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German Pages 223 [232] Year 1970
de Gruyter Lehrbuch
FAMILIENRECHT von
Dr. Dieter Henrich o. Professor an der Universität Regensburg
Walter de Gruyter & Co. Berlin 1970
Archiv-Nr. 23 05 70. 9 Satz und Druck: Chmielorz GmbH, Berlin Prlnted In Germany Alle Rechte, Insbesondere das der Übersetzung In fremde Sprachen, vorbehalten. Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlages ist es auch nicht gestattet, dieses Buch oder Teile daraus auf photomechanischem Wege (Photokopie, Mlkrokople) zu vervielfältigen.
VORWORT Generationen von Studenten haben sidi zum Studium des Familienrechts des Lehrbuchs von Heinrich Lehmann bedient. In der 4. Auflage (erschienen 1967) habe ich versucht, dieses Lehrbuch auf den neuesten Stand zu bringen. Der Versuch hat freilich gezeigt, daß ein Rechtsgebiet, dessen Grundstrukturen geändert worden sind, das wie kaum ein anderes neuen Gedanken geöffnet worden ist, eine neue Darstellung verlangt. Das hat mich veranlaßt, das Buch neu zu schreiben. Die Neufassung wendet sich vor allem an den Studenten. Sie berücksichtigt, daß der Student künftig nicht mehr den gesamten Stoff des Familienrechts zu beherrschen braucht, daß das Familienrecht vielmehr nur noch in seinen Grundzügen Gegenstand der Prüfung sein soll. Das hat es möglich gemacht, die Darstellung von viel überflüssigem Ballast zu befreien. Diese Verkürzung wiederum hat Raum geschaffen für eine vertiefte Erörterung der Probleme, die in der Prüfung erfahrungsgemäß eine Rolle zu spielen pflegen. So soll das Buch dem Studenten das bieten, was er braucht: nidit mehr, aber auch nicht weniger.
Regensburg, im März 1970
Dieter Henrich
INHALT §
1.
Einleitung. Grundbegriffe
1
I. Abschnitt: Eherecht §
2.
Das Verlöbnis
§
3.
Die Ehe
17
§
4.
Die Form der Eheschließung
22
§
5.
Die sachlichen Voraussetzungen der Eheschließung . . .
§
6.
Die Nichtigerklärung und die Aufhebung einer Ehe .
§
7.
Die eheliche Lebensgemeinschaft
§
8.
Vermögensrechtliche AußenWirkungen der ehelichen
§
9.
§ 10.
6
26 .
38 40
Lebensgemeinschaft
53
Unterhaltsansprüche
61
Reditszwang gegen den Ehegatten und Schutz gegenüber einer Ehestörung durch Dritte
65
§ 11.
Das gesetzliche Ehegüterrecht
73
§ 12.
Der Zugewinnausgleich
83
§ 13.
Gütertrennung, Gütergemeinschaft, Ehevertrag, Güterreditsregister
97
§ 14.
Die Ehescheidung
104
§ 15.
Die Folgen der Scheidung
117
II. Abschnitt: Kindschafts- und
Verwandtschaftsrecht
§ 16.
Abstammung
124
§ 17.
Das Verhältnis zwischen Eltern und Kindern im allgemeinen
134
Die elterliche Gewalt
141
§ 18.
§19.
Schränken der elterlichen Gewalt, Verhinderung an ihrer Ausübung, Maßnahmen zum Schutz des Kindes, Verteilung der elterlichen Gewalt nach der Scheidung oder bei Getrenntleben der Eltern 153
§ 20. Die Unterhaltspflicht zwischen Verwandten
166
§ 21. Legitimation nichtehelicher Kinder
175
§ 22. Annahme an Kindes Statt — Adoption
181
III. Abschnitt: Vormundschaftsrecht § 23. Die Vormundschaft
191
§ 24. Die Pflegschaft
202
Sachregister
205
Paragraphenverzeichnis
219
§ 1. Einleitung. Grundbegriffe I. Die Familie Der Begriff der Familie wird im Gesetz nicht definiert. Im natürlichen Sprachgebrauch wird unter „Familie" teils die sog. Großfamilie, teils die sog. Kleinfamilie verstanden. Großfamilie (früher: Sippe) ist die Gemeinschaft aller Blutsverwandten. Kleinfamilie sind die Ehegatten und die Kinder. Das Gesetz beschränkt sich im wesentlichen auf eine Regelung der Beziehungen, die zwischen den Mitgliedern der Kleinfamilie bestehen. Es unterscheidet hier wiederum zwischen den Beziehungen der Ehegatten zueinander (Eherecht) und den Beziehungen zwischen den Eltern und Kindern (Kindschaftsrecht). Die Zugehörigkeit zu der Großfamilie hat — von der Unterhaltspflicht abgesehen — kaum noch rechtliche Relevanz. Darüber hinaus regelt das 4. Buch des BGB auch das Recht der Vormundschaft und der Pflegschaft. II. Verwandtschaft und Schwägerschaft 1. Verwandtschaft Verwandtschaft bedeutet regelmäßig Blutsverwandtschaft. Ausnahme (Begründung eines Verwandtschaftsverhältnisses durch Vertrag) : Annahme an Kindes Statt. Unterschieden wird zwischen Verwandtschaft in gerader Linie und Verwandtschaft in der Seitenlinie. In gerader Linie sind Personen verwandt, die voneinander abstammen, § 1589 S. 1 (Vater - Sohn, Großvater - Enkel). In der Seitenlinie sind Personen verwandt, die gemeinsam von einer dritten Person abstammen, § 1589 S. 2 (Geschwister, Vettern, Onkel und Neffe). Bei den Seitenverwandten ist wiederum zu unterscheiden zwischen vollbiirtigen und halbbürtigen Verwandten. Vollbürtige Geschwister haben beide Eltern gemeinsam, halbbürtige nur einen Elternteil. Der Begriff „Stiefverwandtschaft" ist kein Terminus technicus. Man versteht darunter sowohl halbbürtige Verwandte (Stiefbruder) als X Henrich, Famlllenrecht
1
§1
Einleitung
auch Personen, die überhaupt nicht miteinander verwandt sind (Stiefvater - Stiefkind). D i e N ä h e der Verwandtschaft wird nadi Graden bemessen. D e r jeweilige G r a d der Verwandtschaft bestimmt sich nach der Zahl der die Verwandtschaft vermittelnden Geburten, § 1589 S. 3. M a n zeichnet zu diesem Zweck einen Stammbaum, der bis zu dem gemeinsamen Vorfahren zurückreicht.
Beispiel:
r
B I D
1 C I E
D ist mit seinem Vater B im ersten, mit seinem Großvater A im zweiten, mit seinem Onkel C im dritten und mit seinem Vetter E im vierten Grade verwandt. Merke:
Ehegatten sind als solche nicht miteinander verwandt.
2. Schwägerschaft Schwägerschaft besteht zwischen einem Ehegatten und den Verwandten des anderen Ehegatten, § 1590 I, 1. Dagegen sind die Verwandten des einen Ehegatten mit den Verwandten des anderen Ehegatten nicht verschwägert. Beispiele: Der Ehemann ist mit den Eltern, Geschwistern usw. seiner Frau verschwägert. Dagegen sind die Geschwister des Ehemannes mit den Geschwistern der Ehefrau nidit verschwägert. Stiefvater und Stieftochter sind wiederum miteinander verschwägert, nicht verwandt. Die Schwägerschaft dauert fort, auch wenn die Ehe, durch die sie begründet wurde, aufgelöst ist, § 1590 I I . „Ehe vergeht, Schwägerschaft besteht." D e r Ehemann bleibt also mit der Schwester seiner Frau verschwägert, auch wenn er sich von seiner Frau hat scheiden lassen.
3. Rechtliche Bedeutung Rechtliche Bedeutung haben insbesondere 2
Verwandtschaft
und
Schwägerschaft
§1
Grundbegriffe a ) im Familienrecht: Verwandte in gerader
§ 1601.
Linie
sind
einander
unterhaltspflichtig,
Zwischen Verwandten in gerader Linie, zwischen vollbürtigen und halbbürtigen Geschwistern sowie zwischen Verschwägerten in gerader Linie darf keine Ehe geschlossen werden, § 4 I EheG. Verwandte und Verschwägerte haben gewisse Rechte, wenn ein K i n d unter Vormundschaft gestellt wird (Berücksichtigung bei der Auswahl des Vormunds, § 1779 I I , 3, Anhörung in wichtigen Angelegenheiten, § 1 8 4 7 ) ; b) im Erbrecht: Verwandte (nicht Verschwägerte!) haben ein gesetzlidies Erbrecht; c) im Prozeßrecht: Verwandte und Verschwägerte haben ein recht (vgl. z. B . § 383 Z P O , § 52 S t P O ) ;
Zeugnisverweigerungs-
d) im S t r a f recht: Verwandte sind „Angehörige" (§ 52 I I S t G B ) .
III.
Rechtsquellen
1. Das Familienrecht ist im wesentlichen enthalten im vierten Buch des B G B . Ergänzend sind insbesondere von Bedeutung: a) das Ehegesetz (Schönfelder N r . 4 3 ) mit verschiedenen Durchführungsverordnungen (besonders wichtig: die sog. Hausratsverordnung, Schönfelder N r . 4 4 ) ; b) das Jugendwohlfahrtsgesetz
c) das Gesetz über
die
(Schönfelder N r . 4 6 ) ;
religiöse
(Schönfelder
Kindererziehung
Nr. 47); d) im Bereich des Verfahrensrechts die §§ 6 0 6 — 6 8 7 Z P O (Verfahren in Ehe- und Kindschaftssadien), das Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (Vormundschaftssachen, §§ 3 5 f f . F G G , Annahme an Kindes Statt, §§ 65 f f . F G G ) und das Personenstandsgesetz (Beurkundung des Personenstandes).
2. Die wichtigsten Änderungen des Familienrechts seit des BGB
Inkrafttreten
1 9 2 1 : Gesetz über die religiöse Kindererziehung; 1 9 2 2 : Reichsjugendwohlfahrtsgesetz mundschaft!); l*
(Einführung
der
Amtsvor-
3
Einleitung 1938: Ehegesetz (Eheaufhebung statt Eheanfechtung, Ermöglichung der Ehescheidung nach dreijähriger Heimtrennung); 1946: Ehegesetz (Reinigung des EheG 1938 von nationalsozialistischen Bestandteilen); 1953: Inkrafttreten des Grundsatzes der Gleichbereditigung von Mann und Frau (Art. 3 I I GG). Alles dem Gleichberechtigungsgrundsatz entgegenstehende Recht tritt außer Kraft (Art. 117 I GG); 1958: Inkrafttreten des Gleidibereditigungsgesetzes (Ausfüllung der Lücken, die durch das Inkrafttreten von Art. 3 II GG geschaffen worden waren, Einführung des neuen gesetzlichen Güterstandes der sog. Zugewinngemeinschaft); 1961: Familienrechtsänderungsgesetz (Erschwerung der Ehescheidung durch stärkere Berücksichtigung des Widerspruchs des beklagten Ehegatten, einzelne Verbesserungen des Rechts der unehelichen Kinder, Reformen im Bereich des Adoptionsrechts); 1970: Inkrafttreten des Gesetzes über die rechtliche Stellung der nichtehelichen Kinder. 3. Der Schutz von Ehe und Familie durch das Grundgesetz Nach Art. 6 I GG stehen Ehe und Familie unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung. Diese Vorschrift enthält (nach der Interpretation des Bundesverfassungsgerichts) a) eine Institutsgarantie geschafft" werden);
(Ehe und
Familie dürfen nicht
„ab-
b) ein Grundrecht auf Schutz vor störenden Eingriffen des Staates und; c) eine wertentscheidende Grundsatznorm für das gesamte Ehe und Familie betreffende Recht (BVerfG, FamRZ 1968, 582). Nach Art. 6 II GG sind Pflege und Erziehung der Kinder das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht, über deren Betätigung die staatliche Gemeinschaft wacht. In diesen Vorschriften wird die Familie verstanden als geschlossener, eigenständiger Lebensbereich. Die Verfassung verpflichtet den Staat, diese Einheit und Selbstverantwortlichkeit der Familie zu respektieren. Art. 6 GG gibt der Familie also nicht nur einen Anspruch auf staatlichen Schutz, er schützt die Familie auch vor unzulässigen Eingriffen des Staates. Auf diesen Schutz vor staatlichen Eingriffen pflegen sich Eltern insbesondere im Rahmen des sog. Elternrechts 4
Grundbegriffe
§1
zu berufen. Wie weit dieser Sdiutz reicht, hat das BVerfG sehr klar ausgesprochen: Das Recht der Eltern auf die Pflege und Erziehung ihrer Kinder ist zwar ein Grundrecht, aber ein Grundrecht, das den Eltern auch Pflichten auferlegt. Art. 6 II GG schützt die freie Entscheidung der Eltern darüber, wie sie ihrer natürlichen Verantwortung gerecht werden wollen. Eltern, die sich dieser Verantwortung entziehen, können sich auf den Sdiutz des Art. 6 II GG nicht berufen (BVerfG, FamRZ 1968, 584). IV. Literatur 1. Die umfassendste systematische Darstellung des Familienrechts enthalten die großen Lehrbücher von Dölle (Familienrecht, Bd. I [1964], Bd. II [1965]) und Gernhuber (Lehrbuch des Familienrechts, 1964). 2. Eine vorzügliche kürzere Darstellung des Familienrechts bietet das Kurzlehrbuch von Beitzke, Familienrecht, 15. Aufl. 1970. 3. Die umfassendste Kommentierung des Familienrechts enthält die 10./11. Auflage des Kommentars von Staudinger. Es fehlt darin lediglich noch die Kommentierung von Teilen des EheG und Teilen des vertraglichen Güterrechts. An Kommentarliteratur sind weiter zu nennen: RGRK-BGB, 10./11. Aufl., und Soergel-Siebert, 9. Aufl. 1963 (die Kommentierung des Familienrechts in der 10. Aufl. soll 1970 erscheinen). 4. Von neueren Monographien seien nur die beiden wichtigsten genannt: Wolf-Lüke-Hax, Scheidung und Sdieidungsredit (1959); Müller-Freienfels, Ehe und Redit (1962). 5. Fallsammlungen sollen die Lehrbücher ergänzen. Es liegen vor in der Reihe Schönfelder, Prüfe Dein Wissen: Beitzke, Familienrecht, 5. Aufl. 1968; In der Reihe „Fälle und Lösungen nadi höchstrichterlichen Entscheidungen" des C. F. Müller-Verlages: Henrich, BGB-Familienrecht, 1969. 6. An Zeitschriften, die sich insbesondere mit Fragen des Familienrechts beschäftigen, sind zu nennen: Zeitschrift für das gesamte Familienrecht (FamRZ); Das Standesamt (StAZ); Der Amtsvormund (DAV); 5
§2
Eherecht
Zentralblatt für Jugendredit und Jugendwohlfahrt (ZBlJugR); Recht der Jugend (RdJ).
I. A B S C H N I T T : E H E R E C H T
§ 2. Das Verlöbnis Fall: Balduin und Kunigunde sind verlobt. Durch Zufall erfährt Kunigunde, daß Balduin mit einigen anderen Frauen intime Beziehungen unterhält. Sie tritt daraufhin vom Verlöbnis zurück. Die Aufregung führt bei ihr zu einem Nervenzusammenbruch, zu Magenbeschwerden, Appetitlosigkeit und Kopfschmerzen. 1. Kann sie wegen dieser Gesundheitsschäden Schmerzensgeld verlangen?
Schadensersatz
und
ein
2. Muß sie den Verlobungsring zurückgeben, den Balduin ihr geschenkt hatte?
I. Der
Verlöbnistatbestand
Von einem Verlöbnis spricht man, wenn zwei Personen verschiedenen Geschlechts einander die Ehe versprechen. Ein solches gegenseitiges Versprechen bedarf keiner besonderen Form. Weder brauchen Ringe gewechselt, noch Anzeigen verschickt zu werden. Diese feierlichen Formen erleichtern lediglidi den Nachweis des Verlöbnisses. Merke: Das eigentliche Verlöbnis geht der feierlichen Verlobung regelmäßig voraus. Über die Rechtsnatur des Verlöbnisses herrscht lebhafter Streit. Folgende Ansichten werden vertreten: 1. Die Verlobung ist ein gewöhnlicher h. M.).
Vertrag
(Vertragstheorie;
Sie beruht auf zwei korrespondierenden Willenserklärungen. Problem: Liegen zwei Willenserklärungen vor? Die Willenserklärung ist bekanntlich eine Willensäußerung, die auf einen rechtlichen Erfolg gerichtet ist, der deswegen eintritt, weil er gewollt ist. Nadi dem Gesetz bestehen die Rechtsfolgen des Verlöbnisses lediglich darin, daß bei einem Rücktritt vom Verlöbnis eine Pflicht zum Ersatz des negativen Interesses entstehen kann und daß dann, wenn 6
Das Verlöbnis
die Eheschließung unterbleibt, Geschenke unter bestimmten Voraussetzungen zurückverlangt werden können. Diese Rechtsfolgen treten aber unabhängig davon ein, ob sie gewollt waren oder nicht. Gewollt ist allein die zukünftige Eheschließung. Auf Eingehung der Ehe kann jedoch nicht geklagt werden, § 1297 I. N u n ist zwar die Erzwingbarkeit der versprochenen Leistung kein notwendiges Wesensmerkmal eines Vertrages (die Leistung persönlicher Dienste kann z. B. ebenfalls nicht erzwungen werden, § 888 II ZPO). Aber: Ist eine vertraglich versprochene Leistung nicht erzwingbar, so ist bei einer schuldhaften Nichtleistung das positive Interesse zu ersetzen. Bei einem Bruch des Verlöbnisses billigt das Gesetz jedoch nur Ersatz des negativen Interesses zu. Diese Besonderheiten erwekken Zweifel an der Richtigkeit der h. M. 2. Die Verlobung ist ein familienrechtlicher Dietz, Vorbem. 23 ff. vor § 1297).
Vertrag
(Staudinger-
War die Braut minderjährig und hat sie sich ohne Zustimmung ihrer Eltern verlobt, so hat sie nach der h. M. keine Schadensersatzansprüche, wenn der Bräutigam vom Verlöbnis zurücktritt; denn aus einem schwebend unwirksamen Vertrag können keine Rechtsfolgen hergeleitet werden. Diese offensichtliche Lücke versucht die Theorie des familienrechtlichen Vertrages zu schließen. Sie sieht in der Verlobung zwar einen Vertrag, aber einen Vertrag sui generis, der den Regeln des Allgemeinen Teils nicht in allen Beziehungen unterliegt. Insbesondere soll zur Eingehung des Verlöbnisses nicht gem. §§ 107, 108 Geschäftsfähigkeit der Brautleute erforderlich sein. An ihre Stelle soll nach einer Ansicht eine besondere Verlöbnisfähigkeit treten, die jeder haben soll, der die zur Erkenntnis der Bedeutung des Eheversprechens erforderliche geistige und sittliche Reife besitzt, nach einer anderen Meinung eine analoge Anwendung des § 30 EheG (die Ehe eines beschränkt Geschäftsfähigen ist aufhebbar). Nach der letztgenannten Ansicht ist die Verlobung eines Minderjährigen nicht schwebend unwirksam, sondern schwebend wirksam (so Staudinger-Dietz, Vorbemerkung 32 vor § 1297). Gegen die Theorie des familienrechtlichen Vertrages sprechen dieselben Bedenken wie gegen die allgemeine Vertragstheorie. 3. Die Verlobung ist kein Vertrag, sondern ein gesetzliches Rechtsverhältnis (Canaris, Das Verlöbnis als „gesetzliches" Rechtsverhältnis, AcP 1965, 1 ff.). 7
Eherecht Nach dieser — jüngsten — Theorie ist das Verlöbnis kein Vertrag sondern ein gesetzliches Rechtsverhältnis ohne primäre Leistungspflicht, das seine Grundlage in der Inanspruchnahme und Gewährung von Vertrauen findet. Das Verlöbnis kommt nach dieser These zustande durch die Schaffung des Vertrauenstatbestandes, also die (erkennbare) Bereitschaft zur Eheschließung, und das (erkennbare) Vertrauen des Partners hierauf (Canaris a. a. O., 15). Fragen: Erweckt ein junger Mann, der zwei Jahre lang mit einem Mädchen „geht", nicht den Anschein, er habe die Absicht zur Eheschließung? Wird das Mädchen nicht darauf „vertrauen"? Kann man die beiden aber deswegen schon als verlobt ansehen, obgleich nie ein Eheversprechen abgegeben worden ist? Weiter: Ein Vertrauenstatbestand kann auch einseitig gesetzt werden. Will man ein Verlöbnis annehmen, wenn nur ein Teil den Anschein erweckt hat, die Ehe eingehen zu wollen, ohne daß der andere Teil seinerseits eine entsprechende Absicht bekundet hat? Und zuletzt: Von welchem Zeitpunkt an beginnt das Verlöbnis? 4.
Stellungnahme
Für die zuletzt genannte Theorie vom Verlöbnis als gesetzlichem Schuldverhältnis spricht ihre Lebensnähe. Liebende, die sich gegenseitig die Ehe versprechen, haben nicht das Bewußtsein, rechtsgeschäftlich zu handeln oder gar, einen Vertrag abzuschließen. Andererseits kann auf eine zeitliche Fixierung des Verlöbnisbeginns nicht verzichtet werden. Diese zeitliche Fixierung ergibt sich aus dem wechselseitigen Eheversprechen, d. h. der erklärten Bereitschaft, den Partner heiraten zu wollen. Voraussetzung eines solchen Eheversprechens ist, daß der Erklärende eine verständnisvolle Einsicht in das Wesen des Verlöbnisses hat. Die Partner müssen sich wechselseitig die Ehe versprochen haben. Wenn ein Partner erkennbar auf die Bereitschaft des anderen zur Eheschließung vertraut, die Eheschließung selbst aber gar nicht will, so kann von einem Verlöbnis nicht die Rede sein. Nichts zwingt jedoch dazu, die beiden Erklärungen nur als Willenserklärungen im rechtstechnischen Sinn gelten zu lassen. Zu beachten ist nämlich folgendes: Die Verlobung erschöpft sich nicht in dem Versprechen späterer Eheschließung, sie begründet auch eine soziale Beziehung zwischen den Verlobten, den sog. Brautstand. Dieser Brautstand (oft ebenfalls „Verlöbnis" genannt) ist die eigentliche Basis für die vom Gesetz gewährten Schadensersatzansprüche. Der Status als Verlobter, der durch die Verlobung begründet wird, aber diesen einmaligen 8
Das Verlöbnis
§2
Einigungsakt überdauert, verpflichtet zu einem bestimmten Verhalten. Wer diesen Statuspflichten zuwiderhandelt, enttäuscht inansprudigenommenes Vertrauen. Der Brautstand ist damit ein Rechtsverhältnis, das zwar einen gegenseitigen Austausch von Eheversprechen voraussetzt, nicht jedoch einen Vertrag; denn seine Rechtsfolgen treten unabhängig davon ein, ob sie gewollt waren oder nicht. Insofern kann man in der Tat mit Canaris in bezug auf das Verlöbnis — als einer sozialrechtlichen Dauerverbindung — von einem gesetzlichen Rechtsverhältnis sprechen. Man muß lediglich ergänzend hinzufügen, daß dieses Rechtsverhältnis zu seiner Vorbedingung den gegenseitigen Austausch von Eheversprechen hat, die aber keine rechtsgeschäftlichen Willenserklärungen zu sein braudien. II. Gültigkeitsvoraussetzungen.
Die Folgen von Willensmängeln
1. Geschäftsfähigkeit — Verlöbnisfähigkeit Nadi der herrschenden Vertragstheorie bedarf ein Minderjähriger zu einer Verlobung gem. § 107 der Einwilligung seiner gesetzlichen Vertreter. Ist der „Verlobungsvertrag" vom Minderjährigen ohne diese Einwilligung geschlossen worden, so ist er schwebend unwirksam. Seine Wirksamkeit hängt von der Genehmigung der gesetzlichen Vertreter ab, § 108 I. Das bedeutet: Durch die Anwendung der Vorschriften, die ihn schützen sollen, kann der Minderjährige um seine Ansprüche gebracht werden — ein merkwürdiges Ergebnis! Manche Vertreter der h. M. glauben über § 109 II einen wirksamen Schutz gegen diese unbillige Konsequenz zu finden. Ein Volljähriger — so sagt man — sei dem Minderjährigen gegenüber gebunden, wenn er — wie beim Verlöbnis regelmäßig — die Minderjährigkeit des anderen gekannt habe. Diese Bindung an den sdiwebend unwirksamen Vertrag genüge, um im Falle grundlosen Rücktritts die Schadensersatzpflicht hervorzurufen (so z. B. Beitzke, § 5 I, 2). Aber: § 109 II nimmt dem volljährigen Partner nur die Möglichkeit, wegen der Minderjährigkeit des anderen Teils sidi von dem „Vertrag" zu lösen. Tritt er aus anderen Gründen zurück, so ist es Sache der verlassenen Braut, die Anspruchsgrundlage für ihre Schadenersatzansprüche nachzuweisen. Als Anspruchsgrundlage kommt — nach h. M. — aber nur ein wirksamer „Vertrag" in Betracht. Nach der Theorie vom familienrecbtlichen Vertrag brauchen die Verlobten nicht voll geschäftsfähig zu sein. Teils wird eine auf bloßer Einsicht beruhende besondere Verlöbnisfähigkeit vorausgesetzt, teils 9
§2
Eherecht
läßt man beschränkte Geschäftsfähigkeit genügen, die dann zu einem schwebend wirksamen Verlöbnis führen soll. Frage: Kann in diesem letzteren Fall aus dem schwebend wirksamen Verlöbnis ein unwirksames Verlöbnis werden? Staudinger-Dietz, Vorbemerkung 35 f. vor § 1297: Der beschränkt Geschäftsfähige kann, solange der gesetzliche Vertreter nicht zugestimmt hat, seine Erklärung widerrufen (Widerruf ist kein Rücktritt!). Dem gesetzlichen Vertreter steht ein solches Widerrufsrecht nicht zu. Der Widerruf ist ebenso wie die Rücktrittserklärung höchstpersönlich. Der voll geschäftsfähige Partner kann ebenfalls — wie im Fall der Eheschließung mit einem Minderjährigen (§ 30 I EheG) — seine Erklärung nicht widerrufen. Er hat nur die Möglichkeit des Rücktritts (mit den Konsequenzen der §§ 1298 ff.). Aber: Nach § 30 I, 2 EheG kann, solange der Ehegatte in der Geschäftsfähigkeit beschränkt ist, nur sein gesetzlicher Vertreter die Aufhebung der Ehe begehren. Wendet man § 30 EheG analog an, so muß man (zumindest auch) dem gesetzlichen Vertreter die Möglichkeit geben, die Verlobungserklärung des Minderjährigen zu widerrufen. Nach der Theorie des gesetzlichen Rechtsverhältnisses kommt das Verlöbnis zustande, ohne daß es auf die Geschäftsfähigkeit ankäme, weil eben kein rechtsgeschäftliches, sondern ein gesetzliches Schuldverhältnis vorliegt. Danach kann selbst ein Geschäftsunfähiger die Rechtsfolgen der §§ 1298 ff. geltend machen. Knüpft man dagegen, wie wir es für richtig halten, die Entstehung des gesetzlichen Rechtsverhältnisses an ein wechselseitiges Eheversprechen, so muß man wiederum zwar keine Geschäftsfähigkeit, wohl aber die zur Erkenntnis der Bedeutung des Eheversprechens erforderliche geistige und sittliche Reife verlangen. 2. Gesetzesverstoß — Sittenwidrigkeit Nach h. M. ist eine Verlobung, die gegen das Gesetz oder die guten Sitten verstößt, nichtig, §§ 134, 138, z. B. die Verlobung eines noch Verheirateten oder bereits Verlobten (RGZ 170, 72; 105, 245). Demgegenüber besagt die Theorie des gesetzlichen Rechtsverhältnisses: Die allgemeinen rechtsgeschäftlichen Vorschriften sind nicht anwendbar. Fall: Ein verlobtes Mädchen lernt einen anderen Mann kennen. Es beschließt, die frühere Verlobung zu lösen. Ehe die Rücktrittserklärung dem früheren Partner zugeht und damit wirksam wird, kommt 10
Das Verlöbnis
§2
eine zweite Verlobung zustande. Das Mädchen gibt sich ihrem Partner hin. Soll sein Schadensersatzanspruch, wenn der zweite Partner vom Verlöbnis grundlos zurücktritt, davon abhängen, ob die Verlobung einen Tag vor oder einen Tag nach der Auflösung des ersten Verlöbnisses stattgefunden hat? Hier führt die Theorie des gesetzlidien Rechtsverhältnisses offensiditlich zum befriedigenderen Ergebnis. 3. Willensmängel a) Geheimer Vorbehalt: Vertragstheorien: Ein geheimer Vorbehalt macht die Verlobungserklärung nicht nichtig, § 116. Theorie des gesetzlidien Rechtsverhältnisses: Ein geheimer Vorbehalt ist ohne Bedeutung, da er das Vertrauen des anderen Teils und seine Schutzwürdigkeit unberührt läßt. b) Scheingeschäft: Vertragstheorien: Ein simuliertes Verlöbnis (Beispiel: Verlobung einer Dirne mit einem Verbrecher nur zu dem Zweck, der Zeugnispflicht zu entgehen, vgl. § 52 I Nr. 1 StPO) ist nichtig, § 117. Theorie des gesetzlichen Rechtsverhältnisses: Das Schein Verlöbnis ist wirkungslos, da kein Anlaß gegeben wurde, auf den Eheschluß zu vertrauen. c) Mangel der Ernstlichkeit: Vertragstheorien: Mangel der Ernstlichkeit schließt die Annahme eines Verlöbnisses aus, § 118. Theorie des gesetzlichen Rechtsverhältnisses: Ein nicht ernstlich gemeintes Eheversprechen begründet das gesetzliche Rechtsverhältnis des Verlöbnisses dann, wenn der andere Teil erkennbar darauf vertraute. d) Irrtum, Drohung und arglistige Täuschung: Hier sind die Anhänger der Vertragstheorien verschiedener Ansicht: Das Reichsgeridit wollte die Anfechtung zulassen, die Ersatzansprüche des § 122 aber nur im Rahmen des § 1298 geben. Argument: Die Ersatzpflicht kann nicht weitergehen als im Fall des Verlöbnisbruchs (RG JW 1936, 863). Die Gegenmeinung hält eine Anfechtung für ausgeschlossen. Das Verlöbnis kann als sozialrechtliche Dauerverbindung nicht rückwirkend wieder aus der Welt geschafft werden (ebensowenig wie eine Ehe, ein Arbeits- oder Gesellschaftsverhältnis): so u. a. Beitzke, § 5 I, 3; Staudinger-Dietz, Vorbemerkung 58 vor § 1297. 11
§2
Eherecht
Theorie des gesetzlichen Rechtsverhältnisses: Da ein gesetzliches Rechtsverhältnis vorliegt, ist für die Geltendmachung von Willensmängeln kein Raum. III. Allgemeine
Verlöbniswirkungen
1. Durch die Verlobung wird der Brautstand (das Verlöbnis), ein personenrechtliches Verhältnis, begründet, das als voreheliches Gemeinschaftsverhältnis zur Ehe führen soll. Ob damit auch eine Rechtspflicht zur Eheschließung entsteht, ist bestritten. Die Befürworter einer Reditspflicht zur Eheschließung beziehen sich auf das Wesen des Verlöbnisses als eines „Vorvertrages" zur Eheschließung (vgl. Beitzke, § 5 II, 1), die Gegner verweisen darauf, daß jeder Verlobte jederzeit vom Verlöbnis zurücktreten kann, daß also die Erfüllung der „Pflicht" vom Belieben der Verlobten abhängt. Das aber, so sagt man, ist mit dem Wesen einer Rechtspflicht unvereinbar (vgl. Canaris, AcP 165, 4 f.). Praktische Bedeutung hat dieser Streit nicht. Entscheidend ist, daß aus einem Verlöbnis jedenfalls nicht auf Eingehung der Ehe geklagt werden kann, § 1297 I. 2. Verlobte sind Angehörige i. S. des StGB Beispiel: X erlangt Kenntnis von einem bevorstehenden Bankraub. Die Räuber, denen das wiederum zu Ohren kommt, bemächtigen sich der Braut des X und drohen ihm: „Wenn Sie plaudern, stirbt die Braut!" Lies §§ 138, 52 StGB! Oder: Die Braut erfährt, daß ihr Verlobter einen Hochverrat plant. Sie zeigt die Tat trotz § 138 StGB nidit an. Ob von einer Strafe abgesehen werden kann, hängt davon ab, ob sich die Braut ernstlich bemüht hat, den Verlobten von der Tat abzuhalten, § 139 III StGB. Lies femer: §§ 54, 257 II StGB.
3. Verlobte haben ebenso wie nahe Verwandte und Verschwägerte ein Zeugnisverweigerungsrecht im Zivil- und Strafprozeß (vgl. z. B. § 383 ZPO, § 52 StPO). IV. Der Rücktritt vom Verlöbnis und seine Folgen 1. Das Verlöbnis kann jederzeit durch den Rücktritt eines Verlobten aufgelöst werden. Zu unterscheiden ist zwischen einem grundlosen und einem begründeten Rücktritt. Der grundlose Rücktritt verpflichtet zum Schadensersatz, der begründete Rücktritt nicht. Der Rücktritt ist eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung, die keiner Form bedarf und nur vom Verlobten selbst ab-
12
Das Verlöbnis
§2
gegeben werden kann. Zum Rücktritt eines beschränkt Geschäftsfähigen ist die Einwilligung des gesetzlichen Vertreters nicht erforderlich. Die Entscheidung, einen Menschen nicht heiraten zu wollen, muß (ebenso wie die Entscheidung, einen Menschen heiraten zu wollen) allein den Verlobten überlassen werden. Ausnahme: Begreift man die Verlobung als familienrechtlichen Vertrag, der, wenn der gesetzliche Vertreter nicht eingewilligt hat, analog § 30 EheG schwebend wirksam sein soll, muß man — ebenfalls in Analogie zu § 30 EheG — dem gesetzlichen Vertreter die Möglichkeit einräumen, die Auflösung des Verlöbnisses zu verlangen; rechtstechnisch: Die Verweigerung der Genehmigung beseitigt rückwirkend die Verlobung. 2. Der grundlose Rücktritt Grundlos ist der Rücktritt, wenn er ohne wichtigen Grund erfolgt, vgl. § 1298 III. Wie der grundlos Zurücktretende wird behandelt, wer durch sein Verschulden dem anderen einen wichtigen Rücktrittsgrund gibt, § 1299, z. B. durch seine Untreue den anderen zur Lösung des Verlöbnisses veranlaßt. Ebenso muß behandelt werden, wer schuldhaft einen Rücktrittsgrund gibt und dann selbst aus wichtigem Grund zurücktritt, z. B. wegen einer durch Untreue erworbenen Geschlechtskrankheit. Wichtige Gründe sind z. B.: Untreue, Mißhandlungen, Beleidigungen (auch Beleidungen Angehöriger), schwere Krankheit, schwere Charakterfehler. Kein wichtiger Grund ist es, wenn die Eltern eines Volljährigen die Verlobung mißbilligen. (Einem Minderjährigen kann nicht zum Vorwurf gemacht werden, daß er auf seine Eltern hört!) Ebenfalls ist kein wichtiger Grund i. S. des Gesetzes die Überzeugung, nicht zueinander zu passen, obgleich gerade dies der wichtigste Grund ist! Aber hier fehlt es an der Nachprüfbarkeit. 3. Die Schadensersatzpflicht gem. §§ 1298 f f . Ein grundloser Rücktritt verpflichtet den Zurücktretenden zu Schadensersatz. Der Ersatzanspruch geht nicht auf das positive Interesse, sondern nur auf das negative Interesse. Zu ersetzen sind nicht die Vorteile, die die Ehe gebracht hätte, sondern die Nachteile, die man nicht erlitten 13
§2
Eheredit
hätte, wenn man den späteren Rücktritt vorhergesehen hätte; vgl. Staudinger-Dietz, § 1298 Anm. 24. Ersatzberechtigt sind: (1) der Verlobte und (2) die Eltern oder Personen, die an Stelle der Eltern gehandelt haben. Eltern oder Dritte können nur Ersatz des Sdiadens verlangen, der daraus erwachsen ist, daß sie während der Verlobungszeit in Erwartung der Ehe Aufwendungen gemacht haben oder Verbindlichkeiten eingegangen sind (§ 1298 I, 1): Kosten des Verlobungssdimauses, der Verlobungsanzeigen, der Aussteuer. Der verlassene Verlobte kann darüber hinaus auch das sonstige Vertrauensinteresse ersetzt verlangen (§ 1298 I, 2), etwa den Schaden, den er dadurch erlitten hat, daß er in Erwartung der Ehe eine Stellung oder eine Wohnung aufgegeben hat. Zu ersetzen sind in diesem Fall nur angemessene Aufwendungen oder Schäden, die durch angemessene Maßnahmen entstanden sind (§ 1298 II). Immaterielle Schäden werden grundsätzlich nicht ersetzt. Eine Ausnahme statuiert § 1300: Eine unbescholtene Braut, die ihrem Verlobten die Beiwohnung gestattet hat, kann wegen ihres immateriellen Schadens eine billige Entschädigung in Geld verlangen (Deflorationsanspruch, Kranzgeld). Streitfragen: a) Wann ist eine Braut
unbescholten?
Unbescholtenheit bedeutet Unversehrtheit der Geschlechtsehre, nicht Jungfräulichkeit (Witwe mit Kind!). Bescholten ist die Braut, wenn die tatsächlichen Grundlagen eines makellosen Rufes infolge geschlechtlicher Verfehlungen erweislich verlorengegangen sind und dadurch auch in den Augen Dritter der sittliche Wert gelitten hat (RGZ 149, 147). Gegenmeinung (OLG Bamberg, FamRZ 1967, 334; Gernhuber, § 8 V, 2): Auf die Kenntnis Dritter kommt es nicht an. Die objektive Tatsache einer außerehelichen Beiwohnung allein macht die Braut bescholten. b) Ist § 1300
verfassungsgemäß?
Die Frage wird heute überwiegend bejaht (Begründung: § 1300 gibt der Frau kein Vorrecht, sondern soll die — naturgemäß — empfindlichere weibliche Geschlechtsehre schützen; vgl. BGHZ 20, 195). Nur noch vereinzelt wird die Verfassungswidrigkeit des § 1300 behauptet, so etwa von Nitschke (§ 1300 BGB und das 14
Das Verlöbnis
§2
Gebot der Gleichberechtigung von Mann und Frau, iFamRZ 1968, 424) mit der — guten — Begründung, § 1300 enthalte zwar nicht eine ungerechtfertigte Besserstellung der Frau, wohl aber eine nicht zu rechtfertigende Schlechterstellung der Frau. Indem § 1300 die Verantwortung für den Eintritt nachteiliger Folgen einseitig dem Mann aufbürde, mache er die Frau zu einem Wesen mit verminderter Verantwortung. Außerdem entwürdige er die Frau, weil die Frauenwürde durch die Entgegennahme von Geld weit gravierender beeinträchtigt werde als durch die vorangegangene geschlechtliche Hingabe. c) Ist § 1300 nodi
zeitgemäßf
Die Antwort kann nur lauten: Nein! De lege ferenda sollte § 1300 ersetzt werden durch eine Vorschrift, die jedem Verlobten einen Anspruch auf Ersatz des immateriellen Schadens gibt, wenn er durch den Verlöbnisbruch in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt worden ist; vgl. dazu Stoll, Gutachten zum 45. D J T , 185 f. d) Ist auch ein minderjähriger
Verlobter
schadensersatzpflichtig?
Die Frage stellt sich dann, wenn man entgegen der h. M. annimmt, daß die Verlobung eines Minderjährigen auch dann gültig sein kann, wenn der gesetzliche Vertreter ihr nicht zugestimmt hat. Nach der Lehre vom Verlöbnis als familienrechtlichen Vertrag kann der Minderjährige seine Verlobungserklärung widerrufen. Ein solcher Widerruf soll nach dieser Ansicht das Verlöbnis rückwirkend auflösen. Die §§ 1298—1300 sind in diesem Fall nicht anwendbar (Staudinger-Dietz, § 1298 Anm. 5). Erfolgt kein Widerruf, so entstehen Schadensersatzansprüche, ggf. auch gegen den Minderjährigen. Canaris: Der grundlos zurücktretende Minderjährige haftet nicht. Die Rechtsordnung hat sich in allen Fällen eines Prinzipienwiderstreits für den Satz entschieden: „Schutz mangelnder Geschäftsfähigkeit geht vor Vertrauensschutz" (AcP 165, 19). Aber: Der Satz, ein Minderjähriger dürfe nicht mit Ersatzpflichten belastet werden, gilt nur im Vertragsrecht, nicht bei gesetzlichen Rechtsverhältnissen. Hier bestimmt sich seine Verantwortlichkeit nach § 828. Ob der minderjährige Partner schadensersatzpflichtig wird, hängt darum von seiner Einsichtsfähigkeit ab. 4. Schadensersatzansprüche aus unerlaubter Handlung Schadenersatzansprüche aus unerlaubter Handlung können neben den Ansprüchen aus den §§ 1298 ff. nur geltend gemacht werden, wenn der Sachverhalt über den Bruch der Verlöbnistreue hinaus eine uner15
§2
Eherectt
laubte Handlung des Verlöbnispartners ergibt; vgl. OLG Düsseldorf, FamRZ 1962, 429. V. Der Anspruch auf Herausgabe der Brautgeschenke Alle Endigungsgründe des Verlöbnisses außer der Heirat — also grundloser und begründeter Rücktritt, Aufhebung im wechselseitigen Einverständnis, Tod — erzeugen grundsätzlich einen Anspruch jedes Verlobten auf Herausgabe der Brautgeschenke ( = Gesdienke während des Verlöbnisses) nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung, § 1301 S. 1. Die Vorschrift ist nicht zwingend. Für den Fall des Todes eines Verlobten ist sogar im Zweifel der Aussdiluß der Rückforderung als gewollt anzusehen, § 1301 S. 2. Problem: Kann den Rückforderungsanspruch auch geltend machen, wer die Eheschließung wider Treu und Glauben verhindert hat? Konkret: Ist § 815 anwendbar? § 815 2. Alt. baut auf dem Kondiktionsanspruch des § 812 I, 2, 2. Alt. auf. Seine entsprechende Anwendung auch auf den Anspruch aus § 1301 würde voraussetzen, daß der dieser Bestimmung zugrundeliegende Sachverhalt dem Anwendungsbereich der sog. condictio causa data, causa secuta zumindest rechtsähnlich ist. Das ist indessen nicht der Fall. § 812 I, 2, 2. Alt. betrifft die Fälle, in denen der Empfänger einer Leistung mit der Leistung zu einem bestimmten Verhalten veranlaßt werden soll, das nicht erzwungen werden kann. Die finale Verknüpfung zwischen Leistung und bezwecktem Erfolg macht die in § 812 I, 2, 2. Alt. vorausgesetzte Zweckvereinbarung zu einem entgeltlichen Geschäft. Demgegenüber ist eine Schenkung kein entgeltliches Geschäft. Sie wird vielmehr gerade dadurch gekennzeichnet, daß die Vermögensmehrung einverständlich ohne „Gegenleistung" erfolgen soll. Riditig ist zwar, daß im Fall des § 1301 die Partner bei der Sdienkung regelmäßig von der Erwartung der Eheschließung ausgehen. Diese Erwartung wird jedoch nicht zum Vertragsinhalt. Vielmehr baut der Geschäftswille der Parteien erst auf der gemeinsamen Vorstellung vom künftigen Zustandekommen der Ehe auf. Das heißt aber nichts anderes, als daß der Gesetzgeber in § 1301 generell die Erwartung der Eheschließung unterstellt und stets als rechtlich relevante Geschäftsgrundlage der Schenkung ansieht. Der Anspruch aus § 1301 ist seiner Rechtsnatur nach somit kein Kondiktionsanspruch, sondern eine „Spielart des Wegfalls der Geschäftsgrundlage" (Dölle I, § 6 VII, 2). Seine Verweisung auf das Bereicherungsrecht bestimmt 16
Die Ehe
§3
— zum Schutz des Schuldners — nur den Umfang der Herausgabepflicht (§§ 818 ff.). Eine entsprechende Anwendung des § 815 ist daher abzulehnen (Dölle a. a. O.; anders jedoch die wohl h. M., BGHZ 45, 258; Staudinger-Dietz, § 1301 Anm. 11; Gernhuber, § 8 VI, 1). VI. Hinweise für die Lösung des Ausgangsfalles Zu Frage 1: a) Ergibt sich eine Ansprudisgrundlage aus den §§ 1298 ff.? Sind Heilungskosten „Aufwendung" oder „Maßnahmen" in Erwartung der Ehe? (Nein!) b) §§ 823 ff.? Im Verhalten des B könnte eine bedingt vorsätzliche oder fahrlässige Gesundheitsverletzung gesehen werden. Aber: § 1298 ist gegenüber den SS 823 ff. lex specialis. Liegt nichts weiter vor als ein Bruch der Verlöbnistreue, so können daraus keine Deliktsansprüche abgeleitet werden.
Zu Frage 2: Die Antwort ergibt sich aus den Ausführungen zu Abschnitt V. Eingehende Lösung des Falles in: Henrich, Fälle und Lösungen, S. 1 ff.
§ 3. Die Ehe I. Zum Begriff der Ehe 1. Im geltenden Recht wird die Ehe nicht definiert. Im Schrifttum ist lebhaft umstritten, was zum Begriff und Wesen der Ehe gehört. Die h. M. sagt (vgl. Staudinger-Dietz, Einleitung 86 ff. vor EheG): Die Ehe ist eine vor jedem Recht gegebene Erscheinung des menschlichen Lebens und der menschlichen Gesellschaft. Das Bild der Ehe, das ihrer Erscheinung und Wertung innerhalb der menschlichen Gemeinschaft zugrundeliegt, ist in besonders starkem Maß von ethischen Vorstellungen geprägt. Von diesem Bild geht auch das Recht aus und hat der Gesetzgeber auszugehen. Es bestimmt den Gehalt der rechtlichen Ordnung der Ehe. Dieses — vom Recht nur zum Teil gestaltete — Bild der Ehe ist in erster Linie gemeint, wenn man von der Institution der Ehe spricht. Die Ehe ist, so wie sie sich aus christlich-europäischer Tradition entwickelt hat, die Lebensgemeinschaft zwischen einem Mann und einer Frau. Nur die monogame Ehe ist „Ehe". Sie ist Lebensgemeinschaft in doppeltem Sinn: sie ist umfassend und sie ist auf lebenslange Gemeinschaft hin angelegt. In ihrer konkreten Erscheinung als eheliche Gemeinschaft zwischen zwei individuellen Personen ist die Ehe aber auch ein Rechtsverhältnis, dessen Gestalt und Wirkung sowohl durch die Individualität der Personen 2 Henrich, Familienrecht
17
§3
I. Abschnitt: Eherecht
wie durdi die rechtliche Konzeption der Institution bestimmt wird. Die Ehe kommt durch einen Vertrag (Eheschließung) zustande, ist aber selbst kein Vertragsverhältnis. 2. Die hier vorgetragene h. M. fordert in einer Reihe von Punkten zur Kritik heraus. a) Ehe i. S. des deutschen bürgerlichen Rechts ist nur die vom deutschen Recht anerkannte Ehe. Heiraten zwei orthodoxe Griechen oder zwei katholische Spanier in Deutschland nur vor einem griechisch-orthodoxen Geistlichen oder einem katholischen Priester, so ist die Ehe nach griechischem oder spanisdiem Recht wirksam geschlossen worden, gleichgültig, ob der Geistliche von der griechischen oder spanischen Regierung ausdrücklich zur Vornahme von Eheschließungen ermächtigt worden ist oder nicht. Nach deutschem Recht hängt die Wirksamkeit der Eheschließung in solchen Fällen davon ab, daß der Geistliche von der Regierung des betreffenden Landes zur Vornahme von Eheschließungen ermächtigt worden ist, § 15a EheG. Fehlt diese Ermächtigung, so besteht nach deutschem Recht keine Ehe. Man spricht in Anlehnung an das kanonische Recht von einem matrimonium non existens. Das bedeutet: Zu unterscheiden ist zwischen der Ehe im allgemeinen und der von einer bestimmten Rechtsordnung anerkannten Ehe. Das deutsche Recht spricht von einer Ehe nur dann, wenn die Ehegatten die Ehe in einer bestimmten Form geschlossen haben. Mit anderen Worten: Es gehört zum Begriff der Ehe im Rechtssinn, daß sie von der Rechtsordnung anerkannt wird und das heißt, daß sie in einer bestimmten Form geschlossen worden ist. h) Die Ehe: Vertrag oder Institution? Die merkwürdige Aussage, daß die Ehe zwar durch einen Vertrag, nämlich die Eheschließung, zustande kommt, aber kein Vertragsverhältnis ist, geht auf Hegel zurück: „Unter den Begriff vom Vertrag kann die Ehe nicht subsumiert werden; diese Subsumtion ist in ihrer — Schändlichkeit, muß man sagen, — bei Kant aufgestellt" (Sämtliche Werke, Bd. 7, 132). Die Ehe „ist gerade dies, vom Vertragsstandpunkt der in ihrer Einzelnheit selbständigen Persönlichkeit auszugehen, um ihn aufzuheben" (a. a. O., 242). Und schließlich: „Die Ehe ist wesentlich ein sittliches Verhältnis" (a. a. O., 239). Geht man vom klassischen Vertragsbegriff aus, wie er von Kant und Savigny entwickelt worden ist, so ist die Eheschließung ohne 18
Die Ehe
§3
Zweifel ein Vertrag. Zwei Menschen einigen sich über eine Rechtsfolge. Das genügt für die Annahme eines Vertrages. Diesem klassischen Vertragsbegriff wird neuerdings ein anderer Vertragsbegriff gegenübergestellt. Man geht vom Zweck des Vertrages aus und sagt: Verträge sollen der Ordnung zwischenmenschlicher Beziehungen dienen. Daraus folgert man, daß sie nur bezüglich solcher Gegenstände möglich seien, die der selbstverantwortlichen Bestimmung durch die einzelnen Rechtsgenossen mindestens der Art nach zugänglich sind (Raiser, in: 100 Jahre deutsches Rechtsleben, JTFestschrift, Bd. I, 107). Daraus wird für die Ehe folgende Konsequenz gezogen: Bei der Ehe, so sagt man, ist nur der Abschluß frei. Der Inhalt der Ehe, ihre rechtliche Ausgestaltung, ist der freien Disposition der Eheleute ebensowenig zugänglich wie die Auflösung der Ehe. In Wahrheit ist die Ehe eine überindividuelle Institution, ebenso wie Staat oder Kirche überindividuelle Institutionen sind (Raiser, a. a. O., 108; Latenz, Allg. Teil, § 9 I). Die neuere Institutionenlehre geht auf den Franzosen Hauriou (1856—1929) zurück. Sie betrachtet sich als eine Reaktion auf den positivistischen Individualismus und Voluntarismus oder Kontraktualismus, widerspricht also der Richtung, die jegliche Gemeinschaft auf einen Vertrag zurückführen wollte, sei es nun der Staat (Stichwort: contrat social), die Kirche oder die Ehe. Alle diese Institutionen sind — so sagen Hauriou und seine Nachfolger — etwas Objektives. Zwar entsteht und existiert die Institution durch eine individuelle Leistung, sie ist aber mehr als nur die Summe dieser Leistungen (vgl. die Stichworte „Hauriou" und „Institution" in: Staatslexikon, Bd. IV, 1 ff. und 324 ff.). Auf die Ehe übertragen heißt das: Die Ehe entsteht und existiert durch individuelle Leistung, ist aber mehr als die Summe dieser Leistungen, nämlich eine Institution, eine vorgegebene Grundrelation menschlicher Existenz. Die Folge: Der Inhalt der Ehe steht nicht in der Verfügungsgewalt der Eheschließenden, sondern ergibt sich aus dem Wesen der Institution „Ehe". Jeder Ehegatte wird mit der Eheschließung Teil eines Ganzen, einer Gemeinschaft. Durch die Teilhabe an dieser Gemeinschaft dient er nicht individuellen, sondern institutionellen Zwecken. Vgl. dazu Dombois, Grundprobleme des Ehescheidungsrechts, ZevKR 1956, 32 ff., und Bosch, Familienrechtsreform (1952), 45: „In der einzelnen Ehe realisiert sich vom Zeitpunkt ihres Abschlusses an die Institution. Und es ist besser, daß eine durdi Verschulden brüchig gewordene Ehe rechtlich erhalten bleibt, als daß die Institution Schaden nimmt und damit alle Ehen an Wert verlieren." 2
19
§3
I. Abschnitt: Ehereàt
Der Hege/sehen Auffassung und der neueren Institutionenlehre ist gemeinsam: Die Ehe als „sittliches Verhältnis" oder als „Institution" kann nicht zur Disposition der Partner gestellt werden. Ihre Regelung ergibt sich vielmehr aus der Institution, in der — nach Hegel — der objektive Geist seinen geschichtlich-konkretisierten Niederschlag gefunden hat. Frage: Wie offenbart sich der objektive Geist? Für Hegel wird der objektive Geist verkörpert in den großen Persönlichkeiten eines Volkes. Vor 35 Jahren schrieben die Neuhegelianer unter den Juristen: Der Volksgeist entfaltet sich in der schöpferischen Gestaltung der führenden Persönlichkeiten (vgl. Latenz, Rechts- und Staatsphilosophie der Gegenwart, 2. Aufl. 1935, 164). Kann man dem heute noch folgen? Auch gegenüber der Institutionenlehre Haurious muß gefragt werden: Wer bestimmt den Inhalt der Institution? Für Hauriou finden in der Institution objektive Ideen, Recht und Gerechtigkeit, ihren Niederschlag. Recht und Gerechtigkeit entstammen für Hauriou dem Willen Gottes, dem Zentrum der Welt der Ideen. So wird die Institution das Medium, das den individuellen Menschen zur Erfüllung des göttlichen Willens anhält (vgl. W. Friedmann, Legal Theory, 5. Aufl. 1967, 241). Ergibt sich somit der Inhalt der Institution Ehe aus den Lehren der Kirchen? Unter der Herrschaft des Nationalsozialismus wurde die Institutionenlehre Haurious von Carl Schmitt aufgenommen und zu dem „konkreten Ordnungsdenken" weiterentwickelt. Nach der nationalsozialistischen Auffassung war die Ehe eine Institution im Interesse des Fortbestandes des deutschen Volkes zum Zweck der Wahrung und Förderung des Gemeinwohls durch einträchtige Zusammenarbeit und zum Zweck der Erzeugung rassegleicher, erbgesunder Kinder und ihrer Erziehung zu tüchtigen Volksgenossen. An die Stelle des „individualistischen Interesses" der Ehegatten sollte „das sittliche Wesen der Ehe als Wertmaßstab" treten. Das sind die Konsequenzen der Institutionenlehre: Der Inhalt der Institution wird einer Weltanschauung entnommen, die austauschbar ist. Aus diesem Grund wird die These, die Ehe sei eine Institution, heute von einer Reihe von Juristen abgelehnt (vgl. Wolf, Zur „Institution Ehe", JZ 1967, 749, 751). Nicht gerechtfertigt ist auch die gegen die Vertragsnatur ins Feld geführte These, die Ehe sei der Disposition der Eheleute entzogen. Zwar ist die Gestaltungsfreiheit der Ehegatten nicht so groß wie die 20
Die Ehe
§3
Gestaltungsfreiheit der Partner eines schuldrechtlichen Vertrages. Insbesondere können die Ehegatten nach geltendem Recht die Ehe nicht durch einen bloßen Vertrag wieder aufheben. Im Rahmen der Gesetze können die Ehegatten jedoch über den Inhalt ihrer konkreten Ehe entscheiden: Ob sie Kinder haben wollen oder nicht (str.), ob die Frau berufstätig sein soll oder nicht usw. Daß die privatautonome Gestaltung der Ehe durch die Ehegatten bisher wenig Verteidiger fand, mag mit der bis vor kurzem herrschenden patriarchalischen Eheauffassung zusammenhängen. Es gab früher keine freie Einigung, sondern ein Bestimmungsrecht des Mannes und eine Gehorsamspflicht der Frau. Die Idee der Gleichberechtigung sollte auch hier einen Wandel schaffen. Zusammenfassend läßt sich feststellen: Gegen die Konzeption der Ehe als „Institution" sprechen gewichtige Bedenken. Auf der anderen Seite sind die Gründe, die angeblich gegen die Vertragsnatur der Ehe sprechen, nicht überzeugend. Das führt zu dem Schluß: Die Ehe des bürgerlichen Rechts ist ein vertraglich begründetes privatrechtliches Verhältnis, das zwar nicht frei widerrufbar ist, dessen Inhalt im übrigen jedoch im Rahmen der Gesetze von den Ehegatten bestimmt werden kann. c) Ist nur die monogame Ehe eine Ehe? Die Antwort auf diese Frage ergibt sich aus dem Gesetz. Sie lautet: Nein! Nadi dem Gesetz ist nämlich eine bigamische Ehe zwar vernichtbar, bis zu ihrer Vernichtung aber durchaus existent. Sie steht damit in einer Reihe neben den Ehen, die dem Eheverbot der Verwandtschaft oder der Schwägerschaft zuwider geschlossen worden sind, neben den Namensehen, neben den Ehen, die durch einen Stellvertreter oder einen Boten geschlossen worden sind. Ebenso wie ein anfechtbares Rechtsgeschäft durchaus ein Rechtsgeschäft ist, ist auch eine vernichtbare Ehe durchaus eine Ehe. II. Charakteristische Merkmale der Ehe des bürgerlichen Rechts Nadi dem Willen des deutschen Gesetzgebers darf eine Ehe nur geschlossen werden zwischen einem Mann und einer Frau. Sie ist auf ungeteilte Lebensgemeinschaft gerichtet und auf Dauer angelegt. Mehr läßt sich dem Gesetz nidit entnehmen. Auch hier werden häufig darüber hinaus gehende Behauptungen aufgestellt, z. B.: „Die Ehe ist ihrem Wesen nach unauflöslich" (vgl. BGHZ 18, 13, 17; BGH, FamRZ 1960, 188; neuerdings wieder Wilkens, Theologische Erwägungen zur Ehescheidung, FamRZ 1969, 57, 21
§4
I. Abschnitt: Eheredit
59). Oder: „Die Ehe ist ihrem Wesen nach zur Erzeugung und Erziehung von Kindern bestimmt" (so die katholische Lehre: vgl. Enzyklika „Casti connubii" Pius XI. [1930]; ebenso die Auffassung der nationalsozialistischen Rechtslehre: vgl. RGR-Kommentar zum BGB, Bd. IV, 9. Aufl. 1940, Vorbem. vor § 1 EheG, S. 23; ähnlich noch heute: Dölle I, § 5 I, 3). Aus diesen Behauptungen werden dann Konsequenzen gezogen, beispielsweise, daß alle Vorschriften, die eine Scheidung gestatten, restriktiv, eng, auszulegen seien, oder daß eine Einigung der Ehegatten, keine Kinder haben zu wollen, nichtig sei. Indessen haben alle diese Ansichten im geltenden Recht keine Grundlage. Aus dem Gesetz ergibt sich, daß die Ehe unter bestimmten Voraussetzungen geschieden werden kann. Daran hat sich der Richter zu halten. Er hat in jedem Einzelfall zu prüfen, ob die Voraussetzungen vorliegen, unter denen eine Scheidung möglich ist. Bei dieser Prüfung darf er nicht unter Berufung auf das „Wesen der Ehe" die Vorschriften extensiv oder restriktiv auslegen. Und unter keinen Umständen darf er sich auf das Wesen einer Ehe berufen, die nicht die Ehe des bürgerlichen Rechts ist. Aus dem Gesetz ergibt sich weiter, daß die Ehegatten zur ehelichen Lebensgemeinschaft verpflichtet sind (§ 1353). Dazu rechnet auch die Geschlechtsgemeinschaft. Nicht verpflichtet sind die Ehegatten zur Zeugung von Kindern. Entscheiden sie sich, keine Kinder haben zu wollen, dann verstoßen sie damit nicht gegen das Wesen der Ehe. Freilich wollen die meisten Eheschließenden auch Kinder haben. Wenn sich darum ein Ehegatte ohne triftigen Grund weigert, Kinder zu zeugen oder zu empfangen, dann ist das eine schwere Eheverfehlung, die zu einer Scheidung der Ehe berechtigt.
§ 4. Die Form der Eheschließung I. Geschichtliche Entwicklung 1. Wenn man vom Frauenraub absieht, der schon im Ausgang der Völkerwanderung unterdrückt wurde, darf man als germanische Form der Eheschließung die Sippenvertragsehe bezeichnen. Sie war die herrschende Form bis ins hohe Mittelalter. Die Ehe wurde geschlossen zwischen dem Mann und der Sippe der Braut. Der Mann gab der durch den Muntwalt vertretenen Sippe der Braut eine Freundesgabe, den sog. Muntschatz. Mit der Annahme des Muntschatzes wurde die Sippe der Braut zur Übergabe der Braut verpflichtet („Kaufehe"). 22
Die Form der Eheschließung
§4
Die Brautübergabe fand in feierlicher Form statt. Ihr folgten die Heimführung in das Haus des Mannes, das offenkundige Beschreiten des Ehebettes und am Morgen nach der Brautnacht die Überreichung der Morgengabe durch den Mann, der dadurch die Frau als Hausfrau anerkannte. 2. Neben der Sippenvertragsehe hatte eine weite Verbreitung die sog. Friedelehe. Die Friedelehe kam ohne einen Muntvertrag zustande, konnte demzufolge auch gegen den Willen der Sippe der Braut geschlossen werden. Ehebegründend wirkte hier allein der Konsens der Brautleute. 3. Unter dem Einfluß der Kirche, insbesondere nachdem sich die Ansicht von der Sakramentsnatur der Ehe durchgesetzt hatte, wurde der Konsens der Brautleute das entscheidende Element der Eheschließung: Consensus facit nuptias. Als Spender des Sakraments wurden die Gatten angesehen, nicht der Priester. Die Beiwohnung bedeutete nur noch „Vollziehung" der Ehe, die damit nach kirchlicher Lehre unauflöslich wurde. Diese Lehre hatte die nachteilige Folge, daß auch heimliche Ehen gültig geschlossen werden konnten. Um diesem Mißstand abzuhelfen, schrieb das Konzil von Trient (1563) die Mitwirkung eines Geistlichen und zweier Zeugen vor. Ein Verstoß gegen diese Formvorschrift sollte fortan zur Nichtigkeit der Ehe führen. 4. Nach der Lehre der evangelischen Kirche spenden sich die Ehegatten nicht gegenseitig ein Sakrament, vielmehr wird die Ehe durch die Handlung der Trauungsperson (Geistlicher, Standesbeamter) geschlossen. Die Handlung bestand ursprünglich in dem Zusammensprechen und der Segnung. Heute nimmt die Kirche nur noch die Segnung vor. Auf das Zustandekommen der Ehe ist die Segnung jedoch ohne Einfluß. 5. Die Ziviltrauung der modernen Zeit erscheint erstmals in den Niederlanden (16. Jh.) und Großbritannien (17. Jh.). Allgemein durchgesetzt hat sie sich im 19. Jahrhundert. Man unterscheidet: a) die Zwangszivilehe (eine Ehe kann nur vor dem Standesbeamten geschlossen werden): Sie wurde eingeführt in Frankreich 1792, in Preußen 1874, im Deutschen Reich 1875 und gilt ferner in Belgien, in den Niederlanden, in Luxemburg, in der Schweiz und in den sog. sozialistischen Staaten. b) die fakultative Zivilehe (die Eheschließenden haben die Wahl, ob sie vor einem Standesbeamten oder vor einem Geistlichen die Ehe schließen wollen): Sie gilt in Italien, Portugal, Skandinavien, England und einem Großteil der USA. 23
§4
I. Abschnitt: Eheredit
c) Die kirchliche Eheschließung ist nur noch in wenigen Ländern zwingend vorgeschrieben, so z. B. in Griechenland, in Spanien (dort allerdings nur für Katholiken), in einigen Provinzen Kanadas und zwei Einzelstaaten der USA. II. Die Formvorschriften des EheG Das EheG enthält eine Reihe von Formvorschriften. Die Nichtbeachtung dieser Formvorsdiriften kann teils zur Folge haben, daß eine Ehe überhaupt nicht existiert, teils, daß sie nichtig ist. Es gibt aber auch Formvorsdiriften, deren Nichtbeachtung auf die Gültigkeit der Ehe keinen Einfluß hat (Soll-Vorschriften). 1. Die zustande zustande, gefunden
Formvorschrift, bei deren Nichtbeachtung eine Ehe nicht kommt, enthält § 11 EheG. Danach kommt eine Ehe nur wenn die Eheschließung vor dem Standesbeamten statthat.
a) Standesbeamter ist regelmäßig der Bürgermeister. In Gemeinden, die einen Stadtkreis bilden, müssen, in anderen Gemeinden können besondere Beamte als Standesbeamte bestellt werden, § 53 PStG. b) Die Eheschließung vor einem Geistlichen begründet keine Ehe. Man spricht hier von einer Nichtehe oder einem matrimonium non existens. Eine Ausnahme für Ausländer enthält § 15a EheG. 2. Formvorschriften, bei deren Nichtbeachtung eine Ehe nichtig ist. Der Begriff der Nichtigkeit ist bei einer Ehe ein anderer als bei sonstigen Rechtsgeschäften. Bei gewöhnlichen Rechtsgeschäften bedeutet Nichtigkeit, daß sich jedermann auf die Nichtigkeit berufen kann und daß das Rechtsgeschäft keinerlei Rechtswirkungen entfaltet. Dagegen kann sich auf die Nichtigkeit einer Ehe nicht jedermann von Anfang an berufen. Eine Berufung auf die Nichtigkeit einer Ehe ist vielmehr erst dann zulässig, wenn die Ehe durch gerichtliches Urteil für nichtig erklärt worden ist, § 23 EheG. Bis zur Nichtigerklärung besteht die Ehe. Man spricht darum statt von nichtigen Ehen besser von vernichtbaren Ehen. Außerdem ist eine nichtige Ehe nicht ohne Rechtsfolgen. Insbesondere sind Kinder, die in einer nichtigen Ehe geboren werden, ehelich und bleiben es auch dann, wenn die Ehe für nichtig erklärt wird. Nichtig ist eine Ehe, wenn die Eheschließung nicht in der durch § 1 3 EheG vorgeschriebenen Form stattgefunden hat, § 17 I EheG. Nach § 13 I EheG müssen die Verlobten persönlich und bei gleichzeitiger Anwesenheit vor dem Standesbeamten erklären, die Ehe mit24
Die Form der Eheschließung
§4
einander eingehen zu wollen. Diese Erklärungen müssen gem. § 13 II EheG unbedingt und unbefristet sein. Also: Eine Eheschließung durch Stellvertreter oder Boten (sog. „Handschuhehe") ist nichtig, desgl. nach h. L. audi eine Eheschließung unter einer Bedingung oder Zeitbestimmung (Dölle I § 18 VI; Palandt-Lauterbach, § 13 EheG Anm. 3b). Bemerkenswert ist aber folgendes: Die Zulässigkeit einer Vertretung im Willen betrifft die Frage der Willensbildung und ist deswegen eine materielle Frage. Das gleidie gilt für die Zulässigkeit von Bedingungen und Befristungen. Daraus folgt jedoch nicht, daß die Nichtigkeitsfolge, die § 17 I EheG anordnet, nur für die reinen Formverstöße gilt (ein reiner Formverstoß ist die Eheschließung durch einen Boten). Aus den § § 1 3 und 17 EheG ergibt sich vielmehr, daß die Verbote des § 13 EheG auch als Formvorschriften gelten sollen. Darum ist die Ehesdiließung durch einen echten Stellvertreter ebenso nichtig wie die Eheschließung durch einen Boten. Etwas anderes muß dagegen für die bedingte oder befristete Eheschließung gelten. Würde man hier die Ehe als nichtig ansehen, so hätte dies folgende Konsequenzen: Einmal könnte die nichtige Ehe durch Zeitablauf geheilt werden (Frage: Könnte dann die Bedingung oder Befristung nodi bestehenbleiben?), zum anderen könnte sich zumindest vor dem Ablauf der Fünfjahresfrist des § 17 II EheG jeder Ehegatte auf die Nichtigkeit berufen und damit — mittelbar — die Bedingung oder Befristung durchsetzen. Das verträgt sich jedoch nicht mit der Gesamtregelung des Eherechts, wonach es keine „Ehe auf Probe" gibt. Man wird darum — entgegen dem scheinbaren Wortsinn — bei einer bedingt oder befristet geschlossenen Ehe nicht die Ehe selbst, sondern lediglich die Bedingung oder Befristung für nichtig ansehen müssen (Ramm, Eheverbot und Ehenichtigkeit, J Z 1963, 47, 52; Gernhuber, § 13 IV, 3; Staudinger-Dietz, § 13 EheG Anm. 37). Problem: Was geschieht, wenn jemand unter dem Namen eines die Ehe schließt?
anderen
a) Weiß der andere Teil, daß der Erschienene für einen Dritten handeln will, so kommt die Ehe mit dem Vertretenen zustande, ist aber gemäß §§ 13 I, 171 EheG nichtig (h. M.; vgl. Staudinger-Dietz, § 13 EheG Anm. 56; a. A. — die Ehe kommt zwischen den Anwesenden zustande — ErmanHefermehl, § 13 EheG Anm. 3; Dölle I, § 26 B I, lb; wiederum anders Dölle I, § 18 B II, 1: Es kommt überhaupt keine Ehe zustande!).
25
§5
I. Abschnitt: Eherecht
b) Weiß der andere Teil nidit, daß der Erschienene nicht für sich, sondern für einen anderen die Ehe schließen will, so kommt die Ehe zwischen den Anwesenden zustande. Der geheime Vorbehalt des „Vertreters", die Ehe für einen anderen schließen zu wollen, ist unbeachtlich, vgl. Staudinger-Dietz, § 13 EheG Anm. 58. c) Das gleiche gilt, wenn eine Person unter fremdem Namen auftritt und die Ehe für sich schließen will, die andere Partei sie aber mit dem wahren Namensträger verwechselt. Audi hier kommt die Ehe zwischen den Anwesenden zustande; vgl. Staudinger-Dietz, § 13 EheG Anm. 59. 3. Formvorsdiriften, deren Nichtbeachtung die Gültigkeit der Ehe nicht b e r ü h r t (Soll-Vorschriften). a):Auf gebot, § 12 E h e G : D a s Aufgebot ist ein öffentlicher H i n w e i s auf die bevorstehende Eheschließung. Es wird eine Woche lang am Standesamt ausgehängt, § 3 P S t G . Veraltet und überflüssig! b) Eheschließung vor d e m zuständigen Standesbeamten. Zuständig ist der Standesbeamte, in dessen Bezirk einer der Verlobten seinen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen A u f e n t h a l t hat, § 15 EheG. c) Eheschließung vor zwei Zeugen, § 14 EheG. d) D e r Standesbeamte soll a n die Verlobten einzeln u n d nacheinander die Frage richten, o b sie die Ehe miteinander eingehen wollen. N a c h der Bejahung soll er aussprechen, d a ß die Verlobten n u n m e h r k r a f t Gesetzes rechtmäßig verbundene Eheleute seien, § 14 E h e G in V e r b i n d u n g mit § 184 I I , 2 der Dienstanweisung f ü r Standesbeamte. e) D i e Eheschließung soll in das Heiratsbuch eingetragen werden, § 14 I I E h e G i. V. m. § 9 P S t G . Anschließend legt der Standesbeamte ein sog. Familienbuch an, § 12 P S t G .
§ 5. Die sachlichen Voraussetzungen der Eheschließung I. Voraussetzungen,
bei deren Fehlen keine Ehe
vorliegt
1. Ehen gibt es nur zwischen Mann und Frau. Zwei M ä n n e r k ö n nen einander ebensowenig heiraten wie zwei Frauen. Tritt allerdings eine Geschlechtsumwandlung erst später ein — etwa auf Grund eines operativen Eingriffs —, so kann dies nichts daran ändern, daß zunächst einmal eine Ehe bestanden hat. Die Ehe kann deswegen nur ex nunc aufgelöst werden. Von den beiden Möglichkeiten der Auflösung ex nunc (Aufhebung oder Scheidung) bietet sidi in einem solchen Fall die Auf26
Die sachlichen Voraussetzungen der Eheschließung
§5
hebung eher an als die Scheidung (es fehlt an einem Verschulden!). Zu denken wäre an eine Aufhebung wegen Irrtums über eine persönliche Eigenschaft (die Möglichkeit einer Geschlechtsumwandlung dürfte als Anlage bereits im Zeitpunkt der Eheschließung vorhanden gewesen sein).
2. Jeder Ehegatte muß vor dem Standesbeamten erklären, den anderen heiraten zu wollen. Bei einem Dissens kommt keine Ehe zustande. II. Voraussetzungen, bei deren Fehlen eine Ehe nichtig ist Beachte: Nichtig i. S. des EheG bedeutet nicht absolut nichtig ( = ohne jede Rechtswirkung), sondern vernichtbar (s. o. § 4 II, 2). 1. Die einzelnen
Voraussetzungen
a) Geschäfts- und Urteilsfähigkeit
der Verlobten:
Eine Ehe ist nichtig, wenn einer der Ehegatten zur Zeit der Eheschließung geschäftsunfähig war oder sich im Zustand der Bewußtlosigkeit oder vorübergehender Störung der Geistestätigkeit befand, §§ 2, 18 EheG. Das Mindestmaß geistiger Reife oder Klarheit, das für jedes Rechtsgeschäft verlangt wird, ist natürlich audi Vorbedingung des Eheschlusses. Eine Eheschließung im Vollrausch ist somit ebenso nichtig wie eine Eheschließung in Agonie.
b) Die Ehe darf nicht ausschließlich oder vorwiegend zu dem Zweck geschlossen werden, der Frau die Führung des Familiennamens des Mannes zu ermöglichen, § 19 EheG (sog. Namensehe). Merke: Wer eine Frau heiratet, um einem Kind zu einer ehelichen Geburt zu verhelfen, schließt keine Namensehe. Es geht nidit um den Namen der Frau, sondern um den Status des Kindes! Häufiger als Namensehen sind die sog. Staatsangehörigkeitsehen, d. h. Ehen, die nur oder vorwiegend zu dem Zweck geschlossen werden, der Frau die Staatsangehörigkeit des Mannes zu verschaffen (und damit ihr die Ausreise aus einem Staat zu ermöglichen oder ihre Ausweisung — als unerwünschte Ausländerin — zu verhindern!). Diese Ehen waren nach dem EheG 1938 ebenfalls verniditbar. Heute ist eine Nichtigerklärung nicht mehr möglich. c) Kein Ehegatte darf z. Z. der Ehesdiließung mit einem Dritten verheiratet sein, §§ 5, 20 EheG: Niemand darf eine Ehe eingehen, bevor seine frühere Ehe für niditig erklärt oder (durch Tod, Aufhebung oder Scheidung) auf27
§5
I. Abschnitt: Eherecht
gelöst worden ist. Heiratet er trotzdem, so ist seine zweite Ehe bigamisch und damit vernichtbar. Die zweite Ehe ist bigamisch auch dann, wenn der Eheschließende seinen ersten Ehegatten irrtümlich für tot gehalten hat. Aber: Wird ein verschollener Ehegatte — irrtümlich — für tot erklärt, so wird damit (gem. § 9 I VersdiG) sein Tod und infolgedessen auch die Auflösung seiner Ehe vermutet (die Ehe jedoch noch nicht aufgelöst). Der zurückgebliebene Ehegatte kann sich auf Grund dieser Vermutung wieder verheiraten. In diesem Fall wird dann mit der zweiten Eheschließung die erste Ehe aufgelöst, es sei denn, daß beide Partner der zweiten Ehe bei der Eheschließung wußten, daß der für tot Erklärte den Zeitpunkt der Todeserklärung überlebt hat, § 3 8 EheG. d) Kein Ehegatte darf mit dem anderen in einem verbotenen verwandt oder verschwägert sein, §§ 4, 21 EheG:
Grade
Eine Ehe ist verboten zwischen Verwandten in gerader Linie, zwischen vollbürtigen und halbbürtigen Geschwistern sowie zwischen Verschwägerten in gerader Linie, § 4 I EheG. Das Verbot der Schwägerschaft wird von Ramm (Eheverbot und Ehenichtigkeit, J Z 1963, 47 ff., 81 ff.) für verfassungswidrig gehalten, weil es gegen das Grundrecht auf Eheschließung (Art. 2, 6 GG) verstoße. Nun ist zwar richtig, daß das Eheverbot der Schwägerschaft, ebenso wie das Eheverbot der Verwandtschaft, auf sittlichen Überzeugungen beruht, daß man zu seiner Verteidigung auf das „Wesen der Ehe" Bezug .nimmt, daß rationale Gründe (z. B. medizinischer N a t u r : Nachkommenschutz) aber fehlen. Dem Gesetzgeber ist es jedoch nicht verwehrt, im Gegenteil sog. geboten, bei der Gesetzgebung auf die sittlichen Vorstellungen der Mehrheit der Bürger Rücksicht zu nehmen. Ändern sich diese Überzeugungen, so wird audi das Gesetz sich ändern müssen. Es geht jedoch zu weit, jedes Gesetz für verfassungswidrig zu halten, das mit geänderten sittlichen Überzeugungen nicht mehr übereinstimmt (wobei noch nachzuprüfen wäre, ob sich in bezug auf das Eheverbot der Sdiwägerschaft die sittliche Überzeugung der Mehrheit des Volkes wirklich geändert hat). Von der h. M. wird deswegen mit Recht die Verfassungsmäßigkeit des § 4 I EheG bejaht; vgl. BVerwGE 10, 2 4 0 ; O L G Hamm, F a m R Z 1963, 248; Staudinger-Dietz, § 4 EheG Anm. 30.
e) Die Ehe darf nicht wegen Ehebruchs verboten sein, §§ 6, 22 EheG: Eine Ehe ist verboten zwischen einem wegen Ehebruchs geschiedenen Ehegatten und demjenigen, mit dem er den Ehebruch begangen hat, wenn dieser Ehebruch in dem Scheidungsurteil als Grund der Scheidung festgestellt ist, § 6 I EheG. 28
Die sachlichen Voraussetzungen der Eheschließung
§ 5
Audi hier wird vereinzelt die Behauptung aufgestellt, dieses Eheverbot sei verfassungswidrig (Lüke, Die Eheverbote wegen Schwägerschaft und Ehebruchs, NJW 1962, 2177, 2180; Ramm, JZ 1963, 47, 49). Indessen gelten hier die gleichen Erwägungen, wie sie zum Eheverbot der Schwägerschaft angestellt worden sind: Geänderte sittliche Uberzeugungen machen ein Gesetz noch nicht verfassungswidrig. Die h. M. nimmt deswegen auch hier an, daß das Eheverbot der Verfassung nicht widerspricht; vgl. BGHZ 39, 179, 184; OLG Celle, StAZ 1965, 332; Staudinger-Dietz, § 6 EheG Anm. 10. De lege ferenda spricht jedoch alles für eine Beseitigung dieses Eheverbotes: Sein Strafcharakter hat in unserem Zivilrecht keinen Platz, seine Folge — würde es streng gehandhabt — wäre nicht selten ein Konkubinat, in der Praxis hat es dazu geführt, daß eine Scheidungsklage in der großen Mehrheit der Fälle nicht mehr auf den — wirklich begangenen — Ehebruch gestützt wird, sondern auf eine schwere Eheverfehlung, in den Händen des anderen Ehegatten bildet es ein Druckmittel im Ehescheidungsverfahren, außerdem wird praktisch immer Befreiung erteilt. Für die Beseitigung de lege ferenda plädiert auch Staudinger-Dietz, § 6 EheG Anm. 9.
2. Dispensable
und indispensable
Eheverbote
Einige, nicht alle, Eheverbote sind dispensabel, d. h. es kann von ihnen Befreiung erteilt werden. a) Keine Befreiung ist möglich vom Eheverbot der Verwandtschaft, keine Befreiung vom Eheverbot der Doppelehe, keine Befreiung auch vom Eheverbot der Namensehe. b) Dagegen kann Befreiung erteilt werden vom Eheverbot der Schwägerschaft und dem Eheverbot des Ehebruchs. Die Befreiung erteilt das Vormundschaftsgericht. Sie ist regelmäßig zu erteilen. Versagt werden darf sie nur dann, wenn wichtige Gründe der Eingehung der Ehe entgegenstehen. Bei der Frage, was wichtige Gründe sind, ist vom Sinn der Eheverbote auszugehen. Beide Eheverbote basieren auf sittlichen Erwägungen. Das bedeutet, daß die Befreiung nur versagt werden darf, wenn die Eheschließung vom sittlichen Standpunkt aus als besonders anstößig erscheint. Das bloße Bestehen der Schwägerschaft oder des begangenen Ehebruchs rechtfertigt natürlich dieses sittliche Verdikt noch nicht. Danach, ob die Ehe voraussichtlich Bestand haben wird (die typische Frage, die bei der Befreiung vom Erfordernis der Ehemündigkeit gestellt wird), darf hier nicht gefragt werden; vgl. Staudinger-Dietz, § 4 EheG Anm. 45; § 6 Anm. 51 ff.; str. 3. Einige nichtige Ehen können
geheilt
werden,
andere
nicht
a) Geheilt werden kann eine Ehe, die mangels Geschäftsoder Urteilsfähigkeit eines Verlobten nichtig ist. Eine solche Ehe ist näm29
§5
I. Abschnitt: Eherecht
lieh als von Anfang an gültig anzusehen, wenn der Ehegatte nadi dem Wegfall der Geschäftsunfähigkeit, der Bewußtlosigkeit oder der Störung der Geistestätigkeit zu erkennen gibt, daß er die Ehe fortsetzen will, § 18 II EheG. b) Geheilt werden kann ferner die Namensehe. Eine Namensehe ist als von Anfang an gültig anzusehen, wenn die Ehegatten nach der Eheschließung fünf Jahre oder, falls einer von ihnen vorher verstorben ist, bis zu seinem Tod, jedoch mindestens drei Jahre, als Ehegatten miteinander gelebt haben, es sei denn, daß bei Ablauf der fünf Jahre oder zur Zeit des Todes die Nichtigkeitsklage erhoben ist, § 19 II EheG. c) Geheilt werden kann eine Ehe zwischen Verschwägerten. Sie ist von Anfang an als gültig anzusehen, wenn die Befreiung von dem Verbot nachträglich bewilligt wird, § 21 II EheG. d) Das gleiche gilt für eine Ehe, die wegen Ehebruchs verboten war, § 22 II EheG. e) Nicht heilbar ist eine Ehe zwischen Verwandten und nicht heilbar ist eine bigamische Ehe. Die bigamische Ehe bleibt also auch dann nichtig, wenn die erste Ehe später durch Tod oder Sdieidung aufgelöst wird. Keine formlose „Bestätigung" durch Fortsetzung! Aber: In — seltenen — Ausnahmefällen kann die Ehenichtigkeitsklage wegen unzulässiger Rechtsausübung abgewiesen werden; vgl. BGHZ 30, 140; 37, 51. III. Voraussetzungen, bei deren Fehlen eine Ehe auf hebbar ist 1. Eine Aufhebung kommt in Betracht, wenn die Einwilligung des gesetzlichen Vertreters in die Eheschließung fehlte oder die Eheschließung auf einem Irrtum, einer arglistigen Täuschung oder einer Drohung beruht, sowie wenn ein fälschlich für tot erklärter Ehegatte wieder auftaucht, dessen Gatte eine neue Ehe geschlossen hatte. Merke: Aufhebung bedeutet nicht Vernichtung ex tunc, sondern Auflösung ex nunc. In den Wirkungen gleicht also die Aufhebung einer Scheidung. Der Unterschied: Die Scheidung erfolgt aus Gründen, die während der Ehe entstanden sind, die Aufhebung aus Gründen, die im Zeitpunkt der Eheschließung bereits bestanden haben. Im Fall des Irrtums, der arglistigen Täuschung und der Drohung tritt die Aufhebung an die Stelle der Anfechtung. Die Anfechtung einer Ehe gibt es nicht. 30
Die sachlichen Voraussetzungen der Eheschließung 2. Aufhebung treters
wegen fehlender
Einwilligung
des gesetzlichen
§5 Ver-
Zu einer Eheschließung bedarf ein beschränkt Geschäftsfähiger der Einwilligung seines gesetzlichen Vertreters, § 3 I EheG. Wird die Ehe ohne diese Einwilligung geschlossen, so ist sie nicht schwebend unwirksam (§ 108 ist nicht anwendbar), sondern schwebend wirksam. Die Aufhebung kann verlangen: solange die Geschäftsbeschränktheit andauert, nur der gesetzliche Vertreter, § 30 I, 2 EheG; wenn der beschränkt geschäftsfähige Ehegatte voll geschäftsfähig geworden ist, nur er selbst, § 30 I, 1 EheG. Die Aufhebung kann nicht mehr verlangt werden, wenn der gesetzliche Vertreter die Ehe genehmigt hat oder der Ehegatte, nachdem er unbeschränkt geschäftsfähig geworden ist, zu erkennen gegeben hat, daß er die Ehe fortsetzen will, § 30 II EheG. Verweigert der gesetzliche Vertreter die Einwilligung ohne triftige Gründe, so kann der Vormundschaftsrichter sie auf Antrag des Verlobten, der der Einwilligung bedarf, ersetzen, § 30 I I I EheG. Was „triftige Gründe" sind, ist umstritten. Der Streit geht vornehmlich darum, ob die Entscheidung ausschließlich am Interesse des Minderjährigen auszurichten ist (so Staudinger-Dietz, § 3 EheG Anm. 119) oder ob daneben — freilich nur in zweiter Linie — auch Interessen der Eltern oder der Familie berücksichtigt werden können (so BGHZ 21, 340). Triftige Gründe können z. B. sein: ein schlechter Ruf oder Vorstrafen des Verlobten, ein sehr erheblicher Altersunterschied, der Umstand, daß nach dem Heimatrecht des Mannes die Stellung der Frau besonders schlecht ist u. a. m. 3. Aufhebung
wegen
Irrtums
Ausgangsfall: Moritz und Frieda sind seit dem 2. September 1964 verheiratet. Sie kannten sich seit Anfang Juni 1964. Ende Juni kam es zwischen ihnen zum ersten geschlechtlichen Verkehr. Einige Wochen später eröffnete Frieda dem Moritz, daß sie sich schwanger fühle. Mit Rücksicht auf die Schwangerschaft beschleunigten die beiden die Heirat. Als am 9. Januar 1965 Frieda einer gesunden Tochter das Leben schenkt, schließt Moritz aus diesem frühen Zeitpunkt der Geburt, daß das Kind nicht von ihm abstammen könne. Aus Enttäuschung darüber trennt er sich von seiner Frau und erhebt Aufhebungsklage. Gleichzeitig ficht er die Ehelichkeit des Kindes an. Die Niditehelichkeit wird rechtskräftig festgestellt. Ein Irrtum macht die Ehe in folgenden Fällen aufhebbar: a) Ein Gatte hat bei der Eheschließung überhaupt nidit gewußt, daß es sich um eine solche handelte (Fälle des fehlenden Erklärungs31
§5
I. Abschnitt: Eheredit
bewußtseins und des Inhaltsirrtums, d. h. der falschen Vorstellung von der inhaltlichen Bedeutung des Vorgangs). b) Ein Ehegatte wußte zwar, daß er an einer Eheschließung teilnahm, wollte aber eine Erklärung, die Ehe zu schließen, nicht abgeben (Verlautbarungs- oder Erklärungsirrtum). c) Ein Ehegatte hat sich über die Person des anderen Ehegatten geirrt (Identitätsirrtum). Die Fälle a) bis c) sind naturgemäß sehr selten! d) Irrtum über persönliche Eigenschaften des anderen Ehegatten. Eine Ehegatte kann die Aufhebung der Ehe begehren, wenn er sich über solche persönliche Eigenschaften des anderen Ehegatten geirrt hat, die ihn bei Kenntnis der Sachlage und bei verständiger Würdigung des Wesens der Ehe von der Eingehung der Ehe abgehalten hätten, § 32 I EheG. Persönliche Eigenschaften sind Merkmale, die eine bestimmte Person kennzeichnen. Das können körperliche, sittliche, geistige oder seelische Merkmale sein. Persönliche Eigenschaften sind z. B. unheilbare Krankheiten, Impotenz, Unfruchtbarkeit, Trunksucht, sexuelle Hemmungslosigkeit. Keine persönlichen Eigenschaften sind: Zugehörigkeit zu einer Rasse oder zu einer Religionsgemeinschaft (sie kennzeichnen nicht eine bestimmte Person). Zur Aufhebung berechtigt nur ein erheblicher Irrtum: Wenn eine Kleinbäuerin einen krankhaften Hang zum Schlafen hat, ist anzunehmen, daß der irrende Ehegatte bei Kenntnis der Sachlage sie nidit geheiratet hätte; vgl. BGH, NJW 1957, 1517. Verlangt wird sowohl objektive als auch subjektive des Irrtums. Zu fragen ist darum beispielsweise:
Erheblichkeit
(1) Ist ein krankhafter Hang einer Frau zum Schlafen generell geeignet, einen Mann bei verständiger Würdigung des Wesens der Ehe von der Eingehung der Ehe abzuhalten (objektive Erheblichkeit)? (2) Hätte das krankhafte Schlafbedürfnis den konkreten Ehegatten bei Kenntnis der Sachlage von der Eingehung der Ehe abgehalten (subjektive Erheblichkeit)? Die erste Frage kann nicht ohne weiteres bejaht werden, bei der zweiten kommt es auf die Umstände im Einzelfall an: Bei einem Kleinbauern wird die subjektive Erheblichkeit zu bejahen sein, bei 32
Die sachlichen Voraussetzungen der Eheschließung
§ 5
einem Matrosen, der seine Frau nur wenige Tage im Jahre sieht, kann man sie verneinen. Fehlende Jungfräulichkeit ist zwar ein körperliches Merkmal, hält jedoch bei verständiger Würdigung des Wesens der Ehe niemand von der Eingehung der Ehe ab. Man denke etwa an die Heirat einer verwitweten Frau. Hinzukommen müssen in einem solchen Fall stets sittliche Merkmale. Bestritten ist, ob die Schwangerschaft einer Frau eine persönliche Eigenschaft darstellt. Die überwiegende Auffassung verneint die Frage mit der Begründung, persönliche Eigenschaft müsse etwas Dauerndes, die Persönlichkeit Bestimmendes sein; die Schwangerschaft sei dagegen etwas Vorübergehendes. Trotzdem läßt man bei einem Irrtum über die Schwangerschaft die Aufhebung zu. Unterschieden werden dabei zwei Fälle: (1) Der Mann glaubt irrtümlich, die Frau sei schwanger oder nicht schwanger. (2) Der Mann glaubt irrtümlich, die Frau sei von ihm schwanger, in Wahrheit ist die Frau von einem anderen Mann schwanger. Im ersten Fall sagt man, die Schwangerschaft sei nicht nur ein wesentlicher, nicht zufälliger Bestandteil der Persönlichkeit, sondern auch geeignet, das Wesen der Frau über die Zeit der eigentlichen Schwangerschaft hinaus zu prägen (Dölle I, § 26 B I, 4d). Persönliche Verhältnisse, die derart in der Persönlichkeit begründet sind, seien persönlichen Eigenschaften gleichzustellen. Im zweiten Fall argumentiert man, die aus der Schwangerschaft folgende seelische Bindung der Mutter an das Kind gehöre ebenfalls zu diesen persönlichen Verhältnissen, die den persönlichen Eigenschaften gleichstünden (OLG Hamm, FamRZ 1966, 150). Einfacher wäre es, würde man die Schwangerschaft als persönliche Eigenschaft der Frau ansehen, was sie im natürlichen Sprachgebrauch ja auch ist. Die Entscheidung über die Aufhebbarkeit der Ehe würde dann im zweiten Stadium des Prüfungsverfahrens fallen, bei der Frage nämlich, ob der Irrtum über die Schwangerschaft objektiv und subjektiv für die Eheschließung erheblich ist, bzw. im konkreten Fall erheblich war. Im Ausgangsfall wären wohl beide Fragen zu bejahen. Vgl. im einzelnen Henrich, Fälle und Lösungen, S. 5 ff. Die Aufhebung der Ehe ist ausgeschlossen, wenn der Ehegatte nach Entdeckung des Irrtums zu erkennen gegeben hat, daß er die Ehe fortsetzen will oder wenn sein Verlangen nadi Aufhebung mit Rücksicht auf die bisherige Gestaltung des ehelichen Lebens als sittlich nicht gerechtfertigt erscheint (der Mann entdeckt nach zehnjähriger glücklicher Ehe, daß seine Frau ein voreheliches, inzwischen adoptiertes Kind hat). In letzterem Fall spricht man von einer „Bewährung" der Ehe. 3 Henrich, Familienrecht
33
§5
I. Abschnitt: Eheredit
4. Aufhebung wegen arglistiger Täuschung Erforderlich ist eine Täuschung über solche Umstände, die den Ehegatten bei Kenntnis der Sachlage und richtiger Würdigung des Wesens der Ehe von der Eingehung der Ehe abgehalten hätten, § 33 I EheG. Beispiele: Bestrafung des Schwiegervaters mit Zuchthaus, Vorhandensein unehelicher Kinder, Vorspiegelung der Absicht, sich kirchlich trauen zu lassen.
Keine Aufhebung gibt es bei einer Täuschung über die Vermögensverhältnisse, § 33 I I I EheG. Auch bei einer arglistigen Täuschung ist die Aufhebung ausgeschlossen, wenn der Ehegatte nach Entdeckung der Täuschung zu erkennen gegeben hat, daß er die Ehe fortsetzen will, § 33 II EheG. 5. Aufhebung wegen
'Drohung
Beachten Sie den Wortlaut des § 34 EheG: Der Ehegatte muß zur Eingehung der Ehe „widerrechtlich durch Drohung" bestimmt worden sein (also nicht: durch eine widerrechtliche Drohung!). Frage: Wann ist die Bestimmung zur Eheschließung durch eine Drohung widerrechtlich? Antwort: Nicht nur, wenn die angedrohten Mittel selbst widerrechtlich oder unsittlich sind (Einsperren der Tochter), sondern auch dann, wenn sie zu dem erstrebten Erfolg der Eheschließung in keinem erträglichen Verhältnis stehen, wie z. B. die Drohung eines vermögenden Vaters gegenüber dem Sohn mit einer Enterbung. Dagegen wird man die Drohung des verwitweten Vaters, erneut zu heiraten, wenn ihm der Sohn die gewünschte Schwiegertochter nidit ins Haus bringe, nicht als widerrechtliche Bestimmung zur Eheschließung ansehen können. 6. Wiederauftauchen
eines fälschlich für tot erklärten
Gatten
Die Todeserklärung begründet bekanntlich die Vermutung, daß der für tot Erklärte gestorben und damit auch seine Ehe aufgelöst sei. Die erneute Eheschließung des zurückgebliebenen Ehegatten ist rechtswirksam (s. o. § 5 II, lc). Aber: Wenn der fälschlich für tot Erklärte zurückkehrt, muß sein früherer Ehegatte die Möglichkeit haben, in die alte Ehe zurückzukehren. Deshalb erklärt § 39 I EheG in diesem Fall die neue Ehe für aufhebbar. 34
Die sachlichen Voraussetzungen der Eheschließung
IV. Erschöpfende
§5
Aufzählung
Die Gründe, aus denen eine Ehe für nichtig erklärt oder aufgehoben werden kann, sind im Gesetz erschöpfend aufgezählt. Weitergehende Vorschriften des allgemeinen Teils sind damit ausgeschlossen. Also: Kein Angriff auf die Ehe in den Fällen einer dem Gegner bekannten Mentalreservation (§ 116 S. 2), der Scheinerklärung (§ 117) und der nicht ernstlichen Erklärung (§ 118). Auch § 138 macht eine Ehe nicht nichtig (Geldheirat!). Aber: Unsittliche oder gegen das Gebot der ehelichen Lebensgemeinschaft verstoßende Nebenabreden sind nichtig. Beispiel: Beide Ehegatten vereinbaren, daß die Eheschließung nur einem Kind den Status eines ehelichen Kindes verschaffen soll, im übrigen aber keine eheliche Gemeinschaft begründet, die Ehe vielmehr alsbald wieder geschieden werden soll.
V. Voraussetzungen, bei deren Fehlen zwar keine Ehe geschlossen werden darf, die die Gültigkeit der Eheschließung aber nicht berühren 1. Ehemündigkeit Ein Mann soll nicht vor Vollendung des 21., eine Frau nicht vor Vollendung des 16. Lebensjahres eine Ehe eingehen, § 1 I EheG. Da das Eheverbot die Gültigkeit einer trotzdem geschlossenen Ehe nidit berührt, besteht seine einzige Wirkung darin, daß der Standesbeamte die Trauung verweigern muß, wenn er die fehlende Ehemündigkeit eines Ehegatten feststellt. Das Eheverbot behandelt zwar Mann und Frau ungleich, trotzdem wird man nicht sagen können, es verstoße gegen Art. 3 I I GG. Die unterschiedliche Behandlung rechtfertigt sidi aus der früheren Reife der Frau, ist also biologisch bedingt (h. M.; vgl. Staudinger-Dietz, § 1 EheG Anm. 12; a. A. Müller-Freienfels, Ehe und Recht, 279). Zweifelhafter ist die Rechtslage bei § 1 II EheG. Nach dieser Vorschrift kann von dem Eheverbot Befreiung erteilt werden, dem Mann allerdings nur dann, wenn er nicht mehr unter elterlicher Gewalt oder Vormundschaft steht, d. h. er muß für volljährig erklärt sein. Man rechtfertigte dies früher mit dem Argument, der Mann als der in der Ehe Bestimmende müsse voll geschäftsfähig sein. Heute sagt man, mit der Einschränkung der Befreiungsmöglichkeit solle sichergestellt werden, daß wenigstens ein Ehegatte voll geschäftsfähig sei. Damit verträgt es sich aber nicht, daß nach dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes auf die Volljährigkeit des Mannes audi dann nidit verzichtet werden kann, wenn die Frau voll geschäftsfähig ist. Für die 3
35
§5
I. Abschnitt: Eheredit
Verfassungsmäßigkeit kann man lediglich ins Feld führen, daß in der Regel bei einer Eheschließung der Mann der ältere ist und dem Gesetz kein Vorwurf gemacht werden kann, wenn es vom Regelfall ausgeht. Dieses Argument steht aber auf recht schwachen Füßen. Dessen ungeachtet wird die Verfassungsmäßigkeit des § 1 II EheG von der wohl h. M. bejaht (vgl. Staudinger-Dietz, § 1 EheG Anm. 14; a. A. insbesondere Dölle I, § 14 II, lc). Den Antrag auf Befreiung vom Erfordernis der Ehemündigkeit kann der Eheunmündige selbst stellen. Er braucht dazu nicht die Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters. Andererseits kann für einen Minderjährigen auch der gesetzlidie Vertreter den Antrag stellen. Die Volljährigkeitserklärung richtet sich nach den §§ 3 ff. BGB. Nach § 5 BGB soll sie nur erfolgen, wenn sie das Beste des Minderjährigen befördert. Das kann bei einer Eheschließung durchaus der Fall sein. Bei der von der Volljährigkeitserklärung zu unterscheidenden Ehemündigerklärung, d. h. der Befreiung vom Erfordernis der Ehemündigkeit, wird in erster Linie geprüft, ob die beabsichtigte Ehe Bestand verspricht. Die Absicht, die geschwängerte Frau heiraten zu wollen, um der Mutter und dem Kind den „Makel" einer nichtehelichen Geburt zu ersparen, wird zwar als ehrenhaft angesehen, spielt bei der Entscheidung über den Antrag aber kaum eine Rolle (StaudingerDietz, § 1 EheG Anm. 38; a. A. Hoffmann-Stephan, § 1 EheG Anm. 47 ff.). 2. Einwilligung des Sorgeberechtigten Steht dem gesetzlichen Vertreter nicht gleichzeitig die Sorge für die Person des Minderjährigen zu (tpyischer Fall vor dem Inkrafttreten des Nichtehelichengesetzes: Vormund — uneheliche Mutter; heute selten), so ist auch die Einwilligung des Sorgeberechtigten erforderlich, § 3 II EheG. Aber: Während die fehlende Einwilligung des gesetzlichen Vertreters die Ehe aufhebbar macht, ist die fehlende Einwilligung des Sorgeberechtigten auf die Wirksamkeit der Ehe ohne Einfluß. Außerdem kann die Einwilligung ersetzt werden, § 3 III EheG. 3. Keine unechte Schwägerschaft Eine Ehe darf nicht geschlossen werden zwischen Personen, von denen die eine mit Eltern, Voreltern oder Abkömmlingen der anderen Geschlechtsgemeinschaft gepflogen hat, § 4 II EheG. 36
Die sachlichen Voraussetzungen der Eheschließung
§5
Beispiel: Der Vater darf nicht die intime Freundin seines Sohnes heiraten oder die Tochter einer Frau, mit der er selbst intime Beziehungen unterhalten hat.
Das Eheverbot wird mit Recht kritisiert. Es verleitet zu Schnüffelei und Denunziationen, spielt aber glücklicherweise in der Praxis kaum eine Rolle (daß es gelegentlich vorkommt, zeigt die jüngst publizierte Entscheidung OLG Hamburg, FamRZ 1970, 27). Deshalb sollte es der Gesetzgeber streichen. Zu weit geht es dagegen, wenn aus diesen rechtspolitischen Bedenken heraus behauptet wird, das Eheverbot sei verfassungswidrig (vgl. Staudinger-Dietz, § 4 Anm. 58 gegen Lüke, N J W 1962, 2177, und Ramm, JZ 1963, 47). 4. Keine Adoptivverwandtschaft Niemand soll sein Adoptivkind heiraten, solange das Adoptivverhältnis besteht, § 7 EheG. Aber: Mit der Eheschließung wird das Adoptionsverhältnis aufgehoben, § 1771. 5. Wartezeit Eine Frau soll nicht vor Ablauf von 10 Monaten nach der Auflösung ihrer früheren Ehe eine neue Ehe eingehen, § 8 I EheG. Grund: Zweifel darüber, ob ein innerhalb dieser Frist geborenes Kind vom ersten oder vom zweiten Mann stammt, sollen vermieden werden.
Befreiung ist zulässig, § 8 II EheG. 6. Auseinandersetzungszeugnis des Vormundschaftsrichters Durch eine Eheschließung können Rechte eines Kindes aus erster Ehe oder eines nichtehelichen Kindes beeinträchtigt werden. Deshalb verlangt § 9 EheG die Vorlage eines Zeugnisses über eine vermögensrechtliche Auseinandersetzung. 7. Fehlen eines Ehefähigkeitszeugnisses für Ausländer Die Voraussetzungen für eine Eheschließung richten sidi nach deutschem IPR nach dem Heimatrecht der Eheschließenden. Da der deutsche Standesbeamte nicht das Recht aller Länder zu kennen braucht, wird von Ausländern verlangt, daß sie ein Zeugnis ihres Heimatlandes darüber beibringen, daß der Ehe kein Hindernis entgegensteht, § 10 EheG.
37
§6
I. Abschnitt: Eheredit § 6. Die Nichtigerklärung und die Aufhebung einer Ehe
I. Die Nichtigerklärung 1. Vorläufige Wirksamkeit Bis zu ihrer Nichtigerklärung hat die nichtige Ehe im wesentlichen die Wirkungen einer gültigen Ehe. D. h.: Die Frau erwirbt zunächst den Namen des Mannes, die Kinder sind ehelich, stirbt ein Ehegatte, so hat der andere ein Erbrecht (bei einer bigamisdien Ehe haben also beim Tode des Mannes beide Frauen ein Erbrecht!). Problem: Sind die Ehegatten einander zur ehelichen Lebensgemeinschaft, insbesondere auch zur Geschlechtsgemeinschaft, verpflichtet? Hierzu wird man sagen müssen, daß niemand verpflichtet ist, eine strafbare oder als sittenwidrig empfundene Handlung zu begehen. So ist z. B. der Geschlechtsverkehr zwischen Verwandten auf- und absteigender Linie, zwischen Geschwistern und zwischen Verschwägerten auf- und absteigender Linie als Blutschande strafbar, § 173 StGB, der Geschlechtsverkehr in einer bigamischen Ehe bedeutet zugleich Ehebruch, eine zwar nicht mehr strafbare, aber wohl immer noch als sittenwidrig empfundene Handlung. Außerdem könnte in einem solchen Fall dem Ehegatten, der die volle Lebensgemeinschaft verlangt, entgegengehalten werden, sein Verlangen sei mißbräuchlich, § 1353 II. Bei einer Namensehe wird man dagegen das Herstellungsverlangen nidit als mißbräuchlich ansehen können. Hier stellt im Gegenteil die Verweigerung der Herstellung eine Eheverfehlung dar. 2. Klageberechtigung Klageberechtigt sind der Staatsanwalt, jeder Ehegatte (auch der Bösgläubige!), bei Doppelehe auch der Ehegatte der früheren Ehe. Wenn die Ehe aufgelöst ist, kann nur der Staatsanwalt die Klage erheben, § 24 I EheG. Sind beide Gatten gestorben, kann eine Nichtigkeitsklage nicht mehr erhoben werden, § 24 II EheG (wichtig für die Erben!). 3. Verfahren Die Nichtigkeitsklage gehört zu den „Ehesachen", §§ 606 ff. ZPO. Das Verfahren in Ehesachen weist gegenüber dem gewöhnlichen Zivilprozeß Besonderheiten auf. So gibt es z. B. kein Versäumnisurteil, der Staatsanwalt kann am Verfahren mitwirken, Ermittlungen werden von Amts wegen angestellt. Das Urteil, das die Ehe für nichtig erklärt, ist ein Gestaltungsurteil. 38
Die Nichtigerklärung und die Aufhebung einer Ehe Beachte: Soll die Nichtexistenz kann unter den Voraussetzungen interesse!) eine Feststellungsklage Nichtexistenz einer Ehe kann man Feststellungsurteil berufen. 4. Wirkungen der
§ 6
einer Ehe festgestellt werden, so des § 256 ZPO (Feststellungserhoben werden. Aber: Auf die sich auch ohne ein entsprechendes
Nichtigerklärung
a) Die Rückwirkung als Grundsatz: Durch die Nichtigerklärung wird die Ehe rückwirkend vernichtet. Leistungen, die auf Grund der Ehe erfolgten (Unterhaltsleistungen!) sind an sich als ungerechtfertigte Bereicherung zurückzugeben. Allerdings werden sich die wechselseitigen Bereicherungsansprüche häufig gegenseitig aufheben. Denn den Unterhaltsleistungen des Mannes stehen regelmäßig Unterhaltsleistungen der Frau, z. B. durch die Führung des Haushalts, gegenüber, und nach der Vorstellung des Gesetzgebers haben beide grundsätzlich den gleichen Wert. b) Ausnahmen: (1) Kinder bleiben ehelich, §§ 1591, 1719. (2) H a t auch nur einer der Ehegatten die Nichtigkeit beim Eheschluß nicht gekannt, so finden in vermögensrechtlicher Hinsicht die Scheidungsvorschriften entsprechende Anwendung, § 26 I, 1 EheG. Dabei wird der bösgläubige Ehegatte wie ein schuldig geschiedener Ehegatte behandelt. Die Folge: Den bösgläubigen Ehegatten trifft eine Unterhaltspflicht, §§ 58, 59 EheG. Außerdem findet eine güterrechtliche Abwicklung, d. h. ein Ausgleich des Zugewinns, statt. Unter Umständen können freilich die Nichtigkeitsfolgen für einen Gatten günstiger sein als die Scheidungsfolgen. Darum kann nach § 26 II EheG der redliche Gatte wählen. Er kann auf die Anwendung der Scheidungsvorschriften verzichten und es für die vermögensrechtlichen Folgen bei den Nichtigkeitsfolgen belassen. Waren beide Ehegatten schlechtgläubig, dann verbleibt es bei den Nichtigkeitsfolgen. (3) Gutgläubigen Dritten gegenüber ist die Berufung auf die Nichtigkeit der Ehe beschränkt, § 27 EheG. Beispiel: In einer gültigen Ehe hat die Ehefrau die sog. Schlüsselgewalt. D. h.: Aus Rechtsgeschäften, die sie im Rahmen der Schlüsselgewalt vornimmt, wird der Mann berechtigt und verpflichtet. War die Ehe nichtig, so kann der Mann gegenüber der Forderung eines gutgläubigen Dritten nicht 39
I. Abschnitt: Eherecht
§7
erklären, die Ehe sei für nichtig erklärt worden, die Frau habe deswegen keine Schlüsselgewalt gehabt.
IL Die Aufhebung der Ehe 1. Bis zur Aufhebung ist die aufhebbare Ehe voll gültig. 2. Klageberechtigung Klagebereditigt ist hier nidit der Staatsanwalt (kein öffentliches Interesse!), sondern nur der durch den Aufhebungsgrund geschützte Ehegatte: der beschränkt Geschäftsfähige, wenn er volljährig geworden ist (vorher: sein gesetzlidier Vertreter), der Irrende, der Getäuschte, der Bedrohte. 3. Verfahren a) Klagefrist: Die Aufhebungsklage kann nur innerhalb eines Jahres erhoben werden von dem Zeitpunkt an, in dem der Aufhebungsberechtigte von dem Aufhebungsgrund erfährt, bzw. die Klageerhebung ihm zugemutet werden kann (Beseitigung der Zwangslage!), § 35 I, II EheG. b) Ehesache: Audi die Klage auf Aufhebung einer Ehe ist eine Ehesache i. S. der §§ 606 ff. ZPO. Der Staatsanwalt ist zur Mitwirkung befugt. Ermittlungen von Amts wegen dürfen jedoch nur zu dem Zweck angestellt werden, die Ehe aufrechtzuerhalten, § 622 ZPO. Das Urteil ist Gestaltungsurteil. 4. Wirkungen der Aufhebung Die Rechtsfolgen der Aufhebung sind dieselben wie die der Scheidung, § 37 I EheG.
§ 7. Die eheliche Lebensgemeinschaft Ausgangsfälle: (1) Balduin und Kunigunde haben 1962 geheiratet. Sie wohnen in einem Haus, das Balduins Tante gehört. Diese Tante und Balduins Mutter wohnen ebenfalls in diesem Haus. Die Frauen vertragen sich nicht. Sie gehen sidi aus dem Weg. Andererseits steht Balduin ganz unter dem Einfluß seiner Mutter und seiner Tante, bei denen er sich sehr häufig aufhält. Kann Kunigunde, die darunter leidet, von Balduin einen Wohnungswechsel verlangen?
40
Die eheliche Lebensgemeinschaft
§7
(2) Moritz und Frieda haben 1946 geheiratet. Im Jahre 1947 erhielt Moritz von seiner Mutter im Weg vorweggenommener Erbfolge ein Grundstück zu Eigentum übertragen. Auf diesem Grundstück bauten die Eheleute gemeinsam ein Wohnhaus. 1962 übertrug Moritz das Grundstück in einem „Übergabevertrag" auf Frieda. Frieda wurde als Alleineigentümerin im Grundbuch eingetragen. Im April 1964 wurde die Ehe geschieden. Im September 1964 widerrief Moritz — unter Berufung auf § 73 EheG — die „Schenkung". Muß Frieda das Grundstück dem Moritz zurückübertragen? (3) Der Fabrikant Fridolin heiratet 1950 seine kaufmännische Angestellte Beate. Beate arbeitet auch nach ihrer Eheschließung weiter nebenher im Betrieb mit — schon deswegen, weil die Ertragslage zu wünschen übrig läßt. Ihre Haupttätigkeit besteht in der Buchführung. Zeitlich wird sie dadurch nicht allzu sehr beansprucht. Sie ist auch an keine bestimmte Arbeitszeit gebunden. 1960 wird die Ehe geschieden. Nun verlangt Beate für ihre Mitarbeit während der Ehe eine Vergütung von 18 000 DM ( = 150 DM monatlich). Mit Recht? Durch die Eheschließung wird zwischen den Ehegatten ein personenrechtliches Gemeinsdiaftsverhältnis begründet. Die Ehegatten werden zu der „ehelichen Lebensgemeinschaft" verbunden. Daraus ergeben sich für sie sowohl Rechte als auch Pflichten. Auch nach außen hin wird diese Gemeinschaft als solche erkennbar. Die Frau erhält den Familiennamen des Mannes, nach einigen Rechtsordnungen auch dessen Staatsangehörigkeit. I. Name und
Staatsangehörigkeit
1. Der Name Die Familie führt einen gemeinsamen Namen. Dieser Ehe- und Familienname ist gem. § 1355 der Name des Mannes. Die Frau kann jedoch dem Namen des Mannes ihren Mädchennamen hinzufügen. Voraussetzung dafür ist lediglich eine entsprechende Erklärung gegenüber dem Standesbeamten. Ob diese Regelung mit dem Gleichberechtigungsgrundsatz vereinbar ist, läßt sich bezweifeln. Das Argument, es handle sich um eine bloße Ordnungsvorschrift (BVerwG, FamRZ 1960, 113) überzeugt nicht. Das Namensrecht gilt allgemein als Persönlichkeitsrecht. Eine Vorschrift, die in ein Persönlichkeitsrecht eingreift, ist aber mehr als eine Ordnungsvorschrift. Es ist darum zumindest de lege ferenda zu erwägen, ob nicht die geltende Ordnung durch eine Regelung ersetzt werden sollte, die die Wahl des Ehe- und Familiennamens den Ehegatten überläßt. Vgl. dazu Gemhuber, § 16 I, 2, 3; für die bestehende, auf dem patriarchalischen Familienleitbild beruhende Regelung Graf v. Bernstorff, Der Familienname als Gegenstand des Gleichberechtigungsgrundsatzes, FamRZ 1963, 110, 340. 41
§7
I. Absdinitt: Eherecht
2. Staatsangehörigkeit Nach § 6 RuStAG i. d. F. des Gesetzes vom 19. 8. 1957 hatten Ausländerinnen, die einen Deutschen heirateten, einen Anspruch auf Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit. An der Verfassungsmäßigkeit dieser Vorschrift bestanden Zweifel. Es wurde gefordert, auch dem Ausländer, der eine Deutsche heirate, einen Anspruch auf Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit zu geben. Der Gesetzgeber hat diesen Bedenken durch das Gesetz vom 8. 9. 1969 Rechnung getragen, zugleich aber die Einbürgerung sowohl für Ehemänner als auch Ehefrauen erschwert, um reinen Staatsangehörigkeitsehen (zu diesen s. o. § 5 II, lb) einen Riegel vorzuschieben (typischer Fall: ausländische Dirnen heiraten ihren deutschen Zuhälter und machen dann ihren Rechtsanspruch auf Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit geltend, um einer Ausweisung zu entgehen). Eine Einbürgerung ist nunmehr nur noch unter den Voraussetzungen des § 6 RuStAG möglich ( § 9 1 RuStAG n. F.), d. h. der Antragsteller muß einen unbescholtenen Lebenswandel geführt, an dem Ort seiner Niederlassung eine eigene Wohnung oder ein Unterkommen gefunden haben und muß außerdem imstande sein, an diesem Ort sich und seine Angehörigen ernähren zu können. II. Erb- und Pflichtteilsrechte und sonstige
Nebenfolgen
1. Mit der Eheschließung werden beide Ehegatten gegenseitig erbund pflichtteilsberechtigt, § 1931, § 2303 II. 2. Ehegatten sind Angehörige i. S. des Strafgesetzbuches (wichtig insbesondere im Fall des § 52 StGB). Sie haben ein Zeugnis- und Gutachtenverweigerungsrecht; vgl. etwa § 383 ZPO, § 52 StPO. III. Die Verpflichtung zur ehelichen
Lebensgemeinschaft
1. Die Ehe verpflichtet beide Ehegatten zur Herstellung einer vollen Lebensgemeinschaft, § 1353 I. a) Volle Lebensgemeinschaft heißt geistige Gemeinschaft und körperliche Gemeinschaft, häusliche Gemeinschaft und Geschlechtsgemeinschaft. Jeder Ehegatte ist verpflichtet, alle Hindernisse zu beseitigen, die dieser ehelichen Lebensgemeinschaft entgegenstehen. Beispiel: Die Ehegatten haben Schwierigkeiten beim ehelichen Verkehr, die durch eine Operation beseitigt werden können. Hier ist der betreffende Ehegatte gemäß § 1353 verpflichtet, diese Operation vornehmen zu lassen, wenn zu erwarten ist, daß durch die Operation eine Zerrüttung der Ehe behoben 42
Die eheliche Lebensgemeinschaft
§7
oder vermieden wird und eine volle, wahre eheliche Gemeinschaft ermöglicht wird (BGH, FamRZ 1967, 33).
b) Häusliche Gemeinschaft bedeutet gemeinschaftlichen Wohnsitz. Nach früherem Recht teilte die Ehefrau kraft Gesetzes den Wohnsitz des Mannes, § 10 a. F. BGB. Heute müssen sich die Ehegatten einigen, wo der Wohnsitz sein soll. Dabei können objektive Umstände eine Rolle spielen. So wird etwa, wenn nur ein Ehegatte einen Beruf ausübt, der Wohnsitz grundsätzlich dort zu nehmen sein, wo der Ehegatte erwerbstätig ist. Nach der Aufhebung des § 10 a. F. sind jedoch auch getrennte Wohnsitze möglich (sie sind nicht selten dann, wenn beide Ehegatten berufstätig sind). Wie die Möglichkeit getrennter Wohnsitze allerdings in Einklang mit dem Gebot der ehelichen Lebensgemeinschaft gebracht werden kann, ist eine noch ungeklärte Frage. c) Jeder Ehegatte hat ein Recht zum Mitbesitz an der Ehewohnung, auch wenn die Wohnung im Alleineigentum eines Ehegatten steht. Auch dieses Besitzrecht ergibt sich unmittelbar aus dem Recht auf eheliche Lebensgemeinschaft. Die Konstruktion eines stillschweigenden Gebrauchsüberlassungsvertrages, deren sich der BGH bedient (BGHZ 12, 380), ist gekünstelt und überflüssig, vgl. Gernhuber, Das eheliche Vermögensrecht und die Verpflichtung zur ehelichen Lebensgemeinschaft, FamRZ 1959, 469. Problem: Kann ein Ehegatte die Ehewohnung ohne weiteres kündigen oder (bei Wohnungseigentum) veräußern? Ist z. B. der Ehemann alleiniger Mieter oder Eigentümer, so ist die Kündigung oder die Veräußerung wirksam. Die Frau kann sich dem Vermieter oder dem Erwerber gegenüber nicht auf ihr Besitzrecht berufen. Aber: Die Kündigung oder die Veräußerung kann gegen § 1353 verstoßen. Kein Ehegatte darf dem anderen die Lebensgrundlagen unzumutbar beschneiden. Die Frau kann gegen den Ehemann eine Unterlassungsklage erheben oder eine einstweilige Verfügung erwirken; vgl. Staudinger-Felgentraeger, Vorbem. 26 vor § 1414. 2. Wegfall der Verpflichtung
zu ehelicher
Lebensgemeinschaft
Eine Ehegatte braucht dem Verlangen des anderen nach Herstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft nicht Folge zu leisten: a) wenn sich dieses Verlangen als Mißbrauch darstellt, § 1353 II, 2; Beispiel: Der Mann ist geschlechtskrank und verlangt von der Frau den ehelichen Verkehr.
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§7
I. Abschnitt: Eherecht
b) wenn und solange er berechtigt ist, auf Scheidung zu klagen, § 1353 II, 2, weil der andere Ehegatte Ehebruch begangen hat oder sich einer sonstigen schweren Eheverfehlung schuldig gemacht hat; c) wenn eine einstweilige Anordnung des Gerichts, die in einem Niditigkeits-, Aufhebungs- oder Scheidungsprozeß ergangen ist, das Getrenntleben gestattet (§ 627 ZPO). 3. Auf die Feststellung des Rechts zum Getrenntleben kann geklagt werden. IV. Gemeinschaftliche Angelegenheiten und eigener Bereich 1. Gemeinschaftliche Angelegenheiten Es gibt kaum Dinge in einer Ehe, die nicht mehr oder weniger beide Ehegatten angehen. Andererseits verlangt die Individualität eines jeden Ehegatten ihren eigenen Entfaltungsraum. Eine Abgrenzung zwischen diesem höchstpersönlichen und dem gemeinschaftlichen Bereich läßt sich nur schwer treffen. In etwa kann man sagen, daß eine Angelegenheit gemeinschaftlich ist, wenn sie einen deutlich fühlbaren Einfluß auf die Gestaltung des ehelichen Lebens auszuüben vermag, dergestalt, daß ein Mitspracherecht des anderen Ehegatten als richtig und notwendig empfunden wird (Dölle I, § 34 III, 1). Dazu gehört etwa die Bestimmung von Wohnort und Wohnung (vgl. § 1354 a. F.). Weitere gemeinschaftliche Angelegenheiten sind der Zuschnitt des Haushalts und insbesondere auch die Erziehung der Kinder. Über alle gemeinschaftlichen Angelegenheiten entscheiden die Ehegatten gemeinsam. § 1354 a. F., der die Entscheidungsbefugnis dem Mann übertrug, ist durch den Gleichberechtigungsgrundsatz außer Kraft gesetzt und vom Gleidiberechtigungsgesetz ersatzlos gestrichen worden. Das bedeutet: Nach geltendem Recht kann kein Ehegatte einen Streit über eine gemeinschaftliche Angelegenheit durch eine einseitige Entscheidung beenden. Vielmehr sind die Ehegatten gehalten, sich um eine Einigung zu bemühen. Daß sie dabei auf die Meinung des anderen Rücksicht nehmen müssen, ergibt sich aus § 1353, der Generalklausel des Eherechts. Für die Einigung gibt es keinen Ersatz. Weder hat ein Ehegatte das Recht eines sog. Stichentscheids — noch im Regierungsentwurf des Gleichberechtigungsgesetzes war ein solcher Stichentscheid des Mannes vorgesehen; Begründung: abendländische Tradition! —, noch kann — grundsätzlich — das Vormundschaftsgericht den Streit durch eine Entscheidung schlichten. Der Ehegemeinschaft muß zugemutet werden, 44
Die eheliche Lebensgemeinschaft
§7
daß die Lebenspartner sich über gemeinschaftliche Fragen verständigen, ohne daß einem von ihnen oder gar einem Dritten eine Entscheidungsbefugnis eingeräumt wird. Verträgt die konkrete Ehe die Entscheidungslosigkeit nicht, so bleibt als ultima ratio nur die Scheidung (Dölle I, § 34 I, lb). Der Grundsatz, daß das Vormundschaftsgericht keine Möglichkeit hat, Ehestreitigkeiten zu entscheiden, erleidet eine Ausnahme dort, wo es um die Angelegenheiten eines Kindes geht. Hier dürfen die Eltern nicht auf die Scheidung als ultima ratio verwiesen werden. Vielmehr soll die Ehe der Eltern im Interesse des Kindes gerade intakt bleiben. Freilich muß das Vormundschaftsgericht in einem solchen Fall nicht stets eine Entscheidung treffen. Es wird zunächst prüfen, ob die Angelegenheit wichtig genug ist, einen gerichtlichen Eingriff zu rechtfertigen. Ist das der Fall, so kann das Vormundschaftsgericht einem Ehegatten die Entscheidungsbefugnis zuweisen (Dölle II, § 91 III, 2d). 2. Der eigene Bereich Im eigenen Bereich ist grundsätzlich jeder Ehegatte autonom: Religion, Weltanschauung, politische Betätigung, berufliche Tätigkeit, aber auch Kleidung und Frisur (Bart oder kein Bart?) sind Dinge, in denen jeder Ehegatte allein entscheidet und jedenfalls grundsätzlich auch allein entscheiden kann. In Extremfällen (Universitätsprofessor beschließt Gammler zu werden oder Gammler kandidiert für das Amt des Universitätspräsidenten) können eigene Angelegenheiten aber wieder zu gemeinschaftlichen Angelegenheiten werden, insbesondere wenn sie die gemeinschaftliche Lebensform berühren. Zum eigenen Bereich gehört auch die Verwaltung des eigenen Vermögens. Aus dem Gebot der ehelichen Lebensgemeinschaft wird aber die Pflicht abgeleitet, daß die Ehegatten sich gegenseitig über den Bestand ihres Vermögens unterrichten. Sie haben wohlgemerkt keine Auskunftsansprüche im rechtstechnischen Sinn. Sie können nicht Rechnungslegung fordern. Sie können nur verlangen, daß der Ehepartner sie darüber unterrichtet, wie sich sein Vermögen im wesentlichen zusammensetzt. Wenn also ein Ehegatte jede Auskunft über seine wirtschaftlichen Verhältnisse verweigert, dann verletzt er die Pflicht zur ehelichen Lebensgemeinschaft; vgl. OLG Hamburg, FamRZ 1967, 100. 3. Die Führung des Haushalts Nach früherem Recht erstreckte sich die Entscheidungsbefugnis des Mannes auch auf die Führung des Haushalts. Das Gleichberechtigungsgesetz hat die Haushaltsführung dem eigenen Bereich der Frau 45
§7
I. Abschnitt: Eheredit
zugewiesen. Die Frau führt gem. § 1356 I den Haushalt „in eigener Verantwortung". Der Mann hat lediglich noch das Wirtschaftsgeld zur Verfügung zu stellen, § 1360a II. Diese Lösung ist dem Typ der Hausfrauenehe adäquat. Ist der Mann berufstätig und die Frau nicht, so läßt es sich mit dem Gedanken der Gleichberechtigung durdiaus vereinbaren, daß die Frau in Fragen der Haushaltsführung allein entscheidet. Die Funktionsverteilung des Gesetzes ist für die Ehegatten aber nicht verbindlich. Die Ehegatten können sich auch dahingehend entscheiden, daß die Frau berufstätig sein und der Mann den Haushalt führen soll. Treffen sie eine solche Entscheidung, so wird man § 1356 I analog anwenden müssen. „Frau" i. S. des Gesetzes ist der jeweils den Haushalt führende Ehegatte! (So insbesondere auch Gernhuber, § 19 I.) Bestritten ist, was zu geschehen hat, wenn die Ehegatten sich über diese Frage nicht einigen können. Teils wird behauptet, in einem solchen Fall gelte dann wieder die Funktionsverteilung des § 1356 I (vgl. Soergel-Siebert-Vogel, § 1356 Anm. 8). Der Verfassung entspricht indessen nur die Auffassung, daß es für die Einigung keinen Ersatz gibt (so auch Gernhuber a. a. O.). 4. Das Recht der Frau zu eigener Berufstätigkeit Nach dem Gesetz ist die Frau berechtigt, erwerbstätig zu sein, jedoch nur „soweit dies mit ihren Pflichten in Ehe und Familie vereinbar ist" (§ 1356 I). Auch diese Regelung geht von der Vorstellung aus, daß die Frau „an sich" ins Haus gehöre. Mit der Verfassung ist diese Vorstellung nicht vereinbar. Man wird darum auch hier die Frage, ob die Frau berufstätig sein soll oder nicht, der freien Entscheidung der Ehegatten überlassen müssen. An die einmal getroffene Entscheidung sind die Ehegatten grundsätzlich gebunden. Aber: a) Eine Entscheidung für die Hausfrauenehe nimmt der Frau nicht die Möglichkeit, sich doch zu einer Berufstätigkeit zu entschließen. Dieses Recht hat sie gem. § 1356 I, soweit dies mit ihren Pflichten in Ehe und Familie vereinbar ist (a. A. Palandt-Lauterbach, § 1356 Anm. 2: „Das Recht ist nicht unverzichtbar"). Der Mann kann dagegen — wenn er zunächst in die Hausfrauenehe eingewilligt hat — nicht ohne zwingende Gründe (vgl. § 1360 S. 2) von der Frau verlangen, eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen (weitergehend Ramm, Gleichberechtigung und Hausfrauenehe, JZ 1968, 90 ff., der bei einer kinderlosen oder in einer Ehe, in der die Kinder das schulpflichtige 46
Die eheliche Lebensgemeinschaft
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Alter erreicht haben, nur die Doppelverdienerehe für verfassungsgemäß hält und deswegen jedem Ehegatten das Recht zubilligt, jederzeit von dem anderen die Realisierung dieses „allein verfassungsgemäßen" Ehemodells zu fordern). b) Eine Entscheidung dafür, daß die Frau berufstätig sein soll, steht jeweils unter dem Vorbehalt, daß die Verhältnisse sich nicht wesentlich ändern. Eine Schwangerschaft und die Geburt eines Kindes z. B. entlassen die Frau aus der eingegangenen Verpflichtung. 5. Verträge zwischen Ehegatten Ehegatten können wie unverheiratete Personen Verträge miteinander schließen: Kaufverträge, Schenkungsverträge, Geschäftsbesorgungsverträge, Arbeitsverträge, Gesellschaftsverträge. Eine Sonderstellung nehmen die Güterverträge ein. Von ihnen wird später die Rede sein. Problematisch sind diese Verträge oft deswegen, weil die Ehegatten ein bestimmtes Verhalten zunächst nicht rechtsgeschäftlich qualifizieren und erst später, im Konfliktsfall, einen Vertragsabschluß behaupten. Schwierigkeiten tauchen ferner dann auf, wenn familienrechtliche und — angebliche — vertragliche Beziehungen miteinander konkurrieren, wenn z. B. eine Arbeitspflicht sich sowohl aus dem Familienrecht ergibt als audi aus einem — angeblich geschlossenen — Dienst-, Arbeits- oder Gesellschaftsvertrag. Die Konkurrenz kann praktische Bedeutung haben, wenn es um das Entgelt geht. Das Vertragsrecht wird oft auch deswegen bemüht, weil die Ehegatten über die güterrechtlichen Verhältnisse irrige Auffassungen haben. Viele glauben, daß der gesetzliche Güterstand, die sog. Zugewinngemeinschaft, eine echte Gütergemeinschaft sei. Diese Auffassung ist jedoch falsch (s. u. § 11 II). Haben die Ehegatten nun im Vertrauen darauf, daß das beiderseitige Vermögen gemeinschaftlich sei, in einem konkreten Fall darauf verzichtet, ausdrücklich Miteigentum zu vereinbaren, so kann häufig nur mit Hilfe schuldrechtlicher Konzeptionen das von beiden Ehegatten ursprünglich gewollte Ergebnis erreicht werden. Beispiel: Die Ehegatten legen ihre Ersparnisse zusammen und kaufen oder bauen gemeinschaftlich ein Haus. Kein Zweifel, daß die Ehegatten das Haus gemeinschaftlich kaufen und daran Bruditeilseigentum begründen können. Wie steht es aber, wenn nur ein Ehegatte als Verkäufer in Erscheinung tritt? Hier wird man annehmen können, daß dann, wenn die Ehegatten sidi einig waren, das Haus gemein47
§7
I. Abschnitt: Eheredit
schaftlich erwerben zu wollen, der Ehegatte, der als Käufer aufgetreten ist, nadi Auftragsvorsdiriften verpflichtet ist, dem anderen Ehegatten das aus der Geschäftsbesorgung Erlangte herauszugeben, d. h. ihm Miteigentum zu verschaffen (vgl. BGH, FamRZ 1960, 58). Baut der Ehegatte ein Haus auf seinem Grundstück unter Verwendung von Ersparnissen seiner Frau, wird man die gleiche Konstruktion verwenden. Die Ehegatten betrachteten den Hausbau als ihre gemeinschaftliche Sache. Beide wollten wohl auch letztlich mitberechtigt sein. Zwar trat nadi außen hin nur der Mann als Bauherr auf. Im Innenverhältnis war er jedoch Beauftragter. Das Alleineigentum, das er zunächst erlangt, ist mehr als ihm zufallen soll. Ein Miteigentumsanteil gebührt der Frau. Diesen hat er darum gemäß § 667 an die Frau herauszugeben. Dabei bestimmt sich die Größe des Anteils mangels einer entsprechenden Vereinbarung nach dem Verhältnis der beiderseitigen Aufwendungen; vgl. Henrich, Fälle und Lösungen, S. 31; s. auch Kühne, Schenkungen unter Ehegatten, insbesondere Rüdkabwidklung nach Scheidung, FamRZ 1969, 371. Nicht tragfähig ist die Begründung des BGH, der in einem solchen Fall daraus, daß der Bau eine Gemeinschaftsleistung sein sollte, die Anwendbarkeit der §§ 741 ff. BGB hergeleitet und erklärt hat, nach § 742 stünden den Ehegatten gleiche Anteile zu [BGH, FamRZ 1969, 78]. Mit Hilfe der §§ 741 ff. kann nämlich nicht die Entstehung von Miteigentum begründet werden. Diese Vorschriften setzen vielmehr das Bestehen von Miteigentum bereits voraus. V. Mitarbeit eines Ehegatten
im Geschäft des
anderen
1. Nach § 1 3 5 6 II ist jeder Ehegatte verpflichtet, im Beruf oder Geschäft des anderen Ehegatten mitzuarbeiten, soweit dies nadi den Verhältnissen, in denen die Ehegatten leben, üblich ist. Vor dem Inkrafttreten des Gleichberechtigungsgrundsatzes bestand diese Verpflichtung nur für die Frau. Seither trifft sie beide Gatten. Ob eine Mitarbeit üblich ist, hängt von den Verhältnissen ab, in denen die Ehegatten leben. In Betracht zu ziehen sind dabei insbesondere die wirtschaftlichen Verhältnisse des Betriebes, in dem der Ehegatte mitarbeiten soll, aber auch andere besondere Umstände, z. B. der Mangel geeigneten Personals für Vertrauensstellungen. Zu berücksichtigen ist ferner die Frage der Zumutbarkeit. Dabei spielen die Vorbildung des Ehegatten eine Rolle sowie — bei der Frau — die häuslichen Pflichten (Führung des Haushalts, Sorge für die Kinder). Typischer Fall einer üblichen Mitarbeit: Landwirtschaft, kleinere und mittlere Ladengeschäfte. Problem: Muß der Mann seinen Beruf aufgeben, um im Geschäft der Frau mitarbeiten zu können? Kann die Frau, statt im Geschäft des Mannes mitzuarbeiten, auch einer anderen Erwerbstätigkeit nachgehen? Die erste Frage wird man mit Hilfe des „nicht üblich" ver48
Die eheliche Lebensgemeinschaft
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neinen können. Das weckt freilich Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift; denn wollte man im Regelfall nur eine Mitarbeit der Frau für „üblich" erklären, so wäre das Gleidiberechtigungsgebot umgangen. Braudibar erscheint folgende (restriktive) Interpretation des § 1356 II: Zur Mitarbeit im Geschäft des anderen ist jeder Ehegatte dann verpflichtet, wenn dieses Geschäft die wesentliche Quelle des Familienunterhalts bildet und ohne die Mitarbeit — sei es wegen der Lage auf dem Arbeitsmarkt, sei es wegen der sonst drohenden Kostenüberlastung — diese Funktion nicht erfüllen kann (im Ergebnis übereinstimmend D. Schwab, Die Mitarbeitspflicht der Ehegatten nach § 1356 Abs. 2 BGB, J Z 1970, 7). 2. Sehr umstritten ist die Frage, ob und, wenn ja, wann für diese Mitarbeit ein Entgelt beansprucht werden kann. In § 1356 II ist von einem Entgelt für die geleistete Mitarbeit nicht die Rede. Das kann zweierlei bedeuten : a) Das Gesetz schweigt. Durch Auslegung kann ihm jedoch ein Ansprudi auf Entgelt entnommen werden. b) Eine Mitarbeit, die sich im Rahmen des Üblichen hält, ist unentgeltlich >zu leisten. Folgende Ausgangspunkte sind nahezu einhellig anerkannt: Die Vorsdirift des § 1356 II ist „neutral". Aus ihr läßt sich weder für nodi gegen eine Entgeltlichkeit der Mitarbeit etwas entnehmen. Insbesondere gebietet sie nicht, die Mitarbeit unentgeltlich zu leisten. Den Ehegatten steht es frei, auch soweit sich ihre Mitarbeit im Rahmen des Üblichen hält, ein Arbeits- oder Gesellschaftsverhältnis zu vereinbaren, aus dem sich dann Entgelts- oder Beteiligungsansprüdie ergeben können (BGH, FamRZ 1962, 358; Dölle I, § 35 V, 2). Lebhafter Streit besteht dagegen in der weiteren Frage, ob ein Ansprudi auf Entgelt auch dann besteht, wenn die Ehegatten keinen sdiuldrechtlidien Vertrag abgeschlossen haben. Für die Entgeltlidikeit der geleisteten Mitarbeit tritt namentlich Gernhuber ein (FamRZ 1959, 465 ff.). Er kritisiert eine Rechtsprechung, die Arbeits- oder Gesellschaftsverträge dort fingiert, wo sie eine Beteiligung des mitarbeitenden Ehegatten an den Ergebnissen der gemeinsamen Arbeit für billig hält. Das Eheverständnis der Gegenwart verlange eine Beteiligung des mitarbeitenden Ehegatten, wenn die gemeinsame Arbeit von Erfolg gekrönt ist. Dem Ehegatten zu einer soldien Beteiligung zu verhelfen, sei aber nicht Aufgabe des Schuldrechts, sondern Aufgabe des Familienredits. Nachdem das Fami4 Henrich, Familienrecht
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§7
I. Abschnitt: Eherecht
lienrecht in keiner speziellen Norm die Beteiligung an den Erträgnissen gemeinsamer Arbeit regle — von dem güterrechtlichen Ausgleich des Zugewinns abgesehen —, bleibe nur der Rückgriff auf die Generalklausel des § 1353 (zustimmend Staudinger-Hübner, § 1356 Anm. 45). Der BGH vertritt den gegenteiligen Standpunkt: Ohne eine entsprechende schuldrechtliche Vereinbarung kann der mitarbeitende Ehegatte kein Entgelt beanspruchen (vgl. BGHZ 46, 385). M. E. hat der BGH recht. § 1353 verpflichtet die Ehegatten zu ehelicher Lebensgemeinschaft. Dazu gehört auch die Verpflichtung, gemeinsam die wirtschaftlichen Voraussetzungen des gemeinschaftlichen Lebens zu sdiaffen. Diesem Ziel dient aber nicht nur eine Mithilfe des einen Ehegatten im Geschäft des anderen Ehegatten, sondern auch die Führung des Haushalts durch die Frau. Durch die Führung des Haushalts leistet die Frau ihren Beitrag zum Familienunterhalt (§ 1360 S. 2). Man kann darum den wirtschaftlichen Beitrag, den die Frau durch die Führung des Haushalts leistet, nicht anders werten als die übliche Mitarbeit im Beruf oder Geschäft des anderen Ehegatten. Zu beidem ist die Frau gleichermaßen verpflichtet. Deswegen muß man entweder der Frau auch für die Führung des Haushalts einen Anspruch auf Entgelt zugestehen oder in beiden Fällen eine Entgeltlichkeit ablehnen. Außerdem: Hätte der Gesetzgeber eine unmittelbare Beteiligung eines Ehegatten am Gewinn des anderen Ehegatten gewollt, so hätte er als gesetzlichen Güterstand die Gütergemeinschaft eingeführt. Dadurch, daß der Gesetzgeber sich für den Güterstand der Zugewinngemeinschaft als gesetzlichen Güterstand entschieden hat, wonach die beiderseitigen Vermögen der Ehegatten zunächst getrennt bleiben und erst bei der Auflösung der Ehe ein Ausgleich stattfindet, hat er deutlich zu erkennen gegeben, daß vor Beendigung des Güterstandes kein Anspruch auf Beteiligung am Zugewinn besteht. Dafür sprechen im übrigen auch die Materialien des Gleichberechtigungsgesetzes (vgl. Verhandlungen des Deutsdien Bundestages, 2. Wahlperiode 1953, zu Drucksache 3409, S. 36 [Wittrock]-. „Die Mitarbeit ist, soweit sie das übliche Maß nicht übersteigt, unentgeltlich zu leisten. Die Ehegatten können jedoch vereinbaren, daß ein Ehegatte für seine Mitarbeit ein Entgelt erhält). Ergebnis also: Dem Gesetz läßt sich weder für übliche noch für unübliche Mitarbeit ein Vergütungsanspruch entnehmen. 50
Die ehelidie Lebensgemeinschaft
§7
3. Von der Frage, ob das Gesetz einen Entgeltsanspruch für geleistete Mitarbeit gewährt, ist die andere zu trennen, ob und — wenn ja — wann eine Verpflichtung zu unentgeltlicher Mitarbeit besteht. Kann ein Ehegatte die Mitarbeit verweigern, wenn der andere nicht bereit ist, ein Entgelt dafür zu zahlen? Die Antwort des Gesetzes scheint nach dem bisher Gesagten zu lauten: Soweit die Mitarbeit üblich ist, kann sie auch unentgeltlich gefordert werden. Dem steht jedoch ein Satz des BVerfG entgegen (BVerfGE 13, 311), wonach „audi die nach den Verhältnissen der Ehegatten übliche Mitarbeit, sobald sie über den Rahmen unbedeutender Hilfeleistungen hinausgeht, nicht grundsätzlich als unentgeltlich gilt." Das BVerfG macht damit deutlich, daß in der allgemeinen Auffassung ein Wandel eingetreten ist, der zu einer neuen Interpretation des § 1356 II zwingt. Akzeptiert man diese Auffassung, so führt dies zu folgendem Schluß: Ein Ehegatte kann vom anderen nur dann eine über unbedeutende Hilfeleistungen hinausgehende Mitarbeit im Geschäft verlangen, wenn er zugleich bereit ist, dafür ein angemessenes Entgelt zu zahlen. Aber: Der Vergütungsanspruch muß immer in Relation zum erzielten Arbeitserfolg stehen. Arbeiten die Ehegatten, ohne einen Gewinn zu erzielen, so kann der mitarbeitende Ehegatte seine Mithilfe nicht von der Zahlung einer Vergütung abhängig machen. Man denke an einen kleineren landwirtschaftlichen Familienbetrieb, der es gerade zuläßt, daß die für die Erhaltung der Wirtschaftlichkeit erforderlichen Investitionen vorgenommen werden und die Familie ihren bescheidenen Unterhalt findet, ohne daß darüber hinausgehende Vermögenswerte geschaffen werden können; vgl. BGH, FamRZ 1966, 492, 494. Ferner: Eine Verpflichtung zu unentgeltlicher Mitarbeit kann sich audi aus § 1360 ergeben, der beide Ehegatten dazu verpflichtet, für den Unterhalt der Familie zu sorgen. Regelmäßig erfüllt der Mann diese Unterhaltsverpflichtung durch eine selbständige Berufstätigkeit, die Frau durdi die Führung des Haushaltes. Arbeitet der Mann im Betrieb oder Geschäft der Frau mit, so ist diese Mitarbeit zumindest teilweise auch als Unterhaltsleistung zu werten, für die ein Vergütungsanspruch nicht besteht; vgl. BGH, FamRZ 1969, 595. 4. Läßt sidi dem Gesetz kein Vergütungsanspruch entnehmen, so kommt als Grundlage für einen solchen Anspruch nur ein Vertrag in Betracht. Der Vertrag braucht nicht ausdrücklich, er kann audi stillschweigend geschlossen worden sein. 4
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§7
I. Abschnitt: Eherecht
Häufig schließen Ehegatten Arbeitsverträge. Das hat steuerliche Gründe. Arbeitslohn kann als Betriebsausgabe abgesetzt werden. Die Annahme eines stillschweigend geschlossenen Arbeitsvertrages ist dagegen selten. Das hängt damit zusammen, daß die typischen Merkmale des Arbeitsvertrages (Weisungsrecht des Arbeitgebers, der Ort und Art der Arbeitsleistung bestimmen kann) der gleichberechtigten Stellung der Ehegatten nicht entsprechen. Im übrigen ist gegenüber der Annahme eines stillschweigenden Arbeitsvertrages auch deswegen Vorsicht geboten, weil ein solches Vertragsverhältnis sich auch zum Nachteil des mitarbeitenden Ehegatten auswirken kann: Sein Vergütungsanspruch kann von Gläubigern gepfändet werden, er muß Lohnsteuer zahlen usw. Es kann also nicht die Frau eines Arztes, die zehn Jahre lang ohne entsprechenden Vertrag die Arbeit einer Sprechstundenhilfe verrichtet hat, sagen: Idi fordere für diese zehn Jahre einen Arbeitslohn.
Während der stillschweigende Abschluß eines Arbeitsvertrages nur selten behauptet wird, ist die Behauptung, ein Gesellschaftsvertrag sei stillschweigend geschlossen worden, sehr häufig. Hier geht es nicht um steuerliche Erwägungen, sondern um eine Mitbeteiligung eines Ehegatten am Gewinn des anderen, unabhängig von der Regelung des ehelichen Güterrechts. Gegen die Annahme eines Gesellschaftsverhältnisses bestehen dann keine Bedenken, wenn ein besonderer, über die Verwirklichung der ehelichen Lebensgemeinschaft hinausgehender Gesellschaftszweck nachgewiesen werden kann. Das bloße Bestreben, gemeinsam die wirtschaftlichen Voraussetzungen des gemeinschaftlichen Lebens zu schaffen, genügt also nicht; denn dazu sind die Ehegatten ja bereits nach § 1353 verpflichtet. Dagegen kann ein Gesellschaftsverhältnis dann angenommen werden, wenn etwa der mitarbeitende Ehegatte durch eigene finanzielle Mittel zum Erwerb des Geschäfts oder zu seiner Erweiterung beigetragen hat, möglicherweise auch dann, wenn die Tätigkeit des mitarbeitenden Ehegatten der Tätigkeit des anderen Ehegatten gleichwertig ist (der eine Ehegatte hat die technische oder künstlerische, der andere die kaufmännische Leitung des Betriebes) und beide gemeinsam bestrebt sind, den Betrieb in die Höhe zu bringen (vgl. BGH, FamRZ 1960, 105; weitere Nachweise bei Henrich, Fälle und Lösungen S. 28). Die Annahme eines Gesellschaftsverhältnisses scheitert nicht daran, daß nach außen hin nur ein Ehegatte als Geschäftsinhaber in Erscheinung tritt. Es kann dann nämlich eine sog. Innengesellschaft vorliegen. Im Fall einer Innengesellschaft besteht kein Gesamt52
Vermögensrechtliche Außenwirkungen
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handsvermögen. Das Gesellschaftsvermögen steht dem Außengesellsdiafter zu. Der Außengesellschafter hat in Ansehung des wirtschaftlich dem Innengesellschafter zustehenden Gesellschaftsvermögens die Stellung eines Treuhänders; vgl. O L G Frankfurt, BB 1969, 1411. VI. Hinweise für die Lösung der Ausgangsfälle 1. Fall: Lies Abschnitt III l b und Abschnitt IV 1. Es handelt sich um eine gemeinschaftliche Angelegenheit. Die Ehegatten müssen sich einigen. Kunigunde hat nur einen Anspruch darauf, daß Balduin sich unter Würdigung der von ihr vertretenen Auffassung redlich um eine Einigung bemüht; vgl. OLG Düsseldorf, FamRZ 1969, 153, und Henrich, Fälle und Lösungen, Fall 5. 2. Fall: Lies Absdinitt IV 5. Es geht um die rechtliche Qualifikation des „Übergabevertrags". Würde es sich dabei wirklich um eine reine Schenkung handeln, so bekäme Moritz recht, § 73 EheG. Aber: In Wahrheit gebührte der Frieda von Anfang an ein Miteigentumsanteil nach den Vorschriften des Auftragsrechts. Eine Schenkung liegt nur bezüglich des zunächst dem Moritz gebührenden Miteigentumsanteils vor. Nur diesen Anteil kann darum Moritz gemäß § 73 EheG zurückverlangen. Vgl. BGH, FamRZ 1969, 78, und Henrich, Fälle und Lösungen, Fall 8. 3. Fall: Lies Abschnitt V. Beate war zur Mitarbeit verpflichtet (kleinerer Fabrikationsbetrieb mit ungünstiger Ertragslage). Darauf kommt es jedoch nach der hier vertretenen Auffassung nicht an. Das Gesetz gibt weder bei üblicher noch bei unüblicher Mitarbeit einen Vergütungsanspruch. Ein solcher kann sich vielmehr nur aus einem Vertrag ergeben. Ein Vertrag ist jedoch nicht geschlossen worden. Insbesondere kann aus bloßer Mithilfe noch nicht auf den stillschweigenden Abschluß eines Gesellschaftsvertrages geschlossen werden. Damit kann Beate für ihre Mitarbeit kein Entgelt beanspruchen; vgl. Henrich, Fälle und Lösungen, Fall 7.
§ 8. Vermögensrechtliche Außenwirkungen der ehelichen Lebensgemeinschaft I.
Eigentumsvermutungen
1. Ein Ehemann zahlt seine Schulden nidit. Der Gerichtsvollzieher kommt und pfändet ein Gemälde „Kahnfahrt im Mondenschein". Die Frau widerspricht der Pfändung und erklärt: „Das Bild gehört mir." Rechtslage? Für den Gläubiger eines Ehegatten ist es praktisch ausgeschlossen nachzuweisen, daß eine Sache, die sich in der ehelichen Wohnung befindet, dem einen oder dem anderen Ehegatten gehört. Deswegen hat das BGB für diesen Fall eine Vermutung aufgestellt (§ 1362): D i e im Besitz eines oder beider Gatten befindlichen Sachen werden 53
§8
I. Abschnitt: Eheredit
zugunsten der Gläubiger des Mannes oder der Frau als Eigentum des jeweiligen Schuldners angesehen. Will in unserem Beispielsfall also die Frau der Pfändung widersprechen, dann muß sie diese Vermutung widerlegen, etwa durch den Nachweis, daß sie das Bild mit in die Ehe gebracht hat.
Eine ähnliche Vermutung kannte schon das römische Recht, die sog. praesumptio Muciana. Mit diesem Namen pflegt die Eigentumsvermutung des § 1362 audi heute noch belegt zu werden. Die Vermutung gilt uneingeschränkt nur dann, wenn die Ehegatten zusammenleben. Leben die Ehegatten getrennt, dann gilt die Vermutung nur dann, wenn sich die Sache im Besitz des Schuldners befindet. Es wird hier also aus dem Besitz auf das Eigentum geschlossen (ebenso wie in § 1006 I, 1). Befindet sich die Sache im Besitz des Ehegatten, der nicht der Schuldner ist, dann gilt die Vermutung nicht, § 1362 I, 2. 2. Eine zweite Vermutung enthält § 1362 I I : Für die ausschließlich zum persönlichen Gebrauch eines Ehegatten bestimmten Sachen wird vermutet, daß sie dem Gatten gehören, für dessen Gebrauch sie bestimmt sind. Während sich auf die Vermutung des § 1362 I nur die Gläubiger eines Ehegatten berufen können, wirkt die Vermutung des § 1362 II auch zugunsten eines jeden Ehegatten. Beispiel: Eine Ehe wird geschieden. Der Ehemann verlangt alle Schmuckgegenstände zurück, die er während der Ehe für die Frau gekauft hat. Begründung: E r habe diese Gegenstände der Frau nicht geschenkt, sondern nur zum Gebrauch überlassen. Hier spricht zunächst die Eigentumsvermutung des § 1362 II für das Eigentum der Frau. Diese Vermutung muß der Mann widerlegen. Ausnahme: Der Mann weist nach, daß er die Sdimudsgegenstände als Kapitalanlage erworben hat; denn in diesem Fall waren sie nicht zum persönlichen Gebrauch der Frau bestimmt, vgl. B G H , N J W 1959, 142.
3. § 1362 wird ergänzt durch § 739 ZPO. In dieser Vorschrift ist bestimmt, daß im Falle der Vermutung des § 1362 für die Durchführung der Zwangsvollstreckung nur der Schuldner als Gewahrsamsinhaber und Besitzer gilt. Nach §§ 808, 809 ZPO ist nämlich eine Pfändung nur zulässig bei Sachen, die sich im Gewahrsam des Schuldners oder eines Dritten befinden, der zur Herausgabe der Sache bereit ist. Beispiel: Die Eheleute M und F haben einen BMW. Den Wagen fährt meistens die Frau. Kann dieser Wagen wegen Schulden des M gepfändet werden? 54
Vermögensrechtliche Außenwirkungen
§8
a) § 1362 I: Es w i r d vermutet, d a ß der Wagen dem Schuldner (M) gehört. b) Wenn es § 739 Z P O nicht gäbe, könnte F der P f ä n d u n g widersprechen. Sie könnte sagen: D e r Wagen befindet sich in meinem Alleingewahrsam oder zumindest in meinem Mitgewahrsam. Ich bin z u der Herausgabe nicht bereit, §§ 808, 809 Z P O . Diese Möglichkeit wird durch § 739 Z P O ausgeschlossen.
4. Eine weitere Vermutung gab es früher im Konkursrecht. Nach § 45 KO galten alle von einem Ehegatten des Gemeinschuldners während der Ehe erworbenen Gegenstände als mit Mitteln des Gemeinschuldners erworben und deshalb ihm gehörig. Diese Vorschrift ist inzwischen vom BVerfG wegen Verstoßes gegen Art. 6 I GG für nichtig erklärt worden (BVerfG, FamRZ 1968, 437). Begründung: Der Ehegatte wird einer ungünstigeren Regelung deshalb unterworfen, weil er mit dem Gemeinschuldner verheiratet ist. Das widerspricht dem Gebot des Eheschutzes. Für den Schutz des Gläubigers genügt § 1362. IL Die Schlüsselgewalt Ausgangsfall: Moritz, v o n Beruf Eisenbahner, ist seit 1958 verheiratet. A u s seiner Ehe gingen bis 1966 fünf Kinder hervor. Im Januar 1967 suchte seine Ehefrau Frieda den Arzt auf und ließ sich empfängnisverhütende P i l len verschreiben. Sie wollte ebenso w i e ihr M a n n keine weiteren Kinder mehr haben. D e r A r z t verschrieb Eugynon. D e r Apotheker verlas sich und händigte der Frau das Magenpräparat Enzynorm aus. Frieda las z w a r die Aufschrift „Magenpräparat", hielt dies aber für eine geschickte Tarnung. N a t u r g e m ä ß konnte die regelmäßige Einnahme des Magenpräparats die G e burt des sechsten Kindes nicht verhindern. Moritz verlangt nun v o m A p o theker Schadensersatz dafür, d a ß er d e m ungewollten Kind Unterhalt leisten muß. Mit Recht?
Nach § 1357 I, 1 ist die Frau berechtigt, Geschäfte, die innerhalb ihres häuslichen Wirkungskreises liegen, mit Wirkung für den Mann zu besorgen. Das ist die sog. Schlüsselgewalt der Frau. Die Schlüsselgewalt der Frau beruht auf folgender Vorstellung: Die Frau führt den Haushalt, hat aber keine eigenen Mittel. Das Haushaltsgeld hat der Mann zur Verfügung zu stellen. Der Mann ist darum letztlich derjenige, an den sich die Gläubiger halten müssen. Da man vom Mann nicht erwarten kann, daß er seiner Frau für alle im Haushalt anfallenden Geschäfte Vollmacht erteilt, muß man der Frau von Gesetzes wegen ein Vertretungsrecht einräumen. Aus Rechtsgeschäften, die sie innerhalb ihres häuslichen Wirkungskreises vornimmt, soll kraft Gesetzes grundsätzlich allein der Mann 55
§8
I. Abschnitt: Eherecht
berechtigt und verpflichtet werden. Die Frau soll sich zwar auch selbst verpflichten können, gegen ihren Willen aber — im Interesse eines Gläubigerschutzes — nur dann verpflichtet werden, wenn der Mann zahlungsunfähig ist. Diese Vorstellung hatte der Gesetzgeber vor dem Inkrafttreten des Gleidiberechtigungsgrundsatzes dadurch realisiert, daß er die Frau für berechtigt erklärte, „innerhalb ihres häuslichen Wirkungskreises die Geschäfte des Mannes für ihn zu besorgen und ihn zu vertreten" (§ 1357 1,1 a. F.). Die Neufassung des § 1357 durch das GleichberechtigungsG unterscheidet sich von dieser früheren Fassung dadurch, daß die Frau nicht mehr „Geschäfte des Mannes" „für ihn" besorgt. Außerdem ist nicht mehr von einer Vertretung die Rede. Diese Änderung wird verständlich, wenn man sie im Zusammenhang mit § 1356 liest: Die Frau führt den Haushalt „in eigener Verantwortung", besorgt also ein eigenes Geschäft, nicht mehr „Geschäfte des Mannes". Damit mußte auch der Begriff der Vertretung fallen. Die Frau handelt eigenverantwortlich, ein Vertreter handelt nicht eigenverantwortlich. Die Neufassung wirft eine Reihe von Zweifelsfragen auf: Warum hat nur die Frau die Schlüsselgewalt, nicht auch der Mann? Welche Stellung hat nun eigentlich die Frau, wenn sie den Mann zwar berechtigen und verpflichten kann, aber nicht mehr seine Vertreterin ist? Welche Regeln gelten im Innenverhältnis? 1. Hat nur die Frau Schlüsselgewalt? Die rechtliche Regelung der Schlüsselgewalt ist auf die Hausfrauenehe zugeschnitten. Haben sich die Ehegatten für eine andere Funktionsverteilung entschieden, führt also der Mann den Haushalt, während die Frau die Verdienerin ist, so wird man § 1357 analog anwenden müssen. „Frau" i. S. des Gesetzes ist auch hier jeweils der Ehegatte, der auf Grund einer dahingehenden nach außen erkennbaren Einigung der Ehegatten den Haushalt führen soll (s. o. § 7 IV, 3; ferner Staudinger-Hübner, § 1357 Anm. 4; Gernhuber, § 19 I, 4; andere Autoren kommen zum gleichen Ergebnis dadurch, daß sie bei einer vom Regelfall abweichenden Funktionsverteilung den Mann als von der Frau stillschweigend bevollmächtigt ansehen: so u. a. Erman-Bartholomeyczik, § 1357 Anm. 3). Diese Lösung zwingt nicht dazu, den § 1357 für verfassungswidrig zu halten. Der Gesetzgeber hat den Normalfall „richtig" geregelt. Die Verfassung gebietet jedoch, den § 1357 dahin zu interpre56
Vermögensrechtliche Außenwirkungen
§8
tieren, daß der „Ausnahmefall" einer anderen Funktionsverteilung vom Gesetzgeber nicht geregelt worden ist. Diese Lücke kann dann durdi eine analoge Anwendung geschlossen werden (a. A. Beitzke, § 12, V, 3, der meint, die Singularität der gesetzlichen Regelung verbiete eine analoge Anwendung). 2. Die Rechtsnatur der Schlüsselgewalt a) Innenverhältnis: Im Innenverhältnis wurde die Frau früher — als sie noch die „Geschäfte des Mannes" führte — als Beauftragte des Mannes angesehen. Folge: Sie war verpflichtet, den Weisungen des Mannes zu folgen, ihm über die abgeschlossenen Geschäfte Auskunft zu erteilen, Rechnung zu legen und das Erlangte herauszugeben (§§ 665—667). Heute sind die Auftragsvorschriften nicht mehr anwendbar; denn die Frau führt ja, wie es in § 1356 I, 1 heißt, den Haushalt in eigener Verantwortung. Für das Innen Verhältnis gilt allein § 1353. Aus der ehelichen Lebensgemeinschaft folgt, daß die Ehegatten aufeinander Rücksicht nehmen müssen. Das bedeutet: Wie bei der internen Haushaltsführung muß die Frau (bzw. der den Haushalt führende Ehegatte) auch bei dem Abschluß von Rechtsgeschäften mit Dritten die Wünsche des Ehegatten in angemessener Weise berücksichtigen, sie hat auf die Vermögensverhältnisse zu achten, in denen die Ehegatten leben, und sie muß schließlich den Mann über wichtige Geschäfte unterrichten. Sie ist dagegen nicht mehr verpflichtet, auf Verlangen des Mannes Rechenschaft über ihre Geschäftsführung abzulegen. b) Außenverhältnis: Im Außenverhältnis paßt — wie schon gesagt — die Stellvertretung deswegen nicht mehr, weil die Frau — anders als ein Stellvertreter — eigenverantwortlich handelt. Im einzelnen sind folgende Fälle denkbar: Die Frau handelt ausdrücklich im Namen des Mannes. Damit gibt sie zu erkennen, daß sie in keinem Fall selbst verpflichtet werden will. Hier gelten die Vorschriften über die Stellvertretung, und zwar unmittelbar. Handelte die Frau im eigenen Namen, so muß man unterscheiden: Wollte die Frau den Mann berechtigen und verpflichten oder hat sie an gar nichts gedacht, so wird der Mann berechtigt und verpflichtet. Diese Berechtigung und Verpflichtung des Mannes beruht auf dem Gesetz. Die Frau handelt nicht als Vertreterin, sondern auf 57
§8
I. Abschnitt: Eherecht
Grund einer gesetzlichen Ermächtigung — ähnlich wie z. B. ein Testamentsvollstrecker (vgl. Erman-Bartholomeyczik, § 1357 Anm. 7 b). Die § § 1 6 4 ff. sind nur insoweit analog anwendbar, als sie mit dieser Konstruktion vereinbar sind. Diese Rechtsfolge — der Mann allein wird berechtigt und verpflichtet — gilt indessen nur, soweit sich nicht „aus den Umständen etwas anderes ergibt" (§ 1357 I, 2). Immer häufiger will die Frau aus den Geschäften, die sie schließt, auch selbst berechtigt werden, also zumindest Miteigentum an der gekauften Sache erwerben. Bei Haushaltsgegenständen (Möbel, Waschmaschine, Radiogerät usw.) wird man einen solchen Willen zum Erwerb von Miteigentum sogar regelmäßig vermuten können, insbesondere, wenn die Frau zum Erwerb mit eigenen Ersparnissen beiträgt. D. h.: Hier ergibt sich aus den Umständen etwas anderes. Die Folge: Beide Ehegatten werden aus dem Geschäft berechtigt und verpflichtet (vgl. Erman-Bartholomeyczik, § 1357 Anm. 9). Sehr klar ist dieser Rechtszustand nicht. Gelegentlich wird behauptet, die Frau vertrete die eheliche Gemeinschaft (Staudinger-Hübner, § 1357 Anm. 10). Dieser Gedanke hat manches für sich. Die Führung des Haushalts durch die Frau wird wirtschaftlich der Unterhaltsleistung des Mannes gleichgeachtet. Das steht im Gesetz (§ 1360). Man kann darum durchaus argumentieren, daß ebenso wie die Haushaltsführung durch die Frau beiden Ehegatten zugute kommt, auch das Wirtschaftsgeld beiden Ehegatten zugute kommen müsse. Daraus würde dann folgen, daß an solchen Sachen, die mit Mitteln des Haushaltsgeldes erworben worden sind, beide Ehegatten Miteigentum erwerben müssen. Das wäre der Fall, wenn die Frau als Vertreterin der ehelichen Gemeinschaft angesehen würde. Aber: Nach geltendem Recht ist es nun einmal so, daß durch die Geschäfte der Frau im Zweifel nur der Mann berechtigt und verpflichtet wird. De lege lata wird man darum sagen müssen, daß die These, die Frau vertrete die eheliche Gemeinschaft, nicht dem Gesetz entspricht. Das Gesetz gestattet es jedoch, aus den Umständen des konkreten Falles eine Mitberechtigung der Frau abzuleiten. Hier bietet sich ein Anhaltspunkt für eine sinnvolle und zeitgemäße Weiterentwicklung des Rechts. 3. Der Umfang der
Schlüsselgewalt
Schlüsselgewalt hat die Frau für alle „Geschäfte, die innerhalb ihres häuslichen Wirkungskreises liegen". Das sind: 58
Vermögensrechtliche Außenwirkungen
§ 8
a) alle Geschäfte, die zur Führung des Haushalts im engeren Sinn notwendig sind: Kauf der Lebensmittel, Putzmittel usw.; b) darüber hinaus alle Geschäfte, die zum Familienunterhalt im weiteren Sinn gehören: Anschaffung der Kleider für sich und die Kinder (im engeren Rahmen auch für den Mann), Kauf von Hausratsgegenständen, Geschäfte, die im Zusammenhang mit der Ausbildung, Erziehung oder Betreuung der Kinder stehen (Kauf von Schulbüchern, Verpflichtung eines Lehrers für Nachhilfestunden), die Zuziehung eines Arztes usw. Im einzelnen ist hier noch vieles streitig. So hat man beispielsweise argumentiert, die Inanspruchnahme eines Arztes durch die Frau habe meist einen so persönlich-intimen Charakter, daß die Subsumtion unter den „häuslichen Wirkungskreis" unangemessen erscheine (Dölle I, § 45 II, 2a). Der BGH hat diese Ansicht verworfen. Er meint, wenn die Frau einen Arzt zuziehe, handle sie nicht ausschließlich im eigenen Interesse, sondern auch im Interesse der Familie, der sie Unterhalt in der Form der Führung des Haushalts schulde (BGH, FamRZ 1967, 276). Das Argument überzeugt. Nicht in den Rahmen der Schlüsselgewalt fallen das Mieten der Wohnung, die Aufnahme von Darlehen, nach einer freilich sehr zweifelhaften Rechtsprechung auch Teilzahlungsgeschäfte, soweit sie nicht im Verhältnis zu den Einkommensverhältnissen des Ehemannes ganz geringfügiger Natur sind; vgl. LG München, NJW 1961, 677.
4. Worauf
darf sich der Geschäftspartner
verlassen?
a) Ob ein Geschäft unter die Schlüsselgewalt fällt, hängt nicht davon ab, ob die Frau sich als Hausfrau bezeichnet hat. Ein Dritter muß also immer mit der Möglichkeit rechnen, daß eine Frau, auch wenn sie ihm gar nicht als Ehefrau bekannt ist, aus den von ihr abgeschlossenen Geschäften nur ihren Mann verpflichtet. Andererseits kann sich ein Geschäftsmann nicht darauf verlassen, daß aus dem Geschäft einer ihm bekannten Ehefrau der Mann verpflichtet wird. Die Schlüsselgewalt ist nicht an das Bestehen einer Ehe geknüpft, sondern an die häusliche Gemeinschaft der Ehegatten; denn nur bei einer häuslichen Gemeinschaft gibt es einen häuslichen Wirkungskreis. Leben die Ehegatten nicht nur vorübergehend getrennt, z. B. weil sie sich scheiden lassen wollen, so ruht die Schlüsselgewalt. Ein Geschäftsmann muß sich über den familienrechtlichen Status seiner Kundinnen unterrichten. Ob ein Geschäft einer Frau zu deren häuslichen Wirkungskreis gehört, muß er auf eigene Gefahr prüfen. Das ist zwar nicht sehr befriedigend; aber bei Kreditgeschäften ist bekanntlich stets Vorsicht geboten. 59
§8
I. Abschnitt: Eheredit
b) Wozu eine Frau im InnenVerhältnis ihren Mann verpflichten darf, hängt von den jeweiligen Vermögensverhältnissen ab. Bei der Frau eines reichen Fabrikanten kann der Kauf eines Nerzmantels noch zum häuslichen Wirkungskreis gehören, bei der Frau eines Straßenkehrers wird das nidit der Fall sein, desgleichen nicht bei der Frau eines Fabrikanten, der seine Schulden nicht mehr bezahlen kann. Die genauen Einkommensverhältnisse sind aber nadi außen nicht erkennbar. Erkennbar ist lediglich die äußere Gestaltung des Ehelebens, der tatsächliche Zusdinitt des Haushalts. Auf diese äußere Gestaltung muß darum der Vertragspartner der Ehefrau vertrauen dürfen, der tatsächliche Zuschnitt des Haushalts allein ist dafür maßgebend, ob ein konkretes Geschäft von der Schlüsselgewalt gedeckt wird oder nicht. c) Nach § 1357 II kann der Mann die Schlüsselgewalt aufheben oder einschränken. Die Erklärung muß entsprechend § 168 S. 3 entweder der Frau oder dem Dritten gegenüber erfolgen. Dritten gegenüber wirkt die Erklärung aber nur, wenn sie diesen bekannt oder im Güterrechtsregister eingetragen war. Beispiel: Eine Dame kauft in einem Pelzgeschäft einen Leopardenmantel für 10 000 DM und sagt zu dem Geschäftsinhaber: „Die Rechnung schicken Sie bitte meinem Mann." Der Geschäftsinhaber kennt den Ehemann. Er wei£, daß dieser eine schöne Villa bewohnt und einen großen Mercedes fährt. Was wird er tun? (1) Er wird prüfen, ob das Geschäft in den Rahmen der Schlüsselgewalt fällt. Diese Frage ist zu bejahen. Der äußere Zuschnitt der Lebensführung spricht dafür. (2) Wenn er sidiergehen will, muß er weiter prüfen, ob der Mann die Schlüsselgewalt nicht aufgehoben oder eingeschränkt hat, d. h. er muß in das Güterrechtsregister Einsicht nehmen. [Allerdings: Welcher Kaufmann wird das tun?] Wenig Sinn hat es, wenn ein Mann die Aufhebung der Schlüsselgewalt in einer Zeitungsanzeige bekannt gibt („Ich erkläre hiermit, daß idi für die Schulden meiner Ehefrau nidit aufkomme"). Will er sich darauf berufen, so muß er nachweisen, daß der Vertragspartner der Frau diese Anzeige gelesen hat. 5. Hinweise für die Lösung des
Ausgangsfalls
Den Vertrag mit dem Apotheker hat die Frau geschlossen. Der Ehemann kann deswegen einen vertraglichen Schadensersatzanspruch (aus c.i.c. oder positiver Forderungsverletzung) nur geltend machen, wenn er aus dem Rechtsgeschäft der Frau berechtigt worden ist.
60
Unterhaltsansprüche
§9
Problem: Fällt der Kauf der „Pille" In den häuslichen Wirkungskreis? Die Antwort kann nidit anders lauten als bei der Frage, ob die Zuziehung eines Arztes von der Schlüsselgewalt gedeckt ist (s. o. 3). Ob der Mann daneben auch einen deliktiscben Schadensersatzanspruch geltend machen kann, hängt davon ab, ob er in einem der in § 823 I geschützten Rechte oder Rechtsgüter verletzt worden ist. Die Frage ist streitig: Heldridi (Schadensersatz bei fehlgeschlagener Familienplanung, JuS 1969, 455, 461) hält eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsredits (Selbstbestimmungsrecht in Fragen der Kinderplanung) für gegeben, die überwiegende Meinung ist jedoch gegenteiliger Ansicht (Mertens, Ein Kind als Sdiadensfall, FamRZ 1969, 252; Loewenheim, Probleme der Produktenhaftung, N J W 1969, 1754; Henrid), Fälle und Lösungen, S. 44 f.). Eine Erörterung der eigentlichen Problematik des Falles, nämlidi, ob der Mann einen ersatzfähigen Schaden erlitten hat, gehört nidit in den Rahmen dieser Darstellung. Deswegen nur einige Stichworte: Vermögensminderung? (Ja! Belastung mit Unterhaltsleistungen.) Schadensersatzanspruch? (Die wohl überwiegende Meinung sagt ja; vgl. neben dem LG Itzehoe, FamRZ 1969, 90, das den Ausgangsfall entschieden hat, namentlich Heldrich a. a. O.; zu den Bedenken dagegen s. Henridu, Fälle und Lösungen, S. 43.) Mitschuld? (Überwiegende Auffassung: Schadensteilung; a. A. — das Mitversdiulden der Frau darf nicht zu hoch veranschlagt werden — D. u. A. Giesen, FamRZ 1969, 319 f.)
§ 9. Unterhaltsansprüche I. Unterhalt,
wenn die Ehegatten
zusammen
leben
1. Nach § 1360 S. 1 sind die Ehegatten einander verpflichtet, durch ihre Arbeit und mit ihrem Vermögen die Familie angemessen zu unterhalten. D a s heißt: Jeder Ehegatte muß zum Familienunterhalt beitragen. Das gilt nicht für die Doppelverdienerehe, sondern auch für die Hausfrauenehe. Bei der Hausfrauenehe braucht allerdings die Frau regelmäßig keine Geldleistungen zu erbringen. Sie erfüllt ihre Unterhaltspflicht dadurch, daß sie den Haushalt führt, § 1360 S. 2. Der Unterhaltsanspruch ist nicht auf die persönlichen Bedürfnisse der Ehegatten beschränkt. Geschuldet ist ein Beitrag zum „Familienunterhalt". Zur Familie gehören auch die Kinder. Gibt der Mann der Frau weniger Haushaltsgeld, als sie braucht, um sich und die Kinder zu unterhalten, so kann die Frau gegen den Mann auf Leistung der zusätzlich benötigten Unterhaltsbeträge klagen. Der Unterhaltsanspruch der Kinder ist im Gesetz besonders geregelt. D i e Kinder haben gegen ihre Eltern eigene Unterhaltsansprüche 61
§9
I. Abschnitt: Eheredit
— ebenso wie die hilfsbedürftigen Eltern gegen ihre Kinder; vgl. §§ 1601 ff. Die Kinder können ihre Unterhai tsansprüdie darum nidit unmittelbar aus den §§ 1360, 1360 a herleiten. § 1606 I I I stellt jedodi insoweit einen Einklang mit § 1360 her, als er feststellt, daß die Mutter ihren Unterhaltsbeitrag in der Regel durch die Pflege und Erziehung des Kindes erfüllt. 2. Die Unterhaltspflichten von Mann und Frau sind — wie gesagt — nach Art und M a ß verschieden. Das Gesetz geht auch hier von der Hausfrauenehe als dem Regelfall aus. Es verpflichtet den Mann, Geldmittel f ü r den Familienunterhalt zu beschaffen, und es gestattet der Frau, ihren Beitrag durch die Führung des Haushalts und die Pflege und Erziehung der Kinder zu erbringen. Dieser Beitrag der Frau wird dem Beitrag des Mannes gleich geachtet. Ist die Frau berufstätig, so muß auch sie Geldmittel zum Familienunterhalt beisteuern; vgl. BGH, F a m R Z 1967, 380. Die H ö h e der von den beiden Ehegatten zu erbringenden Geldbeiträge hängt dann einmal von der H ö h e der jeweiligen Einkünfte von Mann und Frau ab, und zum anderen davon, wieweit die Frau daneben noch den Haushalt versorgt. Zu einer Erwerbstätigkeit verpflichtet ist die Frau nach dem Wortlaut des Gesetzes nur dann, wenn die Arbeitskraft des Mannes und die Einkünfte der Ehegatten zum Unterhalt der Familie nicht ausreichen und es den Verhältnissen der Ehegatten auch nicht entspricht, d a ß sie den Stamm ihres Vermögens verwerten, § 1360 S. 2, 2. Hs. Wie bereits früher schon festgestellt, hat dieser Satz dann Bedeutung, wenn die Ehegatten sich zunächst f ü r eine „Hausfrauenehe" entschieden haben (s. o. § 7 IV, 4). 3. Die Unterhaltspflicht des Ehegatten geht der Unterhaltspflicht der Verwandten vor, solange der unterhaltspflichtige Ehegatte seinen eigenen angemessenen Unterhalt nicht gefährdet, § 1608. Grundsätzlich kann also der Ehemann den Unterhalt nicht mit der Begründung verweigern, die Ehefrau möge sich an ihre reichen Eltern halten. Ebenso geht der Unterhaltsanspruch eines Ehegatten den Unterhaltsansprüchen der sonstigen Verwandten grundsätzlich vor. Der Ehemann kann also nicht seinen Unterhaltsbeitrag mit dem Argument verweigern, er müsse zunächst seine armen Eltern unterhalten. N u r der Unterhaltsanspruch eines minderjährigen unverheirateten Kindes besitzt den gleichen Rang wie der Unterhaltsanspruch des Ehegatten, § 1609 II, 1. 62
Unterhaltsansprüche 4. Art und Umfang
der
§9
Unterhaltsgewährung
a) Der Unterhalt ist in der Weise zu leisten, die durch die eheliche Lebensgemeinschaft geboten ist (§ 1 3 6 0 a II, 1), d. h. grundsätzlich durch Naturalleistung: der verdienende Ehegatte (regelmäßig: der Mann) muß für eine Wohnung sorgen, der nicht verdienende Ehegatte (regelmäßig: die Frau) muß den Haushalt führen. Damit freilich die Frau den Haushalt führen kann, muß ihr der Mann Haushaltungsgeld geben, und zwar für einen angemessenen Zeitraum im voraus, § 1360a II, 2. h) Der Umfang des Unterhaltsanspruchs richtet sich nach den Bedürfnissen, wobei die Bedürfnisse wiederum von den Vermögensverhältnissen der Ehegatten abhängen. Gedeckt werden müssen durch den Unterhalt insbesondere die Kosten des Haushalts, die persönlichen Bedürfnisse der Ehegatten und der Lebensbedarf der gemeinsamen unterhaltsberechtigten Kinder (§ 1360 a I). Ferner hat der nicht verdienende Ehegatte einen Anspruch auf ein Taschengeld. Problem: geben?
Muß die Ehefrau erspartes Wirtschaftsgeld dem Mann zurück-
Nach dem Wortlaut des § 1360b scheint es so zu sein, als sei die Frage zu verneinen. Indessen handelt es sich bei der Gewährung von Wirtschaftsgeld um eine Vorschußleistung. Der Mann will — im Zweifel — nicht mehr geben, als was die Frau tatsächlich benötigt. Darum kann er einen Oberschuß herausverlangen. § 1360b betrifft nur definitive Unterhaltsleistungen: Der Mann kauft z. B. mehr Kleider für die Frau, als sie braucht. 5. Insbesondere: Unterhalt
der
Stiefkinder
Beispiel: Die Frau hat aus erster Ehe ein Kind mit in die zweite Ehe gebracht. Wer ist unterhaltspflichtig? a) die Mutter, § 1601. b) Kann die Mutter gem. § 1360 verlangen, daß ihr Mann auch diesem, seinem Stiefkind, Unterhalt leistet? Das Stiefkind gehört nicht zur Familie (ebensowenig wie die Schwiegermutter oder eine kranke Tante). Das ergibt sich eindeutig aus § 1360a I. Der Mann ist also nach dem Gesetz nicht unterhaltspflichtig. Eine Unterhaltspflicht kann sich darum nur aus einem Vertrag ergeben. Werden Stiefkinder in die häusliche Gemeinschaft aufgenommen, so pflegen die Gerichte für die Dauer der häuslichen Gemeinschaft häufig eine stillschweigende Übernahme der Unterhaltsverpflichtung durch den Stiefvater oder die Stiefmutter anzunehmen, jedenfalls dann, wenn die leibliche Mutter infolge der Eheschließung ihre Erwerbstätigkeit aufgegeben hat; vgl. BVerwG, MDR 1960, 526; Dölle I, § 36 A II, 3d bb; zurückhaltender OLG
63
§9
I. Abschnitt: Eheredi t
Nürnberg 1969, 217: Ein Mann, der ein Kind seiner Frau in die häusliche Gemeinschaft aufnimmt, übernimmt nicht ohne weiteres vertraglich die Unterhaltspflicht für dieses Kind.
6. Prozeßkosten Für Schulden der Frau haftet der Mann nur dann, wenn die Frau im Rahmen ihrer Schlüsselgewalt gehandelt hat. Für Schadensersatzverbindlichkeiten der Frau aus einer unerlaubten Handlung haftet der Mann nicht. Das gleiche gilt grundsätzlich auch für Prozeßkosten. Von diesem Grundsatz macht § 1360 a IV eine Ausnahme: Unter bestimmten Voraussetzungen kann ein Ehegatte vom anderen einen Prozeßkostenvorschuß verlangen. Beispiel: Die Frau will auf Scheidung klagen. Das Gericht setzt einen Termin zur mündlichen Verhandlung erst an, wenn die Frau die Prozeßgebühr bezahlt hat, § 111 GKG. Desgleichen wird ein Anwalt zunächst einen Kostenvorschuß verlangen. Hat die Frau keine eigenen Mittel, so darf der Mann diese Klage nicht dadurch unmöglich machen, daß er der Frau die dafür benötigten Mittel verweigert. Darum bestimmt § 1360 a IV: Ist ein Ehegatte nicht in der Lage, die Kosten eines Rechtsstreits zu tragen, der eine persönliche Angelegenheit betrifft, so ist der andere Ehegatte verpflichtet, ihm diese Kosten vorzuschießen, soweit dies der Billigkeit entspricht. Das gleiche gilt für die Kosten der Verteidigung in einem Strafverfahren, das gegen einen Ehegatten geriditet ist. Der Begriff „persönliche Angelegenheiten" ergibt sich aus seinem Gegensatz: den vermögensrechtlichen Angelegenheiten. Jedoch ist die Abgrenzung mitunter schwierig. Auch vermögensrechtliche Ansprüche können persönliche Angelegenheiten sein, wenn sie eine genügend enge Verbindung zur Person des betreffenden Ehegatten haben (BGH, FamRZ 1964, 197), insbesondere, wenn sie ihre Wurzel in der ehelichen Lebensgemeinschaft haben. Das gilt insbesondere für Unterhaltsklagen. II. Unterhalt, wenn die Ehegatten getrennt leben 1. Getrenntleben im Rechtssinn (§ 1361) bedeutet, daß zwischen den Eheleuten die eheliche Gemeinschaft aufgehoben ist. Also: Bloßes Getrenntwohnen genügt nicht. Andererseits gibt es ein Getrenntleben sogar dann, wenn die Ehegatten noch unter einem Dach wohnen. 64
Rechtszwang gegen den Ehegatten
2. Leben die Ehegatten getrennt, so hat dies für die Unterhaltsanspriidie folgende Konsequenzen: a) Wer grundlos und gegen den Willen des anderen die Herstellung des ehelichen Lebens verweigert, hat keinen Anspruch auf Unterhalt, § 1361 III. b) Lebt ein Ehegatte im Einverständnis mit dem anderen oder mit Redit getrennt, so wandelt sidi sein Anspruch auf einen Beitrag zum Familienunterhalt um in einen grundsätzlich auf Geld gerichteten Anspruch auf Gewährung eines angemessenen, der Billigkeit entsprechenden Unterhalts für sich selbst, § 1361 I. Kein Familienunterhalt mehr! Für den Unterhalt der Kinder gelten die §§ 1601 ff. Billigkeit heißt insbesondere: Kann es dem getrenntlebenden Ehegatten zugemutet werden, sidi seinen Unterhalt selbst zu verdienen? Dabei spielen eine Rolle das Alter, die Berufsausbildung, die Belastung durdi die Kinder u. a. m.
c) Hat der Mann die Trennung verschuldet, so kann er der bis dahin nicht erwerbstätigen Frau nur dann zumuten, sich ihren Unterhalt selbst zu verdienen, wenn die Frau audi bei Fortbestehen der häuslichen Gemeinschaft hätte berufstätig sein müssen oder wenn die Inanspruchnahme des Mannes unter den besonderen Umständen des Falles (z. B. wegen der kurzen Dauer der Ehe) grob unbillig sein würde, § 1361 II. Eine entsprechende Vorschrift für den Fall, daß die Frau die Trennung verschuldet hat, fehlt. Frage: Ist dies mit Art. 3 II GG vereinbar? Das BVerfG hat die Frage bejaht (FamRZ 1967, 447). Begründung: Die ungleiche Behandlung rechtfertigt sich aus dem Gesichtspunkt, daß die Frau in der Ehe grundsätzlich nicht berufstätig zu sein braucht, sondern nur den Haushalt zu führen hat.
§ 10. Rechtszwang gegen den Ehegatten und Schutz gegenüber einer Ehestörung durch Dritte I. Rechtszwang gegen den Ehegatten Altsgangsfall: Kunigunde und ihr Ehemann Balduin sind Miteigentümer eines Hauses. Im ersten Stock dieses Hauses gibt es zwei Wohnungen, die den Treppenaufgang und den Vorplatz gemeinsam haben. In der einen wohnt Kunigunde mit ihren Kindern, in die andere hat sich Balduin mit seiner intimen Freundin Phillippine zurückgezogen. Kunigunde findet diesen 5 Henrich, Familienrecht
65
I. Abschnitt: Eheredit Zustand unerträglich. Sie klagt gegen Balduin mit dem Antrag, er möge der Phillippine verbieten, seine Wohnräume weiterhin zu betreten. Wird sie mit dieser Klage Erfolg haben?
1. Die Klage auf Herstellung des ehelichen
Lebens
Handelt ein Ehegatte dem Gebot der ehelichen Lebensgemeinschaft (§ 1353) zuwider, so kann der andere gegen ihn auf Herstellung des ehelidien Lebens klagen. Man pflegt hier von einer „Herstellungsklage" zu sprechen. Bei der Klage ist genau anzugeben, wozu der Ehegatte verurteilt werden soll. Der Klageantrag muß also lauten: „ . . . den Ehegatten zu verurteilen, das eheliche Leben dadurch wieder herzustellen, daß er in die eheliche Wohnung zurückkehrt, daß er den Geschlechtsverkehr wieder aufnimmt, daß er es aufgibt, allabendlich mit seinen Freunden Trinkgelage zu veranstalten" usw. Die Herstellungsklage gehört zu den Ehesachen i. S. der §§ 606 ff. ZPO. Wichtig: Das Urteil, das den Ehegatten zur Herstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft verurteilt, ist nicht vollstreckbar, § 888 II ZPO. Dem Ehegatten kann also nicht für den Fall der Zuwiderhandlung eine Geldstrafe oder Haft angedroht werden. Das Urteil hat nur eine moralische Wirkung. Oft dient es der Vorbereitung einer Ehescheidung; wird nämlich der Herstellungsklage stattgegeben, so wird damit zugleich festgestellt, daß der Beklagte eine eheliche Pflicht verletzt und sich damit einer Eheverfehlung schuldig gemacht hat. Umstritten ist die Frage, ob mit der Klage auf Herstellung des ehelichen Lebens auch die Unterlassung von Ehebruch und sonstigem ehewidrigem Verhalten verlangt werden kann. Das Reichsgericht sagte nein: In der Zivilprozeßordnung werde zwischen der Erwirkung von unvertretbaren Handlungen und der Erzwingung von Unterlassungen unterschieden. Die Erzwingung einer Unterlassung richte sich nach § 890 ZPO. In dieser Vorschrift fehle eine dem § 888 II ZPO entsprechende Ausnahme. Halte man die Unterlassung ehewidrigen Verhaltens nach § 890 ZPO für erzwingbar, so umgehe man damit den § 888 II ZPO (RGZ 151, 159, 162). Die neuere Lehre lehnt diese formale Unterscheidung mit Recht ab. Oft ist es nur eine Frage der Formulierung, ob vom Beklagten ein Tun oder ein Unterlassen begehrt wird (z. B.: „den ehewidrigen Verkehr mit der X zu unterlassen" oder „alle Beziehungen zu der X abzubrechen"). Die bloße Formulierung darf aber nicht entscheidend sein. Darum kann mit der Herstellungsklage auch ein Un66
Reditszwang gegen den Ehegatten terlassen begehrt werden. Für diesen Unterlassungsanspruch gilt jedoch ebenso wie für einen Anspruch auf ein positives Tun das Vollstreckungsverbot des § 888 II ZPO (Staudinger-Hübner, Vorbem. 44 vor § 1353; Beitzke, § 12 III, 3a). 2. Deliktische
Unterlassungsklagen
a) Gegen jeden Eingriff in ein durch § 823 I geschütztes Rechtsgut oder Recht und gegen jede Verletzung eines Schutzgesetzes i. S. des § 823 II kann der Betroffene grundsätzlich den S9g. quasi-negatorischen Unterlassungsanspruch geltend madien. Frage: Bestehen solche Unterlassungsansprüche auch zwischen Ehegatten und insbesondere auch gegenüber solchen unerlaubten Handlungen, die sich zugleich als Eheverfehlungen darstellen? Beispiele: Der Mann schlägt die Frau, die Frau beleidigt den Mann. Problem: Genießen Ehegatten denselben Rechtsgüterschutz wie Unverheiratete oder wird dieser Rechtsgüterschutz durch die besonderen Vorschriften des Eherechts eingeschränkt? Nach § 888 II ZPO darf die Herstellung der ehelichen Gemeinschaft nicht erzwungen werden. Eine deliktische Unterlassungsklage ist vollstreckbar. Daraus ergibt sich der Grundsatz: Soweit die deliktisdie Unterlassungsklage auch der Herstellung des ehelichen Lebens dienen soll, ist sie unzulässig. Von diesem Grundsatz muß jedoch dann eine Ausnahme gelten, wenn der Rechtsgüterschutz den Schutz der Ehe eindeutig überwiegt. Das wird etwa bei Körperverletzungen oder bei geschäftsschädigenden Äußerungen regelmäßig der Fall sein. b) Der Schutz des räumlich-gegenständlichen
Bereiches der Ehe:
Der räumlich-gegenständliche Bereich der Ehe ist eine Erfindung des BGH zu dem Zweck, die Ehefrau im häuslichen Bereich gegen das Eindringen von Nebenbuhlerinnen zu schützen. Gemeint ist damit der Bereich, der „die äußere sachliche Grundlage für das gemeinsame Ehe- und Familienleben abgibt und zugleich den einzelnen Familienmitgliedern die Entfaltung ihrer Persönlichkeit ermöglichen soll", einfacher: die Ehe- und Familienwohnung, unter Umständen auch das Geschäft, in dem der Ehegatte mitarbeitet (BGHZ 6, 360, 365; BGH LM Nr. 2 zu § 823 [Af] BGB). Dieser räumlich-gegenständliche Bereich der Ehe ist nach der Auffassung des BGH ein geschütztes Rechtsgut, dessen Verletzung mit 5
67
I. Abschnitt: Eheredit einer quasi-negatorischen Unterlassungsklage begegnet werden kann. Der BGH glaubt, diese Konstruktion mit Art. 6 GG rechtfertigen zu können: Ehe und Familie seien zu schützen. Soweit es sich um die Erhaltung und Reinhaltung des äußeren ehelichen Lebensraumes — „um den Schutz des häuslichen Herdes" — handle, sei der Schutz der Ehe und der Familie nur dadurch möglich, daß der in einem Recht auf diesen Lebensraum verletzte Ehegatte in eben diesem Recht geschützt werde. Insbesondere die Ehefrau bedürfe dieses Schutzes, wenn es ihr durch Angriffe des Ehemannes oder eines Dritten auf den äußeren ehelichen Lebensbereich dauernd unmöglich gemacht werde, sich darin entsprechend ihrer Stellung als Ehefrau und Mutter der Familie so zu bewegen und betätigen, daß ihre Frauenwürde, ihr Persönlichkeitsrecht und ihre Gesundheit unangetastet blieben. Offengelassen hat der BGH, ob das Recht des Ehegatten auf diesen Bereich als absolutes Recht i. S. des § 823 I zu gelten habe, oder ob Art. 6 GG als Schutzgesetz i. S. des § 823 II anzusehen sei. Ob mit dieser Konstruktion ein Schutz gegen dritte Ehestörer gewährleistet werden kann, wird noch zu prüfen sein. Gegen den Ehegatten kann diese Unterlassungsklage m. E. nicht erhoben werden. Da der Schutz der Ehe hier eindeutig im Vordergrund steht, schließt die — nicht vollstreckbare — Herstellungsklage jeden — vollstreckbaren — deliktischen Unterlassungsansprudi aus (Beitzke, § 12 III, 3a; a. A. jedoch die h. M.). 3. Vermögensrechtliche
Ansprüche
a) Ansprüche auf vermögensrechtliche Leistungen, die sich aus der Ehe ergeben, aber nicht unmittelbar die Verwirklichung der ehelichen Lebensgemeinschaft zum Ziel haben, sondern sich unabhängig vom Bestehen einer solchen Gemeinschaft verwirklichen lassen — hauptsächlich also die Ansprüche auf Geldleistungen — werden regelmäßig durch eine Forderungsklage (Unterhaltsklage) nach den allgemeinen Vorschriften der ZPO geltend gemacht (Beispiele: Klage auf Zahlung von Taschengeld, Klage auf Zahlung des Haushaltsgeldes). Für diese auf Geld gerichteten Ansprüche gelten die Erwägungen nicht, die für die besondere Behandlung der Ansprüche auf Herstellung des ehelichen Lebens angestellt worden sind. Hier ist eine Vollstreckung notwendig. Daß es sich bei der Unterhaltsklage nicht um eine Herstellungsklage handelt, ergibt sich mittelbar aus dem Gesetz: § 23 Ziff. 2e GVG erklärt in Unterhaltssachen die Amtsgerichte für zuständig (während für Herstellungsklagen das LG zuständig ist). 68
Reditszwang gegen den Ehegatten
b) Nach den allgemeinen Vorschriften der ZPO sind auch Schadensersatzansprüche geltend zu machen, deren Grund außerhalb des Eherechts liegt (Beispiel: Schadensersatzansprüche aus einem KfzUnfall). Hier können die Ehegatten wie einander fremde Personen gegeneinander klagen, soweit nicht die Geltendmachung dieser Ansprüche dem Wesen der Ehe widerstreitet. Dem Wesen der Ehe widerstreitet z. B. die Geltendmachung von Schmerzensgeldansprüchen bei einer nicht vorsätzlichen Körperverletzung. Man sagt, der Büß- und Sühnecharakter dieses Anspruches vertrage sich nicht mit dem Wesen der ehelichen Lebensgemeinschaft (Staudinger-Hübner, Vorbem. 29 zu § 1353). Ebenso wie bei der Unterlassungsklage ist auch bei einer Klage auf Schadensersatz § 888 II ZPO zu beachten. Das Vollstreckungsverbot darf durch eine Schadensersatzklage nicht umgangen werden. In den Fällen, in denen eine deliktische Unterlassungsklage nicht zulässig ist, kann auch nicht auf Schadensersatz geklagt werden. Beispiel: Ein Ehemann unterhält ein ehebrecherisches Verhältnis. Als die Frau davon erfährt, bekommt sie einen Nervenzusammenbruch. Obgleich der entstandene Gesundheitsschaden vom Mann zumindest fahrlässig verursacht worden ist, kann die Frau nicht auf Ersatz ihres Schadens klagen. Ihr bleiben nur die Möglichkeiten des Eheredits.
c) Bei jeder Schadensersatzklage eines Ehegatten gegen den anderen spielt der Haftungsmaßstab eine Rolle. Nach § 1359 haben Ehegatten bei der Erfüllung der sich aus dem ehelichen Verhältnis ergebenden Verpflichtungen nur für diejenige Sorgfalt einzustehen, die sie in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegen. Sie haften also nur für diligentia quam in suis. Beachte: § 1359 ist anwendbar, wenn ein Ehegatte Pflichten verletzt, die sich aus dem Gebot der ehelichen Lebensgemeinschaft oder aus den güterrechtlichen Beziehungen der Ehegatten ergeben. § 1359 ist dagegen nicht anwendbar in Fällen, in denen sich die Ehegatten wie beliebige Dritte gegenüberstehen: so etwa, wenn die Gatten miteinander einen schuldrechtlichen Vertrag geschlossen haben oder ein Ehegatte den anderen fahrlässig körperlich verletzt hat, z. B. bei einem Unfall im Straßenverkehr; letzteres Str., vgl. Dölle I, § 44 I, lc; Böhmer, JZ 1967, 256. d) Beachte ferner: Die Verjährung aller Ansprüche zwischen Ehegatten ist während der Dauer der Ehe gehemmt, § 204. 69
I. Abschnitt: Eherecht
4. Hinweise
für die Lösung des
Ausgangsfalles
a) Klage auf Herstellung des ehelidien Lebens möglidi, aber Urteil nicht vollstreckbar, § 888 II ZPO (s. o. 1). b) Deliktische Unterlassungsklage (mit der Möglichkeit der Vollstreckung) nur zulässig, wenn man den „räumlich-gegenständlichen Bereich der Ehe" als Schutzobjekt i. S. des § 823 I oder § 823 II ansieht. Die h. M. tut das (vgl. BGH, LM Nr. lb zu § 823 [Af] BGB). Zu den Bedenken dagegen s. o. 2b.
11. Der Schutz gegenüber
einer Ehestörung
durch
Dritte
Ausgangsfall: Ein Ehemann hat die Ehelichkeit eines von seiner Ehefrau geborenen Kindes angefochten. Die Nichtehelichkeit wird rechtskräftig festgestellt, die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben (§ 93c ZPO n. F.). Dem Ehemann sind Gerichts- und Anwaltskosten in Höhe von 1100 DM entstanden. Außerdem hat er auf Grund einer einstweiligen Verfügung des Amtsgerichts dem Kind einen Prozeßkostenvorschuß in Höhe von 300 DM geleistet. Diese Beträge, insgesamt 1400 DM, verlangt er nun vom Erzeuger des Kindes. Mit Recht?
1. Deliktische
Schadensersatzansprüche
Deliktische Schadensersatzansprüdie gegen einen Ehestörer setzen voraus, daß dieser in ein nach § 823 I geschütztes Reditsgut oder Recht eingegriffen oder ein Schutzgesetz i. S. von § 823 I I verletzt oder den Ehegatten sittenwidrig geschädigt hat. Frage: Wird durch den Ehestörer ein (absolutes) teiligten Ehegatten verletzt?
Recht
des unbe-
Gelegentlich liest man, die „Ehe" sei ein „sonstiges Recht" i. S. des § 823 I (vgl. z. B. L G Berlin, F a m R Z 1968, 652). Diese Behauptung ist schon deswegen unriditig, weil die Ehe als solche kein Redit ist. Die Ehe ist ein personenrechtliches Gemeinsdiaftsverhältnis. Aus diesem Gemeinsdiaftsverhältnis entstehen Rechte und Pflichten. Die Rechte, die mit der Eheschließung entstehen, sind aber mit der Ehe nidit identisch. Eine verbreitete Meinung hält zwar nidit die Ehe, wohl aber das Recht der Gatten auf ungestörten Fortbestand der ehelichen Lebensgemeinschaft für ein sonstiges Recht i. S. des § 823 I (BGH, N J W 1956, 1149; Dölle I, § 32 I I I , 1). Aber: Das Redit auf eheliche Lebensgemeinschaft gründet sich auf § 1353, der nur von einem Recht gegenüber dem anderen Ehegatten spricht, also ein relatives Recht begründet. Relative Rechte werden aber nadi § 823 I nidit geschützt. 70
Schutz gegenüber einer Ehestörung
Im Schrifttum versucht man, diesen Einwand teilweise dadurch zu überspielen, daß man eine Doppelnatur dieses Rechts annimmt: Im Verhältnis der Ehegatten zueinander sei das Recht auf eheliche Lebensgemeinschaft ein relatives Recht, Dritten gegenüber habe das Recht auf ungestörten Fortbestand der ehelichen Lebensgemeinschaft dagegen absoluten Charakter (vgl. K. H. Schwab, N J W 1956, 1149; Gernhuber, § 17 I, 4). Der rechtfertigende Grund für diese Annahme bleibt unklar. Er dürfte wohl letztlich auf die Auffassung zurückgehen, daß die Ehe eine zu schützende „Institution" sei, also mehr als ein bloßes (relativ wirkendes) personenrechtliches Gemeinsdiaftsverhältnis (vgl. etwa OLG Celle, FamRZ 1964, 336). In den neueren Entscheidungen des BGH ist nicht mehr von der Verletzung eines absoluten Rechts die Rede. Statt dessen wird betont, daß die Verpflichtungen, die einem Ehegatten dem anderen Ehegatten gegenüber aus der Ehe obliegen, dem Wesen der Ehe entsprechend persönliche Verpflichtungen sind und deswegen nur durch den Ehegatten, nicht auch durch einen Dritten, verletzt werden können (BGH2 23, 279, 281; 26, 217, 221). Lehnt man den absoluten Charakter des Rechts auf Fortbestand der ehelichen Lebensgemeinschaft ab, so scheidet eine Haftung nach § 823 I aus, weil der Ehestörer kein geschütztes Recht verletzt hat. Bejaht man ein solches absolutes Recht, so bleibt immer noch die Frage, ob Schadensersatzansprüche nicht durch die Sonderregelungen des Eherechts ausgeschlossen werden. Die Rechtsprechung, die früher ein absolutes Recht bejahte, schloß Schadensersatzansprüche mit der Begründung aus, durch solche Schadensersatzansprüche gegen den Ehestörer werde auf den mitschuldigen Ehegatten ein mittelbarer Zwang ausgeübt. Dies jedoch sei nicht zulässig (vgl. RGZ 72, 130; BGHZ 23, 217 ff., 281 f.; 26, 220 f.; dagegen Beitzke, MDR 1957, 408). Eine Haftung aus § 823 II läßt sich ebenfalls nicht begründen. § 1 7 2 StGB a. F. (Ehebruch) kommt nach der Aufhebung dieser Bestimmung als Schutzgesetz nicht mehr in Betracht, § 185 StGB scheidet als Schutzgesetz deswegen aus, weil der eingetretene Vermögensschaden (Belastung mit Unterhaltsverpflichtungen, Kosten der Anfechtung) außerhalb des Schutzzwecks dieser Norm liegt (vgl. Dölle I, § 32 III, 2a) und bei Art. 6 GG wird man annehmen müssen, daß auch er nicht vor solchen finanziellen Belastungen schützen will, ganz abgesehen davon, daß die Anwendung des Art. 6 GG schon wegen seines schwer konkretisierbaren Inhalts Bedenken auslösen müßte (vgl. Beitzke, § 12 III, 3b). 71
I. Abschnitt: Eherecht 2. Anspruch sung künftiger
auf Beseitigung Störungen
einer Ehestörung
und auf
Unterlas-
Nachdem der B G H Schadenersatzansprüche wegen einer Ehestörung kategorisch ablehnt, verwundert es zunächst, daß er — in einem begrenzten Rahmen — einen Störungsbeseitigungs- und Unterlassungsanspruch anerkennt, nämlich bei einem Eingriff in den sog. „räumlich-gegenständlichen Bereich der Ehe° (zu diesem Begriff s. o. I, 2b). Ob dieser Rechtsprechung gefolgt werden kann, hängt davon ab, ob man für den behaupteten Anspruch eine tragfähige Anspruchsgrundlage findet. In der Rechtsprechung glaubt man den Anspruch vor allem auf Art. 6 GG (Schutzgesetz i. S. von § 823 II) stützen zu können (BGH, F a m R Z 1963, 555; KG F a m R Z 1965, 330; O L G Nürnberg FamRZ 1966, 511). Dagegen läßt sich einwenden, daß es hier nicht um den Schutz der Ehe geht, sondern um den Schutz eines Ehegatten, dessen Ansehen in der Öffentlichkeit und dessen Recht auf Entfaltung seiner Persönlichkeit verletzt worden sind. Bemerkenswert ist, daß der Schutzanspruch sich sogar dann durchsetzt, wenn durch das Abwehrverfahren die Ehe gefährdet wird (vgl. Dölle I, § 32 II, 1). Die Literatur favorisiert als Rechtsgrundlage § 823 I (Gernhuber, § 17 I, 1; Staudinger-Hübner, Vorbem. 53 vor § 1353). Hier stößt die Umschreibung des verletzten Rechtsgutes auf Schwierigkeiten. Der „räumlich-gegenständliche Bereich der Ehe" als solcher ist „kein sonstiges Redbt". Worum es geht, hat der B G H selbst ausgesprochen: Es geht um den Sdiutz des Ehegatten in seinem Persönlichkeitsbereich, der Ehegatte soll davor geschützt werden, daß sein Ansehen in der Öffentlichkeit beeinträchtigt wird, geschützt werden sollen seine Ehre und seine Würde und schließlich auch der Bereich, den er zur Entfaltung seiner Persönlichkeit braucht. Schutzobjekt ist also das besondere Persönlichkeitsrecht des Ehegatten, eine spezifische Form des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Hinzutreten können weitere Ansprüche, insbesondere ein Besitzschutzanspruch. Versteht man den „räumlich-gegenständlichen Bereich" so, dann bestehen gegen einen Schutzanspruch keine Bedenken. Der in diesem Bereich verletzte Ehegatte kann sowohl auf Beseitigung der Störung als auch auf Unterlassung künftiger Störungen klagen. 3. Hinweise für die Lösung des
Ausgangsfalles
a) Anspruch aus unerlaubter Handlung? § 823 I scheidet aus: keine Verletzung eines absoluten Redits (sehr Str.); § 823 II scheidet ebenfalls aus: weder Art. 6 GG nodi § 185 StGB wollen 72
Das gesetzliche Ehegüterrecht vor Vermögensschäden im Zusammenhang mit einer Ehestörung Sdiutz gewähren; § 826 kommt deswegen nicht in Betracht, weil dem Ehebrecher kaum jemals eine Sdiädigungsabsicht nachgewiesen werden kann. b) Trotzdem bleibt der Ehemann nicht gänzlich ohne Schutz: Soweit seine Aufwendungen sich als Unterhaltszahlungen für darstellen (Prozeßkostenvorschuß), kann er diese Beträge vom Vater ersetzt verlangen. Der Unterhaltsanspruch des Kindes geht setzes auf ihn über, § 1615b I (s. u. § 20 V, 2a). Vgl. Henrich, Lösungen, Fall 4.
das Kind wirklichen kraft GeFälle und
§ 11. Das gesetzliche Ehegüterrecht 1. Geschichtliche Entwicklung Das Ehegüterrecht hat es mit der Frage zu tun: Was geschieht mit dem Vermögen der Ehegatten nach der Eheschließung? Auf diese Frage gibt es zwei extreme Antworten: 1. Es geschieht überhaupt nichts. Es bleibt bei einer Trennung der Gütermassen. Jeder Ehegatte verwaltet sein Vermögen weiterhin selbständig. 2. Die Lebensgemeinschaft wird zu einer Gütergemeinschaft: die beiderseitigen Vermögen werden gemeinschaftliches Vermögen. Zwischen diesen extremen Möglichkeiten gibt es eine Reihe von mittleren Lösungen: Eine teilweise Vergemeinsdiaftung, Zuweisung der Verwaltungsbefugnis an einen Ehegatten, keine Vergemeinschaftung aber späterer Ausgleich. Im römischen Recht herrschte Gütertrennung. Der Mann hatte jedoch die Lasten der Ehe zu tragen. Als Beitrag dafür übereignete ihm die Frau oder ein Angehöriger der Frau bestimmte Vermögensgegenstände, dos). Bei der Auflösung der Ehe, namentlich im Fall der Scheidung, hatte der Mann die dos an den Geber zurückzuerstatten. Dieses sog. Dotalsystem wurde in das Gemeine Recht übernommen. Es galt in Teilen Deutschland noch bis 1900. Ein anderes System: Es besteht Gütertrennung, aber der Mann verwaltet das Vermögen der Frau und hat auch während der Dauer der Ehe die Nutznießung dieses Vermögens. Dieses System (Verwaltung und Nutznießung oder kurz: Verwaltungsgemeinschaft) hatte vor 1900 in Deutschland die weiteste Verbreitung (vor allem in Norddeutschland). Die allgemeine Gütergemeinschaft (die Vermögen der Gatten verschmelzen zu einem Vermögen, dem sog. Gesamtgut) war vor 1900 73
§11
I. Abschnitt: Eherecht
ebenfalls in ganz Deutschland verbreitet mit besonderen Schwerpunkten in Ost- und Westpreußen. Abwandlungen dieser vollkommenen Gütergemeinschaft bildeten die sog. Errungenschaftsgemeinschaft und die sog. Fahrnisgemeinschaft. Bei der Errungenschaftsgemeinschaft wurde nur das Vermögen gemeinschaftlich, das die Ehegatten während der Ehe erwarben, die vorehelichen Vermögen blieben getrennt. Bei der Fahrnisgemeinschaft wurde neben der Errungenschaft auch das bewegliche voreheliche Vermögen der beiden Ehegatten gemeinschaftliches Vermögen. Errungenschaftsgemeinschaft und Fahrnisgemeinschaft galten bis 1900 in vielen Variationen überwiegend in Süddeutschland, die Errungenschaftsgemeinschaft vor allem in Bayern und Württemberg, die Fahrnisgemeinschaft vor allem in Baden. Die Zersplitterung vor dem Inkrafttreten des BGB war heillos. Von Ort zu Ort galten verschiedene Rechte, teilweise sogar von Ortsteil zu Ortsteil. In manchen Orten galt darüber hinaus verschiedenes Recht für die verschiedenen Stände. Dieser Rechtszersplitterung machte das BGB ein Ende. Es erklärte das am weitesten verbreitete System, nämlich die Verwaltungs-> gemeinschaft zum gesetzlichen Güterstand: Die Vermögen des Mannes und der Frau blieben auch nach der Eheschließung getrennt. Das sog. eingebrachte Vermögen der Frau wurde jedoch vom Mann verwaltet. Er hatte daran auch die Nutznießung; d. h. die Erträge dieses Vermögens flössen in sein Vermögen — zum Ausgleich dafür, daß er für den Familienunterhalt aufzukommen hatte. Die Frau behielt nur das Verfügungsrecht über ihr sog. Vorbehaltsgut. Neben diesem gesetzlichen Güterstand gab es im BGB noch vier weitere Güterstände: Die Gütertrennung, die insbesondere dann eintrat, wenn die Ehegatten durch Ehevertrag den gesetzlichen Güterstand ausgeschlossen hatten, sowie drei vertragliche Güterstände: die allgemeine Gütergemeinschaft, die Fahrnisgemeinschaft und die Errungenschaftsgemeinsdiaft. Nach dem Inkrafttreten des Gleichberechtigungsgrundsatzes konnte der gesetzliche Güterstand nicht mehr bestehen bleiben. An seine Stelle trat zunächst die Gütertrennung. Das Gleichberechtigungsgesetz führte als gesetzlichen Güterstand die sog. Zugewinngemeinschaft ein. Sie gilt, wenn die Ehegatten nichts anderes vereinbaren. An ihrer Statt können durch Vertrag Gütertrennung oder Gütergemeinschaft vereinbart werden. Weggefallen sind die Errungenschaftsgemeinschaft und die Fahrnisgemeinschaft. 74
Das gesetzliche Ehegüterrecht
Vertragliche Modifikationen der Gütergemeinschaft sind jedoch möglidi, u. a. auch solche, die in etwa der alten Errungensdiaftsgemeinschaft oder der Fahrnisgemeinschäft entsprechen. Es wird also der gesetzliche Güterstand, die Zugewinngemeinschaft, den Ehegatten nicht aufgezwungen. Sie gilt nur dispositiv, ihre Regelung ist nachgiebiges Recht. Die Gatten können ihre güterrechtlichen Verhältnisse nach § 1408 durch Vertrag abweichend regeln. Der Vertrag heißt Ehevertrag, ist ein Verfügungsgeschäft, insofern er unmittelbar auf das Vermögen eines oder beider Ehegatten einwirkt, und muß bei gleichzeitiger Anwesenheit beider Teile zur Niederschrift eines Notars geschlossen werden, § 1410. IL Die Zugewinngemeinschaft.
Grundgedanken
Die Zugewinngemeinschaft, seit dem Inkrafttreten des Gleichberechtigungsgesetzes gesetzlicher Güterstand, steht zwischen der Gütertrennung und der Gütergemeinschaft. Solange die Zugewinngemeinschaft währt, bleiben die Vermögen der Ehegatten getrennt. Nach der Beendigung des Güterstandes, sei es durch den Tod eines Ehegatten, sei es durch Scheidung oder sei es durch vertragliche Aufhebung oder Urteil, wird der Zugewinn, den die Gatten erzielt haben, ausgeglichen. Dieser Ausgleich des Zugewinns ist ein Ausdruck der allumfassenden Lebens- und Schicksalsgemeinschaft der Ehegatten, Konsequenz der modernen Vorstellung, daß die Ehegatten in einem genossenschaftsähnlichen Verhältnis stehen, daß ihre Arbeit gleichen Wert hat. Der Ausgleich findet auf verschiedene Weise statt. Wird die Ehe durch den Tod eines Ehegatten aufgelöst, so verzichtet man regelmäßig darauf, den Zugewinn zu berechnen. Stattdessen erhöht man den gesetzlichen Erbteil des überlebenden Ehegatten um ein Viertel des Nachlasses, § 1371 I. Eine Errechnung des Zugewinns findet normalerweise nur statt, wenn die Ehe aus anderen Gründen aufgelöst wird (Aufhebung, Scheidung) oder wenn der Güterstand durch Vertrag oder ein Urteil auf vorzeitigen Ausgleich des Zugewinns aufgehoben wird, § 1372. Hier wird dann dem Ehegatten, der während der Ehe keinen Zugewinn erzielt hat oder dessen Zugewinn niedriger ist als der Zugewinn des anderen Ehegatten, eine schuldrechtliche Ausgleichsforderung zuerkannt. Praktisch bedeutet das, daß der Grundgedanke des Zugewinnausgleichs im Normalfall wieder preisgegeben wird und durch eine schematische Bevorzugung des überlebenden Ehegatten ersetzt wird. 75
§11
I. Abschnitt: Eherecht
Beispiele: 1. M und F heiraten. Im Zeitpunkt der Eheschließung haben beide kein Vermögen. Im Verlauf der Ehe erwirbt der Mann ein Vermögen von 100 000 Deutsche Mark. Die Frau erwirbt nichts. Die Ehe bleibt kinderlos. a) Der Mann stirbt zuerst: Gesetzliches Erbrecht der Frau: Die Frau erhält die Hälfte des Nachlasses = 50 000 DM (§ 1931 I, 1). Die andere Hälfte des Nachlasses fällt an die Eltern oder Geschwister des Mannes. Der Ausgleich des Zugewinns geschieht dadurch, daß der Erbteil gemäß § 1371 I um ein Viertel des Nachlasses erhöht wird: Die Frau erhält 75 000 Deutsche Mark. Die Eltern oder Geschwister bekommen lediglich 25 000 DM. Bei einem wirklichen Ausgleich wäre folgendermaßen zu verfahren: Die Frau bekommt die Hälfte des Zugewinns ( = 50 000 DM) vorweg. Der Rest ist der Nachlaß. An diesem Nachlaß hat die Frau ein Erbrecht in Höhe von V2 ( = 25 000 DM). Zusammen würde die Frau also 75 000 Deutsche Mark erhalten. Der Rest (25 000 DM) würde an die Eltern oder Geschwister des Mannes fallen. Hier führt die erbrechtliche Lösung somit zum gleichen Ergebnis wie die güterrechtliche Lösung. b) Die Frau stirbt zuerst: In diesem Fall behält der Mann seinen Zugewinn ganz. Die Eltern oder Geschwister der Frau bekommen nichts. . 2. M und F bringen je ein Kind aus einer früheren Ehe mit in die Ehe. a) Der Mann stirbt zuerst: Erbrechtliche Lösung: gesetzlicher Erbteil der Frau = Vi des Nachlasses (§ 1931 I, 1) = 25 000 DM; Erhöhung um ein weiteres Viertel gemäß § 1371 I; Summe: 50 000 DM. Die verbleibenden 50 000 DM fallen an das Kind des Mannes aus erster Ehe. Bei einer güterrechtlichen Lösung müßte die Frau die Hälfte des Zugewinns (= 50 000 DM) + % des verbleibenden Nachlasses ( = 12 500 DM) erhalten, zusammen also 62 500 DM. Das Kind des Mannes aus erster Ehe bekäme 37 500 DM. b) Die Frau stirbt zuerst: Erbrechtliche Lösung: Nachlaß = 0. Der Mann behält seinen Zugewinn ganz. Nach seinem Tod bekommt sein Kind aus erster Ehe 100 000 DM. Das Kind der Frau aus erster Ehe geht leer aus. Bei einer güterrechtlichen Lösung würde der Anspruch der Frau auf die Hälfte des Zugewinns (50 000 DM) den Nachlaß bilden. Von diesem Nachlaß stünde dem Mann ein Viertel ( = 12 500 DM) zu, dem Kind der Frau aus erster Ehe 'Ii ( = 37 500 DM). Diese Gegenüberstellung zeigt deutlich: Durch die erbrechtliche Lösung werden die Kinder des Ehegatten, der keinen Zugewinn erzielt hat, in krasser Weise benachteiligt. 76
Das gesetzliche Ehegüterrecht III. Nähere Ausgestaltung der Gütertrennung während der Dauer des Güterstandes 1. Während der Dauer des Güterstandes bleiben das Vermögen des Mannes und das Vermögen der Frau getrennt. Das gilt sowohl für das Vermögen, das die Ehegatten bei der Eheschließung bereits haben als auch für das Vermögen, das die Ehegatten während der Ehe erwerben, § 1363 II, 1. Jeder Ehegatte verwaltet sein Vermögen seihständig und kann darüber auch, von bestimmten Ausnahmen abgesehen, frei verfügen, § 1364. Aus der Verpflichtung der Gatten zur ehelichen Lebensgemeinschaft ergibt sich aber für sie die Verpflichtung, bei Ausübung ihrer Vermögensrechte dieser Gemeinschaft Rechnung zu tragen, insbes. zum angemessenen Unterhalt der Familie beizutragen, ihr Vermögen also so zu verwalten, daß sie ihren Unterhaltspflichten nachkommen können. Ein Verstoß gegen diese allgemeinen Pflichten macht eine Verwaltungsmaßnahme zwar nicht unwirksam, kann aber u. U. nach § 170 a StGB unter dem Gesichtspunkt der Verschleuderung von Vermögenswerten bestraft und im Scheidungsprozeß als ehewidriges Verhalten gewertet werden. Daneben enthalten die §§ 1365—1369 einige Verfügungsbeschränkungen für besondere Fälle, in denen ein Verstoß die Unwirksamkeit der Verfügung zur Folge hat. Eine Rechtspflicht, dem anderen Ehegatten über den Stand des eigenen Vermögens Auskunft zu erteilen, sieht das Gesetz nur bei Beendigung des Güterstandes vor. Will jedoch ein Ehegatte bei bestehender Ehe wissen, wie groß etwa das Vermögen des anderen Ehegatten ist oder wieviel er im Monat verdient, wo würde es rechter ehelicher Gesinnung widersprechen, würde ihm eine Auskunft verweigert werden. Ein solches Auskunftsverlangen, das selbstverständlich nicht so weit geht wie das Recht auf Auskunft nach Beendigung des Güterstandes (§ 1379), kann darum auf § 1353 gegründet werden; vgl. Staudinger-Felgentraeger, § 1379 Anm. 2. Weigert sich ein Ehegatte grundlos und beharrlich, über den Stand seines Vermögens Auskunft zu geben, so gibt § 1386 I I I dem anderen Ehegatten das Recht, auf vorzeitigen Ausgleich des Zugewinns zu klagen. 2. Die Bildung von gemeinschaftlichem Vermögen ist bei der Zugewinngemeinschaft nicht ausgeschlossen. Gemeinschaftliches Vermögen entsteht nicht kraft Gesetzes, es kann aber durch rechtsgeschäftliche Vereinbarung begründet werden. In manchen Fällen kann man eine solche Vereinbarung unterstellen, etwa wenn während der Ehe 77
I. Abschnitt: Eheredit aus beiderseitigen Ersparnissen ein Sparkonto angelegt oder Hausrat angeschafft wird. Bei der Anschaffung von Hausrat ist allerdings § 1370 zu beaditen: Haushaltsgegenstände, die an Stelle von nicht mehr vorhandenen oder wertlos gewordenen Gegenständen angeschafft werden, werden Eigentum des Ehegatten, dem die nicht mehr vorhandenen oder wertlos gewordenen Gegenstände gehört haben (dingliche Surrogation). Fall: Beide Ehegatten sind berufstätig. Der Mann stellt das Haushaltsgeld zur Verfügung. Er kann deswegen nichts ersparen. Die Frau zahlt ihr Einkommen auf ein Konto ein. Wem gehört das Geld auf der Bank? Antwort: Im Zweifel beiden Ehegatten! (Beiderseitige Ersparnis: BGH, FamRZ 1966, 442.) 3. Nadi § 1364 verwaltet jeder Ehegatte sein Vermögen selbständig. Es steht aber nichts im Wege, daß ein Ehegatte dem anderen sein ganzes Vermögen oder Teile zur Verwaltung überläßt. Für einen solchen Vertrag gelten die Vorschriften des Auftrags oder des Geschäftsbesorgungsvertrags, also die §§ 662 ff. Der Auftrag ist jederzeit widerruflich, § 671. § 671 ist an sich zwar abdingbar. Aber: Zwischen Ehegatten kann die Widerruflichkeit nur durch förmlichen Ehevertrag ausgeschlossen werden, § 1413. Und selbst dann bleibt ein Widerruf aus wichtigem Grund noch zulässig. 4.
Besitzverhältnisse
An Hausrat und Ehewohnung besteht regelmäßig Mitbesitz. Alleinbesitz haben die Ehegatten normalerweise nur an den zum persönlichen Gebrauch dienenden und an den unter alleinigem Verschluß stehenden Sachen. IV. Verfügungsbeschränkungen Ausgangsfälle: (1) Der verheiratete Kaufmann K bestellt zu Urkunde des Notars N für die Firma F eine Grundsdiuld in Höhe von 30 000 DM an seinem Grundstück. Durch die Belastung wird der Verkehrswert des Grundstücks im wesentlichen ausgeschöpft. Sonstiges nennenswertes Vermögen hat K nicht. N beantragt den Vollzug der Urkunde. Der Rechtspfleger weigert sich, die Eintragung zu verfügen, ehe nicht die Zustimmung der Ehefrau des K zu dieser Belastung beigebracht worden sei. Mit Recht? (2) Eine Ehefrau (F) hat von ihren Eltern ein Fernsehgerät geschenkt bekommen. Der Ehemann (M) fürchtet einen nachteiligen Einfluß auf die Kinder und verkauft und übereignet das Gerät ohne Wissen der F an seinen Freund (D), der ihn für den Eigentümer hält. Als F das Gerät von D herausverlangt, erklärt dieser, er habe gutgläubig Eigentum an dem Gerät erworben. Hilfsweise macht er geltend, es stehe ihm so lange 78
Das gesetzliche Ehegüterrecht ein Zurückbehaltungsredit zu, bis er den gezahlten Kaufpreis in Höhe von 600 D M zurückerhalten habe.
1. Da die bloße Verpflichtung der Gatten, bei Ausübung ihrer Vermögensrechte der ehelichen Gemeinschaft Rechnung zu tragen, keinen ausreichenden Schutz vor willkürlichen Verfügungen gibt, hat das Gesetz gewisse Verfügungsbeschränkungen aufgestellt. Die Beschränkung besteht darin, daß grundsätzlich der andere Ehegatte der Verfügung zustimmen muß. Von der Zustimmung des anderen Ehegatten sind abhängig (1) Verfügungen über das Vermögen im ganzen, § 1365, (2) Verfügungen über Haushaltsgegenstände, § 1369. Wichtig: Zustimmungsbedürftig ist nicht nur das Verfügungsgeschäft, sondern auch das Verpflichtungsgeschäft. Insofern ist die übliche Bezeichnung „Verfügungsbeschränkungen" nicht ganz korrekt. Es handelt sich um Veräußerungsverbote, und zwar nicht um relative Veräußerungsverbote (i. S. des § 135), sondern um absolute Veräußerungsverbote (BayObLG, FamRZ 1967, 337). Ein gutgläubiger Erwerb, wie er bei relativen Veräußerungsverboten möglich ist (§ 135 II), ist hier ausgeschlossen. Geprüft wird in erster Linie das Verpflichtungsgeschäft. Ist das Verpflichtungsgeschäft wirksam (z. B. weil die Zustimmung erteilt wurde oder im Zeitpunkt seiner Vornahme die Zustimmung nodi nidit erforderlich war), so kann die Wirksamkeit des Verfügungsgeschäfts nicht mehr von einer Genehmigung abhängig gemacht werden. Festzuhalten ist also: Zustimmungsbedürftig sind Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäfte dann, wenn sie entweder das Vermögen im ganzen (praktisch das ganze Vermögen) oder Gegenstände des ehelidien Hausrats betreffen. Die Verfügung über andere Gegenstände, mögen sie audi noch so wichtig sein, rechtfertigt die Anwendung dieser Vorschrift nidit. So ist z. B. die Verfügung über die Familienwohnung nicht zustimmungsbedürftig, wenn der Verfügende daneben noch anderes Vermögen hat — ein seltsames Ergebnis, wenn man bedenkt, daß die Verfügung über Einrichtungsgegenstände zustimmungsbedürftig ist. Der andere Ehegatte kann sich lediglich auf § 1353 berufen (vgl. OLG Nürnberg, FamRZ 1962, 473 und oben § 7 III. lc). Ob der Verfügende eine Gegenleistung erhält, spielt für die Anwendbarkeit der §§ 1365 ff. keine Rolle. Er bedarf der Zustimmung seines Ehegatten auch dann, wenn das Geschäft ihm wirtschaftliche 79
I. Abschnitt: Eheredit Vorteile bringt (arg. e § 1365 II: Wäre § 1365 auf unentgeltliche Geschäfte beschränkt, so wäre § 1365 II praktisch bedeutungslos); vgl. BGHZ 35, 135. Über die Zweckmäßigkeit des § 1369 in der vorliegenden Fassung kann man geteilter Meinung sein. Beispiele: Der Ehemann verkauft die Eigentumswohnung, in der die Familie wohnt — die Zustimmung der Ehefrau ist nicht erforderlich (wenn nicht § 1365 eingreift). Die Ehefrau will (nachdem die Kinder groß geworden sind) das Kinderbett, den Kinderwagen, den Laufstall verkaufen — der Ehemann muß zustimmen! Der Ehemann verkauft sein Auto — die Zustimmung der Ehefrau ist nur dann erforderlidi, wenn sie den Kraftwagen mitbenutzt hat. 2. Die Zustimmung des Ehegatten kann nach § 182 dem verfügenden oder sich verpflichtenden Ehegatten oder dem Dritten gegenüber erklärt werden. Die Zustimmung zu dem Verpflichtungsgeschäft deckt auch das Verfügungsgeschäft. Sie kann also nach dem Abschluß des Verpflichtungsgeschäfts nicht mehr widerrufen werden. Wäre es anders, dann könnte der Dritte aus dem (gültigen) Verpflichtungsgeschäft klagen und dann in das Vermögen des Ehegatten vollstrecken. Wird die Zustimmung ohne ausreichenden Grund verweigert, dann kann sie durch das Vormundschaf tsgericbt auf Antrag des Ehegatten ersetzt werden. Beim Hausrat steht die Ersetzung im Ermessen des Gerichts, beim ganzen Vermögen darf die Ersetzung nur erfolgen, wenn das Geschäft den Grundsätzen einer ordnungsmäßigen Vermögensverwaltung entspricht — d. h., wenn Zweckmäßigkeitsgründe für das Geschäft sprechen (vgl. OLG Hamm, FamRZ 1967, 572) — und mit dem Aufschub Gefahr verbunden ist, §§ 1365 II, 1369 II. Die fehlende Einwilligung macht einen Vertrag schwebend unwirksam, aber durch Genehmigung heilbar, § 1366 I. Ein einseitiges Rechtsgeschäft (z. B. Kündigung eines Gesellschaftsverhältnisses, wenn der Gesellschaftsanteil praktisch das gesamte Vermögen ausmacht) ist dagegen, wenn die Zustimmung fehlt, unheilbar nichtig, § 1367. Bei Verträgen hat der Dritte während des Schwebezustandes zwei Möglichkeiten: Er kann einmal den Vertrag widerrufen, freilich nur dann, wenn er nicht gewußt hat, daß sein Vertragspartner verheiratet war, oder wenn dieser wahrheitswidrig die Einwilligung seines Ehepartners behauptet hat und der Dritte dieser Behauptung vertraut hat, § 1366 II. Der Dritte kann aber auch den abschließenden Ehegatten auffordern, die erforderliche Genehmigung des anderen 80
Das gesetzliche Ehegüterrecht Ehegatten zu beschaffen. Hier muß dann der andere Ehegatte seine Genehmigung dem Dritten gegenüber erklären. Die Genehmigung gilt als verweigert, wenn sie nicht innerhalb von zwei Wochen erklärt wird, § 1366 I I I . 3. Für die Verfügung gilt das gleiche wie für den schuldrechtlichen Vertrag. Die fehlende Einwilligung macht die Verfügung schwebend unwirksam, die Verweigerung der Genehmigung hat die endgültige Nichtigkeit zur Folge, wenn die Genehmigung nicht durch das Vormundschaftsgericht ersetzt wird. Die Nichtigkeit wirkt gegenüber jedermann (vgl. B G H 2 40, 218). Der gute Glaube des Dritten an die Verfügungsbefugnis des Ehegatten wird nicht geschützt. § 135 II ist nicht anwendbar. Absolutes Veräußerungsverbot! Der Verfügende kann vindizieren. E r braucht sich den Einwand des venire contra factum proprium nicht entgegenhalten zu lassen, weil die Vorschriften das Interesse des anderen Ehegatten schützen wollen. Aber nidit nur der Verfügende, sondern auch der andere Ehegatte kann den Gegenstand der Verfügung herausverlangen. Beide Gatten haben die sog. revokatorische Klage (§ 1368). 4. Hinweise für die Lösung der Ausgangsfälle Fall 1: a) K hat nicht »über sein Vermögen verfügt", sondern lediglich sein Grundstück belastet. Frage: Kann auch die Verfügung über einen einzelnen Gegenstand eine Verfügung über das Vermögen im ganzen sein? Die Frage wird von der herrschenden „Einzeltheorie" bejaht: nicht notwendig ist, daß die Parteien vom „Vermögen" sprechen (so aber die sog. Gesamttheorie), unter § 1365 kann auch ein Rechtsgeschäft über einen einzelnen Gegenstand fallen, wenn dieser Gegenstand tatsächlich das ganze oder nahezu (so gut wie) das ganze Vermögen ausmacht (BGHZ 35, 135; 43, 174; StaudingerFelgentraeger, 5 1365 Anm. 19). b) Wann ist die Belastung eines Grundstücks eine Verfügung über das Vermögen im ganzen? Die Belastung eines Grundstücks ist eine Verfügung über das Grundstück. Bildet das Grundstück im wesentlichen das ganze Vermögen des Verfügenden, so wäre bei einer buchstabengetreuen Auslegung des § 1365 jegliche Belastung des Grundstücks eine Verfügung über das Vermögen im ganzen. Hier hat sich jedoch eine wirtschaftliche Betrachtungsweise durchgesetzt. Eine Belastung des — das ganze Vermögen ausmachenden — Grundstücks fällt nur dann unter § 1365, wenn die Belastung den Verkehrswert des Grundstücks ganz oder im wesentlichen ausschöpft (BayObLGZ 1967, 89; Staudinger-Felgentraeger, § 1365 Anm. 47). Das ist hier der Fall. c) Spielt es eine Rolle, ob der Vertragspartner des Ehegatten weiß, daß es sich bei dem Verfügungsobjekt um praktisch das gesamte Vermögen des Verfügenden handelt? 6 Henrich, Familienrecht
81
§11
I. Abschnitt: Eheredit
Die objektive Theorie sagt nein: Das Geschäft fällt unter § 1365, wenn der Gegenstand objektiv das gesamte Vermögen ausmacht (so Gernhuber, § 35 II, 6; arg.: Familienschutz). Demgegenüber sagt die herrschende subjektive Theorie: § 1365 ist nur anwendbar, wenn der Vertragspartner weiß, daß es sidi bei dem Vertragsgegenstand um praktisch das ganze Vermögen des Ehegatten handelt oder zumindest die Verhältnisse des Verfügenden kennt, aus denen er einen entsprechenden Schluß ziehen kann (BGHZ 43, 177; Staudinger-Felgentraeger, § 1365 Anm. 21 ff.; arg.: Sicherheit des Rechtsverkehrs). d) Ergebnis: Wußte F bei Abschluß des Verpflichtungsgeschäfts nicht, daß es sich bei dem Grundstück um praktisch das gesamte Vermögen des K handelte, so war das Geschäft auch ohne die Einwilligung des Ehegatten voll wirksam. Die Eintragung kann deswegen nicht vom Nachweis der Zustimmung des anderen Ehegatten abhängig gemacht werden (vgl. BayObLGZ 1967, 87, 91; ausführliche Lösung bei Henrich, Fälle und Lösungen, Fall 11). Fall 2: a) Problem: § 1369 betrifft Verfügungen eines Ehegatten über ihm gehörende Haushaltsgegenstände. Ist die Vorschrift auch dann — analog — anwendbar, wenn ein Ehegatte über Haushaltsgegenstände verfügt, die dem anderen Ehegatten gehören? Die Frage ist bestritten. Die Befürworter einer analogen Anwendung berufen sich auf den Schutzzweck des § 1369 (OLG Köln, MDR 1968, 586; Dölle I, § 53 I I I ; Gernhuber, § 35 III, 1). Die Gegner argumentieren: Eine Ausweitung des § 1369 würde die Verkehrssicherheit gefährden (müßten dann nicht auch Haushaltsgegenstände einbezogen werden, die keinem Ehegatten gehören, sondern einem Ehegatten nur leih- oder mietweise überlassen worden sind?). Außerdem ist sie praktisch nicht geboten (Verfügung des Nichteigentümers ist Verfügung eines Nichtbereditigten, darum grundsätzlich unwirksam, § 185; gutgläubiger Erwerb scheitert daran, daß an Hausratsgegenständen die Ehegatten regelmäßig Mitbesitz haben; dem Eigentümer ist die Sache dann abhanden gekommen); vgl. Rittner, Die Bedeutung des § 1369 BGB im Handelsrecht, FamRZ 1961, 185 ff., 191 ff.; StaudingerFelgentraeger, § 1369 Anm. 19; Palandt-Lauterbad}, § 1369 Anm. 3. b) Nimmt man an, daß D deswegen kein Eigentum erworben hat, weil das Gerät der F abhanden gekommen ist, so kann D den Kaufpreis gem. §§ 440 I, 323 III von M herausverlangen. Wendet man § 1369 analog an, so kann D seinen Herausgabeanspruch unmittelbar auf § 812 I, 1 gründen, da in diesem Fall auch das Verpflichtungsgeschäft als unwirksam angesehen werden müßte. In beiden Fällen hat D aber nur gegen M Ansprüche. Gegenüber dem Herausgabeanspruch der F kann er deswegen kein Zurückbehaltungsrecht (§ 273) geltend machen. Vgl. dazu die ausführliche Lösung bei Henrich, Fälle und Lösungen, Fall 12.
82
Der Zugewinnausgleich
§ 12. Der Zugewinnausgleich I. Der Zugewinnausgleich
zu Lebzeiten beider
Gatten
Ausgangsfall: Balduin und Kunigunde waren von 1945—1961 miteinander verheiratet. Im Jahre 1959 begann Kunigunde mit Balduins Neffen Nepomuk ein intimes Verhältnis. Im Dezember 1959 und im Juni 1961 brachte sie zwei Töchter zur Welt, als deren Vater Nepomuk festgestellt wurde. Nachdem seine Bitten, die Beziehungen zu Nepomuk abzubrechen, nichts halfen, erhob Balduin am 21. 2. 1961 Scheidungsklage. Die Ehe wurde geschieden. — Balduins Mutter gehört ein kleines landwirtschaftliches Anwesen. Balduin und Kunigunde lebten seit dem Beginn ihrer Ehe auf dem Hof und bewirtschafteten das Anwesen gemeinsam, bis Balduin eine Stelle bei der Gemeindeverwaltung bekam. Für ihre Arbeit erhielten Balduin und Kunigunde von Balduins Mutter freie Kost und Wohnung, aber keinen Barlohn. — Im Jahre 1949 erwarb Balduin einen Acker von 1600 m2 Größe. Den Kaufpreis von 700 DM stellte seine Mutter zur Verfügung, sie zahlte den Betrag unmittelbar an den Verkäufer. Bei Inkrafttreten des Gleichbereditigungsgesetzes, am 1. 7. 1958, hatte das Grundstück einen Wert von 11 200 DM. Danach stieg sein Wert weiter, weil Nadibargrundstücke durch eine Firma aufgekauft wurden. Schließlich, im Oktober 1960, verkaufte Balduin das Grundstück an die Firma für 32 000 DM. — Kunigunde fordert nun von Balduin die Hälfte des erzielten Zugewinns, nämlidi 10 400 DM. Muß Balduin diesen Betrag zahlen? 1. Ein wirklicher Ausgleich des während der Ehe erzielten Zugewinns erfolgt regelmäßig nur, wenn der Güterstand auf andere Weise als durch den Tod eines Gatten beendet wird, also durch Nichtigerklärung, Aufhebung oder Scheidung der Ehe, sowie durch Aufhebung des Güterstandes durch Vertrag oder durch Urteil auf vorzeitigen Zugewinnausgleich, § 1372. Wird der Güterstand durch den Tod eines Gatten beendet, so erfolgt ein solcher „güterrechtlicher" Ausgleich nur ausnahmsweise, nämlidi dann, wenn der überlebende Ehegatte weder Erbe nodi Vermächtnisnehmer ist, § 1371 II. 2. In den Fällen eines güterrechtlichen Ausgleichs wird dem Ehegatten, der keinen oder einen geringeren Zugewinn in der Ehe gemacht hat, eine Ausgleichsforderung gegen den Gatten, der den größeren Zugewinn gemacht hat, zugebilligt. Die Ausgleichsforderung beträgt die Hälfte des Betrages, um den der Zugewinn des einen Gatten den des anderen übersteigt, § 1378 I. Errechnet wird der Zugewinn durch Vergleich des Anfangsvermögens, d. h. des Vermögens bei Eintritt des Güterstandes, mit dem Endvermögen, d. h. dem Vermögen bei Beendigung des Güterstandes, § 1373. Problem: Ein Ehegatte klagt auf Scheidung. Wann endet der Güterstand? Mit Rechtskraft des Scheidungsurteils! In diesem Zeitpunkt entsteht auch 6*
83
I. Abschnitt: Eherecht erst die Ausgleichsforderung, § 1378 III. Aber: Für die Berechnung des Zugewinns wird nicht der Zeitpunkt der Beendigung des Güterstandes zugrunde gelegt, sondern der Zeitpunkt der Klageerhebung. Grund: Zwischen Klageerhebung und Rechtskraft des Urteils werden beide Ehegatten bemüht sein, ihr Vermögen zu vermindern, der Ausgleichspflichtige, um den Ausgleidisanspruch zu verkleinern, der Ausgleichsberechtigte, um die Spanne zwischen seinem Endvermögen und dem Endvermögen des anderen zu vergrößern. Deswegen bestimmt § 1384: Wird die Ehe geschieden, so tritt für die Berechnung des Zugewinns an die Stelle der Beendigung des Güterstandes der Zeitpunkt, in dem die Klage auf Scheidung erhoben ist. Entsprechende Regeln gelten für die Klage auf Aufhebung (§ 37 EheG), Nichtigerklärung (unter den Voraussetzungen von § 26 EheG) und vorzeitigen Zugewinnausgleich (§ 1387).
3. Nähere Berechnung des Zugewinns a) Beispiel: Anfangsvermögen 100 000 DM.
des
Mannes:
10 000
DM;
Endvermögen:
Anfangsvermögen der Frau: 20 000 DM; Endvermögen: 40 000 DM. Zugewinn des Mannes folglich: 90 000 DM; Zugewinn der Frau: 20 000 DM. Ergebnis: Die Frau hat gegen den Mann einen Ausgleichsansprudi in Höhe von 70 000 : 2 = 35 000 DM. Variation: Der Zugewinn des Mannes beruht auf seinem Arbeitsverdienst. Der Zugewinn der Frau beruht darauf, daß sie von ihren Eltern nadi der Eheschließung Möbel im Wert von 10 000 DM bekommen hat und von ihrem Mann Wertpapiere im Wert von 10 000 Deutsche Mark. Grundsatz 1: Der Zugewinnausgleich geht auf die Vorstellung zurück, daß jeder Zugewinn des einen Ehegatten indirekt auch auf der Mitarbeit des anderen Ehegatten beruht (der Mann hätte nicht so viel ersparen können, wenn die Frau nidit „kostenlos" den Haushalt geführt hätte!). Darum gilt Vermögen, das einem Ehegatten unentgeltlich zugewendet worden ist, regelmäßig nicht als Zugewinn. Schenkungen, Ausstattungen, Erbschaften werden deswegen dem Anfangsvermögen hinzugerechnet, § 1374 II. Grundsatz 2: Hat ein Ehegatte den anderen in großzügiger Weise schon bei bestehendem Güterstand an seinem Zugewinn beteiligt, so muß sich der ausgleichsberechtigte Ehegatte diese Vorausempfänge grundsätzlich anredinen lassen. Eine Ausnahme gilt lediglich für Gelegenheitsgeschenke und solche Zuwendungen, bei denen 84
Der Zugewinnausgleich nachgewiesen werden kann, daß sie nach dem Willen des Zuwendenden von der Anrechnung ausgenommen sein sollten, § 1380 I. Hätte M die Wertpapiere seiner Frau nicht übertragen, so wäre sein Endvermögen und damit sein Zugewinn um 10 000 DM höher. Der Wert der Papiere ist deswegen seinem Zugewinn hinzuzurechnen, § 1380 II. Die Ausstattung (Möbel), die die F erhalten hat, ist kein ausgleichspflichtiger Zugewinn. Vom Zugewinn der F sind somit 10 000 DM abzuziehen. Rechnerisch geschieht dies dadurch, daß ihrem Anfangsvermögen 10 000 DM hinzugezählt werden, § 1374 II. Daraus ergibt sieb folgende Lösung: Anfangsvermögen des M: 10 000 DM; Endvermögen 100 000 DM. Dem Endvermögen wird hinzugerechnet, was M seiner Frau als Vorausleistung zugewendet hat, § 1380 II. Wertpapiere sind keine Gelegenheitsgeschenke und gelten darum im Zweifel als ausgleichspflichtige Vorausleistung. Endvermögen somit: 100 000 DM + 10 000 Deutsche Mark = 110 000 DM. Zugewinn: 110 000 DM (Endvermögen) — 10 000 DM (Anfangsvermögen = 100 000 DM. Anfangsvermögen der F: 20 000 DM. Dem Anfangsvermögen wird hinzugerechnet, was die F nach der Eheschließung als Ausstattung von ihren Eltern bekommen hat, nämlich die Möbel im Wert von 10 000 DM. Die Wertpapiere werden dem Anfangsvermögen der F nidit hinzugerechnet; denn dabei handelt es sich nicht um eine Schenkung. Das Anfangsvermögen der F beträgt somit 30 000 DM, das Endvermögen 40 000 DM, der Zugewinn somit 10 000 DM. Der Ausgleichsanspruch der F entspricht der Hälfte des Betrages, um den der Zugewinn des Mannes ihren eigenen Zugewinn übersteigt, also (100 000 DM — 10 000 DM) : 2 = 45 000 DM. Auf diesen Anspruch muß sie sich gem. § 1380 I anrechnen lassen, was sie als Vorausempfang erhalten hat, also den Wert der Papiere (10 000 DM). Insgesamt hat die Frau somit gegen ihren Mann einen Ausgleichsanspruch in Höhe von 35 000 DM. Hätte M die Wertpapiere der F geschenkt, so wäre nicht § 1380 sondern § 1374 II anwendbar. Der Zugewinn des Mannes würde lediglich 90 000 DM betragen, dem Anfangsvermögen der Frau müßten die 10 000 DM hinzugerechnet werden. Der Zugewinn der Frau wäre damit gleich null, ihr Ausgleichsanspruch würde 90 000 : 2 = 45 000 DM betragen. Auf diesen Ausgleichsanspruch bräuchte sie sich 85
I. Abschnitt: Eheredit
den Wert der Papiere nicht anrechnen zu lassen, da § 1380 bei reinen Schenkungen nicht anwendbar ist. Zu den anzuredinenden Vorausbeträgen gehören im Zweifel auch die Beträge, die dem Ehegatten aus einer zu seinen Gunsten abgeschlossenen Lebensversicherung zufließen (der Lebensversicherungsvertrag zugunsten des Ehegatten ist ein Vertrag zugunsten Dritter, gilt als Rechtsgeschäft unter Lebenden, und der Wert der Beträge hebt sie über Gelegenheitsgeschenke hinaus). Anzurechnen ist nach h. M. die Versicherungssumme, also nicht nur der Wert der tatsächlich gezahlten Prämien; vgl. Staudinger-Felgentraeger, § 1380 Anm. 5; a. A. H. Lange, Die Stellung des überlebenden Ehegatten bei der Zugewinngemeinschaft, N J W 1957, 1381 ff., 1386.
b) Vermögen ist das Aktivvermögen abzüglich der Schulden. Wenn also ein Ehegatte Wertpapiere im Werte von 10 000 DM in die Ehe mitbringt, aber 4000 DM Schulden hat, so beträgt sein Anfangsvermögen 6000 DM. Die Verbindlichkeiten können aber nur bis zur Höhe des Aktivvermögens abgezogen werden. Das Anfangsvermögen ist also mindestens null, § 1374 I. Das Hauptproblem des Zugewinnausgleichs ergibt sich aus der Schwierigkeit, das Anfangsvermögen nach längerer Ehedauer noch festzustellen. Diese Schwierigkeit war es, die den Gesetzgeber veranlaßt hat, bei Auflösung der Ehe durch den Tod eines Ehegatten auf die wirkliche Errechnung des Zugewinns zu verzichten und den Zugewinnausgleich durch eine schematische Erhöhung des gesetzlichen Erbteils um ein Viertel des Nachlasses zu ersetzen. In anderen Fällen versucht das Gesetz, die Berechnungsschwierigkeiten dadurch zu verringern, daß es die Gatten auf die Möglichkeit verweist, ein gemeinsames Verzeichnis zu errichten, in dem der Bestand und der Wert des Anfangsvermögens festgestellt werden und das dann im Verhältnis der Ehegatten zueinander die Vermutung der Richtigkeit für sich hat, § 1377. Wichtiger nodi ist § 1377 I I I : Ist kein Verzeichnis aufgenommen, so wird bis zum Beweis des Gegenteils vermutet, daß kein Anfangsvermögen vorhanden war, daß also mit anderen Worten das gesamte Vermögen Zugewinn ist. c) Das Endvermögen ist das Vermögen, das einem Gatten bei Beendigung des Güterstandes nach Abzug der Schulden verbleibt, § 1375. Jeder Ehegatte ist verpflichtet, dem anderen Ehegatten über den Bestand seines Vermögens Auskunft zu geben, § 1379. Jeder Gatte muß dem anderen auf Verlangen ein Bestandsverzeichnis vorlegen (§ 260), das auch den Wert der Vermögensgegenstände und der Verbindlichkeiten angibt. 86
Der Zugewinnausgleich
d) Was die Bewertungsmaßstäbe angeht, so ist grundsätzlich der Verkehrswert maßgebend, für einen land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb der Ertragswert, § 1376. Der Ertragswert errechnet sich aus dem jährlichen Reingewinn. Der Ertragswert ist dann ein Vielfaches des jährlichen Reingewinns. Einzelheiten sind in Landesgesetzen geregelt, Art. 137 EG BGB. Üblicherweise geht man von dem 25fachen Betrag des jährlichen Reingewinns aus. Die Berechnung eines Vermögensgegenstandes nach dem Verkehrswert ist problematisch, wenn es sich dabei um die Beteiligung an einer Personalgesellschaft handelt. Besteht das Vermögen des Ausgleichspflichtigen im wesentlichen in dieser Beteiligung, so kann er den Anspruch nur befriedigen, wenn er seine Beteiligung versilbert, d. h. aus der Gesellschaft ausscheidet. Für den Fall des Ausscheidens ist aber in den meisten Gesellschaftsverträgen bestimmt, daß der Ausscheidende nicht den vollen Verkehrswert seiner Beteiligung erhält, sondern nur einen geringeren Betrag (z. B. den Buchwert oder den Steuerwert). Das kann, wenn der Abfindungsbetrag der Hälfte des Verkehrswerts entspricht, dazu führen, daß der Ausgleichspflichtige die gesamte Summe, die er als Abfindung erhält, seinem Ehegatten auszahlen muß. Ein unbefriedigendes Ergebnis! Man wird darum zumindest in den Fällen, in denen der Ausgleichspflichtige nachweist, daß er seine Verpflichtung nur durch eine Versilberung seines Anteils erfüllen kann, bei der Berechnung des Endvermögens nicht den Verkehrswert der Beteiligung, sondern nur einen geringeren Wert zugrunde legen müssen; vgl. dazu Rittner, Handelsrecht und Zugewinngemeinschaft (III): Der Zugewinnausgleich, FamRZ 1961, 505 ff., 515.
e) Ein und derselbe Gegenstand kann bei Beendigung des Güterstandes einen höheren Wert haben als zu Beginn des Güterstandes. Das kann auf zwei Gründen beruhen: einem wirklichen Wertzuwachs und einem scheinbaren Wertzuwachs. Wenn beispielsweise Ackerland zu Bauland wird, dann ist sein Wert wirklich gestiegen. Wenn dagegen ein Kaufkraftschwund bei Sachwerten zu einem höheren Geldwert führt, dann liegt nur eine scheinbare Wertsteigerung vor. In den Fällen einer wirklichen Wertsteigerung ist es nahezu einhellige Auffassung, daß die Wertsteigerung einen ausgleichungspflichtigen Vermögenszuwachs darstellt (BGHZ 46, 343). Bestritten ist dagegen, ob auch bei einer scheinbaren Wertsteigerung eine Ausgleichspflicht entsteht. Ein Teil der Lehre vertritt den Standpunkt, daß bei einer scheinbaren Wertsteigerung überhaupt keine Ausgleichspflicht entstehe, weil sich aus dem Grundgedanken der Zugewinngemeinschaft ergebe, daß der andere Gatte nur an einem echten Vermögenszuwachs beteiligt werden solle (Staudinger-Felgentraeger, 87
I. Absdinitt: Eherecht § 1373 Anm. 17; Palandt-Lauterbach, § 1381 Anm. 2). Die wohl überwiegende Meinung läßt dagegen — wohl aus Praktikabilitätsgründen — eine Ausgleichungspflicht audi hier entstehen, gibt dem Ausgleichsschuldner aber — wenn die Erfüllung des Anspruchs als grob unbillig erscheint — ein Leistungsverweigerungsredit gem. § 1381 (OLG Mündien, FamRZ 1968, 167; Dölle I, § 59 III, 2). f) Die Ehefrau hat eine Aussteuer mitbekommen im Wert von 20 000 DM. Der Ehemann hat in die Ehe nichts mit eingebracht. Bei der Ehescheidung hat der Ehemann ein Vermögen von 75 000 Deutsche Mark, die Möbel der Frau haben infolge der Abnutzung nur noch einen Wert von 5000 DM. Sie selbst hat Ersparnisse aus ihrer Berufstätigkeit in Höhe von 20 000 DM. Wie hoch ist der Ausgleichs anspruch? Zugewinn des Mannes: 75 000 DM; Zugewinn der Frau: 25 000 DM (Endvermögen) — 20 000 DM (Anfangsvermögen) = 5000 DM. Der Ausgleichungsanspruch beträgt somit (75 000 DM — 5000 DM) : 2 = 35 000 DM. Beachte: Die Ersparnisse der Frau werden also zunächst dazu verwendet, den Substanzverlust des Anfangsvermögens auszugleichen. 4. Die Sicherung des Zugewinnausgleichs gewährleisten:
versucht das Gesetz zu
a) Durch die bereits erwähnte Auskunftspflicht des Endvermögens, § 1379.
über den Stand
b) Durch Zurechnung von gewissen, von einem Ehegatten vorgenommenen Vermögensminderungen zu seinem Endvermögen. Hinzuzurechnen sind (§ 1375 II): (1) Unentgeltliche Zuwendungen, durch die der Ehegatte nicht einer sittlichen Pflicht oder einer Anstandsrücksicht entsprochen hat (Beispiel: Der Ehemann hat seiner Freundin eine Eigentumswohnung gekauft) (2) Verschwendetes Vermögen (Beispiel: Der Ehemann hat 10 000 Deutsche Mark in einer Spielbank verspielt) (3) Vermögensminderungen in der Absicht, den anderen Gatten zu benachteiligen (Beispiel: Die Ehefrau verbrennt Hundertmarkscheine) Die Hinzurechnung findet aber nur dann statt, wenn diese Vermögensminderungen innerhalb der letzten 10 Jahre vor Beendigung 88
Der Zugewinnausgleich
des Güterstandes vorgenommen wurden. Eine Hinzurechnung findet nicht statt, wenn der andere Ehegatte mit der Vermögensminderung einverstanden war, § 1375 III. c) Durch einen Bereicherungsanspruch gegen Personen, denen der andere Ehegatte in der Absicht, seinen Gatten zu benachteiligen, Zuwendungen gemacht hat. Einen solchen Bereicherungsanspruch hat ein Ehegatte dann, wenn der andere Ehegatte ihm ausgleichspflichtig wäre, aber wegen der Vermögensminderungen, die er vorgenommen hat, nichts leisten kann. Beispiel: Zugewinn der Frau ist gleich null. Der Mann hat ein Jahr vor der Scheidung seinen gesamten bis dahin erzielten Zugewinn in Höhe von 20 000 DM seiner Freundin geschenkt. Ausgleichsanspruch der Frau: 10 000 Deutsche Mark. Vom Mann ist nichts zu bekommen. Hier hat die Frau einen Bereicherungsanspruch gegen die Freundin, § 1390 I. Ob die Freundin die Benachteiligungsabsicht gekannt hat, spielt bei einer unentgeltlichen Zuwendung keine Rolle, § 1390 I. Handelt es sich um ein entgeltliches Rechtsgeschäft, das der Ehegatte in Benachteiligungsabsidit vorgenommen hat (z. B. Verkauf einer Sache weit unter ihrem wirklichen Wert), so entsteht ein Bereicherungsanspruch gegen den Dritten nur dann, wenn er die Benachteiligungsabsicht nachweislich gekannt hat, § 1390 II.
5. Die Interessen
des
Ausgleichspflichtigen
werden
durch
die
§§ 1381—1383 gewahrt. Hier ist besonders wichtig § 1381 I : Der Ausgleichsschuldner kann die Erfüllung der Ausgleichsforderung ganz oder zum Teil einredeweise verweigern, wenn der Ausgleich des Zugewinns nach den Umständen des Falles grob unbillig wäre.
Eine solche grobe Unbilligkeit kann insbesondere dann vorliegen, wenn der Ehegatte, der den geringeren Zugewinn erzielt hat, längere Zeit hindurch die wirtschaftlichen Verpflichtungen, die sich aus dem ehelichen Verhältnis ergeben, schuldhaft nicht erfüllt hat, § 1381 II; so, wenn der Mann schuldhaft seiner Arbeit nicht nachgegangen ist oder einen übermäßigen Teil seines Arbeitseinkommens für sich verbraucht hat oder wenn die Frau ihren Haushaltspflichten nicht nachgekommen ist. Sehr umstritten ist die Frage, ob auch Eheverfehlungen nichtwirtschaftlicher Natur den Schuldner der Ausgleichsforderung berechtigen, die Erfüllung der Forderung zu verweigern. Auf der einen Seite wird hervorgehoben, daß schuldhafte Eheverfehlungen nichtwirtschaftlicher Natur die gemeinschaftliche Arbeit der Ehegatten nicht aufheben und deshalb den Anspruch weder kürzen noch ausschließen können (Dölle I, § 61 VIII, 2; Gernhuber, § 36 V, 6). Auf der anderen Seite steht die These, das Gesetz
89
I. Abschnitt: Eherecht spreche nur von grober Unbilligkeit. Grob unbillig könne es aber auch sein, den Zugewinnausgleich einem Ehegatten zu gewähren, der die Ehe zerstört habe (Eißer, Die Wirkungen der Ehe und das gesetzliche Güterrecht nach dem Gleidibereditigungsgesetz, Die Justiz 1958, 72 ff., 79 f.). Hinweise für die Lösung dieser Streitfrage gibt das Gesetz selbst in § 1371 II BGB. Danach kann nämlich der überlebende Ehegatte auch dann den Ausgleich des Zugewinns verlangen, wenn er nicht Erbe wird, d. h. auch dann, wenn der Erblasser wegen schuldhafter Verfehlungen des Ehegatten auf Scheidung hätte klagen können und die Klage zu seinen Lebzeiten auch noch erhoben hatte (§ 1933) und (jedenfalls grundsätzlich) sogar dann, wenn der überlebende Ehegatte erbunwürdig ist (§ 2339). Diese Entscheidung des Gesetzgebers darf bei der Auslegung des § 1381 nicht unberücksichtigt bleiben (BGHZ 46, 350). Das heißt: Ein Ehebruch berechtigt zunächst noch nicht dazu, die Erfüllung der Ausgleichsforderung zu verweigern. Weitere Anhaltspunkte ergeben sich aus den §§ 1385 und 1386. Nach § 1385 kann auf vorzeitigen Ausgleich des Zugewinns geklagt werden, wenn die Ehegatten seit mindestens drei Jahren getrennt leben. Klageberechtigt ist der Ehegatte, der (drei Jahre lang!) zum Getrenntleben berechtigt ist. Nach § 1386 kann auf vorzeitigen Ausgleich des Zugewinns geklagt werden, wenn der andere Ehegatte „längere Zeit hindurch" die wirtschaftlichen Verpflichtungen, die sich aus dem ehelichen Verhältnis ergeben, schuldhaft nicht erfüllt hat. In beiden Fällen hat das Verhalten des anderen Ehegatten, weil es sich über einen längeren Zeitraum erstreckt, Auswirkungen auf die Vermögenssituation der Ehepartner. Im einen Fall trägt der getrennt lebende Gatte nichts mehr zum Zugewinn des anderen bei, im anderen Fall zwingt der Ehegatte, der seine wirtschaftlichen Verpflichtungen längere Zeit nicht erfüllt, den anderen zu höheren Aufwendungen für den Familienunterhalt und mindert deswegen dessen Zugewinn. In beiden Fällen wäre ein voller Zugewinnausgleich unbillig. Für die Auslegung des § 1381 bedeutet das, daß auch eine Weigerung, den Ausgleichsanspruch zu erfüllen — jedenfalls grundsätzlich — nur berechtigt ist, wenn das Verhalten, mit dem die Erfüllungsverweigerung begründet wird, sich über einen längeren Zeitraum erstreckt hat. Ergebnis also: Die Erfüllung des Ausgleichsanspruchs kann nur verweigert werden, wenn das Verhalten des anderen Ehegatten Auswirkungen auf die Vermögenssituation der Partner gehabt hat. Das kann nicht nur bei einem Verstoß gegen die wirtschaftlichen Verpflichtungen, sondern auch bei Eheverfehlungen nichtwirtschaftlicher Natur der Fall sein. Bei letzteren ist zu fragen: Haben die Eheverfehlungen die Ehegenossenschaft für einen längeren Zeitraum beeinträchtigt?
6. Die Klage auf vorzeitigen Ausgleich des Zugewinns
Die Klage auf vorzeitigen Ausgleich des Zugewinns soll vor allem den Ausgleichsberechtigten sichern. Aber auch der Ausgleichspflichtige kann sich ihrer bedienen, um eine ungerechtfertigte Beteiligung des
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Der Zugewinnausgleich
anderen Gatten am Zugewinn auszuschließen. Die Klage kann erhoben werden: a) wenn die Ehegatten seit mindestens drei Jahren getrennt leben, von dem Ehegatten, der zum Getrenntleben berechtigt ist, § 1385. Ausnahme: Die Klage kann nicht erhoben werden, wenn auch der andere Ehegatte ein Recht zum Getrenntleben hat;
b) wenn der andere Ehegatte längere Zeit hindurch die wirtschaftlichen Verpflichtungen, die sich aus dem ehelichen Verhältnis ergeben, schuldhaft nicht erfüllt hat und anzunehmen ist, daß er sie auch in Zukunft nicht erfüllen wird, § 1386 I; c) wenn der andere Ehegatte ohne Zustimmung seines Partners über sein Vermögen im ganzen verfügt oder sich zu einer solchen Verfügung verpflichtet hat und deswegen eine erhebliche Gefährdung der künftigen Ausgleichsforderung zu besorgen ist, § 1386 II Ziff. 1, 1365; d) wenn der andere Ehegatte sein Vermögen durch Verschwendung, unentgeltliche Zuwendungen an Dritte oder in der Absicht der Benachteiligung des Ausgleichsberechtigten vermindert hat und eine erhebliche Gefährdung der künftigen Ausgleichsforderung zu besorgen ist, § 1386 II Ziff. 2, 1375; e) wenn der andere Ehegatte sich beharrlich und grundlos weigert, über sein Vermögen Auskunft zu geben, § 1386 III. Mit der Rechtskraft eines solchen Urteils wird der Güterstand aufgehoben; an die Stelle der Zugewinngemeinschaft tritt Gütertrennung, § 1388. 7. Hinweise für die Lösung des Ausgangsfalls a) Kunigunde hat Ansprudi auf einen güterrechtlichen Ausgleich des Zugewinns, § 1372. Beachte: Für die Berechnung des Anfangsvermögens kommt es hier nicht auf den Zeitpunkt der Eheschließung an, sondern auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gleichberechtigungsgesetzes (1. 7. 1958); denn erst von diesem Zeitpunkt an tritt zwischen den Ehegatten der Güterstand der Zugewinngemeinschaft ein. Zu diesem Zeitpunkt hatte Balduins Grundstück („sein Vermögen") einen Wert von 11 200 DM. b) Zum Problem, ob Wertzuwachs Zugewinn darstellt, s. o. 3 e. c) Zur Frage, ob das ehewidrige Verhalten Kunigundes ihren Mann berechtigt, die Erfüllung der Ausgleichsforderung zu verweigern, s. o. 5.
d) Lösung: Das ehebrecherische Verhältnis hat sich über einen längeren Zeitraum erstreckt. Für diesen Zeitraum bestand zwischen den Ehegatten keine echte Ehegenossenschaft. Andererseits hat das ehebrecherische Verhältnis aber
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I. Abschnitt: Eherecht auch nur zwei Jahre gedauert — bei einer Gesamtdauer der Ehe von sechzehn Jahren. Außerdem hat Kunigunde durch ihre Mitarbeit auf dem Hof den Ankauf des Grundstücks mit ermöglidit. Fazit: Kunigunde kann nicht den vollen Ausgleich des Zugewinns verlangen, Balduin andererseits die Erfüllung der Ausgleichsforderung nicht gänzlich verweigern. Ein teilweiser Ausgleich ersdieint angemessen. Vgl. im übrigen die ausführlichen Lösungshinweise bei Henrich, Fälle und Lösungen, Fall 13. II. Der Zugewinnausgleich
beim Tod eines
Gatten
1. Beim T o d eines Gatten w i r d der Zugewinnausgleich nicht errechnet, sondern ersetzt durch eine Erhöhung des gesetzlichen Erbteils des überlebenden Ehegatten um ein Viertel der Erbschaft. Dies gilt audi d a n n , w e n n der Verstorbene gar keinen Zugewinn erzielt oder der Überlebende den größeren Zugewinn erzielt h a t , § 1371. Die E r h ö h u n g k o m m t auch einem G a t t e n zugute, der den Ausgleich wegen ehewidrigen Verhaltens i. S. des § 1381 gar nicht verdient h a t . Wichtig: Der Zugewinn nach § 1371 I ist kein steuerpflichtiger von Todes wegen, § 6 ErbStG.
Erwerb
2. Eine E r h ö h u n g des gesetzlichen Erbteils setzt voraus, d a ß der überlebende Ehegatte überhaupt Erbe wird. W i r d er das nicht, sei es, weil er v o m Erblasser enterbt w o r d e n ist oder die Erbschaft ausgeschlagen h a t (§ 1371 I I I ) oder der Erblasser gegen ihn begründete Scheidungs- oder Aufhebungsklage wegen Verschuldens erhoben hatte (§ 1933), oder sei es, d a ß er erbu n w ü r d i g ist (§ 2339) oder auf die Erbschaft verzichtet hat (§ 2346), so t r i t t an die Stelle der erbrechtlichen Lösung die güterrechtliche (§ 1371 II). D a n n kann der überlebende G a t t e eine Ausgleichsforderung geltend machen, wie sie ihm zustände, wenn die Ehe nicht durch T o d sondern einen anderen U m s t a n d beendet worden wäre. H a t der überlebende Ehegatte durch Vertrag mit dem Erblasser auf sein gesetzliches Erbrecht verzichtet (§ 2346), ist er durch Urteil f ü r erbunwürdig erklärt w o r d e n (§§ 2339 ff., 2345) oder ist ihm mit Recht der Pflichtteil entzogen worden (§ 2335), so erhält er nur den Zugewinnausgleich nach der güterrechtlichen Lösung (aber: § 1381 beachten!). Ist der überlebende Ehegatte lediglich enterbt w o r d e n oder h a t er die Erbschaft ausgeschlagen, so „ k a n n " er n a d i § 1371 I I , I I I den güterrechtlichen Ausgleichsanspruch geltend machen, daneben aber 92
Der Zugewinnausgleich auch noch den nach dem gewöhnlichen (d. h. nicht gem. § 1371 I erhöhten) Erbteil berechneten Pflichtteil verlangen. Beispiel: Der Nachlaß des Erblassers im Wert von 100 000 DM besteht zur Gänze aus Zugewinn. Der Erblasser hat testamentarisch seine Kinder zu Alleinerben eingesetzt und die Ehefrau enterbt. In diesem Fall kann die Ehefrau Ausgleich des Zugewinns nach den §§ 1373 ff. verlangen, daneben aber noch ihren kleinen Pflichtteil aus dem nicht erhöhten Erbteil. Der güterrechtliche Ausgleichsanspruch ist 50 000 D M wert. Die verbleibenden 50 000 Deutsche Mark bilden den Nachlaß. Der Pflichtteil beträgt die Hälfte des Wertes des gesetzlichen Erbteils (§ 2303 I, 2). Der gesetzliche Erbteil des Ehegatten ist (neben Abkömmlingen) ein Viertel des Nachlasses (§ 1931 I, 1). Die Ehefrau kann somit neben dem güterrechtlichen Ausgleich (50 000 DM) noch ein Achtel des Nachlasses, also 6250 D M (50 000 : 8) verlangen.
Wie die Formulierung „kann . . . verlangen" zu verstehen ist, war lange Zeit bestritten. Ein Teil der Lehre argumentierte: Der überlebende Ehegatte, der nidit Erbe wird und dem auch kein Vermächtnis zusteht, hat ein Wahlrecht: er kann den güterrechtlichen Ausgleich und den aus dem nicht erhöhten Erbteil errechneten Pflichtteil (den sog. „kleinen Pflichtteil") verlangen. Er braucht sich aber für diese Möglidikeit nicht zu entscheiden, sondern kann statt dessen auch den sog. großen Pflichtteil wählen, d. h. — unter Verzicht auf den güterrechtlichen Ausgleichsanspruch — den Pflichtteil, der sich aus dem um ein Viertel des Nachlasses erhöhten Erbteil errechnet (vgl. etwa Heinr. Lange, N J W 1957, 1381). Beispiel: Der Ehemann stirbt acht Tage nach der Eheschließung. Zugewinn wurde nicht erzielt. Der Wert des Nachlasses beträgt 100 000 DM. Der Erblasser hat seinen Sohn aus erster Ehe zum Alleinerben eingesetzt, die Ehefrau enterbt. Nach § 1371 I I kann in diesem Fall die Ehefrau neben dem Ausgleich des Zugewinns (Wert = 0) den kleinen Pflichtteil verlangen. Sie bekommt damit (gem. §§ 1931 I, 1, 2303) ein Achtel von 100 000 DM = 12 500 DM. Hätte sie das Recht, statt dessen den großen Pflichtteil zu wählen, so könnte sie das Doppelte verlangen, nämlich 25 000 D M [(Vi gem. § 1931 I, 1 + Vi gem. S 1371 I) : 2].
Die heute h. M. lehnt dieses Wahlrecht ab (vgl. BGHZ 42, 182). Sie liest den § 1371 II folgendermaßen: „Wenn der überlebende Ehegatte den Zugewinnausgleidi verlangen kann, da er weder Erbe noch Vermächtnisnehmer geworden ist, so steht ihm nur der kleine Pflichtteil zu." Für die h. M. spricht folgende Erwägung: Es ist nicht anzunehmen, daß der Gesetzgeber mit der Regelung des § 1371 eine generelle Erhöhung des Ehegattenerbrechts einführen wollte; denn sonst hätte er auch das Erbrecht derjenigen Ehegatten erhöhen müssen, die nicht im
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I. Abschnitt: Eherecht gesetzlichen Güterstand leben. Der Gesetzgeber bezweckte mit § 1371 vielmehr, den überlebenden Ehegatten in pauschaler Form am Zugewinn des verstorbenen Ehegatten zu beteiligen. Jede gesetzliche Bestimmung, die in Einzelfällen dazu führen kann, daß ein Ehegatte aus dem Nachlaß ohne Grund (weil nämlich kein Zugewinn erzielt worden ist) mehr erhält als ihm nach den erbrechtlidien Regeln zustünde, muß so eng wie möglich interpretiert werden. 3. Die Regelung des § 1371 II, III gibt dem überlebenden Ehegatten nach dem Gesagten folgende Befugnisse: a) Hat der Erblasser keine Verfügung von Todes wegen getroffen, ist der überlebende Ehegatte also gesetzlicher Erbe, so kann er wählen, ob er es bei dem gesetzlich vorgesehenen schematischen Zugewinnausgleich der erbrechtlidien Lösung belassen oder ob er die Erbschaft ausschlagen und sich für die güterrechtliche Lösung entscheiden will. Wählt er den güterrechtlichen Ausgleich, so kann er zusätzlich noch den (kleinen) Pflichtteil verlangen. Ausnahme: Den (kleinen) Pflichtteil kann der überlebende Ehegatte nicht verlangen, wenn (1) er durch Vertrag mit dem Erblasser auf sein gesetzliches Erbrecht oder sein Pflichtteilsrecht verzichtet hat (§ 2346) oder (2) die Voraussetzungen des § 1933 vorliegen (der Erblasser hatte z. Z. seines Todes aus begründetem Anlaß [Verschulden!] eine Scheidungsklage erhoben) oder (3) der Erblasser dem überlebenden Ehegatten den Pflichtteil entzogen hat (§ 2335) oder (4) der überlebende Ehegatte rechtskräftig für erbunwürdig erklärt worden ist (§§ 2339, 2342). Beachte: § 1371 III durchbricht die Regel der §§ 2303 ff., wonach die Geltendmachung des Pflichtteilsrechts eine Enterbung oder Beschränkung des Pflichtteilsberechtigten durch den Erblasser zur Voraussetzung hat. b) Hat der Erblasser den überlebenden Ehegatten enterbt und ihm auch kein Vermächtnis zugewandt, so kann der überlebende Ehegatte den güterrechtlidien Ausgleich des Zugewinns und den (kleinen) Pflichtteil verlangen, § 1371 II. Die Ausnahmen, bei deren Vorliegen der Ehegatte, der als gesetzlicher Erbe die Erbschaft ausgeschlagen hat, den Pflichtteil nicht verlangen kann, gelten auch hier. c) Ist dem überlebenden Ehegatten ein Erbteil oder ein Vermächtnis durch eine Verfügung von Todes wegen zugewandt, so kann er 94
Der Zugewinnausgleich sich damit begnügen. E r hat aber einen Anspruch darauf, daß er mindestens den Pflichtteil erhält. Der Pflichtteil errechnet sich hier — weil die Voraussetzungen des § 1371 II, I I I nicht gegeben sind — aus dem nach § 1371 I erhöhten Erbteil. D. h.: Bleibt der Wert des Vermögens, das ihm der Erblasser zugewandt hat, hinter dem großen Pflichtteil zurück, so kann der überlebende Ehegatte eine Pflichtteilsergänzung verlangen (§§ 2305, 2 3 0 7 ) . E r kann aber auch die Erbschaft oder das Vermächtnis ausschlagen und dann den Anspruch auf den Zugewinnausgleich sowie den kleinen Pflichtteil geltend machen (§§ 1371 I I I , 2 3 0 7 ) . Ist der überlebende Ehegatte durch die Einsetzung eines Nadoerben, die Ernennung eines Testamentsvollstreckers oder eine Teilungsanordnung beschränkt oder ist er mit einem Vermächtnis oder einer Auflage beschwert, so gilt die Beschränkung oder die Beschwerung als nicht angeordnet, wenn der ihm hinterlassene Erbteil nicht größer ist als der große Pflichtteil (§ 2 3 0 6 I, 1). In jedem Fall kann der überlebende Ehegatte aber auch eine ihm zugewendete Erbschaft oder ein ihm zugewendetes Vermächtnis ausschlagen und dann nach § 1371 I I I den Zugewinnausgleich und den kleinen Pflichtteil verlangen. Beispiele: (1) Ein Nachlaß in Höhe von 80 000 DM besteht ausschließlich aus Zugewinn. Der Erblasser wird überlebt von seiner Frau und seiner Toditer. Gesetzliches Erbrecht der Frau: Vi (§ 1931 I, 1) + Vi (§ 1371 I) = Vi = 40 000 DM. Schlägt die Frau die Erbschaft aus, so kann sie die Hälfte des Zugewinns (40 000 DM) und dazu den kleinen Pflichtteil (Vs von 40 000 DM = 5000 DM) verlangen, zusammen also 45 000 DM. Die Ausschlagung bringt ihr mehr ein als das gesetzliche Erbrecht! (2) Der Ehemann setzt durch Testament seine Frau zu Ve, seine Tochter zu 7 /s des Nachlasses als Erben ein. Hier kann die Frau die Erbschaft ausschlagen und gem. § 1371 III Ausgleich des Zugewinns und den kleinen Pflichtteil verlangen. Sie kann sidi aber auch auf § 2305 berufen und von der Tochter die Vervollständigung des Pflichtteils verlangen, wobei hier der große Pflichtteil zugrunde zu legen ist [(Vi + 1/t) : 2 = Vi]. Ausschlaggebend wird bei dieser Wahl sein, in welcher Höhe der Nachlaß aus Zugewinn besteht. Ist der Nachlaß im Wert von 80 000 DM zur Gänze Zugewinn, so ist es für die Frau günstiger, den Zugewinnausgleich und den kleinen Pflichtteil zu wählen, als eine Pflichtteilsergänzung bis zum Wert des großen Pflichtteils. Ist der Zugewinn gering, so kann für die Frau der Pfliditteilsergänzungsansprudi günstiger sein. Umschließt beispielsweise der Nachlaß im Wert von 80 000 DM nur 95
I. Abschnitt: Eherecht einen Zugewinn im Wert von 20 000 DM, so kann die Frau, wenn sie den Pfliditteilsergänzungsansprudi geltend madit, insgesamt 20 000 DM verlangen (V4 von 80 000 DM). Schlägt die Frau die Erbschaft dagegen aus, so erhält sie die Hälfte des Zugewinns (10 000 DM) und 1/s des verbleibenden Nachlaßrestes, also (70 000 : 8 = ) 8750 DM, zusammen somit 18 750 DM. D e r überlebende Ehegatte hat also eine Reihe von Wahlmöglichkeiten, die ihm die Entscheidung sehr erschweren können. H i n z u kommt, daß die Ausschlagungsfrist nur sechs Wodien beträgt (§ 1944 I ) und innerhalb dieser Frist o f t keine hinreichende Klarheit über den Bestand und den Wert des Nachlasses und die H ö h e des Zugewinns des Verstorbenen zu erlangen sein wird und infolgedessen nicht zu übersehen ist, ob der Ausgleichsanspruch zuzüglich des kleinen Pflichtteils günstiger ist als der erhöhte gesetzliche Erbteil oder als das letztwillig Zugewandte zuzüglich einer etwaigen Pflichtteilsergänzung. 4. Die Stellung
der
Stiefkinder
D i e Erhöhung des Ehegattenerbteils verschlechtert die Position der nicht gemeinschaftlichen Abkömmlinge, d. h. der Kinder oder K i n deskinder, die entweder einer früheren Ehe des erstverstorbenen Ehegatten entstammen oder nichteheliche Kinder oder Adoptivkinder des Erblassers sind. Das gilt namentlich bei dem T o d desjenigen E h e gatten, der keinen Zugewinn erzielt hat, weil hier die Erhöhung des Erbteils des überlebenden Ehegatten der inneren Rechtfertigung entbehrt. Diese Benachteiligung versucht § 1371 I V dadurch auszugleichen, daß er die Kinder des Erblassers, die nicht zugleich Kinder des überlebenden Ehegatten sind, unter bestimmten Voraussetzungen an dem Viertel des Nachlasses, das dem überlebenden Ehegatten zusätzlich zufließt, teilhaben läßt. Diese Kinder können nämlich von dem überlebenden Ehegatten die Mittel verlangen, die sie für eine angemessene Ausbildung benötigen, allerdings nur aus dem zusätzlichen Viertel und nur dann, wenn sie entsprechend bedürftig sind. Bedürftig ist, wer seine Ausbildung nidit aus eigenem Vermögen bestreiten kann und auch keine liquiden Unterhaltsansprüche gegen dritte Personen hat (vgl. Staudinger-Felgentraeger, § 1371 Anm. 105 f.). Dagegen kann die Bedürftigkeit nidit mit dem Argument verneint werden, das Kind könne sich die Mittel zu seiner Ausbildung selbst verdienen. Die Ausbildung verlangt Einsatz der ganzen Person. Für eine Erwerbstätigkeit bleibt daneben kein Raum; str., a. A. Staudinger-Felgentraeger a. a. O. Das Gesetz erkennt den Ausbildungsanspruch des Stiefkindes aber nur an, wenn der überlebende Gatte den schematisch erhöhten E r b -
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Gütertrennung, Gütergemeinschaft teil erhält, also gesetzlicher Erbe geworden ist. Was er als eingesetzter Erbe oder als Vermächtnisnehmer erhält, ist durch den Ausbildungsanspruch nicht belastet. Der überlebende Gatte kann durch Ausschlagung der Erbschaft den Eintritt der Verpflichtung verhindern. Da der Ausbildungsanspruch unter Umständen eine starke Belastung des überlebenden Gatten bedeuten kann, wird dieser sich überlegen müssen, ob es nicht vorteilhafter für ihn ist, wenn er die Erbschaft ausschlägt und dadurch den Pflichtteil (ein Achtel) samt Zugewinnausgleich erhält, ohne an die Stiefkinder etwas zahlen zu müssen.
§ 13. Gütertrennung, Gütergemeinschaft, Ehevertrag, Güterrechtsregister I. Die
Gütertrennung
Das Wesen der Gütertrennung besteht darin, daß die Gatten in vermögensrechtlicher Hinsicht sich so gegenüberstehen, wie wenn sie nicht verheiratet wären. Die Vermögen bleiben getrennt. Jeder Gatte kann über sein Vermögen frei verfügen. Ein Ausgleich findet nicht statt. Gemildert wird diese starre Trennung lediglich durch die allgemeinen Ehewirkungen, also die Verpflichtung zu ehelicher Lebensgemeinschaft und deren Folgen, die Schlüsselgewalt, die Unterhaltspflichten. Die Gütertrennung gibt es sowohl als vertraglichen Güterstand als auch als subsidiär geltenden gesetzlichen Güterstand. Vertraglicher Güterstand ist die Gütertrennung dann, wenn sie als solche vereinbart wird, § 1414. Als subsidiärer gesetzlicher Güterstand gilt sie dann, wenn der eigentliche gesetzliche Güterstand der Zugewinngemeinschaft aufgehoben wird, sei es durch Urteil (§ 1388) oder sei es durch Vertrag, wenn die Ehegatten dabei keinen anderen Güterstand vereinbaren (§ 1414). Gütertrennung tritt ferner dann ein, wenn die Ehegatten zunächst Gütergemeinschaft vereinbart hatten und diese Gütergemeinschaft dann später durch Urteil oder Vertrag aufgehoben wird (§§ 1449 I, 1470 I, 1414 S. 2). II. Die
Gütergemeinschaft
1. Die Gütergemeinschaft ist ein vertraglicher Güterstand, d. h. sie setzt einen entsprechenden Ehevertrag der Ehegatten voraus. Sie tritt niemals kraft Gesetzes ein. Das Wesen der Gütergemeinschaft besteht in der Erweiterung der Lebensgemeinschaft zur Gütergemein7 Henrich, Familienrecht
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I. Absdinitt: Eherecht schaft. Das gesamte Vermögen, das die Gatten bei Eingehung der Ehe haben oder später erwerben, wird grundsätzlich gemeinschaftliches Vermögen, Gesamtgut, das den Ehegatten zur gesamten Hand zusteht, § 1416. Gesamthandsgemeinschaft bedeutet: Die Gemeinschaft besteht nicht an den einzelnen Gegenständen eines Vermögens, sondern an einem ganzen Sondervermögen. Jedem Gesamthänder steht nur ein Anteil an dem gemeinschaftlichen Vermögen zu. Im Hinblick auf die einzelnen Sachen ist jeder Gesamthänder Eigentümer der ganzen Sache, jedoch beschränkt dadurch, daß der andere Gesamthänder ebenfalls Eigentümer der ganzen Sache ist. Die Gesamthandsgemeinschaft der Ehegatten ist die engste Gesamthand, die es gibt. Kein Ehegatte kann über seinen Anteil am Gesamtgut verfügen, erst recht nicht über einen Anteil an den einzelnen Gegenständen (denn einen solchen Anteil gibt es gar nicht!). Auch die Teilung kann nicht verlangt werden, § 1419. Selbst bei Beendigung der Gütergemeinschaft wird nicht danach gefragt, wer das Vermögen in das Gesamtgut eingebracht hat. Das Vermögen wird unter die Ehegatten zu gleichen Teilen verteilt, § 1476. Zwischenfrage: Welche andere Gesamthandsgemeinschaften gibt es? Wie unterscheiden sie sich von der Gesamthand bei der Gütergemeinschaft? Lies § 719 u. 2033! Was ist in § 719 I abdingbar, was nicht? Beachte demgegenüber: In § 1419 I kann nichts abbedungen werden! Die Vermögensverschmelzung hat eine Kehrseite. Da das Gesamtgut die Hauptmasse des Vermögens der Ehegatten bildet, muß es grundsätzlich den Gläubigern eines Ehegatten auch als Haftungsobjekt dienen (§§ 1437, 1459). Von dem Grundsatz der Vermögensverschmelzung gibt es Ausnahmen. Ein Teil des Vermögens der Ehegatten bleibt persönliches Vermögen oder kann zumindest persönliches Vermögen bleiben, nämlich das sog. Sondergut und das sog. Vorbehaltsgut. D. h.: In einer Gütergemeinschaft kann es fünf Vermögensmassen geben: das Gesamtgut, das Sondergut des Mannes, das Sondergut der Frau, das Vorbehaltsgut des Mannes und das Vorbehaltsgut der Frau. Die Gütergemeinschaft ist an sich auf vermögensrechtlichem Gebiet der vollkommenste Ausdruck einer idealen Ehe. Ehegatten sollen alles miteinander teilen! Freilich beruht die Vereinbarung der Gütergemeinschaft nicht immer auf rein idealen Beweggründen. Aus dem aus der Rechtsgeschidite bekannten Satz: „Wem ich meinen Leib 98
Gütertrennung, Gütergemeinschaft
§
13
gönne, dem gönne ich auch mein Gut", wird nicht selten die Umkehrung: „Wem ich meinen Leib gönne, der soll mir auch sein Gut gönnen." Verbreitet ist die Gütergemeinschaft auch heute noch namentlich in bäuerlichen Kreisen Süddeutschlands. In den Städten wird sie nur noch selten vereinbart. 2. Die
Gütermassen
a) Das Gesamtgut: Das Gesamtgut umfaßt das ganze Vermögen der Gatten, sowohl das beim Eintritt der Gütergemeinschaft vorhandene als auch das später erworbene — soweit es nicht ausnahmsweise Sonder- oder Vorbehaltsgut ist, § 1416. Die Vermutung spricht also für Gesamtgut. Die Vergemeinschaftung erfolgt ipso iure mit dem Eintritt des Güterstandes bzw. mit dem späteren Erwerb eines Vermögensgegenstandes. Die Übertragung des Vermögens auf die Gesamthand geschieht also nicht durch ein besonderes Rechtsgeschäft. Beispiele:
(1) M ist Eigentümer eines Hauses. Er heiratet und vereinbart Gütergemeinschaft. Im gleichen Augenblick verliert er das Alleineigentum und wird Miteigentümer des Gesamtguts, zu dem dann auch das Haus gehört, zur gesamten Hand. Das Grundbuch wird unrichtig. Jeder Gatte kann vom anderen verlangen, daß er die Erklärungen abgibt, die zur Berichtigung des Grundbuchs erforderlich sind, § 1416 I I I . (2) M, der mit F in Gütergemeinschaft lebt, kauft ein Haus. Das Haus kann er kaufen entweder für die Gesamthand oder für sich. Kauft er das Haus für die Gesamthand, so werden im Grundbuch die Ehegatten als in Gütergemeinschaft mitbereditigt eingetragen. Kauft er das Haus für sich und läßt er sich auch im Grundbuch eintragen, so geht das Eigentum zwar zunächst auf ihn über, aber im selben Augenblick tritt die Gesamthand als Rechtsnachfolgerin kraft Gesetzes an seine Stelle. D. h.: Im selben Augenblick, in dem er durch die Eintragung Eigentümer wird, wandelt sich das Alleineigentum in Miteigentum zur gesamten Hand. Das Grundbuch ist unrichtig und muß berichtigt werden. Problem: Der Mann ist als Alleineigentümer — zu unrecht — eingetragen. Er veräußert das Haus an einen Dritten. Wird der Dritte Eigentümer? J a — kraft guten Glaubens, es sei denn, daß er die Unrichtigkeit des Grundbuchs gekannt hat, § 892. Ob die Gütergemeinschaft im Güterrechtsregister eingetragen war, spielt keine Rolle. Der öffentliche
Glaube des Grundbuchs geht vor.
b) Sondergut: Sondergut eines Gatten sind die Gegenstände seines Vermögens, die nicht durch Rechtsgeschäft übertragen werden können (§ 1417 II), 7
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I. Abschnitt: Eherecht z. B. unpfändbare Lohn- oder Gehaltsansprüche, der Anspruch auf Schmerzensgeld, Rentenansprüche aus der Sozialversicherung, ein Nießbrauch. Werden Gehaltsbeträge, Renten, Schmerzensgelder etc. jedoch ausbezahlt, so fallen diese Beträge in das Gesamtgut (§ 1417 III, 2: Verwaltung „für Rechnung des Gesamtguts"). c) Vorbehaltsgut: Vorbehaltsgut entsteht auf Grund eines Rechtsgeschäfts, sowie durch Surrogation, § 1418. Die Ehegatten können durch Ehevertrag Gegenstände (z. B. ein Hausgrundstück) zum Vorbehaltsgut erklären. Desgleichen kann einem Ehegatten von einem Dritten (z. B. durch Testament) etwas mit der Klausel zugewendet werden, daß das Zugewendete Vorbehaltsgut sein solle. Hat auf diese Weise ein Ehegatte Vorbehaltsgut, so wird alles, was er auf Grund eines zum Vorbehaltsgut gehörenden Rechts oder als Ersatz für die Zerstörung eines zum Vorbehaltsgut gehörenden Gegenstandes oder durch Rechtsgeschäft erwirbt, das sich auf das Vorbehaltsgut bezieht, wiederum Vorbehaltsgut (Surrogation), § 1418. 3. Die Verwaltung und die Haftung des Gesamtguts a) Die Ehegatten sollen in dem Ehevertrag, durch den sie Gütergemeinschaft vereinbaren, zugleich bestimmen, wer das Gesamtgut verwalten soll, ob der Mann oder die Frau. Treffen sie keine solche Bestimmung, so obliegt die Verwaltung ihnen beiden, § 1421. Die gemeinschaftliche Verwaltung ist die Regel. Sie wird in etwa 80 bis 90% aller Fälle gewählt. b) Haben die Ehegatten die gemeinschaftliche Verwaltung gewählt, so können sie nur zusammen über das Gesamtgut und die Gegenstände des Gesamtguts verfügen, § 1450. Die Verfügung eines Ehegatten ist nur wirksam, wenn sie mit Zustimmung des anderen Ehegatten erfolgt. Verpflichtungsgeschäfte eines Gatten ohne Mitwirkung des anderen sind zwar voll wirksam, verpflichten aber grundsätzlich nur den Handelnden persönlich, ohne eine Haftung des Gesamtguts zu begründen. (Dabei ist allerdings zu beachten, daß eine Vollmacht nicht nur ausdrücklich, sondern auch stillschweigend erteilt werden kann. Auch eine Duldungsvollmacht kann zu einer Verpflichtung des anderen Ehegatten führen.) Hat ein Ehegatte ohne die Zustimmung des anderen Ehegatten über Gegenstände des Gesamtguts verfügt, so hat der andere Ehegatte die selbständige revokatorische Klage, §§ 1453, 1455 Ziff. 8. c) Von dem Grundsatz, daß durch Verwaltungshandlungen, die ein Mitverwalter ohne die Mitwirkung des anderen Ehegatten vor100
Ehevertrag genommen hat, keine Haftung des Gesamtguts begründet werden kann, gelten einige Ausnahmen: (1) Der Mitverwalter ist durch Krankheit oder Abwesenheit verhindert, an einem Rechtsgeschäft mitzuwirken, das sich auf das Gesamtgut bezieht. Hier hat der andere Ehegatte ein Notverwaltungsrecht (§ 1454), das zu einer Haftung des Gesamtguts führt. (2) Der Mitverwalter betreibt mit Zustimmung des anderen Ehegatten selbständig ein Erwerbsgeschäft. Hier bedarf er nicht der Zustimmung des anderen Ehegatten zu solchen Geschäften, die der Geschäftsbetrieb mit sich bringt (§ 1456). Für eingegangene Verpflichtungen haftet das Gesamtgut. (3) Das Vormundschaftsgericht kann eine verweigerte Zustimmung ersetzen (§ 1452). Auch hier haftet nach der Ersetzung das Gesamtgut für die eingegangene Verpflichtung. (4) Jeder Ehegatte ist frei in der Ausübung gewisser höchstpersönlicher Rechte (Annahme oder Ausschlagung einer Erbschaft, Ablehnung eines Vertragsantrags, Verzicht auf den Pflichtteil u.a.m.; vgl. § 1455). Entsteht dabei eine Verpflichtung (z. B. bei Annahme einer Erbsdiaft), so haftet dafür das Gesamtgut (§ 1460). Ausnahme: Das Gesamtgut haftet nicht, wenn eine Erbschaft oder ein Vermächtnis nicht in das Gesamtgut, sondern in das Vorbehalts- oder Sondergut fällt, § 1461. 4. Ende der Gütergemeinschaft und Fortsetzung Die Gütergemeinschaft endet mit der Auflösung der Ehe; sie kann ferner beendet werden durch Ehevertrag (§ 1408) und durch Aufhebungsurteil, §§ 1449, 1470. Wird die Ehe durch den Tod eines Ehegatten aufgelöst und sind gemeinschaftliche Abkömmlinge vorhanden, so kann die Gütergemeinschaft zwischen dem überlebenden Gatten und den Abkömmlingen fortgesetzt werden. Eine solche „fortgesetzte Gütergemeinschaft' tritt allerdings nur dann ein, wenn die Ehegatten in einem Ehevertrag eine entsprechende Vereinbarung getroffen haben. Solche Vereinbarungen kommen allerdings heute kaum noch vor (nur in etwa zwei Prozent der Gütergemeinschaftsverträge). III.
Eheverträge
Die Ehegatten können ihre güterrechtlichen Verhältnisse durch Vertrag regeln, § 1408. Der Vertrag heißt Ehevertrag. Er muß bei gleichzeitiger Anwesenheit beider Teile zur Niederschrift eines Notars geschlossen werden, § 1410. 101
I. Abschnitt: Eherecht Problem: Was kann vereinbart werden, was nicht? Beispiel: Können die Ehegatten vereinbaren, daß ihr gesamter k ü n f tiger Erwerb in das Eigentum eines Ehegatten fallen solle? Nein! § 310 steht entgegen. Das gleiche gilt f ü r eine Vereinbarung, wonach (entsprechend dem früheren gesetzlichen Güterstand der Verwaltung u n d Nutznießung) dem Ehemann die Nutznießung des gegenwärtigen und des künftigen Vermögens der Frau zustehen soll. Diese Auffassung ist freilich nicht unbestritten. Manche Autoren sagen, § 310 sei auf Schuldverträge zugeschnitten und auf Eheverträge nicht anwendbar. Statt dessen wird die Anwendung von § 138 empfohlen: Ein Vertrag, der den gesamten künftigen Erwerb eines Ehegatten dem anderen zuspricht, vernichtet die Freiheit der Persönlichkeit; vgl. Staudinger-Felgentraeger, § 1408 Anm. 59 f. Also:
Vertragsfreiheit
nur im Rahmen
der allgemeinen
Gesetze!
Außerdem: Der Ehevertrag muß sich im Rahmen der vom BGB z u r Verfügung gestellten Typen halten. Demnach können die Parteien folgende Vereinbarungen treffen: 1. Beseitigung des gesetzlichen Güterstandes oder einer vereinbarten Gütergemeinschaft. Folge: Gütertrennung. 2. Vereinbarung von Gütergemeinschaft oder Gütertrennung. 3. Abweichungen innerhalb des gewählten Güterstandes von nicht zwingenden Sätzen. Beispiele: a) Bestimmte Gegenstände können — im Rahmen einer Gütergemeinschaft — zu Vorbehaltsgut erklärt werden (§ 1418 I I Ziff. 1). b) Es kann — im Rahmen einer Gütergemeinschaft — festgestellt werden, wer das Gesamtgut verwalten soll (§ 1421 S. 1). c) Bei der Zugewinngemeinschaft kann unter Aufrechterhaltung der Verfügungsbeschränkungen der Zugewinnausgleich f ü r den Fall der Scheidung ausgeschlossen oder beschränkt werden, z. B. hinsichtlich des Zugewinns aus dem Geschäftsvermögen (vgl. die Auslegungsregel des § 1414 S. 2). Ebenso ist es zulässig, die Quote der Zugewinnbeteiligung zu verändern (Staudinger-Felgentraeger, § 1408 Anm. 61) oder die erbrechtliche Lösung des Zugewinnausgleichs auszuschließen oder zu beschränken (Staudinger-Felgentraeger, § 1408 Anm. 86). d) Für nicht zulässig gehalten werden von der wohl h. M. sog. Mischgüterstände, d. h. Güterstände, bei denen charakteristische Merkmale zweier Güterstände miteinander vermengt werden.
102
Güterredl tsregister Beispiele: Im Rahmen einer Zugewinngemeinschaft kann kein Gesamtgut begründet werden, im Rahmen einer Gütergemeinschaft können nicht die Verfügungsbeschränkungen der Zugewinngemeinsdiaft für das Vorbehaltsgut für anwendbar erklärt werden (§ 137!); vgl. Staudinger-Felgentraeger, § 1408 Anm. 65. Teilweise spricht man von einem — unzulässigen — Misdigüterstand audi in den Fällen, in denen die Ehegatten unter Beibehaltung der Zugewinngemeinschaft im übrigen (Verfügungsbeschränkungen!) den Zugewinn gänzlidi ausschließen (Gütertrennung + Zugewinngemeinschaft); vgl. Staudinger-Felgentraeger, § 1408 Anm. 70, 85. M. E. hält sidi eine soldie Vereinbarung aber noch im Rahmen der Gesetze.
In der Praxis überwiegen die auf Gütertrennung gerichteten Eheverträge. Gütergemeinschaften werden ungleich seltener vereinbart. Am seltensten sind die Eheverträge, die eine Modifikation der Zugewinngemeinschaft enthalten. IV. Güterrechtsregister Das Güterrechtsregister soll Dritten die Möglichkeit verschaffen, sich — vor allem — über die güterrechtlichen Verhältnisse von Ehegatten zu unterrichten. Zur gesetzlichen Regelung vgl. §§ 1558—1563. Wichtig ist: 1. Es besteht keine Eintragungspflicht. 2. Dem Schweigen des Registers darf man vertrauen, nicht aber seinen positiven Angaben. Das heißt: Haben die Ehegatten Gütergemeinschaft mit Gesamtgutsverwaltung durch den Mann vereinbart, die Vereinbarung jedoch nicht in das Güterreditsregister eintragen lassen, so kann sich die Frau, wenn der Mann Vermögensgegenstände einem gutgläubigen Dritten schenkt, diesem gegenüber nicht auf die fehlende Verfügungsmacht des Mannes (§ 1427) berufen (§ 1412). [Beachte jedoch § 935! Hatte zuvor der Mann die Vermögensgegenstände in Besitz genommen, § 1422?] Oder: Ist im Güterrechtsregister Gütertrennung eingetragen, haben die Ehegatten inzwischen aber den gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft wiederhergestellt, so muß die Frau trotz § 1369 es gegen sich gelten lassen, wenn der Mann an einen gutgläubigen Dritten ihm gehörende Hausratsgegenstände veräußert, § 1412 II. 3. Die Publizitätsfunktion des Güterreditsregisters schließt einen gutgläubigen Erwerb im Vertrauen auf die Richtigkeit des Grundbuchs (§ 892) nicht aus. Veräußert der im Grundbuch fälschlich als Alleineigentümer eingetragene Ehemann trotz der im Güterrechtsregister eingetragenen Gütergemeinschaft ein Grundstück, so wird der gutgläubige Erwerber geschützt. 103
I. Abschnitt: Eherecht
§ 14. Die Ehescheidung I. Geschichtliche Entwicklung — Rechtsvergleichung 1. Das römische und das ältere deutsche Recht kannten die Scheidung durch privaten nicht an gerichtliche oder priesterliche Mitwirkung geknüpften Vertrag oder einseitige Erklärung. 2. Im 10. Jh. erlangte die Kirche die Gerichtsbarkeit in Ehesdieidungssachen. Damit wurde das kirchliche Recht und damit der Grundsatz von der Unauflöslichkeit der Ehe maßgebend. 3. Die Reformatoren, die die sakramentale Natur der Ehe leugneten, ließen die Scheidung dem Bande nach wegen Ehebruchs zu. Damit war die erste Bresche geschlagen, andere Gründe folgten: die böswillige Verlassung (desertio), die quasi-desertio usw. Während die Scheidung zuerst durch einseitige private Erklärung erfolgte, verlangte die protestantische Lehre später die nachfolgende obrigkeitliche Feststellung, daß die Ehe geschieden sei. Noch später wurde die trennende Kraft in den obrigkeitlichen Ausspruch selbst verlegt. 4. Die Aufklärungszeit des 18. Jh. sah die Ehe als bloßes bürgerlich-rechtliches Vertragsverhältnis an (contractus civilis) und ebnete dadurch einem neuen staatlichen überkonfessionellen Scheidungsrecht die Bahn. Am sdieidungsfreundlichsten war unter den partikularrechtlichen Regelungen die des preußischen A L R , das für die kinderlose Ehe die gegenseitige Einwilligung und für alle Ehen einseitige unüberwindliche Abneigung als Scheidungsgründe anerkannte. Der Code Civil ließ für alle Ehen die Scheidung durch consentement mutuel zu (heute weggefallen).
5. Das Personenstandsgesetz vom 6. 2. 1875 beseitigte die kirchliche Gerichtsbarkeit in Ehesachen, ließ das materielle zersplitterte Scheidungsrecht aber mit einer Ausnahme unverändert; es bestimmte nur, daß an Stelle der vom bisherigen Recht etwa vorgesehenen Trennung von Tisch und Bett stets die Auflösung der Ehe dem Bande nach auszusprechen sei. 6. Das BGB brachte endlich die einheitliche Ordnung des materiellen Scheidungsrechts. Es erkannte als Scheidungsgründe vier Fälle schuldhafter Verletzung der ehelichen Pflichten an, nämlich a) Ehebruch, b) Lebensnachstellung, c) bösliches Verlassen, d) schuldhafte Zerrüttung der Ehe durch schwere Pflichtverletzung oder ehrloses oder unsittliches Verhalten, dazu, als einzige Ausnahme vom Verschuldensprinzip, die unheilbare Geisteskrankheit. 104
Die Ehescheidung 7. Im Jahre 1938 wurde das Scheidungsrecht aus dem BGB herausgenommen und im Ehegesetz neu geregelt. Dabei wurden die Scheidungsgründe erheblich vermehrt. Wichtigste Neuerung war die Einführung der Ehescheidung wegen unheilbarer Ehezerrüttung nach dreijähriger Heimtrennung ohne das Erfordernis eines Verschuldens. Das EheG wurde 1946 — von nationalsozialistischen Bestandteilen gereinigt — neu verkündet. Auf ihm beruht das heutige Ehescheidungsrecht. 8. Von den ausländischen Rechten lehnen noch heute namentlich das spanische und das irische Recht eine Ehetrennung dem Bande nach ab. Das andere Extrem bilden die Rechtsordnungen, die die Scheidung in das Belieben der Ehegatten oder eines Ehegatten stellen, ohne die Scheidung vom Vorliegen besonderer Scheidungsgründe abhängig zu machen. Eine einverständliche Scheidung gibt es z. B. in Mexiko, Japan und der Volksrepublik China. Eine Scheidung durch Verstoßung der Frau durch den Mann (talak) ist die übliche Form der Eheauflösung in den Staaten, deren Eherecht vom islamischen Recht beherrscht wird. In den meisten Staaten wird, ebenso wie in Deutschland, die Scheidung vom Vorliegen bestimmter Scheidungsgründe abhängig gemacht. Generalklauseln sind selten, die enumerative Aufzählung der Scheidungsgründe ist die Regel. Die meisten Staaten halten noch an dem Verschuldensprinzip fest, in anderen (namentlich den skandinavischen Staaten) ist das Verschuldensprinzip weitgehend durch das Zerrüttungsprinzip verdrängt worden. Reformpläne in vielen Ländern zielen auf eine weitgehende Ersetzung des Verschuldensprinzips durch das Zerrüttungsprinzip. II. Die Grundstrukturen
des geltenden Scheidungsrechts
1. Die wichtigsten Scheidungsgründe des geltenden Rechts sind a) Ehebruch, § 42 EheG, b) schwere Eheverfehlung, § 43 EheG, c) unheilbare Ehezerrüttung nach dreijähriger Heimtrennung, § 48 EheG. Die weitaus größte Bedeutung hat die Scheidung wegen schwerer Eheverfehlung. Nach der Statistik wird in ca. 91°/o aller Fälle die Scheidungsklage auf § 43 EheG gegründet. Wegen Ehebruchs werden nur etwa 2,5% aller Ehen geschieden und wegen unheilbarer Ehezerrüttung nur etwa 4,5% aller Ehen. Das hat folgende Ursachen: Die Scheidung wegen schwerer Eheverfehlung ist „am leichtesten". Sind die Ehegatten sich einig, dann dauert die gerichtliche Verhandlung nicht länger als fünf Minuten. 105
I. Abschnitt: Eherecht
Der eine Ehegatte behauptet eine schwere Eheverfehlung des anderen. Der andere gibt die Eheverfehlung zu. Eine Nachprüfung ist nicht möglich, weil die behauptete Eheverfehlung sich ohne Zeugen abgespielt hat (Verweigerung des Geschlechtsverkehrs, Beleidigungen usw.). Die Ehe wird geschieden. Der Scheidungsprozeß wird zur Farce. Deswegen wird immer häufiger die Zulassung der einverständlichen Scheidung (der Ehrlichkeit wegen) gefordert, insbesondere für die Fälle, in denen die Ehe kinderlos geblieben ist. Eine Scheidung wegen Ehebruchs wird von den Ehegatten nach Möglichkeit deswegen vermieden, weil die härteren Folgen (Ehehindernis des Ehebruchs, § 6 EheG!) den Beklagten zu härterem Widerstand veranlassen. Nicht selten freilich läßt sich der Kläger seine Bereitschaft, statt aus § 42 EheG aus § 43 EheG zu klagen, durch ein Entgegenkommen in der Frage des Unterhalts oder der Hausratsverteilung honorieren. Ein solches Aushandeln ist unerfreulich. Daß nur relativ wenige Ehen wegen unheilbarer Ehezerrüttung geschieden werden, obgleich die unheilbare Zerrüttung der eigentliche Grund jeder Ehescheidung ist, hat zwei Gründe: die dreijährige Wartefrist und das Recht des Beklagten, der Scheidung zu widersprechen. 2. Will man dem Zerrüttungsprinzip zum Durchbruch verhelfen, müssen diese Hindernisse beseitigt werden. Eine ersatzlose Streichung sowohl der Wartefrist als auch des Widerspruchsrechts kommt freilich nicht in Frage. Eine Zerrüttung muß nachgewiesen werden. Eine längere Heimtrennung ist als (formelles) Indiz dafür — zumindest im Regelfall — unentbehrlich. Begehren beide Ehegatten die Scheidung, so kann man daran denken, die erforderliche Heimtrennung kürzer zu bemessen als in den Fällen, in denen ein Ehegatte der Scheidung widerspricht. Andererseits muß auch im Fall eines Widerspruchs die Möglichkeit bestehen, unter Umständen ohne Heimtrennung eine Scheidung zu erreichen (etwa, wenn die Ehefrau es sich finanziell nicht leisten kann, von ihrem Mann getrennt zu leben). Die bisherigen Verschuldenstatbestände könnten in objektive Zerrüttungsmerkmale umgeschaffen werden, bei deren Vorliegen u. U. auf eine Wartefrist verzichtet werden kann. Schließt z. B. ein Ehemann eine zweite, bigamische Ehe, so kann auf eine Heimtrennung zum Nachweis der eingetretenen Zerrüttung durchaus verzichtet werden. Der Hauptgrund, weswegen ein Ehegatte (meist die Ehefrau) der Scheidung widerspricht, ist die ungenügende Versorgung. Will man eine Scheidung auch gegen den Widerspruch eines Ehegatten zulassen, so muß zugleich die Unterhaltsfrage und die Alterssicherung neu ge106
Die Ehescheidung regelt werden. Zu denken wäre etwa daran, die H ä l f t e der während der Dauer der Ehe erworbenen Versorgungsansprüche eines Ehegatten in der gesetzlichen Rentenversicherung, der Zusatzversorgung der Angestellten und Arbeiter im öffentlichen Dienst, der Beamtenversorgung und der betrieblichen Altersversorgung auf die geschiedene Ehefrau zu übertragen. Das wäre zugleich eine konsequente Fortführung des Zugewinnausgleichs (vgl. dazu Hirsch, Probleme einer Reform des Scheidungsrechts, Z R P 1969, 246 ff.). 3. Neuerdings wird die Frage gestellt, wo überhaupt der Staat das Recht hernehme, Ehegatten die Scheidung zu versagen, die einverständlich geschieden werden wollen. Man forscht nach einem staatlichen („öffentlichen") Interesse am Bestand der Ehe, man erwähnt in diesem Zusammenhang insbesondere das Interesse der Kinder und meint, es könne auch eine Rolle spielen, daß die „europäische" Form der Ehe den Bedürfnissen einer dynamischen Industriegesellschaft entgegenkomme, weil sie nämlich gerade den G r a d von Beharrungstendenz und Mobilität begünstige, der den Bedürfnissen einer Industriegesellschaft entspreche (Pawlowski, Das Studium der Rechtswissenschaft, 320 ff.). N ä h e r liegt es wohl, an die Schutzfunktion der richterlichen Ehescheidung zugunsten des schwächeren Ehepartners zu denken (nicht jede „einverständliche" Scheidung wird wirklich vom Willen beider Partner getragen!). III. Die einzelnen
Scheidungsgründe
Aus dem Gesetz ergeben sich zwei Gruppen von Scheidungsgründen: solche, die ein Verschulden voraussetzen (§§ 42 u. 43 EheG) u n d solche, die kein Verschulden voraussetzen (§§ 44—48 EheG). 1. Die verschuldeten
Scheidungsgründe
a) Ehebruch (§ 42 EheG): Der Tatbestand des Ehebruchs setzt objektiv Beischlaf mit einer dritten Person anderen Geschlechts voraus und subjektiv wenigstens bedingten Vorsatz; vgl. R G Z 150, 384. Eine künstliche Insemination ist somit kein Ehebruch, kann aber — bei heterologer Insemination gegen den Willen oder ohne Wissen des Ehemannes — eine schwere Eheverfehlung darstellen. D a der Ehebruch ein Verschulden voraussetzt, schließen die Schuldausschließungsgründe des § 51 StGB (z. B. Unzurechnungsfähigkeit) die Annahme eines Ehebruchs aus. Der Ehebruch als solcher f ü h r t noch nicht zur Ehescheidung. H i n zukommen muß eine durch den Ehebruch verursachte Ehezerrüttung, die allerdings vermutet w i r d ; vgl. B G H Z 18, 190. K a n n der Beklagte diese Vermutung durch den Nachweis widerlegen, daß der
107
I. Abschnitt: Eherecht Kläger den Ehebruch nicht als ehezerstörend empfunden hat, so ist die Scheidungsklage abzuweisen, § 49 EheG. H a t der Kläger selbst ebenfalls Ehebruch begangen, so schließt das sein Scheidungsrecht grundsätzlich nodi nicht aus, offenbart aber eine laxe Eheauffassung und erleichtert dem Beklagten den Nachweis, daß der Kläger den Ehebruch des Beklagten nicht als ehezerstörend empfunden hat. Ausgeschlossen
ist das
Scheidungsrecht:
(1) wenn der Kläger dem Ehebruch zugestimmt hat (dem Zustimmenden gegenüber liegt kein Treuebruch vor; vgl. RGZ 85, 204; (2) wenn er den Ehebruch absichtlich ermöglicht § 4 2 II EheG.
oder erleichtert
hat,
Die Zustimmung ist kein Rechtsgeschäft. Sie schließt das Scheidungsrecht nur aus, wenn sie bei dem Ehebruch bereits vorlag. Ob der Ehebrecher sie gekannt hat, spielt keine Rolle. Eine nachträgliche Zustimmung zum Ehebruch gibt es nicht. An ihre Stelle tritt die Verzeihung (s. u. V, 2a); vgl. Gernhuber, § 26 II, 3; a.A. Dölle I, § 39 II, lc, aa. Bei jeder Scheidungsklage wegen Ehebruchs ist § 1593 zu berücksichtigen, wonach sidi niemand auf die Unehelichkeit eines Kindes berufen darf, ehe nicht die Ehelichkeit des Kindes angefochten und seine Unehelichkeit rechtskräftig festgestellt ist. Eine Beweiserhebung, mit der die Unehelidikeit eines in der Ehe geborenen Kindes und damit der Ehebruch bewiesen werden soll, ist darum — jedenfalls solange das Kind lebt — nicht zulässig; vgl. BGH, FamRZ 1966, 502. b) Sonstige schwere Eheverfehlungen
(§43
EheG):
aa) Eine schwere Eheverfehlung i. S. des § 43 EheG liegt zunächst in jedem groben Verstoß gegen eine Anforderung, die sich aus der Ehe als einer auf gegenseitige Liebe, Achtung und Treue aufgebauten Lebensgemeinschaft ergibt. Das Vorliegen eines solchen Verstoßes kann nur für den Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände bejaht werden. Beispiele: Untreue jeder Art, auch wenn sie keinen Ehebruch darstellt, Mißhandlungen, schwere Beleidigungen, Lieblosigkeiten, auch gegenüber den Kindern oder Stiefkindern, unbegründete, u. U. sog. begründete Anzeigen, Ausplaudern von Intimitäten aus dem Eheleben, grundlose und dauernde Verweigerung des ehelichen Verkehrs, Rücksichtslosigkeiten im geschlechtlichen Verkehr, Verletzung der Unterhaltspflicht, Vernachlässigung der Kindererziehung oder des Haushalts, bösliches Verlassen, d. i. Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft, ohne daß ein Recht zum Getrenntleben besteht. Lebhaft umstritten war lange Zeit die Frage, ob und, wenn ja, in welchen Fällen ein Glaubenswechsel eine schwere Eheverfehlung darstellt. Die Rechtsprechung hat diese Frage dahin beantwortet, daß ein Glaubenswechsel als solcher schon wegen Art. 4 GG nicht als Eheverfehlung angesehen 108
Die Ehescheidung werden kann, daß eine Eheverfehlung jedoch in der Art und Weise liegen kann, in weither der Kirchenwechsel durchgeführt wird. Außerdem trifft den Ehegatten, der die bisher bestehende Glaubenseinheit aufgibt, in besonderem Maße die Pflicht, auf die religiöse Überzeugung des anderen Rücksicht zu nehmen, insbesondere sidi dauernder Bekehrungsversuche zu enthalten; er hat alles in seinen Kräften liegende zu tun, damit Haushalt und Häuslichkeit nicht beeinträchtigt werden und die geistige Verbindung und das Vertrauensverhältnis zwischen den Ehegatten erhalten bleiben; vgl. JZ 1964, BGHZ 38, 317; BGH, FamRZ 1965, 126; Müller-Freienfels, 305 ff., 344 f f .
Schließlich liegt eine schwere Eheverfehlung in einem ehrlosen oder unsittlichen Verhalten, ohne Rücksicht darauf, ob es sich gegen den anderen Gatten richtet (Trunksucht, unsittlicher Lebenswandel, strafbare Handlungen). bb) Die Eheverfehlung muß schuldhaft sein: Unzurechnungsfähigkeit und krankhafte Störung der Geistestätigkeit schließen ein Verschulden aus, begründen aber u. U. den Scheidungsgrund des § 44 EheG.
cc) Die Eheverfehlung muß zu einer so tiefen Zerrüttung der Ehe geführt haben, daß die Wiederherstellung einer dem Wesen der Ehe entsprechenden Lebensgemeinschaft nidit mehr erwartet werden kann. Zerrüttet ist die Ehe dann, wenn mindestens einer der Ehegatten die rechte eheliche Gesinnung nicht mehr aufzubringen vermag und sich darum außerstande sieht, die eheliche Gemeinschaft aufrechtzuerhalten. Es muß eine völlige innere Entfremdung eingetreten sein, die es einem Ehegatten unmöglich madit, fernerhin dem anderen Ehegatten Liebe und Achtung entgegenzubringen; vgl. R G 2 163, 338, 342. Bei der Prüfung, ob die Ehe durch die Eheverfehlungen des Beklagten zerrüttet worden ist, kann das Verhalten des Klägers nicht unberücksichtigt bleiben. H a t auch er sich Eheverfehlungen zuschulden kommen lassen, so wird dadurch zwar sein Scheidungsrecht an sich nicht ausgeschlossen, doch wird es ihm versagt, wenn nach Art seiner Verfehlungen, insbesondere wegen des Zusammenhangs einer etwaigen Verfehlung des anderen Gatten mit seinem eigenen Verschulden sein Scheidungsbegehren bei richtiger Würdigung des Wesens der Ehe sittlich nicht gerechtfertigt ist, § 43 S. 2 EheG. 2. Scheidung ohne Verschulden aus anderen
Gründen
a) Scheidung wegen Geisteskrankheit, auf geistiger Störung beruhenden Verhaltens oder schwerer ansteckender oder ekelerregender Krankheit, §§ 44, 45, 46 EheG: 109
I. Abschnitt: Eheredit aa) Scheidung wegen Geisteskrankheit, § 45 EheG: Der Begriff der Geisteskrankheit i. S. des § 45 EheG ist mit dem medizinischen Begriff der Geisteskrankheit nicht identisch. Entscheidend ist, ob die jeweils vorliegende geistige oder seelische Störung die Wirkung hat, daß sie eine geistige Gemeinschaft zwischen den Ehegatten dauernd unmöglich macht; vgl. BGH, FamRZ 1965, 499. bb) Scheidung wegen eines auf geistiger Störung beruhenden Verhaltens, § 44 EheG: Nach § 44 EheG ist die Scheidung zulässig, wenn die objektive Zerrüttung unheilbar ist infolge eines Verhaltens eines Ehegatten, das unter normalen Umständen als eine Eheverfehlung i. S. der §§ 42 und 43 EheG anzusehen wäre, aber als Ausfluß einer geistigen Störung (Hysterie, krankhafte Eifersucht) ihm nicht zugeredinet werden darf. Es ist also nicht die geistige Störung als solche, sondern die darauf zurückzuführende Zerrüttung der Ehe der Scheidungsgrund. cc) Scheidung wegen schwerer ansteckender Krankheit, § 46 Ehe.G
oder
ekelerregender
Beispiel: Syphilis. b) Scheidung wegen objektiver Ehezerrüttung: Ganz allgemein erkennt § 48 EheG als Scheidungsgrund eine tiefgreifende, unheilbare Zerrüttung des ehelichen Verhältnisses an, die in einer mindestens drei Jahre dauernden Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft zum Ausdruck gelangt ist. Im Gegensatz zu § 43 EheG braudit die Zerrüttung nicht verschuldet zu sein, auch auf ihre Gründe kommt es nicht an. Die objektive Tatsache der unheilbaren Zerrüttung genügt, doch kann ein Verschulden des die Scheidung Begehrenden dem anderen Teil ein Widerspruchsrecht geben, § 48 II EheG. Die näheren Voraussetzungen des Scheidungsrechts sind: aa) Die häusliche Gemeinschaft der Ehegatten muß seit mindestens drei Jahren aufgehoben sein. Häusliche Gemeinschaft ist nicht dasselbe wie die eheliche Gemeinschaft. Sie ist aufgehoben, wenn durch tatsächliche Trennung der Lebensführung die persönliche Berührung der Gatten so weitgehend ausgeschlossen ist, daß von einer gemeinsamen Häuslichkeit nicht mehr gesprochen werden kann. Dem steht Wohnen in ein- und derselben Wohnung nicht schlechthin entgegen; vgl. BGH, FamRZ 1969, 80. Die Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft setzt einen dahingerichteten Willen eines oder beider Ehegatten voraus. Keine Heim110
Die Ehescheidung
trennung liegt vor, wenn rein äußere Verhältnisse zu der Trennung geführt haben. Zu denken ist hier etwa an eine berufs- oder gesundheitsbedingte Abwesenheit. Aber auch die Strafhaft eines Ehegatten hebt die häusliche Gemeinschaft nicht auf, gleichgültig, ob sie verschuldet ist oder nidit, es sei denn, daß der eine Teil dem anderen deutlich zu erkennen gibt, daß er nach der Beendigung der Haft die häusliche Gemeinschaft nicht wieder aufnehmen will; vgl. BGH2 38, 266. bb) Es muß eine so tiefgreifende unheilbare Zerrüttung des ehelichen Verhältnisses eingetreten sein, daß die Wiederherstellung einer dem Wesen der Ehe entsprechenden Lebensgemeinschaft nicht mehr zu erwarten ist. Dazu genügt aber, daß nur ein Ehegatte (auch der Schuldige) sich von dem anderen endgültig abgewandt hat; vgl. RGZ 160, 95. Die einseitige Bereitwilligkeit des Beklagten, die Ehe fortzusetzen, beseitigt die eingetretene Zerrüttung nicht; vgl. RGZ 159, 307. cc) Um eine mißbräuchliche Ausnutzung des Scheidungsrechts zu verhindern, gibt § 48 II EheG dem beklagten Ehegatten ein Widerspruchsrecht, wenn der Kläger die Zerrüttung ganz oder überwiegend verschuldet hat. Das Gericht fragt zunächst: Aus welchen Gründen haben sich die Ehegatten, in deren Person das eheliche Verhältnis zerrüttet ist, von der Ehe abgewendet? Die zweite Frage lautet dann: Trägt der Kläger daran zumindest überwiegende Schuld? Beispiel: Ein Ehegatte hat sich von seiner Frau wegen naturgegebener Schwierigkeiten beim ehelichen Verkehr abgewendet und ein Verhältnis mit einer anderen Frau angefangen. Er klagt auf Scheidung. Hier ist zu fragen: Beruht die Zerrüttung auf den Schwierigkeiten beim ehelichen Verkehr oder auf den ehewidrigen Beziehungen, die der Mann angeknüpft hat? Im zweiten Fall trifft ihn ein Sdiuldvorwurf, im ersten Fall nicht.
Große Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang der Beweislast zu. Bis vor kurzem vertrat der BGH dazu folgende Auffassung: Der Ehegatte, der sich von der Ehe lossagt und sich von seinem Partner trennt, nimmt eine Handlung vor, die nach allgemeiner Lebenserfahrung geeignet ist, zu einer unheilbaren Zerrüttung der Ehe zu führen. Es spricht also eine tatsächliche Vermutung dafür, daß die Zerrüttung auf einem schuldhaften Verhalten dieses Ehegatten (d. i. normalerweise der Kläger) beruht; vgl. BGHZ 39, 26, 34. Wenn nun der Kläger diese tatsächliche Vermutung widerlegen wollte, mußte er meist Vorwürfe gegen die beklagte Partei erheben (etwa, sie habe den normalen ehelichen Verkehr verweigert). Für diese Behaup111
I. Abschnitt: Eherecht
tung war aber der Kläger nach der früheren Rechtsprechung voll beweispflichtig; vgl. BGH LM N r . 22 zu § 48 Abs. 2 EheG. Konsequenz: Ein Widerspruch hatte regelmäßig die Klageabweisung zur Folge. In dieser Rechtsprechung ist nunmehr ein Wandel eingetreten (vgl. BGH, FamRZ 1968, 510, 592; FamRZ 1969, 602). Der BGH bekennt sich jetzt ganz klar zu dem Grundsatz, daß der beklagte Ehegatte beweisen muß, daß die Zerrüttung ganz oder überwiegend auf einem Verschulden des Klägers beruht. Ein Erfahrungssatz, daß der Ehegatte, der sich vom anderen getrennt hat, durch die Trennung schuldhaft die Ehe zerrütte, wird nicht mehr anerkannt. Der Kläger muß lediglich die Umstände darlegen, auf die er den Verlust seiner ehelichen Gesinnung zurückführt. Das hat in solcher Weise zu geschehen, daß eine gewisse Wahrscheinlichkeit für sie spricht. Ergibt sich, daß unter diesen angegebenen Umständen den Kläger nicht die überwiegende Schuld an der Zerrüttung der Ehe treffen würde, dann ist es Sache des beklagten Ehegatten zu beweisen, daß der Kläger seine eheliche Gesinnung nicht aus diesen von ihm angegebenen Gründen, sondern aus von ihm verschuldeten oder verborgen gehaltenen verloren hat. Kann er diesen Beweis nicht führen, wird sein Widerspruch für unzulässig gehalten. Im Ergebnis bedeutet das: Die Scheidung trotz Widerspruchs wird wieder zur Regel, die Klageabweisung wegen des Widerspruchs zur Ausnahme; vgl. Deubner, Die Beweislastverteilung bei Anwendung des § 48 II EheG, N J W 1969, 1645. Ist der Widerspruch zulässig (der beklagte Ehegatte kann nachweisen, daß die Zerrüttung ganz oder überwiegend vom Kläger verschuldet ist), so ist die Scheidungsklage grundsätzlich abzuweisen. Von diesem Grundsatz gibt es nur eine Ausnahme: die rechtsmißbräuchliche Ausübung des Widerspruchsrechts. Fehlen dem widersprechenden Ehegatten die Bindung an die Ehe und die zumutbare Bereitschaft, die Ehe fortzusetzen, dann ist sein Widerspruch unbeachtlich, § 48 II EheG. Bindung an die Ehe meint Bindung an die konkrete Ehe. Es müssen wenigstens noch Ansätze einer positiven Einstellung zu dem anderen Ehegatten erkennbar sein; welche Gründe den Ehegatten vornehmlich bewegen, an der Ehe festzuhalten, spielt daneben keine Rolle; vgl. BGH N J W 1965, 584. Eine Bindung an die Ehe fehlt, wenn der Gedanke an die Ehe — dazu gehört auch der eheliche Verkehr — in dem beklagten Ehegatten nur noch negative Regungen, H a ß oder Abneigung erweckt; vgl. BGH, FamRZ 1964, 193. 112
Die Ehescheidung So ist z. B. einer Ehefrau, die nach langjähriger Ehe vorwiegend aus Versorgungsgriinden an der Ehe festhält, die Bindung an die Ehe nicht abzusprechen; vgl. BGHZ 37, 386. Audi der Gedanke an das Kindeswohl kommt als Grundlage einer beachtlichen Bindung in Betracht; vgl. BGH, FamRZ 1962, 364. Desgleichen kann die religiöse Auffassung von der Ehe die Grundlage einer echten Bindung sein, wenn durch sie das Bewußtsein der Verantwortung für den Ehepartner wachgehalten wird, während es wohl nicht genfigt, wenn der widersprechende Ehegatte nur äußerlich religiösen Pflichten nachkommen will; vgl. BGH, FamRZ 1967, 456. Ob eine solche Bindung allerdings auch nach jahrzehntelanger Trennung noch bestehen kann, wie der BGH meint (vgl. BGH, FamRZ 1967, 93) ist zweifelhaft.
dd) Dem Scheidungsbegehren ist endlich nach § 48 I I I EheG nicht stattzugeben, wenn das wohlverstandene Interesse eines oder mehrerer minderjähriger Kinder, die aus der Ehe hervorgegangen sind, die Aufrechterhaltung der Ehe fordert. Das Interesse der Kinder ist ein von Amts wegen zu berücksichtigender, von der Erhebung des Widerspruchs unabhängiger Klageabweisungsgrund; vgl. OLG Celle, FamRZ 1963, 523. Beispiel: Die Klage ist abzuweisen, wenn nach der Überzeugung des Gerichts die Scheidung eine Unterhaltsgefährdung für das Kind zur Folge haben würde (BGH, FamRZ 1969, 26).
IV. Das Recht auf Scheidung und der
Scheidungsprozeß
1. Das Scheidungsrecht ist kein privatrechtlicher Anspruch, sondern ein Gestaltungsrecht. Das Gesetz spricht zwar davon, daß ein Ehegatte Scheidung „begehren" kann, aber damit ist der öffentlich-rechtliche Anspruch auf Erlaß des Scheidungsurteils gemeint, der bei Vorliegen eines Scheidungsgrundes gegeben ist. Es hieße das Wesen des Scheidungsrechts verkennen, wenn man es diesem publizistischen Anspruch gleichsetzen würde. Der Schwerpunkt liegt in der Willenserklärung des Scheidungsbereditigten, sidi von der Ehe zu lösen, in seiner Ehekündigung. Wegen der sozialen Bedeutung der Ehe ist es den Ehegatten aber nicht gestattet, sich durch eine bloße Willenserklärung zu scheiden; die Ehekündigung muß vielmehr durch Klage erfolgen und setzt zu ihrer Wirksamkeit einen Richterspruch voraus, der das Vorliegen eines Scheidungsgrundes bejaht und das Band der Ehe zerschneidet. 2. Dem Charakter der Ehe entspricht die höchstpersönliche Natur des Sdieidungsrechts. Seine Ausübung steht deshalb dem Geschäftsbeschränkten zu ohne Mitwirkung des Gewalthabers; nach § 612 ZPO 8 Henrich, Familienrecht
113
I. Abschnitt: Eherecht
ist er für den Scheidungsprozeß prozeßfähig. Nur für den Geschäftsunfähigen muß der gesetzliche Vertreter auf Scheidung klagen, bedarf dazu aber der Genehmigung des Vormundschaftsgerichts. 3. Die Scheidungsklage gehört zu den Ehesachen (§§ 606 ff. ZPO), einer Verfahrensart, die sich gegenüber gewöhnlichen Verfahren in vielen Beziehungen unterscheidet. Insbesondere ist die Verhandlungsmaxime (d. h. die Stoffherrschaft der Parteien) ausgeschaltet für alle ehefeindlichen Tatsachen. Das bedeutet, daß eine ehefeindliche Tatsache nicht als wahr unterstellt werden darf, wenn sie nicht bestritten wird. Es gibt im Eheverfahren weder ein Anerkenntnis- noch ein Versäumnisurteil gegen den Beklagten. Das Gericht hat ein eigenes Ermittlungsrecht. Es kann zur Aufrechterhaltung der Ehe auch solche Tatsachen berücksichtigen, die von den Parteien nicht vorgebracht worden sind. [Daß von diesem Ermittlungsrecht selten Gebrauch gemacht wird, steht auf einem anderen Blatt!] Der Staatsanwalt ist zur Mitwirkung befugt, tritt freilich kaum noch als defensor matrimonii in Erscheinung. Ausschließlich zuständig für jede Ehescheidungsklage ist das Landgericht, in dessen Bezirk die Ehegatten ihren gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt haben oder zuletzt gehabt haben, § 606 ZPO. Der Klage hat grundsätzlich ein Sühneversuch vor dem zuständigen Gericht vorherzugehen, von dem allerdings auch abgesehen werden kann, wenn seine Erfolglosigkeit mit Bestimmtheit vorauszusehen ist, §§ 608, 609 ZPO. Stirbt ein Ehegatte vor Rechtskraft des Urteils, so ist der Rechtstreit in der Hauptsache erledigt. Das Urteil kann nicht mehr erlassen bzw., wenn es bereits erlassen ist, nicht mehr rechtskräftig werden, § 628 ZPO. Besonders geregelt ist in den §§ 627 ff. Z P O der Erlaß einstweiliger Anordnungen. Das Gericht kann — auf Antrag eines der Gatten — für die Dauer des Rechtsstreits den Gatten das Getrenntleben gestatten, den gegenseitigen Unterhalt regeln, über die Benutzung der Ehewohnung und des Hausrats entscheiden und schließlich auch bestimmen, wem die Personensorge für die Kinder einstweilen zustehen soll. 4. Der Eheprozeß soll das eheliche Verhältnis als Ganzes ergreifen. Darum muß der klagende Ehegatte alle Umstände vortragen, die sein Klagebegehren rechtfertigen können. Trägt er einen Umstand nicht vor und wird seine Klage abgewiesen, so kann er nicht in einem späteren Prozeß seine Klage auf die im ersten Prozeß verschwiege114
Die Ehescheidung
nen Umstände gründen. Er ist mit diesen Tatsachen „präkludiert". Dasselbe gilt bemerkenswerterweise audi für den Beklagten. Wird die Klage abgewiesen und will später der Beklagte seinerseits sich scheiden lassen, so kann er seine Scheidungsklage nicht auf Tatsachen gründen, die er im Erstprozeß hätte vortragen können, aber nicht vorgetragen hat, § 616 ZPO. Beispiel: Die Frau klagt auf Scheidung wegen Ehebruchs. D a ß sie selbst ebenfalls Ehebruch begangen hat, kommt in dem Prozeß nicht zur Sprache, obgleich der Ehemann davon weiß. Wird die Klage abgewiesen, so kann nicht der Mann in einem späteren Prozeß seinerseits eine Scheidungsklage auf diesen Ehebruch der Frau stützen. Er ist mit diesem Vorbringen präkludiert.
Ist eine Klage auf Sdieidung wegen objektiver Ehezerrüttung abgewiesen worden, so ist eine erneute auf § 48 EheG gegründete Klage nur zulässig, wenn der Kläger neue Tatsachen vorträgt, die sein Scheidungsrecht nunmehr als begründet erscheinen lassen, sei es, weil aus ihnen die inzwischen eingetretene unheilbare Zerrüttung der Ehe entnommen werden kann, sei es, weil sich aus ihnen ergibt, daß der Beklagte sich nunmehr an die Ehe nicht mehr gebunden fühlt oder sie nicht mehr fortsetzen will, m. a. W. sein Widerspruchsrecht verloren hat; vgl. BHG, FamRZ 1968, 139. ß. In vielen Fällen beantwortet der beklagte Ehegatte die Scheidungsklage mit einer Widerklage. Erstrebt er nämlich auch seinerseits die Scheidung, so entgeht er durch die Erhebung der Widerklage dem Risiko, daß die Klage abgewiesen wird, die Ehe bestehen bleibt und seine eigenen nicht vorgetragenen Scheidungsgründe konsumiert sind, in einem späteren Prozeß also nicht mehr vorgetragen werden können. Bedeutsam ist eine Widerklage auch für de« Schuldausspruch, den das Urteil treffen muß, wenn eine Scheidung wegen Verschuldens erfolgt, § 52 I EheG. Darum begnügt sich der Beklagte regelmäßig nicht mit dem Antrag auf Klageabweisung, sondern begehrt widerklagend Scheidung aus den von ihm vorgetragenen Gründen. Der Beklagte ist freilich nicht gezwungen, Widerklage zu erheben, wenn er nichts anderes erstrebt, als die Nachteile einer Alleinschuldigerklärung von sich abzuwenden. Er kann statt dessen auch den Antrag stellen, den Kläger im Fall der Scheidung für mitschuldig oder sogar überwiegend schuldig zu erklären, § 52 I I I EheG. Voraussetzung eines solchen Antrags ist, daß der Beklagte z. Z. der Klageerhebung oder später selbst wegen Verschuldens auf Sdieidung hätte klagen können. t
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I. Abschnitt: Eherecht
Einen Schuldantrag kann der Beklagte darüber hinaus auch dann stellen, wenn der Kläger die Scheidung nicht wegen Verschuldens, sondern aus anderen Gründen begehrt, z. B. wegen objektiver Ehezerrüttung, § 53 II EheG. In diesem Fall wird — die Begründetheit der Anträge vorausgesetzt — die Ehe wegen Zerrüttung geschieden, der Kläger aber für schuldig erklärt. Dieses Ergebnis ist dann unbillig, wenn auch den Beklagten eine Schuld an der Zerrüttung trifft. Der Kläger ist hier in einer schwierigen Situation. Den Schuldantrag des Beklagten mit einem Gegenschuldantrag beantworten kann er nicht. Dafür fehlt es an einer gesetzlichen Grundlage (str.). Die einzige Möglichkeit, die ihm bleibt, ist die, den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung zu erheben. Der Schuldantrag ist abzuweisen, wenn sich aus einer Würdigung des gesamten ehelichen Verhaltens der Ehegatten ergibt, daß eine einseitige Schuldfeststellung gegen den Kläger sittlich nicht gerechtfertigt ist und der Billigkeit grob widerspricht; vgl. BGH, FamRZ 1965, 555. V. Das Erlöschen des Scheidungsrechts Das Scheidungsrecht erlischt 1. bei allen Scheidungsgründen a) durch Auflösung oder Vernichtung der Ehe vor der Scheidung; b) durch prozessuale Konsumtion nach § 616 Z P O (s. o. IV, 4). 2. Bei den Verschuldensgründen a) durch Verzeihung, § 49 EheG; b) durch Verzicht; c) durch Fristversäumnis, § 50 EheG. zu a) Der Charakter der Verzeihung ist außerordentlich streitig. Sie ist keine reine Gefühlsäußerung (ein Gatte kann den Ehebruch verzeihen, ohne sich innerlich mit dieser Kränkung abfinden zu können, und er kann nicht verzeihen, obwohl ihn der Ehebruch ganz gleichgültig gelassen hat). Sie ist aber auch keine Willenserklärung, denn sie ist nicht der Ausdruck einer rechtsgeschäftlichen Erfolgsabsicht. Sie ist vielmehr eine Rechtshandlung, durch die der Wille geäußert wird, die erlittene Kränkung als nicht geschehen zu behandeln und die Ehe fortzusetzen; vgl. RGZ 134, 139. Deshalb finden die Vorschriften des allgemeinen Teils über die Willenserklärung auf die Verzeihung nicht unmittelbar Anwendung, sondern nur, soweit sie auf deren Eigenart passen. Häufig (nicht schlechthin) wird in einem freiwilligen geschlechtlichen Verkehr trotz Kenntnis des Scheidungsgrundes eine Verzeihung zu erblicken sein; vgl. RGZ 163, 250. 116
Die Folgen der Scheidung
Von der Verzeihung ist der Fall scharf zu scheiden, daß der gekränkte Gatte die Verfehlung des anderen nicht als ehezerstörend empfunden hat; hier kommt das Scheidungsrecht überhaupt nicht zur Entstehung, § 49 EheG. zu h) Ein Verzicht auf das Scheidungsrecht ist die rechtsgeschäftliche Erklärung, das (entstandene) Scheidungsrecht aufzugeben oder nicht geltend zu machen — ohne daß auch der Wille vorhanden sein muß, die geschehene Kränkung als nicht erfolgt anzusehen. zu c) Zum Erlösdien des Scheidungsrechts durch Fristversäumnis: Das Scheidungsredit muß binnen einer Ausschlußfrist von sechs Monaten seit Erlangung der Kenntnis vom Scheidungsgrund ausgeübt werden und ist schlechthin ausgeschlossen, wenn seit der Eheverfehlung zehn Jahre verstrichen sind, § 50 EheG. Wichtig: Die Sechs-Monats-Frist läuft nicht, ist also gehemmt, solange die häusliche Gemeinschaft aufgehoben ist, § 50 I, 3 EheG. Durdi die Trennung vermag sidi also der schuldlose Gatte dem Druck auf alsbaldige Erhebung der Scheidungsklage zu entziehen und sich das Scheidungsrecht auf unbestimmte Zeit zu erhalten. Demgegenüber kann der schuldige Gatte, um nicht zu lange hingehalten zu werden, dem Klageberechtigten eine Frist zur Herstellung der häuslichen Gemeinschaft oder zur Klageerhebung setzen; vom Empfang der Aufforderung an läuft die Sedis-Monats-Frist weiter, § 50 I, 4 EheG.
§ 15. Die Folgen der Scheidung I. Nachwirkungen der Ehe zwischen den geschiedenen Gatten Mit der Rechtskraft des Scheidungsurteils ist die Ehe aufgelöst, § 41 S. 2 EheG. Das bedeutet aber nicht, daß die Ehegatten nunmehr einander so gegenüberstehen, als seien sie niemals miteinander verheiratet gewesen. Die aufgelöste Ehe hat Nachwirkungen. 1. Der Name der Frau Die geschiedene Frau behält den Familiennamen ihres Mannes, § 54 EheG. Sie darf aber auch ihren Mädchennamen wieder annehmen (mit dem Zusatz „Frau") oder auch den Namen einer früheren Ehe, der ihr bei Eingehung der jetzt geschiedenen zustand; dies aber nur unter der weiteren Voraussetzung, daß aus der früheren Ehe noch Nachkommen vorhanden sind und diese Ehe nicht aus alleinigem oder überwiegendem Verschulden der Frau geschieden worden ist, § 55 EheG. 117
I. Abschnitt: Eherecht Die h. M. stellt nicht darauf ab, ob die frühere Ehe, sondern darauf, ob die letzte Ehe der Frau aus ihrem alleinigen oder überwiegenden Verschulden geschieden worden ist. In der Tat spricht die Entstehungsgeschichte für diese Auslegung. Man wollte die Familie des früheren Ehemannes vor dem „Makel" schützen, „der einer schuldig geschiedenen Frau anhaftet"; vgl. OLG Celle, FamRZ 1969, 426. Diese Begründung vermag indessen heute nicht mehr zu überzeugen. Entscheidend kann nadi heutiger Auffassung nur sein, ob die Frau sich gegen ihren ersten Mann in einer Weise vergangen hat, die eine spätere Annahme seines Namens als dem Mann oder seiner Familie nicht zumutbar erscheinen läßt. — Bemerkenswert übrigens, daß auch nach Ansicht der h. M. der Wiederannahme des früheren Familiennamens nichts im Wege stehen soll, wenn der frühere Ehemann damit einverstanden ist; vgl. OLG Celle a. a. O. Der allein oder für überwiegend schuldig erklärten Frau kann der Mann die Weiterführung seines Namens verbieten, und zwar durch öffentlich beglaubigte Erklärung gegenüber dem Standesbeamten, der der Frau diese Erklärung mitteilen soll. Mit dem Verlust des Mannesnamens erhält die Frau ihren Familiennamen wieder, § 56 EheG. Vom Vormundschaftsgericht kann der Frau auf Antrag ihres Mannes die Weiterführung seines Namens untersagt werden, wenn sie sich nach der Scheidung einer schweren Verfehlung gegen den Mann schuldig macht oder gegen seinen Willen einen ehrlosen oder unsittlichen Lebenswandel führt, § 5 7 EheG. Anträge des Mannes nach § 57 EheG gründen sich meist darauf, daß seine frühere Frau ehrenrührige Behauptungen über ihn verbreite oder allzu freizügig im Umgang mit anderen Männern sei. Bei den letzteren Tatbestandsgruppen ist jedoch zu beachten, daß der Sinn des § 57 EheG nicht darin liegt, die geschiedene Ehefrau zu einem sittlichen Verhalten anzuhalten, sondern darin, den unbescholtenen Namen des Mannes zu schützen. Geschlechtsbeziehungen der Frau zu einem anderen Mann rechtfertigen darum für sich allein die Untersagung der Namensführung noch nicht. Es muß hinzukommen, daß ihr Verhalten in der Öffentlichkeit bekanntgeworden ist und allgemein als anstößig empfunden wird; denn nur dann hat der Mann um seinen Ruf zu fürchten; vgl. OLG Frankfurt, FamRZ 1964, 304. 2.
Unterhaltspflichten
Bei den Unterhaltspflichten nach der Scheidung spielt es eine Rolle, ob das Scheidungsurteil einen Schuldaussprucb enthält oder nicht. a) Enthält das Urteil einen Schuldausspruch, so hat nach den §§ 58 I, 61 I EheG der allein oder überwiegend für schuldig erklärte Mann grundsätzlich der Frau einen den Lebensverhältnissen der Gatten entsprechenden Unterhalt zu gewähren, wenn die Frau bedürftig ist, d. h. wenn sie sich aus den Einkünften ihres Vermögens 118
Die Folgen der Scheidung und den Erträgen einer Erwerbstätigkeit nidit angemessen unterhalten kann. Die allein oder überwiegend für schuldig erklärte Frau hat dagegen dem Mann nur dann einen angemessenen Unterhalt zu zahlen, wenn der Mann außerstande ist, sich selbst zu unterhalten, sei es durch eigene Arbeit oder sei es aus dem Stamm seines Vermögens, §§ 58 II, 61 I EheG. Nach dem Wortlaut dieser Vorsdiriften besteht also eine Diskrepanz zwischen der Unterhaltspflicht des Mannes und der Unterhaltspflicht der Frau. Bei der Frau wird gefragt: Reicht das, was sie tatsächlidi verdient, für sie aus? Bei dem Mann lautet die entsprechende Frage: Kann er sich seinen Unterhalt selbst verdienen? Diese unterschiedliche Regelung widerspricht dem Grundsatz der Gleichberechtigung. Die Gerichte haben deswegen eine verfassungskonforme Interpretation dieser Vorschriften entwickelt. Sie fragen nämlich nunmehr auch bei der Frau: Kann ihr nach den Umständen des Einzelfalls die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit billigerweise zugemutet werden? Vgl. BayObLG, FamRZ 1962, 120; LG Bonn, FamRZ 1966, 196. Die gegen das letztgenannte Urteil erhobene Verfassungsbeschwerde wurde vom BVerfG als offensichtlich unbegründet nicht zur Entscheidung angenommen. Das BVerfG stellt dabei ausdrücklich fest, daß die Auffassung des Landgerichts keine willkürliche Gesetzesauslegung darstelle (FamRZ 1966, 197). Die Unterhaltspflicht des schuldig erklärten Ehegatten wird eingeschränkt, wenn er durdi die Unterhaltsgewährung den eigenen angemessenen Unterhalt, sowie den Unterhalt seiner minderjährigen unverheirateten Kinder und eines etwaigen neuen Ehegatten gefährden würde. In diesem Fall ermäßigt sich die Unterhaltspflicht auf das, was mit Rücksicht auf die Bedürfnisse und die Vermögens- und Erwerbsverhältnisse der geschiedenen Ehegatten der Billigkeit entspricht, § 59 I EheG. Außerdem haften hier — abweichend von der Regel — die unterhaltspflichtigen Verwandten des unterhaltsberechtigten Ehegatten vor dem geschiedenen Gatten, § 63 I, 2 EheG. Bei beiderseitigem Wersdoulden fällt die Unterhaltspflicht grundsätzlich fort, wenn keiner der Ehegatten für überwiegend schuldig erklärt worden ist. Doch kann dem Ehegatten, der sich nicht selbst unterhalten kann, ein Unterhaltsbeitrag zu Lasten des anderen zugebilligt werden, soweit das unter Berücksichtigung von dessen Bedürfnissen, Vermögens- und Erwerbsverhältnissen der Billigkeit entspricht; auch hier geht die Unterhaltspflicht der Verwandten des Bedürftigen vor, § 60 EheG. 119
I. Absdmitt: Eheredit b) Bei Scheidung ohne Schuldausspruch hat der Gatte, der die Scheidung verlangt hat, dem anderen Unterhalt zu gewähren, aber nur soweit, als das mit Rücksicht auf die gesamten Verhältnisse der Billigkeit entspricht, § 61 I I EheG. Die Unterhaltspflicht des Gatten geht hier der der Verwandten vor, doch kann seine Unterhaltsleistung aus Billigkeitsgründen mit Rücksicht auf die Leistungsfähigkeit der Verwandten des Berechtigten auch verneint oder beschränkt werden. Mit der Überbürdung der Unterhaltspflicht auf den Kläger wollte der Gesetzgeber offensichtlich einen Abschreckungseffekt erzielen. Die Konsequenzen sind unbefriedigend. Der auf Unterhalt angewiesene Ehegatte kann praktisch keine Scheidungsklage wegen objektiver Ehezerrüttung erheben. c) Der Unterhaltsanspruch erlischt durch Verwirkung, wenn der Berechtigte sich nach der Scheidung einer schweren Verfehlung gegen den Verpflichteten sdiuldig macht oder gegen dessen Willen einen ehrlosen oder unsittlichen Lebenswandel führt, § 66 EheG; ferner durdi Wiederverheiratung ( § 6 7 EheG) und Tod des Berechtigten (§ 69 EheG), endlich bei zeitlicher Beschränkung (§ 60 EheG) durch Zeitablauf. Dagegen erlischt er nicht durch die Wiederverheiratung des Verpflichteten, § 68 EheG; doch können die dadurch begründeten neuen Pflichten gegenüber dem neuen Ehegatten und den minderjährigen Kindern nach §§ 59 I, 2, 60 S. 2, 61 II, 2 EheG zu einer Minderung der Unterhaltspflicht führen. Ebensowenig erlischt die Unterhaltspflicht durch den Tod des Verpflichteten. Sie geht vielmehr als Nachlaßverbindlichkeit auf die Erben über, die freilich die Haftung auf den Nachlaß beschränken können, § 70 EheG. Die Unterhaltspflicht mindert sich auf die Leistung nur des notdürftigen Unterhalts, wenn der Berechtigte infolge sittlichen Verschuldens bedürftig geworden ist, § 65 I EheG. Dieser Fall ist von dem der Verwirkung wegen eines (dauernden) unsittlichen Lebenswandels (§ 66 EheG) zu scheiden; zu denken ist an die durch ein einmaliges schuldhaftes Verhalten (z. B. Straftat und Entlassung wegen derselben) herbeigeführte Bedürftigkeit. d) Die Unterhaltsregelung muß in einem besonderen Prozeß erfolgen. Doch hat das Scheidungsgericht auf Antrag zugleich mit dem Scheidungsurteil auch die Unterhaltsgewährung einstweilen durch Beschluß zu regeln, § 627b ZPO. e) Die Gatten können die Unterhaltspflicht auch durch Vereinbarung regeln, und zwar schon vor der Scheidung. Solche Verträge erkennt § 72 EheG grundsätzlich als gültig an. 120
Die Folgen der Scheidung
f) Ob neben einem Unterhaltsanspruch noch Scbadensersatzanspriiche wegen des durch die Scheidung oder im Zusammenhang mit der Scheidung entstandenen Schadens geltend gemacht werden können, ist bestritten. Die Frage ist gelegentlich bejaht worden mit der Begründung, die eheliche Gemeinschaft könne nicht wieder hergestellt werden, deswegen entfalle der Gesichtspunkt der Spezialität der Wiederherstellungsklage gegenüber deliktischen Klagen. Auch verschiedene ausländische Rechte lassen solche Schadensersatzklagen zu, so etwa das französische und das schweizerische Recht und die Rechte der skandinavischen Länder. Für das deutsche Recht wird man jedoch davon ausgehen müssen, daß die Folgen eines ehewidrigen Verhaltens — selbst wenn dieses Verhalten zugleich den Tatbestand einer unerlaubten Handlung erfüllt — im Gesetz auch für den Zeitraum nach der Scheidung abschließend geregelt sind; vgl. BGHZ 23, 215; 26, 217. II. Vermögenskorrekturen
nach der Scheidung der Ehe
1. Der Widerruf von Schenkungen Schenkungen, die die Gatten einander während des Brautstandes oder während der Ehe gemacht haben, bleiben grundsätzlich bestehen. Jedoch kann, wenn ein Ehegatte für allein schuldig erklärt wird, der andere die von ihm gemachten Schenkungen, mit Ausnahme von solchen von unerheblichem Geld- oder Gefühlswert, widerrufen. § 531 BGB ist anwendbar, § 73 I EheG. 2. Ehewohnung und Hausrat Ein widitiges Problem ist die Auseinandersetzung der Gatten hinsichtlich der gemeinschaftlichen Wohnung und des Hausrats. Rechtsgrundlage dafür bildet die 6. DVO zum EheG vom 21. 10. 1944. Danach gilt: a) Wenn die Gatten sich nach der Scheidung nicht darüber einigen können, wer von ihnen die Ehewohnung künftig bewohnen und wer die Wohnungseinrichtung und den sonstigen Hausrat erhalten soll, so regelt auf Antrag der Richter die Rechtsverhältnisse an der Wohnung und dem Hausrat, § 1 HausratsVO. Zuständig ist das Amtsgericht, in dessen Bezirk die Ehegatten zuletzt gemeinsam gewohnt haben, § 11 Hausrats VO. Die Regelung erfolgt im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit, § 13 HausratsVO. b) Das Gericht entscheidet nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles, § 2 Hausrats VO. Ist ein Ehegatte Eigentümer des Hauses, in dem sich die Ehewohnung befindet, so soll die Wohnung dem anderen Gatten nur zugewiesen wer121
I. Abschnitt: Eherecht den, wenn dies notwendig ist, um unbillige Härten zu vermeiden, § 3 HausratsVO. Bei einer Mietwohnung kann der Riditer bestimmen, daß ein von beiden Gatten eingegangenes Mietverhältnis von einem allein fortgesetzt wird oder daß ein Ehegatte an Stelle des anderen in ein von diesem eingegangenes Mietverhältnis eintritt, § 5 HausratsVO. c) Den beiden Gatten gemeinsam gehörenden Hausrat verteilt der Riditer gerecht und zweckmäßig. Hausrat, der während der Ehe angeschafft wurde, gilt als gemeinsames Eigentum, es sei denn, daß das Alleineigentum eines Gatten feststeht. Die Gegenstände gehen in das Alleineigentum des Gatten über, dem der Richter sie zuteilt. Je nadi der Sachlage ist diesem die Zahlung eines Kaufpreises oder einer Ausgleichssumme aufzuerlegen, § 8 HausratsVO. Der Richter kann auch einen im Alleineigentum eines Gatten stehenden Gegenstand dem anderen zuweisen, wenn dieser auf seine Weiterbenutzung angewiesen ist und dem anderen Gatten die Überlassung zuzumuten ist. In diesem Fall kann der Richter einen Zwangsmietvertrag diktieren oder bei Notwendigkeit einer endgültigen Auseinandersetzung sogar das Eigentum gegen angemessenes Entgelt übertragen, § 9 HausratsVO. III. Verträge zur Regelung der
Scheidungsfolgen
1. Die Regelung der Scheidungsfolgen ist in erster Linie eine Angelegenheit der geschiedenen Ehegatten. Sind sich die Ehegatten über die Höhe des Unterhalts, über die Zuweisung der Ehewohnung, über die Verteilung des Hausrats einig, so brauchen sie keinen Richter. Das gleiche gilt grundsätzlich auch für die Frage, bei welchem Ehegatten die Kinder bleiben sollen. Zwar muß darüber in jedem Fall das Vormundschaftsgericht entscheiden, § 1671 I. Das Gericht darf aber von einem gemeinsamen Vorschlag der Eltern nur abweichen, wenn dies zum Wohl des Kindes erforderlich ist, § 1671 II. Von den Ehegatten wird also in all diesen Fragen eine Einigung erwartet. Nun lehrt aber die Erfahrung, daß ein Scheidungsprozeß nicht selten eine starke persönliche Erbitterung erzeugt, die eine gütliche Auseinandersetzung nach der Scheidung sehr erschwert. Es liegt darum nahe, daß die Ehegatten sidi schon vor der Scheidung über diese Fragen verständigen. Verträge vor der Scheidung bergen allerdings eine Gefahr. Der „unschuldige" Ehegatte wird häufig der Versuchung erliegen, sich seine Einwilligung in eine Konventionalscheidung „abkaufen" zu lassen. Er erklärt sich beispielsweise bereit, einen Scheidungsausschließungsgrund, etwa eine Verzeihung, nur dann nidit geltend zu machen, wenn der Partner ihm eine hohe Unterhalts122
Die Folgen der Scheidung
leistung verspricht, oder einem erdichteten Scheidungsgrund nicht zu widersprechen, wenn ihm dafür ein Hausgrundstück zu Eigentum übertragen wird. Die Rechtsprechung hat wegen dieser Möglichkeiten gegenüber allen vor der Scheidung getroffenen Abkommen lange Zeit große Zurückhaltung beobachtet und den Grundsatz aufgestellt, daß ein eine wesentliche Erleichterung der Scheidung bezweckendes Abkommen unter Eheleuten als eine Verletzung des Grundsatzes des Eheschutzes nicht bloß unsittlich, sondern auch gesetzwidrig sei; vgl. RG, JW 1930, 983. In dieser allgemeinen Form ließ sich diese Rechtsprechung jedoch nidit halten. Nicht jeder Vertrag, der eine Scheidung erleichtert, ist deswegen allein schon rechts- und sittenwidrig. Enthält er nichts anderes, als was die Ehegatten auch nach der Scheidung hätten vereinbaren können, so muß er als rechtswirksam angesehen werden. Der Umstand, daß er — mittelbar — die Scheidung erleichtert hat, weil er nämlich die Folgen der Scheidung für die Ehegatten überschaubarer gemacht hat, rechtfertigt für sich allein noch kein Verdikt. Nur dann, wenn die getroffene Vereinbarung bezweckt, einen Scheidungsgrund erst zu schaffen oder zu erdichten oder einen vorhandenen Grund zu verschleiern oder ähnliche besondere Umstände gegeben sind, ist die Vereinbarung rechts- und sittenwidrig. 2. Insbesondere:
Unterhaltsverträge
Die von der Rechtsprechung entwickelte unterschiedliche Behandlung von vor der Scheidung geschlossenen Verträgen über die Scheidungsfolgen ist inzwischen vom Gesetzgeber für den Bereich der Unterhaltsverträge ausdrücklich sanktioniert worden. Eine Unterhaltsvereinbarung soll nicht deshalb als nichtig angesehen werden, heißt es in § 72 S. 2 EheG, weil sie die Scheidung erleichtert oder ermöglicht hat. Nichtig ist sie nur dann, wenn die Ehegatten im Zusammenhang mit der Vereinbarung im anschließenden Ehescheidungsprozeß einen nicht oder nicht mehr bestehenden Scheidungsgrund geltend machen oder wenn sich aus dem Inhalt der Vereinbarung oder aus den Umständen des Falles ein sonstiger Verstoß gegen die guten Sitten ergibt, § 72 S. 3 EheG. Beachte: Ein Unterhaltsvertrag ist auch dann gültig, wenn er mit sdieidungserleichternden Absprachen verbunden ist. Beispiele: Im Unterhaltsvertrag kann ein Ehegatte sich verpflichten, der Stheidung nicht zu widersprechen (§ 48 II EheG) — das Widerspruchsrecht untersteht seiner freien Verfügung. Das gleiche gilt für das Versprechen, auf Rechtsmittel zu verzichten
123
§ 16
II- Abschnitt: Kindschafts- und Verwandtschaftsrecht
(RGZ 159, 186) oder von mehreren wirklich gegebenen Scheidungsgründen einen bestimmten (Ehebruch!) nicht geltend zu machen. Sittenwidrig ist eine solche Absprache jedoch dann, wenn ein Gatte seine Zustimmung zur Scheidung durch ungewöhnlich hohe und durch nidits gerechtfertigte Vorteile erkaufen läßt (RGZ 159, 165) oder ein Dritter (z. B. der Ehebruchspartner) hinzugezogen wird, um die Sdieidung zu finanzieren; vgl. BGH, NJW 1951, 268.
3. Über die Wirksamkeit sonstiger Abmachungen schweigt das Ehegesetz. Man wird die in § 72 EheG für die Unterhaltsverträge anerkannten Grundsätze auch auf diese anderen Abmachungen entsprechend anwenden dürfen, und zwar sowohl auf Abmachungen vermögensrechtlicher Natur (BGH, FamRZ 1964, 245) als audi auf Verträge, die die Verteilung der Kinder zum Gegenstand haben. Auch sie sind nichtig, wenn im Zusammenhang damit ein nicht oder nicht mehr bestehender Scheidungsgrund geltend gemacht werden soll.
II. ABSCHNITT: KINDSCHAFTS- U N D VERWANDTSCHAFTSRECHT
§ 16. Abstammung I. Die eheliche Abstammung 1. Grundsätzliches Die eheliche Abstammung ist für verschiedene Rechtsverhältnisse von Bedeutung. Von ihr hängt z. B. ab, wem die elterliche Gewalt über das Kind zusteht, wessen Namen und Staatsangehörigkeit das Kind erwirbt, wer für seinen Unterhalt zu sorgen hat, wem gegenüber das Kind erbberechtigt ist u. a. m. Darum sind Kriterien erforderlich, aus denen sich ergibt, welche Kinder als ehelich anzusehen sind und welche nicht. Der Gesetzgeber darf sich aber nicht darauf beschränken, die Voraussetzungen der ehelichen Abstammung zu bestimmen, er muß auch den Weg bezeichnen, auf dem die zunächst für die Ehelichkeit eines in einer Ehe geborenen Kindes sprechende Vermutung widerlegt werden kann, und er muß schließlich die Frage beantworten, ob jedermann die Unehelichkeit eines Kindes geltend madien kann oder ob nur bestimmte Personen ein Anfechtungsrecht haben sollen. 2. Voraussetzungen der ehelichen Abstammung Ehelich sind alle Kinder, deren Eltern im Zeitpunkt der Geburt miteinander verheiratet sind (auch wenn sie erst einen Tag vor der Geburt geheiratet haben!) oder — wenn ihre Ehe vor der Geburt 124
Abstammung
durch Tod aufgelöst oder durch gerichtliches Urteil für nichtig erklärt worden ist — im Zeitpunkt der Zeugung miteinander verheiratet waren. Es müssen also zwei Voraussetzungen gegeben sein: (1) Geburt während der Ehe oder innerhalb einer bestimmten Frist nach Auflösung oder Nichtigerklärung der Ehe und (2) Zeugung durch den Ehemann der Mutter. Von diesen beiden Voraussetzungen läßt sich die erste ohne Schwierigkeiten feststellen. Dagegen ist die zweite Voraussetzung der Ehelichkeit, daß nämlich die Mutter das Kind vom Ehemann empfangen hat, ungleich schwieriger nachzuweisen. Pater Semper incertus! Das Gesetz hilft sidi deshalb mit einer Ehelichkeitsvermutung, die genau gesehen in zwei Vermutungen zerfällt: a) in eine Beiwohnungsvermutung, b) in eine Vaterschaftsvermutung. a) Die Beiwohnungsvermutung: Die Beiwohnungsvermutung geht davon aus, daß der Mann seiner Frau innerhalb der sog. Empfängniszeit beigewohnt habe, § 1591 II, 1. Die Empfängniszeit ist der Zeitraum, der für die Erzeugung eines Kindes nach den Erfahrungen der ärztlichen Wissenschaft in Betracht kommt; als Empfängniszeit gilt die Zeit vom 181. bis 302. Tag vor der Geburt unter Einschluß dieser Tage, § 1592 I. Daß der Mann seiner Frau beigewohnt hat, wird allerdings nur vermutet, wenn und soweit die Empfängniszeit in die Ehe fällt. Der Gesetzgeber kann keine Vermutung aufstellen, daß unverheiratete Personen geschlechtlich miteinander verkehren. Liegt die Empfängniszeit vor der Eheschließung oder wird die Beiwohnungsvermutung für den in die Ehe fallenden Teil der Empfängniszeit widerlegt, so hat das Kind die voreheliche Beiwohnung zu beweisen. Das Fehlen der Vermutung in diesem Fall bedeutet selbstverständlich nicht, daß ein Kind, das innerhalb von fünf Monaten nach dem Eheschluß geboren wird, als nichtehelich gilt. Der Standesbeamte, dem die Geburt eines Kindes angezeigt wird, wird das Kind als ehelich eintragen, wenn seine Eltern miteinander verheiratet sind, gleichgültig, wann die Ehe geschlossen wurde. Die fehlende Vermutung hat Konsequenzen nur dann, wenn die Ehelichkeit des Kindes angefochten wird. In diesem Fall braucht nämlich der Ehemann nicht die Vermutung zu widerlegen, daß er mit der Mutter des Kindes geschlechtlich verkehrt habe. Die Frage, ob ein Verkehr stattgefunden hat, unterliegt freier richterlicher Beweiswürdigung.
Gegen die Beiwohnungsvermutung ist der einfade Gegenbeweis zulässig, daß der Mann der Frau innerhalb der Empfängniszeit nicht beigewohnt hat. 125
§
16
II- Abschnitt: Kindschafts- und Verwandtschaftsrecht
b) Die Vaterschaftsvermutung: Die Vatersdiaftsvermutung geht von der Ursächlichkeit der Beiwohnung für die Erzeugung des Kindes aus. Es wird also vermutet, daß das Kind bei der — vermuteten — Beiwohnung gezeugt worden ist. Auch hier ist der Gegenbeweis zugelassen. Dabei müssen Umstände dargetan werden, wonach die Empfängnis vom Ehemann offenbar unmöglich ist, § 1591 I, 2. Offenbar unmöglich ist die Empfängnis dann, wenn sie in hohem Grade unwahrscheinlich ist; vgl. BGHZ 7, 116. Es genügt also noch nicht der Nachweis, daß die Frau während der Empfängniszeit mit anderen Männern geschlechtlich verkehrt hat, wohl aber z. B. der Nachweis, daß die Frau, als sie zum erstenmal mit ihrem Mann geschlechtlich verkehrte, bereits schwanger war, oder der Nachweis, daß ein nach dem Tod des Ehemannes geborenes Kind nach seinem Reifegrad nicht mehr von dem verstorbenen Ehemann gezeugt sein kann, wie z. B. ein Sieben-Monats-Kind, das neun Monate nach dem Tod des Ehemannes geboren wird.
Für den Nachweis der offenbaren Unmöglichkeit kommt der Blutuntersuchung große Bedeutung zu. Nach § 372a ZPO haben alle Beteiligten die Pflicht, die Entnahme von Blutproben in familienrechtlichen Streitigkeiten zu dulden, und zwar ohne Rücksicht auf ein etwaiges Zeugnisverweigerungsrecht. Wenn sich bei dem Kind eine Blutgruppe oder Blutfaktoren feststellen lassen, die bei der Mutter und deren Ehemann fehlen, kann dieser nicht der Erzeuger sein. Die Unmöglichkeit der Vaterschaft kann u. U. audi durch ein erbbiologisches Gutachten dargetan werden; vgl. BGH, NJW 1954, 83; FamRZ 1961, 306. 3. Die Geltendmachung der Nichtehelichkeit a) Hier lautet der wichtigste Satz: „Die Unehelichkeit eines Kindes, das während der Ehe oder innerhalb von 302 Tagen nach Auflösung oder Nichtigerklärung der Ehe geboren ist, kann nur geltend gemacht werden, wenn die Ehelichkeit angefochten und die Unehelichkeit festgestellt ist", § 1593. Dieser Satz wird durch einen zweiten ergänzt: Die Ehelichkeit eines Kindes kann nur angefochten werden (1) von dem Mann, der als sein ehelicher Vater gilt, (2) nach dem Tod des Mannes von seinen Eltern und (3) unter bestimmten Voraussetzungen auch vom Kind selbst. D. h.: Wird die Ehelichkeit von diesen Personen nicht angefoditen, so kann sich niemand auf die Nichtehelidikeit des Kindes berufen, 126
Abstammung
§16
mag sie noch so offenkundig sein. Das gilt auch für die Anfechtungsbereditigten selbst. So kann z. B. der Scheinvater des Kindes, d. h. der Ehemann der Mutter, die das Kind im Ehebruch empfangen hat, die an das Kind gezahlten Unterhaltsbeträge vom Erzeuger so lange nicht ersetzt verlangen, als die Ehelichkeit noch nicht angefochten und die Nichtehelichkeit noch nicht rechtskräftig festgestellt ist. b) Das Hauptinteresse an der Beseitigung der Ehelichkeit des Kindes hat der Mann, der als sein Vater gilt. Die Anfechtung der Ehelichkeit steht darum grundsätzlich ihm allein zu, § 1594 I. Die Eltern des Mannes können die Ehelichkeit anfechten, wenn die Anfechtung der Ehelichkeit durch den Mann durch dessen Tod vereitelt worden ist. D. h.: Den Eltern steht das Anfechtungsrecht zu, wenn der Mann gestorben ist, ohne von der Geburt des Kindes Kenntnis erlangt zu haben, ferner, wenn der Mann innerhalb von zwei Jahren seit der Geburt des Kindes gestorben ist, ohne die Ehelichkeit angefochten zu haben. Im letzteren Fall ist das Anfechtungsrecht der Eltern aber ausgeschlossen, wenn feststeht, daß der Mann die Ehelichkeit des Kindes nicht anfechten wollte, § 1595a. Dem Kind steht ein Anfechtungsrecht nur in bestimmten Fällen zu (§ 1596 I), nämlich wenn: (1) der Mann gestorben oder für tot erklärt ist, ohne sein Anfechtungsrecht verloren zu haben, (2) die Ehe geschieden, aufgehoben oder für nichtig erklärt ist oder wenn die Ehegatten seit drei Jahren getrennt leben und nicht zu erwarten ist, daß sie die eheliche Lebensgemeinschaft wiederherstellen, (3) die Mutter den Mann geheiratet hat, der das Kind gezeugt hat (hier ist die Anfechtung der Ehelichkeit Voraussetzung für eine Legitimation), (4) die Anfechtung wegen ehrlosen und unsittlichen Lebenswandels oder wegen einer schweren Verfehlung des Mannes gegen das Kind sittlich gerechtfertigt ist oder (5) die Anfechtung wegen einer schweren Erbkrankheit des Mannes sittlich gerechtfertigt ist (Verminderung der Heiratsaussichten!). Beachte: Die Mutter des Kindes kann die Ehelichkeit nicht anfechten. Das hängt damit zusammen, daß ein nichteheliches Kind seiner Mutter gegenüber die Stellung eines ehelichen Kindes hat. Durch die Anfechtung wird nur das Rechtsband zwischen dem Kind und seinem 127
§ 16
II. Abschnitt: Kindschafts- und Verwandtsdiaftsredit
Vater und dessen Verwandten zerschnitten. Darum hat das Gesetz nur diesen Personen ein Anfechtungsrecht eingeräumt. c) Die Anfechtung durch den Mann oder seine Eltern erfolgt bei Lebzeiten des Kindes durch Anfechtungsklage gegen das Kind. Das Kind ficht die Ehelichkeit an durch Klage gegen den Ehemann der Mutter, § 1599 I. Nach dem Tod des Kindes erfolgt die Anfechtung durch Antrag auf Feststellung der Nichtehelichkeit. Über den Antrag entscheidet das Vormundschaftsgericht. Das gleiche gilt, wenn das Kind nach dem Tod des Mannes seine Ehelidikeit anficht, § 1599 II. d) Die Ausübung des Anfechtungsrechts ist regelmäßig an eine Ausschlußfrist gebunden. Der Mann muß die Ehelichkeit binnen zwei Jahren anfechten. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem er Kenntnis von den Umständen erlangt, die für die Nichtehelichkeit des Kindes sprechen, frühestens aber mit der Geburt des Kindes, § 1594 I, II. Für die Eltern gilt eine Ausschlußfrist von einem Jahr. Hier beginnt die Frist mit dem Zeitpunkt, in dem ein Elternteil Kenntnis vom Tod des Mannes und von der Geburt des Kindes erlangt, § 1595 I, 4 u. 5. Für das Anfechtungsrecht des Kindes gilt in den Fällen des § 1596 I Ziff. 1—3 ebenfalls eine Ausschlußfrist von zwei Jahren, in den übrigen Fällen ist das Anfechtungsrecht nicht fristgebunden. Soweit das Anfechtungsrecht fristgebunden ist, beginnt die Frist mit dem Zeitpunkt, in dem das Kind (solange das Kind noch minderjährig ist, kommt es auf die Kenntnis des gesetzlichen Vertreters an!) von den Umständen, die für seine Nichtehelichkeit sprechen und von dem Sachverhalt Kenntnis erlangt, der es zur Anfechtung berechtigt, § 1596 II. e) Die Anfechtung ist ein höchstpersönlicher Akt. Darum ist eine Anfechtung durch einen gewillkürten Vertreter nicht zulässig, § 1595 I. Für ein minderjähriges Kind kann nur der gesetzliche Vertreter die Ehelidikeit anfechten. Er bedarf dazu aber der Genehmigung des Vormundschaftsgerichts (§ 1597 I), das vor der Erteilung der Genehmigung zu prüfen hat, ob die Anfechtung im Interesse des Kindes liegt. Vor der Entscheidung ist auch das Jugendamt zu hören; vgl. § 48 JWG. Gesetzlicher Vertreter wird in den Fällen des § 1596 I Ziff. 1—3 meistens die Mutter sein. Ist der Scheinvater Alleininhaber oder Mitinhaber der elterlichen Gewalt, so muß ein Pfleger bestellt werden, 128
Abstammung
§16
§§ 1629, 1795 I Ziff. 3, 1909. Will ein Vormund oder ein Pfleger die Ehelidikeit anfechten, so soll das Vormundschaftsgericht die Genehmigung nur erteilen, wenn die Mutter des Kindes einwilligt, § 1597 III. Hat der gesetzliche Vertreter (regelmäßig: die Mutter) in den Fällen des § 1596 I Ziff. 1—3 die Ehelichkeit nicht rechtzeitig angefochten, so kann das Kind, sobald es volljährig geworden ist, seine Ehelichkeit innerhalb von zwei Jahren selbst anfechten, § 1598. f) Für das Verfahren im Anfechtungsprozeß gelten die besonderen Vorschriften der sog. Statusprozesse, §§ 641 ff. ZPO. II. Die nichteheliche 1.
Abstammung
Grundsätzliches
Ebenso wie die eheliche Abstammung ist auch die nichteheliche Abstammung für eine Reihe von Rechtsverhältnissen bedeutsam. Von ihr hängt namentlich ab, ob das Kind gegen seinen Vater (und umgekehrt der Vater gegen das Kind!) einen Unterhaltsanspruch und ein Erbrecht geltend machen kann. Nach bisher geltendem Recht erschöpften sich die Beziehungen zwischen einem niditehelichen Kind und seinem Vater in einer — schuldrechtlich ausgestalteten — Unterhaltspflicht des Vaters. Ansonsten galten Kind und Vater „nicht als verwandt" (§ 1589 II a. F.). Diesen unbefriedigenden Rechtszustand hat das Gesetz über die rechtliche Stellung der nichtehelichen Kinder vom 19. 8. 1969 („Nichtehelichengesetz" ) beseitigt, das am 1. 7. 1970 in Kraft treten wird. Nach diesem Gesetz soll künftig auch zwischen dem nichtehelichen Kind und seinem Vater ein familienrechtliches Band entstehen. Der ominöse § 1589 II wurde ersatzlos gestrichen. Voraussetzung für die Unterhaltspflicht des bisherigen Rechts war die natürliche Erzeugung. Die Erzeugung brauchte aber vom Kind nicht mit letzter Sicherheit nachgewiesen zu werden. Hatte der Inanspruchgenommene der Mutter während der Empfängniszeit beigewohnt, so wurde seine Vaterschaft vermutet. Diese Vermutung konnte nur auf zweierlei Weise widerlegt werden (§ 1717 I a. F.): Einmal — wie bei ehelichen Kindern — durch den Nachweis, daß nach den Umständen die Mutter das Kind unmöglich aus der Beiwohnung empfangen haben konnte (z. B. weil sie bereits schwanger war oder das Kind eine Blutgruppe hatte, die weder die Mutter noch der Inanspruchgenommene hatten) oder durch den Nachweis, daß 9 Henrich, Famillenrecht
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§ 16
II. Abschnitt: Kindschafts- und Verwandtschaftsredit
auch ein anderer der Mutter während der Empfängniszeit beigewohnt hatte (die sog. exceptio plurium oder Mehrverkehrseinrede). Diese Rechtslage schloß es nicht aus, daß nicht der wirkliche Vater, sondern ein anderer für den Unterhalt des Kindes aufkommen mußte. Die Frau, die mit mehreren Männern geschlechtlich verkehrt hatte, konnte sich zunächst den zahlungskräftigsten aussudien. Solange diesem weder der Nachweis der offenbaren Unmöglichkeit der Abstammung noch der Nachweis des Mehrverkehrs gelang, mußte er zahlen. Die Kehrseite dieser Regelung, die man für notwendig hielt, um dem Kind einen „Zahlvater" zu verschaffen, war, daß ein Urteil auf Unterhaltszahlung nicht die Vaterschaft verbindlich feststellen konnte. Verbindlich festgestellt wurde durch das Urteil nur die Unterhaltsverpflichtung, nicht die Vaterschaft. Das Urteil wirkte deswegen auch Reditskraft nur zwischen den Prozeßparteien. Wollte das Kind eine verbindliche Feststellung der Vaterschaft erreichen, so mußte es auf Feststellung der blutmäßigen Abstammung klagen (§ 640 a. F. ZPO). Dafür galt jedoch nicht die Vermutung des § 1717 I a. F. Wegen der daraus resultierenden Beweisschwierigkeiten (und auch deshalb, weil mit der Feststellung keine materiellen Vorteile für das Kind verbunden waren), wurden solche Klagen von den nichtehelidien Kindern nur sehr selten erhoben. Die neue Konzeption, die zwischen einem Vater und seinem nichtehelichen Kind ein familienrechtliches Band knüpfen will, setzt eine allgemein verbindliche Feststellung der Vaterschaft voraus. Eine solche kann auf zweierlei Weise getroffen werden: einmal durdi eine Anerkennung der Vaterschaft und zum anderen durch eine gerichtliche Entscheidung, § 1600a S. 1. Während die gerichtliche Feststellung der „Istvaterschaft" — wie gesagt — auch schon bisher möglich war, ist die verbindliche Feststellung durch Anerkennung neu. Ein Vaterschaftsanerkenntnis gab es zwar auch schon nach bisherigem Redit. Durch ein solches Vaterschaftsanerkenntnis wurde aber nicht die Vatersdiaft festgestellt, sondern allein dem Anerkennenden das Recht genommen, sich in einem späteren Unterhaltsprozeß auf die Mehrverkehrseinrede zu berufen.
Anerkennung der Vatersdiaft und gerichtliche Feststellung haben konstitutive Wirkung. Vor der Anerkennung oder der gerichtlichen Feststellung können die Rechtswirkungen der Vaterschaft nicht geltend gemacht werden, § 1600a S. 2. 2. Die Anerkennung der Vaterschaft a) Die Feststellung der Vaterschaft durch Anerkennung setzt zweierlei voraus: die Anerkennung durch den Vater und die Zustimmung 130
Abstammung
des Kindes (§ 1600c I). Die Zustimmung des Kindes ist als Sicherung dagegen erforderlich, daß jemand das Kind anerkennt, der gar nicht der wirkliche Vater des Kindes ist. Nur allzu leicht könnte sonst eine Adoption umgangen werden. Vom Vater wird eine unbedingte und unbefristete Erklärung verlangt, in der er seine Vaterschaft anerkennt (§ 1600b I). Die Erklärung muß in der Form einer öffentlichen Urkunde erfolgen (§ 1600e I). Für die Beurkundung sind neben dem Notar (§ 1 BeurkG) auch die Amtsgerichte (§ 62 BeurkG) und die Standesbeamten zuständig (§ 29a PStG), demnächst werden es wohl auch die Jugendämter sein (vgl. Jansen-Knöpfel, Das neue Unehelidiengesetz, Anm. 3b zu § 1600e). Die Zustimmung des Kindes ist dem Anerkennenden oder dem Standesbeamten gegenüber zu erklären, § 1600c II. Auch für sie ist öffentliche Beurkundung vorgeschrieben, § 1600e 1. Selbst erklären kann das Kind seine Zustimmung aber nur dann, wenn es das 18. Lebensjahr vollendet hat. Vorher kann nur sein gesetzlicher Vertreter der Anerkennung zustimmen. Und auch das Kind, welches das 18. Lebensjahr vollendet hat, braucht für die Zustimmung, solange es noch minderjährig ist, die Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters, § 1600b II. Die letzte Entscheidung über die Zustimmung zur Anerkennung liegt also bei dem gesetzlichen Vertreter des Kindes. Gesetzlicher Vertreter in dieser Frage ist hier — abweichend von der Regel (§ 1705) — nicht die Mutter des Kindes, sondern ein Pfleger (meist das Jugendamt; vgl. §§ 1706, 1709). Der Gesetzgeber fürchtete offenbar einen Interessenkonflikt (wird die Mutter nein sagen, wenn ein Mann, der sie heiraten will, die Vaterschaft aus Gefälligkeit anerkennt, ohne in Wahrheit der Vater zu sein?). Die Zustimmung der Mutter wird nicht verlangt. Ihr ist lediglich eine beglaubigte Abschrift der Anerkennungserklärung zu übersenden, § 1600e II. Ist sie mit der Anerkennung nicht einverstanden, so kann sie die Anerkennung anfechten. Anerkennender und Zustimmender müssen ihre Erklärungen selbst abgeben. Sie können keinen Bevollmächtigten schicken, § 1600d III. Der Vater des Kindes muß die Anerkennung auch dann selbst erklären, wenn er in der Geschäftsfähigkeit beschränkt ist. Es kann also nicht sein gesetzlicher Vertreter für ihn die Vaterschaft anerkennen. Die Anerkennung ist ein höchstpersönliches Geschäft. Allerdings braucht der Geschäftsbeschränkte für die Anerkennung die Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters (§ 1600d ). 9
131
§ 16
II. Abschnitt: Kindschafts- und Verwandtschaftsrecht
b) Entspricht die Anerkennung den genannten Voraussetzungen, so kann sie nur durch eine Anfechtung, verbunden mit einer gerichtlichen Feststellung, daß der Mann nidit der Vater des Kindes ist, •wieder vernichtet werden, § 1600f I. Das bedeutet: Eine bewußt Vaterschaft ist nidit nichtigl
wahrheitswidrige
Anerkennung der
Enthielte § 1600f I nicht das Wort „nur", so käme man über § 169 StGB [Personenstandsfälschung] und § 134 BGB zur Nichtigkeit der bewußt wahrheitswidrigen Vaterschaftsanerkennung!
Anfechtungsberechtigt sind der Mann, der die Vaterschaft anerkannt hat, die Mutter und das Kind, außerdem — nach dem Tode des Mannes — seine Eltern, § 1600g. Der Kreis der Anfechtungsberechtigten ist also fast der gleiche wie bei einem ehelichen Kind. Ausnahme: Bei einem nichtehelichen Kind hat auch die Mutter ein Anfechtungsrecht. Das Anfechtungsrecht der Mutter ist hier deswegen gerechtfertigt, weil sie es schließlich besser weiß als Kind und Pfleger, wer der wirklidie Vater des Kindes ist. Hält man ihre Zustimmung zur Anerkennung für entbehrlidi, kann man ihr doch nicht das Recht nehmen, die Vaterschaft des Anerkennenden zu bestreiten. Die Anfechtungsfrist beträgt für den Mann, seine Eltern und die Mutter ein Jahr, für das Kind zwei Jahre. Für den Mann und grundsätzlich auch für das Kind beginnt die Frist mit dem Zeitpunkt, in dem ihm die Umstände bekannt geworden sind, die gegen die Vaterschaft sprechen, für die Eltern des Mannes ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem einem Elternteil der Tod des Mannes und die Anerkennung bekannt geworden sind, und für die Mutter des Kindes schließlich läuft die Frist von dem Zeitpunkt an, in dem ihr die Anerkennung bekannt geworden ist, §§ 1600h, 1600i. Ebenso wie bei der Anfechtung der Ehelichkeit eines ehelichen Kindes muß auch bei der Anfechtung der Anerkennung eines nichtehelichen Kindes — jedenfalls grundsätzlich — eine Vermutung widerlegt werden. Es wird nämlich vermutet, daß das Kind von dem Mann gezeugt ist, der die Vaterschaft anerkannt hat. Diese Vermutung gilt nur dann nicht, wenn der Mann anficht und geltend macht, seine Anerkennungserklärung leide unter einem Willensmangel nach § 119 (in der Praxis kaum vorstellbar) oder nach § 123 (arglistige Täuschungen sind keine Seltenheit). Hier ist es zunächst Sache des Kindes, zu beweisen, daß der Mann der Mutter innerhalb der Empfängniszeit beigewohnt hat. N u r wenn dieser Beweis geführt werden kann, 132
Abstammung muß der Mann seinerseits die weitere Vermutung entkräften, daß das Kind aus dieser Beiwohnung stammt, §§ 1600m, I6OO0 II. 3. Die Feststellung der Vaterschaft durch gerichtliche Entscheidung a) Durch geriditliche Entscheidung muß die Vaterschaft dann festgestellt werden, wenn der Vater des Kindes die Vaterschaft nicht anerkennt oder seine Anerkennung deswegen nicht wirksam wird, weil die Zustimmung des Kindes verweigert wird. Auf Feststellung klagen kann sowohl das Kind (d. i. der Normalfall) als auch der Erzeuger (wenn die Zustimmung verweigert wird), § 1600n I. Zuständig ist das Amtsgericht, § 23a GVG. Das Verfahren ist ein Statusprozeß i. S. der §§ 640 ff. ZPO. Die Mutter ist zum Termin zu laden, § 640e ZPO. Nach dem Tod des Mannes oder des Kindes tritt an die Stelle der Feststellungsklage ein Antrag an das Vormundschaftsgericht. Antragsbereditigt ist beim Tod des Mannes das Kind, beim Tod des Kindes die Mutter, § 1600n II. In der Klage (bzw. dem Antrag an das Vormundsdiaftsgericht) muß — zunächst — nur dargelegt werden, daß der Mann der Mutter des Kindes während der gesetzlichen Empfängniszeit beigewohnt habe. Ergeben die Ermittlungen, daß in der Empfängniszeit eine Beiwohnung stattgefunden hat, so wird vermutet, daß das Kind aus dieser Beiwohnung stammt, § I6OO0 II, 1. Nach bisher geltendem Redit konnte in einem Unterhaltsprozeß die Vatersdiaftsvermutung — wie bereits erwähnt — auf zweierlei Weise widerlegt werden: einmal durch den Nachweis, daß nach den Umständen die Mutter das Kind unmöglich aus der Beiwohnung empfangen haben konnte, und zum anderen durch den Nachweis, daß auch ein anderer der Mutter während der Empfängniszeit beigewohnt hatte. Das Nichtehelichengesetz bestimmt einen anderen Modus: Die Vermutung soll nicht gelten, wenn nach Würdigung aller Umstände schwerwiegende Zweifel an der Vaterschaft verbleiben, § I6OO0 II, 2. Das bedeutet: Die Mehrverkehrseinrede gibt es nicht mehr. Andererseits braucht die Vermutung nicht durch den Nachweis des Gegenteils widerlegt zu werden. Es genügt, wenn nach Prüfung aller Umstände, die für und gegen die Vaterschaft sprechen, schwerwiegende Zweifel an der Vaterschaft verbleiben. Das Gericht wird dabei neben den Ergebnissen der Zeugenvernehmungen insbesondere die biologischen Tatsachen zu berücksichtigen haben: den Zeitpunkt der letzten Periode der Mutter des Kindes, den Reifegrad des Kindes, 133
§
17
H. Abschnitt: Kindschafts- und Verwandtschaftsrecht
die Ergebnisse der Gutachten über die Blutgruppen und Blutmerkmale der Beteiligten und etwaiger erbbiologischer Gutachten. Regelmäßig werden diese Umstände die Feststellung des wirklichen Vaters ermöglichen. Die N a t u r wissenschaften haben die Methoden der Vaterschaftsfeststellung in den letzten Jahren so sehr verfeinert, daß nach Schätzungen nur noch in etwa 5 Prozent aller Fälle schwerwiegende Zweifel an der Vaterschaft verbleiben werden. In diesen — wenigen — Fällen muß dann die Feststellungsklage bzw. der Antrag an das Vormundschaftsgericht abgewiesen werden.
Z» beachten ist: Da es sich um einen Statusprozeß handelt, gilt das Amtsermittlungsprinzip (§§ 640 I, 622 I ZPO). Das Gericht kann von Amts wegen die Aufnahme von Beweisen anordnen und auch solche Tatsachen berücksichtigen, die von den Parteien nicht vorgebracht worden sind. b) Die Feststellung der Vaterschaft durch eine gerichtliche Entscheidung kann nicht durch eine Anfechtung wieder beseitigt werden. Hier gibt es nur den Weg der Wiederaufnahme des Verfahrens (§§ 578 ff. ZPO). Bedeutsam ist in diesem Zusammenhang § 641i ZPO: Danach findet nämlich eine Restitutionsklage gegen ein rechtskräftiges Urteil, in dem über die Vaterschaft entschieden ist, außer in den Fällen des § 580 ZPO auch dann statt, wenn die Partei ein neues Gutachten über die Vaterschaft vorlegt, das entweder allein oder in Verbindung mit den in dem früheren Verfahren erhobenen Beweisen eine andere Entscheidung herbeigeführt haben würde.
§ 17. Das Verhältnis zwischen Eltern und Kindern im allgemeinen Ausgangsfall: Ein Bauer hat zwei Söhne: Konrad und Balduin. Der 1931 geborene Konrad macht sich 1958 selbständig. 1959 übergibt der Vater den Hof dem Balduin. 1962 erhebt Konrad gegen Balduin Klage auf Zahlung von 15 340 DM als Ausgleich für seine Mitarbeit in der Zeit vom 1. 7. 1948 bis 31. 12. 1957. Er trägt vor, er habe während dieser Zeit seine ganze Arbeitskraft für den Hof eingesetzt und in bar lediglich seit dem 1. 1. 1957 ein Taschengeld von 30 DM monatlich erhalten. Er habe sich zunächst einer anderen Tätigkeit widmen wollen, sei aber auf Bitten des Vaters auf dem Hof geblieben. Der Vater habe ihm schon 1948 und später noch öfter erklärt, einer der Söhne werde den Hof bekommen, der andere solle einen Hof pachten und werde dann zum Ausgleich Inventar vom elterlichen Hof erhalten. Keiner der Söhne werde um seinen wohlverdienten Lohn kommen. In dieser Erwartung habe er auf dem Hof 134
Das Verhältnis zwischen Eltern und Kindern im allgemeinen §
17
gearbeitet. Durch seine Mitarbeit seien erhebliche Werte geschaffen worden. Das, was er bisher dafür bekommen habe, liege weit unter dem üblichen Lohn eines Landarbeiters. Balduin hält die Klage nicht für begründet. Er meint, Konrad sei nach dem Gesetz zu unentgeltlicher Mitarbeit verpflichtet gewesen. Wer hat recht? I. Grundsätzliches Das Verhältnis zwischen Eltern und Kindern wird hauptsädilich geprägt durch die elterliche Gewalt, die bei ehelichen Kindern den Eltern, bei nichtehelichen Kindern der Mutter zusteht. Neben der elterlichen Gewalt bestehen zwischen dem Kind und seinen Eltern oder (bei nichtehelichen Kindern) seiner Mutter aber audi noch andere familienrechtliche Beziehungen. Diese Reditsbeziehungen ergeben sich z. T. aus der Abstammung, z. T. sind sie Folge der Hausgemeinschaft, z. T. beeinflussen sie die Persönlichkeitssphäre, z. T. haben sie vermögensrechtliche Bedeutung. IL Allgemeine
Rechtswirkungen der Abstammung Bereich
1. Die Staatsangehörigkeit
im -persönlichen
des Kindes
a) Das eheliche Kind erhält nach § 4 I RuStAG die Staatsangehörigkeit des Vaters. Ist der Vater Ausländer oder staatenlos, so erwirbt das Kind einer Deutschen die Staatsangehörigkeit der Mutter, wenn es sonst staatenlos sein würde. Diese Fassung hat das RuStAG durch Gesetz vom 19. 12. 1963 erhalten. Die Regelung muß jedoch, weil sie gegen das Gleichberechtigungsgebot verstößt, als verfassungswidrig angesehen werden; str., a. A. O V G Münster, F a m R Z 1968, 84. Zuzugeben ist allerdings, daß es schwierig ist, eine der Verfassung entsprechende Lösung zu finden, die gleichzeitig die Nachteile einer doppelten Staatsangehörigkeit vermeidet. Zu denken wäre etwa an eine Regelung, die dem Kind bei verschiedener Staatsangehörigkeit seiner Eltern die deutsdie Staatsangehörigkeit nur zuerkennt, wenn die Eltern entweder ihren Wohnsitz in Deutschland haben oder das Kind andernfalls staatenlos würde.
b) Das nichtehelidie Kind erhält die Staatsangehörigkeit seiner Mutter, § 4 I RuStAG. 2. Der Name des Kindes a) Der Name des ehelichen Kindes: Das eheliche Kind erhält den Familiennamen des Vaters, § 1616. 135
§ 1 7
II- Abschnitt: Kindsdiafts- und Verwandtschaftsrecht
Ob diese Regelung mit dem Gleichberechtigungsgebot vereinbar ist, muß ebenfalls bezweifelt werden. Es gelten hier die gleichen Erwägungen, wie sie zum Ehenamen der Frau angestellt worden sind (s. o. § 7 I, 1).
b) Der Name des nichtehelichen Kindes: Das nichteheliche Kind erhält den Familiennamen, den die Mutter z. Z. der Geburt des Kindes führt, wenn sie verheiratet ist also den Ehenamen der Mutter, § 1617 I. Nadi bisherigem Recht mußte das Kind den Mädchennamen der Mutter führen. Die Neuregelung durch das Nichtehelichengesetz ist zu begrüßen. Sie stellt nicht nur die Namensgleidiheit zwischen Kind und Mutter her, sondern entspricht auch der modernen Auffassung, daß, wenn man schon die Frau zwingt, den Namen des Mannes zu führen, man ihr auch ein gewisses Dispositionsrecht an diesem Namen zugestehen muß. Der Ehemann der Mutter kann also nicht verlangen, daß das Kind, dessen Ehelichkeit er mit Erfolg angefochten hat, den Mädchennamen seiner Mutter führt (ebenso wie er bei bestehender Ehe audi seiner Frau nicht die Führung seines Namens verbieten kann).
Erhält die Mutter nadi der Auflösung oder Nichtigerklärung der Ehe auf Grund der eherechtlichen Vorschriften (s. o. § 15 I, 1) ihren Mädchennamen wieder, so erstreckt sich diese Namensänderung kraft Gesetzes auf das Kind nur dann, wenn es noch nidit 5 Jahre alt ist, § 1617 II, 1. Hat das Kind das fünfte, aber noch nidit das 18. Lebensjahr vollendet, so kann es durch öffentlich beglaubigte Erklärung gegenüber dem Standesbeamten den Mädchennamen der Mutter annehmen, § 1617 II, 2, 4. Grundsätzlich behält also das Kind, wenn es das 5. Lebensjahr vollendet hat, bei einem Namenswechsel der Mutter den bisherigen Namen bei. Grund für diese Regelung ist das Interesse, das ein Kind an einer Namenskontinuität haben kann (man denke an die Schwierigkeiten, die auftreten können, wenn die Zeugnisse, die für das Fortkommen des Kindes von Bedeutung sind, auf einen anderen Namen lauten als den, den das Kind später führt). Diesem Interesse trägt das Wahlrecht Rechnung. Ist das Kind 14 Jahre alt, so kann es die Erklärung gegenüber dem Standesbeamten nur selbst abgeben, vorher handelt für das Kind sein gesetzlicher Vertreter, § 1617 II, 3. Den Namen seines Erzeugers kann das Kind nicht wählen. Ein Vorschlag des Referentenentwurfs, der das Vormundschaftsgeridit ermächtigen wollte, auf Antrag des Kindes diesem den Namen seines Vaters zu erteilen, stieß auf allgemeine Ablehnung und wurde vom Regierungsentwurf nidit übernommen. 136
Das Verhältnis zwischen Eltern und Kindern im allgemeinen § "|7
c) Die Einbenennung durch den Ehemann der Mutter: Heiratet die Mutter nach der Geburt des Kindes, so erwirbt sie damit einen neuen Namen. An dieser Namensänderung nimmt das Kind nicht teil, es sei denn, die Mutter heiratet den Vater des Kindes (bei einer solchen Legitimation wird das Kind ehelich und erhält damit auch den Namen seines Vaters). Der Ehemann der Mutter, der nidit der Vater des Kindes ist, kann dem Kind jedoch seinen Namen erteilen, § 1618 I. Eine solche „Einbenennung" hat den Zweck, die Namenseinheit innerhalb einer Familie herzustellen. Erwünschter Nebenzweck ist häufig, die Tatsache der Nichtehelidikeit zu versdileiern. Die Einbenennung geschieht durch öffentlich beglaubigte Erklärung gegenüber dem Standesbeamten, § 1618 III. Für ihre Wirksamkeit wird vorausgesetzt, daß Mutter und Kind einverstanden sind. Für das Kind, das noch nicht 14 Jahre alt ist, erklärt der gesetzliche Vertreter die Einwilligung, der Einwilligungserklärung des über 14 Jahre alten Kindes muß der gesetzliche Vertreter zustimmen, § 1618 II. Beachte: Gesetzlicher Vertreter ist hier nicht die Mutter, sondern ein Pfleger, § 1706 Ziff. 1. d) Die Einbenennung durch den Vater des Kindes: Das bisher geltende Recht kannte nur eine Einbenennung durch den Ehemann der Mutter. Das Nichtehelichengesetz hat auch dem Vater des Kindes das Recht eingeräumt, dem Kind seinen Namen zu erteilen, § 1618 I. Auch hier müssen Mutter und Kind ihre Einwilligung geben, wenn die Einbenennung wirksam werden soll. Der Sinn dieser Regelung leuchtet nicht recht ein. Wädist das Kind bei seiner Mutter auf, so zerstört die Einbenennung die — erwünschte — N a mensgleichheit zwischen Mutter und Kind. Wädist das Kind bei seinem Vater auf, so hat dieser die Möglichkeit der Ehelicherklärung oder Adoption. Einer dritten Möglichkeit, dem Kind seinen Namen zu erteilen, bedarf es nicht; vgl. Henrich, Personenstandsrechtliche Aspekte der Reform des Rechts der unehelichen Kinder, StAZ 1968, 149 ff., 153 ff.
3. Der Wohnsitz des Kindes Ein minderjähriges Kind teilt den Wohnsitz seiner Eltern; es teilt nicht den Wohnsitz eines Elternteils, dem das Recht fehlt, für die Person des Kindes zu sorgen, § 11 S. 1. Da bei nichtehelichen Kindern allein der Mutter das Personensorgerecht zusteht, heißt das, daß nichteheliche Kinder den Wohnsitz der Mutter teilen. III. Folgen der Zugehörigkeit zum elterlichen Hausstand 1. Nach § 1619 ist ein Kind, solange es dem elterlichen Hausstand angehört und von den Eltern erzogen oder unterhalten wird, ver137
§ 17
II- Abschnitt: Kindschafts- und Verwandtschaftsrecht
pflichtet, in einer seinen Kräften und seiner Lebensstellung entsprechenden Weise den Eltern in ihrem Hauswesen und Geschäft Dienste zu leisten. a) Die Mitarbeitspflicht des Kindes im elterlichen Hauswesen oder Geschäft ist also von zwei Voraussetzungen abhängig: (1) Zugehörigkeit zum elterlichen Hausstand. Dem elterlichen Hausstand gehört ein Kind an, wenn es dort den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen hat. Bloßes Wohnen im Elternhaus genügt nicht. Ist das Kind außerhalb des Hauses berufstätig, so hat es den „Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen" nicht im elterlichen Hausstand. (2) Entweder Erziehung durch die Eltern (das betrifft minderjährige Kinder) oder Unterhaltsgewährung durch die Eltern (das ist bedeutsam, wenn die Kinder volljährig geworden sind). h) Sind diese Voraussetzungen gegeben, so besteht zwischen den Eltern und dem Kind ein familienrecbtliches Verhältnis, auf Grund dessen das Kind zu Dienstleistungen verpflichtet ist. Für diese Dienste kann das Kind nach einhelliger Auffassung kein Entgelt verlangen (BGH, FamRZ 1965, 431; Fenn, Die juristisdie Qualifikation der Mitarbeit bei Angehörigen und ihre Bedeutung für die Vergütung, FamRZ 1968, 291, 292). Andererseits dürfen die Dienste nur in einem solchen Umfang gefordert werden, daß die Ausbildung des Kindes darunter nicht leidet; vgl. BGH, FamRZ 1960, 359. c) Durch die Bestimmung des § 1619 wird nicht ausgeschlossen, daß ein Kind, obwohl es dem elterlichen Hausstand angehört und von den Eltern unterhalten wird, mit seinen Eltern einen Vertrag sdiließt, aus dem sich ein Vergütungsansprudi ergibt; vgl. Dölle II, § 90 III. In Frage kommen hier namentlich Dienst- oder Arbeitsverträge oder Gesellschaftsverträge. Sind die Voraussetzungen des § 1619 gegeben, so spricht allerdings eine tatsächliche Vermutung dafür, daß die Dienstleistungen auf familienrechtlicher Grundlage beruhen (und deswegen kein Entgelt verlangt werden kann), solange nidit aus besonderen Anzeichen erkennbar wird, daß die familienredttlidien Beziehungen in dienst- oder arbeitsvertraglidie umgewandelt wurden. Der bloße Umstand, daß ein Sohn voll im Betrieb seiner Eltern mitarbeitet, reidit für die Annahme eines Vertragsverhältnisses noch nicht aus. Man wird weiter fragen müssen: Hat der Vater oder haben die Eltern dem Kind einen wirklichen Lohn ausbezahlt und für das Kind Beiträge zur Sozialversicherung geleistet oder war auf Grund besonderer Umstände eine Dienstleistung nur gegen eine Vergütung zu erwarten (§ 612)? Die Annahme eines Gesellschaftsverhältnisses setzt neben einem besonderen Gesellschafts138
Das Verhältnis zwischen Eltern und Kindern im allgemeinen §
17
zweck Gleichberechtigung der Gesellschafter und — zumindest im Innenverhältnis — Beteiligung am Gesellschaftsvermögen voraus. Diese Voraussetzungen werden im Verhältnis zwischen Eltern und Kindern nur sehr selten gegeben sein. Vgl. aber BGH, WM 1970, 90. Haben die Eltern und das Kind keinen verpflichtenden Vertrag geschlossen, so kann nach h. M. ein Vergütungsanspruch möglicherweise auf § 812 1 2 , 2. Alt. (conditio causa data, causa non secuta) gegründet werden, wenn das Kind in der erkennbaren Erwartung im elterlichen Betrieb geblieben ist, hierfür durch eine spätere Übergabe des Betriebes entschädigt zu werden und diese Erwartung fehlgeschlagen ist; vgl. B G H FamRZ 1965, 317; FamRZ
1966, 25; Dölle II, § 90 III 5. 2. Macht ein volljähriges Kind, das dem elterlichen Hausstand angehört, Aufwendungen zur Bestreitung der Kosten des Haushalts, so wird vermutet, daß es dabei nicht die Absicht hatte, Ersatz zu verlangen, § 1620. Gäbe es diese Auslegungsregel nicht, so könnte sich das Kind, das z. B. auf eigene Kosten Lebensmittel für den elterlichen Haushalt einkauft, auf § 683 (Geschäftsführung ohne Auftrag) berufen.
§ 1620 gilt nicht, wenn sich aus der Art und Weise der Leistung ergibt, daß das Kind den Eltern nur etwas vorschießen wollte (Beispiel: Das Kind bezahlt in Abwesenheit der Eltern eine Rechnung). IV. Vermögensrechtliche Hilfspflichten
und
Hilfsleistungen
1. Unterhalt Eltern und Kinder sind Verwandte in gerader Linie und deswegen gemäß § 1601 verpflichtet, einander Unterhalt zu gewähren. Wegen der Einzelheiten s. u. § 20. 2. Aussteuer Nach früherem Recht hatten Töchter gegen ihre Eltern im Fall der Verheiratung einen Anspruch auf Aussteuer, d. h. auf Zuwendung der zur angemessenen Einrichtung des Haushalts gehörenden Gegenstände. Diese Vorschrift ist durdi das Gleichbereditigungsgesetz ersatzlos gestrichen worden. 3. Ausstattung Statt der Aussteuer gibt es nunmehr die sog. Ausstattung. Unter Ausstattung versteht das Gesetz eine Zuwendung, die einem Kind von den Eltern mit Rücksicht auf seine Verheiratung oder auf die Erlangung einer selbständigen Lebensstellung gemacht wird und über den gewöhnlichen Unterhalt hinausgeht, § 1624. 139
§ 17
II. Abschnitt: Kindsdiafts- und Verwandtschaftsrecht
a) Die Ausstattung ist im Verhältnis zur Aussteuer ein weiterer Begriff. Die Aussteuer ist eine besondere Art der Ausstattung, auf die die Tochter nach früherem Recht einen Anspruch hatte. Nachdem der Aussteueranspruch der Tochter beseitigt worden ist, weil heute die Töditer geradeso wie die Söhne eine Berufsausbildung erhalten, bleibt es heute dem Verantwortungsgefühl der Eltern und der Einschätzung ihrer Vermögenslage überlassen, ob und inwieweit sie einer Tochter eine Aussteuer als Ausstattung geben wollen, ebenso wie es ihnen überlassen bleibt, ob sie dem Sohn oder der Tochter, die ihr Examen bestanden haben, die Mittel zur Einrichtung einer Anwaltskanzlei oder einer ärztlichen Praxis geben wollen. b) Ein Anspruch auf eine derartige Zuwendung besteht also nicht. Ausstattung ist eine freiwillige Leistung. Dessenungeachtet entspricht eine derartige elterliche Hilfeleistung der sittlichen Idee der Familiengemeinschaft. Sie gilt deshalb im Zweifel nicht als Schenkung. Als Schenkung wird sie nur dann angesehen, wenn sie das den Vermögensverhältnissen der Eltern und den sonstigen Umständen entsprechende Maß übersteigt, § 1624 I. Konsequenzen: Das Versprechen einer Ausstattung ist nicht formbedürftig (§ 518); eine gewährte Ausstattung kann nicht wegen Undanks widerrufen werden (§ 530). Sehr bestritten ist, ob eine Ausstattung von den Gläubigern der Eltern wegen Gläubigerbenachteiligung angefochten werden kann (§ 3 Ziff. 3 AnfG; § 32 Ziff. 1 KO). Man wird die Frage wohl bejahen müssen, weil in diesen Vorschriften nicht von einer Schenkung, sondern lediglich von einer unentgeltlichen Verfügung die Rede ist. Eine unentgeltliche Verfügung ist — regelmäßig — aber auch die Ausstattung; a. A. Staudinger-Gotthardt, % 1624 Anm. 25.
c) Als Ausstattung kommt nicht nur eine Geldzuwendung in Betracht, sondern alles, was einem Kind mit Rücksicht auf die Verheiratung oder auf die Erlangung einer selbständigen Lebensstellung, zur Begründung oder zur Erhaltung der Wirtschaft oder der Lebensstellung von einem Elternteil zugewandt wird. Beispiele: Den Kindern wird freie Wohnung gewährt; der Vater der Braut zahlt Schulden des künftigen Ehemanns; der Sohn, der eine Arztpraxis eröffnen will, erhält die Einrichtung oder einen Kraftwagen; vgl. Staudinger-Gotthardt, § 1624 Anm. 8 ff.
d) Die Ausstattung darf, wenn das Kind eigenes Vermögen hat, diesem Vermögen entnommen werden. Wenn der Elternteil, der die Ausstattung gewährt, das Kindesvermögen verwaltet, ist im Zweifel anzunehmen, daß die Ausstattung aus diesem Vermögen gewährt wird, § 1625. 140
Die elterliche Gewalt
4. Mitgift Von der Ausstattung zu unterscheiden ist die Mitgift. Der Begriff „Mitgift" wird im allgemeinen Sprachgebrauch häufig verwendet, findet sich aber nicht im Gesetz. Mitgift ist eine Vermögensgabe, die einer Frau mit Rücksicht auf ihre Verheiratung zugewendet wird. Eine Mitgift kann der Frau von den Eltern gegeben werden und fällt dann unter den Begriff der Ausstattung. Sie kann aber auch von einem Dritten (Großvater, Onkel) gegeben werden und ist dann meist eine Schenkung. Wird ein Mitgiftversprechen gegenüber dem Mann anläßlich der bevorstehenden Verehelichung abgegeben, so ist im Zweifel anzunehmen, daß das Versprechen zugunsten der Frau abgegeben worden ist, also ein Vertrag zugunsten Dritter vorliegt. V. Hinweise zur Lösung des
Ausgangsfalles
1. Wieso klagt Konrad gegen Balduin und nicht gegen seinen Vater? (§ 419!) 2. Kein Vergütungsansprudi für gemäß § 1619 geleistete Dienste (s. o. III, lb). 3. Anhaltspunkte weder für einen Dienst- oder Arbeitsvertrag noch für ein Gesellschaftsverhältnis (s. o. III, lc). 4. Bereicherungsanspruch setzt fehlgeschlagene Erwartung voraus. Was wurde versprochen? [Ausstattung mit Inventar]. Ist diese Erwartung fehlgeschlagen? [Nur dann, wenn kein Anspruch besteht]. 5. Ausstattungsversprechen ist formlos gültig (s. o. IV, 3b). Da Konrad keinen Hof gepaditet hat, kann er mit landwirtschaftlichem Inventar nichts anfangen. Nadi Sinn und Zweck des Versprechens kann er dafür einen Ausgleich in Geld verlangen. Eingehende Lösungshinweise bei Henrich,
Fälle und Lösungen, Fall 14.
§ 18. Die elterliche Gewalt I. Wesen Unter elterlicher Gewalt versteht das Gesetz das Recht und die Pflicht der Eltern, für die Person und das Vermögen des Kindes zu sorgen. Dieses Sorgerecht umfaßt auch die Vertretung des Kindes, § 1626. Die Bezeichnung „Gewalt" ist eine Reminiszenz an die patria potestas des römischen Rechts. Im Wesen ist die elterliche Gewalt von der patria potestas aber grundlegend verschieden. Die patria 141
§
18
II- Abschnitt: Kindschafts- und Verwandtsdiaftsrecht
potestas gab dem Hausvater ein Herrschaftsrecht über das Kind mit Gewalt über Leben und Tod. Die elterliche Gewalt gibt den Eltern nicht nur Rechte, sondern legt ihnen vor allen Dingen Pflichten auf. Bis zum Inkrafttreten des BGB war im deutschen Recht nicht von der elterlidien, sondern nur von der väterlichen Gewalt die Rede. Aber auch nach dem Inkrafttreten des BGB war der eigentliche „Gewalthaber" noch immer der Vater. Der Mutter wurde zunächst nur eine Nebengewalt zugesprochen. Bei Meinungsverschiedenheiten ging die Meinung des Vaters vor. Ihm allein stand audi das Vertretungsrecht zu. Bei nichtehelichen Kindern sah man es als selbstverständlich an, daß der Mutter nicht die elterliche Gewalt zustehen könne. Man übertrug ihr nur das Recht und die Pflicht, für die Person des Kindes zu sorgen. Vermögenssorge und gesetzliche Vertretung oblagen dem Vormund. Eine Änderung dieses Rechtszustandes trat erst ein mit dem Inkrafttreten des Gleichberechtigungsgrundsatzes. Die Gerichte erkannten nun überwiegend bei ehelichen Kindern die elterliche Gewalt beiden Eltern zu gleichem Redit zu. Bei Meinungsverschiedenheiten sollte das Vormundschaftsgericht entscheiden; vgl. BGHZ 20, 313 f. Das Gleichberechtigungsgesetz brachte noch einmal einen Rückschritt. Es verpflichtete zwar beide Eltern, sidi um eine Einigung zu bemühen. Im Falle des Niditzustandekommens einer Einigung sollte jedoch der Vater entscheiden, § 1628 I. Audi das Vertretungsrecht sollte grundsätzlich allein dem Vater zustehen, § 1629 I. Diese dem Gleichberechtigungsgebot offensichtlich widersprechende Vorschrift wurde bereits ein Jahr nach dem Inkrafttreten des Gesetzes vom BVerfG für verfassungswidrig und darum nichtig erklärt; vgl. BVerfGE 10, 59. Durch diesen Rechtsspruch, der Gesetzeskraft hat, ist der frühere Rechtszustand, wie er vor Inkrafttreten des Gleichberechtigungsgesetzes, d. h. vom 1. 4. 1953 bis 30. 6. 1958, bestand, wiederhergestellt worden, wonach die elterliche Gewalt einschließlich des Vertretungsrechts beiden Eltern gemeinsam zusteht. Die Rechtsstellung der nichtehelichen Mutter wurde erstmals durch das FamilienrechtsänderungsG 1961 verbessert, das die Möglichkeit schuf, der Mutter auf ihren Antrag hin die elterliche Gewalt (ganz oder teilweise) zu übertragen. Vom Inkrafttreten des Nichtehelichengesetzes an (1. 7. 1970) steht der nichtehelichen Mutter die elterliche Gewalt kraft Gesetzes zu, und zwar grundsätzlich im gleichen Umfang wie den Eltern eines ehelichen Kindes. Nur für einen kleinen 142
Die elterliche Gewalt
Katalog von Angelegenheiten (§ 1706) soll künftig nodi ein Pfleger zuständig sein. II. Elterliche Gewalt und Elternrecht Nach Art. 6 II GG sind Pflege und Erziehung der Kinder das natürliche Recht der Eltern. Dieses Elternrecht ist ein echtes Grundrecht, das gemäß Art. 1 I I I GG Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht bindet; BVerfGE 4, 52, 57; 7, 320; 10, 59. Die Eltern dürfen sidi gegen jeden staatlichen Akt wehren, der sie in diesem Grundrecht verletzt. So wäre z. B. ein Gesetz, wonach alle Kinder den Eltern weggenommen und in staatlichen Anstalten erzogen werden können, ohne daß den Eltern die Möglichkeit bliebe, die Kinder in ihrem Sinn zu beeinflussen, verfassungswidrig. Das Elternrecht ist allerdings ein Grundrecht, das den Eltern auch eine Pflicht auferlegt. Zur Pflege und Erziehung der Kinder sind die Eltern nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet. Diese Verpflichtung ist ein Wesensbestandteil des Elternrechts. Auf den Schutz des Grundgesetzes können sich deswegen Eltern nicht berufen, die sich dieser Verantwortung entziehen; vgl. BVerfG, FamRZ 1968, 578, 584. Entziehen sich die Eltern ihrer Verantwortung, so muß der Staat die Kinder schützen. Es tritt dann die „öffentliche Jugendhilfe" ein; denn: „Jedes deutsche Kind hat ein Recht auf Erziehung zur leiblichen, seelischen und gesellschaftlichen Tüchtigkeit" (§ 1 JWG). Im schlimmsten Fall („wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen", Art. 6 III GG) — aber auch nur dann — hat der Staat sogar ein Recht, die Kinder den Eltern wegzunehmen. III. Die eigenverantwortliche
Ausübung der elterlichen Gewalt durch die Eltern 1. Die Eltern haben die elterliche Gewalt in eigener Verantwortung auszuüben. D. h.: Die Verantwortung für alle Maßnahmen und Entscheidungen, die in den Rahmen der elterlichen Gewalt fallen, tragen allein die Eltern, und zwar bei ehelichen Kindern beide Eltern gemeinsam. Kein Elternteil kann auf die elterliche Gewalt verzichten; auch nicht auf Einzelbestandteile der elterlichen Gewalt. Auch eine Übertragung der elterlichen Gewalt, sei es auf Dritte, sei es auf den anderen Elternteil, ist nicht zulässig. Die Eltern können lediglich die Ausübung der elterlichen Gewalt (in jederzeit widerruflicher Weise) auf einen Dritten oder einen Elternteil übertragen. Eine solche Uber143
§
18
II. Absdinitt: Kindsdiafts- und Verwandtschaftsrecht
tragung der Ausübung enthebt die Eltern freilich nicht der Verpflichtung, darüber zu wachen, daß derjenige, der nunmehr die elterliche Gewalt ausübt, dies auch in der rechten Weise tut. 2. Die Eltern eines ehelichen Kindes haben die elterliche Gewalt in gegenseitigem Einvernehmen auszuüben, § 1627. Das bedeutet nicht, daß jede Einzelmaßnahme von den Eltern gemeinsam beschlossen und gemeinsam ausgeführt werden muß. Das wäre in der Praxis auch gar nicht möglich. Es genügt, wenn sich die Eltern über die Grundsätze einig sind, nach denen sie die elterliche Gewalt ausüben wollen. Häufig wird sich zwischen den Eltern eine natürliche Aufgabenteilung einspielen. Handelt dann ein Elternteil allein, so wird er sich auf das mutmaßliche Einverständnis des anderen Teils oder (Dritten gegenüber) auf eine stillschweigende Bevollmächtigung berufen können. Im Bereich der Vertretung kommt auch eine Duldungsvollmacht in Frage; vgl. LArbG Düsseldorf, FamRZ 1967, 47. Nur wichtige Entscheidungen (Schul- und Berufswahl, Konfession) müssen die Eltern grundsätzlich (Eilfälle, z. B. eine dringend notwendige Operation ausgenommen) gemeinsam treffen. Können sich die Eltern über eine Frage der elterlichen Gewalt nicht einigen, so bleibt als Ausweg nur die Anrufung des Vormundschaftsgerichts — das freilich nur entscheiden wird, wenn eine Entscheidung im Interesse des Kindes geboten ist; vgl. Herrn. Lange, Die Lücke im Kindschaftsrecht, NJW 1961, 1891. 3. Hat ein Elternteil das Kind allein vertreten, ohne vom anderen ausdrücklich oder stillschweigend bevollmächtigt worden zu sein und liegt auch keine Duldungsvollmacht vor, so gelten die Regeln über die Vertretung ohne Vertretungsmacht (§§ 177, 178). Das Rechtsgeschäft ist in der Schwebe, kann jedoch durch eine Genehmigung des anderen Elternteils regelmäßig noch wirksam werden; vgl. Gernhuber, § 50 III, 2. 4. Für einen Schaden, den die Eltern bei der Ausübung der elterlichen Gewalt dem Kind zufügen, haften sie nach § 1664. Nach dieser Vorschrift haben die Eltern für die Sorgfalt einzustehen, die sie in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegen. Für grobe Fahrlässigkeit haften die Eltern jedoch in jedem Falle, § 277. Haben sich die Eltern zur Erfüllung ihrer Pflichten anderer Personen bedient (Arzt, Rechtsanwalt, Hauspersonal), und entsteht dem Kind durch ein Verschulden dieser Personen ein Schaden, so ist zu unterscheiden: Für die Auswahl und die Überwachung der Hilfsperson haften die Eltern nach § 1664. Haben die Eltern die Hilfs144
Die elterliche Gewalt person sorgfältig ausgesucht, so haften sie für ein Verschulden dieser Person nur dann (§§ 1664, 278), wenn die Zuziehung der Hilfsperson nicht unbedingt notwendig war, mit anderen Worten, wenn die Eltern audi selbst hätten tätig werden können. Die Eltern haften darum z. B. dem Kind für eine grob fahrlässige Verletzung durch eine Hausangestellte, jedoch nicht für eine grobe Fahrlässigkeit des das Kind behandelnden Arztes; vgl. Staudinger-Donau, § 1664 Anm. 19 ff. Sind für einen Schaden beide Eltern verantwortlich, so haften sie als Gesamtschuldner, § 1664 II. IV. Das Ende der elterlichen Gewalt 1. Die elterliche Gewalt endet mit dem Tod des Kindes, mit seiner Volljährigkeit (§ 1626 I) und mit seiner Adoption (§ 1765 I) — nicht aber mit der Heirat der minderjährigen Tochter, § 1633. Heirat macht nicht mündig! 2. Die elterliche Gewalt eines Elternteils endet mit seinem Tod. Bei einem ehelichen Kind geht in diesem Fall die alleinige elterliche Gewalt auf den anderen Elternteil über, § 1681 I. Bei einem nichtehelichen Kind muß ein Vormund bestellt werden, § 1773. 3. Die elterliche Gewalt eines Elternteils endet ferner, wenn nach einer Scheidung oder bei Getrenntleben der Eltern das Vormundschaftsgericht bestimmt, daß die elterliche Gewalt dem anderen Ehegatten zustehen soll, §§ 1671, 1672. 4. Die elterliche Gewalt eines Elternteils endet schließlich dann, wenn ihm sämtliche Bestandteile der elterlichen Gewalt entzogen werden (eine Entziehung der „elterlichen Gewalt" als solche ist im BGB nicht vorgesehen). Eine solche Entziehung ist die schärfste Maßnahme, die das Vormundschaftsgericht bei einer Gefährdung des Kindeswohls treffen kann, § 1666 (s. dazu unten § 19 IV). Auch ohne eine Entziehung durch das Vormundschaftsgericht endet die elterliche Gewalt eines Elternteils, wenn er wegen eines an dem Kind verübten Verbrechens oder vorsätzlichen Vergehens zu Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt wird, § 1676 I. Mit der Rechtskraft dieses Urteils hat er seine elterliche Gewalt „verwirkt" (§ 1676 II). In den beiden zuletzt genannten Fällen gehen die entzogenen oder verwirkten Rechte nicht kraft Gesetzes auf den anderen Elternteil über. Vielmehr muß hier grundsätzlich das Vormundschaftsgericht eine Entscheidung treffen. Es hat dabei zu prüfen, ob eine Übertragung der elterlichen Gewalt auf den anderen Elternteil mit dem Wohl 10 Henrich, Famllienrecht
145
§ 18
Abschnitt: Kindschafts- und Verwandtsdiaftsredit
des Kindes vereinbar ist. Leben die Eltern zusammen, so wird häufig die Gefahr bestehen, daß der seiner Gewalt entkleidete Elternteil die Entscheidungen des anderen Elternteils in einer für das Kind nachteiligen Weise beeinflußt. Hält das Vormundschaftsgericht eine Ubertragung der elterlichen Gewalt auf den anderen Elternteil aus diesem Grund für nicht vertretbar, so bestellt es einen Vormund oder Pfleger, §§ 1679 I, 1680. Die Bestellung eines Vormundes oder Pflegers bedeutet, daß auch der „unschuldige" Elternteil die elterliche Gewalt verliert. Es steht ihm dann nur noch — neben dem Vormund oder Pfleger — die tatsächliche Personensorge zu, wobei jedoch bei Meinungsverschiedenheiten die Meinung des Vormundes oder Pflegers vorgeht, § 1679 I, 4. Ausnahme: Sind die Eltern geschieden oder leben sie getrennt, dann ist die Gefahr einer Einflußnahme nicht gegeben. Wird darum in diesem Fall die elterliche Gewalt demjenigen Elternteil entzogen, dem sie nach der Scheidung oder Trennung vom Vormundschaftsgericht übertragen worden war, oder verwirkt dieser Elternteil die elterliche Gewalt, so geht sie kraft Gesetzes auf den anderen Elternteil über, §§ 1679 II, 1680. V. Die Personenfürsorge 1. Als Hauptinhalt der Personenfürsorge bezeichnet § 1631 I das Recht und die Pflicht der Eltern, das Kind zu erziehen, zu beaufsichtigen und seinen Aufenthalt zu bestimmen. Das ist selbstverständlich keine erschöpfende Aufzählung. Zum Personensorgerecht gehören anerkanntermaßen auch das Recht, dem Kind einen Vornamen zu geben, das Recht und die Pflicht, über die Ausbildung (Schulbesuch, Lehre) zu bestimmen und sie zu überwachen, das Recht, in eine Volljährigkeitserklärung (§ 4 II) oder eine Eheschließung (§ 3 EheG) einzuwilligen, das Recht und die Pflicht, über die Gesundheit des Kindes zu wachen, insbesondere für eine ärztliche Behandlung zu sorgen und über die Vornahme einer Operation zu bestimmen [der Minderjährige kann allerdings in die Operation auch selbst einwilligen, wenn er nach seiner geistigen und sittlichen Reife die Bedeutung des Eingriffs und seiner Gestattung zu ermessen vermag; vgl. B G H 2 29, 33; a. A. Staudinger-Donau, § 1626 Anm. 76 ff.], das Recht und die Pflicht, angemessene Zuchtmittel anzuwenden, die den Umständen, der Individualität und dem Alter des Kindes anzupassen sind [beachte: eine körperliche Züchtigung eines Kindes nach 146
Die elterlidie Gewalt der Pubertät wird im allgemeinen nicht mehr als erzieherisch vertretbar anzusehen sein; vgl. Engler, FamRZ 1969, 65. Gegen Überschreitungen wird das Kind — oft freilich nur theoretisch — geschützt durch § 1666: Das Vormundschaftsgericht ist zum Einschreiten verpflichtet. U . U. kann sogar die elterliche Gewalt verwirkt werden, § 1676; außerdem können sich die Eltern strafbar machen, § 223b StGB]. 2. Das Erziehungsrecht schließt das Recht zur religiösen Erziehung ein. Die religiöse Erziehung ist in einem besonderen Gesetz geregelt, nämlich im Reichsgesetz über die religiöse Kindererziehung vom 15. 7. 1921 (RKEG). Danach entscheidet über die religiöse Erziehung eines Kindes in erster Linie die freie Einigung der Eltern, soweit ihnen das Personensorgerecht zusteht. Die Einigung ist jederzeit widerruflich und wird durch den Tod eines Gatten gelöst, § 1 R K E G . Verträge über die religiöse Erziehung (etwa bei der Eheschließung) sind gem. § 4 R K E G ohne bürgerliche Wirkung. Sind sich die Eltern nicht oder nidit mehr einig, so gelten nadi § 2 I R K E G die Vorschriften des BGB über das Recht der Personensorge. Das heißt, den Eltern, die sich nicht einigen können, bleibt nur der Weg zum Vormundschaftsgericht. Ob die Bestimmung des religiösen Bekenntnisses freilich überhaupt justiziabel ist, ist sehr bestritten. Der Richter darf in keinem Fall eine Religion gegen die andere abwägen. Nur pädagogische Gesichtspunkte dürfen, wie in § 2 III, 2 RKEG ausdrücklich betont wird, für seine Entscheidung ausschlaggebend sein, z. B. die Erwägung, daß bei mehreren Kindern eine einheitliche religiöse Erziehung wünschenswert ist; vgl. Glässtng, Kann der Vormundschaftsrichter die Erstbestimmung der Religion des Kindes vornehmen?, FamRZ 1962, 350. In der Praxis wird die Entscheidung des Richters dadurch erleichtert, daß der Streit der Eltern meist erst bei der Schuleinschreibung vor die Gerichte getragen wird. Zu diesem Zeitpunkt hat aber die religiöse Erziehung des Kindes in aller Regel bereits eingesetzt. Der Richter kann sich dann auf pädagogische Prinzipien berufen, etwa darauf, daß ein Wechsel in der religiösen Erziehung nach Möglichkeit vermieden werden sollte, oder darauf, daß der Ehegatte, der sich bisher tatsächlich um die religiöse Erziehung des Kindes gekümmert hat, die bessere Gewähr für eine religiöse Erziehung bietet als der andere. Klare Verhältnisse könnten freilich am besten durch die Zulassung von (bindenden) Verträgen über die religiöse Kindererziehung geschaffen werden. Deswegen hat sich der 38. D J T 1950 für die Aufhebung von § 4 RKEG ausgesprochen. Das Kind unterliegt der religiösen Erziehung bis zum vollendeten 14. Lebensjahr. Von da ab steht ihm die Entscheidung darüber frei, 10
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§
18
II- Abschnitt: Kindschafts- und Verwandtschaftsrecht
zu welchem religiösen Bekenntnis es sich halten will, § 5 S. 1 RKEG. Nach Vollendung des 12. Lebensjahres kann ein Konfessionswechsel nidit mehr gegen seinen Willen bestimmt werden, § 5 S. 2 RKEG. Nadi Art. 7 II GG haben die Erziehungsberechtigten das Redit, über die Teilnahme des Kindes am Religionsunterricht zu bestimmen. Dieses Bestimmungsrecht endet jedoch ebenfalls mit der Religionsmündigkeit des Kindes. Die Eltern können das Kind nicht zwingen, an dem Religionsunterricht eines Bekenntnisses teilzunehmen, zu dem es sich nicht mehr bekennt. Sie können nach h. M. das 14 Jahre alte Kind noch nicht einmal zwingen, weiterhin an dem Religionsunterricht seines Bekenntnisses teilzunehmen. Denn zur Entscheidung über das Religionsbekenntnis gehört — jedenfalls nach h. M. — auch die Bestimmung über die Teilnahme am Religionsunterricht; vgl. Maunz-Dürig-H erzog, GG, 3. Aufl., Art. 7 Anm. III, 1; BGHZ 21, 340, 351 f. 3. Das Recht und die Pflicht, das Kind zu beaufsichtigen, soll dazu dienen, sowohl Schädigungen des Kindes als auch Schädigungen Dritter durch das Kind zu verhüten (vgl. § 832!). Der Aufsichtspflicht unterliegt grundsätzlich auch der briefliche und persönliche Verkehr des Kindes. Aber: Von ihrem Aufsichtsredit sollen die Eltern bei älteren Kindern nur mit einer gewissen Zurückhaltung Gebrauch machen. Audi das Kind hat das Recht auf eine Eigensphäre, in welche die Eltern nicht ohne N o t eingreifen sollten. Haben die Eltern Anlaß zu der Sorge, daß ihr Kind durch den Umgang mit einem anderen Menschen gefährdet werde (Liebhaber der Toditer!), so können sie gegen diesen auf Unterlassung des Umgangs klagen; vgl. OLG Köln, FamRZ 1963, 447.
Beachte: Die elterliche Gewalt ist ein absolutes, gegenüber jedermann wirkendes Recht. Den Eltern steht bei einer Verletzung dieses Rechts durch einen Dritten die quasinegatorische Unterlassungsklage zur Verfügung. Die Eltern dürfen jedoch den Kindern, wenn sie älter geworden sind, den Umgang mit anderen Menschen nicht willkürlich verbieten. Auch wird man ihnen nidit mehr das unbeschränkte Recht zubilligen können, Briefe zu öffnen, die an ein bald volljähriges Kind gerichtet sind, oder jeden unbeaufsichtigten Ausgang zu verbieten, wenn nicht besondere Umstände eine derartige Maßnahme zur Abwendung einer Gefahr nahelegen; vgl. Engler, FamRZ 1969, 65.
4. Auf Grund ihres Rechtes, den Aufenthalt des Kindes zu bestimmen, können die Eltern die Herausgabe des Kindes von jedem verlangen, der es ihnen widerrechtlich vorenthält, § 1632 I. 148
Die elterliche Gewalt Der Satz scheint selbstverständlich. Das Interesse des Kindes kommt aber nicht selten dabei zu kurz. Beispiel: Die Mutter, die sich jahrelang um ihr nichteheliches Kind nicht gekümmert hat, das bei Pflegeeltern aufgewachsen ist, kann das Kind herausverlangen, auch wenn dieses der Mutter völlig fremd gegenübersteht und lieber bei den Pflegeeltern bleiben möchte; vgl. KG, FamRZ 1965, 448, „Angelika Kurz". Der Herausgabeanspruch richtet sich nicht nur gegen einen Außenstehenden, sondern besteht auch gegenüber dem Ehegatten. Beispiel: N a d i einer Scheidung wird das Kind dem Vater zugesprochen. D i e Mutter gibt es nidit heraus. Beachte: Während für die Herausgabeklage grundsätzlich das ordentliche Gericht zuständig ist, entscheidet über einen Herausgabestreit zwischen den Eltern das Vormundschaftsgericht, § 1632 II. Auf dem Aufenthaltsbestimmungsredit beruht audi das Redit der Eltern, ein Kind in einem Heim oder in einer Anstalt unterzubringen. In diesem Zusammenhang ist streitig geworden, ob die Unterbringung dann, wenn sie mit einer Freiheitsentziehung verbunden ist (Unterbringung in einer Irrenanstalt oder einer geschlossenen Erziehungsanstalt), die Genehmigung des Vormundschaftsgerichts voraussetzt. Mit Rücksicht auf Art. 104 II GG hat das BVerfG in einem grundlegenden Beschluß (BVerfGE 10, 302) eine richterliche Entscheidung für erforderlich gehalten, wenn der Vormund sein Mündel in einer geschlossenen Anstalt unterbringen möchte. Für die Eltern kann indes ein solches Genehmigungserfordernis nicht gelten. Die Unterbringung durch sie hat einen anderen Rechtsgrund als die Unterbringung durch den Vormund. Die Unterbringung durch den Vormund geschieht aus dem Gesichtspunkt der öffentlichen Fürsorge, der Vormund handelt als Träger eines öffentlichen Amtes, die Eltern handeln kraft ihrer elterlichen Gewalt. Gegen einen Mißbrauch dieses Rechts schützt § 1666; h. M., vgl. BayObLG, FamRZ 1963, 577. 5. D i e Personenfürsorge endet als Bestandteil der elterlichen G e w a l t mit dieser (s. o. IV). Darüber hinaus endet die tatsächliche Personensorge (nicht das Vertretungsrecht und nicht die Vermögensverwaltung!) über eine minderjährige Tochter kraft Gesetzes mit deren Verheiratung, § 1633. U n d schließlich kann die Personensorge einem Elternteil unter den Voraussetzungen des § 1666 (Gefährdung des Kindeswohls durch ein schuldhaftes Verhalten) entzogen werden. Zu der Frage, ob in diesem Fall die Personensorge auf den anderen Elternteil übergeht oder ob ein Pfleger bestellt werden muß, s. o. IV, 5. 149
§ 18
II. Abschnitt: Kindschafts- und Verwandtsdiaftsrecht
VI. Das Recht zum persönlichen 1. Eheliche
Verkehr
Kinder
Ein Elternteil, dem die Sorge für die Person des Kindes nicht zusteht, insbesondere also ein geschiedener Ehegatte, behält die Befugnis, mit dem Kind persönlich zu verkehren, § 1634 I. Zweck dieses sog. Verkehrsrechts ist es, einer Entfremdung vorzubeugen und dem gegenseitigen Liebesbedürfnis Rechnung zu tragen. Das Recht zum persönlichen Verkehr wird von der h. M. als Ausfluß des sog. „natürlichen Elternrechts'' angesehen (BGHZ 42, 370; BGH, FamRZ 1969, 149; Dölle II, § 98 I, 1), von einer Gegenmeinung als Rest des Personensorgerechts (so im Anschluß an die Rechtsprechung des Reichsgerichts insbesondere Gernhuber, § 53 III, 1). Die Existenz des „natürlichen Elternrechts" wird aus Art. 6 II GG hergeleitet, der Pflege und Erziehung der Kinder als „das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht" bezeichnet. Ob allerdings die Eltern sich gegenseitig auf dieses „natürliche Elternrecht" berufen können, ist sehr zweifelhaft, insbesondere, nachdem auch das BVerfG erklärt hat, das in Art. 6 II GG gewährleistete Grundrecht garantiere den Eltern lediglich, daß in erster Linie sie über die Erziehung der Kinder entscheiden sollten und nicht andere Erziehungsträger (BVerfG, FamRZ 1968, 578). Über den Umfang und die Ausgestaltung des persönlichen Verkehrs entscheidet in erster Linie die Vereinbarung der Eltern, bzw., wenn die Personensorge einem Vormund oder Pfleger zusteht, die Vereinbarung mit diesem. Kommt keine Einigung zustande, so entscheidet — nach Anhörung des zuständigen Jugendamtes, § 48 JWG — das Vormundschaftsgericht, desgleichen, wenn ein Elternteil sich an eine früher getroffene Vereinbarung nicht mehr halten will. Üblich ist es, das Kind dem verkehrsberechtigten Elternteil etwa ein- oder zweimal im Monat für einige Stunden zu überlassen. Bestritten ist die Frage, ob während der Dauer des persönlichen Verkehrs der Personensorgeberechtigte Elternteil auf Grund seines Rechts, den Umgang des Kindes zu bestimmen, die Anwesenheit dritter Personen (Ehegatte des verkehrsberechtigten Eltern teils!) verbieten kann. Die Antwort der nunmehr h. M. auf diese Frage lautet nein. Diese Antwort ergibt sich, wenn man das Verkehrsrecht als Rest des Personensorgerechts begreift, daraus, daß, soweit die Restbefugnis reidit, sie gleichrangig neben dem Recht des Sorgeberechtigten steht. D. h.: Während der Dauer des persönlichen Verkehrs sind beide Elternteile personensorgeberechtigt. Entsteht für diesen Zeit150
Die elterliche Gewalt
räum bei einer Frage des Personensorgerechts, etwa über den Kontakt des Kindes mit fremden Personen, zwischen den Eltern ein Streit, so hat darüber das Vormundschaftsgericht zu entscheiden. Zum gleichen Ergebnis gelangt seit kurzem auch die Auffassung, die das Verkehrsrecht als Ausfluß des natürlichen Elternrechts ansieht, nur auf einem etwas umständlicheren Weg (BGH, JZ 1969, 194; vgl. dazu Henrich, Fälle und Lösungen, S. 66). 2. Nichteheliche
Kinder
Der Vater eines nichtehelichen Kindes hatte nach der bisherigen gesetzlichen Situation kein Recht zu einem persönlichen Verkehr mit dem Kind. Die neue Rechtslage, die ja auch das Ziel verfolgt, das Band zwischen Kind und Vater enger zu knüpfen, sieht ein Verkehrsrecht vor, freilich von schwächerer Kraft als das Verkehrsrecht der Eltern eines ehelichen Kindes. An die Stelle der Einigung der Eltern tritt die einseitige Bestimmung des Personensorgeberechtigten (d. h. regelmäßig der Mutter). Der Personensorgeberechtigte bestimmt, ob und in welchem Umfang dem Vater Gelegenheit gegeben werden soll, mit dem Kind persönlich zu verkehren. Ist der Vater mit dieser Entscheidung nicht einverstanden, so soll in geeigneten Fällen das Jugendamt zwischen beiden vermitteln. Und schließlich kann das Vormundschaftsgericht eine Entscheidung treffen, wenn es der Auffassung ist, daß ein persönlicher Umgang mit dem Vater dem Wohl des Kindes dient, § 1711. VII. Die Vermögensfürsorge 1. Das Recht und die Pflicht der Eltern, für das Vermögen des Kindes zu sorgen, die sog. Vermögensverwaltung, umfaßt grundsätzlich alle tatsächlichen und rechtlichen Fürsorgemaßnahmen für die Erhaltung, Verwertung und Vermehrung des Kindesvermögens. Die Eltern können das Vermögen des Kindes in Besitz nehmen (in diesem Fall sind die Eltern Besitzmittler), sie können es verwalten, sie können Rechte, die zum Vermögen des Kindes gehören, im Namen des Kindes geltend machen (die Vermögenssorge umschließt auch das Recht, das Kind in Vermögensangelegenheiten zu vertreten, § 1626 II), sie können aber auch kraft ihres Verwaltungsrechts im eigenen Namen handeln, sie können über die Gegenstände des Kindervermögens verfügen, sie können das Kind durch Rechtsgeschäfte verpflichten. Allerdings sind die Schranken im Bereich der Vermögensverwaltung enger als im Bereich der Personenfürsorge. Zu einer Reihe von Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäften bedürfen die Eltern der Genehmigung des Vormundschaftsgerichts (s. u. § 19 I, 3b). 151
§18
II. Abschnitt: Kindschafts- und Verwandtschaftsrecht
2. Erwerben die Eltern mit Mitteln des Kindes bewegliche Sachen oder Rechte, die durch bloßen Abtretungsvertrag übertragen werden können (z. B. einfache Forderungen), so findet dingliche Surrogation statt. Das Erworbene wird unmittelbar Eigentum oder Recht des Kindes, gleichgültig, wie die Eltern aufgetreten sind. Das gilt nur dann nicht, wenn nachgewiesen wird, daß die Eltern den Gegenstand im eigenen Namen und für eigene Rechnung und nicht für Rechnung des Kindes erworben haben, § 1646. In diesem Fall wächst dem Kind ein obligatorischer Anspruch auf Abtretung oder Ersatz zu, der im übrigen als privilegierte Konkursforderung anerkannt ist, § 61 Nr. 5 KO.
3. Ursprünglich war mit der elterlichen Gewalt das Nutznießungsrecht am Kindesvermögen verbunden. Das Gleichberechtigungsgesetz hat diese Regelung beseitigt. Die Einkünfte des Kindesvermögens sollen grundsätzlich dem Kind zustehen und nicht in das Vermögen der Eltern fallen (und dadurch möglicherweise ihren Gläubigern zugute kommen!). Vermögenseinkünfte des Kindes sind vor allem für den Unterhalt des Kindes zu verwenden, § 1649 I, 1. Nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen können die Eltern Vermögenseinkünfte des Kindes auch für den eigenen Unterhalt und den Unterhalt der minderjährigen unverheirateten Geschwister des Kindes heranziehen, dann nämlich, wenn die Einkünfte den Betrag übersteigen, der zur Verwaltung des Kindesvermögens und zum Unterhalt des Kindes erforderlich ist und die Verwendung unter Berücksichtigung der Vermögens- und Erwerbsverhältnisse der Beteiligten der Billigkeit entspricht, § 1649 II, 1. 4. Die Vermögensfürsorge endet als Bestandteil der elterlichen Gewalt mit dieser (s. o. IV). Darüber hinaus endet die Vermögensverwaltung eines Elternteils kraft Gesetzes, wenn er in Konkurs fällt, § 1670. Und schließlich kann auch die Vermögensverwaltung ebenso wie die Personensorge einem Elternteil durch das Vormundschaftsgericht unter bestimmten Voraussetzungen entzogen werden, §§ 1666 II, 1669.
152
Schranken der elterlichen Gewalt
§ 19. Sdiranken der elterlichen Gewalt, Verhinderung an Ihrer Ausübung, Maßnahmen zum Schutz des Kindes, Verteilung der elterlichen Gewalt nach der Scheidung oder bei Getrenntleben der Eltern I. Schranken der elterlichen Gewalt 1. Allgemeine Schranken Die elterliche Gewalt und die Vertretungsmacht der Eltern erstrekken sich nicht auf die Angelegenheiten des Kindes, für die ein Pfleger bestellt ist, § 1630 I. Ein Pfleger ist dem Kind insbesondere dann zu bestellen, wenn beide Eltern oder — bei nichtehelichen Kindern — die Mutter an der Ausübung der elterlichen Gewalt tatsächlich verhindert sind (z. B. durch Krankheit) oder die Eltern aus rechtlichen Gründen ein bestimmtes Rechtsgeschäft nicht für das Kind vornehmen können. Bei nichtebelichen Kindern treten die in § 1706 Ziff. 1—3 genannten Angelegenheiten hinzu (s. dazu unter II). 2. Schranken der Vertretungsmacht a) Abgesehen von den Fällen, in denen dem Kind ein Pfleger bestellt worden ist, sind die Eltern — wegen eines möglichen Interessenwiderstreits — von der Vertretung des Kindes ausgeschlossen in denselben Fällen, in denen nach § 1795 ein Vormund von der Vertretung des Mündels ausgeschlossen ist, § 1629 II 1. Diese Verweisung bedeutet: Die Eltern dürfen keine In-sich-Geschäfte abschließen, es sei denn, daß es sich um bloße Erfüllungsgeschäfte handelt, §§ 1795 II, 181. Außerdem darf kein Elternteil in Vertretung des Kindes gegenüber seinem Ehegatten oder gegenüber einer mit ihm in gerader Linie verwandten Person ein Rechtsgeschäft vornehmen; auch hier wiederum sind bloße Erfüllungsgesdiäfte ausgenommen, § 1795 I Ziff. 1. Beispiel: Die Mutter des Kindes kann (nach dem Tod des Vaters) in Vertretung des Kindes ein Grundstück, das dem Kind gehört, weder an sidi, nodi an ihren zweiten Ehemann, noch an ihre Eltern, nodi an Geschwister des Kindes verkaufen.
Auch in einem Rechtsstreit kann ein Elternteil das Kind nicht vertreten, wenn er selbst, sein Ehegatte oder eine Person, mit der er in gerader Linie verwandt ist, der Gegner ist, § 1795 I Ziff. 3. Ausnahme: Leben die Eltern des Kindes getrennt, so kann ein Elternteil das Kind bei der Geltendmachung seines Unterhalts153
§ 1 9
I I . Abschnitt: Kindschafts- und Verwandtschaftsrecht
anspruchs gegen den anderen Elternteil vertreten, § 1629 I I , 1, 2. Hs. Schließlich können die Eltern das Kind auch nicht vertreten bei einem Rechtsgeschäft, das die Übertragung oder Belastung einer (z. B. durch eine Hypothek oder Bürgschaft) gesicherten Forderung des Kindes gegen einen Elternteil oder die Aufhebung oder Minderung dieser Sicherheit zum Gegenstand hat oder die Verpflichtung des Kindes zu einer solchen Übertragung, Belastung, Aufhebung oder Minderung begründet, sowie bei einem Rechtsstreit über eine solche Angelegenheit, § 1795 I Ziff. 2. b) Die Eltern sind des weiteren von der Vertretung ausgeschlossen, soweit ihnen die Vertretungsmacht durch das Vormundschaftsgericht für einzelne Angelegenheiten oder einen Kreis einzelner Angelegenheiten entzogen worden ist, §§ 1629 II, 2, 1796. Eine solche Maßnahme wird das Vormundschaftsgericht dann treffen, wenn in einer bestimmten Angelegenheit eine Interessenkollision besteht, der Elternteil aber nicht kraft Gesetzes von der Vertretung des Kindes ausgeschlossen ist. Beispiel: Die Mutter, der nach der Scheidung die elterliche Gewalt übertragen worden ist, schließt in Vertretung des Kindes einen Vertrag mit ihrem neuen „Lebensgefährten", mit dem sie nicht verheiratet ist.
c) Sind die Eltern gemäß §§ 1629 II, 1795, 1796 von der Vertretung ausgeschlossen, so ist ein Pfleger zu bestellen. Das gilt auch dann, wenn nur in der Person eines Elternteils ein Ausschlußgrund vorliegt. D. h.: Ist ein Elternteil auf Grund der genannten Vorschriften rechtlich gehindert, das Kind zu vertreten, so erstarkt keineswegs die elterliche Gewalt des anderen Elternteils zur Alleingewalt. Das zeigt deutlich § 1678 I, wonach nur bei einer tatsächlichen Verhinderung (Abwesenheit, Krankheit) eines Elternteils oder bei einem Ruhen seiner elterlichen Gewalt (z. B. wegen Geschäftsunfähigkeit, § 1673 I) die elterliche Gewalt des anderen zur Alleingewalt erstarkt; vgl. Dölle II, § 92 I, 4b; a. A. Gernhuber, § 50 I, 4. d) Eine weitere Beschränkung des Vertretungsrechts der Eltern ergibt sich aus den §§ 112, 113. Haben die Eltern ihr minderjähriges Kind zum Betrieb eines Erwerbsgeschäfts oder zum Eintritt in ein Dienst- oder Arbeitsverhältnis ermächtigt, so ist ihre Vertretungsmacht in dem Bereich ausgeschlossen, in dem der Minderjährige auf Grund dieser Ermächtigung unbeschränkt geschäftsfähig ist. Der Grundgedanke des § 113 verträgt eine Erweiterung für die Fälle, wo der Minderjährige mit Zustimmung der gesetzlichen Vertreter einem besonders geregelten Arbeits- und Pflichtenkreis angehört, wie etwa der Universi154
Schranken der elterlichen Gewalt
§
19
tat. Hier wird er die aus dieser Zugehörigkeit erwachsenden Rechte im allgemeinen auch ohne besondere Zustimmung der Eltern ausüben dürfen.
e) Die Vertretungsmacht der Eltern ist ferner durch das Schenkungsverbot des § 1641 beschränkt. Die Eltern können nicht in Vertretung des Kindes Schenkungen machen (oder einer Schenkung durch das Kind zustimmen). Ausgenommen sind lediglich Pflicht- und Anstandsschenkungen. Schenkungen, die gegen dieses Verbot verstoßen, sind nichtig. f ) Gewisse Rechtshandlungen kann nur das Kind persönlich vornehmen (mit gewissen Ausnahmen, wenn das Kind geschäftsunfähig ist): Eheschließung, Klage auf Ehescheidung, Abschluß eines Ehevertrags (§ 1411 I, 3), Anfechtung der Ehelidikeit eines Kindes (§ 1595), Anerkennung eines Kindes (§ 1600d), Anfechtung der Anerkennung (§ 1600k), Antrag auf Ehelicherklärung (§ 1728), Errichtung eines Testaments (§ 2064), Abschluß eines Erbvertrages (§ 2274), Erbverzicht (§ 2347). In all diesen Fällen ist eine Vertretung durch die Eltern ausgeschlossen. g) Schranken der Vertretungsmacht ergeben sich schließlich auch daraus, daß in einer Reihe von meist vermögensrechtlichen Geschäften die Eltern die Zustimmung des Vormundschaftsgerichts einholen müssen, § 1643. 3. Schranken im Bereich der
Vermögensverwaltung
a) Grundsätzlich untersteht das gesamte Vermögen des Kindes der Verwaltung durch die Eltern. Ausgenommen sind Vermögensgegenstände, die dem Kind geschenkt oder durch eine Verfügung von Todes wegen zugewendet worden sind, wenn der Schenker oder der Erblasser das Verwaltungsrecht der Eltern ausgeschlossen hat (§ 1638). Außerdem ist die Schranke des § 1630 (Pfleger!) zu beachten. b) Für eine Reihe wichtiger Vermögensgeschäfte bedürfen die Eltern der Genehmigung des Vormundschaftsgerichts. Genehmigungsbedürftig sind (§ 1643 I, II): (1) gewisse Grundstüdesgeschäfte (§ 1821 I Ziff. 1—4). So brauchen die Eltern z. B. die Zustimmung des Vormundschaftsgerichts, wenn sie ein Grundstück des Kindes verkaufen, übereignen oder belasten wollen. Dagegen können die Eltern ohne Genehmigung des Vormundschaftsgerichts für das Kind ein Grundstück kaufen. Beachte: Die Bewilligung einer Restkaufgeldhypothek bei einem Grundstückserwerb ist zwar an sich eine Belastung des Grundstücks; trotzdem sieht
155
§ 19
II. Abschnitt: Kindschafts- und Verwandtschaftsrecht
man hier von einer Genehmigungspflidit ab, weil es sich dabei um eine sog. „Erwerbsmodalität" handelt. (2) Geschäfte, die sich auf das gesamte Vermögen oder auf eine schaft beziehen (§ 1822 Ziff. 1). Hier ist die Genehmigung Vormundschaftsgerichts etwa erforderlich, wenn die Eltern Kind zu einer Verfügung über sein Vermögen im ganzen pflichten oder wenn die Eltern für das Kind eine Erbschaft schlagen wollen.
Erbdes das veraus-
Ausnahme: Ist das Kind nur deswegen erbberechtigt, weil seine Eltern die Erbschaft ausgeschlagen haben, so können die Eltern auch ohne Genehmigung des Vormundschaftsgerichts die Erbschaft für das Kind ausschlagen. Beispiel: Der Großvater des Kindes stirbt. Sein Nachlaß ist überschuldet. Gesetzlicher Erbe ist der Vater des Kindes. Das Kind wird Erbe nur dann, wenn der Vater ausschlägt. In diesem Fall können die Eltern die Erbschaft auch für das Kind ausschlagen, ohne die Genehmigung des Vormundschaftsgeridits einholen zu müssen. (3) Verträge über ein Erwerbsgeschäft (Kauf oder Veräußerung eines Erwerbsgeschäfts, Abschluß eines Gesellschaftsvertrags zum Betrieb eines Erwerbsgeschäfts, § 1822 Ziff. 3). Beachte: Audi der Eintritt in eine bestehende Personalgesellschaft oder das Ausscheiden aus ihr ist genehmigungsbedürftig (der Eintretende erwirbt einen Gesamthandsanteil an dem Erwerbsgeschäft, insofern ist der Erwerb eines Anteils am Gesthäft dem Erwerb des Geschäfts im ganzen gleichzusetzen; BGHZ 17, 160), desgl. der Erwerb oder die Veräußerung aller Geschäftsanteile einer GmbH (zwar wird der Minderjährige durch den Erwerb nicht selbst Träger des Erwerbsgeschäfts, es kann sich aber für ihn nach den Grundsätzen über die Ein-Mann-Gesellschaft eine Haftung ergeben; vgl. Staudinger-Engler, §§ 1821, 1822 Anm. 68), nach der überwiegenden Meinung sogar schon eine solche Beteiligung, welche die Herrschaft über die GmbH verleiht (vgl. Staudinger-Engler, a. a. O., Anm. 69). Nicht genehmigungsbedürftig ist der Erwerb oder die Veräußerung von Aktien. Die Gesellschaftsverträge, zu deren Abschluß § 1822 Ziff. 3 die Genehmigung des Vormundschaftsgerichts verlangt, sind grundsätzlich nur solche auf Eingehung einer Personalgesellschaft; denn nur sie werden „zum Betrieb eines Erwerbsgeschäfts" eingegangen. Bei einer GmbH betreiben nicht die Gesellschafter das Erwerbsgeschäft, sondern die GmbH. Dessenungeachtet bejaht die wohl h. M. auch hier die Genehmigungsbedürftigkeit zumindest dann, wenn der Minderjährige über die Kapitaleinlage hinaus ein Unternehmerrisiko übernimmt (vgl. Staudinger-Engler, a. a. O., Anm. 80). (4) Gewisse Kreditgeschäfte und die Übernahme bindlichkeit, § 1822 Ziff. 8 u. 10. 156
einer fremden
Ver-
Schranken der elterlichen Gewalt Beispiele:
Aufnahme eines Darlehens, Bürgschaft.
(5) Die Unterzeichnung eines Wechsels, § 1822 Ziff. 9. (6) Die Erteilung einer Prokura, § 1822 Ziff. 11. (7) Verträge, durch die das Kind zu wiederkehrenden Leistungen über das 21. Lebensjahr hinaus verpflichtet wird (Miet- oder Pachtverträge, Abzahlungsgeschäfte), wenn das Vertragsverhältnis länger als ein Jahr über diesen Zeitraum hinaus fortdauern soll, § 1822 Ziff. 5. c) Audi dann, wenn es nicht um den Kauf eines Erwerbsgeschäfts geht, sondern um den bloßen Betrieb, muß oder soll die Zustimmung des Vormundschaftsgerichts eingeholt werden. Die Eltern sollen die Genehmigung des Vormundschaftsgerichts einholen, wenn sie ein neues Erwerbsgeschäft im Namen des Kindes beginnen wollen, § 1645. Sie müssen die Genehmigung des Vormundschaftsgerichts einholen, wenn sie das Kind ermächtigen wollen, ein Erwerbsgeschäft selbständig zu betreiben, § 112. d) Die Genehmigung des Vormundschaftsgerichts ist keine Unterart der Zustimmung i. S. der §§ 182 ff., sie ist überhaupt keine privatreditlidie, sondern eine Staatswillenserklärung, die auch, wenn sie vorher erteilt wird, Genehmigung heißt und nicht Einwilligung; sie ergänzt die Vertretungsmacht der Eltern und kann nur diesen gegenüber erklärt werden, §§ 1643 III, 1828. Die Vornahme eines genehmigungsbedürftigen Geschäftes ohne die vorherige Genehmigung macht ein einseitiges Rechtsgeschäft ohne weiteres nichtig; der Adressat darf die Erklärung sogar als unwirksam zurückweisen, wenn die Genehmigung nicht in schriftlicher Form vorgelegt wird, §§ 1643 III, 1831. Bei Verträgen ist nachträgliche Genehmigung möglich. Beachte: Eine nachträgliche Genehmigung wird dem Vertragspartner gegenüber erst wirksam, wenn sie ihm von den Eltern mitgeteilt wird, §§ 1643 III, 1829 I, 2. Die Eltern haben es also in der Hand, den geschlossenen Vertrag scheitern zu lassen, obgleich das Vormundschaftsgericht seine Genehmigung nachträglich noch erteilt hat. Sie brauchen dem Vertragspartner lediglich die Genehmigung nicht mitzuteilen. Der Vertragspartner kann die Eltern zu dieser Mitteilung nicht zwingen. Er kann lediglich die Eltern zur Mitteilung über die Genehmigung auffordern. Wird die Genehmigung dann nicht innerhalb von zwei Wochen mitgeteilt, so gilt die Genehmigung als verweigert (obgleich sie erteilt worden ist!), §§ 1643 III, 1829 II. 157
§
19
II. Abschnitt: Kindschafts- und Verwandtsdiaftsrecht
e) Von dem Bereich der genehmigungsbedürftigen Gesdiäfte abgesehen, unterwirft der Gesetzgeber die Vermögensverwaltung durch die Eltern nur einer gelinden Kontrolle. So braudien die Eltern, solange sie beide am Leben sind, kein Verzeichnis des Kindesvermögens anzufertigen (anders als ein Vormund, § 1802). Eine solche Verpflichtung entsteht für sie nur, wenn ein Elternteil stirbt (§ 1682) oder wenn der sorgeberechtigte Elternteil sich wieder verheiraten will oder — bei einem niditehelichen Kind — wenn die Mutter eine Ehe eingehen will (§ 1683). Das Vormundschaftsgericht kann allerdings von den Eltern jederzeit verlangen, daß sie ein Vermögensverzeichnis einreidien, wenn das Kindesvermögen gefährdet erscheint, § 1667. Ein Vormund muß jährlich über seine Vermögensverwaltung Rechnung legen, § 1840. Audi dazu sind die Eltern nicht verpflichtet. Sie müssen lediglich bei der Beendigung ihrer Vermögensverwaltung, wenn sie dem Kind das Vermögen herausgeben müssen, über ihre Verwaltung Rechenschaft ablegen, § 1698. Grundsätzlich können die Eltern frei darüber entscheiden, wie sie das Vermögen des Kindes anlegen wollen, ob in Grundstücken, Goldmünzen, Briefmarken usw. Nur dann, wenn sie Barvermögen des Kindes in Geldforderungen oder Wertpapieren anlegen wollen, schreibt das Gesetz eine sog. mündelsichere Anlage vor, §§ 1642, 1807, 1808. II. Besondere Schranken für die elterliche Gewalt der nichtehelichen Mutter 1. Der Gesetzgeber hat es für richtig gehalten, der niditehelichen Mutter für bestimmte Angelegenheiten einen Pfleger an die Seite zu stellen und dadurch ihre elterliche Gewalt zu beschränken. Zum Aufgabenkreis dieses Pflegers gehören (§ 1706): a) die Feststellung der Vaterschaft und alle sonstigen Angelegenheiten, die die Feststellung oder Änderung des Eltern-Kind-Verhältnisses (Beispiele: Ehelicherklärung, Adoption) oder des Familiennamens des Kindes betreffen; b) die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen fügung über diese Ansprüche;
und die Ver-
c) die Regelung von Erb- und Pflichtteilsrechten, die dem Kind im Fall des Todes des Vaters und seiner Verwandten zustehen. Die Regelung des § 1706 war im Gesetzgebungsverfahren bis zuletzt lebhaft umstritten. Manchen war der Zuständigkeitsbereich des Pflegers zu groß, anderen zu klein. Zum Teil hat man vorgeschlagen, den Zuständigkeitsbereich des Pflegers auf die Vatersdiaftsfeststel158
Hinderung der elterlichen Gewalt
lung zu beschränken (Göppinger, JR 1967, 128), insbesondere die Namensangelegenheiten herauszunehmen {Lange, JZ 1966, 732), andere Vorschläge gingen dahin, dem Pfleger zusätzlich zu der Feststellung der Vaterschaft die gesamte Vermögensverwaltung zu übertragen (Klemm, ZblJugR 1967, 156). Die Fassung, die § 1706 schließlich erhalten hat, ist somit ein echter Kompromiß, der im ganzen als vernünftig bezeichnet werden muß. Das Verhältnis der Mutter zum Vater ist nicht selten gespannt. Oft ist es der Mutter unangenehm, mit dem Vater wieder in Verbindung zu treten. Wehrt sich der Vater gegen eine Inanspruchnahme, müssen Prozesse geführt werden. Darin ist aber die Mutter in aller Regel unerfahren. Würden ihr diese Geschäfte nicht abgenommen, so würden häufig die Rechte des Kindes nicht mit dem genügenden Nachdruck vertreten werden. 2. Den Bedenken gegen diese Beschränkung der elterlichen Gewalt der Mutter hat das Gesetz dadurch Rechnung getragen, daß es das Vormundschaftsgericht ermächtigt, auf Antrag der Mutter a) anzuordnen, daß die Pflegschaft nicht eintritt, b) die Pflegschaft aufzuheben, c) den Wirkungskreis des Pflegers zu beschränken, § 1707 I. Nachdem der Mutter schon bisher auf ihren Antrag die volle elterliche Gewalt übertragen werden konnte, hätte es einen Rückschritt bedeutet, wenn der Gesetzgeber diese Möglichkeiten abgeschnitten hätte. 3. Hat das Vormundschaftsgeridit nidit angeordnet, daß die Pflegschaft nicht eintreten soll, so wird mit der Geburt des Kindes das Jugendamt Pfleger, es sei denn, daß bereits vor der Geburt ein Pfleger bestellt worden ist (daß eine Pflegschaft auch bereits für eine Leibesfrudit bestellt werden kann, ergibt sich aus § 1912 I) oder das Kind eines Vormundes bedarf (weil die Mutter aus rechtlichen Gründen, z. B. wegen Minderjährigkeit, die elterliche Gewalt nicht ausüben kann, s. u. III, 2c), § 1709. III. Die Verhinderung der Eltern an der Ausübung der elterlichen Gewalt 1. Tatsächliche und rechtliche Verhinderung Von einer Verhinderung der Eltern an der Ausübung der elterlichen Gewalt spricht man dann, wenn die Eltern nicht nur an einem bestimmten Handeln für das Kind gehindert sind (wie in den Fällen, in denen ihre elterliche Gewalt beschränkt ist), sondern generell für kürzere oder längere Zeit ihre elterliche Gewalt nicht ausüben kön159
§ 19
II. Abschnitt: Kindsdiafts- und Verwandts&aftsredit
nen. Die Gründe einer soldien Verhinderung können tatsächlicher oder rechtlicher Natur sein. Eine tatsächliche Verhinderung liegt z. B. vor, wenn ein Elternteil schwer krank oder vorübergehend abwesend ist. Aus Rechtsgründen ist ein Elternteil an der Ausübung der elterlichen Gewalt verhindert, wenn er geschäftsunfähig oder beschränkt geschäftsfähig ist oder wegen körperlicher Gebrechen gemäß § 1910 einen Pfleger für seine Person und sein Vermögen erhalten hat. Das Gesetz spricht hier von einem Ruhen der elterlichen Gewalt, § 1673. Ist eine tatsächliche Verhinderung eines Elternteils von längerer Dauer (verbüßt der Vater z. B. eine längere Freiheitsstrafe), so hat das Vormundschaftsgericht diese — länger dauernde — Verhinderung festzustellen. Diese Feststellung hat dann ebenfalls das Ruhen der elterlichen Gewalt zur Folge, § 1674 I. Konsequenz: Solange die elterliche Gewalt ruht, braucht die tatsächliche Verhinderung im Einzelfall nicht mehr festgestellt zu werden. Die Feststellung des Vormundschaftsgerichts dient darum der Rechtssicherheit. 2. Rechtsfolgen der Verhinderung a) Ist ein Elternteil tatsächlich verhindert, die elterliche Gewalt auszuüben, oder ruht seine elterliche Gewalt, so übt der andere Teil die elterliche Gewalt allein aus, § 1678 I. Dies gilt jedoch nur dann, wenn der andere Elternteil vor der Verhinderung Mitinhaber der elterlichen Gewalt war. Darum geht z. B. bei einer Verhinderung der nidotehelidoen Mutter die elterliche Gewalt nicht auf den Erzeuger über. Sind die Eltern des Kindes geschieden oder leben sie getrennt und war die elterliche Gewalt einem Elternteil übertragen (§§ 1671, 1672), so hat die Verhinderung des Elternteils, dem die elterliche Gewalt übertragen war, ebenfalls nicht zur Folge, daß nunmehr der andere Elternteil kraft Gesetzes die elterliche Gewalt erhält. Normalerweise wird hier ein Pfleger bestellt. N u r dann, wenn es sich um ein Ruhen der elterlichen Gewalt handelt, und keine Aussicht besteht, daß der Grund des Ruhens wegfallen werde, kann der andere Teil die Übertragung der elterlichen Gewalt auf sich beantragen, § 1678 II. b) Eine Besonderheit gilt, wenn die elterliche Gewalt eines Elternteils deswegen ruht, weil er beschränkt geschäftsfähig ist. In diesem Fall behält nämlich dieser Elternteil das Recht der Personensorge, freilich ohne das Vertretungsrecht. Allerdings geht bei einer Meinungsverschiedenheit zwischen den Eltern die Meinung des gesetzlichen Vertreters vor (typischer Fall: die eheliche Mutter ist noch minderjährig!). 160
Maßnahmen zum Schutz des Kindes
§ 19
Gegenausnahme: Bei einer Meinungsverschiedenheit zwischen der minderjährigen Mutter und einem Vormund, oder Pfleger geht die Meinung der Mutter vor (typischer Fall: die nichteheliche Mutter ist noch minderjährig!), § 1673 II. c) Sind beide Eltern oder ist bei einem nichtebelichen Kind die Mutter an der Ausübung der elterlichen Gewalt verhindert, so trifft das Vormundschaftsgericht die im Interesse des Kindes erforderlichen Maßnahmen, § 1693 (Bestellung eines Pflegers oder eines Vormundes). Ist die nichteheliche Mutter bei der Geburt des Kindes minderjährig oder ruht ihre elterliche Gewalt aus anderen Gründen, so wird das Jugendamt mit der Geburt des Kindes Vormund, § 1791c I. Man spricht hier von einer gesetzlichen Amtsvormundschaft. Hier braucht also ein Vormund nidit eigens bestellt zu werden. Die Amtsvormundschaft tritt nur dann nicht ein, wenn bereits vor der Geburt des Kindes ein Vormund bestellt war. Daß eine solche Bestellung bereits vor der Geburt möglich ist, ergibt sich aus § 1774 S. 2. IV. Maßnahmen
des Vormundschaftsgerichts
zum Schutz des
Kindes
1. Die Ausübung der elterlichen Gewalt unterliegt der Aufsicht des Vormundschaftsgerichts. Aber diese Aufsicht ist keine ständige, das Gericht schreitet nur ein in gewissen Fällen, soweit sie zu seiner Kenntnis kommen. Um das nicht ganz vom Zufall abhängig zu machen, ist dem Jugendamt die Pflicht auferlegt, dem Vormundschaftsgericht Anzeige zu machen, wenn ein Fall zu seiner Kenntnis gelangt, in dem das Vormundsdiaftsgeridit zum Einschreiten befugt ist, § 1694. Da das Vorgehen gegen den Vater oder die Mutter in natürliche Beziehungen eingreift, ist dem Gericht ein behutsames Vorgehen zur Pflicht gemacht. Vor einer Entscheidung, die die Sorge für die Person oder das Vermögen des Kindes betrifft, hat es die Eltern zu hören. Nur aus schwerwiegenden Gründen darf hiervon abgesehen werden, § 1695 I. Den Vater eines nichtehelichen Kindes soll es dann hören, wenn es die Anhörung nach seinem Ermessen für geeignet hält, dem Wohl des Kindes zu dienen, § 1712. Maßnahmen, die in die elterliche Gewalt eingreifen, sind wieder aufzuheben oder zu ändern, wenn sidi die Voraussetzungen ändern, unter denen sie getroffen worden sind, § 1696. 2. Die Fälle, in denen das Vormundschaftsgericht eingreifen muß, weil die Eltern aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen gehindert sind, die elterliche Gewalt auszuüben oder weil sie in einem konkre11 Henrich, Famillenrecht
161
§ 19
II- Abschnitt: Kindschafts- und Verwandtsdiaftsredit
ten Fall das Kind nicht vertreten den (s. o. § 19 I, 2, III).
können,
sind bereits genannt wor-
3. Von sich aus muß das Vormundschaftsgericht des weiteren dann Maßnahmen treffen, wenn das geistige oder leibliche Wohl des Kindes gefährdet ist oder der Schutz der Vermögensinteressen des Kindes ein Eingreifen erfordert. Maßnahmen bei einer Gefährdung des geistigen oder leiblichen Wohles des Kindes sind gemäß § 1666 I allerdings nur zulässig, wenn die Gefährdung darauf beruht, daß der Vater oder die Mutter ihr Personensorgerecht mißbraucht, das Kind vernachlässigt oder sich eines ehrlosen oder unsittlichen Verhaltens schuldig gemacht haben. Die h. M. entnimmt dieser Formulierung, daß die Eltern schuldhaft gehandelt haben müssen; vgl. B G H Z 20, 313. Mit Recht wird dagegen vorgetragen, daß das Kind auch dann geschützt werden müsse, wenn den Eltern kein Schuldvorwurf gemacht werden kann; vgl. Gernbuber, § 49 VIII, 3; Staudinger-Göppinger, § 1666 Anm. 194 ff. De lege ferenda empfiehlt sich deswegen eine Änderung etwa in der Form, wie sie jüngst von der Arbeitsgemeinschaft für Jugendpflege und Jugendfürsorge (AGJJ) vorgeschlagen worden ist (vgl. Bedeer, MDR 1970, 2): „Ist das leibliche, geistige oder seelische Wohl des Kindes gefährdet und sind die Eltern nicht in der Lage oder nicht gewillt, die Gefahr abzuwenden, so hat das Vormundschaftsgeridit die erforderlichen Entscheidungen zu treffen. Es kann insbesondere das Recht der Sorge für die Person des Kindes einschränken oder entziehen."
Als Maßnahmen des Vormundschaftsgerichts kommen neben der Beschränkung oder Entziehung des Personensorgerechts (bei einer Verletzung der Unterhaltspflicht auch des Rechts der Vermögensverwaltung, § 1666 I I ) Gebote, Verbote, Auflagen und Anordnungen in Betracht. Bei einer Gefährdung des Kindesvermögens wird bereits de lege lata nur danach gefragt, ob ein Elternteil die mit der Vermögensverwaltung verbundenen Pflichten objektiv verletzt hat (hier wird also kein schuldhaftes Handeln vorausgesetzt). Außerdem kann das Vormundschaftsgericht Schutzmaßnahmen treffen, wenn ein Elternteil in Vermögensverfall geraten ist, § 1667 I . Als Beispiele möglicher Maßnahmen nennt das Gesetz hier die Anordnung der Einreichung eines Vermögensverzeichnisses oder einer Rechnungslegung (§ 1667 II). 4. Maßnahmen zum Schutz des Kindes ermöglicht neben den genannten Vorschriften des B G B auch das J W G . So kann für einen Minderjährigen, dessen leibliche, geistige oder seelische Entwicklung 162
Elterliche Gewalt bei Eheauflösung und Getrenntleben
gefährdet oder geschädigt ist, ein Erziehungsbeistand § 55 J W G .
§
19
bestellt werden,
Als Erziehungsbeistand soll eine Persönlichkeit bestellt werden, die über die nötigen pädagogischen und psychologischen Kenntnisse und Erfahrungen verfügt, um die Eltern beraten und dem Minderjährigen mit Rat und Hilfe beistehen zu können; vgl. § 58 J W G .
Grundsätzlich ist die Bestellung eines Erziehungsbeistandes zwar von einem Antrag der Sorgeberechtigten (also beider Eltern!) abhängig (§ 56 I JWG), das Vormundschaftsgericht kann jedoch die Bestellung auch dann anordnen, wenn nur ein Personensorgeberechtigter oder wenn das Jugendamt einen entsprechenden Antrag stellt, § 57 JWG. Neben der Erziehungsbeistandschaft kennt das J W G noch die sog. Freiwillige Erziehungshilfe und die Fürsorgeerziehung. Freiwillige Erziehungshilfe gewährt das Landesjugendamt auf schriftlichen Antrag der Personensorgeberechtigten, §§ 62, 63 J W G . Man versteht darunter die mit Einverständnis und Unterstützung der Erziehungsberechtigten auf öffentliche Kosten durchgeführte Erziehung des Minderjährigen in einem Heim oder einer Familie. Fürsorgeerziehung ordnet das Vormundschaftsgericht an (auf Antrag eines Personensorgeberechtigten, des Jugendamts oder des Landesjugendamts, aber auch von Amts wegen), wenn der Minderjährige zu verwahrlosen droht oder verwahrlost ist und keine ausreichende andere Erziehungsmaßnahme gewährt werden kann, §§ 64, 65 J W G . Hier kommt es nicht mehr auf das Einverständnis und die Bereitschaft der Personensorgeberechtigten an, die öffentliche Erziehung zu unterstützen. V. Die Verteilung der elterlichen Gewalt bei Scheidung, oder Nichtigerklärung der Ehe oder bei Getrenntleben
Aufhebung der Eltern
1. Wird eine Ehe geschieden, aufgehoben oder für nichtig erklärt, so kann die elterliche Gewalt nicht mehr beiden Eltern gemeinsam zustehen. Die Eltern trennen sich. Das Kind kann nur bei einem Elternteil bleiben. Aus diesem Grund muß eine Entscheidung darüber getroffen werden, wem nunmehr die elterlidie Gewalt zustehen soll. Das Gesetz hat diese Entscheidung — im Interesse des Kindes — nicht der freien Einigung der Eltern überlassen, wenn es dieser Einigung auch große Bedeutung beimißt, sondern verlangt in jedem Fall eine Entscheidung des Vormundschaftsgerichts, § 1671 I. Da die elterliche Gewalt mehrere Bestandteile umfaßt, wäre es an sich denkbar, einen Teil der elterlichen Gewalt dem einen Elternteil, Ii
163
§ 19
II. Abschnitt: Kindschafts- und Verwandtsdiaftsrecht
einen anderen Teil dem anderen Elternteil zu übertragen. Eine solche Aufspaltung ist aber nur ausnahmsweise und nur in einer Form zulässig: Wenn das Wohl des Kindes es erfordert, kann einem Elternteil die Personensorge und dem anderen die Vermögensverwaltung übertragen werden, § 1671 IV. Eine weitere Aufteilung der elterlichen Gewalt ist unzulässig. D. h.: Das Gericht kann z. B. nicht der Mutter das Recht der Personensorge zuteilen, dem Vater jedodi das Recht zur religiösen Erziehung des Kindes. Unzulässig ist es auch, die gesamte elterliche Gewalt beiden Ehegatten zu übertragen — mit der Maßgabe, daß bei Streitigkeiten das Vormundschaftsgericht entscheiden soll — und zwar selbst dann, wenn beide Eltern das vorschlagen. Ein Streit wäre hier unvermeidlich; vgl. BayObLG, FamRZ 1964, 523. Gelegentlich wollen sich die Eltern nicht für einen längeren Zeitraum binden. Sie schlagen deswegen vor, die elterliche Gewalt bis zu einem bestimmten Zeitpunkt einem Elternteil zu übertragen, für die spätere Zeit aber noch einmal das Vormundschaftsgericht entscheiden zu lassen. Ein solcher Vorschlag der Eltern wurde lange Zeit hindurch von den Gerichten nicht akzeptiert (vgl. BayObLGZ 1964, 373). Erst in neuerer Zeit hat das Kammergericht erstmals einen solchen Vorschlag gebilligt (FamRZ 1967, 294). 2. Die Eltern haben von Rechts wegen die Möglichkeit, sich über die Zuteilung der elterlichen Gewalt zu einigen. Denn eine gütliche Einigung wird in vielen Fällen die beste Gewähr für eine dem Wohl des Kindes entsprechende Regelung bieten. Die Einigung bindet zwar das Vormundschaftsgericht nicht, hat aber doch gewisse Rechtswirkungen. Von einem gemeinsamen Vorschlag der Eltern darf nämlich das Vormundschaftsgericht nur dann abweichen, wenn dies zum Wohl des Kindes erforderlich ist, § 1671 II, also nicht bereits, wenn es eine andere Lösung für besser hält. Der Vorschlag der Eltern soll innerhalb von zwei Monaten nach Rechtskraft des Scheidungsurteils gemacht werden. Vielfach erfolgt die Einigung im Scheidungstermin zu gerichtlichem Protokoll und wird dann dem Vormundschaftsgericht mit dem Urteil mitgeteilt. Von einem »Vorschlag" der Eltern kann aber nur gesprochen werden, wenn die Mitteilung von den Eltern ausgeht oder wenn sich wenigstens ein Elternteil dem Vormundsdiaftsgeridit gegenüber auf die Einigung (ausdrücklich oder stillschweigend, z. B. durch den Antrag auf Übertragung der elterlichen Gewalt) beruft. Die Zweimonatsfrist ist keine Ausscblußfrist. Sie bezeichnet nur den Zeitraum, den das Vormundsdiaftsgeridit verstreichen lassen muß, ehe es eine eigene Entscheidung trifft; vgl. BGHZ 44, 220. Machen die Eltern keinen gemeinsamen Vorschlag oder billigt das Vormundschaftsgericht ihren Vorschlag nicht, so hat das Vormund164
Elterliche Gewalt bei Eheauflösung und Getrenntleben
§
19
schaftsgericht selbständig zu entscheiden. Es hat dann die Regelung zu treffen, die unter Berücksiditigung der gesamten Verhältnisse dem Wohl des Kindes am besten entspricht, § 1671 I I I , 1. Nach § 1671 I I I , 2 soll die Entscheidung auch die Schuld an der Scheidung berücksichtigen, wenn ein Ehegatte für alleinschuldig erklärt worden ist. Das Gesetz geht davon aus, daß der Alleinschuldige zur Betreuung des Kindes weniger geeignet ist, eine Vermutung, an deren Richtigkeit man Zweifel hegen kann. Außerdem soll — dieses Argument wiegt schwerer — der unschuldige Teil, der durch die Zerstörung der Ehe bereits hart getroffen worden ist, nicht auch noch das Kind verlieren. Deshalb soll das Vormundsdiaftsgericht die elterliche Gewalt grundsätzlich dem schuldlosen Teil übertragen. Dem schuldigen Teil darf es sie nur ausnahmsweise dann zusprechen, wenn schwerwiegende Gründe dafür sprechen; vgl. BGHZ 6, 342; 24, 181.
3. Während der Dauer der elterlichen Gewalt kann das Vormundschaftsgericht seine Anordnungen jederzeit ändern, wenn es dies im Interesse des Kindes für angezeigt hält, § 1696, d. h. wenn triftige, das Wohl des Kindes nachhaltig berührende Gründe vorliegen; vgl. BayObLG, FamRZ 1962, 166. 4. Leben die Eltern nicht nur vorübergehend getrennt, so werden sie sich vielfach darüber verständigen, bei wem die Kinder verbleiben und aufwachsen sollen. D a die gemeinsame Ausübung der elterlichen Gewalt durch die Trennung erschwert wird, überläßt dann ein Gatte dem anderen häufig die Ausübung der elterlichen Gewalt allein, so daß dieser die Erziehungsfragen allein entscheiden und das Kind auch auf Grund einer allgemeinen Ermächtigung allein vertreten kann. D a eine solche Einigung 'nicht immer möglich ist und zudem den überlassenden Elternteil nicht von seiner Verantwortlichkeit für die elterliche Gewalt, die unverzichtbar ist, entbindet, eröffnet § 1672 dem Vormundschaftsgericht die Möglichkeit, dem einen oder anderen Teil die elterliche Gewalt entsprechend den für die Auflösung der Ehe gegebenen Vorschriften des § 1671 zuzuteilen und damit zugleich den von der Ausübung der elterlichen Gewalt Ausgeschlossenen von seiner Verantwortlichkeit zu entbinden. Anders als nach § 1671 entscheidet das Vormundschaftsgericht in einem solchen Fall nur auf Antrag eines Elternteils. Audi hier hat ein gemeinsamer Vorschlag der Eltern den Vorrang. Liegt eine Einigung der Eltern nicht vor, muß das Vormundschaftsgericht nach Ermittlung des Sachverhalts sich für die Regelung entscheiden, die dem Wohl des Kindes am besten entspricht, etwa dem einen Elternteil die Personensorge, dem anderen Teil die Vermögenssorge übertragen.
165
§ 20
II. Abschnitt: Kindschafts- und Verwandtschaftsrecht
§ 20. Die Unterhaltspflicht zwischen Verwandten I. Die Unterhaltspflicht zwischen Verwandten im allgemeinen Nahe Verwandte sind verpflichtet, sich gegenseitig zu unterstützen. Das BGB nennt diese Unterstützungspflidit „Unterhaltspflicht" und beschränkt sie auf Verwandte in gerader Linie, § 1601. Unter Seitenverwandten, z. B. Geschwistern, besteht also keine Unterhaltspflicht, ebensowenig unter Verschwägerten, wie z. B. Schwiegereltern und Schwiegerkindern. Die Vorschriften über die Unterhaltspflidit der Verwandten ergänzen die Vorschriften über den Familienunterhalt (§§ 1360 ff.), sowie über den Unterhalt getrennt lebender (§ 1361) oder gesdiiedener Ehegatten (§§ 58 ff. EheG). II. Die Voraussetzungen der 1. Bedürftigkeit
des
Unterhaltspflicht
Unterhaltsberechtigten
Unterhaltsberechtigt ist nur, wer unterhaltsbedürftig ist, d. h., wer außerstande ist, sich selbst zu unterhalten, § 1602 I. Wer eigenes Vermögen hat oder arbeiten kann, ist grundsätzlich nicht bedürftig, es sei denn, daß ihm eine Verwertung seiner Arbeitskraft nicht zugemutet werden kann. Beispiel: Dem Studenten kann nicht zugemutet werden, sich sein Studium selbst zu verdienen, solange die Eltern leistungsfähig sind; denn jede Nebentätigkeit hindert ihn an seiner Hauptaufgabe, dem Studium.
Eine bevorzugte Stellung hat das minderjährige unverheiratete Kind gegenüber seinen Eltern. Es braucht nämlich, wenn es Vermögen hat, den Stamm des Vermögens nicht anzugreifen. Es kann vielmehr Unterhalt insoweit verlangen, als die Einkünfte seines Vermögens und der Ertrag der ihm zumutbaren Arbeit zum Unterhalt nicht ausreichen, § 1602 II. Die freiwillige Leistung Dritter befreit nicht von der Unterhaltspflicht, audi nicht die Unterstützung durch die Sozialhilfe (§ 2 BSHG) oder öffentliche Studienförderungsmittel für bedürftige Studenten (Honnefer Modell). 2. Leistungsfähigkeit
des
Inanspruchgenommenen
Unterhaltsverpflichtet ist grundsätzlich nur, wer leistungsfähig ist. Die Selbsterhaltung geht vor. Unterhaltspflichtig ist darum nicht, wer bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außerstande ist, ohne Gefährdung seines eigenen angemessenen Unterhalts den Unter166
Unterhaltspflicht zwischen Verwandten
§ 20
halt zu gewähren, § 1603 I. Dabei werden strenge Maßstäbe angelegt. Veranschlagt wird nicht, was der Unterhaltspflichtige tatsächlich verdient, sondern was er durch zumutbare Arbeit verdienen kann. Auch hier nimmt das minderjährige unverheiratete Kind eine Sonderstellung ein. Ihm gegenüber trifft die Eltern eine gesteigerte Unterhaltspflicht. Sie dürfen ihren eigenen Unterhalt nicht voranstellen, sondern müssen alle verfügbaren Mittel zu ihrem und der Kinder Unterhalt gleichmäßig verwenden, § 1603 II, 1. Diese Verpflichtung tritt nur dann nicht ein, wenn der Unterhalt des Kindes aus dem Stamm seines Vermögens bestritten werden kann oder ein anderer unterhaltspflichtiger Verwandter (etwa der Großvater) vorhanden ist, § 1603 II, 2. 3. Reihenfolge der
Unterhaltspflichtigen
Die Unterhaltspflichtigen sind in einer bestimmten Reihenfolge zum Unterhalt verpflichtet. a) Zunächst haftet vor den Verwandten der Ehegatte, § 1608 S. 1. Die Haftung des Ehegatten wird allerdings gemildert, wenn seine Unterhaltspflicht mit der Unterhaltspflicht von Verwandten zusammentrifft. Er gilt nämlich in diesem Fall schon dann als leistungsunfähig, wenn er dem anderen Gatten bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen (z. B. Unterhaltspflichten gegenüber nicht ehelichen Kindern) nicht ohne Gefährdung des eigenen angemessenen Unterhalts den Unterhalt gewähren kann, § 1608 S. 2. D. h., er kann hier den bedürftigen Gatten an seine leistungsfähigen Verwandten verweisen. Abweichend von der Regel haften in diesem Fall die Verwandten vor dem Ehegatten. b) Die Abkömmlinge sind vor den Verwandten Linie unterhaltspflichtig, § 1606 I.
der
aufsteigenden
c) Unter den Abkömmlingen und unter den Verwandten der aufsteigenden Linie haften die näheren vor den entfernteren (§ 1606 II), die Kinder also vor den Enkeln, die Eltern vor den Großeltern. Mehrere gleich nahe Verwandte haften anteilig nach ihren Erwerbsund Vermögensverhältnissen (also nicht gesamtschuldnerisch), § 1606 III, 1. Leben die Eltern getrennt oder sind sie geschieden oder nicht miteinander verheiratet, so ist § 1606 III, 2 von Bedeutung: Die Mutter erfüllt ihre Verpflichtung, zum Unterhalt eines minderjährigen unverheirateten Kindes beizutragen, in der Regel durch die Pflege und Erziehung des Kindes. 167
§ 20
Abschnitt: Kindschafts- and Verwandtschaftsredit
d) Für alle Gruppen gilt: Ein leistungsunfähiger Verwandter ist als nicht vorhanden zu betrachten. Das bedeutet, daß sich die Unterhaltspflicht der gleich nahe Verwandten erhöht oder ein entfernterer Verwandter unterhaltspflichtig wird, § 1607 I. Beachte: Wer an Stelle eines leistungsunfähigen Verwandten unterhaltspflichtig wird, erfüllt mit der Unterhaltsleistung eine eigene Verbindlichkeit, nicht die Schuld des Leistungsunfähigen. Er kann darum den Leistungsunfähigen nicht regreßpflichtig machen, wenn dieser wieder zu Vermögen kommt. 4. Reihenfolge der Unterhaltsberechtigten Es ist denkbar, daß ein Unterhaltspflichtiger von mehreren Bedürftigen in Anspruch genommen wird. Dann muß er ihnen allen Unterhalt gewähren, soweit er dazu imstande ist. Ist er dazu außerstande, schreibt das Gesetz auch hier eine Rangordnung vor: a) An erster Stelle ist den minderjährigen unverheirateten Kindern Unterhalt zu leisten, dann folgen die anderen Kinder, sodann die übrigen Abkömmlinge (Enkel) und erst danach die Verwandten der aufsteigenden Linie, wobei unter diesen wiederum die näheren den entfernteren vorgehen, § 1609 I. b) Der Ehegatte steht den minderjährigen unverheirateten Kindern gleich; anderen Kindern und den übrigen Verwandten geht er vor, § 1609 II, 1. Ist die Ehe geschieden, aufgehoben oder für nichtig erklärt, so geht der unterhaltsberechtigte Gatte den volljährigen oder verheirateten Kindern sowie den übrigen Verwandten des Unterhaltspflichtigen vor, § 1609 II, 2. Im Verhältnis zu den minderjährigen unverheirateten Kindern und einem neuen Ehegatten entscheidet die Billigkeit (§§ 59 I, 2, 60 II, 61 EheG); regelmäßig werden sich alle Beteiligten eine entsprechende Herabsetzung des ihnen zukommenden Unterhalts gefallen lassen müssen. III. Der Inhalt des Unterhaltsanspruchs 1. Der Unterhalt umfaßt den gesamten Lebensbedarf — einschließlich der Kosten der Erziehung und Vorbildung zu einem Beruf — und zwar entsprechend der Lebensstellung des Bedürftigen, § 1610. Grundsätzlich kann dieser also angemessenen, d. h. auskömmlichen Unterhalt verlangen, bei dem nicht bloß auf die unter allen Umständen zu befriedigenden Bedürfnisse zu sehen ist, sondern auch auf seine Lebensstellung. Diese wird beeinflußt durch eine Reihe von Umständen, wie Lebensstellung und Vermögensverhältnisse der Eltern, 168
Unterhaltspflicht zwischen Verwandten
§
20
Anlagen, Ausbildung und Berufswahl des Bedürftigen, die selbständige Entwicklung seiner Persönlidikeit und die erlangte Berufsstellung, bei der Frau audi durdi die Stellung des Mannes usw. Was dementsprechend zu leisten ist, kann nur auf Grund der Verhältnisse des einzelnen Falles entschieden werden. Ob die Kosten für ein Hochschulstudium zum angemessenen Unterhalt gehören, wurde früher davon abhängig gemacht, ob das Studium „standesgemäß" sei. Heute kann es nicht mehr auf den Stand der Eltern ankommen, sondern nur noch auf die entsprediende Befähigung des Kindes. Sind die Eltern zu der Finanzierung des Studiums nicht in der Lage, so greifen die staatlichen Förderungsmaßnahmen (Honnefer Modell) ein; vgl. Gernhuber, § 41 VI, 2. Die Eltern haben die Ausbildungskosten auch dann noch zu tragen, wenn das Kind volljährig geworden ist; Str.; zurückhaltend BGH, FamRZ 1962, 153; dazu LG Ulm, FamRZ 1964, 634. Der Unterhaltsberechtigte muß in diesem Fall freilich seine Ausbildung in angemessener Zeit abschließen, d. h. die Unterhaltspflicht der Eltern endet in dem Zeitpunkt, in dem ein Durdisdinittsstudent sein Examen zu machen pflegt (nicht bereits nach dem Ablauf der vorgeschriebenen — illusorischen — Mindestdauer des Studiums; so aber LG Flensburg, FamRZ 1969, 429). Heiratet das Kind, dann hat für seine Ausbildungskosten in erster Linie der Ehegatte aufzukommen. Die Ausbildungskosten redinen zu den „persönlichen Bedürfnissen" i. S. des § 1360a I. Die Eltern haften dann nur noch subsidiär, § 1608; vgl. Knorn, FamRZ 1966, 603. Zum Lebensbedarf rechnen auch die Kosten zur Durchführung eines Rechtsstreits, der eine persönliche Angelegenheit betrifft. Der Unterhaltspflichtige hat diese Kosten vorzuschießen, soweit dies der Billigkeit entspricht (vgl. § 1360a IV); Str.; vgl. OLG Köln, FamRZ 1968, 37; OLG Celle, FamRZ 1968, 471.
2. Ist der Unterhaltsberechtigte durch ein sittliches Verschulden bedürftig geworden, hat er z. B. auf Grund einer Straftat seine Stellung verloren, so kann er nicht den angemessenen Unterhalt verlangen. Hier braucht der Verpflichtete nur einen Unterhaltsbeitrag in der Höhe zu leisten, die der Billigkeit entspricht. Das gleiche gilt, wenn der Unterhaltsberechtigte seine eigene Unterhaltspflicht gegenüber dem nunmehr von ihm in Anspruch Genommenen gröblich vernachlässigt oder sich vorsätzlich einer schweren Verfehlung gegen den Unterhaltspflichtigen oder einen nahen Angehörigen des Unterhaltspflichtigen schuldig gemacht hat. Die Unterhaltsverpflichtung kann in diesem Fall sogar gänzlich entfallen, wenn die Inanspruchnahme des Verpflichteten grob unbillig wäre, § 1611 I. Ausnahmen: All das gilt jedoch nicht für die Unterhaltspflicht von Eltern gegenüber ihren minderjährigen unverheirateten Kindern, § 1611 II. 169
§ 20
II. Abschnitt: Kindsdiafts- und Verwandtschaftsrecht
3. Der Unterhalt ist regelmäßig durch eine Geldrente monatlich im voraus zu leisten, § 1612 I, III. Wenn besondere Gründe es rechtfertigen, kann der Verpflichtete verlangen, daß ihm die Unterhaltsgewährung in anderer Art gestattet wird, § 1612 I, 2. Beispiele: Der junge Bauer, dem die Geldzahlung schwerfällt, erbietet sich seinen Eltern gegenüber zur Naturalverpflegung; der Enkel will den dem Trunk ergebenen Großvater in einem Heim unterbringen.
Die Eltern haben ganz allgemein unverheirateten Kindern gegenüber das Recht, zu bestimmen, in welcher Art und für welche Zeit im voraus sie Unterhalt gewähren wollen, § 1612 II, 1. Meist werden sie die Naturalverpflegung wählen. Dieses Bestimmungsrecht der Eltern hängt mit ihrem Recht und ihrer Pflicht zur Erziehung der Kinder zusammen. Der Unterhaltsanspruch gegen die Eltern soll es den Kindern nicht ermöglichen, sich der elterlichen Erziehung zu entziehen. Eine Ausnahme gilt für Kinder aus geschiedenen Ehen, für Kinder, deren Eltern getrennt leben und für nichteheliche Kinder, sowie dann, wenn einem Elternteil aus anderen Gründen die Personensorge nicht zusteht. Hier hat der Elternteil, dem die Personensorge nicht zusteht (z. B. der nichteheliche Vater), grundsätzlich keine Wahlbefugnis, es sei denn, das Kind lebt — ausnahmsweise — in seinem Haushalt, § 1612 II, 3. Auf Antrag des Kindes kann das Vormundschaftsgericht, wenn besondere Gründe vorliegen (Beispiel: die Eltern entscheiden sidi für die Naturalverpflegung, weil sie auch auf das volljährige Kind noch erzieherisch einwirken wollen; vgl. KG, FamRZ 1969, 610), die Bestimmung durch die Eltern ändern, § 1612 II, 2. Geändert werden kann allerdings nur eine von der normalen Unterhaltsleistung abweichende Bestimmung. Haben sich die Eltern für eine (monatlich im voraus zu zahlende) Geldrente entschieden, so kann diese Wahl vom Gericht nicht abgeändert werden. 4. Unterhaltsleistungen sollen dem Unterhalt dienen. Wegen dieser Zwedsgebundenheit, sowie um den Schuldner vor Forderungen zu schützen, auf die er sich nicht einrichten konnte, sieht das Gesetz vor, daß Unterhaltsansprüche nicht für die Vergangenheit geltend gemacht werden können: In praeteritum non vivitur. Davon macht das Gesetz zwei Ausnahmen: Zum einen kann Unterhalt auch für die Vergangenheit (oder Schadensersatz wegen Nichterfüllung) von dem Zeitpunkt an verlangt werden, zu dem der Verpflichtete in Verzug gekommen oder der Unterhaltsanspruch rechtshängig geworden ist, § 1613 I.
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Unterhaltspflicht zwischen Verwandten
§
20
Und zum anderen kann im Fall eines unregelmäßigen außergewöhnlich hohen Bedarfs (z. B. Kosten einer Operation) Erfüllung auch für die Vergangenheit verlangt werden, § 1613 II.
5. Für die Zukunft den, § 1614 I.
kann auf den Unterhalt nicht verzichtet wer-
Jede Vereinbarung, durch welche der Unterhaltsanspruch gemindert oder aufgehoben werden soll, audi die entgeltliche, auch die im Vergleichswege, ist nichtig, § 134. Zulässig ist nur die nähere Regelung des Unterhaltsbetrages in den Grenzen der Angemessenheit. Eine Vorausleistung befreit den Pflichtigen bei erneuter Bedürftigkeit des Berechtigten nur für drei Monate, § 1614 II. Wenn ein Dritter an Stelle des Unterhaltspflichtigen dem Berechtigten Unterhalt gewährt, so hat er nach § 679 den Erstattungsanspruch des Geschäftsführers ohne Auftrag gegen den Pflichtigen, falls er diesem die Übernahme der Geschäftsführung so bald als möglich angezeigt hat. § 1613 steht dem Erstattungsanspruch nicht entgegen. Das ist wichtig für den Träger der Sozialhilfe, der den Hilfsbedürftigen unterstützt. Der Geschäftsführer muß sich u. U. allerdings vom Pflichtigen entgegenhalten lassen, daß er den Unterhaltsbereditigten mit den erforderlichen Mitteln versehen habe und infolge zulässiger Vorausleistung für die kritische Zeit gar nicht mehr unterhaltspflichtig gewesen, folglich auch nicht durch den Geschäftsführer von einer Verbindlichkeit befreit worden sei.
6. Der Unterhaltsanspruch ist unabtretbar (§ 400) und nur beschränkt pfändbar (§ 850b I Ziff. 2 ZPO); gegen ihn kann nicht aufgerechnet werden, § 394. Soweit er auf künftige Leistung gerichtet ist, unterliegt er nicht der Verjährung, § 194 II. Nur rückständige Ansprüche verjähren in vier Jahren, § 197 (beachte dazu aber § 204: Hemmung der Verjährung). 7. Der Unterhaltsanspruch erlischt grundsätzlich mit dem Tode des Berechtigten oder des Verpflichteten, § 1615 I. Beim Tode des Berechtigten hat der Pflichtige allerdings noch die Beerdigungskosten zu tragen, soweit ihre Bezahlung nicht vom Erben zu erlangen ist, § 1615 II. Der Unterhaltsanspruch erlischt ferner, wenn seine Voraussetzungen (Bedürftigkeit des Berechtigten, Leistungsfähigkeit des Verpflichteten) entfallen. Tritt nach der Rechtskraft eines zum Unterhalt verurteilenden Urteils eine wesentliche Veränderung der für den Inhalt des Urteils maßgebend gewesenen Verhältnisse ein, so ist jeder Teil berechtigt, im 171
§ 20
II- Abschnitt: Kindschafts- und Verwandtschaftsrecht
Wege der Klage eine entsprechende Änderung des Urteils zu verlangen, § 323 ZPO. IV.
Unterhaltsverträge
Nicht selten wird die Unterhaltsleistung vertraglich geregelt. H a t die Regelung nur die gesetzliche Unterhaltspflicht zum Gegenstand, so bedarf sie keiner Form, bedeutet aber im allgemeinen nur die Feststellung der Unterhaltsrente ihrer Höhe nach, unabhängig von den Verhältnissen der Beteiligten, ohne den Unterhaltsanspruch der Anwendbarkeit der wesentlichen für den gesetzlichen Unterhaltsanspruch maßgebenden Vorschriften zu entziehen; die §§ 1614 und 1615 bleiben maßgebend, nicht aber § 1613, der den Unterhaltsanspruch für die Vergangenheit nur für bestimmte Ausnahmefälle anerkennt; vgl. RGZ 164, 65. Bei wesentlichen Veränderungen in der Bedürftigkeit oder Leistungsfähigkeit einer Partei können sich die Vertragspartner auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage berufen. V. Besondere Vorschriften für das nichtehelicbe Kind und seine Mutter 1. Grundsätze Nichtehelidie Kinder sind mit ihren Eltern ebenso verwandt wie eheliche Kinder. Darum gelten die Vorschriften über die Unterhaltsansprüche und Unterhaltspflicht von Verwandten grundsätzlich auch für sie, § 1615a. Die besondere Situation des nichtehelichen Kindes erfordert jedoch einige Ausnahmen von dieser Regel. Die wichtigste Besonderheit ist die Einführung des sog. Regelunterhalts, den das Kind als Mindestunterhalt (unabhängig von seiner Bedürftigkeit und der Leistungsfähigkeit des Vaters) verlangen kann. Ansprüche gegen den Vater hat nicht nur das nichteheliche Kind, sondern — in einem beschränkten Umfang — auch die Mutter. 2. Abweichungen von den allgemeinen
Vorschriften
a) Ersatzansprüche wegen geleisteten Unterhalts: Nach allgemeinem Unterhaltsrecht kann ein unterhaltspflichtiger Verwandter, der an Stelle eines vorrangig verpflichteten leistungsunfähigen Verwandten Unterhalt leistet, diesen nicht regreßpflichtig machen. N u r dann, wenn er deswegen einspringt, weil die Rechtsverfolgung gegen den vorrangig Verpflichteten im Inland ausgeschlossen oder erheblich erschwert ist, geht der Unterhaltsanspruch des Berechtigten kraft Gesetzes auf ihn über, § 1607. Wer Unterhalt leistet, ohne rechtlich dazu verpflichtet zu sein, hat gegen den Unterhaltspflichtigen nur Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag. 172
Unterhaltspflicht zwischen Verwandten
§ 20
Kommt der Vater eines nichtehelichen Kindes seinen Unterhaltsverpflichtungen nicht nach und springt an seiner Stelle ein anderer unterhaltspflichtiger Verwandter ein, so geht in jedem. Fall der Unterhaltsanspruch des Kindes kraft Gesetzes auf ihn über. Das gleiche gilt, wenn der Ehemann der Mutter dem Kind Unterhalt leistet, gleichgültig, ob seine Nichtvaterschaft von vornherein feststeht (z. B. weil er die Mutter erst nach der Geburt des Kindes geheiratet hat) oder erst später festgestellt wird, § 1615b. Der wirkliche Vater kann dem Scheinvater also nicht entgegenhalten, vor der rechtskräftigen Feststellung der Niditehelichkeit habe er eine tatsächlich bestehende eigene Unterhaltsverpflichtung erfüllt. Eines Zurückgreifens auf die Regeln der Geschäftsführung ohne Auftrag bedarf es hier also nicht. b) Der angemessene Unterhalt: Nach allgemeinem Unterhaltsrecht ist der Unterhaltspflichtige zur Zahlung des angemessenen Unterhalts verpflichtet. Welcher Betrag angemessen ist, bestimmt sich nach der Lebensstellung des Bedürftigen. Diese wiederum hängt bei einem ehelichen Kind mit der Lebensstellung seiner Eltern zusammen. Bei einem nichtehelichen Kind wurde der Unterhalt nach bisherigem Recht nach der Lebensstellung der Mutter bemessen. Das Nichtehelichengesetz stellt klar, daß es auch bei nichtehelichen Kindern auf die Lebensstellung beider Eltern ankommt, § 1615c. c) Unterhalt für die Vergangenheit: Nach allgemeinem Unterhaltsrecht gilt der Satz: In praeteritum non vivitur. Bei nichtehelichen Kindern kann dieser Satz deswegen nicht gelten, weil die Vaterschaft mit der Geburt des Kindes in vielen Fällen noch nicht feststeht. Der Vater kann sich seiner Unterhaltspflicht nicht dadurch entziehen, daß er die Feststellung der Vaterschaft möglichst lange verzögert. Darum bestimmt § 1615d, daß das Kind von seinem Vater Unterhaltsbeträge, die fällig geworden sind, bevor die Vaterschaft anerkannt oder rechtskräftig festgestellt war, auch für die Vergangenheit verlangen kann. d) Unterhaltsvereinbarungen: Nach den allgemeinen Regeln kann ein Unterhaltsberechtigter nicht für die Zukunft auf den Unterhalt verzichten. Demgegenüber schließt § 1615e für das nichteheliche Kind nur einen unentgeltlichen Verzicht auf den Unterhalt für die Zukunft aus. D. h., daß zwischen dem Kind und seinem Vater oder Verwandten des Vaters nicht nur Vereinbarungen über die Höhe des Unterhalts und die Zahlungsmodalitäten getroffen werden können, sondern daß der Unterhaltsanspruch 173
§ 20
II. Abschnitt: Kindsdiafts- und Verwandtsdiaftsrecht
auch durdi eine Abfindung ersetzt werden kann. Da bei einer solchen Vereinbarung stets erheblidie Interessen des Kindes auf dem Spiel stehen, sdireibt § 1615e II die Genehmigung des Vormundsdiaftsgerichts vor. 3. Der Regelunterhalt Das allgemeine Unterhaltsrecht knüpft die Unterhaltspflidit an zwei Voraussetzungen: Bedürftigkeit des Berechtigten und Leistungsfähigkeit des Verpflichteten. Kindern gegenüber haften die Eltern gleichrangig nach ihren Erwerbs- und Vermögensverhältnissen. Würden diese Sätze auch für den Unterhaltsanspruch des nichtehelichen Kindes gelten, so hätte dies in vielen Fällen zur Folge, daß sich der Vater auf seine Leistungsunfähigkeit oder auf die Mithaftung der Mutter für den Unterhalt berufen würde. Langwierige Unterhaltsprozesse wären unvermeidlich. Um dem zu entgehen, sdireibt das Gesetz vor, daß der Vater — unabhängig von seiner Leistungsfähigkeit und vorrangig vor der Mutter — dem Kind bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres zunächst einmal den sog. Regelunterhalt schuldet, § 1615f I, 1. Regelunterhalt ist der zum Unterhalt eines Kindes, das sich in der Pflege seiner Mutter befindet, bei einfacher Lebenshaltung im Regelfall erforderlidie Betrag, vermindert um Kindergeld, Kinderzuschläge und ähnliche Zahlungen, § 1615f I, 2. Die Höhe dieses Betrages wird jeweils von der Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrats durdi Reditsverordnung festgesetzt, § 1615f II. Um Härtefällen zu begegnen, sieht § 1615h die Möglichkeit einer Herabsetzung des Regelunterhalts vor, wenn der Regelunterhalt wesentlidi den Betrag übersteigt, den der Vater dem Kind nach den allgemeinen Unterhaltsregeln leisten müßte. Außerdem können rückständige Unterhaltsbeträge, die fällig geworden sind, bevor der Vater die Vaterschaft anerkannt hat oder durch gerichtliche Entscheidung zur Leistung von Unterhalt verpflichtet worden ist, auf Antrag des Vaters gestundet werden, wenn dies der Billigkeit entspricht, § 1615i I. Rückständige Unterhaltsbeträge, die länger als ein Jahr vor Anerkennung der Vaterschaft oder Erhebung der Klage auf Feststellung der Vaterschaft fällig geworden sind, können auf Antrag des Vaters sogar erlassen werden, soweit dies zur Vermeidung unbilliger Härten erforderlich ist, § 1615i II. 4. Ansprüche der Mutter a) Die Mutter hat gegen den Vater ihres nichtehelichen Kindes einen Anspruch auf Ersatz der Kosten der Entbindung und, falls 174
Legitimation nichtehelicher Kinder
infolge der Schwangerschaft oder der Entbindung weitere Aufwendungen notwendig werden (Umstandskleider, Kosten für ärztlidie Untersuchungen während der Schwangerschaft), auch die dadurch entstehenden Kosten zu erstatten, es sei denn, daß diese Kosten durch Leistungen des Arbeitgebers oder durch Versidierungsleistungen gedeckt werden, § 1615k. b) Darüber hinaus hat der Vater der Mutter für die Dauer von sechs Wochen vor und acht Wochen nach der Geburt des Kindes Unterhalt zu gewähren, § 161511. Dieser Zeitraum, in dem der Vater der Mutter Unterhalt gewähren muß, vergrößert sich, wenn die Mutter infolge der Schwangerschaft oder einer durch die Schwangerschaft oder die Entbindung verursachten Krankheit außerstande ist, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen oder deswegen nicht oder nur beschränkt erwerbstätig sein kann, weil sonst das Kind nicht versorgt werden könnte. Hier beginnt die Unterhaltspflicht des Vaters bereits (frühestens) vier Monate vor der Entbindung und dauert bis (spätestens) ein Jahr nach der Entbindung, § 16151 II. c) Stirbt die Mutter infolge der Schwangerschaft oder der Entbindung, so hat der Vater auch die Kosten der Beerdigung zu tragen, soweit ihre Bezahlung nicht von den Erben der Mutter zu erlangen ist, § 1615 m.
§ 21. Legitimation nichtehelicher Kinder Nichteheliche Kinder können auf dreierlei Weise ehelich werden: durch die Heirat ihrer Eltern, durch eine Ehelicherklärung auf Antrag des Vaters und durch eine Ehelicherklärung auf Antrag des Kindes. I. Die Legitimation durch nachfolgende Ehe 1. Allgemeines Nach dem Vorbild des römischen und kanonischen Rechts ist in den Rechtsordnungen fast aller Länder anerkannt, daß ein nichteheliches Kind die Rechtstellung eines ehelichen Kindes erlangt, wenn seine Eltern einander heiraten. Man spricht in diesem Fall von einer legitimatio per subsequens matrimonium. Dementsprechend bestimmt § 1719: „Ein uneheliches Kind wird ehelich, wenn sich der Vater mit der Mutter verheiratet; dies gilt auch, wenn die Ehe für nichtig erklärt wird." Die Legitimation durch nachfolgende Ehe hat große praktische Bedeutung. Nadi Schätzungen werden fast 40°/o aller nichtehelich geborenen Kinder
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§ 21
Abschnitt: Kindschafts- und Verwandtschaftsredit
durch eine spätere Eheschließung ihrer Eltern legitimiert (vgl. fel, Das neue Unehelichengesetz, S. 292).
Jansen-Knöp-
2. Voraussetzugen Voraussetzungen der Legitimation sind lediglich, daß die Nichtebelichkeit des Kindes und die Vaterschaft des Ehemannes der Mutter feststehen. Gilt das Kind als eheliches Kind eines anderen (z. B. des früheren Ehemannes der Mutter), so wird es durch die Heirat seiner Eltern nicht legitimiert. Hier muß zunächst seine Ehelidikeit angefochten werden. Mit der Rechtskraft des Urteils, das die Nichtehelichkeit des Kindes feststellt, gilt das Kind dann — rückwirkend — als nichtehelich. Damit ist der Weg frei für die Feststellung, daß das Kind mit der Eheschließung seiner Eltern ehelich geworden ist. Feststehen muß darüber hinaus die Vaterschaft des Ehemannes der Mutter. Die Eheschließung hat Legitimationswirkung nur dann, wenn der Ehemann die Vaterschaft entweder mit Zustimmung des Kindes anerkannt hat oder seine Vaterschaft gerichtlich festgestellt worden ist (§§ 1600a ff.). Ob die Vaterschaft vor (so die Regel) oder nach der Eheschließung festgestellt wird, spielt keine Rolle. Eine nachträgliche Feststellung der Vaterschaft wirkt auf den Zeitpunkt der Eheschließung zurück. Ob die Ehe der Eltern gültig ist oder nicht, ist für die Frage der Legitimation unerheblich. § 1719 stellt ausdrücklich klar, daß das Kind auch dann ehelich bleibt, wenn die Ehe, durch die es legitimiert worden ist, später für nichtig erklärt wird.
3. Wirkungen Ein durch die nachfolgende Ehe seiner Eltern legitimiertes Kind hat in jeder Beziehung die Rechtsstellung eines ehelichen Kindes. Es erhält den Namen des Vaters. Der Vater erlangt neben der Mutter die elterlidie Gewalt. Beachte: Stand das Kind bis zur Eheschließung unter Vormundschaft (z. B. weil die Mutter minderjährig war), so endet die Vormundschaft nicht kraft Gesetzes, sondern erst dann — aus Gründen der Rechtsklarheit — wenn ihre Aufhebung vom Vormundschaftsgericht angeordnet wird, § 1883. Das Vormundschaftsgericht ist allerdings zur Aufhebung verpflichtet.
Heiraten die Eltern erst nach dem Tod des Kindes, so kann das Kind dadurch nicht mehr ehelich werden. Sind jedoch Abkömmlinge des Kindes vorhanden, so treten die Legitimationswirkungen hinsichtlich dieser Abkömmlinge ein, § 1722. Das bedeutet, daß die Ab176
Legitimation nichtehelicher Kinder
kömmlinge z. B. mit der Eheschließung der Eltern ihres Vaters den Namen ihres Großvaters erhalten. 4. Anfechtung Eheliche Kinder verlieren ihren Status mit der Anfechtung der Ehelichkeit. Bei legitimierten Kindern soll nach dem Willen des Gesetzes nicht die Ehelichkeit angefochten werden; vielmehr muß hier die Feststellung der Vaterschaft beseitigt werden. Das geschieht, wenn die Feststellung der Vaterschaft auf einer Anerkennung beruht, durch eine Anfechtung der Anerkennung (§§ 1600f—1600m). Eine gerichtliche Feststellung der Vaterschaft kann dagegen nur im Wege der Wiederaufnahme des Verfahrens (§§ 578 ff. ZPO) beseitigt werden. II. Legitimation
durch Ehelicherklärung
auf Antrag des
Vaters
1. Allgemeines Neben der Legitimation durch nachfolgende Ehe hat schon das römische Recht eine Legitimation durch kaiserliches Rescript (legitimatio per rescriptum principis) ausgebildet, die in Deutschland als Recht des Kaisers und der Landesherren ausgeübt wurde. Das BGB übernahm diese Form der Legitimation „durch Verfügung der Staatsgewalt", machte sie zunächst aber von einem Antrag des Vaters abhängig. Die Möglichkeit einer Ehelicherklärung auf Antrag des Kindes wurde erst durch das Nichtehelichengesetz eingeführt. Die Ehelicherklärung durch Verfügung der Staatsgewalt hat den Sinn, dem Kind auch in den Fällen die Stellung eines ehelichen Kindes zu verschaffen, in denen eine Eheschließung zwischen den Eltern nicht möglich ist (z. B. weil die Mutter gestorben ist oder der Eheschließung ein Eheverbot entgegensteht) oder die Eltern nicht heiraten wollen. Große praktische. Bedeutung hat sie nicht. So wurden beispielsweise im Land Bayern im Jahre 1965 bei 13 873 Geburten nur 63 Kinder auf Antrag des Vaters für ehelich erklärt (vgl. Jansen-Knöpfel, Das neue Unehelidiengesetz, S. 298).
2. Voraussetzungen Voraussetzungen der Ehelicherklärung auf Antrag des Vaters sind a) die Nichtehelichkeit des Kindes, b) ein Antrag des Vaters, § 1723 und c) die Einwilligung des Kindes, seiner Mutter (wenn das Kind noch nicht 21 Jahre alt ist) und der Ehefrau des Vaters, § 1726 I. Der Antrag des Vaters und die Einwilligungserklärungen der Mutter des Kindes und der Ehefrau des Vaters sind höchstpersönliche Erklärungen, 12 Henrich, Familienrecht
177
§ 21
II. Abschnitt: Kindschafts- und Verwandtsdiaftsrecht
können also nidit durch einen Vertreter erklärt werden, § 1728 I. Die Einwilligung des Kindes muß von ihm selbst erklärt werden, wenn es 14 Jahre alt und wenigstens beschränkt geschäftsfähig ist. Für ein Kind, das noch nicht 14 Jahre alt oder geschäftsunfähig ist, handelt sein gesetzlicher Vertreter (nicht die Mutter sondern der Pfleger, § 1706 Ziff. 1!). Die Voraussetzung, daß die nichteheliche Abstammung des Kindes vom Antragsteller feststeht, sei es auf Grund einer Anerkennung, sei es auf Grund einer gerichtlichen Feststellung (§§ 1600a ff.), ist unverzichtbar. Unverzichtbar ist auch die Einwilligung des Kindes. Dagegen sind die Einwilligungserklärungen der Mutter des Kindes und der Ehefrau des Vaters zum Teil entbehrlich, zum Teil können sie ersetzt werden. Nicht erforderlich sind die Einwilligungserklärungen der Mutter des Kindes und der Ehefrau des Vaters, wenn diese zur Abgabe einer Erklärung dauernd außerstande sind oder ihr Aufenthalt dauernd unbekannt ist, § 1726 III. Die Einwilligung der Mutter kann — auf Antrag des Kindes — vom Vormundsdiaftsgericht ersetzt werden, wenn die Ehelidierklärung aus schwerwiegenden Gründen zum Wohl des Kindes erforderlich ist, § 1727 I. Gedadit ist dabei insbesondere an die Fälle, daß der Mutter das Personensorgerecht entzogen worden ist oder ihre elterliche Gewalt (z. B. wegen einer unheilbaren Krankheit) ruht oder sie das Kind einfach nicht bei sich aufziehen will. In all diesen Fällen soll es die Mutter nicht verhindern können, daß das Kind anstatt in die Obhut eines Dritten unter die elterliche Gewalt seines Vaters kommt. Die Einwilligung der Frau des Vaters kann — ebenfalls auf Antrag des Kindes — ersetzt werden, wenn die häusliche Gemeinschaft der Ehegatten aufgehoben ist. Sie darf aber dann nicht ersetzt werden, wenn berechtigte Interessen der Ehefrau und der Familie der Ehelicherklärung entgegenstehen, § 1727 I I . Der Antrag des Vaters und die erforderlichen Einwilligungserklärungen bedürfen der notariellen Beurkundung, § 1730. 3. Die
Ehelicherklärung
Die Ehelicherklärung geschieht durch Beschluß des Vormundschaftsgerichts. Bedingungen und Befristungen sind unzulässig, § 1724. Das Vormundschaftsgericht hat dem Antrag stattzugeben, wenn die Ehelicherklärung dem Wohl des Kindes entspricht und keine schwerwiegenden Gründe entgegenstehen, § 1723. 178
Legitimation nichtehelidier Kinder Das Gericht kann also nicht die Ehelicherklärung mit der Begründung verweigern, die Eltern hätten die Möglichkeit, einander zu heiraten (kein Zwang zur Ehe!). Aber: Leben die Eltern im Konkubinat, so ist es fraglich, ob die Ehelicherklärung dem Wohl des Kindes entspricht. Schließlich verliert die Mutter damit alle Rechte. Das kann, wenn die Eltern zusammenleben, zu Konfliktsituationen führen, die im Interesse des Kindes vermieden werden sollten; vgl. Staudinger-Bökelmann, § 1734 Anm. 19.
Die Ehelicherklärung ist unanfechtbar. Das Gericht kann sie nicht zurücknehmen, auch wenn sich später herausstellt, daß das Vorliegen gesetzlicher Voraussetzungen zu unrecht angenommen worden .war, § 56a I, 2 FGG, § 1735 S. 1. Die Ehelicherklärung wird nur dann (rückwirkend) unwirksam, wenn durch rechtskräftige gerichtliche Entscheidung festgestellt wird, daß der Mann nicht der Vater des Kindes ist, § 1735 S. 2. 4.
Wirkungen
Nach bisherigem Recht erlangte das Kind durch die Ehelicherklärung die rechtliche Stellung eines ehelichen Kindes des Antragstellers. Die Wirkungen erstreckten sich jedoch nicht auf die Verwandten des Vaters und dessen Ehefrau (§ 1737 a. F.). Das Nichtehelichengesetz hat diese Einschränkung gestrichen. Es mußte dies schon deswegen tun, weil nach dem neuen Rechtszustand bereits die Feststellung der nichtehelichen Abstammung ein Verwandtschaftsverhältnis nicht nur mit dem Vater, sondern auch mit dessen Verwandten entstehen läßt. Mit der Ehelicherklärung und dem damit verbundenen Überwechseln in die Familie des Vaters ändern sich die Beziehungen des Kindes zu seiner Mutter. Die Mutter verliert das Redit und die Pflicht, die elterliche Gewalt auszuüben. Ihre Unterhaltspflicht bleibt grundsätzlich bestehen, tritt aber hinter die des Vaters zurück, § 1739. Ob sie weiterhin das Recht hat, mit dem Kind persönlich zu verkehren (§ 1634), ist bestritten, aber wohl zu bejahen; vgl. Staudinger-Bökelmann, § 1738 Anm. 5; a. A. Dölle I I § 111 V 5a. Endet oder ruht die elterliche Gewalt des Vaters oder wird ihm die Sorge für die Person des Kindes entzogen, so kann das Vormundschaftsgericht der Mutter die Ausübung der elterlichen Gewalt zurückübertragen, § 1738 I I . III.
Legitimation
1.
Allgemeines
durch Ehelicherklärung
au} Antrag des
Kindes
Grundsätzlich kann ein nichteheliches Kind nur durch die Eheschließung seiner Eltern oder durch eine Ehelicherklärung auf Antrag 12
179
§ 21
II. Abschnitt: Kindschafts- und Verwandtschaftsrecht
des Vaters ehelich werden. Von diesem Grundsatz macht das Gesetz eine Ausnahme zugunsten von solchen nichtehelichen Kindern, deren Eltern miteinander verlobt waren, deren Heirat aber durch den Tod eines Elternteils verhindert worden ist. Diese Ausnahme kann damit gerechtfertigt werden, daß diese „Brautkinder" soziologisch betrachtet ehelichen Kindern näherstehen als nichtehelichen. Wäre der Vater nicht gestorben, so wäre die Ehe mit hoher Wahrscheinlichkeit geschlossen und das Kind dadurch legitimiert worden. In aller Regel bestehen zwischen der Mutter des Kindes und der Familie des Vaters auch freundschaftliche Beziehungen. Das Kind wird durchweg von der Familie des Vaters als verwandt betrachtet und angenommen. Die Ehelicherklärung auf Antrag des Kindes wurde durdi das Nichtehelichengesetz eingeführt. Dem bis dahin geltenden Recht war sie unbekannt. 2. Voraussetzungen Voraussetzungen der Ehelicherklärung auf Antrag des Kindes sind (§§ 1740a, 1740b): a) die Nichtehelichkeit des Kindes, b) ein durch den Tod eines Elternteils aufgelöstes Verlöbnis der Eltern, c) ein Antrag des Kindes und d) die Einwilligung des überlebenden Elternteils. Ist der Vater vor der Geburt des Kindes gestorben, ohne seine Vaterschaft anerkannt zu haben (daß eine Anerkennung schon vor der Geburt möglich ist, ergibt sich aus § 1600b II), so kann sie auf Antrag des Kindes vom Vormundsdiaftsgeridit festgestellt werden, § 1600n II.
§ 1740a ermöglicht eine Ehelicherklärung nicht nur dann, wenn der Vater stirbt, sondern auch dann, wenn die Mutter stirbt. Das Kind braudit in diesem Fall also nicht einen Antrag auf Ehelidierklärung durch den Vater abzuwarten, sondern kann das Verfahren auch von sich aus in Gang bringen. In jedem Fall ist Voraussetzung, daß das Verlöbnis der Eltern durch den Tod eines Elternteils aufgelöst worden ist. Ist das Verlöbnis auf andere Weise, insbesondere durdi den Rücktritt eines Verlobten, aufgelöst worden, so kann das Kind seine Ehelidierklärung nicht beantragen. Den Antrag für das Kind stellt sein gesetzlicher Vertreter (gem. § 1706 Ziff. 1 regelmäßig der Pfleger). Nur dann, wenn das Kind bereits 14 Jahre 180
Annahme an Kindes Statt — Adoption
§
22
alt ist, muß es den Antrag selbst stellen, § 1740c. Der Antrag muß, wenn der Vater gestorben ist, binnen Jahresfrist gestellt werden, wobei die Frist allerdings nicht vor der Geburt des Kindes und, falls die Vaterschaft nicht anerkannt ist, nicht vor ihrer rechtskräftigen Feststellung beginnt, § 1740e. Die Einwilligungserklärung des überlebenden Elternteils muß von diesem persönlich abgegeben werden. E r braucht dazu — wenn er noch minderjährig ist — nicht die Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters, § 1740b. Die Einwilligungserklärung kann nicht ersetzt werden. Nur dann, wenn der Elternteil zur Abgabe einer Erklärung dauernd außerstande oder sein Aufenthalt dauernd unbekannt ist, kann auf sie verzichtet werden. Den Interessen der Angehörigen des Verstorbenen trägt das Gesetz dadurch Rechnung, daß es die Anhörung der Eltern des Verstorbenen und — falls der Vater des Kindes gestorben ist — auch seiner ehelichen Kinder vorschreibt, § 1740d.
3. Wirkungen a) Das auf seinen Antrag für ehelich erklärte Kind steht einem Kind gleich, das durch Eheschließung seiner Eltern ehelich geworden ist, § 1740 f. b) Die Ehelicherklärung nach dem Tod des Vaters wirkt sich mittelbar auch auf die Mutter aus. Sie kann nämlich nun audi ihrerseits beantragen, daß ihr der Name des Vaters zuerteilt werde. Diesem Antrag muß das Vormundschaftsgericht entsprechen, wenn keine schwerwiegenden Gründe entgegenstehen, § 1740g.
§ 22. Annahme an Kindes Statt — Adoption I. Begriff — Allgemeines Die Annahme an Kindes Statt oder Adoption ist die künstliche Schaffung eines Eltern-Kind-Verhältnisses durch Vertrag ohne Rücksicht auf physiologische Abstammung. Der Abschluß eines solchen Vertrages ist allerdings nicht schlechthin freigegeben, sondern an bestimmte Voraussetzungen geknüpft. Diese Voraussetzungen wiederum hängen eng zusammen mit dem Zweck der Adoption. Ändert sich der Zweck, so müssen sich auch die Voraussetzungen ändern. Ursprünglich verband der Gesetzgeber mit der Adoption nur eine Vorstellung: sie sollte dem Annehmenden Ersatz für fehlende eheliche Abkömmlingen bieten und so die Fortsetzung der Familie ermöglichen. Die Konsequenz: Der Annehmende durfte keine ehelichen Abkömmlinge haben und mußte älter als 50 Jahre sein. Heute sieht der Gesetzgeber in der Adoption vor allem eine Fürsorgemaßnahme 181
§ 22
II- Abschnitt: Kindschafts- und Verwandtschaftsredit
für das Kind, dem in einer Familie die Grundlage für eine gedeihliche Entwicklung gegeben werden soll; vgl. Maßfeiler, Das Familienrechtsänderungsgesetz, StAZ 1961, 273, 275; Schwarzhaupt, Das Familienrechtsänderungsgesetz von 1961, FamRZ 1961, 329, 331. Die soziale Bedeutung der Adoption steht im Vordergrund. Dieser Auffassungswandel führte zu einer Milderung der ursprünglich strengen Voraussetzungen der Adoption. Den Wunsch, Kinder zu adoptieren, haben vor allem jüngere Ehepaare. Adoptiert werden fast nur noch Klein- und Kleinstkinder. Diese Kinder sind bei jüngeren Ehepaaren auch am besten aufgehoben. Aus diesen Gründen hat das Familienrechtsänderungsgesetz 1961 das Alterserfordernis von 50 Jahren beseitigt und noch andere Erleichterungen geschaffen. Diese Erleichterungen haben zu einer erheblichen Zunahme der Adoptionen geführt. Während z. B. in den Jahren 1920—1933 jährlich etwa 4000 Kinder adoptiert wurden, betrug die Zahl der Adoptionen im Jahre 1965 7748.
Die Hauptschwierigkeit für die gesetzliche Regelung der Annahme an Kindes Statt liegt in dem Interessengegensatz begründet zwischen den natürlichen Verwandten, mit denen das Kind durch die Bande des Bluts verknüpft ist, und den neuen Verwandten, die durch Vertrag an deren Stelle treten sollen. Das BGB hat sich weder zu einer radikalen Loslösung des Kindes aus seiner natürlichen Familie entschlossen, noch hat es den Schwerpunkt der Beziehungen in der natürlichen Familie belassen, sondern es hat einen Mittelweg eingeschlagen und versucht, die Interessen aller Beteiligten nadi Möglichkeit auszugleichen. Es erkennt die Doppelstellung des angenommenen Kindes an. Auf der einen Seite beläßt es ihm grundsätzlich Rechte und Pflichten aus der Zugehörigkeit zu seiner natürlichen Familie und nimmt den leiblichen Eltern nur die elterliche Gewalt; auf der anderen Seite gliedert es das Kind nicht völlig in die Familie des Annehmenden ein, sondern beschränkt die Wirkung der Annahme auf den Annehmenden, dem es in der Hauptsache nur die Erziehungsrechte zuspricht, aber ein Erbrecht gegenüber dem Kind versagt. Ob an dieser Kompromißlösung auf die Dauer festgehalten werden kann, ist zweifelhaft, nadidem immer mehr Adoptiveltern auf eine völlige Loslösung des Kindes aus seiner natürlichen Familie Wert legen. II.
Voraussetzungen
1. Voraussetzungen auf Seiten des Annehmenden a) Der Annehmende darf z. Z. des Vertragsschlusses keine (ehelichen oder nichtehelichen) Abkömmlinge haben, § 1741 S. 1. Durdi 182
Annahme an Kindes Statt — Adoption
§
22
diesen Grundsatz sollen die leiblichen Kinder vor Benachteiligungen geschützt werden. Das Vorhandensein eines angenommenen Kindes steht der Adoption eines weiteren Kindes nicht entgegen, § 1743. Die Vorschrift des § 1741 S. 1 war ursprünglich zwingend. Sie ist es heute nicht mehr. Auf Antrag des Annehmenden kann das zuständige Gericht (das Amtsgericht am Wohnsitz des Annehmenden, § 65 FGG) von dem Erfordernis der Kinderlosigkeit Befreiung erteilen, § 1745. Die Befreiung soll erteilt werden, wenn der Adoption keine überwiegenden Interessen der leiblichen Abkömmlinge des Annehmenden entgegenstehen und wenn keine Gefährdung der Interessen des Anzunehmenden durch das Vorhandensein leiblicher Abkömmlinge zu befürchten ist. Vermögensrechtliche Interessen der Beteiligten sollen jedodi keine ausschlaggebende Rolle spielen, § 1745 a I. Die leiblichen Abkömmlinge sind zu hören und auch das Jugendamt soll gehört werden, § 68a FGG. Ehegatten, die gemeinschaftliche Abkömmlinge haben und in häuslicher Gemeinschaft leben, soll Befreiung nur erteilt werden, wenn sie gemeinschaftlich ein Kind annehmen wollen, § 1745a II.
Das Hindernis des § 1741 S. 1 gilt nicht, wenn ein nichteheliches Kind von seinem Vater oder seiner Mutter adoptiert wird. Daß eine solche Adoption des eigenen leiblichen Kindes möglich ist, ergibt sich aus § 1742a. Eine solche Adoption mutet freilich befremdlich an. Über ihre Notwendigkeit kann man streiten, nachdem die Mutter ohnehin die elterliche Gewalt über ihr nichteheliches Kind hat und der Vater das Kind auch durch eine Ehelicherklärung legitimieren kann.
b) Der Annehmende muß das 35. Lebensjahr unbeschränkt geschäftsfähig sein, § 1744.
vollendet
haben und
Von dem Alterserfordernis kann ebenfalls Befreiung erteilt werden, § 1745. Die Befreiung soll insbesondere dann erteilt werden, wenn der Annehmende sein nichteheliches Kind oder wenn er das Kind eines Ehegatten adoptieren will, § 1745b. 2. Voraussetzungen
auf Seiten des
Anzunehmenden
a) Adoptiert werden können grundsätzlich nur § 1744 S. 3.
Minderjährige,
Das frühere Redit ließ die Adoption Volljähriger ebenso zu, wie die Adoption Minderjähriger, es mußte lediglich der Annehmende 18 Jahre älter sein als der Anzunehmende. Die grundsätzliche Beschränkung der Adoption auf Minderjährige, die das Familienredits183
§ 22
II. Abschnitt: Kindschafts- und Verwandtsdiaftsredit
änderungsgesetz 1961 gebracht hat, beruht auf dem oben bereits erwähnten Sinnwandel der Adoption, die heute vor allen Dingen sorgebedürftigen Kindern das Aufwachsen in einer Familie ermöglichen soll. Die Adoption Volljähriger ist aber nicht gänzlich ausgeschlossen. Das Amtsgericht soll von dem Erfordernis der Minderjährigkeit Befreiung erteilen, wenn es die Herstellung eines Annahmeverhältnisses für sittlich gerechtfertigt hält, § 1745c. b) Ein schon adoptiertes Kind kann grundsätzlich nicht noch von einem anderen adoptiert werden. Von diesem Grundsatz gibt es jedoch eine wichtige Ausnahme: Ehegatten können ein Kind als gemeinschaftliches Kind annehmen, § 1749 I. Diese Adoption kann gleichzeitig geschehen, braucht es aber nicht. Auch später noch kann der eine Gatte das vom anderen schon adoptierte Kind auch seinerseits annehmen, § 1749 II. III. Der
Annahmevertrag
1. Die Annahme erfolgt durch Vertrag des Annehmenden mit dem Kinde, der unbedingt und unbefristet bei gleichzeitiger Anwesenheit beider Teile zur Niederschrift eines Notars geschlossen werden muß, §§ 1742, 1750. Für ein Kind, das geschäftsunfähig oder noch nicht 14 Jahre alt ist, kann der Vertrag nur von seinem gesetzlichen Vertreter geschlossen werden, der dazu der Genehmigung des Vormundsdiaftsgerichts bedarf, § 1751 I. Ein Kind, welches das 14. Lebensjahr vollendet hat, kann den Vertrag nur seihst schließen. Es bedarf dazu, sofern es nicht unbeschränkt geschäftsfähig ist, außer der Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters der Genehmigung des Vormundsdiaftsgerichts, § 1751 II. Das Vormundschaftsgericht hat zu prüfen, ob die Adoption den Interessen und dem Wohl des Kindes entspricht. Vor seiner Entscheidung hat es das Jugendamt zu hören, § 48 I, 2 JWG. Der Umstand, daß der Vater, der das Kind adoptieren will, mit der Mutter des Kindes in einer außerehelichen Gemeinschaft lebt, rechtfertigt für sich allein die Versagung der Genehmigung nicht. Zu prüfen ist jedoch, ob in einem solchen Fall das Wohl des Kindes nidit die Versagung der Genehmigung erfordert. Mit der Adoption würde die Mutter alle Rechte verlieren. Konfliktsituationen wären deswegen unvermeidlich; vgl. Staudinger-Engler, § 1751 Anm. 26.
Der Annehmende muß bei dem Vertragsabschluß nicht persönlich anwesend sein. Er kann den Vertrag auch durch einen Bevollmächtigten schließen. Das gleiche gilt für das Kind, wenn es unbeschränkt geschäftsfähig ist, und für den gesetzlichen Vertreter des Kindes, 184
Annahme an Kindes Statt — Adoption
§ 22
§ 1751a I. D e r Bevollmächtigte bedarf einer notariell beurkundeten Vollmacht, die auf den Abschluß eines Annahmevertrages zwischen bestimmten Personen gerichtet ist (§ 1751a I I ) , wobei allerdings die Annehmenden nicht notwendig namentlich genannt werden müssen. So genügt es z. B., wenn statt des N a m e n s der Annehmenden die N u m m e r a n g e f ü h r t wird, unter der sie in der Liste der Adoptionsvermittlungsstelle a n g e f ü h r t sind. 2. D i e A n n a h m e bedarf der
Einwilligung
a) der leiblichen Eltern des Kindes, bei einem nichtehelidien K i n d der M u t t e r des Kindes, w e n n dieses das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, § 1747 I, 1, b) der Ehegatten
des Annehmenden
u n d des Kindes,
§ 1746 I .
Die Einwilligung des nichtehelidien Vaters ist nicht erforderlich. D e r nichteheliche Vater soll jedoch gehört werden, § 1747a. D i e Einwilligung der leiblichen Eltern b z w . der nichtehelichen M u t ter k a n n erst erteilt werden, wenn das K i n d drei Monate alt ist, § 1747 I I . Sie m u ß sich auf einen bestimmten Annahmevertrag beziehen; eine Blanko-Einwilligung, z. B. eine Einwilligung in eine A d o p t i o n durch eine von der Vermittlungsstelle erst noch auszuwählende Person, ist unwirksam; vgl. K G F a m R Z 1960, 244. Dagegen braucht die Person des Annehmenden den Eltern oder der nichtehelidien M u t t e r nicht b e k a n n t zu sein; m a n spricht hier v o n einer Inkognito-Adoption; vgl. B G H F a m R Z 1960, 229. W ä h r e n d die Einwilligung der Ehegatten des Annehmenden u n d des Kindes nicht ersetzt werden k a n n (vgl. B a y O b L G , F a m R Z 1969, 107), k a n n auf A n t r a g des Kindes die Einwilligung eines Elternteils durch das Vormundschaftsgeridit ersetzt werden, wenn dieser Elternteil seine Pflichten gegenüber dem K i n d dauernd gröblich verletzt oder die elterlidie G e w a l t v e r w i r k t hat, u n d w e n n er die Einwilligung böswillig verweigert u n d das Unterbleiben der A d o p t i o n dem K i n d zu unverhältnismäßigem Nachteil gereichen würde, § 1747 III. An der Verfassungsmäßigkeit des § 1747 III bestanden lange Zeit Zweifel. Man sagte, diese Ersetzungsbefugnis ermögliche es, einem Elternteil die elterliche Gewalt der Substanz nach zu entziehen. Die elterliche Gewalt sei aber als wesentlicher Bestandteil des grundreditlidh geschützten Elternrechts ebensowenig wie dieses der Substanz nach entziehbar. Das BVerfG hat demgegenüber die Verfassungsmäßigkeit des § 1747 III bejaht. Es hebt mit Recht hervor, Art. 6 III GG sei hier nicht anwendbar, weil das Kind den Eltern nicht weggenommen werde. In den Fällen des § 1747 III sei vielmehr vor der Einleitung der Adoption das Kind den Eltern bereits 185
§
22
II. Abschnitt: Kindschafts- und Verwandtschaftsrecht
„weggenommen" worden, sei es, daß den Eltern auf Grund des § 1666 I die elterliche Gewalt, das Personensorgerecht oder das Aufenthaltsbestimmungsrecht entzogen worden ist oder daß nach einer Verwirkung der elterlichen Gewalt Jugendamt und Vormundschaftsgericht für eine anderweitige U n terbringung des Kindes gesorgt haben oder daß auf Grund der § § 6 4 ff. J W G Fürsorgeerziehung angeordnet ist. Art. 6 II G G gebe den Eltern ebenfalls kein absolutes Abwehrrecht gegen staatliche Eingriffe. Die Eltern haben — so erklärte das BVerfG — nach dieser Vorschrift nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht, für die Pflege und Erziehung der Kinder zu sorgen. Eltern, die sich dieser Verantwortung entziehen, können sich auf den Schutz des Art. 6 II G G nicht berufen. Nur für solche Eltern sieht aber § 1747 III eine Ersetzung der Einwilligung v o r ; vgl. BVerfG F a m R Z 1968, 578 ff.; Henrich, Fälle und Lösungen, Fall 16.
Die Einwilligung der leiblichen Eltern ist nicht notwendig, wenn das Kind bei Lebzeiten des Annehmenden von dessen Ehegatten an Kindes Statt angenommen wird, § 1749 II, 2. 3. Der Annahmevertrag bedarf der Bestätigung durch das zuständige Gericht, § 1741 S. 2. Erst damit tritt er in Kraft. Die Beteiligten sind aber schon vor der Bestätigung gebunden, § 1754 I. Zuständig ist das Amtsgericht, in dessen Bezirk der Annehmende z. Z. der Einreichung des Antrags seinen Wohnsitz bzw. Aufenthalt gehabt hat, §§ 65, 66 FGG, nicht das Vormundschaftsgericht.
Die Bestätigung ist keine Gnadensache; das Gericht hat hier auch nicht mehr zu prüfen, ob die Adoption den Interessen des Kindes entspricht. Es darf vielmehr die Bestätigung nur aus ganz bestimmten Gründen versagen: einmal, wenn ein gesetzliches Erfordernis der Annahme fehlt, und zum anderen, wenn begründete Zweifel daran bestehen, daß ein dem Eltern-Kind-Verhältnis entsprechendes Familienband hergestellt werden soll (man denke an eine Adoption nur zur Erlangung eines adligen Namens oder zwecks Ersparnis von Erbschaftssteuer), § 1745 II. In den letztgenannten Fällen wird der Annahmevertrag häufig schon nach allgemeinen Gesichtspunkten nichtig sein. IV. Die Wirkungen der Adoption Eine Adoption hat Auswirkungen auf zwei Rechtskreise: auf die Beziehungen des Kindes zum Annehmenden und auf die Beziehungen des Kindes zu seinen leiblichen Verwandten. 1. Die Stellung des Kindes gegenüber dem Annehmenden Im Verhältnis zum Annehmenden erlangt das Kind die rechtliche Stellung eines ehelichen Kindes, § 1757 I. Grundsätzlich beschränken sich jedoch die Wirkungen der Adoption auf das Kind und den An' 186
Annahme an Kindes Statt — Adoption
§ 22
nehmenden, d. h., das Kind wird mit den Verwandten des Annehmenden nicht verwandt und mit seinem Ehegatten nicht verschwägert (§ 1763), ebenso wie der Annehmende mit den Verwandten des Kindes grundsätzlich nicht verwandt und mit dem Ehegatten des Kindes nicht verschwägert wird. Ausnahme: Die Adoption erstreckt sich k r a f t Gesetzes auf die nach der Adoption geborenen Abkömmlinge des Kindes. Auf Abkömmlinge, die z. Z. der Adoption schon vorhanden sind, kann die Adoption dadurch erstreckt werden, daß diese Abkömmlinge in den Adoptionsvertrag mit eingeschlossen werden, der Vertrag also auch mit ihnen geschlossen wird, § 1762. Wird ein Kind von einem Ehepaar gemeinschaftlidi angenommen oder nimmt ein Ehegatte ein leibliches Kind seines Ehegatten an, so erlangt das Kind mit dieser Annahme die rechtliche Stellung eines gemeinschaftlichen Kindes der Ehegatten, § 1757 II. 2. Die Stellung des Kindes gegenüber seinen leiblichen
Verwandten
Die Rechte und Pfliditen, die sich aus dem Verwandtschaftsverhältnis zwischen dem Kind und seinen leiblichen Verwandten ergeben, werden durch die Adoption grundsätzlich nicht berührt, § 1764. Das Kind gehört also zwei Rechtskreisen an. Diese Zugehörigkeit sowohl zum Annehmenden als auch zur leiblichen Familie läßt eine Reihe von Konfliktsituationen entstehen. 3.
Konfliktsituationen
a) D a das Kind sowohl mit dem Annehmenden verwandt wird als auch mit seinen leiblichen Verwandten verwandt bleibt, hat es Unterhaltsansprüche (und Unterhaltspflichten) sowohl gegenüber dem Annehmenden als auch gegenüber den leiblichen Verwandten, § 1601 ff. Hierzu ist § 1766 zu beachten: Die Unterhaltspflicht des Annehmenden geht der Unterhaltspflicht der leiblichen Verwandten vor. b) Das Kind hat weiterhin ein Erbrecht gegenüber seinen leiblichen Verwandten und wird auch von diesen beerbt. Es beerbt darüberhinaus aber auch den Annehmenden. Dagegen entsteht f ü r den Annehmenden kein Erbrecht gegenüber dem Kind, § 1759. Man hat versucht, diese seltsame Rechtslage mit dem Argument zu rechtfertigen, die Adoption solle für den Annehmenden kein Versorgungsgeschäft sein. Dieses Argument ist aus der Sidit des Gesetzgebers der Jahrhundertwende verständlich, der bei der Regelung der Adoption vornehmlidi die Erwachsenenadoption vor Augen hatte (Typ: Verarmter Graf adoptiert reichen Industriellen.) Heute mehren sich die kritischen Stimmen. In der Tat ist es sachlich nidit gerechtfertigt, daß beim Tod des Annehmenden sein 187
§
22
II. Abschnitt: Kindschafts- und Verwandtschaftsrecht
Vermögen an das Adoptivkind fällt, dann aber, wenn dieses stirbt, ohne Nachkommen zu hinterlassen, das Vermögen (des Annehmenden!) an die Familie des Kindes gelangt; vgl. Staudinger-Engler, § 1759 Anm. 7.
Nicht ausgeschlossen ist freilich, daß das Kind den Annehmenden durdi eine Verfügung von Todes -wegen zum Erben einsetzt, ebenso wie der Annehmende seinerseits das Kind durch eine Verfügung von Todes wegen enterben kann. Nach § 1767 I kann das Erbrecht des Kindes auch im Annahmevertrag ausgeschlossen werden. Ein solcher Ausschluß im Annahmevertrag hat zur Folge, daß das Kind audi nicht den Pflichtteil verlangen kann. c) Die elterliche Gewalt steht allein dem Annehmenden zu. Die leiblichen Eltern verlieren nicht nur die elterliche Gewalt, sondern darüber hinaus auch die Befugnis, mit dem Kind persönlich zu verkehren, § 1765 I. Endet die elterliche Gewalt des Annehmenden oder ruht sie, so treten nicht ohne weiteres die leiblichen Eltern wieder in ihre alten Rechte ein. Es kann lediglich das Vormundschaftsgericht ihnen die elterliche Gewalt wieder zurückübertragen, § 1765 II. 4. Insbesondere: der Name des Kindes Das Kind erhält den Familiennamen des Annehmenden. Es kann aber durch eine öffentlich beglaubigte Erklärung gegenüber dem Standesbeamten dem neuen Namen seinen früheren Namen hinzufügen, sofern das im Annahmevertrag nicht ausgeschlossen ist, § 1758 I, IV. Wird das Kind von einer Frau angenommen, die infolge ihrer Verheiratung einen anderen Namen als ihren Mädchennamen führt, so soll in dem Annahmevertrag vereinbart werden, ob das Kind den Ehenamen der Frau oder den Namen erhält, den die Frau vor der Verheiratung geführt hat. Enthält der Annahmevertrag keine Bestimmungen über den Namen des Kindes, so gilt als vereinbart, daß es den Ehenamen der Frau erhalten soll, § 1758 II. Wenn ein Kind von einem Ehepaar gemeinschaftlich angenommen wird (§ 1757 II), erhält das Kind den Familiennamen des Mannes, § 1758 III. Falls das von einer Frau angenommene Kind den Ehenamen der Frau erhalten soll, ist die Zustimmung des Ehemannes oder früheren Ehemannes erforderlich, § 1758a I. Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit dieser Vorschrift sind durch B V e r f G E 19, 177 ausgeräumt worden. Es erscheint zwar mit dem Gedanken der Gleichberechtigung sdiwer vereinbar, daß die Frau dann, wenn sie den Namen, den sie rechtmäßig erworben hat und der damit ihr eigener 188
Annahme an Kindes Statt — Adoption
§ 22
Name geworden ist, an das adoptierte Kind weitergibt, der Zustimmung des Mannes bedürfen soll. Andererseits kommt man an der Tatsache nicht vorbei, daß der Name der Frau auch der Name des Mannes ist. Wichtige Gründe, die den Ehemann veranlassen, seine Zustimmung zu verweigern, können darum nicht gänzlich unberücksichtigt bleiben. Man denke an den Fall, daß der Mann die Ehelichkeit eines während der Ehe geborenen Kindes mit Erfolg angefoditen hat und die Frau das Kind nach der Scheidung adoptiert. Verweigert der Ehemann die Zustimmung oder kann er sie nicht erteilen, z. B. weil er schon gestorben ist, so kann gem. § 1758a II das Vormundschaftsgericht sie ersetzen, wenn vom Standpunkt des Ehemannes und seiner Familie keine wichtigen Gründe entgegenstehen. Nach dem Wortlaut des § 1758a II kann die Zustimmung allerdings nur bei Kindern unter 18 Jahren ersetzt werden. Diese Einschränkung ist vom BVerfG für nichtig erklärt worden, soweit es sich um die Übertragung des Ehenamens einer Frau handelt, die vor dem 1. 4. 1953 geheiratet hat (BVerfGE 19, 177, 180 f.). Das BVerfG läßt zwar keinen Zweifel daran, daß es die Beschränkung auch bei später geschlossenen Ehen für verfassungswidrig hält. Durch die Beschränkung wollte sich das BVerfG lediglich die Prüfung der Frage ersparen, ob die Namensregelung des BGB („Der Eheund Familienname ist der Name des Mannes") mit Art. 3 II GG zu vereinbaren ist. D. h.: Die Einschränkung des § 1758a II gilt nach wie vor für die Fälle, in denen die adoptierende Frau die Ehe nadi dem 1. 4. 1953 geschlossen hat. Hält ein Gericht diese Vorschrift für verfassungswidrig, so muß es gem. Art. 100 I GG das Verfahren aussetzen und eine Entscheidung des BVerfG einholen. Daß das BVerfG in einem solchen Fall an seiner früheren Auffassung festhalten wird, darf vermutet werden. Stimmt der Mann nicht zu und wird seine Zustimmung auch nidit ersetzt, so ist gem. § 1758a III, 2 der Annahmevertrag gleichwohl gültig; das Kind hat dann den Mädchennamen der Mutter zu führen. V. Unwirksamkeit
und Aufhebung
des
Annahmevertrages
1. Ein Annahmevertrag ist niditig, wenn eines der besonderen adoptionsrechtlichen Gültigkeitserfordernisse fehlt; eine Ausnahme gilt nur hinsichtlich der in § 1756 bezeichneten leichteren Mängel. Darüber hinaus unterliegt der Annahmevertrag aber auch den allgemeinen Bestimmungen über Willenserklärungen und Verträge. Insbesondere können die verschiedenen Willenserklärungen auch angefoditen werden. Als Anfechtungsgrund kommt praktisch vor allem ein Irrtum über wesentliche Eigenschaften (z. B. angeborenen Schwachsinn) des Angenommenen oder eine Täuschung in Betracht, §§ 119, 123; vgl. RGZ 114, 341; 147, 310; 189
§ 22
H. Abschnitt: Kindschafts- und Verwandtschaftsrecht
152, 228. Nichtig ist der Vertrag bei Simulation oder Sittenwidrigkeit, §§ 117, 138. Ein Scheingeschäft liegt vor, wenn die Parteien einen Adoptionsvertrag schließen, ohne dessen Reditswirkungen ernstlich zu wollen, wenn sie z. B. darin übereinstimmen, daß der Angenommene nicht die Rechte und Pfliditen eines Kindes erwerben soll. Sittenwidrig ist ein Adoptionsvertrag, wenn die Parteien mit seinem Abschluß sachfremde, sittlich nicht zu billigende Ziele verfolgen (Verschaffung eines adligen Namens, Erzielung von Steuervorteilen). Fehlt allerdings nur einem Partner der Wille, ein wirkliches Eltern-Kind-Verhältnis herzustellen, oder verfolgt nur ein Partner sachfremde Ziele, ohne daß der andere davon weiß, so ist der Vertrag nicht nichtig; vgl. BGH, FamRZ 1961, 306.
Die Möglichkeit der (formlosen!) Anfechtung wird in der Literatur mit Recht kritisiert. Ebenso wie bei der Ehe die Aufhebung an die Stelle der Anfechtung getreten ist, sollte auch bei der Adoption nur eine (gerichtliche) Aufhebung ex nunc möglich sein; vgl. Machleid, Nichtigkeit und Anfechtbarkeit des Adoptionsvertrages, FamRZ 1956, 361; Heinisch, Zur Beendigung und Nichtigkeit von Adoptionen im künftigen Recht, FamRZ 1959, 135. 2. Neben der Möglichkeit, die Annahme durch Anfechtung rückwirkend zu vernichten, erkennt das Gesetz die Zulässigkeit eines Aufhebungsvertrages an, der die Wirkungen der Annahme für die Zukunft beseitigt, §§ 1768 ff. Der Aufhebungsvertrag muß von sämtlichen Beteiligten geschlossen werden, d. h. von dem Annehmenden bzw. den Wahleltern und dem Kinde, sowie den Abkömmlingen, auf die sich die Wirkung der Annahme erstreckt, § 1768 II und III. Für den Aufhebungsvertrag gelten im allgemeinen die gleichen Grundsätze wie für den Annahmevertrag, § 1770. Jedoch ist die Einwilligung dritter Personen, wie sie die §§ 1746, 1747 vorschreiben, nicht erforderlich. Auch der Aufhebungsvertrag bedarf der Bestätigung. Die Aufhebung beseitigt die Wirkungen der Adoption für die Zukunft mit der Rechtskraft des die Aufhebung bestätigenden gerichtlichen Beschlusses. 3. In bestimmten Fällen kann der Annahmevertrag audi gegen den Willen der Beteiligten wieder aufgehoben werden, und zwar durch das Vormundschaftsgericht. Die gerichtliche Aufhebung kommt in zwei Fällen in Betracht: a) Einmal kann das Vormundschaftsgericht den Annahmevertrag aufheben, solange das Kind minderjährig ist, wenn dies aus schwerwiegenden Gründen zum Wohl des Kindes erforderlich ist, § 1770a I. 190
Die Vormundschaft
Interessen der Adoptierenden rechtfertigen die Aufhebung nicht. Ist das Kind als gemeinschaftliches Kind von beiden Ehegatten adoptiert worden, so kann das Vormundschaftsgericht sich auch darauf beschränken, das Annahmeverhältnis zu einem der Annehmenden aufzuheben, § 1770a S. 2. Die bloße Tatsache der Scheidung der Adoptiveltern rechtfertigt allerdings eine solche Aufhebung des Annahmeverhältnisses zu einem der geschiedenen Ehegatten noch nicht. Die Aufhebung kann immer nur ein letzter Ausweg sein, wenn andere Maßnahmen — etwa solche nach § 1666 — nicht ausreichen, um die Gefährdung des Kindeswohls zu beseitigen. b) Ein Annahmeverhältnis muß ferner vom Vormundschaftsgericht aufgehoben werden, wenn ein eheliches Kind ohne die Einwilligung seiner Eltern, ein nichteheliches Kind ohne die Einwilligung seiner Mutter an Kindes Statt angenommen worden ist, § 1770b I, 1. Die Aufhebung erfolgt in diesem Fall nur auf Antrag des Elternteils, ohne dessen Einwilligung das Kind adoptiert worden ist, § 1770b II. Sie kann nur erfolgen, solange das Kind noch minderjährig ist und hat zu unterbleiben, wenn durch die Aufhebung das Wohl des Kindes erheblich gefährdet würde, § 1770b I, 2. Ist die Einwilligung der Eltern oder der unehelichen Mutter bewußt nicht eingeholt worden, so bedarf es keiner Aufhebung, weil die Adoption mangels einer gesetzlichen Voraussetzung nichtig ist. Das gleiche gilt, wenn die Einwilligung wirksam angefo&ten worden ist. Eine Aufhebung kommt also nur dann in Betradit, wenn bei der Bestätigung mit Unrecht angenommen worden ist, die Eltern oder die uneheliche Mutter seien zur Abgabe einer Erklärung dauernd außerstande oder unbekannten Aufenthalts, ihre Einwilligung daher entbehrlich; denn nur in diesem Fall ist der Annahmevertrag trotz der fehlenden Einwilligung wirksam geworden, § 1756 II.
4. Von Rechts wegen wird das Adoptionsverhältnis aufgelöst, wenn der Annehmende mit dem Kind oder einem Abkömmling des Kindes dem Verbot des § 7 EheG zuwider eine Ehe schließt, § 1771 I.
III. Abschnitt:
Vormundschaftsrecht
§ 32. Die Vormundschaft I. Begriff und Aufgabe Die Vormundschaft dient der Fürsorge und Vertretung schutzbedürftiger Personen, die entweder trotz ihrer Minderjährigkeit nicht unter elterlicher Gewalt stehen (Altersvormundschaft) oder trotz ih191
§ 23
IH- Abschnitt: Vormundsdiaftsrecht
rer Volljährigkeit einer besonderen Fürsorge bedürfen schaft über Volljährige).
(Vormund-
Die Altersvormundschaft soll die fehlende Familienfürsorge, namentlich die elterliche Gewalt, ersetzen. Deshalb setzt sie nur ein, wenn ein Kind überhaupt nicht unter elterlicher Gewalt steht — die Eltern sind tot oder unbekannt, die nichteheliche oder verwitwete Mutter ist nodi minderjährig — oder wenn die Eltern die elterliche Gewalt verloren haben, § 1773. Bei Volljährigen, die der elterlichen Gewalt entwachsen sind, ist Voraussetzung einer Vormundschaft die Entmündigung, § 1896. Die Vormundschaft ist zwar ein Amt, der Vormund aber kein Staatsbeamter, sondern nur der Träger einer Amtsstellung. Nur wenn man das erkennt, eröffnet sich das Verständnis für die eigenartige Mischung von öffentlich-rechtlichen und privatrechtlichen Vorschriften bei der Ausgestaltung der Vormundschaft. öffentliches Recht gilt für die Bestellung des Vormundes. Es bedarf dazu einer besonderen Anordnung des Vormundschaftsgerichts (§ 1774), soweit die Vormundschaft nidit den Jugendämtern, also Behörden, als sog. Amtsvormundschaft zusteht (§ 1791c). Welche Rechte und welche Pflichten dagegen der Vormund hat, ist privatrechtlich geregelt. Der Vormund, der dem Mündel ja als Fremder gegenübertritt, bedarf einer stärkeren Überwachung als die Eltern. Überwacht wird der Vormund durch das Vormundschaftsgericht. Als Vormundsdiaftsgeridit fungieren die Amtsgerichte. Zuständigkeit und Verfahren sind im FGG geregelt. Aufsicht über den Vormund bedeutet nicht Bevormundung des Vormunds. Der Vormund hat seine Aufgaben grundsätzlich selbständig und selbstverantwortlich zu erfüllen. Das Vormundschaftsgericht ist, abgesehen von der Ernennung und Entlassung des Vormundes, beschränkt auf die Aufsicht über dessen Amtsführung und die Entscheidung über die Genehmigung wichtiger Rechtsgeschäfte. Ein Recht zum eigenmächtigen Eingriff hat es nur ausnahmsweise. II. Einzel- und Berufs- oder
Amtsvormundschaft
Wenn die Vormundschaft ein Amt ist, so gewinnt die Frage der Auswahl der geeignetsten Persönlichkeiten für dieses Amt besondere Bedeutung. In dieser Richtung hat das BGB versagt. Das BGB ging nämlich davon aus, daß sich ungefähr jedermann zum Vormund eigne. Die Vorschriften über Fähigkeit und Tauglichkeit (§§ 1780 ff.) 192
Die Vormundschaft sind nur die Zusammenstellung einiger Ausschlußgründe. Das BGB kannte grundsätzlich nur die Einzelvormundschaft, die als unentgeltliches Ehrenamt zu führen ist, § 1836. Man spricht hier auch von einer „Dilettantenvormundschaft". Die Einzelvormundschaft erwies sich bald als ungenügend. Einzelvormünder waren insbesondere in der Großstadt sdiwer zu finden. Die Personen, die sich zur Übernahme der Vormundschaft bereiterklärten, waren vielfach den Aufgaben dieses verantwortungsvollen Amtes nicht gewachsen. Diesen Mängeln half der Gesetzgeber ab durch das Reichsjugendwohlfahrtsgesetz vom 9. Juli 1922. In diesem Gesetz wurde die Amtsvormundschaft der Jugendämter eingeführt. Damit hat der Staat seine Verpflichtung zur Fürsorge für alle schutzbedürftigen Minderjährigen nicht nur anerkannt, sondern in einer sehr segensreichen Weise auch erfüllt. Neben dem Jugendamt gibt es noch eine weitere Form einer Berufsvormundschaft, nämlich die sog. Vereinsvormundschaft. Es 1. 2. 3.
sind somit zu unterscheiden: die Einzelvormundsdiaft, die Amtsvormundschaft, die Vereinsvormundschaft.
Bei der Amtsvormundschaft wiederum wird unterschieden zwischen der gesetzlichen Amtsvormundschaft und der bestellten Amtsvormundschaft. Gesetzliche Amtsvormundschaft: Mit der Geburt eines nichtehelidien Kindes, das (z. B. wegen Minderjährigkeit der Mutter) eines Vormundes bedarf, wird das Jugendamt Vormund (es sei denn, daß bereits vor der Geburt ein Vormund bestellt worden ist), § 1791c I, 1. Ergibt sich erst später aus einer gerichtlichen Entscheidung, daß das Kind nichtehelich ist, und bedarf das Kind dann eines Vormundes, so wird das Jugendamt in dem Zeitpunkt Vormund, in dem die Entscheidung rechtskräftig wird, § 1791c I, 2. Bestellte Amtsvormundschaft: Das Jugendamt kann mit seinem Einverständnis zum Vormund eines Minderjährigen bestellt werden, wenn kein geeigneter anderer Vormund vorhanden ist, § 1791b I, 1. Vereinsvormundschaft: Rechtsfähige Vereine können zum Vormund bestellt werden, wenn sie vom Landesjugendamt hierzu für geeignet erklärt worden sind, § 1791a I, 1. 13 Henrich, Famillenredit
193
III. Abschnitt: Vormundschaftsrecht III. Die Begründung der Vormundschaft über Minderjährige 1. Das Bestellungsprinzip Nach der — ursprünglichen — Regelung des BGB tritt eine Vormundschaft nicht kraft Gesetzes ein und auch nicht — wie im römischen und im mittelalterlichen deutschen Recht — kraft testamentarischer Anordnung, sondern allein kraft einer richterlichen Bestellung. Von diesem sog. Bestellungsprinzip gibt es seit dem Jugendwohlfahrtsgesetz die bereits genannte Ausnahme der gesetzlichen Amtsvormundschaft des Jugendamtes; vgl. jetzt § 1791c. 2. Das Vormundsdiaftsgericht hat — abgesehen von den Fällen der gesetzlichen Amtsvormundschaft — den Vormund auszuwählen, ist aber in der Wahl nidit völlig frei. Bestimmte Personen sind von vornherein unfähig (z. B. Geisteskranke oder Entmündigte, § 1780), andere sollen nicht zum Vormund bestellt werden, nämlich die sog. Untauglichen (Minderjährige, der Gemeinsdiuldner während der Dauer des Konkurses, wer durch letztwillige Anordnung der Eltern des Mündels von der Vormundschaft ausgeschlossen ist, § 1781, 1782). Aber auch aus dem Kreis der danach Tauglichen kann das Vormundschaftsgeridit regelmäßig nicht frei den wählen, der ihm am geeignetsten erscheint, sondern muß die Ansprüche gewisser Personen auf Bestellung zum Vormund berücksichtigen, falls dadurch nicht das Interesse des Mündels gefährdet wird. Das Gesetz spricht hier von einer Berufung zur Vormundschaft. Als Vormund ist berufen, wer von den Eltern des Mündels als Vormund benannt ist. Die Benennung muß durch letztwillige Verfügung erfolgen, § 1777. Erst wenn schaftsgericht Persönlichkeit wandten und § 1779.
kein Berufener vorhanden ist, wählt das Vormundnach Anhörung des Jugendamts frei eine geeignete aus — unter möglichster Berücksichtigung von VerVerschwägerten, sowie der Konfession des Mündels,
3. Wer vom Vormundschaftsgericht als Vormund ausgewählt worden ist, hat die Vormundschaft grundsätzlich zu übernehmen. Die Gründe, aus denen die Übernahme einer Vormundschaft abgelehnt werden kann, sind im Gesetz in § 1786 aufgezählt (z. B. Vollendung des 60. Lebensjahres, Belastung durch eigene Kinder). 4. Die Bestellung des Vormundes erfolgt durch Verpflichtung zu treuer und gewissenhafter Führung der Vormundschaft, § 1789. Die 194
Die Vormundschaft Verpflichtung ist also ein Rechtsakt, zu dem Gericht und Vormund zusammenwirken müssen. Nach der Bestellung erhält der Vormund die sog. Bestallung, d. h. eine öffentliche Urkunde des Vormundschaftsgerichts über sein Amt, § 1791. Die Bestallung dient dazu, daß sich der Vormund im Rechtsverkehr und bei der Führung von Rechtsstreitigkeiten ausweisen kann. 5. In der Regel wird für den Mündel und, wenn mehrere Geschwister zu bevormunden sind, für alle Mündel nur ein Vormund bestellt. Mehrere Vormünder (Mitvormünder) soll das Vormundschaftsgericht nur dann bestellen, wenn besondere Gründe (z. B. eine besonders schwierige und umfangreiche Vermögensverwaltung) eine solche Bestellung nahelegen, § 1775. Vom Mitvormund zu unterscheiden ist der Gegenvormund. Ein Gegenvormund soll immer dann bestellt werden, wenn mit der Vormundschaft eine Vermögensverwaltung verbunden ist, es sei denn, daß die Verwaltung nicht erheblich oder daß die Vormundschaft von mehreren Vormündern gemeinschaftlich zu führen ist. Ist das Jugendamt Vormund, so kann kein Gegenvormund bestellt werden, § 1792. IV. Die Führung der Vormundschaft 1. Der "Wirkungskreis des Vormundes im allgemeinen Der Vormund soll Elternstelle beim Mündel vertreten. Seine Gewalt hat daher im wesentlichen den gleichen Inhalt wie die elterliche Gewalt. „Der Vormund hat das Recht und die Pflicht, für die Person und das Vermögen des Mündels zu sorgen, insbesondere den Mündel zu vertreten", heißt es in § 1793. Als gesetzlicher Vertreter ist der Vormund berechtigt, für den geschäftsunfähigen oder geschäftsbeschränkten Mündel Rechtsgeschäfte vorzunehmen oder in Ergänzung der Willenserklärung des Geschäftsbeschränkten die erforderliche Zustimmung zu geben oder zu versagen. Anders als die Eltern haftet der Vormund dem Mündel gegenüber nicht bloß für die Sorgfalt wie in eigenen Angelegenheiten, sondern für jede Fahrlässigkeit, § 1833. Seine Pflichtverletzung ist keine unerlaubte Handlung (sie kann natürlich auch eine solche sein), sondern die Verletzung eines durch die Bestellung begründeten gesetzlichen Dauerschuldverhältnisses. 13»
195
III. Abschnitt: Vormundsdiaftsredit
Hat sidi der Vormund zur Erfüllung seiner Pflichten zulässigerweise der Unterstützung dritter Personen bedient, so ist zu unterscheiden: Hätte der Vormund auch selbst tätig werden können, so haftet er für ein Verschulden der Hilfsperson nach § 278. Handelt es sich dagegen um Aufgaben, deren Erfüllung vom Vormund nicht erwartet werden konnte (ärztliche Behandlung, Durchführung eines Rechtsstreits), so haftet der Vormund nur für ein Verschulden bei der Auswahl der Hilfsperson oder ihrer Überwachung. 2. Die Sorge für die Person Die Personenfürsorge umfaßt die gleichen Angelegenheiten und hat den gleichen Inhalt wie die der Eltern, § 1800 I i. V.m. §§ 1631—1633. Sie umfaßt also das Recht und die Pflicht, den Mündel zu erziehen, zu beaufsichtigen und seinen Aufenthalt zu bestimmen, § 1631 I. Auf Antrag hat das Vormundschaftsgericht den Vormund durch geeignete Maßregeln zu unterstützen, § 1631 II. Längere Zeit umstritten war die Frage, ob das Aufenthaltsbestimmungsrecht den Vormund berechtigt, den Mündel in einem geschlossenen Heim oder einer geschlossenen Anstalt unterzubringen. Die Praxis hatte gegen eine solche Unterbringung zunächst keine Bedenken. Das BVerfG erblickte darin aber einen Verstoß gegen Art. 104 II GG; BVerfGE 10, 302. Die Folge dieses Beschlusses ist § 1800 II: Eine Unterbringung des Mündels, die mit einer Freiheitsentziehung verbunden ist, ist nun nur noch mit Genehmigung des Vormundschaftsgerichts zulässig. Aus welchen Gründen die Unterbringung erfolgt, ob zu Heil- oder Pflegezwecken oder nur aus erzieherischen Gründen, spielt dabei keine Rolle.
Das Sorgerecht umfaßt an sich auch das Recht, über die religiöse Erziehung des Mündels zu bestimmen. Regelmäßig obliegt dem Vormund aber nicht die Bestimmung der Religion, sondern nur die Durchführung der religiösen Erziehung. Meist wird er dem gleichen Bekenntnis wie der Mündel angehören. Gehört er einem anderen Bekenntnis an, so kann ihm die Sorge für die religiöse Erziehung entzogen werden, § 1801 I. Zur Erstbestimmung der Religion bedarf er der Genehmigung des Vormundschaftsgerichts, § 3 II, 2 RKEG. Auf das religiöse Bekenntnis oder die Weltanschauung des Mündels und seiner Familie ist auch dann Rüdssicht zu nehmen, wenn das Jugendamt oder ein Verein als Vormund über die Unterbringung des Mündels entscheidet, § 1801 II. 3. Die Sorge für das Vermögen Auch die Vermögensfürsorge des Vormunds hat grundsätzlich den gleichen Inhalt wie die der Eltern. Ihr Zweck ist Erhaltung des Ver196
Die Vormundschaft mögens und nutzbringende Verwertung im Rahmen ordnungsmäßiger Geschäftsführung. Geld, das zum Vermögen des Mündels gehört, muß der Vormund verzinslich anlegen, § 1806. D i e Art der Anlage ist dem Vormund nicht völlig freigegeben. Es ist ihm vielmehr eine sog. mündelsichere Anlage vorgeschrieben. Das BGB zählt in § 1807 die zugelassenen Anlegungsarten auf, beläßt aber dem Landesrecht einen gewissen Spielraum zur näheren Bestimmung und Ergänzung. Als mündelsicher sind z. B. anerkannt Forderungen, für die eine sichere Hypothek an einem inländischen Grundstück besteht (Pfandbriefe!), Staatsanleihen und die Anlage bei einer öffentlichen Sparkasse. Das Vormundschaftsgericht kann dem Vormund jedoch eine andere Anlegung als die gesetzlich angeordnete gestatten. Die Erlaubnis soll nur verweigert werden, wenn die beabsichtigte Art der Anlegung nach Lage des Falles den Grundsätzen einer wirtschaftlichen Vermögensverwaltung zuwiderlaufen würde, § 1811. Das Vormundschaftsgericht muß also prüfen, ob die vom Vormund beabsichtigte Anlage der vom Gesetz vorgeschriebenen gleichwertig ist, d. h. die gleiche Sicherheit und die gleichen wirtschaftlichen Vorteile bietet. Nicht notwendig ist, daß die beabsichtigte Anlage für den Mündel vorteilhafter ist als die gesetzlich vorgeschriebene. So ist z. B. die Anlage von Mündelgeld bei einer Großbank zu gestatten, da diese Anlage der Anlage bei einer Sparkasse gleichwertig ist. 4. Der
Genehmigungszwang
a) Der Selbständigkeit des Vormunds sind für zahlreiche Rechtsgeschäfte Schranken dadurch gezogen, daß er zu ihrer Vornahme die Genehmigung eines Gegenvormunds oder des Vormundschaftsgerichts einholen muß. Der Ausdruck Genehmigung umfaßt dabei sowohl die vorherige w i e die nachfolgende Zustimmung. D a s Erfordernis der Genehmigung ist regelmäßig i. S. einer Beschränkung der Vertretungsmacht des Vormunds vorgeschrieben; für Rechtsgeschäfte, denen die erforderliche Genehmigung fehlt, gelten ähnliche Regeln w i e für Rechtsgeschäfte, die ein Vertreter ohne Vertretungsmacht vorgenommen hat, §§ 1829—1831. Gleichgültig ist es für das Erfordernis der Genehmigung, ob der Vormund selbst handelt oder nur seine Zustimmung zu einem vom Mündel vorgenommenen Rechtsgeschäft gibt; sonst wäre die Umgehung des Genehmigungszwangs ohne weiteres möglich. Einer Umgehung auf dein Umweg über § 110 beugt § 1824 ausdrücklich vor, indem er bestimmt, daß der Vormund Gegenstände, zu deren Veräußerung eine Genehmigung erforderlich ist, dem Mündel nicht ohne diese Genehmigung zur Erfüllung eines vom Mündel geschlossenen Vertrages oder zur freien Verfügung überlassen darf. 197
III. Abschnitt: Vormundschaftsrecht
b) Die Genehmigung eines Gegenvormundes ist erforderlich zur Verfügung über die zum Kapitalvermögen (im Gegensatz zum Grundstücksvermögen) des Mündels gehörigen Ansprüche; über bewegliche Sachen des Mündels kann der Vormund — abgesehen von Geld und Wertpapieren — grundsätzlich frei verfügen, § 1812. Die Konsequenzen sind merkwürdig: Der Vormund kann danach bewegliche Sachen des Mündels ohne die Genehmigung des Gegenvormundes verkaufen und übereignen. Will er dagegen die Kaufpreisforderung einziehen (die Einziehung ist nach h. M. eine Verfügung), so braucht er die Genehmigung, es sei denn, daß der Betrag 300 DM nicht übersteigt (§ 1813). Ist kein Gegenvormund bestellt, so tritt an die Stelle der Genehmigung des Gegenvormundes die Genehmigung des Vormundschaftsgerichts. Keine Genehmigung braucht eingeholt zu werden, wenn die Vormundschaft von mehreren Vormündern gemeinschaftlich geführt wird, § 1812 II, I I I . c) Die Genehmigung des Vormundschaftsgerichts ist vorgeschrieben sowohl für bestimmte Rechtsgeschäfte und Rechtshandlungen, die die Person des Mündels betreffen, als auch für alle wichtigeren Rechtsgeschäfte, die sein Vermögen angehen. Von den die Person betreffenden Rechtsgeschäften und Rechtshandlungen seien genannt etwa der Abschluß und die Aufhebung eines Adoptionsvertrags (§§ 1751, 1770), die Anfechtung der Ehelichkeit eines Kindes (§ 640b ZPO), die Bestimmung über die religiöse Erziehung des Kindes (§ 3 II RKEG), der Antrag, den Mündel aus der deutschen Staatsangehörigkeit zu entlassen (§ 19 I RuStAG). Die Vermögensverwaltungsgeschäfte, die das Vormundschaftsgericht genehmigen muß, sind im wesentlichen in den §§ 1821 und 1822 aufgezählt. Zu den Rechtsgeschäften, zu denen auch die Eltern der Genehmigung des Vormundschaftsgerichts bedürfen (s. o. § 19 I, 4), treten vor allem hinzu Grundstückskaufverträge, Pachtverträge über ein Landgut oder über einen gewerblichen Betrieb, sowie Lehr-, Dienst- oder Arbeitsverträge, die für längere Zeit als ein Jahr geschlossen werden. Das Vormundschaftsgericht erteilt die Genehmigung gegenüber dem Vormund, nicht gegenüber dem Mündel und auch nicht gegenüber dem Dritten, § 1828. Dem Dritten gegenüber wird die Genehmigung erst wirksam, wenn sie ihm vom Vormund mitgeteilt wird oder der Vormund dem Dritten gegenüber auf Grund der Genehmigung das Rechtsgeschäft vornimmt. Die Mitteilung der Genehmigung steht im 198
Die Vormundschaft
Belieben des Vormundes. Der Vormund kann damit das Wirksamwerden eines Vertrages verhindern, obgleich das Vormundschaftsgericht ihm gegenüber die Genehmigung erklärt hat; vgl. RGZ 130, 151. Persönlich belangen — als falsus procurator analog § 179 — kann der Dritte den Vormund nur dann, wenn dieser bei dem Abschluß des Vertrages der Wahrheit zuwider behauptet hat, das Vormundsdiaftsgericht habe die Genehmigung bereits erteilt; vgl. Dölle II, § 128 VI, 6 c cc; a. A. (§ 179 ist nicht anwendbar) Staudinger-Engler, § 1830 Anm. 11. 5. Ausschluß der Vertretungsmacht Die Vertretungsmacht des Vormundes ist in einer Reihe von Fällen ausgeschlossen: Sie umfaßt nicht die Rechtsgeschäfte, für die der Mündel die Stellung eines unbeschränkt Geschäftsfähigen hat, §§ 112, 113. Sie erstreckt sich nicht auf die Angelegenheiten, für die ein Pfleger bestellt ist, § 1794. Wegen der Gefahr einer Interessenkollision ist dem Vormund das Selbstkontrahieren nur im Rahmen des § 181 gestattet, § 1795 II. Er darf also nicht im Namen des Mündels mit sich im eigenen Namen oder als Vertreter eines Dritten ein Rechtsgeschäft vornehmen, außer wenn es ausschließlich in der Erfüllung einer Verbindlichkeit besteht. Er darf darum auch mehrere Mündel nicht vertreten, wenn sie miteinander ein Rechtsgeschäft vornehmen, z. B. einen Gesellsdiaftsvertrag schließen wollen. Auch das Gericht kann ein Selbstkontrahieren nicht gestatten. Das führt z. B. bei der Erbauseinandersetzung zwischen Geschwistern (für die ja nur ein Vormund bestellt wird, § 1775) oft zu einer wahren Pflegerhäufung. Das ist zwar unpraktisch, aber eine unabweisbare Folge des geltenden Rechts; vgl. Henrich, Fälle und Lösungen, Fall 17.
Außerdem entzieht § 1795 I Nr. 1 u. 3 dem Vormund ausdrücklich die Vertretungsbefugnis für Rechtsgeschäfte und Rechtsstreitigkeiten zwischen dem Mündel und den nächsten Angehörigen des Vormunds — mit Ausnahme der Erfüllungsgeschäfte. Weiter ist dem Vormund die Vertretungsmacht entzogen, wenn er selbst der Schuldner des Mündels aus einer durch Pfandrecht, Hypothek oder Bürgschaft gesicherten Forderung ist und es sich um die Übertragung oder Belastung dieser Forderung oder um die Aufhebung oder Minderung dieser Sicherheiten handelt, § 1795 I Nr. 2. 199
III. Abschnitt: Vormundsdiaftsredit
Endlich kann das Vormundschaftsgericht auch in anderen Fällen dem Vormund die Vertretung für einzelne Angelegenheiten oder einen bestimmten Kreis von Angelegenheiten entziehen, wenn das Interesse des Mündels in erheblichem Gegensatz steht zum Interesse des Vormundes oder eines von ihm vertretenen Dritten oder seines Gatten oder eines seiner Verwandten in gerader Linie, § 1796. Nimmt der Vormund trotz Ausschluß der Vertretungsmacht ein Rechtsgeschäft vor, so beurteilen sidi die Rechtsfolgen regelmäßig nach den §§ 177 ff. Einseitige Rechtsgeschäfte sind schlechthin nichtig, Verträge können durch Genehmigung eines Pflegers — und, soweit sie rein vorteilhaft sind, durch die des Mündels selbst — wirksam werden. Gegebenenfalls haftet der Vormund als falsus procurator nach § 179. Läßt der Sachverhalt klar ersehen, daß der Vormund die Vertretungsmacht zu seinem eigenen Nutzen oder zu dem eines anderen mißbraucht, so ist zwar die Vertretungsmacht nicht ausgeschlossen, doch kann der Dritte, der diese mißbräuchliche Ausnutzung erkannt hat oder bei einiger Aufmerksamkeit hätte erkennen müssen, sich wegen seines unlauteren Verhaltens auf die Vertretungsmacht nicht berufen, d. h. aus dem Rechtsgeschäft keine Rechte herleiten; vgl. RGZ 52, 99; 71, 222; 75, 301; noch weitergehend 85, 353. V. Ende der Vormundschaft 1. Die Vormundschaft endet mit Wegfall ihrer Voraussetzungen (§ 1882), ohne daß grundsätzlich ein besonderer Aufhebungsakt nötig wäre — also: a) mit dem Tod des Mündels; b) mit der Volljährigkeit oder Volljährigkeitserklärung des Mündels; c) mit Eintritt oder Wiedereintritt der elterlichen Gewalt. Beispiele: Annahme an Kindes Statt (§ 1757), Legitimation durch Ehelicherklärung auf Antrag des Vaters, § 1736. Für die Legitimation durch nachfolgende Ehe trifft § 1883 eine Sonderregelung: Die Vormundschaft endet erst dann, wenn ihre Aufhebung vom Vormundschaftsgericht angeordnet wird; denn hier muß zunächst geprüft werden, ob die Legitimationswirkungen auch wirklich eingetreten sind. Bei einer Ehelicherklärung auf Antrag des Kindes gilt dagegen wieder die Regel — obgleich § 1740f das Kind einem durch nachfolgende Ehe legitimierten Kind gleichstellt. Hier steht nämlich mit der Ehelicherklärung die Legitimationswirkung fest. Die Vormundschaft endet ferner, wenn das Ruhen der elterlichen Gewalt aufhört (die minderjährige unverheiratete oder verwitwete Mutter z. B. voll-
200
Die Vormundschaft jährig wird) oder das Vormundsdiaftsgericht einem Elternteil die Vertretungsmacht, die es ihm entzogen hatte, wieder zurücküberträgt.
2. Das Amt des Vormundes endet ohne weiteres mit dem Tod oder der Entmündigung des Vormundes, § 1885; mit der Entlassung des Vormundes durch das Vormundschaftsgericht. Diese erfolgt: a) auf seinen Antrag, wenn ein wichtiger Grund vorliegt, namentlich, wenn ein gesetzlich anerkannter Grund zur Ablehnung der Übernahme des Amtes naditräglidi eintritt, § 1889 I; b) von Amts wegen, insbesondere dann, wenn die Mündelinteressen durdi die Fortführung des Amtes, namentlich wegen pflichtwidrigen Verhaltens des Vormundes, aber auch aus anderen Gründen, z. B. langwieriger Erkrankung, gefährdet würden. c) Das Jugendamt oder einen Vereinsvormund hat das Vormundsdiaftsgericht zu entlassen, wenn eine als Vormund geeignete Einzelperson vorhanden ist und die Bestellung dieses Einzelvormundes dem Wohl des Kindes dient, § 1887. Auf eigenen Antrag können Jugendamt und Vereinsvormund dann entlassen werden, wenn eine andere als Vormund geeignete Person vorhanden ist und das Wohl des Mündels der Entlassung nicht entgegensteht, ein Verein ferner auch dann, wenn ein wichtiger Grund vorliegt, § 1889 II. 3. Nach der Beendigung seines Amtes oder der Vormundschaft hat der Vormund dem Mündel das verwaltete Vermögen herauszugeben und über die Verwaltung Rechenschaft abzulegen, § 1890. VI. Besonderheiten der Vormundschaft über Volljährige 1. Ein Volljähriger erhält nur dann einen Vormund, wenn er entmündigt ist, § 1896. 2. Grundsätzlich finden auf die Vormundschaft über Volljährige die Vorschriften über die Vormundschaft über Minderjährige Anwendung, § 1897. Von den Abweichungen seien hervorgehoben: a) Die Eltern haben kein Benennungsrecht. Sie können weder einen Vormund benennen, noch jemand von der Vormundsdiaft ausschließen, § 1898. b) Zur Vormundschaft berufen sind die Eltern, falls nicht der Mündel von einem Dritten an Kindes Statt angenommen ist, § 1899. Die Eltern sind in gleichem Rang berufen (Ausnahme: Ob der Vater eines nichtehelichen Kindes berücksichtigt werden soll, steht im Er201
III. Abschnitt: Vormundschaftsrecht
messen des Vormundsdiaftsgeridits, § 1779 II, 3), jedoch ist nur ein Elternteil als Vormund zu bestellen. Die Auswahl trifft das Vormundschaftsgericht entsprechend § 1779 II. c) Der Ehegatte ist an sich nicht zur Vormundschaft „berufen", er darf jedoch zum Vormund bestellt werden, und zwar sogar vor den Eltern, § 1900. d) Die Personensorge ist begrenzt durch den Zweck der Vormundschaft, § 1901. Der Vormund eines Volljährigen hat deswegen kein Erziehungsrecht. Erziehungsmaßregeln kommen nur zur Bekämpfung der geistigen und sittlichen Mängel in Betracht, die zur Entmündigung führten. So kann der Vormund den Mündel gegen seinen Willen — aber mit Genehmigung des Vormundsdiaftsgeridits (§ 1800 II) — in einer Nerven- oder Trinkerheilanstalt unterbringen.
e) Im Bereich der Vermögensverwaltung sind die Befugnisse des Vormundes noch stärker eingeschränkt als bei der Altersvormundschaft. Vgl. im einzelnen § 1902. f ) Die Vormundschaft endet in entsprechender Anwendung des § 1882 mit der Aufhebung der Entmündigung.
§ 24. Die Pflegschaft I. Begriff und Aufgabe Die Pflegschaft ist vormundschaftsähnliche Fürsorge mit begrenzterem Aufgabenkreis. Sie soll folgende Aufgaben erfüllen: 1. Ergänzung der elterlichen oder vormundschaftlichen Fürsorge in solchen Angelegenheiten, an deren Besorgung die Eltern oder der Vormund verhindert sind. 2. Hilfeleistung und Interessenschutz in solchen Fällen, in denen — weil es nur um einen begrenzten Aufgabenkreis geht — ein Vormund nicht bestellt wird oder bestellt zu werden braucht. 3. Vorläufiger Schutz in den Fällen, in denen eine Vormundschaft notwendig, ein Vormund aber noch nicht bestellt ist. 4. Schutz der Interessen unbekannter
Beteiligter.
II. Arten der Pflegschaft Entsprechend den verschiedenen Aufgaben der Pflegschaft gibt es mehrere Arten einer Pflegschaft. 202
Die Pflegsdiaft
1. Die Ergänzungspflegschaft Wer unter elterlicher Gewalt oder unter Vormundschaft steht, erhält für Angelegenheiten, an deren Besorgung die Eltern oder der Vormund verhindert sind, einen Pfleger, § 1909 I. Beispiel: Der Vormund will mit dem Mündel einen Vertrag 1795 II, 181).
(SS
schließen
2. Die Pflegschaft für eine Leibesfrucht Eine Leibesfrucht erhält zur Wahrung ihrer künftigen Rechte, soweit diese einer Fürsorge bedürfen, einen Pfleger, § 1912 I, 1. In Betracht kommen hier vor allen Dingen erbrechtliche Ansprüdie (beachte in diesem Zusammenhang § 1923 I I : Wer zur Zeit des Erbfalls noch nicht lebte, aber bereits erzeugt war, gilt als vor dem Erbfall geboren!). Auch wenn die Voraussetzungen des S 1912 I, 1 nicht vorliegen, kann ein Pfleger bestellt werden, wenn anzunehmen ist, daß das Kind nidit ehelich geboren werden wird, § 1912 I, 2.
Ein Pfleger wird nicht bestellt, wenn die Rechte der Leibesfrucht von den Eltern wahrgenommen werden können, d. h. in den Fällen, in denen den Eltern die elterlidie Gewalt zustünde, wenn das Kind bereits geboren wäre, § 1912 II. 3. Die Gebrechlichkeitspflegschaft Ein Gebredilichkeitspfleger kann für einen Volljährigen bestellt werden, der infolge körperlicher oder geistiger Gebrechen seine Angelegenheiten nicht zu besorgen vermag. § 1910 unterscheidet zwei Fälle: a) Jemand kann infolge körperlicher Gebrechen, insbesondere, weil er taub, blind oder stumm ist, seine Angelegenheiten nicht besorgen, § 1910 I. b) Jemand kann infolge geistiger oder körperlicher Gebrechen einzelne seiner Angelegenheiten oder einen bestimmten Kreis seiner Angelegenheiten nicht besorgen, § 1910 II. In beiden Fällen braucht kein Vormund bestellt zu werden: im ersten Fall deswegen nicht, weil körperliche Gebrechen allein eine Entmündigung nicht rechtfertigen, im zweiten Fall deswegen, weil ein Fürsorgebedürfnis nur für einzelne Angelegenheiten besteht. Wichtig ist § 1910 I I I : Die Pflegsdiaft darf nur mit Einwilligung des Gebrechlichen angeordnet werden, es sei denn, daß eine Verständigung mit ihm nicht möglich ist. Nicht möglich ist eine Verständigung in der Regel dann, wenn der Pflegebedürftige geschäftsunfähig 203
III. Abschnitt: Vormundschaftsrecht
ist (beachte: Wer geisteskrank ist, ist geschäftsunfähig, auch wenn er nicht entmündigt ist, § 112 Ziff. 2). Wird die Pflegsdiaft ohne Einwilligung des Pflegebedürftigen angeordnet, so spridit man von einer Zwangspflegschaft. Die Zwangspflegschaft ist nicht unproblematisch. Sie vertritt in der Praxis nur allzu oft die Entmündigung, ohne aber dem Pflegling die Kautelen des Entmündigungsverfahrens (§§ 645 ff. ZPO) zu bieten. Aus diesem Grund ist bei der Anordnung einer Zwangspflegschaft Zurüdihaltung geboten. Der Pflegling hat Anspruch auf rechtliches Gehör und ein selbständiges Beschwerderecht; vgl. BGHZ 35, 1; BVerfG, N J W 1965, 2051. Da die Pflegschaft auf die Geschäfts- und Prozeßfähigkeit des Pfleglings keinen Einfluß hat, bleibt dieser neben dem Pfleger handlungsfähig; der Pfleger hat die Stellung eines vom Staat ernannten Bevollmächtigten. Ist freilich der Pflegling geschäftsunfähig, dann hat der Pfleger die Stellung eines gesetzlichen Vertreters; vgl. BGH, FamRZ 1967, 620. 4. Die
Abwesenheitspflegschaft
Ein Abwesenheitspfleger wird bestellt für jemand, der abwesend ist und dessen Aufenthalt entweder unbekannt ist oder der an der Rückkehr und der Besorgung seiner Vermögensangelegenheiten verhindert ist, § 1911. 5. Die vorläufige
Pflegschaft
Eine vorläufige Pflegschaft wird dann angeordnet, wenn die Voraussetzungen für die Anordnung einer Vormundschaft vorliegen, der Bestellung eines Vormundes aber noch Hindernisse im Wege stehen, § 1909 III. 6. Die Pflegschaft für unbekannte
oder ungewisse
Beteiligte
Ist unbekannt oder ungewiß, wer bei einer bestimmten Angelegenheit der Beteiligte ist, so kann dem Beteiligten für diese Angelegenheit, soweit ein Fürsorgebedürfnis besteht, ein Pfleger bestellt werden, § 1913. Beispiel: Jemand setzt die Kinder seines Bruders als Erben ein. Der Bruder ist z. Z. des Erbfalls zwar verheiratet aber noch kinderlos. In diesem Fall ist gem. § 2101 im Zweifel anzunehmen, daß die Kinder als Nacherben eingesetzt sind. Der Nachlaß fällt zunächst an die gesetzlichen Erben, § 2105. Zur Wahrung der Interessen der noch nicht erzeugten Kinder kann gem. § 1913 ein Pfleger bestellt werden.
204
Sachregister (Die Zahlen verweisen auf die Paragraphen des Buches und deren Unterabschnitte)
A
Abfindung des unehelichen Kindes 20 V 2 Abkommen, scheidungserleichternde 15 I I I 1, 2 Absolute Veräußerungsverbote für Ehegatten 11 I V 1 Abstammung 16; als Grundlage der Verwandtschaft 1 I I ; nichteheliche A. 16 I I ; blutmäßige A., Klage auf 16 I I 1; Reditswirkungen im persönlichen Bereich 17 I I Abwesenheitspflegschaft 24 I I 4 Adoption (s. Annahme an Kindes Statt) Adoptivverwandtsdiaft als Eheverbot 5 V 4 Änderungen des Familienrechts 1 III 2 Alleinbesitz der Ehegatten 11 I I I 4 Alleinschuldigerklärung eines Gatten im Scheidungsurteil, Bedeutung für die Verteilung der elterlichen Gewalt 19 V 2 Allgemeine Gütergemeinschaft 11 I Altersvormundschaft 23 I Amtsvormundschaft 19 I I I 2 ; 23 I ; 23 I I Anerkennung der Vaterschaft 16 I I 2 Anfangsvermögen 12 I 2, 3, 7 Anfechtung der Ehe 5 I I I 1; der Ehelichkeit eines Kindes 16 I 3; 21 I 4; des Adoptionsvertrages 22 V 1 Anfechtungsklage 16 I 3 Angehörige i. S. des StGB, Ver-
wandte 1 I I 3; Ehegatten 7 II 2; Verlobte 2 III 2 Anlage von Geld des Kindes, mündelsichere 19 I 3; des Mündels 23 I V 3 Annahme an Kindes Statt 22; Begriff — Allgemeines 22 I ; Voraussetzungen 22 I I ; auf Seiten des Annehmenden 22 II 1; auf Seiten des Anzunehmenden 22 I I 2; Annahmevertrag 22 I I I ; gerichtliche Bestätigung 22 I I I 3; Wirkungen der Annahme 22 I V ; Unwirksamkeit und Aufhebung des Annahmevertrages 22 V Anstandsschenkung des Kindes oder aus dem Vermögen des Kindes 19 I 2 Ansteckende Krankheit als Scheidungsgrund 14 I I I 2 Antrag auf Feststellung der Nichtehelichkeit 16 I 3 Anzeigepflidit des Jugendamtes 19 I V 1 Arbeitspflicht des hausangehörigen Kindes 17 I I I 1 Arbeitsvertrag zwischen Ehegatten 7 I V 5; 7 V 2, 4 ; zwischen Eltern und Kind 17 I I I 1 Arglistige Täuschung, beim Verlöbnis 2 I I 3; als Eheaufhebungsgrund 5 I I I 1, 4 Aufenthaltsbestimmungsrecht 18 V 1, 4 Aufgebot 5 I I 3 Aufhebbarkeit der Ehe 5 I I I Aufhebung der Ehe 6 I I ; der ehe-
205
Sachregister liehen Gemeinschaft 14 I I I 1; der Adoption 22, V 2, 3 Auflösung der alten Ehe bei irriger Todeserklärung durch Wiederverheiratung 5 II 1 Aufsichtsrecht und -pflidit der Eltern 18 V 1, 3; des Vormundschaftsgerichts 19 IV; des Vormunds 23 IV 2 Auftragsverhältnis zwischen Ehegatten 7 IV 5; 7 VI; 8 II 2; 11 III 3 Aufwendungen f ü r den elterlichen Haushalt 17 III 2 Ausbildung des Kindes, Anspruch auf Mittel f ü r angemessene A. 12, II 4; Bestimmung und Überwachung 18 V 1; Kosten 20 III 1 Auseinandersetzungszeugnis, Fehlen als Eheverbot 5 V 6 Ausgleich des Zugewinns (s. Zugewinnausgleich) Auskunftspflidit der Ehegatten 7 IV 2; 11 I I I 1; 12 I 3, 4 Ausländer, Eheschließung 4 II 1 Ausschlagung einer Erbschaft durch den überlebenden Ehegatten 12 II 2, 3; durch die Eltern 19 I 3 Ausschluß der Vertretungsmacht der Eltern 19 I 2; des Vormundes 23 IV 5 Ausschluß des Zugewinnausgleichs (s. Zugewinnausgleich) Ausstattung 17 IV 3 Ausstattungsversprechen 17 V Aussteuer 17 IV 2, 3 Auswahl des Vormundes 23 I I I 2 B Beaufsichtigung (s. Aufsicht) Bedürftigkeit als Voraussetzung des Ausbildungsanspruchs der Stiefkinder 12 II 4; als Voraussetzung des Unterhaltsanspruchs unter Verwandten 20 II 1 Beerdigungskosten 20 III 7; 20 V 4 Befreiung von Eheverboten 5 II 2; 5 V 1, 5
206
Beischlaf mit einer dritten Person als Ehebruch 14 III 1 Beiwohnungsvermutung 16 I 2 Beleidigung als Eheverfehlung 14 III 1 Bereicherungsanspruch zur Sicherung des Zugewinnausgleichs 12 1 4 ; wegen geleisteter Dienste 17 III 1; 17 V Bereitschaft, die Ehe fortzusetzen 14 III 2 Berichtigung des Grundbuchs bei der Gütergemeinschaft 13 II 2 Berufstätigkeit der Frau 7 IV 4; 9 I 2 Berufsvormundschaft 23 II Berufung zur Vormundschaft 23 III 2; 23 VI Besitz an Hausrat und Ehewohnung 11 III 4 Besitzrecht der Eltern am Kindesvermögen 18 VII 1 Bestallung des Vormundes 23 III 4 Bestandsverzeichnis 12 I 3 Bestätigung des Adoptionsvertrages 22 III 3 Bestätigung einer nichtigen oder aufhebbaren Ehe 5 II 3 Bestellung des Vormundes 23 III 4; eines Mit- oder Gegenvormundes 23 III 5; eines Pflegers (s.Pflegerbestellung) Bestellungsprinzip bei der Vormundschaft 23 I I I 1 Bewährung der Ehe 5 III 3 Beweislast bei der Ehescheidung 14 III 2 Bewertungsmaßstäbe 12 I 3 Bewußtlosigkeit beim Eheschluß 5 II 1, 3 Bigamie als Eheverbot 5 II 1, 2, 3 Bindung an die Ehe 14 III 2 Blankoeinwilligung in die Adoption 22 III 2 Blutmäßige Abstammung (s. Abstammung)
Sachregister Blutuntersudiung 16 I 2 Blutsverwandtschaft als Eheverbot 5 II 1 Bösliches Verlassen als Scheidungsgrund 14 I I I 1 Brautgeschenke, Rückgabe bei Auflösung des Verlöbnisses 2 V Brautkinder 21 III 1 Brautstand 2 I 4, 2 I I I Bürgschaft 19 I 3
C Consensus facit nuptias 4 1 3
D Darlehensaufnahme 19 I 3 Deflorationsanspruch der unbescholtenen Braut 2 I V 3 Deliktische Schadensersatzansprüche wegen Ehestörung durch Dritte 10 II 1 Deliktische Unterlassungsklagen 10 I 2 Dienstleistungspflicht des hausangehörigen Kindes 17 III 1 Dienstvertrag zwischen Eltern und Kindern 17 III 1; 17 V Dilettantenvormundschaft 23 I I Diligentia quam in suis, Haftung des Ehegatten 10 I 3; der Eltern 18 I I I 4 Dingliche Surrogation 11 I I I 2 ; 13 I I 2; 18 VII 2 Dispensable Eheverbote 5 II 2 Dissens bei der Eheschließung 5 1 2 Doppelehe, Eheverbot 5 II 1, 2, 3 Doppelverdienerehe 7 I V 4 ; 9 I 1 Dos 11 I Dotalsystem 11 I Drohung, beim Verlöbnis 2 I I 3; als Eheaufhebungsgrund 5 I I I 1, 5
E Ehe, Begriff 3 I I I ; Vertrag oder Institution 3 1 2 ; charakteristische Merkmale 3 II Ehebruch, als Eheverbot 5 I I 1, 2, 3;
Klage auf Unterlassung 10 I 1; als Scheidungsgrund 14 I I 1, 14 I I I 1; Verzeihung 14 V 2 Ehefähigkeitszeugnis, Fehlen als Eheverbot für Ausländer 5 V 7 Ehegüterrecht (s. eheliches Güterrecht) Ehehindernisse (s. Eheverbote) Eheliche Abstammung 16 I Eheliche Lebensgemeinschaft 7; Verpflichtung zur Herstellung der e . L . 6 I 1; 7 I I I ; Wegfall der Verpflichtung zur e. L. 7 I I I 2; Klage auf Herstellung 10 I 1 Ehelicherklärung 19 II 1; auf Antrag des Vaters 21 I I ; auf Antrag des Kindes 21 I I I Eheliches Güterrecht, Geschichte I I I ; (s. Zugewinngemeinschaft, Gütertrennung, Gütergemeinschaft) Ehelichkeitsvermutung 16 I 2 Ehemündigkeit 5 V 1 Eheniditigkeitsklage (s. Nichtigkeitsklage) Ehesachen 10 I 1; 14 I V 3 Ehescheidung 14; geschichtliche Entwicklung 14 I ; Rechtsvergleichung 14 I ; Grundstrukturen 14 I I ; Scheidungsgründe 14 I I I ; Scheidungsprozeß 14 I V ; Scheidungsfolgen 15 Ehescheidungsgründe, verschuldete 14 I I I 1; unverschuldete 14 I I I 2 Ehescheidungsprozeß 14 I V Eheschließung, Form, geschichtliche Entwicklung 4 I ; geltendes Recht 4 I I ; Voraussetzungen des Zustandekommens einer Ehe 4 I I 1; Nichtigkeitsgründe 4 II 2; Eheschließung durch Stellvertreter oder Boten 4 I I 2 ; Soll-Vorschriften 4 II 3 Eheschließung, sachliche Voraussetzungen 5; Geschlechtsversdiiedenheit 5 1 1 ; Konsens 5 1 2 ; Nichtigkeitsgründe 5 I I ; Aufhebungs-
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Sachregister gründe 5 I I I ; erschöpfende Aufzählung im Gesetz 5 IV; SollVorschriften 5 V Ehestörung durch Dritte 10 II Eheverbote 5 II 1, 2 Eheverfehlung, Scheidungsgrund 14 III 1; Verzeihung 14 V 2; E., die nicht als ehezerstörend empfunden wird 14 V 2 Ehevertrag 11 I; 13 III Ehewidriges Verhalten, Klage auf Unterlassung 10 I 1 Ehewohnung, Mitbesitz jedes Ehegatten 7 III 1; 11 III 4; Verfügung über die E. 11 IV 1; während des Scheidungsprozesses 14 IV 3; nach der Scheidung 15 II 2 Ehezerrüttung 14 II 1; 14 III 1, 2 Ehrloses oder unsittliches Verhalten eines Gatten als Scheidungsgrund 14 III 1; der Eltern 19 IV 3 Eifersucht, Scheidungsgrund 14 I I I 2 Eigener Bereich der Ehegatten 7 IV 2 Eigentumsvermutungen 8 I Einbenennung 17 II 2 Eingebrachtes Vermögen 11 I Einrede des Mehrverkehrs (s. exceptio plurium) Einstweilige Anordnungen in Ehesachen während des Scheidungsprozesses 14 IV 3 Einwilligung, des gesetzlichen Vertreters in die Eheschließung 5 III 1, 2; 18 V 1; des Sorgeberechtigten in die Eheschließung 5 V 2; E. in die Ehelicherklärung 21 II 2; 21 I I I 2; E. in die Adoption 22 III 2 Einzeltheorie 11 IV 4 Einzelvormundschaft 23 II Ekelerregende Krankheit als Scheidungsgrund 14 III 2 Elterliche Gewalt 18; Wesen 18 I; elterliche Gewalt und Elternrecht 18 II; eigenverantwortliche Aus208
übung 18 III; Ende 18 IV; Personenfürsorge 18 V; Vermögensfürsorge 18 VII; Schranken 19 I; besondere Schranken für die nichteheliche Mutter 19 II; Verhinderung der Eltern an der Ausübung 19 I I I ; Verteilung bei Scheidung, Aufhebung oder Nichtigerklärung der Ehe oder bei Getrenntleben der Eltern 15 III 3; 19 V; nach der Legitimation 21 I 3; 21 II 4; über Adoptivkinder 22 IV 3 Elternrecht 1 III 3; 18 VI 1 Empfängnis vom Ehemann, offenbare Unmöglichkeit 16 I 2 Empfängniszeit 16 I 2 Endvermögen 12 I 2, 3; Zurechnung zum E. 12 I 4 Entbindungskosten 20 V 4 Enterbung des Ehegatten 12 II 2, 3 Entgelt für geleistete Mitarbeit 7 V 2; 17 III 1 Entscheidungsrecht in der Ehe 7 IV 1 Entziehung der (Bestandteile der) elterlichen Gewalt 18 IV 4; 18 V 5; 18 VII 4 Erbbiologisches Gutachten 16 I 2 Erbrecht des Adoptivkindes 22 IV 3; des Ehegatten 6 I 1; 7 II 1 Erbrechtliche Lösung des Zugewinnausgleichs 11 II; 12 II 2, 3 Ergänzungspflegschaft 24 II 1 Erklärungsirrtum bei der Eheschließung 5 III 3 Ernstlichkeit, Mangel beim Verlöbnis 2 II 3; beim Eheschluß 5 IV Errungenschaftsgemeinschaft 11 I Ertrags wert 12 I 3 Erwerbsgeschäft, Betrieb durch das Kind 19 I 2, 3; Genehmigung durch das Vormundschaftsgericht 19 I 3; Beginn im Namen des Kindes 19 I 3 Erziehung 18 V 1; Recht des Kindes auf E. 18 II
Sachregister Erziehungsbeistandschaft 19 IV 4 Erziehungsredit und -pflicht der Eltern 18 V 1 Exceptio plurium 16 II 1, 3
F Fahrnisgemeinschaft 11 I Fakultative Zivilehe 4 1 5 Familie, Begriff 1 I Familienbuch 4 II 3 Familienplanung 8 II 5 Familienunterhalt 8 II 3; 9 I 1 Familienwohnung