Fachberatung für Kindertageseinrichtungen: Erfolgschancen erhöhen 9783666701276, 9783525701270, 9783647701271


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Fachberatung für Kindertageseinrichtungen: Erfolgschancen erhöhen
 9783666701276, 9783525701270, 9783647701271

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  Fr ü h e B i l d u n g un d E r z i e h u n g  

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Margarita Hense (Hg.)

Fachberatung für Kindertageseinrichtungen Erfolgschancen erhöhen

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Mit 10 Abbildungen und 11 Tabellen Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. ISBN 978-3-525-70127-0 E-Book ISBN 978-3-647-70127-1 Umschlagabbildung: www.shutterstock.com © 2010, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen/www.v-r.de Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Hinweis zu § 52a UrhG: Weder das Werk noch seine Teile dürfen ohne vorherige schriftliche Einwilligung des Verlages öffentlich zugänglich gemacht werden. Dies gilt auch bei einer entsprechenden Nutzung für Lehr- und Unterrichtszwecke. Printed in Germany. Layout und Satz: textformart, Daniela Weiland, Göttingen Druck und Bindung: w Hubert & Co, Göttingen Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier.

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Inhalt

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Einführung Margarita Hense Fachberatung für Kindertageseinrichtungen im Spiegel der Fachliteratur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Margarita Hense Zur Wirksamkeit der Fachberatung – eine empirische Studie . . . . . . . . . .

25

Maria-Theresia Münch Standortbestimmung und Neuorientierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

43

Aus der Sicht der Wissenschaft Katja Grenner / Katrin Gralla-Hoffmann Wirksamkeit der Fachberatung im Freistaat Sachsen . . . . . . . . . . . . . . .

58

Rainer Dollase Erfolgschancen erhöhen – Fachberatung vom Kopf auf die Füße stellen . . .

79

Aus der Sicht der Träger Jörg Walther Kindertageseinrichtungen und Fachberatung im Wandel . . . . . . . . . . . .

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Pia-Theresia Franke Profilbildung in veränderten Strukturbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . 109

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Inhalt

Aus der Sicht der Fachberater Ulrich Braun Fachberatung macht KiTas zu guten KiTas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 Jörg Asmussen Im Spannungsfeld zwischen Anspruch und Wirklichkeit . . . . . . . . . . . . . 135 Hilke Gerber Fachberatung setzt Akzente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157

Aus der Sicht der KiTa Karin Rock Erfordernisse und Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 Gisela Buschmeier Erfahrungen und Erwartungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183

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Vorwort

Die frühe Kindheit als bildungsintensivste Zeit erfährt gegenwärtig die Beachtung, die ihr aus entwicklungspsychologischer und neurobiologischer Sicht zukommt. Auf die Herausforderung, in die frühkindliche Bildung entsprechend zu investieren und die Qualität der Bildungsarbeit in den Kindertageseinrichtungen zu optimieren, reagierten die Bundesländer mit der Herausgabe von Bildungsplänen für den Elementarbereich. Mit Blick auf die Umsetzung dieser Bildungspläne und die damit initiierte qualitative Weiterentwicklung der Kindertageseinrichtungen kommt dem seit Jahrzehnten bewährten Unterstützungssystem Fachberatung für Kindertageseinrichtungen eine neue Bedeutung zu. Fachberatung, aus der Praxis für die Praxis entstanden, ist fast flächendeckend in allen Bundesländern als Stützungssystem etabliert. Sie ist eingebettet in die Trägerpluralität und damit einhergehend in unterschiedlichen Strukturen tätig. Fachberatung steht für eine Vielzahl von Aufgaben. Hierzu gehören: „die fachliche, entwicklungs- und organisationsbezogene Beratung der Träger, der Leitungen und Mitarbeiterinnen von Kindertageseinrichtungen zu einer aktiven und integrierenden Vernetzung von Maßnahmen.“ (Irskens, 2007) Unterschieden werden Aufgabenbereiche wie Aufsichtsfunktion, pädagogische Sachbearbeitung, beratende und steuernde Funktion im Trägersystem und Beratungsaufgaben bezogen auf Kindertageseinrichtungen und Kindertagespflege. Fachberatung nimmt auch eine bedeutende Rolle bei der Weiterentwicklung der Kindertagespflege ein. Vielfach sind Fachberaterinnen1 für Kindertageseinrichtungen und Kindertagespflege gleichzeitig zuständig. Die allseits geforderte Optimierung der frühkindlichen Bildung, Erziehung und Betreuung macht das Setzen von innovativen Akzenten in der Aus-Fortund Weiterbildung der mit dieser Aufgabe betrauten Erzieherinnen und Tages­ pflegepersonen erforderlich. So heißt es bereits in den Empfehlungen der 1 Der geschlechterspezifischen Ausdrucksweise gewahr, wird im folgenden auf die Nennung beider Geschlechter verzichtet  – wobei bei jeder genannten Profession Frauen und Männer eingeschlossen sind.

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Vorwort

Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjungendämter von 2003: „Zur Qualifizierung der Arbeit in den Kindertageseinrichtungen und als Impulsgeber für Veränderungen ist eine qualifizierte Fachberatung für Einrichtungsträger und für die pädagogischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wichtiger denn je“. Der hohe Stellenwert der Fachberatung für die pädagogische Praxis in den Kindertageseinrichtungen wirksam zu werden, hat in den letzten Jahren bundesweit zu einer Ausweitung der Fachberaterstellen geführt. Trägerverbände und Träger von Kindertageseinrichtungen wissen um die Chancen dieses hervorragenden und seit Jahrzehnten bewährten Unterstützungssystems im Bereich der Kindertageseinrichtungen und setzen auf das von der Praxis akzeptierte, praxisnahe Innovationsinstrument. Parallel zu der Ausweitung der Fachberaterstellen hat jedoch eine notwendige Qualifikationsinitiative für Fachberatungen nicht in dem gleichen Umfang stattgefunden. Der Qualifikations- und Qualifizierungsbedarf der bereits tätigen und zukünftigen Fachberaterinnen ist vor dem Hintergrund veränderter neuer bildungspolitischer Anforderungen sehr groß. Erst unlängst haben zwei wissenschaftliche Studien auf Qualifikationsdefizite der Fachberaterinnen bei ihren Tätigkeiten hingewiesen. Im Hinblick auf die allseits geforderte qualitative Weiterentwicklung der Kindertageseinrichtungen reicht es daher nicht aus, die Fachberaterstellen auszuweiten, sondern parallel dazu muss in die Qualität und Wirksamkeit des Leistungsangebotes der Fachberatung investiert werden. Insbesondere auch vor dem Hintergrund einer Auf- und Umbruch-Situation im Feld der Kindertageseinrichtungen. Wirksamkeit und Qualität als Herausforderung. Die in diesem Buch versammelten Beiträge verschiedener Autorinnen und Autoren machen auf den hohen Stellenwert der Fachberatung im Rahmen der qualitativen Weiterentwicklung der Kindertageseinrichtungen aufmerksam und sind auf den Aspekt der Wirksamkeit der Fachberatung ausgerichtet. Es wird in diesem Sammelband die Zielsetzung verfolgt, für eine hohe Qualität und Wirksamkeit des Leistungsangebotes der Fachberatung ein entsprechendes Bewusstsein zu schaffen und Wege zur Steigerung der Erfolgs­chancen der Fachberatung und ihrer Wirksamkeit aufzuzeigen. Dazu tragen die in Wissenschaft und Praxis in unterschiedlichen Kontexten tätigen Autoren und Autorinnen mit ihren jeweiligen Beiträgen bei. Das Buch richtet sich an Fachberaterinnen der Spitzenverbände der freien Wohlfahrtspflege und kommunaler Anstellungsträger, an Fachhochschulen und Fachschulen für Sozialpädagogik, an Träger der Kindertageseinrichtungen, Trägerverbände, an Bildungseinrichtungen, an Universitäten sowie an die Verantwortlichen in der Jugendhilfe, die sich der qualitativen Weiterentwicklung der Kindertageseinrichtungen verpflichtet fühlen und an die Erzieherinnen als Adressantinnen der Fachberatung.

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Vorwort

Allen Autorinnen und Autoren möchte ich herzlich für ihr Engagement und ihre Bereitschaft danken, mit ihrem Beitrag zur Reflexion und Auslotung der Wirksamkeit der Fachberatung beigetragen zu haben. Den Lesern und Leserinnen dieses Sammelbandes wünsche ich eine anregende Lektüre und hilfreiche Orientierungen im weiten Feld der Wirksamkeit der Fachberatung.

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Margarita Hense

Fachberatung für Kindertageseinrichtungen im Spiegel der Fachliteratur

FachberatungimSpiegelderFachliteratur

Eine Literaturanalyse zu Kernaufgaben und Kernkompetenzen der Fachberatung, zur Rolle der Fachberatung, ihrem Stellenwert und den Voraussetzungen ihrer Wirksamkeit ermöglicht es, Konturen der Fachberatung schärfer hervortreten zu lassen und Fachberatung als Unterstützungssystem im Elementar­ bereich besser zu verorten. Auf dieser Basis kann nachvollzogen werden, was von Fachberatung er­wartet werden kann und welche Chancen mit dem Unterstützungssystem Fachberatung für den KiTa-Bereich verbunden sind.

■■ Definition Im Fachlexikon der sozialen Arbeit (Hrsg. vom Deutschen Verein für öffent­ liche und private Fürsorge) werden Aufgaben und Funktion der Fachberatung sowie deren Einbettung in die Jugendhilfe beschrieben: „Fachberatung und Praxisberatung sind laut SGB VIII § 72 (Kinder- und Jugendhilfegesetz) Aufgaben der Jugend- und Landesjugendämter, sie sollen die Professionalität der sozialpädagogischen Mitarbeiter/innen sicherstellen. Fachberatung, auch Praxisberatung, KiTa-Beratung, Bereichsleitung KiTa o. ä. genannt, erfüllt diese Aufgabe in Landkreisen, Kommunen und bei freien Trägern und wird zunehmend auch freiberuflich angeboten. Ihre Hauptaufgabe ist die Qualifizierung und fachliche Weiterentwicklung der pädagogischen Praxis der Kindertageseinrichtung, die Sicherung der Qualitätsstandards und die Begleitung bei der Umsetzung von Innovationen (…).“

Mit Fachberatung verbindet sich eine Vielzahl von Aufgaben und Organisa­ tionsformen. Ein einheitliches Berufsbild der Fachberatung kann es nicht geben, die Pluralität der Trägerstrukturen, der Traditionen und regionalen Er­ fordernisse führen zur Entwicklung unterschiedlicher Profile“ (Irskens 2007). Karsten definiert in seinem Beitrag „Mit uns auf Erfolgskurs“ (Hrsg. vom Deutschen Verein für öffentliche und private Fürsorge e. V. 1996, S. 200): „Fachberatung ist eine personbezogene, strukturentwickelnde soziale Dienstleistung

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(bzw. Vermittlungs- und Verknüpfungsdienstleistung) im Rahmen der Jugendhilfe. Sie wirkt qualitätssichernd und -entwickelnd im Felde der Erziehungs­ arbeit und der Lebensgestaltung von Kindern.“ Diese ersten Informationen zur Fachberatung werden nachfolgend mit den aus der Literatur herausgehobenen Aussagen zu Kernaufgaben und Kern­ kompetenzen, zur Rolle der Fachberatung, ihrem Stellenwert und den Voraussetzungen ihrer Wirksamkeit ergänzt.

■■ Kernaufgaben der Fachberatung Grundlegende Aussagen über Bedeutung und Aufgabe von Kindertageseinrichtungen, die im SGB VIII (Kinder- und Jugendhilfegesetz) und in den jeweiligen Kindergartengesetzen der Bundesländer formuliert sind, bieten die Grundlage für die Entwicklung der Aufgaben und Ziele der Fachberatung. Orientiert an diesen Vorgaben begleitet und unterstützt die Fachberatung alle an der Kindertagesbetreuung Beteiligten bei der Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben. Die in der Literatur benannten Aufgaben der Fachberatung werden nach Haupt- und Einzelaufgaben unterschieden. Einige Autoren sprechen auch von klassischen Aufgaben, von Kernaufgaben oder klassischen Säulen, wenn sie sich zu den Hauptaufgaben der Fachberatung äußern. Zu diesen Hauptaufgaben gehören nach Miedaner (2002, S. 32): ◆◆ ◆◆ ◆◆ ◆◆ ◆◆ ◆◆

Beratung Fortbildung Planung, Kooperation, Vernetzung im Stadtteil und im Trägerverbund Gesellschafts- und fachpolitische Aufgaben auf regionaler und überregionaler Ebene Fachaufsicht Dienstaufsicht

Bei Oberhuemer (2001, S. 6) impliziert Beratung: ◆◆ ◆◆ ◆◆ ◆◆ ◆◆ ◆◆ ◆◆

Konzeptberatung Institutions- und Organisationsberatung Kommunikations- und Konfliktberatung, fachliche Information und Auskunft mit eingeschlossen Planung z. B. als Mitwirkung bei der regionalen Bedarfsplanung, Gremienarbeit Fortbildung als Planung, Organisation und Durchführung der Angebote Fachaufsicht (mit Ausnahme der kirchlichen Verbände)  als Überprüfung der Ein­ haltung von fachlichen Vorgaben des Trägers Dienstaufsicht (mit Ausnahme der kirchlichen Verbände) als Kontrolle arbeitsrechtlicher Vorgaben, dienstlicher Beurteilungsmaßnahmen

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Fachberatung im Spiegel der Fachliteratur

Wenn auch die Aufgaben der Fachberatung, wie Oberhuemer (TPS extra 16 ) zu Recht herausstellt, im Wesentlichen von der jeweiligen Einbindung in spezifische institutionelle Strukturen bestimmt sind, so lassen sich nach Auf­fassung der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter trotz aller Unterschiede trägerübergreifend und relativ unabhängig von der strukturellen Anbindung als Hauptaufgaben der Fachberatung die folgenden benennen: ◆◆ ◆◆ ◆◆ ◆◆ ◆◆

Unterstützung bei der Qualifizierung und Weiterentwicklung der pädagogischen Praxis der Kindertageseinrichtungen Organisations- und Personalentwicklung Sicherung der Qualitätsstandards und Begleitung bei der Umsetzung von Innova­ tionen Mitgestaltung trägerspezifischer Zielsetzungen Umsetzung gesetzlicher und betriebswirtschaftlicher Rahmenbedingungen und Kooperation und Vernetzung

Mit diesen Hauptaufgaben sieht die Bundesarbeitsgemeinschaft der Landes­ jugendämter im Wesentlichen folgende Einzelaufgaben verbunden: ◆◆ ◆◆ ◆◆ ◆◆ ◆◆ ◆◆ ◆◆

Konzeptentwicklung, -umsetzung und -fortschreibung unter Berücksichtigung der sozialpädagogischen, familienergänzenden Funktion der Kindestagesstätte Beratung und Unterstützung bei der Erarbeitung von Leitzielen und Qualitäts­ standards in der Kindertagesbetreuung und konkret in der Einrichtung Organisationsberatung zu methodischen, inhaltlichen und organisatorischen Frage­ stellungen Qualifizierung und Professionalisierung des pädagogischen Personals Informations- und Entscheidungshilfen zu pädagogischen, baulichen, rechtlichen und betriebswirtschaftlichen bzw. finanziellen Fragen Förderung und Unterstützung der integrativen Betreuung und Erziehung Beratung und Unterstützung bei der Förderung von Kindern mit Besonderheiten in der Entwicklung bzw. in den Entwicklungsbedingungen

Beratung und Fortbildung werden als die wesentlichen Aufgaben angesehen, da die Qualität der pädagogischen Arbeit ganz entscheidend von der Qualifi­ zierung der Mitarbeiter in den Kindertageseinrichtungen abhängt (vgl. Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter 2003, S. 5). In einzelnen Fachbeiträgen werden der Fachberatung noch Aufgaben zugeordnet, die in dem von der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter ausgewiesenen Aufgabenkatalog nicht erfasst sind. Fachberatung hat demnach Innovationsanstöße zu geben, gelungene Praxis vorzustellen, über Neuentwicklungen zu informieren und Zukunftsszenarien zu entwerfen (vgl. Erath, 1996, S. 21).

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Sie soll dabei helfen, dass Erzieherinnen anschlussfähig bleiben, den Träger in Fachgremien vertreten und ihm den Rücken zu stärken (vgl. Strätz 1995, S. 76). Fachberatung soll auch dazu befähigen, das politische Mandat, z. B. bei der Jugendhilfeplanung, wahrzunehmen (vgl. Wildt 1992, S.  88). Sie hat die Aufgabe, zu verdeutlichen, welchen Nutzen die Nachfrager von Fachberatung haben. „Insgesamt geht es nicht darum, gute Fachberatung durchzuführen, Konzeptentwicklung zu betreiben, Qualitätsstandards zu entwickeln oder zu verteidigen. Es gilt, den Trägern, Verbänden, Ämtern und der politischen Öffentlichkeit deutlich zu machen, welchen Nutzen sie vom fachlich gesteuerten Qualitätsmanagement haben.“ (Dupius 1997, S. 178). Als Resümee der Literaturanalyse zu den Aufgaben der Fachberatung kann festgehalten werden: Das Aufgabenfeld der Fachberatung ist vielfältig und verlangt nach Schwerpunktsetzungen; ◆◆ es können trotz aller Unterschiede trägerübergreifend und relativ unabhängig von der strukturellen Anbindung der Fachberatung Hauptaufgaben benannt werden; ◆◆ zunehmend werden neben den klassischen Aufgaben der Fachberatung auch Aufgaben zugeordnet, die sich auf die Transparenz, den Gebrauchswert und die Wirksamkeit ihres Leistungsangebotes beziehen; ◆◆ darüber hinaus hat Fachberatung die Aufgabe, Innovationsanstöße zu geben, gelungene Praxis vorzustellen, über Neuentwicklungen zu informieren und Zukunftsszenarien zu entwerfen. ◆◆

■■ Kompetenzen der Fachberatung Zur Ausübung ihrer Aufgabenstellungen werden von der Fachberatung entsprechend der Literaturlage eine Vielzahl von Kompetenzen erwartet. Da Fachberatung nach Manderscheid in sehr komplexen Bedingungsstrukturen und Spannungsfeldern zwischen Unabhängigkeit der Beratung und Weisungsgebundenheit in der Qualitätskontrolle geschieht, erfordert diese Tätigkeit ein hohes Maß an Konfliktbereitschaft, Toleranz und Kooperationsfähigkeit und stellt so an die Persönlichkeit des Fachberaters hohe Anforderungen (vgl. Manderscheid, Caritas 1990, S. 93). Auch Haucke erwartet von der Fachberatung persönliche Kompetenzen, wie z. B. Einfühlungsvermögen, Echtheit, Aufrichtigkeit, Vertrauen bilden können, ein eigenes Konzept zu haben und sich bewusst zu sein, dass sie als Frau Frauen berät (vgl. Haucke 1997, S. 181). Das Profil einer guten Fachberatung bestimmt Irskens wie folgt: „Sie berät engagiert, zielbewusst und flexibel ihre anspruchsvollen Kunden. Es wird von ihr ein souveränes Auftreten erwartet, detailliertes Fachwissen, Eigeninitiative,

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Fachberatung im Spiegel der Fachliteratur

Verhandlungs- und Akquisitionsgeschick, Bereitschaft zur ständigen eigenen Weiterbildung, Engagement, Flexibilität und Einsatzfreude (Irskens 1992, S. 11). Rose erweitert diesen Katalog noch und erwartet von der Fachberatung, „dass sie ein Mehr an reflektierter pädagogischer und entwicklungspsychologischer Kompetenz hat und dass sie in bestimmten Wissensbereichen wie Recht und Organisation sich sicher bewegt“ (vgl. Rose TPS extra 16, S. 6). Nach Happe hat eine richtige Fachberatung ein eigenes Profil, hat Eigenschaften und Voraussetzungen, die für ihre Arbeit grundlegend sind. Notwendig sind nach ihm folgende Führungsqualitäten: Die Fähigkeit zur Differenzierung zwischen Beratung und Leitung bzw. zum bewussten Umgang damit. Die Fähigkeit, sich in unscharfen Aufgabenfeldern bewusst zu verhalten, sich je nach Bezugsrahmen und Situation neu zu verorten (Rollenflexibilität). Weiter zählen Empathie, Beratungskompetenz, Kenntnis über Sozialmanagement, Dynamik und Struktur von sozialen Organisationen und die Fähigkeit zur Darstellung, Dokumentation, Auswertung sowohl der eigenen als auch der zu betreuenden Arbeitsfelder zu den Qualitäten einer Fachberaterin (vgl. Happe 1992, S. 114). Erath weist darauf hin, dass verbandlich organisierte Fachberaterinnen in Zukunft insbesondere folgende Kompetenzen entwickeln müssen: Die Kompetenz, Kindertagesstätten bezüglich ihrer Stärken und Schwächen schnell und umfassend zu analysieren und dabei drei Qualitätsaspekte gleichzeitig zu berücksichtigen: den Beteiligungsaspekt, den Organisationsaspekt und den pädagogischen Aspekt; ◆◆ die Kompetenz zu mediatisieren, d. h. jährliche Zielvereinbarungsgespräche mit Träger und Leiterinnen zur Sicherung tatsächlicher Entwicklungsschritte in der Einrichtung vor dem Hintergrund der Ergebnisse der eigenen Analyse durchzuführen; ◆◆ die Kompetenz, Erzieherinnen methodisch variantenreich zu beraten und zu beeinflussen, d. h., mit den konkreten Fragen, Problemen, Widerständen usw. im Prozess der Weiterentwicklung umzugehen. ◆◆

Zur Umsetzung dieses Kompetenzprofils sind nach Erath (2000, S. 3 ff.) Fachberaterinnen gefragt … in Einrichtungen hineinzuhören, d. h. die Komplexität der Organisation Kinder­ garten zu erkennen; ◆◆ die Vielfalt der Interessen wahrzunehmen und unter deren Berücksichtigung in der Funktion als Moderatorin optimale Ergebnisse zu ermöglichen; ◆◆ Informationen aktiv zielgerichtet und abgestimmt auf die jeweiligen Bedürfnisse vor Ort weiterzuleiten; ◆◆ fachlich gut informiert, serviceorientiert, pädagogisch erfahren, christlich orientiert, sozial kompetent, methodisch versiert, selbst reflektiert und konkurrenzfähig zu sein. ◆◆

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Der Kompetenzkatalog kann noch erweitert werden, wenn hier jeder Aspekt, der in der Literatur vorzufinden ist, referiert wird. Zwei für Fachberatung wichtige Kompetenzen sollen noch abschließend benannt werden: Die Arbeitsgemeinschaft für Jugendhilfe erwartet von der Fachberatung die Kompetenz, auf politische Interessensvertretungen einzuwirken und diese Möglichkeit auch an Mitarbeiter im Kindertagesstättenbereich weiterzugeben (z. B. in trägerübergreifenden Zusammenschlüssen, Gremien auf Gemeinde-, Kreis- und Länderebene) (vgl. Arbeitsgemeinschaft für Jugendhilfe 1987, S. 5). Irskens/Engler betonen die Transferkompetenz und stellen sie in den Mittelpunkt, wenn sie sich zu den Kompetenzen der Fachberatung artikulieren. Da nach ihnen durch die Entwicklung von Bildungsstandards und Bildungsplänen sowie die Qualitätsdiskussion der gesamte KiTa-Bereich eine öffentliche und professionelle Aufwertung erfährt, entstehen zusätzliche herausfordernde Erwartungen und Ansprüche an die Fachberatung, an mehr eigene Kompetenz und Handlungsfähigkeit, an mehr Austausch, Abstimmung, Vernetzung und Kooperation (vgl. Irskens/Engler 2005, S. 152). Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass in den 70er und 80er Jahren von der Fachberatung eher persönliche Kompetenzen erwartet wurden. „Immer wieder wird deutlich, dass von Fachberatern nicht angelesenes Bücherwissen erwartet wird, sondern die Fähigkeit, aufgrund eigener konkreter Erfahrungen auch im abstrakten Gespräch anschaulich und verständlich zu bleiben und überzeugend argumentieren zu können. Weiterhin sollte von der Persönlichkeit her die Fähigkeit gegeben sein, in den vielfältigen Spannungsverhältnissen, die mit dieser Position verbunden sind, Stand zu halten und Mitarbeiter in schwieriger dienstlicher Situation mit menschlichem Verständnis auffangen zu können.“ (Sonnabend 1982, S. 129) Diese persönlichen Kompetenzen werden ab den 90er Jahren um die Kompetenz erweitert, Veränderungen zu initiieren und Weiterentwicklung anzu­ stoßen.

■■ Zur Rolle der Fachberatung So vielfältig wie die Aufgabenstellungen der Fachberatung, so vielfältig ist auch die Rollenzuschreibung. Strätz sieht die Fachberatung als Begleitung, wenn nötig als Korrektiv im Hinblick auf Entwicklungsprozesse in den Kindertageseinrichtungen. Diese müssen von der Fachberatung angestoßen, reflektiert und begleitet werden (vgl. Strätz 1995, S. 163). Die Rolle einer unterstützenden Begleitung in langfristigen bzw. kontinuierlichen Beratungsprozessen schreibt Klings der Fachberatung zu (vgl. Klings 1997, S. 17).

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Fachberatung im Spiegel der Fachliteratur

Kuner definiert die Rolle der Fachberatung als professionelle Offensive. Als professionelle Offensive besteht nach ihm die wesentliche Aufgabe von Fach­ beratung darin, Kindertageseinrichtungen in Perspektive auf das Wohl von Kindern und deren Familien mit dem erforderlichen Weiterentwicklungsbedarf zu konfrontieren und sich selbst als Kontrolldienstleistung zu definieren (vgl. Kuner 1999, S. 3). Erath sieht die Fachberatung aufgrund ihrer Nähe zur Projektarbeit, zur wissenschaftlichen Szene und zur Fachpraxis besonders geeignet als Initiatorin von Veränderungs- oder Weiterentwicklungsprozessen (vgl. Erath 1996, S. 20). Jansen weist darauf hin, dass es angesichts neuer gesellschaftlicher Entwicklungen notwendig ist, dass sich das Selbstverständnis von Fachberatung von der Einzelfallorientierung hin zur Umfeldorientierung entwickelt (Jansen 1992, S. 31). In diesem Zusammenhang weist er der Fachberatung die Rolle einer Fachpolitikerin zu. Fachberatung agiert „als ein vernetztes Handeln in politischen Bezügen. Anstelle eines umfassenden Spezialistentums werden dabei Fachberaterinnen zu Fachpolitikerinnen, die Abstand zu ihren Feuerwehrübungen nehmen und so gesehen vom tätigkeitsorientierten zum zielorientierten Arbeiten gelangen.“ (Jansen 1992, S. 31). Irskens/Engler weisen darüber hinaus der Fachberatung eine Schlüsselrolle in Transfer- und Vernetzungsprozessen zu. (vgl. Irskens/Engler 2005, S. 47). Das berufliche Profil von Fachberatung zeichnet sich nach Irskens (1999, S. 203) durch Transferleistungen aus: ◆◆ ◆◆ ◆◆ ◆◆ ◆◆ ◆◆

zwischen Mitarbeiterinnen und Einrichtungsträger zwischen Wissenschaft und Praxis zwischen örtlicher Politik und Pädagogik zwischen Pädagogik und Verwaltung zwischen Laien und Professionellen zwischen Tradition und Innovation

Eine weitere Variante zur Rolle der Fachberatung bringt Miedaner in die Diskussion ein, wenn sie die Rolle der Fachberatung im Rahmen der Qualitätsentwicklungsdiskussion verortet. Nicht als alles könnende, immer perfekte Überfliegerin, sondern eher als alltagstaugliche Modelle sieht sie die Fachberaterinnen, die für sich selbst in Anspruch nehmen, nicht immer perfekt sein zu müssen und auch keine perfekten Erzieherinnen erwarten. Die aus dem Schrifttum herausgehobenen Rollenzuschreibungen lassen erkennen, dass Fachberatung vor dem Hintergrund unterschiedlicher Aufgabenstellungen auch in unterschiedlichen Rollen agierend wahrgenommen wird, als: ◆◆

Motor, Begleitung und Korrektiv im Hinblick auf Entwicklungsprozesse in den Einrichtungen;

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Begleitung in langfristigen Beratungsprozessen; Initiatorin von Veränderungs- bzw. Weiterentwicklungsprozessen; ◆◆ Fachpolitikerin; ◆◆ professionelle Offensive. ◆◆ ◆◆

■■ Stellenwert der Fachberatung Der Stellenwert der Fachberatung wird in der Fachliteratur ganz unterschiedlich betont, je nachdem ob sich Trägerorganisationen, Arbeitsgemeinschaften aus dem Bereich der Jugendhilfe oder Autoren im Rahmen der Fachdiskussion zum Stellenwert der Fachberatung artikulieren. Die Arbeiterwohlfahrt hat wiederholt den besonderen Stellenwert der Fachberatung im eigenen Verband herausgestellt und darauf aufmerksam gemacht, dass das Bewusstsein für die Notwendigkeit von Fachberatung auf den unterschiedlichen Ebenen des Verbandes gestärkt werden muss. „Fachberatung muss als zentrale Aufgabe für die Arbeit in Kindertageseinrichtungen akzeptiert und – anders als in der Vergangenheit – ihren Stellenwert im Verband bekommen.“ (Arbeiterwohlfahrt Bundesverband e. V. 1981) An anderer Stelle heißt es: „Den hohen gesellschaftlichen Erwartungen an die Profilierung, die Effizienz und Effektivität der Kindertageseinrichtungen der Arbeiterwohlfahrt kann nur mit Unterstützung eines dichten Netzes von Fachberatung begegnet werden. Die Arbeiterwohlfahrt sieht den qualitativen und quantitativen Ausbau der Fachberatung als Voraussetzung für die Be­ wältigung der anstehenden Herausforderungen im Arbeitsfeld Kindertageseinrichtungen.“ (Arbeiterwohlfahrt Bundesverband e. V. 2005, S. 4) Auch die evangelische Trägerorganisation stellt die hohe Bedeutung der Unterstützungs- und Qualifizierungssysteme für die Qualität und Ausprägung evangelischer Tageseinrichtungen für Kinder heraus. Sie weist darauf hin, dass hier in erster Linie die Fachberatung und die Fortbildung zu nennen sind, die im kirchlichen Bereich nicht mehr wegzudenken sind, wenn es um die Konzipierung, die Weiterentwicklung und die Qualitätssicherung in der evange­ lischen Kindergartenarbeit geht. In ihrem umfassenden Positionspapier „Fachberatung und Fortbildung  – Weiterentwicklung evangelischer Tageseinrichtungen für Kinder – Standpunkte und Anregungen“ (Bundesvereinigung evangelischer Tageseinrichtungen für Kinder im Diakonischen Werk der EKD 1997, S.  27) wird an verschiedenen Aspekten der hohe Stellenwert der Fachberatung aufgezeigt: Fachberatung und Fortbildung bewirken Professionalität im Praxisfeld. ◆◆ Fachberatung und Fortbildung sind als Angebote zur Profilierung und Qualifizierung der evangelischen Tageseinrichtungen für Kinder unverzichtbar. ◆◆

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Fachberatung im Spiegel der Fachliteratur

Fachberatung und Fortbildung zeichnen sich durch die anwaltschaftliche Parteinahme für Kinder und Familien in Kirchengemeinden, Gemeinwesen, Kirche und Öffentlichkeit aus ◆◆ Fachberatung und Fortbildung sind unverzichtbar, wenn es um die Gestaltung der Zukunft von Kindern in Kirche und Gesellschaft geht. ◆◆

Dass Fachberatung ihre Wirkung in der gesamten Trägerorganisation entfaltet, darauf weist Lill hin. Sie macht die Wirkung der Fachberatung an der Entwicklung gemeinsamer Leitlinien fest als auch im Hinblick auf die kontinuierliche Kompetenzerweiterung der Mitarbeiter (vgl. Lill 2004, S. 18). Zwei Arbeitsgemeinschaften aus dem Bereich der Jugendhilfe artikulieren sich ebenfalls zum Stellenwert der Fachberatung. Zu nennen ist hier die Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter: „Auf die Fachberatung als integraler Bestandteil im System der Qualifizierung und Weiterentwicklung der pädagogischen Arbeit in den Kindertageseinrichtungen kann nicht verzichtet werden.“ (Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter 2003, S. 7) Ebenso die Arbeitsgemeinschaft für Jugendhilfe: „Die komplexen pädagogischen Anforderungen an die Erzieherinnen und auch an die Träger bedürfen einer kontinuierlichen Beratung, Information, Fortbildung und Interessens­ vertretung. Diese zu erfüllen, ist Aufgabe der Fachberatung. Fachberatung in Kindertageseinrichtungen ist zur Schaffung und zum Erhalt eines fachlich notwendigen Standards unverzichtbar.“ (Arbeitsgemeinschaft für Jugendhilfe, Bonn 1987) Ein wichtiges Instrument zur Unterstützung der Einrichtungen, zur Sicherung der notwendigen Standards, zur Umsetzung von Projektergebnissen und wissenschaftlicher Forschungsprozesse verbinden darüber hinaus mehrere Autoren mit Fachberatung: ◆◆ ◆◆

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„… dass sich mit Fachberatung ein wichtiges Instrument zur Unterstützung der Einrichtungen etabliert hat.“ (Baltz 1996, S. 198) „… Gerade auch im Hinblick auf die Umsetzung des Rechtsanspruchs auf einen Kindergartenplatz ist Fachberatung zur Verbesserung, zumindest aber Sicherung der notwendigen Standards unabdingbar.“ (Kercher 1995, S. 16) „… Der bedarfsgerechte Ausbau und die konzeptionelle Weiterentwicklung der KiTas kann durch Fachberatung optimal gestützt werden.“ (Manderscheid, Caritas 1990, Jahrbuch des Deutschen Caritas-Verbandes, S. 92) „… Wer also ernsthaft daran interessiert ist, Projektergebnisse oder Ergebnisse wissenschaftlicher Forschungsprozesse in die Praxis zu übertragen, der ist auf Praxisberatung angewiesen.“ (Erath 1996, S. 19) „… dass nur dort, wo Träger ein Unterstützungs- und Beratungsnetz mit Fach­ beratung aufgebaut hatten, die Ergebnisse des Modellprojektes weiterentwickelt oder zumindest gehalten werden konnten. Ohne Fachberatung verschwand der

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Effekt, gingen die Investitionen in Personal, Programm und damit auch die damals entstandenen Kosten verloren, sie waren nicht nachhaltig.“ (Irskens/Engler 2005, S. 147) ◆◆ „… Die Umsetzung der Bildungsziele, wie die Qualifizierung und Weiterentwicklung der Bildungsarbeit in der Praxis, erfordert eine entsprechend qualifizierte prozessbegleitende Fachberatung.“ (Schäfer 2003, S. 131) ◆◆ „… Träger von Tageseinrichtungen sind im Hinblick auf die neuen Herausforderungen, die sich ihnen im Zusammenhang mit der Weiterentwicklung der Kindertageseinrichtungen stellen, wenig oder gar nicht vorbereitet. Sie benötigen Qualifizierung, Beratung und Stützung. Hier kann das Unterstützungssystem Fachberatung greifen. Fachberatung, die sich dem Träger als Ansprechpartnerin in allen Fragen der Kindertageseinrichtungen anbietet und ihr Leistungsangebot auch auf Trägerqualität hin ausrichtet.“ (Hense 2006, S. 48)

■■ Fazit Die Bedeutung der Fachberatung, ihr hoher Stellenwert im Hinblick auf die innovative Weiterentwicklung der Kindertageseinrichtungen sowie die Sicherung ihrer pädagogischen Standards wird von Trägerorganisationen, renommierten Arbeitsgemeinschaften und von Autoren im Rahmen der Fachdiskussion facettenreich betont. Eine entsprechende öffentliche Wertschätzung der Fachberatung, die sich in adäquaten Rahmenbedingungen ausdrückt, erweiterten Ressourcen und die Aufnahme der Fachberatungen in die Eingruppierungspläne der Tarifverträge, bleibt trotz des hohen Stellenwertes der Fachberatung noch aus. Auffällig ist, dass aktuell der Begriff Fachberatung fast nie in der derzeitigen Bildungs­ diskussion vorkommt (vgl. Irskens/Engler 2005, S. 150).

■■ Voraussetzungen der Wirksamkeit Wenzel knüpft an die Wirksamkeit der Fachberatung die Nutzerorientierung: „Die Nutzerorientierung ist der wichtigste Schritt zur Definition der Qualität von Fachberatung der Zukunft … Service beinhaltet die Notwendigkeit, sich gelegentlich den Ansprüchen anderer zu beugen. Gerade deshalb sollte Fachberatung daran interessiert sein, sich der Nutzerorientierung und dem sich daraus ergebenden Verständnis von Qualität für die Tageseinrichtungen für Kinder zuzuwenden“ (Wenzel 1999, S. 22 ff.) . Im Zusammenhang mit der Nutzerorientierung steht nach Wenzel Service und Kundenfreundlichkeit im Rahmen der Dienstleistung und die Entwicklung einer Vertragsprüfung oder Beschwerdekultur (vgl. Wenzel 1999, S. 3).

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Fachberatung im Spiegel der Fachliteratur

Das Ausweisen eines Leistungsangebotes stellt einen weiteren Aspekt hinsichtlich der Wirksamkeit der Fachberatung dar. Erath sieht den Erfolg des Konzeptes Fachberatung daran geknüpft, dass es gelingt, Leistungsangebote und -kataloge auszuweisen, die hinsichtlich ihrer Qualität und Effizienz ständig überprüft werden. Die einzelnen Leistungen müssen nach ihm genau definiert und bezüglich ihrer Qualitätsstandards formuliert werden. Außerdem müssen die Leistungen auch auf ihre Kosten-Nutzen-Relation hin überprüft werden. Auch möchte Erath die durchgeführten Maßnahmen einer internen und externen u. a. auch durch den Nutzer vorgenommenen Prüfung unterzogen wissen. Darüber hinaus muss der Wert der Dienstleistung den Kunden oder Nutzern gegenüber deutlich gemacht werden (vgl. Erath 1996, S. 21 ff.). Auch Dupius geht es nicht nur darum, gute Fachberatung durchzuführen, Konzeptentwicklung zu betreiben, Qualitätsstandards zu entwickeln oder zu verteidigen. Es gilt, den Trägern, Verbänden, Ämtern und der politischen Öffentlichkeit deutlich zu machen, welchen Nutzen sie vom fachlich gesteuerten Qualitätsmanagement haben (vgl. Dupius 1997, S. 178). Miedaner regt an: „Fachberatung sollte sich egal in welcher Organisationsform, zur Sachverständigen für Qualitätsentwicklung herausbilden … ihre Arbeit sichtbar machen, erläutern und begründen … zur Entwicklung eines positiven beruflichen Selbstverständnisses durch Öffentlichkeitsarbeit beitragen.“ (Miedaner 1999, S. 373) An anderer Stelle weist sie noch darauf hin, dass es ansteht, ein klares Berufskonzept zu entwickeln und zu vermitteln und Strukturen des Arbeitsfeldes für alle am Beratungsprozess Beteiligten transparent zu machen. (vgl. Miedaner 2002, S. 130). Erath schlägt vor: ◆◆ ◆◆ ◆◆ ◆◆ ◆◆ ◆◆ ◆◆ ◆◆ ◆◆

eine Beratungsvereinbarung festzuhalten von der Nachfrage zu einer Angebotspolitik überzugehen Erkenntnisse, die im Beratungsprozess gewonnen werden, zu dokumentieren und für die Weiterverwertung aufzubereiten das Angebot an starken innovativen Einrichtungen zu orientieren Erfolgskriterien für die Arbeit zu formulieren, anzuwenden und zu überprüfen das Instrument Modellprojekt zur Initiierung von Veränderungsprozessen als auch zur fachlichen Weiterentwicklung zu nutzen weg vom Reiz-Reaktionsmuster zu kommen das Prinzip „Fachberatung weiß alles“ infrage zu stellen den Wert der Leistung dem „Kunden“ oder den „Nutzern“ gegenüber deutlich zu machen (vgl. Erath 1999, S. 2 ff.).

Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter (2003, S.  8) schreibt: „Fachberatung muss sich an den Bedürfnissen des sozialräumlichen Um­feldes orientieren“. Manderscheid (1989, S.  5) hebt folgende Schwerpunkte hervor:

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den Blick auf das Umfeld des Gemeinwesens richten (Feldorientierung); die Interessensvertretung der Fachberatung muss für die Einrichtung transparenter und basisdemokratischer verantwortet werden; ◆◆ die Betroffenen aktivieren, ihre Interessen selbst zu vertreten über Stärkung der Mitwirkungsmöglichkeiten der Einrichtungen. ◆◆ ◆◆

Schneider (1992, S. 39): Die Zusammenarbeit in Projekten sollte in den Mittelpunkt der Fachberatung gestellt werden. Irskens (1996, S.  203) ist der Ansicht, dass Fachberatung auf gesellschaftspolitische Veränderungsprozesse reagieren und sie mitgestalten muss. Sie muss zum Motor im Umgestaltungsprozess werden. Zu den Voraussetzungen der Wirksamkeit der Fachberatung sei abschließend noch einmal Irskens zitiert: „Will Fachberatung sich in ihrer Schlüsselrolle für Transfer- und Vernetzungskompetenzen institutionell stärker verankern, muss sie zukünftig Schwerpunkte festlegen, ihre Wirksamkeit mit eigenen Fallstudien und mit erforschten Fallmodellen belegen und sich über Trägergrenzen hinweg vernetzen. (Irskens, B./Engler, R., 2005, S. 154) Die aus der Literatur herausgehobenen Hinweise zu den Voraussetzungen der Wirksamkeit der Fachberatung: ◆◆ ◆◆ ◆◆ ◆◆ ◆◆ ◆◆ ◆◆ ◆◆ ◆◆ ◆◆ ◆◆ ◆◆

die Nutzerorientierung das Ausweisen eines konkreten Leistungskataloges die Verdeutlichtung des Gebrauchswertes der Dienstleistung für die Nutzer von der Nachfrage zu einer Angebotspolitik übergehen Erfolgskriterien für die Arbeit formulieren, anwenden und überprüfen weg vom Reiz-Reaktionsschema auf gesellschaftliche Veränderungen reagieren und sie mitgestalten das Angebot an starken innovativen Einrichtungen orientieren das Instrument Modellprojekt zur Initiierung von Veränderungsprozessen nutzen Orientierung an den Bedürfnissen des sozial-räumlichen Umfeldes das Prinzip „Fachberatung weiß alles“ infrage stellen eine Beratungsvereinbarung dem Beratungsprozess vorschalten …

… stellen eine handlungsleitende Orientierungshilfe hinsichtlich der Effizienz der Fachberatung dar. Insgesamt ermöglichte die Literaturanalyse Transparenz im Hinblick auf die Rolle der Fachberatung, Einblick in die Vielfalt der Aufgabenfelder, ein Nachvollziehen der hohen Anforderungen, die an Fachgeberatung gestellt werden, und einen Blick für die Voraussetzungen ihrer Wirksamkeit. Die Bedeutung der Fachberatung, ihr exponierter Stellenwert im Hinblick auf die innovative Weiterentwicklung der Kindertageseinrichtungen, konnte ebenfalls über die Literatur­analyse verdeutlicht werden.

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Fachberatung im Spiegel der Fachliteratur

■■ Literatur Arbeitsgemeinschaft für Jugendhilfe: Fachberatung für Kindertageseinrichtungen  – eine un­verzichtbare Leistung für Erzieherinnen und Träger Stellungnahme, Bonn Mai 1987 Arbeitsgemeinschaft für Jugendhilfe: Fachberatung  – ein Beitrag zur Qualifizierung, Vernetzung und Weiterentwicklung von Tageseinrichtungen für Kinder, Stellungnahme der Arbeitsgemeinschaft für Jugendhilfe AGJ Bonn 1997 Arbeiterwohlfahrt Bundesverband e. V.: Fachberatung, ein notwendiger Pfeiler in der Weiterentwicklung von Bildung, Betreuung und Erziehung in Tageseinrichtungen Standpunkte 2005 Baltz, J.: Fachberatung für Tageseinrichtungen für Kinder nach dem KJHG  – Pflichtaufgabe oder „freiwillige“ Aufgabe der Jugendhilfe?, in: Nachrichtendienst des Deutschen Vereins, 6/1996 Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter: Empfehlungen zur Fachberatung“, Dezember 2003 Bundesverband Evangelischer Tageseinrichtungen für Kinder e. V.: Fachberatung im gesellschaftlichen Wandel, Mai 1987 Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter: Empfehlungen zur Fachberatung“, Dezember 2003 Dupius, A.: Neue Steuerungsmodelle: Qualitätsstandards in Kindertageseinrichtungen und die Rolle der Fachberaterin in: Qualifizierung lohnt sich, Lambertus-Verlag 1997 Erath, P.: Fit für neue Aufgaben. Das Konzept der Fachberatung – wie dienlich ist es der Weiterentwicklung in der Praxis? Welt des Kindes 5/1996 Erath, P. (Hrsg.): Kernkompetenzen sichern das Überleben: verbandlich organisierte Fachberatung und ihre Zukunft. In: Fortbildungsakademie des Deutschen Caritasverbandes e. V. 1999 Erath, P.: Vom Service- zum Gewährleistungsunternehmen  – die verbandlich organisierte Fachberatung und ihre Zukunft, 15. November 2000 Haucke, K.: Was Fachberaterinnen von sich und anderen erwarten  – Vorschläge und Forderungen zum Arbeitsfeld Fachberatung für Kindertageseinrichtungen, in: Qualifizierung lohnt sich, Lambertus, 1997 Hense, M.: Trägerqualität im Visier: Fachberatung als Unterstützungssystem so nötig wie nie, in: Theorie und Praxis der Sozialpädagogik (TPS) 2/2006 Irskens, B.: Fachberatung – ein Berufsfeld oder eine Sackgasse? In: Iskens, B./Engler, R. (Bearb.): Fachberatung zwischen Beratung und Politik – eine kritische Bestandsaufnahme, Ma­terialien für die sozialpädagogische Praxis Nr. 23, Frankfurt/M 1992 Irskens, B.: Der Kongress und seine Themen: Eine zusammenfassende Einschätzung. In: Devivere, v. B./Irskens, B. (Bearb.) Mit uns auf Erfolgskurs. Fachberatung in Kindertagesstätten – Kongressdokumentation. Materialien für die sozialpädagogische Praxis Nr. 26, Frankfurt/M 1996 Irskens, B.: Zukunftswerkstatt Fachberatung  – oder: Die Diskussion geht weiter, in: Nachrichten­dienst des Deutschen Vereins, Heft 10/1999 Irskens, B./Engler, R.: Von der Hinterbühne auf die Vorderbühne  – Schlüsselrolle der Fachbe­ratung in Transfer- und Vernetzungsprozessen, in: Innovationsprojekt Frühpädagogik/Hrsg.: Hammes-Di Bernarder, Ev./Hebenstreit-Müller S., SchneiderVerlag Hohengehren 2005

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Irskens, B.: Stichwort Fachberatung für Kindertageseinrichtungen. In: (Hrsg.): Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge Lexikon der sozialen Arbeit 6. Aufl. 2007 Jansen, F.: Institutionelle Verankerung und Entwicklung der KiTa-Beratung im katholischen Bereich: Einblicke in eine Konzeptionsdebatte, in: Senatsverwaltung für Jugend und Familie (Hrsg.): Bilanz der Zukunft wegen – Fachtagung zur Kindertagesstätten-Beratung, Berlin 1992 Karsten, M.: Fünf Thesen zu: Fachberatung – ein Modell der Verknüpfungsdienstleistungsarbeit, in: Devivere, v.B./Irskens, B. (Bearb.): Mit uns auf Erfolgskurs. Fachberatung – Kongressdokumentation, Materialien für die sozialpädagogische Praxis Nr. 26, Frankfurt/M 1996 Kercher, A.: Fachberatung braucht eine Lobby, in: klein & groß 10/1995 Kercher, A.: Stichwort Fachberatung, in: klein & groß 48/1995 Klings, S.: Können Sie mir weiterhelfen? Sprechzeit mit der Fachberatung, in: Welt des Kindes 6/1997 Manderscheid, H.: Fachberatung für Kindertageseinrichtungen im Umbruch, In: Caritas 90, Jahrbuch des Deutschen Caritasverbandes, Freiburg 1989 Materialien 43/99, Studientagung: Fachberatung von Tageseinrichtungen für Kinder: derzeitige Situation  – künftiges Profil  – neuer Quali­f ikationsbedarf 29.  November bis 02. Dezember 1999 Miedaner, L.: Fachberatung im Qualifizierungsprozess von Erzieherinnen, in KiTa 2. Dezember 1999 Miedaner, L.: Vom Mädchen für alles  – zu einem Beruf mit klarem Profil, in: KiTa 2. September 1999 Miedaner, L.: „Balanceakt Fachberatung“, Fachhochschule Esslingen, Hochschule für Sozial­wesen (Hrsg.) 2002 Oberhuemer, P.: Rolle und Aufgaben der Fachberatung für Kindertageseinrichtungen. In: Staatsinstitut für Frühpädagogik IFD-Tagung 2001 Rose, H.: Eine sichtbare, lesbare Autorität entwickeln. In: Devivere, v.B. (Bearb.) Fach­ beratung im gesellschaftlichen Wandel, Sonderheft „Theorie und Praxis der Sozialpädagogik“ (TPS-Extra) 16, Bielefeld 1994 Schäfer, G.: Bildung beginnt mit der Geburt, Beltz-Verlag 2003 Schneider, K.: Auswirkungen veränderter Familienstrukturen auf KiTas und die KiTaBeratung, in: Senatsverwaltung für Jugend und Familie (Hrsg.): Bilanz der Zukunft wegen – Fachtagung zur Kindertagesstätten-Beratung/Berlin 1992 Sonnabend, B.: Fachberatung in Tageseinrichtungen für Kinder in NRW. In: Merker, H./ Schulte, F.: Tageseinrichtungen für Kinder – Beiträge aus der Praxis, Köln 1982 Strätz, R.: Fachberatung – einfach unverzichtbar. In: KiTa aktuell NRW 10/1995 Wenzel, P.: Lasst uns das tun, was wir anderen raten  – Qualitätsmanagement in der Fachberatung. In: Welt des Kindes 1/1999 Wildt, G.: Weibliche Professionalisierung  – aus Sicht evangelischer Fachberatung, in: Irskens, B./Engler, R. (Bearb.): Fachberatung zwischen Beratung und Politik – Eine kritische Bestandsaufnahme, Materialien für die sozialpädagogische Praxis Nr. 23, Frankfurt/M 1992

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Margarita Hense Zur Wirksamkeit der Fachberatung – eine empirische Studie

Die Frage „Wie wirksam ist die Fachberatung für Kindertageseinrichtungen?“ lag der empirisch und breit angelegten Studie (Hense 2009) zugrunde und wurde als Fragebogenerhebung konzipiert. 337 Erzieherinnen wurden als Adressatinnen der Fachberatung befragt. Es konnten Stärken der Fachberatung aber auch Defizite auf der Basis der vorliegenden Ergebnisse ausgemacht und Faktoren identifiziert werden, die die Wirksamkeit der Fachberatung tangieren. Die vorliegenden Befunde erlauben darüber hinaus das Ableiten von Handlungsempfehlungen zur konzeptionellen Weiterentwicklung der Fachberatung. Empfehlungen, die auf die Anhebung der Qualität des Leistungsangebotes der Fachberatung ausgerichtet sind und dazu beitragen, die Erfolgschancen der Fachberatung zu erhöhen sowie Wirksamkeit zu begründen.

■■ Untersuchungsdesign Im Unterschied zu bereits vorliegenden Untersuchungen zur Fachberatung, die nicht primär auf die Wirksamkeit der Fachberatung ausgerichtet sind (Hebenstreit 1984, Strätz 1998, Miedaner 2002, Mitgliederbefragung des Diözesan-­ Caritas-Verbandes Trier zur Fachberatung 2006), verfolgte diese empirische Untersuchung das Ziel, die Wirksamkeit der Fachberatung explizit zu unter­ suchen. Die Wirksamkeit sollte dabei an den Zielen und Anforderungen der Fachberatung orientiert werden. Als ein übergreifendes Kernziel der Fachberatung wurde im Rahmen einer der Untersuchung vorgeschalteten Literaturanalyse die innovative und bedarfs­ gerechte Weiterentwicklung der Kindertageseinrichtungen deutlich. Der neunseitige Fragebogen schloss verschiedene Kategorien ein, die zur Auslotung der Wirksamkeit der Fachberatung geeignet erschienen, wie z. B.: 1. Fragen zur Praxisnähe Bekanntheitsgrad ◆◆ Anlässe zur Kontaktaufnahme ◆◆ Häufigkeit der Praxisbesuche ◆◆

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2. Fragen, zur Funktion: Beratungskompetenz ◆◆ praktische Qualitäten ◆◆ spezifische Leistungsangebote ◆◆

3. Fragen zur Wirksamkeit: ◆◆ Umsetzung der Bildungsstandards ◆◆ Bekanntmachung der Bildungspläne ◆◆ Verbesserung der Praxis ◆◆ Vernetzung mit anderen Stellen ◆◆ Organisation des Personals ◆◆ Entwicklung von Konzeptionen und Plänen 4. Fragen zur Nutzerorientierung: Orientierung an den Bedürfnissen der Nutzer ◆◆ Service und Kundenfreundlichkeit ◆◆ Transparenz des Leistungsangebotes ◆◆ spezifische Angebote für Leiterinnen, Gruppenleiterinnen, Ergänzungskräfte, Träger, Eltern ◆◆

5. Fragen zum Bedarf nach Fachberatung 6. Fragen zum Angebot und zur Nachfrage der Fachberatung

Neben Items zur Wirksamkeit der Fachberatung (zum Beispiel: Wie steht es um die Praxisnähe der Fachberatung? oder: Verfügt die Fachberatung aus Ihrer Sicht über ausreichende direkte, praktische Erfahrungen in KiTas?) wurden als weitere Fragerichtung auch Items in den Bogen aufgenommen (1 ½ Seiten), die sich auf die Ausprägung der Eigenverantwortung der Befragten beziehen (Bierhoff, u. a. 2005), da von der Annahme ausgegangen wurde, dass Erzieherinnen mit ausgeprägter Eigenverantwortung als Personmerkmal Fach­beratung eher anfragen als Erzieherinnen, deren Eigenverantwortung niedriger ausgeprägt ist. Beispiel für diese Items: Ich verlasse mich ungern auf andere, wenn ich auch selbst nach entsprechender Vorbereitung eine Entscheidung sinnvoll treffen kann. ◆◆ Wenn ich bei einer Teamarbeit auf eine viel versprechende Fragestellung stoße, versuche ich zunächst einmal, mich selbst kundig zu machen, bevor ich die anderen anspreche. ◆◆ Wenn es im Team zu Konflikten kommt, bemühe ich mich besonders darum, konstruktive Lösungen zu finden. ◆◆

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Zur Wirksamkeit der Fachberatung – eine empirische Studie

Bei den meisten Fragen des Fragebogens wurden Antwortkategorien vorge­ geben, lediglich neun Fragen wurden als offene Fragen konzipiert. Um überregionale Aussagen zu ermöglichen, wurde die Befragung in Brandenburg, Bayern, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Sachsen durchgeführt. Insgesamt konnten 908 Fragebögen an Erzieherinnen weitergeleitet werden, die sich wie folgt verteilten: 328 Bögen in Nordrhein-Westfalen 130 Bögen in Brandenburg ◆◆ 100 Bögen in Bayern ◆◆ 150 Bögen in Sachsen ◆◆ 200 Bögen in Rheinland-Pfalz ◆◆ ◆◆

Die relativ hohe Rücklaufquote (37,11 %) war erfreulich und verdeutlichte, dass viele Erzieherinnen sich mit dem Anliegen der Befragung identifizieren konnten (vgl. Norm bei postalischer Befragung 10 %–15 %). Der Rücklauf verteilt sich auf die einzelnen Bundesländer: Fragebogen

Ausgegeben

Zurückgeschickt

Bayern

100

25

Brandenburg

130

46 (13,7 %)

Nordrhein-Westfalen

328

188 (55,8 %)

Rheinland-Pfalz

200

61 (18,1 %)

Sachsen

150

17

(7,4 %)

(5 %)

Die Erzieherinnen, die sich an der Befragung beteiligt haben, haben dazu beigetragen, dass ein erstes aussagekräftiges Bild zur Wirksamkeit der Fachberatung ermittelt werden konnte.

■■ Untersuchungsergebnisse auf der Basis der geschlossenen Fragen

Zum Grad der Wirksamkeit der Fachberatung Die eingegangenen Daten aus den Rückmeldungen (337 Bögen) lassen nach erster Bewertung als Kernergebnis der empirischen Studie (als Bestandsaufnahme) die Aussage zu: die Fachberatung ist teilweise wirksam.

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Die Aussage teilweise wirksam basiert auf folgendem Analyseschritt: Die Antworten zu den geschlossenen Fragen wurden auf der Basis des Wirksamkeits-Kriteriums analysiert. Es wurde danach gefragt, inwieweit Fachberatung in der Ausübung ihrer Funktion den Anforderungen entspricht, d. h. be­zogen auf den angefragten Sachverhalt in der jeweiligen Frage als wirksam eingeschätzt werden kann. Der Begriff wirksam wurde dabei inhaltlich wie folgt gefüllt: Die erste inhaltliche Füllung erfolgte nach dem Deutschen Universal Duden 6. Auflage 1996 „wirksam = drückt in Bindungen mit Substantiven aus, dass die beschriebene Sache Wirkung bei jemandem erzielt“. „Wirksam  – eine beabsichtigte Wirkung erzielend“. ◆◆ Die weitere inhaltliche Füllung des Begriffs wirksam lieferten einige Aussagen aus der Literaturanalyse, die verdeutlichten, unter welchen Voraussetzungen Fach­ beratung mit ihrem Leistungsangebot als wirksam eingestuft werden kann.

◆◆

Zur Analyse der Antworten zu den geschlossenen Fragen wurde das Kriterium wirksam noch aufgeschlüsselt in die Kategorien: wirksam teilweise wirksam ◆◆ unwirksam ◆◆ ◆◆

Wirksam wurde als Fazit aus den Antworten zu einer Frage abgeleitet, wenn als Ergebnis der dort festgestellte Prozentsatz (60 %) überstieg und Fachbe­ratung zum überwiegenden Teil den an sie gestellten Anforderungen entsprach.

8 7 6

wirksam

teilweise wirksam

unwirksam

Abb. 1: Häufigkeitsverteilung der Wirksamkeitsstufen

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Zur Wirksamkeit der Fachberatung – eine empirische Studie

Als teilweise wirksam wurden die Ergebnisse eingestuft, wenn der festgestellte Prozentsatz zwischen 50 und 60 % lag und Fachberatung nur zum Teil den Anforderungen entsprach. Die Kategorie Unwirksam wurde abgeleitet, wenn der Prozentsatz von unter 50 % lag und Fachberatung nur geringfügig bzw. gar nicht den Anforderungen entsprach. Bei Betrachtung der Häufigkeit der Kategorien ist die Schlussfolgerung zulässig, dass Fachberatung entsprechend der Datenanalyse als eingeschränkt wirksam eingestuft werden kann. Beispiele für Ergebnisse, die der Kategorie Wirksam zugeordnet werden konnten: 4,5

6,6

Ja, nur dem Namen nach Ja, persönlich Nein N=334 88,9

Abb. 2: Frage: Ist Ihnen Ihre zuständige Fachberaterin bekannt?

Die Rückmeldungen zu dieser Frage verdeutlichen, dass zu einem hohen Prozentsatz (88,9 %) die Fachberatung den Erziehrinnen persönlich bekannt ist.

Motivationsqualität

2,3

Solidarität

2,3

Verständnis

2,1

Offenheit, Ehrlichkeit

2,1

Anerkennung unserer Arbeit

1,9

Wertschätzung

1,9

Nettigkeit

1,8

1

1,2

1,4

1,6

1,8

2

2,2

2,4

Notenmittelwert

Abb. 3: Frage: Wie geht Ihre Fachberatung mit den Erzieherinnen insgesamt um?

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Die persönlichen Kompetenzen der Fachberatung erhalten somit eine hohe Einschätzung bei den Befragten. Verbesserung der Beziehungen zu Eltern

3

Organisation des Personals

2,89

Verbesserung der Beziehungen zum Träger

2,76

Vertretung der Interessen der Erzieherinnen

2,53

Vernetzung mit anderen Stellen

2,52

Verbesserung der Praxis

2,51

Umsetzung der Bildungsstandards

2,23

Entwicklung von Konzeptionen und Plänen

2,22

Bekanntmachung der Bildungspläne

2,15

1

1,5

2

2,5

3

3,5

Notenmittelwert

Abb. 4: Frage: Wie beurteilen Sie die Wirksamkeit der Fachberatung?

Der Fachberatung wird hier in den neun vorgegebenen Aufgabenfeldern ein Notenmittelwert von 2,53 zuerkannt. Mit diesem Notenmittelwert bescheinigen die Befragten der Fachberatung, dass sie hinsichtlich der Erfüllung einiger wesentlicher Kernaufgaben den Anforderungen entspricht. Wirksamkeit kann der Fachberatung darüber hinaus noch auf folgenden Feldern zuerkannt werden: 70,8 % der Befragten geben an, dass die Fachberatung in großem Umfang die Organisation von Fort- und Weiterbildung übernimmt. ◆◆ 64,0 % der Befragten schätzten die praktischen Erfahrungen der Fachberatung in KiTas für ausreichend ein. ◆◆ Mit einem Zustimmungswert von 69,6 % bescheinigten die Befragten der Fach­ beratung, dass sie ausreichend in Fragen der Praxis informiert und erfahren ist. ◆◆

Beispiele für Ergebnisse, die der Kategorie Teilweise wirksam zugeordnet werden: Verteilung Beratungsgespräch

40,4 %

Arbeitskreis

51,0 %

Fortbildungsveranstaltung

64,4 %

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Zur Wirksamkeit der Fachberatung – eine empirische Studie

Verteilung Telefonauskunft

53,4 %

Teamberatung

33,2 %

In-Haus-Seminar

15,7 %

Tab. 1: Frage: Wenn Sie Kontakt zur Fachberatung haben – was sind typische Anlässe, bei denen Sie Kontakte haben?

Die zu dieser Frage erhobenen Daten verdeutlichen, dass die Anlässe, über die Erzieherinnen Kontakt zur Fachberatung haben, eine deutliche Beratungspräsenz in den Einrichtungen noch vermissen lassen. Lediglich der Kontakt zur Fachberatung über Fortbildungsveranstaltungen, über Arbeitskreise und Telefonauskünfte wird mit Werten über 50 % angegeben. Verteilung Stimmt

53,1 %

Stimmt nicht

46,9 %

Tab. 2: Frage: Man kann sagen: „Unsere Fachberatung steht in regelmäßiger Verbindung mit den Erzieherinnen.“

Da hier von den Befragten mit einem Prozentsatz von 53,1 % die Aussage stimmt angekreuzt wurde, ist die regelmäßige Verbindung zu Erzieherinnen noch defizitär. Praxisnähe, Nähe zur den Adressaten ist ein Qualitätsmerkmal von Fachberatung. Aussage

Stimmt

Stimmt teilweise

Stimmt nicht

Das Leistungsangebot unserer Fachberatung ist auf die Bedürfnisse der Nutzer ausgerichtet

46,3 %

32,9 %

4,7 %

Service und Kundenfreundlichkeit ist ein wich­ tiges Element der Arbeit unserer Fachberatung

60,2 %

20,5 %

4,2 %

Das Leistungsangebot unserer Fachberatung ist völlig klar und wurde bestens erklärt

27,3 %

36,8 %

21,7 %

Unsere Fachberatung macht spezielle Angebote für Leitung, Gruppenleitung, Träger, Eltern, Erzieherinnen und Ergänzungskräfte

43,6 %

32,0 %

12,2 %

Tab. 3: Frage: Es folgen einige weitere Aussagen über die Nutzerorientierung der Fachberatung. Entscheiden Sie, ob diese Aussagen auf Ihre Fachberatung zutreffen.

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In dieser Frage wird die Nutzerorientierung der Fachberatung an vier Merkmale erhoben. Da die Zustimmungswerte in der Kategorie stimmt nur bei einem Merkmal über 60 % liegen, entspricht die Nutzerorientierung nur teilweise die Anforderung. Eine eingeschränkte (teilweise)  Wirksamkeit der Fachberatung wird ferne deutlich an dem Sachverhalt, dass die Initiative zur Beratung häufiger (47,4 %) von den Erzieherinnen ausgeht als von der Fachberatung (53,1 %) selbst. Die Wirksamkeit wird ferner davon tangiert, dass die Fachberatung noch nicht obligatorisch nach Qualitätsstandards arbeitet. Nur 57,4 % der Befragten sind der Meinung, dass sie auf der Basis von Qualitätsstandards ihre Arbeit ausrichtet, 42,3 % haben zu diesem Sachverhalt überhaupt keine Kenntnis. Beispiele für Ergebnisse, die der Kategorie Unwirksam zugeordnet werden konn­ten: Verteilung Fast nie

29,3 %

Selten

41,8 %

Öfter

27,7 %

Sehr häufig

1,3 %

Tab. 4: Frage: Wie steht es um die Praxisnähe der Fachberatung? Wie oft ist die Fachberaterin in der Einrichtung?

Auf der Basis dieses Befundes ist die Praxisnähe der Fachberatung nicht sehr ausgeprägt, was ihre Wirksamkeit erheblich beeinflusst. Verteilung Ja, Zahl ist viel zu groß

36,1 %

Zahl sollte etwas kleiner sein

50,0 %

Zahl ist nicht zu groß

13,9 %

Tab. 5: Frage: Haben Sie den Eindruck, dass die Zahl der Einrichtungen, die Ihre Fachberatung zu betreuen hat, zu groß ist, um ein qualitativ ausreichendes Beratungsangebot anzubieten?

Die zu dieser Frage erhobenen Befunde verdeutlichen, dass in der Einschätzung der meisten Befragten die Zahlen der zu betreuenden Einrichtungen zu groß ist.

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Zur Wirksamkeit der Fachberatung – eine empirische Studie Fachberatung ist für meine praktische Arbeit bisher völlig überflüssig gewesen

8,9 38,9

Fachberatung macht eigentlich nur Verwaltungsarbeit

5,6 36,8

7,7

Ab und zu ist Fachberatung für meine praktische Arbeit ganz nützlich Fachberatung ist sehr wichtig für meine praktische Arbeit ohne Fachberatung wäre ich ziemlich hilflos

6,2 43,6

es ist für meine persönliche Arbeit egal, ob es eine Fachberatung gibt oder nicht ich habe meine Fachberatung nur selten in Anspruch genommen

Abb. 5: Frage: Nun zu einer abschließenden Bewertung der Arbeit der Fachberatung – kreuzen Sie an, welche Sätze zutreffen.

Die Befragten hatten die Möglichkeit, die Arbeit der Fachberatung anhand der Inanspruchnahme zu bewerten. Dieser Befund zeigt, dass es der Fachberatung noch nicht ausreichend gelungen ist, sich impulsgebend für die Lern- und Arbeitskultur in KiTas mit ihrem Leistungsangebot einzubringen. Fachberatung entspricht darüber hinaus noch in folgenden Bereichen nicht den Anforderungen: Fachberatung verfügt noch nicht selbstverständlich über ein Konzept beziehungsweise einen Flyer mit dem sie ihr Leistungsangebot den Adressaten verdeutlicht. Nur 22,9 % der Befragten geben an, dass sie über ein Konzept bzw. einen Flyer verfügt. 22,5 % haben zu dem Sachverhalt keine Kenntnis. ◆◆ 39,9 % der Befragten meinen, dass die Fachberatung die Interessen der Erzieherinnen „nach oben“ vertritt. 45,9 % von Fall zu Fall und 14,7 % eher nicht. ◆◆

Zu den Stärken der Fachberatung Als Ergebnis der Datenanalyse können der Fachberatung folgende Stärken zugeschrieben werden: Fachberatung verfügt über persönliche Kompetenzen, die sich in Nettigkeit und Wertschätzung gegenüber den Adressaten ausweisen. Sie zeigt Verständnis für die Arbeit der Erzieherinnen und ist authentisch in der Begegnung. (Der Fachberatung werden bezüglich ihrer persönlichen Kompetenzen gute Schulnoten bescheinigt: Nettigkeit 1,8; Wertschätzung 1,9; Verständnis für die Arbeit der Erzieherinnen 2,1.) ◆◆ Sie verfügt über gute praktische Qualitäten im Feld der Elementarpädagogik, mit denen sie einen Vorsprung gegenüber anderen Anbietern, die mit Beratungsoffer◆◆

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ten in das Feld der Elementarpädagogik drängen, besitzt. (Mit einem Notenmittelwert von 2,4 werden der Fachberatung gute praktische Qualitäten zuerkannt.) Sie übernimmt in großem Umfang die Organisation von Fort- und Weiterbildung auf der Basis ihrer Praxisnähe und ihrer Kenntnisse über Fortbildungsbedarfe, die sie in bedarfsgerechte Angebote einfließen lässt. (70,8 % der Befragten geben an, dass die Fachberatung in großem Umfang die Organisation von Fort- und Weiterbildung übernimmt.). Weitere Stärken liegen auch in der Bekanntmachung der Bildungspläne der Länder, der Umsetzung der Bildungsstandards, der Verbesserung der Praxis, der Verbesserung der Beziehungen zum Träger und der Vernetzung mit anderen Stellen. (Der Fachberatung wird in den genannten Aufgabenfeldern ein Notenmittelwert von 2,53 zuerkannt.) Fachberatung verfügt über Feldkompetenz, die sich in praktischen Erfahrungen in KiTas ausweist. Sie ist die Grundlage für ein überzeugendes Leistungsangebot. (Die Befragten sind zu 64,0 % der Meinung, dass Fachberatung über ausreichend direkte praktische Erfahrung in KiTas verfügt.) Ferner verfügt sie über aktuelle Informationen im Feld der Elementarpädagogik, die Kenntnisse über bildungspolitische Trends, Informationen über neue wissenschaftliche Erkenntnisse und neue pädagogische Ansätze implizieren und grundlegend sind für Innovationen. Das Setzen von innovativen Akzenten im Feld der Elementarpädagogik ist eine besondere Stärke der Fachberatung. (69,6 % stimmen zu, dass Fachberatung ausreichend in Fragen der Praxis informiert und erfahren ist. Nur 25,4 % sind der Meinung es könnte besser sein.) Als weitere Stärke bescheinigten die Befragten der Fachberatung, dass sie gesetzliche Grundlagen erläutert und die Verbindung von Wissenschaft und Praxis herstellt. (76,4 % der Befragten meinen, dass Fachberatung die Verbindung von Praxis und Wissenschaft tatsächlich herstellt, und 85,6 % dass sie neue gesetzliche Grundlagen erläutert.)

Zu den Defiziten der Fachberatung Als Ergebnis der Datenanalyse werden folgende Defizite der Fachberatung deutlich: Defizite zeichnen sich im Bereich der partnerschaftlicher Beratung ab, der Impulsgebung für Reformen und dem Einbringen von guten Ideen. (Die Befragten stimmen nur mit 57,6 % der Frage nach partnerschaftlicher Beratung zu. Mit nur 53,4 % geben sie an, dass Fachberatung Impulse für Reformen setzt und mit 44,5 %, dass sie gute Idee einbringt.) ◆◆ Fachberatung ist es noch nicht ausreichend gelungen, über Fortbildungs­angebote hinaus ihr Leistungsangebot auch im gleichen Umfang auf Beratungsgespräche, ◆◆

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auf Teamberatung und In-House-Seminare auszuweiten, die ebenfalls zu den Kernaufgaben gehören. (Beratungsgespräche erhalten nur einen Zustimmungswert von 40,4 %; Teamberatung einen Zustimmungswert von 33,2 %; In-House-Seminare von 15,7 %.) Die regelmäßige Verbindung zu Erzieherinnen weist ebenfalls noch Defizite auf. (Nur 53,1 % stimmen der Frage nach regelmäßiger Verbindung zu den Erzieherinnen zu.) Die Arbeit nach Qualitätsstandards ist ein weiteres Defizit. (Nur 57,4 % meinen, dass Fachberatung nach Qualitätsstandards arbeitet; 42,3 % ist es nicht bekannt.) Die Vertretung der Erzieherinneninteressen gegenüber dem Träger und den Eltern ist noch defizitär. Auch die Mitarbeit der Fachberatung in Gremien und Ausschüssen und das noch nicht obligatorische Vorhandensein einer Homepage zählt zu den Defiziten. (27,0 % stimmen zu, dass Fachberatung Erzieherinneninteressen gegenüber dem Träger vertritt; 51,9 % stimmten zu, dass sie in Gremien mitarbeitet; 24,3 % dass sie über eine Homepage verfügt.) Die Nutzerorientierung entspricht noch nicht in vollem Umfang den an sie gestellten Anforderungen. Defizite werden deutlich in der Verdeutlichung des Leistungsangebotes gegenüber den Nutzern und in zielgruppenspezifischen Angeboten. (46,3 % sind der Meinung, dass das Leistungsangebot auf die Bedürfnisse der Nutzer hin ausgerichtet ist; nur 27,3 % meinen, dass das Leistungsangebot völlig klar und bestens erklärt wurde.) Fachberatung geht von sich aus noch zu wenig aktiv auf die Zielgruppe zu und wartet eher ab, bis die Adressaten sie anfragen. (67,4 % meinen, dass die Initiative zur Beratung eher von den Erzieherinnen als von der Fachberatung ausgeht. ) Fachberatung weist noch Defizite auf im Hinblick auf das Vorhandensein eines transparenten Leistungsangebotes für die Nutzer in Form eines Konzeptes oder Flyers, das ihre spezifische Dienstleitung ausweist. (Nur 22,9 % meinen, dass die Fachberatung über ein Konzept bzw. einen Flyer verfügt; 22,5 % ist es nicht bekannt.) Die unzureichenden Rahmenbedingungen markieren ein weiteres Defizit. Der Aufgabenzuschnitt der Fachberatung mit in der Regel einer zu großen Zahl der zu betreuenden Einrichtungen tangiert die regelmäßige Präsenz in den Einrichtungen und begünstigt die „Feuerwehrfunktion“ der Fachberatung. (50,0 % der Befragten geben an, dass die Zahl kleiner sein sollte; 36,1 % meinen, dass die Zahl viel zu groß ist.) Auch ist es der Fachberatung noch nicht hinreichend gelungen, sich mit ihrem Leistungsangebot impulsgebend für die Lern- und Arbeitskultur in KiTas einzubringen und die Lern- und Entwicklungskultur für Teams und Erzieherinnen mit zu gestalten. (Nur 43,6 % der Befragten geben an, dass die Fachberatung für ihre praktische Arbeit sehr wichtig ist, und 36,8 %, dass sie ab und zu für ihre praktische Arbeit ganz nützlich ist.)

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■■ Untersuchungsergebnisse zu den offenen Fragen Zur Wirksamkeit des Leistungsangebotes Das Leistungsangebot der Fachberatung wurde entsprechend der Rückmeldungen der Befragten an erster Stelle in der Organisation und Durchführung von Fort- und Weiterbildungsangeboten als wirksam erlebt (21,3 %). Mit deutlichem Abstand folgen an dritter, vierter und fünfter Stelle Beratung bei der Konzepterstellung (19,7 %) und Beratung bei der Umstrukturierung der Einrichtung (5,7 %). An unterer Stelle rangieren bezüglich der Wirksamkeit des Leistungsangebotes die Rechtsauskunft (1,4 %) und die Reflexion der Leitungsrolle (1,4 %). Ein Beispiel für Einzelantworten: „Fachberatung gibt viele Infos, Anregungen, bietet Hilfe und Unterstützung an, zeigt Verständnis, nimmt Druck.“

Bereiche, in denen Fachberatung als unwirksam erfahren wurde Hier nennen die Befragten an erster Stelle die fachliche Beratung in der Praxis (15,6 %) und an dritter und vierter Stelle die Vertretung der Erzieherinnen­ interessen gegenüber dem Träger (10,4 %), sowie die Personalpolitik (10,4 %). An letzter Stelle rangieren die Durchführung von Fortbildungsangeboten (2,6 %) und die Begleitung der Bewerbung zum Familienzentrum. Ein Beispiel für Einzelantworten: „Habe Fachberatung noch nicht als wirksam erlebt.“

Aktueller dringender Bedarf nach Fachberatung Hinsichtlich des besonders dringenden Bedarfs nach Fachberatung steht an erster Stelle die Umsetzung des Kinderbildungsgesetzes NRW KiBiz (11,7 %). An zweiter Stelle die Konzeptionsentwicklung (10,6 %). An dritter, vierter und fünfter Stelle die Umstrukturierung der KiTa (10,6 %), Teamplanung und Teamentwicklung (10,1 %) und die Umsetzung des Bildungsplanes (5,3 %). Auf den beiden letzten Stellen finden sich die Dienstplangestaltung (1,1 %) und die Reflexion der pädagogischen Arbeit (0,5 %). Ein Beispiel für Einzelantworten: „Austausch über Einrichtungssituation, Infos über gesetzliche Veränderungen und Auswirkungen.“

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Zur Wirksamkeit der Fachberatung – eine empirische Studie

Rückmeldungen zur Nutzerorientierung der Fachberatung An erster Stelle der Rückmeldungen steht hier: mehr Präsenz in den Einrichtungen/regelmäßige Besuche vor Ort (44,4 %). An zweiter Stelle die Zuständigkeit für weniger KiTas (8,6 %). An dritter, vierter und fünfter Stelle das Ausweisen eines transparenten Leistungsangebotes (25,1 %), mehr Einblick in den KiTaAlltag/Praxisnähe (11,8 %) und mehr Zeit für die KiTas zur Verfügung stellen (11,8 %).

Zusammenfassende Bewertung Die empirischen Befunde erlauben eine differenzierte Bestandsaufnahme. Die Ergebnisse der Datenanalyse zu den offenen Fragen stellen eine Ergänzung zu den Ergebnissen der Analyse der geschlossenen Fragen dar und bestätigen diese Befunde. Dies wird besonders deutlich bezüglich der Wirksamkeit und der Nutzerorientierung der Fachberatung. Die Ergebnisse zu den geschlossenen Fragen lassen Fachberatung besonders im Bereich der Organisation und Durchführung von Fort- und Weiterbildungsangeboten und im Informiertsein in Fragen der Praxis als wirksam erscheinen. Dieser Befund wird auch durch die Ergebnisse zu den offenen Fragen bestätigt. Das Leistungsangebot der Fachberatung wurde hier entsprechend der Rückmeldungen der Befragten an erster Stelle in der Organisation und Durchführung von Fort- und Weiterbildungsangeboten als wirksam erlebt. An zweiter Stelle wurde das Leistungsangebot im Rahmen von Informationen, die an die Zielgruppe herangetragen werden, als wirksam erlebt. Darüber hinaus zeigen die Ergebnisse beider Datenanalysen (der geschlossenen wie der offenen Fragen), dass Fachberatung im Hinblick auf die Bekanntmachung der Bildungspläne und der Entwicklung von Konzeptionen und Plänen von den Befragten in diesen Bereichen als wirksam erfahren wurde. Die Ergebnisse der offenen Fragen zur Erreichung einer optimalen Nutzer­ orientierung der Fachberatung geben Hinweise, durch welche Maßnahmen Defizite in diesem Bereich, die als Ergebnis der geschlossenen Fragen identifiziert werden konnten, abgebaut werden können und eine adäquate Nutzerorientierung erreicht werden kann: Durch mehr Präsenz in den Einrichtungen, regelmäßige Besuche vor Ort, Zuständigkeit für weniger KiTas, das Ausweisen eines transparenten Leistungsangebotes, mehr Einblick in den KiTa-Alltag, mehr zeitliche Ressourcen für die KiTas und engere Zusammenarbeit. Über die geschlossenen und offenen Fragen hinaus konnten aus den Zu­ sammenhängen zwischen Variablen der Bewertung von Fachberatung noch folgende informative Ergebnisse heraushoben werden:

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Wer die Fachberatung selten in Anspruch nimmt, beurteilt sie auch schlechter. Hohe Eigenverantwortung führt zu schlechterer Beurteilung der Fachberatung. Eine schlechtere Bewertung wird auch abgegeben, wenn sich die Erzieherinnen durch Fachberatung kontrolliert fühlen. Statusunterschiede in der Bewertung der Wirksamkeit der Fachberatung werden deutlich (Leiterinnen, Gruppenleiterinnen, Ergänzungskräfte und Sonstige bewerten unterschiedlich). Häufige Anwesenheit der Fachberatung in der Einrichtung korreliert mit besserer Bewertung der Qualitäten der Fachberatung. Die Fachberatung wird positiver beurteilt, wenn sie einen wertschätzenden Umgang mit den Erzieherinnen hat. Wenn sie die Arbeit kontrolliert und sich stärker um die Verwaltung kümmert, wird sie schlechter beurteilt. Das Verfügen der Fachberatung über gute praktische Fähigkeiten korreliert mit positiver Bewertung ihrer Arbeit.

Die Ausgangshypothese und deren Verifizierung Im Rahmen der empirischen Untersuchung wurde auch der Frage nachgegangen, inwieweit Erzieherinnen mit ausgeprägter Eigenverantwortung als Personmerkmal Fachberatung eher anfragen als Erzieherinnen, deren Eigenverantwortung niedriger ausgeprägt ist. Die Annahme, dass Erzieherinnen mit ausgeprägter Eigenverantwortung als Personmerkmal Fachberatung eher anfragen, stützt sich auf Praxiserfahrungen und kann nach Berechnung des Korrelationskoeffizienten ein Stück weit verifiziert werden (Korr. r=0,13 signifikant). Es gibt eine leichte Tendenz: die Fachberatung ist häufiger in der Einrichtung mit steigender Eigenverantwortung der Erzieherinnen. Dieses Ergebnis lässt folgende Interpretation zu: Es kann davon ausgegangen werden, dass Erzieherinnen mit ausgeprägter Eigenverantwortung als Personmerkmal Fachberatung im Hinblick auf die Erreichung ihrer beruf­ lichen Ziele eher in Anspruch nehmen als Erzieherinnen mit niedrigerer Eigenverantwortung. Erzieherinnen mit ausgeprägter Eigenverantwortung stehen häufiger in Kontakt mit der Fachberatung und nutzen das Beratungsangebot zu unterschiedlichen Problem- und Fragestellungen (Fortschreibung der einrichtungsspezifischen Konzeption, der Umstrukturierung der Einrich­tung, der Weiterentwicklung der Einrichtung zu einem Familienzentrum/Eltern-KindZentrum, der Qualitätssicherung, Qualitätsentwick­lung …). Diese Beratungsangebote werden in der Regel von der Fachberatung vor Ort in der Einrichtung durchgeführt. Vor diesem Hintergrund wird das Ergebnis nachvollziehbar: die Fachberatung ist häufiger in der Einrichtung mit steigender Eigenverantwortung.

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■■ Zusammenfassung und Empfehlungen Gefragt nach der Wirksamkeit der Fachberatung aus der Perspektive der Erzieherinnen, stellt sich die Wirksamkeit der Fachberatung als eingeschränkt dar und kann im Hinblick auf die Zielsetzung der Fachberatung (pädagogische Praxis zu qualifizieren und wirksam zu unterstützen) und die Erwartungen, die Träger und KiTas an Fachberatung knüpfen, nicht zufriedenstellen. Die Effizienz der Fach­ beratung zu erhöhen, stellt vor diesem Hintergrund eine Herausforderung dar. Auf der Grundlage der vorliegenden Befunde konnten eine Vielzahl an Stärken der Fachberatung markiert werden, auf die Fachberatung auch zukünftig setzen sollte, um wirksam zu sein. Diese Stärken lassen sie konkurrenzfähig sein hinsichtlich anderer Beratungsanbieter, die mit Beratungsofferten in das Feld der Elementarpädagogik drängen. Mit dem Einsetzen dieser Stärken werden auch die deutlich gewordenen Erwartungen der Adressatinnen an die Ausübung der Funktion der Fachberatung getroffen. (64 % der Befragten meinen, dass sie ausreichend praktische Erfahrungen in KiTas besitzt, und 69,6 % sind der Meinung, dass sie in Fragen der Praxis gut informiert und erfahren ist. 70,8 % geben an, dass sie in großem Umfang die Organisation von Fort- und Weiterbildung übernimmt.) Neben den Stärken konnten jedoch auch Defizite der Fachberatung ausgemacht werden, die die Qualität des Leistungsangebotes beeinflussen. (Nur 53,1 % stimmen der Frage nach regelmäßiger Verbindung zu den Erzieherinnen zu; 53,4 % meinen, dass sie Impulse für Reformen setzt; 46,3 % sind der Meinung, dass das Leistungsangebot auf die Bedürfnisse der Nutzer hin ausgerichtet ist.) Im Hinblick auf die festgestellten Defizite sind Investitionen in die An­ hebung der Qualität des Leistungsangebotes erforderlich. Veränderungen sind auf den defizitären Feldern einzuleiten, damit Fach­ beratung ihren Auftrag, pädagogische Praxis zu qualifizieren und wirksam zu unterstützen, erfüllen kann. Bezüglich der Steigerung der Erfolgschancen der Fachberatung und ihrer Wirksamkeit haben die Untersuchungsergebnisse verdeutlichen können, dass Fachberatung sich in der Ausübung ihrer Funktion auszeichnen sollte durch: ◆◆ ◆◆ ◆◆ ◆◆ ◆◆ ◆◆ ◆◆ ◆◆

Beratungskompetenz Feldkompetenz Praxisnähe Nutzerorientierung praktische Qualitäten im Feld der Elementpädagogik adäquate Rahmenbedingungen Selbstevaluation das Setzen von Impulsen von Innovationen

… damit sie in der Ausübung ihrer Funktion Wirksamkeit begründet.

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Beratungskompetenz Fachberatung sollte über Beratungskompetenzen verfügen, die sich in Nettigkeit und Wertschätzung gegenüber den Adressatinnen ausweist. Sie wertet die Arbeit der Adressatinnen, zeigt Verständnis und ist authentisch in der Begegnung. Sie bietet eine partnerschaftliche Beratung aus der Nähe zu Erziehe­rinnen an.

Feldkompetenz Sie sollte über aktuelle Informationen und Erfahrungen im Feld der Elementarpädagogik verfügen, neue gesetzliche Grundlagen erläutern und über die Entwicklungen im KiTa-Bereich informieren. Sie macht die Bildungspläne der Länder bekannt und gibt Impulse zur Umsetzung der Bildungsstandards. Ferner sollte sie über praktische Qualitäten in KiTas verfügen, die sie als Grundlage für ein überzeugendes Leistungsangebot einbringt.

Praxisnähe Fachberatung sollte in regelmäßiger Verbindung zu den Erzieherinnen stehen, häufig präsent in den Einrichtungen sein und sich so impulsgebend für Entwicklungsprozesse in den KiTas einbringen. Sie geht mit einem transparenten Leistungsangebot auf die Zielgruppe zu und wartet nicht ab, bis die Adressa­ tinnen sie anfordern. Hierdurch steigert sie die Inanspruchnahme und ihren Gebrauchswert (von der Komm- zu einer Gehstruktur). Sie organisiert Fortund Weiterbildungen in großem Umfang und verfügt auf der Basis ihrer Praxisnähe über Kenntnisse der Fortbildungsbedarfe und kann diese in bedarfsgerechte Angebote einfließen lassen. Sie vertritt die Erzieherinneninteressen nach oben.

Nutzerorientierung Das Leistungsangebot der Fachberatung sollte auf die Nutzer hin ausgerichtet sein und den Nutzern gegenüber transparent gemacht werden. Die spezifische Dienstleistung wird über ein Konzept, ein Leitbild, einen Flyer oder eine Homepage ausgewiesen. Fachberatung macht zielgruppenspezifische Angebote. Fachberatung ist präsent in den Einrichtungen über regelmäßige Besuche vor Ort. Sie verfügt über Einblicke in den KiTa-Alltag, stellt den Erzieherinnen ausreichend Zeit zur Ver-

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fügung und bietet eine enge Zusammenarbeit an und gewährleistet die Erreichbarkeit. Das Leistungsangebot umfasst neben Fortbildungsangeboten in gleichem Umfang Beratungsgespräche, Teamberatung und In-Haus-Seminare.

Praktische Qualitäten im Feld der Elementarpädagogik Fachberatung sollte über gute praktische Qualitäten verfügen, damit sie einen Vorteil hat gegenüber anderen Anbietern, die mit Beratungsofferten in das Feld der Elementarpädagogik drängen. Fachberatung mit eigener Praxiserfahrung und praktischen Fähigkeiten im Elementarbereich kann sich gegenüber den Erzieherinnen eher ausweisen als praktische Expertin. Sie kennt aus eigener Erfahrung die Problemlagen, die sich den Erzieherinnen im pädagogischen Alltag stellen und ist in der Lage, nicht nur vorzudenken, sondern auch konkret vorzumachen. Das Gute vormachen, damit es andere nachmachen können. Fachberatung, die über praktische Fähigkeiten verfügt, kann als Modell fungieren, an dem sich die Erzieherinnen orientieren können.

Adäquate Rahmenbedingungen Fachberatung sollte über adäquate Rahmenbedingungen verfügen, die eine regelmäßige Präsenz in den Einrichtungen ermöglichen. Hierzu gehören zeitliche Ressourcen, ein Arbeitszuschnitt, der die „Feuerwehrfunktion“ nicht begünstigt, d. h. die Zuständigkeit für eine der Funktion angemessene Zahl von Einrichtungen.

Selbstevaluation Im Rahmen der Qualitätssicherung sollte die Fachberatung sich den gleichen Anforderungen stellen, wie die Adressatinnen und ebenfalls nach Qualitätsstandards arbeiten. Sie arbeitet nach Qualitätsstandards auf der Grundlage einer schriftlich fixierten Konzeption und holt regelmäßig Feedback zu ihrem Leistungsangebot ein. Sie evaluiert ihr Leistungsangebot als Grundlage für Weiterentwicklungen.

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Das Setzen von Impulsen für Innovationen Fachberatung sollte den Transfer zwischen Wissenschaft und Praxis herstellen. Mit Kenntnissen über bildungspolitische Trends, Informationen über wissenschaftliche Erkenntnisse und neue pädagogische Ansätze schafft Fachberatung eine Grundlage für Innovationen. Innovative Akzente als eine besondere Stärke der Fachberatung. Da verschiedene Befunde darauf hinweisen, dass im Hinblick auf das oben gezeichnete Anforderungsprofil Qualifikationsdefizite bei den Fachberaterinnen bestehen, ist eine Qualifikationsinitiative für Fachberaterinnen unerlässlich. Qualifizierungsprogramme sollten von jedem Bundesland initiiert und unter Beteiligung der Landesjugendämter für alle Fachberaterinnen trägerübergreifend angeboten werden. Die Qualifizierungsprogramme sind am Auftrag der Fachberatung zu orientieren und an den wesentlichen Kernaufgaben auszurichten. Der Umsetzung der bildungspolitischen Ziele, die die Bundesländer mit der Implementierung ihrer Bildungspläne verfolgen, sollte im Rahmen der Qualifizierungsprogramme ein besonderer Stellenwert zukommen.

■■ Literatur Bierhoff, H. W./Wegge, J./Bipp, T./Kleinbeck, U./Alltig-Grabosch, C./Schulz, ST. In: Zeitschrift für Personalpsychologie, 4 (1, 4–18), Hogrefe Verlag, Göttingen 2005 Bollig, S./Lorra, F.: Mitgliederbefragung der Fachberatung im Diözesan-Caritas-Verband Trier in: Zur Sache KiTa 2006 Hebenstreit, S.: Fachberatung für Tageseinrichtungen für Kinder  – Konzeption, Arbeitsfeld und berufliches Selbstbild, München 1984 Hense, M.: Zur Wirksamkeit der Fachberatung – eine empirische Studie unter: http:// bieson.ub.uni-bielefeld.de/volltexte/2009/1493/ Miedaner, L.: „Balanceakt Fachberatung“, Fachhochschule Esslingen, Hochschule für Sozialwesen (Hrsg.) 2002 Strätz, R.: Fachberatung, in: Strätz, R.: Neue Konzepte für Kindertageseinrichtungen. Eine empirische Studie zur Situations- und Problemdefinition der beteiligten Interessengruppen – Landesbericht Nordrhein-Westfalen, Köln, o. J. S. 51–58

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Standortbestimmung und Neuorientierung

Für eine Annäherung an und Auseinandersetzung mit dem Thema Fach­ beratung für Kindertagesbetreuung sollte zu Beginn eine systematische Analyse der wissenschaftlichen Forschung sowie der Fachpraxis stehen. Diese Vorgehensweise kann aber für das Instrument bzw. System Fachberatung kaum eingehalten werden. Denn es gibt weder ausreichende wissenschaftliche Untersuchungen noch valide Kennzahlen über das Vorkommen, die Ausgestaltung sowie die rechtliche und strukturelle Verankerung der Fachberatung in den Ländern. Lediglich für den Freistaat Sachsen kann auf eine aktuelle wissenschaftliche Evaluation zurückgegriffen werden (vgl. Sächsisches Landesamt für Familie und Soziales 2001; Sächsisches Staatsministerium für Soziales 2005). Ebenso unbeleuchtet ist die historische Entwicklung von Fachberatung sowie die Ausformung eines Profils bzw. Berufsbildes. Vorhandene einzelne Fachbeiträge, Empfehlungen und Positionspapiere von Verbänden, Trägern und Vertreterinnen der Fachöffentlichkeit können  – bei aller Wertschätzung für diese Arbeiten  – das Manko der Datenlage sowie der wissenschaftlichen und fachpolitischen Auseinandersetzung mit diesem Thema nicht füllen. Mit diesem Beitrag soll gleichwohl der Versuch einer systematischen Einordnung und Bewertung des Instrumentes „Fachberatung“ unternommen, Handlungsbedarfe aufgezeigt und Impulse für dessen Weiterentwicklung gegeben werden. Grundlage hiefür bilden neben der bereits benannten Literatur auch Diskussionen und Ergebnisse von Fachveranstaltungen, die der Deutsche Verein für öffentliche und private Fürsorge e. V. in den letzten Jahrzehnten für Fachberaterinnen angeboten hat.

■■ Kurzer historischer Rückblick Der Versuch, die historischen Entwicklungslinien von Fachberatung nachzuzeichnen, zeigt ein erhebliches Forschungsdefizit. Bislang gibt es keine Literatur, die eine umfassende Aufarbeitung ermöglicht. Aber die Auseinandersetzung mit dem Thema Fachberatung greift zu kurz, wenn ihre Geschichte unberücksichtigt bleibt, da im Rückblick wertvolle Erkenntnisse auch für heutige Problemlagen in diesem Feld gewonnen werden könn(t)en.

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So finden sich zumindest Ansätze für eine Auseinandersetzung mit der historischen Entwicklung von Fachberatung in einzelnen Fachbeiträgen, z. B. in einer Tagungsdokumentation von 1995 (Irskens 1995, S. 9 ff.) sowie einer Dissertation zur Wirksamkeit von Fachberatung (Hense, 2009). Bereits im 19. Jahrhundert bis zum 2.  Weltkrieg haben vor allem die Ausbildungsinstitutionen die Qualifizierung von Erzieherinnen (bzw. Kindergärtnerinnen) vorgenommen. Insbesondere die kirchlichen Institutionen erkannten zum damaligen Zeitpunkt, dass die Erzieherinnen eine regelmäßige, fachliche Begleitung benötigten. Aus diesem Grund wurden durch Lehrkräfte der Ausbildungsstätten Jahreskonferenzen und regionale Arbeitskreise angeboten. Nach dem 2. Weltkrieg übernahmen sogenannte Jugendleiterinnen oder Jugendfürsorgerinnen die Aufgabe der Qualifizierung von Erzieherinnen. Diese sollten quasi als Schaltstalle zwischen Trägern und Fachkräften Einfluss auf die Durchführung und Ausgestaltung der pädagogischen Arbeit in Kindertageseinrichtungen nehmen. In der Zeit der pädagogischen Reformbewegungen der 60- und 70er Jahre erfolgte dann eine flächendeckende Etablierung von Fachberatung. Mit der Veränderung der Fachschulstrukturen zogen sich die Ausbildungsinstitutionen aus der Weiterqualifizierung der Erzieherinnen zurück. Gleichzeitig fand damals ein qualitativer und quantitativer Ausbau der Kindertageseinrichtungen statt, der eine Neu- und Umorientierung in der Fort- und Weiterbildung von Erzieherinnen erforderte. Vor allem die Diakonischen Werke, die DiözesanCaritas­verbände sowie der Zentralverband katholischer Kinderhorte und Kleinkinderanstalten etablierten die Fachberatung großflächig in ihrem Bereich. Auf Seiten der kommunalen Träger fand ein stärkerer Ausbau von Fachberatung erst Mitte der 90er Jahre statt. Als Ursache hierfür kann sicherlich die Novellierung des Jugendwohlfahrtsgesetzes zum Kinder- und Jugendhilfegesetz und der damit verbundenen Einführung eines Rechtsanspruches auf einen Betreuungsplatz für Kinder von 3 bis 6 Jahren benannt werden. Letzterer bedingte wiederum einen weiteren quantitativen und qualitativen Ausbau von Kinder­ tageseinrichtungen. Welche Auswirkungen die gegenwärtigen Entwicklungen im Feld der Kindertagesbetreuung rein quantitativ auf den Ausbau von Fachberatung haben, lässt sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht abschätzen, da es bislang keine bundesweite Evaluation von Fachberatung gibt. Es ist davon auszugehen, dass für die Fachberatung mit den vorab skizzierten Entwicklungslinien und Umbrüchen immer auch Veränderungen hinsichtlich ihrer Aufgabenstellungen und Rahmenbedingungen einhergingen. Allerdings würde eine differenzierte Analyse dessen jedoch den Rahmen dieses Artikels sprengen, müsste aber gleichwohl erfolgen, will man sich ein umfassendes Bild von Fachberatung machen bzw. ihre Weiterentwicklung vorantreiben.

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Standortbestimmung und Neuorientierung

■■ Fachpolitische Diskussion der vergangenen Jahrzehnte Auffällig ist, dass das Thema Fachberatung wie in Wellenbewegungen immer wieder im fachpolitischen Diskurs „auftaucht“, jedoch ohne, dass bislang eine differenzierte, kontinuierliche und umfassende wissenschaftliche Befassung mit diesem Thema folgt(e). Blickt man genauer auf dieses Phänomen, lässt sich leicht feststellen, dass Fachberatung insbesondere dann in den Fokus der fachpolitischen Öffentlichkeit gerät, wenn es im Feld der Kindertagesbetreuung zu Umbrüchen kommt, sei es in den 70er Jahren, den 90er Jahren oder jetzt, aktuell im Kontext der momentanen Entwicklungen im Bereich der frühkindlichen Bildung, Erziehung und Betreuung. Bereits in den 90er Jahren hatte der Deutsche Verein für öffentliche und private Fürsorge e. V. (Münch 2008, S. 521 ff.) im Rahmen des Arbeitsschwerpunktes „Personal- und Qualitätsentwicklung“ einen Vorstoß zur fachpolitischen Auseinandersetzung innerhalb des Feldes und mit dem Thema Fachberatung gemacht. Es wurden Fachtagungen und Open-Space-Veranstaltungen durchgeführt, Publikationen erarbeitet, Diskussionen angestoßen usw. Die Relevanz, sich zum damaligen Zeitpunkt mit Fachberatung auseinanderzusetzen, ergab sich aus den gesetzlichen Neuerungen (Novellierung des Jugendwohlfahrts­ gesetzes zum Kinder- und Jugendhilfegesetz, KJHG) und den damit verbundenen qualitativen und quantitativen Entwicklungen in der Kindertagesbetreuung (Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz für Kinder ab dem 3. Lebensjahr). In der mit diesen Veränderungen einhergehenden Aufbruchstimmung richtete sich der Blick auf die Bedeutung der Fachberatung für die bereits seinerzeit als notwendig erachtete qualitative Weiterentwicklung der Kindertageseinrichtungen. Die fachpolitische Auseinandersetzung in den 90er Jahren hatte jedoch, wenn man ehrlich ist, nur geringe Nachwirkungen hinsichtlich einer Veränderung der Strukturen und Verbesserung von Rahmenbedingungen von Fachberatung. Gleichwohl ist die damals geleistete Arbeit und Auseinandersetzung nicht hoch genug zu bewerten, denn erstmals wurde in dieser Zeit der Versuch einer konkreten und so weit wie möglich differenzierten Profilbestimmung und Aufgabenbeschreibung von Fachberatung unternommen (Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge e. V. 1995). Diese sind bis heute Grundlage weiterführender Diskussionen und der Erarbeitung von theoretischen Konzepten und Empfehlungen. Gleichwohl existieren nach wie vor nicht bei allen Trägern explizite, für die Arbeit der Fachberaterinnen jedoch unerlässliche Stellen­ beschreibungen. Nur vereinzelt haben in den vergangenen Jahren Länder, Verbände und Träger Empfehlungen, Konzepte oder Qualifizierungsmaßnahmen für Fachberatung entwickelt. Insgesamt muss deshalb festgestellt werden, dass Fachberatung seit den 90erJahren als fach- und berufspolitisches Thema mehr oder weniger wieder im

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„stillen Kämmerlein der unbeachteten Selbstverständlichkeiten“ verschwunden ist. Vor dem Hintergrund der gegenwärtigen Umbruchsituation in der Kinder­ tagesbetreuung wie auch in der Ausbildung der Erzieherinnen versucht der Deutsche Verein wiederum den fachpolitischen Fokus auf das Thema Fachberatung zu richten und bietet seit 2007 ein jährlich stattfindendes Forum für Fachberatung an.1 Die bislang stattgefundenen Veranstaltungen zeigen, dass der Bedarf seitens der Fachberaterinnen groß ist, sich einerseits über Länder- und Trägergrenzen hinweg mit ihrer eigenen Situation, den an sie gestellten Anforderungen auseinanderzusetzen und andererseits Perspektiven für ihr Berufsfeld zu entwickeln. Doch es reicht nicht, wenn Fachberatung sich nur mit sich selbst beschäftigt. Das kann nur eine Seite sein. Die andere ist, die Fach- und politische Öffentlichkeit auf dieses Unterstützungssystem im Bereich der Kinder­ tagesbetreuung aufmerksam zu machen und zum Handeln für dessen (Weiter-) Entwicklung zu bewegen.

■■ Profil, Rollen und Aufgaben von Fachberatung Fachberatung, was ist das eigentlich? Schaut man auf die (wenige) Fachliteratur, so trifft man auf ein diffuses Konglomerat aus Begrifflichkeiten, Konzepten, Aufgaben, Rollen, Funktionen und Zuschreibungen. Einerseits ist der Begriff Fachberatung als etwas Feststehendes und Bekanntes im Bereich der Kinder­ tagesbetreuung etabliert. Fragt man aber andererseits danach, was Fachberatung im Konkreten ist, dann wird es äußerst schwierig, eindeutige und klare Antworten in der Literatur und Fachpraxis zu finden. Fachberatung bezeichnet eine Tätigkeit, die ganz unterschiedlich ausgestaltet und in verschiedenen Hierarchiestufen der öffentlichen und freien Jugendhilfe, aber inzwischen auch außerhalb klassischer Jugendhilfestrukturen angesiedelt sein kann. Für Fachberatung gibt es jedoch weder eine Ausbildung, noch eine  – berufskundlich verstandene  – längerfristige Anlernzeit wie beispielsweise bei Lehrerinnen oder Erzieherinnen. Mit Blick auf Fachberatung wird demnach von einem unechten Anlernberuf gesprochen. Ebenso wenig ist Fachberatung ein geschützter und eindeutig definierter Begriff. Bedingt durch die inhalt­liche und strukturelle Heterogenität ist Fachberatung für Kindertages1 Die Veranstaltungen greifen aktuelle Fragen im Bereich der Kindertagesbetreuung auf und dienen einerseits dazu, die bislang gemachten Erfahrungen der Fachberaterinnen transparent zu machen. Andererseits sollen Wege aufgezeigt werden, wie die Profession der Fachberatung in den Ausbauprozess eingebunden werden kann. Dieses Forum ist konzipiert als eine jährlich stattfindende Veranstaltung und offen für alle Fachberaterinnen aus dem Bereich der Kindertagesbetreuung.

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betreuung noch weit davon entfernt, Berufsidentität für die Ausführenden zu schaffen, so wie es andere Berufsbilder tun können. Folgende Beschreibung verdeutlicht das definitorische Dilemma und daraus resultierend das Spannungsfeld, in dem Fachberatung (seit Jahrzehnten) steckt: Durch ihre spezifische Rolle, Aufgabenzuschnitte, ihren Einblick in verschiedene Einrichtungen und Strukturen der Jugendhilfe hat Fachberatung eine tragende, koordinierende, vermittelnde und moderierende Funktion in der Ausgestaltung von Kindertagesbetreuung. Darüber hinaus gibt sie Denkanstöße und Unterstützung in Veränderungsprozessen von Einrichtungen und Trägern. „Das berufliche Profil von Fachberatung zeichnet sich aus durch Transfer- und Steuerungsleistungen zwischen Mitarbeiterinnen und Einrichtungsträgern, Wissenschaft und Praxis, Politik, Verwaltung und Pädagogik, Tradition sowie Innovation“. Fachberatung stellt eine personenbezogene, strukturentwickelnde soziale Dienstleistung dar, die qualitätsentwickelnd und -sichernd im Bereich der frühkindlichen Bildung, Betreuung und Erziehung (i.F. FBBE) wirkt. „Mit Fachberatung verbindet sich eine Vielfalt von Aufgaben und Organisationsformen. Hierzu gehören die fachliche, entwicklungs- und organisationsbezogene Beratung der Träger, der Leitungen und der Mitarbeiterinnen von Kinder­ tagesstätten zu einer aktiven und integrierenden Vernetzung von Maßnahmen“. Unterschieden werden Aufgabenbereiche wie Aufsichtsfunktion, pädagogische Sachbearbeitung, beratende und steuernde Funktion im Trägersystem und Beratungsaufgaben bezogen auf Kindertageseinrichtungen und inzwischen auch Kindertagespflege. Am schärfsten zeigt sich der für die Fachberatung charakteristische Spannungsbogen in der Koppelung von Fach- und Dienstaufsicht. Auf der einen Seite hat Fachberatung die Aufgabe, die Fachkräfte in den Einrichtungen und zunehmend auch in der Kindertagespflege zu beraten, welches Vertrauen und Offenheit auf beiden Seiten voraussetzt, auf der anderen Seite entscheidet sie gleichzeitig z. B. über Stellenbesetzungen, Sanktionen oder gar Kündigungen. Zudem ist momentan zu beobachten  – auch bedingt durch den enormen Ausbaudruck, der auf den Kommunen und Trägern lastet  – dass sich der „klassische“ Ansatz einer pädagogischen Fach-Beratung sukzessive verschiebt in Richtung einer stärkeren, nicht selten ausschließlichen Organisationsberatung für eine seitens der Träger avisierte Transformation einer Einrichtung/ eines Teams (z. B. mit Blick auf die Aufnahme von Kindern unter drei Jahren). Dazu kommt noch, dass der Qualitätsbegriff in vielen Einrichtungen nicht eindeutig ist, sondern z. B. durch Qualitätsmanagement-Systeme der Träger oder Gütesiegel determiniert wird, welche wiederum den Erkenntnissen und Befunden der modernen Kleinkindpädagogik zuwider laufen können. Zudem wird diese Situation stellenweise beeinflusst von subjektorientierten Finan­ zierungssystemen, die es in einigen Bundesländern gibt, und die sich erheblich auf die faktische Ausgestaltung der Arbeit in den Einrichtungen aus-

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wirken. Dies sind nur einige Punkte, die die Arbeit, die Rollen, das Profil von Fachberatung tangieren. Es zeigt sich, dass der immer schon vorhandene Rollenkonflikt weiter pluralisiert wird, bei gleichzeitiger Individualisierung der Problem­lösungsmöglichkeiten. Vielerorts erleben sich Fachberaterinnen als Einzelkämpferinnen und sind es faktisch auch. Längst nicht bei allen Trägern und in allen Ländern gibt es entsprechend tragende Netzwerke, noch gibt es einen Berufsverband oder Ähnliches. Fachberatung muss – eingebunden in hierarchische Strukturen und ohne auf eine klare Berufsidentität sowie aller damit verbundenen Implikationen als auch entsprechender Ressourcen zurückgreifen zu können – oftmals individualisierte Lösungen in diesen gegenwärtigen Umbruchprozessen finden. Und manchmal kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass das System implodiert, weil Fachberatung als System – still gestellt durch die eigene Heterogenität und Diffusität – kein Sprachrohr nach außen hat. Deshalb ist eine Verständigung über ein Berufsbild „Fachberatung“ wichtiger denn je. Es braucht eine transparente Beschreibung der Kompetenzen, beruflichen Vorqualifikationen, Profile, Qualitätsstandards, strukturellen, finanziellen und gesetzlichen Rahmenbedingungen von Fachberatung sowie Abgrenzungskriterien hinsichtlich der Aufgabenschwerpunkte von trägergebundener und freiberuflicher Fachberatung.

■■ Rechtliche Rahmenbedingungen In den 90er Jahren wurde mit der Novellierung des damaligen Jugendwohlfahrtsgesetzes (JWG) zum Kinder- und Jugendhilfegesetz (KJHG) Fachberatung bundesgesetzlich verankert. Mit § 72 SGB VIII erging der gesetzliche Auftrag an die Träger der öffentlichen Jugendhilfe, Fortbildung und Praxisberatung der Mitarbeiterinnen der Jugendämter und Landesjugendämter sicherzustellen. Die Länder wurden aufgefordert, Fachberatung in ihre Ausführungsgesetze zu verankern und durch Finanzierungsbeteiligung abzusichern. Doch das ist bis heute längst nicht in allen Ländern der Fall. Denn blickt man heute auf Landesausführungsgesetze des SGB VIII und die Gesetze zur Ausgestaltung der Kindertagesbetreuung, bietet sich ein eher dürftiges Bild. In einer ersten Recherche derselben, findet sich explizit nur für Thüringen eine Verankerung von Fachberatung im Landesausführungsgesetz, das gleichzeitig auch das Gesetz zur Kindertagesbetreuung ist. Im Thüringer Gesetz über die Bildung, Erziehung und Betreuung von Kindern in Tageseinrichtungen und in Tagespflege als Ausführungsgesetz zum Achten Buch Sozialgesetzbuch – Kinder- und Jugendhilfe. Dort heißt es in § 15 (Fortbildung) Abs. 1 bis Abs. 3 ThürKiTaG: „(1) Die Fortbildung der pädagogischen Fachkräfte der Kindertageseinrichtung ist Aufgabe des Landes und der Träger. Das Land kommt dieser

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Aufgabe dadurch nach, dass es Fortbildungsmaßnahmen anbietet und die Qualifizierung des Unterstützungssystems nach Maßgabe des Landeshaushalts unterstützt. (2) Das Unterstützungssystem umfasst alle verfügbaren, abrufbaren und organisierten Angebote zur eigenverantwortlichen Qualitätsentwicklung in Kindertageseinrichtungen, insbesondere Fachberatung durch das Landesjugendamt, die Jugendämter und die freien Träger sowie Konsultationseinrichtungen und Multiplikatoren. (3) Der örtliche Träger der öffentlichen Jugendhilfe bietet Fachberatung und Fortbildung insbesondere für kommunale Träger an und koordiniert trägerübergreifende Fortbildungen. Er arbeitet eng mit dem Unterstützungssystem für Kindertageseinrichtungen und dem Unterstützungssystem für Grundschulen zusammen.“ Thüringen ist bislang auch das einzige Land, dass in einem Landesausführungsgesetz von einem Unterstützungssystem spricht, welches ebenso einer Qualifizierung bedarf. Auch das Land Rheinland-Pfalz wendet sich seit einiger Zeit auf vielfache Weise der Qualifizierung und Vernetzung von Fachberatung zu und bietet regelmäßige Fortbildungsveranstaltungen zu aktuellen für die Fachberatung relevanten Themen an. Doch solche Initiativen sind in den Ländern insgesamt eher selten zu finden. Ansonsten ist die Benennung und damit Verankerung von Fachberatung in den Gesetzen der Länder sehr unterschiedlich ausgestaltet. Während Sachsen in seinem Gesetz zur Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen von 2005 einen ganzen Absatz (§ 21, ­SächsKiTaG) der Qualitätsentwicklung, Fort- und Weiterbildung, Fachberatung und Qualifikation widmet, sieht das in anderen Bundesländern (wenn überhaupt) eher mager aus. Meist findet sich in den Gesetzen nur ein Hinweis darauf, dass der Träger der Kinder- und Jugendhilfe Fortbildungen zu ermöglichen hat. Eine Erfassung und fundierte Analyse der rechtlichen Verortung von Fachberatung in den Landesgesetzen wäre sicherlich mit Blick auf die Weiterentwicklung von Fachberatung ein wichtiger Baustein. Die konkrete Ausgestaltung der Fachberatung und deren Aufnahme in die Finanzierungsrichtlinien liegt nicht in der gesetzlichen Hoheit des Bundes, sondern ist Aufgabe der Länder. Demzufolge wäre es – mit Blick auf die nach wie vor fehlende flächendeckende landesgesetzliche Verortung von Fachberatung – dringend geboten, dass sich die Jugend- und Familienminister Konferenz (JFMK) und die Kultusministerkonferenz (KMK) als die zuständigen Ministerkonferenzen dieses Themas annähmen. Gleichwohl kann sich der Bund nicht gänzlich aus der Verantwortung ziehen, da das SGB VIII nach wie vor in seine Gesetzgebungskompetenz fällt. Deshalb sollte auch auf dieser Ebene nach Möglichkeiten gesucht werden, die Länder stärker als bisher an ihre Ausführungsverantwortung zu erinnern und entsprechende Initiativen und Projekte an­gestoßen werden.

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■■ Die strukturelle Verankerung der Fachberatung und ihre Implikationen

Kindertagesbetreuung ist in den Ländern bzw. in den Ministerien unterschiedlich verortet, teilweise sind die Sozialministerien und/oder die Kultusministerien dafür zuständig, je nachdem, wo der Schwerpunkt für den FBBE-Bereich in den Ländern gelegt wird. Beispielsweise ist in Thüringen der Bereich Kindertagesbetreuung auf insgesamt drei Abteilungen und zwei Ministerien verteilt. Ebenso ausdifferenzierte Ressortzuschnitte finden sich in Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Sachsen (jeweils zwei Ministerien). Die Reihe ließe sich sicherlich noch fortsetzen. Auf den ersten Blick erscheint dies auch als eine Folge der Föderalismus­ reform, die eine Dezentralisierung der Verantwortungsbereiche und Zuständigkeiten im Feld der Kindertagesbetreuung nach sich gezogen hat. Gleichzeitig führt die Diskussion um die Bedeutung der frühkindlichen Bildung in einigen Ländern zu Neuzuschnitten innerhalb der und zwischen den Ministerien. Kindertageseinrichtungen und Kindertagespflege werden zunehmend als Orte der frühkindlichen Bildung und damit als grundlegende Faktoren für ein Gelingen der schulischen Bildung gesehen und anerkannt. Das hat aber in einigen Ländern zur Folge, dass der Bereich der Kindertagesbetreuung nicht mehr als eigenständiger und spezifischer Bildungsort wahrgenommen, sondern vor allem unter dem Aspekt Schule subsumiert wird. Es ist durchaus davon auszugehen, dass sich die besagte Ausdifferenzierung und Dezentralisierung von Zuständigkeiten für den Bereich der Kindertages­ betreuung auf den Umgang und die Auseinandersetzung mit Fachberatung auswirkt, insbesondere hinsichtlich der Frage, welches Ministerium beispielsweise dafür zuständig wäre, Fachberatung auf Landesebene per Landesausführungsgesetz gesetzlich zu verankern und Rahmenbedingungen für die Ausgestaltung zu schaffen. Eine genaue Analyse dieser strukturellen Verortung und ihrer Implikationen für das System Fachberatung steht jedoch noch aus. Fachberatung ist, wie bereits beschrieben, Aufgabe der örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe sowie der anerkannten freien Träger der öffentlichen Jugendhilfe. Die Letztverantwortung für die Sicherstellung von Fachberatung tragen jedoch die Länder. Blickt man auf die Träger, so zeichnet sich ein sehr heterogenes Bild in der strukturellen Verankerung von Fachberatung ab. Zum einen kann Fachberatung bei den Dachverbänden der freien Träger der öffentlichen Jugendhilfe angesiedelt sein (wie beispielsweise beim Caritasverband), zum anderen direkt beim Träger – wie es bei den örtlichen Trägern der öffentlichen Jugendhilfe (den Kommunen) zum größten Teil der Fall ist. Diese sind Träger der Einrichtungen und gleichzeitig Anstellungsträger der Fachberatung. Die unterschiedliche strukturelle Verortung von Fachberatung differenziert sich noch einmal aus, wenn man die freiberufliche Fachberatung in den Blick

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nimmt. So vielfältig wie die Trägerlandschaft im Feld der Kindertagesbetreuung ist, so vielfältig ist auch die Verankerung von Fachberatung. Dazu kommt noch, dass je nach Zielsetzung des Trägers ganz unterschiedliche Aufgaben­ bereiche und Zuständigkeiten für die Fachberatung vorgesehen sind. So kann sie ausschließlich für die Beratung von Kindertageseinrichtungen zuständig sein oder aber gleichzeitig die Beratung der Träger und/oder neben der FachBeratung und -aufsicht auch für die Dienstaufsicht inne haben. Oder anders formuliert: es reicht von der klassischen Fach-Beratung für die pädagogische Arbeit und Konzeptionsentwicklung, über die ausschließliche Beratung hinsichtlich organisatorischer Rahmenbedingungen bis hin zu einer wesentlich stärker auf die trägerspezifische Unternehmensstrategie ausgerichtete (Auftrags-)Beratung, um z. B. bestimmte strategische Ziele und operative Vorgaben des Trägers umzusetzen. Dass sich diese differenten Verortungen und Zuständigkeiten auf das Profil und (Selbst-)Verständnis von Fachberatung auswirken, ist anzunehmen.

■■ Exkurs: Forschungsneuland Fachberatung Es stellt sich nun die Frage, wie man sich dem „Flickenteppich“ Fachberatung nähern kann, ohne immer wieder Gefahr zu laufen, den Überblick zu verlieren und in dem Bemühen, dieses Qualifizierungssystem zu stärken und weiter zu entwickeln, an dessen Heterogenität zu scheitern. In der Sozial- und Handlungsforschung steht zu Beginn jeglicher Befassung mit einem noch unbekannten und wenig greifbarem Feld eine Bestandsaufnahme. Vereinfacht ausgedrückt: Man muss zunächst wissen, von was man redet, erst dann kann man handeln. Versucht man sich nun einen Überblick über den wissenschaftlichen Forschungsstand zum Thema Fachberatung zu verschaffen, so wird man nur bruchstückhaft fündig. Fachberatung erscheint als eine Blackbox in empirischer wie auch fachwissenschaftlicher Hinsicht. Valide Daten über das aktuelle Vorhandensein und die Ausgestaltung von Fachberatung in kommunaler, freigemeinnütziger und frei-gewerblicher Trägerschaft existieren kaum2 und bundesweit gar nicht. Gleiches gilt für die historische Entwicklung von Fachberatung und hinsichtlich ihres Profils bzw. Berufsbildes. Zwar finden sich vereinzelte Fachbeiträge, Evaluationsberichte, Empfehlungen und Positionspapiere, von einer umfassenden Auseinandersetzung mit dem Feld Fachberatung kann m. E. dennoch nicht gesprochen werden. Der Schwerpunkt einer Thematisierung und ggf. Auseinandersetzung lag in den vergangenen Jahren und liegt auch heute – bis auf wenige Ausnahmen 2 Eine Ausnahme bildet die bereits benannten Evaluationen in Sachsen von 2001 und 2008

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(vgl. Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge e. V. 1995; Hense 2009, S. 72 ff.) – mehrheitlich auf einer Bedeutungszuschreibung (Bertelsmann Stiftung, Länderreport Frühkindliche Bildungssysteme, S. 35), denn auf einer Befassung mit dem System Fachberatung selbst, mit dessen Strukturen, Rahmenbedingungen, dem Profil, der Rolle, den Aufgaben und Weiterentwicklungspotentialen bzw. -notwendigkeiten. Oder sie wird als Messinstrument genutzt bzw. Multiplikatorin für die Frage: „Wie qualifiziert sind die Fachkräfte im Bereich der Kindertagesbetreuung?“, wie beispielsweise in dem aktuellen Projekt „Weiterbildungsinitiative für Frühpädagogische Fachkräfte“ (Weiterbildungsinitiative Frühpädagogische Fachkräfte WiFF, www.weiterbildungsinitiative.de). Ziel dieses Projektes ist es, Innovationen im Aus- und Weiter­ bildungssystem frühpädagogischer Fachkräfte zu initiieren, zu fördern und zu begleiten. Das ist für sich genommen sehr zu begrüßen, aber schaut man genauer auf die Projektbeschreibung, so ist Fachberatung zwar ein Teilprojekt innerhalb der Bestandsaufnahme, dennoch vor allem Mittel zum Zweck, um den Qualifizierungsbedarf der Frühpädagogischen Fachkräfte zu eruieren. Es bleibt offen und zu hoffen, ob und dass der (Weiter-)Qualifizierungsbedarf von Fachberatung ebenso in den Blick dieses Bundesprojektes gerät. Wie bereits in der Vorbemerkung erwähnt, ist Sachsen das einzige Bundesland, in welchem in 2001 und in 2009 eine umfassende Bestandsauf­nahme von Fachberatung erfolgte und sie selbst, ihr Aufgabenprofil, ihre (Vor-)Qualifikation, ihre strukturellen und qualitativen Rahmenbedingungen in den Blick genommen wird. Erstmalig wurden in diesen Evaluationen auch ihre Rolle im Feld der Kindertagespflege thematisiert und dezidierte Empfehlungen zur Weiterentwicklung von Fachberatung festgehalten (Sächsisches Staatsministerium für Soziales 2008). Dabei zeigt sich, dass es innerhalb des Unterstützungssystems Fachberatung z. T. erhebliche „Defizite und mangelnde Passungen auf mehreren Ebenen gibt“, die dazu führen, „dass weder für die polistisch-administrative Steuerungsebene noch die pädagogische Praxis Fachberatung zuverlässig und in hinreichendem Umfang zur Verfügung steht“. Gründe hierfür sind unklare bzw. divergierende Aufgabenzuschreibungen, unzureichende finan­ zielle und zeitliche Ressourcen (letztere auch bedingt durch inadäquate Stellenzuschnitte), eine teilweise extrem hohe Anzahl von zu betreuenden Einrichtungen und Fachkräften sowie unzureichende Vorqualifikationen und mangelnde Qualifizierungsmöglichkeiten für die Fachberatung. Die Diskussion dieser Evaluationsergebnisse innerhalb des Landes Sachsen und über die Landesgrenzen hinaus, steht noch aus. Aber – bei aller Kritik an dieser Studie (z. B. hinsichtlich der Forderung, Fachberatung von trägerspezifischen Interessen zu entkoppeln oder der Frage nach der Repräsentativität der Untersuchung, vgl. hierzu: Sächsisches Staatsministerium für Jugend und Soziales – Landesjugendamt 2008) – sie ist bislang die einzige bekannte, aktuelle Bestandsaufnahme der Situation von Fachberatung. Es wäre wünschenswert,

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dass hiermit tatsächlich ein über die Ländergrenzen hinweg flächendeckender und anhaltender Diskurs in Wissenschaft, Politik und Praxis angestoßen wird (Braun 2009, S. 77–94). Es fehlen jedoch quantitative und qualitative, länder- und trägerübergreifende empirische Daten, die einen Überblick über die Situation von Fachberatung geben. Solange diese Forschungslücke aber nicht gefüllt ist, werden jeg­ liche Weiterentwicklungsbemühungen – egal von welcher Seite und auf welcher Ebene  – Stückwerk bleiben. Das Argument, dass eine derartig umfassende Bestandsaufnahme aufgrund der „unübersichtlichen“ strukturellen Verortung von Fachberatung und der heterogenen Aufgabenzuschnitte (auch wegen fehlender Stellenbeschreibungen) unmöglich ist, greift zu kurz, wenn man bedenkt, wie sehr gerade in den letzten Jahren die Forschung über Erzieherinnen boomt. Die Notwendigkeit dessen wird allerorten gesehen, warum jedoch wird nicht in gleichem Maße die Fachberatung in den Forschungsfokus gerückt? Und wie die Untersuchung in Sachsen gezeigt hat, ist es seitens der sozial­ wissenschaftlichen Forschung durchaus möglich, eine solche umfassende Evaluation durchzuführen.

■■ Impulse und Ausblicke – Quo Vadis Fachberatung? Die inzwischen größtenteils unbestrittene, gesamtgesellschaftlich hohe Bedeutung der Kindertagesbetreuung rückt die Frage der Qualität der in Kinder­ tageseinrichtungen und Kindertagespflege stattfindenden Bildungs- und Erziehungsprozesse als auch die nach der Qualifizierung der dort tätigen Fachkräfte immer mehr in den gesellschafts- und fachpolitischen Fokus. Die allseits ge­ forderte Verbesserung der frühkindlichen Bildung, Erziehung und Betreuung ziehen Implikationen in der Aus-, Fort- und Weiterbildung der mit dieser Aufgabe betrauten Erzieherinnen und Tagespflegepersonen nach sich. So heißt es bereits in den Empfehlungen der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter von 2003: „Zur Qualifizierung der Arbeit in den Kindertageseinrichtungen und als Impulsgeber für Veränderungen ist eine qualifizierte Fachberatung für Einrichtungsträger und für die pädagogischen Mitarbeiterinnen und Mit­ arbeiter wichtiger denn je.“ (Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugend­ ämter 2003, S. 3) In der OECD-Studie „Starting-Strong“ wurde für Deutschland ein z. T. erhebliches Vermittlungsproblem in die Praxis festgestellt. In diesem Kontext gewinnt Fachberatung als ein entscheidendes und von der Praxis akzeptiertes Instrument der Vermittlung und als Multiplikatorin von Ideen, Ini­ tiativen, Konzepten und Reformimpulsen immens an Bedeutung. Blickt man auf den aktuellen Ausbau der Kindertagesbetreuung für Kinder unter drei Jahren – so zeigt sich, dass die Fachberatung auch eine bedeutende Rolle bei der Weiterentwicklung der Kindertagespflege spielt, denkt man

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beispielsweise an die Diskussion um einen stärkeren Ausbau von spezifischen Fachdiensten. Vielerorts sind Fachberaterinnen nicht nur für Kindertageseinrichtungen, sondern auch für Kindertagespflege zuständig. Hier böte sich außerdem die Chance, nicht nur die Kooperation zwischen Kindertagespflege und Kindertageseinrichtungen voranzutreiben, sondern auch die Qualitätsdiskussion und Impulse in einem sich gegenseitig befruchtenden Prozess zwischen beiden Betreuungsformen stärker als bisher zu forcieren. Zusammenfassend werden folgende Problemfelder für eine künftige Auseinandersetzung und Verbesserung der Situation von Fachberatung deutlich: Dringender Handlungsbedarf besteht in der Frage der Ausbildung. Bislang existiert keine explizite Ausbildung für Fachberatung  – weder an den Fach- noch an den Hochschulen. Vereinzelt werden Überlegungen (z. B. in Brandenburg) für die Entwicklung eines entsprechenden Curriculums angestellt. Fachberatungen bringen höchst unterschiedliche Qualifikations- und Qualifizierungsprofile mit. Sie können Erzieherinnen mit einem höheren oder niedrigeren Grad an Praxiserfahrung sein, Diplom-Pädagoginnen, Sozialpädagoginnen (FH oder Uni), sog. Quereinsteigerinnen u. v. m. Diese Diffusität ist bedingt durch fehlende Stellenbeschreibungen seitens der Träger, aber auch durch die unterschiedlichen Aufgabenanforderungen in der Praxis. Gleich­wohl fordern Fachberaterinnen, dass es mittel- bis langfristig eine modulare, durchlässige und praxisorientierte Hochschulausbildung für Fachberatung geben muss. Grundlage dessen sollte die Entwicklung differenzierter Ausbildungsprofile und -inhalte sein. Neben fachspezifischen Kompetenzen, die den Bereich der Kindertagesbetreuung betreffen, müssen hier auch Kompetenzen in Kommunikation/ Moderation, Verwaltung, Personalführung, Beratung, Finanzen, Recht, Organisation etc. vermittelt werden. Darüber hinaus existiert kein abgestimmtes, träger- und länderübergreifendes Konzept der Fort- und Weiterbildung von gegenwärtig tätigen Fachberaterinnen. Diese müssen sich  – wie eingangs bereits gesagt  – ihre Qualifikation meist on the Job einholen und sind dabei auch noch in hohem Maße den Grenzen knapper Haushaltsmittel ausgesetzt. Das bedeutet, dass auch wenn auf beiden Seiten  – Fachberatung und Träger  – der Fort- und Weiterbildungsbedarf gesehen wird, dennoch nicht die dafür notwendigen zeitlichen und finanziellen Ressourcen zur Verfügung gestellt werden (können). Zwar gibt es von Seiten verschiedener Träger Fort- und Weiterbildungsangebote; in deren Genuss kommen aber zumeist auch nur die Fachberaterinnen, die bei diesen Trägern an­gestellt sind. Auf Seiten der Länderebene existiert nach bisherigen Erkenntnissen nur in wenigen Ländern (z. B. Brandenburg) ein Fort- und Weiterbildungskonzept. Wie hoch jedoch der Bedarf an einer trägerunabhängigen, landes- und bundesweiten Fort- und Weiterbildung bei den Fachberaterinnen ist, zeigt das Interesse an dem bereits erwähnten Forum für Fachberatung des Deutschen Vereins.

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Gegenwärtig ist ein nahezu flächendeckender Boom an Initiativen und Projekten auf Bundes- und Landesebene zu beobachten, der auf die Qualifizierung von Erzieherinnen und Tagespflegepersonen abzielt. Zunehmend entdecken (Fach-)Hochschulen dieses Feld für sich und bieten  – nach wie vor unabgestimmt und größtenteils ohne Einbeziehung der Fachschulen und Berufsakademien – Studiengänge für die frühkindliche Bildung, Betreuung und Erziehung an. Zielgruppe sind dabei vor allem angehende Erzieherinnen. Der Qualifikations- und Qualifizierungsbedarf von bereits tätigen und zukünftigen Fach­ beraterinnen bleibt bei den vorgenannten Ausbildungsinstitutionen bislang ausgeblendet. Es ist zumindest kritisch zu hinterfragen, warum in den aktuellen Initiativen und Diskussionen zu Qualifizierungsmaßnahmen für Erzieherinnen das System Fachberatung nicht in den Blick gerät. Der unbestritten bestehende Qualifizierungsbedarf von Erzieherinnen und Tagespflegepersonen wird allseits gesehen. Fachberaterinnen, die bereits seit Jahrzehnten ein fest etabliertes Qualitätssicherungs- und Entwicklungssystem für den FBBE-Bereich darstellen, finden dagegen weit weniger das Interesse des Bundes und der Länder. Mit Blick auf die aktuell rasanten Entwicklungen im Bereich der Kinder­ tagesbetreuung wie auch in der Ausbildung von Erzieherinnen, den vielfachen Qualitäts- und Qualifizierungsoffensiven auf Bundes-, Länder- und Trägerebene erscheint es deshalb dringend geboten, das nach wie vor noch diffuse und kaum untersuchte Feld der Fachberatung  – als eines der entscheidenden und praxisnächsten qualifizierenden Unterstützungssysteme für die Fachkräfte im Bereich der frühkindlichen Bildung, Betreuung und Erziehung – stärker in den Mittelpunkt der fachpolitischen Diskussion zu rücken. Qualität braucht Qualität! Das erfordert erstens eine Verständigung über quantitative Standards für die personelle Ausstattung von Fachberatung. Aufgrund der bestehenden Heterogenität im System Fachberatung wird dies aller Voraussicht nach nicht ohne eine entsprechende Normierung in den Gesetzen bzw. in den Verordnungen zur Personalausstattung in der Kindertagesbetreuung umsetzbar sein. Zweitens bedarf es qualitativer Rahmensetzungen hinsichtlich Aus-, Fort- und Weiterbildung sowie Praxiserfahrungen der Fachberaterinnen. Hierzu gilt es, ein qualifizierungs- und auswahlrelevantes Anforderungsprofil für und gemeinsam mit der Fachberatung auszuarbeiten. Und drittens geht es um die Formulierung von und Verständigung über gemeinsame Qualitätskriterien im Hinblick auf konkrete Arbeit der Fachberatung. Erzieherinnen sind in der Praxis auf Fachberatung angewiesen. Doch gut und zukünftig auch akademisch ausgebildete Erzieherinnen brauchen ein Qualifizierungssystem in ihrer Praxis, das ihnen adäquate Antworten geben kann, und nicht Fachkräfte, die in ihrer eigenen Qualifizierung und Berufsidentität auf der Strecke geblieben sind. Fachberatung trägt dazu bei, neue konzeptionelle und politisch gewünschte strukturelle Entwicklungen im Bereich der früh­ kindlichen Bildung, Betreuung und Erziehung zu unterstützen bzw. durchzu-

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setzen. Sie ist eine wirksame Form der Qualitätssicherung und -entwicklung im Arbeitsfeld Kindertagesbetreuung. Dieser Stellenwert muss sich endlich auch in den finanziellen, strukturellen und personellen Rahmenbedingungen von Fachberatung niederschlagen.

■■ Literatur Bertelsmann-Stiftung (Hrsg.): Länderreport Frühkindliche Bildungssysteme 2008, Gütersloh 2008 Braun, Ulrich: Qualität von Kindertageseinrichtungen  – beliebig oder verbindlich? Überlegungen aus kommunaler Perspektive. In: Altgeld, Karin; Stöbe-Blossey, ­Sybille (Hrsg.): Qualitätsmanagement in der frühkindlichen Bildung, Erziehung und Betreuung. Perspektiven für eine öffentliche Qualitätspolitik. Wiesbaden 2009 Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter (Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter: Empfehlungen zur Fachberatung. Beschlossen in der 95. Arbeitstagung vom 24.–26. November 2003 in Flehingen/Baden, 2003) Bundesjugendkuratorium: Zukunftsfähigkeit von Kindertageseinrichtungen. Stellungnahme des Bundesjugendkuratoriums. Juni 2008 Bundesministerium für Familien, Senioren, Frauen und Jugend, BMFSFJ, (Hrsg.): Bildung, Betreuung und Erziehung für Kinder unter drei Jahren – elterliche und öffentliche Sorge in gemeinsamer Verantwortung. Kurzgutachten des Wissenschaftlichen Beirates für Familienfragen beim Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Stand April 2008 Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge e. V. (Hrsg.): „Mit uns auf Erfolgskurs“. Fachberatung in Kindertagesstätten. Frankfurt am Main, 1995 Dichans, Wolfgang: Bedeutung, Rolle und Aufgaben der Fachberatung im Bereich der Tagesbetreuung von Kindern aus bundespolitischer Sicht. In: NDV 2/2009, 89. Jg. Hense, Margarita: In Fachberatung investieren. In: Klein & Groß 1997, Heft 7 Hense, Margarita: Zur Wirksamkeit der Fachberatung – eine empirische Studie. Dissertation zur Erlangung des Doktorgrades der Philosophie der Fakultät für Psychologie und Sportwissenschaft der Universität Bielefeld, 2009. Irskens, Beate: Fachberatung. In: Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge e. V. (Hrsg.): „Mit uns auf Erfolgskurs“. Fachberatung in Kindertagesstätten. Frankfurt am Main, 1995 Münch, Maria-Theresia: Fachberatung für Kindertagesbetreuung  – Standortbestimmung und Neuorientierung. In: NDV, 12/2008, 88. Jg. Sächsisches Landesamt für Familie und Soziales. Landesjugendamt: Zusammenfassung der Ergebnisse aus den Untersuchungen des Sächsischen Landesjugendamtes zum Einsatz und zur Inanspruchnahme von Fachberatung in Kindertageseinrichtungen (Stand 2001) Sächsisches Staatsministerium für Jugend und Soziales  – Landesjugendamt: Stellungnahme des Landesjugendhilfeausschusses zum Abschlussbericht der Evaluierung der Personalausstattung in Kindertageseinrichtungen sowie Strukturen und Angebote der Fachberatung für Kindertageseinrichtungen und Kindertagespflege in Sachsen vom 31. Juli 2008

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Standortbestimmung und Neuorientierung

Sächsisches Staatsministerium für Soziales: Evaluierung der Personalausstattung in Kindertageseinrichtungen sowie Struktur und Angebote der Fachberatung für Kindertageseinrichtungen und Kindertagespflege in Sachsen. Abschlussbericht vom 31. Juli 2008 Thüringer Gesetz über die Bildung, Erziehung und Betreuung von Kindern in Tageseinrichtungen und in Tagespflege als Ausführungsgesetz zum Achten Buch Sozial­ gesetzbuch – Kinder- und Jugendhilfe – (Thüringer Kindertageseinrichtungsgesetz – ThürKiTaG –) vom 16. Dezember 2005 (GVBl. S. 371) als Artikelgesetz im Thüringer Familienfördergesetz vom 16. Dezember 2005 (GVBl. S. 365)

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Katja Grenner / Katrin Gralla-Hoffmann

Wirksamkeit der Fachberatung im Freistaat Sachsen

Die in diesem Beitrag dargestellten Ergebnisse basieren auf mehreren aufein­ ander bezogenen Befragungen von Kindertageseinrichtungen, Tagespflegestellen und Fachberaterinnen im Freistaat Sachsen, die im Zeitraum November 2007 bis Januar 2008 durchgeführt wurden. Die Befragungen waren Teil des im Auftrag des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales von PädQUIS gGmbH/ Freie Universität Berlin in Kooperation mit dem Unternehmen Steria Mummert Consulting durchgeführten Forschungsprojekts „Evaluierung der Personalausstattung in Kindertageseinrichtungen sowie Struktur und Angebote der Fachberatung für Kindertageseinrichtungen und Kindertagespflege in Sachsen“. Die Ergebnisse sind in hohem Maße repräsentativ für die Situation in Sachsen, weisen jedoch darüber hinaus auf Bedingungen und Zusammenhänge hin, die auch über die sächsischen Landesgrenzen hinweg für das gesamte früh­ pädagogische System in Deutschland von Bedeutung sind. Im vorliegenden Beitrag werden die Ergebnisse zur Struktur und Angeboten der Fachberatung für Kindertageseinrichtungen vorgestellt. Der vollständige Bericht, der auch die Ergebnisse zur Kindertagespflege enthält, kann auf dem Sächsischen Bildungsserver (http://www.KiTa-bildungsserver.de; Stand 10.  Januar 2010) eingesehen werden.

■■ Rahmenbedingungen der Fachberatung im Freistaat Sachsen

Neben den bekannten und an anderer Stelle beschriebenen bundesweit geltenden Regelungen wird Fachberatung auf Landesebene in Sachsen durch das SächsKiTaG, § 21, Abs. 3 geregelt: „Eine qualifizierte Fachberatung ist Bestandteil der Qualitätssicherung und -entwicklung jeder Kindertageseinrichtung. Fachberatung wird durch den Träger der öffentlichen Jugendhilfe sowie durch Verbände von Trägern von Kindertageseinrichtungen angeboten.“ Weiter heißt es, dass das Landesjugendamt für die Qualifizierung und Weiterentwicklung der Fachberatung zuständig ist. Die Aufgabe der Träger der Kindertageseinrichtungen ist es, den pädagogischen Fachkräften regelmäßig die Teilnahme an

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Wirksamkeit der Fachberatung im Freistaat Sachsen

Fortbildung und Inanspruchnahme von Fachberatung zu ermöglichen. Unge­ regelt bleiben hier u. a. weitere und genauere Aufgaben der Fachberatung, die Zuständigkeit oder der Versorgungsgrad. Wesentlich umfangreicher und differenzierter werden Bedeutung, Aufgaben und Ziele der Fachberatung in der Orientierungshilfe des Sächsischen Landes­ jugendamtes zur Fachberatung in Kindertageseinrichtungen gemäß § 15 SäKiTaG (1996) beschrieben. Aufgabenschwerpunkte für die Fachberatung von Kindertageseinrichtungen sind tätigkeitsbegleitende Fort- und Weiterbildungen der pädagogischen Fachkräfte, fachliche Innovationen, Stärkung der Ich-, Sozialund Sachkompetenzen der Erzieherinnen sowie der gemeinsame fachliche Austausch. Als vorrangige Aufgabenfelder der Fachberatung werden: Beratung und Fortbildung im pädagogisch-konzeptionellen Bereich, Beratung im personellen Bezugssystem und ◆◆ Beratung im organisatorisch-strukturellen Bereich genannt. ◆◆ ◆◆

Für die Umsetzung der Aufgaben empfiehlt das Landesjugendamt verschiedene Formen und Methoden, u. a. werden beratende Gespräche mit Einzelnen oder dem Team, Arbeitskreise, Fallbesprechungen, Weiterbildungen sowie die Teilnahme der Fachberaterin am Gruppengeschehen genannt. Eine Fachberaterin sollte nicht mehr als 20 bis 25 Kindertageseinrichtungen betreuen. Eine Vernetzung der Fachberaterinnen untereinander sowie mit anderen Institutionen, deren Arbeit für die Betreuung und Förderung von Kindern in Kindertageseinrichtungen relevant ist, wird ausdrücklich gewünscht. Voraussetzung für die Tätigkeit sind Fachwissen und praktische Fähigkeiten im Bereich der Beratungstätigkeit durch eine abgeschlossene Ausbildung als staatlich anerkannte Erzieherin, Sozialpädagogin (FH), Diplom-Psychologin, DiplomPädagogin oder Medizin-Pädagogin. Zusätzlich soll eine Fachberaterin über mehrjährige Praxiserfahrung im sozialpädagogischen Bereich verfügen und kontinuierlich berufsbegleitend an Fortbildungen bei anerkannten Fortbildungsträgern teilgenommen haben.1 In der Empfehlung des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales zum Qualitätsmanagement in Kindertageseinrichtungen im Freistaat Sachsen (2007) wird die Notwendigkeit betont, dass die örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe sowie die Verbände der Träger von Kindertageseinrichtungen entsprechend notwendiges und qualifiziertes Fachpersonal stellen. Im Sächsischen Bildungsplan (2006) werden darüber hinaus Aufgaben der Fachberatung auf der Ebene des Landesjugendamtes aufgeführt:

1 Vgl. auch Orientierungshilfe des sächsischen Landesjugendamtes zur Fachberatung in Kindertageseinrichtungen gemäß § 15, SäKiTaG 1996

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die inhaltliche Planung und Durchführung von Fortbildungsveranstaltungen die Initiierung und Unterstützung von Projekten ◆◆ die fachliche Bearbeitung von Förderanträgen ◆◆ die Zusammenarbeit mit den Fachberaterinnen der freien Träger und der Jugendämter und ◆◆ die Veröffentlichung von Fachpublikationen und Empfehlungen. ◆◆ ◆◆

Auf der Ebene der Fachberaterinnen der Jugendämter und der freien Träger wird auf die direkte Arbeit mit den Teams (der Kindertageseinrichtungen) vor Ort hingewiesen. Themen und Strukturen können je nach Situation und Bedarf der Einrichtung variieren. „Fachberatung ist in diesem umfassenden Sinn sowohl träger- als auch einrichtungsspezifisch und setzt entsprechende Rahmenbedingungen voraus, die es ermöglichen, den Beratungsanspruch umzusetzen“. (Sächsischer Bildungsplan 2006) Der Sächsische Bildungsplan ist seit seiner Veröffentlichung im Jahr 2006 die Grundlage für die Gestaltung der pädagogischen Arbeit in den Kinder­ tageseinrichtungen. „[…] Als verbindlicher Rahmen soll der Bildungsplan die pädagogische Praxis in sächsischen Kindertageseinrichtungen und Kinder­ tagespflegestellen qualitativ voranbringen […].“ Der Stand der Implementierung des Bildungsplans und die in den Kindertageseinrichtungen gegebene pädagogische Qualität variieren beträchtlich. Ursachen hierfür sind u. a. verschiedene Rahmenbedingungen der Arbeit in den Kindertageseinrichtungen sowie das Vorhandensein und die tatsächliche Nutzung von Unterstützungs­ systemen. Qualifizierte Fachberatung wird in § 24 SächsKiTaG als Bestandteil jeder Qualitätssicherung und -entwicklung in Kindertageseinrichtungen explizit benannt. Es ist daher zentrale Aufgabe der Fachberatung, Kindertages­ einrichtungen und Kindertagespflegestellen bei diesem Prozess der Implementierung des Bildungsplans zu begleiten und fachlich zu unterstützen.

■■ Ziele des Vorhabens Unter der übergeordneten Fragestellung, inwieweit die gegenwärtigen Bedingungen auf unterschiedlichen Ebenen des Früherziehungssystems im Freistaat Sachsen geeignet sind, den Auftrag der Bildung, Betreuung und Erziehung im Sinne der gesetzlichen Anforderungen und innovativer fachlicher Orientierungen zu realisieren, richtete sich das Vorhaben auf die folgenden drei Kern­ bereiche. Neben der Ausstattung der Kindertageseinrichtungen mit pädagogischen Fachkräften sowie deren aufgabengerechtem Einsatz zur Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben, insbesondere der Umsetzung des Bildungsplans, richtete sich das Vorhaben auf die Untersuchung des Fachberatungssystems mit folgenden Zielen:

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Ein erstes Ziel des Vorhabens bestand darin, ein detailliertes Bild über die Situation der Fachberatung in Sachsen zu gewinnen und mit Blick auf die organisatorischstrukturelle Ebene die tatsächliche und potentielle Leistungsfähigkeit des Fach­ beratungssystems abzuschätzen. ◆◆ Als zweites Ziel galt es, eine detaillierte Analyse des tatsächlichen Tätigkeits­feldes von Fachberaterinnen nach verschiedenen Parametern vorzunehmen, insbesondere ihrem Funktions- bzw. Aufgabenspektrum und ihren Aufgabenprioritäten, die als Grundlage für Vorschläge zur Effektivierung des Fachberatungssystems dienen kann. ◆◆ Die Analyse der Passung  – und möglicher Dysfunktionalitäten  – zwischen der Bedarfssituation der Einrichtungen einerseits und der Verfügbarkeit und den Möglichkeiten der Fachberatungen andererseits sowie die Entwicklung darauf bezo­gener Vorschläge zur Optimierung der Wirksamkeit des Stützsys­tems Fachberatung bildeten das dritte Ziel. ◆◆

■■ Empirisches Design Die oben beschriebenen Ziele erforderten aufeinander bezogene Befragungen der beteiligten Akteure: Der Leitungs- und pädagogischen Fachkräfte in Kindertageseinrichtungen sowie der Fachberatung, die in unterschiedlichen beruflichen Rollen und aus entsprechend unterschiedlichen Perspektiven dem übergeordneten Ziel, der Verwirklichung des Bildungsauftrags, verpflichtet sind. Die wechselseitige Beziehbarkeit der Ergebnisse aus den verschiedenen Befragungen wurde auf inhaltlicher sowie methodischer Ebene gesichert: Durch Erfassung derselben Thematik aus Sicht der Einrichtungen sowie aus Sicht der Fachberaterinnen. Bei diesem Vorgehen konnte allerdings nur ein Bezug auf der Aggregatebene hergestellt werden. Darüber hinaus sollte auch der wechselseitige Bezug auf der Ebene der einzelnen Einrichtung ermöglicht werden. Zu diesem Zweck erhielten die befragten Einrichtungen eine Liste aller Fachberaterinnen im Land Sachsen, aus der sie den jeweiligen Code für „ihre“ Fachberaterin(nen) in den eigenen Fragebogen übernahmen. Auf diese Weise konnten auch Auswertungen von relationalen Daten auf der Ebene der einzelnen Kindertageseinrichtung vorgenommen werden.

Untersuchungseinheiten und Stichprobenkonstruktion 1. Um eine möglichst genaue Abbildung der landesweiten Situation der Kinder­ tageseinrichtungen zu erhalten, wurde der Weg einer repräsentativen Befragung gewählt. Die Grundgesamtheit bilden sämtliche Kindertagesstätten in Sachsen, für die am Stichtag 31.07.2007 eine Betriebserlaubnis gem. § 45 SGB ­VIII/­SächsKiTaG

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vorlag. Die Ziehung der Stichprobe erfolgte nach den Schichtungsmerkmalen: Größe der Einrichtungen, regionale Verteilung sowie Struktur nach betreuten Altersstufen und Gruppengrößen. Mit einer realisierten Stichprobengröße von 1.000 Einrichtungen (rund 35 % der Grundgesamtheit) war die Repräsentativität der Erhebung gewährleistet. 2. Für die Kindertagespflege wurde aus einem Pool von 686 vom Sächsischen Staatsministerium für Soziales benannten Tagespflegestellen aus 27 Kreisen zufällig jede zweite Person ausgewählt. Insgesamt wurden somit ca. 37 % der Tagespflegestellen in Sachsen befragt. 3. Für die Befragung der Fachberatungen war eine Vollerhebung vorgesehen. Im Verlauf der Untersuchung stellte sich jedoch heraus, dass die Grundgesamtheit der Fachberaterinnen in Sachsen letztlich nicht bekannt war. Daher wurden umfangreiche Ergänzungsrecherchen durchgeführt, so dass mit 89 ermittelten Personen alle dem Auftraggeber und Auftragnehmer bekannten Fachberaterinnen des Freistaats Sachsen in die Untersuchung mit einbezogen werden konnten. Dennoch ist nicht sicher gestellt, dass alle Fachberaterinnen bzw. alle Personen, die Fachberatung anbieten, ermittelt worden sind. Bei der angestrebten Vollerhebung der Fachberatung konnten mehr als vier Fünftel der ermittelten Stellen erreicht werden. Ausgehend von 89 Fachberaterinnen in Sachsen kann die Rücklaufquote von 74 Personen (83 %) als hoch bewertet werden.

■■ Untersuchungsergebnisse zu Struktur und Angeboten der Fachberatung

Abschnitt 1 stellt die Ergebnisse zur quantitativen Struktur der Fachberatung dar wie Rahmenbedingungen, Versorgung und Ausstattung. Abschnitt 2 widmet sich dem inhaltlichen Spektrum, dem Umfang und der Wahrnehmung von Aufgaben innerhalb des Systems der Fachberatung und im 3. Abschnitt steht die Frage nach der Wirksamkeit der Fachberatung aus Sicht des Klientels im Mittelpunkt. In diesem Beitrag werden ausschließlich die Ergebnisse für die Fach­ beratung von Kindertageseinrichtungen vorgestellt.

Ressource Fachberatung – Regionale und trägerbezogene Versorgung Nicht alle Fachberaterinnen sind Vollzeit erwerbstätig und Fachberatung im Engeren ist häufig nicht alleinige Dienstaufgabe dieses Personenkreises. Um zu einer Abschätzung der tatsächlichen Kapazität an Fachberatung zu gelangen, wurde daher zunächst die Fachberatungskapazität in Form von Vollzeitäquivalenten (1 VzÄ entspricht 40 Std. pro Woche) berechnet und diese um den nicht auf Fachberatung bezogenen Stundenanteil (VzÄKorr.) korrigiert.

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Im Durchschnitt sind die Fachberaterinnen im Umfang von 0,90 VzÄ beschäftigt, d. h., überwiegend handelt es sich um Vollzeitbeschäftigungsverhältnisse bei diesem Personenkreis. Differenziert man die Anstellungsverhältnisse nach freien und öffentlichen Trägern, zeigt sich, dass Teilzeitbeschäftigungsverhältnisse von Fachberaterinnen bei freien Trägern mit 37 % (Teilzeit bis maximal 35 Stunden) gegenüber 63 % Vollzeit (36 Stunden oder mehr) häufiger vorkommen als bei öffentlichen Trägern, bei denen nur 10 % weniger als 36 Stunden pro Woche beschäftigt sind. Allerdings bildet in vielen Fällen die Fachberatung nicht das einzige Auf­ gabenfeld dieses Personenkreises. Weniger als ein Drittel der Fachberaterinnen (29,7 %) geben an, dass Fachberatung ihr einziges Aufgabenfeld darstellt. Bei über zwei Dritteln (70,3 %) treten weitere, häufig mehrere Aufgaben hinzu. In allen drei Regierungsbezirken liegt die Anzahl der Kindertageseinrichtungen pro Fachberaterin deutlich höher als die vom Landesjugendamt empfohlene Relation von 20–25:1. Im Landesdurchschnitt kommen 35,6 Kinder­ tageseinrichtungen mit 2.797 Kindern auf ein Fachberatungs-VzÄ. Nimmt man die VzÄ, die für Fachberatung tatsächlich zur Verfügung stehen, ergibt sich eine Relation von 52,1 Kindertageseinrichtungen und 4.095 Kindern pro Fachberatungs-VzÄ Korr.. Die Versorgung von Kindertageseinrichtungen mit Fachberatung stellt sich im Freistaat Sachsen unterschiedlich dar. Im Vergleich der drei Regierungsbezirke wird deutlich, dass der Versorgungsquotient im Regierungsbezirk Leipzig am ungünstigsten ausfällt. Es kommen hier mit 80 Kindertageseinrichtungen rund eineinhalb Mal bis zweimal so viele Einrichtungen auf ein Fachberatungs-VzÄ wie in den Regierungsbezirken Chemnitz und Dresden. Für die weiteren Analysen wurden Gruppierungen der Fachberaterinnen gebildet, um mögliche systematische Unterschiede ermitteln zu können. Basis der Gruppierung waren das Tätigkeitsgebiet der Fachberaterinnen („kreisfreie Stadt“ oder „Landkreise und kreisangehörige Städte“) sowie die Trägerzugehörigkeit (öffentlicher oder freier Träger). Daraus ergeben sich vier Gruppen; da aber nur zwei Fachberaterinnen der freien Träger ausschließlich in kreisfreien Städten tätig waren, wurde bei den freien Trägern auf eine zusätzliche Unterteilung nach dem Tätigkeitsgebiet verzichtet und eine Dreier-Gruppierung „Freier Träger“ (46,1 %), „öffentlicher Träger/Landkreise und kreisangehörige Städte“ (32,6 %) sowie „öffentlicher Träger/kreisfreie Stadt“ (21,3 %) zu Grunde gelegt. Die freien Träger beschäftigen 34,4 Fachberatungs-VzÄ bzw. 24,8 Fach­ beratungs-VzÄ Korr.. Setzt man diese Zahl in Bezug zur Anzahl der Kinder­ tageseinrichtungen in freier Trägerschaft, ergibt sich ein Versorgungsquotient von 41 bzw. 57 Kindertageseinrichtungen je Fachberatungs-VzÄ bzw. je Fachberatungs-VzÄ Korr.. Bei den öffentlichen Trägern der kreisfreien Städte waren umgerechnet in Vollzeit-Äquivalente 17,5 Fachberatungs-VzÄ bzw. 12,7 Fachberatungs-VzÄ Korr. angestellt. Dies ergibt die günstigste Relation von Fachberatungs-VzÄ zu betreuten Kindertageseinrichtungen: Es werden 20 bzw.

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27 Kindertageseinrichtungen je Fachberatungs-VzÄ bzw. je FachberatungsVzÄ Korr. betreut. Die Versorgungsquote ist damit bei den öffentlichen Trägern in den kreisfreien Städten doppelt so hoch wie der Durchschnittswert Sachsens und entspricht damit den Empfehlungen des Sächsischen Landesjugendamtes. Dieses gute Verhältnis berücksichtigt jedoch nicht die Tatsache, dass gerade in den Großstädten Dresden, Chemnitz und Leipzig sehr große Kindertageseinrichtungen liegen, in denen viele pädagogische Fachkräfte arbeiten, und dass zwei Drittel aller Tagespflegestellen in Sachsen auf diese Großstädte entfallen. Bei den öffentlichen Trägern der Landkreise und kreisangehörigen Städte stehen 28,5 Fachberatungs-VzÄ jedoch nur 17,4 Fachberatungs-VzÄ Korr. zur Verfügung. Damit ist das Verhältnis von Gesamtarbeitszeit zur Arbeitszeit für Fachberatungsaufgaben in dieser Trägergruppe am ungünstigsten. Nur 61 % der Arbeitszeit stehen für Fachberatung zur Verfügung. Dieses Missverhältnis zeigt sich auch in der Anzahl der betreuten Einrichtungen: Während, ähnlich wie bei den freien Trägern, ein Fachberatungs-VzÄ für 39 Kindertageseinrichtungen zuständig ist, erhöht sich diese Zahl auf 64 Kindertageseinrichtungen je Fachberatungs-VzÄ Korr. und liegt damit deutlich über dem Durchschnittswert Sachsens.

Qualifikation des Fachberatungspersonals Über die Hälfte der Befragten verfügt über einen pädagogischen bzw. sozialwissenschaftlichen akademischen Abschluss, knapp ein Viertel der Fachberaterinnen haben sowohl eine pädagogische Berufsausbildung als auch eine akademische Ausbildung abgeschlossen und sind formal hoch qualifiziert. Diese hohen Qualifikationen finden sich insbesondere bei den Fachberaterinnen der freien Träger: Nahezu drei von vier dieser Fachberaterinnen sind pädagogisch/ sozialwissenschaftlich auf akademischem Niveau ausgebildet. Mit 50 % ist dieser Anteil in den kreisfreien Städten etwas geringer. Die formale Qualifikation der Fachberaterinnen der öffentlichen Träger in den Landkreisen und ihr Anteil an einschlägigen akademischen Berufsabschlüssen ist im Vergleich der Trägergruppen am niedrigsten. Mehr als zwei Drittel verfügen über einen Berufsabschluss, der nicht höher ist als der des Klientels in den Einrichtungen.

Spezifische Zusatzqualifikationen Die Fachberaterinnen wurden auch nach spezifischen berufsvorbereitenden oder -begleitenden Zusatzqualifikationen gefragt. Dazu gehören Kurse im Rahmen der breiten, länder- und trägerübergreifenden Qualifizierungsinitiative

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Multiplikatorenfortbildung Für Kindertageseinrichtungen (MFT), die in den Nach-Wende-Jahren 1992 bis 1996 vor dem Hintergrund tiefgreifender gesellschafts- und bildungspolitischer Veränderungen und Neuorientierungen auch im Berufsbild der Fachberatung für das Fachberatungspersonal in den neuen Bundesländern angeboten wurden, sowie eine von 1999 bis 2001 vom Säch­ sischen Landesamt für Familie und Soziales durchgeführte Fortbildung zum Berufsfeld und Selbstverständnis der Fachberatung in Kindertageseinrichtungen im Umfang von 35 Fortbildungstagen. Bei der Multiplikatorenausbildung im Rahmen der Nationalen Qualitätsinitiative handelt es sich um eine zweijährige Fortbildung, die im Auftrag des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales Fachberatungspersonal der Träger zur Implementierung und Begleitung systematischer, an Kriterien bester Fachpraxis orientierter Qualitätsentwicklung und -sicherung in Kindertageseinrichtungen qualifiziert. Ein gutes Drittel der Fachberaterinnen (37,8 %) weist keine der genannten Zusatzqualifikationen auf. Der geringste Anteil an ausgewiesenen Zusatzqua­ lifikationen ist bei den freien Trägern zu verzeichnen, gefolgt von den kreisfreien Städten. Bei Fachberaterinnen ohne akademischen Abschluss haben lediglich 16,7 % an keiner der drei Qualifizierungsmaßnahmen teilgenommen. Das Ergebnis deutet darauf hin, dass die Fachberaterinnen dieser Gruppe mit niedrigem beruflichem Bildungsabschluss dies durch Zusatzqualifikationen kompensieren.

Teilnahme an Fort- und Weiterbildungen Neben den oben genannten Kursen wurden die Fachberaterinnen nach ihrer Teilnahme an Fort- und Weiterbildungen zu zehn thematischen Bereichen2 im Aufgabenspektrum der Fachberatung befragt. Um Doppelnennungen zu vermeiden wurden die Befragten gebeten, nur dann eine Teilnahme an den Fortund Weiterbildungen anzugeben, wenn diese zusätzlich und nicht im Rahmen der oben genannten Maßnahmen erfolgte. Die Fachberaterinnen haben an einem thematisch breiten Spektrum von Fort- und Weiterbildungen teilgenommen. Am häufigsten finden sich Nennungen für Gesprächsführung (64,9 %), Umsetzung des Sächsischen Bildungsplans (59,5 %) und Qualitätsmanagement (50,0 %). Supervision, Organisationsentwicklung und Betriebswirtschaft gehören dagegen zu den Bereichen, in 2 Gesprächsführung, Umsetzung des Sächsischen Bildungsplans, Qualitätsmanagement, Konfliktberatung, Konzeptionsentwicklung, Fallbesprechung, Methoden und Techniken der Beratung, Supervision, Organisationsentwicklung, Betriebswirtschaft.

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denen sich nur 10 bis 20 % der Fachberaterinnen fortgebildet haben. Bei einer Betrachtung nach Trägergruppen fällt der vergleichsweise geringe Anteil von Fachberaterinnen der freien Träger auf, die an einer Fortbildung zur Umsetzung des Sächsischen Bildungsplans teilgenommen haben (46,7 %). Der Anteil ist hier deutlich geringer als bei den Fachberaterinnen der öffentlichen Träger. Die Fachberaterinnen der öffentlichen Träger in den Landkreisen haben im Gruppenvergleich mit 72,0 % den höchsten Anteil an Fort- und Weiterbildung zur Umsetzung des Sächsischen Bildungsplans sowie mit 52,0 % den höchsten Anteil zur Konzeptionsentwicklung. Qualifizierungen in traditionellen Aufgabenfeldern der Fachberatung wie Fallbesprechung, Konfliktberatung und Be­ ratungsmethoden nehmen mittlere Rangplätze ein.

Qualitative Struktur der Fachberatung in Sachsen In diesem Abschnitt stehen das Aufgabenspektrum der Fachberaterinnen, die Aufgabenwahrnehmung sowie die inhaltliche Ausgestaltung des Angebots und weitere Merkmale der Beratungstätigkeit im Mittelpunkt. Der Spezialisierungsgrad ausschließlich auf Fachberatungstätigkeit ist bei den Fachberaterinnen in Sachsen nur gering ausgeprägt, die eigentliche Beratungstätigkeit ist nur bei einer Minderheit die einzige Dienstaufgabe (29,7 %). Am relativ häufigsten kommt diese Fokussierung mit fast der Hälfte (47,4 %) bei den Fachberaterinnen der kreisfreien Städte vor. Bei den Fachberaterinnen in den Landkreisen reduziert sich dieser Anteil auf ein Drittel (32 %), bei denen in freier Trägerschaft auf ein Sechstel (16,7 %). Um das tatsächliche Aufgabenspektrum der Fachberaterinnen zu erfassen, wurden diese zu fünf verschiedenen Bereichen gefragt, ob sie diese Aufgaben wahrnehmen und welchen Prozentanteil ihrer Arbeitszeit pro Monat sie für den jeweiligen Aufgabenbereich aufwenden. Tabelle 1 zeigt, wie viele Fachberaterinnen die einzelnen Aufgabenbereiche als zu ihrer Tätigkeit gehörend angeben. In der zweiten Spalte wird jeweils angegeben, welchen durchschnittlichen Prozentanteil der monatlichen Arbeitszeit der Aufgabenbereich einnimmt. Im Durchschnitt nimmt Fachberatung nur gut die Hälfte der Arbeitszeit der Fachberaterinnen ein. Ein erheblicher Anteil der Arbeitszeit ist durch andere Tätigkeiten ausgefüllt. Die Fachberaterinnen in öffentlicher Trägerschaft in den Landkreisen verwenden mit weniger als der Hälfte den geringsten Anteil ihrer Arbeitszeit auf Fachberatung; bei den Fachberaterinnen der kreisfreien Städte steigt dieser Anteil auf über die Hälfte, bei den kreisfreien freien Trägern fällt er am günstigsten aus. Viele Fachberaterinnen müssen auch andere Aufgaben wahrnehmen wie Dienst- und Fachaufsicht, Finanzverwaltung sowie sonstige Aufgaben für den Träger; auch gehören berufs- und fachpolitische Aktivitäten

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Wirksamkeit der Fachberatung im Freistaat Sachsen

%-Anteil AZ/Monat

Freie Träger

100,0

61,3

21,6

46,7

6,2

31,6

5,8

36,7

24,4

10,3

57,9

18,0

70,0

12,9

10,0

63,2

7,2

80,0

12,1

100,0 53,3

100,0

42,4

Dienst- und Fachaufsicht

62,2 13,4

88,0

13,4

52,6

Finanzverwaltung

44,6 16,7

64,0

15,9

Arbeit für den Träger

74,3 12,9

92,0

Berufs- und fachpolitische Aktivitäten

79,7 10,2

92,0

%-Anteil AZ/Monat

Öffentl. Träger/ kreisfreie Städte Wahrng.

%-Anteil AZ/Monat

Wahrng.

Öffentl. Träger/Land­ kreise und Kreis­städte

Wahrng.

Fachberatung

%-Anteil AZ/Monat

Wahrng.

Gesamt

100,0 58,2

Tab. 1: Häufigkeit der wahrgenommenen Aufgabenbereiche und monatlicher Arbeitszeitanteil, Angaben in Prozent 3

zum Aufgabenspektrum. Der geringste Zeitanteil für fachberatungsfremde Tätigkeiten insgesamt findet sich bei den Fachberaterinnen der freien Träger, aber auch bei ihnen macht er rund 40 % ihrer Arbeitszeit aus.3 Ein multiples Aufgabenfeld ist besonders für die Fachberaterinnen der freien Träger und in öffentlicher Trägerschaft in den Landkreisen erkennbar: Über die Hälfte der Fachberaterinnen freier Träger und mehr als zwei Drittel der öffentlichen Träger in den Landkreisen sind neben der Fachberatung für ein breit gefächertes Aufgabenspektrum zuständig. Betrachtet man die einzelnen Aufgaben innerhalb des Aufgabenbereichs der Fachberatung, zeigen sich zunächst bereits deutliche Unterschiede in den prozentualen Anteilen, mit denen diese Aufgaben von den Befragten wahrgenommen werden: Es überrascht, dass Kernaufgaben wie die Beratung im personellen Bezugssystem der Einrichtungen, Fallbesprechungen mit Mitarbeiterinnen und die Organisation von Erfahrungsaustausch ebenso wie Fortbildung nicht von allen oder annähernd allen Befragten als tatsächlich wahrgenommene Aufgaben genannt werden. Bei jeweils rund einem Viertel der Befragten gehören diese Kernaufgaben nicht zum tatsächlichen Tätigkeitsfeld.

3 Da sich diese Anteile bei einigen Befragten auf unter oder über 100 % addieren, er­ geben auch die Spaltensummen nicht exakt 100 %.

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Aufgabe im Rahmen der Fachberatung

Gesamt

Öffentliche Träger Landkreis/ Kreisstädte

Öffentliche Träger/ kreisfreie Städte

Freie Träger

Konzeptionsentwicklung

82,4

88,0

68,4

86,7

Qualitätsentwicklung und -sicherung

74,3

80,0

57,9

80,0

Organisation von Erfahrungsaustausch

73,0

88,0

57,9

70,0

Beratung im personellen Bezugssystem

71,6

84,0

57,9

70,0

Fortbildung planen und durchführen

70,3

88,0

57,9

63,3

Zusammenarbeit mit anderen Institutionen

63,5

80,0

52,6

56,7

Organisationsentwicklung

56,8

64,0

52,6

53,3

Supervision und Fallbesprechung

47,3

48,0

42,1

50,0

Externe Evaluation der pädagogischen Arbeit

28,4

32,0

26,3

26,7

Tab. 2: Häufigkeit mit der fachberaterische Aufgaben wahrgenommen werden, Angaben in Prozent

Arbeitsformen der Fachberatung Beratung vor Ort ist – wie zu erwarten – die Form der Fachberatung, die von den meisten Fachberaterinnen als regelmäßige Beratungsform angegeben wird (80,9 %), ebenso wie telefonische Sprechstunden (80,6 %). Im Durchschnitt besuchten die Fachberaterinnen in den letzten vier Wochen 6,6 Einrichtungen, die Spannbreite ist dabei erheblich. Fachberaterinnen, die in diesem Zeitraum einen, zwei oder auch keinen Besuch zu verzeichnen hatten, stehen andere gegenüber, die annähernd 20 Besuche in Einrichtungen absolviert hatten. Die relativ höchste Anzahl von Einrichtungsbesuchen geben die Fachberaterinnen in den kreisfreien Städten mit annähernd zwei Besuchen pro Woche an. Hier dürfte die gute Erreichbarkeit im Zuständigkeitsbereich die höhere Besuchs­ frequenz begünstigen. Dennoch ist bemerkenswert, dass ein Fünftel der Befragten die Beratung in der Einrichtung nicht als regelmäßige Arbeitsform nennt. Fachberatung außer-

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Wirksamkeit der Fachberatung im Freistaat Sachsen

halb der Einrichtungen, in der Dienstsstelle oder in anderen Räumen wird von etwas weniger als der Hälfte der Befragten regelmäßig durchgeführt. Internet und E-Mail als Kommunikationsmedien gewinnen auch im Arbeitsfeld der Fachberatung an Bedeutung: Für fast ein Drittel der Fachberaterinnen werden sie regelmäßig im Kontakt mit den Einrichtungen genutzt. Die Initiative für Fachberatung geht eher von den Einrichtungen als von den Fachberaterinnen aus. Befragt, von wem die Initiative für die Beratung des Klientels ausgeht, geben die meisten Fachberaterinnen an, dass diese teils von der Fachberaterin, teils von den Einrichtungen erfolge. Die Alternative „über­ wiegend von der Einrichtung“ wird dabei deutlich häufiger genannt als „überwiegend von der Fachberaterin“. Die reaktive Beratung ist damit häufiger als die aktive und präventive Beratung. Eine gewisse Differenzierung ergibt sich, wenn man die Antworten nach Trägerschaft der Fachberatung betrachtet: Die Fachberaterinnen in den kreisfreien Städten sind häufiger von sich aus aktiv und Fachberatung überwiegend auf Initiative der Einrichtungen kommt bei ihnen seltener vor als bei den Fachberaterinnen der beiden anderen Trägergruppen.

Zusammenfassung Die Ergebnisse zur qualitativen Struktur des Fachberatungssystems zeigen ein Bild geringer Spezifizierung im Berufsfeld Fachberatung. Fachberaterinnen nehmen ein multiples Aufgabenspektrum wahr und verwenden einen erheb­ lichen Anteil ihrer Arbeitszeit für fachberatungsfremde Tätigkeiten. Die eigentliche Fachberatung nimmt im Durchschnitt nur etwa die Hälfte der Arbeitszeit ein. Das Verhältnis von Beratungstätigkeit zu anderen Aufgaben ist bei den Fachberaterinnen öffentlicher Träger in den Landkreisen besonders ungünstig. Kernaufgaben der Fachberatung, insbesondere solche, die mit persönlichem Kontakt zum Klientel in der pädagogischen Praxis verbunden sind, werden nur von einem Teil der Fachberaterinnen wahrgenommen. Für ein Fünftel der Fachberaterinnen gehören Besuche in den zu beratenden Kindertageseinrichtungen nicht zu den regelmäßig wahrgenommenen Aufgaben. Darüber hinaus stellt sich Fachberatung überwiegend als eine Komm-Struktur dar und findet eher selten explizit auf Initiative der Fachberaterinnen statt. Die qualitative Struktur der Fachberatung zeichnet sich in allen Aspekten durch große Heterogenität aus, sowohl zwischen als auch innerhalb der Trägergruppen. Insbesondere in der Dichte und Häufigkeit von Beratung der Einrichtungen vor Ort zeigen sich deutliche Unterschiede zwischen den Trägergruppen. Die Fachberaterinnen in den kreisfreien Städten haben häufiger persönliche Beratungskontakte mit den Einrichtungen vor Ort, sie betreuen weniger Ein­

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richtungen, die in geringerer Entfernung liegen als ihre Kolleginnen in den Landkreisen und bei den freien Trägern. Zudem müssen sie seltener zusätzliche, beratungsfremde Aufgaben wahrnehmen. Zusammenfassend weisen die Ergebnisse zur qualitativen Struktur der Fachberatung darauf hin, dass diese gegenwärtig nur eingeschränkt geeignet ist, als verlässliches und auf breiter Ebene wirksames Instrument der Innovation und Unterstützung der pädagogischen Praxis in den Kindertageseinrichtungen des Landes zu wirken.

■■ Perspektiven von Einrichtungen und Fachberaterinnen und ihre Passung

Neben den oben dargestellten strukturellen und qualitativen Bedingungen des Systems Fachberatung liegt das wesentliche Kriterium zur Beurteilung der Wirksamkeit darin, inwieweit Fachberatung pädagogische Praxis in ihrem Auftrag der Bildung, Erziehung und Betreuung und allen damit in Zusammenhang stehenden Aufgaben tatsächlich unterstützt. In diesem Abschnitt werden wesentliche Aspekte der Wirksamkeit von Fachberatung vorrangig aus Perspektive des pädagogischen Personals in den Kindertageseinrichtungen bewertet sowie aus der Gegenüberstellung der aufeinander bezogenen Perspektiven des Fachberatungspersonals und des Beratungsklientels. Darunter Häufigkeit: Unterstützung durch

Vorhanden

1–2 mal

3–6 mal

monatlich wöchentlich

Fachberatung insgesamt

65,1

0,2

17,8

33,4

11,5

Als zuständig benannte Fachberatung

58,3

0,2

19,3

29,1

9,8

Andere Fachberatung

21,1

0,0

10,0

9,0

2,2

Kompetenzzentren

10,6

0

4,4

4,2

1,8

Andere Einrichtung/ kollegiale Beratung

33,7

0

13,8

12,8

9,1

Freiberufliche Fortbildner

19,1

0

9,0

7,8

2,3

Sonstige

23,9

0

11,0

8,1

4,8

Tab. 3: Einrichtungen nach Häufigkeit von Unterstützung und Akteuren, Angaben in Prozent

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Wirksamkeit der Fachberatung im Freistaat Sachsen

Nicht alle Kindertageseinrichtungen erhielten in den zurückliegenden 12 Monaten Unterstützung durch Fachberatung. Ein gutes Drittel (34,9 %) war ganz ohne Kontakt zur Fachberatung. Kollegiale Beratung und Unterstützung durch eine andere Einrichtung wurde von jeder dritten Kindertageseinrichtung genannt, neben der Fach­ beratung handelt es sich dabei um die häufigste Form der Unterstützung. Unterstützung durch ein Kompetenzzentrum erhielt jede zehnte Kindertageseinrichtung (10,6 %), durch einen Freiberufler jede fünfte (19,1 %). Fast ein Viertel der Einrichtungen (23,9 %) nahmen sonstige Unterstützung wahr. Die Häufigkeit der Unterstützungskontakte in den zurückliegenden 12 Monaten variiert. Das Fachberatungssystem bildet im Kontext der hier genannten Unterstützungs­ instanzen das stärkste System. Gut ein Drittel der Einrichtungen (31,4 %) nahmen neben der Fachberatung weitere Angebote fachlicher Unterstützung wahr.

Welche Gründe liegen für eine Nicht-Inanspruchnahme von Fachberatung vor? Die Ergebnisse beziehen sich auf das Drittel aller Kindertageseinrichtungen, die in den zurückliegenden 12 Monaten keinen Kontakt zu einer Fachberaterin hatten. Rund ein Viertel der Einrichtungen ohne Fachberatung gibt an, dass ihnen die Aufgaben und Möglichkeiten der Fachberatung nicht bekannt seien. Etwa jede fünfte berichtet, dass die Fachberatung nicht oder nur schwer erreichbar sei. Ein Zehntel der Leitungskräfte nennt fehlende Zeit der Fachberaterinnen als Grund für die Nicht-Inanspruchnahme. Die Gründe der Kindertageseinrichtungen sind zum einen ebenfalls fehlende Zeit: In 10,5 % der Einrichtungen haben die Leitungskräfte, in 8,9 % die Mit­ arbeiterinnen keine Zeit. Zum anderen hält jedes zehnte KiTa-Team die Fach­ beraterin für nicht kompetent, in jeder 20.  Kindertageseinrichtung wird die Fachberaterin vom Team nicht akzeptiert. Mit über der Hälfte ist der Anteil der Einrichtungen, die berichten, dass die Fachberaterin schwer erreichbar ist, bei den Einrichtungen städtischer öffentlicher Träger besonders hoch. Dieses Ergebnis überrascht, da bei einer vergleichsweise geringeren Belastung der zuständigen Fachberaterinnen mit anderen Aufgaben sowie einer geringeren Anzahl zu betreuender Einrichtungen und besseren räumlichen Zugangsmöglichkeiten eine günstigere Kontaktsituation zu erwarten wäre. Die schwere Erreichbarkeit lässt hier auf psychologische Distanz schließen. Auch ein Drittel der Einrichtungen freier Träger in den ländlichen Regionen geben als Grund für die Nicht-Inanspruchnahme die schwere Erreichbarkeit der zuständigen Fachberaterin an. Hohe Anteile sind auch für sonstige Gründe zu verzeichnen, die die Befragten nicht ausführten und die offenbar außerhalb der oben genannten möglichen Begründungen liegen. Nur ein

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sehr geringer Anteil der Befragten (7,3 %) hält Fachberatung für nicht erforderlich, auch mangelnde Akzeptanz des Teams gegenüber der Fachberaterin (5,6 %) oder die Befürchtung, die Fachberatung könnte einen Eingriff in die Belange der Einrichtungen darstellen (3,2 %), werden nur selten als Hindernisse für die Inanspruchnahme von Fachberatung genannt. Beachtenswert ist die Häufigkeit der Nennung, die Einrichtung greife auf andere Formen der externen Unterstützung zurück: Die Hälfte der Einrichtungen freier Träger in ländlichen Regionen und über ein Drittel der Einrichtungen städtischer öffentlicher Träger und freier Träger auf dem Land nimmt externe Beratung in Anspruch. Mangelnde Kompetenz der Fachberaterin wird vor allem bei den freien Trägern als Begründung angegeben, warum Fachberatung nicht wahrgenommen wird: Über ein Viertel der Einrichtungen in freier Trägerschaft trifft diese Aussage. Im Vergleich beurteilen lediglich 1,9 % der Einrichtungen öffentlicher Träger in Landkreisen ihre Fachberaterin als nicht hinreichend kompetent. Bei den öffentlichen Trägern in den Städten ist dieses Problem aus Sicht der Einrichtungen mit 19 % von mittlerer Bedeutung.

Angebote der Fachberatung In welchem Umfang werden die Kernaufgaben des pädagogischen Personals in den Kindertageseinrichtungen sowie die zentralen Bildungsbereiche, wie sie im Sächsischen Bildungsplan benannt und ausgeführt sind, durch die An­gebote der Fachberatung berücksichtigt? Zur Beantwortung dieser Frage wurden die Fachberaterinnen zu einem breiten Spektrum von Themen und Bereichen im Rahmen des Bildungsauftrags von Kindertageseinrichtungen gefragt, ob sie dazu Angebote vorhalten. Angebote zu allgemeinen pädagogischen Schlüsselaufgaben wie z. B. Beobachtung und Dokumentation, Schulvorbereitung und Kooperation mit Grundschulen oder Zusammenarbeit mit Familien werden häufiger als vorhanden benannt als Angebote zu den einzelnen Bildungsbereichen des Sächsischen Bildungsplans. Die Häufigkeit der Angebote zu den Schlüsselaufgaben variiert zwischen 74 % und 91 %, die Häufigkeit der Nennungen von Angeboten für die einzelnen Bildungsbereiche bewegt sich dagegen lediglich zwischen 50 % (Bildungsbereich Bewegung) und 74 % (Bildungsbereich soziale Entwicklung und Bildung). Mit einem durchschnittlichen Prozentanteil von 85,1 % stellen die Fachberaterinnen der öffentlichen Träger in den kreisfreien Städten das umfangreichste Angebot in Bezug auf die Schlüsselaufgaben der pädagogischen Praxis bereit, gegenüber 75,7 % bei den Fachberaterinnen öffentlicher Träger in den Landkreisen und 75,2 % bei den denen der freien Träger. Differenziert man nach einzelnen Bildungsbereichen, so werden am häufigsten Angebote zur sozialen Entwicklung und Bildung (74 %) sowie zur Sprach-

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entwicklung und kommunikativen Bildung (67,3 %) genannt. Aspekte der naturwissenschaftlichen Bildung geben zu rund 60 % an, das Schlusslicht bilden Angebote zur künstlerischen und musischen Entwicklung und Bildung mit 52 % und zur Bewegung mit 50 %.

Wie ist die Passung zwischen dem Unterstützungsbedarf der Kindertageseinrichtungen und dem tatsächlichen Unterstützungsangebot der Fachberatung? Im folgenden Abschnitt wird berichtet, inwieweit die von den Einrichtungs­ leiterinnen wahrgenommenen Unterstützungsbedarfe mit denen von den Fachberaterinnen gesehenen Bedarfen und deren Angeboten übereinstimmen. Die Einrichtungsleitungen wurden zu allen Beratungsbereichen, die mit der Auf­ gabenwahrnehmung in den Einrichtungen und der Umsetzung des Sächsischen Bildungsplans verbunden sind, gefragt, für wie hoch sie den jeweiligen Unterstützungs- und Beratungsbedarf halten. Parallel dazu schätzten die Fachberaterinnen den Unterstützungs- und Beratungsbedarf der Kindertageseinrichtungen zu diesen Bereichen ein. Aus den Angaben der beiden Befragungsgruppen wurden Mittelwerte für die einzelnen Bereiche gebildet und jeweils in eine Rangreihe gebracht. Der erste Rang bedeutet, dass zu diesem Aspekt die Befragten einen hohen bis sehr hohen durchschnittlichen Bedarf angegeben haben. Beratung

Bedarf Mittelwert/ Rangplatz Leitung

Bedarf Mittelwert/ Rangplatz Fachberatung

Angebote %-Anteil von FB, die Angebot vorhalten

Qualitätsentwicklung und -sicherung

3,11 (1)

3,74 (1)

85,4 (5)

Beobachtung und Do­kumentation von Bil­dungs­prozessen

3,10 (2)

3,55 (5)

90,9 (1)

Arbeit an der pädagogischen Konzeption

2,72 (3)

3,34 (10)

86,2 (4)

Gesetzliche Grundlagen und Regelungen

2,69 (4)

2,89 (17)

78,0 (8)

Naturwissenschaftliche Bildung

2,60 (5)

3,64 (2)

61,5 (14)

Konfliktberatung

2,56 (6,5)

3,12 (12)

78,4 (7)

Soziale Entwicklung und Bildung

2,56 (6,5)

3,41 (8)

74,0 (10,5)

Leitungsaufgaben und Organisation

2,55 (8)

3,06 (14)

74,5 (9)

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Beratung

Bedarf Mittelwert/ Rangplatz Leitung

Bedarf Mittelwert/ Rangplatz Fachberatung

Angebote %-Anteil von FB, die Angebot vorhalten

Zusammenarbeit mit Familien

2,53 (9)

3,37 (9)

86,8 (3)

Mathematische Bildung

2,50 (10)

3,55 (5)

60,8 (15)

Verständnis frühkindlicher Bildung im Sächsischen Bildungsplan und Bildungsauftrag

2,48 (11,5)

3,55 (5)

83,1 (6)

Sprachentwicklung und kommunikative Bildung

2,48 (11,5)

3,58 (3)

67,3 (12)

Zusammenarbeit und Kommunikation im Team

2,45 (13,5)

3,20 (11)

74,0 (10,5)

Schulvorbereitung und Kooperation mit Grundschulen

2,45 (13,5)

3,49 (7)

88,7 (2)

Künstlerisch/musische Entwicklung und Bildung

2,34 (15)

3,11 (13)

52,0 (17)

Integration von Kindern mit Behinderungen

2,24 (16)

3,03 (15)

63,7 (13)

Bildungsbereiche Ernährung/ Gesundheit und Bewegung

2,22 (17)

3,00 (16)

54,1 (16)

Rangkorrelation zwischen Bedarf der Einrichtungen und Bedarfseinschätzung durch FB

rs = .40

Rangkorrelation zwischen Bedarf der Einrichtungen und den Angeboten der FB

rs = .53

Rangkorrelation zwischen Bedarfseinschätzung der FB und ihren Angeboten

rs = .26

Tab. 4: Rangplätze des Beratungsbedarfs aus Sicht von Fachberatung (FB), Einrichtungen und Angebote

Der Bedarf der Einrichtungen und die Einschätzungen der Fachberaterinnen zu diesem Bedarf korrespondieren nur moderat. Die Rangkorrelation liegt mit .40 nur im mittleren Bereich. Übereinstimmung in den Rangplätzen liegt für den ersten Rangplatz vor: sowohl Einrichtungen als auch Fachberaterinnen sehen in der Qualitäts­ entwicklung und Qualitätssicherung den Bereich mit dem größten Beratungs-

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bedarf in der pädagogischen Praxis. Hohe Übereinstimmungen (höchstens Unterschiede von drei Rangplätzen) ergeben sich für die Bereiche Beobachtung und Dokumentation, naturwissenschaftliche Bildung, Zusammenarbeit mit Familien, künstlerische und musische Bildung, Integration von Kindern mit Behinderungen sowie somatische Bildung und soziale Entwicklung und Bildung. Der Beratungsbedarf zur mathematischen Bildung sowie zur Sprachentwicklung und kommunikativen Bildung wird von den Fachberaterinnen deutlich höher eingeschätzt als von den Einrichtungsleiterinnen. Eine mittlere Korrelation von rs = .53 ergibt sich zwischen den Beratungseinschätzungen durch die Einrichtungsleitungen und der Häufigkeit der Angebote der Fachberaterinnen. Man kann hierin eine relativ gute Passung zwischen den Bedarfen der Einrichtungen und den Angeboten der Fachberaterinnen erkennen. Befragt man die Fachberaterinnen zu den Bedarfen der Kindertageseinrichtungen und ihren (eigenen) Angeboten, fällt die Korrelation mit rs=.26 er­ staunlicherwiese nur niedrig aus.

Zusammenfassung Aus Perspektive der Einrichtungen stellt sich die Wirksamkeit von Fachberatung als eingeschränkt und wenig zufriedenstellend dar. Nur zwei Drittel aller Kindertageseinrichtungen haben im Zeitraum eines Jahres überhaupt Fachberatung in Anspruch genommen. Damit ist der mögliche Nutzen von Fachberatung für einen erheblichen Anteil der Einrichtungen von vornherein nicht gegeben. Nicht allen Einrichtungen sind das Angebot und die Möglichkeiten von Fachberatung oder zuständige Personen überhaupt bekannt. Erschwerend kommt hinzu, dass auch dort, wo sie bekannt sind, schwere Erreichbarkeit der Fachberatung dazu führt, dass diese nicht stattfindet. Persönliche Beratungskontakte mit pädagogischen Fachkräften und Teams der Einrichtungen sind eher selten. Fachberatung erfolgt selten in einer aktiven Geh-Struktur und steht Fachkräften und Teams noch seltener zur Verfügung als Leitungskräften. Das thematische Spektrum der Angebote der Fachberatung ist vielfältig; es lässt sich jedoch eine vergleichsweise geringere Berücksichtigung spezifischer Bereiche des Bildungsauftrags feststellen. Gleichzeitig sehen die Fachberaterinnen in dieser Thematik einen erheblichen Unterstützungsbedarf in den Einrichtungen und einen deutlichen Fortbildungsbedarf für sich selbst. Die Passung zwischen den artikulierten Beratungsbedarfen der Praxis mit der Häufigkeit, mit der die Fachberaterinnen entsprechende Angebote vor­ halten, liegt in einem mittleren Bereich. Der Unterstützungsbedarf in den Einrichtungen korrespondiert nur zum Teil mit dem konkreten Angebot der Fach-

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beratung. Neben Bereichen mit hoher Passung finden sich solche, in denen einem hohen Bedarf ein geringes Angebot der Fachberatung gegenübersteht und umgekehrt. Die von den Einrichtungen gesetzlich geforderte Schlüssel­ aufgabe der Qualitätsentwicklung und -sicherung hat höchste Priorität bei Einrichtungen und Fachberaterinnen in der Bedarfseinschätzung, jedoch keinen Spitzenplatz bei den Angeboten. Die Angebote der Fachberaterinnen für die einzelnen Bildungsbereiche nach dem Sächsischen Bildungsplan sind durchgängig seltener als bei anderen, allgemeinen Schlüsselaufgaben wie z. B. Schulvorbereitung und Kooperation mit Grundschulen, Beobachtung und Dokumentation, Zusammenarbeit mit Familien oder Arbeit an der pädagogischen Konzeption. In ihrer gegenwärtigen Form erscheint die Fachberatung in Sachsen kaum als ein wirksames Instrument, Einrichtungen bei einer flächendeckenden und intensiven Umsetzung des Sächsischen Bildungsplans zu unterstützen.

■■ Schlussfolgerungen und Empfehlungen Die Anzahl der von einer Fachberatung zu betreuenden Einrichtungen variiert stark (zwischen 42,6 und 80,6) und liegt in allen Regionen deutlich über der vom sächsischen Landesjugendamt sowie der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter empfohlenen Relation von 20 bis 25 zu betreuenden Einrichtungen pro Fachberaterin. Vor diesem Hintergrund ist eine deutliche Er­ höhung der Fachberatungskapazität anzustreben, um für die Umsetzung des Beratungsauftrags angemessene Rahmenbedingungen zu schaffen. Es zeigen sich deutliche Unterschiede in der Kapazität und Versorgung mit Fachberatung zwischen den Trägern, mit einem tendenziell ungünstigeren Bild für die von den öffentlichen Trägern gestellte Fachberatung in den Land­k reisen sowie für die der freien Träger im Vergleich zu den öffentlichen Trägern der kreisfreien Städte. Zu der ungünstigen Situation trägt insbesondere ein hoher Anteil fachberatungsfremder Aufgaben bei. Bei den Fachberaterinnen der öffentlichen Träger in den Landkreisen nimmt dieser mehr als die Hälfte der Arbeitszeit in Anspruch. Neben dem personellen Ausbau ist deshalb eine stärkere Konzentration und Spezialisierung auf den eigentlichen Fachberatungsauftrag und eine – unabhängig von der Trägerschaft – gleichmäßige regionale und lokale Verteilung der Ressource Fachberatung eine zentrale Voraussetzung für ihre Wirkungsmöglichkeit. Ein erheblicher Anteil der Fachberaterinnen verfügt mit einem nicht-aka­ demischen pädagogischen Berufsabschluss über keine formal höhere Berufsqualifikation als das zu beratende Klientel, zugleich stellt sich die Situation fachberatungsspezifischer Zusatzqualifikationen sowie Fort- und Weiterbildungen als ungünstig dar. Zu empfehlen ist ein verbindliches, an den bildungs-

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politischen Zielen des Landes orientiertes Kompetenzprofil für die Fachberatungstätigkeit. Die insgesamt wenig günstige Situation hinsichtlich der strukturellen Rahmenbedingungen der Fachberatung setzt sich in den Ergebnissen zur Wahr­ nehmung und Ausgestaltung des Fachberatungsauftrags fort. Die Ergebnisse weisen auf mangelnde Passungen und Defizite zwischen dem Ist-Stand und der im normativen Anforderungsrahmen formulierten Rolle der Fachberatung hin. Im Vergleich des von den Einrichtungen benannten Unterstützungsbedarfs mit den Angeboten der Fachberatung zeigen sich ebenfalls Passungsdefizite und eine geringe Kopplung des Unterstützungssystems der Fachberatung an den Unterstützungsbedarf der pädagogischen Praxis. Insbesondere steht in einigen zentralen Bereichen des Bildungsauftrags einem hohen Beratungsbedarf der Einrichtungen ein nur geringes Fachberatungsangebot gegenüber. Eine weitere Empfehlung richtet sich auf eine engere Kopplung der Fachberatung an das zu beratende Klientel im Hinblick auf Dichte und Umfang der Kontakte, die Arbeitsformen sowie die inhaltliche Ausrichtung der Angebote auf den Bildungsauftrag. Die oben skizzierten, sich ergänzenden Ergebnisse weisen auf eine gegenwärtig nicht ausreichende und nicht hinreichend effektive Steuerung des Fach­ beratungssystems im Freistaat Sachsen hin. Dies gilt sowohl für Aspekte der strukturellen Rahmenbedingungen und der quantitativen Ausstattung als auch im Hinblick auf die qualitative Aufgabenwahrnehmung und die Wirksamkeit der Fachberatung. Vor diesem Hintergrund kommt die Untersuchung zu der Empfehlung, dass Fachberatung als öffentliche Aufgabe von trägerspezifischen Interessen entkoppelt werden und in die Bedarfsplanung der öffentlichen Jugendhilfe aufgenommen werden sollte, um die lokale Fachberatungskapazität an die tatsächliche Anzahl der Einrichtungen, der pädagogischen Mitarbeiterinnen und der betreuten Kinder anzupassen. Damit einhergehend können Modelle gedacht werden, die Steuerung von Fachberatung neu zu organisieren und die bisherige Zentrierung auf unterschiedliche Trägerschaften zugunsten einer regionalen Verankerung der Fachberatungsleistung mit vernetzten Angeboten zurückzunehmen, um sicherzustellen, dass bildungs- und fachpolitische Innovationen, Richtlinien und Empfehlungen des Landes über ein wirksames Unterstützungssystem zeitnah sowie unabhängig von Standort und Trägerschaft Eingang in die pädagogische Praxis finden können.

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■■ Literatur Sächsisches Landesamt für Familie und Soziales. (1996). Orientierungshilfe des Sächsischen Landesjugendamtes zur Fachberatung in Kindertageseinrichtungen gemäß § 15, SäKiTaG. (Abgerufen 20.02.2008 von http://www.slfs. sachsen.de/lja/service/ pdf/lja_ohi_fb_KiTa_96.pdf ) Sächsisches Staatsamt für Soziales. (2006). Der sächsische Bildungsplan – ein Leitfaden für pädagogische Fachkräfte in Kinderkrippen und Kindergärten. Dresden. Sächsische Staatskanzlei (Hg). (2006). Sächsisches Gesetz- und Verordnungsblatt. Nr. 1/ 2006. Dresden. (Abgerufen 20.02.2008 von http://www.uni-leipzig.de/~studart/ studium/ordnungen_dokumente/ordnungen_alt/gesetzblatt.pdf ) Sächsisches Staatsministerium für Soziales (Hg). (2008): Ergebnisse der Evaluation der Personalausstattung in Kindertageseinrichtungen sowie der Struktur und Angebote der Fachberatung für Kindertageseinrichtungen und Kindertagespflege: http://www. KiTa-bildungsserver.de/themen/fachbuecher-informationsbroschueren/ergebnisseder-evaluation-der-personalausstattung-in-kindertageseinrichtungen-sowie-derstruktur-und-angebote-der-fachberatung-fuer-kindertageseinrichtungen-undkindertagespflege/ (Abgerufen 10.01.2010)

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Erfolgschancen erhöhen – Fachberatung vom Kopf auf die Füße stellen

Fachberatung ist Teil eines Qualitätssicherungssystems. Trotz einer erheblichen Länder- und Regionalspezifik in den Aufgaben dominierten historisch, bei Einrichtung der Stellen für Fachberaterinnen, eindeutig qualitätssichernde Funktionen im direkten Kontakt zwischen Fachberatung und erziehendem Personal. In NRW sollten Moderatoren gar den Transfer wissenschaftlicher Erkenntnisse in die Praxis leisten (eine Idee, die auf Erna Moskal zurückgeht). Später, siehe Hense in diesem Band, wurde das Überwiegen administrativ-organisatorischer Aufgaben ohne interaktiv qualitätssichernden Anteil beklagt (Hebenstreit). Hier wird die These vertreten, dass ein back to the roots die Erfolgschancen der Fachberatung verbessert: weniger steuern, sondern mehr rudern. Steuern ist eine leichtgewichtige Arbeit – Rudern ist schwer. Wie beim Ruderer Achter: eine junger leichtgewichtiger Steuermann oder eine Steuerfrau lässt sich von acht starken Frauen oder Männern über die Strecke rudern. Dafür darf er steuern – schwitzende Steuerleute sind kaum beobachtet worden. Beim schwierigen Geschäft des Ruderns brauchen die Erzieherinnen Hilfe – die könnte ihnen Fachberatung anbieten, wenn sie es denn kann.

■■ Es gibt schwierige Aufgaben in der Praxis, die durch

sprachliche Anweisungen nicht gelöst werden können – Beispiel Gruppenmanagement

Georg Kerschensteiner, Reformpädagoge und Gründer der Arbeitsschulbewegung soll gesagt haben, es gebe hervorragende Einzelerzieher, die versagen, wenn sie eine Gruppe oder eine Schulklasse führen sollen. Es gelinge ihnen nicht, die „leicht auseinanderflatternden Kinderseelen zusammenzuhalten.“ (Kerschensteiner, 1921). Winnefeld u. a. haben diese Meinung geteilt: Ein Kind erziehen, ihm etwas erklären, es akzeptieren, es ganzheitlich fördern, ein kleines Kind verstehen, ihm die altersangemessenen Anregungen geben, das ist eine wichtige Kompetenz. Die andere ist die Führung einer Gruppe (Winnefeld, 1967). Winnefeld hat nicht nur eine erhöhte Kontaktkapazität von Menschen, die Gruppen führen, gefordert und eine entsprechend hohe Wahrnehmungskapazität, sondern auch eine personale Geräumigkeit, d. h. eine Grundvoraus-

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setzung, dass man sich nicht nur um viele gleichzeitig kümmern können muss, sondern gleichzeitig Platz in seinem Wohlwollen für unterschiedliche charakterliche Typen von Kindern haben soll. Die Führung einer Gruppe im Kindergarten stellt fundamental andere Anforderungen als es der geschickte, der richtige, der wissenschaftlich abgesicherte Umgang mit einem einzelnen Kind stellen würde. Überspitzt ausgedrückt: Erziehen kann jeder, aber eine Gruppen führen noch lange nicht. Die Führung einer Gruppe ist allerdings das wichtigste Qualitätsmerkmal guter Erzieherinnen, wie auch von Lehrern. Die Fähigkeit, sinnvolle, dem Kind angemessene Lernprozesse für eine Vielzahl von Kindern zu realisieren, gilt auch nach internationalen Überblicken (Wang, Haertel, & Walberg, 1993) über die Qualität von Unterricht in der Primarstufe wie Sekundarstufe als der wichtigste und wirkungsmächtigste Faktor. Unter 35 Qualitätskennzeichen besetzt Platz 1 das „Group-Management“. Der Amerikaner Jacob Kounin hat sich bereits in den 70er Jahren mit dem Group-Management in Kindergärten und anderen Tages­einrichtungen beschäftigt (J. Kounin, 1970; J. S. Kounin & Doyle, 1975; J. S. Kounin & Gump, 1974). Techniken wie die von Kounin entwickelten, z. B. Dabeisein, Überlappung, Aufrechterhaltung des Gruppenfolus oder Signalkon­ tinuität und Insulation dürfen keine Fremdworte und keine unbekannten Verhaltensweisen in der Praxis sein (R. Dollase, 1994; 1995). In der deutschen elementarpädagogischen Diskussion ist dieser Forschungsstrang, typisch möchte man sagen, völlig übersehen worden, bis auf Winnefeld (s. o.) hat sich niemand ernsthaft damit befasst. Stattdessen wird seit drei Jahrzehnten immer wieder über dieselben Inhalte der Elementarpädagogik diskutiert: das Bild vom Kind, die neurobiologischen Erkenntnisse, die entwicklungspsychologischen und – pädagogischen Grundtatsachen, Schlüsselkompetenzen etc. Allerdings peinlich ist, wie alle Kriterienkataloge zu den Inhalten der Beratung wie auch von Aus- und Fortbildung wie schlecht abgeschriebene Inhaltsverzeichnisse von entwicklungspsychologischen oder  – pädagogischen Lehrbüchern aussehen. Auch dass sich Kinder selbst steuern können (ja, ja, die Selbstkonstruktion und die Ko-Konstruktion), dass die Gene eine Rolle spielen ebenso wie die Umwelt, hat einen so alten Bart, dass dringend die Lektüre eines Standardwerkes zur Entwicklungspsychologie (Bee & Boyd, 2004; ­Oerter  & Montada, 1995) und eines zu den Theorien der Entwicklungspsychologie (Miller, 1993) empfohlen sei. Der Hinweis auf die Bedeutsamkeit des Group-Management ist zentral für die Reform von Qualitätssicherungssystemen sowie von Aus- und Fortbildung im Elementarbereich. Und das aus folgenden Gründen: Wie man eine Gruppe erfolgreich führt, lernt man nicht aus Büchern, sondern nur aus der Praxis. Was man praktisch für erfolgreiches Group Management tun muss, ist verbal kaum zu übermitteln, d. h. selbst dann, wenn es wissenschaftliche Untersuchungen dazu gäbe, erfolgt der Lernprozess in situ (lat. in der Situation), im Handeln,

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Erfolgschancen erhöhen

und nicht etwa in der Reflektion von Handeln, sondern überwiegend durch Vormachen und Nachmachen. Das Group-Management lernt man vor allen Dingen nur unter der Anleitung von jemandem, der etwas davon versteht, also z. B. von einer praxiskompetenten Fachberatung. Nun wäre diese Ausgangsposition zu simpel verstanden, wenn man nur denkt, wir brauchen mehr Praxis in der Erzieherinnen Aus- und Fortbildung und entsprechende Qualifikationen der Fachberatung. Das behaupten steif und fest Personen, die nicht in der Praxis lernen, sondern sich zusammensetzen und über die Praxis sprechen. Das ist theoretische Praxisnähe aber nicht Praxis. Auch die Noten für Prüfungen werden überwiegend theoretisch gewonnen oder als Theorie der Praxis oder als Leistung während einer Vorführstunde und nicht als Bewährung in einem komplizierten, eher handwerklichen Feld des Gruppenmanagements. Um den Widersinn der herkömmlichen Art von Aus- und Fortbildung (nämlich theoretischer Praxisbezug) deutlich zu machen, sei ein Vergleich gewählt, der, es sei gleich hier gesagt, in keinem Fall hinkt. Man stelle sich vor, es gäbe ein 300 Seiten starkes Buch, in dem aufgeschrieben würde, was die Fußballspieler alles tun können müssen. Beispielsweise: 1. Punkt: „Der Fußballspieler bemüht sich auf dem Platz, den Ball in das gegnerische Tor zu treten.“ 2. Punkt: „Der Fußballspieler achtet in Zweikämpfen darauf, dass er diese Zweikampf gewinnt, dabei aber fair bleibt.“ 3.Punkt „Der Spieler bemüht sich, hohe Bälle im Falle der sofortigen Weitergabe mit dem Kopf, im Falle des Weiterspielens mit dem Fuß zu stoppen.“ usw. Man könnte eine Kabarettsitzung mit dieser Art von Qualitätsmanagement für die Fußballnationalmannschaft gestalten. Schließlich gäbe es noch eine Zielvereinbarung und eine interne und externe Evaluation. Zielvereinbarung: „Die Mannschaft bemüht sich, das Spiel gegen Frankreich zu gewinnen“ (Jeder unterschreibt). Interne Evaluation: „Wir prüfen, ob wir das Ziel erreicht haben.“ Zur externen Evaluation kommt eine 10-köpfige Evaluationskommission, die natürlich ein enormes Honorar nimmt, und prüft, ob diese Zielvereinbarung eingehalten wurde, wenn das Spiel nicht gewonnen wurde, wird gefragt, was sie zu tun gedenkt und welche Förderpläne (s. o.) sie zu gestalten gedenken … Um es kurz zu machen: Die Idee, dass man durch Text, durch Worte, das lebendige Verhalten von Erziehenden oder Fußball spielenden Menschen oder auch von Ingenieuren gestalten und kontrollieren könnte und sie zu Höchstleistungen anstacheln kann, ist einer der größten Fehler der gegenwärtigen Reformdebatte in allen möglichen Bereichen. Text und Geschriebenes kann Impulse setzen, kann zum Nachdenken und zum Reflektieren anregen, aber es ersetzt nicht das Lernen in vivo, im lebendigen Alltag. Wissen und Können ist entkoppelt. Man kann etwas können, ohne genau zu wissen, wie es funktioniert. Es gibt hervorragende Erzieherinnen, die das Gruppenmanagement intuitiv beherrschen, aber keine akademische Ausbildung in Kinderpsychologie

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oder Pädagogik haben. Umgekehrt gibt es viele Psychologie- und Pädagogikprofessoren, die sich im praktischen Vollzug der Erziehung schon ihres eigenen Nachwuchses, genauso wie fremder Menschen, außerordentlich verklemmt anstellen und wie man dann unschwer erkennen kann, null Peilung vom richtigen Umgang mit Kindern haben. Selbstauskünfte und Reflexionen in Praktikerrunden sind als Ansatzpunkt für Psychotherapien sicherlich geeignet, aber nicht, um die Praxis zu verbessern. Das, was ich über meine eigene erzieherische Praxis erzähle, muss nicht stimmen. Zu oft erlebt man, dass hier zwischen der Selbstbeschreibung der eigenen erzieherischen Praxis bei Erzieherinnen, Eltern, Lehrern und Psychologen im Vergleich zu einer Fremdbeobachtung ein Riesen­ unterschied klafft (Fiege & Dollase, 1998). Andererseits: Auch denjenigen, die glauben, dass alle Theorie, alle Wissenschaft überflüssig sei, muss gesagt werden, dass es auch Praktiker gibt, die Jahrzehnte lang mit ihren Kindern Unsinn machen und das Gruppenmanagement nicht beherrschen, obwohl sie so tun, als könnten sie es. Ohne Wissenschaft keine wirkliche Verbesserung der Praxis. Aber es muss eine Wissenschaft sein, die auch nachweislich zu einer besseren Praxis führt. Also muss sie es auch vormachen können. Das Verhältnis zwischen Praxis und Theorie ist viel komplizierter und gänzlich anders, als es in der bisherigen Literatur beschrieben worden ist. Die Sicherheit dieser Aussage ergibt sich auch durch empirische Untersuchungen. So haben z. B. haben Eheart & Leavitt schon vor Jahren herausgefunden, dass die Verhaltens Interpretation von Vokabeln, u. a. „freundlich“ oder „aktives Zuhören“, in der Praxis von Mensch zu Mensch stark variiert (Eheart & Leavitt, 1989). Oder: Weikart hat über die „Teacher proof curricula“, die „lehrersicheren“ oder „erziehersicheren“ (in Anlehnung an „narrensicher“) Programme und Curricula geforscht. Er meinte, dass auch evaluierte Programme nicht weiterhelfen, da es darauf ankommt, wie man sie in vivo, im tatsächlichen Praxisfeld umsetzt (Weikart, 1972). Nicht das Programm, die Bildungsvereinbarung oder der Qualitätsstandard ist für Qualität entscheidend, sondern die Persönlichkeit des Erziehenden bzw. seine realen Haltungen und Verhaltensweisen – guter Text kann schlecht umgesetzt werden, schlechter Text gut. Deswegen hilft auch bei der Reform der Fachberatung oder von Aus- und Fortbildung Text als Initial­zündung zwar weiter – aber er ändert das Endverhalten nicht. Am Beispiel des Gruppenmanagement wurde hier also deutlich gemacht, wie man es verbessern kann. Man muss das vorbildliche Gruppenmanagement direkt vormachen, es nachmachen lassen, eine Expertin muss es korrigieren. Es reicht nicht, es lesen zu lassen oder im Beratungsraum darüber zu sprechen („Achten Sie auf den Gruppenfokus!“ – „Ihr multitasking muss verbessert werden!“). Nein, die Fachberatung muss mitrudern (können). Wer weiß, soll können – wer kann, soll wissen – auf diesen Slogan lässt sich die Reform von Fachberatung wie auch Aus- und Fortbildung bringen ( Dollase, 2007).

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Wie kommt es, dass der Sprach- und Verbalsteuerung im pädagogischen Bereich so viel Raum gegeben wird? Zunächst einmal liegt es daran, dass Juristen es gewohnt sind, an Texte, also Gesetze und Erlasstexte zu glauben, um die Realität steuern zu können. Zwar sind ihnen die Ermessens- und Auslegungsspielräume bekannt, aber Juristen haben z. B. in Prozessen wochenlang Zeit, solche Interpretationsfragen von Text zu klären, wohingegen das erziehende und unterrichtende Personal sofort im Sinne von schriftlich fixierten Anforderungen reagieren müsste (was sie natürlich nicht tun und auch nicht tun können). Auch für die sich immer mehr im Elementarbereich breit machenden Betriebswirte und Qualitätsfachleute, die keine Pädagogen sind, erscheint es genauso sinnig, wie eben auch für fachfremdes Trägerpersonal, irgendetwas aufzuschreiben und auf die Einhaltung zu pochen. Der angeschlagene Heinrich von Pierer (Siemens) verbreitete früher die Devise „Die moderne Führungskraft setzt Ziele und Termine und kontrolliert diese “– was daraus wurde, was den Führungskräften alles entging, kann ja nun jeder besichtigen. Besser: sie hätten weniger kontrolliert und Ziele gesetzt, sondern besser in vivo geführt. Also: Buchwissenschaften sind dafür verantwortlich, dass der schriftlichen Fixierung so viel Gewicht beigemessen wird. Hier unnötig zu erwähnen ist, dass auch ein großer Teil  der Pädagogik immer noch glaubt, dass durch das Beschreiben von richtigem Er­ zieherverhalten schon eine Verbesserung eintreten müsste. Der Kulturkritiker Carl Einstein hat in seinem Werk „Fabrikation der Fiktionen“ (posthum, 1973, S. 71) diese Symbolgläubigkeit der Intellektuellen wie folgt beschrieben: „Die Intellektuellen waren in die Worte, den Glauben an das Abstrakte versponnen. Sie wähnten gleich Feticheuren, eine neu gedichtete Formulierung ändere die Wirklichkeit ab. Um an den Erfolg der Fiktionen glauben zu können, versuchten die Intellektuellen, das Tatsächliche zu vergessen oder auszuschalten. Sie wähnten, es genüge, eine Fotografie zu durchbohren, um das Original zu Tode zu bringen.“ Besser kann man den Glauben an Pläne, Konzepte, Vereinbarungen, Qualitätsstandards etc., die die Qualität im Alltag verbessern sollen, nicht beschreiben. Aber man sollte sich zu Beginn des 21.Jahrhunderts als Textfetischist tunlichst nicht mehr als Intellektueller bezeichnen, wenn man an Textsteuerung glaubt.

■■ Von der Notwendigkeit einer erziehungspraktischen und

erziehungswissenschaftlichen Infrastruktur als Grundlage für die Fachberatung

Ausgangspunkt der Argumentation war ein Beispiel: Gruppenmanagement lernt man nicht durch Bücher lesen. Daraus folgt, dass ein Lernen in situ, im Alltag, erfolgen muss. Man lernt dort aber nur, wenn man gleichzeitig auch Meistererzieherinnen, -lehrerinnen oder sonst wie praktisch ausgewiesene Ex-

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perten hat (Dollase, 1984; Sturzenhecker, 1993). Daraus folgt zwingend, dass wir eine erziehungspraktische Infrastruktur organisieren müssen, das System von Fachberatung, von Aus- und Fortbildung in die Lage versetzen, gute und sehr gute Praktiker auszuwählen. Die wählt man nicht dadurch aus, dass sie etwa in der Geschichte der Pädagogik Bescheid wissen oder gut reflektieren können. Das wäre so, als wenn wir als Mittelstürmer unserer Nationalmannschaft jemanden mit sehr guten Noten in der Geschichte des Fußballsports einstellen würden. Solche Menschen müssen sich im Alltag bewähren, sie sind nicht diejenigen, die bei einer Vorführstunde besonders gut sind, sondern es müssen welche sein, die nach Meinung von Erzieherinnen, Eltern, Experten und vor allen Dingen Kindern die Gabe haben, eine Gruppe zu leiten und möglichst vielen einzelnen gleichzeitig erfolgreiche Lernprozesse vermitteln können. Deutschland hat mit dem Aufbau einer erziehungspraktischen Infrastruktur – wie übrigens viele andere Länder – keine Erfahrungen mehr (früher gab es so etwas – es ist noch gar nicht lange her). Das würde aber nichts ausmachen, es ist möglich, eine solche Struktur zu entwickeln und ein Identifizierungssystem von praktischer Qualität aufzubauen, d. h. solche Menschen identifizieren, die das Gute vormachen können, damit es andere nachmachen können. Was in der Medizin möglich ist – ein Chirurgieprofessor kann selbstverständlich seinen Studierenden die Operation eines Blinddarms vormachen  – sollte in der Päd­agogik auch möglich sein. Ein Lehrer an einer Fachschule bzw. ein Professor für Pädagogik ist aber heute leider nur selten dazu in der Lage, seinen Studierenden bzw. Schülern die gute Gruppenführung oder den guten Unterricht vorzu­ machen. Das sollte schleunigst wieder möglich sein. Als erste Maßnahme empfiehlt sich, dass alle Fachberaterinnen und Lehrer an Fachschulen, die mit Erzieherinnenklassen zu tun haben, dass alle Fachhochschullehrkräfte und alle universitären Lehrkräfte, die im Elementarbereich irgendetwas verändern wollen, alle Juristen, Qualitätsmanager und Stadtverordnete, einmal pro Jahr für drei Wochen (über die Länge des Zeitraums ließe sich ja noch reden) eine Kindergartengruppe selbstständig leiten und vormachen, was eine gute Kindertagesstättenarbeit ist. („Hospitieren“ reicht nicht – vom Zuschauen beim Fußballspiel wird man auch kein guter Fußballspieler). Auch wenn das zunächst zum Chaos führt, so würde es doch einen erzieherischen Effekt für jene haben, die gute Texte aber keine gute Praxis machen können. Wie das aussehen kann, hat der Pädagogikprofessor Job Günter Klink schon im Jahre 1973 (Klasse VIIb)  eindrucksvoll beschrieben. Auf jeden Fall würde es dazu führen, dass Fachberatung ein Bremser für nicht ausreichend praxistaugliche Reformansinnen wäre. Wissenschaftliche Fragestellungen würden sich beispielsweise näher an der Praxis orientieren; das, was gelehrt wird, würde von den Lehrenden praktisch hinterfragt werden und sie würden sehr schnell merken, dass ein Großteil der

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Inhalte von Fachberatung und Erzieherinnenausbildung überhaupt nicht zur Verbesserung der Praxis taugt. Dazu ein Beispiel: Die Kenntnis der geistigen Entwicklung nach Jean Piaget ist sicherlich sehr interessant, aber sie ist in der Vermittlung unvollständig, wenn nicht deren Bedeutung für den alltäglichen Arbeitsanfall intensivst erläutert und vorgemacht wird. Wenn nicht klar gemacht wird, in welchen Situationen welche Verhaltensweise daraus folgt, ist der Stoff überflüssig. Neben der erziehungspraktischen Infrastruktur benötigen wir dringend eine erziehungswissenschaftliche Infrastruktur, d. h. eine Orientierung des erzieherischen Alltags an der Wissenschaft. Das, so werden nun viele behaupten, haben wir ja immer gehabt und dabei ist auch viel Unsinn entstanden – die Antwort lautet: ja. Das lag aber daran, dass wir es nicht mit einer erziehungswissenschaftlichen Infrastruktur zu tun hatten, sondern mit einer feuilletonistischen Infrastruktur, d. h. Pädagogik- und Psychologieprofessoren haben gelehrt, was gerade modern, in oder im Feuilleton aktuell war. Sie haben nicht über konkrete Alltagsfragen geforscht, z.B nicht über Prioritäten bei gleichzeitigem Vorliegen mehrerer Störungen im Kindergartenalltag. Fortbildungsveranstaltungen wurden aus dem Bauch heraus gemacht, es wurden soziologische Theorien und Ideologien einfach verlängert, freihändig auf den Alltag heruntergebrochen, ohne sie empirisch überprüft zu haben. Erziehungswissenschaftliche Infrastruktur heißt, dass die Arbeit im Kindergarten auf Erfahrungswissenschaft gegründet wird, also auf empirische Untersuchungen, die überwiegend experimentell sein müssen. Nicht-experimentelle Forschung ist nicht in der Lage, Kausalzusammenhänge aufzudecken, sie bleiben bloße Spekulation. Ein Beispiel für die Dekadenz der aktuellen feuilletonistischen Infrastruktur ist die neu aufgeflammte Debatte um die Bildung von kleinen Kindern. Sie ist von Anfang an, also seit Mitte der 90er Jahre, von Personen geführt worden, die keine Ahnung davon hatten, dass in den 70er Jahren in Deutschland, und weltweit bis in die 2000er Jahre hinein, an dieser Frage beständig wissenschaftlich gearbeitet wird und wurde, und dass das Fazit der empirischen Erforschung zu frühen Bildungsprozessen in Kindertagesstätten (nicht in Einer-, Zweier- oder Fünfergruppen, sondern in realen Kindertagesstätten) eindeutig darauf hinausläuft, Ansätze zur Verschulung bzw. zur schulähnlichen curricularen Bildungsarbeit zu vermeiden. Es steht eindeutig fest, dass ins Spiel der Kinder integrierte Lerngelegenheiten, dass so etwas wie der sog. Situationsansatz (Zimmer, 1973; 1984) weltweit als die günstigste Form der pädagogischen Arbeit im Elementarbereich angesehen wird (Marcon, 2002; Wolf, Becker, & Conrad, 1999; Wolf, Hippchen, & Stuck, 2001). Das wusste man seit den 70er Jahren und daran hat sich auch durch neuere Untersuchungen nichts geändert. Niemand hat zwischenzeitlich bestritten, dass kleine Kinder viel lernen können, die Frage ist, wie lernen sie im Kollektiv, ins Spiel integriert, sodass es nur

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Experten sehen können oder mit Mappen, kleinen Experimentalkoffern und einem Stundenplan, der da lautet: So, jetzt machen wir mal ein bisschen Naturwissenschaft und dann Mathe. Auch Schulfähigkeitsprofile und andere Mätzchen sind aus dem Gedanken der frühen Verschulung geboren und erreichen in der Summe das Gegenteil dessen, was erziehungswissenschaftlich als richtig erwiesen wurde. Die verstärkte Arbeit an einer erziehungspraktischen und erziehungswissenschaftlichen Infrastruktur erfordert z. B. eine stärkere Verzahnung der Fachschul- und Fachhochschullehrerinnen mit der universitären Forschung und eine Anbindung dieser an den internationalen Standard. Davon sind wir weit entfernt, weil durch die Deregulierung der Hochschulszenerie kaum zu erwarten ist, dass sich an irgendwelchen Universitäten nun Zentren der Ausbildung von Elementarpädagoginnen herausbilden, sondern im Gegenteil: Die Entwicklungsrichtungen der Universitäten gehen zur Zeit recht eindeutig in eine möglichst praxisferne Richtung. Und das liegt wiederum daran, dass die dort Lehrenden keine Ahnung von und kein Interesse an der „banalen“ Praxis der Kindertagesstätten haben. Erziehungspraktische und -wissenschaftliche Infrastruktur bindet induktive und deduktive Elemente der Ausbildung zusammen, ebenso wie analytische und synthetische. Sie vermeidet sowohl einseitige Praxis wie auch Wissenschaftsfetischismus. Sie bringt zwei Strukturen zur gegenseitigen Korrektur zueinander: die einen verstehen etwas von den anderen und diese von der ersteren. Mit einer stärkeren Verzahnung von Theorie und Praxis ist das, was hier gefordert wird, nicht vergleichbar, weil unter diesem Label auch gerade sehr praxisferne Theorie der Praxis betrieben wurde, besser wäre es zu sagen, dass sich Wissenschaft stärker am praktischen Handeln orientieren muss und Praxis stärker an wissenschaftlichen Ergebnissen. Das genau ist das Defizit der aktuellen Fachberatung und selbstverständlich auch der Aus- und Fort­ bildung.

■■ Was tun? – Fachberatung für die Praxis wirksamer machen am Beispiel der Umsetzung von Bildungsplänen

Die Fachberatung könnte als Teil  des Qualitätskontroll- bzw. -sicherungssys­ tems eine zentrale Rolle zwischen erziehungspraktischer und erziehungswissenschaftlicher Infrastruktur spielen. Sie muss dann von beidem Ahnung haben – und: es müssen mehr Personen sein, denn praxisnahe in vivo Beratung, die Vormachen impliziert, ist zeitaufwendig. Menschen, die Stellen in der Fachberatung haben wollen, müssen sich – wie es ja jetzt schon viele können und tun – in beiden Bereichen auskennen: in der Wissenschaft, wie in der Praxis. Die wissenschaftliche Qualifikation erwirbt man an Hochschulen, die prak-

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tische (auch wenn eine ErzieherInnenausbildung vorangegangen sein sollte) durch regelmäßige, selbständige Lösung von Praxisproblemen (unter Super­ vision). Ein Einsatzgebiet par excellence für die Fachberatung können z. B. Bildungspläne und deren Umsetzung in die Praxis sein – möglicherweise auch schon deren Konstruktion. Auch andere Standards, Qualitätskataloge, die aus sich selbst heraus wegen mangelnder Konkretisierung, kompromisshafter Formulierungen oder auch praktisch nichtssagenden Vokabeln allein keine wirksamen Impulse an der Basis entfalten können. Pläne und Standards sind der sichtbare Teil eines Eisberges – 9/10 liegen unter Wasser – diese unsichtbaren Implikationen müssen bei der praktischen Umsetzung deutlich gemacht werden. Das 1/10, das über dem Wasser liegt, ist im Entstehungsprozess des Textes als Kompromiss bzw. als summarische Abstraktion stehen geblieben – es ersetzt noch nicht einmal einen anderen Text z.B ein Lehrbuch der Kleinkindpädagogik. Umsetzung ist ein ideales Feld – zum Teil von Fachberatung schon exzellent beschritten, zum Teil aber wegen seiner personellen Unterbesetzung nur oberflächlich realisiert. Um Praxis zu verändern, müssen Verwaltungsarbeiten minimiert werden – einer Forderung wie „mehr Präsenz im Jugendamt“ ist eine Absage zu erteilen – mehr Präsenz in der Praxis stattdessen zu unterstützen. Die Forderung nach mehr Präsenz im Amt ergibt sich psychologisch aus dem Wunsch nach Statuserhöhung – je mehr Untergebene jemand hat, desto höher sein Status (Dollase, 1976). Untergebene, die nicht sichtbar sind, tragen zur Statussenkung des Vorgesetzten bei. Deshalb wird gerne nach dem Kasperle Prinzip geführt: „Seid ihr auch alle da?“ Die Umsetzung der Bildungspläne erfordert für Fachberatung die oben beschriebene Kenntnis zweier Strukturen – die praktische (politische, administrative) und die wissenschaftliche Infrastruktur. Sie hat den Vorteil der regionalisierten Kenntnis der personellen und sozialen Rahmenbedingungen und den der multiplen Loyalität, die zwar manchmal zu Konflikten führt, aber auch ausgleichende Funktion haben kann. Bisherige Qualitätssicherungssysteme – übrigens meist eine Kopie der Steuerungssysteme der DDR – sind oft dominant von erheblichem Misstrauen gegenüber den arbeitenden und produzierenden Teilen der Belegschaft beherrscht worden. Kontrolle setzt Misstrauen voraus. Gemäß dem Wladimir ­Iljitsch ­Uljanow (genannt Lenin) fälschlich zugeschriebenen Satz: „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser.“ (Er mochte aber dieses russische Sprichwort). Mit der Fachberatung stünde, wegen der Loyalität auch nach unten, eine Position zur Verfügung, die aus der „Besserwisser Beratung“, oder der unauthentischen, scheinheiligen, weil Verständnis nur schauspielernden, nicht direktiven Beratung (die sehr wohl unerschütterlich weiß, dass das Gegenüber im Unrecht ist), eine Funktion zur Verfügung, die ehrlich, authentisch und kompetent die Pro-

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bleme der Praxis ansprechen und lösen kann. Die Sache und ihre Bewältigung – nicht die Kontrolle steht im Vordergrund. Die personale, interaktive Begleitung durch praktisch und wissenschaftlich kompetente, interaktive Begleitung muss ein Ziel aller bleiben, die Praxis verbessern möchten. Sie ist machbar. Statt für alle den FH-Abschluss zu fordern, wäre die Weiterqualifizierung der Fachberatung in praktischer und wissenschaftlicher Sicht der schnellere und günstigere Weg. Gäbe es analoge Qualitätssteuerungen in anderen Branchen? Eher weniger – bis auf die Medizin (s. u.). Schulinspektoren machen das Gute nicht vor – sie erheben die Information von Fragebögen. Externe Evaluatoren stehen im Dienst der Kontrolle und der statistischen Auswertung – kennen die regionalen und lokalen Besonderheiten nicht, und können praktisch oft nichts. Fachberatung könnte, wie hier gefordert, im engeren Sinne die pädagogische Führung qua praktischer und wissenschaft­ licher Autorität sein. Die hier skizzierte Reformidee beginnt sofort durch die Organisation von mehr Praxis für die Lehrenden und Forschenden und die Fachberatung. Erst dann, wenn man sicher sein kann, dass es genügend Fachleute aus Wissenschaft, Lehre, Verwaltung und „Führung“ (Führung ist eigentlich ein unanständiger Begriff, da jeder, der nicht in der Praxis arbeitet, sich eher als Diener der­jenigen, die tatsächlich arbeiten, betrachten sollte) gibt, die in der Lage sind, eine erziehungspraktische Infrastruktur aufzubauen, d. h. Kriterien zu ent­wickeln, nach denen hervorragende Praktiker und Praktikerinnen, also Fach­beratung, ausgewählt werden können. Natürlich dürfen das nicht diejenigen sein, die bei Konferenzen, Sitzungen usw. nur die aktuellen Reformphrasen nachplappern, sondern es müssen solche sein, die tatsächlich von der Praxis Ahnung haben und Dinge auch vormachen können. Nach der Identifikation der guten Praktiker unter denen, die sich auch in der Wissenschaft auskennen, wird es Fachberatung geben, die in der Lage ist, das Gute jederzeit und in jeder Gruppe vorzumachen. Eine Illusion, die hier entworfen wird? Ich verweise darauf, dass wir in vielen Bereichen, in der Medizin ebenso wie in der Psychotherapie mit der Supervision, in der Polizei, in der Alten- und Krankenpflege, in der Medizin und in vielen anderen Bereichen auch, Wege zur Identifizierung von erfolgreichen Praktikern gefunden haben und gleichzeitig nur solche Leute an die Ausbildung und Beratung lassen, die auch tatsächlich die gute Praxis vormachen können. Warum sollte das im Elementarbereich und im Schulsystem eigentlich nicht möglich sein? Gibt es irgendeinen Grund außer gewachsenen parasitären Strukturen von Papierproduzenten? In der Medizin sind Chefärztinnen (wissenschaftliche und praktische Profis) zumeist habilitiert und an den Staats­ prüfungen der Mediziner gleichberechtigt mit den Uni Professoren beteiligt. Sie können die schwierigen Operationen selbstverständlich vormachen und bilden aus und setzen Vorschriften um. Also: Es geht.

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Sind die hier gemachten Vorschläge neu? Ja, zum Teil sind sie neu, wer das nicht erkennt, sollte noch mal von vorne zu lesen anfangen, es geht nicht um eine stärkere Integration von Theorie und Praxis, sondern um eine fundamentale Änderung von Theorie und Praxis. Was wir brauchen, ist eine grund­ legende pädagogische Reform des Elementarbereiches und nicht eine, die sich an Kybernetik (darauf gehen alle Formen des Qualitätsmanagements zurück), an Jura, an Textwissenschaften orientiert, sondern daran, was der irreversible und international abgesicherte wissenschaftliche und praktische Erkenntnisstand über das Lernen kleiner Kinder in Gruppen ist.

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Jörg Walther

Kindertageseinrichtungen und Fachberatung im Wandel

Kindertageseinrichtungen sind vielfältigen Veränderungsprozessen unterworfen, in denen Fachberatung eine Schlüsselrolle zukommt. Bevor überhaupt über Effizienz nachgedacht werden kann, gilt es, diese Veränderungen und deren Auswirkungen auf Fachberatung zu beschreiben. Dies geschieht in diesem Beitrag am Beispiel der Evangelischen Tageseinrichtungen für Kinder in der Evangelischen Kirche im Rheinland und der Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe e. V. mit besonderem Bezug zur aktuellen Landesgesetzgebung in NordrheinWestfalen. Abschließend sind erste Überlegungen zu einer Effizienzdarstellung formuliert.

■■ Kindertageseinrichtungen im Wandel Ohne Zweifel befinden sich Tageseinrichtungen für Kinder und andere Formen der Tagesbetreuung in einer Phase des massiven Umbruchs und enormer Veränderungen. Vier Hauptströmungen zeichnen diesen Wandel entscheidend mit. Wissen und die aus ihm entstehenden Kompetenzen in einer globalen Welt bilden ein existentielles und ethisch fundiertes Zukunftspotenzial. „Die Kinder von heute sind die Werteträger von morgen“ (Tries, 2009, S. 15). Dieser uns alle bekannte Zusammenhang hat, nicht zuletzt auch durch vielfältige Ergebnisse der Kognitionswissenschaften (vgl. Laewen 2002), zu einem veränderten Bild frühkindlicher Betreuung, Bildung und Erziehung geführt. In diesen Ergebnissen ist Bildung zum Antreiber geworden, mit der Chance, Bildung als Sprache der Freiheit zu gestalten. Die Bundesländer haben vor diesem Hintergrund Bildungspläne, Bildungsvereinbarungen und Erziehungsempfehlungen entwickelt, die sich in vielen Fällen in einem ersten Erprobungs- und Bewährungszustand befinden. Damit werden die Tageseinrichtungen für Kinder auf der einen Seite als Bildungsinstitution aufgewertet, sie müssen sich auf der anderen Seite aber auch diesem Anspruch stellen. Die gesellschaftliche Rolle von Familie hat sich in den letzten Jahrzehnten stark gewandelt. Zugespitzt formuliert leben wir gerade in den Ballungsgebieten in einem multikulturellen Patchwork verschiedenster religiöser und ander­

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weitig ausgeprägter Anspruchswelten. In diesem Umfeld haben in nicht wenigen Fällen Eltern bzw. Elternteile ihre Erziehungsorientierung verloren, die sie unter anderem in den Tageseinrichtungen für Kinder und Schulen wieder zu finden hoffen. Zudem verjüngt sich infolge der politisch initiierten Vereinbarkeit von Familie und Beruf die Alterspanne in den Tageseinrichtungen auf Kinder unter drei Jahren, unterstützt durch die bundespolitische aktuelle Veränderung und Gewährung eines Rechtsanspruchs ab Vollendung des ersten Lebensjahres, gültig ab dem Jahr 2013. Am oberen Ende der Altersskala werden Familien mit ihren Kindern zunehmend durch eine frühere Einschulung, ab dem 5. Lebensjahr, mehr in die Entscheidung der Schulbildung gedrängt. In der Vergangenheit ist die Altersspanne der Hortkinder (6–12 Jahre) als Konsequenz der offenen Ganztagsschulen in vielen Landesbereichen komplett gebrochen. Es wird dabei deutlich, dass die Diskussion um die frühere Einschulung jetzt erst richtig begonnen hat, insbesondere im Hinblick auf die Unterschiedlichkeit der Angebote in Qualität und Quantität im europäischen Vergleich. Die ersten konzeptionellen Antworten hierauf sind vermeintlich neue Angebotsformen z. B. der Familienzentren in Nordrhein-Westfalen sowie die einzelne Tageseinrichtung als übergreifendes Versorgungssystem für Not­ situationen: Kinder sollen ggf. bis zu 24 Stunden am Tag betreut oder in (leichteren) Krankheitsfällen auch rund um die Uhr versorgt und behütet werden können. Diese Erwartungen an ein einrichtungsübergreifendes Versorgungs- und Angebotssystem im systemischen Ansatz gelten inzwischen als zukünftige Minimalforderungen gegenüber weit extensiveren Erwartungen von Politik und Gesellschaft, die Antworten auf die Situation suchen, dass Familien und ihre Kinder im gängigen Hilfesystem nicht mehr nachhaltig erreicht werden können. Neuere Entwicklungen in den gesetzlichen Regelungen werden nach und nach diese veränderten Bedingungen unterstützen. Hiermit verlässt die Kindertageseinrichtung ihren pädagogischen Rahmen und erweitert ihre sozialpädagogischen Herausforderungen in Form von Familien- und Elternberatung, -unterstützung und/oder besonderer Beobachtung des Kindeswohls. Ein Drahtseilakt kann es sein, wenn dieses Kindeswohl im Spannungsbogen zwischen Elterninteressen und dem gelingendem Aufwachsen von Kindern zu sichern und zu unterstützen ist. Auch Tageseinrichtungen für Kinder stehen im Dauerfokus internationaler Vergleichbarkeit. Die Studie „Starting Strong“ (2004) oder auch „Baby-Pisa“ genannt, lobt den ganzheitlichen Ansatz frühkindlicher Betreuung, Bildung und Erziehung. Diese weist aber auch aus, dass die fachliche Qualifikation sowie die Qualitätsunterschiede zwischen den Tageseinrichtungen für Kinder sehr unterdurchschnittlich ausfallen und ein Gefälle mit Höhen und Tiefen in der Ausgestaltung der Qualität abbilden. Hieraus ergeben sich wesentliche und ver­ schiedene Konsequenzen, die weiter unten im Text ausgeführt werden.

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Kindertageseinrichtungen und Fachberatung im Wandel

Early Childhood ManagerIn KiTa steht im Prozess umfassender Differenzierungen

Beraten Familienzentrum

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KITA Traditionsbereiche

Betreuen

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Sozialstruktur des Milieus

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Joachim Tries

Abb. 1: Vertikale und horizontale Differenzierung der Tageseinrichtungen für Kinder (Tries 2007)

Obwohl die Anforderungen an Tageseinrichtungen für Kinder vielschichtiger und anspruchsvoller geworden sind, stehen auch zukünftig weiterhin unzu­ reichende Finanzmittel zur Verfügung. Der gesellschaftliche Anspruch bzw. die Erwartungen und die Bereitstellung und Abbildung der Finanzierungssysteme für Tageseinrichtungen für Kinder, drohen weiter auseinanderzugehen. Land

Gesetzliche Konsequenzen Änderungen

Anmerkungen

NRW

KiBiZ (2008)

Jährlich veränderte Kindpauschalen – Zusammensetzung statt anteiligem, festen Betriebskostenzuschusssystem

keine langfristige Sicherheit der Refinanzierung, nur schrittweise Anpassung an Veränderungen, Kommunalisierung

Umstellung auf komplett neues Finanzierungssystem statt anteiligem, jährlichen festen Betriebskostenzuschusssystem

Trägerverbände sollen in die Ausgestaltung des System einbezogen werden

Rheinland- zu erwarten Pfalz in 2011

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Jörg Walther

Land

Gesetzliche Konsequenzen Änderungen

Anmerkungen

Saarland

KBBG (2008)

Erstmalig im Detail fest­ gezurrtes System: Darstellung der Verantwortung und Aufgabenbeschreibung, zu erwartende Veränderung durch neue Regierung im Elementarund Schulbereich

Landesweite Rechtsverordnungen klären nach und nach Detail-fragen in enger Rückkopplung mit den Trägerorganisationen, schrittweise Anpassung

Hessen

Mindestvoraussetzungsverordnung 2008/2009

Personalbemessungssystem ist in der aktuellen Überprüfung, eventuelle Veränderung durch neue Regierung

Kommunalisierung, Ausgestaltung vor Ort, wenig umgesetzte landesweite verbindliche Standards

Tab. 1: Änderungen der Rahmenbedingungen für Kindertageseinrichtungen am Beispiel ausgewählter Bundesländer (Einzugsgebiet des Rheinischen Verbandes)

Finanzierungsmodalitäten und eine weitere Professionalisierung können sich auch auf Trägerstrukturen (zumindest der Kirchen und der freien Wohlfahrtspflege)  auswirken, wie dies beispielhaft am Kinderbildungsgesetz und seinen Ausführungsverordnungen aufgezeigt wird. Diese Veränderungen wiederum strahlen auf die Aufgabenanforderungen und auf das Rollenverständnis von Fachberatung aus. Generell führt die Aufnahme von Kindern unter drei Jahren (U3) zu veränderten Gruppenstrukturen. Die Ausweitung der Angebotsstruktur mit umfassenden Umbaumaßnahmen, der Entwicklung neuer pädagogischer Konzepte, hierauf aufzubauender Bildungsangebote für die Mitarbeitenden sowie erhöhter Erwartungen an die fachliche Eingangsqualifikation des Personals sind weitere Baustellen für Fachberatung. So sollen in NRW Kinderpflegerinnen und fachpädagogisch nicht ausgebildete Ergänzungskräfte im Regelfall in Gruppen, die Kinder unter drei Jahren aufnehmen, nicht mehr refinanziert werden. Das Kinderbildungsgesetz bzw. seine Ausführungsbestimmungen verorten den Bildungsanspruch für Kinder in Tageseinrichtungen. Anforderungen in pädagogisch fernen Bildungsfeldern, z. B. naturwissenschaftlichen, mathematischen und sprachlichen Aufgabenfeldern, erfordert ein neues Bildungsverständnis, das über die herkömmlichen Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen hinausgeht. Landespolitisches Ziel ist es ferner, bis ins Jahr 2012 ca. 30.00 Kindertageseinrichtungen zu Familienzentren auszubauen. Grundgedanke dabei ist, vernetzte Angebote für Kinder und Eltern im Quartiersnetzwerk zur Verfügung

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Kindertageseinrichtungen und Fachberatung im Wandel

zu stellen. Hieraus ergeben sich wieder für Fachberatung in der Vermittlung verschiedene Konsequenzen. Nicht nur müssen funktionstüchtige Netzwerke auf- oder ausgebaut werden, sondern auch das Verständnis und die Haltung in der Arbeit mit Eltern und Familien grundlegend überdacht und in systemische, ganzheitliche Verantwortung weiterentwickelt werden. Die Leiterinnen dieser neuen Familienzentren stehen nach kurzer Zeit in einem intensiven Rollenwechsel von der pädagogisch fundierten hin zur managementorientierten Führung der Einrichtung, einer Aufgabe, auf die sie nicht oder in Teilen nur mangelhaft vorbereitet sind. Schließlich hat die Qualitätsentwicklung nach Gütesiegeln oder in Anlehnung an die DIN EN ISO 9001:2008 auch Träger und Tageseinrichtungen für Kinder erreicht. Im Einzugsbereich der Rheinischen Kirche bereiten sich aktuell ca. 40 % der evangelischen Tageseinrichtungen für Kinder auf diese Entwicklung mit einer entsprechenden Maßnahme für die Erreichung eines Qualitäts- und Gütesiegel vor. Die Bereitschaft, sich auf eine Qualitätszertifizierung einzulassen, verstärkt dabei die Frage, ob vor dem Hintergrund der oben beschriebenen inhaltlichen und finanziellen Differenzierungen überhaupt noch kleine Träger in der Lage sind, Einrichtungen zu führen und den Qualitätsprozessen, die sich an den Träger richten, entsprechen zu können. Infolgedessen verändert sich die Trägerlandschaft und Träger werden sich zu Qualitätsnetzwerken oder sogar weiterhin zu neuen örtlichen, großen Trägerorganisationen zusammenschließen, wie es im Laufe des letzten Jahres in den Ballungsgebieten Düsseldorf, Wuppertal und Köln bereits passiert ist. Fazit: Der umfassende Wandel, dem Tageseinrichtungen für Kinder ausgesetzt sind, wirkt sich auf alle Akteure aus, die für diese Einrichtungen Verantwortung tragen. Dies betrifft nicht nur das fachpädagogische Personal, sondern auch Trägeraufgaben sowie in bedeutender Art und Weise die Metaebene der Fachberatung. Dabei sind weniger die Veränderungen selbst das Problem, sondern eher das Phänomen, diesen Wandel nicht ganzheitlich zu erfassen, um darauf strategisch antworten zu können. Vielerorts lassen sich Tageseinrichtungen in einem regionalen Markt erfassen, in dem die Marktakteure regionale Antworten zu finden versuchen. Es gibt keine flächendeckende Entwicklung, geschweige denn eine Strategie, noch politisch zur Verfügung gestellte finanzielle Mittel, um auf die Herausforderungen und Risiken zu reagieren. Systemische und ganzheitliche Antworten müssen gefunden werden um den System­ umbruch als Chance zu begreifen.

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■■ Kompetenzausbau als wesentlicher Aspekt der Personalentwicklung

Als Folge des beschriebenen Wandels stehen Verantwortungsträger und das päd­agogische Fachpersonal vor Herausforderungen, die ohne eine systematische Fort- und Weiterbildung kaum zu bewerkstelligen sind. Die insgesamt hohe Fort- und Weiterbildungsbereitschaft der pädagogischen Mitarbeitenden in den Kindertageseinrichtungen täuscht nicht über die Notwendigkeit hinweg, lebenslanges Lernen am und außerhalb des Arbeitsplatzes verstärkt wahrnehmen zu müssen. Die Fort- und Weiterbildungsinhalte ergeben sich nicht mehr ausschließlich aus persönlichen Neigungen, sondern zunehmend aus den oben skizzierten Differenzierungen und den jeweiligen konzeptionellen Entwicklungen der einzelnen Einrichtungen. Fort- und Weiterbildung wird zunehmend zum Bestandteil der Führungsaufgaben in einer Einrichtung und versteht sich als ein Prozess, der aus veränderten Rahmen- und Organisationsbedingungen abgeleitet wird. Leider stehen enge Personalkontingente und knappe Finanzmittel dieser Entwicklung scheinbar gegenüber. Insofern sind Bildungssysteme zu gestalten, die den erforderlichen Bildungsbedarf aufgreifen und ökonomisch darstellen. Die schwerpunktmäßige lokale oder nur regionale Verankerung des Qualifizierungsmanagements widerspricht einer strategisch verantworteten Personalentwicklung, zu der im Kern auch die Kompetenzentwicklung der Mitarbeitenden und Verantwortungsträger gehört. Um diesen Spannungsbogen konstruktiv zu nutzen, hat die Evangelische Kirche im Rheinland, das Diakonische Werk der Evangelischen Kirche im Rheinland e. V. und der Rheinische Verband Evangelischer Tageseinrichtungen für Kinder e. V. das „Integrierte Bildungssystem Evangelischer Kindertageseinrichtungen (IBEK) im Jahr 2008 entwickelt“. Es adressiert für alle Akteurinnen und Akteure rund um die Kindertageseinrichtungen ein aufeinander abgestimmtes Bildungssystem (vgl. auch Walther, 2009, S.  4ff). Die Bildungsinhalte werden durch Expertinnen und Experten-Gremien, in denen Fachberatung wiederum eine gravierende Schlüsselrolle zukommt, definiert, um sodann in Curriculumsgruppen ausgestaltet zu werden. Hierdurch werden Standards für Inhalte und Didaktiken gesichert. Lernen im Rahmen dieser Bildungsmodule findet nur noch zu ca. 30 % an einem Präsenzort und zu jeweils weiteren 30 % in Form von Projektaufgaben, Selbststudium sowie moderiertem Studium statt. Den Teilnehmerinnen stehen dabei verschiedene Unterstützungssysteme wie Lerngruppen oder gar virtuelle Lernmethoden zur Verfügung. Der erfolgreiche Abschluss einer Fort- oder Weiterbildungsmaßnahme wird durch einen Leistungsnachweis dokumentiert. Das Spektrum reicht von Projektberichten über Klausuren bis zu Kolloquien. Hierdurch sichern die Projekt-

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Kindertageseinrichtungen und Fachberatung im Wandel

Gütesiegel

E

Bildungssystem Netzwerk

L

Bildungssystem GÜTESIEGEL

U

Bildungssystem FACHBERATUNG

D

Bildungssystem TRÄGER

O

Bildungssystem K-PFLEGERINNEN und andere Professionen

M

Bildungssystem ERZIEHERIN

Bildungssystem LEITUNG

Integriertes Bildungssystem Kita (IBK)

EVANGELISCH PRO KIND PRO FREIHEIT GESTALTEN IST SELBSTGESTALTEN QUALITÄT IN DER VIELFALT

Abb. 2: Das integrierte Säulenprinzip von IBEK

räger in IBEK den immer wichtiger werdenden Anspruch ab, früheres Lernen in zukünftige Maßnahmen anerkannt zu bekommen (Accreditation of Prior Learning, APL). Den Teilnehmerinnen können frühere Fortbildungen durch IBEK anerkannt werden, soweit sie inhaltlich und umfänglich mit den Bildungsmaßnahmen nach IBEK übereinstimmen. Diese Durchlässigkeit in horizontaler und vertikaler Weise betrachtet IBEK als Ressourcen schonendes und auf Nach­ haltigkeit angelegtes System. Gegenseitige Anerkennungen können bis in die Hochschulen hineinreichen. Insofern werden die Bildungsmodule und deren Arbeitsaufwand gemäß der „Richtlinien nach Bologna“ organisiert. Zentrale Berechnungsgröße ist der sogenannte Credit Point, nach dem sich Hochschulen in der Organisation ihrer Studiengänge ausrichten. Ein Credit Point umfasst zwischen 25 und 30 Vollzeitstunden Lernaufwand, unabhängig von seinem Lernort. Diese bildungsbiografische Durchlässigkeit ist auch vor dem realen Hintergrund zwingend erforderlich, wirksame Antworten auf die Akademisierungsdebatte zu eröffnen. Mit zunehmender Bedeutsamkeit der Kindertageseinrichtungen wird ein entsprechendes Kompetenzprofil zu fordern sein und dies bedeutet, das pädagogische Personal in Anteilen (z. B. für Fachberatung und in der Leitungsfunktion) verbindlich zu akademisieren. Einem durch diese Debatte ausgelösten Kompetenzwettbewerb auf allen beruflichen Ebenen der Ta-

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geseinrichtungen werfen allerdings auf drei Ebenen entscheidende und verschiedene Aspekte auf: 1. Die Ausbildung zur staatlich anerkannten Erzieherin dauert zwischen vier und fünf Jahre in einer attraktiven Kombination aus Theorie und Praxis. In dieser Phase wird ein Wissens- und Könnensschatz aufgebaut, der ein akademisches Studium kaum zu erbringen mag. 2. Auch wenn bundesweit mittlerweile ca. 60 Institute Bachelorausbildungen unterschiedlich berufsbegleitend anbieten, kann hierdurch der akute Kompetenzbedarf in den nächsten Jahren nicht gedeckt werden (vgl. König & Pasternak, 2008). 3. Als Forderung steht daher folgerichtig ein Bildungssystem im Raum, das auf den Erfahrungsschatz aufbaut und einen entsprechenden Bachelor-Abschluss bedient.

Entscheidend in diesem Kontext ist es, vorhandene Kompetenz zu nutzen und zu fördern und vor allem anzuerkennen. Dies ist nicht selbstverständlich. Einen berufspolitischen schwierigen Sachverhalt erlaubte sich das Bundesland Nordrhein  – Westfalen in seinen Personalverordnungen 2008 infolge des Kinder­ bildungsgesetzes. Praxiserfahrene Mitarbeitende, die nicht über eine Ausbildung als Erzieherin verfügten bzw. für diese sie sich bis zum Stichtagsjahr 2013 angemeldet hätten, sollten im Regelfall von der Refinanzierung der zukünftig dominierenden Gruppenformen mit Kindern unter drei Jahren ausgeschlossen werden. Die stringente Umsetzung dieses anfänglichen Vorhabens hätte fachpolitisch, arbeitsmarktpolitisch und auch menschliche schwierige Verhältnisse für die Arbeitsebenen der Tageseinrichtungen für Kinder ausgelöst. Träger hätten praxiserfahrene und wertvolle Mitarbeiterinnen (aufgrund des Qualifizierungsniveaus und biografischer Bedingungen) bis in die Arbeitslosigkeit entlassen müssen. In den nächsten Jahren wird allerdings durch die oben genannten Differenzierungsprozesse mehr Personal benötigt, als der Arbeitsmarkt anbieten kann. In verschiedenen Regionen herrscht gegenwärtig bereits ein erkennbarer Mangel an Fachkräften und damit schwierige Situationen für die Verantwortung von Trägern und Fachberatung. Fazit: Kindertageseinrichtungen als familiales und volkswirtschaftliches Kalkül stehen in einer Kompetenzoffensive, die mit herkömmlichen Instrumenten kaum zu bewerkstelligen ist. Fachberatung nimmt darin eine nicht mehr lokale, sondern eher eine strategische bildungspolitische Aufgabe und für den Träger entlastende Mitsteuerung in der Personalverantwortung wahr.

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Kindertageseinrichtungen und Fachberatung im Wandel

■■ Evangelische Qualitätsentwicklung Die Vielfalt der Profile und Konzepte der Tageseinrichtungen für Kinder, auch das große Engagement, mit dem sie gelebt werden, täuschen nicht über erkennbare Qualitätsschwankungen zwischen den Einrichtungen hinweg (Starting Strong). Die aktuelle Debatte, nach der Tageseinrichtungen ihre Qualität gemäß der Qualitätsnorm ISO 9000 bzw. an ein danach angelehntes Siegel nachweisen sollen, eröffnet im Gesamtkontext des Wandels mehr Chancen als Risiken: Die neuerlichen Qualitätsoffensiven liefern entscheidende Impulse, Qualitätsaussagen zu hinterfragen, ggf. zu verbessern und als Standards festzuschreiben. Das aus der Industrie entlehnte Qualitätsverständnis bedarf in Tageseinrichtungen für Kinder einer grundlegenden Verankerung. „Die Umsetzung großer Leitsätze braucht eben viele kleine Alltagsentscheidungen, um ein Profil deutlich zu machen“ (Blank, 2009). Der Grundstein eines rheinisch- evangelischen Verständnisses von Qualitätsarbeit fußt in dem Kern, Kindern insbesondere eine Hoffnung auf ihre Zukunft vermitteln zu wollen (vgl. Rheinischer Verband e. V. 2002). Dieses Verständnis von Qualitätsmanagement basiert auf dialogischer, prozesshafter Haltung und Handlung. Gegenwärtig stehen den Trägern der Evangelischen Kirche zwei Qualitätsmodelle alternativ oder additiv zur Verfügung. Die damit verbundenen Qualitätsnormen und deren Aufwendungen fallen unterschiedlich aus. Ungeachtet der Einzelentscheidung, welcher Weg nun der angemessenere sei, müssen Träger/Qualitätsverbünde und Fachberatung bereit sein, sich verbindlich auf diesen Prozess einzulassen und dem Beauftragten für Qualität bzw.

Evangelisches Gütesiegel nach BETA

Zertifizierung nach DIN IS0 9001:2009

Anzahl der Prozesse

19 Führungs-, 19 Kern-, 1 Unterstützungsprozess

plus 17 Führungs-, 0 Kern-, 3 Unterstützungsprozesse

Zertifizierer

Rheinischer Verband > IBEK

akkreditiertes Unternehmen mit Rahmenvertrag

Rezertifizierung

alle 5 Jahre

alle 3 Jahre

AuditorInnen

Intern qualifiziert

plus externe Qualifizierung

Abb. 3: Entscheidung für ein Qualitätssystem und Folgen

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der beauftragten Fachberatung ein administratives Durchgriffsrecht gewähren. Darin werden nicht nur pädagogische Kernprozesse, sondern auch trägerverantwortliche Führungs- und Unterstützungsprozesse mit nachhaltigen Folgen zu formulieren sein. Entscheidend und wesentlich für diese Betrachtung ist natürlich die Rolle der Fachberatung in diesem Prozess. Als Bindeglied zwischen Träger und Einrichtung kommt dieser Position eine besondere Schanierfunktion zu, da die verschiedenen Prozesse in Bezug auf Einrichtung und Träger aufeinander abgestimmt und verbindlich vereinbart werden müssen. Das derzeitige Spektrum, in dem Fachberatung diese Aufgabe wahrnimmt oder diese Entwicklung auf der Metaebene begleitet und den Qualitätsbeauftragten auf Augenhöhe unterstützt, ist im rheinischen Bereich relativ groß.

Fachberatung als Qualitätsmanagementbeauftragte (QMB) In kleineren Verbundsystemen kann Fachberatung die Rolle einer Qualitätsbeauftragten übernehmen. Hierfür bedarf es einer besonderen Qualifizierung und Rollenklärung zwischen Beratung und der Leitungsfunktion von Fachberatung, denn die Beratung wäre nicht mehr auf Anfrage gestaltet, sondern mit Verbindlich- und Nachhaltigkeiten ausgestattet.

Fachberatung als Moderatorin Die Qualitätsentwicklung richtet sich im Wesentlichen an pädagogischen und führungsbezogenen Prozessen aus. Pädagogische Prozesse qualifiziert zu beschreiben, ist in der Regel geübte Praxis (Konzeptionsarbeit) für Fachberatung. Demgegenüber ist die explizite Ausgestaltung der Führungsprozesse in der Abgrenzung zwischen Träger und Einrichtung eine mehr oder minder ungewohnte Praxis. Hier kann Fachberatung eine vermittelnde und entscheidend mitgestaltende Rolle einnehmen.

Fachberatung als Anbieter/Multiplikator für unterstützende Fort-/Weiterbildungsmaßnahmen Soll Qualität nachhaltig gelebt werden, sind unterstützende Fort- und Weiterbildungsangebote, insbesondere auch vor dem Hintergrund der sich vertikal und horizontal differenzierenden Tageseinrichtungen für Kinder angezeigt. Im IBEK wird diese differenzierte Maßnahme von Fachberaterinnen verbindlich mit verantwortet.

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Kindertageseinrichtungen und Fachberatung im Wandel

Bildungsmaßnahme

Dauer

Primäre Zielgruppen

Hoffnung Leben im Qualitätsprozess

2 Tage

LeiterInnen

Einführung in QM

2 Tage

LeiterInnen, Träger, Fachberatung

Leiten und steuern

8 * 2 Tage

LeiterInnen, QM-Verantwortliche

Träger - Crashkurse

Voraussichtlich 4* 2 Tage

Träger

Abb. 4: Fortbildungsbausteine für ein evangelisches Qualitätsmanagement

Diese Module wurden durch sogenannte Curriculumsgruppen erarbeitet, an denen Fachberatung entscheidend beteiligt waren. Zudem wirken sie regional als Dozentinnen bzw. als Lernortmoderatorinnen aktiv mit.

Fachberatung als interne Auditorin Maßnahmen im Qualitätsmanagement schließen mit einer Überprüfung der Qualitätsprozesse und -standards (Audit) in Tageseinrichtungen für Kinder ab: Der positive Ausgang des Audits führt zur Vergabe eines Gütesiegels bzw. Zertifikats. Solche Audits müssen nicht nur eingeübt werden, sie sollten auch jährlich als „interne“ Überprüfungen durchgeführt werden. Bei Erlangung eines Gütesiegels nach DIN-ISO-Kriterien müssen diese Audits verbindlich jährlich durchgeführt werden. Hier erhält Fachberatung wieder die Möglichkeit, eine solche Funktion zu übernehmen und die Verbindlichkeit der zu vereinbarenden Verbesserungen und damit die Qualität der Tageseinrichtung für Kinder zu erhöhen. Natürlich bedarf es hierfür entsprechender Qualifikationen und Schulungen. Fazit: Die Professionalisierung der Tageseinrichtungen für Kinder schreitet weiter voran und erfordert differenzierte Kompetenzen, der sich auch Fach­ beratung stellen und zugleich diese erworbenen Kompetenzen einbringen muss. Qualitätsmanagement stellt dabei ein wichtiges Verfahren dar.

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■■ Selbstbild der Fachberatung Für den Bereich der Evangelischen Kirche im Rheinland beschreiben die Fachberaterinnen in ihrem Qualitätshandbuch 2004 fünf zentrale, als Schwerpunktthemen ausgewiesene Handlungsfelder ihrer Arbeit: 1. Beratung in der Fachberatung 2. Fortbildung in der Fachberatung, 3. Leiterinnenkonferenzen, Arbeitskreise/Arbeitsgemeinschaften und Informationsweitergabe, 4. Interne Strukturen/Arbeitskreis Fachberatung sowie 5. Öffentlichkeitsarbeit.

Dabei verstehen sie sich als Interessenvertreterinnen „… von Kindertages­ einrichtungen in Politik und Kirche, sodass förderliche Rahmenbedingungen für das Aufwachsen von Kindern und deren Familien erhalten bleiben und geschaffen werden“.

Beratung in der Fachberatung Das Handbuch weist neun Beratungsfelder aus: 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9.

Pädagogische Beratung Konzeptionsberatung Beratung zur Teamentwicklung Leitungsberatung Strategieberatung Beratung in Konfliktsituationen Beratung zur Personalentwicklung Bauberatung Trägerberatung

Deutlich wird hier die besondere Betonung einrichtungsbezogener Beratungsprozesse, auch wenn die Trägerberatung explizit genannt wird.

Fortbildung in der Fachberatung Bislang betrachtet Fachberatung Fortbildung weitgehend als eine regionale Domäne, von der inhaltlichen, am Bedarf ausgerichteten Planung über die Erstellung von Fortbildungsprogrammen bis hin zur organisatorischen Absicherung

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Kindertageseinrichtungen und Fachberatung im Wandel

der Maßnahmen. In der Vergangenheit führte dies zu einem Kaleidoskop unterschiedlichster Angebote, das sich eher am subjektiven Befindlichkeitsbedürfnis der Adressaten ausrichtete. In dessen Folge kam es und kommt es noch zu unterschiedlich motivierten und qualifizierten Angeboten, die in wenigen Fällen aus regionalen Bedingungen abgeleitet werden und wurden. Dieses System zeichnet sich zwar durch Vielfalt, weniger jedoch zwingend durch Effizienz aus.

Konferenzsysteme Leiterinnenkonferenzen und verschiedene Arbeitskreise haben sich in der Vergangenheit als Informations- und Dialogort bewährt. Die Effizienz und der damit einhergehende Aufwand ist im Verhältnis zum erzielten Nutzen schwer einzuschätzen. Virtuelle Konferenzen bzw. virtuelle Dialoge finden bisher nur in Ausnahmen statt, obgleich in vielen Fällen die technischen Voraussetzungen gegeben sind. Gut ist der verstärkte Einsatz neuerer Methoden, z. B. Zukunftswerkstatt, World Café bis hin zu klaren, themenbezogenen Klausurtagungen.

Interne Strukturen Im Bereich der Evangelischen Kirche im Rheinland haben Fachberatungskonferenzen eine lange Tradition. Der Arbeitskreis der Fachberaterinnen ist mittlerweile in der Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe organisiert. Diese Konferenzen sind in den letzten Jahren vermehrt auf den Austausch gesetzlicher und betriebswirtschaftlicher Randbedingungen, bedingt durch äußere Einflüsse, reduziert worden. Dabei verloren die fachpädagogische Auseinandersetzung und die strategische gemeinsame Orientierung an Wertigkeit. Erst in jüngster Vergangenheit konnten unter anderem durch das Integrierte Bildungs­system Evangelischer Kindertageseinrichtungen (IBEK) wieder neue Impulse gesetzt werden. Dies betrifft insbesondere die regionalübergreifende Entwicklung erforderlicher Aus-, Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen sowie die flächen­ deckende Einführung von Systemen zum Qualitätsmanagement.

Öffentlichkeitsarbeit Die Öffentlichkeitsarbeit von Fachberatung sollte sehr differenziert und verschieden ausgerichtet sein. Wesentliche Zielgruppen waren für Fachberatung: die kirchlichen Gremien, politische Gremien, die Gesellschaft (von Eltern über

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das lokale Umfeld bis hin zur über-/regionalen Presse, vgl. Handbuch Fachberatung 6/2) sowie die Fachöffentlichkeit. Hier findet eine Weiterentwicklung auf verschiedenen Ebenen statt. Die Mitwirkung in übergeordneten kirchlichen Gremien setzt ein umfassendes kirchliches Engagement voraus. Dasselbe gilt für die überregionalen politischen Ebenen, in denen es in aller Regel keine konkrete Bindung an die Tageseinrichtungen und den direkten Fachbezug gibt. Die Metaebene Fachberatung ist in den landesweiten Entscheidungsprozessen nicht involviert und wird zumindest in NRW nicht entsprechend zur Kenntnis genommen bzw. die vorliegenden Kompetenzen nicht adäquat genutzt. Eltern sind ein wesentlicher Teil der Öffentlichkeit und somit grundsätzlich Beteiligte im frühkindlichen Betreuungs-, Bildungs- und Erziehungsgeschehen. Diese Entwicklungen werden mittlerweile von Fachberatungen berücksichtigt und entsprechend gewürdigt. Die Öffentlichkeitsarbeit via Internet wird nach und nach installiert. Eine Orientierung an dem Selbstverständnis der Fachberatung, wie es sich in den 80er Jahren entwickelt hat und in der Verbindung zwischen Tages­ einrichtungen und Träger angedacht war, ist im realen Kontext nicht mehr herzustellen. Die Beschreibung der oben genannten Prozesse ist erschwerend einhergegangen mit der Reflexion einer spätestens seit der Jahrtausendwende beginnenden Revolution in den Kindertageseinrichtungen und damit auch einer gravierenden Veränderung des Selbstverständnisses der Fachberatung.

■■ Fachberatung im Wandel Die aus Sicht der Fachberatung grundlegenden Dienstaufgaben werden zunehmend durch Verwaltungs- sowie durch Aufgaben überlagert, die im Rahmen zugeordneter Dienst- und Fachaufsicht entstehen. In diesem Umfeld entstehen neue Berufszuordnungen ehemaliger Fachberatung im Rheinland. Diese reichen vom pädagogischen Vorstand eines großen Trägers, der Abteilungsleitung innerhalb eines auf stadtbezogenen Trägersystems, über die pädagogische Leitung eines kleinen Verbundes hin zur einer neuen Ebene, die der ehemaligen Fachberatung in der neuen Funktion unterstellt ist: der Sachgebietsleitung. Umfang und Qualität dieser aktuellen Veränderungen machen deutlich, dass ein neues Berufsbild bzw. eine Rollendifferenzierung und ein eigenes Selbstverständnis mehr denn je von Nöten ist. Der vom Sächsischen Staatsministerium für Soziales 2008 veröffentlichte Abschlussbericht „Evaluierung der Personalausstattung in Kindertageseinrichtungen sowie Struktur und Angebote der Fachberatung für Kindertageseinrichtungen in Sachsen“ weist aus, dass in Sachsen 36,3 % der Fachberaterinnen folgende Aufgaben „…zusätzlich zur Fachberatung wahr(nehmen)“: allgemeine

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Kindertageseinrichtungen und Fachberatung im Wandel

Verwaltungsaufgaben, finanztechnische Aufgaben, Dienst- und Fachaufsicht, berufspolitische Aktivitäten (S. 121). Diese Aufgaben besetzen etwa 50 % der Arbeitszeit (siehe ebenda, S. 131). Wenn auch die Ergebnisse nicht bundesweit verallgemeinert werden können, zeichnet sich dennoch eine deutliche Tendenz ab: Das Bild genuiner Fachberatung wird bedeutsam durch neue und andere Aufgaben überlagert, wenn nicht sogar abgelöst. Es verwundert daher nicht, dass Fachberatung aus der Sicht des pädagogischen Personals in den Tageseinrichtungen für Kinder nur als „teilweise wirksam“ erlebt wird. Zu diesem Ergebnis kommt Hense auf der Basis von 337 bundesweit zurückgesandten Fragebögen (2009, S.  136). Dort, wo sie wirkt oder wirken kann, wird Fachberatung hinsichtlich ihrer persönlichen Kompetenzen (ebenda, S. 138) gut benotet (zwischen den Schulnoten 1,8 bis 2,8), wenngleich knapp 47 % das Statement „Unsere Fachberatung steht in regelmäßiger Verbindung mit den Erzieherinnen“ verneinen (ebenda, S. 142). Dieses Ergebnis darf nicht überinterpretiert werden. Befragt wurden Leiterinnen und pädagogisches Fachpersonal auf verschiedenen Ebenen und Fachberatung wirkt wahrnehmbar nicht immer auf das gesamte Personal in den Einrichtungen durch. Fazit: Beide Studien weisen auf ein und dieselbe Problematik aus verschiedener Perspektive hin. Während die Studie in Sachsen den veränderten Operationsumfang von Fachberatung durchleuchtet, analysiert Hense (2008) die Auswirkungen verlagerter Aufgabenfelder aus der Sicht der pädagogischen Adressaten. Beide Ergebnisse machen deutlich, dass ein Wandel bzw. eine Klärung im Rollenbild von Fachberatung die Erwartungshorizonte verändern und entstandene Lücken neu gestaltet werden müssen.

■■ Fachberatung im Wandel zwischen Gestaltung und Effizienzerwartung

Mit zunehmender Komplexität des Systems Kindertageseinrichtung wachsen auch Gestaltungs-, Steuerungs- und Koordinierungsbedarfe. Gestaltung bezieht sich dabei nicht nur auf die Entwicklung einzelner Einrichtungen, sondern insbesondere auf die strategische und finanztechnisch nachhaltige Angebots- und Infrastruktur entlang der Interessen der Umwelten, in die die Kindertageseinrichtungen eingebettet sind (z. B. Politik, Eltern, Kindeswohl). Steuerungsaufgaben, die sich im Wesentlichen aus der Fach- und Dienstaufsicht ergeben, werden dabei tendenziell stärker auf Fachberatung verlagert. Hier muss die Wechselwirkung zwischen Aufsicht und Beratung neu überdacht bzw. endlich eindeutiger geklärt oder vielleicht sogar getrennt werden. Dabei ist es nicht die Frage, ob, sondern ab welchem Beratungsanlass eine Aufsichtsfunk-

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tion und das Beratungsverständnis im Interessen- und Vertrauenskonflikt stehen können. Der Koordinierungsbedarf in Form vielfältiger Gremien- und Konferenzanlässe steigt ebenso an. In einer Voruntersuchung wurde im IBEK festgestellt, dass ca. 25 % der monatlichen Arbeitszeit auf solche Arbeiten fallen können, vom Jugendhilfeverbund über Netzwerkkoordinationen bis hin zu kleinen Leitungskonferenzen und weiteren kleinteiligen, internen Konferenzsystemen (z. B. Führungskreis, Strategietagung, interne Dienstbesprechungen). Die reinen Zeitaufwendungen für die eigentlichen Tagungen bilden dabei weniger eine Herausforderung; zeitaufwendig sind die Vor- und Nachbereitungen sowie die Bewegungszeiten. So können aus drei Stunden Konferenzzeit sehr schnell acht Stunden Gesamtaufwendungen werden. Das im vorhergehenden Abschnitt beschriebene Rollenverständnis von Fachberatung aus dem Jahr 2004 existiert in dieser Form nicht mehr. An seine Stelle ist Rollenvielfalt getreten, die sich dennoch auf wesentliche Aspekte verdichten lässt: Zunahme der Vorgesetztenfunktion und Abgrenzung zur Beratung 1. 2. 3. 4.

Zunahme überregionaler Gestaltungs- und Koordinationsaufwendungen Übernahme neuer Aufgaben, z. B. im Rahmen der Qualitätsentwicklung Begleitung/Unterstützung in neuen fachpädagogischen Feldern Zunahme der Trägerberatung und Trägerunterstützung nicht nur aus betriebswirtschaftlicher Sicht, sondern auch in Personalmanagement bis hin zur zukünftiger, strategischer und überlebensfähiger Angebotsausrichtung der Träger

Auch für Fachberatung bedeutet dies, neue Herausforderungen zuzulassen und anzunehmen sowie die dafür erforderlichen Kompetenzen zu erwerben. Wenngleich die Praxis ein attraktives Lernfeld darstellt, sind nachhaltig wirkende Weiterbildungsangebote, die sich mit der Praxis eng verzahnen, erforderlich. Fazit: Fachberatung steht inmitten eines Systemwandels von Kindertageseinrichtungen. In diesem Wandel nimmt Fachberatung eine entscheidende Rolle ein, indem sie wesentlich umfassender eine strukturierte Personal- und Organisationsentwicklung im Dialog mit anderen Expertinnen und Experten ana­lysiert und die dafür notwendigen Rahmenbedingungen zu sichern hilft. Stärker als in der Vergangenheit agiert Fachberatung und bringt proaktiv nachhaltige Veränderungsimpulse ein. In diesem Zusammenhang übernimmt sie verstärkt auch die Trägerperspektive. Erst wenn die neuen Rollenprofile von Fachberatung in nächster Zeit geklärt sind, kann abschließend über Effizienz resümiert werden. Dabei sollten die Grundgedanken der Effizienz in Bezug auf die Handlungsfelder der Tageseinrichtungen für Kinder im Mittelpunkt stehen: Zentrale Aufgabe ist es nach wie

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Kindertageseinrichtungen und Fachberatung im Wandel

vor, durch pädagogisches Handeln wirksam Effekte zu erzielen, die im weitesten Sinne als eine qualitativ hochwertige frühkindliche Betreuung, Bildung und Erziehung bezeichnet werden. Dies ist ein Prozess und führt zu konkreten Ergebnissen, so beherrschen z. B. alle Kinder, die in die Grundschule wechseln die deutsche Sprache in einem Umfang, der hinreicht, dem Unterricht sprachlich folgen zu können. Das Ergebnis sprachlicher Literalität erzielt Wirkungen: Beispielsweise hat ein Kind besonderen Spaß am Rechenunterricht und entwickelt sich zu einem Mathematiker, der 20 Jahre später in der Luft – und Raumfahrt arbeiten könnte. Beherrschte das Beispielkind die Sprache nicht hinreichend (Ergebnis), könnte es dem Mathematikunterricht nicht folgen und entwickelte keinen Spaß daran (Wirkung). Fachpädagogisch qualifizierte Mitarbeiterinnen erzielen somit laufend solche Ergebnisse und Wirkungen. Aufgabe von Fachberatung ist es nach wie vor, diese Prozesse und deren Rahmenbedingungen zu unterstützen, zu begleiten, zu verbessern und zu optimieren. Die Adressaten von Fachberatung haben sich deutlich erweitert. Neben den pädagogischen Fachkräften sind Träger (Arbeitgeber) – und im Sinne eines vernetzten und systemischen Handelns – die Co-Akteure und Akteurinnen rund um die Kindertageseinrichtungen getreten. Effizienz von Fachberatung zu beschreiben bedeutet ein erstes Annäherungsmodell zu skizzieren, weil Fachberatung sich in einem massiven Wandel befindet und der beschriebene Systemumbruch enorm ist. Dies kann nur bedeuten, die Wirkungsfelder von Fachberatung, ob selbst angeregt oder angefragt, vor dem Hintergrund systembedingter Veränderungen aufzugreifen. Die ökonomische Wirksamkeit als Verhältnis zwischen Kosten und Nutzen (Effizienz) gelingt nur, wenn diese Handlungsfelder und Wirkungserwartungen transparent sind. Dabei orientiert sich der Beitrag an Kompetenzen, die eingebracht oder eben durch Beratung verändert werden wollen. „Kompetenzen charakterisieren die Fähigkeiten von Menschen, sich in offenen und unüberschaubaren, komplexen und dynamischen Situationen selbstorganisiert zurechtzufinden“ (Heyse & Erpenbeck (2004), S. XIII).

■■ Literatur Blank, U. (2009): Qualitätsentwicklung in Evangelischen Kindertageseinrichtungen. In Evangelische Kirche im Rheinland, Diakonisches Werk Rheinland e. V., Rheinische Verband e. V. (Hrsg.): Integriertes Bildungssystem Evangelischer Tageseinrichtungen für Kinder. global gedacht – lokal gemacht; 103–110 Bundesvereinigung Evangelischer Tageseinrichtungen für Kinder e. V., Diakonisches Institut für Qualitätsentwicklung im Diakonischen Werk der EKD e. V. (Hrsg.) (2009): Bundesrahmenhandbuch. Leitfaden für den Aufbau eines Qualitätsmanagementsystems in Tageseinrichtungen für Kinder

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Hense, M. (2009): Wirksamkeit der Fachberatung – eine empirische Studie. Dissertations­ schrift Universität Bielefeld. Heyse, V., Erpenbeck, J. (2004): Kompetenztraining. 64 Informations- und Trainingsprogramme. Stuttgart König, K., Pasternak, P. (2008): elementar + professionell: Die Akademisierung der elementarpädagogischen Ausbildung in Deutschland. HoF – Arbeitsberichte 5’08. Wittenberg Laewen, H.-J., Andres, B (Hrsg.) (2002): Bildung und Erziehung in der frühen Kindheit. Weinheim OECD (2004): Die Politik der frühkindlichen Betreuung, Bildung und Erziehung in der Bundesrepublik Deutschland. Rheinischer Verband Evangelischer Tageseinrichtungen für Kinder e. V. mit dem Arbeitskreis Fachberatung, (Hrsg.) (2004): QM Handbuch Evangelischer Fachberatung. Rheinischer Verband Evangelischer Tageseinrichtungen für Kinder e. V. (Hrsg.) (2002): Hoffnung Leben. Seelze/Velber Sächsisches Staatsministerium für Soziales (2008): Evaluierung der Personalausstattung in Kindertageseinrichtungen sowie Struktur und Angebote der Fachberatung für Kindertageseinrichtungen und Kindertagespflege in Sachsen. Abschlussbericht. Tries,J. (2007) Early Childhood Managerin? Leitungskurse Heute – Morgen – 2027 Vortrag anlässlich der Denktage des Rheinischen Verbandes Evangelischer Tageseinrichtungen für Kinder e. V. im August 2007. Bonn Tries, J., Walther, J. (2009): Eine veränderte Welt. In EKir, DWR, RV (Hrsg.): Integriertes Bildungssystem Evangelischer Tageseinrichtungen für Kinder. global gedacht – lokal gemacht; 15–24 Walther, J. (2009): Einführung in das IBEK. In EKir, DWR, RV (Hrsg.): Integriertes Bildungssystem Evangelischer Tageseinrichtungen für Kinder. global gedacht  – lokal gemacht; 3–12

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Pia-Theresia Franke

Profilbildung in veränderten Strukturbedingungen

Anmerkung Die nachfolgenden Überlegungen zur Sichtweise des Anstellungsträgers werden auf der Grundlage der Kooperation und des fachlichen Austausches mit kirch­ lichen Anstellungsträgern von Seiten des Fachreferates für kirchliche Elementarpädagogik getroffen und sind somit exemplarisch zu verstehen.

■■ Vorüberlegungen Das Thema Fachberatung ist wieder in die öffentliche Fachdiskussion zurückgekehrt  – nicht zuletzt aufgrund der Veränderungen und Herausforderungen, denen sich Kindertageseinrichtungen gegenüber sahen und sehen, wird die grundsätzliche qualitätssichernde und innovative Rolle von Fachberatung erkannt. Für die Träger der öffentlichen Jugendhilfe ergibt sich durch die Regelung des § 72 SGB VIII der gesetzliche Auftrag, Fortbildung und Praxisberatung der Mitarbeiterinnen der Jugendämter und Landesjugendämter sicherzustellen. Fachberatung sollte in die jeweiligen Ausführungsgesetze aufgenommen und durch Finanzierungsbeteiligung abgesichert werden. Der Ordnung halber sei hier auch auf die Ergebnisse der OECD Studie „Starting Strong“ verwiesen, die für Deutschland ein z. T. erhebliches Vermittlungsproblem in die Praxis feststellte. Hier gewinnt Fachberatung auch im Sinne ihrer Multiplika­ torenrolle an Bedeutung (Münch 2008, S.  521 ff.) Das schlummernde Thema Fachberatung wurde damit auch in der öffentlichen Diskussion endgültig aus dem Dornröschenschlaf geweckt.

■■ Zur Situation Die Fachberatungslandschaft in Deutschland gestaltet sich bislang sehr uneinheitlich und Befugnisse wie auch Ansätze sind vielfältig. Die Aufgabenbereiche der Fachberatungen variieren von Aufsichtsfunktionen, pädagogischer Sachbearbeitung, beratender und steuernder Funktion im Trägersystem bis hin zu Beratungsaufgaben für Kindertageseinrichtungen und Kindertagespflege.

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Pia-Theresia Franke

Das Engagement kirchlicher Träger für Fachberatung und die erforderliche Weiterentwicklung der Tageseinrichtungen für Kinder besitzen eine lange Tradition. Fachberatung von Seiten katholischer Träger ist ein freiwilliges Angebot für die Kindertageseinrichtungen. Beratung erfolgt als Anfrage der örtlichen Einrichtungen im Sinne eines dynamischen Prozesses. Der personale Ansatz ist der Ausgangspunkt dieser Beratung. Fachberatungen der diözesanen Caritasverbände besitzen im Gegensatz zu kommunalen Fachberatungen keine Fachaufsicht und somit keine weisende Funktion; sie orientieren sich an den Grundprinzipen der Freiwilligkeit, Akzeptanz und Partizipation. Die Struktur von Fachberatung sei hier am Beispiel Bayern zur Verdeutlichung kurz skizziert: Fachberatung ist in den einzelnen diözesanen Caritasverbänden verortet und orientiert sich in den einzelnen Diözesen am Regionalitätsprinzip. Koordinierende Funktion übernimmt der Bayerische Landesverband katho­ lischer Tageseinrichtungen für Kinder beispielsweise durch regelmäßige Fachreferententreffen. Bereits 1993 wurde der Versuch unternommen, mithilfe dieses Dachverbandes ein konsensfähiges Rahmenkonzept der Fachberatung zu entwickeln. Anläufe zur konzeptionellen Weiterentwicklung der Fachberatung werden aufgrund aktueller Entwicklungen erneut aufgegriffen. Derzeit entsteht eine breite Diskussion über katholische Fachberatung – auch und gerade bedingt durch geplante bzw. durchgeführte Umstrukturierungen in den Diözesen und die damit erforderlichen Veränderungen von Strukturen, Zuständigkeiten und Kompetenzen. Fachberatung ist hier gleichermaßen davon betroffen und muss sich unter anderem mit folgenden Fragen auseinander­ setzen: Welche Verortung hat Fachberatung bei der Zunahme von Trägerverbünden? Wie kann konkrete Beratung in veränderten Strukturen aussehen? Wie gestaltet sich gezielte Trägerberatung? Modifizieren sich Beratungsangebote hinsichtlich Inhalt und Methode? Die inhaltliche Pluralität und heterogene Situation erschwerte bislang eine klare Profilbildung der Fachberatung und in der Vergangenheit wurden diverse Anläufe unternommen, den Aufgabenbereich der Fachberatung zu definieren. Bei all der Pluralität lassen sich jedoch Aufgabenschwerpunkte herauskristal­ lisieren: Es geht sowohl um Qualifizierung und Weiterentwicklung der pädagogischen Praxis der katholischen Kindertageseinrichtungen, Organisations- und Personalentwicklung, Sicherung der Qualitätsstandards und Begleitung bei der Umsetzung von Innovationen, Mitgestaltung trägerspezifischer Zielsetzungen, Umsetzung gesetzlicher und betriebswirtschaftlicher Rahmenbedingungen als auch um Kooperation und Vernetzung (Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter 2003, S.5).

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■■ Effektivität und Effizienz? Lässt sich bei all dieser Heterogenität und dem vielfältigen Aufgabenspektrum die Frage nach Effizienz und Effektivität stellen? Kann in der Beratungsarbeit überhaupt von effizienter oder effektiver Fachberatung gesprochen werden oder sollten derartige Formulierungen besser in der Beratung keine Verwendung finden, da die Begleitung doch sehr individuell gestaltet wird? Sind die Leistungen am Ende vielleicht gar nicht messbar?

■■ Fachberatung – soziale Dienstleistung Fachberatung als soziale Dienstleistung lebt vom Prinzip der Relationalität und Personenbezogenheit. Das Charakteristische sozialer Dienstleistungen stellt gerade die Immaterialität/Intangibilität (Dienstleistung ist nicht greifbar), die Unteilbarkeit/Nicht-Speicherbarkeit/Koproduktion (Erstellung der Dienstleistung erfolgt in Kooperation) und die Individualität dar. Dienstleistung ist abgestimmt auf die unterschiedlichen Bedürfnisse der Adressaten (Merchel 2003, S. 7 ff.). Wie kann nun gerade hier von Effizienz und Effektivität gesprochen werden? Eine Begriffsklärung tut Not, vor allem auch die Unterscheidung von Effizienz und Effektivität. Effektivität nimmt die Beantwortung der Frage in den Fokus, inwieweit die Leistungserstellung zielorientiert und nach professionellen Maßstäben erfolgt. Der wesentliche Bezugspunkt für die Definition der Ziele ist hierbei der Bedarf des Adressaten. Für trägerspezifische Fachberatung bedeutet dies, mit den Mitarbeiterinnen der Einrichtungen zu agieren und zu kooperieren mit dem Ziel der Qualitätsentwicklung und -sicherung der Einrichtung unter der Prämisse des Trägers. Gegenstand von Effizienz hingegen ist das „Kosten – Nutzen – Kalkül“, also die Frage inwieweit das Leistungsziel mit einem sparsamen, aber auch zielerreichenden Ressourceneinsatz erzielt worden ist. Uneinigkeit herrscht gerade in der Bestimmbarkeit und Wertigkeit von Effizienz als Beurteilungskategorie in der sozialen Dienstleistung (Merchel 2003, S. 10 ff.). So ergeben sich höchst unterschiedliche Positionen, die zum einen Effizienz als Maßstab ablehnen (vgl. Müller-Schöll 1993) oder diese als Grundlage des Handelns – „zum kategorischen Imperativ“ (vgl. Schwarz 1992) erklären (Merchel 2003, S.  10). Diese beiden Begrifflichkeiten beschäftigen sich mit grund­ legenden, hier vereinfacht dargestellten, Fragestellungen: ◆◆ ◆◆

Effektivität „Tun wir die richtigen Dinge?“ Effizienz „Tun wir die Dinge richtig?“ (Online Verwaltungslexikon 2010)

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In den nachfolgenden Überlegungen wird stärker der Aspekt der Effektivität betrachtet, wobei diese selbstverständlich Auswirkungen auf die Wirtschaftlichkeit und damit Effizienz hat.

■■ Zur Bedeutung von Fachberatung Der Bereich der frühpädagogischen Bildung und Erziehung erfährt seit einigen Jahren verstärkte Aufmerksamkeit. Die gesamtgesellschaftliche Bedeutung dieser qualitativen frühen Bildung und Erziehung von Kindern ist inzwischen unbestritten; die Gestaltung von Bildungs- und Erziehungsprozessen rücken nicht zuletzt durch die Einführung der Bildungspläne stärker in den Fokus. Wirksame Bildungsinvestitionen zahlen sich nach Meinung der Forscher aus und das ifo-Institut legte kürzlich eine Berechnung der Folgekosten durch entgangenes Wirtschaftswachstum aufgrund unzureichender Bildung vor (Wößmann 2009, S. 10 ff.). Der Bayerische Bildungs- und Erziehungsplan formuliert darüber hinaus das Modell der lernenden Kindertageseinrichtung, das sein Angebots- und Leistungsprofil kontinuierlich zu überprüfen, zu modifizieren und zu präzisieren weiß, um prozessorientierte Veränderungsstrategien zu planen und zu gestalten. Damit ist Fachberatung gefordert, katholische Einrichtungen bei dieser Gestaltung der Veränderungen gerade durch das sowohl feldspezifische Wissen als auch durch erforderliche Kompetenzen, Prozesse zu gestalten, zu unterstützen. Fachberater sind einerseits ausgestattet mit Insiderwissen zu rechtlichen Rahmenbedingungen, Verwaltungsvorschriften u. a., benötigen gleichzeitig aber auch Beratungs- und Interaktionswissen (Bamler 2008, S. 4). Diese koordinierende, vermittelnde und moderierende Funktion ist für Fachberatung konstitutiv. Doch werden gerade in jüngster Zeit immer wieder Forderungen laut, trägerspezifische Fachberatung doch besser outzusourcen und zu zentralisieren (­PaedQuis 2008, S. 168 ff.). Diese Auffassung kann jedoch so nicht geteilt werden, denn gerade die trägerspezifische Fachberatung ist erforderlich, leistet sie doch ihren Beitrag zur Entwicklung von profilierten kirchlichen Kindertageseinrichtungen. Vielmehr sollten die Überlegungen in die Richtung gehen, inwieweit zusätzliches Know-How durch externe Fachberatung bei Bedarf und für eine bestimmte Zeit dazu gewonnen werden kann. Dieser ressourcenorientierte Ansatz würde sowohl dem System der Kindertageseinrichtung als auch der Fachberatung neue Perspektiven eröffnen. Der Blick von außen begegnet darüber hinaus präventiv der Gefahr der sog. Betriebsblindheit. Interne Fachberatung bleibt immer Bestandteil des Systems, d. h. eigene Dynamiken ent­ wickeln sich aus den gleichen Personen in den gleichen Strukturen (Impuls Soziales Management 2007, S. 4). Die gegenwärtigen und künftigen Veränderungen und Innovationen in der Landschaft der Kindertageseinrichtungen bergen nicht zuletzt auch Konse-

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quenzen für die Qualifizierung der in der Einrichtung Tätigen. Der zentrale Punkt, wenn wir von Qualität frühkindlicher Bildung, Erziehung und Betreuung sprechen, ist und bleibt die Qualifikation des pädagogischen Personals (Nagel 2009). Zu deren Qualifikation kann hier Fachberatung aufgrund ihres fachlichen Inputs und einer gezielten Fortbildungsplanung hinsichtlich der Weiterentwicklung von Kindertageseinrichtungen wesentlich beitragen.

■■ Profession Fachberatung Katholische Kindertageseinrichtungen benötigen ein differenziertes und abgestimmtes Unterstützungssystem für ihre qualitative Weiterentwicklung. Fachberatung leistet hierbei einen konstitutiven Beitrag, damit das System Kindertageseinrichtung die erforderlichen Qualitätsziele erreicht. Diller stellt fest, dass sich dies nicht auf die personenorientierte Fragestellung „Was braucht die Erzieherin?“ fokussieren lässt. Die Überlegungen sind sehr viel umfassender anzustellen: „Welche Maßnahmen sind erforderlich, damit das System KiTa seine Qualitätsziele erreichen kann?“ (Diller 2005, S. 119 ff.). Das Ziel von Fachberatung kann daher nicht nur ausgerichtet sein auf die Unterstützung und professionelle Weiterentwicklung der in den Einrichtungen Tätigen, sondern muss sich auch auf die innovative Weiterentwicklung der Kindertageseinrichtung beziehen. Der Arbeitskreis Fachberatung des Staats­ instituts für Frühpädagogik stellt bereits 1995 fest, dass keine sogenannten zeitstabilen Zielsetzungen von Fachberatung formuliert werden können; vielmehr sind Ziele aufgrund gesellschaftlicher Veränderungen neu zu definieren (Staatsinstitut für Frühpädagogik 1995, S. 25 ff.). Derartige übergeordnete Ziele sind: 1. Die Beschreibung und Sicherung von Qualitätsstandards und Rahmenbedingungen für die pädagogische Arbeit. 2. Die Förderung der Qualität und Transparenz von Kommunikations- und Aushandlungsprozessen zwischen den Interessensgruppen. 3. Innovative und bedarfsorientierte Weiterentwicklung von Tageseinrichtungen für Kinder.

In den Bereichen der Konzept-, Institutions- und Organisationsberatung, Weitergabe von fachlichen Informationen, der Kommunikations- und Konflikt­ beratung, der Wahrnehmung von gesellschafts- und fachpolitischen Aufgaben, aber auch der Fortbildung im Sinne der Planung, Organisation und Durchführung der Angebote werden entscheidende Aufgaben identifiziert (Oberhuemer 1995, Miedaner 2002).

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Fachberatung ist aufgrund der Vielfalt des Aufgabenspektrums gefordert, sich selbst weiterzuentwickeln; hierzu zählt ebenso der Diskurs mit wissenschaftlich fundierten Ansätzen, wie auch die Auseinandersetzung mit Konzepten der Beratung und der Erwachsenenbildung (Bamler 2008, S. 5).

■■ Fachberatung als Qualitätserfordernis Fachberatung stellt, wie Untersuchungen in Sachsen bestätigen, ein wirksames Instrument zur Qualitätssicherung und Qualitätsentwicklung dar; denn durch Fachberatung zeigen sich sichtbare Auswirkungen auf die pädagogische Arbeit in den Einrichtungen (Sächsisches Landesamt für Familie und Soziales 2002, S. 13). Zu überlegen ist jedoch wie Nachhaltigkeit und dadurch langfristig Wirksamkeit durch die Beratung erreicht werden kann. Durch das Ineinandergreifen der drei Teilsysteme Qualitäts-, Personal- und Wissensmanagement, so Erath (2009), kann Nachhaltigkeit und Effizienz erzeugt werden. Fachberatung hat sich innerhalb dieser Teilsysteme mit unterschiedlichen Aufgabenkonstel­ lationen auseinanderzusetzen. Wirksamkeit von Fachberatung wird sich unter anderem an nachfolgenden Lösungen der Aufgaben messen lassen müssen: Eine Schlüsselposition kommt gerade der Fachberatung im Bereich der fachlichen Weiterentwicklung zu. Sie ist daher gefordert, sowohl dem Träger der Einrichtungen als auch den dort Tätigen die vielfältigen Anforderungen, die aus den jeweiligen Bildungsplänen und unterschiedlichen gesellschaftlichen Erfordernissen erwachsen, zu vermitteln, und gemeinsam mit den Betroffenen an der Umsetzung von Möglichkeiten zu arbeiten. ◆◆ Eine zentrale Aufgabe der Fachberatung stellt bei der qualitativen Weiterentwicklung der Kindertageseinrichtung die Gestaltung und Moderation von Veränderungsprozessen dar, d. h. Fachberatung muss Veränderungen aktiv auslösen und sich ebenso an den daraus resultierenden Change Prozessen aktiv beteiligen. Diese Prozessinitiierung und -gestaltung erfordern nach Erath Klarheit in der Zielsetzung, Objektivität in der Analyse, wissenschaftlich fundiertes Vorgehen, sorgfältige Dokumentation, umfassende Beteiligung relevanter Personen sowie Transparenz durch ein Berichtswesen (Erath 2009). ◆◆ Mit effektiv gestalteten Veränderungsprozessen haben katholische Kindertageseinrichtungen die Chance, ihr Leistungs- und Angebotsprofil aufgrund neuer Anforderungen zu erstellen, zu überprüfen und ggf. zu modifizieren. Kindertageseinrichtungen, die sich als lernende Organisation verstehen, benötigen Fachberatung, die Prozesse moderiert, um Innovationen zu ermöglichen, damit der Bildungsauftrag von katholischen Kindertageseinrichtungen qualitativ umgesetzt werden kann. Durch gezielte Intervention von Fachberatung wird ◆◆

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durch Teamentwicklung und Teamlernen die fachliche Weiterentwicklung der gesamten Einrichtung befördert. Als neue Herausforderung ist hierbei auch die Auseinandersetzung mit neuen Konzepten des Erwachsenenlernens und innovativen Methoden für das Lernen in Bezug auf ältere Mitarbeiterinnen genannt. Für die qualitative Weiterentwicklung der katholischen Einrichtungen ist eine Standardisierung der Prozesse unabdingbar. Fachberatung unterstützt die Einrichtungen in der Beschreibung von pädagogischen Prozessen und ihren notwendigen Verfahren von Dokumentation und Evaluation unter den Erfordernissen fachwissenschaftlicher Standards (Erath 2009). Eine weitere Schlüsselrolle kommt Fachberatung in Transfer- und Vernetzungsprozessen zu. So agiert Fachberatung zwischen Mitarbeiterinnen und Einrichtungsträgern, zwischen Wissenschaft und Praxis, zwischen örtlicher Politik und Pädagogik, zwischen Pädagogik und Verwaltung, zwischen Laien und Professionellen, zwischen Tradition und Innovation (Irskens/Engler 2005, S. 47). Fachberatung ist daher zum einen gefordert, der jeweiligen Einrichtung Wissen aktuell zur Verfügung zu stellen und zum anderen auch bereits vorhandenes Wissen zu erheben und zu systematisieren. Zur Identifikation benötigten Wissens und zur Evaluation erforderlicher Entwicklungsmöglichkeiten der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind die Wissensbedarfe zu analysieren. Eine gezielte Personalentwicklung in den Kindertageseinrichtungen ist neben dem Wissens- und Qualitätsmanagement notwendig. Auf die Problematik einer mangelnden Koordination des Fortbildungssystems verweist Oberhuemer bereits 2004 (Oberhuemer 2004, S. 69). Aus diesem Grund ist eine strategische Personalentwicklung dringend erforderlich, die nicht nur die einzelne Mitarbeiterin in den Blick nimmt, sondern auch die Ermöglichung und Förderung der Lernprozesse von Gruppen und Organisationen berücksichtigt (Arnold 2006, S. 82 ff.). Nicht nur die Professionalität der einzelnen Fachkraft ist entscheidend, sondern vielmehr die Professionalität des gesamten Systems. Fachberatung hat entsprechende Angebote konzeptionell anzubieten bzw. zu befördern. Daraus resultierend sind Fortbildungsmaßnahmen für die jeweilige Erzieherin gezielt mit der Einrichtungsleitung auszuwählen. Dazu bedarf es der methodischen und didaktischen Unterstützung der Einrichtungsleitung durch Fachberatung. Es ist der konkrete Weiterbildungsbedarf zu evaluieren, die Fortbildungsmaßnahme differenziert mit der Formulierung des konkreten Veränderungsbedarfs vorzubereiten sowie das sogenannte Bildungscontrolling im Sinne von Nachhaltigkeit, Wirksamkeit und Transfersicherung durchzuführen. Wirksamkeit und Nachhaltigkeit sind nicht nur aus Gründen der Wirtschaftlichkeit zu evaluieren. Sie sind auch der mitbestimmende Faktor für das Qualifikationsniveau der Einrichtung. Vorhandene Weiterbildungskonzepte und Methoden gehören dahingehend kritisch überprüft, inwieweit sie den gegenwärtigen Anforderungen beispielsweise im erwachsenengerechten Lernen entsprechen.

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Die Übernahme der zentralen Aufgabe für Personalentwicklung bedeutet für Fachberatung eine stärker steuernde Funktion. Dazu bedarf es jedoch eines justiziablen, mit dem Träger vereinbarten Auftrages.

■■ Fachberatung als Garant für Qualität impliziert Konsequenzen

Die vielfältigen gegenwärtigen und zukünftigen Aufgaben von Fachberatung zeitigen Konsequenzen für das Profil bzw. für das professionelle Selbstverständnis von Fachberatung. Fachberatung als Feld für einen potentiell akademischen Beruf wurde in Bezug auf Forschung und Lehre bislang von den Universitäten nicht beachtet; aus diesem Grund waren Fachberaterinnen gefordert, die notwendigen Kompetenzen on the job zu erwerben (Hoffmann 1999, S. 207). Zukünftig ist es unumgänglich, das Arbeitsfeld Fachberatung weiter zu entwickeln und auszudifferenzieren. Dies bedingt die Auseinandersetzung mit theoretischen Ansätzen, Beratungsmethoden bzw. Handlungsmodellen und impliziert natürlich auch die Konzeption spezieller Fortbildungsangebote für Fach­ beratung. Dabei ist Fachberatung gefordert, ebenso die Qualität ihres trägerspezifischen Angebotes zu evaluieren und ggf. zu modifizieren. Dies schließt die Frage ein, inwieweit die erforderlichen Kompetenzen im Fachberaterteam vorhanden sind, wie diese evtl. durch Weiterbildung anzupassen sind bzw. wie diese durch das Hinzuziehen von externen Fachberatern gewonnen werden können. Gerade die Weiterentwicklung im Sinne des professionellen Selbstverständnisses bedingt regelmäßige Fortbildung von Seiten der Fachberatung. Fachberaterinnen verweisen in ihren Aussagen auf die Notwendigkeit einer gezielten Fortbildungsplanung und eines kontinuierlichen fachlichen Diskurses im Sinne der Profilbildung. Assel stellt fest, dass ein einheitliches Arbeitsprofil mit klar definierten Zielen und einer Handlungsorientierung bislang nicht entwickelt worden ist (­Assel 2009, S.  79). Für das Berufsbild der Fachberatung ist es daher umso dringlicher, Anforderungsprofile bzw. Stellenbeschreibungen zu entwickeln, um einer durch unklare Erwartungshaltung begründeten Rollendiffusion adäquat begegnen zu können. Darüber hinaus ist auf der Grundlage des erstellten Anforderungsprofils, ein regelmäßiger Soll-Ist-Abgleich durchzuführen und so für die individuelle Weiterentwicklung Sorge zu tragen. Dies leistet einen wesentlichen Beitrag, um ein anerkanntes Berufsbild mit geklärtem Auftrag zu erreichen. Diese qualitative Weiterentwicklung von Fachberatung wird sich nicht kostenneutral gestalten können und gleichzeitig stellt sich die Frage der Effektivität. Maßnahmen der Personalentwicklung bedeuten natürlich eine Investition, bei der direkte und indirekte Kosten einfließen, aber auch Erträge zu berücksich-

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Profilbildung in veränderten Struk turbedingungen

tigen sind. Erfolgreiche Personalentwicklung wird daher immer als ein strategischer Erfolgsfaktor gerade auch für soziale Organisationen betrachtet, leistet sie doch einen grundlegenden Beitrag zur Anpassungsfähigkeit der Organisation an aktuelle und künftige Anforderungen. Kirchliche Personalentwicklung legt darüber hinaus den Blick darauf, die Kompetenzen, Fähigkeiten und Fertig­ keiten der Mitarbeiterinnen zu fördern und diese im Sinne des Grundauftrages der Kirche zu integrieren. Um so den gegenwärtigen und künftigen Heraus­ forderungen adäquat zu begegnen, bedarf es qualifizierter und motivierter Mitarbeiterinnen, die durch ihre konkrete Tätigkeit einen sinnvollen Beitrag zum Verkündigungsauftrag der Kirche leisten.

■■ Resümee Fachberatung in katholischer Trägerschaft wird sich aus den genannten Gründen künftig selbst ein ausdifferenziertes Qualifikationsprofil, das von einer transparenten Qualifikationsstrategie getragen ist, geben müssen, um Standards für die eigene Arbeit zu formulieren und somit die eigene Tätigkeit qualitativ evaluieren zu können. Für die professionelle Weiterentwicklung bedarf es ebenso eines kontinuierlichen Kontaktes zu weiteren Kooperationspartnern, um koordinierend die Einrichtungen im Sinne einer „Servicedienstleistung für die KiTa“ unterstützen zu können. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass katholische Fachberatung aufgrund der Weiterentwicklung der Kindertageseinrichtungen in geänderten Strukturen angewiesen ist auf: ein klares Selbstverständnis und katholisches Profil eigene Weiterentwicklung ◆◆ Formulierung eigener Standards ◆◆ Etablierung eines Qualitätssystems ◆◆ Austausch und Vernetzung ◆◆ ◆◆

Der kritischen Frage von Hoffmann „Inwieweit entspricht Fachberatung ohne Ausbildung und ohne Eindeutigkeit im Professionsverständnis der Nachfrage von Einrichtung und Träger?“ (Hoffmann 1999, S. 197) lässt sich wie folgt begegnen: Fachberatung stellt für katholische Kindertageseinrichtungen sowohl ein qualitatives als auch steuerndes Element dar. Einrichtungsträger müssen die Qualität der Tageseinrichtungen für Kinder nicht nur sichern, sondern auch steigern und auf Nachhaltigkeit ausrichten  – dazu bedarf es profilierter und wirksamer Fachberatung.

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■■ Literatur Arnold, R.: Grundlagen der Personalentwicklung im lernenden Unternehmen – Einführung und Überblick. In: Arnold, R./Bloh E. (Hrsg.): Personalentwicklung im lernenden Unternehmen, 2006 Assel, D.: In Hense, M.: Zur Wirksamkeit von Fachberatung: Eine empirische Studie. Dissertation, Bielefeld 2009 Bamler, V.: Fachberatung als Bestandteil der Qualitätsentwicklung im Bereich von Kindertageseinrichtungen und Tagespflege. In: www.kindergartenpaedagogik.de, abgerufen 2008 Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter. Empfehlungen zur Fachberatung. Arbeitstagung. Köln 2003 Diller, A.: Bildungsprozesse systematisch gestalten! Die Verantwortung der Fachberatung und Fortbildung. In: Zukunftsweisend und verlässlich. Bildung in Katholischen Kinder­tageseinrichtung. Verband Katholischer Tageseinrichtungen für Kinder (KTK) (Hrsg.), Freiburg 2005 Erath, P.: Fachberatung zwischen allen Stühlen? Was Qualitätsmanagement, Personalentwicklung und Wissensmanagement verbindet und welche Rolle jeweils der Fachberatung zukommt. Vortrag Forum Fachberatung, Berlin 2009 Erath, P.: Perpetuum Mobile Fachberatung? Oder wie kann ich Veränderungsprozesse aktiv und ressourcenorientiert gestalten? Vortrag Forum Fachberatung, Berlin 2009 Impuls Soziales Management: Externe Fachberatung. Neue Wege der Fachberatung. In: www.e-impuls.de, 2007 Irskens/Engler zitiert in Hense, M.: Zur Wirksamkeit von Fachberatung – eine empirische Studie. Dissertation, Bielefeld 2009 Hoffmann, H.: Fachberatung: Tätigkeit ohne Ausbildung – Beruf ohne Profession? In: Thiersch, R., Holter­shinken, D. Neumann, K.: Die Ausbildung der Erzieherinnen – Ent­w ic­k ­lungstendenzen und Reformansätze, 1999 Merchel, J.: Zum Stand der Diskussion über Effizienz und Qualität in der Produktion sozialer Dienstleistungen. In: Möller M. (Hrsg.) Effektivität und Qualität sozialer Dienstleistungen. Ein Diskussionsbeitrag. Kassel Uni Press, 2003 Münch, M.-Th.: Fachberatung für Kindertagesbetreuung  – Standortbestimmung und Neuorientierung. In: Nachrichtendienst Deutscher Verein, 2008 Nagel, B.: Eine Frage der Qualität – Fachkräftebedarf und -entwicklung, Vortrag Fachtagung des Deutschen Vereins „Qualität und Qualifizierung in der Kindertagesbetreuung“. Hannover 2009 Oberhuemer, P.: Die Politik der frühkindlichen Betreuung, Bildung und Erziehung in der Bundesrepublik Deutschland. Ein Länderbericht der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), 2004 PaedQuis gGmbH: Evaluierung der Personalausstattung in Kindertageseinrichtungen sowie Struktur und Angebote der Fachberatung für Kindertageseinrichtungen und Kindertagespflege in Sachsen. Abschlußbericht. 2008 Sächsisches Landesamt für Familie und Soziales. Zusammenfassung der Ergebnisse aus den Untersuchungen des Sächsischen Landesjugendamtes zum Einsatz und zur Inanspruchnahme von Fachberatung in Kindertageseinrichtungen (Stand 2001). 2002 Staatsinstitut für Frühpädagogik: Fachberatung für Kindertageseinrichtungen für Kinder in Bayern. Bestandsaufnahme und Anregungen zur Weiterentwicklung. 1995 Wößmann, Piopiunik im Auftrag der Bertelsmann Stiftung. Was unzureichende Bildung kostet  – eine Berechnung der Folgekosten durch entgangenes Wirtschaftswachstum. Gütersloh 2009

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Ulrich Braun

Fachberatung macht KiTas zu guten KiTas

Fachberatung kann sehr wirksam sein! Zumeist wird das aber nur unterstellt, erhofft oder behauptet. Der Nachweis fehlt häufig. Die städtischen Kindertageseinrichtungen und Familienzentren in Recklinghausen können zeigen, wie Fachberatung mit Qualitätsentwicklung und Qualitätssicherung das Profil von Kindertageseinrichtungen ausgestalten und stetig weiterentwickeln kann.

■■ Ausgangsfrage: Welche pädagogische Qualität

haben die städtischen Kindertageseinrichtungen in Recklinghausen?

Es ist ja eigentlich eine ganz einfache Frage, aber nur in wenigen Träger­gruppen in Deutschland gibt es bis heute eine Antwort, die wissenschaftlichen Kriterien genügen kann. Als sie sich vor einigen Jahren in Recklinghausen für die neu eingestellte Fachberatung stellte, war die Ausgangslage ungleich schwieriger als heute. Eine Diskussion um die Einschätzung von Qualität in Kindertageseinrichtungen hatte gerade erst begonnen. Den deutschen Kindergärten wurde im Rahmen der Studie „Wie gut sind unsere Kindergärten?“ Mittelmäßigkeit bescheinigt. (Tietze 1998) Der „Kronberger Kreis“ hatte erste Qualitätskriterien aufgestellt und die „Kindergarten-Einschätzskala“ (KES) und die revidierten Fassung (KES-R) waren erschienen (vgl. Braun 2003a). Für die Qualitätseinschätzung der städtischen Kindertageseinrichtungen in Recklinghausen wurde die KES-R (Tietze u. a. 2001) zugrunde gelegt. Für die Gruppen, in denen Kinder unter drei Jahren und Schulkinder betreut wurden, gab es keine deutschsprachigen Einschätzskalen. Hier wurden amerikanische Skalen verwendet, aus der einige Jahre später die „Krippen-Skala – KRIPS“ und die „Hort-Skala – HOS“ hervorgingen (Tietze u. a. 2005a, 2005b). Zu Beginn der Qualitätseinschätzung wurden zunächst alle Mitarbeiterinnen der städtischen Kindertageseinrichtungen mit in das Qualitäts-Boot geholt. Alle Mit­arbeiterinnen bekamen die Einschätzskala vorgestellt und alle Leitungen wurden darin ausgebildet, sie anzuwenden. Der Boden der wissenschaftlichen Erkenntnisse wurde verlassen. Ein bisher nur wissenschaftlich eingesetztes Instrument wurde in die Fachpraxis implementiert (vgl. Braun 2003b). Das Er-

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gebnis wurde veröffentlicht (Schlattmann, Braun 2001), sodass sich daran eine Fachdiskussion über den Einsatz des Instrumentes KES-R in der Qualitätsentwicklung hätte anschließen können. Die Veröffentlichung stieß aber nur auf sehr geringes Fachinteresse. Es gab und gibt kaum einen Fachdiskurs zur Qualitätssicherung in Kindertageseinrichtungen.

■■ Qualitätsmanagement kann Qualitätssicherung verhindern!

Im letzten Jahrzehnt haben sich in Deutschland viele Trägergruppen in unterschiedlicher Weise um ein Qualitätsmanagement von Kindertageseinrichtungen bemüht. Dabei wurden als Ausgangslage zumeist vorhandene Managementkonzepte wie DIN EN ISO oder EFQM zugrunde gelegt. Umfangreiche Handbücher wurden und werden mit Leitungen und Teams erarbeitet, die dann vielfach in Regalen verstauben. So ist eine Trägergruppe seit Jahren bemüht, auf der Basis von DIN EN ISO Qualitätsmanagement für Kindertageseinrichtungen in allen ihren Kindertageseinrichtungen in Deutschland einzuführen. Welche Effekte dies auf eine gelingende pädagogische Arbeit haben kann, ist bisher nicht untersucht. Eine gut sortierte Kindertageseinrichtung, in der die Betriebsabläufe geklärt und aufgeschrieben sind und die dafür eine Zertifizierung erhält, ist das Ziel. Das katholische KiTa-Gütesiegel beruht ebenfalls auf der Philo­sophie von DIN EN ISO. (Vgl. Braun 2007a)  Aus vielen Gesprächen mit Erzieherinnen werden die Effekte solcher Herangehensweisen an das Thema Qualität mit Ermüdung, Erschöpfung, „gut, dass wir den Ordner fertig haben“ beschrieben. Effekte für die pädagogische Arbeit mit den Kindern werden in der Reflektion solcher mühsamen Qualitätsmanagementprozesse zumeist nicht genannt. Selbst Fachberatungen verweisen vielfach darauf, dass die Träger die Einführung eines bestimmten Qualitätsmanagements so gewünscht haben und sie das umsetzen müssen. Alternativen zu diesen Qualitätsmanagementsystemen sind erforderlich, wenn die Motivation der Mitarbeiterinnen erhalten bleiben soll. Die Erfahrungen in Recklinghausen zeigen, dass die Motivation der Mit­ arbeiterinnen in Kindertageseinrichtungen erhalten bleibt, wenn dem Management zunächst weniger Gewicht beigemessen wird. Das Engagement für eine gute pädagogische Qualität (Kinder und Erzieherinnen) ist der Schlüssel zur erfolgreichen Einführung eines Qualitätsmanagements.

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Fachberatung macht KiTas zu guten KiTas

■■ Einschätzskalen als Einstieg in Qualitätsmanagement Bis heute liegen nur wenige Materialien zur externen Evaluation vor. Deshalb bieten Einschätzskalen nach wie vor eine sehr gute Möglichkeit, effektiv Grundlagen für zielgenaue Qualitätsentwicklungsprozesse zu schaffen. Mit Einschätzungen auf der Grundlage von Einschätzskalen können Schwachstellen pädagogischer Arbeit aufgezeigt und damit Veränderungsprozesse angeregt werden. Externe Einschätzungen können das, was in einer Einrichtung sehr gut ent­ wickelt ist, herausstellen und somit Qualität abbilden. Viele Mitarbeiterinnen fühlen sich in ihrer Arbeit bestätigt. Durch die Objektivität des Einsatzes von Einschätzskalen und Fremdevaluation sind sie motiviert, ihre Stärken zu erhalten und ihre Schwächen zu verringern. Damit eignen sich Einschätzskalen, um eine in vielen Qualitätsmanagementsystemen enthaltene Stärken-SchwächenAnalyse vornehmen zu können. Die Erfahrungen in Recklinghausen zeigten, dass Einschätzskalen zu wenig differenzieren und deshalb eine regelmäßige Fremdevaluation auf der Grundlage der vorhandenen Skalen zu wenige Anregungen zur weiteren Qualitätsentwicklung geben. Während manchmal eine einmalige Beobachtung bereits zu Erkenntnissen führen kann, müssen andere Bereiche täglich, wöchentlich, monatlich regelmäßig beobachtet und dokumentiert werden, bevor angemessene Qualitätsaussagen möglich sind.

■■ Qualitätsentwicklung auf der Grundlage von Qualitätsfeststellung

Die grundsätzliche Entscheidung, zunächst mit einer Feststellung der pädagogischen Qualität zu beginnen, hatte erhebliche Effekte für die sich anschließende Qualitätsentwicklung. Auf der Ebene der Leitungen war von Anfang an die Beteiligung der Leitungen an der Einschätzung von Qualität intendiert. Leitungen erwarben eine qualifizierte Zusatzqualifikation, die sie auch neben­beruflich einsetzen konnten. In der Auseinandersetzung mit Skalen und der Vorgaben zur Anwendung entstand ein neues Verständnis für Wissenschaft, das für die weiteren fachlichen Diskussionen von großem Wert waren. Die spätere Einführung des „Bielefelder Screenings (BISC)“ (vgl. Braun 2005a) im Kontext der Prävention einer Lese-Rechtschreib-Schwäche oder die Nutzung der Ergebnisse der Nationalen Qualitätsinitiative führten in den städtischen Kindertageseinrichtungen und Familienzentren nicht zu neuen Diskussionen über den Aussagewert wissenschaftlicher Ergebnisse. Damit sind die Leitungen der städtischen Kindertageseinrichtungen auf einem anderen Qualifikationsniveau als viele Fachberatungen. Es ist zu beobachten, dass viele Fachberatungen (auch in Landesjugendämtern) einen grund-

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legenden Widerstand gegenüber Verfahren haben, deren wissenschaftlicher Wert unstrittig ist. Damit behindert gerade ein Teil der Berufsgruppe die Weiterentwicklung von Kindertageseinrichtungen durch fehlendes Wissen über den Transfer von wissenschaftlicher Arbeit in die Fachpraxis. Dies ist durchaus bedeutend für die Weiterentwicklung von Kindertageseinrichtungen in einer Kommune (vgl. Braun 2009a), denn das Qualifikationsniveau von Fachberatungen beeinflusst wesentlich die Möglichkeiten der Weiterentwicklung. Dieser Zusammenhang ist leider bisher nicht intensiver erforscht, denn Fachberatung ist in empirischer wie auch in fachwissenschaftlicher Sicht eine Blackbox (Münch 2009, S. 219). Auf der Ebene der Teams führte die enge Einbeziehung aller Mitarbeiterinnen dazu, dass schon in der Trainingsphase der Qualifizierung der Leitungen in der Anwendung der KES-R eine lebhafte Diskussion über Qualitätskriterien einsetzte. Es wurden viele Veränderungen vorgenommen bevor die eigentliche Einschätzung durchgeführt wurde. Anschließend wurde weiter diskutiert und es entwickelte sich ein Prozess der ständigen Qualitätsentwicklung. Ebenso wie bei den Leitungen war die Erfahrung dieses Prozesses, dass durch die Einbeziehung der Teams mit den Teams Qualität entwickelt werden konnte. Deshalb wurden in der Folge andere Verfahren wie unterschiedliche Selbstevaluationsverfahren akzeptiert. Sie wurden als Beiträge zur Qualitätsentwicklung und Qualitätssicherung angesehen, die der Unterstützung ihrer Arbeit dienten. Sicherlich trug zu dieser vertrauensvollen Zusammenarbeit auch bei, dass zu keinem Zeitpunkt die Ergebnisse der Einzel­einschätzungen in irgendeiner Weise vergleichend veröffentlicht wurden. Jedem Team wurden die Einzel­ergebnisse der Einschätzungen durch die Fachberatung vorgestellt und dort blieben die Ergebnisse auch  – wie alle anderen Evaluationsergebnisse in den Folgejahren auch. Ein Ergebnis der Qualitätseinschätzungen war die Gründung von Qualitätszirkeln für die Arbeit mit Kindern unter drei Jahren, Schulkindern und für die Sprachförderung. Hieran nahmen und nehmen Erzieherinnen, nicht Leitungen, teil. Ihre Fachlichkeit ist in den Qualitätszirkeln gefragt und im fachlichen Austausch erhalten sie neue Anregungen. Auf der Ebene der Fachberatung lag aus den Ergebnissen der Qualitätseinschätzungen eine Fülle von Anregungen für Qualitätsentwicklung vor. Fort­ bildungen konnten zielgenau fehlende Kompetenzen verbessern, wie z. B. im Qualitätsbereich Musik. Gitarrenkurse wurden angeboten und neue Kinder­ lieder ausgetauscht. Fortbildungen zu interkultureller Erziehung oder Hand­ puppenspiel führten zu konkreten Veränderungen im pädagogischen Angebot. Die unterschiedlichen Ergebnisse warfen viele Fragen zur Zusammensetzung der Teams, zur Qualität der Leitungstätigkeit und zur Personalentwicklung als Ganzes auf. Für die corporate identity fehlten ein Qualitätsrahmen mit einer pädagogischen Konzeption und einem Handbuch.

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Fachberatung macht KiTas zu guten KiTas

Die Arbeitsschritte für die nächsten Jahre waren damit der Fachberatung vorgegeben.

■■ Pädagogische Konzeption und Qualitätskriterien Gemeinsam wurden in einem Diskurs zwischen Fachberatung, Leitungen und Teams Qualitätskritierien für die städtischen Kindertageseinrichtungen formuliert. Sie sollten künftig Grundlage der Qualität sein, an denen sich jede städti­ sche Kindertageseinrichtung messen lassen wollte. Sie wurden Teil der pädagogischen Konzeption, ebenso wie der Nationale Kriterienkatalog (vgl. Braun 2004). Der Nationale Kriterienkatalog zur Pädagogischen Arbeit in Kindertageseinrichtungen war aus den Teilprojekten I und II des Bundesprojektes der Nationalen Qualitätsinitiative hervorgegangen (Tietze, Viernickel 2002). Besonders wichtig war hierbei, dass die Qualitätskriterien sich auch auf Kinder unter drei Jahren bezogen, sodass von Anfang an in jedem Team mit Kindern unter drei Jahren ein gemeinsamer Qualitätskriteriendiskurs aller pädagogischen Mitarbeiterinnen, bezogen auf eine gemeinsame Grundlage, stattfinden konnte. Vor allem bei der Selbstevaluation der pädagogischen Arbeit (Tietze 2004) führte die Grundlegung gemeinsamer Qualitätskriterien stets zu einem gemeinsamen Entwicklungsprozess, differenziert durch die jeweilige Altersangemessenheit. Für einen gemeinsamen evaluationsbasierten Qualitätsentwicklungsprozess aller Teammitglieder mit den Altersgruppen unter und über drei Jahren in einer Kindertageseinrichtung gibt es bis heute keine Alternative zu diesen Selbst­ evaluationsmaterialien (vgl. Braun 2009b).

■■ Ein Handbuch strukturiert Qualitätsmanagement Jedem Qualitätsmanagement liegt ein Handbuch zugrunde, in dem die Inhalte und Verfahren sorgsam dokumentiert sind. Für Kindertageseinrichtungen ist kein Qualitätsmanagementverfahren vorgeschrieben, sodass jeder Träger sein eigenes Qualitätsmanagementverfahren entwickeln kann. Er kann also auch sein eigenes Handbuch ausgestalten. In einem Handbuch sollte die Kindertageseinrichtung dargestellt sein. Standort, Raumausstattung, Wohnumgebung, Sozialraumdaten und Informationen über die Nutzer der Kindertageseinrichtung, Eltern und Kinder, sind im Handbuch zugrunde gelegt. So kann jede Frage zur Kindertageseinrichtung mit einem Blick ins Handbuch bzw. in die dazugehörenden personenbezogenen und geschützten Einzelordner und Dateien beantwortet werden. Die pädagogische Konzeption, die Zusammenarbeit mit den Familien und das Personalmanagement sind weitere Kernelemente eines jeden Handbuches.

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Hinzu kommen Verfahrensanordnungen, die grundsätzlich alle Verfahrensweisen von der Anmeldung bis zum Zahnarztbesuch aufführen. Ein Handbuch enthält Antworten auf möglichst alle Fragen. Da sich aber immer wieder neue Fragen stellen, wie zuletzt der Umgang mit der sogenannten Schweinegrippe oder die Weiterentwicklung der Konzeption für Kinder unter drei Jahren, sind Handbuch und Verfahrensanordnungen niemals abgeschlossen und können nicht im Regal verstauben. Jede neue Praktikantin, der neue Elternrat, der neue Pfarrer, jeder der sich mit der Kindertageseinrichtung vertraut machen möchte, sollte das Handbuch zur Verfügung gestellt bekommen. Für die städtischen Kindertageseinrichtungen in Recklinghausen ist das Handbuch auch der Leitfaden für die Weiterentwicklung. Konzepte und Verfahrensweisen veralten, Gesetze ändern sich, neue kommen hinzu und so bleibt die Überarbeitung und Ergänzung des Handbuches Bestandteil der Qualitätsentwicklung und Qualitätssicherung. Dies ist aber nur möglich mit Fachberatung, denn ein Handbuch bildet den Rahmen für jede Kindertages­einrichtung in einer Trägergruppe. Diesen Rahmen kann nur der Träger, der dies seiner Fachberatung überträgt, sicherstellen.

■■ Pädagogische Planung Um die vielfältigen Qualitätsziele zu erreichen, ist ein großer Aufwand an päd­agogischer Planung und pädagogischem Diskurs erforderlich. Gemeinsam einigten sich Fachberatung, Leitung und pädagogische Mitarbeiterinnen in den Teams auf Standards. So hat jede pädagogische Mitarbeiterin eigene fachliche Verfügungszeit, jedes Gruppenteam Zeit für die pädagogische Planung in der Gruppe und das Team der gesamten Einrichtung kommt regelmäßig zusammen und verwendet diese Zeit überwiegend für die pädagogische Arbeit und nicht für organisatorische Absprachen. Jedes KiTa-Team setzt sich jährlich einen neuen pädagogischen Schwerpunkt. Damit ist gewährleistet, dass alle pädagogischen Qualitätsbereiche regelmäßig wieder angeschaut, evaluiert und den neuesten Entwicklungen angepasst werden. Die städtische KiTa Einstein hat das sehr anschaulich für die letzten Jahre dokumentiert (vgl. www.kita-einstein.de: Themen-Historie). Jede städtische Kindertageseinrichtung und jedes städtische Familienzentrum veröffentlicht dieses Jahresthema in den Elterninformationen. Diese erhält auch die Fachberatung.

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■■ Wie zufrieden sind Eltern? Wichtiger Bestandteil des Konzeptes Zusammenarbeit mit Familien ist der strukturierte Qualitätsdialog mit Eltern. Hierzu gehören ein professionell geführtes Aufnahmegespräch mit einem Gesprächsleitfaden, ein verbindliches Aufnahmeverfahren, die Bereitstellung der im Gesetz geforderten Gremien, ein Beschwerdemanagement und eine Elternbefragung. In einem Handbuch sind diese Elemente aufgeführt und mit Verfahrensweisen hinterlegt. In den städtischen Kindertageseinrichtungen in Recklinghausen werden Eltern nur zum Abschluss der Kindergartenzeit rückblickend befragt. Zugrunde liegt die Erfahrung, dass Eltern die Kindertageseinrichtung in der Regel positiv einschätzen und wenig Kritik äußern. Dies könnte mit der sozialpsycho­ logischen Theorie der kognitiven Dissonanz zusammenhängen. Diese Theorie besagt, dass Menschen Einstellungen, Wahrnehmungen und Kognitionen miteinander in Einklang bringen möchten. Wenn dabei Dissonanz entsteht, werden Einstellungen so lange geändert, bis es individuell kognitiv stimmig ist. So sagt der Raucher beispielsweise, dass das Rauchen gar nicht gesundheitsschädlich sei, denn schließlich werden viele Raucher sehr alt. Für Eltern mit Kindergartenkindern ist die Situation so, dass sie gar keine Alternative hätten, wenn die Kindertageseinrichtung ihres Kindes schlecht wäre. Sie könnten es nur aus einer schlechten Kindertageseinrichtung herausnehmen. In einer anderen Kindertageseinrichtung einen neuen Platz zu finden, gelingt in der Regel nicht. Alle guten Kindertageseinrichtungen sind immer ausgebucht. Und das Kind hat ja schon einen Platz und oft fühlt es sich dort wohl, obwohl es objektiv bessere Möglichkeiten gäbe. Deshalb bewerten viele Eltern die Kindertageseinrichtung deutlich besser als sie tatsächlich ist. Dieser Effekt kann verringert werden, wenn Eltern erst zum Ende der Kindertageseinrichtungszeit befragt werden. Dies reduziert den Aufwand der jährlichen Auswertung der Befragung aller Eltern. Gleichzeitig zwingt es dazu, in den Gremien, wie dem Rat der Kindertageseinrichtung oder auch im Tür-und-Angel-Gespräch, im engen Austausch mit den Eltern zu bleiben. Nur im ständigen Dialog gelingt es, Unzufriedenheiten zu verringern und Wünsche und Bedürfnisse der Eltern zu integrieren. In den städtischen Kindertageseinrichtungen werden Eltern standardisiert zur Zusammenarbeit zwischen Erzieherinnen und Familien, Zufriedenheit mit der pädagogischen Arbeit, Zufriedenheit mit den Fachkräften und Zufriedenheit mit organisatorischen Regelungen befragt. Insgesamt sind 29 Einschätzungen auf einer Skala von Sehr gut bis Mangelhaft vorzunehmen. Die Fachberatung erhält die Ergebnisse jeder Kindertageseinrichtung versehen mit einem Fazit: „Was wurde von einem großen Teil der Eltern als positiv bewertet?“ „Was wurde mehrfach negativ bewertet?“ „Welcher Bereich soll zukünftig weiterentwickelt/ verbessert/verändert werden?“

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Für die letzten Jahre kann für alle städtischen Kindertageseinrichtungen eine bei über 95 % liegende Beurteilung mit „Sehr gut“ und „gut“ konstatiert werden.

■■ Zwischenbilanz ziehen Nach der Qualitätseinschätzung wurden umfangreiche Qualitätsentwicklungsmaßnahmen begonnen. Fortbildungen, Pädagogische Konzeption, Hand­buch, Qualitätszirkel, Elternbefragungen wurden eingeführt oder weiterentwickelt. Aber führten die eingeleiteten Maßnahmen insgesamt zu einer Qualitätsverbesserung? Die Fachberatung hatte sich als Ziel gesetzt, nach fünf Jahren im Gesamtergebnis aller städtischen Kindertageseinrichtungen auf der Grundlage der KES-R ein gutes Gesamtergebnis (5,0) zu erzielen. Das wäre eine deut­liche Ergebnissteigerung, denn das Ergebnis der Qualitätseinschätzung in Recklinghausen lag ähnlich wie Studien in Bremen oder Brandenburg im Bereich von 4,1. In unterschiedlicher Weise wurden nach der ersten Qualitätseinschätzung Folgeeinschätzungen in allen Kindertageseinrichtungen vorgenommen. Sowohl die Fachberatung als auch ausgebildete Leitungen nahmen Einschätzungen vor. Insgesamt lag der Gesamtwert nach fünf Jahren bei 5,4. Unterschiede blieben zwischen den Einrichtungen, wurden aber immer erklärbarer und fassbarer, wie langfristige Krankheitsfälle, Personalwechsel oder Leitungswechsel. Weitere externe Qualitätseinschätzungen wurden nicht mehr vorgenommen, weil der individuellen Weiterentwicklung und Schwerpunktsetzung Vorrang gegeben wurde. Individuelle Punktwertverbesserungen trugen nichts mehr aus, nachdem alle städtischen Kindertageseinrichtungen nachweislich eine individuelle Verbesserung erreicht hatten. Wenn es künftig zur Einführung eines Gütesiegels für Kindertageseinrichtungen kommen sollte (vgl. Diller 2005, Braun 2007a), wären die städtischen Kindertageseinrichtungen in Recklinghausen sehr gut für eine Zertifizierung aufgestellt. Um das Deutsche-KindergartenGütesiegel des Institutes Pädquis gGmbH zu erhalten, ist für den Bereich der pädagogischen Prozessqualität ein Wert zugrunde gelegt, der unterhalb von 5,0 liegt.

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■■ Personalentwicklung und Zufriedenheit der Mitarbeiterinnen

Dieser Prozess der Qualitätsentwicklung und fortwährenden Qualitätssicherung wurde von einem Konzept der Personalentwicklung begleitet. Die individuelle Förderung der Fähigkeiten jeder einzelnen Mitarbeiterin und jedes Mitarbeiters war und bleibt wichtigster Teil  des Personalentwicklungskonzep­tes. Die zukünftigen Veränderungen und die Ziele der Tageseinrichtungen für Kinder sollen dabei ebenso berücksichtigt werden wie die individuellen Ziele der jeweiligen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Bestandteile sind eine gute und professionelle Einarbeitung, Mitarbeiterjahres- und Zielvereinbarungsgespräche, Elemente einer leistungsorientierten Bezahlung und Mitarbeiterinnenbefragungen. Job enlargement (Aufgabenerweiterung) stellt gerade für Personalentwicklung in Kindertageseinrichtungen und Familienzentren eine besondere Herausforderung dar, weil es in diesen Arbeitsfeldern recht wenig Veränderungs- und Aufstiegsmöglichkeiten gibt. Deshalb ist es ein Anliegen der Personalentwicklung, Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern neue Anreize zu bieten, indem ihnen Zusatzausbildungen (KES-Anwendung, PEKiP, Motopädie, Tanzpädagogik, Zusatzqualifizierung beim Sportbund, Qualifizierung zur Leitung von Elternkursen u.v.a.m.) ermöglicht werden oder sie interessante Aufgaben erhalten wie die Mitarbeit in Qualitätszirkeln, Projektarbeit, Mitarbeit bei Veröffentlichungen, Wettbewerbsteilnahmen, Fortbildungstätigkeit (z. B. als ­K ES-R-Einschätzer oder im Rahmen interner Fortbildungen), Praxisanleitung, Qualitätsbeauftragte. Diese Aufgabenerweiterungen sind ein wichtiger Schlüssel zur Arbeitszufriedenheit und deshalb unabdingbar für eine erfolgreiche kontinuierliche Qualitätsentwicklung. Im Handbuch der städtischen Kindertageseinrichtungen ist Personalentwicklung als Teil des Personal­ managements ausführlich dargestellt (vgl. Verein für Kommunalwissenschaften 2007, S. 159 ff.). Mit einer Teambefragung kann die Zufriedenheit des Teams evaluiert werden. Hierfür gibt es zwei verschiedene Zugänge. Man kann diese Befragung an den Anfang eines Qualitätsentwicklungsprozesses setzen, muss anschließend aber Personalentwicklungsinstrumente zur Verfügung haben und ein­setzen, sonst wird die Erwartungshaltung der Mitarbeiterinnen enttäuscht. Sie haben sich ehrlich und offen kritisch geäußert und erwarten nun Veränderungen. Eine umfassende Qualitätsanalyse kann sehr kompakt bewerkstelligt werden und zur Ausgangslage für Qualitätsentwicklungsprozesse und -impulse werden (vgl. Braun 2008). In Recklinghausen wurde die Teambefragung bewusst an das Ende eines langen Qualitätsentwicklungsprozesses mit neuen Qualitätssicherungsmaßnahmen und vielfältigen Personalentwicklungsmaßnahmen gesetzt. Die Frage­ stellungen umfassten die Themenbereiche Wir in unserem Team, Ich in meinem

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Team, Ich und meine Tätigkeit und Wir und unsere gemeinsame Arbeit. In einer vierstufigen Skala, die zu einer eindeutigen Gewichtung herausforderte, konnten von stimmt nur wenig, stimmt zum Teil, stimmt überwiegend bis zu stimmt Einschätzungen vorgenommen werden. In der Befragung sollten Aussagen wie die nachfolgenden bewertet werden: „Die Mitarbeiterinnen arbeiten gern zusammen“, „Meine Veränderungsvorschläge werden in Entscheidungen einbezogen“, „Meine Tätigkeit fordert meine Fähigkeiten, Kenntnisse und Kräfte heraus“ oder „Wir nutzen jede Gelegenheit, uns weiterzuentwickeln“. Die Gruppendynamik im Team oder die Art und Weise der Wahrnehmung der Leitungsrolle gefährdet bei Teambefragungen gelegentlich die offene, ehrliche und spontan direkte Beantwortung. Deshalb wurde eine standardisierte Verfahrensweise gewählt, die vorgenannte Effekte gering halten sollte. Die Leitung holte im Rahmen einer Teamsitzung die Fragebögen aus einem Umschlag heraus, ohne die Fragestellungen vorher zu kennen. Jedes Teammitglied beantwortete an einem eigenen Arbeitsplatz allein und sofort die Fragen und steckte den Fragebogen selbst wieder in den Umschlag zurück. Damit war eine größtmögliche Anonymität gewährleistet, denn die Auswertung übernahm die Fachberatung. Sie gab auch die Ergebnisse mit einer Bewertung wieder ins Team zurück. Das Ergebnis war insgesamt ausgezeichnet. In keinem Team gab es ein unzufriedenes Übergewicht, aber in allen Teams eine deutliche Mehrheit auf der Seite der Zufriedenheit. Kein einziges Team machte sich miteinander das Leben schwer oder stellte Beziehungsthemen vor eine fachlich professionelle Arbeit. Alle Teams arbeiteten gern zusammen. Wenn es Zwischentöne gab, suchte die Fachberatung das Gespräch mit der Leitung. Gemeinsam wurde überlegt, welches die nächsten Schritte zu einer höheren Zufriedenheit sein könnten. Ein wesentliches Kennzeichen für eine gute Personalführung und Personalentwicklung in Kindertageseinrichtungen, ist Achtsamkeit. Es handelt sich um ein Arbeitsfeld, das fast vollständig von Frauen ausgefüllt wird. Frauen, die den Wunsch haben, Mütter zu werden oder Mütter sind und für sich das Thema der Vereinbarkeit von Familie und Beruf lösen müssen. Zumeist gerät dann der Beruf vorübergehend in den Hintergrund. Das Thema einer Teilzeittätigkeit wird bedeutsam. Frauen sind überwiegend für die Sorge und Pflege von Eltern und Schwiegereltern zuständig. Sie haben irgendwann auch das Thema der Vereinbarkeit von Familie, Beruf und Pflege älterer Angehöriger zu bewältigen. Krankheit, Tod, Trennung und Scheidung bleiben in Arbeitsfeldern sozialer Arbeit, vor allem in den beziehungsintensiven Teams der Kindertageseinrichtungen, weniger außen vor als anderswo. Alles dies zu wissen und in eine gute Personalführung und Personalentwicklung einzubeziehen, macht Achtsamkeit aus. Qualitätssicherung beginnt bei einer achtsamen Personal­ führung.

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■■ Jahresbericht Diese vielen Evaluationsergebnisse zur Teamzufriedenheit, zur Zusammen­ arbeit mit Familien und zur pädagogischen Arbeit sollten gesichert und dokumentiert werden. Hierfür wurde ein „Jahresbericht“ entwickelt und erprobt (Braun 2009c). Im Jahresbericht sind die Qualitätsentwicklungserfolge in der pädagogischen Arbeit und die Qualitätssicherungsmaßnahmen, aber auch der Fortbildungstransfer und die pädagogischen Schwerpunkte des vergangenen Jahres enthalten. So werden Erfolge dargestellt und gehen nicht verloren. Unter den gegenwärtigen gesetzlichen und finanziellen Rahmenbedingungen des Kinderbildungsgesetzes in Nordrhein-Westfalen sind keine Ressourcen für die kontinuierliche Erstellung eines bilanzierenden Jahresberichtes vorhanden. Die Leitungen der städtischen Kindertageseinrichtungen in Recklinghausen sind in der Lage, einen Jahresbericht zusammenzustellen, wenn es in einem Qualitätssicherungsverfahren erforderlich wäre.

■■ Wo stehen die städtischen Kindertageseinrichtungen heute?

In Recklinghausen wissen alle städtischen Tageseinrichtungen für Kinder für ihre Gruppenformen um den Stand ihrer pädagogischen Prozessqualität. Selbstund Fremdevaluationsmaterialien (Tietze 2001, 2004, 2005b)  liegen vor und werden eingesetzt. In Teamgesprächen werden regelmäßig Arbeitsbereiche besonders angeschaut und Verbesserungen vereinbart (vgl. bspw. „Gesundheit und Ernährung“, Braun 2006). Besonders bereichernd sind die Evaluationsmaterialien zur Sprachförderkompetenz, die wesentliche Impulse zur Selbstund Teamqualifizierung von Erzieherinnen geben (Fried/Briedigkeit 2008) und auch – nach Ausbildung – als Fremdevaluationsinstrument geeignet sind. In der Trägergruppe der städtischen Kindertageseinrichtungen in Recklinghausen finden sich einige Preisträger von Wettbewerben, die 1.  KneippKiTa Nordrhein-Westfalens, der 1. Bewegungskindergarten in Recklinghausen, einige mit dem Gütesiegel FELIX des Dt. Sängerbundes ausgezeichnete Kindertageseinrichtungen und einige mit dem Gütesiegel Familienzentrum NRW zertifizierte Familienzentren (vgl. Braun 2005b). Es wurde an Büchern zur Sprachförderung mitgearbeitet und manche Erzieherin und Leiterin ist an der Entwicklung von Materialien und an Veröffentlichungen beteiligt. Erstmalig wurden die Alphas in den städtischen Kindertageseinrichtungen in Recklinghausen erprobt und lösten ein großes Presseecho aus (www.die-alphas.com). Es handelt sich um ein Konzept zum Kennenlernen aller Buchstaben und sicheren Lesen erster Wörter. Das anspruchsvolle und erfolgreiche Sprachförderkonzept von Frau Dr. Klatt aus Berlin-Neukölln (www.derdiedas-verlag.de)  wird erst-

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mals in Nordrhein-Westfalen in Recklinghausen eingeführt. Hier stehen viele Kindertageseinrichtungen mit vielen Zuwandererfamilien vor sehr großen Herausforderungen (vgl. Braun/Kampmann 2008b), vor allem bei der Gestaltung des Übergangs von der Kindertageseinrichtung zur Grundschule im Bereich der Sprachförderung. Alle städtischen Kindertageseinrichtungen entwickeln sich zu Familienzentren weiter (vgl. www.familienzentren-recklinghausen.de). Auch hier gibt es eine Vielzahl neuer Herausforderungen und Weiterentwicklungen. So wurde in einem Pilotprojekt mit dem PEKiP-Bundesverband das PEKiP-Angebot in bildungsfernen Kindertageseinrichtungen mit vielen Eltern mit Zuwanderungs­ geschichte erfolgreich erprobt. PEKiP – Prager Eltern-Kind-Programm – ist das am häufigsten angebotene Familienbildungsprogramm für Kinder im ersten Lebensjahr. „Familie und Nachbarschaft  – FuN“, ein Bildungsprogramm für Familien, wird in keiner Stadt in so vielen Kindertages­einrichtungen und Familienzentren angeboten wie in Recklinghausen (vgl. Braun 2008c). Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die städtischen Kindertageseinrichtungen und Familienzentren in Recklinghausen gut aufgestellt sind und viele aktuelle Entwicklungen in ihre Arbeit integrieren. Wie sich künftig ein solches Qualitätsniveau noch aufrechterhalten lässt, hängt sehr mit der künftigen Ausgestaltung der Strukturqualität für Kindertageseinrichtungen zusammen. Gegenwärtig ist das fast vollständige Scheitern der Verbesserung der Einkommen von Erzieherinnen zu beobachten. Ein Erzieherinnenmangel wird prognostiziert. Der Ausbau von Plätzen für Kinder unter drei Jahren orientiert sich nicht am Fachwissen über die Strukturqualität für Kinder unter drei Jahren (vgl. Braun 2009b). Die Bedeutung der freigestellten Leitung von Kindertageseinrichtungen ist in Nordrhein-Westfalen derart in Frage gestellt, dass sie nicht mehr in der Betriebserlaubnis ausgewiesen werden soll. Die Rahmenbedingungen in Kindertageseinrichtungen verbessern sich nicht. Es steht zu befürchten, dass die intrinsische Motivation von Erzieherinnen bei diesen Entwicklungen sinkt. Die erhoffte extrinsische Motivation ist durch den weitgehend erfolglosen Streik im Frühsommer 2009 ausgeblieben. Die Ansprüche werden immer noch höher: Familienzentren, Ausbau der Plätze unter drei Jahren, der Schutzauftrag nach § 8a SGB VIII, Sprachförderung und Bildungspläne. In diesen Zeiten werden ausgezeichnete Fachberatungen benötigt, die ihre Stimmen erheben und auf diese Entwicklungen aufmerksam machen. Dazu brauchen sie selbst eine gute Strukturqualität in eigener Sache.

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■■ Strukturqualität von Fachberatung Für Kindertageseinrichtungen sind Gruppengröße, Erzieherin-Kind-Schlüssel und Qualifikation des Personals wesentliche Kriterien der Strukturqua­lität. Dies ist auch auf Fachberatungen übertragbar. Der Fachberatung-GruppenSchlüssel beträgt in Recklinghausen 45 Gruppen für eine Fachberatung. Durch die zusätzliche Wahrnehmung von Aufgaben als öffentlicher Träger der Jugendhilfe ist der tatsächliche Stundenanteil für die Fachberatung der städtischen Einrichtungen deutlich geringer. Teilweise finden Fachberatungen freier Träger in Nordrhein-Westfalen einen Fachberatung-Gruppen-Schlüssel von etwa 1:250 vor. Sie beraten über 100 Kindertageseinrichtungen. Als Richtwert für eine Wirksamkeit, wie für Recklinghausen beschrieben, sollte ein Fachberatung-Gruppen-Schlüssel von 1:45 Gruppen oder 1:15 Kindertageseinrichtungen zugrunde gelegt werden. Die Qualifikation von Fachberatung ist ein weiteres Strukturmerkmal. Voraussetzung für die Tätigkeit als Fachberatung sollte ein Studium sein, künftig zumindest eines mit einem Bachelor in Kindheits- oder Frühpädagogik. Eines der Dilemmata der Fachberatung ist, dass es kaum Veröffentlichungen von Fachberatungen gibt. Viele Fachberatungen tun sich schwer, Fachartikel zu schreiben. Damit fehlen die Beteiligung an Fachdiskursen und der Transfer von Fachpraxis auf eine Theorie- und Reflexionsebene. Deshalb ist es erforderlich, Fachberatung wissenschaftlich mehr zu qualifizieren, mehr Fachdiskurse zu organisieren, mehr Veröffentlichungen einzufordern. Fachberatung repräsentiert die unzureichende Fachlichkeit der Frühpädagogik mit. Es gibt auch zu wenig Diplom-Pädagoginnen mit dem Studienschwerpunkt Frühpädagogik im Arbeitsfeld Fachberatung. Diese Qualifikation war und ist leider nur wenig vorhanden, weil es in Deutschland kaum Lehrstühle an Universitäten gibt, an denen Frühpädagogik gelehrt wird. Die Veränderung hin zu Bachelor-Studiengängen findet überwiegend an Fachhochschulen statt (vgl. www.fruehpaedagogik-studieren.de). Die Schnittstelle zwischen Forschungsergebnissen und Fachpraxis bleibt vor diesem Hintergrund auch künftig problematisch, weil Forschungsprojekte an Fachhochschulen leider noch zu selten anzutreffen sind. Eine Reform der Frühpädagogik wird kaum gelingen, wenn die Standards für die Qualifikation von Fachberatung nicht erheblich angehoben werden. Dazu gehört auch, dass die gegenwärtige Generation Fachberatung eine aktuelle akademische frühpädagogische Zusatzqualifizierung erwerben sollte, um auf einem aktuellen fachlichen Niveau Fachberatung durchführen zu können. Dazu ist es erforderlich, dass Fachberatungen angemessene Rahmenbedingungen (Zeit, Finanzierung, exzellente frühpädagogische Experten) für diese Qualifizierung erhalten.

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■■ Qualitätssicherung ist eine zentrale Aufgabe von Fachberatung

Es ist mehr als ein Jahrzehnt her, dass die Frage „Wie gut sind unsere Kindergärten?“ (Tietze 1998) eine Antwort auch bei den Fachberatungen suchte. Sie fehlt bis auf wenige Ausnahmen bis heute. Qualitätssicherung und Qualitätsentwicklung ist in vielen Trägergruppen ausgelagert worden. Externe Fortbildner, Unternehmensberater und Zertifizierungsgesellschaften führten Qualitäts­ managementverfahren ein und Fachberatungen qualifizierten sich für dieses Verfahren und beteiligten sich an Einführung und Umsetzung. Mehr oder weniger. Eine fachliche Auseinandersetzung, Fortbildungen, Fachdiskurse und fachliche Vorgaben zur Qualitätssicherung fehlen auf allen Ebenen der Frühpädagogik. Hier ist es dringend geboten, dass Fachberatung selbst das Heft des Handelns in die Hand nimmt und fachlich überzeugend sinnvolle und pragmatische Verfahren entwickelt und einführt (vgl. Braun 2007b, 2007c). Die Einführung von DIN EN ISO in die Kindertageseinrichtungen wird vor dem Hintergrund der aktuellen (schlechten) Rahmenbedingungen von vielen Fachleuten als Ressourcenverschwendung angesehen. Kostbare pädagogische Vorund Nachbereitungszeit wird vergeudet, um zu lernen, wie DIN EN ISO angewendet werden muss. Die Qualitätssicherung der pädagogischen Arbeit wird zu wenig in den Mittelpunkt gestellt.

■■ Zusammenarbeit von Fachberatungen Die Fachszene der Fachberatungen ist nach wie vor wenig von einer gemeinsamen Zusammenarbeit geprägt. Dabei zwingen die schwierigen und kom­plexen Aufgabenstellungen bei fehlender Ausweitung von Fachberatungsressourcen zur Zusammenarbeit. Angesichts des Ausbaus von Plätzen für Kinder unter drei Jahren ist kaum noch zu fürchten, dass eine Kindertageseinrichtung in den nächsten Jahren nicht mehr benötigt wird. Spätestens mit dieser Erkenntnis sollte die unselige Konkurrenz zwischen den Trägergruppen einer gemeinsamen qualitätsorientierten Zusammenarbeit Platz machen (vgl. Braun 2009a). Es wäre mehr und neues möglich, wenn die unterschiedlichen Ressourcen und Fähigkeiten der fachlichen Begleitung gebündelt den Kindertageseinrichtungen zur Verfügung gestellt würden.

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■■ Ist die Wirksamkeit von Fachberatung messbar? Eine qualitätsorientierte Fachberatung kann in einen Qualitätsdiskurs eintreten. Dazu muss sie sich der Verfahren und Instrumente bedienen, die die Frühpädagogik zur Qualitätssicherung bereithält. Fachberatungen, die die Qualitätssicherungsdimension außen vor lassen, können die Ergebnisse ihrer fachlichen Beratung nur wenig einschätzen. Die Träger von Kindertageseinrichtungen fordern eine gute Qualität von ihren Kindertageseinrichtungen. Fachberatungen sollten diese Qualität auf den Weg bringen, indem sie Qualitätssicherungsverfahren implementieren und Ergebnisse dokumentieren. Es täte der Frühpädagogik gut, wenn Fachberatungen ihr Aufgabenspektrum noch mehr um den Schwerpunkt der verantwortlichen „Qualitätssicherer von Kindertageseinrichtungen“ erweitern würden. Fachberatung kann sehr wirksam sein! Diese Behauptung kann letztlich nur durch gute Kindertageseinrichtungen nachgewiesen werden. Dann wird der Slogan zum Profil: Fachberatung macht KiTas zu guten KiTas!

■■ Literatur Braun, Ulrich: Fünf Jahre Einschätzskalen. In: KiTa aktuell NRW. Nr.02/2003 (a). S. 40–43. Braun, Ulrich: Von der KES zum Nationalen Kriterienkatalog. Qualitätsfeststellung und Qualitätsentwicklung in den städtischen Kindertageseinrichtungen in Recklinghausen.: KiTa aktuell NRW. Nr.03/2003 (b). S. 52–55. Braun, Ulrich: Die pädagogische Konzeption der Tageseinrichtungen für Kinder in Recklinghausen  – Die nationale Qualitätsinitiative kommt in den Kindertageseinrichtungen an. 2004 veröffentlicht in: www.kindergartenpaedagogik.de/1026.html Braun, Ulrich: „Obacht!“ Beobachtungsmanagement in den städtischen Tageseinrichtungen für Kinder in Recklinghausen. In: klein&groß 01/2005a. S. 10–14. Braun, Ulrich: Evaluation in Kindertageseinrichtungen. In: KiTa aktuell NRW. Nr. 11/ 2005b. S. 230–232. Braun, Ulrich: Gesundheit und Ernährung in den städtischen Kindertageseinrich­ tungen in Recklinghausen  – Qualitätsentwicklung und Qualitätssicherung praktisch. In: KiTa spezial 02/2006, (Gesundheit und Ernährung in Kindertagesstätten). S. 21–23. Braun, Ulrich: Welche Qualität hat eine Kindertageseinrichtung? Gütesiegel für Kindertageseinrichtungen werden entwickelt, um eine gute Qualität für Kindertages­ einrichtungen sichtbar zu machen. In: KiTa aktuell NRW. 03/2007a. S. 56–59. Braun, Ulrich: „Was ist pädagogische Qualität? Pädagogische Qualität ist die Visitenkarte einer KiTa. In: U. Braun u. a. (Hrsg.): Frühkindliche Bildung im Team gestalten und umsetzen.. Berlin 2007b. Braun, Ulrich: „Wie wird pädagogische Qualität gemessen?“ In: Frühkindliche Bildung im Team gestalten und umsetzen. Berlin 2007c.

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Braun, Ulrich: Qualitätsfeststellung und Qualitätsentwicklung im Kindergarten der Deutschen Schule Barcelona 2008a. http://www.dsbarcelona.com/structur/qualitaet/ kindergarten/qualitaet-kindergarten.htm Braun, Ulrich; Kampmann, Vivian: Kindergartengruppen ohne deutsche Muttersprache! In: KiTa aktuell NRW. 04/2008b. S. 76–79. Braun, Ulrich: Das bringt FuN! – „Familie und Nachbarschaft“ (FuN) – ein Bildungsprogramm für Familien. In: Betrifft Kinder. Das Praxisjournal für Erzieherinnen, Eltern und GrundschullehrerInnen heute. Heft 11/2008c. S. 42–45. Braun, Ulrich: Qualität von Kindertageseinrichtungen  – beliebig oder verbindlich? Überlegungen aus kommunaler Perspektive In: Altgeld, Karin/Stöbe-Blossey (Hrsg.): Qualitätsmanagement in der frühkindlichen Bildung, Erziehung und Betreuung. Perspektiven für eine öffentliche Qualitätspolitik. Wiesbaden 2009a. S. 77–94. Braun, Ulrich: Qualität in Kindertageseinrichtungen für Kinder bis zu drei Jahren In: Kindertagesbetreuung für unter Dreijährige zwischen Ausbau und Bildungsauftrag. Münch, Maria-Theresia, Textor, Martin (Hrsg.). Verlag Deutscher Verein. Berlin 2009b. S. 191–201. Braun, Ulrich: „Wir schreiben einen KiTa-Jahresbericht“ In: Frühkindliche Bildung im Team gestalten und umsetzen. Hrsg. v. U. Braun u. a.. Berlin 2009c. Diller, Angelika u. a.: Der Streit ums Gütesiegel. Qualitätskonzepte für Kindertageseinrichtungen. DJI-Verlag: München 2005. Fried, Lilian, Briedigkeit, Eva: Sprachförderkompetenz  – Selbst- und Teamqualifizierung für Erzieherinnen, Fachberatungen und Ausbilder. Berlin 2008. Münch, Maria-Theresia: Fachberatung für Kindertagesbetreuung  – ein (vergessenes) Qualitätserfordernis. In: Kindertagesbetreuung für unter Dreijährige zwischen Ausbau und Bildungsauftrag. Münch, Maria-Theresia, Textor, Martin (Hrsg.). Verlag Deutscher Verein. Berlin 2009. S. 212–224. Schlattmann, Martin., Braun, Ulrich.: Qualitätsfeststellung in Kindergartengruppen der Stadt Recklinghausen mit der Kindergarten-Einschätz-Skala.“ Stadt Recklinghausen, Fachbereich Kinder, Jugend und Familie, 45655 Recklinghausen. 2001. Tietze, Wolfgang (Hrsg.): Wie gut sind unsere Kindergärten? Eine Untersuchung zur päd­agogischen Qualität in deutschen Kindergärten. Luchterhand Verlag GmbH: Neuwied u. a. 1998. Tietze, Wolfgang; Schuster, Käthe-Maria; Grenner, Katja; Rossbach, Hans-Günther: Kindergarten – Skala (KES-R). Luchterhand Verlag GmbH: Neuwied u. a. 2001. Tietze, Wolfgang; Viernickel, Susanne (Hrsg.): Pädagogische Qualität in Tageseinrichtungen für Kinder. Ein nationaler Kriterienkatalog. Beltz-Verlag: Weinheim, Basel, Berlin 2002. Tietze, Wolfgang (Hrsg.): Pädagogische Qualität entwickeln. Praktische Anleitung und Methodenbausteine für Bildung, Betreuung und Erziehung in Tageseinrichtungen für Kinder von 0–6 Jahren. Beltz-Verlag: Weinheim, Basel, Berlin 2004. Tietze, Wolfgang, Bolz, Melanie, Grenner, Katja, Schlecht, Daena, Wellner, Beate: Krippen-Skala (KRIPS-R). Feststellung und Unterstützung pädagogischer Qualität in Krippen. Beltz-Verlag: Weinheim, Basel, Berlin 2005a. Tietze, Wolfgang u. a.: Krippen-Skala (KRIPS-R). Beltz-Verlag: Weinheim, Basel, Berlin 2005b. Verein für Kommunalwissenschaften: Zwei Jahre danach: Kommunale Erfahrungen bei der Umsetzung des TAG (§§ 22–24a SGB VIII). Berlin 2007.

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Im Spannungsfeld zwischen Anspruch und Wirklichkeit

■■ Wirksamkeit Hense, hat in ihrer Untersuchung: „Zur Wirksamkeit der Fachberatung – eine empirische Studie – Universität Bielefeld 2009“ festgestellt: „Die Wirksamkeit der pädagogischen Fachberatung wird in folgenden Bereichen gesehen: ◆◆ ◆◆ ◆◆ ◆◆ ◆◆

Durchführung von Fort- und Weiterbildungsangeboten Informationen an die Kindertageseinrichtungen Beratung bei Konzeptionsentwicklung Begleitung auf dem Weg zum Familienzentrum Beratung bei Umstrukturierung

Unwirksam wird die Fachberatung in folgenden Bereichen gesehen: Fachliche Beratung in der Praxis ◆◆ Nähe zu den Mitarbeitenden ◆◆ Vertretung der Interessen der Mitarbeitenden ◆◆ Mitarbeit im Bereich der Personalpolitik ◆◆

Anforderungen an die pädagogische Fachberatung aus Sicht der Praxis: Mehr Präsenz in den Kindertageseinrichtungen Zuständigkeit für weniger Kindertageseinrichtungen ◆◆ Ein transparentes Leistungsangebot ◆◆ Mehr Praxisnähe“ ◆◆ ◆◆

Schwerpunktmäßig wird hier die Wirksamkeit in der Durchführung von Fortund Weiterbildungsangeboten gesehen. Es stellt sich die Frage, ob die pädago­ gische Fachberatung nur wirksam ist, wenn sie Fortbildungen durchführt? Das Selbstverständnis der pädagogischen Fachberatung liegt auch in diversen anderen Bereichen. Vielerorts führen die pädagogischen Fachberatungen selbst Fort- und Weiterbildungsveranstaltungen durch, die sie inhaltlich und organisatorisch auch noch vor- und nachbereiten.

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Muss die wertvolle Ressource der pädagogischen Fachberatung in der Kindertagesbetreuung nicht für andere Aufgaben im Rahmen der Qualitätsförderung genutzt werden? Welches Bild spiegelt eine pädagogische Fachberatung der Öffentlichkeit, wenn sie sich auf Fort- und Weiterbildung beschränkt? Ist die Durchführung von Fort- und Weiterbildungsveranstaltungen nicht mehr die Aufgabe von Fortbildungsinstituten und freien Fortbildnern? Hense (2009) hat ermittelt, dass der Schwerpunkt der Anforderungen an die pädagogische Fachberatung aus der Sicht der Praxis „mehr Präsenz in den Kindertagesstätten ist“. Ist es das Ziel, die Wirksamkeit der pädagogischen Fach­ beratung zu steigern, müssen die pädagogischen Fachberaterinnen verstärkt den Kontakt zu der Praxis suchen. Tietze hat in seiner Evaluierung der Personalausstattung in Kindertages­ einrichtungen sowie Struktur und Angebote der Fachberatung für Kinder­ tageseinrichtungen und Kindertagespflege in Sachsen folgende Gründe für Nichtinanspruchnahme festgestellt: ◆◆ ◆◆ ◆◆ ◆◆ ◆◆ ◆◆ ◆◆ ◆◆ ◆◆ ◆◆

„Fachberatung ist nicht erforderlich Aufgaben und Möglichkeiten von Fachberatung sind nicht bekannt Fachberater sind schwer oder nicht zu erreichen Fachberatung hat keine Zeit Fachberatung ist nicht kompetent Fachberatung wird vom Team nicht akzeptiert Eingriff in Belange der Einrichtungen sind nicht gewünscht Die Einrichtungsleitung hat keine Zeit Mitarbeitende haben keine Zeit Einrichtung greift auf andere Form der Unterstützung zurück“

Hierin ist der Auftrag begründet, die vorhandene Qualität der pädagogischen Fachberatung in der Praxis transparent darzustellen und mit der Praxis das Angebot im Hinblick auf die Wirksamkeit abzugleichen.

■■ Herausforderung Die Wirksamkeit als Herausforderung ist ein hoher Anspruch an die Fachlichkeit der pädagogischen Fachberatung. Die erschreckenden Ergebnisse der Wirksamkeitsstudie von Hense müssen eine Herausforderung an alle pädagogischen Fachberatungen darstellen. Hier gilt es, das System pädagogische Fachberatung an den Bedürfnissen der Praxis auszurichten und gemeinsam mit der Praxis weiter zu entwickeln. Hauptakteure dieses Prozesses sind die pädagogischen Fachberatungen selbst.

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Im Spannungsfeld zwischen Anspruch und Wirklichkeit

Es muss angenommen werden, dass die Herausforderung auch bei den Anstellungsträgern besteht. Ihnen muss bewusst werden, dass sie mit der Anstellung einer pädagogischen Fachberatung nicht nur das Fort- und Weiterbildungssystem ihrer Einrichtungen fördern und stärken, sondern, dass sie in der Funktion der pädagogischen Fachberatung einen wertvollen Wissens- und Erfahrungspool haben, den sie zur Entscheidungsfindung auf vielen Ebenen effizient nutzen können. Die Einrichtungen der Kindertagesbetreuung müssen die Herausforderung nutzen, durch die produktive Kooperation mit der pädagogischen Fachberatung eine Kommunikationsebene aufzubauen und zu pflegen, die ihre Interessen, Bedarfe und Fragen bei den Entscheidungsträgern platziert, vertritt und repräsentiert. Über die pädagogische Fachberatung hat die Praxis die Möglichkeit, die Entscheidungsebenen professionell für ihren Anspruch an die Qualität der Kindertagesbetreuung zu sensibilisieren.

■■ Pädagogische Fachberatung In diesem Artikel wird konsequent der Begriff der pädagogischen Fachberatung genutzt, um die Funktion der fachlichen Beratung im Rahmen der Kindertagesbetreuung zu beschreiben. Es ist bedauerlich, dass die Politik es nicht geschafft hat, eine rechtlich geschützte Berufsbezeichnung für diese wichtige Funktion im Wissens- und Qualitätsmanagement der frühkindlichen Bildung zu etablieren. Zwar hat sich in der Fachwelt der Begriff der „Fachberatung“ festgesetzt, doch es fehlt die verbindliche Regelung. Der notwendige Qualifizierungsbedarf der heute tätigen und zukünftigen pädagogischen Fachberatungen muss einhergehen mit der Stärkung des Ansehens und der Akzeptanz der Funktion in der Öffentlichkeit. Solange Außendienstmitarbeitende von Katalogfirmen zur Ausstattung von Kindertageseinrichtungen sich Fachberaterin nennen dürfen und damit das Niveau von Fachberatung auf den Verkauf von Möbeln und Material stellen, wird es eine Akzeptanz im Rahmen der Betreuung, Erziehung und Bildung von Kindern nicht geben. Hier sind die pädagogischen Fachberatungen selbst gefordert, durch eine Qualitätsoffensive, durch eine Vernetzung und durch die Steigerung ihrer Wirksamkeit ihr fachliches und professionelles Profil öffentlich zu stärken. Die Berufsverbände, die Fachwelt und die Beratungsinstitutionen der Politik müssen das gemeinsame Ziel verfolgen, die pädagogische Fachberatung für Kindertagesbetreuung rechtlich und tarifbezogen als Berufsbezeichnung und als Funktion abzusichern.

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Definition: Wirksamkeit Die Wirksamkeit des Leistungsangebotes der pädagogischen Fachberatung wird eher als Resultat einer Ursache verstanden. Aristoteles spricht hier von einer Causa-Efficiens (wirkende Ursache), die als eine äußere Ursache bezeichnet wird. Es wird von einer Quelle gesprochen, in der die Veränderung oder die Ruhe ihren Ursprung hat.

Definition: Herausforderung Eine Herausforderung in Bezug auf die Wirksamkeit der Leistungsangebote der pädagogischen Fachberatung wird hier definiert als eine Aufgabe oder Arbeit, die einem das Letzte abverlangt.

Definition: Akzente Das Setzen von Akzenten im Hinblick auf die Wirksamkeit von Leistungs­ angeboten der pädagogischen Fachberatung wird hier als Synonym von Be­ tonung und Gewicht gesehen.

■■ Die Leistungsangebote der pädagogischen Fachberatung Die Aufgaben und Leistungsangebote der pädagogischen Fachberatungen unterscheiden sich erheblich. Ein Vergleich stellt immer wieder heraus, dass jeder Anstellungsträger seine Interessen in der Stellenausrichtung niederschreibt. Aber auch die fachlichen Interessen der angestellten pädagogischen Fachkraft, die vorhandenen Strukturen und die regionalen Bedarfe begründen die Unterschiedlichkeit. Generell sollte von der individuell gefertigten Beschreibung der Aufgaben in eine für alle pädagogischen Fachberatungen gültigen Auflistung übergegangen werden. Die pädagogische Fachberatung findet ihre Aufgaben in: der gesetzlich verankerten Notwendigkeit von bedarfsgerechten Angeboten in Tageseinrichtungen für Kinder aller Altersstufen. ◆◆ der bedarfsorientierten pädagogischen Weiterentwicklung von Tageseinrichtungen und den damit verbundenen wachsenden beruflichen Anforderungen an die pädagogischen Mitarbeitenden. ◆◆ der Forderung nach Vernetzung im sozialen Umfeld und einem verstärk­ten Zusammenwirken freier und öffentlicher Träger der Jugendhilfe. ◆◆ den ökonomischen Zwängen der Einrichtungsträger und deren verstärkte Erwartung an Qualität, Profilierung, Effizienz und Effektivität. ◆◆

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Im Spannungsfeld zwischen Anspruch und Wirklichkeit

Daraus ergibt sich folgendes Leistungsspektrum: ◆◆

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Fachliche entwicklungs- und organisationsbezogene Beratung der Träger, Kindertageseinrichtungen, ggf. Kindertagespflegepersonen, Mitarbeitenden und Eltern zu einer aktiven Vernetzung von Maßnahmen. Beratungsaufgaben bezogen auf die Arbeit in den Kindertagesstätten und ggf. in der Kindertagespflege. Fachliche Begleitung und Unterstützung im Qualitätsmanagementprozess. Einzelfallberatung als Angebot für die Mitarbeitenden der Kindertageseinrichtungen und für die Eltern. Organisation, Steuerung, Planung und ggf. Durchführung von Angeboten der Ausund Fortbildung. Unterstützung und Beratung im Rahmen des Personalmanagements. Unterstützung bei der Erstellung und/oder Weiterentwicklung einrichtungsspezifischer pädagogischer Konzeptionen und der dafür erforderlichen Qualitätssicherungsprozesse (siehe § 22a, SGB VIII). Kommunikations- und Konfliktberatung für die verschiedenen beteiligten Gruppen (Kinder, Eltern, Mitarbeitende, Leitung, Träger, politische Entscheidungsträger). Beratung der verschiedensten Interessengruppen über die Organisation und Struktur der Tageseinrichtung für Kinder. Beratung in Fragen der Finanzierung von Kindertageseinrichtungen und ggf. Kindertagespflege. Kooperation mit den Eltern in Fragen der Kindertagesbetreuung. Sensibilisierung der Beteiligten und der Öffentlichkeit für die Bedürfnisse und Interessen von Kindern.

■■ Arbeitsformen der pädagogischen Fachberatung Tietze (2008) beschreibt folgende Arbeitsformen der pädagogischen Fachberatung: ◆◆ ◆◆ ◆◆ ◆◆ ◆◆ ◆◆ ◆◆ ◆◆ ◆◆ ◆◆

„Leitungsberatung Einzelgespräche mit Fachkräften Telefonische Kurzberatung Teamgespräche in der Einrichtung Konferenzen/Gruppengespräche mit anderen Einrichtungen Arbeitskreise/Kurse Fallbesprechungen Fortbildungen/Seminare Publikationen/Internet Teilnahme der Fachberatung am Gruppengeschehen.“

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Orientiert an den Zielgruppen der pädagogischen Fachberatung zeigen sich die unterschiedlichen Arbeitsformen wie folgt: ◆◆

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Praxis – Leitungen: Grundlage für die Aufgabe der Beratung von Einrichtungsleiterinnen und Einrichtungsleitern ist der positive Kontakt zwischen den beiden pädagogischen Fachkräften. Dieser positive Kontakt muss von Seiten der pädagogischen Fachberatung aufgebaut und gepflegt werden. Die Leitungsberatung ist entweder eine individuelle Beratung in der Einrichtung oder eine Gruppenberatung von mehreren Einrichtungsleitungen in Form von Besprechungen, Fachtagen, Seminaren oder Arbeitskreisen. Die telefonische Kurzberatung ist auch eine Arbeitsform im Rahmen der Leitungsberatung, die jedoch auf kurze Fragen beschränkt sein sollte. Grundlegende Beratungen erfordern die persönliche Präsenz. Praxis – Mitarbeitende: Die Arbeitsform der Beratung der Mitarbeitenden in den Einrichtungen ist entweder die individuelle Beratung in der Einrichtung oder die Gruppenberatung von mehreren Mitarbeitenden in Form von Besprechungen, Fachtagen, Seminaren oder Arbeitskreisen. Auch hier gilt für die telefonische Kurzberatung dasselbe wie bei der Leitungsberatung beschrieben. Praxis – Eltern: Die Beratung der Eltern wird in der ersten Linie durch die Eltern abgefordert und häufig als telefonische Beratung durchgeführt. Sollten die Fragen und Anliegen der Eltern im telefonischen Beratungsgespräch nicht zur Zufriedenheit beider Seiten geklärt werden können, wird ein individuelles Beratungsgespräch durchgeführt. Die Beratung von Elterninstitutionen, wie Elternbeirat, Elternvertretung und Kreis- und Landeselternvertretung geschieht neben dem individuellen Beratungsgespräch in der Regel in Form von Besprechungen, Fach­ tagen, Seminaren oder Arbeitskreisen. Entscheidungsträger – Trägerinstitutionen: Bei Beratung von Entscheidungsträgern in den Trägerinstitutionen wird in der Hauptsache die Arbeitsform der individuellen Beratung vor Ort angewendet. Die Beratungsinhalte sind oft von so entscheidender Bedeutung, dass eine Beratung per Telefon oder per E-Mail nicht angemessen ist. Wie auch bei den Leitungskräften ist eine Grundlage für die effektive Beratung ein positiver Kontakt zu den Entscheidungsträgern, der gezielt von beiden Seiten gepflegt werden muss. Arbeitsformen der Gruppenberatung für Entscheidungsträger bei Trägerinstitutionen sind die Besprechung, die Arbeitskreise und die themenbezogenen Fachtage. Entscheidungsträger – Politik: Bei der Beratung von Entscheidungsträgern aus der Politik gibt es zwei Hauptarbeitsformen. Eine Arbeitsform ist die individuelle Beratung und die zweite Form ist die Teilnahme an Sitzungen. Die Formen der Teilnahme an Podiumsdiskussionen, der Einladung an die Entscheidungsträger zu themenbezogenen Fachtagen und die gemeinsame Teilnahme an Arbeitskreisen sind weitere Möglichkeiten der Kooperation. Vernetzungspartner – pädagogische Fachberatungen: Bei der fachlichen Kommunikation mit Vernetzungspartnern im Bereich der pädagogischen Fachbera-

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tung sind die Arbeitsformen der telefonischen Kurzberatung und des E-Mail-Austausches prägend. Die gemeinsame Teilnahme an Besprechungen, Sitzungen, Seminaren, themenbezogenen Fachtagen und Arbeitskreisen geschieht eher dort, wo mehrere Fachberatungen bei einem Träger, einer Trägerorganisation oder einer Interessenvertretung tätig sind. ◆◆ Öffentlichkeit: Das Leistungsangebot der Sensibilisierung der Beteiligten und der Öffentlichkeit für die Bedürfnisse und Interessen von Kindern wird in der Regel durch die Arbeitsform der Publikation, der Darstellung im Internet, der Kooperation mit den Presseorganen und der Information auf öffentlichen Veranstaltungen durchgeführt.

■■ Rahmenbedingungen der Wirksamkeit „Eine entsprechende öffentliche Wertschätzung der Fachberatung, die sich ausdrückt in adäquaten Rahmenbedingungen, erweiterten Ressourcen und die Aufnahme der Fachberatungen in die Eingruppierungspläne der Tarifverträge hat sich trotz des hohen Stellenwertes der Fachberatung noch nicht nieder­ geschlagen.“ (vgl. Irskens/Engler 2005, S. 150). Die Wirksamkeit der pädagogischen Fachberatung wird grundlegend positiv durch das Vorhandensein adäquater Rahmenbedingungen beeinflusst. Hier besteht jedoch in der Praxis der pädagogischen Fachberatungen vielerorts noch Optimierungsbedarf. Solange die Rahmenbedingungen nicht ein Mindestmaß an Sicherheit für den Arbeitsbereich bieten, wird die Wirksamkeit der pädagogischen Fachberatung leider negativ beeinflusst. Die Anerkennung des Berufsbildes der pädagogischen Fachberatung, verbunden mit der Absicherung der Finanzierung durch die landesübliche Kindertagesstättenfinanzierung, ist eine grundlegende Rahmenbedingung. Es darf nicht von der Finanzkraft eines Trägers abhängig sein, ob die Qualität der Kindertagesbetreuung durch eine pädagogische Fachberatung gefördert und unterstützt wird. Die Funktion der pädagogischen Fachberatung muss verpflichtend für den gesamten Bereich der Kindertagesbetreuung sein. Die Funktion der pädagogischen Fachberatung benötigt innerhalb der Trägerorganisation für die sie tätig ist, eine festgeschriebene Aufgabenstruktur, die sich an einem bundesweit einheitlichen Grundgerüst des Leistungsangebotes von pädagogischer Fachberatung orientiert. Die Interessenverbände der Kindertagesbetreuung, die Trägerorganisationen und die Träger von Kindertageseinrichtungen müssen die gesetzliche Verpflichtung haben, Fachkräfte für die pädagogische Fachberatung gemäß eines Schlüssels, der sich an der Anzahl der Gruppen der Einrichtungen orientiert, einzustellen. Die Eingruppierung der Fachkraft für die pädagogische Fachberatung muss tariflich geregelt sein.

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Zu den adäquaten Rahmenbedingungen gehört für die pädagogische Fach­ beratung auch die Freiheit, die Verteilung der Arbeitszeit auf der Grundlage von Gesetz und Tarif individuell an den Bedarfen der Zielgruppen entsprechend ausgestalten zu können. Da es eine wichtige Voraussetzung der Wirksamkeit der pädagogischen Fachberatung ist, in den jeweiligen Einrichtungen der Praxis präsent zu sein, gehört die räumliche Flexibilität zu den grundlegenden Rahmenbedingungen. Hierzu wird nicht nur die Mobilität sondern auch die Flexibilität in der Fest­legung von Zeiten mit Präsenzpflicht am direkten Arbeitsplatz gesehen. Unentbehrliche Rahmenbedingungen, wie ausreichende Ausstattung mit Büro- und Sachmitteln oder der räumlichen Möglichkeit, vertrauliche Beratungen unter vier Augen zu führen, werden ergänzt durch eine Ausstattung mit EDV und Internetzugang. Ein Großteil des Wissensmanagements, an dem die pädagogische Fachberatung einen großen und wichtigen Anteil hat, wird über die elektronischen Medien geregelt.

■■ Einfluss von Qualifikation, Praxiserfahrung und Fort-/Weiterbildung

Fachliche Qualifikation Die Arbeitsgemeinschaft Jugendhilfe (Juni 1997) formuliert als fachliche Qualifikation ein Fachhochschulexamen als Sozialpädagogin verbunden mit einer vorausgegangenen Ausbildung zur Erzieherin. Die Erwartung an berufliche Erfahrung im Bereich der Kindertagesbetreuung wird von der AG Jugendhilfe dargestellt. Hier liegt ein ganz besonderer Schwerpunkt. In jedem Fall muss eine pädagogische Fachberatung, die ihre Aufgaben in der sozialpäd­ agogischen Begleitung von Verantwortlichen aus dem Bereich der Kindertages­ betreuung sieht, eine angemessene pädagogische fachliche Grundqualifikation nachweisen. Die übliche Formulierung in Ausschreibungstexten „Dipl.-Sozialpädagoge oder staatlich anerkannter Erzieher mit entsprechender Berufserfahrung“ sollte auch für diese Tätigkeit Gültigkeit haben. Jedoch kann der Begriff „mit entsprechender Berufserfahrung“ nicht wie üblich definiert werden. Drei Jahre Tätigkeit in der Kindertagesbetreuung sind entschieden zu wenig. Um eine wirksame pädagogische Fachberatung für die Kindertagesbetreuung darzustellen, die auf einen professionellen Hintergrund zugreifen kann, sind mindestens fünf Jahre Leitung einer Kindertageseinrichtung Voraussetzung. Diese Berufserfahrung muss aber auch für Absolventen der Hochschulen und Universitäten gelten. Die Praxis fordert von den pädagogischen Fachbera-

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tungen u. a. mehr Praxisnähe. Die Akzeptanz der Fachlichkeit wird durch Berufserfahrung als Leitung einer Einrichtung verstärkt. Damit ist die Wirksamkeit des Leistungsangebotes auf eine sichere Basis gestellt.

Persönliche Qualifikation Eine pädagogische Fachkraft, die sich über die Ausbildung und entsprechende Berufserfahrung fachlich für die Tätigkeit der pädagogischen Fachberatung qualifiziert, muss zudem auch die entsprechende persönliche Qualifikation vorweisen. Das Profil einer guten pädagogischen Fachberatung bestimmt Irskens (Irskens 1992, Seite 11) wie folgt: „Sie berät engagiert, zielbewusst und flexibel anspruchsvolle Kunden. Es wird von ihr ein souveränes Auftreten erwartet, detailliertes Fachwissen, Eigeninitiative, Verhandlungs- und Akquisitionsgeschick, Bereitschaft zur ständigen eigenen Weiterbildung, Engagement, Flexibilität und Einsatzfreude.“ Darüber hinaus muss eine pädagogische Fachberatung erfahren in der Moderation von Gruppen, in der Anwendung von Methoden zur Ergebnisfindung und in der Präsentation von Sachverhalten sein. Diese persönlichen Kompetenzen können aber nur eine Wirksamkeit des Leistungsangebotes der pädagogischen Fachberatung erzielen, wenn sie auch die Fähigkeit besitzt, mit Menschen unterschiedlichster Herkunft, Berufstätigkeit und Stellung zielführend zu kommunizieren. Diese Flexibilität in der Art der Ansprache ist ein wesentlicher Grundstein, um in allen Ebenen die notwendige Akzeptanz zu finden.

Fort- und Weiterbildung Bei der Betrachtung der hauptsächlichen Aufgabenfelder von pädagogischer Fachberatung kommt die Durchführung von Fort- und Weiterbildungsangeboten (Hense 2009) in den zentralen Fokus. Wenn diese Aufgabe wirksam durchgeführt werden soll, die Teilnehmenden der Veranstaltungen nachhaltig in ihrer Fachlichkeit zu stärken, muss die Durchführung der pädagogischen Fachberatung fachlich und methodisch auf dem aktuellen Stand sein. Aber nicht nur für die Durchführung von Fort- und Weiterbildungsveranstaltungen, sondern in allen Bereichen des Leistungsangebotes der pädagogischen Fachberatung muss die entsprechende Fachkraft ein aktuelles Wissen und eine Sicherheit in der Argumentation besitzen können. Diese Position im Wissensmanagement erfährt die pädagogische Fachberatung nur durch den eigenen Besuch von Fortund Weiterbildungsveranstaltungen. Die zu beratenden Menschen und Insti-

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tutionen erwarten von der pädagogischen Fachberatung ein immer präsentes, aktuelles Fachwissen. Insofern ist es für Fachkräfte, die in der pädagogischen Fachberatung tätig sind, unabdingbar, sich ständig über entsprechende Angebote zu informieren und einen erheblichen Teil der Zeitressource für die eigene Fort- und Weiterbildung zu investieren. Im übergreifenden System der Steigerung der Qualität von Kindertagesbetreuung als gesellschaftliche Aufgabe ist es aber auch von den Trägern der Fort- und Weiterbildung zu erwarten, in Zusammenarbeit mit der Wissenschaft entsprechende Angebote für diese Zielgruppe zu entwickeln. Ein Erfahrungsaustausch unter den Fachkräften der päd­ agogischen Fachberatung ist notwendig (siehe an anderer Stelle), jedoch muss der Schwerpunkt der Angebote auf der Erarbeitung und Vermittlung von fachlicher Kompetenz liegen.

■■ Einfluss des Konfliktes zwischen Planstellen und Fallzahlen Die Frage, für wie viel Einrichtungen eine pädagogische Fachberatung zuständig ist und sein soll, wird seit langer Zeit diskutiert. Die Grundlage dieser Diskussion ist auf der einen Seite die Frage nach der Wirksamkeit und Qualität der Beratungsleistung und auf der anderen Seite, die Frage nach der Finanzier­ barkeit. In vielen Veröffentlichungen wird das Verhältnis von pädagogischer Fachberatung zu den Kindertageseinrichtungen dargestellt. In der Orientierungshilfe des sächsischen Landesjugendamtes zur Fachberatung in Kindertagesstätten gem. § 15, SäKiTaG (1996) wird von einer Orientierungsgröße von einer pädagogischen Fachberatung zu 20–25 Kindertageseinrichtungen ausgegangen. Die Orientierung an der Anzahl der Kindertageseinrichtungen kann nicht die wirklichen Unterschiede in den Anforderungen der Beratung widerspiegeln. Nicht nur bundesweit gibt es eine große Differenz in der Größe der Einrichtungen. In vielen Kommunen gibt es die unterschiedlichsten Konzeptionen. Aus diesem Grund muss die Kennzahl, die zur Bemessung einer Stelle zur pädagogischen Fachberatung nicht auf der Einrichtungs- sondern auf der Gruppenanzahl begründet sein. Die Zielgruppen einer pädagogischen Fachberatung sind in der Praxis die Einrichtungsleitungen, die Mitarbeitenden und die Eltern. Um den unterschiedlichsten Bedürfnissen im Rahmen der Zeitressource gerecht zu werden, muss die Grundlage der Arbeitszeitberechnung den zahlenmäßigen Bedarf spiegeln. Im Zuge einer vergleichbaren Personalbemessung sollte von einer Berechnung von ganzen Stellen (39 Wochenstunden) abgewichen werden. Es empfiehlt sich, auf eine Berechnung der Stunden der pädagogischen Fachberatung im Verhältnis zur Anzahl der Gruppen zu wechseln.

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Im Spannungsfeld zwischen Anspruch und Wirklichkeit

Den Ansprüchen einer professionellen und effektiven pädagogischen Fachberatung im Rahmen der Qualitätsentwicklung, -sicherung und -förderung der Kindertageseinrichtungen sollte von einem Verhältnis von 10 Wochenstunden pädagogische Fachberatung für 15 Gruppen in Kindertageseinrichtungen ausgegangen werden. Wird die Anzahl der Fallzahlen (Gruppen in Kindertageseinrichtungen) im Verhältnis zu den Wochenstunden der pädagogischen Fachberatung erhöht, entwickelt sich ein Konflikt zwischen dem Anspruch auf eine professionelle pädagogische Fachberatung und den zeitlichen Ressourcen. Dieser Konflikt geht auf der einen Seite zu Lasten der Zielgruppen der pädagogischen Fachberatung und auf der anderen Seite zu Lasten der Arbeitsfähigkeit der pädagogischen Fachberatung. Beobachtungen zeigen, dass dabei häufig der Katalog der Leistungen radikal auf die Durchführung von Fort- und Weiterbildungsveranstaltungen reduziert wird und damit die Wirksamkeit von pädagogischer Fachberatung auf ein Minimum fällt. Die Folge sind die Rückmeldungen aus der Praxis, dass der Praxisbezug fehlt und damit die pädagogische Fachberatung vermeintlich in der Praxis nicht benötigt wird. Die Entscheidungs- und Anstellungsträger sollten sich im Sinne einer qualitativ hochwertigen Arbeit im Rahmen der Kindertagesbetreuung für einen angemessenen Schlüssel zur Berechnung der Personalressource entscheiden. Die Funktion der pädagogischen Fachberatung im Zuge der Bildungsarbeit der Kindertageseinrichtungen sollte es wert sein, ausreichend Ressourcen einzubringen. Die pädagogische Fachberatung darf nicht zu einer Alibifunktion werden.

■■ Einfluss des Konfliktes der Beratungstätigkeit und der gleichzeitigen Dienst- und Fachaufsicht

Sehr umstritten ist die Frage, ob Fachkräfte der pädagogischen Fachberatung in Personalunion auch mit Aufgaben der Dienst- und Fachaufsicht betraut werden können. Tietze schreibt in seinem Abschlussbericht über die Fachberatung in Sachsen (Juli 2008): „Fachberatungen und Aufgaben der Dienst- und Fachaufsicht sollten grundsätzlich getrennt und nicht von den gleichen Personen wahrgenommen werden.“ Er beschreibt dort aber auch, dass im Bundesland Sachsen nur 5,5 % der pädagogischen Fachberatungen Aufgaben zur Dienst- und Fachaufsicht ausüben. Hense (2009) zitiert dagegen in ihrer empirischen Studie: „Hontschink u. a. (1982, S.  207) äußern sich schon sehr früh kritisch zur Koppelung von Fort­

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bildungs- und Dienstaufsichtsaufgaben und schließen diese Koppelung im Hinblick auf das dadurch tangierte Vertrauensverhältnis eindeutig aus.“ An anderer Stelle beschreibt Hense die Erkenntnisse der Fachhochschule Esslingen: „Eine Projektgruppe von Studierenden der Fachhochschule Esslingen unter der Leitung von Frau Prof. Dr. Miedaner kommt dagegen zu einem anderen Ergebnis. Die Studierenden sind im Rahmen von Interviews der Frage nachgegangen, inwieweit die Ausübung der Fach- und Dienstaufsicht und der Beratungsangebote kollidiert. Als Ergebnis der Interviews konnte festgehalten werden, dass die Machbarkeit dieser Koppelungen durchaus gegeben ist. Als eine Schwierigkeit dieser Form taucht in den Interviews jedoch die Problematik der Rollenbegrenzung auf: Das heißt, wann tritt die Fachberatung als Beratung, wann als Vorgesetzte auf?“ (vgl. Miedaner 2002, S. 34 ff.). „Die Koppelung von Dienst- und Fachaufsicht mit reinen Beratungsauf­gaben (bzw. Fortbildungsaufgaben) kann nicht von Vornherein verneint werden, sondern scheint unter bestimmten Voraussetzungen (Kompetenz der Fachberatung), Anzahl der zu betreuenden Einrichtungen und Sichtweisen der Erzieherinnen machbar zu sein.“ (Hense 2009) In der Einschätzung muss Hense unterstützt werden, dass die Grundlage für eine konstruktive Verbindung der Beratungs- und Aufsichtsaufgaben die hohe Professionalität der pädagogischen Fachberatung und der Mitarbeitenden der Kindertagesbetreuung ist. Wenn sich beide Seiten über die jeweilige Rolle der pädagogischen Fachberatung nicht eindeutig im Klaren sind, wird der Bereich der qualifizierten Beratung bestimmt darunter leiden. Wer sich der Auffassung von Tietze anschließt, dass die Aufgaben der pädagogischen Fachberatung und der Dienst- und Fachaufsicht grundsätzlich getrennt sein sollen, sorgt für einen klaren für alle Seiten eindeutigen Prozess. Die Qualität der Kindertagesbetreuung ist im Fokus der Fachwelt, der Politik und der Öffentlichkeit. Hierdurch werden die unterschiedlichsten Anforderungen an die in der Kindertagesbetreuung handelnden Personen gestellt. Die Trägerverantwortlichen, die mit den Aufgaben der Fachaufsicht betraut werden, haben gerechtfertigte Erwartungen an die Qualität der Arbeit. Diese Erwartungen befinden sich oft im Kontext mit den Erwartungen der Eltern, der Politik und mit den Trägerinteressen. Die Aufgabe der pädagogischen Fachberatung muss in diesem Prozess sein, die Trägerverantwortlichen in der Formulierung und Begründung ihrer Erwartungen fachlich zu beraten. Ebenso ist es Aufgabe der pädagogischen Fachberatung, mit den Mitarbeitenden in den Einrichtungen Prozesse zu initiieren und zu begleiten, diesen Anforderungen gerecht zu werden. Die Beratung und Prozessbegleitung muss aber von außerhalb der Hierarchie erfolgen. Die Akzeptanz der Mitarbeitenden der Kindertageseinrichtungen gegenüber der pädagogischen Fachberatung, der Informationen und der Impulse ist dabei wesentlich höher.

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Im Spannungsfeld zwischen Anspruch und Wirklichkeit

In vielen Veröffentlichungen wird dargestellt, dass der pädagogischen Fachberatung in vielen Bereichen die eindeutige Position und Anerkennung fehlt. Keine andere Funktion im Konstrukt des Angebotes der Kindertagesbetreuung ist so unklar definiert und beschrieben. Um die Wirksamkeit der pädagogischen Fachberatung im Rahmen einer qualitativen pädagogischen Arbeit angemessen erreichen zu können, ist es unabdingbar, die Aufgaben der Beratung von den Aufgaben der Aufsicht zu trennen.

■■ Die Notwendigkeit der Zeitressource Eine wichtige Rahmenbedingung als Grundlage der Wirksamkeit der pädagogischen Fachberatung ist die Zeitressource der zu beratenden Institutionen und Personen. Die Qualität der Bildungsarbeit in den Kindertageseinrichtungen ist u. a. von den Kompetenzen der durchführenden pädagogischen Fachkräfte abhängig. Diese bringen in ihren Tätigkeitsbereich berufliche Qualifikation, Erfahrung, persönliches Engagement und die Bereitschaft zur konstruktiven Veränderung und Weiterentwicklung mit ein. Hier setzt die pädagogische Fachberatung an. Der Prozess zur Qualitätsentwicklung, -sicherung und -förderung wird von der pädagogischen Fachberatung initiiert, begeleitet und gesteuert. Dabei setzt sie je nach individueller Möglichkeit und Ressource die a. o. beschriebenen Arbeitsformen ein. Bei freigestellten Leitungskräften ist in der Regel Zeit und Möglichkeit, an den angebotenen Beratungseinheiten teilzunehmen. Schwierig wird es, wenn die pädagogische Fachberatung die Zielgruppe der nicht freigestellten Leitungskräfte und der Mitarbeitenden in einer qualitativ hochwertigen Weise erreichen will. Sie kann dort oft nur durch Publikationen und den Verweis auf Literatur sowie Fort- und Weiterbildungsveranstaltungen Informationen platzieren. Beratung im Sinne eines individuellen Gespräches, einer Besprechung, eines Seminars, eines Arbeitskreises oder eines Fachtages erfordert auf Seiten der Zielgruppe eine ausreichende Zeitressource. Die sogenannten Verfügungszeiten, die im Rahmen der Personalbedarfsberechnung Anerkennung finden, sind sehr unterschiedlich gestaltet. In der Regel wird von 20 % Arbeitszeit ausgegangen, in der keine Betreuung am Kind stattfindet. Diese Verfügungszeit beinhaltet neben der Ausfallzeit wegen Krankheit und Fort- sowie Weiterbildung folgende Aufgaben: ◆◆ ◆◆

Beobachtungen und Dokumentationen Reflexion der Arbeit

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Planung, Vor- und Nachbereitung von pädagogischer Arbeit und Projekten Ausgestaltung der Erziehungs- und Bildungspartnerschaft mit den Eltern Teamberatung, fachlicher Austausch Teilnahme an pädagogischer Fachberatung Kooperationen mit Institutionen (Grundschulen, Partner der Familienbildung, etc.) Teilnahme an einrichtungs- und trägerübergreifenden Arbeitskreisen, Fachgruppen Teilnahme an Supervision

Eine seriöse Berechnung des Anteiles der Verfügungszeit für die Teilnahme an der pädagogischen Fachberatung ist nur individuell möglich. Jedoch ist es augenscheinlich, dass die Anforderungen an eine professionelle pädagogische Fachberatung im Konflikt zur Zeitressource der zur beratenden Zielgruppe steht. Hier besteht Anpassungsbedarf, der nicht allein durch eine Erhöhung der Verfügungszeiten geschehen wird. Jede zusätzliche Zeiteinheit stellt nicht nur die Träger der öffentlichen Jugendhilfe vor Finanzierungsprobleme. Hier sind die zeitliche Lage der Beratungseinheiten, die Frage des Ortes und die Beratungsstruktur wichtige Aspekte. Ebenso fordert die gemeinsame Verantwortung zum sparsamen Umgang mit den Ressourcen aber auch die Mitarbeitenden der Kindertageseinrichtungen zu einer Tätigkeitskritik bei der Nutzung der Verfügungszeit auf. Der Schwerpunkt muss in der Stärkung der Fachlichkeit und der Kooperation liegen. Wenn sich die Wirksamkeit von pädagogischer Fachberatung in den Köpfen der Mitarbeitenden positiv verankert hat, wird die Verfügungszeit in diesem Sinne genutzt werden. Sobald sich die Präsenz der pädagogischen Fachberatung in den Kinder­ tageseinrichtungen erhöht, haben die Mitarbeitenden wesentlich mehr Möglichkeiten, kurzfristig im Rahmen der Tagesplangestaltung an der Beratung teilzuhaben. Viele einrichtungsübergreifenden Arbeitskreise für Mitarbeitende aus den Einrichtungen leiden unter der fehlenden Zeitressource. Da jedoch das Wissen aus der Praxis ein elementarer Baustein des Wissensmanagements ist, muss von Seiten der pädagogischen Fachberatung ein Weg gefunden werden, dieses Wissen zu sichern und in die aktuelle Diskussion und Weiterentwicklung mit einfließen zu lassen. In der pädagogischen Fachwelt stehen wir heute erst am Beginn eines Wandels. Nur durch die gemeinsame Anstrengung von Trägern, pädagogischer Fachberatung und Mitarbeitenden kann die Wirksamkeit der pädagogischen Fachberatung für die Steigerung der Qualität der Arbeit in der Kindertages­ betreuung gesehen werden. Eine Qualitätssteigerung ohne ausreichend Zeit für die sachlich und fachlich notwendigen Verfügungsaufgaben und für eine professionelle pädagogische Fachberatung ist nicht möglich.

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■■ Vernetzung mit anderen Fachberatungen Die kollegiale Kooperation von pädagogischen Fachberatungen ist sehr unterschiedlich organisiert. Im Bereich der freien Träger, insbesondere der kirch­ lichen Träger, kann von einer funktionierenden Zusammenarbeit gesprochen werden, da es dort vielerorts Fachberatungstreffen, Fachberatungstagungen, Fachberatungskonvents u. ä. gibt. Im Bereich der nicht kirchlichen Träger oder in Diasporagegenden arbeiten die pädagogischen Fachberatungen oft alleine ohne Fachkollegen in unmittelbarer Nähe. Hier gibt es oft die Funktion der Landesfachberatung, die dann für die Einrichtungen eines Trägers oder Interessenverbandes in einem ganzen Bundesland zuständig sind. Im kommunalen Bereich gibt es größere Kommunen, die mehrere Fachkräfte als pädagogische Fachberatung eingestellt haben, denen dann unterschiedliche Bezirke für die Beratung zugewiesen worden sind. In mittleren oder kleineren Kommunen stehen die Fachkräfte der Aufgabe der pädagogischen Fachberatung allein gegenüber. Tietze, spricht in seinem Abschlussbericht zur Evaluierung der Personalausstattung in Kindertageseinrichtungen sowie Struktur und Angebot der Fachberatungen für Kindertageseinrichtungen und Kindertagespflege in Sachsen (2008, S. 118): „Eine Vernetzung der Fachberatung untereinander sowie mit anderen Institutionen, deren Arbeit für die Betreuung und Förderung von Kindern in Kindertageseinrichtungen relevant ist, wird ausdrücklich gewünscht.“ Irskens/Engler (2005, S. 152) argumentieren: „Es gibt in den Ländern wenig trägerübergreifende Foren, die die Vernetzung über die regionale bzw. länderspezifische Ebene hinaus ermöglichen. Das erschwert eine kooperative und aktive Umsetzung der zum Teil anspruchsvoll angelegten Bildungspläne. Hierzu würde Fachberatung ganz besonders gebraucht.“ Einen großen Schwerpunkt der regionalen Vernetzung von pädagogischer Fachberatung muss der koordinierende Austausch von Fachkräften sein. Hierzu ist es notwendig, dass sich die Fachkräfte einer Region persönlich kennen und regelmäßig den trägerübergreifenden Austausch pflegen. Aufbauend auf diesen Austausch ist eine projektbezogene, aufgabenorientierte direkte Zusammenarbeit notwendig. Das gleiche Ziel, die Bildungsarbeit der Kindertagesbetreuung zu optimieren, den Eltern, Mitarbeitenden und Trägern kompetente fachliche Beratung zu gewährleisten und in der Öffentlichkeit die pädagogische Arbeit der Kindertagesbetreuung positiv darzustellen, verbindet die Fachkräfte über Trägergrenzen hinweg. Es ist wichtig, dass pädagogische Fachberatungen hierbei ihre Trägeridentität darstellen und vertreten, jedoch sich in fachlichen Fragen offen den Kollegen der anderen Träger zeigen. Die fachliche Qualität der pädagogischen Fachberatung darf sich regional nicht zwischen Trägern unterscheiden. Sie muss sich vielmehr gegenseitig befruchten.

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Im überregionalen Bereich ist es notwendig, eine Vernetzungsstruktur der pädagogischen Fachberatung zu leben. In den Landesorganisationen der freien Träger (z. B. Landesarbeitsgemeinschaften) sowie in den kommunalen Spitzenverbänden der Länder wird viel und intensiv über die Kindertagesbetreuung diskutiert. Es wird der Qualität der Kindertagesbetreuung nicht gerecht, wenn sich die Erörterung in den Gremien und Organisationen auf den monetären Bereich beschränkt. In Zeiten, in denen Bildungspläne, Bildungsleitlinien etc. von staatlicher Seite vorgegeben werden, gehört auch die pädagogische Fachberatung in die Spitzenverbände. Hier gehören Qualitätszirkel, Fachberatungs­foren und Arbeitskreise angesiedelt, in denen die pädagogische Fachberatung der Mitglieder vertreten sind. Wenn Kercher (1995, S. 16) sagt: „Fachberatung hat keine Lobby. Das macht sie zur Verfügungsmasse, wenn es um Sparen geht.“ Dann ist das auch eine Erkenntnis daraus, dass Fachberatung sich in den eigenen Gremien nicht positionieren kann. Entscheidungsträger der Spitzenorganisationen können nicht die Fachlichkeit besitzen, die ihnen durch eine strukturelle Vernetzung von päd­ agogischer Fachberatung geboten wird. Das Ziel, eine qualitativ hochwertige Bildungsarbeit in der Kindertagesbetreuung möglichst kostengünstig anzubieten, kann nur in einem konstruktiven Dialog zwischen Entscheidungsträgern und Fachkräften der pädagogischen Fachberatung erreicht werden. Die Entwicklung von Zielvorgaben im Bildungsbereich der Kindertageseinrichtungen auf Landesebene basiert häufig auf der Zusammenarbeit von Landesregierung und Wissenschaft. Dieses ist auch ein gutes und bewährtes System. Müssen sich doch die Landesvorgaben an den aktuellen Erkenntnissen der Forschung orientieren. Jedoch nutzen die Landesregierungen selten die Kompetenz und die Fachlichkeit der pädagogischen Fachberatung der unterschiedlichen Träger als Wissenspool, wenn es um die Frage der Umsetzung und Abgrenzung geht. Wie auch in den Gremien der Trägerverbände müssen die Landesregierungen ein Forum anbieten, in denen die Fachlichkeit der Praxis mit in die Entscheidungsprozesse einfließen kann. Ein Ministerium ist gut beraten, das für ein solches Wissensmanagement landesweit eine Struktur entwickelt. In einer Zeit, in der zeitgleich so viele Fachinformationen entwickelt werden, die als Grundlage einer professionellen pädagogischen Fachberatung dienen, ist es notwendig, dass die entsprechende pädagogische Fachkraft sich jederzeit informiert. Hierfür gibt es neben den üblichen Methoden wie Lesen von Fachliteratur, Besuch von Weiter- und Fortbildungsveranstaltungen, Recherche in elektronischen Medien und Vernetzung vor Ort auch weitere Möglichkeiten. Über Ländergrenzen hinaus sind hier nationale Foren zu Themen der pädagogischen Fachberatung ebenso notwendig wie auch nationale Kongresse. Auf diesen Veranstaltungen kann in Zusammenarbeit mit Politik, Wissenschaft und Praxis die Qualität der pädagogischen Arbeit in den Kindertageseinrichtungen inspiriert und verändert werden. Besonders ist hier eine gute Chance gegeben, länder­

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übergreifend Fragen zu erörtern und Ansichten, Wertvorstellungen und Rahmenbedingungen abzugleichen. Es besteht dabei die Möglichkeit, seine Position bestätigt zu sehen, sich mit anderen Positionen auseinanderzusetzen, sich ab­ zugrenzen oder neue andersartige Sichtweisen zu erlangen. Neben den offiziellen Foren zum konstruktiven Austausch der pädagogischen Fachberatung ist es aber auch notwendig, die Vernetzung im alltäglichen Leben zu nutzen. Oft sind es Fragen, auf die eine schnelle Antwort gesucht wird oder es sind kurze Informationen, die die Fachlichkeit und Professionalität in der pädagogischen Fachberatung unterstützen. Hierfür entsteht in Deutschland zurzeit ein E-Mailverteiler. Diesem Verteiler sind ca. 75 pädagogische Fachberatungen aus fast allen Bundesländern und aus Luxemburg angeschlossen. Dieser Verteiler dient nicht der Herausgabe und Übermittlung von regelmäßigen Newsletter, er dient auch nicht zur Verbreitung von Werbebotschaften u. ä. Die Zielsetzung ist die schnelle, unkomplizierte Weitergabe und Verbreitung von Fragen, Anregungen und Informationen rund um das Thema der pädago­ gischen Fachberatung in der Kindertagesbetreuung.

■■ Methodenvielfalt Als Resümee der Literaturrecherche zu den Aufgaben von pädagogischer Fachberatung hält Hense (Hense 2009) u. a. fest: „Das Aufgabenfeld der Fachberatung ist vielfältig und verlangt nach Schwerpunktsetzung.“ Die Wirksamkeit der pädagogischen Fachberatung wird grundlegend beeinflusst von der Fachlichkeit der Fachkraft. Bei fast allen pädagogischen Fachberatungen wird hier ein großes Spektrum an Fachlichkeit gefordert. Der Bogen spannt sich von der pädagogisch methodischen Beratung der Kindertageseinrichtungen über die Beratung und Information zu aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen über die Mitsteuerung in Fragen der Sozialplanung, der Organisation von Strukturen im sozialen Bereich, der rechtlichen/finanziellen Situation bis hin zu Personalführungsfragen. Die Einbindung der Fachlichkeit der pädagogischen Fachberatung in die Planung von Neubauten für Kindertagesbetreuung nimmt in Zeiten des Bundesinvestitionsprogramms zur Förderung der Plätze für Kinder im Alter von unter 3 Jahren und der Konjunkturförderung auch einen immer stärker werdenden Anteil ein. Seriös betrachtet wird die Wirksamkeit der pädagogischen Fachberatung für die einzelnen Leistungsangebote nur durch Spezialisierung gestärkt. Im Rahmen der Positionierung von Fachberatungsressourcen in der sozialen Arbeit muss es erlaubt sein, Ideen zur Verteilung der Fachlichkeit auf unterschiedliche Menschen/Institutionen zu entwickeln. Leider sind die Fachberatungskräfte oft als „Einzelkämpfer“ bei Trägern oder der öffentlichen Jugendhilfe angesiedelt. In diesem System ist eine Spezia­

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lisierung nicht möglich, da jeder Arbeitgeber den vollen Umfang an Fachlichkeit verlangt. Eine Spezialisierung und damit verbunden eine Bündelung und Stärkung des Wissens ist nur denkbar, wenn das System pädagogische Fachberatung im sozialen Bereich regional- und trägerübergreifend strukturiert wird. Neben den festangestellten Fachberatungsfachkräften, die fest an die Träger und an die öffentliche Jugendhilfe gebunden sind, stellt sich hier ein Bedarf an freiberuflichen pädagogischen Fachberatungen dar. Spezialaufgaben, die ein Träger oder die öffentliche Jugendhilfe nicht ständig beschäftigen, können so mit fachlicher Kompetenz begleitet durchgeführt werden. Die Effizienz von päd­agogischer Fachberatung darf im Zuge der Qualitätssteigerung der Kindertagesbetreuung nicht davon abhängig sein, welchen Interessenschwerpunkt die jeweils angestellte Fachkraft für pädagogische Fachberatung für sich beruflich sieht. Dieser individuelle Wissensschwerpunkt muss als wertvolle Ressource gesehen und eingesetzt werden. Die fachliche Beratung in anderen Themen muss durch ein Netzwerk von pädagogischer Fachberatung jeder zu beratenden Person und Institution selbstverständlich zur Verfügung stehen. Die Akzeptanz des Fachwissens steigt durch Spezialisierung.

■■ Die Rolle der pädagogischen Fachberatung im Angebotsfeld der Kindertagespflege

„Eltern und Tagespflegepersonen haben einen gesetzlichen Anspruch auf Beratung in allen Fragen der Kindertagespflege (§ 23, Abs. 4 SGB VIII). Beratung heißt: Informationen über rechtliche und organisatorische Zusammenhänge, um Orientierung und Sicherheit zu erlangen. ◆◆ Unterstützung und Begleitung des pädagogischen Alltags, um eigenes Handeln zu reflektieren, Verhalten zu hinterfragen und Innovationen und Veränderungen herbeizuführen. ◆◆ Anregungen und Impulse für den Alltag, um das pädagogische Handeln zu befruchten und die Erfahrungsmöglichkeiten für die Kinder zu erweitern. ◆◆ Bei Konflikten zwischen Eltern und Tagespflegeperson vermitteln, um Betreuungsabbrüche zu vermeiden. ◆◆

Beratung und Begleitung ist notwendig, um die Betreuungsverhältnisse für die Kinder stabil zu halten, die Kindertagespflege für alle Beteiligten als verläss­ liche, professionelle und zufriedenstellende Form der Kindertagesbetreuung zu erhalten und weiterzuentwickeln.“ (Vgl. Handbuch Kindertagespflege des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend)

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„Durch die rechtliche Gleichsetzung der Kindertagespflege mit den Kindertagesstätten soll das Gesamtangebot für Kinder und Familien verbessert werden. § 23 SGB VIII gibt der Kindertagespflege mit ihren vier Säulen Beratung, Begleitung, Vermittlung und Qualifizierung die rechtliche Basis. Eine Fach­ beratungsstelle trägt zu einer professionellen und qualitativ guten Kindertagespflege wesentlich bei. Der gesetzlich festgeschriebene Beratungsanspruch bezieht sich nicht auf die Kindertagespflegepersonen, sondern auch auf die Eltern des Kindertagespflegekindes. Darüber hinaus sollen Zusammenschlüsse von Tagespflegepersonen beraten werden, sobald diese sich zur mittel- und langfristigen Bedarfsdeckung der kommunalen Kinderbetreuung gefunden haben. Eine Fachberatung ist in diesem Sinne vorerst eine personenbezogene soziale Dienstleistung, die bei der Beratung von Zusammenschlüssen strukturent­ wickelnde Aspekte bekommt. Im Sinne der Jugendhilfe hat Fachberatung immer den Anspruch, die Betreuungs-, Erziehungs-, Bildungsarbeit und Lebensgestaltung von Kindern qualitativ zu sichern, zu verbessern und weiterzuentwickeln.“ (Vgl. „beraten, vermitteln, qualifizieren, begleiten“ des Bundesverbandes für Kindertagespflege e. V.) In vielen Bereichen wird die pädagogische Fachberatung der Kindertagespflege von denselben Personen wahrgenommen, die auch für die Beratungs­ tätigkeit in den Kindertageseinrichtungen zuständig sind. Dieses ist vielerorts historisch gewachsen. Der pädagogischen Fachberatung in den Kindertageseinrichtungen oblag die Beratung in Fragen der Kindertagesbetreuung. Im Zuge der rasanten Ausweitung der Anerkennung der Kindertagespflege als gleichrangiges Angebot im Rahmen der Kindertagesbetreuung lag es nahe, diese Beratungstätigkeit in die Hände der vorhandenen pädagogischen Fachberatungen zu legen. Die Erfahrung in der Umsetzung fordert hier jedoch ein Umdenken. Zwar wird angestrebt, die Kindertagespflege als ein gleichrangiges Angebot zu sichern, jedoch sind die Beratungsbedarfe in der Kindertagespflege im Gegensatz zu den Bedarfen in den Kindertageseinrichtungen zu unterschiedlich. Im Sinne einer Spezialisierung von pädagogischer Fachberatung muss es eine Trennung zwischen den Beratungszielgruppen aus der institutionellen Zielgruppe und der Kindertagespflege geben. Viele Themenbereiche und Fragestellung, sowie die Beratung der politischen Entscheidungsträger und der Öffentlichkeit sind jedoch deckungsgleich. Hier ist ein gemeinsames Auftreten gefordert. Die Gesamtsicht der Kindertagesbetreuung durch Institutionen und durch die Kindertagespflege darf gegenüber der Öffentlichkeit und der Politik nicht ausdifferenziert werden. Aus diesem Grund ist eine enge Kooperation in einem Fachberatungsteam unabdingbar.

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■■ Fazit Die Wirksamkeit der pädagogischen Fachberatung stellt eine Herausforderung für alle Beteiligten dar. Die Hauptakteure in diesem Prozess der Optimierung der Wirksamkeit sind die bereits tätigen Fachkräfte der pädagogischen Fach­ beratung. Sie sind aufgefordert, in ihrer Arbeit Akzente zu setzen, die das öffentliche Bild der pädagogischen Fachberatung differenzieren und der Funktion der pädagogischen Fachberatung ein professionelles Profil im System der Qualitätsentwicklung, -sicherung und -förderung der Kindertagesbetreuung geben. Die unterschiedlichen Erhebungen haben gezeigt, dass die Praxis, die Durch­ führung von Fort- und Weiterbildungsveranstaltungen als Hauptaufgabe der pädagogischen Fachberatung wahrnimmt, sich jedoch mehr Präsenz in der Kindertageseinrichtung wünscht. Erschreckend ist die Erkenntnis, dass ein Großteil der Praxis, die fachliche Beratung in der Praxis als unwirksam beschreibt und die pädagogische Fachberatung als nicht erforderlich ansieht. Hier ist es Aufgabe der Fachkräfte der pädagogischen Fachberatung, durch Akzente wie verstärkte Präsenz in den Kindertageseinrichtungen, Ausrichtung des individuellen Leistungsangebotes an den Bedarfen der zugeordneten Einrichtungen, Darstellung der Arbeit in der regionalen Fachöffentlichkeit und persönlicher Kommunikation mit den Entscheidungsträgern, Leitungen der Einrichtungen, Mitarbeitenden und Eltern ihre Funktion zu präsentieren. Das Leistungsspektrum der pädagogischen Fachberatung ist ebenso vielseitig wie die Aufgabengliederung der einzelnen dort tätigen Fachkräfte. Die Durchführung von Fort- und Weiterbildungsveranstaltungen darf nicht die Hauptaufgabe sein, da damit ein großer Teil des fachlichen Wissens der Praxis vorenthalten wird. Die pädagogische Fachberatung muss durch Präsenz in den Kindertageseinrichtungen, bei Trägern und Entscheidungsträgern in Verwaltung und Politik Akzente setzen und sich platzieren. Nur so wird sie als kompetente Beratungsinstanz anerkannt und kann die Weiterentwicklung der Kindertagesbetreuung fachlich unterstützen. Das zurzeit unklare Bild der Aufgaben einer pädagogischen Fachberatung muss von den dort tätigen Fachkräften durch eine Vielfalt von Arbeitsformen präzisiert werden. Nicht die ausschließliche Seminararbeit und Publikation, sondern das individuelle und gruppenbezogene Beratungsgespräch, die Moderation von Arbeitskreisen und Fachforen der Praxis und die steuernde Präsenz auf themenbezogenen Fachtagen gehört ebenso dazu wie die Information der Öffentlichkeit durch Vorträge und Pressearbeit. Die adäquaten Rahmenbedingungen einer effektiven Arbeit der pädago­ gischen Fachberatung müssen in vielen Bereichen optimiert werden. Die Verantwortung dafür liegt bei den Anstellungsträgern, den Tarifpartnern und der Politik. Die pädagogische Fachberatung hat die Aufgabe, den Entscheidungs­ trägern durch ihr großes Leistungsspektrum zu zeigen, dass die Qualität der

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Bildungseinrichtungen in der Kindertagesbetreuung in einem kausalen Zusammenhang mit dem System der pädagogischen Fachberatung hängt. Um die Qualität der pädagogischen Fachberatung zu sichern und weiterzuentwickeln gehört zu einer pädagogischen Ausbildung ein Mindestmaß an Erfahrung aus einer Leitungstätigkeit in einer Kindertageseinrichtung. Die Akzente, die die pädagogische Fachberatung in der Praxis setzen muss, finden nur Akzeptanz, wenn die Fachkraft das Aufgabenfeld der Kindertages­einrichtung in ihrem persönlichen Werdegang ausreichend Erfahrung in der Steuerung und Entwicklung dieser Einrichtungen gesammelt hat. Fachkräfte der pädagogischen Fachberatung haben wenig Möglichkeit, an Fachfortbildungen für ihren Tätigkeitsbereich teilzunehmen, da ein Großteil der Träger der Weiterbildung das Thema noch nicht für sich angenommen hat. Durch eine stärkere Präsenz der pädagogischen Fachberatung in der Fachwelt und durch wiederholte Bedarfsmeldungen wird sich das Angebot erweitern. Die entsprechenden Fachkräfte müssen dann durch ihre Teilnahme an den Maßnahmen zeigen, dass die Fort- und Weiterbildung eine elementare Grundlage für die Durchführung der Aufgabe der pädagogischen Fachberatung ist. Die Wissenschaft befasst sich immer stärker mit der pädagogischen Fachberatung im System der Kindertagesbetreuung. Hieraus entstehen Fragen und Themen, der sich die Praxis der pädagogischen Fachberatung stellen muss. Die Frage, für wie viel Kindertageseinrichtungen eine pädagogische Fach­ beratung zuständig sein soll und kann, wird kontrovers diskutiert. Die in dem Bereich tätigen Fachkräfte müssen die Entscheidungsträger vor Ort anhand eines Leistungsspektrums aufzeigen, welche Aufgaben erfüllt werden können, wenn die Fallzahl entsprechend niedrig gehalten wird. Zu diesen Aufgaben gehört in einigen Fällen die Ausübung der Dienst- und Fachaufsicht im Bereich der Kindertageseinrichtungen. Hier ist eine Rollendifferenzierung von großer Bedeutung. Um dem System der Beratung von Politik, Verwaltung, Trägern, Einrichtungen, Leitungskräften, Mitarbeitenden und Eltern gerecht zu werden, müssen die pädagogischen Fachberatungen dafür werben, das Aufgabengebiet der Dienst- und Fachaufsicht in eine andere Verantwortung zu verlagern. Die verhältnismäßig geringe Zeit, die den zu beratenden pädagogischen Fachkräften in den Kindertageseinrichtungen zur Nutzung der pädagogischen Fachberatung zur Verfügung steht, muss in einem gemeinsamen Prozess optimal ausgenutzt werden. Durch die steigende Präsenz der pädagogischen Fachberatung in den Kindertageseinrichtungen haben die Mitarbeitenden wesentlich mehr Möglichkeiten, kurzfristig im Rahmen der Tagesplanung an der Beratung teilzunehmen. Das System der pädagogischen Fachberatung benötigt den gegenseitigen Austausch und die gemeinsame Erörterung von Themen und Fragestellun­gen. Viele entsprechende Fachkräfte arbeiten engagiert in ihrer Region und könnten durch eine professionelle Vernetzung mit andern Fachkräften der pädago­

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gischen Fachberatung Synergieeffekte nutzen, die ihr Engagement bereichern und die Qualität der Kindertagesbetreuung weiträumig weiter ent­w ick­eln. Im Zuge diese Vernetzung muss sich eine pädagogische Fachberatung auf einem Gebiet spezialisieren und nicht anstreben, das gesamte Feld der Kindertages­ betreuung als ihr Fachgebiet zu wählen. Durch die kooperierende Spezialisierung der pädagogischen Fachberatung entsteht ein großer Pool an Wissen und Erfahrung der allen Verantwortlichen zur Verfügung steht. Vielerorts gehört zu den Aufgaben der pädagogischen Fachberatung nicht nur die Beratung in Fragen der institutionellen Kindertagesbetreuung sondern auch das Gebiet der Kindertagespflege. Diese Entwicklung lässt sich zwar historisch belegen, doch sind die Beratungsinhalte zu unterschiedlich, um in beiden Aspekten optimal beraten zu können. Eine enge Kooperation bei­der Beratungsbereiche ist die elementare Grundlage einer fachbezogen Qua­li­täts­entwicklung, -sicherung und -förderung der Kindertagesbetreuung.

■■ Literatur Bundesverband für Kindertagespflege e. V.: beraten, vermitteln, qualifizieren, begleiten. Ein Beitrag zur Qualifizierung, Vernetzung und Weiterentwicklung von Tageseinrichtungen für Kinder – Stellungnahme der Arbeitsgemeinschaft für Jugendhilfe, Juni 1997. Handbuch Kindertagespflege des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, 2010. Hense, Margarita: Zur Wirksamkeit der Fachberatung – eine empirische Studie. Dissertation zur Erlangung des Doktorgrades der Philosophie der Fakultät für Psychologie und Sport­w issenschaft der Universität Bielefeld, 2009. Irskens, Beate: Fachberatung. In: Bilanz der Zukunft wegen – Fachtagung zur Kinder­ tagesstätten-Beratung (Hrsg.): Senatsverwaltung für Jugend und Familie, Berlin 1992. Irskens, Beate/Engler, Renate: Von der Hinterbühne auf die Vorderbühne – Schlüssel­ rolle der Fach­beratung in Transfer- und Vernetzungsprozessen. In: Hammes-Di Bernardo, Ev./Hebenstreit-Müller, S.  (Hrsg.): Innovationsprojekt Frühpädagogik, Hohengehren 2005. Kercher, Angelika: Fachberatung braucht eine Lobby, in: klein & groß 10/1995. Kercher, Angelika: Stichwort Fachberatung, in: klein & groß 48/1995. Miedaner, Lore (Hrsg.): Balanceakt Fachberatung. Fachhochschule Esslingen, Hochschule für Sozialwesen, 2002. Orientierungshilfe des Sächsischen Landesjugendamtes zur Fachberatung in Kinder­ tages­ein­rich­tungen gemäß § 15 SäKitaG, Dezember 1996. Tietze, Wolfgang: Evaluierung der Personalausstattung in Kindertageseinrichtungen sowie Struk­tur und Angebote der Fachberatung für Kindertageseinrichtungen und Kindertages­pflege in Sachsen. Abschlussbericht des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales, Juli 2008.

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Fachberatung setzt Akzente

Der Bereich der Kindertageseinrichtung befindet sich im Auf- und Umbruch. Gesetzliche Veränderungen und das öffentliche Interesse, das diesen Bereich in helles Licht taucht, spornen inhaltliche Diskussionen und hitzige Debatten an. Die gewachsenen Strukturen werden hinterfragt, optimiert und manches auch geändert. Fachberatung begleitet diesen Prozess und dieser Prozess wird auch uns als Fachberatung verändern. Ich selbst bin als Fachreferentin verantwortlich für die Fachberatung in der Erzdiözese München und Freising. Mein Blickwinkel ist durch diese Position geprägt und richtet sich auf die Metaebene, die die Gesamtheit der katholischen Einrichtungen der Erzdiözese abbildet.

■■ Die Situation in Bayern Der aktuell vorliegende Länderreport der Bertelsmannstiftung bezieht sich auf die Auswertung der Zahlen des Jahres 2007: 2007 wurden in Bayern 422.754 Kinder in Kindertageseinrichtungen und in der Tagespflege betreut. Dazu standen 7.708 Kindertageseinrichtungen zur Verfügung. 88 % der 3–6jährigen Kinder besuchten eine Kindertageseinrichtung oder Tagespflege. Damit lag Bayern im Länderreport der Bertelsmannstiftung knapp unter dem Durchschnitt (vgl. Bertelsmann Stiftung 2008, S. 30 ff.). Im Vergleich zu anderen Bundesländern fällt auf, dass die pro Kopf Förderung eines Kindes unter 10 Jahren in Bayern gering ist. So berichtet der Report: Die niedrigsten Ausgaben im Bundesländervergleich haben Bayern, Niedersachsen und Schleswig-Holstein, sie liegen unter 1.200 € pro 10-jährigem Kind im Jahr 2005“, (Bertelsmann Stiftung 2008, S. 10). Auch wenn diese Aussage nicht linear auf die Förderung eines Betreuungsplatzes übertragen werden kann, lässt es doch Rückschlüsse auf die Sparsamkeit des Bundeslandes zu. Die Situation in Bayern ist geprägt von der Umstellung der gesetzlichen Förderung, der Einführung des Bildungs- und Erziehungsplanes, dem Ausbau der Betreuungsplätze für Kinder von 1–3 Jahren und eines beunruhigenden Fachkräftemangels. Ab 2013 haben Kinder ab dem vollendeten ersten Lebensjahr Anspruch auf einen Betreuungsplatz. Dies führt in Bayern zu einem massiven Ausbau der

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Kindertagesbetreuung. Entsprechend erhöht sich der Bedarf an pädagogischen Mitarbeitern. So waren Ende 2002 in Bayern 44.959 Personen in Kindertageseinrichtungen tätig, im März 2007 betrug diese Zahl bereits 58.800 Personen (vgl. Bayrisches Landesamt für Statistik und Datenerhebung 2004, S. 26 und Bayrisches Landesamt für Statistik und Datenerhebung 2008, S. 6)

■■ Fachkräftebedarf Durch den Ausbau des Angebots in Kindertageseinrichtungen entsteht besonders in den alten Bundesländern ein zusätzlicher Bedarf an Fachkräften. Dieser lässt sich nur schwer quantifizieren. Er hängt unter anderem auch davon ab, ob es gelingt die geplanten Ausbauzahlen bei der Kindertagespflege zu erreichen. Können hier nicht genügend Kindertagespflegepersonen gewonnen werden, steigt der Bedarf an pädagogischen Fachkräften in Kindertageseinrichtungen zusätzlich. Die prognostizierten Zahlen für den Fachkräftebedarf gehen bisher weit auseinander. Sie reichen von 24.000 bis hin zu knapp 50.000 zusätzlich benötigten Fachkräften für die nächsten Jahre. (vgl. Positionierungen der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege zum Fachkräftebedarf in Kindertageseinrichtungen, Berlin 2009, S. 1) In Ballungsräumen bzw. in Regionen von großer wirtschaftlicher Attraktivität spielt dieser Mangel aus zwei Gründen eine besondere Rolle: Der Bedarf an Betreuungsplätzen ist hoch, denn hier leben vermehrt Familien die ein Zweiverdienermodell anstreben und durch die wirtschaftliche Lage der Region auch verwirklichen können. Die Geburtenrate ist stabil oder steigt. Die Ursache hierfür ist der Arbeitsmarkt, der junge Familien anzieht. Gleichzeitig sind diese Regionen als Wahlheimat für pädagogisches Fachpersonal bedingt gefragt, denn Lebenshaltungskosten sind im Vergleich zu den ländlichen Regionen wesentlich höher. Am Beispiel der Landeshauptstadt München kann die Brisanz verdeutlicht werden: Dem Bedarf an durchschnittlich 420 Einstellungen pro Jahr in den Jahren 2008 bis 2011 alleine für die Stadt München stehen derzeit ca. 430 Absolventen im Stadtgebiet München gegenüber, auf die jedoch auch die Träger von Kinderbetreuungseinrichtungen im Stadtgebiet München sowie Träger im Umland von München  – künftig verstärkt  – zugreifen. Die nichtstädtischen Träger in München haben alleine aufgrund des Ausbaus einen zusätzlichen Personalbedarf von ca. 100 Einstellungen pro Jahr. Der Bedarf zum Ausgleich der Fluktuation kommt natürlich auch hier noch hinzu. Der Personalbedarf für private Kinderkrippen im Umfang von ca. 300 Plätzen muss ebenfalls mitgerechnet werden (vgl. Personal- und Organisationsreferat 2007).

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Die Problematik wird deutlich: Keine Einrichtung kann ohne Personal betrieben werden. Auf dem Markt sind gute Mitarbeiter derzeit eine heiß um­ worbene Ressource.

■■ Die Umstellung der gesetzlichen Förderung In Bayern wurde 2005 die gesetzliche Grundlage der Kindertageseinrichtungen, das bayerische Kindergartengesetz, durch ein neues Gesetz, das bayerische Kinderbildungs- und -betreuungsgesetz (BayKiBiG), abgelöst. Diese gesetzliche Veränderung führte von einer gruppenbezogenen Förderung hin zu einer kindbezogenen Förderung. Es war dem Freistaat ein Anliegen, eine gerechte und zeitgemäße Form der Förderung zu entwickeln. Wurden mit der alten Regelung 80 % der Kosten des pädagogischen Personals pro Gruppe abgedeckt, wird die seit dem 1.9.2006 (Umsetzungsbeginn) kindbezogen gefördert. Das heißt: Entscheidend für die Förderhöhe ist der Bildungs- und Betreuungsbedarf des Kindes. Die kindbezogene Förderung berücksichtigt drei Faktoren: Die Anzahl der aufgenommenen Kinder, die Dauer des Einrichtungsbesuchs eines Kindes (die Buchungszeit) und die Gewichtungsfaktoren. Über den Buchungszeitfaktor wird eine höhere Förderung für längere Buchungszeiten der Kinder gewährt. Eine Buchungszeit von 3–4 Stunden wird beispielsweise mit dem Buchungszeitfaktor 1 hinterlegt. Je nach individuellem Bildungs- und Betreuungsbedarf gelten bestimmte Gewichtungsfaktoren. Derzeit für Kinder in den ersten drei Lebensjahren 2,0; Kinder ab drei Jahren bis zur Einschulung 1,0; Schulkinder bis zum 14. Lebensjahr 1,2; Behinderte oder von wesentlicher Behinderung bedrohte Kinder 4,5; Kinder, deren Eltern beide nicht deutschsprachiger Herkunft sind 1,3 und für Kinder in Tagespflege 1,3. Der Personalbedarf einer Einrichtung wird durch die gewichteten Buchungszeiten ermittelt. Dieser Anstellungsschlüssel darf nicht schlechter als 1:11,5 sein, das Verhältnis von Fachkraft zu Ergänzungskraft darf 50 % nicht unterschreiten (vgl. BayKiBiGArt. 21, AVBayKiBiG § 17 u. § 19). Können diese Bedingungen nicht eingehalten werden, entfällt die Förderung der Einrichtung.

■■ Die dringendsten Problemlagen Die Finanzierung Die derzeitige Förderung der Kindertageseinrichtung sieht keinen Vollkos­t­en­ ersatz vor: Die kindbezogene Förderung ist bewusst als Teilförderung angelegt. Im Gegensatz zu anderen Bundesländern werden in Bayern die finanziellen

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Mindestanteile von Gemeinden, Trägern und Eltern nicht prozentual fest­gelegt. Das BayKiBiG beauftragt vielmehr die Gemeinden im Rahmen ihrer Zuständigkeit für Kindertageseinrichtungen und Tagespflege, die Gesamtfinanzierung sicherzustellen – unter Berücksichtigung der örtlichen Gegebenheiten. In die Erwägungen sind einzubeziehen die Finanzkraft der Gemeinde, die sozioökonomische Struktur des Gemeinwesens und die unterschiedliche Finanzkraft der Träger. (Bayrisches Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen, S. 16). Die neue Förderung deckt 60 % bis maximal 70 % der entstehenden Betriebskosten einer Kindertageseinrichtung ab. In einer Beispielsrechnung weist das Ministerium eine angenommene Defizitdeckung von 90 % durch die Gemeinden aus sowie einen 10 %tigen Anteil des Trägers am Betriebskostendefizit (vgl. Bayrisches Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen, S. 16). Es gibt jedoch keine einklagbare Übernahme eines Betriebskostendefizites. Je nach Finanzkraft der Kommune und gewählter Priorität werden Einrichtungen unterstützt oder eben nicht. Elternbeiträge zu erheben, die die fehlenden 30 %–40 % der Betriebskosten auffangen, erscheinen sozial unverträglich. Grundsätzlich nicht berücksichtigt in der Kostenkalkulation sind Träger­ aufgaben und Verwaltungstätigkeiten. Entsprechend könnte erst bei einer Refinanzierung von 106 %, von einer schwarzen Null gesprochen werden.

Auslastung Derzeit hat nur eine ausgelastete Einrichtung die Chance über die Runden zu kommen und sichert so die Arbeitsplätze der Mitarbeiter. Dies führt zu dem positiven und dem negativen Effekt der Öffnung der Einrichtung für neue Zielgruppen. Derzeit werden vermehrt Kinder mit Behinderung bzw. drohender Behinderung in die KiTas aufgenommen. Auch öffnen sich die Kindertageseinrichtungen für Kinder von 0–3 Jahren und für Schulkinder. Positiv ist dies immer dort, wo sich diese Öffnung hilfreich für Kinder und Familien auswirkt durch eine wohnortnahe gute Bildungs- und Betreuungsform. Problematisch erscheint es, wenn dieses Angebot für die Sicherung der Kindertageseinrichtung notwendig ist und die pädagogischen Möglichkeiten der Mitarbeiter unter den vorhandenen Rahmenbedingungen an Grenzen bringt. Da die Einrichtungen eine hohe Grundauslastung benötigen, sind Spielräume für die unterjährige Aufnahme eines Kindes oder eine zeitliche Mehrbuchung nicht immer gegeben. Sollte eine Einrichtung durch die Aufnahme eines Kindes oder eine zeitliche Höherbuchung den Anstellungs- oder Qualifikationsschlüssel verletzen, entfällt die Förderfähigkeit der Einrichtung sofort.

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Auch die Eltern kommen aufgrund ihres oft schmalen Familienbudgets in Gewissensnöte. Oft buchen sie nur die notwendigsten Zeiten, statt die bestmögliche pädagogische Entwicklung und Förderung zu gewährleisten. Bildung und Erziehung unserer Kinder muss der Staat als Investition in die Bürger von morgen begreifen und nicht als bloße Refinanzierung der aktuellen Kosten. Das momentane Prozedere ist nur eine Budgetverschiebung in den nächsten Bildungssektor Schule und/oder der Behinderten- und Jugendhilfe.

Das Personal In Bezug auf die Mitarbeiterinnen entsteht für den Träger ein Dilemma: Aus betriebswirtschaftlicher Sicht erscheint es wenig lohnend feste Arbeitsverträge anzubieten, da die Auslastung der Einrichtung variiert und zügige Anpassungen im Personalbereich das Defizit verringern. Auch erscheint es kaum lohnend, erfahrene Mitarbeiterinnen einzusetzen, schließlich verursachen diese höhere Kosten aufgrund der Entwicklungsstufen. Gerade kleine Einrichtungen stellt es vor Herausforderungen, veränderte Buchungszeiten oder unterjährige Aufnahme von Kindern, zeitnah mit der Personalplanung umzusetzen. Eine mittel  – oder gar langfristige Planung ist nicht möglich. Diese Situation bringt Träger, Leitungen und alle Mitarbeiterinnen an ihre Grenzen. Die Rahmenbedingungen der Mitarbeiterinnen variieren je nach Finanzrückhalt des jeweiligen Trägers. Denn dieser ist dafür entscheidend, ob ein unbefristeter Vertrag angeboten werden kann oder zeitnah Stundenanpassungen vorgenommen werden müssen. Für mache Mitarbeiterinnen führen ungewollte Teilzeitverträge oder befristete Verträge zur Entscheidung des Berufswechsels. Gleichzeitig ist der Fachkräftemangel so eklatant, dass fehlende Mitarbeiterinnen unterjährig kaum ersetzt werden können, mancher Einrichtung sogar die Teilschließung droht. Alle Beteiligten wissen, wie wichtig ein stabiler Personalstamm ist. Es verwundert nicht, dass besonders Leitungsstellen unter den vorherrschenden Rahmenbedingungen schwer zu besetzen sind?

■■ Fachberatung – unsere Struktur Die Fachberatung des Diözesan Caritasverband der Erzdiözese München und Freising nimmt den spitzenverbandlichen Auftrag des Verbandes wahr. Der Caritasverband selbst untergliedert sich in spitzenverbandliche und trägerverbandliche Rollen.

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Als Trägerverband unterhält er eigene Dienste und Einrichtungen in fast allen Sparten der pflegerischen und sozialen Arbeit und ist damit ein wichtiger Akteur im sozialstaatlichen Arrangement Oberbayerns. Andererseits und zugleich ist er ein einflussreicher Spitzenverband der freien Wohlfahrtspflege. Als Spitzenverband nimmt er wirkungsvoll Vertretungs- und Unterstützungsfunktionen für die dem Verband zugehörigen Fachverbände und Träger im Bereich der kirchlichen und sozialen und caritativen Arbeit wahr. Während im Trägerbereich knapp 6.800 Mitarbeitende beschäftigt sind, arbeiten im spitzenverbandlichen Bereich rund 10.000 Beschäftigte. Der Caritasverband als Spitzenverband unterstützt seine Mitglieder durch vielfältige, mitgliederorientierte Servicefunktionen in politischen, juristischen und wirtschaftlichen Fragen (vgl. Geschäftsbericht 2008/09, S. 12). Fachberatung für Kindertageseinrichtungen – unter dieser Überschrift verbirgt sich eine Vielzahl unterschiedlicher Aufträge, Rahmenbedingungen und Erwartungen. Einzig das Ziel: Die Sicherung und Verbesserung der Fachqua­ lität und die grundsätzliche Methode der Beratung, eint das Feld. Entsprechend erscheint es sinnvoll, das Arbeitsfeld der Fachberatung des Caritasverbandes der Erzdiözese München und Freising kurz darzustellen: Mit 6,5 Vollzeitäquivalenten sind wir mit der fachlichen Beratung von 548 katho­ lischen Kindertageseinrichtungen der Erzdiözese betraut. Die 548 Einrichtungen unseres Beratungsgebietes gliedern sich im Wesentlichen in drei Gruppen: Katholische Kirchenstiftungseinrichtungen, ca. 450 Einrichtungen, ◆◆ Einrichtungen des Diözesan-Caritasverbandes, ca. 45 Einrichtungen sowie sonstige angeschlossene Einrichtungen, ca. 50 Einrichtungen. ◆◆

In den katholischen Kindertageseinrichtungen der Diözese werden rd. 35.650 Kinder betreut. Adressaten unserer Tätigkeit sind Träger, Trägervertreterinnen und Leitungen. Unsere Aufgabe ist es, die Fachlichkeit der Einrichtungen zu stärken. Da dies nur in Abstimmung mit der Fachaufsicht der Einrichtung erfolgen kann, entscheidet der Verantwortungsträger der Einrichtung ob, in welchem Umfang und zu welchem Themengebiet die Fachberatung in Anspruch genommen wird. In der Regel wird Fachberatung von Träger/Vertretern und Leitung der Kindertageseinrichtung zu unterschiedlichen Inhalten in Anspruch genommen. Diese Aufteilung ist sinnvoll und möglich, da die Träger in der Regel Spezia­ listen für die Rahmenbedingungen der Einrichtung sind, jedoch nicht zwingend Fachleute für die Gestaltung des pädagogischen Alltags einer Kindertageseinrichtung. Inwieweit Fachberatung zu bestimmten Themen dem Team zur Verfügung steht, entscheidet die Leitung in Absprache mit dem Träger.

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Fachberatung setzt Akzente

■■ Inhalte Inhaltlich können sich die Einrichtungen mit allen Anfragen, die die Einrichtung betreffen, an uns wenden. Dies sind u. a. Fragen zu: ◆◆ ◆◆ ◆◆ ◆◆ ◆◆ ◆◆ ◆◆

allen Fragen der Pädagogik der Umsetzung des bayerischen Bildungs- und Erziehungsplanes Konzeptionsentwicklung und -fortschreibung fachliche Personalanforderungen Sicherung der Fachqualität und Evaluation Betrieb und Organisation sowie bauliche, zuschussrechtliche und finanzielle Fragen in Abstimmung mit den zuständigen Abteilungen des DiCV bzw. des Erzbischöflichen Ordinariates.

Ein weiteres wichtiges Aufgabengebiet ist die verbandliche Interessensvertretung im kirchlichen und öffentlichen Bereich auf Kommunal-, Landes- oder Bundesebene.

■■ Unsere Arbeitsweise Einzelberatung Telefonisch, per Mail oder zu einem Beratungsgespräch vor Ort steht die regional zuständige Fachberatung der Einrichtung zur Verfügung. Die Fachberaterin steht zu allen Themen zur Verfügung – diese Entscheidung basiert auf der Erfahrung, dass die Kenntnis um die Besonderheiten der Einrichtung und die Beziehung zu den anfragenden Kollegeninnen wesentlich zum Beratungserfolg beitragen. Natürlich kann eine Fachberaterin sich nicht immer zu allen Themen umfassend auf dem neuesten Stand halten, deshalb gibt es intern eine Aufteilung von Schwerpunkten z. B. Betreuung von Kindern von 0–3 Jahren, Altersöffnung und Integration. Jede Kollegin gibt ihr Wissen regelmäßig in Fachgesprächen an das Team weiter. Um eine gute Erreichbarkeit sicherzustellen hat jede Fachberaterin feste Telefonsprechzeiten.

Regionale Konferenzen für Leiterinnen und für Träger Hier werden Themen behandelt, die viele oder alle Einrichtungen betreffen, regionale Kooperation und kollegiale Beratung zwischen den Einrichtung wird angeregt und gestärkt. Die Ergebnisse dieser Zusammenarbeit sind vielfältig. Als Beispiele seien genannt: Hilfe bei Personalengpässen, gemeinsame Gesprä-

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che mit der Kommune, übergreifende Anstellung von Aushilfskräften, Abstimmung über die Höhe der Elternbeiträge.

Vertretung in Gremien Die verbandliche Interessensvertretung im kirchlichen und öffentlichen Bereich sowohl auf kommunaler, Landes- oder Bundesebene wird gewährleis­tet.

Informationsvermittlung und Arbeitshilfen Bei regionalen Konferenzen informieren wir über die neuesten Belange der KiTas und stellen Arbeitsmaterialien vor. Viele Informationen versenden wir über Mail. Sind Informationen und Materialien von längerfristiger Bedeutung, werden sie in dem Intranet der Erzdiözese und im Intranet des Diözesan Caritasverbandes zur Verfügung gestellt. Diese Arbeitshilfen sind sowohl pragmatische Arbeitshilfen wie z. B. eine Checkliste der wichtigsten Trägeraufgaben oder die, mit dem Erzbischöflichen Ordinariat gemeinsam entwickelte Checkliste zur Weiterentwicklung und zur Familienorientierung. Genauso wird Literatur zur thematisch inhaltlichen Vertiefung vorgestellt. Wir vernetzen, regen an und machen aufmerksam, sobald im Softwarebereich oder im jeweiligen Trägerbereich Arbeitshilfen erforderlich werden.

Fachtage Fachtage oder Fachnachmittage werden von uns mindestens einmal pro Jahr ausgerichtet. Hier versuchen wir ein Themengebiet inhaltlich vorzustellen und genügend Input zu vermitteln, um gut ins Gespräch zu kommen. Es wird darauf geachtet, dass eine inhaltliche Vertiefung über Fortbildung in dem Bereich möglich und leicht zugänglich ist. Dieses KiTa-Jahr beispielsweise konnten wir Frau Niesel vom Staatsinstitut für Frühpädagogik für einen Vortrag gewinnen. Thema war die Betreuung der 0–3jährigen Kinder in Krippen und Kindertageseinrichtungen. Kolleginnen des Fortbildungsbereiches zeigten auf, wie das Gehörte fachlich weiter vertieft werden könnte. Auch Studierende der Fachakademie für Sozialpädagogik und der Berufsfachschule für Kinderpflege kamen dazu. Es war ein Versuch, die Praxis und die Schulen gut in Kontakt zu bringen. Einen weiteren Fachtag veranstalteten wir zum Thema Integration von Kindern mit Behinderungen – Chancen und Grenzen.

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Fachberatung setzt Akzente

■■ Zusammenarbeit mit Kooperationspartnern Es wurde im letzten Absatz bereits deutlich: Die Vernetzungsarbeit mit den Kooperationspartnern ist eine unserer wesentlichsten Aufgaben. Im folgenden eine Darstellung der Aufgabenfelder, die uns betreffen: Politische Vertretung Fachliche Vertretung und Weiterentwicklung ◆◆ Aus- und Fortbildung der pädagogischen Mitarbeiter ◆◆ Zuständige Trägerverbände ◆◆ Aufsichtsbehörden ◆◆ ◆◆

Fachverband auf Bundesebene: Katholische Tageseinrichtungen für Kinder Fachverband auf Landesebene:

Politische Vertretung auf Bundesebene:

Bayerischer Landesverband für Katholische Kindertageseinrichtungen

Deutscher Caritasverband

Politische Vertretung auf Landesebene: Landescaritasverband

Fachberatung

Politische Vertretung auf Landkreisebene:

Katholische Trägerverbände von Kindertageseinrichtungen

Ausbildungsinstitutionen für Fachund Ergänzungskräfte

Kreisgeschäftsführer des DiCV

Kommunale Aufsichts­ behörden

Fortbildungsinstitutionen des Caritasverbandes und des Ordinariates

Abb. 1: Zusammenarbeit mit inner- und außerkirchlichen Gremien und Institutionen auf Diözesan, Landes- und Bundesebene.

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■■ Fachberatung setzt Akzente Im Folgenden wird beschrieben, welche Akzente Fachberatung im Hinblick auf die Verbesserung der Rahmenbedingungen setzt. In der Situation in Bayern fehlen einige Rahmenbedingungen, die die Basisvoraussetzungen für gutes fachliches und inhaltliches Arbeiten bilden. Wir haben hervorragende Fachkräfte vor Ort, die – unter geeigneten Bedingungen – sehr gute Bildungs- und Betreuungsarbeit leisten, was die Umsetzung des BayBEP mit einschließt.

■■ Kindertageseinrichtungen benötigen gute Rahmenbedingungen

Zur Bedeutung von Rahmenbedingungen beschreibt Dobner: Lange und mit Begeisterung schwimmen kann man nur, wenn das Wasser eine angenehme Temperatur hat, wenn der Salzgehalt und die Wellen nicht zu hoch sind. Bei Unwetter und Eiseskälte ist das Schwimmen anstrengend und dabei Spaß zu empfinden ist nahezu unmöglich (außer für Extremsportler vielleicht), (vgl. Dobner 1997, S. 113). Die Kardinalfrage heißt: Welche Rahmenbedingungen sind die wichtigsten für die Arbeit in einer Kindertageseinrichtung? Der KTK-Bundesverband fordert eine deutliche Verbesserung der Rahmenbedingungen für die pädagogische Arbeit in Kindertageseinrichtungen. Dabei ist es unumgänglich, die Kinderzahlen in den Gruppen zu senken (Fachkreise empfehlen, dass eine pädagogische Fachkraft gleichzeitig höchstens mit acht Kindern arbeiten soll), den pädagogischen Fachkräften mindestens 20 Prozent ihrer Arbeitszeit für die Vor- und Nachbereitung ihrer Arbeit zur Verfügung zu stellen und das Qualifikationsprofil von Erzieherinnen zu verbessern. Zusätzlich sind Zeitkontingente für Leitungsaufgaben und für die Förderung von Kindern aus besonders belasteten Familien zur Verfügung zustellen (vgl. KTK –­ AKTUELL März 2008 S. 1). Das Dilemma entsteht aus folgender Praxis: In der bayerischen Fördersystematik wird mit gewichteten Buchungszeiten der Anstellungsschlüssel berechnet. Die Forderung, ein pädagogischer Mitarbeiter solle für acht Kinder zuständig sein, lässt sich nur schwer vermitteln. Aussagen die rechnerisch beweisen wollten, dass der 1:8 Personalschlüssel dem rechnerischen Anstellungsschlüssel 1:10 gewichteten Buchungszeiten entspricht, mussten zurückgenommen werden. Auch wirkt der Anstellungsschlüssel sehr unterschiedlich: Einrichtungen mit langen, stark gebuchten Öffnungszeiten haben durch die Fördersystematik Vorteile, Einrichtungen mit langen, jedoch nicht durchgängig gut gebuchten

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Fachberatung setzt Akzente

Zeiten, Nachteile. Auch sagt der Anstellungsschlüssel nichts bezüglich der tatsächlichen fachlichen Qualität der Mitarbeiterinnen aus. Trotz dieser Einschränkung legt der Anstellungsschlüssel das Stundenbudget der Einrichtung fest, bildet die Grundlage der Dienstplangestaltung und auch die Voraussetzung zur Gewährung von Verfügungszeiten. In Ermangelung einer besseren Rechengrundlage ist ein angemessener Anstellungsschlüssel für die Sicherung der Qualität notwendig. Dieser muss bei Problemanzeigen mit Einzelfallbetrachtungen kombiniert werden. Hier hat das qualitäts- und produktionsrelevante Theorem aus der Wirtschaft fatale Folgen für den Alltag und die Lebenswelt der Pädagogischen Mitarbeiterinnen bzw. für die Umsetzungsqualität und Fachlichkeit von pädagogischen Konzepten. Eine weitere Voraussetzung für gute Arbeit in einer Kindertageseinrichtung sind die Mitarbeiterinnen. Diese müssen in angemessener Zahl vorhanden, mit guter fachlicher Qualifikation ausgestattet und motiviert sein. Wie ist dies zu erreichen? Die Mitarbeiterinnen in den Kindertageseinrichtungen äußern: Wertschätzung, eigene Ziele verwirklichen können – ich bleibe, wo ich mich wohl fühle (Aussage einer Pädagogin über die Motivation für ihre Arbeit). Herzberg (1959) formulierte Aspekte die Mitarbeiterinnen motivieren und binden, im Einzelnen benannte Sie folgende Aspekte, die heute noch volle Gültigkeit haben: ◆◆ ◆◆ ◆◆ ◆◆ ◆◆ ◆◆ ◆◆ ◆◆

sinnvolle Aufgabenstellung Übernahme von Verantwortung positive Führungs- und Teambeziehungen Einbeziehung in Entscheidungen Gezielte Anerkennung Aufstiegsmöglichkeiten Herausforderungen Status und Gehalt (vgl. Herzberger in Dobner 1997, S. 17 f.)

Pädagogische Mitarbeiterinnen möchten ihre eigenen Fähigkeiten einbringen und zu einer qualitativ guten Arbeit beitragen. Dazu benötigen sie die nötigen Rahmenbedingungen. Neben der Aufgabe, die als erfüllend erlebt wird, ist für die Mitarbeiterinnen, die gelebte soziale Kultur wesentlich für das eigene Wohlbefinden, jedoch auch dafür, die eigenen Fähigkeiten rückhaltlos einbringen zu können. Der erworbene Status wirkt sich positiv und verstärkend auf den Selbstwert der Mitarbeiterinnen und auf ihre Leistung aus. Darüberhinaus wünschen sie sich auch Anerkennung ihrer Leistung. Anerkennung, die sich verbal und durch Zeichen ausdrückt, jedoch auch die Anerkennung, die in unserer Gesellschaft als eine messbare Größe eingeführt wurde: das Gehalt. Perspektiven für die Zukunft, die Möglichkeit der Entwicklung und des Aufstiegs spornen an.

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Die momentane Situation in Kindertageseinrichtungen, geprägt durch Planungsunsicherheiten, ausgelöst durch die kindbezogene Förderung, fordert ein aktives Handeln, um diese förderlichen Gegebenheiten bieten zu können. Nur der beste Arbeitgeber, nämlich der finanzstarke und fachlich fundierte, hat in der momentanen Situation eine Chance, sich auf dem Markt zu behaupten. Was brauchen die Einrichtungen um qualitativ gute Arbeit leisten zu können und Mitarbeiter zufrieden zu stellen? Sie benötigen: ◆◆ ◆◆ ◆◆ ◆◆ ◆◆ ◆◆ ◆◆

einen ausgewogenen Anstellungsschlüssel, einen Zugriff auf Aushilfskräfte, ggf. eine Teilfreistellung der Leitung, genügend Hände im Bereich der 0–3jährigen Kinder, die Weiterentwicklung in Richtung Familienorientierung, ausreichend Verfügungszeit – Minimum 20 % der Arbeitszeit und Planungssicherheit.

Beratungsverständnis Für die Beratungstätigkeit bedeutet dies für den katholischen Bereich Ziele zu entwickeln und diese und deren methodische Umsetzung zu bedenken, die einzelnen Träger, Trägerbereiche umfassend zu beraten und so zu erreichen, dass eine eigenständige Bewertung der Problemlagen und die Entwicklung von Lösungsstrategien möglich wird. Dabei ist es wichtig, eine Abstimmung im katholischen Feld zu erreichen. Ziel unserer Arbeit ist ein abgestimmtes Angebot für Kinder, Jugendliche und Familien. Dies umfasst die wesentlichen pädagogischen Ausrichtungen, die Rahmenbedingungen für die Arbeit in den Kinder­ tageseinrichtungen und die Lobbyarbeit.

Am Beispiel Fachkräftebedarf Die Problemlage verschärfte sich durch den Ausbau der Betreuungsplätze der Kinder von 0–3Jahren. Über die aktuelle Brisanz wurden wir durch unsere Einrichtungen informiert, in Einzelberatungen, Leiterinnenkonferenzen und Trägertreffen. Diese Information wurde gebündelt und inhaltlich gestützt durch die Erhebungen der Landeshauptstadt. Gemeinsam wurden Vorschläge erarbeitet, diese Situation zu entschärfen. Zeitgleich erfolgte, in Absprache mit unserem Direktor, eine Meldung an den Landes-Caritasverband und an den Deutschen Caritasverband mit der Bitte, sich auf Landes- und Bundespolitik um eine Lösung dieser angespannten Situation zu bemühen.

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Fachberatung setzt Akzente

Im Wesentlichen erfolgte eine Umsetzung folgender Inhalte auf Trägerebene: Werbung ist wichtig. Es entstanden neue Flyer, eine bessere Ausgestaltung der Internetstellenbörse, mehr Präsenz an den Ausbildungseinrichtungen. ◆◆ Innerhalb des Tarifsystems muss darauf geachtet werden, dass die Mitarbeiter katholischer Einrichtungen nicht schlechter gestellt sind als die anderer Organisa­ tionen. ◆◆ Die Vergütung der Praktikanten wird angehoben. Sie bekommen das gleiche Entgelt wie in den großen Kommunen üblich. Es wird gezielt um Praktikanten im katholischen Bereich geworben. ◆◆ Maßnahmen des Gesundheitsschutzes werden fürsorglich umgesetzt. ◆◆

Auf der Landes- und Bundesebene begann ein Ausbau von Fachakademien. Es erfolgte eine Stellungnahme des Deutschen Caritasverbandes und der Arbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtspflege zum Fachkräftebedarf und ein Gespräch mit der Familienministerin wird angestrebt.

Am Beispiel Rahmenbedingungen Hier erfolgte die Problemanzeige direkt aus den Einrichtungen. In den Träger- und Leiterinnenkonferenzen wurde berichtet, die gesetzlichen Rahmen­ bedingungen garantieren einen Mindeststandard, der der Vermeidung von Kindeswohlgefährdungen dienlich ist, jedoch nicht die sinnvolle Umsetzung des BayBEP ermöglicht. Der notwendige Verwaltungsmehraufwand durch die gesetzliche Neuregelung sowie die Planungsunsicherheiten stellen die Mitarbeiterinnen vor Ort, vor neue und schwierige Aufgaben. Diese Problemsituation wurde von uns fachlich geprüft und gebündelt. Unsere Position wurde den Trägerverbänden und auch dem Landes Caritasverbund Bayern, mit der Bitte dies politisch zu vertreten, mitgeteilt. Um jedoch die Rahmenbedingungen vor Ort zu verbessern, sind vor allem die Kommunen gehalten ihren Teil beizutragen, denn es ist ihr Auftrag, Betreuungsplätze zur Verfügung zu stellen. Den Auftrag und die Pflicht ausreichende Betreuungsplätze zur Verfügung zu stellen ist im SGB VIII geregelt: Es gibt einen Rechtsanspruch für Kinder ab 3 Jahren (§ 24 Abs.  2 Satz1) und die Pflicht ein bedarfsgerechtes Angebot für 0–3jährige Kinder, sowie schulpflichtige Kinder bereitzuhalten § 24, Absatz 2. Die Ausgestaltung dieses Gesetzes ist Ländersache, in Bayern wird durch das BayKiBiG die notwendige Ausdifferenzierung vorgenommen. In Art.  7 wird ausgeführt, dass die Bedarfsfeststellung Aufgabe der Gemeinde ist.

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Mit ihrem Engagement für Kinder unterstützen katholische Kindertageseinrichtungen also die Kommune in der Erfüllung ihres gesetzlichen Auftrags. Um auf kommunaler Ebene erfolgreich zu verhandeln, müssen die Träger vor Ort die Hauptlast schultern. Ihre Aufgabe ist es, gegenüber Bürgermeister und Kämmerer den finanziellen Bedarf der Einrichtung zu vertreten und bestmögliche Ergebnisse zu erzielen. Unterstützung bieten die Trägertreffen. Hier tauschen die Träger sich über die erzielten Ergebnisse und erfolgreiche Verhandlungsstrategien aus. Sie können Wünsche über hilfreiche Arbeitsmaterialien äußern und wir versuchen diese zu besorgen oder zu erstellen. Hilfreich sind Vertragsvorlagen, die die großen Trägerverbände erstellt haben. Gibt es mehrere, KiTas freier Träger vor Ort, ergibt sich manchmal die Möglichkeit, gemeinsam in die Verhandlungen mit der Kommune einzutreten. Wir unterstützen die Träger mit Sitz in der gleichen Gemeinde, ihre Interessen zu bündeln und an den geeigneten Gesprächspartner zu transportieren. Wir vernetzen zum Kinder- und Jugendhilfeausschuss, um über den aktuellen Dis­ kussionsstand der Region auf dem Laufenden zu sein. Aufgabe von Fachberatung ist hier, vernetzend und beratend eine möglichst selbständige Vorgehensweise vor Ort zu unterstützen. Von Seite der Trägerverbände kam folgende Unterstützung: ◆◆ ◆◆ ◆◆ ◆◆ ◆◆ ◆◆

Neue Leitungen/Trägervertreter erhalten eine Schulungsmaßnahme. Die Abrechnung der gewichteten Buchungszeiten wird durch ein neues Softwareprogramm gestützt. Ein Anstellungsschlüssel von 1:10 wird angestrebt. In Krippengruppen wird eine Drittkraft empfohlen. Ein Ausbau von Häusern für Kinder wird forciert. Der Diozösan Caritas Verband (DiCV) fördert den Aufbau von Familienkompetenzzentren, die Erzdiözese den Aufbau von Familienzentren. Es wird empfohlen die Mitarbeiter gemäß ihren neuen Aufgaben fortzubilden.

Von Seiten der Kommunen geschah ein langsames Umdenken: Inzwischen haben um die 70 % der katholischen Einrichtungen einen Vertrag zur Übernahme des Betriebskostendefizits mit der Kommune abgeschlossen.

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Fachberatung setzt Akzente

■■ Schlussbemerkung Es ist grundsätzlich gelungen, die großen Trägerverbände für die Bedarfe der Kindertageseinrichtungen zu sensibilisieren. In der katholischen Trägerschaft besteht Einigkeit darüber, dass die Arbeit der Kindertageseinrichtungen die gelebte Diakonie der Pfarrgemeinde darstellt und die KiTa ein wesentlicher Ort der Familienpastoral ist. Wie das Bischofswort: „Welt entdecken, Glauben leben“ sagt, kann die religionspädagogische Konzeption katholischer Kindertageseinrichtungen am besten verwirklicht werden, wenn sie in die pastorale Arbeit der Pfarrgemeinde oder der neuen Seelsorgeeinheiten eingebettet ist (vgl. Die deutschen Bischöfe 2009, S. 40). Nur durch ein hohes Maß an pädagogischem Fachwissen, Vorbereitungszeit, Aufmerksamkeit und Beobachtung des Kindes, Absprachen mit der Familie und einem hohem Maß an Reflexionsvermögen können diese Grundhaltungen umgesetzt werden (vgl. Die deutschen Bischöfe 2009, S. 42, ff.). Das sozialpolitische Engagement und die Umsetzung eines gelebten Nah am Nächsten lässt eine Refinanzierung der Einrichtung durch Elternbeiträge nur bis zu einem erträglichen Maß zu. Eine höhere Refinanzierung über Eltern­ beiträge entspricht nicht dem Selbstverständnis der katholischen Träger. Die Entscheidung zu guten Rahmenbedingungen ist jedoch auch aus praktischen Erwägungen zwingend: Eine Absenkung der benannten Qualitätsstandards, um eine Kostensenkung zu erzielen, darf nicht geschehen. Denn, wird eine Einrichtung zu intensiv nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen geführt, sind die pädagogischen Nachteile für Kinder und Eltern elementar und die Arbeitszufriedenheit der pädagogischen Mitarbeiter gering, es kommt zu Abwanderung des Personals. Durch den derzeitigen Fachkräftemangel lässt sich dann ein Abwärtstrend der Einrichtung nicht mehr aufhalten und eine Schließung droht. Entsprechend bleibt den Trägerverbänden nichts anderes übrig, als die Einrichtungen zu unterstützen und notfalls die oben angeführten Maßnahmen durch Eigenmittel zu gewährleisten. Doch dies ist nur begrenzt möglich. Die öffentliche Förderung jedoch zeigt nach wie vor ein großes Dilemma: Dort, wo die Kommunen finanziell nicht in der Lage sind, den Kindertageseinrichtungen gute Verträge zur Übernahme des Betriebskostendefizites anzubieten, dort leben auch vermehrt Eltern für die eine geringe Erhöhung der Elterngebühren ein Problem darstellt. Der Zusammenhang zwischen Gewerbesteuern, Lohnsteuer und Einkommen von Familien wird spürbar. Einrichtungen in diesen Gebieten können oft nur mit Mühe die gesetzlichen Mindeststandards gewährleisten. Langfristig wird sich zeigen, ob alle Organisationen und Verbände in ganz Bayern Kindertageseinrichtungen unterhalten. Auch für den katholischen Bereich ist das Spannungsfeld zwischen teureren Zuschussregionen und angemessen zahlenden Gemeinden spürbar.

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Das BayKiBiG sieht eine moderate Förderung sogenannter Landkindergärten (bis zu 25 Kindern) vor. Alle anderen Einrichtungen gehen leer aus. Hilfreich wäre eine sogenannte Zonenrandförderung wie es sie in manchen Regionen zu Zeiten des Eisernen Vorhangs gab. Diese Förderung könnte den strukturschwachen Regionen langfristig helfen und einem Mehrklassenmodell der Frühkindlichen Förderung entgegenwirken. Schließlich sagte Jesus: „Lasst die Kinder zu mir kommen und wehret ihnen nicht; denn solchen gehört das Reich Gottes.“ (Markus 10.14) Er meinte damit alle – oder?

■■ Literatur AvBayKiBiG, Ausführungsverordnung des bayerischen Kinderbildungs- und betreuungsgesetzes, Stand Januar 2010, § 17 und 19. Als Download verfügbar: http://www. stmas.bayern.de/ BayKiBiGAVBayKiBiG § 17 u. § 19), Bayrisches Kinderbildungs- und betreuungsgesetz, Stand Januar 2010, Art. 21. Als Download verfügbar: http://www.stmas.bayern.de/ Bayrisches Landesamt für Statistik und Datenerhebung (Hrsg.), Statistische Berichte Einrichtungen und tätige Personen in der Kinder- und Jugendhilfe in Bayern Ende 2002, München 2004, S. 26. Erhältlich unter www.statistik.bayern.de Bayrisches Landesamt für Statistik und Datenerhebung (Hrsg.), Statistische Berichte Einrichtungen und tätige Personen in der Kinder- und Jugendhilfe in Bayern März 07, München 2008, S. 26. Erhältlich unter www.statistik.bayern.de Bayrisches Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen (Hrsg.), Bildungs- und Erziehungspartnerschaft zwischen Eltern und Kindertageseinrichtungen, München 2009, S.  14–17.  Als Download verfügbar: www.stmas.bayern.de/ kinderbetreuung/bep/erziehpartner.htm) Bertelsmannstiftung (Hrsg.), Länderreport Frühkindliche Bildungssysteme, Gütersloh 2008, S. 10. Als Download verfügbar: www.kinder-frueher-fördern.de Bertelsmannstiftung (Hrsg.), Länderreport Frühkindliche Bildungssysteme, Gütersloh 2008, S. 30–38. Als Download verfügbar: www.kinder-frueher-fördern.de Caritasverband der Erzdiözese München und Freising e. V., Geschäftsbericht 2008/09, München 2009, S. 12. Als Download verfügbar: www.caritasmuenchen.de/page005 409.htm Die deutschen Bischöfe, Welt entdecken, Glauben leben, Bonn 2009, S. 40, 42 ff. Dobner, Elke, Wie Frauen führen, Heidelberg 1997, S. 113 ff. Personal- und Organisationsreferat der Landeshauptstadt München, Beschluss des Verwaltungs- und Personalausschusses in der gemeinsamen Sitzung mit dem Kinderund Jugendhilfeausschuss und dem Schulausschuss vom 16.01.2008, Öffentliche Sitzung. Als Download verfügbar: www.ris-muenchen.de

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Karin Rock

Erfordernisse und Anforderungen

■■ Warum ist Fachberatung erforderlich? Die frühkindliche Bildung hat sich langsam im Bewusstsein der Gesell­schaft einen Raum erobert. Das öffentliche Interesse ist geweckt und die Politik hat ihren Teil in Form von Kindergartengesetzen, Forderung nach Standards und der Einführung verbindlicher Bildungsleitlinien dazu beigetragen. Dadurch steigt das Ansehen der Arbeit in Kindertageseinrichtungen und müsste eigentlich den Beruf der Erzieherinnen aufwerten. Der Ansatz ist richtig  – kämpfen doch die Erzieherinnen schon lange um ein besseres Image – denn die Erziehung und Begleitung unserer Kinder in ihrer Entwicklung kann nicht hoch genug angesiedelt werden. Sie sind unsere Zukunft. Inhalte, Lernziele, Fähigkeiten und Fertigkeiten wurden im Kindergarten schon immer gefördert, nur hat es die Gesellschaft in früheren Zeiten weniger interessiert. Aber damals waren die Kinder auch noch unkomplizierter und authentischer als Teil  ihrer Gruppe. Die Erziehung fand weitestgehend im Elternhaus statt. Es gab Regeln und doch viele Freiräume. Kinder waren Kinder mit allen Möglichkeiten, Eigenheiten und entwicklungsbedingten Fähigkeiten. Der Kindergarten war hier die Ergänzung zur Familienerziehung. Die Gesellschaft musste sich nicht speziell kümmern, dafür gab es die pädagogischen Fachkräfte. Diese boten die gleichen Themen an, die heute unter dem Begriff Bildungsleitlinien eine Renaissance erfahren. Nur ein entscheidendes Merkmal hat sich verändert: Erziehung ist schwieriger geworden. Werte haben sich gewandelt, sind nichts oder nur noch wenig wert und Eltern sehen sich manchmal kaum zu lösenden Problemen gegenüber, wenn es um die Setzung von Grenzen und Regeln gerade in der Erziehung ihrer Kinder geht. Äußere Einflüsse, Werbung und Medien sind die neuen Erzieher der Kinder. Eltern haben häufig durch ihre eigene Lebenssituation, die vielfach von Stress geprägt ist, nicht die Kraft und Geduld oder gar die Zeit, sich mit ihrem Kind ausreichend auseinanderzusetzen. So bleibt der größte Teil der Begleitung der kindlichen Entwicklung an öffentlicher Erziehung hängen. Das bedeutet, dass nicht wie früher familienergänzende Erziehung in Kindergärten gelebt werden kann, sondern zum großen Teil  sogar familienersetzende Erziehung geleistet werden muss. Das wiederum stellt die Fachkräfte vor

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neue, umfangreichere Aufgaben, die manchmal den Rahmen ihrer persönlichen Möglichkeiten übersteigen. Dieser Stress breitet sich zunehmend in den Kindergärten aus. Eltern und Erzieherinnen müssen häufig erst ihre Einstellungen miteinander abstimmen und Ziele festlegen, um eine effektive Erziehungspartnerschaft zum Wohle des Kindes zu erreichen. Bei aller Bereitschaft von beiden Seiten ist das in den meisten Fällen ein Zeitproblem, denn die vorgeschriebenen Verfügungsstunden der Erzieherinnen bleiben oft aus Vertretungsgründen auf der Strecke. Häufig fehlt die nötige Unterstützung in Form von Fachberatung. In Leitungskreisen ist Fachberatung schon lange etabliert  – als Verbindungsglied zum Träger und zur Öffentlichkeitsarbeit der verschiedenen Institutionen. Fachberaterinnen nehmen in Arbeitskreisen aktiv an der Gestaltung und Ausarbeitung von Richtlinien und Bestimmungen für den Praxisbereich teil. Diese Informationen sind für Leitungen von entscheidender Wichtigkeit, weil sie von den Fachberaterinnen direkt an die Leitungen weitergegeben werden können. Auf dieser Ebene ist Fachberatung sinnvoll und effektiv. Leiterinnen profitieren von schnellen Informationen und können so auf Veränderungen zumindest informiert reagieren. Fachberatung muss also sicherstellen, dass Informationen schnell und umfassend an die ausführenden Adressaten gelangen. Das setzt natürlich eine genaue Kenntnis der Einrichtungen, für die diese Fachberaterinnen tätig sind, voraus. Daher ist die Forderung an geeignete Fachberatung in diesem Bereich analog der Ausbildung der Leitungen zu sehen. Und nicht nur die Ausbildung, sondern auch ein umfangreicher Teil  an Leitungserfahrung sollte die Qualifikation der Fachberatung beinhalten. Da Theorie und Praxis zwei unterschiedliche Dinge sind, bezieht sich die Erwartung der Einrichtungen an Fachberatung natürlich besonders auf die Umsetzung und Ausführung der theoretischen Ansätze. Die Leitungsposition ist eben nicht die Zugehörigkeit zum Team – daher muss die Fachberatung wissen, was Leitungen benötigen um ihre Aufgabe wahrnehmen zu können. Von der kollegialen Beratung bis hin zur Vermittlung bzw. Durchführung von Supervision ist das Spektrum, welches die Fachberatung für Leitungen leisten muss, breit gefächert. Fachberatung erschöpft sich bisher jedoch häufig in der Organisation und Ausführung von Fortbildungen, Fachtagen und nur in der Unterstützung der Leitungskräfte. Aber auch für die Erzieherinnen sollte Fachberatung da sein; gerade sie haben ein starkes Bedürfnis nach effektiver Beratung und Begleitung. Die Leitung der Einrichtung ist zwar die direkte Ansprechperson, aber in den meisten Fällen kann eine Fachkraft von außen noch andere Impulse geben als die involvierte Leitung. Zudem nehmen reine Verwaltungsaufgaben einen großen Teil der Arbeit einer Kindergartenleitung ein, sodass die eigentliche Aufgabe – die pädagogische Begleitung und Anleitung  – zunehmend in

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Erfordernisse und Anforderungen

den Hintergrund tritt. Auch hier zeigt sich wieder der Wunsch nach Fachberatung – die für die Erzieherinnen eine zuverlässige und regelmäßige Hilfe sein muss.

■■ Die Erwartung an Fachberatung aus Sicht der Erzieherinnen

Fachberatung aus Sicht der Praxis sollte genügend Zeit haben, um vielfältige Aufgaben zu erfüllen. Als Leitung wünscht man sich Unterstützung und Beistand bei Problemen, die das Team oder die einzelnen Erzieherinnen be­ treffen. Da ein Team wie jede Gruppe funktioniert, sind eben auch hier die Rollen entsprechend vergeben. Und dabei wiederum kann eine Leitung von Hilfe durch die Fachberatung nur profitieren, weil sich manche Schwierigkeiten nicht direkt in und mit dem Team lösen lassen. Eine Kraft von außen, die jedoch in der Materie steckt und beurteilen kann, um welche Schwierigkeiten es sich handelt, bedeutet einen Gewinn für das gesamte Team. Nicht nur als Feuerwehr in akuter Bedrängnis, sondern als ständige Begleitung und Unterstützung des Teams hat Fachberatung einen hohen Stellenwert. Da Erzieherinnen immer an mehreren Baustellen arbeiten und ein großes Spektrum an unterschiedlichen Fähigkeiten und Fertigkeiten vorweisen müssen, benötigen sie häufig geeignete Unterstützung und Bestätigung in fachlichen Bereichen. Diese Unterstützung kann nur wirksam sein, wenn die Fachberatung den Arbeitsplatz der zu beratenden Erzieherinnen und die damit verbundenen Probleme kennt. Daher der dringende Wunsch: mehr fest installierte Fachberatung für weniger Einrichtungen – mit entsprechender Zeit. So sollte es in allen Einrichtungen Standard werden, dass Fachberatung und auch Supervision nicht nur punktuell und auf Anfrage geschehen, sondern ein fester Bestandteil der Kindergartenarbeit werden. Natürlich haben viele Träger enge finanzielle Rahmen und sind von der Kommune und den Verträgen mit den Geldgebern abhängig. Auch hier ist eine wichtige Aufgabe für Fachberatung zu sehen: den Entscheidungsträgern (Geldgebern) die Vermittlung zwischen pädagogischer Aufgabe und finanziellen Ressourcen klarzumachen. Hier zeigt sich ein großer Nachholbedarf an Fachberatung und Unterstützung, um die Bedürfnisse und Forderungen auf die richtige Ebene zu bringen. Das bedeutet, dass die Fachberatung über Gesetze, Richt­ linien, Verordnungen und Standards mit verhandeln soll als Sprachrohr der Mitarbeiter in der Praxis. Den Erzieherinnen ist klar, was sie benötigen, um die Anforderungen zu erfüllen und für sich selbst eine gute Arbeit zu leisten. Entscheidend ist, dass die richtigen Gremien davon erfahren. Die Verzahnung von Anforderungen und Aufgaben im Kindergartenalltag mit der Verhandlung

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über Möglichkeiten und Bedingungen sollte im Sinne von effektiver Arbeit für das Wohl der Kinder von der Fachberatung übernommen werden. Die Fortbildung der Erzieherinnen ist derzeit für viele Fachberaterinnen die Hauptaufgabe. Das soll nicht heißen, dass diese Aufgabe für weniger wichtig erachtet wird, aber die Koordination und Akquise der unterschiedlichen Kurse und Referenten ist eine reine Verwaltungsaufgabe, mit der die kostbare Zeit der Fachberatung vergeudet wird. Fachtage und Konferenzen sind ein weiteres wichtiges Mittel, um bestimmte Themen in den Fokus zu rücken. Auch hier ist Fachberatung gefragt, aber eben nicht als Hauptaufgabe; obwohl natürlich ein Fachtag oder eine themenbezogene Aktion mehr Wirkung auf Geldgeber hat, als die ständige Fachberatung vor Ort. Die eigentliche Fachberatung, wie sie von Erzieherinnen gewünscht und gebraucht wird, ist nicht als spektakuläre Aktivität zu sehen und daher nicht immer eine messbare Größe. Sie kann nicht durch die Teilnahme an Fortbildungen zu unterschiedlichen pädagogischen Themen ersetzt werden  – Erzieherinnen brauchen sie in Form von stets abrufbarer Begeleitung. Sie müssen jederzeit auf die Fachberatung zurückgreifen und deren Dienste in Anspruch nehmen können. Leider ist das im sozialen Bereich und besonders in der Arbeit mit Kindern ein ständiges Problem. Häufig fehlt einfach das Geld, um Fachberatung einrichten zu können, bzw. um Nachhaltigkeit zu erreichen und die Vermutung liegt nahe, dass die Notwendigkeit und Effektivität einer solchen, permanenten Betreuung von den Geldgebern bisher schlicht verkannt wird. Die Erfolge von Fachberatung sind nicht so einfach bilanzierbar. Nachhaltigkeit ist bereits als Lernziel für die Vermittlung an Kinder erkannt worden. Und diese Erkenntnis sollte dringend ausgeweitet werden. Denn wie können Erzieherinnen den Kindern vermitteln, was sie nur ansatzweise in Fortbildungen neben ihrer Arbeit gehört haben. (Nachhaltigkeit, die selbst erlebt wird, lässt sich überzeugender und effektiver weitergeben.) Nicht das Ziel sollte hier im Vordergrund stehen, sondern der Weg dorthin – wie in so vielen Bereichen. Der Weg muss geebnet werden und das geht eben nur mit Unterstützung und Begleitung. In der Erzieherinnenausbildung – wie eigentlich in jeder schulischen Ausbildung wird das Wissen in kurzer Zeit komprimiert weitergegeben, bzw. erlernt. Für die Anwendung in späterer Praxis ist das jedoch nicht die geeignete Möglichkeit. Da ist nur noch Zeit für kurze Weiterbildungen, die häufig erkämpft werden müssen, weil die Kraft in der alltäglichen Praxis gebraucht wird. Dabei ist eben die leise, kindbezogene, intensive Arbeit so wichtig, um Kindern das Leben und Überleben in einer hektischen und schnellen Welt zu ermöglichen. Daher ist es umso wichtiger, den ausführenden Erzieherinnen konstant eine fachliche Begleitung an die Hand zu geben. Wenn Leitungen weniger Verwaltungsaufgaben hätten, könnten sie bereits

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Erfordernisse und Anforderungen

einen großen Teil dieser Problematik auffangen. (Was ja die eigentliche Aufgabe nach der Ausbildung der Leitungen ist.) Dennoch ist eine Änderung in diesem Bereich nur ein zusätzlicher Schritt, der niemals die Fachberatung ersetzen kann. Die kollegiale Beratung als Instrument zur Bewältigung schwieriger Team­ situationen ist ein weiterer wichtiger Baustein im Aufgabengebiet der Fachberatung. Ist diese fest installiert und bekannt, dass sie den Erzieherinnen jederzeit zur Verfügung steht, dann stellt das eine gute Möglichkeit dar, Konflikte frühzeitig zu bearbeiten und damit Stressbelastungen vorzubeugen. Eine Fachberatung, der die Einrichtung mit ihren Besonderheiten bekannt ist, kann wertvolle Hilfestellung von außen leisten, die manchmal vom Team besser angenommen wird, als eine interne Lösung, die von der Leitung angeboten wird. Die Neutralität der Fachberatung bietet in solchen Konfliktsituationen die durchaus geeignetere Möglichkeit zur Lösung, da sie sich auf das Problem direkt fokussieren kann und nicht – wie die Leitung – die gesamte Einrichtung im Blickfeld haben muss.

■■ Beispiele für effektive Fachberatung Fachberatung zur Konfliktlösung unter Erzieherinnen Arbeitsüberlastung und Zeitmangel sind häufig Auslöser für Missverständnisse und dadurch bedingten Stress. Es fehlt an der Zeit, um wichtige Fragen zu klären, daher wird manches falsch interpretiert oder gar nicht ausgesprochen und zieht eine Lawine von negativen Erlebnissen nach sich. Die Mitarbeiterinnen einer großen Kindertagesstätte in zwei Regelgruppen mit je 22 Kindern – jeweils eine Erzieherin und eine sozialpädagogische Assistentin (SPA)  – deren Gruppenräume unmittelbar nebeneinander liegen, konkurrieren aufgrund eines Streits gegeneinander und schotten sich ab. Beide Parteien möchten ihre Ideen und Projekte nicht ausführlich im Team besprechen, denn sie befürchten, dass die Kolleginnen ihre Ideen aufgreifen und als ihre eigenen ausgeben. So entbrennt ein unterschwelliges Eifern, jedoch nicht gemeinsam, sondern gegeneinander. Die Leitung sieht zunächst den Eifer in beiden Gruppen und ist erfreut über viele neue Ideen und Aktivitäten. In den Gruppen wird fleißig gearbeitet, aber die Türen sind immer geschlossen. Die Stimmung ist angespannt, was aber nicht gleich zum Vorschein kommt, da Erzieherinnen ja bekanntlich ein hohes Harmoniebedürfnis und Toleranz besitzen. Dennoch schwelt der Konflikt und verstärkt sich durch anhaltendes Schweigen noch weiter, nach einiger Zeit ist ein deutlicher Riss zu spüren. Zur offenen Auseinandersetzung kommt es, als bestelltes Material in der falschen Gruppe landet und dort genutzt wird.

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Im Grunde ein nichtiger Anlass, doch durch starke Arbeitsbelastung und hohe Qualitätsanforderungen, die in der Stresssituation des Konfliktes noch einmal schwerer wiegen, ist das Maß voll. In der Teamsitzung kommt das Thema zur Sprache, und jetzt zeigt sich, dass der Konflikt schon länger latent vorhanden ist und inzwischen längst eine persönliche Ebene erreicht hat. Die Leitung bemüht sich zunächst um eine sachliche Klärung, damit erst einmal ein Waffenstillstand erreicht wird und der Konflikt nicht noch weitere Kreise zieht. In dieser Situation sind die Eltern noch nicht informiert oder gar beteiligt, aber die Kinder bemerkten die Unruhe bereits. Die Fachberatung wird dazugebeten, nachdem eine gewisse Ratlosigkeit und Unzufriedenheit auch noch weitere Mitarbeiterinnen bewegt. Gemeinsam wird in mehreren Sitzungen der Konflikt bearbeitet und es zeigt sich, dass die Impulse der Fachberatung durch ihre Sicht von außen ganz anders aufgenommen werden; die Neutralität und Kompetenz der Fachberatung ist anerkannt. Mit dem ganzen Team werden Lösungsmöglichkeiten gesammelt und dann bewertet. Eine Rotation der SPA’s im Team wird in Erwägung gezogen, jedoch von allen wieder verworfen, weil sie noch mehr Unruhe – auch bei Kindern und Eltern – fürchten. Erstaunlicherweise empfindet jede Mitarbeiterin den Platz in ihrer Gruppe als den richtigen. Einen Wechsel will das Team auf jeden Fall vermeiden. Dafür suchen sie stichhaltige Argumente und merken dann, dass dieses Brainstorming sie zusammenführt, denn sie haben alle die gleichen Argumente. Die Kinder sollen nicht darunter leiden, dass es bei den Erwachsenen auch mal kracht. Das Team einigt sich bei reger Beteiligung und großem Interesse auf gemeinsame, gruppenübergreifende Projekte. Es werden mehrere Themenbereiche vorgeschlagen, bei denen jede Mitarbeiterin einen bestimmten Teil des Projektes begleiten bzw. durchführen soll. Viele gute Ideen kommen auf diese Weise zusammen und das gemeinsame Erarbeiten des Projektes bringt die Beteiligten wieder ins Gespräch miteinander. Es werden feste Aufgaben verteilt und auch ein Zeitrahmen gesteckt. Ziel der Projekte ist immer eine gemeinsame Veranstaltung mit den Eltern. Inzwischen ist das Projekt gemeinsam und gruppenübergreifend eine feste Größe in diesem Kindergarten geworden und der Grundstein für offene Gruppenarbeit ist gelegt. Das gute Ergebnis bestätigt nur, wie dringend notwendig eine ständige Fachberatung vor Ort gebraucht wird.

Fachberatung zur internen Bestätigung der Erzieherkompetenz Ein weiteres Beispiel effektiver Fachberatung für Erzieherinnen ist aus einer betreuten Grundschule zu berichten. Träger dieser Einrichtung ist eine ehrenamtliche Gliederung. Die betreute Grundschularbeit dieser Gliederung ist vom

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zuständigen Jugendamt anerkannt. Eine Erzieherin, zwei sozialpädagogische Assistentinnen und eine Hilfskraft sind für ca. 60 Schulkinder zuständig. Die Kinder werden morgens vor der Schule und ab Ende der vierten Unterrichtsstunde betreut. Es gibt einen Mittagstisch, das Essen wird fertig angeliefert und wird nur verteilt. Alle Kinder erledigen ihre Hausaufgaben in der betreuten Grundschule. Die Kinder kommen aus unterschiedlichen Einkommens­ schichten und wohnen im gleichen Ort. Die Mitarbeiterinnen sind alle gleichzeitig eingesetzt, haben wenig Zeit für Vorbereitung oder Besprechungen und müssen sich im Krankheitsfall gegenseitig vertreten. Das heißt in erster Linie Arbeit am Kind. Es gibt eine sehr detaillierte Konzeption, die kaum Möglichkeiten für Freiräume oder eigene Gestaltung liefert. Alles ist bis ins Kleinste geregelt. Die Konzeption ist theoretisch in Ordnung, nur in der Praxis gibt es Veränderungsbedarf, weil sie eben nicht auf alle Fälle zutrifft. Die Mitarbeiterinnen sind engagiert und versehen ihren Dienst mit viel Einsatz und Lust. Trotzdem sind sie unsicher, weil sie häufig von Eltern angegriffen und kritisiert werden. Sie fühlen sich von manchen Forderungen der Eltern unter Druck gesetzt. Der Trägerverein bemüht sich nach Kräften, sie zu unterstützen, aber das Unbehagen darüber, dass sie etwas falsch machen oder unterlassen, bleibt. In dieser Situation wird die Fachberatung angefordert. Es werden zunächst drei Abende für die Besprechung angesetzt – mit der Option auf mehr. Alle berichten von ihrer Arbeit und es zeigt sich, dass das Team sehr gut zusammenarbeitet. Absprachen werden eingehalten, jede kann sich auf die Kolleginnen verlassen und gemeinsam bieten sie den Kindern etwas ganz Wichtiges: Zuwendung, ein warmes Nest, gutes Essen, Zeit und nicht zu vergessen Unterstützung bei den Hausaufgaben. Bei manchen Kindern wird sogar das fehlende Elternteil kompensiert. Alle sprechen wertschätzend und anerkennend von ihren Kindern und sind bereit, auch mehr zu geben, als bezahlt wird. Die Fachberatung hört zu. Sie erfährt durch gezielte Fragen, wie der Tagesablauf gestaltet wird, welche Probleme mit wem auftauchen und wie diese gelöst werden. Als erfahrene Kindergartenleiterin weiß die Fachberaterin viel über Elternarbeit und Erwachsenenbildung. Es zeigt sich, dass an den drei Abenden nach und nach alle Sorgen angesprochen werden, aber auch gleich die angewandte Lösung. Und hier ist das Phänomen greifbar. Es ist in diesem Fall eigentlich nur die Anerkennung, die Unterstützung von fachlicher Seite, die fehlt. Natürlich gibt es hier und da noch Verbesserungen, aber das merken die Kolleginnen beim Erzählen selbst und sprechen es gleich an. Sie werden für ihren Einsatz und für ihre Zuverlässigkeit gelobt und sie merken, dass ein gesundes Selbstbewusstsein und die Kenntnis der eigenen Fähigkeiten das ist, was ihnen fehlte. Das wiederum bestätigt die bereits erwähnte Forderung nach ständig abrufbarer Fachberatung, die für die tägliche Arbeit notwendig ist. Inzwischen hat man verabredet, sich regelmäßig zu treffen – mal ohne, mal mit Fachberatung, um das

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eigene Selbstwertgefühl zu stärken. An der Konzeption wird gemeinsam ge­ arbeitet, damit wieder Gestaltungsmöglichkeiten und Lebendigkeit in den Arbeitsalltag der Einrichtung kommen. Auch Kritik soll aufgegriffen und konstruktiv verarbeitet werden. Die Unterstützung und Anerkennung von Seiten des Trägers wird weiterhin eingefordert, jedoch soll auch die Fachberatung unterstützend weiterwirken. Das wird in der neuen Konzeption festgeschrieben – so können die Mitarbeiterinnen sich selbstbewusst den Fragen der Eltern stellen, und die Kritik sachlicher annehmen und behandeln.

Fachberatung zur Unterstützung der Erziehungspartnerschaft mit Eltern Max1, ein vierjähriger Junge, kommt neu in eine Regelgruppe mit 22 Kindern von 3 bis 6 Jahren. Eine Erzieherin und eine sozialpädagogische Assistentin betreuen die Gruppe, die sich in 14 Jungen und 8 Mädchen aufteilt. Max ist Einzelkind. Die Mutter ist ganztägig berufstätig, der Vater ist durch einen Betriebsunfall schon längere Zeit nicht arbeitsfähig. Er hat das Kind bisher betreut. Nun soll er an einer Wiedereingliederungsmaßnahme teilnehmen. Daher wird nach Möglichkeit eine Ganztagsbetreuung für das Kind gewünscht. Max ist körperlich altersentsprechend entwickelt, hat aber wenig Lust an Bewegung und ist daher immer schlapp und ermüdet schnell. Er kann sich allein an- und ausziehen, will das aber nicht. Er hat einen großen, überdurchschnittlichen Wortschatz und diskutiert jede geplante Aktion zunächst aus. Dabei hat er gute Argumente, die für ein einzelnes Kind ganz erstaunlich sind, jedoch das Gruppengeschehen durcheinanderbringen. Er fühlt sich in der großen Gruppe nicht wohl – das äußert sich in aggressivem Verhalten und Wutausbrüchen. Sind wenige Kinder anwesend (in Randzeiten), dann kann er spielen und seinen Gedanken nachhängen. Er teilt seine Spiele selten mit Kindern, sondern sucht immer die Nähe der Erwachsenen. Wenn die Gruppe auf den Spielplatz gehen will, ist er stets der Letzte beim Anziehen. Er weigert sich, solange die anderen Kinder sich anziehen, sind sie aber draußen, beginnt er, sich selbständig anzuziehen. Seine Wutausbrüche richten sich in zunehmendem Maße gegen die Erwachsenen. Er erkennt keine Gruppenregeln an und widersetzt sich allen Überredungsversuchen. Bei Beschäftigungen in der Gruppe sucht er stets etwas anderes zu tun, nur um den Anweisungen der Erwachsenen zu widersprechen. „Du hast mir überhaupt nichts zu sagen“, ist seine ständige Antwort. Wenn er besonders wütend ist, greift er die Erwachsenen tätlich an und entwickelt hierbei ungeahnte Kräfte. Die Leitung wird mehrfach um Hilfe gebeten, um das Kind aus der verfahrenen Situation herauszunehmen und zu beruhigen. Dabei kommt Max wieder zu sich und fühlt sich bei der Leitung besser. Er spricht mit ihr und teilt sei1 Name ist erfunden.

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nen Ärger mit. So entwickelt sich hier eine Art Vertrauensverhältnis, bei dem Max immer Zuflucht sucht, wenn er mit Kindern Ärger hat. Zu seinen Gruppenleiterinnen geht er nicht. Im Elterngespräch, an dem auch die Leitung teilnimmt, werden die Probleme sachlich angesprochen, die Max in der Gruppe hat. Die Eltern fühlen sich angegriffen und reagieren ablehnend. Sie können das Verhalten ihres Kindes nicht nachvollziehen, weil er zu Hause nach ihrer Aussage ganz anders ist. Da gibt es solche Schwierigkeiten nicht. Die Gruppenleiterin fühlt sich ihrerseits von den Eltern angegriffen und bricht das Gespräch ab. Die Leitung, die Max täglich mit seinen Wutausbrüchen erlebt hat, bemüht sich, die Eltern wieder zu beruhigen. Es wird eine Zeit des Beobachtens und ein neues Gespräch verabredet. Anschließend an dieses Gespräch muss die Leitung erst einmal die Erzieherin beruhigen, die enttäuscht und überfordert von dem Ergebnis des Gesprächs ist. Jetzt wird die Fachberatung eingeschaltet, um die Erzieherin weiter zu unterstützen. Die Fachberatung hospitiert in der Gruppe, um Max in Aktion zu erleben und kann die Aussage der Erzieherin bestätigen. Fachberatung und Leitung bitten die Eltern erneut, mit Max eine Ergo-Therapie zu beginnen, damit er lernt, zur Ruhe zu kommen und sich wahrzunehmen. Die Eltern willigen ein. Der Weg, der jetzt beschritten wird, hat durch das Mitarbeiten der Fachberatung in den Augen der Eltern einen anderen Stellenwert bekommen. Sie sehen in einer weiteren kompetenten Meinung eine ernstzunehmende Hilfe. Die Erzieherin und die SPA sind entlastet, was das weitere Vorgehen angeht. In der Gruppe bemühen sie sich, Max möglichst nicht aus den Augen zu lassen und sein Umfeld überschaubar zu halten. Mit allen Kindern wird gemeinsam überlegt, wie Spiele und Aktivitäten aufgeteilt werden können, damit Max sich nicht erdrückt fühlt. In weiteren Gesprächen räumen die Eltern ein, dass es auch zu Hause Schwierigkeiten gibt. Max ist den anderen Kindern im kognitiven Bereich weit über­ legen, doch im Sozialverhalten zeigen sich große Lücken. Die Fachberatung schlägt vor, Max in eine andere Gruppe zu geben mit älteren bzw. gleichaltrigen Kindern. Max findet den Vorschlag gut – er hat keine Freunde in dieser Gruppe. Die Eltern sind einverstanden und die Situation entspannt sich zusehends. Die Fachberatung bleibt beteiligt, um die Erzieherin und die SPA zu stützen. Inzwischen hat Max die Gruppe gewechselt. Es gab anfangs die gleichen Schwierigkeiten, doch die älteren Kinder gehen anders damit um. Die Gruppenfindung verlief unruhig, aber nach einiger Zeit wurden die Rollen akzeptiert. Max rebelliert seltener. Für ihn wurde eine Frühförderung beantragt, um ihm die Akzeptanz der neuen Gruppe zu erleichtern. Außerdem geht er zum Turnen. Die Eltern sind erleichtert, dass trotz der anfänglichen Unstimmigkeiten so viel getan wurde. Die Erzieherin und die SPA konnten sich durch die Hilfe der Fach-

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beratung auf ihren Alltag konzentrieren und haben sich langsam von dem Problem erholt. Max wird immer eine Sonderrolle haben, jedoch wird er lernen, dass in einer Gruppe nur mit Regeln und deren Akzeptanz ein gutes Miteinander möglich ist.

■■ Schlussbetrachtung zur Fachberatung in der Praxis Der Wunsch nach Fachberatung ist eine dringliche Forderung. Es gibt im Erziehungsalltag ständig Situationen, die den Einzelnen fordern. Aber da die Arbeit weiterläuft, da die Erzieherinnen sich auch auf ihre täglichen Aufgaben weiter konzentrieren müssen, brauchen sie Unterstützung und Hilfe. Was das Coaching in der Wirtschaft ist, sollte ebenso anerkannt die Fachberatung in der Erziehungsarbeit sein. Fachberatung muss also immer abrufbar sein, auch wenn die positive Bilanz an ganz anderer Stelle gefunden wird. Für unsere Kinder, deren Entwicklung und ihre Sozialisation, die in den Händen der öffentlichen Erziehung liegen, sollte an Fachpersonal nicht gespart werden. An Fachpersonal, zu dem unbedingt die Fachberatung gehört. Die aufgeführten Beispiele zeigen nur den direkten Praxisbezug auf. Das Arbeits- und Einsatzgebiet der Fachberaterinnen ist viel größer. Dass dies an entscheidender Stelle erkannt wird, ist für die Zukunft der öffentlichen Erziehung und die unserer Kinder unverzichtbar.

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Gisela Buschmeier

Erfahrungen und Erwartungen

Über meine Erfahrungen mit Fachberatung für Kindertageseinrichtungen zu schreiben, empfinde ich als eine Art Reflexion meines beruflichen Werdegangs. In meiner langjährigen Rolle als Leiterin von Kindertageseinrichtungen erlebte ich die Fachberatung immer wieder als qualifizierte Begleitung und motivierende Unterstützung in meinem ganz persönlichen Entwicklungsprozess. Darum möchte ich der Frage nach dem Warum von Fachberatung und ihrer Effizienz für die Kindertageseinrichtungen entlang meiner beruflichen Entwicklungsgeschichte nachgehen. In der Leitungsrolle benötige ich vielfältige Führungsfähigkeiten, um die immer komplexer werdenden Anforderungen an die sozialpädagogische Arbeit in meinem Aufgabenbereich zu gestalten. Ein wesentliches Element von Führungskompetenz besteht darin, sich aktiv Unterstützung zu organisieren und Hilfe im Managen der beruflichen Veränderungsprozesse anzunehmen. Es geht hier weniger um den Ausgleich persönlicher Defizite, sondern eher um die Befähigung, die eigene Persönlichkeitsentwicklung und die beruflichen Neuorientierungen miteinander zu verknüpfen. Gute partnerschaftliche Fachberatung unterstützt diesen wechselseitigen Prozess und gibt Orientierung zur Erweiterung und Wirksamkeit der beruflichen Arbeit. Dabei empfand ich die Angebote der Fachberatung dann am intensivsten, wenn neue bildungspolitische Vorgaben in die tägliche Praxis umzusetzen waren. Anhand meines persönlichen Rückblicks zeige ich auf, in welchen wesentlichen Veränderungen der Vorschulpädagogik ich Fachberatung erfolgreich nutzen konnte. Da ich auf 40 Jahre Kindergartengeschichte zurückblicke, weiß ich, was es heißt, zunächst als Kindergärtnerin und Hortnerin mit weißer Schürze und 33 Kindern in der Gruppe gestartet zu sein. Aus der mütterlich bewahrenden Rolle entwickelte sich dann mit der Erzieherin ein neues berufliches Profil, entsprechend dem gesellschaftlichen Wandel und den soziokulturellen Veränderungen. In der Doppelrolle als Gruppenleiterin und Kindergartenleitung, später als Sozialpädagogin in freigestellter Leitungsfunktion erlebte ich in dieser langen Zeit zahlreiche neue bildungspolitische Vorgaben, die die Richtung unse-

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res sozialpädagogischen Handelns, die Wertmaßstäbe und die Werteorientierungen verschoben. Während meiner Fachschulausbildung war ich für diese gesellschaftlichen Veränderungen in keiner Weise qualifiziert ausgebildet worden. Anschlusslernen über fachliche Begleitung und Unterstützung der Fachberatung wurde für mich erforderlich und unverzichtbar. Was ich rückblickend mit Fachberatung verbinden kann: Gesellschaftliche Veränderungen, die sich auch auf den Elementarbereich niederschlugen und neue gesetzliche Vorgaben mit sich brachten, forderten mich daher immer wieder heraus, meine Arbeit zu reflektieren. Besonders effektiv waren hier die monatlichen Leiterinnenkonferenzen, denn sie stärkten mich in der Ausübung meiner Leitungsfunktion, boten mir Orientierung und trugen dazu bei, die neuen Herausforderungen aufzugreifen. Da sie praxisorientiert von der Fachberatung gestaltet wurden, setzten sie Akzente zur Weiterentwicklung meiner KiTa, aber auch meiner beruflichen Identität. Die Fachberatung bot uns regelmäßig Raum und Zeit zum fachlichen Austausch, denn es war uns wichtig, die neuen gesetzlichen Vorgaben zu verstehen, sie mit Leitungskolleginnen diskutieren zu können, um sie anschließend mit dem sozialpädagogischen Team in die tägliche Praxis zu integrieren. Zum Abbau von Überforderung und zur Stabilisierung der Persönlichkeit empfand ich Fachberatung manchmal auch als persönliches Coaching. Bei verschiedenen Trägern von Kindertageseinrichtungen lernte ich so im Laufe meiner langjährigen Leitungsfunktion die Aufgaben und Methoden von unterschiedlichen Fachberaterinnen kennen. Fachberatung regt Fortbildung an: Unter dem Motto: „Wer andere bewegen will, muss sich selbst bewegen“, nahm ich, auch auf Anregung der Fachberaterin, an zahlreichen Fachkongressen, Fortbildungen, Arbeitskreisen und immer wieder an den regelmäßigen monatlichen Leitungskonferenzen teil, um so zielorientiert die Prozessqualität und die Ergebnisqualität meines beruflichen Handelns zu verbessern. Zu wissen, wie sich die Sprache bei den Kindern entwickelt, wie Logopäden und Ergotherapeuten arbeiten, was eine Frühförderstelle leisten kann, steigert z. B. die Effizienz der vorschulischen Förderung und vor allem auch die Qua­ lität der Elterngespräche. Nur eine Erzieherin, die auf ein breites Wissen in der frühkindlichen Entwicklung zurückgreifen kann, wird individuelle, also kindbezogene Förderung und Begleitung leisten können. In meiner privaten berufsbegleitenden Supervisionsausbildung erlernte ich zudem gesellschaftliche und soziale Zusammenhänge unter dem systemischen Blickwinkel zu betrachten und den Menschen oder das Kind, seine Umgebung und seine Beziehungen als Ganzheit zu sehen.

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■■ Fachberatung unterstützt den Transfer der Theorie in die Praxis

Oft war es schwierig, die von Hochschulprofessoren beschriebenen neuen Bildungsinhalte bei uns in NRW zu verstehen und einem Erzieherinnenteam mit Fachschulniveau zugänglich zu machen. Mit großer Skepsis und Kritik an den wissenschaftlichen Theoretikern erlebte ich zahlreiche Teamsitzungen. So war ich schon 1970 dabei, als der deutsche Bildungsrat beschlossen hatte, die Kinder mit fünf einzuschulen. Auf Fachkongressen hörte ich dazu vieles über die Experimente und Modellversuche der einzelnen Bundesländer. Das war zu Beginn meiner Leitungstätigkeit. Die beiden Fachberaterinnen der Caritas waren sehr engagiert und bemühten sich intensiv, uns für den Verbleib der Fünfjährigen zu bewegen. Sie forderten uns immer wieder auf, die Notwendigkeit der individuellen Förderung der uns anvertrauten Vorschulkinder ernstzunehmen und so blieben sie letztlich ja auch bei uns im Kindergarten. In diesen ersten Leitungsjahren habe ich erfahren, was zielorientiertes, bildungspolitisches Arbeiten bedeutet. Diese Entwicklung setzte sich in den folgenden Jahren fort. Nun stand das Lernen in früher Kindheit noch stärker im Interesse der Wissenschaft und Politik. Damit wurden auch die Aufgaben und Ziele der Kindertageseinrichtungen den neuesten Erkenntnissen der Hirnforschungen angepasst. Die Rolle der Praxisberatung bestand nun darin, die neuen Arbeitsformen mit uns einzuüben und unsere beruflichen Fähigkeiten zu erweitern und wirksam einzusetzen. Die Träger der öffentlichen Jugendhilfe waren nach § 72 Abs. 3 KJHG dazu verpflichtet, uns diese Unterstützung in den berufspraktischen Arbeitsvollzügen zu geben und sicherzustellen. Bei überregionalen Fortbildungen musste ich leider erfahren, dass etliche Kindertageseinrichtungen ohne die Unterstützung einer Fachberatung arbeiteten.

■■ Fachberatung fördert die Qualität der Arbeit Die Kindertageseinrichtung als öffentlicher Spielraum soll zum Lebensraum für Vorschulkinder werden, in denen sie ihre körperlichen und geistigen Fähigkeiten und ihre seelischen und schöpferischen Kräfte entfalten können. Auch die sozialen Verhaltensweisen sollen den Kindern bewusst gemacht werden. Dabei soll sich das Angebot pädagogisch und organisatorisch an den Bedürfnissen der Kinder und ihrer Familien orientieren. Die sozialpädagogischen Fachkräfte verstehen sich als individuelle Entwicklungsbegleiter und Impulsgeber bei der kindlichen Förderung in der Elementarstufe des Bildungssystems. Gemeinsam mit den Eltern gehen sie eine Bildungspartnerschaft zum Wohle des Kindes ein.

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Fachberatung stärkt und fördert mit ihrem Angebot die Persönlichkeit der Erzieherin und der Leitung, damit ein qualifizierter Dialog mit den Eltern zum Wohle des Kindes und seiner Weiterentwicklung geführt werden kann. Sie trägt so indirekt zur Stabilität und Sicherheit im partnerschaftlichen Miteinander zwischen den Erziehungsberechtigten des Kindes und dem sozialpädagogischen Personal einer KiTa bei.

■■ Fachberatung motiviert

und begleitet Weiterentwicklung

Nachdem wir die neue Bildungsvereinbarung des Landes NRW, die die beobachtende Wahrnehmung und das Dokumentieren verlangte, in die Praxis integriert hatten, leitete ich mit Unterstützung von Fachberatung die Weiterentwicklung unserer KiTa zum Familienzentrum. Der umfangreiche Zertifizierungsprozess zur Erlangung des Gütesiegels NRW setzte neue Maßstäbe und unter dem Motto: „Familien stärken – Zukunft gestalten“, öffneten wir die Tageseinrichtung für alle Familien unseres Sozialraumes. Die Fachberatung informierte regelmäßig über neuere wissenschaftliche Erkenntnisse im Bereich der frühen Kindheit, holte Experten der Wissenschaft in die Fortbildungsangebote vor Ort und trug dazu bei, Widerstände der Praxis gegenüber neuen bildungspolitischen Vorgaben abzubauen. Diese fachlichen Herausforderungen und beruflichen Entwicklungen verlangten von mir viel Flexibilität und auch ein hohes Maß an Führungsqualifikation. Es mussten immer wieder Entscheidungen getroffen und Lösungen gesucht werden, um mit dem Team der Erzieherinnen die neuen Aufgaben und konzeptionellen Inhalte praxisnah zu erarbeiten. Es erleichtert sehr, wenn vorausplanend eine Fachberaterin den Erfahrungsaustausch mit Leitungskolleginnen initiiert und dabei auch die Besonderheiten der eigenen Einrichtung diskutiert werden können. In diesen monatlichen Konferenzen profitierten außerdem die ruhigen, sich stets zurücknehmenden Kolleginnen von den mutigeren, die ihre Bedenken und Probleme frei kommunizieren konnten.

■■ Wodurch sich Fachberatung auszeichnen sollte Das sozialpädagogische Beratungshandeln erlebte ich nicht als Dienstaufsicht, sondern getragen von vier Grundprinzipien: 1. Freiwilligkeit: Die Freiwilligkeit ist eine Grundvoraussetzung für das Gelingen. Als Ratsuchende muss ich selbst diese Beratung wollen, denn ich muss bereit sein,

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mich zu öffnen und meine Fragen und Unsicherheiten zu formulieren. Nur so entwickeln sich dynamische Lernprozesse und eigene Erkenntnisse und Fähigkeiten können erarbeitet werden. 2. Akzeptanz: Die Erzieherinnen müssen sich von der Fachberaterin verstanden fühlen. Nur so ist gegenseitige Akzeptanz möglich. Fachberatung geschieht immer auf partnerschaftlicher Ebene. Deswegen sollte die Fachberaterin auch keine Aufsichtsfunktion übernehmen. 3. Transparenz: Es muss Klarheit darüber bestehen, wer die Fachberaterin ist, welches Ziel sie verfolgt und mit welchen Methoden sie arbeitet. 4. Partizipation: Im Sinne ganzheitlicher Beratungsprozesse sollte die Fachberaterin großen Wert auf die Mitwirkung der Betroffenen legen. Auch das Lernen im Erwachsenenalter geschieht nicht nur kognitiv, sondern muss als ganzheitlicher Prozess verstanden werden. Die Fachinformationen helfen den Erzieherinnen, sich zu orientieren und sollten anregen, sich selbst Ziele und Orientierungen zu er­ arbeiten.

■■ Zur Wirksamkeit der Fachberatung aus meiner Sicht Fachberatung gibt individuelle, einrichtungsbezogene Impulse: Zur Erfül­ lung unserer fachlichen Aufgaben war es hilfreich, wenn die Fachberatung unsere unterschiedlichen Rahmenbedingungen kannte. Bei ein- bis viergruppigen Kindergärten in ländlicher Umgebung mit homogenen Familienstrukturen als auch bei KiTas, die verstärkt mit Integration und Migration gefordert waren, erkannte ich oft die Überforderung seitens der Fachberaterinnen, uns allen gerecht zu werden. So erlebte ich, dass eine Fachberaterin unseres Jugendamtsbezirkes für mehr als 50 Kindertageseinrichtungen zuständig war. Im sozialpädagogischen Elementarbereich ist aber Individualität gefragt. Wir sprechen vom ressourcenorientierten Humankapital, welches gerade bei uns in Deutschland das wirtschaftliche Überleben garantieren soll. In diesem Spannungsfeld steht die Erzieherin mit den Eltern und den Vorschulkindern. Sie spüren und wissen, welche Bedeutung die frühe Kindheit in der Entwicklung eines Menschen einnimmt. Hier werden die Weichen für das spätere Leben gestellt. Fachliche Beratung und Unterstützung von Seiten der Eltern wird immer wieder angefragt. Sie wollen von der Erzieherin wissen, ob sich ihr Kind altersgemäß entwickelt. Die damit verbundenen individuellen Aufgaben des Beobachtens und Dokumentierens fordern unsere sozialpädagogischen Fachkräfte intensiv heraus. Die fachliche Unterstützung der Beraterin empfand ich bei der Erarbeitung von Beobachtungskriterien als äußerst hilfreich. Sie verstand es sehr gut, aus der Vielzahl der Konzepte mit uns gemeinsam eine Dokumentationsform zu erarbeiten, mit der

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wir unsere Kolleginnen im Team für diese zeitaufwendige Aufgabe gewinnen konnten. Auch Weiterbildungen im Bereich von Integration und Migration wurden regelmäßig von zahlreichen KiTas unseres Jugendamtsbezirkes gewünscht und dann von der Fachberaterin ermöglicht. Sie orientierte so ihre Impulse individuell an unserem Bedarf. Stellten sich Blockaden oder besondere Probleme in der Zusammenarbeit eines KiTa-Teams ein, konnte Teamberatung bei ihr angefragt werden.

Fachberatung entlastet die Leitung Die Leitungsaufgabe beinhaltet große Flexibilität und Kreativität im Umgang mit den bildungspolitischen Zielsetzungen. Hier ist Fingerspitzengefühl gefordert, damit an der Basis optimal gearbeitet werden kann und Überforderungen vermieden werden. Unterstützung durch Fachberatung, die den Transfer praxisnah begleitet, ist mehr denn je erforderlich und stärkt den Leiterinnen den Rücken. Fachberatung trägt so dazu bei, dass Effizienz und Humanität der KiTa-Kultur in guter Balance zueinander stehen und die vorhandenen Fähigkeiten stabilisiert werden. Mit der gemeinsamen Erarbeitung eines Leitbildes für Leiterinnen ist es uns gelungen, auch die individuellen Bedürfnisse nach Anerkennung, Sinn und Selbstverwirklichung in Einklang zu bringen.

Fachberatung sorgt für Zusammenarbeit und Anerkennung Das Ziel einer guten partnerschaftlichen Zusammenarbeit mit den Eltern wird erleichtert, wenn die sozialpädagogischen Fachkräfte respektiert, wertgeschätzt und vor allem bildungspolitisch mitgenommen werden. Hier kann Fachberatung bei den Trägern der Tageseinrichtungen und in Elternseminaren zur Elternmitwirkung gute Impulse im Hinblick auf die Wertschätzung der Erzieherinnen setzen.

Fachberatung greift die Erwartungen der Praxis auf Meine Erwartungen an sozialpädagogische Fachberatung sind vielfältig, entsprechend der unterschiedlichen Sozialräume, in denen Tageseinrichtungen ihr Aufgabenfeld und ihre Vernetzungen haben. Die zahlreichen personalen und strukturellen Bezüge einer Kindertageseinrichtung müssen dabei in der Beratungssituation angemessen berücksichtigt werden. Fachberatung muss daher

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ein offenes Ohr haben für die unterschiedlichen Bedarfe. Auf den monatlichen Leitungskonferenzen oder auch in Telefongesprächen konnte ich meine An­ fragen stellen und Rückmeldungen an Fachberatung geben.

Fachberatung berät Träger in Personalentscheidungen Die Träger der Kindertageseinrichtungen sorgen für ein optimales Gelingen der sozialpädagogischen Arbeit, wenn sie die Personalressourcen positiv nutzen und dabei Fachberatung zulassen. Denn die Stärkung der Erzieherinnen in ihrer Ich-, Sozial- und Sachkompetenz durch Hilfestellung zur Reflexion von Problemlagen, durch Anregung und Kommunikation der Beteiligten und zur Entwicklung von Lösungen ist dann am effektivsten, wenn dies einrichtungsbezogen geschehen kann. Die Trägerkonferenzen auf Jugendamtsebene geben der Fachberatung außerdem die Möglichkeit, wichtige Informationen aus der KiTa-Praxis z. B. bei neuen gesetzlichen Vorgaben an die Träger der Tageseinrichtungen weiterzuleiten. Wenn wir vom partnerschaftlichen Dialog aller Beteiligten sprechen und die Zusammenarbeit im Netzwerk belebt werden soll, hielten wir es auch für wichtig, dass gelegentlich der Leiter des zuständigen Jugendamtes in unsere Leitungskonferenz von der Fachberatung eingeladen wurde.

Fachberatung gibt konzeptionelle und strukturelle Hilfestellungen Im pädagogisch-konzeptionellen Bereich, der von den neuen Zielen und Vorgaben im Laufe meiner Tätigkeit stetig betroffen war und wiederum Veränderungen im organisatorisch-strukturellen Bereich erforderlich machte, erhielt ich Beratung und Unterstützung. Die schrittweise Erarbeitung einer neuen Konzeption musste ich in meiner langjährigen beruflichen Arbeit auch mit Unterstützung der Fachberatung einige Male leisten.

Fachberatung setzt Impulse zur Qualifizierung der sozialpädagogischen Arbeit In Leitungskonferenzen erarbeiteten wir Qualitätsstandards für viele Schwerpunkte unserer täglichen Arbeit, von der Begrüßung bis zur Verabschiedung der Kinder und Eltern, zur Zusammenarbeit mit Eltern, zur Gestaltung der Bildungsarbeit, zur Kooperation mit der Grundschule und auch zur Gestaltung der Schlaf-und Ruhephasen usw. Dieser Austausch mit den Leitungskolleginnen

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stärkte meine berufliche Sicherheit, erweiterte meine Sichtweisen und bereicherte die Praxis. So erhielten wir auch gegenseitige Unterstützung in der Anerkennung unserer Arbeit, denn die Leitungsrolle kann zeitweise eine einsame Aufgabe sein.

Beispiele gelungener Fachberatung Kooperation mit Grundschulen: Bemerkenswert ist sicherlich in unserem Jugendamtsbezirk die frühe und schon jahrelange gute Zusammenarbeit mit den Grundschulen. Dank unserer engagierten Fachberaterin, die wiederum einen guten Kontakt mit der für die Grundschulen zuständigen Schulrätin führte, konnten wir verschiedene Konzepte zur Kooperation dieser beiden Institutionen entwickeln und erarbeiten. Auf regelmäßigen Arbeitskreisen tauschten wir unsere Erfahrungen aus, motivierten uns gegenseitig und machten uns Mut, im Interesse der Schulanfänger auf Regionalkonferenzen mit KiTa-Leiterinnen und Grundschul­ rektoren und Lehrern für einen gelingenden Übergang zu sorgen. Wir nutzten gemeinsame Fortbildungen, um zum Beispiel die Möglichkeiten der Ergotherapie in der Schulvorbereitung zu kennen und zu nutzen. Diese Beispiele veröffentlichten wir in einem Fachbuch und ließen uns dabei auch wissenschaftlich von Psychologen und Pädagogen in die Besonderheit der Gestaltung von Übergangsprozessen, die charakteristisch für jedes menschliche Leben sind, einweisen. So lernten die Fachkräfte der beiden Institutionen kreative, individuelle Brücken zu bauen und neue Wege der Zusammenarbeit zu initiieren. All dies wäre ohne die engagierte Arbeit der Fachberaterin, die hier eindeutig die treibende Kraft war, nicht möglich gewesen. ◆◆ Erarbeitung eines trägerspezifischen Bildungskonzeptes: Der Träger unserer Kindertageseinrichtung ließ sich von der Fachberatung anregen, die Reformbemühungen um die frühe Förderung von Kindern aus dem Jahre 2003 aufzugreifen, um mit uns Leiterinnen ein trägerspezifisches Bildungskonzept zu erarbeiten, das wir 2006 abschließen konnten. Dank der intensiven mehrmonatigen Begleitung durch unsere engagierte Fachberaterin, konnten wir mit dem Bürgermeister und dem Hauptamtsleiter den theoretischen Hintergrund und den Rahmen dafür schaffen, dass die städtischen Kindertageseinrichtungen im wahrsten Sinne des Wortes Spielräume für Bildung sind. Wir lernten uns auf dieser beruflichen Ebene näher kennen und waren erfreut darüber, gemeinsam mit dem Träger die Qualität unserer Arbeit zu beschreiben. Darüber hinaus können sich nun interessierte Eltern anhand der Broschüre über die Ziele, Aufgaben und Schwerpunkte der Bildungsarbeit in den KiTas der Stadt orientieren und informieren. Somit trug Fachberatung auch wirksam zur Öffentlichkeitsarbeit bei. ◆◆ Aufbau und Evaluation der Arbeit in Familienzentren: Das Landesprojekt „Familienzentren Nordrhein-Westfalen“. Die Wirksamkeit von Fachberatung kann ich ◆◆

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Erfahrungen und Erwartungen

am Umwandlungsprozess unserer KiTa in ein Familienzentrum gut beschreiben. Schon im Modellprojekt des Landes NRW 2007 wurden wir über unsere Fachberaterin intensiv auf die neuen Aufgaben und Leistungsbereiche eines Familienzen­ trums hingewiesen. Nachdem sie zwei Einrichtungen unseres Jugendamtsbezirkes zur erfolgreichen Zertifizierung verholfen hatte, profitierten zehn weitere KiTas, darunter auch wir, von ihren Erfahrungen. Mit ihrer vertrauensvollen und motivierenden Art konnten auch wir uns auf die Idee einlassen, Familien eine verlässliche Anlaufstelle für Alltagsfragen in unserem Stadtteil zu bieten. Die schon vorhandenen Angebote vor Ort galt es nun stärker miteinander zu vernetzen. Bei den monatlichen Arbeitskreisen mit der Fachberatung lernten wir eine Sozialraumanalyse zu erstellen, die die Basis unseres eigenen Konzeptes bildete. Zur Förderung von Integration und bei Migration erhielten wir Unterstützung und Weiterbildung. Sie verstand es auch, Hochschullehrer im Rahmen von Fortbildungsangeboten auf unsere besonderen Bedürfnisse in der Praxis aufmerksam zu machen. Im gegenseitigen Austausch erfuhren wir viel über die unterschiedlichen Bedarfe anderer Kindertageseinrichtungen. Damit erhielten wir immer wieder neue Ideen für unseren Angebotskalender und konnten so von den Erfahrungen der anderen Leitungen profitieren. Mit dem Gütesiegel des Landes NRW und der damit verbundenen Erweiterung unserer Kindertageseinrichtung habe ich den Höhepunkt meiner beruflichen Laufbahn erreicht.

■■ Fazit Lebenslanges Lernen ist eine Herausforderung unseres gesellschaftlichen Entwicklungsprozesses. Meine gut 40 jährige berufliche Erfahrung macht deutlich, wie sich die qualitativen Anforderungen an die Vorschulpädagogik von Seiten der Politik, der Träger und der Fachschulen ausgeweitet haben. Als Fachfrau für sozialpädagogische Arbeit muss ich darum die Fähigkeit und Bereitschaft zur konstruktiven Zusammenarbeit mitbringen. Dabei auf die Unterstützung von Fachberatung mit kompetenter Außen- und Innensicht zurückzugreifen, gehört für mich zum Erfolgskonzept und zur Qualitätssicherung meines beruflichen Handelns. Fachberatung erweist sich immer dann als besonders wirksam, wenn sie strukturiert und systematisch vorgeht und über eine gute Fähigkeit zur Kommunikation verfügt. Es genügt nicht, nur die neuesten bildungspolitischen Vorgaben weiterzugeben. Fachberatung muss über Kompetenzen und Strategien verfügen, die die Person der Leiterin und Erzieherin mit ihrer Selbsterfahrung vor allem bei innovativen Arbeitsprozessen berücksichtigt und mit einschließt. Besonders effektiv ist dieser Lernprozess, wenn persönliche Lebensziele und berufliche Aufgaben in Beziehung zueinanderstehen. Wer sich im Privaten

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Gisela Buschmeier

blockiert, wird auch in der beruflichen Auseinandersetzung die Arbeitszufriedenheit nicht erlangen. Außerdem sehe ich für eine Optimierung der vorschulischen Bildung, an der Fachberatung mit ihrem differenzierten Praxisbezug immer beteiligt ist, Verbesserungsmöglichkeiten in einer stärkeren Vernetzung von Politik, Theorie und Praxis. Für die Zukunft wünsche ich mir daher eine Erfolgskontrolle der bildungspolitischen Vorgaben, an der alle drei Ebenen beteiligt sind. So könnte lebenslanges Lernen entsprechend der Systemtheorie zur Maxime aller Betei­ ligten werden.

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