborenen Blutgerinnungsstörung (Afibrinogenämie) haben sich im vorliegenden Fall jedoch tragisch ausgewirkt. Obwohl die Wunde durch einen Unfallchirurgen sofort kunstgerecht versorgt wurde, kam es wegen fehlender Blutgerinnung zu einer Sickerblutung und dadurch zu einem Schockzustand des Neugeborenen. Zum Stillstand der Blutung kam es erst nach Gabe von Fibrinogen und der Normalisierung der Blutgerinnung. Aufgrund der Ultraschalluntersuchungen war es auch im Bereich der Hirnwindungen unter der großen Fontanelle zu einer Blutung gekommen. Daher war es völlig richtig, das Kind unter der Annahme der Notwendigkeit eines neurochirurgischen Eingriffes in die Universitätskinderklinik zu verlegen. Dort stoppte die Blutung glücklicherweise. Es wurde jedoch eine Einblutung im Bereiche der Mantelkante links, auf der Höhe des Sulcus centralis und Gyrus postcentralis festgestellt. Als Folge der Blutung fand sich auch eine Zyste sowie eine vorübergehende teilweise Thrombose des Sinus venosus sagittalis superior, also des venösen Blutabflusses unter der großen Fontanelle. Bei dem Kind bildete sich als Folge dieser Läsion eine diskrete Halbseitensymptomatik rechts (armbetonte Hemiparese) aus. Eine Hemiparese ist eine unvollständige Lähmung einer Körperhälfte. Diese wurde in der Folge durch Physiotherapie behandelt und wesentlich gebessert. Gutachtlich wurde festgehalten, dass sich bei dem Kind aus einer bekannten, banalen, kleinen Nebenverletzung bei der Schnittentbindung eine schwere Krankheit mit weitreichenden Folgen entwickelt hatte. Beantwortung des Fragenkatalogs 1. Fragen bzgl. der Beurteilung der Schadenersatzforderung durch Prüfung der Unterlagen. Aufgrund der Unterlagen handelte es sich bei dem Kind um eine Schnittverletzung über der großen Fontanelle im Rahmen eines Kaiserschnittes. Die Problematik ergab sich aus der Lage und der Schwere der Verletzung. Wenngleich es sich bei einer derartigen Schnittverletzung um eine meist harmlose Nebenverletzung und keinen groben Behandlungsfehler handelt, bestand die Schadenersatzforderung zu Recht. 2. Fragen bzgl. des Schmerzkatalogs und der Intensität der Schmerzen. Schmerzen beim Neugeborenen sind naturgemäß nicht vom geburtshilflichen Sachverständigen zu beurteilen. Es stand jedoch außer Zweifel, dass bei dem Kind durch die Lage und Schwere der Verletzung starke Schmerzen aufgetreten waren. Dies war auch so dokumentiert und erforderte den Einsatz einer intensiven Schmerztherapie. Die Quantifizierung oblag jedoch einem Sachverständigen aus dem Fachgebiet der Kinderheilkunde. 3. Sind Folgeschäden sehr wahrscheinlich, möglich oder unwahrscheinlich? Auch diese Frage war nur von einem pädriatischen Sachverständigen zu beantworten. Obwohl sich die Halbseitenschwäche rechts bei dem Kind weitgehend zurückgebildet hatte, waren Folgeschäden wahrscheinlich. 4. War die Behandlung in dem Krankenhaus lege artis? Diese Frage wurde prinzipiell bejaht, wenngleich die Schnittverletzung aufgrund ihrer Ausdehnung und Tiefe eine extreme Rarität darstellte. In der gesamten durchgesehenen Literatur fand sich kein derartig schwerer Fall.
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5. Hätte die eingetretene Schnittverletzung des Kindes verhindert werden können, und wenn ja, wie? Diese Frage war insofern spekulativ, da es sich um eine typische Komplikation handelt, die unter anderem von der Fruchtwassermenge, dem Höhenstand des Kindes, der Dicke des Myometriums und der Stärke der Blutung abhängig ist. Da es sich bei dem Operateur um den Primararzt gehandelt hatte, war von einer entsprechenden operativen Routine auszugehen.
2.4.1.3 Verfahrensausgang Der Fall konnte außergerichtlich über die Patientenanwaltschaft nicht gelöst werden. Es kam zu einem Zivilprozess wegen € 115.000,−, wobei die Haftung nicht bestritten wurde. Der Prozess ist seit vielen Jahren anhängig und derzeit noch nicht abgeschlossen.
2.4.1.4 Resümee Schnittverletzungen des Kindes bei der Sectio caesarea sind methodenimmanente Verletzungen und stellen eine typische Komplikation dar, über die auch in den gängigen Operationsreversen aufgeklärt wird. Laut Literatur handelt es sich meist um harmlose Verletzungen, die in 1 bis 2 % der Fälle vorkommen. Meist befinden sie sich an der Stirn oder an der Wange und stellen ein ästhetisches Problem dar; allerdings mit möglichen rechtlichen Folgen. Neben der Erfahrung und Geschicklichkeit des Operateurs stellen die Menge des Fruchtwassers, der Höhenstand des vorangehenden Kindsteils, die Dicke des Myometriums sowie die Stärke der Blutung ursächliche Faktoren dar.
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2.4.2 Verzögerter Kaiserschnitt bei nicht diagnostiziertem HELLP-Syndrom HELLP-Syndrom Beim HELLP-Syndrom handelt es sich um eine schwere Verlaufsform der Präeklampsie. HELLP steht für Hämolyse, erhöhte Leberenzyme und niedrige Thrombozyten unter 100.000/μl. Bei 10 bis 14 % aller Patienten mit Präeklampsie kommt es zur Ausbildung eines HELLP-Syndroms. Bei Patienten nur mit Eklampsie sind es dagegen 30 %. Die Inzidenz des HELLP-Syndroms ist derzeit steigend. Das HELLP-Syndrom tritt in knapp 70 % der Fälle vor der Geburt (15 % im zweiten Trimenon) auf und in etwa 30 % der Fälle postpartal, meist innerhalb von 48 Stunden. Knapp 80 % der Patienten bilden klinisch die Zeichen einer Präeklampsie aus. Klinische Symptome sind, wie im vorliegenden Fall, allgemeines Unwohlsein und epigastrische Schmerzen (90 %), Übelkeit und Erbrechen (50 %), Druckdolenz im rechten Oberbauch (80 %), rasche Gewichtszunahme und generalisierte Ödeme (60 %), Hypertonie schwer (50 %), leicht (30 %), keine (20 %) und Proteinurie (85 bis 95 %). Nicht selten ist das HELLP-Syndrom fehlinterpretiert bzw. differenzialdiagnostisch von Gastroenteritis, Pyelonephritis, Appendizitis, Glomerulonephritis, Cholezystitis, Magenulkus oder der akuten Schwangerschaftsfettleber abzugrenzen. Die Diagnose des HELLP-Syndroms wird durch die typische laborchemische Konstellation verifiziert. Schwangere mit HELLP-Syndrom müssen stationär aufgenommen werden (Perinatalzentrum) und bedürfen einer intensiven Überwachung, d. h., einer regelmäßigen Kontrolle von Blutdruck, Harnausscheidung und des Blutlabors sowie CTG-Kontrollen mehrmals am Tag. Ein Handlungsbedarf im geburtshilflichen Management ist meist durch einen Abfall der Thrombozytenwerte gegeben, der das Ausmaß der Verbrauchskoagulopathie widerspiegelt. Weitere Parameter sind der Blutdruck und die Nierenfunktion der Mutter sowie der Zustand des Fetus. Medikamentös erhält die Patientin, analog zur schweren Präeklampsie, als Krampfprophylaxe Magnesiumsulfat intravenös. Zur Blutdrucksenkung werden analog der Präeklampsie vorzugsweise Dihydralazin® und Labetalol® eingesetzt. Die Gabe von Glukokortikoiden dient der Lungenreifung beim Fetus vor der 34. SSW und führt meist zu einem Anstieg der Thrombozyten, einer Verbesserung der Harnausscheidung und einem Abfall der Leberenzyme. Nach Stabilisierung der Mutter und Abwägung der Risiken für Mutter und Kind sollte die Schwangerschaft möglichst rasch durch einen Kaiserschnitt beendet werden. Vor Durchführung einer Schnittentbindung ist die Gerinnungssituation der Patientin zu evaluieren. Postpartal muss die Patientin intensiv überwacht werden, die kritische Phase (Thrombozyten, Leberenzyme, Blutdruck) ist meist 24 Stunden nach der Geburt abgeschlossen, und die Werte normalisieren sich innerhalb einer Woche. Manche Autoren empfehlen postpartal die weitere Gabe von Magnesium und Glukokortikoiden. In jedem Fall sollte das geburtshilfliche Management spezifisch auf die individuelle Situation der Mutter und des Kindes abgestimmt werden. In vereinzelten Fällen kann ein konservatives Vorgehen im Sinne des Zuwartens die perinatale Morbidität und Mortalität senken, ohne dass dadurch die Mutter gefährdet wird. Das Wiederholungsrisiko, in einer weiteren Schwangerschaft ein HELLP-Syndrom zu bekommen, scheint mit dem Blutdruck assoziiert zu sein. Normotone Frauen haben ein geringeres Wiederholungsrisiko (3 %) als Frauen mit einer chronischen Hypertonie (5 %).
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2.4.2.1 Sachverhalt / Kasuistik Die im Jahr 2009 37-jährige Schwangere hatte anamnestisch zwei Spontangeburten und eine Konisation (Pap-Test IV) durchgemacht. Seit 2008 bestand erneut ein dringender Kinderwunsch. Im September 2008 kam es zu einer Fehlgeburt mit Curettage. Anfang 2009 erlitt die Frau eine weitere Fehlgeburt, wurde jedoch unmittelbar darauf wieder schwanger. Ihre Frauenärztin behandelte sie mit Thrombo ASS® (100 mg), Aprednislon® (5 mg) und Duphaston® (10 mg) bis zur 13. SSW. Am Schwangerschaftsverlauf fiel auf, dass bereits in der 19. SSW ein leicht erhöhter Blutdruck von 140/95 mmHg gemessen wurde. Die Patientin erzählte, dass sie sich so gefühlt hätte wie beim zweiten Kind, bei dem sie eine Präeklampsie im dritten Schwangerschaftsdrittel durchgemacht hatte. Beim Organscreening in der 20. SSW wurde ein erhöhter Widerstandswert in der Arteria uterina (sogenanntes notching) festgestellt, welcher auf die Entwicklung einer schwangerschaftsinduzierten Hypertonie hinwies. Bei einer Kontrolluntersuchung in der 26. SSW war eine Verbesserung der Durchblutung der Arteria uterina vor allem links zu sehen. Rechts bestand noch immer ein stark positives notching. Deswegen wurden von der Pränataldiagnostikerin regelmäßige Wachstumskontrollen und Blutdruckmessungen empfohlen. In SSW 26 war der Fetus im Ultraschall unauffällig und zeitgerecht entwickelt. Sämtliche Untersuchungen waren in der Kartei der behandelnden Gynäkologin vermerkt. Laut ihren eigenen Ultraschallkontrollen war das Kind bereits in SSW 16 biometrisch eine Woche kleiner. In SSW 33 fand sich der Vermerk „Biometrie eine bis zwei Wochen kleiner“. Aufgrund eines Urlaubs fand die nächste Schwangerenkontrolle jedoch erst in SSW 37 statt. Der Blutdruck betrug 170/115 mmHg, die Biometrie ergab einen zwei bis drei Wochen zu kleinen Fetus. Die Frauenärztin verordnete Blutdruck-Selbstmessungen, welche von der Schwangeren penibel durchgeführt und der Ärztin per E-Mail zugeschickt wurden. Es ergaben sich Werte bis zu 166/118 mmHg, woraufhin Aldometil® zur Blutdrucksenkung verordnet wurde. Die Untersuchung mittels Doppler-Sonographie konnte erst eine Woche später durchgeführt werden und ergab einen hochpathologischen Befund. Dieser lautete „small for gestational age, Verdacht auf utero-plazentare Insuffizienz“ und es wurde von der Pränataldiagnostikerin die sofortige Beendigung der Schwangerschaft und engmaschigste Überwachung mittels CTG empfohlen. Die Patientin begab sich daraufhin umgehend in das Privatkrankenhaus, in dem sie entbinden wollte. Die Gynäkologin terminierte eine Schnittentbindung für denselben Abend um 19.00 Uhr. Zwischenzeitig traten jedoch bei der Patientin massive Oberbauchbeschwerden rechts auf, und der Blutdruck betrug beim Eintreffen in dem Privatkrankenhaus um 18.30 Uhr 170/120 mmHg und war durch intravenöse Magnesiuminjektionen nicht absenkbar. Der diensthabende Oberarzt indizierte deshalb sofort einen Notkaiserschnitt und führte diesen selber durch, da die Belegärztin nicht anwesend war. Es wurde ein deutlich dystropher Knabe mit einem Gewicht von 1.860 g und einem Apgar-Wert von 9/9/9 entbunden. Der NabelarterienpH-Wert betrug 7,35. Die Plazenta wurde als auffallend klein beschrieben. Der postoperative Verlauf war sowohl durch einen massiven Harnwegsinfekt als auch durch hochpathologische Leber- und Gerinnungswerte gekennzeichnet. Der Internist empfahl die Verlegung ins Allgemeine Krankenhaus, was von der Akademikerin jedoch abgelehnt wurde. Nach 11-tägigem stationärem Aufenthalt konnte sie jedoch in relativ gutem Allgemeinzustand nach Hause entlassen werden.
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2.4.2.2 Beurteilung / Gutachten Gutachtlich bestand kein Zweifel daran, dass die schwangere Frau in ihrer dritten Schwangerschaft an einem HELLP-Syndrom schwer erkrankt war. Hinweise für eine schwangerschaftsinduzierte Hypertonie ergaben sich bereits beim Ultraschall-Organscreening in SSW 20, bei dem ein notching in der Arteria uterina festgestellt wurde. Dies kann mit der späteren Entwicklung einer Präeklampsie einhergehen. Im Mutter-Kind-Pass war vermerkt, dass das kindliche Wachstum im Ultraschall in SSW 29 zwei Wochen und in SSW 33 ein bis zwei Wochen retardiert war. Der Blutdruck im Mutter-Kind-Pass war in SSW 33 nicht eingetragen, wohl jedoch mittelstarke Ödeme. In SSW 37 betrug der Blutdruck 170/115 mmHg. Trotzdem wurde die endgültige Diagnose erst durch eine weitere Ultraschalluntersuchung bei der Pränataldiagnostikerin gestellt. Gutachtlich steht völlig außer Zweifel, dass ein Blutdruck von 170/115 mmHg in SSW 37 eine sofortige stationäre Aufnahme, medikamentöse Blutdrucksenkung und engmaschige Kontrolle von Mutter und Kind erfordert hätte. Zweifelsohne wäre die Diagnose des small for gestational age, also des für das Schwangerschaftsalter zu kleinen Kindes, eine Woche früher gestellt worden. Zu kritisieren war auch das zu lange Untersuchungsintervall zwischen der 33. und der 37. SSW aufgrund des Sommerurlaubs der Gynäkologin. Bei engmaschigerer Kontrolle wäre zweifelsohne die Diagnose früher gestellt worden. Offensichtlich entwickelte sich in diesem Zeitraum, in dem weder Blutdruck-, noch Ultraschalluntersuchungen durchgeführt wurden, die schwere Hypertonie. Möglicherweise hätte man das Kind bei derart erhöhten Blutdruckwerten bereits in SSW 35 durch Kaiserschnitt entbunden, in eventu nach vorheriger medikamentöser Lungenreifung mittels Cortikoiden. Es war evident, dass die betreuende Gynäkologin die Schwere der Erkrankung völlig unterschätzt hatte, was sie auch offen zugab und sich bei der Patientin entschuldigte. Glücklicherweise wurde durch die Kompetenz der Pränataldiagnostikerin die richtige Diagnose gestellt und im Privatkrankenhaus durch einen entscheidungsfreudigen diensthabenden Oberarzt ohne Zögern eine Schnittentbindung durchgeführt. Das Kind war mit 1.860 g zwar schwer dystroph, jedoch völlig gesund. Eine Beeinträchtigung durch Sauerstoffmangel bei der Geburt war aufgrund des Apgar-Wertes und des Nabelarterien-pH-Wertes auszuschließen. Gutachtlich war nun aufgrund der Aktenlage zweifelsohne die Untersuchung in SSW 37 als letzter Zeitpunkt zu definieren, an dem hätte interveniert werden sollen. Damit wäre der Kaiserschnitt jedoch nur um eine Woche vorverlegt worden. Für die Patientin hätte sich allerdings, abgesehen von der Tatsache, dass es sich nicht um einen Notkaiserschnitt gehandelt hätte, nicht viel geändert. Weggefallen wäre der Tag mit den starken Oberbauchschmerzen in SSW 37 vor dem Kaiserschnitt. Wahrscheinlich wäre auch der postoperative Verlauf unauffällig und kürzer gewesen. Gutachtlich wurde festgehalten, dass die behandelnde Gynäkologin die Situation zwar völlig unterschätzt hatte, und dass der Kaiserschnitt dadurch um mindestens eine Woche verzögert war. Für die Mutter und das Kind war daraus jedoch glücklicherweise kein wirklicher Schaden an der Gesundheit entstanden. Beim HELLP-Syndrom handelt es sich um eine schicksalhafte schwere Erkrankung, für die der Arzt natürlich nicht verantwortlich gemacht werden kann. Der Arzt muss diese allerdings rechtzeitig erkennen und alle notwendigen Maßnahmen sofort ergreifen.
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Beantwortung des Fragenkatalogs Seitens der Haftpflichtversicherung der betroffenen Frauenärztin wurden folgende Fragen aufgeworfen: 1. Ist ein Behandlungsfehler und damit eine Haftung der Frauenärztin gegeben? Die Frage nach einem Behandlungsfehler und damit der Haftung der Versicherungsnehmerin, also der behandelnden Gynäkologin, wurde bejaht. Der Behandlungsfehler bestand in einer verzögerten Intervention bei Präeklampsie mit einem Blutdruck von 170/110 mmHg. 2. Ist ein Schmerzensgeldanspruch gegeben und wenn ja, in welcher Höhe? Es stand fest, dass die Patientin durch die Verzögerung des Kaiserschnittes einen Tag mittelstarke Schmerzen erleiden musste und dass ihr Krankenhausaufenthalt verlängert war. Da die Patientin Selbstzahlerin war, wären ihr daraus zusätzliche Kosten von € 1.480,− entstanden. Des Weiteren begehrte sie die Kosten für eine Synagis®-Impfung des Kindes (6 × € 1.200,−), welche allerdings auch eine Woche vorher von der Krankenkasse offensichtlich nicht übernommen worden wäre. Auch bei der Kinderbetreuung der 7- und 4-jährigen Töchter hätte sich durch die Vorverlegung des Kaiserschnittes wohl nichts geändert. Nachdem der postoperative Verlauf bei einem Kaiserschnitt bei HELLP-Syndrom im Vergleich zu einer normalen Schnittentbindung „mehr Schmerzen“ bereitet, wurden hierfür vier Tage mittelschwere und sechs Tagen leichte Schmerzen angesprochen. Bei einem normalen Verlauf wäre das Verhältnis etwa zwei Tage mittelstarke Schmerzen und fünf Tage leichte gewesen. 3. Sind Spät- und / oder Dauerfolgen zu erwarten? Spät- oder Dauerfolgen sind glücklicherweise nicht zu erwarten. 4. Ergibt sich ein Pflegebedarf oder eine Minderung der Erwerbstätigkeit? Ein weiterer Pflegebedarf hat sich nach der Entlassung aus dem Krankenhaus offensichtlich nicht ergeben. Eine Minderung der Erwerbstätigkeit lag nicht vor.
2.4.2.3 Verfahrensausgang Nach einer dreistündigen Aussprache mit dem Sachverständigen übersandte die Klägerin tags darauf eine E-Mail, die zum besseren Verständnis teilweise wiedergegeben werden soll: „Ich habe mir diese Gynäkologin als behandelnde Ärztin für meine Schwangerschaft ausgesucht, da ich besonders gut betreut werden und mich auf den Rat und das Einschätzungsvermögen meiner behandelnden Ärztin verlassen wollte. Zu keinem Zeitpunkt hat mich die Ärztin auf eine Akutsituation vorbereitet, obwohl ein auffälliges uterines Screening bestand. Im Gegenteil, sie hat unsere Bedenken zerstreut und alles als ‚völlig in Ordnung‘ bezeichnet. Mein Mann und ich wurden dadurch stark seelisch beeinträchtigt und belastet, da meine Familie und ich nicht vorbereitet waren, dass eine solch akute, lebensbedrohende Situation für mich und unseren Sohn entstehen würde. Wie Sie sicherlich bemerkt haben, belastet mich das Vorgefallene seelisch noch immer. Wir haben uns daher entschlossen € 15.000,− an Forderung zu stellen, basierend auf bereits entstandenen Mehrkosten bzw. Schmerzen; mögliche Folgeschäden bei un-
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serem Sohn sind hier nicht berücksichtigt. Die Forderungen bestehen im Einzelnen aus: ● Schmerzensgeld (körperlich und seelisch), ● Betreuungsmehrkosten für unsere Mädchen, ● Mehrkosten durch langen Aufenthalt im Spital und Behandlungskosten, die aufgrund der mangelnden Information durch die Ärztin die Akutsituation betreffend, entstanden sind. Wäre uns bekannt gewesen, dass ein langer Aufenthalt mit diversen Konsilien etc. die Folge gewesen wäre, wäre ich gleich ins Allgemeine Krankenhaus gegangen.“ Das Email wurde an die Versicherung weitergeleitet. Der Antragstellerin wurden im Mai 2010 von der Haftpflichtversicherung der Ärztin € 1.500,− angeboten, bis dato ohne Rückäußerung.
2.4.2.4 Resümee Das HELLP-Syndrom ist eine schwere Verlaufsform der Präeklampsie, welche seit Jahren zunimmt. Der Geburtshelfer muss mit der Symptomatologie vertraut sein und rechtzeitig alle diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen ergreifen. Ein erhöhter Widerstandswert in der Arteria uterina bei der Doppler-Sonographie in SSW 20 (sogenanntes Organscreening) gilt als Hinweis für die Entwicklung einer Präeklampsie und erfordert besonders engmaschige Schwangerenkontrollen. Bei erhöhtem Blutdruck ist die vorsorgliche Aufnahme an einem entsprechend eingerichteten Mutter-Kind-Zentrum (mit Neonatologie) indiziert. In diesem Fall wurde die Entwicklung einer Präeklampsie und einer schweren intrauterinen Dystrophie des Kindes von der betreuenden Gynäkologin nicht rechtzeitig erkannt. Gröberer Schaden für Mutter und Kind wurde jedoch durch die Ultraschalldiagnostikerin und den diensthabenden Oberarzt des privaten Belegkrankenhauses abgewendet. Literatur Dürig P. Hypertensive Schwangerschaftserkrankungen. In: Schneider H, Husslein P, Schneider KTM (Hrsg). Geburtshilfe. Berlin, Heidelberg: Springer, 1999: 343–370.
2.4.3 Verzögerter Kaiserschnitt führt zu schwerstem Mekoniumaspirationssyndrom und extrakorporaler Membranoxygenation (ECMO) Tachysystolie Bei einer Tachysystolie handelt es sich um eine Hyperaktivität des Gebärmuttermuskels, die gekennzeichnet ist durch eine Wehenfrequenz von über fünf Wehen pro zehn Minuten. Dadurch kann die während der Uteruskontraktionen strapazierte Sauerstoffmenge des intervillösen Raumes im Mutterkuchen nicht mehr voll ergänzt werden. Es entsteht eine respiratorische, in rascher Folge dann auch eine metabolische Azidose (Übersäuerung im Gewebe). Ursächlich kommen hierfür eine falsch dosierte Oxytocin-Applikation, ein Missverhältnis, eine sogenannte cervikale Dystokie sowie Lageund Einstellungsanomalien in Frage. Therapeutisch führt bei einer uterinen Tachysys-
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tolie die Gabe von Wehenhemmern (Betamimetika) verlässlich zur Wehenhemmung und häufig zur Wehennormalisierung (Goeschen, 1992). Variable Herzfrequenzdezelerationen im CTG Nach Kubli bezeichnet man als schwere variable Dezelerationen Herzfrequenzabfälle unter 70 spm über einen Zeitraum von mehr als 60 Sekunden (Goeschen, 1992). Kubli (1969) und Rütgers (1971) konnten nachweisen, dass es bei Persistenz mittelschwerer und schwerer variabler Dezelerationen zu einem signifikanten pH-Wert-Abfall kommt, während die leichten variablen Dezelerationen mit normalen pH-Werten einhergehen und die respiratorische Situation des Fetus nicht beeinträchtigen. Letztere können aber als frühes Warnsymptom für eine eventuell zunehmende Nabelschnurkompression gelten. Variable Dezelerationen sind pathognomisch (krankheitshinweisend) für eine Behinderung der Durchblutung von Nabelschnur und Plazenta. Dabei kann die Störung im kapillären Bereich der Plazenta liegen oder durch eine Kompression der Nabelschnur ausgelöst sein. Die anhaltende Unterbrechung der Durchblutung von Nabelschnur bzw. der Plazenta bewirkt zeitabhängig eine Hypoxie (Sauerstoffmangel). Hon (1959) konnte den ätiologischen Zusammenhang tierexperimentell beweisen. Fischer et al. (1976) haben zur Beschreibung der vielfältigen variablen Dezelerationsmuster (vgl. Abb. 1.4 in Kapitel 1.1.1) Zusatzkriterien empfohlen und auf ihre besondere Bedeutung hingewiesen (Goeschen, 1992). Prognostisch ungünstig sind: ● ● ● ● ● ●
Abflachung der Anstiegssteilheit, Oszillationsverlust während der Dezeleration, Verlust der initialen Akzeleration, Fortbestehen einer kompensatorischen Tachykardie, Nichterreichen des ursprünglichen Frequenzniveaus, Auftreten von gedoppelten Dezelerationen.
Eine ernst zu nehmende Einschränkung der Durchblutung von Nabelschnur und Plazenta, deren Folge ein Absinken der pH-Werte aufgrund der sich ausbildenden Azidose ist, kann sich im CTG in dem Schweregrad und der Frequenz variabler Dezelerationen sowie der Ausbildung prognostisch ungünstiger Zusatzkriterien äußern. Das Ausmaß der Veränderungen im Säure-Basen-Haushalt wird vor allem durch die uterine Aktivität modifiziert. Eine Basaltonuserhöhung ist dabei im Vergleich zur gesteigerten Wehentätigkeit für das Kind prognostisch ungünstiger. Demgegenüber können bei genügend langem Wehenintervall (mehr als drei Minuten) und normalem Basaltonus selbst bei schweren variablen Dezelerationen normale Blutgaswerte vorliegen. Eine besondere prognostische Bedeutung kommt der Dezelerationsfrequenz und dem Auftreten ungünstiger Zusatzkriterien zu. Nach Goeschen (1992) können bei Auftreten von variablen Dezelerationen folgende Richtlinien gelten: In der Eröffnungsperiode wird man zunächst den Lagewechsel der Mutter versuchen, der in den meisten Fällen zur Normalisierung der Nabelschnurdurchblutung führt. Dies stellt den Versuch dar, die mechanischen Beziehungen zwischen Mutter und Kind so zu verändern, dass die Nabelschnur nicht länger komprimiert wird. Praktisch kommt die Seitenlagerung bzw. die Kopftieflagerung in Frage. Treten trotz des
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Lagewechsels weiterhin mit nahezu jeder Wehe variable Dezelerationen auf, so sollte der Versuch unternommen werden, Wehenpausen durch eine intravenöse Tokolyse zu verlängern. Ein Wehenintervall über drei Minuten rechtfertigt indessen eine abwartende Haltung. Nehmen trotz Wehenhemmung die variablen Herzfrequenzalterationen in ihrer Intensität oder die Wehen in ihrer Frequenz zu, so muss das Ergebnis einer Fetalblutuntersuchung über die weiteren geburtshilflichen Maßnahmen entscheiden (Goeschen, 1992). Ist eine derartige Untersuchung nicht möglich, muss die Geburt beendet werden. Mekoniumaspiration Das Fruchtwasser ist dann missfärbig, wenn es irgendwann vorher zu einem Mekoniumabgang gekommen ist. Der Mekoniumabgang gilt als klassisches Zeichen fetaler Gefährdung. Ein Mekoniumabgang tritt dann auf, wenn es zu einem kindlichen Sauerstoffmangel im Blut kommt. Dieser führt zur Zentralisation des Kreislaufes, es kommt zur vorwiegenden Durchblutung lebenswichtiger Organe wie Herz und Gehirn, die somit länger ausreichend mit Sauerstoff versorgt werden. Folge der Zentralisation ist eine Minderdurchblutung des Darmes. Der hypoxische Darm reagiert mit Hyperperistaltik (vermehrten Kontraktionen) und Mekonium geht ab (Gaudenz und Käser, 1981). Fehlen oder Vorhandensein von mekoniumhaltigem Fruchtwasser scheint weder die Apgar-Werte noch die Häufigkeit perinataler Azidosen zu beeinflussen. Das Zusammentreffen mekoniumhaltigen Fruchtwassers mit schweren Veränderungen der fetalen Herzfrequenz, insbesondere bei protrahierten Geburten, ist jedoch gravierend. Es muss mit einer Aspiration gerechnet werden, was die kindliche Prognose deutlich verschlechtert. Die Mekoniumaspiration ist immer eine Komplikation einer schweren intrauterinen Asphyxie. Voraussetzungen für das Entstehen einer Mekoniumaspiration sind der für die schwere Asphyxie typische massive Mekoniumabgang sowie Atembewegungen des Fetus bei gleichzeitigem Tonusverlust, der zur Weitstellung des Kehldeckels (Glottis) führt. Die Diagnose wird durch Zeichen der postnatalen Asphyxie, dem Nachweis von Mekonium an der Haut und in den Atemwegen sowie in der Dyspnoe, der Hypoxämie (Sauerstoffmangel) und meistens gleichzeitig Hyperkapnie (zuviel CO2) gestellt. Der Verlauf ist unvorhersehbar. Charakteristisch sind wiederholt auftretende Verschlechterungen des Zustandes. Nicht selten ist eine ausreichende Oxygenierung des Patienten in den ersten Tagen trotz Beatmung mit reinem Sauerstoff nicht möglich (persistierende fetale Zirkulation). Als Komplikation kommt es sehr häufig zum Auftreten eines Spannungspneumothorax. Der Grund hierfür ist im Vorliegen von bronchialen Ventilstenosen aufgrund der partiellen Verlegung der Atemwege durch Mekonium zu suchen. Auch das Auftreten eines Pneumomediastinums ist nicht ungewöhnlich. Häufig bleiben Residualveränderungen an den Lungen zurück im Sinne einer bronchopulmonalen Dysplasie. Kinder mit Mekoniumaspiration müssen praktisch immer maschinell beatmet werden, wobei sich die Beatmung als außerordentlich schwer erweisen kann. Auch hier wird positiv endexpiratorischer Druck mit Erfolg eingesetzt, wobei die erforderlichen Drucke jedoch niedriger liegen als beim Membransyndrom. Im vorliegenden Fall war sogar das nicht ausreichend, und es musste die damals relativ neue extrakorporale Membranoxygenierung durchgeführt werden (Loewenich,1981).
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2.4.3.1 Sachverhalt / Kasuistik Die 28-jährige Schwangere war 1994 zum ersten Mal schwanger. Bei einer letzten normalen Regel vom 20. 10. 1993 errechnete sich ein Geburtstermin am 27. 07. 1994. Die Schwangerschaft wurde sowohl bei einem niedergelassenen Frauenarzt als auch an einer großen peripheren Frauenklinik kontrolliert. Auffällig war, dass sich die aus Ägypten stammende Patientin nicht vaginal untersuchen ließ. Eine Anamneseerhebung war nur mit dem sehr schlecht deutsch sprechenden Ehemann möglich. Ihm zufolge wäre im September 1993 in Ägypten das Hymen in Narkose chirurgisch entfernt worden. Einem Protokoll der Frauenklinik war zu entnehmen, dass in SSW 28 versucht wurde, sowohl mit einem arabisch sprechenden Psychiater als auch einem Gynäkologen Kontakt aufzunehmen. Die Patientin gab an, dass sie sehr große Angst habe, jedoch keine Schmerzen. Sie hätte noch nie eine Pap-Untersuchung gehabt und wollte sich nicht vaginal untersuchen lassen, da sie panisch und ängstlich wäre. Vier Wochen später führte der arabisch sprechende niedergelassene Frauenarzt ein Gespräch mit der Patientin, in dem er sie über Geburtsmodus und eine eventuelle Epiduralanästhesie aufklärte. Auch durch ihn war eine vaginale Untersuchung nicht möglich. In SSW 36 begab sich die Patientin aufgrund von regelmäßigen (alle 15 Minuten) ziehenden Schmerzen im Kreuz in die Klinik. Auch hier wurde vermerkt: „Patientin vaginal nicht zu untersuchen“. Um 15.45 Uhr am selben Tag gelang es dann offensichtlich doch einer Ärztin folgenden Vaginalbefund zu erheben: „Muttermund dünnsaumig, für Fingerkuppe einlegbar, Schädel –2.“ In SSW 38 erging der neuerliche Befund: „Patientin ist äußerst ängstlich und lässt sich nicht vaginal untersuchen. Kontrolle GT + 7.“ Einen Tag später kam die Schwangere nachts um 1.30 Uhr mit dem Rettungswagen in die Klinik. Vermerk: „Vaginale Untersuchung nicht möglich, Epidurale unbedingt nötig.“ Wegen fraglichen Blasensprunges wurde ein Bromthymoltest durchgeführt, der negativ war. Zwei Tage später wurde die Patientin wieder nach Hause entlassen, am nächsten Tag um 12.00 Uhr jedoch wieder aufgrund von Wehen im Abstand von zehn Minuten aufgenommen. Der Bromthymoltest war positiv. Um 14.30 Uhr gelang es einem Arzt, einen Vaginalbefund zu erheben: „Portio stark verkürzt, für Finger passierbar, Schädel –3, Fruchtblase nicht tastbar. Temperatur 37,5 °C, Epidurale.“ Diese wurde um 15.00 Uhr gelegt. Um 17.30 Uhr wurde vermerkt: „Anamnestischer Blasensprung bereits vier Tage vorher. Daher wurde intravenös das Antibiotikum Tacef® verabreicht.“ Um 17.30 Uhr betrug die Temperatur 37,6 °C. Um 19.45 Uhr erging der Befund: „Fruchtblase steht“. Mit der Epiduralanästhesie wurde ab 15.30 Uhr Syntocinon® in einer Dosierung von 30 ml/h, entsprechend 5 mE/min, verabreicht. Das CTG zeigte ab 15.30 Uhr bis etwa 22.30 Uhr eine Wehenfrequenz von acht Wehen pro Minute. Um 16.20 Uhr wurde die Wehenmitteldosierung auf 60 ml/h verdoppelt (entsprechend 10 mE/min). Um 17.50 Uhr zeigte das CTG erstmals Herzfrequenzveränderungen im Sinne einer fetalen Tachykardie (Herzfrequenz 165 spm) bei eingeengt undulatorischem Oszillationstyp. Zu diesem Zeitpunkt war der Muttermund für einen Finger passierbar, die Schädelhöhe –4. Um 19.30 Uhr wurde die Wehenmittelinfusion abgestellt und eine Novalgin®-Infusion zur Schmerzstillung gegeben. Das CTG war ab 18.50 Uhr weitgehend unauffällig. Um 19.45 Uhr war die Portio aufgebraucht, für einen Finger bequem passierbar, der
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Schädelhöhenstand –4, die Fruchtblase stand. Kein Geburtsfortschritt. Um 20.00 Uhr und um 22.00 Uhr wurden jeweils zwei Ampullen Carbostesin® (0,25 %ig epidural) nachträglich verabreicht. Ab 22.30 Uhr verschlechterte sich das CTG insofern, als wiederum ein eingeengt undulatorischer Oszillationstyp auftrat, eine Basalfrequenz von knapp unter 160 spm. Um 23.10 Uhr besserte sich das CTG jedoch wieder bei schlechter Registrierqualität. Um 23.40 Uhr war der Muttermund dicksaumig, für zwei Finger passierbar, Schädel –4, Fruchtblase prall erhalten. Es wurden nochmals 10 ml Carbostestin® (0,25- % ig) nachinjiziert. Um 0.10 Uhr kam es zu einer dramatischen Verschlechterung des CTGs. Um 0.16 Uhr trat eine schwere variable Dezeleration von vier Minuten auf. Die Herzfrequenz war bis auf 60 spm abgefallen. Um 0.50 Uhr war der Muttermund 6 cm, dicksaumig, die Fruchtblase prall erhalten, Schädel –2. Das CTG wurde mit tachykard ansonsten „o. B.“ befundet. Um 1.00 Uhr trat der nächste schwere variable Dip mit einem Herzfrequenzabfall auf 80 spm auf. Auch dieser dauerte vier Minuten. Um 1.40 Uhr kam es neuerlich zu einem schweren variablen Dip von vier Minuten mit einem Herzfrequenzabfall auf 60 spm. Um 1.50 Uhr kam es zum Blasensprung bei der Untersuchung, Fruchtwasser missfärbig, Muttermund 7 cm, dünnsaumig, weich, Schädel –1. In der Zeit zwischen 2.04 und 7.56 Uhr kam es zu wiederholten schweren variablen Dips und die Wehenfrequenz nahm stetig ab. Um 8.20 Uhr fand sich der Vermerk „ad sectionem → Chef, Indikation: protrahierte Geburt“. Um 9.00 Uhr kam es zur Durchführung der Schnittentbindung wegen protrahierter Geburt und drohender intrauteriner Asphyxie. Der Apgar-Wert war 3/4/4. Das Kind wog 3.390 g, hatte eine Länge von 54,5 cm sowie einen Kopfumfang von 36,5 cm. Es wurde sofort in eine periphere Kinderklinik gebracht. Dort wurde es intubiert und die Lunge lavagiert. Bereits beim Transport zeigten sich hohe mechanische Beatmungsparameter und ein Sauerstoffbedarf von 100 %. Bei Ankunft in der Kinderklinik wurde ein Spannungspneumothorax rechts diagnostiziert, der umgehend drainiert wurde. Nach einer Surfactanttherapie kam es zu keiner Besserung der Oxygenisierungsstörung. Auch ein Versuch an der Hochfrequenzbeatmung (HFO) war frustran, sodass das Baby zur extracorporalen Membranoxygenierung mittels Helikopter an die Universitätskinderklinik Graz geflogen wurde. Die Aufnahmediagnosen lauteten: „Mekoniumaspirationssyndrom mit schwerster pulmonaler Hypoperfusion, Pneumothorax rechts – Pleuradrainage, extracorporale Membranoxygenierung, venovenös für 88 Stunden, passagere Niereninsuffizienz – kontinuierliche arterio-venöse Hämofiltration, Staphylococcus epidermidis Sepsis, gastroösophagealer Reflux, Brustdrüsenschwellung beidseits, periphere Facialisparese links“. Nachdem auch ein Therapieversuch mit inhalativem Stickoxyd nichts an der Oxygenierungsproblematik änderte und zudem bereits ein pulmonales Barotrauma bestand, wurde relativ schnell die Indikation zur extracorporalen Membranoxygenierung gestellt. Die Dauer der extrakorporalen Perfusion betrug vier Tage und das Entwöhnen von der Maschine erfolgte problemlos. Das Pleuradrain konnte am dritten Tag der extracorporalen Membranoxygenierung entfernt werden. Die Gesamtbeatmungsdauer betrug zehn Tage, nach der Extubation bestand noch ein Sauerstoffbedarf von 25 bis 35 % über weitere drei Tage. Wegen postasphyktischer Niereninsuffizienz mit Olygoanurie wurde noch am extracorporalen Kreislauf eine kontinuierliche arterio-venöse Hämofiltration über knapp 72 Stunden durchgeführt. Im Anschluss daran kam es zur
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polyurischen Phase des Nierenversagens. Des Weiteren war der Verlauf durch eine Staphylococcus epidermidis Sepsis kompliziert, welche jedoch mit Vancomycin therapiert werden konnte. Eine infolge rezidivierenden Erbrechens durchgeführte Oberbauchsonographie zeigte einen gastroösophagealen Reflux, welche jedoch bei Antirefluxlagerung und Eindickung der Nahrung mit 2 % Maizena stoppte. Es kam noch zu einer passageren peripheren Facialisparese links, welche nicht interpretiert werden konnte. Die Schädelsonographie und das EEG des Kindes waren unauffällig. Das Kind konnte nach vier Wochen wieder an die periphere Kinderklinik in Wien zurücküberwiesen werden.
2.4.3.2 Beurteilung / Gutachten Gutachtlich wurde festgehalten, dass die Tatsache, dass die Patientin sich vaginal nicht untersuchen ließ, mit ein Grund für alle später auftretenden Probleme war. Ohne Zweifel trat bei der Patientin ab etwa 15.30 Uhr eine Tachysystolie auf. Die zu häufige Wehenfrequenz (acht Wehen pro zehn Minuten) hielt von 15.30 bis etwa 22.30 Uhr an. Wahrscheinlich handelte es sich um eine Wehenmittelüberdosierung. Relativ früh traten Herzfrequenzveränderungen im Sinne einer fetalen Bradykardie und einem eingeengt undulatorischem Oszillationstyp auf (17.50 Uhr). Ab Mitternacht traten dann insgesamt 16 schwere variable Dips auf. Im vorliegenden Fall sind von den aufgezählten prognostisch ungünstigen Kriterien bei variablen Dips vor allem eine Abflachung der Anstiegssteilheit, ein Fortbestehen der kompensatorischen Akzeleration und ein Oszillationsverlust in der Dezeleration festzustellen. Alle diese Alarmhinweise blieben bei fehlendem Geburtsfortschritt ab 0.50 Uhr ohne klinische Konsequenz. Es stand fest, dass zwischen 1.50 und 6.10 Uhr (fast viereinhalb Stunden) keinerlei Geburtsfortschritt stattfand. Trotz der seit längerer Zeit bestehenden Tachysystolie und der schweren variablen Herzfrequenzabfällen wurde keine Wehenhemmung durchgeführt. Geburtshilflich war klar, dass spätestens beim Auftreten von missfärbigem Fruchtwasser um 1.50 Uhr, nachdem bereits mehrere schwere variable Dezelerationen vorangegangen waren, geburtshilflicher Handlungsbedarf im Sinne einer Schnittentbindung bestanden hatte, da das Zusammentreffen mekoniumhaltigen Fruchtwassers mit schweren Veränderungen der fetalen Herzfrequenz, insbesondere bei protrahierten Geburten (wie im vorliegenden Fall), gravierend ist (Lamberti et al., 1981). Es musste mit einer Aspiration gerechnet werden, was die kindliche Prognose deutlich verschlechtert. Tragischerweise trat dieser Fall mit all den fatalen Folgen im späteren Verlauf auf. Obwohl kein Zweifel darüber bestand, dass der Geburtsverlauf äußerst protrahiert war, wurde weder mit einem Lagewechsel, noch mit einer Wehenhemmung, noch mit einer Mikroblutuntersuchung reagiert. Hinzu kam der anamnestisch bereits lange zurückliegende Blasensprung, die fetale Tachykardie sowie die erhöhte mütterliche Temperatur von 37,6° C. Bei Betrachtung all dieser Komponenten war eine Schnittentbindung um etwa 1.50 Uhr indiziert. Das weitere Abwarten ohne klinische Konsequenz bei Geburtsstillstand zwischen 1.50 Uhr und 4.00 Uhr (Muttermund 7 cm dünnsaumig, weich, Schädel -1) war daher nicht nachvollziehbar. Klar war ebenfalls, dass auch die Epiduralanästhesie und das häufige Nachspritzen des Lokalanästhetikums zu dem verzögerten Geburtsverlauf beigetragen hatten.
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2 Therapiefehler
Gutachtlich bestand kein Zweifel darüber, dass eine etwa um 1.50 Uhr durchgeführte Schnittentbindung mit großer Wahrscheinlichkeit die Mekoniumaspiration und den damit verbundenen schlechten Zustand des Neugeborenen verhindert hätte. Laut Operationsbericht der verantwortlichen Geburtshelferin hätte sich bei der Schnittentbindung erbsbreiartiges Fruchtwasser entleert, ein weiteres Indiz für einen Sauerstoffmangel bei der Geburt. Der Apgar-Wert bei der Entwicklung hätte 8 betragen; ohne nähere Spezifizierung. Laut Kinderarzt betrug der Apgar-Wert jedoch 3/4/4; ein Zeichen für den äußerst schlechten Zustand des Kindes. Ein Nabelarterien-pHWert wurde erst 25 Minuten postpartum abgenommen und betrug 7,24. Er stand somit in krassem Widerspruch zu den schlechten Apgar-Werten. Ein Fersen-pH-Wert, gemessen 45 Minuten nach der Geburt, betrug jedoch nur 6,74 und war somit im deutlich pathologischen Bereich. Einem Brief der Kinderklinik an den Rechtsanwalt der Eltern war zu entnehmen, dass das Kind wegen massiver Mekoniumaspiration zunächst konventionell, anschließend HFOV (High Frequency Oscillation Ventilation) beatmet wurde. Da die respiratorische Insuffizienz auf diesem Wege nicht beherrscht werden konnte, wurde das Kind noch am selben Tag mit dem Hubschrauber an die Universitätskinderklinik Graz zur extracorporalen Membranoxygenation (ECMO) transferiert. Seit der ECMO-Therapie bestand bei dem Kind ein Torticollis links (Schiefhals links) mit Verkürzung des Musculus sternocleidomastoideus, weshalb das Kind in regelmäßiger physiotherapeutischer Behandlung an der Kinderklinik stand. Der Mutter wurden Übungen gezeigt, die mit dem Kind mehrmals täglich durchgeführt werden mussten. Des Weiteren bestanden bei dem Kind geringe psychomotorische Defizite. Aufgrund der intensiven therapeutischen Maßnahmen und der Förderung der Eltern begann bereits ein Behandlungserfolg sichtbar zu werden. Aus ärztlicher Sicht war die Therapie unbedingt weiter zu führen. Die Mutter musste zu Hause weiterhin die verordneten Übungen durchführen, außerdem waren weitere entwicklungsneurologische Kontrollen an der Kinderklinik erforderlich. Bei der Kindesmutter trat postoperativ noch ein Lungeninfarkt auf, der eine Verlegung an die Intensivstation eines anderen peripheren Krankenhauses notwendig machte. Der Pulmonalinfarkt ist eine schicksalshafte Komplikation, die trotz entsprechender Blutverdünnung nicht immer vermeidbar ist. Der Vater des minderjährigen Mädchens schritt über einen Rechtsanwalt ein. Nachdem die betroffene Frauenklinik den gegen sie erhobenen Vorwurf einer Sorgfaltsverletzung ablehnte, kam es zu einer Klage beim Zivillandesgericht wegen € 23.982,− (Leistung) und € 5.087,− (Feststellung). Es wurde auch ein Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe gestellt. Folgende Schadenersatzansprüche wurden geltend gemacht: 1. Schmerzensgeld aufgrund der Dauer und Intensität der erlittenen Schmerzen (€ 14.534,−), 2. Verunstaltungsentschädigung nach § 1326 ABGB (€ 5.813,−), 3. Erhöhter Pflegeaufwand von mindestens 60 Stunden pro Monat, 4. Fahrt- und Telefonatspesen (€ 145,−), 5. Feststellungsbegehren (€ 5.087,−). Vor Klageführung wurde ein Antrag auf pflegschaftsbehördliche Genehmigung einer Klageführung beim zuständigen Bezirksgericht gestellt.
2.4 Kaiserschnitt
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Beantwortung des Fragenkatalogs 1. Zuordnung des Schadens. Bei der Klägerin kam es im Rahmen einer Schnittentbindung zu einer massiven Aspiration von Fruchtwasser, welche eine extracorporale Membranoxygenation in Graz als Therapie erforderte. Die Fruchtwasseraspiration war mit großer Wahrscheinlichkeit auf eine zu spät durchgeführte Schnittentbindung zurückzuführen. 2. Fragen zu Schadenausmaß, Schmerzensgeld und etwaige Dauerfolgen. Diese Fragen ließen sich nur durch einen Sachverständigen aus dem Fachgebiet der Kinderheilkunde beantworten. Evident war, dass das Kind sechs Wochen an der Kinderklinik, z. T. auf der Intensivstation, lag und einen Torticollis sowie Narben nach der ECMO-Therapie aufwies. 3. Wurde der gegenständliche Geburtsvorgang ausreichend überwacht? Der gegenständliche Geburtsvorgang wurde kontinuierlich mittels CTG überwacht, die apparative Überwachung war somit als lege artis zu bezeichnen. Inwieweit die verantwortlichen Ärzte im Kreißsaal anwesend waren, war aus der Krankengeschichte nicht ersichtlich. Die personelle Überwachung durch Hebamme und Ärzte war aufklärungsbedürftig, da die notwendigen Konsequenzen aus der apparativen Überwachung nicht gezogen wurden. 4. Gab es während der vorgeburtlichen Beobachtungsphase Anhaltspunkte dafür, dass ein natürlicher Geburtsvorgang das Gesundheitsrisiko der Minderjährigen beträchtlich erhöht? Aus der Sicht des Sachverständigen, der die klägerische Mutter eingehend untersucht hatte, schien klar, dass bei dieser eine schwere psychosomatische Auffälligkeit vorlag. Diese manifestierte sich darin, dass bei ihr eine vaginale Untersuchung praktisch unmöglich war, nachdem das Hymen in Ägypten operativ entfernt werden musste. Daraus ergab sich für einen natürlichen Geburtsvorgang naturgemäß ein erhöhtes Risiko. Zweifelsohne wäre hier eine primäre Schnittentbindung zum Wohle von Mutter und Kind zielführend gewesen. Dabei handelte es sich allerdings um eine differente geburtshilfliche Sichtweise, deren Unterlassung nicht als Behandlungsfehler gewertet wurde. 5. Wurde auf eventuell bestehende Risikoparameter seitens der behandelnden Ärzte ausreichend adäquat (medikamentöse Intervention, Vorbereitung eines Kaiserschnittes) reagiert? Erhöhte Risikoparameter stellten im vorliegenden Fall neben der psychischen Grundproblematik der Mutter, der vorzeitige Blasensprung vier Tage vor Wehenbeginn, eine dadurch bedingte intrauterine Infektion mit Fieber bis 37,6 °C und missfärbigem Fruchtwasser sowie das pathologische CTG bei primär protrahiertem Geburtsverlauf und Geburtseinleitung mittels Wehenmittel dar. Es konnte kein Zweifel darüber bestehen, dass das CTG ab 22.40 Uhr (eingeschränkt undulatorische Oszillation) als erhöhter Risikoparameter betrachtet werden musste. Aus der geburtshilfliche Krankengeschichte war eine medikamentöse Intervention, wie z. B. eine intravenöse Wehenhemmung oder die Vorbereitung eines Kaiserschnittes, d. h. Verständigung des Anästhesisten, der Assistenzen sowie eines Kinderarztes, nicht zu ersehen. Somit wurde insgesamt auf die bestehenden Risikoparameter nicht ausreichend adäquat reagiert.
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2 Therapiefehler
6. Gab es gerechtfertigte Gründe, oder war es sogar indiziert, mehrere Ärzte (gleichzeitig) gleichsam als Team unter Einbeziehung des Klinikvorstandes mit der Behandlung der Kindesmutter zu befassen? Dem unterzeichneten Sachverständigen war naturgemäß der Ausbildungsstand der beteiligten Ärzte zum Zeitpunkt des Vorfalls nicht im Detail bekannt. Es war jedoch davon auszugehen, dass in einer großen Klinik derjenige Arzt, der Oberarzt-Dienst versieht, die fachliche Qualifikation haben muss, den Klinikvorstand zu vertreten. Somit war es durchaus indiziert, mehrere Ärzte gleichzeitig, gleichsam als Team, mit der Behandlung der Kindesmutter zu befassen. Die Präsenz des Klinikvorstandes sollte in einer großen Klinik für einen derartigen Fall nicht notwendig sein. Es war jedoch nicht auszuschließen, dass dies im vorliegenden Fall von Vorteil gewesen wäre, d. h., dass der Klinikvorstand die Schnittentbindung zu einem früheren Zeitpunkt indiziert hätte. 7. Welche Ärzte waren ab Behandlungsbeginn der Kindesmutter bis zum Abschluss der Geburt verantwortlich? Wer war für die Nachsorge, insbesondere im Lichte der Gesundheitsschädigung des Kindes nach der Geburt verantwortlich? Aufgrund der Aktenunterlagen war für die Geburt der klägerischen Mutter eine Frauenärztin als Oberärztin sowie ein Turnusarzt verantwortlich. Die Frauenärztin zeichnet ebenso für die Schnittentbindung, die von ihr durchgeführt wurde und für die Nachsorge verantwortlich. 8. Gab es seitens vorgesetzter Ärzte Aufsichtspflichtverletzungen? Diese Frage könnte nur in einer mündlichen Verhandlung geklärt werden, da dem Sachverständigen weder der Ausbildungsstand der beteiligten Ärzte noch die Nachtdienststruktur der Klinik bekannt waren. Prinzipiell ist der Klinikchef für den ausreichenden Ausbildungsstand des diensttuenden Oberarztes verantwortlich, da dieser der Vertreter des Klinikchefs im Dienst ist. 9. Wurde der Geburtsvorgang selbst ordnungsgemäß (entsprechend der Lex artis) und ohne sonstige Fehlleistung der daran Mitwirkenden durchgeführt? Wie bereits ausführlich dargelegt, wurde bei der klagenden Mutter, trotz Vorliegens zahlreicher Risikofaktoren, eine vaginale Geburt angestrebt. Für den Sachverständigen stand es jedoch außer Frage, dass bei früherer Durchführung einer Schnittentbindung die Mekoniumaspiration mit großer Wahrscheinlichkeit vermieden worden wäre. Das bei der Schnittentbindung gefundene erbsenpüreeartige Fruchtwasser (mekoniumhaltig) ist ein sicherer Hinweis dafür, dass bei dem Kind bereits vorher ein gewisser Sauerstoffmangel bestanden haben muss. Nachdem das Fruchtwasser bereits um 1.50 Uhr missfärbig war, konnte man davon ausgehen, dass ein derartiger Sauerstoffmangel auch bereits vor 1.50 Uhr bestanden haben muss. Hierfür sprach auch das CTG, welches zahlreiche schwere variable Dezelerationen aufwies. Aufgrund der vorgelegten CTGs konnte man daher davon ausgehen, dass die Mekoniumaspiration mit großer Wahrscheinlichkeit als Folge des vorher bestehenden Sauerstoffmangels des Kindes aufgetreten war. Der Geburtsvorgang war daher insofern nicht ordnungsgemäß bzw. lege artis durchgeführt, da auf zahlreiche Warnsymptome, insbesondere im CTG, nicht reagiert wurde. 10. Wurde insbesondere rechtzeitig und adäquat auf die – vorliegend problematisierte – Fruchtwasseraspiration des Kindes reagiert? Wie ausgeführt, ist die Fruchtwasseraspiration insbesondere eine Komplikation eines unter Sauerstoffmangel leidenden Kindes. Üblicherweise versucht man eine
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Fruchtwasseraspiration bei der Schnittentbindung durch sofortiges Absaugen der Mundhöhle des Kindes zu vermeiden. Ob dies im vorliegenden Fall geschehen ist, war aus dem Operationsbericht nicht zu entnehmen, zumindest fand sich keine diesbezügliche Aussage. Es hieß hier lediglich: „Es entleert sich erbsbreiartiges Fruchtwasser.“ Daher musste einer mündlichen Verhandlung vorbehalten bleiben, ob das Kind bei der Operation entsprechend abgesaugt worden war. Gibt es allgemein Anhaltspunkte für Fehlentscheidungen involvierter Ärzte oder anderer mit der Geburt befassten Personen (z. B. die Hebamme) und in eventu Anhaltspunkte für sonstige Fehlleistungen? Wie bereits ausgeführt, hätte sich der gefertigte Sachverständige im gegenständlichen Fall bei einer psychosomatisch sicher nicht der Norm entsprechenden Patientin, für eine primäre Schnittentbindung entschieden. Möglicherweise hat sich jedoch die klagende Mutter eine natürliche Geburt gewünscht. Es stand fest, dass der späteste vertretbare Interventionszeitpunkt um 1.50 Uhr gegeben war. Ein weiteres Abwarten ohne Durchführung entsprechender Maßnahmen, wie z. B. der sogenannten intrauterinen Reanimation durch intravenöse Wehenhemmung bzw. der Durchführung einer Mikroblutuntersuchung des Kindes, entsprach sicher nicht dem Stand der Wissenschaft und musste somit als Fehlentscheidung bezeichnet werden. Welche Gesundheitsschädigungen des Kindes sind als Konnex im Sinne von Kausalität zu den obigen eventuell bestehenden Behandlungsfehlern zu bezeichnen? Diese Frage war ebenfalls durch einen Sachverständigen aus dem Fachgebiet der Kinderheilkunde zu klären. Sicher war, dass das Kind Narben an der rechten Halsseite nach Vena jugularis-Kanüle, eine Narbe in der linken Leistengegend nach Vena femoralis-Katheter und eine Narbe nach Drainage bei Spannungspneumothorax an der rechten Brust aufwies. Von einem Sachverständigen für Kinderheilkunde war insbesondere zu klären, ob die beschriebenen psychomotorischen Defizite sowie der Schiefhals weiter bestanden. Außer Frage stand, dass die bestehenden Narben, der Schiefhals sowie die geringen psychomotorischen Defizite bei der Klägerin im Kausalzusammenhang zur Fruchtwasseraspiration standen. Welche konnexen Gesundheitsschädigungen sind als schuldhaft (im Sinne der Lex artis und der sonstigen ärztlichen Sorgfaltsmaßstäbe), also durch Behandlungsfehler herbeigeführt, zu bezeichnen? Sämtliche oben angeführten Gesundheitsschädigungen stehen in Kausalzusammenhang zu dem Behandlungsfehler. Wen trifft die bezughabende Verantwortung in welchem Ausmaß? Die bezughabende Verantwortung trifft die diensthabende Oberärztin in vollem Ausmaß. Des Weiteren bei der Geburt beteiligt war der den Hauptdienst versehende Arzt.
2.4.3.3 Verfahrensausgang In dem folgenden Zivilverfahren wurde die beklagte Frauenärztin und der Rechtsträger der Frauenklinik, die Stadt Wien, nach öffentlicher mündlicher Streitverhandlung verurteilt, € 18.168,20 samt 4 % Zinsen zu bezahlen. Weiter wurde festgestellt, dass die beklagten Parteien für alle künftigen kausalen Schäden aus Anlass der beim Geburts-
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vorgang eingetretenen Verletzungen solidarisch zu haften haben. Ein Mehrbegehren von € 2.906,91 wurde abgewiesen. Die beklagten Parteien waren schuldig, der klagenden Partei die Prozesskosten von € 8.442,62 zu bezahlen.
2.4.3.4 Resümee Im vorliegenden Fall war es bereits äusserst diskussionswürdig, eine vaginale Geburt bei einer Patientin erzwingen zu wollen, die weder deutsch sprach, noch sich vaginal untersuchen ließ. Die meisten Geburtshelfer, so auch der Sachverständige, hätten sich für eine primäre Sectio entschieden. Darüber hinaus wurden zahlreiche Warnhinweise, wie erhöhte Temperatur (37,6 °C) bei fraglichem Blasensprung vor vier Tagen, zunächst diskrete, dann schwere Herztonalterationen (16 schwere variable Dips), der protrahierte Geburtsverlauf trotz Syntocinon®-Einleitung, die Tachysytolie und vor allem das missfärbige Fruchtwasser beim Blasensprung, missachtet. Es war evident, dass der Kaiserschnitt viel zu spät durchgeführt wurde und die Mekoniumaspiration beim Kind durch Sauerstoffmangel hervorgerufen worden war. Somit gab es klare geburtshilfliche Fehlentscheidungen, welche zu den kindlichen Schäden geführt hatten. Die Klage beim Zivillandesgericht war daher berechtigt. Literatur DGGG. Absolute und relative Indikationen zur Sectio caesarea. In: DGGG (Hrsg). Leitlinien der Gynäkologie und Geburtshilfe, Bd. IV. Berlin: Verlag S. Kramerz, 2010: 149–171. Fischer WM, Stude I, Brandt H. Ein Vorschlag zur Beurteilung des antepartalen Kardiotokogrammes. Z. Geburtsh. Perinat. 1976; 180: 117–123. Goeschen K. Kardiotokographie-Praxis. Stuttgart: Thieme, 1992: 80–85, 151, 189–191. Kubli F, Hon A, Khazin H,Takemura H. Observations on heart rate and the pH in the human fetus during labor. Am. J. Obstet. Gynecol. 1969; 104: 1190–1196. Kubli F, Rüttgers H. Die kontinuierliche Registrierung der fetalen Herzfrequenz bei gleichzeitiger Wehenschreibung. I.Nomenklatur, Interpretation und klinische Anwendung. Gynäkologe. 1969; 2. Lamberti G. Klinik der plazentaren Störung. In: Käser O, Friedberg V, Ober KG, Thomsen K, Zander J, Gynäkologie und Geburtshilfe, Bd. II/2, Schwangerschaft und Geburt 2. Stuttgart: Thieme, 1981: 9.33. Loewenich V. Das gesunde und das kranke Neugeborene, Mekoniumaspiration. In: Käser O, Friedberg V, Ober KG, Thomsen K, Zander J, Gynäkologie und Geburtshilfe, Bd. II/2, Schwangerschaft und Geburt 2. Stuttgart: Thieme, 1981: 19.19–19.20, Käser O, Lüscher KP. Die Überwachung des Fetus. In: Käser O, Friedberg V, Ober KG, Thomsen K, Zander J, Gynäkologie und Geburtshilfe, Bd. II/2, Schwangerschaft und Geburt 2. Stuttgart: Thieme, 1981: 12.78–12.90.
2.4.4 Verlust von Gebärmutter und Eierstöcken: Schwere Puerperalsepsis nach Kaiserschnitt Puerperale Infektionen Das Risiko einer vom Operationsgebiet ausgehenden Infektion mit Übergreifen auf das Bauchfell wird durch mehrere Faktoren im Verlaufe der Geburt begünstigt. Eine Infektion ist wahrscheinlicher, wenn ein mehrstündiger Abstand zwischen Blasensprung
2.4 Kaiserschnitt
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Ovar 1. Schleimhautweg:
Endometrium
Tube Peritoneum Parametrium
2. Lymphweg:
Endometrium
Peritoneum Perimetrium
Endometrium
3. Blutweg:
Allgemeininfektion puerperale Sepsis
Myometrium
Abb. 2.52: Ausbreitungswege der puerperalen Infektion (aus Dudenhausen, Joachim W.: Praktische Geburtshilfe. 21., erweiterte Aufl. Berlin, Boston: De Gruyter 2011).
und Schnittentbindung liegt, wenn eine protrahierte Geburt mit vielstündiger interner Kardiotokographie und häufigen vaginalen Untersuchungen vorangegangen und die allgemeine Abwehrsituation der Patientin vermindert ist – wie z. B. bei Stoffwechselerkrankungen, Diabetes, Schwangerschaftshepatose (Lebererkrankung), bei Schwangerschaftspyelonephritis (Nierenbeckenentzündung) – oder bei starken Blutverlusten während der Operation, die nicht rechtzeitig substituiert werden (s. Abb. 2.52 und 2.53). Die Diagnose einer Peritonitis nach einer Schnittentbindung, wie im vorliegenden Fall, bietet Schwierigkeiten, da die klinischen Zeichen einer Bauchfellentzündung mit lokaler oder diffuser Abwehrspannung nur andeutungsweise ausgeprägt sind oder ganz fehlen, sodass die Indikation zur Relaparotomie erschwert ist. Zur Diagnose einer Peritonitis nach Kaiserschnitt müssen daher weitere Kriterien einer Bauchfellentzündung herangezogen werden. Im Vordergrund stehen die Beobachtung des Allgemeinzustandes, die Bestimmung der Leukozyten im Blut, Puls- und Temperaturmessungen wenigstens dreimal am Tag, die Kontrolle der Darmgeräusche, Röntgenaufnahmen des Bauches sowie die Kontrolle der Harnsekretion und des Blutgerinnungsstatus einschließlich der Thrombozytenzahl. Infektionsweg: Schleimhaut
Krankheitsbilder puerperale Endometritis = erste Lokalisation und Ausgang der Infektion
Endometrium
Salpingitis
Tube Adnexe Ovar
Pyosalpinx
= puerperale Adnexitis
Oophoritis (Ovarialabszess)
Beckenbauchfell
Pelveoperitonitis
übriges Bauchfell
diffuse Peritonitis
Abb. 2.53: Ausbreitung der Infektion auf dem Schleimhautweg (aus Dudenhausen, Joachim W.: Praktische Geburtshilfe. 21., erweiterte Aufl. Berlin, Boston: De Gruyter 2011).
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Klinisch auffällig ist, dass nach anfänglich glattem, postoperativen Verlauf die Frauen über Müdigkeits- und Krankheitsgefühl klagen und die Nahrungsaufnahme verweigern. Vom vierten bis zum sechsten postoperativen Tag ist das Allgemeinbefinden merklich reduziert. Etwa zur gleichen Zeit können abends subfebrile Temperaturen auftreten, wobei Puls und Temperatur noch unauffällig sind. Der röntgenologische Nachweis von Spiegelbildungen, eine eingeschränkte Urinsekretion und der Abfall von Thrombozyten als Teil eines toxischen Geschehens besitzen erhebliches Gewicht hinsichtlich der Diagnose des akuten Abdomens infolge von Darmverschluss und Bauchfellentzündung. Das operative Vorgehen bei der Laparotomie richtet sich nach der Situation. Zunächst muss der Ausgangspunkt der diffusen Peritonitis gefunden werden. Am häufigsten kommen in Frage: ● ● ● ● ●
Eine Nahtdehiszenz mit Uterusnekrose im Bereich der Uterotomie, ein kolliquiertes Myom, entzündliche Eierstockprozesse, Stieldrehung im Bereich der Eierstöcke oder eines gestielten Myoms, eine Perforation im Darmbereich.
Bei Fällen mit Nahtdehiszenz und Uterusnekrose ist die Uterusexstirpation in vielen Fällen unumgänglich. Bei Fällen mit reduziertem Allgemeinzustand oder bei operativen Schwierigkeiten kann der Eingriff auf die supravaginale Hysterektomie beschränkt und das Wundgebiet über der verbliebenen Cervix durch die Scheide drainiert werden. Eine zusätzliche intraperitoneale Drainage mit weichem PVC-Drain ist angeraten (Beck, 1996). Die Morbidität, bedingt durch Infektionen nach Kaiserschnitten, hängt von Faktoren wie dem Allgemeinzustand der Mutter, internistischen Erkrankungen sowie der Thrombosegefährdung ab. Darüber hinaus davon, ob es sich um eine elektive primäre Sectio oder um eine Sectio im Laufe der Geburt, also eine Notsectio, handelt. Infektiöse Komplikationen treten nach sekundärer Sectio häufiger auf. Eine gezielte Infektionsprophylaxe im Zusammenhang mit der Schnittentbindung ist vor allem bei erhöhtem Risiko empfehlenswert, so vor allem bei vorzeitigem Blasensprung, der länger als zwölf Stunden andauert, bei der protrahierten Geburt mit einer Geburtsdauer von über zehn bis zwölf Stunden, bei einem Temperaturanstieg auf 38 °C, bei Verdacht auf eine latente Infektion und bei technischen Schwierigkeiten im operativen Verlauf. Viele Autoren empfehlen deshalb eine perioperative Antibiotikaprophylaxe mit drei Dosen eines Cephalosporins. Damit konnte eine weitere Abnahme der Infektionen erzielt werden (Gerstner, 1980). Bei primärer Sectio nahm die Rate der Infektionen durch Antibiotikaprophylaxe von 15,3 auf 9 % und bei der sekundären Sectio von 15,1 auf 8,2 % ab. In der Literatur finden sich Komplikationen nach Schnittentbindungen, die eine Relaparotomie erfordern in 0,65 % (Hirsch und Neeser, 1984). Eine sorgfältige Operationstechnik (atraumatisches Operieren), der Verzicht auf Z-Nähte am Uterus unter Bevorzugung von nur acht bis zehn Einzelknopfnähten sind als Infektionsprophylaxe zu verstehen. Eine sorgfältige Adaption der Wundränder und bei dicker Gebärmutterwand eventuell eine zweite Nahtreihe sind zweckvoll. Der Zeitpunkt des erstmaligen Auftretens von Fieberreaktionen kann von differenzialdiagnostischer Bedeutung sein. Im Wochenbett ist das Auftreten von Fieber später als
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48 Stunden nach der Geburt im Allgemeinen der häufigere und typische Verlauf der Infektion. Die häufigste Ursache ist die Entzündung der Gebärmutter im Wochenbett. Klinisch findet sich eine ungenügende Rückbildung der Gebärmutter (fieberhafte Lochialsekretverhaltung). Die Gebärmutter ist in ihrer Gesamtheit leicht druckschmerzhaft, die Abgänge sind übel riechend. In Einzelfällen kann der Wochenfluss durch zurückgebliebene und im Gebärmutterhals liegende Eihautreste behindert sein. Besteht die Temperatur jedoch über zwei Tage und besteht darüber hinaus eine zunehmende Druckschmerzhaftigkeit des Uterus, so ist eine antibiotische Behandlung nach Entnahme von Abstrichen von der Cervix und eine Blutkultur sinnvoll. Im Allgemeinen genügt die Gabe von Ampicillin oder einem Cephalosporin. In Zusammenhang mit kontraktionsfördernden Maßnahmen kommt es meist zur raschen Entfieberung und Erholung. Auf die Gabe von Östrogenen sollte wegen der Erhöhung des thromboembolischen Risikos verzichtet werden.
Sepsis im Wochenbett Der septische Schock ist die schwerste Form der Infektion und mit einer hohen Sterblichkeit verbunden. Er ist meist die Folge einer nicht erkannten und somit nicht behandelten Sepsis und Ausdruck des Zusammenbrechens des Immunsystems und des Kreislaufs. Er kommt besonders bei Enterobakterien (Escherichia coli, Klebsiellen) vor, aber auch bei anderen Erregern, wie Bacteroides fragilis. Für einen septischen Schock sprechen: ● ● ● ● ● ●
Blutdruckabfall (vorliegend im gegenständlichen Fall), erhöhter Puls (vorliegend im gegenständlichen Fall), Schnappatmung, Abfall der Thrombozyten im Blut (vorliegend im gegenständlichen Fall), Abfall der Leukozyten im Blut, Anurie (vorliegend im gegenständlichen Fall).
Volumensubstitution, Antibiotikatherapie, Substitution mit Gerinnungsfaktoren und Intensivüberwachung (zentraler Venendruck, Dauerkatheter der Blase) sind entscheidend für die Prognose des septischen Schocks. Auch der Allgemeinzustand der Patientin und die Art der Erreger sind hierbei von Bedeutung (Petersen, 1988). Aus einer Zusammenstellung über „schwere bakterielle Infektionen in Gynäkologie und Geburtshilfe“ geht hervor, dass die Gefahr eines septischen Schocks vor allem bei schweren puerperalen Infektionen gegeben ist. In der ehemaligen DDR starben in den Jahren 1979 bis 1981 sieben bis acht Patientinnen pro Jahr an einer Puerperalsepsis, wobei in der Mehrzahl der Fälle Kaiserschnittentbindungen vorangegangen waren. Die Rate infektiöser Komplikationen nach Schnittentbindungen ist etwa zehnmal so groß wie nach vaginaler Geburt. Auch hier wird auf den günstigen Einfluss einer perioperativen Antibiotikapropyhlaxe hingewiesen (Fuith, 1989). Initial ist das Bild der Sepsis auch im Zusammenhang mit der antibiotischen Therapie oft verschleiert und nur durch abendliche Temperaturerhöhungen über 39 °C charakterisiert. Obwohl die Patientinnen immer wieder gelegentlich sogar dünnflüssigen Stuhlgang haben und nur im geringen Umfang über Übelkeit und Aufstoßen klagen, besteht ein rezidivierender Subileus. Auffallend ist eine ausgeprägte Leukozytose von
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2 Therapiefehler
20.000 bis 30.000 n/m3, wie auch im vorliegenden Fall. Zu Beginn der Erkrankung ist das subjektive Wohlbefinden meist noch relativ ungestört, mit fortschreitender Sepsis tritt jedoch ein zunehmendes Krankheitsgefühl ein. Zahlen, in welcher Frequenz sich aus dem Bild der Sepsis im Wochenbett ein bakterieller Endotoxinschock entwickelt, liegen nicht vor. Fast alle retrospektiven Analysen von mütterlichen Todesfällen in Zusammenhang mit Sepsis im Wochenbett zeigen, dass etwa zwei Drittel dieser Todesfälle vermeidbar gewesen wären. Häufig wurde der Krankheitsbeginn zu spät erkannt, die Schwere des Krankheitsbildes zunächst verkannt, und die therapeutischen Maßnahmen setzen meist zu spät oder insbesondere die antibiotische Therapie nicht ausreichend ein. Die Erkennung der Situation wurde dadurch auch noch oft verzögert, da die Patientin sich selbst als nicht schwer krank empfindet. Es ist ganz besonders hervorzuheben, dass in den Fällen, die als vermeidbar eingestuft wurden, die chirurgische Intervention, wenn überhaupt, dann immer zu spät erfolgte. Ungenügendes Ansprechen auf antibiotische Therapie, rezidivierende Subileuserscheinungen, ein druckschmerzhafter Uterus und eine möglicherweise auch nur wenig ausgeprägte parametrane Infiltration sowie der Verdacht auf eine Dehiszenz der Uterotomie sollte bei sich verschlechterndem Krankheitsbild unverzüglich zu einer Laparotomie Anlass geben. Fast immer ist der Lokalbefund ausgedehnter als erwartet. Es finden sich oft zahlreiche Abszesse zwischen den Darmschlingen, gelegentlich kann auch einmal ein Abszess unter dem Zwerchfell beobachtet werden. Die Revision der Uterotomie ist unerlässlich und der Befund einer Dehiszenz der Nähte sollte immer zur Entfernung der Gebärmutter, eventuell unter Mitnahme der Eileiter und erforderlichenfalls auch der Eierstöcke Anlass gegeben. Gelegentlich wird die sogenannte supravaginale Entfernung der Gebärmutter aufgrund der schwierigen lokalen Verhältnisse, wie im vorliegenden Fall, vorgezogen. Wichtig ist, dass der behandelnde Arzt bei einer Sepsis im Wochenbett immer von der Annahme ausgehen sollte, dass diese ihren Ausgangspunkt vom puerperalen Uterus nimmt. Erst nach sicherem Ausschluss dieser Annahme erscheinen anderweitige Überlegungen sinnvoll (Graeff, 1981). Petersen (1988) schreibt in seiner Monografie „Infektionen in Gynäkologie und Geburtshilfe“, dass das Hauptsymptom der Sepsis das Fieber ist, welches häufig remittierenden Charakter hat. Durch die Streuung der Bakterien können viele Organe betroffen sein. Besonders die Milz vergrößert sich und wird weich (septische Milz), aber auch Leber und Nieren, sogar das Hirn, können mit Abszessen übersät werden. Die Diagnostik stützt sich auf das klinische Bild: Schlechter Allgemeinzustand, Fieber mit Schüttelfrost, Unruhe, Verwirrtheit und Bewusstseinsstörungen und episodische Hypotensionen sind typisch. Sämtliche Symptome, abgesehen vom Fieber, waren auch im vorliegenden Fall vorhanden. Von den Laborparametern imponiert eine Leukozytose mit Linksverschiebung, aber gelegentlich auch eine Leukopenie, ein Thrombozytenabfall und die Erniedrigung des anorganischen Phosphats können vorliegen. Therapeutisch entscheidend ist für die Therapie der Sepsis die frühzeitige und wirksame Antibiotikatherapie. Sie entspricht der Therapie bei der Peritonitis, da es sich hierbei meistens um ähnliche Erreger handelt. Die antibiotische Basistherapie besteht aus Betalaktam-Antibiotika (Penicilline, möglichst mit Betalaktamaseinhibitor, Cephalosporine oder Imipeneme) plus Aminoglycosid, eventuell zusammen mit einem 5-Nitroimidazol.
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2.4.4.1 Sachverhalt / Kasuistik Die im Jahr 1994 27-jährige Patientin wurde bereits 1992 wegen eines Eierstockkrebses im Stadium Ia in dem konfessionellen Krankenhaus operiert. Es wurde der rechte Eierstock durch eine Pfannenstiel-Laparotomie entfernt. 1993 war die Patientin zum ersten Mal schwanger. Bei einer letzten normalen Regel vom 13. 06. 1993 errechnete sich ein Geburtstermin am 20. 03. 1994. Die Schwangerschaft wurde bei einer niedergelassenen Frauenärztin achtmal kontrolliert. Im fünften Lunarmonat (LM V) trat erstmals ein erhöhter Blutdruck von 145/90 mmHg auf, der ebenso wie die Gewichtszunahme laufend kontrolliert wurde. In SSW 38 erfolgte in die stationäre Aufnahme im Krankenhaus unter der Diagnose „Spätgestose, Dystrophie, pathologischer Doppler und pathologisches CTG“. Die Ultraschallbefunde des biparietalen Durchmessers bzw. des Thoraxdurchmessers entsprachen nur der 34. bzw. 35. SSW, die Untersuchung mittels Doppler-Sonographie der Nabelarterie ergab einen pathologischen Blutfluss IV. Der Blutdruck von 145/90 mmHg wurde mit dem Betablocker Tenormin® 30 und Magnosolv® behandelt. Weitere Doppler-Untersuchungen der Arteria umbilicalis bzw. Arteria cerebri ergaben neuerlich hochpathologische Werte, weswegen sich die Ärzte zur Geburtseinleitung mittels Syntocinon®-Perfuser entschlossen. Der geburtshilfliche Befund lautete: „Portio verkürzt, sakral, derb, geschlossen, Schädel -5, Fruchtblase stehend“. Am nächsten Tag wurde eine Prostin®-Vaginaltablette zur Geburtseinleitung gelegt. Nachdem die Geburtseinleitung offensichtlich nicht erfolgreich war, entschlossen sich die Ärzte am nächsten Tag zum Kaiserschnitt. Die Schnittentbindung unter der Diagnose „intrauterine Dystrophie, pathologischer Doppler mit Zeichen fetaler Kreislaufzentralisation“ wurde von einem Oberarzt durchgeführt. Dem Operationsbericht war zu entnehmen, dass es beim Anlegen der Uterotomie zu stärkeren venösen Blutungen gekommen war. Es wurde dann aus zweiter Schädellage ein zartes, dystrophes, lebensfrisches Mädchen von 2.510 g Gewicht, 47 cm Körperlänge und einem Apgar-Wert von 9/10/10 entwickelt. Der NabelarterienpH-Wert betrug 7,22. Im Operationsbericht hieß es weiter: „Solitäre Umstechungen bei stärkerer venöser Blutung. Mühevolles Aufdehnen des sehr straffen inneren Muttermundes auf zwei Finger, zweireihiger, mehrschichtiger Verschluss der Uterotomie durch Catgut-Einzelknopfnähte und Peritonealisierung des Wundgebietes unter Zuhilfenahme des Blasenperitoneums“. Auffallend war die Versorgung eines stärker blutenden kleinen Schnittes am Uteruskorpus. Dieser Schnitt wäre laut dem Operateur, auf Befragen durch den Sachverständigen, bei der Eröffnung der Bauchdecken entstanden. Bei der Revision des Abdomens zeigte sich kein Hinweis auf ein Rezidiv der bekannten Grunderkrankung. Der postoperative Verlauf am ersten und zweiten postoperativen Tag war zunächst unauffällig, die Wunde bei einem Verbandswechsel bland. Am dritten Tag erhielt die Patientin um 21.30 Uhr wegen niedrigen Blutdruckes (90/55 bzw. 85/50 mmHg) Effortil®. Die Abgänge wurden als unauffällig befundet. Die Körpertemperatur betrug am zweiten und am dritten postoperativen Tag 37,2 bzw. 37,3 °C und stieg am vierten postoperativen Tag erstmals auf 37,7 °C an. Im Schwesternbericht war vermerkt, dass es der Patientin am ersten postoperativen Tag gut ging, und dass sie aufstand und spontan urinierte. Am zweiten Tag waren Kreislaufprobleme vermerkt. Das Blutbild am Nachmittag des Operationstages zeigte bereits eine Leukocytose von 11.500/μl (4.000 bis 10.000), eine Anämie von 3,28 Millionen/μl (4,2 bis 5,8),
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Hämoglobin 10,8 g/l (12 bis 17) und Hämatokrit 21,3 % (40 bis 53). Die Erythrozyten fielen vom zweiten auf den vierten postoperativen Tag auf 2,22 Millionen/μl, das Hämoglobin auf 7,44 g/l, der Hämatokrit auf 22 % und die Leukozyten stiegen auf 18.800/μl an. Aufgrund der Anämie wurden am vierten und fünften postoperativen Tag jeweils zwei Erythrozytenkonzentrate verabreicht. Am dritten postoperativen Tag stand im Schwesternbericht erstmals: „Brennen beim Urinieren, gerötete Vagina, abgespült“. Am vierten postoperativen Tag fühlte sich die Patientin nicht wohl und ging auch nicht ins Kinderzimmer stillen. Der Blutdruck betrug nur 85/40 mmHg. Auf der Fieberkurve fand sich der Vermerk: „Wunde bland, Kamillosan®-Sitzbäder am vierten und fünften postoperativen Tag, ab sechstem postoperativen Tag auch Balneum® Hermal-Sitzbäder sowie Pevaryl-Anästhesin-Salbenfleck® bei Bedarf“. Dies diente offensichtlich zur Lokalbehandlung wegen geröteter Vagina. Am fünften postoperativen Tag um 16.30 Uhr fand sich auch der Vermerk: „Hat Scheidenspülung erhalten, hat sehr starke Schmerzen“ und um 20.00 Uhr „Patientin wurde über eigenen Wunsch abgespült, klagt über Schmerzen, wollte auf keinen Fall aufstehen, schreit beim Urinieren; Patienten im Zimmer haben sich bereits beschwert“. Dieser Vermerk wurde in mehreren Verhandlungen eingehend diskutiert. Um 21.30 Uhr fand sich der Vermerk: „Patientin hat viel Stuhl gehabt in der Schüssel und im Bett. Bett frisch gemacht. Patientin wurde nochmals abgespült, lässt sich komplett gehen und hilft nicht mit, war kurz auf und wollte sofort wieder ins Bett. RR 95/50 mmHg, Puls 120.“ Am Morgen des fünften postoperativen Tages ging es der Patientin nach einem Erythrozytenkonzentrat besser „und sie hat sich selbst gewaschen“. Der Blutdruck betrug jedoch weiter nur 90/60 mmHg. Es fand sich der Vermerk: „Vulvitis“. Am Nachmittag des fünften postoperativen Tages um 16.30 Uhr war die Patientin wieder auffällig. Vermerkt war: „Hatte Sitzbad nach fünf Minuten beendet. Liegt während Besuchszeit nackt im Bett“. Um 19.15 Uhr wurde vermerkt: „Patientin ist sehr unruhig“. In der Fieberkurve fand sich um 16.20 Uhr der Vermerk: „Eine Ampulle Psyquill (i.m.)“. Am Morgen des sechsten postoperativen Tages stand im Schwesternbericht: „Hat unruhig geschlafen, hat sich wegen Schmerzen beklagt“ (5.00 Uhr Früh). Danach stand sie jedoch auf und wusch sich. Um 7.45 Uhr vermerkte eine Schwester: „Patientin heute irgendwie verändert, macht apathischen Eindruck, war laut Nachtdienst nicht beim Kind“. Um 8.00 Uhr: „Laut Visite Neurokonsilium und Abstilltherapie.“ Um 10.30 Uhr: „Sitzbad, fühlt sich nicht wohl, hat Schwindel“. Auf der Fieberkurve fand sich der Vermerk: „Aufstehen nur mit Hilfe“. Es wurde ein Dauerkatheter gesetzt und die Ein- und Ausfuhr der Flüssigkeit bilanziert. Außerdem wurde eine Infusion mit Ringerlösung und Vitaminen verabreicht. Das Labor war hochpathologisch. Die Leukozyten betrugen 28.800/μl, Erythrozyten 3,65 Millionen/μl,Hämoglobin 11,4 g/l, Hämatokrit 35 %. Die Blutsenkung betrug 54/ 84. Auch die Nierenfunktionsparameter waren hochpathologisch. BUN 292 mg/dl (13 bis 54), Kreatinin 4,2 mg/dl (0,5 bis 1,3), Harnsäure 13,8 mg/dl (2,5 bis 7); ebenso die Leberwerte Bilirubin 4,3 mg/dl (0 bis 1) GT 48 U/l (4 bis 28), Alkalische Phosphortase 517 U/l (60 bis 170). Um 11.50 Uhr wurde die Patientin vom Chef der Abteilung gynäkologisch untersucht und es fand sich der Vermerk: „Palpation: kleines Becken frei, Uterus nicht dolent“. Die Patientin erhielt um 14.40 Uhr drei Infusionen laut Plan. Der Harn war jedoch trotzdem stark konzentriert, und die Patientin schied lediglich 200 ml aus. Um 15.15 Uhr wurde eine Abdomenleeraufnahme sowie ein Lungenröntgen im Bett durchgeführt mit der Fragestellung: „Zustand nach Sectio, Hämatom?“.
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Der Blutdruck betrug um 16.00 Uhr 80/50 mmHg, der Puls 140 spm, trotz vier Infusionen. Um 17.00 Uhr betrug der Blutdruck 110/70 mmHg, die Harnausscheidung lediglich 450 ml. Um 17.30 Uhr fand sich der Vermerk: „Nach Rücksprache mit Anästhesie Transferierung an die Universitätsklinik, Allgemeines Krankenhaus“. In den Röntgenbefunden, die jedoch erst drei Tage später befundet wurden, war eine ausgedehnte bronchopneumonische Infiltration in der rechten Lunge mit einem inhomogenen, kleinfleckigen Verschattungsbild beschrieben. Die Abdomenleeraufnahme zeigte keine freie subphrenische Luftansammlung, in Projektion auf den unteren Nierenpol war eine sehr flaue, 1 cm große kalkdichte Verschattung zu erkennen, wobei eine Organzuordnung nicht möglich war. Im kleinen Becken wurde eine Verschattung bedingt durch den vergrößerten Uterus bei Zustand nach Kaiserschnitt beschreiben. Die Dickdarm- und Dünndarmschlingen nur minimal luftmarkiert und normal weit, stark aufgeblähter Magen. Erst am sechsten postoperativen Tag erhielt die Patientin das Antibiotikum Rocephin®. Bei der Aufnahmsuntersuchung an der Universitätsfrauenklinik um 21.00 Uhr des sechsten postoperativen Tages zeigte sich übelriechender Eiter am hinteren Scheidengewölbe und deutlicher Schiebeschmerz bei der Tastuntersuchung. Der Chef der Universitätsfrauenklinik sprach von einer schwerstkranken Patientin. Unter der Diagnose „Zustand nach Eierstockentfernung links, Zustand nach Sectio, schwere Sepsis“ wurde noch um 23.00 Uhr die Gebärmutter und der rechte Eierstock operativ entfernt. Bei der medianen Unterbauchlaparotomie zeigte sich eitrig tingierte, übel riechende Flüssigkeit im Abdomen. Das viszerale und parietale Peritoneum waren stellenweise mit eitrigen fibrinoiden Belägen bedeckt. Auch der rechte Eierstock und der Eileiter waren entzündlich verändert und mussten deswegen entfernt werden. Es wurde eine suprazervikale Hysterektomie durchgeführt, da die Cervix vom septischen Geschehen nicht befallen war und belassen werden konnte. Es zeigte sich auch eine extrem vergrößerte Leber, die mit fibrinoiden, eitrigen Belägen bedeckt war, sowie eine extrem vergrößerte, prall elastische Milz. Der feingewebliche Befund bestätigte die klinische Diagnose und ergab eine schwere eitrige Endometritis und phlegmonöse Myometritis mit umfänglichen Muskelnekrosen, eine Perisalpingitis und ein kleines proliferierendes, mucinöses Kystom des Ovars. Die Patientin lag sieben Tage auf der Intensivstation, und es kam zu einer langsamen Besserung des Allgemeinzustandes. Sie blieb dann noch weitere elf Tage in der Frauenklinik. Es fand sich noch eine Begleitpankreatitis, die sich jedoch wieder zurückbildete. Bei der Entlassung wurden Kontrollen der Leber und der Nierenfunktion sowie der Alpha-Amylase, Lipase und des Blutbildes empfohlen. Als Hormonersatztherapie wurde Premarin® 0,625 sowie Colpron® 2 × 1 vom 20. bis 30. Zyklustag empfohlen. In einem Brief an den Patientenanwalt beschrieb der Vorstand der Universitäts-Frauenklinik den Zustand der Patientin zum Zeitpunkt der Transferierung so: Es bestand ein lebensbedrohlich schlechter Allgemeinzustand mit dem Bild einer puerperalen Sepsis mit massivem Abfall der Blutplättchen und einer massiven Vermehrung der weißen Blutkörperchen auf 28.800 sowie dem klassischen Bild eines beginnenden akuten Nierenversagens mit einem Kreatininwert von 4,2.
2.4.4.2 Beurteilung / Gutachten Laut Operationsbericht stand fest, dass es bei der Kaiserschnittentbindung zu stärkeren venösen Blutungen gekommen war, die umstochen werden mussten. Dies hat auch zu
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einem starken Abfall der Erythrozyten geführt, weshalb zwei Erythrozytenkonzentrate gegeben wurden. Fest stand weiter, dass sich der Allgemeinzustand der Patientin ab dem dritten postoperativen Tag deutlich verschlechterte, der Blutdruck abfiel, die Leukozyten an- und die Thrombozyten abfielen. Es war geradezu typisch, dass nach anfänglich scheinbar glattem postoperativen Verlauf Krankheitsgefühl und Müdigkeit auftraten und sich der Allgemeinzustand vom vierten bis zum sechsten postoperativen Tag deutlich verschlechterte. Die Temperaturen waren bei der Patientin lediglich subfebril im Bereich von bis zu 37,7 °C. Bereits das Blutbild am vierten postoperativen Tag wies eine massive Leukozytose von 18.000/μl im Sinne eines Infektionsgeschehens auf. Kritisiert wurde, dass das heute überall verfügbare C-reaktive Protein (CRP), der beste Parameter einer Infektion, nicht bestimmt wurde. Aus einem Anstieg des CRP hätte man leicht die Diagnose puerperale Infektion stellen können. Aufgrund des Abfalls der Thrombozyten konnte man davon ausgehen, dass sich das massive septische Zustandsbild bei der Patientin mit toxischer Komponente in der Zeit zwischen viertem und sechstem postoperativen Tag entwickelt haben muss, da die Thrombozyten nur mehr 38.000/μl (150 bis 350.000) betrugen. Als Ursache wurde im vorliegenden Fall eine massive bakterielle Infektion der Gebärmutter nach der Schnittentbindung histologisch verifiziert. Das Auftreten einer postoperativen Infektion per se kann jedoch nicht als Behandlungsfehler gewertet werden, da kein Operateur davor gänzlich gefeit ist. Ein begünstigender Faktor für eine derartige Infektion ist die Anämie, also der relativ große Blutverlust. Ein zweiter ist möglicherweise in den dadurch notwendig gewordenen zusätzlichen Umstechungen an der Gebärmutter zu suchen. Begünstigend für das Angehen einer Infektion ist auch das im Operationsbericht erwähnte „mühevolle Aufdehnen des sehr straffen Muttermundes auf zwei Finger“. Keineswegs auszuschließen ist eine aufsteigende Infektion aus der Scheide, da eine Vulvitis diagnostiziert wurde und Sitzbäder mit Kamillosan® und Balneum® Hermal deswegen durchgeführt worden waren. Sitzbäder nach Schnittentbindungen sind eine völlig unübliche Maßnahme und es ist durchaus denkbar, dass im vorliegenden Fall durch die Sitzbäder mit dem Badewasser Bakterien in die eigens dilatierte Cervix und weiter in den oberen Genitaltrakt gelangt sind und dort eine schwere Infektion hervorgerufen haben. Ungeklärt blieb schließlich, ob am vierten postoperativen Tag eine Scheidenspülung durchgeführt wurde. Eine solche ist mit Sicherheit absolut kontraindiziert. Zu hinterfragen war allerdings, warum diese lebensgefährliche Infektion nicht früher erkannt und entsprechend behandelt wurde. Hierzu wären klinische Maßnahmen wie die tägliche Messung des Fundusstandes und die Beobachtung der Uterusinvolution, die Kontrolle der Lochien sowie Laboruntersuchungen (Blutsenkung, Leukozyten, CRP) und bakteriologische Untersuchungen notwendig gewesen. Zum Ausschluss eines Hämatoms werden üblicherweise auch Ultraschalluntersuchungen des Abdomens durchgeführt. Spätestens am vierten postoperativen Tag bei deutlichem Krankheitsgefühl und starken Schmerzen, einer Leukozytose von fast 19.000/μl, bei massiver Anämie und beginnendem septischen Schock (Blutdruck 95/50 mmHg, Puls 120 spm, Temperatur 37,7 °C) hätte eine entsprechende Intensivtherapie mit Antibiotika-Infusionen, Blutund Plasma-Ersatz erfolgen müssen. Damit wäre die Infektion möglicherweise noch konservativ zu beherrschen gewesen.
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Es wurde jedoch auch betont, dass das Erkennen des septischen Zustandsbildes der Patientin im vorliegenden Fall durch das Fehlen von Fieber, als klassischem Zeichen einer Infektion, sehr erschwert war. Dies hat allerdings dazu geführt, dass an eine Sepsis überhaupt nicht gedacht wurde und aufgrund der psychischen Veränderungen Psyquil® injiziert wurde und ein neurologischer Konsiliararzt gerufen werden sollte. Der diensthabende Oberarzt sprach bei der telefonischen Transferierung von einer Nephritis. Daher war insgesamt davon auszugehen, dass das schwere, lebensbedrohliche Zustandsbild der Patientin von den Ärzten des Krankenhauses zu spät und nicht richtig erkannt wurde. Laut Aussage des Klinikchefs wurde ihm eine schwerst kranke, septische Patientin bei der Transferierung als harmlos angekündigt. Zusammenfassung 1. Die letztlich notwendig gewordene Entfernung der Gebärmutter sowie die Entfernung des rechten Eierstocks und rechten Eileiters stand ohne Zweifel in kausalem Zusammenhang mit der klagsgegenständlichen postoperativen Behandlung der Klägerin nach ihrer Kaiserschnittentbindung. Als nicht lege artis wurden Sitzbäder bzw. die fragliche Scheidenspülung betrachtet. Das schwere lebensbedrohliche, septische Zustandsbild der Klägerin wurde nicht erkannt. 2. Schmerzperiodenaufstellung: Starke Schmerzen traten an zehn Tagen auf (vom 09.03. bis zum 18. 03. 1994; am 11. 03. 1994 erfolgte die Entfernung der Gebärmutter des rechten Eileiters und Eierstockes; Intensivstation). Mittelstarke Schmerzen traten an elf Tagen auf (vom 19.03. bis zum 02. 03. 1994: Normalstation, Begleitpankreatitis). Leichte Schmerzen traten gerafft im Zeitraum von vier Wochen auf. 3. Dauerfolgen: Ohne Zweifel bestehen bei der Klägerin aufgrund der Entfernung der Gebärmutter und beider Eierstöcke Dauerfolgen. Selbstverständlich kann die Klägerin kein Kind mehr bekommen und wurde darüber hinaus in einen Zustand des Klimakteriums praecox, also des vorzeitigen Wechsels, versetzt. Dies deshalb, da der linke Eierstock bereits entfernt war. Eine medizinische Weiterbehandlung in Form einer Hormonersatztherapie mit Östrogenen ist weiterhin unabdingbar. Für sexuelle Unlustgefühle ergab sich vom rein gynäkologischen Standpunkt her kein Anhaltspunkt, da an den äußeren Geschlechtsteilen und der Scheide nicht operiert wurde und sogar der Gebärmutterhals belassen wurde, was bedeutet, dass der Beckenboden intakt war.
2.4.4.3 Verfahrensausgang Nach mehreren Verhandlungen kam es zu einem gerichtlichen Vergleich. Die beklagte Partei verpflichtete sich, der Klägerin € 29.068,92 sowie die Kosten des Verfahrens zu bezahlen.
2.4.4.4 Resümee Unter Puerperalsepsis (Kindbettfieber) versteht man eine septische Infektion in Verbindung mit Fehlgeburt oder Geburt, wobei die Eintrittspforte, der primäre Sepsisherd, der Uterus mit der Plazentahaftstelle (septische Endometritis) oder, bei Sectio caesarea, die Uterotomie ist. Die Sepsis wird als systemische Reaktion des Körpers auf die Infektion verstanden, wobei mindestens zwei der folgenden Symptome erfüllt sein müssen: Fie-
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ber über 38 °C oder unter 36 °C, Pulsfrequenz über 90 spm, Atemfrequenz über 20/ min, Leukozyten über 12000/mm3 oder unter 4000/mm3 und Nachweis einer Infektion. Bei der schweren Sepsis treten Organdysfunktionen (Hypoperfusion, Hypotension, Laktatazidose, Oligurie) hinzu, beim septischen Schock besteht trotz Volumensubstitution eine Hypotension unter 90 mmHg (syst.). Die Letalität beträgt auch heute noch 20 bis 50 % (foudroyante Sepsis). Die frühzeitig begonnene, hoch dosierte Antibiotikatherapie ist die wichtigste Waffe gegen die Puerperalsepsis. Literatur Beck L, Bender HG. Intra- und postoperative Komplikationen in der Gynäkologie und Geburtshilfe unter Berücksichtigung urologischer und intestinaler Komplikationen. 2. Aufl. Stuttgart: Thieme, 1996: 262–263, 220–230. Bolte A, Eibach HW. Genitale Infektionen. Infektiologische Probleme in Gynäkologie und Geburtshilfe. Darmstadt: Steinkopff, 1990: 175–192. DGGG. Perioperative Antibiotikaprophylaxe. In: DGGG. Leitlinien der Gynäkologie und Geburtshilfe. AWMF 029/022 (S2). Arbeitskreis Krankenhaus – Praxishygiene der AWMF. Bd. 1. Berlin: Verlag S. Kramarz, 2010: 443. Dudenhausen JW. Praktische Geburtshilfe mit geburtshilflichen Operationen. 21. Aufl. Berlin, New York: De Gruyter, 2011: 378–384. Fuith LC, Reider W, Mayer P, Mitterschiffthaler G. Schwere bakterielle Infektionen in Gynäkologie und Geburtshilfe. Wien. Klin. Wschr. 1989; 10: 350. Graeff H. Infektionen in der Schwangerschaft, unter der Geburt und im Wochenbett. In: Käser O, Friedberg V, Ober KG, Thomsen K, Zander (Hrsg). Gynäkologie und Geburtshilfe, Bd. II, Teil 2, Schwangerschaft und Geburt 2. Stuttgart: Thieme, 1981: 16.1–16.25. Gerstner GJ. Chemoprophylaxis for major gynecologic and obstetric surgery. J. Antimicrob. Chemother. 1982; 100: 1703–1708. Gerstner GJ, Kofler E, Huber J. Perioperative Metronidazol-Prophylaxe beim Kaiserschnitt. Z. Geburtsh. u. Perinat. 1980; 184: 418–423. Gerstner GJ, Leodolter S, Rotter M. Mikrobiologie des Endometriums bei puerperalen Infektionen. Z. Geburtsh. u. Perinat. 1981; 185: 276–279. Hirsch HA, Neeser E. Zur Wirksamkeit der perioperativen Antibiotikaprophylaxe bei Hysterektomien und abdominalen Schnittentbindungen. Geburtsh. u. Frauenheilk. 1984; 44: 8–13. Jaisle F. Schnittentbindung in den Akten der Justiz, eine Hilfe für Ärzte und Juristen zur Bewertung von Geburtskomplikationen. Jena: Fischer, 1995: 42–50, 379–390. Künzel W, Wulf KM. Abdominale Entbindung durch Kaiserschnitt. In: Künzel W. Klinik der Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Geburt I, 4. Aufl. München, Jena: Urban und Fischer, 2003: 245–261. Ledger WJ. Infektionen in der Gynäkologie und Geburtshilfe. Stuttgart: Hippokrates, 1980: 221– 224. Petersen EE. Infektionen in Gynäkologie und Geburtshilfe. Stuttgart: Thieme, 1988: 109–112. Rabe Th. Gynäkologie und Geburtshilfe. Weinheim: Ed. Medizin VCH, 1990: 515–518. Ulsenheimer K. Rechtliche Probleme in Geburtshilfe und Gynäkologie. Stuttgart: Enke Verlag, 1990: 82.
2.4.5 Tod durch Verbluten nach Kaiserschnitt Blutungen, erworbene Koagolopathie und Schock unter der Geburt Ein übermäßiger Blutverlust ist eine ernst zu nehmende und relativ häufige Komplikation einer Schwangerschaft, die zum Tod der Mutter führen kann. Ein Drittel aller müt-
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terlichen Todesfälle ist auf verstärkte Blutungen nach der Geburt zurückzuführen. Die Inzidenz wird heutzutage insgesamt mit 5 bis 10 % aller Geburten angegeben. Vor 50 Jahren war der Verblutungstod Ursache von 13 bis 20 % aller mütterlichen Todesfälle, heute ist dieser Wert auf 2 bis 4 % zurückgegangen. Insgesamt kommen fünf mütterliche Todesfälle auf eine Millionen lebend geborene Kinder. Wenn es zur verstärkten Blutung kommt, ist die Kontrolle des Blutverlustes extrem wichtig, und es muss umgehend dafür Sorge getragen werden, dass der Mutter in kurzer Zeit eine große Menge an Flüssigkeit zugeführt werden kann. Häufig ist aktives Vorgehen in der Phase nach der Geburt angebracht und kann eine verstärkte Blutung nach der Geburt verhindern, aber nicht in allen Fällen. Man unterscheidet zwischen einer frühen und späten verstärkten postpartalen Blutung. Als früh wird dieser Blutungstyp bezeichnet, wenn er während der ersten 24 Stunden nach der Entbindung – wie im vorliegenden Fall – auftritt. In den allermeisten Fällen ist die Ursache eine Atonie der Gebärmutter. Seltener findet man Plazentareste in der Gebärmutterhöhle. Zu den Risikogruppen für eine sogenannte Frühatonie gehören Frauen während oder nach einem Kaiserschnitt sowie Frauen in Allgemeinnarkose – beides in diesem Fall zutreffend. Des Weiteren trifft es Frauen mit Zeichen einer Amnionitis, Präeklampsie und verzögertem Geburtsverlauf. Ferner spielen Multiparität, eine Mehrlingsschwangerschaft, vermehrtes Fruchtwasser sowie Abnormitäten der Plazenta als Ursache eine Rolle. Möglicherweise ist auch eine Atonie bei früheren Geburten der wesentlichste prädiktive Faktor. Auch Blutgerinnungsstörungen gelten als Risikofaktoren. Entscheidend und richtungsweisend für die Diagnostik ist die vaginale Blutung, bei der man sich hüten muss, sie in ihrer Stärke zu unterschätzen. Seltener wird die Blutmenge von ängstlichen und unerfahrenen Beobachtern überschätzt. Objektivierbare Indikatoren für eine therapiebedürftige, verstärkte Blutung sind ein Blutdruckabfall und ein Anstieg der Pulsfrequenz. Bei längerem Bestehen des kritischen Zustandes eine verminderte Harnmenge, bisweilen Beschwerden im Bauch oder im kleinen Becken und schließlich eine Dyspnoe. Die Blutdruckmessung als Entscheidungskriterium ist unter Umständen problematisch. Ein Blutdruck im Normalbereich kann bei einer Patientin, die zuvor einen Bluthochdruck hatte, eine falsche Sicherheit vortäuschen. Hinzu kommt, dass manche Medikamente, die unter der Geburt oder bei einer Anästhesie gegeben werden, die wahre Höhe des Blutdrucks verschleiern können. Schon die starke Blutung nach der Geburt, die das Maß des bekannt Normalen überschreitet, muss die ersten therapeutischen Schritte bestimmen. Sie muss dazu führen, die Patientin intensiv zu überwachen. Wenn es gelingt, die Blutungsstärke rasch zu reduzieren, kann sehr objektiv und wenig invasiv die Kreislaufsituation durch Messung der Nierenausscheidung beurteilt werden. Beträgt diese über 30 l/h, so kann man von einer ausreichenden Durchblutung der Niere ausgehen. Natürlich müssen Hämoglobin und Hämatokrit bestimmt und Gerinnungsfaktoren sowie Kreuzblut abgenommen und bestimmt werden. Der Behandlungserfolg bei einer verstärkten postpartalen Blutung hängt einzig und allein von der richtigen Einschätzung der Schwere der Blutung, der raschen Einleitung aller nötigen Maßnahmen, die zur Stabilisierung der vitalen Funktionen der Mutter dienen, und der konsequenten Durchführung der therapeutischen Maßnahmen ab. Umgehend müssen Flüssigkeit zugeführt und Uterus kontrahierende Medikamente in ausreichender Menge appliziert werden. Hierzu zählt die Infusion von Oxytocin oder Methergin® bzw. Prostaglandin F2 Alpha oder das Prosta-
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Abb. 2.54: Halten des Uterus (aus Dudenhausen, Joachim W.: Praktische Geburtshilfe. 21., erweiterte Aufl. Berlin, Boston: De Gruyter 2011).
glandin E2 Derivat Sulproston®. Parallel zur Infusion mit den Kontraktionsmitteln sollten Plasmaexpander infundiert werden. 500 ml, in zehn Minuten infundiert, sind anfänglich notwendig, um die mütterliche Kreislaufsituation einigermaßen zu stabilisieren. Das therapeutische Vorgehen wird ganz wesentlich von der persönlichen Erfahrung des Arztes bestimmt. Es wird angegeben, dass zunächst intravenös 20 bis 40 internationale Einheiten Oxytocin in isotonischer Kochsalzlösung rasch infundiert werden sollten. Wenn die Gebärmutter hierauf nicht mit einer zufriedenstellenden Kontraktionsneigung reagiert, kann, wenn eine Hochdruckerkrankung ausgeschlossen ist, Methylergometrin intramuskulär oder intravenös in einer Dosierung von 0,2 mg appliziert werden. Führt diese Maßnahme nicht zum Erfolg, steht die Anwendung von Prostaglandin F2 Alpha als Infusion (5 mg auf 1.000 ml physiologische Kochsalzlösung) zur Verfügung. Statt PGF2 Alpha kann auch das PGE2-Derivat Sulproston® infundiert werden (1.500 μg auf 500 mg). Der hier wiedergegebene Ablauf ist gerechtfertigt, wenn die Blutungsstärke das abgestufte Vorgehen erlaubt. Von der Wirksamkeit her ist sicherlich die Anwendung von PGF2 Alpha bzw. Sulproston® als die effektivste Methode anzusehen und es ist bei besonders ausgeprägter Blutungsstärke ratsam, sofort die effektivsten pharmakologischen Maßnahmen einzuleiten. Führt die pharmakologische Intervention nicht umgehend zum Erfolg, so ist es angebracht, den Uterus bimanuell zu komprimieren (sogenanntes Halten des Uterus). Bisweilen ist hiemit sogar ein bleibender Erfolg zu erzielen. In den meisten Fällen kann
Abb. 2.55: Hamilton-Handgriff (Punchingball-Handgriff) zur Stillung einer atonischen Nachblutung mit innerer und äußerer Hand (aus Dudenhausen, Joachim W.: Praktische Geburtshilfe. 21., erweiterte Aufl. Berlin, Boston: De Gruyter 2011).
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Abb. 2.56: Manuelle Aortenkompression (aus Dudenhausen, Joachim W.: Praktische Geburtshilfe. 21., erweiterte Aufl. Berlin, Boston: De Gruyter 2011).
man zumindest den Blutverlust so lange reduzieren, bis andere therapeutische Verfahren zur Verfügung stehen (s. Abb. 2.54 bis 2.56). Eines dieser anderen Verfahren ist die Tamponade der Gebärmutter, wobei der Gazesteifen in verschiedenen Uterus kontrahierenden Substanzen getränkt werden kann (z. B. Vasopressin® oder Sulproston®). Da dieses therapeutische Vorgehen jedoch viel Erfahrung im Umgang mit den entsprechenden Medikamenten voraussetzt und die Notwendigkeit in sich birgt, bei Erfolglosigkeit rasch eine Entfernung der Gebärmutter vorzunehmen (oder ein anderes operatives Vorgehen zu wählen), sollten die beschriebenen pharmakologischen Maßnahmen im Operationssaal (bzw. in Operationsbereitschaft) und nur von erfahrenen Ärzten durchgeführt werden. Intensivüberwachung und eine adäquate anästhesiologische Betreuung sind die entscheidenden Kriterien, die über Erfolg oder Misserfolg der Therapie bestimmen. Eine breite antibiotische Abdeckung schon von Anfang jeglicher intrauteriner oder operativer Manipulationen ist entscheidend dafür, ob der postoperative Verlauf problemlos ist oder nicht.
2.4.5.1 Sachverhalt / Kasuistik Die im Jahr 2001 25-jährige Schwangere war nach einer Fehlgeburt im Jahr 2000 zum zweiten Mal schwanger. Bei einer letzten normalen Regel vom 13. 02. 01 ergab sich ein errechneter Geburtstermin am 20. 11. 01. Die Schwangerenuntersuchungen erfolgten bei einem niedergelassenen Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, der auch in dem Krankenhaus, in dem die Entbindung geplant war, angestellt war. Der Schwangerschaftsverlauf war, abgesehen von einer erhöhten Gewichtszunahme der Schwangeren von 18 kg, unauffällig. Die Schwangere war von der Arbeit freigestellt, wofür es gutachtlich keinen objektiven Grund gab. Insgesamt wurden elf Schwangerenuntersuchungen, zumeist mit Ultraschalluntersuchungen, durchgeführt. Die letzte Schwangerenuntersuchung erfolgte in SSW 37/0. In SSW 39 kam es um 2.00 Uhr zu einem Blasensprung. Die Schwangere begab sich ins Krankenhaus und wurde dort von ihrem betreuenden Frauenarzt um 3.00 Uhr untersucht. Der geburtshilfliche Aufnahmebefund lautete: „Muttermund sakral, weich, verkürzt, für die Fingerkuppe einlegbar, Schädelhöhenstand –5. Fruchtwasser klar.“
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Geburtsprotokoll: 05.45 Uhr: 07.10 Uhr: 08.55 Uhr: 08.10 Uhr: 09.00 Uhr: 10.15 Uhr: 11.30 Uhr: 12.30 Uhr: 13.00 Uhr: 13.40 Uhr:
beginnende Wehentätigkeit, Patientin wirkt sehr angespannt, ad Badewanne, ad Kreißsaal, 1/2 Ampulle Alodan® (Schmerzmittel)intramuskulär, Patientin erbricht, Muttermund dünnsaumig, weich, 6 cm, Schädel –4, 1/2 Ampulle Alodan®, CTG, Muttermund 8 cm, Schädel –4, Herztöne positiv, 1 × Tramal® Supp. und 1 × Buscopan® Supp., CTG, Muttermund 9 cm, Schädel –3, Herztöne positiv, 500 ml Ringerlösung intravenös, Syntocinon®, 30 l/h, Muttermund im Verstreichen, Schädel –3, Syntocinon® 60 l/h, CTG, Muttermund verstrichen, Schädel 0, Herzaktion positiv, Geburtsgeschwulst, Syntocinon® 90 l/h, CTG, Muttermund idem, Höhenstand 0, Bradykardie, CTG.
Diagnose: Geburtsstillstand am Beckenausgang, Kristellerversuch frustan, Entscheidung zum Kaiserschnitt. Eine Ampulle Gynipral® (Wehenhemmung) sowie eine Ampulle Isoptin® ad 20 ml NaCl (i. v.), 1/2 Dosis. Der Kaiserschnitt wurde von dem betreuenden Gynäkologen und einem Oberarzt durchgeführt. Die intermittierende CTG-Aufzeichnung zeigte ab 13.00 Uhr variable Dips, wobei eine Tokographie fehlte. In der Zeit von 13.20 bis 14.00 Uhr traten schwere variable Dips auf. Dem Operationsbericht zufolge, der erst am folgenden Tag verfasst wurde, waren die Diagnosen „Erstgebärende, SSW 40 (unrichtig), Geburtsstillstand am Beckenausgang, fetaler Distress sowie sekundäre Wehenschwäche“ zu entnehmen. Der Operationsverlauf war laut Bericht völlig unauffällig, das Kind, ein Knabe von 3.490 g Gewicht und 49 cm Länge, hatte einen Apgar-Wert von 7/8/8 sowie ein NabelarterienpH-Wert von 7,0. Es wies einen Klumpfuß links auf. Dem Gedächtnisprotokoll des Gynäkologen, datiert auf den 13. 11. 2001, 21.00 Uhr, also dem Operationstag, war zu entnehmen, dass die Schwangere zum Zeitpunkt der Narkoseeinleitung durch die Anästhesistin plötzlich massiv reine Flüssigkeit erbrach und Mund und Nase sofort abgesaugt wurden. Während der Operation beobachtete der Gynäkologe bei der manuellen Entfernung der Plazenta kurzfristig eine Sauerstoffsättigung über das Pulsoximeter von 75 bis 85 %. Auch die Anästhesie war zu diesem Zeitpunkt über diese Komplikation informiert, da auch der supplierende Leiter der anästhesiologischen Abteilung kurz im OP erschien. Es wurde eine Antibiotika-Prophylaxe mit Cefazolin verordnet und aufgrund der Komplikation ein internes Intensivbett für die Patientin bereitgestellt. Tatsächlich wurde die Patientin zunächst in das Aufwachzimmer und anschließend auf die zentrale Überwachungsstation verlegt. Bei einem Anästhesiebeginn um 14.15 Uhr erfolgte die Operation von 14.16 bis 14.45 Uhr. Das Anästhesieende war um 15.15 Uhr. Laut Gedächtnisprotokoll des Gynäkologen wurde dieser um 16.40 Uhr von der diensthabenden Intensivschwester via Mobiltelefon von einer vaginalen Blutung informiert. Er verordnete 500 ml Ringerlösung sowie Methergin® und Syntocinon® (i. v.) und erschien zehn Minuten später im Krankenhaus. Dort fand er die Patientin bereits von der Anästhesistin und einer weiteren Kollegin intubiert vor. Es bestand
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eine vaginale Blutung, wobei auffiel, dass das Blut rein flüssig und ohne Koagelbildung war. Bei der bimanuellen Untersuchung im Bett stellte der Gynäkologe fest, dass der Uterus wenig kontrahiert war und beim Exprimieren schwarzes, rein flüssiges Blut austrat. Beschrieben war, dass die Patientin hämodynamisch schlecht war, d. h. eine Hypotonie und eine Tachykardie bestand. Es wurde sofort 0 positives Blut infundiert und die Patientin zur Revision in den Operationssaal gebracht. Dem Operationsbericht war die Diagnose: „Status post Sectio caesarea per Pfannenstiel-Lap. am 13. 11. 2001, Revision in protrahiertem Schockzustand mit Beatmungspflicht“ zu entnehmen. Laut Gedächtnisprotokoll fand sich wenig dünnflüssiges Blut in der Bauchdecke. Vor und unter der Faszie und vor der Uterotomie fand sich nur wenig dunkles flüssiges Blut, das mit einem Perltuch entfernt werden konnte. Im Bereich der Uterotomie, die intakt war, fand sich nur wenig Blut, ebenso wenig Blut im Cavum Douglasi. Kein Hinweis auf eine Blutungsquelle im Bereich der Uterotomie. Der Uterus hatte keinen Defekt, kein Hinweis auf eine Ruptur. Bei der weiteren Inspektion der gesamten Bauchhöhle fand sich eine kleine Blutansammlung im Bereich des linken Oberbauches, weshalb der Verdacht auf eine Milzruptur gestellt wurde. Es wurde daher sofort eine mediane Oberbauch- und Unterbauchlaparotomie durchgeführt, und es wurden zwei Perltücher getränkt mit Blut entfernt. Der chirurgische Oberarzt wurde zugezogen. Obwohl sich an der Milzkapsel weder Koagel noch ein Hinweis auf eine Blutungsquelle fand, wurde die Milz dennoch über krumme Klemmen entfernt. Dabei wurde erstmals ein Herzstillstand (Asystolie) festgestellt. Sofort wurde eine Reanimation mit Herzmassage von außen sowie bimanuell über das Zwerchfell mit Gegendruck auf das Brustbein durchgeführt. Der Gynäkologe beobachtete, dass von Seiten der Anästhesie zunächst vergeblich versucht wurde, zentralvenöse Zugänge zu setzen. Letztlich gelang es, rechts im Bereich der Vena subclavia einen Zugang zu legen. Auch der Versuch des chirurgischen Oberarztes eine Arterie zu punktieren war vergeblich. Mehrfach wurde der Patientin Suprarenin® über den Tubus verabreicht, ebenso durch das Diaphragma intrakardial. Um 17.45 Uhr intrakardiale Suprarenin®-Gabe, weitere Reanimation bis 18.35 Uhr. Wegen längst entrundeter Pupillen und fehlender Lichtreaktion wurde um 18.35 Uhr die Reanimation abgebrochen und der Tod der Patientin festgestellt. Einem Gedächtnisprotokoll der ersten Oberärztin der Anästhesieabteilung war Folgendes zu entnehmen: Um 16 : 20 war die Patientin nicht mehr ansprechbar, peripher zyanotisch, marmoriert. Die Anästhesistin befand sich kniend neben dem Bett der Patientin und war damit beschäftigt, einen peripheren Zugang zu legen. Sofort begann die Oberärztin mit einer Maskenbeatmung mit reinem Sauerstoff. In weiterer Folge intubierte die Anästhesistin die Patientin, und die Oberärztin schloss die Patientin an die Respiratormaschine an. Gleichzeitig traten die Gynäkologen ein und stellten fest, dass eine vaginale Blutung vorlag, wobei die Vorlagen und das Leintuch im Beckenbereich massiv mit Blut durchtränkt waren. Trotz Beatmung mit Sauerstoff (100 %) verbesserte sich die periphere Zyanose kaum, die Patientin wirkte zunehmend zentralisiert. Über einen zusätzlich von der Oberärztin angelegten Venflon wurde Ringerlactat und Expahes® infundiert. Zu diesem Zeitpunkt war kein peripherer Puls mehr tastbar und der zuletzt gemessene Blutdruckwert war bei 75 mmHg. Von dem gynäkologischen Oberarzt wurden die Beine der Patientin hochgehalten, gleichzeitig wurde Epinephrin® und Ef-
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fortil® verabreicht. Dadurch konnte die hämodynamische Situation deutlich verbessert werden, es wurde ein Blutdruck von 105 mmHg (syst.) gemessen. Der Geburtshelfer wurde nun um Bestellung von Blutkonserven und Octaplas® gebeten, da sich das Bild eines Blutungsschocks zeigte. Da die Pupillen der Patientin nun anisokor wurden (rechts mehr als links), wurde die Patientin bei ausreichend suffizienter hämodynamischer Situation, jedoch weiterhin bestehender Zyanose trotz 100 % Sauerstoffbeatmung und auskultatorisch verifizierter unbeeinträchtigter Belüftung beider Lungen schnellstens in den Operationssaal gebracht. Im Operationssaal traf die Patientin weiterhin zentralisiert und zyanotisch ein. Bei der Umlagerung vom Bett auf den Operationstisch hörte die Oberärztin, dass massiv Flüssigkeit auf den Boden platschte. Bei der Umlagerung ging der zweite periphere Zugang verloren, sodass die Patientin nur noch einen peripheren Zugang hatte. Während sich die Oberärztin dringendst bemühte, einen weiteren peripheren Zugang zu legen, kümmerte sich die Anästhesistin um das Monitoring sowie um die Narkose der Patientin. Zur weiteren hämodynamischen Stabilisierung wurden Ringerlactat, Expahes® sowie Erythrozytenkonzentrate über ein Wärmesystem sowie weiter Effortil® 5 mg verabreicht. Wenige Minuten nach OP-Beginn kam es dann zum Herzstillstand. Trotz intravenöser Gabe und endotrachealer Verabreichung von Suprarenin® und vom behandelnden Gynäkologen durchgeführter externer Herzdruckmassage konnte keine eigene Herzaktion der Patientin erreicht werden. Es wurde weiterhin Suprarenin® intravenös, 2 × 100 ml Natriumbicarbonat und Flüssigkeit verabreicht. Schließlich gelang es der Oberärztin, einen grauen Venflon in die rechte Vena subclavia einzuführen, der jedoch durch die heftigen Thoraxbewegungen bei der Herzdruckmassage nur kurz funktionsfähig blieb. In weiterer Folge setzte sie einen dreilumigen zentralvenösen Zugang in die rechte Vena subclavia. Über diesen Zugang wurde nun das zweite Erythrozytenkonzentrat, Ringerlactat, Expahes®, sowie am dritten Schenkel ein Surparenin®-Bypass infundiert. Da immer noch keine eigenständige Herzaktion erzielt wurde, wurde vom Gynäkologien Suprarenin® intrakardial verabreicht (1 : 10 verdünnt), jedoch ohne Effekt. Auch eine insgesamt dreimal durchgeführte Defibrillation hatte keinen Erfolg. Die Reanimation wurde beendet und die Patientin für tot erklärt. Dem Gedächtnisprotokoll der die Narkose durchführenden Anästhesistin war zu entnehmen, dass die Patientin bei Narkoseeinleitung vor dem Bewusstseinsverlust erbrochen hatte. Nach Absaugen erfolgte die Blitzintubation ohne Komplikationen. Vorübergehend war es für wenige Minuten zu einem Abfall der Sauerstoffsättigung auf 70 % gekommen, welche jedoch schnell wieder reversibel war. Gegen Ende der Operation sank die Sauerstoffsättigung auf 95 %, die Herzfrequenz betrug jedoch unverändert 102 e/n., der Blutdruck 120 mmHg. Die Anästhesistin beendete die Narkose, extubierte die Patientin und brachte sie zur weiteren postoperativen Überwachung in den Aufwachraum, wo wieder Blutdruck, Herzfrequenz und Pulsoximetrie überwacht wurden. Die Patientin wurde um 16.00 Uhr auf die Intensivstation verlegt. Innerhalb der nächsten 20 bis 30 Minuten verschlechterte sich der Gesamtzustand der Patientin zunehmend. Es kam zu einem progredienten Absinken der Sauerstoffsättigung trotz Sauerstoffzufuhr über eine Maske, zunehmender Hypotonie trotz Infusionen von Ringerlactat und Expahes® und zum Ansteigen der Herzfrequenz. Es wurde eine kapillare Blutgasanalyse durchgeführt, die eine incipiente Hypoxie zeigte. Eine Blutbildkontrolle zeigte einen geringen Abfall des roten Blutbildes. Bei Eintreffen der ersten Oberärztin auf der Intensivstation zeigte sich eine akute respiratorische Insuffizienz der Patientin,
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die zunehmend das Bewusstsein verlor. Das weitere Gedächtnisprotokoll war in weitgehender Übereinstimmung mit dem der ersten Oberärztin. Etwa 30 Minuten nach Beginn der Revisionsoperation wäre es am EKG-Monitor zu einer Nulllinie zu sehen gewesen.
2.4.5.2 Gutachten / Beurteilung Gerichtsmedizinisches Gutachten Aus dem gerichtsmedizinischen Gutachten war ersichtlich, dass folgende krankhaften Organveränderungen vorlagen: Eine Ergussbildung in den Brusthöhlen und im Herzbeutel, eine wässrige Schwellung der Lungen, eine Herzerweiterung sowie eine Einblutung in die Herzmuskulatur. Der linke Leberlappen wies eine Kapselabhebung mit Einrissen auf, in der Bauchhöhle selbst war kein freies Blut zu finden. Die Gebärmutter war eingeblutet und schlaff, Gewebszerreißungen waren nicht zu erkennen. Dem Sektionsprotokoll konnte entnommen werden, dass sich bei Präparation des Operationsgebietes im Unterbauch eine insgesamt etwa zwei handflächengroße Einblutung in die Weichteile des kleinen Beckens, um den Ansatzbereich der Gebärmutter, gezeigt hatte. Die Gebärmutter selbst wies an der Vorderseite eine quere Auftrennungsstelle nach Sectio auf, die dicht vernäht war, in diesem Bereich in einem etwa 2 cm breiten Streifen schwarzrot eingeblutet. Im Übrigen wies die Gebärmutter eine Längsausdehnung von 20 cm und eine maximale Querausdehnung von 18 cm auf, die Schleimhaut war mäßiggradig eingeblutet und aufgelockert. Es waren aber keine anhaftenden Plazentareste zu erkennen. Bei Besichtigung der Nahtstelle an der Innenseite der Gebärmutter konnte man erkennen, dass hier ein Klaffen über rund 1,5 cm wahrzunehmen war. Es war dort insbesondere die Schleimhautschicht der Gebärmutter, die nicht in die Scheidenschleimhaut überging. Dort klaffte ein 1 bis 2 cm breiter Spalt. Vom gerichtsmedizinischen Sachverständigen wurden gemeinsam mit dem geburtshilflichen Sachverständigen die bei der Obduktion asservierten Leichenteile begutachtet. Dabei fanden sich massive Einblutungshöhlen von etwa 5 bis 10 cm im Durchmesser haltend, rechts und links im Bereich des Ligamentum latum, die bis zum Eierstock reichten. Die rechte Einblutungshöhe war größer als die linke. Aus der Besichtigung der Leichenteile war somit klar ersichtlich, dass es im Anschluss an die Operation zu einem massiven Blutverlust im Bereich des Operationsgebietes gekommen sein muss, wobei offensichtlich auch ein erheblicher Blutverlust durch die Scheide erfolgt ist. Ohne Zweifel war die Patientin an den Folgen dieses Blutverlustes verstorben. Geburtshilflich bestand kein Zweifel darüber, dass es zu einem Blutungsschock (Verbluten) im Anschluss an die Schnittentbindung gekommen war. Geburtshilfliches Gutachten Die Betreuung in der Schwangerschaft war sehr intensiv. Auffällig war lediglich eine stark erhöhte Gewichtszunahme bei der Mutter von 18 kg (angestrebt sind 11 kg). Der Geburtsverlauf war zunächst durch einen vorzeitigen Blasensprung in SSW 39/0 gekennzeichnet. Es kam dann bald zu guter Wehentätigkeit und zu einer schnellen
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2 Therapiefehler
Eröffnung des Muttermundes. Auffällig war jedoch, dass der kindliche Schädel verzögert tiefer trat. Um 12.30 Uhr war der Muttermund bereits im Verstreichen (10 cm eröffnet), der Höhenstand des Kindes jedoch erst –3, obwohl bereits ab 11.30 Uhr Syntocinon® gegeben wurde. Um 13.00 Uhr war schließlich der Muttermund verstrichen und der Schädel eingetreten, d. h., dass der Schädel mit seiner größten Zirkumferenz die Beckeneingangsebene überschritten hat und mit seinem Führungspunkt die sogenannte Interspinallinie erreicht hat. Eine Diskrepanz in den Aufzeichnungen ergab sich insofern, als im Protokoll von einem Geburtsstillstand am Beckenausgang gesprochen wurde, die letzte Eintragung des kindlichen Höhenstandes um 13.40 Uhr jedoch mit 0 angegeben wurde, was eben nicht dem Beckenausgang entspricht. Dem Beckenausgang entspricht +4. Die Indikation zum Kaiserschnitt wurde erst um 13.40 Uhr gestellt, obwohl bereits ab 12.30 Uhr variable Dips aufgetreten waren. Kritisiert wurde, dass die Patientin bei einem Höhenstand des kindlichen Schädels von 0 zur Geburtsbeendigung vor die Alternative „Zange oder Kaiserschnitt“ gestellt wurde. Eine Zange bei einem Höhenstand von 0 wird als „hohe Zange“ bezeichnet und gilt heute wegen ihrer Gefahren als obsolet. Des Weiteren wurde kritisiert, dass im Gedächtnisprotokoll des Gynäkologen stand, dass bei einem Höhenstand von +4 vorsichtige Kristeller-Versuche, bei vorübergehender Bradykardie, durchgeführt wurden. Im Geburtenblatt war jedoch von einem Höhenstand von +4 nie die Rede, sodass sich gutachtlich die Option einer Geburtsbeendigung durch Zange eigentlich nie wirklich gestellt hatte. Kritisiert wurde schließlich, dass sich im Geburtenprotokoll nirgends Hinweise über die Lage der Pfeilnaht des kindlichen Schädels bzw. der Fontanellen fanden. Somit fehlte jegliche Auskunft über die Beugung bzw. Streckung des kindlichen Schädels und damit über das Durchtrittsplanum. Die Indikation zur Schnittentbindung wurde als lege artis bezeichnet, wenngleich um ein bis zwei Stunden verspätet. Dementsprechend war der Apgar-Wert des Kindes 7/8/8 und der Nabelarterien-pH-Wert 7,0 (grenzwertige Azidose). Es stand fest, dass die Patientin bereits um 8.00 Uhr erbrochen hatte und es bei der Narkoseeinleitung um 14.05 Uhr neuerlich zu massivem Erbrechen reiner Flüssigkeit kam, weswegen Mund und Nase abgesaugt wurden. Möglicherweise kam es dabei zu einer Aspiration, d. h., dass Erbrochenes in die Luftröhre und damit in die Bronchien gelangt war. Dies könnte auch der Grund für den Abfall der Sauerstoffsättigung auf 75 % während der Operation gewesen sein. Deswegen wurde die Patientin auch um 15.20 Uhr auf ein internes Intensivbett verlegt. Fest stand, dass es in der Zeit zwischen 15.20 Uhr und 16.40 Uhr bei der Patientin zu einer massiven Blutung im Bereich der Uterotomie gekommen war. Die Patientin verlor sowohl nach außen durch die Scheide massiv Blut als auch im Bereich der Ligamenta lata rechts und links der Gebärmutter bis zu den Eierstöcken. Dieses Blut floss teilweise in den linken Oberbauch, was typisch bei der liegenden Patientin ist. Beim Wiedereintreffen des Operateurs um 16.40 Uhr auf der Intensivstation war die Patientin bereits in so schlechtem Zustand, dass sie von den Anästhesistinnen intubiert werden musste. Nachdem der Uterus als wenig gut kontrahiert beschrieben wurde, wurde gutachtlich eine sogenannte atonische Nachblutung angenommen. Auffällig war, dass das Blut rein flüssig und ohne Koagelbildung war. Kritisiert wurde, dass den Akten nirgends entnommen werden konnte, wie viel Blut, wie viel Plasmaexpander und wie viel Flüssigkeit infundiert wurde. (Bereits nach dem Aktenstudium wurde vom geburts-
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hilflichen Sachverständigen ein Fachgutachten aus dem Bereich Anästhesiologie und Intensivmedizin angeregt.) Im vorliegenden Fall wurde zwar Oxytocin (Syntocinon®) und Methergin® infundiert, die Dosierung war jedoch nicht protokolliert. Prostaglandine wurden nicht verabreicht. Gutachtlich wurde festgehalten, dass die Patientin auf einer internen Intensivstation gelegen hat und dass eine Aspiration bedingt durch das starke Erbrechen bei der Narkoseeinleitung möglicherweise zur verminderten Sauerstoffsättigung während der Operation geführt hat. Aufgrund des Ineinandergreifens der geburtshilflichen und anästhesiologischen bzw. intensivmedizinischen Tätigkeiten war daher vor einer endgültigen Beurteilung eine anästhesiologische Begutachtung unbedingt notwendig. Aus geburtshilflicher Sicht war es aufklärungsbedürftig, wieso eine auf einer Intensivstation monitorisierte Patientin so viel Blut verlieren konnte, dass sie in einen irreversiblen Schock geriet. Kritisiert wurde, dass in der Krankengeschichte nirgends Angaben über Art und Zahl von Infusionslösungen, Bluttransfusionen und Schockmedikamenten etc. zu finden waren. Die Frage des Gerichtes, ob während des Geburtsverlaufes allenfalls ein ärztlicher, für den Tod der Patientin kausaler, Kunstfehler unterlaufen war, konnte daher erst nach anästhesiologischer Begutachtung beantwortet werden. Es war offensichtlich, dass die Patientin an einer foudroyanten atonischen Nachblutung aus dem Operationsgebiet verblutet war.
2.4.5.3 Verfahrensausgang Aufgrund des geburtshilflichen Gutachtens und eines Ergänzungsgutachtens kam es nach anästhesiologischer Begutachtung zu Strafanträgen und zur Anklage gegen die Anästhesistin, als Leiterin der Intensivabteilung, und gegen die zuständige Intensivschwester. Beide hätten in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken miteinander fahrlässig den Tod der Patientin herbeigeführt und hierdurch das Vergehen der fahrlässigen Tötung begangen. Die Anästhesistin dadurch, dass sie eine massive innere Blutung nicht rechtzeitig erkannte, woraufhin ein Blutungsschock eintrat, und sodann die erforderlichen Maßnahmen – nämlich insbesondere das rechtzeitige Setzen eines zentralen Venenkatheters und Massiv-Infusionen – sowie Transfusionen unterließ. Die Intensivschwester, weil sie trotz Hinweis auf die Monitorüberwachung, die mehrmals Alarm auslöste, keine entsprechenden Maßnahmen ergriff und insbesondere nicht ärztliche Hilfe herbeiholte. Es kam zu einer Hauptverhandlung, in der die operierenden Gynäkologen, die erste Oberärztin der Anästhesie sowie der Chirurg und die Operationsschwester vernommen wurden. Alle Beschuldigten wurden jedoch gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen und die Privatbeteiligten (der Ehemann und das Kind der Patientin) wurden gemäß § 366 Abs. 1 StPO auf den Zivilrechtsweg verwiesen.
2.4.5.4 Resümee Nachblutungen nach Kaiserschnitt treten am häufigsten im Bereich der Bauchdecken und der Uterotomie auf. Eine operative Revision ist in Abhängigkeit vom klinischen
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2 Therapiefehler
Befund und den Laboruntersuchungen indiziert. Nachblutungen im Bereich der Uterotomie können entweder in die freie Bauchhöhle erfolgen oder es kann sich ein Hämatom im lockeren perivesicalen und parametranen Bindegewebe oder im Bereich des Ligamentum latum ausbreiten. Bei einer Differenzialdiagnose kann ein Ultraschallbefund weiterhelfen. Bei ausgedehnter Hämatombildung im retroperitonealem Gebiet ist die Blutungsquelle oft nur schwer erkennbar. Ist sie nicht sicher auszumachen und blutet es nach Ausräumen des Hämatoms weiter, muss eine Hysterektomie eventuell mit Adnexexstirpation der vom Hämatom befallenen Seite, mit sicherer Umstechung der Gefäße, in Betracht gezogen werden. Dabei ist für eine gute Drainage des retroperitonealen Raumes Sorge zu tragen. In diesem Fall kam es zu einer Massenblutung sowohl nach außen als auch in die freie Bauchhöhle und parametran. Offensichtlich wurde darauf nicht adäquat reagiert, sodass die Patientin an einem Blutungsschock verstarb, obwohl sie monitorisiert war. Die Anästhesistin und die Intensivschwester wurden jedoch strafrechtlich freigesprochen. Literatur Beck L, Bender HG. Intra-und postoperative Komplikationen in der Gynäkologie und Geburtshilfe. 2. Aufl. Stuttgart Thieme, 1996: 220–25. DGGG. Postoperative Überwachung von Kaiserschnittpatientinnen und Diagnostik und Therapie postpartualer Blutungen. In: DGGG (Hrsg). Leitlinien der Gynäkologie und Geburtshilfe, Bd. IV. Berlin: Verlag S. Kramarz, 2010: 173–77 und 147–169 (74 Literaturzitate). Zahradnik UHP, Kemkes–Matthes B. Blutungen, erworbene Koagolopathien und Schock unter der Geburt. In: Künzel W, Wulf KH (Hrsg). Klinik der Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Bd. 7, Geburt II, 3. Aufl. Wien: Urban und Schwarzenberg, 1997: 31–46.
3 Verkehrsunfälle in der Schwangerschaft
3.1 Traumatische Uterusruptur nach Autounfall in SSW 38 (s. Abb. 2.29 und 2.30)
3.1.1 Sachverhalt / Kasuistik Die im Jahr 2003 32-jährige Schwangere wurde in SSW 38 Opfer eines Autounfalls. Verursacht wurde der Unfall durch den unter Alkoholeinfluss stehenden, führerscheinlosen Vater des Kindes. Bei Einlieferung der Schwangeren ins Krankenhaus zeigte das CTG eine stark bradykarde Herzaktion des Kindes, die sich fast bis zum Stillstand verschlechterte. Bei dem sofort eingeleiteten Notkaiserschnitt wurde reichlich Blut in der Bauchhöhle gefunden. Die mütterlichen Organe Leber, Milz und Darm waren jedoch unversehrt. Die Gebärmutter wies in ihrem oberen Anteil eine 15 cm lange Uterusruptur auf. Die Extremitäten des Kindes ragten durch diese Wunde. Das Kind wurde durch den entstandenen Riss entbunden und zeigte keinerlei Lebenszeichen (Apgar-Wert von 0). Es gelang in der Folge, die Uterusruptur zu versorgen und die Gebärmutter zu erhalten. Das Kind wurde reanimiert und auf die Neonatologiestation eines weiteren Krankenhauses verlegt. Es wurde intubiert beatmet und intensivmedizinisch betreut, ohne dass jedoch ein stabiler Kreislauf erreicht werden konnte. Aufgrund von lichtstarren Pupillen und der ungünstigen Prognose nach massiver Asphyxie wurde die Therapie nach etwa vier Stunden abgebrochen. Weitere vier Stunden später verstarb das Kind schließlich. Die Obduktion zeigte ein reifes, 2.450 g schweres und 48 cm großes weibliches Neugeborenes mit Blutungen entlang der äußeren Knochenhaut und in der Schädeldecke; insbesondere auch rechts in der Schädelschwarte. Rechts parietal fand sich eine Sprengung der Wachstumsfuge mit Blutung. Blutungen fanden sich auch in der hinteren Region der rechten Hirnhemisphäre. Gutachtlich bestand kein Zweifel darüber, dass der Tod des Kindes durch das massive Trauma des Autounfalls bedingt war, welches bei der Mutter zur Uterusruptur und beim Kind zu einem massiven Schädelhirntrauma geführt hatte. Weder die Durchführung eines Notkaiserschnittes, noch die intensivmedizinischen Maßnahmen der Neonatologen konnten das Leben des bei der Geburt bereits klinisch toten Mädchens retten.
3.1.2 Beurteilung / Gutachten Die Todesursache bei dem Kind war ohne Zweifel die schwere Asphyxie bedingt durch die traumatische Uterusruptur mit Ablösung der Plazenta sowie das Schädelhirntrauma. Es lag Fremdverschulden vor. In der Strafsache gegen den Kindesvater wegen § 81 Abs. 1 Z 2 StGB (fahrlässige Tötung unter Einwirkung von Alkohol) und § 88 Abs. 1 Z 4 2. Fall StGB (fahrlässige Körperverletzung) kam es zu einer Hauptverhandlung.
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3 Verkehrsunfälle in der Schwangerschaft
3.1.3 Verfahrensausgang Der Kindesvater wurde für schuldig erkannt, das Vergehen der fahrlässigen Tötung unter besonders gefährlichen Verhältnissen und der fahrlässigen Körperverletzung nach § 81 Abs. 1 Z 2 und § 88 Abs. 1 und Abs. 4 2. Fall StGB begangen zu haben. Aus dem Urteil Der Vater des Kindes hat als Lenker eines Pkws unter Alkoholeinfluss fahrlässig eine schwere Verletzung der Beifahrerin herbeigeführt, welche dadurch einen 15 cm langen Riss in der Gebärmutter und multiple Prellungen erlitt. Er hatte hierdurch das Vergehen der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs. 1, Abs. 4 2. Fall (§ 81 Abs. 1 Z 2 StGB) begangen und wurde hierfür nach dieser Gesetzesstelle zu einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten sowie gemäß § 389 Abs. 1 StPO zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens verurteilt. Gemäß § 43a Abs. 3 StGB wurde ein Teil der Freiheitsstrafe in der Dauer von zehn Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen (zur Bewährung ausgesetzt). Von dem weiteren Vorwurf, er habe das Vergehen der fahrlässigen Tötung unter besonders gefährlichen Verhältnissen nach § 81 Abs. 1 Z 2 StGB begangen, wurde er hingegen gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen. Folgende Entscheidungsgründe wurden festgestellt: Der zur Tatzeit 27-jährige Beschuldigte war ledig und ohne Sorgepflichten. Er war ohne Beschäftigung und bezog ein monatliches Nettoeinkommen von € 640,00. Er wies vier Vorstrafen auf, hiervon eine wegen § 136 Abs. 1 StGB (Unbefugter Gebrauch von Fahrzeugen). Zuletzt wurde er 1999 von einem Bezirksgericht wegen des Vergehens der Sachbeschädigung und des Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von zwei Wochen verurteilt, die er im Dezember 1999 verbüßt hatte. Der Beschuldigte besaß keinen Führerschein und hatte auch keinerlei Fahrausbildung absolviert. Am Unfalltag feierte der Beschuldigte seine Verlobung mit der Kindesmutter, die in SSW 38 schwanger war. Zunächst fuhren die beiden, der Beschuldigte als Lenker, zu einem Lokal im 14. Gemeindebezirk, wo sie – wie geplant – Alkohol konsumierten. Danach fuhr er mit der Kindesmutter in ein weiteres Lokal. Auch hier trank er Alkohol, wobei er vorhersehen konnte, dass er danach ein Kraftfahrzeug lenken werde, ihm also eine Tätigkeit bevorstehe, deren Vornahme in diesem Zustand eine Gefahr für das Leben, die Gesundheit oder die körperliche Sicherheit eines anderen herbeizuführen geeignet ist. Beim Verlassen des zweiten Lokals hatte der Beschuldigte einen Atemalkoholgehalt von mindestens 1,32 g/l, wodurch er derart beeinträchtigt war, dass er Schlangenlinien fuhr. Auf dem Weg stadtauswärts verlor der Beschuldigte schließlich die Kontrolle über sein Fahrzeug und fuhr ungebremst zunächst gegen ein Verkehrsschild und danach gegen ein Geländer. Durch den Aufprall erlitt die Kindesmutter multiple Prellungen und einen 15 cm langen Riss des oberen Teils ihrer Gebärmutter. Der Fetus erlitt ein Schädelhirntrauma. In der Folge musste ein Notkaiserschnitt durchgeführt werden. Das Kind zeigte jedoch keine Vitalitätszeichen, weswegen mit der Reanimation begonnen wurde. Als sich herausstelle, dass die Reanimation keinen Erfolg mehr verspricht, wurde die Therapie abgebrochen. Nach vier Stunden trat ein Kreislaufversagen ein, der zum Tod des Kindes führte. Beim Gebärmutterriss der Klägerin handelte es sich um eine Öffnung einer
3.1 Traumatische Uterusruptur nach Autounfall in SSW 38
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Körperhöhle, die aufgrund des großen Verblutungsrisikos mit akuter Lebensgefahr verbunden war. Rechtliche Erwägung: In rechtlicher Hinsicht ist der aus dem Spruch ersichtliche Tatbestand der fahrlässigen Körperverletzung an der Kindesmutter in objektiver und subjektiver Weise verwirklicht. Die dem Schuldspruch zugrunde liegende Tathandlung war ebenfalls kausal für den Tod des Kindes. Dennoch war der Beschuldigte nicht wegen fahrlässiger Tötung zu verurteilen, da sich das Kind zum Zeitpunkt der Tathandlung noch ungeboren im Mutterleib befand. Rechtlich gesehen handelte es sich bei dem Kind somit zu diesem Zeitpunkt um eine sogenannte Leibesfrucht. Der Schutz der Leibesfrucht ist im StGB abschließend in §§ 96 bis 98 geregelt. Demnach ist nur der vorsätzliche Abbruch der Schwangerschaft, also die Tötung der Leibesfrucht, strafbar. Die bloße Verletzung des Nasciturus ist ebenso wenig strafbar wie dessen fahrlässige Tötung. Das gilt auch dann, wenn der Tod des angegriffenen Fetus erst nach der Geburt eintritt (Burgstaller in Wiener Kommentar § 80 Rz 4; Leukauf / Steininger, StGB § 75 Rz 2). Mangels Tatbildmäßigkeit des inkriminierten Verhaltens war der Beschuldigte daher vom Vorwurf der fahrlässigen Tötung freizusprechen. Bei der Strafzumessung war nach § 88 Abs. 4 2. Strafsatz StGB von einem Strafrahmen bis zu drei Jahren auszugehen. Das Gericht wertete das reumütige Geständnis und den Umstand, dass durch die Tat die Verlobte des Täters schwer verletzt wurde, mildernd. Unter Abwägung dieser Strafzumessungsgründe erschien im Hinblick auf die Persönlichkeit des Beschuldigten die Verhängung einer teilbedingten Freiheitsstrafe dem Unrechtsgehalt der Tat und der Schuld des Beschuldigten angemessen. Die persönliche Täterschuld wirkt umso schwerer, je ablehnender oder gleichgültiger der Rechtsbrecher bei der Tat den rechtlich geschützten Werten gegenübersteht und je nachdrücklicher ein maßgerechter Mensch die Tat von sich weist. Im gegenständlichen Fall war die Schuld des Täters deshalb besonders schwerwiegend, weil er, obwohl er weder die hierfür erforderliche Berechtigung besessen, noch eine hinreichende Ausbildung erworben hatte, in einem Zustand massiver Berauschung – der erlaubte Höchstwert von 0,5 ‰ Alkoholgehalt des Blutes wurde um das Fünffache überschritten – im öffentlichen Verkehr Auto fuhr. Das Verschulden wiegt umso schwerer, da seine hochschwangere Verlobte als Beifahrerin im Wagen saß, sodass aufgrund ihres Zustandes eigentlich eine erhöhte Sorgfalt des Beschuldigten erforderlich gewesen wäre. Eine bedingte Nachsicht der gesamten Strafe kam nicht in Betracht, da der Beschuldigte sich einerseits in der Vergangenheit nicht durch bedingte nachgesehene Strafen von der Begehung strafbarer Handlung abhalten ließ und es andererseits erforderlich war, ihm aus den oben angeführten Gründen das Unrecht seiner Tat eindrucksvoll vor Augen zu führen. Auch aus generalpräventiven Gründen war die Verhängung einer strengen, nur teilbedingt nachgesehenen Strafe erforderlich, da es gerade in jüngerer Zeit vermehrt zu durch Alkoholisierung und besondere Sorglosigkeit verursachten, schweren Verkehrsunfälle gekommen ist, und die Gefahr bestehen würde, dass derartiges Verhalten in der Öffentlichkeit sonst als Kavaliersdelikt angesehen wird.
3.1.4 Resümee Der Grenze zwischen Leibesfrucht und Mensch kommt im österreichischen Strafrecht größte Bedeutung zu, da der Schutz des geborenen Menschen bei Weitem umfassen-
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der ausgestattet ist, als der der Leibesfrucht. Der entscheidende Zeitpunkt für den Übergang von der Leibesfrucht zum Menschen wird mit Beginn der Geburt angesetzt. Bei einer natürlichen Entbindung ist dies das Einsetzen der regelmäßigen Eröffnungswehen, bei einer Schnittentbindung die Eröffnung des Uterus. Für die Qualifikation seiner Handlung als Angriff gegen einen Menschen kommt es darauf an, dass die Handlung nach Beginn der Geburt gesetzt wird und nicht, dass der Erfolg nach der Geburt eintritt. Auch die Schwangere selbst kann Täterin des Schwangerschaftsabbruches sein. Fraglich ist, ob auch die Verweigerung einer für das Überleben des Fetus lebensnotwendigen Behandlung, als Schwangerschaftsabbruch durch Unterlassen zu werten ist. Das entscheidende Kriterium ist die Zumutbarkeit, sodass keine schweren (wie etwa ein Kaiserschnitt), wohl aber leichte Eingriffe geduldet werden müssen, wenn sie für das Überleben der Leibesfrucht unerlässlich sind. Literatur Brown HL, Trauma in Pregnancy Obstct. Gynecol 2009; 114: 147–60. Burgstaller M. In: Bertel CH, Burgstaller M, Fabrizy EE, Foregger E. Wiener Kommentar zum Strafgesetzbuch § 80. Bd. 35. Wien: Manz, 1989. Pscheidl A. Gerstner GJ. Die Bedeutung der Geburt im Strafrecht. Strafrechtlicher Schutz des Lebens an der Schwelle zwischen Leibesfrucht und Mensch. Recht der Medizin. 2006; 5: 132– 41.
4 Tötung des Kindes bei der Geburt (§ 79 StGB)
4.1 Tötung eins Kindes bei der Geburt (§ 79 StGB) 4.1.1 Sachverhalt / Kasuistik Die im Jahr 1995 34-jährige serbische Staatsangehörige war in Österreich wegen Mordes an ihrem neugeborenen Kind angeklagt und befand sich in Haft. Bei ihrer Aussage in Untersuchungshaft gab sie vor dem Straflandesgericht Folgendes zu Protokoll: Im Jahr 1978 hätte sie ein Mädchen in Serbien und 1987 einen Jungen in Wien geboren. Des Weiteren hätte sie eine Fehlgeburt und vier Abtreibungen in Jugoslawien durchgemacht. Die letzte normale Regel vor der in Rede stehenden Schwangerschaft wäre am 01. 03. 1995 gewesen. Die Schwangerschaft hätte die werdende Mutter erst beim Auftreten der ersten Kindsbewegungen, etwa im Juni 1995, bemerkt. Sie hätte während der gesamten Schwangerschaft nie einen Frauenarzt besucht, sondern versucht, die Schwangerschaft mit Rheumamedikamenten, die sie sich bei ihrem Hausarzt besorgt hätte, zum Abgang zu bringen. Dies wäre jedoch nicht geglückt. Am 13. 11. 1995 hätte sie bereits am Morgen Kreuzschmerzen bemerkt, wäre aber trotzdem zur Arbeit gegangen. Nachdem etwa um 9.00 Uhr Wehen eingesetzt hätten, hätte sie sich krankgemeldet und wäre nach Hause gegangen. Nach 12.00 Uhr hätten dann starke Wehen eingesetzt. Sie hätte sich zu Hause in Rückenlage auf den Boden gelegt. Fruchtwasser wäre erst nach der Geburt des Kindes abgeflossen. Um 12.30 Uhr wäre es schließlich zur Geburt des Kindes aus normaler Schädellage gekommen. Die Zeit zwischen dem Austritt des Kopfes und des Körpers bzw. der Beine wäre nur kurz gewesen. Das Kind hätte einmal geschrien. Nach der Geburt wäre es ihr schlecht gegangen, ihr wäre schwindelig und der Blutverlust hoch gewesen. Das Blut wäre auf den Boden geflossen. Nach der Geburt des Kindes hätte sie die Nabelschnur mit einer vorbereitenden Schere durchschnitten. Sie wäre etwa eine Stunde liegen geblieben, da es ihr körperlich schlecht ging. Sie hätte an Ohrensausen, Schwindel und Kraftlosigkeit gelitten. Die Blutung wäre auch nach der Geburt stark gewesen. Das Kind hätte vor ihrem Bauch auf dem Boden gelegen und es hätte etwa eine Stunde lang geatmet. Nach einer Stunde wäre sie aufgestanden und hätte die Plazenta auf einem Kübel geboren. Dies hätte etwa zehn Minuten gedauert. Danach hätte sie die Plazenta in den Mistkübel befördert. Zu diesem Zeitpunkt hätte das Kind nicht mehr geatmet. Sie hätte das Kind nie berührt. Nach 70 Minuten, um etwa 13.40 Uhr, wäre sie der Meinung gewesen, dass das Kind tot sei, weil es nicht mehr atmete. Die Angeklagte hätte gewusst, dass um 15.30 Uhr Bekannte zu Besuch kommen würden. Daher hätte sie das Kind zunächst in einen Deckenüberzug und dann in einen Plastiksack eingewickelt und in die Waschmaschine verbracht. Nachdem es ihr besser ging, hätte sie den Boden gesäubert. Als die Bekannten zwischen 15.30 und 16.00 Uhr kamen, wäre sie im Bett geblieben und hätte erklärt, sie wäre krank. Ihrem Mann hätte sie um etwa 19.00 Uhr mitgeteilt, dass ihr übel sei. Sie hätte stark geblutet. Ihr Mann hätte sie ins Krankenhaus bringen wollen, was sie je-
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doch verweigert hätte. Sie wäre über Nacht im Bett liegen geblieben und hätte sich am nächsten Tag bei ihrem praktischen Arzt für fünf Tage krank schreiben lassen. Der praktische Arzt hätte von der Schwangerschaft bzw. der Geburt nichts bemerkt. Vier Tage nach der Geburt wurde die Frau verhaftet. Sie hätte die ganze Zeit über stärker als bei einer Regelblutung geblutet. Am Tag der Verhaftung wäre sie zu einer gynäkologischen Untersuchung in die Frauenklinik gebracht worden. Auf Befragen durch den Sachverständigen versicherte die Angeklagte, dass sie bis etwa eine Stunde nach der Geburt körperlich nicht in der Lage gewesen sei, irgendwelche Handlungen durchzuführen. Dem Arztbrief der Universitätsklinik für Frauenheilkunde vom 16. 11. 1995, also vom dritten Tag nach der Geburt, war zu entnehmen, dass die Zuweisung wegen Verdacht auf Schwangerschaftsabbruch nach SSW 12 erfolgte. Auf Befragen gab die Patientin an, im 3. LM gewesen zu sein und vor drei Tagen zu Hause abortiert zu haben. Die letzte normale Regel wäre vor drei Monaten gewesen, sie hätte bereits zwei Geburten und sowie zwei Fehlgeburten gehabt. Bei der gynäkologischen Untersuchung fand sich eine klaffende Vulva sowie mehrere Blutkoagel in einer weiten, bläulich livide verfärbten Vagina. Die Portio war formiert, plump, mit einem Durchmesser von ca. 6 cm, der Cervikalkanal für zwei Finger einlegbar. Der Fundus stand drei Querfinger unter dem Nabel, der SymphysenfundusAbstand betrug 17 cm. Der Uterus war weich und in Streckstellung. Im Ultraschall war der Uterus entsprechend dem Tastbefund deutlich vergrößert, ohne Hinweise auf myomatöse Veränderungen. Das Kavumecho war strichförmig, abgesehen von einem teils echoarmen, teils echoleeren Areal von 32 mm im Bereich des inneren Muttermundes (Blutkoagel, Residuen?). Deshalb wurde Beta-HCG (humanes Choriongonadotropin) sowie Estradiol abgenommen. Als Diagnose war vermerkt: „St.p. partum, der klinische Befund nicht in Übereinstimmung mit der Anamnese, aufgrund des Fundusstandes heute und des Vaginalbefundes war die Schwangerschaft sicherlich deutlich weiter fortgeschritten.“ Als Prozedere wurde eine Ultraschalluntersuchung in zwei Tagen wegen fraglicher Residuen vereinbart. Dem Gutachten des Institutes für gerichtliche Medizin der Universität war zu entnehmen, dass ein anonymer Anrufer die Polizei auf eine mögliche Schwangerschaft der Verhafteten hingewiesen hatte. Eine Durchsuchung der Wohnung am 16. 11. 1995 hatte ergeben, dass die Leiche eines Kindes sich innerhalb eines weißen Kunststoffbeutels zusammen mit anderen Gegenständen (Kleiderschürze, Handtuch, Damenbinde etc.) in der Waschmaschine befand. In der Universitätsklinik für Frauenheilkunde wurde am 16. 11. 1995 ein Zustand nach Geburt festgestellt. In ihren Aussagen der folgenden Tage gab die Verhaftete an, dass sie erst im vierten Monat ihre Schwangerschaft entdeckt hätte und daher kein legaler Schwangerschaftsabbruch mehr möglich gewesen wäre. Ihr Gatte wäre gegen eine Schwangerschaft gewesen, weswegen sie diese verheimlicht und die Zunahme des Bauchumfanges durch eine Zyste erklärt hätte. In der Folge hätte sie durch körperliche Betätigung und durch Einnahme von Medikamenten versucht, die Schwangerschaft abzutreiben. Sie hätte längere Zeit 2 × 2 Tabletten Diclofenac® sowie Neurofenac®, Profenid®, Mexalen® und Thomapyrin® eingenommen. Nachdem diese „Therapie“ nicht den gewünschten Erfolg gehabt hatte, hätte sie auf eine Totgeburt gehofft. Am 13. 11. 1995 hätte sie das Kind etwa um 12.30 Uhr zu Hause geboren. In ihrer Ausweglosigkeit hätte sie gedacht, dass das Kind vermutlich sowieso sterben würde, wenn sie es lebend zur Welt
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brächte und sie es dann nicht versorgen könnte. Nach dem Durchtrennen der Nabelschnur sei ihr schwindlig gewesen und sie habe Schmerzen gehabt. Sie hätte ungefähr eine Stunde lang beobachten können, dass ihr Kind gelebt hätte. Sie hätte gedacht, dass das Kind dann sterben würde, wenn sie es nicht in seiner Lage verändern würden. Sie hätte nicht selbst Hand an ihr Kind anlegen können, sondern hätte eben gewartet, bis es zu atmen aufhörte. Wenn man der Verantwortung der Verhafteten folgte, so wäre das Kind etwa eine Stunde nach der Geburt verstorben und zweieinhalb Stunden nach dem Tod in den Wäschetrockner gelegt worden, wo es in einem eng verschlossenen Plastiksack mit anderen Gegenständen bedeckt gefunden wurde. Die äußere Besichtigung zeigte eine 3.260 g schwere Leiche eines männlichen Kindes, 51 cm lang, mit einer Verschmierung der Haut mit Kot, Blut, Kindspech und Fruchtschmiere. Die Nabelschnur war scharfrandig durchtrennt. Reifezeichen, Körperlänge, Körpergewicht, Behaarung, Finger- und Fußnägel, Nabel und Knochenkerne waren regelrecht. Hieraus ließ sich auf die Geburt eines reifen Neugeborenen zum Termin schließen. Verletzungsspuren konnten bei der äußeren Besichtigung nicht aufgefunden werden. Die Leichenöffnung ergab eine weitgehende Belüftung beider Lungen und auch eine Gasblase im Magen. Dies zeigte an, dass das Kind bei der Geburt gelebt hatte und nicht unmittelbar, also wenige Minuten nach Geburtseintritt, verstorben war. Zeichen einer mechanischen Gewalteinwirkung oder einer geburtstraumatischen Schädigung konnten nicht aufgefunden werden. Es fanden sich auch keinerlei Missbildungen oder Hinweise auf Vorerkrankungen, die einen natürlichen Todeseintritt nach der Geburt hätten auslösen können. Die histologische Untersuchung ergab jedoch eine massive Einatmung von Fruchtwasser in die Lungen. Das gerichtsmedizinische Gutachten sprach zusammenfassend für das Vorliegen eines Todes durch Ersticken. Als Ursache hierfür käme entweder das Einwickeln in einen Plastiksack mit anschließendem Verschaffen in den Wäschetrockner oder die Einatmung von Fruchtwasser in die Lungen in Frage. Auch eine Kombination beider Mechanismen wäre denkbar. Mit Sicherheit ließ sich nicht beweisen, dass das Kind noch lebte, als es in den Plastiksack und Wäschetrockner gesteckt wurde. Nachdem es nach den Angaben der Verhafteten eine Stunde gedauert hätte, bis der Knabe verstarb, war anzunehmen, dass ein sofortiges Hinzuziehen ärztlicher Hilfe das Überleben des Kindes bei Einatmung von Fruchtwasser gesichert hätte. Der Junge war objektiv nach der Geburt hilfsbedürftig. Sein Todeseintritt war aus medizinischer Sicht mit der Unterlassung medizinischer Hilfsmaßnahmen kausal verbunden.
4.1.2 Beurteilung / Gutachten Einem gerichtspsychiatrischen Sachverständigengutachten war zu entnehmen, dass die Verhaftete bei der Untersuchung zeitlich, örtlich und situativ voll orientiert, im Ductus kohärent und das Denkziel erreichend war. Es bestanden kein Wahn, keine Sinnestäuschungen, keine Ich- und Persönlichkeitsstörungen. Die Stimmungslage wirkte indifferent, im Affekt kalt korrespondierend, keine psychotischen Radikale waren fassbar. Der Gerichtspsychiater fand weder in der Vorgeschichte noch bei der Exploration Hinweise für eine Geisteskrankheit (manisch-depressives Kranksein oder Schizophrenie) oder einen Defektzustand nach einer solchen unerkannt abgelaufenen Erkrankung.
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Gemessen an der Schulbildung war die Untersuchte auch nicht strafrechtlich relevant schwachsinnig. Zum Zeitpunkt der Tat wurde auch keine Bewusstseinsstörung behauptet, die die Untersuchte unfähig gemacht hätte, das Unrecht ihrer Tat einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln. Die Untersuchte selbst meinte, dass sie „bereits vor der Geburt den Willen gehabt habe, dass das Kind stirbt“ und sie es somit habe sterben lassen. Damit wäre der Tötungswunsch nicht unter der „Einwirkung des Geburtsvorganges“ entstanden, sondern bestand bei der Beschuldigten schon früher. Geburtshilflich bestand in den Aussagen der Verhafteten insofern ein Widerspruch, da sie behauptete, nach der Geburt nicht in der Lage gewesen zu sein, irgendwelche Maßnahmen durchzuführen, andererseits aber ein bis zwei Stunden später in der Lage war, das Kind in ein Bettenüberzug und in einen Plastiksack zu verbringen und in die Waschmaschine zu legen. Danach war sie in der Lage, den Boden zu reinigen und aufzuräumen, bevor um 15.30 Uhr Bekannte zu Besuch kamen. Auch danach hätte sie weiter so stark geblutet, dass sie ihr Mann, der etwa um 19.00 Uhr nach Hause gekommen war, ins Krankenhaus bringen wollte. Es war somit nicht erklärbar, dass bei weiter bestehender starker Blutung eine Besserung des klinischen Zustandsbildes nach etwa einer Stunde postpartum eingetreten wäre. Beantwortung des Fragenkatalogs 1. Wie lange dauerte aus medizinischer Sicht die Geburt? Die Geburt dauerte aus medizinischer Sicht bis zum Abgang der Plazenta, welche nach den Angaben der Verhafteten etwa eine Stunde nach der Geburt, also um etwa 13.30 Uhr, erfolgt war. Bis zu diesem Zeitpunkt war die Verhaftete zweifelsohne als unter der Geburt stehend zu betrachten. 2. War die Angeklagte nach der Geburt physisch in der Lage, Sorgehandlungen für das Kind vorzunehmen? Diese Frage war nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu beantworten. Folgt man den Aussagen der Angeklagten, so hätte sich diese so schlecht gefühlt, dass ihr dies nicht möglich gewesen sei. Dies war jedoch nicht nachvollziehbar, da sie nach der Geburt sehr wohl in der Lage war, die oben beschriebenen Tätigkeiten auszuführen. Während all dieser Zeit und noch Tage später hätte sie stark geblutet. Es wurde gutachtlich festgestellt, dass eine starke Nachgeburtsblutung innerhalb kürzester Zeit zu einem Schock mit Blutdruckabfall und Pulsanstieg führt. Dies war bei der Angeklagten offensichtlich nicht der Fall, da sie über einen Zeitraum von einer Stunde beobachtete, wie das Kind langsam zu atmen aufhörte. Auch dem Gerichtspsychiater hatte die Angeklagte erzählt, dass sie bereits vor der Geburt den Willen gehabt hätte, dass das Kind sterbe. Und so habe sie es sterben lassen. Auch aus diesem Grund hielt es der Sachverständige für wahrscheinlicher, dass die Angeklagte, wenn sie es gewollt hätte, in der Lage gewesen wäre, Sorgehandlungen für ihr Kind vorzunehmen. Sie hätte zumindest Hilfe für das Kind holen können.
4.1.3 Verfahrensausgang Die Angeklagte wurde vor einem Geschworenengericht einstimmig mit acht Stimmen für schuldig befunden. Es wurde angenommen, dass sie das von ihr geborene Kind
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während der Geburt – oder solange sie noch unter Einwirkung des Geburtsvorganges stand – getötet hatte, indem sie es, nachdem das Neugeborene Fruchtwasser eingeatmet hatte, ersticken ließ. Sie hatte hierdurch das Verbrechen der Tötung eines Kindes bei der Geburt nach § 79 StGB begangen und wurde entsprechend zu einer Freiheitsstrafe im Ausmaß von einem Jahr sowie gemäß § 289 StPO zum Ersatz der Kosten des Verfahrens verurteilt. Gemäß § 42 Abs. 1 StGB wurde der Vollzug der Freiheitsstrafe zu einer Probezeit von drei Jahren auf Bewährung ausgesetzt (bedingt nachgesehen). Gemäß § 38 Abs. 1 StGB wurde die Untersuchungshaft vom 16. 11. 1995 bis zum 21. 03. 1996 auf die verhängte Freiheitsstrafe angerechnet. Bei der Strafbemessung wurden das umfassende reumütige Geständnis, der bisher ordentliche Lebenswandel, der soziale Druck, unter dem die Angeklagte handelte, sowie die Tatbegehung durch Unterlassung als mildernd gewertet. Bei Abwägung der Strafzumessungsgründe erschien bei einem Strafrahmen von ein bis fünf Jahren eine Freiheitsstrafe im Ausmaß von einem Jahr Schuld und Tat angemessen. Im Hinblick auf die Täterpersönlichkeit und Tatumstände erschien es hinreichend gewährleistet, dass die Androhung der Freiheitsstrafe hinreicht, um die Angeklagte oder andere Personen von der Begehung weiterer strafbarer Handlungen abzuhalten. Die verhängte Freiheitsstrafe wurde daher auf drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt.
4.1.4 Resümee Die Tötung eines Kindes bei der Geburt (§ 79 StGB) ist in Österreich ein sogenanntes privilegiertes Delikt. Obwohl die Angeklagte wegen § 75 StGB, also Mord, angeklagt wurde, erkannte das Geschworenengericht sie lediglich für die Tötung eines Kindes unter der Geburt für schuldig. Der Strafrahmen hierfür beträgt lediglich ein bis fünf Jahre. Entscheidend hierfür ist, dass die Tat noch unter Einwirkung des Geburtsvorganges erfolgt. Literatur Pschyrembel W. Praktische Geburtshilfe und geburtshilfliche Operationen. 14. Aufl. Berlin, New York: De Gruyter, 1973: 156. Stellwag C, Depastas G, Gerstner GJ. Gemini post partum im Heizkessel erbrannt – ein seltener gerichtsmedizinischer Fall. Gynäk. Rdsch. 1988; 28 (Suppl. 2): 226–227.
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5.1 Parotitis bedingt psychomotorischen Entwicklungsrückstand beim Kind 5.1.1 Sachverhalt / Kasuistik Die im Jahr 1990 27-jährige Frau war zum zweiten Mal schwanger und hatte bereits im Jahr davor in derselben Universitätsklinik ein gesundes Mädchen von 3.350 g und 52 cm geboren. Der errechnete Geburtstermin fiel auf den 11. 02. 1991. Der Schwangerschaftsverlauf war bis zum vierten Monat unauffällig, die ersten Kindsbewegungen wurden in SSW 17 verspürt. In SSW 32 trat bei der Schwangeren in der Nacht erstmals eine Schwellung und Schmerzen im Bereich der linken Ohrspeicheldrüse und des Kieferwinkels auf. Sie suchte die Ambulanz der Universitätsklinik für Frauenheilkunde auf, wo der diensthabende Arzt eine Ultraschalluntersuchung durchführte. Dieser ergab eine Schwangerschaft entsprechend SSW 34; ein Befund lag jedoch nicht vor. Der Klinikchef bestätigte später, dass auch ein CTG angeordnet worden war. In der Hals-Nasen-Ohren-Klinik wurde eine schmerzhafte Schwellung der linken Ohrspeicheldrüse nach einem grippalen Infekt vor ca. einer Woche diagnostiziert, und die Patientin wurde für fünf Tage auf der Abteilung für Innere Medizin der Universitätsklinik stationär aufgenommen. Laut mündlichen Aussagen wurde sie dort mit Antibiotika, Schmerzmitteln und Umschlägen behandelt, worauf es zu einer raschen Besserung ihres Zustandes gekommen war. Ein Arztbrief oder medizinische Unterlagen lagen nicht vor. Die serologischen Untersuchungen auf Mumps sprachen von einer länger zurückliegenden Mumpsvirusinfektion, die Untersuchung auf Zytomegalie war negativ. Der weitere Schwangerschaftsverlauf sei unauffällig gewesen. In SSW 40 kam es zur Spontangeburt eines reifen Knaben aus Hinterhauptshaltung. Das Gewicht lag bei 3.910 g und die Körperlänge war 52,5 cm. Der Apgar-Wert war 9/10/10 und der Nabelarterien-pH-Wert betrug 7,25. Das Kind hatte eine Nabelschnurumschlingung und das CTG wies dementsprechend leichte variable Dezelerationen in der Austreibungsperiode auf. Der Wochenbettverlauf war unauffällig. Im September 1991, also im Alter von sieben Monaten, wurde eine unklare statomotorische Retardation diagnostiziert. Im Januar 1993 wurde ein unverändert psychomotorischer Entwicklungsrückstand ohne Hinweiszeichen auf Bewegungsstörung, Hinweise auf komplexe Perzeptionsstörung (vor allem anamnestisch), aber auch auf mentale Probleme (ausgeprägte Reduktion besonders der manipulativen Aktivität auf Stereotypie, auch wenn in einer gegebenen Situation Material und Fertigkeiten andere Aktivitäten erlauben würden) gefunden. Die weitere Abklärung ergab einen normalen männlichen Chromosomensatz. Im MRT fand sich eine unauffällige Darstellung des Gehirns ohne Hinweis auf fokal pathologische Gewebsveränderungen. Es ergaben sich auch keine Hinweise für eine Stoffwechselerkrankung. Im Juli 1996 wurde weiterhin ein psychomotorischer Entwicklungsrückstand mit deutlichem Entwicklungsschub in den letzten Monaten, insbesondere auf kommunikativem Gebiet, beschrieben. 1997 bestand weiterhin dieselbe Diagnose, wobei jedoch auch eine konstitutionelle Schwä-
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che diskutiert wurde, da mehrere Verwandte – sowohl auf mütterlicher als auch auf väterlicher Seite – ungewöhnlich langsam bzw. ungewöhnlich ungeschickt bei gleichzeitig hoher Intelligenz gewesen wären. Es wurde hypothetisch diskutiert, ob diese konstitutionelle Variante durch einen Sauerstoffmangel in der Schwangerschaft ungünstig beeinflusst worden sein könnte. Die Mutter war der Meinung, dass ihrem Kind durch eine Dauerkontraktion aufgrund der starken Schmerzen, hervorgerufen durch die Mumpsinfektion, am Tag der Einlieferung ins Krankenhaus Schaden zugefügt worden wäre; sei es durch ein Trauma oder durch Sauerstoffmangel. Sie warf der Universitätsklinik und insbesondere der Frauenklinik vor, dass weder bei der Aufnahme noch während des stationären Aufenthaltes ein CTG geschrieben worden wäre. Sie fühlte sich vernachlässigt und „wie in der Dritten Welt behandelt“ und suchte deswegen die Patientenvertretung der Krankenanstalt des betreffenden Bundeslandes auf. Diese beauftragte den Autor mit dem Sachverständigengutachten.
5.1.2 Beurteilung / Gutachten In dem vorliegenden Fall war die Frage zu klären, ob der psychomotorische Entwicklungsrückstand des Kindes im Zusammenhang mit der ärztlichen Behandlung vor und unter der Geburt stand. Insbesondere war die Frage zu klären, ob, wie von der Mutter behauptet, die Möglichkeit eines Zusammenhanges zwischen einer durch einen Schmerzzustand bei einer Ohrspeicheldrüsenentzündung hervorgerufenen Dauerkontraktion der Gebärmutter und dem kindlichen Leiden bestanden haben könnte. Auf eine mögliche Schädigung durch das Mumpsvirus war nicht näher einzugehen, da die serologischen Untersuchungen negativ waren. Es wurde ausgeführt, dass in den zurückliegenden Jahren in der Geburtshilfe eine lebhafte Diskussion über die Bedeutung des Sauerstoffmangels unter der Geburt und seine Folgen für die weitere Entwicklung des Neugeborenen geführt wurde. Das Ergebnis war, dass der Sauerstoffmangel unter der Geburt als Ursache von kindlichen Hirnschäden, wie Cerebralparese und psychomotorische Retardierung, eine untergeordnete Rolle spielten. Nur schwerer und anhaltender Sauerstoffmangel stellt ein deutliches Risiko für die weitere Gehirnentwicklung dar. Eine sehr viel größere Rolle spielen genetische Defekte, angeborene Stoffwechselstörungen, Missbildungen des zentralen Nervensystems und andere vorgeburtlich determinierte Störungen. Es wurde ausführlich auf die Kriterien des American College of Obstetricians and Gynecologists (ACOG-Kriterien von 1992) eingegangen, welche die Voraussetzungen für einen Zusammenhang zwischen einem Sauerstoffmangel- Geburtsschaden und einer kindlichen Hirnschädigung definieren. Diese wurden bereits an anderer Stelle ausführlich dargestellt (vgl. Kapitel 1.1.3). Naturgemäß ist bei der Abklärung von Haftpflichtansprüchen die Differenzierung zwischen einer unter der Geburt entstandenen Pathologie und Störungen, die bereits vor Beginn der Wehentätigkeit eine Gewebsschädigung im Gehirn verursacht haben, von besonderer Bedeutung. Im vorliegenden Fall wurde ein Sauerstoffmangel in SSW 32 als Grund der Schädigung postuliert. Es wurde ausgeführt, dass sich eine derartige Schädigungsmöglichkeit ausschließlich im Rahmen des Spekulativen bewegte. Es stand fest, dass das Kind in SSW 39/4 nach komplikationsloser Geburt lebensfrisch zur Welt kam. Kritisiert wurde,
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dass in der Schwangerschaft keine weiteren CTG-Untersuchungen durchgeführt wurden, da diese Aussagen über das kindliche Wohlergehen hätten liefern können. Ebenso fehlten weitere Ultraschall- und geburtshilfliche Routineuntersuchungen an der Universitätsklinik für Innere Medizin. Hätte man dort bei der Aufnahme oder an den folgenden Tagen ein unauffälliges CTG geschrieben, so wäre die von der Mutter postulierte Hypothese leicht zu widerlegen gewesen. Fest steht, dass sich auch heute noch in der Mehrzahl der Fälle mit Cerebralparese die eigentliche Ursache nicht eindeutig nachweisen lässt. Festzuhalten bleibt, dass angeborene Hirnschäden nicht gleich bedeutend mit Geburtsschäden sind, sondern zumeist vor der Geburt entstehen. Beantwortung des Fragenkatalogs 1. Hat im Rahmen der medizinischen Behandlung der Patientin an der Universitätsklinik für Frauenheilkunde ein Behandlungsfehler stattgefunden? Bei der medizinischen Behandlung der Patientin an der Universitätsklinik hat kein Behandlungsfehler stattgefunden. 2. Lag eine unterlassene Hilfeleistung vor? Auch von einer unterlassenen Hilfeleistung konnte man keinesfalls sprechen. 3. Falls ja, welche Gesundheitsschäden sind beim Sohn nach Dauer und Intensität hierdurch entstanden? Gesundheitsschäden des Sohnes nach Dauer und Intensität wurden als nicht kausal zur Behandlung an der Universitätsklinik bezeichnet. Prinzipiell sind kindliche Gesundheitsschäden von einem Sachverständigen für Pädiatrie festzustellen. 4. Ist ein Dauerschaden entstanden? Auch diese Frage war von einem Sachverständigen aus dem Fachgebiet der Pädiatrie zu beantworten, fachübergreifend war die Frage jedoch bedauerlicherweise zu bejahen. 5. Hat das Kind dadurch auch eine Verunstaltung erlitten? Eine Verunstaltung konnte nicht beurteilt werden, da es sich um ein Aktengutachten handelte und das Kind vom Sachverständigen nicht gesehen wurde.
5.1.2.1 Verfahrensausgang Laut Auskunft der Kindesmutter hätte sie aufgrund des Gutachtens nichts weiter unternommen. Ihr Sohn sei derzeit 20 Jahre alt und litte unter Nystagmus sowie Muskelkontraktionen und Gleichgewichtsproblemen. Er sei noch immer in laufender Physio-, Ergo- und logopädischer Therapie. Er hätte eine Sonderschule besucht und sei nun Hilfsarbeiter. Spekuliert wurde ebenfalls über die Möglichkeit eines Williams-BeurenSyndroms. Dabei handelt es sich um eine idiopathische Hyperkalzämie (auch FanconiSchlesinger-Syndrom oder Elfin-Face-Syndrom genannt), die auf einen genetisch bedingten Defekt (eine Deletion) auf Chromosom 7 zurückzuführen ist.
5.1.3 Resümee Das Gutachten hatte die schwierige Frage zu klären, ob eine durch eine Parotitis in SSW 32 verursachte Uteruskontraktion zu einem Sauerstoffmangel und in weiterer Fol-
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ge zu einem psychomotorischen Entwicklungsrückstand des Kindes führen konnte. Bedauerlicherweise wurden an der Universitätsklinik für Innere Medizin keine CTGs geschrieben. Trotzdem war dieser Zusammenhang aufgrund der ACOG-Kriterien als rein spekulativ zu bezeichnen. Literatur AKG e. V. und BIG e. V. Der frühkindliche hypoxische Hirnschaden – resultierend aus Behandlungsfehlern. Erstes Gemeinsames Symposium des AKG e. V. Arbeitskreis Kunstfehler in der Geburtshilfe und der BIG e. V. Bundesinteressengemeinschaft Geburtshilfegeschädigter. Frauenarzt. 1995; 36: 666–667. Beller FK, Schneider H. Definition der intrapartalen Asphyxie. Frauenarzt. 1997; 36: 1614–1615. DGGG. Anwendung des CTG während Schwangerschaft und Geburt. In: DGGG (Hrsg). Leitlinien der Gynäkologie und Geburtshilfe, Bd. III, Pränatalmedizin, Geburtsmedizin. Berlin: Verlag S. Kramarz, 2010: 183–211. Göschen K. Asphyxie unter der Geburt – Probleme und Lösungsmöglichkeiten. In: Knitza R. Hypoxische Gefährdung des Fetus sub partu. Darmstadt: Steinkopf, 1994: 21–30. Schneider H, Beller FK. Die Bedeutung des Hypoxierrisikos bei der Geburt – eine Neubeurteilung. Frauenarzt. 1997; 37: 324–330. Schneider H. Bedeutung der intrapartalen Asphyxie für die Entstehung von kindlichen Hirnschäden. Geburtsh. u. Frauenheilk. 1993; 53: 369–378. Schneider H. Bedeutung der intrapartalen Hypoxie für die cerebrale Landzeitmorbidität. Z. Geburtsh. Neonatol. 1996; 200: 43–49. Schulte FJ. Die perinatalen Hirnschäden auch unter forensischen Aspekten. Symposium „Forensische Aspekte in der Geburtshilfe“. Gynäkol. Geburtsh. Rundsch. 1997; 37: 162–173.
5.2 Dünndarmperforation nach Mikrowellen-Endometriumablation
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5.2 Dünndarmperforation nach Mikrowellen-Endometriumablation Mikrowellen-Endometriumablation (MEA), microwave-endometrial ablation Blutungsstörungen im Sinne von unregelmäßigen sowie verstärkten und verlängerten Regelblutungen in den Wechseljahren der Frau stellen den häufigsten Grund für den Besuch beim Frauenarzt dar. Menometrorrhagien sind bei etwa 60 % der Frauen die Ursache für eine Entfernung der Gebärmutter, obwohl sich nur bei der Hälfte der Frauen krankhafte Veränderungen an der Gebärmutter, z. B. Myome, finden. Daher wurde vor allem im anglo-amerikanischen Raum versucht, das Endometrium mit verschiedenen Methoden, z. B. der Laservaporisation, der Elektrokoagulation oder der transzervikalen Elektroresektion mit dem hysteroskopischen Resektoskop (TCRE), elektrisch oder thermisch zu zerstören. Mitte der 1990er Jahre wurde die Mikrowellen-Endometriumablation (MEA) entwickelt. Dabei wird eine stumpfe Sonde in die Gebärmutter eingeführt und die Gebärmutterschleimhaut in wenigen Minuten durch hochfrequente Mikrowellenenergie zerstört. Die Erfolgsrate der Methode, gemessen an der Blutungsfreiheit, liegt laut Studien bei etwa 65 %, wobei 86 % der Patientinnen mit dem Operationsergebnis zufrieden waren und keine weiteren Therapien benötigten. Patientinnen mit Mikrowellen-Endometriumablation können bereits nach wenigen Stunden das Krankenhaus nahezu beschwerdefrei wieder verlassen. Der Hauptvorteil der Methode liegt naturgemäß in der Vermeidung der Uterusexstirpation, einem viel größeren Eingriff mit einwöchigem Krankenhausaufenthalt. Bei der MEA wird zunächst der Gebärmutterhals aufgedehnt und die Uterussondenlänge gemessen. Dies ist für die folgende Operation wichtig, da die Sondenlänge in das computergestützte Geräteprogramm eingegeben werden muss. Nach der Aufdehnung führt man die Applikationssonde in die Gebärmutter ein, anschließend wird der Computer eingeschaltet. Unter Scheibenwischerbewegungen wird die Schleimhaut verkocht und der Applikator langsam zurückgezogen. Wenn eine Stelle verkocht ist, wird eine entsprechende vorgegebene Temperatur erreicht und man verlässt diese Stelle. Entscheidend für den Erfolg ist die korrekte Indikationsstellung, das ist die therapieresistente Blutungsstörung ohne zusätzliche Pathologie am Uterus, und abgeschlossener Kinderwunsch. Unter den sogenannten Zweitgenerationsablationstechniken, wie Kryoablation, intrauteriner Laserablation, Ballonablation und bipolarer Ablation, hat sich die Mikrowellen-Ablation als besonders einfache und effektive Methode herausgestellt. Diese Technik hat so gut wie keine Lernkurve, da nach Aufdehnen des Cervikalkanals lediglich eine stumpfe, kalibrierte Sonde in den Uterus eingeführt werden muss und die anschließende, eigentliche Zerstörung bzw. Behandlung des Endometriums lediglich zwei Minuten dauert. Die Komplikationsrate, insbesondere die Perforationsgefahr, wird als extrem gering beschrieben. Laut Herstellerfirma Microsulis schaltet sich das Gerät automatisch aus, wenn die Temperatur über einen vorgegebenen Wert steigen würde, wenn man länger an einer Stelle bliebe. Die Eindringtiefe der Gewebszerstörung würde 3–5 mm betragen. Sollte der Stab irgendwo durchbohren, würde das Gerät ebenfalls sofort abschalten.
5.2.1 Sachverhalt / Kasuistik Die im Jahr 2007 48-jährige Patientin war bereits 15 Jahre bei ihrem Frauenarzt in Behandlung. Wegen unregelmäßiger und verstärkter Monatsblutungen wurde schon
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2005 eine Hormontherapie durchgeführt, welche zu einer Besserung geführt hatte. Nach Absetzen der Hormone traten die unregelmäßigen Blutungen jedoch wieder auf. Deswegen stellte der Frauenarzt 2005 der Patientin die Methode der Mikrowellen-Endometriumablation vor; die Frau hatte damals jedoch noch keine Zusatzversicherung, die den Eingriff bezahlt hätte. Im Juli 2007 heiratete die Patientin und wollte „alles in Ordnung haben, was aus medizinischer Sicht ansteht“. Daher vereinbarte sie im Juni 2007 einen Termin zur Durchführung einer Endometriumablation für den 04. 08. 2007. Nachdem der Arzt den Eingriff als harmlos bezeichnet hatte, wählte sie bewusst einen Samstag als Operationstermin, damit sie am Sonntag nach Hause gehen und am Montag wieder arbeiten könne. Laut Patientin wurde von ihr ein Einwilligungsblatt unterschrieben, welches sie allerdings nicht durchgelesen hätte, da sie Vertrauen zu dem Arzt hatte und dieser ihr gesagt hätte, dass er diesen Eingriff schon sehr oft durchgeführt hätte und dass nie etwas passiert wäre. Auf ausdrückliches Befragen meinte die Klägerin später, sie hätte dieses Blatt ohnedies unterschrieben, da sie ja das Vertrauen hatte, dass das Ganze in Ordnung ginge und es sich um eine routinemäßige Unterschrift handelte. Auf dem Einwilligungsblatt war eine Darstellung der Endometriumablation zu sehen und auch die Unterbindung der Eileiter war eingezeichnet. Die Operation wurde dann tatsächlich am Samstagvormittag in einem Privatkrankenhaus durchgeführt. Bereits präoperativ war mittels Vaginalultraschall die Gebärmutter vermessen und festgestellt worden, ob sie für diese Art der Operation tauglich wäre. Bei der Patientin musste noch nach Anhacken des Muttermundes mit der Kugelzange, Messung der Uterussondenlänge und Aufdehnen des Cervikalkanals eine Spirale mit der Cürette entfernt werden, da der Faden hochgeschlagen war. Bei der folgenden Ausschabung war so gut wie kein Gewebe vorhanden, weil bei der Patientin eine präoperative Gestagentherapie durchgeführt worden war, um einen Schleimhautaufbau zu verhindern. Anschließend wurde das Gerät eingeführt, bis der Arzt Funduskontakt hatte, d. h., das obere Ende der Gebärmutterhöhle war erreicht. Die nachfolgende Verkochung mittels Scheibenwischerbewegungen wäre problemlos gelungen, es hätte weder einen Widerstand noch sonst etwas zu bemerken gegeben. Die Operationszeit betrug etwa 1,5 Minuten und die Temperaturkurve selbst war unauffällig, sodass es keinerlei Hinweis gegeben hatte, dass irgendetwas nicht in Ordnung sein könnte. Anschließend wurden noch die Laparoskopie durchgeführt und die Eileiter koaguliert. Dies erfolgte mit nur einem Einstich, wobei lediglich eine mäßige Rötung im Bereich der Gebärmutter auffiel. Im Operationsbericht war vermerkt: „Thermische Endometriumablation, Laparoskopie und Tubenligatur, Curettage, Hegar 9,5, Uterussondenlänge 7 cm, Tubenkoagulation 2 cm vom Abgang, nota bene Hyperämisierung am Uterus nach Endometriumablation.“ Postoperativ war die Patientin in einem überraschend guten Zustand, sie hatte weder Bauch- noch Schulterschmerzen. Sie konnte am darauf folgenden Sonntag um 10.00 Uhr das Krankenhaus verlassen. Um 12.00 Uhr traten allerdings starke, brennende Schmerzen im Bauchbereich auf, sodass sie sich deswegen von ihrem Mann wieder ins Krankenhaus zurückbringen ließ. Die Schmerzen waren so stark, dass sofort klar war, dass bei der Operation „etwas schief gelaufen sein musste“. Der Bauch wäre massiv druckempfindlich gewesen und die Beschwerden hätten sich auf eine schmerzstillende Infusion nicht gebessert. Nach etwa zwei Stunden stieg der Wert des CRP auf
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100, und damit war klar, dass mit dem Darm etwas passiert sein musste. Zunächst wurde eine Darmverletzung im Rahmen der Laparoskopie nicht ausgeschlossen. Innerhalb einer Stunde traf der Frauenarzt wieder im Krankenhaus ein, außerdem wurde ein Chirurg hinzugezogen. Dieser bestand auf der Transferierung an die Universitätsklinik. An der Universitätsklinik wurden am folgenden Morgen eine Dünndarmresektion und eine Uterusexstirpation durchgeführt. Die Diagnose bei der Erstversorgung an der chirurgischen Universitätsklinik lautete: „Dünndarmperforation, Uterusnekrose nach laparoskopischer Tubenligatur und Thermo-Endometriumablation extra muros, Peritonitis postoperativ durch chemischen Reiz, Nahrungsmittelallergie, SIRS (Systemisches inflammatorisches Response-Syndrom), Wundheilungsstörung durch Infekt postoperativ.“ Als Therapie war vermerkt: „Dünndarmsegmentresektion plus Anastomose, abdominelle Hysterektomie und Adnektomie, 4 und 7 Tage später offene Abdominallavage sowie 26 Tage später diagnostische Laparoskopie mit Sekundärnaht und Nekrosektomie im Bereich der Haut der Bauchdecken- und Leistenregion.“ Der histologische Befund ergab eine ausgedehnte thermische Schädigung der gesamten Uteruswand im Bereich des rechten Tubenabganges und im Bereich des resezierten Ileums. Es fand sich eine 6 cm lange Perforation des Ileums, 50 cm vor der Ileozökalklappe; die Perforation lag im Bereich einer transmuralen Darmwandnekrose mit fokal fibrinös-eitriger Peritonitis. Im Uterus fehlte das Endometrium weitestgehend. Nach Lamellierung im Bereich des rechten Tubenwinkels zeigte sich auch eine Blutungshöhle von 1 : 0,5 cm bis knapp an die Serosa. Die Nekrose im Bereich des Myometriums reichte bis an die Serosa heran, dort fand sich auch eine fokal geringgradig fibrinös-eitrige Peritonitis (Abb. 5.1 bis 5.4). Die Klägerin blieb vier Wochen an der Universitätsklinik. Unmittelbar danach wurde sie wegen einer partiellen Stenose im Dünndarmbereich mit Subileuszeichen in einem anderen Krankenhaus aufgenommen. Man vermutete eine Bride bzw. Adhäsio-
Abb. 5.1a, b: (a) Entsprechend dem mitfotografierten Maßstab ein 8,0 cm langer, 2,5 dicker Dünndarmanteil. Knapp 1,0 cm vom nächstgelegenen Resektionsrand entfernt findet sich ein 3,0 : 1,5 cm messender, alle Wandschichten durchsetzender Substanzdefekt mit aufgeworfenen, grünlich-bräunlichen Rändern. Die in Richtung anderem Resektionsrand anschließende Serosa zegt sich mit wechselnd dicken, graugelblichen Belägen. (b) Anhaftend ein 1,5 cm breiter Anteil des mesenteriellen Fettgewebes mit stark geröteter Serosa.
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Abb. 5.2a, b: (a) Hinteransicht des Uterus, nach beiliegendem Maßstab mit einer Gesamtlänge von 7,5 cm (Resektionsfläche der Portio bis Serosa Fundus). Die Serosa im Bereich des Fundus, von der Mittellinie bis zum rechten Tubenabgang, ist in einem Durchmesser von etwa 3 cm gelblich-grünlich verfärbt. Dieses Areal ist von einem etwa 0,8 cm breiten, dunkelroten Randsaum umgeben. Ein Defekt oder eine Perforationsstelle an der Serosa ist nicht zu erkennen. (b) Ansicht des Uterus von oben.
nen oder eine Anastomosenstenose. Danach folgten noch zwei weitere, jeweils einwöchige Krankenhausaufenthalte wegen Subileus-Erscheinungen. Selbige Symptomatik erforderte auch mehrfache, mehrtägige Krankenhausaufenthalte im Frühjahr 2009 und 2010. Die Patientin verklagte den Operateur auf € 50.500,− samt Anhang (Schadenersatz / Gewährleistungsanspruch). Auf Vorschlag beider Streitparteien wurde der Autor als Sachverständiger bestellt und beantragte zunächst ein pathologisches Gutachten, insbesondere zur Frage, ob sich aus dem Operationspräparat eine fausse route ergab, wie dies von einem Consulter der Firma Microsulis behauptet worden war.
5.2.2 Beurteilung / Gutachten Auf Befragen gab der Gynäkologe der Erstoperation an, dass er eine Uterussondenlänge von 7 cm gewählt hatte, da er die Gebärmutter gespannt und der Pathologe 6,5 cm in nicht gespanntem Zustand gemessen hätte. Klar war, dass man davon ausgehen musste, dass eine Darmschlinge im Bereich des Uterusfundus gelegen haben und von der Hitze miterfasst worden sein musste. Dazu passte auch, dass die Situation dann 24 Stunden später eskalierte. Der Arzt nahm an, dass das Gerät defekt war, da es sich bereits einige Male zuvor während einer Operation abgeschaltet hätte.
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Abb. 5.3a, b: (a) Ansicht des Uterus, noch unfixiert, von vorne halbiert. Der Cervikalkanal (1) weitgehend unverändert, die untere Hälfte der Gebärmutterhöhle (Cavum uteri) (2) mit etwas ausgeweitetem Lumen, das umgebende Myometrium (Muskulatur) (3) unauffällig, die obere Hälfte des Cavum (4) stärker ausgeweitet, bluterfüllt. Sie ist umgeben von einem 6 mm breiten, stark abgeblaßten Gewebssaum (Nekrosezone) (5), der wiederum von einem 3 mm breiten dunkelroten Saum umgeben ist (hämorrhagischer Randsaum) (6). Nur Richtung Fundus ist diese Nekrosezone deutlich breiter, reicht in dieser Schnittführung bis 3 mm unter die Serosa und der hämorrhagische Randsaum bis an diese heran. Es ist offensichtlich, dass die Schnittführung durch den Pathologen nicht genau im Kanal erfolgte und hinter dieser Schnittebene Richtung rechtem Tubenwinkel und leicht nach hinten (dorsal) der Applikator über die Gebärmutterhöhle im Sinne einer fausse route bis knapp unter die Serosa vorgeschoben wurde (siehe b). Dies erklärt die in diesem Bereich zusätzliche umgebende Nekrosezone. (b) In Formalin anfixierter Uterus. Es wurden im Bereich der Zervix links, im Bereich der oberen Uterushälfte links ein und im Bereich der rechten Uterushälfte 4–5 Gewebsscheiben zur feingeweblichen (histologischen) Untersuchung entnommen. In diesen Gewebsscheiben verläuft der oberste Anteil der Gebärmutterhöhle, aber auch der zusätzliche artefizielle Kanal (fausse route), der bis 7 mm in das Myometrium der rechten Uterushälfte vordringt und von einer entsprechenden Nekrosezone, die bis an die Serosa reicht, umgeben ist. Der hämorrhagische Randsaum ist nur in der unteren Umgebung sichtbar, unter der Serosa konnte er sich mangels vitalen Gewebes kaum mehr entwickeln. Auffallend ist, dass die Gewebsschädigung nur um die obere Hälfte der Gebärmutterhöhle ausgebildet ist (und hier zu hoch hinauf), während die untere Hälfte keine Reaktion aufweist.
Seitens der Herstellerfirma Microsulis wäre immer gesagt worden, dass sich das Gerät, falls es zu einer Durchstoßung der Gebärmutter kommen sollte, sofort abschalten würde. Auch die Frage, ob man durch Überhitzung den Darm verletzen könne, wäre verneint worden. Voraussetzung für die Operation ist eine Dicke der Gebärmutterwand von mindestens 1 cm, die im Ultraschall vermessen wird. Da die Eindringtiefe 3 mm beträgt, könne daher nichts passieren. Der Arzt war daher bis zu diesem Vorfall felsenfest davon überzeugt, dass eine solche Verletzung eigentlich nicht passieren könne. Auf dem Aufklärungsbogen war die Möglichkeit einer Darmverletzung angekreuzt und der Beklagte meinte hierzu, dass dies sowohl im Rahmen der Curettage, bei einer Uterusperforation, als auch im Rahmen der Laparoskopie möglich wäre. Die Komplikation, die dann tatsächlich aufgetreten war, war allerdings nicht Gegenstand des Aufklärungsgespräches, da der Arzt überhaupt nicht damit rechnete, dass so etwas passieren könne. Er war nicht davon ausgegangen, dass es zu Gewebsverbrennungen außerhalb der Gebärmutter kommen kann. Dass das Gewebe innerhalb der Gebär-
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Abb. 5.4a–f: Histologische Schnitte des Uterus (eingescanntes Bildmaterial). (a) Der histologische Schnitt entspricht der Ansicht der oberen linken Uterushälfte in Abb. 1.3b. Histologisch ist der oberste Anteil der Gebärmutterhöhle erkennbar, diese ist mit Blut, Fibrin, nekrotischem Detritus und schmalen Resten eines Endometriums mit spärlich funktionslosen Drüsenschläuchen ausgekleidet. Das umgebende Myometrium mit stärker eosinophilen Muskelzellen, die Kerne sind spindelig, kondensiert und dadurch stärker angefärbt. Diese Nekrosezone ist 3–6 mm breit, mit einem sog. hämorrhagischen Randsaum. Der hämorrhagische Randsaum reicht funduswärts bis an die Serosa (40-fach). (b) Dieser Schnitt entspricht der Ansicht der oberen rechten Uterushälfte in Abb. 1.3b. Man sieht eine 5 : 7 mm messende Blutungshöhle, die dem oberen Ende der fausse route entspricht. Sie reicht bis knapp 1 mm an die Serosa heran und ist von w. o. beschriebener Nekrosezone und im unteren Anteil von hämorrhagischem Randsaum umgeben (c) (100-fach). (d–f) Gewebsscheibe der rechten oberen Unterushälfte, aus denen sich der Verlauf der fausse route gut rekonstruieren lässt. Während in (d) von der schleimhautausgekleideten Gebärmutterhöhle (40-fach) ausgehend nur der 2 mm lange Beginn der fausse route funduswärts erkennbar ist, erstreckt sich diese bereits 7 mm tief in das Myometrium und reicht in (e) noch 1 mm weiter und hier bis weniger als 1 mm unter die Serosa (40-fach). Diese ist an dieser Stelle zwar gerade noch erhalten, aber devitalisiert und von fibrinös-leukozytärem Exsudat entsprechend einer frischeren Peritonitis (Bauchfellentzündung) bedeckt (f) (40-fach).
mutter vernichtet werde, sei ja Sinn und Zweck der Operation. Er konnte sich nur vorstellen, dass es sich um einen großen Hitzeeinsatz über längere Zeit gehandelt, die Mikrowelle längere Zeit nur in eine Richtung abgestrahlt oder eine erhöhte Temperatur abgegeben hätte. Die Aufzeichnungen der Temperaturkurve zeigten jedoch keine Auffälligkeit. Das Gerät hatte sich auch während der Operation nicht abgeschaltet und
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es hatte während der Operation nichts gegeben, woraus man hätte schließen können, dass etwas nicht stimme. Zum Zeitpunkt der Operation hätte der Operateur bereits 50 bis 60 Mikrowellen-Endometriumablationen durchgeführt. Nach dem Vorfall hätte er keine Ablation mehr blind durchgeführt.
Pathologisch-anatomisches Sachverständigengutachten Beantwortung des Fragenkatalogs 1. War die thermische Schädigung der Gebärmutterwand und des angrenzenden Dünndarms dadurch aufgetreten, dass der Endometriumablationsapplikator über die Grenzen der Gebärmutterhöhle hinaus vorgeschoben wurde und eine fausse route erzeugt hatte, wie in der Stellungnahme des Consulters der Firma Microsulis behauptet wurde? Der Endometriumablationsapplikator wurde über die Grenzen der Gebärmutterhöhle hinaus knapp unter die Serosa vorgeschoben, wie aus den angrenzenden Gewebsreaktionen ersichtlich war. Eine Perforation (Durchstoßung der Serosa) fand nicht statt. Die Befunde des Pathologen deckten sich mit denen des Consulters der Firma Microsulis, wobei der Pathologe die Interpretation der Temperaturkurve mangels Fachwissen nicht kommentieren konnte. 2. Inwieweit bzw. wie tief war der Applikator gegebenenfalls in das Endometrium eingedrungen? Der Applikator war 8 mm in das Endometrium des rechten Fundusbereiches eingedrungen. 3. Musste aus dem Präparat zwangsläufig erkannt werden, ob der Applikator eingedrungen war? Aufgrund der Gewebsveränderungen in der Umgebung des artifiziellen Kanals (fausse route) war zwangsläufig das Eindringen des Applikators zu erkennen. 4. Ergaben sich aus der Untersuchung des Uterus irgendwelche sonstigen Anhaltspunkte zur Aufklärung des gegenständlichen Problems? Ob die fausse route erst bei der Einführung des Applikators oder eventuell schon vorher im Zuge der Aufdehnung, der Curettage, der Intrauterin-Pessar-Entfernung oder der Sondenlängenmessung gesetzt wurde, ließ sich aus histopathologischer Sicht nicht mit Sicherheit beantworten. Dies blieb dem gynäkologischen Sachverständigen vorbehalten. Die Gewebsschädigung des Dünndarms erfolgte durch thermische Schädigung vom anliegenden Uterusfundus aus.
Gynäkologisches Gutachten Aus dem pathologisch-anatomischen Gutachten war ersichtlich, dass die Gesamtlänge des Uterus (Fundus-Portio-Länge) 7,5 cm betrug. Zieht man davon die Myometriumdicke von gut 1 cm ab, so bekommt man eine Uterussondenlänge von unter 6,5 cm. Der beklagte Arzt hatte jedoch ausgesagt, an der Sonde eine Uterussondenlänge von 7 cm eingestellt zu haben. Daraus ergab sich zwingend, dass die Uterussonde tatsächlich zu weit, nämlich bis knapp unter die Serosa, vorgeschoben worden war und die Mikrowellen dadurch den anliegenden Dünndarm erreichen konnten.
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Beantwortung des Fragenkatalogs 1. Erfolgte der Eingriff an der Beklagten nach den bisher vorliegenden Beweisergebnissen (insbesondere nach den objektiven Befunden und ausgehend von den Aussagen der Parteien) lege artis? Der Eingriff erfolgte insofern nicht lege artis, als es, wahrscheinlich bei der Aufdehnung des Gebärmutterhalses oder beim Entfernen der Spirale, zu einer fausse route ins Myometrium gekommen war (Abb. 5.3). Es wurde somit das Myometrium bis knapp an die Serosa durchstoßen (subtotale Perforation). Die gewählte Sondenlänge am Applikator von 7 cm war damit zu lang. Dies hatte zur Folge, dass die Mikrowellen ihre Wirkung auch außerhalb der Gebärmutter bis zum Dünndarm entfalten konnten und es derart zu thermischen Darmperforationen kam. 2. Musste der Beklagte das zu weite Vordringen des Applikators im Zuge der Operation erkennen können? Das zu weite Vordringen des Applikators im Zuge der Operation war offensichtlich nicht erkennbar, da die Temperaturkurve völlig normal und anderen Temperaturkurven vergleichbar war. 3. Handelte es sich dabei um ein typisches Risiko einer derartigen Operation und war dieses Risiko zum Zeitpunkt der Operation bekannt? Eine Uterusperforation, wenn auch subtotal, gehört zu den typischen Risiken jeder Aufdehnung und Curettage der Gebärmutter. Ob eine Perforation mit dem Mikrowellen-Applikator zum Zeitpunkt der Operation bereits publiziert war, war Gegenstand einer aufwändigen Literaturrecherche. Diese ergab, dass das gegenständliche Risiko zum Operationszeitpunkt zumindest in England und den USA bereits sehr wohl bekannt war, da sich entsprechende Berichte bereits seit 2003 in der Literatur finden. So beschrieb De Mott (2003) 24 Uterusperforationen und / oder transmurale thermische Darmläsion unter 15.000 Operationen; in 24 Fällen war eine Darmresektion notwendig. 2005 wurde ein Fall einer Darmverletzung mit dem MEA-System publiziert (Jarmeel et al., 2005) und 2007 ein Fall mit dem VESTA-System (Cosyns et al.). 2007 wurde auch eine Zusammenstellung über alle Endometrium-Ablationsverfahren veröffentlicht (Review of a manufacturer and user facility device experience database – MAUDE Database; Food and Drug Administration) Darin fanden sich zwischen Januar 2003 und Dezember 2006 in den USA 257 unerwünschte Ereignisse, darunter sechs Darmläsionen nach Mikrowellen-Applikation (Della Badia et al., 2007). Derartige Berichte finden sich auch zahlreich im Internet (MEA Reports). In Österreich und Deutschland dürfte diese Komplikation zu diesem Zeitpunkt allerdings noch weitgehend unbekannt gewesen sein. Interessanterweise war das Risiko transmuraler Verbrennungen mit und ohne Perforation des Uterus den englischen Herstellern des MEA-Systems sehr wohl bekannt, da es in der Zulassungsstudie der Food and Drug Administration (FDA) erwähnt wurde (De Mott, 2003). Daher verlangte die FDA auch eine präoperative Messung der Endometriumdicke mittels Ultraschall, die Hysteroskopie nach Aufdehnung des Cervikalkanals und vor Insertion des Applikators sowie eine entsprechende Ausbildung des Operateurs in der Hysteroskopie. Als Grund für die Uterusverletzungen vermutete die FDA eine Diskrepanz zwischen der durch die Uterussondenlänge geschätzten Ausdehnung des Uteruscavums und der Länge des vorgeschobenen Applikators, eine Verdünnung der Uteruswand vor Durchführung der MEA, z. B. durch eine Curettage, wie im vorliegenden
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Fall, oder durch vorbestehende Pathologien, die man bei der Hysteroskopie hätte sehen können. Weitere Problemfelder wären fehlender oder mangelhafter Ultraschall oder eine Reinsertion des Applikators, um die Behandlung zu wiederholen. Waren die bei der Klägerin aufgetretenen Schäden auf eine Fehlfunktion des dabei eingesetzten Gerätes zurückzuführen bzw. war eine solche Fehlfunktion auch für das zu weite Vordringen des Applikators mitverantwortlich? Die bei der Klägerin aufgetretenen Schäden (Dünndarmperforation) waren offensichtlich nicht auf eine Fehlfunktion des dabei eingesetzten Gerätes zurückzuführen. Auch war keine solche Fehlfunktion für das zu weite Vordringen des Applikators mitverantwortlich. Wäre der Schaden bei einem nicht so weiten Vordringen des Applikators unterblieben? Ohne Zweifel wäre der Schaden bei einem nicht so weiten Vordringen des Applikators unterblieben. Wurde das eingesetzte Gerät vom Beklagten im Zuge der Operation fachgerecht bedient? Das eingesetzte Gerät wurde vom Beklagten im Zuge der Operation aufgrund des pathologisch-anatomischen Gutachtens insofern nicht fachgerecht bedient, als eine zu große Uterussondenlänge von 7 cm am Applikator eingestellt worden war. Dabei kam es zu einer subtotalen Perforation des Myometriums bis zur Serosa aufgrund des zu weiten Vorschiebens des Applikators. Hätte für den Beklagten eine allfällige Fehlfunktion des Gerätes erkennbar sein müssen? Aufgrund der subtotalen Perforation hätte für den Beklagten eine allfällige Fehlfunktion des Gerätes nicht erkennbar sein müssen. Die fousse route wäre nur durch eine Hysteroskopie vor Durchführung der MEA erkennbar gewesen. Diese ist laut Herstellern nach mechanischer Vorbereitung, also nach einer Curettage, unbedingt durchzuführen, um eine unabsichtliche Schädigung der Gebärmutterwand zu erkennen (Microsulis). Entsprach die dokumentierte und vom Beklagten geschilderte Aufklärung dem allgemeinen Wissensstand der derartige Geräte verwendenden Gynäkologen zum Zeitpunkt der Operation? Die dokumentierte und vom Beklagten geschilderte Aufklärung entsprach durchaus dem allgemeinen Wissensstand der derartige Geräte verwendenden Gynäkologen zum Zeitpunkt der Operation. Über das sich tatsächlich verwirklichende Risiko einer MEA-bedingten Darmperforation wurde die Klägerin jedoch nicht aufgeklärt, da der Operateur ja, laut eigener Aussage in der Verhandlung, felsenfest davon überzeugt war, dass eine solche Komplikation, nicht passieren könne. Im Klartext hieß das allerdings, dass der Beklagte dieses Risiko trotz eingehender Teilnahme an Schulungen und Kursen sowie insbesondere der ständigen Unterweisung durch einen Firmenvertreter (medical adviser) zum Operationszeitpunkt nicht kannte. Offensichtlich war ihm dieses von der Herstellerfirma so nicht dargestellt worden, obwohl es dieser aufgrund der Beschreibungen in der Literatur sehr wohl bekannt war. Der beste Beweis hierfür ist, dass der Operateur die im OP-Bericht erwähnte markante Rötung des Uterus bei der nachfolgenden Bauchspiegelung nicht als auffällig erachtete, weil er diese nicht kannte. Man sieht bekanntlich nur, was man weiß bzw. kennt.
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9. Kann es im Zuge der Curettage, des Aufdehnens oder der Verwendung des Mikrowellenstabes, der nach den Anwendungsrichtlinien wischerartig im Bereich des Fundus der Gebärmutter zu bewegen war, auch bei regelrechter Vorgangsweise des Beklagten, zu Verletzungen der Gebärmutterwand und damit zur Eröffnung einer fousse route gekommen sein? Wie ausgeführt kam es höchstwahrscheinlich im Rahmen der Aufdehnung der Gebärmutter, der Curettage und Entfernung der Spirale zu der Läsion im Sinne der fousse route, also einer subtotalen Perforation der Gebärmutter. Dadurch wiederum wurde in der Folge eine zu große Uterussondenlänge von 7 cm gemessen und am Applikator eingestellt. Schließlich wurde der Applikator bis knapp unter die Serosa vorgeschoben, sodass die Mikrowellen auch den der Gebärmutter anliegenden Dünndarm erreichen konnten. Aufgrund des pathologisch-anatomischen Gutachtens wurde der Applikator 8 mm in das Myometrium des rechten Fundusbereiches vorgeschoben. Eine Hysteroskopie, bei der man die Läsion erkennen hätte können, wurde nicht durchgeführt. Bei regelrechter Vorgangsweise des Beklagten hätte es theoretisch auch zu den Verletzungen der Gebärmutterwand (Eröffnung der fousse route) kommen können, der Fehler lag darin, dass diese nicht erkannt worden war (Gerstner, 1995). Dieser bedauerliche Fall weist klar darauf hin, dass vor Durchführung der MEA eine Hysteroskopie obligatorisch durchgeführt werden muss. Warum dies unterblieben und dem Operateur unbekannt war, blieb Gegenstand weiterer Erörterungen. Möglicherweise wurde dies seitens der Herstellerfirma in Österreich so nicht kommuniziert, da es den instrumentellen Aufwand der Operation vervielfachen und teure Geräte und eine entsprechende operative Ausbildung der Ärzte erforderlich machen würde.
5.2.3 Verfahrensausgang Zum Zeitpunkt der Manuskripterstellung lief das Verfahren noch.
5.2.4 Resümee Bei der Mikrowellen-Endometriumablation (MEA) handelt es sich um ein relativ neuartiges Verfahren zur Zerstörung des Endometriums bei Blutungsstörungen. Die Methode besticht durch ihre Einfachheit: Nach Aufdehnung des Cervikalkanals und Messung der Uterussondenlänge wird die Applikatorsonde in die Gebärmutter vorgeschoben und das Endometrium durch Mikrowellen innerhalb von ein bis zwei Minuten zerstört. Im vorliegenden Fall wurde die Applikatorsonde zu weit, bis an die Serosa des Uterus, vorgeschoben. Dadurch konnten die Mikrowellen den angrenzenden Dünndarm erreichen und die Darmwand thermisch schädigen. Die Folge waren Darmperforationen mit Peritonitis. Die Patientin musste sich einer Dünndarmresektion und Uterusexstirpation unterziehen. Sie litt jahrelang an Subileus-Erscheinungen. Gutachtlich konnte anhand des pathologisch-anatomischen Präparates nachgewiesen werden, dass aufgrund einer fausse route bis unter die Serosa des Uterus die Applikatorsonde zu weit vorgeschoben worden war. Literatur Bain Ch, Cooper K, Parkin DE. Microwave endometrial ablation versus endometrial resection: a randomized controlled trial. J. Obstet. Gynaecol. 2002; 99: 983–987.
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Register
Abdomendurchmesser 54 abnorme Doppler-Flussmuster 85 absolute Indikation 192 absolute Sectio-Bereitschaft 128 Abszess unter dem Zwerchfell 228 Abszess zwischen den Darmschlingen 228 ACOG-Kriterien 18 AGA (appropriate for gestational age) 36 akute Lebensgefahr 247 akute Schwangerschaftsfettleber, laborchemische Konstellation 210 akutes Abdomen 226 akutes Nierenversagen 231 Akuttokolyse 10 Alkoholeinfluss 245 allgemeines Unwohlsein 210 Aminoglycosid 228 Amnionitis 235 Amniotomie 5 Amniotomie mit dem Amnioskop 196 Amniozentese 61 Androgene 202 Anfallsleiden 46 Anfängerfehler 101 Angeklagte 250 anorektale Inkontinenz 154 Anstieg der Pulsfrequenz 235 Antibiotikatherapie 228 Anus praeter 159 Arme hochgeschlagen 184 Armlösung nach Lövset 191 Armplexus-Lähmung 187 Armplexuslähmung (Lähmung des Plexus brachialis) 104 Arnold-Chiari-Syndrom 59 arterio-venöse Hämofiltration 218 ärztliche Fehlleistung, vorwerfbare, schuldhafte 23 ärztlicher Behandlungsfehler 122 ärztlicher Kunstfehler 122, 188 Asphyxia pallida 7 Asphyxie 1 Aspiration 242 assistierte Geburt 170 asymmetrische Wachstumsretardierung 82
asymptomatisch 123 Asynergie 57 Ataxie 57 Atemalkoholgehalt 246 Atonie der Gebärmutter 235 atonische Blutung 161 atonische Nachblutung 242 Aufdeckungsquote 62 Aufklärungsgespräch 128 Aufsichtspflichtverletzung 222 äußere Beckenmaße 178 Austastung der Gebärmutter 150, 158 Austreibungswehen 120 Azidose 7, 85 Bachblüten 95 bakterieller Endotoxinschock 228 Bananenzeichen 59 Basaltonuserhöhung 5, 215 Beckenausgangsverengung 178 Beckenende 41 Beckenendlage 59, 107 – geburtsmechanische Bedingungen 165 – Makrosomie und Gestationsdiabetes 183 Beckengurt 111, 115 Beckenmitte 4, 41 Beckenmitte-Entbindung 128 Befindlichkeitsbeschwerden 202 Begleitpankreatitis 231 Behandlungsfehler 179 – schuldhaft vorwerfbare 55 Beinahe-Ertrinken 14 Berufsunfähigkeit 162 besondere Sorglosigkeit 247 besonders gefährliche Verhältnisse 181 Beta-HCG 250 Betalaktam-Antibiotika 228 Betamimetikum 36 Beweisverfahren 25 Bewusstseinsstörung 252 Bilirubin-Wert 78 biparietaler Durchmesser 54 Bishop-Score 184 Blasenverletzung 29 Blut in der Bauchhöhle 245
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Blutbild 124 Blutdruckabfall 235 Blutung 234 Blutung im Wochenbett 122 Blutungen nach der Geburt (postpartale Blutungen) 155 Blutungsschock 16, 240, 243 Blutverlust, Kontrolle des 235 Blutverlust im Bereich des Operationsgebietes 241 Blutzuckerbelastung 108 Bracht 184 Bracht-Handgriff 185 Brachycephalie 60 bradykarde Herzaktion 245 Bradykardie 34 Bradykardie, massive 146 Bromthymoltest 115 bronchiale Ventilstenosen 216 bronchopulmonale Dysplasie 216 Bumm‘sche Schlinge 123 cerebellare Symptome 57 cerebral-retardiertes Kind 7 Cerebralparese 37, 63 Cervixinsuffizienz 78 Cervixriss 147 chirurgische Menopause 199 Chorionbiopsie 61 Chromosomenanalyse 58 Chromosomensatz 107 chronische Hypoxie 85 chronische Plazentainsuffizienz 45 combined-test 51 Conjugata externa 140 Cotyledo der Plazenta 122 CTG 4, 36 – Beurteilung nach dem Fischer-Score 45 – bradykardes, undulatorisch eingeschränktes 46 – FIGO-Richtlinien 45, 187 – pathologisches 39 – präterminales 48 – präterminales bzw. terminales 45 – präterminales bzw. terminales Kurvenbild 177 – silentes 45, 46 CTG eingeschränkt undulatorisch 92 Curettage 121 Dammriss 4 Dammriss II 97
Dammschnitt 98 Dandy-Walker-Syndrom 57 Darminkontinenz 154 Dauerfolgen 160, 203, 213 Dauerschaden 188 Defibrillation 240 Deflexionshaltung 126 Deflexionslage 4, 134 DEGUM (Deutsche Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin) 61 Dekompression 166 Dezeleration, variable 4, 46 Diabetes 51 diabetische Stoffwechsellage 53 Dialysesystem 29 diffuse Blutung 157 dislocierte Occipitalschuppe 132 Dolichocephalie 60 doppelfaustgroße Hämatommasse 158 Doppler-Sonographie 84 Dopplerströmungsmessung 77 Doptone 176 dorso-anteriore Haltung 142 dorso-posteriore Haltung 141 dreijährige Verjährungsfrist 188 drohende intrauterine Asphyxie 46 Druckverband 205 Dünndarmperforation 259, 261 Dünndarmresektion 261 Durchtrittsplanum 2 Dysarthrie 57 Dysbalance des Hormonhaushalts 200 Dysdiadochokinese 57 Dysmelie 67 dysproportionierte Wachstumsverzögerung 83 E-E-Zeit (Entscheidungs-Entbindungs-Zeit) 30 Einblutung in die Weichteile des kleinen Becken, zwei handflächengroße 241 eineiige Zwillinge 77 eingeengt undulatorischer Oszillationstyp 217 Einwirkung des Geburtsvorganges 252 eitrige Endometritis 231 eitriger fibrinoider Belag 231 Ektromelie 67 Elektromyogramm 106 Elfin-Face-Syndrom 257 endokrinologisches Gutachten 202 Endometritis im Wochenbett 119 Endosonographie 154 Entbindungsversuch in Sectio-Bereitschaft 128 Enterococcus faecalis 78
Register Entfernung des Uterus, unter Mitnahme der Adnexe 196 Entwicklungsbehinderung 46 Entzündung der Gebärmutter im Wochenbett 227 Entzündungszeichen 123 Epiduralanästhesie 120 epigastrische Schmerzen 210 epileptischer Anfall 182 Epinephrin® 239 Erb’sche Lähmung 101 Erbrechen 78, 210 Erbrechen, massives 242 erbsbreiartiges Fruchtwasser 220 erhöhte Leberenzyme 79 erhöhter Blutdruck 211 erhöhter Pflegeaufwand 220 erhöhter Widerstandswert, in der Arteria uterina 211 Eröffnung des Muttermundes 13 ersatzfähiger Schaden 124 Erythrozytenkonzentrat 79, 158 Escherichia coli 78 Essstörung 55 Estradiol 250 Existenzangst 201 extended legs 166 extrakorporale Membranoxygenation (ECMO) 214 Extremitätenfehlbildung 74 Extremitätenmissbildungen (Amelie) 67 Fachgutachten aus dem Bereich Anästhesiologie und Intensivmedizin 243 fahrlässige Körperverletzung 181 fahrlässige Tötung unter besonders gefährlichen Verhältnissen 246 fäkale Diversion nach Hartmann 159 fäkale Inkontinenz 154, 163 familiäre Agenesie des Kleinhirnwurmes 58 Fanconi-Schlesinger-Syndrom 257 Fehlbeurteilungen des Höhenstandes 126 fehlende Kindsbewegung 87 Fehlentscheidung 223 Fehlleistung 223 Femurlänge 62, 82 Feststellung der Haftung 187 Feststellungsanspruch 109 Feststellungsbegehren 187 Feststellungsklage 188 fetal distress 77 Fetal-Distress-Syndrom 34
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Fetalblutuntersuchung 5, 216 fetale Anomalien (Nackenödem, Aszites, Missbildung der vorderen Bauchwand), indirekte Hinweise 69 fetale Größe 70 fetale Hypoxie 10 fetale Tachykardie 217 fetale Wachstumsrate 71 fetaler Gefahrenzustand, Früherkennung eines 90 fetaler Sauerstoffmangel 127 feto-fetales Transfusionssyndrom 76, 77 fetomaternale Medizin 75 Fettschürze 54 fibrinös-eitrige Peritonitis 261 Fieber, remittierend 228 FIGO-Klassifikation 36 Flatusinkontinenz 154 Flüssigkeitsansammlung in der hinteren Schädelgrube 58 Foramen magnum 59 Foramina Luschke 57 foudroyanten atonischen Nachblutung aus dem Operationsgebiet 243 Freiheitsstrafe von 15 Monaten 246 fresh-frozen Plasma 79, 158 Freude am Geschlechtsverkehr, verloren gegangen 201 Fruchtwasser 216 – erbsbreiartig 46 – grünliches 46 – missfärbiges 130 Fruchtwasseraspiration 87 Fruchtwasserembolie 146 Fruchtwasserindex 77 Fruchtwassermenge 63, 83 Fruchtwasserpunktion 68 Fruchtwasserpunktion wegen Altersrisiko 195 Frühatonie 235 Frühblutung 155 Frühgeburt 77, 172 Führungspunkt 41 Galea aponeurotica 205 Ganzkörperkühlung 29, 32 Gebärmutterrückbildung 123 Geburtsasphyxie 1 Geburtsdauer, Verlängerung der 104 Geburtsgeschwulst 2, 130 geburtshilfliche Risswunden 119 Geburtsstillstand, am Beckenboden 130
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Register
geburtstraumatisch 108 geburtstraumatische Läsion 130 geburtstraumatischer Vorgang 112 gedeckte Perforation 151 gedeckte Ruptur 148 Gehirnblutung 80 Gehstörung 114 Gelenkskontraktionen 105 generalpräventive Gründe 247 geplante Hausgeburt 92 gerichtspsychiatrisches Sachverständigengutachten 251 Gestationsdiabetes 186 Gesundheitsschädigung 222 Gewebszerreißung 129 Grimassieren 132 grober Behandlungsfehler 208 große Fontanelle, Schnittverletzung 205 Gutachten, medizinisches 52 Gynipral® 238 Gyrus postcentralis 207 Hadlock-Formel 54 Haft 249 Haftung 213 halbe Extraktion 170 Hämatom im lockeren perivesicalen und parametranen Bindegewebe 244 Hämatomausräumung 161 Hämatome, in den Parametrien 199 Hämofiltration 79 Hämolyse 79 hämolytisches Blut 158 Hängenbleiben der vorderen Schulter 101 harmlose Nebenverletzung 208 Hauptverhandlung 25 Hautduplikatur, am Damm 101 Hautfalte 98 HbA1C 53 Heilungsverlauf 162 HELLP-Syndrom 76, 210 Hemiparese 207 Herz, (Vierkammerblick) 62 Herz-Kreislauf-Erkrankung 203 Herzfrequenz-Alteration 34 Herzmassage 239 hintere Hinterhauptshaltung 126 – persistierende 130 hintere Hinterhauptslage 120 Hinweiszeichen 68 Hirnödem 8 Hirnparenchym, Echogenitätserhöhung 7
Hirnschädigung 23 – durch Sauerstoffmangel bedingt 23 Hochfrequenzbeatmung 218 hohe mechanische Beatmungsparameter 218 hohe Querschnittslähmung 126 hohe Zange 131 Höhenstand, Fehlburteilung des 128 Höhenstandsdiagnostik, inkorrekte 137 Höhenstandsdiagnostik des kindlichen Schädels 43 hoher Blasensprung 92 hoher Schultergeradstand 110 hohes Querschnittsyndrom 132 Hormonersatztherapie 197, 201 – Brustkrebsrisikoerhöhung durch 201 Hormongel 202 Hormonkristall 202 Hormonpflaster 202 hyaline Membranen 53 Hydramnion 64, 155 Hydrocephalus communicans 58 Hydrocephalus internus 46 Hymen 217 Hyperämisierung am Uterus 260 hyperextendierter Kopf 172 Hypermetrie 57 Hyperperistaltik 216 Hypomochlion 3 – Stirnhaltung 3 Hypotonus 57 hypotroph 83 hypovolämischer Schock 205 hypoxisch-ischämische Encephalopathie (HIE) 1 – Atemstillstand 1 – Krämpfe 1 – Lethargie oder Koma 1 – Streckkrämpfe 1 Hysterosalpingographie 28 Ichstörung 251 Indikation zum Kaiserschnitt 194 Infarzierung, im Arteria-cerebri-posteriorGebiet 46 Infektionsprophylaxe 226 infralevatorielles Hämatom 156 innere Beckenmaße 178 innere Blutung, massive 243 Insertio velamentosa 30 insuffiziente Nahtversorgung 101 Intentionstremor 57
Register Interspinalebene 41, 126 intervillöser Raum 214 intrauterine Hypoxie 16 intrauterine Infektion 221 intrauterine Reanimation 39, 181 intrauterine Wachstumsretardation 59, 76, 77, 82 intrauteriner Fruchttod 76, 81 intravenöse Tokolyse 216 irreversibler Herzstillstand 147 Kaiserschnitt 10 Katheterperidural-Anästhesie 171 kausaler Zusammenhang 124 – Asphyxie und die Entstehung eines kindlichen Hirnschadens 1 – neurologische Symptomatik 2 Kephalhämatom 131 Kielland-Zangenentbindung 126 Kind 46 Kind als Schaden 72 kinderneurologisches Fachgutachten 108 Kinderwunsch 211 kindliche Indikation, für eine Schnittentbindung 117 kindliche Wachstumsretardation 88 kindlicher Sauerstoffmangel-Hirnschaden 1 Kindsbewegungen 34, 46 – fehlende 48 Klagebegehren 124 Klageführung, pflegschaftsbehördliche Genehmigung 220 Klavikulafraktur 104 Kleinhirn (Cerebellum) 57 Kleinhirnagenesie 57, 63 Kleinhirndurchmesser 59 Kleinhirnhypoplasie bzw. Aplasie 57 Kleinhirnwurm-Aplasie 58 Kloakenbildung 154 kombinierte Armlösung 184 komplette Uterusruptur 145 kompletter Dammriss 97 Komplikation, niemals vorhersehbare 106 Kompression 166 kongenitale Afibrinogenämie 205 Konisation 211 Kopfgeschwulst 126, 134 Kopftieflagerung 5 Korrekturoperation 101 Krampfanfall, neonataler 7 Krankheitsgefühl 79, 226 Kristeller’scher Handgriff 130
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Kunsthilfe 4 künstlicher Darmausgang 159 Lagewechsel 5 15 cm lange Uterusruptur 245 15 cm langen Riss in der Gebärmutter 246 latenter Diabetes 108 Lateralflexion, am Kopf 102 lebensbedrohlich schlechter Allgemeinzustand 231 lebensrettender Kaiserschnitt 89 Lebertransplantation 80 legaler Schwangerschaftsabbruch 250 lege artis-Betreuung 94 Leibesfrucht 247 leichte Schmerzen 100, 200 Leistungsbegehren 109 Leitstelle 2, 41 Lemonzeichen 59 Leukozytose 227 Leukozytose mit Linksverschiebung 228 Lex artis 222 Libidoverlust 202 Ligamentum latum 244 3,5-7-Loch-Titanrekonstruktionsplatte 115 longitudinale Ruptur 148 Luftembolie 146 Lungenembolie 203 Lungeninfarkt 220 Lungenschwimmprobe, negativ 52 Magendii, Foramen 57 Makrosomie, kindliche 51 mangelhafte Überwachung des Geburtsvorganges 93 Manualhilfe 170 manuelle Extraktion 190 massive Blutung, im Bereich der Uterotomie 242 massive Einblutungshöhlen von etwa 5 bis 10 cm im Durchmesser haltend, rechts und links im Bereich des Ligamentum latum 241 Mazeration (Grad I) 87 McRoberts-Manöver 52 mediane Unterbauchlaparotomie 46, 196 Medulla oblongata, sanduhrförmige Einengung 131 Medulla oblongata (verlängertes Rückenmark) 59 Mehr Schmerzen 213 Mehrkosten 214
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Mehrling 155 Mehrstufenkonzept 62 Mekonium (Kindspech) 196 Mekoniumabgang 216 Mekoniumaspirationssyndrom 214 Menopause 202 mentoanteriore Gesichtslage 1 Messung des Kleinhirns 64 metabolische Azidose 18, 77, 214 methodenimmanente Komplikation 205 Methylergometrin 236 mikrochirurgische Neurolyse 185 Mikrowellen-Endometriumablation 259 Milchprobe 124 Minderung der Erwerbsfähigkeit 162 Missbildungen 70 Missbildungs-Screening 72 missfärbiges Fruchtwasser 46, 219 Missverhältnis zwischen Kopf und Becken 104, 169 mittelschwere Schmerzen 200 Mitverschulden der Erstklägerin 200 Mitverschuldenseinwand 201 monochoriale Plazenta 76, 81 morbider Adipositas 51 Morbus Wilson 79 Mord 249 motorische Darminkontinenz 154 Müdigkeitsgefühl 226 Multiorganschaden 18 Multiparität 235 Musculus sphinkter ani externus 154 Muskeltransfer des Musculus latissimus dorsi 185 Mutter-Kind-Zentrum 214 mütterliche Morbidität 76 mütterliche Indikation 117 mütterlicher Verblutungstod 143 Myelomeningozele 58 Myoklonismen 63 Myom 29 Myomoperation, konservative 28 Myomresektion 30 Nabelarterien 91 Nabelschnur, Kompression 5 Nabelschnurkomplikation 76, 90 Nabelschnurumschlingung 46, 87 Nabelschnurvorfall 172, 190 Nabelvene 91 Nachtastung 87 Nackenfalte 77
Nahtdehiszenz 226 Nahtkorrektur 99 Nahtrevision 98 Narbenkorrektur 97 Narbenkorrekturoperation 101 Nasciturus 247 natürlicher Alterungsvorgang 152 Nebennierenblutung 52 neonatale Depression 87 neonataler Todesfall 190 Nervenleitgeschwindigkeit 106 Nervenwurzelausriss 185 Neuralinkontinenz 154 neurologisch-psychiatrisches Sachverständigengutachten 201 neurologisches Durchgangssyndrom 200 neuropathologisches Gutachten 133 5-Nitroimidazol 228 Notfalltokolyse 39 Notkaiserschnitt 245 Nystagmus 257 Oberbauchbeschwerden rechts, massive 211 obere Plexuslähmung (Typ Erb-Duchenne) 104, 184 obligate Nabelschurkompression 166 occipito-anteriore Haltung 141 Öffnung einer Körperhöhle 246 ÖGUM (Österreichische Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin) 61 ÖGUM- bzw. DEGUM-Mehrstufenkonzept 61 okkulter Sphinkterdefekt 154 Oligoanurie 29 – postasphyktische 32 operative Entbindung 120 operative Geburtsbeendigung 4 operative Stabilisierung 115 Opisthotonushaltung 63 oraler Glukose-Toleranztest (OGTT) 51 Organscreening 51, 214 Österreichische Hebammendienstordnung 180 Östradiol-Implantat 197 Oszillationsverlust 34 Ovarektomie 202 Oxytocin 236 Pachygyrie 63 Pap-Untersuchung 217 Parlodel® 107 Parotitis 255 partielle Transektion 131
Register Partogramm 133 pathognomisch 215 pathologischer Flow 84 Perforation des Ileums 261 Perianalhämatom 157 perinatale Asphyxie 1 – Kausalzusammenhang 8 perinatale und neonatale Morbidität und Mortalität 76 perinataler Sauerstoffmangel 10 perinataler Todesfall 55, 77 perineale Kloakenbildung 163 perineale Sepsis 159 perioperative Antibiotikaprophylaxe 226 Periost 205 peripartale Asphyxie 29 perirektales Hämatom 154 Peritonitis, nach einer Schnittentbindung 225 Peromelie 67 persönliche Täterschuld 247 Persönlichkeitsstörung 251 PGF2 Alpha 236 pH-Wert, Abfall 5 phlegmonöse Myometritis 231 Phokomelie 67 Physikotherapie nach Bobath 107 Pinard’sches Hörrohr 25 Plazenta, Verdacht auf Unvollständigkeit 124 Plazenta accreta 155 Plazenta praevia 155 Plazentaanteil 123 Plazentanachtastung 123 Plazentapolypen 119 plazentare Hypoperfusion 16 Plazentarest 119, 123, 235 Plazentareste nach der Geburt 119 Plazentarrest, im Gebärmutterhalskanal 121 Plazentasitz 62 Plexuslähmung 104 Polyhydramnium 77 Posé-Test (Wehenmittelbelastungstest) 146 postasphyktische Leukencephalopathie 22, 25 postoperative Infektion 232 posttraumatische Belastungsstörung 201 potenzielle Nabelschnurkompression 166 Präeklampsie 17, 76, 211, 235 Pränataldiagnostik 57 pränataler Ultraschall 58 präoperative Gestagentherapie 260 Pressorezeptoren 91 primäre Schnittentbindung 178, 205 primäre Wehenschwäche 172
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primärer Sepsisherd 233 privilegiertes Delikt 253 Progesteron 202 prolongierte Bradykardie 146, 157 Propess® 52 proportionierte Wachstumsverzögerung 82 Prostin® E2 115 Proteus mirabilis 78 protrahierter Sauerstoffmangel 179 psychische Traumatisierung 202 psychologisches Gutachten 201 psychomotorische Behinderung 7 psychomotorische Defizite 220 psychomotorischer Entwicklungsrückstand 255 psychosomatische Auffälligkeit 221 puerperale Infektionen 224 Puerperalsepsis, nach Kaiserschnitt 224 Pulsatility-Index 78 Qualitätssicherung des sonographischen Fehlbildungsscreenings 61 querer Kleinhirndurchmesser 59 Querlage 107 Querschnittläsion bei C2 132 rechtswidrig schuldhaftes Verhalten 124 regelrechte Hinterhauptslage 4 regelwidrige Lage 180 reifungsretardierte Plazenta 87 Rekonstruktion, anatomisch funktionell korrekte 100 Rektovaginalfistel 160 relatives Missverhältnis Kind / Becken 178 Residuen 121 respiratorische Azidose 214 Restlähmung 108 retroplazentares Hämatom 33 reumütiges Geständnis 247 Revision 239 Revision in protrahiertem Schockzustand 239 Rheumamedikament 249 Risikoschwangerschaft 82, 93 Riss der Falx cerebri 166 Riss des Gebärmutterhalses und -körpers 150 röntgenologische Beckenmessung 178 Röntgenpelvimetrie 178 Rotationszange 140 Routinekontrolle 123 Rückenmarksschädigung – geburtstraumatisch bedingte 142 – nach Zangenoperation 139 Rüsche 100
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Sacrouterinligament 21 Sauerstoffmangel sub partu 179, 182 Sauerstoffmangel unter der Geburt 256 Saugdrainage 98 Schädel eingetreten 41 Schädel-Becken-Missverhältnis 128 Schädelhirntrauma, massives 245 Schätzung des Schwangerschaftsalters 59 Scheidenspülung 232 schicksalhaftes Ereignis 81 schicksalshaftes Elementarereignis 22 schlaffe Parese 7 Schlaganfall, Risiko eines 203 Schlaufenverband 114 Schließmuskelschaden, nach Entbindung 154 Schlüsselbeinbruch rechts 107 schmaler Schambeinwinkel 178 Schmerzbelastung, höchstmöglich existierende 200 Schmerzensgeld, Globalsumme 203 Schnittentbindung 4 Schnittverletzung – des vorangehenden Kindsteils 205 – über der großen Fontanelle 205 Schock 34 – unter der Geburt 234 Schuld und Tat angemessen 253 schuldhaft vorwerfbarer Fehler 54 schuldig 252 Schulterdystokie 51 schwallartige Blutung 158 Schwangerschaftsabbruch 248 Schwangerschaftsabbruch nach SSW 12 250 Schwangerschaftsalter, exakte Kenntnis des 86 schwangerschaftsinduzierte Hypertonie 211 schwangerschaftsinduzierter Bluthochdruck 76 Schweißtest, positiver 107 schwere Asphyxie 245 schwere fahrlässige Körperverletzung 25 schwere Schmerzen 200 schwerstbehindert 46 Sedoanalgesierung 205 seelische Schmerzen 203 Seitenlagerung 5 sekundäre Wehenschwäche 172 Sensitivität 54 sensorische Darminkontinenz 154 Sepsis 79 Sepsis im Wochenbett 227 septische Endometritis 233 septische Milz 228
septischer Schock 227 Sickerblutung 205 Sinnestäuschung 251 Sinus sagittalis superior 205 Sinus sagittalis superior-Blutung 205 Sinus venosus sagittalis superior 206 – passagere partielle Thrombolose des 207 Sinusblutung 166 small for gestational age 211 Sorgfaltsverletzung 220 Sowiesoschaden 124 Spannungspneumothorax 216, 218 spastische Quadruplegie 182 Spätblutung 122 Spätfolgen 160, 203, 213 Spätgeburt 172 Spekulumuntersuchung 155 Spezifität 54 Sphinkterschaden 154 – nach der Geburt 154 Spina bifida (Spaltwirbel) 59 Spontanruptur 145 Stand der Wissenschaft 95 Staphylococcus epidermidis Sepsis 219 statomotorische Retardation 255 Stauungshämatom 107 Steißlage 2 § 80 StGB (fahrlässige Tötung) 53 stichprobenartige Auskultation 91 stille Ruptur 145 Strafantrag 25 Strafsache 53 Stromtherapie 107 Stufeneinteilung 61 Stuhlinkontinenz 154 sub partu-Todesfall 93 Subileus 227 Subileus-Erscheinung 262 subjektive Vorwerfbarkeit 109 subpartaler Todesfall 51 subtotale Perforation 266 Sulcus centralis 207 Sulproston® 236 suprapubischer Druck 52 Suprarenin® 239 Suprarenin® intradardial 240 supravaginale Entfernung der Gebärmutter 228 supravaginale Hysterektomie 226 Surfactanttherapie 218 symmetrische Wachstumsretardierung 82 Symphysenruptur 111 – partielle oder totale 114
Register Symphysenschaden 113 Symphysensprengung 111, 115 Symphysenüberdehnung 116 Symphysenzerreißung 111 Systemfehler 40 Tachykardie 34 Tachysystolie 214 Tamponade der Gebärmutter 237 Tatbildlichkeit 182 teilbedingte Freiheitsstrafe 247 Tentoriumriss 166 terminale Herzfrequenz 92 Terminüberschreitung 198 Tetraplegie 131 Tetraspastik 37 Thoraxquerdurchmesser (THQ) 62, 82 Thrombozytenkonzentrat 79 tiefer Schulterquerstand 110 Tod durch Ersticken 251 Todesangst 201 tonisch-klonische Zuckungen 63 tonisch-klonischer Krampf 8 Torticollis 220 Tötung des Kindes bei der Geburt (§ 79 StGB) 249 Traktion 130 – am Kopf 102 transmurale Darmwandnekrose 261 transmurale thermische Darmläsion 266 transmurale Verbrennung 266 traumatische Uterusruptur 144, 152 Trichterbecken 95 Trisomie 18 58 Trisomie 21 (Downsyndrom) 58 Tubensterilisation 107 turtle-Phänomen 110 Übergewicht 51 Übertragung 87 Ultraschall-Biometrie 77, 85 Ultraschallgewichtsschätzung, bei Riesenkindern 55 ungenügende Rückbildung der Gebärmutter 227 ungleiches Wachstum 77 Unrechtsgehalt der Tat 247 unter besonders gefährlichen Verhältnissen 181 untere Plexuslähmung (Klumpke’sche Lähmung) 105 unterlassene Aufklärung 69
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Unterwassergeburt 12 Unvollständigkeit der Plazenta 123 unvorhersehbare geburtshilfliche Komplikation 114 ursächlicher Zusammenhang 139 utero-plazentare-Insuffizienz 211 Uterotomie, Revision der 228 Uterusatonie 155 Uterusexstirpation 261 Uteruskompression 155 Uterusnekrose 261 – im Bereich der Uterotomie 226 Uterusruptur 117, 143 – an der Vorderwand 196 – Therapie der 145 Uterusvarizenblutung 16 vaginale Blutung 235, 238 – massive 35 vaginaloperative Entbindungen 37 Vaginaloperative Geburt 126 Vakuumextraktion 36, 38, 120, 126 variable Dezeleration, leichte, mittelschwere und schwere 5 Vasa praevia-Blutung 27, 30 Vasopressin® 237 Vena femoralis-Katheter 223 Vena jugularis-Kanüle 223 Verbluten, nach Kaiserschnitt 234 Verblutungstod 235 Verbrauchskoagulopathie 34, 158 Verfahrenshilfe 220 Vergehen der fahrlässigen Körperverletzung 246 vergrößerte Zysterna magna 58 Verjährung 182 Verjährungsverzicht 160 Verletzungsausmaß 162 Verlust der Lebensqualität 201 Verlust des Selbstwertgefühls als Frau 201 verminderte Harnmenge 235 verminderte Kindsbewegung 87 Vermögensschaden 71 verringerte Blutplättchen 78, 79 verspäteter Kaiserschnitt 175 verstärkte Blutung, nach der Geburt 235 verstärkte Nachblutung 87 verstärkte postpartale Blutung – frühe 235 – späte 235 Verunstaltungsentschädigung 188, 220 verzögerter Geburtsverlauf 134, 235
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verzögerter Kaiserschnitt 210 violente Uterusruptur 144 virale Leberentzündung 79 Vojta-Therapie 107 vollkommene Fußlage 190 vorfallskausale Schmerzäquivalenz 200 vorgeburtliches Screening 58 Vorhersagekraft des Ultraschalls 54 Vorstrafe 246 Vorwarneffekt 85 vorwerfbare, schuldhafte ärztliche Fehlleistung 179 Vorwerfbarkeit, der Rückenmarksläsion 133 vorzeitige Plazentalösung 29 vorzeitige Plazentareifung 83 vorzeitige Wehen 77 vorzeitiger Blasensprung 51, 172 vorzeitiger Wechsel 199 Vulvavarizen 195 Vulvitis 230 Wachstumsdiskordanz 77 Wahn 251 Wandschadenruptur 144 Wehenbelastungstest 84 Wehenbelastungstest nach Hammacher 93 Wehenhemmer 29
Wehenhemmung, intravenöse 5 Wehenintervall 5 Wehenmittelruptur 148 Wehenmittelüberdosierung 219 Wiederherstellungszeit, bei Armplexuslähmungen 105 Williams-Beuren-Syndrom 257 Woods-Manöver 52 wrongfull birth-Fall 74 Zange 126 Zangenentbindungen – aus Beckenmitte 106 – vom Beckenboden 106 Zangenmarke 131 Zusatzkriterien – ungünstige 215 – variable Dezelerationsmuster 215 Zweitoperation 100 Zwillinge 76 Zwillingsschwangerschaft 76 zyanotische Verfärbung 107 Zyste in der hinteren Schädelgrube 57 zystische Encephalopathie 46 Zystographie 29 zytogenetische Untersuchung 68
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