Familie und Erwerbstätigkeit im Umbruch: Referate der Herbsttagung 1991 des Arbeitskreises »Bevölkerungsökonomie« der Deutschen Gesellschaft für Bevölkerungswissenschaft [1 ed.] 9783428474790, 9783428074792


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German Pages 253 Year 1992

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Familie und Erwerbstätigkeit im Umbruch: Referate der Herbsttagung 1991 des Arbeitskreises »Bevölkerungsökonomie« der Deutschen Gesellschaft für Bevölkerungswissenschaft [1 ed.]
 9783428474790, 9783428074792

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DEUTSCHES INSTITUT FÜR WIRTSCHAFTS FORSCHUNG

SONDERHEFT 148 . 1992

Notburga Ott und Gert Wagner (Hrsg.)

familie und Erwerbstätigkeit Im Umbruch

Referate der Herbsttagung 1991 des Arbeitskrelsea "Bevölkerungsökonomie' , der Deutschen Gesellschaft für Bevölkerungswissenschaft

Herausgeber: Deu1ac:hellnatltut IOr Wirllch.rtslorlchung, K6n1g1n-Luile-Slt. 5, [).1000 kiln 33 TeIa"'n (0 30) 82 99 10 - lilIelax (0 30) 82 • 12 00 \/erlag DuncMr & Humblol GmbH, Dletrich·Schiler-Weg 9, [).1000 SerOn 41. Alle RecIU ~hallen Druck: 1992 bei ZlPPEL-Druck, Oranienburger SIr. 170, [)'1000 BerIIn 28 Prlntad in Garmany ISBN 3-428.07479-3

Vorwort Der "ArbeitskreisBevölkerungsökonomie" der Deutschen Gesellschaft fürBevölkerungswissenschaft e.V. (DGBw) ist ein Forum der wissenschaftlichen Diskussion von Arbeiten, die im thematischen Überschneidungsbereich von Ökonomie und Demographie angesiedelt sind. Der Arbeitskreis soll in erster Linie die Möglichkeit bieten, laufende Forschungsarbeiten auch in einem frühen Stadium (z.B. empirische Vorstudien) in einem größeren Kreis zu diskutieren. Eng damit verbunden ist das Ziel, für Nachwuchswissenschaftler ein Forum

ZU

bieten, auf dem ihre Arbeiten

vorgestellt und diskutiert werden können. Die Tagungen des Arbeitskreises haben daher zu einem großen Teil Workshop-Charakter. Wenngleich aus diesem Grund manche Ergebnisse noch als vorläufig angesehen werden müssen, eröffnet sich dadurch die Möglichkeit einer. hohen Aktualität der Referate, wie dies auf der Herbsttagung '91 besonders deutlich wurde. Unter dem Thema "Familie und Erwerbstätigkeit im Umbruch" wurden Beiträge zur Situation der Familien und Frauen in den alten und neuen Bundesländern vorgestellt. Die Tagung fand am 11. und 12. Oktober 1991 in Berlin statt. Für organisatorische Unterstützung bedanken wir uns beim Geschäftsführer des Arbeitskreises, Herrn Dipl.-Volkswirt Rainer SchuIz, Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung. Wiesbaden. Für eine kritische Durchsicht der Manuskripte danken wir Herrn Diplom-Volkswirt Bernd Adam (DIW). Dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) ist nicht nur für seine Bereitschaft zu danken, die überarbeiteten Referate als "Sonderheft"

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herauszugeben. Drei der sechs Aufsätze in diesem Band beruhen auf den Daten des Sozio-oekoDomischen Panels (SOEP), einer großangelegten Wiederholungsbefragung, die als "Infrastruktureinrichlung" für die Sozialund Wirtschaftswissenschaften von der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung

und

Forschungsförderung

und

der

Deutschen

Forschungsgemeinschaft (DFG) am DIW gefördert wird. Herr Präsident Hoffmann war. so freundlich, die physische Grundlage für ausdauernde Diskussionen auf der Herbsttagung in Form von Kaffee und anderen Getränken zu spenden. Da .~

DIW nicht über geeignete Tagungsräume verfügt, waren wir mit

der Herbsttagung beim Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) zu Gast. Hannelore Trautmann erledigte das Konfererwekretariat wie immer perfekt. Dem Präsidenten des WZB, Prof. Dr. Wolfgang Zapf, sei für die Gastfreundschaft und seine Begrüßung herzlich gedankt. Ohne die Unterstützung, die Christine Kurka und Christiane Schlote (Sekretariat der SOEP-Projektgruppe im DIW) im Vorfeld der Tagung und später beim Aufbereiten der Manuskripte gewährten, wären weder die Tagung noch das vorliegende Buch zustande gekommen. Ihrem Engagement gilt unser persönlicher Dank.

Notburga Oll und Gen Wagner Frankfurt und Berlin, im Februar 1992

4

INHALT Seite Familie und Erwerbstätigkeit im UmbruchEinleitung und Diskussionszusammenfassung Notburga Olt, Universität Frankfurt, und Gen Wagner, DIW BerUn

I

7

Die Entwicklung in der alten BRD

Das "Drei-Phasen-Modell" der Erwerbsbeteiligung von Frauen - Begründung, Norm und empirische Relevanz Erik.4 Schulz und Ellen /(jmer, DIW BerUn

17

Die Heiratsmarktschancen von Männern und Frauen in der Bundesrepublik Deutschland von 1950-1988 Ina Milenovic, Universität Bamberg

56

11

Familienpolitische Herausforderungen

EinkQxomenssicherung in Familien mit einem Elternteil Frank KJanberg, FU Berlin, Peter Krause, DIW Berlin und Aloys Prinz, FU Berlin Familienpolitik und Anti-Diskriminierungspolitik in der Bundesrepublik Deutschland und den USA Karin Kurz, Mannheimer Zentrum für Europäische Sozialforsclumg

83

125

5

III

Die besondere Situation in den neuen Bundesländern

Erwerbsverläufe von Frauen und Männern in verschiedenen historischen Phasen der DDR-Entwicklung

172

Familienstrukturen undErwerbsbeteiligung in den neuen Bundesländern - Erste Veränderungen im Spiegel von Längsschnittanalysen

209

Heike Trappe, MPI für Bildungsforschung, Berlin

Jürgen Schupp, DIW Berlin

6

Familie und Erwerbstätigkeit im Umbruch . Einleitung und Diskussionszusammenfassung Notburga Dtt und Gert Wagner

Die Beiträge der Herbsttagung '91 des Arbeitskreises "Bevölkerungsökonomie" behandeln die neueren Entwicklungen hinsichtlich der Familienbildung und der Frauenerwerbstätigkeit in zweifacher Weise. Zum einen stellt der demographische und gesellschaftliche Wandel, der in der Vergangenheit ähnlich wie in anderen westlichen Industrieländern auch in der früheren Bundesrepublik zu beobachten war, neue Anforderungen an die Familienpolitik. Zum anderen ergeben sich im Zuge des deutsch-deutschen Vereiningungsprozesses ganz spezifISche Problemsituationen - insbesondere für Frauen in den neuen Bundesländern, deren Erwerbs- und Familienbiographien sich nicht bruchlos den neuen ·Rahmenbedingungen anpassen können. Im folgenden werden die Beiträge dieses Buches von den Herausgebern kommentiert und gleichzeitig auch die ausführlichen Diskussionen der Herbsttagung aus ihrer Sicht zusammengefaßt.

1

Die Entwicklung in der alten BRD

Erwerbsverläufe von Frauen sind für viele demographische Fragen in den Mittelpunkt des Interesses gerückt, da die Beeinflussung der Erwerbstätigkeit durch Kindererziehung nicht nur ein individuelles Problem der Mütter bzw. Eltern darstellt, sondern sich die Indizien mehren, daß bei 7

einer schwierigen Vereinbarkeit von Kindererziehung und Erwerbstätigkeit die Entscheidung immer öfter zu Ungunsten der Realisierung eines Kinderwunsches getroffen wird. Erika Scbulz und Ellen Kimer zeigen anhand der biographischen Retrospektivangaben, die im Sozio-oekonomischen Panel (SOEP) erhoben werden, daß das von Myrdal und Klein in den 50er Jahren für Schweden (und andere westliche Industrieländer) beschriebene typische Drei-Phasen-Modell weiblicher Erwerbsbiographien in der alten Bundesrepublik ein nach wie vor häuftg gelebtes Lebensmuster darstellt. Zwar scheinen die Unterbrechungszeiten im Zeitverlauf kürzer geworden zu sein, was zum Teil auf das höhere Ausbildungsniveau jüngerer Kohorten zurückzuführen sein dürfte, für die mit steigender Bildung die Einkommensverluste bei langen Unterbrechungszeiten zunehmen. Trotzdem scheint der Anteil der kontinuierlich erwerbstätigen Frauen nicht zuzunehmen, wobei allerdings für die jüngeren Kohorten noch keine endgültigen Aussagen gemacht werden können. Gleichzeitig haben die Berufsrückkehrerinnen (und noch mehr die durchgängig Erwerbstätigen) deutlich weniger Kinder als die Dauer-Hausfrauen. Dies spricht dafür, daß Frauen in der BRD vielfach vor dem Dilemma stehen, sich entweder für Kinder und hohe finanzielle Einbußen und Risiken aufgrund einer diskontinuierlichen Erwerbsbiographie oder für einen einigermaßen kontinuierlichen Erwerbsverlauf und wenige bzw. keine Kinder entscheiden zu müssen. Dies dürfte letztendlich der Grund dafür sein, daß in der früheren Bundesrepublik sowohl die Geburtenziffern als auch die Frauenerwerbsbeteiligung relativ gering sind. Kirner und Schulz plädieren daher für familienpolitische Maßnahmen, die nicht auf einen

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Ausstieg aus dem Erwerbsleben nach der Geburt eines Kindes abzielen, sondern vielmehr ein Nebeneinander von Familie und Beruf erlauben. In der Diskussion zum Vortrag von Kirner und Schulz wurde darauf hingewiesen, daß die geschilderten Probleme im wesentlichen auf die spezifischen in der BRD vorfindbaren Rahmenbedingungen zurückzuführen sind, wie internationale Vergleiche zeigen. In Schweden, wo das Drei-Phasen-Modell in den 50er Jahren als das vorherrschende Lebensmuster von Frauen galt, ist heute - nicht zuletzt aufgrund der von Myrdal und Klein ins Rollen gebrachten Diskussion über die Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit und Kindererziehung - eine durchgängige Erwerbstätigkeit von Müttern die Regel. Dort wird durch hinreichend lange und flexible EIternurlaubsregelungen sowie ein breit ausgebautes Kinderhetreuungssystem ein zeitiges Nebeneinander von Familie und Beruf ermöglicht, was in deutlich höheren Geburtenziffern und gleichzeitig höheren Frauenerwerbsquoten als in der hüheren BRD zum Ausdruck kommt. Der Beitrag von Ina Milenovic untersucht die Veränderungen in der Vergangenheit mit einer auf den ersten Blick traditionell demographischen Sichtweise. Freilich wendet die Autorin das ökonomische Konzept des Marktes explizit auf das Eheschließungsgeschehen an. Im Mittelpunkt der Analyse stehen die Ungleichgewichte auf dem "Heiratsmarkt" und deren mögliche Konsequenzen für die Geburtenentwicklung. Aufgrund schwankender Fertitilität und Mortalität in der Vergangenheit - insbesondere bedingt durch die heiden Weltkriege in diesem Jahrhundert - war das quantitative Verhältnis zwischen altersmäßig "passenden" Männern und Frauen (im Vergleich zur "gewünschten" Verteilung der Altersabstände) in verschiedenen Phasen der letzten Jahrzehnte nicht ausgeglichen, was

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sich auf das Heiratsmuster, das Fertilitätsmuster und letztlich auch auf das Scheidungsverhalten auswirkt. Deswegen können die Fertilitätsmuster von Männern und -Frauen -einer Geburtskohorte stark differieren. Es wird deutlich, daß zur Beurteilung der Entwicklung - insbesondere der Fertilität - die Betrachtung des Verhaltens der Frauen allein nicht genügt. In der Diskussion wurden weitere Aspekte der Ungleichgewichtssituationen am Heiratsmarkt herausgearbeitet, die bislang kaum Beachtung fmden. UntersteUt man auch bei familialen Entscheidungen rationales Verhalten der IndiViduen, s(). .dürften "Knappheiten" am ,Rei~, ratsmarkt nicht nur die Wahrscheinlichkeiten bestimmter Paarbildungen bestimmen, sondern darüber hinaus auch verhaltensändernd wirken. Leider können aufgrund der Datenlage hierzu bislang keine empirischen Analysen durchgeführt werden. Allerdings deuten die heute bereits absehbaren künftigen Ungleichgewichte am Heiratsmarkt, die seit langer Zeit erstmals wieder in einem Männerüberschuß zum Ausdruck kommen werden, auf .Veränderungspotentiale hin, die aus frauen- und familienpolitischer Sicht bislang kaum diskutiert werden.

2

Familienpolitische Herausforderungen

In der Bundesrepublik Deutschland stand die staatliche Familienpolitik lange Zeit ganz im Zeichen der Transferpolitik. Man versuchte die direkten ökonomischen Kosten, die von Kindern in den Familien verursacht werden, soweit es ging zu "kompensieren", d.h. anfallende Kosten zu erstatten. Man muß sich nicht darüber streiten, ob damit bevölkerungspolitische Anreize gesetzt werden soUten, oder ob lediglich dafür gesorgt wer-

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den sollte, daß die Entscheidung für ein Kind von ökonomischen Restriktionen möglichst wenig berührt wird. Über den Anreiz zum Kinderkriegen hinaus wurde ·über die mit Kompensationszahlungen verbundenen Anreize wenig nachgedacht. Wenn überhaupt eine Diskussion erfolgte, so wurde die Kompensation als Anreiz gesehen, Müttern die Erwerbstätigkeit "zu ersparen". In der Bevölkerungswissenschaft und in der praktischen Familienpolitik beginnen sich die Sichtweisen zu ändern. Die indirekten Wirkungen von familienpolitischen Maßnahmen stehen stärker im Vordergrund als die direkten Kosten bzw. Nutzen von Transferzahlungen an Familien. Sowohl der Beitrag von Karin Kurz wie der von Klanberg, Krause und Prinz setzen sich mit Möglichkeiten und Grenzenfamilienpolitischer Transfers auseinander. Beide kommen auf unterschiedlichen Wegen zu dem Ergebnis, daß eine Förderung der Erwerbstätigkeit von Müttern sowohl diesen selbst stärker hilft als Transferzahlungen und zudem die Anreizprobleme (Mitnahmeeffekte) kleiner sein dürften. Hauptsächlich auf Basis der Daten des SOEP können Klanberg et a1. zeigen, daß die einkommensmäßige Absicherung von Witwen und geschiedenen EIterteilen in der Bundesrepublik Deutschland hinreichend - wenngleich längst nicht zufriedenstellend1 - gelöst ist, während die größten Probleme bei Alleinerziehenden auftreten, bei denen ·keine Ehe vorangeht. Insgesamt zeigt sich, daß eine nur auf Transferzahlungen ausgerich1

Dieser Befund steht nicht im WideISpruch zu einem Ergebnis von Burkhauser et al. (Wife or Frau, Women Do Worse - AComparison of Men and Women in the United States and Germany After Marital Dissolution, in: Demography, 28 (3), S. 353-360), daß aufgrund der traditionellen "Lohnzentrierung" des sozialen Sicherungssystems in der Bundesrepublik Deutschland (wie in den USA) Arbeitslosigkeit tendenziell besser abgesichen wird als demographische Risiken, wie insbesondere Scheidungen:· · . .. . . .. .. .

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tete Politik keine zufriedensteUende Einkommenssicherung leisten kann, die notwendige Einbindung in den Arbeitsmarkt jedoch für alle Gruppen der Ein-Eltern-Familien besonders schwierig ist. So kommen ' denn Klanberg et al. zu dem Schluß, daß eine wirksame Familienpolitik auch Maßnahmen umfassen muß, die die Arbeitsmarktchancen von Alleinerziehenden erhöhen. Eine heftige Diskussion entzündete sich jedoch an den konkret vorgeschlagenen Maßnahmen, die vor allem auf eine Wiedereingliederung von Alleinerziehenden in den Arbeitsmarkt abzielen, aber nicltt, ,die LJrsachen für die prekäre Arbeitsmarktsituation - die Unterbrechung der Er-

werbstätigkeit in (noch) vollständigen Familien - problematisieren. Sicherlich sind Rückkehr-Maßnahmen kurz-

~d

mittelfristig für Frauen,

die sich für ein traditionelles Lebensmuster entschieden hatten und "ungeplant" den Risikofall erleben. sowie für alleinerziehende Mütter von großer Bedeutung. Langfristig kann es jedoch nicht nur aus frauenpolitischer Sicht. sondern auch aus gesamtgesellschaftlichen Allokations- und EffizieDZÜberlegungen heraus nicht Ziel staatlicher Politik sein, die Kompensation von Humankapitalverlusten, die aus einer privat gewählten innerfamiliären Spezialisierung resultieren. in Form von teuren Wiedereinstiegsmaßnahmen zu ·sozialisieten". Während auf anderer Seite die anfallenden Humankapitalgewinne bei Erwerbstätigen, die als Investition beider Partner angesehen werden müssen, im Falle des Scheiterns einer Ehe weitgehend vom erwerbstätigen Partner "privatisiert" werden. Dies kann durch kein Unterhaltssystem wirksam verhindert werden. Letztlich scheint die efftzienteste Einkommenssicherung, die zugleich verteilungspolitisch die höchste Akzeptanz haben könnte, in präventiven

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Maßnahmen zu liegen, die durch eine Vereinbarkeit von Beruf und Familie für alle Kindererziehende individuelle Humankapitalverluste, soweit es geht, vermeiden. Diese Strategie dürfte, so wurde in der Diskussion betont, nicht nur für Ein-Elternteil-Familien, sondern allgemein sinnvoll sein. Die Möglichkeiten der Ausgestaltung derartiger Maßnahmen werden im Beitrag von Karin Kurz diskutiert. Die Autorin gibt in erster Linie einen detaillierten und problembezogenen Überblick über die Unterschiede in der Familien- ·und Frauenpolitik in der Bundesrepublik Deutschland und den USA. Aufgrund der konsequent frauenpolitischen Sicht dieses Beitrages, eröffnet Kurz Einsichten und Details der institutionellen Regelungen, die in der Diskussion in der Bundesrepublik bislang nicht beachtet wurden. Besonders deutlich wird, ·daß in den USA zwar vom Staat kaum Familienförderung betrieben wird, jedoch ein auf den ersten Blick unscheinbares Element des Schulsystems als solche hochwirksam ist: Die typischen Ganztagsschulen in den USA ermöglichen es Eltern, Erwerbstätigkeit und Kindererziehung miteinander zu verbinden, während in der Bundesrepublik Deutschland der Schulbesuch von Kindern die Koordination von Kindererziehung und Erwerbstätigkeit stark erschwert, da ·es keinen Betreuungsauftrag, sondern nur einen Erziehungsauftrag der Schulen gibt. Der grundsätzliche Unterschied zwischen den Ländern liegt jedoch in der norQ1ativeJ;l AusrichtllJ;lg und. BegrüJ;ldung von Familienpolitik. Während in der Bundesrepublik staatliche Unterstützung von Familien als selbstverständlich angesehen wird, wird in den USA auch die . Familienpolitik durch liberale, .d.h. auf Autonomie, .Selbstverantwortung

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und Privatheit ausgerichtete Werte bestimmt. Dies bedeutet, daß in den USA der Staat kaum Hilfen - außer in sozialen Notfällen - für die Kindererziehung gibt, jedoch private und insbesondere marktmäßige Lösungen nicht behindert. Hingegen erschweren etliche Regulierungen in der Bundesrepublik Deutschland private Lösungen. Letztendlich scheinen die in den USA typischen marktmäßigen Lösungen den Frauen größere Gestaltungsmöglichkeiten2 der Vereinbarung von Familie und Beruf zu eröffnen. So sind auch in den USA höhere Geburtenziffern und höhere Frauenerwerbsquoten als in der Bundesrepublik zu verzeichnen, und das Drei-Phasen-ModeU ist heute kein häufig zu beobachtendes LebensmodeU mehr.

3

Die besondere Situation in den neuen Bundesländern

Die letzten beiden Aufsätze dieses Buches sind der Entwicklung der DDR bzw. in den neuen Bundesländern gewidmet. Uelke Trappe entwickelt einen kohortenspezifischen Analyserahmen für die Beurteilung von Erwerbsgeschichten in der DDR sowie deren Bedeutung für die Berufsaussichten von Alterskohorten in den neuen Bundensländern. Zur Erhärtung ihrer Hypothesen zieht Trappe 98 Pretest-Interviews heran, die im Rahmen des Projektes "Lebensverläufe und historischer Wandel in der ehemaligen DDR" des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung (BerlinDahlem) erhoben wurden. 2

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Wenngleich die Gestaltungsmöglichkeiten sicherlich mit höherem Risiko als z.B. in Schweden verbunden sind.

Die Untersuchungsergebnisse zeigen, daß sich in der DDR die Erwerbsverlaufsmuster von Frauen und Männern über die Kohorten hinweg einander 'angenähert haben. ' Diese zeitliche Entwicklung stärkt die These, daß die dem Transformationprozeß der DDR-Gesellschaft einhergehende "Abwertung ganzer Lebensgeschichten" Frauen und Männer unterschiedlichen Alters sehr unterschiedlich betrifft. Trappe kommt zu dem Schluß, daß erst die ab 1960 geborenen Kohorten den Umbruch in Ostdeutschland auch als Chance nutzen können, eigene, bislang nicht realisierbare berufliche Vorstellungen zu verwirklichen. Mit Hilfe der Ost-Stichprobe des SOEP, deren erste Welle im Juni 1990 noch in der DDR erhoben wurde, analysiert Jürgen Schupp die Entwicklung der Erwerbsbeteiligung von Männern und Frauen in den neuen Bundesländern vom Beginn der Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion im Juni 1990 bis zum Frühjahr 1991. Er kann zeigen, daß zu den Problemen,

mit welchen sich alle Arbeitsplatzinhaber im Vollzug der Vereinigung Deutschlands in den neuen Bundesländern auseinanderzusetzen haben, bei Frauen mit Kleinkindern noch zusätzliche Belastungen hinzukommen. Anhand von multivariaten Schätzungen für das Risiko, aus der Erwerbstätigkeit auszuscheiden, belegt Schupp, daß bereits in den ersten acht Monaten seit Beginn der Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion die Erziehung von Kleinkindern einen negativen Einfluß auf die Erwerbstätigkeit von Müttern hat. Vor dem Hintergrund, daß ältere Beschäftigte ebenfalls zu den "Verlierern" der Umstrukturierungsprozesse zählen, diskutiert Schupp den Einsatz arbeitspolitischer Instrumente, um anband von Teilzeitarbeitsplätzen den Übergang in den Ruhestand "abzubremsen" bzw. für Frauen mit

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Kleinkindern mit Hilfe von Teilzeitarbeit - die in Westdeutschland weit stärker verbreitet ist, als dies in der DDR der Fall war - die Möglichkeit zu eröffnen, ohne längere Unterbrechungsdauer am Erwerbsleben zu partizipieren. Die aus dem Westen bekannten Arbeitsmarktstrukturen scheinen sich sehr rasch auch in den neuen Bundesländern herauszubilden. Welche Auswirkungen, so wurde in der Diskussion gefragt, wird dies auf die Fertilität haben? Der seit Ende 1990 auf dem Gebiet der ehemaligen DDR zu beobachtende Rücrkgang der Fertilitätsrate3 ist sicherlich U:a erster Linie eine in wirtschaftlichen Krisenzeiten oft beobachtbare Anpassungsreaktion von risikoaversen Menschen. Es ist auf jeden Fall von großem wissenschaftlichen und geseUschaftlichem Interesse, zu beobachten, ob öffentliche Kinderbetreuung, die in der DDR üblich war, unter neuen wirtschaftlichen und politischen Vorzeichen im vereinten Deutschland erhalten und neu gestaltet werden wird.

3

16

Vgl. BiB-Mittcilungen 3/1991.

Das "Drei-Phasen-Modell" der Erwerbsbeteiligung von Frauen Begründung, Norm und empirische Relevanz Ellen Kimer* und Erika Schulz* In ihrem 1956 erschienenen Buch "Women's Two Roles - Homeand Work" haben Alva Myrdal und Viola Klein dafür plädiert, daß Frauen diese beiden RoDen nacheinander, in mehr oder weniger deutlich voneinander abgrenzbaren Lebensphasen übernähmen 1. Sowohl was seine Begründung als auch seine Ausprägung in der Wirklichkeit angeht, hat dieses in der Literatur später sogenannte "Drei-Phasen-ModeD" durchaus eine aktueDe Bedeutung. Die normativen Grundlagen haben - allerdings mit veränderter Zielrichtung - sogar eine gewisse geseUschaftspolitische Renaissance gefunden.

1

Das Drei-Phasen-Modell bei Myrdal und Klein

Nach Myrdal und Klein (1960, S. 54 ff.) gliedert sich das Erwachsenenleben vieler Frauen vor dem Rentenalter in drei auf folgende Weise charakterisierbare Abschnitte:

Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung, Berlin. 1

Alva Myrdal und Viola Klein: Die Doppelrolle der Frau in Familie und Beruf. Köln, Berlin 0.1. (1960: Datum zum Nachwort der ersten deutschen Ausgabe). Originalausgabe: Women's Two Roles - Home and Work. London, 1956.

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Erste Phase:

Ausbildung JUJd Bemfstiitigkeit Die meisten Frauen sind nach der Ausbildung berufstätig und sorgen selbst für ihren Lebensunterhalt.

Zweite Phase:

''Aktive'' Mutterschaft Die überwiegende Mehrheit der Frauen lleht sich bei der Fam.iliengriindung aus dem Erwerbslebell mrück, weil Kinder von der Mutter betreut werden müssen.

Dritte Phase:

Zeit für weitere Bemfttiitiglceit Die Kinder sind so weit herangewachsen, daß die Mutter, die noch viele Lebensjahre bis zum Rentenalter vor sich hat, wieder erwerbstätig sein

kann.

Ein Anspruch auf allgemeine Gültigkeit dieser Typisierung _4

YOD

Myrdal u.ud K1einmcht erhoben und die Heterogenität der FrauengeseUschaft

keineswegs

übersehen. Es sollte vielmehr lediglich eine

"anatomische Skizze" des Lebenslaufs einer aUerdiugs großen Gruppe

\IOD

Frallen gezeichnet wetdea2• GnmeUage dafür bildeten die statistischen Daten der 40er und SOer Jahre aus den USA, Frankreich, Schweden und Großbritannien. Ausdrücldich bezieht sich die Typisierung lediglich auf Verheiratete und unter diesen wiederum auf solche, die nicht aus wirtschaftlichen Gründen zur Erwerbstätigkeit gezwungen sind, also Frauen des Mittelstands und der gehobenen GeseUschaftsschichten. In der heute üblichen familienpo1itiscben Terminologie hei& das: gemeint sind die Frauen, die eine sogenannte Wahlfreiheit zwischen Familie und Beruf haben3. 2

Myrdal und KleiD (1960, S. 30); aDe folgenden Seitenbinweise bezieben sich auf diese Quelle, soweit nicht anders aqegeben.

3

Vgl. z.B. Deutscber Buadestag (1986, S. 33).

18

In der Phase der "aktiven Mutterschaft" engte allerdings, was auch heute nahezu selbstverständlich scheint, die Norm diese Freiheit der Wahl ein: Myrdal und Klein sahen - bei allem Engagement für frauenpolitisch durchaus aktuelle Ziele - als eine der "Grundtatsachen" für ihr Modell die besondere Verantwortung der Frauen für die Kinder an. Denn die "geistige Gesundheit und das Glück kommender Generationen" hänge von der mütterlichen Fürsorge während der ersten Lebensjahre der Kinder ab (S. 31). Das Ziel einer gerechteren Arbeitsverteilung zwischen Männern und Frauen bei der Familien- und der Erwerbsarbeit wird als nur sehr langfristig durchsetzbar angesehen (S. 241 ff.). Myrdal und Klein weisen darauf hin, daß im wesentlichen infolge der gesunkenen und niedrigen Geburtenhäufigkeit sowie der gestiegenen Lebenserwartung die Phase der aktiven Mutterschaft nur noch verhältnismäßig kurz sei im Vergleich zur gesamten Lebenszeit im Erwerbsfähigen-Alter. Selbst für Mütter mit drei Kindern - eine Gruppe, deren Anteil übrigens von Myrdal und Klein richtig als langfristig abnehmend vorhergesagt wurde - könne die Zeit der aktiven Mutterschaft im Alter von ungefähr 40 Jahren als beendet angesehen werden. Dann sei das jüngste Kind etwa neun Jahre alt und brauche die Mutter nicht mehr Ständig zu Hause. Es wird darauf hingewiesen, daß in der Gesellschaft die Vorstellungen über das Alter, bis zu dem Kinder betreuungsbedÜfftig sind, differieren. Aber selbst wenn man der Ansicht sei, daß diese Grenze erst mit 15 Jahren erreicht ist, endeten die intensiven Mutterpflichten etwa im Alter von 46 Jahren der Frauen (S. 43f.). Für Myrdal und Klein erhebt sich daraufhin die folgende .....psychologisch wie wirtschaftlich ..." äußerst wichtige Frage: "Was geschieht, wenn die

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Frauen in ihren vierziger Jahren den Zeitpunkt errekhen, der für die meisten von ihnen den "Ruhestand" nach der Zeit der aktiven Mutterschaft bedeutet?" (S. 63). Ihre Antwort auf diese Frage ist bekanntlich die Vorstellung einer zweiten Erwerbsphase, einer Rückkehr in den Beruf. Dies wird unter anderem im Interesse der Frauen für erforderlich gehalten, allein aufgrund der Unsicherheit der Ehe als Versorgungsinstitution, darüber hinaus aus psychologischen GrÜDden: Frauen wollen auch im fortgeschrittenen Alter ein nützliches Mitglied der Gesellschaft sein und an der Erwerbsarbeit teilhaben. Sie würden ebenso wie die Männer der im Zuge der industriellen Entwicklung aus den Privathaushalten hinaus verlagerten Arbeit folgen, um wie früher Partnerinnen des Mannes in der Erwerbsarbeit zu sein (S. 23 ff.). Nur seien eben die Frauen aufgrund ihrer familiären Pflichten und der heute im Gegensatz zu früher gegebenen Unvereinbarkeit dieser Pflichten mit dem Beruf den Männern auf diesem Weg um einen Schritt hinterher. Auch über das Verhalten der Frauen in der dritten Phase fmden sich jedoch normative Vorstellungen: Es wird eine gewisse Ungerechtigkeit darin gesehen, daß erwerbsfähige Ehefrauen sich sozusagen auf den Lorbeeren der vollbrachten Kindererziehung ausruhten und sich nicht an der gesellschaftlich notwendigen Arbeit beteiligten, sondern "von den Anstrengungen anderer leben" (S. 48). Die Nichterwerbstätigkeit in der dritten Phase wird als Rest feudalistischer Strukturen des 19. Jahrhunderts bezeichnet, und es wird dabei auf die Verschwendung öffentlicher Mittel durch investierte und nicht verwertete Ausbildungsressourcen hingewiesen (S.197).

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Myrdal und Klein sehen allerdings eine Grundvoraussetzung für die Berufsrückkehr als gegeben an: Sie gehen davon aus, daß auch Frauen im fortgeschrittenen Alter auf dem Arbeitsmarkt gebraucht werden, was selbstverständlich von der jeweiligen Arbeitsmarktlage abhängt. Immerhin haben sie bereits darauf hingewiesen, daß später der Bedarf an weiblichen Arbeitskräften aufgrund der Altersstruktur der Bevölkerung zunehmen werde. Oie Schwierigkeiten, die es für die Frauen bedeutet, nach einer längeren Unterbrechung wieder berufstätig zu werden, wurden sehr wohl gesehen. Myrdal und Klein forderten damals bereits flankierende gesellschaftspolitische Maßnahmen wie die "Nachschulung" für ältere Berufsrückkehrerinnen, mehr Möglichkeiten für die Ergänzung der familiären Betreuung durch Kindertagesstätten etc. (S. 212 Cf.). Aber auch die Frauen selbst sollten zur Lösung dieser Probleme beitragen, indem sie sich stärker an längerfristigen Lebensperspektiven orientierten (S. 198 Cf.).

2

Die Aktualität der Normen im Drei-PhasenModell

Myrdal und Klein haben richtig vorausgesagt, daß die Erwerbsbeteiligung der verheirateten Frauen in den Industrieländem steigen würde und die beschriebenen Tendenzen und Probleme auch für die Bundesrepublik relevant sein würden (Nachwort zur deutschen Ausgabe, S. 253 f.). Wie aktuell die dem Orei-Phasen-Modell zugrunde liegende Norm in der BR04 ist, Mütter hätten die Berufslaufbahn für eine Familienphase zu unterbre4

In Schweden wurden nicht zuletzt aufgrund der von Myn1al und Klein in Gang gebrachten Diskussion mittlerweile Rahmenbedingungen getroffen, die eine längerfristige Unterbrechung der Erwerbstätigkeit nicht mehr notwendig machen. Vgl. dazu Oll et aJ. (1990), S. IS3f..

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ehen, zeigt das folgende Ergebnis einer repräsentativen Erhebung: Von reichlich 10 000 Personen im Alter von 18 bis 55 Jahren, die das Deutsche Jugendinstitut 1988/89 im Bundesgebiet in den früheren Grenzen befragte, sprachen sich 63 vH dafür aus, daß Mütter von Kindern unter drei Jahren ganz zu Hause bleiben, also nicht berufstätig sein sollten; weitere 12 vH vertraten die Ansicht, Vater ruk!: Mutter sollten zugunsten der Betreuung von Kindern in diesem Alter auf die Erwerbstätigkeit verzichten (vgl. Bertram 1990, S. 3)5. In der DDR wurde zwar die Berufstätigkeit von Müllern generell positiv bewertet. Aber in einer Umfrage unter rund 1 400 Frauen aus Ostdeutschland, die Ende 1990 durchgeführt wurde, haben fast die Hälfte (46 vH) der 16- bis 60jährigen angegeben, daß sie eine zeitweilige Unterbrechung der Erwerbsarbeit als beste Lösung des Vereinbarkeitsproblems ansähen; nur 3 vH fanden es allerdings sinnvoll, "sich voll und ganz der Familie zu widmen, auch wenn die Kinder aus dem Hause sind" (Bundesministerium für Frauen und Jugend 1991, S. 35 und S. 37). In die Lebensplanung jüngerer Frauen auch in Westdeutschland wird die eigene Erwerbsarbeit immer häufiger als selbstverständlich einbezogen. Die beruflichen und arbeitsmarktbezogenen Entscheidungen werden jedoch zunehmend durch das Bewußtsein geprägt, daß für die Frauen bei den gegebenen Rahmenbedingungen die zeitlichen Ressourcen für die Erwerbsarbeit durch Familienaufgaben eingeschränkt werden. Dies mag mit dazu beitragen, daß der Anteil derjenigen an der weiblichen Bevölkerungsteigt, die kein oder nur ein Kind haben (vgl. Kirner und Schutz 1991,

5

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Allerdings gingen Myrdal und Klein von einer längerwährenden Familienphase aus. Auf die Frage nach der Dauer der Unterbrechung wird weiter unten eingegangen.

S.76 f.) . Aber die meisten jungen Frauen wünschen sich eine Familie, und sie planen verschiedene Möglichkeiten, Kinderbetreuung und Beruf im Leben unterzubringen. Da die Orientierung an der traditionellen Mütterrolle nicht aufgegeben wird, ist für viele die Unterbrechung eines an sich als kontinuierlich geplanten Berufsweges der Ausweg aus dem Entscheidungsdilemma (vgl. dazu Geissler 1991, S. 27). Die Nichterwerbstätigkeit von verheirateten Frauen wird in der Bundesrepublik Deutschland gesellschaftspolitisch generell gefördert6 . Zum Mangel an Kindertagesstätten kommt die Ausgestaltung des Transfersystems, das am Leitbild der Mutter, die zugunsten der Kinderbetreuung die Berufstätigkeit aufgibt oder unterbricht, ausgerichtet ist. Einige Maßnahmen zielen direkt auf eine vom Alter des Kindes abhängige Familienphase ab, wobei die Altersgrenzen sehr niedrig angesetzt sind. Seit 1986 wird Erziehungsgeld gezahlt, wenn ein Elternteil in der ersten Lebenszeit des Kindes die Erwerbstätigkeit aufgibt oder bis hin zur geringfügigen Beschäftigung einschränkt7. Deutlich wird das familienpolitische Leitbild auch an den Regeln über die Anerkennung von Kindererziehungsjahren bei der Rente. Für vor 1992 geborene Kinder wird ein Versicberungsjabr, für 1992 und später geborene Kinder werden drei Versicherungsjahre bei der Rente anC(rkaAl)t, um die durch die ErwerbsUDterbrcchung ausgefallenen Rentenanwartschaften später zu ersetzen. Voraussetzung für die (volle) Anrechnung ist jedoch, daß die Mutter, sofern sie nach 1920 gebo6

Zur Ausgestaltung der einzelnen Regelungen vgI. auch den Beitrag von Karin Kun in diesem Band.

7

Das EniehuDgs~ wird gegenwärtig bis zur Vollendung des 18. Lebensmonats des Kindes gezahlt; vom Geburtsjahrgang 1993 an soll die Bezugsdauer 24 Monate betragen. Für Kinder vom Geburtsjahrgang 1992 an steht den Eltern ein Eniehungs.!!!l!!!2 von insgesamt drei Jahren zu. Zu den Zielen dieser Maßnahme vgl. Der Bundesminister für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit (1989, S. 22ft und S. 209ff.).

23

ren ist, während des erstea - bzw. während der ersten drei - Lebensjahre(s) des Kindes nicht beitragspflichtig erwerbstätig ist. Im Vergleich zu der Intensität, mit der gesellschaftspolitisch das Ausscheiden aus der Erwerbstätigkeit unterstützt wird, sind die offIZiellen Bemühungen um die Berufsrückkehr von Frauen gering. Eine gesellschaftliche Norm für die dritte Lebensphase, die nach der Zeit der "aktiven Mutterschaft" kommt, gibt es nicht. Allerdings bekennt sich die Bundesregierung offIZiell zum Ziel der Förderung einer Wiedereingliederung von Frauen in den Beruf und damit eigentlich auch zum Drei-Phasen-Modell (Deutscher Bundestag 1988, S. 1). Nach Artikel 49 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) können Unternehmen Lohnkostenzuschüsse für die Zeit der Einarbeitung von Frauen erhalten, die aufgrund einer längeren Erwerbsunterbrechung noch nicht die volle Leistung erbringens . Außerdem gibt es Modellprogramme, mit denen Maßnahmen zur beruflichen Wiedereing1iederung von Frauen, die ihre Erwerbstätigkeit aus familiären Gründen unterbrochen haben, erprobt werden9• Im Kontext der gesamten Familienpolitik wirken diese Maßnahmen, die dem proklamierten Ziel dienen sollen, die Chancengleichheit von Frauen im Beruf zu fördern, jedoch halbherzig. Anders als das früher in der DDR der Fall war, hat es der bundesrepublikanische Staat nicht zu seinem Ziel gemacht, ein ausreichendes Angebot an Einrichtungen für die familienund schulergänzende Kinderbetreuung bereitzustellen. Den Frauen wird die Rückkehr in den Beruf dadurch erschwert, daß die Unterrichts- und S

Die LohnzuschÜ5Se sind auf maximal ein Jahr begrenzt.

9

Vgl. Bundesministerium für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit 1990. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung hat die wissenschaftliche Begleitung der Erprobung von Einarbeitungsmaßnahmen im Bereich der kaufmännischen, gewerblichen und Verwaltungsberufe übernommen.

24

Ferienzeiten der weitaus meisten Schulen nicht einmal eine geregelte Halbtagstätigkeit von Müttern zulassen, die sich - der offenbar weit verbreiteten Norm entsprechend - auch für die Betreuung älterer Schulkinder zuständig fühlen. Tatsächlich haben diese Frauen keine echte "Wahlfreiheit zwischen Familie und Beruf'. Hinzu kommt die massive materielle Begünstigung der Hausfrauen-Ehe durch das westdeutsche Steuer- und Transfersystem, das Anreize gerade für die dauerhafte Nichterwerbstätigkeit verheirateter Frauen auch nach der Kindererziehungszeit schafft: Insbesondere Haushalte mit hohem Einkommen eines Partners profttieren vom "Ehegatten-Splitting" bei der Einkommensteuer, wenn die Frau nichts oder wenig verdient. Außerdem braucht für die Krankenversicherung sowie die Versicherung des Hinterbliebenenrisikos von E~~frauen kein besonderer Beitrag gezahlt zu werden, sie sind bei ihrem Mann "mitversichert". Die

Widersprüchlichkeit

zwischen

dem

politischen

"Chancengleichheit von Männern und Frauen im Bereich der

Ziel

der

Erwerbstä~

tigkeit" (Deutscher Bundestag 1988, S. 1) und diesen Rahmenbedingungen spiegelt die widersprüchlichen Einstellungen in der Gesellschaft zur Erwerbstätigkeit von Müttern wider. Von einem großen und wachsenden . Kreis wird es als selbstverständlich angesehen, daß auch Frauen mit Kindern das Recht auf Berufstätigkeit haben, was entsprechende Rahmenbedingungen für die Vereinbarkeit - also für das zeitliche

Ne~DeiDander

-

von Familie und Beruf erforderlich machen würde. In anderen Gruppen wird dagegen am Ideal der Hausfrauen-Ehe festgehalten, wobei das Ziel, die Kinder in der als optimal angesehenen Weise (von den Müttern) betreuen zu lassen, nicht das einzige Motiv sein dürfte. Sondern arbeitsmarktpolitische Interessen und die Vorstellung, daß die traditionelle Ar-

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beitsteilung für die (vornehmlich von. Männern organisierte) Berufswelt das Beste sei, spielen dabei sicherlich ebenfalls eine wichtige Rolle. In der gezielten Förderung der Nichterwerbstätigkeit von Müllern kleinerer Kinder durch Erziehungsgeld sowie die Anerkennung von Babyjahren. bei der Rente kann man den Versuch der konservativen Familienpolitik sehen, einen Kompromiß zwischeta diesen Interessen und denen der berufsotientierten Frauen herbeizuführen: Es erscheint eher als akzeptabel, die Müller auf den Lebensweg des Drei-Phasen-ModeUs zu lenken, stall auf die für viele problematische Forderung einzugehen, die gleichzeitige Vereinbarkeit von Familie und Beruf auch für Frauen zu fördern.

3

Zu den vorliegenden Untersuchungen über die Phasenerwerbstätigkeit von Frauen

Wie Myrdal und Klein dies vermutet hatten, sind seit der Veröffentlichung ihres Buches in den westlichen Industrieländern immer mehr Frauen, die zugunsten der Familienarbeit ihren Beruf aufgegeben hatten, auf den Arbeitsmarkt zurückgekehrt (vgl. Yohalem 1982). Für die Bundesrepublik in den früheren Grenzen ist bereits auf der Basis der sogenannten "Lebensverlaufsstudie" (vgl. Mayer 1991, S. XII) der Beginn der Familienphase ausführlich analysiert worden. Diese Untersuchungen lassen darauf schließen, daß für die heute im mittleren Alter stehenden Frauen die Kinderbetreuung der wichtigste Anlaß für die Erwerbsunterbrechung war; z.B. haben annähernd zwei Drittel der zuvor erwerbstätig gewesenen Frauen der Geburtsjahrgänge um 1940 bzw. um 1950 innerhalb von einer kurzen Zeitspanne unmittelbar vor oder nach

26

der Geburt des ersten Kindes die Erwerbstätigkeit (zunächst) aufgeben (Huinink 1989, S. 152f.; Toelke 1989, S. 188f.). Auf der selben Datenbasis wie auch auf der Grundlage von Erhebungen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung ist auch nachgewiesen worden, daß Frauen nach einer Phase ausschließlicher Nichterwerbsarbeit immer häufiger in den Beruf zurückkehren (vgl. z.B. Brinkmann et a1. 1988, S. 733f.; Huinink 1989, S. 153f.). Auch gibt es inzwischen eine Fülle detaillierter Untersuchungen über die besondere Gruppe der "Berufsrückkehrerinnen" (vg1. u.a. Ambos et a1. 1990, Engelbrech 1989). Jedoch sind die Informationen zu der Frage noch rar, wie sich die Erwerbsbeteiligung von Müttern im fortgeschrittenen Alter "nach der Familienphase" entwickelt. Die amtliche Statistik hat nur wenige und inzwischen zu weit zurückliegende Erhebungen über Lebensverläufe durchgeführt 10; und in den jährlichen Querschnittsdaten fehlt ein für das hier behandelte Thema wichtiges familienstatistisches Merkmal, nämlich die Zahl der Kinder, die eine Frau

in ihrem Leben geboren hat. Frauen, deren Kinder nicht mehr im Haushalt leben, gelten als Frauen ·ohne Kinder", so daß wir die Mütter im fortgeschrittenen Alter statistisch gar nicht mehr identifizieren können. Mit den Ergebnissen des "Sozio-oekonomischen Panels" (SOEP)l1 stehen jedoch für Westdeutschland repräsentative Daten zur Verfügung, die es erlauben, die Erwerbsbeteiligung im "Längsschnitt" des Lebenslaufs von Müttern herangewachsener Kinder zu verfolgen: Wie die Abbildungen 1 10 Für einen Überblick über die Ergebnisse von Untersuchungen der Phasenerwerbstätigkeit auf der Basis älterer Zusatzerhebungen zum Mikrozensus vgI. Tölke (1989, S. 154 ff.). Vgl. auch Pfaff (1979). 11 Das Soziookonomische Panel ist eine Wiederholungsbefragung. mit der repräsentative Infonnationen über Personen und Haushalte erhoben werden. Vgl. Projektgruppe "Das Soziookonomische Panel" (1990).

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und 2 zeigen, nimmt der Anteil der Erwerbstätigen unter den Müttern einer Geburtsjahrgangsgruppe mit dem Aker des (jüngsten) Kindes bereits lange vor, aber auch nach dessen 9. Lebensjahr noch zu; die Kurven, die die vom Alter der Mütter abhängigen Erwerbsquoten bilden, zeigen nach dem Absinken im dritten Jahrzehnt einen deutlichen Wiederanstieg undbei Frauen mit mehreren Kindern - emen zweiten Gipfel etwa um das 50. Lebensjahr (vgl. Jäkel und Kirner 1987, S. 400 sowie Kirner und Schulz 1991, S. 74). Die Tatsache, daß keme Altersgrenzen zu erkennen smd, an denen sich die Berufsrückkehr von Müttern häuft, braucht nicht als Beweis für die empirische Widerlegung der These vom Drei-Phasen-ModeU gewertet zu werden. Denn bereits Myrdal und Klein wiesen darauf hin, daß die VorsteUungen darüber, wie lange em Kind eme überhaupt nicht berufstätige Mutter brauche, m der GeseUschaft unterschiedlich seien. Die breite Streuung des Alters, m dem die Frauen m den Beruf zurückkehren, könnte .auf die in diesem Punkt differierenden Werthaltungen und Erfordernisse zurückzuführen sem, aber auch auf den Einfluß vieler anderer Faktoren - z.B. Alter der Frauen bei der Familiengründung, Abstand zwischen den Geburten, Ehescheidungen oder Arbeitslosigkeit des Ehemannes. Jedoch kann die Frage, wie groß der Kreis von Frauen ist, deren lebenslauf dem Drei-Phasen-ModeU entspricht, nur aufgrund emer Analyse mdividueller Biographien überprüft werden, die den Wechsel zwischen Zeiten der Berufstätigkeit und Nichtberufstätigkeit erkennen lassen. Dies ist jedoch nicht möglich, wenn man lediglich die aus den aggregierten Daten errechneten Erwerbsquoten (Abbildungen 1 und 2) betrachtet.

28

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1) Frauen, die während du angeg . Alters du Kinde. im Erwerbsleben standen, buogen auf d,. gesamte Geburtsjahrgangsgruppe mit gleicher Kinöeruh l. Quelle : SOZiD-ökonomlsches Panel ; .rsU WeUe (19841; Muner, di. 1984 und 1985 an der Befragung teilgenommen haben (Wtstöeutschland). DIW92

29

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Im Rahmen der "Lebensverlaufsstudie" sind bereits die ersten und weiteren Erwerbsphasen untersucht worden; es zeigt sich, daß der Anteil der Frauen an einer Kohorte, der nach einer Phase ·der Nichterwerbsarbeit wieder berufstätig ist, bereits im dritten Lebensjahrzehnt deutlich zunimmt, während die meisten Frauen erst ihre erste Erwerbsphase aboder unterbre:c~en, und daß dieser Anteil noch im fünften Lebensjahrzehnt erheblich an Gewicht gewinnt (Lauterbach 1991, S.

44)~

Das Alter

der Frauen bei ihrer Rückkehr in den Beruf ist stark gestreut. Das gleiche gilt für die - damit selbstverständlich im Zusammenhang stehende - Dauer der Erwerbsunterbrechung, was unter anderem auf deI' Basis von Ergebnissen des "Schleswig-Holstein-Surveys· nachgewiesen worden ist; lediglich für die heute bereits älteren Geburtsjahrgängezeigt sich ein verstärkter Anstieg der Erwerbstätigkeit nach einer Unterbrechungsdauer zwischen 15 und 20 Jahren (vgl. Kappelhoff und Schulz 1991, S. 92 f.).

Die Phasenerwel'bstätigkeit wurde auch in einer von Kriiger und anderen durchgeführten Analyse untersucht; befragt wurden Frauen, die in den Jahren 1948/49 eine Lehre in den fünf damals häufIgSten AusbildungsbeI'ufen für Mädchen abgeschlossen hatten12• Dabei zeigte sich das eher UDerwartete Ergebnis, daß nur etwas mehr als 14 vH aller in der Stichprobe vorkommenden Mütter bis zum Alter von etwa 60 Jahren eine Biographie aufwiesen, die man dem Drei-Phasen-Typ zuordnen konnte. Neben dem Typ mit kontinuiel'licher, lebenslanger Erwerbsarbeit und dem mit einer kurzen Erwerbsphase und daran anschließendem Hausfrauen-Dasein bis 12

VgJ. Krüger et al. 1989, Krüger et al. 1990, Born 1991. & wurden die Fragebögen von 220 Frauen ausgewenet; für die Stichprobe wurde eine katholisch-ländliche und eine·evangelisch-städtische Region ausgewählt.

31

zum Rentenalter gab es eine relativ große Gruppe mit vielen Wechseln zwischen Berufstätigkeit und Nichtberufstätigkeit (Krüger et al. 1989, S. 7ff.). Dieser letzte Typ war in der Stichprobe am häufigsten vertreten, und es ließ sich keine regelmäßige Struktur der Biographien finden. Der Erwerbsverlauf hing davon ab, welchen Ausbildungsberuf die Frauen hatten (die

ausgewählten

Berufe

waren:

Einzelhandels-,

Indu-

strie/Großhandels-Kauffrau, Schneiderin, Friseurin, Kinderpflegerin). Hier spielt u.a. die unterschiedliche Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit in den einzelnen Berufen eine RoUe, vermutlich aber auch eine berufstypisch unterschiedliche Affinität zur traditioneUen FrauenroUe (vgl. Born 1991, S. 27ff.) sowie der sicherlich ebenfalls nicht vom Beruf der Frau unabhängige Einfluß der Einkommenssicherung durch den Ehemann. Die HäufJgkeit der Wechsel bei einer großen Gruppe in der Stichprobe könnte sich dadurch erklären, daß es sich hier um Frauen handelt, die eher aus fmanzieUen Gründen als aus beruflichem Engagement "hinzuverdienen" woHten oder mußten und dies nach der ökonomischen Dringlichkeit und/oder nach den wechselnden Möglichkeiten der Kinderbetreuung taten. Die Ergebnisse anderer Untersuchungen weisen darauf hin, daß Frauen mehrheitlich nur einmal ihfe Berufstätigkeit unterbrechen (vgl. Ambos et al. 1990, S. 26; Hofbauer 1979, S. 233; Kappelhoff und Schulz 1991, S. 72). Deshalb wird im folgenden noch einmal der Frage nach der zeitlichen Struktur der Erwerbsbiographien wiederum mit Hilfe der repräsentativen statistischen Informationen des Sozio-ökonomischen Panels nachgegangen. Zuvor muß jedoch ein Gesichtspunkt erwähnt werden, der für die empirische Untersuchung wichtig ist, nämlich die Schwierigkeit, exakt zu defmieren, wann ein Lebenslauf dem "Drei-Phasen-ModeU" -entspricht.

32

"Wie lange muß die Familienphase dauern?" und "wie muß sie in der Biographie placiert sein?" (vgl. dazu Krüger et al. 1989, S. 10). Myrdal und Klein ·gingen zweifellos von einer mehrjährigen Erwerbsunterbrechung aus, sie nannten unter anderem den Beginn des Schulalters der Kinder ohne dies als Norm zu formulieren - als möglichen Zeitpunkt für die Berufsrück~ehr

der Mütter (Myrdal und Klein 1960, S. 44). Aber die Ein-

stellungen zu dieser Frage in der Gesellschaft verändern sich und sind offenbar sehr uneinheitlich; die Wiederaufnahme einer Erwerbstätigkeit hängt zudem von einer Vielzahl weiterer Faktoren ab. Weil aus diesen Gründen zu erwarten ist, daß die Lebensläufe von Frauen sich nur sehr eingeschränkt zuvor genau spezifizierten Mustern zuordnen lassen, wurde zunächst ein sehr allgemeiner Ansatz für die Analyse der Phasenerwerbstätigkeit gewählt 13.

4

Erwerbsbiographie von Müttern nach Geburtsjahrgangsgruppen und Alter

Wie häufig sind Wechsel zwischen Erwerbs- und Nichterwerbsphasen im Lebenslauf von Frauen mit Kindern, und wie groß ist die Zahl der Müller mit diskontinuierlichen Erwerbsverläufen auf gesellschaftlicher Ebene? Um Anhaltspunkte zur Beantwortung dieser Fragen zufmden, wurden auf der Grundlage der bis zum Jahr 1989 fortgeschriebenen erwerbsbiographischen Daten

des Sozio-ökonomischen Panels altersabschnittsweise

Auswertungen für einzelne Gruppen von Geburtsjahrgängen (Kohorten) 13

Zur Vielfalt der möglichen Typen von Erwerbsbiographien vgI. u.a. Kappelhoff und Schulz (1991), S. 66:

33

vorgenommen14 • Die Analyse wurde für die alten Bundesländer durchgeführt. Es wurden nur deutsche Frauen einbezogen, die während ihres Lebens mindestens ein Kind geboren haben. Eine Differenzierung nach dem· Familienstand erfolgte nicht, da sich dieser im Lebensablauf ändert (verheiratet, geschieden, wiederverheiratet usw.) und andere Lebensformen (nichteheliche Lebensgemeinschaften) bei den jüngeren Kohorten an Bedeutung gewinnen. Ausgehend von dem Erwerbsstatus im Alter von 15 Jahren wurden die Erwerbsverläufe der Mütter systematisch nach der Anzahl der Erwerbsund Nichterwerbsphasen bis zum jeweils betrachteten Alter geordnet. Dabei mußte allein aufgrund der vorhandenen statistischen Informationen mit dem relativ groben zeitlichen Raster von einem Jahr vorlieb genommen werden, weil die in die Vergangenheit vor 1984 reichenden Biographien lediglich für Kalenderjahre Angaben über den Erwerbsstatus enthalten. Dies wird jedoch nicht als Erschwernis für die inhaltliche Analyse betrachtet. Es erscheint ohnehin sinnvoll, kurzfristige Unterbrechungen der Erwerbstätigkeit, wie sie z.B. durch Mutterschaftsurlaub oder Arbeitgeberwechsel verursacht werden, nicht in die Betrachtung einzubeziehen, da es hier um die Analyse einer länger währenden "Familienpause" geht. Als Erwerbsphasen wurden·also alle Zeitspannen von mindestens einem Kalenderjahr betrachtet, in denen die Befragte erwerbstätig (auch in be14

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Insgesamt standen die Ergebnisse von sechs Befragungswellen zur Verfügung. Erwerbs- und familienbiographische Angaben für die Zeit vor 1984 wurden in den ersten beiden Wellen erfragt. In die Analyse wurden nur Fälle einbezogen, für die für die ersten sechs Wellen komplette Angaben vorliegen. Dadurch entsteht eine geringe Verzerrung zugunsten der Mittelschicht, da in der zweiten und dritten SOEPWelle Arbeitslose und Niedrigeinkommensbezieher eine etwas erhöhte Ausfallwahrscheinlichkeit aufwiesen. Auf eine Gewichtung der Daten. die mit Hilfe von Annahmen über den Ausfallprozeß möglich ist, wurde verzichtet, da es hier nur auf Strukturvergleiche ankommt.

ruflicher Ausbildung) oder arbeitslos war. Als Erwerbsunterbrechungen gelten ·entsprechend Zeiten ohne Berufstätigkeit oder gemeldete Arbeitslosigkeit von mindestens einem Jahr. Die Antwort auf die Frage, wie häufig Lebensverläufe nach dem Typ des "Drei-Phasen-Modells" sind, hängt selbstverständlich davon ab, welche Defmition man dafür wählt. Eine Erwerbsunterbrechung von nur einem Jahr entspricht dem Grundgedanken des Modells nicht. Aber aus ·den oben erwähnten Gründen wurde hier zunächst darauf verzichtet, weitere Vorgaben zu formulieren, und es wurde lediglich gefragt, wie häufig Erwerbs- oder Nichterwerbsphasen von mindestens einem Jahr sind. Die Nichterwerbsphasen sind nicht nach der Ursache bzw. dem Anlaß der Erwerbsunterbrechung, z.B. nach dem Ereignis "Geburt eines Kindes" differenziert worden, denn einige Frauen geben ihre Erwerbstätigkeit erst dann auf, wenn das Kind bereits älter ist, einige bereits vor der Geburt eines (weiteren) Kindes, einige aber auch, um ältere oder kranke Familienangehörige zu pflegen. Der Anlaß der Erwerbsunterbrechungist also vielfältig und braucht nicht zwangsläufig zeitnah zum Ereignis Geburt zu erfolgen. Insgesamt konnten die Erwerbsverläufe von 2 363 Müttern in der Stichprobe analysiert werden, dies entspricht hochgerechnet ca. 17.7 Millionen Frauen. Verzichtet man auf die zeitliche Zuordnung zu einem bestimmten familiären Ereignis oder auf eine Differenzierung der Daten nach angegebenen Unterbrechungsgründen, nimmt man freilich .inkauf, daß auch an