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German Pages XII, 851 [874] Year 2022
Vahlens Handbücher
Louis Perridon Manfred Steiner Andreas Rathgeber Finanzwirtschaft der Unternehmung
Vahlen
18. Auflage
Vahlens Handbücher der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften
Finanzwirtschaft der Unternehmung von
Prof. Dr. Dr. h. c. Louis Perridon und
Prof. Dr. Manfred Steiner und
Prof. Dr. Andreas W. Rathgeber
18., überarbeitete und erweiterte Auflage
Verlag Franz Vahlen München
Prof. Dr. Dr. h. c. Louis Perridon (†) ist emeritierter Ordinarius für Betriebswirtschaftslehre an der Universität Augsburg. Prof. Dr. Manfred Steiner war bis zu seiner Emeritierung Inhaber des Lehrstuhls für Finanzund Bankwirtschaft an der Universität Augsburg. Dr. Andreas Rathgeber ist Professor für Applied Data Analysis am Institut für Materials Resource Management der Universität Augsburg.
ISBN Print: 978 3 8006 6816 8 ISBN E-Book: 978 3 8006 6817 5 © 2022 Verlag Franz Vahlen GmbH, Wilhelmstr. 9, 80801 München Satz: Fotosatz Buck Zweikirchener Str. 7, 84036 Kumhausen Druck und Bindung: Beltz Grafische Betriebe GmbH Am Fliegerhorst 8, 99947 Bad Langensalza Umschlaggestaltung: Ralph Zimmermann – Bureau Parapluie
Gedruckt auf säurefreiem, alterungsbeständigem Papier (hergestellt aus chlorfrei gebleichtem Zellstoff)
Vorwort zur 18. Auflage
Seit der letzten Auflage im Jahre 2016 haben sich wichtige Parameter für finanzwirtschaftliche Entscheidungen auf den Finanzmärkten verändert. Durch Notenbankpolitiken, wie insbesondere die der EZB, die als primäre Zielsetzung Wohlstandstransfers anstelle von Geldwertstabilität in ihrem Fokus haben, entwickelte sich ein finanzwirtschaftliches Umfeld mit beachtlicher und somit entscheidungsrelevanter Inflationshöhe und dies bei gleichzeitig langfristig negativen Zinsen. Eine kostenlose Bargeldhaltung ist damit nicht mehr möglich, und die wichtige Aufbewahrungsfunktion des Geldes zu einem quasi sicheren Zinsfuß ist verloren gegangen. Dies stellt für viele finanzwirtschaftliche Modelle und praxisrelevante Bewertungsverfahren für Finanzinstrumente ein Problem dar. Die betroffenen Modelle und Kalküle müssen daher so verändert und angepasst werden, dass sie einen, früher für unrealistisch gehaltenen, Finanzmarkt mit negativen Zinsen abbilden können. Eines der größeren Themen der Neuauflage ist deshalb die Berücksichtigung von negativen Zinsen bei Finanzprodukten wie Swaps, Zinsoptionen und Floating Rate Notes. Bei den Ausführungen zu Kapitalkosten und Unternehmensbewertung wurden Debt Betas mit einbezogen. Ein weiterer veränderter Parameter auf den Finanzmärkten ist die sich immer mehr intensivierende Berücksichtigung der Nachhaltigkeit bei finanzwirtschaftlichen Entscheidungen. Dem wird in der Neuauflage durch Ausführungen bei den Unternehmenszielen, der Asset Allocation (Investmentfonds), den Anleihen sowie bei den Kapitalkosten Rechnung getragen. Eine Finanzierungsvariante, die sich in den letzten Jahren herausgebildet hat, ist das Crowd Funding. Im Buch werden die beiden Ausprägungen Crowd Investing und Crowd Lending erläutert. Wie immer wurden Veränderungen im institutionellen Bereich eingearbeitet, so insbesondere neue Marktsegmente der Deutschen Börse und Veränderungen in deren Indexwelt, wie der neu geschaffene DAX 40. Gleiches gilt für Veränderungen bei Gesetzen und Regularien. Es fanden kleinere Änderungen im Steuerrecht (degressive Abschreibungen, Option zur Körperschaftsteuer von Personengesellschaften, SOLI-Anpassungen) und im Recht von Personengesellschaften Berücksichtigung. Darüber hinaus wurden neue empirische Forschungsergebnisse bei den Ausführungen zu Kapitalstruktur, Faktormodellen und Hedging einbezogen, wie das derzeit besonders im Fokus stehende Five Factor Model von French und Modelle mit Liquiditätsfaktor.
VI
Vorwort zur 18. Auflage Einige Beispiele in den Bereichen Investitionsentscheidungen und Leasing wurden modifiziert oder zusätzlich aufgenommen. Wie bei jeder Neuauflage wurde das Stichwortverzeichnis einer Überarbeitung unterzogen. Sollten Sie als Leser trotz der von uns angewandten Sorgfalt Fehler entdecken, so bitten wir um Hinweis unter [email protected]. Wir danken allen Lesern, die durch ihre Anregungen zur Verbesserung des Buches beigetragen haben. Unser besonderer Dank für die tatkräftige Unterstützung bei der Überarbeitung des Buches gilt Herrn Florian Schmid M.Sc., Herrn Markus Ulze M.Sc., Herrn Andreas Herb B.Sc. und Herrn Tobias Herkommer Stud. Ing. Augsburg im Juni 2022
Manfred Steiner Andreas Rathgeber
Inhaltsübersicht
Vorwort zur 18. Auflage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
V
Symbole . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
XXI
A. Grundlagen der Finanzwirtschaft der Unternehmung I. Finanzwirtschaftliche Grundbegriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Finanzwirtschaft und Zielsetzung der Unternehmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Forschungsansätze in der Finanzwirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3 10 20
B. Management der Vermögensstruktur I. Investitionsrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Finanzwirtschaftliche Disposition des Umlaufvermögens . . . . . . . . . . . . . . . .
35 169
C. Wertpapiergeschäfte I. Organisation der Finanzmärkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Ansätze zur Beurteilung festverzinslicher Effekten und Portefeuillestrategien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Konzeption und methodische Ansätze der Analyse von einzelnen Aktien und Aktienindizes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Wertpapierprogrammentscheidungen – Aktienanalyse im Portefeuillezusammenhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Risikomanagement mit Termingeschäften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Die Besteuerung von Wertpapieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
189 204 237 285 358 423
D. Alternativen der Kapitalaufbringung I. II. III. IV. V.
Systematisierungsansätze der Finanzierungsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Außenfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Innenfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kapitalstruktur und Verschuldungspolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die neoinstitutionalistische Betrachtung der Finanzierungsbeziehung . . . . .
431 435 554 571 635
VIII
Inhaltsübersicht E. Finanzanalyse I. Kennzahlenanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Kennzahlensysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Kapitalflussrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
659 692 709
F. Finanzplanung I. II. III. IV. V. VI.
Begriff und Wesen der Finanzplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Prognosemethoden im Rahmen der Finanzplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kapitalbedarfsplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Liquiditätsplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Integrierte Finanzplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Plananpassung und Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
733 744 761 768 773 776
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
783
Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
837
Inhaltsverzeichnis
Vorwort zur 18. Auflage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
V
Symbole . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
XXI
A. Grundlagen der Finanzwirtschaft der Unternehmung I.
Finanzwirtschaftliche Grundbegriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ökonomischer Bezugsrahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kapital und Vermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Finanzmanagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3 3 5 8
II. Finanzwirtschaft und Zielsetzung der Unternehmung . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Theorien der Unternehmung und Zielsysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Finanzwirtschaftliche Entscheidungskriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Unabhängigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Liquidität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Rentabilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Unsicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Shareholder Value . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Nachhaltige Unternehmensentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
10 11 13 13 13 15 16 17 18
III. Forschungsansätze in der Finanzwirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Das Forschungskonzept der klassischen Finanzierungslehre . . . . . . . . . . . 2. Neoklassische Finanzierungstheorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Einwertige Ansätze unter der Annahme der Sicherheit . . . . . . . . . . . . . . b) Kapitaltheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Finanzchemie und Financial Engineering . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Neoinstitutionalistische Finanzierungstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Behavioristische Finanzwirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
20 22 24 24 25 28 29 30
B. Management der Vermögensstruktur I.
Investitionsrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines zu Investitionsrechenverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Investitionsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Grundlagen der Investitionsrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Überblick über die Investitionsrechenverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Ausgangsbeispiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
35 35 35 36 38 39
X
Inhaltsverzeichnis 2. Statische Investitionsrechenverfahren (Praktikerverfahren) . . . . . . . . . . . . a) Kostenvergleichsrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Auswahlprobleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Gewinnvergleichsrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Grundlegendes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Beispielrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Rentabilitätsvergleichsrechnung (Return on Investment) . . . . . . . . . . . . aa) Grundlegendes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Beispiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Amortisationsrechnung (Pay-off Period) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Grundlegendes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Durchschnittsrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Totalrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Beurteilung des Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Kritik an statischen Investitionsrechenverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Dynamische Investitionsrechenverfahren (Isolierte Mehrperiodenmodelle) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundlagen dynamischer Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Darstellung der dynamischen Verfahren für den Fall der Einzelinvestition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Kapitalwertmethode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Interne Zinssatzmethode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Annuitätenmethode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Einfluss der Verfahrenswahl auf die Investitionsentscheidung für den Fall der Einzelentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Das Auswahlproblem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Vollständiger und begrenzter Vorteilsvergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Einfluss der Rechenverfahren auf die Investitionsentscheidung beim Alternativenvergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Das Problem der optimalen Nutzungsdauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Bestimmungsfaktoren der Nutzungsdauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Ermittlung der optimalen Nutzungsdauer eines einmaligen Investitionsobjektes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Ermittlung der wirtschaftlichen Nutzungsdauer bei Unterstellung von Investitionsketten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Ermittlung der optimalen Nutzungsdauer bei einer unendlichen Kette von identischen Investitionsobjekten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Approximative Verfahren zum Ersatzzeitpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Vorüberlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Lösung des Ersatzzeitproblems mithilfe der MAPI-Methode . . . . . f) Die Steuern als Einflussgröße in der Investitionsrechnung . . . . . . . . . . . g) Modellannahmen und Anwendbarkeit der Kapitalwertmethode . . . . . aa) Vorüberlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Modellannahmen der Kapitalwertmethode und Realwelt . . . . . . . . cc) Anpassung der Prämissen an die Realwelt als Lösungsmöglichkeit? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Anwendbarkeit in der Realwelt trotz Prämissenverletzung? . . . . . .
40 41 41 44 46 46 47 48 48 48 50 50 50 51 54 55 56 57 60 60 63 66 67 67 67 72 77 77 78 81 83 86 86 86 88 91 91 91 95 96
Inhaltsverzeichnis ee) Die Umsetzung der Kapitalwertmethode für die Anwendung in der Realwelt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . h) Dynamische Endwertverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Vermögensendwertmethode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Sollzinssatzmethode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Investitionsprogrammentscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die klassischen Ansätze zur Bestimmung des optimalen Investitions-/Finanzierungsprogramms (Dean-Modell) . . . . . . . . . . . . . c) Die Lösung des Interdependenzproblems mithilfe der linearen Programmierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Das Einperiodenmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Das Mehrperiodenmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Der Einfluss des Produktionsprogramms auf das optimale Investitionsprogramm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Beurteilung der Modellansätze für Investitionsprogrammentscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Berücksichtigung der Unsicherheit bei Investitionsentscheidungen . . . . . a) Die Unsicherheitssituation und ihre Formen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Risiko . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Ungewissheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Traditionelle Lösung durch Korrekturverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Investitionsentscheidungen auf der Grundlage von Wahrscheinlichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) PV-Prinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Bernoulli-Prinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) (Semi-)Subjektive Investitionsbewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Investitionsentscheidung auf Basis von Kapitalmarktgleichgewichtsmodellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Sensitivitätsanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Risikoanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Einsatzbereich und Verfahrensablauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Anwendung der Simulationstechnik auf Investitionsentscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Beispiel einer Investitionssimulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Beurteilung des Simulationsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Entscheidungsbaumverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Realoptionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . h) Berücksichtigung der Unsicherheit durch das Chance Constrained Programming . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Finanzwirtschaftliche Disposition des Umlaufvermögens . . . . . . . . . . . . . . 1. Das Kassenhaltungsproblem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ziele und Aufgaben der Kassenhaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Entwicklung von Cash-Management-Systemen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Darstellung von Cash-Management-Systemen . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Beurteilung von Cash-Management-Systemen . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Theoretische Kassenhaltungsmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Das Baumol-Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
XI
96 99 100 102 105 106 106 110 111 112 117 118 119 122 122 123 125 126 127 133 139 144 147 150 150 152 152 156 156 162 165 169 171 171 172 172 175 176 176
XII
Inhaltsverzeichnis bb) Das Modell von Beranek . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Das Modell von Miller und Orr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Beurteilung der Kassenhaltungsmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Disposition des Forderungsbestandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Lagerhaltung als finanzwirtschaftliches Entscheidungsproblem . . . .
178 179 181 182 183
C. Wertpapiergeschäfte I.
Organisation der Finanzmärkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Nationale Kassamärkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Xeno-/Euromärkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Eurogeldmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Eurokreditmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Eurokapitalmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Terminmärkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Terminbörsen und Over-the-Counter-Märkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Wettbewerb auf den Terminmärkten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die European Exchange (EUREX) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
189 189 191 194 194 196 197 197 198 198 200 202
II. Ansätze zur Beurteilung festverzinslicher Effekten und Portefeuillestrategien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Effektivrendite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Barwertbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Barwerte unter der Annahme konstanter Kalkulationszinssätze . . . . . . b) Barwertbestimmung unter Berücksichtigung nicht-flacher Zinsstrukturkurven . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Zinsstrukturkurven . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Nullkuponanleihen-Effektivrenditen (Spot-Rates) . . . . . . . . . . . . . . . cc) Terminzinssätze (Forward-Rates) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Negative Zinssätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Bonitätsrisiko und weitere Beurteilungskriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Bonitätsrisiko . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Nachhaltigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zinsänderungsrisiko und Immunisierungsstrategien . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Zinsänderungsrisiko . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Duration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Effective Duration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Key Rate Duration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
209 210 211 214 216 218 218 222 224 224 224 230 230
III. Konzeption und methodische Ansätze der Analyse von einzelnen Aktien und Aktienindizes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Aufgaben und Ansätze der Aktienanalyse im Überblick . . . . . . . . . . . . b) Aktienkurse als stochastischer Prozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Fundamentalanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Das theoretisch fundierte Konzept des Present Value . . . . . . . . . . . . . . . aa) Investitionstheoretische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
237 239 239 242 245 245 245
204 205 208 208
Inhaltsverzeichnis bb) Ansatz der wertbestimmenden Ergebnisgrößen . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Die Wahl des dem Modell zugrunde liegenden Kalkulationszinsfußes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Discounted Cashflow-Verfahren zur Unternehmensbewertung . . . . . . c) Das vereinfachende Konzept des Price-Earning-Ratio-Wertfaktors (PER) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) PER als Kennziffer der Aktienkursbewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Wertpapierstrategien auf Basis von PER-Analysen . . . . . . . . . . . . . . d) Das Kurs-Cashflow-Verhältnis (KCF) als verbesserte Grundlage für die Wertpapieranalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Künstliche Neuronale Netze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Monetaristische Erweiterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die technische Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verwendung von Kursdiagrammen (Charts) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ansätze zur Analyse des Gesamtmarktes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Aktienindizes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Trendentwicklungen und zyklische Schwankungen . . . . . . . . . . . . . cc) Prognose des Gesamtmarktverlaufs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Zur Zuverlässigkeit von Gesamtmarktprognosen . . . . . . . . . . . . . . . c) Klassische Ansätze zur Prognose von Einzelwerten . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Aktientrendanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Widerstands- und Unterstützungslinien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Formationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Zur Zuverlässigkeit des Formationssystems und des Chart Reading . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Wertpapierprogrammentscheidungen – Aktienanalyse im Portefeuillezusammenhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Portefeuilletheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Theorie der Wertpapiermischung (Portfolio Selection Theory) . . . . . . . b) Indexmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Marktmodell (MM) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kapitalmarkttheoretische Grundlagen der Wertpapieranalyse . . . . . . . . . . a) Untersuchungszielsetzungen der Kapitalmarkttheorie . . . . . . . . . . . . . . b) Der klassische Ansatz der Kapitalmarkttheorie: Das Capital Asset Pricing Model (CAPM) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Modellannahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Kapitalmarktlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Die Wertpapierlinie (Capital Asset Pricing Model) . . . . . . . . . . . . . . dd) Die Preisgleichung (Capital Asset Pricing Model) . . . . . . . . . . . . . . . c) Modellvarianten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Multi-Beta Capital Asset Pricing Model . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Empirische Überprüfung des Kapitalmarktmodells . . . . . . . . . . . . . . . . f) Die Arbitrage Pricing Theory . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Modellannahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Herleitung der Bewertungsgleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Identifikation der relevanten Faktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
XIII 246 250 252 258 258 259 260 261 262 265 266 269 269 271 273 276 277 277 279 280 283 285 287 287 295 296 297 297 298 298 300 302 307 309 313 314 318 318 319 321
XIV
Inhaltsverzeichnis 3. Anlageentscheidungen im modernen Portefeuillemanagement – Asset Allocation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundlagen der Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kapitalmarkttheoretische Kennzahlen zur Beurteilung von Anlagemöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ableitung einer Anlagephilosophie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Investmentfonds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Performance-Messung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Behavioral Finance . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Einschränkungen der Arbitragemöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Psychologische Erklärungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Meinungsbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Präferenzbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Anwendung der Behavioral Finance auf einige bekannte Kapitalmarktanomalien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Die Coherent Market Hypothesis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Risikomanagement mit Termingeschäften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Unbedingte Termingeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Forwards und Futures . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Kennzeichnung von Forward- und Future-Geschäften . . . . . . . . . . bb) Die Preisbildung von Financial Futures . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Motive für den Abschluss von Futures . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Devisentermingeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Rohstofftermingeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Swap-Geschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Grundformen von Swap-Transaktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Währungsswap . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Zinsswap . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Swap-Märkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Asset Swap . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Bedingte Termingeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Optionsgeschäfte im Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Bewertung von Optionsrechten auf Aktien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Komponenten des Wertes einer Option . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Optionsbewertungsmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Put-Call-Parität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Kennzahlen des Optionsgeschäfts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zinsbegrenzungsverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Cap . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Floor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Collar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Devisenoptionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Kreditderivate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Kombinationen aus Termin- und Grundgeschäften nebst deren Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Portefeuilleversicherungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
324 324 326 331 333 340 344 345 346 346 349 355 356 358 360 362 362 362 364 366 368 370 376 376 377 378 382 383 386 386 389 389 393 402 403 406 406 408 408 408 410 412 412
Inhaltsverzeichnis
XV
b) Finanzchemie und Financial Engineering als Grundlage moderner Bewertungsmethoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Grundbausteine des Financial Engineering . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Indexzertfikate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Discount-Zertifikate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Bandbreitenzertifikate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
413 413 415 416 417 419
VI. Die Besteuerung von Wertpapieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Wertpapiere im Privatvermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Wertpapiere im Betriebsvermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Besonderheiten bei ausländischen Wertpapieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
423 423 426 427
D. Alternativen der Kapitalaufbringung I.
Systematisierungsansätze der Finanzierungsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
431
II. Außenfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Einlagen- und Beteiligungsfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Beteiligungsfinanzierung von Unternehmungen ohne direkten Zugang zur Börse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Beteiligungsfinanzierung von Unternehmungen mit Zugang zur Börse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Besonderheiten der internationalen Beteiligungsfinanzierung . . . . . . . aa) Depository Receipts (DR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Tracking Stocks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Equity Carve-out/Spin-Off . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Grundlagen der Kreditfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Charakteristika und Formen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kreditwürdigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Insolvenzverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Kreditbesicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Covenants zwischen Kreditnehmer und Kreditgeber . . . . . . . . . . . . . . . 3. Langfristige Kreditfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Schuldverschreibungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Industrieobligationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Anleihen von Kreditinstituten und der öffentlichen Hand . . . . . . . b) Varianten der Schuldverschreibung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Optionsschuldverschreibungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Wandelschuldverschreibungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Gewinnschuldverschreibungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Nullkuponanleihen (Zerobonds) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Anleihen mit variabler Verzinsung (Floating Rate Notes) . . . . . . . . ff) Weitere Anleihen mit nicht konstanter Verzinsung . . . . . . . . . . . . . . gg) Doppelwährungsanleihen (Multi-Currency Notes) . . . . . . . . . . . . . . hh) Anleihen in Verbindung mit Zins- und Währungsswaps . . . . . . . . . c) Schuldscheindarlehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Langfristige Bankkredite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Gesellschafterdarlehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
435 435 438 445 456 456 457 459 460 461 462 463 465 472 473 475 475 478 478 478 484 487 488 489 490 490 491 491 495 497
XVI
Inhaltsverzeichnis f) Crowd Lending . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Tilgungsmodalitäten und Effektivbelastung bei langfristigen Krediten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . h) Genussscheine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Kurzfristige Kreditfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Handelskredite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kontokorrentkredite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Wechseldiskontkredite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Commercial Papers, Euronotes und Medium Term Notes . . . . . . . . . . . . e) Lombardkredite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Kreditleihe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Kredite im Auslandsgeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Kreditsubstitute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Factoring . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Asset Backed Securities . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Konzept und Kategorisierung von Asset Backed Securities . . . . . . . bb) Struktur und Design . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Motivationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Leasing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Konzeption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Operating Leasing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Financial Leasing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Vertragsgestaltung des Financial Leasing bei Vollamortisation . . . ee) Teilamortisationsverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ff) Bedeutung der steuerlichen Zurechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . gg) Berücksichtigung des Finanzierungs-Leasings in der Handelsbilanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . hh) Bilanzierung von Leasing nach internationalen Rechnungslegungsnormen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ii) Vergleich Leasing und Kauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
498 499 503 504 505 507 508 512 515 517 520 524 525 527 527 529 534 536 536 537 537 538 542 543 544 544 546
III. Innenfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Definition und Systematisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Selbstfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Offene Selbstfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Stille Selbstfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Beurteilung der Selbstfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Finanzierung aus Umsatzeinzahlungen mittels Abschreibungen . . . . . . . a) Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kapitalfreisetzungs- und Kapazitätserweiterungseffekt . . . . . . . . . . . . . c) Beurteilung des Kapazitätserweiterungseffekts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Finanzierung aus Umsatzeinzahlungen mittels Rückstellungen . . . . . . . . 5. Finanzierung durch Vermögensumschichtung (Kapitalfreisetzung) . . . . .
554 555 556 556 558 560 562 562 563 566 567 569
IV. Kapitalstruktur und Verschuldungspolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Kapitaltheoretische Ansätze zur Optimierung der Unternehmensfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Financial Leverage und Kapitalkosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der Leverage-Effekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
571 573 575 575
Inhaltsverzeichnis
XVII
b) Kapitalkosten und Marktwert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verschuldungsanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die These des optimalen Verschuldungsgrades . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Grundannahmen der These . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Das Problem der Konditionenanpassung für die Altgläubiger . . . . b) Das Modigliani-Miller-Theorem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Modellannahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Modigliani-Miller-Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Thesen-Beweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Modellmodifikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Vergleichende Würdigung der Modellansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Verfahren der Kapitalkostenbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Bestimmung der Eigenkapitalkosten bei Unsicherheit mithilfe des CAPM . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Modigliani-Miller und Wertadditivitätstheorem (WAT) . . . . . . . . . . . . . c) Bestimmung der Eigenkapitalkosten mit Optionspreismodellen . . . . . . d) Bestimmung der Eigenkapitalkosten auf Basis des CAPM mit ausfallrisikobehafteten Fremdkapital . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Bestimmung der Eigenkapitalkosten mithilfe des Verfahrens der impliziten Kapitalkosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Finanzierungskostenvergleich unter besonderer Berücksichtigung der Steuerbelastung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Die Bedeutung der Ausschüttungsentscheidung für die optimale Unternehmensfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Dividendenpolitik und vollkommener Kapitalmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . b) Dividendenpolitik und Steuern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Dividendenpolitik und informationsineffizienter Kapitalmarkt . . . . . . 7. Einsatz von Risikomanagementinstrumenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
581 582 582 582 584 585 585 586 591 595 599 603
V. Die neoinstitutionalistische Betrachtung der Finanzierungsbeziehung . . 1. Abgrenzung der neoinstitutionalistischen Ansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Agency-Theorie und Finanzierungsbeziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Asymmetrische Informationsverteilung vor Vertragsabschluss . . . . . . b) Informationsasymmetrie nach Vertragsabschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Der Markt für Unternehmensübernahmen als Kontrollinstrument . . . d) Beteiligung der Manager am Unternehmenserfolg . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Investor Relations . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
635 636 638 638 644 649 649 653
603 607 610 615 619 621 624 625 626 626 628
E. Finanzanalyse I.
Kennzahlenanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Analysezwecke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Analyseablauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Bestandsorientierte Strukturkennzahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vermögensstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kapitalstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Horizontale Bilanzstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Finanzierungsregeln (langfristige Deckungsgrade) . . . . . . . . . . . . . . bb) Liquiditätsregeln und -kennzahlen (kurzfristige Deckungsgrade) .
659 660 661 663 663 664 668 668 671
XVIII
Inhaltsverzeichnis d) Beurteilung bestandsorientierter Kennzahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Stromgrößenorientierte Kennzahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Erfolgskennzahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Absolute Erfolgskennzahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Relative Erfolgskennzahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Aktivitätskennzahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
673 674 674 674 685 690
II. Kennzahlensysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Logisch-deduktive Kennzahlensysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Du-Pont-System . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Pyramid-Structure-of-Ratios-System . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) ZVEI-System . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Empirisch-induktive Kennzahlensysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Kennzahlen-Auswahlverfahren auf univariater Basis . . . . . . . . . . . . . . . b) Auswahlverfahren auf multivariater Basis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Multivariate Diskriminanzanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Künstliche Neuronale Netze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
692 693 694 695 696 697 698 702 702 704 705
III. Kapitalflussrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Begriff und Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Beständedifferenzenbilanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Veränderungsbilanz und Bewegungsbilanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Einbeziehung von Kontenumsätzen in Kapitalflussrechnungen (Bruttound Teilbrutto-Bewegungsrechnungen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Einbeziehung der Erfolgsrechnung in Kapitalflussrechnungen . . . . . . . . . 6. Fondsrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Aufstellungs- und Publizitätspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
709 710 711 713 717 718 719 725
F. Finanzplanung I.
Begriff und Wesen der Finanzplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Planung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Organisation der Planung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Planungs- und Budgetierungsgrundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Stellung der Finanzplanung und Budgetierung im Rahmen der Gesamtplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Aufgaben und Ablauf der Finanzplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Formen und Arten der Finanzplanungsrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
733 734 735 738
II. Prognosemethoden im Rahmen der Finanzplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Subjektive Planzahlenbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Extrapolierende Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Trendanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Berücksichtigung von Zyklus und Saison . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Kausale Prognosen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
744 745 746 747 756 758
III. Kapitalbedarfsplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Prognoseplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Standardfinanzplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
761 761 766
739 740 741
Inhaltsverzeichnis
XIX
IV. Liquiditätsplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
768
V. Integrierte Finanzplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
773
VI. Plananpassung und Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
776
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
783
Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
837
Symbole
D. . . . . . . . . . . . . . . . . . E.................. *. . . . . . . . . . . . . . . . . . H.................. O.................. P. . . . . . . . . . . . . . . . . . S.................. U.................. V. . . . . . . . . . . . . . . . . . a.................. A ................. a, b . . . . . . . . . . . . . . . . AfA . . . . . . . . . . . . . . . An . . . . . . . . . . . . . . . . At . . . . . . . . . . . . . . . . . AZ . . . . . . . . . . . . . . . . Bt . . . . . . . . . . . . . . . . . BG . . . . . . . . . . . . . . . . BU . . . . . . . . . . . . . . . . BW . . . . . . . . . . . . . . . . cl . . . . . . . . . . . . . . . . . C ................. C0 . . . . . . . . . . . . . . . . . C0(n) . . . . . . . . . . . . . . CC . . . . . . . . . . . . . . . . COV . . . . . . . . . . . . . . D ................. Delta . . . . . . . . . . . . . . Div . . . . . . . . . . . . . . . e.................. E. . . . . . . . . . . . . . . . . . ED . . . . . . . . . . . . . . . . EK . . . . . . . . . . . . . . . . Er . . . . . . . . . . . . . . . . . Et . . . . . . . . . . . . . . . . . f() . . . . . . . . . . . . . . . . . FK . . . . . . . . . . . . . . . . G ................. g.................. GK . . . . . . . . . . . . . . . . H() . . . . . . . . . . . . . . . . i .................. i, j, n, m . . . . . . . . . . . . I0 . . . . . . . . . . . . . . . . . ieff . . . . . . . . . . . . . . . . . i nom . . . . . . . . . . . . . . .
Irrtumswahrscheinlichkeit Betafaktor bzgl. des Markt- oder Faktorportefeuilles Marktpreis des Risikos Störterm Risikoprämie des Faktorportefeuilles Erwartungswert Risikoprämie Kapitalkostensatz Standardabweichung Wiedergewinnungsfaktor Agio Regressionskoeffizienten Absetzung für Abnutzung Annuität Auszahlungen zum Zeitpunkt t Amortisationsdauer Buchwert des Eigenkapitals im Zeitpunkt t Mapi Bernoullinutzen Barwert Lagerkosten Callpreis Kapitalwert Kapitalwert der Anlage n Cost of Carry Kovarianz Duration Greeks Dividende Thesaurierungsquote Emissionskurs Effektive Duration Eigenkapital Erlöse Einzahlungen zum Zeitpunkt t Dichtefunktion Fremdkapital Gewinn Gewinnwachstum Gesamtkapital Höhenpräferenzfunktion Zinssatz (diskret) Laufvariable Investitionsauszahlung Effektivzins Nominalzins
XXII
Symbole it . . . . . . . . . . . . . . . . . . i(t1-t2) . . . . . . . . . . . . . . . j .................. Ji . . . . . . . . . . . . . . . . . . k.................. Kfix . . . . . . . . . . . . . . . . k i,n . . . . . . . . . . . . . . . . Kon . . . . . . . . . . . . . . . KRD . . . . . . . . . . . . . . Kt . . . . . . . . . . . . . . . . . Kvar . . . . . . . . . . . . . . . KWR . . . . . . . . . . . . . . L. . . . . . . . . . . . . . . . . . LT . . . . . . . . . . . . . . . . . lt . . . . . . . . . . . . . . . . . . M................. MD . . . . . . . . . . . . . . . N ................. N() . . . . . . . . . . . . . . . . P. . . . . . . . . . . . . . . . . . PM . . . . . . . . . . . . . . . . Pr() . . . . . . . . . . . . . . . Pt . . . . . . . . . . . . . . . . . Q ................. q. . . . . . . . . . . . . . . . . . r .................. R ................. R(H()) . . . . . . . . . . . . . ROI . . . . . . . . . . . . . . . RBF . . . . . . . . . . . . . . . Rf . . . . . . . . . . . . . . . . . rf . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ri . . . . . . . . . . . . . . . . . RM . . . . . . . . . . . . . . . . SA . . . . . . . . . . . . . . . . S.................. sEK . . . . . . . . . . . . . . . . sFK . . . . . . . . . . . . . . . . Si . . . . . . . . . . . . . . . . . st . . . . . . . . . . . . . . . . . sw . . . . . . . . . . . . . . . . SZ . . . . . . . . . . . . . . . . T. . . . . . . . . . . . . . . . . . t .................. Ti . . . . . . . . . . . . . . . . . U() . . . . . . . . . . . . . . . . UW . . . . . . . . . . . . . . . V ................. VAR . . . . . . . . . . . . . . . wi . . . . . . . . . . . . . . . . . X ................. x,y . . . . . . . . . . . . . . . . yC . . . . . . . . . . . . . . . . . ZAF . . . . . . . . . . . . . . . ZG . . . . . . . . . . . . . . . . Zt . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Grundlagen der Finanzwirtschaft der Unternehmung
Kapitelübersicht I. Finanzwirtschaftliche Grundbegriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ökonomischer Bezugsrahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kapital und Vermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Finanzmanagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3 3 5 8
II. Finanzwirtschaft und Zielsetzung der Unternehmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Theorien der Unternehmung und Zielsysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Finanzwirtschaftliche Entscheidungskriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
10 11 13
III. Forschungsansätze in der Finanzwirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Das Forschungskonzept der klassischen Finanzierungslehre . . . . . . . . . . . . 2. Neoklassische Finanzierungstheorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Neoinstitutionalistische Finanzierungstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Behavioristische Finanzwirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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I. Finanzwirtschaftliche Grundbegriffe Lernziele dieses Kapitels x Zentral für die Finanzwirtschaft der Unternehmung ist das Verständnis der Unternehmung als Produktionshaushalt in Austauschbeziehungen mit den Märkten (Arbeits-, Beschaffungs-, Absatz und Finanzmarkt). Besonders hervorzuheben ist, dass jedem Strom an Produktionsmitteln, Gütern bzw. Arbeitsleistungen ein Zahlungsstrom entgegensteht. x Die Zahlungen basieren auf Geld, welches als Tausch-, Zahlungs- sowie Wertaufbewahrungsmittel dient. x Das Vermögen einer Unternehmung umfasst – ungeachtet ihrer Funktion – alle Güter, über die ein Produktionshaushalt verfügt. Damit stellt Vermögen potenzielle Kaufkraft dar. x Die potenzielle Kaufkraft des Vermögens wird auch als (Real-)Kapital der Unternehmung bezeichnet. Es entspricht der „Summe der Werte aller materiellen und immateriellen Güter“, in denen das Kapital der Unternehmung investiert ist. x Diese betriebswirtschaftlichen Vermögens- und Kapitalbegriffe sind weiter gefasst als die bilanziellen Begriffe, da hier zusätzlich Ausweispflichten zu beachten sind. x Management bezeichnet führende Tätigkeiten und umfasst Planung, Steuerung und Kontrolle. Aus finanzwirtschaftlicher Sicht fällt dabei dem Management die Aufgabe zu, die Existenz der Unternehmung unter Einhaltung des finanzwirtschaftlichen Gleichgewichts zu sichern. x Das finanzwirtschaftliche Gleichgewicht lässt sich in ein strukturelles und ein dispositives finanzwirtschaftliches Gleichgewicht unterteilen. Ersteres setzt voraus, dass langfristig die Erträge die Aufwendungen überdecken. Letzteres ist gegeben, wenn zwingend fällige Verbindlichkeiten jederzeit uneingeschränkt erfüllt werden können.
1. Ökonomischer Bezugsrahmen In einer arbeitsteilig organisierten Volkswirtschaft gibt es grundsätzlich zwei Kategorien von Wirtschaftssubjekten, solche, die sich der Produktion von Gütern bzw. Dienstleistungen widmen, und solche, die diese Güter oder Dienstleistungen verbrauchen. Erstere werden „Unternehmen“ oder „Unternehmungen“, letztere „Haushalte“ genannt. Beide Kategorien haben miteinander gemein, dass sie aus ökonomischer Sicht über knappe Ressourcen verfügen und deshalb mit ihnen sparsam, d. h. effizient haushalten müssen. Anders gesagt, die Wirtschaftseinheiten, die man richtiger Produktionshaushalte bzw. Konsumhaushalte nennen sollte, müssen, wenn sie ihre Zielsetzungen optimal erreichen wollen, die ihnen zur Verfügung stehenden Ressourcen so einsetzen, dass sie damit unter den gegebenen technologischen, ökonomischen, soziologischen, rechtlichen, politischen und sonstigen Bedingungen einen höchstmöglichen ökonomischen Nutzen erzielen, sei es in der Form der Einkommenserzielung (Gewinn), sei es in der Form der Einkommensverwendung.
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A. Grundlagen der Finanzwirtschaft der Unternehmung Ein Produktionshaushalt ist eine auf Fortbestand ausgerichtete und von einem Willenszentrum geleitete Wirtschaftseinheit, die an einem oder mehreren Teilvorgängen des gesellschaftlichen Produktionsprozesses teilnimmt, indem sie einerseits Wirtschaftsgüter auf ihren Beschaffungsmärkten erwirbt und, nach ihrer Umwandlung in absatzfähigere Produkte, diese andererseits auf den einschlägigen Absatzmärkten veräußert. In dieser Definition wird absichtlich auf mögliche Zielsetzungen, wie Gewinnerzielung, Kostendeckung usw., verzichtet, da die Ziele nicht für alle Produktionshaushalte identisch sein müssen. So können z. B. Unterschiede in den Zielsetzungen zwischen öffentlichen und privaten Produktionshaushalten bestehen. Volkswirtschaftlich fällt den Produktionshaushalten die Aufgabe zu, die Gesellschaft mit Gütern und Dienstleistungen zu versorgen, die zur Befriedigung der vorhandenen und erkennbaren Bedürfnisse benötigt werden. Die Produktionshaushalte sollen einen Beitrag zur Erhaltung und Erhöhung des Wohlstandes der Volkswirtschaft, in die sie eingebettet sind, liefern. Sobald ein Produktionshaushalt diese Dienstleistung an der Gesellschaft nicht mehr erbringt, hat er grundsätzlich seine Raison d’Etre verloren.
Den anderen Pol der Volkswirtschaft bilden die Konsumhaushalte. Auf diese ist letzten Endes die Aktivität der Produktionshaushalte gerichtet, weil sie die letzten Abnehmer der in der Volkswirtschaft produzierten Güter und Dienstleistungen sind. Der Konsumhaushalt ist somit eine Wirtschaftseinheit, welche die zur Befriedigung der Bedürfnisse ihrer Mitglieder notwendigen Güter und Dienstleistungen auf den einschlägigen Beschaffungsmärkten erwirbt und das dazu benötigte Einkommen über den Arbeitsmarkt und ggf. den Finanzmarkt aufbringt, indem sie Arbeitskraft und/oder finanzielle Mittel auf diesen Märkten anbietet. Aus den obigen Definitionen geht hervor, dass die einzelnen Wirtschaftseinheiten durch ein Netz von Märkten miteinander verbunden sind (vgl. Abbildung A 1). In einer arbeitsteiligen Verkehrswirtschaft sind Märkte notwendige Institutionen, deren primäre Aufgabe – alle anderen ihnen zugesprochenen Funktionen, wie Preisgestaltungsfunktion, Informationsfunktion u. ä., können auf ihr begründet werden – es ist, Anbieter und Nachfrager von Wirtschaftsgütern miteinander in Verbindung zu bringen. Märkte sind also funktional betrachtet „Bindeglieder“ zwischen den Produktionshaushalten untereinander einerseits und zwischen diesen und den Konsumhaushalten andererseits. Die bloße Existenz der Märkte genügt aber nicht, um den Tauschverkehr zwischen den Wirtschaftseinheiten optimal zu gestalten. Um ihre Funktion als „Bindeglied“ effizient erfüllen zu können, müssen die Marktteilnehmer über ein Instrument verfügen, das sie in die Lage versetzt, ihre Wertschätzungen bezüglich der auf den Märkten befindlichen Wirtschaftsgüter zu quantifizieren und sie somit miteinander vergleichen zu können. Dieses Instrument ist das Geld. In einer geldmäßig organisierten Volkswirtschaft gibt Geld seinem Besitzer undifferenzierte Kaufkraft, d. h. ein Anrecht auf einen Teil des Sozialprodukts. Die Volkswirtschaftslehre lehrt, dass Geld grundsätzlich drei Funktionen erfüllt: Es ist als erstes Tausch- bzw. Zahlungsmittel sowie als zweites Wertaufbewahrungsmittel. Die zweite Funktion des Geldes ermöglicht es, zeitliche Differenzen zwischen eingehenden und ausgehenden Zahlungsströmen zu überbrücken. Auf dieser Funktion beruht unter anderem die Kassenhaltung der Wirtschaftssubjekte. Neben diesen beiden materiellen Funktionen erfüllt das Geld noch eine dritte, abstrakte Funktion, nämlich die einer Recheneinheit. Diese Funktion ermöglicht es, die Wertschätzungen der Güter und Dienstleistungen in einem „Referenzgut“ auszudrücken.
I. Finanzwirtschaftliche Grundbegriffe
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Arbeitsmarkt
Produktionshaushalt
Strom der sachlichen Produktionsmittel
Strom der erzeugten Güter/Dienstleistungen
Absatzmärkte
Beschaffungsmarkt an sachlichen Produktionsmitteln
Strom der Lohn- und Gehaltszahlungen
Transformationsprozess
Strom der ausgehenden Zahlungen an Lieferanten
Strom der Verkaufserlöse
Strom der monetären Produktionsmittel: Aufnahme von Kapitel und Krediten
Strom der Zahlungen für monetäre Produktionsmittel: Zinsen, Gewinnausschüttungen, Kreditrückzahlungen
Finanzmärkte (Kapital- und Kreditmärkte)
Abb. A 1: Bindung des Produktionshaushaltes im Marktsystem
Um an dem gesellschaftlichen Tauschprozess erfolgreich teilnehmen zu können, sind diese Funktionen des Geldes effizient zu nutzen. Vor allem müssen die Wirtschaftseinheiten über Geld verfügen. Die Beschaffung von Kaufkraft stellt folglich das primäre Ziel finanzwirtschaftlicher Aktivität einer Wirtschaftseinheit dar. In der älteren Literatur stand die Kaufkraftbeschaffung bisweilen so sehr im Vordergrund, dass sie als die finanzwirtschaftliche Funktion schlechthin betrachtet wurde. Im Laufe der Zeit wurde dieser enge Finanzierungsbegriff weit gehend verlassen und eine Verbindung der Beschaffungs- und Verwendungsfunktion unter dem Begriff der Finanzwirtschaft hergestellt. Danach umfasst die Finanzwirtschaft neben der Akquisition gerade auch die Disposition finanzieller Mittel.
2. Kapital und Vermögen Um produzieren zu können, braucht ein Produktionshaushalt Sachmittel, wie Rohstoffe, Betriebsmittel, Maschinen, Gebäude, Bargeld u. ä., aber auch Personen in dispositiver und ausführender Tätigkeit. Schließlich verfügt er evtl. noch über immaterielle Güter, wie Patente, Rechte usw. Die Gesamtheit aller materiellen und immateriellen Güter, die in Übereinstimmung mit den Zielsetzungen der Unternehmung eine produktive Funktion erfüllen, werden als das Vermögen des Unternehmens i. e. S. definiert. I. d. R. wird der Begriff Vermögen weiter ausgelegt und umfasst schließlich – ungeachtet ihrer
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A. Grundlagen der Finanzwirtschaft der Unternehmung jeweiligen Funktion – alle Güter, über die ein Produktionshaushalt verfügt. Angesichts dieses erweiterten Begriffsinhaltes erscheint es dann sinnvoll, zwischen betriebsnotwendigem Vermögen (= Vermögen i. e. S.) und neutralem Vermögen zu differenzieren. Das notwendige Betriebsvermögen unterliegt den spezifischen Risiken, die ein Produktionshaushalt aufgrund der Natur seiner Aktivitäten eingehen muss. Das neutrale Vermögen unterliegt ökonomischen Risiken, die primär nicht unmittelbar aus den normalen Aktivitäten des Produktionshaushaltes entstehen. Es handelt sich um Vermögenselemente, die zwar für den Produktionshaushalt als Ganzes von Vorteil sein können, aber nicht direkt für die erklärten (produktiven) Sachziele eingesetzt werden. Wenn bspw. mehr Vorräte gehalten werden, als für den normalen Aktivitätsgrad notwendig sind, weil davon ein Spekulationsgewinn erhofft wird, gehört diese Vorratshaltung nicht zu den Aktivitäten der normalen Geschäftsausübung des betreffenden Produktionshaushaltes. Zur Bestimmung, ob ein Vermögenselement dem notwendigen oder dem neutralen Vermögen zuzurechnen ist, muss die Frage der betriebswirtschaftlichen Funktion des betreffenden Vermögenselements geklärt werden. Das Vermögen stellt potenzielle Kaufkraft dar; erst wenn es in (undifferenzierte) reale Kaufkraft umgewandelt worden ist, verfügt die Unternehmung über Geld. Anders gesagt, im Vermögen ist Geld gebunden, dort ist es investiert. Diese potenzielle Kaufkraft des Vermögens wird auch das (Real-)Kapital der Unternehmung genannt. Es entspricht der „Summe der Werte aller materiellen und immateriellen Güter, in denen das Kapital des Unternehmens investiert ist“.1 Vermögen und Kapital stehen in einem spiegelbildlichen Verhältnis. Sie sind zwei Bezeichnungen für ein und dieselbe Sache, nämlich für die Gesamtheit aller Werte, die ein Produktionshaushalt zur Erreichung seiner Ziele einsetzt. Eine Beziehung zwischen beiden Größen kann nur über eine Bewertung des Vermögens in Geldeinheiten hergestellt werden. Abzugrenzen von den betriebswirtschaftlichen Vermögens- und Kapitalbegriffen sind die bilanziellen Begriffe. Sie sind enger gefasst, da zu ihnen nur die ausweispflichtigen, d. h. aufgrund der handels- und steuerrechtlichen Vorschriften zu bilanzierenden, Vermögenspositionen und Kapitalteile zählen. In der Bilanzpraxis wird das Vermögen in Anlagevermögen und Umlaufvermögen unterteilt. Unter Anlagevermögen versteht man die Gesamtheit der Vermögenselemente, die dazu bestimmt sind, dauernd dem Geschäftsbetrieb zu dienen und dem wirtschaftlichen Eigentum der Unternehmung zuzurechnen sind. Sie stehen i. d. R. für mehrere Produktionszyklen zur Verfügung.2 Die Verringerung des abnutzbaren Anlagevermögens erfolgt über die Abschreibungen, Zugänge erfolgen über Ersatzbeschaffungen. Da diese längerfristig vorhandenen Vermögensgüter die Struktur eines Produktionshaushaltes bestimmen, können sie unter Einbeziehung der langfristigen Teile des Umlaufvermögens auch als Strukturvermögen bezeichnet werden. Im Umlaufvermögen werden Vermögensgegenstände ausgewiesen, die nicht dauernd dem Geschäftsbetrieb dienen sollen (Vorräte, Forderungen, Zahlungsmittel). Die Zusammensetzung der einzelnen Vermögenspositionen verändert sich mit dem Umsatzprozess. Die Teile des Umlaufvermögens, die sich innerhalb eines Produktionszyklus umsetzen, bezeichnet man auch als Umschlagvermögen. In der 1
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Gutenberg, Einführung in die Betriebswirtschaftslehre, 1958, unveränderter Nachdruck 1990, S. 106. Der Produktionszyklus umfasst grundsätzlich drei Phasen: Beschaffung der Produktionsfaktoren, ihre Transformation in Erzeugnisse Produktion im technischen Sinne) und den Absatz derselben.
I. Finanzwirtschaftliche Grundbegriffe Bilanz kommt der Spiegelbildcharakter von Vermögen und Kapital dadurch zum Ausdruck, dass sich die Summen der Aktiva und Passiva entsprechen. Die Passivseite gibt Auskunft darüber, welche Teile des Kapitals von den Eigentümern (Eigenkapital) und welche Teile von Gläubigern (Fremdkapital) zur Verfügung gestellt worden sind. Dagegen zeigt die Aktivseite, in welchen Vermögenspositionen das Kapital gebunden ist. Eine direkte Beziehung zwischen speziellen Kapitalpositionen und einzelnen Vermögensteilen liegt jedoch generell nicht vor, obwohl die traditionellen Finanzierungsregeln, wie etwa die „Goldene Bilanzregel“ (sie fordert in ihrer engen Fassung, dass das Anlagevermögen von Eigenkapital und langfristigem Fremdkapital gedeckt wird, vgl. Abschnitt E I 3 c), solche direkten Beziehungsverhältnisse herstellen. Diese Regeln gehen vom Gedanken der partiellen Finanzierung aus. Die partielle Betrachtungsweise stellt auf die Bindungsdauer des Kapitals auf das einzelne Vermögensteil bzw. auf eine Gruppe von Vermögensteilen ab. Man geht also davon aus, dass das vorhandene oder noch zu beschaffende Kapital jeweils in einen ganz bestimmten Vermögensgegenstand investiert wird. Da sich das Vermögen aus einer Vielzahl von einzelnen Objekten zusammensetzt, wird angenommen, dass diese infolge unterschiedlicher Investitions- und Desinvestitionsintervalle auch eine fristenkongruente Finanzierung erfordern. Die Finanzierung hat sich bei partieller Betrachtungsweise also nach der Dauer der Kapitalbindung in den individuellen Vermögensgütern zu richten. Statt den Fokus auf einzelne Vermögensteile oder auf Gruppen von Vermögensteilen zu richten, kann man den Kapitalbedarf auch für die gesamte Vermögensmasse des Produktionshaushalts global ermitteln und die Finanzierung den Schwankungen des Gesamtvermögens bzw. des gesamten investierten Kapitals anpassen. Wird der Gesamtkomplex aller Zahlungsvorgänge betrachtet, spricht man von totaler Finanzierung. Während also bei der partiellen Finanzierungsauffassung für jedes einzelne Investitionsobjekt (Aktivum) die geeignete Finanzierungsform gesondert bestimmt werden muss, dienen im totalen Finanzierungsansatz z. B. Kredite nicht der Finanzierung ganz bestimmter Investitionsobjekte, sondern der Finanzierung des ganzen Produktionshaushalts.3 Folgt die finanzielle Unternehmensführung der totalen Finanzierungstheorie, muss sie ihre Finanzierungsentscheidungen auf einen langfristigen Finanzplan stützen. Aus diesem müssen alle künftigen Finanzbedürfnisse in Höhe und zeitlicher Dauer ersichtlich werden, und die finanzielle Unternehmensführung kann sich dann aufgrund dieser Informationen entscheiden, ob sie kurz- oder langfristiges Fremdkapital oder zusätzliches Eigenkapital zur Finanzierung des Defizits im Finanzplan in Anspruch nehmen kann oder soll.
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Dies schließt natürlich nicht aus, dass Kredite zweckgebunden sein können. Aber in der Logik des totalen Finanzierungsansatzes ist die Investition, die durch den gebundenen Kredit finanziert wird, als ein Teil der totalen Investitionsmasse zu sehen, die einen zusätzlichen Kapitalbedarf auslöst, der durch diese zusätzliche Kreditaufnahme gedeckt wird. Die totale Finanztheorie betrachtet einen Produktionshaushalt als ein organisches Ganzes. Sie behauptet allerdings nicht, dass partielle Betrachtungsweisen nicht zulässig seien, sondern lediglich, dass diese im Rahmen des Ganzen gesehen werden müssten.
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A. Grundlagen der Finanzwirtschaft der Unternehmung
3. Finanzmanagement Bezüglich des Begriffs Management gibt es viele sehr unterschiedliche Auffassungen. Sofern sich überhaupt eine einheitliche Meinung feststellen lässt, dürfte sie wohl dahin gehen, dass Management führende Tätigkeiten in einem Unternehmen – allgemeiner: in einer Wirtschaftseinheit – bezeichnet. Diese Tätigkeit umfasst die drei Hauptphasen Planung, Steuerung und Kontrolle. In Bezug auf den organisatorischen Aufbau und die Aufgliederung der Managementfunktionen lassen sich wiederum drei Ebenen unterscheiden: das Top Management, etwa der Vorstand einer Aktiengesellschaft, der in bestimmten Fällen seine Managementaufgaben mit dem Aufsichtsrat teilt; das Middle Management, etwa Abteilungsleiter, und das Lower Management, etwa die Meister in den Werkstätten. Diese Auffassung des Managements ist zwar für praktische Zwecke, insbesondere für die Entwicklung von Managementtechniken, sehr nützlich, führt aber an dieser Stelle nicht weiter. Ausgangspunkt für die Betrachtung des Finanzmanagements im Rahmen der Geschäftsführung sei wieder die funktionale Stellung des Produktionshaushaltes in der Volkswirtschaft. Diese beruht auf der Arbeitsteilung des gesellschaftlichen Produktionsprozesses. Durch die Arbeitsteilung sind alle Produktionshaushalte über den Weg des Marktsystems miteinander verbunden, sie sind aufeinander angewiesen. Die Arbeitsteilung – und das gilt auch für die Arbeitsteilung innerhalb eines Unternehmens – ist dann erst sinnvoll und möglich, wenn alle an einem bestimmten Produktionsprozess teilhabenden Produktionshaushalte kontinuierlich arbeiten, sodass ein Güterstrom entsteht, der alle einschlägigen Produktionshaushalte durchläuft. Ein Produktionshaushalt kann nur dann sinnvoll am gesellschaftlichen Leistungserstellungsprozess teilnehmen, wenn er von seinen vorgelagerten Lieferanten regelmäßig bedient wird, wofür ihm finanzielle Mittel zur Verfügung stehen müssen, und wenn er selbst mit einem regelmäßigen Absatz seiner Produkte rechnen kann, aus dem heraus wiederum undifferenzierte Kaufkraft zur Finanzierung des fortgesetzten Produktionsprozesses erzielt wird. Aus diesem Umstand lässt sich schon die Notwendigkeit der Dauerhaftigkeit der Produktionshaushalte ableiten. Auch betriebswirtschaftlich ist das Prinzip der Dauerhaftigkeit zu belegen. Die technische Produktion erfordert den Einsatz von Vermögenselementen, die mehreren Produktionszyklen dienen und über viele Jahre nutzungsfähig sind. Eine nur kurzfristige Verwendung dieser Vermögensgüter ist meist unwirtschaftlich. Produktionshaushalte sind generell auf Fortbestand angelegt. Dem Management fällt damit die Aufgabe zu, die Existenz der Unternehmung durch Erhaltung des finanzwirtschaftlichen Gleichgewichts dauerhaft zu sichern. Das strukturelle finanzwirtschaftliche Gleichgewicht setzt voraus, dass langfristig die Erträge mindestens die Aufwendungen decken und erfasst daher die Rentabilitätssituation der Unternehmung. Letztlich bezieht es sich wie das dispositive finanzielle Gleichgewicht auf die Liquidität des Unternehmens (vgl. Abschnitt E I 1, Abbildung E 1). Diese bezeichnet die Fähigkeit der Unternehmung, die zwingend fälligen Verbindlichkeiten jederzeit uneingeschränkt erfüllen zu können. Von einem Liquiditätsengpass ist dann die Rede, wenn kurzzeitige (nicht dauerhafte!) Liquiditätsprobleme auftreten, die im Falle der Wiederholung durchaus zu einer Beeinträchtigung der Bonität führen können. Damit stellt der Liquiditätsengpass die Vorstufe zur Zahlungsunfähigkeit (Illiquidität) der Unternehmung dar. Sie ist definiert als das auf dem Mangel an Zahlungsmitteln
I. Finanzwirtschaftliche Grundbegriffe beruhende dauerhafte Unvermögen des Unternehmens, seine sofort zu erfüllenden Geldschulden noch im Wesentlichen begleichen zu können. Sie ist insbesondere bei Zahlungseinstellung anzunehmen und begründet das Ausscheiden der illiquiden Unternehmung aus dem volkswirtschaftlichen Produktions- und Konsumprozess. Damit wird die Liquiditätserhaltung zur Daueraufgabe, zur absoluten Nebenbedingung für die Sicherung der Unternehmensexistenz. Sie stellt die Kernaufgabe des Finanzmanagements dar. Aus ihr lassen sich die folgenden Teilaufgaben ableiten: 1. situative Liquiditätssicherung
Hier geht es um die tägliche Abstimmung der Zahlungsströme und um die Bestimmung, Bildung und Auflösung der Liquiditätsreserve (Zahlungsmittel, Bankguthaben, kurzfristig verlustfrei abrufbare oder liquidierbare Vermögenspositionen, die nicht wesentlich sind für die Produktion). 2. kurzfristige Finanzierung
Auf dieser Ebene hat sich die finanzielle Führung stärker an den betrieblichen Leistungsprozessen auszurichten. Sie hat das freie Innenfinanzierungsvolumen (laufende Einzahlungen ./. laufende Auszahlungen + einmalige Kapitalfreisetzungsvorgänge) zu ermitteln und darauf abgestimmt die Zufuhr von Eigen- und Fremdkapital von außen einzuleiten. 3. strukturelle Liquiditätssicherung
Im Rahmen der strukturellen Liquiditätssicherung sorgt das Finanzmanagement für die ausgewogene (i. d. R. mindestens gleich langfristige) Finanzierung der Investitionsvorgaben. Ziel dabei ist es zu vermeiden, dass ungleichgewichtige Finanzierungsmaßnahmen zu Engpässen führen, weil etwa Probleme mit der Anschlussfinanzierung auftreten oder ungeplant steigende Finanzierungskosten zu einer Beeinträchtigung der Rentabilität führen. Eine besondere Stellung innerhalb der Unternehmensleitung nimmt das Finanzmanagement in der Krisensituation ein.4 Für den Fall, dass sich Liquiditätsengpässe abzeichnen, muss der Finanzbereich befugt sein, in Abstimmung mit den Verantwortlichen der Beschaffung, Produktion und des Absatzes nacheinander alle regelmäßig auf das erfolgswirtschaftliche Optimum hin konzipierten Planungsansätze in Frage zu stellen. Je nach Ausmaß und Bedeutung des drohenden Liquiditätsproblems muss dem Finanzmanagement Einflussnahme auf den Umsatzprozess und auf die Disposition der Vermögensgegenstände möglich sein. Voraussetzung für ein effizientes Finanzmanagement ist dessen entsprechende hierarchische Eingliederung. Je nach Größe der Unternehmung und Umfang der anfallenden Aufgaben kann eine Arbeitsteilung zwischen Mitarbeitern der finanzwirtschaftlichen Abteilung nötig werden. Denkbar ist auch, dass Angestellte anderer Abteilungen finanzwirtschaftliche Aufgaben wahrnehmen. Die Gefahr einer derart dezentralen Aufgabenerfüllung besteht darin, dass bestimmte wesentliche Aufgaben nicht definiert sind (Gap) oder doppelt zugewiesen werden (Overlap); in der Folge kann es zu Kompetenzstreitigkeiten und Motivationsproblemen kommen. Gerade auch deshalb, weil es nur eine Liquidität der Unternehmung gibt, ist unbedingt zu gewährleisten, dass die finanzwirtschaftlichen Tätigkeiten auf allen Ebenen umfassend zentral koordiniert werden. 4
Vgl. Steiner, Unternehmensfinanzierung in der Krisensituation, 1994, S. 223 ff.
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A. Grundlagen der Finanzwirtschaft der Unternehmung
Ebenen der Liquidationsbetrachtung (Finanzplanung)
Auszahlungen
Einzahlungen
Ausgaben
Einnahmen
Aufwand neutraler außerordentlich
Ertrag
Ebene des Gesamterfolgs (Gewinn- und Verlustrechnung)
kostengleicher
leistungsgleicher
betriebsfremd
Kosten aufwandsgleiche
Zusatz(kalkul.) Kosten
Ebene des Betriebserfolgs (kurzfristige Betriebsergebnisrechnung)
neutraler
außerordentlich
betriebsfremd
Leistungen
Abb. A 2: Das Auseinanderfallen der Erfolgs- und Liquiditätsbetrachtung
Die gezeigte grundlegende Bedeutung der Liquidität für die Unternehmensexistenz erfordert gleichzeitig eine möglichst hohe Aufhängung der finanziellen Führung in der Unternehmenshierarchie. Denkbar ist, dass die Leitung des Finanzmanagements Mitglied der Geschäftsführung ist oder dass genau einem Mitglied der Geschäftsführung die Verantwortung für den finanziellen Bereich zugewiesen wird.
II. Finanzwirtschaft und Zielsetzung der Unternehmung Lernziele dieses Kapitels x Die Unternehmung stellt einen am erwerbswirtschaftlichen Prinzip orientierten Produktionshaushalt dar, der durch seine Aktivitäten Mehrwert für seine Eigentümer erwirtschaften soll. x Die Lehre von der Finanzwirtschaft der Unternehmung befasst sich mit Theorie und Technik der Kapitalaufbringung und Kapitalanlage. x Finanzwirtschaftliche Unternehmungstheorien basieren überwiegend auf holistischen Unternehmungsauffassungen, bei der die Unternehmung als Entscheidungseinheiten angesehen wird. x Unter den finanzwirtschaftlichen Entscheidungskriterien kann die Erhaltung der Unabhängigkeit nicht als Maximierungsproblem, sondern als Nebenbedingung angesehen werden. Unabhängigkeit beinhaltet dabei die Erhaltung der Dispositionsfreiheit und Flexibilität der Unternehmung. x Auch die Erhaltung der Liquidität wird als strenge Nebenbedingung angesehen. Im Wesentlichen wird die Liquidität dabei als positiver Zahlungsbestand, als Deckungsverhältnis von Vermögensteilen zur Rückverwandlung in Geld, als Deckungsverhältnis von Vermögensteilen zu Verbindlichkeiten und als Eigenschaft von Wirtschaftssubjekten angesehen, ihren Zahlungsverpflichtungen bei Aufforderung in jedem Zeitpunkt nachkommen zu können.
II. Finanzwirtschaft und Zielsetzung der Unternehmung x Unter den finanzwirtschaftlichen Entscheidungskriterien bedingt die Erzielung maximaler Rentabilität, definiert als Ergebnis (z. B. Gewinn) im Verhältnis zum eingesetzten Kapital, die Zielsetzung der Maximierung eines Ergebnisses, das zu verschiedenen Zeitpunkten und in verschiedenen Zeiträumen anfallen kann. Die typisch denkbaren Zielsetzungen sind dabei die Vermögensmaximierung (Maximierung des Unternehmensvermögens am Ende des Handlungszeitraums (Totalperiode) bei gegebenen Entnahmen), die Entnahmemaximierung (Maximierung der Entnahmen bei gegebenen Unternehmensvermögen) oder die Wohlstandsmaximierung (Kombination von Vermögens- und Entnahmemaximierung). x Komplementär zum Entscheidungskriterium der Rentabilität ist die einer finanzwirtschaftlichen Maßnahme innewohnende Unsicherheit zu sehen. Bei Kapitalanlageentscheidungen steht das Sicherheitsstreben unsicheren und im Zeitverlauf schwankenden Rückflüssen gegenüber. Grundsätzlich nimmt dabei mit steigender maximal erzielbarer Rentabilität das Kapitalverlustrisiko zu. x Die Steigerung des Unternehmenswerts inkorporiert Rentabilität und Unsicherheit als Entscheidungskriterium und wird mittels des Shareholder-Value-Ansatzes auf die Steigerung des Werts der Eigentümer ausgerichtet. Davon abzugrenzen ist der Stakeholder-Ansatz, der eine Steigerung des Werts aller Anspruchsgruppen zum Ziel hat. Nach dem Shareholder-Ansatz sind die Interessen der übrigen Stakeholder nur insofern zu berücksichtigen, als sie eine unumstößliche Nebenbedingung darstellen.
Die Einteilung der Wirtschaftseinheiten in Produktions- und Konsumhaushalte ist systemindifferent, d. h. unabhängig davon, welches Wirtschaftssystem jeweils vorliegt. Im marktwirtschaftlichen Wirtschaftssystem hat sich die Unternehmung als Erscheinungsform des Produktionshaushalts herausgebildet. Sie stellt einen am erwerbswirtschaftlichen Prinzip orientierten Produktionshaushalt dar, der durch seine Aktivitäten einen Mehrwert (z. B. in Form von Konsumnutzen) für seine Eigentümer erwirtschaften soll.5 Die weiteren Ausführungen dieses Buches stellen auf die Unternehmung als der in marktwirtschaftlichen Systemen vorherrschenden Form des Produktionshaushaltes ab.
1. Theorien der Unternehmung und Zielsysteme Die Lehre von der Finanzwirtschaft der Unternehmung befasst sich mit Theorie und Technik der Kapitalaufbringung und Kapitalanlage (Investition). Die Kapitalaufbringung zerfällt dabei in drei Teilprobleme: 1. Kapitalstruktur
(Finanzierungsarten und deren zweckmäßige Kombination), 2. Kapitalvolumen
(Ermittlung des Kapitalbedarfs) und 3. Kapitalkosten
(Bestimmung der Kapitalkosten und der kostenoptimalen Finanzierung)
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Vgl. auch Gutenberg, Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre, Bd. 1, 1983, S. 457 ff.; Wöhe, Einführung in die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, 2013, S. 382.
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A. Grundlagen der Finanzwirtschaft der Unternehmung Im Bereich der Kapitalanlage wird untersucht, 1. welche Vermögensteile beschafft werden sollen, 2. in welchem wertmäßigen Umfang Vermögensteile beschafft werden sollen und 3. wie lange eine Kapitalanlage in den entsprechenden Vermögensteilen erfolgen soll (Kapitalanlagedauer). Rationale finanzwirtschaftliche Entscheidungen über diese Tatbestände können nur bei Zugrundelegung eines Zieles oder eines Zielkatalogs getroffen werden. In der Betriebswirtschaftslehre haben sich unterschiedliche Betrachtungsweisen der Unternehmung und – damit verknüpft – der unternehmerischen Zielvorstellungen herausgebildet. Stark vereinfacht kann in holistische und behavioristische Theorien der Unternehmung getrennt werden. 1. Holistische Unternehmenstheorien 1.1. Traditionelle ökonomische Konzeptionen 1.2. Spieltheoretische Unternehmensanalyse 1.3. Kybernetische und systemtheoretische Unternehmenstheorie 2. Behavioristische Unternehmenstheorien 2.1. Verhaltensorientierte Unternehmungstheorien (Behavioral Theory of the Firm) 2.2. Konflikttheoretische Unternehmungsanalyse Bei den holistischen Betrachtungsweisen wird die Unternehmung letztendlich als Entscheidungseinheit gesehen. Die Theorien gehen daher i. d. R. davon aus, dass nur ein oder wenige Unternehmensziele existieren, die zudem quantifizierbar sind. Dabei wird eine maximale oder optimale Zielerreichung angenommen. Die behavioristischen Unternehmenstheorien gehen demgegenüber von Individualzielen der Organisationsteilnehmer aus, die sich im Zeitablauf verändern. Ferner wird angenommen, dass sich die Organisationsteilnehmer mit einer befriedigenden Zielerreichung begnügen, da maximale oder optimale Zielverwirklichung in der Realität meist nicht erreichbar und häufig auch nicht messbar ist. Die Finanzierungs- und Investitionstheorien beruhen überwiegend auf holistischen Unternehmungsauffassungen. Dies ist darauf zurückzuführen, dass diese Theorien Ergebnis eines wohl definierten Bündels von Annahmen und Folgerungen, eines geschlossenen Modells, sind und neben Erklärungsmodellen auch Entscheidungsmodelle anbieten. Die behavioristischen Ansätze konzentrieren sich dagegen auf Erklärungsmodelle. Im Bereich der Finanzwirtschaft finden sie vor allem Verwendung beim Budgetmanagement (Budgetfestsetzung und -kontrolle unter Berücksichtigung von Verhaltensreaktionen), bei der Beurteilung von Humaninvestitionen und bei der Analyse der Zielsetzungen von Fremd- und Eigenkapitalgebern. Die Theorien, die nur mit einem oder wenigen quantifizierbaren Zielen arbeiten, haben den Vorteil, dass sich hierbei konkrete Zielfunktionen formulieren lassen und damit mathematische Methoden zur Lösung von Entscheidungsproblemen verwendet werden können. Je spezieller die Zielgröße jeweils gewählt wird und je enger die Annahmen über die Zielvorschrift sind, umso leichter lassen sich programmierte Rechenverfahren einsetzen, desto weniger allgemein gültig werden aber auch die Aussagen.
II. Finanzwirtschaft und Zielsetzung der Unternehmung
2. Finanzwirtschaftliche Entscheidungskriterien Als eher traditionelle finanzwirtschaftliche Entscheidungskriterien werden Unabhängigkeit (Erhaltung der unternehmerischen Dispositionsfreiheit), Liquidität, Rentabilität und Sicherheit (Risiko einer Kapitalanlage) angesehen. Andere Zielsetzungen, wie Macht, Ruf, Marktanteil usw., wie sie insbesondere bei behavioristischer Betrachtungsweise Verwendung finden, bleiben außer Ansatz. Ein allgemeineres Zielkriterium, das derartige Zielsetzungen mitberücksichtigt, stellt die Nutzenmaximierung dar. Dieses bedarf jedoch für Entscheidungsmodelle wiederum der Operationalisierung.
a) Unabhängigkeit Bei finanzwirtschaftlichen Entscheidungen, insbesondere im Bereich der Kapitalaufbringung, ist auf die Erhaltung der Dispositionsfreiheit und der Flexibilität des Unternehmens zu achten. Mit der Aufnahme zusätzlichen Kapitals werden neue Mitspracherechte geschaffen. Bei Beteiligungsfinanzierung (Aufnahme zusätzlichen Eigenkapitals) ergeben sich i. d. R. größere Mitspracherechte als bei Kreditfinanzierung. Je nach Marktmacht und Umfang der Kreditierung kann jedoch auch die Einflussnahme von Gläubigern die finanzwirtschaftliche Dispositionsfreiheit eines Unternehmens erheblich einengen. Bei Kreditaufnahme müssen vielfach Sicherheiten in Form von Hypotheken, Sicherungsübereignungen, Verpfändungen usw. gestellt werden, die die unternehmerische Verfügungsgewalt einengen und die Möglichkeiten weiterer Kreditaufnahmen begrenzen. Das Kriterium der finanzwirtschaftlichen Flexibilität verlangt daher eine gewisse Begrenzung der Sicherheitsleistungen einer Unternehmung. Der Erhaltung der finanzwirtschaftlichen Dispositionsfreiheit und Unabhängigkeit kommt weniger der Charakter eines Maximierungsproblems als der einer Nebenbedingung zu. Aus dem Unabhängigkeitsstreben heraus kann sich ein Verzicht auf weitere Kapitalaufnahme und Unternehmenswachstum ergeben.
b) Liquidität Liquidität wird in der Literatur mit verschiedenen Inhalten gefüllt. Im Wesentlichen werden mit dem Begriff Liquidität folgende Tatbestände belegt: 1. Liquidität als positiver Zahlungsmittelbestand, 2. Liquidität als Deckungsverhältnis von Vermögensobjekten zur Rückverwandlung in Geld (Liquidierbarkeit), 3. Liquidität als Deckungsverhältnis von Vermögensteilen zu Verbindlichkeiten (Liquiditätsgrade) und 4. Liquidität als Eigenschaft von Wirtschaftssubjekten, ihren Zahlungsverpflichtungen bei Aufforderung in jedem Zeitpunkt nachkommen zu können. Wenn die Liquidität mit dem Zahlungsmittelbestand gleichgesetzt wird, dann ist ihr Umfang eindeutig und ihre Messung unproblematisch. Die Definition der Liquidität als positiver Zahlungsmittelbestand ist als finanzwirtschaftliches Kriterium wenig
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A. Grundlagen der Finanzwirtschaft der Unternehmung aussagekräftig. Ein Unternehmen als liquide zu bezeichnen, wenn sein aktueller Zahlungsmittelbestand nicht negativ ist, ist unzureichend.6 Nicht die Höhe des aktuellen, sondern des potenziellen Zahlungsmittelbestands ist ausschlaggebend. Es kommt darauf an, ob die Zahlungskraft einer Unternehmung insgesamt ausreicht, die an sie gestellten fälligen Anforderungen zu erfüllen. Der Zahlungsmittelbestand umfasst nur einen Teil des disponierbaren Geldes. Diese Tatsache wird vom zweiten Liquiditätsbegriff (Liquidität als Eigenschaft von Vermögensobjekten) berücksichtigt. Für die Geldnähe von Vermögensobjekten sind zwei Aspekte bestimmend: 1. Der Zeitraum, in dem sich die in den einzelnen Vermögensposten gebundenen Zahlungsmittel im Rahmen des üblichen Unternehmensablaufes wieder verflüssigen (self-liquidating period), 2. die Möglichkeit, vor Ablauf der Wiedergeldwerdungszeit ein Vermögensobjekt vorzeitig zu liquidieren (shiftability).7 Bei der vorzeitigen Liquidierung von Vermögensteilen muss häufig ein Disagio in Kauf genommen werden, das ex ante mitunter nicht exakt bestimmt werden kann. Beim Liquiditätsbegriff, der sich auf das Deckungsverhältnis von kurzfristigen Vermögensteilen zu kurzfristigen Verbindlichkeiten stützt, wird die Liquidität als Beziehungsverhältnis gesehen. Je nachdem, welche Teile des kurzfristigen Vermögens mit einbezogen werden, können verschiedene Grade der Liquidität unterschieden werden (vgl. auch Abschnitt E I 3 c bb). Bereits in dieser Aussage zeigt sich, dass bei diesem Liquiditätsbegriff nicht an die jederzeitige Zahlungsfähigkeit der Unternehmung gedacht ist, da es hierbei kein „Mehr“ oder „Weniger“ an Zahlungsfähigkeit geben kann, sondern nur den Tatbestand zahlungsfähig oder nicht zahlungsfähig.8 Die Liquiditätsgrade beziehen sich auf gegenwärtige Bestände an Forderungen, Verbindlichkeiten, Zahlungsansprüchen, Zahlungsverpflichtungen und verflüssigungsfähigen Vermögensteilen und beziehen zukünftige Entwicklungen nicht mit ein. Für die Aufrechterhaltung der Zahlungsfähigkeit sind jedoch nicht Vergangenheitsbestände, sondern zukünftige Einzahlungen und Auszahlungen bestimmend. Liquiditätsgrade garantieren daher nicht die jederzeitige Zahlungsfähigkeit einer Unternehmung, sie stellen jedoch im Rahmen der Finanzanalyse wichtige Indikatoren dar. Der zahlungsorientierte Liquiditätsbegriff stellt auf die Eigenschaft von Wirtschaftssubjekten ab, ihren Zahlungsverpflichtungen zu jedem Zeitpunkt und uneingeschränkt nachkommen zu können. Liquide zu sein bedeutet im Sinne dieses Liquiditätsbegriffes also nicht, über einen hohen Bestand an Zahlungsmitteln zu verfügen. Zu einem Zeitpunkt, an dem keine Auszahlungen getätigt werden müssen, kann der Zahlungsmittelbestand sogar Null sein. Eine größere Zahlungskraft, als sie von den Zahlungsanforderungen her bedingt wird, ist unnötig und unter dem Rentabilitätsgesichtspunkt unwirtschaftlich. Reicht die Zahlungskraft nicht aus, die auftretenden Zahlungsanforderungen zu erfüllen, so liegt Illiquidität vor. Die Angabe der Zahlungsfähigkeit der Unternehmung kann nicht in Begriffskategorien wie „mehr“ oder „weniger“, „über“ 6 7 8
Vgl. z. B. Schneider, Wirtschaftlichkeitsrechnung, 1973, S. 141. Vgl. Stützel, Liquidität, 1959. Vgl. Witte, Liquiditätspolitik, 1963, S. 10.
II. Finanzwirtschaft und Zielsetzung der Unternehmung oder „unter“ erfolgen. Sie verlangt eine klare Feststellung durch ein „ja“ oder „nein“ bzw. „erfüllt“ oder „nicht erfüllt“.9 Die Aufrechterhaltung ausreichender Liquidität stellt deshalb kein Optimierungsproblem dar, sondern ein Deckungsproblem. Sie ist als strenge Nebenbedingung des Rentabilitätsstrebens anzusehen, da ihre Nichterfüllung zum Ausscheiden der Unternehmung aus dem Wirtschaftsprozess führt.10 Die Erhaltung der Liquidität ist Voraussetzung für das Rentabilitätsstreben. Umgekehrt führt Rentabilität nicht automatisch zu gesicherten Liquiditätsverhältnissen. Eine rentable Unternehmung muss bei Illiquidität zugrunde gehen, jedoch kann ein vorübergehend unrentables Unternehmen liquide bleiben. Die Gegensätze zwischen Liquidität und Rentabilität rühren daher, dass die Liquidität ein Zeitpunktproblem darstellt, während sich die Rentabilität als Zeitraumproblem erweist. Für die Erfolgs- und damit Rentabilitätsbeurteilung ist es nicht entscheidend, wann Aufwendungen zu Auszahlungen und Erträge zu Einzahlungen werden. Für die Liquiditätsbetrachtung sind dagegen die effektiven Zahlungszeitpunkte bestimmend. Das zeitliche Auseinanderfallen der Zahlungszeitpunkte und der Zeitpunkte der Erfolgseinwirkung kann dazu führen, dass die Erfolgsbeurteilung und die Liquiditätsbeurteilung eines zur Entscheidung stehenden Projektes gegensätzlich ausfallen. Dies gilt insbesondere für Investitionen im Anlagevermögen, wo die Zeitpunkte der Auszahlungen besonders weit von den Aufwendungen (Abschreibungen) entfernt sein können. Die Liquiditätsbetrachtung stellt insofern eine wichtige Ergänzung der Rentabilitätsanalyse dar.
c) Rentabilität Die Rentabilität einer finanzwirtschaftlichen Maßnahme ergibt sich aus ihrem Ergebnis (Gewinn, Jahresüberschuss, Zahlungsüberschuss u. a.) im Verhältnis zum eingesetzten Kapital. Je nachdem, was als Ergebnis und was als Kapitaleinsatz betrachtet wird, sind verschiedene Rentabilitäten zu unterscheiden (vgl. Abschnitt E I 4 a bb). Die Erzielung maximaler Rentabilität bedingt das Ziel Gewinnmaximierung. Konsequente Gewinnmaximierung bei jedem einzelnen Geschäft kann jedoch zur vorzeitigen Beendigung des Unternehmens führen. Langfristige Gewinn- oder Rentabilitätsmaximierung setzt die Vorgabe einer endlichen Lebensdauer, d. h. eines begrenzten Planungshorizonts, voraus. Beim finanzwirtschaftlichen Entscheidungskriterium Rentabilität ist daher jeweils zu konkretisieren, ob der Periodengewinn oder das Ergebnis am Ende des Gesamtplanungszeitraums (Totalperiode) maximiert werden soll. Zu unterscheiden sind in diesem Zusammenhang drei denkbare Zielsetzungen:11 1. Vermögensmaximierung
Maximierung des Unternehmensvermögens am Ende des Handlungszeitraums (Totalperiode) bei gegebenem Einkommen (Entnahmen) 2. Entnahmemaximierung
Maximierung der Periodenentnahmen während des Handlungszeitraums bei gegebenem Endvermögen
9 10 11
Vgl. Witte, Liquiditätspolitik, 1963, S. 15. Vgl. Stützel, Liquidität, 1959. Vgl. Schneider, Investition, Finanzierung und Besteuerung, 1992, S. 65 ff.
15
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A. Grundlagen der Finanzwirtschaft der Unternehmung 3. Wohlstandsmaximierung
Erreichung eines Optimums von Entnahmen und gleichzeitigem Vermögenszuwachs (Kombination von Einkommensmaximierung und Vermögensmaximierung), wobei für eine eindeutige Lösung eine Austauschregel für die beiden Zielgrößen bestehen muss, d. h. welcher zukünftige Vermögenszuwachs einen heutigen bestimmten Einkommensverzicht rechtfertigt. Die Wohlstandsmaximierung ist nur bei personenbezogenen Unternehmungen (z. B. Einzelfirma) möglich, nicht dagegen bei firmenbezogenen Unternehmungen (z. B. Publikums-Aktiengesellschaften), da es bei letzteren keine alle Anteilseigner gleichzeitig befriedigende Aufteilung zwischen Ausschüttung und Einbehaltung gibt. Bei Unternehmungen, deren Geschäftsführung nicht in den Händen der Eigentümer liegt (firmenbezogene Unternehmungen), können neben die Vermögens- und Einkommensmaximierungsziele der Anteilseigner (Eigentümer) auch Ziele der Unternehmensleitung (firmeneigene Ziele) treten. Ein Machtstreben der Geschäftsleitung kann sich z. B. in einem übertriebenen Umsatzwachstum ohne Rücksicht auf die Ertragslage äußern. Die Zielsetzungen Marktanteil und Marktmacht können dann das Rentabilitätsziel überlagern. Die Rentabilität kann im Rahmen einer Finanzanalyse ex post ermittelt werden zur Beurteilung des Unternehmenserfolgs in den abgelaufenen Perioden. Bei zukunftsgerichteten finanzwirtschaftlichen Entscheidungen muss die Rentabilität aufgrund von Erwartungsgrößen berechnet werden. Bei der retrospektiven Rentabilitätsmessung stehen die Probleme der „richtigen“ Gewinnermittlung und der zeitlichen, dimensionsfähigen und wertmäßigen Übereinstimmung der Bezugsgrößen im Vordergrund. Eine exakte Rentabilitätsberechnung bei wechselndem Kapitaleinsatz ist nur mit dynamischen Investitionsrechenverfahren (vgl. Abschnitt B I 3) möglich. Für die Ermittlung der Eigen- und Gesamtkapitalrentabilität einer Unternehmung geht man jedoch meistens vom durchschnittlichen Kapitaleinsatz in der Periode aus. Bei der prospektiven Rentabilitätsmessung kommt das Problem der Fehleinschätzung zukünftiger Erträge hinzu. Die Ungewissheit bedingt die Einbeziehung des Sicherheitsstrebens als ergänzendes Entscheidungskriterium.
d) Unsicherheit Als komplementäres Entscheidungskriterium zur Rentabilität ist das einer finanzwirtschaftlichen Maßnahme innewohnende Risiko zu sehen, das mit dem für Investoren grundsätzlich anzunehmende Sicherheitsstreben konfligiert. Dies gilt sowohl für die Kapitalanlage- als auch die Kapitalaufbringungsentscheidungen der Unternehmung. Bei Kapitalaufbringungsentscheidungen steht das Sicherheitsstreben einer zu hohen Verschuldung entgegen. Mit zunehmendem Verschuldungsgrad wächst das Leverage-Risiko, weil den fest vereinbarten Auszahlungen an Fremdkapitalgeber unsichere Einzahlungen aus der Unternehmenstätigkeit gegenüberstehen. Bei Kapitalanlageentscheidungen steht das Sicherheitsstreben unsicheren und schwankenden Rückflüssen aus der Investition entgegen. Das Auftreten bestimmter Erträge bzw. Rentabilitäten kann ex ante meist nur mit subjektiven Wahrscheinlichkeiten belegt werden. Mit steigender maximal erzielbarer Rentabilität nimmt meist auch das Kapitalverlustrisiko zu. Abbildung A 3 zeigt zwei Kapitalanlagealternativen (A und B), deren Ertragserwartungen eine unterschiedliche Wahrscheinlichkeitsverteilung aufweisen.
II. Finanzwirtschaft und Zielsetzung der Unternehmung
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Das Projekt B verspricht eine höhere maximale Rendite, beinhaltet gleichzeitig aber auch ein wesentlich höheres Verlustrisiko als das Projekt A. Die Alternative A ist somit „sicherer“ als die Alternative B. Um zu einer rationalen Entscheidung bezüglich alternativer Anlage- und Finanzierungsmaßnahmen zu gelangen, ist eine quantitative Verbindung zwischen den Dimensionen Risiko und Rendite herzustellen, die die Risikopräferenz des Entscheiders berücksichtigt und gewährleistet, dass der Gesamtnutzen maximiert wird (vgl. ausführlich Abschnitt B I 5 und Abschnitt C IV 1 und 2). Die Ableitung eines eindimensionalen Beurteilungskriteriums geschieht über die Festlegung eines Rendite/Risiko-Trade-Off. Dieser bestimmt bei der Kapitalkostenmethode, wie sich die Rendite positiv verändern muss, damit sich bei einer bestimmten Erhöhung des Risikos die Vorteilhaftigkeit einer Maßnahme nicht verändert. Der in diesem Sinne notwendige Renditezuwachs bei Erhöhung des Risikos um eine Einheit ist als Preis für den Verzicht auf Sicherheit zu interpretieren und als Aufschlag auf die Kapitalkosten für sichere Anlagen zu kalkulieren (risikoadjustierte Kapitalkosten). Grundsätzlich äquivalent ist die Sicherheitsäquivalentmethode, die in der Grundform den Rendite/ Risiko-Trade-Off an den Rückflüssen festmacht. Hierbei wird eine unsichere Verteilung von Rückflüssen in ein Sicherheitsäquivalent transformiert. Ein sicherer Rückfluss in Höhe des Sicherheitsäquivalents stiftet denselben Nutzen wie der zu bewertende unsichere Rückfluss. W Wahrscheinlichkeitsdichte (Dichtefunktion der Erträge)
1
A
v
0,5
B
E -20
-15
-10
-5
0
5
10
15
20
25
30
Erträge (Rentabilität)
Abb. A 3: Kapitalanlagealternativen mit unterschiedlicher Risikoverteilung
e) Shareholder Value Die Möglichkeiten und Implikationen einer konsequenten Ausrichtung der unternehmerischen Tätigkeiten auf die positive Entwicklung des Unternehmenswertes aus Anteilseignersicht werden seit den 1980er Jahren unter dem Stichwort ShareholderValue-Maximierung diskutiert. Ausgangspunkt ist die Analyse der Zielsetzungen der verschiedenen Anspruchsgruppen (Stakeholder) in der einzelnen Unternehmung.
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A. Grundlagen der Finanzwirtschaft der Unternehmung Hierzu zählen neben den Eigentümern die Arbeitnehmer, die Kunden, der Fiskus, die Bevölkerung in der Nähe der Produktionsstätten u. v. a. mehr. Der Shareholder-Value-Ansatz stellt zunächst eine Absage an jegliche Versuche dar, die unterschiedlichen und zumeist konfligierenden Gruppeninteressen gleichberechtigt in einem geschlossenen Zielsystem der Unternehmung zusammenbringen zu wollen. Im Mittelpunkt steht vielmehr allein der Shareholder (Eigentümer, Anteilseigner), für den ein (ausschließliches) Interesse an der Verbesserung seiner Einkommens-/Vermögensposition und damit an der Wertentwicklung seines Unternehmens unterstellt wird. Die Interessen der übrigen Stakeholder sind nur insofern zu berücksichtigen, als sie eine unumstößliche Nebenbedingung darstellen oder in einer Mittel-Zweck-Beziehung zum erklärten Oberziel stehen.12 Alle Maßnahmen in der Unternehmung – ob sie von den Eigentümern selbst oder von den mit der Geschäftsführung beauftragten Managern verantwortet werden – sind darauf hin zu beurteilen, ob sie den Wert des Unternehmens steigern. Das Konzept zwingt damit auch gerade strategische Überlegungen in ein finanzwirtschaftliches Kalkül. Zur Sicherstellung einer wertorientierten Unternehmenspolitik werden in der Praxis unterschiedliche Rechenwerke propagiert, die sich im Wesentlichen auf drei Ansätze zurückführen lassen:13 1. Discounted Cashflow als Barwert aller zukünftigen Zahlungsüberschüsse (Cash-
flows) aus dem Unternehmen, diskontiert mit einem risikoadjustierten Zinsfuß. Nach der sogenannten Entity-Methode werden die Zahlungsüberschüsse vor Fremdkapitalzinsen mit dem gewichteten Gesamtkapitalkostensatz diskontiert. Dieser Barwert ist um das Fremdkapital zu kürzen, um den Wert des Eigenkapitals zu erhalten. Nach der Equity-Methode, die vor allem für das Wertmanagement in Bankunternehmungen zum Einsatz kommt, erfolgt eine Abzinsung der Zahlungsüberschüsse nach Fremdkapitalzinsen mit dem risikoadjustierten Eigenkapitalkostensatz. 2. Cashflow ROI als Cashflow-Return auf das investierte Kapital. Der (erfolgswirt-
schaftliche) Cashflow vor Fremdkapitalzinsen (vgl. Abschnitt E I 4 a) wird zur Summe der Investitionen, mit denen der Cashflow generiert wird, ins Verhältnis gesetzt. 3. Economic Value Added als Überschuss der Investitionen nach Fremdkapitalzinsen
und risikoadjustierten Eigenkapitalkosten. Alle drei Ansätze benutzen risikoadjustierte Kapitalkostensätze, die aus Kapitalmarktinformationen generiert werden können. Somit wird sichergestellt, dass die Entscheidungen mit den Austauschregeln für Rendite und Risiko, die der Kapitalmarkt vorgibt, in Einklang gebracht werden können.
f) Nachhaltige Unternehmensentwicklung Das Ziel einer nachhaltigen Unternehmensentwicklung ist eine neue veränderte Zielsetzung für erfolgreiches Management, das sich insbesondere in den 2000ern entwi-
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Zum Shareholder-Value-Konzept vgl. u. a. Rappaport, Creating Shareholder Value, 1998; Bühner, Management-Wert-Konzept, 1990; Copeland, Koller, Murrin, Unternehmenswert, 2002; Gomez, Shareholder Value, 2001. Diese häufig als innovativ gepriesenen Verfahren sind im Prinzip in der Investitionsrechnung seit langem bekannt und lassen sich unter bestimmten Bedingungen ineinander überführen.
II. Finanzwirtschaft und Zielsetzung der Unternehmung ckelt hat.14 Neben dem ökonomischen Ziel verfolgt ein nachhaltiges Management auch soziale und ökologische Ziele. Überlegungen zu letzteren Zielen haben sich in den vergangenen Jahren auch in der Betriebswirtschaftslehre etabliert, sodass im Folgenden auf diese fokussiert werden soll. Die Grundidee des umweltbetriebswirtschaftlichen Ansatzes stammt aus der umweltökonomischen Überlegung, dass Unternehmungen oder besser Betriebe in ihrem Liefer-, Produktionsprozessen und Absatzprozessen Schäden an der Umwelt verursachen können.15 In einigen Fällen existiert aber kein Marktpreis, da etwa die Luftreinhaltung ein öffentliches Gut ist. In Folge dessen wird die Luft übernutzt und aus gesamtwirtschaftlicher Sicht zu viel produziert, da die Folgeschäden der Luftverschmutzer nicht trägt. Aus gesamtökonomischer Sicht ist es somit sinnvoll externe Effekte zu internalisieren, um so die Produktion auf das gesamtwirtschaftliche Optimum zu begrenzen. Aus Sicht eines Staates kann das etwa über Steuern auf Luftverschmutzung oder über die Vergabe von Verschmutzungszertifikaten erreicht werden. Wenn solche staatlichen Eingriffe nicht vorhanden sind, könnten alternativ Unternehmen ökologische Ziele mit in ihr Zielsystem einbeziehen. Auf diese Weise wäre das gesamtwirtschaftliche Optimum auch erreichbar. Nimmt man damit eine Stakeholder-Sicht ein, ist es notwendig, dass auch weitere Anspruchsgruppen wie Kunden, Zulieferer aber auch die Umwelt im eigentlichen Sinne Berücksichtigung finden. Nach einem solchen Ansatz müssen dann Umweltziele ebenso in das Zielsystem von Unternehmen mit aufgenommen werden. Dies kann entweder über die Definition von Zielen oder Nebenbedingungen zu Umwelt oder Nachhaltigkeit geschehen. Umweltziele können dabei grundsätzlich konkurrierend, indifferent oder komplementär zu Profitabilität oder Unternehmenswertsteigerung sein. Hier zeigen zahlreiche Untersuchungen, dass eher eine Tendenz zur Zielkomplementarität gerade in entwickelten Ländern existiert.16 Wenn Unternehmen auch Umweltziele mit in ihre Unternehmenspolitik integrieren, sind etwa Kunden bereit, mehr für ökologisch erzeugte Produkte zu bezahlen, oder durch Umweltmaßnahmen können Umweltrisiken vermieden werden. Hier existiert eine Richtung in der Betriebswirtschaftslehre die Umweltziele auch als Oberziele definiert, denen andere Ziele wie Gewinnstreben unterzuordnen sind. Diese ethisch normative ökologische Betriebswirtschaftslehre fordert damit ein grundsätzliches Umdenken des betriebswirtschaftlichen Denkens17. Diese Vorstellung des Primats der ökologischen Ziele hat sich aber aktuell nicht durchgesetzt. Den Gegenpol dazu stellt die vom Nobelpreisträger Milton Friedmann formulierte These dar, dass das einzige Ziel der Unternehmen nur das Gewinnstreben sein kann. Andere Ziele sind nur insoweit zu berücksichtigen, soweit sie das Ziel Gewinnstreben unterstützen. Vertreter dieser Auffassung machen weiterhin geltend, dass am langen Ende die Umweltfolgen in natürlicher Weise in den Konsumnutzen über Marktmechanismen mit einbezogen werden. Marktversagen, wie nicht internalisierte externe Effekte sollen rein über ordnungspolitische Maßnahmen (Regulierungen) Berücksichtigung finden. Wenn Umweltziele mit in das Zielsystem integriert werden, kann die Umwelt als weiterer Stakeholder auftreten oder die Umwelt über andere Stakeholder wie Liefe14 15 16 17
Vgl. Günther: Ökologieorientiertes Management, 2008. Vgl. etwa Feess, Seeliger, Umweltökonomie und Umweltpolitik, 2013. Vgl. Hang, Geyer-Klingeberg, Rathgeber, Stöckl, Economic Development matters, 2018. Vgl. z. B. die Ausführungen in Wöhe, Döring, Brösel, Einführung in die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, 2020, S. 19 f.
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A. Grundlagen der Finanzwirtschaft der Unternehmung ranten oder Kunden mit aufgenommen werden. Oft wird aber auch Ökologie einfach als Nebenbedingung in die Zielfunktion eines Unternehmens mit integriert. Somit werden nur solche unternehmerischen Entscheidungen getroffen, die zumindest eine entsprechende Mindestanforderung in der Dimension Ökologie erreichen. Teilweise können diese Nebenbedingungen dabei unternehmsintern gesetzt, über die Rechtslage der Umweltgesetzgebung von außen determinierend oder die künftige Gesetzeslage adaptierend sein. Unabhängig von Ziel oder Nebenbedingung ist die Messung der Dimension Umwelt von Bedeutung.18 Entgegen der ökonomischen Dimension, in der sich die Unternehmenswertsteigerung als Zielgröße etabliert hat, ist die Messung der Dimension Umwelt noch sehr heterogen. Hier existiert eine große Menge von Kennzahlen, die Umweltwirkungen unternehmerischer Maßnahmen messen. Diese setzen oft am Produktionsprozess an. Typische Kennzahlen sind die CO2-Äquivalente, die beim Produktionsprozess entstehen, der Wasser- oder Landverbrauch der Produktion, die Energieeffizienz des Unternehmens oder das Abfallaufkommen. Diese werden je nachdem ob Ökologie ein Ziel oder eine Nebenbedingung ist, mit in die Optimierung des Unternehmenserfolgs aufgenommen. Anhand der Ziele lassen sich dann auch entsprechende Maßnahmen ableiten und bewerten. Ansatzpunkte der Maßnahmen sind dabei zunächst der betriebliche Produktionsprozess, der entsprechend den Zielen optimiert oder bei deren Optimierung ökologische Nebenbedingungen Berücksichtigung finden müssen. Aber auch die Beschaffung von Produktionsfaktoren kann an der ökologischen Dimension mit ausgerichtet sein. Dies trifft auch auf die Nutzung der Produkte eines Unternehmens zu. Letztendlich greift damit die Berücksichtigung ökologischer Kennzahlen auch in die Finanzwirtschaft der Unternehmung ein. So kann bei Investitionsentscheidungen eine ökologische Dimension mitberücksichtigt werden. Das trifft auf die Realinvestitionsentscheidungen bei Unternehmen wie auch auf Finanzinvestitionsentscheidungen von Investoren am Kapitalmarkt zu.
III. Forschungsansätze in der Finanzwirtschaft Lernziele dieses Kapitels x Forschungsansätze in der Finanzwirtschaft gehen von unterschiedlichen Voraussetzungen aus und leiten auf dieser Basis verschiedene Deutungsmuster ab oder bauen unterschiedliche Theoriegebäude auf. x In der klassischen Finanzierunglehre, dem ältesten Zweig der Finanzwirtschaft, lassen sich vier verschiedene Ansätze unterscheiden. Das Ziel der deskriptiv ausgerichteten Formenlehre besteht darin, für jeweils vorgegebene Investitionsvorhaben mögliche interne und externe Finanzierungsquellen ausfindig zu machen und die „günstigen“ herauszustellen. Der sogenannte projektorientierte Ansatz hat die Ausgestaltungen und Rechtsfolgen außergewöhnlicher finanz-technischer Maßnahmenpakete und Projekte zum Gegenstand. Ein drittes wichtiges Forschungsgebiet der klassischen Lehre 18
Vgl. Burschel, Losen und Wiendl, Betriebswirtschaftslehre der Nachhaltigen Unternehmung, 2004, S. 545 ff.
III. Forschungsansätze in der Finanzwirtschaft stellt die Finanzanalyse dar, in der aus dem Jahresabschluss relevante Informationen über die finanzwirtschaftliche Stabilität und Bonität einer Unternehmung meist mittels aussagefähigen Kennzahlen und Kennzahlenkombinationen gewonnen werden. Kennzeichnend für den vierten Bereich, die Finanzplanung, ist die Emanzipation einer eigenständigeren Planung, die nicht mehr nur die Erfassung des finanziellen Niederschlags der vormals einzig relevanten Güterprozesse zur Aufgabe hat, sondern sich vor allem im Dienst der Zahlungsfähigkeit der Unternehmung sieht. x Unterstellt man nun einen vollkommenen Kapitalmarkt, an dem Kapitalnehmer in beliebigem Umfang zu einem festen Zinssatz Geld aufnehmen können und andererseits Anleger zu eben diesem Zins ihr Kapital investieren können, rechtfertigt dies die Separation von Investitionen und Finanzierung. Kapitalbindende (Investitions-) und kapitalbeschaffende (Finanzierungs-)Entscheidungen sind dann getrennt zu treffen. Diese Separationseigenschaft ermöglicht nun die getrennte Beurteilung von Investitions- und Finanzierungsmaßnahmen mit einem isolierten Investitionsrechenverfahren, der Kapitalwertmethode. Die Separationseigenschaft stellt damit den Ausgangspunkt der neoklassischen Finanzierungstheorie, die erkannte, dass für den Wert von Finanzierungstiteln zwei aus dem Marktzusammenhang erklärbare Größen von zentraler Bedeutung sind: Rendite und Risiko. Unter Voraussetzungen, welche die Informationslage oder die Risikomessung betreffen, leitet diese Finanzierungstheorie eine Reihe von theoretischen Erkenntnissen ab: Die Irrelevanzthesen von Modigliani und Miller, Markowitz‘ Portfoliotheorie, das CAPM von Sharpe, Lintner und Mossin sowie die Arbitrage Pricing Theory (APT) von Ross. x Die Existenz von Finanzintermediären sowie von zahlreichen unterschiedlichen Finanzierungs- und Rechtsformen kann die neoklassische Finanzierungstheorie nur schwer erklären. Dies begründet die neoinstitutionalistische Finanzierungstheorie damit, dass Marktunvollkommenheiten existieren, zu deren Überwindung Transaktionskosten nötig sind, welche die Einschaltung von Finanzintermediären oder die Generierung von Finanzformen verursachen. Eine Marktunvollkommenheit sind etwa die Informationsasymmetrie zwischen Kapitalgebern und -nehmern oder die häufig ungleich verteilten Möglichkeiten der Vertragspartner, Entscheidungen zu treffen und Informationsvorsprünge zu Lasten der Gegenpartei auszunutzen. Der Kapitalgeber (Prinzipal) muss mit Verhaltensweisen des Kapitalnehmers/Managements (Agenten) rechnen, die seinen Kredit oder seine Beteiligung im Wert schmälern. Diese Verhaltensweisen können durch Finanzintermediäre bzw. alternative Finanzierungsformen besser kontrolliert werden.
Der wissenschaftliche Zweig der Finanzwirtschaft, die Finanzierungsforschung, stellt eine relativ junge Disziplin auf dem Gebiet der Betriebswirtschaftslehre dar.19 Ihre Zielsetzung ergibt sich aus den Anforderungen der Finanzierungspraxis. Diese lassen sich in zwei zentralen Fragestellungen zusammenfassen:20 1. Wie lässt sich die Auswahl der am Markt erhältlichen Gläubiger- und Beteiligungspositionen optimal gestalten? 2. Wie sieht der Raum möglicher Alternativen aus, aus dem heraus sich für den Kapitalgeber die optimale Finanzierung entwickeln lässt?
19
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Allein die heute als Teilgebiet der Finanzierung definierte Investitionsrechnung ist wohl erheblich älter. Vgl. auch Schneider, Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, 1987, S. 350 ff. Vgl. hierzu und im Folgenden Steiner, Kölsch, Finanzierung, 1989, S. 409 ff.; auch Loistl, Zur neueren Entwicklung der Finanzierungstheorie, 1990, S. 47 ff.
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A. Grundlagen der Finanzwirtschaft der Unternehmung Um diese Erkenntnisziele zu erfüllen, hat sich die Finanzierungsforschung im Besonderen der folgenden drei Komponenten anzunehmen, die die Gestaltung optimaler Kapitalgeber- und Kapitalnehmerbeziehungen bestimmen (vgl. Abbildung A 4): 1. die Zielsetzungen der Kapitalgeber und -nehmer, 2. den Vorgang und das Medium des Kapitaltransfers, 3. der Marktzusammenhang, in den die Kapitalnehmer-/Kapitalgeberbeziehung einzuordnen ist. 2.
Kapitalnehmer 1.
Kapitalgeber (A) Steuern Informationskosten Transaktionskosten (Bank-, Börsen-, Kontraktgebühren) 3.
Opportunitätskosten (durch geringere zukünftige Handlungsmöglichkeiten)
Abb. A 4: Gegenstand der Finanzierungsforschung: Die optimale Kapitalgeber- und -nehmerbeziehung im relevanten Marktzusammenhang
1. Das Forschungskonzept der klassischen Finanzierungslehre Für den ältesten Zweig der Finanzierungsforschung besitzt die Finanzierung als (langfristige) Kapitalbeschaffung lediglich eine unterstützende Funktion. Als „Hilfsfunktion zweiten Grades“ hat sie den Leistungsprozess nicht zu stören, sondern die für den Leistungsprozess erforderlichen Investitionen zu ermöglichen. Insofern erfolgt durch die klassische Finanzierungslehre eine getrennte Betrachtung der Finanzierungsvorschläge und Investitionsentscheidungen. Es lassen sich im Rahmen der klassischen Finanzierungslehre vier grundlegende Forschungsschwerpunkte unterscheiden. Die deskriptiv ausgerichtete Formenlehre21 stellt dabei den ersten Ansatz dar. Ihr Ziel besteht darin, für jeweils vorgegebene Investitionsvorhaben mögliche interne und externe Finanzierungsquellen ausfindig zu machen und die „günstigen“ herauszustellen. Als interne Quelle findet vor allem der betriebliche Umsatzprozess Beachtung. Für die Auswahl externer Finanzierungsquellen hat die traditionelle Lehre einen mehrdimensionalen Kriterienkatalog entwickelt, anhand dessen ein systematischer Vergleich der Vorteilhaftigkeit von Eigenkapitalzuführung und Aufnahme von Fremdkapital erfolgen kann. Dennoch wird es i. d. R. zu unterschiedlichen Vorteilhaftigkeitsaussagen kommen, allein schon aufgrund der unterschiedlichen 21
Vgl. Grochla, Finanzierung, 1976, Sp. 417 f., 421 ff., der vom „Quellen-orientierten Ansatz“ spricht.
III. Forschungsansätze in der Finanzwirtschaft Sichtweise (Kapitalnehmer oder Kapitalanleger); darüber hinaus werden die Anzahl der jeweils zugrunde gelegten Kriterien und ihre jeweilige Gewichtung nicht immer einheitlich sein. Zu den typischen Kriterien gehören: 1. Herkunft und Fristigkeit des Kapitals 2. Kapitalkosten bzw. Rendite und Transaktionskosten 3. bei der Transaktion und im Anschluss an die Kapitalvergabe einzuhaltende Vorschriften 4. Kontroll- und Mitsprachemöglichkeiten für die Kapitalgeber 5. Risiken des Finanzierungstitels (Bonität des Kapitalnehmers, Art und Grad der Besicherung) 6. steuerliche und finanzielle Behandlung. Wenngleich einfach, ist diese deskriptive Ausrichtung der Formenlehre ein stets aktueller Zweig der Finanzierungsforschung. Es ist damit zu rechnen, dass wie bisher auch in Zukunft Gesetzesänderungen im Handels- und Steuerrecht auftreten werden. Ihre Auswirkungen auf den Einsatz der gegebenen Finanzierungsinstrumente sind genauso zu prüfen, wie die Vielzahl der gerade in den letzten Jahren neukreierten Finanzinnovationen zu beschreiben ist. Der sogenannte projektorientierte Ansatz22 stellt den zweiten Forschungsschwerpunkt der klassischen Lehre dar. Gegenstand sind die Ausgestaltungen und Rechtsfolgen außergewöhnlicher finanztechnischer Maßnahmenpakete und Projekte. Hierzu gehören klassischerweise Gründung, Wachstum, Umwandlung, Kapitalheraufsetzung, Fusion, Sanierung, Kapitalherabsetzung und Liquidation. Zahlreiche neue Untersuchungsgebiete haben sich in jüngster Zeit auf diesem Gebiet der klassischen Lehre eröffnet, etwa die Bereiche der Projektfinanzierung im engeren Sinne, des Management Buy Out oder auch des Leveraged Buy Out und des Going Public. Ein drittes wichtiges Forschungsgebiet der klassischen Lehre stellt die Finanzanalyse dar. Sie wird durch das bilanzorientierte statische Finanzierungsverhältnis nahegelegt. Hier werden aus dem Jahresabschluss relevante Informationen über die finanzwirtschaftliche Stabilität und Bonität einer Unternehmung gewonnen. Die Analyse von in dieser Hinsicht aussagefähigen Kennzahlen und Kennzahlenkombinationen hat gerade auch in der Bankpraxis eine erhebliche Bedeutung erhalten. Als Bonitätsindikatoren haben sich vor allem der Verschuldungsgrad und die „Sachanlagendeckung durch Eigen- und langfristiges Fremdkapital“ etabliert. So war über lange Zeit für eine positive Bonitätsaussage etwa ein Verschuldungskoeffizient (als Verhältnis von Eigenzu Fremdkapital) von mindestens 1 zu 3 gefordert, genauso wie die Einhaltung der goldenen Bilanzregel, nach der das langfristig gebundene (Sach-)Kapital vollständig durch Eigen- und langfristiges Fremdkapital finanziert sein muss. Der verstärkte Einsatz von Kapitalflussrechnungen markiert den Übergang zur zahlungsstromgerichteten Betrachtung der Finanzierung als dynamischer Zeitraumgröße. Es bilden sich Cashflow-Kennziffern und differenzierte Umsatzüberschuss-Kennzahlen heraus, die sich gerade durch den Einbezug von Informationen aus der Gewinn- und Verlust-Rechnung oder sogar aus der internen Finanzierungsrechnung auszeichnen.
22
Vgl. Grochla, Finanzierung, 1976, Sp. 419 ff.; auch im Einzelnen Vormbaum, Finanzierung, 1990, S. 473 ff.
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A. Grundlagen der Finanzwirtschaft der Unternehmung Die Kennzahlenforschung ist auch einer der wenigen Bereiche in der klassischen Finanzierungslehre, in denen intensiv empirisch gearbeitet wird (vgl. die Übersicht Abschnitt E II 2). Erste Arbeiten suchten nach Kennzahlen, die für sich allein genommen höchste Prognosekraft über die zukünftige Unternehmensentwicklung besitzen. Heute bemüht man sich verstärkt um Trennfunktionen, in denen mehrere gewichtete Kennziffern zu einem gesicherten Urteil über die Erfolgsentwicklung verdichtet werden. Die Aufrechterhaltung der Zahlungsfähigkeit ist für den Fall günstiger Ertragsaussichten noch nicht gewährleistet, wenngleich erleichtert. Vielmehr bedarf die Sicherung der Zahlungsfähigkeit einer Prognose und Beeinflussung der Zahlungsströme, also einer genauen Finanzplanung. Der Übergang vom institutionellen Verständnis der Finanzierung als bilanziell relevantem Vorgang mit rechtlichen und steuerlichen Konsequenzen hin zu einem zahlungsstrombezogenen Terminus ist nicht nur Ergebnis, sondern Voraussetzung der Finanzplanung als viertem Forschungsbereich der klassischen Finanzierungslehre (vgl. im Einzelnen Abschnitt F). Kennzeichnend für den modernsten unter den klassischen Ansätzen ist die Emanzipation einer eigenständigeren Finanzplanung, die nicht mehr nur die Erfassung des finanziellen Niederschlags der vormals einzig relevanten Güterprozesse zur Aufgabe hat, sondern sich vor allem im Dienst der Zahlungsfähigkeit der Unternehmung sieht. Sie einzuhalten ist die unverzichtbare Bedingung für den Erhalt des Unternehmens. Bedeutende Forschungsarbeiten im Rahmen der Finanzplanung zielten auf die Entwicklung von Verfahren der Verweilzeitverteilungen, einer „integrierten Finanzplanung“ und mathematischen Verfahren zur Lösung des Planproblems (Kassenhaltungswie auch LP-Modelle). Aktuell dominieren pragmatische Beschreibungen installierter Programmpakete. Hier geht es um organisatorische Probleme, Zielsetzungen implementierter Systeme oder um Fragen der IT-Umsetzung (Datenanbindung an das Rechnungswesen, einsetzbare Analysen, vorhandene Prognoseverfahren).
2. Neoklassische Finanzierungstheorien a) Einwertige Ansätze unter der Annahme der Sicherheit Die Beschreibung von Finanzierungsvorgängen in ihrer Eigenschaft als Zahlungsströme hat zu einer neuen Sicht der Finanzierung als Umkehrung der Investition geführt. Anstatt wie die Investitionen mit einer oder mehreren Auszahlungen zu beginnen, denen dann eine oder mehrere Einzahlungen folgen, weist die Zahlungsreihe einer Finanzierungsmaßnahme zu Beginn Einzahlungen auf, denen dann Auszahlungen in Form von Zins- und Tilgungsdiensten folgen. Unterstellt man nun einen vollkommenen Kapitalmarkt, an dem Kapitalnehmer in beliebigem Umfang zu einem festen Zinssatz Geld aufnehmen können und andererseits Anleger zu eben diesem Zins ihr Kapital investieren können, rechtfertigt dies die Separation von Investitionen und Finanzierung. Kapitalbindende (Investitions-) und kapitalbeschaffende (Finanzierungs-)Entscheidungen sind dann getrennt zu treffen. Der vollkommene Kapitalmarkt stellt somit das Pendant sowohl für mögliche Finanzierungs- als auch Investitionsvorhaben dar. Diese nach ihrem „Entdecker“ benannte
III. Forschungsansätze in der Finanzwirtschaft „Fishersche Separationseigenschaft“23 ermöglicht nun die getrennte Beurteilung von Investitions- und Finanzierungsmaßnahmen mit einem isolierten Investitionsrechenverfahren, der Kapitalwertmethode und damit auch die Delegation der Entscheidungsgewalt auf einen Manager. Der Kapitalwertmethode wurden in den 1960er-Jahren weitere Techniken (Vermögenswert-, Annuitäten- und Zinssatzverfahren) an die Seite gestellt. Auch wenn das Forschungsgebiet der Investitionsrechenverfahren mittlerweile als gut bearbeitet gilt, treten immer wieder offene Fragen auf, deren Beantwortung in der Öffentlichkeit mit breitem Interesse verfolgt wird. Hierzu gehören etwa die Problembereiche der effektivzinskonstanten Disagioabgrenzung, die Behandlung von Termingeschäften und der Einsatz von Zerobond-Abzinsungsfaktoren. Für den Fall, dass ein unvollkommener Kapitalmarkt mit sicherem Referenzzinssatz existiert, sind Investitions- und Finanzierungsentscheidungen simultan zu treffen (vgl. hierzu Abschnitt B I 4 und die dort angegebene Literatur). So kann eine „teure“ Finanzierungsmöglichkeit durchaus interessant sein, wenn mit ihr eine Investition zu finanzieren ist, deren Zahlungsüberschuss die Finanzierungskosten übersteigt. Im einfacheren Ein-Perioden-Fall bietet sich das sogenannte Dean-Modell für die simultane Programmgestaltung an. Hier erfolgt auf der einen Seite eine Reihung der Investitionsalternativen nach der jeweiligen Höhe ihrer Rendite und eine Reihung der möglichen Finanzierungsmaßnahmen nach der Niedrigkeit ihrer Kosten auf der anderen Seite. So wird die Reihe der Investitionsmöglichkeiten als Kapitalnachfragefunktion der Kapitalangebotsfunktion gegenübergestellt; der Schnittpunkt markiert das optimale Investitions- und Finanzierungsprogramm. Im Mehr-Perioden-Fall ist diese vereinfachte Vorgehensweise nicht mehr gerechtfertigt. Hier kommen komplexere Methoden der linearen Programmierung zum Einsatz, die über mehrere Perioden unter Einhaltung der relevanten Liquiditätsrestriktionen und Entnahmeerfordernisse die Maximierung des gewählten Zielkriteriums gewährleisten. Die Abbildung von Nutzenfunktionen ist in LP-Ansätzen nur begrenzt möglich. Als Zielkriterien kommen nur lineare Funktionen in Frage, die entweder die Barwertmaximierung, die Vermögensendwertmaximierung oder die Maximierung der Entnahmen berücksichtigen. Problematisch bleibt die Einbeziehung unsicherer Erwartungen. Die Sensitivitäts- wie auch die Risikoanalyse vermögen keine homogene Verknüpfung von Rendite- und Risikoaspekten. Vielmehr veranschaulichen sie die Wirkungen unsicherer Erwartungen auf das Ergebniskriterium, ohne jedoch ein einwertiges Zielergebnis aus beiden Einflussgrößen zu erzeugen.
b) Kapitaltheorie Den Ausgangspunkt kapitaltheoretischer Forschungsansätze markierte die Einsicht, dass die mehrdimensionale Betrachtung von Finanzierungsinstrumenten bzw. -vorgängen vor der Anzahl der einzubeziehenden Aspekte kapitulieren muss, wenn sie nicht zunächst weniger wichtige Gesichtspunkte ausklammert. Gleichzeitig erkannte man, dass für den Wert von Finanzierungstiteln zwei aus dem Marktzusammenhang erklärbare Größen von zentraler Bedeutung sind: Rendite und Risiko. Um in diesem Sinne andere wertbestimmende Einflussfaktoren aus der theoretischen Analyse zu
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Vgl. Fisher, Theory of Interest, 1930.
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A. Grundlagen der Finanzwirtschaft der Unternehmung eliminieren und vor allem das Risiko exakt zu messen, benötigt die kapitaltheoretische Forschung sehr restriktive Annahmen: 1. einen vollkommenen Kapitalmarkt, an dem keine Reibungsverluste durch Transaktionskosten, Steuern oder ungleiche/begrenzte Marktzugänge auftreten, 2. risikoscheue Investoren, die ein Interesse an der Übernahme von Risiken nur dann haben, wenn sie dafür höhere Renditen erwarten können; Unterschiede bestehen lediglich hinsichtlich des Ausmaßes der Risikoscheu, 3. eine hohe Informationseffizienz, die gegeben ist, wenn trotz Unsicherheit alle Marktteilnehmer dieselben Erwartungen hegen, weil alle Informationen ohne Friktionen zugänglich sind und vollständig berücksichtigt werden, 4. eine einperiodige Betrachtung in den Grundmodellen aus Gründen der Vereinfachung. Unter diesen Voraussetzungen ist es seit den 1950er-Jahren zu einer Reihe von theoretischen Erkenntnissen gekommen, die zusammen ein solides Fundament einer neuen Finanzierungstheorie darstellen. Zu nennen wären: 1. die Irrelevanzthesen von Modigliani und Miller,24 2. Markowitz‘ Portfoliotheorie,25 3. das CAPM von Sharpe, Lintner, Mossin26 und 4. die Arbitrage Pricing Theory (APT) von Ross u. a.27 Als Ausgangspunkt der neueren Kapitaltheorie kann die Ende der 1950er-Jahre aufgekommene Diskussion um die optimale Kapitalstruktur gesehen werden, in deren Vordergrund die Auswirkungen des Verschuldungsgrades auf die Finanzierungskosten standen (vgl. im Einzelnen Abschnitt D IV). Gegen die traditionelle These, die von verhaltenstheoretischen Annahmen ausgehend einen optimalen Verschuldungsgrad vermutet, richtet sich der zunächst verblüffende Beitrag von Modigliani und Miller. Unter dem Stichwort „Irrelevanz der Finanzierung“ folgern sie aus einem Annahmebündel, dass der Wert eines Unternehmens (als Summe der Werte aller Finanzierungstitel) und damit die durchschnittlichen Kapitalkosten durch Veränderungen des Verschuldungsgrades nicht beeinflussbar sind. Voraussetzung ist lediglich, dass jeder private Anleger über denselben Zugang zum Kapitalmarkt verfügt wie die Unternehmen; in der Folge ist der private Anleger in der Lage, das ihm wünschenswert erscheinende finanzwirtschaftliche (Kapitalstruktur-)Risiko selbst herzustellen, indem er Verschuldungsmaßnahmen der Unternehmen, an denen er Beteiligungstitel erhält, durch eigene Verschuldung oder durch Investition in eine sichere Geldanlage korrigiert. Vor diesem Hintergrund werden Investitions- und Finanzierungsentscheidungen aus Sicht der Unternehmung separiert. Der Ansatz von Modigliani und Miller begründet nicht nur ein erstes Separationstheorem unter Unsicherheit. Mit ihrer methodischen Vorgehensweise, des Beweises unter Ausnutzung der Arbitragefreiheit, begründen Modigliani und
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Vgl. Modigliani, Miller, Cost of Capital, 1958; Modigliani, Miller, Dividend Policy, 1961. Vgl. Markowitz, Portfolio Selection, 1952; Markowitz, Portfolio Selection, Efficient Diversification, 1991. Vgl. Sharpe, Capital Asset Prices, 1964; Lintner, Valuation of Risk Assets, 1965; Mossin, Capital Asset Market, 1966. Vgl. Ross, Return, Risk and Arbitrage, 1977.
III. Forschungsansätze in der Finanzwirtschaft Miller auch ein Verfahren, das in sehr vielen Bereichen der neoklassischen Finanzwirtschaft Anwendung findet. Ebenfalls gleichgewichtstheoretisch erfolgt die Begründung der ergänzenden These Modiglianis und Millers zur Irrelevanz der Dividendenpolitik: Entscheidungen der Unternehmensleitung hinsichtlich der Thesaurierung oder Ausschüttung von Gewinnen werden – bei gegebenen Investitionsentscheidungen – von den einzelnen Investoren beliebig präferenzoptimiert. Hierzu werden „überhöhte“ Ausschüttungen in weitere Beteiligungstitel investiert; aus Anlegersicht überhöhten Thesaurierungen wird durch Verkauf von Beteiligungstiteln entgegengewirkt. In Erweiterung der Überlegungen von Modigliani und Miller kann auch das Risikomanagement als eine Finanzierungsentscheidung angesehen werden, sodass in den 1980er-Jahren auch die zur Irrelevanz von Risikomanagement abgeleitet werden konnte. Während die Ausführungen von Modigliani und Miller den Einfluss des Verschuldungsgrades, also des finanzwirtschaftlichen Risikos, auf die Wertfindung betreffen, untersuchen das CAPM und die APT primär das leistungswirtschaftliche Risiko einer Investition (vgl. darüber hinaus die Abschnitte C IV und D IV). Die Ergebnisse des CAPM (Capital Asset Pricing Model) stützen schließlich die Thesen Modiglianis und Millers, nehmen mit der Portfoliotheorie aber einen völlig anderen Ausgangspunkt. Hiernach ergibt sich das Risiko einer Investition nicht aus der Betrachtung der schwankenden Zahlungsströme dieser Investition für sich genommen, sondern (unter Berücksichtigung von Risikostreuungseffekten) durch ihren Risikobeitrag zum Portfoliorisiko insgesamt. Das CAPM fasst alle verfügbaren risikobehafteten Finanzierungstitel im sogenannten Marktportefeuille zusammen; die Bewertung des Risikos einzelner Investitionen bzw. Finanzierungsmaßnahmen erfolgt nun ausschließlich anhand des jeweiligen Risikobeitrags. Wird an dieser Stelle nun ein risikoloser Zinssatz eingeführt, zu dem – wie im Modell von Modigliani und Miller – von jedem privaten Investor sowie von Unternehmen in beliebigem Umfang Kapital angelegt und auch nachgefragt werden kann, lässt sich der Einfluss des Verschuldungsgrades auf den Unternehmenswert untersuchen. Das Ergebnis stützt die Thesen von Modigliani und Miller. Von Veränderungen des Verschuldungsgrades bleiben die Preise für Unternehmen oder einzelne Investitionen unbeeinflusst, solange der leistungswirtschaftliche Risikobeitrag konstant bleibt. Folglich lassen sich Investitionsentscheidungen unabhängig von der Finanzierung treffen; dies ist ein weiterer Ansatz eines Separationstheorems unter Unsicherheit. Im Einklang mit den Thesen von Modigliani/Miller lässt sich aus den Ergebnissen des CAPM die Aussage des kapitaltheoretischen WAT (Wertadditivitätstheorems) ableiten. Dies besagt: Bewertet man zwei Zahlungsströme isoliert, so wird die Summe dieser zwei Werte dem Kurs entsprechen, den man bei der Bewertung desjenigen Zahlungsstroms gewinnt, der sich durch Addition der vorher einzeln beurteilten Ströme ergibt. Im Zentrum neuerer Forschungsarbeiten stehen derzeit Mehrfaktorenmodelle, wie z. B. die APT (Arbitrage Pricing Theory), die von Ross als testbare Alternative zum CAPM entwickelt wurde. Grundlegende Voraussetzung ist, dass Preisdifferenzen umgehend ausgeglichen (arbitriert) werden, wenn sie zwischen gleich riskanten Investitions-/Finanzierungsalternativen auftreten. Dabei beschränkt sich die APT nicht auf eine globale Betrachtung des Risikos in Form von möglichen Schwankungen der Zahlungsströme, sondern ermöglicht differenziertere Betrachtungen einzelner Risikokomponenten. Allerdings setzt der Arbitrageprozess voraus, dass die Kapitalanleger bzw. -nachfrager in der Lage sind, das jeweilige Risiko bzw. die einzelnen Risikokomponenten exakt zu
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A. Grundlagen der Finanzwirtschaft der Unternehmung bewerten. Unabhängig von den Risikoneigungen (als Ausprägung der Risikoscheu) der einzelnen Investoren ermöglichen CAPM und APT auf diese Weise den Ausschluss nicht-effizienter Investitions- bzw. Finanzierungsmöglichkeiten und damit die Ableitung vorteilhafter Rendite-Risiko-Kombinationen. In diesem Sinne ist eine Separation der optimalen Investitions-/Finanzierungsentscheidungen von persönlichen Präferenzen gelungen. Mithilfe des Gedankens der Arbitragefreiheit wurden in den 60ern und 70ern des vergangenen Jahrhunderts für Derivate, deren Preise sich von einem Basiswert ableiten, Werte ermittelt. Hintergrund der Arbitrageüberlegung ist, dass der Zahlungsstrom, den ein Derivat verspricht, sich durch Transaktionen in einer risikolosen Anlage und im Basiswert, etwa einer Aktie, duplizieren lässt. Da beide Zahlungsströme identisch sind, muss auch der Preis des Derivats dem Geldbetrag entsprechen, der bei der Transaktion in der risikolosen Anlage und im Basiswert erzielt wird. Diese auch als Derivatebepreisung bezeichnete Methode wurde anfänglich auf einfache Derivate wie Futures, Forwards oder Optionen angewandt. In letzterem leisteten drei Forscher, Fischer Black, Robert Merton und Myron Scholes, Pionierbeiträge, auf denen mit der Finanzchemie eine ganzer Forschungsstrang aufgebaut wurde.28
c) Finanzchemie und Financial Engineering Die modelltheoretische Durchdringung der Finanzierungsentscheidung im Rahmen kapitaltheoretischer Ansätze hat einen hohen Erklärungswert für das Verständnis von Investitions- und Finanzierungsentscheidungen bewiesen. Allerdings waren hierzu notwendigerweise eine Reihe von Aspekten aus der Analyse auszuklammern und z. T. rigide Modellprämissen zu setzen. In der Realität sind Finanzierungsentscheidungen äußerst komplex. Die nötige Risikoeinschätzung und Quantifizierung von individuellen Nutzenvorstellungen zur Auswahl aus dem gegebenen optimalen Angebot – wie zuletzt in der APT behandelt – erweist sich als äußerst schwierig. Vor dem Hintergrund der theoretischen Erkenntnisse zeichnet sich die neueste Forschungsrichtung der Finanzchemie und des Financial Engineering wiederum durch einen stärkeren Praxisbezug aus. Dem grundlegenden Auftrag der Finanzierungsforschung gemäß, Finanztitel zu bewerten und optimale Finanzierungen zu komponieren, werden innerhalb der Finanzchemie zwei Stoßrichtungen unterschieden: 1. die analytische Ebene des Stripping (Unbundling), 2. die synthetische Ebene des Replicating (Bundling). Analog zur analytischen Chemie erfolgt beim Stripping die Aufspaltung komplexer Finanztitel in ihre Bestandteile, wie Ansprüche auf Zins- und Tilgungszahlungen und sonstige Zusatzrechte. Sofern sie gehandelt werden, lässt sich über den Markt ihre Bewertung im Einzelnen feststellen. Aus der Zusammenfassung der Einzelwerte ergibt sich dann der Wert der Finanzkonstruktion. Beim Replicating erfolgt – der synthetischen Chemie vergleichbar – die Neuschaffung optimaler Finanztitel, indem die möglichen Basiselemente, Zahlungsreihen, Optionen etc. für den jeweiligen Finanzierungsfall optimal kombiniert werden. Durch die Flexi28
Vgl. Black, Scholes: Pricing of Options, 1973, und Merton, Theory of Rational Option Pricing, 1973.
III. Forschungsansätze in der Finanzwirtschaft bilität dieses Ansatzes und die unbegrenzten Kombinationsmöglichkeiten lassen sich, insbesondere für den Einzelfall, problemorientierte maßgeschneiderte Finanzprodukte schaffen (bezüglich Beispielen vgl. Abschnitt C). Sowohl Stripping als auch Replicating ermöglichen damit die Bewertung von Zahlungsströmen, die neu kreiert worden sind.
3. Neoinstitutionalistische Finanzierungstheorie Der wesentliche Fortschritt der modernen Finanzierungstheorie gegenüber der klassischen Lehre ist wohl darin zu sehen, dass wissenschaftlich fundierte Konzepte entwickelt werden, die das Nachdenken über Rendite und Risiko erleichtern und auf eine objektivere Basis stellen. Es kommt zu einer starken theoretischen Durchdringung von Investitions- und Finanzierungsproblemen. Darüber hinaus bietet die moderne Theorie fruchtbare Ansätze für ausgiebige empirische Forschungen. Diese müssen allerdings immer wieder dort an Grenzen stoßen, wo die gesetzten strengen Annahmen den realen Zuständen und Prozessen entgegenstehen. Gleichzeitig ist zwischen der klassischen Finanzierungslehre und der Finanzierungstheorie der Neoklassik eine Kluft entstanden, die auch durch die starke Praxisorientierung und Marktbezogenheit der Finanzchemie nicht überwindbar ist. Gerade aber aus einer neuen Perspektive ein verbindendes Element zu schaffen, ist das erklärte Ziel der neoinstitutionalistischen Finanzierungstheorie. Sie nimmt ihren Ausgangspunkt in der obengenannten Annahme eines reibungsfreien vollkommenen Kapitalmarktes und vollständiger Information aller Marktteilnehmer. Sicherlich gibt es – mit fortschreitender Entwicklung der Informations- und Kommunikationstechnologien – Teilmärkte, die den idealen Marktverhältnissen sehr nahekommen. Dennoch bleibt unbestritten, dass der Kapitalmarkt insgesamt nach wie vor als unvollkommen zu bezeichnen ist. Hinzu kommt die Existenz von Finanzintermediären sowie von zahlreichen unterschiedlichen Finanzierungs- und Rechtsformen, die die reine Kapitaltheorie nicht erklären kann, die allenfalls in der Finanzchemie beschrieben werden. Dass trotz ihrer Kosten solche Institutionen existieren und immer wieder neu geschaffen werden, kann nur darin begründet sein, dass mit ihnen die Märkte unter den realen Gegebenheiten besser funktionieren als ohne sie. Mit den Kosten der Unterhaltung und Einrichtung von Institutionen wird ein Wohlfahrtsverlust in Kauf genommen. Eine Erklärung hierfür bieten die Informationsasymmetrie zwischen Kapitalgebern und -nehmern und die häufig ungleich verteilten Möglichkeiten der Vertragspartner, Entscheidungen zu treffen und Informationsvorsprünge zu Lasten der Gegenpartei auszunutzen.29 Der Kapitalgeber (Prinzipal) muss mit Verhaltensweisen des Kapitalnehmers/Managements (Agent) rechnen, die seinen Kredit oder seine Beteiligung entwerten. Etwa kann es im Anschluss an die Finanzierungsmaßnahme zu Investitionsentscheidungen der Geschäftsführung kommen, die das Investitionsrisiko der Kapitalgeber unvorhersehbar und vertragswidrig erhöhen. Oder aber der Agent spricht sich Vergünstigungen in Form unangemessener Büroausstattung, Firmenwagen und Gehaltsleistungen zu (Consumption on the Job), über die er von dem Unternehmen unverhältnismäßig mehr profitiert als die risikotragenden Kapitalgeber. 29
Vgl. Elschen, Agency-Theorie, 1988; Schmidt, Finanzierungstheorie, 1981; Budäus, Gerum, Zimmermann, Theorie der Verfügungsrechte, 1988.
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A. Grundlagen der Finanzwirtschaft der Unternehmung Um diese Möglichkeiten des Agenten, den Prinzipal zu schädigen, einzuschränken, werden Schutzmechanismen nötig. Sie bestimmen die finanzielle Beziehung. So wird der Kapitalgeber Aufwendungen zur Überwachung des Agenten (Monitoring Costs) auf sich nehmen, während dieser seinerseits bemüht sein wird, den Principal von seiner Vertrauenswürdigkeit zu überzeugen (Bonding Costs). Den hieraus resultierenden Kosten stehen Vorteile aus (weit gehend) vereinbarungsgemäßer Auftragserfüllung gegenüber. In diesem Sinne wird der Principal um eine optimale Vertragsgestaltung bemüht sein. Auf der Grundlage der Property Rights Theory hat die neoinstitutionalistische Finanzierungsforschung ein umfassendes begriffliches Instrumentarium geschaffen. Mit seiner Hilfe werden Erklärungsansätze von Institutionen und Finanzbeziehungen weiterentwickelt. Sicherlich sind die Erkenntnisse noch kaum für einzelwirtschaftliche Entscheidungen hinreichend operationalisierbar und in praktische Handlungsanweisungen zu übersetzen. Andererseits ist es mit dem neoinstitutionalistischen Ansatz gelungen, die unstrukturierte Beobachtung der klassischen Lehre genauso wie die unvollständige neoklassische Sicht zu überwinden und einen weiteren wesentlichen Beitrag zum Verständnis, insbesondere der Metaebene von Finanzierungsvorgängen, zu erbringen.
4. Behavioristische Finanzwirtschaft Während die neoinstitutionalistischen Modelle durch Informationsasymmetrien, Interessendivergenz und unterschiedliche Rechteverteilung gekennzeichnet sind, bedient sich diese Denkrichtung doch meist des Homo Oeconomicus‘ und leichter Abwandlungen dessen. Diesen zeichnet trotz beschränkter Informationen und Handlungsmöglichkeiten die Maximierung seines Konsumnutzens unter einer gewissen Rationalität aus. Genau diese Verhaltensannahme ersetzt der Behaviorismus durch einen aus der Psychologie stammenden Annahmenkatalog zu menschlichem Verhalten. Mithilfe dieses Katalogs versuchen diese Ansätze am Finanzmarkt beobachtete Ereignisse zu deuten, die schwer oder aus Sicht der Behavioristen überhaupt nicht über die neoklassischen Modelle zu erklären sind. Ausgangspunkt dieser Erklärungsansätze ist die Betrachtung des menschlichen Verhaltens auf der Ebene der Einzelindividuen. Diese kennzeichnet etwa Fehleinschätzungen oder nicht am Erwartungsnutzen ausgerichtete Präferenzbildung. Da Erkenntnisse auf der Analyse der menschlichen Psyche fußen, stammen die ersten Untersuchungsresultate aus den 70ern des vergangenen Jahrhunderts von Psychologen. Daniel Kahnemann und Amos Tversky gelten gemeinhin als Vorreiter der Behavioral Finance, da sie fast im Alleingang ihre Erklärungsmodelle entwickelt haben.30 Daniel Kahnemann wurde dafür mit dem Nobelpreis 2002 geehrt. Mithilfe von Experimenten an Individuen stellten die anfänglichen Konkurrenten fest, dass etwa Menschen dazu neigen, bei komplexen Problemen auf einfache Heuristiken (Regeln zum Herbeiführen einer Lösung) zurückzugreifen, statt das Problem in seiner Gänze zu fassen und zu lösen. Als weiteres konkretes Beispiel für Fehleinschätzungen von Individuen kann das Problem des Anchoring angeführt werden. Danach gehen Individuen im Allgemeinen und Investoren im Speziellen von zuerst erhaltenen Ankerinformationen aus, da sie 30
Vgl. Thaler, Behavioral Economics, 2016.
III. Forschungsansätze in der Finanzwirtschaft solche Informationen unbewusst übergewichten. So halten Investoren beispielsweise an einer vorher bekannt gewordenen Analysteneinschätzung über die erwartete Kurshöhe einer Aktie fest, obwohl zwischenzeitlich gegenteilige Informationen eine Revision der Einschätzung zur Folge haben sollten. Neben diesen Verzerrungen bei der Meinungsbildung liegt eine weitere Abweichung von der Verhaltensweise des Homo Oeconomicus‘ in der Präferenzbildung. So scheinen Individuen Mental Accounting zu betreiben. Danach teilen Individuen ihre finanziellen Transaktionen in mentale Konten ein und bewerten diese separat insbesondere auch unter Einbeziehen historischer Informationen. Dies führt etwa dazu, dass nicht entscheidungsrelevante Sunk Costs trotzdem bei der Entscheidungsfindung mitberücksichtigt werden. Letztendlich führen diese Effekte zur Loslösung von der in der Neoklassik zugrunde liegenden Theorie des Erwartungsnutzens. Demgegenüber stellen Kahnemann und Tversky die Prospect Theory, nach welcher zum Beispiel Gewinne und Verluste durch Investoren unterschiedlich wahrgenommen und bewertet werden.31 Diese beispielhaft aufgeführten behavioristischen beobachteten Effekte und die daraus abgeleiteten Hypothesen und Theorien verblieben zunächst auf der Ebene des Individuums. In einem weiteren Schritt nutzten Forscher in den 90ern des vergangenen Jahrhunderts diese Effekte um Beobachtungen auf Kapitalmärkten zu erklären.32 Diese Beobachtungen, meist auch als Anomalien bezeichnet, beschreiben Phänomene, die mit den herkömmlichen neoklassischen Modellannahmen schwer vereinbar sind. Ein Beispiel dafür ist das sogenannte Equity Premium Puzzle, das die ungewöhnlich hohe Renditedifferenz zwischen unsicheren Aktienrenditen und Renditen sicherer Anlagen als schwer mit der Erwartungsnutzentheorie vereinbares empirisches Faktum beschreibt. Dagegen kann dieses Equity Premium Puzzle in einer Welt mit Investoren, die der Prospect Theory folgen, in Einklang gebracht werden. Dieser zweite Schritt, des Einsatzes verhaltensorientierter Erkenntnisse zur Erklärung von Kapitalmarktphänomenen, ist dabei eng mit dem Namen Richard Thaler, der als Brückenbauer zwischen Ökonomie bzw. Finanzwirtschaft und Psychologie 2017 den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften erhielt, verbunden.33 Während der Einsatz der Prospect Theory zur Erklärung des Equity Premium Puzzle ein Paradebeispiel für den zweiten Schritt ist, sind viele andere Untersuchungen nur phänomenologischer Natur, wie etwa der Einfluss von Sportereignissen über die menschliche Stimmung auf den Aktienmarkt. Solche Untersuchungen decken aber eine Schwierigkeit der behavioristischen Erklärungsansätze auf. Fehleinschätzungen oder verzerrte Präferenzbildungen der Individuen müssen zu einem gemeinsamen Verhalten von Marktakteuren verknüpft werden, um die dann beobachtbaren Effekte auslösen zu können. Entscheidend dabei ist, dass entgegen der von der Neoklassik postulierten Annahme, dass solche Verhaltensdefekte sich ausmitteln, diese Defekte nach der Aggregation erhalten bleiben. Gerade diese Lücke zu schließen, ist eine der Hauptherausforderungen der Behavioral Finance. Während die Anfänge der Behavioral Finance in der Erklärung des Kapitalmarktgeschehens lagen, hat sich die Behavioral Finance in den letzten Jahren auch auf die Finanzwirtschaft der Unternehmung ausgedehnt.34 Verhaltenswissenschaftliche Er-
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34
Vgl. Kahneman, Tversky, Prospect Theory, 1979. Vgl. Shleifer, Inefficient Markets, 1999, S. 2 ff. Vgl. Benartzi, Thaler, Myopic Loss Aversion and the Equity Premium Puzzle, 1995 oder De Bondt, Thaler, Does the Stock Market Overreact, 1985. Vgl. Baker, Ruback, Wurgler, Behavioral Corporate Finance, 2007.
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A. Grundlagen der Finanzwirtschaft der Unternehmung kenntnisse in die Finanzwirtschaft der Unternehmung mit einzubeziehen setzt an zwei grundsätzlich verschiedenen Ansatzpunkten an. Einmal am Investor der nicht dem Homo Oeconomicus folgt und somit indirekt auf die Bewertung und damit die Kapitalkosten der Unternehmung Einfluss hat. Letztere stellen dabei die Grundlagen für Entscheidungen der Unternehmung dar. Der zweite Ansatzpunkt liegt im Verhalten des Managers der Unternehmung, sodass hier eine direkte Wirkung auf Unternehmensentscheidungen folgt. Ein Beispiel für den ersten Fall, irrationales Investorenverhalten, sind limitierte Arbitragemechanismen.35 Diese führen dazu, dass die zum Irrelevanz Theorem der Kapitalstruktur von Modigliani Miller wie auch zu neoinstitutionalistischen Trade-Off Theory notwendigen Mechanismen nicht mehr wirksam sind. Nichtexistenz dieser Arbitragemechanismen führen zu systematischen Fehlbewertungen, die es rationalen Managern erlauben, Fehlbewertungen im Zeitablauf auszunützen, sodass Kapitalstruktur nicht das Ergebnis ökonomischer Optimalitätsüberlegungen, sondern das Resultat historischer Bewertungen ist. Betrachtet man Manager, die Verzerrungen unterliegen, ergeben sich weitere direkte Effekte. Unterliegen etwa Managern dem Overconfidence Bias, schätzen sie systematisch die künftigen Erfolge und Renditen ihrer Unternehmungen zu hoch ein. Von dieser Fehleinschätzung verleitet investieren die Manager mehr als nach ökonomischen Optimalitätsüberlegungen, etwa den neoklassischen Überlegungen zu Investitionsentscheidungen, sinnvoll ist, da sie den Erfolg der Investitionen überschätzen.
Literatur: Grundlagen der Finanzwirtschaft Copeland, T.; Koller, T.; Murrin, J.: Unternehmenswert. Methoden und Strategien für eine wertorientierte Unternehmensführung, 3. Auflage, Frankfurt/New York 2002. Gutenberg, E.: Einführung in die Betriebswirtschaftslehre, Wiesbaden 1958, unveränderter Nachdruck 1990. Gutenberg, E.: Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre, Bd. III, Die Finanzen, 8. Auflage, Berlin/Heidelberg 1980, Nachdruck 1987. Hauschildt, J.: Organisation der finanziellen Unternehmensführung. Eine empirische Untersuchung, Stuttgart 1970. Hauschildt, J.; Sachs, G.; Witte, E.: Finanzplanung und Finanzkontrolle, München 1981. Loistl, O.: Zur neueren Entwicklung der Finanzierungstheorie, in: Die Betriebswirtschaft 50 (1990), S. 47–84. Schmidt, R. H.; Terberger, E.: Grundzüge der Investitions- und Finanzierungstheorie, 4. Auflage, Wiesbaden 1997. Schneider, D.: Investition, Finanzierung und Besteuerung, 7. Auflage, Wiesbaden 1992. Spremann, K.: Wirtschaft, Investition und Finanzierung, 5. Auflage, München/Wien 2009. Steiner, M.; Kölsch, K.: Finanzierung. Zielsetzungen, zentrale Ergebnisse und Entwicklungsmöglichkeiten der Finanzierungsforschung, in: Die Betriebswirtschaft 49 (1989), S. 409–432. Süchting, J.: Finanzmanagement. Theorie und Politik der Unternehmensfinanzierung, 6. Auflage, Wiesbaden 1995.
35
Vgl. Barberis, Thaler, A Survey of Behavioral Finance, 2003.
B
Management der Vermögensstruktur
Kapitelübersicht I. Investitionsrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines zu Investitionsrechenverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Statische Investitionsrechenverfahren (Praktikerverfahren) . . . . . . . . . . . . .
35 35 40
Weiterführende Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
55 56
3. Dynamische Investitionsrechenverfahren (Isolierte Mehrperiodenmodelle) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
56
Weiterführende Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
103 103
4. Investitionsprogrammentscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
105
Weiterführende Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
119 119
5. Berücksichtigung der Unsicherheit bei Investitionsentscheidungen . . . . . .
119
Weiterführende Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
167 168
II. Finanzwirtschaftliche Disposition des Umlaufvermögens . . . . . . . . . . . . . . 1. Das Kassenhaltungsproblem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Disposition des Forderungsbestandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Lagerhaltung als finanzwirtschaftliches Entscheidungsproblem . . . . .
169 171 182 183
Weiterführende Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
185 185
I. Investitionsrechnung 1. Allgemeines zu Investitionsrechenverfahren Lernziele dieses Kapitels x Investition wird in der modernen Finanzwirtschaft als zielgerichteter Einsatz von finanziellen Mitteln zur Beschaffung von Gütern verstanden. Damit beginnt Investition immer mit einer Auszahlung. x Die Investitionsrechnung setzt auf dem Zahlungsbegriff auf. Zahlungen können dabei als Äquivalente zu Konsumnutzen angesehen werde. Eine Optimierung der Einzahlungen entspricht damit einer Optimierung des Konsumnutzens. x Im Gegensatz zu statischen Investitionsrechenverfahren berücksichtigen dynamische Investitionsrechenverfahren den Faktor Zeit explizit. Vielmehr noch gelingt es mittels moderner dynamischer Investitionsrechenverfahren, die unterschiedlichen Zeitpräferenzen über die Einführung des Konstrukts eines vollkommenen Kapitalmarkts zu aggregieren. Der vom Kapitalmarkt abgeleitete Kapitalmarktzins ist damit ein einheitlicher und überall einsetzbarer Kalkulationszinssatz für Barwertrechnungen im Rahmen der Investitionsrechenverfahren. Auf Basis dieser Eigenschaften werden Investitionsentscheidungen delegierbar, da sie nicht mehr von den individuellen Zeitpräferenzen der Geldgeber abhängen (Fisher-Separationstheorem). Ein ähnliches Separationstheorem existiert auch für Risiken (Tobin-Separationstheorem).
a) Investitionsbegriff Der Investitionsbegriff in der wissenschaftlichen Literatur zeigt rein finanzwirtschaftliche, rein leistungswirtschaftliche und gemischt finanz-leistungswirtschaftliche Aspekte. Der an der Bilanz ausgerichtete vermögensorientierte Investitionsbegriff begreift Investition als Umwandlung von Kapital in Vermögen (gemischt finanz-leistungswirtschaftlicher Aspekt). Dabei kann zusätzlich noch bzgl. des Umfangs der einbezogenen Vermögensteile (Anlagevermögen, Umlaufvermögen) unterschieden werden. Der leistungswirtschaftliche (oder kombinationsbestimmte) Aspekt der Investition beschreibt das Investieren als optimale Kombination der (materiellen) Anlagegüter. Im Gegensatz dazu betont der finanzwirtschaftliche Aspekt die dominante finanzwirtschaftliche Zielsetzung von Unternehmen und beschränkt diese Sichtweise allein auf die mit einer Investition verbundenen Ein- und Auszahlungen. Insgesamt liegt eine Vielzahl von Definitionsversuchen für den Investitionsbegriff vor. Da es einen wahren oder falschen Investitionsbegriff nicht gibt, ist dieser hauptsächlich am Kriterium der abzuleitenden Aussage auszurichten. Durch die dem unternehmerischen Handeln zugrunde liegenden finanzwirtschaftlichen Zielsetzungen dominiert die Betrachtung der mit einer Investition verbundenen Zahlungen, wobei allerdings die konkrete Umwandlung in Güter nicht außer Acht gelassen werden kann.1 1
Eine weitergehende Diskussion des Investitionsbegriffes findet sich in Schneider, Investition, Finanzierung und Besteuerung, 1992, S. 7 ff.
36
B. Management der Vermögensstruktur Daher soll im Weiteren unter Investition der zielgerichtete Einsatz von finanziellen Mitteln zur Beschaffung von Gütern verstanden werden. Mit Investitionsentscheidungen verbundene Fragestellungen können wie folgt unterteilt werden: 1. Soll ein Investitionsprojekt durchgeführt werden? (Einzelinvestitionsentscheidung) 2. Welches von mehreren möglichen, sich ausschließenden Investitionsprojekten soll durchgeführt werden? (Auswahlproblem) 3. Mit welcher Laufzeit soll ein Investitionsprojekt durchgeführt werden? (Problem der optimalen Nutzungsdauer) 4. Welches Investitionsprogramm bestehend aus mehreren einzelnen, evtl. voneinander nicht unabhängigen Investitionsprojekten, soll etwa bei verschiedenen Finanzierungsannahmen – bspw. bei Abhängigkeiten zwischen Investitions- und Finanzierungsentscheidung – gewählt werden? (Investitionsprogrammentscheidung) Auch kann unterschieden werden zwischen Planung unter Sicherheit oder Unsicherheit bspw. bzgl. zukünftiger Ein- und Auszahlungen.
b) Grundlagen der Investitionsrechnung Grundsätzlich wird davon ausgegangen, dass ein Investor das Ziel verfolgt, durch eine Investition seinen Nutzen, konkreter seinen Konsumnutzen (bzw. Konsumeinkommennutzen), zu maximieren. Die Investitionsrechnung stellt dafür anhand der den Nutzen determinierenden, quantifizierbaren Faktoren der Investition eine Entscheidungsgrundlage zur Verfügung. Der aus einer Investition resultierende Nutzen des Konsumeinkommens wird insbesondere durch die Höhe des Konsumeinkommens, dessen zeitlichen Anfall sowie die Wahrscheinlichkeit, mit der eine bestimmte Konsumeinkommenshöhe erzielt wird (Risiko), bestimmt. Die Vorteilhaftigkeit einer Investition hängt also erheblich davon ab, ob das Konsumeinkommen bspw. heute oder erst in zehn Jahren zur Verfügung steht und ob es in jedem Falle in vorgegebener Höhe erzielt wird oder etwa mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit bspw. entweder gar kein oder das doppelte Einkommen eintreten kann. Die traditionelle Betriebswirtschaftlehre hat versucht, dieser Zielsetzung der Konsumeinkommennutzenmaximierung mit Begriffen aus der Kostenrechnung, wie bspw. Gewinn oder Rentabilität, gerecht zu werden. Auf dieser Grundlage basieren die statischen Investitionsrechenverfahren (Praktikermethoden), die zwar eine etwaige Risikoberücksichtigung zulassen, jedoch die zeitliche Struktur des aus dem Investitionsprojekt resultierenden Einkommens nur ungenügend berücksichtigen und somit nicht alle den Einkommensnutzen bestimmenden Bestandteile ins Kalkül einbeziehen. In der modernen Betriebswirtschaftslehre werden anstelle der von den statischen Verfahren zugrunde gelegten buchhalterischen Größen Zahlungen (Ein- und Auszahlungen) als Rechengrößen verwendet, da nur Zahlungen direkt für den Konsum verwendbar sind und als Konsumeinkommen genutzt werden können. Damit kann die zeitliche Struktur des Konsums im Nutzenkalkül grundsätzlich berücksichtigt werden. Es stellt sich somit jedoch die Frage, wie der Faktor Zeit im Nutzenkalkül konkret zu berücksichtigen ist, wie sich also bspw. eine Verschiebung von heutigem Konsum um zehn Jahre auf den daraus resultierenden Nutzen auswirkt. Die individuelle Zeitpräferenz des
I. Investitionsrechnung Investors, definiert als das Austauschverhältnis zwischen heutigem und zukünftigem Konsum, ist also von Bedeutung. Diese Zeitpräferenz kann für Investoren grundsätzlich unterschiedlich sein. So verzichtet ein Konsument bspw. nur dann auf den heutigen Verbrauch eines Gutes, wenn er in zehn Jahren die doppelte Menge dieses Gutes erhält, ein anderer hingegen fordert die dreifache Menge. Problematisch ist, dass in einer Welt solcher unterschiedlicher Zeitpräferenzen gleiche zukünftige Zahlungen von verschiedenen Investoren unterschiedlich beurteilt und somit bei mehreren Zahlungen unterschiedliche Alternativen als nutzenmaximal empfunden werden. Investitionsentscheidungen wären somit nicht mehr delegierbar, ein Manager (Geschäftsführer) eines Unternehmens könnte nicht für mehrere Eigentümer (Gesellschafter) eines Unternehmens gleichzeitig die für jeden Eigentümer jeweils optimale Entscheidung treffen. Bei dieser Problematik hilft der Marktmechanismus. Wer heute mehr konsumieren will als ihm zur Verfügung steht, leiht sich von demjenigen Geld, der weniger konsumieren will, als er heute besitzt. Wenn genügend Teilnehmer vor dem gleichem Problem stehen, kommt ein Markt für den zeitlichen Austausch von Geld zustande, der Kapitalmarkt. Ist der Kapitalmarkt vollkommen, ergibt sich ein einheitlicher Preis für den zeitlichen Austausch von Geld, der Kapitalmarktzins. Der Geschäftsführer kann nun unabhängig von der individuellen Zeitpräferenz seiner Gesellschafter optimale Entscheidungen treffen. Er führt alle Investitionen durch, die der Kapitalmarktanlage überlegen sind. Dies ist für alle Gesellschafter optimal, Gesellschafter mit höherer Zeitpräferenz ziehen ihren Konsum durch Kreditaufnahme vor, Gesellschafter mit niedrigerer Zeitpräferenz verleihen Geld. Da die Möglichkeit, am Kapitalmarkt Geld aufzunehmen und zu verleihen, immer besteht, werden alle Investoren als Entscheidungsgrundlage den Kapitalmarktzins verwenden und alle Investitionen, die der Kapitalmarktanlage überlegen sind, werden unabhängig von der individuellen Zeitpräferenz durchgeführt. Investitions- und Konsumentscheidungen können damit getrennt werden. Diese Wirkung des Kapitalmarktes wurde 1930 von Irving Fisher formuliert und ist als Fishersches Separationstheorem bekannt.2 Die dritte Determinante des Konsumeinkommensnutzens, das Risiko möglicher Konsumeinkommen, blieb bislang unberücksichtigt, obwohl es die Kernproblematik fast aller Investitionsentscheidungen beinhaltet. Auch für diesen Faktor bilden sich auf dem vollkommenen Kapitalmarkt Preise. Konsumenten mit einer geringeren Neigung, Risiken einzugehen, geben Risiken an Konsumenten mit einer höheren Neigung ab. Somit wird die Investitionsentscheidung unabhängig von der individuellen Risikopräferenz getroffen, die Berücksichtigung des Risikos erfolgt durch den Preis, also den Kapitalmarktzins. Diese Auswirkung des Kapitalmarktes auf die Investitionsentscheidung wurde von James Tobin formuliert und ist als Tobinsches Separationstheorem bekannt.3 Das Ziel des Investors, seinen Konsumeinkommensnutzen zu maximieren, erfolgt also aufgrund der Fisher- und der Tobin-Separation unabhängig von individuellen Zeit- und Risikopräferenzen für alle Investoren durch die Maximierung des Wertes der durch eine Investition bedingten Zahlungen. Der Wert eines Zahlungsstromes wird dabei durch dessen Barwert, der sich durch Diskontierung der Zahlungen mit den zugehörigen Kapitalmarktzinssätzen ergibt, abgebildet. Wenn nun am Markt grundsätzlich derartige auf dem Barwert beruhende Bewertungen vorgenommen werden, so entsprechen die Preise für Zahlungen dem jeweiligen Barwert. Damit führt folglich eine Maximierung der Barwerte gleichzeitig auch zu einer Maximierung der Marktwerte. Ein Unternehmen, das den 2 3
Vgl. Fisher, Theory of Interest, 1930. Vgl. Tobin, Liquidity Preference, 1958.
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38
B. Management der Vermögensstruktur Barwert seiner Investitionen maximiert, maximiert damit gleichzeitig den eigenen Marktwert. Somit entspricht das Barwertkriterium auch der Zielsetzung der Marktwertmaximierung des Unternehmens und damit letztendlich dem Shareholder Value Gedanken. Ergebnis dieser Barwertüberlegungen sind die dynamischen Investitionsrechenverfahren, die den zeitlichen Anfall der Zahlungen und den Kapitalmarktzins in ihre Entscheidungen explizit einbeziehen. Dynamische Verfahren basieren auf der wesentlichen Voraussetzung funktionierender Kapitalmärkte. Grobe Marktunvollkommenheiten würden diese Methoden ihrer Logik berauben.
c) Überblick über die Investitionsrechenverfahren Für eine Systematisierung der Investitionsrechenverfahren können verschiedene Kriterien herangezogen werden. Die Skala reicht von einfachen Faustregeln bis hin zu theoretisch anspruchsvollen mathematischen Verfahren, von solchen, die unter der Annahme von Sicherheit argumentieren, bis hin zu solchen, die die Unsicherheit explizit einbeziehen, von Verfahren, die sich auf die isolierte Beurteilung von Einzelinvestitionen beschränken, bis hin zu komplexen Verfahren, die mögliche Interdependenzen zwischen den einzelnen Investitionsprojekten und dem Investitions- und dem Finanzierungsprogramm berücksichtigen. Traditionell wird zwischen den statischen Investitionsrechenverfahren (auch als praxisorientierte Pauschalverfahren oder Praktikerverfahren bezeichnet) und theoretisch fundierten Verfahren, den dynamischen Investitionsrechenverfahren, unterschieden. Die erste Gruppe ist dadurch gekennzeichnet, dass die Verfahren den Zeitfaktor und somit auch den durch die Verzinsung bedingten Zeitwert des Geldes nicht oder nur unvollkommen berücksichtigen und zudem in der Regel Änderungen im Zeitablauf vernachlässigen und sich stattdessen zumeist mit der Bildung von Durchschnittswerten behelfen. Zu diesen statischen Modellen zählt man: x Kostenvergleichsverfahren, x Gewinnvergleichsverfahren, x Rentabilitätsvergleichsverfahren, x Amortisationsrechenverfahren. Im Gegensatz dazu zeichnen sich die dynamischen Investitionsrechenverfahren durch die explizite Miteinbeziehung des Zeitwertes des Geldes und durch die exakte Berücksichtigung des zeitlichen Anfalls von Ein- und Auszahlungen aus. Hierzu werden gezählt: x Kapitalwertmethode, x Annuitätenmethode, x Methode des internen Zinsfußes, x Vermögensendwertmethode, x Sollzinssatzmethode. Während die ersten drei genannten dynamischen Verfahren sich der Abzinsung (Diskontierung) bedienen, beruhen die Vermögensendwertmethode und die Sollzinssatzmethode auf der Aufzinsung der Zahlungsströme auf das Ende des Betrachtungszeitraumes. Der Kapitalwert-, der Annuitäten- und der Vermögensendwertmethode liegt ein geschlossenes theoretisches Modell zugrunde.
I. Investitionsrechnung Die Investitionsrechenverfahren sollen im Folgenden jeweils anhand eines einheitlichen Beispieles erläutert werden.
d) Ausgangsbeispiel In einem Unternehmen werden vier neue Anlagen in die Investitionsplanungen einbezogen. Mit den Anlagen A und B werden die gleichen Güter produziert. Sie haben unterschiedliche Kapazitäten, stellen aber – aufgrund eines identischen Absatzes – jeweils gleiche Mengen her, die Absatzmenge ist somit unabhängig von der Wahl der Maschine. Die Nutzungsdauer beträgt jeweils vier Jahre. Anlagen C und D sind voneinander und von A unabhängige Investitionsmöglichkeiten, die sich sowohl in den Nutzungsdauern als auch den Produktions- und Absatzmengen unterscheiden. Es existiere eine sichere Welt mit einem vollkommenen Kapitalmarkt. Die Zinsen betragen für alle Laufzeiten 10 %. Ertrags-/Leistungsgrößen bzw. Aufwands-/Kostengrößen werden stets als zahlungswirksam angenommen. Anlage
A
Maximale Kapazität pro Jahr: Absatz pro Jahr: Anschaffungswert:
B
13.000 St.
14.000 St.
10.000 St.
10.000 St.
90.000,00 GE
110.000,00 GE
Nutzungsdauer:
4,00 a
4,00 a
1.000,00 GE
1.000,00 GE
Personalkosten pro Jahr:
25.000,00 GE
20.000,00 GE
Materialkosten pro Jahr:
5.000,00 GE
5.000,00 GE
Direkte leistungsunabhängige Kosten pro Jahr:
Energiekosten pro Jahr: Sonstige leistungsabhängige Kosten pro Jahr:
800,00 GE
1.200,00 GE
1.200,00 GE
1.000,00 GE
6,70 GE
6,70 GE
Verkaufspreis je abgesetzter Einheit:
Abb. B 1: Beispieldaten der Anlagen (I)
Anlage
C
Maximale Kapazität pro Jahr:
8.500 St.
33.100 St.
Durchschnittlicher Absatz pro Jahr:
7.750 St.
12.400 St.
30.000,00 GE
160.000,00 GE
2,00 a
4,00 a
Anschaffungswert: Nutzungsdauer Direkte leistungsunabhängige Kosten pro Jahr:
D
1.500,00 GE
1.500,00 GE
Personalkosten pro Jahr:
21.500,00 GE
18.000,00 GE
Materialkosten pro Jahr:
5.000,00 GE
5.000,00 GE
Energiekosten pro Jahr:
1.000,00 GE
800,00 GE
800,00 GE
1.000,00 GE
6,70 GE
6,70 GE
Sonstige leistungsabhängige Kosten pro Jahr: Verkaufspreis je abgesetzter Einheit:
Abb. B 2: Beispieldaten der Anlagen (II)
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40
B. Management der Vermögensstruktur
2. Statische Investitionsrechenverfahren (Praktikerverfahren) Lernziele dieses Kapitels x Statische Investitionsrechenverfahren berücksichtigen zeitliche Unterschiede im Auftreten von Zahlungen nicht oder nur unvollkommen (Durchschnittsbetrachtung). Es handelt sich somit lediglich um Näherungsverfahren, zu denen Kostenvergleichs-, Gewinnvergleichs-, Rentabilitätsvergleichs- sowie Amortisationsrechnung zählen. x Bei der Kostenvergleichsrechnung werden Aussagen über die Vorteilhaftigkeit unterschiedlicher Investitionsalternativen lediglich auf Basis ihrer Kosten getätigt. Eine Betrachtung der Erlöse findet nicht statt. Der Alternative mit den geringsten Kosten wir der Vorzug gegeben. x Demgegenüber fließen in die Gewinnvergleichsrechnung sowohl die investitionsprojektspezifischen Kosten als auch die jeweiligen Erlöse ein. Am vorteilhaftesten erscheint die Investition mit dem höchsten Gewinn. x Eine Erweiterung der Gewinnvergleichsrechnung stellt die Rentabilitätsvergleichsrechnung dar, bei der die Investitionsalternativen anhand ihrer jeweiligen Returns on Investment (ROI) miteinander verglichen werden. Der ROI ergibt sich aus dem Verhältnis zwischen Gewinn und eingesetztem Kapital. Derjenigen Investition, welche den höchsten ROI aufweist, wird der Vorzug gegeben. x Anders als die o. g. Verfahren (die sich auf buchhalterische Größen stützen), basiert die Amortisationsrechnung auf Zahlungsströmen. Investitionsalternativen werden anhand ihrer Amortisationszeit miteinander verglichen, also der Zeitspanne, innerhalb derer die projektspezifische Investitionsauszahlung wieder zurückgeflossen ist. Am vorteilhaftesten erscheint diejenige Investition, welche die geringste Amortisationszeit aufweist.
Die statischen Verfahren der Investitionsrechnung, auch als „Hilfs- und Annäherungsverfahren“ bezeichnet, werden wegen ihrer unkomplizierten und mit geringeren Kosten durchführbaren Methoden noch in relevantem Umfang angewendet. Sie werden als statisch bezeichnet, weil sie zeitliche Unterschiede im Auftreten von Einzahlungen und Auszahlungen einer Investition nicht oder nur unvollkommen berücksichtigen (Durchschnittsbetrachtung). Zu diesen Verfahren rechnet man die 1. Kostenvergleichsrechnung, 2. Gewinnvergleichsrechnung, 3. Rentabilitätsrechnung, 4. Amortisationsrechnung. Die ersten drei Verfahren sind strikt an einem Gewinn- bzw. Kostenziel ausgerichtet. Die Kostenvergleichsrechnung eignet sich immer dann, wenn die Erlöse entweder gleich sind oder keine Aussage über die Erlöse möglich ist. Trifft keines von beiden zu, ist auch die Erlösseite zu berücksichtigen. Dies führt zur Gewinnvergleichsrechnung. Falls Restriktionen vorhanden sind, muss der Engpass zielmaximal, hier also gewinnmaximal, ausgenützt werden. Dies führt bei begrenzten finanziellen Mitteln zur Rentabilitätsvergleichsrechnung. Die Amortisationsrechnung hingegen gibt eine Rückflussdauer des eingesetzten Kapitals an.
I. Investitionsrechnung
a) Kostenvergleichsrechnung aa) Grundlagen Dieses Verfahren versucht, über einen Vergleich der Kosten von zwei oder mehreren Alternativinvestitionen mit identischen Leistungsmerkmalen diejenige zu bestimmen, die die geringsten Kosten verursacht. Aus der Kostenrechnung ist das Zurechnungsproblem von Kosten als zentrales Problem bekannt. In der Investitionsrechnung wird dieses Problem durch ein einfaches und allgemein gültiges Prinzip eliminiert. Der Entscheider vergleicht immer den Zustand im Planungszeitraum bei Unterlassung mit dem Zustand bei Durchführung einer Investition. Dieses mit Investition versus ohne Investition-Prinzip ist eindeutig. Die Beurteilung basiert also immer auf einer Differenzbetrachtung aller Wertverzehre im Planungszeitraum. Kosten werden dann in der Höhe zugerechnet, in der sie zusätzlich durch Vornahme der Investition entstehen. Falsch wäre es, den Zustand zeitlich vor dem Investitionsvorhaben mit dem nach Vornahme der Investition zu vergleichen. Die Verteilung der Gemeinkosten als eines der Zurechnungsprobleme entsteht nicht. Die anteilige Zurechnung entfällt, da nur zu klären ist, ob man bei Vornahme der Investition zum Beispiel eine Reinigungskraft zusätzlich einstellen oder einen zusätzlichen Vorstandsposten besetzen muss oder nicht. Dann sind entweder alle Kosten oder keine zu berücksichtigen. Nicht durch die Entscheidung selbst beeinflussbare Größen oder in der Vergangenheit liegende Größen (sunk costs), wie bspw. Gutachten zur Ermittlung der für die Entscheidung notwendigen Daten, werden nicht in das Kalkül einbezogen. In den Vergleich sind grundsätzlich alle durch das geplante Projekt verursachten Kosten einzubeziehen. Unberücksichtigt bleiben die Erlöse, da unterstellt wird, dass – gleichgültig, welche Alternative gewählt wird – die gleiche Leistung und damit der gleiche Erlös erwirtschaftet wird. Ebenso können Kosten, die für jede Alternative in gleicher Höhe anfallen, vernachlässigt werden. Zur Erläuterung dienen folgende exemplarische Fälle in Erweiterung des Ausgangsbeispiels: 1. Vor der Durchführung der Investition in A bis D wurden Marketingstudien durchgeführt. Deren Kosten sind in der Vergangenheit angefallen, nicht mehr entscheidungsrelevant und dürfen als versunkene Kosten nicht in das Investitionskalkül miteinbezogen werden. 2. Auf dem Werksgelände auf dem die Anlagen A bis D aufgestellt werden können, ist ein externer Wachdienst für die Sicherheit zuständig. Dessen Kosten fallen unabhängig von der Anzahl der aufgestellten Anlagen an. Nach dem mit Investition versus ohne Investition Prinzip, sind diese Kosten auch ohne die Investition in Anlagen A bis D vorhanden und damit nicht in der Investitionsrechnung zu berücksichtigen. 3. Beim Aufstellen aller Anlagen A bis D ist die Tragfähigkeit des Bodens zu erhöhen. Die dafür anfallenden Kosten sind bei allen Investitionsmöglichkeiten in gleicher Höhe anzusetzen. Somit sind diese Kosten bei Investitionsrechenverfahren, die nur den Vergleich zwischen alternativen Investitionsentscheidungen berücksichtigen, wie etwa bei der Kostenvergleichsrechnung, nicht zu berücksichtigen.
41
42
B. Management der Vermögensstruktur Wesentlich sind im Allgemeinen folgende Kostenarten, die in leistungsabhängige (variable) und leistungsunabhängige (fixe) Kosten im Einzelfall zu trennen sind.4 x kalkulatorische Abschreibungen, x kalkulatorische Zinsen,
}
kalkulatorische Kapitalkosten
x Löhne und Gehälter sowie Lohnnebenkosten (soziale Leistungen), x Materialkosten, x Energiekosten, x Werkzeugkosten, x Raumkosten, x Instandhaltungs- und Reparaturkosten, x Betriebsstoffkosten. Abgesehen von den Kapitalkosten treten bei der Ermittlung einzelner Kostenarten unter der Annahme der Sicherheit nur geringe Probleme auf, Fehler beruhen im Wesentlichen in der Missachtung des mit Investition – ohne Investition-Prinzips und der Verteilung der Gemeinkosten. Konzeptionelle Überlegungen sind bei den Kapitalkosten angebracht. Die Zinsbelastung des Fremdkapitals oder die Renditeforderungen des Eigenkapitals (kalkulatorische Zinsen) sind möglichst realitätsnah einzubeziehen. Bei einer Betrachtung der Kosten pro Zeiteinheit erfolgt eine Durchschnittsbetrachtung. Deshalb sind die durchschnittlichen Zinskosten pro Periode zu ermitteln, die bei Fremdkapital stark vom Tilgungsplan und bei Eigenfinanzierung von der Freisetzung für neue Investitionen abhängen. In der Literatur wird meist eine lineare Abnahme der Kapitalbindung (konstanter Wertverzehr) über die gesamte Nutzungsdauer unterstellt, weswegen sich bei Anschaffungskosten von I0 ein durchschnittlich gebundenes Kapital von I0/2 ergibt. Unter Berücksichtigung eines Liquidationserlöses LT am Ende der Projektlebensdauer beträgt das durchschnittlich gebundene Kapital: I0 LT LT 2
I0 LT (vgl. Abbildung B 3). 2
Geht man davon aus, dass die Tilgung der Anschaffungskosten erst jeweils am Periodenende in über alle Perioden gleich hohen Beträgen eingeht (in Anlehnung an die Ratentilgung von Fremdkapital), so ist mehr Kapital über die Projektlebensdauer T gebunden. Insgesamt ist Kapital gebunden in Höhe von I0
T 1 (vgl. Abbildung B 4). 2
Das entspricht einer durchschnittlichen Kapitalbindung von ª T 1º 1 «¬I 0 2 »¼ T
4
I0 I0 2 2T
Vgl. Blohm, Lüder, Schaefer, Investition, 2012, S. 130.
I. Investitionsrechnung
43
bzw. bei Existenz eines Liquidationserlöses am Ende der Projektlebensdauer: T 1º 1 ª «¬(I 0 L T ) 2 »¼ T L T
I0 LT I0 LT LT 2 2T
gebundenes Kapital
gebundenes Kapital
I0
I0
I0 + LT 2 I0 2
LT
t
T
T
t
Abb. B 3: Durchschnittlich gebundenes Kapital bei kontinuierlicher Amortisation ohne Restverkaufserlös (links) und mit Restverkaufserlös (rechts)
gebundenes Kapital
gebundenes Kapital
I0
I0
LT
t T+1 2
T
T+1 2
t T
Abb. B 4: Durchschnittlich gebundenes Kapital bei Amortisation am Periodenende ohne Restverkaufserlös (links) und mit Restverkaufserlös (rechts)
44
B. Management der Vermögensstruktur In den nachfolgenden Beispielen wird bezüglich des durchschnittlich gebundenen Kapitals jeweils von kontinuierlicher Amortisation ausgegangen. Für die Ermittlung der Abschreibungen gilt eine ausschließlich ökonomische Betrachtungsweise. Tatsächliche Wertverzehrverläufe und erwartete Nutzungsdauern, Resterlöswerte und Wiederbeschaffungswerte sind ausschlaggebend, unabhängig von buchhalterischen Überlegungen. Soweit kein Resterlös einbezogen werden muss, ergeben sich über die Projektlebensdauer T die durchschnittlichen Kosten je Zeiteinheit dann wie folgt: I0 I i 0 K fix K var T 2
K
mit: I0 = lineare Abschreibung pro Zeiteinheit T i
I0 = kalkulatorische Zinsen auf das durchschnittlich gebundene Kapital 2
Kfix = sonstige leistungsunabhängige Kosten pro Zeiteinheit Kvar = leistungsabhängige Kosten pro Zeiteinheit. Ist mit einem Liquidationserlös LT am Ende der Projektlebensdauer zu rechnen, so gilt: K
I0 LT § I0 LT · fix var i¨ ¸K K T © 2 ¹
Die so ermittelten durchschnittlichen Kosten je Zeiteinheit können auch als Abschätzung der Ausgabenannuität (vgl. Abschnitt B I 3 b cc) eines Investitionsprojekts und somit als Näherung an eine dynamische Rechnung interpretiert werden.5
bb) Auswahlprobleme Soll aus einer Vielzahl funktionsgleicher Investitionsobjekte die kostengünstigste Alternative bestimmt werden, führen die Kosten pro Zeiteinheit und die Kosten pro Leistungseinheit der verschiedenen Alternativen zu denselben Vorteilhaftigkeitsaussagen. Bestehen jedoch Unterschiede im Leistungsumfang, führt nur ein Vergleich der Kosten je Leistungseinheit zu einem brauchbaren Ergebnis. Beim Kostenvergleich werden Durchschnittswerte angesetzt, wobei sinnvollerweise „echte“ Durchschnitte der voraussichtlichen Kosten während der Nutzungsdauer ermittelt werden. Die weniger vernünftige Unterstellung, dass die wahrscheinlichen Kosten des ersten Jahres auch repräsentativ für die folgenden Perioden sind („unechte Durchschnittskosten“), hat lediglich Auswirkungen auf die Genauigkeit des Ergebnisses, aber nicht auf die Methode selbst.6 Im Ausgangsbeispiel erfüllen die Alternativen A und B die Voraussetzung für die Anwendung der Kostenvergleichsrechnung durch die Annahme, dass beide Anlagen die gleiche Kapazitätswirkung und die gleiche Erlösstruktur aufweisen. Unter diesen 5 6
Vgl. Blohm, Lüder, Schaefer, Investition, 2012, S. 130 f. Vgl. Biergans, Investitionsrechnung, 1979, S. 92 f.
I. Investitionsrechnung Voraussetzungen führen sowohl die Kosten pro Zeiteinheit als auch die Kosten pro Leistungseinheit zum gleichen Ergebnis: A ist B vorzuziehen. Anlage
A
Abschreibung Kapitalkosten Leistungsabhängige Kosten Leistungsunabhängige Kosten Gesamtkosten
22.500,00 GE 4.500,00 GE 32.000,00 GE 1.000,00 GE 60.000,00 GE
Stückkosten
6,00 GE
Anlage
B
Abschreibung
27.500,00 GE
Kapitalkosten
5.500,00 GE
Leistungsabhängige Kosten Leistungsunabhängige Kosten Gesamtkosten Stückkosten
27.200,00 GE 1.000,00 GE 61.200,00 GE 6,12 GE
Abb. B 5: Beispiel für einen Kostenvergleich je Leistungseinheit
Dieses Ergebnis kann sich ändern, falls die Investitionsplanung zu anderen Absatzerwartungen gelangt. Für eine Beurteilung von Investitionen bezüglich ihrer Vorteilhaftigkeit genügt dann nicht nur die Feststellung, dass bei einer bestimmten Kapazität die Anlage A kostengünstiger arbeitet als B, sondern es interessiert, ab welcher Produktionsmenge dies eintritt. Da die jeweilige Auslastung für die Entscheidungsfindung eine ausschlaggebende Rolle spielt, für die Zukunft aber in vielen Fällen sehr schwer abzuschätzen ist, ergibt sich häufig die Notwendigkeit der Orientierung an der „kritischen Menge“. Als kritische Auslastung oder Menge wird diejenige bezeichnet, bei der die Kosten je Zeiteinheit oder Leistungseinheit für zwei verschiedene Anlagen die gleiche Höhe aufweisen.7 Für die Bestimmung der kritischen Menge sind die beschäftigungsgradabhängig aus fixen und variablen Kosten bestehenden Kostenfunktionen der zu vergleichenden Anlagen zu ermitteln. Dies soll für das Beispiel in Abbildung B 6 exemplarisch für die Anlagen A und B angeführt werden.
7
Vgl. Blohm, Lüder, Schaefer, Investition, 2012, S. 136 f.; Heinen, Industriebetriebslehre, 1991, S. 686 f.; Wöhe, Einführung in die allgemeine Betriebswirtschaftslehre, 2013, S. 864 f., zeigt die Ermittlung der „kritischen Menge“ auf Basis von Stückkosten.
45
46
B. Management der Vermögensstruktur Aus der Identität der Kosten folgt: 28.000 GE + 3,2 GE x = 34.000 GE + 2,72 GE x x = 12.500 St: kritische Menge Abb. B 6: Beispiel für die rechnerische Bestimmung der kritischen Menge beim Kostenvergleich
Bis zu einer Auslastung von 12.500 St/Jahr wäre somit unter Kostengesichtspunkten die Anlage A der Anlage B vorzuziehen (vgl. Abbildung B 7). Werden jedoch mehr als 12.500 St/Jahr produziert, ist die Anlage B vorteilhafter.
Abb. B 7: Graphische Darstellung der kritischen Menge beim Kostenvergleich
Kostenvergleichsrechnungen werden in der Praxis häufig zur Lösung von Ersatzproblemen herangezogen (zu den Prinzipien der Lösung der Ersatzproblematik Abschnitt B I 3 d), da die Erlösseite in diesen Fällen oft nicht in das Kalkül mit einbezogen werden muss.
b) Gewinnvergleichsrechnung aa) Grundlegendes Bei zahlreichen Investitionsvorhaben ist ein bloßer Kostenvergleich nicht aussagefähig, da bei den verschiedenen Alternativinvestitionen auch verschiedene Erlössituationen möglich und unterscheidbar sind. Hier setzt die Gewinnvergleichsrechnung an, die in diesem Sinne eine Erweiterung des Kostenvergleichs darstellt.8 Aus der Gegenüberstellung der Erlöse (E) und Kosten (K) der Situation ohne und mit Realisierung der verschiedenen Investitionsvorhaben entsteht ein „Gewinn“ (Verlust), der der Investition zugerechnet wird.9 Auch hier gelten aber die Aussagen zur Kostenvergleichsrechnung. Die Aufgabe besteht nicht darin, jeder Anlage einen Gewinn zuzurechnen und dadurch ein Zurechnungsproblem zu lösen. Die Frage lautet: Wie ändert sich durch jede Alternative die Gewinnsituation gegenüber der Situation ohne diese Investition? 8 9
Vgl. Herbst, Investitionen, 1974, S. 68. Vgl. Heinen, Industriebetriebslehre, 1991, S. 926 f.; Kern, Investitionsrechnung, 1974, S. 126.
I. Investitionsrechnung Aus dem Vergleich von verschiedenen Investitionsalternativen geht jetzt diejenige als die vorteilhafteste hervor, die im Durchschnitt den höchsten Periodengewinn erwirtschaftet.
bb) Beispielrechnung Nachdem Investitionsalternative A in der a. o. S. dargestellten Kostenvergleichsrechnung als besser identifiziert worden ist, werden nun A, C und D mittels Gewinnvergleich beurteilt. Anlage
A
Abschreibung
22.500,00 GE
Kapitalkosten
4.500,00 GE
Leistungsabhängige Kosten Leistungsunabhängige Kosten Gesamtkosten
32.000,00 GE 1.000,00 GE 60.000,00 GE
Stückkosten
6,00 GE
Erlöse
67.000,00 GE
Gewinn
7.000,00 GE
Anlage
C
Abschreibung
15.000,00 GE
Kapitalkosten
1.500,00 GE
Leistungsabhängige Kosten Leistungsunabhängige Kosten Gesamtkosten
28.300,00 GE 1.500,00 GE 46.300,00 GE
Stückkosten
5,97 GE
Erlöse
51.925,00 GE
Gewinn
5.625,00 GE
Anlage
D
Abschreibung
40.000,00 GE
Kapitalkosten
8.000,00 GE
Leistungsabhängige Kosten Leistungsunabhängige Kosten Gesamtkosten
24.800,00 GE 1.500,00 GE 74.300,00 GE
Stückkosten Erlöse Gewinn
5,99 GE 83.080,00 GE 8.780,00 GE Abb. B 8: Beispiel für einen Gewinnvergleich
47
48
B. Management der Vermögensstruktur Aus diesen drei Investitionsalternativen geht jetzt D als die vorteilhafteste hervor, da sie den im Durchschnitt höchsten Gewinn erwirtschaftet.
c) Rentabilitätsvergleichsrechnung (Return on Investment) aa) Grundlegendes Im Rahmen von Investitionsprogrammentscheidungen kann es sinnvoll sein, die Gewinnvergleichsrechnung zu einer Rentabilitätsvergleichsrechnung zu erweitern.10 Verfügt der Investor nur über begrenzte finanzielle Mittel, im Beispiel 160.000 GE, und kann er diese in verschiedene Projekte investieren, wird er diejenige Projektkombination wählen, die den maximalen Zielbeitrag, hier Gewinn, besitzt. Somit wäre im vorliegenden Beispiel eine Investition der 160.000 GE allein in Anlage D mit einem Gewinn von 8.780 GE nicht zielführend, da bei geringerer Investitionssumme von 120.000 GE Anlagen A und C einen Gewinn von 5.625 GE + 7.000 GE = 12.625 GE aufweisen. Zur Lösung dieses Problems bietet es sich nun an, den Gewinn auf die Restriktion, die einsetzbaren finanziellen Mittel, zu beziehen. Zudem ist eine Rentabilitätskennzahl als standardisierte Größe grundsätzlich gut zum Vergleich geeignet. Denkbar wären hierbei die anfänglich einzusetzenden Mittel oder das durchschnittlich gebundene Kapital. Während die erste Rentabilitätskennzahl direkt auf die erste Restriktion (einsetzbare Mittel) Bezug nimmt, stellt die zweite auf die Verzinsung des durchschnittlich gebundenen Kapitals unter der Annahme ab, dass zwischenzeitlich freigesetztes Kapital anderweitig Überschüsse erbringt. Die Höhe des durchschnittlich gebundenen Kapitals hängt davon ab, ob es sich bei einem Investitionsobjekt um ein abnutzbares oder nicht abnutzbares Wirtschaftsgut handelt und ob es möglich ist, amortisierte Kapitalteile sofort zinsbringend zu reinvestieren. Im Folgenden wird unterstellt, dass das anfänglich eingesetzte Kapital dem durchschnittlichen Kapital entspricht. Zusätzlich ist zu berücksichtigen, dass für einzelne Investitionsprojekte beliebige Teilbarkeit unterstellt wird, was bei umfangreichen Investitionsprogrammen als plausibel angenommen werden kann. Somit setzt hier die Rentabilitätsvergleichsrechnung den Jahresgewinn einer Investition zum anfänglich eingesetzten Kapital ins Verhältnis.
ROI
Periodengewinn (GE / ZE) anfänglich eingesetztes Kapital (GE)
Vorteilhaft ist die Alternative, die die größte Rentabilität aufweist. Dabei können – je nach Definition der Begriffe Gewinn und Kapitaleinsatz – unterschiedliche Rentabilitätsgrößen für das gleiche Projekt ermittelt werden.
bb) Beispiel Für die Investitionen des vorausgehenden Beispiels ergeben sich Rentabilitäten gemäß nachfolgender Tabelle:
10
Vgl. Brandt, Statische und dynamische Verfahren der Investitionsrechnung, 1967, S. 382.
I. Investitionsrechnung Anlage
A
Anschaffungswert Gewinn
90.000,00 GE 7.000,00 GE
Rentabilität (netto) Erlöse vor kalkulatorischen Zinsen Rentabilität (brutto)
Anlage
7,78 % 11.500,00 GE 12,78 %
C
Anschaffungswert Gewinn
30.000,00 GE 5.625,00 GE
Rentabilität (netto) Erlöse vor kalkulatorischen Zinsen Rentabilität (brutto)
Anlage
18,75 % 7.125,00 GE 23,75 %
D
Anschaffungswert Gewinn
160.000,00 GE 8.780,00 GE
Rentabilität (netto) Erlöse vor kalkulatorischen Zinsen Rentabilität (brutto)
5,49 % 16.780,00 GE 10,49 %
Abb. B 9: Beispieldaten für einen Rentabilitätsvergleich
Bei der Rentabilität (netto), sind die kalkulatorischen Zinsen bereits abgesetzt, wohingegen die Rentabilität (brutto) erst den kalkulatorischen Zinsen gegenübergestellt werden muss.11 Nach beiden Kriterien kann als Rangfolge C, A, D angesetzt werden. Stehen finanzielle Mittel von 160.000 GE zur Verfügung und können die Projekte nur einmalig durchgeführt werden, würde der Entscheider C und A durchführen. Ein möglicher Vorteil der Nettorendite besteht in der Tatsache, dass alle Projekte mit einer Rendite kleiner Null ex ante ausscheiden, während bei der Entscheidung auf der Basis der Bruttorendite zusätzlich die Kapitalkosten bekannt sein müssen. Voraussetzung für eine Anwendung der Rentabilitätsvergleichsrechnung ist – wie bei der Gewinnvergleichsrechnung –, dass eine Mit- und Ohne-Betrachtung von Erlösen und Gewinnen zu bestimmten Projekten möglich ist. Wird die Rentabilitätsrechnung zur Beurteilung der Vorteilhaftigkeit nicht nur eines Investitionsprojektes, sondern als Auswahlkriterium zwischen mehreren Alternativen herangezogen, sind spezielle Annahmen bezüglich unterschiedlicher Kapitaleinsätze und Nutzungsdauern zu berücksichtigen.
11
Für die Verwendung der Bruttorendite plädiert Biergans, Investitionsrechnung, 1979, S. 95; für die Nettorendite Brandt, Investitionspolitik des Industriebetriebs, 1970, S. 36 f.
49
50
B. Management der Vermögensstruktur Eine Vergleichbarkeit ist nur gegeben, wenn unterstellt wird, dass die Kapitaleinsatzdifferenz die gleiche Rentabilität erwirtschaftet, und dass dies auch über die Nutzungsdauer des längerlebigen Investitionsobjektes möglich ist.
d) Amortisationsrechnung (Pay-off Period) aa) Grundlegendes Die Amortisationsrechnung (Kapitalrückfluss-, Pay-off-, Pay-back-Methode) hat eine Sonderstellung unter den statischen Verfahren. Ihre Rechengrößen sind grundsätzlich nicht buchhalterische Größen, wie Erlöse oder Kosten, sondern Zahlungsströme. Die Frage der Amortisationsrechnung lautet: Wie lange dauert es, bis die eingesetzten liquiden Mittel an die Investoren zurückgeflossen sind und damit weder unternehmerischem Risiko noch eventuellen Liquiditätsproblemen ausgesetzt sind. Zwar werden hier nur Projekte unter Sicherheit betrachtet, aber alle statischen Verfahren als Praktikermethoden werden in einer unsicheren Welt mit quasisicheren Inputgrößen angewandt. Das Resultat, die Amortisationsdauer, ist, ceteris paribus, auch als Gewinnbeitrag für ein Projekt interpretierbar, doch stehen die anderen Aspekte im Vordergrund. Berechnet wird jene Zeitspanne, innerhalb derer die Investitionsauszahlung (Anschaffungswert) wieder zurückgeflossen ist bzw. der Zeitpunkt, bei dem die Rückflüsse Z (Amortisation) gleich der Investitionsauszahlung I0 sind. m
I0
¦Z
t
t 1
Bei dieser Vorgehensweise werden die Rückflüsse gedanklich zunächst ausschließlich für die Amortisation verwendet. Nach dem Amortisationszeitpunkt dienen sie nur noch der Kapitalverzinsung. Als Entscheidungsregel kann für den Vergleich alternativer Projekte formuliert werden: Am vorteilhaftesten ist das Projekt mit der kürzesten Amortisationszeit. Projekte, die sich nicht innerhalb einer vom Entscheider vorgegebenen Dauer amortisiert haben, werden abgelehnt. Die Rückflüsse des Projekts können dabei sowohl vor als auch nach Kapitalkosten angesetzt werden. Während die Amortisationsdauer unter Berücksichtigung der Kapitalkosten als Rückflussdauer unter Einbeziehung der Auszahlungen für die Finanzierungsmaßnahmen interpretiert werden kann, drückt die häufig angewandte Amortisationsdauer ohne Kapitalkosten nur grob vereinfachend die Wiedergewinnung des Kapitals aus. Die Eingangsparameter der Amortisationsrechnung für einzelne Investitionsprojekte basieren allerdings häufig auf denen der Kosten- und Gewinnvergleichsrechnung, indem die Rückflüsse durch den Gewinn und die finanzunwirksamen Kosten, im Wesentlichen die Abschreibungsbeträge, ersetzt werden. Die Amortisationsrechnung kann auf zwei Arten durchgeführt werden: Als Durchschnittsrechnung und als Totalrechnung.
bb) Durchschnittsrechnung Der Kapitaleinsatz wird durch die durchschnittlichen Rückflüsse dividiert. Die Amortisationszeit (AZ) wird wie folgt ermittelt:
I. Investitionsrechnung AZ
Investitionsauszahlung (Anschaffungswert) (GE) durchschnittl. Rückluss (GE/ZE)
Dieser Art der Amortisationsrechnung liegt der Gedanke zu Grunde, dass die Rückflüsse konstant für die gesamte Nutzungsdauer des Investitionsobjektes angenommen werden können. Diese Prämisse ist allerdings definitiv beim Ansatz der Kapitalkosten verletzt, da diese qua Definition einen im Zeitablauf fallenden Verlauf haben.12 Die Ermittlung der Amortisationszeit entspricht wegen der angesetzten durchschnittlichen Rückflüsse einer Durchschnittsrechnung. Aus diesem Grunde können die bereits angeführten Einwände gegen die Durchschnittsbildung hier wiederum vorgebracht werden. Anlage
A
Anschaffungswert
90.000,00 GE
Durchschnittlicher Rückfluss
29.500,00 GE
Amortisationsdauer inkl. Zinsen
3,05 a
Amortisationsdauer exkl. Zinsen
2,65 a
Anlage
C
Anschaffungswert
30.000,00 GE
Durchschnittlicher Rückfluss
20.625,00 GE
Amortisationsdauer inkl. Zinsen
1,45 a
Amortisationsdauer exkl. Zinsen
1,38 a
Anlage
D
Anschaffungswert
160.000,00 GE
Durchschnittlicher Rückfluss
48.780,00 GE
Amortisationsdauer inkl. Zinsen
3,28 a
Amortisationsdauer exkl. Zinsen
2,82 a
Abb. B 10: Beispiel für eine Durchschnittsrechnung
Die Anlage C wäre aufgrund ihrer kürzeren Amortisationsdauer den Anlagen A und D vorzuziehen.
cc) Totalrechnung Bei der Amortisationsrechnung unter Berücksichtigung der Totalperiode werden die jährlichen Rückflüsse so lange aufaddiert, bis sie die Höhe des Kapitaleinsatzes erreicht haben. Wegen dieser kumulativen Betrachtung wird diese Vorgehensweise auch als Kumulationsrechnung bezeichnet. Auch die Total- oder Kumulationsrechnung geht davon aus, dass alle Einnahmen, soweit sie nicht für laufende Ausgaben dieser Investition gebunden sind, für die Rück-
12
Vgl. Grob, Einführung in die Investitionsrechnung, 2006.
51
52
B. Management der Vermögensstruktur zahlung des ursprünglich eingesetzten Kapitals verwendet werden. Überschüsse entstehen erst dann, wenn das eingesetzte Kapital voll zurückgezahlt ist.
Um die Totalrechnung durchführen zu können muss das eingeführte Beispiel, um Informationen über den zeitlichen Anfall der Ein- und Auszahlungen erweitert werden. Anlage A Jahr Absatzzahlen
Absatzzahlen 1
2
3
6.000 St
10.000 St
Umsatzeinzahlungen
40.200,00 GE 67.000,00 GE
Sonstige leistungsabhängige Auszahlungen
3.000,00 GE
Leistungsabhängige Auszahlungen
19.200,00 GE 32.000,00 GE
600,00 GE
Anlage C Jahr Absatzzahlen Umsatzeinzahlungen
4
Durchschnitt
12.000 St
12.000 St
10.000 St
80.400,00 GE
80.400,00 GE
67.000,00 GE
400,00 GE
0 GE
1.000,00 GE
38.400,00 GE
38.400,00 GE
32.000,00 GE
Absatzzahlen 1
2
Durchschnitt
7.500 St
8.000 St
7.750 St
50.250,00 GE 53.600,00 GE
51.925,00 GE
Sonstige leistungsabhängige Auszahlungen
500,00 GE
500,00 GE
500,00 GE
Leistungsabhängige Auszahlungen
27.387,10 GE
29.212,90 GE
28.300,00 GE
1
2
Anlage D Jahr
Absatzzahlen 3
4
Durchschnitt
15.000 St
33.100 St
12.400 St
Absatzzahlen
500 St
1.000 St
Umsatzeinzahlungen
3.350,00 GE
6.700,00 GE
Sonstige leistungsabhängige Auszahlungen
5.300,00 GE
500,00 GE
200,00 GE
0 GE
1.500,00 GE
Leistungsabhängige Auszahlungen
1.000,00 GE
2.000,00 GE
30.000,00 GE
66.200,00 GE
24.800,00 GE
100.500,00 GE 221.770,00 GE 83.080,00 GE
Abb. B 10a: Beispieldaten mit zeitlichem Verlauf der Ein- und Auszahlungen
Bei der im Beispiel vorliegenden Rückflussstruktur hat sich die Anlage A zwischen dem 2. und 3. Jahr (3. und 4. Jahr nach Zinsen) amortisiert. Unterstellt man einen linearen Verlauf der Rückflüsse während der Jahre, kann man die Amortisationsdauer auf Jahresbruchteile präzisieren. So ergibt sich für die Anlage A Gebundenes Kapital im zweiten Jahr Rückfluss im dritten Jahr
0, 90
I. Investitionsrechnung und für die Amortisationsdauer 2,90 a. Anlage C hat sich dagegen zwischen dem 1. und 2. Jahr amortisiert. Da Anlage D vor Zinsen erst nach dem dritten Jahr amortisiert wäre, nach Zinsen sich ferner niemals amortisieren würde, ist somit Anlage C vorzuziehen (vgl. Abbildung B 11). Jahr Anlage A
1
2
3
4
18.000,00 GE
52.400,00 GE
94.000,00 GE
9.000,00 GE
35.300,00 GE
71.430,00 GE 111.573,00 GE
22.362,90 GE
46.250,00 GE
Anschaffungskosten: 90.000 GE Rückfluss bis zum Zeitpunkt (vor Zinsen) Amortisation (vor Zinsen) Rückfluss bis zum Zeitpunkt (nach Zinsen)
2,90 a
Amortisation 3,49 a (nach Zinsen) Anlage C
Anschaffungskosten: 30.000 GE Rückfluss bis zum Zeitpunkt (vor Zinsen) Amortisation (vor Zinsen) Rückfluss bis zum Zeitpunkt (nach Zinsen)
1,32 a 19.362,90 GE
42.186,29 GE
– 2.950,00 GE
1.250,00 GE
Amortisation 1,49 a (nach Zinsen) Anlage D
Anschaffungskosten: 160.000 GE Rückfluss bis zum Zeitpunkt (vor Zinsen) Amortisation (vor Zinsen) Rückfluss bis zum Zeitpunkt (nach Zinsen)
71.550,00 GE 227.120,00 GE
3,57 a – 18.950,00 GE – 32.645,00 GE 18.390,50 GE 159.799,55 GE
Amortisation > 4,00 a (nach Zinsen)
Abb. B 11: Amortisationsrechnung als Kumulationsrechnung
Die Betonung des Risikogesichtspunktes tritt bei der graphischen Darstellung noch stärker hervor. Wie aus Abbildung B 12 ersichtlich, ist die Amortisationsdauer der Anlage C am kürzesten und somit die Anlage C den Anlagen A und D vorzuziehen.
53
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B. Management der Vermögensstruktur
Abb. B 12: Beispiel für eine Kumulationsrechnung in Diagrammform
dd) Beurteilung des Verfahrens Zielsetzung der Amortisationsrechnung ist die Ermittlung des Zeitpunktes, in dem die Summe der erwarteten Auszahlungen gleich der Summe der erwarteten Einzahlungen ist. Im Rahmen der Amortisationsrechnung wird somit keine Gewinngröße, sondern vielmehr die Kapitalbindungsdauer eines Investitionsobjektes bestimmt. Der Zeitraum nach der Amortisation wird im Kalkül nicht berücksichtigt. Dabei besteht die Gefahr einer Fehlbeurteilung mehrperiodiger Investitionsprojekte, da alle Wertebewegungen nach der Wiedergewinnungszeit außer Betracht bleiben. Wie bei allen statischen Verfahren werden zeitliche Unterschiede im Anfall der Rückflüsse nicht beachtet, wobei der Durchschnittsrechnung außerdem der Mangel der Durchschnittsbildung anhaftet. Die Amortisationsrechung kann wichtige Informationen liefern, insbesondere für die Finanz- und Liquiditätsplanung. Aufgrund der vorliegenden Ergebnisse lässt sich überprüfen, ob die eventuell aufgenommenen Kredite aus den jeweiligen Überschüssen termingerecht getilgt werden können, und welche Mittel darüber hinaus für andere Verwendungszwecke verbleiben. Eine Investition, die sich schnell amortisiert, ist aus diesem Grunde sicherer, da die Voraussage exakter wird, je kürzer der Zeitraum gewählt wird. In diesem Sinne lässt sich die Amortisationsdauer als Maß des Wagnisses oder der Elastizität einer Investition bezeichnen. Da die Amortisationszeit nur einen Teilaspekt einer Investitionsbeurteilung darstellt, sollte sie nur in Verbindung mit anderen Verfahren, insbesondere ergänzt durch die Berechnung der Rentabilität, eingesetzt werden. Für die Praxis gilt die Amortisationsrechnung als Faustregel, mit der die Unsicherheiten über die zukünftigen Entwicklung abgebaut werden sollen. Obwohl diese Methode für die Risikobeurteilung einer Investition sehr einfach ist, können doch Fehler bei der Interpretation der Ergebnisse gemacht werden. Es liegt z. B. der Fehlschluss nahe, dass es sich hier generell um ein dynamisches Verfahren handele, weil die Amortisationszeiten meist länger als ein Jahr sind. Von einem mehrperiodigen Kalkül kann man aber erst sprechen, wenn statt der Durchschnittsgrößen für Rückflüsse effektive Periodenwerte zugrunde gelegt werden und außerdem die „Zeitpräferenz des Geldes“, d. h. die Tatsache, dass die gegenwärtige Verfügung über Zahlungsmittel höher bewertet wird als die Verfügung über denselben Betrag in zukünftigen Jahren, im Verfahren zum Ausdruck kommt.
I. Investitionsrechnung Letztere findet im Rahmen der dynamischen Amortisationsrechnung Berücksichtigung. Als Amortisationszeitpunkt gilt dabei der Zeitraum, innerhalb dessen das eingesetzte Kapital zuzüglich einer Verzinsung in Höhe des Kalkulationszinsfußes durch die Rückflüsse gerade wiedergewonnen wird. Dies ist in dem Zeitpunkt der Fall, in dem der Gegenwartswert der auf- bzw. abgezinsten Zahlungsreihe gerade den Wert Null annimmt.
e) Kritik an statischen Investitionsrechenverfahren An den statischen Verfahren sind als wesentliche Kritikpunkte die Vernachlässigung der Zeitpräferenz des Geldes und die Verwendung von Durchschnittswerten zu nennen. Zudem beruhen sie nicht auf einem geschlossenen Modell mit einem gegebenen sinnvollen Annahmebündel. Bezüglich der Durchschnittsbildung kann beanstandet werden, dass häufig fälschlicherweise nur das erste Jahr nach der Anschaffung des Investitionsgegenstandes analysiert
wird, da dieser Zeitraum relativ gut zu überblicken ist. Für die restliche Nutzungsdauer werden die gleichen Verhältnisse unterstellt. Eine solche „statische“ Betrachtungsweise ist bedenklich, da doch die Beschaffungsperiode für Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe ebenso wie die Löhne und Gehälter, die mengenmäßige Ausbringung, der erzielbare Erlös je Produkt usw. im Zeitablauf Schwankungen unterliegen. Eine Untersuchung, die dieser Entwicklung nicht Rechnung trägt, führt allzu leicht zu falschen Ergebnissen. Die meisten Anlagegüter erfordern während ihrer Nutzungsdauer Instandhaltungsaufwand, der mit Alter und Beanspruchung der Aggregate ungleichmäßig steigt. Auch diese Tatsache bleibt bei den Verfahren, die nur das erste Jahr betrachten, unberücksichtigt. Eine echte Durchschnittbildung erfordert, die Leistungen und laufenden Kosten für jedes Jahr der Nutzungsdauer gesondert zu analysieren und alle so gewonnenen Werte aufzuaddieren. Nach Abzug des Kapitaleinsatzes und der Summe der kalkulatorischen Zinsen erhält man den Gesamtüberschuss eines Projektes. Diese Totalrechnung verleitet damit nicht zur ausschließlichen Verwendung von Schätzwerten für die erste Periode. Allerdings bleibt auch dann das Grundproblem der statischen Verfahrens – die Nichtberücksichtigung der Zeitpräferenz des Geldes – bestehen. Es ist anzumerken, dass eine Entscheidung nur zulässig ist, wenn sie eindeutig aus einem gegebenen sinnvollen Annahmebündel abgeleitet wird, oder anders ausgedrückt, wenn sie auf einem geschlossenen und begründbaren Modell basiert. Dies ist jedoch bei den statischen Investitionsrechenverfahren nicht gegeben und muss daher als zentraler Kritikpunkt bezeichnet werden.
Weiterführende Literatur zu Statischen Verfahren Adam, D.: Investitionscontrolling, 3. Auflage, München 2000. Bieg, H.; Kußmaul, H.: Investition, 3. Auflage, München 2016. Biergans, E.: Investitionsrechnung, Nürnberg, 1979. Blohm, H.; Lüder, K., Schaefer, C.: Investition, 10. Auflage, München 2012. Brealey, R.; Myers, S., Allen, F.: Principles of Corporate Finance, 11. Auflage, New York 2014. Goetze, U.: Investitionsrechnung, 7. Auflage, Berlin et al. 2014. Grob, H. L.: Einführung in die Investitionsrechnung, 5. Auflage, München 2006.
55
56
B. Management der Vermögensstruktur
Fragen zu statischen Verfahren 1. Physikprofessor Harald Halbgleiter weiß, dass er in 5 Jahren den Physik-Nobelpreis – der seiner Universität 1 Mio. GE zum Ende des Jahres 5 einbringen würde – gewinnt, wenn er eines der zwei folgenden Investitionsprojekte durchführt: er kann zum einen 2 Juniorprofessuren einrichten, was zu einer sofortigen Auszahlung von je 750.000 GE führen würde. Alternativ kann er für Jahr 1 bis 5 neue Assistenten für jährlich insgesamt 200.000 GE einstellen und zusätzlich eine über 5 Jahre linear vollständig (und stetig) abzuschreibende Maschine (ohne Liquidationserlös) zum Kaufpreis von 300.000 GE anschaffen. Der Kapitalmarktzinssatz beträgt 10 %, sämtliche Ein- und Auszahlungen werden über das (unverzinste) Universitätsbudget bestritten. Prof. Halbgleiter ist ein Anhänger der statischen Kostenvergleichsrechnung. Führen Sie den Vorteilhaftigkeitsvergleich inkl. der Berechnungen mithilfe dieser Methode durch! 2. Halten Sie die statische Kostenvergleichsrechnung in diesem Fall für eine geeignete Methode? 3. Wie kann die Amortisationsrechnung als Entscheidungsinstrument für Investitionen eingesetzt werden und wie sollte sie nicht angewandt werden?
3. Dynamische Investitionsrechenverfahren (Isolierte Mehrperiodenmodelle) Lernziele dieses Kapitels x Bei dynamischen Investitionsrechenverfahren findet eine exakte zeitliche Erfassung der investitionsprojektspezifischen Ein- und Auszahlungen statt, die unter zusätzlicher Berücksichtigung von Zinseszinsen Eingang in die Bewertung finden. Zu diesen Verfahren zählen die Kapitalwert-, die interne Zinssatz-, die Annuitäten-, die Vermögensendwert- sowie die Sollzinssatzmethode. x Mit der Kapitalwertmethode lässt sich der Kapitalwert eines Investitionsprojekts ermitteln, der sich aus der Summe der Barwerte aller Zahlungen ergibt. Je später eine Zahlung anfällt, desto stärker diskontiert und damit weniger wert ist sie. Beim Alternativenvergleich wird das Projekt bevorzugt, dessen Kapitalwert am größten ist. Der Kapitalwert kann dabei als aus dem Projekt entnehmbarer Zahlungsüberschuss bei Finanzierung über den Kapitalmarkt oder als Überschuss gegenüber der Opportunität interpretiert werden x Mittels der internen Zinssatzmethode wird der Zinssatz berechnet, mit den ein Investitionsprojekt zu diskontieren ist, um einen Kapitalwert von Null zu erhalten. Je höher der interne Zinssatz ist, desto vorteilhafter ist das Projekt. x Kommt die Annuitätenmethode zum Einsatz, wird die Vorteilhaftigkeit eines Investitionsprojekt anhand des – über die gesamte Laufzeit – gleichbleibenden Betrags ermittelt, der nach Anzug von Zins- und Tilgungszahlungen in jeder Periode zur Entnahme zur Verfügung steht. Beim Alternativenvergleich ist das Projekt mit der höchsten Annuität das beste. x Bei der Vermögensendwertmethode wird der Wert eines Investitionsprojekts (im Gegensatz zur Kapitalwertmethode) durch Aufzinsen aller Ein- und Auszahlungen auf das Ende der Laufzeit ermittelt. Beim Alternativenvergleich wird das Projekt bevorzugt, dessen Vermögensendwertmethode am größten ist.
I. Investitionsrechnung x Mittels der Sollzinssatzmethode wird der kritische Sollzinssatz berechnet, mit dem ein Investitionsprojekt zu diskontieren ist, um einen Vermögensendwert von Null zu erhalten. Je höher der kritische Sollzinssatz ist, desto vorteilhafter ist das Projekt. x Bei der Bestimmung der optimalen Nutzungsdauer eines Investitionsprojekts bezieht sich die Finanzwirtschaft auf dessen wirtschaftliche Nutzungsdauer. x Die Ermittlung der optimalen Nutzungsdauer kann erstens durch eine Grenzbetrachtung ermittelt werden. Sofern der barwertige zeitliche Grenzgewinn positiv ist, wird das Investitionsprojekt in der Folgeperiode weiter betreiben; andernfalls wird es außer Betrieb genommen. Zweitens kann ein Investitionsprojekt mit verschiedenen Laufzeiten als mehrere Investitionsalternativen angesehen werden. Diese Investitionsalternativen werden dann über den Kapitalwert miteinander verglichen, wobei der Alternative mit dem höchsten Kapitalwert der Vorzug zu geben ist. x Soll ein Investitionsprojekt am Ende seiner wirtschaftlichen Nutzungsdauer durch ein neues ersetzt werden, lässt ich der optimale Ersatzzeitpunkt berechnen. Wird dieses Vorgehen wiederholt, entstehen (unendliche) Investitionsketten. Die Berechnung der optimalen Ersatzzeitpunkte kann wiederum entweder mittels Grenzbetrachtung oder mittels Kapitalwertkriterium erfolgen. Entscheidende Idee bei der Lösung des Problems ist mit dem zeitlichen gesehen am weitesten in der Zukunft liegenden Kettenglied zu beginnen, um dann sukzessive den optimalen Ersatzzeitpunkt der Vorgängerglieder zu bestimmen.
a) Grundlagen dynamischer Verfahren Das Bestreben der Investitionstheorie geht dahin, ein in sich geschlossenes, logisches Modell zu liefern. Die statischen Investitionsrechenverfahren basieren auf einer Menge plausibler Prämissen, denen aber der geschlossene Modellcharakter fehlt. Die dynamischen Verfahren unterscheiden sich in der Anwendung vor allem durch zwei Aspekte: 1. Die Durchschnittsbetrachtung, welche den statischen Verfahren zugrunde liegt, wird zugunsten einer exakten Erfassung der Ein- und Auszahlungen während der ganzen Nutzungsdauer aufgegeben. 2. Der unterschiedliche zeitliche Anfall der Zahlungen während dieser Nutzungsdauer wird durch die Berücksichtigung von Zinseszinsen explizit einbezogen. Für das Verständnis der unten angeführten dynamischen Verfahren sind relativ wenige mathematische Grundkenntnisse erforderlich, die auch im Bank- und Versicherungswesen eine erhebliche Bedeutung besitzen: die Zinseszins- und Rentenrechnung. Aus Gründen der Vereinfachung wird im Weiteren von einem einheitlichen, laufzeitunabhängigen risikolosen Soll- und Habenzinssatz ausgegangen. Die Annahme der Laufzeitunabhängigkeit des Zinssatzes (und damit einer flachen Zinsstruktur) kann problemlos aufgegeben werden, es handelt sich dabei allein um eine Frage der Schreibweise und der einfacheren Verständlichkeit. Zudem wird im Folgenden davon ausgegangen, dass es sich dabei um einen eindeutig bestimmbaren Kapitalmarktzins handelt. Bei der Aufzinsung wird errechnet, wie viel ein im Zeitpunkt 0 eingesetzter Betrag nach einer Anzahl von Jahren, in deren Verlauf Zins und Zinseszins anfallen, wert ist.
57
58
B. Management der Vermögensstruktur Hieraus lässt sich die allgemeine Formel für den Aufzinsungsfaktor ableiten: (1 + i)n
oder
qn
(Aufzinsungsfaktor).
Zinssatz r = 10 %; i =
10 = 0,1 100
Kapital im Zeitpunkt 0 = 50 Geldeinheiten Anlagezeitraum n = 2 Kapital am Ende des 1. Jahres: 50 + 0,1 Â 1Â Kapital am Ende des 2. Jahres: 50 Â Â Â = 50 Â Â = 50 Â 2 = 60,50 Abb. B 14: Vereinfachtes Beispiel für einen Verzinsungsprozess
Bei der Abzinsung wird errechnet, welcher Betrag im Zeitpunkt 0 eingesetzt werden muss, um einen Betrag K im Zeitpunkt n zu besitzen. Der erwünschte Betrag wird mit dem Abzinsungsfaktor oder Diskontfaktor 1 1 oder n (Abzinsungsfaktor) (1 i)n q
abgezinst. Mithilfe des Abzinsungsfaktors wird auch die Frage beantwortet, wie ein nach n Perioden anfallender Betrag im Entscheidungszeitpunkt 0 bewertet werden soll, es wird also der Barwert der Zahlung ermittelt. Angenommen am Ende des 2. Jahres sollen K = 50 · (1 + 0,1)2 zur Verfügung stehen; wie das Beispiel zeigt, müssen dafür 50 GE im Zeitpunkt 0 eingesetzt werden. 50
1 (1 0,1)2 50 (1 0,1)2
Abzinsungsfaktor
Fällt eine begrenzte Reihe von Rückflüssen (Einzahlungen ./. Auszahlungen) am Ende mehrerer Jahre in gleicher Höhe an, so wird ihr Gegenwartswert, der Wert im Zeitpunkt Null (Bezugszeitpunkt), durch Multiplikation mit dem Rentenbarwertfaktor ermittelt: qn 1 q (q 1) n
(1 i)n 1 (Rentenbarwertfaktor) (1 i)n i
I. Investitionsrechnung Die Verteilung eines heute zur Verfügung stehenden Betrages zu gleichen Teilen vom ersten Jahr an über eine Anzahl von Jahren unter Berücksichtigung von Zinseszinsen wird durch Multiplikation mit dem Annuitäten- oder Wiedergewinnungsfaktor (Umkehrung des Rentenbarwertfaktors) ermöglicht: q n (q 1) qn 1
(1 i)n i (Wiedergewinnungsfaktor) (1 i)n 1
So errechnet sich der Gegenwartswert einer fünfjährigen Zahlungsreihe von je 50 GE am Jahresende bei einem Zinssatz von 10 % zu
Verteilt man diesen Betrag wiederum auf die fünfjährige Zahlungsreihe bei gleichem Zinsniveau erhält man
was dem Ausgangwert entspricht. Die Formel zur Bestimmung des Rentenbarwertfaktors vereinfacht sich zu
falls die Anzahl der Zahlungen gegen unendlich strebt. Eine solche Zahlungsreihe mit unendlich vielen identischen Zahlungen wird auch als ewige Rente bezeichnet, ihr Barwert durch einfache Division durch den Zins ermittelt, wie folgendes Beispiel einer ewigen Rente von 50 GE bei einem Zinssatz von 10 % zeigt:
Die Ermittlungsmethoden des Abzinsungs- und Aufzinsungsfaktors gehen von jährlicher Zinsgutschrift und Wiederanlage der Zinsen aus (Zahlungsreihe). Dagegen wird vorgebracht, dass die Rückflüsse aus Anlagen kontinuierlich anfallen (Zahlungsströme) und auch wieder angelegt werden, woraus sich die Forderung nach kontinuierlicher Verzinsung ableitet. Für den Fall einer mehrmaligen Zinskapitalisierung während eines Jahres (m-mal) gilt folgende modifizierte Formel für den Aufzinsungsfaktor: j · § ¨1 ¸ m¹ ©
mn
(Aufzinsungsfaktor bei diskreter unterjähriger Verzinsung),
mit j als nominalem jährlichen Zinssatz.
59
60
B. Management der Vermögensstruktur Wenn kontinuierlich verzinst wird, geht m o f. Daraus ergibt sich der Aufzinsungsfaktor bei kontinuierlichem Zinszuwachs mit:13
(Aufzinsungsfaktor bei kontinuierlichem Zinszuwachs).
da gilt
j wird im Falle des kontinuierlichen Zinszuwachses im Unterschied zum diskreten Zins als stetiger Zins bezeichnet.14 Der Zusammenhang zum diskreten Jahreszinssatz i ergibt sich aus:
Die kontinuierliche Verzinsung ist selten für praktische, jedoch vor allem für theoretische Überlegungen von Nutzen, da sie Grenzbetrachtungen zulässt.
b) Darstellung der dynamischen Verfahren für den Fall der Einzelinvestition aa) Kapitalwertmethode Die Kapitalwertmethode (KWM) ermittelt den Kapitalwert einer bevorstehenden Investition. Der Kapitalwert ist definiert als die Summe der Barwerte aller durch die Investition bedingten Ein- und Auszahlungen. n
C0
¦ (E
t
At )
t 0
1 (1 i)t
oder bei Ersetzen von E – A durch Z und (1 + i) durch q n
C0
Zt
¦q
t
t 0
bzw. bei Ausgliederung der Anschaffungsauszahlung zum Zeitpunkt Null und des Liquidationserlöses im Zeitpunkt n: n
C0
I 0 ¦ t 0
t Et At Zt C0 Ln I0
13
14
= = = = = = =
Zt L n qt qn
einzelne Perioden von 0 bis n Einzahlungen der Periode t (z. B. jährliche Einzahlungen) Auszahlungen der Periode t Et – At (Rückflüsse der Periode t) Kapitalwert Liquidationserlös in der Periode n Investitionsauszahlung in der Periode 0
Ebenso: Weston, Copeland, Managerial Finance, 1992, S. 239 ff.; Schneider, D., Investition und Finanzierung, 1980, S. 234. Vgl. Dorfleitner, Stetige versus diskrete Renditen, 2002, S. 216 ff.
I. Investitionsrechnung Bei der KWM wird die Zahlungsreihe einer Investition an einer Alternativinvestition gemessen, die sich zum Kalkulationszinssatz verzinst.15 Ist der Kapitalwert positiv (C0 > 0), so ist die Verzinsung des jeweils gebundenen Kapitals höher als der Kalkulationszinssatz, und das Projekt ist damit vorteilhaft. Ein negativer Kapitalwert weist die Investition als unvorteilhaft aus, ein Kapitalwert von 0 führt zu keiner Vorteilsentscheidung. Ein Beispiel möge dies verdeutlichen. Für Anlage A ergeben sich folgende Zahlungsüberschüsse in den Perioden 1 bis 4: Anlage A Jahr Zahlungsüberschuss
1
2
3
4
18.000,00 GE
34.400,00 GE
41.600,00 GE
42.000,00 GE
Abb. B 15: Beispiel für die KWM bei einer Investition
Der Kalkulationszins beträgt 10 %, die Auszahlung im Zeitpunkt 0 ist 90.000 GE. Die KWM führt in diesem Fall zu folgendem Ergebnis: Die Multiplikation der einzelnen Zahlungsströme mit den Abzinsungsfaktoren führt zu folgendem Zwischenergebnis: Jahr
1
2
3
4
Zahlungsüberschuss
18.000,00 GE
34.400,00 GE
41.600,00 GE
42.000,00 GE
Barwerte
16.363,64 GE
28.429,75 GE
31.254,70 GE
28.686,57 GE
Barwert der künftigen Zahlungen
104.734,65 GE
Abb. B 16: Kapitalwertberechnung für das Beispiel
Der Kapitalwert von 14.735 GE lässt nun dreierlei Deutung zu: 1. Der Kapitalwert zeigt analog zur Gewinnvergleichsrechnung den Zahlungsüberschuss einer Investition auf, wobei es sich im Gegensatz zur Gewinnvergleichsrechnung um den barwertigen Zahlungsüberschuss handelt.16 2. Die Verzinsung des gebundenen Kapitals ist höher als der Kalkulationszinsfuß (Maßstab für die Verzinsung).17 Diese zweite Fassung wird der Kapitalwertmethode jedoch nicht ganz gerecht, da diese einen absoluten Maßstab und keine relative Renditeaussage liefert. 3. Der Kapitalwert stellt den durch das Investitionsprojekt bedingten, sofort entnehmbaren Vermögenszuwachs des Investors dar. Soll der Zahlungsüberschuss gleich zur Verfügung stehen, so lässt sich das Ergebnis auch als Aufnahme eines Kredits zu 10 % von 104.734,65 GE deuten, der mit 90.000 GE 15 16 17
Vgl. Schneider, Investition, Finanzierung und Besteuerung, 1992, S. 77. Vgl. Biergans, Investitionsrechnung, 1979, S. 175. Vgl. Blohm, Lüder, Schäfer, Investition, 2012, S. 47 f.
61
62
B. Management der Vermögensstruktur zur Anschaffung des Aggregats verwendet wird, während 14.735 GE als Überschuss anderweitiger Verwendung zugeführt wird. Zu den einzelnen künftigen Zahlungszeitpunkten dient der Zahlungsüberschuss aus der Anlage A einerseits zur Zahlung der Kreditzinsen (etwa für Zeitpunkt 1: 104.734,65 GE · 10 % = 10.473,46 GE). Der verbleibende Zahlungsüberschuss wird zur Tilgung des Kredits verwendet, wodurch die Restschuld etwa für den ersten Zeitpunkt von 104.734,65 GE um 7.526,54 GE auf 97.208,11 GE vermindert wird. Die Zahlungsüberschüsse aus der Anlage A decken zu allen künftigen Zeitpunkten die Auszahlungen für den Kredit.18 Die Restschuld ist am Ende des vierten Jahres 0. Nur im Zeitpunkt 0 besteht ein Einzahlungsüberschuss, der sofort entnehmbar ist. Jahr
0
1
Zahlungen Anlage A
– 90.000,00 GE 18.000,00 GE
Restschuld
104.734,65 GE
Zinsen (10 %) Tilgung Zahlungen Kredit Einzahlungsüberschuss
97.208,11 GE – 10.473,46 GE
2
3
4
34.400,00 GE 41.600,00 GE 42.000,00 GE 38.181,82 GE
0,00 GE
– 9.720,81 GE – 7.252,89 GE
72.528,93 GE
– 3.818,18 GE
– 7.526,54 GE – 24.679,19 GE – 34.347,11 GE – 38.181,82 GE 104.734,65 GE – 18.000,00 GE – 34.400,00 GE – 41.600,00 GE – 42.000,00 GE ≈ 14.735 GE
0,00 GE
0,00 GE
0,00 GE
0,00 GE
Abb. B 17: Verwendung der Rückflüsse des Beispiels für Zins- und Tilgungszahlungen mit Zahlungsüberschuss am Anfang der Nutzungsdauer
Es wurde bereits darauf verwiesen, dass die KWM auch Aussagen über die Verzinsung des jeweils gebundenen Kapitals erlaubt. Anhand des Beispiels soll diese Aussage verdeutlicht werden; daneben wird gezeigt, dass neben Zinsen und Tilgung des eingesetzten Kapitals am Ende der Lebensdauer der Investition ein Zahlungsüberschuss (Endkapitalwert) verbleibt, der abgezinst den Kapitalwert ergibt. Entgegen Abbildung B 17 wird nun nur die Auszahlung von 90.000 GE im Zeitpunkt 0 durch Kreditaufnahme zu 10 % finanziert. Durch die nun geringeren Zins- und Tilgungszahlungen entsteht am Ende des 4. Jahres ein Zahlungsüberschuss aus der Anlage in Höhe von 42.000 GE, der nur mit 1.857 GE für die Zinszahlung und mit 18.570 GE für die Tilgung herangezogen werden muss. Es verbleibt ein Zahlungsmittelüberschuss von 21.573 GE, der auch als Endkapitalwert bezeichnet wird. Der Barwert dieses Endkapitalwerts beträgt 14.735 GE (21.573 GE/1,14 | 14.735 GE) und entspricht damit dem errechneten Kapitalwert.
18
Vgl. Hax, Investitionstheorie, 1985, S. 34. Zum Einsatz von Finanzplänen zur Bewertung von Investitionen – speziell auch bei gespaltenen Soll- und Habenzinssätzen – vgl. ausführlich Grob, Investitionsrechnung mit vollständigen Finanzplänen, 1989.
I. Investitionsrechnung Jahr Zahlungen Anlage Restschuld
0
– 90.000,00 GE 18.000,00 GE 90.000,00 GE
Zinsen (10 %) Tilgung Zahlungen Kredit Einzahlungsüberschuss
1
2
3
4
34.400,00 GE 41.600,00 GE 42.000,00 GE
81.000,00 GE
54.700,00 GE 18.570,00 GE
– 9.000,00 GE
– 8.100,00 GE – 5.470,00 GE – 1.857,00 GE
0,00 GE
– 9.000,00 GE – 26.300,00 GE – 36.130,00 GE – 18.570,00 GE 90.000,00 GE – 18.000,00 GE – 34.400,00 GE – 41.600,00 GE – 20.427,00 GE 0,00 GE
0,00 GE
0,00 GE
0,00 GE
≈ 21.573 GE
Abb. B 18: Verwendung der Rückflüsse des Beispiels für Zins- und Tilgungszahlungen mit Gewinnentnahme am Ende der Nutzungsdauer
bb) Interne Zinssatzmethode Der interne Zinssatz einer Investition ist definiert als der Zinssatz, mit dem die durch eine Investition bedingten Zahlungsüberschüsse zu diskontieren sind, sodass der Kapitalwert der Investition genau Null beträgt. Durch die interne Zinssatzmethode (IZM) wird, ähnlich der Rentabilitätsrechnung, die Verzinsung des jeweils gebundenen Kapitals ermittelt. Es handelt sich dabei also nicht um einen absoluten Vorteilhaftigkeitsmaßstab wie beim Kapitalwert. Für die Berechnung der Verzinsung wird der Kapitalwert gleich 0 gesetzt und die Gleichung nach dem internen Zinssatz r aufgelöst.
bzw. bei Ausgliederung von I0 und Ln:
Die Berechnung interner Zinssätze bringt einen Nachteil mit sich: Die mathematische Struktur der Gleichung n-ten Grades lässt grundsätzlich n Lösungen zu. Wie Kilger nachgewiesen hat, besitzt eine Zahlungsreihe, die in den ersten Perioden Auszahlungsüberschüsse (Auszahlungsphase) aufweist, höchstens eine positive Lösung.19 Der interne Zinsfuß r ist bei einer solchen „Normalinvestition“ mit nur einem Vorzeichenwechsel dann positiv, wenn die Summe aller Einzahlungen die kumulierten Auszahlungen übersteigt.20 Treten dagegen bei einer Investition Auszahlungs- und Einzahlungsüberschüsse auf, ohne dass eine klare Trennung in eine Auszahlungs- und in eine Einzahlungsüberschussphase möglich ist, so kann die Gleichung n-ten Grades mehrere, eine oder keine reelle Lösung besitzen. Für Polynome 2. Grades (quadratische Gleichungen), also mit drei Zahlungszeitpunkten, ist meist eine analytische Lösung ermittelbar, für Polynome bis zum 4. Grad bereitet dies erhebliche Probleme, ab dem 5. Grad kann meist keine analytische Lösung angegeben werden. Ab diesem Grad muss auf numerische 19 20
Vgl. Kilger, Kritik am internen Zinsfuß, 1965, S. 797. Vgl. auch Witten, Zimmermann, Zur Eindeutigkeit des internen Zinssatzes, 1977, S. 105.
63
64
B. Management der Vermögensstruktur Verfahren zurückgegriffen werden, die sich mittels geschickter Proberechnung dem tatsächlichen Zins annähern. Als Prototyp für eine solche Proberechnung wird hier die lineare Interpolation vorgestellt, die die Lösung durch Diskontierung mit zwei Versuchszinssätzen und anschließender Approximation an den tatsächlichen internen Zinssatz bei Unterstellung eines linearen Zusammenhanges zwischen gewähltem Zinssatz und Kapitalwert ermittelt. Meist reicht schon die Genauigkeit für den ersten Berechnungsschritt aus, um eine angemessene Näherung für den internen Zinssatz zu erhalten, obwohl die Funktion der Kapitalwerte, eine nicht lineare Funktion, durch eine lineare nur grob approximiert wird. Nach dem zweiten Strahlensatz gilt (vgl. Abbildung B 19)
Abb. B 19: Graphische Darstellung der linearen Interpolation mit Versuchzinssätzen 10 % und 50 %
Ermittlung am Ausgangsbeispiel
Der Fehler der linearen Interpolation nimmt mit dem Interpolationsintervall ab, d. h. um größere Fehler zu vermeiden, sollte ein möglichst kleines Interpolationsintervall gewählt werden; für diesen konkreten Fall kann z. B. 15 % und 18 % gewählt werden.
I. Investitionsrechnung C03 (15 %) = 3.029,83 GE; C04 (18 %) = – 3.058,04 GE; r | 16,49 % Zum Vergleich: Nach mehrmaligem Wiederholen dieses Verfahrens liegt der genaue interne Zinssatz bei 16,45 %. Die Aussagen über die konkreten Geldbewegungen, die der internen Zinssatzmethode zugrunde liegen, sollen für dieses Beispiel verdeutlicht werden. Entgegen Abbildung B 18 wird nun nur die Auszahlung von 90.000 GE durch Kreditaufnahme zu 16,49 % finanziert, was einem Zahlungsüberschuss von 0 zum Zeitpunkt 0 entspricht. Ebenso beträgt aufgrund der höheren Zinszahlungen der Zahlungsüberschuss in jedem künftigen Jahr 0. Letztendlich bedeutet dies, dass das durchschnittlich gebundene Kapital sich also mit eben diesen 16,49 % verzinst. Es liegen bei Beurteilung einer Einzelinvestition durch die interne Zinssatzmethode keine Reinvestitionsannahmen zugrunde. Der interne Zinsfuß spiegelt lediglich die Jahr
0
Zahlungen Anlage
– 90.000,00 GE
Restschuld
90.000,00 GE
Zinsen (16,45 %)
Einzahlungsüberschuss
2
3
4
18.000,00 GE 34.400,00 GE 41.600,00 GE 42.000,00 GE 86.808,64 GE
66.692,17 GE 36.065,73 GE
0,00 GE
– 14.808,64 GE – 14.283,53 GE – 10.973,56 GE – 5.934,27 GE
Tilgung Zahlungen Kredit
1
– 3.191,36 GE – 20.116,47 GE – 30.626,44 GE – 36.065,73 GE 90.000,00 GE – 18.000,00 GE – 34.400,00 GE – 41.600,00 GE – 42.000,00 GE 0,00 GE
0,00 GE
0,00 GE
0,00 GE
0,00 GE
Abb. B 20: Vollständige Verwendung der Rückflüsse des Beispiels für Zins- und Tilgungszahlungen bei Verwendung des internen Zinsfußes
Rendite des jeweils gebundenen Kapitals wider.21 Die Wiederanlageprämisse ist nur für den Fall des Investitionsvergleichs problematisch. Die Investition wird unter der Annahme des vollkommenen Kapitalmarktes dann durchgeführt, wenn der interne Zinssatz über dem Kapitalmarktzinssatz (Kalkulationszinssatz) liegt. Bei beschränktem, unvollkommenem Kapitalmarkt besteht zusätzlich die Kalkulationszinsfußproblematik (vgl. Kapitel B II 3 f.).22
21 22
Vgl. Kilger, Kritik am internen Zinsfuß, 1965, S. 765 ff., bes. S. 792. Als Kritikpunkt am internen Zinssatz kann zudem genannt werden, dass bei Unsicherheit im Gegensatz zur Kapitalwertmethode keine Risikoadjustierung erfolgt und sich tendenziell höhere interne Zinssätze bei Projekten mit höherem Risiko und höherem Erwartungswert ergeben, ohne dass dem erhöhten Risiko Rechnung getragen wird.
65
66
B. Management der Vermögensstruktur
cc) Annuitätenmethode Die Vorteilhaftigkeit einer Investition lässt sich neben dem Kapitalwert auch durch die äquivalente, äquidistante und uniforme23 Annuität zeigen. Diese ist der gleichbleibende Betrag, der neben Tilgung und Verzinsung in jeder Periode zur Verfügung steht. Es bedeuten hier: äquivalent:
Barwert der neuen Reihe = Barwert der gegebenen Reihe.
äquidistant:
Die Zahlungszeitpunkte sind gleich weit voneinander entfernt.
uniform:
Die Zahlen sind gleich groß.
Diese Betrachtungsweise kommt der Praxis entgegen, wo ein Denken in jährlichen Gewinnen üblich ist. Die Ermittlung der Annuität erfolgt durch Multiplikation des Kapitalwerts mit dem Wiedergewinnungsfaktor. Sie setzt also die Kenntnis des Kapitalwerts voraus. Auf unser Ausgangsbeispiel bezogen (i = 10 %; n = 4 Jahre) ergibt sich: 14.735 GE · 0,3155 = 4.648 GE Die Bedeutung einer Annuität von 4.648 GE sei noch einmal am Ausgangsbeispiel aus Abbildung B 15 (Zinssatz 10 %) verdeutlicht. Um den Zahlungsüberschuss im Zeitpunkt 0 zu egalisieren, wird nun ein Kredit in Höhe von 90.000 GE aufgenommen, der zu 10 % verzinst wird. Statt aber wie in Abbildung B 18 sämtliche künftige Zahlungen bis auf die letzte auszugleichen, wird nun jedes Jahr die Annuität entnommen, sodass sich der mögliche Tilgungsbetrag von 9.000 GE um die Annuität von 4.648 GE auf 4.352 GE kürzt (vgl. Abbildung B 21). Jahr Zahlungen Anlage Restschuld
0
3
90.000,00 GE 85.648,35 GE 64.461,54 GE 33.956,04 GE
4
0,00 GE
– 9.000,00 GE – 8.564,84 GE – 6.446,15 GE – 3.395,60 GE
Tilgung
Einzahlungsüberschuss
2
– 90.000,00 GE 18.000,00 GE 34.400,00 GE 41.600,00 GE 42.000,00 GE
Zinsen (10 %) Zahlungen Kredit
1
– 4.351,65 GE – 21.186,81 GE – 30.505,49 GE – 33.956,04 GE 90.000,00 GE – 13.351,65 GE – 29.751,65 GE – 36.951,65 GE – 37.351,65 GE 0,00 GE
4.648,35 GE
4.648,35 GE
4.648,35 GE
4.648,35 GE
Abb. B 21: Verwendung der Rückflüsse des Beispiels für Zins- und Tilgungszahlungen mit Gewinnentnahme als Annuität
Eine Einzelinvestition ist vorteilhaft, wenn sie eine jährliche Entnahme ermöglicht (Gewinnannuität > 0). In einem solchen Fall ist die Einzahlungsannuität der Investition größer als ihre Auszahlungsannuität:
mit dem Wiedergewinnungsfaktor 23
Vgl. Jacob, Investitionsrechnung, 1969, S. 608.
I. Investitionsrechnung
Beim Alternativenvergleich ist eine Investition A einer Investition B vorzuziehen, wenn gilt: Annuität A > Annuität B wobei n (E A t ) Ln · § Annuität ¨ I 0 ¦ t ¸ a. t (1 i) (1 i)n ¹ t 1 ©
dd) Einfluss der Verfahrenswahl auf die Investitionsentscheidung für den Fall der Einzelentscheidung Unterschiedliche Verfahren werfen die Frage auf, wann welches Verfahren zu wählen ist, und ob die Verfahrenswahl die Entscheidung beeinflusst. Die gleiche mathematische Grundlage führt bei Betrachtung einer Einzelinvestition zur gleichen Entscheidung. Bei der Kapitalwertmethode und Annuitätenmethode ist dies offensichtlich der Fall. Nur eine Investition mit Kapitalwert ≥ 0 und Annuität ≥ 0 wird durchgeführt. Dabei wird die Annuität durch Multiplikation des Kapitalwertes mit dem Wiedergewinnungsfaktor errechnet, sodass beide Methoden zur gleichen Entscheidung führen. Bei einem positiven Kapitalwert lässt sich ein interner Zinssatz bestimmen, der über dem Kalkulationszins liegt, wenn in der Zahlungsreihe nur ein Vorzeichenwechsel vorkommt, d. h., wenn die Auszahlungen zusammenhängend in den ersten Perioden liegen und die Einzahlungen zusammenhängend in den letzten. Wenn dies nicht der Fall ist, kann es manchmal keine, manchmal mehrere Lösungen geben. In diesem Fall ist die interne Zinsfußmethode unbrauchbar.
c) Das Auswahlproblem aa) Vollständiger und begrenzter Vorteilsvergleich24 Die bisher beschriebenen Rechenverfahren können vom Management auch als Entscheidungshilfe unter Einbeziehung der Auswahlproblematik herangezogen werden. Die Anwendung dieser Methoden wirft neue Probleme auf, falls sich die Investitionsalternativen bezüglich Kapitaleinsatz, Lebensdauer oder Struktur der Rückflüsse unterscheiden. Entspricht bspw. der für ein Projekt zu investierende Betrag nicht dem zu investierenden Budget, so muss auch die Verwendung des sich ergebenden Differenzbetrages in das Entscheidungskalkül mit einbezogen werden, um eine sinnvolle Aussage treffen zu können. Allerdings muss ins Feld geführt werden, dass unter den Prämissen Fisherschen Separationstheorems solch eine Budgetbeschränkung nicht auftritt, da sämtliche Projekte mit einem positiven Kapitalwert durchgeführt werden. Würden die zur Verfügung stehenden Zahlungsmittel nicht ausreichen, würde etwa durch Kreditaufnahme die zusätzlichen Zahlungsmittel beschafft werden (siehe auch Abschnitt B I 1 b) . Somit ist in dieser Welt, keine Budgetbeschränkung möglich. Liegt diese aber vor, reicht ggf. ein allein auf das zu beurteilende Investitionsprojekt begrenzter Vorteilsvergleich nicht aus, stattdessen muss ein vollständiger Vorteilsvergleich unter Ein24
Vgl. Leffson, Investitionsrechnung, 1973, S. 88 ff.
67
68
B. Management der Vermögensstruktur beziehung aller relevanten Mittelverwendungen und Mittelherkünften durchgeführt werden. Diese Überlegung führt letztendlich zu Simultanplanung bzw. zur Verwendung von Totalmodellen. Im Falle der Verletzung der a. o. S. aufgeführten Annahmen führen Totalmodelle unter Sicherheit zu exakten Ergebnissen. Demgegenüber ergeben sich jedoch im Falle von Unsicherheit und Schwierigkeiten bei der Bestimmung der relevanten Größen massive Probleme in der praktischen Umsetzung von Totalmodellen. Unter den bislang getroffenen Annahmen sind zudem die auf der Kapitalwertmethode beruhenden Ergebnisse mit den mit Totalmodellen erzielten Ergebnissen identisch, d. h. ein begrenzter Vorteilsvergleich führt zu denselben Ergebnissen wie ein vollständiger Vorteilsvergleich. Die Kapitalwertmethode ist somit uneingeschränkt verwendbar. Neben Anlage A stehen Anlage C und D mit folgenden Daten zur Wahl. Die Kapitalwertmethode führt bei i = 10 % zu folgendem Ergebnis für Anlage C: Anlage C Jahr
0
Zahlungsüberschuss
1
– 30.000,00 GE
Barwerte Summe Barwerte
40.071,31 GE
Kapitalwert
10.071,31 GE
2
22.362,90 GE
23.887,10 GE
20.329,91 GE
19.741,40 GE
Abb. B 22: Beispiel zum Kapitalwert von Anlage C
Für Anlage D bestimmt sich der Kapitalwert zu: Anlage D Jahr Zahlungsüberschuss
0
Barwerte Summe Barwerte Kapitalwert
1
2
3
4
– 160.000,00 GE – 2.950,00 GE 4.200,00 GE 70.300,00 GE 155.570,00 GE – 2.681,82 GE 3.471,07 GE
52.817,43 GE 106.256,40 GE
159.863,09 GE – 136,91 GE Abb. B 22a: Beispiel zum Kapitalwert von Anlage D
Der Kapitalwert ist damit negativ, da das Gros der Einzahlungsüberschüsse erst im letzten Jahr eintritt. Damit wäre von der Durchführung des Investitionsprojekts D auch als Einzelinvestitionsentscheidung abzuraten. Das heißt, die Auswahlentscheidung beschränkt sich auf Anlage A und C. Nach der Kapitalwertmethode wäre Anlage A besser eingestuft als Anlage C. Da aber offensichtlich 90.000 GE zur Verfügung stehen (sonst könnte A nicht realisiert werden), können bei Wahl der Alternative C im Zeitpunkt 0 zusätzlich 60.000 GE investiert werden (zweimal zusätzlich C). Diese zusätzliche Investitionsmöglichkeit muss bei einem vollständigen Vergleich berücksichtigt werden.
I. Investitionsrechnung Investitionen, die zur Vergleichbarkeit von Alternativen hinsichtlich Lebensdauer, Struktur der Rückflüsse und Kapitaleinsatz vorzunehmen sind, werden in der Literatur als Differenz-, Supplement-, Komplementär- oder Zusatzinvestitionen bezeichnet. Mithilfe von Komplementärinvestitionen werden die Zahlungsüberschüsse von zwei zu vergleichenden Investitionsobjekten in allen Zeitpunkten außer dem Endzeitpunkt des längeren Investitionsobjektes einander angeglichen. Vergleicht man nun A mit C, so ist bei diesem vollständigen Vorteilsvergleich die Vorteilhaftigkeit am Ende der Vergleichsperiode t n am Wert der Rückflüsse in t n abzulesen. Beim vollständigen Vorteilsvergleich ist somit keine Diskontierung nötig und damit eine Kapitalwertberechnung überflüssig. Anlage C (dreimal) Jahr
0
Zahlungsüberschuss Anlage C Guthaben Kapitalmarktinvestition
2
– 90.000,00 GE
67.088,71 GE
0,00 GE
49.088,71 GE
0,00 GE
0,00 GE
4.908,87 GE
– 49.088,71 GE
+ 49.088,71 GE
18.000,00 GE
34.400,00 GE
Zinsen (10 %) Zahlungssaldo Anlage und Aufnahme Kapitalmarkt Einzahlungsüberschuss (Anlage A)
1
– 90.000,00 GE
71.661,29 GE
91.258,87 GE Abb. B 23: Zahlungsreihe bei dreimaliger Durchführung der Alternative C und Reinvestition der Überhänge zum Kalkulationszinsfuß
Ist es etwa möglich, mehrmals in die Anlage C zu investieren, ergibt sich folgender Vorteilsvergleich: Wird dieser Betrag für eine zweite und dritte Anlage C verwendet, so wird nach dem zweiten und dritten Jahr eine Einzahlung von 3 × 22.362,90 GE = 67.088,71 GE respektive 3 × 23.887,10 GE = 71.661,29 GE erzielt. Die Investitionen in A und C sind nun im Zeitpunkt 0 vergleichbar. In den Zeitpunkten 1 und 2 wird die Vergleichbarkeit dadurch erreicht, dass exakt die gleichen Zahlungsströme aus dreimal der Anlage C und einmal der Anlage A erreicht werden. Für den Zeitpunkt 1 bedeutet dies etwa, dass der Zahlungsüberschuss der drei Anlagen C von 67.088,71 GE nur zu 18.000 GE benötigt wird, um den gleichen Zahlungsüberschuss zu generieren wie bei Anlage A. Die Differenz von 49.088,71 GE wird am Kapitalmarkt investiert und erhöht durch die Verzinsung den Überschuss im Zeitpunkt 2.
69
70
B. Management der Vermögensstruktur Anlage C (Dreimal 3 und hintereinander) Jahr
0
Auszahlungen Anlage C
– 90.000,00 GE
Einzahlungen Anlage C Guthaben Kapitalmarktinvestition
0,00 GE
Zinsen (10 %) Zahlungssaldo Anlage und Aufnahme Kapitalmarkt Einzahlungsüberschuss
1
3
4
– 90.000,00 GE 67.088,71 GE
71.661,29 GE
67.088,71 GE
71.661,29 GE
49.088,71 GE
1.258,87 GE
26.873,47 GE
0,00 GE
4.908,87 GE
125,89 GE
2.687,35 GE
47.829,84 GE – 25.614,60 GE
26.873,47 GE
0,00 GE 0,00 GE – 49.088,71 GE
– 90.000,00 GE
2
18.000,00 GE
34.400,00 GE
41.600,00 GE 101.222,10 GE
Zahlungsüberschuss von C gegenüber A
59.222,10 GE
Abb. B 23a: Zahlungsreihe der erweiterten Alternative C bei Reinvestition nur der Überhänge zum Kalkulationszinsfuß
Die gleiche Voraussetzung wird für den Zeitpunkt 2 durch Wiederanlage der Einzahlungen erfüllt. 90.000 GE werden für drei weitere Anlagen C verwendet, die restlichen 1.258,87 GE werden zum Kalkulationszinssatz angelegt. Aus den beiden Maßnahmen im Zeitpunkt 2 folgen für den Zeitpunkt 3 Einzahlungen in Höhe von 67.088,71 GE aus der Investition C, die zu mit A vergleichbaren Auszahlungen in Höhe von 41.600 GE führen und zu 25.614,60 GE wieder am Kapitalmarkt angelegt werden. Auszahlungen aus der Anlage C, Kapitalmarktzinsen und Auflösung der Kapitalmarktinvestitionen führen dann zu einem Zahlungsüberschuss im Zeitpunkt 4 in Höhe von 101.222,10 GE, was den Zahlungsüberschuss der Anlage A um 59.222,10 GE übersteigt. Da in den ersten vier Zahlungszeitpunkten die Investition in Anlage A und die dreimalige in Anlage C inklusive ihrer Wiederholung die gleichen Zahlungsströme aufweisen und nur im letzten Zeitpunkt C einen höheren ausweist, wäre die Investition in C vorzuziehen (vgl. Abbildung B 23a). Diskontiert man den Zahlungsüberschuss von 59.222,10 GE erhält man mit 40.449,49 GE die Differenz der beiden Kapitalwerte, die sich aus der einmaligen Investition in A und der dreimaligen Investition in C mit Wiederholung nach 2 Jahren ergeben würden:
womit der Kapitalwert der Investitionen in C 55.184,14 GE beträgt. Ist alternativ eine mehrmalige gleichzeitige oder sukzessive Investition in C möglich oder können keinen realen Komplementärinvestitionen ermittelt werden, muss angenommen werden, dass die Komplementärinvestitionen vollständig am Kapitalmarkt durchgeführt werden. Damit ergibt sich ein Kapitalwert von 0 für die jeweiligen Komplementärinvestitionen, was eine Vernachlässigung bei der Ermittlung erlaubt.
I. Investitionsrechnung Der begrenzte Vorteilsvergleich wird also durch Ermittlung des Kapitalwertes durchgeführt. Unterschiede in der Lebensdauer, in der Struktur der Rückflüsse und im Kapitaleinsatz brauchen wegen der unterstellten Verzinsung der Komplementärinvestitionen zum Kalkulationszinssatz nicht ausdrücklich berücksichtigt zu werden. Die folgende Darstellung (vgl. Abbildung B 24) zeigt, dass Investition A nur unter diesen Voraussetzungen besser zu beurteilen ist. Bezüglich der ersten vier Zahlungszeitpunkte sind beide Investitionen identisch. Nur im letzten Zeitpunkt besteht ein Unterschied von – 6.827,59 GE zu Ungunsten von Anlage C. Anlage C Jahr
0
Zahlungsüberschuss Anlage C Guthaben Kapitalmarktinvestition
Einzahlungsüberschuss
2
3
4
22.362,90 GE
23.887,10 GE
60.000,00 GE
70.362,90 GE
66.886,29 GE
31.974,92 GE
0,00 GE
6.000,00 GE
7.036,29 GE
6.688,63 GE
3.197,49 GE
60.000,00 GE – 10.362,90 GE
3.476,61 GE
34.911,37 GE
31.974,92 GE
34.400,00 GE
41.600,00 GE
35.172,41 GE
Zinsen Zahlungssaldo Anlage und Aufnahme Kapitalmarkt
1
– 30.000,00 GE
– 90.000,00 GE
18.000,00 GE
– 6.827,59 GE
Zahlungsüberschuss von C gegenüber A
Abb. B 24: Zahlungsreihe der erweiterten Alternative C, wenn sämtliche Überschüsse zum Kalkulationszinsfuß reinvestiert werden
Dass die Komplementärinvestitionen am Kapitalmarkt, wie erwartet, keinen Einfluss auf den Kapitalwert haben, kann man Abbildung B 25 entnehmen. Anlage B mit Komplementärinvestition am Kapitalmarkt Jahr
0
Zahlungsüberschuss
Kapitalwert
2
3
4
– 90.000,00 GE 18.000,00 GE 34.400,00 GE 41.600,00 GE 35.172,41 GE
Barwerte Summe Barwerte
1
16.363,64 GE 28.429,75 GE 31.254,70 GE 24.023,23 GE 100.071,31 GE 10.071,31 GE
Abb. B 25: Alternativenvergleich unter Verwendung der Kapitalwertmethode
Außerdem lässt sich die Differenz der Zahlungsströme aus Abbildung B 24 wiederum auf den Anfangszeitpunkt diskontieren. Als Ergebnis erhält man 4.663,33 GE, was sich wiederum als die Differenz der beiden Kapitalwerte von A und C Interpretieren lässt.
71
72
B. Management der Vermögensstruktur 14.735 GE – 10.071 GE | 4.663 GE Der begrenzte Vorteilsvergleich mithilfe der Kapitalwertmethode könnte dann zu Fehlentscheidungen führen, wenn die Rendite der realen Komplementärinvestitionen und der Kalkulationszinsfuß differieren. Dies ist aber nicht der Kapitalwertmethode anzulasten, sondern dem Anwender. Die korrekte Anwendung der Kapitalwertmethode verlangt, dass die Alternativen so formuliert werden, dass alle Komplementärinvestitionen außerhalb des Kapitalmarkts in die Zahlungsströme mit einbezogen werden. Beispiele hierfür sind Mehrfachanschaffungen und identische Reinvestitionen. Hier darf also nur der Kapitalwert der jeweiligen Investitionsbündel berechnet werden. Die Kapitalwertmethode führt also unter Einhaltung ihrer Prämissen bzgl. des Kapitalmarkts zum korrekten Ergebnis.
bb) Einfluss der Rechenverfahren auf die Investitionsentscheidung beim Alternativenvergleich Der Einfluss der Verfahren beim technischen Auswahlproblem sei anhand des erweiterten Beispiels aus den Abbildungen B 11 und B 15 dargestellt. Nun soll entgegen den vorherigen Ausführungen der Fall unterstellt werden, dass jede Anlage nur einmal erworben werden kann. Die Anwendung der Kapitalwertmethode (für i = 0,1) führt zu folgendem Ergebnis:
Kapitalwert
Anlage A
Anlage C
Anlage D
14.735,00 GE
10.071,31 GE
– 136,91 GE
Abb. B 26: Kapitalwerte dreier Investitionen A, C und D
Hinsichtlich der Vorteilhaftigkeitsentscheidung ergibt sich folgende Rangfolge: A > C > D Die Ermittlung der (wie später zu sehen ist fälschlicherweise!) auf die jeweilige Projektlebensdauer bezogenen Annuitäten ergibt:
Annuität bezogen auf die Lebensdauer
Anlage A
Anlage C
Anlage D
4.648,35 GE
5.803,00 GE
– 43,19 GE
Abb. B 27: Annuitäten dreier Investitionen A, C und D (bezogen auf die Lebensdauer)
Daraus lässt sich folgende Rangfolge ableiten: C > A > D Die interne Zinssatzmethode führt zu folgendem Ergebnis:
Interner Zinssatz
Anlage A
Anlage C
Anlage D
16,45 %
31,03 %
4,38 %
Abb. B 28: Interne Zinssätze dreier Investitionen A, C und D
Rangfolge: C > A > D
I. Investitionsrechnung Offensichtlich hängt die Entscheidung für eine der Investitionsalternativen von der Wahl der Methode ab. Es gilt nun, die Ursachen dieser Unterschiede aufzuzeigen. Aus der Darstellung des vollständigen Vorteilsvergleichs wurde ersichtlich, dass Alternativen, die sich in Lebensdauer, Kapitaleinsatz und Rückflussstruktur unterscheiden, nur unter Berücksichtigung von Komplementärinvestitionen verglichen werden können. In den vollständigen Vorteilsvergleich gehen die Komplementärinvestitionen detailliert ein, während sie im beschränkten Vorteilsvergleich durch Pauschalannahmen berücksichtigt werden. Diese Annahmen sind bei den einzelnen Rechenmethoden unterschiedlich, die Vorteilsentscheidung muss damit von dem gewählten Rechenverfahren abhängen. Überraschend scheinen die differierenden Ergebnisse bei Anwendung der Kapitalwert- und Annuitätenmethode, da doch auch letztere auf dem Kapitalwert beruht. Der Unterschied ist dadurch zu erklären, dass die gleichen Kapitalwerte auf unterschiedliche Lebensdauern verteilt, also mit unterschiedlichen Wiedergewinnungsfaktoren multipliziert werden. Es wird für die Lebensdauerdifferenz eine Reinvestition mit gleicher Annuität unterstellt (identische Reinvestition). Legt man aber bei der Annuitätenermittlung grundsätzlich identische (also bspw. die längste) Nutzungsdauern der Vergleichsobjekte zugrunde, so führen Kapitalwertmethode und Annuitätenmethode zum gleichen Ergebnis (Annahme der Reinvestition zum Kalkulationszinssatz):
Annuität bezogen auf 4 Jahre
Anlage A
Anlage C
Anlage D
4.648,35 GE
3.177,21 GE
– 43,19 GE
Abb. B 29: Annuitäten dreier Investitionen A, C und D
Jetzt gilt – wie beim Kapitalwertvergleich – die Rangfolge: A > C > D. Es bleibt nun zu klären, warum die interne Zinsfußmethode das Ergebnis der Kapitalwert- und Annuitätenmethode genau umkehrt. Beim Alternativenvergleich mithilfe der Kapitalwertmethode muss der Anwender eine Verzinsung der Komplementärinvestitionen zum Kalkulationszinssatz, bei der internen Zinssatzmethode zum internen Zinssatz, unterstellen. Da beide Zinssätze im Allgemeinen verschieden sind, können die beiden Methoden zu unterschiedlichen Vorteilsentscheidungen führen. Im Beispiel kommt die interne Zinssatzmethode zu einer gegensätzlichen Vorteilsaussage, weil eine Anlage der überschüssigen Mittel zum internen Zinssatz (IZ) unterstellt wird, der in diesem Beispiel größer ist als der Kalkulationszinsfuß:
73
74
B. Management der Vermögensstruktur Anlage A Jahr
0
1
2
– 90.000,00 GE
18.000,00 GE
34.400,00 GE
Guthaben Komplementärinvestition
0,00 GE
18.000,00 GE
55.361,73 GE 106.070,97 GE
Zinsen (16,45 %)
0,00 GE
0,00 GE
Zahlungssaldo Komplementärinvestitionen
0,00 GE – 18.000,00 GE – 34.400,00 GE – 41.600,00 GE 123.523,93 GE
Zahlungen Anlage
3
2.961,73 GE
4
41.600,00 GE 42.000,00 GE
9.109,24 GE
Einzahlungsüberschuss
0,00 GE
17.452,96 GE
165.523,93 GE
Anlage C Jahr Zahlungen Anlage Guthaben Komplementärinvestition Zinsen (31,03 %) Zahlungssaldo Komplementärinvestitionen Einzahlungsüberschuss
0
1
2
3
4
– 30.000,00 GE
22.362,90 GE
23.887,10 GE
0,00 GE
0,00 GE
60.000,00 GE 100.982,13 GE 156.206,04 GE 204.679,96 GE
0,00 GE
0,00 GE
18.619,22 GE
31.336,82 GE
– 60.000,00 GE – 22.362,90 GE – 23.887,10 GE
48.473,92 GE
63.516,37 GE
0,00 GE 268.196,33 GE
268.196,33 GE
Abb. B 30: Alternativenvergleich unter Verwendung der internen Zinssatzmethode
Es ergeben sich:
Der Vorteilsvergleich mithilfe der dynamischen Verfahren unterstellt also bezüglich der Komplementärinvestitionen: 1. Die Differenz der Anschaffungsauszahlungen wird bis zum Ende der Nutzungsdauer des längerlebigen Investitionsprojektes zum Kalkulationszinssatz bzw. internen Zinssatz angelegt; 2. außer in der letzten Periode werden alle Zahlungsüberschüsse sofort zum Kalkulationszinssatz bzw. internen Zinssatz reinvestiert. Es erfolgt also keine Kassenhaltung. Die Rangfolge von Investitionsalternativen ist selbst bei gleicher Lebensdauer und gleichem Kapitaleinsatz wegen der unterschiedlichen Reinvestitionsannahmen nicht
I. Investitionsrechnung notwendigerweise unabhängig vom gewählten Verfahren oder von Datenänderungen.25 Dies sei am folgenden Beispiel dargestellt: t0
t1
t2
t3
–35.282 GE –35.282 GE
5.000 GE 20.000 GE
10.000 GE 15.000 GE
15.000 GE 10.000 GE
t4
4
¦ t 1
E F
25.514 GE 5.000 GE
55.514 GE 50.000 GE
Abb. B 31: Zahlungsreihe zweier Investitionen F und E
Kapitalwert (i = 0,07) Interner Zinssatz
C0F = 8.490 GE rF = 20 %
C0E = 9.835 GE rE = 16,183 %
Die Abhängigkeit der Kapitalwerte der Projekte E und F vom gewählten Kalkulationszinssatz zeigt die Abbildung B 32: Die Vorteilsentscheidung hängt vom Zinssatz ab. Dieses Ergebnis ist auf zwei Gründe zurückzuführen: 1. Mit zunehmendem Kalkulationszinsfuß werden weiter in der Zukunft liegende Einzahlungen stärker abgewertet und gehen mit immer weniger Gewicht in das Ergebnis ein. 2. Mit zunehmendem Kalkulationszinssatz ändert sich aber auch die Reinvestitionsmöglichkeit des Zahlungsüberschusses. Beim angeführten Beispiel zeigt sich eine Umkehr der Entscheidung in p (vgl. Abbildung B 32). Dieser kritische Zinssatz liefert zwei wichtige Aussagen: Erstens werden die Alternativen für einen Kalkulationszinsfuß von p als gleich vorteilhaft ausgewiesen. Zweitens brauchen die Reinvestitionsannahmen nicht exakt zuzutreffen, um dieselbe Rangfolge zwischen den Alternativen zu erhalten. Vielmehr muss lediglich Klarheit darüber bestehen, ob die Reinvestition der jeweiligen Zahlungsüberschüsse eine Rendite über oder unter p erbringt. Die Wahl des Verfahrens hängt also hauptsächlich von den Reinvestitionserwartungen für die Differenzinvestition ab. Im Vergleich der Alternativen E und F weist die Kapitalwertmethode dieselbe Rangfolge aus wie die interne Zinsfußmethode, wenn ein Kalkulationszinsfuß größer als p gewählt wird. Zurück zum Ausgangsbeispiel: Bei dem Vergleich der Investitionsmöglichkeiten A und C war der Kalkulationszinsfuß kleiner als der Zinssatz für Indifferenz, der interne Zinsfuß lag jedoch darüber.
25
Vgl. z. B. Dudley, Reinvestment Assumptions, 1972, S. 911 f.
75
76
B. Management der Vermögensstruktur Kapitalwert in Tsd. GE E
20
E>F
F>E
F
15
9,8 8,5
5
5
10
7
15
20 E
p
Kalkulationszinssatz in %
Abb. B 32: Die Abhängigkeit des Kapitalwerts vom Kalkulationszinssatz
Wird davon ausgegangen, dass sich die Differenzinvestitionen zum jeweiligen (also unterschiedlichen) internen Zinsfuß verzinsen, werden die besonderen Probleme der internen Zinsfußmethode (vgl. Abschnitt b) relevant. Die IZM wird deshalb auch als eine Methode mit Tücken bezeichnet.26 Somit legen manche Autoren den gänzlichen Verzicht auf diese Methode nahe. Will man aber trotzdem die Methode einsetzen, muss man die Problematik der unterschiedlich verzinsten Komplementärinvestitionen eliminieren. Dies erreicht man indem man statt die Zahlungsströme beider Projekte A und C die Differenz der beiden Zahlungsströme betrachtet. Diese Betrachtung verhindert, dass die Komplementärinvestitionen überhaupt in Betracht gezogen werden müssen. Am Beispiel der Anlagen A und C wurden nun diese Zahlungsstromdifferenzen gebildet, sodass der Zahlungsstrom der Differenzinvestition in Abbildung B 33 analysiert wird. Jahr Zahlungsüberschuss Anlage A – C
i*
0
1
2
3
4
12,43 %
– 60.000
– 4.363
10.513
41.600
42.000
Abb. B 33: Differenzinvestition und interner Zinsfuß
Liegt nun der Zinsfuß dieses Zahlungsstroms oberhalb des Kalkulationszinssatzes ist Investition A der Vorzug zu geben. Andernfalls ist die Investition C die vorteilhaftere Möglichkeit. Das Vorgehen überprüft also die Verzinsung des Unterschieds der beiden Investitionen auf dessen Vorteilhaftigkeit. Im vorliegenden Fall beträgt der Interne Zinsfuß 12,43 % und liegt oberhalb des Kapitalmarktzinses, sodass A der Vorzug gegeben werden muss.
26
Vgl. Schneider, Investition, Finanzierung und Besteuerung, 1992, S. 89 ff.
I. Investitionsrechnung Allerdings unterliegt auch diese Vorgehensweise zwei Problemen.27 Erstens sagt die Differenzinvestition nichts über die generelle Vorteilhaftigkeit eines Projekts aus. Es könnten beide Projekte einen negativen Kapitalwert aufweisen. Wenn eines der Projekte erheblich schlechter als das andere ist, könnte dann für die Differenzinvestition ein sehr hoher interner Zinsfuß ermittelt werden. Die Differenzinvestition wäre vorteilhaft, die eigentliche Investition nicht. Zudem können sich gerade durch das Differenzenbilden mehrere Vorzeichenwechsel ergeben. Somit liegen bei Differenzinvestitionen oft keine Normalinvestitionen vor. Dies kann in letzter Konsequenz zu Situationen führen, bei denen der interne Zinsfuß nicht mehr eindeutig bestimmt werden kann. Somit ist der Umweg über Differenzinvestitionen zwar zur Plausibilisierung der Unterschiede geeignet, die sich in den Resultaten der Kapitalwertmethode und der IZM bei Auswahlproblemen einstellen. Aber aufgrund der genannten Schwierigkeiten ist der Kapitalwertmethode bei Investitionsentscheidungen klar der Vorzug zu geben.
d) Das Problem der optimalen Nutzungsdauer Wurde die Vorteilhaftigkeit von Investitionsprojekten bisher bei gegebenen Leistungsdaten – insbesondere der Nutzungsdauer – untersucht, so soll im Folgenden die Nutzungsdauer selbst zum Entscheidungsproblem werden. Unter Nutzungsdauer wird der Zeitraum zwischen Anschaffung (Inbetriebnahme) und Ausscheiden eines Objektes aus rechtlichen, technischen oder wirtschaftlichen Gründen verstanden. Durch Festlegen der optimalen Nutzungsdauer lassen sich gleichzeitig die für das Rechnungswesen relevanten Abschreibungsbeträge und der Zeitpunkt für Folgeinvestitionen festlegen. Bevor das Entscheidungsproblem Nutzungsdauer weiterverfolgt wird, sollen zunächst die Bestimmungsfaktoren betrachtet werden.
aa) Bestimmungsfaktoren der Nutzungsdauer Gesetzliche Vorschriften oder Vereinbarungen zivilrechtlicher Natur können die Nutzungsdauer eines Investitionsobjektes begrenzen, obwohl es weiterhin wirtschaftlich sinnvoll wäre, dieses Objekt zu nutzen. Beispiele für rechtliche Beschränkungen sind vor allem im Finanzanlagenbereich zu suchen. Lizenzen oder Patente sowie die Zeichnung von Anleihen sind an bestimmte Fristen gebunden, die nicht ohne weiteres überschreitbar sind. Bei Sachanlagen wären Mietverträge u. ä. als Ursache einer rechtlichen Beschränkung zu nennen. Die Feststellung der rechtlichen Nutzungsdauer ist im Allgemeinen aufgrund ihrer vertraglichen Fixierung unproblematisch. Unter technischer Nutzungsdauer wird der Zeitraum verstanden, in dem das Investitionsobjekt technisch in der Lage ist, Nutzung abzugeben. Das Ende der technischen Nutzungsdauer wird durch mechanischen, aber auch chemisch-biologischen Verschleiß herbeigeführt. Es ist schwer zu bestimmen, da es laufend durch Reparaturen und Einbau von Ersatzteilen hinausgezögert werden kann. Die wirtschaftliche Nutzungsdauer als der Zeitraum, in dem es aus finanzwirtschaftlichen Zielkriterien heraus vorteilhaft ist, eine Anlage zu nutzen, ist abhängig von der technischen und rechtlichen Nutzungsdauer und zusätzlich von der Änderung wirtschaftlicher Daten (Angebots-, Nachfrageverschiebungen), rechtlichen Änderungen sowie von neuen technischen Entwicklungen (technischer Fortschritt).
27
Vgl. Hering, Investitionstheorie, 4. Aufl. 2015, S. 126 f.
77
78
B. Management der Vermögensstruktur
bb) Ermittlung der optimalen Nutzungsdauer eines einmaligen Investitionsobjektes Betrachtet wird im Folgenden eine einmalige Investition. Das Entscheidungskriterium lautet bei Anwendung der Kapitalwertmethode: Bei welcher Nutzungsdauer wird der Kapitalwert am größten? Es ergibt sich folgende Kapitalwertformel:
t Et – At Ln i I0
= = = = =
0 … n (n = Ende der Nutzungsdauer) Zahlungsüberschuss in t Liquidationserlöse (Resterlöswert) am Ende der Nutzungsdauer Kalkulationszinssatz Anschaffungsauszahlung
In dieser Formel ist die Summe der diskontierten Zahlungsüberschüsse und der diskontierte Resterlös von der Nutzungsdauer abhängig. Wenn man auf längere Sicht tendenziell fallende Einzahlungen und steigende Auszahlungen unterstellt (die Einzahlungen sinken durch zunehmende Marktsättigung, die Auszahlungen steigen durch wachsenden Verschleiß) und zusätzlich die realistische Annahme trifft, dass der Restverkaufserlös im Zeitablauf konkav fällt, so ergibt sich eine Kapitalwertfunktion in Abhängigkeit von der Zeit, die ein Maximum aufweist (vgl. Abbildung B 34). Die optimale Nutzungsdauer kann dann durch eine Grenzbetrachtung ermittelt werden. Ist der barwertige zeitliche Grenzgewinn positiv, wird die Anlage eine Periode weiterbetrieben. Ist er negativ und bleibt negativ, wird vorher abgebrochen. Der barwertige zeitliche Grenzgewinn ergibt sich dabei als Differenz des Kapitalwerts mit Nutzungsdauer n+1 und Nutzungsdauer n:
Dieser barwertige Grenzgewinn kann durch Multiplikation mit dem Aufzinsungsfaktor für n+1 Perioden (1+i)n+1 in einen Grenzgewinn im Zeitpunkt n+1 transformiert werden
was die Interpretation erleichtert, die Entscheidungsregel aber nicht verändert. Die Anlage sollte also mindestens so lange weitergenutzt werden, so lange der zeitliche Grenzgewinn positiv ist. Dies ist dann der Fall, falls der zusätzliche Einzahlungsüberschuss in Periode n+1 und der gegenüber Periode n zusätzliche bzw. verminderte Liquidationserlös in Periode n+1 den entgangenen Zinsvorteil des Liquidationserlöses aus Periode n übersteigen.
I. Investitionsrechnung
79
C0 C0 max
C0 n
Et െ A t
¦ (1 + i)
t
t=0
Ln (1 + i)n
n
nopt
Abb. B 34: Kapitalwert und Nutzungsdauer
Diese Aussage ist auch rein gedanklich ohne mathematische Hilfestellung leicht erklärbar, da der Kapitalwert vom Zahlungsüberschuss in den entsprechenden Perioden beeinflusst wird und jeder Zahlungsüberschuss in einer Periode den Kapitalwert erhöht. Zur Erläuterung sei wieder auf das Ausgangsbeispiel der Anlage A zurückgegriffen. Dieses wird um Liquidationserlöse erweitert. Anlage A Liquidationserlös
1
2
3
4
81.000,00 GE
73.800,00 GE
39.600,00 GE
0,00 GE
Abb. B 34a: Liquidationserlöse für Anlage A
Damit lässt sich nun der Kapitalwert in Abhängigkeit von der Nutzungsdauerentscheidung bestimmen.
80
B. Management der Vermögensstruktur Anlage A (nutzungsdauerabhängiger Kapitalwert) 1
2
Zahlungsüberschuss Weiterbetrieb
Liquidation in
18.000,00 GE
34.400,00 GE
41.600,00 GE
42.000,00 GE
Barwert bei Weiterbetrieb
16.363,64 GE
28.429,75 GE
31.254,70 GE
28.686,57 GE
Barwert kumuliert
16.363,64 GE
44.793,39 GE
76.048,08 GE
104.734,65 GE
Liquidationserlös
81.000,00 GE
73.800,00 GE
39.600,00 GE
0,00 GE
Barwert bei Liquidation
73.636,36 GE
60.991,74 GE
29.752,07 GE
0,00 GE
0,00 GE
15.785,12 GE
15.800,15 GE
14.734,65 GE
Kapitalwert falls liquidiert in t
3
4
Abb. B 35: Kapitalwert und Nutzungsdauer für Anlage A
Der maximale Kapitalwert errechnet sich für die Nutzungsdauer von drei Jahren. Nachfolgende Grenzbetrachtung in Abbildung B 35 führt zum gleichen Ergebnis Anlage A (Grenzbetrachtung) 2
3
4
Verringerung des Liquidationserlöses
Liquidation in
1
– 7.200,00 GE
– 34.200,00 GE
– 39.600,00 GE
Zinsverlust Liquidationserlös
– 8.100,00 GE
– 7.380,00 GE
– 3.960,00 GE
Grenzerlös
19.100,00 GE
20,00 GE
– 1.560,00 GE
Barwertiger Grenzerlös
15.785,12 GE
15,03 GE
– 1.065,50 GE
Abb. B 36: Grenzerlös und Nutzungsdauer für Anlage A
Wie man erkennt, ist der zeitliche Grenzerlös des Weiterbetriebs für die Periode drei noch positiv. Nach Diskontieren erhält man den barwertigen Grenzerlös, der der zeitlichen Veränderung des Kapitalwertes aus Abbildung B 34 entspricht. Diese Regel kann dann ihre Gültigkeit verlieren, wenn der Einzahlungsüberschuss nicht mehr fallend oder der Liquidationserlös im Zeitablauf nicht mehr konkav und fallend ist. Fiele im Ausgangsbeispiel der Einzahlungsüberschuss in Periode drei um 1.000 GE geringer aus, der in Periode vier stiege aber um 3.000 GE an, wäre ein Weiterbetrieb bis zur vierten Periode kapitalwertmaximal. Denn es gilt:
Betrachtet man aber den zeitlichen Grenzerlös, fällt er in der zweiten Periode auf 20 GE – 1.000 GE = –980 GE. Das impliziert keinen Weiterbetrieb der Anlage über die zweite
I. Investitionsrechnung Periode hinaus. Betrachtet man aber den zeitlichen Grenzerlös in der vierten Periode, erhält man –1.560 GE + 3.000 GE = 1.440 GE, was den Grenzverlust des Weiterbetriebs in der dritten Periode auch barwertig mehr als Wett macht. Dieses letzte Beispiel zeigt also, dass ein zu frühes Beenden der Grenzbetrachtung eventuell zu einer zu kurzen Nutzungsdauerentscheidung führen kann, falls die Anlage etwa steigende Einzahlungsüberschüsse verspricht.
cc) Ermittlung der wirtschaftlichen Nutzungsdauer bei Unterstellung von Investitionsketten Bislang wurde nur ein einmaliges Investitionsprojekt betrachtet. Realistisch ist aber, dass am Ende der wirtschaftlichen Nutzungsdauer des Investitionsprojekts ein neues gestartet wird (Ersatzinvestition). Wird eine Investition jeweils nach Ende der wirtschaftlichen Nutzungsdauer wiederholt, wobei das Ende der Nutzungsdauer des einen Investitionsprojekts mit dem Beginn der Nutzung des neuen zusammenfällt, spricht man von einer Investitionskette. Die Fragestellung betrifft nun nicht mehr die einzelnen Kettenglieder, es muss vielmehr ein Gesamtmaximum des Kapitalwertes aus der Summe der Kettenglieder ermittelt werden, das nicht mit den einzelnen Maxima hinsichtlich der Nutzungsdauer übereinzustimmen braucht. Die Zahlungsströme der nachfolgenden Projekte können für vorausgehende Kettenglieder Opportunitätskosten darstellen. Das Problem sei am Beispiel einer Investitionskette mit zwei Gliedern erläutert. Der Gesamtkapitalwert C0 ergibt sich aus:
n1 = Lebensdauer der Investition 1 n2 = Lebensdauer des 2. Kettengliedes Das Optimum kann nun schrittweise ermittelt werden. Zunächst löst man nun das Nutzungsdauerproblem für die Nachfolgeranlage mit n2 entsprechend Abschnitt B I 3d bb. Im zweiten Schritt sucht man den maximalen Gesamtkapitalwert. Auch hier ist eine Grenzbetrachtung möglich. Bildet man die Differenz des Kapitalwerts mit Nutzungsdauer n1+1 und Nutzungsdauer n1, erhält man: n1 1
'C0 (n1 1)
Et A t
¦ (1 i)
t
t 1
L n1 1 (1 i)n1 1
I0
C n1 1 (n 2 ) (1 i)n1 1
§ n1 E A t L n1 C n (n 2 ) · I 0 1 n1 ¸ ¨¨ ¦ t t n1 (1 i) (1 i) (1 i) ¸¹ ©t 1 E n1 1 A n1 1 L n1 1 L n1 C n 1 (n 2 ) C n (n 2 ) 1 n1 1 1 n1 n1 n1 1 n1 1 (1 i) (1 i) (1 i) (1 i) (1 i) E n1 1 A n1 1 (1 i)
n1 1
E n1 1 A n1 1 (1 i)
n1 1
L n1 1 (1 i)
n1 1
L n1 1 (1 i)
n1 1
L n1 (1 i)
n1
L n1 (1 i)
n1
C n1 1 (n 2 ) (1 i)C n1 (n 2 ) (1 i)n1 1 iC n1 (n 2 ) (1 i)n1 1
81
82
B. Management der Vermögensstruktur Multipliziert man wiederum mit dem Aufzinsungsfaktor (1+i)n1+1, transformiert man den barwertigen Grenzgewinn zu einem Grenzgewinn in Periode n1+1.
Verglichen mit der optimalen Nutzungsdauer einer Einzelinvestition müssen die Einzahlungsüberschüsse des ersten Kettengliedes zusätzlich die Zinsen auf den Kapitalwert des nächsten Kettengliedes abwerfen. Im Ergebnis bedeutet dies: Wird die gleiche Investition einmal als Einzelinvestition und das zweite Mal als erstes Glied einer Investitionskette betrachtet, so ist die optimale Nutzungsdauer beim Kettenglied kürzer als bei der Einzelinvestition. Zur Erläuterung wird wieder auf das bekannte Beispiel zurückgegriffen. Für den Nachfolger sind folgende Daten bekannt. Nachfolger Jahr des Betriebs der Anlage
0
1
Absatzzahlen Umsatzeinzahlungen Sonstige leistungsabhängige Auszahlungen Leistungsabhängige Auszahlungen Anschaffungsauszahlung
2
3
9.000 St
12.000 St
12.000 St
60.300,00 GE
80.400,00 GE
80.400,00 GE
4.000,00 GE
1.600,00 GE
400,00 GE
22.181,82 GE
33.309,09 GE
34.509,09 GE
95.000,00 GE Abb. B 37: Daten der Ersatzanlage
Er habe eine optimale Nutzungsdauer von drei Perioden und weist damit bezogen auf den Zeitpunkt seines Einsatzes folgenden Kapitalwert auf: Nachfolger Jahr des Betriebs der Anlage
0
1
2
3
Zahlungsüberschuss Nachfolger in
– 95.000,00 GE
34.118,18 GE
45.490,91 GE
45.490,91 GE
Barwert der Zahlungen
– 95.000,00 GE
31.016,53 GE
37.595,79 GE
34.177,99 GE
Kapitalwert
7.790,31 GE Abb. B 37a: Kapitalwert der Ersatzanlage
Das Nutzungsdauerproblem der Anlage A wird nun unter Berücksichtigung des Kapitalwerts der Ersatzanlage bestimmt.
I. Investitionsrechnung Anlage A Ersatz in
2
3
4
0,00 GE
1
15.785,12 GE
15.800,15 GE
14.734,65 GE
Barwert des Kapitalwerts der Ersatzanlage, falls ersetzt in t
7.082,10 GE
6.438,28 GE
5.852,98 GE
5.320,89 GE
Kapitalwert, falls ersetzt in t
7.082,10 GE
22.223,40 GE
21.653,13 GE
20.055,54 GE
Kapitalwert, falls liquidiert in t
Abb. B 38: Kapitalwert von A mit einer Ersatzanlage
Zum Kapitalwert nach Abbildung B 34 addiert sich nun der Kapitalwert der Ersatzanlage bezogen auf den heutigen Zeitpunkt. Dazu wird der Kapitalwert aus Abbildung B 37 auf den heutigen Zeitpunkt diskontiert, sodass dieser Summand mit wachsendem Ersatzzeitpunkt immer kleiner wird. Dies führt dazu, dass der gesamte Kapitalwert sein Maximum nun schon nach zwei Perioden erreicht. Das gleiche Ergebnis erhält man bei der Grenzbetrachtung. Anlage A (Grenzbetrachtung) Liquidation in
1
2
3
4
Grenzerlös des Weiterbetriebs von A
19.100,00 GE
20,00 GE
– 1.560,00 GE
Entgangener Zinsgewinn beim Nachfolgeprojekt
– 779,03 GE
– 779,03 GE
– 779,03 GE
Grenzerlös
18.320,97 GE
– 759,03 GE
– 2.339,03 GE
Barwertiger Grenzerlös
15.141,30 GE
– 570,27 GE
– 1.597,59 GE
Abb. B 39: Grenzerlös von A mit einer Ersatzanlage
Dazu wird nun vom Grenzerlös beim Weiterbetrieb der Anlage A ohne Nachfolger der entgangene Zinsgewinn für das Nachfolgeprojekt abgezogen. Aus dieser Vorgehensweise wird ersichtlich, dass der entgangene Zinsgewinn den Grenzerlös senkt und damit tendenziell ein Ersatz zu einem früheren Zeitpunkt sinnvoll wird. Im Ergebnis bedeutet dies: Wird die gleiche Investition einmal als Einzelinvestition und das zweite Mal als erstes Glied einer Investitionskette betrachtet, so ist die optimale Nutzungsdauer beim Kettenglied kürzer als bei der Einzelinvestition.
dd) Ermittlung der optimalen Nutzungsdauer bei einer unendlichen Kette von identischen Investitionsobjekten Im letzten Schritt ist es nun möglich, eine Investitionskette aus mehr als nur zwei Kettengliedern zu unterstellen. Als Vorgehensweise wird hier zunächst die Nutzungsdauer des letzten Kettengliedes, sodann wie in Abschnitt B I 3d bb die Nutzungsdauer des vorletzten Kettengliedes bestimmt. Dies lässt sich zum Kapitalwert der beiden letzten Kettenglieder zusammenfassen. Mit dieser Information kann man nun die Nutzungsdauer des vorvorletzten Kettengliedes bestimmen, indem man das Nutzungsdauer-
83
84
B. Management der Vermögensstruktur problem löst, als ob nur ein Nachfolger mit dem zusammengefassten Kapitalwert des letzten und vorletzten Kettengliedes besteht. Dieses aufwändige Verfahren lässt sich fortsetzen bis man das erste Kettenglied erreicht hat. Bei unendlich vielen identischen Kettengliedern gibt es aber eine Vereinfachung, die eine nähere Betrachtung verdient. Unterstellt man also eine unendliche identische Wiederholung, so ergibt sich für die Nutzungsdauer der einzelnen Kettenglieder jeweils die identische optimale Nutzungsdauer n. Der Kapitalwert der Investition wird somit – ausgehend von Zeitpunkt 0 – jeweils alle n Jahre in gleicher Höhe erneut realisiert. Formal kann dies wie folgt beschrieben werden:
Die Berechnung des Kettenkapitalwertes kann dadurch erleichtert werden, dass der Projektkapitalwert jeweils mithilfe des Wiedergewinnungsfaktors auf die Projektnutzungsdauer n verteilt wird. Dadurch treten – ausgehend von Zeitpunkt 0 – in jedem Zeitpunkt bis unendlich identische Rückflüsse auf.
Es bietet sich eine weitere Umformung an:
Es wird also der Kapitalwert des ersten Projektes direkt in den Kettenkapitalwert einbezogen, für die nachfolgenden Projekte findet wiederum die Umverteilung der Projektkapitalwerte auf die Projektlaufzeit mithilfe des Annuitätenfaktors statt, wodurch diese Annuitäten als ewige Rente behandelt werden können. Soll zudem auch ein von den übrigen Kettengliedern verschiedenes erstes Kettenglied berücksichtigt werden, so kann dies geschrieben werden als:
Die nun zu bestimmende optimale Nutzungsdauer ist die Nutzungsdauer k des ersten Kettengliedes mit dem höchsten Kapitalwert. Auch hier ist eine Grenzbetrachtung möglich. Bildet man die Differenz des Gesamtkapitalwerts mit Nutzungsdauer k+1 und Nutzungsdauer k, erhält man:
I. Investitionsrechnung
'C0 (k 1)
a Cf (n) a Cf (n) Ek 1 A k 1 L k 1 Lk i;n 0 k 1 i;n 0 k k 1 k 1 k (1 i) (1 i) (1 i) i(1 i) i(1 i) f
f
a C (n) (1 i)a i;n C0 (n) Ek 1 A k 1 L k 1 Lk i;n 0 (1 i)k 1 (1 i)k 1 (1 i)k i(1 i)k 1 a Cf (n) Ek 1 A k 1 L k 1 Lk i;n 0 k 1 k 1 k 1 k (1 i) (1 i) (1 i) (1 i) Multipliziert man wiederum mit dem Aufzinsungsfaktor (1+i)k+1, transformiert man den barwertigen Grenzgewinn zu einem zeitlichen Grenzgewinn (ZG) in Periode k+1. ZGk 1
Ek 1 A k 1 L k 1 (1 i)L k a i;n C0f (n)
Verglichen mit der optimalen Nutzungsdauer einer zweigliedrigen Kette wird nun nicht nur der entgangene Zinsgewinn durch die Verschiebung einer Einzelinvestition abgezogen, sondern die entgangene Annuität eines Kettengliedes, die per se immer größer ist als der Zinsgewinn. Zur Erläuterung soll nochmals auf das Ausgangsbeispiel zurückgegriffen werden. Statt von einem einzelnen Nachfolger auszugehen, wird nun dieser Nachfolger unendlich oft wiederholt. Der Kapitalwert dieser Kette errechnet sich zu
Statt dem Kapitalwert eines Nachfolgers (siehe Abbildung B 38) wird nun der höhere Kapitalwert der Kette berücksichtigt. Dies ergibt folgende Gesamtkapitalwerte. Anlage A Ersatz in
1
Kapitalwert, falls in liquidiert in t
0,00 GE
2
3
4
15.785,12 GE
15.800,15 GE
14.734,65 GE
Barwert des Kettenkapitalwerts, falls ersetzt in t
28.478,19 GE 25.889,26 GE 23.535,69 GE 21.396,09 GE
Kapitalwert, falls ersetzt in t
28.478,19 GE
41.674,39 GE 39.335,84 GE
36.130,74 GE
Abb. B 40: Kapitalwert von A in einer Investitionskette
Der optimale Ersatzzeitpunkt bleibt aber gleich. Dasselbe Resultat erhält man auch in der Grenzbetrachtung. Anlage A (Grenzbetrachtung) Liquidation in
1
2
3
4
Grenzerlös des Weiterbetriebs von A
19.100,00 GE
20,00 GE
– 1.560,00 GE
Entgangene Annuität eines Kettengliedes
– 3.132,60 GE
– 3.132,60 GE
– 3.132,60 GE
Grenzerlös
15.967,40 GE
– 3.112,60 GE
– 4.692,60 GE
Barwertiger Grenzerlös
13.196,20 GE
– 2.338,54 GE
– 3.205,11 GE
Abb. B 41: Grenzerlös von A in einer Investitionskette
85
86
B. Management der Vermögensstruktur Im Gegensatz zu Abbildung B 39 wird nun die höhere Annuität abgezogen. Das bewirkt noch geringere Grenzerlöse des Weiterbetriebs der zu ersetzenden Anlage und damit tendenziell noch kürzere Zeiten. Insgesamt kann also festgestellt werden, dass weitere Nachfolger eine weitere Verkürzung der Nutzungsdauer bewirken.
e) Approximative Verfahren zum Ersatzzeitpunkt aa) Vorüberlegungen Veränderungen der Daten während der Nutzungsdauer einer Anlage erfordern neue Überlegungen hinsichtlich des Ersatzzeitpunktes. Der technische Fortschritt kann einen völlig neuen Datenkranz schaffen, der den vorzeitigen Ersatz eines Investitionsobjektes erforderlich macht. Die Entscheidungsalternative lautet: 1. sofortiger Ersatz der alten Anlage oder 2. eventueller Ersatz nach einer weiteren Nutzungsperiode, wobei dann erneut die Vorteilhaftigkeit überprüft werden soll. Das Wahlproblem zwischen den möglichen Ersatzanlagen wird als gelöst vorausgesetzt. Die alte Anlage ist zu ersetzen, wenn der Gewinn bei Installierung einer neuen Anlage größer ist. Der Gewinnvergleich wird auf der Basis der zukünftigen Zahlungsreihen der alten und neuen Anlage durchgeführt. Da die Ermittlung des optimalen Ersatzzeitpunktes nach der Kapitalwertmethode oft mühsam ist, wurden in der Vergangenheit Verfahren geschaffen, die sich auf Basis von einfachen Überlegungen dem Problem des optimalen Ersatzzeitpunktes nähern. Zu nennen ist an dieser Stelle etwa die approximative Annuitätenmethode28 oder die MAPI-Methode. Anhand letzterer wird nun die grundsätzliche Vorgehensweise einer solchen Näherungslösung demonstriert.
bb) Lösung des Ersatzzeitproblems mithilfe der MAPI-Methode29 Zur Bewältigung des Ersatzzeitproblems in der Investitionsrechnung sei hier ein nicht oder nur teilweise dynamisches Verfahren dargestellt. Mitte des 20. Jahrhunderts bietet Terborgh mit dem „Machinery and Allied Products Institute“ (MAPI) eine für kleinere und mittlere Investitionen geeignete Investitionsformel, die nicht nur auf das Ersatzproblem, sondern auch auf das Wahlproblem bei Erweiterungsinvestitionen angewendet werden kann. Aufgrund der Schwierigkeit, die Prämissen der Theorie des optimalen Ersatzzeitpunktes zu erfüllen und die benötigten zukünftigen Daten zu ermitteln, versucht Terborgh die Ableitung einer Entscheidungsformel mit leicht zu ermittelnden Daten und pauschalen Annahmen unter Betrachtung eines Zeitraums von einem Jahr. In diesem Punkt gleicht die MAPI-Methode den statischen Verfahren. Theoretisch wird dieses Vorgehen durch folgende Annahmen abgesichert: Die relativen Gewinne durch den Ersatz steigen im Zeitablauf, da die alte Anlage wachsendem technischen Verschleiß unterliegt und außerdem bei Unterstellung des technischen 28 29
Vgl. Biergans, Investitionsrechnung, 1979, S. 234; Leffson, Investitionsrechnung, 1973, S. 166 ff. Vgl. Terborgh, Leitfaden der betrieblichen Investitionspolitik, 1969; ders., Business Investment Management, 1967.
I. Investitionsrechnung Fortschritts zunehmend veraltet. Wenn nun aber die relativen Gewinne steigen, genügt eine Betrachtung des nächsten Jahres. Die Frage lautet dann: Ist die Rendite der neuen Anlage nach Abzug von Steuern – verglichen mit dem Zustand ohne Ersatzinvestition (Differenzbetrachtung) – größer als der Kalkulationszinsfuß? Die Formel will nicht den optimalen Ersatzzeitpunkt ermitteln, sondern nur die Ersatzfrage für das betrachtete Jahr klären. Bei mehreren Ersatzgütern ist dasjenige mit dem höchsten Dringlichkeitsmaßstab bezüglich der alten Anlage zu wählen (im Gegensatz zur approximativen Annuitätenmethode, wo das Wahlproblem ex ante zu lösen ist). Der MAPI-Dringlichkeitsmaßstab (relative Rentabilitätskennzahl) berechnet sich wie folgt:
D BG VK En ESt NIA
= = = = = =
Dringlichkeitsmaßstab Betriebsgewinn des nächsten Jahres vermiedener Kapitalverzehr des nächsten Jahres entstehender Kapitalverzehr Erhöhung der Ertragsbesteuerung des nächsten Jahres Nettoinvestitionsauszahlung
Der Betriebsgewinn des nächsten Jahres (BG) ergibt sich aus den Leistungs- und Kostenveränderungen des nächsten Jahres (Differenzbetrachtung), der vermiedene Kapitalverzehr (VK) aus der Verminderung des Resterlöswertes der alten Anlage zuzüglich vermiedener Reparaturen. Die Nettoinvestitionsauszahlung (NIA) wird als Anschaffungsauszahlung ./. Liquidationswert der alten Anlage ./. eingesparte Reparaturen errechnet. Die dynamische Komponente der MAPI-Methode kommt bei der Ermittlung des entstehenden Kapitalverzehrs (EK) zum Tragen, der aus der Differenz zwischen Anschaffungskosten und Nutzungswert am Ende der Periode (ausgedrückt durch den Kapitalwert der Summe der Nutzungswerte und des Liquidationserlöses) errechnet wird. Dies erfordert die Ermittlung zukünftiger Gewinne, die über die pauschalierenden Annahmen der MAPI-Diagramme ermittelt werden. Es werden verschiedene Gewinnnormverläufe (linear, degressiv, progressiv), die Nutzungsdauer (5–40 Jahre), der Restwert (0–50 % der Anschaffungskosten) und der Steuersatz (50 %) unterstellt. Verschuldungsgrad (25 %), Fremdkapitalzinsfuß (3 %) und Eigenkapitalrentabilität (10 %) gehen automatisch als Annahmen mit in die Berechnung ein. Die Erhöhung der Ertragsbesteuerung beruht auf einer Zunahme des laufenden Betriebsgewinns durch die neue Anlage. Bei der Berechnung des Betriebsgewinns sind erhöhte Abschreibungen und Fremdkapitalzinsen zu berücksichtigen. Die Qualität des Ergebnisses mittels der MAPI-Formel wird entscheidend vom Zutreffen der Annahme der steigenden relativen Gewinne und der Realitätsadäquanz der MAPI-Diagramme beeinflusst, sodass neben positiven Einschätzungen30 gegenüber dem Verfahren viele kritische Stimmen laut wurden.31
30 31
Vgl. Albach, Investitionspolitik, 1958, S. 783. Vgl. Biergans, Investitionsrechnung, 1979, S. 302 ff.
87
88
B. Management der Vermögensstruktur
f) Die Steuern als Einflussgröße in der Investitionsrechnung Steuern, die das Investitionsobjekt betreffen, stellen Auszahlungen für dieses Objekt dar und sind deshalb bei den Zahlungsströmen zu berücksichtigen. Dies ist bei den typischen Kostensteuern (Grund-, Grunderwerb-, Kfz-Steuer u. a.) deutlich erkennbar. Schwierig wird die Berücksichtigung der Gewinn- oder Erfolgssteuern (Einkommen-, Körperschaft-, Gewerbesteuer). Die Einbeziehung der Gewinnsteuern ist dann erforderlich, wenn sie Einfluss auf den Zahlungsüberschuss ausüben und somit, wenn ihre Berücksichtigung die Entscheidung hinsichtlich der Vorteilhaftigkeit beeinflusst. Grundsätzlich ergibt sich die steuerliche Belastung eines Investitionsvorhabens aus dem Produkt von Steuersatz und Bemessungsgrundlage. Beide Positionen beinhalten besondere praktische Schwierigkeiten:32 1. Die Gewinnsteuern werden nicht auf die Zahlungsströme der Investitionen berechnet, sondern auf in der Regel abweichend ermittelte steuerliche Gewinngrößen (Bemessungsgrundlage) gemäß EStG, KStG und GewStG. Daraus resultiert die Schwierigkeit, den Beitrag der einzelnen Investitionsgrößen zu diesen Gewinnarten festzulegen. 2. Da die Steuer nur vom Gesamtgewinn des Unternehmens berechnet wird, ergibt sich bei Steuern mit variierenden Steuersätzen das Problem der Ermittlung des für die Beurteilung der Investition relevanten Steuersatzes. Dies tritt bei der Einkommensteuer auf, da der Steuersatz durch die Progression der Einkommensteuer variiert (Abhängigkeit von der Höhe des Einkommens/Gewinns). 3. Zur Ermittlung der Bemessungsgrundlage sind von den Rückflüssen im Allgemeinen die Abschreibungen und die Fremdkapitalzinsen abzuziehen. Außerdem muss der Restbuchwert berücksichtigt werden. Die Notwendigkeit der Einbeziehung von Steuern ins Investitionskalkül kann nicht generell behauptet werden, da unter bestimmten Voraussetzungen die Investitionsentscheidung durch Steuern nicht berührt wird (Entscheidungsneutralität der Besteuerung33). Im Allgemeinen kann aber die Entscheidungsneutralität der Besteuerung in der Realität nicht angenommen werden. Entscheidungswirkung der Steuern geht insbesondere von unterschiedlichen Abschreibungen der einzelnen Investitionsobjekte aus, etwa als 1. Zinsvorteil durch zeitliche Verschiebung von Steuerzahlungen (zinsloser Steuerkredit), etwa durch Gewinnverlagerung mittels entsprechender Abschreibungsverfahren (degressive und Sonderabschreibungen), 2. Steuerminimierung durch intertemporären Spitzenausgleich bei progressiven Steuern (Einkommensteuer) bzw. 3. Ersparnis durch Ausnutzen von Änderungen der Steuersätze durch Gewinnverlagerungen. Die unterschiedlichen gewinnsteuerlichen Wirkungen der Abschreibungen treten allerdings nur auf, wenn ein steuerlicher Gewinn erwirtschaftet wird oder Verlustausgleich möglich ist. 32 33
Vgl. Krause, Investitionsrechnungen und unternehmerische Entscheidungen, 1973, S. 168 f. Vgl. Schneider, Investition, Finanzierung und Besteuerung, 1992, S. 206 ff. sowie Schneider, Steuerlast und Steuerwirkung, 2002, S. 97 ff.
I. Investitionsrechnung Zusätzlich ist die Wahl der Finanzierungen mit zu berücksichtigen, wobei die steuerliche Diskriminierung des Eigenkapitals gegenüber dem Fremdkapital bei der Gewerbesteuer zu erwähnen ist (vgl. Kapitel D III 5). Diese Überlegungen zeigen die Notwendigkeit, Steuern zur Ermittlung „echter“ Vorteilhaftigkeit hinsichtlich des Zieles der Kapitalwertmaximierung miteinzubeziehen.34 Erfolgt in der Investitionsrechnung eine vereinfachte Berücksichtigung von Ertragssteuern, wie dies beim Standardmodell üblich ist, so sind die Periodenüberschüsse Zt = Et – At jeweils um die Steuerzahlungen St = s(Et – At – AfAt) zu kürzen, und gleichzeitig ist ein versteuerter Kalkulationszinsfuß is in das Kalkül einzubeziehen.35 Das Kapitalwertmodell erhält dann folgende Gestalt:
Erfolgt eine Ausgliederung der Investitionsauszahlung I0 in t = 0 sowie des Liquidationserlöses Ln in n aus der Summe der Periodenüberschüsse und kann zudem unterstellt werden, dass der Liquidationserlös gleich dem steuerlichen Restbuchwert ist, so gilt:
mit St s AfAt i is n Ln
= = = = = = =
Steuerzahlungen in der Periode t Ertragsteuersatz steuerliche Abschreibung in der Periode t Kalkulationszinsfuß vor Steuern Kalkulationszinsfuß nach Steuern tatsächliche Nutzungsdauer Liquidationserlös am Ende der tatsächlichen Nutzungsdauer
Stimmen steuerlicher Restbuchwert und Liquidationserlös nicht überein, so stellt die Veräußerung einen erfolgswirksamen Vorgang mit ertragsteuerlichen Konsequenzen dar. Ist die steuerliche betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer ns größer als die tatsächliche Nutzungsdauer n, so unterliegt eine (positive) Differenz zwischen Liquidationserlös Ln und Restbuchwert Bn der Versteuerung. Der Kapitalwert ist somit bei ns > n:
Für den Fall ns < n ist der Restbuchwert Bn Null und der Veräußerungserlös voll zu versteuern. Ferner ist zu berücksichtigen, dass nach Ablauf von n s keine Abschreibungen mehr verrechnet werden können, da
34 35
Vgl. auch Wagner, Der Steuereinfluss in der Investitionsplanung, 1981. Vgl. hierzu und zum Folgenden Wagner; Dirrigl, Die Steuerplanung der Unternehmung, 1980, S. 24 ff.
89
90
B. Management der Vermögensstruktur
In den Ertragsteuersatz s ist für Gewerbebetriebe neben dem Einkommensteuersatz sEK der Gewerbesteuersatz sGE einzubeziehen. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass die Gewerbesteuer bei der Einkommensteuerbemessungsgrundlage abzugsfähig ist. Für den Ertragsteuerfaktor ergibt sich somit:
Aus Gründen der Vereinfachung wird im Grundmodell angenommen, dass sEK dem Spitzen-Grenzsteuersatz entspricht und somit konstant bleibt. Dadurch ist es möglich, auf einen Periodenindex für den Einkommensteuersatz und die schwierige Abschätzung zukünftiger Einkommensverhältnisse, die den Steuersatz beeinflussen, zu verzichten. Der Gewerbesteuersatz ist abhängig von der Höhe des Hebesatzes, der von den Gemeinden unterschiedlich festgelegt wird. Bei Annahme eines Hebesatzes von 400 % auf die Steuermesszahl von 3,5 % ergibt sich ein Steuersatz von 14 %. Die Abzugsfähigkeit der Gewerbeertragsteuer von ihrer eigenen Bemessungsgrundlage ist seit dem Unternehmensteuerreformgesetz 2008 nicht mehr gegeben. Unter diesen Voraussetzungen beläuft sich der tarifliche Ertragsteuerfaktor s auf Ebene der Kapitalgesellschaft bei dem durch die Unternehmensteuerreform 2008 auf 15 % gesenkten Körperschaftsteuersatz ohne Berücksichtigung des Solidaritätszuschlages auf s = 0,15 + 0,14 = 0,29 also 29 %. Der Kalkulationszinsfuß nach Steuern is wird im Allgemeinen durch Kürzung des Kalkulationszinsfußes vor Steuern i um die durch den Ertragsteuersatz s bewirkte Renditeminderung bestimmt:36 is = i – is = i (1 – s) Diese Vorgehensweise unterstellt, dass auch die Alternativanlage innerhalb des Gewerbebetriebs erfolgt und dem Ertragsteuersatz s unterliegt. Besteht die Alternative in einer privaten Anlage, so ist der Kalkulationszinsfuß i nur mit dem Einkommensteuersatz sEK bzw. den Abgeltungsteuersatz zu korrigieren, da die Gewerbesteuer nicht anfällt. Handelt es sich um eine steuerbefreite Alternative, so ist der Kalkulationszinsfuß i vor Steuern ungekürzt zu verwenden. Neben dem Zinssatz der verdrängten optimalen Alternative soll der Kalkulationszinsfuß bei einem unvollkommenen Kapitalmarkt ggf. auch noch den Zinssatz für Fremdkapital und für Komplementärinvestitionen zum Ausdruck bringen. Durch die Einbeziehung der Steuern werden die Möglichkeiten einer Deckungsgleichheit dieser Zinssätze weiter verringert, da steuerlich zu unterscheiden ist, ob Zinsen im Gewerbebetrieb – steuerliche Abzugsfähigkeit der Kreditzinsen; Habenzinsen sind der Gewerbesteuer unterworfen – oder im Privatvermögen anfallen.
36
Vgl. auch Haberstock, Zum Ansatz des Kalkulationszinsfußes, 1970, S. 510 ff.
I. Investitionsrechnung Das Standardmodell der Berücksichtigung von Steuern im Investitionskalkül kann durch die Einbeziehung von Verlustsituationen erweitert werden.37 Darüber hinaus ist der Übergang vom Kapitalwertkriterium zum Endwertkriterium und damit die Berücksichtigung eines gespaltenen Soll- und Habenzinsfußes möglich.
g) Modellannahmen und Anwendbarkeit der Kapitalwertmethode aa) Vorüberlegungen Die Kapitalwertmethode stellt bei Erfüllung der ihr zugrunde gelegten Prämissen als einziges Investitionsrechenverfahren eine eindeutige Optimierungsregel für die Investitionstätigkeit dar. Sie beruht zudem auf einem geschlossenen, fundierten und widerspruchsfreien theoretischen Fundament. Für die Anwendung ist jedoch zu klären, ob die Kapitalwertmethode in der Realwelt zu guten Entscheidungen führt. Eng verbunden damit ist die Fragestellung, inwieweit die der Kapitalwertmethode zugrunde gelegten Annahmen in der Realität erfüllt sind und welche Konsequenzen sich aus unzutreffenden Annahmen für die Anwendbarkeit der Kapitalwertmethode ergeben. Problematisch in diesem Zusammenhang ist, dass bislang nur die Investitionsentscheidung unter Sicherheit behandelt wurde, in der Realwelt jedoch stets Unsicherheiten gegeben sind. Auch diesem Aspekt soll im Folgenden Rechnung getragen werden.
bb) Modellannahmen der Kapitalwertmethode und Realwelt Zunächst soll analysiert werden, inwieweit die der Kapitalwertmethode zugrunde liegenden Annahmen in der Realwelt erfüllt sind. Die zentralen Prämissen der Kapitalwertmethode sind: 1. Investoren verfolgen ausschließlich das Ziel der Konsummaximierung. 2. Es wird ein vollkommener (und vollständiger) Kapitalmarkt zugrunde gelegt. 3. Die in die Berechnung eingehenden Größen sind bestimmbar, eindeutig und hinreichend genau isolierbar. Während die Zielsetzung der Konsummaximierung der Investoren im Allgemeinen zutreffend erscheint, ist die Annahme des vollkommenen Kapitalmarktes problematisch. Ein derartiger Kapitalmarkt weist unter anderem die folgenden Merkmale auf: 1. Transaktionskosten und Steuern existieren nicht. 2. Kapitalanlagen und Kapitalaufnahmen sind für jeden Marktteilnehmer (Free Entry) in stets gleicher Qualität (Homogenität) und unbegrenzter Höhe zum einheitlichen Soll- und Habenszinssatz verfügbar. 3. Auf dem Markt herrscht vollständiger Wettbewerb, sämtliche Marktteilnehmer sind Preisnehmer. 4. Allen Marktteilnehmer stehen alle relevanten Informationen gleichzeitig und vollständig zur Verfügung, neu verfügbare Informationen schlagen sich sofort in den Preisen nieder (Informationseffizienz). 5. Alle Akteure verhalten sich streng rational.
37
Vgl. Wagner, Dirrigl, Die Steuerplanung der Unternehmung, 1980, S. 54 ff.
91
92
B. Management der Vermögensstruktur Reale Kapitalmärkte werden dem Idealbild des vollkommenen Kapitalmarktes nicht gerecht (unvollkommener Kapitalmarkt). Insbesondere die Existenz von Geldaufnahmeund Geldanlagebeschränkungen ist unstrittig und problemlos beobachtbar. Auch die Existenz gespaltener Soll- und Habenzinssätze wird in diesem Zusammenhang häufig genannt.38 Die Annahme eines vollkommenen Kapitalmarktes, der alle genannten Merkmale aufweist, kann somit für die Realwelt nicht gerechtfertigt werden. Dass stark auseinanderklaffende Soll- und Habensätze auftreten können, haben die Turbulenzen an den Finanzmärkten 2008–2012 gezeigt. Geht man nämlich davon aus, dass der Satz, zu denen Banken Geld aufnehmen können, einer der niedrigsten Sollzinssätze überhaupt ist, so kann dieser Satz als eine Untergrenze für den Sollzinssatz angesehen werden, da eine Kreditaufnahme bei Banken unterhalb dieses Satzes kaum möglich scheint. Banken können sich in der Regel nicht zu einem geringeren Satz als diesen refinanzieren. Auch ist dies damit begründbar, dass einerseits das Kreditrisiko in diesem Markt normalerweise stark eingeschränkt und die Liquidität auf diesen Märkten sehr hoch ist. Diesem Sollzinssatz kann man den Anlagesatz in Staatsanleihen als Habenzinssatz gegenüberstellen. Auch hier ist das Kreditrisiko mehr als überschaubar gering und die Liquidität auf diesen Märkten hoch. Abbildung B 42 zeigt nun den EURIBOR als Sollzinssatz für einjährige Ausleihungen und den Zinssatz für einjährige Anlagen in Bundeswertpapiere als Habenzinssatz. Wie man direkt erkennt, ist die Zinsdifferenz in normalen Zeiten nahe Null. Der Soll- und Habenzinssatz sind nahezu identisch. Genauer gesagt, liegt der EURIBOR ca. 0,1 % über dem Satz für Bundeswertpapiere. Mit Beginn der Finanzkrise hat sich diese Differenz auf zeitweise 3 % erhöht. Nach einem Rückgang auf 0,25 % im Jahr 2010, ist diese Differenz mit dem Beginn der Staatsschuldenkrise wiederum auf über 1,5 % angestiegen, um dann wieder auf unter 0,5 % zurückzugehen. Während Differenzen von 0,25 % und darunter für die Vorteilhaftigkeit von Investitionen nicht ins Gewicht fallen sollten, ist eine Zinsdifferenz von 2 % nicht mehr vernachlässigbar. Dies hat mehrere Konsequenzen: Die Modellannahmen der Fisher-Separation (vgl. B I 1 c) (und für den Fall der Einbeziehung von Risiko der Tobin-Separation) sind grundsätzlich nicht mehr erfüllt,39 von einem eindeutigen, für alle Marktteilnehmer identischen durch den Kapitalmarktzins quantifizierten Zeit- bzw. Risikoaustauschverhältnis kann also nicht mehr ausgegangen werden. Individuelle Zeit- und Risikopräferenzen sind folglich nicht mehr grundsätzlich irrelevant, damit ist die Delegierbarkeit der Investitionsentscheidung nicht mehr gegeben. Auch kann die Investitionsentscheidung nicht mehr grundsätzlich ohne Betrachtung der Finanzierung getroffen werden. Es kann also festgestellt werden, dass das der Kapitalwertmethode zugrunde liegende geschlossene Modell nicht der Realwelt entspricht. Die Anwendbarkeit der Kapital38
39
Das häufig angeführte Beispiel des Bankkontos, bei dem Soll- und Habenzinsen nicht identisch sind, ist jedoch für die Beobachtung der Existenz gespaltener Soll- und Habenzinssätze zumeist nicht geeignet, da die Habenzinsen aus Sicht des Bankkunden in aller Regel mit geringerem Risiko behaftet sind als die Sollzinsen für die Bank. Deshalb beinhalten diese zumeist einen nicht unbeträchtlichen, durch die (im Vergleich zur Bankanlage regelmäßig schlechtere) Bonität des Bankkunden determinierten Risikoaufschlag. Auch die Hirshleifer-Separation, der weniger restriktive Annahmen als der Fisher-Separation zugrunde liegen, beruht auf zahlreichen der für die Kapitalwertmethode genannten Annahmen, die in der Realwelt zumeist nicht haltbar sind. Sie lässt im Ergebnis nur für Teile der Investitionsmöglichkeiten kombiniert mit Konsumpräferenzen eine Separation zu. Vgl. hierzu Copeland et al., Financial Theory and Corporate Policy, 2005, S. 15.
I. Investitionsrechnung
93
wertmethode als Optimierungsregel für die Investitionsentscheidung ist daher nicht mehr gewährleistet. Es stellt sich somit die Frage, ob die Prämissen der Kapitalwertmethode nicht stärker an die Realwelt angenähert werden können und man dadurch zu Investitionsrechenverfahren gelangt, die unter weniger restriktiven Prämissen die Optimierung der Investitionsentscheidungen ermöglichen. Um zu dokumentieren, welche Probleme auftreten, wenn Soll- und Habenzinssatz auseinanderfallen mag das Beispiel in Abbildung B 42 dienen: 3,5
6 Bundeswertpapiere 12 Monate
3
Euribor 12 Monate
5
Diīerenz der beiden Sätze
2,5 4
1,5 2
Zinsdiīernz
Zinssatz
2 3
1 1 0,5 0
-1 2001
0
-0,5 2003
2005
2007
2009
2011
2013
2015
2017
2019
Abb. B 42: Bundeswertpapiere als Habensatz und EURIBOR als Sollzinssatz im Vergleich (Quelle: Deutsche Bundesbank)
Beispiel zum Zusammenbruch der Fischer-Separation Gegeben seien die folgenden zwei Investitionsalternativen: Jahr
0
1
2
3
M
–100
35
35
55
N
–100
55
35
32
Investition
94
B. Management der Vermögensstruktur Außerdem existiere für beide Alternativen folgende Finanzierung zu einem Zins von 9,70 %, für die Raten in Höhe von 40 GE zu entrichten sind: Jahr
0
1
2
3
100
40
40
40
Finanzierung
Der Sollzins beträgt für einperiodige Finanzierungen 12 % und der Habenszins für einperiodige Anlagen 3 % (d. h. ein unvollkommener Kapitalmarkt liegt vor). Für die Investition M ergibt dies bei Maximierung des Endwerts folgenden Zahlungsstrom. Die Investition wird zunächst über die langfristige Finanzierungsmöglichkeit gedeckt. Die weiteren Zahlungsdefizite ab Zeitpunkt 1 decken jeweils die einperiodigen Finanzierungen zu 12 %. Jahr
0
1
2
3
Basiszahlungsreihe
–100
35
35
55
Finanzierung
100
–40
–40
–40
Kreditaufnahme (Auszahlung)
0
0
–5,6
–11.872
Kreditaufnahme (Einzahlung)
0
5
10,6
0
Summe
0
0
0
3,182
Basiszahlungsreihe
–100
35
35
55
Finanzierung
100
–40
–40
–40
0
–2.494
–8.393
–15
Kreditaufnahme (Einzahlung)
2.226
7.494
13.393
0
Summe
2.226
0
0
0
Kreditaufnahme (Auszahlung)
Im Falle einer Maximierung des anfänglichen Zahlungsüberschusses wird bereits zu Beginn die einperiodige Finanzierung zu 12 % genutzt. Identisch zur zuvor dargestellten Investitionsalternative beträgt der Sollzins für einperiodige Finanzierungen 12 % und der Habenszins für einperiodige Anlagen 3 % (d. h. ein unvollkommener Kapitalmarkt liegt vor). Betrachtet man die Investition N, werden bei Entnahme im Zeitpunkt 3 die zwischenzeitlichen Zahlungsüberschüsse zu 3 % angelegt. Soll bereits im Zeitpunkt 0 Geld entnommen werden, benötigt man dazu zunächst eine Kreditaufnahme zu 12 %, die im Zeitpunkt 1 komplett getilgt wird. Weitere Zahlungsüberschüsse werden dann in den Folgeperioden zu 3 % angelegt. Jahr
0
1
2
3
Basiszahlungsreihe
–100
55
35
32
Finanzierung
100
–40
–40
–40
Finanzanlage (Auszahlung)
0
–15
–10.45
0
Finanzanlage (Einzahlung)
0
0
15.45
10.7635
Summe
0
0
0
2.7635
I. Investitionsrechnung Jahr
0
1
2
3
Basiszahlungsreihe
–100
55
35
32
Finanzierung
100
–40
–40
–40
Kreditaufnahme (Auszahlung)
0
–2.605
0
0
Kreditaufnahme (Einzahlung)
2.326
0
0
0
Finanzanlage (Auszahlung)
0
12.395
–7.767
0
Finanzanlage (Einzahlung)
0
0
12.767
8
2.326
0
0
0
Summe
Insgesamt erweist sich bei Betrachtung des Zahlungsüberschusses im Zeitpunkt 3 die Investition M als überlegen. Das mag seinen Grund in der hohen Anlagesumme zu den niedrigen Zinsen von 3 % haben. Wenn man aber auf die Maximierung des Einzahlungsüberschusses im Zeitpunkt 0 abstellt, erweist sich Investition N als vorteilhafter. Somit ist bei unterschiedlichen Soll- und Habenzinssätzen eine einfache Orientierung am Kapitalmarktzins, das heißt entweder am Soll oder Habenzins, nicht mehr möglich. Stattdessen spielt die Zeitpräferenzfunktion des Investors eine entscheidende Rolle, wodurch auch keine Separation von Investition und Finanzierungsentscheidung mehr gelingt. Das impliziert auch, dass Kapital- und Endwertverfahren unterschiedliche Ergebnisse liefern können. Allerdings wird dieses bedauerliche Ergebnis stark durch die Differenz zwischen Soll- und Habenzinsen determiniert. Bei geringen Differenzen tritt das Ergebnis nur in Extremfällen zu Tage. Abb. B 43: Beispiel zum Zusammenbruch der Fischer-Separation
cc) Anpassung der Prämissen an die Realwelt als Lösungsmöglichkeit? Gibt man die Annahmen der Kapitalwertmethode auf, so beraubt man sie ihrer Logik und ihre in der Theorie nachweisbare Aussagekraft ist nicht mehr gewährleistet. Versucht man daher, ein Modell zu entwickeln, das nur stets in der Realwelt erfüllte Gegebenheiten als Grundlagen für eine optimale Investitionsentscheidung heranzieht und so wenige in der Realität nicht belegbare Annahmen als möglich trifft, so ist letztendlich nahezu jede Annahme aufzugeben. Es muss also für jeden Investor bzw. Entscheider, für jedes Investitionsprojekt und für jede konkrete Umwelt ein eigenständiges, sämtliche Umgebungsvariablen, wie bspw. Finanzierungsmöglichkeiten oder Interdependenzen mit anderen Investitionsprojekten, umfassendes Investitionskalkül aufgestellt werden. Dieser Weg führt zu den Totalmodellen (auch Simultanmodelle genannt), die nahezu prämissenfrei zur Investitionsentscheidung eingesetzt werden können. Grundsätzlich muss bei Anwendung der Totalmodelle – um die Entscheidung tatsächlich prämissenfrei treffen zu können – jede für die Investitionsbeurteilung relevante Inputgröße identifiziert und quantifiziert werden. Anschließend sind die einzelnen Variablen der Realwelt entsprechend miteinander mathematisch zu verknüpfen und hierauf anhand eines eindeutigen Vorteilhaftigkeitsmaßstabes zu beurteilen. Jedoch stellt sich auch bei den Totalmodellen die Frage nach deren Anwendbarkeit. Bereits die Identifikation aller relevanten Inputgrößen aus der in der Realität anzutreffenden Vielzahl an Möglichkeiten erscheint nicht immer ohne weiteres möglich. Noch problematischer ist die Quantifizierbarkeit (man denke bspw. auch an die investorspezifischen Zeitpräferenzen), insbesondere jedoch die hinreichend exakte Prognostizierbarkeit, in der Realwelt zu betrachten. Es werden also in der Realität not-
95
96
B. Management der Vermögensstruktur wendigerweise inexakte – und regelmäßig auch nicht alle relevanten – Inputgrößen als Eingangsgrößen verwendet, die zudem zumeist nur mithilfe (nahezu unvermeidbar ungenau) geschätzter mathematischer Zusammenhänge verbunden (aggregiert) werden und daher notwendigerweise zu inexakten Ergebnissen führen. Das Investitionskalkül der Simultanplanung ist daher in der Realwelt a) aufgrund der nicht stets gegebenen Identifizierbarkeit aller relevanten Inputgrößen nicht vollständig prämissenfrei und b) aufgrund der mangelnden exakten Quantifizierbarkeit der Variablen inexakt. Als weitere Schwäche der Totalmodelle ist – selbst unter Annahme der Identifizierbarkeit und eindeutigen Quantifizierbarkeit der Eingangsgrößen – die sehr aufwendige und umfassende Datenerhebung zu nennen. Auch die Berücksichtigung von Risiken ist problematisch.40 Zudem können die Vielzahl der in das Modell eingehenden Variablen und die Komplexität der Zusammenhänge schnell an die Grenzen der Berechenbarkeit führen.41 Aufgrund dieser Nachteile ist die detailgetreue Anpassung der Prämissen an die Realwelt oder die Aufgabe der Annahmensetzung kein für die Anwendung unproblematisch gangbarer Weg. Damit stellt sich jedoch die Frage, welches Investitionsrechenverfahren in der Realwelt Verwendung finden sollte.
dd) Anwendbarkeit in der Realwelt trotz Prämissenverletzung? Die Frage, ob der Kapitalwertmethode oder der Simultanplanung in der Realwelt der Vorzug gegeben werden sollte, ist nicht ohne Weiteres zu beantworten. Grundsätzlich sollte jedoch für die Anwendung in der Realwelt die Kapitalwertmethode verwendet werden. Trifft diese Methode auch unzutreffende Annahmen über die Realwelt, so sind die Annahmen der Kapitalwertmethode hinreichend bekannt und diskutiert, während bei Simultanmodellen kein für alle Modelle einheitliches Annahmenbündel zugrunde gelegt wird bzw. werden kann. Zudem können Kapitalmärkte in der Realität zwar nicht als identisch mit dem Idealbild des vollkommenen Kapitalmarktes bezeichnet werden, nichtsdestotrotz scheinen sie hinreichend effizient, um die Anwendung der Kapitalwertmethode zu rechtfertigen. Die Annahmen erscheinen also nicht zu gravierend verletzt. Demgegenüber wiegen die mit den Simultanmodellen verbundenen Nachteile in der Realwelt weit schwerer. Insgesamt stellt die Kapitalwertmethode somit trotz ihrer nicht stets zutreffenden Prämissen das beste zur Verfügung stehende Investitionsrechenverfahren dar.
ee) Die Umsetzung der Kapitalwertmethode für die Anwendung in der Realwelt Bei der Umsetzung der Kapitalwertmethode für eine Investitionsentscheidung ergeben sich mehrere Problembereiche. Diese betreffen zum einen die zu diskontierenden Größen, also in der Theorie die Ein- und Auszahlungen, und zum anderen den Kalkulationszinssatz. Als problematisch bzgl. der Bestimmung der Ein- und Auszahlungen im Kapitalwertkalkül wird in der Literatur die Zurechenbarkeit angesehen, es wird gar die Zurechen40 41
Vgl. Breuer, Investition bei Sicherheit, 2012, S. 402. Zur Kritik an Simultanmodellen vgl. Heinhold, Simultane Unternehmensplanungsmodelle – ein Irrweg?, 1989, S. 689 ff.
I. Investitionsrechnung barkeit der Ein- und Auszahlungen zu einzelnen Investitionsprojekten für unmöglich erklärt (Zurechnungsproblem).42 Werden jedoch Zurechnungen von Ein- und Auszahlung allein durch die Differenz der Ein- und Auszahlungen bei Durchführung einer Investitionsalternative und deren Nichtdurchführung definiert, so erfolgt die Zurechnung weitestgehend problemlos. Des Weiteren ist in der Anwendung fraglich, wie genau im betrieblichen Rechnungswesen Ein- und Auszahlungen zum einen hinsichtlich ihrer Höhe und zum anderen hinsichtlich ihres genauen zeitlichen Anfalles erfasst werden und wie genau diese Größen im Einzelnen prognostizierbar sind. Daher wird vorgeschlagen, Aufwandund Ertragsgrößen bzw. Kosten- und Leistungs- (bzw. Erlös-)größen zu verwenden. Kann dies unter gewissen Voraussetzungen auch theoretisch gerechtfertigt werden, so muss dennoch betont werden,43 dass in der Investitionsrechnung im Gegensatz zur Kostenrechnung nicht die Periodisierung und Normalisierung, sondern der Zeitwert des Geldes im Vordergrund steht. Sollte daher in der betrieblichen Praxis die Erfassung bzw. Prognose von Zahlungsgrößen nicht möglich sein, so sollte zumindest versucht werden, möglichst genau aus den Größen der Finanzbuchhaltung bzw. Kostenrechnung auf die Ein- und Auszahlungen zurückzurechnen. Dies bedeutet für die Anwendung von Kosten und Leistungen, dass die Rückflüsse als Differenz der finanzwirksamen Kosten und Leistungen (Zahlungen) aufzufassen sind. Trotz eventueller Ermittlungsvorteile darf nicht übersehen werden, dass die formale Identität zwischen Kosten und Auszahlungen in der Praxis nicht zu erreichen ist und zudem die zeitliche Struktur des Anfalls aufgrund der Periodisierung durch das Rechnungswesen notwendigerweise ungenau abgebildet wird. Insgesamt kann bzgl. der Ein- und Auszahlungen zusammenfassend gesagt werden, dass die Bestimmung und zeitliche Zuordnung bzw. Prognose der Ein- und Auszahlungen sowie deren projektspezifische Zurechnung bei der Anwendung in der Realwelt keine derart gravierenden Probleme bereiten, dass sie einer Anwendung entgegenstehen. Weitaus diffiziler gestaltet sich die Wahl bzw. Bestimmung des Kalkulationszinsfußes. Während in der Theorie – insbesondere bei Unterstellung von Sicherheit und flacher Zinsstruktur auf einem vollkommenen Kapitalmarkt – die Bestimmung unproblematisch ist (der Kalkulationszinsfuß entspricht dem Kapitalmarktzins, der Ausdruck des zeitlichen Austauschverhältnisses von Geld ist), steht die Praxis vor mehreren Herausforderungen. Ein einheitliches Kriterium zur Bestimmung des Kalkulationszinsfußes in der Anwendung existiert nicht. Es werden an den Kalkulationszinsfuß vielfältige Anforderungen gestellt; so wird er begriffen als x der Zinssatz der suboptimalen, verdrängten Alternativanlage (Opportunitätskosten), x der Zinssatz der Differenz- bzw. Komplementärinvestitionen, x der Zinssatz für die Verrechnung der Fremdkapitalkosten und als x der Ausdruck der Konsumpräferenzrate des Investors.
42 43
Vgl. Klinger, Das Schwächebild der Investitionsrechnungen, 1964. Vgl. Lücke, Investitionsrechnungen auf der Grundlage von Ausgaben oder Kosten?, 1955, S. 310 ff.
97
98
B. Management der Vermögensstruktur Diese Anforderungen lassen sich jedoch in der Realität eines unvollkommenen Kapitalmarktes nicht in einem einzigen Zinssatz vereinigen.44 Je nachdem welchen der Anforderungen Genüge getan werden soll, werden unterschiedliche Vorgehensweisen vorgeschlagen. Grundsätzlich können die gebräuchlichen Vorgehensweisen – unter Ausblendung von Inflation und Steuern – in finanzierungsorientierte und opportunitäts(kosten)orientierte Zinssätze untergliedert werden. Der finanzierungsorientierte Kalkulationszinssatz wird grundsätzlich aus der Finanzierungsform eines Investitionsprojektes und den Kosten der jeweiligen Finanzierungsformen gebildet. Wird ein Investitionsprojekt vollständig mit Fremdkapital finanziert, so ist demnach der Zinssatz für die Überlassung von Fremdkapital als Kalkulationszins zu verwenden. Für die Bestimmung der Eigenkapitalkosten bei vollständiger Eigenfinanzierung werden teils Ausschüttungs- bzw. Thesaurierungsforderungen der Eigenkapitalgeber, teils Eigenkapitalopportunitätskosten vorgeschlagen. Im Falle einer Mischfinanzierung sollte nach dieser Denkweise das gewogene arithmetische Mittel der Eigen- und Fremdkapitalkosten herangezogen werden. Der finanzierungskostenorientierte Kalkulationszinssatz orientiert sich also gedanklich an der Passivseite der Bilanz. Zur Berücksichtigung des investitionsspezifischen Risikos wird zudem ein subjektiver Risikozuschlag zum Kalkulationszins empfohlen.45 Gegen die Wahl des finanzierungsorientierten Kalkulationszinssatzes werden mehrere Argumente vorgebracht. Zum einen werden beim Auswahlproblem anfallende Einzahlungsüberschüsse sowie Differenzinvestitionen zum Kapitalmarktzins, der nicht notwendigerweise dem Finanzierungszins der Investition entspricht, angelegt. Zum anderen lassen sich die Finanzierungsquellen einzelner Investitionsprojekte nur schwer ermitteln bzw. zurechnen. Auch sind die Eigenkapitalkosten nur schwer zu bestimmen, bei ihrer Ermittlung wird teilweise auf den Opportunitätskostengedanken zurückgegriffen. Der opportunitätskostenorientierte Kalkulationszins als zweite verbreitete Form orientiert sich an der alternativen Investitionsmöglichkeit. Soll der Opportunitätskostengedanke konsequent umgesetzt werden, so ist die Verzinsung der nächstbesten, gerade verdrängten Investitionsalternative als Kalkulationszinssatz heranzuziehen. Dies setzt jedoch voraus, dass die nächstbeste verdrängte Alternative bereits bekannt ist, der Alternativenvergleich also bereits durchgeführt wurde. Somit lässt sich dadurch nur ein absoluter Vermögensvorteil der vorteilhafteren gegenüber der verdrängten Alternative ermitteln, für die Ermittlung der Alternativenrangordnung ist diese Überlegung nicht adäquat. Existiert jedoch ein funktionierender Kapitalmarkt, so können auf diesem zu nahezu jedem Anlagehorizont (auch risikolos) Gelder angelegt werden, die damit erzielbaren – in Form von Zinssätzen gemessenen – Rückflüsse sind den Rückflüssen aus den Investitionsalternativen als Opportunitätskosten gegenüberzustellen. Dadurch wird die Vergleichbarkeit der einzelnen Investitionsalternativen hergestellt. Für den reinen Alternativenvergleich ist daher die Diskontierung mit der am (arbitragefreien) 44
45
Schneider erklärt daher die Frage nach dem allgemein richtigen Kalkulationszinssatz für sinnlos, vgl. Schneider, Investition, Finanzierung und Besteuerung, S. 102, 1992. Vgl. Schneider, Wirtschaftlichkeitsrechnung, 1973. Dies kann insofern als widersprüchliches Vorgehen gesehen werden, als der Kalkulationszinssatz mit Ausnahme des Risikos ausschließlich anhand der Finanzierungsstruktur bestimmt wird. Daher müsste sich der Risikoaufschlag ebenfalls an der Finanzierungsseite orientieren.
I. Investitionsrechnung Kapitalmarkt erzielbaren laufzeit- und risikoadäquaten Verzinsung ein geeignetes Instrument. Problematisch erscheint nur die Berücksichtigung des Risikos bzw. des Risikoaufschlages auf den risikolosen laufzeitangepassten Zins, jedoch stehen hierfür theoretisch fundierte Verfahren wie das Capital Asset Pricing Model (CAPM) (vgl. Abschnitt A III 2 b) zur Verfügung. In der Literatur46 wird auch die langfristige Durchschnittsrentabilität des durchführenden Investors bzw. Unternehmens als Kalkulationszinssatz vorgeschlagen, weil sie den Ausdruck der langfristig gewünschten Durchschnittsverzinsung darstelle. Zudem könne angenommen werden, dass die freiwerdenden Mittel vom Investor wiederum zu diesem Zinssatz angelegt werden können, da es dem Investor auch in der Vergangenheit stets gelungen sei, zu diesem Zinssatz zu investieren. Es wird also eine von der zeitlichen Struktur der Rückflüsse unabhängige Mindestverzinsung angesetzt. Dem wird entgegengehalten, dass somit nicht das Ziel einer Rentabilitätsverbesserung in Betracht gezogen werde.47 Auch führt die erfolgreiche ausschließliche Durchführung von Investitionsprojekten, die der historisch ermittelten Durchschnittsrentabilität überlegen sind, bei jeder Neuermittlung der historischen Durchschnittsrentabilität zu stets weiter steigenden Durchschnittsrentabilitäten und damit Mindestverzinsungen. Führt man diesen Gedanken weiter, so muss in der Realwelt irgendwann notwendigerweise eine historische Durchschnittsrentabilität erreicht werden, die sich in Investitionsprojekten nicht mehr realisieren lässt. Insgesamt muss der Grundidee einer Mindestverzinsung oder Zielverzinsung jedoch vor allem mit Vorsicht begegnet werden, weil sie im Alternativenvergleich nur zu sinnvollen Ergebnissen führen kann, wenn die Wiederanlage von Einzahlungsüberschüssen bzw. die Anlage von Supplementinvestitionen tatsächlich zur geforderten Mindestverzinsung möglich ist. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass es „den“ Kalkulationszinssatz in der Realwelt nicht gibt, jeder verwendete Realweltzinssatz ist lediglich eine Annäherung an dem in der Theorie verwendeten Kapitalmarktzins und weist gegenüber diesem Mängel auf. Nichtsdestotrotz sollte dem sich am Kapitalmarkt orientierenden Opportunitätskostengedanken bei der Wahl des Kalkulationszinsfußes der Vorzug gegeben werden, da er zumeist die beste aller möglichen Annäherungen an den Kalkulationszins der Theorie darstellt.
h) Dynamische Endwertverfahren Im Rahmen dynamischer Endwertverfahren wird der Versuch unternommen, einige der eben beschriebenen einschränkenden Prämissen, wie z. B. vollkommener Kapitalmarkt, aufzuheben. So erlauben die im Folgenden vorgestellten Endwertverfahren die Berücksichtigung eines gespaltenen Kalkulationszinssatzes in Form von unterschiedlichen Soll- und Habenzinsfüßen für Kreditaufnahme bzw. Kapitalanlage. Darüber hinaus lässt sich die Prämisse der Reinvestition freigesetzter Mittel zum Kalkulationszinsfuß aufheben, wenn die konkreten Investitionsalternativen des gesamten Planungszeitraums in das Kalkül einbezogen werden. Dies setzt allerdings voraus, dass alle Zahlungen bis zum Planungshorizont bezüglich ihrer Höhe und ihres zeitlichen Anfalls sowie die für sie jeweils anzusetzende Verzinsung (Soll- und Habenzinssätze) prognostizierbar sind.
46 47
Vgl. Albach, Investition und Liquidität, 1962, S. 86 f. Vgl. Swoboda, Investitionsentscheidungen, 1961, S. 98.
99
100
B. Management der Vermögensstruktur An Stelle der Abzinsung aller Zahlungen auf den Kalkulationszeitpunkt und damit der Berechnung eines Barwertes der Investition erfolgt bei dynamischen Endwertverfahren eine Aufzinsung sämtlicher Zahlungen auf das Ende des Planungszeitraums und damit die Ermittlung eines Vermögensendwerts (Finalwerts) der Investition. Der Kapitalwertmethode entspricht im Bereich der aufzinsenden Verfahren die Vermögensendwertmethode, der Internen Zinssatzmethode die Sollzinssatzmethode.
aa) Vermögensendwertmethode Bei dieser Methode wird der Vermögensendwert einer Investition durch Aufzinsung aller Zahlungen auf das Ende des Planungszeitraums bestimmt. Unter der Annahme, dass der Sollzinssatz über dem Habenzinssatz liegt, ist eine Einzelinvestition als vorteilhaft anzusehen, wenn sie einen positiven Vermögensendwert besitzt, da dann eine über dem Sollzinssatz (Kalkulationszinsfuß für Kapitalaufnahme) liegende Investitionsrendite erzielt wird. Für den Alternativenvergleich gilt, dass die Investition mit dem höheren Vermögensendwert vorteilhafter ist. Die Kalkülformulierung kann vereinfacht werden, wenn unterstellt wird, dass für Ein- bzw. Auszahlungsüberschüsse während des Planungszeitraums jeweils eine getrennte Vermögensbestandsführung ohne Ausgleich erfolgt und erst am Ende des Planungshorizonts eine Zusammenführung zur Ermittlung des Kapitalendwerts Cn vorgenommen wird (Kontenausgleichsverbot). Ferner wird angenommen, dass sich während des gesamten Planungszeitraums das negative Vermögenskonto C– mit dem Kreditzinssatz k und das positive Vermögenskonto C+ mit dem Habenzinssatz i verzinst. (1) Positives Vermögenskonto am Ende des Planungszeitraums n
n t
¦ E (1 i)
Cn
t
t 1
(2) Negatives Vermögenskonto am Ende des Planungszeitraums n
n
I0 (1 k)n ¦ A t (1 k)n t
Cn
n t
¦ A (1 k) t
t 1
t 0
(3) Vermögensendwert
Cn Cn
Cn
n
t
t 1
mit Cn Et At I0 i k t
= = = = = = =
n t
¦ E (1 i)
n
n t
¦ A (1 k) t
t 0
Vermögensendwert am Ende n-ten Periode Einzahlungen in der Periode t Auszahlungen in der Periode t A0 = Investitionsauszahlung im Zeitpunkt t = 0 Zinsfuß für Kapitalanlage (Habenzinsfuß) Zinsfuß für Kreditaufnahme (Sollzinsfuß) einzelne Perioden von 0 bis n
Abb. B 44: Vermögensendwertermittlung für den Fall des Kontenausgleichsverbots
Im Beispiel in der Abbildung B 45 ist Anlage A absolut gesehen vorteilhaft, da sie einen positiven Vermögensendwert besitzt. Nun wird der Vermögensendwert der Anlage A bei einem Sollzins von 12 %, einem Habenzins von 8 % und einem Kontenausgleichsverbot betrachtet.
I. Investitionsrechnung Die Investition in Anlage A ist nach dieser Methode vorteilhaft. Die Vermögensendwertmethode kann auch zur Auswahlwahlentscheidung eingesetzt werden. Ausgewählt wird die Anlage mit dem höheren positiven Vermögensendwert. Vergleichbarkeit der Alternativen ist nur gegeben, wenn die Vermögensendwerte für den gleichen Endzeitpunkt ermittelt werden. Unterschiedliche Investitionslaufzeiten können durch Berücksichtigung von Ergänzungsinvestitionen (Ergänzung der kürzeren Laufzeit) oder Restnutzungswerten (Verkürzung der längeren Laufzeit) auf einen einheitlichen Vergleichszeitpunkt bezogen werden. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass reine Finanzinvestitionen bei einem über dem Anlagezinsfuß i liegenden Kapitalaufnahmezinsfuß von k zu einem negativen Vermögensendwert führen. Finanzergänzungsinvestitionen sind daher bei diesen Bedingungskonstellationen nicht zweckmäßig. Dagegen können bereits planbare Sachinvestitionen als Ergänzung in das Kalkül mit einbezogen werden. Anlage A Jahr
0
Zahlungen Anlage
– 90.000,00 GE
Restschuld
90.000,00 GE
Sollzinsen (12 %) Tilgung Zahlungen Kredit
1
2
3
4
18.000,00 GE
34.400,00 GE
41.600,00 GE
90.000,00 GE
90.000,00 GE
90.000,00 GE
0,00 GE
– 10.800,00 GE – 10.800,00 GE – 10.800,00 GE
– 10.800,00 GE
0,00 GE
0,00 GE
0,00 GE
42.000,00 GE
– 90.000,00 GE
90.000,00 GE – 10.800,00 GE – 10.800,00 GE – 10.800,00 GE – 100.800,00 GE
Anlagezinsen (8 %) Einzahlungsüberschuss
0,00 GE
Anlage zum Habenzins (8 %)
0,00 GE
0,00 GE
576,00 GE
2.510,08 GE
5.174,89 GE
7.200,00 GE
31.376,00 GE
64.686,08 GE
11.060,97 GE
– 7.200,00 GE – 31.376,00 GE – 64.686,08 GE
0,00 GE
Abb. B 45: Beispiel für die Vorteilhaftigkeit nach der Vermögensendwertmethode
Der allgemeine Ansatz der Vermögensendwertmethode wird meistens durch das Kontenausgleichsgebot vereinfacht. Hiernach müssen die Periodenzuflüsse in voller Höhe zunächst zum Abbau des negativen Vermögens herangezogen werden, und erst wenn dieses getilgt ist, kann eine Anlage zum Habenzinsfuß i erfolgen. Es gilt: Ct = (Et – At) + Ct-1 (1 + z) mit z = k, wenn Ct–1 < 0 z = i, wenn Ct–1 > 0
101
102
B. Management der Vermögensstruktur
bb) Sollzinssatzmethode Bei diesem Investitionsrechenverfahren wird der kritische Sollzinssatz r bestimmt, bei dem sich gerade ein Vermögensendwert der Investition von Null ergibt.
Bei gegebenem Habenzinssatz stellt der Sollzinssatz die Verzinsung dar, die sich auf das während des Planungszeitraums zu jedem Zahlungszeitpunkt noch gebundene Kapital erzielen lässt. Der Sollzinsfuß kann als kritischer Beschaffungszinssatz für das zu investierende Kapital interpretiert werden. Die Ermittlung des Sollzinssatzes erfolgt, vergleichbar der Vorgehensweise beim internen Zinsfuß, durch Einsetzen von Probezinsfüßen r1, r2, r3, … in die Bestimmungsgleichungen der allgemeinen Vermögensendwertmethode an Stelle von k, bis ein Vermögensendwert von Null erzielt wird. Das Verfahren kann wie bei der Internen Zinssatzmethode abgekürzt werden, indem die Vermögensendwerte für zwei den gesuchten Zinsfuß r eingrenzende Zinssätze r1 und r2 bestimmt werden und dann r durch Interpolation ermittelt wird. Ebenso wie bei der Vermögensendwertmethode kann der allgemeine Ansatz durch spezielle Finanzierungsannahmen variiert und ggf. vereinfacht werden. Als bekannte Varianten sind die TRM-Methode (Teichroew, Robichek und Montalbano-Methode mit Kontenausgleichsgebot), die VR-Methode (Vermögensrentabilitätsmethode von Henke mit Kontenausgleichsverbot) und die Baldwin-Methode (Kontenausgleichsverbot und Verbot der Saldierung von Investitionsauszahlungen mit Rückflüssen der gleichen Periode) zu nennen.48 Die Anwendung der endwertorientierten Verfahren setzt die Kenntnis zukünftigen projektbezogenen Finanzierungsverhaltens des Unternehmens voraus, was meist wegen der in der Realität vorherrschenden „totalen“, d. h. auf das gesamte Unternehmen bezogenen, Finanzierungspolitik nicht gegeben ist. Alternativ müssen vorab Annahmen über Finanzierungsregeln (Kontenausgleichsgebot, -verbot u. a.) getroffen werden, die sich dann mit den im Zeitablauf tatsächlich realisierten ggf. nicht decken und damit zu einer Verfehlung des Entscheidungsoptimums beitragen können. Teilweise sind die in den endwertorientierten Modellen verwendeten Finanzierungsregeln auch ökonomisch nicht zweckmäßig, so z. B. die Kontenausgleichsverbotsregel bei einem über dem Habenzinssatz liegenden Sollzinssatz. Wegen der zusätzlichen Unsicherheitsfaktoren, die in das Kalkül eingehen, ist den endwertorientierten Verfahren gegenüber den Barwertverfahren nur dann der Vorzug zu geben, wenn eine sehr große Spanne zwischen Soll- und Habenzins zu berücksichtigen ist, eine projektbezogene Finanzierung vorliegt und/oder die Reinvestitionsprämisse zum Kalkulationszinsfuß durch Berücksichtigung des geplanten Investitionsprogramms bis zum Planungshorizont aufgehoben werden kann. In diesem Fall bieten sich dann allerdings auch die Modelle für Programmentscheidungen (vgl. Kapitel B II 5) an.
48
Vgl. Blohm, Lüder, Schäfer Investition, 2012, S. 98 ff.
I. Investitionsrechnung
Weiterführende Literatur zu Dynamischen Verfahren Adam, D.: Investitionscontrolling, 3. Auflage, München 2000. Berk, J. B.; DeMarzo, P. M.: Corporate Finance, 3. Auflage, Boston et al. 2014. Bieg, H.; Kußmaul, H.: Investition, 3. Auflage, München 2016. Breuer, W.: Investition. Entscheidungen bei Sicherheit, 4. Auflage, Wiesbaden 2012. Biergans, E.: Investitionsrechnung, Nürnberg 1979. Blohm, H.; Lüder, K., Schäfer, C.: Investition, 10. Auflage, München 2012. Franke, G.; Hax, H.: Finanzwirtschaft des Unternehmens und Kapitalmarkt, 6. Auflage, Berlin/Heidelberg 2009. Goetze, U.: Investitionsrechnung, 7. Auflage, Berlin et al. 2014. Grob, H. L.: Investitionsrechnung mit vollständigen Finanzplänen, 2. Auflage, München 1989. Hax, H.: Investitionstheorie, 5. Auflage, Würzburg/Wien 1993. Kruschwitz, L.: Investitionsrechnung, 14. Auflage, München 2014. Rehkugler, H.: Grundzüge der Finanzwirtschaft, München et al. 2007. Rolfes, B.: Moderne Investitionsrechnung, 3. Auflage, München 2003. Schäfer, H.: Unternehmensinvestitionen, 2. Auflage, Heidelberg 2005. Schierenbeck, H.; Wiedemann, A.: Marktwertrechnungen im Finanzcontrolling, Stuttgart 1996.
Fragen zu dynamischen Verfahren 1. Welche Verbesserungen bringen die Dynamischen Verfahren gegenüber den statischen Rechenmethoden? 2. Bei welchem minimalen Zinssatz nehmen Sie folgendes Angebot an? „Ich zahle an Sie von heute (02.08. des ersten Jahres) an zwei Jahre lang jährlich 1.000 GE, dann zahlen Sie an mich beginnend mit dem 02.08. des zweiten Jahres drei Jahre lang jährlich 700 GE.“ 3. Landwirt Hubert hat derzeit folgende zwei Investitionsprojekte für seinen Hof vorliegen. Er muss sich für eines der beiden Projekte entscheiden. Unterstützen Sie ihn bei seiner Entscheidung. Projekt 1: Die Anfangsinvestitionen für dieses Projekt belaufen sich auf 100.000 GE. Die daraus resultierenden Einzahlungen liegen im ersten Jahr bei 200.000 GE und werden im zweiten Jahr um 20 % steigen. Die erwarteten Auszahlungen liegen im ersten Jahr bei 130.000 GE und steigen im zweiten Jahr um 30 %. Am Ende der zweijährigen Laufzeit des Projektes wird Hubert weitere Verkaufserlöse in Höhe von 10.000 GE erzielen. Der Kapitalwert dieses Projektes beträgt 30.580 GE. Projekt 2: Die Auszahlungen in Anfangszeitpunkt betragen 180.000 GE. Die Einzahlungen sind über die zweijährige Laufzeit konstant und betragen 400.000 GE. Die Auszahlungen hingegen betragen im ersten Jahr 320.000 GE und können im zweiten Jahr um 30 % gesenkt werden. Verkaufserlöse am Ende der Laufzeit sind nicht vorgesehen. Der interne Zinsfuß dieses Projektes beträgt 23,57 %. Der adäquate Kalkulationszinsfuß, zu dem Mittel am Markt aufgenommen werden können, beträgt 10 %. Die angegebenen Ein- und Auszahlungen fallen jeweils zum Jahresultimo an. Beurteilen Sie die Vorteilhaftigkeit der beiden Investitionen, indem Sie diese anhand der Kapitalwertmethoden vergleichen!
103
104
B. Management der Vermögensstruktur 4. Beurteilen Sie die Vorteilhaftigkeit der beiden Investitionen bezüglich ihres internen Zinssatzes! 5. Interpretieren Sie die unterschiedlichen Ergebnisse! 6. Diskutieren Sie, warum die „Kapitalwertmethode“ und die „Interne Zinsfuß-Methode“ zu unterschiedlichen Ergebnissen führen können! 7.
Konstruieren Sie ein Beispiel, bei dem die Interne Zinssatzmethode zu mehreren Lösungen führt!
8. Durch welche Merkmale ist eine Annuität gekennzeichnet? 9. Kann die Annuitätenmethode bei korrekter Anwendung zu einem anderen Ergebnis führen als die Kapitalwertmethode? 10. Wodurch unterscheidet sich die Frage nach der optimalen Nutzungsdauer von der nach dem optimalen Ersatzzeitpunkt? 11. Sie beraten den A-Bräu bei der Modernisierung seiner Brauanlagen. Die Hauptfrage dabei ist ob bzw. wann diese Brauerei eine ihrer Sudpfannen ersetzen soll. Eine Investition in eine neue Sudpfanne mit optimaler Nutzungsdauer (Malz1) ist mit den folgenden Zahlungen verbunden. Der einheitliche Kalkulationszinssatz beträgt 6 %, die Zinskurve ist flach. Berechnen Sie den Annuitätenfaktor von Malz1 zum gegebenen Zinssatz! 12. Berechnen Sie aus diesen Angaben den Kapitalwert und den Kettenkapitalwert einer unendlichen Folge für Malz1! Zeit
0
1
2
3
4
Einzahlungen
5.000 GE
5.800 GE
9.000 GE 18.000 GE
8.000 GE
Auszahlungen 14.000 GE
3.700 GE
2.700 GE
4.500 GE
4.100 GE
7.800 GE
5
13. Die Daten für die bereits vorhandene Sudpfanne (Altanlage, Malz0) werden Ihnen vom Management von A-Bräu zur Verfügung gestellt: Zeit
0
1
2
3
4
Einzahlungen
3.000 GE
3.000 GE
3.200 GE
2.000 GE
1.000 GE
Personalkosten
1.000 GE
1.000 GE
1.000 GE
1.000 GE
1.000 GE
Materialkosten
500 GE
400 GE
300 GE
200 GE
100 GE
2.000 GE
1.500 GE
1.000 GE
500 GE
200 GE
Liquidationserlös
Zusätzlich erhalten Sie die Information, dass die alte Sudpfanne Malz0 über drei Jahre in jährlich gleichen Beträgen abgeschrieben wird. Außerdem wurden bereits mehrere Gutachten in Auftrag gegeben, die mit 2.000 GE im Jahr 1 bezahlt werden müssen. 14. Ermitteln Sie jetzt mit den Daten aus vorhergehenden Aufgaben den optimalen Zeitpunkt, wann die alte Sudpfanne Malz0 durch eine neue Sudpfanne Malz1 ersetzt werden sollte! 15. Die Eigenschaften der alten Sudpfanne Malz0 bleiben wie in Aufgabe 13 beschrieben. Das Management weist Sie jetzt daraufhin, dass sich der technische Fortschritt auf neue Sudpfannen auswirkt. Dieser Effekt wirkt sich bei Sudpfannen (bei gleichbleibender Nutzungsdauer) so aus, dass die Vorgängeranlage jeweils immer durch eine neue Anlage mit einem um 150 GE höheren Kapitalwert ersetzt werden kann. Ersatzanlage Name Kapitalwert
1.
2.
3.
usw.
Malz11
Malz22
Malz33
usw.
4.750 GE
4.900 GE
5.050 GE
usw.
I. Investitionsrechnung Berechnen Sie die Annuität der neuen Anlagen und erklären Sie, wie sich dieser Effekt auf den zeitlichen Grenzgewinn und damit auf den besten Ersatzzeitpunkt für die alte Sudpfanne auswirkt? 16. Diskutieren Sie die Bedeutung des Zurechnungsproblems von Ein- und Auszahlungen für die Investitionsrechnung.
4. Investitionsprogrammentscheidungen Lernziele dieses Kapitels x Investitionsprogrammentscheidungen sind finanzwirtschaftliche Entscheidungen, bei denen ein Entscheider gleichzeitig über mehrere komplementäre oder neutrale (voneinander unabhängige) Investitionsprojekte Entscheidungen trifft. x In einer Welt ohne Marktunvollkommenheiten ist hier die Entscheidungsregel relativ einfach: Es werden alle Investitionsprojekte durchgeführt, die einen positiven Kapitalwert erwirtschaften. Diese Investitionsprojekte stellen dann das Investitionsprogramm dar. x Liegen jedoch Marktunvollkommenheiten, wie etwa Abhängigkeiten zwischen Investitionsprojekt und Finanzierung, Teilbarkeitsprobleme oder eine Limitierung des maximalen Investitionsvolumens, vor, müssen alternative Entscheidungskriterien herangezogen werden. x Im Falle eines zwar begrenzten Investitionsvolumens, aber einer gleichzeitigen beliebigen Teilbarkeit der Investitionsprojekte, ist die Kapitalwertrate (Profitability Index) ein geeignetes Entscheidungskriterium. Bei der Kapitalwertrate wird der Kapitalwert durch den Kapitaleinsatz (Investitionsvolumen) geteilt. x Unterstellt man Unvollkommenheiten, genauer Finanzierungsalternativen zu unterschiedlichen Konditionen, ist das Dean-Model eine Variante, die auf Basis der internen Zinssätze Investitionsprojekte und Finanzierungsmöglichkeiten reiht und daraus ein optimales Investitions- und Finanzierungsprogramm ermittelt. x Lässt man neben obigen Marktunvollkommenheiten auch Unteilbarkeiten der Investitionsprojekte zu, so muss auf Modelle der linearen Programmierung (Totalmodelle) zurückgegriffen werden, welche sich in produktionstheoretische und kapitaltheoretische Modelle unterteilen lassen. x Produktionstheoretische Modelle berücksichtigen Finanzierungsmöglichkeiten als Restriktion und ermitteln in diesem Rahmen das optimale Produktions- und Investitionsprogramm. x Kapitaltheoretische Ansätze setzen ein optimales Produktionsprogramm voraus und variieren das Investitions- und Finanzierungsprogramm. Dabei wird ein End- oder Kapitalwert als Ziel maximiert und es sind diverse Nebenbedingungen wie Liquiditätsrestriktionen, Beschränkung der Finanzierungstranchen bzw. der Investitionsprojekte zu treffen. x Gegen diese Totalmodelle wird allerdings oftmals die Kritik ins Feld geführt, dass die Einbeziehung all der möglichen Einflussgrößen nicht unbedingt zu einer besseren Entscheidung führt. Stattdessen wird in Investitionsrechenmodellen bewusst nach einer Vereinfachung gesucht, die eine bessere Entscheidung beiträgt, da sie bewusst wesentliche Einflussgrößen mit einbezieht und unwesentlichen Einflussgrößen nicht berücksichtigt.
105
106
B. Management der Vermögensstruktur
a) Problemstellung In den bisherigen Ausführungen wurden Antworten insbesondere auf zwei Fragen gesucht: 1. Soll ein einzelnes Investitionsprojekt durchgeführt werden oder nicht? 2. Welches von mehreren sich (technisch) ausschließenden Projekten soll realisiert werden? Das Auswahlproblem stellt sich aber nicht nur in dieser technischen Sicht; dem Unternehmen stehen im Allgemeinen viele komplementäre oder neutrale (voneinander unabhängige) Investitionsmöglichkeiten offen, die nach den Kriterien für Einzelinvestitionen alle vorteilhaft sein mögen. In einer Welt mit vollkommenem Kapitalmarkt werden alle Investitionen mit einem positiven Kapitalwert durchgeführt. Existieren in einem unvollkommenen Kapitalmarkt etwa Abhängigkeiten zwischen Investition und Finanzierung, so kann noch kein Investitionsprogramm zusammengestellt werden. Unter diesen Umständen könnte der Kapitalwert seine Aussagekraft als Entscheidungskriterium verlieren. Stattdessen müssen andere Überlegungen angestellt werden, wie der Konsumnutzen der Investoren maximiert werden kann. Diese Überlegungen waren Grundlage einer Reihe von Modellen zur Investitionsprogrammentscheidung, die sich bis in die 1970er-Jahre mit der Frage beschäftigt haben.
b) Die klassischen Ansätze zur Bestimmung des optimalen Investitions-/Finanzierungsprogramms (Dean-Modell) Erste Ansätze zur Lösung des Problems erfolgten mithilfe der dynamischen Verfahren. Grundsätzlich lassen sich auch statische Verfahren zur Lösung heranziehen, doch werden sie wegen ihrer größeren theoretischen Mängel nicht als Ausgangspunkt für Untersuchungen verwendet. Zur Überprüfung der Eignung der dynamischen Verfahren für unterschiedliche Kapitalmarktsituationen seien als Ausgangsbeispiel fünf unabhängige Investitionsprojekte (I) gegeben, die jeweils einmal durchgeführt werden können. Die Daten und die sich daraus ergebenden Kapitalwerte (KW), internen Zinssätze (IZ) und Kapitalwertraten (KWR) sind aus Abbildung B 46 zu ersehen. I
–A0
1 2 3 4 5
–400 –200 –100 –100 –50
E1–A1 350 130 65 50 30
E2–A 2
KW (10 %)
150 125 70 60 30
42,149 21,488 16,942 –4,959 2,066
Rang 1 2 3 5 4
KWR 0,105 0,107 0,169 –0,050 0,041
Rang 3 2 1 5 4
IZ 19,1 % 18,5 % 22,0 % 6,5 % 13,0 %
Abb. B 46: Beispiel zur Bestimmung des optimalen Investitionsprogramms mit dynamischen Investitionsrechenverfahren
Rang 2 3 1 5 4
I. Investitionsrechnung Die Kapitalwertrate (Profitability Index) findet sich in der amerikanischen Literatur49 als Rangordnungskriterium von Investitionen. Sie ist definiert als Relation des Kapitalwerts zum Kapitaleinsatz und stellt eine zusätzliche Rentabilitätskennziffer dar. Als erste Finanzierungsannahme wird die unbeschränkte Kreditaufnahme und Finanzmittelanlage zum Einheitszinssatz von 10 % unterstellt. Unter diesen Bedingungen des vollkommenen Kapitalmarkts wird das optimale Investitionsprogramm nur von der Kostenseite beeinflusst. Aus dem Beispiel ergibt sich, dass die Projekte 1, 2, 3 und 5 im optimalen Investitionsprogramm enthalten sind, da sie einen positiven KW aufweisen. Ferner würde auch das Kriterium des IZ zum richtigen Ergebnis führen. Alle Investitionsmöglichkeiten haben einen IZ > 10 %. Das Ergebnis ist insoweit unabhängig von der Wahl des Verfahrens (vgl. Abschnitt 3 b), da sich die Fragestellung nicht von der Frage nach der Vorteilhaftigkeit einer Einzelinvestition unterscheidet. Wird unterstellt, dass die einzelnen Investitionsobjekte beliebig teilbar sind und der interne Zinssatz mit der Zunahme des Investitionsvolumens stetig fällt, so lässt sich hier die bekannte Konsumnutzenmaximierungsbedingung, nach der das Konsumnutzenmaximum bei Gleichheit von Grenzkosten und Grenzerlösen erreicht ist, für Einperiodenüberlegungen wie folgt formulieren: Das optimale Investitionsprogramm ist dann erreicht, wenn der marginale interne Zinssatz dem Kalkulationszinssatz entspricht. Die Annahme konstanter Kapitalkosten wird im Weiteren aufrechterhalten. Allerdings soll nun nur ein gewisser begrenzter Betrag (im Beispiel 400 GE) zur Verfügung stehen. Jedes Investitionsobjekt ist beliebig teilbar, kann aber höchstens einmal durchgeführt werden. Nach der KWM enthält das optimale Investitionsprogramm das Investitionsprojekt 1 mit einem KW von 42,149 GE. Bei Anwendung der IZM ergibt sich ein Programm aus den Projekten 3 und 3/4 des Projektes 1. Der Kapitalwert beträgt in diesem Falle 48,554 GE. Wird die Auswahl nach der KWR vorgenommen, so werden die Projekte 3 und 2 sowie 1/4 des Projektes 1 verwirklicht, was einen Kapitalwert von 48,967 GE ergibt. Die verschiedenen Rechenverfahren weisen unterschiedliche Investitionsprogramme als optimal aus. Bei der Beurteilung der KWM muss berücksichtigt werden, dass der KW als ein Ausdruck des Zahlungsüberschusses ohne Beziehung zum Kapitaleinsatz (abgesehen von der Verzinsung des jeweils gebundenen Kapitals) kein Auswahlkriterium bei begrenzten Mitteln bietet. Die Erklärung des Unterschieds im Ergebnis zwischen IZM und KWR beruht auf der unterschiedlichen Wiederanlageprämisse beider Methoden (vgl. Abschnitt 3 c). Wenn die Mittelanlage späterer Perioden durch den einheitlichen Kapitalmarktzins vorgegeben ist, ist das Ergebnis der KWR vorzuziehen. Dieses Ergebnis stimmt mit dem von Lorie und Savage50 überein, die bei begrenztem Kapital zu konstantem Zins die KWR vorschlagen. Im Folgenden sollen nun verschiedene Situationen der Unvollkommenheit an den Kapitalmärkten betrachtet werden. Zunächst wird eine andere Situation bei einem begrenzten Betrag von 550 GE und unter Aufgabe der Prämisse beliebiger Teilbarkeit analysiert. Die einzelnen Projekte sind also entweder vollständig oder gar nicht durchführbar. Werden die zur Verfügung stehenden Mittel exakt nach der im Beispiel ermittelten Rangfolge verteilt, so zeigen sich folgende Ergebnisse:
49 50
Vgl. Weston, Copeland, Managerial Finance, 1992, S. 343 f. Vgl. Lorie, Savage, Capital Rationing, 1955, S. 229–239.
107
108
B. Management der Vermögensstruktur Nach der Rangordnung der KWM wird nur Projekt 1 durchgeführt, da die zusätzliche Verwirklichung von Projekt 2 bereits 600 GE erfordern würde. Der Kapitalwert von Projekt 1 beträgt 42,149 GE. Die Interne Zinssatzmethode liefert als Investitionsprogramm die Projekte 3 und 1. Der KW beträgt in diesem Fall 59,091 GE. Das nach der Rangordnung der KWR ausgewählte Investitionsprogramm beinhaltet Projekt 3 und 2, was einen KW von 38,43 GE ausmacht. Die IZM scheint das optimale Investitionsprogramm zu liefern, doch zeigt eine kurze Betrachtung der Ausgangssituation, dass ein Programm mit den Projekten 1, 3 und 5 einen höheren KW von 61,157 GE erbringt, der in diesem Falle auch das Maximum darstellt, wie die Überprüfung der möglichen Restkombinationen zeigt. Als Ergebnis bleibt festzuhalten, dass ein Vorgehen nach der durch verschiedene Verfahren bedingten Rangordnung bei Unteilbarkeit der Investitionsprojekte nicht zu einer optimalen Programmentscheidung führt. Eine Lösung dieses Problems bieten lineare Programme, die später genauer betrachtet werden. Dean-Modell Anders ist die Situation, wenn beliebig teilbare Investitionsobjekte mit zunehmendem Umfang des Investitionsprogramms nur durch zunehmend teureres Kapital finanziert werden können. Es wird also ein unvollkommener Kapitalmarkt unterstellt. Der Umfang des Investitionsprogramms ist nicht ex ante gegeben, und somit kann die Frage nach dem richtigen Kalkulationszinsfuß, von dem ja die Vorteilhaftigkeit entscheidend abhängt, nicht beantwortet werden. Zur Abstimmung der Investitions- und Finanzierungsmöglichkeiten wurde von Dean51 1950 ein erstes Verfahren (Capital Budgeting) vorgeschlagen, das auf die IZM zurückgreift. Die Investitionsprojekte werden nach fallenden internen Zinssätzen geordnet, während die Finanzierungsmöglichkeiten in der Reihenfolge steigender Kapitalkosten angeordnet werden. Der optimale Umfang des Investitionsprogramms ist durch den Schnittpunkt der Kapitalangebots- und Kapitalnachfragekurve gegeben, für den gilt: marginaler interner Zinsfuß = marginaler Kapitalmarktzins.
Den Investitionsalternativen 1, 2, 3, 4 und 5 des Ausgangsbeispiels (vgl. Abbildung B 47) stehen folgende Finanzierungsmöglichkeiten A, B, C und D gegenüber: Finanzierungsmöglichkeit
A
B
C
D
zur Verfügung stehende Finanzmittel
300
200
300
200
Zinssatz
10 %
12 %
13 %
15 %
Abb. B 47: Finanzierungsmöglichkeiten des Beispiels
51
Vgl. Dean, Capital Budgeting, 1969.
I. Investitionsrechnung
109
Die Lösung ergibt sich aus Abbildung B 48. Es werden die Investitionsprojekte 1, 2, 3 und 5 verwirklicht. IZ
25% 3 20%
1
Kapitalangebot (Finanzierungsmöglichkeiten)
2
15% C
5
D
B A 10%
4 Kapitalbedarf (Investitionsprojekte)
5%
100
200
300
400
500
600
700
800
900
1000
GE
Abb. B 48: Optimales Investitions- und Finanzierungsprogramm (Dean-Modell) mithilfe der IZM
Kritik an den Ansätzen
Gegen die Lösung der Frage nach dem optimalen Investitionsprogramm mithilfe der dynamischen Verfahren werden folgende Einwendungen vorgebracht:52 Es muss unterstellt werden, dass 1. keine Absatzbeschränkungen wirksam werden, 2. sämtliche anderen Produktionsfaktoren in ausreichender Menge zur Verfügung stehen, 3. die Liquidität des Unternehmens in späteren Perioden durch die Rückflüsse gesichert ist, 4. die Investitionsprojekte beliebig teilbar sind; der Fehler der Unteilbarkeit der Investitionssumme ist allerdings bei hoher Gesamtinvestitionssumme im Verhältnis zum Einzelbetrag relativ klein, 5. die Investitionsprojekte untereinander unabhängig sind und 6. die Investition der zur Wahl stehenden Projekte im selben Zeitpunkt erfolgt.
52
Vgl. z. B. Blohm, Lüder,Schäfer Investition, 2012, S. 261 f., sowie Biergans, Investitionsrechnung, 1979, S. 250.
110
B. Management der Vermögensstruktur Die Kapitalangebotskurve unterstellt neben der Unabhängigkeit von Finanzierung und Investition die Unabhängigkeit zwischen den einzelnen Finanzierungsarten.53 Hier wird also sowohl von der Bindung einzelner Kredite an bestimmte Investitionsvorhaben als auch von der Voraussetzung bestimmter Eigenkapitalverhältnisse für zusätzliche Kreditgewährung abstrahiert. Zusätzlich wird eingewendet, dass die obige Ermittlung optimaler Investitionsprogramme in dem Sinne statisch sei, dass ausschließlich Investitionsmöglichkeiten im Bezugszeitpunkt betrachtet werden und zukünftige Investitionen nur über die pauschalen Reinvestitionsannahmen der dynamischen Verfahren berücksichtigt werden. Ferner gelten alle Einwendungen, die bereits bei der Beurteilung der dynamischen Investitionsrechenverfahren vorgebracht wurden.
c) Die Lösung des Interdependenzproblems mithilfe der linearen Programmierung Wird bei begrenzten Finanzierungsmöglichkeiten mit unterschiedlichen Kosten und teilweise unteilbaren Investitionsvorhaben in verschiedenen Perioden unter Berücksichtigung von Absatzgrenzen oder Unterstellung von Mehrproduktunternehmen der Versuch unternommen, optimale Investitionsprogramme abzuleiten, so ist dies nicht mehr durch Anwendung dynamischer Verfahren zu erreichen. Die notwendige Berücksichtigung zeitlich horizontaler und vertikaler Interdependenzen wird durch Anwendung der linearen Programmierung erreicht. Die verschiedenen Modelle lassen sich grundsätzlich in produktions-54 und kapitaltheoretische55 unterteilen. Die produktionstheoretischen Modelle berücksichtigen die Finanzierungsmöglichkeiten als Restriktion und ermitteln das in diesem Rahmen optimale Investitions- und Produktionsprogramm. Kapitaltheoretische Ansätze dagegen setzen ein optimales Produktionsprogramm voraus und variieren das Investitions- und Finanzierungsprogramm. Die Absatzrestriktionen werden in beiden Modellen durch Obergrenzen berücksichtigt. Die kapitaltheoretischen Modelle lassen sich hinsichtlich der Zielfunktionen und der Berücksichtigung zeitlich vertikaler Interdependenzen unterteilen in 1. Einperiodenmodelle mit Kapitalwertmaximierung und 2. Mehrperiodenmodelle mit Einkommens- und Vermögensmaximierung.
53 54
55
Vgl. Hax, Investitionstheorie, 1985, S. 69. Vgl. Förstner, Henn, Dynamische Produktionstheorie und Lineare Programmierung, 1957; Swoboda, Die simultane Planung, 1965; Jacob, Investitionsplanung und Investitionsentscheidung, 1976; Schweim, Integrierte Unternehmensplanung, 1969, S. 32. Vgl. Lorie, Savage, Capital Rationing, 1955; Charnes, Cooper, Miller, Application of Linear Programming, 1959; Weingartner, Mathematical Programming, 1964; Massé, Investitionskriterien, 1968, S. 94 ff.; Albach, Investition und Liquidität, 1962; Hax, Investitionstheorie, 1985; ders., Investitions- und Finanzplanung, 1964.
I. Investitionsrechnung
aa) Das Einperiodenmodell In diesem simultanen Planungsansatz56 werden Entscheidungen der Investitions- und Finanzierungssphäre für die Periode 1 ermittelt und ihre Auswirkungen bis zum Planungshorizont betrachtet. Es stehen n Investitionsvorhaben und m Finanzierungsmöglichkeiten zur Verfügung. Die Unternehmenszielsetzung wird durch die Maximierung der Kapitalwerte cr bzw. vu der Investitionsvorhaben xr und der Finanzierungsmöglichkeiten yu verwirklicht. Dies entspricht einer Anfangsvermögensmaximierung, die sich von der Endvermögensmaximierung durch die Diskontierung auf die unterschiedlichen Zeitpunkte unterscheidet. Der Kapitalwert ergibt sich aus dem Barwert der diskontierten Ein- und Auszahlungsüberschüsse der einzelnen Projekte. Die Zielfunktion lautet:
Als Nebenbedingungen werden 1. positive Liquidität für jede Periode t des Planungszeitraums, 2. eine Beschränkung der Investitionsprojekte, 3. eine Beschränkung der Finanzierungstranchen, 4. eine maximale Absatzmenge für jedes herzustellende Produkt sowie jede Periode und 5. Nichtnegativität der Investitionsvorhaben und Finanzierungsmöglichkeiten formuliert. Das Programm ist mithilfe der Simplexmethode lösbar.57 Die Vorteile des Albachschen Modells gegenüber den dynamischen Verfahren liegen in der Einbeziehung der Liquiditätsbedingung für alle Planungsperioden. Ein Teil der Prämissen der dynamischen Verfahren bleibt jedoch erhalten. So beschränken sich die Investitionsentscheidungen nur auf die Periode 1 und behandeln die Reinvestitionen nur implizit über den Kalkulationszinssatz. Der Kapitalwert einer Investition wird aber entscheidend durch den gewählten Kalkulationszinssatz beeinflusst. Die Abzinsung auf den Zeitpunkt t = 0, also die Ermittlung des Barwerts, führt je nach Höhe des gewählten Kalkulationszinssatzes zu unterschiedlichen Ergebnissen. Das „richtige“ Ergebnis kann also nur der „richtige“ Kalkulationszinssatz liefern. Die Unmöglichkeit der ex ante Bestimmung des Kalkulationszinsfußes führte zu Lösungsversuchen unter Umgehung des Kalkulationszinssatzes.
56 57
Vgl. Albach, Investition und Liquidität, 1962, S. 305–315. Vgl. Hax, Lineare Planungsrechnung, 1960.
111
112
B. Management der Vermögensstruktur
bb) Das Mehrperiodenmodell Hax58 berücksichtigt alle Investitions- und Finanzierungsmöglichkeiten im Laufe des Planungszeitraums. Rückflüsse verzinsen sich also nicht mehr zum Kalkulationszinssatz, sondern werden explizit reinvestiert. Abgesehen von einem Anfangsbestand w1 an liquiden Mitteln scheidet eine Kassenhaltung aus, da eine in ihrer Höhe unbeschränkte Finanzinvestition zu einem vorgegebenen Zins eingeführt wird. Die Abzinsung über einen Kalkulationszinssatz wird somit überflüssig, da die Reinvestitionen ausdrücklich berücksichtigt werden. Die Aufgabe des Kalkulationszinssatzes als eine Art Mindestverzinsung wird durch den Zinssatz der unbeschränkten Finanzinvestition übernommen, da nur die Sachinvestitionen mit höherer Rentabilität gegen diese Finanzinvestition konkurrieren können.59 Die Zeitpräferenz, die früher angefallene Einzahlungen höher bewertet, wird ebenso durch diese Finanzinvestition berücksichtigt. Die Liquidität des Unternehmens ist im Haxschen Modell gewahrt, wenn die Einzahlungen größer oder gleich den Auszahlungen sind. Die Gleichgewichtsbedingung unterscheidet sich von der Albachs nur durch die Einführung der unbegrenzten Finanzinvestition. Gleichgewichtsbedingung für die Periode 1: n
m
¦b
1r
r 1
xr ¦ d1u yu l1
w1
u 1
Gleichgewichtsbedingung für die Periode 2 bis s – 1: n
¦b
m
tr
r 1
xr ¦ dtu yu lt
0;
(t
2, ..., s 1)
u 1
Gleichgewichtsbedingung für die Periode s: n
¦b r 1
m
sr
xr ¦ dsu yu ls d 0; u 1
wobei btr : Einzahlungs- bzw. Auszahlungsüberschüsse des Investitionsprojekts r in Periode t; (r = 1, 2, …, n; t = 1, 2, …, s) xr : Anzahl des Investitionsprojekts r dtu : Einzahlungs- bzw. Auszahlungsüberschüsse der Finanzierungsmöglichkeiten u in der Periode t; (u = 1, 2, …, m) yu : in Anspruch genommener Betrag der Finanzierungsmöglichkeiten u lt : Entnahmen in der Periode t w t : liquide Mittel in der Periode t Abb. B 49: Gleichgewichtsbedingungen des Haxschen Ansatzes
Unter der Voraussetzung gegebener Entnahmen wird das Prinzip der Konsumnutzenmaximierung durch die Maximierung des Vermögens am Ende des Planungszeitraums ausgedrückt.60 Bei Gültigkeit der Annahme, dass alle Investitions- und Finanzierungsmöglichkeiten mit dem Ende der s-ten Periode abgelaufen sind, drückt sich das Endvermögen nur noch in dem Überschuss der Einzahlungen über die Auszahlungen in der s-ten Periode aus. Dies erklärt auch die Gleichgewichtsbedingung für Periode s, da modellbedingt Einzahlungen mit negativen und Auszahlungen mit positiven Vorzei58 59 60
Vgl. Hax, Investitions- und Finanzplanung, 1964, S. 435–439. Vgl. Jacob, Investitionsplanung und Investitionsentscheidung, 1976, S. 104 f. Vgl. Heister, Rentabilitätsanalyse, 1962, S. 30 ff.
I. Investitionsrechnung chen berücksichtigt werden. Es ist somit folgende Funktion zu maximieren, wobei die Konstante ls(l1…ls = Entnahmen der jeweiligen Periode) unberücksichtigt bleiben kann:
Hax (1964) bietet auch noch ein weiteres modifiziertes Modell mit der Zielfunktion der Maximierung gleicher jährlicher Entnahmen L bei gegebenem Endvermögen. Dies bedingt auch eine Umformulierung der Nebenbedingungen des finanziellen Gleichgewichts, womit der Ansatz folgende Gestalt annimmt: Zielfunktion: L o Max. Die Nebenbedingung positiver Liquidität ändert sich nur in der letzten Periode, wobei –ws das Endvermögen am Planungshorizont darstellt (bezüglich des Abschlusses der Investitions- und Finanzierungsvorhaben gelten die gleichen Annahmen wie oben). Gleichgewichtsbedingung der s-ten Periode:
Diese Art der Zielsetzung wird von Schneider beim ersten Fall als Vermögensmaximierung und beim zweiten als Einkommensmaximierung bezeichnet. Beide Zielsetzungen können beim gleichen Problem zu unterschiedlichen Ergebnissen führen, da die gleichmäßige maximale Entnahme auch Kreditaufnahme zu Entnahmezwecken auslösen kann.61 Eine weitere Verbesserung des Modells in Bezug auf die Anpassung an die betriebliche Realität besteht in der Berücksichtigung der Annahme, dass ein Unternehmen auch nach dem Planungszeitraum weiter existiert und somit Investitionen, die im Planungszeitraum berücksichtigt werden, aber über den Planungszeitraum hinaus Nutzen abgeben, mit in den Kalkül einbezogen werden. Hierbei muss allerdings wieder mittels eines Kalkulationszinssatzes der Überschuss der Ein- über die Auszahlungen auf das Ende des Planungszeitraums aufgezinst werden, was nur ungefähre Lösungen erlaubt und das errechnete Optimum nicht absichert.62 Da halbe Maschinen im optimalen Investitions- und Finanzplan nicht verwirklicht werden können, ist die Ganzzahligkeitsbedingung mit zu berücksichtigen. Das Beispiel in Abbildung B 50 mag hierbei der Veranschaulichung dienen.
61 62
Vgl. Schneider, Investition, Finanzierung und Besteuerung, 1992, S. 66 f. Vgl. Hax, Investitions- und Finanzplanung, 1964, S. 438 f.
113
114
B. Management der Vermögensstruktur Beispiel zu Totalmodellen Zur Erläuterung der Wirkweise von Linearen Programmen in der Investitionsrechnung mag folgendes Beispiel dienen: Einem Unternehmen stehen zwei Investitionsmöglichkeiten zur Auswahl: • Projekt E, das den Zahlungsstrom Jahr
0
1
2
3
–100
45
40
40
0
1
2
3
–50
30
25
Projekt E
verspricht. • Projekt F mit dem Zahlungsstrom Jahr Projekt F
Beide Projekte sind unteilbar und können beliebig oft durchgeführt werden (xE, xF H N 0). • Ferner kann jederzeit zum Zinssatz von 4 % für eine Periode Geld angelegt werden (Projekt D, xD). Dem Unternehmen stehen zwei Finanzierungsmöglichkeiten zur Auswahl: • Finanzierung G, die den Zahlungsstrom Jahr
0
1
2
3
100
–41,33
–38,67
–33,33
Finanzierung G
aufweist. Der interne Zins der Finanzierungsmöglichkeit beträgt 8 %. Ihr Mindestabschlussvolumen beträgt 100 GE. Maximal können auf diese Art und Weise 300 GE aufgenommen werden (pro 1 GE yG). • Mithilfe von Finanzierung H kann sich zum Zinssatz von 10 % Geld für eine Periode beschafft werden. Das Abschlussvolumen ist beliebig teilbar. Zu jedem Zeitpunkt darf Finanzierung H 80 GE nicht überschreiten. Allgemeines • Das Unternehmen verfügt in Ausgangszeitpunkt über liquide Mittel i. H. v. 200 GE. • Der Planungszeitraum beträgt fünf Perioden. • Das Unternehmen betreibt Vermögensendwertmaximierung nach fünf Perioden. Um das Problem zu lösen, wird zunächst das lineare Programm aufgestellt: • Es existieren insgesamt 3 Zeitpunkte, in das dreiperiodige Projekt E (100 GE) zu investieren xE0 ≥ 0, xE1 ≥ 0, xE2 ≥ 0 ganzzahlig. • Es existieren insgesamt 4 Zeitpunkte, in das zweiperiodige Projekt F (50 GE) zu investieren xF0 ≥ 0, xF1 ≥ 0, xF2 ≥ 0, xF3 ≥ 0 ganzzahlig. • Es existieren insgesamt 5 Zeitpunkte, in das einperiodige Projekt D zu investieren xD0 ≥ 0, xD1 ≥ 0, xD2 ≥ 0, xD3 ≥ 0, xD4 ≥ 0. • Es existieren insgesamt 3 Zeitpunkte, zu denen mittels der dreiperiodigen Finanzierung Geld aufgenommen werden kann. yG0 = 0 oder yG0 ≥ 100, yG1 = 0 oder yG1 ≥ 100, yG2 = 0 oder yG2 ≥ 100. Hierbei ist zu beachten, dass das Mindestabschlussvolumen 100 GE und das Gesamtvolumen maximal 300 GE beträgt. yG0 + yG1 + yG2 ≤ 300.
I. Investitionsrechnung • Es existieren insgesamt 5 Zeitpunkte, um die einperiodige Finanzierung H zu benutzen yH0 ≥ 0, yH1 ≥ 0, yH2 ≥ 0, yH3 ≥ 0, yH4 ≥ 0 und pro Periode dürfen nicht mehr als 80 GE aufgenommen werden yH0 ≤ 80, yH1 ≤ 80, yH2 ≤ 80, yH3 ≤ 80, yH4 ≤ 80. • Ferner gilt in jedem Zeitpunkt kleiner 5 die Budgetgleichung: – Zeitpunkt 0: –xD0 – 100xE0 – 50xF0 + yG0 + yH0 = 200 Diese impliziert für den ersten Zeitpunkt, dass die gesamte Liquidität in die drei Alternativen investiert wird und mögliche Defizite durch die beiden Finanzierungsalternativen gedeckt werden. – Zeitpunkt 1: 1,04xD0 + 45xE0 + 30xF0 – 0,4133yG0 – 1,1yH0 – xD1 – 100xE1 – 50xF1 + yG1 + yH1 = 0 In diesem Zeitpunkt wird der Rückfluss aus den Investitionen zum einen zur Zinsund Tilgungszahlung für die Finanzierungen und zum anderen für Neuinvestitionen verwendet. Mögliche Defizite decken dann neue Finanzierungen, sodass sich der gesamte Kassenbestand auf Null reduziert. – Zeitpunkt 2: 40xE0 + 25xF0 – 0,3867yG0 + 1,04xD1 + 45xE1 + 30xF1 – 0,4133yG1 – 1,1yH1 – xD2 – 100xE2 – 50xF2 + yG2 + yH2 = 0 Hier und in den weiteren Zeitpunkten wird analog zum Zeitpunkt 1 verfahren. – Zeitpunkt 3: 40xE0 – 0,3333yH0 + 40xE1 + 25xF1 – 0,3867yG1 + 1,04xD2 + 45xE2 + 30xF2 – 0,4133yG2 – 1,1yH2 – xD3 – 50xF3 +yG3 = 0 – Zeitpunkt 4: 40xE1 – 0,3333yG1 + 40xE2 + 25xF2 – 0,3867yG2 + 1,04x1D3 + 30xF3 – 1,1yH3 –xD4 + yH4 = 0 – Das zu maximierende Endvermögen ergibt sich am Ende der fünf Perioden: Endvermögen E5 = 40xE2 – 0,3333yG2 + 25xF3 + 1,04xD4 – 1,1yH4 Die Lösung des linearen Programms erweist sich hier aufgrund der Ganzzahligkeitsrestriktionen als schwierig. Als Beispiele für mögliche Lösungen ergeben sich: Mögliche Lösung
1
2
3
4
5
xE0
5
5
5
5
5
xE1
0
1
1
1
1
xE2
1
1
1
1
1
xF0
0
1
0
0
0
xF1
1
0
1
0
0
xF2
0
1
1
0
0
xF3
5
4
4
6
4
yG0
300
300
300
300
300
yG1
0
0
0
0
0
yG2
0
0
0
0
0
yH1
0
49
74
24
24
yH0
0
50
0
0
0
yH2
0
49,9
72,4
0
0
yH3
0
0
0
yH4
0
0
0
70,30 0
0 0
115
116
B. Management der Vermögensstruktur Mögliche Lösung
1
2
3
4
5
xD0
0
0
0
0
0
xD1
26
0
0
0
0
0
0
2,6
2,11
2,36
0
xD2
41,04
xD3
4,68
xD4
194,87
227,19
227,45
182,67
230,89
E5
367,66
376,28
376,55
379,98
380,13
2,6 29,7
Das Tableau lässt sich dabei wie folgt interpretieren. In den Spalten stehen mögliche Lösungen; in den Zeilen die dazugehörigen Variablenausprägungen (VA). So wird etwa in der Lösung 1 zunächst fünfmal Projekt E durchgeführt und im Zeitpunkt 2 einmal. Die erste Investition wird durch die Finanzierung G gedeckt, die mit dem maximal zulässigen Volumen eingegangen wird. Restmittel sind im Zeitpunkt 0 keine vorhanden. Investition F wird einmal im Zeitpunkt 1 und fünfmal im Zeitpunkt 3 angefangen. Weitere liquide Mittel werden zu 4 % in Investition D angelegt. Die Finanzierungsmöglichkeit H wird nie benutzt. Die Lösung erbringt einen Einzahlungsüberschuss von 367,66 im Zeitpunkt 5. Als Optimallösung erweist sich Lösung 5, die zu 380,13 als Zahlungsüberschuss führt. Deren Zahlungsströme sind in nachstehender Tabelle dargestellt. Hier wird die hochrentable Investition E insgesamt siebenmal durchgeführt. Dazu wird die Investition F eingeschränkt. Ferner bedient sich diese Lösung nur einmal der hochverzinsten Finanzierung H. Eventuelle Liquiditätsüberschüsse werden in den Zeitpunkten 3 fortfolgende zu 4 % angelegt. Zeitpunkt
VA
0
1
2
3
4
5
xE0
5
–500
200
200
250
0
0
xE1
1
0
–100
45
40
40
0
xE2
1
0
0
–100
45
40
40
xF0
0
0
0
0
0
0
0
xF1
0
0
0
0
0
0
0
xF2
0
0
0
0
0
0
0
xF3
4
0
0
0
–200
120
100
yG0
3
300
–124
–116
–108
0
0
yG1
0
0
0
0
0
0
0
yG2
0
0
0
0
0
0
0
yH0
0
0
0
0
0
0
0
yH1
24
0
24
–26,4
0
0
0
yH2
0
0
0
0
0
0
0
yH3
0
0
0
0
0
0
0
yH4
0
0
0
0
0
0
0
I. Investitionsrechnung Zeitpunkt
VA
0
1
2
3
4
5
xD0
0
0
0
0
0
0
0
xD1
0
0
0
0
0
0
0
xD2
2,6
0
0
–2,6
2,7
0,00
0,00
xD3
29,7
0
0
0
–29,7
30,89
0,00
xD4
230,89
0
0
0
0
–230,89
240,13
–200
0
0
0
0
380,13
E
Der kumulierte Zahlungsstrom findet sich in der untersten Zeile. In den Zeitpunkten 0 bis 4 wird die Budgetrestriktion von 200 oder 0 jeweils eingehalten. Im Zeitpunkt 5 erkennt man den maximalen Zahlungsüberschuss. Abb. B 50: Beispiel zu Totalmodellen
Schließlich ist in einer weiteren Verfeinerung des Modells zu berücksichtigen, dass technische und rechtliche Interdependenzen innerhalb und zwischen Investitions- und Finanzierungsmöglichkeiten bestehen können. Je mehr sich der Optimierungsansatz an die Bedingungen der Realität annähert, desto bessere Lösungen sind zu erwarten. Zugleich aber verliert das Modell an Transparenz und wird zunehmend schwer rechenbar. Unter Umständen lassen sich keine (eindeutigen) Lösungen ermitteln. Im Vergleich zum Albachschen Einperiodenmodell besitzt das Haxsche Modell Vorteile: 1. Es verzichtet auf den Kalkulationszinssatz und 2. es stellt ein Mehrperiodenmodell dar. Ungelöst bleiben weitere betriebliche Interdependenzen, insbesondere:63 1. Es wird das optimale Produktionsprogramm vorausgesetzt. 2. der Absatz wird nur in Form von Obergrenzen berücksichtigt und 3. die Investitionsprojekte sind isolierbar und unabhängig – und zwar sowohl untereinander als auch von den Finanzierungsmöglichkeiten (durch Ganzzahligkeitsbedingungen können allerdings gewisse Abhängigkeiten dargestellt werden).
cc) Der Einfluss des Produktionsprogramms auf das optimale Investitionsprogramm Die finanzwirtschaftlichen Modelle gehen von der isolierten Zurechenbarkeit von Ein- und Auszahlungen auf einzelne Investitionsprojekte aus. Dies setzt voraus, dass der Produktionsbeitrag des einzelnen Projektes ex ante bekannt ist. Bei Mehrproduktunternehmen tritt aber i. d. R. mit Änderung der Kapazität (Erweiterungsinvestitionen) eine Änderung des Produktionsprogramms auf, was im Beispiel B 48 gezeigt wird.64 Aus dieser Erkenntnis resultieren die produktionstheoretischen Simultanmodelle, wobei besonders das Modell von Jacob zu erwähnen ist, das in der Variante 1 einen exogenen Kalkulationszinsfuß zur Diskontierung verwendet. In der Variante 2 wird auf die Verwendung der Diskontierung verzichtet.65 Die Produktionskapazitäten werden 63 64 65
Vgl. z. B. Blohm, Lüder, Schaefer, Investition, 2012, S. 272 f. Vgl. Swoboda, Investitionsentscheidungen, 1961, S. 97. Vgl. Jacob, Investitionsplanung und Investitionsentscheidung, 1976.
117
118
B. Management der Vermögensstruktur in diesem Modell beim Mehrproduktunternehmen nicht mehr von vornherein auf einzelne Produkte verteilt, sondern stellen sowohl im Umfang als auch in der Art der Nutzung durch unterschiedliche Produkte selbst Entscheidungsvariablen dar. Absatz und Finanzierung werden als Obergrenzen berücksichtigt. Unter Beachtung der gegebenen Kapazität sowie ihrer Zugänge durch Erweiterungsinvestitionen und der Abgänge durch Desinvestition bei mehrstufigen Produktionsprozessen wird das optimale Investitions- und Produktionsprogramm simultan ermittelt. Die Zielfunktion bildet dabei der für einen bestimmten Zeitraum zu maximierende Gesamtgewinn. Zur differenzierten Darstellung wird auf die Literatur verwiesen.
d) Beurteilung der Modellansätze für Investitionsprogrammentscheidungen Neben der Modifizierung der Gleichgewichtsbedingungen kann das Modell der ökonomischen Realität weiter angeglichen werden. Möglichkeiten bieten sich bei der Berücksichtigung von Unsicherheiten in Absatz- oder Kreditrestriktionen und der Zielfunktion66 sowie bei der Einbeziehung verschiedener Abhängigkeiten zwischen den Projekten. Weitere Schwierigkeiten bei der Bewertung von Ergebnissen simultaner Planungsverfahren können sich aus Motivationsproblemen der Mitarbeiter ergeben. Empirische Untersuchungen haben ergeben, dass das mittlere Management bei der Budgetfestsetzung mitwirken will.67 Eine Nichtbeteiligung kann zu einer Abschwächung der Motivation oder sogar – wenn das vorgegebene Budget in keiner Weise mit den individuellen Vorstellungen übereinstimmt – zu einer offenen oder versteckten Nicht-Akzeptierung der Planwerte führen. Als Folge ergeben sich Leistungsminderungen, wodurch der Plan nicht eingehalten werden kann und ursprünglich als optimal anzusehende Lösungen aufgrund der neuen Gegebenheiten nicht mehr optimal sind. Bei der sukzessiven Ermittlung der Finanzplandaten kann im Allgemeinen eine bessere Beteiligung der Organisationseinheiten am Entscheidungsprozess erreicht werden, als dies bei den simultanen Planungsverfahren der Fall ist. Die Identifikation der Organisationsteilnehmer mit den Plan- und Vorgabewerten ist daher i. d. R. bei den sukzessiven Verfahren größer. Demgegenüber besitzen die simultanen Planungsmethoden den Vorteil, dass bei ihnen Ressortinteressen nicht in dem Umfang durchschlagen können, wie dies beim sukzessiven Entscheidungsprozess aufgrund ungleicher Verhandlungsmacht und -stärke der Organisationsteilnehmer der Fall ist. Es ist fraglich, ob der Ausbau der Finanzplanungsmodelle durch immer weitere Einbeziehung von Einflussgrößen, der zu Modellen mit einer sehr großen Variablenzahl führt, auch zu einer entsprechenden Informationsverbesserung beiträgt. Unter dem Planungsaspekt können vielfach bewusste Vereinfachungen sachgerechter sein. So führt auch Schneider an, dass es nicht darum gehe, die richtigen Wertansätze zu suchen, sondern festzustellen, welche vereinfachenden Pauschalannahmen unter bestimmten Umweltbedingungen zulässig sind. Er sieht daher das Ziel der Investitionsrechnung nicht darin, alle Einflüsse zu erfassen, sondern vorab die wesentlichen Zusammenhänge erkennbar zu machen.68
66 67 68
Vgl. Schneider, Investition und Finanzierung, 1980, S. 446 ff. Vgl. schon früh Hofstede, Budget Control, 1970. Vgl. Schneider, Investition und Finanzierung, 1980, S. 650 f.
I. Investitionsrechnung
Weiterführende Literatur zu Investitionsprogrammentscheidungen Adam, D.: Investitionscontrolling, 3. Auflage, München 2000. Blohm, H.; Lüder, K., Schäfer, C.: Investition, 10. Auflage, München 2012. Goetze, U.: Investitionsrechnung, 7. Auflage, Berlin et al. 2014. Grob, H. L.: Einführung in die Investitionsrechnung, 5. Auflage, München 2006. Hax, H.: Investitionstheorie, 5. Auflage, Würzburg und Wien 1993. Hering, Th., Investitionstheorie, 4. Auflage, München 2015. Jacob, H.: Investitionsplanung und Investitionsentscheidung mithilfe der Linearprogrammierung, 3. Auflage, Wiesbaden 1976. Schneider, D.: Investition, Finanzierung und Besteuerung, 7. Auflage, Wiesbaden 1992.
Fragen zu Investitionsprogrammentscheidungen 1. Welchen Stellenwert nimmt die Frage nach dem optimalen Investitionsprogramm im Rahmen der von der Investitionstheorie behandelten Fragen ein? 2. Zeigen Sie die Grenzen der Eignung dynamischer Verfahren zur Bestimmung des optimalen Investitionsprogramms auf. 3. Versuchen Sie die unterschiedlichen Abhängigkeiten von Investition und Finanzierung herauszuarbeiten. 4. Wo liegen die Unterschiede zwischen den von Hax und Albach verwendeten Zielfunktionen? 5. Welche Annahmen werden bei der Einkommensmaximierung bezüglich des Endvermögens getroffen? 6. Die angeführten Verfahren setzen die Festlegung eines Planungszeitraums voraus; nach welchen Kriterien würden Sie den Planungshorizont festlegen? 7. Wo liegen die Vorteile der Simultanplanung mithilfe der Linearprogrammierung, wo ihre Schwächen? 8. Auf welches Merkmal bezieht sich die Unterscheidung in Ein- und Mehrperiodenmodelle? 9. Wodurch ist die seltene praktische Anwendung dieser Modelle zu erklären?
5. Berücksichtigung der Unsicherheit bei Investitionsentscheidungen Lernziele dieses Kapitels x Unsicherheit – verstanden als das Nicht-Vorhandensein von Sicherheit – wird in Ungewissheit und Risiko eingeteilt. Im Risikofall liegen dem Entscheider objektive oder zumindest subjektive Wahrscheinlichkeiten für das Eintreten von Umweltzuständen vor. Im Falle der Ungewissheit ist dies nicht der Fall. x Im Rahmen der Berücksichtigung von Unsicherheit in Investitionsrechenverfahren existiert die Möglichkeit, mit Korrekturzuschlägen oder -abschlägen pauschal die Risikoaversion des Entscheiders miteinzubeziehen. Hierbei gibt es die Möglichkeit
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B. Management der Vermögensstruktur der Erhöhung des Kalkulationszinssatzes, der Kürzung der Nutzungsdauer oder des Abschlags auf die Rückflüsse des Investitionsprojekts. Allen Verfahren gemein ist, dass diese Abschläge pauschal sind und nicht auf einem geschlossenen Modell beruhen. x Kennt man Wahrscheinlichkeiten für die unterschiedlichen Umweltzustände und damit für die Rückflüsse, kann man Erwartungswerte der Rückflüsse bestimmen. Diese können als erwartete Rückflüsse die Grundlage für den Investitionsentscheider nach dem Bayesschen Kriterium sein. Bei diesem μ-Prinzip liegt allerdings Risikoneutralität vor. x Eine Entscheidung auf Basis des μ-Prinzips kann risikoaverse, risikoneutrale und risikofreudige Nutzenfunktionen des Investitionsentscheiders miteinbeziehen. Dazu wird neben dem Erwartungswert der Rückflüsse auch die Standardabweichung der Rückflüsse ins Kalkül miteinbezogen. Ein wichtiges Hilfsmittel zur Darstellung der Entscheidungssituation ist das μ-Diagramm, in welchen die Indifferenzlinien die Orte gleichen Nutzen wiedergeben. x Nach dem Bernoulli-Prinzip werden Rückflüssen Nutzenniveaus zugeordnet. Unterstellt man einen abnehmenden Grenznutzen des Geldes, ist der Erwartungswert der Nutzen der Rückflüsse kleiner als der Nutzen eines sicheren Rückflusses in Höhe des Erwartungswerts der Rückflüsse. Somit liegt ein automatisch ein risikoaverser Entscheider vor. x Im Rahmen der (semi-)subjektiven Investitionsbewertung wird auf das Bernoulli- oder auch das μ-Prinzip aufgesetzt und die Nutzenfunktion explizit ausgedrückt sowie mittels Inversion der Nutzenfunktion das Ergebnis als Geldbetrag (Sicherheitsäquivalent) ausgedrückt. Im Rahmen dieser Bewertung unterscheidet man zunächst auf Basis der Nutzenfunktionen in multiattributive und uniattributive Nutzenfunktionen. x Liegen uniattributive Nutzenfunktionen vor, existieren zwei grundsätzliche Vorgehensweisen, um Investitionen zu bewerten: Erstens die Sicherheitsäquivalentmethode, die den Wert eines Zahlungsstroms als Barwert der Sicherheitsäquivalente der Zahlungen bestimmt. Die Zweite, auch Risikoanalyse der Investitionsrechnung genannt, bestimmt zuerst den Erwartungswert der Nutzenbarwerte, um dann im zweiten Schritt das Sicherheitsäquivalent des Erwartungswerts zu ermitteln. Die Risikoanalyse der Investitionsrechnung ist dabei aus Sicht der Theorie das allgemeinere Verfahren. x (Semi-)subjektive Verfahren sind dabei stets mit dem Mangel der Kenntnis der Nutzenfunktionen und deren Aggregation über mehrere Investoren hinweg behaftet. Zudem wird nicht explizit die Möglichkeit der Investition in Kapitalmarktinstrumente miteinbezogen. x Bei Investitionsentscheidungen auf Basis von Kapitalmarktgleichgewichtmodellen werden die erwarteten Zahlungen risikoadjustiert diskontiert, um einen Kapitalwert zu bestimmen. Der risikoadjustierte Zinssatz entstammt bei diesem Verfahren den Capital Asset Pricing Model und ist somit unabhängig von den Risikopräferenzen der Investoren (Tobin-Separation). Bei der Bestimmung des Diskontierungssatzes ist zu beachten, dass er alleine durch das Risiko der Investition determiniert wird, das im Investitionsbeta seinen Ausdruck findet. x Bei der Sensitivitätsanalyse wird überprüft, inwieweit Veränderungen wesentlicher Determinanten (z. B. der Absatzmenge) einer Investition, welche in die Investitionsrechnung Eingang finden, den Kapitalwert (z. B.) ändern. Zudem können kritische Werte bestimmt werden, ab denen sich eine Investition nicht mehr lohnt, etwa der Kaitalwert negativ wird. x Eines der zentralen Probleme bei der Investitionsrechnung ist die Bestimmung der erwarteten Zahlungsüberschüsse. x Bei der OR-basierten Risikoanalyse werden die Determinanten der Zahlungsströme einer Investition, z. B. die Absatzmengen oder Verkaufspreise, simuliert, mit dem Ziel, eine möglichst realistische Verteilung der Zahlungen zu gewinnen. Diese kann im
I. Investitionsrechnung zweiten Schritt genutzt werden, um daraus entweder einen erwarteten Zahlungsüberschuss einer Investition in einem Zeitpunkt zu bestimmen, oder auch das Risikoprofil der Zahlungsüberschüsse zu bestimmen. x Entscheidungsbaumverfahren ergänzen die Risikoanalyse um eine weitere Komponente. Bei Entscheidungsbaumverfahren existieren zusätzlich zu verschiedenen künftigen Zeitpunkten Möglichkeiten, in das Investitionsprojekt einzugreifen (Entscheidungsknoten) und die Investition an die Gegebenheiten (etwa Zusatzinvestition aufgrund gestiegener Absatzerwartung) anzupassen. Der Kapitalwert einer Investition wird dabei im Roll-Back-Verfahren, also beginnend mit den am weitesten in der Zukunft liegenden Zahlungsüberschüssen, bestimmt. In den Ereignisknoten wird (im Gegensatz zur Risikoanalyse) meist nur auf einfache diskrete Verteilungen zurückgegriffen. x Das Realoptionsverfahren ist im eigentlichen Sinne nicht nur ein Verfahren zur Bestimmung der Zahlungsüberschüsse, vielmehr verknüpft es Entscheidungsbaumverfahren mit einem alternativen Investitionsrechenverfahren. Die Grundidee besteht darin, den Zahlungsstrom der Investition über ein Duplikationsportefeuille aus marktlich gehandelten Finanzinstrumenten nachzubilden und somit den Wert der Investition als Ganzes inklusive der Entscheidungsknoten (Realoptionen) über den Preis der Finanzinstrumente zu bestimmen. x Das Chance Constraint Programming setzt an die Modelle der linearen Programmierung an und berücksichtigt neben Unsicherheiten auch Marktunvollkommenheiten. Ansatzpunkte sind, wie der Name schon besagt, die Restriktionen. Während, in einer Welt der Sicherheit, etwa die Restriktion, einen positiven Bestands an Zahlungsmitteln zu halten, als stets erfüllt angenommen werden muss, ist in einer Welt der Unsicherheit dieser positive Zahlungsmittelbestand nur mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit annehmbar. Der Eingang von Wahrscheinlichkeiten ins Gesamtkalkül führt auch dazu, dass zur Lösung des Problems keine lineare Programmierung mehr eingesetzt werden kann. Neben dieser höheren Komplexität führt auch starke Reagibilität auf Veränderungen der Optimallösung der Eingangsparameter dazu, dass das Verfahren nur selten eingesetzt wird.
Investitionsentscheidungen beruhen im Allgemeinen auf einer Reihe von Daten, die mit Unsicherheit behaftet sind. Dies resultiert aus dem Charakter der Investitionsrechnung als zukunftsorientierte Planungsrechnung. Die Aufgabe besteht nun darin, eine Investitionsrechnung so zu gestalten, dass auch bei Berücksichtigung von unsicheren zukünftigen Größen ein Ergebnis geliefert werden kann, das eine tragfähige Grundlage bildet, von der ausgehend die anstehenden Investitionsentscheidungen rational getroffen werden können. Investitionsrechnungen, bei denen für mindestens eine Entscheidungsalternative mehrere Ergebnisse für möglich gehalten werden, sind somit Investitionsentscheidungen unter Unsicherheit. Die in den vorangehenden Abschnitten dargestellten Investitionsrechenverfahren dienen grundsätzlich zur Entscheidungsfindung unter Sicherheit, weil hierbei für jede Investitionsalternative ein sicheres Ergebnis ermittelt werden kann, d. h. jeder Investitionsalternative kann ein Ergebniswert zugeordnet werden, und nur dieser Wert wird für möglich gehalten. Das Entscheidungsproblem bestand darin, für jede Investitionsalternative den Beitrag zur Zielerreichung zu berechnen und unter den gegebenen Möglichkeiten die optimale auszuwählen. Voraussetzung war hierzu, dass vollkommene Information bezüglich der zielrelevanten Größen vorhanden waren. Obwohl dies in der Praxis nur sehr selten der Fall ist, haben diese deterministischen Verfahren große
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B. Management der Vermögensstruktur praktische Bedeutung. In der Realität sind Entscheidungen, insbesondere Investitionsentscheidungen, jedoch fast ausschließlich bei unvollkommener Information zu treffen. Im Einzelfall kann nicht damit gerechnet werden, dass der ermittelte Zielbetrag auch tatsächlich eintrifft, weil dieser das Ergebnis aus zahlreichen unsicheren Einflussgrößen, wie z. B. Verkaufspreisen, Absatzmengen, Faktorpreisen usw., ist. Wie solch eine Unsicherheit erfasst, gemessen und in das Entscheidungskalkül mit einbezogen werden kann, soll nun im nachfolgenden Abschnitt behandelt werden. Dabei wird sich herausstellen, dass die bislang beschriebenen Investitionsverfahren unter Sicherheit auch unter Unsicherheit mit veränderten Eingangsparametern verwendet werden können. Dies entspricht einer Kalkulation unter Quasi-Sicherheit.
a) Die Unsicherheitssituation und ihre Formen Bei einer Beurteilung der Vorteilhaftigkeit von Investitionsalternativen muss die zukünftige Entwicklung der Umwelt in das Kalkül einbezogen werden, weil Investitionen das Betriebsgeschehen langfristig determinieren und die Gefahr einer Fehlentscheidung – und damit verbunden die Möglichkeit des Verlustes des eingesetzten Kapitals – mit zunehmendem Planungshorizont ansteigt. Dieser Tatsache wird in der Entscheidungstheorie durch die Formulierung von stochastischen Modellen Rechnung getragen. Die Unsicherheitssituation wird dabei unterteilt in Risiko- und Ungewissheitssituationen (vgl. Abbildung B 51).69
Sicherheit
Unsicherheit
= Risiko i.w.S. (Umgangssprache)
= Möglichkeit des Abweichens vom erwarteten Wert d.h. positiv: Chance – negativ: Gefahr
Ungewissheit
Risiko i.e.S.
= Entscheider hat überhaupt keine Vorstellung, was die Zahlungen ausmachen könnte ĺ rationale Entscheidung wird möglich
= dem Entscheider liegen objektive oder zumindest subjektive Wahrscheinlichkeiten für das Eintreten alternativer Zielwerte vor
Abb. B 51: Risiko und Ungewissheit
aa) Risiko Eine Risikosituation ist nach Bamberg/Coenenberg/Krapp dadurch charakterisiert, dass dem Entscheidungsträger Wahrscheinlichkeiten für das Eintreten der möglichen Umweltzustände bekannt sind.70
69 70
Vgl. Bamberg, Coenenberg, Krapp, Betriebswirtschaftliche Entscheidungslehre, 2012, S. 13 ff. Vgl. Bamberg, Coenenberg, Krapp, Betriebswirtschaftliche Entscheidungslehre, 2012, S. 67.
I. Investitionsrechnung Häufig wird mit dem Begriff Risiko auch die Gefahr einer Fehlentscheidung bezeichnet.71 Diese Auslegung ist jedoch unzweckmäßig, weil hierbei offen bleibt, wie die Gefahr einer Fehlentscheidung zu messen ist. Das Risiko einer Handlungsmöglichkeit, hier Investition, lässt sich nur durch die Gesamtheit der alternativen Zielbeiträge und deren Glaubwürdigkeit im Einzelnen kennzeichnen. Dies äußert sich aber nur in der Wahrscheinlichkeitsverteilung der Zielbeiträge. Für das Aufstellen der benötigten Wahrscheinlichkeitsverteilungen der Umweltzustände gibt es zwei grundsätzliche Möglichkeiten: 1. Objektive Wahrscheinlichkeiten werden aus empirischen Häufigkeitsverteilungen der Ergebnisse von gleichwertigen Entscheidungssituationen gewonnen. Die Wahrscheinlichkeiten können häufig durch kombinatorische Überlegungen oder aufgrund von statistischem Datenmaterial exakt berechnet werden. Als Beispiele können hier die Teilnahme an den staatlichen Lotterien oder die Berechnung der Wahrscheinlichkeiten für den Eintritt eines Versicherungsfalls angeführt werden. 2. Subjektive Wahrscheinlichkeiten, auch Glaubwürdigkeitsziffern, werden auf der Basis subjektiver Erfahrung und Überlegung gebildet. Diese numerischen Werte dienen ebenso wie die objektiven Wahrscheinlichkeiten zur Beurteilung, in welchem Maße verschiedene Situationen eintreten werden.
bb) Ungewissheit Können bei einer Investitionsentscheidung für das Eintreten der relevanten Umweltzustände keine Wahrscheinlichkeiten, also weder objektive noch subjektive, angegeben werden, dann handelt es sich um eine Entscheidung unter Ungewissheit.72 Der Entscheidende weiß in einem solchen Falle nicht, welche Werte eine Zustandsvariable annehmen könnte. Die rationale Lösung von Entscheidungsproblemen bei völliger Unkenntnis über die relevanten Faktoren ist natürlich unmöglich, weil es bei völliger Unkenntnis der künftigen Entwicklung für den Entscheider gleichgültig ist, welche Alternative er wählt. Der hier dargestellten und in der Literatur häufig anzutreffenden Dreiteilung der Unsicherheitsgrade in Sicherheit, Risiko und Ungewissheit folgt Schneider nicht. Für ihn erweist sich ein Herausheben der Risikosituation als überflüssig. Ist eine Entscheidung beliebig oft wiederholbar und kann somit eine Häufigkeitsverteilung aufgestellt werden, handle es sich nicht mehr um eine Entscheidung unter Risiko, sondern unter Sicherheit, weil sich bei hinreichend vielen Wiederholungen die Häufigkeitsverteilung verwirkliche. Ist diese Entscheidung aber nicht beliebig wiederholbar, liege Ungewissheit vor.73 Es müssten mindestens zwei mögliche Aktionen des Entscheidenden bekannt sein, sowie eine Funktion – z. B. Nutzenfunktion –, die die Handlungsfolgen in Abhängigkeit von der gewählten Aktion und dem tatsächlichen, aber unbekannten Zustand beschreibt, um von Entscheidung unter Ungewissheit sprechen zu können. Bei Investitionsentscheidungen tritt in der Praxis häufig der Fall auf, dass subjektive Einschätzungen über die relevanten Faktoren einer Entscheidung vorliegen, weil für betriebswirtschaftliche Entscheidungsprobleme ein rationales Handeln unter Berück71 72 73
Vgl. Krelle, Unsicherheit und Risiko in der Preisbildung, 1957. Vgl. Bamberg, Coenenberg, Krapp, Betriebswirtschaftliche Entscheidungslehre, 2012, S. 109 ff. Vgl. Schneider, Investition und Finanzierung, 1980, S. 71 f.
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B. Management der Vermögensstruktur sichtigung der Reaktionen der möglichen „Konkurrenten“ unterstellt wird und der Entscheidende somit aus den ihm vorliegenden Unterlagen für eine Investitionsalternative subjektive Glaubwürdigkeitsziffern für verschiedene Zukunftslagen ableiten kann, auf denen seine Entscheidung letztlich beruht. Die praktische Erfahrung zeigt weiter, dass besonders bei Planungsrechnungen, wie es die Investitionsrechnung ist, Entscheidungen getroffen werden müssen, welche das Unternehmen langfristig belasten. Investitionsentscheidungen sind im Allgemeinen einmalige Einzelentscheidungen, sodass nur in Ausnahmefällen mehrere gleichartige Entscheidungssituationen vorliegen, für die objektive Wahrscheinlichkeiten angegeben werden können. Die Unterteilung in objektive und subjektive oder in bekannte und unbekannte Wahrscheinlichkeiten ist für das weitere Vorgehen unerheblich, weil objektive oder subjektive Wahrscheinlichkeiten die Beurteilung eines oder mehrerer Investitionsobjekte in gleichem Maße beeinflussen. Aus diesem Grunde wird im Folgenden nur noch von Wahrscheinlichkeiten gesprochen.74 Abschließend ist festzuhalten, dass Unsicherheit im Hinblick auf die künftige Entwicklung der für eine Investitionsentscheidung relevanten Daten allein nicht ausreicht, um dieser Entscheidung ein „Risiko“ – als Gefahr negativer Folgewirkungen – beizumessen. Kann eine im Zeitpunkt t0 getroffene Entscheidung – wenn es erforderlich ist – sofort und ohne zusätzliche Kosten korrigiert werden, so geht das Unternehmen mit einer solchen Entscheidung keinerlei „Risiko“ ein. Anders liegen die Dinge, wenn das Unternehmen an eine Entscheidung langfristig gebunden ist und diese nur durch einen außerordentlichen Aufwand rückgängig machen oder korrigieren kann, was für Investitionsentscheidungen im Allgemeinen zutreffen dürfte.75 Das „Risiko“ einer Entscheidung beruht somit auf zwei Komponenten: 1. der Unsicherheit über die künftige Entwicklung der relevanten Größen, also unvollkommener Information und 2. der Inflexibilität von Entscheidungen, d. h., dass kurzfristig diese Entscheidungen bzw. ihre Auswirkungen nicht rückgängig gemacht oder abgeändert werden können.76 Bei der Beurteilung von Entscheidungen unter Berücksichtigung der Unsicherheit ist streng zwischen der Situation vor und nach der Entscheidung zu trennen. Heute – zum Zeitpunkt der Entscheidung (t0) – sind eine Reihe von Zielwerten für die Zukunft (t n) möglich. Zum Zeitpunkt t n ist dann bekannt, dass einer der möglichen Werte eingetreten ist. Im Nachhinein lässt sich somit stets sagen, ob die Entscheidung zu investieren „falsch“ oder „richtig“ war.
74
75 76
Der interessierte Leser sei auf die unterschiedlichen Meinungen in der Literatur hingewiesen. Siehe z. B. Schneider, Investition und Finanzierung, 1980, S. 67 ff., und Bamberg, Coenenberg, Krapp, Betriebswirtschaftliche Entscheidungslehre, 2012, S. 67 ff. und die dort aufgeführte Literatur. Vgl. Jacob, Investitionsplanung und Investitionsentscheidung, 1976, S. 110 f. Vgl. Jacob, Investitionsplanung und Investitionsentscheidung, 1976, S. 111.
I. Investitionsrechnung
b) Traditionelle Lösung durch Korrekturverfahren In der Literatur77 wird häufig der Vorschlag gemacht, die Unsicherheit bei der Datenermittlung in der Investitionsrechnung durch die Variation bestimmter Eingangsgrößen zu berücksichtigen, und zwar in der Weise, dass „Risikoabschläge“ bzw. „Risikozuschläge“ angesetzt werden, insbesondere für den kalkulatorischen Zinssatz, die Nutzungsdauer bzw. Lebensdauer und die Rückflüsse oder Gewinne bzw. Kosteneinsparungen. Trotz der oft erhobenen Einwände und der Kritik78 an dieser Vorgehensweise kann davon ausgegangen werden, dass diese Verfahren häufig zur Berücksichtigung des Risikos einer Investition in der Praxis Anwendung finden. 1. Variation des kalkulatorischen Zinssatzes Die Höhe des Kalkulationszinssatzes richtet sich nach der Unsicherheit des Projektes. Wird die Unsicherheit hoch eingeschätzt, bedeutet dies einen ebenfalls hohen Zinssatz. Dadurch ergibt sich bei unsicheren Erwartungen ein niedrigerer Kapitalwert als ohne Berücksichtigung des Risikos, d. h. aber auch, dass sichere Investitionen bei gleicher Höhe der Rückflüsse risikoreichen Investitionen vorgezogen werden. In der Praxis haben sich mehrere Risikokategorien herausgebildet, die mit unterschiedlichen Zinssätzen berücksichtigt werden (vgl. Abbildung B 52).79 Die Höhe der Zinssätze ist abhängig von der Einschätzung der Risikosituation. Variationsmöglichkeiten bestehen z. B. bei Anwendung der Kapitalwertmethode durch eine Diskontierung mit ansteigenden Zinssätzen, d. h. je weiter die erwarteten Rückflüsse in der Zukunft liegen, desto unsicherer sind sie und desto höher wird deshalb der Diskontierungszinssatz gewählt.80 Situation
Zinssatz
vorhandener Markt und bekannte Produkte
=
10 %
vorhandener Markt und neues Produkt
=
15 %
(Expansion) neuer Markt
und bekanntes Produkt
=
25 %
(Diversifikation) neuer Markt
und neues Produkt
=
30 %
Abb. B 52: Variation des kalkulatorischen Zinssatzes
77
78
79 80
Vgl. Blohm, Lüder, Schaefer, Investition, 2012, S. 207 ff.; Biergans, Investitionsrechnung, 1979, S. 253 ff.; Gutenberg, Investitionsplanung, 1954, S. 563 ff.; Priewasser, Investitionsentscheidungen, 1972, S. 55. Vgl. Priewasser, Investitionsentscheidungen, 1972, S. 55, der diese Verfahren aus grundsätzlichen Erwägungen generell ablehnt; siehe auch Biergans, Investitionsrechnung, 1979, S. 254 f.; Blohm, Lüder, Schaefer, Investition, 2012, S. 212 f. Vgl. Blohm, Lüder, Schaefer, Investition, 2012, S. 210. Vgl. Blohm, Lüder, Schaefer, Investition, 2012, S. 211.
125
126
B. Management der Vermögensstruktur 2. Kürzung der Nutzungsdauer Die voraussichtliche Nutzungsdauer kann bei Berücksichtigung der Ungewissheit gekürzt werden, d. h. je größer die Ungewissheit ist, desto kürzer wird die Nutzungsdauer angesetzt. Der Kapitaleinsatz muss sich dann in kürzerer Zeit amortisieren, damit eine Investition als vorteilhaft eingestuft wird. Der Kapitalwert muss c. p. umso niedriger sein, je unsicherer die Erwartungen sind und je kürzer die Nutzungsdauer gewählt wurde. 3. Risikobewusste Schätzung der Gewinne bzw. Kosteneinsparungen Bei Investitionsentscheidungen, die mit hoher Unsicherheit belastet sind, werden die Rückflüsse niedriger angesetzt als bei sicheren Investitionen. Der Kapitalwert ist dann umso niedriger, je unsicherer die zukünftige Situation eingeschätzt wird. Beurteilung der Korrekturverfahren
1. Für die Bestimmung von Risikozu- oder -abschlägen gibt es nur sehr vage Maßstäbe. Statt effektiv die Gefahr der Fehleinschätzung zukünftiger Entwicklungen zu berücksichtigen, verfälscht man die eigentliche Aussage der Investitionsrechnung, weil die Unsicherheit „summarisch“ bestimmt und verrechnet und nicht „analytisch“ aus der Unsicherheit der Einflussfaktoren ermittelt wird.81 Ein auf diese Weise durchgeführter Investitionsvergleich ist ungenau und vermittelt nur vage Vorstellungen von der zukünftigen Auswirkung der geplanten Investitionsentscheidung. 2. Bei der Berücksichtigung der Unsicherheit durch Korrektur verschiedener Einflussgrößen besteht die Möglichkeit, jede Investitionsalternative nachteilig erscheinen zu lassen. Durch einen Kumulationseffekt, dessen Auswirkungen nicht mehr zu überschauen sind, ist es möglich, Projekte „totzurechnen“;82 eine Kritik, die aber generell auch Entscheidungen unter Sicherheit betrifft. 3. Der wichtigste Kritikpunkt besteht aber darin, dass kein geschlossenes Model vorliegt, aus dem Bewertungsmaßstäbe für die Investitionsentscheidungen abgeleitet werden können. Wegen der angeführten Mängel können die Korrekturverfahren lediglich als praktikable Faustregeln bezeichnet werden, die dem Vorsichtsprinzip durch globale Risikoabschläge Rechnung tragen.
c) Investitionsentscheidungen auf der Grundlage von Wahrscheinlichkeiten Investitionsentscheidungen unter Unsicherheit werden ebenso wie im Fall sicherer Erwartungen anhand des Kapitalwerts, der Annuität, des Werts des Endvermögens und ähnlicher Größen getroffen. Allerdings kann jede Investitionsplanung zu verschiedenen Werten der jeweiligen Zielgröße führen, je nachdem, wie das Risiko nach den subjektiven Vorstellungen des Investors angesetzt wird. Ähnlich wie bei mehrperiodigen Investitionsobjekten die unterschiedliche zeitliche Struktur der Zahlungsströme die Vergleichbarkeit erschwert und diese erst durch Ab- oder Aufzinsung auf einen Bezugszeitpunkt erreicht werden kann, ist es hier die Unsicherheitsstruktur, die
81
82
Vgl. Blohm, Lüder, Schaefer, Investition, 2012, S. 211; teilweise anderer Ansicht Ballwieser, Die Wahl des Kalkulationszinsfußes, 1981. Vgl. Rühli, Investitionsrechnung, 1970, S. 168.
I. Investitionsrechnung geeignete Kalküle für die Erstellung einer Rangordnung von Investitionsalternativen erforderlich macht.83
aa) PV-Prinzip Unterstellt man, dass der Entscheidende zumindest subjektive Wahrscheinlichkeiten, mit denen verschiedene Ereignisse eintreten, angeben kann, lässt sich die Entscheidung nach dem Erwartungswert treffen (P-Prinzip). So fordert eine der bekanntesten Entscheidungsregeln die Maximierung des Erwartungswertes aus der Wahrscheinlichkeitsverteilung.84 Es ist somit diejenige Alternative zu wählen, bei der der mathematische Erwartungswert der Zielgröße ein Maximum aufweist, d. h. der mit den Wahrscheinlichkeitswerten wi gewogene Durchschnitt aller möglichen Zielbeiträge Zi (i = 1,2,…,n) der Wahrscheinlichkeitsverteilung ist zu maximieren.
Diese Entscheidungsregel, nach Th. Bayes Bayessches Kriterium genannt, verlangt eine genaue Kenntnis der Wahrscheinlichkeitsverteilung der alternativen Zukunftslagen. Die Zielwerte, z. B. Zahlungsüberschüsse, werden mit den Wahrscheinlichkeitswerten der entsprechenden Zustände gewichtet und für jede Investitionsalternative aufsummiert. Auf diese Weise erhält man für jedes betrachtete Investitionsobjekt einen Erwartungswert. Aus den betrachteten Strategien ist diejenige auszuwählen, bei der der Erwartungswert der Zielgröße ein Maximum erreicht. Für die Anwendung dieses Entscheidungskriteriums ist es also Voraussetzung, Kenntnis über die Wahrscheinlichkeitsverteilungen zu haben, die als a-priori-Verteilungen bezeichnet werden, weil man davon ausgeht, dass sie vor der Lösung des Entscheidungsproblems bekannt sind.85 Orientiert sich ein Investor an dieser Regel, so muss er für die geplanten Vorhaben verschiedene für möglich gehaltene Datenkonstellationen berücksichtigen, um den einzelnen Alternativen aufgrund seiner Erfahrung und seiner Einschätzung subjektive Wahrscheinlichkeitskoeffizienten zwischen 0 und 1 zuzuordnen. Gegen die dargestellte Methode zur Berücksichtigung der Unsicherheit wird oft geäußert, dass der Investor die Wahrscheinlichkeit des Eintretens der für möglich gehaltenen Entwicklungen nicht exakt numerisch festlegen kann.86 Ein Investor kann im Allgemeinen verschiedene Trends der für einen Vergleich relevanten Größen angeben; verlangt man aber eine Quantifizierung der Wahrscheinlichkeit seiner Erwartungen, so wird dies nicht möglich sein. Hax hält es außerdem für fraglich, „ob eine Entscheidungs-
83 84
85 86
Vgl. Drukarczyk, Finanzierungstheorie, 1980, S. 104 ff. Vgl. Hax, Investitionstheorie, 1985, S. 133 f.; zur Eignung von Entscheidungsregeln aufgrund subjektiver Wahrscheinlichkeit siehe auch Bamberg, Coenenberg, Krapp, Betriebswirtschaftliche Entscheidungslehre, 2012, S. 67 ff.; Menges, Grundmodelle wirtschaftlicher Entscheidungen, 1974, S. 26 ff.; Schneeweiß, Entscheidungskriterien, 1967, S. 27 ff. Vgl. Menges, Grundmodelle wirtschaftlicher Entscheidungen, 1974, S. 179. Vgl. Schwarz, Optimale Investitionsentscheidungen, 1967, S. 137; vgl. Menges, Grundmodelle wirtschaftlicher Entscheidungen, 1974, S. 179, der vier Vorschläge für den Ansatz von Wahrscheinlichkeitsverteilungen macht, wenn keine a-priori-Verteilung angegeben werden kann.
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B. Management der Vermögensstruktur theorie, die in dieser Weise sich auf subjektive Gegebenheiten stützt, noch zu praktisch relevanten Aussagen kommen kann.“87 Der zweite Einwand zielt auf die völlige Vernachlässigung der persönlichen Risikoeinstellung gegenüber zu vergleichenden Investitionsalternativen. Die Bayes-Regel unterstellt, dass sich der Entscheidungsträger indifferent verhält bei einem sicheren
Aufgrund des Erwartungswertes (E) erweist sich das Vorhaben B als vorteilhafter. Abb. B 53: Beispiel für die Erwartungswertberechnung und Entscheidungsfindung nach der Bayes-Regel
Gewinn G und einer Möglichkeit, mit der Wahrscheinlichkeit jeweils von 0,5 einen Gewinn von 2 G zu erzielen bzw. keinen Gewinn zu machen. Das P-Prinzip ist also nur bei Risikoneutralität des Investors ein angemessenes Entscheidungskriterium. Es soll nun ein weiteres Beispiel betrachtet werden. Bei Berücksichtigung der Unsicherheit ergebe sich für unterschiedlich stark konjunkturabhängige Investitionen A und B folgendes Bild (Abbildung B 54) unter der Annahme dreier verschiedener Wirtschaftslagen. An dieser Stelle soll auch das Risiko der Investition berücksichtigt werden. Für die Berücksichtigung des Risikos existieren zahlreiche Maße. In der Entscheidungstheorie haben sich Streuungsmaße der Zielbeiträge, wie die Varianz (V2), etabliert. Danach ist das Risiko einer Investitionsalternative umso höher, je größer der Wert der Varianz bzw. Standardabweichung (V) ist.
87
Hax, Investitionstheorie, 1985, S. 134.
I. Investitionsrechnung
Erwartungswert von Investition A: EA = 400 · 0,2 + 500 · 6 + 600 · 0,2 = 500 Erwartungswert von Investition B: EB = 0 · 0,2 + 500 · 0,6 + 1.000 · 0,2 = 500 Eine Aussage über die Vorteilhaftigkeit aufgrund des Erwartungswerts kann in diesem Beispiel nicht gemacht werden. Abb. B 54: Beispiel für die Bayes-Regel und die damit verbundene Vernachlässigung der Risikoeinstellung
Die Entscheidungsregel lautet somit: Bei gleichem Erwartungswert sind bei Risikoaversion Investitionsalternativen mit niedrigen Standardabweichungen vorteilhafter als solche mit höheren Standardabweichungen (einfaches PV-Prinzip). Für das obige Beispiel ergeben sich folgende Werte:
Alternative A (400–500)2 · 0,2 (500–500)2 · 0,6 (600–500)2 · 0,2 V2A
Alternative B (0–500)2 · 0,2 (500–500)2 · 0,6 (1000–500)2 · 0,2 V2B
= 2.000 = 0 = 2.000 = 4.000
Standardabweichung V A
4.000
Standardabweichung V B
100.000
= 50.000 = 0 = 50.000 = 100.000
63,25 316,23
Alternative A ist vorteilhafter als B, weil sie ein geringeres Risiko aufweist. Diese Vorgehensweise erweitert die Bayes-Regel, indem nicht nur von der Gewinnerwartung ausgegangen wird, sondern auch von der Streuung V2 der Gewinne um ihren Erwartungswert, womit ein Risikomaßstab angegeben werden kann. Eine weitere Möglichkeit der Messung des Risikos besteht in der Ermittlung des Abweichungskoeffizienten A (Coefficient of Variation)
129
130
B. Management der Vermögensstruktur Hierbei werden die beiden Maßstäbe, Erwartungswert und Risiko, gemeinsam zur Beurteilung einer Investition herangezogen. Auf dieser Basis könnte die Entscheidungsregel lauten: Je kleiner der Abweichungskoeffizient ist, desto vorteilhafter ist das Investitionsprojekt. Auf obiges Beispiel bezogen ist nach dieser Regel Alternative A der Alternative B vorzuziehen:
Dieses Ergebnis ist selbstverständlich, da Alternative A und B den gleichen Erwartungswert aber unterschiedliche Standardabweichungen besitzen. Eine sinnvollere Anwendung des Abweichungskoeffizienten erweist sich bei dem Beispiel aus Abbildung B 53. Dort errechnet man für die Standardabweichungen VA = 9,54 sowie VB = 105 und für die Abweichungskoeffizienten AA = 0,74 sowie AB = 7. Während eine Entscheidung rein nach dem Erwartungswert Alternative B als vorteilhafter erachtet, würde ein Entscheider auf Grundlage des Abweichungskoeffizienten Alternative A vorziehen. Offensichtlich handelt es sich bei den Entscheidungsproblemen unter Unsicherheit im Rahmen der Investition um ein Abwägen zwischen (a) einem größeren Zahlungsüberschuss verbunden mit höherem Risiko oder (b) einem kleineren Zahlungsüberschuss mit niedrigerem Risiko. Dieses Abwägen kommt in der Präferenzfunktion zum Ausdruck. Sie gibt als klassisches Entscheidungsprinzip Auskunft darüber, welche Anzahl zusätzlicher Erfolgseinheiten der Investor für notwendig erachtet, um eine zusätzliche Risikoeinheit zu kompensieren. Als Risikopräferenzfunktion wird die Abhängigkeit des Risikonutzens vom Erwartungswert des Einkommens und vom Risiko bezeichnet.88 Ist der Risikonutzen ) nur abhängig von P, dem Erwartungswert der zufallsabhängigen Zielgröße x, und V, deren Streuung, so erhält man allgemein folgendes Präferenzfunktional: ) (x) = ) (P, V) (PV-Prinzip)
88
Vgl. Schneider, Investition und Finanzierung, 1980, S. 131 ff.
I. Investitionsrechnung
Abb. B 55: Indifferenzlinien einer Präferenzfunktion bei Risikofreude
In der Risikopräferenzfunktion hängt somit der Risikonutzen nicht von der vollen ursprünglichen Wahrscheinlichkeitsverteilung ab, sondern von den Ersatzgrößen Erwartungswert und Streuung. Alle „klassischen“ Entscheidungsprinzipien bei Risiko sind durch das gemeinsame Merkmal charakterisiert, dass der Wert ) (x) nicht von der gesamten Wahrscheinlichkeitsverteilung, sondern nur von einigen Verteilungsparametern abhängt.89 Beim PV-Prinzip sind dies die beiden ersten Verteilungsmomente Erwartungswert des Einkommens P und der Streuung V. Während nur ein PV-Prinzip existiert, gibt es je nach Festlegung der Präferenzfunktion ) eine Reihe von PV-Regeln, so insbesondere für Risikoaversion, Risikofreude und Risikoneutralität des Investors. Graphisch lassen sich Präferenzfunktionen für einen gegebenen Wert des Risikonutzens in Form von Risikoindifferenzkurven darstellen. Gelangt man bei konstantem P = P0 und wachsendem V zu Indifferenzlinien höherer Präferenz, dann liegt Risikofreude vor (Abbildung B 55). Ein risikofreudiger Investor bevorzugt bei festem Erwartungswert P0 unter verschiedenen Alternativen diejenige Alternative mit dem größten V (Alternative A4 in Abbildung B 55). Er schätzt also eine Alternative mit einer breiten Streuung der möglichen Zielwerte um den Erwartungswert höher ein als Alternativen, die eine kleinere Streuung aufweisen. Dies ist gleichbedeutend damit, dass er die Alternative mit hohen Gewinnchancen und Verlustrisiken anderen mit kleineren Werten (in Abbildung B 54 die Alternativen A1, A2 und A3) vorzieht. Kommt man bei konstantem P = P0 und sinkendem V zu Indifferenzlinien höherer Präferenz, so liegt risikoscheues Verhalten vor (Abbildung B 55). Im Gegensatz zum 89
Vgl. Bamberg, Coenenberg, Krapp, Betriebswirtschaftliche Entscheidungslehre, 2012, S. 100 ff.
131
132
B. Management der Vermögensstruktur risikofreudigen Investor schätzt der risikoscheue bei gleichem Erwartungswert eine Alternative mit einer geringen Streuung der möglichen Zielwerte um den Erwartungswert besser ein als solche mit breiterer Streuung. Es wird also die Alternative mit den im Vergleich zu den anderen Alternativen kleinsten Gewinnchancen bzw. Verlustrisiken vorgezogen (Alternative A1 in Abbildung B 56).
Abb. B 56: Indifferenzlinien einer Präferenzfunktion bei Risikoaversion
Risikoindifferentes Verhalten ist dadurch gekennzeichnet, dass der Investor verschiede-
ne Alternativen nur nach den jeweiligen Erwartungswerten beurteilt. Eine die Risikoindifferenz widerspiegelnde lineare Präferenzfunktion entspricht somit der Bayes-Regel, d. h. die Streuung der möglichen Zielwerte um den Erwartungswert als Ausdruck des Risikos der einzelnen Alternativen bleibt unberücksichtigt. Der risikoindifferente Investor zieht die Alternative mit dem höchsten Erwartungswert vor (in Abbildung B 57 Alternative A4).
I. Investitionsrechnung
Abb. B 57: Indifferenzlinien einer Präferenzfunktion bei Risikoindifferenz
bb) Bernoulli-Prinzip Das Bernoulli-Prinzip ist ein Entscheidungsgrundsatz, der, aufbauend auf der kardinalen Messbarkeit des Nutzens, die subjektive Einstellung des Entscheidenden zum Risiko berücksichtigt.90 Es handelt sich um ein sehr allgemeines Prinzip zur Auswahl von Entscheidungsalternativen mit unsicheren Ergebnissen, d. h. mit einer Wahrscheinlichkeitsverteilung möglicher Ergebnisse, die nun nicht mehr unbedingt messbare, quantifizierbare Größen sein müssen, sondern bei denen es sich auch um qualitativ definierte Ergebnisse handeln kann. Entscheidend ist, dass sich die Ergebnisse je einzeln über die zugrunde gelegte Nutzenfunktion in quantitative Nutzenwerte transformieren lassen. Bezogen auf die individuellen Nutzenfunktionen von Investoren bedeutet dies, dass jedem Zielwert (Z) ein bestimmter Nutzen (U) zugeordnet wird. Es gilt somit U = U (Z). Für den Entscheidenden kann eine persönliche Nutzenfunktion, die jedem Ergebnis Z einen Nutzen U zuordnet, aufgestellt werden. Alternativen mit größerem Erwartungswert der zugeordneten Nutzenwerte sind denen mit kleineren Werten vorzuziehen. Optimal ist nach der Bernoulli-Regel die Alternative, bei der die mathematische Erwartung des Nutzens ein Maximum erreicht. Bei der Risikonutzenfunktion hängt der Risikonutzen von den Gewinnchancen ab, während bei der Risikopräferenzfunktion der Risikonutzen vom Erwartungswert des 90
Vgl. Blohm, Lüder, Schaefer, Investition, 2012, S. 220 f.; Hax, Investitionstheorie, 1985, S. 134 f.; Hax, Entscheidungsmodelle, 1974, S. 58 f.
133
134
B. Management der Vermögensstruktur Gewinns und dem Risikomaß, z. B. der Varianz, abhängig ist. Bei den Risikonutzenfunktionen wird der Zielbeitrag einer jeden zukünftigen Alternative zunächst auf seinen Nutzenwert hin ausgewertet, während bei der Risikopräferenzfunktion die Wahrscheinlichkeitsverteilung jeder Alternative erst auf Ersatzgrößen (z. B. P und V) umgerechnet wird, ehe der Risikonutzen einer Alternative angegeben werden kann.91 Entschieden wird nach der Regel Max.
(Bernoulli-Prinzip)
1. Bei einer linearen Nutzenfunktion ist die Maximierung des Erwartungswertes des Nutzens gleichbedeutend mit der Maximierung des Erwartungswertes der Zielgröße. Unterstellt man den Fall, dass bei der Durchführung einer Investition mit einer Wahrscheinlichkeit von jeweils 0,5 ein Gewinn von G1 oder G2 erzielt werden kann, so ist der erwartete Nutzen 0,5 [U(G1) + U (G2)] gleich dem Nutzen des Erwartungswertes U [0,5 (G1 + G2)]. 2. Bei einer konvexen Nutzenfunktion ergibt sich folgende Situation:
Abb. B 58: Nutzenfunktion bei Risikofreude
Aus der Abbildung B 58 ist ersichtlich, dass im Falle von Risikofreude der erwartete Nutzen 0,5 [U (G1) + U (G2)]
91
Vgl. Schneider, Investition und Finanzierung, 1980, S. 131.
I. Investitionsrechnung größer ist als der Nutzen des Erwartungswertes U [0,5 (G1 + G2)]. Dies besagt nun, dass der Möglichkeit, mit einer Wahrscheinlichkeit von jeweils 0,5 ein Gewinn von G1 und G2 zu erzielen, der Vorzug gegeben wird vor dem sicheren Gewinn92 0,5 (G1 + G2).
Abb. B 59: Nutzenfunktion bei Risikoscheu
3. Unterstellt man risikoscheues Verhalten, so ergibt sich gerade das Gegenteil von Fall 2: Hier wird der sichere Gewinn der Möglichkeit vorgezogen, einen Gewinn von G1 oder G2 bei gleichem Erwartungswert zu erzielen, d. h., dass der erwartete Nutzen kleiner ist als der Nutzen des Erwartungswertes.93 Im Folgenden wird eine Nutzenfunktion vorausgesetzt, die hier als streng monoton wachsend (positiver Grenznutzen des Geldes) angenommen wird und für die das Bernoulli-Prinzip gilt. Damit lässt sich einer unsicheren Zahlung Z ein Erwartungsnutzen zuweisen: BU = E(U(Z)). Dabei stellt Z eine Zufallsvariable dar; E() ist der Erwartungswertoperator. Über die Umkehrfunktion lässt sich diesem wiederum ein Geldbetrag zuordnen, der auch als Sicherheitsäquivalent interpretiert werden kann.94 Dieser Betrag SA(Z)=U-1(E(U(Z))) 92 93
94
Vgl. Hax, Entscheidungsmodelle, 1974, S. 62. Vgl. auch die Ausführungen bei Blohm, Lüder, Schaefer, Investition, 2012, S. 222–224; Hax, Investitionstheorie, 1985, S. 135 ff.; Drukarczyk, Finanzierungstheorie, 1980, S. 129 ff., über quadratische und stufige Nutzenfunktionen. Vgl. Bamberg, Dorfleitner, Krapp, Unternehmensbewertung unter Unsicherheit, 2006.
135
136
B. Management der Vermögensstruktur entspricht der sicheren Zahlung, die einem Investor den identischen Nutzen bietet wie der unsichere Zahlungsstrom. SA ist hierbei eine deterministische Größe. Auf Basis des Sicherheitsäquivalents können nun Entscheidungen nach der Regel getroffen, bei der die Alternative mit dem höchsten Sicherheitsäquivalent ausgewählt wird. Bei Kenntnis der Bernoulli-Nutzenfunktion ist es möglich, für jede Alternative den Risikonutzen zu ermitteln. Die individuelle Risikoeinstellung des Investors kann durch eine für die relevanten Bereiche gültige Nutzenfunktion ausgedrückt werden. Bezeichnet man die Zahlungsüberschüsse bzw. die Zielwerte allgemein mit Z, so nimmt eine quadratische Nutzenfunktion für den Fall der Risikoscheu die Form U = –aZ2 + bZ – c an. Der Grenznutzen solchen risikoaversen Verhaltens widerspiegelnden Nutzenfunktionen ist fallend:
Legt man dem Beispiel in Abbildung B 54 (zum PV-Prinzip) die Nutzenfunktion
zugrunde, kann der Risikonutzen bzw. Bernoulli-Nutzen (BU) der beiden Alternativen wie folgt bestimmt werden: BU = w1 · U (Z1) + w2 · U(Z2) + w3 · U(Z3) + … + wn · U(Zn). Für Alternative A gilt dann:
Für Alternative B erhält man durch analoges Vorgehen: BUB = 325. Der risikoscheue Investor wird also Alternative A gegenüber Alternative B vorziehen. Bei der Anwendung des Bernoulli-Prinzips – und damit auch des PV-Prinzips – werden drei Grundannahmen an die Präferenzrelation getroffen, die rationale Entscheidungen unter Unsicherheit ermöglichen:95 1. Das Rangordnungsprinzip
Der Entscheidende muss in der Lage sein, einzelne Zukunftslagen einer Handlungsalternative im Hinblick auf Sachziel (z. B. Einkommensstreben) und Sicherheitsstreben zu vergleichen und widerspruchsfreie Präferenzordnungen aufzustellen, wobei die Rangordnung durchgehend sein muss.
95
Vgl. Bamberg, Coenenberg, Krapp: Entscheidungslehre, 2012, S. 87 ff. Schneider verlangt zusätzlich zwei weitere Axiome. Vgl. Schneider, Entscheidung unter Ungewissheit, 1973, S. 292 f.
I. Investitionsrechnung 2. Das Stetigkeitsprinzip
Dieses Prinzip verlangt, dass für jede Wahrscheinlichkeitsverteilung aus zwei alternativen Zukunftslagen ein Umrechnungswert (Sicherheitsäquivalent) existiert, der die zwei unsicheren Einkommenschancen in eine einzige sichere Einkommenshöhe umwandelt. Nicht gefordert wird die Angabe des Sicherheitsäquivalents für beliebig große Wahrscheinlichkeitsverteilungen, da dies die Lösung des Entscheidungsproblems zugunsten der Alternative mit dem höchsten Sicherheitsäquivalent bereits vorwegnehmen würde und eine derartige Forderung praktisch auch nicht erfüllbar wäre. 3. Das Unabhängigkeits- oder Substitutionsprinzip
Die Rangordnung der Handlungsmöglichkeiten darf sich durch das Hinzutreten oder Wegfallen einer alternativen Zukunftslage, mit gleichem Zielbeitrag und gleicher Glaubwürdigkeit für jede Alternative, nicht ändern. Das Unabhängigkeitsprinzip fordert vom Entscheidenden ein Denken in strengen Alternativen, d. h. in sich ausschließenden Zukunftslagen. Kombinationen von sich ausschließenden Ereignissen stellen einen Verstoß gegen das Unabhängigkeitsprinzip dar. Die Bernoulli-Funktion U(G), die der Entscheidungsträger individuell festlegt, wird implizit von zwei Kriterien bestimmt. Zum einen wird die Höhe des Geldbetrags, auf den sich die Entscheidung bezieht, von Interesse sein, während zum anderen jeder Mensch eine unterschiedliche Einstellung zum Risiko, also eine Risikopräferenz, haben wird. Der erstgenannte Faktor, der die Nutzenvorstellung gegenüber sicheren (Geld-)96Ergebnissen ausdrückt, wird Höhenpräferenz H(G) oder volkswirtschaftlich Geldnutzen genannt.97 Bitz und Rogusch haben diesen Sachverhalt, bei dem der Entscheidungsträger unbewusst erst die möglichen Ergebnisse mit H(G) und nachfolgend mit der Risikopräferenz R[H(G)] bewertet, graphisch so dargestellt wie in Abbildung B 60.98 Über die Aussagekraft der Bernoulli-Funktion wird seit 1975 intensiv diskutiert. Kritiker99 versuchen zu beweisen, dass die Risikopräferenzfunktion linear sein müsse, womit dann die Nutzenfunktion nur für eine Klasse von risikoneutral eingestellten Entscheidungsträgern repräsentativ wäre.100 Die Verteidiger101 des Bernoulli-Prinzips betonen dagegen die Allgemeingültigkeit des Verfahrens.
96
Im Allgemeinen geht man davon aus, dass die Ergebnisse, die mit dem Bernoulli-Kriterium bewertet werden, Geldbeträge sind. 97 Vgl. Bitz, Rogusch, Risiko-Nutzen, 1976, S. 856 f. 98 Vgl. Bitz, Rogusch, Risiko-Nutzen, 1976, S. 857. 99 Vgl. die Beiträge von Leber, Entscheidungskriterien, 1975; Jacob, Leber, Bernoulli-Prinzip, 1976; dieselben, Ergänzung, 1978; Jacob, Anmerkungen, 1978; Hieronimus, Einbeziehung, 1979; Schildbach, Ewert, Bemerkungen, 1983; dieselben, Bernoulli-Prinzip, 1984; dieselben, Gegenposition, 1984; Kruse, Kardinalität und Aufspaltung 1997; Bitz, Bernoulliprinzip, 1997; Schildbach, Bernoulliprinzip, 1999; Bitz, Bernoulliprinzip, 1999. 100 Es sei darauf hingewiesen, dass der Begriff Risikoscheu bzw. -freude im Gegensatz zu oben nicht auf U(G) sondern auf R(G) bezogen wird. 101 Vgl. Coenenberg, Kleine-Doepke, Risikopräferenz, 1975; Krelle, Bemerkungen, 1976; Bitz, Rogusch, Risiko-Nutzen, 1976; Wilhelm, Bernoulli-Prinzip, 1977; Krelle, Replik, 1978; ders., Erwiderung, 1978; Albrecht, Bernoulli-Prinzip, 1982; ders., Erwiderung, 1983; Vetschera, Bernoulli-Prinzip, 1984; Albrecht, Risikopräferenzen, 1984; Bitz, Diskussion, 1984; Wilhelm, Ende, 1985; Bamberg, Coenenberg, Krapp: Betriebswirtschaftliche Entscheidungslehre, 2012.
137
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B. Management der Vermögensstruktur
Abb. B 60: Die Bernoulli-Funktion als Resultierende aus Höhen- und Risikopräferenz
Der Grundgedanke, der den weitaus detaillierteren Kritiken zugrunde liegt, ist relativ einfach. Mit der Höhenpräferenz bewertet der Entscheidungsträger sichere Geldbeträge. Die Nutzenfunktion dagegen berücksichtigt unsichere Ergebnisse. Andererseits ist die Sicherheit ein Grenzfall unsicherer Erwartungen, bei dem einem Zustand die Wahrscheinlichkeit 1 und allen anderen die von 0 zugeordnet wird. Aus diesem Grund müssen die Höhenpräferenz und die Nutzenfunktion bei Sicherheit zu gleichen Entscheidungen führen. Das aber ist nur gewährleistet, wenn die Bernoulli-Funktion als lineare Transformation aus der Geldnutzenfunktion hervorgeht oder deutlicher, wenn R(G) Risikoneutralität ausdrückt. Die Befürworter einer freien Wahl der Risikopräferenz entgegnen darauf u. a., dass der Sinn des Bernoulli-Prinzips in der Bewertung und Reihung von Alternativen bestehe und dass hierzu eine ordinale Messung ausreiche. Folgt man dieser Interpretationsweise, so muss die Risikopräferenzfunktion lediglich eine monoton steigende Funktion sein und kann daher jede Einstellung zum Risiko ausdrücken. Letztere Auffassung scheint sich dabei in der Literatur durchzusetzen. Neben diesem grundlegenden Streit um die Allgemeingültigkeit ist an der Konzeption des Bernoulli-Prinzips weitere Kritik zu üben.
I. Investitionsrechnung Die Berücksichtigung des Risikos erfolgt bei den genannten Verfahren im Rahmen der Investitionsrechnung durch Risikonutzenfunktionen des Investors, wobei der Nutzen zahlenmäßig festzulegen ist. Eine Quantifizierung des Nutzens ist aber in der Praxis häufig nicht möglich. Wird dennoch ein Weg gefunden, kann die Risikopräferenz niemals allgemein gültig festgelegt werden, da die Risikoneigung zum einen von der Situation des Unternehmens, verbunden mit den jeweiligen Umweltbedingungen, und zum anderen von der Art der Investition, also von den einzelnen Handlungsmöglichkeiten, abhängig ist, die ihrerseits die psychische Einstellung zum Risiko mitbestimmen. Die Unabhängigkeit der Risikoneigung des Investors von den verschiedenen Handlungsmöglichkeiten und den sie begrenzenden Umweltbedingungen – eine Voraussetzung sämtlicher Entscheidungsregeln – ist also i. d. R. nicht gegeben.102 Die, abgesehen von dem Ableiten aus früheren Entscheidungen, zur Nutzenquantifizierung prinzipiell denkbaren Methoden, wie Befragung, Introspektion oder Entscheidungsspiele, sind zumindest insoweit fraglich, als nicht sichergestellt ist, dass ein Investor seine für einen hypothetischen Fall erfragte Risikoneigung auch für reale Investitionsentscheidungen beibehält. Somit scheint eine Investitionsentscheidung unter Unsicherheit auf Basis des Bernoullinutzens nur schwer möglich, eine Delegation der Investitionsentscheidung an Dritte fast nicht durchführbar und eine Aggregation des Bernoullinutzen bei Investitionsprojekten mit verschiedenen Teilnehmern, wie etwa bei Investitionen einer Aktiengesellschaft unmöglich. Einen Ausweg aus diesem Dilemma bietet wieder der Kapitalmarkt.
cc) (Semi-)Subjektive Investitionsbewertung Aus den Überlegungen zu streng monoton wachsenden Risikonutzenfunktionen lassen sich dann Überlegungen zur Bewertung von Investitionen ableiten. Diese Überlegungen kombinieren eine zahlungsbasierte Sichtweise in Anlehnung an die Vorgehensweise zur Fisher-Separation mit individuellen Risikonutzenfunktionen. Deswegen werden sie in der Literatur gerne auch als semisubjektive, teilweise auch als semiobjektive Verfahren bezeichnet.103 Dies unterscheidet die Verfahren von typischen subjektiven Bewertungsverfahren, wie sie im Abschnitt C III 2 a bb als Gewinnkapitalisierungsmodell dargestellt sind. Aus der dargestellten Risikonutzentheorie folgt in natürliche Weise die Bewertung von Zahlungsströmen unter Unsicherheit. Gemäß Definition stellt eine Investition einen Zahlungsstrom dar, sodass auf diese Weise Investitionen bewertet werden können. Dabei ist die Ausgestaltung der Nutzenfunktion für die Höhe und Ableitung des Ergebnisses entscheidend. In der allgemeinsten Form unterstellt man eine multiattributive Nutzenfunktion die den gesamten Zahlungsstrom umfasst.104 U(Z0, Z1, Z2,… Zn) Ergibt sich eine Nutzensteigerung gegenüber Null oder einem alternativen Zahlungsstrom, so ist die Investition zu tätigen. Dazu ist es nötig, dass der Nutzen des Zahlungs-
102
Vgl. Schneider, Gewinnbesteuerung, 1977, S. 665. Vgl. Kruschwitz, Löffler, Semi-subjektive Bewertung, 2003; Kürsten, Unternehmensbewertung unter Unsicherheit. 2002; Schwetzler, Unternehmensbewertung unter Unsicherheit, 2000. 104 Vgl. Dorfleitner, Krapp, On Multiattributive Risk Aversions, 2007. 103
139
140
B. Management der Vermögensstruktur stroms inklusive des Anfangsvermögens mit dem Nutzen des Anfangsvermögens V0 alleine verglichen wird: BU(V0 + Z0, Z1, Z2, …, Zn) U(V0, 0, …, 0). Hierbei ist zu beachten, dass Z0 bei einer Investition per definitionem negativ ist. Nach Anwendung der Umkehrfunktion folgt für das Anfangsvermögen105 U–1(BU(V0 + Z0, Z1, Z2, …, Zn)) V0. Man sieht an dieser Formulierung, dass neben dem Zahlungsstrom der Investition auch der aktuelle Vermögensstand die Vorteilhaftigkeit einer Investition beeinflusst. Insgesamt stellt dies ein sehr allgemeines Konzept dar, in dem nur mit großem Aufwand Aussagen über die Vorteilhaftigkeit von Investitionen getroffen werden können. Den Aufwand verursacht die Bestimmung der multiattributiven Nutzenfunktion, die einer Nutzenbestimmung des kompletten Zahlungsstroms bedarf. Ausgehend von der sehr allgemeinen Formulierung kann man Spezialfälle ableiten, welche einfache Schlüsse erlauben. Handelt es sich eine einperiodige Investition, lässt sich sofort der Nutzen dieser als BU(Z0, Z1) darstellen. Setzt man ferner keine Abhängigkeit vom Anfangsvermögen BU(Z0 + V0, Z1) = U(V0) + BU(Z0,Z1) voraus, so kann man die Nutzenfunktion auf BU(Z0, Z1) = U(Z0) + BU(Z1) modifizieren, wobei der erste Summand, die Zahlung im Investitionszeitpunkt, deterministisch ist. Der zweite Nutzen stellt dagegen eine Zufallsvariable dar. Geht man etwa von einer linearen Nutzenfunktion aus, ergibt sich daraus BU(Z0, Z1) = a0 + b0Z0 + a1 + b1E(Z1) und damit das klassische Erwartungswertprinzip: Danach ist die Investition zu tätigen, falls a0 + b0Z0 + a1 + b1E(Z1) > 0 und –Z0 < a + bE(Z1) gilt. Für a0 = a1 und b0 = 1 und b1
1 1 i
als Diskontfaktor ergibt dies Z0
E(Z1 ) 1 i
SA(Z1 ) , 1 i
was letztendlich zu der folgenden einfachen Aussage führt: Ist der Barwert des Erwartungswerts der Zahlungen größer als die Auszahlung, lohnt sich die Investition. Da hier der Vergleich mit einer sicheren Zahlung im Ausgangszeitpunkt erfolgt, kann die stochastische Zahlung auch als Sicherheitsäquivalent geschrieben werden. Allerdings
105
Vgl. Bamberg, Dorfleitner, Krapp, Unternehmensbewertung unter Unsicherheit, 2006.
I. Investitionsrechnung ist aufgrund der Risikoneutralität, die diese lineare Nutzenfunktion beinhaltet, die Aussage trivial. Das Sicherheitsäquivalent entspricht hier dem Erwartungswert. Das ändert sich, wenn man einen risikoscheuen Investor betrachtet, was etwa durch eine konkave Nutzenfunktion modelliert werden kann. Nach Einführung etwa einer quadratischen Nutzenfunktion, die der Bedingung c1 0, da nur dann ein höheres systematisches Risiko, gemessen durch bi, zu einer höheren Durchschnittsrendite Ri führt. Bei der dritten Hypothese ist allerdings zu beachten, dass sich auch negative Werte von J2 einstellen können, ohne dass dies unmittelbar den Aussagegehalt des CAPM tangiert. Ex ante werden von den Investoren zwar Risikoprämien entsprechend des CAPM erwartet, die sich aber durchaus nicht immer in Höhe der Erwartungen einstellen müssen. In der Ex-post-Form des CAPM kann sich daher auch eine negative Steigung realisieren, was bedeutet, dass der Sicherheitszinsfuß im Untersuchungszeitraum über den Renditen für risikobehaftete Kapitalanlagen lag. Die Ermittlung eines J2 0. Ihre gemessene Höhe ist allerdings durchschnittlich kleiner als die Differenz zwischen Rendite des Marktportefeuilles und Rendite der risikolosen Anlage (R m – Rf). Dies würde bedeuten, dass Wertpapiere mit niedrigem Beta eine höhere Rendite und Wertpapiere mit hohem Beta eine niedrigere Rendite erbringen, als es das CAPM postuliert. Die empirischen Tests sind allerdings mit sehr großer Vorsicht zu interpretieren, da nicht alle Modellaussagen des CAPM tatsächlich selbständig testbar sind. So hat insbesondere Roll in seiner Kritik darauf hingewiesen, dass bei empirischen Tests nicht das wirkliche Marktportefeuille Verwendung findet, sondern dieses stets durch Teilportefeuilles substituiert wird.148 Das risikoeffiziente Marktportefeuille dagegen kann empirisch nicht bestimmt werden, denn es müsste alle Vermögenspositionen der Anleger beinhalten, also auch Kapitalanlagen (wie z. B. Haus- und Grundbesitz, Anteile an Personengesellschaften und GmbHs u. a.), die nicht an Wertpapierbörsen gehandelt werden. Bei einem ex post risikoineffizienten Teilmarktportefeuille kommt dem Test146
Vgl. Black, Jensen, Scholes, Capital Asset Pricing Model, 1972; Miller, Scholes, Rates of Return, 1972; Fama, Macbeth, Risk, 1973; Fama, French, Expected Stock Returns, 1992. 147 Vgl. Guy, Equity Securities, 1977; Warfsmann, Capital Asset Pricing Model, 1993. 148 Vgl. Roll, Asset Pricing, 1977.
IV. Wertpapierprogrammentscheidungen ergebnis kein genereller Aussagegehalt zu, da unterschiedlich abgegrenzte, ebenfalls nichteffiziente Teilmarktportefeuilles, zu völlig anderen und divergierenden Ergebnissen führen können.149 Ist dagegen das dem Test zugrunde liegende Teilmarktportefeuille risikoeffizient, so liegen die Renditen sämtlicher Wertpapiere aus diesem Teilmarktportefeuille auf der Wertpapierlinie, da Beta jeweils in Relation zum ausgewählten Marktportefeuille gemessen wird. Zu jedem Portefeuille, das auf der Effizienzlinie liegt, kann ein Zero-BetaPortefeuille gefunden und unter Verwendung von E(R z) als Achsenabschnitt (Intercept) eine lineare Wertpapierlinie konstruiert werden.150 Die Linearität der Wertpapierlinie entzieht sich damit der empirischen Überprüfung. Nach Ansicht von Roll kann beim CAPM selbständig nur getestet werden, ob das Marktportefeuille risikoeffizient im Sinne der PV-Regel ist oder nicht, wobei das vollständige Marktportefeuille mit nichtbörsengängigen Kapitalanlagen allerdings empirisch nicht erfasst werden kann. Offen ist der Zusammenhang zwischen Informationseffizienz und Gültigkeit des CAPM. Folgt man der Theorie effizienter Märkte, müssen sämtliche Informationen im Preisen enthalten sein. Trotzdem kann das CAPM ungültig sein, was schon auf Roll zurückgeht. Daraus lässt sich aber ein indirekter Test des CAPM herleiten. Ausgangspunkt der Idee ist die Überlegung, dass professionell gemanagte Portefeuilles nahezu informationseffizient sind. Davon ist auszugehen, da diese viel Zeit und Mühen mit der Auswahl der Wertpapiere verbringen. Gelingt es den Portfoliomanagern nicht systematisch das Marktportefeuille zu schlagen, ist dies ein Indiz für die Gültigkeit des CAPM. Dabei ist die Güte der Approximation des Marktportefeuilles nur insoweit von Bedeutung als Portfoliomanager den Markt schlagen. Ist dies der Fall kann entweder das CAPM verworfen werden oder die Approximation ist nicht ausreichend. Alles in allem bedeutet dies, dass die Mühe der Portfoliomanager vergeben ist. In der Empirie ist das Ergebnis eindeutig. Eine der ersten Studien stammt hierbei von Sharpe.151 Er verglich die Performance von 34 Investmentfonds über zehn Jahre mit der des Dow-Jones Industrial Portefeuille. Nur eine Minorität schaffte das Alternativportefeuille zu schlagen, obwohl der Dow-Jones Industrial weit entfernt von einem Marktportefeuille liegt. Das gleiche Ergebnis bestätigten auch noch weitere Studien.152 Ähnliche Resultate zeigten auch aktuelle Studien.153 Diese Ergebnisse fallen relativ deutlich aus, obwohl einige der Studien mehreren Verzerrungen unterlagen.154 So unterliegen die Studien einem Survivorbias, da nur Fonds betrachtet wurden, die auch am Ende der Beobachtungsperiode existierten. Fonds die geschlossen wurden und damit tendenziell eher eine schlechtere Performance ablieferten, wurden in den Studien nicht berücksichtigt. Dies zeigt die Stärke dieser empirischen Belege dafür, dass das CAPM Gültigkeit besitzt.
149
Vgl. Steiner, Kleeberg, Indexauswahl, 1991. Für ineffiziente Portefeuilles ist die Linearität aber nicht gegeben. Vgl. Haugen, Modern Investment Theory, 2001, S. 75 ff. 151 Vgl. Sharpe, Mutual Fund Performance, 1966. 152 Vgl. McDonald, Performance of Mutual Funds, 1974. 153 Vgl. Kusowski, Timmermann, Wermers, White Mutual Fund, 2006. 154 Vgl. Brown, Goetzmann, Ibbotson, Ross, Survivorship, 1992. 150
317
318
C. Wertpapiergeschäfte
f) Die Arbitrage Pricing Theory aa) Modellannahmen Ein zum CAPM alternativer Ansatz zur Erklärung erwarteter Aktienrenditen ist die von Ross155 entwickelte Arbitrage Pricing Theory (APT). Dieses Bewertungsmodell führt unterschiedlich hohe erwartete Aktienrenditen auf den Einfluss mehrerer, explizit ausgewiesener Risikofaktoren zurück. Hierzu zählen makro- und mikroökonomische Faktoren. Die Bewertungsrelevanz solcher Unsicherheitsfaktoren ist auch mit dem CAPM vereinbar. Während jedoch im CAPM sämtliche Unsicherheitsfaktoren in eine einzige Risikokennzahl – den Betafaktor – integriert werden, ermöglicht die APT eine mehrdimensionale Analyse der Risikoquellen. Im Hinblick auf die Portefeuillestrukturierung hat die mit der APT angestrebte Auffächerung des insgesamt relevanten Risikos den Vorteil, dass das Risikoprofil eines Portefeuilles gezielt den Anlegerpräferenzen entsprechend gestaltet werden kann. Ausgangspunkt der ursprünglichen APT-Ableitung ist die als Faktormodellannahme bezeichnete Prämisse, dass die Entstehung der Wertpapierrenditen durch ein lineares Mehrfaktorenmodell beschrieben werden kann. Faktormodelle basieren auf keiner eigenständigen Theorie, sondern stützen sich auf die empirische Beobachtung, dass sich Aktienkurse oft parallel bewegen. Formal wird folgender Zusammenhang unterstellt: Ri = E(Ri) + bi1F1 + bi2F2 + … + biKFK + Hi mit: Ri E (Ri) Fk bik Hi K
(2)
= = = =
Rendite des Wertpapiers i in der Betrachtungsperiode, Erwartete Rendite des Wertpapiers i zu Beginn der Periode unerwartete Komponente der Ausprägung des Faktors k (Zufallsvariable), Sensitivität der Rendite des Wertpapiers i gegenüber Ausprägungen des Faktors k, = wertpapierspezifische Störgröße, = Anzahl der Faktoren,
wobei E(Fk) = 0, E(Hi) = 0, Cov(Hi,Fk) = 0, Cov(Hi,Hj) = 0 ≠ i ≠ j.
(2.1) (2.2) (2.3) (2.4)
Abweichungen der tatsächlichen Wertpapierrendite von der ex ante erwarteten Rendite werden diesem Modell zufolge somit zum einen durch K globale, gesamtmarktbezogene Risikofaktoren, zum anderen durch wertpapierspezifische Ereignisse, die sich in der Störgröße Hi niederschlagen, verursacht. Die relative Bedeutung der Risikofaktoren und das Gewicht ihres Renditeeinflusses sind bei allen Unternehmen unterschiedlich, woraus im Modell wertpapierspezifische Faktorsensitivitäten bik resultieren. Durch Bedingung (2.1) werden die erwarteten Faktorausprägungen ohne Einschränkung der Allgemeingültigkeit des Modells auf den Wert Null standardisiert, sodass Fk≠0 die unerwartete Komponente des realisierten Faktorwertes darstellt. Nur solche 155
Vgl. Ross, Arbitrage Theory, 1976; Ross, Risk, Return and Arbitrage, 1977. Für einen Überblick über den Entwicklungsstand der APT und ihre z. T. sehr heterogenen Varianten vgl. Lockert, Arbitrage Pricing Theory, 1998.
IV. Wertpapierprogrammentscheidungen
319
unerwarteten Änderungen der Faktoren können auf einem informationseffizienten Kapitalmarkt Renditeschwankungen hervorrufen. Die wichtige Annahme (2.4) betrifft den stochastischen Zusammenhang zwischen den Störtermen der Renditen verschiedener Wertpapiere. Diese müssen untereinander unkorreliert sein, damit gewährleistet ist, dass gemeinsame Renditebewegungen vollständig durch die K Faktoren erklärbar sind. Die zweite grundlegende Prämisse der APT ist die Arbitragefreiheitsannahme. Arbitragefreiheit bedeutet, dass sich durch Wertpapiertransaktionen, die per Saldo keinen Kapitaleinsatz erfordern und durch die der Investor weder ein systematisches noch ein unsystematisches Risiko eingeht, keine positive Rendite erzielen lässt. Im Rahmen der APT wird unterstellt, dass Arbitrageprozesse reibungslos verlaufen, da von Transaktionskosten abstrahiert wird. Mit anderen Worten heißt dies, dass eine Abweichung von der durch die Faktoren vorgegebenen Rendite eines Wertpapiers, sofort zu Anpassungsprozesen führt. Hat ein Wertpapier i etwa eine zu niedrigere erwartete Rendite, wird es verkauft und gleichzeitig ein Portefeuille aus anderen Wertpapieren gekauft, das die gleichen Faktoren mit den gleichen Gewichten wie i aufweist. Dieses Portefeuille erzielt aber eine höhere durch die Faktoren vorgegenene Rendite als i. Den Kauf des Portefeuilles finanziert der Verkauf von i, sodass trotz keinem oder negativem Kapitaleinsatz das Portefeuille in Kombination mit Wertpapier i eine positive Rendite garantiert, was nach Definition eine Arbitragemöglichkeit darstellt. Weil diese systematisch ausgenutzt wird, fällt im Allgemeinen156 der Kurs von Wertpapier i bis es die durch die Faktoren vorgegebene Rendite erreicht wird. Um diese Transaktionen durchführen zu können, ist es notwendig, dass die Besteuerung keine verzerrende Auswirkung auf die Transaktionen hat und Leerverkäufe unbeschränkt möglich sind. Die Prämissen der APT sind in mancher Hinsicht weniger restriktiv als die Modellannahmen des CAPM. So kann insbesondere auf die im CAPM zur Anwendung der PV-Entscheidungsregel erforderliche Annahme, dass die Wertpapierrenditen normalverteilt sind oder die Investoren eine quadratische Nutzenfunktion besitzen, verzichtet werden. An die Stelle konkreter Annahmen über die Renditeverteilung bzw. das Anlegerverhalten treten jedoch in der APT genaue Vorgaben zum Renditegenerierungsprozess, die den Gültigkeitsbereich dieses Modells einschränken, zur Herleitung des CAPM aber nicht benötigt werden. Beide Modelle beruhen somit im Ergebnis auf unterschiedlich konzipierten Annahmenkonstellationen.157
bb) Herleitung der Bewertungsgleichung Sei P ein Arbitrageportefeuille aus n Wertpapieren und wi die Veränderung des in die Aktie i investierten Geldvermögens als prozentualer Anteil des Gesamtvermögens. Zur Bildung eines Arbitrageportefeuille wird verlangt, dass sich erstens die Vermögensposition des Investors nicht ändert, d. h. (3)
156
Eventuell ist auch eine Veränderung des Portefeuilles und damit Anpassung der Faktoren denkbar. 157 Hierbei ist noch anzumerken, dass das intertemporale CAPM wie das Multi-Beta-CAPM im Sinne von als Mehrfaktorenmodellen interpretiert werden können. Vgl. Fama, Multifactor Portfolio Efficiency, 1996.
320
C. Wertpapiergeschäfte gilt und zweitens sowohl das systematische als auch unsystematische Risiko eliminiert wird. Dies wird durch die folgenden drei Bedingungen sichergestellt: 1. Die Veränderungen sind so zu wählen, dass für jeden Faktor k die gewichtete Summe mit den systematischen Risikokomponenten bk Null ergibt, d. h. (4) 2. Die Veränderung des Geldvermögens ist sehr klein, d. h. (5.1) 3. Eine Diversifikation erfolgt über eine große Zahl an Assets, d. h. n ist sehr groß n o 100
(5.2)
Um gemäß (3) ein Arbitrageportefeuille mit einem Anfangswert von Null bilden zu können, muss entweder unterstellt werden, dass Leerverkäufe von Aktien durchgeführt werden oder dass ausgehend von einem bestehenden Portefeuille der Erwerb zusätzlicher Wertpapiere vollständig durch Verkäufe aus dem Wertpapierbestand finanziert wird. Die relativen Anteile wi sind so zu wählen, dass die Sensitivität der Rendite des Arbitrageportefeuilles gegenüber Ausprägungen aller Risikofaktoren Null beträgt (Gleichung (4). Weiterhin wird gefordert, dass ein Arbitrageportefeuille sehr gut diversifiziert ist, sodass das unsystematische Risiko vernachlässigbar klein wird (Gleichungen (5.1) und (5.2). Unter den Voraussetzungen (2) bis (5.2) berechnet sich eine konstante Rendite für das Arbitrageportefeuille in Höhe der mit den Anteilswerten wi gewichteten Summe der erwarteten Aktienrenditen.
[vgl. (2)] [vgl. (4) und (5.1)] Im Arbitragegleichgewicht sind positive Renditen eines Arbitrageportefeuilles ausgeschlossen, da sich andernfalls ohne Kapitaleinsatz risikolose Gewinne erzielen ließen. Daher gilt: (6) Die Ähnlichkeit in der Struktur der Gleichungen (4) und (6) lässt einen funktionalen Zusammenhang zwischen den erwarteten Wertpapierrenditen und den Faktorsensitivitäten im Arbitragegleichgewicht vermuten. Tatsächlich kann unter Zuhilfenahme eines Satzes der linearen Algebra158 die folgende APT-Bewertungsgleichung hergeleitet werden: 158
Dieser Satz besagt: Wenn aus den Bedingungen (3) und (4) stets auch die Gültigkeit der Gleichung (6) folgt, so gibt es K + 1 Koeffizienten l0, l1, …, lK, die die Gleichung (7) erfüllen.
IV. Wertpapierprogrammentscheidungen E(Ri) = O0 + O1bi1 + … + OKbiK
321 (7)
Die erwartete Rendite eines Wertpapiers setzt sich somit zusammen aus einem konstanten Teil O0 und der Linearkombination der Faktorsensitivitäten bik mit den faktorbezogenen Risikoprämien Ok. Existiert eine risikolose Anlagemöglichkeit F, so muss die Konstante O0 aus Arbitrageüberlegungen heraus der risikolosen Rendite Rf entsprechen, da sämtliche Faktorsensitivitäten bi den Wert Null annehmen. Der Koeffizient Ok entspricht der Risikoprämie eines Portefeuilles, dessen Rendite Rpk bezüglich des Faktors k eine Sensitivität von eins aufweist und von möglichen Bewegungen aller anderen Faktoren nicht beeinflusst wird. Aus (7) folgt unter Berücksichtigung dieser Zusammenhänge: (8) In ihrer Originalversion ist die APT von Ross ein approximatives Bewertungsmodell, d. h. (7) bzw. (8) gelten nur näherungsweise.
cc) Identifikation der relevanten Faktoren Die Identifikation und Quantifizierung der relevanten Faktoren ist für die Herleitung der Bewertungsgleichung nicht zwingend erforderlich, sodass von der Theorie diesbezüglich auch keinerlei Aussagen getroffen werden. Ökonomisch ist die Ermittlung dieser Renditedeterminanten dagegen von höchstem Interesse und von entscheidender Bedeutung für die Anwendung des Modells, wie etwa im Rahmen der PerformanceMessung von Wertpapierportefeuilles. Im Gegensatz zum CAPM wo der Haupteinflussfaktor in Gestalt des Marktportefeuilles von der Theorie explizit vorgegeben wird, müssen die Faktoren der APT empirisch ermittelt werden. Hierfür finden zwei Verfahren Anwendung. Zum einen lassen sich die erklärenden Faktoren über das Verfahren der Faktorenanalyse aus der Datenmatrix der Aktienkursveränderungen ermitteln159. Allerdings sind die so ermittelten Faktoren nicht unbedingt ökonomisch interpretierbar. Zum anderen ist es möglich, die durch solche faktoranalytischen Methoden ermittelten Einflussfaktoren durch die Vorgabe verschiedener, ökonomisch sinnvoller Variablen (Vorabspezifikation) zu approximieren.160 Allerdings existiert keine Theorie, aus der sich die zu berücksichtigenden Faktoren eindeutig ableiten ließen. Die empirische Überprüfung der APT am deutschen Aktienmarkt ergibt ein heterogenes Bild.161 Unter zahlreichen Faktorspezifikationen, die in der Vergangenheit getestet wurden, erwies sich eine Spezifikation in einigen empirischen Untersuchungen als signifikant. Diese Spezifikation wird dabei einer Vielzahl empirischer Untersuchungen zu Grunde gelegt, welche selbst ganz andere Untersuchungsziele verfolgen. Ausgangspunkt der Spezifikation sind drei Strategien, die in der Vergangenheit positive Überrenditen generieren konnten:
159 160 161
Vgl. Roll, Ross, APT, 1980. Vgl. Chen, Roll, Ross, Economic Forces, 1986. Vgl. Sauer, Faktormodelle, 1994; Nowak, Faktormodelle, 1994; Lockert, Risikofaktoren, 1996.
322
C. Wertpapiergeschäfte 1. Marktkapitalisierung (Kleinfirmeneffekt): Ausgangpunkt der Überlegungen zur Marktkapitalisierung bildet eine Untersuchung von Fama und French aus den 90-zigern.162 Fama und French teilten ihre Datenbasis in 10 Größenklassen ein. Die Größenklassen hatten dabei die gleiche Anzahl an Firmen und wurden an Hand der Marktkapitalisierung gebildet. Aus den zehn Größenklassen wurden Portefeuilles gebildet, die im jährlichen Turnus um etwaige Aufsteiger und Absteiger in den Größenklassen korrigiert wurden. Als Ergebnis zeigte sich zum einen, dass die Portefeuilles aus kleinen Unternehmen ein höheres Beta als Portefeuilles aus großen Firmen aufwiesen. Zum anderen wurde auch die monatliche Rendite der Portefeuilles mit den nach der Wertpapierlinie zu erwartenden Renditen verglichen. Hierbei hatten die Portefeuilles aus kleinen Firmen auch höhere realisierte Renditen. Zudem waren diese auch höher als die durch die Wertpapierlinie prognostizierte. Für Portefeuilles aus großen Firmen dagegen lagen die Renditen teilweise unterhalb der durch die Wertpapierlinie vorgegebenen. 2. Buchwert-Marktwert (Buchwert-Marktwert-Effekt): Auch bei dieser Strategie wird der Datensatz in Klassen eingeteilt, woraus Portefeuilles zusammengestellt und jährlich angepasst werden. Hier sind die Klassen aber nach dem Verhältnis von Buchwert der Firma zu ihrer Marktkapitalisierung zu bilden. Der Buchwert wird dabei der Bilanz entnommen, wohingegen die Marktkapitalisierung dem Produkt aus Börsenkurs und Aktienanzahl entspricht. Aktien, die ein niedriges Buchwert-Marktwert-Verhältnis aufweisen, handeln deutlich über ihrem bilanziellen Wert und sind damit mit großen Wachstumshoffnungen ausgestattet. Das Gegenteil ist für Aktien mit hohem Buchwert-Marktwert-Verhältnis der Fall. Bei einer Analyse der Portefeuilles zeigt sich nun, dass Portefeuilles mit niedrigem Buchwert-Marktwert-Verhältnis, Portefeuilles aus Wachstumsaktien, tendenziell weniger Rendite erwirtschaften als durch die Wertpapierlinie vorgegeben. Das Gegenteil ist für Portefeuilles mit hohem Buchwert-Marktwert-Verhältnis, Portefeuilles mit Value-Stocks, der Fall. 3. Momentum (Momentumeffekt): Ausgangspunkt der folgenden Überlegungen bildet eine Analyse von Jegadeesh und Titman.163 Sie teilten über 30 Jahre hinweg die Firmen ihrer Datenbasis in Klassen ein. Diese Klassen wurden auf Basis der Rendite der vergangenen sechs bis zwölf Monaten gebildet. Es zeigte sich dass die Portefeuilles aus Aktien mit positiven Renditen in der Vergangenheit auch in der Zukunft positive Renditen erwirtschafteten. Überdies waren diese Renditen oberhalb derer, welche die Wertpapierlinie für diese Portefeuilles prognostiziert hätte. Diese Strategie hätte zwischen 1965 und 1989 eine Überrendite von mehr als zwölf Prozent erwirtschaftet. Diese Effekte wurden in einer Vielzahl von Studien analysiert, verfeinert und zu größeren Teilen auch bestätigt. Somit können sie auch als in der Wissenschaft etabliert angesehen werden, obwohl gerade der Größeneffekt anfangs nicht beachtet wurde. Dies ist darauf zurückzuführen, dass zahlreiche Wissenschaftler in den 80ern nach Portefeuilles suchten, die positive Überrenditen generieren sollten. Da die Intention eben gerade die Suche nach solchen Möglichkeiten war (Data Mining), ist es bei hinreichend großen Datenbeständen nicht erstaunlich, dass zufällig irgendein Effekt entdeckt wird. Allerdings existiert etwa beim Größeneffekt eine theoretische Begründung 162 163
Vgl. Fama, French, Cross-Section, 1990. Vgl. Jegadeesh, Titman, Buying Winners and Selling Loosers, 1993.
IV. Wertpapierprogrammentscheidungen für dessen Entstehung. Ist das Marktportefeuille ineffizient oder ist die Approximation an das Marktportefeuille schlecht, können Firmen trotz unterschiedlicher Risiken das gleiche Beta aufweisen. Bei sonst gleichen Parametern haben dann Firmen mit höherer erwarteter Rendite und eigentlich höherem Beta niedrigere Marktwerte und diese sind gleichzeitig kleiner. Damit haben aber kleinere Firmen höhere erwartete Renditen, die sogar die durch die Wertpapierlinie vorgegebenen übertreffen. Ein ähnlicher Begründungszusammenhang lässt sich im Übrigen auch für das Buchwert-Marktwert-Verhältnis ableiten. Im Rahmen der APT als Mehrfaktorenmodelle kann man diese Effekte nun in Form von Faktoren nutzen und eine zugehörige Renditegleichung aufstellen.
E R i R f Eim E R m R f EiSMB E R SMB EiHML E R HML EiPR1Y E R PR1Y Die ersten beiden Summanden der linken Seite der Gleichung stellen dabei die Standardfaktoren des CAPM dar. Diese werden ergänzt um einen Small-Minus-Big-Faktor (SMB). Um diesen Faktor zu konstruieren werden die Firmen in zwei Gruppen oberhalb und unterhalb der Medianebene der Marktkapitalisierung geteilt. Die kleinen Firmen werden zu einem gleichgewichteten Portefeuille zusammengefasst, das gekauft wird. Dieser Kauf wird durch den Verkauf eines Portefeuilles finanziert, das die großen Firmen wiederum gleichgewichtet umfasst. Der vorletzte Faktor in diesem Modell stellt den High-Minus-Low-Faktor (HML) dar. Aus den Firmen die ein Buchwert-Marktwert-Verhältnis höher als das siebte Dezil aller Firmen haben ein High Portefeuille gebildet. Dieses gleichgewichtete Portefeuille wird gekauft, wobei wiederum die Finanzierung durch den Verkauf des Low Portefeuilles erfolgt. Es umfasst gleichgewichtet die Firmen deren Buchwert-Marktwert-Verhältnis kleiner ist als das dritte Dezil aller Firmen. Der letzte Prior-One-Year-Faktor (PR1Y knüpft an der Momentum Strategie an. Dazu werden die Firmen eingeteilt, in solche deren Aktien im vergangenen Jahr mit zu den 30 % besten Aktien gehörten und solche, die zu den 30 % schlechtesten gehörten. Auch hier findet eine Gleichgewichtung und Selbstfinanzierung statt. Die in der Vergangenheit besten Aktien werden gekauft, die in der Vergangenheit schlechten verkauft. Insgesamt zeigen nach French alle Faktoren einen signifikanten Erklärwert für Portefeuillerenditen. Dabei ist die erwartete Rendite des letzten Faktors PR1Y am höchsten, die des Größenfaktors (SMB) am niedrigsten. Zu Ehren von Fama, French und Carhart wird diese Faktorspezifikation auch von Fama-French-(Carhart-)Faktorspezifikation genannt. Fama und French haben das Drei-Faktor-Modell in den 2010ern zu einem Fünf-Faktor-Modell erweitert. Die beiden neuen Faktoren sind der Rentabilitäts- und der Investitionsfaktor.164 Der operative Rentabilitätsfaktor (RMW oder auch Robust-Minus-Weak-Faktor) teilt das Aktienuniversum in robuste und schwache Aktiengesellschaften ein. Er basiert auf Jahresabschlussdaten und ermittelt sich als Quotient aus einer Art operativer Ertrag und dem Buchwert des Eigenkapitals. Die Ertragskennzahl ist definiert als Umsatzerlöse abzüglich Herstellungskosten des Umsatzes, allgemeiner Verwaltungskosten (Vertrieb, Verwaltung) und Zinsaufwendungen. In diesem Sinne stellt er eine Eigenkapitalrentabilität dar. Um diesen Faktor zu konstruieren werden die Firmen wiederum in zwei Gruppen oberhalb und unterhalb der Medianebene der Eigenkapitalrentabilität geteilt. 164
Vgl. Fama, French, A Five-Factor Asset Pricing Model, 2014.
323
324
C. Wertpapiergeschäfte Es zeigt sich, dass Aktien von Unternehmen, die eine robuste Rentabilität haben, höhere Renditen aufweisen als Aktien von Unternehmen mit schwacher Rentabilität. Der Investitionsfaktor (CMA oder auch Conservative-Minus-Aggressiv-Faktor) setzt am Wachstum der Aktiengesellschaften an. Er ist definiert über das vergangene Wachstum der Bilanzsumme. Auch um diesen Faktor zu konstruieren, wird das Universum der Aktiengesellschaften durch den Median in zwei Gruppen geteilt. Hier zeigt sich, dass Aktien von Unternehmen mit niedrigem Wachstum eine höhere Rendite aufweisen als Aktien von Unternehmen mit hohem Wachstum. Nicht erstaunlich ist auch die hohe Korrelation zwischen CMA und HML Faktor, da beide Faktoren auch das Unternehmenswachstum mit abbilden. Durch die Hinzunahme der beiden neuen Faktoren wurde die Prognosegüte gegenüber der Fama-French-(Carhart-)Faktorspezifikation deutlich erhöht. Dabei wurde die Erklärkraft des HML Faktor deutlich reduziert. Obwohl es die ein oder andere Detailkritik, etwa an der Faktordefinition gibt, erwies sich in empirischen Tests dieses neue Fünf-Faktor-Modell als vielen APT- Spezifikationen überlegen. 165
3. Anlageentscheidungen im modernen Portefeuillemanagement – Asset Allocation a) Grundlagen der Entscheidung Modernes Portefeuillemanagement ist wesentlich durch die (neueren) Erkenntnisse der Portefeuille- und Kapitalmarkttheorie gekennzeichnet. Die in diesem Zusammenhang zu treffenden Anlageentscheidungen folgen einem Prozess, der sich in die drei Phasen Planung, Realisation und Kontrolle einteilen lässt (vgl. Abbildung C 55).166 Dabei soll die Planungsphase hier im Vordergrund stehen. Auf der Planungsstufe erfolgt die Aufbereitung der Informationsgrundlagen. Hier sind zunächst Informationen zu erheben, die Zielsetzungen und Restriktionengefüge des Anlegers klären. So können sich ganz unterschiedliche Anlageentscheidungen als optimal erweisen, abhängig davon, für welche einzelnen Anleger oder Anlegergruppen, Privatpersonen oder Institutionelle das Portefeuillemanagement erfolgt. Bei institutionellen Anlegern können gesetzliche, satzungsmäßige oder funktionale Anlagerestriktionen zu beachten sein. Dagegen sind es bei privaten Anlegern in zunehmendem Maße Prestigeüberlegungen und moralische Anforderungen, die den Kreis der zulässigen Anlagealternativen einschränken. Bei letzteren sind besonders ethische und Umweltaspekte zu nennen. Weitere Einschränkungen können sich durch unbestimmte Liquiditätsvorbehalte, durch Vorgaben des Investors hinsichtlich der Zahlungsstruktur (Zeitpunkt und Höhe von Ein- und Auszahlungen) und aufgrund steuerlicher Überlegungen ergeben. Durch die Wahl des Anlagehorizontes und der Abrechnungszeiträume für die Erfolgsrechnung kann sich die Auswahl bestimmter, insbesondere hoch volatiler Titel verbieten. Schließlich kann auch das Anlagevolumen die Auswahl der Anlagestrategien restringieren.
165 166
Vgl. etwa Fama, French, Tests of a Five-Factor Asset Pricing Model, 2017. Vgl. Solnik, International Investments, 2004, S. 712 ff.; Bauer, Risiko von Aktienanlagen, 1992, S. 5 ff.
IV. Wertpapierprogrammentscheidungen
Aufbereitung der Informationsgrundlage
1. Stufe
Einschätzung der Anlagemöglichkeiten
Bedürfnisstruktur des Anlegers
Ziele
Globalanalyse
Restriktionen
Entwicklung einer Anlagephilosophie
2. Stufe
Festlegung der Ausgangsportefeuille Risikopräferenz
3. Stufe
Titelspezifische Analyse
Umschichtungs- und Anpassungsvorgaben
Asset Allocation (insb. strategisch) Realisation
Kontrolle und Erfolgsmessung
Abb. C 55: Der Anlageentscheidungsprozess
Daneben sind die Anlageziele des Investors festzustellen.167 Im Allgemeinen stehen dabei die Zielvariablen Risiko und Rendite im Vordergrund. Im Einklang mit der Theorie kann der rational handelnde Anleger als risikoscheu eingestuft werden in dem Sinne, dass er eine maximale Rendite seines Investments anstrebt und Risiko nur insoweit billigend in Kauf nimmt, als ihm hierfür eine angemessene Risikoprämie in Aussicht gestellt wird. Versteht man unter Risiko die Möglichkeit, dass die realisierten Renditen von den erwarteten Planrenditen abweichen, stellt die Standardabweichung ein Maß dar, diese Schwankungen zu erfassen. Allerdings ist dieses Risikoverständnis keineswegs unumstritten.168 Im täglichen Sprachgebrauch wird häufig nur die Gefahr der negativen Abweichung vom erwarteten oder mindestens geforderten Wert als Risiko verstanden, die positive Abweichung dagegen als Chance bezeichnet. Ein solches (eingeschränktes) Begriffsverständnis kommt bei der Entwicklung von Anlagestrategien als Ausfallrisiko oder Downside Risk zum Tragen.169
167
Vgl. ausführlich Ruda, Ziele privater Kapitalanleger, 1988, S. 10 ff. Vgl. unter vielen anderen Keppler, Risiko ist nicht gleich Volatilität, 1990, S. 610 ff.; Bauer, Volatilitäten und Betafaktoren, 1991, S. 172 ff. 169 Vgl. Zimmermann, Zeithorizont, Risiko und Performance, 1991, S. 164 ff. 168
325
326
C. Wertpapiergeschäfte Neben anlegerspezifischen Informationen sind zur Aufbereitung der Entscheidungsgrundlage Einschätzungen der (nicht ausdrücklich ausgeschlossenen) Anlagemöglichkeiten vorzunehmen. Bei den Rendite- und Risikodaten, die in den Optimierungsprozess eingehen, handelt es sich grundsätzlich um Prognosewerte. Sie sind für den Optimierungsprozess von entscheidender Bedeutung. Entsprechend hohe Anforderungen sind an den Datenerhebungs- und Bewertungsprozess zu stellen. Er ist unbedingt systematisch anzulegen und lässt sich in einen globalanalytischen und in einen titelspezifischen Analyseabschnitt unterteilen. Bei der Globalanalyse sind aus der Perspektive des (internationalen) Investors die konjunkturelle Entwicklung im In- und Ausland, die Entwicklung der Währungen, der Zinssätze und die Trends an den internationalen Aktienmärkten Gegenstand der Betrachtung. Vor diesem Hintergrund erfolgt die titelspezifische Analyse, die auch als Wertpapieranalyse im engeren Sinn bezeichnet wird. Mit dem Instrumentarium der Fundamentalanalyse oder auch der technischen Analyse wird die Wertentwicklung einzelner Anlagemöglichkeiten untersucht und prognostiziert.170 Eine im Vergleich zur Einzelanalyse erweiterte Betrachtung der Rendite-Risiko-Position einer Anlagemöglichkeit erfolgt mit dem Ansatz der Portefeuilleanalyse, die auch als Wertpapieranalyse im weiteren Sinne verstanden wird. Dieser auf Markowitz zurückgehende quantitative Ansatz der Wertpapieranalyse stellt die Rendite- und Risikowirkungen in den Vordergrund, wie sie sich aus der Kombination von Einzelpositionen ergeben (vgl. Abschnitt C IV 1 und 2). In diesem Zusammenhang haben die kapitalmarkttheoretischen Kennzahlen Volatilität, Kovarianz, Korrelationskoeffizient und Beta-Faktor besondere Bedeutung erlangt.
b) Kapitalmarkttheoretische Kennzahlen zur Beurteilung von Anlagemöglichkeiten Die Volatilität, i. d. R. gemessen als Standardabweichung V, gibt die Schwankungsbreite der logarithmierten Wertpapierkurse (Renditen) um ihren Mittelwert über einen festgelegten Zeitraum an; sie misst die wahrscheinliche Abweichung einer zukünftigen Rendite von der erwarteten (= durchschnittlichen) Rendite. Verwendet wird die Volatilität als Kriterium zur Beurteilung des Gesamtrisikos einer Einzelaktie, indem in der Schwankungsbreite (Streuung) um den Mittelwert das Verlust- bzw. Gewinnpotenzial dieser Aktie gesehen wird. Sie kann die langfristige Kursbeobachtung ergänzen und vereinfachen. Wertpapiere mit hohen Volatilitäten eignen sich für Spekulanten, um Trading-Chancen auszunutzen, und für Arbitrageure, um z. B. Fehlbewertungen bei auf diesen volatilen Wertpapieren beruhenden Instrumenten, wie Optionsanleihen, Optionsscheine, Optionen und Bezugsrechte, für risikolose Gewinne auszunutzen. Ferner dient die Volatilität als Faktor für die Berechnung des theoretischen Wertes von Optionen, z. B. mithilfe der Black/Scholes-Formel (vgl. ausführlicher Abschnitt C V 3). Es lassen sich verschiedene Optionsstrategien auf Basis der Volatilität entwickeln. Bei unterstellter geringer Volatilität kann z. B. ein Straddle/Strangle verkauft werden, d. h., es werden eine Kauf- und eine Verkaufsoption des gleichen Wertpapiers verkauft. Die Chancen des Anlegers sind auf die beiden Prämien beschränkt, während das Risiko bei steigenden und fallenden Kursen unbegrenzt ist.
170
Vgl. C III.
IV. Wertpapierprogrammentscheidungen Für die Risikobeurteilung sind in der Portefeuilletheorie jedoch nicht mehr die Einzelrisiken V ausschlaggebend, sondern die Kovarianzen als Maß für die gemeinsame Veränderung der Unternehmensrendite mit der Gesamtmarktrendite (vgl. Abschnitt C IV 1). Je mehr Aktien im Portefeuille sind, desto mehr dominieren die Kovarianzen bezüglich des Risikos über die Einzelvarianzen. Die standardisierte Kovarianz ist der Korrelationskoeffizient. Er misst Stärke und Richtung des linearen Zusammenhangs der Entwicklung zweier unsicherer Renditen. Je niedriger die Kovarianzen/Korrelationen zwischen den Renditen und je höher die Zahl der einbezogenen Wertpapiere, desto niedriger fällt das Gesamtrisiko der Mischung aus. Dies lässt sich in der Realität nicht vollständig eliminieren (vgl. aber die theoretischen Überlegungen zur Diversifikation in Abschnitt C IV 1). Es verbleibt ein systematisches Risiko, auch marktbezogenes Risiko genannt, das von Markteinflüssen dominiert wird. Als relativierte Kennzahl wird in der Praxis für dieses Risiko der Beta-Faktor verwendet. Er hat in neuerer Zeit als Beurteilungskriterium bei der Asset Allocation an Bedeutung gewonnen. Theoretisch wird der Beta-Faktor aus der Kapitalmarkttheorie abgeleitet; in der Praxis bestimmt man ihn mithilfe des sogenannten Marktmodells (MM) (vgl. Abschnitt C IV 1 c).171 Dieses Modell unterstellt einen linearen Zusammenhang zwischen der Rendite Ri eines Wertpapiers und der Marktrendite Rm. Der Beta-Faktor misst folglich die (unterstellte) Abhängigkeit der Entwicklung einer Aktienrendite von der allgemeinen Kapitalmarktentwicklung. Als Näherungswert für den Kapitalmarkt betrachtet man i. d. R. einen Wertpapierindex, wie z. B. den Deutschen Aktienindex (DAX). Entsprechen die erwarteten Veränderungen der Aktienrendite in Richtung und Ausmaß denjenigen des Gesamtmarktes, so ist der Beta-Wert der betrachteten Aktie gleich 1. Ist der BetaWert größer als 1, kann bei steigendem Gesamtmarkt mit einer überproportionalen Entwicklung des Aktienkurses gerechnet werden. Negative Beta-Werte deuten darauf hin, dass sich die untersuchten Wertpapiere antizyklisch zur Gesamtmarktentwicklung verhalten (vgl. Abbildung C 56).
Abb. C 56: Der Beta-Faktor im Marktmodell
171
Alternative Ansätze schätzen das Beta einer Aktie mithilfe fundamentaler Jahresabschlusskennzahlen. Vgl. Steiner, Bauer, Prognose des Marktrisikos, 1992; Bauer, Risiko von Aktienanlagen, 1992.
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328
C. Wertpapiergeschäfte Im Rahmen der Asset Allocation lässt sich der Beta-Wert für verschiedene Anlagestrategien nutzen: Wird eine Hausse für den Gesamtmarkt erwartet, werden Aktien mit hohen Beta-Werten ausgewählt, umso von überproportionalen Kurssteigerungen dieser Werte zu profitieren. Umgekehrt wird in Baisse-Phasen oder am Ende von Hausse-Phasen in Aktien mit niedrigen Beta-Werten investiert. Eine andere Möglichkeit besteht darin, dass der Anleger aufgrund seiner persönlichen Risikoeinstellung einen bestimmten Beta-Faktor für sein Portefeuille auswählt und diesen Wert über einen festgelegten Planungshorizont durch geeignete Transaktionen in etwa konstant hält. Die zunehmende Bedeutung der behandelten Kennzahlen für die praktische Anlageentscheidung kommt u. a. darin zum Ausdruck, dass sie börsentäglich für den DAX und die 30 enthaltenen Aktien berechnet und in großen Wirtschaftszeitungen veröffentlicht werden. Dabei dienen diese quantitativen Kennzahlen nicht nur als Unterstützung bei der Aktienanalyse, sondern sind insbesondere auch für die Arbitrage- und HedgingStrategien mithilfe von Optionen und Futures an der EUREX erforderlich (vgl. Abbildung C 57). Beispielhaft sollen einzelne Werte erklärt werden (vgl. Abbildung C 57): Der Beta-Faktor von 1,0341 bei der Münchner Rück Versicherung AG (MUV2) bedeutet, dass bei einem Anstieg der Rendite des DAX-Index um 1 %-Punkt der erwartete Anstieg der Rendite der MUV2-Aktie etwa 1,03 %-Punkte beträgt. Im Beobachtungszeitraum haben die RDBK-RDAX-Renditepaare also nahe bei der Regressionsgeraden gelegen, die ihrerseits eine Steigung von 1,0341 besitzt. Da die Korrelation über 250 Tage 69,33 % ist, kann auf einen relativ engen Zusammenhang der Entwicklung der MUV2-Aktie und des DAXIndex vertraut werden. Streng zu unterscheiden von diesen beiden Größen ist die (über 250 Handelstage berechnete) Volatilität von 28,66 %. Sie sagt aus, dass die Rendite der MUV2-Aktien in den letzten 250 Tagen durchschnittlich um 28,66 % von ihrem durchschnittlichen Renditeniveau abgewichen ist. Die MUV2-Aktie für sich betrachtet unterliegt damit wesentlich höheren Rendite-/Kursschwankungen als z. B. die Aktie der Beierdorf AG (BEI) mit 17,22 %. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es sich bei der Volatilität um das isolierte Gesamtrisiko einer Aktie handelt, das in die Komponenten Marktrisiko (systematisches Risiko) und titelspezifisches Risiko (unsystematisches Risiko) zerfällt. Das Marktrisiko, der MUV2-Aktie (BetaMUV2 = 1,0341), welches sich nicht diversifizieren lässt, ist wesentlich höher als bei BEI-Aktie (BetaBEI = 0,3049). D. h., die BEI-Aktie reagiert wesentlich geringer auf allgemeine Marktschwankungen, lässt aber auch in einem diversifizierten Portefeuille eine niedrigere Rendite erwarten.
IV. Wertpapierprogrammentscheidungen Kürzel
Volatilität (p. a. %)
Korrelation
Beta
30 Tage
250 Tage
30 Tage
250 Tage
250 Tage
DAX
14,28 %
20,89 %
100,00 %
100,00 %
1,0000
ADS
28,48 %
27,97 %
71,63 %
55,94 %
1,1151
AIR
33,20 %
48,55 %
69,04 %
58,62 %
1,3626 0,8826
ALV
18,73 %
23,11 %
80,72 %
67,31 %
BAS
19,84 %
24,58 %
73,12 %
70,66 %
0,9812
BAYN
24,62 %
23,76 %
61,81 %
48,71 %
0,8395
BEI
16,99 %
17,22 %
32,48 %
25,63 %
0,3049
BMW
26,46 %
30,84 %
71,53 %
63,57 %
1,1775
BNR
17,38 %
16,23 %
49,16 %
54,82 %
0,6671
CON
33,39 %
33,67 %
67,30 %
51,70 %
1,2086
1COV
27,11 %
30,36 %
69,57 %
53,92 %
1,0235
DAI
32,13 %
58,81 %
38,25 %
53,81 %
1,2106
DHER
40,35 %
53,71 %
8,58 %
23,58 %
0,6660
DBK
33,21 %
37,20 %
57,94 %
52,35 %
1,2170
DB1
17,52 %
18,04 %
62,47 %
46,63 %
0,5719
DPW
23,28 %
26,65 %
49,02 %
61,23 %
0,9980
DTE
18,77 %
25,48 %
70,96 %
59,01 %
0,7753
EOAN
17,63 %
22,30 %
51,36 %
33,08 %
0,4083
FRE
21,24 %
19,51 %
63,82 %
41,73 %
0,6206
FME
23,08 %
22,48 %
59,64 %
23,56 %
0,3807
HEI
22,59 %
19,24 %
66,31 %
60,37 %
0,9547
HFG
45,82 %
40,08 %
-23,04 %
11,72 %
0,3759
HEN3
15,85 %
16,40 %
59,41 %
49,65 %
0,5510
IFX
31,79 %
31,41 %
68,92 %
57,52 %
1,2800
LIN
19,30 %
20,50 %
73,29 %
70,89 %
0,9579
MRK
23,49 %
21,33 %
-15,63 %
23,57 %
0,3876
MTX
32,87 %
46,30 %
69,46 %
56,13 %
1,2918
MUV2
21,31 %
28,66 %
77,53 %
69,33 %
1,0341
PAH3
34,48 %
46,98 %
39,78 %
56,21 %
1,3569
PUM
23,50 %
25,59 %
64,85 %
49,24 %
0,8102
QIA
21,30 %
18,75 %
-37,88 %
1,16 %
0,0173
RWE
24,67 %
30,30 %
48,90 %
41,59 %
0,7182
SAP
21,04 %
28,32 %
69,37 %
62,94 %
0,9270
SRT3
32,93 %
35,05 %
-30,48 %
6,70 %
0,1545
SIE
26,28 %
27,94 %
82,72 %
74,49 %
1,3708
ENR
35,05 %
23,59 %
57,95 %
42,36 %
1,0393
SHL
21,30 %
25,04 %
22,51 %
26,36 %
0,3931
SY1
16,98 %
17,65 %
28,19 %
22,75 %
0,2705
VOW3
34,49 %
37,83 %
51,74 %
52,11 %
1,2584
VNA
21,37 %
27,49 %
39,05 %
34,82 %
0,5210
ZAL
33,80 %
40,35 %
-10,37 %
29,07 %
0,6879
Abb. C 57: Kapitalmarkttheoretische Kennzahlen in der Wirtschaftspresse (Dezember 2021)
329
330
C. Wertpapiergeschäfte DAX Deutscher Aktienindex Kennzahlen 10 und 11.09.2001 Kürzel DAX
Volatilität (p. a.%) 30 Tage
Beta 250 Tage
10.09.2001
11.09.2001
10.09.2001
11.09.2001
24,71 %
33,53 %
1,0000
1,0000
ADS
25,72 %
30,79 %
0,3851
0,4335
ALV
29,52 %
50,92 %
0,7480
0,8640
BAS
22,48 %
26,13 %
0,6341
0,6238
BAY
63,36 %
63,63 %
0,7132
0,6819
BMW
29,78 %
32,49 %
0,6890
0,6819
CBK
29,99 %
46,59 %
0,4826
0,6048
DBK
35,27 %
52,01 %
1,1897
1,2423
DCX
39,88 %
45,11 %
0,8593
0,8729
DGX
22,95 %
26,02 %
0,4680
0,4777
DPW
28,19 %
36,95 %
0,2873
0,3988
DTE
56,42 %
57,91 %
1,6891
1,5674
EOA
21,28 %
29,26 %
0,4705
0,5206
EPC
44,15 %
46,37 %
1,3683
1,2902
FME
28,62 %
32,97 %
0,3258
0,3631
HEN3
21,17 %
26,83 %
0,2525
0,2999
HVM
35,43 %
45,28 %
0,7045
0,7650
IFX
64,74 %
69,15 %
1,7531
1,6701
LHA
30,86 %
54,47 %
0,5238
0,6771
LIN
15,56 %
22,98 %
0,3765
0,4160
MAN
28,37 %
30,24 %
0,4789
0,4877
MEO
27,20 %
32,53 %
0,4188
0,4828
MLP
70,10 %
72,46 %
1,1120
1,1120
MUV2
27,93 %
54,58 %
0,6571
0,8130
PRS
27,72 %
43,98 %
0,3957
0,5087
RWE
24,18 %
25,59 %
0,4663
0,4710
SAP
51,38 %
53,09 %
2,1245
1,9545
SCH
27,88 %
31,28 %
0,4009
0,4310
SIE
48,05 %
48,67 %
1,6449
1,5215
TKA
17,45 %
19,13 %
0,6456
0,6232
VOW
31,36 %
32,41 %
0,7840
0,7535
Abb. C 58: Kapitalmarkttheoretische Kennzahlen in der Wirtschaftspresse (Beispiel 10 und 11. September 2001)
IV. Wertpapierprogrammentscheidungen Generell ist bei der Anwendung der oben genannten Kennzahlen zu berücksichtigen, dass es sich um Werte und Entwicklungen aus der Vergangenheit handelt, die als Grundlagen für die Prognose der Zukunft gelten. Insbesondere sind je nach Analyseziel auch die Instabilitäten der einzelnen Größen im Zeitablauf zu beachten, wie z. B. der Korrelationskoeffizient bei Fresenius (FRE) auf der Grundlage von 30 Tagen 63,82 % beträgt, während er bei 250 Tagen einen Wert von 41,73 % annimmt. Das kann zu erheblichen Fehleinschätzungen der kurz- und mittelfristigen Tendenzen führen. Problematisch ist die Anwendung der Kennzahlen nach plötzlichen extremen Kursausschlägen, wie diese z. B. am 11. September 2001 eingetreten sind (vgl. die Werte in Abbildung C 58). Ein Vergleich der Werte der Tage vor und nach dem Handelstag zeigt so extreme Veränderungen der Kennzahlen, dass diese als sinnvolle Entscheidungskriterien in den nachfolgenden Wochen nur schwer anwendbar sind. Für die kurzfristige Analyse könnten die Werte so gedeutet werden, dass die Schwankungen und das Risikopotenzial der einzelnen Aktienwerte in den nächsten Wochen wesentlich höher einzuschätzen sind, als vor dem starken Kursverfall. Ferner ist zu beachten, dass die bisherige und die zukünftig erwartete Tendenzentwicklung (Aufwärtstrend/ Abwärtstrend) aus den quantitativen Kennzahlen nicht erkennbar ist. Ergänzend sind für Investitionsentscheidungen daher die Fundamental-, technische und monetäre Analyse hinzuzuziehen.
c) Ableitung einer Anlagephilosophie Die insbesondere kennzahlengestützte Einschätzung der Anlagemöglichkeit einerseits und die Ziele und Restriktionen andererseits, bilden den Hintergrund der „Philosophie“ des Investors (vgl. wieder Abbildung C 57). Unter Anlagephilosophie versteht man die Summe aller grundlegenden und richtungsweisenden Anlage- und Desinvestitionsentscheidungen, die üblicherweise nur langfristig und nicht ohne Nachteil zu revidieren sind. Es handelt sich im Wesentlichen dabei um Start- und Etappenentscheidungen, mit denen zum einen das Ausgangsportefeuille und zum anderen die Handlungsanweisungen (Handlungsmuster) für Umschichtungen und Anpassungen während des Investitionszeitraums festgelegt werden.172 Die Festlegung des Ausgangsportefeuilles erfolgt grundsätzlich unter Beteiligung des Investors. Nach dem theoretischen Ansatz erfolgt die Auswahl aus der Vielzahl alternativer Rendite-Risiko-Kombinationen mithilfe der individuellen Präferenzfunktionen des jeweiligen Anlegers. Die mit der Umsetzung verbundenen erheblichen Probleme haben dazu geführt, dass in der Praxis die Auswahlentscheidung über Risikoklassenkonzepte bzw. Musterportefeuilles oder über die Vorgabe einer Benchmark erfolgt. Die Zusammenstellung des Ausgangsportefeuilles erfolgt im Rahmen der strategischen Asset Allocation. Hierunter wird die systematische Verteilung von Geldern auf verschiedene Assets verstanden.173 Bei diesen Assets handelt es sich grundsätzlich um Einzeltitel, die hinsichtlich der Kriterien Herkunftsland, Klasse (Aktie, Anleihe, Immobilie), Währung, Fristigkeit oder Ähnliches zu beschreiben sind. Über die Summe aller Assets in einem Portefeuille lassen sich diese Merkmale als Strukturmerkmale des Portefeuilles verwenden. Die Asset Allocation selbst ist dadurch zu kennzeichnen, wie international sie ausgerichtet ist, ob die Portefeuilleoptimierung simultan oder 172 173
Vgl. Steiner, Tebroke, Entwicklung von Anlagestrategien, 1995. Vgl. Hielscher, Asset Allocation, 1991, S. 254; Steiner, Bruns, Stöckl, Wertpapiermanagement, 2012, S. 48.
331
332
C. Wertpapiergeschäfte stufenweise vorgenommen wird und schließlich über welche Bündel bzw. Einheiten (Titelgruppen, Marktsegmente und Indizes, Fonds) die Diversifikation erfolgt.174 In der Anlagephilosophie ist außerdem festzulegen, unter welchen Bedingungen innerhalb des Anlagezeitraums Umschichtungen und Anpassungen im Portefeuille vorzunehmen sind. Diese Vorgaben sind im Wesentlichen dadurch bestimmt, welche Annahmen über den Preisbildungsprozess zugrunde gelegt werden. In einem im strengen Sinne (informations-) effizienten Kapitalmarkt werden alle relevanten Informationen vollständig und ohne Verzögerung in den Marktpreisen reflektiert. Eine Überperformance ist unter diesen Bedingungen nicht zu erzielen. Das gilt in abgemilderter Form auch unter der Annahme halbstrenger Informationseffizienz der Wertpapiermärkte. Unter diesen Bedingungen sind nur passive Anlagestrategien sinnvoll, die primär auf die Nachbildung der Benchmark (i. d. R. eines Index) ausgerichtet sind. Dazu existieren als Spielart semipassive Startegien, die bis auf einen geringen Fehler, die Benchmarkt nachbilden können. Durch gezielte Auswahl der Anlageobjekte soll eine dem Marktdurchschnitt entsprechende Performance realisiert werden. Bei einer Unterstellung nicht effizienter Kapitalmärkte, können aktive Strategien vorteilhaft sein. Sie zielen darauf ab, durch gute Research-Leistungen, Kreativität und Schnelligkeit eine im Vergleich zur Benchmark überdurchschnittliche Rendite zu erzielen (vgl. Abbildung C 59). Ein eigenes Segment stellen die Versicherungsstrategien dar. Sie kommen dort zum Einsatz, wo die Reduktion von Einzelrisiken im Portefeuillezusammenhang (Diversifikation) dem Investor nicht ausreichend erscheint. Zu dem Preis, dass der Erwartungswert der unsicheren Renditen sinkt, wird durch geeignete Maßnahmen dafür Sorge getragen, dass die unsichere Rendite eines Portefeuilles einen vorgegebenen Mindestwert nicht unterschreitet. Das ist grundsätzlich durch Stop-Loss-Regeln oder aber auch durch den Einsatz von Termingeschäften zu erreichen.
Basisstrategien
ja
Informationseffizienz
Passive Basisstrategien
aktivfundamental
nein
Versicherungsstrategien
Aktive Basisstrategien
aktivtechnisch
aktivquantitativ
Abb. C 59: Basisstrategien für das Depotmanagement175
174 175
Vgl. Steiner, Tebroke, Entwicklung von Anlagestrategien, 1995. Vgl. Steiner, Tebroke, Entwicklung von Anlagestrategien, 1995.
IV. Wertpapierprogrammentscheidungen
4. Investmentfonds Die Kapitalanlage in Investmentfonds erhält einen zunehmend hohen Stellenwert. So betrug das per Ultimo 2015 von deutschen Kapitalanlagegesellschaften verwaltete Fondsvermögen etwa 1760 Mrd. €.176 Investmentgesellschaften nehmen Anlagegelder von privaten und institutionellen Investoren gegen die Ausgabe von Anteilscheinen, den Investmentzertifikaten, auf und investieren diese Mittel nach dem Grundsatz der Risikostreuung an den Kapitalmärkten. Grundsätzlich ermöglichen Investmentfonds den Investoren eine Diversifikation des Vermögens auch mit nur geringen Anlagebeiträgen. Daneben wird als Vorteil von Investmentfonds die professionelle Verwaltung des Sondervermögens mit entsprechendem Know-how genannt, was mit einer gegenüber einer Direktanlage überdurchschnittlichen Wertentwicklung einhergehen sollte und für den Investor die Einsparung von Transaktionskosten in Form seiner Zeitersparnis bezüglich der Informationssuche bedeutet. In zunehmendem Maße sind Fondsanteile auch Gegenstand einer systematischen Asset Allocation, wo sie als Bausteine zur Abdeckung bestimmter Anlagesegmente eingesetzt werden. In diesem Zusammenhang sind auch die insbesondere für den vermögenden Privatkunden angebotene Fondsvermögensverwaltung sowie ähnlich ausgerichtete Produkte zu sehen, im Rahmen derer aktives Fondspicking unter Beachtung der vom Auftraggeber vorgegebenen Risikopräferenzen oder unter systematischer Ausrichtung entsprechend eines vorab festgelegten Musterdepots betrieben wird. Die Kapitalanlagegesellschaften unterliegen in Deutschland dem zum 01.01.2004 in Kraft getretenen Investmentgesetz (InvG). Im Rahmen der Gesetzesnovelle, die unter dem Namen Investmentmodernisierungsgesetz auch die Neueinführung des Investmentsteuergesetzes beinhaltet, wurde hier das bisherige Gesetz über Kapitalanlagegesellschaften (KAGG) abgelöst. Die verschiedenen Arten von Investmentfonds lassen sich nach ihrer rechtlichen Ausgestaltung, der Anlegerzielgruppe, der durch die Satzung festgelegten Anlagepolitik und der Verwendung der vom Fonds erwirtschafteten Erträge unterscheiden. Die verschiedenen Arten von Investmentfonds sind in Abbildung C 60 zusammengefasst. Hinsichtlich der rechtlichen Konstruktion kann man die Investmentfonds zum einen bezüglich ihrer Regelungen über die Rücknahme der Anteile unterscheiden. Zum anderen ist eine Differenzierung nach der Unternehmensform der Fonds möglich. Die Anteilrücknahme kann grundsätzlich nach dem Open-End-Prinzip oder nach dem Closed-End-Prinzip erfolgen.
176
Vgl. Deutsche Bundesbank, Kapitalmarktstatistik, Februar 2016.
333
334
C. Wertpapiergeschäfte Arten von Investmentfonds
Rechtliche Konstruktion
Unternehmensform
Anlegerzielgruppe
Anlagepolitik
Anteilrücknahme
Private
Institutionelle
Vertragstyp
Open-End
Spezialfonds
Gesellschaftstyp
Closed-End
Publikumsfond
Aktiv verwaltete
Ertragsverwendung
Ausschüttende Thesaurierende
Tilted Funds
Passiv verwaltete Indexfonds
Fondspicker
Klassische Fonds
Spezialitätenfonds
Dachfonds
Aktienfonds
Feeder-Fonds
Rentenfonds
Ethische Fonds
Gemischte Fonds
Warentermin- und Futuresfonds
Immobilienfonds
Länderfonds
Geldmarktfondsfonds Laufzeitenfonds Optionsscheinfonds Genussscheinfonds Leasingfonds Rohstoff- und Energiefonds
Abb. C 60: Arten von Investmentfonds
Das Hauptmerkmal des Open-End-Prinzips besteht darin, dass die Anteilscheine jederzeit zum Substanzwert an den Fonds zurückgegeben werden können. Dabei entspricht der börsentäglich neu berechnete und zu veröffentlichende Rücknahmepreis dem Inventarwert und wird durch Division der Summe aller Kurswerte der vom Fonds gehaltenen Wertpapiere und der sonstigen Vermögensgegenstände abzüglich der Verbindlichkeiten durch die Anzahl der ausgegebenen Anteilscheine ermittelt. Vielfach wird mit dem Begriff Open-End auch die laufende Ausgabe von Anteilen in Verbindung gebracht. Dies ist jedoch keine unabdingbare Voraussetzung für den Open-End-Typ. Vielmehr kann die Ausgabe von Anteilen sowohl laufend erfolgen (zweiseitig offene Fonds) als auch nach einer bestimmten Frist eingestellt werden (semi-offene Fonds). Letzteres ist bspw. bei den in den vergangenen Jahren verstärkt angebotenen Laufzeitfonds der Fall. Bei Closed-End-Fonds besteht nach der Ausgabe der i. d. R. als Aktien verbrieften Anteile keine Rücknahmeverpflichtung für die Gesellschaft. Hier werden die Aktien auf dem börslichen oder außerbörslichen Sekundärmarkt gehandelt. Durch das Aufeinandertreffen von Angebot und Nachfrage weicht daher der Kurswert vom Inventarwert mehr oder weniger ab und führt zu Abschlägen (Diskont) und Aufschlägen (Prämie) zum Inventarwert, für die es unterschiedliche Erklärungsansätze gibt.177 In der rechtlichen Konstruktion bzw. Organisationsstruktur waren die deutschen Investmentfonds bis zum Inkrafttreten des dritten Finanzmarktförderungsgesetzes im April 1998 auf den Vertragstyp festgelegt. Der Unterschied des Gesellschaftstyps 177
Vgl. Thompson, Information Content, 1978; Lee, Shleifer, Thaler, Fund Puzzle, 1991. Bei vollkommenem Markt dürfte sich der Wert eines Investitionenbündels nach dem Wertadditivitätstheorem nicht von der Summe der Einzelwerte unterscheiden.
IV. Wertpapierprogrammentscheidungen gegenüber dem Vertragstyp besteht darin, dass das Betriebskapital der Gesellschaft vom Fondsvermögen nicht getrennt ist, sondern mit diesem eine Einheit bildet. Diese Gesamtvermögenseinheit ist Eigentum der Anteilsinhaber, die als Gesellschafter Träger der Investmentgesellschaft sind. Die Anteilsinhaber stehen daher nicht wie beim Vertragstyp in einem Schuldverhältnis, sondern in einem Beteiligungsverhältnis zur Gesellschaft, das bei der Aktiengesellschaft durch die Aktie verbrieft wird. Es wird deutlich, dass das Closed-End-Prinzip nur dann durchsetzbar ist, wenn es sich bei der Gesellschaft um eine Aktiengesellschaft handelt, da die Anteile nur durch die damit einhergehende Verbriefung in Aktien als fungible, börsengängige Wertpapiere gehandelt werden können. Letzteres ist Voraussetzung für die jederzeitige Möglichkeit der Liquidation der Anteile auf dem Sekundärmarkt. Deshalb ist das Closed-End-Prinzip auch lediglich in Verbindung mit dem Gesellschaftstyp anzutreffen. Im Allgemeinen ist davon auszugehen, dass Investmentfonds, die nach dem ClosedEnd-Prinzip organisiert sind, bezüglich der Anlagepolitik flexibler agieren können. So sind grundsätzlich Investitionen auch in weniger liquiden Märkten und Wertpapieren möglich, da die Manager ihre Anlagen ohne Berücksichtigung von Liquiditätserfordernissen, die beim Open-End-Prinzip aufgrund der jederzeitigen Rücknahmepflicht der Anteile zu beachten sind, tätigen können (technische Liquidität).178 Darüber hinaus sind sie nicht dem Einfluss des schwankenden Mittelaufkommens ausgesetzt, das durch das vorwiegend prozyklische Verhalten der Investoren determiniert wird. So sind die Manager von Open-End-Fonds tendenziell gezwungen, Wertpapiere in Zeiten schwacher Märkte zu verkaufen, weil sie ihrer Rücknahmepflicht genügen müssen. Umgekehrt sind sie gezwungen, Mittel in Zeiten haussierender Märkte zu ungünstigen Kursen zu investieren, da die Anleger erfahrungsgemäß gerade dann Anteile kaufen. Die Closed-End-Fonds können zu 100 % im Markt investiert sein und eine langfristigere Anlagepolitik verfolgen. Sie sind vor allem für engere Märkte geeignet, weshalb insbesondere auch die Länderfonds in Schwellenländern (Emerging Markets) als Closed-End-Fonds organisiert sind (Closed-End-Country-Fonds). Die Organisation dieser Fonds als Closed-End-Fonds hat vor dem Hintergrund des prozyklischen Verhaltens der Anleger zusätzlich den Vorteil, dass ihre Investitionen sich nicht volatilitätsverstärkend auf den ohnehin i. d. R. sehr engen Märkten solcher Länder auswirken.179 Im Übrigen zeigt sich am Beispiel der Länderfonds einer der besonderen Vorteile von Investmentfonds im Allgemeinen: die Möglichkeit der Erschließung auch weniger entwickelter Märkte, auf denen Direktengagements mit hohen Transaktionskosten, schwieriger Auftragsabwicklung und problematischer Informationsbeschaffung verbunden sind. Für deutsche Wertpapierinvestmentfonds war lange Zeit nach § 11 Abs. 2 KAGG das Open-End-Prinzip in Verbindung mit dem Vertragstyp zwingend vorgeschrieben. Um die damit einhergehenden Wettbewerbsnachteile gegenüber internationalen ClosedEnd-Fonds zu beseitigen, wurden durch das Dritte Finanzmarktförderungsgesetz Investmentaktiengesellschaften (Closed-End-Fonds als Aktiengesellschaften nach dem Gesellschaftstyp) eingeführt. Seither können wie im Ausland hinsichtlich ihrer Rechtsund Organisationsstruktur unterschiedlich ausgestattete Fonds parallel angeboten werden. So sind die in Großbritannien angebotenen Unit Trusts und die amerikanischen US Unit Investment Trusts sowie Mutual Funds dem Vertragstyp in Verbindung mit dem Open-End-Prinzip zuzuordnen, während die in Großbritannien als Investment 178 179
Vgl. Laux, Investmentrecht der 1990er-Jahre II, 1993, S. 463. Vgl. Gerke, Rapp, Neugestaltung, 1992, S. 94.
335
336
C. Wertpapiergeschäfte Trusts bezeichneten Fonds unter den Gesellschaftstyp in Verbindung mit dem ClosedEnd-Prinzip zu subsumieren sind. Abgesehen von der rechtlichen Konstruktion lassen sich Fonds auch nach den Investorengruppen unterscheiden. Während die Anteile von Publikumsfonds von den Kapitalanlagegesellschaften öffentlich angeboten werden und von jedermann erworben werden können, werden Spezialfonds lediglich für institutionelle Investoren aufgelegt, die die Verwaltung ihrer Vermögensbestände auf die Fonds übertragen. Zu diesem Anlegerkreis gehören typischerweise Kapitalsammelstellen, wie Versicherungen, Pensions- und betriebliche Unterstützungskassen, Stiftungen, Kirchen u. a. Dabei wird die Anlagepolitik bzw. die Asset Allocation zusammen mit dem Fondsmanagement festgelegt. Im Gegensatz dazu wird diese bei Publikumsfonds im Verkaufsprospekt bzw. in der Satzung festgeschrieben. Dies gilt auch für die Verwendung der Erträge der Fonds, die zum einen in regelmäßigen Abständen an die Anteilinhaber ausgeschüttet oder aber direkt für weitere Investitionen zur Verfügung stehen (thesaurierende Fonds), was somit zur Substanzmehrung des Sondervermögens führt. Die für den Investor entscheidenden Fragen sind die vom Fonds verfolgte Anlagepolitik und ihre Ziele und die damit einhergehende Systematisierung der Fonds nach den Vermögenswerten. Generell lassen sich die Fonds in aktiv und passiv verwaltete Fonds unterscheiden. Während erstere durch aktives Management versuchen, gegenüber dem Marktdurchschnitt oder anderen als Benchmark bezeichneten Vergleichsmaßstäben überdurchschnittliche Renditen zu erzielen, bilden passiv gemanagte Fonds vorab bestimmte Indizes nach, wobei es sich bei letzteren um bekannte Marktindizes oder auch entsprechend den Bedürfnissen der Investoren konstruierte Indexportefeuilles handeln kann. Während insbesondere in den USA vor dem Hintergrund der Efficient Market Theory sowie empirischer Untersuchungen mit dem Resultat wenig überdurchschnittlicher Leistungen aktiv gemanagter Fonds zu einer zunehmenden Popularität von Indexfonds führte, wurde in Deutschland mit dem Oppenheim-DAX-Werte-Fonds erst 1992 ein entsprechender Fonds aufgelegt. Allerdings standen in der Vergangenheit in vielen Fällen die Vorschriften des KAGG zur Streuung des Anlagevermögens einer exakten Indexnachbildung entgegen. § 63 Abs. 1 InvG gestattet (wie zuvor bereits § 8c Abs. 3 KAGG) speziell den Indexfonds ein Abweichen von diesen Vorschriften, sofern der zugrunde liegende Index Gegenstand börsengehandelter Termingeschäfte ist. Ein Mittelweg zwischen aktiv und passiv gemanagten Fonds stellen die sogenannten Tilted Funds dar, die ausgehend von einer Nachbildung eines vorab festgelegten Index
eine Übergewichtung bestimmter Werte vornehmen. Eine entsprechend den Renditeerwartungen vorgenommene Übergewichtung kann dabei bezüglich einer bestimmten Branche, Wachstumswerten oder auch hinsichtlich der Zinssensitivität und anderer Faktoren erfolgen.180 Die meisten der Fonds werden jedoch aktiv verwaltet. Die klassische Unterscheidung der Fonds richtet sich nach den wichtigsten Vermögensgegenständen, in die die Fonds gemäß ihrer Anlagepolitik investieren. Eine Einteilung dieser Art in die überwiegend in Aktien oder in Renten investierenden Aktien- und Rentenfonds sowie die grundsätzlich in beide Vermögenskategorien investierenden gemischten Fonds auf der einen Seite und in die in Grundstücke und grundstücksgleiche Rechte anlegenden offenen
180
Vgl. zu den verschiedenen Arten des Aktienmanagements im Detail Steiner, Bruns, Stöckl, Wertpapiermanagement, 2012.
IV. Wertpapierprogrammentscheidungen und geschlossenen Immobilienfonds auf der anderen Seite, ist jedoch nicht mehr zeitgemäß. Vielmehr stellen die so definierten Fonds nurmehr das Standardsortiment der Kapitalanlagegesellschaften dar. Vor dem Hintergrund eines zunehmenden Wettbewerbsdrucks insbesondere auch aus dem Ausland diversifizierten die Investmentgesellschaften ihre Produktpalette durch eine Spezialisierung neu aufgelegter Fonds (Spezialitätenfonds) auf bestimmte, immer genauer abgegrenzte Teilmärkte (Europa, Länderfonds, Emerging Markets, Tiger-Fonds, Energiefonds, Rohstofffonds, Wandelund Optionsanleihefonds, Genussscheinfonds) oder durch Ergänzung der Satzungen hinsichtlich der bei den Investments zu beachtenden Restriktionen (Ethikfonds). Nachhaltige oder ethische oder grüne oder ESG-Investmentfonds (ESG: Environment, Social und Governance) haben neben Rendite- und Risiko- auch soziale und ökologische Ziele. Solche Fonds wurden bereits in den 1920ern (1928 ein methodistischer Fond in den USA, später 1971 Paxworld Fund) aufgelegt181 und erfreuen sich zunehmender Beliebtheit. Bei der Umsetzung Ihrer Investmentstrategie verfolgen solche Fonds verschiedene Ansätze: 1. Black List: Bestimmte Anlagealternativen werden ausgeschlossen. So können etwa
Rüstungsunternehmen oder Unternehmen der Chlorchemie aus dem Anlageuniversum entfernt werden. 2. White List: Es werden nur Anlagealternativen mit einbezogen, die gewissen positi-
ven Kriterien genügen. So wird nur in Anlagen investiert, die gewisse Umweltzertifizierungen aufweisen. 3. Best in Class: Es wird in verschiedene Branchen investiert. Aus jeder Branche werden
etwa die Unternehmen ausgewählt, die den kleinsten relativen CO2-Fußabdruck aufweisen. Dieses Vorgehen stellt dabei den dominanten Ansatz der Investment Fonds dar. Das mag daran liegen, dass Unternehmen aller Branchen berücksichtigt werden können und somit das Diversifikationspotenzial größer ist. 4. Best in Progress: Auch hier werden verschiedene Branchen berücksichtigt und die
Unternehmen ausgewählt, die den größten Fortschritt in einer oder mehreren Kennzahlen aufweisen. 5. Themenfonds: Hier wird nur in Anlageobjekte investiert, die selbst in gewisse The-
men, wie etwa Windkraft, investieren. Für Anleger, die in solche Fonds investieren, liegt oft das Motiv zu Grunde, mit ihren Anlagen positive Wirkungen in der Ökonomie oder den Unternehmen bzgl. ihrer Nachhaltigkeitsziele zu erreichen.182 Hier wird eine indirekte von zwei direkten Wirkungen unterschieden. Eine indirekte Wirkung wird über die verschiedenen Gruppen von Stakeholdern der Unternehmen dadurch entfaltet, dass diese Stakeholder ihr Verhalten gegenüber den Unternehmen ändern, wenn nachhaltige Fonds in das Unternehmen investieren. So eine Wirkung tritt selbst dann auf, wenn Unternehmen ihr Realinvestitionsverhalten im ersten Schritt durch die Investitionen der nachhaltigen Fonds selbst nicht ändern. Bei der ersten direkten Wirkung wird davon ausgegangen, dass Investoren auf Rendite verzichten und somit dem Unternehmen ermöglichen nachhaltige aber unrentablere Realinvestitionsprojekte durchzuführen. Die zweite direkte Wirkung zielt darauf ab, dass durch die Anlage der Investmentfonds im Sinne einer Active Ownership 181 182
Vgl. Ruenzi, Ethikfonds, 2005. Vgl. Wilkens, Klein, Transformative Wirkungen, 2021
337
338
C. Wertpapiergeschäfte das Realinvestitionsprogramm eines Unternehmens in Richtung nachhaltige Projekte verschoben wird. Diese Idee des nachhaltigen Impact Investing wird dann auch gerne zu Marketingzwecken der Fondanbieter genutzt. Betrachtet man die Performance solcher Investmentfonds zeigen sich aus theoretischer Sicht mehrere Effekte. Erstens haben Investmentfonds zusätzlichen Aufwand, da sie neben dem wirtschaftlichen Erfolgspotenzial der Anlagealternativen auch den Erfolg in den Nachhaltigkeitsdimensionen beurteilen müssen. Zweitens haben solche Investmentfonds auch ein reduziertes Anlageuniversum. Drittens investieren solche Fonds tendenziell in kleinere Unternehmen, was zu einem Kleinfirmeneffekt bei ihrer Performancebeurteilung führen sollte. Die meisten empirischen Untersuchungen kommen zu dem Ergebnis, dass die Performance sowohl von grünen als auch von sozialen Fonds keine signifikant niedrigere Rendite aufweist.183 Betrachtet man die relative Performance von nachhaltigen Fonds zu nachhaltigen Indizes zeigt sich hier eher eine signifikant niedrigere Rendite.184 Die Messung der Nachhaltigkeitsperformance steckt dagegen noch in den Kinderschuhen. Daneben werden im Rentenbereich mit den in Termingeldern und Geldmarktpapieren (z. B. Commercial Paper) anlegenden Geldmarktfonds bzw. geldmarktnahen Fonds sehr erfolgreiche Fonds angeboten, deren reine Form in Deutschland erst seit dem Zweiten Finanzmarktförderungsgesetz aufgelegt werden darf. Aufgrund der kurzen Zinsbindungsfristen sind die in geldmarktnahen Fonds enthaltenen Titel besonders kursstabil, sodass das Marktwertänderungsrisiko dieser Fonds minimal ist. Die Verzinsung für den Anleger richtet sich in etwa nach den Geldmarktsätzen für kurzfristige Einlagen bei gleichzeitiger jederzeitiger Liquidität. Eine weitere, sehr erfolgreiche Neuerung stellt die Auflage von Aktien- und Rentenfonds dar, die mit einer Begrenzung der Laufzeit des Sondervermögens ausgestattet sind und die eine Auflösung des Fonds zu einem vorab festgelegten Termin oder bei Eintreten eines bestimmten Ereignisses, i. d. R. das Erreichen eines bestimmten Anteilswertes, vorsehen. Zu diesem Termin wird das Vermögen des Fonds an die Anteilshaber ausgeschüttet. Derartige Fonds werden zum Teil mit einer Garantie auf Kapitalerhalt oder auf eine bestimmte Mindestverzinsung ausgestattet. Mit dem Ziel, neue rendite- und risikobewusstere Anlegerkreise für das Fondsprodukt zu gewinnen, wurden weitere innovative Fondskonzepte aufgelegt, die in den USA unter anderem auch zur Auflage von Warentermin- und Futuresfonds führten. Solche aufgrund von komplexen Handelsstrategien und dem Einsatz von Termingeschäften risikoreichen Fonds (Hedgefonds), wurden in Deutschland im Rahmen des neuen Investmentgesetzes als Sondervermögen mit zusätzlichen Risiken (§§ 112 ff. InvG) in die Palette der Anlagemöglichkeiten aufgenommen. Der Begriff Hedgefond ist dabei auf den ersten Blick irreführend, da er Absicherungsstrategien und damit Sicherheit nahelegt. Allerdings können Investitionen in Hedgefonds für den Investor durchaus risikobehaftet sein. Dies rührt daher, dass Hedgefonds Anlagestrategien durchführen, die meist neben dem Kauf auch einen Leerverkauf von Finanzinstrumenten beinhalten und somit in letzter Konsequenz die Einzahlungen aus dem Leerverkauf zur Finanzierung des Kaufs oder gar nur Derivative ohne großen Kapitaleinsatz verwenden. Dies impliziert in letzter
183
Vgl. Hamilton, Statman, Doing Well While Doing Good, 1993 oder Climent Soriano, Green and Good, 2011. 184 Vgl. Fowler, Hope, Sustainable Business Indices, 2007.
IV. Wertpapierprogrammentscheidungen Konsequenz eine erheblichen Hebelwirkung, welche analog zum finanzwirtschaftlichen Leverage-Effekt (vgl. Abschnitt D IV 2 a) Risiken induzieren kann. Gerade bei den Spezialitätenfonds wird einer der generellen Vorteile der Kapitalanlage in Investmentfonds besonders deutlich: dass auf ein bestimmtes Marktsegment bezogene Know-how und der i. d. R. bessere Marktüberblick im Vergleich zu einem direkt anlegenden Investor. Die zunehmende Spezialisierung führt zwar auf der einen Seite zu einer Abkehr des eigentlichen Gedankens der Investmentidee. Auf der anderen Seite verspricht diese jedoch auch verbesserte Chancen. Eine Diversifizierung des Vermögens ist dabei durch die Kombination verschiedener Fonds möglich, deren Auswahl im Rahmen des dem Stock-Picking vergleichbaren Fonds-Picking erfolgen kann. In diese Richtung gehen auch die in Fondsanteile investierenden Dachfonds. Darüber hinaus darf nicht übersehen werden, dass über die Auflegung von Fonds eine zielorientierte Kapitalallokation erfolgen kann, wie das Beispiel der unter Berücksichtigung ethischer Gesichtspunkte anlegenden Fonds zeigt. Kapitalanlagen in Investmentfonds sind grundsätzlich als längerfristiges Investment zu betrachten. Dazu tragen auch die Kosten bei, die zum einen in dem beim Kauf zu entrichtenden Ausgabeaufschlag bestehen, der vornehmlich zur Abdeckung der Distributionskosten dient und bei Aktienfonds i. d. R. ca. 5 % der Anlagesumme beträgt, bei Rentenfonds etwa 3 % und bei Geldmarktfonds bei ca. 0,25–1 % liegt. Zum anderen wird das Fondssondervermögen direkt belastet, wobei es sich sowohl um die beim Kauf und Verkauf der Wertpapiere entstehenden Transaktionskosten handelt als auch um die Depotbank- und Managementgebühren, die nach in der Satzung festgelegten maximalen Promille- bzw. Prozentsätzen auf den Inventarwert berechnet und dem Fondssondervermögen in bestimmten Abständen belastet werden. Dieser Satz beträgt pro Jahr im Durchschnitt etwa 0,5 % des Sondervermögens. Insbesondere Publikumsfonds sind Gegenstand individueller Spar- und Auszahlungspläne, die diese Anlageform auch für die Kapitalbildung und die Altersvorsorge interessant macht. So spielen Pensionsfonds vor allem im angelsächsischen Raum eine herausragende Rolle für die Altersvorsorge. In Deutschland sollen die durch das Dritte Finanzmarktförderungsgesetz eingeführten Altersvorsorgefonds eine renditestarke Ergänzung der privaten und der betrieblichen Altersvorsorge darstellen. Diese Fonds müssen stets überwiegend in Substanzwerte (Aktien, Grundstücke) investieren, wobei der Aktienanteil auf maximal 75 % beschränkt ist. Im Vergleich zur Altersvorsorge über Lebensversicherungen sind die Altersvorsorgefonds steuerlich und durch die fehlende Anerkennung im Betriebsrentengesetz (noch) benachteiligt. Um die Beteiligung an Produktivvermögen zu erhöhen, wird die Anlage in Aktienfonds, Dachfonds sowie gemischte Wertpapier- und Grundstücksfonds, die über 60 % ihrer Mittel in Aktien investieren, in Deutschland durch die Arbeitnehmersparzulage gefördert. Daneben finden sich im Rahmen der fondsgebundenen Lebensversicherung Kombinationen mit Kapital-Lebensversicherungen, bei denen der Anleger entsprechend seiner Risikopräferenzen darüber entscheiden kann, in welche Art von Wertpapieren seine Versicherungsbeiträge investiert werden sollen. Um die Flexibilität der Anleger bezüglich der Fondsart zu erhöhen, werden in jüngster Zeit zudem sogenannte Umbrellafonds angeboten, die ein kostengünstiges Switchen zwischen verschiedenen Fonds erlauben, wobei dieser Wechsel lediglich zwischen den von der gleichen Kapitalanlagegesellschaft angebotenen Fonds erlaubt ist.
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C. Wertpapiergeschäfte Zudem hat sich in den letzten Jahren etabliert Fondsanteile an der Börse zu handeln. Solche als Exchange Traded Funds bezeichnete Fonds sind meist passiv gemanagte Fonds, die etwa einen Aktienindex nachbilden. Aber auch aktiv gemanagte Fonds werden zuweilen börsengehandelt. Zu den börsengehandelten Aktienfonds haben sich in den letzten Jahren auch Rohstofffonds und Anleihefonds gesellt, die etwa die Preisentwicklung von Rohstoffen oder Anleiheindizes nachbilden. Für die Schaffung neuer und die Auflösung bestehender Fondanteile wurden hier in Abwandlung des Prozesses bei offenen oder geschlossenen Fonds spezielle Prozesse geschaffen.185 Beim Creation Process bringt ein autorisierten Teilnehmer Barmittel oder Wertpapiere in den Fond ein. Als Gegenleistung erhält dieser Teilnehmer, der meist ein Finanzdienstleistungsinstitut ist und als Market Maker oder Designated Sponsor agiert, Fondanteile. Diese werden dann den Endkunden mit einem Aufschlag zum Kauf angeboten. Genau umgekehrt funktioniert der Redemption Process. Hier gibt der autorisierte Teilnehmer seine Fondanteile an die Investmentgesellschaft zurück, die ihm im Gegenzug Barmittel oder Wertpapiere überträgt. Aufgrund dieser exponierten Stellung hat der autorisierte Teilnehmer oft einen langfristigen Vertrag mit der Investmentgesellschaft, der ihm den Creation und Redemption Process für diese Fonds erlaubt. Insgesamt gesehen, stellt diese Art der Schaffung von Fondanteilen einen Mittelweg zwischen geschlossenen und offenen Fonds dar, da die Rückgabe der Anteile möglich, aber an gewisse Hürden geknüpft ist. Die steuerrechtliche Behandlung von (deutschen) Investmentfonds sollte bislang in erster Linie eine Gleichbehandlung der Investmentsparer mit den Direktanlegern ermöglichen. Das Investmentsteuergesetz sieht auf Anlegerebene eine Besteuerung der ausgeschütteten Erträge und der ausschüttungsgleichen Erträge vor. Daneben sind auch Veräußerungsgewinne aus Fondsanteilen soweit diese im Privatvermögen anfallen abgeltungssteuerpflichtig.
5. Performance-Messung Die Performance-Messung dient in erster Linie einer sachgerechten Anlageerfolgskontrolle der im Asset-Prozess getroffenen Entscheidungen und ermöglicht eine Rückkoppelung auf die vorgelagerten Ebenen des Anlageentscheidungsprozesses (vgl. wiederum Abbildung C 55). Dabei kann auf der ersten Ebene der Erfolg der Anlagepolitik und die Performance der Portofoliomanager im Rahmen der taktischen Asset Allocation kontrolliert werden. Darüber hinaus kann eine Überprüfung der langfristigen Anlagestrategie als auch des Anlagezieles selbst erfolgen. Insgesamt wird dadurch eine effizientere Reallokation im Asset-Management ermöglicht. Große Bedeutung besitzt die Performance-Messung auch bei der Leistungsbeurteilung und dem -vergleich von Portefeuillemanagern. Praktische Relevanz hat dies vor allem bei der Messung und dem Vergleich der Anlageerfolge von Investmentfonds, die Rückschlüsse über die Qualität der jeweiligen Fondsmanager ermöglichen sollen. Ausdruck dafür ist die Veröffentlichung einer Vielzahl von Rankinglisten, die die Investmentfonds vergleichend gegenüberstellen. Diese „Hitlisten“ basieren in Deutschland häufig noch auf reinen Renditevergleichen; in zunehmendem Maße aber wird auch hier das Risiko in die Bewertung einbezogen. In den USA gehört die Risikoadjustierung seit langem zum Standard. 185
Vgl. Bohl, Henke, Kaczynska, Exchange Traded Funds, S. 340.
IV. Wertpapierprogrammentscheidungen Bei einer Beurteilung von Wertpapierportefeuilles allein über die realisierten Renditen würden zwei Portefeuilles bei identischen Erträgen, aber unterschiedlich hohen Risiken gleich bewertet. Dies würde jedoch das Sicherheitsbedürfnis der Investoren außer Acht lassen, ein wichtiges Element des Zielsystems der Anleger. Unmittelbar einsichtig ergibt sich daraus die Notwendigkeit der Einbeziehung des Risikos bei einem Vergleich verschiedener Portefeuilles mit unterschiedlichen Risiken. Zur Risikobereinigung der erwirtschafteten Erträge können die oben vorgestellten, auf der Portefeuille- und Kapitalmarkttheorie aufbauenden Risikobegriffe und -kennzahlen eingesetzt werden. Die bekanntesten Maße zur Performance-Messung basieren auf der Kapitalmarkttheorie und lassen sich nach dem verwendeten Risikobegriff und der Art der vorgenommenen Risikobereinigung unterscheiden. Jensens Alpha
Ausgehend von der Wertpapierlinie geht Jensen implizit davon aus, dass sich durch (kurzfristige) Ungleichgewichte auf dem Kapitalmarkt außerordentliche Gewinne erzielen lassen. Investoren und Fondsmanager mit Informationsvorsprüngen gegenüber den anderen Marktteilnehmern sind in der Lage, unter- bzw. überbewertete Wertpapiere, das heißt Wertpapiere, die sich ober- oder unterhalb der Wertpapierlinie befinden, zu erkennen und durch entsprechende Transaktionen im Durchschnitt höhere Renditen zu erzielen als der Marktdurchschnitt. Das Jensen-Performancemaß, auch Jensens Alpha genannt, misst die Differenz zwischen der tatsächlichen Rendite und der Rendite, die sich theoretisch bei gleichem Risiko gemäß des CAPM hätte ergeben müssen. Analytisch ausgedrückt ergibt sich Ji = Ri – E(Ri). Zur empirischen Messung dieser aufgrund der Selektionsfähigkeit der Investoren erzielten Überrendite wird die Wertpapierlinie in eine Ex-post-Funktion überführt, deren Parameter durch eine Regression ermittelt werden:186 Rit – Rft = Ji + (Rmt – Rft) · Ei + uit mit E(uit) = E (uitRmt) = cov (uit,uit-n) = 0 n = 1, 2, … N. Während m das Marktportefeuille und Rf den risikolosen Zinssatz symbolisiert, steht der Index i für ein beliebiges Wertpapier, Portefeuille oder einen Anlagefonds. Im Kapitalmarktgleichgewicht würde die vom Investor erzielte Risikoprämie der linearen Funktion des systematischen Risikos Ei und der marktgerechten Risikoprämie entsprechen; Jensens Alpha Ji hätte in diesem Fall einen Wert von Null. Wäre der Investor dagegen bei Ungleichgewichten in der Lage, diese zu erkennen und auszunützen, wäre das Alpha positiv und bei Vorliegen statistischer Signifikanz insofern ein Maß zur Identifizierung eines superioren Portefeuillemanagements. Jensens Alpha misst die Performance eines Wertpapierportefeuilles lediglich relativ zum Markt und ermöglicht auf diese Weise eine Beurteilung der Leistungsfähigkeit bzw. Selektionsfähigkeit des Portefeuillemanagers. Ein Ranking unterschiedlicher Wertpapierportefeuilles bzw. Fonds mit diesem Maß ist daher nur dann einwandfrei möglich, sofern diese das gleiche 186
Vgl. Jensen, Performance, 1968, S. 393.
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C. Wertpapiergeschäfte systematische Risiko aufweisen. Das Maß ist somit eher für eine absolute Leistungsbeurteilung geeignet. Das Verfahren von Treynor
Die sogenannte Reward to Volatility Ratio von Treynor, die sich ebenfalls auf das CAPM stützt, adjustiert die Portefeuillerenditen mit ihren systematischen Portefeuillerisiken (die Bezeichnung „Volatility Ratio“ ist insofern missverständlich, da im deutschsprachigen Raum mit der Volatilität gemeinhin die Standardabweichung, das Gesamtrisiko der Anlage, verstanden wird) und erreicht durch die damit verbundene Standardisierung eine direkte Vergleichbarkeit von Wertpapierportefeuilles.187 Das Treynor-Maß Ti drückt die Risikoprämie je Einheit des systematischen Risikos aus: Ti = (Ri – Rf)/Ei. Je höher die vom Management erzielte Risikoprämie pro Einheit ist, d. h., je höher sich der Manager das übernommene systematische Risiko hat entschädigen lassen, desto besser wird der Fonds bzw. die Qualität des Managements beurteilt. Auch hier ermittelt man die Betas durch Regressionen. Der Ansatz von Sharpe
Das auch als Reward to Variability Ratio bezeichnete Performancemaß Si von Sharpe verwendet zur Risikoadjustierung der Portefeuillerenditen im Gegensatz zu Treynor nicht das systematische Risiko, sondern das Gesamtrisiko, gemessen durch die Volatilität bzw. Standardabweichung V:188 Si = (Ri – Rf)/Vi. Dieses Maß drückt die Risikoprämie je Einheit des Gesamtrisikos aus. Auch in diesem Fall besitzt das Wertpapierportefeuille die beste Performance, das für das in Kauf genommene Gesamtrisiko die höchste Risikoprämie erhalten hat. Die Verfahren von Jensen und Treynor stehen in unmittelbarem Zusammenhang, was auch das Beispiel in Abbildung C 61 Beide verwenden bei der Risikobereinigung das systematische Risiko, ausgedrückt durch das Beta. Zur Berechnung dieses Parameters ist die Konstruktion eines Index als Stellvertreter für das nicht beobachtbare Marktportefeuille notwendig. Daher unterliegen diese Verfahren und die mit ihrer Hilfe getroffenen Aussagen bezüglich der Selektionsfähigkeit des Managements bzw. des Ranking verschiedener Portefeuilles derselben Kritik wie das CAPM selbst.189 Das Sharpe-Maß dagegen ist dieser Problematik nicht ausgesetzt. Dieses Verfahren hat gegenüber dem Treynor-Maß zusätzlich den Vorteil, dass es bei mangelhafter Diversifikation eines Wertpapierportefeuilles nicht zu Verzerrungen kommt. Das Treynor-Maß dagegen würde z. B. zwei Fonds mit der gleichen durchschnittlichen Rendite und gleichen Beta-Faktoren identisch bewerten, auch wenn einer der Fonds eine höhere Volatilität aufgrund eines zu geringen Diversifikationsgrades aufweisen würde und somit auf dem Markt nicht bezahlte unsystematische Risiken eingegangen ist. Ein weiterer Kritikpunkt richtet sich auf die implizite Annahme der Verfahren, dass das systematische Risiko der Wertpapierportefeuilles im Zeitablauf konstant bleibt. Ein Manager, der aufgrund 187
Vgl. Treynor, Management, 1965, S. 63 ff. Vgl. Sharpe, Mutual Fund Performance, 1966, S. 119 ff. 189 Vgl. Roll, Asset Pricing, 1977, S. 129 ff. 188
IV. Wertpapierprogrammentscheidungen seiner Informationen eine Hausse auf dem Aktienmarkt erwartet, wird unter Vornahme entsprechender Transaktionen ein höheres Portefeuille-Beta in Kauf nehmen, um an den Kurssteigerungen überproportional teilzunehmen. Dadurch wird jedoch die mit den Verfahren geschätzte Selektivität unterschätzt, d. h., der Manager wird in seinen Stock-Picking-Fähigkeiten schlechter bewertet als ein uninformierter Manager ohne Timing-Aktivitäten, da das systematische Risiko nach oben verzerrt wird.190 Zur Berücksichtigung instationärer Betas aufgrund von Timingaktivitäten wurden weitere Verfahren entwickelt, auf die an dieser Stelle nicht näher eingegangen wird.191 Beispiel zur Performancemessung Gegeben sind die Bedingungen aus Abbildung C 47. Ferner wird davon ausgegangen, dass sich die Erwartungen bzgl. der Rendite von A zu 10 % realisiert haben. Für das Wertpapier A lässt sich dann Jensens-Alpha bestimmen. Dazu wird die Rendite nach CAPM benötigt die sich zu E R A
2,5% 2,95% 2,54 10%
errechnet. Somit gibt Jensen Alpha JA
R A E R A 10% 10% 0%
keine positive Überrendite wieder. A liegt bekanntlich auf der Wertpapierlinie. Das Treynor-Maß bestimmt man zu
TA
RA Rf EA
10% 2,5% 2,54
2,95%,
was wiederum der Steigung der Wertpapierlinie entspricht. Auch hier kann wie bei Jensens-Alpha keine Überrendite erzielt werden, wobei nochmals deutlich wird, dass Jensens-Alpha wie auch Treynor-Maß auf derselben Konzeption aufsetzen. Das Sharpe-Maß hingegen wird zu
SA
RA Rf VA
10% 2,5% 25%
0,3 30%
errechnet. Vergleicht man dies mit dem der Steigung der Kapitalmarktgeraden erhält man hier :
Rm R f Vm
0,76 ! 0,3
Damit wäre das Sharpe-Maß von A unterhalb des Marktes. Dies ist nicht verwunderlich, da A auf der Effizienzkurve ohne risikolose Anlage, aber nicht auf der Kapitalmarktlinie liegt. Abb. C 61: Beispiel zur Performancemessung
190
Vgl. Admati, Ross, Measuring Investment Performance, 1985, S. 1 ff. oder Dybvig, Ross, Differential Information, 1985, S. 383 ff. 191 Vgl. zu den alternativen Verfahren z. B. Treynor, Mazuy, Mutual Funds, 1966, S. 131 ff.; Merton, On Market Timing, 1981, S. 363 ff.; Grinblatt, Titman, Portfolio Performance Evaluation, 1989, S. 393 ff.; Steiner, Wittrock, Timing-Aktivitäten, 1994, S. 593 ff. Einen Überblick über die verschiedenen Ansätze zur Performance-Messung geben Shukla, Trczinka, Performance Measurement, 1992; Zimmermann, Performance-Messung, 1992, S. 49 ff.; Ippolito, On Studies of Mutual Fund Performance, 1993, S. 42 ff.; Wittrock, Performance-Messung von Wertpapierportfolios, 2001 oder Schulz, Steiner, Verfahrensheterogenität, 2009.
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C. Wertpapiergeschäfte
6. Behavioral Finance Viele der vorhandenen Kapitalmarkttheorien, insbesondere die neoklassische Finanzierungstheorie, basieren auf der Annahme vollkommener Kapitalmärkte und der Rationalität der Entscheidungsträger im Sinne eines „Homo Oeconomicus“192. Bei der Überprüfung von Kapitalmarktmodellen in empirischen Studien wurden aber Beobachtungen gemacht, die den Voraussagen der neoklassischen Finanzierungstheorie widersprechen. Diese sogenannten Anomalien an den Kapitalmärkten entstehen aufgrund des individuellen Verhaltens der Investoren, das häufig nicht mit den Annahmen der Kapitalmarktmodelle übereinstimmt.193 Um diese Phänomene zu erklären ist in den letzten Jahren die Forschungsrichtung der Behavioral Finance entstanden. Dort wird versucht sowohl irrationales Verhalten der Entscheidungsträger, als auch durch unvollkommene Informationen oder Transaktionskosten eingeschränkte Arbitragemöglichkeiten zu erklären. Es wird nicht mehr angenommen, dass der Markt irrationales Verhalten einzelner Marktteilnehmer bereinigt, sondern der Markt kann in manchen Fällen dieses irrationale Verhalten sogar noch verstärken. Hinzu kommt noch, dass irrationales Verhalten häufig nicht durch Arbitrage am Kapitalmarkt ausgeglichen wird. Die Behavioral Finance, auch als verhaltensorientierte Kapitalmarktforschung bezeichnet, ist bis heute kein in sich geschlossenes Theoriegebäude mit einem daraus abgeleiteten allgemeinen Verhaltensmodell. Vielmehr besteht diese Forschungsrichtung aus einer Vielzahl von nebeneinander existierenden Theorien, die mehr oder weniger isoliert nebeneinanderstehen und mit denen verschiedene Kapitalmarktanomalien und Irrationalitäten im Verhalten der Anleger zu erklären sind. Die ersten Arbeiten zur Behavioral Finance stammen von den Psychologen Slovic, Kahneman und Tversky aus der Zeit um 1970.194 Einen starken Schub erhielt die Behavioral Finance 1981 durch die Entdeckung weiterer Kapitalmarktanomalien und den damals entdeckten begründeten Zweifeln an der Theorie der effizienten Märkte und der Gültigkeit der existierenden Kapitalmarktmodelle.195 Zu den ersten Ökonomen, die sich mit Konzepten der Behavioral Finance ausführlich beschäftigten gehörten, neben anderen, Shiller, De Bondt, Thaler, Shefrin und Stratman. Die wichtigsten Unterschiede zwischen der neoklassischen Finanzierungstheorie und Behavioral Finance werden in der Abbildung C 62 dargestellt. Im Folgenden werden die wichtigsten Konzepte und Theorien der Behavioral Finance kurz vorgestellt. Zuerst wird gezeigt, dass Arbitragemöglichkeiten in der Realität durch die Markteffizienz und das Investorenverhalten eingeschränkt sind.
192
Vgl. Abschnitt A. III. Für einen Überblick über diese Verhaltens- und Kursanomalien vgl. Müller, Behavioral Finance, 2003, S. 97. 194 Vgl. Slovic, Expert Judge, 1972, und Human Judgement, 1969, Kahneman, Tversky, Judgement under Uncertainty, 1974 und Prospect Theory, 1979. 195 Vgl. Shiller, Stock Prices, 1981. 193
IV. Wertpapierprogrammentscheidungen Neoklassische Finanzierungstheorie
Kriterien
Behavioral Finance
Homo oeconomicus: Verhalten nach dem Bernoulli-Prinzip
Rationalitätskonzept
Menschen mit unvollständiger Informationsaufnahme und -verarbeitungskapazität
Vollkommene Informationen (klassischerweise: vollständig, korrekt, kostenlos und zeitgleich)
Informationen
Unvollkommene Informationen (unvollständig, fehlerbehaftet, kostenpflichtig, zeitverzögert)
Gesamtmarkt ist im Ergebnis rational, Irrationalitäten einzelner werden eliminiert
Marktebene
Irrationalitäten auch auf Marktebene, Verstärkung individueller Verhaltensanomalien möglich
Risikolose Arbitragemöglichkeiten werden ausgebeutet
Arbitragemöglichkeiten
Arbitragemöglichkeiten durch Friktionen eingeschränkt
Abb. C 62: Neoklassische Finanzierungstheorie und Behavioral Finance im Vergleich196
a) Einschränkungen der Arbitragemöglichkeiten Die klassische Finanzierungstheorie unterstellt, dass sich alle Marktteilnehmer rational verhalten. Der Markt ist frei von Friktionen und der Kurs eines Wertpapiers entspricht gemäß der Theorie der effizienten Märkte seinem tatsächlichen Wert. An diesem Markt gibt es keine Anlagestrategie, mit der eine Überschussrendite197 über die risikoangepasste Rendite erzielt werden könnte. Die Behavioral Finance argumentiert im Gegenzug, dass es am Markt Abweichungen vom fairen Marktwert geben kann und dass diese Abweichungen durch Marktteilnehmer entstehen, die sich nicht vollständig rational verhalten. Einer der Gründe, warum es in der Realität häufig nicht zu der von der Theorie geforderten Arbitrage kommt, könnte an der folgenden Gegebenheit liegen: Wenn ein Marktteilnehmer den fairen Wert einer Aktie gemäß CAPM kennt, der aktuelle Wert aber aufgrund der Fehleinschätzung der anderen Marktteilnehmer unter diesem fundamentalen Wert liegt, so kann der Marktteilnehmer doch niemals sicher sein, dass der fundamentale Wert der Aktie erreicht wird. Dies könnte z. B. deswegen passieren, weil die Mehrheit der anderen Marktteilnehmer den fundamentalen Wert der Aktie ignoriert, obwohl die Bewertung gemäß CAPM richtig war. Zusätzlich unterliegt der Arbitrageur dem Noise Trader Risk198. Der Arbitrageur hat dabei mit seiner Einschätzung der Fehlbewertung Recht, diese wird aber durch den Markt nicht ausgeglichen, sondern nimmt, während der Arbitrageur die Aktie hält, sogar noch weiter zu. Dieses Phänomen kann dazu führen, dass die Position irgendwann mit Verlust wieder verkauft werden muss, um sie glattzustellen, bevor der Arbitragegewinn realisiert werden kann. Eine Gefahr, die evident ist, wenn man sich das normale Vorgehen von Arbitrageuren anschaut. Diese leihen sich z. B. bei großen Vermögensverwaltern Aktien, um diese anschließend short zu verkaufen. Hierbei besteht aber immer die Gefahr, dass der Eigentümer die geliehenen Aktien zu einem ungünstigen Zeitpunkt zurückfordert, sodass der Arbitrageuer seine Position mit Verlust auflösen muss. 196
Quelle: in Anlehnung an Oehler, Behavioral Finance, 2000, S. 981. Im Englischen als Excess Return bezeichnet. 198 Vgl. De Long et al., Noise Trader Risk, 1990 und Shleifer, Vishny, Limits of Arbitrage, 1997. 197
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C. Wertpapiergeschäfte Außerdem können die Kosten für eine Transaktion, wie Kommission, der Bid-Ask Spread199 oder auch eine geringe Liquidität in einer Aktie verhindern, dass Fehlbewertungen in dem Umfang ausgenutzt werden, wie es nötig wäre, um sie zum Verschwinden zu bringen.200 Eine weitere Begrenzung erfährt die theoretisch unbegrenzte Arbitrage durch rechtliche oder firmenspezifische Vorgaben. So bestehen für bestimmte Investorengruppen wie Fondsmanager aufgrund rechtlicher Regelungen in vielen Ländern Leerverkaufsverbote. Diese Beschränkungen können auch aufgrund der Firmenpolitik z. B. einer Fondgesellschaft auftreten. Weitere Kosten, wie der Zeitaufwand, die bei der Suche nach fundamental falsch bewerteten Aktien auftreten müssen natürlich auch noch berücksichtigt werden. In der realen Welt gibt es also viele Gründe dafür, dass der Wert einer Aktie von ihrem fundamentalen Wert abweichen kann.201
b) Psychologische Erklärungen Die theoretischen Ausführungen im vorangegangenen Abschnitt machen deutlich, dass rationale Marktteilnehmer die Abweichungen eines Wertpapiers von seinem fundamentalen Wert durch irrationale Marktteilnehmer häufig nicht ausgleichen können. Behavioristische Modelle versuchen dieses irrationale Verhalten zu kategorisieren, um es in Modellen berücksichtigen zu können. Dazu verwendet die verhaltensorientierte Kapitalmarktforschung häufig Modelle aus der kognitiven Psychologie, um zu verstehen, wie Marktteilnehmer ihre Meinungen und Präferenzen bilden.
aa) Meinungsbildung In diesem Abschnitt wird erklärt, wie die Marktteilnehmer ihre Erwartungen bilden. Psychologische Studien zeigen, dass Menschen bei der Meinungsbildung und in Entscheidungssituationen Fehleinschätzungen unterliegen. Es liegt daher nahe anzunehmen, dass die Teilnehmer am Wertpapierhandel dieselben Verfahren zur Entscheidungsfindung einsetzen und deshalb auch denselben Verzerrungen unterliegen. Da die große Mehrzahl der Veröffentlichungen zu diesem Thema in englischer Sprache erfolgt ist, wird hier nicht der Versuch einer Übersetzung der Originalbezeichnungen gemacht. Optimism and Wishful Thinking: Die meisten Menschen haben eine unrealistisch posi-
tive Einschätzung ihrer eigenen Fähigkeiten und Zukunftsaussichten.202 Das Ergebnis von Umfragen ist häufig, dass mehr als die Hälfte der Befragten angibt, sie seien überdurchschnittlich begabt z. B. beim Autofahren, was aber selten der Realität entspricht. Viele Menschen haben außerdem die Tendenz zu einer systematischen Fehlplanung. Sie sagen nämlich voraus, dass Aufgaben, wie z. B. diesen Abschnitt hier zu schreiben deutlich schneller erfüllt sein werden, als diese tatsächlich zu erfüllen sind.203
199
Erklärung: Dieser Spread ist der Gewinn für den Börsenhändler aus der Differenz zwischen dem Kauf- und Verkaufskurs, die er für eine Aktie stellt. 200 Vgl. Friedman, Flexible Exchange Rates, 1953. 201 Für eine ausführliche Diskussion vgl. Barberis, Thaler, Behavioral Finance, 2003. 202 Vgl. Weinstein, Unrealistic Optimism, 1980. 203 Vgl. Buehler et al., Planning Fallacy, 1994.
IV. Wertpapierprogrammentscheidungen Overconfidence: Es gibt zahlreiche Belege dafür, dass viele Menschen ein zu großes
Vertrauen in ihr eigenes Urteilsvermögen legen. So irren sich viele Menschen bei der Schätzung von quantitativen Größen. Das Konfidenzintervall, das sie z. B. für den Stand des Dax-Index in einem Jahr angeben ist häufig deutlich zu gering. So werden Konfidenzintervalle von wenigen Hundert Punkten angegeben, wobei die tatsächliche Schwankung bei 1.800 Punkten liegt. Es konnte in empirischen Untersuchungen gezeigt werden, dass das geschätzte 98 % Konfidenzintervall der Versuchsteilnehmer den tatsächlich erreichten Kurs nur in 60 % der Fälle enthält.204 Außerdem scheinen Menschen grundsätzlich ein Problem bei der Schätzung von Wahrscheinlichkeiten zu haben. Ereignisse, deren Eintritt als absolut sicher erwartet wurde, treten nur in 80 % der Fälle ein. Andererseits treten Ereignisse, deren Eintritt für unmöglich gehalten wurde, in ungefähr 20 % der Fälle doch ein.205 Representativeness: Kahneman und Tversky206 weisen nach, dass Menschen dazu neigen,
Heuristiken (Regeln zum Herbeiführen einer Lösung in komplexen Denkbereichen, wobei die Lösung aber nicht mit Sicherheit garantiert werden kann) zu verwenden, wenn sie eine Entscheidung bei einem komplexen Problem treffen müssen. Dabei wird bspw. versucht herauszufinden, wie hoch die Wahrscheinlichkeit dafür ist, dass ein Datensatz A mit einem Modell B generiert wurde. Der geschätzte Grad der Übereinstimmung zwischen einem Ergebnis und einem Modell wird dabei als Grundlage der Urteilsbildung benutzt. Sofern A und B sehr ähnlich sind, wird die Wahrscheinlichkeit, dass A mittels B generiert wurde hoch eingeschätzt. Systematische Fehler entstehen dadurch, dass vorgegebene Wahrscheinlichkeiten bei der Entscheidungsfindung häufig ignoriert werden. Im täglichen Leben sind Heuristiken für den Menschen eine große Hilfe, um schnell Entscheidungen zu treffen, aber sie können auch zu einigen ernsthaften Verzerrungen führen. Kahneman und Tversky illustrieren dieses Problem mit einem Beispiel. Steve wird als scheu, zurückhaltend, immer hilfsbereit aber wenig an anderen Menschen und der Welt um ihn herum interessiert beschrieben. Er ist bescheiden, ordentlich and arbeitet sehr gewissenhaft. Die Befragten sollten eine Liste nach der Wahrscheinlichkeit ordnen, welchen Beruf Steve hat. Zur Auswahl standen: Landwirt, Verkäufer, Pilot, Bibliothekar und Arzt. Die Befragten wählten offenbar mit einer Heuristik aus, wobei sie die Beschreibung von Steve mit dem typischen Berufsbild verglichen und gemäß der Übereinstimmung die Wahrscheinlichkeiten zuordneten. Dem Beruf des Bibliothekars wurde dabei eine hohe Wahrscheinlichkeit zugeordnet. Allerdings haben die Befragten bei ihrer Bewertung einige Faktoren übersehen. So muss bspw. berücksichtigt werden, dass es deutlich mehr Landwirte als Bibliothekare in der Bevölkerung in den USA gibt und damit die a priori Wahrscheinlichkeit gegen den Beruf Bibliothekar spricht. Das Ausblenden dieser Gesamtverteilung durch Heuristiken kann zu ernsthaften Verzerrungen des Ergebnisses führen. Die Repräsentativität führt auch häufig zu einer anderen Verzerrung: der Vernachlässigung der Stichprobengröße. Wenn Menschen über die Wahrscheinlichkeit entscheiden müssen, dass ein Datensatz mit einem bestimmten Modell erzeugt wurde, vergessen sie häufig die Größe der Stichprobe mit zu berücksichtigen. Wenn bei sechsmaligem Münz204
Vgl. Alpert, Raiffa, Probability Assessors, 1982. Vgl. Fischoff, Slovic, Lichtenstein, Knowing with Certainty, 1977. 206 Vgl. Tversky, Judgement under uncertainty: Heuristics and Biases, 1974. 205
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C. Wertpapiergeschäfte wurf dreimal Kopf und dreimal Zahl erscheint, ist das für sie genauso repräsentativ für eine faire Münze, wie 500-mal Kopf und 500-mal Zahl bei 1000 Würfen. Dies impliziert, dass viele Menschen die beiden Versuche für gleich informativ über die Verteilung der Münzwürfe halten, auch wenn der zweite Versuch deutlich informativer ist. Viele Menschen neigen dazu in Fällen, in denen sie den Prozess anfänglich nicht kennen anhand von zu wenigen Daten zu schnell auf die Eigenschaften dieses Prozesses zu schließen. Ein Beispiel könnte der Schluss sein, dass ein Aktienanalyst nach vier erfolgreichen Empfehlungen eine überdurchschnittliche Prognosefähigkeit besitzt. Vier erfolgreiche Aktienempfehlungen sind aber sicher nicht repräsentativ für einen schlechten oder mittelmäßigen Analysten. Diese Fehleinschätzung, dass selbst kleine Stichproben die Eigenschaften der Grundgesamtheit reflektieren wird manchmal als „Gesetz der kleinen Zahlen“207 bezeichnet. Conservatism:208 Während die Repräsentativität zu einer Untergewichtung der vor-
gegebenen Wahrscheinlichkeiten führt, gibt es auch Situationen, wo diese relativ zur tatsächlichen Verteilung überbewertet werden. Ein einfaches Experiment dazu schildert Edwards. Es gibt zwei Beutel mit jeweils 1.000 Kugeln. Im ersten Beutel sind 700 rote und 300 blaue Kugeln, im zweiten 300 rote und 700 blaue. Die Vorauswahl der Beutel erfolgt durch einen Münzwurf, sodass mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 % der Beutel mit den 700 roten und 300 blauen Kugeln gezogen wird. Jetzt werden aus dem gezogenen Beutel zufällig (mit Zurücklegen) 12 Kugeln gezogen. Das Ergebnis sind 8 rote und 4 blaue. Wie hoch ist nun die Wahrscheinlichkeit, dass dies der überwiegend rote Beutel ist? Die allermeisten Versuchsteilnehmer geben hierfür eine Größenordnung von 70 %–80 % an. Die tatsächliche Wahrscheinlichkeit liegt aber bei 97 %. Offenbar haben die Versuchsteilnehmer dabei die vorgegebene Wahrscheinlichkeit von 50 % übergewichtet. Auf den ersten Blick scheint die obige Argumentation für Konservativismus im Widerspruch zur Repräsentativität zu stehen. Welche der beiden Verzerrungen auftritt scheint von der Wahrnehmung der Versuchsteilnehmer abzuhängen. Offenbar werden die Daten dann übergewichtet, wenn die Stichprobe repräsentativ für das zugrunde liegende Modell scheint. Wenn die Stichprobe nicht leicht als repräsentativ für das zugrunde liegende Modell eingeschätzt werden kann, reagieren Menschen tendenziell wenig auf die Daten, sondern verlassen sich stärker auf ihre vorherigen Informationen. Die Ziehung der Kugeln scheint nicht sehr repräsentativ für einen der Beutel zu sein, weswegen die Versuchsteilnehmer sich offenbar zu stark an der vorgegebenen Wahrscheinlichkeit von 50 % orientieren. Anchoring: Kahneman und Tversky legen dar, dass Menschen, die etwas Abschätzen
sollen, häufig von einem Startwert209 aus diese Abschätzungen vornehmen. Von diesem Startwert aus werden dann im Laufe der Zeit Anpassungen vorgenommen.210 Experimentelle Beweise zeigen jedoch, dass diese Anpassungen häufig unzureichend sind. Anders formuliert „ankern“ die Leute häufig zu stark in ihrem Startwert. So wurden die Teilnehmer einer Befragung gebeten, den Prozentsatz der Mitgliedsländer der Vereinten Nationen, die afrikanisch sind anzugeben. Dabei wurde ihnen eine zu207
Vgl. Rabin, Law of Small Numbers, 2002. Vgl. ausführlich: Edwards, Conservatism in human information processing, 1968. 209 Dieser kann im Extremfall auch zufällig gewählt sein. 210 Vgl. Tversky, Judgement under uncertainty: Heuristics and biases, 1974. 208
IV. Wertpapierprogrammentscheidungen fällig erzeugte Wahrscheinlichkeit zwischen 0 % und 100 % vorgegeben und sie wurden zuerst gefragt, ob ihre Schätzung höher oder niedriger als diese Zahl liegt. Die darauffolgenden Schätzungen der Teilnehmer wurden signifikant von der vorgegebenen Zufallszahl beeinflusst. So schätzten z. B. diejenigen, die ihre Schätzung mit 10 % vergleichen sollten 25 %, die mit 60 % vergleichen sollten, schätzten 45 %. Belief Perseverance: Es scheint so zu sein, dass Menschen, wenn sie sich einmal eine Meinung gebildet haben, an dieser zu strikt und zu lange festhalten.211 Dabei spielen die folgenden Effekte eine Rolle. Offenbar widerstrebt es vielen Menschen, nach Beweisen zu suchen, die ihre einmal gefasste Meinung widerlegen. Zusätzlich behandeln sie Beweise, die ihre Meinung widerlegen mit größter Skepsis. Einige Studien haben auch einen noch stärkeren Effekt namens Confirmation Bias gefunden, bei dem die Menschen Beweise, die ihrer Hypothese eigentlich widersprechen, als ihre Hypothese unterstützend uminterpretieren. Availability Bias: Bei der Abschätzung der Wahrscheinlichkeit eines Ereignisses, greifen
Menschen bevorzugt auf Quellen zurück, die gut zugänglich und frei verfügbar sind. Grundsätzlich ist dieses Vorgehen sinnvoll, es kann aber auch zu Verzerrungen führen. So werden häufig Ereignisse, die kurze Zeit zurückliegen und einen besonderen Eindruck gemacht haben, stärker berücksichtigt und verzerren die Einschätzung. Ein Gegenargument gegen diese Verzerrung lautet häufig, dass Menschen durch Wiederholungen lernen dieses Verhalten zu vermeiden oder dass Experten in einem Gebiet, z. B. Händler einer Investmentbank, weniger Fehler machen oder dass diese Effekte verschwinden, wenn die Anreize dafür stark genug sind. Alle diese Faktoren können Verzerrungen sicher bis zu einem gewissen Grad korrigieren, es gibt aber wenig Beweise, dass sie diese komplett zum Verschwinden bringen können. Auch Expertenwissen ist häufig eher ein Nachteil als eine Hilfe. Denn viele Experten unterliegen stärker der Verzerrung der Overconfidence als Laien. Camerer und Hogarth212 untersuchen viele Studien zu diesem Thema und schließen, dass obwohl Anreize manchmal die Verzerrungen reduzieren können, es bisher keine Replikationsstudie geschafft hat, die Verzerrungen des rationalen Verhaltens einfach durch Erhöhung der Anreize verschwinden zu lassen.
bb) Präferenzbildung Prospect Theory: Annahmen über die Präferenzen von Investoren und wie diese risikobehaftete Entscheidungen bewerten sind ein Hauptbestandteil jeden Modells, das versucht Wertpapierpreise oder das Handelsverhalten der Investoren zu verstehen. Die große Mehrheit der Modelle unterstellt dabei, dass Investoren Entscheidungen gemäß dem Erwartungsnutzen213 bewerten. Die theoretische Erklärung liefern von Neumann und Morgenstern214, die zeigen, dass Präferenzen unter bestimmten Bedingungen215 durch den Erwartungswert einer Nutzenfunktion ausgedrückt werden können.
Empirische Untersuchungen zeigen aber, dass Menschen häufig nicht gemäß dieser Theorie handeln, wenn sie sich zwischen risikobehafteten Alternativen entscheiden müssen. 211
Vgl. Lord, et al., Biased Assimilation, 1979. Vgl. Camerer, The effects of financial incentives in experiments, 1999. 213 Vgl. Abschnitt B I. 214 Vgl. von Neumann, Morgenstern, Theory of Games, 1953. 215 Sofern Vollständigkeit, Transitivität, Stetigkeit und Unabhängigkeit erfüllt sind. 212
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C. Wertpapiergeschäfte Daraufhin wurden vom Erwartungsnutzen unabhängige Theorien entwickelt, die versuchen die empirischen Ergebnisse zu erklären. Dabei wird der Prospect Theory von Kahneman und Tversky216 die größte Chance eingeräumt, da sie am besten die experimentellen Ergebnisse erklären kann. Deswegen wird diese Theorie hier kurz vorgestellt. Die Prospect Theory versucht dabei nicht, zu einer normativen Theorie zu werden, es wird nur versucht, das menschliche Verhalten bei risikobehafteten Entscheidungen zu erklären. Kahneman und Tversky formulieren die Originalversion der Prospect Theory für Entscheidungssituationen mit mindestens zwei unsicheren Alternativen, die ungleich Null sind. Sie verdeutlichen dies, mit einer Entscheidungssituation der folgenden Form: (x,p; y,q) Diese Darstellung bedeutet, der Versuchsteilnehmer bekommt x mit einer Wahrscheinlichkeit von p und y mit einer Wahrscheinlichkeit von q, wobei x d 0 d y oder y d 0 d x gilt. Die Versuchsteilnehmer bewerten diese Entscheidungssituation gemäß der Funktion in Abbildung C 63. Wobei der Verlauf der Wertfunktion v und der Wahrscheinlichkeitsgewichtungsfunktion S aus mehreren empirischen Untersuchungen geschätzt wurde. In Abbildung C 63 ist der Verlauf der Wertfunktion und in Abbildung C 64 der der Entscheidungsgewichtefunktion dargestellt. Bei der Auswahl zwischen verschiedenen Entscheidungen wählen die Versuchsteilnehmer jeweils diejenige mit dem höchsten Wert.
Abb. C 63: Verlauf der von Kahneman und Tversky (1979) geschätzten Wertfunktion v
216
Kahneman, Tversky, Prospect Theory, 1979, und Tversky, Kahneman, Advances, 1992.
IV. Wertpapierprogrammentscheidungen
Abb. C 64: Die von Kahneman und Tversky (1979) geschätzten Wahrscheinlichkeitsfunktion S
Die oben gewählte Definition der Entscheidungssituation hat einige wichtige Eigenschaften, die im Folgenden erklärt werden. Der Nutzen für das Individuum wird gemäß Abbildung C 63 über Gewinne und Verluste und deren Eintrittswahrscheinlichkeiten und nicht über Endvermögenswerte wie im Bernoulli Prinzip definiert. Diese Formulierung entspricht dem, wie Menschen im täglichen Leben Eigenschaften wie Helligkeit, Lautstärke und Temperatur wahrnehmen. Diese werden nämlich relativ zum vorherigen Zustand wahrgenommen und nicht als Absolutwert erfasst. Kahneman und Tversky belegen ihre Idee der Verletzung des bekannten Erwartungsnutzens, bei der der Nutzen mit den jeweiligen Wahrscheinlichkeiten gewichtet wird, mit folgendem Beispiel. Hierbei haben die zu 1 fehlenden Wahrscheinlichkeiten im Folgenden immer den Wert 0. Den Versuchsteilnehmer217 wurde folgende Entscheidungssituation vorgegeben:
217
Alle Experimente wurden in israelischer Währung vorgenommen. Der Median des monatlichen Familieneinkommens zum Zeitpunkt der Befragung lag bei 3.000 israelischen Schekel. Die Versuche wurden mit Studenten und Kollegen der beiden Wissenschaftler durchgeführt, auch Befragungen unter vergleichbaren Bedingungen in anderen Ländern führten zu ähnlichen Ergebnissen.
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C. Wertpapiergeschäfte Zusätzlich zu allem, was Sie besitzen bekommen Sie 1.000 GE als Startkapital, das Sie im Folgenden einsetzen müssen. Wählen Sie jetzt zwischen den beiden folgenden Spiel-Alternativen: A = (1.000, 0,5) oder B = (500,1) Bei diesem Experiment wurde B signifikant häufiger gewählt. Dieselben Versuchsteilnehmer wurden anschließend gefragt: Zusätzlich zu allem, was sie besitzen bekommen Sie 2.000 GE. Wählen Sie jetzt zwischen den beiden folgenden Alternativen: C = (– 1.000, 0,5) oder D = (– 500,1) Jetzt wurde C von den Versuchsteilnehmern signifikant häufiger gewählt. Beide Probleme sind identisch im Hinblick auf den endgültigen Vermögenswert und trotzdem entscheiden die Menschen unterschiedlich. Ganz offensichtlich haben die Befragten nach den jeweiligen Gewinnen und Verlusten entschieden. Wenn die Versuchsteilnehmer keine Informationen über vorhandene Gewinne haben, wählen signifikant mehr Teilnehmer B vor A und C vor D. Eine weitere wichtige Entdeckung ist die Krümmung der Wertfunktion v. Diese ist bei Gewinnen konkav und bei Verlusten konvex. Einfacher formuliert sind Menschen tendenziell risikoavers bei Gewinnen und risikofreudig bei Verlusten. Diese Wertfunktion hat außerdem eine Knickstelle im Ursprung, was eine höhere Sensitivität gegenüber Verlusten als gegenüber Gewinnen anzeigt, diese Eigenschaft wird als Verlustaversion bezeichnet. Der letzte Teil der Prospect Theory ist die nichtlineare Wahrscheinlichkeitstransformation. Kleine Wahrscheinlichkeiten werden dabei übergewichtet, sodass S(p) > p. Den Beleg liefern Kahneman und Tversky in ihrer Studie. Dabei entschieden sich signifikant viele Versuchsteilnehmer für E anstatt für F und für G anstatt für H: E (5.000, 0,001) und F (5,1) und G (– 5,1) und H (– 5.000, 0,001) Signifikant218 viele Versuchsteilnehmer ziehen z. B. ein Lotterielos (E) mit einem hohen, aber unsicheren Gewinn dem erwarteten, sicheren Gewinn dieses Loses (F) vor. Andererseits ziehen sie einen sicheren, geringen Verlust (G) einem unsicheren, hohen Verlust (H) vor, auch wenn die Erwartungswerte beider identisch sind.
218
Dabei stehen >, < für eine signifikante Anzahl der Versuchsteilnehmer, die sich so entschieden haben.
IV. Wertpapierprogrammentscheidungen Dies bedeutet, dass die Wertfunktion für Gewinne konkav sein muss. Die für Verluste ist nach derselben Logik konvex.
S(0, 001) v(5.000) ! v(5) und damit S(0, 001) !
v(5) ! 0, 001 v(5.000)
Es existiert auch eine von Tversky und Kahneman verallgemeinerte Prospect Theory für Entscheidungssituationen mit mehr als zwei Ausgangsmöglichkeiten. Es wurde bisher gezeigt, dass Menschen bei Situationen mit gleichem Endvermögen trotzdem unterschiedliche Entscheidungen treffen.219 Framing 220 ist ein weiterer wichtiger Teil der Prospect Theory. Dieser Effekt entsteht,
weil sich die Art der Präsentation einer Information stark auf die Entscheidung auswirken kann. So werden Informationen, die ungewöhnlich und im Kontrast zu ihrer Umwelt dargestellt werden, tendenziell stark wahrgenommen. Das Gleiche gilt für zuerst gegebene Informationen in einer Kette von Informationen. Die ersten Informationen beeinflussen die Entscheidung stärker, als die später erwähnten. Es gibt viele Beispiele, die einen Einfluss (bei Framing) von 30 % bis 40 % auf die Entscheidung zeigen, je nachdem wie das Problem formuliert wurde. Keine normative Theorie kann solch ein Verhalten berücksichtigen, da das Grundprinzip der rationalen Wahl ist, dass die Wahl unabhängig von der Problembeschreibung und Problemdarstellung ist. Zum Beispiel könnte jemand bei einem Pferderennen wetten und 200 GE bei der ersten Wette gewinnen. Bei der nächsten Wette verliert die Person aber 50 GE. Die Frage ist nun, wie diese Person den Ausgang der zweiten Wette betrachtet, als Verlust von 50 GE oder als Reduktion ihres ursprünglichen Gewinns von 200 GE. Mental Accounting 221 wird der Prozess mit dem Menschen Fragestellungen dieser Art
verarbeiten genannt. Dabei werden offenbar verschiedene Informationen in verschiedenen virtuellen Konten abgespeichert. Die Informationen werden anschließend im jeweiligen Konto bewertet. Je nachdem in welchem Konto die Speicherung erfolgte, kann dieselbe Information dann abweichend bewertet werden. Narrow Framing ist eine wichtige Eigenschaft des Mental Accounting. Dies ist die
Tendenz, einzelne Entscheidungssituationen unabhängig vom gesamten Gewinn oder der aktuellen Vermögenslage zu sehen. Anders ausgedrückt bewerten viele Menschen, wenn sie z. B. eine Wette angeboten bekommen, diese so, als wäre es die einzige Wette auf der ganzen Welt, anstatt diese mit bereits eingegangenen Wetten zusammen zu bewerten, um zu überprüfen, ob die neue Wette eine wertvolle Ergänzung darstellt. Redelmeier und Tversky222 liefern ein einfaches Beispiel, auf Basis der folgenden Wette: F = (2.000 0,5; – 500, 0,5) Die Teilnehmer ihres Experimentes wurden gefragt, ob sie bereit wären, sich auf die obige Wette F einzulassen. 57 % wollten an dieser Wette nicht teilnehmen. Als Nächstes wurden die Versuchsteilnehmer befragt, ob sie die Wette lieber fünfmal mitmachen wollten. Hierbei wollten 37 % die Wette nicht mehrfach eingehen. Zum Schluss wurde
219
Vgl. Tversky, Kahneman, Advances in Prospect Theory, 1992. Vgl. Tversky, Kahneman, Framing, 1986. 221 Vgl. Thaler, Mental Accounting, 1999. 222 Vgl. Redelmeier, Tversky, On the Framing of Multiple Prospects, 1992. 220
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C. Wertpapiergeschäfte gefragt: Angenommen, Sie haben auf F fünf Mal gewettet, aber Sie wissen bisher nichts über Ihre Gewinne oder Verluste. Würden Sie das Spiel ein sechstes Mal spielen? Jetzt lehnten 60 % der Versuchsteilnehmer ab, die Wette ein sechstes Mal einzugehen. Die Präferenzen scheinen sich im Vergleich zur vorherigen Frage offenbar verändert zu haben. Dies ist ein Indiz dafür, dass einige Versuchsteilnehmer Narrow Framing bei dieser letzten Wette angewendet haben und diese getrennt von den anderen bewertet haben. Dabei ist die Ablehnungsquote von 60 % auffallend ähnlich zu der 57 % Ablehnungsquote für das einmalige Wetten auf F. Ambiguity Aversion: In der bisherigen Diskussion wurde unterstellt, dass die Ergebnis-
se der Entscheidungssituationen mit bekannten und objektiven Wahrscheinlichkeiten gewichtet sind. In der Realität sind die Wahrscheinlichkeiten für die Realisationen z. B. einer Wette selten objektiv bestimmbar. Um mit diesen Situationen umzugehen hat Savage223 ein Gegenstück zum erwarteten Nutzen, bekannt als subjektiver erwarteter Nutzen entwickelt. Unter bestimmten Annahmen, können Präferenzen durch die Erwartungswerte einer Nutzenfunktion abgebildet werden, diesmal gewichtet mit den subjektiven Einschätzungen der Wahrscheinlichkeit durch die Individuen. Die empirischen Ergebnisse in den letzten Jahrzehnten zeigen aber zahlreiche Verletzungen dieser Theorie in der Realität. Das klassische Experiment hierzu wurde von Ellsberg224 beschrieben. Es werden zwei Urnen U1 und U2 angenommen. Urne U2 enthält 100 Kugeln, 50 davon sind rot und 50 schwarz. Urne U1 enthält auch 100 Kugeln, wieder eine Mischung aus roten und schwarzen, aber der Versuchsteilnehmer kennt jetzt nicht die Aufteilung auf rot und schwarz. Die Versuchsteilnehmer wurden dann gebeten, zwischen a1 und a2 zu wählen. Dabei bekommt der Versuchsteilnehmer 100 GE, wenn durch eine Zufallsziehung eine Kugel mit der vorgegebenen Farbe gezogen wird. a1: eine Kugel wird aus Urne U1 gezogen, 100 GE Gewinn, wenn diese rot ist, 0 GE wenn diese schwarz ist a2: eine Kugel wird aus Urne U2 gezogen, 100 GE, wenn diese rot ist, 0 GE wenn diese schwarz ist
Die Versuchsteilnehmer wurden dann gebeten, zwischen b1 und b2 zu wählen. b1: eine Kugel wird aus Urne U1 gezogen, 100 GE Gewinn, wenn diese schwarz ist, 0 GE wenn diese rot ist b2: eine Kugel wird aus Urne U2 gezogen, 100 GE Gewinn, wenn diese schwarz ist, 0 GE wenn diese rot ist Meistens wird von den Versuchsteilnehmern a2 gegenüber a1 vorgezogen, während b2 gegenüber b1 bevorzugt wird. Dieses Verhalten ist aber nicht in Übereinstimmung mit dem subjektiven Erwartungsnutzen: die Wahl von a2 impliziert eine subjektive Wahrscheinlichkeit von weniger als 50 % roter Kugeln in Urne U1, während die Wahl von b2 genau die gegenteilige Annahme bedeutet. Das Experiment lässt erahnen, dass Menschen Situationen nicht mögen, bei denen sie die Wahrscheinlichkeitsverteilung der Spielergebnisse nicht kennen bzw. keine eindeutigen subjektiven Wahrscheinlichkeiten angegeben werden können. Diese Situationen 223 224
Vgl. Savage, The Foundations of Statistics, 1972. Vgl. Ellsberg, Risk, Ambiguity, and the Savage Axioms, 1961.
IV. Wertpapierprogrammentscheidungen werden als Situations of Ambiguity bezeichnet und die generelle Ablehnung dieser Situationen als Ambiguity Aversion. Die Theorie des subjektiven erwarteten Nutzens erlaubt den Agenten nicht, ihren Grad an Vertrauen über eine Wahrscheinlichkeitsverteilung auszudrücken und kann deswegen diese Aversion nicht erfassen. Im Allgemeinen bevorzugen die Versuchsteilnehmer immer auf die bekannte Verteilung zu wetten. Heat und Tversky225 argumentieren, dass Ambigutiy Aversion stark von der Einschätzung der eigenen Kompetenz zur Vorhersage der jeweiligen Verteilungen abhängt. Diese kann z. B. auch gesteigert werden, indem dem Teilnehmer die Probleme bei der eigenen Wahrscheinlichkeitsschätzung aufgezeigt werden. Einen Einfluss hat z. B., wenn andere Teilnehmer erwähnt werden, die mehr Erfahrung und Fachwissen in der Einschätzung des speziellen Ereignisses haben.226 Ein weiterer Beleg für das Gegenteil der Ambiguity Aversion ist die Competence Hypothesis. Dabei wurde bei Versuchsteilnehmern, die sich besonders qualifiziert zur Einschätzung der spezifischen Wahrscheinlichkeiten fühlten genau das Gegenteil von Ambiguity Aversion beobachtet.
c) Anwendung der Behavioral Finance auf einige bekannte Kapitalmarktanomalien227 Zu den bekanntesten Kapitalmarktanomalien gehört das Equity Premium Puzzle228, dabei scheinen Investoren eine mit der bisherigen Theorie schwer zu erklärende, sehr hohe Risikoprämie für das Halten von Aktien zu verlangen. Eine mögliche Erklärung für dieses Verhalten könnte in der Prospect Theory liegen. Aktien haben historisch bei einer Anlagedauer von einigen Jahren zu relativ hohen Renditen geführt. Wenn die Bewertung des Portefeuilles aber in jährlichen, oder noch kürzeren Intervallen erfolgt und auch die Verlustaversion eine Rolle spielt, so kann dies dazu führen, dass übermäßig hohe Risikoprämien für das Halten von Aktien verlangt werden. Diese Kombination wird auch als Myopic Loss Aversion 229 bezeichnet. Ein weiterer Grund für den überproportionalen Risikoaufschlag könnte in der Ambiguity Aversion liegen, weil die Anleger über die potenziellen zukünftigen Verteilungen der Aktien unsicher sind. Eine weitere bekannte Verzerrung ist das sogenannten Volatility Puzzle230, eine Anomalie, die durch die höhere Volatilität der Aktienrenditen im Vergleich zur Volatilität des Dividendenwachstums entsteht. Eine Tatsache, die mit rationalem Verhalten nicht zu erklären ist. Offenbar entsteht diese Anomalie durch eine sich im Zeitlauf verändernde Risikoaversion der Investoren, etwas, das bei rationalem Verhalten nicht passieren sollte. Die Gründe dafür könnten in der Meinungsbildung liegen. Viele Investoren scheinen der Representativess zu unterliegen, indem sie aus einer relativ kleinen Stichprobe von steigenden Dividenden auf einen allgemeinen Anstieg der Dividenden schließen. Wenn der Anleger seinen Irrtum erkennt, korrigiert er ihn und erhöht dadurch die Volatilität der Kurse. Eine weitere Ursache könnte in der Overconfidence liegen. Anleger legen zu viel Vertrauen in ihre eigene Einschätzung der Dividendenentwicklung und überbewerten diese. Dadurch werden die Aktienkurse dann in die Höhe getrieben. 225
Vgl. Heat, Preference and Belief, 1991. Vgl. Fox, Tversky, Ambiguity Aversion, 1995. 227 Vgl. für eine ausführlichere Darstellung Barberis, Thaler, Behavioral Finance, 2003, S. 1075 ff. 228 Vgl. Mehra, Prescott, Equity Premium, 1985, Hansen, Singleton, Asset Returns, 1983. 229 Benartzi, Thaler, Myopic Loss Aversion, 1995. 230 Vgl. Campbell, Asset Prices, 1999. 226
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C. Wertpapiergeschäfte Daneben existieren weitere Effekte die in der Literatur des Öfteren bestätigt wurden. An erster Stelle zu nennen sind zahlreiche Kalendereffekte, wie die Januar231- oder der Wochenendeffekt232 zu nennen. Während ersterer eine höhere Rendite im Januar für Aktien, insbesondere mit niedrigerer Marktkapitalisierung prognostiziert, zeigt der Wochenendeffekt eine systematisch niedrigere Rendite am Montag an. Dabei ist ersterer als Ergebnis von zum Teil steuerlich motivierten Reinvestitionen zu begreifen. Zweiterer wurde mit wiederkehrenden Verhaltensmustern von Privatanlegern erklärt, was sich aber im Zeitablauf vermindert hat. Ferner scheinen auch Stimmungen, Aufmerksamkeiten und Erfahrungen einen Einfluss auf ds Verhalten der Anleger zu haben. Hier ist etwa das Wetter zu nennen. An sonnigen Tagen ist die Marktrendite anscheinend deutlich höher als an schlechten Tagen.233 Ferner wurde nachgewiesen, dass negative Nachrichten von Sportereignissen, wie ein verlorenes KO-Spiel in der Fußballweltmeisterschaft anscheinend über schlechte Stimmung zu negativeren Renditen bei Aktien führen können.234 Generell kann man sagen, dass die Erklärung vieler Anomalien am Kapitalmarkt mit der Behavioral Finance möglich ist, da diese Anomalien durch systematische Fehleinschätzungen der Anleger entstehen. Besonders vielversprechende Erklärungen liefern in diesem Kontext die Prospect Theory und die Representativess.
d) Die Coherent Market Hypothesis Eine ebenfalls aktuelle Entwicklung in der Kapitalmarkttheorie ist die Coherent Market Hypothesis (CMH).235 Es handelt sich hierbei um ein nichtlineares dynamisches Modell bei Annahme eines unvollkommenen Kapitalmarkts. Ausgangspunkt ist die Beobachtung von Anomalien am Kapitalmarkt, die nicht mit den restriktiven Prämissen des vollkommenen Kapitalmarktes in Übereinstimmung gebracht werden können. Beispielhaft sind der Kleinfirmeneffekt, der Januareffekt und der Wochenendeffekt zu nennen, die der Annahme homogener Erwartungen rationaler Anleger und einer daraus resultierenden Standardnormalverteilung der Aktienrenditen widersprechen. Die CMH versucht mithilfe von zwei Parametern, der aktuellen fundamentalen Marktsituation und dem Grad des Gruppenverhaltens der Anleger, die zukünftige Aktienrenditeverteilung zu prognostizieren und eine darauf basierende Portefeuilleoptimierung zu ermöglichen.236Als viel versprechend hat sich eine Schätzung der Parameter mit künstlichen neuronalen Netzen erwiesen.237
231
Vgl. Officer, Seasonality in Australian capital markets, 1975; Rozeff, Kinney, Capital Market Seasonality, 1976; Wachtel, Certain Observations on Seasonal Movements in Stock Prices, 1942. 232 Vgl. Cross, Behavior of Stock Prices on Fridays and Mondays, 1973; French, Stock Returns and the Weekend Effect, 1980. 233 Vgl. Hirshleifer, Shumway, Good Day Sunshine, 2003; Klein, Wettereffekt, 2005. 234 Vgl. Edmans, Garcia, Norli, Sports Sentiment and Stock Returns, 2007. 235 Vgl. Vaga, Coherent Market Hypothesis, 1990. 236 Vgl. Steiner, Wittkemper, Wolf, Coherent Market Hypothesis zur Portfoliooptimierung, 1998. 237 Vgl. Wittkemper, Neuronale Netze, 1994, S. 207–230.
IV. Wertpapierprogrammentscheidungen
Weiterführende Literatur zu Wertpapierprogrammentscheidungen Barberis, N.; Thaler R.: A Survey of Behavioral Finance, in: Handbook of the Economics of Finance, S. 1053–1128, Amsterdam u. a. 2003. Bodie, Z.; Kane, A.; Marcus, A. J.: Investments, 10. Auflage, Boston u. a. 2014. Breuer, W.; Gürtler, M.; Schuhmacher, F.: Portfoliomanagement I, 3. Aufl., Wiesbaden 2010. Breuer, W.; Gürtler, M.; Schuhmacher, F.: Portfoliomanagement II, Wiesbaden 2006. Brown, K. C.; Reilly, F. K.: Analysis of Investments and Management of Portfolios, 10. Aufl., Mason 2012. Copeland, T. E.; Weston, J. F.; Shastri. K.: Financial Theory and Corporate Policy, 4. Auflage, Boston 2006. Drukarzcyk, J., Schüler, A.: Unternehmensbewertung, 5. Auflage, München 2007. Elton, E. J.; Gruber, M. J., Brown, St; Goetzman, W: Modern Portfolio Theory and Investment Analysis, 9. Auflage, New York u. a. 2014. Francis, J. C.: Investments: Analysis and Management, 4. Auflage, New York 1986. Franke, G.: Kapitalmarkt. Theorie und Empirie, Hagen 1980. Franke, G.; Hax, H.: Finanzwirtschaft des Unternehmens und Kapitalmarkt, 6. Auflage, Berlin/Heidelberg 2009. Haugen, R.: Modern Investment Theory, 5. Auflage, Upper Saddle River, 2001. Kahneman, D.; Tversky, A.: Prospect Theory: An Analysis of Decision under Risk, in: Econometrica 47 (1979), S. 263–291. Kahneman, D.; Tversky, A.: Judgement under Uncertainty: Heuristics and Biases, in: Science 185 (1974), S. 1124–1131. Lockert, G.: Risikofaktoren und Preisbildung am deutschen Aktienmarkt, Heidelberg 1996. Loistl, O.: Computergestütztes Wertpapiermanagement, 5. Auflage, München/Wien 1996. Mühlbradt, F. W.: Kapitalanlagegesellschaften und ihr Fondssortiment: Status quo und Perspektiven des deutschen Investmentmarktes, in: Handbuch Finanzdienstleistungen, Brunner, W. L.; Vollath, J. (Hrsg.), Stuttgart 1993, S. 321–336. Nowak, T.: Faktormodelle in der Kapitalmarkttheorie, Köln 1994. Steiner, M.; Bruns, C.; Stöckl, S.: Wertpapiermanagement, 10. Auflage, Stuttgart 2012. Tversky, A.; Kahneman, D.: Advances in Prospect Theory: Cumulative Representation of Uncertainty, in: Journal of Risk and Uncertainty 5 (1992), S. 297–323. Wittrock, C.: Messung und Analyse der Performance von Wertpapierportfolios, 3. Auflage, Bad Soden 2000.
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C. Wertpapiergeschäfte
V. Risikomanagement mit Termingeschäften Lernziele dieses Kapitels x Termingeschäfte lassen sich in unbedingte und bedingte Termingeschäfte unterscheiden. x Unbedingte Termingeschäfte stellen dabei eine Vereinbarung zwischen zwei Marktteilnehmern dar, ein Wertpapier oder eine Ware zu einem zukünftigen Zeitpunkt zu kaufen bzw. zu verkaufen, wobei der Preis bereits im Abschlusszeitpunkt vereinbart wurde. x Unbedingte Termingeschäfte zeichnen sich durch die unbedingte Verpflichtung beider Vertragspartner zur Erfüllung aus und werden in Futures und Forwards unterschieden. Während erstere börsengehandelt sind, sind letztere individuelle Verträge zwischen zwei Vertragspartnern. Um Futures börslich handeln zu können, sind sie bzgl. Menge, Laufzeit und Qualität standardisiert. Zudem wird die Erfüllung durch eine Art Sicherheitenstellung (Margining) durch die Börse sichergestellt. x Forwards wie auch Futures werden nach dem Prinzip der Arbitragefreiheit bewertet. Dazu wird etwa der Zahlungsstrom eines Forwards durch die Zahlung eines Kredits und den Kauf des Basiswerts dupliziert. Ganz allgemein errechnet sich der Preis eines Forwards (oder auch eine Futures) als Kassapreis des Basiswertes zuzüglich der Finanzierungskosten abzüglich der Erträge aus dem Basiswert (Cost-of-Carry-Methode). x Forwards und Futures werden dabei auf verschiedene Basiswerte wie Aktien, Aktienindizes, Anleihen, Devisen oder auch Rohstoffe (Commodities) gehandelt. x Die Bepreisung von Commodity Futures unterliegt dabei der Schwierigkeit, dass die Duplikation nicht immer gelingt. Dies hat zu alternativen Bewertungsverfahren wie dem Convience Yield-Modell und dem Risikoprämienmodell geführt. Während bei ersterem auf Basis der Theory of Storage die Cost-of-Carry-Methode um eine Verfügbarkeitsprämie erweitert wird, bestimmt sich nach dem zweiten Ansatz der Preis analog zu Bewertung von Wertpapieren unter Berücksichtigung einer Risikoprämie. x Anstelle von Futures auf Anleihen werden als unbedingte Termingeschäfte vor allem auch Zinsswaps gehandelt. Diese versprechen der einen Vertragspartei gegen Zahlung einer fixen Zinszahlung, eine variable Zinszahlung einzutauschen (Payer-Swap). Die Gegenpartei erhält gegen Zahlung einer variablen Zinszahlung eine fixe Zahlung (Receiver-Swap). x Da der variable Zinssatz erst zu künftigen vereinbarten Terminen festgelegt wird, kommt der Festlegung des fixen Zinssatzes (Swapsatz) eine besondere Bedeutung zu. Dieser wird im Standardfall so vereinbart, dass der Kapitalwert des Swaps null beträgt, wobei für die im Abschlusszeitpunkt unbekannten Zinssätze die Terminzinssätze angesetzt werden. x Swaps existieren teilweise auch für andere Basiswerte wie Devisen oder Kredite (Kreditderivate). x Von den unbedingten Termingeschäften werden die bedingten Termingeschäfte unterschieden, die einem der Vertragspartner das Recht einräumen, den Basiswert zu kaufen oder zu verkaufen, aber keine Verpflichtung beinhalten. Statt mit dem rechtlichen Terminus (unbedingtes Geschäft) werden sie in der Finanzwirtschaft auch als Optionen bezeichnet. x Die häufigsten Formen sind die europäische oder amerikanischen Kauf- bzw. Verkaufsoptionen. Während erstere dem Inhaber der Option das Rechts gewährt, einen Basiswert zu einem vorher festgelegten Preis, dem Basispreis, zu einem bestimmten
V. Risikomanagement mit Termingeschäften Zeitpunkt, dem Ausübungszeitpunkt, (europäisch) oder in einem bestimmten Zeitraum (amerikanisch) zu kaufen, hat der Inhaber der Verkaufsoption das Recht, den Basiswert zu vorgegebenen Konditionen zu verkaufen. x Z. B. wird der Inhaber der Kaufoption also die Option nur ausüben, falls der Preis des Basiswerts oberhalb des Basispreises im Ausübungszeitpunkt ist, woraus sich ein asymmetrisches Chance-Risikoprofil und das typische geknicktes Zahlungsprofil einer Option am Ausübungszeitpunkt ergibt. x Diese einseitige Rechteverteilung erreicht der Inhaber der Option durch Zahlung einer Optionsprämie. x Die Höhe dieser Optionsprämie lässt sich wiederum durch Arbitrageüberlegungen in Kombination mit einem Duplikationsportfolio bestimmen. Danach lässt sich eine Kaufoption durch einen teilweisen kreditfinanzierten Kauf des Basiswertes nachbilden. x Diese Überlegungen liegen den Black-Scholes-Model (teilweise auch als Black-Scholes-Merton-Model) zu Grunde, welches auf Basis gewisser zusätzlicher stochastischer Annahmen über das Verhalten des Basiswerts den Wert einer Option und damit die Optionsprämie bestimmt. x Das Cox/Ross/Rubinstein-Modell basiert auf den gleichen Überlegungen wie das BlackScholes-Modell, jedoch mit einem Unterschied: Statt einen zeitkontinuierlichen Handel im Basiswert (um damit einer kontinuierlichen statistischen Verteilung der Preise des Basiswerts) unterstellt es einen zeitdiskreten Handel des Basiswerts (und damit eine diskrete statistische Verteilung). x Nach beiden Modellen ist der Optionswert dabei eine Funktion des Preises des Basiswerts, des Basispreises, der Laufzeit, des risikolosen Zinssatzes und der Volatilität (Standardabweichung der Renditen des Basiswerts). x Veränderungen des Optionswerts auf Grund von Veränderungen der Eingangsparameter in die Optionsbewertungsformel werden dabei mithilfe von griechisch bezeichneten Kennzahlen abgebildet. x Die Wirkung von Veränderungen der Eingangsparameter auf den Optionswert ist dabei auf den ersten Blick verwunderlich, lässt sich aber über die verwendete Duplikationsstrategie und das asymmetrische Chancen-Risikoprofil erklären. So steigt etwa der Wert von Kauf- und Verkaufsoptionen mit zunehmender Volatilität und damit mit zunehmenden Risiko an. x Optionen werden dabei auf verschiedenste Basiswerte wie Aktien, Aktienindizes, Anleihen, Zinssätze oder Devisen der Kredite (Kreditderivate) gehandelt. x Aus Optionen, Forwards, risikolosen Anleihen und Basiswerten lassen sich im Rahmen des Financial Engineering Portefeuilles, sogenannte Zertifikate, bilden, die dann beliebig komplizierte Zahlungsprofile am Ausübungszeitpunkt oder im Ausübungszeitraum bilden. x Der Wert der Zertifikate lässt sich dabei als Summe über die Werte der Einzelbausteine des Portefeuilles bestimmen. x Einsatzfelder von Termingeschäften sind neben Spekulation auf gewisse Kursszenarien in den Basiswerten – besonders im unternehmerischen Kontext – Absicherungen gegen ungewollte Kursveränderungen des Basiswerts. So kann sich etwa ein Importeur aus dem Dollarraum gegen zukünftig steigende Einkaufspreise bedingt durch steigende Dollarkurse absichern, indem er im Rahmen eines Devisentermingeschäft Dollar zum heute fixierten Wechselkurs mit Lieferung in einem Jahr kauft.
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C. Wertpapiergeschäfte
1. Überblick Aufgrund weltweit zunehmender Zins- und Währungs- und Rohstoffkursschwankungen hat die Nachfrage nach Instrumenten zur Absicherung gegen diese Risiken stark zugenommen. Dabei lassen sich je nach Art des Risikos unterschiedliche Instrumente mit zahlreichen Ausgestaltungsmöglichkeiten einsetzen. Abbildung C 65 soll einen Überblick über die wichtigsten Instrumente geben.
Wichtige Instrumente zur Risikoabsicherung
Währungskursrisiko Devisentermingeschäfte Währungs-Futures (Currency Futures) Devisenoptionen Währungsswaps
Zinsänderungsrisiko Forward Rate Agreements (FRA)
Rohstoffpreisrisiko Rohstofftermingeschäfte Rohstoff-Futures
Zins-Futures
Rohstoffoptionen
Zinsoptionen
Rohstoffswaps
Zinsswaps
Langfristige Lieferverträge
Zinsbegrenzungsverträge
Abb. C 65: Wichtige Instrumente zur Absicherung gegen das Währungskurs-, Zinsänderungs- und Rohstoffpreisrisiko
Bei Forward Rate Agreements (FRA) handelt es sich um eine Absicherungsmöglichkeit gegen Zinsänderungsrisiken. Beim FRA treffen zwei Vertragsparteien eine Vereinbarung über einen zukünftigen kurzfristigen Zinssatz auf einen vereinbarten Betrag, für eine bestimmte Laufzeit, wobei der Beginn der Laufzeit in der Zukunft liegt. Ist der Laufzeitbeginn erreicht, so zahlt eine Vertragspartei der anderen je nach dem aktuellen Zinsniveau die Differenz zwischen aktuellem Zins und dem FRA-Zins. Sowohl FRAs als auch Devisentermingeschäfte sind in allen wichtigen Währungen der Welt möglich. Bei Rohstofftermingeschäften vereinbaren die Vertragsparteien den Austausch eines Rohstoffs zu einem festgelegten Zeitpunkt und Preis. Der Hauptvorteil dieser Produkte sind die individuellen Ausgestaltungsmöglichkeiten der Vertragsspezifika. Demgegenüber sind vor allem Future-Geschäfte durch eine Standardisierung der Kontraktspezifikationen gekennzeichnet. Während Währungs-Futures als Kontraktgegenstand bestimmte Währungen beinhalten (z. B. SFR, US$, €) und damit als Instrumente zur Absicherung von Währungsrisiken eingesetzt werden, beziehen sich Zins-Futures auf verschiedene Rentenpapiere und dienen zur Absicherung des Zinsänderungsrisikos. Rohstoff-Futures beziehen sich auf Rohstoffe (z. B. Erdöl, Mais, Kupfer) und werden eingesetzt, um Rohstoffpreisrisiken zu reduzieren. Beim Kauf oder Verkauf eines Futures entsteht eine feste Verpflichtung des Käufers bzw. Verkäufers, ein bestimmtes Gut (z. B. Renten, Währungen) zu einem im Voraus festgelegten Preis zu einem bestimmten Zeitpunkt abzunehmen oder zu liefern. Für die Vertragspartner besteht wie beim Devisen- oder Rohstofftermingeschäft sowie beim FRA nicht die Möglichkeit, durch günstige Devisen-, Rohstoffkurs- bzw. Zinsentwicklungen zusätzliche Gewinne zu erzielen.
V. Risikomanagement mit Termingeschäften
Warentermininstrumente
Finanztermininstrumente
Financial Forwards
Organisation des Marktes:
Form der Verträge: Lieferung im Rahmen des Vertrages: Zahlungsstruktur:
Financial Futures
Financial Options
Verträge zwischen individuellen Parteien
börsenmäßiger Handel
börsenmäßiger Handel
nicht standardisiert
standardisiert
standardisiert
regelmäßig
möglich; i.d.R. durch Gegengeschäfte kompensiert
in der Wahl des Käufers der Option
keine Zahlungen oder Zahlungen am Laufzeitende
Nachschusszahlungen während der Laufzeit möglich
konventionell: Prämienzahlung zu Beginn und mögliche Zahlung bei Fälligkeit Futures-style: Nachschusszahlungen während der Laufzeit möglich
Bevorzugte Vertragsgegenstände (Underlying):
• •
Währungen Zinsinstrumente
• • •
Währungen Zinsinstrumente Aktienindizes
• • • •
Währungen Zinsinstrumente Aktienindizes Aktien
Abb. C 66: Termingeschäfte im Überblick
Gerade diese Flexibilität, einerseits eine Begrenzung des Verlustrisikos, andererseits die gleichzeitige Chance, von günstigen Marktentwicklungen zusätzlich profitieren zu können, bietet der Einsatz einer Option (Devisenoption, Zinsoption, Rohstoffoption; vgl. auch Abschnitt C V 3). Der Kauf einer Option beinhaltet das Recht, aber nicht die Verpflichtung, ein bestimmtes Gut (Renten, Währungen, Rohstoffe etc.) zu einem festgelegten Preis am Ende (europäische Option) oder zu einem beliebigen Zeitpunkt während der Laufzeit (amerikanische Option) zu kaufen oder zu verkaufen. Entwickeln sich der Zinssatz bzw. der Kurs des mittels Optionen abgesicherten Grundgeschäfts in die gewünschte Richtung, so kann der Optionskäufer durch Nichtausübung der Option davon profitieren. Treten jedoch Verluste auf, können diese durch Ausübung der Option kompensiert werden. Nachteilig wirken sich die im Allgemeinen nur kurzen Laufzeiten sowie die im Vergleich zu den anderen Absicherungsinstrumenten hohen Kosten aus. Die Kosten in Form einer Prämie sind umso höher, je volatiler die Kurse des zugrunde liegenden Gutes sind; allerdings ist in diesem Fall der Absicherungseffekt auch umso größer. Während die bisher beschriebenen Instrumente schwerpunktmäßig zur kurz- bis mittelfristigen Absicherung eingesetzt werden, hat in neuerer Zeit die Nachfrage nach Absicherungsstrategien mit längeren Laufzeiten als Grundlage für die langfristige Finanzierungsentscheidung stark zugenommen. In diesem Bereich ist das Zins- und Währungs- und Rohstoffswap-Geschäft in den letzten Jahren volumenmäßig stark ausgeweitet worden. Aber auch die zur Absicherung gegen das Zinsänderungsrisiko einsetzbaren Caps und Floors gewinnen an Bedeutung.
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C. Wertpapiergeschäfte
2. Unbedingte Termingeschäfte a) Forwards und Futures aa) Kennzeichnung von Forward- und Future-Geschäften Am Terminmarkt wird zwischen Forward und Future Markets unterschieden. Der Forward Market ist ein i. d. R. nicht organisierter Markt, bei dem Leistung und Gegenleistung im Voraus vereinbart, aber nicht unverzüglich ausgetauscht werden. Die Verträge sind auf die individuellen Bedürfnisse der Partner abgestimmt; die Lieferung der vereinbarten Leistung ist erwünscht. Schwierigkeiten können sich durch den umständlichen Vertragsabschluss (betrags- und zeitgleiche Tauschvereinbarungen müssen getroffen werden) ergeben sowie durch die Probleme bei der Auflösung des Vertrags, da das Einverständnis beider Vertragsparteien notwendig ist. Ferner tritt ein zweiseitig verteiltes Erfüllungsrisiko hinzu. Diese Schwierigkeiten und die zunehmende Nachfrage nach wirkungsvollen Instrumenten zur Begrenzung von Zins- und Kursänderungsrisiken führten zur Schaffung der börsenmäßig organisierten Future-Märkte. Die auf den Future-Märkten gehandelten Terminkontrakte sind durch die Verpflichtung gekennzeichnet, eine genau spezifizierte Warenart und Menge zu einem bei Abschluss des Geschäfts festgelegten Preis und Zeitpunkt zu kaufen oder zu verkaufen. Zudem wird durch eine Sicherheitenstellung der Vertragsparteien (Einschuss), das Erfüllungsrisiko deutlich abgemildert. Es erfolgt eine Standardisierung bezüglich Erfüllungstermin, Betrag und Menge, sodass ein Börsenhandel möglich wird. Future-Geschäfte, die Getreide, Schweinehälften, Rohöl, Gold u. a. Waren zum Gegenstand haben, werden als Rohstoff-Futures bezeichnet. Seit 1998 wurden solche Geschäfte in Deutschland an der Warenterminbörse WTB mit Sitz in Hannover bzw. an deren Nachfolgeorganisation Risk Management Exchange (RMX) gehandelt. Nach der Insolvenz von RMX hat die Eurex ihre Angebotspalette um Commodity-Futures erweitert. Futures, die sich auf ein Finanzinstrument beziehen (Financial-Futures), werden in Deutschland an der DTB/ EUREX (vgl. auch Abschnitt C I) gehandelt. Zu unterscheiden sind Currency Futures, Interest Rate Futures und Index Futures. Währungs-Futures liegt ein standardisierter Betrag über eine bestimmte Währung zugrunde. Sie können zur Absicherung von Währungsrisiken genutzt werden. Der Gegenstand eines Zins-Future ist zumeist ein Zinstitel, der bezüglich Laufzeit, Verzinsung und Nominalbetrag standardisiert ist. Die Schuldner dieser Titel besitzen eine einwandfreie Bonität, sodass die Kursentwicklung ausschließlich von der Marktzinsentwicklung abhängt. Durch den Kauf (Long-Position) oder Verkauf (Short-Position) eines Zinsfutures wird den Marktteilnehmern die Möglichkeit eröffnet, sich gegen Zinsänderungsrisiken aus bestehenden oder noch einzugehenden Kassapositionen abzusichern. An der EUREX werden Futures auf mittel- bis langfristige Anleihen des Bundes gehandelt. Gegenstand ist seit der Umstellung auf Euro i. d. R. jeweils eine standardisierte Staatsanleihe im Nominalwert von 100.000 €. Daneben werden Futures auf EURIBOR-Sätze im kurzfristigen Bereich (auch Money Market-Futures) gehandelt. Kontraktgegenstand der Index-Futures ist i. d. R. ein Aktienindex, also ein abstrakter, nicht lieferbarer Basiswert. Der an der DTB/EUREX seit November 1990 gehandelte DAX-Future beinhaltet die vertragliche Verpflichtung, einen standardisierten Wert des zugrunde liegenden Aktienindizes DAX (25 € pro Indexpunkt) am Erfüllungstermin zu kaufen bzw. zu verkaufen. Darüber hinaus kann auch in Futures auf den TecDAX
V. Risikomanagement mit Termingeschäften gehandelt werden. Analog zum DAX-Future sind die Monate März, Juni, September und Dezember als Verfallsmonate bestimmt. Der TecDAX-Future bezieht sich auf 10 € je Indexpunkt des TecDAX. Während die minimale Preisänderung des DAX-Futures bei einem halben Indexpunkt und damit 12,50 € liegt, ist die kleinste Preisänderung des TecDAX-Futures ein Punkt, d. h. 10 €. Aktienindex-Futures eignen sich zur Absicherung eines Aktienportefeuilles gegen das systematische Risiko. Im Gegensatz zu Forwards sind Futures nicht auf die Erfüllung des Vertrages angelegt. Die Marktteilnehmer beabsichtigen vielmehr, ihre Verpflichtung vor Fristablauf durch ein Gegengeschäft aufzuheben (Glattstellung). Damit wird die bis dahin offene Position geschlossen. Die Auflösung vor Vertragsende wird durch den zentralisierten Handel an einer Börse gewährleistet. Vor dem endgültigen Verfalltag gibt es festgelegte Tage, an denen die offenen Positionen festgestellt werden und die Verkäufer mitteilen, ob sie liefern wollen. Die Überprüfung der offenen Kontrakte erfolgt am darauffolgenden Tag durch die Clearingstelle. Spätestens am Verfalltag muss geliefert werden. Dann stimmen der Futurepreis und der Preis des zugrunde liegenden Kassainstruments überein. Die Abrechnung und Abwicklung der an der Börse abgeschlossenen Kontrakte wird über eine Clearingstelle vorgenommen. Durch den direkten Eintritt der Clearingstelle als Vertragspartner eines jeden Börsenabschlusses sollen die individuellen Bonitätsrisiken ausgeschaltet und damit dem Markt genügend Sicherheit, Standardisierung und Liquidität gegeben werden. Bei der Ausübung des eigentlichen Clearing – in Form der geld- und stückmäßigen Regulierung der täglichen Börsenabschlüsse – erfolgt die tägliche Berechnung und Bewertung der Positionen. Daraus wird die erforderliche Margendeckung der Börsenmitglieder abgeleitet. Käufer und Verkäufer von Futures sind verpflichtet, bei Abschluss des jeweiligen Kontraktes Sicherheiten in Form von Wertpapieren oder Geld zu leisten. Bei Vertragsabschluss ist ein Ersteinschuss (Initial Margin) fällig, der von der Volatilität der zugrunde liegenden Ware bzw. des Wertpapiers und der Bonität des Marktteilnehmers abhängt und i. d. R. als kleiner Prozentsatz der Kontraktsumme vereinbart wird. Die zu erbringenden Sicherheitsleistungen (Margins) werden täglich aufgrund der Ermittlung von Gewinnen und Verlusten aus den Kontraktpreisänderungen angepasst. Anfallende Gewinne werden dem Sicherheitskonto gutgeschrieben, eingetretene Verluste werden abgebucht. Wird der festgelegte Mindesteinschuss (Maintenance Margin) unterschritten, so muss bis zu einer bestimmten Uhrzeit des nachfolgenden Börsentages auf das Sicherheitskonto ein Nachschuss eingezahlt werden, und zwar über die Mindestgrenze hinaus bis zur Initial Margin. Diese Nachschusspflicht kann bei starken Kursschwankungen zu erheblichen Liquiditätsproblemen bei den Marktteilnehmern führen. Kann ein Nachschuss nicht eingezahlt werden, so wird der Kontrakt zwangsweise glattgestellt, um die Verluste zu begrenzen.238 Zur Veranschaulichung soll das Beispiel in Abbildung C 68 dienen.
238
Dieses System verhindert aber nicht, dass ein Marktteilnehmer innerhalb eines Tages seinen finanziellen Spielraum überschätzt oder zu hohe Risikopositionen aufbaut.
363
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C. Wertpapiergeschäfte Beispiel zur Margin-Berechnung Heutiger Kontraktpreis (in to)
500 GE
Initial Margin (1 %)
5 GE
Maintenance Margin (20 % der Initial Margin)
1 GE
Der Verkäufer spekuliert auf fallende Kurse, da dann der zum späteren Verkaufszeitpunkt erzielte Preis für den Kontrakt unter dem heutigen aktuellen Kontraktpreis liegt; der Käufer hingegen erwartet steigende Kurse: Alternativ werden zwei Marktpreisentwicklungen angenommen: (a) Der Kontraktpreis steigt auf 520 GE: Der Verkäufer gerät in die Verlustposition. Der Verlust von 20 GE wird von der Initial Margin (5 GE) abgezogen. Das Ergebnis von – 15 GE liegt unter dem Mindesteinschuss (Maintenance Margin) von 1 GE. Der Verkäufer ist somit nachschusspflichtig. Er muss 20 GE auf das Sicherheitskonto einzahlen, damit die Initial Margin wieder erreicht wird. Eine Einzahlung von 16 GE, um nur die Maintenance Margin zu erreichen, reicht nicht aus. Dem Käufer des Futures-Kontraktes werden auf dem Sicherheitskonto 20 GE als Gewinn gutgeschrieben. (b) Der Kontraktpreis steigt auf 503 GE: Der Verkäufer gerät auch hier in die Verlustposition. Er ist jedoch nicht wie im Fall A nachschussverpflichtet, da die Maintenance Margin nicht unterschritten wird. Initial Margin Verlust
+ 5 GE – 3 GE 2 GE
t Maintenance Margin
Der Käufer erhält als Gewinngutschrift 3 GE. Abb. C 67: Beispiel zur Margin-Berechnung
bb) Die Preisbildung von Financial Futures Grundsätzlich ergibt sich ein Preisgleichgewicht dort, wo sich der Terminkontraktpreis und der zukünftige Kassapreis entsprechen. Der zukünftige Preis ist jedoch mit Unsicherheit behaftet, sodass die Kontrakte mittels Hilfsinstrumenten bewertet werden müssen. In der Praxis wird häufig der auf Arbitragebeziehungen basierende Cost-of-Carry-Ansatz zur Erklärung der Preisbildung von Financial Futures herangezogen. Dabei ist der Begriff der Basis von zentraler Bedeutung. Damit ist die Differenz zwischen dem Preis des jeweiligen Terminkontraktes und dem Preis des dem Terminkontrakt zugrunde liegenden Instruments gemeint. Der Gesamtbetrag der Basis lässt sich in Cost-of-Carry-Basis und Value-Basis unterteilen. Erstgenannte bewertet den Unterschied zwischen einem sofortigen Kassageschäft und dem Future. Tätigt ein Marktteilnehmer das Kassageschäft, so hat er bis zum Erfüllungszeitpunkt des in Frage kommenden alternativen Terminkontraktes Haltekosten und Erträge aus dem erworbenen Gut. Der Saldo aus Kosten und Erträgen bildet die Cost-of-Carry-Basis. Es würden sich Arbitragemöglichkeiten bieten, wenn sich der Futurepreis nicht am alternativ möglichen Kassageschäft plus Cost-of-Carry-Basis orientieren würde. Je nachdem, ob der Future über- oder unterbewertet ist, wäre dann eine Cash-and-Carry-Arbitrage oder eine Reverse-Cash-and-Carry-Arbitrage möglich. Mit-
V. Risikomanagement mit Termingeschäften hilfe von computergestützten Marktanalyseprogrammen werden die Preisentwicklungen auf beiden Märkten beobachtet, verglichen und Kauf- und Verkaufsentscheidungen getroffen, bis Future- und Kassakurse wieder in „richtiger“ Relation zueinanderstehen, d. h. Arbitragegewinne nicht mehr möglich sind. Die Cost-of-Carry-Basis stellt die Nettofinanzierungskosten dar (Cost of Carry), die durch das Halten einer der Futureposition entsprechenden Kassaposition verursacht werden. Damit ergibt sich vereinfacht die folgende Gleichung für den Fair Value eines Future: PF = PK · (1 + CC · T/360), wobei PF PK CC T
= = = =
Futurepreis Preis des Kassainstruments Cost-of-Carry-Satz p. a. Laufzeit bis zur Fälligkeit des Future in Tagen
oder PF = PK · (1 + CC)T/360, falls eine unterjährige, nichtlineare Verzinsung unterstellt wird. Somit befinden sich Kassa- und Terminmarkt genau dann im Gleichgewicht, wenn sich Basis und Cost of Carry entsprechen. Die Cost of Carry lassen sich aus der Differenz zwischen den Finanzierungskosten und dem Ertrag des Kassainstruments ermitteln. Diese unterscheiden sich bei Zinstiteln als Underlying je nach der Zinsstruktur am Markt und können deshalb sowohl positiv als auch negativ sein. Zur Ermittlung des Fair Value eines Aktienindex-Future entsprechen die Cost of Carry in etwa den Finanzierungskosten, wenn der Index fortlaufend um Dividendenzahlungen und Kapitalmaßnahmen bereinigt wird (Performanceindex). Bei negativen Zinsen können diese Finanzierungskosten auch negativ werden und damit zu Finanzierungserträgen. Dies impliziert, dass auch bei Aktienindex-Future der Future-Preis unter dem Preis des Kassainstruments liegen kann. Der Cost-of-Carry-Ansatz vernachlässigt die laufenden Marginzahlungen sowie Lieferoptionen bei der Vertragserfüllung von Futures und ist deshalb eigentlich für die Bepreisung von Forward-Geschäften ohne Marginzahlungen passend. Bedeutung hat hier die Tatsache, dass zur Duplikation des Futures über Kassageschäfte auch die Marginzahlungen miteinbezogen werden müssen. Diese lösen Zinszahlungen aus, die unter Umständen, den Fair Value des Futures beeinflussen können. Bei Verzinsung des Marginkontos mit konstanten Zinsen oder Unabhängigkeit von Zins- und Basiswertentwicklung ist dies allerdings nicht der Fall, da hier die Finanzierung des Marginkontos und die Anlage auf diesem identische Zinszahlungen mit sich bringen. Ist das nicht gegeben, kann der tatsächliche Fair-Value von dem rechnerischen Wert gemäß obiger Formel abweichen. In diesem Kontext wurden weitergehende Ansätze zur Ermittlung des Fair-Value von Futures entwickelt.239 Die den Futurepreis nur geringfügig beeinflussende Value-Basis berücksichtigt, dass bei der Preisbildung der Future Faktoren, wie z. B. Tagesereignisse, Angebots- und Nachfragestrukturen sowie die Marktliquidität eine Rolle spielen. Hier spiegelt sich der Informationsaspekt der Finanzterminmärkte wider. Die an den Märkten entstehenden 239
Vgl. Steiner, Meyer, Luttermann, Bewertung von Zins-Futures, 1994.
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C. Wertpapiergeschäfte Preisverzerrungen bzw. Abweichungen von dem vorhergehend dargestellten auf Arbitragebeziehungen beruhenden fairen Preis (Fair Value) eines Futures, bedeuten für ein Portefeuille ein Zusatzrisiko, das sogenannte Basisrisiko.
cc) Motive für den Abschluss von Futures Der geringe Kapitaleinsatz bei Abschluss eines Futures ermöglicht dem risikofreudigen Anleger wegen des dadurch hohen Leverageeffektes (vgl. Abschnitt D IV 2) gute Spekulationsmöglichkeiten (Trading). Neben den privaten Investoren bauen besonders Händler und Portefeuille-Manager aufgrund ihrer Erwartungen über zukünftige Markt- oder Kursentwicklungen Positionen auf, um von absoluten oder relativen Kursänderungen zu profitieren. Unter „Spread-Trading“ versteht man verschiedene komplexe Strategien, die darauf abzielen, aus relativen Kursänderungen Nutzen zu ziehen. Die sich daraus ergebenden Gefahren werden jedoch häufig übersehen. Eine starke Volatilität der zugrunde liegenden Marktpreise sowie betragsmäßig sehr hohe, manchmal das Volumen des Underlyings überschreitende Kontraktgrößen bei vermindertem Einschuss lassen das Verlustpotenzial und das Risiko der Illiquidität stark ansteigen. Ein weiteres Motiv besteht in der Realisierung von Arbitragegewinnen zwischen Kassa- und Terminmarkt. Arbitrage im engeren Sinne zielt darauf ab, Preisunterschiede an verschiedenen Börsen-/Handelsplätzen auszunutzen, indem Kontrakte an der billigeren Börse gekauft und an der teureren verkauft werden. Marktineffizienzen werden dadurch ausgeglichen, und für den Arbitrageur handelt es sich um eine risikolose Transaktion. Bei der Arbitrage im weiteren Sinne profitiert der Anleger von den Schwankungen der Differenz zwischen Futurekurs und Kassakurs. Die große Attraktivität von Futures leitet sich jedoch aus der Möglichkeit des Einsatzes dieser Instrumente für verschiedene Hedging-Strategien ab. Dabei dienen Futures als moderne Instrumente des Risikomanagements zur Absicherung gegen Währungs-, Aktienkurs-, Rohstoffpreis- und Zinsänderungsrisiken. Neben einer bestehenden oder zukünftigen Kassaposition (Grundgeschäft) wird eine entgegengesetzte offene Terminposition eingegangen, deren Wertänderung die Wertänderung des Grundgeschäftes kompensieren soll. Die verschiedenen Strategien werden sowohl von Banken und institutionellen Anlegern als auch von Unternehmen genutzt. Die Funktionsweise einer einfachen HedgeStrategie gegen das Zinsänderungsrisiko soll am Beispiel der Absicherung eines Portefeuilles, bestehend aus Bundesanleihen, dargestellt werden (vgl. Abbildung C 68). Hedging mithilfe von Futures anstelle des effektiven Verkaufes von Wertpapieren ist insbesondere dann sinnvoll, wenn der Kassamarkt wenig liquide ist oder die Transaktionskosten minimiert werden sollen; ferner z. B. bei der Absicherung geplanter Anleiheemissionen gegen Zinssteigerungen. Der Erfolg der Absicherung gegen die verschiedenen Risiken hängt von der Anzahl der einzusetzenden Kontrakte ab. Für ihre Berechnung ist es notwendig, das optimale Gewichtungsverhältnis zwischen den einzusetzenden Kontrakten im Vergleich zur abzusichernden Kassaposition zu ermitteln. Diese Kennzahl wird als Hedge Ratio bezeichnet. Für ihre Bestimmung sind in der Literatur unterschiedliche Verfahren vorgeschlagen worden. Allerdings finden sich bei jedem dieser Verfahren Fehlerquellen, die das Hedge-Ergebnis beeinflussen können.240
240
Vgl. Berger, Hedging, 1990, S. 402 ff.
V. Risikomanagement mit Termingeschäften Beispiel für Hedging Am 18.08.2016 hält der Finanzmanager eines großen Unternehmens nominal 30 Mio. € einer 10jährigen Bundesanleihe, ausgestattet mit einem Nominalzins von 8,5 %, im Bestand. Da er für das kommende halbe Jahr Zinssteigerungen befürchtet, will er einen Short Hedge auf Basis der Nominalvolumina durchführen. Dazu verkauft er 300 Bund Futures zu je 100 000 € nominal mit der Fälligkeit März 2017. 18.08.2016
Kurs der Bundesanleihe:
99,70
Kurs der Bund-Futures März 2017:
84,90
Der Marktwert des Portefeuilles beträgt 30 000 000 € · 0,997 = 29 910 000 €. Nach 6 Monaten soll die Futureposition glattgestellt werden. 18.02.2017 Fall I: Die Marktrendite ist mittlerweile gestiegen, die Anleihe notiert zu 93, der Future zu 79. Der Marktwert des Portefeuilles beträgt jetzt 27 900 000 €, sodass sich ein Verlust aus der Kassaposition in Höhe von 2 010 000 € ergibt. Dagegen steht ein Gewinn aus der Futureposition in Höhe von 300 · 100 000 € · (0,849 – 0,79) = 1 770 000 €. Für die Gesamtposition ergibt sich: Verlust aus der Kassaposition
– 2 010 000
Gewinn aus der Futureposition
+ 1 770 000
Zinserträge aus der Kassaposition
+ 1 275 000
180 · § ¨ 0,085 30 000 000 360 ¸ © ¹ Gesamtgewinn
= 1 035 000
Damit hat sich das gehedgte Portefeuille, bestehend aus Kassa- und Termininstrumenten, mit einem Zinssatz von § 1035 000 360 · 6,92% p.a. verzinst ¨¨ ¸¸ © 29 910 000 180 ¹
Fall II: Die Zinsbefürchtungen erweisen sich als falsch, der Marktzins sinkt, die Anleihe notiert zu 106, der Future zu 90. Für die Gesamtposition ergibt sich: Verlust aus der Kassaposition
– 1 890 000
Gewinn aus der Futureposition
+ 1 530 000
Zinserträge aus der Kassaposition
+ 1 275 000
Gesamtgewinn
= 1 635 000
Die Verzinsung des gehedgten Portefeuilles beträgt 10,93 %. Die Renditedifferenz zum Fall I ergibt sich aus der vereinfachten Bestimmung des Hedge-Ratios. Sie entsteht durch die stärkere Zinsreagibilität des Bundfuturepreises gegenüber dem der Bundesanleihe (vgl. Kapitel C II 4 b). In diesem Beispiel wird von Transaktionskosten und Marginzahlungen abgesehen. Abb. C 68: Beispiel für Hedging
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368
C. Wertpapiergeschäfte Bei der Wahl des Futures muss verschiedenen Risiken besondere Beachtung geschenkt werden.241 Zunächst ist die Dauer des Risikos abzuschätzen, d. h. wie lange die zukünftige oder bestehende Kassaposition einem Kursänderungsrisiko ausgesetzt ist. Ferner ist das Basisrisiko zu berücksichtigen, das auf unerwarteten Abweichungen der Basis beruht. Insbesondere titelspezifische Risiken der abzusichernden Kassaposition (z. B. Bonitätsrisiken) werden nicht erfasst. Zudem ist auf die Zahlungsstruktur des FuturePapiers im Verhältnis zur Zahlungsstruktur des zu sichernden Papiers zu achten.
dd) Devisentermingeschäfte Die meisten wichtigen Währungen sind heute in ein System weit gehend flexibler Wechselkurse eingebunden. Die damit einhergehenden Wechselkursschwankungen stellen für international tätige Unternehmen und Marktteilnehmer ein Risiko der Wertveränderung von Zahlungsströmen dar.242 Damit hat sich auch die Nachfrage nach Instrumenten zur Absicherung gegen Wechselkursrisiken stark erhöht. Wechselkurse geben das Umtauschverhältnis zweier Währungen wieder und können als Mengenwechselkurs oder Preiswechselkurs angegeben werden. Während in früheren Jahren die Preisnotierung in Deutschland vorherrschte (d. h. Einheiten an Inlandswährung je Einheit Auslandswährung, z. B. Euro/Dollar), ist spätestens mit der Einführung des Euro eine Mengennotierung (d. h. Einheiten an Auslandswährung je Einheit Inlandswährung) üblich. Der Wechselkurs des Euro zum US-Dollar wird üblicherweise als Mengenwechselkurs, d. h. in US-Dollar pro Euro, angegeben. Das am weitesten verbreitete Instrument zur Absicherung und Steuerung von Wechselkursrisiken ist das Devisentermingeschäft. Es beinhaltet eine Vereinbarung über einen Devisenkauf oder -verkauf, der zu einem späteren Zeitpunkt erfüllt wird. Bei Abschluss werden bereits im Voraus das Volumen (Währungsbetrag), der zukünftige Erfüllungszeitpunkt und insbesondere der Währungskurs (Terminwechselkurs) festgelegt. Die Laufzeit von Devisentermingeschäften beträgt i. d. R. ein bis zwölf Monate, es sind jedoch auch Laufzeiten bis zu zehn Jahren und mehr möglich. Durch den Abschluss eines Devisentermingeschäftes wird dem Vertragspartner eine sichere Kalkulationsbasis geschaffen, allerdings verzichtet er damit auf die Chance, von positiven Wechselkursschwankungen nach Abschluss des Geschäftes zu profitieren. An dieser Stelle ein Beispiel zur Verdeutlichung: Angenommen, ein deutsches Unternehmen erwartet in einem Jahr eine Einzahlung von 100.000 $ und der Kassawechselkurs steht aktuell bei 1,00 $/€. Der Wechselkurs in einem Jahr ist unsicher. Damit ist das Unternehmen insbesondere dem Risiko einer Abwertung des Dollar, d. h. einem Anstieg des Mengenwechselkurses, ausgesetzt. Ein Anstieg des Wechselkurses auf 1,25 $/€ in einem Jahr würde bewirken, dass das Unternehmen bei einem Umtausch lediglich 80.000 € statt der ursprünglich geplanten 100.000 € erhalten würde. Um sich gegen dieses Wechselkursrisiko abzusichern, kann das Unternehmen ein Devisentermingeschäft abschließen, in dem es sich verpflichtet in einem Jahr 100.000 $ zum Terminwechselkurs von 1,0194 $/€ gegen Euro243 zu tauschen. Das Unternehmen erhält dann unabhängig vom tatsächlichen Wechselkurs in einem Jahr 98.097 €. Jedoch kann es von einer möglichen Aufwertung des Dollar, d. h. einem Rückgang des Mengenwechselkurses auf z. B. 241
Vgl. Cordero, Financial Futures, 1987, S. 110 ff.; Büschgen, Zinstermingeschäfte, 1988, S. 77. Andere Arten von Währungsrisiken wie z. B. politische oder rechtliche Währungsrisiken sollen an dieser Stelle nicht behandelt werden. 243 Zur Bestimmung und den Einflussfaktoren des Terminwechselkurses siehe unten. 242
V. Risikomanagement mit Termingeschäften 0,75 $/€ nicht mehr profitieren. Devisentermingeschäfte können selbstverständlich nicht nur zur Absicherung eines Wechselkursrisikos eingesetzt werden, sondern auch der Spekulation auf eine bestimmte Entwicklung des Wechselkurses dienen. Devisentermingeschäfte i. e. S. sind individuell ausgestaltete Forward-Kontrakte. Folglich fordern Banken beim Abschluss von Devisentermingeschäften i. d. R. relativ hohe Mindestvolumina. Demgegenüber sind Devisen-Futures bzw. Währungs-Futures durch eine Standardisierung der Kontraktspezifikationen gekennzeichnet. Währungs-Futures sind nichts anderes als standardisierte Devisentermingeschäfte und können damit ebenfalls als Instrumente zur Absicherung von Wechselkursrisiken oder zur Spekulation auf die Entwicklung eines Wechselkurses eingesetzt werden. Beim Kauf oder Verkauf eines Währungs-Futures entsteht ebenfalls eine feste Verpflichtung des Käufers bzw. Verkäufers, eine bestimmte Währung zu einem im Voraus festgelegten Preis (Futures-Kurs) zu einem bestimmten Zeitpunkt abzunehmen oder zu liefern. Währungs-Futures für die wichtigsten Währungen werden weltweit an den verschiedensten Terminbörsen gehandelt. An der EUREX gibt es zum aktuellen Zeitpunkt Währungs-Futures auf Währungspaare aus vier Währungen (Euro, Dollar, Britische Pfund und Schweizer Franken). Zu den bedeutendsten Terminbörsen für Währungs-Futures gehört die Chicago Mercantile Exchange (CME), an der Futures auf etwa 20 wichtige Währungen bzw. Währungskörbe gehandelt werden. Unter anderem gibt es an der CME mit dem „Euro FX Future“, dem „E-mini Euro FX Future“ und dem „E-micro Euro FX Future“ drei Futures auf den Euro/US-Dollar-Wechselkurs. Weitere Terminbörsen mit einem Handel von Währungs-Futures sind in den USA die Intercontinental Exchange (ICE), in Asien die Tokio Financial Exchange (TFX) und in Europa die Euronext. Der Vorteil von Währungs-Futures gegenüber klassischen Devisentermingeschäften besteht in der hohen Verfügbarkeit auch bei kleineren Volumina und in den geringeren Transaktionskosten. Der faire Terminwechselkurs kann wie der Fair Value anderer Futures anhand von Arbitrageüberlegungen abgeleitet werden. An dieser Stelle ist der Wechselkurs in Einheiten der Fremdwährung je Einheit der Inlandswährung (Mengenwechselkurs) angegeben. Es werden zwei Alternativen verglichen. Der Inhaber eines Betrags an Fremdwährung kann diesen entweder heute zum Kassawechselkurs M0 in Inlandswährung tauschen und zum inländischen risikolosen Zins iI für den Zeitraum t anlegen oder den Betrag in Fremdwährung zum ausländischen risikolosen Zins iA für den Zeitraum t anlegen und einen Terminkontrakt mit Fälligkeit zum Zeitpunkt t zum Umtausch der Fremdwährung in Inlandswährung zum Terminwechselkurs M0 t abschließen. Beide Vorgehensweisen müssen in einer arbitragefreien Welt zum selben Ergebnis führen. Für die Beziehung von Kassawechselkurs und Terminwechselkurs gilt somit: M 0t
M
(1 i A )t (1 i I )t
Dies entspricht der sogenannten (gedeckten) Zinsparitätentheorie.244 Der Terminwechselkurs ergibt sich aus dem Kassakurs und Auf- oder Abschlägen zum Kassakurs, die die jeweiligen Zinsdifferenzen zwischen zwei Währungsräumen widerspiegeln. Ist das Zinsniveau im Ausland höher als im Inland, so erhält der inländische Kassakurs (als Mengennotierung) einen Aufschlag; ist das Zinsniveau im Inland höher, so erhält er 244
An dieser Stelle sei auf die ungedeckte Zinsparitätentheorie, die nicht auf Terminwechselkursen, sondern auf Wechselkurserwartungen basiert, lediglich verwiesen.
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C. Wertpapiergeschäfte einen Abschlag. Diese Aufschläge lassen sich damit auch als Ergebnis der Cost of Carry Gleichung für Futurepositionen mit nichtlinearer unterjähriger Verzinsung abbilden. Danach beinhalten die
CC
1 iI 1 1 iA
die Finanzierungskosten in Höhe des inländischen Zinssatzes iI wie auch die Finanzierungserträge in Höhe des ausländischen Zinses iA. Aufgrund der Mengennotierung anstatt der Preisnotierung, muss hier folgerichtig mit dem Kehrwert operiert werden. In der Fortführung des obigen Beispiels sei der einjährige Zins für Euro-Anlagen in Deutschland 3 % p. a. und der einjährige Zins für Dollar-Anlagen in den USA 5 % p. a. Der einjährige Terminwechselkurs M01 ergibt sich somit zu M 0t
$ (1 0, 05)I 1 € (1 0, 03)I
1
1, 05$ 1, 03€
1, 0194
$ €
Dieses Kalkül bleibt auch bei negativen Zinssätzen bestehen. Sogar wenn in einem Land die Zinsen negativ und im anderen positiv sind, gilt die gedeckte Zinsparität.
ee) Rohstofftermingeschäfte Rohstoffe bilden die Grundlage der globalen Industrie und besitzen mit einem Anteil
von knapp 30 % einen enormen Stellenwert im weltweiten Warenhandel245. Als zentrale Produktionsfaktoren nahezu unverzichtbar für sämtliche Industriesektoren, nehmen sie darüber hinaus in jüngster Zeit, aufgrund ihrer Inflationsabsicherungs- und Diversifizierungseigenschaften, eine wichtige Rolle in den internationalen Finanzmärkten ein. Allerdings unterscheiden sich Rohstoffe in vielerlei Hinsicht stark von traditionellen Anlageklassen, wie Aktien oder Anleihen. So sind Rohstoffe, als Teil der Realwirtschaft, Produktionsfaktoren, die industriell erzeugt, weiterverarbeitet und konsumiert werden, wodurch sie stärker von tatsächlichem Angebot und Nachfrage bestimmt sind. Ein weiteres Differenzierungsmerkmal zu Aktien, Anleihen oder Devisen, stellt die Lagerfähigkeit dar, die bei elektronisch gehandelten Wertpapieren selbstverständlich und mit marginalen Kostenaufwand verbunden ist, jedoch bei vielen Agrar- oder Energierrohstoffen nur stark eingeschränkt oder mit enormen Kosten verbunden ist. Wie diese Eigenschaft bereits verdeutlicht, unterscheiden sich Rohstoffe zusätzlich auch sehr stark untereinander. So weisen Agrargüter großteils starke Saisonalitäten auf und sind verderblich, wohingegen Edelmetalle nahezu unendlich lagerbar sind und in Ausnahmefällen sogar, wie das Beispiel Gold zeigt, vorwiegend als Investitionsobjekt angesehen werden. Obwohl Rohstoffe individuell betrachtet hinsichtlich ihrer Beschaffenheit und Qualität von Natur aus heterogen sind (Keine Kakaobohne ist streng genommen bedingt durch Bodenbeschaffung, Niederschlagsmenge oder Sonneneinstrahlung wie die andere) ermöglichen sie bei allgemeinerer Betrachtung einen relativ hohen Grad an Homogenität. D. h. Angebots- und Nachfrageseite können sich bei Vertragsabschluss an einheitlichen Kriterien wie Qualität, Form oder Menge orientieren. Diese durch Standardisierung erzielte Homogenität ermöglicht dann auch, Rohstoffe organisiert handelbar zu machen, da gleichzeitig viele Käufer und Verkäufer an diesem Standardrohstoff interessiert sind und letztlich Angebot und Nachfrage an einem Ort 245
Vgl. Radetzki, A handbook of Primary Commodities, 2008.
V. Risikomanagement mit Termingeschäften konzentriert werden kann. Kupfer der Klasse A wird beispielsweise an der London Metal Exchange (LME) anhand konkreter Qualitätsstandards gehandelt, welche die exakte Zusammensetzung, Form oder Reinheit spezifizieren. Abbildung C 69 gibt hierzu einen generellen Überblick wichtiger börsengehandelter Rohstoffe und entsprechender Kategorien. Rohstoffe lassen sich hierbei grundsätzlich in Soft-Commodities und Hard-Commodities unterteilen. Bei dieser aus der Praxis durch Börsen getriebenen Einteilung wird unterschieden zwischen Metallen und Energierohstoffen.
Rohstoffe
Hard-Commodities
Soft-Commodities Tropische Rohstoffe • Kakao • Kaffee • Orangensaft • Zucker Getreide • Weizen • Mais • Hafer • Gerste • Roggen Fleisch • Mageres Schwein • Gefrorene Schweinehälften • Mastrind • Lebendrind Sonstige Soft-Commodities • Baumwolle • Reis • Sojabohnen • Milch(produkte) • Holz
Metalle Industriemetalle • Kupfer • Nickel • Zink • Zinn • Aluminium • Blei • Stahl • Eisenerz • Molybdän Edelmetalle • Gold • Silber Platingruppenmetalle • Platin • Palladium • Rhodium
Energierohstoffe • • • • • • • • • • •
Roh-Öl Schweröl Gasöl Erdgas Benzin Uranoxide Kerosin Diesel Heizöl Ethanol Kohle
Abb. C 69: Auswahl wichtiger börsengehandelter Rohstoffe
Die Folge der beschrieben spezifischen Eigenschaften von Rohstoffen im Vergleich zu traditionellen Anlageklassen ist ein deutlicher Unterschied in der Preisentwicklung. Zum einen unterliegen die Preise der meisten Rohstoffe einer gewissen Zyklizität, bei der sie auf lange Sicht historisch keine signifikanten Preisanstiege aufweisen. Diese Eigenschaft wird als Mean-Reversion-Effekt bezeichnet. Zum anderen verhalten sich Rohstoffpreise aufgrund ihrer Besonderheiten seit jeher äußert volatil, um ein Vielfaches stärker als bei Zinsen oder Währungen.246 Insbesondere die enorme Schwankungsbreite von Rohstoffpreisen stellt für rohstoffproduzierende wie -verarbeitende Unternehmen, aber auch anderweitige Marktteilnehmer, ein großes Risiko der Wertveränderung des im Besitz befindlichen Rohstoffbestandes oder zukünftiger rohstoffabhängiger Zahlungsströme dar. Zum einen machen derarti246
Vgl. Mayer, Rathgeber, Wanner, Financialization of Metal Commodity Markets, 2016.
371
372
C. Wertpapiergeschäfte ge Positionen oftmals einen wesentlichen Anteil des Umlaufvermögens aus und zum anderen können die Preisschwankungen nur in seltenen Fällen an Dritte weitergegeben werden. In diesem Wertveränderungsrisiko und der damit einhergehenden Planungsunsicherheit begründet sich die starke Nachfrage nach Instrumenten zur Absicherung gegen Rohstoffpreisrisiken. Um sich gegen diese Risiken abzusichern, kommt u. a. das Rohstofftermingeschäft zum Einsatz. Mit einem solchen Geschäft, vereinbaren zwei Parteien die Abnahme zu folgenden festgelegten Kriterien: Menge, Qualität, Erfüllungsort, Preis und Zeitpunkt. Hiermit können sowohl Rohstoffproduzenten als auch Rohstoffabnehmer das Risiko einer unerwarteten Änderung des Kassapreises senken. So würde ein Kupferproduzent, der eine Tonne Kupfer in einem Jahr verkaufen möchte, bei einem unerwarteten Rückgang des Kassapreises von 4.000 $ auf 3.000 $ innerhalb dieses Zeitraum, 1.000 $ weniger am Kassamarkt erzielen. Schließt er bereits heute ein Termingeschäft über 4.000 $ ab, so kann er, unabhängig vom zukünftigen Kassapreis, das Kupfer in einem Jahr für den vereinbarten Betrag verkaufen (sog. Short-Position). Bei einem Rohstofftermingeschäft handelt es sich i. e. S. um einen zwischen zwei Parteien individuell gestalteten, nicht börsengehandelten, Forward-Kontrakt. Derartige Verträge bieten viele individuelle Ausgestaltungsmöglichkeiten, sind aber aufgrund der fehlenden Standardisierung oftmals mit hohen Transaktionskosten sowie weiteren Unsicherheiten, wie beispielsweise dem Kontrahentenausfallrisiko verbunden. So kann es auftreten, dass ein Lieferant insolvent geht und der Kontrahent damit ausfällt. So ist beispielsweise aufgrund der fehlenden Clearingstelle meist eine hohe Sicherheitsleistung zu hinterlegen, um das Bonitätsrisiko zu reduzieren (vgl. Abschnitt C V 2 a aa). Durch die Einführung von standardisierten, börsengehandelten Rohstofftermingeschäften, sogenannten Rohstoff-Futures, können diese Geschäfte sicherer, einfacher und damit effizienter gestaltet werden. Bereits im 19. Jahrhundert wurde in Chicago mit der Gründung der Chicago Board of Trade (CBOT) der Grundstein für den standardisierten Handel mit Commodity-Futures gelegt. Was damals als Marktplatz für Landwirte aus dem mittleren Westen begann, um ihr Getreide auf Termin zu verkaufen, ist heute als CME Group die weltweit größte und wichtigste Warenterminbörse. Rohstoff-Futures unterscheiden sich von Rohstoff-Forwards v. a. dadurch, dass die Warenterminbörse, bzw. die entsprechende Clearing-Stelle die Kontraktspezifika im Detail vorgibt und deren Einhaltung überwacht: So laufen etwa Termingeschäfte für Kupfer an der CME Group immer am drittletzten Handelstag des entsprechenden Monats aus, setzen eine Kontraktgröße von 25.000 Pfund an und definieren die genaue Reinheit sowie die Form des zu liefernden Kupfers (z. B. Platten oder Rollen). Zudem unterhalten die großen Warenterminbörsen ein weltweites Netzwerk an Lagerhäusern, welche die gehandelten Rohstoffe in ausreichendem Umfang bevorraten und eine termingerechte sowie garantierte Lieferung sicherstellen. Bis heute wird eine Vielzahl verschiedener Rohstoff-Futures an den weltweiten Warenterminbörsen gehandelt. Abbildung C 70 gibt einen Überblick über die wichtigsten dieser Handelsplätze.
V. Risikomanagement mit Termingeschäften
Rohstoffbörsen
CME Group
LME
ICE
EEX
London Metal Exchange
Intercontinental Exchange
European Energy Exchange
Industriemetalle
CME Chicago Mercantile Exchange
CBOT Chicago Board of Trade
NYMEX New York Mercantile Exchange
COMEX New York Commodities Exchange
v.a. Energie und Getreide
v.a. Energie- und Agrarrohstoffe
v.a. Fleisch- und Milchprodukte
v.a. Getreide
v.a. Energierohstoffe und tropische Rohstoffe
v.a. Industrie- und Edelmetalle
Abb. C 70 Überblick der wichtigsten Rohstoffbörsen
Durch diesen hohen Grad an Standardisierung und die breite Auswahl an Rohstoffen ist der Handel mit Rohstoff-Futures in jüngerer Zeit auch als Anlagemöglichkeit interessant und bietet Spekulanten die Möglichkeit, ihr Portefeuille durch die Partizipation an der Entwicklung von Rohstoffpreisen zu diversifizieren. Für die Preisbildung von Rohstoff-Futures existieren allgemein zwei grundlegende Theorien. Analog zu Financial Futures lässt sich mithilfe von Arbitrageüberlegungen der Fair Value eines Rohstoff-Futures wie folgt ermitteln:
PF PK (1 CC T / 360) PF Futurepreis PK Preis des Kassainstruments T Laufzeit bis zur Fälligkeit des Futures in Tagen CC Cost of Carry p.a. oder PF
PK (1 CC)T/360 , falls unterjährige, nichtlineare Verzinsung unterstellt wird
Für Rohstoff-Futures setzen sich die Cost-of-Carry aus den Lagerhaltungskosten und den Zinsen zur Finanzierung des Kassainstruments, die auch wieder negative Werte annehmen können, abzüglich der erzielten Erträge zusammen. Die erzielten Erträge aus dem physischen Besitz des Rohstoffes fungieren allerdings nicht wie Dividendenzahlungen bei Aktienfutures, die direkt beobachtet werden können. Stattdessen unterstellt man einen Nutzen aus der ständigen Verfügbarkeit des Rohstoffs. Dieser Nutzen ist, wie das Beispiel rohstoffnachfragender Unternehmen verdeutlicht, losgelöst von Lagerund Zinskosten und wird mit der sogenannten Theory of Storage beschrieben247: So können beispielweise etwaige unerwartete Nachfragespitzen mithilfe des bevorrateten Rohstoffs geschlossen werden und das Unternehmen ist zudem (zumindest kurzfristig) unabhängig von möglichen Lieferverzögerungen des Rohstoffs. Diesen zusätzlichen Nutzen, der aus dem physischen Besitz eines Rohstoffes generiert wird, bezeichnet man als Verfügbarkeitsprämie (Convenience Yield). Die Verfügbarkeitsprämie beschreibt
247
Vgl. Brennan, The supply of storage, 1958 und Telser, Futures trading and the storage of cotton and wheat, 1958.
373
374
C. Wertpapiergeschäfte damit die Erwartung des Marktes über die zukünftige Verfügbarkeit des Rohstoffs. D. h. je höher die Verfügbarkeitsprämie, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass es zu Versorgungsengpässen des Rohstoffes kommt und desto kostbarer ist der physische Besitz. Damit ergeben sich die die Cost-of-Carry wie folgt, wobei sich die Verfügbarkeitsprämie aus der Umkehrung der Formel errechnen lassen (Convience-Yield-Modell): CC i c l y C i risikoloser Zins c l Lagerkosten y C Verfügbarkeitsprämie Aus dieser Ansatz lässt sich folgern, dass Futurepreise bei T > 0 sowohl über als auch unter dem aktuellen Kassapreis liegen können (siehe Abbildung C 71). Der Preis eines Rohstoff-Futures ist genau dann kleiner als der aktuelle Spotpreis, wenn die CC negativ sind, d. h. wenn gilt: i c l ! y C. Dies ist möglich, falls der Rohstoff nur unzureichend verfügbar ist, dadurch hohe Verfügbarkeitsprämien am Markt gelten und gleichzeitig die Lagerkosten gering sind. Je länger die Laufzeit des Rohstoff-Futures, desto geringer ist dessen Fair Value. Der Markt befindet sich in der Backwardation. PF
PF
T
T
Abb. C 71: Terminstrukturkurve Backwardation (links) und Contango (rechts)
Sind die CC positiv, so gilt i c l y C. In diesem Fall herrscht am Markt meist eine Überversorgung des Rohstoffs und dementsprechend gering ist die Verfügbarkeitsprämie. Der Markt befindet sich in Contango. Zur Veranschaulichung derr Verfügbarkeitsprämie und der Absicherungsstrategien soll das Beispiel in Abbildung C 72 dienen. Beispiel zur Absicherung mit Rohstoff-Futures Aluminium notiert am Kassamarkt bei 2.000$/t, die risikolose Verzinsung beträgt 1 % p. a., die Lagerkosten 2 % p. a., die Laufzeit eines passenden Aluminium-Futures beträgt 180 Tage und der Rohstoff besitzt im Durchschnitt eine Verfügbarkeitsprämie in Höhe von 5 % p. a. Der faire Wert des Futures berechnet sich aus PF
2.000$/t (1 0,01 0,02 0,05)180/360
1.980$/t
und befindet sich damit in einer Backwardation-Situation.
V. Risikomanagement mit Termingeschäften Ein Aluminium produzierendes Unternehmen möchte sich in vollem Umfang gegen Preisrisiken absichern. Der gegenwärtige Wert der Produktionsmenge beträgt 250.000$. Das Kontraktvolumen des Futures beträgt 25 t. Dazu geht das Unternehmen eine Short-Position in Futures ein. Die Anzahl der benötigten Kontrakte berechnet sich aus der aktuellen geplanten Produktionsmenge (Wert der Produktionsmenge dividiert durch Kassapreis) geteilt durch durch die Kontraktmenge: 250.000$ 25t 2.000$/t
5
Dadurch sichert sich das Unternehmen den heutigen Future-Preis. D. h. die Produktionsmenge wird mit der Future-Position auf 5 25t 1.980$/t 247.500$ fixiert. Am Ende der Laufzeit nach 180 Tagen soll die Futureposition glattgestellt werden. Fall I:
Fall II:
Kassapreis
1.500$/t
2.500$/t
Wertänderung Produktionsmenge
125t · (1.500–2.000)$/t = –62.500$
125t · (2.500–2.000)$/t = 62.500$
Wert Future-Position
5 · 25t · (1.980–1.500)$/t = 60.000$
5 · 25t · (1.980–2.500)$/t = –65.000$
Wertänderung gesamt
60.000$–62.500$ = –2.500$
62.500$–65.000$ = –2.500$
In diesem Beispiel wird von Transaktionskosten und Marginzahlungen abgesehen. Abb. C 72: Beispiel zur Absicherung mit Rohstoff-Futures
Eine weitere Theorie zur Ermittlung des Fair Value von Rohstoff-Futures wurde bereits von Keynes 1930248 aufgestellt und basiert auf der Annahme, dass Rohstoffproduzenten sich gegen das Risiko fallender Preise am Terminmarkt absichern (Short-Position) und dabei dieses an Spekulanten (Long-Position) übertragen. Letztere sind genau dann bereit, das Risiko zu übernehmen, wenn Sie dafür eine Prämie, die sogenannte Risikoprämie des Risikoprämienmodells erhalten. Damit lässt sich der Fair Value des Rohstoff-Futures in Abhängigkeit des zukünftig erwarteten Kassapreises darstellen: PF PF
E(PK ) S Futurepreis
E(PK ) Erwartungswert des Preises des Kassainstruments S Risikoprämie Geht man davon aus, dass Rohstoffproduzenten bereit sind, dem Rohstoffverarbeiter für die zukünftig Abnahme des Rohstoffs und damit die Übernahme des Risikos, zusätzlich zum erwarteten Kassapreis eine Risikoprämie zu bezahlen, so folgt daraus, dass S 0. Rohstoffproduzenten akzeptieren diesen niedrigeren Preis, da sie ein weit höheres Interesse an einem vorher fixierten Rohstoffpreis haben als Rohstoffverbraucher, die etwa höhere Preise an ihre Kunden weitergeben können (sog. Hedging Pressure). Nur in diesem Fall liegt der heutige Preis des Rohstoff-Futures unter dem Erwartungwert des Kassapreises und stellt für den Rohstoffproduzenten eine lohnenswerte Investition dar. Laut Keynes Modell stellt diese Situation den für gewöhnlich vorherrschenden Markt dar und wird aus diesem Grund mit Normal Backwardation bezeichnet.
248
Vgl. Keynes, A treatise on money. 1930.
375
376
C. Wertpapiergeschäfte Empirisch wurden beide Modelle in zahlreichen Untersuchungen miteinander verglichen. Dazu wurde im Cost of Carry Ansatz die Rohstoffverfügbarkeit durch die Lagerbestände und im Risikoprämienmodell der erwartete Preis durch den realisierten Preis ersetzt. Es zeigte sich in den meisten Studien, dass die Verfügbarkeitsprämie durch die Lagerbestände, die Future-Preis aber nur selten durch den realisierten Preis erklärt werden kann. Einzig bei Futures mit kurzer Laufzeit konnte das Risikoprämienmodell bestätigt werden, während der Cost of Carry Ansatz bei den allermeisten Studien für alle Laufzeiten zutraf249.
b) Swap-Geschäfte Swap-Geschäfte sind vertraglich vereinbarte Tauschgeschäfte und von ihrem Charakter her Arbitragegeschäfte. Sie zielen auf das Ausnutzen von komparativen Kostenvorteilen an den internationalen Finanzmärkten ab, die aufgrund unterschiedlicher Bonitätseinschätzungen und unterschiedlicher Marktzugangsmöglichkeiten der beteiligten Vertragsparteien auf den jeweiligen Märkten entstehen. So hat vielleicht eine deutsche Großbank auf dem deutschen Kapitalmarkt aufgrund ihres Bekanntheitsgrades Konditionsvorteile im Vergleich zu japanischen Großbanken, die diese Vorteile wiederum in ihrem Land besitzen. Den Schuldnern wird es ermöglicht, die langfristige Mittelaufnahme währungs- und zinsmäßig nicht mehr nur entsprechend der späteren Verwendungssituation, sondern ausschließlich nach Kostengesichtspunkten auszurichten. Kreditinstitute fungieren bei Swapgeschäften überwiegend als Intermediäre und Arranger. Sie können aber auch selbst als Partner in ein solches Geschäft eintreten.
aa) Grundformen von Swap-Transaktionen Es gibt folgende Grundformen von Swap-Transaktionen: 1. Währungstausch
z. B. Tausch einer zinsfixen €-Verbindlichkeit in eine zinsfixe US-$-Verbindlichkeit 2. Zinsaustausch
2.1. variabel in fix und vice versa z. B. Tausch von zinsvariablen Euromarktgeldern mit Basis LIBOR in zinsfixe Verbindlichkeiten 2.2. variabel in variabel Tausch der variablen Grundbasis, z. B. US-$-Verbindlichkeit auf CP-Zinssatzbasis in Euro-Dollar-Verbindlichkeit auf LIBOR-Zinssatzbasis (CP = Commercial Paper) 3. Zins- und Währungstausch
Verbindung von 1. und 2., z. B. Tausch einer €-Anleihe zum Festzinssatz in zinsvariable US-$-Mittel. Auf der Basis dieser Grundformen haben sich weitere Spielformen des Swap-Geschäftes entwickelt. Erwähnt seien Swap-Options und Nullkuponanleihen-Swaps. Bei der Swap-Option (auch: Swaption) werden die Konditionen eines zukünftig möglichen Tauschgeschäfts vorab festgelegt. Der Optionskäufer bezahlt die Optionsprämie und
249
Vgl. Fama, French, Commodity Futures Prices, 1987.
V. Risikomanagement mit Termingeschäften erwirbt damit das Recht, während der Optionsfrist das Swap-Geschäft (zumeist handelt es sich dabei um Zinsswaps) zu den vereinbarten Konditionen zu tätigen. Die Option wird vom Optionskäufer nur ausgeübt, wenn er dadurch relative Vorteile erzielen kann, z. B. wenn der Zinssatz seiner variablen Refinanzierung über den im Optionsgeschäft vereinbarten Festzins gestiegen ist. Ist eine Nullkuponanleihe Gegenstand eines Swaps, so sind hohe Bonitätsanforderungen an den Übernehmer der Nullkuponanleihen-Zinszahlung zu stellen, da diese ja nicht laufend erfolgt, sondern erst in einer Summe am Laufzeitende. Wird der Übernehmer der Nullkuponanleihen-Verpflichtung zahlungsunfähig, so hat der Veräußerer gegebenenfalls die Zinsverpflichtung doppelt zu erbringen. Beim Tausch von Nullkuponanleihen-Zahlungsverpflichtungen sind deshalb Bankbürgschaften oder laufende Zinszahlungen des Nullkuponanleihen-Übernehmers an den Swap-Partner üblich geworden.
bb) Währungsswap Beim Währungsswap erfolgt ein Austausch von Kapitalsumme und Zinsverpflichtung zwischen Unternehmen, die entgegengesetzte Währungswünsche haben. Das Geschäft kann in die Ausgangstransaktion, die Zinstransaktion und die Schlusstransaktion zerlegt werden. Als Ausgangstransaktion wird der Austausch der Kreditbeträge bezeichnet. Die im Rahmen der Zinstransaktion zu tauschenden Zinszahlungen müssen vorab vertraglich festgelegt werden. Der Zins richtet sich bei Abschluss des Swap-Geschäftes nach dem allgemeinen Zinsniveau der beteiligten Währungsländer. Je nach Festlegung kann sich der Austausch auch auf den über die Verrechnung hinausgehenden Spitzenbetrag beschränken. Ebenfalls bei Vertragsabschluss festzulegen sind Zeitpunkt und Devisenkurs der Schlusstransaktion. Im Rahmen der Schlussabwicklung transferieren die Unternehmen die Kapitalsummen zu den vereinbarten Devisenkursen zurück. Die Bestimmung der Rückzahlungskurse erfolgt durch individuelle Vereinbarungen der Vertragspartner. Bei Termingeschäften findet immer der Terminkurs mit Deport (Abschlag vom Kassakurs) oder Report (Aufschlag zum Kassakurs) Verwendung. Die Vereinbarung kann auch vorsehen, dass bei der Schlusstransaktion nur ein vorab vereinbarter Differenzbetrag ausgeglichen wird oder dass die Abschlusstransaktion ganz entfällt. Selbst der Verzicht auf den Austausch der Zinszahlungen ist möglich, wenn eine feste Austauschrelation (z. B. Kassakurs am Tag des Vertragsabschlusses) vereinbart wird. Jeder Partner bedient dann die Zinsverpflichtungen in seinem Land. Die Vorteile des Währungsswaps liegen in der Absicherung des Währungsrisikos sowie in der Möglichkeit, einen kostengünstigeren Zugang zum jeweiligen Fremdwährungsmarkt als bei einem Direktengagement zu erhalten.
377
378
C. Wertpapiergeschäfte Transaktionen im Rahmen eines Währungsswaps Beispiel: Ein US-Unternehmen hat einen Finanzierungsbedarf in € und vereinbart deshalb einen Währungsswap mit einem deutschen Unternehmen, das einen gleich hohen Finanzierungsbedarf mit Fristentsprechung in US-Dollar besitzt. (1) Ausgangstransaktion Währungsswap US-$-Anleihe
€ US-Unternehmen
US-$
deutsches Unternehmen
€-Anleihe
deutsches Unternehmen
Zinsen auf Anleihe in €
deutsches Unternehmen
Anleiherückzahlung in €
Tausch/Swap der Anleihebeträge (2) Zinstransaktion Zinsen auf Anleihe in US-$
Zinsen in US-$ US-Unternehmen
Zinsen in € Austausch der Zinszahlungen (bzw. des Zinssaldos) (3) Schlusstransaktion
AnleiherückUS-Unterzahlung in US-$ nehmen
€ US-$
Rücktausch der Anleihebeträge zu vorab vereinbarten Kursen (Terminkurse oder Kassakurse) Abb. C 73: Transaktionen im Rahmen eines Währungsswaps
cc) Zinsswap Der Zinsswap dient häufig dazu, eine zinsvariable Verbindlichkeit in eine zinsfixe Verbindlichkeit und vice versa umzuwandeln. Dabei erfolgt kein Austausch der Kapitalbeträge. Beim Swap von zinsvariablen Verbindlichkeiten in wiederum zinsvariable geht es meist um den Tausch der variablen Grundbasis (z. B. Tausch eines Zinssatzes über LIBOR in einen über EURIBOR). Einen Tausch von Zinssätzen unterschiedlicher Laufzeit stellt der Constant Maturity Swap dar, bei dem ein fester oder variabler Zins gegen einen längerfristigen variablen Zinssatz getauscht wird. Das Schwergewicht bei Zinsswaps liegt dabei eindeutig auf Swaps, die zinsvariable in zinsfeste Zahlungen tauschen. Dabei hat sich ein eigener Jargon für die Details dieser Swaps herausgebildet. Aus Sicht eines der beiden Swappartner kann der Swap als Payer- oder Receiverswap klassifziert werden. Beim Payer-Swap zahlt der Swappartner die zinsfixe Zahlung und erhält die zinsvariable Zahlung, wie das in der Abb C. 67 für den
V. Risikomanagement mit Termingeschäften Partner A gilt. Beim Receiver-Swap verhält sich dies genau umgekehrt. Die zinsfixe Zahlung wird bei Swap auch als Fix Leg, die variable als Variable Leg bezeichnet. Aus finanzwirtschaftlicher Sicht ist natürlich von Interesse, wie die Sätze für das Fix und Variable Leg zu Stande kommen.250 Um hier unabhängig von den Swappartnern zu einem eindeutigen Ergebnis zu gelangen, wird im Folgenden das Bonitätsrisiko ausgeblendet.251 Zunächst ist die variable Seite meist durch einen Referenzzinssatz eindeutig gegeben, der in Ausnahmefällen um einen Auf- oder Abschlag modifiziert werden kann. Somit konzentriert sich die Fragestellung darauf, Aussagen über den fairen Zinssatz für das Fix Leg zu treffen. Der bei der Beantwortung dieser Frage ermittelte Satz ist dabei von so großer Bedeutung, dass er in der Terminologie der Swaps als Swapsatz den Nullkuponanleiherenditen und Terminzinssätzen zur Seite gestellt wird. Bei einer fairen Bewertung ist der Barwert des Fix und des Variable Leg identisch, sodass eine Investition in das Instrument zu einem Kapitalwert von Null führt. Ersterer lässt sich dabei analog zu Kuponanleihen für eine Laufzeit T als T
BWFix
¦ sw
T
ZAFt N
t 1
darstellen, wobei der Swapsatz swT mit dem Nominalbetrag N multipliziert und mit den Nullkuponanleihen-Abzinsungsfaktoren ZAFt diskontiert wird. Nur durch den variablen und damit laufzeitabhängigen Zinssatz unterscheidet sich die Bewertung des Variable Leg T
BWVar
¦i
T
t
¦i
ZAFt N
t 1
(t 1) t
ZAFt N s1 ZAF1 N
t 2
für welche dann bei der vereinfachten Bewertung die Terminzinssätze i(t–1)–t für die künftigen Zeiträume sowie die Nullkuponanleihenrendite s1 für den nächsten Zinstermin eingesetzt werden, was durch das zweite Gleichheitszeichen ausgedrückt wird. Diese Annahme ist dabei konsistent mit einer arbitragefreien Bewertung. Nach Gleichsetzen der beiden Barwerte erhält man: T
sw T
s1 ZAF1 ¦ i(t 1) t ZAFt t 2
T
¦ ZAF
t
t 1
Dieser Ausdruck ist nun unabhängig von Nominalvolumen und enthält nur Nullkuponanleiherenditen, Terminzinssätze wie auch Nullkuponanleihen-Abzinsungfaktoren. Da letztere ineinander überführt werden können, lassen sich Swapsätze damit eindeutig aus Zinskurven unter den angegebenen Annahmen ableiten lassen. Ferner sind diese laufzeitabhängig und verschieden, da sie durch die Laufzeit des Swap-Geschäfts determiniert werden. Nur bei flacher Zinsterminkurve sind sie konstant. Betrachtet man die Formel näher lässt sich ferner eine Aussage über den Zusammenhang der verschiedenen Sätze zueinander ableiten. Da der Nenner nur den Rentenbarwertfaktor enthält, stellt der Nenner den mit den Nullkuponanleihen-Abzinsungfaktoren gewichteten 250 251
Vgl. Tuckman, Fixed Income Securities, 2002, S. 372 ff. Im Zuge der Finanzkrise zeigten sich aber starke Verwerfungen, sodass das Bonitätsrisiko bedeutend und somit die folgenden Formeln korrigiert werden mussten.
379
380
C. Wertpapiergeschäfte Durchschnitt der Forwardzinssätze dar. Somit stellen Swapsätze Durchschnittssätze von Terminzinssätzen dar, wobei das größte Gewicht auf den kurzfristigen Sätzen liegt. Dieser Ausdruck lässt sich nach Einsetzen der Terminzinssatzdarstellung für Nullkuponanleihen-Abzinsungsfaktoren vereinfachen. Danach gilt für den Swapsatz
1 ZAFT
sw T
T
¦ ZAF
t
t 1
Stellt man diese Formel um erhält man den Ausdruck zu T
¦ sw
T
ZAFt ZAFT
1
t 1
um, erkennt man eine alternative Interpretation des so ermittelten Swapsatzes. Er stellt den Kupon dar, bei dem der Wert der zugehörigen Nullkuponanleihe gerade 1=100 % beträgt. Dieser Satz wird im englischen auch als Par Yield Coupon Rate bezeichnet, also der Kupon zu dem die Anleihe zu pari notiert.252 Abbildung C 74 verdeutlicht diese Berechnungen an Hand eines Beispiels. Beispiel Zinsswap Greift man das Beispiel von Abb. C 11 auf, können die Swapsätze für die drei Perioden ermittelt werden. Dabei werden als Nullkuponanleiherendite s1=8 %, und als Terminzinssätze i(t1-t2)=12,24 % und i(t2-t3)=16,97 % angenommen. Die Abzinsungsfaktoren ergeben sich daraus zu ZAF1=0,9259, ZAF2=0,8250, ZAF3=0,7052. Aufgrund der Einperiodigkeit entspricht der erste Swapsatz der Nullkuponanleiherendite. Der zweite Swapsatz errechnet sich zu sw 2
8% 0,9259 12,24% 0,8250 0,9259 0,8250
1 0,8250 0,9259 0,8250
10%
Der dritte Swapsatz beträgt analog sw2 = 12 %. Der Terminswapsatz von 1 auf 3 ermittelt sich dann zu sw 2
0,9259 0,7052 0,8250 0,7052
14,42%
Abb. C 74: Beispiel Zinsswap
Bislang wurde stets davon ausgegangen, dass der Swap zu einem Swapsatz eingegangen wurde, bei dem sich die Barwerte der Legs gerade ausgleichen. In der Praxis werden aber auch Swaps eingegangen, deren Swapsatz davon abweicht. Dieses Abweichen wird dann durch eine entsprechende Ausgleichzahlung an die benachteiligte Seite (Up-FrontPayment) ausgeglichen. Liegt der vereinbarte Swapsatz über dem fairen Swapsatz erhält der Akteur im Payerswap dann eine positive Zahlung, im Falle einer Lage unter dem fairen Swapsatz muss er eine Zahlung leisten.
sw t1 t 2
ZAFt1 ZAFt 2 t2
¦ ZAF
t
t t1
252
Vgl. Martellini, Priaulet, Priaulet, Fixed-income Securities, 2003, S. 327 ff.
V. Risikomanagement mit Termingeschäften Analog zu Nullkuponanleiherenditen und deren Terminzinssätzen existieren auch zu (Kassa-)Swaps und deren Sätzen auch Terminswaps mit den entsprechenden Sätzen.253 Hier wird der Minuend 1 im Zähler der Formel des Swapsatzes durch den Abzinsungsfaktor für den Startpunkt des Swaps ersetzt. Damit kann analog zu den Terminzinssätzen der Kassaswap als Terminswap mit einem Start zum Zeitpunkt null (ZAF0 = 1) angesetzt werden. Wie auf verschiedene Basiswerte existieren auch auf Zinsswaps Optionen.254 Diese sogenannten Swaptions geben dem Käufer das Recht nicht die Pflicht zu einem künftigen Zeitpunkt oder in einem Zeitraum einen Swap mit fest vereinbartem Swapsatz einzutreten. Dieser Swapsatz wird auch als Swap Strike bezeichnet. Dabei kann analog zu Kauf- und Verkaufsoptionen auch hier in zwei Typen unterschieden werden. Hat man die Möglichkeit in einen Payerswap einzutreten spricht man von Payer-Swaption. Hat man die Möglichkeit in einen Receiverswap einzutreten, wird dies analog als ReceiverSwaption bezeichnet. Negative Zinssätze haben dabei einen direkten Einfluss auf die Zahlungsströme bei Zinsswaps. Im Gegensatz zu Anleihen sind Zinsswaps keine Wertpapiere, sondern vertragliche Vereinbarungen auf Austausch von Zahlungen. Diese können bei negativen Zahlungen auch zu Verpflichtungen führen, die ursprünglich als Recht vereinbart wurden. Auch können Swaps bereits mit negativen Zinsen vereinbart worden sein, sodass der Schuldner der festen Zahlung (Payer) zum Zahlungsempfänger wird. Beides zeigt beispielhaft Abbildung C 75.
253 254
Vgl. Martellini, Priaulet, Priaulet, Fixed-income Securities, 2003, S. 342 ff. Vgl. Martellini, Priaulet, Priaulet, Fixed-income Securities, 2003, S. 352 ff.
381
382
C. Wertpapiergeschäfte Beispiele Zinsswap bei negativen Zinsätzen. Es wurde ein Zinsswap bei einem Swapsatz von 1,36 % mit dreiperiodiger Laufzeit vereinbart. Am Ende der ersten Periode erhält der Receiver (Variable Leg) den Swapsatz 1,36 %, die der Payer des Fix Leg zahlen muss. Bei Nullkuponzinssätzen von 1,01 % für eine Periode muss der Receiver im Gegenzug 1,01 % zahlen und der Payer des Fix Leg erhält diese Zinsen. Nach der ersten Periode gilt:
Payer
1,36% 1,01%
Receiver
Fällt nun zum Ende der ersten Periode der Zinssatz auf -0,5 % für eine Periode, ist die Situation anders gelagert. Nach der zweiten Periode gilt:
Payer
1,36% 0,50%
Receiver
Das Fix Leg wird vom Payer an den Receiver gezahlt, zudem ist dieser Swappartner nun auch verpflichtet das negative Variable Leg von 0,5 % zu entrichten. Wird in einer Situation mit negativen Zinsen ein Swap abgeschlossen, sind die Zahlungsströme nochmals geändert. Liegt beispielsweise der Swapsatz bei -0,66 % und der entsprechende Nullkuponzinssatz bei -0.50 % so erhält der Zahler des Fix Lag (Payer) eine Zahlung in Höhe des Swapsatzes von 0,66 %. Im Gegenzug muss er an den Zahler des Variable Leg (Receiver) den Zinssatz von 0,5 % entrichten. Nach der ersten Periode gilt:
Payer
0,66% 0,50%
Receiver
Abb. C 75: Beispiel Zinsswap bei negativen Zinsen
Hier wird deutlich, dass im Falle von negativen kurzfristigen Zinssätzen (negativer variabler Grundbasis) der Gläubiger der zinsvariablen Verbindlichkeit (Payer) nun selbst die Zahlungen zu leisten hat und der Schuldner der zinsvariablen Verbindlichkeit (Receiver) die Zahlungen erhält. Bei unter negativen Swapsätzen abgeschlossenen Swaps erhält der Schuldner der zinsfixen Verbindlichkeit (Payer) nun eine Zahlung vom Gläubiger der zinsfixen Verbindlichkeit (Receiver). Dieses Vorgehen gilt dabei im Normalfall, kann aber im Einzelfall in Swapverträgen auch anders geregelt werden.
dd) Swap-Märkte Auf dem Swap-Primärmarkt lag das Schwergewicht der Transaktionen in jüngster Zeit deutlich bei den Zinsswaps (vgl. auch Abbildung C 74), während die reinen Währungsswaps, die ursprünglich den Markt bestimmten, zurückgingen. Swap-Primärtransaktionen werden nahezu in sämtlichen Währungen der westlichen Industrieländer durchgeführt. Die Laufzeiten betragen drei bis 50 Jahre und die Volumina eines Einzelgeschäfts 5–500 Mio. US-$. Die Provisionen für Kreditinstitute bei Vermittlung eines Primär-Swap-Geschäftes liegen bei ca. 1 ∕ 8 %. Neben dem Primärmarkt hat sich inzwischen auch ein Swap-Sekundärmarkt entwickelt, auf dem Kreditinstitute als Vermittler
V. Risikomanagement mit Termingeschäften auftreten und bereits abgeschlossene Swap-Vereinbarungen handelbar machen. Dritte Unternehmen übernehmen dann bereits bestehende bilaterale Vereinbarungen. Beim ausscheidenden Unternehmen ist die ursprünglich bestehende Finanzierung mit ihren spezifischen Kosten wiederhergestellt. Der Sekundärmarkt ist in jüngster Zeit stärker gewachsen als der Primärmarkt. Die Vermittlerprovision der Kreditinstitute auf dem Sekundärmarkt beträgt ca. 1 ∕ 2 %. Ausreichende Markttiefe besitzt der Sekundärmarkt allerdings nur für Transaktionen in US-$ mit Laufzeiten von drei bis fünf Jahren. Im Vermittlungsgeschäft besonders aktiv sind große US-amerikanische Banken, die gegebenenfalls für einige Zeit auch selbst Netto-Swap-Positionen übernehmen. Die Funktion der Banken im Bereich der Swaps kann dreifach unterschieden werden: 1. Eintritt als Swap-Partner (aktiv) Ziel ist die Sicherung der fristenkongruenten Refinanzierung sowie die Begrenzung von Zinsänderungsrisiken. 2. Handeln als Intermediäre Die Banken treten als Vertragskontrahenten auf und schließen separate Verträge mit den Swap-Interessenten. Dabei werden Positionen aufgebaut, die später im Kundengeschäft eingesetzt werden. Falls ein Partner seinen Verpflichtungen nicht nachkommen kann, trägt die Bank das Erfüllungsrisiko. Die Provisionen liegen bei etwa 1 ∕ 8 % zuzüglich einer Risikoprämie. 3. Handeln als Arranger (offen) Die Banken fungieren als Vermittler und führen zwei sich ergänzende Swap-Parteien zusammen. Dem Vorteil des Nichteingehens von Risiken steht der Nachteil des einmaligen Provisionsertrages gegenüber.
ee) Asset Swap Die bisherigen Ausführungen betrafen das Ausnutzen von Kostenvorteilen und Absicherungsstrategien gegen die Zinsänderungs- und Währungskursrisiken bei der Mittelbeschaffung und damit die Passivseite der Bilanz. In den letzten Jahren wurden diese Swap-Transaktionen zu Absicherungszwecken und um zusätzliche Erträge zu realisieren, auf die Gestaltung der Aktivseite eines Unternehmens ausgedehnt. Da es sich hierbei um einen Tausch von Aktiva (Assets) und/oder den daraus resultierenden Zinszahlungen oder seltener Dividendenzahlungen handelt, werden diese Swaps als Asset Swaps bezeichnet. Nach den jeweiligen Zielen können drei Einsatzbereiche unterschieden werden:255 1. Management von Staatsschulden, 2. Zinsmanagement, 3. Renditesteigerungen durch synthetische Wertpapiere. Beim Asset Swap mit Staatsschulden handelt es sich um einen gegenseitigen Tausch von bonitätsmäßig schlechter eingestuften Länderkreditforderungen bei Kreditinstituten. Die Hauptziele dieser Swaptransaktionen liegen im Rahmen des Risikomanagements internationaler Großbanken. Diese wollen die Portefeuilles der Länderkredite anders strukturieren bzw. eine Schadensbegrenzung durch ein aktives Portefeuillema255
Vgl. Lerbinger, Zins- und Währungsswaps, 1988, S. 74 ff., S. 128 ff.
383
384
C. Wertpapiergeschäfte nagement der Problemkredite erreichen. Die Möglichkeiten ergeben sich durch die unterschiedlich engen Beziehungen der beteiligten Banken zu den einzelnen Schuldnerländern. Dadurch können sie die Bonität, die Zahlungsentwicklung sowie die wirtschaftspolitischen und volkswirtschaftlichen Entwicklungen in den relevanten Ländern unterschiedlich gut beurteilen und prognostizieren. Je nach der Beurteilung der Bonitätsanforderungen ergeben sich die für den Swap gültigen Sekundärpreise von Länderkrediten, ausgedrückt in Prozent des Nominalbetrages. Nach Art des Swap-Geschäftes kann zwischen Par, Ratio und Cash Swaps unterschieden werden. Beim Par Swap werden gleiche Nominalbeträge getauscht und die sich aufgrund unterschiedlicher Prozentnotierungen ergebenden Differenzen durch zusätzliche Cash-Zahlungen ausgeglichen. Ist dagegen der getauschte Effektivbetrag identisch, so handelt es sich um einen Ratio Swap. Je nach den verschiedenen Sekundärpreisen werden unterschiedliche Nominalbeträge getauscht. Bei der dritten Variante handelt es sich um den Cash Swap. Länderkredite werden gegen Barzahlung von den Banken erworben. Dadurch werden risikofreudigen Investoren neue Investitionsalternativen mit attraktiven Renditemöglichkeiten geboten. Andere Zielrichtungen verfolgen die Asset-Swap-Transaktionen beim aktiven Zinsmanagement von Rentenportefeuilles.
Je nach der Zinserwartung kann der Portefeuillemanager durch den Abschluss von Zinsswaps auch von steigenden Zinsen profitieren. Die Ausgestaltung der Swaptransaktionen ist dann genau umgekehrt. Weitere Einsatzmöglichkeiten von Asset Swaps haben das Ziel von Renditeverbesserungen durch Konstruktion synthetischer Wertpapiere. Vom Markt aufgrund von Ineffizienzen unterbewertete Wertpapiere werden vom Investor ausgewählt und die dadurch zusätzlich erzielbaren Renditen durch den Swapeinsatz bis zum Laufzeitende dieser Papiere festgeschrieben. Nachfolgendes Beispiel soll die Einsatzmöglichkeiten von Asset Swaps in diesem Bereich verdeutlichen (vgl. Abbildung C 76). Ein deutscher Investor wünscht eine Festzinssatzanleihe in US-$. Neben der traditionellen Möglichkeit, dem Kauf einer US-$-Festzinsanleihe, ist er durch den Einsatz von Asset Swaps in der Lage, diese Anleihe durch drei verschiedene Möglichkeiten nachzubilden: 1. Möglichkeit 1: Kauf eines zinsvariablen US-$-Wertpapiers und anschließender variabler/fixer Asset Swap der Zinsen. 2. Möglichkeit 2: Kauf eines zinsfixen €-Wertpapiers und anschließender fixer/fixer Asset Swap in US-$. 3. Möglichkeit 3: Kauf eines zinsvariablen €-Wertpapiers und anschließender variabler/ fixer Asset Swap in US-$. Bei der Betrachtung dieser Möglichkeiten wird deutlich, dass durch den Einsatz von Asset Swaps die Entscheidung eines Portefeuillemanagers für ein Wertpapier mit bestimmten Ausstattungsmerkmalen über verschiedene Variationsmöglichkeiten realisiert werden kann. Somit können durch den Kauf unterbewerteter Assets, obwohl sie nicht direkt den Ausstattungswünschen des Investors entsprechen, mithilfe der Kombination verschiedener Swaps die gewünschten Ausstattungsmerkmale nachgebildet und zusätzliche Renditeverbesserungen im Vergleich zum direkten Kauf über mehrere Perioden erreicht werden.
V. Risikomanagement mit Termingeschäften Komplexität und Unübersichtlichkeit nehmen durch den Einsatz dieses Instrumentariums zwar zu, jedoch werden dadurch erst die Arbitragemöglichkeiten zur Realisierung von Renditevorteilen geschaffen. Nachteilig wirkt sich besonders die geringere Liquidität der Asset Swaps gegenüber dem Direktinvestment aus, da neben dem Ausgangsinvestment zusätzlich die Swap-Transaktionen glattzustellen sind. Um einen marktgerechten Preis zu erhalten, ist ein aktiver, volumenmäßig großer Sekundärmarkt notwendig, der zurzeit aber noch nicht im erforderlichen Umfang existiert. Ferner sind beim Einsatz von Asset Swaps neben den Anleiherisiken zusätzlich die besonders beim Währungsswap existierenden Swaprisiken zu berücksichtigen, wie z. B. Länder-, Liquiditäts- und Bonitätsrisiken. Aktives Zinsmanagement durch den Einsatz von Asset Swaps Ein Portefeuillemanager (Investor) hält in seinem Bestand ein Asset mit fixer 8 % Zinszahlung. Er möchte ein höheres Risiko eingehen und dafür eine höhere Rendite erwirtschaften. Dafür tauscht er die 8 % Zinszahlung gegen eine Zinszahlung eines Assets schlechterer Bonität und demzufolge höheren Zinszahlung von fixen 10 %. Statt durch den traditionellen, direkten Verkauf der Anleihe in Verbindung mit dem Kauf einer neuen Festzinssatzanleihe könnte der Portefeuillemanager z. B. durch den Abschluss des folgenden Asset Swaps das gewünschte Rendite-Risiko-Profil erreichen: • Gegen Zahlung von 8 % fix erhält er 10 % fix (mit schlechterer Bonität) Laufzeit drei Jahre (1. Schritt). Nach einem Jahr verbessert sich die Bonität des Emittenten der 10 %-Anleihe. Dies ermöglicht dem Portefeuillemanager folgenden zweiten Asset Swap: • Gegen Zahlung von 7,5 % fix erhält er 8 % fix (ursprüngliches Asset), Laufzeit zwei Jahre (2. Schritt). 1. Schritt: z.B. Anleihe im Bestand
8% fix
fixe Zinszahlung 10% SwapGegenpartei
Investor fixe Zinszahlung 8%
2. Schritt: fixe Zinszahlung 8%
erhält 10% fix aus 1. Schritt
SwapGegenpartei
Investor fixe Zinszahlung 7,5%
Sein Gesamtvorteil durch die beiden Asset Swaps gegenüber der Ausgangssituation beträgt nach einem Jahr 2,5 % für die nächsten zwei Jahre. • Rechnung: –Fix +Fix +Fix –Fix
8,0 % 8,0 % 10,0 % 7,5 % 2,5 %
Abb. C 76: Aktives Zinsmanagement durch den Einsatz von Asset Swaps
385
386
C. Wertpapiergeschäfte
3. Bedingte Termingeschäfte a) Optionsgeschäfte im Überblick Für bedingte Ansprüche wird im Allgemeinen der englische Begriff Contingent Claims verwendet. Die an den Kassamärkten der Wertpapierbörsen gehandelten Optionen werden als Traded Options bezeichnet. Optionsscheine hingegen sind verbriefte Rechte mit Wertpapiercharakter, die außerbörslich emittiert, aber an der Börse gehandelt werden. Bei Optionsgeschäften können als häufigste Formen Kaufoption (Call) und Verkaufsoption (Put) unterschieden werden. Der Käufer einer Kaufoption erwirbt mit der Zahlung des Optionspreises das Recht, innerhalb einer festgelegten Optionsfrist vom Verkäufer (Stillhalter) die Lieferung einer bestimmten Anzahl der zugrunde liegenden Wertpapiere zu einem bei Abschluss des Optionsgeschäftes vereinbarten Preis (Ausübungskurs, Basiskurs) zu fordern. Kann der Käufer der Option sein Recht jederzeit ausüben, so spricht man von amerikanischen Optionen (anfängliche Sperrfristen sind möglich). Bei den europäischen Optionen darf der Käufer dagegen sein Recht nur am Ende der festgelegten Optionsfrist ausüben. An der Terminbörse EUREX gehandelte Optionskontrakte auf Indizes (z. B. DAX-Option) sind als europäische Optionen ausgestaltet. EUREX-Optionen mit Einzelaktien als Basiswert sind hingegen vom amerikanischen Typ. Daneben existiert noch eine Vielzahl von anderen Optionstypen, die gerne nach Ländern benannt sind und oftmals allesamt in Unterscheidung zu den beiden obigen Typen als exotische Optionen bezeichnet werden.256 Unter diesen sind Barrieroptionen) die wohl bekannteste Klasse, die oft im Währungsbereich eingesetzt werden.257 Um eine Barrieroption auszuüben, muss der Kurs des Basiswerts eine Kursschwelle (Barrier) während einer Periode berührt haben oder die Kursschwelle darf nicht berührt worden sein, was letztendlich den Namen des Optionstyps determiniert hat. Der Käufer einer Verkaufsoption erwirbt mit der Zahlung des Optionspreises das Recht, innerhalb der Optionsfrist vom Verkäufer (Stillhalter in Geld) die Abnahme der dem Geschäft zugrunde liegenden Wertpapiere zum vereinbarten Basiskurs zu verlangen. Beim Optionsgeschäft können mit Kauf- und Verkaufsoption, wie Abbildung C 77 zeigt, vier Positionen eingenommen werden:
Abb. C 77: Positionen in Optionsgeschäften
256 257
Vgl. Rudolph, Schäfer, Derivative Finanzinstrumente, 2010. Vgl. Haug, Option Pricing Formulas, 2007.
V. Risikomanagement mit Termingeschäften
Abb. C 78: Gewinn- und Verlustmöglichkeiten bei Optionsgeschäften (Käuferposition)
Das Optionsgeschäft wird zeitlich in zwei Stufen abgewickelt: 1. Abschluss des Optionsgeschäftes durch Kauf bzw. Verkauf eines Optionsrechts und Bezahlung der Optionsprämie durch den Käufer; 2. Ausübung oder Verfall des Optionsrechts. Bei Ausübung erfolgt der Kauf bzw. Verkauf der Kontraktpapiere unter Bezahlung des vereinbarten Basispreises durch den Wertpapiererwerber. Aus den genannten Positionen resultieren unterschiedliche Gewinn- und Verlustmöglichkeiten. Sie werden in den folgenden Abbildungen (vgl. Abbildungen C 78 und C 79) gegenübergestellt. Ergänzend sind zu Vergleichszwecken die Gewinn- und Verlustmöglichkeiten aus Terminkauf und -verkauf ebenfalls graphisch dargestellt (vgl. Abbildungen C 80 und C 81).
387
388
C. Wertpapiergeschäfte
Abb. C 79: Gewinn- und Verlustmöglichkeiten bei Optionsgeschäften (Verkäuferposition)
Abb. C 80: Gewinn- und Verlustmöglichkeiten bei Terminkauf
V. Risikomanagement mit Termingeschäften
Abb. C 81: Gewinn- und Verlustmöglichkeiten bei Terminverkauf
b) Bewertung von Optionsrechten auf Aktien aa) Komponenten des Wertes einer Option Bei Optionen auf Aktien handelt es sich um bedingte Ansprüche (Contingent Claims), die einer Bewertung durch Modelle zugänglich sind. Die Bewertung258 besitzt insbesondere Bedeutung für: 1. Anlage- und Arbitrageentscheidungen zur Ermittlung über- oder unterbewerteter Optionen (Traded Options), Optionsscheine und Covered Options; 2. die Preisfindung bei Neuemission von Optionsanleihen und Covered Options sowie für Market Maker im Handel mit Traded Options; 3. die Finanzierungstheorie, zur Untersuchung der Kapitalmarktinformationseffizienz und für die Überprüfung von Bewertungsmodellen. Der Preis einer Option (teilweise auch als Prämie im weiteren Sinn bezeichnet) zerfällt in die zwei Komponenten: 1. Innerer Wert als Differenz zwischen gegenwärtigem Kurs der zugrunde liegenden Aktie und dem Basispreis (Ausübungspreis der Option); 2. Zeitprämie (Zeitwert oder Prämie im engeren Sinn) als Differenz zwischen dem Marktpreis der Option und ihrem inneren Wert. Die Zeitprämie zahlt der Optionskäufer für die Chance, von Aktienkursveränderungen zu profitieren. Im Hinblick auf Größe und Vorzeichen der Differenz zwischen Aktienkurs und Basispreis kann die Option 1. aus dem Geld/out-of-the-money, 2. am Geld/at-the-money oder 3. im Geld/in-the-money sein.
258
Vgl. zur Bewertung von Optionen auf Aktien im Detail auch Steiner, Bruns, Stöckl, Wertpapiermanagement, 2012.
389
390
C. Wertpapiergeschäfte Die Situation für Verkaufs- und Kaufoption ist nachfolgend dargestellt (vgl. Abbildung C 82).
Abb. C 82: Der innere Wert von Verkaufs- und Kaufoption
Bei Optionen, die aus dem Geld sind, ist der innere Wert Null, und der Optionspreis besteht nur aus der Zeitprämie (vgl. Abbildung C 83).
Abb. C 83: Beispiel für eine Kaufoption (Call)
Die Zeitprämie ist bei out-of-the-money-Optionen niedrig. Sie nimmt zu, wenn sich die Option zu at-the-money hin entwickelt, und erreicht dort ihr Maximum. Je mehr die Option in das Geld gerät, umso niedriger wird wiederum die Zeitprämie (vgl. wiederum Abbildung C 83, auch Abbildung C 81). Eine at-the-money-Option hat aus Sicht des Stillhalters das größte Risikopotenzial, da bereits geringe Kursveränderungen zur Optionsausübung durch den Käufer führen können. Das hohe Risiko muss dem Stillhalter durch eine entsprechend hohe Prämie entgolten werden. Ist die Option weit aus dem Geld, so ist die Ausübung sehr unwahrscheinlich, und dem geringen Risiko, das der Stillhalter trägt, entspricht eine niedrige Zeitprämie. Je mehr die Option dagegen in das Geld kommt, umso sicherer wird die Ausübung; das Optionsgeschäft bekommt immer mehr den Charakter eines festen Termingeschäfts; der Anteil der Zeit- oder Risikoprämie am Optionspreis wird kleiner. Bei Optionen, die tief im Geld sind, besteht der Optionspreis daher weitgehend aus ihrem inneren Wert. Die wichtigsten Einflussgrößen auf die Höhe des Optionspreises und damit auch auf die Höhe der Zeitprämie sind bei Aktienoptionen: 1. Bezugspreis (Basispreis), 2. aktueller Aktienkurs, 3. Volatilität des Aktienkurses, 4. Restlaufzeit der Option,
V. Risikomanagement mit Termingeschäften 5. Zinsniveau und 6. Dividende. Diese Einflussgrößen finden in Optionspreismodellen Berücksichtigung, die auf der Annahme vollkommener Kapitalmärkte (Gleichgewichtsmodelle) basieren.
Bewertungsobergrenze K
Bewertungsuntergrenze K – X bzw. 0
X Bezugspreis
K Aktienkurs
Abb. C 84: Bewertungsober- und -untergrenze einer Kaufoption bei Verfall
Basispreis X und aktueller Aktienkurs K bestimmen Unter- und Obergrenze der Optionspreisbewertung. Die Untergrenze wird durch den inneren Wert der Option, die Obergrenze durch den aktuellen Aktienkurs gegeben.
Am Verfalltag wird der Wert der Option nur vom Aktienkurs K und dem Basispreis X bestimmt. Er entspricht dem inneren Wert der Option, der bei einer Kaufoption entweder K – X oder Null ist (vgl. Abbildung C 84). Am Verfalltag gilt somit: C = max. {0, K – X}. Besitzt die Option noch eine Restlaufzeit t, so gilt für die Kaufoption aufgrund einfacher Arbitrageüberlegungen C ≥ Aktienkurs – Barwert des Basispreises C ≥ K – X u (1 + rf) – t bzw. C ≥ K – X u e –rft bei Unterstellung kontinuierlicher Verzinsung, wobei e –rft den Abzinsungsfaktor für kontinuierliche Verzinsung zum risikolosen Zinssatz rf darstellt. Eine genaue Bestimmung des Optionspreises, und damit die Umwandlung der Ungleichung in eine Gleichung, versuchen Optionsbewertungsmodelle.
391
392
C. Wertpapiergeschäfte Je größer die Volatilität der Aktienkurse, umso höher ist unter sonst gleichen Bedingungen die Optionsprämie. Die Volatilität zeigt die Streuung der Aktienkurse um ihren Mittelwert auf und wird durch die Standardabweichung V oder die Varianz V2 gemessen. Für die Aktien mit hoher Volatilität ist ein Kurs, der über dem Ausübungspreis liegt, innerhalb der Optionsfrist wahrscheinlicher als bei Papieren mit nur geringer Volatilität. Das größere Ausübungsrisiko ist dem Optionsverkäufer in einer höheren Prämie zu entgelten. Je größer die Restlaufzeit einer Option noch ist, umso höher ist bei sonst gleichen Bedingungen die Optionsprämie. Das Risiko, das über die Prämie zu entgelten ist, ist für den Stillhalter bei langen Laufzeiten höher, da die Aktie noch mehr Kursbewegungspotenzial besitzt. Die Rate, mit der die Option an Zeitwert verliert, ist nicht linear, sondern steht in Beziehung zur Quadratwurzel der verbleibenden Zeit (vgl. Abbildung C 85).
Abb. C 85: Zeitprämie einer Option in Abhängigkeit von der Restlaufzeit
Das Zinsniveau besitzt einen positiven Einfluss auf den Wert einer Kaufoption, d. h., die Optionsprämien sind in Hochzinsphasen, ceteris paribus, höher als in Niedrigzinsphasen. Eine Kaufoption kann als Kredit des Verkäufers an den Käufer interpretiert werden, da letzterer den Basispreis erst bei Bezug der Aktien leistet. Der Verkäufer erwartet vom Optionskäufer über die Prämie somit zumindest die Vergütung des am Kapitalmarkt erhältlichen risikolosen Zinses. Die Höhe der Dividende hat einen negativen Einfluss auf den Wert einer Kaufoption. Dem Stillhalter in Aktien mit Deckung fließen Dividendenzahlungen während der Laufzeit der Option zu, an denen der Besitzer einer nicht dividendengeschützten Kaufoption keinen Anteil hat. Je höher die Dividende, umso niedriger, ceteris paribus, der Wert der Kaufoption. Bei Marktunvollkommenheiten können weitere Einflussgrößen auftreten, die teilweise in ökonometrische Optionsbewertungsmodelle eingehen. Dies sind u. a.: 1. Marktgängigkeit der Aktie, 2. Börsentendenz und 3. Schwere der Aktie und damit des Bezugspreises.
V. Risikomanagement mit Termingeschäften Aktien mit geringem Umsatzvolumen sind einem höheren Risiko der Kursbeeinflussung ausgesetzt. Dieses Risiko lässt sich der Optionsverkäufer durch eine höhere Prämie entgelten. In Haussephasen konnte beobachtet werden, dass Kaufoptionen dann relativ teurer sind als in Baissephasen, da für Käufer die Gewinnchancen höher sind. Dementsprechend sind Verkaufsoptionen in Baissephasen relativ teurer als in Haussephasen. Bei schweren Aktien (hohe Kurse) mit hohen Basispreisen sind die Optionsprämien häufig relativ kleiner als bei niedrigen Basispreisen.
bb) Optionsbewertungsmodelle Historisch gesehen können Optionswertmodelle grundsätzlich in die zwei Hauptgruppen der ökonometrischen Modelle und der Gleichgewichtsmodelle eingeteilt werden (vgl. die Übersicht in Abbildung C 86). Innerhalb letzterer Gruppe kann wiederum in präferenzabhängige und präferenzunabhängige Modelle unterschieden werden.
Optionswertmodell
Statistische oder ökonometrische Bewertungsmodelle • • •
Gleichgewichtsmodele mit Aktienkursverlaufshypothesen
Giguére Shelton Kassouf
präferenzabhängige Modelle • • •
Sprenkle Samuelson Boness
präferenzunabhängige Modelle • • • •
Black & Scholes Merton Cox & Ross Cox & Ross & Rubinstein
Abb. C 86: Arten von Optionswertmodellen
Statistische oder ökonometrische Bewertungsmodelle ermitteln empirische vergangene
Optionspreisrelationen mit ihren Einflussgrößen und gehen davon aus, dass diese auch in der Zukunft so erhalten bleiben. Es wird kein kausaler Erklärungszusammenhang angestrebt und somit auch nicht der Versuch unternommen, den theoretisch „richtigen“ Optionspreis zu bestimmen. Ökonometrische Modelle können jedoch prinzipiell insbesondere in speziellen Situationen durchaus angwendet werden, da sie in denen theoretische Modelle mögliche Einflussparameter herausarbeiten und bei Simulationen zur Risikoanalyse dokumentieren können. Ökonometrische Modelle wurden u. a. von Giguère, Shelton und Kassouf entwickelt.259 Gleichgewichtsmodelle bestimmen einen theoretisch fundierten Optionswert als markträumenden Kurs bei Kapitalmarktgleichheit. Bei präferenzabhängigen Modellen, die auch als Wahrscheinlichkeits- oder Erwartungswertmodelle bezeichnet werden, wird der Diskontierungszinsfuß zur Barwertermittlung des Optionswertes nicht aus einem
259
Vgl. Giguère, Warrants, 1958, S. 17–25; Shelton, Price of a Warrant, May/June 1967, S. 143–151, sowie July/August 1967, S. 88–89; Kassouf, Model for Option Price, 1969, S. 685–694.
393
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C. Wertpapiergeschäfte vollkommenen Kapitalmarktgleichgewicht abgeleitet.260 Das älteste Modell dieser Art geht auf Bachelier zurück.261 In der Literatur wird die Wahl des Diskontierungsfaktors bei diesen Modellen deshalb vielfach auch als willkürlich bezeichnet. Demgegenüber wird bei präferenzunabhängigen Modellen oder auch arbitragefreien Modellen davon ausgegangen, dass es, wenn auch nur jeweils kurzfristig, möglich ist, durch Kombination von Kassa- und Termingeschäft ein risikofreies Portefeuille in Aktien und Optionen aufzubauen. Im Kapitalmarktgleichgewicht muss sich ein solches Portefeuille gerade wie die risikolose Anlage rentieren. Dabei arbeiten die Modelle mit Aktienkursverlaufshypothesen. Es wird unterstellt, dass der Kurs des Wertpapiers, auf das sich die Option bezieht, einem vorgegebenen stochastischen Prozess folgt. Die präferenzunabhängigen Modelle dominieren in Theorie und Praxis, während die präferenzabhängigen Modelle weitestgehend bedeutungslos geworden sind.262 Beispiel für die Duplizierung von Kaufoptions-Rückflüssen Es können nur zwei Ausprägungen des Aktienkurses am Verfalltag der Option auftreten (gemäß den Modellen von Cox, Ross & Rubinstein und Rendleman & Barter). Mögliche Aktienkurse am Verfalltag der Option Heutiger Aktienkurs Laufzeit der Option Basispreis Kreditzins Wert der Kaufoption
K1 = 50,– oder K 2 = 200,– K0 = 100,– 1 Jahr X = 100,– 100 Rf = 11 % C=?
200 50
Ein Stillhalter in Aktien ohne Deckung verkauft (= schreibt) drei Calls. Hieraus ergibt sich für ihn folgende Zahlungsstruktur:
260
Wert heute
Wert am Verfalltag
K0 = 100
K1 = 50,–
K 2 = 200,–
Verkauf 3 Calls
Keine Ausübung
3 (K – X) = 3 (200 – 100) = 300
+3·C
0
./. 300
Vgl. Grünwald, Optionsmarkt, 1980, S. 182. Vgl. Bachelier, Theorie de la Speculation, 1900. Fast zeitgleich publizierte im Jahr 1908 Vizenz Bronzin eine Theorie der Prämiengeschäfte, die fast alle modernen Ansätze der Optionsbewertung enthält und in der unter verschiedenen Verteilungsannahmen Optionen bewertet werden. Vgl. Hafner, Zimmermann, Vinzenz Bronzin’s Option Pricing Models 2009. 262 Verändert man allerdings den zu Grunde liegenden Prozess, kann der Markt unvollständig warden, sodass eine Duplikation nicht mehr möglich ist und Präferenzen eine Rolle spielen. Vgl. Schoutens, Levy Processes, 2003.S. 77 ff. 261
V. Risikomanagement mit Termingeschäften Diese Zahlungsstruktur kann durch ein Portfolio aus Aktienkauf und Kreditaufnahme dupliziert bzw. zu einem insgesamt risikolosen Portfolio ergänzt werden. Wert heute
Wert am Verfalltag
K0 = 100
K1 = 50,–
K 2 = 200,–
Kauf von 2 Aktien ./. 2 K0 = ./. 200,–
Verkauf der Aktien 2 K1 = 100,–
Verkauf der Aktien 2 K 2 = 400,–
Kreditaufnahme 100 : (1 + 0,11) = + 90,10
Kreditrückzahlung ./. 100
Kreditrückzahlung ./. 100
./. 109,90
0
+ 300,–
Es gilt nun: Anzahl Calls · Callpreis – Anzahl Aktien · Aktienkurs + Kreditaufnahme = 0 3 · C – 2 · 100 + 90,10 = 0 3 · C = 109,90 C = 36,63 d. h.: Callpreis = (Anzahl Aktien · Aktienkurs – Kreditaufnahme)/Anzahl Calls Das Beispiel lässt sich auf beliebig viele Zeitpunkte erweitern. Abb. C 87: Beispiel für die Duplizierung von Kaufoptions-Rückflüssen
Die bekanntesten präferenzunabhängigen Modelle sind die Modelle von Black/Scholes und Cox/Ross/Rubinstein.263 Das Cox/Ross/Rubinstein-Modell bewertet in seiner Grundform einer europäischen Kaufoption. Die zukünftigen Rückflüsse der Kaufoption werden durch ein äquivalentes selbstfinanzierendes Portefeuille aus Basiswert und risikoloser Anleihe dupliziert. Dieser Vorgang, dessen Prinzip Grundlage aller präferenzunabhängigen Modelle ist, sei anhand des Beispiels in Abbildung C 87 erläutert. Das Gesamtportefeuille aus drei geschriebenen Kaufoptionen, zwei gekauften Aktien und einer Kreditaufnahme in angegebener Höhe ist bei der hier angenommenen einfachen Aktienkursentwicklungshypothese risikolos. Bei einer kontinuierlichen Aktienkursentwicklung ist eine dynamische Duplikationsstrategie erforderlich. Dies bedeutet, dass die Aktienposition entsprechend dem Kursverlauf durch Kauf oder Verkauf angepasst werden muss. Gleiches gilt auch für die Kredithöhe. Das erforderliche Anpassungsvolumen wird durch das sogenannte Options-Delta (vgl. Abschnitt dd) bestimmt. Der Kredit erhöht sich jeweils im Umfang des durch den zusätzlichen Aktienkauf erforderlichen Kapitals bzw. verringert sich um die aus dem Aktienverkauf freiwerdenden Mittel. Es sind im Zeitablauf keine zusätzlichen Kapitalbeträge zuzuführen, und der Kredit kann jeweils aus den Portefeuilleerträgen verzinst und getilgt werden. Dies bezeichnet man auch als die Selbstfinanzierungseigenschaft des Duplizierungsportefeuilles. Sie ist sowohl für die Bildung von Optionspreismodellen als auch für Strategien der Portefeuille-Insurance von Bedeutung.
263
Vgl. Black, Scholes, Pricing of Options, 1973, S. 637–659.
395
396
C. Wertpapiergeschäfte Optionspreismodell von Black und Scholes
Black und Scholes entwickelten in Kooperation mit Merton 1972/73 eine Bewertungsgleichung für eine dividendengeschützte europäischen Kaufoption.264 Es gelten folgende kurz zusammengefasste Annahmen: 1. Leerverkäufe sind unbeschränkt möglich; 2. keine Transaktionskosten oder Steuern; 3. der Marktzinssatz für risikolose Kapitalanlagen (Habenzins) und Kapitalaufnahme (Sollzins) ist identisch, konstant und kann für kurzfristige Zeiträume ermittelt werden; 4. Dividenden oder sonstige Erträge werden auf die Wertpapiere nicht ausgeschüttet; 5. die Aktienkurse folgen einem stetigen Zufallspfad (geometrische Brownsche Bewegung) und ihre Veränderungen sind log-normalverteilt mit der Varianz V2 · t. Damit sind die logarithmierten (stetigen) Renditen normalverteilt. Analog zum Vorgehen von Cox/Ross/Rubinstein bauen Black und Scholes ein selbstfinanzierendes Portefeuille aus Kaufoptionen, Aktien und risikolosen Anleihen auf. Die Rendite dieses Portefeuilles ergibt sich im nächsten Schritt als Veränderung der normalverteilten Aktienrendite, der stetigen risikolosen Verzinsung und der Rendite der Kaufoptionen, die über Ito’s Lemma aus der Rendite der Aktien abgeleitet werden kann. Zusammen mit der Begründung, dass ein solches kapitaleinsatzfreies, risikoloses Portefeuille keine Rendite abwerfen sollte, lässt sich eine partielle Differenzialgleichung ableiten, die marginale Veränderungen des Optionspreises in Abhängigkeit von Basiswert und Laufzeit widergibt:265
dC dt
rf C rf K
dC 1 d 2 C 2 2 VK dK 2 dK 2
mit CT = max.{K–X;0}. Black und Scholes lösten diese Differenzialgleichung gemäß der Wärmeaustauschgleichung der Physik und erhielten nachfolgende Lösung.266 Äquivalent gelang es zu zeigen, dass dieselbe Lösung auch durch wahrscheinlichkeitstheoretisches Kalkül als Bestimmung eines Erwartungswerts der Auszahlungen in einem alternativen Wahrscheinlichkeitsmaß, einem Martingal, ermittelt werden kann:267 ln(K / X) ¬ªrf (V 2 / 2 ¼º t ½ r t ln(K / X) ¬ªrf (V 2 / 2 ¼º t ½ C KN ® ¾ e f XN ® ¾ V t V t ¯ ¿ ¯ ¿
264
Vgl. Black, Scholes, Valuation of Option Contracts, 1972, S. 349–417; dieselben, Pricing of Options, 1973, S. 637–654; Merton, Theory of Rational Option Pricing, 1973. U. a. dafür erhielten 1997 Merton und Scholes den Nobelpreis. Black war zu diesem Zeitpunkt bereits verstorben. 265 Zur Herleitung vgl. Black, Scholes, The Pricing of Options, 1973, S. 642 ff.; Copeland, Weston, Shastri, Financial Theory, 2006, S. 237 ff. 266 Vgl. Black, Scholes, The Pricing of Options, 1973, S. 644 und Cox, Ross, Rubinstein, Option, Pricing, 1979, S. 229. 267 Vgl. Harrison, Kreps, Martingales and Arbitrage, 1979; Harrison, Pliska, Martingales and Stochastic Integrals, 1981.
V. Risikomanagement mit Termingeschäften Wird der erste Klammerausdruck durch d1 und der zweite durch d2 ersetzt, so verkürzt sich die Gleichung auf: C KN d1 erf t XN d 2 C K X rf t V
= = = = = =
Kaufoptionspreis Kurs der Aktie Basispreis (Ausübungspreis der Option) Risikoloser Zinssatz Restlaufzeit der Option als Bruchteil eines Jahres Aktienkursvolatilität, annualisierte Standardabweichung logarithmierter Aktienkursveränderungen N(di) = Flächeninhalt unter der Standardnormalverteilungsdichtefunktion von – f bis di Die Werte N(di) können aus Wertetabellen für die Verteilungsfunktion der Standardnormalverteilung entnommen werden. Sie gewichten die Größen K und X, sodass die Bewertungsfunktion über der Untergrenze K – X · e –rft zu liegen kommt und die Zeitprämie bei Optionen, die am Geld sind, am höchsten ist (vgl. Abbildung C 88). Sie können dabei sehr anschaulich im Sinne des Duplikationsportefeuilles interpretiert werden. Während N(d1) als Anzahl der Aktien verstanden werden kann, die es bedarf, die Veränderungen des Optionswerts nachzubilden, repräsentiert N(d2) die Anzahl der verkauften Anleihen mit Nennwert X. Die Bedeutung von N(d1) geht darüber hinaus und hat auch als Kennzahl zur Optionsanalyse Eingang in die Literatur gefunden (vgl. Abschnitt C V 3 b dd). C Callpreis
Obergrenze C=K
C = KN (d1) – Xe–rf t N (d2)
Untergrenze C = max (0, K – Xe–rf t)
Xe–rf t Barwert Ausübungspreis
K Aktienkurs
Abb. C 88: Bewertungsfunktion einer Kaufoption während der Laufzeit
Der Ansatz von Black/Scholes erlaubt eine präferenzfreie Optionsbewertung, d. h. es gehen weder explizite Renditeerwartungen noch spezielle Risikonutzenvorstellungen der Investoren in das Modell ein. Leicht bestimmbar sind bei der Anwendung der Black/Scholes-Formel in der Praxis der aktuelle Kurs der Aktie K, der Ausübungspreis X und die Restlaufzeit t der Option. Der
397
398
C. Wertpapiergeschäfte Zinssatz rf für die risikolose Kapitalanlage bzw. Kreditaufnahme sollte bezüglich seiner Terminstruktur der Restlaufzeit der Option t entsprechen. Bei Traded Options wird es daher ein Geldmarktsatz sein, während für Optionsscheine ein mittelfristiger Zinssatz in Frage kommen kann. Am schwierigsten gestaltet sich die Ermittlung der Volatilität V. Es bieten sich grundsätzlich zwei Vorgehensweisen an:268 1. Ermittlung aus den historischen Aktienkursen; 2. Ermittlung der in den Optionspreisen impliziten Volatilität. zu 1.: Das Black/Scholes-Modell beinhaltet die Annahme, dass die Aktienkurse logarithmisch normalverteilt sind mit der Varianz V2 · t. Die Volatilität wird deshalb meist aus den logarithmierten Veränderungen der Aktienkurse bzw. -renditen der Vergangenheit ermittelt, und zwar nach folgender Vorgehensweise:269 1.1.
Berechnung der logarithmierten relativen Veränderungen rt der Aktienkurse Kt–1: rt
§ K · ln ¨ t ¸ ln K t ln K t 1 © K t 1 ¹
Ermittlung von Mittelwert P und Varianz V2:
1.2.
P V2
l n ¦ rt nt1
l ln K n ln K 0 n
l n 2 rt P ¦ n 1 t 1
l §K · ln ¨ n ¸ n © K0 ¹
l ª n 2 º rt nP 2 » ¦ « n 1¬t 1 ¼
Beispiel zur Anwendung des Black/Scholes-Modells: Aktueller Aktienkurs Ausübungspreis Zinssatz
K = 200 X = 180 r t = 0,10
d1
ln (K/X) (rt V2 /2) t V t
d2
d1 V t
Volatilität V = 0,4 V2 = 0,16 Restlaufzeit t = 1 Dividende: keine
ln (200/180) (0,10 0,16/2) 1 0,7134 (0,4) 1
0,7134 0,4
0,3134
Ausschnitt aus der Wertetabelle für die Verteilungsfunktion der Standardnormalverteilung d
0
N (d)
0,5
0,20
0,31
0,50
0,71
1,00
1,50
1,89
2,20
3,80
0,5793 0,6217 0,6915 0,7611 0,8413 0,9332 0,9706 0,9861 0,9999
N (d1) = 0,7611 N (d2) = 0,6217 C KN (d1 ) Xertt N (d2 )
200 0,7611 180 e0,1 0,6217 50,96
Der Wert der Call-Option beträgt somit nach dem Black/Scholes-Modell 50,96. Abb. C 89: Beispiel zur Anwendung des Black/Scholes-Modells
268 269
Vgl. Dorfleitner, Stetige versus diskrete Renditen, 2002. Für diskrete Renditen existieren alternative Anpassungsformeln. Vgl. Dorfleitner, Stetige versus diskrete Renditen, 2002.
V. Risikomanagement mit Termingeschäften 1.3.
Berechnung der annualisierten Varianz V2 t:
1.3.1. bei Tagesrenditen 365 u V2 1.3.2. bei Wochenrenditen 52 u V2 1.3.3. bei Monatsrenditen 12 u V2 1.3.4. bei Quartalsrenditen 4u V2 Für Tagesrenditen finden mitunter auch die Börsentage Verwendung, also z. B. 250 · V2. 1.4.
Ermittlung der annualisierten Volatilität V t : 1. bei Tagesrenditen V t
V 2 365
2. bei Wochenrenditen V t
V
2
52
V 19,1049 V 7, 2111
zu 2.: Die historisch ermittelte Volatilität kann bei starken aktuellen Marktveränderungen zu Fehlbewertungen führen. Deshalb finden in der Wertpapieranalysepraxis häufig implizite Volatilitäten Verwendung. Am Markt beobachtbare Preise der Option werden in die Black/Scholes-Formel eingesetzt und daraus iterativ (da die Black/Scholes-Formel nicht analytisch nach V aufgelöst werden kann) die zugehörigen Standardabweichungen V ermittelt. Dem liegt die Annahme zugrunde, dass der Markt insbesondere Optionen, die am Geld sind und ein relativ großes Handelsvolumen besitzen, richtig bewertet. Bewertung europäischer Optionen auf Aktien mit Dividendenzahlungen oder auf Forwards oder Futures
Zur Bewertung europäischer Optionen auf Aktien mit Dividendenzahlungen muss berücksichtigt werden, dass der Zufallspfad, welchem die Aktie folgt, durch die Dividendenzahlung und den daraus resultierenden Dividendenabschlag korrigiert wird. Die Hauptschwierigkeit besteht dabei darin, das Dividendenzahlungsereignis in die Modellannahmen miteinzubauen. Die Modellierung als einmaliges Ereignis mit absoluter Veränderung des Zufallspfads (Dividendenabschlag als Geldbetrag) führt zu Unstetigkeiten desselben, die schwer zu handhaben sind. Deswegen wird approximativ von einer stetigen Dividendenzahlung analog zur stetigen Zinszahlung der risikolosen Anlage ausgegangen. Dies impliziert, dass die Dividende als Rendite über die Laufzeit gezahlt wird und somit die Aktie peu á peu an Wert verliert und Dividende zahlt. Hier ergibt sich der Optionswert dann als Modifikation des Optionsbewertungsmodells nach Black, Scholes und Merton:270 C e qt KN d 3 e rf t XN d 4 mit d 3
ln K X ª¬rf q V 2 2 º¼ t , d4 V t
d 3 V t und
q als stetige Dividendenrendite (vgl. auch Abbildung C 90). Diese Formel hat neben der Bewertung von Optionen auf Aktien mit Dividendenzahlungen ferner noch weitere Modifikationen und Anwendungsfelder. Die wohl berühmteste Modifikation betrifft die Bewertung von Optionen auf Forwards oder Futures. Im einfachsten Fall liegt hier ein Basiswert des Forwards oder Futures vor, der keine Finanzierungserträge mit sich bringt. Dann fallen für den Basiswert nur Finanzierungskosten und keine Erträge an, sodass sich 270
Vgl. Merton, Theory of Rational Option Pricing, 1973.
399
400
C. Wertpapiergeschäfte der Preis des Forwards oder Futures gemäß der Cost of Carry Formel als aufgezinster Basiswert ergibt (vgl. Abschnitt C V 2 a bb). Bis zum Laufzeitende der Option bauen sich diese Cost of Carry ab. Dies entspricht exakt den Überlegungen, die beim Einbeziehen von Dividendenzahlungen vorlagen. Somit kann obige Formel auch zur Bewertung von Optionen auf Forwards und Futures eingesetzt werden, wobei für q die risikolose Verzinsung rf verwendet werden kann. Dadurch vereinfacht sich die Formel nochmals zu:271
C e rf t PF N d 3 XN d 4 und d 3
ln PF X V 2 2 t V t
, d4
d 3 V t.
Dieses Modell wird dabei auch nach Black und dem Veröffentlichungsjahr als Black76-Modell bezeichnet. Fließen allerdings Finanzierungserträge aus dem Basiswert des Forwards oder Futures sind die Vereinfachungen nicht möglich und es muss erstere Formel angewendet werden. Beispiel zu Optionen auf Aktien mit Dividendenzahlungen oder auf Forwards oder Futures Gegeben sind die Werte aus Abbildung C 89. Zusätzlich wird eine Dividende auf die Aktie von 10,25 GE erwartet. Dies impliziert eine stetige Dividendenrendite von
§ 200 10,25 · q ln ¨ ¸ 200 © ¹
0,05
Für die d3 ergibt sich nun d3
ln 200 180 >0,1 0,05 0,16 2@ 1
0,5885 und d4
0,4 1
0,1885.
Der Optionswert bestimmt sich nun zu e0,051 200 n 0,5885 e0,11 180 n 0,1885
C
e0,051 200 0,7219 e0,11 180 0,5747
43,73.
Damit ist der Optionswert niedriger als im Fall ohne Dividendenzahlungen. Ändert sich die Fragestellung dergestalt, dass wieder die Ausgangslage aus Abbildung C 89 verwendet wird, impliziert dies das nun wiederum keine Dividendenzahlungen erwartet werden. Stattdessen wird eine Option auf einen Forward betrachtet, der eine Laufzeit von 2 Perioden aufweist. Damit ermittelt sich nach dem CoC-Ansatz der Preis des Forwards als PF = 200 · e 0,1·2 = 244,28, wobei hier eine stetige Verzinsung unterstellt wurde. d3 beträgt nun d3
ln 244,28 180 0,16 2 1 0,4 1
0,9634 und d4
0,5634.
Damit ist aufgrund des höheren Preises des Basiswerts, des Forwards, der Optionswert mit C = 67,78 höher als im Ausgangsbeispiel. Abb. C 90: Beispiel zu Optionen auf Aktien mit Dividendenzahlungen oder auf Forwards oder Futures
271
Vgl. Black, Commodity Contracts, 1976.
V. Risikomanagement mit Termingeschäften Bewertung amerikanischer Optionen
An der EUREX gehandelte Optionen auf Aktien erlauben eine Ausübung des Optionsrechts während der Laufzeit des Kontrakts, sind also sogenannte amerikanische Optionen. Der Wert einer amerikanischen Option muss stets größer oder gleich dem Wert einer europäischen Option mit identischen Ausstattungsmerkmalen, bzgl. Art der Option, Basiswert, Basispreis und Verfallstermin, sein. Dies gilt, da die Rechte der europäischen Option (Ausübung nur am Laufzeitende) in dem amerikanischen Kontrakt (Ausübung während der gesamten Laufzeit) komplett enthalten sind. Da im Black/Scholes-Modell für europäische Optionen nur eine Ausübungsmöglichkeit am Ende der Optionslaufzeit berücksichtigt wird, kann die geschlossene Bewertungsformel i. d. R. nicht zur Preisfindung bei amerikanischen Optionen eingesetzt werden. Ausschließlich im Sonderfall einer amerikanischen Kaufoption, auf dessen Underlying während der Restlaufzeit der Option keine Dividenden anfallen, ist die Black/ScholesPreisformel zu verwenden, da es sich nicht lohnt die Kaufoption vorzeitig auszuüben. Zur Bewertung amerikanischer Verkaufsoptionen und nicht dividendengeschützter Kaufoptionen muss aufgrund der vorzeitigen Ausübung auf approximative oder numerische Verfahren, wie z. B. Baummodelle, Finite Differenzen oder Monte Carlo Simulation zurückgegriffen werden.272 Empirische Validität des Optionspreismodells von Black und Scholes
Das Optionspreismodell von Black/Scholes ist in verschiedenen Ländern und auf diversen Märkten sorgfältigen Tests unterzogen worden. Dabei haben sich signifikante Abweichungen der empirischen Beobachtungen von den Vorhersagen des Modells ergeben. Die Diskrepanzen kommen in einer charakteristischen Fälligkeits- und Basispreisstruktur der impliziten Volatilitäten zum Ausdruck, die unter dem Begriff „Smile-Effekt“ bekannt ist (vgl. Abbildung C 91).273 Trifft das Black/Scholes-Modell zu, so gleicht die implizite Volatilität einer Option der konstanten, tatsächlichen Volatilität der Rendite des Basispapiers. Die wahre Volatilität ist ein Merkmal des Preisprozesses, der nur vom Basispapier abhängt und nicht davon, welchen Ausübungspreis eine Option auf dieses Basispapier besitzt. Folglich müssten die impliziten Volatilitäten aller Optionen auf das gleiche Underlying übereinstimmen. Tatsächlich aber stellte sich heraus, dass an Devisenoptionsmärkten die impliziten Volatilitäten typischerweise an beiden Rändern des Basispreisspektrums ansteigen. Die grafische Darstellung gab dem Phänomen den Namen „Smile“ (vgl. den linken Teil von Abbildung C 91). Bei Aktien- und Aktienindexoptionen ist i. d. R. ein schiefer Verlauf („Skew“) festzustellen, demzufolge die impliziten Volatilitäten mit zunehmendem Basispreis monoton fallen (vgl. den rechten Teil von Abbildung C 91).
272 273
Vgl. z. B. Hull, Options, Futures and other Derivatives, 2009. Dieser Effekt ist auch bei amerikanischen Optionen zu beachten.
401
402
C. Wertpapiergeschäfte
Abb. C 91: Basispreisstrukturen impliziter Volatilitäten
Die Existenz des Smile-Effekts bedeutet, dass das Black/Scholes-Modell die Optionsbewertung in der Realität nicht vollständig und exakt beschreibt. Mindestens eine der Modellannahmen muss verletzt sein. Daher kommen zur Erklärung des Phänomens grundsätzlich Marktunvollkommenheiten und ein andersartiger Prozess für den Kurs des Basispapiers in Frage. So wird die Prämisse normalverteilter logarithmischer Renditen in vielen Studien verworfen, weil die empirische Renditeverteilung i. d. R. zu breite Enden besitzt274. Außerdem ist sie häufig zu einer Seite geneigt (rechts- oder linksschief). Für diese asymmetrische Verteilung der Renditen können zum Beispiel Kurssprünge, stochastische Veränderungen der Volatilität, die Leverage-Hypothese oder die Volatilitätsfeedback-Hypothese275 verantwortlich sein. Nicht zu vernachlässigen sind darüber hinaus Transaktionskosten, die bei einer dynamischen Duplikationsstrategie, wie sie dem Black/Scholes-Modell zugrunde liegt, eine beachtliche Größenordnung annehmen können, selbst wenn der prozentuale Kostensatz gering ausfällt. Ebenso werden in der Literatur die risikoneutrale Wahrscheinlichkeit für einen Kursverfall, die Höhe des Beta-Faktors von Aktien, die Put-Call Ratio bei Indizes, die Handelsaktivität bei den jeweiligen Optionen oder auch ganz allgemein der Unterschied zwischen den Basispapieren, wie z. B. Aktie oder Aktienindizes, als Ursache für den Smile angeführt276. Im Schrifttum besteht weit gehende Einigkeit darüber, dass mehrere Einflüsse zusammenwirken und daher keine monokausale Erklärung des Smile-Effekts möglich ist. So werden z. B. Trotz dieser empirischen Resultate wird das Black/Scholes-Modell für viele Zwecke weiterhin eine ausreichende Annäherung an die Realität leisten.
cc) Put-Call-Parität Zwischen dem Preis einer europäischen Kaufoption C und der Verkaufsoption P derselben Serie besteht ein analytischer Zusammenhang. Geht man davon aus, dass sich
274
Vgl. Mandelbrot, The variation of certain speculative prices, 1963 und Fama, The behavior of stock-market prices, 1965. 275 Vgl. Black, Studies of stock price volatility changes, 1976. 276 Vgl. Dennis und Mayhew, Risk-neutral skewness, 2002; Branger und Schlag, Why is the index smile so steep?, 2004; Driessen et al. The price of correlation risk, 2009.
V. Risikomanagement mit Termingeschäften ein risikoloses Hegdeportefeuille mit dem risikolosen Zinssatz rf verzinst, so muss, ohne Berücksichtigung von Dividendenzahlungen, gelten: K P C X e rf t
und für den Verkaufsoptionspreis P ergibt sich damit: P
C X e rf t K (t
Tage/365)
Verkaufsoptionspreis = Kaufoptionspreis + Barwert des Ausübungspreises – aktueller Aktienkurs Fallen Dividendenzahlungen an, so gilt: Verkaufsoptionspreis = Kaufoptionspreis + Barwert des Ausübungspreises + Barwert Dividende – aktueller Aktienkurs Wenn die Differenz zwischen den Marktpreisen von Kauf- und Verkaufsoption kleiner ist als die Differenz zwischen den rechnerischen Werten, so deutet dies auf eine Unterbewertung der Kauf- und eine Überbewertung der Verkaufsoption am Markt hin. Eine gewinnbringende Arbitragestrategie kann dann der Verkauf von Verkaufsoptionen bei gleichzeitigem Kauf von Kaufoptionen sein. Bei amerikanischen Verkaufsoptionen stellt die angegebene Put Call Parity allerdings nur die Preisuntergrenze für den Verkaufsoptionspreis dar. Beispiel zur Put-Call-Parität Gegeben sind die Werte aus Abbildung C 90. Zusätzlich soll nun der Wert der Verkaufsoption mit dem gleichen Basispreis von 180 bestimmt werden. Dieser ermittelt sich zu: P = 50,96 + 180 · e -0,1 · 1 – 200 = 13.83. Der Verkaufsoptionspreis liegt deutlich unter dem Kaufoptionspreis. Dies ist nicht verwunderlich, da die Kaufoption im die Verkaufsoption aber aus dem Geld liegt. Abb. C 92: Beispiel zur Put-Call-Parität
dd) Kennzahlen des Optionsgeschäfts Zur Beurteilung von Optionspositionen im Hinblick auf Risiko und Rendite finden in der Praxis eine Reihe von Kennzahlen Verwendung, deren wichtigste hier kurz dargestellt werden. Sie haben insbesondere beim dynamischen Hedging offener Positionen – bspw. bei Verkauf von OTC-Optionen oder nach Ausgabe von Covered Warrants – Bedeutung. Die Gegenposition wird dabei so aufgebaut und ggf. im Zeitablauf adjustiert, dass die Gesamtposition gegen marginale Veränderungen des jeweiligen in der Kennzahl erfassten Risikoparameters immun ist. Options-Delta
Das Options-Delta drückt die Veränderung des Optionspreises in Abhängigkeit von der Veränderung des zugrunde liegenden Aktienkurses aus.
403
404
C. Wertpapiergeschäfte Delta
Veränderung Optionskurs Veränderung Aktienkurs
'C 'K
Das Delta gibt die Steigung der Optionswertkurve wieder. Die Größe Delta liegt für Optionen, die weit aus dem Geld sind, nahe Null, für Optionen, die am Geld sind, bei 0,5 und nähert sich für Optionen, die weit im Geld sind, dem maximalen Wert 1. Geht man von Long-Optionspositionen aus, ist das Delta von Kaufoptionen stets positiv, während es bei Verkaufsoptionen aufgrund der zum Aktienkurs gegenläufigen Kursentwicklung einen negativen Wert annimmt. Als grundsätzliche Struktur von Optionspreisformeln ergibt sich somit entsprechend dem Beispiel und bei Ermittlung der Aktienanzahl mithilfe des Options-Deltas: Kaufoptionspreis
=
Optionsdelta · Aktienkurs – Kreditaufnahme
und Verkaufsoptionspreis =
Geldanlage – Optionsdelta · Aktienkurs
Die Kreditaufnahme bei der Kaufoption ergibt sich aus dem abgezinsten Bezugspreis X unter Berücksichtigung der jeweils entsprechend dem Optionsdelta gehaltenen Aktien. Meist wird die diskrete risikolose Verzinsung rf in kontinuierlicher Form dargestellt. Der Zinsfaktor ergibt sich dann als ert anstelle (1 + rf).
Abb. C 93: Options-Delta einer Kaufoption als Steigung der Optionswertkurve
Unter Verwendung des Modells von Black/Scholes gilt: Delta Call = N(d1) Delta Put = N(d1) – 1 Zur Veranschaulichung des Sachverhalts hier und der folgenden Kennzahlen mögen folgende Beispiele dienen:
V. Risikomanagement mit Termingeschäften Options-Gamma
Das Options-Gamma gibt die Abhängigkeit des Options-Deltas von Veränderungen des zugrunde liegenden Aktienkurses an (Sensitivität des Options-Deltas gegenüber Aktienkursveränderungen).
Gamma
Veränderung Options-Delta Veränderung Aktienkurs
Beispiel zur Kennzahlenberechnung Das Delta der Option ergibt sich aus Abbildung C 90 ergibt sich als Delta = N(d1) = 0,7611. Das impliziert ein Anstieg der Aktie um 1 GE erhöht den Optionspreis etwa um 0,76 GE, wenn man vom Diskretisierungsfehler abstrahiert. Das Gama ergibt sich damit zu
Gamma=
N' d1 KV t
0,3093 0,0039, 200 0,4 1
womit sich die Veränderung des Delta bei Veränderung der Aktie als sehr niedrig, nämlich 0,0039, herausstellt, sodass obige Approximation der Veränderung des Optionswerts für kleine Änderung des Aktienkurses tauglich ist. Der Leveragefaktor errechnet sich zu Leverage-Faktor
Delta
K C
0,7134
200 50,96
2,80
Damit impliziert eine Veränderung des Aktienkurses um 1 % eine Veränderung des Optionspreises um 2,8 %. Das Optionsvega ermittelt sich aus Vega = K √t N‘(d1) = 200 · 1 · 0,3093 = 61,86. Ein Anstieg der Volatilität um 1 Prozentpunkt erhöht damit der Option um 0,01 · 61,86 = 0,6186 GE. Abb. C 94: Beispiel zur Kennzahlenberechnung
Leverage-Faktor (Options-Omega, Options-Elastizität)
Der Leverage-Faktor, auch Options-Omega oder Options-Elastizität genannt, gibt die prozentuale Abhängigkeit des Optionspreises von prozentualen Veränderungen des zugrunde liegenden Aktienkurses an.
Leverage-Faktor
prozentuale Optionspreisveränderung prozentuale Aktienkursveränderung Veränderung Optionspreis Optionspreis Veränderung Aktienkurs Aktienkurs Aktienkurs Optionsdelta Optionspreis
405
406
C. Wertpapiergeschäfte Der Leverage-Faktor ist immer größer als eins. Dies bedeutet, dass die durch eine Aktienkursveränderung hervorgerufene prozentuale (nicht absolute!) Optionspreisänderung größer ist als die prozentuale Aktienkursänderung (Hebeleffekt). Vereinfacht wird der Leverage-Faktor auch berechnet als Leverage-Faktor
Aktienkurs Optionspreis
Diese Berechnung unterstellt ein Options-Delta von 1, was nur bei weit im Geld liegenden Optionen der Fall ist. Der Hebeleffekt wird daher bei der vereinfachten Berechnung meist überschätzt. Options-Theta
Das Options-Theta gibt die Abhängigkeit des Optionspreises von der sich verkürzenden Restlaufzeit, unabhängig von Aktienkursveränderungen, wieder. Wie bereits ausgeführt (vgl. Abschnitt aa), sinkt die Zeitprämie mit abnehmender Restlaufzeit überproportional. Options-Vega (Options-Eta)
Das Options-Vega, auch Options-Eta genannt, gibt die Abhängigkeit des Optionspreises von der Aktienkursvolatilität an. Es ist für Kauf- und Verkaufsoption identisch und immer positiv. Unter Verwendung des Black/Scholes-Modells wird es bestimmt durch Vega K t[N'(d1 )]. wobei N’(d1) den Wert der Standardnormalverteilungsdichte an der Stelle d1 wiedergibt (und nicht wie N(d1) die Fläche unter der Dichtefunktion bis d1). Das Options-Vega ist umso größer, je höher der Aktienkurs ist, je länger die Restlaufzeit ist und je näher die Option am Geld liegt.
c) Zinsbegrenzungsverträge Caps und Floors können zur Begrenzung des Zinsänderungsrisikos eingesetzt werden. Grundsätzlich stellen sie Zusatzvereinbarungen zu einem variabel verzinslichen Grundgeschäft (Kredit, Anlage) dar. In neuerer Zeit werden sie jedoch häufig vom Grundgeschäft losgelöst isoliert bewertet und gehandelt.
aa) Cap Unter Cap (englisch = Mütze, Deckel) versteht man eine vertragliche Vereinbarung über eine Zinsobergrenze. Für den Fall, dass der Marktzins den Grenzzins übersteigt, hat der Verkäufer des Caps die entstehende Differenz an den Käufer zu zahlen. Der Verkäufer trägt also das wirtschaftliche Risiko und erhält als Entschädigung vom Käufer des Cap eine Prämie. Das Grundgeschäft ist i. d. R. ein variabel verzinslicher Kredit, der durch den Cap den Charakter einer Festzinsverbindlichkeit erhält. Die Bezahlung der Prämie erfolgt anteilig in Prozent der Vertragssumme oder einmalig in abgezinster Form bei Vertragsabschluss. Vornehmlich vier Faktoren beeinflussen die Höhe der Prämie: die
V. Risikomanagement mit Termingeschäften Zinsobergrenze, das Zinsniveau bei Vertragsabschluss, die Laufzeit und die erwartete Volatilität des Referenzzinssatzes. Beim Vergleich der o. ä. Einflussfaktoren mit denen bei der Optionsbewertung ist offensichtlich, dass die Cap-Vereinbarungen den Merkmalen des Optionsgeschäfts ähneln. Für den Käufer des Caps ist das Verlustrisiko auf die Prämie begrenzt, während er bei steigenden Zinsen eine nach oben unbegrenzte Gewinnchance in Form der Differenzbetragszahlungen hat. Er übt sein Recht auf Zahlung des Differenzbetrages vom Verkäufer aus, sobald der Marktzins die vereinbarte Zinsobergrenze übersteigt. Wegen der überwiegend langfristig abgeschlossenen Cap-Verträge kann der Cap-Käufer sein Recht bei starken Zinsschwankungen innerhalb der Laufzeit öfters ausüben. Damit lassen sich auch Caps wie Optionen bewerten, wobei hierbei insbesondere auf Abwandlungen des Black-76-Modells zurückgegriffen wird. Dieses nimmt als Basiswert die Zinssätze an, welche der Lognormalverteilung folgen. In Zeiten negativer Zinsen entsteht dabei die Schwierigkeit, dass sowohl der aktuelle Zinssatz als auch der Basispreis negativ werden können. Beides widerspricht der Annahme der Lognormalverteilung, die negative Basiswerte (Zinsen) ausschließt. Ein Lösungsansatz liegt dann die Zinssätze geschickt ins positive zu verschieben, sodass eine Anwendung des Models wieder möglich wird.277
Abb. C 95: Darstellung der Prämienzahlung in Abhängigkeit von der gewählten Zinsobergrenze und der Laufzeit des Cap (Beispiel)
Der Schwerpunkt der Cap-Verträge wird in US-$ abgeschlossen, wenn auch Währungen wie €, Pfund und Yen in den letzten Jahren an Bedeutung zugenommen haben. Die bedeutendsten Abschlüsse von Caps liegen im Laufzeitbereich von fünf bis zehn Jahren, werden folglich hauptsächlich zur Absicherung langfristiger Finanzierungen eingesetzt. Die Vorteile von Caps für den Käufer liegen in der großen Flexibilität dieses Instrumentes sowie in der Möglichkeit, lange Laufzeiten zu vereinbaren. Einerseits kann er sich gegen Zahlung einer Prämie langfristig gegen einen unerwarteten Zinsanstieg absichern, andererseits profitiert er bei normalen Zinskurven davon, dass kürzeres Geld (Geldmarktzins) günstiger ist. Je steiler die Zinskurve ist, desto eher hat sich die Cap-Prämie durch den Abschluss eines Kredites mit variabler, am Geldmarkt orientierter Zinszahlung amortisiert. Besonders für Unternehmen mit einem niedrigen Rating bestehen dadurch günstige Absicherungsmöglichkeiten gegen steigende Zinsen. Aus Käufersicht besteht ein nur geringes Bonitätsrisiko, da der Verkäufer i. d. R. eine Bank ist. 277
Vgl. Bramante, Dallago, Facchinetti, Black’s model in a negative interest rate environment, 2021.
407
408
C. Wertpapiergeschäfte Auf der Verkäuferseite resultiert der Vorteil von Cap-Vereinbarungen gegenüber dem Swapgeschäft aus dem Erhalt der Cap-Prämie. Da nach der Zahlung der Cap-Prämie keine Zahlungen des Käufers erfolgen, stellt das nicht vorhandene Bonitätsrisiko einen weiteren Vorteil da.
bb) Floor Im Gegensatz zum Cap betreffen die Floor-Vereinbarungen Investoren, die in variabel verzinslichen Wertpapieren engagiert sind (vgl. Asset Swap). Sie dienen als Absicherung gegen fallende Zinsen und garantieren dem Käufer einen bestimmten Minimalzins. Die Ausgestaltung von Floor-Verträgen sowie die Chancen und Risiken entsprechen denen eines Caps. Der Floor-Käufer hat bei steigenden Zinsen sein Verlustrisiko auf die Prämie begrenzt, während er nahezu unbegrenzte Gewinnchancen bei fallenden Zinsen hat. Im Vergleich zum Cap-Markt spielt der Floor-Markt nur eine unbedeutende Rolle. Einige Floating Rate Notes werden mit diesem Recht der Minimalverzinsung ausgestattet, da der Emittent insbesondere in Niedrigzinsphasen angemessene zusätzliche Renditen erwirtschaften kann. Für den Anleger rentieren sich dementsprechend Floors nur in Hochzinsphasen, da er i. d. R. nur dann mit der Wahrscheinlichkeit fallender Zinsen und damit aus dem Minimalzins resultierenden Gewinnen rechnen kann. Obwohl Caps und Floors von ihrem Auszahlungsprofil her eher dem Optionsgeschäft zuzurechnen sind, dürften sie nach herrschender Meinung wegen der Ähnlichkeit von Zinsbegrenzungsverträgen und Swap-Verträgen hinsichtlich der zukünftigen Zinszahlungen eher den Swap-Geschäften zuzuordnen sein.278
cc) Collar Die vertragliche Kombination über den Verkauf eines Floors und den Kauf eines Caps nennt man Collar. Das bedeutet, dass durch den Collar eine Bandbreite zwischen Höchst- und Mindestzins festgelegt wird. Zwar kann der Kreditnehmer durch den Verkauf des Floors seine Finanzierungskosten nicht unter einen Mindestzins senken, andererseits können Zinssatzsteigerungen durch den Cap-Kauf abgesichert werden. Die Kosten für die Cap-Prämie können durch den Erlös aus dem Floor-Verkauf gesenkt werden. Die Käufer des Collar gehen folglich von steigenden Zinsen aus. Der Markt für Collars ist wie der Floor-Markt von untergeordneter Bedeutung. In Zeiten von normalen, steil verlaufenden Zinskurven und geringer Volatilität der Zinssätze rechtfertigen die dann nur geringen Floor-Prämien keinen Einsatz dieser doppelten Vertragsvereinbarungen.
d) Devisenoptionen Neben den Währungs-Forwards und Währungs-Futures als unbedingten Devisentermingeschäften (vgl. Abschnitt C V 2 a) dd)) sowie den Währungsswaps (vgl. Abschnitt C V 2 b) bb)) können auch Devisenoptionen zur Absicherung bzw. Steuerung von Wechselkursrisiken eingesetzt werden. Der Käufer einer Devisenoption erwirbt gegen Zahlung einer Prämie das Recht, eine bestimmte Menge (Kontraktgröße) einer bestimmten Fremdwährung (Basiswert) an oder bis zu einem bestimmten Zeitpunkt 278
Vgl. Jahn, Zinsbegrenzungsverträge, 1989, S. 198 f.
V. Risikomanagement mit Termingeschäften (Ausübungszeitraum) zu einem im Voraus festgelegten Wechselkurs (Basispreis) zu kaufen (Kaufoption) bzw. zu verkaufen (Verkaufsoption). Devisenoptionen besitzen im Vergleich zu den unbedingten Devisentermingeschäften bei der Absicherung gegen Wechselkursrisiken den Vorteil, dass der Inhaber der Option noch immer von positiven Wechselkursentwicklungen profitieren kann. Es wird das Risiko nach unten begrenzt, ohne die Gewinnchancen nach oben aufzugeben. Allerdings muss der Optionsinhaber eine Prämie im Voraus entrichten, während ein Devisentermingeschäft grundsätzlich ohne zusätzliche Kosten abgeschlossen werden kann. An der EUREX werden aktuell keine Devisenoptionen gehandelt, sodass Marktteilnehmer hierzulande auf ausländische Terminbörsen ausweichen müssen oder OTC-Transaktionen – OTC steht für Over-the-Counter – vereinbaren müssen. Der Großteil des Handels mit Devisenoptionen findet am OTC-Markt statt. Inzwischen sind die meisten Großbanken bereit, zumindest Plain-Vanilla-Devisenoptionsgeschäfte mit individuell gestaltbaren Ausstattungsmerkmalen durchzuführen. Zu den wichtigsten Terminbörsen mit einem Handel von europäischen und amerikanischen Devisenoptionen gehören die Intercontinental Exchange (ICE), die Philadelphia Stock Exchange (PHLX) und die Chicago Mercantile Exchange (CME) sowie in Europa die Euronext. Die gehandelten Devisenoptionskontrakte beziehen sich nicht immer auf den Kassawechselkurs, sondern besitzen manchmal den Terminwechselkurs als Underlying. Es handelt sich in diesem Fall um Optionen auf Futures bzw. Futures-Optionen. Die Quotierung der Wechselkurse erfolgt i. d. R. als Mengennotierung, d. h. z. B. in US-Dollar pro Euro. Vor der Einführung des Euro war eine Angabe als Preiswechselkurs, d. h. z. B. in Euro pro US-Dollar üblich. Bei Devisenoptionen sind die Basiswährung und die Art der Quotierung des Wechselkurses von entscheidender Bedeutung. Hiervon hängt ab, welche Art von Option zur Absicherung gegen eine bestimmte Wechselkursentwicklung eingesetzt werden sollte. Erwartet ein Unternehmen zu einem zukünftigen Zeitpunkt eine Einzahlung in US-Dollar, kann es sich mit einer Kaufoption auf Euro oder einer Verkaufsoption auf Dollar gegen eine Abwertung des Dollar, d. h. einen Anstieg des Mengenwechselkurses, absichern. Erwartet ein Unternehmen zu einem zukünftigen Zeitpunkt eine Auszahlung in US-Dollar kann es sich mit einer Verkaufsoption auf Euro oder einer Kaufoption auf Dollar gegen eine Aufwertung des Dollar, d. h. gegen ein Absinken des Mengenwechselkurses, absichern. Für die Bewertung von Devisenoptionen sei der Kassawechselkurs an dieser Stelle in Einheiten der Inlandswährung je Einheit der Fremdwährung (Preisnotierung) definiert. Da der Inhaber eines Betrags an Fremdwährung eine Rendite in Höhe des ausländischen risikolosen Zinssatzes iA erwarten kann, verhält sich eine Fremdwährung wie eine Aktie mit bekannter kontinuierlicher Dividendenrendite. Entsprechend können zur Bewertung von Devisenoptionen die Black/Scholes-Gleichungen für Aktien mit bekannter Dividendenrendite herangezogen werden. Hierbei wird die Dividendenrendite durch den ausländischen risikolosen Zins ersetzt.279
279
Vgl. Garman, Kohlhagen, Foreign Currency Option Values, 1983; Hull, Options, Futures and other Derivatives, 2009, S. 390 ff.
409
410
C. Wertpapiergeschäfte
e) Kreditderivate Kreditderivate als variantenreiches Instrument eines modernen Risikomanagements dienen zur Abspaltung der Kreditrisiken von den originär eingegangenen Kreditbeziehungen und transferieren dieses Risiko an Drittparteien. Die Entwicklung von globalen standardisierten Märkten für Derivate ermöglicht damit, insbesondere für das Bankgeschäft, die freie Handelbarkeit von Kreditrisiken im Sinne einer Versicherung gegen Forderungsausfälle. Der Vielzahl der am Markt erhältlichen Formen liegt dabei eine einheitliche Basisstruktur zugrunde (vgl. Abbildung C 96). Bei einem Kreditderivat handelt es sich um einen Finanzkontrakt, der es den Vertragsparteien ermöglicht, Kreditrisiken isoliert übertragbar zu machen. Diese Finanzinstrumente erlauben es dem Risikoverkäufer (Risk Seller), Ausfall- oder Bonitätsänderungsrisiken gegen Zahlung einer Prämie an einen Vertragspartner (Risk Buyer) abzutreten, ohne die abzusichernde Forderung verkaufen zu müssen. Der Risikokäufer verpflichtet sich zu einer Ausgleichszahlung, falls ein bestimmtes, im Vertrag exakt definiertes Ereignis (Credit Event, zumeist die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners oder einer Referenzanleihe) eintritt.280 Bildet der Originator einen kombinierten Pool von Kreditverträgen und versucht das im Forderungskorb existente Risiko gemeinsam zu transferieren, so definiert diese Transaktion eine Verbriefungsstruktur. Es werden verschiedene Varianten nach Art und Ausmaß des versicherten Kreditrisikos unterschieden. Das Adressausfallrisiko bezeichnet die Gefahr einer Nichterbringung der Tilgungsleistung durch den Kreditnehmer, während das Bonitätsrisiko eine Veränderung der Kreditwürdigkeit in Form des Risikoaufschlags (Credit Spread) als Differenz zwischen der Verzinsung einer Anleihe bester Bonität und einer Referenzanleihe misst. Bei einem Credit Default Swap (CDS) leistet der Originator die Zahlung einer periodischen, in Abhängigkeit des Nominalbetrages der Referenzbeziehung gestalteten Prämie an den Risikokäufer, der sich im Falle des Auftretens eines Credit Events zu einer Ausgleichszahlung in Höhe eines fest definierten Betrages oder einer einfach zu bewertenden Anleihe verpflichtet. Werden mehrere Kreditbeziehungen (mit identischem Schuldner) verknüpft, wird das Instrument als Basket Credit Default Swap bezeichnet. Als erweiterte Variante eines CDS wird bei einer Credit Spread Option (CSO) neben dem reinen Ausfall auch das Bonitätsrisiko mitversichert. Der Risikoverkäufer erwirbt sich durch Zahlung einer Optionsprämie das Recht auf eine Ausgleichszahlung durch den Risikokäufer in Höhe der Differenz zwischen dem Credit Spread und einem definierten Strike Spread (zumeist LIBOR) multipliziert mit dem Nominalbetrag der Referenzbeziehung, falls eine Verschlechterung der Bonität des Schuldners der abzusichernden Kreditbeziehung eine Erhöhung des Credit Spreads bewirkt. Bei Abschluss eines Total Return Swaps (TRS) werden sämtliche Erträge und Marktwertsteigerungen an den Risikokäufer weitergeleitet, der im Gegenzug einen vereinbarten Zins zuzüglich evtl. Marktwertminderungen an den Risikoverkäufer leistet. Damit erwirbt der Risikokäufer neben den potenziellen negativen Folgen auch das Recht auf alle positiven Erträge aus der Referenzbeziehung.
280
Vgl. Horat, Kreditderivate, 2003, S. 969.
V. Risikomanagement mit Termingeschäften
Abb. C 96 Grundstruktur von Kreditderivaten281
Bei Kreditderivaten entsteht allerdings durch das Adressrisiko des Risikokäufers im Schadensfall ein neues Risiko für den Originator. Diesem Erfüllungsrisiko kann durch Kombination des Derivats mit einer Schuldverschreibung vorgebeugt werden, wobei der Risikoverkäufer als Emittent den Emissionserlös erhält und mögliche Ausgleichszahlungsverpflichtungen auf die Tilgung der Anleihe angerechnet werden. Diese Form der totalen Absicherung wird als Credit Linked Note bzw. je nach eingebettetem Derivat als Credit Default Note, Credit Spread Note oder Total Return Linked Note bezeichnet.282 Zusammenfassend bietet die Möglichkeit des Risikotransfers durch Kreditderivate zusätzliche Hedging-Potenziale für Banken bzw. Industriebetriebe mit gering diversifizierter Schuldnerstruktur. Es besteht allerdings auch die Gefahr, dass die dynamische Überwachung der Referenzbeziehungen aufgrund der Risikoabsicherung vernachlässigt wird.
281 282
Vgl. Horat, Kreditderivate, 2003, S. 972. Vgl. Burghof, Henke, Rudolph, Kreditderivate, 2015, S. 57 f.
411
412
C. Wertpapiergeschäfte
5. Kombinationen aus Termin- und Grundgeschäften nebst deren Bewertung a) Portefeuilleversicherungen Dabei wird zwischen realen Portefeuilleversicherungen mit Futures oder Verkaufsoptionen (Puts) und synthetischen Portefeuilleversicherungen unterschieden. Durch den Kauf einer Verkaufsoption mit Basispreis A und Verfalltag T kann der Kurswert einer Anlage in Anleihen oder Aktien283 gegen Verluste abgesichert werden. Aus Sicht des Portefeuillemanagers gewinnt das über Optionen versicherte Portefeuille bei sinkenden Zinsen oder steigenden Kursen an Wert (steigende Kurse, z. B. von 100 auf 102), während bei steigenden Zinsen oder fallenden Kursen (z. B. von 100 auf 98), das eingesetzte Kapital in Höhe des Basispreises A = 100 als Mindestkurswert erhalten bleibt (vgl. Abbildung C 97). Das Hauptproblem bei dieser Absicherungsart liegt in der begrenzten Laufzeitenauswahl aus den verfügbaren Optionsfristen, die i. d. R. kürzer als die gewünschten Laufzeitenbereiche bei Renten oder Anlagehorizonte bei Aktien sind. Hinzu kommt die mangelnde Liquidität der Optionsmärkte für große Absicherungsvolumina und die hohen Auszahlungen durch die Optionsprämien. 2 1,8 1,6
Werte
1,4 1,2 1
Innerer Wert des Put
0,8 0,6
Wert des Basiswerts
0,4
Zahlung Portfolio (Anleihe und Basiswert)
0,2 0 0
0,5
1
1,5
2
Kurs des Basiswerts Abb. C 97: Portefeuilleversicherung
Im Rahmen der synthetischen Portefeuilleversicherung werden unter Berücksichtigung der Beziehungen zwischen Termingeldern, Anleihen und Optionen synthetische Puts mit den gewünschten Ausstattungsmerkmalen erzeugt.284 Dabei wird die durch den Kauf einer Verkaufsoption erzeugte Risikoposition dupliziert. Das erfolgt durch den Leerverkauf von Aktien oder Anleihen und eine risikolose Mittelanlage. Aufgrund der Zeitinkonstanz schwierig zu bestimmen ist die Anzahl der zur synthetischen Erzeugung einer Verkaufsoption leer zu verkaufenden Aktien oder Anleihen. Das Verhältnis von leerverkauften Anleihen und der sicheren Anlagemöglichkeit ist permanent an die Preisveränderungen auf den Wertpapiermärkten anzupassen. Die Abhängigkeit der 283 284
Vgl. Baratta, Wummel, Der 19. Oktober 1987, 1988; Rubinstein, Leyland, Options, 1981. Vgl. Bühler, Wertpapiere, 1988, S. 35 ff.
V. Risikomanagement mit Termingeschäften Anzahl der leer zu verkaufenden Aktien oder Anleihen von ihrem aktuellen Kurswert wird bestimmt durch das sogenannte Put-Delta. In Abbildung C 98 ist zunächst der Zusammenhang von Basiswertkurs und Verkaufsoptionswert dargestellt. Steigende Zinsen oder fallende Kurse der Anleihe führen zu steigenden Verkaufsoptionspreisen. Man bewegt sich auf der Abszisse nach links; der Betrag der Tangentensteigung, also das Put-Delta, nimmt zu. Die Anzahl der leer zu verkaufenden Aktien oder Anleihen steigt. Die rechnerische Bestimmung des OptionsDeltas kann über Optionsbewertungsmodelle (vgl. Abschnitt C V 3 b dd) erfolgen.
Wert des Put
-0,1
0,8
-0,2
0,7
-0,3
0,6
-0,4
Wert des Put
0,5
-0,5
Tangente mit Tangensteigung als Delta Delta des Put
0,4 0,3 0,2
-0,6 -0,7
Delta des Put
0
1 0,9
-0,8 -0,9
0,1
-1
0 0
0,5
1
1,5
2
Kurs des Basiswerts Abb. C 98: Put-Delta
b) Finanzchemie und Financial Engineering als Grundlage moderner Bewertungsmethoden aa) Grundbausteine des Financial Engineering Die Entwicklung an den internationalen Kapitalmärkten wies in letzter Zeit, getrieben nicht zuletzt durch größere Turbolenzen, mehr und mehr in Richtung maßgeschneiderter Anlageprodukte auch für Privatinvestoren. Maßgeschneidert bezieht sich dabei sowohl auf den Risikoappetit wie auch auf die Markterwartungen der Anleger. Da insbesondere Privatanleger aus Transaktionskostenüberlegungen heraus ungleich schwerer in der Lage waren, solche Produkte selbst abzubilden, werden diese Produkte von Banken an Privatanleger meist unter dem Sammelbegriff Zertifikate verkauft. Die von Banken emittierten Zertifikate stellen dabei im rechtlichen Sinne Schuldverschreibungen285 dar, die mit diversen Spezialrechten ausgestattet sind. Dazu zählen etwa Tilgungswahlrechte, Klauseln für die Höhe der Kuponzahlung, Möglichkeiten der vorzeitigen Tilgung oder auch Alternativen in der Währungsdenomination. Trotz ihrer teilweise sehr komplexen Ausführung können Zertifikate aber zumeist bausteinartig aus drei Standardprodukten zusammengefügt werden: 285
Dies wurde bspw. bei der Insolvenz der Investmentbank Lehmann Brothers deutlich, als das Bonitätsrisiko der Bank schlagend wurde, und aufgrund ihrer Konditionen werthaltige Schuldverschreibungen wertlos wurden.
413
414
C. Wertpapiergeschäfte 1. Nullkuponanleihen nach Abschnitt C II, die bereits als Bausteine für Kuponanleihen dienten 2. Forwards nach Abschnitt C V 2 3. Optionen nach Abschnitt C V 3, wobei hier neben den europäischen Optionen oftmals exotische Optionen zum Einsatz kommen. Zugehörige exemplarische Zahlungsprofile bei Fälligkeit sind dabei in Abbildung C 99 dargestellt. Im Rahmen der Finanzchemie oder des Financial Engineering werden nun analog zur Chemie zwei Prozesse unterschieden.286 Im Rahmen des Bundling, der Replication oder auch Synthese werden verschiedene Typen dieser drei Bausteine zusammengefügt, um damit ein neues Zahlungsprofil und damit ein neues Produkt zu erschaffen. Den umgekehrten Prozess geht das Unbundling, das Stripping oder auch die Analyse, die Zertifikate und deren Zahlungsprofile etwa zu Bewertungszwecken in die Einzelbausteine zerlegt. 150
Zahlung bei Fälligkeit
100
50
0 0
50
100
-50
150
200
Nullkuponanleihe (Nominalbetrag 100) Long Forward (Terminkurs 80) Kaufoption (Basispreis 100)
-100 Basiwert
Abb. C 99: Zahlungsprofile des Financial Engineering
Eine der ersten und einfachsten Formen des Unbundling ist die Aufsplittung von Kuponanleihen in Nullkuponanleihen. Hier wird jede einzelne Zins- oder Tilgungszahlung als einzelne Nullkuponanleihe behandelt. Das Kupon-Stripping hat insbesondere in den USA bei den Brokerhäusern und Finanzmaklern eine weite Verbreitung gefunden. In deutschen Praxis werden dazu Bundesanleihen gekauft, bei der Clearstream Banking AG eine Zerlegung vorgenommen und daraus resultierende zukünftige Zins- und Tilgungszahlungen einzeln, aber deckungsgleich mit den Zahlungen der gekauften Titel als Nullkuponanleihe verkauft. Wegen der hohen Mindestvolumina bleibt die Vorgehensweise vor allem institutionellen Anlegern vorbehalten. Als Gründe für diese Praxis können leichte steuerliche Vorteile der Nullkuponanleihen angeführt werden.
286
Vgl. Steiner, Kölsch, Finanzierung, 1989, S. 421 ff.
V. Risikomanagement mit Termingeschäften Da Bundling und Unbundling der jeweilige Umkehrprozess des anderen darstellt, soll im Folgenden auf das Bundling fokussiert werden, um die Wirkweise zu erläutern und gleichermaßen die wichtigsten Zertifikatstypen und ihre Wirkweise zu erläutern.
bb) Indexzertfikate Als eines der ältesten287 Zertifikate werden zunächst sogenannte Indexzertifikate dargestellt. Bei diesen Zertifikaten wird am Fälligkeitstag der Stand eines Index, etwa des DAX, ausbezahlt. Weitere Zahlungen fallen während der Laufzeit nicht an. Zahlungsprofile von Indexzertifikaten können dabei einfach durch Forward und eine Nullkuponanleihe mit einem Nominalbetrag in Höhe des Terminkurses des Basiswerts, die beide identische Laufzeit aufweisen, abgebildet werden, wie auch das Abbildung C 100 zeigt. 200
Zahlung bei Fälligkeit
150 100 50 0 0
50
100
150
200
-50 Nullkuponanleihe (Nominalbetrag 100)
-100
Long Forward (Terminkurs 100) Indexzertifikat
-150 Basiwert
Abb. C 100: Zahlungsprofile des Indexzertfikats
Der Wert des Indexzertifikats ergibt sich damit im Sinne der Finanzchemie als Summe aus Wert des Forwards und der Anleihe. Da ersterer per definitionem null beträgt, ist letzterer bzw. der Nominalbetrag dessen entscheidend. Nach der Cost-of-Carry Formel ist der Terminkurs und damit der Nominalbetrag zu N Pz
T
Pk (1 CC)
360
woraus sich der Preis des Zertifikats als diskontierter Nominalbetrag T
Pz
Pk
(1 CC) T
(1 i)
360
360
ergibt. Falls die Cost of Carry nur aus den Finanzierungskosten bestehen, was etwa bei Performanceindizes der Fall ist, kann der Bruch gekürzt werden und der Wert
287
Vgl. Köpf, Walz, Indexanleihe, 1986.
415
416
C. Wertpapiergeschäfte des Zertifikats entspricht dem Indexstand. Bei Kursindizes muss dagegen je nach Dividendenhöhe mit einem Abschlag gerechnet werden. Generell zeigte eine Analyse der Handelspreise dieser Zertifikate, dass hier nur geringe Abweichungen von den theoretischen Werten vorlagen.288 Neben den klassischen Formen sind mehrere Ausprägungen, bspw. mit unendlicher Laufzeit aber Kündigungsrecht von Seiten des Investors und bedingten Kündigungsrecht von Seiten des Emittenten oder auch auf andere Basiswerte, wie Commodities, zu erwähnen.
cc) Discount-Zertifikate Die in Deutschland meist verkaufte Untergruppe der Zertifikate sind die sogenannten Discount-Zertifikate, die in Abwandlung als Aktienanleihen emittiert wurden. Hierbei erhält der Investor bei Fälligkeit entweder den Preis des Basiswerts ausbezahlt oder, falls dieser oberhalb eines gewissen Cap liegt eine fixe Zahlung. Gemäß Abbildung C 101 lässt sich das Zahlungsprofil dieses Zertifikats aus einem Long Forward, einer Nullkuponanleihe mit Nominalbetrag in Höhe des Terminkurses und einer verkauften europäischen Kaufoption (Short Call), wobei der Basispreis identisch zum Cap gewählt werden muss. Alle Instrumente haben wiederum gleiche Laufzeit. Insgesamt lässt sich der Wert des Basispreis als Wert der Nullkuponanleihe abzüglich des Wertes der Option darstellen: T
Pz
Pk
(1 CC) T
(1 i)
360
C
360
Ist der Basiswert wie beim Indexzertifikat ein Performanceindex, so entspricht der Zertifikatwert dem Preis des Basiswerts abzüglich des Preises der europäischen dividendengeschützten Kaufoption. Handelt es sich beim Basiswert dagegen etwa um eine Aktie, die bis zur Fälligkeit Dividenden zahlt, ist der Wert des Zertifikats in der Regel niedriger anzusetzen. Hier kann gezeigt werden, dass die Wertminderung der Nullkuponanleihe den Wertzuwachs aus der verkauften Kaufoption überwiegt. Nichtsdestotrotz liegt in jedem Fall der Wert des Zertifikats unterhalb des Preises des Basiswerts, was letztendlich auch zur Bezeichnung Discount-Zertifikat geführt hat. Im Gegensatz zu Indexzertifikaten zeigte sich auch bei Discount-Zertifikaten ein deutliches Overpricing, das im Zeitablauf stark abnahm.289
288 289
Vgl. Kundisch, Klein, Preissetzung, 2009. Vgl. Baule, Entrop, Wilkens, Credit Risk 2008, Erner; Wilkens, Röder, Kursstellung 2004 oder Wilkens, Erner, Röder, Pricing 2003.
V. Risikomanagement mit Termingeschäften 150
Zahlung bei Fälligkeit
100 50 0 0
50
100
150
200
-50 -100
Nullkuponanleihe (Nominalbetrag 80) Long Forward (Terminkurs 80) Verkaufte Kaufoption (Basispreis 100)
-150
Discountzertifikat (Cap 100)
Basiswert Abb. C 101: Zahlungsprofile des Discount Zertifikats
Von diesem Zertifikattyp existieren zahlreiche Abwandlungen die möglichen Basiswerte betreffend. So ist ein Multi Asset Reverse Convertible (auch eine Doppelaktienanleihe) eine Spielart davon, dass statt einem mehrere Basiswerte existieren, von denen der niedrigstbepreiste die Zahlung bei Fälligkeit determiniert. Auch Zertifikate mit Aktienlieferungen (Aktienanleihen) oder Zertifikate mit zwischenzeitlichen Kuponzahlungen wurden emittiert.
dd) Bandbreitenzertifikate Als letztes Zertifikat soll das Sprint- oder auch Bandbreitenzertifikat analysiert welches dem Investor ermöglichst innerhalb einer Bandbreite überproportional von der Entwicklung des Basiswerts zu profitieren. Dies ergibt sich durch folgendes Auszahlungsprofil am Laufzeitende: 1. Befindet sich der Kurs des Basiswerts unterhalb eines Anfangsbetrages, erhält der Investor den Preis des Basiswerts. 2. Falls der Kurs des Basiswerts zwischen Anfangsbetrag und Cap befindet, erhält der Investor den Preis des Basiswerts multipliziert mit einem Hebel, der größer als 1 ist. Daher stammt der Name Sprint- oder Bandbreitenzertifikat. 3. Liegt der Kurs des Basiswerts oberhalb des Caps, erhält der Investor den Maximalbetrag zurück. Dies kann der Abbildung C 102 entnommen werden. Hier sind drei verschiedene Bereiche zu erkennen. Im ersten Bereich stellt die Strecke eine Winkelhalbierende dar. Im nächsten Bereich ist die Steigung der Strecke 2, um dann im letzten Bereich auf null abzufallen.
417
418
C. Wertpapiergeschäfte 200 150
Zahlung bei Fälligkeit
100 50 0 0
50
100
150
200
-50 -100 Nullkuponanleihe (Nominalbetrag 80) Long Forward (Terminkurs 80) 2 Verkaufte Kaufoptionen (Basispreis 120) Gekaufte Kaufoption (Basispreis 100) Sprint-Zertfikat
-150 -200
Basiswert Abb. C 102: Zahlungsprofil des Bandbreitenzertifikats
Der Preis dieses Zertifikats kann aus vier Basisinstrumenten zusammengesetzt werden. Eine Nullkuponanleihe und ein Long Forward bilden das Grundgerüst. Wiederum entspricht der Nominalbetrag der Nullkuponanleihe dem Terminkurs des Forward. Um den Hebel L zu erreichen, werden Optionen in Höhe des Hebels abzüglich eins dazu erworben. Beträgt der Hebel etwa zwei, wird eine Option gekauft. Der Basispreis der gekauften Kaufoption entspricht dabei dem Anfangsbetrag. Zusätzlich werden in Höhe des Hebels Kaufoptionen verkauft. Beträgt der Hebel zwei sind dies zwei Verkaufsoptionen. Der Basispreis dieser Optionen entspricht dabei dem Cap, der oberhalb des Anfangsbetrags liegen muss. Durch Anfangsbetrag, Hebel und Cap ergibt sich dann auch der Maximalbetrag (Maximalbetrag = (Cap-Anfangsbetrag) ∙ Hebel + Anfangsbetrag), was sich aus der Geometrie der vorliegenden Geraden herleiten lässt. Alle Instrumente haben wiederum gleiche Laufzeit. Insgesamt lässt sich der Wert des Basispreises als Wert der Nullkuponanleihe zuzüglich des Werts der ersten Option C1 abzüglich des Wertes der weiteren Optionen C2 darstellen: T
Pz
Pk
(1 CC) T
(1 i)
T
360
360
C1 (L 1) C 2 L Pk
(1 CC) T
(1 i)
360
360
C1 C 2 L C1
Betrachtet man die drei Terme des letzten Ausdrucks, so erkennt man dass der erste Term entweder gleich oder kleiner als der Preis des Basiswerts ist. Ob die beiden letzten Terme dies ausgleichen hängt von der Summe der beiden Terme ab. Der mittlere Term ist stets positiv da eine Option mit niedrigerem Basispreis bei sonst gleichen Bedingungen einen höheren Wert einnehmen muss. Der letzte Term ist negativ. Welcher überwiegt hängt von der Lage der Basispreise zueinander und dem Hebel ab. Bei hohem Hebel und großer Differenz ist die Summe der letzten beiden Terme positiv und führt dazu, dass das Zertifikat oberhalb des Kurses des Basiswerts liegt. Im gegenteiligen Fall gilt natürlich das Umgekehrte. Dies ist auch ökonomisch plausibel, da ein großer Hebel
V. Risikomanagement mit Termingeschäften eine große Möglichkeit zur überproportionalen Beteiligung an Kurssteigerungen und ein hoher Cap eine selten greifende Beschränkung der Profitmöglichkeiten darstellt. Wie bei den anderen Zertifikaten wurde auch bei Sprintzertifikaten ein Overpricing festgestellt. Neben den dargestellten Zertifikaten existieren noch zahlreiche weitere Typen, die mehr oder weniger bedeutend sind. Hier sind etwa Garantiezertifikate zu erwähnen, die dem Investor einen festen Rückzahlungsbetrag garantieren. Aber auch Hebel- oder Turbozertifikate, die teilweise auch Minifutures genannt werden, haben insbesondere im kurzfristigen Handel eine hohe Bedeutung. Diese rührt daher, dass sie in gewissen Bereichen nahezu 1:1 die Wertentwicklung des Basiswerts abbilden. Als letzte stark wachsende und mittlerweile große Gruppe sind Bonuszertifikate zu erwähnen. Hier entscheidet das Durchbrechen eines Kursniveaus über die Auszahlung eines sogenannten Bonusbetrags. Um diese Produkte nachzubilden, benötigt man exotische Optionen, insbesondere Barrier-Optionen.
ee) Resümee Den meisten Zertifikatemissionen gemein scheint ein Overpricing zu sein, das sich allerdings bis zu dessen Fälligkeit abbaut. Von großem wissenschaftlichem Interesse sind hierbei die Gründe für das Overpricing.290 Zum einen kann festgehalten werden, dass die Auszahlungsprofile der Zertifikate zwar theoretisch leicht nachgebildet werden können, allerdings in der Praxis der Privatanleger dieses Bundling nur schwer umsetzen kann. Das liegt etwa daran, dass zur Nachbildung oftmals Leerverkaufspositionen oder Forwards nötig sind, die für Privatanleger meist nicht oder nur mit hohen Transaktionskosten eingegangen werden können. Somit sind Investoren bereit einen Aufschlag in Kauf zu nehmen. Ferner stellt das Bundling eine Dienstleistung der Banken dar, die sich diese auch entgelten lassen. Diese können mit der Komplexität der Produkte ansteigen, mit selbiger steigt aber auch das Informationsdefizit des Investors. Letztendlich zeigen Studien, dass auch auf den ersten Blick hohe Renditeversprechungen Einfluss auf das Overpricing haben. Insgesamt gesehen ist das Financial Engineering eine Methode aus Markpreisen einfacherer Finanzinstrumente Marktpreise von komplexen Finanzinstrumenten zu ermitteln. Dies lässt naturgemäß keine Aussagen über die Bewertung der einfachen Finanzinstrumente zu, sondern nur über die Korrektheit der relativen Preise zueinander zu. Dies zeigt auch eines der großen Anwendungsfelder des Financial Engineering. Die Grenzen der Methode liegen dabei in Existenz von Marktunvollkommenheiten und -friktionen. So können etwa hohe Transaktionskosten und Marktzugangsbeschränkungen die Nachbildbarkeit von Finanzinstrumenten stark einschränken. Somit können stark individualistische Kapitalbeziehungen, die durch einzeln am Markt bewertete Elementarbausteine nur schwer nachzubilden sind, nicht analysiert werden. Dennoch können vom Financial Engineering in der Zukunft erhebliche Erkenntnisfortschritte erwartet werden. Die Möglichkeit, theoretische Marktwerte für bestimmte Finanzierungstitel und -kontrakte zu ermitteln und durch Vergleich mit dem tatsächlichen Kurswert ggf. vorhandene Fehlbewertungen und Risiken aufzuzeigen, bietet 290
Vgl. hier und im Folgenden Grünbichler; Wohlwend, Valuation, 2005, Muck, Options, 2006, Stoimenov, Wilkens Structured Products, 2005 oder Wallmeier, Diethelm Multi-Asset Barrier Reverse Convertibles, 2009.
419
420
C. Wertpapiergeschäfte insbesondere den Anlegern eine solide und wertvolle Bewertungsgrundlage. Die Schaffung von monopolistischen Preisspielräumen für die Schuldner durch Innovationen wird erschwert, und die Marktgängigkeit von Titeln mit zu einseitiger Vorteilhaftigkeitsverteilung nimmt ab.
Weiterführende Literatur: Risikomanagement mit Termingeschäften Berger, M.: Hedging. Effiziente Kursabsicherung festverzinslicher Wertpapiere mit Finanzterminkontrakten, Wiesbaden 1990. Bingham, N. H.; Kiesel, R.: Risk-Neutral Valuation: Pricing and Hedging of Financial Derivatives, 2. Aufl., London et al. 2010. Branger, N.; Schlag, Ch.: Zinsderivate: Modelle und Bewertung, Berlin et al. 2004. Chriss, N. A.: Black-Scholes and Beyond, Boston 1996. Cox, J. C.; Rubinstein, M.: Options Market, Englewood Cliffs 1985. Duffie, D.: Futures Markets, Englewood Cliffs 1989. Grünwald, L.: Optionsmarkt und Kapitalmarkteffizienz, München 1980. Hull, J.: Options, Futures and other Derivatives, 7. Auflage, Upper Saddle River 2009. Irle, A.: Finanzmathematik, 3. Auflage, Stuttgart 2012. Jeanblanc, M.; Yor, M. ; Chesney, M.: Mathematical methods for financial markets, London et al. 2009. Kolb, R. W.: Understanding Futures Markets, 6. Auflage, Glenview, Boston/London 2006. Korn, R. ; Korn, E.: Optionsbewertung und Portfolio-Optimierung moderne Methoden der Finanzmathematik, 2. Aufl., Wiesbaden 2009. Kruschwitz, L.; Schöbel, R.: Eine Einführung in die Optionspreistheorie I, II, III, in: Wirtschaftsstudium 13 (1984), I S. 68–72, II S. 116–121, III S. 171–176. Loistl, O.: Computergestütztes Wertpapiermanagement, 5. Auflage, München/Wien 1996, Kapitel 5: Bewertung von Optionen. Meyer, F.: Hedging mit Zins- und Aktienindex-Futures: Eine theoretische und empirische Analyse des deutschen Marktes, Köln 1994. Musiela, M.; Rutkowski, M.: Martingale methods in financial modelling, 2. Aufl., Berlin 2009. Sandmann, K.: Einführung in die Stochastik der Finanzmärkte, 3. Aufl., Berlin et al. 2010. Steiner, M.: Financial Futures, in: Gebhardt, G.; Gerke, W.; Steiner, M. (Hrsg.), Handbuch des Finanzmanagements, München 2001, S. 704–715. Steiner, M.; Bruns, C.; Stöckl, S.: Wertpapiermanagement, 10. Auflage, Stuttgart 2012. Uhlir, H.; Steiner, P.: Wertpapieranalyse, 4. Auflage, Heidelberg, Wien 2001. Wilmott, P.: Paul Wilmott on Quantitative finance, Band 1–3, 2. Aufl., Chichester et al. 2008.
V. Risikomanagement mit Termingeschäften
Fragen zum Risikomanagement mit Termingeschäften 1. 2.
Kennzeichnen Sie Arten und Motive für den Abschluss von Termingeschäften! Gegeben sei: Kontraktpreis K0 in t0 von 250 GE Initial Margin 2 % Maintenance Margin 2 GE Welcher Nachschuss ist vom Verkäufer dieses Kontraktes zum Zeitpunkt t1 zu leisten für den Fall, dass der Kontraktpreis in t1 bei (a) 253 GE (b) 256 GE (c) 248 GE notiert?
3.
Der ABC-Kursindex notiert am Kassamarkt bei 2000 Punkten und der ABC-Future zur gleichen Zeit bei 2080 Punkten. Das Kontraktvolumen des ABC-Futures ist der Indexstand des ABC-Kursindex mal 100 GE. Die im ABC-Index enthaltenen Aktien schütten im Durchschnitt eine Dividende in Höhe von 5 % p. a. aus. Wie hoch ist das Zinsniveau in diesem Markt? Kurze Begründung!
4.
Sie besitzen ein Portefeuille aus Aktien, das mit dem ABC-Index perfekt korreliert ist. Sie möchten den gegenwärtigen Wert des Portefeuilles von 2.000.000 GE absichern. Welche Position im ABC-Future sollten Sie hierzu eingehen und wie viele Kontrakte müssen Sie einsetzen?
5.
Welche Gewinne bzw. Verluste entstehen in der Kassa- und Futureposition, wenn der ABC-Index am Ende der Laufzeit auf 1500 Punkte fällt?
6.
Stellen Sie die Gewinn- und Verlustmöglichkeiten von Käufer und Verkäufer (a) eines Put (b) einer Kaufoption gegenüber. In welchen Positionen ist die Verlustmöglichkeit unbegrenzt?
7.
Woraus resultiert die besondere Bedeutung von Swap-Geschäften für langfristige Finanzierungen?
8.
Wie lassen sich Swap-Strategien im Rahmen des modernen Portefeuille-Managements einsetzen?
9.
Bewerten Sie die Möglichkeiten von Swap-Geschäften vor dem Hintergrund der Finanzchemie.
10. Welche Komponenten des Preises einer Option lassen sich unterscheiden? Von welchen Faktoren werden sie beeinflusst? Ihnen wird ein europäischer Kaufoptionsschein auf eine Aktie mit einer Restlaufzeit von einem Jahr und einem Basispreis von 18 GE angeboten. Der stetige Zinssatz für risikolose Anleihen beträgt 4 % p. a. Die Volatilität der Aktie beträgt 25 % p. a. Die zugrunde liegende Aktie notiert derzeit (t = 0) bei 20 GE. Berechnen Sie mithilfe eines einperiodigen Binomialmodells den arbitragefreien Preis der Kaufoption in t = 0 in einem vollkommenen Kapitalmarkt ohne Steuern. Verwenden Sie dabei für die Größe des Aufwärtsschritts u und Abwärtsschritts d im Aktienkursbaum die Faktoren
u
eV
d
eV
't 't
,
421
422
C. Wertpapiergeschäfte wobei 't die Länge eines Zeitschritts im Binomialbaum als Anteil eines Jahres und V (sigma) die Volatilität p. a. angibt. Der Kurs nach einem Aufwärts- und Abwärtsschritt errechnet sich als Produkt aus Aktienkurs in t0 und u oder d. 11. Leiten Sie aus dem Preis der Kaufoption mithilfe der Put-Call-Parität den Preis eines Put mit identischer Laufzeit und identischem Basispreis her! 12. Die Berechnung des Optionspreises erfolgt unter dem Arbitragefreiheitspostulat. Wie würde ein risikofreudiger Investor die Kaufoption bewerten? Begründen Sie kurz! 13. Skizzieren Sie die Vorgehensweise zur Ermittlung der Volatilität für den Einsatz im Black/Scholes-Modell aus historischen Aktienkursen!
VI. Die Besteuerung von Wertpapieren
VI. Die Besteuerung von Wertpapieren Lernziele dieses Kapitels x Wertpapiererträge im Privatvermögen werden in Deutschland mit der sogenannten Abgeltungssteuer (eigentlich Kapitalertragssteuer) direkt an der Quelle, meist der depotführenden Bank, besteuert (Quellensteuer). Der Steuersatz beträgt pauschal 25 % zzgl. Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer. Die Steuerzahlung kann bei der Einkommenssteuererklärung als bereits entrichtete Steuer geltend gemacht werden. x Sind die Wertpapiere im Betriebsvermögen – ist also ein Unternehmen steuerrechtlicher Eigentümer, zählen die Erträge aus diesen Wertpapieren als Betriebseinnahmen und werden als solche (bei Gewerbetreibenden auch mit Gewerbesteuer) besteuert.
Bei der Investition liquider Mittel in Wertpapiere sind Steuern in eine vergleichende Analyse mit einzubeziehen, da sie die Vorteilhaftigkeit einer Kapitalanlage beeinflussen können. Auch aufseiten des Wertpapieremittenten sind die steuerlichen Einflussgrößen, die beim Kapitalanleger auftreten, zu berücksichtigen. Steuerliche Vorteile (z. B. Steuerminderungs- und Steuerstundungseffekte), die der Kapitalanleger realisieren kann, können bspw. den Ansatz eines vergleichsweise niedrigeren Emissionszinssatzes bei festverzinslichen Wertpapieren rechtfertigen; entsprechend muss ggf. eine steuerliche Benachteiligung auf der Anlegerebene durch günstigere Konditionen der Papiere ausgeglichen werden.
1. Wertpapiere im Privatvermögen Werden Wertpapiere im Privatvermögen gehalten, so sind die anfallenden Erträge steuerlich der Einkunftsart „Einkünfte aus Kapitalvermögen“ zuzuordnen. Die unter diese Kategorie fallenden Tatbestände werden in § 20 EStG zusammengefasst, wobei zwischen laufenden Einkünften (§ 20 Abs. 1 EStG) und Gewinnen aus der Veräußerung, Einlösung oder Abtretung von Wertpapieren und Kapitalforderungen (§ 20 Abs. 2 EStG) unterschieden wird. Obwohl der Begriff der Kapitaleinkünfte nicht abschließend definiert ist, führen Auffangtatbestände (§ 20 Abs. 1 Nr. 7 und § 20 Abs. 2 Nr. 7 EStG) dazu, dass die Erträge aller im Privatvermögen gehaltener Finanzinstrumente unabhängig von Haltedauer und -zweck unter diese Einkunftsart fallen. Neben den Erträgen aus Aktien, Schuldverschreibungen und Termingeschäften zählen hierzu auch Prämien, die Optionsstillhaltern beziehen. Einkünfte aus Kapitalvermögen nehmen gegenüber den restlichen Einkunftsarten eine Sonderstellung ein, da sie seit der Unternehmensteuerreform 2008 grundsätzlich nicht mehr der Einkommensteuerprogression unterworfen sind, sondern mit einer Kapitalertragsteuer mit abgeltender Wirkung (Abgeltungsteuer) belegt werden. Der Abgeltungssteuersatz beträgt pauschal 25 % (§ 32d Abs. 1 EStG). Weiterhin wird der Solidaritätszuschlag in Höhe von 5,5 % (§ 1 Abs. 1 und § 4 SolzG) auf die Abgeltungsteuer erhoben. Entgegen der Einkommensteuer wird dies ohne Berücksichtigung einer Freigrenze
423
424
C. Wertpapiergeschäfte vollzogen. Insgesamt ergibt sich so eine tarifliche Gesamtbelastung von 26,375 %, ggf. zuzüglich Kirchensteuer. Dem Zuflussprinzip folgend entsteht die Steuerpflicht in dem Zeitpunkt, in dem die Einkünfte dem Empfänger zugeflossen sind und er darüber verfügen kann. Hieraus kann sich ggf. ein Steuerstundungseffekt zugunsten des Anlegers ergeben. So wird bspw. der Ertrag aus einer Nullkuponanleihe (sog. Zerobond) erst beim vorzeitigen Verkauf bzw. bei Rückzahlung am Ende der Laufzeit versteuert, wodurch sich im Vergleich zu einer Kuponanleihe mit laufenden Zinszahlungen, welche jeweils bei Zufluss der Abgeltungsteuer unterliegen, ein barwertiger Steuervorteil ergibt. Schuldner der Abgeltungsteuer ist grundsätzlich der Gläubiger der Kapitalerträge. Die Abgeltungsteuer ist grundsätzlich als Quellensteuer ausgestaltet. Wer zur Abführung der Steuer verpflichtet ist, richtet sich nach § 44 Abs. 1 EStG. Im Allgemeinen muss die auszahlende inländische Stelle der Kapitalerträge, i. d. R. also das jeweilige Kreditinstitut, für Rechnung des Investors die Steuer einbehalten und an das Finanzamt abführen. Bei inländischen Dividenden ist hingegen die ausschüttende Kapitalgesellschaft, bei Zinszahlung aus Wandelanleihen, Gewinnobligationen und anleiheähnlichen Genussrechten der jeweilige Emittent zur Abführung verpflichtet (§ 44 Abs. 1 EStG). Die abzuführende Kapitalertragsteuer hat zugleich abgeltende Wirkung, das heißt dass die der Abgeltungsteuer unterworfenen Kapitaleinkünfte nicht in der Einkommensteuererklärung anzugeben sind und damit nicht dem investorspezifischen Einkommensteuersatz unterliegen. Anders als bei dem bis zum Veranlagungszeitraum 2008 vorherrschenden Halbeinkünfteverfahren sind alle Kapitaleinkünfte voll zu versteuern. Bemessungsgrundlage stellt bei laufenden Einkünften der Bruttogewinn, bei Veräußerungsgeschäften der Veräußerungserlös abzüglich der Veräußerungskosten sowie der Anschaffungs- und Anschaffungsnebenkosten dar (§ 20 Abs. 4 EStG). Unter die Anschaffungsnebenkosten fallen bei Wertpapieren z. B. Bankspesen, Maklergebühren und Vermittlungsprovisionen, die in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Veräußerungsgeschäft stehen. Von den Einkünften aus Kapitalvermögen ist als Werbungskosten ein Sparer-Pauschbetrag abzuziehen, der zurzeit bei Alleinstehenden 801 EUR beträgt. Bei zusammenveranlagten Eheleuten verdoppelt sich dieser Betrag auf insgesamt 1.602 EUR (§ 20 Abs. 9 EStG). Der Sparer-Pauschbetrag ersetzt ab 2009 den früheren Sparer-Freibetrag bzw. den Werbungskosten-Pauschbetrag. Ein höherer Ansatz der tatsächlich entstandenen Werbungskosten, wie z. B. für Vermögensverwaltungskosten, Depotgebühren oder Kosten, die durch den Besuch von Hauptversammlungen entstehen, ist nach der Unternehmensteuerreform nicht mehr möglich. Wegen der gesonderten Behandlung von Kapitaleinkünften und des einheitlichen Abgeltungssteuersatzes können Verluste aus Kapitalvermögen nicht mit Einkünften aus anderen Einkunftsarten verrechnet werden. Ein Verlustvortrag in spätere Veranlagungszeiträume ist allerdings möglich. Eine weitere Einschränkung der Verlustverrechnung gilt zudem innerhalb der Einkünfte aus Kapitalvermögen. Demnach dürfen Verluste aus Aktienveräußerungen nur mit Veräußerungsgewinnen aus Aktien verrechnet werden (§ 20 Abs. 6 EStG). Die Verrechnung von Aktienkursgewinnen mit Verlusten aus anderem Kapitalvermögen ist hingegen uneingeschränkt möglich. Begründet wurde diese Verrechnungseinschränkung durch den Gesetzgeber insbesondere damit, dass ansonsten in Zeiten stark fallender Aktienkurse „Steuermindereinnahmen in Milliardenhöhe drohen [würden]“.291 Faktisch bedeutet die Einschränkung eine Verpflichtung 291
Vgl. Deutscher Bundestag, Drucksache 16/5491, 2007, S. 19.
VI. Die Besteuerung von Wertpapieren für die Kreditinstitute, jeweils zwei „Verlustverrechnungstöpfe“ für ihre Depotkunden zur Abwicklung des Verlustausgleichs einzurichten. Der erste Topf beinhaltet dabei Verluste aus Aktienverkäufen, der zweite bezahlte Stückzinsen sowie Verluste aus anderem Kapitalvermögen, wie z. B. aus Termingeschäften und aus anderen Wertpapierveräußerungsgeschäften. Um Verluste kreditinstitutsübergreifend verrechnen zu können, hat der steuerpflichtige Anleger die Möglichkeit, sich die Verluste bei dem jeweiligen Institut bescheinigen zu lassen. Hierfür ist ein Antrag notwendig, der bis zum 15.12. des laufenden Jahres gestellt werden muss (§ 43a Abs. 3 EStG). Obwohl die Abgeltungsteuer für den Großteil der aus im Privatvermögen gehaltenen Wertpapiere resultierenden Kapitaleinkünfte gilt, bestehen auch Ausnahmen, die zu einer verpflichtenden Veranlagung der Einkünfte zum individuellen Einkommensteuertarif führen. In diesem Fall ist zwar der Abzug des Sparer-Pauschbetrags nicht möglich, allerdings dürfen die tatsächlichen, mit den jeweiligen Einkünften im Zusammenhang stehenden Werbungskosten berücksichtigt werden. Auch die oben beschriebenen strikten Verlustverrechnungsvorschriften für Einkünfte aus Kapitalvermögen finden in diesem Fall keine Anwendung, wodurch eine Verlustverrechnung mit anderen Einkunftsarten ermöglicht wird. Eine Aufstellung dieser Ausnahmefälle von der Abgeltungsteuer finden sich in § 32d Abs. 2 EStG. Es handelt sich dabei im Wesentlichen um laufende Erträge bzw. Erträge aus Veräußerungen von stillen Beteiligungen, partiarischen Darlehen und sonstigen Kapitalforderungen, wenn eine der folgenden Bedingungen als erfüllt anzusehen ist: 1. Gläubiger und Schuldner sind einander nahestehende Personen. 2. Der Gläubiger ist an der auszahlenden Kapitalgesellschaft oder Genossenschaft mit mindestens 10 % beteiligt oder er ist eine dem Gesellschafter nahestehende Person. 3. Es liegt eine sogenannte „Back-to-Back-Finanzierung“ vor. Unter einer Back-to-Back-Finanzierung versteht der Gesetzgeber den Fall, dass ein an dem Unternehmen Beteiligter einem Dritten Kapital überlassen hat und dieser Dritte wiederum dem Unternehmen Darlehen gewährt, also falls bspw. ein Betrieb ein Darlehen von einem Kreditinstitut erhält und gleichzeitig ein Gesellschafter bei demselben Institut Einlagen in gleicher Höhe unterhält. Es gibt weiterhin Fälle, bei denen Kapitaleinkünfte dem pauschalen Abgeltungssteuersatz unterworfen werden sollen, obwohl sie nicht dem Kapitalertragssteuerabzug unterliegen. Beispiele hierfür sind Gewinne aus dem Verkauf von GmbH-Anteilen, Zinsen aus Darlehen von natürlichen Personen und insbesondere Kapitalerträge, die von ausländischen Kreditinstituten ausbezahlt werden, bspw. weil der Privatanleger ein Wertpapierdepot im Ausland unterhält. Derartige Einkünfte müssen in die reguläre Einkommensteuerveranlagung mit einbezogen werden, unterliegen dann allerdings dem pauschalen Abgeltungssteuersatz, ohne dass sie sich auf die Einkommensteuerprogression auszuwirken. Neben den beschriebenen Tatbeständen, die zu einer verpflichtenden Veranlagung führen, besteht auf Antrag des Steuerpflichtigen zudem die Möglichkeit, eine sogenannte Günstigerprüfung durchführen zu lassen (§ 32d Abs. 6 EStG). Als Konsequenz bedeutet dies, dass eine Prüfung vorgenommen wird, ob die Anwendung des persönlichen Einkommensteuersatzes des Anlegers auf die Kapitaleinkünfte zu einer niedrigeren Belastung führen würde, als eine pauschale Besteuerung in Höhe der Abgeltungsteuer. Ist dies der Fall, werden die Kapitaleinkünfte der Einkommensteuerprogression unter-
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C. Wertpapiergeschäfte worfen. Ein Ansatz der tatsächlichen Werbungskosten ist in diesem Fall allerdings nicht möglich, wodurch auch bei der Wahlveranlagung zum persönlichen Steuersatz maximal der Sparer-Pauschbetrag angesetzt werden darf. In der Praxis dürfte die Günstigerprüfung die Ausnahme darstellen, da sie nur für Anleger mit geringen Einkommen, deren Differenzsteuersätze der Kapitaleinkünfte unter der Abgeltungsteuer liegen, Relevanz besitzt.
2. Wertpapiere im Betriebsvermögen Befinden sich Wertpapiere im Bestand von Land- und Forstwirten, Freiberuflern oder Gewerbetreibenden, so stellt sich die Frage ihrer Zuordnung zu Betriebs- oder Privatvermögen, welche mit bedeutenden steuerlichen Konsequenzen verbunden sein kann. Die Zuordnung zum notwendigen Privatvermögen erfolgt, wenn die betreffenden Wertpapiere ausschließlich privaten Zwecken dienen. Es handelt sich um notwendiges Betriebsvermögen, wenn die Papiere ausschließlich und unmittelbar für eigenbetriebliche Zwecke des Steuerpflichtigen genutzt werden. Das ist z. B. dann der Fall, wenn eine Beteiligung an einem Zulieferer-Unternehmen gehalten wird oder eine Bank Eigenhandelsbestände besitzt. Stehen Wertpapiere in einem gewissen objektiven Zusammenhang mit dem Betrieb und sind sie bestimmt und geeignet, ihn zu fördern, so können sie durch Ansatz in der Steuerbilanz als gewillkürtes Betriebsvermögen behandelt werden. Eine solche Wahlfreiheit bestünde z. B. beim Kauf von festverzinslichen Wertpapieren als Finanzanlage. Im Regelfall wird Freiberuflern die Aufnahme von Wertpapieren als Betriebsvermögen nicht möglich sein, da ein objektiver Zusammenhang der Wertpapiere mit dem Betrieb des Freiberuflers nur selten zu begründen ist.292 Bei Kapitalgesellschaften entfällt das Problem der Zuordnung, da diese nur Betriebsvermögen und kein privates Vermögen besitzen können. Sind die Wertpapiere dem Betriebsvermögen zuzuordnen, so werden die Erträge nicht wie Einkünfte aus Kapitalvermögen, sondern wie Betriebseinnahmen behandelt. Die Bewertung der Papiere richtet sich nach den einschlägigen steuer- und – wegen des Maßgeblichkeitsgrundsatzes – handelsrechtlichen Vorschriften. Hierdurch wird auch das Zuflussprinzip durch das handelsrechtliche Realisationsprinzip ersetzt. Dementsprechend müssen die während der Laufzeit anwachsenden Zins- und Zinseszins-Forderungen bei Auf- und Abzinsungspapieren im Betriebsvermögen zugeschrieben und damit jährlich versteuert werden. Hält eine natürliche Person Anteile einer Kapitalgesellschaft im Betriebsvermögen, kommt es nicht zur Anwendung der Abgeltungsteuer, sondern des sogenannte Teileinkünfteverfahrens, welches eine Abwandlung des vor der Unternehmensteuerreform 2008 auch für private Kapitaleinkünfte anzuwendende Halbeinkünfteverfahren dar292
So kam das Finanzgericht Köln zu dem Urteil, dass das Aktiendepot eines Arztes steuerlich nicht als Betriebsvermögen angesetzt werden darf, obwohl dieses in die Finanzierung der Arztpraxis als Sicherheit eingebracht wurde. Der Umgang mit Wertpapieren zu spekulativen Zwecken sei dem Beruf des Arztes „wesensfremd“, da freie Berufe maßgebend durch die eigene Arbeitskraft, den Einsatz des geistigen Vermögens sowie durch Kenntnisse aufgrund einer qualifizierten Ausbildung geprägt seien. Vgl. FG Köln, Urteil vom 25.09.2008, Aktenzeichen 15 K 1235/04.
VI. Die Besteuerung von Wertpapieren stellt. Das Teileinkünfteverfahren bedeutet, dass 40 % der entsprechenden Einnahmen (Dividenden oder Veräußerungsgewinne) steuerfrei sind (§ 3 Nr. 40 Buchst. a EStG). Demnach sind 60 % voll steuerpflichtig und der Einkommensteuerprogression zu unterwerfen. Der für private Kapitaleinkünfte anzuwendende Sparer-Pauschbetrag gilt für das Teileinkünfteverfahren nicht. Allerdings dürfen 60 % der mit den Kapitaleinkünften in wirtschaftlichem Zusammenhang stehenden Werbungskosten steuermindernd berücksichtigt werden (§ 3c Abs. 2 EStG). Das Teileinkünfteverfahren muss ebenfalls zwingend für Veräußerungsgewinne von im Privatvermögen gehaltenen Anteilen angewandt werden, falls innerhalb der vorangegangenen fünf Jahre eine Beteiligung von mindestens 1 % vorlag (§ 17 Abs. 1 EStG). Von großer Bedeutung ist die Tatsache, dass bei Gewerbetreibenden die Wertpapiereinkünfte der Gewerbesteuer unterliegen. Zur Entlastung von Personenunternehmen erfolgt allerdings eine Anrechnung des 3,8-fachen des Gewerbesteuer-Messbetrags auf die Einkommensteuer. Die Anrechnung ist auf die Höhe der tatsächlichen Gewerbesteuerbelastung bzw. auf denjenigen Anrechnungsbetrag, der zu einer Einkommensteuer von 0 EUR führt, begrenzt. In der Praxis führt das Teileinkünfteverfahren in Verbindung mit der Anrechenbarkeit der Gewerbesteuer dazu, dass sich regelmäßig nur im Falle sehr hoher Differenzsteuersätze der Anteilseigner bezogen auf die Kapitaleinkünfte ein Halten der Wertpapiere im Privatvermögen gegenüber dem Halten im Betriebsvermögen steuerlich vorteilhaft auswirkt.293
3. Besonderheiten bei ausländischen Wertpapieren Ausländische Wertpapiererträge unterliegen der deutschen Kapitalertragsteuer grundsätzlich genauso wie inländische. Oftmals werden Erträge aus ausländischen Wertpapieren, insbesondere Dividenden ausländischer Kapitalgesellschaften, im Ausland jedoch analog zur deutschen Besteuerung mit einer Quellensteuer belastet. Besteht zwischen der Bundesrepublik und dem betreffenden Land ein Doppelbesteuerungsabkommen, so kann eine Befreiung von der ausländischen Steuer vorgesehen sein (Freistellungsmethode). Häufiger beinhalten die Abkommen jedoch eine nachträgliche Ermäßigung oder teilweise Erstattung der ausländischen Quellensteuer noch in dem jeweiligen Land. In diesem Fall und im Fall, dass kein Doppelbesteuerungsabkommen besteht, ist eine etwaige ausländische Quellensteuer nach der Anrechnungsmethode auf die deutsche Kapitalertragsteuer (maximal jedoch in Höhe der deutschen Kapitalertragsteuer) anzurechnen (§ 32d Abs. 1 und 5, § 34c Abs. 1 sowie § 43a Abs. 3 EStG). Eine Anrechnung ausländischer Körperschaftsteuer ist aufgrund der nicht identischen Steuersubjekte (Kapitalgesellschaft vs. natürliche Person) nicht möglich. Die Regelung führt dazu, dass die inländische Depotbank die Abgeltungsteuer als Kapitalertragsteuer auch für ausländische Kapitalerträge, die bereits mit einer Quellensteuer belegt sind, in der richtigen Höhe einbehalten kann. Falls ein Doppelbesteuerungsabkommen besteht, ist die Depotbank allerdings nur befugt, die Quellensteuer in der Höhe anzurechnen, welche im jeweiligen Abkommen festgesetzt ist. Oftmals besteht die Möglichkeit, den verbleibenden Steuerbetrag vom ausländischen Quellenstaat erstattet zu bekommen. Dies stellt häufig jedoch eine schwierige und langwierige 293
Vgl. Haberstock, Breithecker, Einführung in die Betriebswirtschaftliche Steuerlehre, 16. Auflage, Berlin 2013, S. 80 ff.
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C. Wertpapiergeschäfte Prozedur dar. Die Bundesrepublik hat derzeit mit über 80 Staaten Doppelbesteuerungsabkommen geschlossen. Darunter befinden sich fast alle wichtigen Industrienationen. Keine Abkommen bestehen hingegen mit „Steueroasen“ wie Monaco oder Liechtenstein.
Weiterführende Literatur zur Besteuerung von Wertpapieren Blümich, W.: Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, Kommentar, 100. Ergänzungslieferung, Stand September 2008. Blumenberg, J.; Benz, S.: Die Unternehmensteuerreform 2008, Köln 2007. Haberstock, L.; Breithecker, V.: Einführung in die Betriebswirtschaftliche Steuerlehre, 16. Auflage, Berlin 2013. Höreth, U.; Ortmann-Babel, M.: Die Unternehmensteuerreform 2008, Bonn/Berlin 2007. Rödder, T.: Unternehmensteuerreformgesetz 2008, in: Beihefter zu Deutsches Steuerrecht 45 (2007), S. 1–20. Schreiber, U.: Besteuerung der Unternehmen, 3. Auflage, Berlin 2012.
D
Alternativen der Kapitalaufbringung
Kapitelübersicht I. Systematisierungsansätze der Finanzierungsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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II. Außenfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Einlagen- und Beteiligungsfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Grundlagen der Kreditfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Langfristige Kreditfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Kurzfristige Kreditfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Kreditsubstitute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
435 435 460 473 504 524
Weiterführende Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
549 550
III. Innenfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Definition und Systematisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Selbstfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Finanzierung aus Umsatzeinzahlungen mittels Abschreibungen . . . . . . . . 4. Finanzierung aus Umsatzeinzahlungen mittels Rückstellungen . . . . . . . . . 5. Finanzierung durch Vermögensumschichtung (Kapitalfreisetzung) . . . . .
554 555 556 562 567 569
Weiterführende Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
569 569
IV. Kapitalstruktur und Verschuldungspolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Kapitaltheoretische Ansätze zur Optimierung der Unternehmensfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Financial Leverage und Kapitalkosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verschuldungsanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Verfahren der Kapitalkostenbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Finanzierungskostenvergleich unter besonderer Berücksichtigung der Steuerbelastung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Die Bedeutung der Ausschüttungsentscheidung für die optimale Unternehmensfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Einsatz von Risikomanagementinstrumenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
571
Weiterführende Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
573 575 582 603 621 624 628 633 633
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D. Alternativen der Kapitalaufbringung V. Die neoinstitutionalistische Betrachtung der Finanzierungsbeziehung . . . 1. Abgrenzung der neoinstitutionalistischen Ansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Agency-Theorie und Finanzierungsbeziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
635 636 638
Weiterführende Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
654 656
I. Systematisierungsansätze der Finanzierungsformen Lernziele dieses Kapitels x In der Finanzwirtschaft wird heutzutage meist ein auf Zahlungsströmen basierender Finanzierungsbegriff verwendet. Danach ist Finanzierung die Gesamtheit aller Einzahlungen und aller beim Zugang nicht monetärer Güter vermiedenen Auszahlungen. x Einteilen lässt sich Finanzierung hierbei grundsätzlich in Innenfinanzierung und Außenfinanzierung. x Innenfinanzierung ist durch die Freisetzung von bisher gebundenem Vermögen in Zahlungsmittel gekennzeichnet und umfasst dabei die Finanzierung durch Gewinne, Vermögensumschichtung und Umsatzeinzahlungen mittels Abschreibungen. x Im Rahmen der Außenfinanzierung werden dem Unternehmen Zahlungsmittel durch Eigentümer oder Fremdkapitalgeber zusätzlich zugeführt. Folgerichtig wird die Außenfinanzierung auch in Eigen- und Fremdfinanzierung unterteilt. x Typisch für Eigenfinanzierung ist dabei die Teilhabe am Gewinn oder Verlust, die Einwirkung auf die Unternehmensleitung sowie die zeitlich unbefristete Zurverfügungstellung der Mittel durch die Eigenkapitalgeber. x Demgegenüber ist die Festlegung eines festen Zinsanspruchs, keine Teilnahme an der Unternehmensleitung sowie eine zeitlich befristete Zurverfügungstellung typisch für die Fremdfinanzierung. x Zwischen diesen typischen Fällen existieren zahlreiche Mischformen, die Elemente von Fremd- wie auch Eigenfinanzierung in verschiedenen Kombinationen enthalten. x Daneben existieren weitere Kategorisierungen, die etwa nach dem Kriterium der Fristigkeit (in kurz-, mittel- oder langfristige Finanzierung) unterscheiden oder nach dem Finanzierungsanlass (in Gründungs-, Erweiterungs-, Um- oder Sanierungsfinanzierung) differenzieren.
Neben den von Vermögen und Kapital bestimmten Begriffen hat sich ein an Zahlungsströmen orientierter monetärer Finanzierungsbegriff herausgebildet. Es stehen statt Kapitalveränderungen Geldströme im Vordergrund. Unter Finanzierung wird die Gesamtheit der Zahlungsmittelzuflüsse (Einzahlungen) und die beim Zugang nicht monetärer Güter vermiedenen sofortigen Zahlungsmittelabflüsse (Auszahlungen) verstanden. Der so formulierte Finanzierungsbegriff umfasst alle Formen der internen und externen Geld- und Kapitalbeschaffung einschließlich Kapitalfreisetzungseffekten. Die verschiedenen Formen der Finanzierung können nach unterschiedlichen Kriterien systematisiert werden. Traditionell wurde ein anderer Finanzierungsbegriff verwendet. Er geht vom bilanziellen Kapital (Passiva der Bilanz) als abstrakter Wertsumme aus. In seiner engsten Fassung wird von den Vertretern dieses Finanzierungsbegriffes auf der Basis des bilanziellen Kapitals nur die langfristige Kapitalbeschaffung als Finanzierung bezeichnet.1 In seiner weiteren Form umfasst der am bilanziellen Kapital orientierte 1
Vgl. z. B. Liefmann, Beteiligungs- und Finanzierungsgesellschaften, 1931.
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D. Alternativen der Kapitalaufbringung Finanzierungsbegriff neben der langfristigen Kapitalbeschaffung auch die kurzfristige Kapitalaufbringung sowie die Kapitalrückzahlung und Kapitalumschichtungen im Bereich der Passiva.2 Der auf dem bilanziellen Kapital basierende Finanzierungsbegriff kann durch Einbeziehung der Vermögensseite (Aktiva der Bilanz) erweitert werden. Dieser am Vermögen orientierte Finanzierungsbegriff umfasst neben der Beschaffung externer Mittel auch die interne Kapitalaufbringung durch Gewinne, Mittelfreisetzungen, Abschreibungen usw.3 1. Nach dem Kriterium der Rechtsstellung der Kapitalgeber und der Kapitalhaftung unterscheidet man Eigenfinanzierung und Fremdfinanzierung (vgl. Abbildung D 1). Finanzierung
Eigenfinanzierung
Beteiligungsfinanzierung (Einlagenfinanzierung)
Selbstfinanzierung (Finanzierung aus realisierten Gewinnen)
Fremdfinanzierung
Finanzierung durch Kapitalfreisetzung
Finanzierung aus Rückstellungen (wenn Umsätze vorliegen)
Kreditfinanzierung
Innenfinanzierung Außenfinanzierung
Abb. D 1: Einteilung der Finanzierung nach dem Kriterium der Kapitalhaftung
Unter Eigenfinanzierung versteht man die Zuführung und Erhöhung des Eigenkapitals einer Unternehmung durch zahlungswirksame Einlagen der Unternehmenseigner oder aus dem zahlungswirksamen Gewinn des Unternehmens. Das Eigenkapital haftet für Verpflichtungen der Unternehmung Dritten gegenüber und stellt somit Haftungskapital dar. Über die nominelle Höhe des Eigenkapitals hinaus können abhängig von der Rechtsform der Unternehmung auch höhere Haftungsansprüche resultieren, die sich dann auch auf das Privatvermögen des Unternehmers erstrecken. Das im Rahmen der Fremdfinanzierung aufgebrachte Fremdkapital haftet dagegen nicht für Verbindlichkeiten der Unternehmung. Es begründet für die Unternehmung eine Rückzahlungsverpflichtung gegenüber den Gläubigern. Es steht grundsätzlich nur terminiert zur Verfügung und muss zu den vereinbarten Terminen getilgt werden. In Abbildung D 2 sind die aus der Überlassung von Eigenkapital bzw. Fremdkapital resultierenden Rechte und Pflichten vereinfacht dargestellt.
2
3
So z. B. vertreten von Schmalenbach, Beteiligungsfinanzierung, 1966; derselbe, Finanzierungen, 1937. Vgl. Rössle, Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, 1956; Beckmann, Finanzierung, 1956.
I. Systematisierungsansätze der Finanzierungsformen Kriterien
Eigenkapital
Fremdkapital
Haftung
mindestens in Höhe der Einlage = (Mit-)Eigentümerstellung
keine Haftung = Gläubigerstellung
Ertragsanteil
volle Teilhabe an Gewinn und Verlust
i. d. R. fester Zinsanspruch, kein GuV-Anteil
Vermögensanspruch
Quotenanspruch, wenn Liquidationserlös > Schulden
Rückanspruch in Höhe der Gläubiger-Forderung
Unternehmensleitung
i. d. R. berechtigt
grundsätzlich ausgeschlossen
Verfügbarkeit
i. d. R. unbegrenzt
i. d. R. terminiert
steuerliche Belastung
Gewinn voll belastet mit ESt, KSt, GewSt variiert nach Rechtsform
Zinsen bei Unternehmung als Aufwand steuerlich absetzbar (Einschränkung bei GewSt)
Finanzierungskapazität
durch private Vermögenslage der Unternehmer beschränkt
unbeschränkt, vom Vorliegen von Sicherheiten abhängig
Abb. D 2: Grundsätzliche finanzwirtschaftliche Merkmale von Eigen- und Fremdkapital
2. Nach dem Kriterium der Fristigkeit der Finanzierungsformen kann in kurz-, mittelund langfristige Finanzierung unterteilt werden. Die einer solchen Differenzierung zugrunde liegenden Zeitgrenzen sind stets willkürlich gewählt. Die Statistik der Deutschen Bundesbank weist als kurzfristige Kredite solche bis zu einem Jahr, als mittelfristige Kredite über ein bis unter vier Jahre und als langfristig solche über vier Jahre aus. Nach dem Bilanzrichtliniengesetz (HGB 1985 und AktG 1985) ist für den Fristigkeitsausweis in der Bilanz die Restlaufzeit der Verbindlichkeiten maßgebend. Nach § 268 Abs. 5 HGB ist jede Kapitalgesellschaft verpflichtet, unter den Verbindlichkeitspositionen den Betrag der Verbindlichkeiten mit einer Restlaufzeit von bis zu einem Jahr zu vermerken. Kapitalgesellschaften haben darüber hinaus im Anhang den Gesamtbetrag der Verbindlichkeiten mit einer Restlaufzeit von mehr als fünf Jahren anzugeben (§ 285 Nr. 1 HGB). Bei Kapitalgesellschaften können somit drei Fristigkeitskategorien, kurzfristig bis zu einem Jahr, mittelfristig zwischen einem und fünf Jahren und langfristig über fünf Jahre, unterschieden werden. Damit sind im Rahmen der statischen, an Bestandsgrößen orientierten Liquiditätsanalyse bessere Zuordnungen möglich. Obwohl Eigenkapital grundsätzlich langfristig zur Verfügung steht, kann auch hier ein gewisses Kapitalentzugsrisiko vorliegen. So kann etwa der Gesellschafter einer OHG nach § 132 HGB, wenn im Gesellschaftsvertrag nichts anderes vereinbart ist, sein Gesellschafterverhältnis mit einer Frist von 6 Monaten kündigen. Neben der formell vereinbarten Fristigkeit ist daher im Rahmen der Finanzierung auch die beabsichtigte Kapitalüberlassungsdauer von Bedeutung. 3. Nach dem Verhältnis von finanzieller Ausstattung und Finanzbedarf kann man unterscheiden in Überfinanzierung, Unterfinanzierung und in bedarfsadäquate Finanzierung. Überfinanzierung liegt vor, wenn der vorhandene Finanzfonds größer ist als der tatsächliche Kapitalbedarf. Da hierbei finanzielle Mittel nicht optimal eingesetzt werden, ergeben sich negative Auswirkungen auf die Rentabilität der Unternehmung. Kritischer ist der Fall der Unterfinanzierung, wenn der Kapitalbedarf durch die vorhandenen und zusätzlich erlangbaren finanziellen Mittel nicht
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D. Alternativen der Kapitalaufbringung abgedeckt werden kann. Unterfinanzierung behindert das Unternehmenswachstum. Bestehen Auszahlungsverpflichtungen, so kann es zu Zahlungsstockungen oder sogar zu Illiquidität kommen. Eine bedarfsadäquate Finanzierung liegt vor, wenn sich Kapitalbedarf und Kapitalaufbringung entsprechen. 4. Nach dem Finanzierungsanlass kann man unterscheiden in Gründungsfinanzierung, Erweiterungsfinanzierung, Umfinanzierung und Sanierungsfinanzierung (z. B. Kapitalherabsetzung mit nachfolgender Kapitalerhöhung). 5. Nach dem Kriterium der Mittelherkunft (aus der Sicht der Unternehmung) kann man in Außen- und Innenfinanzierung einteilen. Im Rahmen der Außenfinanzierung erfolgt eine Zuführung finanzieller Mittel durch Einlagen der Unternehmungseigner oder Beteiligung von Gesellschaftern sowie durch Kreditkapital von Gläubigern. Zur Außenfinanzierung zählt auch die Finanzierung über staatliche und sonstige Subventionen. Die Innenfinanzierung einer Unternehmung resultiert aus betrieblichen Desinvestitionen (Freisetzung liquider Mittel). Es ist hierbei zu unterscheiden zwischen der zusätzlichen Kapitalbildung (Bilanzverlängerung) und der Schaffung von disponiblem Kapital durch Vermögensumschichtungen (Aktivtausch). Erfolgt eine Finanzierung aus liquiditätswirksamen Umsatzerlösen, die zu Gewinnen führen, so spricht man von Selbstfinanzierung. Durch die Selbstfinanzierung wird zusätzliches Kapital geschaffen. Ferner ist aus bilanzieller Sicht eine Finanzierung durch Zurückhaltung von Aufwandsgegenwerten, die in der betreffenden Periode nicht zu Auszahlungen führen, möglich. Auf dieser Basis erfolgt die Finanzierung aus Abschreibungen und die Finanzierung aus Rückstellungen (langfristige Rückstellungen). Ferner kann eine Kapitalfreisetzung durch eine Beschleunigung der Kapitalumschlagsgeschwindigkeit (z. B. durch Rationalisierungsmaßnahmen) erfolgen (zu Innenfinanzierung vgl. Abschnitt D III). In der folgenden Untergliederung des Abschnitts D wird das Kriterium der Mittelherkunft zu Grunde gelegt. Bei der klassischen institutionell ausgerichteten Finanzierungslehre steht die Beschreibung der unterschiedlichen Finanzierungsformen und Beurteilung ihres zweckmäßigen Einsatzes in der Praxis im Vordergrund. In der Welt der neoklassischen Finanzierungstheorie kann die Separation von Investitions- und Konsumentscheidungen bewiesen werden (vgl. Abschnitt D IV 3). Der Finanzierungsbedarf errechnet sich letztendlich als Residuum aus den benötigten Finanzmitteln für positiv beurteilte Investitionsprojekten und vorhandener Liquidität. Dieser Bedarf wird zu den Kapitalkosten der Investitionsprojekte aufgenommen. Die einzelnen Finanzierungsquellen haben in der Neoklassik keinen Einfluss auf die Kapitalkosten. Einzig Marktunvollkommenheiten, wie eine unterschiedliche Besteuerung verschiedener Finanzierungsquellen, können zu einer Wertrelevanz der Finanzierungsentscheidung führen. Demgegenüber versucht die neoinstitutionalistische Finanzierungstheorie die Fragen nach der Funktion verschiedenartiger Finanzierungsformen zu klären.4 Finanzierungsformen werden dabei als Regelungen zur Aufteilung unsicherer Zahlungssaldi auf die verschiedenen Kapitalgeber interpretiert und die Ausgestaltung des Bündels von Rechten und Handlungsmöglichkeiten in den Kapitalüberlassungsverträgen als ausschlaggebend für die Kapitalüberlassungsbereitschaft der Kapitalgeber und die Akzeptanz des jeweiligen Kontraktes durch die Kapitalnehmer eingestuft. Die in der Praxis bewährten Finan4
Zur neoinstitutionalistischen Finanzierungstheorie vgl. Jensen, Meckling, Theory of the Firm, 1976; Smith, Warner, Financial Contracting, 1979; Schmidt, R. H., Finanzierungstheorie, 1981; derselbe, Grundformen der Finanzierung, 1981.
II. Außenfinanzierung zierungsformen zeichnen sich gegenüber anderen potenziellen Gestaltungsformen dadurch aus, dass sie das berechtigte Misstrauen der Kapitalgeber bei Hingabe ihres Kapitals durch die Einräumung spezifischer Rechte und Möglichkeiten in geeigneter Weise reduzieren und gleichzeitig die damit verbundenen Belastungen der Kapitalnehmer auf ein für diese vertretbares Maß begrenzen. Die normative Komponente des neoinstitutionalistischen Ansatzes beinhaltet die Empfehlung, „Kapitalgeber so durch ein Bündel von Maßnahmen zu informieren und zu sichern, dass die Gesamtheit der bewerteten Nachteile, die aus der ursprünglich ungleichen Informationsverteilung resultieren, ein Minimum erreicht“.5
II. Außenfinanzierung 1. Einlagen- und Beteiligungsfinanzierung Lernziele dieses Kapitels x Die Eigenfinanzierung ist stark durch die Rechtform des Unternehmens geprägt. Hier zu nennen sind die gesetzlichen und steuerrechtlichen Folgen. x Bei Personengesellschaften (wie etwa Einzelunternehmen und Offenen Handelsgesellschaften, kurz OHG) haftet der Gesellschafter voll mit seinem Privatvermögen für die Schulden der Gesellschaft. Die Eigenfinanzierung gestaltet sich als leicht, falls die Finanzierung durch die Altgesellschafter erfolgt. Eine Hinzunahme von neuen Gesellschaftern ist jedoch ausgeschlossen oder schwierig, da die Neugesellschafter auch für die Altschulden mithaften. x Somit können Personengesellschaften oft nur ihr Eigenkapital über Maßnahmen wie stille Beteiligungen oder Genussrechte ausdehnen, die eigentlich Mischformen aus Eigen- und Fremdfinanzierung darstellen. x Steuerlich gesehen ist die Personengesellschaft kein Steuersubjekt, sondern wird im Rahmen der Einkommensteuer der Gesellschafter erfasst (Ausnahme Option zur Körperschaftssteuerveranlagung). x Bei Kapitalgesellschaften (wie etwa der Gesellschaft mit beschränkter Haftung, kurz GmbH, der Aktiengesellschaft, kurz AG, oder der eingetragenen Genossenschaft, kurz eG) haftet der Gesellschafter nicht oder nur mit einem kleinen Anteil seines Privatvermögens für die Schulden der Gesellschaft. Dementsprechend ist es leichter, zusätzliche Neugesellschafter zu finden. Trotzdem besteht aus neoinstitutionalistischer Sicht immer eine Informationsasymmetrie zwischen Altgesellschaftern und Neugesellschaftern, da naturgemäß Neugesellschafter noch nicht den vollständigen Einblick in die Gesellschaft haben. x Steuerlich gesehen ist die Kapitalgesellschaft als juristische Personen Steuersubjekt der Körperschaftssteuer. Der Steuersatz beträgt 15 %. Zusätzlich unterliegt etwa die Ausschüttung der Kapitalgesellschaft der Einkommensteuer des Gesellschafters oder der Abgeltungssteuer. x Obwohl der Zugang zu Eigenkapital bei Kapitalgesellschaften leichter ist als bei Personengesellschaften, existieren große Unterschiede in den Finanzierungsmöglichkeiten zwischen den verschiedenen Kapitalgesellschaften. Während bei Aktiengesell5
Schmidt, R. H., Grundformen der Finanzierung, 1981, S. 192.
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D. Alternativen der Kapitalaufbringung schaften, welche sogar einen Zugang zur Börse verfügen, die Finanzierung aufgrund gesetzlicher Regelungen standardisiert und damit vereinfacht ist, ist die Eigenkapitalfinanzierung für andere Rechtformen mit gesetzlichen Hürden verbunden. Folglich bedienen sich solche Gesellschaften als Quellen der Eigenfinanzierung bankähnlicher Gesellschaften, wie Venture Capital-Gesellschaften (insbesondere junge Unternehmen in High Tech-Branchen) und Kapitalgesellschaften (ältere Gesellschaften in traditionelleren Branchen). x Wenn bei einer Aktiengesellschaft ein Zugang zur Börse existiert, haben die Gesellschafter zusätzlich den Vorteil, ihre Anteile (Aktien) einfach durch Einigung und Übergabe des Wertpapiers zu veräußern (hohe Verkehrsfähigkeit). Die Gesellschaft kann aufgrund beliebiger Stückelungsmöglichkeit eine große Zahl auch kleinerer Investoren (Gesellschafter) erreichen. x Bei Aktien existieren verschiedene Arten, welche sich nach Rechten systematisieren lassen. x Namensaktien unterscheidet von Inhaberaktien, dass zur Wahrnehmung der Rechte nach einem Kauf auch eine Eintragung ins Aktienbuch der Gesellschaft erfolgen muss. x Vorzugsaktien gewähren gegenüber Stammaktien einen Vorzug hinsichtlich Dividende, Liquidationserlös oder Stimmrecht. Manche Vorzugsaktien enthalten nicht nur einen Vorzug, sondern gleichzeitig einen Nachteil. Ein Beispiel sind Vorzugsaktien, die mit einer höheren Dividende, aber einem eingeschränkten Stimmrecht auf der Hauptversammlung ausgestattet sind. x Die Erhöhung des Eigenkapitals, kurz eine Kapitalerhöhung, von Aktiengesellschaften ist ausführlich im Aktienrecht geregelt. Danach ist den Altaktionären normalerweise (es existieren nur wenige Ausnahmen) ein Bezugsrecht für die neuen Aktien einzuräumen. Dies bedeutet, dass die Inhaber der alten Aktien neue Aktien genau in der Anzahl beziehen dürfen, dass ihr Anteil an der Aktiengesellschaft vor und nach der Kapitalerhöhung konstant bleibt. x Das Verhältnis von bisherigen alten zu neuen ausgegebenen Aktien wird dabei durch das Bezugsverhältnis angegeben. x Im Falle, dass ein Aktaktionär sein Bezugsrecht nicht ausüben will, kann er dieses auch meist über die Börse veräußern. Der rechnerische Wert des Bezugsrechts kann dabei durch eine Formel ermittelt werden, in welche unter anderem der Kurs der Altaktien, der Bezugspreis sowie das Bezugsverhältnis eingehen. x Um Aktien auch in Ländern handelbar zu machen, die aufgrund rechtlicher Gründe nicht direkt dort handelbar sind, werden die Aktien dort als sogenannte Depositary Receipts (DR) gehandelt. Dazu hält eine Bank die Aktien in ihrem Bestand und begibt wiederum Wertpapiere, die DR, welche zum Umtausch in Aktien berechtigen.
Die Einlagen- und Beteiligungsfinanzierung umfasst alle Formen der Beschaffung von Eigenkapital durch Kapitaleinlagen von bisher bereits vorhandenen oder neu hinzutretenden Gesellschaftern der Unternehmung. Sie findet stets bei Gründung einer Unternehmung statt, aber auch bei späteren Kapitalerhöhungen. Die Rechtsform einer Unternehmung hat entscheidenden Einfluss auf die Aufbringung von Eigenkapital in Form der Beteiligungsfinanzierung. Zum einen sind die sich aus einer Beteiligung ergebenden Rechtsfolgen für die Gesellschafter je nach gewählter Unternehmensform gesetzlich unterschiedlich geregelt, zum anderen differieren die steuerlichen Konsequenzen. Einzelunternehmen wie auch Personengesellschaften sind nicht selbst Steuersubjekt und daher auch nicht körperschaftsteuerpflichtig. Ein Teil der Personengesellschaften kann aber nach § 1a KStG einen unwiderruflichen Antrag
II. Außenfinanzierung stellen, nach Körperschaftssteuergesetz veranlagt zu werden. Zum Teil dieser Personengesellschaften zählen OHG oder KG, die in Abschnitt II 1 a näher beschrieben sind. Auch eine Rückoption zur einkommensteuerrechtlichen Erfassung ist nach einer Periode möglich. Dies kann gerade bei größeren Personengesellschaften zu einer reduzierten Steuerzahlung führen. Für Einzelunternehmen und Personengesellschaften, die nicht von dieser Wechseloption Gebrauch machen, werden Gewinne zunächst um die Gewerbesteuer gemindert und dann dem Einzelunternehmer bzw. Gesellschafter zugerechnet und somit dem individuellen Einkommensteuersatz zzgl. Solidaritätszuschlag in Höhe von 5,5 % der Einkommensteuer (und evtl. der Kirchensteuer) unterworfen. Zur Kompensation der Gewerbesteuer kann bei der Einkommensteuerveranlagung das 3,8-fache des Gewerbesteuermessbetrags auf die Einkommensteuer angerechnet werden. Um eine steuerliche Benachteiligung gegenüber Kapitalgesellschaften zu verhindern, sieht § 34a Abs. 1 EStG auf Antrag eine steuerliche Begünstigung von Thesaurierungen mit einem Sondertarif von 28,25 % vor. Wird der so versteuerte thesaurierte Gewinn in späteren Wirtschaftsjahren entnommen, muss eine Nachversteuerung mit einem Steuersatz von 25 % zzgl. Solidaritätszuschlag erfolgen (§ 34a Abs. 4 EStG). An Personengesellschaften Beteiligte sind grundsätzlich Mitunternehmer und beziehen damit Einkünfte aus Gewerbebetrieb, u. a. mit der Folge, dass Verlustzuweisungen grundsätzlich möglich sind. Die Mitunternehmereigenschaft knüpft insbesondere an das Vorliegen der Kriterien „unternehmerische Initiative“ und „unternehmerisches Risiko“ beim Teilhaber an (vgl. § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG und H 15.8 (1) EStR), wie sie z. B. normalerweise beim Kommanditisten einer KG vorzufinden sind. Im Gegensatz zu Personengesellschaften besitzen Kapitalgesellschaften eine eigene Rechtspersönlichkeit und sind damit auch selbständig steuerpflichtig. Somit kommt auf Unternehmensebene die Körperschaftsteuer zzgl. Solidaritätszuschlag zur Gewerbesteuer hinzu. Im Zuge der Unternehmensteuerreform 2008 wurde der Körperschaftsteuersatz von 25 % auf 15 % gesenkt (§ 23 Abs. 1 KStG). Sowohl Personen- als auch Kapitalgesellschaft werden von der Gewerbesteuer erfasst. Die Erhebung der Gewerbesteuer ist an das Objekt „Gewerbebetrieb“ gebunden. Die Ermittlung des Gewinns vor EStG/KStG, der in die Bemessungsgrundlage der Gewerbesteuer (Gewerbeertrag) eingeht, ist bei den jeweiligen Rechtsformen unterschiedlich. Bspw. mindern bestimmte Sondervergütungen in der Form von Betriebsausgaben den Gewinn einer Kapitalgesellschaft, während sie bei einer Personengesellschaft einen Bestandteil des Gewinns darstellen (vgl. § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG). Beispiele für die angeführten Sondervergütungen sind das Gehalt eines geschäftsführenden Gesellschafters sowie die für ihn gebildeten Pensionsrückstellungen oder auch Zinsen für die Gewährung eines Gesellschafterdarlehens. Zum Teil wird diese Benachteiligung von Personengesellschaften bei der Gewerbesteuer dadurch aufgefangen, dass ihnen ein Freibetrag von zurzeit 24.500 € eingeräumt wird (§ 11 Abs. 1 Nr. 1 GewStG). Der anzuwendende Gewerbesteuersatz setzt sich unabhängig von Größe und Rechtsform des Gewerbebetriebs aus der Messzahl von 3,5 % (§ 11 Abs. 2 GewStG) sowie des gemeindespezifischen Hebesatzes von mindestens 200 % (§ 16 Abs. 4 S. 2 GewStG) zusammen. Die Abzugsfähigkeit der Gewerbesteuer als Betriebsausgabe wurde im Rahmen der Unternehmensteuerreform abgeschafft. Im Zuge der Reform wurde ab 2009 insbesondere eine Abgeltungsteuer für private Kapitaleinkünfte, im Sinne von Zinsen, Dividenden und Gewinnen aus Wertpapierveräußerungsgeschäften, eingeführt. Der einheitliche Steuersatz beträgt 25 % zzgl. Solidaritätszuschlag und ggf. Kirchensteuer (§ 32d Abs. 1 EStG). Die Steuer hat abgel-
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D. Alternativen der Kapitalaufbringung tende Wirkung, sodass eine Unterwerfung der Kapitaleinkünfte unter die persönliche Einkommensteuerprogression und das damit einhergehende Halbeinkünfteverfahren entfällt. Die Gesamtsteuerbelastung ohne Berücksichtigung von Freibeträgen und einer ggf. anfallenden Kirchensteuer für ausgeschüttete Gewinne einer Kapitalgesellschaft an Anteilseigner, die die Anteile im Privatvermögen halten, ist in Abbildung D 3 dargestellt. 2009 Gewinn vor Ertragsteuern
1.000,00
./. Gewerbesteuer (Hebesatz 400 %)
./. 140,00
./. Körperschaftsteuer
./. 150,00
./. Solidaritätszuschlag
./. 8,25
Ausschüttung ./. Abgeltungsteuer
701,75 ./. 175,44
./. Solidaritätszuschlag
./. 9,65
Nettodividende
516,66
Abb. D 3: Beispiel für die Besteuerung einer Kapitalgesellschaft
Das Beispiel berücksichtigt keine gewerbesteuerlichen Hinzurechnungen bzw. Kürzungen und geht damit für die Gewerbe- und Körperschaftsteuer von einer einheitlichen Bemessungsgrundlage aus. In diesem Fall ergibt sich der auf den Gewinn vor Ertragsteuern anzuwendende Gesamtsteuersatz (s*) aus Körperschaftsteuersatz (sKSt), Solidaritätszuschlag (SolZ), Gewebesteuersatz (sGewSt), bestehend aus der Messzahl von 3,5 % und dem Hebesatz (H), und schließlich dem Abgeltungssteuersatz (sAbgSt): s* = sKSt · (1 + SolZ) + sGewSt + sAbgSt · (1 + SolZ) · [1 – sKSt · (1 + SolZ) – sGewSt] Unbekannt ist in diesem Fall einzig der gemeindespezifische Hebesatz sodass sich die Gleichung vereinfacht zu: s* = 0,15 · 1,055 + 0,035 · H + 0,25 · 1,055 · [1 – 0,15 · 1,055 – 0,035 · H] = 0,38026 + 0,02577 · H
a) Beteiligungsfinanzierung von Unternehmungen ohne direkten Zugang zur Börse Einzelunternehmungen, Personengesellschaften, GmbHs, aber auch kleinere Aktiengesellschaften haben keinen Zugang zur Börse. Für diese Unternehmungen steht somit kein so hoch organisierter Kapitalmarkt zur Beschaffung von Eigenkapital zur Verfügung, wie ihn die Wertpapierbörsen für börsenfähige Aktiengesellschaften darstellen. Bei der Einzelunternehmung bereitet die Beschaffung von Eigenkapital die größten Schwierigkeiten, da primär nur das Vermögen des Unternehmers zur Verfügung steht. Der Einzelunternehmer kann das Eigenkapital durch Zuführung aus seinem Privatvermögen erhöhen, aber auch jederzeit wieder durch Entnahmen verringern. Für eine Verstärkung der Eigenkapitalbasis kommt für den Einzelunternehmer vor allem die
II. Außenfinanzierung Innenfinanzierung in Betracht, indem der jährliche Gewinn ganz oder teilweise nicht entnommen wird. Als Möglichkeit der Beteiligungsfinanzierung unter Beibehaltung der Rechtsform bietet sich die Aufnahme eines stillen Gesellschafters an. Bei der stillen Gesellschaft (§§ 230–236 HGB) handelt es sich um eine reine Innengesellschaft, die nach außen nicht in Erscheinung zu treten braucht. Die Einlage des stillen Gesellschafters geht in das Vermögen des Einzelunternehmens über. In der Bilanz wird ein einziges Eigenkapitalkonto ausgewiesen, sodass für Außenstehende die stille Beteiligung nicht aus der Bilanz ersichtlich ist. Wegen der Bestimmung des § 236 HGB, wonach der stille Gesellschafter bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens des Unternehmens seine Einlage nach Abzug des auf ihn entfallenden Verlustes als Insolvenzgläubiger geltend machen kann, erscheint ein getrennter Bilanzausweis der stillen Einlage geboten, bei Kapitalgesellschaften sogar als zwingend. Der stille Gesellschafter ist stets mit „angemessenem Anteil“ am Gewinn zu beteiligen (§ 231 Abs. 2 HGB), am Verlust nimmt er nur bis zur Höhe seiner Einlage teil. Die Verlustbeteiligung kann ausgeschlossen werden. Nach der Art des Vermögensanspruchs, den der stille Gesellschafter beim Ausscheiden aus der Unternehmung besitzt, kann in eine typische und in eine atypische stille Gesellschaft unterschieden werden. Der typische stille Gesellschafter wird mit seiner nominellen Einlage abgefunden, während der atypische am Vermögenszuwachs des Betriebs beteiligt und als Mitunternehmer anzusehen ist. Neben der Aufnahme eines stillen Gesellschafters besitzt der Einzelunternehmer zur Verbreiterung seiner eigenen Kapitalbasis die Möglichkeit der Umgründung in eine Personengesellschaft. Bei der offenen Handelsgesellschaft (OHG) kann eine Beteiligungsfinanzierung durch Einbringung neuen Kapitals der bisherigen Gesellschafter oder durch Aufnahme neuer Gesellschafter erfolgen. Der Einbringung neuen Kapitals durch die bisherigen Gesellschafter werden durch deren Vermögensverhältnisse Grenzen gesetzt. Einer unbeschränkten Aufnahme neuer Gesellschafter steht die Leitungsbefugnis entgegen. Die Zahl der Gesellschafter einer OHG wird nicht nur vom Kapitalbedarf bestimmt, sondern auch vom Bedürfnis nach Aufteilung der Unternehmerfunktionen, wofür ein gutes persönliches Verhältnis der Gesellschafter untereinander erforderlich ist. In der Praxis hat eine OHG daher meist nur 2–4 Gesellschafter, da bei einer größeren Zahl zu leicht Konflikte auftreten, die den Vorteil der breiteren Kapitalbasis überkompensieren. Auch die Berücksichtigung der bereits vorhandenen stillen Reserven bereitet bei Aufnahme neuer Gesellschafter Schwierigkeiten, da letztere im Falle der Auseinandersetzung auch am Zuwachs dieser Vermögenswerte beteiligt sind. Nach § 721a BGB haften diese auch für die Altschulden. Bei der Kommanditgesellschaft (KG) muss die Anzahl der Komplementäre (Vollhafter) aus den für die OHG angeführten Gründen ebenfalls beschränkt bleiben. Durch die Möglichkeit der Aufnahme von Kommanditisten (Teilhafter), deren Haftung auf die Höhe der Kapitaleinlage beschränkt ist und die von der Geschäftsführung ausgeschlossen sind, besitzt die Kommanditgesellschaft jedoch wesentlich günstigere Voraussetzungen zur Ausweitung der Eigenkapitalbasis. Ein wichtiger Faktor für die Gewinnung von Kommanditisten ist hierbei die Höhe des Vermögens der Komplementäre. Als reine Kapitalanlage weist die Kommanditeinlage aufgrund ihrer schwierigen Realisierbarkeit Nachteile gegenüber anderen Kapitalanlageformen auf. Die Probleme der Sicherheit und Fungibilität der Kommanditbeteiligung begrenzen daher die Ausweitung der Kapitalbasis einer KG.
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D. Alternativen der Kapitalaufbringung Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) besitzt ein in seiner Höhe fixiertes Nominalkapital. Dieses Stammkapital wird durch Ausgabe von Anteilen an Gesellschafter aufgebracht. Die Haftung der Gesellschafter gegenüber der Gesellschaft ist auf die Erbringung ihrer Einlage beschränkt, falls im Gesellschaftsvertrag keine Nachschusspflicht festgeschrieben ist. Für Verbindlichkeiten der GmbH haftet nur das Gesellschaftsvermögen. Die Haftungsbeschränkung erleichtert der GmbH die Aufnahme von Eigenkapital. Gegenüber börsenfähigen Aktien sind jedoch GmbH-Anteile weit weniger fungibel. Für GmbH-Anteile existiert kein organisierter Markt, wie ihn für Aktien die Wertpapierbörsen darstellen. Die Übertragung von GmbH-Anteilen bedarf zudem der notariellen Form. Um im Rahmen der Europäischen Union Abwanderungen von Gesellschaftsgründen einzudämmen, wurde im Jahr 2008 das Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) verabschiedet. Es soll die Gründung einfacher und unkomplizierter gestallten, sodass auch Einzelunternehmen oder auch im Ausland gegründete Gesellschaften in die sogenannte haftungsbeschränkte Unternehmergesellschaft (Mini GmbH oder UG) umfirmieren können. Eine zentrale Erleichterung ist, dass die Mindesteinlage nur einen symbolischen Euro beträgt. Dieser äußerst dünnen Eigenkapitaldecke soll durch eine Begrenzung der Ausschüttung auf 75 % des Gesamtgewinns entgegengewirkt werden. Bei der Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), auch BGB-Gesellschaft genannt, kann als rechtsfähige Außen oder Innengesellschaft nach § 705 Abs. 2 BGB konzipiert sein. Erstere ist rechtsfähig, zweitere nicht. Die GbR speist sich die Eigenfinanzierung aus den Einlagen der Gesellschafter. Sowohl mit ihren Einlagen als auch mit ihrem gesamten Privatvermögen haften die Gesellschafter in analoger Anwendung der Vorschriften zur OHG nach §§ 128 ff. HGB als Gesamtschuldner. Somit kann ein Gläubiger zur Befriedigung seiner Ansprüche in das Privatvermögen eines einzelnen Gesellschafters vollstrecken, der dann einen Ausgleichsanspruch gegenüber den anderen Mitgesellschaftern hat. Da alle Gesellschafter nach § 706 BGB grundsätzlich eine gleich hohe nicht übertragbare Einlage leisten müssen, partizipieren nach § 722 BGB alle Gesellschafter somit gleichermaßen an Gewinnen und Verlusten der GbR. Um tatsächlichen ökonomischen Bedürfnissen zu entsprechen, kann im Rahmen eines Gesellschaftervertrags von der Regelung der gleich hohen Einlage und damit auch der Gewinn- und Verlustpartizipation abgewichen werden. Ähnlich wie bei der GmbH sind auch die Eigenkapitalbeschaffungsmöglichkeiten einer eingetragenen Genossenschaft (eG) zu beurteilen. Das Eigenkapital variiert jedoch mit der jeweiligen Anzahl an Genossen, die zum Ende eines jeden Geschäftsjahres unter Einhaltung einer Kündigungsfrist ausscheiden können. Durch die im Gegensatz zur GmbH schwankende Kapitalbasis sind die Genossenschaften verstärkt auf Selbstfinanzierung und Bildung von Reserven angewiesen. Da die Abstimmung in der Generalversammlung nach Köpfen erfolgt, ist der Erwerb mehrerer Genossenschaftsanteile unter dem Gesichtspunkt der Mitsprache und Einflussnahme nicht sinnvoll. Die Novelle zum Genossenschaftsgesetz von 1973 führte zur Aufgabe der Unterscheidung zwischen eingetragener Genossenschaft mit beschränkter Haftung (eGmbH) und eingetragener Genossenschaft mit unbeschränkter Haftung (eGmuH). Damit trug der Gesetzgeber der Tatsache Rechnung, dass die Beteiligungsfinanzierungsmöglichkeiten der letztgenannten Form wegen der unbeschränkten Haftung sehr begrenzt sind. So haftet nun nach § 2 GenG den Gläubigern nur das Vermögen der Genossenschaft. Die neue Bezeichnung eG ergibt sich zudem aus § 3 GenG: „Der Firma darf kein Zusatz beigefügt werden, der darauf hindeutet, ob und in welchem Umfang die Genossen zur Leistung von Nachschüssen verpflichtet sind.“
II. Außenfinanzierung Für einen reinen Kapitalanleger bestehen die Nachteile einer Beteiligung an Unternehmen ohne Zugang zur Börse in der mangelnden Fungibilität sowie teilweise in der Schwierigkeit der individuellen Beurteilung des Risikos der Anlage. Es fehlt ein organisierter Markt, auf dem diese Beteiligungen leicht liquidierbar wären. Die Beteiligungen werden i. d. R. auch nicht durch die Stellung von Sicherheiten geschützt, wie dies etwa bei der Vergabe von Krediten üblich ist. Aus der Sicht der bisherigen Eigentümer bringt die Ausweitung der Kapitalbasis zusätzliche meist unerwünschte Mitsprache, den Zwang zur Erzielung eines höheren Gewinns und die Schwierigkeit der Aufteilung der stillen Reserven mit sich. Bei der Veräußerung von nichtbörsennotierten Unternehmensbeteiligungen tritt das sogenannte „Lemon“-Problem im Sinne von Akerlof auf.6 Käufer von Beteiligungen werden gegenüber den Verkäufern misstrauisch sein, da letztere die Unternehmung besser kennen und somit einen Informationsvorsprung besitzen. Die potenziellen Erwerber von Beteiligungen müssen annehmen, dass zu den Verkaufsmotiven des Veräußerers auch zu erwartende Ertragsverschlechterungen zählen, die in den offiziell gemachten Verkaufsangaben keine Berücksichtigung finden. Eine von den Käufern aufgrund dieser Vermutung vorgenommene Kürzung der Ertragsangaben des Veräußerers verringert den maximal bezahlbaren Grenzpreis für die Beteiligung und damit den Einigungsspielraum.7 Kapitalanlagen in nichtnotierten Beteiligungen sind aufgrund der Veräußerungsschwierigkeiten i. d. R. nur für Daueranleger geeignet. Es wurden die verschiedensten Versuche unternommen, um einem Mangel an Beteiligungskapital der nicht emissionsfähigen Unternehmen abzuhelfen. Einen Lösungsversuch stellen die Kapitalbeteiligungsgesellschaften dar.8 Diese sind bankenähnliche Institute, die jedoch keine Kredite, sondern Eigenkapital zur Verfügung stellen. Von den Kapitalbeteiligungsgesellschaften (KBG) werden in der Literatur die Wagnisfinanzierungsgesellschaften bzw. Venture-Capital-Gesellschaften (VCG) unterschieden. Gemeinsam ist beiden Formen der Beteiligungsgesellschaft das Ziel, das Wachstum kleiner und mittlerer Unternehmen ohne Börsenzugang mit von außen zugeführtem Eigenkapital zu finanzieren. Ursprünglich bestanden zwischen den KBG und den VCG Unterschiede. 1. Während sich die VCG vor allem an jungen, innovativen Unternehmen beteiligten, bevorzugten die KBG langjährig bestehende Unternehmen. 2. VCG konzentrierten sich auf High-Tech-Branchen, dagegen KBG in erster Linie auf traditionelle Bereiche wie Maschinen- und Anlagenbau u. ä. 3. Ertragsquelle der VCG stellten vor allem Wertsteigerungen der Beteiligung dar. Hingegen profitierten KBG primär von den laufenden Gewinnausschüttungen der Unternehmen, an denen sie beteiligt waren. 4. Während die VCG den Unternehmen neben dem Kapital zusätzlich Management Know-how zur Verfügung stellten, beschränkten sich die KBG auf die Mittelvergabe. Die Grenzen zwischen VCG und KBG sind inzwischen fließend, sodass die Teilmärkte zu einem Gesamtmarkt für Beteiligungskapital zusammenwachsen. 6 7 8
Vgl. Akerlof, The Market for Lemons, 1970. Vgl. Wagner, Ausschüttungsbemessungsfunktion, 1982, S. 755. Vgl. Gerke, Kapitalbeteiligungsgesellschaften, 1974; Juncker, Schlegelmilch, Kapitalbeteiligungsgesellschaft, 1976.
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D. Alternativen der Kapitalaufbringung Die Beteiligungsfinanzierung verläuft i. d. R. wie folgt: Eine Beteiligungsgesellschaft, die häufig von Banken oder Versicherungen gegründet wird, finanziert sich dadurch, dass sie einen Fonds auflegt, den sie bei institutionellen Anlegern wie Großunternehmen, Banken und Versicherungen sowie bei Privatpersonen platziert. Nach Aufbringung der Mittel werden mögliche Beteiligungsunternehmen auf ihre Eignung hin überprüft: 1. Die Unternehmen sollten aufgrund ihres Know-how und der Branchensituation zukunftsorientiert und entwicklungsfähig sein. 2. Das Management sollte zuverlässig und das Rechnungswesen aussagefähig sein. 3. Aus der beabsichtigten Investition der Beteiligungsmittel müssen eine Stärkung der Marktstellung und der Ertragskraft erwartet werden können.9 4. Die zukünftigen Erträge der Unternehmen sollten relativ sicher schätzbar sein. Das wird insbesondere dann der Fall sein, wenn sich die Unternehmen in jüngster Vergangenheit durch einen stabilen Zahlungsüberschuss, einen branchenbezogen nicht überdurchschnittlich hohen Verschuldungsgrad, kein überproportional starkes Wachstum und damit verbunden durch einen überschaubaren Investitionsbedarf auszeichnen. Für die Beteiligung der Beteiligungsgesellschaften an den Unternehmen, die diese Kriterien erfüllen, kommen verschiedene Formen in Betracht: 1. offene Beteiligung in einer AG bzw. GmbH oder als Kommanditist in einer KG, 2. stille Beteiligung als typischer oder atypischer stiller Gesellschafter, 3. Genussrechte oder 4. Kombinationen. Die Beteiligungsgesellschaft übernimmt neben der Finanzierungsfunktion häufig auch eine Beratungsfunktion gegenüber den Unternehmen, an dem die Beteiligung besteht. Die Beratung erfolgt sowohl im „Vorfeld“ als auch nach erfolgter Beteiligung. Das Engagement der KBG ist i. d. R. zeitlich und vom Umfang her (Minderheitsbeteiligung) begrenzt. Die Erträge aus der Beteiligung bestehen zum einen aus den laufenden Gewinnausschüttungen und zum anderen aus dem Veräußerungsgewinn bei Verkauf der Beteiligung.10 Die Desinvestition kann über einen Rückverkauf an die Gründer, durch eine Veräußerung an ein interessiertes Großunternehmen oder mittels des Going Public, der Einführung des Unternehmens an nationalen oder internationalen Börsen11, erfolgen.12 Zu diesem Zweck wurden in einigen europäischen Ländern Börsensegmente für Wachstumsunternehmen geschaffen. Dazu zählen die Mittelstandsbörse NYSE Alternext in Frankreich oder der Alternative Investment Market (AIM) mit Sitz in London, der im Jahr 1995 von der London Stock Exchange gegründet wurde. In Deutschland gibt es den Entry Standard Scale. Die privatwirtschaftliche Kapitalbeteiligung erfährt seit dem 1. 1. 1987 durch das Gesetz über Unternehmensbeteiligungsgesellschaften (UBGG) sowie durch das dritte Finanz9 10 11 12
Vgl. Büschgen, Venture Capital, 1985. Vgl. Jährig, Schuck, Handbuch des Kreditgeschäfts, 1989, S. 310 ff. Vgl. Oettingen, Gang an die Börse, 1990. Vgl. Büschgen, Venture Capital, 1985, S. 226.
II. Außenfinanzierung marktförderungsgesetz wesentliche Unterstützung, die aber an die Vorlage bestimmter Voraussetzungen gebunden ist. Erfüllt eine Beteiligungsgesellschaft die gesetzlichen Bestimmungen des UBGG, so ist sie von der zuständigen Behörde als Unternehmensbeteiligungsgesellschaft anzuerkennen, darf die Bezeichnung „UBG“ in ihrer Firma führen und wird damit steuerlich begünstigt. Die Steuervorteile einer UBG bestehen in der Befreiung von der Gewerbe- und Umsatzsteuer. Allerdings ist eine Anlage in börsennotierten Aktien nicht gestattet. Neben nicht börsennotierten Aktien, GmbH- und Kommanditanteilen inländischer Unternehmen bis jeweils maximal 49 % des Unternehmenskapitals dürfen auch stille Beteiligungen erworben sowie Gesellschafterdarlehen gewährt werden. Das UBGG bestimmt die Anlagegrundsätze und -grenzen sowie die zulässige Kreditaufnahme von UBGs. Außerdem sieht das UBGG die Veröffentlichung bestimmter Daten bezüglich der von der UBG gehaltenen Beteiligungen vor.13 Darüber hinaus muss eine UBG als GmbH, KG oder AG firmieren. Zudem muss die UBG nachweisen, dass sie nicht für Holdingkonstruktionen gegründet wurde. Gleichfalls sieht das dritte Finanzmarktförderungsgesetz eine Verkürzung der sechsjährigen Bindungsfrist als Voraussetzung einer steuerfreien Veräußerung von Beteiligungen der UBGs vor. Kapitalbeteiligungsgesellschaften und Venture-Capital-Gesellschaften können dann ebenfalls als UBG firmieren, falls kein Going Public angestrebt ist. Das dritte Finanzmarktförderungsgesetz beinhaltet außerdem die Ausdehnung der steuerlichen Behandlung von UBGs auf Kapitalbeteiligungsgesellschaften, wobei letzteren die Bildung eines zusätzlichen Sondervermögens in Aktien und Immobilien gewährt wird, das dem fünften Vermögensbildungsgesetz unterliegt. Unabhängig von der Firmierung hat sich in den 2010er-Jahren mit dem Crowd Funding eine Vorgehensweise bei der Finanzierung entwickelt, die über einen öffentlichen Aufruf mit dem Ziel initiiert wird, finanzielle Mittel für ein Projekt oder Unternehmen zu erhalten.14 Crowd Funding bedient sich dabei teilweise Plattformen oder auch des eigenen Unternehmensnetzwerks. Als Mittler treten Online-Marktplätze auf, die für ihre Vermittlungstätigkeit eine Gebühr erhalten. Aus Sicht der Rechtsbeziehung zwischen Geldgeber und Geldnehmer sind das Spenden- und Belohnungsmodell vom Darlehensund Eigenkapitalmodell zu unterscheiden. Erstere beiden zeichnen sich dadurch aus, dass die Geldgeber keine oder keine materiellen Gegenleistungen erhalten. Beim Darlehensmodell wird dem Geldnehmer, wie der Name besagt, der Geldbetrag als Darlehen überlassen (siehe Abschnitt D II 3 f). Beim Eigenfinanzierungsmodell werden dem Geldnehmer die Mittel als Eigenkapital zur Verfügung gestellt. Übliche Formen für diese auch als Crowd Investing bezeichnete Finanzierungsmethode sind stille Beteiligungen, Genussrechte oder partiarische Darlehen. Letztere sind von der Grundkonstruktion zwar Darlehen. Somit liegt kein Mitspracherecht der Darlehensgeber vor. Auch ist eine Beteiligung am Verlust und damit die Übernahme von Unternehmensrisiken meist ausgeschlossen. Eigenkapitaltypisch ist das keine oder nur geringe fixe Zinszahlungen vereinbart werden. Stattdessen wird eine umsatz- oder gewinnabhängige Verzinsung vereinbart. Somit ist das partiarische Darlehen weniger mit der Stillen Beteiligung, sondern eher mit Genussrechten (siehe Abschnitt D II 3h) vergleichbar, die ähnliche Konstruktionsmerkmale aufweisen. Crowd Investing zeichnet sich dadurch aus, dass entweder dem Geldnehmer eigene Netzwerkstrukturen oder externe Plattformen genutzt werden, um die Geldgeber anzusprechen. Der Vorteil externer Plattformen ist 13 14
Vgl. Jährig, Schuck, Handbuch des Kreditgeschäfts, 1989, S. 317–319. Vgl. Moritz, Block Crowdfunding und Crowdinvesting, 2014.
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D. Alternativen der Kapitalaufbringung ein standardisierter Ablauf. Dabei ist die Plattform ein Informations-, Kommunikations- und Abwicklungsportal für interessierte Geldgeber und ermöglicht durch ihre Bündelungsfunktion die Senkung von Transaktionskosten. Somit ist es möglich auf einer solchen Plattform Losgrößentransformation durchzuführen, sodass viele Anleger etwa gemeinsam ein Investitionsprojekt finanzieren. Durch das Bereitstellen von Informationen und durch die Kommunikationsmöglichkeiten mit den Geldgebern wird eine Reduktion von Informationsasymmetrien zwischen Geldnehmer und Geldgeber (siehe auch Abschnitt D V 2) angestrebt. Da nach Meinung des Gesetzgebers die Informationsfunktion verbessert werden kann, reguliert seit 2015 das Kleinanlegerschutzgesetz die Nutzung des sogenannten grauen Kapitalmarktes. Danach werden etwa die maximalen Investitionsvolumina der Kleinanleger abhängig von ihrem Vermögensstand limitiert.15 Die finanzwirtschaftliche Literatur des Crowd Investing beschäftigt sich dabei vor allem mit der Erfassung von Anlegercharakteristika. Hier ist die geographische Nähe des Geldgebers zum Geldnehmer ein auffälliges Charakteristikum.16 Gerade bei initialen Finanzierungen scheinen soziale Kontakte ein typisches Merkmal von Crowd Investing zu sein. Rechnet man die damit oft einhergehend geographische Nähe von sozialen Kontakten heraus, reduzieren Plattformen viele distanzinduzierte Friktionen, die durch Informationsasymmetrien entstehen. Somit zeigt sich erstens die Wichtigkeit von Plattformen zur Überwindung von Informationsasymmetrien und zweitens ist die Dominanz der geographischen Nähe zum Geldnehmer als Entscheidungskriterium durch Plattformen deutlich abgeschwächt. Mit dem „Gesetz für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts“ vom 2. 8. 1994 hat der Gesetzgeber versucht, mittelständischen Unternehmen mit der Kleinen AG die AG als Rechtsform zu erschließen. Die Kleine AG stellt keine eigene Rechtsform dar. Es wurden aber partielle Erleichterungen im Aktiengesetz für die Kleine AG geschaffen. Aktiengesellschaften werden deshalb differenziert in AGs, die an einer Börse zugelassen sind, und AGs, die von einer Börsennotierung keinen Gebrauch machen. Die Erleichterungen für die Kleine AG betreffen u. a.: 1. die Zulassung von Ein-Personen-AGs (§ 2 AktG) in Verbindung mit besonderen Publizitätserfordernissen (§ 42 AktG) und 2. die Einberufung der Hauptversammlung (§ 121 Abs. 4 AktG). Andererseits wird die Kompetenz des Vorstandes und Aufsichtsrates zur Rücklagenbildung per Satzung eingeschränkt bzw. ganz beseitigt (§ 58 Abs. 2 Satz 2 AktG) und damit der Jahresüberschuss vollständig zur Disposition der Aktionäre gestellt.17 Bei einem homogenen Aktionärskreis ist deshalb eine individuell optimale Gestaltung der Ausschüttungspolitik möglich. Bei inhomogenen Aktionärskreis kommen die individuellen Präferenzen zum Tragen, was dann Auswirkungen auf die theoretische Modellierung hat (siehe Abschnitt D IV 6). Ein wesentlicher Nachteil der AG besteht in der Mitbestimmungspflicht der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat (Ausnahme: AG mit weniger als 500 Mitarbeitern). Die GmbH unterliegt dem Mitbestimmungsrecht der Arbeitnehmer auch nur dann, wenn mehr als 500 Mitarbeiter beschäftigt werden. Darüber hinaus wirken sich die restriktiven Bestimmungen der Prospekt- und Beratungshaftung nachteilig auf die AG aus. Die 15 16 17
Vgl. Danwerth, Crowdinvesting, 2016. Vgl. Agrawal, Catalini, Goldfarb, The Geography of Crowdfunding, 2011. Vgl. Fanselow, Stedler, Venture Capital, 1988, S. 555.
II. Außenfinanzierung Verjährungsfrist für die Prospekthaftung beträgt drei Jahre. Demgegenüber unterliegen fehlerhafte Anlageberatungen einer Verjährungsfrist von sechs Jahren. Neben einer Erleichterung für kleine Aktiengesellschaften wurden auch Erleichterungen für große international tätige Gesellschaften mit der Einführung der Societas Europaea (SE) , auch kurz Europa AG, durch die EG-Verordnung 2157/2001 über das Statut der Europäischen Gesellschaft (SE) eingeführt. Die Societas Europaea benötigt zur Gründung ein höheres Grundkapital von 120.000 Euro, bietet aber für europaweit tätige Unternehmen den Vorteil als rechtliche Einheit auftreten zu können. Dies erleichtert die Übernahme ausländischer Aktiengesellschaften mit Sitz in der Europäischen Union, die EU-weite Gründung oder Umfirmierung von Tochtergesellschaften oder auch die Verlegung des Hauptsitzes innerhalb der Europäischen Union. Da die Verordnung nur ein Rahmenwerk darstellt, das durch nationale Gesetzgebung für Aktiengesellschaften näher spezifiziert werden muss, bleiben allerdings gewisse nationale Unterschiede bestehen.
b) Beteiligungsfinanzierung von Unternehmungen mit Zugang zur Börse Das transaktionshemmende Lemon-Problem ist ausgeschaltet, wenn zwischen Veräußerer und Käufer von Unternehmensbeteiligungen keine Informationsasymmetrien bestehen und ein gut funktionierender Sekundärmarkt existiert, auf dem Unternehmensanteile jederzeit ohne größere Transaktionskosten veräußert werden können. Für die Käufer besteht in einem solchen Fall kein Grund zu Misstrauen gegenüber den Verkäufern von Anteilen, da diese keinen Informationsvorsprung besitzen. Darüber hinaus können die Käufer auch eine kurzfristige Wiederveräußerung in ihr Erwerbskalkül miteinbeziehen. Ein gut organisierter Sekundärmarkt, auf dem keine Informationssymmetrie besteht, soweit man vom Problem der Insiderinformationen absieht, liegt in Form der Wertpapierbörsen vor. Insbesondere bei Publikumsaktiengesellschaften haben Anteilsbesitzer und Anteilserwerber Zugang zu den gleichen Informationen und damit die Möglichkeit, denselben Informationsstand zu erlangen. Aktiengesellschaften (AG) und Kommanditgesellschaften auf Aktien (KGaA) können durch eine Aktienemission Eigenkapital an der Börse aufnehmen. Für den Zugang zur Börse ist die Zulassung zu einem Börsensegment entscheidend. Bei der Kommanditgesellschaft auf Aktien gelten für den persönlich haftenden Gesellschafter die gleichen Beschränkungen bezüglich der Erweiterung der Kapitalbasis wie für die Komplementäre einer KG. Der Ausdehnung der Kapitalbasis des persönlich haftenden Gesellschafters werden vor allem durch seine Vermögensverhältnisse Grenzen gesetzt. Die Kommanditaktionäre haften nur für die Erbringung ihrer Einlage. Sie haben gegenüber den Kommanditisten einer KG den Vorteil, dass ihre Anteile, insbesondere wenn sie zur Börse zugelassen sind, leichter realisiert werden können. Im Vergleich zur Aktiengesellschaft besteht jedoch der Nachteil des geringeren Einflusses der Kommanditaktionäre auf die Geschäftsführung des Komplementärs. Aus diesem Grunde ist die KGaA in der Praxis nicht sehr weit verbreitet und meist auf Familiengesellschaften beschränkt.
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D. Alternativen der Kapitalaufbringung Die Rechtsform der Aktiengesellschaft ist am besten für die Aufbringung großer Eigenkapitalbeträge geeignet. Diese besondere Eignung ist vor allem auf folgende Gründe zurückzuführen: 1. Aufteilung des Kapitals in kleine und kleinste Teilbeträge, sodass eine Beteiligung bereits mit geringem Kapital möglich ist; 2. hohe Verkehrsfähigkeit der Anteile, da sie Effekten (vgl. Abschnitt C I) darstellen und damit vertretbare Wertpapiere sind, die an der Börse gehandelt werden können; 3. die Organisationsform gestattet eine große Anzahl von Eigentümern, von denen grundsätzlich nur kapitalmäßige Interessen vorausgesetzt werden; 4. detaillierte rechtliche Ausgestaltung des Gesellschaftsvertrages durch das Aktiengesetz, das die Rechte der Eigentümer regelt und eine gewisse Sicherung für die Kapitalanlage bedeutet. Nachteilig auf AG und KGaA wirken sich jedoch die restriktiven Bestimmungen der Prospekt- und Beratungshaftung aus. Trotz der zahlreichen Vorteile ist die Aufbringung von Eigenkapital durch Aktienemissionen in der Bundesrepublik Deutschland unterentwickelt. In jüngerer Zeit war eine gewisse Tendenz zum Going Public durch Aktienemission und Börseneinführung zu beobachten (vgl. Abbildung D 4). Aus der vergleichsweise geringen Anzahl börsennotierter Aktiengesellschaften könnten sich langfristig negative Konsequenzen im Hinblick auf die Wettbewerbsfähigkeit mit anderen Marktwirtschaften, die eine effizientere Aufbringung von Risikokapital aufweisen, ergeben. Für die Ausgabe von Anteilen einer Aktiengesellschaft stehen verschiedene Aktienarten zur Verfügung. Nach dem Grad der Übertragbarkeit können Inhaberaktien, Namensaktien und vinkulierte Namensaktien unterschieden werden. Die Eigentumsübertragung einer Inhaberaktie vollzieht sich durch Einigung und Übergabe (§ 929 BGB), da sie ein Inhaberpapier darstellt. Eine Ausgabe von Inhaberaktien ist nur zulässig, wenn die Aktien voll eingezahlt sind. Ist dies nicht der Fall, so müssen Namensaktien ausgestellt werden. Die Übertragung von Namensaktien erfolgt durch Einigung, Indossament und Übergabe. Sie stellen geborene Orderpapiere dar. Zusätzlich zum Indossament ist die Eintragung des Inhabers nach Namen, Wohnort und Beruf in das Aktienbuch der Gesellschaft erforderlich. Im Verhältnis zur Gesellschaft gilt nur der als Aktionär, der als solcher auch im Aktienbuch ausgewiesen ist. Durch die Einholung des Indossaments und die Umschreibung im Aktienbuch war in der Vergangenheit die Übertragung einer Namensaktie gegenüber einer Inhaberaktie etwas schwerfälliger und der Verwaltungsaufwand höher. Als Vorteil ist dagegen zu sehen, dass eine Gesellschaft, die Namensaktien ausgibt, ihre Aktionäre kennt und Umschichtungen in den Beteiligungsverhältnissen frühzeitig ersichtlich werden. Bei der Ausgabe von Namensaktien müssen das Agio voll und vom Nennwert mindestens 25 % einbezahlt sein. Sie sind immer dann angebracht, wenn das Grundkapital nicht voll einbezahlt werden soll. Dies ist z. B. bei Rückversicherungsgesellschaften der Fall, da diese für den normalen Geschäftsbetrieb ein geringes Eigenkapital benötigen und erst bei außergewöhnlichen Schadensfällen auf ein größeres Kapital zurückgreifen müssen. Namensaktien wurden in jüngerer Vergangenheit beliebter, da die Eintragung durch die IT-Systeme in das elektronische Aktienbuch erleichtert wurde. Die Übertragung vinkulierter Namensaktien ist an die Zustimmung der Gesellschaft gebunden. Die Vinkulierung soll verhindern, dass die Anteile an Aktionäre verkauft
II. Außenfinanzierung werden, die der Gesellschaft als nicht wünschenswert erscheinen. Daher gelten solche Namensaktien auch als geeignetes Instrument zur Abwehr von Unternehmensübernahmen. Eine Vinkulierung kann z. B. dann erfolgen, wenn ein Schutz vor Überfremdung durch ausländische Kapitalanleger erfolgen soll. Die Vinkulierung ist zwingend erforderlich, wenn es sich um sogenannte Nebenleistungs-Aktiengesellschaften handelt, wenn also die Aktionäre verpflichtet sind, außer der Einlage auf das Grundkapital gewisse ständig wiederkehrende und nicht in Geld bestehende Leistungen zu erbringen (z. B. eine bestimmte Menge Zuckerrüben für eine Zuckerrübenraffinerie). Die Gesellschaft hat in einem solchen Fall ein erhebliches Interesse an der Zusammensetzung ihres Aktionärskreises, da ihr ein Wechsel der Aktionäre die Erfüllung des Gesellschaftszweckes erschweren oder sogar unmöglich machen kann. Da die Vinkulierung eine erhebliche Einschränkung der Vertretbarkeit darstellt, stellen nach herrschender Meinung vinkulierte Namensaktien keine Effekten (vgl. Abschnitt C I) dar.18 Ein weiteres Kriterium zur Unterscheidung von Aktienarten ist der Umfang der Rechte, die eine Aktienurkunde verbrieft. Hiernach kann in Stammaktien und in Vorzugsaktien unterschieden werden.19 Stammaktien sind solche Papiere, die ihrem Inhaber sämtliche im Aktiengesetz für den Normalfall vorgesehenen Rechte gewähren. Dies ist das Recht auf Teilnahme an der Hauptversammlung (HV), das Recht auf Auskunftserteilung auf der HV, das Stimmrecht, das Recht auf Dividende, das Recht auf Anteil am Liquidationserlös, das Bezugsrecht und das Recht auf Anfechtung von Hauptversammlungsbeschlüssen. Die Vorzugsaktien gewähren dagegen den Berechtigten Vorzüge hinsichtlich der Ansprüche auf Dividende, Stimmrecht, Bezugsrecht oder Liquidationserlös gegenüber den Stammaktionären. Es gibt Vorzugsaktien, die den Vorzug zusätzlich zu den übrigen Rechten gewähren (absolute Vorzugsaktien) und solche, bei denen der Vorzug mit einem Nachteil verbunden ist oder in bestimmten Konstellationen sein kann (relative Vorzugsaktien). Sie werden meist dann ausgegeben, wenn die Gesellschaft besondere Anreize zur Aktienübernahme schaffen muss, etwa bei einer Sanierung. Der Vorzug kann in einer Vorabdividende bestehen. Hierbei erhalten zunächst die Vorzugsaktionäre einen fest vereinbarten Prozentsatz an Vorzugsdividende für den Fall, dass überhaupt ein Gewinn erzielt wird. Die Stammaktionäre erhalten dann den gleichen Prozentsatz, und der Rest wird gleichmäßig auf alle Aktien verteilt. Ein Vorzug entsteht hier nur in schlechten Jahren, wenn der Gewinn nicht ausreicht, den Stammaktionären eine gleiche Dividende zu bezahlen wie den für die Vorzugsaktionäre fixierten Satz. Vorzugsaktien mit Überdividende gewähren in jedem Fall einen bestimmten Dividendenvorteil gegenüber den Stammaktionären. Bei kumulativen Vorzugsaktien besteht auch in Verlustjahren ein Anspruch auf Vorzugsdividende, der in den darauffolgenden Gewinnjahren ausgeglichen werden muss. Liegt ein zeitlich unbegrenzter Nachzahlungsanspruch für ausgefallene Vorzugsdividende vor, so garantiert die Aktie eine gewisse Mindestverzinsung. Bei stimmrechtslosen Vorzugsaktien lebt nach § 140 Abs. 2 AktG bei Rückständigkeit der Dividendenzahlung für ein oder mehrere Jahre das volle Stimmrecht der Vorzugsaktionäre wieder auf, bis die Rückstände beglichen sind. Bei limitierten Vorzugsaktien ist die Vorzugsdividende auf einen bestimmten Höchstbetrag festgesetzt. Übersteigt der Gewinn die zur Befriedigung der Vorzugsaktionäre erforderliche Summe, so wird der Überschuss allein an die Stammaktionäre 18 19
Vgl. Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht 1995, 22 f. Vgl. ausführlich Doerks, Stamm- und Vorzugsaktien, 1992.
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D. Alternativen der Kapitalaufbringung verteilt. Limitierte Vorzugsaktien sind daher nur bei schlechter Ertragslage vorteilhaft, und sie können sich bei guten Geschäftsjahren in einen Nachteil verwandeln. Stimmrechtsvorzugsaktien gewähren dem Vorzugsaktionär ein mehrfaches Stimmrecht in der Hauptversammlung. Das mehrfache Stimmrecht kann sich auf alle Beschlussfassungen erstrecken oder auf besondere in der Satzung festgelegte Fälle beschränken. Eine Ausgabe von Mehrstimmrechtsaktien ist nach § 12 Abs. 2 AktG nicht mehr zulässig. Sie widerspricht dem Grundsatz, dass jeder nur so viel Rechte haben soll, wie er aufgrund seiner Kapitalbeteiligung beanspruchen kann. Soweit Mehrstimmrechtsaktien sich im Umlauf befinden, stammen sie aus der Zeit vor dem Inkrafttreten des Aktiengesetzes von 1937. Ein weiteres Unterscheidungskriterium für die Aktienarten bildet die Methode der Zerlegung des Grundkapitals in die einzelnen Anteile. Hiernach sind Nennwertaktien und Quotenaktien zu unterscheiden. Nennwertaktien lauten auf einen bestimmten, in Geldeinheiten ausgedrückten Nennbetrag. Nach dem deutschen Aktiengesetz muss der Nennwert mindestens 1 € betragen. Aus der Summe der Aktiennennbeträge ergibt sich das Grundkapital. Eine Ausgabe unter dem Nennwert darf nicht erfolgen. Werden diese Aktien über pari, d. h. über dem Nennwert, ausgegeben, so ist der über den Nennwert hinausgehende Betrag der Kapitalrücklage zuzuführen. In Deutschland sind sowohl Nennwertaktien als auch nennwertlose Aktien in der Form von Stückaktien zugelassen. Die Bestimmungen für nennwertlose Stückaktien sind im StückAG vom 1. 4. 1998 geregelt. Die Einführung von Stückaktien setzt voraus, dass in der Satzung die Anzahl der insgesamt umlaufenden Aktien angegeben wird. Aufgrund dieser satzungsmäßigen Regelung ist weder eine Nennwert- noch eine Quotenangabe erforderlich. Um dennoch der in der deutschen Rechnungslegung vorherrschenden Zielsetzung des Gläubigerschutzes zu genügen, wird weiterhin an einem festen Grundkapital festgehalten. Deshalb darf das auf eine Stückaktie entfallende Grundkapital nicht unter 1 € fallen. Unbegrenzte Aktiensplits sind aus diesem Grund nicht möglich. Damit einhergehend ist eine Emission von Stückaktien für einen geringeren Betrag als den fiktiven Nennwert, d. h. den auf eine Stückaktie entfallenden anteiligen Betrag des Grundkapitals, nicht zulässig (§ 9 Abs. 1 AktG). Quotenaktien drücken dagegen die Beteiligung in einer bestimmten Quote am Reinvermögen aus, wie etwa ein Tausendstel oder ein Zehntausendstel. Die Quotenaufteilung richtet sich nach der Anzahl der ausgegebenen Aktien. Zu- oder Abnahmen des Reinvermögens, soweit sie auf Selbstfinanzierung zurückzuführen sind, verändern den nominellen Wert der Quote nicht, sie beeinflussen jedoch ihren realen Wert, der sich im Kurswert ausdrückt. So ist z. B. bei einer Kapitalherabsetzung im Falle einer Sanierung keine Herabstempelung eines Nennwertes erforderlich, da der quotenmäßige Anteil am verringerten Kapital gleichbleibt. Quotenaktien müssen stets zu Stückkursen notiert werden. In Deutschland werden seit 1967 auch Nennwertaktien zu Stückkursen notiert, während früher die Prozentnotierung üblich war. In den USA haben die Stammaktien meist die Form von Quotenaktien, während die Vorzugsaktien i. d. R. als Nennwertaktien ausgegeben werden. Der Nachteil der Nennwertaktie gegenüber der Quotenaktie wird vielfach darin gesehen, dass sie zu der irrigen Auffassung verleitet, der auf der Aktie aufgedruckte Nennbetrag sei ihr Wert und die Rendite ergebe sich aus der Relation von Dividende und Nennbetrag. Nennbetrag und Kurswert einerseits und Dividende und Rendite andererseits werden aber stets differieren. Die Möglichkeit der Kapitalerhöhung ist beschränkt, wenn der Aktienkurs unter dem Nennwert notiert. Hinsichtlich Aktienemissionen müssen Erstemissionen, d. h. Going Public von bisher nicht börsennotierten AGs bzw. KGaAs und Kapitalerhöhungen börsennotierter Unter-
II. Außenfinanzierung nehmen, unterschieden werden. Erstemissionen charakterisieren im Rahmen der externen Eigenfinanzierung die erstmalige Veräußerung von Aktien als verbriefte Anteile an externe Kapitalgeber an organisierten Finanzmärkten. Die Emissionserlöse fließen den Unternehmen zu und dienen diesen zur Verbesserung der Eigenkapitalausstattung. Grundsätzlich stellen Emissionen öffentliche Angebote zur Zeichnung der Aktien dar. Dies wird i. d. R. mit einer Börseneinführung verbunden, um die Handelbarkeit der Aktien am Sekundärmarkt zu gewährleisten. Die Börseneinführung zum Regulierten Markt oder Freiverkehr erfolgt auf Antrag des Emittenten gemäß den Vorschriften des Börsengesetzes (§§ 32, 48 BörsG) sowie der Börsenzulassungs-Verordnungen. Alternativ kann die Ausgabe von neuen Aktien am grauen Kapitalmarkt oder über das Internet erfolgen. Insbesondere die letztgenannte Möglichkeit eröffnet Unternehmen die Chance, ein breites Publikum anzusprechen. Zusätzlich können dabei die z. T. restriktiven Börsenvorschriften umgangen werden. Allerdings setzen einige Emissionsplattformen im Internet ähnlich restriktive Anforderungen im Sinne des Anlegerschutzes. Lediglich das Emissionsvolumen kann dabei geringer ausfallen. Die Emissionskosten einer Internet-Emission sind ebenfalls geringer. Die erste deutsche Internet-Emission wurde durch die Internet 2000 AG mithilfe der Emissionsplattform WebStock AG durchgeführt. Aktienemissionen am Kapitalmarkt sollen langfristig eine hinreichende Eigenkapitalbasis für den Emittenten gewährleisten.
Abb. D 4: Aktienemissionen deutscher Emittenten in Mrd. € 20
Kapitalerhöhungen bereits börsennotierter Unternehmen dienen gleichfalls der Erweiterung der Eigenkapitalbasis. Das deutsche Aktiengesetz unterscheidet verschiedene Formen der Kapitalerhöhung: 1. Kapitalerhöhungen, die zu einer Erweiterung der Eigenkapitalbasis führen und damit Beteiligungsfinanzierung darstellen: 1.1. ordentliche Kapitalerhöhung, d. h. Kapitalerhöhung gegen Einlagen (§§ 182 bis 191 Aktiengesetz), 1.2. bedingte Kapitalerhöhung (§§ 192 bis 201 Aktiengesetz), 1.3. genehmigtes Kapital (§§ 202 bis 206 Aktiengesetz). 2. Umschichtungen innerhalb des Eigenkapitals ohne Beteiligungsfinanzierungseffekt:
Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln (§§ 207 bis 220 Aktiengesetz). 20
Quelle: Deutsche Bundesbank, Kapitalmarktstatistik Januar 2021.
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D. Alternativen der Kapitalaufbringung Das Eigenkapital einer Aktiengesellschaft setzt sich aus Grundkapital und (Kapital und Gewinn) Rücklagen zusammen. Das Grundkapital ist nach unten auf 50 000 € begrenzt und muss bei Bareinlagen mindestens zu 25 % einbezahlt werden. Auch bei jeder Neuemission von Aktien müssen mindestens 25 % des Erhöhungskapitals eingezahlt werden. Sacheinlagen müssen zu 100 % geleistet werden. Kapitalerhöhungen bedürfen der Dreiviertel-Mehrheit des auf der Hauptversammlung vertretenen Grundkapitals. Sind verschiedene Aktiengattungen vorhanden (Stammaktien und Vorzugsaktien), so muss die Dreiviertel-Mehrheit bei jeder Aktiengattung getrennt erzielt werden. Eine ordentliche Kapitalerhöhung erfolgt durch Ausgabe von neuen („jungen“) Aktien. Die bisherigen Aktionäre besitzen dabei ein Bezugsrecht entsprechend ihrer Beteiligung. Das Bezugsrecht kann nur durch Beschluss der Hauptversammlung mit Dreiviertel-Mehrheit des vertretenen Aktienkapitals ausgeschlossen werden. Man unterscheidet zwischen einem rein formellen und einem materiellen Ausschluss des Bezugsrechtes. Der formelle Ausschluss dient der Erleichterung des Emissionsvorgangs. Von der Unternehmung werden die jungen Aktien an ein Bankenkonsortium gegeben, wobei sich jedoch die Banken verpflichten, den Altaktionären die jungen Aktien gemäß dem Bezugsrecht anzubieten. Bei materiellem Ausschluss werden die jungen Aktien den Altaktionären nicht angeboten. Ein solcher Ausschluss ist z. B. bei Fusionen oder bei der Ausgabe von Belegschaftsaktien erforderlich. Das Bezugsrecht dient dem Schutz der Vermögensinteressen der Altaktionäre. Erhalten die Altaktionäre kein Bezugsrecht, so erleiden sie einen Vermögensverlust durch das Absinken des Aktienkurses nach erfolgter Kapitalerhöhung. Die offenen und stillen Reserven verteilen sich nach der Erhöhung auf mehr Anteilseigner (Kapitalverwässerung). Zum Vermögensverlust käme eine für die Altaktionäre unabwendbare Verschiebung der Stimmverhältnisse hinzu. Das gesetzliche Bezugsrecht soll den Altaktionär vor materiellen und immateriellen Verlusten schützen. Es besitzt i. d. R. einen monetären Wert. Der rechnerische Wert eines Bezugsrechts (vgl. das Beispiel in Abbildung D 5) wird durch folgende Faktoren bestimmt: 1. Bezugsverhältnis, 2. Bezugskurs der jungen Aktien, 3. Börsenkurs der alten Aktien. Das Bezugsverhältnis ergibt sich aus der Relation bisheriges Grundkapital zu Erhöhungskapital. Es drückt aus, wie viele Altaktien erforderlich sind, um eine neue Aktie zu beziehen. Bei einer Erhöhung des Grundkapitals z. B. um 20 % ergibt sich ein Bezugsverhältnis von 5:1, d. h. auf fünf alte Aktien kann eine neue Aktie bezogen werden. Juristische Untergrenze für den Bezugskurs der jungen Aktien ist der Nominalwert (pari). Als wirtschaftliche Untergrenze gilt der Nominalwert plus anteilige Emissionskosten. Da ein Anreiz vorhanden sein muss, junge Aktien zu kaufen, müssen diese billiger sein als Altaktien, sodass die wirtschaftliche Obergrenze für den Ausgabekurs der jungen Aktien der Börsenkurs der alten Aktien darstellt. Die richtige Wahl der Höhe des Bezugskurses der jungen Aktien ist ein wichtiger Faktor für das Gelingen oder Scheitern einer Kapitalerhöhung. Als Orientierungshilfen können der Buchwert der Aktien, definiert als
Bilanzkurs
bilanziertes Eigenkapital 100% Grundkapital
oder ein Ertragskurs nach Abschnitt C III und D IV dienen.
II. Außenfinanzierung Beispiel zur Berechnung des Werts eines Bezugsrechts Aktienkapital bisher 2 Mio. GE, eingeteilt in 2.000.000 Aktien zum Nennwert von 1,– GE; Erhöhung des gezeichneten Kapitals 1 Mio. GE; damit Bezugsverhältnis 2:1; Börsenkurs der alten Aktien: 125,– GE pro 1,– GE; Ausgabekurs der jungen Aktien: 100,– GE pro 1,– GE; Kurs, der sich nach erfolgter Kapitalerhöhung ergibt = 116,67 GE. (2 · 125 + 100 = 350; 350:3 = 116,67) Wertverlust pro Altaktie und damit rechnerischer Wert des Bezugsrechtes = 8,33 GE oder Berechnung mit Formel: B
125 100 2 y 1 1
8,33
Ein eventueller Dividendennachteil der jungen Aktien (z. B. nicht für das ganze Geschäftsjahr dividendenberechtigt) ist in der Formel zur Berechnung des Bezugsrechtes in Form eines Zuschlags zum Ausgabekurs zu berücksichtigen. Wäre die im vorangegangenen Beispiel angeführte junge Aktie nur für 10 Monate dividendenberechtigt, so würde dies bei einer erwarteten Dividende von 1,2 GE für die alte Aktie einen Nachteil von 0,2 GE pro junger Aktie bedeuten. Der rechnerische Wert des Bezugsrechtes beträgt dann
B
Kurs alte Aktie/(Ausgabekurs neue Aktie Dividendennachteil) Bezugsverhältnis 1 125 (100 0,2) 8,27 GE 2 y 1 1 Abb. D 5: Beispiel zur Berechnung des Werts eines Bezugsrechts
Ertragskurs
Ertragswert der Unternehmung 100% Grundkapital
Der rechnerische Wert des Bezugsrechts ergibt sich nach der Formel:
Börsenkurs der alten Aktien ./. Bezugswert der jungen Aktien Bezugsverhältnis 1 Eine Ausnahme von der Kapitalerhöhung mit Bezugsrecht stellt die bereits erwähnte Kapitalerhöhung unter Ausschluss des Bezugsrechts dar. Um den Vermögensverlust für die Altaktionäre zu beschränken, darf diese Form der Kapitalerhöhung nur durchgeführt werden, falls der Bezugskurs der neuen Aktien mindestens 95 % des aktuellen Börsenkurses der alten Aktien beträgt und neue Aktien im Volumen von maximal 10 % des bisherigen Grundkapitals angeboten werden. Von letzterer Regel darf nur bei Vorliegen triftiger Gründe, wie etwa der Neuemission oder der Fusion mit einer anderen Gesellschaft abgewichen werden. Bezugsrechte können gekauft und verkauft werden. Zu diesem Zweck wird das Bezugsrecht an der Börse gehandelt und auch selbständig notiert. Der tatsächliche Wert des Bezugsrechtes richtet sich dabei nach Angebot und Nachfrage und kann mitunter erheblich vom rechnerischen Wert abweichen. Der Wert des Bezugsrechtes wird neben
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D. Alternativen der Kapitalaufbringung dem Zeitpunkt der Dividendenberechtigung der jungen Aktien von der Dividendenerwartung und der Erwartung über die zukünftige Kursentwicklung beeinflusst. Die Wahl eines falschen Emissionszeitpunktes, wie etwa in einer anhaltenden Baisse, verringert nicht nur den Wert des Bezugsrechtes, sondern kann auch die Aufnahme der Aktien durch den Markt gefährden. Hat die Unternehmung bei gleicher Anzahl neuer Aktien einen hohen Bezugskurs für die junge Aktie gewählt, so ist auch der Finanzierungseffekt hoch, da der Unternehmung durch das Agio zusätzliche Mittel zugeführt werden, ohne dass das dividendenberechtigte Kapital in gleichem Ausmaße steigt. Ein zu hoher Bezugskurs kann jedoch dazu führen, dass viele Altaktionäre kapitalmäßig nicht in der Lage sind, die jungen Aktien zu übernehmen. Sie müssen dann ihre Bezugsrechte verkaufen, wodurch ihre bisherige Beteiligungsquote verschlechtert wird. Der Bezugskurs der jungen Aktien muss bereits vor dem börsenmäßigen Handel der Bezugsrechte festgelegt werden. Zwischenzeitlich kann sich der Kurs der alten Aktien frei verändern. Ein zu hoher Bezugskurs der jungen Aktien birgt die Gefahr in sich, dass der Kurs der alten Aktien innerhalb der Bezugsfrist unter den Neuausgabekurs fällt. Die Emission kann dann nur gewährleistet werden, wenn massive Kursstützungskäufe erfolgen. Niedrige Bezugskurse erleichtern c. p. dagegen i. d. R. die Ausübung des Bezugsrechts. Für die Unternehmung besitzen sie jedoch den Nachteil, dass ihr weniger Mittel zufließen und somit der Finanzierungseffekt geringer ist. Je niedriger der Bezugskurs, umso stärker ist auch die Kapitalverwässerung, d. h. eine Verschlechterung der Relation von offenen zu stillen Reserven zum Grundkapital. Für die Unterbringung der Kapitalerhöhung am Kapitalmarkt sind verschiedene Emissionsformen möglich. Hinsichtlich des Emissionsweges kann man in Selbstemission und Fremdemission unterscheiden. Bei der Selbstemission übernimmt der Emittent selbst die Platzierung seiner Wertpapiere am Kapitalmarkt. Da dies ein verzweigtes Vertriebssystem oder einen direkten Zugang zur Börse erfordert, ist die Selbstemission in Deutschland bei Industriebetrieben nicht üblich. I. d. R. beschreiten Kreditinstitute den Weg der Selbstemission, meist aber auch nur für den Absatz von Pfandbriefen, Kommunalobligationen u. a. Der übliche Emissionsweg für Unternehmungen ist die Fremdemission. Hierbei werden die jungen Aktien von einem Kreditinstitut oder von einer Gruppe von Banken, einem sogenannten Bankenkonsortium, übernommen. Treten die Banken dabei nur als Kommissionär auf, so spricht man von einem Begebungskonsortium. Das Risiko des Absatzes der Wertpapiere verbleibt bei der emittierenden Unternehmung. Die Emission von Aktien eröffnet beide Möglichkeiten für das Unternehmen. Bspw. können die Aktien über eine it-basierte Plattform selbst emittiert werden. Übernehmen dagegen die Banken den gesamten Wertpapierbetrag fest und stellen der Unternehmung den Gesamterlös sofort zur Verfügung, so spricht man von einem Übernahmekonsortium. Das Emissionsrisiko liegt in diesem Falle bei den Banken. Für die Tätigkeit des Bankenkonsortiums muss die Unternehmung eine Provision zahlen. Für die Unterbringung beim Publikum stehen verschiedene Emissionsmethoden zur Verfügung: Subskription, Bezugsangebot, freihändiger Verkauf mit und ohne Börse. Bei der Subskription erfolgt eine öffentliche Auflegung zur Zeichnung der Papiere. Die Subskription ist nur bei Gründung oder Erstausgabe von Aktien üblich (z. B. Ausgabe der „Volksaktien“). Häufiger kommt die Subskription beim Verkauf von Anleihen und Obligationen zur Anwendung. Das Bezugsangebot ist die gegebene Emissionsform bei Kapitalerhöhung einer Aktiengesellschaft, wenn das Bezugsrecht der Altaktionäre nicht
II. Außenfinanzierung materiell ausgeschlossen wird. Den Altaktionären werden die jungen Aktien schriftlich zum Bezug angeboten. Beim freihändigen Verkauf erfolgt der Absatz der Effekten sukzessive, entweder über ein eigenes Vertriebssystem (z. B. Pfandbriefe und Obligationen über den Bankschalter) oder durch Verkauf an der Börse entsprechend der Nachfrage. Für letzteres ist die Zulassung des Wertpapiers zum Handel an einer Börse Voraussetzung. Über den Zulassungsantrag entscheidet ein Zulassungsausschuss der jeweiligen Börse. Der Zulassungsantrag muss vom Emittenten zusammen mit einem Kreditinstitut, einem Finanzdienstleistungsinstitut oder einem Unternehmen, das nach § 53 Abs. 1, Satz 1 oder § 53b Abs. 1, Satz 1 des Gesetzes über das Kreditwesen tätig ist, gestellt werden, das an einer inländischen Börse vertreten ist. Für die Zulassung ist ein Börsenprospekt erforderlich, der die zur Beurteilung des Emittenten und der Emission erforderlichen Informationen enthält. Bei einer Zulassung im Freiverkehr sind die Anforderungen erheblich geringer. So kann etwa auf die Mitwirkung eines Kreditinstituts verzichtet werden. Zentrale Bedeutung bei Wertpapieremissionen nehmen die Emissionsverfahren im Zusammenhang mit der Preisfindung ein. Hinsichtlich der Gestaltung dieser Prozesse werden Festpreisverfahren, Tender-Verfahren sowie das Bookbuilding-Verfahren unterschieden. Liegt dem Zeichnungsangebot ein bestimmter Zeichnungspreis zugrunde, handelt es sich um Festpreisverfahren. Charakteristisch dafür ist die parallele Festlegung von Emissionspreis und Emissionsvolumen. Konsequenz dessen sind häufige Überzeichnungen oder Unterzeichnungen bei Aktienemissionen, da Nachfrage- oder Angebotsüberhänge nicht mithilfe des Preismechanismus ausgeglichen werden können. Die Bestimmung des Emissionspreises erfolgt i. d. R. auf der Grundlage fundamentaler Unternehmensbewertungsmodelle. Ergänzt werden diese durch Kennzahlenvergleiche mit ähnlichen Unternehmen, z. B. der gleichen Branche. Aktuelle Marktentwicklungen, repräsentiert durch die Nachfragesituation, finden bei diesem Verfahren keine Berücksichtigung. Die ineffiziente Allokation der emittierten Wertpapiere kann zu erheblichen Abweichungen des realisierten Marktpreises vom fixierten Emissionspreis führen. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn Konsortialbanken nicht platzierte Aktien am Sekundärmarkt veräußern und damit das freie Spiel der Marktkräfte durch unverhältnismäßig hohe Aktienumschichtungen belasten. Eine instabile Platzierung gefährdet das aktuelle und zukünftige Emissionsverfahren. Während in der Bundesrepublik Deutschland Emissionsverfahren mit Preisfestsetzung dominierten, wurden international häufig Auktionsverfahren ohne Preisfestsetzung gewählt. Die Anleger übermitteln dabei ihre Zeichnungswünsche unter Angabe ihrer Preis- und Mengenpräferenzen an den Emittenten oder das Emissionskonsortium. Auf der Basis der Gesamtheit der eingereichten Gebote erfolgt anschließend die Zuteilung der Emission auf die Zeichner mit den höchsten Geboten. Grundsätzlich werden diskriminierende und kompetitive Auktionsverfahren unterschieden. Wird die Zuteilung der Aktien zu den individuellen Preisgeboten der Investoren, d. h. zu unterschiedlichen Preisen, vorgenommen, liegt ein diskriminierendes Tender-Verfahren (amerikanischer Tender) vor. Demgegenüber wird bei einem kompetitiven Auktionsverfahren (holländischer Tender) ein markträumender einheitlicher Preis festgelegt. I. d. R. werden Tender-Verfahren so modifiziert, dass unrealistisch hohe bzw. unlimitierte Angebote nicht berücksichtigt werden und so eine weit gehende Identität von Gleichgewichtspreis und Zuteilungspreis erreicht werden kann. Für Emittenten stellen Emissionsverfahren in der dargestellten Tenderform eine sinnvolle Methode zur Aufnahme externen Eigenkapitals dar, da die Marktkräfte bei der Emissionspreisfindung berücksichtigt,
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D. Alternativen der Kapitalaufbringung die Emissionserlöse optimiert und die Kosten der Emission reduziert werden. Alle am Markt entscheidungsrelevanten Informationen reflektieren sich in den Geboten. Dies begrenzt spekulative Einflüsse und trägt zu einer stabilen Platzierung der Wertpapiere bei. Oftmals will der Emittent nicht dem vollen Kursrisiko ausgesetzt sein. Deshalb wird häufig das Bookbuilding-Verfahren gewählt. Aktienemissionen unterliegen einem natürlichen Zielkonflikt zwischen Emittent und Investor hinsichtlich der Höhe des Emissionspreises. Emittenten sind an möglichst hohen Emissionspreisen, Investoren an möglichst geringen Emissionskursen interessiert. Das international etablierte und in Deutschland verstärkt eingesetzte Bookbuilding-Verfahren versucht einen Ausgleich zwischen den divergierenden Interessen herbeizuführen. Bei diesem Platzierungsverfahren werden die Investoren direkt in die Preisfindung einbezogen. Der Konsortialführer (Lead Manager) fungiert hierbei als Bookrunner, der die gesamten Zeichnungswünsche einschließlich der Preisvorstellungen erfasst. Eine Besonderheit besteht neben der quantitativen Unterscheidung der Zeichnungsgebote in einer qualitativen Klassifizierung. Diese wird dadurch realisiert, dass ab einem bestimmten Zeichnungsvolumen die Identität des Investors offengelegt werden muss. Der Bookrunner kann dann erkennen, zu welchen Preisen welche Volumina bei bestimmten Investoren platzierbar sind, d. h. der Emittent kann seine zukünftige Eigentümerstruktur detailliert auswählen und den Emissionspreis in Abhängigkeit der Nachfrage der einzelnen Qualitätskategorien festlegen. Die Emittenten nehmen beim Bookbuilding-Verfahren eine aktivere Rolle als bei anderen Verfahren ein. Die Integration in den Emissionsprozess ermöglicht ihnen die Beeinflussung des Meinungsbildungsprozesses und damit eine Stimulierung des Emissionspreises. Analog zu den Emittenten erfolgt eine aktive Einbindung der Investoren während der Preisfindungsphase. Großinvestoren mit eigenständigen Bewertungsvorstellungen können deshalb den Emissionspreis wesentlich nach ihren Vorstellungen mitgestalten. Die Abgabe von limitierten Zeichnungswünschen ermöglicht darüber hinaus die Ermittlung der Preissensitivität der Nachfrage. Privaten Investoren wird mit der Limitierung ein bewährtes Sekundärmarktinstrument für Orders bei Erstemissionen zugänglich gemacht. Der Vorteil des Bookbuilding-Verfahrens gegenüber den anderen dargestellten Verfahren liegt in seiner hohen Transparenz und der gezielten marktgerechten Gestaltung der Platzierungen. Dem stehen die Unsicherheit des Emittenten hinsichtlich des Emissionspreises sowie ein hoher Marketingaufwand gegenüber. Bei der bedingten Kapitalerhöhung ist die effektive Erhöhung des Aktienkapitals von der Ausübung von Bezugs- und Umtauschrechten abhängig. Der Beschluss der Hauptversammlung zu einer bedingten Kapitalerhöhung muss Zweck, Bezugsberechtigte und Ausgabebetrag enthalten. Der Nominalbetrag der bedingten Kapitalerhöhung darf die Hälfte des im Zeitpunkt der Beschlussfassung vorhandenen Grundkapitals nicht übersteigen. Das bedingte Kapital ist als Bilanzvermerk auszuweisen. Bedingte Kapitalerhöhungen sollen nach § 192 Aktiengesetz nur zu folgenden Zwecken erfolgen: 1. zur Abdeckung der Umtauschrechte in Aktien, die den Inhabern von Wandelschuldverschreibungen und wegen der sachlichen Parallelität auch von Optionsschuldverschreibungen zustehen (vgl. auch Abschnitt D II 3 b); 2. zur Vorbereitung von Unternehmenszusammenschlüssen; 3. zur Gewährung von Bezugsrechten an Arbeitnehmer im Rahmen einer Gewinnbeteiligung der Belegschaft.
II. Außenfinanzierung Beim genehmigten Kapital ermächtigt die Hauptversammlung den Vorstand der Aktiengesellschaft für längstens fünf Jahre das Grundkapital bis zu einem bestimmten Nennbetrag, der die Hälfte des bisherigen Grundkapitals nicht überschreiten darf, ohne erneutes Befragen der Hauptversammlung, jedoch mit Zustimmung des Aufsichtsrates, zu erhöhen. Das genehmigte Kapital gestattet es dem Vorstand, den Zeitpunkt der Kapitalerhöhung frei zu wählen und damit eine günstige Lage auf dem Kapitalmarkt abzuwarten. Die Möglichkeit des genehmigten Kapitals hat die vor 1937 üblichen Vorratsaktien überflüssig gemacht. Beschließt die Hauptversammlung den materiellen Ausschluss des gesetzlichen Bezugsrechtes der Aktionäre, so kann der Vorstand die Aktien der Belegschaft anbieten oder sie zum jeweiligen Tageswert an der Börse veräußern. Die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln ist nicht zur Beteiligungsfinanzierung zu zählen, da der Unternehmung dabei keine neuen Mittel zufließen, sondern nur Teile der im Wege der Innenfinanzierung gebildeten offenen Rücklagen durch Ausgabe von Zusatzaktien in dividendenberechtigtes Grundkapital umgewandelt werden. Bilanzmäßig wirkt sich die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln als Passivtausch aus: Die offenen Rücklagen vermindern sich, und das Grundkapital erhöht sich um den gleichen Betrag; die Aktivseite bleibt davon vollkommen unberührt. Die ausgegebenen Zusatzaktien werden vielfach auch fälschlich als Gratisaktien bezeichnet. Hierbei wird der Wertverlust der ursprünglichen Aktie nach erfolgter Kapitalumschichtung nicht berücksichtigt. Die Zusatzaktien stehen den bisherigen Aktionären im Verhältnis ihrer Anteile am bisherigen Grundkapital zu. Der Aktionär stellt sich vermögensmäßig vor und nach der Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln gleich, ebenso wie sich das Realvermögen der Unternehmung nicht ändert. Die Kapitalumschichtung erfolgt häufig, um den Kurswert der Aktie zu ermäßigen und damit ihre Verkäuflichkeit zu erhöhen, teilweise aber auch, um hohe Dividendensätze, die gegenüber der Öffentlichkeit als ungünstig angesehen werden, zu senken. Im Unterschied zu der Ausgabe von neuen Aktien kann das Grundkapital einer Aktiengesellschaft durch den Rückkauf eigener Aktien reduziert werden. In Deutschland unterliegt der Erwerb eigener Aktien § 71 AktG. Eine Aktiengesellschaft kann demnach maximal 10 % des Grundkapitals aufgrund einer 18 Monate geltenden Ermächtigung der Hauptversammlung zurückkaufen. Die Ermächtigung muss dabei das maximale und das minimale Rückkaufsvolumen enthalten. Dabei darf der Rückkauf eigener Aktien nicht dem Handel in eigenen Aktien dienen. Die Ursachen für einen Rückkauf eigener Aktien sind vielfältig. Insbesondere spielen folgende Motive eine Rolle:21 1. Liquiditätsüberschüsse: Falls eine AG durch die laufende Geschäftstätigkeit mehr freie Zahlungsüberschüsse (Free Cashflows) erzeugt als für die Realisierung von Investitionsmöglichkeiten mit positivem Kapitalwert erforderlich ist, kann die Ausschüttung der Liquiditätsüberschüsse sinnvoll sein. Die Aktionäre können die freigesetzten Mittel dann anderen Investitionen mit positivem Kapitalwert zuführen. Dies erhöht die Diversifikationsspielräume für die Aktionäre und ist volkswirtschaftlich vorteilhaft, da die freigesetzten Mittel einer effizienten Verwendung zugeführt werden. 2. Kapitalstruktureffekt: Besteht die optimale Kapitalstruktur (mehr Fremd- und weniger Eigenkapital), kann der Unternehmenswert durch die Substitution von Eigen- durch Fremdkapital ge21
Vgl. Brühl, Singer, Share Buybacks als Element der Eigenfinanzierungsstrategie, 1998, S. 612 ff.
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D. Alternativen der Kapitalaufbringung steigert werden, da Zinsaufwendungen ertragsteuerlich abzugsfähig sind (vgl. Abschnitt D IV). 3. Signalwirkung: Durch einen Rückkauf eigener Aktien signalisiert der Vorstand einer Aktiengesellschaft, dass er die eigenen Aktien für unterbewertet hält. Ein derartiger Aktienrückkauf ist nur dann sinnvoll, wenn der Kapitalwert der Transaktion positiv ist. Demnach muss der Barwert der auf die zurückgekauften Aktien entfallenden Zahlungsüberschüsse höher als der Rückkaufskurs sein. Auf diese Weise übermittelt der Vorstand der AG gegebenenfalls Insiderinformationen an den Kapitalmarkt und reduziert die Informationsnachteile der Aktionäre. Das Signal ist wirksam, da ein Liquiditätsabfluss stattfindet und der Vorstand der AG diese nicht mehr anderweitig, teils auch für eigene Ziele einsetzen kann. Vom Rückkauf eigener Aktien ist der Aktienrückkauf zur Kapitalherabsetzung durch Einziehung von Aktien nach §§ 237–239 AktG zu unterscheiden. Er ist an die wesentlich strengeren Voraussetzungen der ordentlichen Kapitalherabsetzung, wie etwa einem Beschluss der Hauptversammlung mit Dreiviertelmehrheit, geknüpft. Ferner werden die bei der Durchführung eingezogen Aktien vernichtet und das Grundkapital um den entsprechenden Betrag gesenkt.
c) Besonderheiten der internationalen Beteiligungsfinanzierung aa) Depository Receipts (DR) Deutsche Unternehmen stellen immer häufiger Überlegungen an, den Zugang zu ausländischen Eigenkapitalmärkten im Allgemeinen und zum US-amerikanischen Eigenkapitalmarkt im Besonderen zu suchen. Zwar trägt die große Aufnahmefähigkeit der ausländischen Märkte in entscheidender Weise zum Erfolg der Eigenkapitalbeschaffung und der Platzierung bei, jedoch besteht noch Unsicherheit bezüglich der Platzierungsverfahren und des damit verbundenen Aufwands. Zudem weist etwa der amerikanische gegenüber dem europäischen Aktienmarkt, z. B. im Hinblick auf die strenge Wertpapieraufsicht, zahlreiche Besonderheiten auf. Auch wird das Problem einer etwaigen Bilanzierung gemäß den amerikanischen Bilanzierungsgrundsätzen US-GAAP diskutiert. Neben der direkten Platzierung von Aktien, die aufgrund der restriktiven Wertpapieraufsicht sehr aufwändig ist, werden die Aktien ausländischer Unternehmen häufig als Depository Receipts (DRs), in den USA als American Depository Receipts (ADRs), platziert. Dabei handelt es sich um Wertpapiere, die Rechte an zugrunde liegenden Aktien verbriefen. Letztere werden von der DRs ausgebenden Bank gehalten. Ein Investor kann sowohl Aktien bei der Hinterlegungsstelle in DRs tauschen als auch zum Zwecke der Ungültigmachung zurückgeben und die Aktien zurücknehmen.22 Sowohl für Investoren als auch für Emittenten ist die Verwendung von DRs bei ausländischen Unternehmen sinnvoll. Während Investoren dadurch Anteile ausländischer Unternehmen in Form von DRs erwerben können, bei denen die Einlösung in der im Ausland üblichen Form erfolgt, ermöglicht die Verwendung von ADRs den Emittenten eine Anpassung an die Usancen des ausländischen Marktes. Im Allgemeinen unterliegt der Handel mit DRs den gleichen Anforderungen wie ein direkter Handel mit Aktien. 22
Vgl. Meier, Zugang zum US-amerikanischen Eigenkapitalmarkt, 1994, S. 244.
II. Außenfinanzierung Zumeist werden bei deutschen Unternehmen für den amerikanischen Markt sogenannte unsponsored ADRs durch eine amerikanische Hinterlegungsbank aufgelegt, wobei keine Mitwirkung der Emittenten erfolgt. Diese Form der ADRs bezieht sich folglich auf Altaktien. Die Kosten eines solchen Programms werden von den Investoren getragen, während sponsored ADRs mit finanzieller Unterstützung des Emittenten aufgelegt werden. Letztere können sich sowohl auf Alt- als auch Neuaktien beziehen.
bb) Tracking Stocks Seit einigen Jahren werden an amerikanischen Börsen sogenannte Tracking Stocks23 (Geschäftsbereichsaktien) gehandelt, die auf dem deutschen Aktienmarkt mit einer Ausnahme24 noch weitgehend unbekannt sind. Mit Tracking Stocks (auch Alphabet Stocks, Letter Stocks, Targeted Stocks genannt) bezeichnet man eine börsennotierte Gattung von Stammaktien, die – bei Gewährung der üblichen Aktionärsrechte an dem gesamten Gesellschaftsvermögen – die mit dem Eigentum an der Aktie verbundenen Vermögensrechte (insbes. Gewinnbeteiligung, Liquidationserlös) auf einen Teilgeschäftsbereich oder eine Tochtergesellschaft des Emittenten beschränken. Die Begriffe Alphabet Stocks (Alphabetaktien) und Letter Stocks (Buchstabenaktien) gehen auf die Namensgebung von Aktiengattungen durch die General Motors Corp. (GM) zurück. GM bezeichnete die im Zusammenhang mit dem Erwerb von Electronic Data Systems (EDS) 1984 und von Hughes Aircraft 1985 emittierten Aktien als Class E- bzw. Class H-Stock. Demgegenüber sind die Bezeichnungen Tracking Stocks bzw. Targeted Stocks an den ökonomischen Hintergrund dieser Aktienart angelehnt. „To track“ bzw. „to target“ bedeutet wörtlich „verfolgen“, „nachführen“ bzw. „anzielen“. Damit soll zum Ausdruck gebracht werden, dass diese Aktienart die Performance einer bestimmten Geschäftseinheit („Specified Unit“) nachbildet bzw. die durch die Aktien verbrieften Rechte teilweise auf eine genau spezifizierte Einheit gerichtet sind. Im Folgenden wird der Ausdruck Tracking Stocks verwendet. Bei der Ausgabe von Tracking Stocks werden die umlaufenden Stammaktien der Gesellschaft in eine Tracking Stock-Gattung umbenannt. Gleichzeitig werden eine oder mehrere neue Tracking Stock-Gattungen geschaffen. Für die neu geschaffenen Tracking Stock-Gattungen gibt es drei Distributionsmöglichkeiten: Erstens Verteilung an die gegenwärtigen Unternehmensaktionäre, zweitens Emission im Rahmen einer öffentlichen Platzierung und drittens Verteilung als Akquisitionsgegenleistung an die Aktionäre der erworbenen Gesellschaft. Darüber hinaus können diese Möglichkeiten auch miteinander kombiniert werden. I. d. R. werden Tracking Stock-Transaktionen so ausgestaltet, dass sie gemäß dem US-amerikanischen Bundessteuergesetz (Internal Revenue Code) sowohl auf Gesellschafts- als auch auf Anteilseignerebene steuerfrei sind. Die Einführung von Tracking Stocks ist nicht mit einer Bildung neuer rechtlich selbständiger Gesellschaften innerhalb des von der Gesellschaft betriebenen Gesamtunternehmens verbunden. Die Gesellschaft verfügt nach wie vor über einen einzigen „Board of Directors“. Ebenso bleibt die Schuldenhaftung aller der Gesellschaft gehörenden Unternehmensbereiche für die Gesellschaftsverbindlichkeiten unberührt. Die wirtschaftliche Spaltung der Gesellschaft erfolgt vielmehr durch eine separate Rechnungslegung der Geschäftseinheiten, auf die Tracking Stocks emittiert wurden. Tracking Stocks stellen 23 24
Vgl. grundlegend Natusch, Tracking Stock, 1995; Jäger, Targeted Stock, 1999. Die Ausnahme ist eine Spartenaktie der Hamburger Hafen und Logistig AG. Vgl. Friedl, Neue Impulse für die Emission von Tracking Stocks?, 2008.
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D. Alternativen der Kapitalaufbringung somit eine Zwischenform zwischen einem Spin Off und der Börseneinführung einer Tochtergesellschaft dar. Das Tracking Stock-Konzept ist nicht neu. Bereits vor der Einführung von Tracking Stocks in den USA gab es zwei europäische Anwendungen (die belgische Société Nationale des Chemins de Fer Vicinaux und die holländische N. V. Gemengd Bedrijf Haagsche Tramwegmaatschappij), welche die wesentlichen Merkmale der heutigen Tracking Stock-Transaktionen aufweisen.25 In den Emissionsprospekten der bisherigen Emittenten von Tracking Stocks stellen der Abbau von Fehlbepreisungen am Aktienmarkt26, das Ausnutzen steuerlicher Effekte sowie die weitere Nutzung von nur im Konzernverbund realisierbaren Synergieeffekten die wichtigsten Motive dar.27 Eng mit dem Motiv des Abbaus von Fehlbepreisungen am Aktienmarkt verknüpft ist das Motiv, Tracking Stocks bei Finanzierungsvorgängen bzw. als Entlohnungskomponente von Führungskräften einzusetzen. Von eher untergeordneter Bedeutung sind rechtliche Gründe und der Einsatz von Tracking Stocks als Abwehrmaßnahme gegen Unternehmensübernahmen sowie die Reorganisationsoption, d. h. das Recht der Gesellschaft, die gesamte Transaktion wieder rückgängig zu machen. Dabei weicht die Rechtsstellung der Aktionäre in den bisherigen Tracking Stock-Programmen teilweise erheblich voneinander ab.28 Dass die durch Tracking Stocks verbrieften Aktionärsrechte – entgegen dem Ziel, mit der Einführung von Tracking Stocks „Quasi Pure Equity Market Plays“ zu schaffen – nur zu einem gewissen Grade auf die jeweiligen Tracked Units ausgerichtet sind, ist primär auf steuerliche Gründe zurückzuführen.29 Allerdings können diese steuerlichen Vorteile nur dann erzielt werden, wenn Tracking Stocks für steuerliche Zwecke als Eigenkapital des Mutterunternehmens qualifiziert werden.30 Dazu ist es erforderlich, dass die Tracking Stock-Gattungen zumindest hinsichtlich einiger ökonomischer Aspekte miteinander verbunden sind. Indes gibt es bisher keine gesetzliche Grundlage, die diesen Sachverhalt explizit regelt. Die Analyse der einschlägigen Präjudizien zeigt, dass eine Vielzahl von Kombinationen der einzelnen Aktionärsrechte möglich ist. Insofern ist auch über steuerliche Argumente die z. T. sehr unterschiedliche Ausgestaltung der durch Tracking Stocks verbrieften Aktionärsrechte erklärbar. Zurzeit gibt es (noch) keine konkreten gesetzlichen Bestimmungen für die Tracked Units-Rechnungslegung.31 Die Mehrzahl der Emittenten hat sich dafür entschieden, neben dem Konzernabschluss als primärem Rechnungslegungsinstrument für die Tracked Units drei separate geprüfte „Financial Statements“ (Bilanz, Gewinn- und Verlustrechnung und Kapitalflussrechnung) zu erstellen. Die Prüfung der Tracked Units-Rechnungslegung stellt für die Wirtschaftsprüfer eine schwierige Aufgabe dar, 25 26
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Vgl. Steiner, Natusch, Tracking Stocks, 1996, S. 40. Dies konnte durch mehrere Ereignisstudien belegt werden. Vgl. Natusch, Empirische Aussagen, 1999, S. 122 ff. Dies konnte durch empirische Studien belegt werden. Vgl. Natusch, Empirische Aussagen, 1999, S. 122 ff. oder ähnlich Danielova, Tracking Stock, 2008. Diese gibt zudem als eine Voraussetzung für die Emission von Tracking Stocks funktionierende interne Kapitalmärkte sind. Eine ausführliche Darstellung der durch Tracking Stocks verbrieften Aktionärsrechte findet sich bei Natusch, Beteiligungsfinanzierung, 1997, S. 1141 ff. Vgl. Steiner, Natusch, Beteiligungsfinanzierung, 1996, S. 580. Vgl. ausführlich Natusch, US-Steuerrecht, 1997, S. 609 ff. Zu den konzeptionellen Grundlagen der Tracked Units-Rechnungslegung vgl. ausführlich Natusch, Rechnungslegung, 1998, S. 459 ff.
II. Außenfinanzierung weil es (bisher) keine hoheitsrechtliche Grundlage gibt, welche die Art der Erstellung der „Tracked Units Financial Statements“ oder deren Prüfung vorschreibt. Zudem ist eine verursachungsgerechte Verteilung oder an der Inanspruchnahme der Ressourcen orientierte Verteilung bei vielen Aufwendungen und auch bei bestimmten Bilanzpositionen (z. B. Konzernverbindlichkeiten) grundsätzlich nicht möglich. Demzufolge stößt eine willkürfreie Verteilung sehr schnell an Grenzen. Obwohl zahlreiche Studien positive ökonomische Effekte32 durch die Einführung von Tracking Stocks zeigen konnten, konnten sie sich bislang am Kapitalmarkt durchsetzen. Ausnahmen sind die A-Aktien Hamburger Hafen und Logistik AG.
cc) Equity Carve-out/Spin-Off Im Allgemeinen werden die Durchführung eines Spin-Offs oder Equity Carve-outs unter dem Oberbegriff der (finanziellen) Restrukturierung behandelt. Im deutschsprachigen Raum wird Restrukturierung als eine Anpassung von geschäftlichen Aktivitäten und Strukturen einer Unternehmung an veränderte wirtschaftliche Gegebenheiten definiert.33 Im englischsprachigen Raum, vor allem in Amerika, wird der Begriff deutlich weiter gefasst. In diesem Zusammenhang wird von (finanziellen) Sonderanlässen im unternehmerischen Bereich gesprochen.34 Der Begriff der Restrukturierung entspricht hierbei weitestgehend der Schaffung neuer Eigentümerstrukturen („Creating New Ownership Relationships“). Je nachdem wie die einzelnen Transaktionen ausgestaltet werden, können sie unter dem Begriff der Innenoder Außenfinanzierung subsumiert werden, wobei im Kontext dieses Buches der Begriff der finanziellen Restrukturierung im Rahmen der Außenfinanzierung behandelt wird. Zu derartigen Finanzierungsformen zählen unter anderem Equity Carve-outs, Spin-Offs und Tracking Stocks, wobei im weiteren Verlauf die beiden erstgenannten Instrumente näher betrachtet werden. Ein Equity Carve-out (Börseneinführung eines Tochterunternehmens35) kann als börsliche Erstemission eines Minderheitsanteils an einer Tochtergesellschaft definiert werden.36 Nach dieser Definition ist ein Equity Carve-out somit durch die Merkmale der börslichen Erstemission eines Minderheitsanteils an einer Tochtergesellschaft gekennzeichnet. Es werden mit diesem Instrument neue Investoren angesprochen und die Eigentümerbasis erweitert. Der Vorteil für die Muttergesellschaft besteht unter anderem darin, dass sie die Kontrolle über das Unternehmen behalten und gleichzeitig die Erträge aus dem Börsengang vereinnahmen kann. Nachteilig gegenüber anderen Finanzierungsformen ist unter anderem, dass das Tochterunternehmen den oftmals strengen Kontroll- und Veröffentlichungsvorschriften eines börsennotierten Unterneh-
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Vgl. Langner, Tracking Stocks, 2004. Vgl. Glatzel, Börsliche Desinvestitionen mittels Equity Carve-Out, Spin-Off und Tracking Stock, 2002, S. 11 oder Rechsteiner, Desinvestitionen zur Unternehmenswertsteigerung, 1994, S. 26. Nach Weston et al. lassen sich Strukturierungen in vier Gruppen unterteilen. Vgl. hierzu Weston et al., Takeovers, Restructuring and Corporate Governance, 1990, S. 229. Vgl. Schultze, Der spin-off als Konzernspaltungsform, 1998, S. 27. Vgl. Glatzel, Börsliche Desinvestitionen mittels Equity Carve-Out, Spin-Off und Tracking Stock, 2002, S. 14 oder Schipper, Smith, A Comparison of Equity Carve-Outs and Seasoned Equity Offerings: Share Price Effects and Corporate Restructuring, 1986, S. 154. Eine weitere Definition findet sich bspw. in Achleitner, Wahl, Corporate Restructuring in Deutschland, 2003, S. 22–25.
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D. Alternativen der Kapitalaufbringung mens unterliegt.37 Bekannte Beispiele für Equity Carve-outs in Deutschland sind die Transaktionen der Siemens AG, die im Jahr 1999 Anteile an der Epcos AG und im Jahr 2000 Anteile an der Infineon Technologies AG emittierte, oder der Deutschen Telekom AG mit der Platzierung von 20 %38 an der T-Online International AG im Jahr 2000. Bei einem Spin-Off (Auskehrung von Anteilen einer Tochtergesellschaft39) wird die Mehrheit der Anteile einer (rechtlich selbstständigen) Tochtergesellschaft auf verhältniswahrende (pro-rata) Basis an die Altaktionäre der Muttergesellschaft im Rahmen einer Sachdividende abgespalten.40 Diese Definition hat sich vor allem in der englischsprachigen Literatur durchgesetzt, wobei der Begriff des Spin-Off allgemein in der wissenschaftlichen Literatur sowie in der Wirtschaftspraxis nicht einheitlich verwendet wird.41 Der Spin-Off ist somit durch die Merkmale der verhältniswahrenden Auskehrung der Mehrheit der Anteile des Tochterunternehmens an die Aktionäre des Mutterunternehmens gekennzeichnet. Bekannte Beispiele für einen Spin-Off in Deutschland sind die Ausgliederungen der Lanxess AG (Muttergesellschaft: Bayer AG) oder der Siemens Energy AG (Muttergesellschaft: Siemens AG).
2. Grundlagen der Kreditfinanzierung Lernziele dieses Kapitels x Kredit stellt die klassische Fremdfinanzierung dar, bei welcher der Fremdkapitalgeber dem Unternehmen Zahlungsmittel gegen ein Zins- und Rückzahlungsversprechen ohne Mitspracherechte an der Unternehmensleitung gewährt. x Steuerlich gesehen stellen die Zinsen auf das Fremdkapital Auszahlungen dar, die bei der Bemessungsgrundlage von Einkommens-, Körperschafts- und teilweise auch Gewerbesteuer abzugsfähig sind. x Um die Zinszahlung ohne Mitspracherechte zu sichern, wird vor Ausreichung des Kredits die Kreditwürdigkeit des Kreditnehmers überprüft. x Die Kreditwürdigkeitsprüfung dient dazu, um festzustellen, ob ein Kreditnehmer willens und in der Lage ist, seinen Zins- und Tilgungsverpflichtungen (Rückzahlungen) rechtzeitig und in vollem Umfang nachzukommen. Aus neoinstitutionalistischer Sicht versucht die Kreditwürdigkeitsprüfung, die Informationsasymmetrie zwischen informierten Eigentümern und weniger gut informierten Fremdkapitalgebern zu überwinden.
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Die genauen Kontroll- und Veröffentlichungsvorschriften können je nach Börse und Börsensegment variieren. Von diesem Anteil wurden allerdings nur 11 % der Öffentlichkeit angeboten. Zusätzlich erwarben der französische Mischkonzern LAGARDÈRE SCA ein Aktienpaket von 6,5 % und die deutsche Comdirect Bank AG einen Anteil von 2,5 %. Vgl. Schultze, Der spin-off als Konzernspaltungsform, 1998, S. 10. Vgl. Glatzel, Börsliche Desinvestitionen mittels Equity Carve-Out, Spin-Off und Tracking Stock, 2002, S. 16 oder Miles, Woolridge, Spin-Offs and Equity Carve-Outs: Achieving faster Growth and Better Performance, 1999, S. 3. Eine weitere Definition findet sich bspw. in Achleitner, Wahl, Corporate Restructuring in Deutschland, 2003, S. 28 ff. Bzgl. der unterschiedlichen Begriffsverwendungen vgl. Schultze, Der spin-off als Konzernspaltungsform, 1998, S. 7 ff.
II. Außenfinanzierung x Zusätzlich kann der Fremdkapitalgeber das Stellen von Sicherheiten verlangen, deren Verwertung im Falle der Insolvenz (Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung des Kreditnehmers) dazu dient, die ausgefallenen Zins- und Tilgungszahlungen teilweise zu ersetzen. x Bei Sicherheiten wird ökonomisch zwischen Personal- und Realsicherheiten unterschieden. Zudem werden Sicherheiten juristisch in akzessorische und fiduziarische Sicherheiten eingeteilt. Akzessorische Fähigkeiten existieren in Umfang und Dauer nur solange, solange auch die Schulden (Anspruch der Fremdkapitalgeber) bestehen. Die fiduziarische Sicherheit dagegen existiert losgelöst von den Schulden. x Die bekannteste akzessorische Personalsicherheit ist die im Bürgerlichen Gesetzbuch geregelte Bürgschaft, durch die sich ein Bürge dazu verpflichtet, für die Schulden eines Dritten einzustehen. Das gesetzlich nicht geregelte fiduziarische Pendant zur Bürgschaft stellt die Garantie dar. x Bei den akzessorischen Sachsicherheiten ist für bewegliche Sachen die Verpfändung, für unbewegliche Sachen die Hypothek zu nennen. Bei beiden kann sich der Fremdkapitalgeber im Insolvenzfall durch Veräußerung der Mobilie oder Immobilie bedienen. Die fiduziarischen Gegenstücke sind die Sicherungsübereignung und die Grundschuld. x Sicherheiten dienen ebenso wie die Kreditwürdigkeitsprüfung aus Sicht der neoinstitutionellen Finanzierungstheorie der Überwindung der Informationsasymmetrie zwischen Eigen- und Fremdkapitalgeber. x Daneben können zusätzliche Vereinbarungen (sogenannte Covenants) zwischen Eigen- und Fremdkapitalgeber getroffen werden, welche die Handlungsflexibilität des Eigenkapitalgebers zu Ungunsten des Fremdkapitalgebers einschränken sollen. So kann etwa der Fremdkapitalgeber verfügen, dass weitere dritte Fremdkapitalgeber maximal dieselben Rechte haben sollen wie er selbst (Pari-passu-Klausel).
a) Charakteristika und Formen Bei der Kreditfinanzierung wird Fremdkapital von außen aufgenommen. Durch die Kreditfinanzierung entstehen Gläubigerrechte. Dies bedeutet im Gegensatz zur Beteiligungsfinanzierung, dass: 1. i. d. R. keine Mitspracherechte der Geldgeber bei der Geschäftsführung entstehen; 2. die Kreditüberlassungsdauer befristet ist; 3. ein Rechtsanspruch auf Rückzahlung des Kredites in nomineller Höhe besteht, also keine Beteiligung am Vermögenszuwachs und den stillen Reserven der Unternehmung; 4. das Fremdkapital i. d. R. weder am Gewinn der Unternehmung noch an Verlusten beteiligt ist, sondern ein fester Zins vereinbart wird, und 5. für Kredite zu leistende Zins- und Tilgungszahlungen eine feste Liquiditätsbelastung darstellen, die bei starken Umsatzrückgängen zu Liquiditätsschwierigkeiten oder doch zumindest zu einer Einengung der Dispositionsfreiheit bezüglich der Preisuntergrenze führen können. Die Besteuerung der Kreditfinanzierung differiert von der der Beteiligungsfinanzierung. Fremdkapitalzinsen sind bei der Einkommen- bzw. der Körperschaftsteuer als Betriebsausgaben abziehbar. Demgegenüber unterliegen die Zinserträge beim Gläubiger der Abgeltungsteuer und gegebenenfalls dessen individueller Gewinn- oder
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D. Alternativen der Kapitalaufbringung Einkommensteuer (vgl. Abschnitt C VI). Bei der Gewerbesteuer sind Kredite teilweise begünstigt: Sind gewisse Anforderungen, wie das Einhalten der Zinsschranke erfüllt, so ist ein Viertel der Entgelte für Schulden dem Gewerbeertrag hinzuzurechnen (vgl. § 8 Nr. 1a GewStG). Folglich unterliegen im Falle der Kreditfinanzierung 25 % der Zinsen und anderer Entgelte der Gewerbesteuer (vgl. auch Abschnitt D II 5). Die Einteilung der Kreditarten kann nach unterschiedlichen Gliederungskriterien erfolgen. Am häufigsten wird nach der Laufzeit unterschieden, wobei man in kurz-, mittel- und langfristige Kredite einteilen kann. Die Zeiträume, die dabei jeweils anzusetzen sind, werden in der Literatur jedoch nicht einheitlich gewählt. Nach der Verwendungsart kann unterschieden werden in: 1. Investitionskredite, die für Investitionen in das Anlagevermögen Verwendung finden; 2. Umsatzkredite oder Betriebsmittelkredite, die zur Finanzierung des Umlaufvermögens benötigt werden; 3. Zwischenkredite, die der Überbrückung bis zum Erhalt eines längerfristigen Kredits dienen, und 4. Konsum- oder Konsumentenkredite, die der Finanzierung des privaten Konsums dienen und deswegen keine besondere Berücksichtigung im Rahmen dieses Abschnitts finden. Weitere Einteilungskriterien stellen z. B. die Besicherung (Personalkredit, Realkredit u. a.) oder die Art des Kreditgebers (Bankenkredit, Lieferantenkredit, Privatdarlehen) dar. Aus Sicht der neoinstitutionalistischen Finanzierungstheorie zeichnet das Verhältnis von Kreditgeber zu Kreditnehmer eine Informationsasymmetrie zu Ungunsten des Kreditgebers aus. Sie ist dadurch begründet, dass der Kreditnehmer de facto mehr Informationen über die Entwicklung seiner Investitionsprojekte hat und de jure mit der Handlungsvollmacht diese Projekte betreffend ausgestattet ist. Grundsätzlich sind dabei beide Parteien an einer erfolgreichen Geschäftsentwicklung interessiert. Dieses gemeinsame Interesse divergiert insbesondere dann stark, falls der Kreditnehmer beschränkt haftet und gleichzeitig die Geschäftsentwicklung sich als negativ abzeichnet. In dieser Situation wird der Kreditgeber weniger riskante Projekte vorziehen, während der Kreditnehmer im Allgemeinen das Gegenteil wünscht. Aufgrund der Informationsasymmetrie kann der Kreditnehmer diese Situation zu Ungunsten des Kreditgebers ausnützen und ein riskantes Investitionsprogramm umsetzen. Um dies zu verhindern haben nach der neoinstitutionalistischen Finanzierungstheorie Kreditgeber eine Reihe von Institutionen geschaffen, welche die Informationsasymmetrie abzuschwächen helfen und die Handlungsflexibilitäten des Kreditnehmers einschränken, die im Folgenden aufgeführt sind.
b) Kreditwürdigkeit Vor der Ausreichung eines Kredits muss der Gläubiger die Kreditwürdigkeit des Kreditnehmers prüfen. Die Beurteilung hat sich dabei zu erstrecken auf: 1. die Kreditfähigkeit, d. h. die rechtliche Fähigkeit, als Kreditnehmer auftreten zu können;
II. Außenfinanzierung 2. die persönliche Kreditwürdigkeit, die sich aus der persönlichen Vertrauenswürdigkeit des Kreditsuchenden ergibt und 3. die wirtschaftliche Kreditwürdigkeit, die auf der Ertragskraft und der Qualität der Sicherheiten des Kreditnehmers beruht. Die rechtliche Kreditfähigkeit ergibt sich bei natürlichen Personen aus ihrer Geschäftsfähigkeit; bei juristischen Personen, aber auch bei Personengesellschaften, ist die Legitimation ihrer Vertreter zu prüfen. Eine Beurteilung der persönlichen Kreditwürdigkeit muss sich auf das Verhalten des Kreditnehmers in der Vergangenheit stützen. Hierzu können Auskünfte bei Banken und Informationsstellen eingeholt werden. Die Prüfung der wirtschaftlichen Kreditwürdigkeit erfolgt durch Bilanzanalysen und Überprüfung der angebotenen Kreditsicherheiten. Im Rahmen der Bilanzanalyse werden die Vermögensstruktur, die Kapitalstruktur und die horizontale Bilanzstruktur (Finanzierungsregeln, Liquiditätsgrade sowie die gegenwärtige und zukünftige Erfolgslage beurteilt (vgl. hierzu Abschnitt E). Unter dynamischer Kreditwürdigkeitsprüfung wird dabei eine Kreditvergabepraxis verstanden, die nicht primär auf die Kreditsicherheiten abstellt, sondern auf die Ertragskraft des Kreditnehmers. Die Ertragskraft muss durch eine prognostische Analyse (Planbilanz und Gewinn und Verlustrechnung, Prognose des Cashflow, prospektive Kapitalflussrechnungen usw.) ermittelt und laufend überprüft werden. Um die Prüfung der wirtschaftlichen Kreditwürdigkeit vornehmen zu können, sind dem Kreditantrag folgende Unterlagen beizufügen: 1. die letzten Jahresbilanzen (möglichst Steuerbilanzen) mit Erläuterungen und den dazu gehörigen Erfolgsrechnungen; soweit aufgrund der Rechtsform das Testat eines Wirtschaftsprüfers erforderlich ist, müssen die Abschlüsse testiert sein; 2. ein Kreditstatus oder eine Zwischenbilanz zum Zeitpunkt des Antrages; 3. soweit vorhanden, Prüfungsberichte von Wirtschaftsprüfern oder anderen Sachverständigen; 4. Registerauszüge (Handelsregister, Grundbuch, Kataster); 5. Zahlen über die Umsatzentwicklung, den Auftragsbestand, die Investitionstätigkeit; 6. soweit möglich, eine Finanzplanung für die Dauer des beantragten Kredits, zumindest für die nächsten Monate nach dem Kreditantrag, und 7. ein Verzeichnis über die zur Verfügung stehenden Sicherheiten. Neben der Kreditwürdigkeit hängen die Kreditzusage und deren Modalitäten entscheidend von der Verhandlungsmacht der Vertragspartner ab.
c) Insolvenzverfahren Gerät ein Unternehmen in eine finanzielle Notlage, aufgrund von Illiquidität oder Überschuldung, so ist unverzüglich ein Insolvenzantrag zu stellen, um das Ausmaß von Folgeinsolvenzen einzuschränken. Der Insolvenzantrag kann nur von einer natürlichen Person oder einer juristischen Person des Privatrechts (AG, GmbH, OHG usw.) beim Insolvenzgericht gestellt werden. Der Antrag wird abgelehnt, wenn das zur Verfügung stehende Vermögen nicht ausreicht, die Verfahrenskosten abzudecken. Solch eine Abweisung des Insolvenzverfahrens mangels Masse unterbleibt, wenn gemäß § 26 InsO ein ausreichender Geldbetrag vorgeschossen wird.
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D. Alternativen der Kapitalaufbringung Mögliche Eröffnungsgründe ergeben sich aus den §§ 17 ff. InsO (Insolvenzordnung) und sind Zahlungsunfähigkeit, drohende Zahlungsunfähigkeit und/oder Überschuldung. Eine drohende Zahlungsunfähigkeit liegt dann vor, wenn der Schuldner voraussichtlich nicht in der Lage sein wird die Zahlungsverpflichtungen bei Fälligkeit im Prognosezeitraum von zwei Jahren zu erfüllen. Eine Überschuldung wird daran festgemacht, dass die bestehenden Verbindlichkeiten das Vermögen des Schuldners übersteigen. Eine Ausnahme vom Überschuldungstatbestand besteht dann, wenn die Fortführung des Unternehmens in den nächsten zwölf Monaten nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich ist. Nach der Antragsstellung (aufgrund von drohender Insolvenz kann nur der Schuldner selbst die Eröffnung beantragen) bestellt das Insolvenzgericht einen Insolvenzverwalter, der daraufhin das Vermögen des Schuldners sichert und den Bestand an Verbindlichkeiten aufnimmt (insbesondere Bankkredite, weil diese i. d. R. durch Grundpfandrechte abgesichert werden). In der ersten Gläubigerversammlung, die auf die Bestellung des Insolvenzverwalters folgt, können die Gläubiger an dessen Stelle auch eine andere Person als Insolvenzverwalter wählen. Eine zentrale Aufgabe des Insolvenzverwalters besteht darin, einen Insolvenzplan nach den §§ 217 ff. InsO zu erstellen, der die mögliche Fortführung des Unternehmens darstellt. Die Aufstellung solch eines Insolvenzplanes ist zudem auch durch Schuldner möglich. Die Entscheidung über die Annahme eines Insolvenzplanes wird schließlich von der Gläubigerversammlung getroffen, die allgemein das folgende Procedere weit gehend bestimmt. Grundsätzlich gibt es zwei Alternativen, die verfolgt werden können. Entweder wird das Unternehmen aufgrund eines rechtskräftigen Insolvenzplans fortgeführt oder die es erfolgt die Liquidation des Unternehmens. Wird das Unternehmen aufgrund eines Insolvenzplans fortgeführt, bleiben die Verbindlichkeiten bestehen, es sei denn, dass einzelne Gläubiger im Rahmen des Insolvenzplans teilweise auf die Bezahlung ihrer Forderung verzichten (Schuldenerlass). Zur Aufrechterhaltung bzw. Wiederherstellung der Liquidität stellen zumeist einzelne Gläubiger, hier sind vor allem Banken zu nennen, Mittel zur Verfügung. Dies kann bspw. in Form eines höheren Kontokorrentlimits oder durch ein Darlehen erfolgen, sodass das Unternehmen zumindest seine kurzfristigen Verbindlichkeiten bedienen kann. Im Falle der Liquidation des Unternehmens, wird das Vermögen veräußert und der Verkaufserlös nach Abzug der Kosten des Insolvenzverfahrens an die Gläubiger ausbezahlt. Reicht das zu veräußernde Vermögen des Insolvenzschuldners nicht aus, die gesamten aufgelaufenen Verbindlichkeiten zu begleichen, so wird jeder Gläubiger gemäß der dann zu bestimmenden Insolvenzquote (prozentualer Anteil an der Forderung, der beglichen wird) befriedigt. Sämtliche Forderungen erlöschen daraufhin vollständig, da kein weiteres Vermögen, das zur Befriedigung der Ansprüche dienen könnte, mehr vorhanden ist. Das Insolvenzverfahren endet, indem es vom Insolvenzgericht aufgehoben wird. Sei es, dass ein rechtskräftig bestätigter Insolvenzplan existiert, oder die Liquidation mit anschließender Verteilung des Liquidationserlöses vollzogen worden ist.
II. Außenfinanzierung
d) Kreditbesicherung Kreditsicherheiten sollen dem Kreditgeber die Möglichkeit bieten, sich aus den Sicherheiten zu befriedigen, wenn der Kreditnehmer seine Zahlungsverpflichtungen (Tilgung und Zins) nicht erfüllen kann. Nach ihrer Sicherungsart lassen sich die Kreditsicherheiten in Personalsicherheiten und in Realsicherheiten unterteilen. Bei den Personalsicherheiten liegen schuldrechtliche Ansprüche, bei den Realsicherheiten dagegen sachenrechtliche Ansprüche des Sicherungsnehmers vor. Bei einer Personalsicherheit haftet neben dem Kreditnehmer eine dritte Person für den Kredit, während bei einer Realsicherheit dem Kreditgeber zur Sicherung bestimmte Rechte an Vermögenswerten eingeräumt werden. Formen der Personalsicherheit sind die Bürgschaft und die Garantie. Realsicherheiten stellen z. B. die Verpfändung oder Sicherungsübereignung beweglicher Sachen, die Zession von Rechten und die Begründung von Rechten an Grundstücken dar. Im Insolvenzfall kann die Realsicherheit aus der Insolvenzmasse ab- oder ausgesondert werden. Die Ansprüche des Gläubigers werden dann separat aus der Realsicherheit bedient werden. Allerdings kann nach § 171 InsO der gesicherte Gläubiger unter Umständen einen Teil des Liquiditätserlöses der Realsicherheit nicht zur Deckung seiner eigenen Forderung einsetzen. Nach dem Grad der Abhängigkeit von der gesicherten Forderung kann man in akzessorische und in fiduziarische Sicherheiten unterscheiden. Bestand, Umfang und Dauer einer akzessorischen Sicherheit hängt von Bestand, Umfang und Dauer der gesicherten Forderung ab. Das Sicherungsrecht kann für sich allein weder begründet noch übertragen werden. Akzessorische Sicherheiten, bei denen eine vollkommene Verknüpfung zwischen Sicherheit und gesicherter Forderung vorliegt, sind die Bürgschaft, die Verpfändung und die Hypothek. Bei der fiduziarischen Sicherheit ist der Sicherungsnehmer nach außen hin im Verhältnis zu Dritten voll- und selbständig berechtigter Eigentümer der Sicherheit. Sie kann unabhängig vom Grundgeschäft entstehen. Im Innenverhältnis ist der Sicherungsnehmer jedoch gegenüber dem Sicherungsgeber verpflichtet, von der Sicherheit keinen über den Sicherungszweck hinausgehenden Gebrauch zu machen. Dritte Personen können sich allerdings auf dieses Innenverhältnis nicht berufen. Sicherungsgeschäfte mit fiduziarischem Charakter stellen die Sicherungsübereignung, die Sicherungsabtretung, die Garantie und die Grundschuld dar. Aus neoinstitutionalistischer Sicht stellt die Institution der Sicherheit eine Überwindung der Informationsasymmetrie zwischen Kreditgeber und Kreditnehmer dar. Da der Kreditgeber nicht dem gleichen Informationsstand wie der Kreditnehmer ist, kann der Kreditgeber den Handlungsspielraum des Kreditnehmers durch die unverkäufliche Sicherheit einschränken, sodass die Handhabe über die Aktiva eingeschränkt ist. Stammen die Sicherheiten für einen Kredit an eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung aus dem Privatvermögen, kann z. B. darüber hinaus noch der Kreditnehmer in Haftung genommen werden, obwohl eigentlich eine Haftungsbeschränkung greift. Dies führt letztendlich dazu, dass der Kreditnehmer auch bei negativen ökonomischen Entwicklungen grundsätzlich noch im Interesse des Kreditgebers handelt (vgl. Abschnitt D V). Bürgschaft
Die Bürgschaft ist ein Vertrag, durch den sich der Bürge gegenüber dem Gläubiger eines Dritten verpflichtet, für die Verbindlichkeiten des Dritten einzustehen (§§ 765 ff. BGB). Da es sich bei der Bürgschaft um eine akzessorische Kreditsicherheit handelt,
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D. Alternativen der Kapitalaufbringung bestimmt sich der Umfang der Haftung des Bürgen nach dem jeweiligen Stand der Hauptschuld. Befriedigt der Bürge den Kreditgeber, so geht die Forderung (gegenüber dem Kreditnehmer) auf den Bürgen über. Kreditinstitute verlangen i. d. R. selbstschuldnerische Bürgschaften, bei denen der Bürge auf die sogenannte Einrede der Vorausklage verzichtet. Die Einrede der Vorausklage beinhaltet das Recht des Bürgen, die Befriedigung des Kreditgebers zu verweigern, wenn dieser nicht die Zwangsvollstreckung gegen den Kreditnehmer erfolglos versucht hat. Bei der Ausfallbürgschaft verpflichtet sich der Bürge dagegen nur gegenüber dem Gläubiger für Verluste einzustehen, die nachweisbar auch nach einer erfolgten Zwangsvollstreckung noch vorhanden sind. Die Haftung des Bürgen wird i. d. R. auf einen bestimmten Höchstbetrag begrenzt (Höchstbetragsbürgschaft). Garantie
Im Gegensatz zur Bürgschaft ist die Garantie nicht gesetzlich geregelt. Bei der Garantie verpflichtet sich der Garantiegeber gegenüber dem Garantienehmer, für einen bestimmten zukünftigen Erfolg einzustehen. Im Gegensatz zur Bürgschaft ist die Garantie nicht akzessorisch und damit unabhängig vom Bestand der Hauptschuld. Am häufigsten kommen in der Praxis Zahlungsgarantien vor, bei denen bei Eintritt einer bestimmten Bedingung die Zahlung einer gewissen Summe garantiert wird. Daneben sind jedoch auch Gewährleistungsgarantien und Bietungsgarantien von Bedeutung. Garantien können formlos übernommen werden, während Bürgschaften grundsätzlich der Schriftform bedürfen, es sei denn, bei dem Bürgen handelt es sich um einen Vollkaufmann, für den die Bürgschaftserklärung ein Handelsgeschäft darstellt. Wechselsicherung
Eine ähnliche Wirkung wie mit den Personalsicherheiten Bürgschaft und Garantie kann mit der Wechselsicherung erreicht werden (zu Wechsel vgl. Abschnitt D II 4 c). Der Kreditgeber nimmt hierbei zur Sicherung des ausgereichten Kredits einen Wechsel (Depotwechsel) des Kreditnehmers herein. Während die normale Wechselbegebung zahlungshalber vorgenommen wird, erfolgt die Begebung eines Depotwechsels nur sicherungshalber, und er wird weder diskontiert noch verpfändet, sondern nur hinterlegt. Das Depotakzept hat den Vorzug, dass aufgrund der Wechselstrenge eine raschere Beitreibung der Forderung ermöglicht wird. Haben sich auf dem Wechsel neben dem Kreditnehmer noch weitere Personen verpflichtet, so ergibt sich für den Kreditgeber eine ähnliche Sicherung wie bei der Bürgschaft. Reine Depotwechsel werden vielfach als Solawechsel ausgestellt, aus dem nur der Aussteller (= Kreditnehmer) verpflichtet ist. Verpfändung
Zur Sicherung von Krediten können auch bewegliche Vermögenswerte, d. h. Sachen und Rechte, verpfändet werden. Eine bewegliche Sache kann zur Sicherung einer Forderung in der Weise belastet werden, dass der Gläubiger berechtigt ist, Befriedigung aus der Sache zu suchen (§§ 1204 ff. BGB). Zur Bestellung eines Pfandrechts sind die Einigung zwischen den Partnern und die Übergabe des Vermögensgegenstandes an den Gläubiger erforderlich. Die erforderliche Übergabe des Pfandes schränkt den Kreis der zur Verpfändung geeigneten Sachen ein. Das Pfandrecht ist streng akzessorisch, d. h. es ist abhängig vom Bestehen der zu sichernden Hauptforderung. Von praktischer Bedeutung ist vor allem die Verpfändung von Wertpapieren, da diese nicht im regelmäßigen
II. Außenfinanzierung betrieblichen Umsatzprozess benötigt werden und meist auch bereits im Depot der kreditgewährenden Bank lagern. Im letzteren Fall ist eine Einigung und Übergabe nicht erforderlich, da die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Banken eine generelle Pfandklausel enthalten. Die Einigung erfolgt dann bereits durch Anerkennung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen durch den Kunden und zukünftigen Kreditnehmer. Zur Verpfändung eignen sich auch handelsrechtliche Dispositionspapiere, wie Konnossement, Ladeschein, Lagerschein und Frachtbriefduplikat. Auch zum Einzug eingereichte Wechsel können im Rahmen des Lombardkredits verpfändet werden. Zur Verpfändung ungeeignet sind Gegenstände, die der Kreditnehmer im Rahmen des betrieblichen Umsatzprozesses benötigt, wie Maschinen und Vorräte. Zur Beleihung dieser Vermögensteile bietet sich die Sicherungsübereignung an. Die Verpfändung von Rechten ist in § 1274 BGB geregelt. Danach können nur übertragbare Rechte verpfändet werden. Als verpfändbare Rechte kommen vor allem in Frage: Grundpfandrechte (Hypotheken, Grundschulden), Gesellschaftsanteile (GmbH- und Kommanditanteile), Patent- und Erbrechte sowie Forderungsrechte. Die Bestellung von Pfandrechten an Forderungen ist in §§ 1279 ff. BGB speziell geregelt. Danach wird die Verpfändung nur wirksam, wenn sie dem Schuldner durch den Gläubiger angezeigt wird. Die Verpfändung von Rechten und Forderungen besitzt in der Bankpraxis keine allzu große Bedeutung, da hier das Instrument der Sicherungsabtretung wegen seiner einfacheren Handhabung vorgezogen wird. Sicherungsübereignung
Der Nachteil der körperlichen Übergabe im Falle der Verpfändung von beweglichen Vermögenswerten wird bei der Sicherungsübereignung vermieden. Die Sicherungsübereignung ist nicht gesetzlich geregelt, sondern sie stellt eine Rechtskonstruktion dar, die sich aus der Beleihungspraxis entwickelt hat und durch die Rechtsprechung anerkannt ist (man spricht von gekorener Sicherheit). Wie bei der Verpfändung wird durch den Sicherungsgeber (Kreditnehmer) das Sicherungsgut an den Sicherungsnehmer (Kreditgeber) übereignet, und der Sicherungsnehmer ist berechtigt, zur Abdeckung seiner Ansprüche die Sache gegebenenfalls zu verwerten. Erforderlich ist die Einigung, dass das Eigentum am Sicherungsgut auf den Sicherungsnehmer übergehen soll. Die Übergabe des Sicherungsgutes wird jedoch nach § 930 BGB durch ein Besitzmittlungsverhältnis ersetzt. Die sicherungsübereignete Sache bleibt daher im Wege des Besitzkonstituts (z. B. Leihe, Miete, Pacht, Verwahrung) in unmittelbarem Besitz des Sicherungsgebers zur weiteren Benutzung. Ein Sicherungsübereignungs-Vertrag beinhaltet damit eigentlich zwei Teilverträge, einen Vertrag zur sicherungsweisen Übereignung des Sicherungsgutes und einen Besitzmittlungsvertrag zur Nutzung des Objektes durch den Sicherungsgeber. Während früher für den rechtlichen Bestand der Sicherungsübereignung beide Teilverträge erforderlich waren, lässt die Rechtsprechung heute auch die schuldrechtliche Sicherungsabrede als Sicherungsübereignung gelten, wobei jedoch der Übergabeersatz, z. B. als unentgeltliche Verwahrung für die Bank, vereinbart sein muss.42 Das Sicherungsgut muss genau bestimmt sein, sodass auch ein Dritter in der Lage ist, die sicherungsübereigneten Vermögensgegenstände von anderen Gütern des Sicherungsgebers zweifelsfrei zu trennen. Die zweifelsfreie Bestimmtheit des Siche-
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Vgl. RGZ 132, 183, 186, BGH NJW 302, 303; OLG Hamm NJW 1970, 2067.
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D. Alternativen der Kapitalaufbringung rungsgutes muss im Sicherungsvertrag gewährleistet sein.43 Bei der Einzelübereignung ergeben sich hierbei keine Schwierigkeiten, da der Sicherungsgegenstand im Vertrag genau bezeichnet werden kann. Soll jedoch ein Warenlager mit wechselndem Bestand übereignet werden, so muss für die Bestimmbarkeit der jeweils sicherungsübereigneten Güter Vorsorge getragen werden. Es kann ein bestimmter Sicherungsraum vereinbart werden, wobei alle in diesen Raum eingebrachten Waren als sicherungsübereignet gelten. Hierbei kann es allerdings zu Kollisionen zwischen der Sicherungsübereignung und dem Eigentumsvorbehalt, insbesondere einem verlängerten Eigentumsvorbehalt (Verarbeitungsklausel) der Lieferanten, kommen.44 Beim verlängerten Eigentumsvorbehalt tritt der Vorbehaltskäufer das aus der Weiterverarbeitung entstehende Produkt im Voraus an den Vorbehaltsverkäufer ab. Darüber hinaus besteht für den Sicherungsnehmer das Risiko, dass der Sicherungsgeber nicht vertragsgemäß Waren in den Sicherungsraum einbringt oder dort befindliche Waren mehrfach verkauft, verpfändet oder unberechtigt übereignet. Im letzteren Fall hat der Sicherungsnehmer gegenüber dem gutgläubigen Erwerber keinen Herausgabeanspruch. Der Gläubiger ist daher bei der Sicherungsübereignung einem größeren Risiko des Sicherheitenverlustes ausgesetzt als etwa bei der Verpfändung. Sicherungsabtretung
Neben der Übereignung von beweglichen Sachen kann zur Kreditsicherung die Sicherungsabtretung von Rechten und Forderungen erfolgen. Als abtretbare Rechte kommen, wie bei der Verpfändung, Rechte aus Gesellschaftsverhältnissen, aus Miet- und Pachtverträgen, aus Lohn- und Gehaltsforderungen usw. in Frage. Von größter Bedeutung im praktischen Kreditverkehr ist die Abtretung von Forderungen aus Lieferungen und Leistungen. Im Rahmen eines Zessionsvertrages tritt der Altgläubiger (Zedent) dem Neugläubiger (Zessionar) Forderungen ab, wobei zur Wirksamkeit der Abtretung eine Benachrichtigung des Schuldners von der Zession nicht erforderlich ist. Wird der Schuldner von der Abtretung nicht unterrichtet, so kann er mit befreiender Wirkung an den Altgläubiger Zahlung leisten. Bei Nichtbenachrichtigung des Schuldners von der Zession spricht man von einer „stillen Zession“, erfolgt dagegen eine Mitteilung, so liegt eine „offene Zession“ vor. Bei der offenen Zession ist der Kreditgeber besser geschützt, da hierbei der Schuldner Zahlung mit befreiender Wirkung nur an ihn leisten kann. Eine zunächst stille Zession kann durch Anzeige der Abtretung bei den Schuldnern in eine offene umgewandelt werden. Da die zu sichernden Kredite häufig eine längere Laufzeit besitzen als die zur Sicherheit abgetretenen Forderungen, haben sich neben der Einzelabtretung in der Kreditpraxis die Mantelzession und die Globalzession entwickelt. Bei der Mantelzession wird vereinbart, dass der Kreditnehmer dem Kreditgeber zur Sicherstellung des Kredits stets Forderungen in einer bestimmten Höhe abtritt und erledigte Forderungen jeweils durch neue ersetzt. Der Ersatz erfolgt durch die Übersendung von Rechnungskopien oder Forderungsverzeichnissen. Erst durch die Einreichung der Listen bzw. Rechnungen gilt die jeweilige Forderung bei der Mantelzession als abgetreten. Unterlässt der Kreditnehmer die Einreichung von Abtretungsverzeichnissen, so bedeutet dies einen Ausfall an Sicherheiten für den 43 44
Vgl. RGZ 132, 187; BGHZ 21, 56; BGHZ 28, 16. Da der Sicherungsgeber nicht Eigentümer der Vorbehaltsware ist, erwirbt der Sicherungsnehmer i. d. R. nur das Anwartschaftsrecht. Gutgläubiger Erwerb des Sicherungsnehmers ist nicht möglich, da das Sicherungsgut nicht in seinen unmittelbaren Besitz übergeht (§ 933 BGB); vgl. Palandt-Degenhart, BGB-Kurz-Kommentar, 1975, Anmerkung 4) und 4 a) zu § 930 BGB.
II. Außenfinanzierung Kreditgeber. Wesentlich besser geschützt ist daher der Kreditgeber bei einer Globalzession. Der Kreditnehmer tritt hierbei nicht nur gegenwärtige, sondern auch künftig entstehende Forderungen gegenüber bestimmten Schuldnern oder aus bestimmten Geschäften an den Kreditgeber ab. Die künftigen Forderungen gehen damit bereits zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses auf den Sicherungsnehmer über. Eine Einreichung von Abtretungslisten oder Rechnungskopien hat dabei nur informativen Charakter. Allerdings müssen die zukünftigen Forderungen ausreichend bestimmbar sein. Dies wird durch Vereinbarungen erreicht, in denen zukünftige Schuldner, z. B. durch ihre Anfangsbuchstaben (Beispiel: A–F) oder die regionale Zuordnung ihres Wohnsitzes zu einem Bereich (Beispiel: Nordrhein-Westfalen) spezifiziert sind. Denkbar ist aber auch, dass Forderungen aus bestimmten Geschäften abgetreten werden (Beispiel: Sand/Kalk Baustoffhandel). Bei der Forderungsabtretung, insbesondere bei der Globalzession, kann es zu einer Kollision mit dem verlängerten Eigentumsvorbehalt kommen. Beim verlängerten Eigentumsvorbehalt für Sicherungsabtretungen tritt der Vorbehaltskäufer die aus der Weiterveräußerung an einen Dritterwerber entstehende Forderung im Voraus an den Vorbehaltsverkäufer ab. Rechtswirksam ist jeweils diejenige Übereignung, die zeitlich zuerst vereinbart wurde (Grundsatz der Priorität).45 Die Globalzession geht daher dem verlängerten Eigentumsvorbehalt, soweit dieser später vereinbart wurde, vor. Eine Globalzession kann jedoch sittenwidrig und damit rechtsunwirksam sein, wenn der Sicherungsnehmer bewusst die Kollision mit dem Eigentumsvorbehalt in Kauf genommen hat (Vertragsbruchtheorie).46 Die Sicherungsformen Eigentumsvorbehalt, Sicherungsübereignung und Sicherungsabtretung haben vielfältige kautelare (sicherheitserhöhende) Ausgestaltungen, so insbesondere vertikale und horizontale Erweiterungen, erfahren. Vertikale Verlängerungen entstehen durch Vorausabtretungen, Verarbeitungs- und Verbindungsklauseln, wobei an die Stelle des ursprünglichen Sicherungsgutes Ersatzwerte treten, die durch den Ablauf des Leistungsprozesses beim Schuldner entstehen. Horizontale Erweiterungen ergeben sich aus Saldoklauseln, Kontokorrentklauseln und Konzernvorbehalten. Das Sicherungsobjekt wird dadurch von der unmittelbar gesicherten Forderung losgelöst und dient auch für andere Forderungen aus laufender Rechnung bzw. Gläubigern, die dem gleichen Konzern angehören, als Sicherheit. Die Erstreckung der Sicherungsmittel auf erst zukünftig entstehende Rechte wird von einigen Juristen als Glanzpunkt und Meisterwerk der deutschen Rechtsentwicklung47 gesehen, obwohl sie mit erheblichen Problemen behaftet ist. Auf die Kollisionsproblematik dieser Sicherungsrechte, deren Lösung in der Rechtsprechung einem erheblichen Wandel und damit einer Rechtsunsicherheit unterworfen war, wurde vorstehend bereits hingewiesen. Darüber hinaus verstoßen die in Frage stehenden Mobiliarsicherheiten gegen den Grundsatz der Publizität. Sie sind für außenstehende Dritte nicht ersichtlich (z. B. aus einem Register), obwohl sie ihnen gegenüber Gültigkeit beanspruchen können. Dies ist vor allem im Insolvenzfall von Bedeutung, wo die publizitätslosen Sicherungsrechte mit den Interessen der ungesicherten Gläubiger kollidieren, da Eigentumsvorbehalt, Sicherungsübereignung und -abtretung zu Aus- und Absonderung von Vermögen führen kann, das nicht den Insolvenzgläubigern zur Verfügung steht. Untersuchungen der sozialwissenschaftlichen Forschungsgruppe des Max-Planck-Instituts in Hamburg im Auftrag des Bundesjustiz45 46
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Vgl. BGHZ 30, 151; 32, 361; 32, 357; vgl. auch Serick, Abtretung künftiger Forderungen, 1960. Vgl. BGHZ 30, 149; 32, 363; 32, 366; BGH NJW 74, 942; vgl. ferner Serick, Eigentumsvorbehalt, Band III, V. Abschnitt: Schranken der Sicherungsübertragung, 1970. Vgl. Serick, Mobiliarsicherheiten, 1977, S. 275 f.
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D. Alternativen der Kapitalaufbringung ministeriums haben ergeben, dass die in Deutschland zunehmende Massenarmut der Insolvenzverfahren ganz wesentlich auf die Aushöhlung der Insolvenzmassen durch Sicherungsrechte zurückzuführen ist.48 Die übermäßige Verbreitung von Mobiliarsicherheiten wurde als ein zentraler Grund für die vielen masselosen Insolvenzverfahren angesehen. Die mangelnde Publizität der Sicherungsrechte begünstigt darüber hinaus noch die Fehleinschätzung der tatsächlichen Vermögenslage eines Kreditnehmers. Um diesen beiden Umstände entgegenzuwirken, wurden in der Vergangenheit zahlreiche Vorschläge zur Einschränkung der Besicherung und vor allem der Übersicherung, zur Publizität der Sicherungsrechte und zur Beteiligung der Sicherungsnehmer an den Kosten der Aus- und Absonderung sowie eine Suspendierung des Verwertungsrechts der Aus- und Absonderungsberechtigten im Konkursfall diskutiert. Letztere Idee wurde in die jetzt gütige Insolvenzordnung mit aufgenommen.49 Im Hinblick auf die Publizität beinhaltet der Uniform Commercial Code (UCC) der USA für das Sicherungsinteresse (Security Interest) an Mobilien eine vorbildliche Regelung.50 Sicherungsverhältnisse können durch Vertragsabschluss zwischen Schuldner und Gläubiger begründet werden, sie besitzen dann allerdings nur im Innenverhältnis Gültigkeit und entfalten keine Wirkung gegenüber gutgläubigen Dritten. Gegenüber Dritten wird das Security Interest grundsätzlich nur dann wirksam, wenn es dem Publizitätserfordernis genügt. Die Offenkundigkeit des Sicherungsinteresses kann durch Eintragung in ein Register oder durch Inbesitznahme des Sicherungsobjektes (vergleichbar der deutschen Verpfändung) erreicht werden. Grundpfandrechte
Grundpfandrechte sind dingliche Rechte an einem Grundstück, die unabhängig von dessen jeweiligem Eigentümer bestehen können. Die Verpfändung unbeweglicher Sachen kann als Hypothek (§§ 1113 ff. BGB), als Grundschuld (§§ 1191 ff. BGB) und als Rentenschuld (§§ 1199 ff. BGB) erfolgen. Grundpfandrechte geben dem Gläubiger der gesicherten Forderung die Möglichkeit, sich Befriedigung aus dem Grundstück zu suchen, wenn der Kreditnehmer nicht termingerecht und vollständig eine bestimmte Geldsumme zuzüglich Zinsen aus dem Grundstück bezahlt. Für die Entstehung eines Grundpfandrechtes ist seine Eintragung in das Grundbuch beim zuständigen Grundbuchamt erforderlich. Das Grundbuch genießt öffentlichen Glauben, d. h., dass Eintragungen im Grundbuch zugunsten dessen, der im guten Glauben auf die Richtigkeit des Grundbuches ein Recht an einem Grundstück erwirbt, als richtig gelten (§§ 873 ff. BGB). Das Grundbuch gliedert sich in drei Abschnitte. Der erste Abschnitt stellt das Bestandsverzeichnis dar, in dem alle Angaben über Lage und Größe des Grundstücks enthalten sind. Im zweiten Abschnitt sind die mit dem Grundstück verbundenen Nebenrechte, wie etwa Geh- und Fahrtrechte, die dem jeweiligen Eigentümer des Grundstückes zustehen, eingetragen. Der dritte Abschnitt des Grundbuches zerfällt in drei Abteilungen. In der ersten Abteilung werden die Eigentümer ausgewiesen. Die zweite Abteilung enthält Grunddienstbarkeiten, Nießbrauchrechte und Reallasten. Monetäre Belastungen, wie Hypotheken, Grund- und Rentenschulden, werden in Abteilung drei eingetragen. Die Reihenfolge der Eintragung von Rechten in den verschiedenen Abteilungen ist 48
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Vgl. Erkel, Insolvenzrechtliche Erkenntnisse, 1977; Gessner, Rhode, Strate, Ziegert, Konkursabwicklung, 1978. Vgl. Steiner, Ertragskraftorientierter Unternehmenskredit, 1980, S. 67–100. Vgl. UCC § 9–204 (1).
II. Außenfinanzierung grundsätzlich ausschlaggebend für ihren Rang. Rangverhältnisse können mit Zustimmung der Betroffenen geändert werden. Für die Qualität eines Grundpfandrechtes als Kreditsicherheit ist der Rang, mit dem es eingetragen ist, mitentscheidend. Nachrangige Rechte kommen im Falle der Zwangsvollstreckung erst dann zum Zug, wenn die vorrangigen Rechte befriedigt sind. Die Hypothek hat streng akzessorischen Charakter und ist vom Bestand der dazugehörigen persönlichen Geldforderung abhängig. Eine Hypothek ermäßigt sich bzw. erlischt ganz entsprechend der zugehörigen Geldforderung. Formen der Hypothek sind die Verkehrshypothek, die Sicherungshypothek und die Höchstbetragshypothek. Die Verkehrshypothek ist im Rahmen der Kreditsicherung die häufigste Form, bei der sich der Gläubiger ohne Nachweis seiner Forderung und deren Höhe bei Übertragung und Geltendmachung auf die Grundbucheintragung berufen kann. Wird durch das Grundbuchamt ein Hypothekenbrief ausgestellt, so spricht man von einer Briefhypothek, unterbleibt dagegen die Ausstellung eines solchen, so liegt eine Buchhypothek vor. Die Rückzahlung des Darlehens kann zu einem im Voraus festgelegten Zeitpunkt (Festhypothek oder Fälligkeitshypothek) oder über die gesamte Laufzeit verteilt mit bestimmten Rückzahlungsraten (Tilgungs- oder Annuitätenhypothek) erfolgen. Eine Rückzahlung mit gleichbleibenden Annuitäten ist die bei der Kreditvergabe im Wohnungsbau übliche Form. Innerhalb des festen Annuitätenbetrages nimmt bei fortschreitender Kapitaltilgung der Anteil der Tilgungsbeträge zu und der Zinsanteil entsprechend ab. Ist eine Verkehrshypothek ordnungsgemäß im Grundbuch eingetragen, so erstreckt sich der öffentliche Glaube des Grundbuches auch auf den Bestand der zugehörigen Forderung. Bei der Sicherungshypothek (§ 1184 BGB) kann sich dagegen der Sicherungsnehmer (Gläubiger) zum Nachweis des Forderungsbestandes nicht auf die Eintragung berufen. Der Sicherungsnehmer muss im Verwertungsfalle den Nachweis über Bestand und Höhe der Forderung führen. Eine Sicherungshypothek kann nicht gutgläubig erworben werden. Ihre Übertragung ist davon abhängig, dass die gesicherte persönliche Forderung besteht und auf den Erwerber übergeht. Die Ausstellung eines Briefes ist bei der Sicherungshypothek ausgeschlossen; sie kann nur als Buchhypothek bestellt werden. Eine Sonderform der Sicherungshypothek stellt die Höchstbetragshypothek (Höchstbetragssicherungshypothek) dar (§ 1190 BGB). Eingetragen wird in diesem Falle der maximale Betrag, mit dem das Grundstück haften soll. Sie ist als Sicherheit für Kredite in wechselnder Höhe gedacht. Der Sicherungsnehmer (Gläubiger) hat im Vollstreckungsfall den Bestand und die Höhe der gesicherten Forderung nachzuweisen. Erst dann kann die übliche Vollstreckungsklausel erteilt werden. Eine sofortige Unterwerfung unter die Zwangsvollstreckungsklausel ist nicht möglich, da es zunächst an einer bestimmbaren Forderung fehlt. Die Erteilung eines Hypothekenbriefes ist bei der Höchstbetragshypothek (§ 1190 BGB) ausgeschlossen. Wegen der Auflage des Forderungsnachweises zur Erlangung eines Vollstreckungstitels und den Problemen, die sich aus der Akzessorietät der Hypothek ergeben, findet die Höchstbetragssicherungshypothek in der Bankpraxis kaum Verwendung. Zur Sicherung von Krediten in schwankender Höhe wird hier die Grundschuld vorgezogen. Die Grundschuld (§§ 1191 ff. BGB) setzt keine persönliche Forderung des Gläubigers voraus. Sie liegt unabhängig davon auf dem Grundstück mit der Wirkung, dass aus diesem an den Eigentümer der Grundschuld eine Geldsumme zu zahlen ist. Als
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D. Alternativen der Kapitalaufbringung abstraktes Sicherungsmittel eignet sie sich daher in besonderer Weise zur dinglichen Sicherung von Kreditausleihungen. Sie bleibt als Sicherheit erhalten, wenn der Kredit vorübergehend, teilweise oder ganz zurückbezahlt wird. Trotz ihres abstrakten Charakters wird die Grundschuld meistens zur Sicherung einer persönlichen Forderung verwendet, wozu es einer zusätzlichen Vereinbarung zwischen Sicherungsgeber und Sicherungsnehmer bedarf. Ähnlich wie bei der Verkehrshypothek kann auch für die Grundschuld ein Grundschuldbrief ausgestellt werden (Briefgrundschuld) oder nur eine Eintragung in das Grundbuch erfolgen (Buchgrundschuld). Eine Grundschuld kann auch vom Eigentümer des Grundstückes für sich selbst eingetragen werden (§ 1196 BGB). Die Eigentümergrundschuld kann zur Sicherung von Krediten an Gläubiger abgetreten werden. Die Bestellung einer Eigentümergrundschuld hat in diesem Fall den Vorteil, dass aus dem Grundbuch nicht ersichtlich ist, dass und bei wem der Grundstückseigentümer Kredit aufgenommen hat. Die ebenfalls zu den Grundpfandrechten gehörende Rentenschuld (§§ 1199 ff. BGB) bedingt, dass aus dem Grundstück eine regelmäßig wiederkehrende Rente zu zahlen ist. Sie ist daher als Kreditsicherungsmittel kaum geeignet.
e) Covenants zwischen Kreditnehmer und Kreditgeber Covenants leiten sich aus dem altfränzösischen Wort für Verträge ab und stellen zusätzliche vertragliche Vereinbarungen zwischen Kreditnehmer und Kreditgeber dar. Nach dem Vertragsinhalt dieser zusätzlichen Vereinbarungen können Financial von Affirmative Covenants unterschieden werden. Financial Covenants erlauben es dem Kreditgeber den Vertrag zu kündigen oder die Kreditvertragsbedingungen, wie etwa den Nominalzins, zu seinen Gunsten anzupassen, falls der Kreditnehmer genau festgelegte finanzielle Kennzahlen (vgl. Abschnitt E) nicht einhält. Häufig verwendete Kennzahlen sind hier x die Eigenkapitalquote, die zum Ausdruck bringt, wie hoch die haftende Substanz eines Unternehmens ist, x die Gesamtkapitalrentabilität, welche die Leistungsfähigkeit des Unternehmens abbildet, oder x der Anlagedeckungsgrad als Quotient aus mittel- bis langfristigen Aktiva zu mittelbis langfristigen Passiva, der Aussagen über den mittel- bis langfristigen Liquiditätsspielraum des Kreditnehmers zulässt. Daneben sind auch Kennzahlen auf Basis des Zahlungsüberschusses gebräuchlich, die etwa die Fähigkeit des Kreditnehmers aufzeigen sollen, die Zins- und Tilgungsverpflichtungen durch die operativ erwirtschafteten Zahlungsüberschüsse zu bestreiten. Die Affirmative Covenants verpflichten den Kreditnehmer dazu gewisse Handlungen vorzunehmen oder zu unterlassen. In der Literatur werden die Affirmative Covenants teilweise in Non Financial Covenants und Corporate Financial Covenants untergliedert. Während erstere sich auf Handlungen, wie die grundsätzliche Einhaltung von Gesetzen oder die Bereitstellung von Informationen, die keine direkte finanzielle Dimension aufweisen, beziehen, haben letztere, wie die Untersagung des Verkaufs bestimmter Vermögenswerte, meist direkte finanzielle, teilweise sogar bilanzielle Auswirkungen. Häufig eingesetzte Affirmative Covenants sind
II. Außenfinanzierung x die Nichtbesicherungsklausel, die in internationalen Verträgen als negative pledge bezeichnet wird und eine Besicherung zukünftiger Schulden zu Lasten des Kreditgebers untersagt, x die Gleichbehandlungserklärung oder auch die Pari-passu-Klausel, welche der Forderung des Kreditgebers mindestens den gleichen Rang zur Forderung anderer Gläubiger im Hinblick auf einen möglichen Insolvenzfall einräumt, x die Cross-Default-Klausel, die dem Kreditgeber bei Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage eines Unternehmens, das im Haftungsverbund mit dem Kreditnehmer steht, eine Kündigungsmöglichkeit oder weitere Rechte einräumt, x die Owner-Maintenance-Klausel, die dem Kreditgeber bei einem Eigentümerwechsel des kreditnehmenden Unternehmens Kündigungs- oder weitergehende Rechte zugesteht, x die Disposal-of-Assets-Klausel, die den Verkauf bestimmter Vermögenswerte untersagt, und x die Dividend-Restriction-Klausel, die in vorab definierten ökonomisch schwierigen Situationen die Ausschüttung von Dividenden verbietet. Große Teile dieser Covenants haben dabei Eingang in die Allgemeinen Geschäftsbedingungen von Banken gefunden. Aber auch bei der Begebung von Unternehmensschuldverschreibungen werden sowohl Affirmative als auch Financial Covenants häufig verwendet. Aus neoinstitutionalistischer Sicht stellen die Covenants klassische Beispiele zur Überwindung der Informationsasymmetrie dar. Sie sollen insbesondere in Krisensituationen Handlungen des Kreditnehmers zu Lasten des Kreditgebers, wie die Ausschüttung von Dividenden, eindämmen.
3. Langfristige Kreditfinanzierung Lernziele dieses Kapitels x Bei der langfristigen Kreditfinanzierung wird vor allem in Schuldverschreibungen, Schuldscheindarlehen, langfristige Bankkredite und langfristige Kredite von Nichtbanken unterschieden. x Schuldverschreibungen von Industrieunternehmen wurden früher oft als Industrieobligationen bezeichnet. x Schuldverschreibungen sind Wertpapiere, die teilweise auch börsengehandelt sind. Ihre Ausstattungsmerkmale sind ein Nennbetrag, ein Ausgabekurs, ein Rückzahlungskurs sowie ein Kupon. Während der Ausgabebetrag den Kurs bei Erstemission des Papiers wiedergibt, stellt der Rückzahlungskurs den Tilgungsbetrag am Ende der Laufzeit dar. Der Kupon gibt die Höhe der Zinszahlung an. x Der aktuelle Börsenkurs einer Schuldverschreibung wird als Prozentsatz im Bezug zum Nennwert (100 %) angegeben und kann sich stark vom Nennbetrag unterscheiden. x Schuldverschreibungen können mit unterschiedlichen Kupons und Rückzahlungsmodalitäten und verschiedenen Zusatzrechten ausgestattet sein. x Die wichtigsten Nuancierungen, die den Kupon betreffen, sind Anleihen mit einem Kupon von Null, sogenannte Nullkuponanleihen, sowie Floating Rate Notes, deren Kuponhöhe von einem Referenzzinssatz (in Deutschland meist dem EURIBOR) abhängt.
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D. Alternativen der Kapitalaufbringung x Bei den Zusatzrechten sind sogenannte Options- und Wandelanleihen hervorzuhaben. Sie zeichnen sich durch die Tatsache aus, dass der Inhaber dieser Anleihen zu einem gewissen Zeitpunkt das Recht hat, Anteile am Emittenten (manchmal auch an einer anderen Gesellschaft) zu (einem) vorbestimmten Termin(en), in einer vorgeschriebenen Menge (Bezugsverhältnis) und zu einem festgelegten Bezugspreis zu erwerben. x Während bei Optionsanleihen das Recht von der eigentlichen Anleihe getrennt werden kann, ist dies bei der Wandelanleihe nicht möglich. Dies basiert auf der Tatsache, dass das Optionsrecht der Optionsanleihe ausgeübt werden kann und separat davon die Forderungen auf Zins- und Tilgungszahlung unabhängig von der Ausübung des Optionsrechts bestehen. Der Anspruch auf Zins- und Tilgungszahlung bei Ausübung des Wandlungsrechts einer Wandelanleihe geht hingegen verloren. x Schuldscheindarlehen stellen im Gegensatz zu Schuldverschreibungen keine Wertpapiere dar. Vielmehr ist der Schuldschein nur ein beweiserleichterndes Dokument. Dieser erzeugt eine gewisse Handelbarkeit, die aber nicht mit der der börsenfähigen Schuldverschreibungen vergleichbar ist. Andererseits hat die Fremdkapitalaufnahme über Schuldscheindarlehen Vorteile, da etwa keine Publizitätspflicht (Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung) für den Fremdkapitalnehmer besteht. x Langfristige Bankkredite werden, wie der Name besagt, von Banken ausgegeben. x Bankkredite lassen sich grundsätzlich nach den Tilgungsmodalitäten in Raten-, Annuitäten- und endfälligen Kredite unterscheiden. x Beim endfälligen Kredit wird die gesamte Schuld am Ende der Laufzeit getilgt. Die Zinszahlungen sind damit konstant und beziehen sich stets auf die gesamte Schuld. x Beim Ratenkredit wird die Kreditsumme in gleich hohen Ratenzahlungen getilgt. Die Zinszahlung fällt bis zur Endfälligkeit des Kredits, da sie sich auf eine immer niedrigere noch ausstehende Restschuld bezieht. Zudem geht die Gesamtzahlung (aus gleichbleibender Rate und fallender Zinszahlung) zurück. x Beim Annuitätenkredit bleibt die Gesamtzahlung des Schuldners in jeder Periode konstant. Sie setzt sich anfänglich aus einer niedrigen Tilgungszahlung und einer hohen Zinszahlung zusammen. Mit zunehmender Zeit reduziert sich die Zinszahlung, da die Restschuld abnimmt, wohingegen die Tilgungszahlung aufgrund der konstanten, periodischen Gesamtzahlung zunimmt. x Zur Beurteilung der Vorteilhaftigkeit der verschiedenen Varianten ist – bei Existenz einer nichtflachen Zinsstrukturkurve – dem Barwert vor der Effektivverzinsung den Vorzug zu geben. x Zusätzlich existieren beim langfristigen Kreditgeschäft weitere Arten, die etwa im Bereich des Exportkreditgeschäfts zum Tragen kommen.
Die Formen langfristiger Kreditfinanzierung lassen sich im Wesentlichen einteilen in: 1. Schuldverschreibungen (Anleihen, Obligationen), 2. Schuldscheindarlehen, 3. langfristige Bankkredite (i. d. R. gesichert durch Hypotheken und Grundschulden) und 4. langfristige Darlehen von nicht institutionellen Kreditgebern. Die Emission von Anleihen und die Aufnahme von langfristigen Bankkrediten kann sowohl auf dem nationalen Kapitalmarkt als auch auf dem internationalen Kapitalmarkt, insbesondere dem Eurokapitalmarkt, erfolgen.
II. Außenfinanzierung
a) Schuldverschreibungen Das klassische Instrument der langfristigen Kreditfinanzierung stellt die Schuldverschreibung dar. Nach §§ 793 ff. BGB wird sie durch Ausstellung einer Urkunde begründet, die dem Inhaber der Urkunde eine Leistung, hier eine oder mehrere Zahlungen, verspricht; es sei denn, dass der Inhaber nicht über die Schuldverschreibung zur Verfügung berechtigt ist. Ohne diese Schuldverschreibung vorzulegen kann der Gläubiger seinen Anspruch nicht geltend machen, sodass die Schuldverschreibung ein Wertpapier im weiteren Sinne darstellt. Bezieht sich die Schuldverschreibung auf ein Zahlungsversprechen und wendet sie sich nicht an einen speziellen Kreditgeber, sondern an den Kapitalmarkt, wird der Terminus Anleihe verwendet. Man spricht hierbei auch vom „anonymen“ Kapitalmarkt, da die Kreditgeber dem Kreditnehmer i. d. R. unbekannt bleiben. In der Schuldverschreibung oder Anleihe verpflichtet sich der Aussteller zur Zahlung einer bestimmten Geldsumme, i. d. R. zur Rückzahlung des aufgenommenen Geldbetrages sowie zu regelmäßigen Zinszahlungen. Bei der Schuldverschreibung handelt es sich nicht um ein der Annahme bedürftiges Schuldversprechen, sondern der Aussteller wird bereits durch die Ausfertigung einseitig verpflichtet. Anleihen werden in Teilschuldverschreibungen zerlegt, die jeweils einen bestimmten Teilbetrag der Schuldverschreibung im Allgemeinen oder der Anleihe im Speziellen verbriefen. Aufgrund ihrer Vertretbarkeit stellen Teilschuldverschreibungen Effekten dar, und lauten auf einen bestimmten Nennbetrag. Sie werden überwiegend als Inhaberpapiere ausgegeben, mitunter jedoch auch als Orderpapiere. Als Emittenten von Schuldverschreibungen treten neben Unternehmungen vor allem der Staat, die öffentlichen Körperschaften (Kreditanstalt für Wiederaufbaufinanzierung, Gemeinden usw.) und Realkreditanstalten (Hypothekenbanken) auf. Dabei existieren vielfältige Gestaltungsformen von Schuldverschreibungen (Nullkuponanleihen, Floating Rate Notes, Doppelwährungsanleihen und Anleihen in Verbindung mit Zinsund Währungsswaps).
aa) Industrieobligationen Die Schuldverschreibungen privater Unternehmungen werden als Industrieobligationen bezeichnet. Da die Anleihen der Industrie, etwa gegenüber dem Handel, bei weitem überwiegen, hat sich der Name Industrieobligation für alle Schuldverschreibungen privater Unternehmungen eingebürgert. Ursprünglich war der Name Obligation nur auf Industrieanleihen beschränkt. In der Zwischenzeit emittiert auch die Bundesrepublik Deutschland sogenannte Bundesobligationen. Industrieobligationen können nur von emissionsfähigen Unternehmen begeben werden. Obwohl die Emissionsfähigkeit hierbei nicht auf bestimmte Rechtsformen beschränkt ist, haben bisher nur große Aktiengesellschaften und einige wenige sehr große GmbHs (z. B. Robert Bosch GmbH) den Weg der Finanzierung über Industrieobligationen beschritten. Das liegt zum einen an den Bonitätsanforderungen an Anleiheemittenten und zum anderen an den Mindestbeträgen, die für die Zulassung einer Anleihe zur Börse (ca. 10 Mio. Euro) kosteneffizient sind. Die Emission von Schuldverschreibungen kann als Eigen- oder Fremdemission erfolgen. In der Bundesrepublik ist die Fremdemission durch ein Bankenkonsortium, das dem Unternehmen sofort den Gegenwert der Anleihe zur Verfügung stellt, üblich. Durch ihre Börsenfähigkeit besitzen Industrieobligationen für den Anleihezeichner eine hohe
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D. Alternativen der Kapitalaufbringung Fungibilität, da sie jederzeit an der Börse verwertbar sind. Er hat jedoch auch ein Kurs-
risiko zu tragen, da die Teilschuldverschreibungen dem Wechselspiel von Angebot und Nachfrage an der Börse unterliegen. Kursabschläge treten insbesondere dann auf, wenn der Kapitalmarktzins über den Zinssatz der Anleihe steigt. Der Nennbetrag, auf den die Teilschuldverschreibungen lauten, muss weder mit dem Ausgabekurs noch mit dem Rückzahlungskurs übereinstimmen. Der Ausgabekurs kann bei pari (100 %) oder unter sowie über pari liegen, der Rückzahlungskurs kann gleich pari oder über pari sein. Am üblichsten ist ein Ausgabekurs unter 100 % und die Rückzahlung zu 100 %. Der Differenzbetrag wird bei einem Ausgabekurs unter pari als Disagio und bei einem Ausgabekurs über pari als Agio bezeichnet. Die emittierende Unternehmung kann das Disagio in der Handelsbilanz (Pflicht in der Steuerbilanz) unter den aktiven Rechnungsabgrenzungsposten aktivieren und über die Laufzeit der Anleihe linear abschreiben bzw. muss das Agio in der Handelsbilanz passivieren und über die Laufzeit der Anleihe erfolgswirksam auflösen. In der Internationalen Rechnungslegung muss nach dem derzeit gültigen IAS 39 die Abschreibung bzw. Auflösung nichtlinear nach der sogenannten Effektivzinsmethode erfolgen. Alternativ kann, falls die Verbindlichkeit als zum Fair Value designierte Verbindlichkeit angesehen werden kann und weitere Voraussetzungen erfüllt sind, der Marktwert der Verbindlichkeiten nach IAS 39 angesetzt werden.51 Der ab dem Geschäftsjahren, die nach dem 1.1.2018 beginnen, zur Anwendung kommende IFRS 9 ändert an dieser grundsätzlichen Ausgestaltung nichts. Allerdings muss bei zum Fair Value designierte Verbindlichkeiten die Erfassung der Wertänderungen in zwei Teile aufgespalten werden. Ein Teil der auf Veränderungen des Kreditrisikos der Verbindlichkeit zurückzuführen ist, ist im sonstigen Ergebnis zu erfassen, der verbleibende Betrag wird im Periodenergebnis erfasst. Davon losgelöst erheben sich durch das Disagio sowie das Agio für den Kapitalanleger ein Auseinanderfallen von Nominalverzinsung und Effektivverzinsung (vgl. Abschnitt C II 1). Für das emittierende Unternehmen liegen durch das Disagio die Zinskosten über dem Nominalsatz. Letzterer ist in seiner Höhe vom im Emissionszeitpunkt herrschenden Kapitalmarktzins abhängig. Die Anpassung des Nominalzinssatzes erfolgt dabei meist in Abstufungen von 0,5 %, während die Feinanpassung an den Kapitalmarktzins durch den Ausgabekurs erfolgt. Die durchschnittlichen Laufzeiten von Industrieobligationen liegen derzeit zwischen acht und 15 Jahren. In jüngerer Zeit wurden jedoch auch wieder vermehrt längerfristige Anleihen bis zu 50 Jahren emittiert. Die Tilgung erfolgt normalerweise als Gesamttilgung am Ende der Laufzeit, ausnahmsweise in Jahresraten. Sie setzt jedoch i. d. R. erst nach einigen (häufig 5) tilgungsfreien Jahren ein. Dadurch wird die Liquidität der Unternehmung in den ersten Jahren, in denen die der Anleihe entsprechenden Investitionen noch keine Erlöse erbringen, nicht belastet, und die Tilgungsraten können aus den erwirtschafteten Abschreibungen erbracht werden. Die Rückzahlung kann in konstanten Tilgungsbeträgen oder in Annuitäten (konstanter Betrag aus Zins und Tilgung, wobei im Zeitablauf der Zinsanteil abnimmt und die Tilgung entsprechend zunimmt) erfolgen. Die jeweils zu tilgenden Schuldverschreibungen werden meist durch Auslosung ermittelt, wozu entweder die gesamte Anleihe entsprechend der vorgesehenen Tilgungsraten in Serien eingeteilt wird, oder die Auslosung erfolgt nach den Wertpapiernummern. Da somit die genaue Laufzeit einer einzelnen Teilschuldverschreibung von vornherein nicht genau bestimmbar ist, kann auch die Effektivverzinsung nur als 51
Vgl. PWC, IFRS für Banken, 2008, S. 318 f.
II. Außenfinanzierung Erwartungswert bestimmt werden. Eine weitere Rückzahlungsmethode besteht in der Bildung eines Tilgungsfonds (Sinking Fund), aus dem zu geeigneten Zeitpunkten ein freihändiger Rückkauf über die Börse erfolgt. Ein Rückkauf wird immer dann erfolgen, wenn der Börsenkurs unter dem Tilgungskurs liegt. Der freihändige Rückkauf kann auch zusätzlich zur Tilgung durch Auslosung vorgesehen sein. Die emittierende Unternehmung kann sich ferner das Recht vorbehalten, die Anleihe außerhalb der planmäßigen Tilgung nach einer bestimmten Frist zu kündigen. Dadurch bewahrt sich der Emittent die Möglichkeit einer flexiblen Tilgungsweise, die sich der Entwicklung des Kapitalmarktes (Zinssatzsenkungen) und dem Kapitalbedarf der Unternehmung anpassen kann. Darüber hinaus kann sich der Anleiheschuldner auch das Recht der Zinskonversion vorbehalten. Sinkt der Kapitalmarktzins unter den Zinssatz der Anleihe, so können die Teilschuldverschreibungen gekündigt werden und den Obligationären wird eine neue, niedrigere zu verzinsende Anleihe angeboten. Von Seiten der Gläubiger sind Industrieobligationen fast immer unkündbar. Die sehr seltene Ausnahme der Möglichkeit einer Kündigung durch die Obligationäre bezeichnet man als Degussaklausel, da die 1953 von der Firma Degussa emittierte Anleihe den Gläubigern ein Kündigungsrecht einräumte. Die Zinszahlungen erfolgen vierteljährlich, halbjährlich oder jährlich, wobei in Deutschland die jährliche Zinszahlung überwiegt. Für den Obligationär ist die vierteljährliche Zinszahlung am günstigsten, da dann die Zinserträge früher verzinslich wiederangelegt werden können und somit die Effektivverzinsung, bei sonst gleichen Bedingungen, gegenüber Anleihen mit halb- und jährlicher Zinszahlung höher liegt. Ein früher gebräuchliches Verfahren war die Besicherung von Industrieobligationen durch Grundpfandrechte. Dabei ist die Grundschuld am gebräuchlichsten, da sie wegen ihrer Unabhängigkeit von der zugrunde liegenden Forderung beweglicher ist als die akzessorische Hypothek. Industrieunternehmen erster Bonität verzichten in jüngerer Zeit auf Sicherheitsleistungen und gewähren den Obligationären nur Covenants (vgl. Abschnitt D II 2 e). Insbesondere bei Emissionen von Tochterunternehmen gewähren Konzernmütter meist bürgschaftsähnliche Versprechen, die sogenannten Patronatserklärungen, in denen sich die Muttergesellschaften zur Liquiditätssicherung bei den Tochtergesellschaften verpflichten. Nur in Ausnahmefällen dienen auch Bürgschaften anderer Unternehmen als Besicherung. Allerdings hat sich im Rahmen der Entwicklungen der Finanzkrise 2008 und 2009 die Bürgschaft der Bundesrepublik Deutschland als ein häufig gebrauchtes Besicherungsinstrument herausgestellt, da sich zeitweise die Begebung von Wertpapieren ohne dieses Instrument sich als sehr kostspielig oder schlicht nicht möglich herausgestellt hat. Bei den Kosten des Finanzierungsinstruments Industrieobligationen ist zwischen einmaligen und laufenden Kosten zu unterscheiden. Die wichtigste Position bei den einmaligen Kosten stellt die Konsortialprovision dar. Sie wird vom emittierenden Unternehmen an das Bankenkonsortium abgeführt. Dieses übernimmt die Anleihe „en bloc“ und trägt das Risiko der Unterbringung an der Börse (Übernahmekonsortium siehe zu Emissionsmethoden und -wege auch Beteiligungsfinanzierung der AG, Abschnitt 1 b). Zur Konsortialprovision treten weitere Kosten, wie etwa die Börseneinführungsprovision, Börsenzulassungsgebühr, Kosten der Sicherheitenbestellung u. a. hinzu. Die gesamten einmaligen Nebenkosten belaufen sich auf ca. 1–4 % des Nominalbetrages der Anleihe. Die laufenden Kosten bestehen hauptsächlich aus den Zinszahlungen. Zu diesen treten noch laufende Nebenkosten, wie Kupon-Einlösungsprovision, Kosten der Auslosung
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D. Alternativen der Kapitalaufbringung u. a. hinzu. Die gesamten einmaligen und laufenden Nebenkosten betragen bei einer Laufzeit von zehn Jahren ca. 3–7 % des Nominalbetrages der Anleihe. Die Emission im Rahmen der in Deutschland für Industrieanleihen üblichen Fremdemission kann durch Auflegung zur öffentlichen Zeichnung oder als freihändiger Verkauf erfolgen (vgl. Eigenfinanzierung der AG). Zur Erhaltung des Emissionsstandings des Emittenten und des Emissionskonsortiums bedarf die Anleihe auch nach erfolgter Börseneinführung einer Beobachtung und Kurspflege.
bb) Anleihen von Kreditinstituten und der öffentlichen Hand Anleihen von Kreditinstituten sind als Refinanzierungsinstrumente der Banken für die Finanzwirtschaft der Unternehmung nur indirekt relevant. Anleiheformen von Kreditinstituten sind Pfandbriefe und Kommunalobligationen sowie Bankobligationen. Pfandbriefe und Kommunalobligationen werden von Hypothekenbanken und öffentlich-rechtlichen Kreditanstalten ausgegeben. Wie alle übrigen Inhaber- und Orderschuldverschreibungen bedurften auch Pfandbriefe und Kommunalobligationen der staatlichen Genehmigung. Heute bestehen noch strenge gesetzliche Vorschriften bezüglich des Gläubigerschutzes, die im Pfandbriefgesetz niedergelegt sind. Die Pfandbriefe müssen durch Hypotheken und Grundschulden gesichert sein. Der jeweilige Gesamtbetrag der im Umlauf befindlichen Pfandbriefe muss dabei in Höhe des Nennwerts jederzeit durch Werte von mindestens gleicher Höhe und gleichem Zinsertrag gedeckt sein. Zusätzlich muss die jederzeitige Deckung nach dem Barwert sichergestellt sein sowie der Barwert der eingetragenen Deckungswerte den Gesamtbetrag der zu deckenden Verbindlichkeiten um zwei Prozent übersteigen (sichernde Überdeckung). Darüber hinaus dürfen Pfandbriefe von den Realkreditinstituten nur bis zu einem bestimmten Vielfachen ihres haftenden Eigenkapitals ausgegeben werden. Die durch Pfandbriefe aufgebrachten Mittel dienen primär der Finanzierung des Wohnungsbaus. Die Beleihung industriell genutzter Grundstücke durch Hypothekenbanken tritt demgegenüber stark zurück und macht im Durchschnitt nur wenige Prozent des Beleihungsstocks aus. Die rechtliche Zulässigkeit der industriellen Beleihungen durch Hypothekenbanken war auch einige Zeit umstritten. Kommunalobligationen dienen der Refinanzierung von Kommunaldarlehen, die an Gemeinden ausgereicht werden. Für private Unternehmungen besitzen sie daher keine Bedeutung, für Kommunalbetriebe haben sie eine mittelbare Relevanz als Finanzierungsinstrument. Von den Kommunalobligationen, die von Banken ausgegeben werden, sind die öffentlichen Anleihen zu trennen, die von öffentlich-rechtlichen Körperschaften unmittelbar begeben werden. Staatsanleihen werden vom Bund, den Ländern und ausländischen Staaten emittiert, Kommunalanleihen von den Gemeinden.
b) Varianten der Schuldverschreibung aa) Optionsschuldverschreibungen Optionsschuldverschreibungen gewähren, über die regulären Gläubigerrechte wie Zinszahlung und Rückzahlung hinaus, dem Inhaber das Recht, Aktien oder Anleihen zu vorab festgelegten Bedingungen während einer bestimmten Frist zu beziehen, wenn er dafür optiert. Daneben können Anleihen auch mit laufzeitverändernden Optionen (Kündigungsrechte für Emittent oder Gläubiger), nominalzinsverändernden Optionen (Emittent kann Nominalzinssatz zu bestimmten Zeitpunkten ändern) und Konver-
II. Außenfinanzierung sionsrechten (Recht auf Umtausch der Anleihe) ausgestattet sein. Von Wandelanleihen unterscheiden sich Optionsschuldverschreibungen mit dem Recht auf Bezug von Aktien oder Anleihen dadurch, dass bei Ausübung des Optionsrechts das ursprüngliche Gläubigerpapier nicht erlischt, sondern weiterhin bestehen bleibt. Der Optionsschein, der das Optionsrecht verbrieft, kann auch getrennt von der Anleihe gehandelt werden. Bei der Börsennotiz sind deshalb Kurse für die Obligation mit Optionsschein (Warrant), die Obligation ohne Optionsschein und den Optionsschein allein möglich. Auf dem deutschen Kapitalmarkt dominieren Optionsschuldverschreibungen mit dem Recht zum Bezug von Aktien (Stock Warrant Bonds). Bei der Ausübung des Optionsrechts erfolgt ein Aktienkauf zu Konditionen, die bei Ausgabe der Obligation festgelegt werden. Somit wird bei der Emission der Schuldverschreibung Fremdkapital aufgenommen, bei der Ausübung der Option wird zusätzliches Eigenkapital geschaffen. Die Ausgabe von Optionsanleihen mit einem Optionsrecht auf Aktien bedarf des Beschlusses der Hauptversammlung über eine bedingte Kapitalerhöhung. Der Beschluss hat den Vorschriften des § 221 AktG (3 ⁄4-Mehrheit des vertretenen Grundkapitals) zu entsprechen. Obwohl Optionsanleihen dort nicht ausdrücklich aufgeführt sind, ergibt sich dies aus der sachlichen Parallelität zur dort aufgeführten Wandelanleihe. Den Aktionären steht demnach ein gesetzliches Bezugsrecht zu. Über die Konditionen einer reinen Schuldverschreibung hinaus sind folgende Daten zusätzlich festzulegen: 1. Kurs, zu dem bei Ausübung der Option Aktien bezogen werden können (Optionskurs oder Bezugskurs), 2. Optionsverhältnis (Aktien, die pro Optionsrecht bezogen werden können) und 3. Optionsfrist, innerhalb der die Option ausgeübt werden kann. Darüber hinaus können Kapitalverwässerungsschutzklauseln zur Sicherung der Rechte von Optionsanleiheinhaber bei Kapitalerhöhungen vereinbart werden.52 Der Wert des Optionsrechtes wird innerhalb der Wandlungsfrist durch die Ausgabe von Aktien aus Gesellschaftsmitteln und durch Kapitalerhöhungen gegen Einlagen, wenn der Ausgabekurs der jungen Aktien unter dem Börsenkurs liegt, reduziert. In beiden Fällen sinkt der Aktienkurs, woraus den Anleiheinhabern bei Beibehaltung des ursprünglichen Bezugspreises ein Vermögensnachteil entsteht, da sich die Vorteilhaftigkeit der Ausübung des Optionsrechts verringert, was zu einem Absinken des Börsenkurses der Optionsanleihe führt. Wertreduzierungen des Optionsscheins können sich auch durch verstärkte Dividendenausschüttungen der Gesellschaft oder aus der Einräumung von Vorzugsrechten, wie z. B. Genussrechten, an die Aktionäre ergeben. Für den Fall der Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln sieht § 218 AktG vor, dass das bedingte Kapital im gleichen Verhältnis wie das Grundkapital erhöht wird. Es verbleibt jedoch ein Nachteil für die Inhaber von Optionsanleihen, wenn der ursprünglich vereinbarte Bezugskurs nicht an die veränderten Bedingungen angepasst wird. Für den Fall der Emissionen von jungen Aktien, deren Ausgabekurs unter dem Börsenkurs der alten Aktien liegt, werden in den Optionsbedingungen meist Anpassungsklauseln aufgenommen. Üblich ist die Herabsetzung des Bezugskurses um den Wert des Bezugsrechts. Der Wert des Bezugsrechts kann dabei rechnerisch bestimmt werden (vgl. Abschnitt 1 b) oder aus dem Durchschnittskurs des Bezugsrechtshandels an den Wertpapierbörsen (bzw. einer bestimmten Börse) ermittelt werden. 52
Vgl. Welcker, Kapitalverwässerungsschutz, 1970; Welcker, Thomas, Finanzanalyse, 1981, S. 37 ff.
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D. Alternativen der Kapitalaufbringung Eine weitere Möglichkeit, die Inhaber von Optionsanleihen bei Kapitalerhöhungen vor Vermögenseinbußen zu bewahren, besteht darin, ihnen ein Bezugsrecht zu gewähren, das dem der Aktionäre entspricht. Für vertragliche Schutzklauseln ergibt sich allerdings die Schwierigkeit, dass Zusicherungen auf den Bezug neuer Aktien, vor dem jeweiligen Beschluss der Hauptversammlung über die Erhöhung des Grundkapitals, gegenüber der Gesellschaft unwirksam sind (§ 187 AktG). Die Einräumung des Bezugsrechts an die Optionsanleiheinhaber hängt somit jeweils von einem entsprechenden Beschluss der Hauptversammlung ab und ist damit unsicher. Die Zinssätze von Optionsanleihen liegen im Allgemeinen etwas unter den üblichen Anleihekonditionen. Je wertvoller das Optionsrecht im Zeitpunkt der Ausgabe erscheint, umso eher kann mit dem Zinssatz vom vergleichbaren Marktzinssatz für Anleihen zugunsten der emittierenden Unternehmung abgewichen werden. In der Gewinn- und Verlustrechnung schlagen somit geringere Zinsaufwendungen zu Buche. Demgegenüber steht eine Kapitalerhöhung, die gerade dann den jeder Aktie zurechenbaren Gewinn vermindert, wenn Gewinne und Aktienkurse hoch sind. Denn im Falle, dass Gewinne und Aktienkurse steigen, wird wahrscheinlich der Aktienkurs oberhalb des Bezugskurses liegen. Unter diesen Umständen kann der Inhaber der Optionsanleihe die Aktie zum günstigeren Bezugskurs beziehen. Wie bei der Kapitalerhöhung entsteht dadurch ein Vermögensverlust beim Altaktionär, der den günstigen Zinskonditionen gegenübersteht, aus neoklassischer Sicht ihn gerade ausgleicht. Aus Sicht der neoinstitutionalistischen Finanzierungstheorie bietet die Optionsanleihe eine Lösungsmöglichkeit zur Überwindung der Interessendivergenz zwischen Kreditnehmer und Kreditgeber. Der Optionsanleiheinhaber verliert zwar als Kreditnehmer bei Durchführung riskanter Investitionsprojekte als Kreditnehmer, als Inhaber des Optionsscheins gewinnt er dagegen vom zunehmenden Risiko und möglichen Gewinnen aus den riskanten Investitionsprojekten. Somit mildert sich die Interessendivergenz durch Optionsanleihen etwas ab.53 Für den Optionsschein kann wie bei der Option in Abschnitt C V 3 ein rechnerischer Mindestwert, auch als innerer Wert bezeichnet, ermittelt werden, der vom tatsächlichen Kurswert an der Börse zu unterscheiden ist. Rechnerischer und tatsächlicher Kurswert des Optionsscheins sind abhängig von: 1. dem derzeitigen und dem erwarteten Kurswert der zugehörigen Aktien, 2. dem noch verfügbaren Zeitraum für die Ausübung des Optionsrechtes und 3. dem Optionsverhältnis. In Abhängigkeit vom jeweiligen Aktienkurs KtA ergibt sich folgender rechnerischer Wert des Optionsrechtes bzw. des isoliert handelbaren Optionsscheins RtOS:
R OS t b KtA B
53
b(K At B) = Bezugsverhältnis, d. h. Anzahl der Aktien (Anteilsscheine), die mit einem Optionsschein bezogen werden können (Optionsverhältnis) = Kurswert der Aktien (Anteilsscheine) im Zeitpunkt t = Bezugspreis für eine Aktie bei Ausübung der Option (Optionskurs)
Vgl. Hartmann-Wendels, Zur Integration von Moral Hazard und Signalling, 1990, S. 237 f.
II. Außenfinanzierung Wie bei der Option bildet der rechnerische Wert die theoretische Untergrenze für den Marktpreis MOS des Optionsscheins. Da keine negativen Preise für Optionsscheine notiert werden, gilt: M OS t Max ^0; R OS t t ` 0 für K At d B ° t® M OS t A A ° ¯ b (K t B) für K t ! B
Wenn der Kurswert der Aktie KtA über dem Bezugspreis B liegt, also KtA > B gilt, dann werden (unter Vernachlässigung von Transaktionskosten bei einem Absinken des Marktpreises MtOS unter den rechnerischen Wert RtOS des Optionsscheins Arbitrageprozesse lohnend, bei denen Optionsscheine gekauft, die Optionen ausgeübt und die erhaltenen Aktien sofort wieder veräußert werden. Die auftretenden Arbitrageprozesse stellen dann die Gültigkeit der Beziehung MtOS t RtOS wieder her. Die Differenz zwischen dem Marktpreis MtOS und dem rechnerischen Wert RtOS des Optionsscheins wird als Prämie (Aufgeld) bezeichnet. Sie entspricht der Differenz zwischen dem Kauf von Anteilen (Aktien) entsprechend dem Bezugsverhältnis b über einen Optionsschein und dem Preis für den direkten Kauf derselben Anzahl von Anteilen (Aktien) (Beispiel zur Prämienberechnung: vgl. Abbildung D 6). Beispiel zur Prämienberechnung für einen Optionsschein Beispiel: Bezugsverhältnis b = 2; Bezugskurs B = 120; Kurswert der Aktie zum Zeitpunkt tK At 110; Marktkurs des Optionsscheins im Zeitpunkt tMOS 10. t
MOS t bB
Kauf von Aktien über einen Optionsschein
10 240 2 110 Damit Prämie: 250 220
330
Aufgeld:
250
b K At
Kauf der entsprechenden Anzahl von Aktien direkt
220
10 220 240 100% 13,64% 220
Geht man davon aus, dass ein Optionsscheinkäufer in der Situation K At B das Optionsrecht nie wahrnehmen wird, so erscheint die Berechnung der Prämie bei Gültigkeit von K At B in Höhe des Marktwertes des Optionsrechtes MOS t als sinnvoll, denn es wird nur dieser Betrag eingesetzt, während der hypothetische Prämienbetrag von 30 nicht erbracht wird. Somit ist die Prämie im Beispielsfall, da K At B: PtOS
MOS t
10 Abb. D 6: Beispiel zur Prämienberechnung für einen Optionsschein
Erklärung der Prämie über den rechnerischen Wert (vgl. auch Abschnitt C V3 b aa): Prämie (absolut) PtOS
= Marktwert des Optionsscheins
M OS b(K At B) t
–
rechnerischer Wert
des Optionsscheins
481
482
D. Alternativen der Kapitalaufbringung Identische Erklärung der Prämie über den Anteilskauf: Prämie
= Preis für den Anteilskauf
–
über einen Optionsschein
(absolut)
(entsprechend b) OS t
P
M
OS t
Preis für den direkten Kauf einer b entsprechenden Anzahl von Anteilen
A t
b(K B)
Die Prämie kann auch in Relation zum zugehörigen Aktienkurs (unter Berücksichtigung des Bezugsverhältnisses) bKtA als Aufgeld in Prozent ausgedrückt werden: M tOS b K At b B 100% b K At
In der Literatur wird die Prämie überwiegend nicht auf negative Größen des rechnerischen Wertes RtOS bezogen (bzw. es wird ein Verkauf von RtOS stets t 0 angenommen). Es gilt dann: M OS R tOS für M OS !0 ° t PtOS t ® tOS OS M für R 0 ° t ¯ t
bzw. bei Erklärung der Prämie über den Anteilskauf: (M OS b B) b K tA für K tA t B ° PtOS t ® OSt für K At B ° ¯M t
Entsprechend dem theoretischen Postulat Marktwert HMtOS t rechnerischer Wert RtOS, stellen sich normalerweise auch in der Realität positive Prämien bei der Optionsscheinbewertung ein (vgl. Abbildung D 7). Die Prämie kann mithilfe der Optionspreistheorie berechnet werden. Sie fällt dabei tendenziell umso höher aus, je länger der Zeitraum bis zum Ablauf der Optionsfrist noch ist und die Volatilität der erwarteten Aktienkurse innerhalb dieses Zeitraums eingestuft wird. Mit einer größeren Volatilität der Aktienkurse steigt für die Optionsscheinkäufer die Chance auf die Realisierung größerer Kursgewinne bei Ausübung der Option; das aus der Volatilität der Aktienkursentwicklung für den Optionsscheininhaber resultierende Verlustrisiko ist auf den Kaufpreis des Optionsscheins begrenzt. Starke Kursverluste der Aktie können maximal zu einem Optionswert von Null führen. Ferner besteht die Möglichkeit, mit geringerem Kapitaleinsatz an den Kurssteigerungen der Aktie zu partizipieren und die Differenz verzinslich anzulegen (vgl. auch Abschnitt C V 3 b aa). Für Optionsscheine konnten in seltenen Fällen in der Vergangenheit Bewertungsanomalien, also das Auftreten von negativen Prämien und somit einer Marktnotiz unter dem rechnerischen Wert, beobachtet werden (vgl. Abbildung D 10). So ließen sich in einer von Moser durchgeführten Untersuchung für einen an der Wiener Börse notierten Optionsschein über einen Zeitraum von mehr als vier Monaten gewinnbringende Differenzarbitragemöglichkeiten (Kauf eines Optionsscheins, sofortige Ausübung der Option und Veräußerung der erlangten Anteile) zwischen dem Optionsscheinteilmarkt und dem zugehörigen Anteilmarkt nachweisen, ohne dass Arbitrageprozesse die theoretisch postulierte Beziehung MtOS t RtOS innerhalb dieses Zeitraums hergestellt hätten.54 Es
54
Vgl. Moser, Bewertungsanomalien, 1981.
II. Außenfinanzierung traten dabei, unter Berücksichtigung von Spesen, Gewinnmöglichkeiten in Relation zum eingesetzten Kapital von bis zu 4 % auf. Die Höhe der negativen Prämie bewegte sich im Untersuchungszeitraum zwischen 1 % und 7 %.
Abb. D 7: Zusammenhang zwischen Marktpreis MOS und rechnerischem Wert ROS eines Optionsscheins bei Existenz einer positiven Prämie (Aufgeld)
Optionsschuldverschreibungen mit einer Option auf Anleihen (Interest Warrants, Bond Warrants) sind insbesondere am Euromarkt weit verbreitet. Sie gewähren das Recht,
eine oder mehrere zukünftige Anleihen des Emittenten zu bereits vorab festgelegten Bedingungen zu beziehen. Ob die Option gewinnbringend ausgeübt werden kann, hängt von der Höhe der Marktzinsen im Verhältnis zur Verzinsung des Optionspapiers im Optionszeitraum ab. Der Kauf von Interest Warrants beinhaltet somit eine Spekulation über die Marktzinsentwicklung. Bei entsprechend differenziertem Angebot können sie zur Absicherung gegen Zinsänderungsrisiken Verwendung finden. Auf den internationalen Kapitalmärkten werden auch Optionsscheine ohne zugehörige ursprüngliche Obligation, sogenannte (Naked) Warrants, begeben, die Spekulations- oder Kurssicherungsbedürfnissen besonders entgegenkommen. Der Kauf von Optionsscheinen ist mit dem Eingehen eines Wertpapiertermingeschäfts in Form einer Kaufoption (Call) vergleichbar, wobei das Geschäft in Warrants im Allgemeinen längere Optionsfristen bietet.
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D. Alternativen der Kapitalaufbringung
bb) Wandelschuldverschreibungen Wandelschuldverschreibungen (Convertible Bonds) gewähren zusätzlich zu den Rechten normaler Industrieobligationen das Recht auf Umtausch der Schuldverschreibungen in Aktien. Das Umtauschrecht kann meist erst nach einer bestimmten Sperrfrist ausgeübt werden. Die Ausgabe von Wandelobligationen bedarf wie die der Optionsschuldverschreibungen eines Beschlusses der Hauptversammlung, da zur Wahrung des Umtauschrechts eine bedingte Kapitalerhöhung vorgenommen werden muss (vgl. §§ 218, 221 AktG). Der Hauptversammlungsbeschluss muss den entsprechenden Anforderungen des Aktiengesetzes genügen, also insbesondere mit ¾-Mehrheit des vertretenen Grundkapitals, nach Aktiengattungen getrennt, gefasst werden. Auch für Wandelobligationen steht den Aktionären ein gesetzliches Bezugsrecht zu. Bei Ausgabe der Wandelanleihe sind neben den Konditionen für eine normale Schuldverschreibung (Zinssatz, Laufzeit, Zinstermine, Besicherung) zusätzlich festzulegen: 1. das Wandlungsverhältnis (d. h. wie viele Schuldverschreibungen bei Umtausch eine Aktie ergeben), 2. die Zuzahlungen bei Wandlung (ggf. gestaffelt nach Wandlungszeitpunkten), 3. die Umtauschfrist (erster und letzter Wandlungszeitpunkt) und ggf., 4. Kapitalverwässerungsschutzklauseln. Wie bei Optionsanleihen besteht auch bei Wandelschuldverschreibungen eine Kapitalverwässerungsproblematik, wenn neue Aktien ausgegeben werden. Für den Fall der Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln greift wie bei Optionsanleihen der § 218 AktG, der eine Erhöhung des bedingten Kapitals vorsieht. Für den Fall der Emissionen von jungen Aktien, deren Ausgabekurs unter dem Börsenkurs der alten Aktien liegt, wird in den Wandlungsbedingungen meist eine Kürzung der Zuzahlung in Höhe des Wertes des Bezugsrechts vereinbart: Neue Zuzahlung = ursprüngliche Zuzahlung – Wert des Bezugsrechtes. Als Alternative oder in Ergänzung zur Herabsetzung der Zuzahlungen kann auch eine Veränderung des Umtauschverhältnisses vereinbart werden. Wie bei Optionsanleihen besteht ferner die Möglichkeit, den Obligationären ein Bezugsrecht zu gewähren, das dem der Aktionäre entspricht. Die Zuzahlungen können konstant oder im Zeitablauf variabel vereinbart werden. Häufig erfolgt eine zeitlich steigende oder fallende Staffelung der Aufgeldbeträge. Durch Wahrnehmung des Wandlungsrechtes erfolgt ein Tausch von Obligationen in Aktien, wobei die Obligationen untergehen. Für die Unternehmung ist damit eine Umwandlung von Fremdkapital in Eigenkapital verbunden, aus den Kreditgebern werden Anteilseigner. Je nach Liquiditäts- und Rentabilitätslage hat eine Unternehmung Interesse an einer frühen oder späten Wandlung. Der Wandlungszeitpunkt kann von der Unternehmung durch die Gestaltung der Zuzahlungen beeinflusst werden. Im Zeitablauf steigende Zuzahlungen tragen zu einer Beschleunigung der Wandlungsentscheidung der Obligationäre bei, fallende Zuzahlungen dagegen bewirken tendenziell ein Hinausschieben des Wandlungszeitpunktes. Mit der Umwandlung in Eigenkapital wird die Unternehmung der Tilgung enthoben, und es fließen ihr durch das bei Wandlung zu entrichtende Aufgeld liquide Mittel zu. Allerdings wird mit dem Umtausch auch das
II. Außenfinanzierung dividendenberechtigte Eigenkapital erhöht. Die Gründe für die Ausgabe von Wandelanleihen sind weitgehend identisch zu denen für die Emission von Optionsanleihen. Rechnerischer Wert und tatsächlicher Marktwert (Börsenkurs) von Wandelanleihen setzen sich zusammen aus der Schuldverschreibungskomponente und der Umwandlungskomponente.55 Der Wert der reinen Obligationskomponente liegt im Ausgabezeitpunkt unter dem Ausgabepreis, soweit die Wandelobligation mit einem Zinssatz ausgestattet ist, der unter dem Marktzinssatz für vergleichbare Schuldverschreibungen (gleiche Bonität und Laufzeit) liegt. Der rechnerische Kurswert der Obligation RObl im Ausgabezeitpunkt t = 0 ergibt sich mithilfe der Kapitalwertmethode (vgl. Abschnitt B I 3 b aa) wie folgt:
Et
= Rückflüsse zu den Zeitpunkten t = 1, …, n = Zinszahlungen auf die Wandelobligation zu den Zeitpunkten t = iw · N; = Zinssatz der Wandelobligation; = Nominalwert; = herrschender Marktzinssatz für Obligationen gleicher Laufzeit; = Tilgung am Ende der Laufzeit = N, wenn Tilgung zum Nominalwert erfolgt.
iw N i Ln
Es ist ersichtlich, dass, soweit i > iW gilt, der Kurswert der Obligationskomponente der Wandelanleihe im Ausgabezeitpunkt und bis zur Fälligkeit unter dem Nominalwert und unter dem Kurswert vergleichbarer, mit marktkonformem Zins ausgestatteter Schuldverschreibungen liegt. Erst im Tilgungszeitpunkt wird der Nominalwert und damit auch der Kurswert vergleichbarer Schuldverschreibungen erreicht. RtObl steigt also im Zeitablauf von R0Obl bis R nObl = N an. Der rechnerische Kurswert des Umtauschrechtes RUm hängt unter Berücksichtigung des Umtauschverhältnisses vom Kurswert der Aktien ab.
KtA a w Zt
= Kurswert der Aktien im Zeitpunkt t = Anzahl der Aktien = Anzahl der dafür einzutauschenden Wandelanleihen = Zuzahlung im Zeitpunkt t für eine Bezugsaktie
Für den rechnerischen Kurswert der Wandelanleihe RtW gilt dann unter Zusammenführung der beiden Komponenten:
55
Vgl. Brigham, Convertible Debentures, 1966; Weston, Copeland, Managerial Finance, 1992, Abschnitt 25; Süchting, Finanzmanagement, 1995, S. 134 ff.
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D. Alternativen der Kapitalaufbringung Der Kurswert von Wandelanleihen wird somit nach unten begrenzt durch den Obligationswert und den Wert des Umtauschrechtes, wovon jeweils der höhere Wert ausschlaggebend ist. Gegenüber dem unmittelbaren Aktienkauf ergibt sich für den Kapitalanleger der Vorteil, dass der Kurs der Wandelanleihe nicht unter den Wert der Obligationskomponente RtObl sinken kann (sichere Zins- und Tilgungszahlungen vorausgesetzt), auch wenn der Aktienkurs stark verfällt und RtUm < RtObl gilt. Diese Begrenzung des Risikos nach unten kann als Ursache dafür gesehen werden, dass der tatsächliche Marktwert MW, in Form des Börsenkurses der Wandelobligation, normalerweise über dem rechnerischen Wert liegt. Die Kapitalanleger sind bereit, eine Prämie für die Risikobegrenzung zu erbringen.
Wert der Wandelschuldverschreibung
Der Wert einer Wandelschuldverschreibung ist demzufolge eng an den Marktwert des Unternehmens gebunden.56 Dieser Zusammenhang wird in Abbildung D 8 grafisch veranschaulicht.57
Insolvenz des Schuldners
Obligationswert > Umtauschrecht
Umtauschrecht > Obligationswert
Unternehmenswert
Abb. D 8: Wertentwicklung von Wandelobligationen58
Die Prämie, als Differenz zwischen Marktwert MtW und rechnerischem Wert RtW, ist tendenziell, je länger die Wandlungsfrist noch ist (vgl. Abbildung D 9).
56 57 58
Vgl. einschlägig Ingersoll, Contingent-Claims Valuation of Convertible Securities, 1977, S. 289 ff. Vgl. Brealey, Myers, Allen, Corporate Finance, 2008, S. 652. Vgl. Weil, Segall, Green, Convertible Bonds, 1968; dieselben, A Reply to Premiums on Convertible Bonds: Comment, 1970.
II. Außenfinanzierung
Abb. D 9: Mögliche Verläufe des Marktwertes MW und des rechnerischen Wertes RW einer Wandelobligation sowie des Wertes des Umtauschrechts RUm und des Wertes der reinen Obligation RObl bei Existenz einer positiven Prämie (Aufgeld) innerhalb der Gesamtlaufzeit
Allerdings konnten in Ausnahmefällen negative Prämien, also Kurse für Wandelanleihen, die unter den hier dargestellten rechnerischen Werten RtW lagen, beobachtet werden.59 Man spricht in diesem Zusammenhang auch von Bewertungsanomalien bei Wandelobligationen. Das Nichteinsetzen von Arbitrageprozessen, obwohl sich Käufer von Wandelobligationen mit sofortiger Umwandlung in Aktien günstiger stellen als Käufer, die unmittelbar Aktien erwerben, wird in diesem Zusammenhang mit den für die Realisierung kurzfristiger Kursgewinne negativen Wartefristen zwischen Ausübung des Wandlungsrechtes und der Möglichkeit der Disposition über die Tauschaktien erklärt.
cc) Gewinnschuldverschreibungen Gewinnschuldverschreibungen stellen eine Sonderform der Industrieobligationen dar. Sie unterscheiden sich von diesen dadurch, dass der Obligationär entweder neben einem festen Grundzins einen weiteren mit der Dividende gekoppelten Gewinnanspruch hat, oder es wird kein fester Zins vereinbart. Stattdessen wird ihm ein bestimmter Gewinnanteil ausgezahlt. Gewinnschuldverschreibungen, die keinen festen Grundzins gewähren, tragen damit das Risiko, in Verlustjahren leer auszugehen sowie bei einer starken Gewinnthesaurierungspolitik der Unternehmung benachteiligt zu werden. Der Gewinnobligationär ist Gläubiger und kein Miteigentümer. 59
Vgl. Uhlir, Wandelanleihen, 1976, S. 40.
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D. Alternativen der Kapitalaufbringung
dd) Nullkuponanleihen (Zerobonds) Neben den herkömmlichen Festzinsanteilen (Kuponanleihen, straight bonds) haben sich zahlreiche weitere Anleiheformen etabliert. Dazu zählen u. a. (vgl. auch Abschnitt C II 2 b bb): 1. Nullkuponanleihen (Zerobonds), 2. Anleihen mit variabler Verzinsung (Floating Rate Notes), 3. Doppelwährungsanleihen und 4. Anleihen in Verbindung mit Währungs- und Zinsswaps. Nullkuponanleihen sind ohne laufende Zinszahlungen ausgestattet. Zinsen und Zinses-
zinsen werden thesauriert und erst bei Endfälligkeit der Anleihe zusammen mit der Anleihentilgung an den Anleger ausgezahlt. Varianten der Nullkuponanleihe sind: 1. Zuwachsanleihe oder Zinssammler Die Ausgabe erfolgt zu einem Kurs von 100 % und die Rückzahlung zu einem Kurs, der Tilgung, Zins und Zinseszins enthält; 2. echte Nullkuponanleihe Der Rückzahlungskurs beträgt 100 %, während der Ausgabepreis mit einem Diskontabschlag, der Zins und Zinseszins enthält, ermittelt wird. Im Gegensatz zu Kuponanleihen weisen c. p. Nullkuponanleihen deutlich größere Kursschwankungen auf. Bei Marktzinserhöhungen während der Laufzeit sinkt der Kurs von Nullkuponanleihen stärker als der von vergleichbaren Kuponanleihen. Umgekehrt können Nullkuponanleihen-Besitzer bei Marktzinssenkungen während der Anleihelaufzeit mit stärkeren Kurssteigerungen rechnen als die Inhaber vergleichbarer Kuponanleihen (vgl. Abschnitt C II). Das lässt sich dadurch begründen, dass nicht nur der Kapitalbetrag, sondern auch die (zukünftigen) Zinsen mit einem festen über bzw. unter dem Marktzins liegenden Zinssatz verzinst werden. Die mit der Marktzinsänderung verbundene Hebelwirkung sinkt mit abnehmender Restlaufzeit Nullkuponanleihen beinhalten mithin für den Anleger kein Zinsänderungsrisiko im Sinne eines Endwertänderungsrisikos, soweit Anleihelaufzeit und Planungshorizont übereinstimmen, aber ein im Vergleich zu Kuponanleihen höheres Marktwertänderungsrisiko. Für die Bilanzierung von Nullkuponanleihen beim Emittenten gilt der Ausweis der Verbindlichkeit zum Emissionsbetrag unter Zuschreibung über die Jahre der Laufzeit (Nettoansatz). Der Zinsaufwand wird damit über die Jahre der Laufzeit verteilt. Für die handelsrechtliche wie steuerrechtliche Bilanzierung beim Emittenten ist somit der Nettoansatz zu wählen, bei dem die Verbindlichkeit über die Jahre der Laufzeit zugeschrieben wird. Haben bilanzierungspflichtige Unternehmen Nullkuponanleihen als Gläubiger in ihrem Wertpapierbestand, so sind in der Steuerbilanz die Anschaffungskosten jährlich um die rechnerisch aufgelaufenen Zinsen und Zinseszinsen erfolgswirksam zu erhöhen.60 Ist der Börsen- oder Marktwert des Wertpapiers allerdings niedriger als der aufgezinste rechnerische Wert, so ist entsprechend dem Niederstwertprinzip dieser als Bilanzansatz zu wählen. Bei einer Einkommensbesteuerung auf Basis des Periodenver60
Zur steuerlichen Behandlung beim Besitzer der Wertpapiere vgl. Abschnitt C VI.
II. Außenfinanzierung mögensvergleichs, wie dies bei Unternehmen der Fall ist, erfolgt somit eine jährliche Realisierung des Zinsertrags aus Zerobonds, soweit nicht die Kursentwicklung dem entgegensteht. In der internationalen Rechnungslegung muss wie beim Disagio von Kuponanleihen die Effektivzinsmethode angewendet werden (vgl. Abschnitt D II 3 a aa). Der zentrale Nachteil von Nullkuponanleihen, insbesondere mit langer Laufzeit, aus Sicht der neoinstitutionalistischen Finanzierungstheorie ist darin zu sehen, dass im Gegensatz zu den Kuponanleihen keine Zahlungen während der Laufzeit fließen und damit ein Kontrollinstrument zur Überwindung der Informationsasymmetrie fehlt. An Hand der Kuponzahlungen kann der Kreditgeber zumindest Indizien über die Liquiditätssituation des Kreditnehmers gewinnen. Verstärkt wird diese Problematik bei langlaufenden Nullkuponanleihen von großen Aktiengesellschaften dadurch, dass der Vorstand zum Zeitpunkt der Emission Schulden aufnimmt, die meist ein neuer Vorstand zum Zeitpunkt der Fälligkeit tilgen muss, ohne dass der emittierende Vorstand irgendwelche Zahlungen leisten muss. Dieses Faktum kann als Erklärung dafür verwendet werden, dass langlaufende Nullkuponanleihen am deutschen Kapitalmarkt wenig beliebt sind.
ee) Anleihen mit variabler Verzinsung (Floating Rate Notes) Bei Floating Rate Notes (FRN) erfolgt eine Neufestsetzung der Verzinsung in regelmäßigen festgelegten Zeitabständen anhand eines Referenzzinssatzes. Es kann hierbei ein Mindest- und/oder Höchstzinssatz vereinbart werden. Als Referenzzinssatz dient ein ausgewählter Geldmarktzins, der für die Verzinsung der Anleihe um einen Aufschlag oder Abschlag korrigiert wird. Die Zeitabstände der Zinssatzfestlegung belaufen sich überwiegend auf drei oder sechs Monate. Als Referenzzinssätze kommen fast ausschließlich kurzfristige Geldmarktsätze zur Anwendung. Herausragende Bedeutung der Referenzzinssätze haben dabei der LIBOR (London Interbank Offered Rate) und der EURIBOR (European Interbank Offered Rate). Diese Referenzzinssätze werden aus dem Interbankenhandel der führenden Banken ermittelt. Bspw. sind an der Bestimmung der EURIBOR-Zinssätze durch die „European Banking Federation“ ca. 50 Banken beteiligt. Dabei werden die Geldmarktzinssätze für verschiedene Laufzeiten ermittelt. In den 2000ern gab es eine längere Periode mit negativen Zinsen. Dies betraf vor allem die (Geldmarkt)-zinssätze für kurzfristige Anlagen, wie LIBOR- oder EURIBOR-Zinssätze. Negative Zinsen implizieren aber keine Zahlungsverpflichtung des Inhabers der Schuldverschreibung (Gläubigers) gegen den Emittenten (Schuldner). Dies garantiert der § 793 BGB, der nur ein Leistungsversprechen des Emittenten (Schuldners) an den Inhaber der Schuldverschreibung kodifiziert. Negative Zinsen können sich aber auf den potenziellen Zinsaufschlag, mit dem Floater begeben wurden auswirken. Wurde etwa ein Floater mit einem Aufschlag von einem Prozentpunkt auf den EURIBOR-Zinssatz emittiert, so ist in aller Regel der Emittent bei negativem EURIBOR-Zinssatz von -0,5 % nur verpflichtet, einen Kupon von 0,5 % (1 %-0,5 %) zu leisten. An den Euromärkten haben Floater die Festzinssatzanleihen als führendes Marktinstrument abgelöst, da sie sich besonders gut für die Kreditinstitute zur fristenkongruenten Refinanzierung von Roll-Over-Krediten eignen, bei denen ebenfalls eine Zinssatzanpassung in festgelegten Zeitabständen anhand von Geldmarktreferenzzinssätzen erfolgt. Für den Emittenten bietet die Anleihe mit variabler Verzinsung die Möglichkeit einer langfristigen Kapitalaufnahme bei stets marktkonformer Verzinsung. Nachteilig wirken sich die geringere Flexibilität z. B. im Vergleich zu Euronotes bzgl. der Volumen-
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D. Alternativen der Kapitalaufbringung sanpassung, sowie die mangelnde Anpassungsfähigkeit hinsichtlich der Ausnutzung der Mittel gegenüber einer Kreditfinanzierung aus. Starke Schwankungen der Zinsen im kurzfristigen Bereich können dazu führen, dass die Investitionsrendite unter den zu zahlenden Referenzzinssatz sinkt. Für den Kapitalanleger ergibt sich der Vorzug, dass das Kursrisiko bei dieser Anleiheform weit gehend ausgeschaltet ist, da die Papiere zu den Anpassungszeitpunkten in der Nähe ihres Emissionskurses notieren werden. Dadurch tritt auch das Problem des „idealen“ Kauf- oder Verkaufszeitpunktes in den Hintergrund. Neben der einfachen Floating Rate Notes, deren Kupon mit dem Referenzzinssatz linear steigt und fällt, existieren weitere Varianten von Floating Rate Notes, die sich gegenläufig zum Referenzzinssatz entwickeln oder von mehreren Referenzzinssätzen abhängen. Als Beispiel sei an dieser Stelle die sogenannte Reverse Floating Rate Note genannt. Ihr Kupon ermittelt sich als Differenz eines Basiszinssatzes und dem aktuellen Referenzzins bzw. einem Vielfachen dessen. Da nach obigen Ausführungen zum § 793 BGB der Kupon nicht negativ werden kann, beträgt der minimale Kupon Null. Der Emittent gewinnt mit diesem Instrument, falls die Zinssätze ansteigen. Für den Anleger gilt das Gegenteil. Im Gegensatz zu Floating Rate Notes ändern negative Referenzzinsätze bei Reverse Floating Rate Notes nichts an der Berechnungslogik des Kupons. Er wird immer noch als Differenz eines Basis- und Referenzzinssatzes gebildet. Allerdings ist zu beachten, dass der Kupon bei negativen Zinsen den Basiszins übersteigen kann. Als Beispiel für eine Anleihe, deren Kupon von mehreren Referenzzinssätzen abhängt, seien hier die sogenannten Constant Maturity Swap Floating Rate Notes, kurz CMS Floater, genannt. Der Kupon richtet sich bei diesen Instrumenten nach der Differenz zweier Referenzzinssätze, etwa des Zinssatzes für ein- und zehnjährige Bundesanleihen. Als Kupon ausbezahlt wird bei der einfachen Variante das Minimum aus der Zinssatzdifferenz oder einem Vielfachen der Zinssatzdifferenz und Null.
ff) Weitere Anleihen mit nicht konstanter Verzinsung Vor allem aus steuerlichen Gründen wurden 1992 die ersten Kombizinsanleihen auf dem deutschen Markt emittiert.61 Diese Finanzinnovation bietet eine Kuponstruktur, bei der im Voraus festgelegten jährlichen Zinszahlungen nicht über alle Jahre der Laufzeit konstant bleiben. So kann etwa in den ersten fünf Jahren wie bei einer Nullkuponanleihe kein Zins gezahlt werden, in den fünf folgenden Jahren ist die Kuponhöhe deutlich im positiven Bereich, etwa bei 10 %. Werden Anleihen mit mehr als zwei abgestuften Kupons ausgestattet, so spricht man von Gleit- und Staffelzinsanleihen. Es wurden sogar Anleihen mit im Zeitablauf fallenden Kuponzahlungen emittiert. Vergleicht man diese Finanzinnovation mit Nullkuponanleihen oder klassischen Festzinsanleihen, so lassen sich hinsichtlich der Vor-Steuer-Rendite, des Bonitätsrisikos und des Zinsänderungsrisikos keine Vorteile erkennen. Diese lagen in der anfänglich gegebenen Chance einer steuerlich günstigen Behandlung beim Anleger.
gg) Doppelwährungsanleihen (Multi-Currency Notes) Bei Doppelwährungsanleihen erfolgt die Mittelaufbringung und die Rückzahlung in einer unterschiedlichen Währung. Die Zinszahlung kann sowohl in der Einzahlungsals auch in der Rückzahlungswährung vereinbart sein. Währungsart und -betrag für 61
Vgl. dazu Tebroke, Stichwort Finanzinnovationen, 2001, Sp. 818 f.
II. Außenfinanzierung Rückzahlung und Zinszahlung werden vorab bei der Emission festgelegt. Die Emissionsrendite bei Doppelwährungsanleihen liegt zwischen den Renditen für Anleihen in den jeweiligen Währungen. Der Kurs der Doppelwährungsanleihe wird beeinflusst vom Marktzins der beiden Währungsländer und von der Wechselkursentwicklung zwischen Aufbringungs- und Rückzahlungswährung. Gegen Ende der Laufzeit passt sich der Kurs von Doppelwährungsanleihen dem Kurs zinsgleicher Anleihen in der Rückzahlungswährung an. Am deutschen Kapitalmarkt emittierte Doppelwährungsanleihen sehen die Einzahlung und Zinszahlung in € und die Rückzahlung in US-$ vor. Bei Währungsoptionsanleihen kann der Anleger die Rückzahlungswährung aus einem vorgegebenen Währungskatalog auswählen.
hh) Anleihen in Verbindung mit Zins- und Währungsswaps Man geht davon aus, dass an den internationalen Finanzmärkten mehr als die Hälfte aller Neuemissionen in Verbindung mit Swapgeschäften begeben wird. Swap bedeutet Austausch einer Kapitalsumme und/oder Zinsverpflichtung zwischen zwei Partnern (zu Swaps vgl. Abschnitt C III). Ziel des Swaps ist es, eine Emission zu Marktbedingungen in eine für das Unternehmen finanzierungskonforme gewünschte Bedingung zu transformieren (Tausch bspw. von variablen Zinsverpflichtungen in fixe Verpflichtungen). Bei der Kapitalaufnahme und -anlage in Form von Anleihen sollten daher die Möglichkeiten von Swaptransaktionen und die eventuell daraus resultierenden Kosten-/Ertragsvorteile von Anfang an in das Entscheidungskalkül mit einbezogen werden. Im Grunde ermöglichen Swaps den Anleiheschuldnern, im Rahmen des Basisgeschäfts ihre Mittel zins- und währungsmäßig nicht mehr im Hinblick auf die spätere Verwendung, sondern ausschließlich nach Kostengesichtspunkten auszurichten. Je nachdem, ob die Swapgeschäfte auf Zins- und/oder Währungsvorteile abzielen, lassen sich Anleihen in Verbindung mit Zins- oder Währungsswaps unterscheiden. Bei einem Währungsswap werden Kapitalsumme und Zinsverpflichtung in eine entsprechende Kapitalsumme und Zinsverpflichtung einer anderen Währung umgetauscht. Voraussetzung ist, dass die beiden Tauschpartner gleichen Kapitalbedarf mit entsprechenden Laufzeiten besitzen, aber unterschiedliche Währungen benötigen. Beim einfachen Zinsswap erfolgt dagegen kein Austausch der Kapitalbeträge, sondern nur der Zinsverpflichtungen. Häufig wird dabei eine zinsvariable Verbindlichkeit (oder Forderung) in eine zinsfixe Verbindlichkeit (oder Forderung) und vice versa getauscht.
c) Schuldscheindarlehen Neben der Anleihe als klassischer Form der langfristigen Fremdfinanzierung hat sich in den letzten zwei Jahrzehnten das Schuldscheindarlehen als eigenständiges langfristiges Finanzierungsinstrument entwickelt und eine große Bedeutung gewonnen. Als Kreditgeber tritt beim Schuldscheindarlehen nicht der anonyme Kapitalmarkt (Börse) auf, sondern Kapitalsammelstellen, insbesondere die privaten und öffentlich-rechtlichen Versicherungsunternehmen, die Träger der Sozialversicherung und die Bundesanstalt für Arbeit. Die Ausstellung eines Schuldscheins ist nicht konstituierendes Moment eines Schuldscheindarlehens. Langfristige, bei Kapitalsammelstellen aufgenommene Großdarlehen werden auch dann als Schuldscheindarlehen bezeichnet, wenn keine Ausstellung eines Schuldscheins erfolgt ist. Der Schuldschein stellt kein Wertpapier dar und ist im Gesetz nicht definiert. Er ist lediglich ein beweiserleichterndes Dokument, wodurch die sonst dem Gläubiger ob-
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D. Alternativen der Kapitalaufbringung liegende Beweislast auf den Schuldner verlagert wird. Zur Geltendmachung der Darlehensforderung ist der Besitz des Schuldscheins nicht erforderlich. Beim Wertpapier dagegen kann das verbriefte Recht nicht ohne Besitz des Papiers geltend gemacht und übertragen werden (vgl. Abschnitt D II 3 a). Ein Gesamtschuldscheindarlehen kann zur leichteren Unterbringung bei den Kreditgebern in Teilbeträgen abgetreten werden. Über die Teilbeträge können Teilschuldscheine ausgestellt werden. Die Aufnahme von Schuldscheindarlehen kann direkt bei den Kreditgebern oder unter Einschaltung von Vermittlern erfolgen, wobei letzteres den häufiger gewählten Weg darstellt. Als Vermittler können eine Bank, ein Bankenkonsortium oder ein Finanzmakler fungieren. Eine direkte Kreditausreichung erfolgt durch Versicherungsgesellschaften, die das Industrieversicherungsgeschäft betreiben und sich durch ihre Kunden zu solchen Direktkrediten veranlasst sehen. Die Einschaltung von Vermittlern hat den Vorteil, dass diese die Kreditwürdigkeitsprüfung übernehmen, erforderliche Unterlagen (Bestellung von Kreditsicherheiten) beibringen und sich um die Beschaffung der Sicherungsvermögensfähigkeit bemühen. Die Sicherungsvermögensfähigkeit ist im Allgemeinen Voraussetzung dafür, dass Versicherungsunternehmen als Kreditgeber fungieren. Versicherungsunternehmen haben für die Deckung ihrer zukünftigen Verpflichtungen aus dem Versicherungsgeschäft ein Sondervermögen, das sogenannte Sicherungsvermögen, zu bilden. Die in das Sicherungsvermögen eingebrachten Vermögenswerte müssen den Bestimmungen des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG) sowie den Richtlinien der Versicherungsaufsicht der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) genügen. Die Prüfung der Sicherungsvermögensfähigkeit liegt überwiegend bei den Versicherungen selbst (vgl. § 124 i. V. m. § 27 VAG). Schuldscheindarlehen müssen dinglich erstrangig gesichert sein. Ein einzelnes Schuldscheindarlehen darf einen bestimmten Prozentsatz des Sicherungsvermögens einer Versicherungsgesellschaft nicht übersteigen. Letzteres ist die Ursache dafür, dass Großkredite vielfach als Konsortialdarlehen ausgereicht werden. Als Inhaber der Forderungen treten dabei jedoch jeweils die einzelnen Kreditgeber auf und nicht das Konsortium. Die Laufzeit von Schuldscheindarlehen beträgt – wie oben erwähnt – im Allgemeinen wegen der aufgrund der Sicherungsvermögensfähigkeit auftretenden Probleme nicht mehr als 15 Jahre. Die Tilgungsmodalitäten können individuell vereinbart werden, wodurch eine bessere Anpassung an die Liquiditätserwartung der Unternehmung möglich ist als etwa bei der breit gestreuten Anleihe. Die Tilgung wird meist erst nach Ablauf einer gewissen tilgungsfreien Zeit aufgenommen. Nach Ablauf dieser Freijahre kann im Darlehensvertrag ein einseitiges Kündigungsrecht des Schuldners vorgesehen sein oder ihm die Möglichkeit einer verstärkten Tilgung eingeräumt werden. Ein freihändiger Rückkauf – wie bei der Anleihe – ist bei fristenkongruent finanzierten Schuldscheindarlehen nicht möglich. Schuldscheindarlehen weisen für die kreditsuchende Unternehmung im Vergleich zur Anleihe einige Vorteile auf. Es wird die zeitraubende und umständliche Börsenzulassung mit ihren weit gehenden Publizitätspflichten vermieden. Ferner ist beim Schuldscheindarlehen auch eine ratenweise Inanspruchnahme des Kredits möglich, wodurch eine größere Finanzierungsflexibilität erreicht wird. Generell kann gesagt werden, dass das Schuldscheindarlehen für das kreditsuchende Unternehmen anpassungsfähiger ist als die Anleihe. Nachteilig kann sich unter Umständen auswirken, dass den Darlehensgebern beim Schuldscheindarlehen im Kreditvertrag meist außerordentliche
II. Außenfinanzierung Kündigungsgründe eingeräumt werden, so etwa bei Gefahr einer Insolvenz oder bei der Veräußerung erheblicher Teile des Betriebes. Die Kündigung kann bei vorhandenen Zahlungsengpässen dann tatsächlich zur Insolvenz führen. Als Sicherheiten kommen beim Schuldscheindarlehen Grundpfandrechte, Bürgschaften, Negativerklärungen und eine Verpfändung von Wertpapieren in Frage. Wegen der Anforderungen an die Sicherungsvermögensfähigkeit überwiegt bei weitem eine Absicherung durch erstrangige Grundschulden. An einmaligen Nebenkosten verursacht das Schuldscheindarlehen im Wesentlichen nur die Makler- bzw. Vermittlungsgebühr (ca. 1 ⁄ 2 bis 11 ⁄ 2 %) sowie die Kosten der Sicherheitenbestellung (ca. 1 ⁄ 2 %). Laufende Nebenkosten treten nahezu nicht auf (evtl. Treuhandgebühr für Grundbuchvertreter). Die gesamten Nebenkosten beim Schuldscheindarlehen bewegen sich somit etwa zwischen 1 % und 2 % des Nominalbetrages. Bezüglich der Nebenkosten stellt sich daher das Schuldscheindarlehen günstiger als die Anleihe dar, da folgende Kosten entfallen: Konsortialnutzen, Stückedruck, Börseneinführungsprovision, Prospektdruck, Börsenzulassungsgebühr, Kosten der Auslosung, Kupon-Einlösungskosten, Einlösungsprovision. Die laufenden Zinskosten für Schuldscheindarlehen liegen dagegen um ca. 1 ⁄4 % bis 1 ⁄ 2 % über dem jeweiligen Anleihezinssatz. Bei Laufzeiten unter zehn Jahren ist das Schuldscheindarlehen meist kostengünstiger als die Anleihe. Bei zunehmender Laufzeit ist die Vorteilhaftigkeit von den jeweiligen Konditionen abhängig, bei sehr langen Laufzeiten ist die Anleihe kostengünstiger. Für die Kreditgeber hat der Schuldschein gegenüber der Obligation den Nachteil mangelnder Fungibilität. Dafür gewährt jedoch der Schuldschein dem Gläubiger eine höhere Rendite als die Obligation. Ein Vergleich der Merkmale von Industrieanleihe und Schuldscheindarlehen wird in Abbildung D 12 dargestellt. Ein Schuldscheindarlehen kann fristenkongruent oder revolvierend finanziert sein. Beim fristenkongruenten Schuldscheindarlehen erfolgt eine laufzeitkonforme Unterbringung des Schuldscheins bei Abschluss des Kreditvertrages (dies schließt eine spätere Abtretung des Schuldscheins nicht aus). Beim revolvierenden Schuldscheindarlehen treten dagegen nacheinander verschiedene Kreditgeber in das Schuldverhältnis ein, es werden kurzfristige Geldanlagen in einen langfristigen Kredit transformiert. Beim direkt revolvierenden Darlehen bemüht sich die vermittelnde Bank oder der Finanzmakler mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes, die Anschlussfinanzierung zu gewährleisten. Es werden jeweils nur kurzfristige Kreditverträge zwischen dem Kredit nehmer und den jeweiligen Kreditgebern abgeschlossen. Das Fristen- oder Prolongationsrisiko liegt bei diesem System beim Kreditnehmer. Darüber hinaus hat der Kreditnehmer auch das Zinsrisiko zu tragen, da die Zinsen bei jedem einzelnen Kreditvertrag wieder neu vereinbart werden können. Bei indirekt revolvierenden Darlehen werden diese Nachteile aufgehoben. Das Fristen- und Zinsrisiko liegt hier bei einer Bank, die zwischengeschaltet ist und als juristischer Kreditgeber fungiert. Die Bank selbst oder ein zusätzlich mitwirkender Makler bemühen sich, den Kreditbetrag durch revolvierende Termineinlagen abzudecken. Die Einleger erhalten dabei über die normalen Zinsen für Termingelder hinaus meist noch eine zusätzliche Vergütung. Gelingt einmal die Refinanzierung über Termingelder nicht, so muss das Kreditinstitut andere Mittel einsetzen. Da die Termineinlagen bei Banken der Mindestreservepflicht unterliegen, verteuert sich ein Kredit, der indirekt revolvierend finanziert wird.
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D. Alternativen der Kapitalaufbringung Merkmal
Industrieanleihe/ Obligation
Schuldscheindarlehen/ Schuldschein
Aussteller
Emissionsfähige Unternehmungen (i. d. R. nur große Aktiengesellschaften, die zum amtlichen Handel zugelassen sind).
Bedeutende Unternehmungen, unabhängig von ihrer Rechtsform, soweit sie den Sicherheitsanforderungen (z. B. Einhaltung bestimmter Bilanzrelationen) genügen.
Schuldurkunde
Wertpapier (Übertragung von Inhaberschuldverschreibungen durch Einigung und Übergabe).
Kein Wertpapier, sondern nur beweiserleichterndes Dokument; zur Geltendmachung der Forderung ist Schuldschein nicht erforderlich (Übertragung durch Forderungsabtretung).
Fungibilität der Kapitalanlage (für Kreditgeber)
Hohe Fungibilität, da Börsenhandel.
Geringe Fungibilität, zum Börsenhandel nicht zugelassen, begrenzte Möglichkeit der Forderungsabtretung.
Kreditgeber
Anonymer Kapitalmarkt (institutionelle und private Zeichner, auch in Kleinstbeträgen).
Kapitalsammelstellen, speziell Lebensversicherungen (Übernahme von Großbeträgen).
Kapitalaufnahme
Für die Börsenzulassung sind je nach Börse unterschiedlich bestimmte Mindestbeträge vorgeschrieben. Darüber hinaus wird die Aufnahme wegen der fixen Nebenkosten erst bei hinreichendem Volumen lohnend, daher sukzessive Kapitalaufnahme erschwert.
Flexible Anpassung an den Kapitalbedarf möglich durch sukzessive Kapitalaufnahme. Bei sehr großen Beträgen können sich Beschränkungen durch die Marktenge ergeben.
Tilgung
Tilgungsplan festgelegt, darüber hinaus jedoch freihändiger Rückkauf über die Börse möglich; im Allgemeinen nach Ablauf der tilgungsfreien Zeit Kündigungsmöglichkeit des Schuldners vorgesehen.
Tilgung nach Darlehensvertrag, freihändiger Rückkauf nicht möglich; im Vertrag kann ein Kündigungsrecht des Schuldners vorgesehnen sein, einseitiges Kündigungsrecht des Schuldners stellt jedoch Ausnahme dar.
Laufzeit
Zwischen zehn und 20 Jahren.
Bis maximal 15 Jahre (individuelle Vereinbarung).
Sicherstellung
Früher Grundschulden ohne Zwangsvollstreckungsklausel, heute meist nur Convenants wie die Negativklausel.
Briefgrundschulden mit Zwangsvollstreckungsklausel.
Publizität
Publizitätspflicht für Schuldner.
Keine Publizitätspflicht.
Zinsen
Abhängig von Kapitalmarktlage.
Ca. 1/4 % bis 1/ 2 % über dem jeweiligen Anleihesatz.
Nebenkosten
Einmalige Nebenkosten ca. 4 % bis 5 % laufende Nebenkosten ca. 1 % bis 2 % des Nominalbetrages der Anleihe.
Einmalige Nebenkosten ca. 1 % bis 2 %, keine laufenden Nebenkosten.
Abb. D 10: Vergleich der Merkmale von Industrieanleihe und Schuldscheindarlehen
II. Außenfinanzierung Eine Sonderform des indirekt revolvierenden Darlehens stellt das durch den Finanzmakler Münnemann 1957 geschaffene System 7 M dar. Das Prolongationsrisiko gegenüber dem Kreditnehmer und die Verpflichtung der termingerechten Rückzahlung gegenüber dem Kreditgeber werden hierbei vom Finanzmakler übernommen. Durch die Einbeziehung in den Kreis der Bankgeschäfte (KWG 1961) kann diese Funktion derzeit nur noch von Kreditinstituten ausgeübt werden.
d) Langfristige Bankkredite Während die Finanzierung über die Anleihe nur sehr großen Unternehmungen offensteht, ist der Kreis der Kreditsuchenden, die Zugang zum Schuldscheinmarkt haben, erheblich weiter. Es verbleibt jedoch eine Vielzahl von kleinen und mittleren Betrieben, denen auch diese Finanzierungsform wegen der Höhe der erforderlichen Beträge und der gestellten Anforderungen an die Bonität und Bedeutung des Unternehmens nicht zur Verfügung steht. Diese Unternehmungen sind auf andere langfristige Kreditformen, insbesondere den langfristigen Bankkredit angewiesen. Da dieser in den letzten Jahrzehnten jedoch vielfach nicht ausreichend zur Verfügung stand, spricht man auch von der „Kreditklemme“ mittelständischer Unternehmen bei der langfristigen Fremdfinanzierung. Die Geschäftsbanken sind von ihrer Einlagenstruktur her nicht in der Lage, dem langfristigen Kapitalbedarf, insbesondere der kleineren Industriebetriebe, in vollem Umfang gerecht zu werden. Kredite werden daher meist kurzfristig zugesagt, wobei eine Prolongation in Aussicht gestellt wird. Verstärkt in den Bereich der langfristigen Industriefinanzierung vorgedrungen sind in den letzten Jahren die Sparkassen und insbesondere die Girozentralen (nicht immer ohne Verluste). Langfristige Bankkredite werden i. d. R. nur gegen dingliche Sicherheiten ausgereicht. Klein- und Mittelbetriebe können diese Voraussetzungen nicht immer beibringen. Finanzierung durch Kredithilfen der öffentlichen Hand
Der Bund und die Länder gewähren, insbesondere für Klein- und Mittelbetriebe, Kredithilfen. Die Art der Förderungsprogramme und der begünstigte Personen- und Unternehmenskreis hat jedoch in den letzten Jahren ständig gewechselt. Als Kredithilfen kommen in Frage: Kredite aus Mitteln der öffentlichen Hand oder deren Sondervermögen, Zinsbeihilfen, Bürgschaften. Soweit es sich um Kredite handelt, werden diese vielfach ausgereicht oder durchgeleitet von der KfW Bankengruppe, der Bundesagentur für Arbeit sowie verschiedenen Landwirtschaftsbanken. Die Gewährung erfolgt dabei i. d. R. unter Einschaltung der Hausbank des kreditnachsuchenden Unternehmens, die auch vielfach am Kreditrisiko beteiligt wird. Bei der KfW Bankengruppe können auch Kredite zur Finanzierung von Exportgeschäften in Entwicklungsländer erlangt werden, soweit eine Ausfuhrgarantie oder Bürgschaft des Bundes vorliegt. Kredite durch die AKA-Ausfuhr-Kredit-Gesellschaft mbH62
Im Jahre 1952 wurde speziell für das Exportkreditgeschäft von den deutschen Geschäftsbanken die Ausfuhr-Kredit-AG (AKA) in Frankfurt am Main gegründet. Die Gesellschaft wurde inzwischen in eine GmbH umgewandelt und heißt nun AKA-Ausfuhr-Kredit-Gesellschaft mbH. An der AKA sind alle bedeutenden Geschäftsbanken, die das Außenhandelsgeschäft betreiben, beteiligt. Sie stellt damit das privatrechtliche 62
Vgl. Voigt, Exportfinanzierung, 1996, S. 61 ff., S. 159 ff., S. 185 ff.
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D. Alternativen der Kapitalaufbringung Pendant zur öffentlich-rechtlichen KfW dar. Als Sekundärmarktinstitut unterstützt die AKA primär ihre Gesellschafterbanken und damit indirekt die von ihnen betreuten Exporteure bei der Realisierung von Exportfinanzierungen. Die AKA bietet ein System theoretisch unbegrenzter Finanzierungsmöglichkeiten. Als Varianten stehen hier verschiedene zur Verfügung: x Finanzierung von ECA-gedeckten Bestellerkrediten (Export Credit Agency = ECA); x Förderkredite in Exportgeschäften und x Beteiligung an Projektfinanzierungen mit ECA-Deckung. Die Gewährung von ECA-gedeckten Bestellerkrediten an ausländische Banken oder Unternehmen wird üblicherweise im offenen Konsortium von der einbringenden Gesellschafterbank und der AKA vergeben und gemeinsam von der einbringenden Gesellschafterbank und der AKA refinanziert. Der Kredit kann aber auch als 100 %-Finanzierung der AKA abgewickelt werden, sodass die einbringende Gesellschafterbank kein Kreditrisiko und keine Refinanzierung zu übernehmen hat. Die Kreditgewährung erfolgt beim Bestellerkredit gegenüber dem ausländischen Importeur oder dessen Hausbank, während der Kreditantrag durch den Exporteur zu stellen ist. Der Kreditbetrag entspricht der zu finanzierenden Exportforderung, die maximal 85 % des Auftragswertes beträgt, da die Zahlungsbedingungen gemäß internationaler Absprachen rd. 15 % An- und Zwischenzahlungen voraussetzen. Hier können auch Finanzierungsnebenkosten etc. mitbeantragt werden. ECA-gedeckte Bestellerkredite sind mittel- bis langfristige Kredite, wobei die maximale Laufzeit durch den staatlichen Kreditversicherer vorgegeben ist. In der Regel sind diese Kredite variabel verzinslich. Zentrale Voraussetzung für die Gewährung eines solchen Bestellerkredits ist meist die Deckung durch eine staatliche Kreditversicherung (Export Credit Agency). Für deutsche Exporte dient hierzu Bundesgarantie oder -bürgschaft. Da die AKA über zahlreiche Grund- und Rahmenkreditverträge mit ausländischen Banken in 15 Ländern verfügt, können unter diesen Grund- und Rahmenkreditverträgen Einzelkreditverträge schnell und standardisiert abgeschlossen werden. Während bei Grundverträgen die Deckungszusage der staatlichen Kreditversicherung für jedes Einzelgeschäft neu zu beantragen ist, liegt bei Rahmenkreditverträgen die Deckungszusage für die unter dem Rahmenkredit herauszulegenden Einzelkredite bereits im Vorfeld vor. Unter der Bezeichnung „Small Ticket” wird für kleinere Transaktionen bis zu 10 Mio. EUR ferner die Möglichkeit geboten, Bestellerkredite digital abzuwickeln. Die Laufzeit dieser Kredite ist dabei ab drei Jahre möglich. Daneben vergibt die AKA als Förderkredite die sogenannten CIRR-Kredite. CIRR steht für Commercial Interest Reference Rate. Er ist ein Referenzzinssatz, den die OECD ihren Mitgliedsstaaten als Mindestzinssatz für staatlich geförderte Finanzierungen von Investitionsgüterexporten in Entwicklungsländer vorgibt. CIRR-Kredite sollten einen Gesamtbetrag von 85 Mio. EUR nicht überschreiten. Auf diese Art und Weise werden in Deutschland Exporte in Entwicklungsländer mit öffentlichen Mitteln gefördert. Die von der Bundesrepublik Deutschland für die Exportförderung zur Verfügung gestellten Mittel entstammen dabei dem ERP-Sondervermögen. Ferner bietet die AKA auch die Möglichkeit Bankgarantien zu erlangen (vgl. Abschnitt D II 4 f. und g) Voraussetzung sind ein klarer Handelsbezug wie auch eine Laufzeit von
II. Außenfinanzierung weniger als 12 Monaten. Zudem bietet die AKA auch die Möglichkeit der Beteiligung an Projektfinanzierungen. Auch hier ist Voraussetzung eine ECA-Deckung. Wie dargelegt, ist die Finanzierung durch die AKA oft an eine Bundesgarantie oder -bürgschaft („Euler-Hermes-Deckung“) gebunden. Seit 1970 kann bei bestimmten Geschäften in gewissen Ländern von dieser Euler-Hermes-Deckung abgesehen werden. Kredite ohne Garantie des Bundes sind jedoch bisher nur in kleinem Umfang von der AKA ausgereicht worden. Die Euler Hermes Deutschland, Hamburg, ist eine Niederlassung der Euler Hermes SA mit Sitz in Paris und fungiert als Mandatar des Bundes bei der Vergabe von Bundesgarantien und Bürgschaften für den Export. Die Euler Hermes SA ist ein privates Unternehmen, das neben seiner Auftragstätigkeit für den Bund als Spezialinstitut alle Zweige der Kredit-, Kautions- und Vertrauensschadenversicherung betreibt. Bei der Kredithaftung des Bundes ist zwischen Ausfuhrgarantien, die bei Geschäften deutscher Exporteure mit privaten ausländischen Firmen gegeben werden, und Ausfuhrbürgschaften, die bei Geschäften mit ausländischen Regierungen und sonstigen öffentlich-rechtlichen Körperschaften gewährt werden, zu unterscheiden. Die an die Euler Hermes SA zu zahlende Versicherungsprämie ist bei Ausfuhrgarantien wegen des angenommenen größeren Risikos höher.
e) Gesellschafterdarlehen Für den Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft ist es aus steuerlicher Sicht gegebenenfalls vorteilhaft, seinem Unternehmen zusätzliche Mittel in Form von Fremdkapital an Stelle von Eigenkapital zur Verfügung zu stellen, da es steuerlich genauso behandelt wird wie das Fremdkapital eines außenstehenden Gläubigers. Im Vergleich zur Beteiligungsfinanzierung ergibt sich auf Unternehmensebene als Vorteil die nur 25-%ige Einbeziehung der Zinsen in den Gewerbeertrag, falls die Zinsschranke nicht übertroffen wird. Im Falle nicht anrechnungsberechtigter Anteilseigner (z. B. steuerbefreite inländische Körperschaften oder Ausländer) konnte bisher der Grundsatz der Einmalbesteuerung verletzt werden, da die Vergütung für das Fremdkapital bei der Kapitalgesellschaft als abzugsfähige Betriebsausgabe ausgebucht wurde, wohingegen der nicht anrechnungsberechtigte Anteilseigner im Inland nicht der Steuer unterworfen wurde. Um dies zu verhindern, wurde der § 8 a KStG eingeführt, wodurch in Fällen überzogener Fremdfinanzierung die steuerliche Anerkennung versagt wird. Damit wird die Zinszahlung als verdeckte Gewinnausschüttung behandelt und die Besteuerung erfolgt auf der Ebene der Kapitalgesellschaft, wobei diese Steuer eben mangels Berechtigung nicht mehr angerechnet werden kann. Es stellt sich hierbei allerdings die gleiche Problematik, geeignete und justitiable Kriterien zur Abgrenzung von „notwendigem Eigenkapital“ und „echtem Fremdkapital“ zu finden, wie dies bereits bei dem inzwischen aufgehobenen § 3 Abs. 1 des Kapitalverkehrsteuergesetzes der Fall war, durch den Gesellschafterdarlehen, die eine „durch die Sachlage gebotene Eigenkapitalzuführung“ ersetzen, der Gesellschaftsteuer unterworfen wurden. Der § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO sieht vor, dass ein Gesellschafter im Insolvenzfall sein Darlehen nur als nachrangige Forderung geltend machen kann und deswegen erst nach den Forderungen der meisten anderen Gläubiger geltend gemacht werden kann. Auch hier tritt somit das Problem der Bestimmung einer haftungsrechtlich gebotenen „ordentlichen“ Eigenkapitalausstattung auf. In der Literatur sind hierzu die unterschiedlichsten Vorschläge, die insbesondere an der Einhaltung bestimmter Finanzierungsregeln oder an Branchendurchschnittswerten anknüpfen, entwickelt worden.
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D. Alternativen der Kapitalaufbringung
f) Crowd Lending Als Ersatz zum Bankkredit hat sich in den 2010er-Jahren das Crowd Lending als eine Form der Kreditvergabe außerhalb des Bankensektors herausgebildet. Crowd Lending ist eine Vorgehensweise bei der Finanzierung, die über einen öffentlichen Aufruf mit dem Ziel initiiert wird, finanzielle Mittel für ein Projekt oder Unternehmen zu erhalten.63 Differenzierendes Merkmal des Crowd Lending vom Crowd Investing ist die Überlassung der Mittel in Form eines Darlehens (vgl. auch Abschnitt II 1b). Durch die Wahl der Form Darlehen wird die Unterscheidung vom Crowd Donating oder Reward Model der Gestalt induziert, da eine echte monetäre Gegenleistung in Form von Zinsund Tilgungszahlungen zu Gunsten des Geldgebers vereinbart wurde. Crowd Lending wird wie Crowd Investing oft über Plattformen abgewickelt, die erstens die Such- und Transaktionskosten senken und zweitens den Informationsaustausch verbessern. Zudem übernehmen diese Plattformen oft einen Teil der Kreditwürdigkeitsprüfung. Da regelmäßige Darlehensvergabe durch private Darlehensgeber den Besitz einer Banklizenz implizieren würde, treten in Deutschland die Plattformen nicht nur als Vermittler auf, sondern sind Vertragspartner. Damit wird der Darlehensgeber zum Einleger bei einer solchen Plattform. Umgekehrt erhält der Darlehensnehmer das Darlehen von der Plattform als rechtlich gesehen dem eigentlichen Darlehensgeber. Um das Geschäft so durchführen zu können benötigt die Plattform natürlich selbst die Vollbanklizenz. Der zentrale Unterschied zum gewöhnlichen Einlagen- und Kreditgeschäft einer Bank liegt allerdings im Risikotransfer der Plattform auf den Darlehensgeber wie auch in der Möglichkeit, dass Darlehensgeber spezifischen Darlehensnehmern finanzielle Mittel zur Verfügung stellen. Unterschieden werden nach der Anzahl der Geldgeber eigentliches Crowd Lending vom Peer to Peer oder Peer to Business Lending. Beim eigentlichem Crowd Lending ist eine größere Zahl von Darlehensgebern für die Vergabe eines Darlehens an einen Darlehensnehmer vorhanden. Beim Peer to Peer oder Peer to Business Lending kann auch nur ein einzelner Darlehensgeber einem Darlehensnehmer finanzielle Mittel zur Verfügung stellen. Die Unterscheidung Peer to Peer und Peer to Business zielt auf die Frage ob der Darlehensnehmer eine Privatperson (Konsumhaushalt) oder ein Unternehmen (Produktionshaushalt) ist. Durch den Risikotransfer auf den Darlehensgeber wird er zum Risikokapitalgeber. Als solcher wird er wie in Abschnitt II 1b ausgeführt durch das Kleinanlagergesetz reguliert. Interessant ist am Risikotransfer, dass die eigentliche Bankfunktion der Risikoübernahme und die damit verbundene Überwindung der Informationsasymmetrie zwischen Geldgeber und Geldnehmer durch die Bank nicht mehr wahrgenommen werden kann.64 Gerade für die Überwindung der Informationsasymmetrie haben Banken mit Monitoring, Sicherheitenstellung und weitere Covenants Instrumente entwickelt (vgl. Abschnitt D II 2). Diese blicken dabei auf einer mehr oder weniger lange Einsatzzeit in der Prüfung zurück, sodass es interessant sein wird, in welche Richtung sich das Crowd Lending entwickelt.
63 64
Vgl. Moritz, Block Crowdfunding und Crowdinvesting, 2014. Vgl. Faßbender, P2P-Kreditmärkte als Finanzintermediäre, 2012.
II. Außenfinanzierung
g) Tilgungsmodalitäten und Effektivbelastung bei langfristigen Krediten Bei langfristigen Krediten werden i. d. R. feste Tilgungsmodalitäten vereinbart. Es sind dies im Wesentlichen: 1. Gesamttilgung am Ende der Kreditlaufzeit, 2. Ratentilgung und 3. Annuitätentilgung.
Während im ersten Fall die Rückzahlung des Kredits in Höhe des Gesamtbetrages am Ende der Kreditlaufzeit erfolgt, wird beim zweiten Typ der Kredit in über die Gesamtlaufzeit verteilten Teilbeträgen getilgt, wobei meist jährlich gleichbleibende Tilgungsraten gewählt werden. Die Gesamtbelastung, ermittelt aus Zins und Tilgung, nimmt beim Ratenkredit von Jahr zu Jahr ab, da bei konstanten Tilgungsraten die Zinsen auf die Restschuld sich verringern. Demgegenüber ist im dritten Fall ein jährlich gleichbleibender Betrag, die sogenannte Annuität, zu erbringen, die Zins- und Tilgungsanteil beinhaltet. Der Tilgungsanteil nimmt innerhalb des Gesamtbetrages der Annuität von Jahr zu Jahr zu, da sich die Verzinsung auf die jeweilige Restschuld bezieht und damit verringert. Sowohl beim Raten- als auch beim Annuitätenkredit können Tilgungsfreijahre vereinbart werden, wodurch die Tilgung erst nach einem vereinbarten Zeitraum einsetzt (Tilgungsstreckung). Um die mit der Kreditaufnahme verbundene Belastung zu ermitteln, ist zum einen der Effektivzins des Kredits zu bestimmen und zum anderen ein Tilgungsplan zu erstellen (vgl. das Beispiel in Abbildung D 13). Nach § 6 der Verordnung über Preisangaben (PAngV) haben Kreditgeber den effektiven Jahreszins auszuweisen, um unbedarfte Kreditnehmer zu schützen, die nur den Nominalzins vor Augen haben. Abweichung zwischen Effektivzins und Nominalzins entstehen, wenn der Kredit mit einem Abschlag, dem sogenannten Damnum oder Disagio, ausgezahlt wird. Effektivzinsbelastung bei Disagio
Die Effektivverzinsung eines Darlehens ergibt sich durch Ermittlung des internen Zinsfußes der Zahlungsreihe. Aus Sicht des Kreditnehmers gilt somit:
A0 = Auszahlungsbetrag des Kredits im Zeitpunkt Null
d K0 Rt n ieff
= Disagio oder Damnum in v. H. = nomineller Kreditbetrag = Zins- und Tilgungszahlung am jeweiligen Periodenende = Gesamtlaufzeit des Kredits = (gesuchter) Effektivzins
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500
D. Alternativen der Kapitalaufbringung Beispiel: Kredit über nominal GE 1000 mit Auszahlung 94 % und Nominalzins inom = 10 %, Laufzeit n = 4 Jahre, Tilgung in 4 gleichen Jahresraten jeweils am Ende der Periode (Ratentilgung). Jahr
Restschuld
Tilgung
Zinsen
Gesamtbetrag Rt
1 2 3 4
1.000 750 500 250
250 250 250 250
100 75 50 25
350 325 300 275
Abb. D 11: Beispiel für einen Zins- und Tilgungsplan bei Ratentilgung
Ermittlung der Effektivzinskosten ieff des Kredits:
Da es sich um eine Gleichung n-ten Grades, also im Beispiel 4-ten Grades handelt, ist die Lösung durch Einsetzen von Probezinsfüßen und anschließender Interpolation zu ermitteln (vgl. Abschnitt B I 3 b bb). Zusätzliche einmalige Kreditkosten, wie z. B. Bearbeitungsgebühren, können durch entsprechende Erhöhung des Disagios berücksichtigt werden. Laufende, jährlich in gleicher prozentualer Höhe vom jeweils noch ausstehenden nominellen Restbetrag anfallende, zusätzliche Kreditkosten, lassen sich als entsprechende Erhöhung des Nominalzinssatzes einbeziehen. Es kommt häufig vor, dass im Kreditvertrag eine unterjährige Zins- und Tilgungszahlung vereinbart wird. Der zu leistende monatliche oder halbjährliche Zins wird dabei auf die am Jahresanfang bestehende Schuld berechnet. Hierdurch übersteigt die tatsächliche Belastung den im Vertrag angegebenen nominalen Jahreszins (vgl. Abschnitt C II). Effektivzinsbelastung bei Ratenkrediten mit Zinsermittlung vom ursprünglichen Kreditbetrag
Im Teilzahlungskreditgeschäft und im Kleinkreditgeschäft der Banken werden die Kreditzinsen vielfach nicht von der jeweiligen Restschuld, sondern von der ursprünglich aufgenommenen Kreditsumme berechnet. Darüber hinaus werden die Kreditzinsen meist nicht als Zinsen pro Jahr, sondern als Monatszinsen ausgewiesen und eine konstante monatliche Ratentilgung vereinbart. Durch die Berechnung der Kreditzinsen auf den ursprünglich aufgenommenen Kreditbetrag ergeben sich höhere effektive Kreditkosten als der Nominalzins ausweist, auch wenn eine Auszahlung zu 100 % erfolgt. Die Effektivbelastung kann näherungsweise bestimmt werden, indem die gesamten Zinszahlungen auf den durchschnittlich verfügbaren Kredit bezogen werden. Der durchschnittlich verfügbare Kredit ist in gleicher Weise zu bestimmen, wie das durchschnittlich gebundene Kapital bei Amortisation am Periodenende im Rahmen der statischen Investitionsrechnung (vgl. Abschnitt B I 2 d). Bei Annahme monatlich konstanter Tilgungsraten gilt somit für den Effektivzins näherungsweise:
II. Außenfinanzierung i eff
gesamte Zinszahlungen p.a. durchschnittlich verfügbarer Kreditbetrag
12 i M nom K 0 K0 K0 2 2T 24 T M i nom T1
iM nom
nominaler Monatszins
K 0 aufgenommener Kreditbetrag T Kreditlaufzeit in Monaten
Für einen Jahreskredit mit monatlich konstanter Tilgung und Zinsberechnung von der Ausgangskreditsumme ergibt sich:
Einem nominellen Kreditzins von 0,8 % pro Monat entspricht unter diesen Voraussetzungen ein effektiver Jahreszins von (22,1538 · 0,8 =) 17,72 %. Annuitätenermittlung
Bei Annuitätendarlehen soll durch die vom Schuldner zu erbringende konstante Annuität sowohl die Tilgung als auch die Verzinsung des Kreditbetrages abgedeckt werden (vgl. das Beispiel in Abbildung D 14). Unter Berücksichtigung der Erkenntnisse aus der dynamischen Investitionsrechnung bedeutet dies, dass der ursprünglich aufgenommene Kreditbetrag K0 dem Barwert der Annuitätenzahlungen entsprechen muss. Es gilt:
Durch Umformung der Gleichung kann die Höhe der Annuität (Ann) in Abhängigkeit vom aufgenommenen Kreditbetrag K0, den Kreditzinsen i und der Kreditlaufzeit n bestimmt werden: Ann
K0
(1 i)n i (1 i)n 1
= K0 · Wiedergewinnungsfaktor (n, i) Der (nachschüssige) Wiedergewinnungsfaktor stellt den reziproken Wert des (nachschüssigen) Rentenbarwertfaktors dar und ist für gängige Zinssätze tabelliert (vgl. Abschnitt B I 3 a).
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D. Alternativen der Kapitalaufbringung Beispiel zur Annuitätenermittlung Kredit über 100.000 GE, Laufzeit 5 Jahre, Zinssatz 8 %, Tilgung und Verzinsung in 5 gleichen Jahresannuitäten. Annuität
= 100.000 · Wiedergewinnungsfaktor (5 Jahre, 8 %) = 100.000 · 0,2504565 = 25.045,65
Damit ergibt sich folgender Tilgungsplan: Jahr t
Zinsen (von der Restschuld am Jahresanfang) i · Kt–1
Annuität
Tilgung (= Annuität – Zinsen)
Restschuld Kt
0 1 2 3 4 5
– 8.000,– 6.636,35 5.163,60 3.573,04 1.855,23
– 25.045,65 25.045,65 25.045,65 25.045,65 25.045,65
– 17.045,65 18.409,30 19.882,05 21.472,61 23.190,42
100.000,– 82.954,35 64.545,05 44.663,– 23.190,39 0
∑
25.228,22
125.228,25
100.000,03
–
Abb. D 12: Beispiel zur Ermittlung eines Annuitätenplans Beispiel für einen Zins- und Tilgungsplan bei Gesamttilgung am Ende der Kreditlaufzeit Kredit über nominal GE 1.000 mit Auszahlung 94 % und Nominalzins inom = 10 %. Laufzeit n = 4 Jahre. Gesamttilgung am Ende der Laufzeit. Jahr
Restschuld
Tilgung
Zinsen
Gesamtbetrag Rt
1 2 3 4
1.000 1.000 1.000 1.000
0 0 0 1.000
100 100 100 100
100 100 100 1.100
Abb. D 13: Beispiel für einen Zins- und Tilgungsplan bei Gesamttilgung am Ende der Kreditlaufzeit
Gesamttilgung am Ende der Kreditlaufzeit
Bei der endfälligen Gesamttilgung erfolgt die Rückführung des Kreditbetrages in einer Summe am Ende der Laufzeit. Die Zinsen werden gleichbleibend über die gesamte Laufzeit gezahlt. Somit besteht der Kapitaldienst vor dem Fälligkeitszeitpunkt nur aus der Zinszahlung. Im Vergleich zu den beiden anderen Methoden werden bei der Gesamttilgung am Kreditlaufzeitende insgesamt am meisten Zinsen gezahlt, da die Restschuld sich während der Laufzeit nicht verringert.
II. Außenfinanzierung
h) Genussscheine Genuss- oder Partizipationsscheine nehmen in Abhängigkeit von ihrer konkreten Ausgestaltung eine Stellung zwischen Eigen- und Fremdkapital ein. Das lässt sich auch an der Stellung in der Bilanz erkennen. Das Genussscheinkapital ist nach den Eigenkapitalpositionen und vor den Sonderposten mit Rücklageanteil positioniert. Genussscheine verbriefen keine Mitgliedschaftsrechte, sondern Gläubigerrechte, und zwar in den meisten Fällen einen Anteil am Reingewinn, teilweise auch am Liquidationserlös. Typischerweise ist auch eine Beteiligung am laufenden Verlust vorgesehen. Die Vorteile für den Emittenten liegen also in der Schaffung eines Verlustpuffers, ohne dass die Genussscheininhaber mitgliedschaftlichen Einfluss, wie z. B. Mitspracherechte, besäßen. Außerdem ist der Genussschein nur zu bedienen, wenn Gewinn erzielt wird. Die Nutzung des Genussscheins ist an keine Rechtsform gebunden; die Ausgestaltung kann an individuelle Bedürfnisse angepasst werden, da sie gesetzlich nicht näher geregelt ist. Die Ausgabe von Genussscheinen bedarf bei Aktiengesellschaften eines Hauptversammlungsbeschlusses mit 3/4-Mehrheit des anwesenden Grundkapitals (§ 221 Abs. 3 AktG). Der besondere Reiz des Genussscheins liegt für den Emittenten jedoch darin, dass er steuerlich wie Fremdkapital behandelt wird, wenn er bestimmte Voraussetzungen erfüllt. Gem. § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG sind Ausschüttungen auf Genussrechte nur dann keine Betriebsausgaben, wenn die Genussrechte sowohl eine Gewinnbeteiligung als auch eine Beteiligung am Liquidationserlös beinhalten. Diese Vorschrift wird entsprechend auch bei Nicht-Kapitalgesellschaften angewandt. In der Praxis schließen daher fast alle deutschen Genussscheine eine Beteiligung am Liquidationserlös aus, während sie bei schweizerischen Partizipationsscheinen überwiegend vorgesehen ist. Die Kapitalertragsteuer wird hingegen gem. § 43 EStG in jedem Fall abgezogen. Bei der Gewerbesteuer werden gewinnabhängige Vergütungen auf Genussscheine nach § 8 Nr. 1 GewStG nur zur Hälfte in den Gewinn einbezogen, wenn es sich um Betriebsausgaben handelt. Die steuerlichen Vorteile ergeben sich im Vergleich zur externen Eigenfinanzierung bei der Gewerbesteuer zu 75 %, falls die Zinsschranke nicht übertroffen wurde. Nach der Novelle des Kreditwesengesetzes 1984 war der Genussschein für Banken besonders interessant geworden. Ihnen wurde Genussscheinkapital unter bestimmten Voraussetzungen auf das haftende Eigenkapital angerechnet, dessen Höhe maßgeblich für die Einhaltung der Grundsätze I und I a des Bundesaufsichtsamtes für Finanzdienstleistungsaufsicht ist. Mit der neuen Novelle des KWG 2014 werden Genussscheine analog zu weiteren Ergänzungskapital wie nachrangigen Verbindlichkeiten als Ergänzungskapital nach § 10 KWG i. V. m. Art 62 EU Verordnung Nr. 575/2013 (Kapitaladäquanzverordnung) grundsätzlich anerkannt. Dabei ist die Anerkennung an die Erfüllung bestimmter Bedingungen geknüpft (vgl. Art 63 EU Verordnung Nr. 575/2013). So muss die ursprüngliche Laufzeit mindestens 5 Jahre, die Genussscheine dürfen keinen Anreiz zur vorfälligen Rückzahlung enthalten, vorzeitige Kündigung oder Tilgung der Genussscheine darf nur im Ermessen des Emittenten erfolgen. Genussscheinkapital darf zusammen mit weiteren Ergänzungskapital nur bei der Ermittlung der Gesamtkapitalquote (Kernkapital und Ergänzungskapital zu Gesamtforderungsbetrag) eingesetzt werden.65 Diese muss mindestens 8 % betragen, und liegt damit über der Kernkapitalquote (Kernkapital zu Gesamtforderungsbetrag) von 6 %. 65
Vgl. Fock, Rathgeber, Bewertung von Genussscheinen, 2017.
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D. Alternativen der Kapitalaufbringung
4. Kurzfristige Kreditfinanzierung Lernziele dieses Kapitels x Im Vergleich mit der langfristigen Kreditfinanzierung existieren im Bereich der kurzfristigen Finanzierung mehr Varianten, da hier auch Lieferanten und Kunden in Kombination mit Dritten als Fremdkapitalgeber fungieren. x Handelskredite werden direkt von Lieferanten oder Kunden an Unternehmen gegeben. Lieferantenkredite entstehen meist dadurch, dass der Lieferant den Belieferten eine Zahlungsfrist bei der Begleichung der Rechnung gewährt. Kunden wiederum können durch Anzahlungen eine Fremdfinanzierungsquelle für Unternehmen sein. x Das Pendant zum langfristigen Bankkredit ist der Kontokorrentkredit (im engeren Sinne). Die Zusage erfolgt dabei durch die Bank in Form eine Kreditlinie, die der Fremdkapitalnehmer je nach Bedarf ausnutzen kann. x Der sogenannte Wechseldiskontkredit war in der Vergangenheit eine der wichtigsten kurzfristigen Kreditformen im Handel. Beim Wechsel werden nach Wechselgesetz zwei wichtige Grundformen unterschieden: Die Tratte und der Solawechsel. x Bei der Tratte weist der Wechselaussteller (Gläubiger) den Bezogenen an, an ihn oder an den Wechselnehmer eine bestimmte Geldsumme zu zahlen. Bei der akzeptierten Tratte haftet primär der Bezogene für die Schuld. Der Wechselausteller ist Rückgriffsschuldner, falls die Zahlung nicht an den Wechselnehmer erfolgt. x Beim Solawechsel sind Wechselausteller und Wechselnehmer ein und dieselbe Person. x Der Wechsel hat Wertpapiercharakter. Damit ist es handelbar und kann an weitere Personen (etwa Banken) verkauft werden, was als Diskontierung von Wechseln bezeichnet wird. x Beim Akzeptkredit, einer Form der Kreditleihe, akzeptiert die Bank einen von ihrem Kunden ausgestellten Wechsel mit ihr als Bezogener zu Gunsten eines Dritten, etwa eines Lieferanten des Bankkunden. x Analog zu Schuldverschreibungen hat sich mittelweile, insbesondere für große Unternehmen, auch ein Markt für kurzfristige Schuldverschreibungen etabliert. Diese emittieren meist mithilfe von Banken kurzfristige Anleihen, sogenannte Euronotes (Commercial Papers), die mit einer Laufzeit von einer Woche bis zwei Jahren ausgestattet sind. Dabei ist es übliche Praxis, diese als immer wiederkehrende Emissionen aufzulegen (Revolving Underwriting Facility). x Lombardkredite sind kurzfristige Kredite, die sich durch eine Besicherung in Form mobiler Sicherheiten auszeichnet. Am häufigsten werden als Sicherheit Wertpapiere eingesetzt. x Beim Avalkredit bürgt eine Bank für ihren Kunden, der mithilfe dieses Avals Zugang zu einem Lieferantenkredit bekommt. x Da im Auslandsgeschäft die Informationsasymmetrie zwischen Fremdkapitalgeber und -nehmer besonders hoch ist, existieren hier zusätzliche Varianten von Handelskrediten, die sowohl eine Bank im Land des Exporteurs als auch eine Bank im Land des Importeurs einschließen. x Beim Akkreditiv erfolgt etwa eine Auszahlung von der Bank des Importeurs an die Bank des Exporteurs nur, falls entsprechende Bedingungen vorliegen. Beim Dokumentenakkreditiv etwa zahlt die Bank des Exporteurs dem Exporteur unter Vorlage der spezifischen Dokumente. Der gleiche Vorgang wiederholt sich dann zwischen der Bank des Importeurs und der Bank des Exporteurs sowie zwischen dem Importeuer und der Bank des Importeurs. Die weitergereichten Dokumente stellen dabei die einzige Möglichkeit dar, die exportierte Ware auszulösen.
II. Außenfinanzierung x Beim Rembourskredit wird über die Bank des Importeurs hinaus noch eine dritte weitere Bank (Remboursbank) eingeschaltet, die zur Sicherung einen auf sie gezogenen Wechsel akzeptiert. x Beim Negoziierungskredit wird ein Wechsel entweder mit der Bank des Importeurs als Bezogenen ausgestellt oder mit der Verpflichtung der Bank des Importeurs versehen, den auf dem Importeur gezogenen Wechsel anzukaufen.
a) Handelskredite Lieferantenkredit
Unter Lieferantenkredit im engeren Sinn (Lieferungskredit) versteht man den Kredit, der vom Verkäufer einer Ware dem Käufer im Zusammenhang mit dem Warenabsatz gewährt wird. Hierbei kann es sich um einen Buchkredit oder um einen Wechselkredit handeln. Daneben werden auch Einrichtungs- oder Ausstattungskredite, die der Lieferant seinen Abnehmern gewährt, zu den Lieferantenkrediten gezählt. Größere Bedeutung besitzt der Lieferantenkredit vor allem für kleine und mittlere Unternehmungen, deren Sicherheiten zur Inanspruchnahme von Geld- und Kapitalmarktkrediten nicht ausreichen. Wesentliches Merkmal des Lieferantenkredits ist seine enge Verbundenheit zum Warenabsatz. In Form des Lieferungskredits soll er den Zeitraum zwischen Beschaffung und Wiedergeldwerdung der Ware überbrücken. Die Tilgung erfolgt aus dem Umsatzerlös der kreditierten Ware. Geldmittel werden dem Kreditnehmer hierbei nicht zur Verfügung gestellt, sondern die Kreditierung liegt in der Stundung des Kaufpreises der Ware durch den Lieferanten. Wird er in Form des Buchkredites gewährt, erfolgt beim Lieferanten eine Belastung des entsprechenden Debitorenkontos (Bilanzposition „Forderungen aus Lieferungen und Leistungen“) und beim Abnehmer eine Erkennung des entsprechenden Kreditorenkontos (Bilanzposition „Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen“). Ein Akzept wird im Allgemeinen dann verlangt, wenn es der Lieferant für seine eigene Refinanzierung benötigt oder aus Sicherungsgründen, wenn die Kreditwürdigkeit des Abnehmers nicht zweifelsfrei feststeht (zu Wechsel vgl. Abschnitt D II 4 c). Der Lieferantenkredit stellt ein wichtiges absatzpolitisches Instrument dar. In manchen Branchen besitzt der Wettbewerb über die Zahlungskonditionen teilweise die gleiche Bedeutung wie der Preiswettbewerb. Der Lieferantenkredit kann zum einen eine planmäßige organisierte Maßnahme der Absatzförderung darstellen, zum anderen aber auch durch Zielüberschreitungen der Abnehmer oder Konkurrenzdruck erzwungen werden. Die häufigste Form des Lieferantenkredits ist der Verkauf auf Ziel, wobei der Rechnungsbetrag den Zielpreis darstellt. Der Barpreis unterscheidet sich vom Zielpreis durch den Skontoabzug. Seltener ist die Rechnungsstellung zum Barpreis und die Hinzurechnung von Zinsen, wenn eine Kreditzeit beansprucht wird. Der Lieferantenkredit in Form des Skontoabzugs ist i. d. R. sehr teuer, was sich bei Umrechnung der Skontosätze auf Jahreszinssätze zeigt:
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D. Alternativen der Kapitalaufbringung So ergibt sich etwa bei folgenden Konditionen: 3 % Skonto bei Zahlung innerhalb von 3 Tagen, sonst rein netto innerhalb 30 Tagen ein Jahreszinssatz von
Unter dem Rentabilitätskriterium gesehen ist es daher meist günstiger, Bankkredite in Anspruch zu nehmen als Lieferantenkredite. Eine hohe Verschuldung bei identischen Lieferanten kann auch zu einer wirtschaftlichen Abhängigkeit führen. Da die Absicherung des Lieferantenkredits regelmäßig durch Eigentumsvorbehalt an der Ware erfolgt, ergibt sich hier auch eine gewisse Einschränkung der Verfügungsgewalt über die Vorräte, insbesondere bezüglich ihrer Verwendung für andere Sicherheitsleistungen. Der Lieferantenkredit beinhaltet auch für die Kreditgeber eine gewisse Ansteckungsgefahr bei einer Insolvenz der Kreditnehmer. Die Hauptursache für die relativ häufige Inanspruchnahme des Lieferantenkredits ist darin zu sehen, dass die vergleichsweise umständlichen Formalitäten bei der Nachsuchung um andere Kreditarten vollkommen entfallen. Der Kreditnehmer wird sich häufig gar nicht der Tatsache bewusst, dass er einen Kredit beansprucht. Auch die Kreditwürdigkeitsprüfung wird durch die Lieferanten meist diskret vorgenommen bzw. überhaupt nicht durchgeführt. Streckengeschäft
Finanzwirtschaftliche Streckengeschäfte verstehen sich als Finanzierungsinstrumente, die eine Alternative zur Finanzierung mittels Lieferantenkredite darstellen und auch unter dem Markennamen Finetrading bekannt sind. Dabei wird vom Anbieter des Streckengeschäfts (im Folgenden als „Anbieter“ bezeichnet) die Vorfinanzierung von Einkäufen des Kunden des Streckengeschäfts (im Folgenden als „Kunde“ bezeichnet) übernommen. Das Geschäftsmodell des Anbieters lässt sich wie folgt vereinfachend darstellen: Nach Abschluss eines Rahmenvertrages zwischen Anbieter und Kunde kann der Kunde innerhalb eines vordefinierten Limits Einkäufe finanzieren. Dabei vereinbaren Kunde und Lieferant die Konditionen des Einkaufs, woraufhin der Anbieter zu den ausgehandelten Konditionen einen Kaufvertrag mit dem Lieferanten und zeitgleich einen separaten Kaufvertrag mit dem Kunden abschließt. Die Lieferung bzw. Übergabe des Kaufgegenstandes erfolgt direkt vom Lieferanten an den Kunden, die Rechnung wird vom Anbieter an den Lieferanten unverzüglich nach Lieferung bezahlt. Die Rechnungsbegleichung durch den Kunden erfolgt anschließend flexibel innerhalb eines vorher vereinbarten Zeitraums, wobei für die Stundung Gebühren an den Anbieter entrichtet werden müssen. Kunden können durch das Streckengeschäft ihre Liquidität verbessern, eventuelle Kreditlinien schonen und treten gleichzeitig gegenüber den Lieferanten als pünktliche und zuverlässige Zahler auf, wodurch sich eventuell die Lieferkonditionen verbessern. Für Lieferanten können sich aufgrund der gesteigerten Finanzierungsfähigkeit des Kunden Absatzerhöhungen ergeben. Zudem werden Zahlungsverzögerungen aus Lieferungen und Leistungen vermieden und Ausfallrisiken vermindert. Beim Einrichtungs- oder Ausstattungskredit stellt der Lieferant den Abnehmern einen Investitionskredit zur Verfügung, der der Beschaffung von Einrichtungs- und Ausrüs-
II. Außenfinanzierung tungsgegenständen dienen soll. Im Gegensatz zum kurzfristigen Warenkredit handelt es sich hierbei um einen mittel- bis langfristigen Kredit. Durch Inanspruchnahme eines Einrichtungskredits wird der Kreditnehmer i. d. R. zu einer langfristigen Abnahme der Erzeugnisse des Lieferanten verpflichtet. Investitionskredite werden vor allem von Brauereien an Gaststätten und von Mineralölgesellschaften an Tankstellen gewährt, die dann jeweils verpflichtet sind, die entsprechenden Erzeugnisse des Kreditgebers zu veräußern. Die Rückzahlung des Kredits erfolgt häufig durch einen Aufschlag auf den sonst üblichen Warenpreis. Kundenanzahlungen
Während beim Lieferantenkredit eine Kreditierung durch Zulieferer der Unternehmung erfolgt, treten beim Vorauszahlungskredit Abnehmer als Kreditgeber auf. Der Besteller einer Ware leistet hier im Voraus, d. h. vor Lieferung, teilweise oder vollständige Bezahlung. Kundenanzahlungen sind vor allem bei Auftragsproduktion üblich, insbesondere beim Schiffsbau und in der Maschinenindustrie beim Bau von Groß- und Spezialmaschinen. Die Anzahlungen oder Vorauszahlungen stellen für das produzierende Unternehmen eine Finanzierungshilfe dar. Ferner wird das Risiko verringert, dass der Auftraggeber die bestellte Ware nicht abnimmt oder keine Zahlung leistet. Anzahlungen können zinslos zur Verfügung gestellt werden, oder die Berücksichtigung der Kreditzinsen erfolgt durch einen unter dem normalen Barpreis liegenden Rechnungsbetrag.
b) Kontokorrentkredite Der Kontokorrentkredit stellt die klassische kurzfristige Kreditform dar. Unter Kontokorrent wird eine laufende Rechnung verstanden, bei der Plus- und Minusbewegungen stattfinden und von rechtlicher Bedeutung jeweils der Saldo ist, der durch die Verrechnung der wechselseitigen Ansprüche entsteht (vgl. §§ 355 ff. HGB). Mindestens einer der Partner, der an dem Kontokorrentverkehr beteiligt ist, muss Kaufmann im Sinne des HGB sein. Auch ein Lieferantenkredit kann somit ein Kontokorrentkredit sein. Unter Kontokorrentkrediten im engeren Sinn versteht man jedoch nur Bankkredite. Die Abwicklung von Kontokorrentkrediten bei Banken erfolgt über die Kontokorrentkonten, die auch als Girokonten bezeichnet werden. Mit der Eröffnung eines Kontokorrentkontos ist jedoch nicht automatisch eine Krediteinräumung verbunden. Dies setzt vielmehr i. d. R. einen Kreditantrag und eine Kreditwürdigkeitsprüfung durch die Bank voraus. Die Zusage des Kredits erfolgt dann in Form einer Kontokorrentkreditlinie. Die Kreditlinie stellt den Höchstbetrag dar, bis zu dem das Kontokorrentkonto belastet werden darf. Wird ein Kredit ohne Zusage durch die Bank in Anspruch genommen oder die Kreditlinie überschritten, so wird zusätzlich zu den normalen Kreditzinsen eine Überziehungsprovision berechnet. Die effektiven Kreditkosten beim Kontokorrentkredit setzen sich zusammen aus: Zinsen, Kreditprovision und gegebenenfalls Bereitstellungsprovision. Hinzu kommt noch die allerdings auch bei kreditorischen Konten erhobene Umsatzprovision. Begrüßenswerterweise gingen die Kreditinstitute in den letzten Jahren immer mehr zu Nettozinssätzen über, die eine Zusammenfassung aus Zinsen und Kreditprovision darstellen, wodurch der Kostenvergleich erheblich erleichtert wird. Die Höhe der Kreditkosten ist abhängig von der Geldmarktlage. Es kann in einem Kreditvertrag auch eine Koppelung an einen Refinanzierungssatz der Zentralbank vereinbart werden. Die jeweils gültigen
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D. Alternativen der Kapitalaufbringung Zinsen und Provisionen werden in den Monatsberichten der Deutschen Bundesbank im Überblick veröffentlicht. Welche Kreditkosten tatsächlich zu zahlen sind, ist jedoch abhängig von der Bonität und Verhandlungsposition des Kreditnehmers. Kreditkostenvergleiche werden teilweise durch die unterschiedlichen Bezugsbeträge, auf die die einzelnen Zinsen und Provisionen erhoben werden (z. B. effektiver Debetsaldo oder Höchstdebetsaldo der Abrechnungsperiode), erschwert. Für die Besicherung von Kontokorrentkrediten kommen alle fiduziarischen Kreditsicherheiten in Frage, wie Sicherungsübereignungen, Abtretung von Forderungen, Verpfändung von Wertpapieren und Grundschulden sowie die Bürgschaft als akzessorische Sicherheit. Ungeeignet wegen der flexiblen Inanspruchnahme des Kredits sind streng akzessorische Sicherheiten, wie etwa die Verkehrshypothek. Befindet sich die Bank in der stärkeren Verhandlungsposition, so wird dem kreditnachsuchenden Unternehmen mitunter die Verpflichtung auferlegt, all seine Bankgeschäfte mit dem kreditgewährenden Institut abzuwickeln („Ausschließlichkeitserklärung“). Die Bank erhält dadurch einen hervorragenden Einblick in die finanziellen Transaktionen der Unternehmung (regelmäßige Zahlungsverpflichtungen und Einnahmen, Kreis der Lieferanten und Abnehmer usw.). Ein besonderer Vorzug des Kontokorrentkredits liegt in der Möglichkeit der flexiblen Inanspruchnahme. Darüber hinaus ist er nicht zweckgebunden und steht für alle banküblichen Transaktionen (Barabhebung, Überweisung, Scheck- und Wechseleinlösung usw.) zur Verfügung. Eine nicht ausgenutzte Kreditlinie steht als potenzielle Liquiditätsreserve zur Verfügung und erlaubt es dem Betrieb, geringere liquide Mittel ersten Grades zu halten. Der Kontokorrentkredit eignet sich speziell als kurzfristiger Betriebsmittelkredit zur Finanzierung des Umsatzprozesses, als Saisonkredit zur Finanzierung eines saisonal bedingten Kapitalbedarfs und als Überbrückungs- bzw. Dispositionskredit.
c) Wechseldiskontkredite Wechselbegriff und Wechselarten
Der Wechsel stellt ein Zahlungsversprechen dar, das Wertpapiercharakter besitzt. Er ist ein geborenes Orderpapier, das durch einen schriftlichen Übertragungsvermerk, das Indossament, weitergegeben werden kann. Als Wechselberechtigter gilt derjenige, der den Wechsel in Händen hat und durch eine ordnungsgemäße Indossamentenkette ausgewiesen ist. Nach dem Wechselgesetz können zwei wichtige Grundformen des Wechsels unterschieden werden: 1. Tratte oder gezogener Wechsel, 2. Solawechsel. Beim gezogenen Wechsel fallen Aussteller und Bezogener (Akzeptant) nicht zusammen (vgl. auch Abbildung D 14). Die Tratte (gezogener Wechsel) stellt die Anweisung des Wechselausstellers (Gläubigers, Trassant) an den Bezogenen (Schuldner, Trassat) dar, eine bestimmte Geldsumme an ihn oder einen Dritten (Wechselnehmer, Remittent) zu zahlen. Zur Zahlung aus dem Wechsel verpflichtet wird der Bezogene, wenn er den Wechsel durch seine Unterschrift angenommen (akzeptiert) hat. Ein gezogener Wechsel, der vom Bezogenen akzeptiert ist, wird auch als Akzept bezeichnet. Der Aussteller des Wechsels haftet beim gezogenen und akzeptierten Wechsel nur als Rückgriffsschuldner.
II. Außenfinanzierung
Verkäufer der Ware Gläubiger (Trassant) Aussteller
Wechsel
Käufer der Ware
Akzeptierung durch
Schuldner (Trassat) Bezogener Akzeptant
Unterschrift (Akzept)
in Zahlung gegebener Wechsel (Rimesse/Tratte)
Vorlage bei Fälligkeit des Wechsels
Zahlung des Wechselbetrags
Dritter Wechselnehmer Remittent
Abb. D 14: Gezogener Wechsel oder Handelswechsel
Löst der Bezogene am Verfalltag den Wechsel nicht ein, so kann der ordnungsgemäß durch Indossament ausgewiesene Wechselbesitzer (Remittent) neben dem Aussteller auch auf alle Vorindossanten zurückgreifen (Regress). Der Solawechsel stellt ein Zahlungsversprechen des Wechselausstellers über eine bestimmte Geldsumme dar. Aussteller und Bezogener (der letztlich aus dem Wechsel Verpflichtete) sind beim Solawechsel identisch (vgl. Abbildung D 15).
Verkäufer der Ware Gläubiger (Wechsel) Aussteller
Käufer der Ware
=
in Zahlung gegebener Wechsel
Schuldner (Wechsel) Bezogener Akzeptant
Vorlage bei Fälligkeit des Wechsels
(Rimesse)
Zahlung des Wechselbetrags
Dritter Wechselnehmer Remittent
Abb. D 15: Sola – oder Eigenwechsel
Beim Wechsel handelt es sich um eine abstrakte Zahlungsverpflichtung, die von dem ursprünglich zugrunde liegenden Rechtsgeschäft (z. B. Warenlieferung auf Ziel) losgelöst ist. Der Akzeptant kann daher gegen die Wechselverpflichtung keine Einreden geltend machen, die ihm aus dem Grundgeschäft zustehen würden, wie etwa Mängelrügen.
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D. Alternativen der Kapitalaufbringung Voraussetzung dafür, dass eine Urkunde als Wechsel gilt, ist die Beachtung der gesetzlichen Wechselbestandteile. Ein gezogener Wechsel muss folgende gesetzliche Bestandteile enthalten: 1. Die Bezeichnung „Wechsel“ im Text der Urkunde. 2. Die unbedingte Anweisung zur Zahlung einer bestimmten Geldsumme. 3. Die Angabe des Bezogenen (die aus dem Wechsel zahlungsverpflichtete Person oder Firma). 4. Die Angabe der Verfallzeit. Erfolgt keine Angabe der Verfallzeit, so gilt der Wechsel als Sichtwechsel (vgl. Art. 2 Abs. 2 WG). 5. Die Angabe des Zahlungsortes. Fehlt der Zahlungsort, so gilt hilfsweise der Wohnort des Bezogenen. 6. Den Namen des Wechselnehmers. Ist der Aussteller gleichzeitig Remittent, so genügt die Angabe „an eigene Order“. 7. Tag und Ort der Ausstellung. Fehlt der Ausstellungsort, so gilt der Wechsel an dem Orte ausgestellt, der beim Namen des Ausstellers angegeben ist. 8. Eigenhändige Unterschrift des Ausstellers. Neben diesen gesetzlichen Bestandteilen haben sich im Handelsverkehr auch noch sogenannte „kaufmännische Bestandteile“ eingebürgert, die die Bearbeitung und Weitergabe der Wechsel erleichtern sollen. Die Ausstellung von Wechseln erfolgt heute nahezu ausschließlich auf gedruckten Wechselformularen (DIN 5004), die die gesetzlichen Bestandteile des Wechsels nach Art. 1 WG und die üblich gewordenen kaufmännischen Bestandteile enthalten. Löst der Bezogene einen Wechsel bei Verfall nicht ein, so kann der Wechsel zu „Protest“ gegeben werden. Unter Protest versteht man die öffentliche Beurkundung der Zahlungsverweigerung. Der Protest muss an einem der beiden auf den Zahlungstag folgenden Werktage erhoben werden. Wird diese Frist versäumt, so verliert der Wechselbesitzer seine Ansprüche gegenüber den Vorindossanten und dem Aussteller, und er kann sich dann nur noch an den Bezogenen halten. Die Ansprüche aus dem Wechsel können im Wechselprozess (§§ 602 ff. ZPO) geltend gemacht werden. Der Wechselprozess bietet wegen der beschleunigten Abwicklung und der vereinfachten Beweisführung für den Kläger Vorteile gegenüber dem gewöhnlichen Prozess. Als Beweismittel sind nur Eid und Urkunden zugelassen. Wegen der präzisen Formanforderungen an den Wechsel und der Möglichkeit des Wechselprozesses spricht man auch von der sogenannten „Wechselstrenge“. Diese Wechselstrenge ist auch Ursache dafür, dass der Wechsel (speziell Solawechsel) häufig als zusätzliches Kreditsicherungsmittel Verwendung findet, da er dem Gläubiger eine rasche Beitreibung seiner Forderung ermöglicht. Die Ansprüche aus dem Wechsel gegenüber dem Bezogenen verjähren binnen drei Jahren, gerechnet vom Tage des rechtzeitig erhobenen Protestes. Ansprüche gegenüber Indossanten und dem Aussteller dagegen verjähren bereits innerhalb von sechs Monaten. Wechsel, denen ein Waren- oder Dienstleistungsgeschäft zugrunde liegt, werden als Handelswechsel bezeichnet. Diese Wechsel basieren auf einem Zielkauf (Kreditkauf),
II. Außenfinanzierung wobei der Lieferant als Aussteller auf den Abnehmer der Ware bzw. Dienstleistung (Bezogener) einen Wechsel zieht. Finanzwechsel beruhen dagegen nicht auf einer Warenlieferung als Grundgeschäft, sondern sie dienen ausschließlich der Kreditbeschaffung. So kann etwa eine Konzerntochtergesellschaft auf die Muttergesellschaft einen Wechsel ziehen, den diese akzeptiert und der dann von einem der beiden Unternehmen bei einer Bank diskontiert wird. Der Weg der Finanzierung über Finanzwechsel wird beschritten, da der Diskontkredit meist kostengünstiger ist als andere kurzfristige Kreditformen. Das Instrument der Finanzwechsel wird mitunter auch missbraucht, etwa in Form der Wechselreiterei. Diese liegt vor, wenn zwei Personen oder Unternehmen gegenseitig aufeinander Wechsel ziehen. Ein Depotwechsel dient ausschließlich Sicherungszwecken. Hierbei wird ein Wechsel, häufig ein Solawechsel des Kreditnehmers, beim Kreditgeber zur Sicherung eines Kreditverhältnisses hinterlegt. Kommt der Schuldner seinen Verpflichtungen aus diesem Kreditverhältnis nach, so erhält er den Wechsel zurück. Erfolgt keine ordnungsgemäße Abwicklung des Schuldverhältnisses, so kann der Kreditgeber den Wechsel zu Protest geben und somit die Vorteile der Wechselstrenge ausnutzen. Der Besitzer eines Wechsels kann diesen an eigene Gläubiger zahlungshalber weitergeben, ihn bis zur Fälligkeit selbst aufbewahren und dann dem Wechselschuldner vorlegen oder ihn bei einem Kreditinstitut diskontieren lassen. Diskontkredite
Unter Diskontierung versteht man den Ankauf von Wechseln vor Fälligkeit unter Abzug der Zinsen für die Zeit vom Ankaufstag bis zum Fälligkeitstag. Der Abzug der Zinsen wird als Diskont bezeichnet. Der Nominalbetrag des Wechsels verringert um den Diskont ergibt den Barwert, der dem Wechseleinreicher zur Verfügung gestellt wird. Obwohl man bei der Wechseldiskontierung vom Ankauf durch die Bank spricht, handelt es sich um ein Kreditgeschäft, da der Wechseleinreicher der Bank gegenüber so lange verpflichtet bleibt, bis der Bezogene Zahlung geleistet hat. Die Kosten des Diskontkredits setzen sich zusammen aus dem Diskont, den das Kreditinstitut von der Wechselsumme abzieht, und aus den Diskontspesen, die beim Inkasso des Wechsels auftreten können. Bei einer Wechselsumme von 100 GE und einem Diskontsatz von 6 % p. a. ergibt sich bei 360 Tagen Laufzeit ein Diskonterlös von 94 GE und damit
§ 6 100% · effektive Kreditkosten von ¨ ¸ 6, 38% p.a. © 94 ¹ Beim Kostenvergleich mit dem Kontokorrentkredit ist noch zu berücksichtigen, dass die Zinsen beim Diskont im Voraus abgezogen werden. Infolge der europäischen Währungsunion und der Übertragung der Geldpolitik von der Deutschen Bundesbank auf die Europäische Zentralbank wurde die Rediskontpolitik als Instrument der Geldmengensteuerung aufgegeben. Dadurch entfiel die privilegierte Refinanzierungsmöglichkeit von Kreditinstituten bei der Gewährung von Diskontkrediten. Aus diesem Grund ist die Bedeutung von Diskontkrediten seit 1999 stark gesunken. Allerdings werden Wechsel seit der Einführung des Euro als Kategorie-II-Sicherheit (marktfähige Sicherheiten mit besonderer Bedeutung für nationale Finanzmärkte und Sicherheiten) vom europäischen System der Zentralbanken akzep-
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D. Alternativen der Kapitalaufbringung tiert. Kreditinstitute können deshalb diskontierte Wechsel zur Kreditaufnahme bei den Landeszentralbanken nutzen. Folgende Kriterien gelten dafür: 1. Mindestlaufzeit: 1 Monat, 2. maximale Restlaufzeit: 6 Monate, 3. kein Mindestbetrag, 4. Währung: auf Euro oder nationale Währung lautend, 5. Sitz des Schuldners: Deutschland, 6. Bonität: zumindest ein Wechselmitverbundener muss als notenbankfähig eingestuft sein, und 7. Bewertung: Abzinsung mit dem 3-Monats-EURIBOR und einem zusätzlichen Bewertungsabschlag von zwei Prozent.
d) Commercial Papers, Euronotes und Medium Term Notes Als Alternative zu kurzfristigen Krediten bei revolvierendem Kreditbedarf bieten sich für große Unternehmen Commercial Papers oder Euronotes an. Als Entstehungsursache kann der Versuch von Großbanken gesehen werden, ihre Bilanzen von der Aufblähung durch langfristige Roll-Over-Kredite zu minimalen Margen zu entlasten. Als Lösung bot sich die direkte Zusammenführung der institutionellen Kapitalanleger mit den Kreditnehmern über die Emission von Notes an. Unterstützt wurde diese Entwicklung durch wachsende Überliquidität der internationalen Investoren, besonders der Versicherungen und Pensionskassen. Mit Euronotes und Commercial Papers umgehen Großunternehmen die Banken als Kreditgeber und emittieren eigene kurzfristige Notes am Kapitalmarkt (vgl. auch Abschnitt C I 3). Die Disintermediation, d. h. die Nachfrageverschiebung der Nichtbanken führt bei den Banken zu dem Verlust der Kreditnehmer mit bester Bonität, da sich diese Unternehmen direkt an die Kapitalmärkte wenden. Konsequenz dessen sind die Verschlechterung der Kreditportefeuilles der Banken und die Zunahme der Kapitalkosten für im Portefeuille verbleibende mittelständische und Kleinunternehmen. Darüber hinaus bedeutet dies für die Banken den Übergang vom Zinsspannen- zum Provisionsgeschäft. Commercial Papers und Euronotes sind Inhaberpapiere (Schuldverschreibungen) mit Laufzeiten zwischen sieben Tagen und zwei Jahren, abhängig vom Kreditbedarf des Schuldners und der Marktlage. Seit Anfang der 90er-Jahre ist zu beobachten, dass Commercial Papers und Euronotes häufiger mit mittleren Laufzeiten von zwei bis vier Jahren begeben werden. Diese sogenannten Medium Term Notes sind etwa zehn Jahre zuvor in den USA entstanden und seit 1986 vorrangig in Euromarktsegmenten verfügbar.66 Ihr rechtlicher Charakter ist der eines voll übertragbaren Zahlungsversprechens (Fully Negotiable Promissory Note), vergleichbar einem umlauffähigen Sola-Finanzwechsel. Eine Sicherstellung erfolgt i. d. R. nicht. Schuldner und platzierende Bank schließen einen Rahmenvertrag über eine Daueremission ab, wobei der Schuldner optieren kann, ob und in welchem Ausmaß die Fazilität in Anspruch genommen wird. Das maximale Emissionsvolumen wird innerhalb des Rahmenvertrages für ein bis sieben Jahre festgelegt. Die Programme sollten aus Kostengründen mindestens 50 Mio. € – bei 66
Vgl. Rohleder, Medium Term Notes, 1989.
II. Außenfinanzierung einem Mindesttranchenvolumen von 2,5 Mio. € – umfassen. Die Papiere werden diskontiert ausgegeben; die Emission erfolgt i. d. R. als Privatplatzierung. Die Verzinsung der Papiere ist für die Laufzeit fest und kann bei Neuemissionen jeweils verändert werden. Die Verzinsung orientiert sich überwiegend am LIBOR oder EURIBOR zuzüglich eines Abschlages von bis zu 1/4 % oder eines Aufschlages bis zu 1 %. Die Zinssätze werden damit vom allgemeinen Zinsniveau der Geldmärkte, von den Fälligkeiten und dem Kredit-Rating der Emission bestimmt. Weitere Kosten sind die einmalige Arrangierungsprovision, die jährlichen Gebühren der Zahlstelle, die Emissions- und Ausstellungsgebühren, die Druckkosten und gegebenenfalls die Börseneinführungsgebühren. Bei der Begebung von Euronotes und Commercial Papers haben sich Funktionsteilungen der beteiligten Banken und Kreditinstitute in Anlehnung an syndizierte Anleihen herausgebildet. Beiden Programmen ist gemeinsam, dass der Arrangeur die Vertragsdokumentation übernimmt und die Placing Agents zusammenstellt. Dafür erhält er die Arrangement Fee (ca. 1/8 % des Kreditbetrages). Euronotes unterscheiden sich von Commercial Papers durch die Underwriter-Garantie. Hierin verpflichten sich Kreditinstitute, nicht platzierte Notes bis zu einem vorab festgelegten Höchstbetrag, der Back-up-Linie, zu übernehmen. Die Verpflichtung erstreckt sich auf den Aufkauf dieser Notes zu einem festgelegten Zinssatz, wenn eine Platzierung der Notes zu diesem oder einem geringeren Zinssatz nicht möglich ist (Revolving Underwriting Facility – RUF) oder der Einräumung einer Kreditlinie (Note Standby Facility). Im letzteren Fall übernehmen die Underwriter keine Rückkaufsverpflichtung, sondern stellen dem Kreditnehmer eine Kreditlinie zur Verfügung, die es ihm selbst ermöglicht, die Papiere bei Nichtplatzierung aus dem Markt zu nehmen. Als Oberbegriff für die Möglichkeit der Kreditmobilisierung durch die Ausgabe garantierter Euronotes (Underwritten Euronotes Facilities) hat sich die Note Issuance Facility (NIF) herausgebildet. Die Placing Agents übernehmen den Verkauf der Euronotes und Commercial Papers. Bei den beiden Sole-Placing-Agent-Methoden (SPA-Methoden) erfolgt die Platzierung durch ein einziges Institut. Demgegenüber erhalten bei der Multiple-Placing-AgentMethode (MPA-Methode) die Underwriter Notes zum Verkauf entsprechend ihrer Übernahmeverpflichtung. Als Nachteil ergibt sich hier, dass die Underwriter nicht gleichzeitig eine gute Platzierungskraft besitzen müssen. Werden die Euronotes oder Commercial Papers nicht platziert, so hat der Kreditnehmer den vereinbarten höheren Kreditzins im Falle einer Underwriter-Garantie zu zahlen oder kann keine Kapitalaufnahme durchführen. Sowohl bei der SPA- als auch bei der MPA-Methode kann der Emittent nicht von im Markt erzielbaren Konditionen profitieren, da er unabhängig von den erzielten Konditionen den Placing Agents den vereinbarten Zinssatz zu zahlen verpflichtet ist. Demgegenüber erfolgt beim Tender-Panel-Agent-Verfahren (TPA-Methode) die Zuteilung für den Verkauf nach den günstigsten zu erzielenden Konditionen. Die Placing Agents müssen an den Tender-Panel-Agent Zins- und Kursangebote (Bids) abgeben, was diese auf der Grundlage von Gesprächen mit Kapitalanlegern tun. Der Zuschlag wird den Instituten mit dem niedrigsten Zins- bzw. höchsten Kursangebot erteilt. Der Vorteil der TPA-Methode ist darin zu sehen, dass durch den Wettbewerb günstige Zinssätze für den Kreditnehmer erzielt werden. Werden von den Placing Agents ausschließlich über dem Marktzins liegende Angebote abgegeben, besteht für den Emittenten der Nachteil, dass er Höchstzinsen zu zahlen hat. Häufig wird deshalb dem Emittenten das Recht eingeräumt, einzelnen Tender-Panel-Mitgliedern zu kündigen. Ein weiterer Nachteil der TPA-Methode besteht darin, dass die Placing Agents die Papiere zunächst nur unter dem Vorbehalt der erfolgreichen Zuteilung anbieten
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D. Alternativen der Kapitalaufbringung können. Erfolgt dann keine Zuteilung, führt dies zu einer Gefährdung zukünftiger Emissionen, da sich PlacingAgents und Investoren nicht mehr am Auktionsverfahren beteiligen. Die Continuous-Tender-Panel-Methode (CTP-Methode) versucht, diese Mängel zu beheben. Bei dem CTP-Verfahren wird ein CTP-Manager eingesetzt, der im Falle eines Kreditbedarfs die im Panel vereinigten Placing Agents informiert, die für die Dauer der Platzierungsperiode das Continuous-Tender-Panel bilden. Die emittierten Wertpapiere können vom Manager direkt an seine Kunden als auch indirekt an die Mitglieder des Panels zu einem vorab bestimmten Zinssatz (strike offered yield) verkauft werden. Der Zins kann dabei in Übereinstimmung mit dem Emittenten während der Platzierungsdauer variiert werden. Underwriter, deren Zinsgebote bis zur maximalen Höhe des strike offered yield reichen, erhalten entsprechend ihrer Beteiligung an der Underwriter-Garantie Papiere zum Verkauf zugeteilt. Zusätzlich besteht für die Mitglieder des CTP die Möglichkeit zur Reservierung von Beträgen ohne spätere Übernahmeverpflichtung, wenn sie mit potenziellen Investoren verhandeln. Im Rahmen des Issuer-Set-Margin-Verfahren (ISM-Methode) legt der Emittent in Absprache mit dem Arrangeur zu Beginn der Emission einen Preis fest, zu dem die Placing Agents Papiere übernehmen können. Für die Platzierung der übrigen Wertpapiere ist der Arrangeur verantwortlich. Der Vorteil dieser Methode liegt in der schnellen Distribution und der Preiskontrolle durch den Emittenten. Für den Schuldner bieten Commercial-Paper- oder Euronotes-Programme insbesondere die Vorteile niedriger Kreditbeschaffungskosten, hoher Flexibilität, Diversifizierung der Kreditgeberbasis und im Falle des Vorliegens einer Underwriter-Garantie der festen Liquiditätszusage.67 Bei erfolgreicher Platzierung der Commercial Papers oder Euronotes beim Publikum hat der Kreditnehmer die Marktzinssätze der Eurogeldmärkte zuzüglich der entsprechenden Gebühren der Kreditinstitute zu bezahlen. Die effektiven Kreditkosten liegen damit nur unwesentlich über den kurzfristigen Marktzinsen. Bei Nichtplatzierung hat der Kreditnehmer den mit den Underwritern vereinbarten Maximum Spread als Zinsverpflichtung zu erbringen. Die Kreditzinsen liegen dann höher als bei einer Platzierung der Papiere am Markt. Liegt eine Underwriter-Garantie vor, kann sich der Kreditnehmer langfristig zu den kurzfristigen Zinssätzen refinanzieren, was bei einem normalen Verlauf der Zinsstrukturkurve günstig ist. Da Euronotes und Commercial Papers in diesem Kontext Kredit-, Geld- und Kapitalmärkte vereinigen, werden sie auch als hybride Finanzinstrumente bezeichnet. Die Ausgabe von Euronotes oder Commercial Papers ist gegenüber der Auflegung einer Anleihe wesentlich flexibler. Die Laufzeit der Notes kann jeweils neu festgesetzt werden, sodass bei erwarteten Zinssenkungen Laufzeitreduzierungen bei einer jeweiligen Neuplatzierung der Notes möglich sind. Auch das Volumen der emittierten Papiere kann dem schwankenden Kreditbedarf angeglichen werden. Die Bereitstellung der Kreditmittel erfolgt nicht ausschließlich durch eine begrenzte Zahl von Kreditinstituten, sondern auch durch zusätzliche Kreditgeber aus anderen Wirtschaftssektoren. Dadurch wird die Abhängigkeit gegenüber einzelnen Kreditgebern reduziert. Die Vertragsdokumentation ist relativ einfach und basiert auf dem Euronote Facility Agreement. Ein Börseneinführungsprospekt muss nicht erstellt werden. Es erweist sich bei Euronotes als Problem, dass durch die Underwriter-Kreditinstitute hohe Eventualverbindlichkeiten übernommen werden. Der Kontakt zwischen den Underwriterbanken und dem Kreditnehmer ist i. d. R. nicht so eng wie bei gewöhnlichen 67
Vgl. Dobret, Peetzen, Euronotes, 1987.
II. Außenfinanzierung Bankkreditbeziehungen. Risikoveränderungen während der Laufzeit können deshalb durch die Kreditgeber nicht ausreichend beobachtet werden. Die Liquiditätsplanung der Underwriter-Kreditinstitute wird erschwert, da die Inanspruchnahme der Facility vorab nicht planbar ist.
e) Lombardkredite Unter Lombardkredit versteht man die Ausreichung eines Darlehens gegen ein Faustpfand (bewegliche Sachen oder Forderungen; vgl. §§ 1204 ff. BGB). Das Charakteristikum des Lombardkredits ist somit die Art der Sicherstellung (vgl. Abbildung D 16). Die Grenzen zu einem durch Verpfändung gesicherten Kontokorrentkredit sind jedoch mitunter fließend. Der Lombardkredit wird i. d. R. als fester Betrag für eine bestimmte Laufzeit ausgereicht und ist nach Fristablauf in einer Summe zu tilgen. Dies unterscheidet ihn vom flexibel beanspruchbaren, durch Faustpfand gesicherten Kontokorrentkredit (unechter Lombard). Kredite gegen Faustpfand werden ausgereicht von Kreditinstituten, von der Deutschen Bundesbank und darüber hinaus auch von Pfandleihanstalten (Leihhäusern). Im vorliegenden Zusammenhang sind nur Lombardkredite der Banken von Interesse. RealKreditvertrag
Kreditnehmer
Kreditgeber Kreditsumme
Eigentümer der Ware/Sache
Übergabe der Ware/Sache als Sicherheit
Abb. D 16: Lombardkredit
Je nach Art der zugrunde liegenden Pfandobjekte können folgende Formen des Lombardkredits unterschieden werden: 1. Effektenlombard, 2. Wechsellombard, 3. Warenlombard, 4. Forderungslombard und 5. Edelmetalllombard. Effektenlombard
Beim Effektenlombard wird ein Kredit gegen Verpfändung von Effekten, d. h. fungiblen Wertpapieren (Aktien, Industrieobligationen, Pfandbriefe, Anleihen der öffentlichen Hand u. a.), gewährt. Er ist der Veräußerung der Wertpapiere vorzuziehen, wenn es sich nur um einen kurzfristigen Kapitalbedarf handelt oder der Kurs der Effekten sich zum Zeitpunkt des Kapitalbedarfs ungünstig stellt. Beliehen werden durch Kreditinstitute bevorzugt börsennotierte Effekten. Für festverzinsliche Werte liegt die Beleihungsgren-
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D. Alternativen der Kapitalaufbringung ze bei ca. 80 %, während bei Aktien eine Beleihung zu ca. 50 % ihres Wertes erfolgt. Bei nicht börsennotierten Werten liegen die Beleihungswerte i. d. R. niedriger. Beim Effektenlombard der Kreditinstitute überwiegt der unechte Lombard. Effekten, die ein Kreditnehmer im Depot einer Bank hinterlegt hat, gelten aufgrund der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Banken automatisch für eingeräumte Kredite als verpfändet. Die Effekten dienen daher vielfach zur Sicherung von Kontokorrentkrediten. Echte Effektenlombardkredite werden häufig für den Kauf von Wertpapieren verwendet, wobei der Kreditnehmer dann für den Ankauf nur den die Beleihungsgrenze übersteigenden Betrag einschießen muss. In starken Baissezeiten kann von solchen Krediten ein zusätzlicher Kursdruck ausgehen, wenn die Kreditnehmer von den Banken gezwungen werden, zusätzliche Sicherheiten zu stellen oder das Engagement zu liquidieren. Dies hat sich besonders beim „Börsencrash“ im Oktober 1987 gezeigt, als innerhalb eines Tages die Beleihungsgrenzen vieler durch Kredit finanzierter Wertpapierdepots deutlich unterschritten wurden. Im Interbankengeschäft wurde der Effektenlombard in großen Teilen durch das Wertpapierpensionsgeschäft verdrängt. Hierbei handelt es sich um einen Vertrag, bei dem der Besitzer/Eigentümer von Wertpapieren (Pensionsgeber) diese an einen Dritten (Pensionsnehmer) für eine begrenzte Zeit unter Übernahme der Rückkaufverpflichtung verkauft. Bei einem echten Wertpapierpensionsgeschäft ist der Pensionsnehmer im Gegensatz zum unechten Pensionsgeschäft verpflichtet, die Wertpapiere wieder zurückzuverkaufen. Beim unechten Pensionsgeschäft hat der Pensionsnehmer dagegen die eigene Wahl, ob er die Wertpapiere wieder verkaufen will. An der Rückkaufverpflichtung des Pensionsgebers ändert dies aber nichts. Wechsellombard
Das Warenlombardgeschäft ist mit dem Nachteil behaftet, dass die verpfändeten Waren dem Kreditgeber übergeben werden müssen. Der Kreditgeber muss daher je nach Art der Waren entsprechende Möglichkeiten der Lagerung besitzen. Eine direkte Einlagerung von Waren durch Kreditinstitute ist in Deutschland nicht üblich. Die Einlagerung kann jedoch bei einem Lagerhalter unter Mitverschluss der Bank erfolgen. Größere Bedeutung besitzt die Verpfändung von handelsrechtlichen Order- bzw. Dispositionspapieren, die das Recht an der Ware verbriefen. Die Verpfändung lagernder Ware kann durch Einlagerung in den Lagerhausanstalten erfolgen, die ermächtigt sind, „Orderlagerscheine“ auszustellen. Mit Indossierung und Übergabe dieses Orderlagerscheins geht auch das Eigentum an der Ware über. Der Orderlagerschein erleichtert somit die Verpfändung von Waren. Die Verpfändung rollender Ware kann im Eisenbahnverkehr durch Übergabe des Frachtbriefduplikats erfolgen. Das Frachtbriefdoppel ist kein handelsrechtliches Dispositionspapier, dessen Übergabe die Besitzübertragung an der Ware ersetzen könnte. Aber die Übergabe des Frachtbriefduplikats verhindert, dass der Versender die Waren zuungunsten des Kreditgebers umdisponiert. Die Lombardierung schwimmender Ware kann durch Übertragung des Konossements als klassischem handelsrechtlichem Dispositionspapier (vgl. §§ 363 i. V.m § 513 HGB) erfolgen. Das Konossement wird in der Überseeschifffahrt ausgestellt, während in der Binnenschifffahrt der Ladeschein des Binnenschiffers (Flusskonossement, Binnenkonossement) diesem gleichkommt. Das Konossement wird i. d. R. an Order ausgestellt, und nur der durch eine fortlaufende Kette von Indossamenten ausgewiesene rechtmäßige Inhaber des Konossements kann über die Ware verfügen. Konossemente
II. Außenfinanzierung in der Seeschifffahrt werden regelmäßig in mehreren Originalfassungen ausgefertigt, wobei zur Verfügung über die Ware ein Original genügt. Die Verpfändung von Orderpapieren im Rahmen des Lombardkredits erfolgt durch Einigung zwischen Kreditgeber und Kreditnehmer und der Übergabe des indossierten Papiers (Pfandindossament § 1292 BGB). Forderungslombard
Auch Rechte können nach §§ 1273 ff. BGB verpfändet werden. Beim banküblichen Lombardkredit kommen als verpfändbare Rechte vor allem Forderungen in Frage. So können speziell Lebensversicherungspolicen in Höhe des Rückkaufwertes als Pfand Verwendung finden. Weniger bedeutsam ist die Verpfändung von Spar- und Festgeldguthaben, die nur bei einem sehr kurzfristigen Kapitalbedarf sinnvoll ist. Die Verpfändung einer Forderung ist nur dann wirksam, wenn der Gläubiger sie dem Schuldner anzeigt (vgl. § 1280 BGB). Daher wird in der Praxis der Verpfändung von Forderungen aus Lieferungen und Leistungen die Forderungsabtretung (Zession) vorgezogen (s. auch Abschnitt 2 c). Edelmetalllombard
Die Verpfändung von Edelmetallen, Schmucksteinen und -stücken besitzt bei der kurzfristigen Fremdfinanzierung von Unternehmen keine Bedeutung. Kreditinstitute nehmen im Allgemeinen nur Goldbarren, -münzen und Medaillen entgegen, denen ein notierter Kurs zugrunde liegt. Für die Kreditbeschaffung von Privatpersonen durch Edelmetall- und insbesondere Schmucklombard sind Pfandleihanstalten von größerer Bedeutung. Pfandleihanstalten zählen nicht zu den Kreditinstituten im Sinne des KWG.
f) Kreditleihe Bei den bisher behandelten Formen des kurzfristigen Bankkredits wird der Unternehmung durch das Kreditinstitut Geld zur Verfügung gestellt, weshalb daher auch von Geldleihe gesprochen wird. Bei der Kreditleihe dagegen erhält die Unternehmung keine finanziellen Mittel, sondern sie leiht sich die Kreditwürdigkeit einer Bank, d. h., die Bank steht mit ihrem Namen für das Unternehmen ein. An die Kreditleihe kann sich eine Geldleihe anschließen, wodurch dann dem Unternehmen finanzielle Mittel zufließen. Somit stellt die Kreditleihe per se keine Finanzierung dar. Aus Sicht der neoinstitutionalistischen Finanzierungstheorie ist die Kreditleihe dann eine nutzenstiftende Institution, wenn der uninformierte Kreditgeber durch das Einstehen eines Kreditnehmers zweifelsfreier Bonität für die Schuld von den Kosten der Informationsbeschaffung befreit wird. Dies ist etwa dann der Fall, wenn der Verkäufer einer Ware eine Garantie der Hausbank des Käufers mit hervorragender Bonität erhält. Zwischen der Hausbank und dem Käufer der Ware ist wiederum die Informationsasymmetrie als geringer einzuschätzen, da hier bspw. eine langjährige Geschäftsbeziehung vorliegt. Somit kann die Kreditleihe als eine die Informationsbeschaffungskosten senkende Maßnahme angesehen werden. Formen der Kreditleihe sind der Akzeptkredit und der Avalkredit.
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D. Alternativen der Kapitalaufbringung Akzeptkredit
Beim Akzeptkredit erteilt ein Kreditinstitut einem Kunden ein Bankakzept. Die Bank räumt dem Kunden das Recht ein, auf sie einen Wechsel zu ziehen, der dann von der Bank als Bezogener akzeptiert wird (vgl. Abbildung D 17). Bei Fälligkeit des Wechsels muss der Kunde die Wechselsumme der Bank zur Verfügung stellen. Die Bank ist daher zwar wechselrechtlich Hauptschuldner, sie hat jedoch nur dann einzustehen, wenn ihr Kunde den Betrag nicht rechtzeitig anschafft. Für diese Eventualhaftung verlangt die Bank von ihrem Kunden eine Akzeptprovision (ca. 1 %). Das Bankakzept kann vom Kunden an einen seiner Gläubiger (z. B. Lieferant) weitergegeben oder bei einem Kreditinstitut diskontiert werden. Die Diskontierung erfolgt häufig bei der gleichen Bank, die das Akzept erteilt hat (Selbstdiskontierung). Das Bankakzept wird zu einem Vorzugssatz diskontiert, der unter dem normalen Diskontsatz liegt. Der Akzeptkredit besitzt seine größte Bedeutung im Rahmen des Außenhandels. Der Name und die Kreditwürdigkeit einer Bank treten an die Stelle des Schuldners (Abnehmer, Importeur), der häufig dem Gläubiger (Lieferant, Exporteur) nicht hinreichend bekannt ist. Die Kreditwürdigkeit der Bank gewährleistet die Einlösung des Wechsels und ermöglicht dem Gläubiger eine Diskontierung des Akzepts bei seiner Hausbank. Der Akzeptkredit besitzt daher im Rahmen von Rembourskrediten eine gesteigerte Bedeutung (s. Abschnitt D II 4 g).
Verkäufer der Ware
Käufer der Ware Kunde des Kreditinstituts
Gläubiger (Wechsel)
Schuldner (Bankakzept) Aussteller (Wechsel)
Akzeptkreditvertrag (Bankakzept)
Vorlage bei
Zahlung des Wechselbetrags
Fälligkeit des Wechsels
Wechselbeziehung
Bank Schuldner (Wechsel) Bezogener (Wechsel)
Zahlung
Gläubiger (Bankakzept)
Abb. D 17: Akzeptkredit
Avalkredit
Unter einem Aval versteht man die Übernahme einer Bürgschaft oder Garantie durch ein Kreditinstitut im Auftrag eines Kunden (Avalkreditnehmer) gegenüber einem Dritten (Avalbegünstigter). Im Rahmen des Avalkredits steht die Bank für gegenwärtige oder zukünftige Verbindlichkeiten unterschiedlicher Art ihrer Kunden gegenüber Dritten ein (vgl. Abbildung D 18). Der Avalkreditnehmer bleibt Hauptschuldner seines Gläubigers, und die Bank wird nur dann in Anspruch genommen, wenn der Avalkreditnehmer nicht zahlt. Der Avalkredit stellt für die Bank eine Eventualverbindlichkeit dar. Die von der Bank übernommene Bürgschaft ist selbstschuldnerisch, d. h., wie bereits er-
II. Außenfinanzierung wähnt, dass ihr die Einrede der Vorausklage nicht zusteht, da die Bürgschaftserteilung für die Bank ein Handelsgeschäft darstellt (§ 349 HGB). Der Avalbegünstigte kann sich daher bei Zahlungsverzug des Avalkreditnehmers sofort an die bürgende Bank wenden, ohne vorherige Klageerhebung gegen den Hauptschuldner. Das Bankaval kann sich stets nur auf die Zahlung eines bestimmten Geldbetrages beziehen und nicht auf die Erbringung anderer Leistungen, wie etwa auf Erfüllung der Lieferung, gerichtet sein. Für die Einräumung des Avalkredits berechnet die Bank eine Avalprovision, deren Höhe von der Laufzeit, dem Bürgschaftsbetrag und von einer etwaigen Sicherstellung des Avals abhängt (ca. 1,5 % bis 3 % p. a.).
Verkäufer der Ware Gläubiger (Handelsgeschäft) Avalbegünstigter
Verbindlichkeit
Käufer der Ware Schuldner (Handelsgeschäft)
Anspruch auf
Avalkreditnehmer
Erfüllung
Avalkreditvertrag
Bankbürgschaft / Bankgarantie
Bank Avalkreditgläubiger
Anspruch aus der Bankbürgschaft/ Bankgarantie
Abb. D 18: Avalkredit
Bankavale werden häufig bei der Stundung von Abgaben durch die öffentliche Hand benötigt. Typische Formen sind hier das Zollaval und das Frachtaval. Für die Stundung von Zöllen und Einfuhrabgaben verlangt die Zollverwaltung eine Bankbürgschaft. Diese Bürgschaft ermöglicht es dem Importeur, die zu leistenden Abgaben aus dem Erlös der Importwaren zu begleichen. Bei Ausschreibungen der öffentlichen Hand werden häufig Bietungsgarantien verlangt. Hierbei verpflichtet sich die Bank für ihren Kunden, dass dieser den Auftrag ausführt, wenn er den Zuschlag erhält. Die Bietungsgarantie beträgt etwa 5–10 % des Auftragswertes. Bietungsgarantien werden auch häufig bei Auslandsgeschäften gefordert. Dabei sind zusätzlich bezüglich des Umfangs weitergehende Lieferungs- und Leistungsgarantien üblich. Hierbei verpflichtet sich die Bank gegenüber dem Besteller (Avalbegünstigter) zur Zahlung eines bestimmten Betrages, wenn der abgeschlossene Liefervertrag nicht ordnungsgemäß durch den Avalkreditnehmer erfüllt wird. Die in bestimmten Branchen (Schiffsbau, Großmaschinenbau) und im Auslandsgeschäft üblichen Anzahlungen können durch eine Anzahlungsgarantie sichergestellt werden. Erfolgt keine ordnungsgemäße Erfüllung der Lieferverpflichtung, so erhält der Besteller (Avalbegünstigter) einen Betrag in Höhe der Anzahlung von der Bank zurückvergütet. Im Rahmen einer Gewährleistungsgarantie verpflichtet sich die Bank zur Zahlung eines bestimmten Betrages, wenn das vom Avalkreditnehmer gelieferte Produkt den
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D. Alternativen der Kapitalaufbringung vereinbarten Anforderungen nicht genügt. Auch für Prozessverpflichtungen können Bankbürgschaften erforderlich sein (Prozessaval). So können etwa Bankavale als Sicherheitsleistung bei vorläufig vollstreckbaren Urteilen oder zur Abwendung einer Zwangsvollstreckung dienen. Eine Sonderform des Avalkredits stellt die Bürgschaft für Wechselschulden dar. Die Bank unterzeichnet dabei den Wechsel, für den sie bürgen soll, als Aussteller, Girant (Indossant) oder als Wechselbürge. Wechselbürgschaften sind speziell bei der Stundung von Holzlieferungen der staatlichen Forstverwaltungen üblich. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von Holzgeldavalen.
g) Kredite im Auslandsgeschäft Die beschriebenen kurzfristigen Kreditformen stehen prinzipiell auch für das Außenhandelsgeschäft zur Verfügung. Es haben sich hierbei jedoch einige spezielle Kreditformen herausgebildet, die teilweise Kombinationen der bisher erläuterten Arten darstellen. Akkreditiv
Ein Akkreditiv stellt den Auftrag eines Bankkunden an seine Bank dar, aus seinem Guthaben an einen Dritten eine bestimmte Geldsumme zu bezahlen. Die Auszahlung erfolgt dabei nur, wenn die vom Akkreditiveröffner gestellten Bedingungen durch den Begünstigten erfüllt werden. Beim sogenannten Barakkreditiv sind diese Bedingungen meist die Vorlage eines Ausweispapieres und Leistung der Unterschrift durch den Begünstigten. Barakkreditive besaßen früher im Reiseverkehr als Zahlungsmittel eine gewisse Bedeutung. Sie sind jedoch heute nahezu vollständig durch Check- und Kreditkarten abgelöst worden. Wesentlich größere Bedeutung als das Barakkreditiv besitzt für die Abwicklung von Handelsgeschäften das Dokumentenakkreditiv. Die Auszahlung beim Dokumentenakkreditiv ist an die Vorlage genau spezifizierter Dokumente durch den Akkreditivbegünstigten gebunden. Hat der Akkreditivsteller der akkreditiveröffnenden Bank den Akkreditivbetrag sofort anzuschaffen, so entsteht kein Kreditverhältnis. Das Akkreditiv stellt somit primär einen entgeltlichen Geschäftsbesorgungsvertrag (§ 675 BGB) dar. Ein Kreditverhältnis entsteht erst, wenn weitere Modalitäten hinzutreten. Die Abwicklung von Akkreditiven im Rahmen des Außenhandels vollzieht sich weitgehend nach den „einheitlichen Richtlinien und Gebräuchen für Dokumentenakkreditive“ der Internationalen Handelskammer, die durch Banken und Bankenverbände der wichtigsten Handelsnationen akzeptiert wurden. Dokumentenakkreditive werden durch den Importeur bei seiner Hausbank (Akkreditivbank) eröffnet (vgl. Abbildung D 19 (1)). Zur Abwicklung bedient sich die Akkreditivbank einer Korrespondenzbank im Lande des Akkreditivbegünstigten (2). Die Korrespondenzbank teilt dem Akkreditivbegünstigten die Eröffnung und die Bedingungen mit (3) und nimmt die Dokumente entgegen (5), welche die vom Exporteur versandte Ware (4) auszulösen erlauben (11); nach ordnungsgemäßer Abwicklung leistet sie Zahlung an den Begünstigten (6). Das Akkreditiv ermöglicht den Zug-um-Zug-Kauf über räumliche Distanzen hinweg. Sowohl die Avisierende Bank als auch der Importeur tauschen jeweils die Dokumente (7) (9) gegen Zahlungen (8) (10). An die Stelle der Zahlungsverpflichtung der Akkreditivbank kann ihre Verpflichtung zur Akzeptierung eines Wechsels treten.
II. Außenfinanzierung Kaufvertrag Auslieferung gegen Dokumente (11)
Exporteur Akkreditivbegünstigter
Importeur Akkreditivsteller/-eröffner
Ware (4)
Akkreditivantrag (1)
Dokumente (9)
Avis (3) Dokumente (5)
Zahlung (10) Zahlung (6)
Dokumente (7)
Bank des Exporteurs Avisierende Bank (Akkreditivstelle)
Zahlung (8)
Bank des Importeurs
Akkreditvschreiben(2)
Akkreditivbank (eröffnende Stelle)
Abb. D 19: Dokumentenakkreditiv
Akkreditive können widerruflich oder unwiderruflich erteilt werden. Ein widerrufliches Akkreditiv kann durch die Akkreditivbank auf Veranlassung des Auftraggebers jederzeit zurückgezogen werden. Da die Sicherheit in diesem Falle für den Akkreditivbegünstigten sehr gering ist, sind widerrufliche Akkreditive im Auslandsgeschäft sehr selten. Beim unwiderruflichen Akkreditiv verpflichtet sich die Akkreditivbank, bei ordnungsgemäßer Vorlage der Dokumente unwiderruflich Zahlung zu leisten. Die Sicherung des Exporteurs ist daher beim unwiderruflichen Akkreditiv wesentlich besser als beim widerruflichen. Soll noch eine Verstärkung der Sicherung des Lieferanten erfolgen, so kann ein bestätigtes Akkreditiv gewählt werden. Beim bestätigten Akkreditiv tritt die das Akkreditiv avisierende Korrespondenzbank zusätzlich in die Zahlungsverpflichtung ein. Dem Exporteur haftet somit neben der Akkreditivbank noch eine avisierende Bank (meist die Hausbank des Exporteurs). Wegen der dabei auftretenden doppelten Bankprovision wird es jedoch seltener gewählt als das unbestätigte Akkreditiv. Akkreditive können auch übertragbar und teilbar gestellt werden. In diesem Fall ist der aus dem Akkreditiv Begünstigte ermächtigt, das Akkreditiv auf einen Dritten oder mehrere Dritte (z. B. Unterlieferanten) zu übertragen. Wird der Akkreditivbetrag durch den Akkreditivsteller der Akkreditivbank nicht sofort bei Eröffnung angeschafft, sondern erst bei Eingang der Dokumente, so liegt eine Kreditleihe vor. Dies ist ebenfalls der Fall, wenn die Akkreditivbank für den Begünstigten einen Wechsel akzeptiert. Erfolgt eine Diskontierung des Wechsels durch die Akkreditivbank oder die Korrespondenzbank, so tritt zur Kreditleihe eine Geldleihe hinzu. Ein Kreditverhältnis kann sich auch aus dem ebenfalls im Außenhandelsgeschäft üblichen Dokumenten-Inkasso durch Kreditinstitute ergeben. Die Abwicklung eines Dokumenten-Inkasso erfolgt ähnlich wie das Akkreditiv, gewährt jedoch dem Exporteur nicht die gleichen Sicherheiten, da kein Kreditinstitut die Zahlung bei Vorlage ordnungsgemäßer Dokumente gewährleistet. Die Sicherheit für den Exporteur besteht darin, dass die Warendokumente dem Importeur nur gegen Bezahlung bzw. Akzeptierung eines Wechsels ausgehändigt werden. Soweit es sich
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D. Alternativen der Kapitalaufbringung um handelsrechtliche Dispositionspapiere handelt, kann der Importeur vor Zahlung bzw. Akzeptierung über die Ware nicht verfügen. Erfolgt keine Abnahme der Ware, so trägt der Exporteur das Risiko einer anderweitigen Verwertung oder Rücksendung. Sollen die Dokumente nur gegen Zahlung ausgehändigt werden, so spricht man von „Documents against Payment“ (d/p); soll eine Aushändigung der Dokumente gegen Akzept erfolgen, so handelt es sich um „Documents against Acceptance“ (d/a). Im letzteren Fall kann der Exporteur den Wechsel diskontieren lassen und erhält somit sofort den Diskonterlös. Die Sicherung des Exporteurs ist jedoch von der Bonität der Akzeptanten abhängig. Rembourskredit
Will sich der Exporteur mit dem Akzept des Importeurs nicht begnügen, da ihm dessen Bonität unbekannt ist oder unsicher erscheint, so wird er ein Remboursgeschäft fordern. Die Akzeptierung der Tratte bei Vorlage ordnungsgemäßer Dokumente erfolgt dann nicht durch den Käufer, sondern durch eine Bank, die sich hierzu verpflichtet hat. Die akzeptierende Bank wird als Remboursbank bezeichnet. Die Remboursbank ist häufig identisch mit der Hausbank des Exporteurs. Es kann jedoch auch die Bank des Importeurs gewählt werden oder – wie beim klassischen Rembourskredit – eine weitere angesehene Bank in einem dritten Land eingeschaltet werden. Der klassische Rembourskredit unter Einschaltung einer speziellen Remboursbank und somit von drei Kreditinstituten stellt heute, nicht zuletzt wegen der erhöhten Kosten, die Ausnahme dar. Kaufvertrag
Exporteur
Importeur
Auslieferung gegen Dokumente
Akkreditivbegünstigter
Akkreditivsteller/eröffner Akkreditivsteller/-eröffner
Ware
Diskontzahlung
Zahlung bei Fälligkeit
Tratte Remboursbank/ Dokumente Akzept
Remboursbank
Zahlung bei Fälligkeit)
Akzeptierungsauftrag und Rembourslinie
Tratte etc.
Bank des Exporteurs Avisierende Bank (Akkreditivstelle)
Kreditantrag
Bank des Importeurs Zahlung
Akkreditivbank (eröffnende Stelle)
Abb. D 20: Rembourskredit
Das Bankakzept kann der Exporteur diskontieren lassen. Der Rembourskredit stellt somit eine Kombination aus Akzept- und Diskontkredit dar. Der Rembourskredit kann auch mit einem Dokumentenakkreditiv gekoppelt sein. An die Stelle der Barzahlung bei Übergabe ordnungsgemäßer Dokumente tritt dann das Bankakzept (vgl. Abschnitt Akkreditiv und Abbildung D 20). Darüber hinaus gibt es
II. Außenfinanzierung insbesondere im angelsächsischen Bereich verschiedene Abwandlungen und Ausgestaltungen des Rembourskredits. Negoziierungskredit
Die Negoziierungskredite stellen spezielle Formen des Diskontkredits dar, die sich im Außenhandelsgeschäft herausgebildet haben. Das Diskontgeschäft kann dabei mit einem Akkreditiv oder akkreditivähnlichen Ermächtigungen (z. B. Commercial Letter of Credit) verbunden sein. Wesentliche Formen der Negoziierungskredite sind: 1. Authority to Purchase, 2. Order to Negotiate und 3. Commercial Letter of Credit (CLC). Bei der Authority to Purchase ermächtigt die Bank des Importeurs die Hausbank des Exporteurs (oder eine sonstige Bank im Land des Exporteurs), eine vom Exporteur auf den Importeur gezogene Tratte zusammen mit den Dokumenten zu ihren Lasten anzukaufen. Die Bank des Exporteurs belastet dann ihrerseits den Wechselankauf der Bank des Importeurs weiter. Die Order to Negotiate unterscheidet sich hiervon dadurch, dass ein Bankakzept gewährt wird. Die Bank des Importeurs beauftragt die Bank des Exporteurs, eine auf sie (Importeursbank) gezogene Tratte mit den Dokumenten anzukaufen. Bei der Order to Negotiate ist daher die Importbank wechselmäßig verpflichtet, während bei der Authority to Purchase nur der Importeur als Hauptschuldner aus dem Wechsel haftet. Der Commercial Letter of Credit stellt ein dem Akkreditiv ähnliches Zahlungsversprechen dar. Es wird jedoch von der auftraggebenden Bank nicht an eine Korrespondenzbank gerichtet, sondern direkt an den Begünstigten adressiert. Der Begünstigte kann dann die von den Dokumenten begleitete Tratte unter Vorlage des Commercial Letter of Credit einer Bank seiner Wahl zum Ankauf anbieten. Auch eine direkte Einreichung bei der Bank, die den Letter of Credit ausgestellt hat, ist mitunter möglich, soweit es sich nicht um einen „restricted“ CLC handelt, bei dem der Ankauf nur durch eine vorgeschriebene Bank erfolgen kann. Akkreditivbevorschussung (Anticipatory Credit)
Die Akkreditivklauseln können vorsehen, dass der Exporteur bereits vor Versendung der Ware und damit vor Einreichung der geforderten Dokumente aus dem Akkreditiv einen Vorschuss erhalten kann. Dies soll dem Exporteur die Finanzierung des Versands erleichtern (Packing Credit). Die Bedingungen der Bevorschussung können differieren und unterscheiden sich insbesondere dadurch, ob die Bevorschussung gesichert oder ungesichert erfolgt (sog. Farbklauseln: Green Clause and Red Clause).
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D. Alternativen der Kapitalaufbringung
5. Kreditsubstitute Lernziele dieses Kapitels x Neben Factoring stehen vor allem Asset Backed Securities (ABS) und Leasing als mögliche Kreditsubstitute zur Verfügung. x Beim Factoring überträgt ein Unternehmen rollierend eigene Forderungen aus Lieferung und Leistung an einen Faktor, welcher – je nach Vertragsausgestaltung – die (Vor-)Finanzierungs-, Dienstleistungs- bzw. Kreditversicherungsfunktion übernimmt. x Für das Unternehmen können sich insbesondere durch die Bevorschussung der eigenen Forderungen Vorteile ergeben, die zu einer (einmaligen) Verbesserung der eigenen Liquiditätssituation führen. x Asset Backed Securities (i. w. S.) sind forderungsbesicherte Wertpapiere. Banken können eigene Risiken aus der Kreditvergabe mittels ABS (i. w. S.) an Drittparteien transferieren; analog dazu agieren Großunternehmen, die ihre Forderungen verbriefen. Dies geschieht (unter Einbeziehung eines als Special Purpose Vehicle bezeichneten Intermediärs) durch Aufteilung des ursprünglichen, risikobehafteten Asset Pools in mehrere, risikogestaffelte Wertpapiertranchen, die – charakterisiert durch entsprechende Ratings – an andere Marktakteure weitergeben werden. Illiquide Forderungen werden somit handel- und diversifizierbar. x Abhängig von der zugrunde liegenden Asset-Klasse können drei Produkttypen unterschieden werden. x In Asset Backed Securities (i. e. S.) werden unterschiedliche Forderungen mit Zweckbindung gebündelt. x Mortgage Backed Securities (MBS) fassen Forderungen aus Hypothekendarlehensverträgen privater oder gewerblicher Herkunft zusammen. x Als Collateralized Debt Obligations (CDO) werden Verbriefungen von nicht zweckgebundenen Forderungen aus der Anleiheemission und der klassischen Kreditvergabe bezeichnet. x Ausgestattet mit einer im Vergleich zur Miete größeren rechtlichen Gestaltungsfreiheit wird ein Leasingvertrag zwischen einem Leasing-Nehmer (in dessen Besitz das Leasinggut zeitlich befristet übergeht) und einem Leasing-Geber (der Eigentümer des Gutes ist) geschlossen. x Es wird zwischen Operating Leasing und Financial Leasing unterschieden. x Beim Operating Leasing geht der Besitz des Leasinggut für einen – in Relation zur betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer – kurzen Zeitraum an den Leasing-Nehmer über, bevor es vom Leasing-Geber an einen anderen Nutzer weiterverleased wird. Aus steuerrechtlicher Sicht entspricht das Operating Leasing einem Mietvertrag. x Demgegenüber basiert das Financial Leasing auf einer längeren und zudem fest vereinbarten Grundmietzeit. Decken die während der Grundmietzeit geleisteten Zahlungen des Leasing-Nehmers die Wertkosten und den Gewinn des Leasing-Gebers, spricht man von Vollamortisation, andernfalls von Teilamortisation. x Aus steuerrechtlicher Perspektive ist beim Financial Leasing zu unterscheiden, ob das Leasinggut dem Leasing-Geber oder dem Leasing-Nehmer zuzurechnen ist. Als wichtigste Entscheidungskriterien gelten die Dauer der Grundmietzeit sowie die Vertragsgestaltung nach Ablauf der Grundmietzeit. Im einfachsten Fall (Immobilienleasing, Vollamortisation, ohne Optionsrecht) ist der Leasing-Gegenstand dem Leasing-Geber zuzuschreiben, sofern eine Grundmietzeit vereinbart wird, die zwischen 40 % und 90 % der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer liegt.
II. Außenfinanzierung x Wenn Leasing für die Koalition aus Leasing-Geber und -Nehmer von Vorteil ist, so ergibt sich dieser aus steuerlichen Gründen.
a) Factoring Unter Factoring versteht man den vertraglich festgelegten laufenden Ankauf von Forderungen aus Lieferungen und Leistungen (meist vor Fälligkeit) durch einen Faktor (spezielles Finanzierungsinstitut oder Kreditinstitut) unter Übernahme bestimmter Service-Funktionen und häufig auch des Ausfallrisikos. Der Veräußerer der Forderung (Klient, Anschlusskunde oder -firma) kann dem Faktor die gesamte Debitorenbuchhaltung, das Inkasso- und Mahnwesen übertragen. Zu dieser Finanzierungs- und Dienstleistungsfunktion tritt bei Übernahme des Ausfallrisikos durch den Faktor noch die Kreditsicherungsfunktion hinzu. Das Factoring hat somit folgende Funktionen: 1. Finanzierungsfunktion (Ankauf und Kreditierung der Forderung); 2. Dienstleistungsfunktion (Verwaltung des Forderungsbestandes); 3. Kreditversicherungsfunktion (Delkrederefunktion), soweit der Faktor das Bonitäts-
risiko übernimmt. Das Factoring hat sich, abgesehen von den Factoreien des Mittelalters, in England und insbesondere in den Vereinigten Staaten entwickelt. In den USA besitzt es eine erhebliche Bedeutung, was sich sowohl an der Vielzahl der Factorinstitute als auch an deren Umsatz zeigt. In Deutschland wird demgegenüber das Factoring erheblich weniger verwendet. Während in den USA der Faktor üblicherweise das Ausfallrisiko (Delkrederefunktion) übernimmt, stellte dies in Deutschland, insbesondere bei dem von Banken betriebenen Factoring, zunächst die Ausnahme dar. In den letzten Jahren hat sich auch in der Bundesrepublik der regresslose Ankauf der Forderungen als dominierende Form beim Factoring durchgesetzt. Nach der Übernahme des Kreditrisikos durch den Faktor wird unterschieden in: 1. echtes Factoring (Non-Recourse Factoring) und in 2. unechtes Factoring (Recourse Factoring).
Beim echten Factoring übernimmt der Faktor die Delkrederefunktion und kauft die Forderungen ohne Rückgriffsrecht an. Beim unechten Factoring verbleibt dagegen das Kreditrisiko beim Veräußerer der Forderungen. Als Ursache für die Hinwendung zum echten Factoring in der Bundesrepublik ist einerseits das gestiegene Ausfallrisiko durch die Zunahme der Insolvenzen zu sehen und zum anderen ein Wandel in der Rechtsprechung im Bereich der Kollision von Kreditsicherungsrechten. Das unechte Factoring wird von der Rechtsprechung weit gehend mit dem Zessionskredit gleichgestellt. Dadurch ergibt sich die bei der Globalzession (siehe dort) beschriebene Kollisionsproblematik mit dem verlängerten Eigentumsvorbehalt des Vorlieferanten. Übernimmt der Faktor das Ausfallrisiko nicht, so liegt wirtschaftlich betrachtet ein Kreditgeschäft vor. Trotzdem zählt das Factoring-Geschäft in der Bundesrepublik nicht zu den genehmigungspflichtigen Bankgeschäften im Sinne von § 1 KWG, und die Factoring-Institute unterliegen daher nur dann der Bankenaufsicht, wenn sie gleichzeitig eine Zulassung als Kreditinstitut beantragt haben.
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D. Alternativen der Kapitalaufbringung Die Finanzierung der angekauften Forderungen durch den Faktor kann 1. per Ankaufszeitpunkt (Standard Factoring, Advance Factoring) oder 2. zum individuellen bzw. durchschnittlichen Fälligkeitszeitpunkt der Forderungen (Maturity Factoring) erfolgen. Im Fall des Maturity Factoring liegt eine Finanzierungsfunktion im engeren Sinn nicht vor. Beim Standard Factoring bevorschusst der Faktor die Forderungen ab dem Zeitpunkt des Ankaufs. Der Klient übermittelt jeweils dem Faktor seine ausgehenden Rechnungen oder, wenn diese Funktion vom Faktor übernommen wird, die entsprechenden Daten. Der Faktor schreibt dann seinem Klienten 80–90 % der Rechnungswerte gut. Der Rest wird bis etwa vier Wochen nach dem Verfalltag der entsprechenden Rechnungen auf einem Sperrkonto festgehalten und soll zum Ausgleich von Beanstandungen und Rechnungskürzungen (etwa durch Mängelrüge) dienen, jedoch nicht zur Abdeckung des Ausfallrisikos. Der Faktor kann auch einzelne Forderungen, die seinen Bonitätsanforderungen nicht genügen, aussondern und den Ankauf ablehnen. Erfolgt eine offene Abtretung der Forderungen, man spricht dann vom „notifizierten Factoring“, so teilt der Lieferant seinen Kunden mit, dass sie mit befreiender Wirkung nur noch an den Faktor Zahlung leisten können. Beim nicht notifizierten Factoring handelt es sich um eine stille Zession, bei der die Schuldner von der Abtretung der Forderungen an den Faktor nicht unterrichtet werden. Sie können mit befreiender Wirkung an den Lieferant Zahlung leisten. Für die Kreditierung der Forderungen berechnet der Faktor bankübliche Sollzinsen, ferner wird eine Gebühr für die Übernahme der Dienstleistungen (ca. 0,5–2,5 % der Rechnungsbeträge) erhoben. Trägt der Faktor auch das Ausfallrisiko, so wird zusätzlich eine Delkrederegebühr (ca. 0,2–1 %) berechnet. Die Dienstleistungs- und Delkrederegebühr wird auch häufig in einem einheitlichen Prozentsatz vom Factoringumsatz erhoben. Die Höhe der berechneten Gebühren ist abhängig von der Bonität der Schuldner, der Beurteilung des Factorkunden und dem Gesamtgeschäftsumfang. Während beim Inlandsfactoring in Deutschland zunächst die Delkrederefunktion nicht enthalten war, wurde und wird diese beim Exportfactoring stets durch den Faktor übernommen. International vertretene Factoringinstitute können durch ihre Tochtergesellschaften die Bonität der Schuldner in den einzelnen Ländern besser überprüfen als der Exporteur und auch den Einzug der Forderungen nachhaltiger betreiben. Das Factoring kann zu folgenden Vorteilen führen: 1. Skontierungsfähigkeit gegenüber den Lieferanten, 2. Kosteneinsparungen bei der Debitorenbuchhaltung, der Kreditprüfung und dem Mahnwesen, 3. Einsparungen der Gebühren für die Informationsbeschaffung, 4. Wegfall von Kosten für die Beitreibung von Forderungen, 5. Vermeidung von Verlusten aus Insolvenzen der Abnehmer, 6. Kapitalfreisetzung durch Abbau der Außenstände, 7. ggf. Gewerbesteuereinsparungen bei Reduzierung von Dauerschuldverhältnissen, 8. Verbesserung der Bilanzoptik durch Forderungs- und Verbindlichkeitsabbau sowie 9. ggf. Ausdehnung des Umsatzes, wenn zuvor ein Kreditengpass bestand.
II. Außenfinanzierung Für mittlere und kleinere Unternehmen kann das Factoring unter Kostengesichtspunkten sinnvoll sein, insbesondere wenn der Faktor die Debitorenbuchhaltung kostengünstiger abwickelt. Für Betriebe, die weit gehend bar oder gegen sehr kurze Zahlungsziele verkaufen, eignet sich Factoring nicht. Große Unternehmen bedürfen häufig der Dienstleistungsfunktion des Factors nicht, wenn sie selbst über eine IT verfügen und die Finanzierungsfunktion auf Wechselbasis kostengünstiger abwickeln können. Der mit dem Factoring verbundene Kapitalfreisetzungseffekt liegt nur einmal bei Aufnahme des Factoring vor und kann nur durch eine Vergrößerung des Absatzvolumens erweitert werden. Dem Exportfactoring sehr ähnlich ist die Forfaitierung von Exportforderungen. Auch bei der Forfaitierung kauft der Forfaiteur (Finanzierungsgesellschaft oder Kreditinstitut) Forderungen eines Exporteurs ohne Rückgriffsmöglichkeit auf. Der Forfaiteur übernimmt somit ebenso wie der Exportfactor das Ausfallrisiko. Ein wesentlicher Unterschied liegt jedoch darin, dass der Forfaiteur keine Dienstleistungsfunktion, wie sie beim Factoring üblich sind, übernimmt. Ferner werden bei der Forfaitierung nur spezielle Forderungen, insbesondere mittel- und langfristige Exportforderungen, veräußert. Da beim Verkauf à forfait (in Bausch und Bogen) die Rückgriffsmöglichkeiten stets ausgeschlossen sind, kommen für die Forfaitierung nur erstklassige Forderungen, die zusätzlich gesichert sind, in Frage. Um Einreden aus dem Grundgeschäft auszuschließen, werden die Forderungen meist in Wechselform gekleidet. Als Sicherheit wird entweder ein Bankakzept, eine unkonditionierte Bankgarantie oder eine Staatsgarantie bzw. -bürgschaft gefordert.
b) Asset Backed Securities aa) Konzept und Kategorisierung von Asset Backed Securities Asset Backed Securities (ABS) haben als innovative, konkurrenzfähige Finanzierungsalternative zur klassischen Anleihenfinanzierung oder zum Factoring für Unternehmen sowie als Instrument zur aktiven Portefeuillesteuerung für Kreditinstitute in den letzten Jahren trotz starker Schwankungen deutlich an Bedeutung gewonnen. Über Verbriefungsstrukturen können insbesondere Banken, aber auch Nichtbanken, Risiken aus der Kreditvergabe an Drittparteien transferieren und damit die Refinanzierung eines Kreditportefeuilles direkt über den Kapitalmarkt betreiben. Damit werden bisher illiquide Kreditrisiken handelbar und können effizient auf andere Kapitalmarktteilnehmer umverlagert werden. Während bei Kreditinstituten primär eine Änderung der strategischen Ausrichtung vom Risikonehmer zum Risikohändler als Ursache der Entwicklung zu sehen ist, sind Verbriefungen von Forderungen durch Unternehmen zur Klasse der alternativen, bankenunabhängigen Finanzierungsformen zu zählen. So werden durch Verbriefungen etwa im Bereich der Automobilindustrie aus illiquiden Forderungen gegenüber den Autokäufern ähnlich wie beim Factoring liquide Mittel, die dann anderweitig eingesetzt werden können.
Bei einer Verbriefung werden die Kreditrisiken eines abgegrenzten Subportefeuilles (Asset Pool) aus dem Bestand des Forderungsinhabers (Originator) herausgelöst, in Form eines gebündelten Treuhandvermögens isoliert und in mit unterschiedlichem Risikogehalt ausgestatteten, handelbaren Strukturierungseinheiten an den Kapital- oder Geldmarkt transferiert. Ein eigens gegründeter Finanzintermediär, eine sogenannte Zweckgesellschaft (Special Purpose Vehicle), finanziert die Übernahme der Finanzaktiven des Originators durch Emission von risikogestaffelten Wertpapiertranchen.
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D. Alternativen der Kapitalaufbringung Das SPV muss den Eigenschaften der Steuerneutralität und Insolvenzferne genügen. Die Rückflüsse aus den verbrieften Forderungen dienen der Kapitaldienstleistung der emittierten Wertpapiere, deren Erfüllungsrisiko damit direkt von der Qualität als auch vom Verlusthaftungsrang der jeweiligen Tranche abhängt. Ausgehend von der ranghöchsten Tranche (Senior Tranche) werden die Zahlungsansprüche über ein oder mehrere mezzanine Tranchen kaskadenartig erfüllt, sodass der untersten Tranche (Equity Tranche, Junior Tranche oder First Loss Piece) die Rolle des Erstverlustträgers zukommt (Wasserfallprinzip). Zusätzliche Absicherung gegen Währungs- und Zinsrisiken werden durch Hedging-Aktivitäten integriert. Mit dieser Strukturierung ist damit eine Konzentration der Kreditrisiken vor allem in den unteren Tranchen verbunden. Neben dem Originator sind weitere Organe, wie bspw. Ratingagenturen, Servicer und Bereitsteller von Sicherungsmechanismen und Liquiditätsbeihilfen, involviert. Insbesondere spielen die Prüfungsprozesse der Ratingagenturen eine entscheidende Rolle. Drei zentrale Eigenschaften von Verbriefungen lassen sich festhalten: Die Bündelung der zu verbriefenden Forderungen zu einem Subportefeuille (Pooling) ermöglicht die Vorteile einer Portefeuillebetrachtung, sodass die Risikomasse von Diversifikationseffekten beeinflusst ist. Durch die vollständige Isolation und Separation eines Subportefeuilles aus dem Gesamtportefeuille des Originators kann eine getrennte Risikoanalyse vorgenommen werden, was zur Folge hat, dass die Qualität des Asset Pools unabhängig von der Bonität des Originators beurteilt und somit eine Entkoppelung der Refinanzierungskonditionen erreicht werden kann. Die wichtigste Eigenschaft der Verbriefung stellt jedoch die direkte Abhängigkeit des Erfüllungsrisikos der Asset Backed Securities von der Qualität des Asset Pools dar, d. h. die Performance der Asset Pools beeinflusst direkt die Performance der Wertpapiertranchen. Um eine stabile, im Hinblick auf das Kreditrisiko kontrollierbare Transaktion zu gewährleisten, müssen die eingebrachten Forderungen weitgehend sichere und prognostizierbare Zahlungsrückflusse garantieren. Geeignete Finanzaktiven sollten weiterhin rechtlich übertragbar und technisch aus dem Gesamtportefeuille abgrenzbar sein. Daneben sollte im Rahmen des Selektionsprozesses auf graduelle Homogenität und Diversifikation geachtet werden. Um eine Liquiditätsunterversorgung zu vermeiden, zählen sowohl eine ausreichende Verzinsung als auch Bonitätsstabilität zu den förderlichen Kriterien. Asset Backed Securities werden entsprechend der verwendeten Asset Klasse in drei Produkttypen kategorisiert (vgl. Abbildung D 21). Innerhalb der Forderungen mit Zweckbindung erfolgt eine Unterscheidung von Mortgage Backed Securities (MBS), d. h. die Verbriefung von Forderungen aus Hypothekendarlehensverträgen privater und gewerblicher Herkunft, und von Asset Backed Securities im engeren Sinne, wobei dieses Segment als Sammelbecken für Forderungen aller Art dient. Verbriefungen von nicht zweckgebundene Forderungen aus der Anleiheemission und der klassischen Kreditvergabe werden als Collateralized Debt Obligations (CDO) bezeichnet.
II. Außenfinanzierung
Asset Backed Securities i.w.S.
Asset Backed Securities i.e.S. (ABS) • • • • • •
Forderungen aus Lieferung und Leistung Forderungen aus Leasingverträgen Forderungen aus Kreditkartenverträgen Forderungen aus Konsumentenkrediten Forderungen aus studentischen Beihilfen ...
Collateralized Debt Obgligations (CDO)
Mortage Backed Securities (MBS)
Collateralized Bond Obligations (CBO)
Commercial Mortgage Backed Securities (CMBS)
Forderungen aus der Investition in Anleihen (High Yield, Emerging Markets, ...)
Forderungen aus Darlehensverträgen für gewerbliche Hypothekendarlehen
Collateralized Loan Obligations (CLO)
Residential Mortgage Backed Securities (RMBS)
Forderungen aus der klassischen Kreditvergabe
Forderungen aus Darlehensverträgen für private Hypothekendarlehen
Abb. D 21: Produkttypen von Asset Backed Securities
Durch die erstmalige Verbriefung von Forderungen aus Hypothekendarlehensverträgen als MBS wurde in den USA der Grundstein in den 1970er-Jahren für eine rasante Verbreitung der Asset Securitisation gelegt. Erst Mitte 1980er-Jahre wurde das Konzept auf andere Forderungsklassen ausgedehnt, so zum Beispiel auf Automobilfinanzierungskontrakte (1985) und Kreditkartenverträge (1987). Erst im Jahr 1992 traten erstmals mittelständische Bankkredite als Asset Klasse auf. Seit dem Jahr 2000 wurde die Bandbreite der Forderungen erheblich erweitert, bspw. durch die Verbriefung von Private Equity-Finanzierungen (Collateralized Equity Obligations), Hedge Fund-Beteiligungen (Collateralized Fund Obligations) oder die erneute Verbriefung von Verbriefungstranchen, die sogenannte CDOs of CDO oder CDO2. In Deutschland begann die Entwicklung ebenfalls mit einer MBS-Transaktion im November 1990 durch die KKB Bank AG, eine Tochter der Citibank, die allerdings von erheblichen Bedenken der Aufsichtsämter begleitet war. Die erste nichthypothekengestützte Transaktion erfolgte im Jahr 1996 durch die Volkswagen Leasing GmbH. Ein anhaltender Entwicklungsschub setzte allerdings erst im Jahr 1999 als Ergebnis gezielter staatlicher Fördermaßnahmen ein, der seinen vorläufigen Höhepunkt mit der Installation einer True Sales-Verbriefungsplattform im Jahr 2003 erreichte. Mit der ersten Transaktion über diese Einrichtung 2004 wurde auch hier die Vorreiterrolle durch die Volkswagen Financial Services AG eingenommen.
bb) Struktur und Design Die Entscheidung für eine bestimmte Gestaltungsvariante bzw. das Design der Verbriefung hängt im Wesentlichen von den Zielen ab, die ein Originator mit der Transaktion verfolgt. Verschiedene Elemente können kombiniert werden, um eine möglichst optimale Abstimmung mit dem Zielsystem zu erreichen.68 68
Vgl. Jobst, Collateralised Loan Obligations – A Primer, 2002, S. 8 ff.
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D. Alternativen der Kapitalaufbringung Grundsätzlich existieren zwei Arten von Verbriefungen, sogenannte reguläre und synthetische Strukturen.69 Bei der regulären oder traditionellen Verbriefung wird ein selektierter Asset Pool inklusive der damit verbundenen Rechte und Pflichten durch den Originator im rechtlichen Sinne einer Eigentumsübertragung an das SPV transferiert (True Sales). Eine besondere Herausforderung stellt dabei die zivil- und insolvenzrechtliche Übertragung der Sicherheiten auf das SPV als auch die Vereinbarkeit mit dem Bankgeheimnis dar. Die Forderungen können aus dem Bestand des Originators stammen oder durch Zukauf von Dritten erworben werden. Wesentliches Merkmal eines True Sales ist damit die bilanzbefreiende Wirkung, d. h. die veräußerten Assets sind nicht mehr in der Bilanz des Originators zu erfassen. Bei der synthetischen Verbriefung wird nur das vom Asset Pool separierte Kreditrisiko transferiert, ohne die Forderungen selbst zu übertragen. Dabei erfolgt in einem ersten Schritt die Übertragung des Kreditrisikos durch einen Credit Default Swap an eine Zweckgesellschaft, die wiederum das Kreditrisiko an den Kapitalmarkt weiterleitet. Dabei wird das Kreditrisiko sowohl der hochrangigsten Tranche (Super Senior Tranche) als auch des First Loss Pieces über Credit Default Swaps abgesichert, während das Kreditrisiko der mezzaninen Tranchen über die Emission von Credit Linked Notes gehandhabt wird. Das eingegangene Kapital wird vorübergehend in risikolose Wertpapiere investiert. Dieses Grundmodell wird hinsichtlich des Anteils der Derivate mit Finanzierungseffekt auch als Partially Funded-Transaktion bezeichnet, da die Super Senior-Tranche als auch das First Loss Piece durch Credit Default Swaps gesichert werden. Eine Modifikation dieser Grundstruktur stellen sogenannte Fully Funded-Transaktionen dar, bei denen der Risikotransfer vollständig über Credit Linked Notes erfolgt, sodass das gesamte Volumen des Subportefeuilles über den Kapitalmarkt refinanziert wird. Kennzeichen der synthetischen Verbriefung ist der Verbleib der Forderungen in der Bilanz des Originators, wodurch die administrative und juristische Verwaltung einfacher handhabbar ist. Die Bedienung der Investorenansprüche erfolgt aus der vom Originator gezahlten Swapprämie und den Erträgen aus der sicheren Anlage der Emissionserlöse. Schematische Darstellungen sind in Grundzügen in Abbildung D 22 ersichtlich. Eine weitere Unterscheidung von Verbriefungen kann hinsichtlich des gewählten Cashflow-Distributionsmechanismus vorgenommen werden. Die Bedienung der Asset Backed Securities ist generell von der Performance des Asset Pools abhängig. Die Zinsund Tilgungseinnahmen werden entlang der Tranchenrangfolge verteilt, wobei sich zwei Organisationsmodelle unterscheiden lassen. Werden sämtliche Rückflüsse aus dem Asset Pool unverändert, zeitgleich und tranchenadjustiert direkt an Investoren weitergeleitet, so spricht man von einer Pass Through-Struktur. Für den Zertifikatsinhaber entsteht damit die Hauptproblematik in den hinsichtlich Höhe und Zeitpunkt nicht planbaren Rückzahlungen, d. h. das Risiko der vorzeitigen Tilgung (Prepayment Risk) wird neben dem Kreditrisiko vollständig an den Investor weitergegeben. Dieser Nachteil wird bei einer Pay Through-Struktur durch die Zwischenschaltung eines Zahlungsmanagements, das feste Zins- und Rückzahlungspläne für Investoren vorsieht, beseitigt. Aufgrund dieser zeitlichen Umstrukturierung der Zahlungen ergibt sich dadurch für das SPV eine deutlich höhere Flexibilität und zusätzlicher Investitions69
Vgl. Bhattacharya, Fabozzi, Asset-Backed Securities, 2001, S. 88 ff.
II. Außenfinanzierung spielraum, jedoch können aber auch Liquiditätsengpässe bei mangelndem Zahlungsmittelbestand entstehen. Zu Weilen erfolgt die zeitliche Umstrukturierung der Gestalt, dass auf das SPV langfristige Forderungen übertragen werden, aber nur kurzfristige Wertpapiere, sogenannte Asset Backed Commercial Papers (ABCP’s) emittiert werden. Dadurch kann bei einer normalen Zinsstrukturkurve der Emittent unter Eingehen des Zinsänderungsrisikos (vgl. Abschnitt C II) ein zusätzlicher Ertrag, der Fristentransformationsertrag, erzielt werden.
Abb. D 22: Klassifikation nach Art des Risikotransfers
Transaktionen können auch dahin klassifiziert werden, ob ein Asset Management für das Subportefeuille eingesetzt wird oder ob dieses nach einmaliger Zusammenstellung unverändert verbleibt. Mit Managed ABS werden Transaktionen bezeichnet, bei denen mit fortschreitender Laufzeit die Möglichkeit zur aktiven Einflussnahme auf die Zusammensetzung des Asset Pools besteht, sodass die Risiko- und Zahlungsstruktur
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D. Alternativen der Kapitalaufbringung durch Zu- und Verkäufe gestaltet werden kann. Neben dem Vorhandensein eines Asset Managers mit entsprechenden Fähigkeiten ist eine weitere Voraussetzung eine fungible Asset Klasse. Bei Static ABS besteht dagegen keine Option auf Umschichtung des Asset Pools, wodurch dem Selektionsprozess bei Initiierung der Transaktion eine entscheidende Rolle für die spätere Performance zukommt. Mit einer Verbriefung ist ein breites Spektrum an Risiken verbunden, die einen hohen Analyse- und Überwachungsaufwand erfordern. Neben Kreditrisiken, die ihre Ursache in der Herkunft und Qualität des Asset Pools haben, treten Zins- und Marktrisiken, Liquiditätsrisiken und rechtliche Risiken (z. B. Datenschutz, Bankgeheimnis) auf. Zur Stabilisierung einer Transaktion sind zahlreiche Schutzmechanismen (Enhancements) in die Struktur eingeflochten. Liquidity Enhancements stellen Fazilitäten dar, die zur Überbückung von Liquiditätsengpässen kurzfristig gezogen werden können. Dies ist insbesondere bei der Emission von ABCP der Fall. Auf spektakuläre Art und Weise wurden in der Öffentlichkeit die Liquidity Enhancements der Industriekreditbank AG und der Deutschen Pfandbriefbank plc. bekannt. Da keine Neuemission von ABCP’s durch die SPV’s möglich war, mussten die beiden Banken kurzfristig die SPV’s mit der versprochenen Liquidität versorgen. Dies führte zu erheblichen Schieflagen bei beiden Banken, wobei die staatseigene KfW als Mutterinstitut die Industriekreditbank AG stützten konnte, das Mutterinstitut der Deutschen Pfandbriefbank plc, die Hypo Real Estate AG, auf Hilfen durch die Bundesrepublik Deutschland angewiesen war. Credit Enhancements dagegen dienen zum Schutz vor Ausfallrisiken. Hierbei werden interne Formen (Overcollateralization, Subordination, Yield Spread, Excess Spread, Reserve Fund), die durch die Transaktionsstruktur an sich entstehen, und externe Formen (Letter of Credit, Surety Bonds, Third-Party oder Parental Guarantees), die aus der entgeltlichen Beteiligung von Drittparteien resultieren, unterschieden. Abbildung D 23 zeigt ein Beispiel für Übersicherungseffekte. Liquidity Enhancements sind durch das Kriterium des Haftungsausschlusses für Ausfallrisiken von Credit Enhancements abzugrenzen. Die sequenzielle Rangfolge der Zahlungsansprüche bzw. die kaskadenartige Verteilung der eingehenden Zahlungen wird auch als Zahlungswasserfall bezeichnet. Das strenge Wasserfallprinzip besagt, dass die Priorität der fälligen Zahlungen strikt mit der Seniorität der Tranchen übereinstimmt. Die exakte Abbildung der Zahlungssystematik in Modellen ist eine wichtige Komponente bei der Planung und Risikobeurteilung der einzelnen Tranchen. Für die Distribution gibt es grundsätzlich zwei Möglichkeiten. Einerseits können alle gesammelten Einnahmen aus dem Asset Pool einen einzelnen Wasserfall durchlaufen (Single Cashflow Waterfall), oder eingehende Zahlungen aus Zins und Tilgung werden separat in zwei getrennten Systemen verteilt (Double Cashflow Waterfall). Bei einer Trennung der Zahlungsströme werden nach Durchlauf des Interest Waterfalls verbleibende, nicht distributierte Zinseinnahmen den Tilgungseinnahmen und damit dem Principal Waterfall zugefügt. Hierfür gibt es kein allgemein gültiges Schema, sodass letztendlich für jede Transaktion individuell der Verteilungsschlüssel anhand der Dokumentationen unter Beachtung der Enhancements zu analysieren ist. Die kaskadenartige Anordnung bewirkt, dass Zahlungen das First Loss Piece als primärer Verlustpuffer erst sehr spät erreichen. Diese Form der Analyse bietet den Vorteil, dass die Komplexität einerseits durch eine sehr detaillierte Einarbeitung der transaktionsspezifischen Merkmale gesteuert werden kann und andererseits die Simulation der Ausfälle über ein Portefeuillemodell als eigenständiger Modellbaustein ausgelagert werden kann.
II. Außenfinanzierung Beispiel für Übersicherungseffekte Asset Pool
ABS-Tranchen AAA-Trancho (Senior) Volumen: 890.000 Tsd. GE Credit Spread: 30 bps Zins: 2.670 Tsd. GE
Volumen: Credit Spread: Zins:
1.100.000 Tsd. GE 75 bps 8.250 Tsd. GE
AA-Tranche (Mezzanine) Volumen: 80.000 Tsd. GE Credit Spread: 90 bps Zins: 720 Tsd. GE BBB-Tranche (Mezzanine) Volumen: 50.000 Tsd. GE Credit Spread: 400 bps Zins: 2.000 Tsd. GE Junior Tranche (FLP) Volumen: Credit Spread: Zins:
Gesamt Volumen: Credit Spread:
1.100.000 Tsd. GE 75 bps
Zinseinnahmen: 8.250 Tsd. GE
Gesamt Volumen: Zinskosten: Zinsüberschuss: Yield Spread: Sonstige lfd. Kosten: Nettoüberschuss: Excess Spread: Overcollateralization:
30.000 Tsd. GE not fixed not fixed 1.050.000 Tsd. GE 5.390 Tsd. GE 2.860 Tsd. GE 26 bps 1.100 Tsd. GE 1.760 Tsd. GE 16 bps (vor Ausfall) 50.000 Tsd. GE oder 104,8 %
Ein Kreditportefeuille über 1,10 Mrd. GE wird über die Emission von 4 Wertpapiertranchen im Gesamtvolumen von 1,05 Mrd. GE regulär verbrieft. Es ergibt sich damit ein Übersicherungseffekt von 0,05 Mrd. GE oder 104,8 %. Werden vom Brutto-Zinsüberschuss der Transaktion in Höhe von 2.860 Tsd. GE, der sich aus der Differenz der Zinseinnahmen aus dem Forderungsportefeuille und den Kapitalkosten der Wertpapiertranchen berechnet, noch sonstige laufende Kosten etwa für Servicing, Forderungsverwaltung oder Rating subtrahiert, resultiert ein Netto-Zinsüberschuss von 1.760 Tsd. GE, der zur Deckung eventueller Ausfälle zur Verfügung steht bzw. als Rendite dem First Loss Piece zufließt. Abb. D 23: Beispiel für Übersicherungseffekte
Mittels einfachen Deckungstests (Trigger), wie etwa hinsichtlich der Einhaltung von festgelegten Zinsdeckungs- oder Volumendeckungsquoten für einzelne Tranchen, wird die Werthaltigkeit der Schutzmechanismen überprüft. Bei Verletzung bzw. Auslösen eines Trigger Events sind geeignete Maßnahmen zu ergreifen, die zumeist eine Abweichung vom ursprünglichen Zahlungswasserfall mit vorzeitiger Einleitung der Tilgungsphase zur Folge haben. Da ABS-Transaktionen durch einen hohen Grad an Informationsasymmetrie gekennzeichnet sind, spielt eine unabhängige Beurteilung durch Ratingagenturen eine große Rolle. Die Ratinganalyse vollzieht sich in drei Bausteinen. Ein Baustein stellt die Risikoanalyse des Asset Pools in einer Portefeuillebetrachtung dar. Daneben wird eine
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D. Alternativen der Kapitalaufbringung zumeist Monte-Carlo-basierte Zahlungsmodellierung zur Bemessung der Tranchenrisiken durchgeführt. Als letzter Teil des Ratingprozesses wird die rechtliche Ausgestaltung überprüft. Diese integrierte Betrachtung soll ein umfassendes Bild der mit der Investition in eine Tranche verbundenen Risiken in Form einer Ratingnote liefern. Allerdings meinen Kritiker, dass ein Abhängigkeitsverhältnis zwischen dem auftraggebenden ABS-Strukturier und der beauftragten Ratingagentur zu einem verzerrten Urteil führen könnte.
cc) Motivationen Die in der Praxis auftretenden Transaktionen weisen im Allgemeinen eine große Heterogenität in der Ausgestaltung aus, sodass die Wirkungsweise im Einzelfall zu untersuchen ist. Im Mittelpunkt einer Transaktion steht das Beziehungsdreieck zwischen Originator, Investor und SPV. Die durch den Originator verfolgten Ziele lassen sich in vier Bereiche unterteilen: 1. Kapitalfreisetzung und Finanzierungseffekte, 2. Portefeuilleoptimierung und Kreditrisikotransfer, 3. Realisierung von Arbitragegewinnen und 4. Freisetzung von regulatorischem Kapital. Mit dem rechtlichen Verkauf und der Herauslösung des Subportefeuilles aus der Bilanz fließen dem Originator finanzielle Mittel zu, die zur Rückführung von Fremdkapital oder als Verfügungsmasse für zusätzliche Geschäfte verwendet werden können. Die Auswirkungen einer Bilanzverkürzung lassen sich bei der vertikalen und horizontalen Bilanzstrukturanalyse feststellen. Bei effizienter Portefeuilleoptimierung, etwa durch wertschöpfende Reinvestition, ist eine signifikante Beeinflussung der Erfolgskennzahlen möglich. Weitere Vorteile einer Finanzierung über ABS sind in der Diversifizierung der Finanzierungsquellen, in einer Verbreiterung und Internationalisierung der Investorenbasis als auch in der Option zur flexiblen, bankenunabhängigen Refinanzierung zu sehen. Ein weiteres zentrales Motiv stellt die aktive Einflussnahme auf die Risikostruktur des Portefeuilles dar. Einerseits resultiert aus dem Risikotransfer eine Reduzierung von ökonomischem Risiko, andererseits ermöglicht die Kapitalfreisetzung einen effizienten Risikoneuaufbau zur Optimierung der Renditerisikostrukturen. Risikobeitragsrechnungen können zur Erfassung der Wirkungsweise der Verbriefung als auch zur Ableitung von Handlungsstrategien für Ausplatzierungsmaßnahmen eingesetzt werden. Voraussetzung hierbei ist ein internes Risikomanagementsystem bzw. ein Kreditportefeuillemodell zur Messung von Diversifikations- und Korrelationseffekten.70 Negativ anzumerken ist die Anreizsetzung zur stärkeren Fokussierung auf das Kerngeschäft bei Kreditinstituten, da durch den Kreditrisikohandel die Möglichkeit zu einer nicht aus der eigenen Kreditvergabe heraus gewachsenen Diversifikation besteht. Da auch oftmals das sehr schwierig am Markt platzierbare First Loss Piece beim Originator verbleibt, schränkt sich das Ausmaß der transferierten Kreditrisiken auf die über dessen Volumen hinausgehenden Verluste ein.
70
Vgl. Bluhm, Gössl, Der Einsatz von Collateralized Debt Obligations (CDOs) im Kreditportfoliomanagement, 2004, S. 63–67.
II. Außenfinanzierung Hebeleffekte können bei gezielter Ausnutzung des Zinsgefälles innerhalb der Tranchenstruktur entstehen. Ein Arbitragegewinn entsteht letztendlich genau dann, wenn die Summe der Zins- und Tilgungseinnahmen aus dem Asset Pool die Summe der Kuponund Tilgungszahlungen an Investoren übersteigt und der verbleibende Einzahlungsüberschuss nach Abzug von Verlusten noch eine adäquate Verzinsung für das FLP vorsieht. Bei Rückbehalt des FLPs handelt es sich um eine eigenkapitalähnliche Investition des Originators, sodass eine Hebelwirkung dadurch entsteht, dass bei reduziertem Kapitaleinsatz und begrenztem Risiko eine deutlich höhere Effektivverzinsung entsteht als vor der Verbriefung. Abbildung D 24 illustriert die Steigerung des Return on Equity durch die Verbriefung. Beispiel für Zielsetzungen eines CDOs (LIBOR = 5 %)
Zins: Ausfälle: Rendite: Rating:
Asset Pool
Refinanzierung der Bank
Refinanzierung der CDO
100% Kredite
90% AA-Anleihe senior unsecured
93% AAA-Tranche
Libor + 60 bps 20 bps pro Jahr Libor + 40 bps A+ bis A–
Funding: Libor + 25 bps
Funding: Libor + 15 bps
6% BB-Anleihe
6% A-Tranche
Funding: Libor + 190 bps
Funding: Libor + 150 bps
4% Eigenkapital
1% Junior Tranche (FLP) Funding: not fixed
Brutto-Zinsmarge:
5,40%
Refinanzierungskosten: Gewinn: Return on Equity: Regulatorisches EK:
5,14% 0,26% 6,53% 4,00%
Refinanzierungskosten: Gewinn: Return on Equity: Regulatorisches EK:
5,18% 0,22% 22,05% 1,00%
Ein Kreditportefeuille mit durchschnittlichen Ertrag nach Kreditausfällen von 5,40 % wird durch 96 % Fremdkapital und 4 % Eigenkapital bei einem LIBOR von 5 % refinanziert. Die Refinanzierungskosten belaufen sich auf 0,9 · 5,25 % + 0,06 · 6,90 % + 0,04 · 0,0 % = 5,14 %. Die Netto-Zinsmarge von 0,26 % bedeutet eine Eigenkapitalverzinsung von 0,26 %/4 % = 6,53 %. Nach dem Standardansatz von Basel II sind hierfür 4 % regulatorisches Kapital notwendig (Risikogewicht 50 %). Nach der Verbriefung belaufen sich die Refinanzierungskosten der Tranchen auf 5,18 %, was eine Reduktion der Netto-Zinsmarge auf 0,22 % mit sich bringt. Dennoch errechnet sich aufgrund der FLP-Dicke von nur 1 % eine höhere Eigenkapitalverzinsung in Höhe von 22,05 %. Für das einbehaltene FLP ist eine Eigenkapitalunterlegung von 1 % (Risikogewicht 1.250 %) erforderlich. Durch die Verbriefung konnte die Eigenkapitalunterlegung reduziert und der Return on Equity gesteigert werden. Abb. D 24: Beispiel für Zielsetzungen eines CDOs (LIBOR = 5 %)
Da die Eigenkapitalunterlegung einen limitierenden Faktor bei der Geschäftstätigkeit von Banken darstellt, besteht das Streben darin, durch die Verbriefung eine entsprechende Einsparung an regulatorischen Eigenkapital zu erreichen. Da für das FLP eine vollständige Unterlegung notwendig ist, kann eine Reduzierung nur dann erreicht werden, wenn dessen Volumen 8 % des Transaktionsvolumens nicht übersteigt. Wird die Diskrepanz zwischen ökonomischem Risikokapital und regulatorischem Kapital gezielt ausgenutzt, so wird von einer sogenannten Regulierungsarbitrage gesprochen.71
71
Vgl. Bluhm, Gössl, Der Einsatz von Collateralized Debt Obligations (CDOs) im Kreditportfoliomanagement, 2004, S. 60–63; Steiner, Miehle, Mader, Mindestkapitalanforderungen für Asset Backed Securities unter Basel II, 2005.
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D. Alternativen der Kapitalaufbringung Als Problembereiche einer Verbriefung sind die negativen Auswirkungen auf die Kundenbeziehungen, die Komplexität der Produkte im Hinblick auf bankenaufsichtliche, rechtliche und steuerliche Fragestellungen und die hohen technischen Anforderungen an Strukturierungs-, Umsetzungs-, Monitoring- und Kontrollprozesse zu nennen. Typische Investorengruppen bestehen aus institutionellen Investoren, wie Versicherungen, Pensionskassen oder Fonds, die ABS-Produkte in ihre Anlageportefeuilles mit aufnehmen und damit die Möglichkeit nutzen, in einen Pool von Kreditrisiken zu investieren. Bei allen Tranchen lässt sich feststellen, dass die Spreads im Vergleich zu risikoidentischen Anleihen tendenziell höher ausfallen, da neben den Komponenten Kreditrisiko und Liquiditätsrisiko auch der Baustein Komplexität mit eingepreist wird. Die Komplexität in Kombination mit der Informationsasymmetrie zwischen Käufer und Verkäufer der Kreditrisiken mag mit ein Grund dafür sein, dass im Jahr 2008 die Verbriefung im Rahmen von Asset Backed Securities nahezu zum Erlingen gekommen ist. Diese Entwicklung führte in den Jahren 2007 und 2008 zum Überschwappen der Vertrauenskrise auf andere Wertpapiermärkte, wie den Interbankengeldmarkt und den Markt für Pfandbriefe. Aufgrund der großen Informationsasymmetrie, die nicht nur zwischen Banken, sondern auch innerhalb der Bank bzgl. ihrer eigenen Investitionen in ABS bestanden, trockneten zeitweise die meisten Geld – und Kapitalmärkte regelrecht aus, sodass eine Finanzkrise entstand, in der die Staaten verschiedene Banken (Fannie Mae, Hypo Real Estate oder Royal Bank of Scotland) oder stützen oder gar verstaatlichen mussten. Die Finanzkrise führte auch zu einem eklatanten Rückgang der Emissionsvolumina von Asset Backed Securities. Während 2008 am europäischen Markt für noch über 800 Mrd. Euro Asset Backed Securities emittiert wurden, betrug diese Zahl nach der Krise nur 180 Mrd. Euro.72 In den 2010er-Jahren ist dabei ein leichtes Wachstum zu verzeichnen. Dies basiert auf einem Anstieg der Emissionen bei CLO von kleinen und mittleren Firmen und Asset Backed Securities im Zuge von Leasinggeschäften der Automobilbranche.
c) Leasing aa) Konzeption Unter Leasing versteht man die entgeltliche Nutzungsüberlassung eines Wirtschaftsguts auf Zeit durch Finanzierungsinstitute und andere Unternehmen, die das Vermietungsgeschäft gewerbsmäßig betreiben. Sie unterscheidet sich von der Miete durch größere rechtliche Gestaltungsfreiheit. Bereits 1877 erfolgte durch die Bell Telefone Company in Amerika eine Vermietung von Telefonanlagen. In Deutschland wurden erstmals Leasing-Geschäfte um die Jahrhundertwende abgewickelt. Während spezielle LeasingGesellschaften in den USA bereits seit den 1950er-Jahren etabliert sind, setzte sich das Leasing in Deutschland nur zögernd durch. Die erste Gründung einer Leasing-Gesellschaft in Deutschland erfolgte 1962 als „Deutsche Leasing GmbH, Düsseldorf“. Inzwischen ist der Anteil des Leasinggeschäftes an den gesamtwirtschaftlichen Investitionen (Leasingquote) auf ca. 15 % gestiegen. Unter dem Begriff Leasing werden Vertragsgestaltungen subsumiert, die vom normalen Mietvertrag bis zum verdeckten Raten-Kaufvertrag reichen. Im Gegensatz zum normalen Mietverhältnis ist für das Leasing meistens charakteristisch, dass zwischen dem
72
Vgl. Paul, Asset Backed Securities, 2015.
II. Außenfinanzierung Hersteller eines Gebrauchsgutes und dessen Verwender eine Leasing-Gesellschaft als Käufer und Vermieter eingeschaltet wird (indirektes Mietgeschäft). Nach dem Verpflichtungscharakter des Leasingvertrages lassen sich zwei grundsätzliche Formen des Leasings unterscheiden: 1. Operating Leasing und das 2. Financial Leasing.
bb) Operating Leasing Operating-Leasing-Verträge sind von beiden Vertragspartnern jederzeit bei Einhaltung gewisser Fristen kündbare Mietverträge. Es sind keine fest vereinbarten Grundmietzei-
ten vorgesehen und bei Kündigung sind auch keine Konventionalstrafen zu erbringen. Bei den Operating-Leasing-Verträgen handelt es sich daher um normale Mietverträge im Sinne des BGB. Bei vorzeitiger Kündigung des Vertrages reicht die Summe der vom Mieter zu zahlenden Mietraten nicht aus, um den Anschaffungspreis des Mietgegenstandes auszugleichen. Die Leasing-Gesellschaft übernimmt beim Operating Leasing im Wesentlichen das Investitionsrisiko, und sie muss sich daher unter Umständen bemühen, das Objekt mehrmals zu vermieten (Second-Hand-Leasing), bis sich die Anschaffungskosten amortisiert haben. Auch die Gefahr des zufälligen Untergangs und der Entwertung durch technischen Fortschritt liegt beim Vermieter. Darüber hinaus hat der Leasing-Geber auch für Wartung und Reparatur zu sorgen. Da sich das Operating Leasing nicht von normalen Mietverträgen des BGB unterscheidet, ergeben sich bei der handels- und steuerrechtlichen Bilanzierung keine besonderen Probleme. Sie werden wie übliche Miet- und Pachtverträge bilanziert, d. h. die Leasing-Objekte sind beim Leasing-Geber zu aktivieren und von diesem über die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer abzuschreiben. Für den Leasing-Nehmer stellen die gezahlten LeasingRaten Aufwand dar.
cc) Financial Leasing Für das Financial Leasing ist die Vereinbarung einer festen Grundmietzeit, während der der Vertrag von beiden Seiten nicht gekündigt werden kann, charakteristisch. Die vereinbarte Grundmietzeit ist dabei i. d. R. kürzer als die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer des Leasing-Gegenstandes. Die während der Grundmietzeit zu zahlenden Mietbeträge sind oft so berechnet, dass der Leasing-Geber die Wertkosten, bestehend aus der Anschaffungsausgabe, Zinsen und Risikokosten sowie die Betriebskosten, d. h. Vertragsanlauf- und Zukunftskosten, ersetzt bekommt und ihm ein Gewinn zufließt (Vollamortisation). Während der Grundmietzeit wird die Miete i. d. R. monatlich konstant vereinbart. Für Anlagegüter mit hohem Verschleiß und zunehmenden Reparaturund Instandhaltungskosten werden manchmal auch degressive Mietpläne vorgesehen. Das Investitionsrisiko kann beim Financial Leasing auch der Leasing-Nehmer tragen. Neben den Reparatur- und Instandhaltungskosten entfallen auf ihn auch die Risiken des Untergangs oder der Verschlechterung des Leasing-Gegenstandes. Darüber hinaus wird der Leasing-Nehmer meistens auch noch verpflichtet, das Anlagegut zum Neuwert zu versichern. Die Grundmietzeit bewegt sich i. d. R. zwischen 50 % und 75 % der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer des Objektes. Falls der Mieter das Investitionsrisiko trägt und die Amortisation innerhalb der Grundmietzeit erfolgt (Vollamortisationslea-
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D. Alternativen der Kapitalaufbringung sing), eignet sich das Finanzierungs-Leasing auch zur Beschaffung sehr spezieller, auf die Wünsche des Mieters abgestellter Anlagen. Bei der Leasing-Variante Sale and Lease Back erwirbt die Unternehmung die Anlagegüter zunächst selbst (oder hat sie bereits in ihrem Besitz) und veräußert sie dann an eine Leasing-Gesellschaft, die die Anlagegüter ihrerseits wiederum der Unternehmung vermietet. Diese Form des Leasings dient in erster Linie der Liquiditätsbeschaffung, wenn anderweitig keine finanziellen Mittel aufgebracht werden können. Durch den Verkauf des Leasingobjektes an den zukünftigen Leasing-Geber wird gebundenes Kapital freigesetzt, wobei gleichzeitig durch Lease Back der Anlagengegenstand zur Nutzung erhalten bleibt. Spezial-Leasing liegt vor, wenn das Leasinggut speziell auf die Bedürfnisse des Leasing-Nehmers zugeschnitten ist und es während und nach Ablauf der Mietzeit nur in dessen Betrieb wirtschaftlich genutzt werden kann.
Nach der Art der Leasing-Gegenstände kann in Mobilien- und in Immobilien-Leasing unterschieden werden. Beim Mobilien-Leasing (Equipment-Leasing) werden bewegliche Güter, wie Maschinen und Fahrzeuge, beim Immobilien-Leasing (Plant-Leasing) dagegen unbewegliche Wirtschaftsgüter, wie Fabrik- und Verwaltungsgebäude, vermietet. Aus Sicht der neoinstitutionalistischen Finanzierungstheorie können bei vorliegender Informationsasymmetrie und Haftungsbeschränkung geeignet gestaltete Leasingverträge Interessenkonflikte lösen.73
dd) Vertragsgestaltung des Financial Leasing bei Vollamortisation Für die steuerliche Behandlung des Finanzierungs-Leasing ist die Vertragsgestaltung ausschlaggebend. Entscheidend sind die Vereinbarungen über das Leasing-Objekt nach Ablauf der Grundmietzeit. Es lassen sich folgende Vertragstypen unterscheiden: 1. Leasing-Verträge ohne Optionsrecht, 2. Leasing-Verträge mit Kaufoption, 3. Leasing-Verträge mit Mietverlängerungsoption. Bei den Leasing-Verträgen ohne Optionsrecht werden keine Vereinbarungen für den Zeitraum nach Ablauf der Grundmietzeit getroffen. Der Leasing- Nehmer besitzt nicht das Recht, für einen Kauf oder für eine Verlängerung des Mietvertrages zu optieren. Die Leasing-Objekte sind nach Ablauf der Grundmietzeit noch nicht völlig verbraucht und der Leasing-Geber wird sich um eine weitere Vermietung bemühen. Der LeasingNehmer kann grundsätzlich nicht als wirtschaftlicher Eigentümer der Leasing-Objekte angesehen werden, da der Leasing-Geber nicht auf Dauer von der Einwirkung auf das Leasing-Objekt ausgeschlossen ist. Für die ertragssteuerliche Behandlung ist jedoch entscheidend, ob sich die Grundmietzeit mit der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer des Leasing-Gegenstandes deckt oder geringer als diese ist. Bei den Leasing-Verträgen mit Mietverlängerungsoption hat der Leasing-Nehmer das Recht, nach Ablauf der Grundmietzeit das Vertragsverhältnis zu verlängern. Die während des Verlängerungszeitraums zu zahlende Miete stellt meist nur einen geringen Prozentsatz der Grundmiete dar (ca. 10 % der Grundmiete). Durch einseitige Willens-
73
Vgl. Krahnen, Objektfinanzierung und Vertragsgestaltung, 1990, S. 21–38.
II. Außenfinanzierung erklärung kann der Leasing-Nehmer den Leasing-Geber von der Einwirkung auf das Leasing-Objekt ausschließen. Bei den Leasing-Verträgen mit Kaufoption steht dem Leasing-Nehmer das Recht zu, nach Ablauf der Grundmietzeit, die regelmäßig kürzer ist als die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer, den Leasing-Gegenstand zu erwerben. Der Kaufpreis beträgt dabei dann i. d. R. nur noch einen Bruchteil der Anschaffungskosten. Für die steuerrechtliche Behandlung des Finanzierungs-Leasings ist das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 26. 1. 1970 von grundsätzlicher Bedeutung. Der BFH formulierte folgende sechs Leitsätze: 1. Maßgeblich für die steuerliche Beurteilung von sogenannten Leasing-Verträgen über bewegliche Wirtschaftsgüter ist die wirtschaftliche Betrachtungsweise. 2. Ob Wirtschaftsgüter, die Gegenstand eines solchen Leasing-Vertrages sind, steuerlich dem Leasing-Geber oder dem Leasing-Nehmer zuzurechnen sind, beurteilt sich nach den Umständen des Einzelfalls. 3. In den Fällen des sogenannten Finanzierungs-Leasing (Financial Lease) sind die Leasing-Gegenstände i. d. R. dem Leasing-Nehmer zuzurechnen, wenn ihre betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer erheblich länger ist als die Grundmietzeit und dem Leasing-Nehmer ein Recht auf Verlängerungs- oder Kaufoption zusteht, bei dessen Ausübung er nur einen einer Anerkennungsgebühr ähnelnden, wesentlich geringeren Betrag zu zahlen hat, als sich bei Berechnung des dann üblichen Mietzinses oder Kaufpreises ergeben würde. 4. Dasselbe gilt, und zwar hier ohne Rücksicht auf ein etwaiges Optionsrecht, wenn die Nutzungsdauer und die Grundmietzeit sich annähernd decken. 5. Dasselbe gilt ferner, hier ohne Rücksicht auf das Verhältnis von Grundmietzeit und Nutzungsdauer, wenn die Leasing-Gegenstände speziell auf die Verhältnisse des Leasing-Nehmers zugeschnitten sind und nach Ablauf der Grundmietzeit nur noch bei diesem eine wirtschaftlich sinnvolle Verwendung finden können. 6. Die Zurechnung beim Leasing-Nehmer bedeutet, dass nicht der Leasing-Geber, sondern nur der Leasing-Nehmer als wirtschaftlicher Eigentümer (Investor) die Investitionszulage beanspruchen darf. (BFH Urteil 26. 1. 1970 IV R 144/66). Das Urteil wird im Hinblick auf eine praktische Anwendung durch die Finanzverwaltung von der Stellungnahme (Leasing-Erlass) des Bundesministeriums der Finanzen (BdF) vom 19. 4. 1971 ergänzt (IV B/2-S 2170–31/71). Bezüglich der steuerlichen Zurechnung des Leasing-Gegenstandes beim Mobilien-Leasing werden vier Grundvertragstypen unterschieden, für die Folgendes gilt: 1. Bei Leasing-Verträgen ohne Optionsrecht ist der Leasing-Gegenstand regelmäßig zuzurechnen; 1.1. dem Leasing-Geber, wenn die Grundmietzeit mindesten 40 % und höchstens 90 % der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer des Leasing-Gegenstandes beträgt; 1.2. dem Leasing-Nehmer, wenn die Grundmietzeit weniger als 40 % oder mehr als 90 % der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer beträgt. Bei einer Grundmietzeit von mehr als 90 % der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer, wie sie sich aus den AfA-Tabellen ergibt, ist der Herausgabeanspruch des
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D. Alternativen der Kapitalaufbringung Leasing-Gebers nahezu wertlos. Beläuft sich die Grundmietzeit auf weniger als 40 %, so wird bei Vollamortisation angenommen, dass ein verdeckter Kauf vorliegt. 2. Bei Leasing-Verträgen mit Kaufoption ist der Leasing-Gegenstand regelmäßig zuzurechnen: 2.1. dem Leasing-Geber, wenn die Grundmietzeit mindestens 40 % und höchstens 90 % der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer des Leasing-Gegenstandes beträgt und der für den Fall der Ausübung des Optionsrechts vorgesehene Kaufpreis nicht niedriger ist als der unter Anwendung der linearen AfA nach der amtlichen AfA-Tabelle ermittelte Buchwert oder der niedrigere gemeine Wert im Zeitpunkt der Veräußerung. 2.2. dem Leasing-Nehmer, 2.2.1. wenn die Grundmietzeit weniger als 40 % oder mehr als 90 % der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer beträgt oder, 2.2.2. wenn bei einer Grundmietzeit von mindestens 40 % und höchstens 90 % der betrieblichen Nutzungsdauer der für den Fall der Ausübung des Optionsrechts vorgesehene Kaufpreis niedriger ist als der unter Anwendung der linearen AfA nach der amtlichen AfA-Tabelle ermittelte Buchwert oder der niedrigere gemeine Wert im Zeitpunkt der Veräußerung. Dies gilt auch dann, wenn die Höhe des Kaufpreises für den Fall der Ausübung des Optionsrechts während oder nach Ablauf der Grundmietzeit festgelegt oder verändert wird. Problematisch ist bei der Zurechnung nach 2.2.2. die Ermittlung des gemeinen Wertes im Zeitpunkt der Veräußerung bei Abschluss des LeasingVertrages. 3. Bei Leasing-Verträgen mit Mietverlängerungsoption ist der Leasing-Gegenstand regelmäßig zuzurechnen: 3.1. dem Leasing-Geber, wenn die Grundmietzeit mindestens 40 % und höchstens 90 % der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer des Leasing-Gegenstandes beträgt und die Anschlussmiete so bemessen ist, dass sie den Wertverzehr für den Leasing-Gegenstand deckt, der sich auf der Basis des unter Berücksichtigung der linearen Absetzung für Abnutzung nach der amtlichen AfA-Tabelle ermittelten Buchwertes oder des niedrigeren gemeinen Wertes und der Restnutzungsdauer laut AfA-Tabelle ergibt. 3.2. dem Leasing-Nehmer, 3.2.1. wenn die Grundmietzeit weniger als 40 % oder mehr als 90 % der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer des Leasing-Gegenstandes beträgt oder, 3.2.2. wenn bei der Grundmietzeit von mindestens 40 % und höchstens 90 % der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer die Anschlussmiete so bemessen ist, dass sie den Wertverzehr für den Leasing-Gegenstand nicht deckt, der sich auf der Basis des unter Berücksichtigung der linearen AfA nach der amtlichen AfA-Tabelle ermittelten Buchwerts oder des niedrigeren gemeinen Werts und der Restnutzungsdauer laut AfA-Tabelle ergibt. Gleiches gilt, wenn die Höhe der Leasing-Raten für den Verlängerungszeitraum während oder nach Ablauf der Grundmietzeit festgelegt oder verändert wird.
II. Außenfinanzierung 4. Bei Spezial-Leasing-Verträgen ist der Leasing-Gegenstand regelmäßig dem LeasingNehmer ohne Rücksicht auf das Verhältnis von Grundmietzeit und Nutzungsdauer und auf Optionsklauseln zuzurechnen. Die Ausführungen des Bundesministeriums der Finanzen zum Mobilien-Leasing werden durch das Rundschreiben vom 21. 3. 1972 an die Finanzminister der Länder über die ertragsteuerliche Behandlung von Finanzierungs-Leasing-Verträgen über unbewegliche Wirtschaftsgüter (Immobilien-Leasing) sowie dem Teilamortisations-Erlass vom 23. 12. 1991 (BMF IVB 2-S 2170–115/91) ergänzt. Der Teilamortisations-Erlass hat zu einer Verschärfung der Anforderungen an die Zurechnung des Leasing-Objektes beim Leasing-Geber geführt. Die Regelungen bezüglich der Zurechnung des Leasing-Objektes entsprechen weit gehend denen des Mobilien-Leasing. Die Zurechnungskriterien sind jedoch dabei jeweils getrennt für Gebäude und Grund und Boden zu prüfen. Bei Finanzierungs-Leasing-Verträgen ohne Kauf- oder Verlängerungsoption ist der Grund und Boden grundsätzlich dem Leasing-Geber zuzurechnen, bei Finanzierungs-LeasingVerträgen mit Kaufoption oder mit Mietverlängerungsoption dagegen regelmäßig dem Leasing-Nehmer, wenn auch das Gebäude dem Leasing-Nehmer zuzurechnen ist. Auch in Fällen des Spezial-Leasing erfolgt die Zurechnung des Grund und Bodens entsprechend (vgl. Schreiben des BdF F/IVB 2-S 2170–11/72). Da bei Spezial-Leasing-Verträgen das Gebäude stets dem Leasing-Nehmer zuzurechnen ist, wird auch der Grund und Boden bei Spezial-Leasing-Verträgen mit Kaufoption dem Leasing-Nehmer zugerechnet. Der bereits im Leasing-Erlass für Mobilien abgesteckte prozentuale Rahmen für das Verhältnis von Grundmietzeit und betriebsgewöhnlicher Nutzungsdauer ist auch Grundlage für die Zurechnung von Gebäuden. Als betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer gilt bei 2 %iger AfA nach § 7 Abs. 4 Satz 1 oder Abs. 5 EStG ein Zeitraum von 50 Jahren. Beträgt die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer weniger als 50 Jahre oder ist ein Erbbaurecht mit einer kürzeren Laufzeit bestellt, so ist von dieser auszugehen. Für Gebäude des Betriebsvermögens, für die eine Baugenehmigung nach dem 31. 3. 85 erteilt wurde, kann eine betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer von 25 Jahren zugrunde gelegt werden (BMF Schreiben vom 9. 6. 87, in: BStBl. I 1987, S. 440). Bei Leasing-Verträgen ohne Kauf- oder Mietverlängerungsoption ist das Gebäude regelmäßig dem Leasing-Nehmer zuzurechnen, wenn die Grundmietzeit kürzer als 40 % oder länger als 90 % der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer ist. Die Zurechnung des Gebäudes hat beim Leasing-Geber zu erfolgen, wenn die Grundmietzeit zwischen 40 % und 90 % der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer liegt. Bei Leasing-Verträgen mit Kaufoption erfolgt die Zurechnung des Gebäudes beim Leasing-Nehmer, wenn die Grundmietzeit kürzer als 40 % oder länger als 90 % der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer ist. Liegt die Grundmietzeit bei Verträgen mit Kaufoption zwischen 40 % und 90 % der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer, so erfolgt die Zurechnung des Gebäudes auch beim Leasing-Nehmer, wenn der für den Fall der Ausübung des Optionsrechts vorgesehene Gesamtkaufpreis niedriger ist als der unter Anwendung der linearen AfA ermittelte Restbuchwert des bebauten Grundstücks oder niedriger ist als der gemeine Wert des bebauten Grundstücks im Zeitpunkt der Veräußerung. Ist eine Mietverlängerungsoption vereinbart, so ist für die Zurechnung des Gebäudes die Höhe der Anschlussmiete ausschlaggebend. Die Zurechnung des Gebäudes erfolgt auf jeden Fall beim Leasing-Nehmer, wenn die Grundmietzeit weniger als 40 % oder mehr als 90 % der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer beträgt. Sie erfolgt aber auch dann, wenn sich die Grundmietzeit zwischen 40 % und 90 % bewegt, aber die Anschlussmiete niedriger ist als 75 % der ortsüblichen Miete.
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542
D. Alternativen der Kapitalaufbringung
ee) Teilamortisationsverträge Während ursprünglich in Deutschland nur Vollamortisationsverträge (Full-Pay-OutVerträge) abgeschlossen wurden, haben heute Teilamortisationsverträge (Non-FullPay-Out-Verträge) einen wesentlichen Anteil am Geschäftsvolumen der Leasing-Gesellschaften. Bei diesen Verträgen werden die Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten und Nebenkosten des Leasing-Gebers durch die Leasing-Raten in der Grundmietzeit nur zum Teil gedeckt. Dem Auftreten von Teilamortisationsverträgen hat die Finanzverwaltung durch den Teilamortisations-Erlass vom 22. Dezember 1975 Rechnung getragen, da sich der Mobilien-Leasing-Erlass nur auf Vollamortisationsverträge bezog. Charakteristisches Merkmal für Teilamortisationsverträge ist nach dem Erlass, dass eine unkündbare Grundmietzeit vereinbart wird, die mehr als 40 %, jedoch nicht mehr als 90 % der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer des Leasing-Gegenstandes beträgt, und dass die Anschaffungs- oder Herstellungskosten des Leasing-Gebers sowie alle Nebenkosten einschließlich der Finanzierungskosten des Leasing-Gebers in der Grundmietzeit durch die Leasing-Raten nur zum Teil gedeckt werden.74 Der Teilamortisations-Erlass hat die für Vollamortisationsverträge festgelegten Zurechnungsgrenzen unverändert übernommen, obwohl bei Teilamortisationsverträgen nicht von vornherein unterstellt werden kann, dass die Leasing-Gegenstände auf Dauer bei den Leasing-Nehmern verbleiben. Bei Teilamortisation haben sich nachfolgende Vertragsmodelle entwickelt, deren steuerliche Behandlung durch den Teilamortisations-Erlass geregelt wurde. Bei Leasing-Verträgen mit Andienungsrecht muss der Leasing-Nehmer den LeasingGegenstand auf Verlangen des Leasing-Gebers zu dem Preis kaufen, der bei Vertragsabschluss festgelegt wird. Der Leasing-Nehmer hat nicht das Recht, den Erwerb des Objektes zu verlangen. Das Risiko der Wertminderung trägt in diesem Fall der LeasingNehmer, da er auf Verlangen des Leasing- Gebers den Leasing-Gegenstand zum festgelegten Preis erwerben muss, auch bei niedrigerem Wert des Objektes am Markt. Der Leasing-Geber hat jedoch die Chance der Wertsteigerung, wenn der Marktpreis über den Andienungspreis steigt und er sein Andienungsrecht nicht ausübt. Deshalb wird der Leasing-Nehmer nicht als wirtschaftlicher Eigentümer des Leasing-Gegenstandes angesehen. Das Leasing-Objekt ist bei dieser Vertragsgestaltung dem Leasing-Geber zuzurechnen (vgl. Schreiben des BMF vom 22. 12. 1975). Beim Vertragsmodell mit Aufteilung des Mehrerlöses wird das Leasing-Objekt nach Ablauf der Grundmietzeit durch den Leasing-Geber veräußert. Ist der Erlös niedriger als die Differenz zwischen den gesamten Kosten des Leasing-Gebers und der Summe der entrichteten Leasing-Raten, muss der Leasing-Nehmer diese Differenz tragen. Ist der Erlös höher als die Restamortisation, erhält der Leasing-Nehmer 75 % und der LeasingGeber 25 % des erzielten Veräußerungsgewinns. Fließt dem Leasing-Geber weniger als 25 % des die Restamortisation übersteigenden Teils des Verkaufserlöses zu, so ist er nach Ansicht des BMF nicht mehr in einem wirtschaftlich ins Gewicht fallenden Umfang an etwaigen Wertsteigerungen des Leasing-Gegenstandes beteiligt und das Wirtschaftsgut ist daher dem Leasing-Nehmer zuzurechnen. Erhält der Leasing-Geber dagegen 25 % oder mehr des Verkaufsgewinns, so ist er als wirtschaftlicher Eigentümer anzusehen, und er hat das Leasing-Objekt zu bilanzieren.
74
Vgl. Text des Teilamortisations-Erlasses (Schreiben des BdF vom 22. 12. 1975), in: Betriebs-Berater 1976, S. 72 f.
II. Außenfinanzierung Beim kündbaren Mietvertrag mit Anrechnung des Veräußerungserlöses hat der Leasing-Nehmer das Recht, den Mietvertrag nach Ablauf der Grundmietzeit zu kündigen. Er muss dann allerdings eine Abschlusszahlung in Höhe der Differenz zwischen geleisteten Raten und den Gesamtkosten des Leasing- Gebers leisten. Auf diese Zahlung werden i. d. R. bis zu 90 % des erzielten Veräußerungserlöses angerechnet. Ist der Veräußerungserlös höher als die vereinbarte Abschlusszahlung, erhält der Leasing-Geber den Unterschiedsbetrag in vollem Umfang. Das Risiko der Wertminderung liegt somit beim Leasing-Nehmer. Da eine während der Mietzeit eintretende Wertsteigerung nur dem Leasing-Geber zugute kommt, wird bei dieser Vertragsform das Leasing-Objekt dem Leasing-Geber zugerechnet.
ff) Bedeutung der steuerlichen Zurechnung Wird der Leasing-Gegenstand dem Leasing-Geber zugerechnet, so hat ihn dieser mit seinen Anschaffungs- oder Herstellungskosten zu aktivieren. Er hat auch die Abschreibung über die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer vorzunehmen. Die Leasing-Raten stellen für den Leasing-Geber Betriebseinnahmen und für den Leasing-Nehmer Betriebsausgaben dar. Erfolgt die Zurechnung des Leasing-Gegenstandes beim Leasing-Nehmer, so hat ihn dieser mit seinen Anschaffungs- oder Herstellungskosten zu aktivieren. Als Anschaffungs- oder Herstellungskosten gelten dabei die Anschaffungs- oder Herstellungskosten des Leasing-Gebers, die der Berechnung der Leasing-Raten zugrunde gelegt wurden, zuzüglich etwaiger weiterer Anschaffungs- oder Herstellungskosten, die nicht in den Leasing-Raten enthalten sind. Der Leasing-Nehmer hat dann die AfA nach der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer des Leasing-Gegenstandes vorzunehmen. In Höhe der aktivierten Anschaffungs- oder Herstellungskosten mit Ausnahme der nicht in den Leasing-Raten berücksichtigten Anschaffungs- oder Herstellungskosten des LeasingNehmers ist eine Verbindlichkeit gegenüber dem Leasing-Geber zu passivieren. Die Leasing-Raten sind in Zins- und Kostenanteil einerseits und einen Tilgungsanteil andererseits aufzuteilen. Zins- und Kostenanteil stellen eine sofort abzugsfähige Betriebsausgabe dar, während der andere Teil der Leasing-Rate als Tilgung der Kaufpreisschuld erfolgsneutral mit der passivierten Verbindlichkeit zu verrechnen ist. Der Leasing-Geber hat eine Kaufpreisforderung an den Leasing-Nehmer in Höhe der den Leasing-Raten zugrunde gelegten Anschaffungs- oder Herstellungskosten zu aktivieren. Die vom Leasing-Geber aktivierte Forderung ist mit der vom Leasing-Nehmer ausgewiesenen Verbindlichkeit grundsätzlich in ihrer Höhe identisch. Die LeasingRaten in Höhe des Zins- und Kostenanteils hat der Leasing-Geber erfolgswirksam zu vereinnahmen, in Höhe des Tilgungsanteils dagegen sind sie erfolgsneutral. Neben den Auswirkungen auf die Bilanzierung und steuerliche Gewinnermittlung hat die Zurechnung des Leasing-Objektes auch Konsequenzen bei der Gewerbe- und der Umsatzsteuer. Erfolgt eine Aktivierung des Leasing-Gegenstandes beim LeasingNehmer, so stellen die in den Leasing-Raten enthaltenen Zinsanteile Zinsentgelte dar. Daraus ergibt sich eine 25 %ige Hinzurechnung bei der Ermittlung des Gewerbeertrags gemäß § 8 Nr. 1 GewStG beim Gewinn aus Gewerbebetrieb des Leasing-Nehmers. Die ertragsteuerlichen Zurechnungskriterien gelten auch für die Umsatzsteuer. Die Bilanzierung beim Leasing-Geber kann für den Leasing-Nehmer insgesamt gesehen steuerlich vorteilhafter sein, weil er bei kurzer Grundmietzeit die Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten des Leasing-Objektes in Form von Leasing-Raten teilweise als Be-
543
544
D. Alternativen der Kapitalaufbringung triebsausgaben verrechnen kann. Nach § 8 Nr. 1d und e GewStG sind die Leasingraten unabhängig, ob sie beim Leasing-Geber gewerbesteuerpflichtige Erträge darstellen, mit ihrem Zinsanteil zu 25 % dem Gewerbeertrag hinzuzurechnen. Dieser wird bei Mobilien pauschal mit 20 % der Leasingrate, bei Immobilien zu 65 % der Leasingrate angesetzt. Die Leasing-Gesellschaften sind deswegen bemüht, Vertragsformen zu finden, die eine Zurechnung des Leasing-Objektes beim Leasing-Geber ermöglichen. Bei diesen Leasing-Formen beträgt die unkündbare Grundmietzeit zwischen 40 und 90 % der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer.
gg) Berücksichtigung des Finanzierungs-Leasings in der Handelsbilanz Die handelsrechtliche Bilanzierung von Leasing-Objekten war umstritten. Die Meinungen gingen insbesondere darüber auseinander, ob und in welcher Weise LeasingGegenstände beim Leasing-Nehmer zu bilanzieren sind. In dem für die steuerliche Behandlung grundlegenden Urteil vom 26. 1. 1970 hat der BFH ausgeführt, dass die aufgestellten Leitsätze auch für die Bilanzierung in der Handelsbilanz Verwendung finden können. Die derzeitige Bilanzierungspraxis in der Handelsbilanz folgt daher weitgehend den steuerrechtlichen Vorschriften. Strittig ist, inwieweit Kapitalgesellschaften nach § 285 Nr. 3 HGB ihre Leasing-Verbindlichkeiten im Anhang angeben müssen. Der § 285 Nr. 3 HGB sieht vor, dass im Anhang der Gesamtbetrag der finanziellen Verpflichtungen anzugeben ist, die nicht in der Bilanz erscheinen, sofern diese Angabe für die Beurteilung der Finanzlage von Bedeutung ist. Unternehmen, die nach IAS (International Accounting Standards) bilanzieren, müssen nach IFRS 16 bilanzieren, der seit dem 1.1.2019 in Kraft ist.75
hh) Bilanzierung von Leasing nach internationalen Rechnungslegungsnormen In den IAS/IFRS und in den US-GAAP regeln umfangreiche Standards die bilanzielle Abbildung von Leasingverträgen. Aufgrund ihres hohen Detaillierungsgrads handelt es sich um komplexe Standards, die hohe Ansprüche an die Anwender stellen. Die Definition des Leasings stimmt in beiden Regelungswerken weit gehend mit dem in Deutschland herrschenden Verständnis überein. Allgemein handelt es sich um einen Vertrag, der dem Leasing-Nehmer (lessee) das Recht zur Nutzung eines Vermögensgegenstands (asset) für einen festgeschriebenen Zeitraum gegen Entgelt einräumt. Für die bilanzielle Zuordnung gilt der Grundsatz der substance over form, die eine Bilanzierung je nach Risikoverteilung zwischen den Vertragspartnern vorsieht. Trägt der Leasing-Nehmer im Wesentlichen die Risiken und Chancen, handelt es sich um einen sogenannetn finance oder capital lease. Ist dagegen der Leasing-Geber (lessor) den Risiken ausgesetzt, bilanziert er den Gegenstand (operate lease). Nach SFAS 13 handelt es sich um einen capital lease, vergleichbar dem Financial Leasing, sofern eines der folgenden vier Kriterien gegeben ist: 1. der Leasing-Kontrakt transferiert das Eigentum des Leasing-Objekts auf den LeasingNehmer; 2. der Leasing-Kontrakt enthält eine aus Sicht des Leasing-Nehmers vorteilhafte Kaufoption auf den Leasinggegenstand; 75
Vgl. Thi, Fink, Schultze, Schabert, Leasingbilanzierung nach IFRS 16, 2016.
II. Außenfinanzierung 3. der Vertragslaufzeit entspricht mindestens 75 % der wirtschaftlichen Nutzungsdauer des Leasinggegenstands und 4. der Barwert der Mindestleasingzahlungen entspricht mindestens 90 % des Marktwerts (fair value) des Leasinggegenstands. In der Bilanz des Leasing-Nehmers wird ein capital lease auf der Aktivseite als Vermögensgegenstand (asset) und auf der Passivseite als Verbindlichkeit ausgewiesen. Die Höhe der Bilanzansätze richtet sich nach dem geringeren Wert aus 1. dem Barwert der Mindestleasingzahlungen oder 2. dem Marktwert des Leasinggegenstands zu Beginn der Vertragslaufzeit. Hintergrund ist die Überlegung, dass der Leasinggegenstand nicht höher als mit seinem Marktwert erfasst werden sollte. Falls der Leasinggegenstand nach Ablauf der Vertragsdauer nicht in das Eigentum des Leasing-Nehmers übergeht, wird er über diese Zeitdauer abgeschrieben; anderenfalls bestimmt die wirtschaftliche Nutzungsdauer die Abschreibungshöhe. Während der Laufzeit wird die periodische Leasingzahlung gemäß der effective interest method in einen Zins- und Tilgungsanteil aufgespaltet. Diese Methode hat zur Folge, dass auf den Bilanzansatz der Leasing-Verpflichtung eine konstante Verzinsung geleistet wird. Der Effektivzins (effective interest) richtet sich nach dem Zinssatz, der für die Ermittlung des Barwerts der Mindestleasingzahlungen verwendet wird. Auch wenn der Ausweis auf der Aktiv- und der Passivseite zu Vertragsbeginn in der Höhe identisch ist, können die Abschreibungen auf den Leasinggegenstand und die Rückführung der LeasingVerbindlichkeit in einzelnen Perioden divergieren. Lediglich bezogen auf die Gesamtlaufzeit müssen die kumulierten Werte übereinstimmen. Die IAS Regelungen stimmen weit gehend mit den US-GAAP-Bestimmungen überein, allerdings liegt ebenfalls ein Finanzierungsleasing (capital lease) vor, falls der Leasinggegenstand eine kundenspezifische Beschaffenheit aufweist. Nach IFRS 16 ist die Aufteilung von Leasing-Verträgen in Operating und Financial Leasing für den Leasing-Nehmer aufgehoben. Dadurch unterliegt der Leasing-Nehmer nach IFRS 16 einer grundsätzlichen Bilanzierungspflicht von Leasing-Verhältnissen. Das heißt, mit Bereitstellung des Leasing-Gegenstands sind ein „Vermögenswert aus dem Nutzungsrecht“ (right-of-use asset) und eine Leasing-Verbindlichkeit zu Beginn des Leasingverhältnisses zu bilanzieren (IFRS 16:22). Ausnahmen bilden nur noch kurzfristige Leasing-Geschäfte (Laufzeit weniger als 12 Monate oder Leasing-Gegenstände mit geringem Vermögenswert). Nur in diesem Fall wird noch eine Off-Balance-Darstellung von Leasing-Vereinbarungen ermöglicht. Diese grundsätzliche Bilanzierungspflicht kann zu einer erheblichen Beeinflussung von diversen Unternehmenskennzahlen führen. Im Gegensatz zum Leasing-Nehmer, unterscheidet der IFRS 16 beim Leasing-Geber weiterhin in finance und operating Leasing (IFRS 16:62,63). Beim finance Leasing bilanziert der Leasing-Geber nur die Forderung gegenüber dem Leasing-Nehmer und hat damit keine Abschreibungsmöglichkeit des Leasing-Gegenstandes. Beim operate Leasing hingegen muss der Leasing-Geber den Leasing-Gegenstand bilanzieren. Somit können nun Leasing-Fälle auftreten, bei denen der Leasing-Gegenstand sowohl beim
Leasing-Nehmer als auch beim -geber in den Aktiva der Bilanz erfasst wird.
545
546
D. Alternativen der Kapitalaufbringung
ii) Vergleich Leasing und Kauf Die Gesamtkosten des Leasing setzen sich i. d. R. zusammen aus den laufenden LeasingRaten, einer eventuellen Abschlussgebühr sowie gegebenenfalls der Verlängerungsmiete bzw. dem Restkaufpreis bei Ausübung einer Kaufoption. Die Mietraten belaufen sich während der Laufzeit des Leasing-Vertrages auf 120–150 % des Anschaffungswertes des Leasing-Objektes. Hinzu kommt meistens die einmalige Abschlussgebühr, die sich bei ca. 5 % der Anschaffungskosten bewegt. Wird ferner berücksichtigt, dass bei manchen Vertragsformen dem Leasing-Nehmer ein etwaiger Veräußerungserlös des Leasing-Objektes nach Ablauf der Mietzeit nicht zufließt, so ergeben sich vielfach relativ hohe Kosten für das Leasing. Vergleichsrechnungen zwischen Leasing und Kreditkauf auf Basis der Kapitalwertmethode kommen daher oft zu dem Ergebnis, dass Kreditfinanzierung vorteilhafter als Leasing ist.76 Solche Vergleichsrechnungen sind jedoch neben den jeweils verwendeten Konditionen für Leasing und Kreditfinanzierung auch abhängig von den zugrunde gelegten Steuersätzen und der Höhe des Kalkulationszinssatzes.77 Leasing-Alternativen, bei denen das Leasing-Objekt beim Leasing-Nehmer zu bilanzieren ist, schneiden wegen des Verlustes des Steuerstundungseffektes und der Mehrbelastung bei der Gewerbesteuer ungünstiger ab als Leasing-Verträge, die eine Bilanzierung des Objektes beim Leasing-Geber ermöglichen. Allerdings wird der Gewerbesteuervorteil der Alternative mit Bilanzierung beim Leasing-Geber durch die pauschalierte Hinzurechnung eines Teils der Leasingrate geschmälert. Die Höhe des Ertragsteuersatzes ist vor allem für den Vorteilsvergleich zwischen Leasing und Mischfinanzierung (Kombination aus Eigen- und Kreditfinanzierung) entscheidend. Beim Vorteilsvergleich auf Basis der Kapitalwertmethode ist auch zu berücksichtigen, dass unterstellt wird, dass die freigesetzten Mittel jeweils wieder zum Kalkulationszinsfuß angelegt werden können. Rein rechnerisch schneidet die Eigenkapitalfinanzierung gegenüber dem Leasing nur bei sehr niedrigen Kalkulationszinsfüßen oder bei Nominalrechnung günstiger ab. Die Alternative Eigenkapitalfinanzierung oder Leasing ist jedoch in der Praxis nicht gegeben, da eine Unternehmung bei vorhandenem Eigenkapital nicht mit Leasing arbeiten oder das Eigenkapital anderweitig weniger rentabel einsetzen wird. Die herrschende Meinung in der Literatur geht davon aus, dass Leasing nicht mit einer Mischfinanzierung, sondern mit einer 100 %igen Kreditfinanzierung verglichen werden muss.78 Dies wird damit begründet, dass jede Investitionsentscheidung eine Grenzentscheidung darstellt, für die zusätzliche Mittel bereitgestellt werden müssen. Einzelinvestitionen sind daher nach dieser Auffassung typischerweise Kreditmittel zuzuordnen. Vergleichsrechnungen mithilfe der Kapitalwertmethode auf der Basis konkreter Kredit- und Leasingkonditionen weisen ohne Berücksichtigung der Steuern eindeutig einen günstigeren Kapitalwert für den Kreditkauf aus.79 Als Ursache hierfür ist zu sehen, dass die Leasing-Gesellschaften auch darin, wenn sie als Großkreditnehmer mit günstigeren Basiskreditkosten kalkulieren können, durch Verwaltungskosten- und 76
77 78
79
Vgl. Book, Maschinen kaufen oder mieten?, 1964; Büschgen, Leasing in der Unternehmensfinanzierung, 1968; derselbe, Leasing und finanzielles Gleichgewicht der Unternehmung, 1967; Heiss, Leasing, 1969; Leifert, Finanzierungs-Leasing, 1973, S. 110–121. Vgl. Kruschwitz, Einfluss von Steuern auf Leasingraten, 1992. Anderer Ansicht z. B. Rosenberg, Vorteilhaftigkeit des Finanzierungsleasings, 1975, S. 504 f.; Spittler, Leasing für die Praxis, 2002, S. 61 ff. Vgl. Haberstock, Kredit-Kauf oder Leasing?, 1983, S. 469 f.
II. Außenfinanzierung Gewinnaufschlag den Kunden höhere Gesamtkosten in Rechnung stellen müssen, als die durchschnittlichen Kreditkosten für Unternehmenskredite betragen. Für nichtsteuerpflichtige Investoren stellt somit der Kreditkauf eindeutig die unter Kostengesichtspunkten günstigere Alternative dar. Bezieht man die Besteuerung in das Kalkül mit ein, so ergibt sich eine geringfügige Verbesserung der Leasing-Alternative. Die quantitative Vorteilhaftigkeit (ermittelt durch den Kapitalwert) der Kreditkaufalternative gegenüber der Leasingalternative bleibt daher auch bei Berücksichtigung von Steuern im Regelfall erhalten. Stark vereinfacht kann somit festgestellt werden, dass Leasing bei Unternehmen mit guter Ertragslage und damit verbundener hoher Steuerbelastung mit Formen der Mischfinanzierung (Kombination aus Eigen- und Fremdfinanzierung) konkurrieren kann, aber nur in Ausnahmefällen vorteilhafter sein wird als die Kreditfinanzierung. Meist wird die über den Gesamtzeitraum konstante Leasing-Rate als Vorteil gegenüber dem mit einem Zinsänderungsrisiko verbundenen Kreditkauf genannt. Dieser Vorteil kann sich jedoch in einen Nachteil wandeln, wenn sinkende Zinssätze erwartet werden. Darüber hinaus ist durch Aufnahme eines entsprechend langfristigen Kredits mit festem Zinssatz auch beim Kreditkauf die Herstellung einer konstanten Kalkulationsbasis möglich. Als nicht quantifizierbare Vorteile des Leasings gegenüber der Kreditaufnahme sind zu sehen: Leasing-Gesellschaften arbeiten meist unbürokratischer als Banken und nehmen den Unternehmen Verwaltungsarbeit ab (Bilanzierung, Versteuerung, Abschreibung, Verkauf des Leasing-Objektes). Darüber hinaus wird Leasing gerne von Unternehmen mit starrem Investitionsbudget zur Erweiterung des Dispositionsspielraums in Anspruch genommen. Beispiel für einen Vergleich Financial Leasing mit Bilanzierung beim Leasing-Geber und Kreditkauf Das anzuschaffende mobile Gut mit Anschaffungswert 100.000 Einheiten, betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer von fünf Jahren und linearer AfA kann entweder über Leasing oder einen kreditfinanzierten Kauf beschafft werden. Bei Wahl der ersten Alternative beträgt die jährliche Leasingrate während der Grundmietzeit von vier Jahren 26,061 % des Anschaffungswertes, während der Verlängerungsmietzeit 20 % des Anschaffungswerts. Zu diesen Konditionen hat der Leasingnehmer eine Mietverlängerungsoption. Bei der Kreditfinanzierung steht ein Ratenkredit mit Nominalzins 8 %, 5 gleichen Raten und nachschüssiger Zins-Tilgungszahlung zur Verfügung. Der Körperschaftssteuersatz beträgt 15 %, der Gewerbesteuersatz 10,5 % und der Kalkulationszinssatz nach Steuern annahmegemäß 5,96 %. Die Zinsschranke wird annahmegemäß nicht übertroffen. Zur Bestimmung der Kreditfinanzierungsalternative werden zunächst die Aufwendungen bzw. Betriebsausgaben als Bemessungsgrundlage der Steuerermittlung bestimmt. Hier fallen sowohl bei der Körperschaftssteuer als auch der Gewerbesteuer die Abschreibungen (3) in Höhe von 20.000 Einheiten an. Ferner sind die Zinsaufwendungen (6) von 8 % auf die Restschuld (5) des Kredits voll bei der Ermittlung der Körperschaftssteuer (8) zu berücksichtigen. Bei der Gewerbesteuer (7) sind nur 75 % als Betriebsausgabe anrechenbar.
547
548
D. Alternativen der Kapitalaufbringung (1)
Jahr
0
(2)
Buchwert
100.000 80.000 60.000 40.000 20.000
1
2
3
4
5
(3)
AfA
20.000 20.000 20.000 20.000 20.000
(4)
Tilgung
20.000 20.000 20.000 20.000 20.000
(5)
Restschuld
(6)
Zinsen (8 %)
8.000
6.400
4.800
3.200
1.600
(7)
Steuerentlastung GewSt 10,5 % von ((3) + 0,75 von (6))
2.730
2.604
2.478
2.352
2.226
(8)
Steuerentlastung KSt 15 % v. ((3) + (6))
4.200
3.960
3.720
3.480
3.240
(9)
Nettoauszahlungen (Zeitwert) (4) + (6) – (7) – (8)
21.070 19.836 18.602 17.368 16.134
(10) Nettoauszahlungen (Barwert) Diskontiert mit 5,96 %
79.045 19.885 17.667 15.636 13.778 12.079
0
100.000 80.000 60.000 40.000 20.000
0
Betrachtet man die Zahlungsüberschüsse als Differenz des Schuldendienstes (4) und (6) und den Steuerentlastungen (7) und (8) kann man den Barwert der gesamten Alternative zu 79.045 Einheiten bestimmen. Bevor man die gleiche Rechnung für die Alternative Leasing durchführt, ist festzustellen, wo die steuerliche Erfassung des Leasing-Gegenstandes erfolgt. Da die Leasingraten während der Grundmietzeit 104,244 % der Anschaffungsaufwendungen betragen, liegt ein Vollamortisationsleasingvertrag vor. Zudem ist die Grundmietzeit 80 % der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer und liegt damit im Intervall zwischen 40 % und 90 %. Bei der Mietverlängerungsoption ist die Anschlussmiete mit 20 % so bemessen, dass sie den Wertverzehr für den Leasing-Gegenstand deckt, der sich auf der Basis der linearen Absetzung (ebenfalls 20 % bei einer Nutzungsdauer von fünf Jahren) ergibt. Somit muss der Leasing-Gegenstand beim Leasing-Geber bilanziert werden. Damit kann der LeasingNehmer die Leasingraten (2) als Aufwendungen bzw. Betriebsausgaben ansetzen. Bei der Körperschaftsteuer (4) kommen diese voll zur Anrechnung. Bei der Gewerbesteuer (3) sind 80 % als Betriebsausgaben abzugsfähig. Für die restlichen 20 % sind nur 75 % anrechenbar. (1)
Jahr
(2)
Leasingraten
(3)
Steuerentlastung GewSt 10,5 % von (0,75*0,2+0,8 von (2))
(4)
Steuerentlastung KSt 15 % v. (2)
(5)
Nettoauszahlungen (Zeitwert) (2) – (3) – (4)
(6)
Nettoauszahlungen (Barwert) Diskontiert mit 5,96 %
0
79.047
1
2
3
4
5
26061
26061
26061
26061
20000
2600
2600
2600
2600
1995
3909
3909
3909
3909
3000
19552
19552
19552
19552
15005
18453
17415
16435
15511
11234
Betrachtet man wiederum die Zahlungsüberschüsse als Differenz der Leasingraten (2) und der Steuerentlastungen (3) und (4) kann man den Barwert der gesamten Alternative zu 79.047 Einheiten bestimmen. Damit erweist sich in diesem Fall der kreditfinanzierte Kauf als leicht günstigere Alternative. Abb. D 25: Zahlenbeispiel für einen Vergleich Financial Leasing mit Bilanzierung beim Leasing-Geber und Kreditkauf
II. Außenfinanzierung Die dem Leasing zugeschriebene höhere Investitionsflexibilität, insbesondere die Möglichkeit, den Anlagenbestand schneller und leichter an den technischen Fortschritt anzupassen, ist wegen den festvereinbarten Grundmietzeiten beim Financial Leasing nicht gegeben, und der Leasing-Nehmer ist bis zum Ende der Vertragsdauer an ein technisch überaltertes Wirtschaftsgut gebunden. Als Vorteil von Leasing wird auch meist angeführt, dass es eine 100 %ige Fremdfinanzierung ohne Belastung zusätzlicher Sicherheiten ermögliche (während Kreditinstitute Objekte nicht zu 100 % beleihen) und es damit dem Unternehmen Kreditfinanzierungsspielräume offenhalte bzw. sogar eine Investitionsfinanzierung auch dann noch ermögliche, wenn die Kreditlimite ausgeschöpft sind. Dies gilt allerdings nur bei isolierter Betrachtung eines einzelnen Investitionsobjektes, während bei Einbeziehung der Gesamtverschuldung des Unternehmens Leasing Eigenkapital in gleicher Weise bindet wie Kreditfinanzierung, da Leasingverpflichtungen bei den Kreditvergabeentscheidungen der Gläubiger, insbesondere der Banken, Berücksichtigung finden.
Weiterführende Literatur zur Systematisierung der Finanzierungsformen und Außenfinanzierung Achleitner, A.-K.; Wahl, S.: Corporate Restructuring in Deutschland, München 2003. Bieg, H.; Kußmaul, H.: Finanzierung, 3. Auflage München 2016. Büschgen, H.-E.: Praxishandbuch Leasing, München 1998. Christians, F. W. (Hrsg.): Finanzierungs-Handbuch, 2. Auflage, Wiesbaden 1988. Dobret, A. R.; Peetzen, S.: Die Finanzkonstruktion der Euronotes, in: Der Langfristige Kredit (1987), S. 768–771. Gebhardt, G.; Gerke, W.; Steiner, M.: Handbuch des Finanzmanagement, 2. Auflage, München 1995. Glatzel, C. D.: Börsliche Desinvestitionen mittels Equity Carve-Out, Spin-Off und Tracking Stock, Bonn 2002. Häberle,, S.: Handbuch der Außenhandelsfinanzierung, 3. Auflage, München 2002. Haberstock, L.; Breithecker, V.: Einführung in die Betriebswirtschaftliche Steuerlehre, 16. Auflage, Berlin 2013. Hagenmüller, K.-F.; Sommer, H. J.; Brink, U. (Hrsg.): Factoring, 3. Auflage, Frankfurt a. M. 1997. Hagenmüller, K.-F.; Eckstein, W. (Hrsg.): Leasing-Handbuch, 6. Auflage, Frankfurt a. M. 1992. Hartmann-Wendels, T., Pfingsten, A. Weber, M.: Bankbetriebslehre, 6. Auflage, Berlin et al. 2015. Hirth, H.: Grundzüge der Finanzierung und Investition, 3. Auflage, München 2012. Krahnen, J. P.: Objektfinanzierung und Vertragsgestaltung – Eine theoretische Erklärung der Struktur langfristiger Leasingverträge, in: Zeitschrift für Betriebswirtschaft 60 (1990), S. 21–38. Kübler, F.: Gesellschaftsrecht, 6. Auflage, Heidelberg 2006. Pottschmidt, G.; Rohr, U.: Kreditsicherungsrecht, 4. Auflage, München 1992. Rohleder, M.: Neues Finanzierungsinstrument im Euromarkt: DM-Medium Term Notes, in: Die Bank 29 (1989), S. 656–661. Spittler, H. J.: Leasing für die Praxis, 6. Auflage, Köln 2002. Zahn, J. C. D.: Zahlung und Zahlungssicherung im Außenhandel, 8. Auflage, Berlin 2010.
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D. Alternativen der Kapitalaufbringung
Fragen zur Systematisierung der Finanzierungsformen und Außenfinanzierung 1.
Welche grundlegenden Ansätze zum Finanzierungsbegriff existieren? Umreißen Sie jeweils die Begriffsextension!
2.
Stellen Sie die verschiedenen Ansätze zur Systematisierung der Finanzierungsformen dar.
3.
Welche Möglichkeiten sehen Sie für eine Einzelunternehmung, ihre Eigenkapitalbasis zu erweitern, wenn sie dem sich abzeichnenden Unternehmenswachstum folgen möchte, aber aus eigenen Mitteln des Unternehmers keine Kapitalzuführung mehr möglich ist? Bedenken Sie alternative Lösungsmöglichkeiten und untersuchen Sie diese auf ihre unternehmenspolitischen Konsequenzen! Versuchen Sie auch, Kriterien für eine Beteiligung aus der Sicht potenzieller Kapitalanleger aufzustellen!
4.
Erläutern Sie die finanzwirtschaftlichen und rechtlichen Merkmale der Beteiligungsfinanzierung!
5.
Erläutern Sie die Unterschiede zwischen der Beteiligungsfinanzierung einer OHG und einer KG hinsichtlich der Haftung und des Gewinnanspruchs der Gesellschafter.
6.
Sie sind als Direktionsassistent einer Publikums-AG beauftragt, die entscheidungsrelevanten Fragen für eine ordentliche Kapitalerhöhung im Sinne der §§ 182 ff. AktG (Aktiengesetz) entscheidungsreif vorzubereiten. Versuchen Sie die in diesem Zusammenhang zu beachtenden juristischen und wirtschaftlichen Probleme und Entscheidungstatbestände systematisch darzustellen!
7.
Nach welchen Kriterien können Aktienarten unterschieden werden?
8.
Welche Rechte verbrieft eine normale Stammaktie?
9.
Wann müssen Namensaktien begeben werden?
10. Aufgrund fehlgeschlagener Immobilienspekulationen benötigt die Klamm-Bank AG dringend neues Kapital und führt eine Kapitalerhöhung durch. Die alten Aktien der Klamm-Bank AG notieren derzeit (vor der Kapitalerhöhung) zu 50 GE. Mit einer Kursänderung ist bis zur Emission der jungen Aktien nicht zu rechnen. Aktuell sind 1.000.000 Aktien der Klamm-Bank AG im Umlauf und es sollen insgesamt 400.000 junge Aktien emittiert werden. Das Unternehmen möchte nach der Kapitalerhöhung einen Mischkurs von 44 GE erreichen. Welchen Emissionspreis sollte die Klamm-Bank AG festsetzen um einen Mischkurs in Höhe von 44 GE zu erhalten? 11. Wie viel Geld nimmt die Klamm-Bank AG mit der Kapitalerhöhung ein? 12. Wie hoch ist der rechnerische Wert des Bezugsrechts? 13. Ein Aktionär möchte sich erstmalig an der Klamm-Bank AG beteiligen und insgesamt 200 junge Aktien erwerben. Wie viele Bezugsrechte muss er an der Börse dafür erwerben? 14. Nennen Sie zwei mögliche Formen der Kapitalerhöhung! 15. In welchen Bilanzpositionen wird bei einer Aktiengesellschaft Eigenkapital ausgewiesen? 16. Was versteht man unter Bezugsrecht und wem steht es aus welchen Gründen zu? 17. Was versteht man unter den Begriffen Kreditfähigkeit und Kreditwürdigkeit? 18. Überlegen Sie, bei welchen Kreditsicherheiten Kollisionen mit anderen Rechten auftreten können (z. B. Kollision zwischen verlängertem Eigentumsvorbehalt des Lieferanten und einer Mantelzession eines Kreditinstituts) und welches Recht hier jeweils juristisch vorgeht! 19. Erläutern Sie den Unterschied zwischen Hypothek und Grundschuld.
II. Außenfinanzierung 20. Stellen Sie die Verpfändung der Sicherungsabtretung gegenüber und beurteilen Sie Vor- und Nachteile jeweils aus der Sicht des Sicherungsgebers und des Sicherungsnehmers. 21. Geben Sie die verschiedenen Arten von Schuldverschreibungen wieder und charakterisieren Sie diese kurz. Wie ordnen Sie hier den Genussschein ein? 22. Geben Sie die grundsätzlichen Kriterien zur Beurteilung einer Kreditfinanzierungsform aus der Sicht der Unternehmung an. 23. Vergleichen Sie die Finanzierungsalternative Schuldscheindarlehen mit der Alternative Schuldverschreibung. 24. Erläutern Sie die Bilanzierung eines Disagios (Damnum) beim Kreditnehmer und beim Kreditgeber. 25. Was kennzeichnet eine Anleihe als Nullkuponanleihe; welche Formen lassen sich hinsichtlich des Ausgabekurses unterscheiden? 26. Ordnen Sie die folgenden Anleihearten aufsteigend nach ihrem Zinsänderungsrisiko: – fünfjährige Anleihe (A) mit jährlicher, fester Zinszahlung in Höhe von 5 % – zehnjähriger Zerobond (B) – fünfjährige Anleihe (C) mit variabler Verzinsung (Floating Rate Note), vierteljährliche Zinsanpassung an den Referenzzins – zehnjährige Anleihe (D) mit jährlicher, fester Zinszahlung in Höhe von 5 % 27. Die Telefonica AG möchte zur Finanzierung ihrer kürzlich erworbenen UMTS-Lizenzen Fremdkapital am Kapitalmarkt aufnehmen. Hierzu besteht die Möglichkeit Zerobonds und festverzinsliche Anleihen mit folgenden Konditionen zu emittieren. Daten Rückzahlungskurs Nominalzins
Zerobond
Festverzinsliche Anleihe
100 %
100 %
–
7%
Die Emission der Anleihen soll am 01.10. des Jahres eins vollzogen werden. Als Laufzeitende ist der 01.10. des Jahres sechs festgelegt, die Stückelung beträgt 10.000 GE oder ein Vielfaches davon. Beschreiben Sie kurz Zerobonds und festverzinsliche Anleihen! 28. Drei Jahre nach der Emission beträgt der Marktzins für vergleichbare Anleihen 9 % (5 %). Wie hoch werden die Börsenkurse des Zerobonds und der festverzinslichen Anleihe bei den jeweiligen Zinsszenarien sein? 29. Wie hoch wird der Kurs der festverzinslichen Anleihe zwei Jahre (vier Jahre) nach der Emission sein, wenn die Marktzinssätze unverändert wie bei Teilaufgabe 28 liegen? Tragen Sie die Börsenkurse für die Restlaufzeiten 3, 2 und 1 Jahr(en) in Abhängigkeit der Zinssätze in eine Tabelle ein. 30. Welche allgemeinen Aussagen über den Zusammenhang zwischen der Zinsempfindlichkeit des Marktwertes einer festverzinslichen Anleihe und ihrer Restlaufzeit lassen sich aus den in der vorherigen Teilaufgabe berechneten Ergebnissen ableiten? 31. Die R-AG möchte eine Optionsanleihe emittieren. Der Käufer erhält die Möglichkeit innerhalb der nächsten zwei Jahre pro Optionsschein 4 Aktien der R-AG zum Preis von 120 GE zu kaufen. Der aktuelle Kurs der R-Aktie steht bei 135 GE. Wie hoch ist der aktuelle rechnerische Wert des Optionsscheins? 32. Geben Sie sowohl den Wertebereich für den Aktienkurs an, bei dem der rechnerische Wert des Optionsscheins genau 0 ist, als auch den Wertebereich des Aktienkurses, bei dem der rechnerische Wert des Optionsscheins unter 0 liegt!
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D. Alternativen der Kapitalaufbringung 33. Die R-AG entscheidet sich nun doch lieber für die Emission einer Wandelanleihe. Eine Wandelanleihe hat einen Nominalwert von 40 GE und ist mit einen Kupon von 4 % ausgestattet. Die Anleihe läuft über vier Jahre. 4 Wandelanleihen können in 1 Aktie mit einer Zuzahlung von 4 GE eingetauscht werden. Es herrscht eine flache Zinsstruktur und der aktuelle Marktzinssatz beträgt 5 %. Wie hoch ist der rechnerische Mindestwert dieser Wandelanleihe im aktuellen Zeitpunkt? 34. Falls der Marktzinssatz unbekannt wäre, aber bekannt ist, dass eine normale Anleihe mit einer Laufzeit von vier Jahren, einem Kupon von 4 % und einem Nominalwert von 40 GE einen Marktwert von 38 GE hat, wie hoch müsste der aktuelle Aktienkurs der R-AG liegen, damit deren Wandelanleihe einen höheren rechnerischen Mindestwert als 38 GE hat? 35. Stellen Sie den Lieferantenkredit dem kurzfristigen Bankkredit gegenüber und erläutern Sie Vor- und Nachteile. 36. Welche Möglichkeiten der Kreditbesicherung hat ein Lieferant bei Verkauf auf Ziel? 37. Inwiefern kann man bei der Diskontierung eines Wechsels von einer Form der Kreditfinanzierung sprechen? 38. Was versteht man unter einem Solawechsel und was unter einer Tratte? 39. Gilt ein Wechsel, der vom Bezogenen nicht akzeptiert ist, als Wechsel im Sinne des Wechselgesetzes? 40. Was versteht man unter einem Commercial-Paper-Programm? 41. Welche Objekte eignen sich prinzipiell zur Lombardierung und welche besitzen im Rahmen des Lombardkredits von Kreditinstituten eine Bedeutung? 42. Grenzen Sie den Begriff der Kreditleihe von der Geldleihe ab. 43. Welche Finanzierungswirkung hat ein Akzeptkredit? Wann ist ein Akzeptkredit sinnvoll und notwendig? 44. Was versteht man unter einem Avalkredit und im Rahmen welcher Handelsgeschäfte findet er Verwendung? 45. Was versteht man unter einem Akkreditiv? Welche Formen des Akkreditivs kennen Sie? Worin besteht der Unterschied zum Dokumenteninkasso? 46. Erläutern Sie das Wesen und die Abwicklung eines Rembourskredits! Grenzen Sie ihn vom Akkreditiv ab. 47. Was unterscheidet die Innovation ABS vom Factoring? Wie beurteilen Sie die langfristigen Entwicklungschancen dieses Instrumentes? 48. Grenzen Sie das Factoring von der Forfaitierung ab. 49. In der aktuellen Bilanz der HBMG GmbH sind Forderungen aus Lieferungen und Leistungen mit 500.000 GE verbucht. Die HBMG GmbH prüft das Angebot einer Factoring-Gesellschaft, den gesamten Forderungsbestand laufend aufzukaufen (echtes Factoring). Das Angebot sieht vor, 10 % der ausstehenden Forderungen einem Sperrkonto gutzuschreiben, dessen Bestand mit 5 % verzinst wird. Die FactoringGesellschaft berechnet für die Bevorschussung der aktuell noch ausstehenden Forderungen Zinsen in Höhe von 7 % p. a.; für die Ausübung der Verwaltungsfunktion werden jährlich 0,6 % des Forderungsumsatzes einbehalten. Zusätzlich verlangt die Factoring-Gesellschaft für die Übernahme des Delkredererisikos eine Gebühr von 0,3 % des Forderungsumsatzes. Der Forderungsumsatz der HBMG GmbH, auf den sich die Gebührensätze beziehen, betrug im gerade abgelaufenen Jahr 3.000.000 GE, den Kunden wurde ein durchschnittliches Zahlungsziel von 2 Monaten eingeräumt. Die jährlichen Ausfälle betragen erfahrungsgemäß etwa 0,5 % des Umsatzes. Es wird erwartet, dass Umsatz und Zahlungsziel in den folgenden Jahren nahezu unverändert bleiben – unabhängig von der Annahme oder Ablehnung des Angebots der Factoring-Gesellschaft. Die
II. Außenfinanzierung Personal- und Sachkosten der Debitorenbuchhaltung und des Mahnwesens belaufen sich gegenwärtig auf 12.000 GE p. a. Aus der Einkaufsabteilung erhalten Sie die Information, dass die verbesserte Liquiditätslage bei Einführung des Factorings die Ausnutzung von Skonti in Höhe von 3 % des Wareneingangs (1.500.000 GE pro Jahr) ermöglichen würde, die bei Barzahlung gewährt werden. Entscheiden Sie für die HBMG GmbH unter Kostenaspekten, ob sie das Angebot der Factoring-Gesellschaft annehmen sollte oder nicht? 50. Was versteht man unter Leasing? 51. Welche grundsätzlichen Formen des Leasings kennen Sie und wie unterscheiden sich diese vom normalen Mietvertrag im Sinne des BGB? 52. Welche Bedeutung und Konsequenzen hat die wirtschaftliche Zurechnung des Leasingobjektes zum Leasing-Geber oder zum Leasing-Nehmer? 53. Die R-AG möchte ein abnutzbares bewegliches Wirtschaftsgut anschaffen. Der Anschaffungswert dieses Gutes beträgt 30.000 GE. Die R-AG plant die Anschaffung für die nächsten drei Jahre, was auch der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer des Gutes entspricht. Die Nettoauszahlungen werden durch das Fremdkapital finanziert, welches einen Fremdkapitalkostensatz nach Steuern von 4 % besitzt. Nach drei Jahren kann für das Gut kein Liquidationserlös mehr erzielt werden. Das Gut wird linear in drei Jahren komplett abgeschrieben. Der Körperschaftssteuersatz beträgt 15 %, der Gewerbesteuersatz 10 %. Die R-AG denkt über zwei Finanzierungsalternativen der Anschaffung nach. Die erste wäre ein Kredit in Höhe von 30.000 GE, der mittels Annuitätentilgung in drei Jahren getilgt wird und der mit 8 % Zinsen bedient werden muss. 75 % der Kreditzinsen sind bei der Bemessungsgrundlage für die Gewerbesteuer abziehbar. Die zweite Alternative wäre das Leasen des Gutes. Die Grundmietzeit beträgt zwei Jahre, für die eine jährliche Leasingrate von 50 % des Anschaffungswertes gezahlt werden muss. Die Verlängerungsmietzeit von einem Jahr muss mit einer Leasingrate von 35 % des Anschaffungswertes abgegolten werden. Stellen Sie für beide Finanzierungsalternativen jeweils einen Finanzplan bezüglich der relevanten Nettoauszahlungen auf, und bestimmen Sie mittels des Vergleichs der beiden Barwerte der Nettoauszahlungen die vorteilhaftere Finanzierungsalternative!
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D. Alternativen der Kapitalaufbringung
III. Innenfinanzierung Lernziele dieses Kapitels x Die Selbstfinanzierung ist eine Form der Innenfinanzierung, bei der Umsatzerlöse und damit auch der Gewinn in liquider Form verfügbar sind. x Bei der Selbstfinanzierung wird zwischen offener und stiller Selbstfinanzierung unterschieden. x Bei der offenen Selbstfinanzierung wird der buchhalterisch festgestellte Gewinn nicht ausgeschüttet. x Typische buchhalterische Folge der offenen Selbstfinanzierung ist der Ausweis von Gewinnrücklagen als Eigenkapital in der Bilanz. x Bei der stillen Selbstfinanzierung wird der Gewinn buchhalterisch nicht erfasst und kann damit auch nicht ausgeschüttet werden. Zur Vermeidung des Gewinnausweises werden sogenannte stille Reserven gebildet. x Stille Reserven entstehen durch Unterbewertung von Aktiva oder durch zu hohen Ausweis von Passiva, die nicht Eigenkapital sind. x Zusätzlich kann die stille Selbstfinanzierung im Gegensatz zur offenen Selbstfinanzierung den Effekt einer Steuerstundung als weitere Finanzierungskomponente beinhalten. Die Steuerzahlungen auf die ausgewiesenen Gewinne werden erst bei Hebung der stillen Reserven fällig. x Als weitere Arten der Innenfinanzierung existiert die Finanzierung über Umsatzerlöse mittels Abschreibungen, mittels Rückstellung sowie mittels Finanzierung über Vermögensumschichtung (Kapitalfreisetzung). x Die Finanzierung über Umsatzerlöse mittels Abschreibungen stellt eine partielle Desinvestition der abgeschriebenen Anlagegüter dar. Den Abschreibungen steht keine konkrete Auszahlung in der Abschreibungsperiode gegenüber. Stattdessen fließt auf Basis des Umsatzerlöses, der den Abschreibungsaufwand deckt, eine Zahlung dem Unternehmen zu, die als Finanzierung interpretiert werden muss. x Dieser Kapitalfreizeitungseffekt der Abschreibungen kann sogar dazu genutzt werden, weitere zusätzliche Kapazitäten aufzubauen, was als Lohmann-Ruchti-Effekt bezeichnet wird. x Die Finanzierung aus Umsatzeinzahlungen mittels Rückstellungen ähnelt in ihrem Grundprinzip der mittels Abschreibungen. Dem Aufwand, der zur Bildung der Pensionen führt, steht keine direkte Zahlung in der Bildungsperiode gegenüber. Dies ist etwa bei Pensionsverpflichtungen der Fall, die erst dann zu Auszahlungen führen, wenn der Mitarbeiter in Rente geht. Wiederum fließt auf Basis des Umsatzerlöses, der den Personalaufwand für Pensionsverpflichtungen deckt, eine Zahlung dem Unternehmen zu, die als Finanzierung interpretiert werden muss. x Ein klassisches Beispiel für die Finanzierung durch Vermögensumschichtung ist das Sale and Lease Back einer Anlage. Durch deren Verkauf werden Zahlungsmittel freigesetzt. x Aus neoinstitutionalistischer Sicht gibt im Falle von vom Eigentum getrennter Leitung die Unternehmensleitung gerne der Innenfinanzierung den Vorzug (Pecking Order Theory).
III. Innenfinanzierung
1. Definition und Systematisierung Bei der Innenfinanzierung erfolgt im Gegensatz zur Außenfinanzierung keine Zuführung finanzieller Mittel durch Einlagen der Unternehmenseigner oder Beteiligung von Gesellschaftern sowie durch Kreditfinanzierung durch Gläubiger. Stattdessen wird bisher gebundenes Kapital in frei verfügbare Zahlungsmittel (liquide Mittel) umgewandelt. Die Innenfinanzierung erfolgt durch betriebliche Desinvestitionen. Diese Desinvestitionen können zum einen über die normalen Umsatzerlöse und zum anderen durch sonstige Geldfreisetzungen (z. B. Sale and Lease Back) erfolgen. Der Umsatzerlös setzt sich aus den Aufwendungsäquivalenten und dem Gewinn zusammen. In den Aufwendungsäquivalenten werden u. a. die Abschreibungsgegenwerte und die Aufwendungen für Rückstellungen vom Markt vergütet, indem bei der Bestimmung des Jahresüberschusses von den liquiden Umsatzerlösen die Aufwandsposten abgezogen werden und so nicht ausgeschüttet werden. Sind die nachfolgend aufgeführten Bedingungen erfüllt, so kann hieraus eine Finanzierung aus Faktor-Freisetzung erfolgen. Die Gewinnkomponente des Umsatzerlöses kann zur Selbstfinanzierung verwendet werden. Der Begriff der Innenfinanzierung wird allerdings in der Literatur unterschiedlich weit ausgelegt und ist stark durch bilanzorientiertes Denken geprägt. Teilweise werden auch reine Bewertungsakte (z. B. Steigen des Marktwertes von Grundstücken über die Anschaffungskosten, die in der Bilanz angesetzt werden müssen, hinaus) zur Innenfinanzierung gerechnet, unabhängig von der Zuführung oder Freisetzung finanzieller Mittel. Finanzwirtschaftlich relevant sind jedoch nur solche Vorgänge, bei denen der Unternehmung liquide Mittel zufließen und in der gleichen Periode kein auszahlungswirksamer Aufwand in gleicher Höhe entsteht. Zusätzliche Investitionen sind nicht aus Bewertungsreserven finanzierbar, sondern aus dem Zugang liquider Mittel. Durch Bewertungsakte, die eine Erhöhung des Periodenaufwands und damit eine Verringerung des Periodengewinns zur Folge haben. Da nach § 150 ff. AktG nur dieser Periodengewinn ausschüttungsfähig ist, wird der ausschüttungsfähige Betrag vermindert, und letztendlich wird die Liquidität der Unternehmens gesichert. Die für die Unternehmung verfügbare Differenz aus Einzahlungen minus Auszahlungen einer Periode wird als finanzwirtschaftlicher Überschuss oder auch als Umsatzüberschuss bezeichnet. Der finanzwirtschaftliche Überschuss gibt den Betrag der finanziellen Mittel wieder, die einer Unternehmung in einer Periode zur Innenfinanzierung zur Verfügung standen. Dieser Umsatzüberschuss kann am Ende einer Periode durch den finanzwirtschaftlichen Cashflow in direkter oder indirekter Form ermittelt werden (siehe hierzu Abschnitt E I 4). Die der Unternehmung im Rahmen der Innenfinanzierung zufließenden Mittel laufen während der Periode sukzessive auf und werden meist wieder sofort reinvestiert. Der am Ende einer Periode berechnete finanzwirtschaftliche Cashflow kann daher nur wiedergeben, welche Mittel der Unternehmung in der abgelaufenen Periode zur Verfügung standen. Für die Beurteilung der Frage, welche Mittel aus der Innenfinanzierung einer Unternehmung zur Verfügung stehen werden, ist ein Prognose-Cashflow erforderlich. Während in der angelsächsischen Literatur die Bestimmung der Innenfinanzierungsmittel global über den Cashflow erfolgt, ist in Deutschland eine Aufgliederung der Finanzen aus dem Umsatzüberschuss in Selbstfinanzierung, Finanzierung aus Umsatzeinzahlungen mittels Abschreibungen und Finanzierung aus Umsatzeinzahlungen
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D. Alternativen der Kapitalaufbringung mittels Rückstellungen üblich. Diese Trennung ist primär gedanklicher Natur und kann in der betrieblichen Praxis wegen der teilweise fließenden Übergänge nicht immer exakt vollzogen werden.
2. Selbstfinanzierung Wenn Umsatzerlöse in liquider Form verfügbar sind und dabei ein Einzahlungsüberschuss erzielt wird, ist auch die Gewinngröße in liquider Form vorhanden. Nach der Art des Ausweises des zurückbehaltenen Gewinns in der Bilanz kann man unterscheiden in: 1. offene Selbstfinanzierung, wenn der Gewinn buchhalterisch festzustellen ist und nicht ausgeschüttet wird, und 2. stille Selbstfinanzierung, wenn der Gewinn buchhalterisch nicht festzustellen ist und nicht ausgeschüttet wird. Während eine offene Selbstfinanzierung sich auf das bilanzielle Eigenkapital auswirkt und aus der Bilanz ersichtlich ist, führt die stille Selbstfinanzierung zu einer Erhöhung des ökonomischen Eigenkapitals, die sich auf die bilanzielle Höhe des Eigenkapitals nicht auswirkt und damit auch nicht aus der Bilanz ersichtlich ist.
a) Offene Selbstfinanzierung Offene Selbstfinanzierung erfolgt aus dem in der Bilanz und GuV ausgewiesenen Gewinn bzw. Jahresüberschuss, der in liquider Form verfügbar ist. Der einbehaltene Gewinn unterliegt dabei der Einkommensteuer bzw. Körperschaftsteuer sowie der Gewerbesteuer. Da die offene Selbstfinanzierung aus versteuertem Gewinn durchgeführt wird, steht für die Finanzierung jeweils nur der Betrag nach Steuern zur Verfügung. Die Einbehaltung ausgewiesener Gewinne erfolgt bei Personengesellschaften sowie Einzelunternehmen durch Gutschrift auf dem Kapitalkonto und Verzicht auf Entnahmen. Bei Kapitalgesellschaften mit festem Nominalkapital (GmbH, AG) wird der zurückbehaltene Gewinn den offenen Rücklagen zugeführt. Das HGB (§§ 266 und 272) sieht für Kapitalgesellschaften folgende offenen Rücklagen vor: 1. Kapitalrücklagen 2. Gewinnrücklagen x gesetzliche Rücklage x satzungsmäßige Rücklagen x andere Gewinnrücklagen In Kapitalrücklagen sind Agio-Beträge aus der Ausgabe von Aktien, Wandel- und Optionsschuldverschreibungen sowie Zuzahlungen, die Gesellschafter in das Eigenkapital leisten, einzustellen. Für die Selbstfinanzierung aus versteuertem Gewinn sind deshalb nur die Gewinnrücklagen von Bedeutung. Die Bildung einer gesetzlichen Rücklage ist für Aktiengesellschaften durch § 150 AktG vorgeschrieben. In die gesetzliche Rücklage ist der 20. Teil des um einen Verlustvortrag aus dem Vorjahr geminderten Jahresüberschusses einzustellen, bis die gesetzliche Rücklage und die Kapitalrücklagen zusammen den 10. oder den in der Satzung bestimmten höheren Teil des Grundkapitals erreicht haben (§ 150 Abs. 2 AktG). Über-
III. Innenfinanzierung steigen die gesetzliche Rücklage und die Kapitalrücklage zusammen nicht den 10. oder den in der Satzung bestimmten höheren Teil des Grundkapitals, so dürfen sie nur zum Ausgleich eines Jahresfehlbetrags (soweit er nicht durch einen Gewinnvortrag aus dem Vorjahr gedeckt ist und nicht durch Auflösung anderer Gewinnrücklagen ausgeglichen werden kann) oder zum Ausgleich eines Verlustvortrags aus dem Vorjahr (soweit er nicht durch einen Jahresüberschuss gedeckt ist und nicht durch Auflösung anderer Gewinnrücklagen ausgeglichen werden kann) verwendet werden. Übersteigt die gesetzliche Rücklage zusammen mit den Kapitalrücklagen 10 % des Grundkapitals, so darf der übersteigende Betrag auch zu einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln verwendet werden. Die bilanzielle Auflösung der gesetzlichen Rücklage ist somit zweckgebunden. Davon zu trennen ist jedoch die Verwendung in der Vermögenssphäre (Aktiva) der Unternehmung, die nicht zweckgebunden ist. Gesetzliche Rücklagen können zur Finanzierung aller Vermögensteile, auch langfristiger Aktiva, dienen. Die gesetzliche Rücklage stellt somit nicht – wie manchmal fälschlicherweise angenommen wird – eine Liquiditätsreserve dar, auf die bei Liquiditätsschwierigkeiten zurückgegriffen werden könnte. Das Vorhandensein von Liquiditätsreserven wird durch die Vermögensstruktur determiniert, unabhängig von dem Vorhandensein einer gesetzlichen Rücklage. Durch die Auflösung der gesetzlichen Rücklage, wie ganz generell von Rücklagen, entsteht kein Finanzierungseffekt. Soweit eine Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln vorgenommen wird, handelt es sich um einen rein buchmäßigen Vorgang, der die Zusammenstellung des bilanziellen Eigenkapitals verändert und das ökonomische Eigenkapital nicht verändert. Wenn die gesetzliche Rücklage zum Verlustausgleich herangezogen werden muss, ergibt sich sogar eine Verringerung des Kapitals, wobei der bilanzielle Vorgang nur die bereits in der abgelaufenen Periode stattgefundene Vermögensverringerung dokumentiert. Nach § 272 Abs. 1a HGB muss eine offene Absetzung des Nennbetrags bzw. des rechnerischen Anteils des gezeichnetes Kapitals der Anteile erfolgen, die sich im Eigentum der Gesellschaft befinden. Der Differenzbetrag zwischen dem Nennbetrag oder anteiligem gezeichneten Kapital und dem Kaufpreis der eigenen Anteile ist mit den weitern frei verfügbaren Rücklagen zu verrechnen. Dabei sind die Anschaffungsnebenkosten direkt als Aufwand zu erfassen. Vorstand und Aufsichtsrat der AG dürfen, wenn sie den Jahresabschluss feststellen, bis zu 50 % des Jahresüberschusses den anderen Gewinnrücklagen (§ 58 Abs. 2 AktG) zuführen. Der Betrag, der in die gesetzliche Rücklage einzustellen ist, muss dabei vorab vom Jahresüberschuss abgesetzt werden. Darüber hinaus kann die Satzung den Vorstand und den Aufsichtsrat ermächtigen, mehr als die Hälfte des Jahresüberschusses den Rücklagen zuzuführen (aber nur, solange die anderen Gewinnrücklagen die Hälfte des Grundkapitals nicht übersteigen). Im Rahmen ihres Gewinnverwendungsbeschlusses kann die Hauptversammlung über die von Vorstand und Aufsichtsrat vorgenommenen Einstellungen hinaus noch weitere Beträge den anderen Gewinnrücklagen zuführen. Die Satzung kann für den Fall, dass die Hauptversammlung den Jahresabschluss feststellt, vorsehen, dass bestimmte Beträge aus dem Jahresüberschuss in die anderen Gewinnrücklagen eingestellt werden müssen (satzungsmäßige Rücklagen). Zur Einstellung in die anderen Gewinnrücklagen darf die Satzung jedoch nur maximal die Hälfte des Jahresüberschusses vorsehen (§ 58 Abs. 1 AktG). Selbst bei Ausschüttung tritt durch den sukzessiv in der Periode auflaufenden Gewinn ein temporärer Selbstfinanzierungseffekt auf, da der Gewinn während des Jahres anfällt und die Ausschüttung meist im ersten oder zweiten Quartal des Folgejahres erfolgt.
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D. Alternativen der Kapitalaufbringung
b) Stille Selbstfinanzierung Die stille Selbstfinanzierung erfolgt durch Einbehaltung nicht ausgewiesenen Gewinns. Der Gewinnausweis wird durch bewusste bilanzpolitische Maßnahmen verringert, wodurch stille Reserven entstehen. Unterstellt man einen identischen Gewinnausweis in Handels- und Steuerbilanz, unterliegen die stillen Reserven erst bei ihrer Auflösung der Ertrag- bzw. Körperschaftsteuer unterliegen. Daher erfolgt die stille Selbstfinanzierung aus noch unversteuertem Gewinn. Die Bildung stiller Reserven in der Bilanz kann erfolgen durch: 1. Unterbewertung von Aktiva: 1.1. Unterlassung von Aktivierungen, 1.2. niedriger Wertansatz von Vermögensteilen, 1.3. Unterlassung oder Unmöglichkeit (Zwangsreserven) der Zuschreibung bei Wertsteigerungen von Vermögensteilen. 2. Überbewertung der Passiva: speziell durch zu hohe Bewertung von Rückstellungen. Die Bildung stiller Bewertungsreserven in der Bilanz wird in der Literatur manchmal fälschlicherweise mit der stillen Selbstfinanzierung gleichgesetzt. Nicht jede in der Bilanz gelegte stille Reserve hat auch einen Selbstfinanzierungseffekt. Wie bereits eingangs ausgeführt wurde, liegt Innenfinanzierung und damit auch Selbstfinanzierung nur dann vor, wenn dem Betrieb liquide Mittel zufließen, denen in der gleichen Periode keine Auszahlungen gegenüberstehen. Etwa bei den stillen Reserven nach 1.3., den sogenannten „Wertsteigerungsreserven“, ist dies nicht der Fall, da es sich um nicht realisierte Gewinne handelt und durch den gesetzlich erzwungenen Bewertungsakt keine realisierten Gewinne und liquiden Mittel im Unternehmen gebunden werden. Zu einer Selbstfinanzierung können daher jeweils nur Bewertungsakte führen, die realisierten Gewinn für einen bestimmten Zeitraum im Unternehmen binden. Aufgrund der verstärkten Anwendung internationaler Rechnungslegungssysteme (z. B. IFRS) verringern sich tendenziell die Möglichkeiten zur Bildung von stillen Reserven. Das geltende Steuerrecht beinhaltet keine Aktivierungswahlrechte, sodass eine Unterlassung von Aktivierungen mit steuerlicher Wirkung nicht zulässig ist. Eine bewusste Unterbewertung von Vermögensteilen kann im Bereich des abnutzbaren Anlagevermögens durch zu hohe Abschreibungsquoten, durch die Sofortabschreibung von geringwertigen Wirtschaftsgütern oder durch den Abzug von Veräußerungsgewinnen bzw. der Übertragung von unversteuerten Rücklagen erfolgen. Im Bereich des Umlaufvermögens können stille Reserven insbesondere durch den Ansatz zu niedriger Herstellungskosten bei Halb- und Fertigfabrikaten und durch die Anwendung des Lifo-Verfahrens (Last in First out) bei der Vorratsbewertung gelegt werden. Die Anschaffungs- oder Herstellungskosten stellen die obere Grenze für die Bewertung von Vermögensteilen in der Bilanz dar. Ein Bilanzansatz über diese Bewertungsgrenze hinaus ist nicht möglich, sodass sich bei Wertsteigerungen automatisch stille Reserven bilden können (so etwa speziell bei Grundstücken). Eine Verringerung des Gewinns und damit eine Bildung stiller Reserven kann auch durch einen zu hohen Ausweis der Verbindlichkeiten der Unternehmung erfolgen. Ein Bewertungsspielraum besteht bei den Rückstellungen und den Rechnungsabgrenzungsposten. In der Handelsbilanz sind sowohl Lifo- als auch First-in-first-out-Verfahren zulässig.
III. Innenfinanzierung Die stille Selbstfinanzierung besitzt gegenüber der offenen Selbstfinanzierung den Vorteil einer Steuerstundung. Bei der offenen Selbstfinanzierung unterliegen die ausgewiesenen und einbehaltenen Gewinne der Einkommensteuer bzw. bei Kapitalgesellschaften der Körperschaftsteuer und der Gewerbesteuer. Demgegenüber erhöht die stille Selbstfinanzierung den Periodenaufwand, wodurch der zu versteuernde Gewinn verringert wird. Eine Versteuerung hat erst dann zu erfolgen, wenn die stillen Reserven durch Realisierung in Erscheinung treten. Diese Steuerstundung führt zu einem Liquiditäts- und Zinsgewinn für die Unternehmung. Der Liquiditätseffekt tritt dadurch auf, dass zunächst keine Steuerzahlungen zu leisten sind. Allerdings kann die später bei Realisierung der stillen Reserven erfolgende Nachversteuerung zu einer Liquiditätsbelastung führen. Zu einer effektiv höheren Steuerbelastung kommt es, wenn der steuerpflichtige Unternehmer zwischenzeitlich in eine höhere Progressionsstufe der Einkommensteuer gelangt ist oder eine Erhöhung der Steuertarife stattgefunden hat. Die Steuerstundung wird durch das Finanzamt zinslos gewährt. Gegenüber einer sonst etwa erforderlichen Finanzierung durch Kredite gelangt das Unternehmen somit zu einem Zinsgewinn, wodurch ceteris paribus eine Erhöhung der Rentabilität erreicht wird. Bei Unternehmen mit firmeneigenen Zielen, wie etwa Publikumsaktiengesellschaften, kommt hinzu, dass die stille Selbstfinanzierung der Mitsprache der Unternehmenseigner, speziell der Kleinaktionäre, weit gehend entzogen ist. Vorstand und Aufsichtsrat einer AG können bei Bilanzfeststellung stille Reserven bilden, ohne dass die Aktionäre dies verhindern können. Die so einbehaltenen Gewinne sind auch zum Dividendenausgleich in ertragsschwachen Jahren geeignet. Einer zu starken Selbstfinanzierung der Unternehmen stehen die steuerlichen Bilanzierungsvorschriften entgegen. Die Bildung stiller Reserven ist in der Steuerbilanz nur in begrenztem Umfang möglich. Eine Ausweitung oder Einschränkung der stillen Selbstfinanzierung wird vom Gesetzgeber als wirtschaftspolitisches Instrument eingesetzt. Einer Vereinfachung des Rechnungswesens dient die Bewertungsfreiheit für geringwertige Anlagegüter. Nach § 6 Abs. 2 EStG können geringwertige Wirtschaftsgüter im Jahr der Anschaffung voll abgeschrieben werden. Das Wahlrecht (Sofortabschreibung oder Verteilung über die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer) besteht jedoch nur im Jahr der Anschaffung, eine Nachholung der nicht in Anspruch genommenen Bewertungsfreiheit ist nicht möglich. Eine Sonderstellung nimmt die Finanzierung aus steuerfreien Rücklagen ein, die hinsichtlich ihrer steuerlichen Wirkung mit der stillen Selbstfinanzierung verwandt ist. Daher kann sie weder der offenen noch der stillen Selbstfinanzierung eindeutig zugeordnet werden. Zum einen lässt der Gesetzgeber die Bildung befristeter steuerfreier Rücklagen aus Billigkeitsgründen zu. So geben die Rücklagen nach § 6 b und c EStG und Abschnitt 35 EStR die Möglichkeit, die bei Veräußerung von Grund und Boden oder Grundstücken oder bei dem Ausscheiden bestimmter Wirtschaftsgüter aufgrund höherer Gewalt aufgedeckten stillen Reserven der Ertragsbesteuerung vorzuenthalten und eine Übertragung auf andere, neu anzuschaffende Wirtschaftsgüter vorzunehmen. Andere steuerfreie Rücklagen verfolgen ähnlich wie die Sonderabschreibungen wirtschaftspolitische Ziele. Steuerfreie Rücklagen werden generell aus dem unversteuerten Gewinn gebildet und führen somit zu einer Ertragsteuerminderung in der Periode ihrer Entstehung. Da die Ertragsteuern wie bei der stillen Selbstfinanzierung nur gestundet werden, ist die
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D. Alternativen der Kapitalaufbringung steuerfreie Rücklage als Mischposten aus Fremdkapital (Steuern) und Eigenkapital anzusehen. Wann es zur Nachversteuerung kommt, hängt von der Weiterverwendung der Rücklage ab. Die Auflösung in einem Betrag oder verteilt über mehrere Perioden kommt in Frage; in allen Fällen ist eine vorzeitige Auflösung möglich. Bei der Übertragung stiller Reserven auf ein anderes Wirtschaftsgut ergibt sich die Versteuerung sukzessive durch die relativ niedrigeren jährlichen Abschreibungen auf das neue Objekt. Dabei ist die Höhe der künftig zu entrichtenden Steuern bei Kapitalgesellschaften vor allem wegen des bislang gespaltenen Körperschaftsteuersatzes, bei Personengesellschaften wegen der Relevanz des individuellen Steuersatzes der Gesellschafter und allgemein z. B. wegen eventueller Verlustkompensationsmöglichkeiten oder Tarifänderungen ungewiss. Für rechnerische und bilanzanalytische Zwecke wird vereinfachungshalber meistens der Steueranteil mit 50 % veranschlagt. Falls Handels- und Steuerbilanz sich in der Art unterscheiden, dass ein steuerlich höheres Ertragspotenzial besteht, wird nach § 274 HGB mit passiven latenten Steuern eine Bilanzverlängerung erreicht. Ein steuerlich höheres Ertragspotenzial ist etwa dadurch bedingt, dass ein Aktivposten in der Steuerbilanz niedriger als in der Handelsbilanz ausgewiesen wird. Durch diese Maßnahme (Bilanzverlängerung) wird ein Betrag an das Unternehmen gebunden. Ob und inwieweit die Finanzierungswirkung einer steuerfreien Rücklage bestehen bleibt, hängt vom Zeitpunkt der Nachversteuerung ab.
c) Beurteilung der Selbstfinanzierung Die Selbstfinanzierung stellt für manche Unternehmen die einzige Finanzierungsform dar, wenn die Möglichkeit der Zuführung finanzieller Mittel von außen nicht besteht, weil die Unternehmung entweder keine Sicherheitsleistungen für Kredite erbringen kann oder der Kapital- bzw. Geldmarkt nicht ausreichend leistungsfähig ist. Liegen derartige Restriktionen vor, so ist die Unternehmung zwangsweise – wenn sie auf Wachstum nicht verzichten will – auf Selbstfinanzierung angewiesen. Jedoch auch für Unternehmen, denen die Außenfinanzierung als Alternative offensteht, stellt die Selbstfinanzierung ein Finanzierungsinstrument mit einer Reihe von betriebswirtschaftlichen Vorteilen dar.80 Bei der Selbstfinanzierung treten keine zusätzlichen Kreditgeber oder Eigentümer auf. Die Selbstfinanzierung trägt mithin zur Unabhängigkeit der Unternehmung von neuen Gesellschaftern und Fremdkapitalgebern bei. Ferner ergeben sich auch keine Verschiebungen in den „Herrschaftsverhältnissen“, die etwa bei der Beteiligungsfinanzierung möglich sind. (Prozentual ungleiche Gewinnentnahmen durch die Gesellschafter können allerdings bei Personengesellschaften zu Anteilsveränderungen führen.) Über die Verwendung der durch Selbstfinanzierung aufgebrachten Mittel kann die Unternehmensleitung frei entscheiden, da keine Zweckbindung vorliegt. Die Selbstfinanzierung verursacht auf den ersten Blick keinen Zinsaufwand, wodurch eine Verbesserung der Ertragslage eintreten kann. Allerdings sollten Opportunitätskosten berücksichtigt werden. Sieht man von der Versteuerung bei der offenen Selbstfinanzierung ab, so treten auch keine Aufwendungen der Kapitalbeschaffung auf. Im Vergleich zur Kreditfinanzierung ist das durch Selbstfinanzierung aufgebrachte Kapital nicht terminiert, und es müssen auch keine Sicherheitsleistungen erbracht werden. Die Selbstfinanzierung stärkt die Eigenkapitalbasis und trägt zu einer Verringerung der Krisenanfälligkeit bei. Eine gesunde Eigenkapitalausstattung fördert ihrerseits 80
Vgl. Noth, Eigenkapitalausstattung deutscher Gesellschaften, 1996, S. 53.
III. Innenfinanzierung wiederum die Kreditwürdigkeit der Unternehmung. Insbesondere die im Rahmen der stillen Selbstfinanzierung gebildeten Reserven ermöglichen bei entsprechender Bewertungspolitik eine kontinuierliche Gewinnausschüttung. Letzteres ist für publizitätspflichtige Gesellschaften zur Erhaltung ihrer Kreditwürdigkeit, ihres Ratings und ihres Emissions-Standings von nicht unerheblicher Bedeutung. Bei der stillen Selbstfinanzierung sowie der Finanzierung aus steuerfreien Rücklagen tritt noch der bereits erwähnte Steuerstundungsvorteil mit seinen positiven Auswirkungen auf Rentabilität und Liquidität hinzu. Die Selbstfinanzierung ist jedoch, insbesondere im Bereich ihrer gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen, auch kritisch zu sehen. Durch das Zusammenfallen von Sparer und Investor gelangen die Selbstfinanzierungsmittel nicht auf den Kapitalmarkt, und das Kapitalmarktvolumen wird dadurch verringert. Darüber hinaus sind die durch Selbstfinanzierung aufgebrachten Mittel nicht der regulierenden Wirkung des Kapitalmarktzinses unterworfen. Dies kann zur Folge haben, dass die Mittel auch für weniger ertragreiche Investitionen (Rentabilität geringer als Kapitalmarktzins) Verwendung finden, als dies, bedingt durch die Zinsverpflichtung, bei Aufnahme über den Kapitalmarkt geschieht (Over Investment). Die Selbstfinanzierung kann daher gesamtwirtschaftlich gesehen zu einer Verringerung der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes sowie zu einem weniger produktiven Einsatz volkswirtschaftlichen Vermögens führen. Aus Sicht der neoinstitutionalistischen Finanzierungstheorie kann es für Manager, die nicht Eigentümer sind, vorteilhafter sein, das Instrument der Selbstfinanzierung der Fremd- sowie der Einlagen- und Beteiligungsfinanzierung vorzuziehen. Während insbesondere die Einlagen- und Beteiligungsfinanzierung aber auch teilweise die Fremdfinanzierung ihre Handlungsmöglichkeiten einschränkt, da bei der Aufnahme Informationsasymmetrien abgebaut werden müssen, unterliegt die Selbstfinanzierung nur einer schwachen Kontrolle. Damit stellt die Aufnahme, vor allem von Eigenkapital, ein negatives Signal an die Eigenkapitalgeber dar, sodass dies wiederum als Gegenargument für Einlagen- und Beteiligungsfinanzierung angesehen werden kann. Alles in allem ergibt sich eine Rangordnung der Finanzierungsquellen, deren Idee in der sogenannten Pecking Order Theory festgehalten wurde. Ferner wird gegen die Selbstfinanzierung angeführt, dass sie wegen des Fehlens von Zinsaufwand und Tilgungszahlungen die Unternehmen zu Investitionen ohne ausreichen Rentabilitätsprüfung verleite. Die Selbstfinanzierung begünstige förmlich Fehlinvestitionen, die bei Fremdkapitalfinanzierung unterblieben wären. Vom betriebswirtschaftlichen Standpunkt ist dem entgegenzuhalten, dass betriebliche Investitionen mit Investitionsrechenverfahren ohne Ansehen der Finanzierungsseite auf ihre Rentabilität hin beurteilt werden, wodurch eine rentable Verwendung aller eingesetzten Mittel gewährleistet ist. Dieses Argument kann jedoch nur begrenzte Gültigkeit beanspruchen, da eine Vielzahl von mittleren und kleinen Betrieben keine Investitionsrechnungen auf der Basis eines Kalkulationszinsfußes durchführen. Allerdings setzt eine langfristige Selbstfinanzierung einen stets revolvierenden Kapitalgewinnungsprozess voraus, d. h., dass die Unternehmung laufend ausreichend Gewinn erzielen muss, was zweifellos auf die Dauer nur durch erfolgreiche Investitionen und nicht durch Fehlinvestitionen möglich ist. Außerdem ist anzumerken, dass bei Ausschüttung der Gewinne und Zuführung zum Kapitalmarkt stets ein gewisser Prozentsatz im Konsumbereich versickert, der nicht wieder direkt produktiv den Investitionen zugeführt werden kann.
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D. Alternativen der Kapitalaufbringung Als Nachteil der stillen Selbstfinanzierung muss die mit der Bildung stiller Reserven verbundene Bilanzverschleierung gesehen werden. Die Aussagekraft der Bilanz wird für externe Informationsadressaten verringert.
3. Finanzierung aus Umsatzeinzahlungen mittels Abschreibungen a) Begriff Die planmäßige Abschreibung hat die Aufgabe, die Wertminderungen abnutzbarer Anlagegüter als periodenbezogenen Aufwand zu erfassen und auf die Jahre der Nutzung zu verteilen. Neben der bilanziellen Abschreibung, die als Aufwand in die Gewinnund Verlustrechnung eingeht, erfolgt in der Kostenrechnung der Ansatz kalkulatorischer Abschreibungen. Daher stellt die Abschreibung primär einen Aufwands- bzw. Kostenfaktor dar. Falls den Abschreibungen adäquate Umsatzerlöse gegenüberstehen, können Finanzierungseffekte auftreten. Die Abschreibung bewirkt einen Desinvestitionsprozess, der eine Vermögensumschichtung zur Folge hat. Es erfolgt eine Rückführung gebundener Finanzierungsmittel in eine liquide Form (Aktivtausch: Abnahme Anlagevermögen – Zunahme Umlaufvermögen). Frei disponible Mittel stehen der Unternehmung dann zur Verfügung, wenn die Abschreibungsgegenwerte nicht zweckgebunden – etwa zur Ersatzbeschaffung – reinvestiert werden müssen. Die Abschreibungsgegenwerte einer Maschine mit 10 Jahren Nutzungsdauer müssen nicht während der ganzen Laufzeit in liquider Form angespart werden, sondern können zwischenzeitlich anderen Verwendungszwecken zugeführt werden. Es ist nur zu gewährleisten, dass nach Ablauf der Nutzungsdauer eine Ersatzbeschaffung finanziert werden kann. Diese Finanzierung muss nicht notwendigerweise aus den Abschreibungsgegenwerten der verbrauchten Maschine erfolgen, sondern kann auch aus Abschreibungsgegenwerten anderer Anlagen durchgeführt werden. Zur Finanzierung aus Abschreibungen zählt nur der Teil der Abschreibungen, der dem tatsächlichen Wertminderungsverlauf des Wirtschaftsgutes entspricht. Überhöhte Abschreibungen führen zu einer stillen Selbstfinanzierung. Der Betrag, der über die tatsächliche Wertminderung hinausgeht, stellt eine stille Reserve dar, die den Periodengewinn mindert. Das Auftreten stiller Selbstfinanzierung im Zusammenhang mit der Abschreibung hängt nicht unerheblich vom verwendeten Abschreibungsverfahren ab. Man unterscheidet folgende Abschreibungsmethoden: 1. lineare Abschreibung mit jährlich gleichem Abschreibungsbetrag, ermittelt als konstan-
ter Prozentsatz vom Anschaffungswert (steuerrechtlich zulässig nach § 7 Abs. 1 EstG); 2. degressive Abschreibung81 mit jährlich fallenden Abschreibungsbeträgen: 2.1. geometrisch degressive Methode mit konstantem Prozentsatz vom jeweiligen
Restbuchwert (nach § 7 Abs. 2 EStG steuerrechtlich zulässig für Wirtschaftsgüter, die nach dem 31. Dezember 2019 und vor dem 1. Januar 2022 angeschafft oder hergestellt worden sind); 2.2. arithmetisch degressive Methode mit Abschreibungsquoten, die sich jährlich um den gleichen Betrag verringern (steuerrechtlich nicht zulässig); 81
Für Güter, die vor dem 1. Januar 2011 angeschafft wurden, ist diese Methode auch steuerlich anerkannt.
III. Innenfinanzierung 3. kombinierte degressiv-lineare Methode nach § 7 Abs. 3 EStG mit zunächst jährlich fal-
lenden und später gleichen Abschreibungsbeträgen pro Jahr. Der Finanzierungseffekt wird dadurch maximiert, dass der Übergang in dem Jahr erfolgt, in dem der lineare Abschreibungsbetrag erstmals größer als der degressive Abschreibungsbetrag ist; 4. progressive Abschreibung mit jährlich steigenden Abschreibungsbeträgen (steuer-
rechtlich nicht zulässig); 5. leistungsbedingte Abschreibung mit Beträgen proportional zur Leistungsabgabe
und Beanspruchung des Wirtschaftsgutes. Bei den degressiven Verfahren eilen die Abschreibungsbeträge in den ersten Perioden meist der tatsächlichen Wertminderung voraus, sodass hier zusätzlich zur Finanzierung aus Abschreibungen ein Selbstfinanzierungseffekt auftreten kann. Ein Selbstfinanzierungseinfluss kann auch aus dem Auseinanderfallen der bilanziellen und der kalkulatorischen Abschreibung entstehen. Während die bilanzielle Abschreibung nur von Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten bemessen werden darf, wird bei der kalkulatorischen Abschreibung vielfach von Wiederbeschaffungspreisen ausgegangen. Die in die Preise eingerechnete kalkulatorische Abschreibung wird vom Markt vergütet, in der Bilanz und GuV kann jedoch nur die zulässige bilanzielle Abschreibung angesetzt werden. Der über die bilanzielle Abschreibung hinausgehende Betrag der kalkulatorischen Abschreibung wird daher zu Bilanzgewinn (Scheingewinn). Soweit die Abschreibungen den steuerlichen Vorschriften entsprechen, mindern sie die ertrag- und substanzsteuerlichen Bemessungsgrundlagen, sodass die Finanzierung aus Abschreibungen insoweit keiner Besteuerung unterliegt.
b) Kapitalfreisetzungs- und Kapazitätserweiterungseffekt Müssen aus Abschreibungsgegenwerten zurückfließende Mittel nicht zweckgebunden zur Ersatzbeschaffung reinvestiert werden, so können sie auch für Erweiterungsinvestitionen Verwendung finden. Der Kapitalfreisetzungseffekt der Abschreibungen kann dann zu einer Kapazitätserweiterung führen. Diese Kapazitätsausweitung über den Kapitalfreisetzungseffekt der Abschreibungen wird als Lohmann-Ruchti-Effekt bezeichnet.82 Der Kapitalfreisetzungseffekt soll an einem Beispiel verdeutlicht werden: Ein Betrieb beschafft in vier aufeinander folgenden Jahren je eine Maschine zum Werte von 4000 GE, die er jeweils linear abschreibt. Die Jahresabschreibung jeder Maschine beläuft sich somit auf 1000 GE:
Weiterhin gelten folgende Annahmen: die Abschreibungen entsprechen dem Wertverlust und die Differenz der Umsatzerlöse und zahlungswirksamer Aufwendungen betragen Null (somit auch ein Gewinn von Null). Es ergibt sich folgender Abschreibungsplan (vgl. Abbildung D 26).
82
Ruchti, Abschreibung, 1942; Lohmann, Abschreibungen, 1949, S. 353 ff. Ursprünglich geht dieser Effekt auf einen Briefverkehr von Marx und Engels zurück. Vgl. Schneider, Allgemeine Betriebwirtschaftslehre, 1987, S. 367.
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D. Alternativen der Kapitalaufbringung
Abb. D 26: Kapitalfreisetzungseffekt aus Abschreibungen und Möglichkeit der Kapazitätserweiterung
In dem Beispiel findet eine dauerhafte Kapitalfreisetzung von 6000 GE statt. Diese Mittel stehen der Unternehmung langfristig für Finanzierungszwecke zur Verfügung. Ab dem 3. Jahr sind 4000 GE zur Neubeschaffung einer Maschine gleichen Typs verfügbar, und die Kapazität könnte somit von 4 auf 5 Maschinen erhöht werden (vgl. Abbildung D 26). Diese Kapitalfreisetzung in Höhe von 6000 GE beruht darauf, dass die Maschinen nicht auf einmal in der ersten Periode angeschafft werden, sondern sukzessive über 4 Jahre. Der Kapazitätserweiterungseffekt führt jedoch nur zu einer Ausweitung der Periodenkapazität, die Gesamt- oder Totalkapazität bleibt dagegen gleich. Die Periodenkapazität stellt das Leistungsvermögen dar, das von einer Maschine oder vom ganzen Anlagebestand in einer Nutzungsperiode abgegeben werden kann. Die Totalkapazität einer Maschine ergibt sich aus der Summe der noch abzugebenden Nutzungen (Periodenkapazität × Nutzungsdauer). Die Totalkapazität einer Unternehmung ergibt sich aus der Summe der Periodenkapazitäten der Aggregate multipliziert mit ihrer jeweiligen Restnutzungsdauer. Durch Reinvestition der Abschreibungsgegenwerte kann die Zahl der Anlagen und damit der Ausstoß pro Periode (Periodenkapazität) erhöht werden. Die Gesamt-Totalkapazität, d. h. die Anzahl der Nutzungsjahre aller vorhandenen Aggregate bleibt dagegen gleich. Weniger Anlagen mit höherer Nutzungsreserve werden substituiert durch mehr Anlagen mit einer im Durchschnitt kleineren Restnutzungsdauer. Ausschlaggebend für die maximale Erzeugung in einer Periode ist die Periodenkapazität (vgl. Abbildung D 27).
Abb. D 27: Vergleich von Perioden- und Totalkapazität beim Kapazitätserweiterungseffekt (Beispiel: AB = Maschinen à 4000 GE mit je 4 Jahren Nutzungsdauer)
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D. Alternativen der Kapitalaufbringung Bei linearer Abschreibung entspricht die durchschnittliche Kapitalbindungsdauer gerade der Hälfte der Nutzungsdauer. Unterstellt man eine kontinuierliche Abschreibung und Reinvestition, so kann der Kapazitätserweiterungseffekt maximal zu einer Verdoppelung der Periodenkapazität führen. Da jedoch in der Praxis keine kontinuierliche Abschreibung und Reinvestition (Anlagen nicht teilbar!) erfolgt, ist der Kapazitätserweiterungseffekt stets kleiner als die maximal erreichbare Verdoppelung. Sind die Abschreibungen höher als die tatsächliche Wertminderung, so kann durch den erweiterten Selbstfinanzierungseffekt auch eine Ausweitung der Gesamt-Totalkapazität erfolgen. Das Ausmaß der Kapitalfreisetzung wird neben dem Altersaufbau der Anlagen, der Zahl der Anlageeinheiten und der Nutzungsjahre auch entscheidend von der Wahl des jeweiligen Abschreibungsverfahrens und der zeitlichen Folge und Homogenität der Investitionen bestimmt. Bei degressiver Abschreibung wird der Kapazitätserweiterungseffekt im Vergleich zur linearen Abschreibung noch verstärkt. Soweit diese den tatsächlichen Wertverzehr übersteigt, liegt stille Selbstfinanzierung vor.
c) Beurteilung des Kapazitätserweiterungseffekts Der Kapazitätserweiterungseffekt setzt eine durch Eigen- oder Fremdkapital finanzierte Grundausstattung voraus. Die freigesetzten Abschreibungsgegenwerte müssen in das Anlagevermögen investiert werden. Eine andere Verwendung, wie etwa Kreditrückzahlung, führt zu keiner Kapazitätsausweitung. Eine Finanzierung aus Abschreibungen kann nur erfolgen, wenn die Abschreibungsgegenwerte in liquider Form vom Markt zur Verfügung gestellt werden. Dies ist eine unabdingbare Voraussetzung für das Auftreten sowohl des Kapitalfreisetzungs- als auch des Kapazitätserweiterungseffekts. Der Kapazitätserweiterungseffekt bedingt darüber hinaus, wenn er maximale Wirkung entfalten soll, dass die Abschreibungsgegenwerte kontinuierlich in neue gleichartige Anlagen investiert werden, was in der Praxis meist nicht realisierbar ist. Dabei werden in den Modellen i. d. R. konstante Wiederbeschaffungskosten unterstellt. Durch die Berücksichtigung steigender Wiederbeschaffungspreise wird der Effekt reduziert. Müssen noch gebrauchsfähige Anlagen wegen des technischen Fortschritts bereits vor ihrer vollen Abschreibung ersetzt werden, so führt dies zu einer Beeinträchtigung des Kapazitätserweiterungseffekts. Können produktivere Anlagen zu gleichen Preisen beschafft werden, so kann der Effekt verstärkt werden. In den Modellen wird auch meist unterstellt, dass die Anlagen soweit teilbar sind, dass eine Wiederverwendung aller Abschreibungsgegenwerte in einer Periode möglich ist. Wird diese realitätsfremde Bedingung aufgehoben, so können nicht alle Abschreibungsgegenwerte in jeder Periode zur Kapazitätsausweitung Verwendung finden, was eine Verringerung des Effekts zur Folge hat. Bei einer Kapazitätsausweitung muss auch eine eventuelle Mehrstufigkeit des Produktionsprozesses berücksichtigt werden. Erfolgt nur eine Ausweitung bestimmter Stufen, so führt dies zu einer Disproportionalität im Produktionsablauf. Die Beachtung dieser kapazitiven Abstimmung kann den Effekt reduzieren. Eine Ausweitung des Anlagevermögens ist im Allgemeinen ohne gleichzeitige Erhöhung des Umlaufvermögens nicht möglich. So bedingt eine Vermehrung der maschinellen Anlagen auch eine Erhöhung der Lagerbestände und eine Ausweitung des Forderungsbestandes. Ferner erfordern die Maschinen zusätzliches Personal, wodurch weitere Zahlungsverpflichtungen auf den Betrieb zukommen. Diese Folgeverpflichtungen und -investitionen müssen für den Betrieb finanzierbar sein. Eine Ausweitung der
III. Innenfinanzierung Kapazität ist dann sinnlos, wenn nicht entsprechende Absatzmöglichkeiten vorhanden sind. Decken die Erlöse die aufwandsgleichen Kosten des Betriebes nicht ab, so steht zumindest ein Teil der Abschreibungsgegenwerte für Reinvestitionen nicht zur Verfügung. Die Finanzierung aus Abschreibungen wird daher – wie auch die Selbstfinanzierung – nicht unerheblich von den Absatzmöglichkeiten determiniert.
4. Finanzierung aus Umsatzeinzahlungen mittels Rückstellungen Rückstellungen basieren auf Aufwendungen. Falls diesen Aufwendungen adäquate Umsatzerlöse gegenüberstehen, können analog zu Abschreibungen Finanzierungseffekte entstehen. Durch die Bildung von Rückstellungen können Gelder an das Unternehmen gebunden werden, die auch zu Finanzierungszwecken Verwendung finden können. Da die Rückstellungen der Begleichung späterer Verbindlichkeiten dienen, zählen sie in der Bilanz zum Fremdkapital. Die Finanzierung aus Rückstellungen ist daher als innerbetriebliche Fremdfinanzierung einzuordnen. Rückstellungen sind für Verbindlichkeiten der Unternehmung zu bilden, die am Stichtag noch nicht dem Grunde und/oder der Höhe und Fälligkeit nach feststehen. Der § 249 HGB unterscheidet folgende Pflichtrückstellungsfälle: 1. Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten (incl. Pensionsrückstellungen); 2. Rückstellungen für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften; 3. Rückstellungen für im Geschäftsjahr unterlassene Aufwendungen für Instandhaltung, die im folgenden Geschäftsjahr innerhalb von drei Monaten, oder Abraumbeseitigung, die im folgenden Geschäftsjahr nachgeholt werden, und 4. Rückstellungen für Gewährleistungen, die ohne rechtliche Verpflichtung erbracht werden. Ein Ansatzwahlrecht besteht für 1. Rückstellungen für unterlassene Aufwendungen, die im folgenden Geschäftsjahr (4.–12. Monat) nachgeholt werden, und 2. dem abgelaufenen Geschäftsjahr oder früheren Jahren zuzuordnende, genau umschriebene Aufwandsrückstellungen. Für den Finanzierungseffekt ist die Fristigkeit der Rückstellungen entscheidend. Finanzielle Mittel stehen der Unternehmung nur für den Zeitraum zwischen Bildung und Auflösung bzw. Inanspruchnahme der Rückstellung zur Verfügung. Fällt der Grund, für den die Verbindlichkeit gebildet wurde, ganz oder teilweise fort, so sind die Rückstellungen erfolgswirksam aufzulösen. Da die Rückstellungen bei ihrer Bemessung einen Entscheidungsspielraum beinhalten, können sie durch zu hohen Ansatz auch zu einem Instrument der stillen Selbstfinanzierung werden (vgl. Abschnitt 1 b). Die Mehrzahl der Rückstellungsfälle ist kurzfristiger Natur. Sie werden in dem auf den Jahresabschluss folgenden Geschäftsjahr aufgelöst. Hierzu zählen etwa die Rückstellungen für zu erwartende Steuernachzahlungen, für Urlaubsgelder, für unterlassene Instandhaltung und Abraumbeseitigung, Rückstellungen für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften und Prozessrückstellungen. Der Finanzierungseffekt dieser Rückstellungen ist daher begrenzt. Da jedoch entsprechende Rückstellungen jährlich
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D. Alternativen der Kapitalaufbringung wieder neu gebildet werden, führt der sogenannte Bodensatz an Rückstellungen zu einem dauerhaften Finanzierungseffekt. Letzterer wird auch durch langfristige Rückstellungen erzielt. Hierzu zählen vor allem die Pensionsrückstellungen und in gewissem Umfang auch die Rückstellungen für Garantieverpflichtungen, die entsprechend den Garantiefristen über mehrere Jahre erhalten bleiben. Auch können sich Auflösungen und Zuführungen zu den Garantierückstellungen vielfach die Waage halten, sodass die Beträge langfristig zur Verfügung stehen. Am bedeutendsten hinsichtlich des Finanzierungseffekts sind die Pensionsrückstellungen. Sie stehen dem Betrieb für einen langfristig geplanten Zeitraum zur Verfügung und können einen Umfang erreichen, der bei manchen Kapitalgesellschaften die Höhe des Grundkapitals übersteigt. Verpflichtet sich ein Unternehmen seinen Mitarbeitern gegenüber zur Zahlung von Alters-, Invaliden- oder Hinterbliebenenbezügen, dann muss es nach HGB 1985 bereits vom Zeitpunkt der Zusage an Rückstellungen bilden. Nach dem Anwartschaftsdeckungsverfahren, das für Neuzusagen von Pensionsanwartschaften nach HGB 1985 Pflicht ist, wird dabei innerhalb des Zeitraums zwischen Zusage oder voraussichtlichem Eintritt des Versorgungsfalls eine Rückstellung angesammelt. Unternehmen können hier neben der Rückstellungsbildung ihren Pensionsverpflichtungen auch im sogenannten Umlageverfahren nachkommen. Die Pensionen werden dabei aus dem laufenden Gewinn bezahlt. Ein Finanzierungseffekt tritt hierbei nicht auf. Für die steuerliche Anerkennung der Pensionsrückstellungen ist eine Berechnung nach versicherungsmathematischen Grundsätzen Voraussetzung. In die Berechnung ist die wahrscheinliche Lebenserwartung bzw. Invaliditätswahrscheinlichkeit einzubeziehen. Die Zuführungen zu den Rückstellungen sind so zu berechnen, dass bei Eintritt des Versorgungsfalls (Erreichen der Altersgrenze) die Gesamtsumme der Rückstellungsbeträge gerade dem kapitalisierten Wert der voraussichtlich zu leistenden Pensionszahlungen entspricht. Bei der Ermittlung des Barwertes der zukünftigen Pensionsleistungen muss steuerrechtlich mit einem Zinssatz von mindestens 6 % (seit 1. 1. 1982) abgezinst werden. Die Unternehmung hat dann jährlich 6 % Jahreszinsen auf den jeweiligen Bestand zu Beginn des Jahres den Rückstellungen zum Jahresende zuzuführen. Das Handelsgesetzbuch wie internationale Rechnungslegungsrichtlinien fordern einen laufzeitadäquaten Zinssatz. Soweit die Pensionsrückstellungen nach den steuerrechtlichen Vorschriften berechnet sind, stellen sie abzugsfähigen Aufwand dar, der den steuerpflichtigen Gewinn reduziert und zu einem Stundungseffekt bei den Ertragsteuern führt. Voraussetzung für eine Finanzierungswirkung ist jedoch auch hier, dass die Rückstellungsgegenwerte über den Umsatzprozess in liquider Form eingegangen sind. Werden Pensionszusagen neu eingeführt, so ist der Finanzierungseffekt hoch, da zunächst nur Rückstellungen gebildet werden und noch keine Pensionen zu zahlen sind. Halten sich später die Zuführungen und Abgänge zu den Pensionsrückstellungen die Waage, so tritt kein zusätzlicher Finanzierungseffekt mehr auf, aber der Bodensatz des Pensionsfonds steht der Unternehmung als dauerhaftes Kapital zur Verfügung. Übersteigen dagegen die jährlichen Pensionszahlungen die Zuführungen, so kommt es für die Unternehmung zu einem Entzug finanzieller Mittel. Die Bildung einer Pensionsrückstellung hat eine größere Finanzierungswirkung als die Thesaurierung eines Betrages gleicher Höhe. Im ersten Fall wird der vollständige Betrag an das Unternehmen gebunden, im zweiten Fall nur der nach Abzug von Körper-
III. Innenfinanzierung schaft- und Gewerbesteuer verbleibende Teil des nicht ausgeschütteten Gewinns. Die Ertragsteuern werden jedoch nur bis zur Rückstellungsauflösung gestundet, da es sich lediglich um eine Vorverlagerung von Betriebsausgaben handelt.
5. Finanzierung durch Vermögensumschichtung (Kapitalfreisetzung) Die Abschreibungen bewirken eine Vermögensumschichtung (Anlagevermögen in liquide Mittel) im Rahmen des regulären Umsatzprozesses. Daneben können aber auch durch außerordentliche Umsätze und dauerhafte Kapitalfreisetzungen Finanzierungseffekte auftreten. Die Unternehmung kann sich finanzielle Mittel durch die Veräußerung nicht betriebsnotwendiger Vermögensteile beschaffen. So können etwa bisher in Grundstücken oder Wertpapieren gebundene Mittel zu einer Ausweitung der Produktionskapazität Verwendung finden. Eine dauerhafte Vermögensumschichtung kann bspw. durch Sale and Lease Back erzielt werden. So kann z. B. der Verkauf einer Immobilie sowie deren Rückmietung bisher gebundenes Kapital freisetzen und dann für andere investive Zwecke zur Verfügung stehen. Auch Rationalisierungsmaßnahmen im Produktionsbereich können Kapitalfreisetzungseffekte zur Folge haben. Die meisten Rationalisierungsmaßnahmen führen hier jedoch zu einer Aufwandsverringerung, bspw. durch Einsparung von Personal, Energie, Material, was sich in einem erhöhten Gewinn und in einer Steigerung der Rentabilität niederschlägt. Welcher längerfristige Finanzierungseffekt dann hierbei auftritt, hängt von der Gewinnverwendungsentscheidung (offene Selbstfinanzierung) bzw. der bilanziellen Bewertung (stille Selbstfinanzierung) ab.
Weiterführende Literatur zur Innenfinanzierung Haberstock, L.; Breithecker, V.: Einführung in die Betriebswirtschaftliche Steuerlehre, 16. Auflage, Berlin 2013. Hölscher, R.: Investition, Finanzierung und Steuern, 2. Auflage, München 2014. Schneider, D.: Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, 3. Auflage, München/Wien 1987. Steiner, M.; Mader, W.; Starbatty, N.: Wichtige Tendenzen in der Unternehmensfinanzierung, in: Zeitschrift für das gesamte Genossenschaftswesen 2 (2004), S. 77–89.
Fragen zur Innenfinanzierung 1.
Grenzen Sie die Innenfinanzierung gegenüber der Außenfinanzierung ab und geben Sie die verschiedenen Innenfinanzierungsformen an.
2.
Geben Sie die unabdingbaren Voraussetzungen dafür an, dass von Innenfinanzierung gesprochen werden kann.
3.
Geben Sie die wichtigsten Unterscheidungsmerkmale zwischen offener und stiller Selbstfinanzierung an.
4.
Welche Rücklageformen gibt es bei Aktiengesellschaften und wie erfolgt ihre Bildung?
5.
Welchen Finanzierungseffekt hat die Überführung freier Rücklagen in Grundkapital?
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D. Alternativen der Kapitalaufbringung 6.
Kann durch Auflösung von Rücklagen ein Liquiditätsengpass überwunden werden?
7.
Wann führt eine stille Reservenbildung zu einem Finanzierungseffekt?
8.
Beurteilen Sie die Selbstfinanzierung aus betrieblicher und gesamtwirtschaftlicher Sicht.
9.
Zeigen Sie an einigen Beispielen, wie trotz grundsätzlicher Einschränkung der Selbstfinanzierung durch das Steuerrecht in bestimmten Fällen sogar steuerliche Anreize zur stillen Selbstfinanzierung durch Bewertungswahlrechte vorliegen und erläutern Sie die Motive einer solchen Steuerpolitik.
10. Bestehen bei Personengesellschaften finanzwirtschaftliche Unterschiede zwischen Selbstfinanzierung und einer Schütt-aus-hol-zurück-Politik? 11. Was versteht man unter dem Kapitalfreisetzungseffekt aus Abschreibungen und dem Lohmann-Ruchti-Effekt? 12. Zeigen Sie den Zusammenhang von Selbstfinanzierung und Finanzierung aus Abschreibungen. 13. Erklären Sie den Unterschied zwischen Periodenkapazität einerseits und Totalkapazität andererseits sowie die Bedeutung dieser Unterscheidung für den Lohmann-Ruchti-Effekt. 14. Erläutern Sie die Prämissen und Bedingungen des Kapazitätserweiterungseffekts und geben Sie an, welche Auswirkungen jeweils die Nichterfüllung dieser Bedingungen hat. 15. In welcher Höhe ist Periodengewinn erforderlich, damit ein Finanzierungseffekt aus Abschreibungen auftreten kann? 16. Woher stammen die konkreten Zahlungsmittel für bilanzverlängernde Innenfinanzierungen? 17. Von welchen grundsätzlichen Auflagen ist die steuerrechtliche Anerkennung einer Pensionsrückstellung abhängig? 18. Wovon hängt die Finanzierungswirkung von Pensionsrückstellungen ab? 19. Welche Finanzierungswirkung haben die „anderen Rückstellungen“? 20. Welche Komponenten bestimmen die Höhe der Finanzierungskosten? 21. Kennzeichnen Sie die Bedeutung der Besteuerung für den Vorteilhaftigkeitsvergleich zwischen Fremdfinanzierung und Beteiligungsfinanzierung.
IV. Kapitalstruktur und Verschuldungspolitik
IV. Kapitalstruktur und Verschuldungspolitik Lernziele dieses Kapitels x Eine der zentralen Fragen der Finanzierung ist die Aufteilung zwischen den verschiedenen Finanzierungsarten, welche sich vor allem in traditionelle, neoklassische und neoinstitutionalistische Ansätze bzw. Theorien unterteilen lässt. x Basis der Ansätze und Theorien ist ein funktionaler Zusammenhang zwischen Verschuldungsgrad und Rendite des Eigenkapitals, der auch als Leverage-Effekt bezeichnet wird. x Der Verschuldungsgrad ist dabei definiert als Verhältnis von (Marktwert des) Fremdkapital(s) zum (Marktwert des) Eigenkapital(s) eines Unternehmens. x Falls die Gesamtkapitalrendite größer als der Fremdkapitalzinssatz ist, steigt mechanistisch mit wachsendem Verschuldungsgrad die Eigenkapitalrendite an. Dieser Effekt dreht sich ins Gegenteil, falls die Gesamtkapitalrendite geringer als der Fremdkapitalzinssatz ausfällt. x Letztendlich steigt damit die Standardabweichung der Eigenkapitalrenditen mit wachsendem Verschuldungsgrad. Übertragen auf die Position der Eigenkapitalgeber bedeutet dies, dass ihr Risiko mit wachsendem Verschuldungsgrad ansteigt. Dies führt letztendlich zu einer wachsenden Eigenkapitalforderung und damit aus Sicht des Unternehmens zu mit wachsendem Verschuldungsgrad wachsenden Eigenkapitalkosten. x Die traditionelle These geht von mit wachsendem Verschuldungsgrad wachsenden Eigenkapitalkosten aus. Zudem steigen ab einem gewissen Verschuldungsgrad auch die zunächst konstanten Fremdkapitalkosten an. x Das unverschuldete Unternehmen erreicht durch eine Verschuldung, dass Eigenkapital mit hohen Kosten durch Fremdkapital mit niedrigen Kosten ersetzt wird. Dieser Effekt ist bei niedrigeren Verschuldungsgraden größer als der Anstieg der Eigenkapitalkosten durch den wachsenden Verschuldungsgrad. Dieser Substitutionseffekt ist bis zu einem gewissen Verschuldungsgrad wirksam. Ab diesem optimalen Verschuldungsgrad sind die Auswirkungen höherer Eigen- oder auch Fremdkapitalkosten bei wachsender Verschuldung größer als der durch den Substitutionseffekt gewonnene Vorteil. x Die traditionelle These fußt, wie der Name schon besagt, auf keiner geschlossenen Theorie. Sie legt ad hoc-Annahmen über die Kapitalkostensätze fest, ohne sie aus dem Verhalten rational (oder auch behavioristisch) agierender Anleger ableiten zu können. x Demgegenüber geht das Modigliani-Miller-Theorem von rational agierenden Investoren und deren Verhalten aus. Mithilfe von Arbitragefreiheitsüberlegungen können Modigliani und Miller zeigen, dass der Wert einer unverschuldeten und eines verschuldeten Unternehmens in derselben leistungswirtschaftlichen Risikoklasse sich nicht unterscheiden. Die Grundüberlegung besteht darin, dass der Zahlungsstrom eines unverschuldeten Unternehmens sich durch den Kauf des verschuldeten Unternehmens sowie der Schulden des verschuldete Unternehmens duplizieren lässt. x Aus der Gleichheit der Markwerte eines verschuldeten und unverschuldeten Unternehmens nach dem Modigliani-Miller Theorem lässt sich die Konstanz der durchschnittlichen Gesamtkapitalkosten folgern. Damit ist die Kapitalstruktur oder der Verschuldungsgrad irrelevant für die Kapitalkosten. x Nach dem Modigliani-Miller-Theorem steigen unter der Voraussetzung konstanter Fremdkapitalkosten die Eigenkapitalkosten linear mit wachsendem Verschuldungsgrad an.
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D. Alternativen der Kapitalaufbringung x Die Bestimmung der Kapitalkosten zum Modigliani-Miller-Theorem ist dabei mit dem Capital Asset Pricing Model vereinbar. Dabei zeigt sich, dass – analog zu den Eigenkapitalkosten – der Betafaktor des verschuldeten Unternehmens eine lineare Funktion des Verschuldungsgrads ist. x Alternativ sind die Kapitalkosten zum Modigliani-Miller-Theorem dabei mit einer Modellierung des Eigenkapitalanspruchs als Option vereinbar. Darüber hinaus zeigt diese Betrachtung, dass das Modigliani-Miller-Theorem auch mit Situationen vereinbar ist, in denen die Fremdkapitalkosten mit wachsendem Verschuldungsgrad ansteigen. In diesem Fall sind die Eigenkapitalkosten eine konkave Funktion des Verschuldungsgrads. x Das Modigliani-Miller-Theorem verliert dann seine Gültigkeit, wenn seine wesentlichen Annahmen verletzt sind. Diese können, abgesehen von neoinstitutionalistischen Gründen, in zwei Bereiche zusammengefasst werden. x Falls eine unterschiedliche steuerliche Behandlung von Fremd- und Eigenkapital vorliegt, kann es für den Investor günstiger sein, seine Zahlungsmittel dem Unternehmen in der günstigeren Variante zur Verfügung zu stellen. x Aufgrund der steuerlichen Abzugsfähigkeit der Zinsen von der Körperschaftssteuer, wie partiell auch von der Gewerbesteuer, liegt im deutschen Steuerrecht im Allgemeinen eine steuerliche Bevorzugung der Fremdfinanzierung vor der Eigenfinanzierung vor. x Falls bei einer drohenden oder erfolgten Insolvenz Insolvenzkosten auftreten (etwa die Kosten des Insolvenzverwalters oder das Ausbleiben von Kunden aufgrund von Insolvenzgerüchten), kann es für den Investor günstiger sein, seine Zahlungsmittel dem Unternehmen in Form von Eigenkapital zur Verfügung zu stellen, da bei vollständiger Eigenfinanzierung eine Insolvenz ausgeschlossen ist. x Eine Welt nach Modigliani-Miller, die zusätzlich eine steuerliche Bevorzugung des Fremdkapitals ebenso wie Insolvenzkosten enthält, führt wieder zu einem optimalen Verschuldungsgrad (Trade off Theory). x In einer Modigliani-Miller-Welt kann für die Dividendenpolitik gefolgert werden, dass das Ausschütten oder Einbehalten (Thesaurieren) von Gewinnen keinen Einfluss auf den Wert des Unternehmens hat. Dahinter steht die Überlegung, dass das Unternehmen eine Ausschüttung durch entsprechende Kapitalaufnahme kompensieren kann, sodass sein leistungswirtschaftlicher Erfolg (und auch das leistungswirtschaftliche Risiko) davon unberührt bleibt. x Wiederum kann eine steuerliche Bevorzugung etwa einbehaltener Gewinne dieses Kalkül verändern, sodass eine Einbehaltung von Gewinnen einer Ausschüttung vorzuziehen ist. x Der Einsatz von Instrumenten des Risikomanagements kann als Finanzierungsentscheidung verstanden werden. Danach gilt die Irrelevanz von Risikomanagement für Unternehmenswert und Kapitalkosten. Das Hauptargument ist wiederum, dass ein Investor eine gegen Risiken abgesicherte Unternehmung mit identischen Zahlungsströmen generieren kann, indem er eine nicht abgesicherte Unternehmung zugrunde legt und zusätzlich die Zahlungsströme aus der Unternehmung absichert. Wiederum kann die Verletzung wesentlicher Annahmen der Modigliani-Miller-Welt dazu führen, dass Risikomanagement für Unternehmungen kapitalkostensenkend wirkt. So kann etwa ein Motiv für Risikomanagement das Vermeiden von Insolvenzkosten sein. x Empirisch bestätigt sich bei den meisten Unternehmen, dass die Insolvenzkosten ein maßgeblicher Treiber dieser finanzwirtschaftlichen Entscheidungen (Kapitalstruktur, Risikomanagement) sind.
IV. Kapitalstruktur und Verschuldungspolitik
1. Kapitaltheoretische Ansätze zur Optimierung der Unternehmensfinanzierung Im Anschluss an die Erkenntnisse der Investitionstheorie über die optimale Kapitalverwendung und an die Darstellung der Instrumente zur Kapitalaufbringung fällt der betriebswirtschaftlichen Kapitaltheorie grundsätzlich die Aufgabe zu, eine Theorie der Kapitalbeschaffung unter bestimmten Optimalitätskriterien zu entwickeln. 83 Neben den traditionellen Finanzierungsregeln (vgl. Abschnitt E) soll ein theoretisch fundiertes Konzept zur Abstimmung von Kapitalbedarf und -verwendung einerseits sowie Kapitalaufbringung andererseits gestellt werden. Die kapitaltheoretischen Modelle lassen sich in verschiedene Gruppen einteilen. Dabei kommen die Modelle zu unterschiedlichen Aussagen bezüglich einer optimalen Kapitalstruktur. Dies liegt im Wesentlichen an den zugrunde liegenden Annahmen. Abbildung D 28 zeigt die vier Grundmodelle:
Kapitaltheoretische Grundmodelle
Klassische Kapitalstrukturmodelle
Traditionelle Kapitalstrukturmodelle
Neoklassische Kapitalstrukturmodelle
Neoinstitutionelle Kapitalstrukturmodelle
Abb. D 28: Kapitaltheoretische Grundmodelle
Die klassischen Modelle unterstellen, wie die in Abschnitt B I 1 beschriebene Fisher Separation, einen vollkommenen Kapitalmarkt unter Sicherheit. Hier kann von allen wohl informierten Marktteilnehmern zu einem gleichbleibenden Kalkulationszinssatz in beliebigem Umfang sicher Geld angelegt und Kredit aufgenommen werden, die Kapitalstruktur hat keinen Einfluss auf die Kapitalkosten. Die neueren kapitaltheoretischen Modelle versuchen, die Unsicherheit in die Modellansätze einzubeziehen. Diese Einbeziehung der Unsicherheit erfolgt in den Modellen in unterschiedlichem Ausmaß. Eine Gruppe von Ansätzen, die nur auf eine „technologische“ Unsicherheit über den Eintritt bestimmter exogener Daten abstellen, behält die Prämisse der Kreditsicherheit und damit Konstanz des marginalen Sollzinssatzes bei. In der zweiten Gruppe der Modellansätze wird die Unsicherheit dagegen als „Marktunsicherheit“ ausgeweitet. Dadurch ergeben sich Analysen unter Berücksichtigung des Eigenkapitalgeber- und Kreditrisikos. Unter Kreditrisiko ist die Gefahr des teilweisen oder vollständigen Verlustes der Darlehen einschließlich des Zinsausfalls zu verstehen. So sind in den realitätsnäheren, traditionellen Kapitalstrukturmodellen die Kapitalgeber nicht risikoneutral, es herrschen Unsicherheit sowie gespaltene Kapitalmarktzinsen. Somit lässt sich eine optimale Kapitalstruktur, von verhaltenstheoretischen Annahmen ausgehend, ableiten. Es wird unterstellt, dass Renditeanforderungen in Abhängigkeit des Risikos formuliert werden. Die Modelle gehen im Wesentlichen von zwei unterschiedlichen Optimalitätskriterien aus: der Marktwertmaximierung oder der
83
Moxter, Lineares Programmieren, 1963, S. 285 ff.; Lutz, Capital Theory, 1961, S. 3 ff.; Fisher, Theory of Interest, 1930; Lutz, Theory of Investment, 1951.
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D. Alternativen der Kapitalaufbringung Minimierung der Kapitalkosten, wobei die Marktwertmaximierung ihrerseits in die
beiden Zielsetzungen Maximierung des Marktwertes aller Fremd- und Eigenkapitalanteile und Maximierung des Marktwertes des bisherigen Eigenkapitals (Börsenkurs der Beteiligungstitel multipliziert mit der Anzahl emittierter Beteiligungstitel) zerfällt. Soweit die Fremdkapitalkosten flexibel an den Verschuldungsgrad angepasst werden können, stimmen die erwähnten Zielsetzungen überein. Eine Finanzierungspolitik, die den Marktwert der Unternehmung sowohl im Hinblick auf das Eigen- als auch auf das Gesamtkapital maximiert, ist durch einen minimalen Gewinnentgang und damit minimale durchschnittliche Gesamtkapitalkosten gekennzeichnet. Sind Fremdkapitalkosten nicht flexibel am Verschuldungsgrad anzupassen, so können die aufgezeigten Zielsetzungen divergieren (vgl. Abschnitt IV 3 a). In neoklassischen Kapitalstrukturmodellen findet sich die scheinbar verblüffende These der Irrelevanz der Kapitalstruktur. Dass der Verschuldungsgrad keinen Einfluss auf den Marktwert oder die Gesamtkapitalkosten hat, zeigen Modigliani/Miller unter gewissen Annahmen über den Kapitalmarkt und das Verhalten der Teilnehmer. Ferner ist unter diesen Prämissen die Ausschüttungspolitik für eine optimale Unternehmensfinanzierung irrelevant.84 In einem ersten Schritt geht das Modell von einer Welt ohne Steuern und Kreditrisiko aus. Bewiesen wird die These durch Arbitragefreiheitsüberlegungen, in denen auf das leistungswirtschaftliche Risiko abgestellt wird. In weiteren Schritten wurden die Prämissen von Modigliani/Miller modifiziert, indem etwa Kreditrisiko und Steuern in die Überlegungen mit einfließen. Daraus ergeben sich unterschiedliche Aussagen zur Kapitalstruktur. Die neueren kapitaltheoretischen Modelle unterscheiden sich auch im Hinblick auf die möglichen kontinuierlich modellierten Handlungsvariablen, die zur Erreichung der optimalen Unternehmensfinanzierung Berücksichtigung finden. So optimiert in den Modellen von Leland85 und Leland/Toft86 das Unternehmen seine Kapitalstruktur unter der Berücksichtigung der Insolvenzkosten und steuerbegünstigter Fremdfinanzierung intertemporal. Insgesamt führt dies zu einem Trade-off zwischen den beiden Einflussgrößen und zu einer optimalen Verschuldung. Die Modelle von Leland und Leland/Toft wurden noch um weitere Komponenten, wie etwa die Liquidität des Unternehmens oder die Rechnungslegung, erweitert und die Ergebnisse weiter verfeinert. Eine neue Perspektive eröffnen neoinstitutionalistische Modelle. Ausgangspunkt ist die Kritik an den neoklassischen Ansätzen, welche sich auf die Parameter Rendite und Risiko beschränken. Diese neueren Ansätze versuchen, realitätsnähere Annahmen zu modellieren. So finden bspw. Informationsasymmetrien, unvollständige Verträge oder Insolvenzkosten Berücksichtigung.87 Zwischen Eigenkapital- und Fremdkapitalgebern liegen Interessensdivergenzen vor, welche sich mit steigendem Verschuldungsgrad verschärfen, wie bspw. das einzugehende Risikoniveau bei Neuinvestitionen. Insgesamt erklären neoinstitutionalistische Modelle mithilfe von Agency-Kosten des Eigen- und des Fremdkapitals eine optimale Kapitalstruktur mit minimalen Kapitalkosten. 84 85
86
87
Vgl. Modigliani, Miller, Cost of Capital, 1958. Vgl. Leland, Corporate Debt Value, Bond Covenants, and Optimal Capital Structure, 1994, S. 1213–1252. Vgl. Leland/Toft, Optimal Capital Structure, Endogenous Bankcruptcy, and the Term Structure of Credit Spreads, 1996, S. 987–1019. Vgl. Jensen/Meckling, Theory of the Firm, 1976, S. 305–360; Myers/Majluf, Corporate Financing and Investment Decision, 1984, S. 187–221; Myers, The Capital Structure Puzzle, 1984, S. 575–592 oder Harris/Raviv, The Theory of Capital Structure, 1991, S. 297–355.
IV. Kapitalstruktur und Verschuldungspolitik
2. Financial Leverage und Kapitalkosten a) Der Leverage-Effekt Den Ausgangspunkt der Überlegungen zur Optimierung der Kapitalstruktur markiert der funktionale Zusammenhang zwischen Eigenkapitalrendite und Verschuldungsgrad. Diese Abhängigkeit der Rentabilität des Eigenkapitals vom Anteil der Fremdfinanzierung wird als Leverage-Effekt bezeichnet. Er setzt neben der Unterscheidung des investierten Gesamtkapitals in Fremd- und Eigenkapital eine Aufteilungsregel voraus: Es werden die Fremdkapitalgeber aus den Periodenüberschüssen in vorher vertraglich festgelegter Höhe bedient (Fremdkapitalzinsen); das Eigenkapital verzinst sich entsprechend durch die verbleibende Residualgröße (Periodenüberschüsse./. Fremdkapitalzinsen). Hieraus folgt, dass die Eigenkapitalrendite mit steigender Verschuldung zunimmt, solange die im Nachhinein betrachtete Investitionsrendite r (= Gesamtkapitalrendite) größer ist als der Fremdkapitalzinssatz i. Dieser positive Effekt wird als Leverage-Chance bezeichnet. Er sei am folgenden Beispiel verdeutlicht (vgl. Abbildung D 29). Der vorgestellte Zusammenhang zwischen Eigenkapitalrentabilität und Verschuldungsgrad lässt sich – ausgehend von der Gleichung für die Gesamtkapitalrentabilität – formal wie folgt ableiten:
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D. Alternativen der Kapitalaufbringung Zahlenbeispiel für die Leverage-Chance bei sicherer Investitionsrendite Der Gesamtkapitalbedarf GK betrage 1000 Einheiten. Die damit getätigten Investitionen erbringen einen leistungswirtschaftlichen Periodenüberschuss x von 100 Einheiten. Das entspricht einer Investitionsrendite r (= Gesamtkapitalrendite rGK) von 10 %. Der vorab vereinbarte Zins i für aufzunehmendes Fremdkapital FK betrage 6 %. Ausgehend von der vollständigen Finanzierung mit Eigenkapital EK werden die Auswirkungen fortschreitender Substitution des EK durch FK (= wachsender Verschuldungsgrad V) auf die Eigenkapitalrentabilität rEK untersucht. Dabei sind
r rGK
x EK FK
EK
FK
1000 800 667 500 333 250 200 167 143 125 111 100 91 0
0 200 333 500 667 750 800 833 857 875 889 900 909 1000
rEK V 0 0,25 0,5 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 ∞
x i FK EK
V
FK EK
x
rGK
i
i · FK
x – i · FK
rEK
100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100
10 % 10 % 10 % 10 % 10 % 10 % 10 % 10 % 10 % 10 % 10 % 10 % 10 % 10 %
6% 6% 6% 6% 6% 6% 6% 6% 6% 6% 6% 6% 6% 6%
0 12 20 30 40 45 48 50 51,4 52,5 53,3 54 54,5 60
100 88 80 70 60 55 52 50 48,6 47,5 46,7 46 45,5 40
10 % 11 % 12 % 14 % 18 % 22 % 26 % 30 % 34 % 38 % 42 % 46 % 50 % ∞ %
Abb. D 29: Zahlenbeispiel für die Leverage-Chance bei sicherer Investitionsrendite
Wird – wie im Beispiel – ein vom Verschuldungsgrad unabhängiger Fremdkapitalzinssatz unterstellt, so zeigt die letzte Gleichung eine lineare Abhängigkeit der Eigenkapitalrentabilität rEK vom Verschuldungsgrad V. Vorausgesetzt, der Fremdkapitalzinssatz i liegt unter der Gesamtkapitalrentabilität r, also r > i, lässt sich ex post betrachtet die Rentabilität des eingesetzten Eigenkapitals durch Zunahme des Verschuldungsgrades beliebig steigern (vgl. Abbildung D 30). Die Aussicht auf eine beliebig hohe Eigenkapitalrentabilität legt eine möglichst vollständige Substitution des Eigenkapitals durch Fremdkapital nahe. Das Beispiel setzt dabei nicht nur voraus, dass Fremdkapital in Höhe von 1000 GE uneingeschränkt verfügbar ist, sondern geht auch von zu disponierenden 1000 GE Eigenkapital aus. Durch den dargestellten Substitutionsprozess wird Eigenkapital freigesetzt, dessen alternative Verwendungsmöglichkeiten im Modell keine Berücksichtigung finden. Angenommen, das Eigenkapital sei der letzten Zeile des Beispiels entsprechend zu 100 % durch Fremdkapital ersetzt worden und zu 5 % wiederanzulegen, so tritt ein Gesamterlös von nur 90 GE (1000 GE · 5 % aus der Wiederanlage außerhalb zzgl. 40 GE aus dem fremdfinanzierten Investitionsvorhaben) auf. Bei voller Eigenfinanzierung hingegen hätte ein Gesamterlös von 100 GE erzielt werden können.
IV. Kapitalstruktur und Verschuldungspolitik
Abb. D 30: Leverage-Effekt bei einem konstanten Fremdkapitalzinssatz unterhalb der Investitionsrendite
Die Vorteilhaftigkeit der Substitution des Eigenkapitals setzt also – ungeachtet der alternativen Verwendungen des freigesetzten Eigenkapitals – lediglich voraus, dass das geplante Investitionsvorhaben eine Verzinsung des Gesamtkapitals erreicht, die über dem Fremdkapitalzinssatz liegt. Diese Bedingung könnte aus zwei Gründen zum Engpass werden (Leverage-Gefahr): 1. Unterstellt man abweichend vom Ausgangsbeispiel einen Fremdkapitalzinssatz i, der wegen zunehmenden Ausfallrisikos mit wachsendem Verschuldungsgrad V steigt, ergibt sich eine unterproportionale Abhängigkeit der Eigenkapitalrentabilität rEK vom Verschuldungsgrad. Auch hier lässt sich die Rentabilität des Eigenkapitals durch einen verstärkten Einsatz von Fremdkapital erhöhen. Allerdings muss man an die Erhöhung des Zinssatzes bei wachsender Verschuldung gewisse Bedingungen knüpfen. Wie man zeigen kann, darf dieses Wachstum des Zinssatzes nicht stärker r i ausfallen als GK . V Allerdings nur dann und so lange, wie der steigende Fremdkapitalzins kleiner als die Investitionsrendite ist (vgl. Abbildung D 31). 2. Im Beispiel wurde ein Periodenüberschuss von 100 GE unterstellt. Denkbar wäre auch ein anderes Szenario, wie der negative Fall, dass die Investitionsrendite kleiner ausfällt als der Fremdkapitalzins. Dann sinkt mit wachsendem Verschuldungsgrad die Eigenkapitalrentabilität, und zwar linear für den Fall des Verschuldungsgradunabhängigen Fremdkapitalzinssatzes i (1) und überproportional für den Fall, dass der Fremdkapitalzinssatz i (2) mit zunehmender Verschuldung ansteigt. Unter diesen Umständen ist von einer Substitution des Eigenkapitals durch Fremdkapital abzuraten (vgl. Abbildung D 32).
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D. Alternativen der Kapitalaufbringung Kann nun die Investitionsrendite nicht als konstant, also als im Voraus sicher angegeben werden, sind bei der Entscheidung über die optimale Kapitalstruktur alternative Zukunftslagen zu berücksichtigen. Das sei wiederum an dem (modifizierten) Ausgangsbeispiel erläutert (vgl. Abbildung D 33).
Abb. D 31: Leverage-Effekt unter der Prämisse eines mit dem Verschuldungsgrad ansteigenden Fremdkapitalzinssatzes
Abb. D 32: Leverage-Effekt bei einer Investitionsrendite unterhalb des Fremdkapitalzinssatzes
IV. Kapitalstruktur und Verschuldungspolitik Der Gesamtkapitalbedarf GK betrage weiterhin 1000 Einheiten. Die damit getätigten Investitionen lassen unsichere Periodengewinne von alternativ x1 = 100, x 2 = 80, x 3 = 40 Geldeinheiten erwarten. Der vorab vereinbarte Zins i für aufzunehmendes Fremdkapital FK betrage weiterhin, unabhängig vom Verschuldungsgrad, 6 %. Ausgehend von der vollständigen Finanzierung mit Eigenkapital EK werden die Auswirkungen fortschreitender Substitution des EK durch FK (= wachsender Verschuldungsgrad V) auf die Eigenkapitalrentabilität rEK für die jeweiligen Zukunftslagen untersucht. FK
EK
0 200 333 500 667 750 800 900 1000
1000 800 667 500 333 250 200 100 0
V
0 0,25 0,5 1 2 3 4 9 ∞
i · FK (i = 6 % 0 12 20 30 40 45 48 54 60
rEK bei alternativem Bruttogewinn x1 = 100 (r1 = 10 %)
x 2 = 80 (r2 = 8 %)
x 3 = 60 (r3 = 6 %)
x4 = 40 (r4 = 4 %)
10 % 11 % 12 % 14 % 18 % 22 % 26 % 46 % ∞ %
8% 8,5 % 9% 10 % 12 % 14 % 16 % 26 % ∞ %
6% 6% 6% 6% 6% 6% 6% 6% 6%
4% 3,5 % 3% 2% 0% –2 % –4 % –14 % –∞ %
Abb. D 33: Modifiziertes Zahlenbeispiel für den Leverage-Effekt bei unsicherer Investitionsrendite
Wie das Beispiel zeigt, ergibt sich nur für diejenigen Zukunftslagen ein positiver Leverage-Effekt (Steigerung der Eigenkapitalrentabilität über Erhöhung des Verschuldungsgrades), in denen die Investitionsrendite über dem Zinssatz für Fremdkapital liegt. Gleichzeitig wird deutlich, dass die zu beobachtende Schwankung der Eigenkapitalrendite nicht nur von der Schwankung der Investitionsrendite, sondern auch vom Verschuldungsgrad abhängt, wie die Abbildung D 34 noch deutlicher zeigt. Es lässt sich ein Zusammenhang dergestalt erkennen, dass 'rEK = (1 + V) · 'r Wurden bis zu diesem Punkt verschiedene, so doch konkrete Ausprägungen des r und des rEK untersucht, soll an dieser Stelle die (unsichere) Investitionsrendite als um ihren Erwartungswert r* verteilte stetige Zufallsgröße r mit r max
r*
³
dr r f(r)
erwartete Häufigkeit von r) (wobei f(r)
r min
betrachtet werden (entsprechendes für r*EK und rEK). Erfasst man diese Schwankungen in der (zu erwartenden) Standardabweichung V*rEK bzw. V*r , so lässt sich diese Abhängigkeit formal wie folgt ableiten:
entsprechend
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D. Alternativen der Kapitalaufbringung
Abb. D 34: Schwankungsbreite der Eigenkapitalrentabilität in Abhängigkeit vom Verschuldungsgrad im Zwei-Alternativen-Vergleich (Leverage-Horn)
IV. Kapitalstruktur und Verschuldungspolitik Die Standardabweichung der Eigenkapitalrendite V*rEK hängt also von der Standardabweichung der (leistungswirtschaftlichen) Investitionsrendite V*r und vom Verschuldungsgrad V ab. Akzeptiert man die Standardabweichung als Risikomaß, so wird nach einfacher Umformung deutlich, dass sich das Risiko der Eigenkapitalgeber V*rEK additiv aus dem leistungswirtschaftlichen Risiko Vr und dem Kapitalstrukturrisiko V · Vr zusammensetzt.
Es ist deutlich geworden, dass sich durch die Variation des Verschuldungsgrades nicht nur die Rentabilität des eingesetzten Eigenkapitals, sondern eben auch die Risikoposition des Eigenkapitalgebers entscheidend verändern kann. Dabei berührt eine Veränderung der Verschuldungssituation möglicherweise auch die Position des Fremdkapitalgebers und ruft von dieser Seite Reaktionen hervor. Eine Entscheidung darüber, wie die Kapitalstruktur – aus Sicht der Unternehmung bzw. der Eigenkapitalgeber – zu gestalten ist, lässt sich nur mithilfe weiterer Annahmen und Optimalitätskriterien treffen.
b) Kapitalkosten und Marktwert Der Gegenstand der Betrachtung, die Zahlungen auf das eingesetzte Kapital, ändert sich nicht; es wird jedoch die Perspektive des Kapitalnehmers (statt des Kapitalgebers) gewählt. Mithin ist im Folgenden von Kosten des Kapitals und weniger von der Rendite des Kapitaleinsatzes die Rede. Die Theorie der Kapitalkosten wurzelt in der volkswirtschaftlichen Zinstheorie. So sieht Menger das Kapital als dritten Produktionsfaktor neben Arbeit und Boden an, für dessen Nutzung eine Kompensation zu erfolgen hat. Nach der „Wartetheorie“ (z. B. vertreten von Marshall) findet der Zins seine Rechtfertigung durch den momentanen Verzicht des Gläubigers auf Konsum. Eine andere Erklärung geben die „Agio“-Theorien, deren Hauptvertreter Böhm-Bawerk ist. Dabei wird davon ausgegangen, dass Gegenwartsgüter höher geschätzt werden als Zukunftsgüter gleicher Art und Zahl. Auch von Fisher wird diese „Time Preference“ mit als Rechtfertigungsgrund für die Kapitalkosten angesehen. Zum anderen ist für ihn Kapitalausleihen ein Opfer von Gegenwartseinkommen zugunsten eines größeren Zukunftseinkommens. Ähnlich wird bei Keynes der Zins als Preis für die Bereitschaft, Kasse (Liquidity Preference) aufzugeben, gesehen. Bei der Ermittlung der betriebswirtschaftlichen Kapitalkosten ist in die Kosten des Eigen- und des Fremdkapitals zu trennen. Die Fremdkapitalkosten i sind dabei die unmittelbar aus dem Kreditverhältnis für den Schuldner folgenden Aufwendungen einschließlich Abschlussgebühr und Disagio. Darüber hinaus wird bei manchen kapitaltheoretischen Modellen in den Fremdkapitalkostensatz eine Risikoprämie (Credit Spread) mit einbezogen, die die Gläubiger den von ihnen erwarteten Renditen aufgrund des Kreditrisikos hinzufügen. Diese Wagnisprämien werden auch als implizite Fremdkapitalkosten bezeichnet. Die Berücksichtigung dieser impliziten Fremdkapitalkosten kann zu einer ansteigenden Sollzinskurve führen. Bei der Ermittlung der Eigenkapitalkosten r*EK im Sinne der Renditeerwartungen der Anteilseigner ist zwischen personenbezogener und firmenbezogener Unternehmenskonzeption zu unterscheiden. Die Kosten der Beteiligungsfinanzierung personenbezogener Unternehmen hängen im Wesentlichen von den prospektiven Alternativanlagemöglichkeiten der Anteilseigner ab. Diese erwarten eine Verzinsung ihrer Kapitaleinlage, die mindestens so hoch ausfällt wie die günstigste unterlassene Alter-
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D. Alternativen der Kapitalaufbringung nativanlage (Opportunität). Eventuelle Risikodifferenzen zwischen den zu vergleichenden Anlagemöglichkeiten sind über eine Risikoprämie im Zinssatz auszugleichen. Bei firmenbezogenen Unternehmen sind die Kosten des Eigenkapitals die von den Anteilseignern erhobenen Ausschüttungs- und Wertsteigerungsforderungen. Diese sind wiederum abhängig von den externen Anlagealternativen sowie den individuellen Verschuldungsmöglichkeiten. Die Ausschüttungsforderungen sind auch für die Ermittlung der Kosten der Selbstfinanzierung bestimmend. Die Gesamtkapitalkosten ergeben sich aus der gewichteten Addition der Eigen- und Fremdkapitalkosten. Zur Ermittlung der durchschnittlichen Kapitalkosten rd. ist die Eigenkapital-Fremdkapital-Relation zur Gewichtung heranzuziehen.
Der Marktwert des Eigenkapitals EKM wie des Fremdkapitals FKM ergibt sich aus den periodischen Rückflüssen auf das jeweilige Kapital. Unterstellt man über eine unendliche Lebensdauer gleichbleibende Periodenzahlungen, so gilt:
Definitionsgemäß ist der Wert des Unternehmens die Summe des Marktwertes des Eigen- und Fremdkapitals, somit:
Aus diesem Zusammenhang heraus stellt sich nun die Frage, ob und wie auf die Höhe der Kapitalkosten Einfluss genommen werden kann, um so den Marktwert der Unternehmung zu maximieren. Hier stehen sich verschiedene Ansätze gegenüber, die grundlegend unterschiedliche Aussagen über die Einflussmöglichkeiten machen.
3. Verschuldungsanalyse a) Die These des optimalen Verschuldungsgrades aa) Grundannahmen der These Die häufig als „traditionell“ bezeichneten Konzeptionen der Kapitalzusammensetzung fußen auf Beobachtungen und Annahmen über das Verhalten von Eigen- und Fremdkapitalgebern, sofern es sich in Rendite- und Zinsforderungen gegen das Unternehmen niederschlägt. Sie stellen fest, dass die Unternehmung bei gegebenem Gesamtkapital in der Lage ist, durch Substitution des (teuren) Eigenkapitals durch (billiges) Fremdkapital
IV. Kapitalstruktur und Verschuldungspolitik die durchschnittlichen Gesamtkapitalkosten bzw. den Marktwert des gesamten Unternehmens zu beeinflussen. Durch Berücksichtigung der Risikosensibilität der Kapitalgeber lassen sich die durchschnittlichen Gesamtkapitalkosten minimieren bzw. der Marktwert der Unternehmung maximieren und damit die Kapitalstruktur optimieren. Ihre zentrale These lautet somit: These: Es existiert ein optimaler Verschuldungsgrad.
Die Kosten des Kapitals hängen nach ihrer Argumentation von der Sensibilität der Kapitalgeber für das Verschuldungsrisiko ab. Solange weder Eigenkapital- noch Fremdkapitalgeber einen Anlass sehen, ihre Rendite- resp. Zinsforderungen zu verändern, lassen sich c. p. die durchschnittlichen Gesamtkapitalkosten der Unternehmung durch eine zunehmende Verschuldung senken. Das gilt auch dann noch, wenn sich die nicht substituierten Eigenkapitalanteile verteuern, weil die Eigenkapitalgeber eine Prämie für das wachsende Verschuldungsrisiko fordern. Allerdings wird die Vorteilhaftigkeit des fortgesetzten Austauschens von Eigenkapital durch Fremdkapital abnehmen, weil die Risikoprämie der Eigenkapitalgeber sich permanent erhöht und schließlich auch die Fremdkapitalgeber einen Risikoaufschlag auf den Fremdkapitalzins verlangen. In Abbildung D 35 markiert M den Punkt, ab dem eine weitere Verschuldung zu einem Anstieg der durchschnittlichen Kapitalkosten rd. führt. An dieser Stelle hat die Unternehmung ihren optimalen Verschuldungsgrad V* realisiert, der eine Minimierung der Gesamtkapitalkosten und entsprechend eine Maximierung des Marktwertes der Unternehmung GKM gewährleistet.
Abb. D 35: Darstellung der These vom optimalen Verschuldungsgrad
Zu beachten ist, dass r*EK hier die geforderte Rendite des Eigenkapitals, nicht die ex post realisierte bedeutet. Dagegen entsprechen sich tatsächliche und geforderte Verzinsung
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D. Alternativen der Kapitalaufbringung des Fremdkapitals bei Sicherheit des Fremdkapitals. Aus ihnen resultieren die durchschnittlichen Gesamtkapitalkosten rd.
bb) Das Problem der Konditionenanpassung für die Altgläubiger Wenn das Fremdkapital, wie im Folgenden unterstellt, zunächst sicher ist, können die Zielsetzungen Maximierung des Gesamtkapitalmarktwertes und Maximierung des Eigenkapitalmarktwertes als äquivalent angesehen werden. Der optimale Verschuldungsgrad ist offensichtlich dann erreicht, wenn die durchschnittlichen Gesamtkapitalkosten ein Minimum aufweisen. Die Äquivalenz der Zielsetzungen ist gegeben, wenn im Bereich steigender Fremdkapitalkosten nicht nur die neu hinzutretenden Fremdkapitalgeber höhere Zinsen erhalten, sondern auch die Konditionen der Altgläubiger jeweils dem steigenden Verschuldungsgrad angepasst werden. Unter Annahme vollständiger Konditionenanpassung für alle Gläubiger bei steigendem Verschuldungsgrad wird somit der optimale Verschuldungsgrad durch das Minimum der Gesamtkapitalkosten bestimmt. Das Minimum der Gesamtkapitalkosten und das Maximum des Eigenkapitalkurswertes K sowie das Maximum des Gesamtkapitalmarktwertes GKM werden beim gleichen Verschuldungsgrad erreicht (vgl. Abbildung D 35). Die bisher als korrespondierend betrachteten Zielsetzungen Maximierung des Gesamtkapitalmarktwertes und Maximierung des Eigenkapitalmarktwertes müssen jedoch nicht immer äquivalente Zielsetzungen darstellen, da eine bestimmte Verschuldungsmaßnahme, die eine Steigerung des Marktwertes des Eigenkapitals bewirkt, ein Absinken des Fremdkapitalmarktwertes zur Folge haben kann. Dieser Fall tritt ein, wenn Fremdkapitalgeber ihre Forderungen festgelegt haben und nicht mehr verändern können. Dann erhalten im Bereich steigender Fremdkapitalkosten jeweils nur die neu hinzutretenden Fremdkapitalgeber höhere Zinsen, während für die bisherigen Kreditgeber die Zinsen konstant bleiben, so bewirkt dies ein Absinken des Marktwertes des Fremdkapitals wegen der – aufgrund des größeren Ausfallrisikos – erhöhten Diskontierungsrate. Die Verringerung des Fremdkapitalmarktwertes kann durch die Steigerung des Eigenkapitalmarktwertes überkompensiert, gerade kompensiert oder nicht kompensiert werden, was entsprechend eine Erhöhung, Konstanz oder Absenkung des Gesamtkapitalmarktwertes bewirkt. Maximierung des Eigenkapitalmarktwertes (Kurswert der Unternehmensanteile) und Maximierung des Gesamtkapitalmarktwertes können daher divergierende Zielsetzungen darstellen. Für den optimalen Verschuldungsgrad bedeutet dies, dass das Marktwertmaximum des Eigenkapitals nicht schon beim Minimum der Durchschnittskapitalkosten erreicht sein muss. Tatsächlich liegt das Maximum des Kurswertes K (in %), wenn keine Konditionenanpassung für Altgläubiger vorgenommen wird im Bereich steigender Gesamtkapitalkosten, also bei höherem Verschuldungsgrad als das Kapitalkostenminimum88 (vgl. Abbildung D 36). Dabei ist i* in Abbildung D 36 die tatsächliche Rendite, wohingegen es in Abbildung D 35 die geforderte Rendite war. Eine Substitution von Eigenkapital durch Fremdkapital über das Optimum hinaus ist nicht sinnvoll, weil ab diesem Verschuldungsgrad der marginale Zuwachs der Renditeforderungen der Eigenkapitalgeber größer ist als die marginale Rentabilitätserhöhung. Die traditionelle Argumentation besitzt auch für den Fall fixierten Eigenkapitals Gültigkeit. Statt vorhandenes Eigenkapital durch Fremdkapital zu ersetzen (= konstantes 88
Zur Ableitung vgl. Bitz, Investition und Finanzierung, 1979, S. 128 ff.
IV. Kapitalstruktur und Verschuldungspolitik Gesamtkapital), erfolgt eine Erhöhung des Verschuldungsgrades nun dadurch, dass Fremdkapital ohne Veränderung des Eigenkapitals zugeführt und somit das Gesamtkapitalvolumen ausgedehnt wird. Beim Verschuldungsgrad 1 liegt im Beispiel ein Maximum des Kurswertes K und ein Minimum der durchschnittlichen Kapitalkosten rd. vor, soweit ein diskreter Verlauf unterstellt wird, und Werte zwischen V = 1 und V = 2 keine Berücksichtigung finden. V = 1 ist somit der optimale Verschuldungsgrad. Kurswert und Kapitalkosten folgen dem in Abbildung D 36 für die These des optimalen Verschuldungsgrades skizzierten Verlauf.
Abb. D 36: Darstellung der These vom optimalen Verschuldungsgrad ohne Konditionenanpassung für Altgläubiger bei zusätzlicher Verschuldung
b) Das Modigliani-Miller-Theorem aa) Modellannahmen Modigliani und Miller leiten ihre Modellaussagen in einer partiellen Gleichgewichtsanalyse ab. Es wird unterstellt, dass die zukünftigen Periodenergebnisse des jeweiligen Analyseobjektes Unternehmung zwar ungewiss sind, die Anleger jedoch einen bestimmten durchschnittlichen Periodengewinn der Unternehmung erwarten. Ferner wird unterstellt, dass die Anteile der Unternehmung auf einem Kapitalmarkt mit atomistischer Konkurrenz gehandelt werden. Für die Durchführung des ArbitrageBeweises wird von Modigliani und Miller das Konzept der leistungswirtschaftlichen Risikoklassen eingeführt. Durch die Zuordnung einer Unternehmung zu einer Risikoklasse kann ein Vergleich mit den bekannten Marktwerten anderer Unternehmen hergestellt werden und so leistungswirtschaftliches Risiko (Geschäftsrisiko) und Ver-
585
586
D. Alternativen der Kapitalaufbringung schuldungsrisiko (Kapitalstrukturrisiko) bezüglich ihres Marktwerteinflusses isoliert untersucht werden. Für Unternehmen ohne Fremdkapitalwagnis, die also ausschließlich mit Eigenkapital finanziert sind und die der gleichen Risikoklasse angehören, folgt aus der Annahme des arbitragefreien Marktes ein einheitlicher Preis pro Anteil des erwarteten Gewinns. Der Wert eines Unternehmensanteils Pj ist für alle Unternehmen j, die der gleichen Risikoklasse k angehören, zum erwarteten Gewinn xj proportional:
oder (konstant für alle Unternehmen j der Risikoklasse k) Der Faktor Uk stellt die in einer Risikoklasse erwartete Effektivrendite der Eigenkapitalanlage dar. Er kann auch als Kalkulationszinssatz für die zukünftigen Gewinnströme der Unternehmen, die der entsprechenden Risikoklasse angehören, betrachtet werden. Durch das Konzept der Risikoklassen wird erreicht, dass Differenzen in der Unternehmensbewertung auf unterschiedliche Geschäftsrisiken zurückzuführen sind. Wird nun die Prämisse der Eigenkapitalfinanzierung aufgehoben und eine Verschuldung zugelassen, so ist gewährleistet, dass Bewertungsdifferenzen bei Unternehmen, die der gleichen Risikoklasse angehören, auf das unterschiedliche Fremdkapitalwagnis zurückzuführen sind. Modigliani und Miller leiten ihr Theorem unter der Annahme der Kreditsicherheit und damit einen sicheren, einheitlichen Zinssatz ab. Dies bedeutet, dass eine konstante marginale Sollzinskurve unterstellt wird. Ferner wird angenommen, dass Anteilseigner sich zum gleichen Zinssatz wie Unternehmen in beliebiger Höhe verschulden können.
bb) Modigliani-Miller-Thesen Modigliani und Miller haben im Rahmen ihrer kapitaltheoretischen Modellanalyse drei Thesen aufgestellt. These I: Der Marktwert eines Unternehmens ist unabhängig von seiner Kapitalstruktur
und ergibt sich durch Kapitalisierung der erwarteten Gewinne (vor Abzug der Fremdkapitalzinsen) mit der Marktrate Uk der Risikoklasse k, der das Unternehmen angehört. Diese Aussage lässt sich unter Verwendung folgender Symbole GKM EKM FK x Uk j
= Gesamtkapital zu Marktpreisen = Marktwert der Unternehmung; = Marktwert des Eigenkapitals; = Marktwert des ausfallrisikolosen Fremdkapitals; = Gewinn vor Abzug der Zinsen; = Marktrate der Risikoklasse k = Index des Unternehmens j
wie folgt formulieren:
IV. Kapitalstruktur und Verschuldungspolitik Zahlenbeispiel für die Optimierung der Kapitalstruktur über die Ausdehnung des Gesamtkapitalvolumens Ein Unternehmen erwirtschaftet einen konstanten Bruttogewinn in Höhe von 4000 GE. Der Verschuldungsgrad zu Marktwerten soll variieren und Werte zwischen 0 und 6 annehmen. Die dazugehörigen Renditeforderungen der Eigen- und Fremdkapitalgeber sind in der Tabelle aufgeführt. Bruttogewinn
4.000
4.000
0
0,5
1
2
4
6
0,1
0,1
0,1
0,14
0,2
0,3
V zu Marktwerten r*EK (gefordert) i (gefordert)
4.000
4.000
4.000
4.000
0,05
0,05
0,05
0,05
0,08
0,1
0,100
0,083
0,075
0,080
0,104
0,129
GK zu Marktwerten
40.000
48.000
53.333
50.000
38.462
31.111
EK zu Marktwerten
40.000
32.000
26.667
16.667
7.692
4.444
FK zu Marktwerten
0
16.000
26.667
33.333
30.769
26.667
rd
1 V * rEK i 1 V 1 V
Zunächst erfolgt die Ermittlung der Gesamtkapitalkosten rd in Abhängigkeit vom Verschuldungsgrad V:
rd
1 V * rEK i 1 V 1 V
Das Gesamtkapital zu Marktwerten ergibt sich durch die Division des Bruttogewinns mit den errechneten Gesamtkapitalkosten rd:
GK zu Marktwerten
Bruttogewinn rd
Das Eigen- und Fremdkapital zu Marktwerten kann dann anhand des Verschuldungsgrades V bestimmt werden. FK zu Marktwerten
V GKM 1 V
EK zu Marktwerten
GKM 1 V
Der Verlauf der Gesamtkapitalkosten rd zeigt nun, dass diese von 10 % bei einer vollständigen Eigenfinanzierung zunächst mit ansteigender Verschuldung fallen, bei starker Erhöhung der Verschuldung jedoch wieder ansteigen. Somit existiert ein optimaler Verschuldungsgrad im Beispiel bei einem V von 1. Abb. D 37: Zahlenbeispiel für die Optimierung der Kapitalstruktur über die Ausdehnung des Gesamtkapitalvolumens
587
588
D. Alternativen der Kapitalaufbringung Die These I wurde von Modigliani/Miller auch wie folgt formuliert: These I b: Die durchschnittlichen Kapitalkosten eines Unternehmens sind unabhängig
von der Kapitalstruktur des Unternehmens und gleich der Kapitalisierungsrate (Kalkulationszinsfuß) für die Abzinsung des Einkommensstroms einer ausschließlich mit Eigenkapital finanzierten Unternehmung der gleichen Risikoklasse.
Aus dieser Aussage kann unmittelbar der Verlauf der Eigenkapitalkostenkurve bei Veränderungen des Verschuldungsgrades einer Unternehmung wiedergegeben werden. Modigliani/Miller haben dies in einer weiteren These formuliert: These II: Die Eigenkapitalkosten eines Unternehmens sind eine linear ansteigende
Funktion des Verschuldungsgrades. Für die Eigenkapitalkosten r*EK ergibt sich damit folgende Funktion:
Diese Formulierung deckt sich formal mit der Gleichung zur Formulierung des Leverage-Effekts, sie wird jedoch umfassender interpretiert. Aus der These wird abgeleitet, dass die Eigenkapitalrendite-Forderungen gleich dem Kalkulationszinsfuß ausschließlich eigenfinanzierter Unternehmen der gleichen Risikoklasse sind, zuzüglich eines Aufschlags für das Leverage-Risiko. Der Risikozuschlag bestimmt sich aus dem Produkt von Verschuldungsgrad (V = FK/EK) und der Differenz zwischen Gesamtkapitalrentabilität und Fremdkapitalzinssatz. Da nach der These I der durchschnittliche Kapitalkostensatz rd. unabhängig vom Verschuldungsgrad ist, wird der Verlauf der Eigenkapitalkostenfunktion durch die Entwicklung des Fremdkapitalzinssatzes i in Abhängigkeit von der Verschuldung bestimmt. Modigliani/Miller unterstellen einen vom Verschuldungsgrad unabhängigen Fremdkapitalkostensatz, der nur gelten kann, wenn die Kredite keinem Ausfallrisiko unterliegen. Schließt man somit eine Gefährdung der Gläubiger per Annahme aus, so ergibt sich ein proportionaler Anstieg der Eigenkapitalkosten r*EK mit zunehmendem Verschuldungsgrad (vgl. Abbildung D 39). Nun ist es aber nicht realistisch anzunehmen, dass das Fremdkapitalrisiko bei allen Verschuldungsgraden vernachlässigbar klein ist. Vielmehr müssen die Gläubiger ab einem zu bestimmenden Punkt für einige zukünftige Zustände mit nicht vollständiger Befriedigung rechnen. Für diese Situation sind zwei Verhaltenshypothesen der Kreditgeber denkbar. Zum einen können die Gläubiger das Risiko erkennen und einen Zuschlag auf den Kostensatz für sicheres Fremdkapital verlangen. Dieser Risikozuschlag müsste mit zunehmendem Verschuldungsgrad steigen. Soll auch in dieser Situation die Modigliani-Miller-These I Gültigkeit besitzen, so dürfen die Renditeforderungen der Anteilseigner nicht mehr linear wachsen. Die Eigenkapitalkostenfunktion r*EK steigt ab jenem Verschuldungsgrad V1, ab dem die Fremdkapitalkosten i steigen, nur noch mit abnehmenden Zuwächsen. Ab V2 nähern sich die Fremdkapitalkosten i asymptotisch an rd an (vgl. Abbildung D 40).89
89
Vgl. Merton, On the Pricing of Contingent Claims and the Modigliani-Miller Theorem, 1977.
IV. Kapitalstruktur und Verschuldungspolitik Zahlenbeispiel für die Kapitalkosten in Anhängigkeit der Kapitalstruktur in der MMWelt Ein Unternehmen plant mit einem erwarteten Bruttogewinn in Höhe von 4.000 Einheiten. Der Verschuldungsgrad zu Marktwerten soll variieren und Werte zwischen 0 und 6 einnehmen. Die Renditeforderung der Fremdkapitalgeber beträgt stets 0,05, die der Eigenkapitalgeber ist nach These II eine lineare Funktion des Verschuldungsgrades. Bruttogewinn
4.000
V zu Marktwerten r*EK (gefordert) i (gefordert)
rd
1 V * rEK i 1 V 1 V
4.000
4.000
4.000
4.000
4.000
0
0,5
1
2
4
6
0,1
0,125
0,15
0,2
0,3
0,4
0,05
0,05
0,05
0,05
0,05
0,05
0,100
0,100
0,100
0,100
0,100
0,100
GK zu Marktwerten
40.000
40.000
40.000
40.000
40.000
40.000
EK zu Marktwerten
40.000
26.667
20.000
13.333
8.000
5.714
FK zu Marktwerten
0
13.333
20.000
26.667
32.000
34.286
Das Gesamtkapital zu Marktwerten ergibt sich durch die Division des Bruttogewinns mit den errechneten Gesamtkapitalkosten rd: GK zu Marktwerten
Bruttogewinn rd
Das Eigen- und Fremdkapital zu Marktwerten kann dann anhand des Verschuldungsgrades V bestimmt werden. FK zu Marktwerten
V GKM 1 V
EK zu Marktwerten
GKM 1 V
Sowohl der Marktwert des Gesamtkapitals als auch die durchschnittlichen Kapitalkosten sind unabhängig vom Verschuldungsgrad. Abb. D 38: Zahlenbeispiel für die Kapitalkosten in Anhängigkeit der Kapitalstruktur in der MM-Welt
Die III. These von Modigliani und Miller beantwortet die Frage nach dem „richtigen“ Kalkulationszinsfuß bei Unsicherheit. These III: Der Kalkulationszinsfuß, der dem internen Zinsfuß von Investitionsprojekten
als Vergleichsmaßstab gegenüberzustellen ist, ergibt sich ausschließlich aus dem Geschäftsrisiko und entspricht der Marktrate Uk der Risikoklasse k, dem das Unternehmen angehört. Aus dieser These folgt, dass über Investition und Finanzierung getrennt entschieden werden kann.
589
590
D. Alternativen der Kapitalaufbringung
Abb. D 39: Verlauf der Eigenkapitalkosten beim Modigliani-Miller-Theorem unter Annahme von Kreditsicherheit
Abb. D 40: Verlauf der Eigenkapitalkosten beim Modigliani-Miller-Theorem unter Annahme von Kreditrisiko
IV. Kapitalstruktur und Verschuldungspolitik
cc) Thesen-Beweise Ihre erste These beweisen Modigliani und Miller mithilfe eines Arbitrageprozesses. Ausgangspunkt der Überlegungen ist dabei, dass für zwei gleiche Güter auf einem vollkommenen Kapitalmarkt stets gleiche Preise existieren. Tritt ein Preisungleichgewicht auf, so führen Arbitrageprozesse wiederum das Preisgleichgewicht herbei. Im Beweis soll von zwei Unternehmen U1 und U2 ausgegangen werden, die beide der gleichen Risikoklasse k angehören. U1 erwirtschaftet den Bruttogewinnstrom (Periodenüberschuss vor Abzug der Fremdkapitalzinsen). Beide Unternehmen sind zum Teil mit Eigen- und Fremdkapital finanziert, wobei unterschiedliche Verschuldungsgrade vorliegen. Für das Fremdkapital sind Zinsen in Höhe von i zu bezahlen. Der Nettoerfolgsstrom ergibt sich somit für die Unternehmen als
Ein Anteilseigner, der über einen Anteil a am Marktwert des Unternehmens U1 verfügt, erzielt damit ein Einkommen von
Bei unterschiedlichen Gesamtkapitalrenditen (= Bruttogewinn/Gesamtkapital) kann mit einem Arbitragegeschäft das Einkommen erhöht werden, indem die weniger rentable Unternehmung verkauft und in die rentablere Unternehmung investiert wird. Im Folgenden sei U1 weniger rentabel und wird daher verkauft und in die rentablere U2 investiert. Es soll nun die Situation untersucht werden, wenn ein Anteilseigner seine Anteile an der unrentablen Unternehmen U1 verkauft und sich stattdessen an der rentableren Unternehmung U2 beteiligt. Bei diesem Arbitragegeschäft darf sich die Risikoposition des Investors nicht ändern. Er muss die gleiche Menge an leistungswirtschaftlichem Risiko erwerben wie er verkaufen will:
Durch den Verkauf seiner Anteile an U1 erhält er Kapital in Höhe von a1 · EK1. Die Investition von a2 · EK2 verursacht einen Mittelabfluss. Da die Unternehmen unterschiedliche Verschuldungsgrade aufweisen, muss auch die Verschuldung angepasst werden. Dies geschieht durch private Geldanlage oder Kreditaufnahme (FKp). Der Investor von U1 ist implizit auch mit seinem Anteil a1 am Fremdkapital von U1 und durch das Arbitragegeschäft anschließend auch mit a2 am Fremdkapital von U2 beteiligt. Der Ausgleich erfolgt durch FKp.
591
592
D. Alternativen der Kapitalaufbringung Ein positives Vorzeichen zeigt an, das FKp eine Kreditaufnahme darstellt (sofortiger Mittelzufluss), ein negatives Vorzeichen steht für eine Geldanlage. Sein gesamter Nettozahlungsstrom beläuft sich somit auf
Da ihm durch die private Kreditaufnahme oder Geldanlage Zinszahlungen in Höhe von i*FKp entstehen, ergibt sich sein Nettoerfolgsstrom zu: vorher:
nachher:
Die beiden Nettoerfolgsströme sind vorher und nachher gleich. Dieses Geschäft ist demzufolge ein Arbitragegeschäft, wenn folgende Ungleichung erfüllt ist:
Damit entsteht in t0 ein Zahlungsüberschuss ohne Einsatz von liquiden Mitteln und ohne Risiko, da die zukünftigen Nettoerfolgsströme (vorher und nachher) ausgeglichen sind. Durch die steigende Nachfrage nach den relativ unterbewerteten Titeln und den Nachfragerückgang bei den relativ teuren Papieren kommt es zu Preisanpassungen.90 Der Arbitragebeweis zeigt also auf, dass längerfristige Unterschiede im Marktwert zwischen unterschiedlich hoch verschuldeten Unternehmen der gleichen Risikoklasse nicht auftreten können, da diese dann Arbitrageprozesse auslösen würden, die das Gleichgewicht wieder herstellen. Dies zeigt, dass der Verschuldungsgrad keinen Einfluss auf den Marktwert (= Wert des Eigen- und Fremdkapitals) besitzt. Die Höhe des Unternehmenswertes hängt ausschließlich vom Bruttoerfolgsstrom und dem Kapitalisierungsfaktor Uk der entsprechenden Risikoklasse ab. Der Preis P des Unternehmens ergibt sich daher wie folgt:
Der Arbitragebeweis setzt voraus, dass die potenziellen Anleger einen positiven Grenznutzen des Geldes haben. Darüber hinaus wird vorausgesetzt, dass sie bereit sind, sich zu verschulden, und dass diese private Verschuldung das gleiche Risiko beinhaltet wie die Verschuldung der Unternehmung. Die Kreditkosten werden für einen privaten Schuldner in gleicher Höhe in Ansatz gebracht wie für eine Unternehmung. 90
Bezüglich alternativer Beweisführungen zum Modigliani-Miller-Theorem vgl. Swoboda, Betriebliche Finanzierung, 1994, S. 92 ff.
IV. Kapitalstruktur und Verschuldungspolitik Der Marktwert des Eigenkapitals ergibt sich als Differenz aus Gesamtwert der Unternehmung und Fremdkapital:
Diese Bewertung entspricht der Net-Operating-Income-Methode (NOI). Andererseits schlagen Modigliani/Miller zur Bewertung des Eigenkapitalmarktwertes das Net-Income-Verfahren (NI) vor.
r*EK stellt dabei die Renditeerwartungen der Eigenkapitalgeber dar. Beide Wertermittlungen müssen zum selben Ergebnis führen, was jedoch nur unter bestimmten Bedingungen der Fall ist.91 Ein Beispiel für einen Arbitrageprozess nach Modigliani/Miller kann der Abbildung D 41 entnommen werden. Arbitrage und Umschichtung nach Modigliani/Miller zwischen verschuldeten Unternehmen Zwei vergleichbare Unternehmen können folgendermaßen charakterisiert werden: X AG
Y AG
Erwarteter Bruttogewinn (Gewinn vor Zinsen)
2.000 GE
4.000 GE
Eigenkapital (Marktwert)
16.000 GE
30.000 GE
Fremdkapital (Marktwert)
8.000 GE
10.000 GE
Der risikolose Zinssatz für eine Kreditaufnahme oder Geldanlage sei 5 %. Das Fremdkapital sei ebenfalls risikolos. Darüber hinaus wird angenommen, dass die Beteiligung an der X AG genau zwei Prozent beträgt. Die folgende Untersuchung klärt, ob beide Unternehmen arbitragefrei bewertet sind. Allerdings differiert der Verschuldungsgrad. Die Bedingung für eine arbitragefreie Bewertung beider Unternehmen ist offenbar verletzt, da die Gesamtkapitalrenditen unterschiedlich ausfallen. X AG rGK
2.000 24.000
8,33%
Y AG rGK
4.000 40.000
10%
Eine mögliche Arbitragestrategie besteht demnach in dem Verkauf der Beteiligung an der X AG und die Investition in die Y AG. Um dabei dem Arbitragegedanken zu folgen, darf sich die Risikoposition der Beteiligung nicht verändern. Zunächst erfolgt der Ausgleich des leistungswirtschaftlichen Risikos und anschließend der Verschuldung.
91
Vgl. Schemmann, Unternehmensfinanzierung, 1970, S. 53 ff.
593
594
D. Alternativen der Kapitalaufbringung Ausgleich des leistungswirtschaftlichen Risikos: Kaufe das gleiche leistungswirtschaftliche Risiko, d. h. einen gleichen Anteil am Bruttogewinn: Anteil am EK X · BruttogewinnX = a · BruttogewinnY 2 % · 2.000 = a · 4.000 a = 1 % Demzufolge erzielt der Verkauf der Beteiligung an der X AG eine Einnahme von 2 % am Eigenkapital der X AG, also 320 GE. Der Kauf von 1 % am Eigenkapital der Y AG, verursacht eine Ausgabe von 300 GE. Die Herstellung der gleichen Verschuldung geschieht im nächsten Schritt. Ausgleich der Verschuldung: Mit der 2 %igen Beteiligung am Eigenkapital der X AG ist der Investor implizit auch mit 2 % am Fremdkapital der X AG beteiligt, mit der 1 %igen Beteiligung an der Y AG auch mit einem 1 % am Fremdkapital der Y AG. Der Ausgleich der unterschiedlichen Verschuldung der beiden Unternehmen resultiert durch private Kreditaufnahme oder Geldanlage (FKp). 0,02 · 8.000 = 160 (entspricht dem impliziten Kredit an der X AG) 160 = 0,01 · 10.000 + FKp FKp = 60 Das positive Vorzeichen zeigt an, das eine Kreditaufnahme vorliegt (sofortiger Mittelzufluss). Dies erscheint auch sinnvoll, da die Investition von der X AG mit Verschuldungsgrad 0,5 in die weniger stark verschuldete Y AG (mit V = 0,33) erfolgt. Insgesamt fallen folgende Transaktionen an: Verkaufe den 2 % Anteil an der X AG: 0,02 · 16.000 = 320 Kaufe 1 % an der Y AG: 0,01 · 30.000 = 300 Private Kreditaufnahme in Höhe von 60 Somit sind das leistungswirtschaftliche Risiko sowie die Verschuldung ausgeglichen, das Arbitragegeschäft liefert einen einmaligen Arbitragegewinn in Höhe von 80 GE: 320 GE– 300 GE + 60 GE = 80 GE Das Arbitragegeschäft verändert die zukünftigen Gewinnströme nicht, wie die folgende Berechnung zeigt: Gewinn vorher: 0,02 · (2.000 – 0,05 · 8.000) = 32 Gewinn nachher: 0,01 · (4.000 – 0,05 · 10.000) – 0,05 · 60 = 32 Umschichtung: Auch die Umschichtung basiert auf dem Arbitragegedanken, jedoch wird der Arbitragegewinn auf die zukünftigen Perioden verteilt. Zunächst erfolgt der Ausgleich des leistungswirtschaftlichen Risikos, indem der gleiche Anteil am Bruttogewinn gekauft wird. Anteil am EK X · BruttogewinnX = a · BruttogewinnY 2 % · 2.000 = a · 4.000 a = 1 %
IV. Kapitalstruktur und Verschuldungspolitik Der Verkaufserlös an der 2 %igen Beteiligung an der X AG beträgt 320, der Kauf von 1 % an der Y AG kostet 300. Der restliche Betrag in Höhe von 20 kann wiederum risikolos angelegt werden und erwirtschaftet dauerhaft den risikolosen Zins. Somit ergeben sich folgende zukünftige Gewinnströme: Gewinn vorher: 0,02 · (2.000 – 0,05 · 8.000) = 32 Gewinn nachher: 0,01 · (4.000 – 0,05 · 10.000) + 0,05 · 20 = 36 Bei der Umschichtung fällt dauerhaft ein zusätzlicher Gewinn in Höhe von 4 an. Dieser risikolose Gewinn kann als ewige Rente aufgefasst werden und entspricht nach der Diskontierung mit dem Zinssatz von 5 % dem Arbitragegewinn:
Arbitragegewinn
Umschichtungsgewinn Zinssatz
80
Abb. D 41: Arbitrage und Umschichtung nach Modigliani/Miller zwischen verschuldeten Unternehmen
Für die Eigenkapitalkosten r*EK lässt sich der lineare Zusammenhang zum Verschuldungsgrad über den Periodenüberschuss herleiten. Danach ist der Periodenüberschuss vor Fremdkapitalzinsen: x (x i FK) i FK. Löst man diese Gleichung nach Periodenüberschuss nach Fremdkapitalzinsen auf und teilt die Gleichung durch den Marktwert des Eigenkapitals ergibt dies * rEK
x i FK EK M
x i FK , EK M EK M
wobei die linke Seite der Gleichung durch die Eigenkapitalkosten r*EK ersetzt werden kann. Benutzt man die Beziehungen x Uk GK M für konstantes Uk und GK M
EK M FK,
ergibt dies * rEK
Uk (EK M FK) i FK EK M EK M
und nach einer Umformung * rEK
Uk (Uk i)
FK EK M
was der These II nach Modigliani Miller entspricht.
dd) Modellmodifikationen Das Grundmodell von Modigliani/Miller geht davon aus, dass keine Körperschaftsteuer erhoben wird. In einer Modifikation haben Modigliani und Miller die Absetzbarkeit von Zinszahlungen von der körperschaftsteuerlichen Bemessungsgrundlage berücksichtigt
595
596
D. Alternativen der Kapitalaufbringung und die Folgerung gezogen, dass durch den Einsatz von Fremdkapital die Kapitalkosten einer Unternehmung gesenkt werden.92 Bei einem gewinnproportionalen Körperschaftsteuersatz (KSt) erzielt ein Anteilseigner 1, der über einen Anteil a am Marktwert eines ausschließlich mit Eigenkapital finanzierten Unternehmens verfügt, hieraus ein Einkommen von: a x (1 KSt)
y1
Das erwartete Einkommen eines Anlegers 2, der eine Beteiligungsquote a an einem mit FK verschuldeten Unternehmen hält, beträgt:
a (x i FK 2 ) (1 KSt)
y2
Diesen Nettoerfolgsstrom kann Anteilseigner 1 auch dann nicht erreichen, wenn er einen Teil seines Aktienkaufs in Höhe a · FK fremdfinanziert, d. h. die Unternehmensverschuldung des zweiten Unternehmens privat herzustellen versucht. Sein Nettoerfolgsstrom aus dem Unternehmen und der privaten Verschuldung würde sich belaufen auf:
y 1,FK
a x (1 KSt) a i FK 2 a (x i FK 2 )(1 KSt) a KSt i FK 2
Wie man sieht, ist der Nettoerfolgsstrom aus dem verschuldeten Unternehmen um a · i · KSt · FK2 größer als aus dem Portefeuille aus unverschuldetem Unternehmen und privater Verschuldung. Für den Marktwert des unverschuldeten Unternehmens erhält man
Der Marktwert eines verschuldeten Unternehmens beträgt
Letzteres stellt einen Aufschlag auf den Wert des unverschuldeten Unternehmens dar, sodass Verschuldung unternehmenswertsteigernd wirkt. Die Konsequenz daraus wäre, dass die „optimale“ Verschuldung nach der MM-These bei der Berücksichtigung der Absetzbarkeit von Steuern bei einer 100 %igen (bzw. 99,9 %igen) Fremdfinanzierung liegen würde. Da derartige Verschuldungsgrade in der Praxis kaum vorkommen, wären fast alle Unternehmen derzeit nicht „optimal“ finanziert.
92
Vgl. Modigliani, Miller, Corporate Income Taxes, 1963.
IV. Kapitalstruktur und Verschuldungspolitik Zahlenbeispiel für die Kapitalkosten in Anhängigkeit der Kapitalstruktur in der MMWelt mit Unternehmenssteuern Ein Unternehmen plant mit einem erwarteten Bruttogewinn in Höhe von 4.000 Einheiten. Die dazugehörige Renditeforderung der Eigenkapitalgeber eines unverschuldeten Unternehmens beträgt annahmegemäß 0,075 für den Nettogewinn nach Steuern. Bei einem Körperschaftssteuersatz von 25 % beträgt dieser 4.000 · (1 – 0,25) = 3000, sodass sich der Wert des unverschuldeten Unternehmens zu GK
3000 0,075
40.000
errechnen lässt. Sodann wird Fremdkapital sukzessive erhöht, sodass der Verschuldungsgrad zu Marktwerten zwischen 0 und 6 variiert. Bruttogewinn
4.000
i (gefordert)
4.000
4.000
4.000
4.000
4.000
0,05
0,05
0,05
0,05
0,05
0,05
FK zu Marktwerten
0
14.545
22.857
32.000
40.000
43.636
GK zu Marktwerten
40.000
43.636
45.714
48.000
50.000
50.909
V zu Marktwerten
0,00
0,50
1,00
2,00
4,00
6,00
EK zu Marktwerten
40.000
29.091
22.857
16.000
10.000
7.273
Nettogewinn
3.000
2.455
2.143
1.800
1.500
1.364
0,075
0,084
0,094
0,112
0,150
0,188
0,075
0,069
0,066
0,063
0,060
0,059
r*EK (gefordert)
1 * V rEK R f 1 s 1 V 1 V
rd
Daraus ergibt sich der Gesamtkapitalwert gemäß GK = 40.000 + 0,25 · FK in Abhängigkeit des Fremdkapitals. Aus
FK GK FK
V
lässt sich der Verschuldungsgrad, aus EK = GK – FK der Marktwert des Eigenkapitals und aus (4.000 – 0,05 · FK) · (1 – 0,25) der Nettogewinn bestimmen. Dividiert man letzteres durch den Marktwert des Eigenkapitals erhält man die geforderte Eigenkapitalrendite. Die durchschnittlichen Gesamtkapitalkosten aus Eigen- und Fremdkapitalkosten fallen durch die Abzugsfähigkeit der Zinsen bei den Unternehmensteuern mit wachsendem Verschuldungsgrad. Abb. D 42: Zahlenbeispiel für die Kapitalkosten in Anhängigkeit der Kapitalstruktur in der MM-Welt mit Unternehmenssteuern
Für die Eigenkapitalkosten des mit FKL verschuldeten Unternehmens ergibt sich der Wert aus dem Periodenüberschuss nach Fremdkapitalzinsen zu Eigenkapital EK LM als * rEK L
(x i FK L )(1 KSt) EK LM
x (1 KSt) i FK L (1 KSt) . EK LM
Mit dem Marktwert GK M U des unverschuldeten Unternehmens x (1 KSt) Uk GK UM
597
598
D. Alternativen der Kapitalaufbringung und dem Zusammenhang zwischen unverschuldetem und verschuldetem Unternehmen GK LM GK M U
GK LM KSt FK L
ergeben sich die Eigenkapitalkosten als * rEK L
Uk (GK LM KSt FK L ) FK L . i (1 KSt) M EK L EK LM
Mit GK LM
EK LM FK L
erhält man * rEK L
Uk (EK LM FK L KSt FK L ) FK L i (1 KSt) EK LM EK LM
und nach einigen Umformungen: * rEK L
Uk Uk
FK L (1 KSt) FK L i (1 KSt) M EK L EK LM
Uk (Uk i) (1 KSt)
FK L . EK LM
Ein Vergleich zum Fall ohne Steuern zeigt, dass die Eigenkapitalkosten mit wachsender Verschuldung im Fall mit Steuern weniger stark ansteigen als im Fall ohne Steuern. Dies ist eine direkte der Steigerung des Marktwerts des Unternehmens durch Fremdkapitalaufnahme. Robichek/Myers und Hirshleifer wiesen darauf hin, dass der Modigliani-Miller-These auch in ihrer zweiten Fassung ein wesentliches Element fehlt, nämlich die Berücksichtigung der Insolvenzkosten (vgl. Abbildung D 43).93 Von diesen ist allerdings klar der Fall des reinen Insolvenzrisikos abzugrenzen. Die Modigliani-Miller-These kann auch im Falle des Vorhandenseins von Insolvenzrisiken ihre Gültigkeit besitzen. Dies zeigen etwa die Berechnungen des Abschnitts D IV 4 c und d, in denen ausfallrisikogefährdetes Fremdkapital zugelassen wird. Entscheidend ist dabei die Tatsache, dass die Fremdkapitalgeber dieses Risiko in einen adäquaten Zinsaufschlag miteinbeziehen und keine Insolvenzkosten vorliegen. Unter (Insolvenzkosten) versteht man die Kosten, die zusätzlich entstehen, wenn die Insolvenz eintritt. Es wird in direkte und indirekte Insolvenzkosten unterschieden. Unter direkten Kosten versteht man die Kosten des Insolvenzverfahrens, also zum Beispiel Notariatsgebühren sowie Rechtsanwalts- und Gerichtskosten. Indirekte Kosten entstehen dadurch, dass die Geschäftsmöglichkeiten durch eine drohende Insolvenz sowohl rechtlich als auch wirtschaftlich stark eingeschränkt werden. Das Vertrauensverhältnis zu den Kunden wird nachhaltig beschädigt, weshalb auf lange Frist angelegte Vertragsbeziehungen kaum noch initiiert werden können. Unter Insolvenzkosten ist nicht das Insolvenzrisiko zu verstehen. Die Thesen von MM haben bei reinem Insolvenzrisiko ohne Insolvenzkosten weiterhin Gültigkeit.
93
Vgl. Robichek, Myers, Optimal Financing Decisions, 1965, S. 20 ff.; Hirshleifer, Investment, Interest and Capital, 1970, S. 264.
Marktwert des Unternehmens
IV. Kapitalstruktur und Verschuldungspolitik
Insolvenzkosten
Steuervorteil des Fremdkapitals Firmenwert bei ausschließlicher Eigenfinanzierung
Optimum
Verschuldungsgrad
Abb. D 43: Berücksichtigung von Insolvenzkosten bei der Gestaltung der Kapitalstruktur 94
Der Einfluss der Insolvenzkosten auf die optimale Kapitalstruktur wird auch von Miller nicht bestritten, nur wird er als so unbedeutend eingestuft, dass er den Steuervorteil der Verschuldung nicht annähernd aufwiegen könnte.95 Dass trotzdem nicht eine annähernd 100 %ige Verschuldung der Unternehmen in der Realität überwiegt, wird von ihm darauf zurückgeführt, dass der Steuervorteil der Verschuldung wesentlich geringer einzustufen sei als gemeinhin angenommen. Die von Miller ins Auge gefasste geringe Höhe der Insolvenzkosten, wie sie sich in der Untersuchung von Warner ergab, scheint zumindest für derzeitige deutsche Verhältnisse zu niedrig zu liegen.96
c) Vergleichende Würdigung der Modellansätze Modigliani und Miller unterstellen in ihrer Theorie einen Kapitalmarkt, auf dem „Idealmarktbedingungen“ herrschen.97 Es wird angenommen, dass auf diesem Kapitalmarkt sowohl Fremdkapital als auch Eigenkapital ohne Transaktionskosten gehandelt werden können. Ferner wird für den Arbitragebeweis unterstellt, dass eine Vielzahl von unabhängigen Anbietern und Nachfragern vorhanden ist, die über vollkommene Information verfügen. In der Praxis ist jedoch von einem Informationsungleichgewicht zwischen den Kapitalmarktinteressenten auszugehen. Berücksichtigt man Transaktionskosten auf dem Kapitalmarkt, so werden die Arbitrageprozesse nicht zu einem vollständigen Gleichgewicht führen. Die Annahmen, die in den traditionellen Konzepten zum optimalen Verschuldungsgrad getroffen werden, sind ausgesprochen intuitiv gewählt. Sie sind leichter nachvollziehbar. Damit zeichnet sich die traditionelle These zum optimalen Verschuldungsgrad durch einen starken Realitätsbezug aus; in dieser Hinsicht ist im Grundmodell von 94 95 96
97
Vgl. Myers/Shyam-Sunder, Pecking Order, 1994. Vgl. Miller, Debt and Taxes, 1977, S. 262 ff. Vgl. Warner, Bankruptcy Costs, 1977. Im Gegensatz dazu vgl. Stanley, Girth, Bankruptcy, 1971; Baxter, Verschuldung, 1975, S. 167 ff.; Steiner, Insolvenzforschung, 1978, S. 229 ff.; ders., Ertragskraftorientierter Unternehmenskredit, 1980; Altman, Bankruptcy Costs, 1984, S. 1067 ff. Moxter, Optimaler Verschuldungsumfang, 1970, S. 148.
599
600
D. Alternativen der Kapitalaufbringung Modigliani und Miller insbesondere die Vernachlässigung der Steuern und Insolvenzkosten zu bemängeln. Die Bestimmung der Kapitalkostenfunktionen setzt in der These zum optimalen Verschuldungsgrad eine exakte Erfassung der Risikosensibilität von Eigen- und Fremdkapitalgebern voraus. Das damit verbundene Erhebungsproblem ist offensichtlich. Demgegenüber erweist sich die Bestimmung der durchschnittlichen Kapitalkosten rd in Abhängigkeit vom Verschuldungsgrad bei Modigliani und Miller als überflüssig: Sie sind innerhalb einer leistungswirtschaftlichen Risikoklasse konstant; die Kosten des Eigenkapitals verlaufen – der These 2 entsprechend – gemäß der Leverage-Formel. In der These vom optimalen Verschuldungsgrad werden sowohl der Rentabilitätsaspekt als auch der Risikoaspekt des Leverage-Effektes berücksichtigt. Allerdings wird in den traditionellen Ansätzen dabei häufig nicht explizit das Geschäftsrisiko vom Kapitalstrukturrisiko getrennt. Allenfalls implizit wird das leistungswirtschaftliche Risiko über die Konstanz der internen Rendite ausgeklammert. Bei zunehmender Erhöhung des Kapitalfonds und damit des Investitionsvolumens kann es jedoch zu sinkenden Grenzrenditen kommen. Im Vergleich dazu gehen Modigliani und Miller von der Existenz von Risikoklassen aus, denen alle Unternehmen zugeteilt werden können. Unter dieser Voraussetzung wird erreicht, dass sich das zu untersuchende Kapitalstrukturrisiko vom leistungswirtschaftlichen Risiko der Unternehmung isolieren lässt. Problematisch wird die Zuordnung der Unternehmung zu Risikoklassen sein. Schon die Bestimmung vergleichbarer Periodengewinne verschiedener Unternehmungen bereitet aufgrund der finanziellen Bewertungsspielräume Probleme. Anlass zur Kritik am Modell von Modigliani und Miller gibt auch die unterlegte Annahme, dass alle Anleger zwar unterschiedliche Risikopräferenzen, jedoch homogene Erwartungen in Bezug auf die Risikoklasse einer speziellen Unternehmung haben. Die Homogenitätsprämisse ist allerdings bei allen neueren betriebswirtschaftlichen Kapitaltheorien unterstellt, somit auch in der These zum optimalen Verschuldungsgrad. Modigliani und Miller gehen in ihrem Modell davon aus, dass weder wirtschaftliche noch juristische Unterschiede zwischen der Verschuldung eines Unternehmens und der privaten Fremdkapitalaufnahme bestehen. Normalerweise bestehen Transaktionskostenunterschiede, deswegen werden die Zinssätze für eine private Kreditaufnahme vielfach etwas höher liegen als für eine Unternehmensverschuldung. Empirische Überprüfungen des Modigliani/Miller-Theorems haben weder zu einer statistischen Absicherung der Hypothese noch zu ihrer Verwerfung geführt. Dies liegt weit gehend daran, dass empirisch das Kapitalstrukturrisiko nur schwer vom leistungswirtschaftlichen Risiko zu isolieren ist und damit eine beschränkte Messbarkeit des Kapitalstrukturrisikos vorliegt. Ausgehend vom Arbitrage-Theorem von Modigliani und Miller kommt Ben-Shahar unter Einbeziehung der Indifferenzkurven-Analyse zu einem Verlauf der Durchschnittskapitalkosten, der den „traditionellen“ Annahmen entspricht. Es gibt jedoch nicht eine optimale Kapitalstruktur, sondern einen ganzen Bereich effizienter Kapitalstrukturen, indem die Kapitalkostenkurve parallel zur Abszisse verläuft (vgl. Abbildung D 44).98
98
Vgl. Ben-Shahar, Capital Structure, 1968.
IV. Kapitalstruktur und Verschuldungspolitik
Abb. D 44: Kapitalkostenkurve mit Bereich effizienter Kapitalstrukturen
In der sogenannten Trade-off-Theorie versuchen Kraus und Litzenberger in einem Ein-Perioden-Modell, unter Zuhilfenahme der stochastischen dynamischen Programmierung, die beiden gegenläufigen Effekte, Steuervorteil durch Verschuldung und Insolvenzkosten, gleichzeitig zu berücksichtigen.99 Die Aufnahme von zusätzlichem Fremdkapital lohnt sich dabei, so lange der zu versteuernde Gewinn durch die Zinszahlungen reduziert werden kann („Tax Shield“). Der steigende Verschuldungsgrad erhöht allerdings auch die Wahrscheinlichkeit für eine finanzielle Notlage und damit die direkten und indirekten Insolvenzkosten. Die Unabhängigkeit des Unternehmenswertes von der Kapitalstruktur gilt in dem Modell nur dann, wenn ein vollkommener Kapitalmarkt existiert. Soweit Gewinn- und Einkommensteuer einerseits und Insolvenzkosten andererseits einbezogen werden, wird die Prämisse des vollkommenen Kapitalmarkts als verletzt angesehen, und es ergibt sich eine optimale Kapitalstruktur. In Abweichung von der „traditionellen“ These des optimalen Verschuldungsgrades kommen Kraus und Litzenberger allerdings zu dem Ergebnis, dass der Marktwert einer Unternehmung sich nicht notwendigerweise als konkave Funktion der Verschuldung entwickeln muss. Auch Kim entwickelt, unter Annahme eines in linearer Abhängigkeit von der Verschuldung stehenden Insolvenzkostenverlaufs, ein Modell, das eine Synthese zwischen dem Modigliani/Miller-Theorem und der These vom optimalen Verschuldungsgrad versucht.100 Soweit gewinnabhängige Steuern und Insolvenzkosten nicht in das Modell einbezogen werden, jedoch eine positive Insolvenzwahrscheinlichkeit unterstellt wird, erweist sich der Marktwert der Unternehmung als unabhängig von der Kapitalstruktur. Bei Einbeziehung von Einkommen- und Körperschaftsteuer und von Insolvenzkosten ergibt sich dagegen der Marktwert der Unternehmung als konkave Funktion des Ver-
99 100
Vgl. Kraus, Litzenberger, Optimal Financial Leverage, 1973. Vgl. Kim, Optimal Capital Structure, 1978.
601
602
D. Alternativen der Kapitalaufbringung schuldungsgrades mit einem Maximum. Die optimale Kapitalstruktur liegt dabei vor Erreichen der maximalen Verschuldungsgrenze. Unterstellt man zudem Informationsasymmetrien können Kapitalstrukturveränderungen als ein Signal der Risikoeinschätzung seitens des besser informierten Managements bezüglich der Entwicklung der Zahlungsüberschüsse interpretiert werden. Dieser Informationsvorsprung hinsichtlich der aktuellen Über- oder Unterbewertung des Unternehmens lässt für Investoren einen Rückschluss vom gewählten Finanzierungsinstrument auf den Unternehmenswert zu. Eine Erhöhung der Eigenkapitalquote durch eine Kapitalerhöhung könnte entweder auf ein gestiegenes unternehmerisches Risiko (Ross, Blazenko)101 hinweisen oder auf eine Überbewertung des Unternehmens (Myers und Majluf)102. Somit ist eine Kapitalerhöhung als negatives Signal zu interpretieren, was zu fallenden Aktienkursen führt. Befindet sich das Unternehmen hingegen in einer positiven Lage, würde es sogar auf gute Investitionsmöglichkeiten zu Gunsten einer vermiedenen Eigenkapitalemission verzichten oder auf andere Finanzierungsquellen zurückgreifen (Myers und Majluf). Dabei erweisen sich Anleihen als vorteilhafter, da diese weniger von künftigen Unternehmenserfolgen abhängen. Zusätzlich ist festzuhalten, dass interne Mittel einer externen Finanzierung vorzuziehen sind, da diese nicht den angesprochenen Informationsasymmetrien unterliegen. Daraus ergibt sich gemäß der sogenannte Pecking-Order-Theorie eine Rangfolge für die Finanzierung von Investitionen: Interne Mittel sind externen Mitteln vorzuziehen, sowie bei letzteren Fremdkapital gegenüber Eigenkapital. Somit ist auch für diesen Fall von keinem stetigen Wachstum des Unternehmenswerts mit einem zunehmenden Verschuldungsgrad auszugehen. Des Weiteren spricht auch die Agency-Theorie nach Jensen und Meckling103 für diese Vermutung der Existenz eines optimalen Verschuldungsgrads. Nachdem hierbei davon ausgegangen wird, dass Manager zunächst ihre eigenen Interessen vertreten, ist deren Verhalten nicht zwangsläufig im Interesse der Anteilseigner. Agency-Kosten treten dabei sowohl gegenüber den Anteilseignern als auch gegenüber den Fremdkapitalgebern auf, wobei sich eine optimale Kapitalstruktur bei paritätischen Grenzkosten und damit im Minimum der aggregierten Agency-Kosten ergibt. Zu den Agency-Kosten des Eigenkapitals zählen unter anderem ein leichtfertigerer Umgang mit freiem Kapital, die Tendenz zu Überinvestitionen sowie (bei abnehmender Unternehmensbeteiligung des Managements) ein geringerer Arbeitseinsatz. Dagegen lassen sich eine steigende Ausfallwahrscheinlichkeit, Anreize zu riskanteren Investitionen zu Gunsten höherer potenzieller Gewinne sowie die Gefahr der Unterinvestition durch mögliche Restriktionen bei der Kreditvergabe als Agency-Kosten des Fremdkapitals einordnen. Aufgrund der Dringlichkeit der Frage, auch seitens der Praxis, gibt es eine Vielzahl von Studien, die durch das ein oder andere Verfahren eine Falsifikation der Kapitalstrukturtheorien untersucht haben.104 Darunter befinden sich sowohl Ereignisstudien105, 101
Vgl. Ross, The Determination of Financial Structure, 1977, S. 23 ff.; Blazenko, Managerial Preference, Asymmetric Information and Financial Structure, 1987, S. 839 ff. 102 Vgl. Myers, Majluf, Corporate Financing and Investment Decisions When Firms Have Information that Investors Do Not Have, 1984, S. 187 ff. 103 Vgl. Jensen, Meckling, Theory of the firm: Managerial behavior, agency costs and ownership structure,1976. 104 Vgl. etwa Copeland, Weston, Shastri, Financial Theory and Corporate Policy, 2005, S. 604 ff. 105 Vgl. Harvey, Lins, Roper, The Effect of Capital Structure when Expected Agency Costs are Extreme, 2004; Masulis, The effects of capital structure change on security prices, 1980; McConnell,
IV. Kapitalstruktur und Verschuldungspolitik welche die Reaktion des Kapitalmarktes vor und nach Kapitalstrukturmaßnahmen untersuchten, als auch Querschnittsregressionen106, die in einem bestimmten Zeitpunkt die Einflussvariablen auf die Kapitalstruktur überprüften. Ein signifikanter Zusammenhang besteht demnach insbesondere zwischen der Besteuerung und der Wahl der Kapitalstruktur. Ferner zeigten Untersuchungen der Kapitalstruktur signifikante Branchenunterschiede. Aber auch die Hypothese, dass die vergangene finanzielle Performance der Unternehmen Einfluss auf die Kapitalstruktur habe, konnte nur teilweise belegt werden. So scheint die Kapitalstruktur nur teilweise ein Resultat organischer Unternehmensprozesse zu sein, sodass die Pecking-OrderTheorie nicht vollständig bestätigt werden kann. Dagegen gibt es zahlreiche Belege für die Existenz und Höhe von Insolvenzkosten, teilweise auch für den Einfluss von Insolvenzkosten, etwa gemessen durch die Liquidierbarkeit von Vermögenswerten, auf die Kapitalstruktur.107 Im Widerstreit zwischen Pecking-Order- und Trade-Off-Theorie konzentrierten sich in letzter Zeit die Untersuchungen auf die Anpassungsgeschwindigkeit an eine optimale Kapitalstruktur (Speed of Adjustment), um so eine Symbiose beider Theorien zu erreichen. Danach sind zwar Unternehmen grundsätzlich bestrebt eine optimale Kapitalstruktur zu erreichen, weichen aber aufgrund zufälliger ökonomischer Entwicklungen von diesem Optimalzustand ab. Zudem verhindern Marktfriktionen eine sofortige Rückkehr zur optimalen Kapitalstruktur. Untersuchungen zeigten dabei, dass Anpassungen an die optimale Kapitalstruktur sich durchschnittlich über mehr als drei Jahre hinziehen.108 Das Modell von Modigliani und Miller ist im wahrsten Sinne des Wortes ein Modell und baut auf logischen Marktannahmen auf. Dieses Grundgerüst von Annahmen und Folgerungen stellt die Grundlage für weitere Überlegungen und Modelle dar. Insbesondere die stringenten Prämissen, bspw. über die Insolvenzkosten oder Steuern, schufen erweiterte Modelle, welche die Realität besser abbilden. Vor allem die Unternehmensbewertung baut auf der Arbeit von Modigliani und Miller mit Steuern auf.
4. Verfahren der Kapitalkostenbestimmung a) Bestimmung der Eigenkapitalkosten bei Unsicherheit mithilfe des CAPM Wurden im vorhergehenden Abschnitt kapitaltheoretische Ansätze zur Optimierung der Unternehmensfinanzierung aufgezeigt und analysiert, wie die Kapitalkosten i. S. v. von Eigentümern geforderten Renditen auf Veränderungen der Kapitalstruktur von Unternehmen reagieren, so werden in diesem Abschnitt Ansätze zur Quantifizierung der geforderten Rendite der Eigenkapitalgeber in den Kapitalmarktzusammenhang gestellt. Die besondere Bedeutung des CAPM gegenüber den oben vorgestellten Ansätzen zur Optimierung der Unternehmensfinanzierung resultiert daraus, dass es das leistungswirtschaftliche und das Kapitalstrukturrisiko bei der Bestimmung von Kapitalkosten und bei der Bewertung von Anteilen an Unternehmen explizit berücksichtigt. Es unterMuscarella, Corporate capital expenditure decisions and the market value of the firm, 1985. Vgl. Rajan, Zingales, What Do We Know about Capital Structure, 1995; Thies, Klock, Determinants of Capital Structure, 1992; Titman, Wessels, The Determinants of Capital Structure Choice, 1988. 107 Vgl. Hang, Geyer, Klingeberg, Rathgeber, Stoeckl, Measurement matters, 2018. 108 Vgl. Huang, Ritter, Testing Theories of Capital Structure, 2009. 106
603
604
D. Alternativen der Kapitalaufbringung stellt in einem Zweizeitpunktmodell einen vollkommenen Kapitalmarkt, auf dem zu einem Sicherheitszins von allen rational handelnden Marktteilnehmern unbeschränkt finanzielle Mittel aufgenommen und angelegt werden können. Im Marktgleichgewicht werden alle verfügbaren Titel gehalten. Es lässt sich hieraus der Marktpreis für die Übernahme von Risiko ableiten (vgl. Abschnitt C IV 2). Im Ergebnis gibt die Wertpapierlinie die erwartete Rendite eines Wertpapiers i (oder einer Investition in eine Unternehmung i) in Abhängigkeit vom systematischen Risiko an:
Dieser Zusammenhang kann zur Ermittlung der Eigenkapitalkosten einer Unternehmung (= Renditeforderung der Eigenkapitalgeber) verwandt werden.109 Im Grundmodell wird auch hier von einer zunächst unverschuldeten Unternehmung und von Steuerfreiheit ausgegangen. Die Renditeforderungen der Eigenkapitalgeber r*EK gegenüber einem Unternehmen i ergeben sich entsprechend direkt als:
Für eine konkrete Ermittlung ist Voraussetzung, dass das Maß für das systematische Risiko Ei der Anteile an der Unternehmung i sowie der Erwartungswert der Marktrendite E(Rm) geschätzt werden können. Wenn alle innerhalb der Unternehmung geplanten Investitionsprojekte das gleiche systematische Risiko besitzen wie die gesamte Unternehmung, dann entspricht r*EK dem Kalkulationszinsfuß für einzelne Projekte. Weisen Investitionsprojekte ein abweichendes Risiko auf, so ist die für sie im Rahmen von Investitionsrechnungen zu fordernde Mindestverzinsung mithilfe der Wertpapierlinie zu bestimmen. Letzteres setzt allerdings voraus, dass das systematische Risiko des Investitionsprojektes messbar ist. In Erweiterung des Grundmodells soll nun die Verschuldung in die Bestimmung der Eigenkapitalkosten mit einbezogen werden.110 In der Welt von Modigliani/Miller weist für die Eigenkapitalrentabilität in Abhängigkeit vom Verschuldungsgrad folgenden Zusammenhang auf (vgl. Abschnitt D IV 3): rEK = Uk + V · (Uk – Rf) Uk = Kapitalkosten der Investitionsprojekte und damit des unverschuldeten Unternehmens rEK = geforderte Eigenkapitalrendite V = Verschuldungsgrad FK/EK Rf = risikoloser Zinssatz (entspricht dem Fremdkapitalzinssatz) Gleichzeitig soll eine Steuerwelt unterstellt werden, bei der nur die investierende Unternehmung eine proportionale Gewinnsteuer bezahlt, während die Kapitaleigner von einer Einkommensteuer frei sind. Die Kapitalkosten unter Ungewissheit eines unverschuldeten Unternehmens werden dann durch die Besteuerung nicht beeinflusst, da die Anteilseigner keine Steuern zahlen. Für verschuldete Unternehmen gelten unter diesen Voraussetzungen die nachfolgenden Ausführungen.
109
Vgl. Hamada, Portfolio Analysis, Market Equilibrium and Corporate Finance, 1969 oder auch Hamada, Firm’s Capital Structure, 1972. 110 Zur ausführlichen Darstellung vgl. Copeland, Weston, Shastri, Financial Theory, 2006, S. 574 ff.
IV. Kapitalstruktur und Verschuldungspolitik Bei Berücksichtigung eines Gewinnsteuersatzes in Höhe von s wird die Hebelwirkung der Verschuldung auf die geforderte Eigenkapitalrendite um die Versteuerung gemindert. rEK = Uk + (1 – s) (Uk – Rf) V s = marginaler Gewinngrenzsteuersatz der Unternehmung. Daneben existieren noch Varianten des CAPM, Modelle vom Typ Tax-CAPM, welche den jeweiligen Steuersystemen, z. B. der Besteuerung von Dividenden, Kursgewinnen und Zinserträgen, exakt Rechnung tragen (siehe auch Abschnitt C IV 2c) .111 Ihre Grenzen haben diese Modelle in der heterogenen Besteuerung der Investoren und unterschiedliches Ausschüttungsverhalten der Unternehmen. Im Kapitalmarktgleichgewicht entsprechen die Renditeerwartungen nach CAPM den geforderten Kapitalkosten rEK der Investoren für die Risikoklasse k, der das Unternehmen angehört (vgl. Modigliani-Miller-Theorem), und können wie die Kapitalkosten des Projekts durch die Renditeerwartungen unter Unsicherheit, wie sie sich aus der Wertpapierlinie für die Investitionsprojekte i oder die verschuldete Unternehmung i ergeben, ersetzt werden. Unter Berücksichtigung der Steuern ergibt sich: * rEK
V
E ( Ri )
Uk (1 s ) ( Uk Rf ) V
Rf (( E ( RM ) Rf ) EiV
Rf (( E ( RM ) Rf ) Ei (1 s ) ( E ( RM ) Rf ) Ei V
Ei (1 s ) Ei V
Rf (( E ( RM ) Rf ) EiV
EiV
Führt man ein UiV für verschuldete Unternehmen dergestalt ein, dass gilt112:
so können jetzt auch die Eigenkapitalkosten eines verschuldeten Unternehmens in der ursprünglichen Form des CAPM notiert werden:
Für die gewogenen durchschnittlichen Kapitalkosten rd gilt bei Annahme von i = Rf auf dem vollkommenen Kapitalmarkt unter Abzugsfähigkeit der Fremdkapitalkosten bei der Unternehmenssteuer (Vgl. Abschnitt C III 2):
wobei EKM und FKM jeweils die Marktwerte von EK und FK der Unternehmung darstellen. 111 112
Vgl. etwa Brennan, Taxes, Market Valuation and Corporate Financial Policy, 1970, S. 417–427. Der so dargestellte Zusammenhang zwischen dem Betafaktor eines verschuldeten und eines unverschuldeten Unternehmens wird auch als Beta Gearing Formel bezeichnet.
605
606
D. Alternativen der Kapitalaufbringung Diese Verfahren finden in der Praxis häufig Verwendung, obschon die Annahmen des CAPM, insbesondere die Einperiodigkeit nicht erfüllt sind. Allerdings können Bedingungen angegeben werden unter denen das einperiodige Kalkül des CAPM auf mehrere Perioden übertragen werden kann. Dies funktioniert, wenn nach jeder Periode wiederum eine CAPM-Welt mit den gleichen Bedingungen existiert, wie bei der Einperiodigkeit und keine Abhängigkeiten zwischen den jeweiligen Entscheidungen oder Wahrscheinlichkeiten in den einzelnen CAPM-Welten existieren.113 Ist das nicht der Fall, existiert mit dem Intertemporal Capital Asset Pricing Model von Merton eine Variante, die durch Berücksichtigung zusätzlicher Risikofaktoren, intertemporale Abhängigkeiten zulässt.114 Gerade aber diese zusätzlichen Risikofaktoren erweisen sich als größeres Hindernis, sodass der Einsatz in der Praxis limitiert ist. Zahlenbeispiel für Betafaktoren in Anhängigkeit der Kapitalstruktur in der MM-Welt mit Unternehmenssteuern Für das Unternehmen aus vorherigem Beispiel werden die geforderten Eigenkapitalkosten mithilfe des CAPM bestimmt. Die Eigenkapitalkosten des unverschuldeten Unternehmens betragen bei einem risikolosen Zinssatz von 0,05 einer erwarteten Marktrendite von 0,10 und einem Betafaktor von 0,5 : r*EK = 0,05 + (0,10 – 0,05) · 0,5 = 0,075. V zu Marktwerten
0,00
0,50
1,00
2,00
4,00
6,00
EV
0,50
0,69
0,87
1,25
2,00
2,75
r*EK (gefordert)
0,075
0,084
0,094
0,112
0,150
0,188
0,075
0,069
0,066
0,063
0,060
0,059
rd
1 * V rEK R f 1 s 1 V 1 V
Der Verschuldungsgrad zu Marktwerten wird zwischen 0 und 6 variiert. Das Beta des verschuldeten Unternehmens errechnet sich zu EV = 0,5 + 0,5 · (1 – 0,75) · V. Die geforderten Eigenkapitalkosten steigen mit wachsendem Betafaktor an. Die Werte entsprechen den bereits in vorherigen Beispiel ermittelten, sodass die Gesamtkapitalkosten mit wachsender Verschuldung fallen, was auch nachfolgende Graphik zeigt.
113
114
Vgl. dazu Bogue, Roll, Capital Budgeting of Risky Projects, 1974, S. 601 ff.; Constantinides, Admissible Uncertainty in the Intertemporal Asset Pricing Model, 1980, S. 71 ff. und Fama, Risk-Adjusted Discounted Rates and Capital Budgeting, 1977, S. 3 ff. Vgl. Merton, Intertemporal Capital Asset Pricing Model, 1973, S. 867–887.
IV. Kapitalstruktur und Verschuldungspolitik
607
2,5
Betafaktor
2 1,5 ɴd
1
ɴFK,i
ɴV
0,5 0 0
1
2
3
4
5
6
Verschuldungsgrad V Bemerkenswert ist der Verlauf der durchschnittlichen Gesamtkapitalkosten. Diese fallen zwar, aber nicht linear. Sie näheren sich mit wachsendem Verschuldungsgrad einem fiktiv vollständig fremdfinanzierten Unternehmen an, dessen gesamte Kapitalkosten steuerlich abzugsfähig sind. In dieser hypothetischen Situation betrügen die resultierenden Kapitalkosten 0,075 ∙ (1 – 0,25) = 0,05625. Abb. D 45: Zahlenbeispiel für Betafaktoren in Anhängigkeit der Kapitalstruktur in der MM-Welt mit Unternehmenssteuern
b) Modigliani-Miller und Wertadditivitätstheorem (WAT) Den Ausgangspunkt zur Ermittlung des Marktwertes einer Unternehmung sowie zur Kursbestimmung eines Anteils bildet wiederum die Wertpapierlinie, die auf einem Einperiodenmodell aufbaut:
E(R i ) R f > E(R m ) R f @Ei Auch hier soll zunächst eine rein eigenfinanzierte Unternehmung betrachtet werden. Ihre Rendite lässt sich bei einperiodischer Betrachtungsweise aus dem erwarteten Periodengewinn E(K1i) – K0i im Verhältnis zum eingesetzten Kapital K0i ermitteln:
E(R i )
E(K 1i ) K 0i . K 0i
Bei Gleichsetzung ergibt sich somit:
E(K 1i ) 1 R f > E(R m ) R f @Ei ; K 0i ; und bei Auflösung nach dem Gegenwartskurs K0i:
K 0i
E(K 1i ) 1 R f > E(R m ) R f @ Ei
Stellt man die in Ei erfasste Kovarianz Vim als Erwartungswert dar und ersetzt
R i durch
K 1i E(K 1i ) 1 und E(R i ) durch 1, K 0i K 0i
(1)
608
D. Alternativen der Kapitalaufbringung so kann geschrieben werden:
Vim
E(K 1i ) · ª§ K º E «¨ 1i (R m E(R m ))» ¸ K 0i ¹ ¬© K 0i ¼ 1 E >(K 1i E(K 1i )) (R m E(R m ))@ K 0i 1 COV(K 1i ,R m ). K 0i
Setzt man in (1) für Ei
COV(K 1i ,R m ) K 0i Vm2 ein, so erhält man bei Auflösung nach K0i:
E K 1i ¬ªE R m R f ¼º K 0i
COV K 1i , R m 2 Vm
1 Rf
(2)
Nach Gleichung (1) wird ein risikobehafteter, erwarteter Gewinn bei einperiodischer Betrachtung mit einem Kalkulationszinsfuß bewertet, der sich aus dem risikolosen Marktzinssatz und einer Risikoprämie zusammensetzt. Man spricht deshalb auch von einem risikoangepassten Kalkulationszinsfuß (Risk-Adjusted Discount Rate). Bei risikolosen Kapitalanlagen, deren Kovarianz mit dem Marktportefeuille Null beträgt, wird Vim = 0 und somit auch Ei = 0, und die Formel geht damit in die einperiodische Kapitalwertmethode unter Sicherheit über. Das gleiche Ergebnis ergibt sich bei Sicherheit auch in Gleichung (2), während bei Unsicherheit statt einer Risikoprämie auf den Zinssatz ein Risikoabschlag, vergleichbar einem Sicherheitsäquivalent, auf den Kurswert der Periode 1 berechnet wird. In beiden Fällen wird ein Wertpapier einen umso höheren gegenwärtigen Kurswert haben, je geringer sein systematisches Risiko und je größer damit sein Beitrag zur Risikominderung des Marktportefeuilles ist. Im Vergleich zur rein eigenfinanzierten Unternehmung werden Risikoprämie bzw. Risikoabschlag bei einer verschuldeten Unternehmung höher ausfallen. Führt man – wie schon im Abschnitt a), allerdings ohne Steuereffekte – ein EiV für verschuldete Unternehmen ein mit:
EiV Ei (1 V), ergeben sich nun
K 0i
E(K 1i ) 1 R f > E(R m ) R f @ Ei (1 V)
(1‘)
und entsprechend
K 0iV
E(K 1i ) > E(R m ) R f @ Ei (1 V) 1 Rf
(2‘)
IV. Kapitalstruktur und Verschuldungspolitik Dieser Ansatz der Kursbestimmung mithilfe des CAPM führt zu Aussagen über die Wirkungen von Finanzierungsmaßnahmen (und auch von Investitionsmaßnahmen). Hierzu greift man auf das Wertadditivitätstheorem (WAT) zurück, das in seiner allgemeinen Form besagt: (1) Der Wert zweier unsicherer Zahlungsströme ist unabhängig davon, ob die Bewertung isoliert oder zusammengefasst erfolgt. oder: (2) Man kann einen unsicheren Zahlungsstrom beliebig aufteilen, ohne dabei die Summe der Werte zu verändern. Formal ausgedrückt bedeuten beide Aussagen: K0i + K0j = K0,i + j. Beim Beweis dieser Gleichung geht man von Formel (2) des vorigen Abschnitts aus:
E(K 1i ) > E(R m ) R f @ K 0i
COV(K 1i , R m ) Vm2
1 Rf
Die Summe zweier Kurswerte verschiedener Unternehmungen ergibt sich als:
Für die Summe der Kovarianzen ergibt sich: COV (K1i,Rm) + COV (K1j,Rm) = E[(K1i – E(K1i)) · (Rm – E(Rm))] + E[(K1j – E(K1j)) · (Rm – E(Rm)]. Wegen der Additivität des Erwartungswerts kann man auch schreiben: COV (K1i,Rm) + COV (K1j,Rm) = E[(K1i – E(K1i)) · (Rm – E(Rm) + (K1j – E(K1j)) · (Rm – E(Rm)] = E[((K1i + K1j) – E(K1i + K1j)) · (Rm – E(Rm)] = COV (K1,i + j,Rm). Eingesetzt ergibt sich:
Damit ergibt sich für die Finanzierungspolitik: Man kann die Ansprüche auf die Überschüsse einer Unternehmung beliebig aufteilen, ohne dass sich dadurch die Summe des Werts der Teilströme ändert. Mit anderen Worten gibt es keine Finanzierungspolitik, die den Marktwert der Unternehmung erhöht bzw. optimiert. Das WAT impliziert also, ebenso wie die These der Irrelevanz des Verschuldungsgrades von MM, die Irrelevanz der Finanzierungspolitik. Dies ist nicht erstaunlich, da das zu Grunde liegende CAPM die Annahmen impliziert, die man zum Beweis der Theoreme von Modigliani/Miller benötigt.
609
610
D. Alternativen der Kapitalaufbringung Die Bedeutung des WAT und damit des CAPM ist nicht auf die Interpretation der Finanzierungspolitik beschränkt. Sie erlaubt eine Stellungnahme auch zur Unternehmensdiversifikation: In der Praxis ist häufig zu beobachten, dass Unternehmungen sich zusammenschließen und den Schritt mit der Aussage begründen, dass durch diese Diversifikation das Risiko der Unternehmung sinke und damit der Anteilswert für Kapitalanleger steige. Aus der Sicht der Kapitalmarkttheorie muss die Aussage angezweifelt werden, weil jeder Anleger am vollkommenen Markt den gleichen Effekt durch seine individuelle Wertpapier-Mischung erreichen kann und daher nicht bereit sein wird, einen höheren Preis für die Wertpapiere nach Zusammenführung der Unternehmungen zu bezahlen. Andererseits müssen die Kurssteigerungen, die bei solchen Vorgängen oft beobachtet werden können, nicht auf irrationales Verhalten oder auf unvollkommene Kapitalmärkte hindeuten, wenn bei Fusionen im Beschaffungs-, Produktions- oder Absatzbereich gewinnerhöhende Einsparungen realisiert werden.115 In diesem Fall sind die beim Zusammenschluss auftretenden Synergieeffekte als (lohnende) Rückflüsse einer Investition anzusehen.116 Es ist jedoch auch festzustellen, dass Diversifikationen durchgeführt werden, die Kursverluste nach sich ziehen.117 In solchen Fällen werden keine Synergieeffekte realisiert. Bei Fusionen können divergierende Interessen zwischen Managern und Eigentümern vorliegen. Bei Loslösung der Zielsetzungen der Unternehmensleitung von den Interessen der Eigner spricht man auch von „Managerialismus“.118 Es scheint einsichtig, dass die auf strenger Rationalität basierende Kapitalmarkttheorie mit der Einbeziehung derartiger Probleme überfordert ist.
c) Bestimmung der Eigenkapitalkosten mit Optionspreismodellen Optionspreismodelle (OPM) wurden für die Ermittlung des Wertes (Preis) von Wertpapieroptionen im Kapitalmarktgleichgewicht entwickelt (vgl. Abschnitt C VI). Die zugrunde liegende Theorie wird inzwischen generalisiert und auf viele betriebswirtschaftliche Bewertungssachverhalte übertragen, die als Optionen interpretiert werden können. So lässt sich z. B. der Abschluss einer Sachversicherung als Erwerb einer Verkaufsoption (Put Option) umdeuten. Der Versicherungsnehmer (Stillhalter in Sachwerten) erwirbt mit Zahlung der Versicherungsgebühr (Optionspreis) das Recht vom Versicherer (Stillhalter in Geld), die Versicherungssumme zu fordern, wenn der Wert des versicherten Gegenstandes unter den Versicherungswert (vereinbarter Basiskurs) innerhalb des Versicherungszeitraums (Optionsfrist) durch Schadenseinflüsse (Kursverluste) gesunken ist. Auch das Eigenkapital einer verschuldeten Unternehmung kann als Kaufoption auf das Gesellschaftsvermögen interpretiert werden. Die Aufnahme von Fremdkapital ist vergleichbar mit dem Verkauf entsprechender Aktiva, unter Vereinbarung einer leihweisen weiteren Nutzung und dem gleichzeitigen Abschluss einer Kaufoption, die das Recht 115
Vgl. die Ergebnisse der empirischen Untersuchungen von Bühner, Unternehmensdiversifikation, 1983, und über den spiegelbildlichen Vorgang ders., Marktwert und Realteilung, 1984. 116 Vgl. Coenenberg, Sautter, Bewertung von Unternehmensakquisitionen, 1988, S. 691 ff. 117 Vgl. Bühner, Unternehmensdiversifikation, 1983, S. 1030 ff. 118 Vgl. Bühner, Trennung von Eigentum und Leitung, 1984, S. 812.
IV. Kapitalstruktur und Verschuldungspolitik beinhaltet, die Aktiva nach Ablauf der Kreditlaufzeit (Optionsfrist) zum vereinbarten Basispreis durch Schuldentilgung wieder zu erwerben. Der Vergleich stützt sich auf den Sachverhalt, dass bei nicht vereinbarungsgemäßer Tilgung von Fremdkapital den Gläubigern im Rahmen eines Konkursverfahrens Aktiva der Schuldnerunternehmung bzw. ein entsprechender Liquidationserlös zufällt. Die Eigentümer treten somit durch Kreditaufnahme Rechte am Unternehmensvermögen an die Gläubiger auf Zeit ab, was im Sinne der Optionstheorie auch als Verkauf von Aktiva und Erwerb einer Kaufoption (Call) auf eben diese Aktiva gesehen werden kann. Wird so das Eigentums- oder Anteilsrecht an einem verschuldeten Unternehmen als Kaufoptionsrecht interpretiert, so lassen sich die Eigenkapitalkosten als Optionspreis darstellen. Kapitalkosten bei Unsicherheit im Kapitalmarktgleichgewicht können daher auch mithilfe von Optionspreismodellen bestimmt werden. Die OPM basieren im Wesentlichen auf den gleichen Voraussetzungen wie das CAPM, sie stellen aber keine Einperiodenmodelle dar, sondern versuchen ein dynamisches Gleichgewicht im Zeitablauf abzuleiten. Grundlage des Ansatzes ist die Erkenntnis, dass durch Kopplung von Wertpapierkassageschäften und Optionsgeschäften ein risikoloses Hedge-Portefeuille gebildet werden kann. Da das Hedge-Portefeuille eine sichere Anlage bildet, verzinst es sich bei vollkommenem Kapitalmarkt zum risikofreien Marktzinssatz. Der Barwert eines solchen Portefeuilles ergibt sich im Kapitalmarktgleichgewicht durch Abzinsung des Portefeuilleendvermögens mit dem risikofreien Marktzinssatz und ist unabhängig vom Ausgangskurs und der Kursentwicklung des Wertpapiers, die einem Zufallspfad folgt. Unter diesen Annahmen kann der Gleichgewichtspreis einer Option abgeleitet werden. Nach dem Optionspreismodell von Black und Scholes ergibt sich schließlich für den Wert einer Kaufoption C:119
ln(K / X) ª¬rf (V 2 / 2 º¼ t ½ C KN® ¾ V t ¯ ¿ ln(K / X) ¬ªrf (V 2 / 2 ¼º t ½ e R f t X N ® ¾ V t ¯ ¿ Wird der erste Klammerausdruck durch d1 und der zweite durch d2 ersetzt, so verkürzt sich die Gleichung auf:
C K N(d1 ) e rf t X N(d 2 ) Wobei N(.) die Standardnormalverteilung, X den vereinbarten Basispreis und e-rft den Abzinsungsfaktor für kontinuierliche Verzinsung zum risikolosen Marktzinssatz darstellt. Hiernach ist der Gleichgewichts-Optionspreis vom Kurswert K des Papiers, dem Basispreis X, der Restlaufzeit bis zum Verfalltag t, der risikolosen Momentanverzinsung rf und der Varianz der Rendite V2 abhängig. Als wesentliche Voraussetzung ist die Existenz eines risikolosen Hedge-Portefeuilles zu sehen, das nur gebildet werden kann, wenn keine Transaktionskosten auftreten, die 119
Vgl. für den zeitdiskreten Fall Tebroke, Rathgeber, Unternehmenswert und Ausfallrisiko – zur Übereinstimmung CAPM- und OPM-basierter Bewertung im einperiodigen Trinomialmodell, 2003.
611
612
D. Alternativen der Kapitalaufbringung Wertpapierkurse einem stetigen Zufallspfad folgen und der Handel in Optionen sich ständig ohne Ruhepause vollzieht. Bei Anwendung des Optionspreismodells von Black und Scholes auf das Eigenkapital einer verschuldeten Unternehmung ergibt sich folgende Uminterpretation der Gleichung für den Marktwert einer Kaufoption:
EK M
GK M N (d1 ) e
r f t
FK N (d 2 )
EKM = Marktwert des Eigenkapitals GKM = Marktwert des Unternehmensvermögens FK = Buchwert des Fremdkapitals in d1 und d2 ist entsprechend K durch GKM und X durch FK zu ersetzen. Aus der Gleichung ist erkennbar, dass der Marktwert der Unternehmung GKM von der Kapitalstruktur abhängt. Für die Eigenkapitalkosten r*EK lässt sich unter Verwendung des CAPM mit diskreter erwarteten Marktrendite R m und diskretem risikolosen Zins Rf ableiten:120 * rEK
R f ( E ( Rm ) R f ) N (d1 ) EiV
mit * rEK
Rf ( E ( R m ) Rf ) N (d1 ) E i
GK M EK M
mit dem Beta des unverschuldeten Unternehmens Ei
E ( Ri) R f E ( R m) R f
und der erwarteten Rendite des unverschuldeten Unternehmens Ri. Setzt man letztere Beziehung in die Gleichung zur Bestimmung der Eigenkapitalkosten ein, erhält man * rEK
Rf N (d1 ) ( E ( Ri ) Rf )
GK M EK M
Die Eigenkapitalkosten stellen somit eine mit dem Verschuldungsgrad steigende Funktion dar. Übereinstimmung mit der Modigliani-Miller-These II – „Die Eigenkapitalkosten eines Unternehmens sind eine linear ansteigende Funktion des Verschuldungsgrades.“ – ist allerdings nur gegeben, wenn N(d1) = 1 gesetzt werden kann, denn dann gilt: * rEK
Rf ( E ( R i ) Rf )
Rf ( E ( Ri ) Rf )
120
GK M EK M
EK M FK ( E ( R i ) Rf ) M EK M EK
Zur Ableitung vgl. Galai, Masulis, Option Pricing Model, 1976.
IV. Kapitalstruktur und Verschuldungspolitik
E ( R i ) ( E ( R i ) Rf )
FK EK M
Dies setzt entweder einen nicht stochastischen Marktwert der Unternehmung (V2 = 0) oder die Möglichkeit risikoloser Verschuldung bei ständiger Anschlusskreditierung (t = f) voraus. Bestimmt man darüber hinaus noch die Kapitalkosten des riskanten Fremdkapitals rFK zu rFK
R f ( E ( R m ) R f ) N (d 1 ) E iFK
R f ( E ( Ri ) R f ) N ( d 1 )
GK M , FKM
lassen sich die durchschnittlichen gewichteten Kapitalkosten zu
rd
rEK
EK M FK M rFK M GK GK M
§ GK M · EK M § GK M · FK M R (E(R ) R ) N( d ) ¨ R f (E(R i ) R f ) N(d1 ) ¸ ¨ ¸ f i f 1 EK M ¹ GK M © FK M ¹ GK M © bestimmen. Daraus ergibt sich:
rd
rd
EK M FK M (E(R i ) R f ) N(d1 ) R f (E(R i ) R f ) N(d1 ) M GK GK M EK M FK M Rf (E(R i ) R f ) (N(d1 ) N(d1 )), GK M R f (E(R i ) R f ) R i Uk . Rf
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614
D. Alternativen der Kapitalaufbringung Zahlenbeispiel für die Kapitalkosten in Anhängigkeit der Kapitalstruktur in der MMWelt mit riskantem Fremdkapital Der Marktwert des Gesamtunternehmens errechnet sich zu 40.000 Einheiten. Die geforderten Eigenkapitalkosten des unverschuldeten Unternehmens betragen bei einem risikolosen diskreten Zinssatz von 0,05 einer erwarteten Marktrendite von 0,15 und einem Betafaktor von 0,5: r*EK = 0,05 + (0,15 – 0,05) · 0,5 = 0,1. Der stetige risikolose Zinssatz errechnet sich zu 4,88 %. Für die Laufzeit des Fremdkapitals wird ein Jahr, für die Standardabweichung 16 % angenommen. FK zu Rückzahlung (1 Jahr)
0
14.000
21.000
28.000
33.847
36.698
d1
–
6,95
4,41
d2
–
6,79
4,25
2,61
1,43
0,92
2,45
1,27
0,76
EK zu Marktwerten
40.000
26.667
20.000
13.343
8.000
5.714
FK zu Marktwerten
0
13.333
20.000
26.657
32.000
34.286
r*EK (gefordert)
0,100
0,125
0,150
0,199
0,281
0,338
r*FK (gefordert)
0,050
0,050
0,050
0,050
0,055
0,060
0,10
0,10
0,10
0,10
0,10
0,10
0,00
0,50
1,00
2,00
4,00
6,00
rd
rEK
1 V rFK 1 V 1 V
V zu Marktwerten
Sodann wird der Rückzahlungsbetrag des Fremdkapitals sukzessive erhöht, sodass der Verschuldungsgrad zu Marktwerten zwischen 0 und 6 variiert. Setzt man die Annahme, dass das Fremdkapital immer wieder revolvierend neu finanziert wird, ergibt sich mit obiger Optionspreisformel der Wert des Eigenkapitals und der Wert des Fremdkapitals als Residuum FK = GK – EK. Unter Benutzung von
rEK
0,05 (0,15 0,05) N(d1 ) 0,5
GK EK
erhält man die Eigenkapitalkosten und aus
rFK
0,05 (0,15 0,05) N( d1 ) 0,5
GK FK
die Fremdkapitalkosten. Die durchschnittlichen Gesamtkapitalkosten sind wiederum auch bei riskantem Fremdkapital konstant 0,1. Der Anstieg der Fremdkapitalkosten mit wachsendem Verschuldungsgrad wird durch den abnehmenden Anstieg der Eigenkapitalkosten gerade ausgeglichen. Abb. D 46: Zahlenbeispiel für die Kapitalkosten in Anhängigkeit der Kapitalstruktur in der MM-Welt mit riskantem Fremdkapital
Somit gilt die Irrelevanzthese auch bei riskantem Fremdkapital unter den sonstigen Annahmen von Modigliani und Miller. Die praktischen Anwendungsmöglichkeiten der Kapitalkosten der Eigenfinanzierung auf Basis der OPM für finanzpolitische Entscheidungen sind wegen der teilweise unrealistischen Modellvoraussetzungen und den Schwierigkeiten der empirischen Ermittlung der für die Bestimmungsgleichung erforderlichen Größen sehr begrenzt. Eine realistischere Modellierung kann durch Modifizierung einiger Modellannahmen erreicht werden. Bisher wurde eine eventuelle Insolvenz aufgrund der Charakteristik
IV. Kapitalstruktur und Verschuldungspolitik europäischer Standardoptionen nur bei Fälligkeit des Fremdkapitals berücksichtigt.121 Durch die Verwendung von Down-and-Out-Optionen lässt sich diese Einschränkung aufheben. Eine Down-and-Out-Option gehört zur Klasse der Barrier-Options und entspricht einer gewöhnlichen Option, deren Optionsrecht allerdings erlischt, sofern eine bestimmte Schranke (Barrier) während der Laufzeit unterschritten wird. Damit wird die Möglichkeit der Fremdkapitalgeber abgebildet, eine Insolvenz bereits vor Fälligkeit des Fremdkapitals auszulösen, sofern der Wert der Aktiva den Wert der Verbindlichkeiten nicht mehr deckt.122 Allgemein lässt sich durch die Verwendung komplexerer Modelle das Anwendungsspektrum der OPM zur Bestimmung von Marktwert und Kapitalkosten erweitern. Die zunehmende Komplexität der Modelle erschwert jedoch zusätzlich die empirische Ermittlung der hierfür erforderlichen Größen. Der Wert der OPM ist deshalb auch nicht so sehr in den Möglichkeiten der Berechnung konkreter Kostengrößen als vielmehr im Aufzeigen von Einflussgrößen und ihrer Wirkungsinterdependenzen zu sehen.
d) Bestimmung der Eigenkapitalkosten auf Basis des CAPM mit ausfallrisikobehafteten Fremdkapital Die Modellierung von ausfallgefährdetem Fremdkapital bei der Bestimmung von Kapitalkosten kann analog auch für das CAPM umgesetzt werden. Ausgangspunkt ist die Gleichung für die Eigenkapitalkosten aus der Modigliani Miller These II unter Berücksichtigung von Steuern: Uk 1 s Uk i V
rEK
In dieser Gleichung wurde der risikolose Zins Rf durch einen Fremdkapitalzins i ersetzt, der auch höher als der risikolose Zins ausfallen kann. Dieser lässt sich dann ebenso als erwartete Fremdkapitalkosten nach dem CAPM darstellen.
i R f ¬ªE R m R f ¼º EFK ,i Man beachte den Unterschied zur Bestimmungsgleichung der Eigenkapitalkosten des unverschuldeten Unternehmens
Uk
R f ª¬E R m R f º¼ Ei
bei der statt dem Betafaktor des Fremdkapitals EFK,i der Betafaktor des unverschuldeten Unternehmens Ei zum Ansatz kommt. Setzt man beides in die Bestimmungsgleichung für die Eigenkapitalkosten ein, erhält man:123 rEK
R f ª¬E R m R f º¼ Ei 1 s ª¬E R m R f º¼ Ei EFK ,i V
oder
rEK
121
R f ¬ªE R m R f ¼º (Ei 1 s Ei EFK ,i V)
Vgl. Lahmann/Schreiter/Schwetzler, Einfluss von Insolvenz, Kapitalstruktur und Fremdkapitalfälligkeit auf den Unternehmenswert, 2018. 122 Vgl. Black/Cox, Valuing Corporate Securities, 1976. 123 Vgl. Buckley, Beta Geared and Ungeared, 1981.
615
616
D. Alternativen der Kapitalaufbringung Verwendet man zudem die CAPM-basierte Bestimmungsgleichung für die Eigenkapitalkosten des unverschuldeten Unternehmens
R f ª¬E R m R f º¼ EiV
rEK
ergibt sich
R f ª¬E R m R f º¼ EiV
R f ª¬E R m R f º¼ (Ei 1 s Ei EFK ,i V)
oder
EiV
Ei 1 s Ei EFK ,i
FK M EK M
Bemerkenswert ist die Interpretation dieser Formel. Bei bestehendem Risiko eines fiktiv unverschuldeten Unternehmens Ei reduziert ausfallrisikogefährdetes Fremdkapital EFK ,i das Risiko EiV der Eigenkapitalgeber. Das Unternehmensrisiko wird auf die beiden Kapitalgeber verteilt. Diese Risikoträgereigenschaft zeigt auch der Vergleich mit der Darstellung des Betafaktors einer verschuldeten Unternehmung bei risikolosem Fremdkapital. Nimmt man an, dass die Fremdkapitalgeber kein Risiko übernehmen, das Fremdkapital ausfallrisikolos ist und somit EFK ,i 0 gilt, erhält man dieselbe Darstellung
EiV
Ei 1 s Ei 0
FK M EK M
ª FK M º Ei «1 1 s », EK M ¼ ¬
die bereits Abschnitt D IV 4 a hergeleitet wurde. Als zweite Interpretation kann man feststellen, dass der Steuervorteil der Fremdfinanzierung sich sowohl auf den risikolosen Teil der Fremdfinanzierung Rf als auch auf die Risikoprämie bei der Fremdfinanzierung ª¬E R m R f º¼ EFK ,i bezieht. Somit agiert der Staat indirekt auch als eine Art Risikoträger.124 Unter zu Hilfenahme des Betafaktors für das Eigenkapital des verschuldeten Unternehmens lassen sich dann die durchschnittlichen Gesamtkapitalkosten ableiten: rd
EK M FK M 1 s R f ª¬E R m R f º¼ EFK ,i M M EK FK EK FK M M M M · § · § EK FK EK FK M Rf ¨ 1 s ª¬E R m R f º¼ ¨ EiV 1 s EFK ,i ¸ M M M M M ¸ M M EK FK EK FK EK FK EK FK M ¹ © ¹ ©
R
f
ª¬E R m R f º¼ EiV
M
Diese unterscheidet von den in Abschnitt D IV 4 a hergeleiteten Kapitalkosten die nun höher ausfallenden Fremdkapitalkosten. Zudem wird deutlich, dass sich der Steuervorteil der Fremdfinanzierung nun auf den risikolosen wie auch riskanten Anteil der Fremdkapitalkosten bezieht.
124
Vgl. Anders, Wagner, Kapitalkosten in der Bewertungspraxis, 2004. Diese zeigen auch Wege auf, wie eine Modellierung erfolgt, falls der Steuervorteil des Fremdkapitals nur für den ausfallrisikolosen Teil gegeben ist.
IV. Kapitalstruktur und Verschuldungspolitik Für eine letzte Interpretation verzichtet man auf den Steuervorteil der Fremdfinanzierung (s=0), so dass ein Vergleich mit den optionspreistheoretisch hergeleiteten Kapitalkosten nach Abschnitt D IV 4 c möglich wird. Optionspreistheoretisch ergeben sich die Eigenkapitalkosten zu
rEK
GK M R f ª¬E R i R f º¼ N d1 EK M
Ersetzt man die erwartete Überrendite des unverschuldeten Unternehmens E R i R f durch E R i R f ¬ªE R i R f ¼º Ei (siehe Abschnitt D IV 4 c), so erhält man
rEK
GK M R f ª¬E R m R f º¼ Ei N d1 EK M
und damit EiV
Ei N d1
GK M EK M
durch Gleichsetzten mit EiV
Ei N d1 1 V
Ei Ei EFK ,i
ergibt sich dann
Ei N d1
GK M EK M
Ei
FK M EK M
EK M FK M Ei EFK ,i M EK EK M
und
EFK ,i
E i N d 1
GK M FK M
E i 1 N d1
1 V V
Betrachtet man das Eigenkapitalbeta und vergleicht es mit dem Eigenkapitalbeta bei risikolosem Fremdkapital Ei >1 V @ zeigt sich nochmals die Risikoteilung zwischen Eigen- und Fremdkapitalgeber. Dies drückt die kumulierte Normalverteilung N(d1) aus, die qua Definition nur Werte zwischen 0 und 1 annehmen kann (Für ein ausfallrisikoloses Unternehmen beträgt N(d1)=1). Somit reduziert die Risikoübernahme durch die Fremdkapitalgeber das Beta des Eigenkapitals. Genau umgekehrt ist dies beim Beta des Fremdkapitals. Ausfallrisikoloses Fremdkapital (N(d1)=1) führt zum einem Fremdkapitalbeta von Null. Zahlenbeispiel für Betafaktoren in Anhängigkeit der Kapitalstruktur bei riskantem Fremdkapital mit Unternehmenssteuern Für das Unternehmen aus Beispiel Abb. D 35 werden die geforderten Fremdkapitalkosten nun modifiziert. Um die Optionsbasierte Darstellung miteinzubeziehen wird der Betafaktor des Fremdkapitals auf Basis der in Abb. D 36 gegebenen Werte ermittelt. So ergibt 2 0,0034. sich der Betafaktor bei einem Verschuldungsgrad von 2 zu EFK,i 0,5 N 2.61 1 Damit lassen sich die geforderten Fremdkapitalkosten als i = 0,05 + (0,10 – 0,05) · 0,0034 = 0,0501 errechnen. Der Betafaktor des Eigenkapitals ermittelt sich zu EV = 0,5 + (1 – 0,25)(0,5 – 0,0034) ∙ 2 = 1,24, die zugehörigen Eigenkapitalkosten zu r*EK = 0,05 + (0,10 – 0,05) · 1,24 = 0,0112.
617
618
D. Alternativen der Kapitalaufbringung V zu Marktwerten
0,00
0,50
d1
–
6,95
EFK,i
0
0,000001
1,00
2,00
4,00
4,41
2,61
1,43
0,000005 0,0034 0,048
6,00 0,92 0,104
i (gefordert)
0,05 0,0500001 0,0500003 0.0502 0,0524 0,0552
EV
0,50
0,69
r*EK (gefordert)
0,87
1,24
1,86
2,28 0,164
0,075
0,084
0,094
0,112
0,143
rd
1 * V rEK i 1 s 1 V 1 V
0,075
0,069
0,066
0,063
0,060 0,059
Ed
1 V V E EFK,i 1 s 1 V 1 V
0,50
0,46
0,44
0,42
0,40
0,39
Der Verschuldungsgrad zu Marktwerten wird zwischen 0 und 6 variiert. Wie schon in Beispiel Abb. D 45 steigen mit wachsender Verschuldung die Betafaktoren des Eigenkapitals an. Zudem erhöht sich nun auch der Betafaktor des Fremdkapitals. Allerdings ist der Anstieg der Betafaktoren des Eigenkapitals weniger stark ausgeprägt als noch in Beispiel Abb. D 45. Dies führt auch zu einem geringeren Anstieg der geforderten Eigenkapitalkosten. Die Gesamtkapitalkosten fallen wiederum aufgrund des Steuervorteils. Dies drückt auch der fallende gewichtete Betafaktor aus Fremd- und Eigenkapital aus. 2,5
Betafaktor
2 1,5 ɴd
1
ɴFK,i
ɴV
0,5 0 0
1
2
3
4
5
6
Verschuldungsgrad V Dieser durchschnittliche Betafaktor fällt leicht mit zunehmender steuerlicher Entlastung durch die Abzugsfähigkeit der Fremdkapitalkosten. Für ein fiktiv vollständig fremdfinanziertes Unternehmen betrüge dieser 0,5 ∙ (1 – 0,25) = 0,375. Das Fremdkapitalbeta steigt dagegen an. Für ein fiktiv vollständig fremdfinanziertes Unternehmen läge dieser Betafaktor bei 0,5, da die Fremdkapitalgeber das gesamte Unternehmensrisiko tragen. Abb. D 47: Zahlenbeispiel für Betafaktoren in Anhängigkeit der Kapitalstruktur bei riskantem Fremdkapital mit Unternehmenssteuern
IV. Kapitalstruktur und Verschuldungspolitik
e) Bestimmung der Eigenkapitalkosten mithilfe des Verfahrens der impliziten Kapitalkosten Aktuell wird als neues Verfahren die Bestimmung der Kapitalkosten aus Gewinnschätzungen und aktuellen Marktwerten vorgeschlagen (impliziten Kapitalkosten). Das Verfahren bezieht auch aus dieser Vorgehensweise seine Motivation, aus aktuellen, nicht vergangenen Werten Kapitalkosten zu schätzen. Die grundlegende Vorgehensweise setzt an einem Gewinnkapitalisierungsmodell, das zu einem Residualgewinnmodell modifiziert wird. Nach dem Gewinnkapitalisierungsmodell ist der Unternehmenswert oder Kurs K0
E G1 f E G t k B t 1 B t 2 ¦ t 1 k t 2 1 k
der mit dem Kapitalkostensatz k diskontierte Gewinn Gt, wobei das Problem der Doppelzählung hier vermieden wird. Da die Gewinne aus den Nettoinvestitionen keiner zusätzlichen Zählung bedürfen,125 müssen die daraus resultierenden Gewinne vom Gewinn abgezogen werden. Die Nettoinvestitionen werden dabei über die Veränderung des Buchwerts Bt angenähert. Das Gewinnkapitalisierungsmodell lässt sich zu f
K0
B0 ¦ t 1
E G t k B t 1
1 k
t
T
B0 ¦ t 1
E G t k B t 1
1 k
t
E GT 1 k B T
k g 1 k T
erweitern. Hier wird nur der Residualgewinn ins Kalkül gezogen. Jeder Gewinn erhöht den ursprünglichen Buchwert B0 nur, insoweit dass er die Kapitalkosten übertrifft. Für die weitere Verwendung wird nun der Unternehmenswert in die drei Komponenten Buchwert, Barwert der Residualgewinne während der Planungsperiode und Fortführungswert aufgespalten. Zur Schätzung der Kapitalkosten werden Kurs, Buchwerte und Gewinne als Eingangsdaten verwendet, um dann Kapitalkosten als gesuchte Variable zu bestimmen. Hierbei wird auf das Verfahren der Internen Zinsfußmethode zurückgegriffen, da diese Berechnung auch als Bestimmung des internen Zinsfußes angesehen werden kann. Dazu genügt es den Kurs als Auszahlung für die Investition anzusehen und die Buchwerte und Gewinne als Ausgangspunkt für die Rückflüsse aus der Investition. In Form des Börsenkurses ist der Kurs ebenso gegeben wie der aktuelle Buchwert der Bilanz entnommen werden kann. Als künftige Gewinne werden bei diesem Verfahren Analystenprognosen verwendet, die auch in Kombination mit Dividendenprognosen dazu dienen können, künftige Buchwerte zu ermitteln. Zur genauen Ermittlung existieren allerdings unterschiedliche Vorgehensweisen, welche sich in vier Punkten unterscheiden:126 x Zu welchem Zeitpunkt T wird der Fortführungswert bestimmt? x Wie wird die Wachstumsrate g bestimmt? x Wie wird mit Gewinnen für die Jahre bis zum Zeitpunkt T verfahren, für die es keine Analystenschätzungen gibt? x Welche Annahmen werden bzgl. des Fortführungswertes getroffen? 125 126
Vgl. Schultze, Unternehmensbewertung, 2003, S. 366. Vgl. Wallmeier, Implizite Kapitalkosten,2007, S. 562.
619
620
D. Alternativen der Kapitalaufbringung Nach dem Verfahren von Claus und Thomas127 wird grundsätzlich die obige Vorgehensweise verwendet. Für die Wachstumsrate wird die erwartete Inflation angesetzt. Die Fortführungsphase ab dem Jahr T beginnt direkt nach dem Ende der Gewinnprognosen, was oft nur wenige Jahre ausmacht. Das impliziert, dass der Fortführungswert einen Großteil des Unternehmenswerts ausmacht und damit die letzte Gewinnprognose stark die Kapitalkosten beeinflusst. Dies ist umso gravierender, je weiter sich dieser Wert von einem langfristigen Wert entfernt. Aus der Tatsache, dass der Unternehmenswert fast ausschließlich durch den Fortführungswert determiniert ist, kann man einfach zeigen, dass Kapitalkosten sich als Funktion des Gewinn/Kursverhältnisses und damit als Umkehrung des PER ergeben. Letzteres lässt sich auch empirisch belegen.128 Das Verfahren von Gebhardt, Lee und Swaminathan129 führt gegenüber Claus und Thomas eine Übergangsphase von Periode 4 bis 12 ein, in der zwar keine Gewinnschätzungen vorliegen, aber in der eine langfristige Zielgewinn erreicht wird, die dann den Fortführungswert bestimmt. Die Formulierung des Modells setzt dabei nicht auf Gewinngrößen auf, sondern verwendet direkt Eigenkapitalrentabilitäten, die aus Gewinnschätzungen und Buchwerten gewonnen werden können. Als Basis für einen langfristigen Zielwert der Eigenkapitalrentabilität wird eine Brancheneigenkapitalrentabilität verwendet. Diese Annahme ist allerdings umstritten, da sie impliziert, dass alle Unternehmen einer Branche die gleichen Buchwerte in Relation zu ihren Marktwerten bräuchten. Dies stellt grundsätzlich auf ähnliche Ausnutzung der Bewertungswahlrechte in der Rechnungslegung ab, die von empirischen Ergebnissen nicht bestätigt werden kann.130 Konträr dazu geht das Verfahren von Easton, Taylor, Shroff und Sougiannis131 davon aus, dass nicht Eigenkapitalrentabilitäten einer Branche, sondern Kapitalkosten einer Branche konstant sind. Um ihr Verfahren zu schätzen legen sie fest, dass Fortführungswert den gesamten Unternehmenswert umfasst. Somit ist die Gleichung nach der Eigenkapitalrentabilität auflösbar und mit statistischen Methoden schätzbar. Als Ergebnis einer Regression erhält man hier sowohl einen Ausdruck für die Wachstumsrate als auch einen für die Kapitalkosten. Ferner kann bei dieser Variante auch ein Standardfehler bestimmt werden. Dies ist allerdings bei den anderen Varianten nicht der Fall, was dem Standardverfahren als Malus anzulasten ist. Ferner ist zu betonen, dass bei diesem Modell das Modellrisiko nicht zu vernachlässigen ist.132 Dies besteht in einer möglichen Fehlspezifikation, die besonders den Fortführungswert betrifft, der erheblichen Einfluss auf das Modellergebnis hat. Aber auch Parameterrisiken sind nicht auszuschließen. Hier ist anzuführen, dass Studien nachweisen, dass langfristige Gewinnprognosen von Finanzanalysten ungenau und verzerrt zu sein scheinen. Somit ist die Idee dieser Modelle in Bezug auf ihre Vorwärtsgerichtetheit ein vielversprechender Ansatz. Bei der genauen Ausgestaltung lauert aber die ein oder andere Tücke.
127
Vgl. Claus, Thomas, Equity Premiums, 2001. Vgl. Wallmeier, Implizite Kapitalkosten,2007, S. 564. 129 Vgl. Gebhardt, Lee, Swaminathan, Implied Cost of Capital, 2001. 130 Vgl. Wallmeier, Implizite Kapitalkosten,2007, S. 569 ff. 131 Vgl. Easton, Taylor, Shroff, Sougiannis, Using Forecasts, 2002. 132 Vgl. Ballwieser, Eigenkapitalkosten aus Gewinnschätzungen und Aktienkursen, 2005. 128
IV. Kapitalstruktur und Verschuldungspolitik
5. Finanzierungskostenvergleich unter besonderer Berücksichtigung der Steuerbelastung Im nachfolgenden Abschnitt wird ein Finanzierungskostenvergleich für deutsche Unternehmen durchgeführt. Die Kosten der einzelnen Finanzierungsarten – man unterscheidet einmalige und laufende Kosten – setzen sich im Wesentlichen aus 1. Fremdleistungskosten, 2. Nutzungskosten und 3. Steuern zusammen. Die Gruppe der Fremdleistungskosten umfasst ganz allgemein jene Kosten, die einer Unternehmung für Leistungen entstehen, die sie von außen bezieht. Speziell im Finanzierungsbereich handelt es sich um Kosten, die mit der Beschaffung des Kapitals verbunden sind, wie z. B. Kosten der Besicherung, Kosten der Börseneinführung (einmalige Kosten) oder Kosten für die treuhänderische Verwaltung der Sicherheiten. Demgegenüber werden Kosten, die durch die Nutzung des Kapitals verursacht werden (Zinsen und Dividenden), als Nutzungskosten bezeichnet. Ein Vergleich der Finanzierungskosten zwingt zur Unterstellung pauschalierender, zeitpunktbezogener Annahmen, die die Realität nur im Ausnahmefall exakt widerspiegeln. Die nachfolgende Gegenüberstellung der Finanzierungskosten ist nicht als absoluter Vorteilsvergleich zu sehen, sondern sie soll lediglich Anhaltspunkte bezüglich der ungefähren Relation der Finanzierungskosten zueinander liefern. An einem Beispiel soll nachfolgend ein steuerlicher Belastungsvergleich zwischen der Beteiligungs- und der Kreditfinanzierung bei Kapitalgesellschaften dargestellt werden. Dies soll einerseits exemplarisch demonstrieren, wie sich die Steuerbelastung einer Finanzierungsmaßnahme in einem konkreten Fall bestimmen lässt, und andererseits die grundsätzliche Wirkung der einzelnen Steuerarten und deren Abhängigkeiten untereinander aufzeigen. Es wird auf die laufende Besteuerung abgestellt und die Belastung des Kapitalbeschaffungsvorgangs nicht mit einbezogen. Die Bemessungsgrundlagen der Körperschaft- und Gewerbesteuer werden aus Vereinfachungsgründen gleichgesetzt. Als einzige gewerbesteuerliche Modifikation wird die Hinzurechnung der Fremdkapitalzinsen zu 25 % (§ 8 Nr. 1a GewStG) berücksichtigt. Ferner wird davon ausgegangen, dass alle Freibeträge anderweitig verbraucht sind und die Zinsschranke (§ 4 h EStG) nicht greift. Ein Hauptproblem besteht in der unterschiedlichen Behandlung der einzelnen steuerlichen und nichtsteuerlichen Kapitalkosten in Abhängigkeit von ihrer Abzugsmöglichkeit bei den Gewinnsteuern.
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D. Alternativen der Kapitalaufbringung Beispiel zum steuerlichen Belastungsvergleich von Eigen und Fremdfinanzierung Eine Kapitalgesellschaft will zur Finanzierung des langfristigen Wachstums 10 Mio. EUR aufnehmen, und zwar im ersten Fall durch eine Kapitalerhöhung gegen Einlage, im zweiten Fall durch Ausgabe einer Schuldverschreibung mit 10-jähriger Laufzeit. Die Ansprüche der Kapitalgeber werden dabei wie folgt einbezogen: Sie verlangen eine Rendite von 6 % nach individuellen Steuern. Solidaritätszuschlag (und evtl. Kirchensteuer) werden nicht berücksichtigt. Es sind nun die gesamten laufenden Kapitalkosten als Summe der steuerlichen und der nichtsteuerlichen Kapitalkosten zu bestimmen. Symbole: AbgSt DB DN GewSt H KKG KKNSt KK St KSt M sAbgSt sGewSt sKSt Z
= Abgeltungsteuer = Bruttodividende (vor Abgeltungsteuer) = Nettodividende = Gewerbesteuer = Hebesatz der Gewerbesteuer (im Beispiel 400 %) = Gesamte laufende Kapitalkosten = Laufende nichtsteuerliche Kapitalkosten = Laufende steuerliche Kapitalkosten = Körperschaftsteuer = Messzahl der Gewerbesteuer (3,5 %) = Abgeltungsteuersatz (25 %) = Gewerbesteuersatz = Körperschaftsteuersatz (15 %) = Fremdkapitalzinsen
(1) Kapitalerhöhung gegen Einlage Die Ermittlung der gesamten steuerlichen Belastung erfolgt ausgehend von der Nettoausschüttung DN in Höhe von 600.000 EUR (6 % Nettorendite), die von den Kapitalgebern gefordert wird.133 Abgeltungsteuer Die durch die Unternehmung aufzubringende Bruttodividende nach Gewerbe- und Körperschaftsteuer aber vor Abgeltungsteuer (DB) ergibt sich aus:
DN
DB DB s AbgSt
DB
DN 1 s AbgSt
DB 1 s AbgSt
600.000 1 0,25
800.000 EUR
Die Abgeltungsteuer beträgt folglich: AbgSt
s AbgSt DB 0,25 800.000
133
200.000 EUR
Abweichungen von den exakten Werten sind auf Rundungsdifferenzen zurückzuführen.
IV. Kapitalstruktur und Verschuldungspolitik Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer Ausgehend von der Bruttodividende erfolgt die Ermittlung der Bemessungsgrundlage der Gewerbe- und Körperschaftsteuer. Die Bemessungsgrundlage entspricht gleichzeitig den gesamten Kapitalkosten (KKG). Diese ergeben sich aus:
DB
KKG KKG sGewSt KKG sKSt
KKG
DB 1 sGewSt sKSt
KKG 1 sGewSt sKSt
DB 1 M H sKSt
800.000 EUR 1 0,035 4 0,15
1.126.761EUR
Dementsprechend beträgt die Gewerbesteuer: GewSt = M · H · KKG = 0,035 · 4 · 1.126.761 EUR = 157.747 EUR Für die Körperschaftsteuer gilt: KSt = sKSt · KKG = 0,15 · 1.126.761 EUR = 169.014 EUR Zusammensetzung laufende Steuerbelastung KK St
= AbgSt + GewSt + KSt = 200.000 EUR + 157.747 EUR + 169.014 EUR = 526.761 EUR
Zusammensetzung laufende Kapitalkosten KKG
= KKNSt + KK St = 600.000 EUR + 526.761 EUR = 1.126.761 EUR
(2) Schuldverschreibung Abgeltungsteuer Die Fremdkapitalzinsen ergeben sich aus dem geforderten Nettoertrag und dem Abgeltungsteuersatz:
600.000 EUR Z
Z 1 s AbgSt
600.000 EUR 1 0,25
800.000 EUR
Die Abgeltungsteuer errechnet sich analog zum Fall der Einlagenfinanzierung: AbgSt = sAbgSt · Z = 0,25 · 800.000 EUR = 200.00 EUR Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer Da die Fremdkapitalzinsen als Betriebsausgaben abgezogen werden, entsteht keine KStBelastung: KSt = 0 Bei der Ermittlung der gewerbesteuerlichen Bemessungsgrundlage sind Zinsen zu einem Viertel hinzuzurechnen. Dementsprechend gilt für den effektiven Gewerbesteuersatz auf Zinsen 0,25 · sGewSt. Die gesamten Kapitalkosten berechnen sich somit aus:
Z KKG KKG 0,25 sGewSt KKG
Z 1 0,25 sGewSt
KKG 1 0,25 sGewSt
800.000 EUR 1 0,25 0,035 4
829.016 EUR
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D. Alternativen der Kapitalaufbringung Es ergibt sich somit eine gewerbesteuerliche Belastung in Höhe von: GewSt = 0,25 · M · H · KKG = 0,25 · 0,035 · 4 · 829.016 EUR = 29.016 EUR Zusammensetzung laufende Steuerbelastung KK St
= AbgSt + GewSt + KSt = 200.000 EUR + 29.016 EUR + 0 EUR = 229.016 EUR
Zusammensetzung laufende Kapitalkosten KKG
= KKNSt + KK St = 600.000 EUR + 229.016 EUR = 829.016 EUR
(3) Vergleich der Steuerbelastung AbgSt
GewSt
KSt
KKSt
EK
200.000 EUR
157.747 EUR
169.014 EUR
526.761 EUR
FK
200.000 EUR
29.016 EUR
0 EUR
229.016 EUR
Abb. D 48: Beispiel zum steuerlichen Belastungsvergleich von Eigen und Fremdfinanzierung
Unter den getroffenen Annahmen ergibt sich ein nicht unerheblicher Vorteil der Fremdfinanzierung gegenüber der Eigenfinanzierung. Das Ergebnis rührt von der vollständigen steuerlichen Abschirmung der Zinsen von der Körperschaftsteuer und der Abschirmung zu 75 % von der Gewerbesteuer. Auf Ebene der Anteilseigner ergibt sich aufgrund der gleichen Besteuerung von Dividenden und Zinsen in Höhe der Abgeltungsteuer kein Unterschied. Es ist insbesondere darauf hinzuweisen, dass der genannte steuerliche Vorteil der Fremdfinanzierung nur insoweit gilt, solange die Zinsschranke nicht greift. Hat die betrachtete Unternehmung hingegen ihre steuerliche Fremdfinanzierungsmöglichkeit bereits voll ausgeschöpft, wäre ein zusätzlicher Zinsabzug von der Bemessungsgrundlage der Gewerbe- und Körperschaftsteuer, wie im Beispiel dargestellt, nicht möglich. Steuerlich ergäbe sich dann im Beispiel kein Unterschied zwischen Eigen- und Fremdfinanzierung.
6. Die Bedeutung der Ausschüttungsentscheidung für die optimale Unternehmensfinanzierung Gegenstand der Ausschüttungspolitik ist die zielgerichtete Gestaltung des Zahlungsstroms zwischen einer Gesellschaft und ihren Anteilseignern, soweit sich die Zahlungen bilanziell als eine Verminderung des Eigenkapitals niederschlagen.134 Im Mittelpunkt der Ausschüttungspolitik steht die zeitliche Strukturierung der Ausschüttungen, d. h. die Festlegung von Höhe und Zeitpunkt der Dividendenzahlungen. Unter einer Dividende versteht man dabei den Anteil am Gewinn einer Aktiengesellschaft, der an die Gesellschafter aufgrund ihrer Kapitalbeteiligung in diesem Unternehmen ausgeschüttet wird (§ 60 Abs. 1 AktG). Auch wenn die Hauptversammlung nach § 174 AktG über die Verwendung des Bilanzgewinns entscheidet, so bleibt der eigentliche 134
Vgl. Dirrigl, Wagner, Ausschüttungspolitik unter Berücksichtigung der Besteuerung, 1993, S. 262.
IV. Kapitalstruktur und Verschuldungspolitik Entscheidungsträger das Management; denn ihm obliegt die Feststellung des Jahresabschlusses sowie der Vorschlag des zur Ausschüttung freigegebenen Bilanzgewinnes. Vorstand und Aufsichtsrat können bei der Feststellung des Jahresabschlusses einen Teil des Jahresüberschusses, höchstens jedoch die Hälfte, in andere Gewinnrücklagen einstellen, wenn die Satzung ihn nicht ermächtigt, einen größeren Teil in die anderen Gewinnrücklagen zuzuführen (§ 58 Abs. 2 AktG). Zu untersuchen ist in wieweit eine zeitliche Strukturierung der Ausschüttung das Vermögen der Anteilseigner beeinflusst und welche Determinanten auf die Ausschüttungspolitik einwirken.
a) Dividendenpolitik und vollkommener Kapitalmarkt Modigliani/Miller dehnten ihre Überlegungen zur Irrelevanz der Kapitalstruktur auch auf die Dividendenpolitik von Unternehmen aus. Unter der Verwendung des Modells des vollkommenen Kapitalmarktes und der Prämisse, dass die Investitionspolitik gegeben und unabhängig von der Dividendenpolitik ist, zeigen sie, dass die Dividendenpolitik von Unternehmen keinen Einfluss auf das Vermögen der Anteilseigner hat.135 Auf einem vollkommenen Kapitalmarkt kann die Finanzierungslücke, die infolge der Ausschüttung der Dividende entsteht, durch die Aufnahme von Fremd- bzw. Eigenkapital geschlossen werden. Dividendenpolitik kann daher als ein Abwägen zwischen Selbstfinanzierung durch Gewinneinbehalt und Gewinnausschüttung bei anschließender Emission neuer Aktien verstanden werden. Auf einem vollkommenen Kapitalmarkt bestimmt sich der Marktwert eines eigenfinanzierten Unternehmens (EK0 m) im Zeitpunkt t0 aus dem Produkt der Anzahl der Aktien (m) und dem Wert der Aktie (P):
mit rEK der geforderten Eigenkapitalrendite für die Risikoübernahme und d1 = Dividende pro Aktien in t1. Unterstellt man, dass das Investitionsprogramm und damit die notwendigen finanziellen Mittel durch den Leistungsbereich vorgegeben sind, so ist eine Steigerung der Dividende direkt mit einer erhöhten Emission neuer Aktien (nP) verbunden. Im finanziellen Gleichgewicht entsprechen die Auszahlungen für das Investitionsprogramm (I1) und die Dividende (md1) den Einzahlungen aus der Geschäftstätigkeit (Z1) und den Emissionserlösen aus dem Verkauf der neuen Aktien (nP1): I1 + md1 = Z1 + nP1 Der Marktwert des Unternehmens im Zeitpunkt t1 ergibt sich nach erfolgter Kapitalerhöhung und Dividendenausschüttung als Summe der Kurswerte der neuen (n) und alten (m) Aktien:
Durch Einsetzen erhält man für den Wert des Unternehmens:
135
Vgl. Modigliani, Miller, Dividend Policy, Growth and Valuation, 1961, S. 411 ff.
625
626
D. Alternativen der Kapitalaufbringung Wie man aus der letzten Gleichung ersieht, ist der Unternehmenswert unabhängig von der Dividendenzahlung im Zeitpunkt t1. Diese Vorgehensweise kann analog auf den Mehrperiodenfall übertragen werden. Die Ausschüttungspolitik hat damit keinen Einfluss auf den Unternehmenswert. Rational handelnde Anteilseigner verhalten sich demnach indifferent gegenüber Dividendenzahlungen und Kurssteigerung, die durch die Gewinneinbehaltung hervorgerufen werden (Gewinnthese). Unterstellt man, dass die Gesellschaft keine Aufnahme neuer Mittel plant, so ergibt sich die Dividende als Residuum der finanziellen Mittel aus dem leistungswirtschaftlichen Bereich.
b) Dividendenpolitik und Steuern Für Kapitalgesellschaften stellte sich in der Vergangenheit wegen des gespaltenen Körperschaftsteuersatzes die Frage, ob eine Gewinnausschüttung und eine anschließende Aufforderung an die Gesellschafter zur Einbringung neuen Kapitals aus Kapitalkostenüberlegungen heraus günstiger sind. Diese als Schütt-aus-hol-zurück-Politik bezeichnete Maßnahme konnte wegen des höheren Steuersatzes für zurückbehaltene Gewinne kostengünstiger sein als eine volle Gewinnthesaurierung.136 Bedingt durch die Systemwechsel im Rahmen der Steuersenkungsgesetze erfolgte eine Rückkehr zum klassischen System der Besteuerung erzielter Gewinne auf Ebene der Kapitalgesellschaft sowie ausgeschütteter Gewinne auf Ebene der privaten Anteilseigner. Erfolgt keine Ausschüttung der Gewinne und somit eine Gewinneinbehaltung, fallen direkt nur auf Unternehmensebene, nicht aber auf Anteilseignerebene eine steuerliche Belastung an. Bei der Ausschüttung von Gewinnen erfolgt die Besteuerung auf Anteilseignerebene gemäß der Abgeltungssteuer (vgl. Abschnitt C V). Allerdings werden c. p. einbehaltene Gewinne zu entsprechenden Kurssteigerungen führen, welche wiederum im Zuflusszeitpunkt des Verkaufs mit der Abgeltungssteuer belastet sind. Zudem ist zu berücksichtigen, dass bei Anrechnung der Abgeltungssteuer auf die Einkommenssteuer die Gutschriften erst ein Jahr nach der Dividendenzahlung oder noch später bei den Aktionären liquiditätswirksam werden. Gem. § 36 EStG werden sie erst im Jahr nach der Ausschüttung durch die Finanzverwaltung ausgezahlt werden. Deshalb erbringt die auf die Ausschüttung folgende Kapitalerhöhung weniger als den Betrag, der sich aufgrund der endgültigen Ertragsteuerbelastung unter Berücksichtigung des Anrechnungsverfahrens ergibt. Auch alternative Wege der Ausschüttung, etwa durch Rückkauf von Aktien zur Kapitalherabsetzung, sind durch die Abgeltungssteuer nicht möglich, weil die Verkäufer ihren beim Verkauf an das Unternehmen eventuell erwirtschafteten Kursgewinn versteuern müssen. Bei einer eingehenden Analyse der steuerlichen Vorteilhaftigkeit der Schütt-aus-hol-zurück-Politik sind nun verschiedene Einflussfaktoren, wie die Kapitalkosten im Verhältnis zu den Unternehmenserträgen, zu berücksichtigen, die sich gegenseitig nivellieren. Somit ist keine allgemeingültige Aussage mehr möglich.137
c) Dividendenpolitik und informationsineffizienter Kapitalmarkt Bislang wurde davon ausgegangen, dass die Ausschüttung allein die Übertragung finanzieller Mittel zum Gegenstand hat und eine homogene Informationsverteilung 136 137
Vgl. Schneider, Schütt-aus-hol-zurück-Politik, 1977, S. 157. Vgl. Schultze/Dinh Thi, Kapitalwertneutrale Wiederanlage in der Unternehmensbewertung, 2007, S. 1179–1216.
IV. Kapitalstruktur und Verschuldungspolitik bezüglich des Investitionsprogramms und dessen Einzahlungsüberschüssen vorliegt. Hebt man diese Voraussetzungen auf und unterstellt, dass das Management aufgrund seiner Insiderstellung über einen erheblich besseren Informationsstand verfügt und auch nicht zwangsläufig im Interesse der Anteilseigner handelt, so gewinnt die Ausschüttungspolitik eine eigenständige Komponente. Sie kann zum einen als Informationsinstrumentarium eingesetzt werden, zum anderen stellt sie ein Instrumentarium zur Disziplinierung des Managements dar.138 Geht man von der Annahme aus, dass das Management bestrebt ist, eine konstante Dividende auszuschütten139, so signalisieren Dividendenerhöhungen eine veränderte Zukunftserwartung des Managements. Das Management hat offensichtlich zusätzliche, dauerhafte Ertragschancen aufgedeckt und erwartet einen höheren Zahlungsüberschuss, der eine höhere Dividendenzahlung auch in der Zukunft zulässt. Dieses Signal kann nicht von Unternehmen nachgeahmt werden, deren Management eine schlechte Zukunftserwartung hat, da die Dividendenausschüttung einen Abfluss an liquiden Mitteln darstellt, deren Aufbringung ertragsschwache Unternehmen nicht so leicht leisten können. Umgekehrt signalisieren Dividendensenkungen eine dauerhafte Ertragsminderung. Dividendenänderungen stellen somit eine Form der Mitteilung über Erwartungsänderungen seitens des Managements dar. Gegen die These des Informationsgehaltes der Dividende könnte man einwenden, dass Unternehmen mittels des Jahresabschlusses und des Lageberichtes ihre Erwartungen an die Anteilseigner mitteilen können.140 Empirische Ergebnisse haben dagegen gezeigt, dass Kapitalmarktreaktionen bei der Ankündigung von Dividendenänderungen sehr viel stärker ausfallen als bei der Bekanntgabe von Gewinnveränderungen.141 Dies ist nicht überraschend, wenn Dividendenänderungen vor dem Hintergrund der Dividendenkontinuität142 betrachtet werden, und sie damit eine längerfristige Gewinnveränderung erwarten lassen.143 Ferner ist es verwunderlich, dass Unternehmen nicht auf die in der Vergangenheit steuerlich günstigere Ausschüttungsalternative der Aktienrückkäufe sondern auf das Instrument der Dividende gesetzt haben.144 Signale senden beiden Maßnahmen gleichermaßen aus. Entgegen den Dividendenzahlungen werden bei Aktienrückkäufen die Ausschüttung nicht anteilig gezahlt. So können Unterschiede im Informationsstand zwischen Aktionären zu unterschiedlichem Partizipationsverhalten bei Aktienrückkäufen beitragen und somit uninformierte Anleger übervorteilt werden, was teilweise die Unbeliebtheit dieses Instruments erklärt.
138
Vgl. Padberg, Kapitalerhöhungen, 1995. Empirische Arbeiten belegen diese These: vgl. Lintner, Distribution of Incomes of Corporations, 1956, S. 97 ff.; Hort, Zur Dividendenpolitik der Aktiengesellschaft, 1984. 140 Vgl. Drukarczyk, Finanzierung, 2015, S. 412 ff. 141 Vgl. Sahling, Die Reaktion des Aktienmarktes auf wesentliche Ausschüttungsänderungen, 1981; König, Ausschüttungsverhalten von Kapitalgesellschaften, Besteuerung und Kapitalmarktgleichgewicht, 1990. 142 So wurde in empirischen Studien herausgefunden, dass Manager das starke Verlangen haben, Dividenden nur im Notfall zu kürzen. Vgl. Copeland, Weston, Shastri, Financial Theory and Corporate Policy, 2005, S. 662. 143 Vgl. Miller, Rock, Dividend Policy under Asymmetric Information, 1985, S. 1031 ff.; HartmannWendels, Dividendenpolitik bei asymmetrischer Informationsverteilung, 1986; John, Williams, Dividends, Dilution, and Taxes, 1985, S. 1053. 144 Vgl. Brennan, Thakor, Shareholder Preferences and Dividend Policy, 1990, S. 993 ff. 139
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D. Alternativen der Kapitalaufbringung Neben diesem Signaleffekt haben Dividenden darüber hinaus eine Disziplinarwirkung auf das Management.145 Greift man auf das in Abschnitt D IV 3 aufgezeigte Zahlungsstromgleichgewicht in einem Unternehmen zurück, so ist zunächst nicht nachvollziehbar, warum eine Gesellschaft Dividenden ausschüttet und gleichzeitig an den Kapitalmarkt herantritt, um neues Eigenkapital zu erlangen. Die hiermit verbundenen Transaktionskosten führen zu einer Schmälerung des Vermögens der Anteilseigner, weswegen diese Strategie suboptimal erscheint. Unterstellt wurde bei dem Irrelevanzbeweis der Kapitalstruktur, dass das Management immer im Interesse der Anteilseigner handelt und alle Investitionsprojekte mit einem positiven Kapitalwert realisieren. Wie in Abschnitt D V näher ausgeführt wird, besteht aber durchaus die Gefahr, dass Manager zu Lasten der Anteilseigner verschwenderisch mit Unternehmensressourcen umgehen. Durch die Ausschüttung einer Dividende wird der finanzielle Spielraum des Managements eingeschränkt. Um das geplante Investitionsprogramm zu realisieren, muss es zur Beschaffung neuer Mittel an den Kapitalmarkt herantreten. Bei der Mittelbeschaffung erfolgt i. d. R. eine Prüfung der Geschäftstätigkeit durch Dritte (Banken, Kapitalmarkt), die nur dann Mittel zur Verfügung stellen, wenn diese zur Finanzierung entsprechender Investitionsprojekte eingesetzt werden. Der Nutzen dieses Kontrollmechanismus kommt den Anteilseigner zugute und wird von diesen in Form höherer Kurse honoriert. Bei Gewinnthesaurierung würde dieser Überwachungseffekt entfallen.
7. Einsatz von Risikomanagementinstrumenten Modigliani und Miller zeigen anhand von Arbitrageüberlegungen die Irrelevanz der Kapitalstruktur für den Unternehmenswert auf vollkommenen Märkten auf (These I; vgl. Abschnitt D IV 3 b). Aus ihrer Argumentation kann die Irrelevanz von Absicherungsmaßnahmen (Hedging) für den Unternehmenswert abgeleitet werden. Ein Anteilseigner eines Unternehmens kann jede Absicherungsmaßnahme des Unternehmens selbstständig durchführen, sodass sich durch Absicherungsmaßnahmen auf Unternehmensebene keine Auswirkung auf seine Vermögensposition ergeben darf. Dies soll anhand eines Beispiels verdeutlicht werden. Gegeben sei folgende Situation, in der der Nettoerfolgsstrom eines Unternehmens in der künftigen Periode steigt oder fällt und dann für alle Zeiten gleichbleibt: Es gelte ein risikoloser Zins von 5 % p. a., der Marktwert des unverschuldeten Unternehmens betrage 48.000. Das Unternehmen kann sich mit einem Absicherungsinstrument absichern, welches aus Vereinfachungsgründen das Risiko vollständig eliminiert und gleichzeitig ohne Kosten abgeschlossen werden kann. Unternehmenswert: t = 0 Zustand: gut
Nettoerfolgsstrom: t = 1,2,3,… 4.600
48.000 Zustand: schlecht
200
Abb. D 49: Unternehmenswert und Nettoerfolgsstrom
145
Vgl. Easterbrook, Two Agency-Cost Explanations of Dividends, 1984, S. 650 ff.
IV. Kapitalstruktur und Verschuldungspolitik Dies leistet ausschließlich ein Instrument, das im guten Zustand eine Auszahlung von 2.200 und im schlechten Zustand eine Einzahlung von 2.200 für alle zukünftigen Zeitpunkte generiert. Es verbleibt ein zustandsunabhängiger Gewinn von 2.400. Das Risiko ist vollständig eliminiert, bleibt noch zu zeigen, dass es ohne Kosten abgeschlossen werden kann. Entsprechend der Optionsbewertung mit Binominalbäumen (vgl. C V) kann ein risikoloses Portefeuille aus ' Anteilen am Unternehmen und dem Absicherungsinstrument gebildet werden. Im guten Zustand hat dieses Portefeuille einen Nettoerfolgserlös von 4.600' – 2200, im schlechten Zustand von 200'+ 2.200. Da das Portefeuille risikolos ist, muss es in beiden Zuständen denselben Wert aufweisen. Gleichsetzen und Auflösen nach ' ergibt '= 1. Das Portefeuille besitzt unabhängig vom Zustand in t = 1 einen Nettoerfolgsstrom von 2.400. Als risikoloses Portefeuille muss es den risikolosen Zins verdienen. Damit muss sein heutiger Wert dem Barwert von 2.400 bzw. 2.400/0,05 = 48.000 entsprechen. Es gilt in t = 0: Wert des Absicherungsinstruments + 'Unternehmenswert = 48.000. Es ergibt sich ein Wert des Absicherungsinstruments von 0. Alternativ kann die Wahrscheinlichkeit q einer Aufwärtsbewegung in einer risikoneutralen Welt berechnet werden. Hierbei muss gelten: 4.600/0,05q + 200/0,05 (1 – q) = 48.000. Man erhält q = 0,5. Der Wert des Instruments als mit den risikoneutralen Wahrscheinlichkeiten gewichtete erwartete Auszahlung diskontiert mit dem risikolosen Zins ergibt wieder 0. Das Instrument erfüllt somit beide Voraussetzungen. Es eliminiert das Risiko vollständig und kann ohne Kosten abgeschlossen werden. Denkbar wären aber auch Instrumente, die einen Wert haben und deren Erwerb Auszahlungen mit sich bringt. Dies resultiert c. p. in der Veränderung der künftigen Zahlungsströme des Unternehmens, deren Wert wieder dem Absicherungsinstrument entspricht. Hätte das abgesicherte Unternehmen einen höheren Wert in t = 1 als 48.000, etwa 52.000, könnte ein Arbitrageur das abgesicherte Unternehmen verkaufen, das (vergleichbare) nicht abgesicherte Unternehmen kaufen und privat eine kostenlose Absicherung abschließen. Mit dieser Strategie könnte ein Arbitragegewinn erzielt werden, wie aus Abbildung D 37 ersichtlich.
629
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D. Alternativen der Kapitalaufbringung Verkauf abgesichertes Unternehmen Verkaufserlös: t = 0 Zustand: gut
Nettoerfolgsstrom: t = 1, 2, 3… – 2.400
+ 52.000 Zustand: schlecht
– 2.400
Kauf nicht abgesichertes Unternehmen: Kaufpreis: t = 0 Zustand: gut
Nettoerfolgsstrom: t = 1, 2, 3… 4.600
– 48.000 Zustand: schlecht
200
Kauf Absicherungsinstrument: Kaufpreis: t = 0 Zustand: gut
Nettoerfolgsstrom: t = 1, 2, 3… – 2.200
0 Zustand: schlecht
2.200
Portefeuille aus den drei Instrumenten: Arbitragegewinn: t = 0 Zustand: gut
Nettoerfolgsstrom: t = 1, 2, 3… 0
4.000 Zustand: schlecht
0
Abb. D 50: Arbitragegewinn bei Absicherungsstrategien
Es bleibt anzumerken, dass im Falle eines kompletten Ausschlusses des Risikos auch ein Arbitragegewinn durch Verkauf des komplett abgesicherten Unternehmens und Kauf der risikolosen Anlage möglich wäre. Bei Teilabsicherungen ist dies nicht der Fall. Ein wichtiger Gegenstand der Forschung zum Risikomanagement ist folglich die Untersuchung von Erklärungsansätzen, die trotz des gezeigten Sachverhalts den Einsatz von Absicherungsmaßnahmen zum Ziel der Unternehmenswertsteigerung rechtfertigen bzw. optimale Absicherungsstrategien ermitteln.146 Zur Fragestellung der Absicherung gegen Preisrisiken, wie z. B. Zins-, Währungs- oder Rohstoffkursrisiken lassen sich in Abwandlung der Prämissen zur Kapitalstruktur von Modigliani und Miller einige Folgerungen ableiten:
146
Die weiteren Ausführungen beziehen sich auf Nichtfinanzunternehmen, da derivative Finanzinstrumente in Finanzunternehmen eine abweichende Funktion besitzen und auch als Spekulationsinstrument zum Einsatz kommen.
IV. Kapitalstruktur und Verschuldungspolitik 1. Volatile zukünftige Zahlungsströme können zu Situationen führen, in denen die Liquidität eines Unternehmens für das Begleichen vertraglich fixierter Fremdkapitalkosten nicht mehr ausreicht. Aus der Volatilität resultiert also ein höheres Insolvenzrisiko mit den damit verbundenen direkten und indirekten Insolvenzkosten und Kosten finanzieller Notlagen. Absicherungsmaßnahmen senken durch Glättung der zukünftigen Zahlungsströme im Allgemeinen das Insolvenzrisiko und damit die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten der damit verbundenen Kosten. Da diese einen Mittelabfluss für Anteilseigner darstellen, besteht aus deren Sicht auch ein Anreiz zur Vermeidung und damit ein Anreiz für Absicherungsmaßnahmen.147 Beim Auftreten einer Insolvenz im obigen Beispiel, also im schlechten Zustand, könnte zur Vermeidung von Insolvenzkosten trotzdem eine Absicherung sinnvoll sein. 2. Unterliegt ein Unternehmen einem progressiven Steuertarif (konvexe Steuerfunktion), besteht ein Anreiz Gewinne zu verstetigen, um einen Steuervorteil zu generieren. Gemäß der Jensenschen Ungleichung führen verstetigte Gewinne gegenüber volatilen Geschäftsergebnissen zu einer niedrigeren erwarteten (durchschnittlichen) Steuerbelastung. Dies kann insbesondere über den Einsatz von Absicherungsstrategien bzw. Derivaten erreicht werden.148 3. Die Glättung zukünftiger Zahlungsströme dient des Weiteren als ein Instrument zur Koordination der Finanzierungs- und Investitionstätigkeit. Die dadurch erhöhte Wahrscheinlichkeit für vorhandenes Eigenkapital birgt Kostenvorteile gegenüber teurerem Fremdkapital bei Investitionsentscheidungen, also eine Reduzierung des Unterinvestitionsproblems.149 Für den weiteren Fall, dass Manager aus Interesse der Anteilseigner handeln, wird eine riskantere Investitionspolitik bevorzugt, um den Wert des Eigenkapitals (gedankliche Call Option auf den Unternehmenswert) zu erhöhen. Damit einhergehen Prinzipal-Agenten-Probleme gegenüber Fremdkapitalgebern, da diese für das erhöhte Risiko im Extremfall haften und deshalb höhere Zinszahlungen bzw. schützende Covenants für sich beanspruchen. 4. Besteht eine hohe Informationsasymmetrie zwischen Managern und den Anteilseignern eines Unternehmens, können letztere die Absicherungspolitik von Unternehmen nicht vollständig replizieren, wodurch sich das Unternehmen effektiver absichern kann als seine Anteilseigner. Der in diesem Zusammenhang speziell in Bezug auf die Dividendenzahlungen vorhandene Informationsvorteil führt außerdem zu Prinzipal-Agenten-Problemen gegenüber Eigenkapitalgebern (vgl. Abschnitt D V). Denn im Fall hoher Informationsasymmetrie und volatilen Zahlungsströmen ergeben sich für Eigenkapitalgeber hohe Kosten zum Monitoring des Unternehmens, welche durch Absicherungsmaßnahmen reduziert werden können.150 Der Einsatz von Absicherungsmaßnahmen kann somit grundsätzlich nur über die Existenz von Marktunvollkommenheiten gerechtfertigt werden, die zu einer Steigerung des Unternehmenswerts durch den Einsatz von Absicherungsmaßnahmen führen können. Die Überprüfung dieser theoretischen Rechtfertigungsansätze für den Einsatz von Absicherungsmaßnahmen stand auch im Mittelpunkt zahlreicher Studien, die für verschiedenste Risikoarten wie Zinsänderungsrisiken oder Wechselkursrisiken durch147
Vgl. Mayers, Smith, On the Corporate Demand for Insurance 1982. Vgl. Smith, Stulz, The Determinants of Firms’ Hedging Policies, 1985. 149 Vgl. Stulz, Rethinking Risk Management, 1996. 150 Vgl. Géczy et al., Why Firms use Currency Derivatives, 1997. 148
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632
D. Alternativen der Kapitalaufbringung geführt wurden. Die Identifikation von Hedgern basiert i. d. R. auf der Auswertung von Geschäftsberichten151 oder Umfrageergebnissen152, insbesondere für den amerikanischen und deutschen Raum153, und analysieren deduktiv die genannten theoretischen Determinanten für den Derivateeinsatz. Dabei wird jeweils eine geeignete Auswahl von Unternehmensmerkmalen als Proxy für die unterschiedlichen Theorien verwendet.154 Daneben existieren zahlreiche Studien, die aufbauend auf Umfragen die Gründe für den Einsatz von Absicherungsstrategien erfragen. Sie beziehen dabei neben den theoretischen Rechtfertigungsansätzen auch weitere Einsatzziele, organisatorische Gegebenheiten des Einsatzes und Risikopräferenzen der handelnden Akteure mit ein.155 Diese induktive Vorgehensweise hat dabei den Vorteil, dass direkte kausale Zusammenhänge zwischen Einsatz und individuellem Unternehmensmerkmal hergestellt werden können.156 Die existierenden Untersuchungsergebnisse sind von starker Heterogenität geprägt, was einen Rückschluss auf die genannten Theorien erschwert. Beim Versuch ein zusammenfassendes Ergebnis aus der bisherigen Forschung abzuleiten, lassen sich allerdings insbesondere Belege für die Hypothesen der Unternehmensbesteuerung als auch der Insolvenzkosten ableiten.157 Aus dem Grund der widersprüchlichen Ergebnisse wird zunehmend versucht, davon abweichende Erklärungsansätze für den Einsatz von Absicherungsmaßnahmen zu finden. Dies sind nehmen länderspezifischen Charakteristiken auch nationale Kulturdimensionen.158 Länderspezifische Charakteristika sind auch ein wesentlicher Treiber der Wirkung von Absicherungsmaßnahmen auf den Unternehmenswert.159 Es zeigt sich, dass in Ländern mit weniger entwickelten Finanzmärkten oder hohen Steuersätzen Absicherungsmaßnahmen wertstiftend sein können.160 Interessanterweise haben hier auch die Absicherungszwecke einen entscheidenden Einfluss. Während Absicherungsmaßnahmen gegen Währungsrisiken oft den Unternehmenswert steigern, ist das für Zins- und Rohstoffabsicherungen nicht der Fall. Neuere Untersuchungen versuchen auch einen Zusammenhang zwischen Absicherungsstrategien und Kapitalstrukturpolitik der Gestalt zu analysieren,161 dass beide dieselben Determinanten und Ziele haben. So ist es denkbar, erwartete Insolvenzkosten zu senken, indem der Verschuldungsgrad gesenkt oder die Absicherungsvolumen erhöht wird, was eine substitutive Verwendung der beiden Maßnahmen nahelegt. Empirische Untersuchungen hingegen zeigen eine Komplementarität. Absicherungsmaßnahmen 151
Vgl. z. B. Guay, The Impact of Derivatives on Firm Risk, 1999 oder Mian, Evidence on Corporate Hedging Policy, 1996. 152 Vgl. Haushalter, Financing Policy, Basis Risk, and Corporate Hedging, 2000, Jalilvand, Why Firms use Derivatives, 1999, Nance, Smith, Smithson, On the determinants of corporate hedging, 1993 oder Tufano, Who Manages Risk?, 1996. 153 Vgl. Mahayni, Determinanten des unternehmerischen Währungszinssatzes, 2002. 154 Vgl. z. B. Aretz, Bartram, Corporate Hedging and Shareholder Value, 2010. 155 Vgl. Gebhardt, Ruß, Einsatz von derivativen Finanzinstrumenten, 1999 oder Mallin et al., Derivatives Usage in UK Nonfinancial Listed Companies, 2001. 156 Vgl. z. B. Brown, Managing Foreign Exchange Risk, 2000. 157 Vgl. Aretz, Bartram, Corporate Hedging and Shareholder Value, 2010 oder Arnold, Rathgeber, Stöckl, Determinants of Corporate Hedging, 2014. 158 Vgl. Bartram, Brown, Fehle, International Evidence on Financial Derivatives Usage, 2009, Lel, Currency Hedging and Corporate Governance, 2012 oder Lievenbrück, Schmid, Why do Firms (not) Hedge?, 2014. 159 Vgl. Allayannis, Ugur, Miller, Use of Foreign Currency Derivatives, 2012. 160 Vgl. Hang, Geyer-Klingeberg, Corporate Financial Hedging and Firm Value, 2021. 161 Vgl. Loss, Optimal Hedging Strategies, 2012.
IV. Kapitalstruktur und Verschuldungspolitik
633
generieren Verschuldungskapazität, die nicht aktiv genutzt, aber kapitalkostensenkend eingesetzt wird.162
Weiterführende Literatur zu Kapitalstruktur und Verschuldungspolitik Berk, J. B.; DeMarzo, P. M.: Corporate Finance, 3. Auflage, Boston et al. 2014. Brealey, R.; Myers, S., Allen, F.: Principles of Corporate Finance, 11. Auflage, New York 2014. Breuer, W.: Finanzierung, 3. Auflage, Wiesbaden 2013. Copeland, T. E.; Weston, J. F.; Shastri, K.: Financial Theory and Corporate Policy, 4. Auflage, Boston 2006. Dirrigl, H.; Wagner, F.: Ausschüttungspolitik unter Berücksichtigung der Besteuerung, in: Gebhardt, Gerke, Steiner (Hrsg.), Handbuch des Finanzmanagements, München 1993, S. 261–286. Hartmann-Wendels, T.: Dividendenpolitik bei asymmetrischer Informationsverteilung, Wiesbaden 1986. Kruschwitz, L.; Husmann, S.: Finanzierung und Investition, 6. Auflage, München 2010. König, R.-J.: Ausschüttungsverhalten von Kapitalgesellschaften, Besteuerung und Kapitalmarktgleichgewicht, Hamburg 1990. Modigliani, F.; Miller, M. H.: The Cost of Capital, Corporation Finance, and the Theory of Investment, in: American Economic Review 48 (1958), S. 261 ff. Modigliani, F.; Miller, M. H.: Corporate Income Taxes and the Cost of Capital: A correction, in: American Economic Review 53 (1963), S. 433 ff. Myers, S. C.: The Capital Structure Puzzle, in: Journal of Financial Economics 39 (1984), S. 575–592. Steiner, M.; Schneider, S.: A Note on Arbitrage Asset Pricing, Arbeitspapier, Universität Augsburg 1999.
Fragen zur Kapitalstruktur und Kapitalkosten 1.
Welche Gestaltungsgrößen zur Optimierung der Unternehmensfinanzierung lassen sich unterscheiden? Welcher Stellenwert wird ihnen in den wichtigsten kapitaltheoretischen Grundmodellen jeweils beigemessen?
2.
Was versteht man unter dem Leverage-Effekt? Diskutieren Sie seine Implikationen.
3.
Die X-AG, die bislang vollständig durch Eigenkapital finanziert war, erwägt im Zuge ihrer Expansion auch Bankkredite einzusetzen. Die X-AG erzielte bislang eine Gesamtkapitalrendite/Investitionsrendite von 10 %. Es ist davon auszugehen, dass dies auch zukünftig möglich ist. Aktiva Anlagevermögen Umlaufvermögen Bilanzsumme
162
Passiva 500.000
Eigenkapital
1.000.000
500.000
Fremdkapital
0
1.000.000
Bilanzsumme
1.000.000
Vgl. Hang, Geyer-Klingeberg, Rathgeber, Stöckl, Rather Complements than Substitutes, 2019.
634
D. Alternativen der Kapitalaufbringung Der X-AG liegt ein Angebot der Kreditbank für ein Kreditvolumen im Umfang von maximal 1.000.000 GE zu 7 % vor. Der Vorstand der X-AG erwägt 500.000 GE Kredit für eine Expansion nach Österreich aufzunehmen. Alternativ kommt auch eine Expansion nach Österreich und in die Schweiz in Frage, für die insgesamt 1.000.000 GE Kredit benötigt werden. Stellen Sie den allgemeinen formalen Zusammenhang zwischen Eigenkapitalrendite und Verschuldungsgrad bei gegebener Gesamtkapitalrendite dar. 4.
Berechnen Sie die Eigenkapitalrendite für die beiden Alternativen, wenn weiterhin von einer Gesamtkapitalrendite von 10 % auszugehen ist.
5.
Welche Eigenkapitalrendite wird für beide Alternativen erzielt, wenn statt der Kreditfinanzierung eine Kapitalerhöhung durchgeführt wird?
6.
Wie wirkt sich eine kreditfinanzierte Expansion auf die Risikoposition der Eigenkapitalgeber aus?
7.
Bei welcher Gesamtkapitalrendite wäre das bilanzielle Eigenkapital nach einem Jahr aufgebraucht (Eigenkapitalrendite = –100 %). Berechnen Sie dies für die drei Fälle (kreditfinanzierte Expansion nach Österreich, kreditfinanzierte Expansion nach Österreich und die Schweiz, und eigenkapitalfinanzierte Expansion)?
8.
Skizzieren Sie den Grundgedanken der These vom optimalen Verschuldungsgrad.
9.
Wie lauten die Thesen von Modigliani und Miller? Zeigen Sie die diesen Thesen zugrunde liegenden Marktbedingungen für Unternehmen, Anteilseigner und Fremdkapitalgeber.
10. Zwei Unternehmen der gleichen leistungswirtschaftlichen Risikoklasse können folgendermaßen charakterisiert werden: X AG
Y AG
Erwarteter Nettogewinn (Zahlungsrevelanter Gewinn nach Zinsen)
3.200 GE
7.000 GE
Eigenkapital (Marktwert)
32.000 GE
60.000 GE
Fremdkapital (Marktwert)
16.000 GE
20.000 GE
Der risikolose Zinssatz für eine Kreditaufnahme oder Geldanlage beträgt 5 %. Das Fremdkapital sei ebenfalls risikolos. Darüber hinaus wird angenommen, dass die Beteiligung an der X AG genau zwei Prozent beträgt. Bestimmen Sie für beide Unternehmen die Gesamtkapitalrendite. 11. Nehmen Sie kurz zu folgender Aussage Stellung: „Die Bedingung für eine arbitragefreie Bewertung beider Unternehmen ist offenbar verletzt.“ 12. Beschreiben Sie ausführlich eine mögliche Arbitragestrategie und bestimmen Sie einen möglichen Arbitragegewinn. 13. Ermitteln Sie mögliche Zusammenhänge zwischen Verschuldungsanalyse und Ausschüttungsentscheidung (Selbstfinanzierung einer Unternehmung). 14. Wie lassen sich für den Fall des Kapitalmarktgleichgewichts unter Zuhilfenahme des CAPM die Eigenkapitalkosten unter Unsicherheit bestimmen? 15. Wie lautet diese Gleichung der Eigenkapitalkosten unter expliziter Einbeziehung von Besteuerung und Verschuldung? 16. Gegeben sind folgende Informationen: – Der risikolose Zinssatz beläuft sich auf 5 %. – Die erwartete Rendite des Marktportefeuilles beträgt 10 %. – Das Eigenkapital weist ein Beta von 1,2 und das Fremdkapital von 0,2 auf. – Der Verschuldungsgrad liegt konstant bei 1:2.
V. Die neoinstitutionalistische Betrachtung der Finanzierungsbeziehung Es herrscht ein vereinfachtes Steuersystem mit einem Ertragsteuersatz von 30 % auf Unternehmensebene. Fremdkapitalzinsen sind bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage der Ertragsteuer vollständig abzugsfähig. Berechnen Sie die Kapitalkosten unter Verwendung des CAPM. 17. In welchem Verhältnis stehen die Aussagen des WAT zu den Thesen Modiglianis und Millers? 18. Welchen Beitrag liefert das WAT zur Bewertung der Unternehmensdiversifikation? 19. Erläutern Sie die Grundidee der Bestimmung von Kapitalkosten bei Unsicherheit mithilfe von Optionspreismodellen.
V. Die neoinstitutionalistische Betrachtung der Finanzierungsbeziehung Lernziele dieses Kapitels x Die neoinstitutionalistische Betrachtung der Finanzierungsbeziehung versucht erstens zu erklären, warum Institutionen wie Banken, Versicherungen oder Börsen bei der Vermittlung von Finanzierungsverträgen existieren. x Zweitens versucht diese Betrachtungsweise zu klären, warum es eine Vielfalt von Finanzierungsinstrumenten gibt. x Grundlage der neoinstitutionalistischen Ansätze sind Austauschbeziehungen zwischen ein oder mehreren Parteien. x Im Rahmen der Kapitalaufbringung wird meist auf die Agency-Theorie als Teilzweig der neoinstitutionalistischen Ansätze zurückgegriffen. x In einer Prinzipal-Agent-Beziehung engagiert ein Geldgeber (Prinzipal) einen Geldnehmer (Agenten), damit er für ihn Leistungen erbringt. Dabei optimiert der Agent seinen eigenen Nutzen und hat Informationsvorteile. x Im Rahmen der finanzwirtschaftlichen Agency-Theorie wird in asymmetrische Informationsverteilung vor und nach Vertragsabschluss unterschieden. x Diese Situation der asymmetrischen Informationsverteilung (Hidden Information) tritt in klassischen Fremdfinanzierungssituationen auf, sodass die Tätigkeit des Unternehmens entgegen des Interesses des Fremdkapitalgebers größere Risiken birgt. Gegen solch eine falsche Kreditnehmerauswahl versucht sich der Fremdkapitalgeber durch Kreditrationierung oder durch Self Selection zu schützen. x Zudem existieren auch Informationsasymmetrien nach Vertragsabschluss, etwa wenn der Agent für den Prinzipal ungünstiges Verhalten an den Tag legt (Hidden Action), etwa die riskantere Investition wählt. Die so entstehenden Kosten werden als AgencyKosten des Fremdkapitals bezeichnet. Der Fremdkapitalgeber kann diesem begegnen, indem er etwa durch Sicherheitenstellung das Investitionsprogramm festlegt, sich Zusatzrechte, wie Kündigungsrechte, aber auch Optionsrechte, einräumen lässt oder den Kreditnehmer intensiv überwacht. x Betrachtet man die Unternehmensleitung als Agenten und den davon getrennten Unternehmenseigentümer als Prinzipal, kann man auch in diesem Verhältnis eine Prinzipal-Agent-Beziehung ausmachen. Dabei kann das Verhalten des Agenten den
635
636
D. Alternativen der Kapitalaufbringung Interessen des Prinzipals zuwiderlaufen, indem er Consumption on the Job betreibt oder zu Lasten des Eigentümers Überinvestitionen tätigt, falls das Unternehmen über zu viel Zahlungsmittel verfügt. Die so entstehenden Kosten werden als Agency-Kosten des Eigenkapitals bezeichnet. Auch dagegen kann der Prinzipal durch Überwachung (Monitoring) vorgehen oder das Management am Unternehmenserfolg beteiligen. x Ein in der Praxis beliebtes Instrument der Managementbeteiligung sind hier die sogenannten Stock Options, die es dem Manager erlauben, zu vorher festgelegten Konditionen (etwa Bezugspreis) Aktien des von ihm geführten Unternehmens zu erwerben.
1. Abgrenzung der neoinstitutionalistischen Ansätze Die neoklassische Finanzierungstheorie erbringt unter sehr rigiden Prämissen wertvolle Aussagen zu wesentlichen Bereichen von Investition und Finanzierung. Gerade diese strengen Annahmen begrenzen jedoch gleichzeitig ihre Leistungsfähigkeit. Unter den Bedingungen eines vollkommenen Marktes und vollständiger, kostenloser Informationen aller Marktteilnehmer ist es möglich, die Betrachtung ausschließlich auf die Aspekte Rendite und (leistungswirtschaftliches) Risiko zu reduzieren und so jede Anlage hinreichend zu charakterisieren. Finanzierung erschöpft sich damit in der Aufteilung der Investitionserträge; sie ist reine Partenteilung und hat selbst keinen Einfluss auf das Investitionsergebnis.163 Aufgrund dieser Reduzierung lässt die neoklassische Finanzierungstheorie zwei Fragen unbeantwortet:164 1. Warum existieren in der Realität finanzielle Institutionen, wie Banken, Versicherungen und Börsen? In der neoklassischen Finanzierungstheorie sind grundsätzlich keine Institutionen vorgesehen, da alle Verträge direkt über den Markt abgeschlossen werden können. 2. Warum gibt es eine Vielfalt von Finanzierungsinstrumenten? Gilt die Theorie von Modigliani-Miller und ist damit die Kapitalstruktur irrelevant für den Unternehmenswert, so wäre die in der „Realität anzutreffende Vielfalt von Finanzierungsformen nur ein Ergebnis von Zufall und Willkür“.165 Diese Lücken zu schließen, ist das Ziel der neoinstitutionalistischen Finanzierungstheorie. Unter Aufgabe der Prämissen des vollkommenen Marktes, d. h. unter Berücksichtigung von Märkten, etwa mit Transaktionskosten, Interessendivergenz und Informationsasymmetrie, analysiert sie Institutionen und Finanzierungstitel nicht mehr allein unter dem Gesichtspunkt der Transformation gegebener Risiken, sondern auch hinsichtlich der Verhaltensanreize, die sie für die Unternehmensführung erzeugen und den Schutzvorkehrungen, die sie für die von Reichtumsverschiebungen bedrohten Kapitalgeber bieten.166 Hier liegt ebenfalls der Unterschied zur traditionellen Finanzierungslehre, die sich zwar ausführlich mit der Beschreibung von Erscheinungsformen in der Finanzierungssphäre und deren Einsatzmöglichkeiten befasst, jedoch keine Aussagen darüber macht, warum es diese verschiedenen Formen gibt. 163
Vgl. Schmidt, Investitions- und Finanzierungstheorie, 1997, S. 193 ff. Vgl. Schmidt, Ein „neo-institutionalistischer“ Ansatz der Finanzierungstheorie, 1981, S. 136. 165 Vgl. Hax, Hartmann-Wendels, von Hinten, Moderne Entwicklung der Finanzierungstheorie, 1988, S. 705. 166 Vgl. Hax, Hartmann-Wendels, von Hinten, Moderne Entwicklung der Finanzierungstheorie, 1988, S. 705. 164
V. Die neoinstitutionalistische Betrachtung der Finanzierungsbeziehung In Abbildung D 50 ist eine Einordnung der neoinstitutionalistischen Ansätze vorgenommen.
Neoinstitutionelle Ansätze
Anreizweg
Agency-Theorie
......
finanzielle Agency-Theorie
Transaktionskosten-Ansatz
Property Rights-Theorie
......
Abb. D 51: Die neoinstitutionalistischen Ansätze167
Grundlage aller neoinstitutionalistischen Ansätze sind Austauschbeziehungen zwischen zwei oder mehreren Parteien. Die Ansätze lassen sich unterteilen in einen Anreizzweig und einen Transaktionskosten-Ansatz. Im Mittelpunkt des Transaktionskosten-Ansatzes steht der Vergleich zwischen Kosten, die durch Austauschbeziehungen am Markt entstehen und Kosten, die infolge von Austauschbeziehungen innerhalb einer Institution (Unternehmung) anfallen.168 Je nach Spezifität und Häufigkeit einer Transaktion ist es kostengünstiger, die Transaktion über den Markt bzw. innerhalb eines Unternehmens abzuwickeln. Als Transaktionskosten gelten hierbei Anbahnungs-, Vereinbarungs-, Kontroll- und Anpassungskosten.169 Ausgangspunkt des Anreizzweiges ist die Trennung von Eigentum und Entscheidungsmacht, z. B. die Trennung von Eigentümer und Manager eines Unternehmens. Es wird untergliedert in die Property Rights-Theorie und die Agency-Theorie. Im Rahmen der Property Rights-Theorie (Theorie der Eigentumsrechte) werden die Auswirkungen rechtlicher und institutioneller Regelungen auf das Verhalten der Wirtschaftssubjekte analysiert. Die Effizienz der Institutionen soll dadurch erreicht werden, dass Property Rights (Handlungs-, Vermögens- und Verfügungsrechte) definiert und transferiert werden können.170 Hierdurch werden Märkte geschaffen, über die bislang externe Effekte internalisiert werden. Bei der Agency-Theorie geht es um die Delegation von Verfügungsrechten im Rahmen von Auftragsbeziehungen. In einer Prinzipal-Agent-Beziehung engagiert eine Person oder eine Personengruppe (Auftraggeber-Prinzipal) eine andere Person oder Personengruppe (Manager-Agent), damit diese im Interesse des Prinzipals Leistungen erbringt.171 Dabei wird bei der Agency-Theorie davon ausgegangen, dass der Agent seinen eigenen Nutzen maximiert, was nicht zwangsläufig im Sinne des Prinzipals ist. Ziel der 167
Vgl. Williamson, The Economic Institutions of Capitalism, 1985, S. 23 ff. Vgl. Picot, Transaktionskostenansatz in der Organisationstheorie, 1982, S. 267 ff. 169 Vgl. Picot, Transaktionskostenansatz in der Organisationstheorie, 1982, S. 270. 170 Vgl. Fischer, Der Property Rights-Ansatz, 1994, S. 316 ff. 171 Vgl. Jensen, Meckling, Theory of the Firm, 1976, S. 305 ff. 168
637
638
D. Alternativen der Kapitalaufbringung Agency-Theorie ist die Analyse von Verträgen und Finanzierungsbeziehungen in der Hinsicht, dass die Interessenlage von Prinzipal und Agent untersucht wird. Im Rahmen der finanziellen Agency-Theorie werden die Finanzierungspolitik und damit sämtliche Kapitalstrukturmaßnahmen in Bezug auf Anreizbeziehungen zwischen Kapitalgeber und Kapitalnehmer analysiert. Problemquellen sind dabei sowohl die jeweiligen Kooperationen zwischen den Eigen- oder Fremdkapitalgebern auf der einen Seite und den Managern auf der anderen Seite, als auch die Beziehung der verschiedenen Kapitalgeber untereinander.172 In den folgenden Überlegungen steht die Agency-Theorie im Fokus.
2. Agency-Theorie und Finanzierungsbeziehungen Grundlage aller agency-theoretischen Modelle ist, dass es einen Interessenskonflikt und eine asymmetrische Informationsverteilung über Qualitätsmerkmale zwischen Agent und Prinzipal gibt und die Beschaffung von Informationen Kosten verursacht. Anderenfalls würden die herkömmlichen Ansätze der Neoklassik zur Problemlösung ausreichen. In der Literatur werden je nachdem, ob Informationen oder Aktionsmöglichkeiten teilweise im Verborgenen liegen, zwei unterschiedliche Ausprägungen der Informationsasymmetrie173 unterschieden: Hidden Information und Hidden Action. Diese beiden Effekte lassen sich auch ex post nicht beurteilen. Aber auch ex ante kann es Informationsasymmetrien geben, wie bspw. die Hold up-Gefahr. Darunter versteht man das Problem, dass der Prinzipal auch ex ante die Absichten des Agenten nicht einschätzen kann. Die folgende Abbildung D 51 gibt einen detaillierten Überblick über die zeitliche Struktur verschiedener Ausprägungen der Informationsasymmetrie wieder.
a) Asymmetrische Informationsverteilung vor Vertragsabschluss Im Fall der „Hidden Information“ hat der Agent Informationen über Qualitätsmerkmale, die der Prinzipal nicht besitzt. Die Informationen können sich dabei z. B. auf die Managementfähigkeit des Agenten beziehen bzw. die laufenden Geschäfte eines Unternehmens betreffen. So kennt der Agent aufgrund seiner Insiderstellung in der Regel das Marktpotenzial, die anstehenden Innovationen und die Konkurrenzsituation besser als der Prinzipal und kann daher sehr viel besser die Höhe und Verteilung der zukünftigen Zahlungsüberschüsse und damit den wahren Unternehmenswert abschätzen. Im Falle der „Hidden Information“ wird regelmäßig davon ausgegangen, dass der Agent zwar nicht die Ausprägung der Qualitätsmerkmale ändern kann, aber für die Beurteilung seiner Leistung bzw. eines Unternehmens sind diese möglicherweise von Bedeutung. Für den Prinzipal besteht die Gefahr, dass der Agent die wirkliche Situation vor Vertragsabschluss verschleiert, um seinen eigenen Nutzen zu erhöhen. Dies kann z. B. dadurch geschehen, dass die Manager nur dann an die Kapitalgeber herantreten, wenn diese unwissentlich entweder einen zu hohen Preis für ihre Anteile bezahlen oder ein zu geringes Entgelt für das von ihnen übernommene Risiko erhalten.
172 173
Vgl. Decker, Eine Prinzipal-Agenten-theoretische Betrachtung, 1994, S. 11. Vgl. Arrow, The Economics of Agency, 1985, S. 38.
V. Die neoinstitutionalistische Betrachtung der Finanzierungsbeziehung
hidden action t1
t2
t3
t
t1
t2
t3
t
t0
t1
t2
t3
t
Verhandlung
Vertragsschluss
Entscheidung des Agenten
Ergebnisbeobachtung Entlohnung
t0
hidden information t0
hidden characteristics
Legende: Phasen der Informationssymmetrie: Phasen der Informationsasymmetrie:
Abb. D 52: Zeitliche Struktur verschiedener Ausprägungen der Informationsasymmetrie174
Die unterschiedlichen Ausprägungen von Informationsasymmetrien sowie deren Lösungsansätze werden im Folgenden anhand eines fortlaufenden Beispiels dargestellt. Beispiel zur Kreditvergabe bei einer symmetrischen Informationsverteilung Gegeben sind zwei risikoneutrale kreditsuchende Unternehmen mit den Investitionsvorhaben I1 und I2, die je eine Laufzeit von einer Periode besitzen und einen Gesamtkapitalbedarf von 113 GE aufweisen sowie ein risikoneutraler Kreditgeber, d. h. sie versuchen ihren jeweiligen Kapitalwert in t0 zu maximieren. Weiterhin sollen die Vorhaben an einem Kalkulationszins von 10 % gemessen werden. Dabei besitzen die Investitionsvorhaben folgende spezifische wahrscheinlichkeitsverteilte Rückflüsse w(Z) in der Periode t1:
w(Z)
0,15
0,20
0,30
0,20
0,15
E(Z)
C0(I)
Z(I1)
90
110
130
150
170
130
5,18
Z(I2)
45
85
125
165
205
125
0,64
Exemplarisch berechnen sich der Erwartungswert E(Z) in der Periode t1 sowie der Kapitalwert C0(I) in der Periode t0 jeweils für das Investitionsvorhaben I1 gemäß:
E(Z) 0,15 90 0,20 110 0,30 130 0,20 150 0,15 170 und C0 (I) 113
174
130 1,1
5,18, womit sich I1 als vorteilhaftere Alternative erweist.
Vgl. Ossadnik, Controlling, 2009, S. 408.
639
640
D. Alternativen der Kapitalaufbringung Die Unternehmensleitungen möchten bei beschränkter Haftung die Vorhaben je zu 100 GE zu einem Nominalzins von 10 % über einen Kredit und zu 13 GE über Eigenmittel finanzieren. Im Falle, dass symmetrische Informationen bezüglich der Qualität der Investitionsprojekte und der risikoneutralen Kreditnehmer auf Seiten des risikoneutralen Kreditgebers vorliegen, kalkuliert dieser den Nominalzins separat und zwar so, dass die jeweils erwartete Verzinsung 10 % beträgt. Dabei ergibt sich ein Nominalzins für Projekt I1 von 14,62 % und für I2 in Höhe von 39,29 %. Die daraus entstehenden wahrscheinlichkeitsverteilten Rückflüsse in t1 sowie deren Erwartungs- und Kapitalwerte, jeweils auch getrennt für die Eigen- und Fremdkapitalgeber, werden nachfolgend dargestellt:
0,15
E(Z)
C0(I)
Z(I1)
90,00 110,00 130,00 150,00 170,00
130,00
5,18
oZFK(I1)
90,00 110,00 114,62 114,62 114,62
110,00
0,00
55,38
20,00
5,18
w(Z)
oZEK(I1)
0,15
0,00
0,20
0,00
0,30
15,38
0,20
35,38
Z(I2)
45,00
85,00 125,00 165,00 205,00
125,00
0,64
oZFK(I2)
45,00
85,00 125,00 139,29 139,29
110,00
0,00
oZEK(I2)
0,00
15,00
0,64
0,00
0,00
25,71
65,71
Der Kreditgeber erhält jeweils die Tilgung in Höhe von 100 GE zuzüglich der Nominalzinsen, beispielsweise bei I1 in Höhe von 14,62 GE, solange die Rückflüsse Z ausreichend sind. Unterschreiten die Rückflüsse den versprochenen Zins- und Tilgungsbetrag bei I1 114,62 GE, erhält der Kreditgeber aufgrund der Haftungsbeschränkung den kompletten Rückfluss, etwa 90 oder 110 GE in den ersten beiden Zuständen bei I1. Der Kreditnehmer erhält das Residuum aus Rückfluss und Zins- und Tilgungsleistung. In den ersten beiden Zuständen bei I1 0, im Dritten 130,00 GE – 114,62 GE = 15,38 GE. In Fall der symmetrischen Informationsverteilung würden beide Kreditnehmer aufgrund der positiven Kapitalwerte ihre Investitionsvorhaben durchführen und der Kreditgeber würde aufgrund der unterschiedlichen Zinssätze bei jedem Kredit einen Kapitalwert von 0 und folglich die von ihm erwartete Rendite von 10 % erzielen. Abb. D 53: Beispiel zur Kreditvergabe bei einer symmetrischen Informationsverteilung
Akerlof zeigt am Beispiel des Gebrauchtwagenmarktes die ökonomische Bedeutung einer asymmetrischen Informationsverteilung auf das Marktgleichgewicht auf.175 Besteht Unsicherheit bezüglich der Qualität eines gehandelten Gutes und keine Möglichkeit diese Unsicherheit abzubauen, so wird zunächst von einer Durchschnittsqualität ausgegangen und die Güter werden zu Durchschnittspreisen bewertet. Da die Gruppe der Anbieter aber die genaue Qualität der von ihnen angebotenen Güter kennt, werden die Anbieter, die mit Gütern hoher Qualität auf dem Markt vertreten sind, diese aus dem Markt nehmen und nicht weiter anbieten, da sie den angemessenen Preis für diese Güter nicht erzielen können (Adverse Selection). Auf dem Markt verbleiben dann nur noch die Anbieter von Gütern mit schlechter Qualität; die durchschnittliche Qualität sinkt. Dies wird von den Nachfragern antizipiert, und es kommt zu einer weiteren Preissenkung und in Folge dessen zu einem weiteren Ausscheren von Anbietern. Bei asymmetrischer Informationsverteilung zwischen Anbietern und Nachfragern kann es so zu einem Marktversagen kommen.
175
Vgl. Akerlof, Market for Lemons, 1970, S. 488–500.
V. Die neoinstitutionalistische Betrachtung der Finanzierungsbeziehung Beispiel zur Kreditvergabe bei einer asymmetrischen Informationsverteilung vor Vertragsabschluss Anhand des Beispiels zur Kreditvergabe kann weiterhin dieser soeben aufgezeigte negative Ausleseprozess gezeigt werden. Die Angaben aus Abbildung D 40 bleiben weiterhin bestehen. Entgegen den vorhergehenden Annahmen kennt der Kreditgeber zwar die beiden Projekte I1 und I2, weiß aber nicht, welches von welchem Kreditnehmer durchgeführt werden soll. Er kalkuliert hierbei den Nominalzins für jeden Kreditnehmer so, dass die insgesamt erwartete Rendite 10 % beträgt. Daraus ergibt sich je ein Nominalzins von 23,65 %. Die daraus resultierenden Werte werden in der folgenden Abbildung dargestellt.
w(Z)
0,15
E(Z)
C0(I)
Z(I1)
90,00 110,00 130,00 150,00 170,00
130,00
5,18
oZFK(I1)
90,00 110,00 123,65 123,65 123,65
115,87
5,34
46,35
14,13
–0,16
oZEK(I1)
0,15
0,00
0,20
0,00
0,30
6,35
0,20
26,35
Z(I2)
45,00
85,00 125,00 165,00 205,00
125,00
0,64
oZFK(I2)
45,00
85,00 123,65 123,65 123,65
104,12
–5,34
oZEK(I2)
0,00
20,88
5,98
0,00
1,35
41,35
81,35
In diesem Fall würde nur das Projekt I2 durchgeführt werden, da es für den Kreditnehmer einen positiven Kapitalwert aufweist. Dieser Kapitalwert von 5,98 GE kommt dadurch zustande, dass der Kreditgeber das Projekt, das eigentlich einen Kapitalwert von 0,64 GE aufweist, mit 5,34 GE subventioniert. Das Projekt I2 hätte hierbei für den Kreditgeber einen negativen Kapitalwert in Höhe von – 5,34 GE. Damit würde nur das Projekt durchgeführt werden, das den geringeren gesamtwirtschaftlichen Nutzen („Gesamtkapitalwert geringer“) aufweist und damit findet eine falsche Ressourcenallokation statt. Überträgt man die Beispielrechnung auf einen gesamten Kreditmarkt, würden die Kreditgeber feststellen, dass ihre Ausleihungen nur negative Kapitalwerte erwirtschaften und somit keine Kredite mehr ausreichen. Abb. D 54: Beispiel zur Kreditvergabe bei einer asymmetrischen Informationsverteilung vor Vertragsabschluss
Der Gedanke von Akerlof kann auf Managementleistung, Unternehmensanteile (z. B. Going Public von Familienunternehmen mit Eigentümermanager) und Fremdkapitaltitel übertragen werden. Stiglitz/Weiss176 zeigen, dass die Unsicherheit der Kreditgeber über die Qualität der Schuldner zu einer Kreditrationierung führen kann. Würden die Gläubiger die Kreditwünsche voll befriedigen, aber wegen der Qualitätsunsicherheit einen hohen Zins verlangen (Risikoabgeltungsthese), dann wären die guten Schuldner zum Vertragsabschluss nicht bereit und es verblieben nur die schlechten als Kreditnachfrager. Es empfiehlt sich daher für die Gläubiger, einen niedrigeren Kreditzins zu verlangen, um auch die besseren Schuldner zu gewinnen, und das Ausfallrisiko über eine Rationierung der Kredite (Vorgabe von Mindestnormen für Kapitalstruktur- und Jahresabschlusskennzahlen) zu vermindern.
176
Vgl. Stiglitz, Weiss, Credit Rationing in Markets with Imperfect Information, 1981, S. 393 ff.
641
642
D. Alternativen der Kapitalaufbringung Beispiel zur Kreditvergabe bei einer asymmetrischen Informationsverteilung vor Vertragsabschluss und einer gleichzeitigen Kreditrationierung Im Falle der asymmetrischen Informationsverteilung kann der Kreditgeber im vorliegenden Beispiel mithilfe einer Kreditrationierung auf 40 GE zu einem Nominalzins von 10 % dieses Dilemma umgehen und somit dasselbe Ergebnis wie im Falle einer symmetrischen Informationsverteilung erreichen. Insgesamt würden also beide Projekte durchgeführt werden. Das Ergebnis, das sich daraus ergibt, ist in der nachfolgenden Abbildung wiedergegeben:
0,15
E(Z)
C0(I)
Z(I1)
90,00 110,00 130,00 150,00 170,00
130,00
5,18
oZFK(I1)
44,00
44,00
44,00
44,00
44,00
0,00
oZEK(I1)
46,00
66,00
86,00 106,00 126,00
86,00
5,18
Z(I2)
45,00
85,00 125,00 165,00 205,00
125,00
0,64
oZFK(I2)
44,00
44,00
44,00
44,00
44,00
0,00
oZEK(I2)
1,00
41,00
81,00 121,00 161,00
81,00
0,64
w(Z)
0,15
0,20
0,30
0,20
44,00
44,00
Der Nominalzins von 10 % ist gerechtfertigt, da beide Kredite in jedem Zustand die versprochene Zins- und Tilgungsleistung von 44 GE erbringen. Somit errechnet sich für beide Kredite ein Kapitalwert von 0. Für den Kreditnehmer ist er stets positiv. Abb. D 55: Beispiel zur Kreditvergabe bei einer asymmetrischen Informationsverteilung vor Vertragsabschluss und einer gleichzeitigen Kreditrationierung
Aufgehalten werden kann dieser negative Ausleseprozess durch drei Maßnahmen, bei denen der Agent, das Management oder die alten Kapitalgeber ihre versteckten Informationen offenlegen: Screening, Self Selection und Signalling. Beim Screening erfolgt eine Überprüfung der Qualität des Produktes durch einen Dritten oder den Prinzipal, wobei die Kosten vom Prinzipal getragen werden. Die Auswertung von Pressemitteilungen der Unternehmen, Jahresabschlussinformationen und Prüfungsberichten von Wirtschaftsprüfern und von Banken im Rahmen ihrer Emissionstätigkeit fallen hierunter (im Beispiel könnte sich der Kreditgeber auf diese Weise über die Investitionsprojekte der potenziellen Kreditnehmer informieren). Bei der Self Selection offeriert der Prinzipal dem Agenten mehrere Vertragsmöglichkeiten bzw. Finanzierungsalternativen, aus denen der Agent eine auswählt. Der Agent klassifiziert sich durch die Auswahl einer Finanzierungsalternative.
V. Die neoinstitutionalistische Betrachtung der Finanzierungsbeziehung Beispiel zur Kreditvergabe bei einer asymmetrischen Informationsverteilung vor Vertragsabschluss und einer gleichzeitigen Self Selection In vorliegendem Beispiel würde der Kreditgeber für jedes Investitionsvorhaben dem potenziellen Kreditnehmer zwei verschiedene Kreditangebote offerieren. Angenommen er würde jeweils 100 GE zu nominal 39,29 % (Angebot A) und 50 GE zu nominal 14 % (Angebot B) anbieten, ergäben sich folgende Ergebnisse:
w(Z) Z(I1) Vertrag A oZFK(I1)
0,15
0,20
0,30
0,20
0,15
E(Z)
C0(I)
90,00 110,00 130,00 150,00 170,00
130,00
5,18
90,00 110,00 130,00 139,29 139,29
123,25
12,05
6,75
–6,87
0,00
0,00
0,00
10,71
30,71
Vertrag B oZFK(I1)
57,00
57,00
57,00
57,00
57,00
57,00
1,82
oZEK(I1)
33,00
53,00
73,00
93,00 113,00
73,00
3,36
45,00
85,00 125,00 165,00 205,00
125,00
0,64
45,00
85,00 125,00 139,29 139,29
110,00
0,00
oZEK(I1)
Z(I2) Vertrag A oZFK(I2) oZEK(I2)
0,00
0,00
0,00
25,71
65,71
15,00
0,64
Vertrag B oZFK(I2)
45,00
57,00
57,00
57,00
57,00
55,20
0,18
oZEK(I2)
0,00
28,00
68,00 108,00 148,00
69,80
0,46
Im Falle der beiden beschriebenen Angebote würde bei Projekt I1 Angebot B mit niedrigerem Zins und Kreditvolumen gewählt werden, da hierbei im Vergleich zu Angebot A für den Kreditnehmer ein positiver Kapitalwert existiert. Dieser kommt dadurch zustande, dass der niedrige sichere Nominalzins unterhalb des internen Zinssatzes von I1 liegt. Für das Projekt I2 würde der Kreditnehmer Angebot A mit hohem Zins und Kreditvolumen wählen, da der Kapitalwert für ihn höher wäre als bei Angebot B. Insgesamt würde sich die Kreditnehmer durch die Auswahl einer Finanzierungsalternative selbst klassifizieren und der negative Ausleseprozess wäre wiederum aufgehalten. Abb. D 56: Beispiel zur Kreditvergabe bei einer asymmetrischen Informationsverteilung vor Vertragsabschluss und einer gleichzeitigen Self Selection
Beim Signalling versucht der Agent, selbst die Qualität des Gutes durch bestimmte Aktionen zu signalisieren, die die Erwartungen der Marktteilnehmer verändern. Signalling-Ansätze gehen der Frage nach, unter welchen Bedingungen Signale überhaupt glaubwürdig sind und Signalisierungsinstrumente im Rahmen der Finanzpolitik von Unternehmen eingesetzt werden können.177 Die Voraussetzung aller Signalisierungstheorien besteht darin, dass es für erfolgreiche Unternehmen sehr viel billiger ist, einen hohen Erfolg zu signalisieren als für erfolglose und es sich daher für erfolglose Unternehmen nicht lohnt, die für ein irreführendes Signal erforderlichen hohen Kosten aufzubringen.178 Wie in Abschnitt D IV 6 ausgeführt, kann die Dividendenpolitik ein Signalisierungsinstrument sein. Für ein erfolgreiches Unternehmen bereitet die Finanzierung einer hohen Dividende (auch bei unterstellter Dividendenkontinuität) keine Probleme, während für ein erfolgloses Unternehmen hiermit erhöhte Kosten verbunden sind. Des Weiteren können, wie in Abschnitt D IV 3 gezeigt, Kapitalstrukturveränderungen als ein Sig177 178
Vgl. Padberg, Kapitalerhöhungen, 1995. Vgl. Spremann, Wirtschaft und Finanzen, Investition und Finanzierung, 2009, S. 649 ff.
643
644
D. Alternativen der Kapitalaufbringung nal der Risikoeinschätzung seitens des besser informierten Managements bezüglich der Entwicklung der Zahlungsüberschüsse interpretiert werden. Eine Erhöhung der Eigenkapitalquote durch eine Kapitalerhöhung könnte entweder auf ein gestiegenes unternehmerisches Risiko hinweisen oder auf eine Überbewertung des Unternehmens.
b) Informationsasymmetrie nach Vertragsabschluss Von „Hidden Action“ spricht man, wenn die Aktionen des Agenten (Management) nach Abschluss eines Vertrages von dem Prinzipal ex interim und ex post nicht kostenlos zu beobachten sind. Der Grund ist, dass die von dem Agenten erbrachten Leistungen zum einen durch ein exogenes Risiko und zum anderen durch die Handlung des Agenten bestimmt werden. Da die Realisation des externen Risikos nicht beobachtbar ist, kann der Prinzipal von der erbrachten Gegenleistung nicht auf die Handlung des Agenten zurückschließen. Durch diese Konstellation entsteht für den Agenten ein Handlungsspielraum, den er unter der Annahme rationalen Handelns zur Maximierung des eigenen Nutzens ausschöpfen wird. Die in diesem Fall von dem Agenten getroffenen Entscheidungen müssen nicht zwangsläufig den Nutzen des Prinzipals maximieren. Das Risiko, dass durch die Nutzung der Möglichkeit verborgenen Handelns nach Vertragsabschluss dem Prinzipal Nachteile entstehen, wird als „Moral Hazard“ bezeichnet. Je nachdem, ob durch ein verändertes Verhalten des Managements der Marktwert des Eigenkapitals oder des Fremdkapitals gemindert wird, unterscheidet man Agency-Kosten des Fremdkapitals und Agency-Kosten des Eigenkapitals. Ansätze zur Bestimmung der Agency-Probleme des Fremdkapitals schließen in der Regel die Agency-Probleme des Eigenkapitals dadurch aus, dass nicht zwischen Manager und Anteilseigner unterschieden wird (geschäftsführende Gesellschafter)179. Agency-Kosten des Fremdkapitals resultieren zum einen daraus, dass mit steigendem Verschuldungsgrad die Ausfallwahrscheinlichkeit ansteigt und die hohen potenziellen Insolvenzkosten den Marktwert des Unternehmens mindern. Diese Überlegungen knüpfen an der Zahlungsunfähigkeit eines Unternehmens als Konkursgrund an und vernachlässigen den Gedanken des Ertragswertes eines Unternehmens. Bei hoher Verschuldung besteht andererseits für die Eigenkapitalgeber der Anreiz, riskantere Investitionsprojekte (evtl. sogar mit negativem Kapitalwert) zu realisieren als ursprünglich vorgesehen, da sie an positiven Zahlungsstromabweichungen überproportional partizipieren, während den Gläubigern für die erhöhte Insolvenzwahrscheinlichkeit kein Äquivalent geboten wird. Eine hohe Verschuldung kann darüber hinaus Restriktionen bei der Kreditvergabe zur Folge haben, was dazu führen kann, dass Investitionsprojekte mit positivem Kapitalwert nicht realisiert werden und es so zu einer „Unterinvestition“ kommt. Falls sowohl die Agency-Konflikte zwischen dem Management und den Kapitalgebern als auch die Konflikte zwischen den Eigentümern und Gläubigern berücksichtigt werden, resultieren aus der Agency-Theorie keine eindeutigen Effekte. Bei einer empirischen Untersuchung des Finanzierungsverhaltens deutscher Aktiengesellschaften werden deshalb nur schwache Hinweise auf Agency-Konflikte gefunden. Stattdessen scheint eine Präferenz für die Innenfinanzierung gegenüber der Außenfinanzierung zu bestehen.180
179 180
Vgl. Swoboda, Kapitalmarkt und Unternehmensfinanzierung, 1987, S. 57. Vgl. Steiner, Schneider, Wolf, Financing Behavior, 1998; Wolf, Agency Problems, 1999.
V. Die neoinstitutionalistische Betrachtung der Finanzierungsbeziehung Beispiel zur Kreditvergabe bei einer asymmetrischen Informationsverteilung nach Vertragsabschluss Auf das Beispiel übertragen würde der Kreditgeber einem Kreditnehmer zur Realisation des Investitionsvorhabens I1 einen Kredit in Höhe von 100 GE genehmigen. Damit die erwartete Rendite 10 % beträgt, muss er einen Nominalzins von 14,62 % verlangen. Da der Kreditnehmer nun aber von dem Projekt I2 erfährt, erwägt er nach Vertragsabschluss und ohne Kenntnis des Kreditgebers, dieses Projekt durchzuführen.
0,15
E(Z)
C0(I)
Z(I1)
90,00 110,00 130,00 150,00 170,00
130,00
5,18
oZFK(I1)
90,00 110,00 114,62 114,62 114,62
110,00
0,00
55,38
20,00
5,18
w(Z)
oZEK(I1)
0,15
0,00
0,20
0,00
0,30
15,38
0,20
35,38
Z(I2)
45,00
85,00 125,00 165,00 205,00
125,00
0,64
oZFK(I2)
45,00
85,00 114,62 114,62 114,62
98,25
–10,68
oZEK(I2)
0,00
26,75
11,32
0,00
10,38
50,38
90,38
In diesem Fall würde der Kreditnehmer das Projekt I2 durchführen, da es für den Kreditnehmer einen höheren Kapitalwert aufweist. Dieser Kapitalwert in Höhe von 11,32 GE kommt dadurch zustande, dass der Kreditgeber das Projekt, das eigentlich einen Kapitalwert in Höhe von 0,64 GE aufweist, mit 10,68 GE subventioniert. Weil das Projekt I2 einen hohen negativen Kapitalwert mit sich bringt, würde er durch die Aktion des Kreditnehmers schlechter gestellt werden. Dies stellt einen typischen Fall des Phänomens der „Hidden Action“ dar, bei dem die Aktionen des Agenten, in diesem Fall die Wahl eines weiteren Investitionsvorhabens, für den Prinzipal ex post und ex interim nicht kostenlos zu beobachten sind. Gesamtwirtschaftlich folgt daraus wiederum eine ineffiziente Ressourcenallokation. Abb. D 57: Beispiel zur Kreditvergabe bei einer asymmetrischen Informationsverteilung nach Vertragsabschluss
Im Rahmen der Fremdfinanzierung kann die Senkung der Agency-Kosten des Fremdkapitals auf unterschiedliche Weise erfolgen. Das Misstrauen der Kapitalgeber kann bei längerfristigen Krediten mit der Stellung von Sicherheiten verbunden sein. Die Informationsbedürfnisse der Kapitalgeber beschränken sich damit auf die Werthaftigkeit und Werterhaltung dieser Sicherheiten und nicht mehr auf die gesamte Unternehmenstätigkeit. Die Informations- und Kontrollkosten reduzieren sich erheblich und selbst risikoreichere Investitionen oder der Illiquiditätsfall führen nicht zu unmittelbaren Verlusten der Fremdkapitalgeber. Für die Fälle, in denen Sicherheiten nicht in ausreichendem Maß gestellt werden können, bietet es sich dagegen eher an, kurzfristig revolvierende Kredite oder Kündigungsrechte zu vereinbaren.181 Sind damit gleichzeitig weit gehende Informationsrechte für den Kapitalgeber verbunden, sorgt die Möglichkeit des Kapitalentzugs (bei Schlechtverhalten) für ein vereinbarungsgemäßes Verhalten des Kapitalnehmers. Eine weitere Möglichkeit der Absicherung der Fremdkapitalgeber besteht in der Vereinbarung von Zusatzrechten im Zusammenhang mit der Begebung von Fremdkapitaltiteln, wie z. B. Options- oder Wandelrechte auf Eigenkapitaltitel der 181
Vgl. Bester, Die Anreizfunktion von Kreditsicherheiten, 1987, S. 225 ff.
645
646
D. Alternativen der Kapitalaufbringung Gesellschaft.182 Bei der Realisation riskanterer Investitionsprojekte würde der Fremdkapitalgeber damit auch an der Steigerung des Marktwertes des Eigenkapitals partizipieren. Eine weitere Alternative der Absicherung der Fremdkapitalgeber und damit der Senkung der Agency-Kosten des Fremdkapitals wird in der Vereinbarung von Mindesteigenkapitalquoten und Kapitalstrukturkennzahlen gesehen (Covenants).183 Beispiel zur Kreditvergabe bei einer asymmetrischen Informationsverteilung nach Vertragsabschluss und einer gleichzeitigen Bestellung von Sicherheiten In dem Beispiel zur Kreditvergabe könnte der Kreditgeber etwa eine Sicherheit in Form einer Grundschuld auf ein Grundstück im Privatvermögen des Kreditnehmers in Höhe von 40 GE verlangen. Er würde dann, aufgrund der hereingenommenen Grundschuld, einen Nominalzins in Höhe von 10 % vereinnahmen. Insgesamt wählt der Kreditnehmer trotz Kenntnis des Projekts I2 das Vorhaben I1, da dies für ihn einen höheren Kapitalwert in Höhe von 5,18 GE aufweist. Dieser Kapitalwert in Höhe von 5,18 GE kommt dadurch zustande, dass der Kreditnehmer im Falle, dass die wahrscheinlichkeitsverteilten Rückflüsse des jeweiligen Projekts geringer als die Zins- und Tilgungsleistungen sind, bis zur Höhe der Zins- und Tilgungsleistungen mit der von ihm eingebrachten Grundschuld in Höhe von 40 GE haftet. Der Kreditgeber würde aufgrund des Kapitalwertes in Höhe von 0 GE die von ihm erwartete Verzinsung von 10 % erwirtschaften. Die nachfolgende Abbildung gibt die Ergebnisse wieder:
0,15
E(Z)
C0(I)
90,00 110,00 130,00 150,00 170,00
130,00
5,18
oZFK(I1)
110,00 110,00 110,00 110,00 110,00
110,00
0,00
oZEK(I1)
–20,00
60,00
20,00
5,18
w(Z) Z(I1)
0,15
0,20
0,00
0,30
20,00
0,20
40,00
Z(I2)
45,00
85,00 125,00 165,00 205,00
125,00
0,64
oZFK(I2)
85,00 110,00 110,00 110,00 110,00
106,25
–3,41
18,75
4,05
oZEK(I2)
–40,00 –25,00
15,00
55,00
95,00
Insgesamt wäre somit das Phänomen der „Hidden Action“ vermieden. Gesamtwirtschaftlich folgt daraus eine effiziente Ressourcenallokation. Abb. D 58: Beispiel zur Kreditvergabe bei einer asymmetrischen Informationsverteilung nach Vertragsabschluss und einer gleichzeitigen Bestellung von Sicherheiten
Agency-Kosten des Eigenkapitals treten bei einem leichtfertigen Umgang mit Unternehmensressourcen auf. So ist bei abnehmender Beteiligung des Managements am Unternehmen zu vermuten, dass der Arbeitseinsatz des Managements zurückgeht und es zu einem höheren Faktoreinsatz kommt als notwendig, z. B. in Form von luxuriöser Geschäftsausstattung etc. (Consumption on the Job und Fringe Benefits).184 Insbesondere für Unternehmen mit einer reichlichen finanziellen Ausstattung und hohen Zahlungsüberschuss besteht die Gefahr, dass das Management „Überinvestitionen“ tätigt, d. h. Investitionsprojekte mit negativem Kapitalwert realisiert.185 Dies kann im Extrem dazu 182
Vgl. Jensen, Smith, Stockholder, Manager and Creditor Interests, 1985, S. 95 ff. Vgl. Swoboda, Kapitalmarkt und Unternehmensfinanzierung, 1987, S. 58 f. 184 Vgl. Jensen, Meckling, Theory of the Firm, 1976, S. 305 ff. 185 Vgl. Jensen, Agency Costs of Free Cash Flows, 1986, S. 323 ff. 183
V. Die neoinstitutionalistische Betrachtung der Finanzierungsbeziehung führen, dass Manager eine ökonomisch vorteilhafte Liquidation eines Unternehmens verschleppen.186
Der Agency-Kosten Ansatz beschäftigt sich mit der Suche nach effizienten institutionellen Ausgestaltungen der Finanzierungsbeziehungen, die das Risiko des Moral Hazard und damit die Agency-Kosten senken. Die Anreize für den Agenten sollen so ausgestaltet sein, dass die Erfüllung seiner Ziele auch denen des Prinzipals dient. Darüber hinaus ist ein effizientes Überwachungssystem notwendig, das nicht nur eine reine Ergebniskontrolle, sondern auch eine Verhaltenskontrolle beinhaltet. Beispiel zur Kreditvergabe bei Existenz einer absoluten Managerbeteiligung am Unternehmenserfolg Im Falle des Beispiels kann das Phänomen von „Investitionen in Projekte mit negativem Kapitalwert“ sehr übersichtlich gezeigt werden. Zusätzlich zu den bereits eingeführten Investitionsvorhaben I1 und I2, soll zusätzlich ein drittes sicheres Investitionsvorhaben I3 eingeführt werden, für das der Kreditgeber einen Nominalzins in Höhe des Kalkulationszinses von 10 % festlegt. Für I1 und I2 bestimmt der Kreditgeber einen Nominalzins in Höhe von 14,62 % bzw. 39,29 %, um jeweils die erwartete Verzinsung in Höhe von 10 % zu erwirtschaften. Zusätzlich soll nun eine absolute Beteiligung des Managers, der die Verfügungsgewalt hat, am Unternehmenserfolg in Höhe von 5 GE gelten. Dabei wird der Manager nach Bedienung des Kredits (Zins- und Tilgungsleistungen) aus dem dann zur Verfügung Rückfluss Z bezahlt. Das Arbeitsleid ist bei allen Projekten gleich und wird deshalb nicht mit einbezogen. Die zusätzlich eingeführte Variable ZM stellt jeweils die Rückflüsse des Managers dar. Der Manager bekommt also immer dann eine Erfolgsbeteiligung in Höhe von 5 GE, wenn die Differenz aus den wahrscheinlichkeitsverteilten Rückflüssen des jeweiligen Projekts und den Zins- und Tilgungsleistungen größer als 5 GE ist. Das Residuum, das daraus resultiert, erhält der Kreditnehmer. Der Kreditgeber erhält immer dann die Zins- und Tilgungsleistungen, wenn die jeweiligen wahrscheinlichkeitsverteilten Rückflüsse größer als die Zins- und Tilgungsleistungen sind. Ansonsten bekommt dieser aufgrund der Haftungsbeschränkung nur die gesamte Höhe der Rückflüsse. In der nachfolgenden Tabelle sind die daraus resultierenden Ergebnisse übersichtlich dargestellt:
186
Vgl. Stulz, Managerial Discretion and Optimal Financing Policies, 1990, S. 3 ff.; Harris, Raviv, Informational Role of Debt, 1990, S. 321 ff.
647
648
D. Alternativen der Kapitalaufbringung 0,15
E(Z)
C0(I)
Z(I1)
90,00 110,00 130,00 150,00 170,00
130,00
5,18
oZFK(I1)
90,00 110,00 114,62 114,62 114,62
110,00
0,00
w(Z)
0,15
0,20
0,30
0,20
oZM(I1)
0,00
0,00
5,00
5,00
5,00
3,25
oZEK(I1)
0,00
0,00
10,38
30,38
50,38
16,75
2,22
Z(I2)
45,00
85,00 125,00 165,00 205,00
125,00
0,64
oZFK(I2)
45,00
85,00 125,00 139,29 139,29
110,00
0,00
oZM(I2)
0,00
0,00
0,00
5,00
5,00
1,75
oZEK(I2)
0,00
0,00
0,00
20,71
60,71
13,25
–0,96
110,00 115,00 120,00 125,00 130,00
120,00
–3,91
110,00
0,00
Z(I3) oZFK(I3) oZM(I3) oZEK(I3)
110,00 110,00 110,00 110,00 110,00 0,00
5,00
5,00
5,00
5,00
4,25
0,00
0,00
5,00
10,00
15,00
5,75
–7,77
Insgesamt würde der Kreditnehmer Projekt I3 wählen, da dort der höchste Erwartungswert für den Manager in Höhe von 4,25 GE existiert. Obwohl das Projekt sowohl für die Eigenkapitalgeber als auch insgesamt einen negativen Kapitalwert aufweist, wird es durchgeführt. Gesamtwirtschaftlich folgt daraus eine ineffiziente Ressourcenallokation. Abb. D 59: Beispiel zur Kreditvergabe bei Existenz einer absoluten Managerbeteiligung am Unternehmenserfolg
Sowohl das Anreiz- als auch das Kontrollsystem erfordern Kosten, die von der Ausgestaltung der Strukturen abhängen. Als entscheidungsrelevante Agency-Kosten werden in der Literatur hierbei unterschieden:187 1. Kontrollkosten des Prinzipals für die Überwachung des Agenten (Monitoring Costs), 2. Begrenzungskosten, die dem Agenten dadurch entstehen, dass er unter Umständen dem Prinzipal vertraglich garantiert, gewisse, den Interessen des Prinzipals schädigende Handlungen zu unterlassen (Bonding Costs), 3. Residualverlust als die in Geld bewertete Nutzeneinbuße, die dadurch entsteht, dass der Agent Handlungen wählen kann, die vom (in der Praxis nicht ermittelbaren) Wohlfahrtsoptimum des Prinzipals abweichen und so nur eine „Second-best“-Lösung aus Sicht des Prinzipals realisiert (Residual Loss). Aus der Sicht der Gesellschafter führt ein Ersatz von Eigenkapital durch Fremdkapital und damit eine Erhöhung des Verschuldungsgrades zu einer Senkung der Agency-Kosten des Eigenkapitals. Fremdkapital steht dem Unternehmen nur eine begrenzte Zeit zur Verfügung und erzeugt fixe Zahlungsverpflichtungen, die unbedingt erfüllt werden müssen. Der Agent muss also laufend finanzielle Mittel erwirtschaften, um diesen Verpflichtungen nachzukommen. Gelingt ihm dies nicht allein aus dem operativen 187
Vgl. Jensen, Meckling, Theory of the Firm, 1976, S. 305.
V. Die neoinstitutionalistische Betrachtung der Finanzierungsbeziehung Geschäft, so ist er gezwungen, an den Kapitalmarkt heranzutreten und sich einer Überprüfung seitens der Kapitalgeber zu unterwerfen. Bei der Prolongation von Krediten werden Banken regelmäßig eine solche Überprüfung vornehmen. Sollten die Kapitalgeber dem Unternehmen die notwendigen Mittel verweigern, so droht Insolvenz, die für den Manager den Verlust von Arbeitsplatz und Reputation bedeuten würde. Eine höhere Verschuldung des Unternehmens erhöht folglich das Risiko des Managers, das dieser durch bessere Unternehmensführung begrenzen kann.188 Dabei nimmt die Bedeutung des Verschuldungsgrades mit steigender Zersplitterung der Eigenkapitalgeber zu. Gibt es keinen Großaktionär, so hat das Management keine Kontrolle seitens der Gesellschafter zu befürchten, denn für Kleinaktionäre sind die mit der Einwirkung auf das Management verbundenen Kosten zu hoch. Sie werden sich eher passiv verhalten. Der Aufsichtsrat als die aktienrechtlich vorgesehene Kontrollinstitution ist i. d. R. so lange kein wirksames Aufsichtsorgan, wie es dem Unternehmen nicht schlecht geht.189 Umso mehr sind die Gesellschafter auf die Kontrolle durch die Fremdkapitalgeber angewiesen.
c) Der Markt für Unternehmensübernahmen als Kontrollinstrument Neben der Gestaltung der Kapitalstruktur zur Kontrolle des Managers wird in jüngster Zeit der Markt für Unternehmensübernahmen (Market for Corporate Control) als ein Instrumentarium zur Senkung der Agency-Kosten angesehen.190 Dabei werden nicht nur die Agency-Kosten des Eigenkapitals, sondern auch diejenigen des Fremdkapitals reduziert. Die Gläubiger werden nämlich die erwarteten Nutzeneinbußen aus gläubigerschädigendem Verhalten des Managements im Zinssatz, Sicherungskosten etc. weiterverrechnen und damit den Marktwert des Unternehmens senken. Ein schlecht geführtes Unternehmen wird so billig zu erwerben sein. Durch den Austausch des Managements bzw. der Zerschlagung und den Verkauf der Einzelteile eines Unternehmens könnte der Übernehmer eine deutliche Ergebnisverbesserung erzielen. Unternehmensübernahmen stellen damit ein wirksames Droh- und Kontrollinstrumentarium dar, mit dem Manager zu höherer Leistung motiviert und Agency-Kosten gesenkt werden können.191
d) Beteiligung der Manager am Unternehmenserfolg Eine weitere Möglichkeit zur Senkung der Agency-Kosten des Eigenkapitals besteht darin, das Management durch ein differenziertes Vertragsbündel am Erfolg des Unternehmens zu beteiligen. Die Manager erhalten als eine Gehaltskomponente Anteile oder Aktienoptionen, über die sie an Wertsteigerungen des gemanagten Unternehmens partizipieren. Auf diese Weise sollen die Interessen der Geschäftsleitung mit denen der Eigentümer harmonisiert werden. In den USA sind optionsbasierte Entlohnungsprogramme seit langem unter der Bezeichnung „Stock Options“ verbreitet. Auch in 188
Vgl. Grossman, Hart, Corporate Financial Structure and Managerial Incentives, 1982, S. 107 ff. Vgl. Franke, Neuere Entwicklungen aus dem Gebiet der Finanzmarkttheorie, 1993, S. 391; Jaschke, Die betriebswirtschaftliche Überwachungsfunktion aktienrechtlicher Aufsichtsräte, 1989, S. 113 ff. 190 Vgl. Schneider, Agency Costs and Transaction Costs, 1989, S. 481 ff.; Jensen, Takeovers. Their Causes and Consequences, 1988, S. 21 ff. 191 Vgl. Jensen, Ruback, The Market for Corporate Control, 1983, S. 5 ff.; Gröner, Der Markt für Unternehmenskontrollen, 1992. 189
649
650
D. Alternativen der Kapitalaufbringung Deutschland nutzen große börsennotierte Aktiengesellschaften in zunehmendem Maße die von Aktienoptionsprogrammen ausgehenden Anreizwirkungen. Begünstigt wurde diese Entwicklung durch die stärkere Akzeptanz einer Sichtweise, die das Ziel der Wertsteigerung für die Kapitalgeber (Shareholder Value-Ausrichtung) als das oberste Ziel der unternehmerischen Tätigkeit versteht und die Top-Manager als Beauftragte der Eigentümer ansieht. Wertorientierte Entlohnungsprogramme bilden demnach ein Instrument, das die Eigentümer einsetzen, um ihre Auftragnehmer – die Manager – zu vertragsgemäßem Handeln zu bewegen. Die rechtlichen Voraussetzungen zur Gewährung von Optionsrechten an Mitarbeiter und Mitglieder der Geschäftsführung einer Aktiengesellschaft wurden in Deutschland durch § 192 Abs. 2 Nr. 3 AktG geschaffen. Beispiel zur Kreditvergabe bei Existenz einer Mischung aus absoluter und relativer Managerbeteiligung am Unternehmenserfolg Die Möglichkeit Manager durch wertorientierte Entlohnungsprogramme zu vertragsgemäßem Handeln zu bewegen, kann an dem bereits eingeführten Beispiel zur Kreditvergabe ebenfalls gezeigt werden. Zusätzlich zu den Annahmen aus Abb. D 46 existiert nun eine Mischung aus einer absoluten und relativen Beteiligung des Managers am Unternehmenserfolg. Der Manager erhält nun eine absolute in Höhe von 3 GE sowie eine relative Beteiligung in Höhe von 10 % an den Rückflüssen, die nach Bedienung der Zins- und Tilgungsleistungen dem Kreditnehmer zur Verfügung steht. Das Arbeitsleid ist bei allen Projekten wiederum gleich und wird deshalb nicht berücksichtigt. Die zusätzlich eingeführte Variable ZM stellt jeweils die Rückflüsse des Managers dar. Der Manager bekommt also immer dann eine Erfolgsbeteiligung sowohl in Höhe von 3 GE als auch zusätzlich in Höhe von 10 % der Rückflüsse, die nach Abzug der Zins- und Tilgungsleistungen resultieren, wenn die Differenz aus den jeweiligen wahrscheinlichkeitsverteilten Rückflüssen und den Zins- und Tilgungsleistungen größer als die bestimmte Erfolgsbeteiligung ist. Ansonsten erhält er dementsprechend weniger bzw. keine Erfolgsbeteiligung, sofern die Zins- und Tilgungsleistungen größer als die Rückflüsse sind. Das Residuum aus den Rückflüssen sowie den Zins- und Tilgungsleistungen erhält der Kreditnehmer. Der Kreditgeber erhält immer dann die Zins- und Tilgungsleistungen, wenn die Rückflüsse größer als die Zins- und Tilgungsleistungen sind. Ansonsten bekommt dieser aufgrund der Haftungsbeschränkung nur die gesamte Höhe der Rückflüsse. Der Kreditnehmer bzw. Manager würde nun Projekt I1 wählen, da für ihn dort der höchste Erwartungswert in Höhe von 3,95 GE hinsichtlich seiner Erfolgsbeteiligung existiert. Der Kreditgeber würde aufgrund des Kapitalwertes in Höhe von 0 die von ihm erwartete Rendite erzielen. Die sich dabei ergebenden Werte werden in der nachfolgenden Abbildung dargestellt:
V. Die neoinstitutionalistische Betrachtung der Finanzierungsbeziehung w(Z)
0,15
0,20
0,30
0,20
0,15
E(Z)
C0(I)
Z(I1)
90,00
110,00 130,00 150,00 170,00
130,00
5,18
oZFK(I1)
90,00
110,00
114,62
114,62
114,62
110,00
0,00
oZM(I1)
0,00
0,00
4,54
6,54
8,54
3,95
oZEK(I1)
0,00
0,00
10,84
28,84
46,84
16,05
1,59
Z(I2)
45,00
85,00 125,00 165,00 205,00
125,00
0,64
oZFK(I2)
45,00
85,00 125,00 139,29 139,29
110,00
0,00
oZM(I2)
0,00
0,00
0,00
5,57
9,57
2,55
oZEK(I2)
0,00
0,00
0,00
20,14
56,14
12,45
–1,68
110,00 115,00 120,00 125,00 130,00
120,00
–3,91
110,00 110,00 110,00 110,00 110,00
110,00
0,00
Z(I3) oZFK(I3) oZM(I3) oZEK(I3)
0,00
3,50
4,00
4,50
5,00
3,55
0,00
1,50
6,00
10,50
15,00
6,45
–7,14
Insgesamt würde der Manager sich vertragskonform und somit im Sinne des Prinzipals verhalten. Gesamtwirtschaftlich folgt daraus eine effiziente Ressourcenallokation. Abb. D 60: Beispiel zur Kreditvergabe bei Existenz einer Mischung aus absoluter und relativer Managerbeteiligung am Unternehmenserfolg
Vor der Ausgabe von Stock Options stellt sich die grundsätzliche Frage, wie gut sich die Aktienkurssteigerung als Maß für die Leistung des Vorstands einer börsennotierten Aktiengesellschaft eignet. Die ausgeprägte, nicht zuletzt durch die Internet-Euphorie geschürte Börsenhausse der neunziger Jahre und der nachfolgende Kurssturz, insbesondere von Technologieaktien, belegen erneut, dass an der Börse Übertreibungen zu beobachten sind und Phasen irrationalen Marktverhaltens vorkommen. Dann aber spiegeln die Aktienkursbewegungen nicht mehr unbedingt die Schaffung oder Vernichtung ökonomischer Werte wider. Eine Schwierigkeit besteht auch in der Abhängigkeit der Aktienrendite von der vorherigen Erwartung der Marktteilnehmer. Ein Management, das einen guten Ruf genießt und optimistische Erwartungen weckt, muss diese hohen Erwartungen noch übertreffen, um eine Aktienkurssteigerung zu erreichen. Trauen die Investoren hingegen dem Management im Vorhinein keine erfolgreiche Unternehmensführung zu, wird die Aktie anfangs niedrig bewertet sein, sodass bereits eine durchschnittliche Leistung des Vorstands einen positiven Kurseffekt auslöst. Zu beachten ist schließlich, dass der Aktienkurs auch von Determinanten abhängt, die nicht im Einflussbereich des Managements liegen. Dazu gehört zum Beispiel die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank und die Entwicklung der Energiepreise. Das zuletzt genannte Problem der externen Determinanten der Aktienrendite sollte abgeschwächt werden, indem die Auszahlung der den Managern gewährten Aktienoptionen von der relativen Kursentwicklung im Vergleich zu einem Indexportefeuille abhängig gemacht wird. Der Index soll die allgemeinen Faktoren, denen der Kurs der
651
652
D. Alternativen der Kapitalaufbringung betrachteten Aktie unterworfen ist, bestmöglich widerspiegeln. Ob es sich dabei um einen Branchenindex, ein regional abgegrenztes Portefeuille oder einen marktbreit gestreuten Index handelt, muss im Einzelfall entschieden werden. Zusätzlich zur Indexbindung empfiehlt es sich, als Ausübungshürde eine Mindestrendite in Höhe der Kapitalkosten zu fordern, weil nur unter dieser Bedingung Wert geschaffen wurde. Durch Kapitalmaßnahmen (Kapitalerhöhungen und -herabsetzungen, Dividendenzahlungen) bedingte Aktienkursveränderungen müssen durch die Optionsbedingungen neutralisiert werden, um Fehlanreize zu vermeiden. Fehlt eine solche Korrektur, kollidiert unter Umständen das Interesse der Aktionäre an einer hohen Dividende wegen des Dividendenabschlags mit dem Interesse der Manager an einem hohen Kurswert. Entsprechend dem langfristigen Charakter der intendierten Anreizwirkung sind die Optionen mit einer langen Laufzeit und einer befristeten Ausübungssperre zu versehen. Die Wartezeit für die erstmalige Ausübung beträgt gemäß § 193 Abs. 2 Nr. 4 AktG mindestens vier Jahre. Ein privates Hedging mit dem Ziel, den Wert der Optionen vor Ende der Wartezeit festzuschreiben, läuft dem Zweck der Programme zuwider und sollte deshalb in den Optionsbedingungen untersagt werden. Die Auflage eines Optionsprogramms, das den Bezugsberechtigten den Erwerb junger Aktien ermöglicht, kommt einer bedingten Kapitalerhöhung (§ 192 AktG) gleich, die durch die drohende Kapitalverwässerung die Vermögensposition der Aktionäre tangiert. Der Hauptversammlungsbeschluss über die bedingte Kapitalerhöhung bedarf nach § 193 Abs. 1 AktG einer Drei-Viertel-Mehrheit des vertretenen Grundkapitals. Außerdem müssen wesentliche Merkmale des Optionsprogramms offengelegt werden, wozu nach § 193 Abs. 2 AktG sein Zweck, der Kreis der Bezugsberechtigten, die Grundlagen zur Errechnung des Ausgabebetrags und die Erwerbs- und Ausübungszeiträume gehören. Nicht unter die gesetzlichen Informationspflichten fällt der Wert der gewährten Optionen. Jedoch wird den Aktionären ein für ihre Entscheidung wichtiger Parameter vorenthalten, wenn sie die finanzielle Größenordnung eines Aktienoptionsprogramms nicht einschätzen können. Der ungefähre Wert lässt sich mit optionspreistheoretischen Verfahren eingrenzen, wie sie auch zur Bewertung von marktgehandelten Optionen und Optionsscheinen eingesetzt werden. Die Bilanzierung von Stock Options regelte bisher in den USA (nach US-GAAP) das ältere APB Opinion No. 25, das durch das neuere SFAS No. 123 ersetzt wurde. Nach beiden Verlautbarungen wird die Ausgabe von Aktienoptionen als Entgelt für Arbeitsleistungen der Begünstigten interpretiert und als Personalaufwand erfasst. Die Bilanzbewertung bestimmt sich gemäß SFAS No. 123 nach deren Fair Value. Ganz ähnlich wird auch nach IFRS 2 vorgegangen, wobei gewisse Unterschiede in Detailfragen bestehen bleiben. In Deutschland ist die handelsrechtliche Bilanzierung von Stock Options, die durch eine Kapitalerhöhung unterlegt sind, nicht explizit gesetzlich geregelt.192 Mit der Verabschiedung des IFRS 2 wird diese Regelung analog in HGB Abschlüssen verwendet. Aufseiten der Begünstigten sind Gewinne aus nicht handelbaren Aktienoptionen nach Grundsatzurteilen des BFH nicht zum Zeitpunkt ihrer Gewährung, sondern erst zum Zeitpunkt ihrer Ausübung einkommensteuerpflichtig. Die Differenz zwischen Marktund Bezugskurs im Ausübungszeitpunkt stellt Einkommen aus unselbständiger Tätigkeit dar. Personalaufwand kann steuerlich auf Unternehmensebene nicht geltend gemacht werden, sondern ist nach BFH erfolgsneutral zu erfassen. 192
Vgl. Coenenberg, Haller, Schultze, Jahresabschluss und Jahresabschlussanalyse, 2016, S. 384 ff.
V. Die neoinstitutionalistische Betrachtung der Finanzierungsbeziehung Anders verhält es sich bei den sogenannten „virtuellen” Aktienoptionen, bei denen im Ausübungszeitpunkt keine jungen Aktien geliefert werden, sondern der Vorteilsbetrag in bar ausgezahlt wird. Ihre Bilanzierung und Besteuerung richtet sich nach den allgemeinen Grundsätzen. Die Verpflichtung, die das Unternehmen gegenüber den Begünstigten eingeht, ist handelsrechtlich als Personalaufwand zu verbuchen, der auch steuerlich anerkannt wird.
e) Investor Relations Investor Relations umfassen die langfristige, strategisch angelegte direkte und indirekte Kommunikation eines börsenorientierten Unternehmens mit potenziellen und aktuellen Eigenkapitalgebern sowie deren Beratern.193 Die Notwendigkeit von Investor Relations ergibt sich – abgesehen von gesetzlichen Vorgaben – aus vorhandenen Informationsasymmetrien zwischen Unternehmensleitung und Anteilseignern. Das Oberziel der Investor Relations ist die Stabilisierung und Annäherung des Börsenkurses an den fundamental gerechtfertigten Unternehmenswert, der durch die erwarteten zukünftigen Zahlungsströme und das zugrunde liegende systematische Risiko determiniert wird. Weitere in der Literatur genannte Ziele der Investor Relations, die sich jedoch unter dem Oberziel subsumieren lassen, sind die Bildung und Vermehrung von Vertrauen bei potenziellen und bestehenden Investoren, die Senkung der Kapitalkosten, die Abwehr einer feindlichen Übernahme und die Förderung der Aktionärstreue (vgl. Abbildung D 60). Die Messung des Erfolges von Investor Relations bereitet im Einzelfall große Schwierigkeiten, da eine Veränderung der Zielvariablen nicht auf einzelne Einflussfaktoren entsprechend eines Ursache-Wirkungs-Zusammenhangs zurückgeführt werden kann. Um mögliche Auswirkungen, die aus der allgemeinen Brancheneinschätzung der Investoren resultieren, bei der Erfolgsmessung zu vermeiden, sollte neben einer absoluten Messung immer auch ein Vergleich mit Branchen bzw. Konkurrenzunternehmen durchgeführt werden. Anhand theoretischer Modelle lässt sich grundsätzlich zeigen, dass eine erhöhte Investor Relations-Aktivität, die zu einem Abbau von Informationsasymmetrien führt, mit einer Reduktion der Kapitalkosten einhergeht. Umstritten ist in der Literatur allerdings die zugrunde liegende Wirkungsweise. Amihud/Mendelson und Diamond/Verrecchia führen die Kapitalkostenreduktion auf eine erhöhte Liquidität als Folge der Investor Relations zurück.194 Dagegen gehen Coles et al. davon aus, dass die Investoren durch verbesserte Kommunikation das Risiko einer Fehleinschätzung der Parameter über die zukünftige Verteilung der Zahlungsströme des Unternehmens verringern können.195 Diese Verringerung des Schätzrisikos führt jedoch nur zu einer Reduktion der Kapitalkosten und in der Folge zu einer Erhöhung des Unternehmenswertes, wenn es sich aus Anlegersicht um Risiken handelt, die nicht diversifizierbar sind. Über den Grad der Diversifizierbarkeit der Schätzrisiken besteht in der Literatur allerdings Uneinigkeit.196
193
Vgl. Allendorf, Investor Relations deutscher Publikumsgesellschaften, 1996, S. 6 ff. Vgl. Amihud, Mendelson, Asset Pricing and the Bid-ask Spread, 1986, S. 223–249. 195 Vgl. Coles, Loewenstein, Suay, On Equilibrium Under Parameter Uncertainty, 1995, S. 347–364. 196 Vgl. Clarkson, Guedes, Thompson, On the Diversification, Observability, and Measurement of Estimation Risk, 1996, S. 69–84. 194
653
654
D. Alternativen der Kapitalaufbringung
Oberziele
Langfristige Maximierung des Shareholder Value Schließung von Wahrnehmungslücken Risiko
Zukünftige Zahlungsströme
Risikoreduktion durch Vertrauensbildung Systematisches Risiko
Unsystematisches Risiko
Subziele
Erfüllung des Anforderungsprofils des Kapitalmarkts an die IR Pflicht Unpersönlich
Persönlich
Instrumente
Geschäftsbericht Zwischenbericht Ad-hoc-Publizität
Investoren-Handbuch Aktionärsbriefe Unternehmensbroschüren
Hauptversammlung
Roadshows One-on-ones-Meeting Analystenkonferenzen Aktionärs-Hotlines
Instrumente
Abb. D 61: Zielsystem der Investor Relations197
Weiterführende Literatur zur neoinstitutionalistischen Betrachtung der Finanzierungsbeziehung Arrow, K. J.: The Economics of Agency, in: Pratt; Zeckhauser (Hrsg.), Principals and Agents: The Structure of Business, Boston 1985, S. 37–51. Blazenko, G. W.: Managerial Preference, Asymmetric Information and Financial Structure, in: Journal of Finance 42 (1987), S. 839–862. Blester, H.; Hellwig, M.: Moral Hazard and Equilibrium Credit Rationing: An Overview of the Issues, in: Bamberg, G.; Spremann, K (Hrsg.): Agency Theory, Information and Incentives, Heidelberg 1989, S. 135–166. DRSC: Entwurf Deutscher Rechnungslegungs Standard Nr. 11 (E-DRS 11), Bilanzierung von Aktienoptionsplänen und ähnlichen Entgeltformen, 21. Juni 2001. Fama, E. F.: Risk-Adjusted Discounted Rates and Capital Budgeting, in: Journal of Financial Economics 5 (1977), S. 3–24. Franke, G.: Neuere Entwicklungen auf dem Gebiet der Finanzmarkttheorie, in: Wirtschaftswissenschaftliches Studium 22 (1993), S. 389–398. Gröner, H.: Der Markt für Unternehmenskontrolle, Berlin 1992. Jensen, M. C.; Meckling, W. H.: Theory of the Firm: Managerial Behavior, Agency Costs and Ownership Structure, in: Journal of Financial Economics 4 (1976), S. 305–360. Harris, M.; Raviv, A.: The Theory of Capital Structure, in: Journal of Finance 46 (1991), S. 297–355.
197
Vgl. Steiner, Hesselmann, Messung des Erfolges von Investor Relations, 2001, S. 104.
V. Die neoinstitutionalistische Betrachtung der Finanzierungsbeziehung Harris, M.; Raviv, A.: Capital Structure and the Informational Role of Debt, in: Journal of Finance 45 (1990), S. 321–349. Hax, H.; Hartmann-Wendels, T.; Hinten, P. von: Moderne Entwicklung der Finanzierungstheorie, in: Christians, F. W. (Hrsg.), Finanzierungshandbuch, 2. Auflage, 1988, S. 689–712. Hillier, D.; Grinblatt, M.; Titman, S.: Financial markets and corporate strategy, 2. Auflage, London et al. 2012. Jaschke, T.: Die betriebswirtschaftliche Überwachungsfunktion aktienrechtlicher Aufsichtsräte, Köln 1989. Myers, S. C.; Majluf, N. S.: Corporate Financing and Investment Decisions When Firms Have Information that Investors do not have, in: Journal of Financial Economics 12 (1984), S. 187–221. Oser, P.; Vater, H.: Bilanzierung von Stock Options nach US-GAAP und IAS, in: Der Betrieb 54 (2001), S. 1261–1268. Ossadnik, W.: Controlling, 4. Auflage, München 2009. Schmidt, R. H.; Terberger, E.: Grundzüge der Investitions- und Finanzierungstheorie, 4. Auflage, Wiesbaden 1997. Schneider, D.: Agency Costs and Transaction Costs: Flops in the Principal-Agent Theory of Financial Markets, in: Bamberg, G.; Spremann, K. (Hrsg.): Agency Theory, Information and Incentives, Heidelberg 1989, S. 481–494. Steiner, M.; Hesselmann, C.: Messung des Erfolges von Investor Relations, in: Achleitner, A.-K., Bassen, A. (Hrsg.): Investor Relations am Neuen Markt, Stuttgart 2001, S. 97–117. Tirole, J.: The Theory of Corporate Finance, Princeton et al. 2006. Nakhaeizadeh, G.; Vollmer, K.-H. (Hrsg.): Risk Measurement, Econometrics and Neural Networks, Heidelberg 1998, S. 105–146. Stiglitz, J. E.; Weiss, A.: Credit Rationing in Markets with Imperfect Information, in: American Economic Review 71 (1981), S. 393–410. Stulz, R. M.: Managerial Discretion and Optimal Financing Policies, in: Journal of Financial Economics 17 (1990), S. 3–27. Swoboda, P.: Betriebliche Finanzierung, 3. Aufl., Heidelberg 1994. Wenger, E.; Knoll, L.: Aktienkursgebundene Management-Anreize: Erkenntnisse der Theorie und Defizite der Praxis, in: Betriebswirtschaftliche Forschung und Praxis 51 (1999) S. 565–591. Wenger, E.; Knoll, L.; Kaserer, C.: Stock options, in: Wirtschaftswissenschaftliches Studium 28 (1999) S. 35–38. Wilhelm, J.: Die Bereitschaft der Banken zur Risikoübernahme im Kreditgeschäft, in: Kredit und Kapital 15 (1972), S. 572–601. Wolf, J. B.: The Effects of Agency Problems on the Financial Behaviour, Performance and Efficiency of German Industrial Stock Corporations, Frankfurt 1999.
655
656
D. Alternativen der Kapitalaufbringung
Fragen zur neoinstitutionalistischen Betrachtung der Finanzierungsbeziehung 1. Welche Ausprägungen von Informationsasymmetrie werden in der Literatur unterschieden? 2. Wie kann die Adverse Selektion zum Marktversagen beitragen? 3. Erläutern Sie zwei mögliche Vertragsausgestaltungen zur Bewältigung von Problemen in Kreditbeziehungen wegen Interessendivergenz und Informationsasymmetrie. 4. Dem risikoneutralen Unternehmer U stehen in t = 0 zwei alternative Investitionsmöglichkeiten offen, die jeweils einen Kapitalbedarf von 800 GE und eine Laufzeit von einer Periode aufweisen. Die risikoneutrale Bank B kennt zwar die möglichen Rückflüsse beider Projekte sowie die entsprechenden Eintrittswahrscheinlichkeiten, weiß aber nicht welches Projekt U durchführen wird. Im Zeitpunkt t = 1 sind mit der angegebenen Wahrscheinlichkeit w = 0,4 bzw. w = 0,6 zwei Umweltzustände möglich, die mit folgenden Investitionsrückflüssen einhergehen: Zustand 1 (w = 0,4)
Zustand 2 (w = 0,6)
Projekt A
700 GE
1.050 GE
Projekt B
450 GE
1.100 GE
Welches Projekt sollte U realisieren, wenn es voll eigenfinanzieren würde? Entscheiden Sie mit dem Erwartungswert! 5. Angenommen, U besäße lediglich im Umfang von 100 GE eigene liquide Mittel. Sollte ihm B die fehlenden 700 GE ebenfalls zum risikolosen Zinssatz von 10 % zur Verfügung stellen? Begründen Sie Ihre Antwort rechnerisch. 6. Angenommen, U besäße als Sicherheit ein Grundstück im Volumen von 200 GE im Privatvermögen und möchte sich 700 GE leihen. Für welches der beiden Projekte wird sich U entscheiden, falls B das Grundstück als Sicherheit verlangt und er den Zins 10 % festlegt? Wie hoch ist der Kapitalwert von B? 7. Angenommen, U könnte als Bürgen das Unternehmen V gewinnen, das eine Zahlung in Höhe von 200 GE verspricht, falls U ausfällt. Kann B den Kredit gewähren, falls V selbst nie ausfallen kann? Wie ändern sich dadurch die Kapitalwerte von B und U? 8. Kann sich etwas an den Aussagen aus vorherigen Fragen ändern, falls V ausfallrisikogefährdet ist? Spielt es dabei eine Rolle, ob V Lieferant von U ist oder nicht? 9. Wie können die Agency-Kosten des Eigenkapitals durch Beteiligung des Managements am Unternehmenserfolg gesenkt werden?
E
Finanzanalyse
Kapitelübersicht I. Kennzahlenanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Analysezwecke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Analyseablauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Bestandsorientierte Strukturkennzahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Stromgrößenorientierte Kennzahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
659 660 661 663 674
Weiterführende Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
691 691
II. Kennzahlensysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Logisch-deduktive Kennzahlensysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Empirisch-induktive Kennzahlensysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
692 693 697
Weiterführende Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
707 708
III. Kapitalflussrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Begriff und Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Beständedifferenzenbilanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Veränderungsbilanz und Bewegungsbilanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Einbeziehung von Kontenumsätzen in Kapitalflussrechnungen (Bruttound Teilbrutto-Bewegungsrechnungen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Einbeziehung der Erfolgsrechnung in Kapitalflussrechnungen . . . . . . . . . . 6. Fondsrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Aufstellungs- und Publizitätspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
709 710 711 713 717 718 719 725
Weiterführende Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
730 730
I. Kennzahlenanalyse Lernziele dieses Kapitels x Bei der Finanzanalyse wird zwischen interner und externer Analyse unterschieden. Während interne Analyse vom Unternehmen selbst durchgeführt wird, wird externe Analyse von außenstehenden wie Kreditinstituten oder Aktienanalysten auf Basis von durch das Unternehmen herausgegebener Daten durchgeführt. x Je nach Analysezweck liegt der Schwerpunkt auf der Analyse der Bonität, Zahlungsfähigkeit oder Ertragskraft. x Nach der Aufbereitung des Zahlenmaterials ist die Bildung von geeigneten Kennziffern der zweite Arbeitsschritt. Hierbei werden absolute Zahlen, Verhältnis-, Gliederungs-, Beziehungs- und Indexzahlen gebildet. Auch statistische Maßgrößen, wie empirische Varianzen, können an dieser Stelle eingesetzt werden. x Zum eigentlichen Vergleich werden Kennzahlen einander gegenübergestellt. Zu nennen ist hier der Vergleich im Zeitablauf (Zeitvergleich), zwischen Unternehmung und Branche (Betriebsvergleich) oder der Vergleich zwischen Planung und Realisation (Soll-Ist-Vergleich). x Kennzahlen lassen sich grundsätzlich in bestandsorientiert und stromgrößenorientiert unterteilen. x Unter den bestandsorientierten Kennzahlen existieren Kennzahlen, die nur die Aktivseite einer Bilanz betreffen und somit die Vermögenstruktur abbilden. Typische Vertreter sind der Anteil des Anlage- oder Umlaufvermögens am Gesamtvermögen. x Ebenfalls zu den bestandsorientierten Kennzahlen zählen Kennzahlen der Passivseite. Typische Vertreter sind Eigenkapitalquote, Fremdkapitalquote oder der Verschuldungsgrad als Verhältnis von Fremd- zu Eigenkapital. x Setzt man Aktiv- und Passivpositionen einer Bilanz ins Verhältnis, erhält man Kennzahlen der horizontalen Bilanzstruktur. Die Goldenen Bilanzregeln als typische Vertreter dieser Gattung errechnen ein Verhältnis von langfristigem Kapital zu langfristig gebundenem Vermögen (etwa Anlagevermögen) und sind somit vergleichbar mit den Anlagedeckungsgraden. Liquiditätsgrade stellen dagegen auf kurzfristige Bilanzpositionen ab und setzen kurzfristige Vermögenswerte wie Zahlungsmittel ins Verhältnis zu kurzfristigen Verbindlichkeiten. x Unter den stromgrößenorientierten Kennzahlen dienen die Erfolgskennzahlen primär der Messung der Ertragskraft. Als absolute Kennzahlen errechnet man aus Positionen der Gewinn- und Verlustrechnung das Betriebsergebnis, das Finanzergebnis, den Steuerbilanzgewinn oder den Cashflow. Als relative Erfolgskennzahlen werden Positionen der Gewinn- und Verlustrechnung ins Verhältnis zu anderen Größen der Bilanz bzw. Gewinn- und Verlustrechnung gesetzt.-Typische Vertreter dieser Kennzahlen sind Rentabilitätskennzahlen wie Eigen und Gesamtkapitalrentabilität oder auch der Return on Investment. x Daneben existieren unter den stromgrößenorientierten Kennzahlen die Aktivitätskennzahlen, welche die Ausnutzung des vorhandenen Vermögenspotenzials ermitteln. Typische Kennzahlen sind hier die Umschlagshäufigkeit des Umlaufvermögens (als Quotient aus Umsatz und Bestand des Umlaufvermögens), das Kundenziel (als Bestand an Kundenforderungen mal 365 durch Umsatz) oder Investitionsquoten (als Nettoinvestitionen in Sachanlagen durch den Buchwert der Sachanlagen).
660
E. Finanzanalyse
1. Analysezwecke Unter Finanzanalyse versteht man die Beurteilung der finanziellen Lage einer Unternehmung. Wird die Analyse durch das in Frage stehende Unternehmen selbst durchgeführt, so spricht man von interner Finanzanalyse; wird sie dagegen von Personen außerhalb der Unternehmung erstellt, so handelt es sich um eine externe Finanzanalyse. Die interne Analyse soll Planungs- und Kontrollinformationen für Entscheidungen der Unternehmensleitung zur Verfügung stellen. Als Externe interessieren sich vor allem gegenwärtige oder zukünftige Anteilseigner (Kommanditisten, GmbH-Teilhaber, Aktionäre) und Gläubiger (Banken, Lieferanten, Kunden) für die finanzielle Lage einer Unternehmung, darüber hinaus aber auch der Staat, Konkurrenzunternehmen, Gewerkschaften und Arbeitnehmer. Letztere haben nach dem Betriebsverfassungsgesetz (§ 108 Abs. 5 BetrVG) über den Betriebsrat bzw. Wirtschaftsausschuss das Recht auf Einsicht und Erläuterung der Bilanz. Die im Rahmen einer externen Analyse zur Verfügung stehenden Daten sind i. d. R. begrenzter als bei einer internen Analyse. Der Informationsgrad ist jedoch fließend und steigt mit der Machtposition des Analysten. So kann ein Großaktionär oder Großkreditgeber einen Informationsstand erlangen, wie ihn sonst nur die Unternehmensleitung besitzt. Im Allgemeinen stehen für eine externe Finanzanalyse nur Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung zur Verfügung. Bei Kapitalgesellschaften treten zudem noch Anhang und Lagebericht, bei Konzernabschlüssen Kapitalflussrechnung und Segmentberichterstattung hinzu. Darüber hinaus können noch allgemeine Daten der Branche und der konjunkturellen Entwicklung hinzugezogen werden. Die externe Finanzanalyse ist daher primär eine Analyse des Jahresabschlusses.
Finanzielles Gleichgewicht
Dispositive Liquidität Sicherung der jederzeitigen Zahlungsfähigkeit p Zu jedem Zeitpunkt gilt: Zahlungsmittelanfangsbestand + Einzahlungen - Auszahlungserfordernisse ------------------------------------------>= 0
Strukturelle Liquidität Sicherung der gleichgewichtigen Kapitalstruktur p „Anerkannte Finanzierungsregel (Fristenstruktur; Verschuldungsgrad) werden eingehalten
Rentabilität Sicherung der hinreichenden Ertragskraft p Leistungswirtschaftliche Ergebnisse reichen aus, die (risikoabhängigen) Kosten von Fremdkapital und Eigenkapital mindestens zu decken
Abb. E 1: Komponenten des finanziellen Gleichgewichts
Im Vordergrund der Betrachtung stehen die Bonität und die Weiterentwicklung des Unternehmens, die über Liquidität und (risikobereinigte) Rentabilität erfasst werden sollen, wobei die Schwerpunkte je nach Interessentengruppe graduell unterschiedlich liegen. Während Aktionäre vor allem auf die Ertragskraft abstellen werden (vgl. die Ausführungen zu finanzwirtschaftlichen Entscheidungskriterien und zur Fundamen-
I. Kennzahlenanalyse talanalyse in Abschnitt A II 2 und C III 2), liegt bei Gläubigern das Hauptgewicht auf der Beurteilung der Zahlungsfähigkeit. Ertragskraft und Zahlungsfähigkeit sind jedoch zumindest langfristig nicht voneinander unabhängig (vgl. Abbildung E 1). So ist die Erwirtschaftung von Überschüssen auf längere Sicht Voraussetzung für die Aufrechterhaltung der Liquidität. Tritt Illiquidität auf, so führt dies zur Insolvenz und damit auch zum Versiegen des Ertrags. Eine Finanzanalyse muss daher, soweit es sich nicht um sehr kurzfristige Betrachtungen handelt, immer alle finanzwirtschaftlichen Kriterien mit einbeziehen.
2. Analyseablauf Die Kennzahlenanalyse stützt sich – bei externer Analyse nahezu ausschließlich – auf Daten, die dem Jahresabschluss zu entnehmen sind. Diese sind zunächst für Analysezwecke in geeigneter Form aufzubereiten. 1. Aufbereitung des Zahlenmaterials
Die Bilanzpositionen sind zu den Größen zusammenzufassen, die anschließend zur Bildung der Kennzahlen benötigt werden. Soweit in der Bilanz nicht bereits ausgewiesen, sind insbesondere folgende Positionen zu bilden: Anlagevermögen, Umlaufvermögen, monetäres Umlaufvermögen, liquide Mittel, Eigenkapital, langfristiges Fremdkapital, kurz- und mittelfristiges Fremdkapital. Wertberichtigungen sind dabei von den entsprechenden Positionen der Aktiva abzusetzen. 2. Bildung von Kennziffern
Nach dem formalen Aufbau können Kennzahlen wie folgt eingeteilt werden: Absolute Zahlen Hierbei werden Positionen der Bilanz bzw. Gewinn- und Verlustrechnung durch Addition und/oder Subtraktion zu Kennzahlen formiert (z. B. Working Capital, Cashflow). Verhältniszahlen Setzt man zwei absolute Zahlen zueinander in Beziehung, so ergeben sich Verhältniszahlen. Sie werden häufig in Prozentwerten angegeben. Je nachdem, welche Größen aufeinander bezogen werden, unterscheidet man: x Gliederungszahlen Diese drücken die Relation zwischen einer Teilgröße und der zugehörigen Gesamtgröße aus (z. B. Eigenkapital zu Gesamtkapital). x Beziehungszahlen Hierbei werden zwei Größen in Relation gesetzt, ohne dass eine davon eine übergeordnete Gesamtgröße darstellt (z. B. Anlagevermögen zu Umlaufvermögen; Anlagevermögen zu Eigenkapital). x Indexzahlen Indexzahlen dokumentieren die zeitliche Entwicklung einer Größe. Der Ausgangswert – auch Basiswert genannt – wird gleich 1 oder 100 % gesetzt, und die Werte der nachfolgenden Zeitpunkte werden in Relation zu diesem Basiswert angegeben (z. B. Entwicklung der Personalausgaben durchschnittlich pro Beschäftigtem mit 1980 ⩠ 100 %).
661
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E. Finanzanalyse Statistische Maßgrößen Finanzielle Kenngrößen können auch unter Anwendung von Verfahren der mathematischen Statistik ermittelt werden. Insbesondere Erwartungswert und Varianz sind Maßgrößen, die bei der Kennzahlenanalyse, soweit Aussagen über zukünftige Entwicklungen gemacht werden sollen, häufig Anwendung finden; so z. B. der Erwartungswert zur Beurteilung der Höhe von zukünftigen Erträgen und die Varianz als Maß des Risikos, mit der diese erwarteten Erträge eintreten werden. Darüber hinaus kommt statistischen Prognoseverfahren beim Aufzeigen von Entwicklungstendenzen erhebliche Bedeutung zu. Statistische Verfahren werden in jüngster Zeit auch zur Beurteilung der Qualität von Kennzahlen des Jahresabschlusses verwendet, speziell im Hinblick auf ihre Eignung zur Insolvenzprognose (vgl. Abschnitt E II 2). 3. Durchführung von Vergleichen
Ein Kennzahlenwert erlangt erst durch die Gegenüberstellung mit normativen oder empirischen Kenngrößen Aussagekraft. Zeitvergleich Beim Zeitvergleich werden die in periodischer Abfolge ermittelten Kennziffern einer Unternehmung miteinander verglichen. Hierdurch können insbesondere Trendentwicklungen identifiziert werden. Betriebsvergleich Beim Betriebsvergleich werden die Kennzahlen branchengleicher Unternehmen einander gegenübergestellt oder die Werte einer Unternehmung mit den Branchendurchschnitten verglichen. Für gesamtwirtschaftliche Betrachtungen kann auch ein Vergleich unterschiedlicher Branchen, z. B. bezüglich der Eigenkapitalausstattung, sinnvoll sein. Soll-Ist-Vergleich Neben dem Vergleich mit normativen Werten (z. B. das Verhältnis von Fremd- zu Eigenkapital soll dauerhaft 1 : 1 betragen), deren Aussagegehalt umstritten ist und sich auch empirisch nicht belegen lässt, kommt der Soll-Ist-Vergleich vor allem für die interne Analyse in Betracht. Vorgabe- und Planwerte sind im Rahmen der Kontrollphase mit den tatsächlich realisierten Kennziffern zu vergleichen und die aufgetretenen Abweichungen zu ermitteln. Die Vergleiche können sowohl rechnerisch als auch graphisch durchgeführt werden. Insbesondere beim Zeit- und Betriebsvergleich kann die Übersichtlichkeit durch graphische Darstellungen gesteigert werden. Die Kennzahlen, die im Rahmen der Finanzanalyse eines nach handelsrechtlichen Grundsätzen aufgestellten Jahresabschlusses am häufigsten Verwendung finden, lassen sich folgenden Analyseschwerpunkten zuordnen: x Investition (Vermögensstruktur, Umsatzrelationen, Umschlagskoeffizienten, Investitionsund Abschreibungspolitik) x Finanzierung (Kapitalaufbringung und -struktur, Sicherheit und Fristigkeit) x Liquidität (Zahlungsfähigkeit, Liquidierbarkeit von Vermögensgütern, Vermögensdeckung) x Ertrag (gegenwärtiger und zukünftiger Ertrag in absoluten und relativen Größen)
I. Kennzahlenanalyse Die zur Kennzahlenbildung erforderlichen Angaben können aus Bilanzbeständen, die zeitpunktbezogen sind, oder aus Stromgrößen, die einen Zeitraum abdecken, gewonnen werden. Erstere werden vielfach auch als statische und letztere als dynamische Kenngrößen bezeichnet (vgl. Abbildung E 2).
Kennzahlen
bestandsorientiert a) b) c)
Vermögensstruktur Kapitalstruktur Horizontale Bilanzstruktur -> Finanzierungsregeln -> Liquiditätsregeln und -kennzahlen
stromgrößenorientiert a)
b)
Erfolgskennzahlen -> absolute -> relative Aktivitätskennzahlen
Abb. E 2: Systematik für Kennzahlen der Finanzanalyse
3. Bestandsorientierte Strukturkennzahlen a) Vermögensstruktur Das Vermögen einer Unternehmung wird in seiner Grobstruktur durch den Anteil von Anlage- und Umlaufvermögen bestimmt. Übliche Kennzahlen der Vermögensstruktur sind:
Anlagevermögen × 100 % Gesamtvermögen Umlaufvermögen × 100 % Gesamtvermögen Niedriges Anlagevermögen ist ein Kennzeichen für betriebliche Flexibilität. Unternehmungen mit kleinem Anlagevermögen können sich leichter Beschäftigungsschwankungen anpassen, da sie zum einen weniger Kapital langfristig gebunden haben und zum anderen auch geringere fixe Kosten aufweisen. Ersteres ermöglicht rascher Produktionsumstellungen, letzteres lässt einen Beschäftigungsrückgang nicht so stark auf den Erfolg durchschlagen. Bei Industriebetrieben können diesen positiven Gesichtspunkten eines niedrigen Anlagevermögens auch negative gegenüberstehen. So mag ein geringes bilanzielles Anlagevermögen auch darauf zurückzuführen sein, dass der Betrieb mit alten, bereits abgeschriebenen Anlagen arbeitet und die Gefahr besteht, dass der Anschluss an den technischen Fortschritt verlorengeht. Es ist dann in der Zukunft mit einem Rückgang des Ertrags zu rechnen, oder es werden erhebliche Investitionen erforderlich.
663
664
E. Finanzanalyse Zur Erfassung der maschinellen Ausstattung einer Unternehmung sind Kennzahlen, die den Anteil der Maschinen am Vermögen wiedergeben, geeignet:
Während bei Handels- und Dienstleistungsbetrieben im Allgemeinen ein niedriges Anlagevermögen und ein hohes Umlaufvermögen positiv zu beurteilen sind, bedarf es bei Industriebetrieben der Kenntnis der branchenspezifischen Gegebenheiten (vgl. Abbildung E 3). Teilweise sind sogar Detailkenntnisse bezüglich der Anlagenstruktur eines speziellen Betriebes erforderlich, um zutreffende Aussagen machen zu können. 2012
2013
2014
2015
2016
2017
2018
Baugewerbe
18,0
18,1
18,7
18,1
18,7
17,7
16,5
Chemie/Pharmazie
12,6
13,6
13,4
12,4
11,8
12,0
11,7
Einzelhandel
23,3
24,2
24,1
24,0
24,7
22,6
22,7
Elektrik/Optik
11,7
10,2
10,2
10,1
10,3
10,0
9,7
Nahrung/Trinken
28,6
28,8
30,2
31,0
31,8
31,7
31,6
Fahrzeugbau
12,1
12,4
12,8
12,7
12,5
11,9
11,7
Großhandel
11,8
12,0
12,0
12,1
12,0
11,6
11,4
Maschinenbau
14,3
14,7
14,8
14,3
15,1
14,0
13,9
Papier/Verlag/Druck
37,4
36,7
35,5
35,0
33,5
33,8
33,0
Textil/Bekleidung
18,9
19,4
19,5
19,8
19,9
20,3
20,3
Gesamt
24,1
24,1
24,0
23,7
23,6
23,1
22,7
Abb. E 3: Durchschnittswerte für Sachanlagen in % der Bilanzsumme ausgewählter Branchen1
b) Kapitalstruktur Die Kapitalstrukturregeln, auch vertikale Finanzierungsregeln genannt, stellen auf Art und Zusammensetzung des Kapitals ab. Entscheidend ist dabei der Anteil von Eigen- und Fremdkapital, der den Verschuldungsgrad kennzeichnet und durch folgende Kennzahlen ausgedrückt werden kann:
1
Quelle: Deutsche Bundesbank, Hochgerechnete Angaben aus Jahresabschlüssen deutscher Unternehmen von 2012 bis 2018, Mai 2021.
I. Kennzahlenanalyse
Dabei werden in der älteren Literatur ausschließlich Bilanzwerte, in der neueren Literatur dagegen auch Marktwerte zugrunde gelegt. In der Beleihungspraxis der Banken wurde früher ein Verhältnis von Eigenkapital zu Fremdkapital von 1:1 gefordert (normative Kennzahl). Die Forderung basierte auf Sicherheits- und Elastizitätsanforderungen. Die Unternehmung sollte so finanziert sein, dass selbst bei vollständigem Verlust der durch Kredite finanzierten Vermögensgegenstände noch hinreichend Mittel zur Verfügung stehen, aus denen die Ansprüche der Kreditgeber zu erfüllen wären. Diese Argumentation entspricht im Ergebnis dem sogenannten 50 %-Besicherungskalkül. Danach sollen (nicht auszuschließende) Verluste/Wertminderungen bis zur Hälfte des gesamten, als Kreditsicherheit dienenden Vermögens der Unternehmung möglich sein, ohne die Befriedigung der Gläubiger zu gefährden. Aus diesen Überlegungen resultiert das Interesse der Analysten, zur Beurteilung der Kapitalstruktur auch Kennzahlen der Vermögensstruktur heranzuziehen, insbesondere solche Kennzahlen, die eine Verbindung zwischen Vermögens- und Kapitalstruktur (horizontale Bilanzstrukturkennzahlen) herstellen. Der Eigenkapitalanteil der deutschen Unternehmen hat sich in den letzten Jahrzehnten immer mehr verringert und die geforderte 1 : 1-Regel wurde zu einer 1:2-(EK/FK-)Norm abgeschwächt. Einzig in den letzten zehn Jahren hat sich dieser Trend leicht umgekehrt. Die Eigenkapitalausstattung der deutschen Industrie ist im internationalen Vergleich sehr gering. Zurückzuführen ist diese Entwicklung auf das rasche Wachstum der deutschen Volkswirtschaft bei mangelnder Eigenfinanzierungsmöglichkeit der Betriebe, aber wohl auch auf die Möglichkeit der Kreditgeber, insbesondere der (Haus-)Banken, auf das Geschäftsgebaren und damit auf das Investitionsrisiko der kreditnehmenden Unternehmung Einfluss zu nehmen (vgl. Abbildung E 4). Der Zusammenhang zwischen Investitionsrendite, Verschuldungsgrad und Eigenkapitalrendite wird unter dem Stichwort Leverage-Effekt behandelt (vgl. ausführlich Abschnitt D IV 2).
665
666
E. Finanzanalyse 2012
2013
2014
2015
2016
2017
2018
Baugewerbe
14.0
13.5
15.3
16.0
17.2
18.2
18.1
Chemie/Pharmazie
40.9
41.4
41.1
37.8
35.2
34.6
34.4
Einzelhandel
21.6
22.8
23.6
24.9
26.2
26.3
26.3
Elektrik/Optik
31.2
31.5
31.9
31.8
31.8
33.9
33.2
Nahrung/Trinken
31.6
32.4
34.0
35.0
35.7
35.9
36.6
Fahrzeugbau
28.4
27.0
27.8
25.8
25.8
27.0
26.2
Großhandel
32.1
33.1
33.2
33.6
34.4
35.1
35.2
Maschinenbau
30.7
31.7
31.4
31.0
33.1
31.5
30.7
Papier/Verlag/Druck
30.4
31.7
33.4
32.4
32.6
35.1
35.4
Textil/Bekleidung
38.5
38.7
39.2
40.9
39.9
41.5
42.6
Gesamt
29.8
29.9
30.4
30.2
30.9
31.3
31.0
Abb. E 4: Durchschnittswerte für Eigenmittel in % der Bilanzsumme ausgewählter Branchen2
Fremdkapital bedingt im Allgemeinen feste, erfolgsunabhängige Zins- und Tilgungszahlungen, woraus in Jahren ohne hinreichende Rückflüsse zur Bewältigung der Kapitaldienste Liquiditätsschwierigkeiten und Insolvenzgefährdung resultieren können. Die Eigenkapitalquote ist in Abhängigkeit vom leistungswirtschaftlichen Risiko des jeweiligen Unternehmens und der damit verbundenen Varianz der Erträge zu sehen. Generell sind mit steigendem leistungswirtschaftlichem Risiko, also zu erwartender hoher Varianz der Unternehmenserträge, zunehmende Anforderungen an die Eigenkapitalquote zu stellen. Für die Ermittlung der Kapitalstrukturkennzahlen ist das Eigenkapital zu bestimmen, das sich bei Kapitalgesellschaften, unterstellt man eine Bilanzierung nach teilweiser Gewinnverwendung, wie folgt ergibt: ./. + + + ./.
gezeichnetes Kapital ausstehende Einlagen Kapital- und Gewinnrücklagen Bilanzgewinn (./. Bilanzverlust) Eigenkapitalanteil des Sonderpostens mit Rücklageanteil (hilfsweise 50 %) (bis 2009) aktiviertes Disagio
= bilanzielles oder rechnerisches Eigenkapital Bei dem Ansatz der Sonderposten mit Rücklageanteil (bis 2009) zum halben Wert handelt es sich um eine Hilfskonstruktion als Annäherung an den tatsächlichen Wert, da extern eine exakte Trennung in Rücklageanteil und Steuerschuld nicht möglich ist. Je nach Analysezweck, so insbesondere bei internationalen Vergleichen, kann es sinnvoll sein, Pensionsrückstellungen zum Eigenkapital zu rechnen. Sie sind zwar juristisch eindeutig Fremdkapital, stehen aber den Unternehmen bei voller Dispositionsfreiheit so langfristig zur Verfügung, dass sie wirtschaftlich wie Eigenkapital eingestuft werden 2
Quelle: Deutsche Bundesbank, Hochgerechnete Angaben aus Jahresabschlüssen deutscher Unternehmen von 2012 bis 2018, Mai 2021.
I. Kennzahlenanalyse können. Die Pensionsrückstellungen sind bei vielen Gesellschaften beträchtlich und erreichen bzw. übersteigen sogar teilweise das Grundkapital. Neben dem Anteil von Eigen- und Fremdkapital ist die Fristigkeit des Kapitals ein weiteres wichtiges Kriterium der Kapitalstruktur. Bei Bilanzierung nach dem HGB für Kapitalgesellschaften lassen sich die folgenden Fristigkeiten unterscheiden: 1. kurzfristige Verbindlichkeiten mit einer Restlaufzeit bis zu einem Jahr (Bilanzvermerk nach HGB § 268 Abs. 5), 2. mittelfristige Verbindlichkeiten mit einer Restlaufzeit von über einem Jahr bis zu fünf Jahren (durch Subtraktion der kurz- und langfristigen Verbindlichkeiten von den Gesamtverbindlichkeiten), 3. langfristige Verbindlichkeiten mit einer Restlaufzeit von über fünf Jahren (Ausweis im Anhang nach HGB § 285 Ziff. 1a). Für die Aufgliederung des Fremdkapitals in kurz-, mittel- und langfristige Bestandteile ergibt sich somit: langfristige Verbindlichkeiten mit einer Restlaufzeit von über fünf Jahren + Stiftungen und Darlehen von betriebszugehörigen Pensions- und Unterstützungskassen (soweit nicht eine wirtschaftliche Zurechnung zum Eigenkapital gerechtfertigt erscheint) + langfristige Rückstellungen (insbesondere Pensionsrückstellungen) = langfristiges Fremdkapital Das kurz- und mittelfristige Fremdkapital ergibt sich wie folgt: Verbindlichkeiten ./. langfristige Verbindlichkeiten mit einer Restlaufzeit von über fünf Jahren gem. Angabe im Anhang + Fremdkapitalanteil des Sonderpostens mit Rücklagenanteil (hilfsweise 50 %) (bis 2009) + kurzfristige Rückstellungen (sonstige Rückstellungen + Steuerrückstellungen) + passive Rechnungsabgrenzung = kurz- und mittelfristiges Fremdkapital Das kurzfristige Fremdkapital kann wie folgt berechnet werden: Verbindlichkeiten mit einer Restlaufzeit von bis zu 1 Jahr + kurzfristige Rückstellungen + passive Rechnungsabgrenzung = kurzfristiges Fremdkapital Kennziffern, die auf die Fristigkeit des Kapitals abstellen, sind:
667
668
E. Finanzanalyse
Diese Kennzahlen können zur Beurteilung des Risikos eines Kapitalentzugs herangezogen werden. Je höher der Anteil des langfristigen Kapitals, umso geringer ist dieses Risiko, während es mit zunehmendem kurzfristigen Kapital steigt. Bei externer Analyse ist die Aussagekraft dieser Kennziffern dadurch eingeschränkt, dass die tatsächliche Fristigkeit des Kapitals teilweise nicht erkennbar ist. So kann z. B. bei einer OHG, wenn der Gesellschaftsvertrag nichts anderes bestimmt, das Eigenkapital mit einer Frist von 6 Monaten gekündigt und damit von langfristigem zu kurzfristigem Kapital werden. Demgegenüber können bei kurzfristigen Bankkrediten Prolongationszusagen vorliegen, die eine längerfristige Verfügbarkeit des Kapitals garantieren. Eine weitere Kennzahl der Kapitalstruktur, die im Rahmen der Wertpapieranalyse Bedeutung besitzt, ist der Bilanzkurs einer Aktie:
Er kann im Vergleich mit dem Börsenkurs Aufschlüsse über die Einschätzung des inneren Wertes einer Unternehmung durch die Börse geben. Die Differenz zwischen Bilanzkurs und Börsenkurs stellt das Äquivalent für die Bewertung der stillen Reserven einschließlich des Goodwill einer Unternehmung dar:
Durch Ermittlung der vorhandenen stillen Reserven, was extern nur sehr bedingt möglich ist, kann beurteilt werden, ob die im Aktienkurs ausgedrückte Bewertung der Börse über oder unter dem tatsächlichen Substanzwert der Unternehmung liegt.
c) Horizontale Bilanzstruktur Kapital- und Vermögensstruktur einer Unternehmung können, wie bereits ausgeführt, nicht völlig unabhängig voneinander abschließend beurteilt werden. Durch horizontale Bilanzstrukturkennziffern lassen sich die Beziehungen zwischen Vermögen und Kapital bzw. Investition und Finanzierung aufzeigen. Bei den sogenannten Finanzierungsregeln handelt es sich um normative Kennziffern, die bestimmte langfristige Deckungsgrade vorschreiben. Bei den Liquiditätsregeln werden demgegenüber kurzfristige Deckungsgrade ermittelt, indem kurz- und mittelfristig liquidierbare Vermögensteile zu kurz- und mittelfristigen Schulden in Beziehung gesetzt werden.
aa) Finanzierungsregeln (langfristige Deckungsgrade) Zu den langfristigen Finanzierungsregeln und Deckungsgraden zählen goldene Finanzierungsregel, goldene Bilanzregel und Anlagendeckung durch Eigenkapital. Goldene Finanzierungsregel
Diese Regel fordert die Einhaltung des Grundsatzes der Fristenkongruenz; das bedeutet, dass die Kapitalüberlassungsdauer und die Kapitalbindungsdauer übereinstimmen sollen. Kapital darf demnach nicht zeitlich länger in Vermögensteilen gebunden wer-
I. Kennzahlenanalyse den, als die jeweilige Kapitalüberlassungsdauer beträgt. Da dies für jedes Vermögensteil gefordert wird, ergibt sich das Problem der Zurechnung von finanziellen Mitteln zu den einzelnen Aktivpositionen. Dies ist nur in der Planungsphase sinnvoll und möglich. Vielmehr gilt die Auffassung der „totalen Finanzierung“, d. h., es ist davon auszugehen, dass die Aktiva durch die gesamten Passiva finanziert sind und eine spezielle Zuordnung nicht erfolgen kann. Um die goldene Finanzierungsregel in der Praxis anwenden zu können, bedient man sich daher einer groben Vereinfachung und beschränkt sich auf die zwei Fristigkeitskategorien langfristig und kurzfristig und fordert:
Die Einhaltung dieser Regeln soll die Aufrechterhaltung der Liquidität der Unternehmung, im Sinne der jederzeitigen Erfüllbarkeit der Zahlungsverpflichtungen, garantieren. Für die Wahrung der Liquidität ist die wertmäßige und zeitliche Übereinstimmung der Einzahlungen und Auszahlungen in einer Periode ausschlaggebend. Wie bereits erwähnt, ist aus der Bilanz die genaue Fristigkeit der Passivmittel meist nicht ersichtlich. Ebenso ist der Zeitpunkt der Liquidierung und der dabei auftretende Liquidationserlös der Aktivmittel, welcher auch die stillen Reserven umfasst, nicht aus der Bilanz entnehmbar. Darüber hinaus sind zahlreiche regelmäßige Zahlungsverpflichtungen, wie z. B. Lohn-, Gehalts-, Miet- und Steuerzahlungen, in der Bilanz nicht enthalten und können daher durch bestandsorientierte Kennzahlen auch nicht erfasst werden. Die Einhaltung der aus dem Grundsatz der Fristenkongruenz abgeleiteten Kennzahlen kann aus diesen Gründen die Aufrechterhaltung der Liquidität nicht gewährleisten. Der goldenen Finanzierungsregel entspricht im Bankwesen die goldene Bankregel, die besagt, dass kurzfristig aufgenommenes Geld nur kurzfristig ausgeliehen werden darf, während langfristig aufgenommenes Kapital auch langfristig ausgeliehen werden kann. In der Praxis kommt es jedoch häufig zum Verstoß gegen diese Regel, wobei langfristige Kredite ausgegeben werden, die kurzfristig revolvierend refinanziert werden sollen („aus kurz mach lang“). Dies führt in Zeiten normaler Zinsstruktur und liquiden Refinanzierungsmärkten zu einer positiven Zinsmarge aus Sicht der Bank. Speziell in Zeiten ausgetrockneter Refinanzierungsmärkte, insbesondere des Interbankenmarktes, kann diese Strategie jedoch zu ernsten Liquiditätsschwierigkeiten für das betreffende Institut führen. Goldene Bilanzregel
Eine weitere Operationalisierung der Fristenkongruenzregel stellt die goldene Bilanzregel dar. Dabei wird davon ausgegangen, dass die Zuordnung der Vermögensgegenstände zum Anlage- bzw. Umlaufvermögen identisch ist mit langfristiger bzw. kurzfristiger Kapitalbindung. Das Anlagevermögen soll dann durch Eigenkapital und langfristiges Fremdkapital gedeckt sein. Goldene Bilanzregel – engere Fassung:
669
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E. Finanzanalyse Vermögensgegenstände des Anlagevermögens müssen jedoch nicht zwangsläufig eine lange Liquidationsdauer besitzen, so können z. B. börsengängige Wertpapiere oder Grundstücke in guten Lagen sehr rasch veräußert werden. Demgegenüber kann das Umlaufvermögen Teile enthalten, die eine langfristige Kapitalbindung darstellen, wie Vorräte, die zum eisernen Bestand gehören oder Ladenhüter sind. Um letzterem Einwand zu begegnen, wurde die goldene Bilanzregel in einer weiteren Fassung unter Einbeziehung der langfristigen Teile des Umlaufvermögens formuliert: Goldene Bilanzregel – weitere Fassung:
Bei externer Analyse ist es jedoch schwierig bzw. meistens sogar unmöglich, die langfristigen Teile des Umlaufvermögens zu bestimmen. Anlagendeckung durch Eigenkapital
Die goldene Finanzierungsregel und die goldene Bilanzregel stellen auf die Aufrechterhaltung der Liquidität bei Unternehmensfortführung ab. Ihre Einhaltung soll das Risiko, dass ein Kapitalentzug vor dem entsprechenden Desinvestitionsprozess erfolgt, beschränken. Demgegenüber ist die nachfolgende Regel aus Überlegungen zum Gläubigerschutz bei Liquidation der Unternehmung entstanden:
Bei der Anlagendeckung A wird angenommen, dass ein Gläubiger im Liquidationsfall umso eher mit der Erstattung seines Geldes rechnen kann, je höher die prozentuale Deckung des Anlagevermögens durch Eigenkapital ist. Industrielle Anlagegüter, insbesondere Spezialmaschinen, sind im Konkursfall oder zwangsweise häufig nur sehr schwer bzw. weit unter ihrem Wert zu veräußern. Von den Gegenständen des Umlaufvermögens wird dagegen angenommen, dass sie in angemessener Zeit etwa in Buchwerthöhe liquidiert, also die ausstehenden Forderungen eingezogen und die Vorräte verkauft werden können. Daher sollen nur der Umsatzprozess kreditiert und langfristige Investitionen im Anlagenbereich aus Eigenmitteln gedeckt werden. Die Regel berücksichtigt wiederum nicht, dass die Zuordnung zu Anlage- oder Umlaufvermögen nicht zwingend eine lange oder kurze Liquidationsmöglichkeit zur Folge hat, insbesondere können Teile der Vorräte unveräußerbar sein. Der Aussagewert der Kennzahl wird aber weit mehr dadurch beeinträchtigt, dass im Konkursfall bevorrechtigte Ansprüche vorliegen können und Vermögensteile als Kreditsicherheiten verpfändet wurden. Die Finanzierungsregeln, insbesondere das Postulat der Fristenkongruenz und seine Ausprägung in Form der goldenen Bilanzregel, sind jedoch weit gehend zu Spielregeln der Kreditierung geworden. Ein Verstoß gegen die entsprechenden Normen wird meist Schwierigkeiten bei der Kreditbeschaffung nach sich ziehen.
I. Kennzahlenanalyse
bb) Liquiditätsregeln und -kennzahlen (kurzfristige Deckungsgrade) Die bestandsorientierte Liquiditätsanalyse beruht auf einer Gegenüberstellung von Zahlungsverpflichtungen und flüssigen Mitteln, soweit diese aus der Bilanz ersichtlich sind. Traditionellerweise werden sogenannte Liquiditätsgrade ermittelt. Hierbei handelt es sich um Verhältniszahlen, die sich in der Einbeziehung von Vermögenspositionen unterschiedlicher Geldwerdungsdauer unterscheiden:
= Kassa- oder Barliquidität, Absolute Liquidity Ratio
= Current Ratio wobei: Zahlungsmittel monetäres Umlaufvermögen kurzfristiges Umlaufvermögen
= Kasse + Bankguthaben = Umlaufvermögen ./. (Vorräte und sonstige Vermögensgegenstände) = Umlaufvermögen ./. Teile, die soweit ersichtlich, nicht innerhalb eines Jahres liquidiert werden können, und ./. Vorräte, die durch Kundenanzahlungen gedeckt sind.
Die Bildung dieser Liquiditätsgrade erfolgt in der Literatur nicht einheitlich, teilweise werden nur zwei Grade unterschieden, vereinzelt aber auch mehr als die aufgeführten, indem noch feinere Abstufungen bezüglich der Liquidierbarkeit des Vermögens vorgenommen werden. Je höher die ermittelten Prozentsätze der dargestellten Kennzahlen ausfallen, umso günstiger ist es um die Liquidität der untersuchten Unternehmung bestellt. Allerdings ist zu beachten, dass eine unnötig hohe Liquidität im Regelfall zu Lasten der Rentabilität geht. Die durchschnittliche Liquidität ersten Grades liegt aus diesem Grunde in der Praxis sehr niedrig, da bei kurzfristigen Liquiditätsengpässen zumeist mit Bankkrediten gerechnet wird. Für Liquiditäten 2. bzw. 3. Grades werden Werte um 100 % bzw. 200 % gefordert. Entsprechend ist in der amerikanischen Literatur für den Acid Test das sogenannte 1:1-Ratio (entspricht einer Liquidität 2. Grades von 100 %) und für die Current Ratio (auch Banker’s Rule genannt) das sogenannte 2:1-Ratio (entspricht einer Liquidität 3. Grades von 200 %) anzutreffen. An Kritischem bezüglich der Wahrung der Liquidität durch Beachtung dieser Kennzahlen gilt das unter dem Abschnitt über Finanzierungsregeln bereits Angeführte.
671
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E. Finanzanalyse Noch stärker als bei den langfristigen Deckungsgraden macht sich hier bei externer Analyse jedoch bemerkbar, dass die Daten der Bilanz zum Analysezeitpunkt bereits Vergangenheitsdaten darstellen. Die kurzfristigen Vermögens- und Kapitalpositionen können sich zwischenzeitlich bereits erheblich verändert haben. Neben den traditionellen Verhältniszahlen werden auch vielfach absolute Kennzahlen zur Beurteilung der Liquidität im Rahmen der Finanzanalyse herangezogen. So insbesondere das in der anglo-amerikanischen Analysepraxis sehr beliebte Working Capital. Unter Working Capital versteht man: Umlaufvermögen (nur kurzfristige, d. h. mindestens innerhalb eines Jahres liquidierbare Teile) ./. kurzfristige Verbindlichkeiten = Working Capital Es stellt somit den Überschuss des kurzfristig gebundenen Umlaufvermögens über das kurzfristige Fremdkapital dar und wird daher auch als Reinumlaufvermögen oder Betrag der Netto-Umlaufmittel bezeichnet. Die Kennzahl kann in zweifacher Hinsicht interpretiert werden: 1. Ermittlung der eingetretenen Liquiditätsveränderung, 2. Abschätzung des vorhandenen langfristigen Finanzierungspotenzials und damit des zukünftigen Liquiditätsrisikos. Der Aussagewert bezüglich der ersten Interpretation entspricht weit gehend demjenigen der Liquidität 3. Grades. Das Working Capital bleibt jedoch durch eine gleichmäßige Erhöhung sowohl des Umlaufvermögens als auch der kurzfristigen Verbindlichkeiten in seiner Höhe unverändert, während der Prozentsatz der Verhältniszahl eine Veränderung erfährt. Liquiditätsgrade unter 100 % können durch eine Bilanzverlängerung im Bereich der kurzfristigen Aktiva und Passiva aufgebessert werden, so z. B. durch die Aufnahme von Tagesgeld zum Bilanzstichtag. Für den Branchen- oder Betriebsvergleich ist das Working Capital als absolute Zahl jedoch weniger gut geeignet; hier sind die Liquiditätsgrade vorzuziehen. Die zweite Interpretation geht davon aus, dass das Working Capital einen Fonds langfristig finanzierter Vermögensteile darstellt, die innerhalb eines Jahres verflüssigt werden können. Der Betrag des Working Capital gibt in Anlehnung an die goldene Bilanzregel den Überschuss an langfristiger Finanzierung wieder (vorausgesetzt, dass tatsächlich nur die kurzfristig liquidierbaren Teile des Umlaufvermögens einbezogen werden). Lässt sich dieser Teil des Vermögens noch kurzfristig finanzieren, so werden langfristige Mittel für andere Verwendungszwecke frei. Die Unternehmung besitzt damit in Höhe des Working Capital ein Potenzial langfristiger Finanzierungsmöglichkeiten. Ein negatives Working Capital bedeutet einen Verstoß gegen die Finanzierungsregeln, langfristige Vermögensteile werden kurzfristig finanziert. Im Zeitvergleich bedeuten eine Erhöhung des Working Capital eine Zunahme der langfristigen Finanzierung, eine Verminderung und ein konstantes Working Capital, dass Neuinvestitionen fristenkongruent finanziert wurden.
I. Kennzahlenanalyse Bei interner Analyse kann die Berechnung des voraussichtlich zur Verfügung stehenden Potenzials an langfristigen Finanzmitteln noch wie folgt verbessert werden: Working Capital + nicht ausgenutzte langfristige Kreditmöglichkeiten ./. langfristige Verbindlichkeiten, die kurzfristig fällig werden + kurzfristige Verbindlichkeiten, die als langfristig zu betrachten sind (Verlängerungszusage liegt vor) ./. Teile des Umlaufvermögens, die zu langfristig gebundenem Vermögen werden + langfristige Vermögensteile, die sich in kurzfristiges Umlaufvermögen umwandeln + ausstehende Einlagen und Nachschüsse, die kurzfristig eingefordert werden können = langfristiges Finanzierungspotenzial Eine weitere, ebenfalls absolute Kennzahl stellt die Effektivverschuldung dar, die sich errechnet aus: gesamte Verbindlichkeiten (lang- und kurzfristig) ./. monetäres Umlaufvermögen (soweit es innerhalb eines Jahres liquidierbar ist) = Effektivverschuldung Sie weist die um das Barvermögen bzw. die rasch liquidierbaren Vermögensteile bereinigte Schuldenlast der Unternehmung aus. Diese Größe besitzt insbesondere im Zusammenhang mit Ertragskennzahlen Bedeutung, wenn bestimmt werden soll, welchen Zeitraum eine Schuldentilgung aus dem Unternehmenserfolg beanspruchen würde.
d) Beurteilung bestandsorientierter Kennzahlen Die bestandsorientierten Kennzahlen orientieren sich nur an den Größen der Bilanz. Aus der Bilanz sind jedoch nicht oder nur teilweise ersichtlich: 1. Liquidierbarkeit der Aktiva bezüglich 1.1. Zeitraum, in dem verschiedene Positionen der Aktiva zu Geld transformiert werden können; 1.2. Höhe des Betrages, der sich bei der Liquidation ergibt (Unterbewertung oder Überbewertung); 2. Fristigkeit der Passiva (z. B. Eigenkapital kann kündbar sein; für kurzfristig ausgewiesenen Kredit besteht Prolongationszusage); 3. zahlreiche regelmäßige Verbindlichkeiten (z. B. Lohn- und Gehaltszahlungen, Mietzahlungen, Steuervorauszahlungen sind in der Bilanz nicht als Verbindlichkeiten erfasst); 4. der aktuelle Stand der Daten zum Analysezeitpunkt (Bilanz ist eine auf einen Stichtag bezogene Vergangenheitsrechnung; Analysezeitpunkt liegt zeitlich nach diesem Stichtag); 5. Beschäftigungslage zukünftiger Zeiträume. Bei normativen Regeln (z. B. Eigenkapital zu Fremdkapital wie 1:2) sind die angegebenen Normen wissenschaftlich nicht begründbar. Sehr kritisch sind die bestandsorientierten
673
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E. Finanzanalyse Liquiditätskennzahlen zu sehen, da sie die Aufrechterhaltung der Zahlungsfähigkeit einer Unternehmung nicht garantieren können. Dennoch sind die angeführten Kennzahlen und Regeln für die Finanzanalyse in der Praxis nicht bedeutungslos. Insbesondere durch Zeit- und Betriebsvergleiche lassen sich wertvolle Erkenntnisse gewinnen. Eine Beurteilung sollte dabei nie anhand einer einzigen Kennzahl erfolgen, sondern sich aus einer Gesamtanalyse ergeben, die neben mehreren bestandsorientierten Zahlen auch stromgrößenorientierte Kenngrößen erfasst. Gerade letztere besitzen für bestimmte Analysezwecke eine größere Prognosequalität. Empirische Untersuchungen haben gezeigt, dass durch eine solche Kennzahlenkombination in bestimmten Fällen gute Analyseergebnisse zu erreichen sind, die es z. B. ermöglichen, insolvenzgefährdete Unternehmen zu erkennen. Neben ihrer Bedeutung für die Finanzanalyse haben die an Bilanzbeständen orientierten Kennzahlen auch eine gewisse Bedeutung für die Bilanz- und Finanzplanung. Da vielfach Kreditinstitute und andere Gläubiger bei der Beurteilung der Kreditwürdigkeit die Finanzierungs- und Bilanzstrukturregeln anwenden, muss eine um Kredit nachsuchende Unternehmung um die Einhaltung dieser Regeln bemüht sein. Sie können daher Nebenbedingungen bei der Bilanz- und Finanzplanung darstellen.
4. Stromgrößenorientierte Kennzahlen Die bestandsorientierten Kennzahlen beschränken sich auf die Analyse der Bilanz und vernachlässigen die Gewinn- und Verlustrechnung als wichtige zusätzliche Informationsquelle. Aus der Gewinn- und Verlustrechnung lassen sich jedoch zum Teil die erwähnten regelmäßig auftretenden Zahlungsverpflichtungen, wie z. B. Lohn- und Gehaltszahlungen, die aus der Bilanz nicht ersichtlich sind, erkennen. Neben dieser Bedeutung für die Liquiditätsbeurteilung ist die Auswertung der Gewinn- und Verlustrechnung für die Erfolgsanalyse unerlässlich. Außer aus den Aufwendungen und Erträgen der Gewinn- und Verlustrechnung, die Stromgrößen darstellen, können auch aus periodisch aufeinander folgenden Bilanzen durch die Bildung von Bestandsdifferenzen stromgrößenorientierte Kennzahlen gebildet werden. Der informationelle Mindest-Input ist hierbei höher als bei den bestandsorientierten Kennzahlen, da wenigstens zwei Bilanzen zur Verfügung stehen müssen. Anstelle von Beständen sollen die innerhalb eines Zeitraums aufgetretenen Bewegungen (Flows) erfasst werden. Stromgrößenorientierte Verhältniszahlen enthalten meist neben Strom- auch Bestandsgrößen.
a) Erfolgskennzahlen aa) Absolute Erfolgskennzahlen Zu den absoluten Erfolgskennzahlen gehören Bilanzgewinn, Jahresüberschuss, geschätzter Steuerbilanzgewinn und Cashflow.
I. Kennzahlenanalyse Bilanzgewinn
Bei Kapitalgesellschaften unterscheidet sich der Bilanzgewinn vom Jahresüberschuss wie folgt: Jahresüberschuss (bzw. Jahresfehlbetrag) + Gewinnvortrag (./. Verlustvortrag) aus dem Vorjahr + Entnahmen aus Kapital- und Gewinnrücklagen ./. Einstellungen aus dem Jahresüberschuss in Gewinnrücklagen (gesetzliche Rücklage, Rücklage für eigene Anteile, satzungsmäßige Rücklage, andere Gewinnrücklagen) = Bilanzgewinn (bzw. Bilanzverlust) Der Bilanzgewinn kann also durch Zuführung zu bzw. Entnahme aus den Rücklagen verringert bzw. erhöht werden und ist daher keine geeignete Maßzahl für den Erfolg einer Unternehmung in einer bestimmten Periode. Bei der Feststellung des Jahresabschlusses einer Aktiengesellschaft durch Vorstand und Aufsichtsrat können diese neben der vorgeschriebenen Zuführung zu der gesetzlichen Rücklage bis zu 50 % des Jahresüberschusses – sofern die Satzung nicht einen höheren Satz zulässt – in die anderen Gewinnrücklagen einstellen (§ 58 Abs. 2 AktG). Über den verbleibenden Rest hat die Hauptversammlung zu befinden, die weitere Teile in die Gewinnrücklagen einstellen oder als Gewinn vortragen kann. Bei Publikumsgesellschaften ist der Bilanzgewinn jedoch meist der Betrag, den Vorstand und Aufsichtsrat bereit sind auszuschütten und von dem nur noch selten Zuführungen zu den offenen Rücklagen durch die Hauptversammlung erfolgen. Der Bilanzgewinn bei Aktiengesellschaften ist also weniger ein Maßstab für den Periodenerfolg als vielmehr bei Gegenüberstellung mit dem Jahresüberschuss und im Zeitvergleich ein Hinweis auf die Ausschüttungs- und (offene) Selbstfinanzierungspolitik der Unternehmung. Jahresüberschuss
Der Jahresüberschuss gibt den Periodenerfolg einer Aktiengesellschaft besser wieder als der Bilanzgewinn. Um qualitative Aussagen treffen zu können, ist jedoch eine Analyse der Erfolgskomponenten erforderlich.3 Von besonderer Bedeutung ist hierbei die Trennung in betriebsbedingte und betriebsfremde sowie in regelmäßig auftretende und einmalige Erfolgskomponenten. Die erste Differenzierung lässt erkennen, inwieweit das ausgewiesene Ergebnis aus der Betriebstätigkeit stammt. Sie ist für einen erfolgsbezogenen Betriebs- und Branchenvergleich zweckmäßig. Demgegenüber stellt die zweite Differenzierung auf die Nachhaltigkeit des Erfolgs ab. Sie ist für die Prognose der zukünftigen Ertragskraft einer Unternehmung erforderlich. Eine exakte Aufteilung der Aufwands- und Ertragsposition auf die vier angeführten Erfolgskategorien ist bei externer Analyse nicht möglich, es kann nur unter Hinzuziehung der Erläuterungen des Geschäftsberichts eine grobe Abschätzung erfolgen. Als regelmäßig auftretendes betriebsbedingtes Ergebnis ist der Rohertrag abzüglich der Personalaufwendungen und der Abschreibungen auf Sachanlagen anzusehen. Davon sind noch teilweise die sonstigen Aufwendungen und sonstigen Steuern in einem aus 3
Vgl. ausführlich Steiner, Jaschke, Analyse des Jahresabschlusses, 1988; Lachnit, Erfolgsanalyse, 1987; Baetge, Fischer, Erfolgsanalyse, 1988.
675
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E. Finanzanalyse der Gewinn- und Verlustrechnung jedoch nicht ersichtlichen Umfang abzusetzen. Bei einer Gewinn- und Verlustrechnung auf Basis des Gesamtkostenverfahrens (§ 275 Abs. 2 HGB) ergibt sich: Umsatzerlöse + Bestandserhöhungen (./. Bestandsminderungen) + andere aktivierte Eigenleistungen = Gesamtleistung ./. Aufwendungen für Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe und für bezogene Waren sowie für bezogene Leistungen = Rohertrag ./. Löhne und Gehälter ./. soziale Abgaben ./. Aufwendungen für Altersversorgung und Unterstützung ./. Abschreibungen auf Sachanlagen und immaterielle Anlagewerte (./. sonstige Aufwendungen) (./. sonstige Steuern) = ordentliches betriebsbedingtes Ergebnis (Betriebsergebnis) Für die Abschätzung des nachhaltigen Ergebnisses ist dem noch das ordentliche betriebsfremde Ergebnis hinzuzurechnen: Erträge aus Gewinngemeinschaften, Gewinnabführungs- und Teilgewinnabführungsverträgen + Erträge aus Beteiligungen + Erträge aus anderen Finanzanlagen + sonstige Zinsen und ähnliche Erträge (+ sonstige Erträge abzüglich der außerordentlichen) ./. Abschreibungen auf Finanzanlagen ./. Zinsen und ähnliche Aufwendungen ./. Lastenausgleichsvermögensabgabe ./. Aufwendungen aus Verlustübernahme (./. sonstige Aufwendungen und sonstige Steuern, soweit nicht beim betriebsbedingten Ergebnis abgesetzt) = ordentliches betriebsfremdes Ergebnis (Finanzergebnis) Außerordentliche Erträge und Aufwendungen müssen bei der Prognose des zukünftigen Ertrags außer Ansatz bleiben. Der Jahresüberschuss setzt sich also bei dieser etwas vereinfachten Dreiteilung aus dem Betriebsergebnis, dem Finanzergebnis und dem außerordentlichen Ergebnis zusammen (vgl. Abbildung E 5). Letzteres ist auf Bewertungsmaßnahmen oder Veräußerung von Teilen des Anlagevermögens zurückzuführen. Ein schlechtes reguläres Ergebnis kann durch das leichter manipulierbare außerordentliche Ergebnis verdeckt werden, weshalb die Aufspaltung des Erfolgs nach den erwähnten Gesichtspunkten erforderlich ist. Bei Zeitreihenanalysen ist zu beachten, dass das HGB die außerordentlichen Aufwendungen und Erträge anders definiert als noch das AktG 1965. Zum außerordentlichen Ergebnis nach HGB zählen ausschließlich die außerhalb der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit des Unternehmens angefallenen Aufwendungen und Erträge. So werden z. B. Erträge und Aufwendungen
I. Kennzahlenanalyse aus Abgängen von Anlagegütern, Zuschreibungen, Auflösungen von Rückstellungen und Sonderposten mit Rücklageanteil als betriebsbedingte Aufwendungen bzw. Erträge zum Betriebsergebnis gerechnet.4 Diese Erfolgskomponenten lassen sich zum Jahresüberschuss ins Verhältnis setzen und geben so Auskunft über die Ergebnisstruktur, etwa
Zur Analyse der Erfolgskomponenten des Jahresüberschusses gehören auch Kennzahlen der Aufwands- und Ertragsstruktur. Sie werden durch Inbeziehungsetzung von Positionen der Gewinn- und Verlustrechnung zum Umsatz oder zur Gesamtleistung gebildet, so z. B.:
Anlagenintensität =
Abschreibungen auf Sachanlagen u 100% Gesamtleistung
Bei interner Analyse ist eine sparten- und produktionsbezogene Aufgliederung des Ergebnisses möglich. Die Qualität des Jahresüberschusses als Erfolgsmaßstab wird durch die im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften zulässige Legung/Auflösung von stillen Reserven beeinträchtigt. Der Erfolg wird kleiner bzw. größer ausgewiesen als er tatsächlich ist. Aus dem Jahresabschluss ist nur schwer zu bestimmen, in welchem Umfang sich die stillen Reserven verändert haben. Die nachfolgend aufgeführten Erfolgskenngrößen geschätzter Steuerbilanzgewinn und Cashflow stellen Versuche dar, diesem Problem auf unterschiedliche Weise gerecht zu werden.
4
Vgl. Steiner, Jaschke, Analyse des Jahresabschlusses, 1988.
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E. Finanzanalyse
Jahresabschluss
Betriebsergebnis
Finanzergebnis
aperiodische Erfolgskomponenten Ergebnis aus „gewöhnlicher“ Geschäftstätigkeit (HGB)
a. o. Ergebnis
außergewöhnliche Erfolgskomponenten „außerordentliches“ Ergebnis (HGB)
Jahresüberschuss (HGB) Abb. E 5: Aufspaltung der Kennzahl Jahresüberschuss5
Geschätzter Steuerbilanzgewinn
Eine Methode, um zu erkennen, in welchem Umfang der Jahresüberschuss durch die Legung stiller Reserven beeinflusst wurde (Analoges gilt für die Auflösung stiller Reserven), ist die Schätzung des Steuerbilanzgewinns aus dem in der Gewinn- und Verlustrechnung ausgewiesenen Steueraufwand. Es wird davon ausgegangen, dass das Steuerrecht in geringerem Umfang die Bildung stiller Reserven zulässt als das Handelsrecht. Ausgangspunkt sind die in der GuV separat ausgewiesenen Steuern vom Einkommen und vom Ertrag (§ 275 Abs. 2 Nr. 14 oder Abs. 3 Nr. 14 HGB). Dieser Posten ist zur Ermittlung des effektiven gewinnabhängigen Steueraufwandes ggf. um den Erfolg aus der Steuerabgrenzung gem. § 274 HGB zu korrigieren, der sich aufgrund des gesonderten Ausweises des Bilanzpostens für latente Steuern errechnen lässt. Neben den steuerfreien Rücklagen sind die in erster Linie wirtschaftspolitisch begründeten steuerlichen Sonderabschreibungen und erhöhten Absetzungen im Sonderposten mit Rücklageanteil bzw. im Anhang erkennbar. Dadurch lassen sich diejenigen stillen Reserven, die aufgrund steuerlicher Vorschriften über die umgekehrte Maßgeblichkeit in der Handelsbilanz entstanden sind, feststellen. Die Steuerbilanzgewinnschätzung im Rahmen externer Jahresabschlussanalyse empfiehlt sich speziell für körperschaftsteuerpflichtige Kapitalgesellschaften, bei denen eine konstante Relation zwischen dem Gewinn und der Höhe der gewinnabhängigen Steuern vorliegt, während dagegen für Einzelkaufleute und für Gesellschafter von Personengesellschaften der progressive Einkommensteuertarif gilt. Die Höhe dieses Steuersatzes hängt von den individuellen Einkommensteuerverhältnissen der Steuerpflichtigen ab. Eine Schätzung ist bei Personengesellschaften meist auch nicht erforderlich, da sich potenzielle Kreditgeber oder zukünftige Miteigentümer i. d. R. die Steuerbilanz zusätzlich zur Handelsbilanz vorlegen lassen. Bei entsprechend starker Stellung trifft dies auch für einen potenziellen GmbH-Gesellschafter zu.
5
Vgl. Coenenberg, Haller, Schultze, Jahresabschluss und Jahresabschlussanalyse, 2016.
I. Kennzahlenanalyse Die im handelsrechtlichen Jahresabschluss angelegten stillen Reserven können dann wie folgt ermittelt werden: geschätzter Steuerbilanzgewinn ./. gewinnabhängige Steuern ./. Jahresüberschuss = stille Reserven, die im relevanten Geschäftsjahr in der Handelsbilanz gebildet wurden. Über die Steuerbilanzgewinnschätzung werden diejenigen stillen Reserven nicht erfasst, die sowohl in der Handelsbilanz als auch in der Steuerbilanz gelegt wurden. Außerdem wird die Qualität der Schätzung u. a. dadurch beeinträchtigt, dass Steuernachzahlungen im Steueraufwand enthalten sein können und damit auf einen viel zu hohen Steuerbilanzgewinn geschlossen wird. Ferner können auf zu viel geleistete Vorauszahlungen im nächsten Jahr Rückerstattungen erfolgen. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass die auf die Periode entfallende Steuerschuld nicht nur vom Jahresergebnis und seiner Ausschüttung, sondern auch von der Zusammensetzung des für die Ausschüttung verwendeten Eigenkapitals und von den sich daraus ergebenden Erhöhungs- und Minderungsbeträgen abhängt. Insgesamt gesehen ist daher der geschätzte Steuerbilanzgewinn als Indikator für den Erfolg nur bedingt geeignet. Das gilt insbesondere dann, wenn sich die Analyse auf eine einzige Periode stützt. Eine sicherere Aussage hinsichtlich der durchschnittlichen Ertragskraft lässt sich über längere Beobachtungszeiträume ableiten, wodurch allerdings zugleich der konzeptionelle Vorteil des geschätzten Steuerbilanzgewinns verlorengeht, weil sich die Bildung und Auflösung stiller Reserven über längere Zeiträume ausgleicht. Zur Unterstützung der Interpretation (kurzfristiger) Gewinnschätzungen findet die Kennzahl
Verwendung. Sie lässt im Zeitvergleich eventuell vorhandene Disproportionen bei den Steuerzahlungen, wie sie z. B. durch Steuernachzahlungen hervorgerufen wurden, durch eine starke Änderung des prozentualen Wertes erkennen. Cashflow
Die Kennzahl Cashflow6 ist in der Literatur zur Finanz- und Bilanzanalyse in unterschiedlichen Fassungen anzutreffen. Darüber hinaus wird der Begriff auch für Umsatzüberschussrechnungen verwendet, die unter dem Oberbegriff der Kapitalflussrechnungen subsumiert werden können. Als Kennzahl wird der Cashflow, insbesondere bei externer Analyse, meist auf indirektem Weg ermittelt. Am häufigsten wird folgendes Berechnungsschema verwendet (alle Werte bezogen auf eine einheitliche Rechenperiode):
6
Vgl. ausführlich Coenenberg, Günther, Cash Flow, 1993, Sp. 301 ff.
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680
E. Finanzanalyse Bilanzgewinn (bzw. Bilanzverlust) + Zuführung zu den Rücklagen (./. Auflösung von Rücklagen) ./. Gewinnvortrag aus der Vorperiode (+ Verlustvortrag aus der Vorperiode) = Jahresüberschuss + Abschreibungen (./. Zuschreibungen) + Erhöhung der langfristigen Rückstellungen (./. Verminderung der langfristigen Rückstellungen) = Cashflow Der Cashflow kann jedoch auch auf direktem Wege bestimmt werden: Betriebseinnahmen (zahlungswirksame Erträge) ./. Betriebsausgaben (zahlungswirksame Aufwendungen) = Cashflow In dieser Form wird er seiner wörtlichen Bedeutung als Einzahlungsüberschuss gerechter. Die direkte Ermittlung wird vor allem bei intern erstellten liquiditätsbezogenen Kapitalflussrechnungen verwendet. Eine exakte Berechnung in direkter Form ist bei externer Analyse i. d. R. nicht möglich. Die Kennzahl Cashflow in ihrer indirekten Ermittlungsform wird im Wesentlichen in zwei unterschiedlichen Interpretationen angewendet: 1. als erfolgswirtschaftlicher Überschuss zur Bestimmung der gegenwärtigen und zukünftigen tatsächlichen Ertragskraft der Unternehmung und damit aufwands- und ertragsorientiert; 2. als finanzwirtschaftlicher Überschuss. zur Bestimmung der Innenfinanzierungskraft für Investitionen, Schuldentilgung und Aufrechterhaltung der Liquidität und damit zahlungsstromorientiert (Ebene von Auszahlungen und Einzahlungen bzw. Ausgaben und Einnahmen). Entsprechend diesen zwei unterschiedlichen Auslegungen und Anwendungen des Cashflow gibt es eine Reihe von Modifikationen der Kennzahl. ad 1. Cashflow als erfolgswirtschaftlicher Überschuss
Wie bereits ausgeführt wurde hängt die Höhe des Jahresüberschusses von der jeweiligen Ausnutzung der gesetzlich zulässigen Bewertungsspielräume ab und ist daher für die Beurteilung des tatsächlichen Periodenerfolgs einer Unternehmung nur bedingt geeignet. Der Cashflow bezieht demgegenüber die Aufwandspositionen, die aus Bewertungsmaßnahmen herrühren und denen keine periodengleichen Auszahlungen gegenüberstehen, mit ein. Während der Jahresüberschuss durch eine Erhöhung der Abschreibungen und Rückstellungen vermindert wird, bleibt der Cashflow in seiner Höhe unverändert, da es sich nur um eine Umverteilung innerhalb der Komponenten des Cashflow handelt. Daher ist der Cashflow durch bilanzpolitische Maßnahmen in erheblich geringerem Umfang manipulierbar als der Jahresüberschuss oder der Bilanzgewinn. Bei einer Analyse, die mehrere Perioden umfasst, ist er ein relativ guter retrospektiver Indikator des Unternehmenserfolgs. Der Cashflow darf allerdings nicht
I. Kennzahlenanalyse als „tatsächlicher“ Gewinn des Unternehmens interpretiert werden, wie es vielfach fälschlich geschieht. Abschreibungen und Rückstellungen stellen echten Aufwand dar und nur die Differenz zwischen überhöhtem und dem nach kaufmännischer Voraussicht erforderlichen Wertansatz ist als zusätzlicher Gewinn anzusehen. Diese Trennung ist dem unternehmensexternen Analytiker jedoch nicht möglich. Beeinträchtigt wird die Qualität des Cashflow als Erfolgsindikator dadurch, dass er nicht alle bewertungsabhängigen Erfolgskomponenten enthält. So werden z. B. Bewertungsmanipulationen im Bereich der Vorräte nicht aufgedeckt. Darüber hinaus darf der Cashflow bei Betriebsvergleichen nicht schematisch angewandt werden. Betriebe, die sehr viel Anlagevermögen besitzen, weisen höhere Abschreibungen auf als solche mit niedrigerem Anlagevermögen und damit bei sonst gleichen Voraussetzungen einen höheren Cashflow. Ferner ist der Cashflow eines Betriebes geringer, wenn er seine Anlagen gemietet hat und damit keine Abschreibungen verrechnen kann. Modifikationen des Cashflow in erfolgswirtschaftlicher Interpretation sind der betriebsbedingte Cashflow und der Brutto-Cashflow: Cashflow + Steuern vom Einkommen, vom Ertrag und vom Vermögen = Brutto-Cashflow (Cashflow vor Steuern) Cashflow + neutrale (= betriebsfremde) Aufwendungen ./. neutrale (= betriebsfremde) Erträge = betriebsbedingter Cashflow Cashflow + aperiodische und außergewöhnliche Aufwendungen ./. aperiodische und außergewöhnliche Erträge = ordentlicher bzw. nachhaltiger Cashflow Der betriebsbedingte Cashflow soll zeigen, welcher Teil des Erfolgs auf die eigentliche Betriebstätigkeit zurückzuführen ist. Er kann auch ausgehend vom ordentlichen Betriebsergebnis durch Addition der Abschreibungen auf Sachanlagen und der langfristigen Rückstellungen ermittelt werden. Der Brutto-Cashflow ist bei Vergleich von Betrieben mit unterschiedlicher Besteuerung, also insbesondere bei internationalen Vergleichen, heranzuziehen. Neben der Vergangenheitsbetrachtung kommt der Cashflow auch als prospektiver Erfolgsmaßstab zur Anwendung. Aus der Tendenz des Cashflow in den abgelaufenen Perioden wird auf den voraussichtlichen Erfolg in den nächsten Perioden geschlossen. Es handelt sich hierbei um eine reine Extrapolation, bei der kausale Zusammenhänge keine Berücksichtigung finden. So hängt der zukünftige Cashflow von der Auftragslage, der Qualität des Managements, der allgemeinen Konjunkturlage, den branchenspezifischen Wachstumserwartungen und anderen Faktoren ab, die außer Ansatz bleiben, wenn eine schematische Trendverlängerung erfolgt. Die Abschätzung des zu erwartenden Cashflow sollte daher die vorstehend erwähnten Einflussgrößen – soweit dies möglich ist – mit einbeziehen.
681
682
E. Finanzanalyse Aber auch dann darf der Cashflow nur als Tendenzindikator des zukünftigen Unternehmenserfolgs gesehen werden. Aus einer positiven oder negativen Veränderung des Cashflow bei Aktiengesellschaften kann geschlossen werden, dass der Gewinn mit einem gewissen Time Lag dieser Bewegung folgt, was allerdings nicht zwingend eintreten muss. ad 2. Cashflow als finanzwirtschaftlicher Überschuss
Bei dieser Interpretation wird unterstellt, dass der Cashflow in liquider Form zur Verfügung steht bzw. in der abgelaufenen Periode zumindest vorhanden war und damit den Innenfinanzierungsspielraum der Unternehmung umreißt. Weiter wird angenommen, dass die durch den Cashflow aufgezeigten Innenfinanzierungsmittel von der Unternehmung zur Tätigung neuer Investitionen oder zur Einlösung fälliger Verbindlichkeiten und damit zur Aufrechterhaltung der Liquidität verwendet werden können. Damit dies tatsächlich der Fall ist, müssten folgende Bedingungen erfüllt sein: 1. Kein Auseinanderfallen von Einzahlungen und Erträgen Es dürfen keine Zielverkäufe, Anzahlungen von Kunden, Aufstockungen oder Verringerungen der Läger erfolgt sein. Liegen z. B. Zielverkäufe vor, so ist der Einzahlungsüberschuss geringer als der Cashflow, d. h., der Cashflow weist ein höheres Innenfinanzierungspotenzial aus, als tatsächlich existiert. 2. Kein Auseinanderfallen von Auszahlungen und Aufwand Es dürfen keine Einkäufe auf Ziel, Anzahlungen an Lieferanten usw. vorliegen. Wurden z. B. Anzahlungen bei Lieferanten getätigt, so ist der Einnahmenüberschuss wiederum geringer als der Cashflow. 3. Gewinn, Abschreibungen und Zuführungen zu den Rückstellungen dürfen zu keinen unmittelbaren Folgezahlungen führen Müssen Dividendenzahlungen, Ersatzinvestitionen und Pensionszahlungen vorgenommen werden, so ist über den Cashflow in dieser Höhe bereits disponiert und er steht der Unternehmung nicht für Neuinvestitionen und Schuldentilgung zur Verfügung. Diese Bedingungen sind in der Praxis nie alle erfüllt, sodass gelegentlich die Auffassung vertreten wird, der Cashflow sei zur Beurteilung des Innenfinanzierungsspielraums völlig ungeeignet. Sicherlich ist bei interner Analyse eine Finanzrechnung auf der Basis von Einnahmen und Ausgaben bzw. Einzahlungen und Auszahlungen wesentlich besser geeignet, diesen Spielraum zu ermitteln. Für eine externe Analyse kann diese jedoch nicht aufgestellt werden, da die entsprechenden Daten häufig fehlen. Der Cashflow ist dann immer noch von höherem Informationswert bezüglich des möglichen finanzwirtschaftlichen Einzahlungsüberschusses, soweit er entsprechend kritisch beurteilt wird, als ein völliger Verzicht auf seine Ermittlung und Interpretation. Bei mittleren und kleineren Betrieben, die keine Finanzrechnung erstellen, kann der Cashflow auch intern einen groben Orientierungsmaßstab für den Innenfinanzierungsspielraum abgeben. Die Fehlberechnung des Cashflow bei Nichterfüllung der Bedingungen (a) und (b) macht sich vielfach dadurch nicht gravierend bemerkbar, dass eine Kompensation durch Zahlungen, die erfolgsmäßig zur Vorperiode gehören, erfolgt. So kann etwa bei Zielverkäufen angenommen werden, dass das Einzahlungsminus durch Einzahlungen aus Zielverkäufen der vorangegangenen Periode ausgeglichen wird. Das trifft aller-
I. Kennzahlenanalyse dings nur dann annähernd zu, wenn keine allzu großen Umsatzschwankungen vorliegen. Soweit die Bedingung (c) nicht erfüllt ist, sind die entsprechenden Auszahlungen als Cashflow-Verwendung anzusehen, und wenn die Auszahlungshöhe bekannt ist, in einer Verwendungsrechnung vom Cashflow abzusetzen. Regelmäßig trifft dies auf die vorgesehene Gewinnausschüttung zu, sodass nur der einbehaltene Gewinn (Rücklagen, Gewinnvortrag) zur Disposition steht. Bei Ex-post-Betrachtung kann nur ermittelt werden, welchen Innenfinanzierungsspielraum das Unternehmen in der vergangenen Periode hatte. Die Mittel sind in aller Regel dann bereits disponiert und sind für die neue Periode nicht mehr in liquider Form vorhanden. Soll dagegen bestimmt werden, welche Finanzmittel der Unternehmung im Rahmen der Innenfinanzierung in der kommenden Periode zur Verfügung stehen, so handelt es sich um eine Ex-ante-Betrachtung, die auf einem prognostizierten Cashflow beruht. Die Prognose ist mit den gleichen Unsicherheiten behaftet, die beim Cashflow als prospektivem Erfolgsmaßstab bereits erwähnt wurden. Bei Ex-ante-Betrachtung kann davon ausgegangen werden, dass auch Teile des auszuschüttenden Bilanzgewinns zumindest kurzfristig zu Finanzierungszwecken zur Verfügung stehen, da der Gewinn bei Kapitalgesellschaften erst etwa fünf Monate nach Geschäftsjahresschluss ausgeschüttet wird und der Gewinn der neuen Periode bereits innerhalb des Jahres aufläuft. Zur Bestimmung des Finanzierungspotenzials nach der Zeitdauer der Verfügbarkeit kann der Cashflow folgendermaßen zerlegt werden: Gewinnvortrag + Rücklagenzuführung + Abschreibungen + Erhöhung der langfristigen Rückstellungen = Cashflow, der langfristig (d. h. mindestens ein Jahr) zur Verfügung steht Erhöhung der kurz- und mittelfristigen Rückstellungen + Ertragsteuer + Dividendenbetrag + passive Rechnungsabgrenzung = Teile des Cashflow, die kurzfristig zur Verfügung stehen (bei interner Analyse gegebenenfalls mit Angabe der Fristigkeit)
Wichtige Kennzahlen mit dem Cashflow in finanzwirtschaftlicher Interpretation sind:
Die erste Kennzahl gibt wieder, inwieweit eine Unternehmung ihre Neuinvestitionen aus Mitteln der Innenfinanzierung bestreiten kann (Nettoinvestitionen = Zugänge ./. Abgänge des Anlagevermögens). Je höher der prozentuale Wert ist, umso weniger ist die Unternehmung auf Mittel von außen angewiesen und damit finanziell unabhängig. Die zweite Kennzahl, in der Literatur häufig unter der Bezeichnung dynamischer Verschuldungsgrad zu finden, stellt ein Maß für die Verschuldungsfähigkeit eines
683
684
E. Finanzanalyse Unternehmens dar. (Effektivverschuldung = gesamte Verbindlichkeiten ./. monetäres Umlaufvermögen). Aus ihr lässt sich erkennen, wie viele Jahre es dauern würde, bis die Unternehmung ihre Schulden aus selbst erwirtschafteten Mitteln getilgt hätte. In Darlehensverträgen, so z. B. bei Schuldscheindarlehen, wird mitunter die Verschuldung des Kreditnehmers auf einen bestimmten Wert dieser Kennzahl begrenzt. Um die Mängel zu beseitigen, die dem Cashflow als finanzwirtschaftlichem Überschuss anhaften, wurden in der Literatur unterschiedliche Konzeptionen entwickelt, so z. B. das Konzept der betrieblichen Nettoeinnahmen und der totale Cashflow.7 Alle diese Konzeptionen zielen darauf ab, aus dem Cashflow die nicht finanzwirksamen Teile, die sogenannten rechnungstechnischen Posten, zu eliminieren. Bei externer Analyse kann dies jedoch nur näherungsweise erfolgen: ./. ./. ./. + +
Cashflow (indirekt ermittelt) Erhöhung (+ Verminderung) der Vorräte aktivierte Eigenleistungen Zahlungen von in Vorjahren zurückgestellten Beträgen Erhöhung (./. Verminderung) der erhaltenen Anzahlungen Verminderung (./. Erhöhung) der eigenen Anzahlungen auf Waren
= betriebliche Nettoeinnahmen Die Kennziffer der betrieblichen Nettoeinnahmen stellt, wie aus der Bezeichnung hervorgeht, auf die Ebene der Einnahmen und Ausgaben ab und ermittelt den Einnahmenüberschuss einer Periode. Für die Wahrung der Liquidität sind jedoch Einzahlungen und Auszahlungen bestimmend, sodass auch die Kennzahl betriebliche Nettoeinnahmen nicht allen Analysezielsetzungen, die mit einem finanzwirtschaftlichen Cashflow verfolgt werden, gerecht werden kann. Betriebliche Nettoeinnahmen liegen auch dann vor, wenn sämtliche Umsätze auf Ziel getätigt wurden und keinerlei Einzahlungen erfolgt sind. Um dies auszuschalten, sind alle Bestandsveränderungen zu berücksichtigen, die Zahlungswirkungen hervorrufen. Nachfolgend ist ein prinzipielles Berechnungsschema zur Ermittlung des finanzwirtschaftlichen Cashflow in direkter und indirekter Form angegeben. Im praktischen Analysefall muss jeweils bestimmt werden, welche Aufwendungen und Erträge finanzwirksam waren, d. h. zu Auszahlungen und Einzahlungen geführt haben. Bei externer Analyse wird dies vielfach nicht zweifelsfrei möglich sein. Direkte Ermittlung
finanzwirksame Erträge ./. finanzwirksame Aufwendungen ./. Mehrung (+ Minderung) kurzfristiger Aktiva (Vorräte, Forderungen usw., jedoch ohne Geldfonds, d. h. Kasse, Bank) ./. Minderung (+ Mehrung) kurzfristiger Passiva = finanzwirtschaftlicher Cashflow
7
Vgl. Busse von Colbe, Aufbau und Informationsgehalt von Kapitalflussrechnungen, 1966, S. 88 ff.; Neubert, Working Capital, 1972; Neubert, Cash-flow-System, 1974.
I. Kennzahlenanalyse Indirekte Ermittlung
+ ./. + ./.
Jahresüberschuss finanzunwirksame Aufwendungen finanzunwirksame Erträge Bestandsveränderungen mit Einzahlungswirkung Bestandsveränderungen mit Auszahlungswirkung
= finanzwirtschaftlicher Cashflow Der ertragswirtschaftliche Cashflow, wie er sich bei üblicher indirekter Ermittlung allein aus Jahresüberschuss, Abschreibungen und langfristigen Rückstellungen ergibt, ist für finanzwirtschaftliche Aussagen ungeeignet und kann zu erheblichen Fehlbeurteilungen führen. Daher ist für diesen Fall auf den finanzwirtschaftlichen Cashflow, soweit bestimmbar, zurückzugreifen.
bb) Relative Erfolgskennzahlen Zur Beurteilung der Wirtschaftlichkeit eines Unternehmens sind die absoluten Erfolgskennzahlen nur bedingt geeignet, da keine Beziehung zum Mitteleinsatz hergestellt wird, wie dies bei Verhältniszahlen möglich ist. Auch beim Betriebsvergleich ist wegen unterschiedlicher Betriebsgrößen relativen Erfolgskennzahlen der Vorzug zu geben. Die Messung der Wirtschaftlichkeit des Kapitaleinsatzes erfolgt durch Rentabilitätskennzahlen. Rentabilitätskennzahlen
Rentabilitätskennzahlen können mit allen im vorausgegangenen Abschnitt erläuterten Erfolgsmaßstäben gebildet werden. Je nachdem, was als eingesetztes Kapital herangezogen wird, unterscheidet man zwischen Eigenkapital- und Gesamtkapitalrentabilität. Eigenkapitalrentabilität:
Bei der Berechnung der Rentabilitätskennziffern kann der Gewinn bzw. Jahresüberschuss entweder vor oder nach Steuern herangezogen werden. Sollen körperschaftsteuerpflichtige Kapitalgesellschaften mit Personengesellschaften verglichen werden, so ist jeweils der Gewinn vor Steuerabzug heranzuziehen, um zu vergleichbaren Rentabilitätsaussagen zu gelangen.
685
686
E. Finanzanalyse Gesamtkapitalrentabilität:
Bei der Gesamtkapitalrentabilität sind zum Erfolg jeweils noch die Fremdkapitalzinsen im Zähler zu erfassen, denn auch diese sind durch das investierte Kapital erwirtschaftet worden, und ein Vergleich zwischen Unternehmen mit unterschiedlichem Eigen-/ Fremdkapitalanteil wäre sonst nicht sinnvoll. Für die Kapitalgrößen im Nenner sollten, soweit ermittelbar, Durchschnittsgrößen verwendet werden, um etwaigen Änderungen des Kapitalbestandes über die Betrachtungsperiode Rechnung zu tragen. Vereinfachend wird hierfür häufig der Durchschnittswert des Kapitals zu Beginn und Ende der analysierten Periode gebildet (vgl. auch Abschnitt B I). Das Verhältnis von Eigenkapitalrendite zu Gesamtkapitalrendite wird auch als Leverage-Faktor bezeichnet:
Diese Kennziffer lässt im Zeitvergleich erkennen, ob eine Veränderung der Eigenkapitalrendite auf rein finanzwirtschaftliche Faktoren und Maßnahmen zurückzuführen ist, insbesondere auf eine Veränderung der Relation von Eigen- und Fremdkapital. Bei interner Analyse kann die Rentabilität auch auf das betriebsnotwendige Vermögen oder das betriebsbedingte Kapital bezogen werden. Dies ist insbesondere zweckmäßig, wenn eine Ursachenforschung über Abweichungen der Unternehmensrentabilität vom Branchendurchschnitt oder von vergleichbaren Betrieben erfolgen soll. Nicht betriebsnotwendige Vermögensteile, wie Wertpapiere des Anlage- und Umlaufvermögens, oder Vermögensteile, die nicht zur Renditeerzielung beitragen, wie stillgelegte Anlagen, sind dabei auszusondern. Return on Investment (RoI)
Die Rentabilität des Kapitaleinsatzes wird aus der anglo-amerikanischen Literatur kommend auch über den Return on Investment (RoI) gemessen. Dieser erfasst den Gewinn/Jahresüberschuss/Cashflow pro Einheit investierten Kapitals. So kann sich die Rentabilitätsmessung auf die ganze Unternehmung, aber auch auf Teilbetriebe, Abteilungen, Produktbereiche, Produkte oder bestimmte (Investitions-)Projekte beziehen (vgl. auch Abschnitt A II 2 c). Bei der Berechnung des investierten Kapitals werden sowohl Brutto- (Anschaffungskosten) als auch Nettoanlagewerte (Anschaffungskosten abzüglich Abschreibungen) verwendet. Für die Ermittlung der Rendite der gesamten Unternehmung sind Nettoanlagewerte anzusetzen, während intern für den RoI von Unternehmensbereichen und
I. Kennzahlenanalyse Abteilungen, insbesondere wenn der RoI zur Personalbeurteilung herangezogen wird, Bruttoanlagewerte vorteilhafter sind. Würde man im letzteren Fall Nettowerte verwenden, so sind Abteilungen, die mit bereits voll abgeschriebenen Anlagen produzieren, im Vergleich zu Abteilungen, die mit neuen Maschinen arbeiten, im Vorteil, da sie wegen des minimalen Kapitaleinsatzes einen ungerechtfertigt hohen RoI aufweisen. Neben der Verteilung des investierten Kapitals ist bei abteilungsbezogenem RoI auch eine Aufteilung des Erfolgs erforderlich. Diese kann vielfach nur durch Schlüsselung erfolgen, die eine mehr oder weniger grobe Annäherung an das Verursachungsprinzip darstellt. Im Rahmen der Finanzanalyse ist es zweckmäßig, den RoI durch Einbeziehung des Umsatzes als dritten Renditeeinflussfaktor aufzuspalten. Für den RoI, bezogen auf das gesamte (durchschnittlich) investierte Kapital, ergibt sich:
Jahresüberschuss vor Steuern und Zinsen × 100 % Gesamtkapital Jahresüberschuss vor Steuern und Zinsen Umsatz = × × 100 % Umsatz Gesamtkapital = Umsatzrentabilität × Kapitalumschlag
RoI =
Durch die Aufspaltung des RoI in die Komponenten Umsatzrentabilität und Kapitalumschlag wird die Ermittlung der Ursachen für Abweichungen vom Branchendurchschnitt erleichtert. Die Umsatzrentabilität gibt an, wie viel Gewinn dem Unternehmen vom Umsatz bleibt. Sie wird durch die Aufwands- und Kostenstruktur bestimmt. Eine zu geringe Rentabilität kann somit durch zu hohe Kosten oder durch zu geringen Kapitalumschlag bedingt sein. Die Rentabilitätssituation einer Unternehmung lässt sich anhand eines Indifferenz-RoI-Diagramms veranschaulichen (vgl. Abbildung E 8). 2012
2013
2014
2015
2016
2017
2018
Baugewerbe
5.5
5.7
6.1
6.9
7.3
8.1
8.4
Chemie/Pharmazie
8.1
8.6
9.5
8.7
10.7
11.2
6.3
Einzelhandel
3.6
3.8
4.0
3.8
3.9
3.9
3.8
Elektrik/Optik
6.0
5.9
6.1
4.7
5.3
6.6
6.4
Nahrung/Trinken
3.2
3.1
3.6
3.7
3.8
3.5
4.0
Fahrzeugbau
3.5
1.9
3.0
-0.4
2.6
3.2
2.4
Großhandel
2.4
2.6
2.7
2.9
3.3
3.2
3.1
Maschinenbau
6.4
5.2
5.6
4.9
5.0
5.2
5.1
Papier/Verlag/Druck
2.2
2.8
3.5
3.7
4.6
4.6
5.1
Textil/Bekleidung
4.2
5.1
5.7
5.4
4.9
4.7
3.8
Gesamt
4.1
3.9
4.0
3.7
4.5
5.0
4.3
Abb. E 6: Durchschnittswerte für die Umsatzrentabilität vor Steuern und Zinsen ausgewählter Branchen8
8
Quelle: Deutsche Bundesbank, Hochgerechnete Angaben aus Jahresabschlüssen deutscher Unternehmen von 2012 bis 2018, Mai 2021
687
688
E. Finanzanalyse 2012
2013
2014
2015
2016
2017
2018
Baugewerbe
125.4
125.6
129.5
127.8
122.5
115.3
109.8
Chemie/Pharmazie
75.7
74.9
71.7
62.8
59.1
63.2
61
Einzelhandel
280.6
289.3
286.6
282.2
280.1
278.5
276.3
Elektrik/Optik
85.3
87
87.4
78.5
81.6
84.1
81.7
Nahrung/Trinken
198.5
200.3
195.2
187.1
177.3
176.4
169.7
Fahrzeugbau
104.3
99.3
102.2
104.8
103.1
97.6
91.4
Großhandel
277.3
273.2
265.9
253.3
241.1
238.1
238.6
Maschinenbau
117.2
116.5
115.5
110
114.7
109.8
108.6
Papier/Verlag/Druck
152.7
152.3
152.7
148.8
149.6
150.9
149.9
Textil/Bekleidung
161.8
165.4
165.3
151.6
149.4
148.7
148.4
Gesamt
146.3
141.6
138.7
133.8
129.2
128.7
128.3
Abb. E 7: Kapitalumschlag: Umsatz in % der Bilanzsumme
(berichtigt)9
Kapitalumschlag 4,8 4,4 4 3,6 Branchendurchschnitt Chemische Industrie 2006 (5,0 %; 2,8)
3,2 2,8 2,4
(5,83 %; 2,4)
Unternehmen X (3,75 %; 2,4)
2 1,6 1,2 0,8
RoI 14 %
0,4
RoI 9 %
0 0
2,5
5
7,5
10
12,5
15
17,5
20
22,5
25
Umsatzrentabilität in %
Abb. E 8: RoI-Diagramm für Kapitalumschlag und Umsatzrentabilität (Beispiel)
Aus dem Diagramm ist gut erkennbar, dass eine bestimmte Rentabilität durch die unterschiedlichsten Kombinationen von Umsatzrentabilität und Kapitalumschlag erzielt werden kann. Die geringe Rentabilität der in der Graphik als Beispiel wiedergegebenen Unternehmung X beruht stark auf einer zu geringen Umsatzrentabilität. Dennoch wird zur Erreichung der Branchendurchschnittsrentabilität auch der Kapitalumschlag erhöht 9
Quelle: Deutsche Bundesbank, Hochgerechnete Angaben aus Jahresabschlüssen deutscher Unternehmen von 2012 bis 2018, Mai 2021
I. Kennzahlenanalyse werden müssen, da sonst eine Erhöhung der Umsatzrentabilität um mehr als die Hälfte (2,08 %-Punkte) erforderlich wäre. Eine noch detailliertere Aufgliederung des RoI und damit auch eine detailliertere Ursachenforschung erfolgt im Rahmen der Analyse mit Kennzahlensystemen. Dabei bildet die gezeigte Aufspaltung der Rentabilität in die Komponenten Umsatzrentabilität und Kapitalumschlag häufig den Ausgangspunkt der Analyse; so etwa auch in dem von der amerikanischen Firma Du Pont de Nemours & Co. entwickelten finanzwirtschaftlichen Berichtssystem, das als Du Pont-Kennzahlensystem bekannt ist (vgl. Abschnitt E II). Wird der RoI mit dem Cashflow anstelle des Jahresüberschusses gebildet, ergibt sich ein leicht veränderter erster Ansatz der Rentabilitätsanalyse:
Cashflow vor Steuern und Zinsen × 100% Gesamtkapital Cashflow vor Steuern und Zinsen Umsatz = × × 100% Umsatz Gesamtkapital
RoI (bezogen auf Cashflow) =
Anders als bei der zuerst aufgezeigten Aufspaltung wird hier durch Multiplikation der Branchenwerte Cashflow in % des Umsatzes (vgl. Abbildung E 9) und Kapitalumschlag schon auf der ersten Ebene der branchenbedingt sehr unterschiedlichen Bedeutung der Positionen Abschreibungen und Rückstellungen Rechnung getragen. So weist der Cashflow basierte RoI für anlagenintensive Branchen deutlich günstigere Werte auf. 2012
2013
2014
2015
2016
2017
2018
Baugewerbe
7.6
7.8
8.3
9.0
9.4
10.3
10.3
Chemie/Pharmazie
9.9
11.5
11.2
11.7
12.3
13.8
10.5
Einzelhandel
4.5
4.6
4.9
4.8
5.0
4.9
4.8
Elektrik/Optik
8.8
8.3
8.3
8.6
7.4
9.3
8.4
Nahrung/Trinken
5.1
5.1
5.4
5.8
5.8
5.8
6.6
Fahrzeugbau
3.3
3.6
3.7
3.8
4.0
4.2
4.0
Großhandel
2.8
3.1
3.2
3.5
3.6
3.9
3.7
Maschinenbau
7.3
6.8
7.6
7.4
6.1
7.5
7.2
Papier/Verlag/Druck
5.8
6.5
7.2
6.7
7.1
7.2
8.1
Textil/Bekleidung
5.7
6.0
6.8
6.6
6.1
6.0
5.9
Gesamt
5.9
6.4
6.4
6.8
6.6
7.1
6.8
Abb. E 9: Durchschnittswerte für den Cashflow in % des Umsatzes ausgewählter Branchen10
10
Quelle: Deutsche Bundesbank, Hochgerechnete Angaben aus Jahresabschlüssen deutscher Unternehmen von 2012 bis 2018, Mai 2021
689
690
E. Finanzanalyse
b) Aktivitätskennzahlen Aktivitätskennzahlen dienen der Charakterisierung und Kontrolle der Finanzpolitik einer Unternehmung. Zum einen sollen finanzwirtschaftliche Merkmale der Ausnutzung des vorhandenen Vermögenspotenzials ermittelt, zum anderen der Umfang der Investitionstätigkeit dokumentiert werden. Die meisten Aktivitätskennzahlen stellen Umschlagshäufigkeiten dar und werden unter Einbeziehung des Umsatzes gebildet, etwa der im vorigen Abschnitt angeführte Gesamtkapitalumschlag. Daneben können u. a. folgende Umsatzrelationen gebildet werden:
Personalwirtschaftliche Kennzahlen, die Hinweise auf die Produktivität geben, sind:
Finanzwirtschaftlich bedeutsam sind auch die Zahlungsziele, die eine Unternehmung ihren Kunden einräumt bzw. bei ihren Lieferanten in Anspruch nimmt. Bei externer Analyse können diese Fristen nur annähernd berechnet werden, da von den Konstellationen am Bilanzstichtag ausgegangen werden muss, die nicht unbedingt für die ganze Periode charakteristisch sein müssen:
Für die innerhalb eines Jahres getätigten Wareneinkäufe sind extern hilfsweise die Aufwendungen für Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe einschließlich bezogener Waren anzusetzen. Zu den Aktivitätskennzahlen können auch Kenngrößen gerechnet werden, die über die Investitions- und Abschreibungstätigkeit einer Unternehmung Auskunft geben:
I. Kennzahlenanalyse
Die Investitionsquote ist Maßstab für den Umfang der Investitionstätigkeit einer Unternehmung. Aus der Kennzahl Deckung der Netto-Investitionen lässt sich zum einen erkennen, inwieweit die Investitionen aus Abschreibungen finanzierbar waren, und zum anderen, ob das Investitionsvolumen die Abschreibungen übertrifft und damit ein echter Zuwachs neben den erforderlichen Ersatzinvestitionen vorhanden ist. Die Abschreibungsquote lässt beim Betriebsvergleich erkennen, ob eine Unternehmung die branchenüblichen Abschreibungen vornimmt, um zu einem höheren Gewinnausweis zu gelangen. Die hier gegebene Darstellung der Kennzahlen musste sich auf die wichtigsten beschränken. Darüber hinaus existieren noch viele weitere, wobei es sich jedoch häufig nur um Abwandlungen der hier aufgeführten handelt. Für ein weiterführendes Studium sei auf die angeführte Spezialliteratur verwiesen.
Weiterführende Literatur zur Kennzahlenanalyse Baetge, J.; Kirsch, H.-H.; Thiele, S.: Bilanzanalyse, Düsseldorf 2004. Baetge, J; Kirsch, H.-H.; Thiele, S.: Bilanzen, 13. Auflage, Düsseldorf 2014. Buchner, R.: Finanzwirtschaftliche Statistik und Kennzahlenrechnung, München 1985. Coenenberg, A. G.; Haller, A.; Schultze, W.: Jahresabschluss und Jahresabschlussanalyse, 24. Auflage, Stuttgart 2016. Gräfer, H.: Bilanzanalyse, 13. Auflage, Herne 2014. Hauschildt, J.; Krehl, H.; Leker, J.: Erfolgs-, Finanz- und Bilanzanalyse, 3. Auflage, Köln 1996. Küting, K, Weber, C.-P.: Der Konzernabschluss, 13. Auflage, Stuttgart 2012. Küting, K.; Weber, C.-P.: Bilanzanalyse, 10. Auflage, Stuttgart 2012. Lachnit, L.: Bilanzanalyse, Wiesbaden 2004. Pellens, B.; Fülbier, R. U.; Gassen, J.; Sellhorn, T: Internationale Rechnungslegung, 9. Auflage, Stuttgart 2014. Wagenhofer, A.: Bilanzierung und Bilanzanalyse, 11. Auflage, Wien 2013.
Fragen zur Kennzahlenanalyse 1.
Erläutern Sie die Bedeutung des finanziellen Gleichgewichtes für die Existenzsicherung einer Unternehmung. In welchem Verhältnis stehen seine Komponenten zueinander?
2.
Welche Arten von Kennzahlen können unterschieden werden?
3.
Welche Vorteile weisen dynamische (stromgrößenorientierte) Liquiditätskennzahlen gegenüber den statischen Liquiditätsgraden auf?
4.
Erläutern Sie die Mängel und Probleme der externen Finanzanalyse auf der Basis von Kennzahlen!
691
692
E. Finanzanalyse 5.
Nach welchen Gesichtspunkten ist der Gewinn (Jahresüberschuss) im Rahmen der Erfolgsanalyse zu zerlegen?
6.
Was versteht man unter Cashflow? Wie wird er berechnet?
7.
Zu welchen Analyseaussagen wird die Kennziffer Cashflow herangezogen? Welche Probleme treten bei der Anwendung der Kennziffer, insbesondere bei finanzwirtschaftlicher Interpretation, auf?
8.
Welche Analysezielsetzung verfolgt die Kennzahl betriebliche Nettoeinnahmen?
9.
Worin unterscheidet sich die Kennzahl Return on Investment von der Gesamtkapitalrentabilität?
10. Stellen Sie Finanzierungsregeln dar und beurteilen Sie ihre Einsatzmöglichkeiten. Garantiert ihre Einhaltung die Aufrechterhaltung des finanziellen Gleichgewichts? 11. Welche Aussagen können mithilfe der Größe geschätzter Steuerbilanzgewinn abgeleitet werden? 12. Ermitteln Sie das ordentliche Betriebsergebnis für eine GuV nach dem Umsatzkostenverfahren.
II. Kennzahlensysteme Lernziele dieses Kapitels x Da einzelne Kennzahlen nur eine sehr begrenzte Aussagekraft besitzen, werden Kennzahlen zu Kennzahlensystemen zusammengefasst, die entweder logisch-deduktiv oder empirisch-induktiv abgeleitet werden. x Unter den logischen Systemen ist das nach der Firma Du Pont benannte System zeitlich gesehen eines der ersten. Als Spitzenkennzahl geht dieses System vom Gewinn in % des investierten Kapitals aus. Dieser kann als Produkt aus Umsatzrentabilität und Kapitalumschlag ausgedrückt werden. Der Gewinn der Kennziffer Umsatzrentabilität wiederum kann als Differenz verschiedener Erträge und Aufwendungen oder Erlöse und Kosten angesehen werden. Insbesondere in Zeitvergleichen oder in der Soll-IstKontrolle können mit einem solchen System Wirkungszusammenhänge und Entwicklungen dargestellt werden. x Andere logisch-deduktive Kennzahlensysteme sind etwa das Pyramid-Structure-ofRatios-System, das, um einen Betriebsvergleich zu ermöglichen, nach der Aufspaltung des Gewinns auf Verhältniszahlen aufsetzt, und das ZVEI (Zentralverband der elektrotechnischen Industrie)-System, das, um den Leverage-Effekt abzubilden, als Spitzenkennzahl die Eigenkapitalrentabilität wählt. x Empirisch-induktive Kennzahlensysteme versuchen mittels mathematisch-statistischer Verfahren, Kennzahlen und Kombinationen aus Kennzahlen zu ermitteln, die eine Prognosequalität im Hinblick auf die Analyseziele haben. Dazu werden anhand von Unternehmensdaten, die nach „gesunden“ und „kranken“ Unternehmen getrennt werden, Kennzahlen oder Kombinationen von Kennzahlen auf ihre Trennfähigkeit („gesund“, „krank“) untersucht.
II. Kennzahlensysteme x Diese Trennfähigkeit kann sowohl univariat, das heißt separat für jede Kennzahl, als auch multivariat, also gleichzeitig für mehrere Kennzahlen, bestimmt werden. Eines der ersten empirisch-induktiven, univariaten Kennzahlensysteme ist das System nach Beaver, das vor allem der Kennzahl Cashflow zu Fremdkapital große Trennschärfe beimaß. x Multivariate Kennzahlensysteme bedienen sich verschiedener Methoden, die Trennfähigkeit zu analysieren. Bekannt ist unter anderem die multivariate lineare Diskriminanzanalyse, bei der die Trennfunktion als lineare Funktion der Kennzahlen bestimmt wird. Zudem werden als Methode zur Trennung Künstliche Neuronale Netze eingesetzt. Die Funktionsweise dieser Verfahren orientiert sich am menschlichen Gehirn und ist aus vielen künstlichen Neuronen aufgebaut, welche die Informationen analysieren. Durch massive Parallelverarbeitung der Neuronen lassen sich damit beliebig komplizierte nichtlineare Trennfunktionen definieren. x Empirisch-induktive Kennzahlensysteme werden vor allem in der Bonitätsprüfung eingesetzt, in der auf diese Weise hochautomatisiert Aussagen über die Kreditwürdigkeit eines Schuldners getroffen werden können.
Einzelne Kennzahlen besitzen – wie bereits mehrmals dargelegt wurde – nur eine sehr begrenzte Aussagefähigkeit. Sowohl in der Theorie als auch in der Praxis gibt es daher verschiedene Ansätze, aus den zunächst ungeordnet nebeneinanderstehenden Kennzahlen Systeme zu bilden, die bestimmten Zielsetzungen gerecht werden. Bei der Bildung dieser Kennzahlensysteme lassen sich zwei grundsätzlich unterschiedliche Vorgehensweisen unterscheiden. Die erste Gruppe von Kennzahlensystemen, die hier als logisch-deduktive Systeme bezeichnet werden, geht von Spitzenkennzahlen aus, die die betrieblichen Oberziele repräsentieren, und bildet dann auf logisch-deduktivem Wege weitere Kennzahlen im Sinne einer Mittel-Zweck-Hierarchie. Eine empirische Überprüfung der Systeme, ob sie den jeweiligen Analysezielsetzungen optimal entsprechen, findet nicht statt. Die zweite Gruppe von Kennzahlensystemen, die hier als empirisch-induktiv bezeichnet werden, wird dagegen unter Anwendung mathematisch-statistischer Verfahren auf der Grundlage empirischen Datenmaterials gewonnen. Auswahlkriterium für ein Zahlensystem ist dabei, wie gut dieses einer bestimmten Analysezielsetzung genügt. Dominierendes Analyseziel in der Literatur ist bisher die Insolvenzprognose, sodass die empirisch-induktiven Systeme auch als Insolvenzprognosemodelle bekannt sind.
1. Logisch-deduktive Kennzahlensysteme Der Aufbau von Kennzahlensystemen hat sich an den beabsichtigten Funktionen zu orientieren. Grundsätzlich können sie zur betrieblichen Planung, Kontrolle und Steuerung herangezogen werden. Die Kontrolle kann dabei sowohl innerbetrieblich als Vergleich von Soll- mit Istwerten als auch als zwischenbetrieblicher Vergleich erfolgen. Im Bereich der Planung können die Kennzahlen zum einen Prognosewerte, zum anderen Vorgabewerte darstellen. Das bekannteste logisch-deduktive Kennzahlensystem ist das Du-Pont-System of Financial Control.
693
694
E. Finanzanalyse
a) Du-Pont-System Das auf die amerikanische Firma Du Pont de Nemours & Co. zurückgehende Kennzahlensystem basiert auf dem Return on Investment als zentraler finanzwirtschaftlicher Zielsetzung der Unternehmung und damit auch als Spitzenkennzahl im System. Die Komponenten des RoI, Kapitalumschlag und Umsatzrentabilität, werden in ihre Bestimmungsfaktoren aufgegliedert. Das investierte Kapital wird dabei nach der Zusammensetzung des Vermögens, der Gewinn in seine Erlös- und Kostenbestandteile zerlegt. Bei interner Analyse auf der Grundlage einer Teilkostenrechnung ergibt sich der Gewinn aus Deckungsbeitrag minus fixe Kosten (vgl. Abbildung E 10).11
Bruttoumsatz Nettoumsatz
Gewinn Gewinn in % des Umsatzes
:
Deckungsbeitrag
:
:
Variable Kosten
: Erlösschmälerungen
Fixe Kosten
Umsatz Gewinn in % des investierten Kapitals
x Zahlungsmittel
Umsatz
+
Kapitalumschlag
: Investiertes Kapital
Umlaufvermögen
Forderungen
+
+
Anlagevermögen
Bestände
Abb. E 10: Du-Pont-System bei Teilkostenrechnung
Liegt dagegen eine Vollkostenrechnung vor, so ist die Aufspaltung des Gewinns gemäß Abbildung E 11 zweckmäßig. Fertigungslöhne
neutrales Ergebnis Gewinn
+
Materialeinzelkosten
Leistungen
Betriebsergebnis
– Kosten
Herstellkosten
Fertigungsgemeinkosten
Verwaltungskosten
Materialgemeinkosten
Vertriebskosten
Abb. E 11: Gewinnaufspaltung bei Vollkostenrechnung
11
Vgl. Staehle, Kennzahlensysteme als Instrumente der Unternehmensführung, 1973, S. 224 f.
II. Kennzahlensysteme Bei interner Analyse können weitere Verfeinerungen, die auf spezielle Gegebenheiten des jeweiligen Betriebes abstellen, vorgenommen werden. Erfolgt dagegen eine externe Finanzanalyse, so steht nur das Datenmaterial aus Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung zur Verfügung, und die Aufspaltung des Gewinns muss auf der Basis von Erträgen und Aufwendungen erfolgen (vgl. Abbildung E 12). Materialaufwand Erträge Gewinn
– Aufwendungen
Personalaufwand Abschreibungen Zinsaufwendungen sonstige Aufwendungen Steuern
Abb. E 12: Gewinnaufspaltung aus Positionen der Gewinn- und Verlustrechnung
Auch eine Aufteilung in „ordentliches betriebsbedingtes“, „ordentliches betriebsfremdes“ und „außerordentliches“ Ergebnis ist zweckmäßig. Primär stellt das Du-Pont-System auf die Analyse und Kontrolle ab; es ist jedoch auch zur Planung und Integration in die Budgetrechnung vorgesehen. Um diesen Anforderungen zu genügen, wird vorgeschlagen, die Kennzahlen des Systems mindestens für einen Zeitraum von fünf Jahren rückwirkend zu errechnen, um einen ausreichend abgesicherten Zeitvergleich durchführen zu können. Auf dieser Basis lassen sich Prognosewerte für zukünftige Perioden ermitteln. Werden Budgetansätze in das System eingesetzt, so erhält man Soll-Kennzahlen, die als Vorgabewerte fungieren können. Genauso wie der RoI kann auch das Du-Pont-System auf Teilbereiche einer Unternehmung angewandt werden und somit z. B. auch für Abteilungen Richtwerte setzen.
b) Pyramid-Structure-of-Ratios-System Das vom British Institute of Management 1956 vorgeschlagene Kennzahlensystem lehnt sich sehr stark an das Du-Pont-System an und beinhaltet als obersten Erfolgsmaßstab ebenfalls den RoI. Da es aber speziell für den Betriebsvergleich entworfen wurde, werden bei der weiteren Aufspaltung anstelle von absoluten Zahlen, die sich für den Vergleich nicht eignen, Verhältniszahlen verwendet. Es erfolgt jeweils eine Relativierung zum Umsatz (vgl. Abbildung E 13).
695
696
E. Finanzanalyse
Abb. E 13: Pyramid Structure of Ratios12
c) ZVEI-System Vom Zentralverband der Elektrotechnischen Industrie (ZVEI) in der Bundesrepublik wurde ein sehr detailliertes und umfangreiches Kennzahlensystem entworfen. Es soll sowohl der Analyse im Zeit- und Betriebsvergleich als auch der Planung durch die Schaffung geeigneter Zielgrößen dienen. Das System zerfällt in die zwei Analysekategorien Unternehmenswachstum und -struktur. Die Wachstumsanalyse erfolgt durch Vergleich wichtiger Erfolgsindikatoren. Bei der Strukturanalyse wird die Wirkung des Leverage-Effekts, die im Du-Pont-System außer Ansatz bleibt, mit einbezogen. Primärkennzahl ist daher die Eigenkapitalrentabilität. Analyseschwerpunkte bilden die Rentabilität ausgehend vom RoI, die Ergebnisstruktur, die Kapitalstruktur und die Kapitalbindung. Auf die ausführliche Darstellung des über 100 Kennzahlen umfassenden ZVEI-Systems muss hier verzichtet werden. Abbildung E 14 gibt einen schematischen Überblick über den grundlegenden Aufbau des Kennzahlensystems. Die hier vorgestellten Kennzahlensysteme gehen überwiegend von Daten der Finanzbuchhaltung aus. Dadurch sind die Systeme auch für die externe Finanzanalyse und für den zwischenbetrieblichen Vergleich geeignet. Bei interner Analyse kann mehr auf spezielle Branchenerfordernisse und betriebsindividuelle Gegebenheiten abgestellt werden. Hierbei ist es zweckmäßig, in stärkerem Umfang auf Zahlenmaterial der Betriebsbuchhaltung abzustellen. Als innerbetriebliche Zielvorgaben sind meist Mengen- und Zeitgrößen besser geeignet als Finanzdaten, sodass innerbetriebliche Kennzahlensysteme auch diese Dimensionen mit einbeziehen müssen. 12
Vgl. Staehle, Kennzahlensysteme als Instrumente der Unternehmensführung, 1973, S. 225 f.
II. Kennzahlensysteme
Vertriebstätigkeit
Wachstumsanalyse
Kapitalbindung
Ergebnis
EigenkapitelRentabilität
Strukturanalyse
Sektor I: Ertragskraft-Kennzahlen Typ B (Rentabilität) Sektor II: Ertragskraft-Kennzahlen Typ A (Ergebnisbildung)
Sektor III: Ertragskraft-Kennzahlen Typ A (Kapitalstruktur)
Return on Investment Periodenergebnis
UmsatzRentabilität
Cashflow
Eigenkapitalanteil Anlagendeckung
Liquidität
Aufwandsarten
Kosten der Betriebsf.
Personalaufwand
Kapitalbindung Pro Kopf
Umsatz
Betriebsergebnis
Sektor IV: Risiko-Kennzahlen Typ B (Kapitalbindung)
Kapitalumschlag
Ertragskraft i.e.S.
Deckungsbeitrag
Wertschöpfung Beschäftigung
In Tagen
Beschäftigung
Produktivität
Abb. E 14: Grundstruktur des ZVEI-Kennzahlensystems13
2. Empirisch-induktive Kennzahlensysteme Empirisch-induktive Kennzahlensysteme basieren auf mathematisch-statistischen Tests und Auswahlverfahren. Aus der Vielzahl der Kennzahlen werden mithilfe solcher Verfahren diejenigen ausgewählt und gegebenenfalls verknüpft, die den jeweils gestellten Anforderungskriterien am besten genügen. Zentrales Kriterium ist hierbei die Prognosequalität (Predictive Power) einer Kennzahl. Die meisten empirischen Untersuchungen stellen auf die Qualität der Trennung in „gesunde“ und „kranke“ Unternehmen ab, wobei jedoch die Grenze zwischen „gesund“ und „krank“ graduell sehr unterschiedlich gezogen werden kann. Am operationalsten ist die Gleichsetzung von „krank“ mit insolvenzgefährdet. Bei den bestehenden empirisch-induktiven Kennzahlensystemen wurden daher die Kennzahlen im Hinblick auf ihre Trennfähigkeit zwischen insolvenzgefährdeten und nicht gefährdeten Unternehmen ausgewählt. Eine Darstellung der auf mathematisch-statistische Verfahren gestützten Durchführung der Kennzahlenermittlung kann hier nicht im Detail erfolgen; es sei diesbezüglich auf die Spezialliteratur verwiesen. Vielmehr soll hier der grundsätzliche Ablauf der Kennzahlenermittlung dargestellt und an Beispielen veranschaulicht werden.14 In das empirische Analysematerial sind zwei Gruppen von Unternehmen einzubeziehen: solche, die sich im Beobachtungszeitraum negativ entwickelten, gar insolvent wurden, und solche, die diesen (etwa bezüglich Branche, Betriebsgröße, Rechtsform 13 14
Vgl. Staehle, Kennzahlensysteme als Instrumente der Unternehmensführung, 1973, S. 226 f. Für eine Übersicht vgl. auch Günther, Scheipers, Ergebnisse der empirischen Insolvenzforschung, 1993.
697
698
E. Finanzanalyse und Unternehmensalter) vergleichbar sind, aber im selben Zeitraum gesund/solvent blieben. Unter Anwendung mathematisch-statistischer Hilfsmittel sollen nun diejenigen Bilanzkennzahlen und Merkmale ermittelt werden, die die beiden Unternehmensgruppen – solvent und insolvent – am besten voneinander trennen. Der so ermittelte Kennzahlenkatalog kann teilweise reduziert werden, wenn die Kennzahlen, die dasselbe messen, also stark positiv korreliert sind, noch ausgesondert werden. Zurück bleiben die diskriminierendsten, d. h. trennfähigsten Kennzahlen, die weitgehend unabhängig voneinander sind. Denkbar ist darüber hinaus die Zusammenführung der ermittelten Kennzahlen in einer Zuordnungsvorschrift, die die jeweils zu beobachtenden Kennzahlenausprägungen eines Falls zu einem einzigen Kennwert zusammenführt. Abbildung E 15 zeigt eine Auswahl empirisch-induktiver Verfahren zur Unternehmensklassifikation. Im Einzelnen lassen sich die Verfahren der Diskriminanzanalyse, der Mustererkennung und die Künstlichen Neuronalen Netze unterscheiden. Im Folgenden sind nun zwei Ansätze zu unterscheiden: Untersuchungen auf univariater Basis und solche mithilfe multivariater Verfahren.
Empirisch-induktive Verfahren zur Unternehmensklassifikation
Diskriminanzanalyse
univariat Dichotomer Klassifikationstest Profianalyse
multivariat
Verfahren der Mustererkennung Clusteranalyse Nearest-neighbor-Verfahren Rekursiver Partitions-Algorithmus Irrtumskorrektur-Algorithmen Adaptions-Algorithmen
Künstliche neuronale Netze Backpropagation Counterpropagation Learning Vector Quantization
Lineare Diskriminanzanalyse Quadratische Diskriminanzanalyse Linhart-Verfahren Kendall-Verfahren
Abb. E 15: Empirisch-induktive Verfahren der Unternehmensklassifikation
a) Kennzahlen-Auswahlverfahren auf univariater Basis Die Untersuchungen des erstgenannten Ansatzes stützen sich im Wesentlichen auf sogenannte dichotomische Klassifikationstests. Hier werden die als möglicherweise trenn- bzw. prognosefähig angenommenen Kennzahlen separat untersucht. Ihre Qualität bemisst sich jeweils daran, wie viele der erfassten Unternehmen von ihnen richtig qualifiziert werden. So werden die trennfähigsten Kennzahlen ermittelt und zunächst ohne Gewichtung nebeneinandergestellt. Stellvertretend für diese Untersuchungsgruppe seien im Folgenden die Ergebnisse von Beaver für den amerikanischen und von Weibel für den deutschen Sprachraum vorgestellt.
II. Kennzahlensysteme Das Kennzahlensystem nach Beaver
Beaver15 verglich 79 „schlechte“ Firmen mit der gleichen Anzahl „guter“ Firmen, die jeweils paarweise in Bezug auf das Tätigkeitsgebiet und die Bilanzsumme ähnlich waren. Aufgrund seiner statistischen Auswertung kam er zu dem Schluss, dass folgende sechs Kennzahlen eine hohe prognostische Trennfähigkeit besitzen: 1. Cashflow zu Fremdkapital, 2. Reingewinn zu Gesamtkapital, 3. Fremdkapital zu Gesamtkapital, 4. Umlaufvermögen zu kurzfristigem Fremdkapital = Liquidität dritten Grades, 5. (Umlaufvermögen abzüglich kurzfristigem Fremdkapital) zu Gesamtkapital = Working Capital zu Gesamtkapital und 6. (bald verfügbare Geldmittel abzüglich kurzfristigem Fremdkapital) zu Betriebsaufwendungen vor Abschreibungen. Die größte Bedeutung misst Beaver der Kennzahl „Cashflow zu Fremdkapital“ bei, da er bei ihr die geringste Irrtumswahrscheinlichkeit ermittelte. Auch die im Zähler ebenfalls aus einer Stromgröße bestehende Kennzahl „Reingewinn zu Gesamtkapital“ wies eine größere Prognosekraft auf als die rein bestandsorientierten Kennzahlen. Nach den Ergebnissen von Beaver empfiehlt es sich daher, bei der Finanzanalyse insbesondere stromgrößenorientierte Kennzahlen zu verwenden. Die statische Kennzahl „Fremdkapital zu Gesamtkapital“ wies bei den insolvent gewordenen Unternehmen in den letzten fünf Jahren vor dem Zusammenbruch vielfach einen starken Anstieg auf; es wurde immer stärker fremdfinanziert. Es wäre jedoch eine Missinterpretation der statistischen Ergebnisse, wenn hieraus bereits der Schluss gezogen würde, dass hohe Fremdfinanzierung zwangsläufig zur Insolvenz führen muss. Es ist auch mithilfe der empirischen Kennzahlenforschung nicht möglich, den „gesunden“ oder „ungesunden“ Grad an Fremdfinanzierung unabhängig von den übrigen betrieblichen Gegebenheiten festzulegen. Nur im Rahmen einer Gesamtanalyse bzw. durch eine Analyse mit einem Kennzahlensystem von mindestens fünf bis sechs Kennzahlen kann eine qualifizierte Prognose erfolgen. Das Kennzahlensystem nach Weibel
Zu einem ähnlichen Ergebnis wie Beaver kam auch Weibel16, der 36 solvente mit 36 insolventen Unternehmungen aus der schweizerischen Bau-, Uhren-, Metall- und Bekleidungsindustrie verglich. Er ermittelte folgende sechs Kennzahlen als besonders trennfähig: 1. Fremdkapital zu Gesamtkapital, 2. Umlaufvermögen zu kurzfristigem Fremdkapital = Liquidität dritten Grades, 3. Cashflow zu kurzfristigem Fremdkapital, 4. (Bald verfügbare Geldmittel abzüglich kurzfristigem Fremdkapital) zu Betriebsaufwendungen vor Abschreibungen, 5. (Durchschnittlicher Kreditbestand zu Wareneinkauf) multipliziert mit 365, 6. (Durchschnittlicher Lagerbestand zu Materialaufwendungen) multipliziert mit 365. 15 16
Vgl. Beaver, Financial Ratios, 1966. Vgl. Weibel, Kriterien zur Bonitätsbeurteilung, 1973.
699
700
E. Finanzanalyse Für eine zu beurteilende Unternehmung sind diese Kennzahlen zu ermitteln und mit den aus den empirischen Untersuchungen gewonnenen kritischen Werten zu vergleichen. Dies kann mithilfe einer Graphik erfolgen. Sie enthält sechs Achsenkreuze, für jede ermittelte Kennzahl eines. Während auf den Abszissen die Jahre vor der Insolvenz abgetragen werden, sind auf den jeweiligen Ordinaten die möglichen Kennzahlenausprägungen dargestellt. Gleichzeitig sind in jeder Teilgraphik bereits die 80 % aller untersuchten Fälle umfassenden Interdezilbereiche Dezile 1 bis Dezile 9 der guten und schlechten Risiken eingetragen (vgl. Abbildung E 16). Bei jeder Kennzahl tritt dabei eine „graue Zone“ auf, d. h. ein Wertintervall, in dem sowohl „gute“ als auch „schlechte“ Unternehmen liegen. Dieser Überschneidungsbereich ist in der Graphik gerastert. Je kleiner dieses Intervall ist, umso trennschärfer ist eine Kennzahl. Liegen bei einem Unternehmen alle sechs Kennzahlen außerhalb des gräulichen Gefährdungsbereichs in der weißen Zone, so ist ein Zusammenbruch des Unternehmens in naher Zukunft sehr unwahrscheinlich. Fallen dagegen mehr als drei Kennzahlenwerte eindeutig in den kritischen Dezilbereich der schlechten Risiken, so ist das Unternehmen sehr gefährdet, und es muss damit gerechnet werden, dass es sogar insolvent wird. Unternehmen, bei denen weniger als drei Kennzahlen im kritischen Bereich liegen, oder bei denen mehrere Kennzahlenwerte auf die „graue Zone“ entfallen, können nicht eindeutig zugeordnet werden; hier sind zusätzliche Analysen durchzuführen. Aufgrund der isolierten Betrachtung der einzelnen Kennzahlen kann es zu widersprüchlichen Aussagen über die Bonitätsentwicklung der untersuchten Unternehmung kommen, und zwar dann, wenn einige Kennzahlen auf eine positive Unternehmensentwicklung hinweisen, während andere eine drohende Insolvenz anzeigen. In diesem Falle bleiben die Untersuchungsergebnisse für eine Ermittlung von Kennzahlen, die in der Finanzanalyse einzusetzen sind, unfruchtbar, weil der unterschiedlichen Bedeutung der in den verschiedenen Kennzahlen erfassten Einflussfaktoren nicht durch entsprechende Gewichtung Rechnung getragen wird und auch mögliche Abhängigkeiten zwischen den Einflussgrößen nicht hinreichend erfasst werden.
II. Kennzahlensysteme
Abb. E 16: Kennzahlensystem nach Weibel17 17
Weibel, Kriterien zur Bonitätsbeurteilung, 1973, S. 235.
701
702
E. Finanzanalyse
b) Auswahlverfahren auf multivariater Basis Der Übergang auf multivariate Klassifikationsregeln erfolgt in dem Interesse, derart begründete widersprüchliche Aussagen zu vermeiden. Gleichzeitig wird davon ausgegangen, dass mehrere optimal aufeinander abgestimmte Kennzahlen eher in der Lage sind, solvente Unternehmen von insolvenzgefährdeten zu trennen, als die Kennzahlen für sich genommen, auch wenn sie als einzelne eine relativ hohe Trennfähigkeit aufweisen.
aa) Multivariate Diskriminanzanalyse Mittels der multivariaten Diskriminanzanalyse werden die einzelnen Kennzahlen durch eine Trennfunktion auf einen einzigen Bonitätswert abgebildet. Bei dem am häufigsten eingesetzten Verfahren, der linearen Diskriminanzanalyse, erfolgt dies durch eine Linearkombination. Die Trennfunktion besitzt hier allgemein folgendes Aussehen: Z = a0 + a1 · K1 + a2 · K2 + … + an · K n K1 bis K n bedeuten die Ausprägungen der ausgewählten Kennzahlen, die mit den Gewichten a1 bis an entsprechend ihrer Bedeutung für die Trennfunktion multipliziert werden. a0 stellt das absolute Glied der Trenngeraden dar. Für die „guten“ wie für die „schlechten“ Unternehmen ergibt sich hiernach jeweils eine Häufigkeitsverteilung, die um einen guten bzw. schlechten Mittelwert streut; der gute und der schlechte Mittelwert sollen möglichst weit voneinander entfernt liegen. Auch bei der Anwendung dieser Systeme ergeben sich Probleme im Graubereich der Überschneidung der Verteilungen (vgl. Abbildung E 17).
Abb. E 17: Idealisierte Darstellung der Kennzahlenhäufigkeit „guter“ und „schlechter“ Unternehmen
II. Kennzahlensysteme Wenn es nun gelingt, das in die Untersuchung einbezogene Material fortlaufend durch aktuellere Informationen zu ergänzen bzw. zu ersetzen, kann es zu Verbesserungen der Diskriminanzfunktion führen, die den Graubereich zunehmend verkleinern. Im Ergebnis ermöglicht die ermittelte optimale Kennzahlenkombination den Rückschluss auf die in eben dieser Zusammensetzung aussagefähigsten Kennzahlen, die Eingang in eine empirisch gesicherte Finanzanalyse finden sollten. Gleichzeitig kennzeichnet ein solches Ergebnis die im Hinblick auf die Kombination festgestellte Bedeutung der einzelnen Kennzahlen. Beispielhaft seien anschließend in Kürze die Ergebnisse der Untersuchung von Baetge/Huß/Niehaus vorgestellt. Das Kennzahlensystem von Baetge/Huß/Niehaus
Die Untersuchung des Institutes für Revisionswesen der Westfälischen Wilhelms-Universität erfolgte in Zusammenarbeit mit der Bayerischen Vereinsbank AG18. Aus der empirischen Grundgesamtheit der Firmenkunden der Bayerischen Vereinsbank AG wurden Stichproben gezogen, die bezüglich Branche, Rechtsform und Größenklasse für die jeweilige Grundgesamtheit hoch repräsentativ waren. Den „guten“ Unternehmen wurden als „schlechte“ solche gegenübergestellt, deren Kreditverhältnis während der Laufzeit eine Leistungsstörung aufwies oder befürchten ließ. Beispiele für solche Leistungsstörungen sind der endgültige Ausfall oder ein wesentlicher zeitlicher Aufschub der vertraglich vereinbarten Leistungen und aufgetretene Wechselproteste. Den folgenden statistischen Berechnungen wurden insgesamt 42 Kennzahlen zugrunde gelegt. Sie entstammen den Informationsbereichen Rentabilität, Finanzkraft, Liquidität, Kapitalstruktur, Anlagendeckung, kurzfristige Verschuldung und Zahlungsverhalten. Die schließlich ermittelte Diskriminanzfunktion, die sich für die Früherkennung negativer Unternehmensentwicklungen als am besten geeignet erwies, enthielt schließlich drei der 42 berücksichtigten Kennzahlen: 1. Zur Kapitalstruktur: Wirtschaftliches Eigenkapital zu (Gesamtkapital ./. flüssige Mittel ./. Immobilien) 2. Zur Rentabilität: Cashflow 1 zu Gesamtkapital 3. Zur Finanzkraft: Cashflow 2 zu kurzfristigem Fremdkapital Hierbei sind: wirtschaftliches Eigenkapital =
+ + ./. ./.
18
haftendes Eigenkapital (gezeichnetes Kapital + Rücklagen + Ergebnisvortrag) Sonderposten mit Rücklageanteil (bis 2011) Gesellschafterdarlehen Forderungen an nicht persönlich haftende Gesellschafter ausstehende Einlagen.
Vgl. Baetge, Huß, Niehaus, Die Beurteilung der wirtschaftlichen Lage eines Unternehmens mithilfe der statistischen Jahresabschlussanalyse , 1988; Niehaus, Früherkennung von Unternehmensrisiken, 1987.
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704
E. Finanzanalyse Erfolgsindikator Cashflow 1 = Betriebsergebnis + Normalabschreibungen + Zuführungen zu Pensionsrückstellungen. Finanzindikator Cashflow 2 (direkte Ermittlung aus den Erträgen und Aufwendungen der GuV) = finanzwirksame Erträge (einschließlich a. o. Erträge) ./. finanzwirksame Aufwendungen (einschließlich a. o. Aufwendungen). Anschließend wurde die gefundene Diskriminanzfunktion auf die Jahresabschlüsse sämtlicher Firmenkunden der Bank für den Zeitraum 1981–1985 angewandt, mit guten Ergebnissen. Diese wurden unterstrichen durch einen Simulationslauf. Er wies die Funktion als sehr trennstabil und durch bilanzpolitische Maßnahmen weit gehend unbeeinflussbar aus. Zudem zeichnet sich die Trennfunktion dadurch aus, dass ihre Ergebnisse unabhängig von verschiedenen Kapital-, Vermögens- oder Aufwandsstrukturen sind. Das bedeutet, dass sie eine sehr gute Trennung von allen Unternehmen, unabhängig von ihrer Branche, Rechtsform und Größenklasse, erlaubt. Eine derart ermittelte Kennzahlenkombination stellt folglich eine gesicherte Grundlage für ein aussagekräftiges Kennzahlensystem im Rahmen der Finanzanalyse dar.
bb) Künstliche Neuronale Netze Die Verfahren der Künstlichen Neuronalen Netze haben in jüngster Zeit in den verschiedensten Wissenschaftsdisziplinen zunehmende Bedeutung erlangt. Die Funktionsweise dieser Verfahren orientiert sich am menschlichen Gehirn: Eine Vielzahl künstlicher Nervenzellen, die sogenannten Neuronen, empfängt Parallelinformationen, verarbeitet diese und leitet sie an die nachgelagerten Neuronen weiter. Isoliert betrachtet erscheinen die einzelnen Verarbeitungseinheiten relativ primitiv; das durch die Vernetzung gebildete System ist jedoch durch die massive Parallelverarbeitung in der Lage, beliebig komplexe, nicht-lineare Zusammenhänge zu erforschen.19 Da derartige Zusammenhänge auch bei der Auswahl von Kennzahlensystemen zu vermuten sind, bieten sich Künstliche Neuronale Netze als Alternative zur multivariaten Diskriminanzanalyse an.20 Das Kennzahlensystem von Baetge/Kruse/Uthoff
Baetge, Kruse und Uthoff 21 untersuchten 11.427 Jahresabschlüsse; 912 davon gehörten später insolvent gewordenen Unternehmen an. Der Kennzahlenkatalog umfasste zunächst 259 Kennzahlen die jeweils einem der acht Informationsbereiche des Jahresabschlusses (Rentabilität, Finanzkraft, Kapitalbindungsdauer, Kapitalbildung, Verschuldung, Liquidität, Personalaufwandsquote, Kapitalstruktur) zugeordnet wurden. Durch soggenannte Ausdünnungsverfahren entfernten die Autoren sukzessive Kennzahlen,
19 20
21
Vgl. auch Abschnitt C III 2 zum Einsatz Neuronaler Netze in der Wertpapieranalyse. Für eine Übersicht empirischer Studien zur Unternehmensklassifikation mittels Künstlicher Neuronaler Netze vgl. Dittmar, Hilbert, Bonitätsprüfung mit Neuronalen Netzen, 1998. Vgl. Baetge, Kruse, Uthoff, Bonitätsklassifikation mit Neuronalen Netzen, 1996.
II. Kennzahlensysteme wodurch sich das endgültige System schließlich auf 14 Kennzahlen reduzieren ließ (vgl. Abbildung E 18). Durch eine anschließend durchgeführte Sensitivitätsanalyse konnten die Autoren feststellen, wie stark sich eine Veränderung einer einzelnen Kennzahl auf das Bonitätsurteil des entsprechenden Unternehmens auswirkte. Dabei zeigten sich bei isolierter Betrachtung die Kennzahlen der Informationsbereiche Liquidität und Personalaufwandsquote mit relativ geringem Einfluss, während sich Veränderungen von Kennzahlen der Cluster Rentabilität und Verschuldung relativ hoch auswirkten.
Abb. E 18: Kennzahlensystem nach Baetge/Kruse/Uthoff
c) Übersicht Abgesehen von den vorgestellten Analysen von Beaver, Weibel und Baetge/Huß/Niehaus sind in den letzten 60 Jahren eine Reihe von weiteren Untersuchungen zur Trennfähigkeit von empirisch ermittelten Kennzahlensystemen durchgeführt worden. Es hat sich dabei jedoch kein eindeutiges, weil übereinstimmendes Kennzahlenraster herausgebildet, das generell eine besonders hohe Diskriminierungsfähigkeit besitzen würde. So weit „optimale“ Trennfunktionen auf multivariater Basis ermittelt worden sind, wechseln diese ihre Gestalt sowohl bezüglich Art, Anzahl der einbezogenen
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E. Finanzanalyse Variablen (Kennzahlen) als auch bezüglich der Gewichte von Periode zu Periode, d. h. eine intertemporale Stabilität der ermittelten Funktion und ihrer Trenngüte ist in den meisten Fällen noch nicht gegeben. Einige Trennfunktionen enthalten Variablen, die im Hinblick auf ihre Vorzeichen und Gewichte, mit denen sie zur Bildung eines Entscheidungswertes beitragen, vielfach ökonomisch nicht interpretierbar sind und scheiden als Prognoseinstrument aus. Empirisch-induktive Kennzahlensysteme bedürfen der ständigen Kontrolle und Anpassung im Zeitablauf, wenn eine befriedigende Prognosequalität gewährleistet bleiben soll. Darüber hinaus können sie häufig nur für den entsprechenden nationalen Bereich und dieselbe Branche sinnvoll angewendet werden, für die sie konzipiert wurden. Die empirischen Untersuchungen zu Kennzahlensystemen und Trennfunktionen auf Kennzahlenbasis zeigen jedoch, dass die in der wissenschaftlichen Literatur vielfach kritisierte Kennzahlenanalyse bei richtigem Einsatz wertvolle Ergebnisse für die Praxis liefern kann (vgl. Abbildung E 18). Untersuchung
Ermittelte Kennzahlen
Bemerkungen
Beaver (1966), 2 × 79 Unternehmen, 1954 bis 1964, – Profilanalyse – Histogrammvergleich – dichotom. Diskriminanzanalyse
– – – – – –
CF/FK Reingewinn/GesK FK/GesK UV/kfr. FK (UV – kfr. FK)/GesK (bald verfügb. Geldmittel – kfr. FK)/Betriebsaufw. v. Abschr.
– unterstellt jeder Kennzahl für sich genommen Zusammenhang mit Bonität – hohe Trennfähigkeit der Kennzahlen mit dynamischer Größe im Zähler und statischer im Nenner
Altman (1971), 2 × 33 Industrieunternehmen 1946 bis 1965 – multivariate Diskriminanzanalyse
– (UV – kfr. FK)/GesK – offene Reserven/GesK – (Reingew. v. St. + FKZins)/GesK – Börsenkapitalisierungswert FK
– Verteilung der Grundgesamtheit nicht untersucht – wg. „Börsenkapitalisierungswert” nur für Aktiengesellschaften anwendbar – vereinfachende Anwendung derselben Diskriminanzfunktion über verschiedene Prognosezeiträume
Weibel (1973), 2 × 36 Industrieunternehmen, 1960 bis 1971 – Profilanalyse – Clusteranalyse – dichotom. Klassifikationstest
– FK/GesK – UV/kfr. FK – Betriebserfolg v. Abschr./ kfr. FK – (bald verfügb. Geldm. – kfr. FK)/Betriebsaufw. vor Abschr. – Kreditoren × 365/ Wareneinkauf – Lagerbestand × 365/ Materialaufwand
– praxisorientierte Ergebnisauswertung durch Bildung von 3 Risikoklassen – Problem der isolierten Betrachtung einzelner Kennzahlen – Prognosefähigkeit der ermittelten Kennzahlen wird nicht mehr überprüft
II. Kennzahlensysteme Untersuchung
Ermittelte Kennzahlen
Bemerkungen
Baetge/Huß/Niehaus (1987), 2 × repräsentative Stichproben aus Firmenkundschaft der Bayer. Vereinsbank, 1981 bis 1985 – Faktorenanalyse – multivariate Diskriminanzanalyse
– zur Kapitalstruktur: wirtschaftl. EK/(GesK – Flüssige Mittel – Immobilien) – zur Rentabilität: Erfolgswirtsch. CF/kfr. FK – zur Finanzkraft: Finanzwirtsch. CF/kfr. FK
– relativ stabile Trennfunktion – gute Ergebnisse schon 3 Jahre vor Leistungsstörung, auch ohne Schichtung der Analysegruppe
Baetge/Kruse/Uthoff (1996), 2 × 393 Unternehmen – verschiedene Backpropagation-Netze – Anordnung entsprechend den Informationsbereichen des Jahresabschlusses – Ausdünnungsverfahren
14 Kennzahlen der Informationsbereiche Kapitalbindungsdauer, Kapitalbindung, Verschuldung, Kapitalstruktur, Finanzkraft, Liquidität, Rentabilität, Personalaufwand, vgl. Abb. E 18
– Training mit 786 Jahresabschüssen, Validierung mit 10.641 Jahresabschlüssen – Sensitivitätsanalyse als Erklärungskomponente – Einordnung in Risikoklassen
Schmitz (2011) - Multivariate Regressionsanalyse - Prognosefunktion
18 nicht-finanzwirtschaftliche Kennzahlen der Bereiche Leistungsangebot, Marktattraktivität, Wettbewerb etc.
- Ausschließliche Betrachtung einer Branche - Deutsche Krankenhäuser - Somit Leistungswirtschaftliche Kennzahlen vergleichbar.
GesK = Gesamtkapital UV = Umlaufvermögen
kfr. = kurzfristig Abschr. = Abschreibungen
CF = Cashflow FK = Fremdkapital
EK = Eigenkapital v.St. = vor Steuern
Abb. E 19: Ausgewählte empirische Untersuchungen zu Kennzahlensysteme
Weiterführende Literatur zu Kennzahlensystemen Baetge, J; Kirsch, H.-H.; Thiele, S.: Bilanzanalyse, 2. Auflage Düsseldorf 2004. Eiselt, A.; Müller, St.: IFRS: Gestaltung und Analyse von Jahresabschlüssen, Berlin 2011. Groll, K.-H.: Das Kennzahlensystem zur Bilanzanalyse. Ergebniskennzahlen, Aktienkennzahlen, Risikokennzahlen, 2. Auflage, München 2004. Kern, W.: Kennzahlensysteme als Niederschlag interdependenter Unternehmensplanung, in: Schmalenbachs Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung 23 (1971), S. 701–718. Meyer, C.: Betriebswirtschaftliche Kennzahlen und Kennzahlen-Systeme, 6. Auflage, Sternenfels 2011. Röhrenbacher, H.; Fleischer, W.: Kennzahlenorientierte Bilanzanalyse. Das R-F-Kennzahlensystem für Benchmarking und Controlling, Frankfurt a. M. 1999. Steiner, M.; Rössler, M.: Zukunftsorientierte Bilanzanalyse und ihre Prognosequalität, in: Betriebswirtschaftliche Forschung und Praxis 28 (1976), S. 440–453. Weibel, P.: Die Bonitätsbeurteilung im Kreditgeschäft der Banken, Bern/Stuttgart 1978. Weinrich, G.: Kreditwürdigkeitsprognosen, Steuerung des Kreditgeschäfts durch Risikoklassen, Wiesbaden 1978.
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708
E. Finanzanalyse
Fragen zu Kennzahlensystemen 1. Wozu dienen die logisch-deduktiven Kennzahlensysteme? 2. Welche Spitzenkennzahl, Return on Investment oder Eigenkapitalrentabilität, ist vorteilhafter? 3. Erläutern Sie die Vorgehensweise bei der Kennzahlenauswahl nach dem Kriterium der Prognosequalität! 4. Welche Erkenntnisse können aus den Ergebnissen der empirischen Untersuchungen zur Prognosequalität von Kennzahlen für die Finanzanalyse gezogen werden? 5. Gegeben sind folgende Jahresabschlussangaben: Jahr 1
Jahr 2
Anlagevermögen
120,00
160,00
Umlaufvermögen
90,00
150,00
210,00
310,00
Bilanzsumme
Jahr 1
Jahr 2
Umsatz
200,00
250,00
Aufwand
160,00
195,00
40,00
55,00
5,00
5,50
Bilanzsumme
Betriebsergebnis Zinsaufwand Steuern
10,50
14,85
Jahresüberschuss
24,50
34,65
Jahr 1
Jahr 2
Eigenkapital
100,00
100,00
Fremdkapital
110,00
210,00
210,00
310,00
Sie entnehmen dem Geschäftsbericht der X-AG folgende Aussage: „Im Geschäftsjahr 2 wurde die Rentabilität deutlich verbessert. So gelang es uns, die Umsatzrendite (Betriebsergebnis/Umsatz) von 20,0 % auf 22,0 % zu steigern“. Nehmen Sie zu dieser Aussage kritisch Stellung. 6. Nachfolgend ist der vereinfachte Jahresabschluss der J AG des abgelaufenen Geschäftsjahres angeben. Bilanz per Jahr 1 Aktiva
Passiva
Anlagevermögen
200.000
Eigenkapital
150.000
Vorräte
100.000
Finanzverbindlichkeiten
120.000
Forderungen aus Lieferungen u. Leistungen
120.000
Verbindlichkeiten aus Lieferungen u. Leistungen
170.000
Kasse Bilanzsumme
20.000 440.000
440.000
III. Kapitalflussrechnung Gewinn- und Verlust-Rechnung Jahr 1 Umsatzerlöse
600.000
Materialaufwand
300.000
Personalaufwand
230.000
Abschreibungen
20.000
Zinsaufwand
8.000
Steuern
16.800
Jahresüberschuss
25.200
Berechnen Sie eine Rentabilitätskennzahl und diskutieren Sie diese kurz. 7. Berechnen Sie eine Intensitätskennzahl und interpretieren Sie ihre Bedeutung. 8. Berechnen Sie das durchschnittliche Kundenziel in Tagen.
III. Kapitalflussrechnung Lernziele dieses Kapitels x Kapitalflussrechnungen sind liquiditätsbezogene Zeitraumrechnungen, die Bestandsveränderungen bzw. die zugrunde liegenden Bewegungen (Umsätze) darstellen. x Kapitalflussrechnungen können prinzipiell aus Bestandsdifferenzen (Aktiv- und Passivposten der Bilanz) oder aus Bewegungsrechnungen (Umsätze auf Konten) mit und ohne Fondsausgliederung bestimmt werden. x Die Beständedifferenzenbilanz vergleicht Aktiva und Passiva zu zwei Bilanzstichtagen. x Werden die negativen Werte der Beständedifferenzenbilanz durch Übertrag auf die jeweils andere Seite der Bilanzgleichung zum Ausgleich gebracht, erhält man die Veränderungsbilanz. x Interpretiert man Aktivzunahmen und Passivabnahmen als Mittelverwendung und Aktivabnahmen und Passivzunahmen als Mittelherkunft, gelangt man zur Bewegungsbilanz. x Ersetzt man in bestandsorientierten Bewegungsrechnungen die Bestandsveränderungen der Bilanzpositionen durch die verursachungsgerechten Kontenumsätze, gelangt man zur Kapitalflussrechnung auf Basis von Bewegungsrechnungen. x Eine Erweiterung der Kapitalflussrechnung ist das explizite Einbeziehen von Erfolgsgrößen wie Gewinn oder Gewinnveränderung. Die Möglichkeiten gehen hier vom Aufspalten der verwendeten Gewinngröße in Gewinnausschüttung (Mittelverwendung) und Bilanzgewinn (Mittelherkunft) bis zum vollständigen Ersatz des Gewinns durch Erträge (Mittelherkunft) und Aufwendungen (Mittelverwendung).
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E. Finanzanalyse x Um explizit die Veränderungen eines Bereichs der Bilanz darzustellen, können Aktivund Passivkonten zu einem Fonds zusammengefasst werden. Typische Beispiele sind etwa ein Geldfonds, der sich aus Kassen und Bankposition zusammensetzt, oder ein Fonds des Reinumlaufvermögens, der sämtliche Aktiva, die sich in einem Jahr in Geld umsetzen lassen, abzüglich aller Passiva, die binnen eines Jahres zu bedienen sind, enthält. Ziel des expliziten Ausweises eines Fonds in der zweistufigen Kapitalflussrechnung ist es, die Veränderungen dieses Fonds als Einheit analysieren zu können. So kann man zum Beispiel aus der Höhe und Veränderung des Fonds des Reinumlaufvermögens ersehen, inwieweit kurzfristige Verbindlichkeiten durch kurzfristige Aktiva abgedeckt sind und welche Ursachen für Veränderungen dieses Verhältnisses existieren. x Kapitalflussrechnungen sind dabei nach nationaler Regelung nur für börsennotierte Mutterunternehmen verpflichtend zu publizieren. Im internationalen und angelsächsischen Bereich besteht bereits seit Langem eine Verpflichtung, eine Kapitalflussrechnung zu veröffentlichen.
1. Begriff und Aufgaben Die Kapitalflussrechnung stellt eine liquiditätsbezogene Zeitraumrechnung dar, die den Jahresabschluss ergänzt, bei der im Gegensatz zur zeitpunktbezogenen Bilanz nicht Bestände an Vermögen und Kapital, sondern Bestandsveränderungen bzw. die zugrunde liegenden Bewegungen (Umsätze) ausgewiesen werden. Während die Gewinn- und Verlustrechnung, bei der es sich ebenfalls um eine Zeitraumrechnung handelt, nur erfolgswirksame Vorgänge erfasst, beinhaltet die Kapitalflussrechnung auch die erfolgsunwirksamen Bewegungen, da die Auswahl der Vorgänge nach anderen Gesichtspunkten erfolgt. Die Kapitalflussrechnung bildet somit einen Teilbereich des liquiditätsorientierten Rechnungswesens (Finanzierungsrechnung22) und soll einen Einblick in die Finanzlage des Unternehmens gewähren, indem die Investitions- und Finanzierungsvorgänge und ihr Einfluss auf die Liquidität gezeigt werden.23 Die Bezeichnung von zeitraumbezogenen Bewegungsrechnungen erfolgt in der Literatur nicht einheitlich. Neben dem Begriff Kapitalflussrechnung werden vor allem noch Finanzflussrechnung, Zeitraumbilanz und Fondsrechnung verwendet. Teilweise finden diese Begriffe jedoch auch für spezielle Unterformen der Kapitalflussrechnung Verwendung. Im angelsächsischen Raum werden die Begriffe Funds Statement, Statement of Sources and Application of Funds, Statement of Changes in Financial Positions sowie Statement of Cashflows verwendet. In Frankreich sind die Begriffe Compte des Flux de Capital oder Tats des Ressources et Exploits de Fonds üblich. Die Erstellung von Kapitalflussrechnungen kann sowohl unternehmensintern als auch extern erfolgen und sich an Adressaten innerhalb und außerhalb der Unternehmung richten. Ferner kann die Rechnung retrospektiv, als Dokumentation vergangener Perioden, oder prospektiv, als Plan für zukünftige Perioden, aufgestellt werden.24 Prospektive Kapitalflussrechnungen werden bisher kaum veröffentlicht, obwohl sie vermutlich eine gute Entscheidungsgrundlage für die Kapitalanleger wären. Die Ausgestaltungsformen
22 23 24
Vgl. ausführlich Buchmann, Chmielewicz, Finanzierungsrechnung, 1990. Vgl. Käfer, Praxis der Kapitalflussrechnung, 1974, S. 12 f. Vgl. Busse von Colbe, Kapitalflussrechnung als Berichts- und Planungsinstrument, 1968.
III. Kapitalflussrechnung von Kapitalflussrechnungen differieren mit den Informationsbedürfnissen und -möglichkeiten der Adressaten. Kapitalflussrechnungen können prinzipiell erstellt werden 1. aus Bestandsdifferenzen (Aktiv- und Passivposten der Bilanz) oder aus Bewegungsgrößen (Umsätze auf Konten); 2. ohne Fondsbildung oder mit Fondsausgliederung.
Ferner kann bei Rechnungen, die auf Bewegungsgrößen basieren, eine Beschränkung auf Umsätze der Bilanzkonten oder eine Einbeziehung der Gewinn- und Verlustrechnung und damit Gegenüberstellung der Umsätze auf Bilanz- und Erfolgskonten erfolgen. Die sich daraus ergebenden Möglichkeiten der Aufstellung von Zeitraumrechnungen sind in Abbildung E 20 wiedergegeben.
2. Beständedifferenzenbilanz Bei externer Analyse bildet die Beständedifferenzenbilanz die Grundlage für die Erstellung von Kapitalflussrechnungen. Sie wird durch Saldierung der Bestände zweier aufeinander folgender Zeitpunktbilanzen gewonnen (vgl. Abbildung E 21). Die sich ergebenden Differenzen bilden die Beständedifferenzenbilanz, wobei positive Beträge Bestandsmehrungen und negative Beträge Bestandsminderungen bedeuten. Auch bei der Beständedifferenzenbilanz muss sich auf beiden Bilanzseiten die gleiche Summe ergeben. Bereits die Beständedifferenzenbilanz lässt die wichtigsten Bilanzveränderungen, wie etwa im dargestellten Beispiel die erhebliche Verringerung der flüssigen Mittel (= Schecks, Kassenbestand, Bundesbank- und Postgiroguthaben, Guthaben bei Kreditinstituten), deutlich erkennen. Die Gliederung entspricht derjenigen der Stichtagsbilanz.
711
712 E. Finanzanalyse
Abb. E 20: Arten von Kapitalflussrechnungen (Die Zahlen verweisen auf die entsprechenden Abschnitte im Buch.)
III. Kapitalflussrechnung
Abb. E 21: Beispiel einer Beständedifferenzenbilanz
3. Veränderungsbilanz und Bewegungsbilanz Werden die negativen Werte durch Übertrag auf die jeweils andere Seite der Bilanzgleichung zum Ausgleich gebracht, so erhält man die Veränderungsbilanz. Für sie gilt damit folgende Form der Bilanzgleichung: Aktivzunahmen (A+) + Passivabnahmen (P–) = Passivzunahmen (P+) + Aktivabnahmen (A–) Die Veränderungsbilanz für das bei der Beständedifferenzenbilanz angegebene Beispiel hat die Form gemäß Abbildung E 22.
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714
E. Finanzanalyse
Abb. E 22: Beispiel einer Veränderungsbilanz
Die Veränderungsbilanz lässt sich noch als statische Darstellung einstufen, die über das Verhalten von Beständen berichtet. Erst durch die Interpretation der Bestandsdifferenzen als Mittelbewegungen, die finanzwirtschaftliche Vorgänge anzeigen, erfolgt der Schritt zur Kapitalflussrechnung.25 Bei der damit vorliegenden Bewegungsbilanz werden die Aktivzunahmen und Passivabnahmen als Mittelverwendung, die Passivzunahmen und Aktivabnahmen als Mittelherkunft angesehen (vgl. Abbildung E 23).
Abb. E 23: Grundschema der Bewegungsbilanz
Entscheidend für den Aussagegehalt der Bewegungsbilanz ist ihre Gliederung. Bei der von Walter Bauer bereits im Jahre 1926 entworfenen Bewegungsbilanz etwa steht als Aussageziel die Ermittlung und Aufschlüsselung des Gewinns im Vordergrund, weshalb er seine Bilanz auch als „Gewinnverwendungsbilanz“ bezeichnet.26 Ein anderes Mal wird die analytische Darstellung des Betriebsablaufs als Zielsetzung für den Aufbau einer Bewegungsbilanz gesehen.27 25 26 27
Vgl. Käfer, Praxis der Kapitalflussrechnung, 1974, S. 20 ff. Vgl. Bauer, Bewegungsbilanz, 1926. Vgl. Thoms, Bewegungs- und Wirkungsbilanzen, 1957.
III. Kapitalflussrechnung
Abb. E 24: Bewegungsbilanz, gegliedert nach Finanzierungs- und Verwendungsarten
Dominierende Zielsetzung ist heute jedoch die Darlegung und Analyse finanzwirtschaftlicher Vorgänge einer Unternehmung innerhalb einer bestimmten Periode.28 Die Gliederung der Bewegungsbilanz kann dabei auf Aussagen über das gesamte Finanzgebaren der Unternehmung oder speziell auf die Beurteilung der Liquiditätsentwicklung abgestellt werden. Bei der ersten Zielsetzung wird die Mittelherkunftsseite häufig nach Finanzierungsarten (Außen-, Innen-, Fremd-, Eigenfinanzierung) und die Mittelverwendungsseite nach Kategorien von Verwendungsarten (Investition, Schuldentilgung, Ausschüttung usw.) gegliedert. Soweit in den Geschäftsberichten deutscher Aktiengesellschaften Kapitalflussrechnungen enthalten sind, bauen sie weit gehend auf diesen Gliederungskriterien auf und werden dann vielfach auch als „Finanzierungsrechnungen“ bezeichnet.
28
Vgl. Walb, Die finanzwirtschaftliche Bilanz, 1952; Flohr, Zeitraumbilanz, 1963.
715
716 E. Finanzanalyse
Abb. E 25: Beispiel für eine Bewegungsbilanz
III. Kapitalflussrechnung Sollen mit der Bewegungsbilanz speziell Aussagen zur Liquiditätsentwicklung gewonnen werden, so ist eine Gliederung nach der Fristigkeit der Mittel bezüglich ihrer Herkunft einerseits und ihrer Bindungsdauer andererseits zweckmäßig. Je detaillierter und genauer die entsprechenden Zeiträume angegeben werden, umso präzisere Aussagen über die Liquiditätsentwicklung ergeben sich. Bei einer externen Analyse, die sich auf Stichtagsbilanzen stützt, kann die Fristigkeit der Mittel nur sehr grob bestimmt werden, und an die Qualität der Liquiditätsbeurteilung können keine hohen Anforderungen gestellt werden. Intern dagegen ist die nach dem Gesichtspunkt der Fristigkeit gegliederte Bewegungsbilanz ein gutes Instrument sowohl für die Liquiditätsanalyse als auch für die Liquiditätsplanung. Die in Abbildung E 24 verwendete Gliederung stellt auf die Analyse der gesamten finanziellen Vorgänge einer Periode ab und geht auf Flohr zurück.29 Neben der Aufgliederung nach Finanzierungs- und Verwendungsarten berücksichtigt die Bewegungsbilanz auch horizontale Beziehungsverhältnisse, indem bestimmte Aufbringungsbeträge spezifischen Verwendungsformen gegenübergestellt werden. Durch die Einbeziehung des Cashflow in die Bewegungsbilanz wird die Mittelherkunft gegenüber der Veränderungsbilanz um den Bilanzgewinn und die Abschreibungen ergänzt. Damit erfolgt ein Schritt in Richtung auf Erweiterung der Bewegungsbilanz durch Einbeziehung von Kontenumsätzen und Positionen der Erfolgsrechnung. Auf der Mittelverwendungsseite ist, um das Bilanzgleichgewicht wiederherzustellen, die in der Betrachtungsperiode getätigte Ausschüttung des Vorjahresgewinns aufzunehmen. Ferner sind die Investitionen brutto, d. h. unter Einbeziehung der Abschreibungen, auszuweisen (vgl. hierzu die nachfolgenden Abschnitte 4 und 5). Durch die Angabe von Prozentzahlen für die einzelnen Positionen der Mittelverwendung und Mittelherkunft kann die Übersichtlichkeit der Bewegungsbilanz für Analysezwecke gesteigert werden. Ein solches Vorgehen sei in Abbildung E 25 anhand des bereits bekannten Zahlenbeispiels vorgeführt.
4. Einbeziehung von Kontenumsätzen in Kapitalflussrechnungen (Brutto- und Teilbrutto-Bewegungsrechnungen) Die Aussagekraft bestandsorientierter Bewegungsrechnungen kann gesteigert werden, wenn die Bestandsveränderungen der Bilanzpositionen durch die sie verursachenden Kontenumsätze ersetzt werden (Bruttorechnung als Umsatzbilanz). Damit erfolgt der Übergang zur echten stromgrößenorientierten Betrachtungsweise. Durch den Ausweis unsaldierter Umsätze werden die Vorgänge deutlich, die zum entsprechenden Bestandssaldo geführt haben. So ist es zum Beispiel bei Verbindlichkeiten informativ, neben der reinen Nettoveränderung auch die Zunahmen und Abnahmen des Verbindlichkeitskontos innerhalb des Jahres zu kennen. In der Bewegungsbilanz werden die Aufstockungen der Verbindlichkeiten unter Mittelherkunft, die Tilgungen als Mittelverwendung ausgewiesen (vgl. Abbildung E 26). Allgemein gilt: Soll-Umsätze auf Bestandskonten stellen Mittelverwendung dar; Haben-Umsätze auf Bestandskonten sind als Mittelherkunft zu interpretieren.
29
Vgl. Flohr, Zeitraumbilanz, 1963, S. 60.
717
718
E. Finanzanalyse
Umsatzrechnungen ohne Einbeziehung von Erfolgskonten
Teilbruttorechnung
Bruttorechnung
Bewegungsbilanz aus Beständedifferenzen mit zerlegten Gegenbestandskonten
Umsatzbilanz (ohne Umsätze auf Erfolgskonten)
Mittelverwendung I. A+ P–
Mittelherkunft I. A– P+
auf unzerlegten Bestandskonten II. Sollumsätze auf zerlegten Gegenbestandskonten
Mittelverwendung
Mittelherkunft
I. Sollumsätze auf Aktivkonten = A+
I. Habenumsätze auf Aktivkonten = A–
II. Sollumsätze auf Passivkonten = P–
II. Habenumsätze auf Passivkonten = P+
auf unzerlegten Bestandskonten II. Habenumsätze auf zerlegten Gegenbestandskonten
Abb. E 26: Umsatzrechnungen ohne Einbeziehung von Erfolgskonten
Bei externer Analyse stehen die Kontoumsätze nicht zur Verfügung, sodass eine vollständige Einbeziehung von Kontoumsätzen nur bei betriebsinterner Aufstellung von Kapitalflussrechnungen möglich ist. Teilweise sind jedoch auch extern für einige Bilanzpositionen die Umsätze oder wesentliche Bestandteile derselben aus dem Jahresabschluss bzw. Geschäftsbericht ersichtlich. In diesem Fall wird immerhin eine Teilbruttorechnung möglich. Insbesondere bei Jahresabschlüssen von großen Kapitalgesellschaften kann aufgrund des nach § 284 Abs. 3 HGB geforderten detaillierten Ausweises der Entwicklung des Anlagevermögens eine Zerlegung des Saldos der Anlagenbestände in die sie verursachenden Kontenumsätze, wie Zugänge, Abgänge, Zuschreibungen, Abschreibungen, Umbuchungen, erfolgen. Abgänge und Abschreibungen sind als Mittelherkunft, Zugänge und Zuschreibungen als Mittelverwendung zu betrachten.
5. Einbeziehung der Erfolgsrechnung in Kapitalflussrechnungen Kapitalflussrechnungen können erweitert werden, indem der ausgewiesene Gewinn bzw. die Gewinnveränderung teilweise oder ganz durch Erträge und Aufwendungen der Gewinn- und Verlustrechnung ersetzt wird.30 Eine einfache Form stellt bereits der Ersatz der Gewinndifferenz durch Gewinnausschüttung (Mittelverwendung) und Bilanzgewinn (Mittelherkunft) dar, wie er im angeführten Beispiel zur Bewegungsbilanz vorgenommen wurde. Anstelle des Bilanzgewinns und der Position Rücklagenveränderung kann der Jahresüberschuss verwendet werden. Der Informationsgewinn, explizite 30
Vgl. Käfer, Kapitalflussrechnungen, 1984, S. 94 ff. und S. 135 ff.; Käfer, Praxis der Kapitalflussrechnung, 1974, S. 51 ff.
III. Kapitalflussrechnung Erfassung der Größe Jahresüberschuss, wird in diesem Fall durch einen Informationsverlust, Streichung des Ausweises der Rücklagenveränderung, kompensiert. Eine tiefer gehende Einbeziehung der Erfolgsrechnung ergibt sich, wenn der Bilanzgewinn durch den Betriebsgewinn und die neutralen Aufwendungen und Erträge ersetzt wird. Verwendet man den Rohertrag als Erfolgsgröße, so sind bereits nahezu alle Positionen der Gewinn- und Verlustrechnung, mit Ausnahme der Materialaufwendungen, der Bestandsveränderungen und der aktivierten Eigenleistungen einzubeziehen. Auch ein vollständiger Ersatz des Gewinns durch die Aufwendungen und Erträge kann für bestimmte Analysezielsetzungen sinnvoll sein (vgl. Abbildung E 27).
Umsatzrechnungen mit Einbeziehung von Erfolgskonten
Teilbruttorechnung
Bruttorechnung
Bewegungsbilanz aus Beständedifferenzen mit zerlegten Gegenbestandskonten und Einbeziehung von Erfolgskonten
Umsatzbilanz (einschließlich Umsätzen auf Erfolgskonten)
Mittelherkunft
Mittelverwendung I.
+
A – P
I.
–
A + P
auf unzerlegten Bestandskonten
auf unzerlegten Bestandskonten
II. Sollumsätze auf zerlegten Gegenbestandskonten
II. Habenumsätze auf zerlegten Gegenbestandskonten
III. Aufwendungen aus Gewinn- und Verlustrechnung
III. Erträge aus Gewinnund Verlustrechnung
Mittelverwendung
Mittelherkunft
I. Sollumsätze auf Aktivbilanzkonten
I. Habenumsätze auf Aktivbilanzkonten
II. Sollumsätze auf Passivbilanzkonten
II. Habenumsätze auf Passivbilanzkonten
III. Sollumsätze auf Erfolgskonten = Auswendungen
III. Habenumsätze auf Erfolgskonten = Erträge
Abb. E 27: Umsatzrechnungen mit Einbeziehung von Erfolgskonten
Aufwendungen aus der Gewinn- und Verlustrechnung stellen Mittelverwendung, Erträge dagegen Mittelherkunft dar.
6. Fondsrechnung Unter einem Fonds wird die Zusammenfassung bestimmter Aktiv- und Passivkonten zu einer buchhalterischen Einheit verstanden.31 Diese Einheit wird dann in ihrer Gesamtheit durch Zu- und Abflüsse verändert. In einem Fonds sollen die Vermögensanteile (allgemeiner auch als Nutzenpotenziale bezeichnet) zusammengefasst werden, die einem bestimmten gemeinsamen Zweck dienen. Ihnen werden die Passiva (Restriktionen) gegenübergestellt, die dem Fonds zukünftig Mittel entziehen. Der Saldo aus den 31
Vgl. Käfer, Kapitalflussrechnungen, 1984, S. 41; Kosiol, Erfolgsrechnung, 1970, S. 158.
719
720
E. Finanzanalyse Aktiven (Nutzungspotenzial des Fonds) und den angeordneten Passiven (Restriktionen) ergibt den Fondsbestand. Dieser stellt die zur Erfüllung des Fondszwecks verfügbaren Mittel dar.32 Der Fondsdefinition entsprechend zerfallen die Bilanzkonten in Fondskonten (Af = aktive Fondskonten; Pf = passive Fondskonten) und in Gegenbestandskonten, das sind Konten, die nicht zum Fonds gehören (Ag = aktive Gegenbestandskonten). Der Saldo der Fondsänderung kann demnach sowohl durch die Fondsnachweisrechnung als auch durch die Gegenbeständerechnung ermittelt werden (vgl. Abbildung E 28).
Abb. E 28: Darstellung des Zusammenhangs von Fondsnachweisrechnung und Gegenbeständerechnung
Mithilfe der Fondsrechnung lassen sich aufzeigen 1. die absolute Änderung des Fondsbestands; 2. die Veränderung der einzelnen Fondskonten und damit Veränderungen in der Struktur der Fonds im Rahmen der Fondsnachweisrechnung; 3. die Quellen der Fondsmittelzuflüsse und die Verwendung der aus dem Fonds abgeflossenen Mittel im Rahmen der Gegenbeständerechnung, auch Ursachenrechnung genannt.33 32 33
Vgl. Eisenführ, Jahresabschlussrechnungen, 1967, S. 98. Vgl. Lachnit, Zeitraumbilanzen, 1972, S. 193 f.
III. Kapitalflussrechnung Dabei können Fonds sowohl aus Kapitalflussrechnungen, die aus Bestandsgrößen gewonnen werden, als auch aus Kapitalflussrechnungen, die teilweise oder ganz auf Kontenumsätzen aufbauen, ausgeschieden werden. Üblich ist die Bildung eines Fonds als eine Art Finanzmittel-Bestand. Je nach Umfang der erfassten Aktiva und der ihnen angeordneten Passiva lassen sich unterscheiden (vgl. Abbildung E 29):
Abb. E 29: Übersicht über Fondszusammensetzungen
1. Geldfonds (Cash Fund), 2. Fonds der flüssigen Mittel, 3. Fonds der bald netto verfügbaren Geldmittel, 4. Fonds des Reinumlaufvermögens (Net Working Capital Fund). Der Geldfonds setzt sich aus den Zahlungsmitteln, d. h. Kasse, Bank- und Postscheckguthaben zusammen. Beim Fonds der flüssigen Mittel treten zu den Zahlungsmitteln noch leicht verwertbare Wertpapiere hinzu. Aufgrund der leichteren Verständlichkeit, der Bewertungsfreiheit der Fondsveränderungen sowie der besonderen Eignung zur retrospektiven Liquiditätskontrolle ist eine Beschränkung des Fonds auf Zahlungsmittel und Zahlungsmitteläquivalente sinnvoll.34 Der Einbezug der leicht veräußerbaren Wertpapiere erfordert indes ergänzende Erläuterungen über die exakten Abgrenzungskriterien. Die Summe der Veränderungen dieser Positionen ergibt die Fondsveränderung, ermittelt als Fondsnachweisrechnung. Die gleiche Fondsänderung muss sich aus der jeweiligen Gegenbeständerechnung ergeben (vgl. Abbildung E 30).
34
Vgl. u. a. Kloock, Kapitalflussrechnung, 1979, S. 469 ff.
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E. Finanzanalyse I.
Geldbeschaffung a) Zunahme der Passivpositionen b) Abnahme der Aktivpositionen, die nicht Teil des Geldfonds (bzw. Fonds der flüssigen Mittel) sind
./. II. Geldverwendung a) Abnahme der Passivpositionen b) Zunahme der Aktivpositionen, die nicht Teil des Geldfonds (bzw. Fonds der flüssigen Mittel) sind =
Veränderung des Geldfonds (bzw. Fonds der flüssigen Mittel)
Abb. E 30: Veränderung des Geldfonds (bzw. Fonds der flüssigen Mittel) nach der Gegenbeständerechnung
Der Fonds der bald netto verfügbaren Geldmittel beinhaltet neben den flüssigen und geldverwandten Mitteln noch die kurzfristigen Forderungen und Verbindlichkeiten mit einer Restlaufzeit von d 1 Jahr sowie die kurzfristigen Rückstellungen. Die Zurechnung von Bilanzpositionen zu kurzfristigen Forderungen und kurzfristigen Verbindlichkeiten bei der Ermittlung dieses Fonds hat sich nach dem Bilanzrichtlinien-Gesetz von 1985 vereinfacht. Die Angabepflicht für Forderungen und Verbindlichkeiten mit einer Restlaufzeit > 1 Jahr gemäß § 268 Abs. 4 und 5 HGB ermöglicht eine fristenbezogene Zuordnung auf beiden Bilanzseiten. Umstritten bleibt die Einbeziehung der Forderungen und Verbindlichkeiten gegenüber verbundenen Unternehmen und solchen, mit denen ein Beteiligungsverhältnis besteht (§ 266 Abs. 2, Positionen B II 2 und B II 3, sowie Abs. 3, Positionen C 6 und C 7). Für die Einbeziehung spricht, dass es sich hierbei im Allgemeinen um Forderungen und Verbindlichkeiten handelt, die aus einem Lieferungs- und Leistungsverhältnis resultieren, und dass sich auch hier der Anteil mit einer Restlaufzeit von d 1 Jahr isolieren lässt.35 Andererseits ist nicht davon auszugehen, dass diesen Positionen derselbe Liquidierungszwang zu eigen ist wie den Forderungen und Verbindlichkeiten gegenüber fremden Unternehmen. Die Position B II 4, sonstige Vermögensgegenstände, sollte in diesen Fonds der bald netto verfügbaren Geldmittel aufgenommen werden, sofern ihr der Charakter kurzfristiger Forderungen nicht abgesprochen werden kann. Zum Fonds des Reinumlaufvermögens (Fonds des Netto-Umlaufvermögens) gehören alle Aktiva, die sich innerhalb eines Jahres in Geld verwandeln, abzüglich aller Verbindlichkeiten, die innerhalb eines Jahres zu decken sind. Dieser Fonds wird in der anglo-amerikanischen Literatur unter der Bezeichnung Working Capital Fund bzw. Net Working Capital Fund häufig verwendet. Die finanzwirtschaftliche Interpretation dieses Fonds deckt sich weit gehend mit der Bedeutung der Kennzahl Working Capital. Der Wert des Fonds respektive der Kennzahl gibt zum einen an, ob die kurzfristig liquidierbaren Vermögensteile die kurzfristigen Verbindlichkeiten abdecken, sowie zum anderen, wie viel darüber hinaus an kurzfristigen Vermögensteilen langfristig sind und inwieweit damit ein Liquiditäts- und Finanzierungsspielraum besteht. Die Kapitalflussrechnung weist jedoch im Gegensatz zur Kennzahl Working Capital die Veränderungsursachen auf.
35
Vgl. von Wysocki, Kapitalflussrechnung als integrierter Bestandteil, 1971, S. 622 f.
III. Kapitalflussrechnung Für das im Abschnitt E III 3 verwendete Bilanzbeispiel weist die Kapitalflussrechnung (Gegenbeständerechnung) mit ausgeschiedenem Fonds des Reinumlaufvermögens die Form gemäß Abbildung E 31 auf. I.
Herkunft langfristiger Mittel (Fondsmittelbeschaffung) Kapitaleinlagen langfristige Schuldenaufnahme Cashflow Summe Fondsmittel
./. II. Verwendung von Mitteln für langfristige Kapitalbindung (Fondsmittelverwendung) Kapitalminderungen – Gewinnausschüttung Investitionen in Sach- und Finanzanlagen – Bruttoinvestitionen Tilgung langfristiger Schulden Summe Fondsmittelverwendung Veränderung des Fonds des Reinumlaufvermögens (Working Capital Fund)
1000 € – 31 924 955
167 1155 – 1322
./. 367
Abb. E 31: Beispiel für eine Kapitalflussrechnung mit ausgeschiedenem Fonds des Reinumlaufvermögens
Die gleiche Fondsveränderung muss sich bei Ermittlung über die Fondsnachweisrechnung ergeben (vgl. Abbildung E 32).
Die Ausgliederung eines Fonds legt einen zweiteiligen Aufbau einer Kapitalflussrechnung nahe. Sie besteht aus dem Finanzmittelnachweis sowie dem Investitionsund Finanzierungsnachweis. Der Finanzmittelnachweis zeigt die Zusammensetzung des Fonds, seinen Anfangs- und Endbestand sowie die Veränderungen während der Rechnungsperiode. In dem Investitions- und Finanzierungsnachweis werden dagegen die Ursachen für die Fondsveränderung gezeigt. Damit kommt der Gliederung des Investitions- und Finanzierungsbereichs große Bedeutung zu. Grundsätzlich kann die Gliederung entweder nach dem Finanzfluss- oder dem Bereichsaspekt erfolgen.
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E. Finanzanalyse I.
Verwendungsnachweis von Fondszuflüssen Aufstockung von Vorräten Kauf eigener Aktien Erhöhung der Forderungen gegenüber verbundenen Unternehmen Abbau von Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen Summe Fondsmittelzugänge
./. II. Herkunftsnachweis von Fondsmittelabgängen Verringerung der Forderungen aus Lieferungen und Leistungen Verringerung flüssiger Mittel Verringerung sonstiger Vermögensgegenstände des UV Erhöhung der Verbindlichkeiten gegenüber verbundenen Unternehmen Erhöhung der sonstigen Verbindlichkeiten Summe Fondsmittelverringerung Veränderung des Fonds des Reinumlaufvermögens (Working Capital Fund)
1000 € 75 40 1 142 258
10 364 56 55 140 625
./. 367
Abb. E 32: Beispiel für eine Fondsnachweisrechnung
Sofern der Finanzflussaspekt36 betont werden soll, werden zunächst Mittelherkunft und Mittelverwendung zusammengefasst und dann nach Bereichen gegliedert. Wird dagegen den betrieblichen Funktionen Leistungserstellung, Investition und Finanzierung Priorität eingeräumt, werden zunächst dementsprechende Bereiche gebildet und daran anschließend nach Mittelherkunft und Verwendung aufgeteilt (vgl. auch Abschnitt E III 7). Die Bereichsgliederung nach betrieblichen Funktionsbereichen entspricht den Anforderungen des FASB-Statement No. 95 „Statement of Cashflows“. Jeder der drei Bereiche lässt sich weiter sinnvoll untergliedern. In den Erläuterungen zu dem FASBStatement No. 95 ist daher keine abschließende Aufzählung enthalten. Der Bereich der laufenden Geschäftstätigkeit wird in Vorgänge aus betrieblicher Tätigkeit, aus Finanztätigkeit und in außerordentliche Vorgänge untergliedert. Dem Investitionsbereich werden alle Aktivitäten im Finanzinvestitions- und dem Leistungsbereich zugeordnet. Der Finanzierungsbereich wird in Eigen-, Verbund-, Fremd- und sonstige Finanzierung untergliedert (vgl. auch Abschnitt E III 7). Von der Systematik her werden in dem Investitions- und Finanzierungsbereich nur diejenigen Geschäftsvorfälle erfasst, deren Buchung auf ein Fondskonto und deren Gegenbuchung auf einem Nichtfondskonto erfolgt. Somit würden Bestandsumschichtungen innerhalb des Fonds, wie z. B. der Erwerb einer Beteiligung gegen Ausgabe von Aktien oder eine Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln, nicht ausgewiesen werden, obwohl sie für die Investition und Finanzierung des Unternehmens von großer Bedeutung sind. Daher empfiehlt es sich, derartige Vorgänge entweder direkt in die Kapitalflussrechnung aufzunehmen oder in einer Nebenrechnung zu erfassen. Kapitalflussrechnungen mit ausgeschiedenen Fonds sind zur Liquiditätsbeurteilung einer Unternehmung besser geeignet als Rechnungen ohne Fondsbildung. Die Aus36
Diese Bereichsgliederung entspricht der Stellungnahme des IDW, HFA 1/1978, 1978 S. 207 ff.
III. Kapitalflussrechnung sagekraft einer Fondsänderung oder eines Fondsbestandes kann durch Kombination mit anderen Daten gesteigert werden. So kann z. B. die Fondsänderung zum Fondsbestand, dieser wiederum zu anderen Bestandsgrößen, wie bspw. dem Gesamtkapital, in Beziehung gesetzt werden. Außerdem besteht die Möglichkeit zum 1. Vergleich der Entwicklung des Fonds über mehrere Jahre hinweg; 2. Vergleich der entsprechenden Fonds ähnlicher Unternehmen (gleicher Größe und Branche); 3. Vergleich des Fondsbestandes mit den geschätzten Ausgaben der folgenden Rechnungsperiode. Bei externer Analyse darf jedoch nicht übersehen werden, dass eine auf den veröffentlichten Daten aufbauende Kapitalflussrechnung nicht mehr Informationen bieten kann als in Bilanz, Gewinn- und Verlustrechnung und Geschäftsbericht enthalten sind und wie sie weit gehend auch durch eine Kennzahlenanalyse erschlossen werden können. Der Aussagewert der Kapitalflussrechnung beschränkt sich bei externer Analyse letzten Endes darauf, durch entsprechende Gliederungen und Zusammenfassungen die interessierenden Tatbestände hervorzuheben und so deren Beurteilung zu erleichtern. Um zu Informationen zu gelangen, die nicht im Jahresabschluss enthalten sind, ist die Einbeziehung von Kontenumsätzen in die Kapitalflussrechnung erforderlich, was bei interner Rechnungserstellung leicht möglich ist. Die derzeit in den Geschäftsberichten deutscher Aktiengesellschaften freiwillig veröffentlichten Kapitalflussrechnungen bauen auf Bestandsveränderungen auf und beziehen keine Kontenumsätze mit ein. Diese meist in Form von „Finanzierungsrechnungen“ erstellten Kapitalflussrechnungen geben daher keine Information, die ein kundiger Leser nicht auch aus Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung durch Berechnung selbst ermitteln könnte.
7. Aufstellungs- und Publizitätspflicht In Deutschland wurde die Kapitalflussrechnung auch nach der Reform der Rechnungslegungsvorschriften durch das Bilanzrichtlinien-Gesetz von 1985 kein Pflichtbestandteil des Jahresabschlusses. Allerdings hat das IDW bereits 1978 empfohlen, den Jahresabschluss um eine Kapitalflussrechnung zu ergänzen.37 1990 veröffentlichte der Arbeitskreis Finanzierungsrechnung der Schmalenbach-Gesellschaft38 weitergehende Empfehlungen zur Ausgestaltung von Finanzierungsrechnungen. Obwohl zu diesem Zeitpunkt nur wenige Unternehmen diesen Empfehlungen gefolgt sind, veröffentlichten vor allem große Aktiengesellschaften in zunehmendem Maße freiwillig Kapitalflussrechnungen.39 Im angelsächsischen Bereich besteht dagegen seit mehreren Jahren eine Pflicht zur Aufstellung und Publizität von Kapitalflussrechnungen. In den USA hat das Accounting Principles Board (APB) 1971 mit der Opinion No. 19 „Reporting Changes in Financial Positions“ die Aufstellung und Publizität von Kapitalflussrechnungen für publizitäts37 38 39
Vgl. IDW, HFA 1/1978, 1978, S. 207 ff. Vgl. Buchmann, Chmielewicz, Finanzierungsrechnung, 1990. Vgl. Haller, Jakoby, Verbreitung und Entwicklungsstand der Finanzierungsrechnung in Deutschland, 1994, S. 641.
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E. Finanzanalyse pflichtige Unternehmen zur Pflicht gemacht. Aufgrund der, in der Praxis sehr unterschiedlich gehandhabten, Fondsabgrenzung und der damit einhergehenden stark eingeschränkten Vergleichbarkeit von Kapitalflussrechnungen ersetzte das Financial Accounting Standards Board (FASB 1987 die Opinion No. 19 durch das Statement No. 95 „Statement of Cash-Flows“ (SFAS 95). Danach ist die Kapitalflussrechnung auf Basis der flüssigen Mittel aufzustellen und in den Bereich der betrieblichen Tätigkeit, den Investitionsbereich sowie den Finanzierungsbereich zu gliedern.40 In Großbritannien gab das Accounting Standards Board (ASB) 1991 den Financial Reporting Standard No. 1 (FRS 1) heraus, der von publizitätspflichtigen Unternehmen ein Cash Flow Statement verlangt. Dieser Standard wurde 1996 überarbeitet. Auf internationaler Ebene empfiehlt das International Accounting Standards Board (IASB)) – vormals International Accounting Standards Committee (IASC) – in seinem International Accounting Standard No. 7 „Cash Flow Statements“ (IAS 7) von 1992, letztmals angepasst 2009, ebenfalls eine Kapitalflussrechnung in Anlehnung an die US-amerikanische Richtlinie.41 IDW und Schmalenbach-Gesellschaft haben diesen Entwicklungen in ihrer gemeinsamen Stellungnahme SG-HFA 1/1995 Rechnung getragen.42 Der Vorschlag sieht für die Kapitalflussrechnung alternativ ein direktes und ein indirektes Vorgehen zur Ermittlung des Finanzmittelbestandes am Ende der Periode vor. In beiden Fällen ist die Unterscheidung der Mittelflüsse aus laufender Geschäftstätigkeit, aus der Investitionstätigkeit und aus der Finanzierungstätigkeit wesentlich. Mit der Verabschiedung des Kapitalaufnahmeerleichterungsgesetzes (KapAEG) im Jahr 1998 wurde börsennotierten Unternehmen mit § 292 a HGB die Möglichkeit eingeräumt, einen befreienden Konzernabschluss nach international anerkannten Rechnungslegungsstandards, das heißt IFRS oder US-GAAP, zu erstellen,43 die durch die Regelung des § 315a HGB abgelöst wurde. Danach sind kapitalmarktnahe Unternehmen verpflichtet die Internationalen Konzernrechnungslegungsnormen anzuwenden. In diesem Fall ist eine Kapitalflussrechnung nach den jeweiligen Standards, also IAS 7 oder SFAS 95, unabdingbar. Sowohl nach IAS 7 als auch nach SFAS 95 ist das Statement of Cashflows neben Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung wesentlicher Bestandteil des zu veröffentlichenden Konzernabschlusses. Zudem trat 1998 das Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG) in Kraft. Danach wurde der Konzernanhang börsennotierter Mutterunternehmen um eine verpflichtende Kapitalflussrechnung erweitert (§ 297 Abs. 1 HGB).44 Inhalte, Aufstellungsgrundsätze und Darstellung werden im HGB jedoch nicht näher ausgeführt. Mit dieser Aufgabe wurde das 1998 mit der Einführung des § 342 HGB neu konstituierte Deutsche Rechnungslegungs Standards Committee (DRSC) betraut. Dieses privatrechtliche Rechnungslegungsgremium hat die Aufgabe, Grundsätze für eine ordnungsgemäße Konzernrechnungslegung zu entwickeln, das Bundesjustizministerium (BMJ) bei der Entwicklung von Rechnungslegungsvorschriften zu beraten und Deutschland in internationalen Rechnungsle-
40 41
42 43
44
Vgl. KPMG (Hrsg.), Rechnungslegung nach US-amerikanischen Vorschriften, 2007, S. 163 ff. Vgl. Coenenberg, Haller, Schultze, Jahresabschluss und Jahresabschlussanalyse, 2009, S. 787 ff.; Pellens, Fülbier, Gassen, Sellhorn, Internationale Rechnungslegung, 2014, S. 179 ff. Vgl. IDW, HFA 1/1995, 1995. Vgl. Böcking, Orth, Neue Vorschriften zur Rechnungslegung und Prüfung durch das KonTraG und das KapAEG, 1998, S. 1241. Vgl. Busse von Colbe, Internationalisierung der Konzernrechnungslegung börsennotierter Mutterunternehmen durch das KapAEG und das KonTraG, 1999, S. 466 f.
III. Kapitalflussrechnung gungsgremien zu vertreten.45 Zur Ermittlung, Festsetzung und Auslegung deutscher Rechnungslegungsstandards hat das DRSC einen Standardisierungsrat (DSR) eingesetzt. Von diesem wurde am 04.02.2014 der Deutsche Rechnungslegungsstandard Nr. 21 „Kapitalflussrechnung“ (DRS 21) verabschiedet, der die Grundsätze zur Erstellung einer Kapitalflussrechnung enthält und so den außer Kraft getretenen DRS 2 ersetzt. Auch nach DRS 21 kann der Cashflow aus laufender Geschäftstätigkeit nach der direkten Methode, das heißt durch die unsaldierte Angabe von Ein- und Auszahlungen, oder nach der indirekten Methode, also anhand einer korrektiven Überleitungsrechnung vom Periodenergebnis aus, dargestellt werden. Gegenüber den internationalen Standards weist DRS 21 keine Besonderheiten auf, im Detail gehen die Anforderungen allerdings über die internationalen Regelungen hinaus. Damit ist auch die weitestgehende Kompatibilität mit IAS 7 und SFAS 95 gewährleistet. In Abbildung E 34 sind die direkte und indirekte Methode gegenübergestellt, die sich – abgesehen von der Nummerierung der aufgeführten Positionen – lediglich in der Ermittlung des Mittelzuflusses/-abflusses aus der laufenden Geschäftstätigkeit unterscheiden. Eine Besonderheit der Regelungen des Standardisierungsrates ist, dass der Standard branchenspezifische Regelungen für die Kapitalflussrechnung von Kredit- und Finanzdienstleistungsinstituten wie auch von Versicherungsunternehmen enthält, die den jeweiligen Besonderheiten der Geschäftsmodelle Rechnung tragen. Das im Juli 2002 verabschiedete Transparenz- und Publizitätsgesetz (TransPuG) erweitert nun zum einen den Kreis der zur Offenlegung einer Kapitalflussrechnung verpflichteten Unternehmen, zum anderen wird dadurch auch die Bedeutung der Kapitalflussrechnung weiter hervorgehoben. So gilt eine diesbezügliche Berichtspflicht nach TransPuG für Geschäftsjahre nach dem 31.12.2002 für alle kapitalmarktorientierten Unternehmen, was den früheren Anwendungskreis der börsennotierten Unternehmen deutlich erweitert. Des Weiteren wird der Kapitalflussrechnung dadurch eine verstärkte Bedeutung zugesprochen, dass sie ab diesem Zeitpunkt als eigenständiger Bestandteil des Konzernabschlusses und nicht mehr nur als Teil der Anhangangaben zu veröffentlichen ist.46 Für Unternehmen des Prime Standards ist die Erstellung von Konzernabschlüssen nach internationalen Standards (IFRS, US-GAAP) generell Pflicht (vgl. Abschnitt C I). 1. Einzahlungen von Kunden für den Verkauf von Erzeugnissen, Waren und Dienstleistungen 2. – Auszahlungen an Lieferanten und Beschäftigte 3. + Sonstige Einzahlungen, die nicht der Investitions- oder Finanzierungstätigkeit zuzuordnen sind 4. – Sonstige Auszahlungen, die nicht der Investitions- oder Finanzierungstätigkeit zuzuordnen sind
45 46
1. Periodenergebnis (Konzernjahresüberschuss/-fehlbetrag einschließlich Ergebnisanteile anderer Gesellschafter) 2. +/– Abschreibungen/Zuschreibungen auf Gegenstände des Anlagevermögens 3. +/– Zunahme/Abnahme der Rückstellungen 4. +/– Sonstige zahlungsunwirksame Aufwendungen/Erträge
Vgl. Baetge, Das „Deutsche Rechnungslegungs Standards Committee“ (DRSC), 2001, S. 770. Vgl. Küting, Dürr, Die „neuen“ Rechenwerke des TransPuG, 2002, S. 985 f.
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E. Finanzanalyse 5. +/– Ein- und Auszahlungen aus außerordentlichen Posten 6. –/+ Ertragssteuerzahlungen
5. –/+ Zunahme/Abnahme der Vorräte, der Forderungen aus Lieferungen und Leistungen sowie anderer Aktiva, die nicht der Investitions- oder Finanzierungstätigkeit zuzuordnen sind 6. +/– Zunahme/Abnahme der Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen sowie anderer Passiva, die nicht der Investitions- oder Finanzierungstätigkeit zuzuordnen sind 7. –/+ Gewinn/Verlust aus dem Abgang von Gegenständen des Anlagevermögens 8. +/– Zinsaufwendungen/Zinserträge 9. – Sonstige Beteiligungserträge 10. +/– Aufwendungen/Erträge aus außerordentlichen Posten 11. +/– Ertragssteueraufwand/-ertrag 12. +/– Ein- und Auszahlungen aus außerordentlichen Posten 13. –/+ Ertragssteuerzahlungen
7. = Mittelzufluss/-abfluss aus laufender Geschäftstätigkeit
14. = Mittelzufluss/-abfluss aus laufender Geschäftstätigkeit
8. + Einzahlungen aus Abgängen von Gegenständen des immateriellen Anlagevermögens 9. – Auszahlungen für Investitionen in das immaterielle Anlagevermögen 10. + Einzahlungen aus Abgängen von Gegenständen des Sachanlagevermögens 11. – Auszahlungen für Investitionen in das Sachanlagevermögen 12. + Einzahlungen aus Abgängen von Gegenständen des Finanzanlagevermögens 13. – Auszahlungen für Investitionen in das Finanzanlagevermögen 14. + Einzahlungen aus Abgängen aus dem Konsolidierungskreis 15. – Auszahlungen für Zugänge zum Konsolidierungskreis 16. + Einzahlungen aufgrund von Finanzmittelanlagen im Rahmen der kurzfristigen Finanzdisposition 17. – Auszahlungen aufgrund von Finanzmittelanlagen im Rahmen der kurzfristigen Finanzdisposition 18. +/– Ein- und Auszahlungen aus außerordentlichen Posten 19. + Erhaltene Zinsen 20. + Erhaltene Dividenden
15. Einzahlungen aus Abgängen von Gegenständen des immateriellen Anlagevermögens 16. – Auszahlungen für Investitionen in das immaterielle Anlagevermögen 17. + Einzahlungen aus Abgängen von Gegenständen des Sachanlagevermögens 18. – Auszahlungen für Investitionen in das Sachanlagevermögen 19. + Einzahlungen aus Abgängen von Gegenständen des Finanzanlagevermögens 20. – Auszahlungen für Investitionen in das Finanzanlagevermögen 21. + Einzahlungen aus Abgängen aus dem Konsolidierungskreis 22. – Auszahlungen für Zugänge zum Konsolidierungskreis 23. + Einzahlungen aufgrund von Finanzmittelanlagen im Rahmen der kurzfristigen Finanzdisposition 24. – Auszahlungen aufgrund von Finanzmittelanlagen im Rahmen der kurzfristigen Finanzdisposition 25. +/– Ein- und Auszahlungen aus außerordentlichen Posten 26. + Erhaltene Zinsen 27. + Erhaltene Dividenden
III. Kapitalflussrechnung 21. = Mittelzufluss/-abfluss aus der Investitionstätigkeit
28. = Mittelzufluss/-abfluss aus der Investitionstätigkeit
22. + Einzahlungen aus Eigenkapitalzuführungen von Gesellschaftern des Mutterunternehmens 23. + Einzahlungen aus Eigenkapitalzuführungen von anderen Gesellschaftern 24. – Auszahlungen aus Eigenkapitalherabsetzungen an Gesellschafter des Mutterunternehmens 25. – Auszahlungen aus Eigenkapitalherabsetzungen an die anderen Gesellschafter 26. + Einzahlungen aus der Begebung von Anleihen und der Aufnahme von (Finanz-)Krediten 27. – Auszahlungen aus der Tilgung von Anleihen und (Finanz-)Krediten 28. + Einzahlungen aus erhaltenen Zuschüssen/Zuwendungen 29. +/– Ein- und Auszahlungen aus außerordentlichen Posten 30. – Gezahlte Zinsen 31. – Gezahlte Dividenden an Gesellschafter des Mutterunternehmens 32. – Gezahlte Dividenden an andere Gesellschafter
29. + Einzahlungen aus Eigenkapitalzuführungen von Gesellschaftern des Mutterunternehmens 30. + Einzahlungen aus Eigenkapitalzuführungen von anderen Gesellschaftern 31. – Auszahlungen aus Eigenkapitalherabsetzungen an Gesellschafter des Mutterunternehmens 32. – Auszahlungen aus Eigenkapitalherabsetzungen an andere Gesellschafter 33. + Einzahlungen aus der Begebung von Anleihen und der Aufnahme von (Finanz-)Krediten 34. – Auszahlungen aus der Tilgung von Anleihen und (Finanz-)Krediten 35. + Einzahlungen aus erhaltenen Zuschüssen/Zuwendungen 36. +/– Ein- und Auszahlungen aus außerordentlichen Posten 37. – Gezahlte Zinsen 38. – Gezahlte Dividenden an Gesellschafter des Mutterunternehmens 39. – Gezahlte Dividenden an andere Gesellschafter
33. = Mittelzufluss/-abfluss aus der Finanzierungstätigkeit
40. = Mittelzufluss/-abfluss aus der Finanzierungstätigkeit
34. Zahlungswirksame Veränderungen des Finanzmittelfonds (Summe aus Zeile 7, 21, 33) 35. +/– Wechselkurs- und bewertungsbedingte Änderungen des Finanzmittelfonds 36. +/– Konsolidierungskreisbedingte Änderungen des Finanzmittelfonds 37. + Finanzmittelfond am Anfang der Periode
41. Zahlungswirksame Veränderungen des Finanzmittelfonds (Summe aus Zeile 14, 28, 40) 42. +/– Wechselkurs- und bewertungsbedingte Änderungen des Finanzmittelfonds 43. +/– Konsolidierungskreisbedingte Änderungen des Finanzmittelfonds 44. + Finanzmittelfond am Anfang der Periode
26. = Finanzmittelfond am Ende der Periode
29. = Finanzmittelbestand am Ende der Periode
Abb. E 33: Gliederung der Kapitalflussrechnung nach der direkten und der indirekten Methode gemäß DRS 21
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E. Finanzanalyse
Weiterführende Literatur zur Kapitalflussrechnung Besley, S.; Brigham, E. F.: Principles of Finance, Mason 2012. Busse von Colbe, W.: Finanzflussrechnungen als Grundlage für Finanzierungsentscheidungen, in: Gebhard, G., Gerke, W., Steiner, M. (Hrsg.), Handbuch des Finanzmanagements, München 1993, S. 25–42. Busse von Colbe, W.: Konzernabschlüsse, 9. Auflage, Wiesbaden 2010. Coenenberg A. G.; Haller, A.; Schultze, W.: Jahresabschluss und Jahresabschlussanalyse, 24. Auflage, Stuttgart 2016. Eiselt, A.; Müller, St.: IFRS: Kapitalflussrechnung: Darstellung und Analyse von Cashflows und Zahlungsmitteln, 2. Auflage, Berlin 2014. Grün, D. J.; Riebell, C.: Cash-Flow, Bewegungsbilanz und Kapitalflussrechnung. Instrumente zur Analyse des Jahresabschlusses, 4. Auflage, Köln 2003. Schrader, C.: Die Kapitalflussrechnung als Abbildung der Finanzlage, Frankfurt a. M. 1999. Sonnabend, M.: Kapitalflussrechnung nach IFRS. Anforderungen und Gestaltungsmöglichkeiten, München 2006. Wieser, A.: Die Kapitalflussrechnung in Theorie und Praxis der neueren Rechts- und Betriebswirtschaftslehre, Wien 2003. von Wysocki, K.: Kapitalflussrechnung, Stuttgart 1998.
Fragen zur Kapitalflussrechnung 1. Nach welchen Gesichtspunkten lassen sich Kapitalflussrechnungen klassifizieren? 2. Worin sind die wesentlichen Unterschiede zwischen einer Beständedifferenzenbilanz und einer Bewegungsbilanz zu sehen? 3. Was versteht man unter einer Teilbruttorechnung? Kann diese auch bei externer Analyse aufgestellt werden? 4. Welche zusätzlichen Informationen lassen sich durch Einbeziehung von Erfolgskonten in Kapitalflussrechnungen erzielen? 5. Erläutern Sie den Unterschied zwischen Fondsnachweisrechnung und Gegenbeständerechnung! Stellen Sie die Verbindung zu den Berechnungsmöglichkeiten des Cashflow her! 6. Beurteilen Sie den Informationswert der verschiedenen Formen der Kapitalflussrechnung bei externer Beurteilung der Liquidität aufgrund von Jahresabschlussdaten!
F
Finanzplanung
Kapitelübersicht I. Begriff und Wesen der Finanzplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Planung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Organisation der Planung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Planungs- und Budgetierungsgrundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Stellung der Finanzplanung und Budgetierung im Rahmen der Gesamtplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Aufgaben und Ablauf der Finanzplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Formen und Arten der Finanzplanungsrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
733 734 735 738
II. Prognosemethoden im Rahmen der Finanzplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Subjektive Planzahlenbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Extrapolierende Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Kausale Prognosen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
744 745 746 758
III. Kapitalbedarfsplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Prognoseplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Standardfinanzplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
761 761 766
IV. Liquiditätsplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
768
V. Integrierte Finanzplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
773
VI. Plananpassung und Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Weiterführende Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
779 779
739 740 741
I. Begriff und Wesen der Finanzplanung Lernziele dieses Kapitels x Planung bedeutet die gedankliche Vorwegnahme (Prognosefunktion) und aktive Gestaltung zukünftiger Ereignisse (Gestaltungsfunktion). x Bezüglich der Organisation der Planung lassen sich vier Stufen unterscheiden: Grundsatzplanung, strategische Planung, operative Planung sowie taktische Planung. Während in ersterer die Unternehmenskonzeption festgelegt wird, können die letzteren drei unter dem Oberbegriff Maßnahmenplanung zusammengefasst werden. x Um die Zielerreichung und die Ursachen für Zielabweichungen festzustellen, stellt auch die Kontrolle einen wesentlichen Bestandteil des Planungsprozesses dar. x Da Planung schließlich in ein Budget mündet, ist die Budgetierung eine der wesentlichen Ergebnisse des Planungsprozesses, durch das Aufgaben der verschiedenen Abteilungen einer Unternehmung mitdeterminiert werden. x Die Budgetierung kann dabei durch die Unternehmensleitung (autoritäres Budgetwesen) oder in der Zusammenarbeit der Betroffenen (partizipatives Budgetwesen) erfolgen. x Analog zur Aufstellung des Staatshaushaltes lassen sich für das (Budget-)Planungswesen Grundsätze (wie etwa der Grundsatz der Vollständigkeit) identifizieren. x Der Finanzplan besteht aus dem Gesamtfinanzbudget, den Teilbudgets der Organisationseinheiten sowie dem Kapitalbedarfsplan, die über die Planbilanz und die Planerfolgsrechnung mit der Liquiditätsplanung verknüpft sind. x Die zentralen Aufgaben der Finanzplanung sind die Wirtschaftlichkeitsanalyse, die Liquiditätsanalyse (mit dem Ziel der Liquiditätserhaltung) und, auf lange Sicht, die Kapitalbedarfsermittlung. x Bei der passiven Finanzplanung ergibt sich der Finanzplan als Ergebnis anderer Pläne. Geht man davon aus, dass finanzielle Ressourcen begrenzt sind und dass Finanzierungskosten Auswirkungen auf andere Bereiche haben, so liegt eine aktive Finanzplanung vor. x Von einer integrierten Finanzplanung wird bei einer Zusammenfassung der Finanz-, Erfolgs- und Bilanzplanung zu einem Gesamtsystem gesprochen.
Die Finanzplanung, d. h. der Inbegriff aller systematischen Schätzungen, Berechnung und Steuerung der eingehenden und ausgehenden Zahlungsströme, die aufgrund der geplanten Aktivitäten eines Produktionshaushaltes in einem gegebenen Zeitraum zustande kommen sollen, bildet zweifelsohne das Kernstück des Finanzmanagements. Obwohl die Finanzplanung erst seit ungefähr 50 Jahren als Managementtechnik schrittweise ihre heutige Bedeutung erlangt hat, war Planung eigentlich seit jeher die Grundlage gesunder Unternehmenspolitik und -führung. Bereits um 1850 wies einer der Begründer der italienischen Betriebswirtschaftslehre, Francesco Villa, in seinen Büchern „Il Ragioner Perfetto“ und „Elementi di Amministrazione e Contabilità“ auf die Bedeutung der Finanzplanung oder richtiger auf das Budgetwesen hin. Er definiert das Budget als einen Voranschlag, der vor Anfang einer
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F. Finanzplanung Geschäftsperiode die zu erwartenden Einnahmen und Ausgaben, die Kapitalbewegungen und schließlich das Resultat aller Geschäftsaktivitäten festhält.1 Weiterhin weist er darauf hin, dass der Nutzen eines Budgets von der Richtigkeit der Vorkalkulation abhängt. Dass Villa dem Budget große Bedeutung beimaß, dürfte damit zusammenhängen, dass er sich eingehend mit dem Rechnungswesen der öffentlichen Hand beschäftigte. Auch die ersten amerikanischen Veröffentlichungen über das Budgetwesen als Steuerungsinstrument2 leiten die Grundsätze der Budgetierung weitgehend aus den bewährten Regeln für den staatlichen Haushalt ab (sowie aus den Grundsätzen des Scientific Managements). Die erste große Weltwirtschaftskrise ebnete den Weg für die Verbreitung des Budgets in den amerikanischen Unternehmen. Im sogenannten Budgetary Control wurde vor allem ein Instrument zur Rationalisierung und Kostensenkung gesehen.3 In Europa gelangte das betriebliche Budgetwesen erst nach dem Zweiten Weltkrieg verstärkt zur Anwendung.
1. Planung Der Begriff Planung hat im Laufe der Zeit im betriebswirtschaftlichen Schrifttum, aber auch in der Praxis eine Wandlung erfahren, die auf eine Änderung der Planungsfunktion zurückgeführt werden kann. Wurde früher die Planung in erster Linie als Methode der Vorkalkulation und somit als Teil des Rechnungswesens betrachtet, so wird sie heute vorwiegend als Instrument des Managements gesehen. Damit stellt die Planung einen wesentlichen Bestandteil eines unternehmerischen Planungsprozesses dar. Im Gegensatz zu Intuition und Improvisation bedeutet Planung die gedankliche Vorwegnahme und aktive Gestaltung zukünftiger Ereignisse. Es geht um die Reduktion der Unsicherheit und somit der Gefahr, dass Handlungsfolgen vom angestrebten oder erwarteten Wert (negativ) abweichen. Demnach hat im ersten Schritt eine systematische Durchleuchtung der vorhandenen Daten zu erfolgen, welche einerseits der Vergangenheit und der Gegenwart entnommen sind und andererseits sich auf die Zukunft beziehen. Es liegt auf der Hand, dass hierauf begründete Prognosen einen wesentlichen Bestandteil des Planungsprozesses bilden (Prognosefunktion der Planung). Durch Prognosen werden vielfach jedoch nur quantitative Merkmale berücksichtigt. Die Erfassung qualitativer Faktoren erweist sich allerdings häufig als schwierig, wenn nicht unmöglich. In diesem Umfang bleibt die Planung unzureichend. Dennoch ermöglichen eine sorgfältige Analyse des Informationsmaterials und eine gesicherte Prognose (zumindest der quantifizierbaren) relevanten Umweltzustände eine wertvolle Eingrenzung anstehender Handlungsmöglichkeiten und -notwendigkeiten. Hiermit ist die zweite wesentliche Komponente der Planung angesprochen: die Gestaltungsfunktion. Vom Vorausdenker zukünftiger Entwicklungen wird der Mensch zum „Schöpfer seiner Zukunft“. Hier nun wird die jeweilige konstruktive Managementphilosophie bedeutsam. „Jede Planung ist eine Herausforderung zur Gestaltung einer 1 2 3
Villa, Elementi di Amministrazione e Contabilità, 1857, S. 67. McKinsey, Budgetary Control, 1922. Budgetary Control: „The establishment of budgets relating the responsibilities of executives to the requirements of a policy and the continuous comparison of actual with budgeted results, either to secure through individual action the objective of that policy or to provide a basis for its revision.“ Institute of Cost and Management Accountants, Terminology, 1974, S. 13.
I. Begriff und Wesen der Finanzplanung besseren Welt; bei jeder Planung muss deshalb die Fähigkeit und Bereitschaft der Planer gefordert werden, Ziele und/oder Sollwerte auch im Utopischen und Phantastischen zu suchen und zu diskutieren“.4 Wenn man diese Auffassung auf die Unternehmung anwendet, dann bedeutet Planung, aufgrund einer vorgegebenen Managementphilosophie und -konzeption Vorstellungen über zukünftige Aufgaben der Unternehmung zu schaffen, diese Vorstellungen methodisch zu durchdenken, ihre Realisierbarkeit zu überprüfen und schließlich für die Verwirklichung der Vorstellungen, für die man sich entschieden hat, die erforderlichen Sach- und Personalmittel bereitzustellen. Planung umfasst in diesem Sinne folgende Stufen: 1. Vorausschau auf mögliche Umweltkonstellationen und Handlungsweisen, die in der
Betrachtungsperiode realisierbar erscheinen; 2. Festlegung der Handlungsweise zur Realisierung des gesetzten Planungsziels in
Übereinstimmung mit der jeweiligen Managementphilosophie. Die Analyse der betriebswirtschaftlichen Planung wird gemeinhin nach zwei komplementären Gesichtspunkten vorgenommen. Zum einen steht der Planungsprozess und dessen optimale Organisation im Vordergrund; zum anderen wird die Planungsfunktion als integrativer Bestandteil der Managementfunktion gesehen, auf die allgemeine Managementprinzipien anzuwenden sind. In diesem Fall ist die Planung in die Theorie der Unternehmensführung eingebettet.
2. Organisation der Planung Bezüglich der Organisation der Planung lassen sich folgende Stufen des Planungsprozesses unterscheiden (vgl. auch Abbildung F 1):5 1. Grundsatzplanung
Der Grundsatzplanung obliegt die Aufgabe, die Unternehmenskonzeption festzulegen; sie bildet die Basis für alle weiteren Planungsarbeiten. 2. Maßnahmenplanung
Die Maßnahmenplanung hat die Entwicklung von Programmen und Operationen zum Gegenstand und gliedert sich in folgende Kategorien: 2.1. Strategische Planung
Der strategische Plan ist langfristig orientiert. Er legt die Ziele fest, die die Unternehmung auf lange Sicht erreichen möchte, und muss deshalb eine Diagnose der Stärken und Schwachstellen des Unternehmens sowie der Anforderungen der Marktpartner enthalten. Anhand dieser Ergebnisse sind die Strategien zu entwickeln, die zur Erreichung der gestellten Ziele führen sollen. 2.2. Operative Planung
Die operative Planung ist mittelfristig ausgerichtet und hat zur Aufgabe, die „Marschroute“ festzulegen, die sich aus den strategischen Ansätzen ergibt. Das operative Planungsprogramm enthält mittelfristige Prognosen und einen Stufenplan. Letztere legt die Zeiträume fest, in denen die Teilziele erreicht werden sollen. Darüber hinaus dient das Programm der Koordination der Aktivitäten
4 5
Häusler, Planung als Zukunftsgestaltung, 1969, S. 25. Vgl. Koch, Planung, 1975.
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F. Finanzplanung in den einzelnen Unternehmenssektoren sowie einer Quantifizierung der Sachund Personalmittel, die eingesetzt werden müssen. 2.3. Taktische Planung
Gegenstand der taktischen Planung sind diejenigen Aktivitäten, die in der kommenden Geschäftsperiode verwirklicht werden sollen. Die taktische Planung ist folglich kurzfristiger Natur. Ihr Budget ergibt sich im Rahmen des operativen Planungsprogramms und stellt eine Konkretisierung der Pläne dar, die im Programm enthalten sind. Insofern ist es wertmäßiger Ausdruck der Unternehmenspolitik für die fragliche Budgetperiode. Umwelt
Unternehmen intern Managementphilosophie und Managementkonzeption = Zweck des Unternehmens
Langfristige Evolution in der Umwelt
Strategischer Plan
• • Mittelfristige Vorausschau
• • •
Schwachstellendiagnose
Mittelfristiger Plan Auswahl der mittelfristigen Ziele Festlegung der zeitlichen Ziele Koordination der Aktivitäten Abstimmung der erforderlichen Mittel Vorkalkulation der Resultate
Budget Bezifferte Festlegung der Aktivitäten und einzusetzenden Mittel
Kurzfristige Vorausschau
Überprüfung der der Planung zugrunde liegenden Annahmen
Kontrolle Analyse der Abweichungen, korrigierende Maßnahmen
Kontrolle des Gesamtresultats
Abb. F 1: Grundschema des Planungsprozesses
Unabhängig von der Planungskategorie muss feststellbar sein, ob und inwieweit die im Rahmen der Planung gesetzten Ziele erreicht worden sind. Durch die Analyse der Abweichungen können die Ursachen derselben offengelegt und gegebenenfalls korrigierende Maßnahmen ergriffen werden. Somit stellt die Kontrolle einen wesentlichen Bestandteil des Planungsprozesses dar. Dieser ist nicht ein einmaliger, sondern ein sich ständig wiederholender Vorgang. Die Kontrolle der Abweichungen dient also nicht nur der Erklärung, sondern vorrangig der Korrektur der Planungen kommender Geschäftsperioden.
I. Begriff und Wesen der Finanzplanung Da die Planung schließlich in ein Budget mündet, das die Aufgaben der verschiedenen Abteilungen und somit der einzelnen Mitarbeiter fixiert, stellt sich die Frage nach dem Verhalten dieser Mitarbeiter. Im Rahmen der Accounting Theory of Budgeting wird davon ausgegangen, dass Budgets und Kostenstandards bei entsprechender Festlegung motivierend auf die Betroffenen wirken.6 Diese Annahme lässt sich jedoch nicht zweifelsfrei verifizieren. Sie basiert auf den Grundgedanken des Scientific Managements und geht letzten Endes von einem mechanistischen Menschenbild aus. Erst die Forscher des sogenannten „human relations movements“ waren durch die Entwicklung einer Behavioral Theory of Budgeting in der Lage, die Bedingungen für den Einsatz des Budgetwesens als Instrument zur Steigerung der Selbstverantwortung der Mitarbeiter anzugeben. Die Organisation der Planung und Budgetierung bietet die Möglichkeit, einen Mittelweg zwischen Zentralisation und Dezentralisation der Verantwortung zu beschreiten. Beim autoritären Budgetwesen werden Ziele und Vorgaben von der Unternehmensleitung festgelegt und jeder Abteilung die Aufgaben und die zu erreichenden Ziele autoritativ zugewiesen. Die Mitarbeit der Betroffenen beschränkt sich im Wesentlichen auf Informationstransmission. Es liegt auf der Hand, dass sich die Betroffenen nicht notwendigerweise mit den vorgegebenen Zielen identifizieren, dass – wie Argyris nachgewiesen hat – sogar eine Ablehnung bei den Mitarbeitern entstehen kann.7 Demgegenüber beruht das partizipative Budgetwesen auf einer effektiven Zusammenarbeit aller Betroffenen. Es setzt eine genaue und realistische Arbeits- und Verantwortungsteilung voraus. Das Management übt dann seine Ausgleichsfunktion aus, weil es bei möglichen Konflikten zwischen den Interessen von Abteilungen und Funktionsbereichen vermittelt. Das zustande kommende Budget ist dann das Ergebnis kooperativen Zusammenwirkens im Gesamtinteresse der Unternehmung. Es ist gleichsam ein Vertrag, der zwischen allen Betroffenen geschlossen wird und dessen Bedingungen von ihnen zu erfüllen sind. Auf diese Weise wird die Solidarität aller für die Erreichung der gemeinsam vereinbarten Ziele des Unternehmens dokumentiert. Die Einführung des Budgetwesens als Führungsinstrument setzt eine Durchleuchtung der Unternehmensorganisation voraus (Organisational Audit). Ein Budget ist wenig wirksam, wenn es nicht auf der vorhandenen Organisation aufbaut. Grundvoraussetzung für ein funktionierendes Budgetwesen ist daher die Ermittlung der betrieblichen Verantwortungszentren (Responsibility Centers). Unter einem Verantwortungszentrum versteht man eine organisatorische Einheit, die selbständig die ihr obliegenden Aufgaben verwirklicht. Im Rahmen des Budgetwesens werden ihr hierzu Mittel zur Verwendung in eigener Verantwortung zugewiesen (Budget Center). Ein Budget Center oder ein Verantwortungszentrum ist jedoch nicht notwendigerweise ein Profitzentrum.8 Von einem Profitzentrum ist dann die Rede, wenn es sich um Gebilde innerhalb einer Wirtschaftseinheit handelt, die über eine Autonomie verfügen derart, dass sie selbständig handeln können und ihr Anteil am Gesamtergebnis eindeutig identifiziert werden 6 7 8
Vgl. Hofstede, Budget Control, 1970, S. 37. Vgl. Argyris The Impact of Budgets on People, 1952, S. 25. Budget centre: a section of an organization defined for the purposes of budgetary control; profit centre: a division of an organization to which both expenditure and revenue are attributable and in respect of which profitability can be assessed. Vgl. Institute of Cost and Management Accountants, Terminology, 1974, S. 21.
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F. Finanzplanung kann. Durch die Analyse der Verantwortungsbereiche als vorbereitende Phase des Budgetwesens werden oft Unzulänglichkeiten in der Organisationsstruktur offenkundig. Hieraus lässt sich ein zusätzlicher Vorteil des Budgetwesens ableiten, nämlich eine ständige Überprüfung der Effizienz der Organisationsstruktur. Bei organisatorischen Umstrukturierungen und Reorganisation sind jeweils auch die Erfordernisse der Budgetierung und Kostenstellenrechnung zu beachten. Umgliederungen von Verantwortungsbereichen innerhalb einer Budgetperiode beeinträchtigen die Kontrollfunktion.
3. Planungs- und Budgetierungsgrundsätze In Anlehnung an die allgemeinen Planungsgrundsätze und an die von der Finanzwissenschaft für die Aufstellung des Staatshaushaltes entwickelten Grundregeln erscheint es angebracht, auch für das Budget-(Planungs-)wesen der Unternehmung eine Anzahl von Budgetierungsgrundsätzen aufzustellen, deren Einhaltung die Handhabung des Budgets als Führungsinstrument erleichtert. 1. Grundsatz der Vollständigkeit
Alle Vorgänge, die in einem Unternehmen zu Ein- und Auszahlungen führen, müssen im Budget berücksichtigt werden. Ein Budget kann seiner Funktion als Führungsinstrument nur unvollkommen genügen, wenn zahlungswirksame Vorgänge nicht erfasst werden. 2. Grundsatz der Einheit des Budgets
Da für alle Verantwortungszentren bzw. Profitzentren ein eigenes Budget aufgestellt wird, müssen diese Teilbudgets in einem Gesamtbudget (sog. Master Budget) zusammengefasst werden können. Nur die Aufstellung der Gesamtbudgets gibt einen Überblick über die inneren Zusammenhänge und ermöglicht die globale Führung des Unternehmens. Mit anderen Worten: Im Gesamtbudget werden die Teilbudgets aufeinander abgestimmt und konsolidiert. 3. Grundsatz der Zentralisation
Dieser Grundsatz fordert, dass alle Einzahlungen – auch Kreditaufnahmen – zur Deckung sämtlicher Auszahlungen dienen. Hierdurch soll das finanzielle Gleichgewicht der Unternehmung als Ganzes sichergestellt bzw. überwacht werden können (vgl. auch Abschnitt E I 1). 4. Grundsatz der Durchsichtigkeit
Nach diesem Grundsatz ist das Budget so aufzustellen, dass jeder Betroffene in der Unternehmung die geplanten Aktivitäten und seine spezifischen Aufgaben zu erkennen vermag. Gerade dieser Grundsatz soll dazu dienen, die Mitarbeiter zu motivieren und sie zu veranlassen, sich für eine Verwirklichung der gestellten Ziele einzusetzen. 5. Grundsatz der Genauigkeit des Budgets
Die geplanten Aktivitäten und die durch sie auszulösenden Einzahlungen und Auszahlungen müssen auf realistischen Annahmen beruhen. Dient doch das Budgetwesen dazu, Fehlentscheidungen zu vermeiden. Auch in Bezug auf die Kontrolle wirkt die Genauigkeit einer Verschleierung der wahren Gegebenheiten entgegen. 6. Grundsatz der Spezialisierung des Budgets
Dieser Grundsatz fordert, dass Ein- und Auszahlungen ihrer Art und Ursache nach genau zu bestimmen sind. Hierdurch soll feststellbar werden, welche Mittel den
I. Begriff und Wesen der Finanzplanung einzelnen Verantwortungs- und Profitzentren zufließen und welcher Verwendung sie von diesen zugeführt werden. 7. Grundsatz der Periodizität
Nach diesem Grundsatz sollen Budgets periodisch aufgestellt werden. Die Periodizität ist je nach Natur des Teilbudgets verschieden. So können Tages-, Wochen-, Monats-, Vierteljahres-, Jahres- und mehrjährige Budgets aufgestellt werden – je nach Bedürfnis. 8. Grundsatz der materiellen Bedeutung und Wirtschaftlichkeit
Eine uneingeschränkte Anwendung der Grundsätze 1, 5 und 6 könnte unter Umständen hohe Kosten verursachen, ohne dass die zusätzliche Präzision, die dadurch erreicht wird, eine wesentliche Bedeutung für das Geschäfts- und Finanzgebaren der Unternehmung hat. Es ist deshalb erforderlich, Kosten und Nutzen an Vollständigkeit und Genauigkeit abzuwägen. Überwiegen die Kosten gegenüber dem Nutzen, muss man sich mit einem geringeren Grad an Präzision zufriedengeben. Schließlich enthalten betriebswirtschaftliche Budgets immer eine gewisse Unvollkommenheit, da die Zukunft immer zu einem gewissen Grad unsicher ist.
4. Stellung der Finanzplanung und Budgetierung im Rahmen der Gesamtplanung Aus den bisherigen Ausführungen geht hervor, dass der Finanzplan nicht autonom erstellt werden kann, sondern die Interdependenzen zu den übrigen betrieblichen Plänen beachtet werden müssen. Er nimmt jedoch im Vergleich zu anderen Teilplänen eine Sonderstellung ein, weil er eine globale, d. h. auf das Gesamtunternehmen bezogene Planung enthält. In ihm finden die finanzwirtschaftlich relevanten Vorgänge ihren Niederschlag. Er stellt somit das Instrument des betrieblichen Finanzmanagements par excellence dar. Nachstehendes Schaubild soll die Stellung des Finanzbudgets verdeutlichen: Aus dem Schema wird ersichtlich, dass das Finanzbudget faktisch in zwei Teilpläne zerfällt, in den Kapitalbedarfsplan für Investitionen (Investitionsfinanzierungsbudget) und in den Liquiditätsplan (Liquiditätsbudget, Cash Budget), die über die Bilanzplanung und die Planung der Erfolgsrechnung miteinander in Verbindung zu bringen sind. Der Liquiditätsplan konsolidiert alle eingehenden und ausgehenden Zahlungsströme der betreffenden Budgetperiode, wie sie sich aus dem Gesamtbudget, das seinerseits wieder eine Konsolidierung der Teilbudgets ist, ergeben. Dieser Plan ermöglicht also, wie bereits erwähnt, die Überwachung der Zahlungsfähigkeit des Unternehmens. Der Kapitalbedarfsplan (Investitionsfinanzierungsplan) enthält Angaben über die Kapitalbedarfsdeckung für die beabsichtigten Investitionen im Laufe der betreffenden Budgetperiode. Er bildet das Kernstück des Finanzmanagements, denn Investitionen binden i. d. R. Kapital auf lange Zeit und können nicht mehr bzw. nicht ohne Verluste rückgängig gemacht werden. Das Investitionsbudget stellt einen „Ausschnitt“ aus dem langfristigen Investitions- und Kapitalbedarfsplan dar, denn meistens überschreitet der Investitionsvorgang den Zeitraum der kurzfristigen Budgetperiode.
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F. Finanzplanung
Vertriebsbudget
Produktionsbudget
Beschaffungsbudget
Einzahlungen aus Verkäufen, Auszahlungen, die mit dem Vertrieb zusammenhängen
Auszahlungen, die produktionsbezogen sind, entsprechend Produktionsprogrammplanung
Auszahlungen für Personal, Finanzierung, Administration etc.
Gesamtfinanzbudget
Kapitalbedarfsplanung, Investitionsund Finanzierungsbudget
Planbilanz und Planerfolgsrechnung
Liquiditätsplanung, Zahlungsmittelbudget
Abb. F 2: Gesamt- und Teilbudgets
Im Schaubild (Abbildung F 2) geht das Gesamtbudget (Master Budget) aus den Teilbudgets „Vertrieb“, „Produktion“ und „Beschaffung“ hervor. Diese vereinfachte Darstellung darf nicht so verstanden werden, als ob es nur diese Teilbudgets gäbe; es sind weit detailliertere Aufgliederungen möglich. Ferner stellen diese Budgets ihrerseits wieder eine Konsolidierung von Unterteilbudgets dar. Grundsätzlich ist für jedes Verantwortungs- und Profitzentrum ein Budget aufzustellen.
5. Aufgaben und Ablauf der Finanzplanung Entscheidungen über Kapitalbindung (Investitionen) und Kapitalaufbringung (Finanzierung) einer Unternehmung sind sowohl unter dem Rentabilitäts- als auch unter dem Liquiditätsaspekt zu sehen. Die Erfolgsbeurteilung erfolgt auf der Ebene von Aufwendungen und Erträgen (bzw. Kosten und Leistungen). Demgegenüber ergibt sich die Liquidität im Sinne jederzeitiger Zahlungsfähigkeit aus Aus- und Einzahlungen. Zwischen dem Auftreten der einander entsprechenden Erfolgs- und Zahlungsbewegungen besteht häufig eine zeitliche Differenz. So erfolgt z. B. die Mehrzahl der Einzahlungen erst nach Auftreten der zugehörigen Erträge (z. B. Verkäufe auf Ziel), die Auszahlungen dagegen liegen häufig vor den Aufwendungen (z. B. Abschreibung bezahlter Investitionsgüter). Durch dieses zeitliche Auseinanderfallen von Erfolgs- und Zahlungsvorgängen kann sich eine unterschiedliche Beurteilung einer finanzwirtschaftlichen Maßnahme bezüglich der Kriterien Rentabilität und Liquidität ergeben. Zur Wirtschaftlichkeitsanalyse muss daher notwendigerweise die Liquiditätsanalyse und -planung hinzutreten. Liquiditätswirksame Vorgänge können auch ohne entsprechende Erfolgskomponente stattfinden, wie etwa bei Kreditaufnahme oder -tilgung.
I. Begriff und Wesen der Finanzplanung Die in die Liquiditätsplanung und -kontrolle einzubeziehenden Bewegungen können daher sowohl zeitlich als auch sachlich von erfolgswirksamen Vorgängen differieren. Neben der Erhaltung der Liquidität ist es Aufgabe der Finanzplanung, den Kapitalbedarf der Unternehmung auf kurze und lange Sicht zu ermitteln. Tritt bei der Planung ein Kapitalbedarf oder ein Finanzmittelüberschuss auf, so ist unter den verschiedenen Alternativen der Mittelbeschaffung bzw. Mittelanlage die optimale aber gleichzeitig auch realisierbare Alternative der Planung zugrunde zu legen. Es ergibt sich somit folgendes Ablaufschema der Finanzplanung: 1. Erstellung der Finanzprognose; 2. Alternativenplanung, d. h. Ermittlung der alternativen Möglichkeiten der Mittelbe-
schaffung bzw. Mittelanlage; 3. Planausgleich und -feststellung, durch Einbeziehung der als optimal erkannten
Alternativen; 4. Plankontrolle, Ermittlung von Planabweichungen durch Soll-Ist-Vergleich und Ana-
lyse der Abweichungsursachen; 5. Planrevision, laufende Anpassung der Planung an den realisierten Istzustand.
Im Finanzplan hat eine Abstimmung der übrigen betrieblichen Teilpläne zu erfolgen. Er kann somit als Zentralplan bezeichnet werden, der die Rentabilitätsüberlegungen mit den Möglichkeiten der Kapitalaufbringung und Liquiditätserhaltung zum Ausgleich zu bringen hat.
6. Formen und Arten der Finanzplanungsrechnung Um die Liquidität im Sinne der Zahlungsfähigkeit einer Unternehmung in jedem Zeitpunkt zu gewährleisten, müsste die Finanzplanung alle zukünftigen Einzahlungen und Auszahlungen tagesgenau enthalten. Bei zunehmender Reichweite der Planung werden die Zahlungen jedoch bezüglich ihrer Höhe und des Zeitpunktes ihres Auftretens immer weniger genau präzisierbar. In Finanzplänen auf mittlere und längere Sicht müssen daher Zusammenfassungen nach Zahlungsarten und Perioden erfolgen. Je längerfristig die Planung insgesamt erstellt wird, umso ausgedehnter werden auch die Planungsteilperioden (zeitliche Planungseinheiten). Die Liquidität ist dabei für eine Periode nur durchschnittlich gewährleistet; innerhalb der Periode kann durchaus ein Ungleichgewicht zwischen Zahlungskraft und Zahlungsverpflichtungen entstehen (vgl. Abbildung F 3). Langfristige Finanzpläne garantieren daher nicht die tägliche Zahlungsfähigkeit. Sie dienen der Ermittlung des zukünftigen Kapitalbedarfs und sollen gleichzeitig die Kapitalbindung aufzeigen.
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Abb. F 3: Graphische Darstellung einer möglichen Illiquidität innerhalb einer Finanzplanungsperiode
Aufgrund dieser Überlegungen können folgende Arten von Finanzplanungsrechnungen unterschieden werden (vgl. Abbildung F 4): 1. Liquiditätsplanung Kurzfristige Detailplanung, die sich weitgehend passiv anpassend vollzieht. Recheneinheiten sind Zahlungsströme. 1.1. täglicher Liquiditätsstatus und tagesgenaue Liquiditätsvorschau Prognosezeitraum: 1 Woche bis ca. 1 Monat Planungseinheit: 1 Tag 1.2. Finanzplan im engeren Sinn Prognosezeitraum: bis ca. 1 Jahr Planungseinheit: Woche oder Monat 2. Kapitalbedarfsplanung Langfristige Grobplanung, die aktiv als Ausfluss der Finanzpolitik vollzogen werden kann. Recheneinheiten sind (Bilanz-)Bestände und Beständedifferenzen. Prognosezeitraum: mehrere Jahre Planungseinheit: 1 Jahr Bei passiver Finanzplanung ergibt sich der Finanzplan als Konsequenz anderer Pläne, wobei die planerische Tätigkeit nur noch in der Bestimmung der optimalen Deckungsmöglichkeit eines etwaigen Kapitalbedarfs besteht. Wird dagegen berücksichtigt, dass der finanzielle Bereich Engpass bzw. betrieblicher Minimumsektor sein kann oder von den Finanzierungskosten Rückwirkungen auf andere betriebliche Teilpläne ausgehen, so liegt aktive Finanzplanung vor.9 Hierbei ist die Prognoseplanung von der Standardplanung zu unterscheiden. Im ersten Fall geht es um die Prognose der Zahlungsmittel – 9
Vgl. Albach, Kapitalbindung, 1970, S. 381 f.
I. Begriff und Wesen der Finanzplanung
Finanzplanungsrechnung
Liquiditätsplanung
Tägliche Liquiditätsdisposition Prognosezeitraum: Planungseinheit: Recheneinheit:
Kapitalbindungs-/ Kapitalbedarfsplanung
Finanzplanung i.e.S.
1 Woche bis 1 Monat
Bis 1 Jahr
Mehrere Jahre
Tag
Woche oder Monat
Jahr
Zahlungsströme
Zahlungsströme
Bilanzstände
Abb. F 4: Finanzplanungsrechnungen
wie auch der Vermögens- und Kapitalbestände und damit des Finanzmittelbedarfs in Abhängigkeit von der Geschäftsentwicklung. Demgegenüber werden in der Standardplanung Vorgaben (Finanzbudgets) und Richtwerte (Soll-Kennzahlen) gesetzt, die erreicht werden sollen. Der passive Finanzplan wird sukzessive durch stufenweises Zusammenführen der übrigen betrieblichen Teilpläne erstellt. Für die aktive Finanzplanung werden neben dem sukzessiven Vorgehen in der Literatur auch simultane Planungsmodelle diskutiert. Diese Simultanansätze bedienen sich der mathematischen Planungsrechnungen, insbesondere der linearen Programmierung, und versuchen gleichzeitig, die Variablen mehrerer Teilpläne optimal festzulegen. In den meisten Modellen erfolgt eine simultane Bestimmung des Investitions- und Finanzierungsprogramms; daneben versuchen einige Ansätze jedoch auch die Einbeziehung der Produktions- und Absatzplanung. Von einer integrierten Finanzplanung wird bei einer Zusammenfassung der Finanz-, Erfolgs- und Bilanzplanung zu einem Gesamtsystem gesprochen.10 Es erfolgt eine Ergänzung des traditionellen Rechnungswesens um differenzierte Ein- und Auszahlungskonten. Der Finanzplan stellt somit keine isolierte Nebenrechnung dar. Bei gleitender Finanzplanung bleibt der Planungshorizont konstant, indem eine abgelaufene Planungsteilperiode jeweils durch Neuplanung einer Teilperiode am Ende des Gesamtplanungszeitraums ersetzt wird. Demgegenüber verringert sich bei einmaliger Finanzplanung der Planungshorizont im Zeitablauf bis zur Erstellung der Neuplanung.
10
Vgl. Chmielewicz, Finanz- und Erfolgsplanung, 1972; Niebling, Kurzfristige Finanzrechnung, 1973.
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II. Prognosemethoden im Rahmen der Finanzplanung Lernziele dieses Kapitels x Im Rahmen der Finanzplanung haben sich drei Gruppen von Prognosetechniken als wesentlich herausgebildet: Subjektive Verfahren, extrapolierende Verfahren (Zeitreihenanalysen) und kausale Verfahren. x Subjektive Planzahlenermittlung beruht überwiegend auf menschlicher Erfahrung und der daraus resultierenden Einschätzung der Zukunft. Subjektive Prognosen können auf einem Einzelurteil oder auf einem Gruppenurteil beruhen. Mithilfe strukturierter Gruppenbefragung vermeidet man Gruppendruck und gelangt zu einem unabhängigen Gruppenurteil. Einer der bekanntesten Vertreter für dieses Verfahren ist die Delphi-Methode. x Mithilfe extrapolierender Verfahren wird untersucht, ob die zeitliche Entwicklung einer Größe bestimmte Gesetzmäßigkeiten aufweist. Der Trend einer Zeitreihe gibt die grundsätzliche Entwicklungsrichtung an, der Zyklus die langfristige Schwankung um den Trend, die Saison die kurzfristige Schwankung um Zyklus und Trend. x Zur Prognose künftiger Werte stehen hier die einfache Mittelwertbildung der vergangenen Werte, das Verfahren der gleitenden Durchschnitte, die Methode der kleinsten Quadrate sowie die exponentielle Glättung zur Verfügung. Das Verfahren der gleitenden Durchschnitte bestimmt die Prognosewerte wiederholend auf Basis der arithmetischen Mittel einer festgelegten Anzahl vergangener Perioden. Beim Verfahren der exponentiellen Glättung gehen in die Durchschnittsbildung vergangene Werte mit unterschiedlichem Gewicht ein. Solch ein Verfahren kann mit und ohne Trend durchgeführt werden und auch Glättungen höherer Ordnung miteinschließen. Durch Festlegen einer Trendgerade, welche die quadratischen Abweichungen zwischen Beobachtungswerten und Punkten auf der Trendgerade minimiert, kann ein erwarteter künftiger Wert aus der Extrapolation der Trendgerade ermittelt werden. x Zyklus oder Saison um einen Trend können durch Verfahren der Saisonbereinigung um die Schwankung bereinigt werden, sodass nur eine Prognose der Trendkomponente verbleibt. x Kausale Prognosen versuchen nicht nur auf Basis der Zeitabhängigkeit, sondern auf der Basis theoriegeleiteter kausaler Zusammenhänge, eine Prognose abzuleiten. Kausale Prognosen können deterministisch oder stochastisch erfolgen. Sie bedienen sich Instrumenten wie der Regressionsanalyse oder auch der Kointegrationsanalyse.
Für die Finanzplanung sind Prognosewerte über zukünftige Ein- und Auszahlungen, finanzwirksame Veränderungen von Bilanzpositionen, zu erwartende Umsätze und andere den Erfolg beeinflussende Faktoren erforderlich. Die Zukunftswerte werden durch Verarbeitung von Vergangenheits- und Gegenwartsdaten gewonnen. Im Wesentlichen haben sich hierbei drei Gruppen von Prognosetechniken herausgebildet: 1. subjektive (pragmatische, intuitive, qualitative) Verfahren, 2. extrapolierende Verfahren (Zeitreihenanalyse), 3. kausale Verfahren.
II. Prognosemethoden im Rahmen der Finanzplanung Bei den subjektiven Verfahren werden Prognosewerte aufgrund von Erfahrung und Intuition ermittelt. Demgegenüber erfolgt bei den extrapolierenden Verfahren eine Analyse der Vergangenheit einer bestimmten Größe mit mathematisch-statistischen Methoden, und die dabei ermittelte Gesetzmäßigkeit wird dann auch für die zukünftige Entwicklung dieser Größe unterstellt. Die Prognose bei kausalen Verfahren beruht auf logischen Ursache-Wirkungszusammenhängen. Von der vergangenen und gegenwärtigen Entwicklung eines oder mehrerer Einflussfaktoren werden zukünftige Ausprägungen der Prognosegröße abgeleitet. Die Auswahl des geeigneten Prognoseverfahrens hängt von der Art der zu prognostizierenden Größen sowie den spezifischen Gegebenheiten der jeweiligen Unternehmung ab. Je mehr Planungsgrößen einen deterministischen Charakter besitzen, umso geringer wird die Unsicherheit, mit der die Finanzplanung behaftet ist.
1. Subjektive Planzahlenbestimmung Die subjektive Planzahlenermittlung beruht überwiegend auf menschlicher Erfahrung und Einschätzung der Zukunft. Es finden keine mathematisch-statistischen Verfahren, sondern Planungsheuristiken Verwendung. Planwerte werden aufgrund des Urteils von „Experten“ festgelegt. Das Expertenurteil kann z. B. durch Befragung der Geschäftsleitung, der Verkaufsleitung, von Abteilungsleitern und Sachbearbeitern gewonnen werden. Zur Bestimmung des Umsatzes kommen darüber hinaus auch Umfragen bei derzeitigen und potenziellen Kunden in Frage. Die subjektive Prognose kann auf einem Einzelurteil oder auf einem Gruppenurteil beruhen. Bei letzterem ist zwischen einem abhängigen und unabhängigen Gruppenurteil zu unterscheiden. Beim abhängigen Gruppenurteil werden Planzahlen oder subjektive Wahrscheinlichkeiten für das Auftreten bestimmter Ereignisse in einer Gruppendiskussion, eventuell unterstützt durch ein Brainstorming, gewonnen. Die Qualität der in einer Gruppendiskussion erarbeiteten Wege kann negativ beeinflusst werden durch das Vorhandensein von dominierenden Persönlichkeiten in der Gruppe, einem Gruppenzwang zur Konformität und irrelevanter Information und Kommunikation.11 Zur Ausschaltung dieser Nachteile sind Methoden der strukturierten Gruppenbefragung erarbeitet worden, bei denen der Kontakt unter den Befragten auf allen oder zumindest einigen Stufen des Informationsgewinnungsprozesses ausgeschlossen ist. Da die Einzelurteile somit nicht durch Gruppendruck beeinflusst sind, wird das Gesamtergebnis auch als unabhängiges Gruppenurteil bezeichnet. Das bekannteste Verfahren stellt die Anfang der 1960er-Jahre erarbeitete Delphi-Methode dar. Der Ablauf dieser strukturierten Gruppenbefragung kann wie folgt charakterisiert werden: 1. Verwendung eines formalen Fragebogens, 2. anonyme Einzelantworten, 3. Ermittlung einer statistischen Gruppenantwort, 4. Information der Teilnehmer über die Gruppenantwort, 5. Wiederholung der Befragung. 11
Vgl. Albach, Informationsgewinnung, 1970, S. 18.
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F. Finanzplanung Die Ermittlung der Gruppenantwort kann unter Verwendung des arithmetischen Mittels oder des Medians erfolgen. Durch die Information über die Gruppenmeinung erhält der Einzelne die Möglichkeit, seine eigene Prognose zu revidieren. Die Befragung kann solange durchgeführt werden, bis eine starke Verdichtung des Gruppenurteils erreicht ist oder keine nennenswerte Korrektur in den Einzelergebnissen erfolgt. Von dieser Grundform der Delphi-Methode gibt es inzwischen eine Reihe von Varianten (z. B. SEER System for Event, Evaluation and Review), die insbesondere eine Kombination der Vorteile des abhängigen und unabhängigen Gruppenurteils anstreben. Die subjektiven Planungsverfahren besitzen speziell für die langfristige Planung des Absatzes und für die Beurteilung von Innovationen Bedeutung. Hierbei kann es auch sinnvoll sein, externe Experten in die Befragung mit einzubeziehen.12 Auch bei der Festlegung von Planansätzen, die im Rahmen der Standardplanung und Budgetierung unter dem Motivationsgesichtspunkt erfolgen, handelt es sich um subjektive Verfahren.
2. Extrapolierende Verfahren Mithilfe der extrapolierenden Verfahren wird untersucht, ob die zeitliche Entwicklung einer Größe (z. B. Umsatz) bestimmte Gesetzmäßigkeiten aufweist. Die zeitlich geordneten Beobachtungswerte bilden eine Zeitreihe, ihre Analyse wird als Zeitreihenanalyse bezeichnet. Die untersuchte Größe wird ausschließlich als zeitabhängig gesehen; die Zeitreihenanalyse hat damit rein beschreibenden Charakter und bietet für die Ursache einer beobachteten Veränderung keine Erklärung. Eine Zeitreihe yt setzt sich aus der Trendkomponente ut, der zyklischen Komponente zt, der Saisonkomponente st und der irregulären Komponente rt zusammen: yt = f (ut, zt, st, rt). Der Trend einer Zeitreihe gibt deren grundsätzliche Entwicklungsrichtung an. Eine Zeitreihe kann mit steigendem oder fallendem, aber auch ohne Trend verlaufen. Der Zyklus ist die langfristige Schwankung um den Trend (z. B. durch Konjunktur bedingte Umsatzschwankungen), die Saison eine kurzfristige Bewegung um Trend und Zyklus (z. B. monatliche Umsatzschwankungen). Die irreguläre Komponente ist als zufällig auftretende Störgröße aufzufassen. Treten in einer Zeitreihe alle aufgezählten Komponenten gleichzeitig auf, so ist eine Analyse einer der Komponenten oft sehr erschwert. Soll etwa der Trend einer Zeitreihe mit starken saisonalen Schwankungen untersucht werden, ist es deshalb häufig empfehlenswert, die Saisoneinflüsse auf rechnerischem Weg aus den Ausgangsdaten zu eliminieren, die Zeitreihe wird bereinigt. Entsprechendes gilt für die Bereinigung von Zeitreihen um zyklische Schwankungen. In der folgenden Darstellung (vgl. Abschnitt a) wird zunächst angenommen, dass nur die jeweils betrachtete Komponente und die Störgröße wirksam sind. Mit extrapolierenden Verfahren sollen zeitlich regelmäßig anfallende Bewegungen einer Zeitreihe aufgezeigt werden, umso ein Fortschreiben in die Zukunft für Prognoseund Planungszwecke zu ermöglichen. Voraussetzung dafür ist eine ausreichend lange Zeitreihe. Ist dies nicht der Fall, so kann zwischen den einzelnen Komponenten, etwa Trend und Zyklus, oft nicht hinreichend genau unterschieden werden. Darüber hinaus 12
Vgl. Schöllhammer, Delphi-Methode, 1970.
II. Prognosemethoden im Rahmen der Finanzplanung ist die Treffsicherheit einer Prognose davon abhängig, dass die in der Vergangenheit wirksamen Einflussfaktoren einer Größe auch in der Zukunft in der gleichen relativen Stärke zueinander wirksam sind.
a) Trendanalyse Einfache Mittelwertbildung
Bei dem Verfahren der einfachen Mittelwertbildung wird aus allen m Gliedern einer Zeitreihe der Mittelwert gebildet:
Für Prognosewerte soll für die folgende Darstellung die Bezeichnung xt (1) als Prognosewert des Zeitpunktes t für die Periode t + 1 festgelegt werden. Entsprechend ist dann x (k) der in t bestimmte Prognosewert für den Zeitpunkt t + k (k = 1, 2, …). Beispiel für das Verfahren der einfachen Mittelwertbildung Aus der Zeitreihe t
1
2
3
4
5
xt
169
165
173
170
168
wird x = 169 errechnet. Alle Vergangenheitswerte gehen mit der gleichen Gewichtung ein. Die Prognosewerte x5 (k) werden dann alle gleich x gesetzt, also x5 (1) = x5 (2) = x5 (3) = … = 169 Abb. F 5: Beispiel für das Verfahren der einfachen Mittelwertbildung
Dieses Verfahren ist nur bei Zeitreihen ohne Trend anwendbar, da andernfalls die Prognosewerte erheblich hinter der tatsächlichen Trendentwicklung zurückbleiben. Eine Zeitreihe ohne Trend ist in der folgenden Abbildung skizziert:
747
748
F. Finanzplanung
Abb. F 6: Einfache Mittelwertbildung für Zeitreihen ohne Trend
Verfahren der gleitenden Durchschnitte
Das Verfahren der gleitenden Durchschnitte basiert ebenfalls auf der Berechnung von Mittelwerten. Im Unterschied zur einfachen Mittelwertbildung wird hier ein Mittelwert nicht mehr mit allen m Werten der Zeitreihe, sondern wiederholt mit einer Anzahl von g Werten berechnet. Der gleitende Durchschnitt einer Zahlenreihe aus jeweils g = 3 Werten für t = 3 und t = 4 entspricht dem Mittelwert aus x1, x2 und x3 für t = 3 und aus x2, x3 und x4 für t = 4. Die allgemeine Berechnungsformel für das gleitende Mittel Mt lautet:
Für den Prognosewert xt (k) aus dem Zeitpunkt t für die Periode t + k gilt entsprechend:
Die Berechnungen gleitender Durchschnitte und Ableitungen von Prognosewerten ist in folgendem Beispiel für g = 3 und g = 5 dargestellt: 1
2
3
4
5
6
7
8
9
169,0
165,0
173,0
170,0
168,0
176,0
184,0
198,0
209,0
169,0
169,3
170,3
171,3
176,0
186,0
197,0
169,0
170,4
174,2
179,2
187,0
10
11
12
13
x t (k) für g = 3
197,0
201,3
202,4
200,3
x t (k) für g = 5
187,0
192,8
197,9
201,6
xi Mt für g = 3 Mt für g = 5 xi
5
6
7
8
9
168,0
176,0
184,0
198,0
209,0
Abb. F 7: Beispiel für das Verfahren der gleitenden Durchschnitte
II. Prognosemethoden im Rahmen der Finanzplanung Das Beispiel verdeutlicht, dass dieses Verfahren einem einsetzenden Trend (ab Periode 6) folgen kann. Die Reagibilität ist von der Wahl von k abhängig. Aber bereits bei einem g = 3 ist festzustellen, dass die Prognosewerte den Trend nicht ausreichend fortschreiben. Die gleitenden Durchschnitte eignen sich offensichtlich dazu, Zeitreihentrends zu glätten. Als Prognoseverfahren sollten sie nur bei Zeitreihen ohne Trend zur Anwendung kommen. Methode der kleinsten quadratischen Abweichung
Der Trend einer Zeitreihe wird häufig durch die Methode der kleinsten quadratischen Abweichung bestimmt. Kann von einer Größe lineare Zeitabhängigkeit angenommen werden, so wird der Trend durch die Gerade xt = a + b · t beschrieben. Die Geradenparameter a und b werden so bestimmt, dass die Summe der Abweichungsquadrate der Werte xt von der Trendgeraden minimal wird. m
f(a, b) : ¦ (x t (a b t))2 o Min! t 1
Abb. F 8: Methode der Minimierung der Summe der Abweichungsquadrate
Durch partielles Differenzieren können die Geradenparameter a und b für m Beobachtungspunkte folgendermaßen mit
bestimmt werden.
749
750
F. Finanzplanung Beispiel für die Trendbestimmung nach der Methode der kleinsten quadratischen Abweichung Für das erweiterte Beispiel: t
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
xt
169
165
173
170
168
176
184
198
209
195
186
185
ergibt sich 12
¦x
2178
t
t 1 12
¦ tx
t
14563
t 1
und damit b = 2,84 und a = 163. Die Gerade lautet damit x t = 163 + 2,84 · t Der Prognosewert für die Periode 13 ist dann x12 (1) = 163 + 2,84 · 13 = 200 Abb. F 9: Beispiel für die Trendbestimmung nach der Methode der kleinsten quadratischen Abweichung
Das Verfahren reagiert auf anhaltende Trendänderungen nur relativ langsam. Dies liegt u. a. daran, dass alle Zeitreihenwerte, die für die Berechnung der Gleichungsparameter herangezogen werden, mit gleicher Gewichtung eingehen. Für eine schnellere Anpassung an Trendbewegungen bietet es sich an, die zeitlich jüngsten Werte einer Zeitreihe stärker zu gewichten. Dies geschieht bei den Methoden der exponentiellen Glättung. Exponentielle Glättung erster Ordnung
Für eine endliche Zeitreihe ergibt sich folgende Formel für die exponentielle Glättung 1. Ordnung:
ersetzt und dieses Verfahren für xt–2 (1), xt –3 (1) … entsprechend wiederholt, so ergibt sich für eine unendliche Zeitreihe:
II. Prognosemethoden im Rahmen der Finanzplanung In den Prognosewert für die Periode t + 1 gehen also die tatsächlichen Werte einer unendlichen Zeitreihe mit exponentiell abnehmender Gewichtung ein. Daraus leitet sich die Bezeichnung exponentielle Glättung ab. Von großer Bedeutung ist die Wahl von D, da durch D der Einfluss der Vergangenheit und somit die Reagibilität des Verfahrens beeinflusst wird. In den Extremfällen bleibt für D = 1 die Vergangenheit unberücksichtigt, für D = 0 wird der jüngste tatsächliche Wert nicht in die Glättung einbezogen. Eine Abschätzung von D ist u. a. auf dem nachfolgend aufgezeigten Wege möglich: Das mittlere Alter der Daten kann folgendermaßen mit
bestimmt werden. Wird nun vom Anwender der exponentiellen Glättung festgelegt, dass k Vergangenheitswerte berücksichtigt werden sollen, so können k und D folgendermaßen mit
berechnet werden. Die Bestimmung von D kann auch zeitabhängig mit
erfolgen, um die Reaktionsfähigkeit des exponentiellen Glättungsverfahrens zu verbessern.13 Die exponentielle Glättung erster Ordnung soll am folgenden Beispiel demonstriert werden. Aus dem Beispiel wird deutlich, dass die exponentiell geglätteten Werte dem nach Periode 5 einsetzenden Trend nur zögernd folgen. Die Prognosewerte der exponentiellen Glättung erster Ordnung verlaufen ohne Trend. Damit wird deutlich, dass dieses Verfahren nur bei Zeitreihen ohne Trend zur Anwendung kommen sollte.
13
Vgl. Griese, Adaptive Verfahren, 1972.
751
752
F. Finanzplanung Beispiel für das Verfahren der exponentiellen Glättung erster Ordnung Es wird xˆ 0 (1) = x1 gesetzt, D = 0,2. t
1
xt
2
3
4
5
6
7
8
9
169
165
173
170
168
176
184
198
209
(169)
169
168
169
169
169
170
173
178
10 184
Der Prognosewert der Ein-Schritt-Prognose xˆ 9 (1) beträgt 184. Der Wert der k-SchrittPrognose wird diesem Wert gleichgesetzt, x t (1) = x t (2) = … = x t (k) Abb. F 10: Beispiel für das Verfahren der exponentiellen Glättung erster Ordnung
Exponentielle Glättung erster Ordnung mit Trend14
Die exponentielle Glättung erster Ordnung kann einem linearen Trend nicht ausreichend folgen. Nach r Zeitperioden beträgt der Fehler
wobei b als Steigung der Trendgeraden zu verstehen ist. Für r o f geht der Fehler gegen
Dieser Wert kann zur Anpassung an einen linearen Trend folgendermaßen mit
verwendet werden. Für eine weitere Verbesserung der Extrapolation wird die Steigung b selbst als zeitlich veränderlich angesehen und ihrerseits einer exponentiellen Glättung erster Ordnung unterzogen und folgendermaßen mit
bestimmt.
14
Vgl. Gahse, Mathematische Vorhersageverfahren, 1971, S. 47 ff.
II. Prognosemethoden im Rahmen der Finanzplanung
753
Mit diesem Steigungswert bt wird dann die exponentielle Glättung erster Ordnung mit Trend folgendermaßen mit
berechnet. Das folgende Beispiel veranschaulicht diese Berechnung (dabei wurde D = E = 0,2 gesetzt): t
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
xt
169
165
173
170
168
176
184
198
209
195
186
185
bt
0
– 0,8 0,96
0,17 – 0,26 1,39
2,71
4,97
6,17
2,14
0,01 – 0,2
13
xˆ t (1)
(169)
169
168
169
169
169
170
173
178
184
186
186
186
vˆ t (1)
–
169
164
174
170
168
177
187
203
215
197
186
185
Abb. F 11: Beispiel für das Verfahren der exponentiellen Glättung erster Ordnung mit Trend
Dieses Verfahren reagiert auf den einsetzenden Trend schnell und zieht mit dem Trend stark mit. Auch bei Trendumkehr (nach Periode 9) reagiert es schnell und recht genau. Problematisch ist eine k-Schritt-Prognose wegen der Berechnung von bt, da dieser Berechnung tatsächliche Werte zugrunde liegen und somit eine Berechnung nach obigem Verfahren für Prognosewerte k > 1 nicht fortgesetzt werden kann. Es ist möglich, die Prognose mit einem konstanten Steigerungswert, der etwa durch die Methode der kleinsten Quadrate gewonnen wird, fortzuführen, doch kann damit bei weitem keine so schnelle Reaktionsfähigkeit erwartet werden. Diese Prognoseproblematik wird noch durch die Schwierigkeiten der k-Schritt Prognose bei exponentieller Glättung erster Ordnung kompliziert, auf die wir bereits eingegangen sind. Exponentielle Glättung zweiter Ordnung
Die Verfahren der exponentiellen Glättung höherer Ordnung sind auf bestimmte Trendverläufe einer Zeitreihe ausgerichtet. Die exponentielle Glättung zweiter Ordnung ist anzuwenden, wenn von der Zeitreihe ein linearer Trend angenommen werden kann. Bei diesem Verfahren wird die Summe der diskontierten Abweichungsquadrate von der Trendgerade minimiert:
Mit den Ergebnissen der partiellen Ableitungen nach den Parametern a und b unter Berücksichtigung einer endlichen Zeitreihe ergibt sich folgendes schrittweises Vorgehen für die Berechnung der Prognosewerte durch exponentielle Glättung zweiter Ordnung:
754
F. Finanzplanung
Aus den Schritten 3 und 4 ergeben sich die Geradenparameter bt (direkt aus Schritt 4) und at (durch Einsetzen von bt in die Gleichung des 3. Schrittes). Daraus lässt sich die Ein-Schritt-Prognose mit
und die k-Schritt-Prognose mit
berechnen. Beispiel für das Verfahren der exponentiellen Glättung zweiter Ordnung t
0
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
xt
169
165
173
170
168
176
184
198
209
195
186
185
xt
(169) 169
168
169
169
169
170
173
178
184
186
186
186
xt
169
169
169
169
169
169
169
170
172
174
176
178
at + b t · t
169
167
169
169
169
171
177
186
196
198
196
194
bt
0,00 – 0,25 0,00 0,00 0,00 0,25 1,00 2,00 3,00 3,00 2,50 2,00
Für t = 12 wird also ein Wert von 194 ermittelt. x12 (0) wird folgendermaßen berechnet: a12 + b12 · 12 = 194 b12 = 2 dann ist a12 = 170 und x12 (1) = 170 + 2 · 13 = 198 der Prognosewert für die 13. Periode. Die weiteren Prognosewerte ergeben sich entsprechend. t
13
14
15
16
x12 (k)
198
200
202
204
Abb. F 12: Beispiel für das Verfahren der exponentiellen Glättung zweiter Ordnung
Ein Vergleich dieser Werte mit den durch die Methode der kleinsten Quadrate errechneten Prognosewerten in Höhe von t x12 (k)
13
14
15
16
200
203
206
208
II. Prognosemethoden im Rahmen der Finanzplanung macht deutlich, dass die exponentielle Glättung zweiter Ordnung wesentlich wirkungsvoller auf den nach Periode 9 einsetzenden Trendabschwung reagiert. Dies wird durch die stärkere Gewichtung der jüngsten Zeitreihenwerte bei der exponentiellen Glättung zweiter Ordnung erreicht. Langfristige Vorhersageverfahren
Die bisher dargestellten Verfahren können für kurz- bis mittelfristige Prognosen und Planungen herangezogen werden. Die Verfahren basieren alle auf der Annahme, dass die Einflussfaktoren einer untersuchten Größe auch in Zukunft in gleicher relativer Stärke wirksam sind. Für langfristige Vorhersagen ist diese Annahme nicht realistisch, die dargestellten Methoden können deshalb bei langfristiger Prognose keine Verwendung finden. Langfristige Vorhersagen beziehen sich meist auf makroökonomische Größen, bspw. soll der Bedarf von Taschenrechnern in Deutschland geschätzt werden. Der Absatz eines Produkts wird nicht linear steigend verlaufen, sondern er wird an eine Sättigungsgrenze stoßen, die eine Bedarfsobergrenze darstellt. So ist der Absatz von Taschenrechnern wohl kaum mehr zu steigern, falls jeder Haushalt in Deutschland über zwei Rechner verfügt. Eine langfristige Wachstumsfunktion lässt sich als logistische Kurve
beschreiben. Diese Kurve hat etwa folgenden Verlauf (vgl. Abbildung F 13):
Abb. F 13: Langfristige Wachstumsfunktion als logistische Kurve
755
756
F. Finanzplanung Neben der logistischen Funktion ist als weitere bekannte Wachstumsfunktion die Gompertz-Funktion
zu erwähnen. Wachstumskurven werden in der Praxis häufig für langfristige Bedarfsprognosen von Gebrauchsgütern herangezogen. Ihre Anwendung wirft Probleme auf, die hier nur andeutungsweise angesprochen werden können: 1. Wachstumskurven beziehen sich auf makroökonomische Größen. Das einzelne Unternehmen muss bei der Ableitung des langfristigen Absatzplanes aus Wachstumsfunktionen Veränderungen zukünftiger Marktanteile berücksichtigen, die oft schwer abzuschätzen sind. Veränderungen von Marktanteilen werden in Wachstumsfunktionen nicht berücksichtigt. 2. Die Lebensdauer eines Gutes muss bekannt sein. Es muss meist zwischen Erst- und Ersatzbedarf unterschieden werden. 3. Die Sättigungsgrenze sollte autonom geschätzt werden. Langfristig kann sie sich durch soziographische Veränderungen oder Verhaltens- und Einstellungswandel ändern.
b) Berücksichtigung von Zyklus und Saison Eine zyklisch um einen linearen Trend verlaufende Zeitreihe ist in Abbildung F 14 dargestellt. Soll bei dieser Zeitreihe das zyklische Verhalten untersucht werden, ist es oft zweckmäßig, die Zeitreihe durch Drehung und Parallelverschiebung so zu bewegen, dass Trendgerade und Zeitachse deckungsgleich sind (vgl. Abbildung F 15).
Abb. F 14: Zyklischer Verlauf einer Zeitreihe um einen linearen Trend
II. Prognosemethoden im Rahmen der Finanzplanung
Abb. F 15: Transformation des zyklischen Verlaufs einer Zeitreihe auf die Zeitachse (Abszisse)
Ist nicht Zyklus oder Saison, sondern der Trend Untersuchungsgegenstand, kann die Zeitreihe um die zyklische bzw. die saisonale Komponente bereinigt werden. Verfahren zur Bereinigung der Zeitreihe lassen sich grundsätzlich auf beide Komponenten anwenden. In vielen Fällen der Finanzplanung wird die Saisonbereinigung einer Zeitreihe vorzunehmen sein, wobei als Saison die monatlichen Veränderungen aufgefasst werden. Ein einfaches Verfahren zur Ermittlung der Saisonschwankungen läuft folgendermaßen ab: 1. Für mehrere Jahre wird durch einfache Mittelwertbildung die durchschnittliche Monatsgröße eines jeden Jahres berechnet (z. B. durchschnittliche monatliche Umsatzeinnahmen für die Jahre 1982, 1983 usw.). 2. Die tatsächlichen Monatsgrößen werden für jedes Jahr als Prozentsätze der unter (1) errechneten Durchschnittsgröße angegeben. 3. Aus den monatlichen Prozentzahlen der einzelnen Jahre wird der einfache Mittelwert gebildet. Die Mittelwerte ergeben für jeden Monat einen Indexwert, aus den zwölf Indexwerten sind die Saisonbewegungen der untersuchten Zeitreihe ersichtlich. Ist der Trend einer Zeitreihe durch ein geeignetes Verfahren, etwa durch exponentielle Glättung zweiter Ordnung, ermittelt worden, so liegen die Prognosewerte auf der Trendkurve. Hat die Vergangenheit zyklische Bewegungen um den Trend gezeigt, so können diese nach einem Verfahren, das Gahse angibt,15 auch um die prognostizierte Trendkurve fortgeschrieben werden. Die korrigierten Prognosewerte sind das Produkt aus ursprünglichen auf der Trendkurve liegenden Werten und einem Zyklusfaktor. 15
Vgl. Gahse, Mathematische Vorhersageverfahren, 1971, S. 70 ff.
757
758
F. Finanzplanung Vt (k) = zk · xt (k). Gahse ermittelt die Zyklusfaktoren durch exponentielle Glättung erster Ordnung. Alternativ könnten nach obigem Verfahren berechnete Indexwerte, für Zyklen entsprechend aufgestellt, als Zyklusfaktoren dienen.
3. Kausale Prognosen In den bisher dargestellten Verfahren wurde eine Größe rein zeitabhängig gesehen. Dagegen stellen kausale Prognosen eine Größe in Abhängigkeit von einer anderen dar, bspw. kann der Lagerbestand in Abhängigkeit vom Umsatz untersucht werden. Für zwei Größen y, x gilt allgemein: y = f (x). Für die Prognose von y aus x sind zwei Konstellationen denkbar: 1. Wurde x beobachtet, kann nach k Perioden regelmäßig mit der Beobachtung von y gerechnet werden (Time Lag): y (t + k) = f (x (t)). 2. y und x treten regelmäßig gleichzeitig auf, wobei x durch ein extrapolierendes Verfahren prognostiziert werden kann: y (t + k) = f (x (t + k)). Kausale Prognosen treten als deterministische oder stochastische Prognosen auf.
1. deterministische Prognosen Von den Größen y und x wird angenommen, dass sie in einem eindeutigen UrsacheWirkungs-Zusammehang stehen. Die Prognose erfolgt damit unter der Hypothese sicherer Erwartungen und ist somit eindeutig möglich. 2. stochastische Prognosen Die Zusammenhänge zwischen den Größen sind nicht eindeutig determiniert, sondern nur durch eine Wahrscheinlichkeitsverteilung anzugeben. Die Prognose ist dann immer mit einer Unsicherheit belastet, die Prognosewerte werden ebenfalls durch Wahrscheinlichkeitsverteilungen beschrieben. Als kausale Prognoseverfahren finden häufig einfache und multiple Regressionsansätze Verwendung. Bei der linearen Einfachregression stehen zwei Größen y und x in folgendem linearen Zusammenhang: y = a + b · x wobei x die erklärende und y die erklärte Größe ist. Das Verfahren ist analog zur Methode der kleinsten quadratischen Abweichung (Vgl. F II 2. a) anzuwenden, jedoch wird hier eine allgemein erklärende Variable regressiert und nicht eine zeitabhängige Variable wie vorher.
II. Prognosemethoden im Rahmen der Finanzplanung Neben der einfachen linearen gibt es noch eine Reihe von einfachen nicht linearen Regressionsansätzen, wie der Exponentialfunktion der logarithmischen Funktion und der Parabel-Funktion
y = a · eb · x, y = a · log(b + c · x), y = a + b · x + c · x2.
Charakteristisch für alle einfachen Regressionsansätze ist, dass die Größe y aus nur einer Größe x erklärt wird. Die Beschränkung auf eine erklärende Größe ist eine oft hinderliche Einschränkung. Die Einfachregression wurde deshalb zur multiplen Regression erweitert, bei der die erklärte Größe aus mehreren Größen erklärbar wird. Für die lineare multiple Regression lautet die Grundgleichung: y = a + b1x1 + b2x2 + … + bkxk. Auf die weitere Behandlung der multiplen Regression muss wegen der Komplexität des Gebietes verzichtet und auf einschlägige Fachliteratur verwiesen werden.16 Seit einigen Jahren gewinnen bei der stochastischen Prognose moderne ZeitreihenVerfahren immer mehr an Bedeutung. Die traditionelle Ökonometrie basierte bislang primär auf der Regressionsanalyse. In Eingleichungsmodellen wird eine abhängige Variable durch eine unabhängige Variable (Einfachregression) oder durch mehrere unabhängige Variablen (multiple Regression) erklärt. Jedoch zeigt sich die Realität (z. B. eine Volkswirtschaft) viel komplexer als es multiple Regressionen erfassen können. So hängen die erklärenden Variablen wiederum selbst von anderen Einflussfaktoren ab. Die adäquate Modellierung ist daher ein Mehrgleichungssystem. Lange Zeit glaubte man, je größer das Modell ist, desto besser. Die Modellphilosophie der Zeitreihenanalyse ist eine andere. Box und Jenkins17 schlugen einfache Eingleichungsmodelle vor, die eine Zeitreihe aus sich selbst heraus darstellen. Diese dynamische Struktur von Gleichungen ist im Gegensatz zu den obigen statischen Modellen für die empirische Umsetzung von zentraler Bedeutung. Modelle nach Box und Jenkins sind auch als ARMA (autoregressive moving average) Modelle bekannt. Als erklärenden Variablen werden in einem ARMA-Modell nur die Zeitverzögerungen der abhängigen Variablen verwendet. Es gibt daher keine wirklichen exogenen Variablen im Modell. Man versucht die abhängige Größe nur aus sich selbst heraus zu erklären. Damit besitzt man ein sehr einfaches univariates Modell, das aber dynamische Effekte sehr flexibel und genau einfangen kann. Für die moderne Zeitreihenanalyse ist der Begriff „Stationarität“ zentral. Grob lässt sich die Stationarität von Zeitreihen wie folgt definieren: Eine Reihe ist dann (schwach) stationär, wenn sie um einen konstanten Mittelwert schwankt und eine konstante Varianz hat. Werden nicht-stationäre Zeitreihen aufeinander regressiert, können Scheinkorrelationen auftreten, d. h. es werden Zusammenhänge postuliert, die nicht in diesem Ausmaß vorhanden sind.18 Zudem konvergieren die Regressionskoeffizienten nicht gegen ihren wahren Wert. Zur Überprüfung solcher Zeitreihen auf Stationarität werden sogenannte Einheitswurzeltests verwendet. Der bekannteste Einheitswurzeltest ist der von Dickey und Fuller (1979). Weist eine Zeitreihe eine Einheitswurzel auf, dann spricht man von einer integrierten Zeitreihe. 16 17 18
Vgl. Gaensslen, Schubö, Statistische Analyse, 1976. Vgl. Box et al., Time Series Analysis, 2016. Vgl. Granger, Newbold, Spurious Regressions, 1974.
759
760
F. Finanzplanung Eine erste Lösung dieses Problems war, die Variablen nicht mehr als Niveauwerte, sondern als Veränderungsraten in Regressionen zu verwenden. Doch hat diese Vorgehensweise einen wesentlichen Nachteil, sie verdeckt bei real abhängigen Prozessen die Kausalbeziehungen in den Niveauwerten. Engle und Granger (1987) haben zur Lösung dieses Dilemmas das Kointegrationskonzept entwickelt. Mit diesem kann untersucht werden, ob ein System aus mehreren nicht-stationären Variablen ein langfristiges Gleichgewicht besitzt, das auf der Grundlage plausibler Überlegungen begründbar ist. Von diesem Gleichgewichtspfad, an dem die Größen gekoppelt sind, können jedoch kurzfristige Abweichungen auftreten. Sind diese Abweichungen stationär, besteht die Neigung zu ihrer Rückbildung, die den langfristigen Zusammenhang wieder festigt. Liegt dieses Verhalten vor, dann ist davon auszugehen, dass die untersuchten Zeitreihen kointegriert sind. Mit dem sogenannten Granger-Repräsentationstheorem beweisen Engle und Granger (1987) die enge Beziehung zwischen Kointegration und Fehlerkorrekturmodell in der Form, dass jede Kointegrationsbeziehung durch ein Fehlerkorrekturmodell dargestellt werden kann und dass umgekehrt ein Fehlerkorrekturmodell eine Kointegrationsbeziehung impliziert. Das Konzept der Kointegration von Zeitreihen und darauf aufbauend die Fehlerkorrekturmodelle stellen eine wichtige Entwicklung dar und sind seit einigen Jahren Gegenstand intensiver Forschungsarbeiten. Theoretische und empirische Arbeiten auf diesem Gebiet sind heute in ihrer Fülle fast unüberschaubar.19 Heute ist das Engle-Granger-Verfahren von dem Verfahren von Johansen (1988), das zu der zweiten Generation von Kointegrationsmodellen gehört, weitgehend in der Praxis abgelöst worden. Eine weitere wichtige Errungenschaft in der Zeitreihenanalyse ist die bahnbrechende Arbeit von Engle (1982) zur Modellierung der Volatilität einer Zeitreihe. Bis dahin hat man meist angenommen, dass die Volatilität einer Variablen konstant ist. Erst empirische Untersuchungen von Finanzmarktrenditen haben aufgedeckt, dass diese Annahme in der Realität nicht richtig ist. Die Volatilität an Finanzmärkten zeigt sich volatil. Zwar scheint sich die Volatilität nur langsam zu verändern, denn es gibt typischerweise lange Phasen von relativ ruhigen Märkten mit geringer Volatilität, und auch Phasen mit starken Kursschwankungen weisen relativ große Persistenz auf. Bei der Modellierung dieses Phänomens tritt das Problem auf, dass die Volatilität einer Variablen nicht direkt beobachtbar ist. In der Statistik wird die Volatilität einer Variablen durch die Varianz oder Standardabweichung gemessen. Jedoch lässt sich mit einer unbekannten Größe keine einfache Kleinste-Quadrate-Methode schätzen. Engle behilft sich in der Art, dass er die Volatilität als Varianz der Normalverteilung spezifiziert und in einem regressionsähnlichen Ansatz die Varianz von den quadrierten Werten der zugrunde liegenden Variablen abhängig macht. Dieses Modell ist unter dem Kürzel ARCH bekannt und wird mit der Maximum-Likelihood-Methode geschätzt. Dabei steht AR wie bei dem ARMA-Modell für „autoregressive“, aber hier in einer etwas anderen Bedeutung. Die zu erklärende Variable Varianz zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist nicht abhängig von eigenen zeitverzögernden Werten, sondern von zeitverzögernden Werten der ursprünglichen Zeitreihe, deren Varianz modelliert werden soll. Die Buchstaben
19
Aus diesem Grund wird hier auch nicht der Versuch unternommen, einen annähernd vollständigen Überblick zu geben. Auszugsweise seien erwähnt Stock, Asymptotic Properties, 1987; Engle, Yoo, Cointegrated Economic Time Series, 1991; Johansen, Likelihood-Based Inference, 1995; Harris, Cointegration Analysis, 1995; Banerjee et al., Co-Integration, 2000; Maddala, Kim, Unit Roots, 2000 und Wagatha, Makroökonomische Schocks, 2004.
III. Kapitalbedarfsplanung CH stehen für „conditional heteroskedasticity“, also bedingte Heteroskedastizität, und bedeutet, dass die Varianz einer Variablen nicht konstant ist. Bollerslev (1986) erweitert das ARCH-Modell zum GARCH-Modell (Generalized ARCH), indem er gegenüber dem ursprünglichen ARCH-Modell auch Zeitverzögerungen der bedingten Heteroskedastizität einbindet. Als sehr nützliches und erfolgreiches Modell gilt das EGARCH-Modell (Exponential GARCH) von Nelson (1991), das durch eine etwas andere funktionale Form der Volatilitätsgleichung sicherstellt, dass Volatilitäten nie negativ werden können, und das asymmetrische Volatilitätseffekte zulässt, die oft auf Aktienmärkten zu beobachten sind. An vielen dieser Erweiterungen war Engle selbst beteiligt. Heute steht die Abkürzung ARCH als generischer Name für alle ARCH-Varianten, die entwickelt wurden. Hauptanwendungsgebiet von ARCH-Modellen sind die Finanzmärkte, da es keine ökonometrisch überzeugende Alternative gibt, variable Volatilitäten zu modellieren, zu quantifizieren und zu prognostizieren. Die ARCH-Modelle haben damit ein völlig neues und sehr weites Forschungsfeld eröffnet. Kointegrationsanalysen und ARCH-Modelle gehören mittlerweile zum Standardrepertoire der empirischen Wirtschaftsforschung. Gewürdigt wurde diese überaus große Bedeutung der beiden Konzepte für Wissenschaft und Wirtschaft im Jahr 2003 mit dem Nobelpreis für Robert F. Engle und Clive W. J. Granger. Eine Sammlung der wichtigsten Aufsätze findet sich für die Kointegration in Engle und Granger (1991) und für die ARCH-Modelle in Engle (1995).
III. Kapitalbedarfsplanung Lernziele dieses Kapitels x Die Kapitalbedarfsplanung gliedert sich in Prognoseplanung und Standardfinanzplanung. x Mit der Prognoseplanung wird eine langfristige Vorschau über die finanzwirtschaftliche Entwicklung einer Unternehmung gestellt. Insbesondere werden die zukünftige Kapitalbindung sowie ein künftiger Kapitalbedarf aufgezeigt. x Ausgangspunkt der Prognoseplanung ist die Umsatzprognose, aus der dann Planbilanzen und Kapitalflussrechnungen folgen. Die Prognose der umsatzbedingten Bilanzbewegungen kann dabei mittels Verhältniszahlen oder Regressionen auf Basis der Vergangenheitsdaten erfolgen. Der Kapitalbedarf ergibt sich dann aus dieser Prognose als Überschuss der Aktiva über die Passiva. x Die Standardfinanzplanung ist eine Vorgaberechnung, deren Primärziel nicht die Voraussage, sondern die Vorgabe eines Sollzustands ist. Sie dient primär der Budgetierung und kann damit als Lenkungs- und Steuerungsinstrument eingesetzt werden.
1. Prognoseplanung Im Rahmen der Prognoseplanung wird eine langfristige Vorschau über die finanzwirtschaftliche Entwicklung einer Unternehmung erstellt. Es werden die zukünftige
761
762
F. Finanzplanung Kapitalbindung und ein etwaiger Kapitalbedarf aufgezeigt. Ausgangspunkt der Planung ist die Prognose des Umsatzes bzw. der Gesamtleistung und des voraussichtlichen Unternehmenswachstums. Aus dem Planumsatz können dann die umsatzbedingten Bilanzveränderungen und Ergebnisentwicklungen ermittelt werden. Da ist zum einen das Betriebsergebnis, das ergänzt um das Finanzergebnis und a. o. Ergebnis zum Plangewinn führt. Zum anderen kann die Höhe bestimmter Bilanzbestände, wie etwa Verbindlichkeiten und Forderungen aus Lieferungen und Leistungen, als umsatzabhängig angesehen werden. Zur Erstellung der Planbilanz ist zusätzlich noch die Planung der umsatzunabhängigen (bestandbedingten) Bilanzveränderungen erforderlich. Aus der Planbilanz, die auch als Bewegungsbilanz (Kapitalflussrechnung) erstellt werden kann, lässt sich Umfang und Art der Kapitalbindung erkennen. Unter Berücksichtigung des Bilanzgewinns kann dann ein etwaiger Kapitalbedarf ermittelt werden (vgl. Abbildung F 16).
Erfolgsplanung
Umsatzgewinnrate
Planung des neutralen Ergebnisses
Bilanzplanung
Umsatzplanung Planung der Gesamtleistung
Planung des Betriebsergebnisses
Regression
Planung der umsatzbedingten Bilanzbewegungen
Planung der umsatzunabhängigen Bilanzveränderungen
Planbilanz Plankapitalflussrechnung
Plangewinn
Kapitalbindungs- und Kapitalbedarfsplanung
Abb. F 16: Ablaufsschema der langfristigen Kapitalbindungs- und -bedarfsprognose
Die Umsatzplanung kann als Zeitreihenanalyse, basierend auf dem Verfahren der exponentiellen Glättung oder der Methode der kleinsten Quadrate, durchgeführt werden. Daneben ist auch eine kausale Prognose in Form einer einfachen oder multiplen Regression möglich. Als Einflussgrößen kommen dabei u. a. in Betracht: gesamtwirtschaftliches Wachstum, Branchenwachstum, Marketingaufwand und Marktwachstum in Verbindung mit Marktanteil und Grad der Marktsättigung. Im Rahmen einer externen Kapitalbedarfsanalyse kann die Gesamtleistung der nächsten Periode hilfsweise in Abhängigkeit vom Bestand der Sachanlagen bzw. ihrer Veränderung, vom Bestand an Vorratsvermögen oder – soweit branchenüblich – von den Kundenanzahlungen zu Beginn des Prognosezeitraums prognostiziert werden.20 Der kausale Zusammenhang ist natürlich gerade umgekehrt. Bei interner Planung ergeben 20
Vgl. Vogler, Mattes, Bilanzanalyse, 1976, S. 129 ff.
III. Kapitalbedarfsplanung sich daher diese Positionen in Abhängigkeit vom Umsatz. Darüber hinaus können auch noch weitere Bilanzbestände als umsatzabhängig angesehen werden (vgl. Abbildung F 17). Aktiva
Passiva
Sachanlagen
Kurzfristige Verbindlichkeiten (speziell Lieferantenverbindlichkeiten)
Vorräte Forderungen Kasse
Rückstellungen für übernommene Gewährleistungen Gewinn
Abb. F 17: Bilanzpositionen, die umsatzabhängig sind oder sein können
Die Prognose der umsatzbedingten Bilanzbewegungen kann durch Annahme einer (konstanten) prozentualen Umsatzabhängigkeit (Umsatz-Prozent-Methode) oder bei Vorhandensein mehrerer Vergangenheitsbilanzen durch Regression erfolgen.21 Der
tatsächliche Zusammenhang wird dabei vielfach nicht linear sein. So erfolgt die Erhöhung des Sachanlagevermögens meist sprunghaft. Die Vorräte können einen unterproportionalen Verlauf in Abhängigkeit vom Umsatz aufweisen (vgl. Abbildung F 18). Vorräte
AV
Umsatz
Umsatz
Abb. F 18: Mögliche Umsatzabhängigkeit von Anlagevermögen und Vorräten
21
Vgl. Weston, Copeland, Managerial Finance, 1992, S. 266 ff.
763
764
F. Finanzplanung Beispiel für eine Kapitalbedarfsprognose
Ist-Bilanzen in Mio. € Aktiva Anlagevermögen Grundstücke Mas c hinen Betriebs- und Geschäftsausstattung Umlaufvermögen Vorräte Forderungen Kasse, Bank, Postscheck
Passiva Gez eic hnetes Kapital Rüc klagen Rüc ks tellungen langfris tige Verbindlic hkeiten kurz fris tige Verbindlic hkeiten Gewinn Umsatz
2006
2007
2008
1,60 1,50 0,90 4,00
1,85 1,80 1,03 4,68
2,10 2,08 1,14 5,32
2,30 2,70 1,00 6,00 10,00
2,47 3,10 1,15 6,72 11,40
2,65 3,38 1,25 7,28 12,60
2,00 1,30 0,80 3,20 2,50 0,20 10,00 10,00
2,00 1,30 0,88 4,00 3,00 0,22 11,40 12,00
2,30 1,50 0,95 4,11 3,50 0,24 12,60 14,00
Für die Jahre 2009 und 2010 wird ein konstantes Umsatzwachstum von jeweils 2 Mio. GE prognostiziert. Die Rückstellungen bestehen zu großen Teilen aus Gewährleistungsrückstellungen und sollen deshalb als umsatzabhängig angesehen werden. Bei Unterstellung einer linearen Umsatzabhängigkeit ergeben sich mithilfe der einfachen Regressionsrechnung y = a + b · x mit x = Umsatz und
a
2 i
¦y ¦x ¦x ¦x y n¦ x ¦ x i
2 i
i
i i
2
und b
i
n¦ xi yi ¦ xi ¦ yi n¦ xi2
¦ x
2
i
folgende Prognosegleichungen: Anlagevermögen
yi1 = 0,706 + 0,33 · xi
Umlaufvermögen
yi2 = 2,826 + 0,32 · xi
Kurzfristige Verbindlichkeiten
yi3 = 0,25 · xi
Rückstellungen
yi4 = 0,4267 + 0,0375 · xi
Bilanzgewinn
yi5 = 0,1 + 0,01 · xi
III. Kapitalbedarfsplanung und daraus die Prognosewerte (siehe nachfolgende Plan-Bilanzen):
Plan-Bilanzen in Mio. € Aktiva Anlagevermögen Umlaufvermögen
Passiva Gezeichnetes Kapital, Rücklagen langfristige Verbindlichkeiten aus Vorjahr Gewinn Rückstellungen kurzfristige Verbindlichkeiten Kapitalbedarf
2009
2010
5,99 7,95 13,94
6,65 8,59 15,24
7,91 0,26 1,03 4,00
7,91 0,74 0,28 1,10 4,50
13,20
14,53
0,74
0,71
13,94
15,24
Abb. F 19: Beispiel für eine Kapitalbedarfsprognose
Die Ermittlung zukünftiger Werte von Bilanzpositionen mithilfe einer Regressionsgeraden kann daher nur eine grobe Annäherung darstellen. Eine differenzierte Analyse muss sich komplexerer Regressionsmodelle bedienen. Der Kapitalbedarf ergibt sich unter Berücksichtigung der umsatzunabhängigen Bilanzpositionen (einschließlich des Bilanzgewinns/-verlustes) als Überschuss der Aktiva über die Passiva. Ein Beispiel für die Prognose des zukünftigen Kapitalbedarfs ist in Abbildung F 19 dargestellt. Eine Prognosekapitalbedarfsrechnung bei Gründung oder Aufnahme einer neuen Fertigung ist mit extrapolierenden Verfahren nicht möglich, da Vergangenheitsdaten fehlen. Die Prognose knüpft an der gewünschten und absatzpolitisch als sinnvoll erachteten Ausbringung an. Daraus kann die durchschnittliche Tagesproduktion ermittelt werden, aus der sich die erforderliche Kapazität an Maschinen und maschinellen Anlagen ergibt. Die Art des Fertigungsverfahrens und die Kapazität bedingen die räumliche Ausstattung. Für das Umlaufvermögen ist die Kapitalbindungsdauer zu ermitteln. Diese ergibt sich aus der Rohstofflagerdauer, der Produktionsdauer, der Lagerdauer für Fertigprodukte und dem Debitorenziel (vgl. Abbildung F 20). Das Lieferantenziel kann bei der Kapitalbindung für Werkstoffe abgesetzt werden. Der Einsatz für den Fertigungslohn erstreckt sich nur auf den Zeitraum ab Produktionsbeginn. Aus dem täglichen durchschnittlichen Aufwand für Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe sowie für Fertigungslöhne und Gemeinkosten, soweit sie zu Zahlungen führen, multipliziert mit der jeweiligen Bindungsdauer, ergibt sich der Kapitalbedarf, bezogen auf das Ende des Betrachtungszeitraumes. Diese Zusammenhänge werden im Beispiel der Abbildung F 21 veranschaulicht. Es handelt sich hierbei um eine reine Kapitalbedarfsermittlung, die nicht an der Zahlungsebene anknüpft und somit keine Liquiditätsplanung darstellt. In den Kapitalbedarf ist daher auch ein gewisser Kassenmindestbestand zur Liquiditätssicherung mit einzubeziehen.
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F. Finanzplanung
Rohstofflagerdauer
Produktionsdauer
Lagerzeit für Fertigprodukte
Debitorenziel
Lieferantenziel
Lohneinsatz
Materialeinsatz
Gemeinkosteneinsatz
Abb. F 20: Kapitalbindung im Umlaufvermögen
2. Standardfinanzplanung Die Standardfinanzplanung ist eine Vorgaberechnung, die ihren Niederschlag in den Budgetierungsansätzen findet. Es wird primär nicht auf eine Voraussage abgestellt, sondern ein als wünschenswert erachteter Sollzustand vorgegeben. Die Vorgaben sollen der mittleren Führungsebene als Ziel und Maßstab ihres Handelns dienen. Daher erfolgt der Ansatz der Planwerte primär unter dem Gesichtspunkt des Leistungsanreizes. Die Planung der Verbrauchswerte und der Erlöse basiert weitgehend auf der Standardplankostenrechnung und erfolgt unter Optimalitätsgesichtspunkten. Wie verhaltenswissenschaftliche Untersuchungen gezeigt haben, gehen von Vorgaben, die nur unter größeren Anstrengungen zu erreichen sind, höhere Leistungsanreize aus als von Richtwerten mit geringem Anforderungsniveau.22 Der Ansatz von Optimalwerten kann dazu führen, dass der Planerfolg gegenüber dem tatsächlich zu realisierenden Ist-Erfolg zu hoch angesetzt wird. Diese Fehleinschätzung des Erfolgssaldos kann nach Ansicht von Chmielewicz zu einer Gefährdung der Liquidität führen. Ein Standardfinanzplan ist daher seiner Ansicht nach wegen der ihm immanenten Liquiditätsgefahren abzulehnen.23
22
23
Vgl. Macharzina, Planungs- und Kontrollrechnungen, 1976; Steiner, Lernforschung in der Unternehmensrechnung, 1975; ders., Berücksichtigung personaler und sozialer Aspekte, 1977. Vgl. Chmielewicz, Betriebliche Finanzwirtschaft I, 1982, S. 114 ff.
III. Kapitalbedarfsplanung Beispielrechnung für eine Kapitalbedarfsprognose im Gründungsfall Gegeben seien: Rohstofflagerdauer 40 Tage, Lieferantenziel 30 Tage, Produktionsdauer 20 Tage, Fertigwarenlager 20 Tage, Debitorenziel 30 Tage; durchschnittlicher täglicher Werkstoffeinsatz 4.000 GE, täglicher Lohneinsatz 20.000 GE und täglich zahlungswirksame Gemeinkosten 10.000 GE. Kapitalbindung im Umlaufvermögen am Ende des Betrachtungszeitraums: Lohneinsatz Werkstoffeinsatz Gemeinkosteneinsatz
70 × 20.000,– 80 × 4.000,– 110 × 10.000,–
Kapitalbedarf Umlaufvermögen + Kapital Anlagevermögen + Kapitalbedarf für Gründungskosten und Kosten der Ingangsetzung des Geschäftsbetriebes
= = =
1.400.000 GE 320.000 GE 1.100.000 GE 2.820.000 GE
Gesamtkapitalbedarf bei Gründung Abb. F 21: Beispielrechnung für eine Kapitalbedarfsprognose im Gründungsfall
Das Gefährdungselement tritt jedoch nur dann auf, wenn eine Unternehmung sich im Rahmen der Finanzplanung allein und ausschließlich auf eine Standardplanung stützt. Die Standardfinanzplanung ist von ihrem Zweck und von ihrer Ausrichtung her als längerfristiges Planungsinstrument nicht zur Liquiditätssicherung gedacht. Auch eine Prognoseplanung in Form einer langfristigen Kapitalbedarfs- und Kapitalbindungsplanung kann die Liquidität nicht gewährleisten. Beide Finanzplanungsarten bedürfen daher der Ergänzung durch eine kurzfristige Liquiditätsplanung, die auf eine vorsichtige, möglichst genaue Erfassung der Zahlungsströme ausgerichtet ist. Aufgabe der Standardfinanzplanung ist zum einen, eine explizite Formulierung der finanzwirtschaftlichen Unternehmenspolitik zu erreichen, und zum anderen, als Lenkungs- und Steuerungsinstrument für die mittlere Führungsebene zu dienen. Als Planungshilfen zur Standardfinanzplanung sind Kennzahlensysteme sowohl logisch-deduktiver als auch empirisch-induktiver Art geeignet (vgl. hierzu Abschnitt E II). So kann etwa das Du-Pont-Kennzahlensystem dazu verwendet werden, die erfolgswirtschaftlichen und finanzwirtschaftlichen Konsequenzen einer Steigerung des ROI (Return on Investment) abzuleiten. Das investierte Kapital kann dabei sowohl nach dem Gesichtspunkt der Kapitalherkunft als auch nach der Kapitalbindung in Vermögensteilen aufgegliedert werden. Die auf diese Weise ermittelten absoluten und relativen Kennzahlen, aufgespalten auf organisatorische Teileinheiten der Unternehmung, können dann als Vorgabewerte dienen. Empirisch ermittelte Kennzahlensysteme und -werte stellen eine Orientierungshilfe zur Ermittlung des als wünschenswert anzustrebenden Sollzustandes dar. Die Deckung des im Rahmen der langfristigen Prognose- oder Standardplanung ermittelten Kapitalbedarfs kann in einem langfristigen Finanzplan dargelegt werden. Der langfristige Finanzplan zerfällt in den Kapitalbedarfsplan, der sich aus den vorgesehenen kapitalbindenden und kapitalentziehenden Maßnahmen ergibt, sowie in den Kapitaldeckungsplan, der die ausgleichenden Kapitaldispositionen enthält (vgl. Abbildung F 22). Die kapitalbindenden Maßnahmen können entsprechend der Detailliertheit der Investitionsplanung spezifiziert werden.
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F. Finanzplanung I.
Dauerhafter Kapitalbedarf der Planperiode a) Kapitalbindende Maßnahmen Investitionen in Sachanlagen (ggf. aufgegliedert nach Bereichen, Funktionen etc.) entsprechend Investitionsplan langfristige Finanzinvestitionen Darlehen Beteiligungen Wertpapiere Erhöhung des Betriebskapitals (permanentes Working Capital) b) Kapitalentziehende Maßnahmen Eigenkapitalverringerung Rückzahlungen von aufgenommenen langfristigen Krediten
Summe I: Kapitalbedarf der Planperiode II. Finanzierungsquellen der Planperiode a) ordentlicher Umsatzüberschuss und sonstige Einzahlungen, wie insbes. aus der Veräußerung von Vermögensteilen b) Eigenkapitalzuführung c) Fremdkapitalaufnahme Summe II: Kapitalbedarfsdeckung Abb. F 22: Kapitalbedarfs- und Kapitaldeckungsplan
IV. Liquiditätsplanung Lernziele dieses Kapitels x Grundsätzlich enthält die Liquiditätsplanung alle künftigen Ein- und Auszahlungen für einen kurzfristigen Zeithorizont. x Die tagesgenaue Liquiditätsvorschaurechnung baut auf Prognosedaten auf. In der Praxis werden für die tagesgenaue Liquiditätsdisposition nur Zahlungsbewegungen von erheblicher Bedeutung erfasst. x Für eine Liquiditätsplanung auf mittlere Sicht wird als Planungseinheit nicht der Tag, sondern die Woche oder der Monat gewählt. x Für die Planung der Ein- und Auszahlungen bietet sich als Planungshilfsmittel die Ermittlung von Verweilzeitverteilungen an. Verweilzeitverteilungen können aus Phasenfolgen bestimmt werden. Ein Beispiel für eine Phasenfolge ist die Abfolge Kundenauftrag, Fertigungsauftrag, Forderung, Einzahlung. Der Übergang vom Anfangs- zum Folgeereignis kann sowohl deterministisch als auch stochastisch sein.
IV. Liquiditätsplanung Zur Gewährleistung der Liquidität im Sinne der jederzeitigen Zahlungsfähigkeit müsste eine Liquiditätsplanung alle zukünftigen Ein- und Auszahlungen tagesgenau enthalten. Eine solche Planung ist jedoch meist nur sehr kurzfristig, in der Regel sogar nur für wenige Tage möglich. Der tägliche Liquiditätsstatus, der der Ermittlung der aktuellen Zahlungskraft dient, kann sich, soweit eine tagfertige Buchhaltung vorliegt, auf Ist-Größen stützen. Die tagesgenaue Liquiditätsvorschaurechnung baut dagegen bereits auf Prognosedaten auf. In der Praxis werden für die tagesgenaue Liquiditätsdisposition nur Zahlungsbewegungen von erheblicher Bedeutung erfasst. Für eine Liquiditätsplanung auf mittlere Sicht wird als Planungseinheit nicht der Tag, sondern die Woche oder der Monat gewählt (vgl. wiederum Abbildung F 4). Bei dieser Finanzplanung im engeren Sinne ist die Liquidität nur durchschnittlich für die Planungseinheit gewährleistet. Die Planung kann wie beim täglichen Liquiditätsstatus auf Einzahlungen und Auszahlungen oder aber auch auf der Basis von Einnahmen und Ausgaben beruhen. Die Grundstruktur des Finanzplans hat folgende Gestalt: Anfangsbestand an Zahlungskraft zu Beginn der Planperiode + Planeinzahlungen der Planperiode ./. Planauszahlungen in der Planperiode =
Endbestand an Zahlungskraft am Ende der Planperiode Abb. F 23: Grundstruktur des Finanzplans
Die in der Literatur vorgeschlagenen Finanzpläne unterscheiden sich im wesentlichen nach Art der Aufgliederung der Ein- und Auszahlungen. Eine häufig vorgenommene Trennung stellt die Aufteilung der Zahlungsbewegungen in ordentliche und außerordentliche dar. Ordentliche Zahlungsvorgänge resultieren aus dem Umsatzprozess, soweit er auf die Betriebstätigkeit zurückzuführen ist. Außerordentliche Zahlungen treten im Zusammenhang mit der Investitionstätigkeit und ihrer Finanzierung auf.24 Die Trennung der Zahlungsbewegungen in ordentliche und außerordentliche kann sogar zu einer Aufspaltung des Finanzplans in einen ordentlichen und einen außerordentlichen Plan führen. Der außerordentliche Finanzplan erfasst den Geldbedarf für Investitionszwecke und seine Abdeckung.25 Eine Gliederung, die mehr auf die Anbindung der Finanzplanung an die Finanzbuchhaltung abstellt, ist die Trennung in erfolgswirksame bzw. erfolgsunwirksame Ein- und Auszahlungen.26 Eine tiefere Untergliederung kann dann nach Art der Aus- bzw. Einzahlungen (Materialbeschaffung, Lohnzahlungen usw.) erfolgen. Auch eine Aufgliederung nach Abteilungen, Projekten oder Produkten ist möglich. Die Wahl der jeweiligen Gliederung des Finanzplans hängt wesentlich von den betriebsspezifischen Gegebenheiten ab. Die Gliederung nach Funktionsbereichen der Unterneh-
24
25 26
Vgl. Mellerowicz, Planung und Plankostenrechnung, 1970, S. 530 ff.; Vieweg, Finanzplanung, 1971, S. 31 ff. Vgl. Sellien, Finanzierung und Finanzplanung, 1964, S. 147 ff. Vgl. Chmielewicz, Finanz- und Erfolgsplanung, 1972, S. 9 ff.; ders., Betriebliche Finanzwirtschaft I, 1976, S. 31 ff.
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F. Finanzplanung mung bzw. nach Abteilungen bezeichnet man auch als Finanzstellenrechnung.27 Die Finanzstellenrechnung ist vor allem in Verbindung mit der Standardplanung geeignet, Vorgabewerte (Finanzbudgets) für die mittlere Führungsebene zu ermitteln. In Abbildung F 24 ist ein Finanzplan wiedergegeben, der eine Trennung der Zahlungen nach ihrer Herkunft aus dem laufenden Geschäft (ordentlicher Umsatzprozess), aus Investitions- und Desinvestitionsvorgängen sowie im Rahmen des Finanzverkehrs vornimmt.28 Die Über- oder Unterdeckung der Planperiode an liquiden Mitteln wird zunächst anhand der bereits festgelegten Zahlungsvorgänge ermittelt. Anschließend können die erforderlichen Ausgleichs- und Anpassungsmaßnahmen, wie Geldbeschaffung im Fall der Unterdeckung oder Geldanlage im Fall der Überdeckung, berücksichtigt und der Finanzplan auf den gewünschten Zahlungsmittelbestand am Periodenende hin ausgeglichen werden. Monate Jan. Febr. März April … I.
Auszahlungen
1.
Auszahlungen für laufende Geschäfte
1.1.
Gehälter
1.2.
Löhne
1.3.
Rohstoffe
1.4.
Hilfsstoffe
1.5.
Betriebsstoffe
1.6.
Frachten
1.7.
Steuern und Abgaben
1.8.
…
2.
Auszahlungen für Investitionszwecke
2.1.
Sachinvestitionen Ankäufe Vorauszahlungen Restzahlungen
2.2.
Finanzinvestitionen
3.
Auszahlungen im Rahmen des Finanzverkehrs (soweit bereits festgelegt)
3.1.
Kredittilgung
3.2.
Akzepteinlösung
3.3.
Eigenkapitalminderungen (z. B. Privatentnahmen)
II.
Einzahlungen
1.
Einzahlungen aus ordentlichen Umsätzen
1.1.
Barverkäufe
27 28
Vgl. Lücke, Finanzplanung, 1965, S. 55 f. Vgl. auch die Gliederung bei Witte, Finanzplanung der Unternehmung, 1983, S. 49 ff.
IV. Liquiditätsplanung Monate Jan. Febr. März April … 1.2.
Begleichung von Forderungen aus Lieferungen und Leistungen
2.
Einzahlungen aus Desinvestitionen (soweit bereits festgelegt)
2.1.
Anlageverkäufe (außerordentliche Umsätze)
2.2.
Auflösung von Finanzinvestitionen
3.
Einzahlungen aus Finanzerträgen
3.1.
Zinserträge
3.2.
Beteiligungserträge
III.
Ermittlung der Über- und Unterdeckung durch II ./. I + Zahlungsmittelbestand der Vorperiode
IV.
Ausgleichs- und Anpassungsmaßnahmen
1.
Bei Unterdeckung (Einzahlungen)
1.1.
Kreditaufnahme
1.2.
Eigenkapitalerhöhung
1.3.
Rückführung gewährter Darlehen
1.4.
zusätzliche Desinvestitionen
2.
Bei Überdeckung (Auszahlungen)
2.1.
Kreditrückführung
2.2.
Anlage in liquiden Mitteln
V.
Zahlungsmittelbestand am Periodenende nach Berücksichtigung der Ausgleichs- und Anpassungsmaßnahmen Abb. F 24: Liquiditätsplan, hier Finanzplan i. e. S.
Die Planung der Zahlungsvorgänge kann direkt aus den übrigen betrieblichen Teilplänen, speziell aus dem Produktions- und Absatzplan erfolgen. Es ist jedoch auch eine Anbindung an die Erfolgsrechnung möglich, indem eine Korrektur der Aufwendungen und Erträge um nicht zahlungswirksame Vorgänge erfolgt bzw. eine Ergänzung um Zahlungsvorgänge vorgenommen wird, die nicht zu Aufwendungen und Erträgen führen. Für die Planung der Einzahlungen bietet sich in beiden Fällen als Planungshilfsmittel die Ermittlung von Verweilzeitverteilungen an. Eine Verweilzeitverteilung gibt an, welche Verweildauer ein bestimmtes Element A aufweist, bis es sich in ein Element B umgewandelt hat. So etwa im Rahmen der Finanzplanung, speziell wie lange Umsatzforderungen im Forderungsbestand verbleiben, bis sie zu einer Einzahlung führen. Neben dem Übergang von Forderungen zu Einzahlungen existieren noch weitere für die Finanzplanung bedeutsame Phasenfolgen. So etwa die Abfolge Kundenauftrag, Fertigungsauftrag, Forderung, Einzahlung. Ähnlich kann aus Kundenaufträgen auch eine Phasenfolge für die Auszahlungen bestimmt werden: Kundenauftrag, Lieferbestellung, Verbindlichkeit aus Lieferung und Leistung, Aus-
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F. Finanzplanung zahlung. Neben der Kenntnis der Phasenfolgen ist für die Planung die Ermittlung der Übergangszeiträume erforderlich. Für den Übergang von Forderungen aus Umsatzerlösen in Einzahlungen kann das Liquiditätsspektrum folgendes Aussehen aufweisen (vgl. Abbildung F 25): Beispiel für ein Liquiditätsspektrum Periode nach Enstehung der Forderung 1 2 3 4
Prozent der Forderungen aus der Periode t, die in der jeweiligen Periode zu Einzahlungen werden
t+1 t+2 t+3 t+4
40 20 30 10
oder in Vektorschreibweise: S = (0,4 0,2 0,3 0,1) Abb. F 25: Beispiel für ein Liquiditätsspektrum
Im vorliegenden Beispiel erfolgt eine hundertprozentige Umwandlung der Forderungen zu Einzahlungen (inneres Produkt des Vektors = 1). In der Praxis werden vielfach auch Forderungsausfälle auftreten, sodass der Gesamtprozentsatz der Umwandlungen etwas unter 100 % liegen wird. Prinzipiell kann die Verweilzeitverteilung als Anzahlverteilung oder als Betragsverteilung wiedergegeben werden. Bei der Anzahlverteilung, wie sie im vorstehenden Beispiel vorliegt, ist eine multiplikative Verknüpfung mit dem jeweiligen Forderungsbestand zur Ermittlung der Einzahlungen erforderlich.
Als Einzahlungen für die nächste Periode (t + 1) ergeben sich somit: Et + 1 = 0,4 Ft + 0,2 Ft – 1 + 0,3 Ft – 2 + 0,1 Ft – 3. Auch Verknüpfungen von Verweilzeitverteilungen mehrerer hintereinander ablaufender Phasenfolgen sind möglich. Sind etwa die Übergänge von Aufträgen in Forderungen einerseits und von Forderungen in Einzahlungen andererseits bekannt, so kann daraus der Übergang von Aufträgen in Einzahlungen ermittelt werden.29 Der Übergang vom Anfangs- zum Folgeereignis kann sowohl deterministisch als auch stochastisch sein. So wird sich der Übergang von Kundenaufträgen zum Materialaufwand vielfach deterministisch ergeben, während der Übergang zu Kundeneinzahlungen fast ausschließlich stochastisch ist. Für die Ermittlung der stochastischen Verweilzeitverteilungen ist es erforderlich, dass eine ausreichende Grundgesamtheit vorliegt. Bestehen etwa pro Periode nur wenige Forderungen, so kann sich entsprechend den Zufallsschwankungen das Liquidationsspektrum von Periode zu Periode erheblich verändern. Die Begleichung der Forderungen darf ferner auch nicht voneinander abhängig sein, wie es etwa der Fall ist, wenn Großkunden Rechnungen unterschied29
Vgl. Pönninghaus, Betriebswirtschaftliche Multiplikatoren, 1967, S. 659 ff.
V. Integrierte Finanzplanung licher Perioden zur Bezahlung zusammenfassen. Darüber hinaus führt die Wahl der Planungsperiode (Woche, Monat) zur Bildung von Mittelwerten und damit zu einer Nivellierung der Verteilung. Die kausale Prognose mit Verweilzeitverteilungen ist nur möglich, wenn der Phasenübergang eine für die Finanzplanung ausreichende Zeitspanne in Anspruch nimmt. Bei Phasenübergängen, die sich innerhalb von wenigen Tagen vollziehen, ergibt sich ein sehr kurzfristiger Planungshorizont.30 Liegt eine sehr gleichmäßige Umsatzentwicklung vor, so kann eine Zeitreihenanalyse der Einzahlungen aus Umsatzerlösen eine ähnlich gute Prognosequalität aufweisen, wie sie mithilfe der Verweilzeitverteilungen zu erzielen ist. Die auf dem Umsatzprozess beruhenden Auszahlungen können ebenfalls kausal in Abhängigkeit von Auftragseingang oder vom Produktionsplan abgeleitet werden. Zusätzlich sind die Auszahlungen im Rahmen des Finanzverkehrs zu berücksichtigen, wobei für Tilgung und Zinszahlungen die Fälligkeitstermine als bekannt angenommen werden können. Die Auszahlungen im Rahmen des Investitionsplans ergeben sich aus den vertraglichen Absprachen über die Zahlungskonditionen.
V. Integrierte Finanzplanung Lernziele dieses Kapitels x Im Rahmen einer integrierten Finanzplanung wird versucht, die Finanzrechnung stärker in die vorhandenen betrieblichen Rechnungssysteme mit einzubeziehen. Zum einen kann eine Integration in die Finanzbuchhaltung und damit eine rechnungstechnische Verbindung mit der Bilanz und der Erfolgsrechnung erfolgen, zum anderen eine Anbindung der Finanzrechnung an die Plankostenrechnung. x Die Integration der Finanzplanung in die Erfolgs- und Bilanzplanung führt zu einer automatischen Abstimmung der verschiedenen Planungssysteme; der Planungsprozess selbst wird dadurch jedoch nicht gelöst. x Die Integration der Finanzplanung mit Kosten- und Erlösmodellen hat den Vorteil, dass kausale Planungsmethoden zum Einsatz gelangen können, die speziell bei der kurzfristigen Liquiditätsplanung einer Prognose mithilfe von Zeitreihenanalysen überlegen sind.
Bei den bisher behandelten Finanzplanungsansätzen wurden die Größen des Finanzplans aus dem Zahlenmaterial der Finanzbuchhaltung, ergänzt um die Ergebnisse bestimmter betrieblicher Teilpläne, wie speziell des Absatzplans und des Produktionsplans, abgeleitet. Der Finanzplan wurde dabei jedoch isoliert vom übrigen Rechnungswesen geführt. Im Rahmen einer integrierten Finanzplanung wird nun versucht, die Finanzrechnung stärker in die vorhandenen betrieblichen Rechnungssysteme mit einzubeziehen. Zum einen kann eine Integration in die Finanzbuchhaltung und damit eine rechnungstechnische Verbindung mit der Bilanz und der Erfolgsrechnung erfolgen
30
Vgl. Langen, Unternehmensplanung, 1971; Edin, Prognose mittels Verweilzeitverteilungen, 1968; Edin, Schmitt, Verweilzeitverteilungen, 1969.
773
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F. Finanzplanung (Chmielewicz), zum anderen eine Anbindung der Finanzrechnung an die Plankostenrechnung (Niebling).31 Bei der Integration der Finanzrechnung in die Finanzbuchhaltung wird bei Verbuchung der Geschäftsvorfälle jeweils auch ihre Liquiditätswirkung mitberücksichtigt. Ein solches Buchungssystem, das neben dem Ausweis der Bestände und des Erfolgs auch einen Liquiditätssaldo aufführt, ist bereits in der „funktionalen Kontorechnung“ von Thoms verwirklicht.32 Die funktionale Kontorechnung wurde zunächst jedoch primär als Istrechnung und damit als Vergangenheitsrechnung gesehen. Erst später trat der Aspekt der Planungsrechnung verstärkt hinzu.33 Ähnlich erfolgt bei Chmielewicz eine zusätzliche Aufgliederung jeder Buchung, soweit sie einem Zahlungsvorgang ohne Aufrechnung entspricht, auf differenzierten Einnahme- und Ausgabekonten. Diese Konten stellen die Finanzrechnung dar, deren Abschluss den Liquiditätssaldo ergibt, der dann auf das Kassenkonto der Bilanz abgeschlossen wird. Die Bilanz stellt im integrierten System eine Zweisaldenrechnung dar, die erst durch Übernahme des Gewinnund Liquiditätssaldos zum Ausgleich gelangt. Im Planungsbereich wird der geplante Liquiditätssaldo des Finanzplans an die Planbilanz abgegeben, die durch den geplanten Erfolg aus der Planerfolgsrechnung vervollständigt wird (vgl. Abbildung F 26).34
Abb. F 26: Grundschema einer integrierten Finanz- und Erfolgsplanung
31
32
33
34
Vgl. Chmielewicz, Integrierte Finanz- und Erfolgsplanung, 1972; Niebling, Kurzfristige Finanzrechnung, 1973. Vgl. Thoms, Buchen und Bilanzieren der funktionalen Kontorechnung, 1956; ders., Vorteile der funktionalen Kontorechnung, 1956. Vgl. Thoms Die Buchhaltung als Instrument der Planungsrechnung, 1960; ders., Die funktionale Planungsrechnung, 1962; ders., Integrale Kapitalbedarfsrechnung, 1969, S. 18 ff. Vgl. Chmielewicz, Anwendungsbeispiel, 1974, S. 475.
V. Integrierte Finanzplanung Die Integration der Finanzplanung in die Erfolgs- und Bilanzplanung führt zu einer automatischen Abstimmung der verschiedenen Planungssysteme, der Planungsprozess selbst (Ermittlung der Plandaten) wird dadurch jedoch nicht gelöst. Einen Beitrag hierzu stellt die Verzahnung der Finanzplanung mit der Planung der betrieblichen Güterprozesse (Produktionsplan) dar. Die Gütermengenplanung kann über Produktprogramm-Matrizen erfolgen.35, 36 Ausgangspunkt für die Planung ist die nach dem Zugang aufgelöste Lagergleichung: Abgang +
Gewünschter Endbestand
./. Vorhandener Anfangsbestand = Nötiger Zugang ≥ 0
Der produktionsbedingte Lagerabgang kann ermittelt werden, wenn die Verbrauchskoeffizienten bekannt sind. ProduktVerbrauchsGewünschter Vorhandener Nötiger × + ./. + ≥0 Herstellmengen koeffizienten Endbestand Anfangsbestand Zugang
Bei Einsatzgütern, die keiner Lagerung bedürfen, genügt die Ermittlung der Verbrauchsmengen (= Produkt-Herstellmengen × Verbrauchskoeffizienten). Darüber hinaus ist zu prüfen, ob der Bestand an Potenzialfaktoren (Maschinen und maschinelle Anlagen, Personal) für die geplante Produktionskapazität ausreichend ist. ProduktHerstellmengen
×
Verbrauchskoeffizienten
(= Periodenkapazität je Potenzialfaktor)
= Nötiger Anfangsbestand an Potenzialfaktoren
Der erforderliche Anfangsbestand an Potenzialfaktoren darf die vorhandene Kapazität nicht überschreiten. Ist letzteres der Fall, so müssen im Rahmen der Finanzplanung Auszahlungen für Investitionen oder Neueinstellungen von Personal einkalkuliert werden. Die Verbrauchsmengenplanung kann durch Bewertung mit Preisen in monetäre Plangrößen überführt werden. Ergibt sich nach Abschluss der integrierten Planung ein zu geringer Liquiditätssaldo oder/und Erfolgssaldo, so führt dies zur Planrevision, die sowohl bei der Mengenplanung als auch bei den Planpreisen (für Produktions- und Potenzialfaktoren) ansetzen kann. Die Integration der Finanzplanung mit Kosten- und Erlösmodellen hat den Vorteil, dass kausale Planungsmethoden zum Einsatz gelangen können, die speziell bei der kurzfristigen Liquiditätsplanung einer Prognose mithilfe von Zeitreihenanalysen überlegen sind.37
35
36
37
Vgl. Chmielewicz, Finanz- und Erfolgsplanung, 1972, S. 123 ff.; Niebling, Kurzfristige Finanzrechnung, 1973, S. 67 ff. Die Gleichungen für die Produktmengenplanung werden im Folgenden nicht in Matrizenform und damit nur für den Einproduktbetrieb und für eine Planperiode dargestellt. Ferner wird nur eine Einflussgröße berücksichtigt. Die Planung mit Produktprogramm-Matrizen kann jedoch sowohl den Mehrproduktbetrieb (verschiedene Produktherstellmengen und Verbrauchskoeffizienten) als auch mehrere Einflussgrößen und den Mehrperiodenfall berücksichtigen. Vgl. auch Hauschildt, Entwicklungsschritte auf dem Weg zu einer integrierten Erfolgs- und Finanzplanung, 1974.
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F. Finanzplanung Weitere Systeme integrierter Finanzplanung sind auf analytischer Basis38 sowie unter Verwendung des Hilfsmittels der Simulation39 entwickelt worden.
VI. Plananpassung und Kontrolle Lernziele dieses Kapitels x Anpassungsmaßnahmen zum Ausgleich des Finanzplans sind dann notwendig, wenn die vorhandenen finanziellen Mittel zur Deckung des Liquiditäts- und Kapitalbedarfs nicht ausreichen. Anpassungsmaßnahmen bestehen dabei z. B. in der Änderung von Zahlungs- und Lieferkonditionen. Zum Ausgleich gewisser Fehlplanungen wird ein Zahlungsmittelbestand vorgehalten, der aber Rentabilitätseinbußen mit sich bringt. x Die Aufgabe der Finanzkontrolle besteht darin, auf Basis der Plan- (prognostizierte Zahlungen) und Istwerte (tatsächlich aufgetretene Zahlungsströme) Höhe und zeitliche Unterschiede zu ermitteln. Diese Abweichungen können dann im Rahmen der Abweichungsanalyse bzgl. Preis, Mengen- und Zeitabweichung untersucht werden.
Anpassungsmaßnahmen zum Ausgleich des Finanzplans müssen ergriffen werden, wenn die vorhandenen finanziellen Mittel zur Deckung des ermittelten Kapitalbedarfs nicht ausreichen, oder wenn die Liquidität in der Planungsperiode nicht gewährleistet ist. Bei der integrierten Finanzplanung werden Anpassungsmaßnahmen neben einem zu geringen Liquiditätssaldo auch durch einen den Planvorstellungen nicht entsprechenden Erfolgssaldo ausgelöst. Anpassungsmaßnahmen können sowohl auf der finanzwirtschaftlichen als auch auf der güterwirtschaftlichen Seite (Mengen und Preise) ansetzen. Auch die Änderung von Zahlungs- und Lieferungskonditionen kann bedingt für einen Planausgleich in Frage kommen. Bei perfekter Planung der Ein- und Auszahlungen könnte der Liquiditätssaldo Null sein. Zum Ausgleich zeitlicher Fehlplanungen wird jedoch in der Praxis ein gewisser Mindestbestand an Zahlungsmitteln erforderlich sein (vgl. auch Abschnitt B II). Die Höhe dieses Bestandes wird zum einen begrenzt durch die Rentabilitätseinbuße, die durch das Brachliegen der Zahlungsmittel entsteht, zum anderen durch den Schaden, der auftritt, wenn Auszahlungen nicht aus dem Zahlungsmittelbestand gedeckt werden können. Dieser Schaden muss nicht zwingend Insolvenz/Konkurs des Unternehmens bedeuten; er kann sich auch in Form der Kosten eines Überziehungskredits bei einem Kreditinstitut oder bei Wiederholung in Form von Bonitätsverlusten darstellen. Bei passiver Finanzplanung wird der Planausgleich meist auf der Kapitalzuführungsseite ansetzen. Ergibt sich ein Kapitalbedarf, der die vorhandenen Mittel übersteigt, so ist zu überprüfen, in welchem Umfang zusätzliche Mittel zur Abdeckung der Finanzierungslücke gewonnen werden können. Dabei ist zu beachten, dass die Zuführung von Fremd- oder Eigenkapital in der Planbilanz zu Veränderungen der Kapitalstruktur und regelmäßig auch der Kapitalkostensätze führt (vgl. auch Abschnitt D IV). Im Rahmen 38 39
Vgl. Deppe, Lohmann, Grundriss einer analytischen Finanzplanung, 1989. Vgl. Adelberger, Simulfin, 1976; Hielscher, Lehner, Langfristige Finanzplanungsmodelle, 1975, S. 456 ff.
VI. Plananpassung und Kontrolle der Anpassungsmaßnahmen, die bei der Kapitalzuführung ansetzen, stellt sich daher jeweils das Problem der Auswahl der geeigneten Finanzierungsalternative. Eine Finanzierung kann auch durch Kapitalfreisetzungsmaßnahmen erfolgen. Besteht ein vorübergehender Überschuss an Zahlungsmitteln, so bietet sich eine kurzfristige rentable Geldanlage an, oder die Mittel können zur Tilgung von Krediten Verwendung finden. Als weitere, aktive Plananpassungsmaßnahme ist die Steuerung der nach Höhe und Fälligkeit noch nicht terminierten Auszahlungen möglich. Der Finanzplan kann durch einen Verzicht auf Ersatzinvestitionen, Rationalisierungsinvestitionen, Erweiterungsinvestitionen oder Finanzinvestitionen zum Ausgleich gebracht werden, falls keine geeignete Deckung für den Kapitalbedarf vorhanden ist. Hierbei ist jedoch zu berücksichtigen, dass das Aufschieben von notwendigen Ersatzinvestitionen oder von Rationalisierungs- bzw. Erweiterungsinvestitionen sich in Zeiten der Vollbeschäftigung in verringerten Einzahlungen aus Umsätzen niederschlagen kann. Ferner wird das langfristige Unternehmenswachstum beeinträchtigt. Eine weitere Möglichkeit der Steuerung von Auszahlungen besteht in der Verringerung der Einkäufe für Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe. Allerdings beinhaltet der dadurch entstehende geringere Lagerbestand die Gefahr von Produktionsstockungen. Der Verzicht auf Investitionen wird immer dann zu wählen sein, wenn ein Liquiditätsengpass vorliegt und die langfristigen Wachstumsziele hinter der Unternehmenserhaltung zurücktreten müssen. Als Anpassungsmaßnahmen kommen auch Aktionen in Frage, die die Verweilzeitverteilungen der Zahlungsströme beeinflussen. Speziell sind dabei eine Beschleunigung des Phasenübergangs im Bereich der Einzahlungen und eine Verzögerung des Phasenübergangs im Bereich der Auszahlungen interessant. Die Phasenübergänge können beeinflusst werden durch die Änderung des eigenen Zahlungsverhaltens oder durch Einflussnahme auf das Zahlungsgebaren der Abnehmer. Eine Steuerung der Einzahlungen aus Lieferungen und Leistungen ist durch Veränderung der Zahlungskonditionen und durch die Intensität und den Zeitraum der Anmahnung von säumigen Schuldnern möglich. Die Änderungen des eigenen Zahlungsverhaltens können in der Verzögerung von Auszahlungen bestehen. Bei diesen Maßnahmen ist jedoch zu berücksichtigen, dass sie zum Abwandern von Kunden oder zum Verlust von Lieferanten führen können. Einzahlungen können beschleunigt werden, wenn ein rascherer Phasenübergang im güterwirtschaftlichen Bereich (Beschleunigung der Produktion) erreicht werden kann. Liquide Mittel für den Planausgleich sind auch durch zusätzliche Desinvestitionsmaßnahmen zu erzielen. Im Vordergrund steht hierbei die Liquidation von Finanzvermögen oder von Sachvermögen, das für den Produktionsprozess nicht erforderlich ist. Darüber hinaus kann bei Liquiditätsgefährdung auch eine Veräußerung von Halb- und Fertigfabrikaten unter dem Marktpreis in Betracht kommen. Bei der Auswahl der Anpassungsmaßnahmen ist neben dem primären Aspekt des Finanzplanausgleichs auch jeweils der sich ergebende Sekundäreffekt, speziell die Auswirkungen auf das Umsatzwachstum, zu berücksichtigen. Auch saisonale und konjunkturelle Schwankungen können die Anpassungsentscheidung beeinflussen. Die Finanzplanung bedarf einer permanenten Finanzkontrolle. Die Finanzkontrolle hat zu ermitteln, ob die im Rahmen des Plans prognostizierten bzw. vorgegebenen Werte (Planwerte) mit den tatsächlich aufgetretenen Zahlungsströmen (Istwerte) in Höhe und Zeitpunkt übereinstimmen. Ergeben sich Abweichungen zwischen Plan- und Istdaten, so resultiert daraus das Erfordernis einer Korrektur der laufenden Finanzplanung. Ohne eine permanente, an den jeweils aufgetretenen Ist-Werten, orientierte Planrevision
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F. Finanzplanung würde sich insbesondere bei längerfristigen Plänen eine erhebliche Fehleinschätzung der Zukunft ergeben. Eine Kontrolle ist nur möglich, wenn eine den Planwerten entsprechende Erfassung der Istwerte vorliegt. Dies setzt beim Liquiditätsplan voraus, dass eine laufende Aufzeichnung der Ein- und Auszahlungen erfolgt. Bei den in die Finanzbuchhaltung integrierten Planrechnungen (Thoms, Chmielewicz) ist eine laufende Erfassung der liquiditätswirksamen Geschäftsvorfälle gewährleistet und die Kontrolle damit erheblich vereinfacht. Bei isoliert als Nebenrechnungen geführten Finanzplänen müssen die jeweiligen Istwerte erst aus dem Datenmaterial der Finanzbuchhaltung gewonnen werden. Neben dem vermehrten Zeitaufwand kann dies auch zu einem Time Lag der Kontrolle und damit der Planrevision führen. Eine sinnvolle Kontrolle ist nur möglich, wenn die Zahlungsvorgänge in der gleichen Systematik zusammengefasst werden, wie sie bei der Aufstellung der Prognosewerte Verwendung fand. Die Erfassung der Abweichungen kann sowohl absolut als auch prozentual erfolgen. Innerhalb der Planungsteilperioden ermittelte Werte können darüber hinaus auf den Gesamtplanungszeitraum kumuliert werden. Analog zur Plankostenrechnung können die Abweichungen im Rahmen der Finanzplanung einer Abweichungsanalyse unterzogen werden. Es lassen sich auch prinzipiell die gleichen Abweichungsursachen wie bei der Plankostenrechnung unterscheiden: Preis- und Mengenabweichungen, wobei letztere noch aufgegliedert werden können in Beschäftigungs- und Verbrauchsabweichungen. Speziell bei der Liquiditätsplanung tritt jedoch noch die Zeitabweichung hinzu, die sich bei einer Fehlterminierung der Zahlungsströme ergibt. Zur Ermittlung der Mengen- und Preisabweichungen müssen die Zahlungsbeträge in ihr Mengen- und Preisgerüst aufgespalten werden. Nicht plangemäße Faktorverzehrmengen können ihre Ursache zum einen in einer Fehleinschätzung der Umsatzentwicklung (Entwicklung der Gesamtleistung) und zum anderen – unabhängig vom Umsatz – in höheren oder geringeren Faktorverbrauchsmengen gegenüber dem Planansatz haben. Soweit es sich um eine Prognosefinanzplanung handelt, zielt die Abweichungsanalyse in erster Linie nicht darauf ab, Mängel in den Realprozessen aufzudecken, da dies der Kostenrechnung überantwortet wird, sondern aufgrund der Analyse eine Verbesserung der zukünftigen Finanzplanung zu ermöglichen. Liegt dagegen eine Standardfinanzplanung vor, deren Planwerte im Rahmen des Budgets als Vorgabewerte für das mittlere Management dienen, so steht bei der Abweichungsanalyse die Ermittlung der Verantwortlichkeit für die Abweichung im Vordergrund. Eine solche Kontrolle der Verantwortlichkeit setzt klar umrissene Verantwortungsbereiche voraus. Die Finanzzentren (Budget Centers) müssen so gewählt sein, dass sich die finanzielle Verantwortlichkeit mit der Leitungsbefugnis, die sich aus dem Organisationsplan ergibt, deckt. Eine eindeutige Zuordnung von Abweichungsursachen zu bestimmten Verantwortungsbereichen ist jedoch nicht in allen Fällen möglich. Insbesondere Beschäftigungsabweichungen sind vielfach auf Einflussfaktoren zurückzuführen, die außerhalb des Unternehmens liegen. Die Kontrollfunktion hat im Rahmen der Standardfinanzplanung auch die Aufgabe, Leistungsanreize zu schaffen. Diese können zum einen in Belohnungen und Sanktionen bestehen, zum anderen in der Möglichkeit der Mitsprache bei der Planrevision, die sich aus der Abweichungsanalyse heraus ergibt.
VI. Plananpassung und Kontrolle
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Fragen zur Finanzplanung 1.
Was versteht man unter Planung und was ist ihr Sinn und Zweck?
2.
Erläutern Sie den Unterschied zwischen strategischer und taktischer Planung! Stellen Sie eine Verbindung zu den verschiedenen Formen der Finanzplanung her!
3.
Was versteht man unter einem Budget Center und welche Bedeutung besitzt eine solche Einrichtung im Rahmen der Unternehmensführung?
4.
Erläutern Sie die allgemeinen Planungs- und Budgetierungsgrundsätze!
5.
Welche Aufgaben hat die Finanzplanung zu erfüllen?
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F. Finanzplanung 6.
Aus welchen Phasen setzt sich der Prozess der Finanzplanung zusammen?
7.
Worin besteht der Unterschied zwischen Kapitalbedarfsplanung und -bindungsplanung einerseits sowie der Liquiditätsplanung andererseits?
8.
Erläutern Sie die Vorgehensweise bei der Planzahlengewinnung mithilfe extrapolierender Verfahren auf Zeitreihenbasis einerseits und mit kausalen Prognoseverfahren andererseits! Versuchen Sie Aussagen über den Anwendungsbereich und die Prognosequalität im Rahmen der Finanzplanung zu machen!
9.
Ein Unternehmen hatte folgende Umsatzentwicklung: 1. Quartal des Vorjahres
125.000,– GE
2. Quartal des Vorjahres
117.000,– GE
3. Quartal des Vorjahres
115.000,– GE
4. Quartal des Vorjahres
142.000,– GE
1. Quartal des laufenden Jahres
163.000,– GE
2. Quartal des laufenden Jahres
160.000,– GE
Bezüglich der Zahlungsgewohnheiten der Kunden ist bekannt, dass sich Umsätze wie folgt in Einnahmen verwandeln: Im gleichen Quartal werden 40 %, im folgenden Quartal weitere 35 % und im darauffolgenden Quartal der Rest in Höhe von 25 % zu Einzahlungen. Prognostizieren Sie die voraussichtlichen Einzahlungen aus Umsatzerlösen für das 3. und 4. Quartal des laufenden Jahres. 10. Erläutern Sie die Umsatz-Prozent-Methode als Hilfsmittel der langfristigen Kapitalbedarfs- und -bindungsplanung und zeigen Sie die Prämissen und Grenzen dieses Verfahrens auf. 11. Geben Sie den Grundaufbau der kurzfristigen Liquiditätsrechnung wieder! 12. Listen Sie wichtige Aufwands- und Ertragsarten auf und geben Sie jeweils ihre Auswirkung auf die Zahlungsebene an (Perioden- und Sachverschiedenheit)! 13. Erläutern Sie die Grundgedanken einer integrierten Finanzplanung! Grenzen Sie die Simultanplanung von der integrierten Planung ab! 14. Welche Bedeutung kommt der Abweichungsanalyse im Rahmen der Finanzkontrolle zu? 15. Der nachfolgende Fall soll in vereinfachter Form die Zusammenhänge zwischen Erfolgs-, Finanz-, Bestands- und Flussrechnung aufzeigen: Die X-Gesellschaft produziert Büchsenöffner für 0,75 GE und verkauft sie für 1,– GE. Die Firma X zahlt prompt und stellt ihre Rechnungen auf 30 Tage netto aus. Sie hat sich über 1.200,– GE zu 10 % bei ihrer Hausbank fremdfinanziert. Tilgung und Zinszahlungen werden erst zum Jahresende fällig; sie sollen aus Vereinfachungsgründen in der monatlichen Erfolgsrechnung keine Berücksichtigung finden. Zu Jahresanfang belaufen sich die Zahlungsmittel auf 875,– GE und die Forderungen auf 1.000,– GE. Der Lagerbestand von 1.500 Stück ist zu Herstellungskosten mit 1.125,– GE bewertet. Das Jahr begann erfolgreich: – Im Januar Produktion und Verkauf von 1.000 Büchsenöffnern mit Gesamtkosten von 750,– GE; Eingang aller zu Jahresbeginn ausgewiesenen Forderungen. Zum Ende des Monats legte der Marketingmanager eine Prognose vor, die eine stetige Absatzsteigerung von 500 Büchsenöffnern monatlich auswies. Man entschloss sich, fortan schon zu Monatsbeginn den erwarteten Monatsabsatz im Fertigwarenlager vorzuhalten. – Im Februar stieg der Absatz erwartungsgemäß auf 1.500 Stück. Um den beschlossenen Vorlauf zu halten, Produktion von 2.000 Stück mit Gesamtkosten von 1.500,– GE. Die Forderungen aus den Januarverkäufen wurden beglichen.
VI. Plananpassung und Kontrolle – Die Märzverkäufe waren noch besser: 2.000 Stück. Forderungseingang normal; Ausweitung der Produktion gemäß der Lagerpolitik: 2.500 Stück. – Im April erhöhte sich der Absatz weiter auf 2.500 Stück, die Kunden zahlten wie vereinbart, die Produktion stieg auf 3.000 Stück. Der kumulierte Gesamtgewinn belief sich mittlerweile auf 1.750,– GE. Zeigen Sie die Erfolgs- und Liquiditätsentwicklung in dem nachfolgenden Formular sowie graphisch für das ganze Jahr auf (Ist-und Prognosewerte)!
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