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German Pages [173] Year 2017
Monika Wertfein / Andreas Wildgruber / Claudia Wirts / Fabienne Becker-Stoll (Hg.)
Interaktionen in Kindertageseinrichtungen
V
Monika Wertfein/Andreas Wildgruber/Claudia Wirts/ Fabienne Becker-Stoll (Hg.)
Interaktionen in Kindertageseinrichtungen Theorie und Praxis im interdisziplinären Dialog
Vandenhoeck & Ruprecht
Mit 19 Abbildungen und 6 Tabellen Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. ISBN 978-3-666-70225-9 Weitere Ausgaben und Online-Angebote sind erhältlich unter: www.v-r.de Umschlagabbildung: © Evgeny Bakharev – Shutterstock © 2017, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Theaterstraße 13, D-37073 Göttingen / Vandenhoeck & Ruprecht LLC, Bristol, CT, U.S.A. www.v-r.de Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Satz: SchwabScantechnik, Göttingen
Inhalt Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 I. I.1 I.2 I.3 I.4 I.5
I.6
Unterschiedliche Blickwinkel auf Interaktionen in der Kindertagesbetreuung Bedeutung der elterlichen Feinfühligkeit für die kindliche Entwicklung (Fabienne Becker-Stoll) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 Beobachtung und Weiterentwicklung der Fachkraft-KindInteraktionen in der Frühpädagogik (Robert C. Pianta) . . . . . . . . . . . 22 Wirksame Lernunterstützung in der frühkindlichen Bildung und Betreuung (Kathy Sylva*) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 Interaktionsqualität und frühes Lernen im (mathematischen) Spiel (Bernhard Hauser) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 Unterstützung kindlicher Kompetenzentwicklung und ihre Bedingungen in Kindertageseinrichtungen (Claudia Wirts, Monika Wertfein und Andreas Wildgruber ) . . . . . . 59 Frühpädagogik im Spannungsfeld zwischen Rahmenbedingungen, Professionalisierungsanspruch und Alltagswirklichkeit (Iris Nentwig-Gesemann) . . . . . . . . . . . . . . . . 73
II. Interaktion – Von der Wissenschaft zu guter Praxis II.1 Kommunikation mit Eltern (Christa Kieferle) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 II.2 Die Bedeutsamkeit guter Arbeitsbedingungen in Kindertages einrichtungen (Inge Schreyer und Martin Krause) . . . . . . . . . . . . . . . . 107 II.3 Schulkindbetreuung bzw. Hort und Grundschule im Dialog (Andreas Wildgruber) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 II.4 Interaktion im Kita-Team: Warum sie gelingen sollte und wie sie gelingen kann (Sigrid Lorenz und Elisabeth Minzl) . . . . . . . . 138 II.5 Peer-Interaktionen in den ersten Lebensjahren (Monika Wertfein und Eva Reichert-Garschhammer) . . . . . . . . . . . . . 153 Ausblick: Interaktionsqualität unterstützen – Pädagogische Qualität weiterentwickeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 Verzeichnis der Autorinnen und Autoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 * Co-Autorenteam: Grace Murkett, Edward Melhuish, Pam Sammons, Iram Siraj and Brenda Taggart (University of Oxford).
Einführung
Kindertageseinrichtungen haben positive und nachhaltige Auswirkungen auf die kindliche Entwicklung, wenn sie qualitativ hochwertig arbeiten. Entscheidend für gute Lern- und Entwicklungsfortschritte der Kinder sind die konkreten Interaktionen im Kita-Alltag. Prüfstein ist hier immer die Anknüpfung an die Bedürfnisse, Kompetenzen und Interessen der Kinder. Gelingende Interaktionen und damit eine gute pädagogische Qualität in Kindertageseinrichtungen sind möglich und vielerorts zu beobachten. Allerdings kann es von Kita zu Kita auch große qualitative Unterschiede geben, sodass Qualitätsstudien insgesamt nur von mittelmäßiger Qualität in Kitas berichten (z. B. Tietze et al., 2013; Anders et al., 2012; Mashburn et al., 20081). Damit die Fachkräfte hier künftig noch effektiver unterstützt werden können, müssen wir der Frage genauer nachgehen, welche Aspekte für eine gute Prozess qualität entscheidend sind. Dieses Buch soll daher dazu beitragen, gelingende Interaktionen zu beschreiben, sichtbar zu machen und zu unterstützen. Es befasst sich mit drei zentralen Fragen: Warum sind gelingende Interaktionen in Kitas so wichtig? Was macht gute Interaktion im Kita-Alltag aus? Was sind wichtige Rahmenbedingungen? Wie lässt sich die Qualität der Interaktionen in Kindertageseinrichtungen weiterentwickeln? Die Autorinnen und Autoren gehen der Frage nach, wie Fachkräfte in Kitas durch positive Interaktionen den emotionalen sowie kognitiven Bedürfnissen von Kindern im Kita-Alltag möglichst gerecht werden können und welche effektiven Unterstützungsmöglichkeiten sich davon ableiten lassen. Ausgangspunkte sind einerseits einschlägige Beobachtungsstudien zur Interaktionsqualität und Lernunterstützung in Kindertageseinrichtungen, andererseits Studien und konkrete Praxiserfahrungen, die sich mit den Rahmenbedingungen guter pädagogischer Praxis auseinandersetzen. Im Fokus stehen nicht nur Kindergärten, sondern auch Kinderkrippen, altersgemischte Einrichtungen sowie Einrichtungen, die Schulkinder betreuen. Neben den Interaktionen zwischen Fachkräften und Kindern wird die Bedeutung der Kommunikation mit den Eltern, innerhalb des Teams sowie unter den Kindern betrachtet. 1
siehe Literatur in Kapitel I.5 in diesem Band.
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Einführung
Im ersten Teil des Buches werden die Interaktionen in der Kindertages betreuung aus verschiedenen fachlichen Blickwinkeln betrachtet. Zunächst legt Fabienne Becker-Stoll eine entwicklungspsychologische Grundlage für ein kindorientiertes pädagogisches Handeln, indem sie die Bedeutung früher Interaktionserfahrungen in der Familie für die kindliche Entwicklung erläutert. Der Beitrag von Robert C. Pianta gibt Einblick in Methoden der Unterrichtsforschung und einschlägige Ergebnisse von Beobachtungs- und Interventionsstudien zur Weiterentwicklung der Fachkraft-Kind-Interaktionen in Kindertageseinrichtungen. Kathy Sylva geht auf einschlägige Forschungsergebnisse der EPPE-Studie in England ein und betrachtet im Längsschnitt die Auswirkungen der Vorschulerfahrungen und des familiären Hintergrunds auf die Entwicklung intellektueller und sozialer Kompetenzen von Kindern. Der Beitrag von Bernhard Hauser diskutiert die Gelingensbedingungen von Fachkraft-Kind-Interaktionen am Beispiel des mathematischen Spiels und stellt didaktische Aspekte der Spielsituation und den Einfluss früher elterlicher Leistungserwartungen auf die Lernmotivation von Kindern in den Mittelpunkt. Die von Claudia Wirts, Monika Wertfein und Andreas Wildgruber vorgestellten Ergebnisse der BIKE-Studie fokussieren auf effektive Strategien in Fachkraft-Kind-Interaktionen und geben konkrete Anregungen für deren Umsetzung im Kita-Alltag. Iris Nentwig-Gesemann rundet den ersten Buchteil ab, indem sie das Spannungsfeld zwischen handlungsleitenden Orientierungen, Professionalisierungsansprüchen und den strukturellen Rahmenbedingungen für pädagogische Fachkräfte und Leitungen in deutschen Kindertageseinrichtungen analysiert und Ansatzpunkte für eine nachhaltige Qualitätsentwicklung im Sinne »eines kompetenten Systems« herausarbeitet. Der zweite Teil des Buches steht unter der Überschrift »Interaktion – Von der Wissenschaft zu guter Praxis«. Die Beiträge von Christa Kieferle, Inge Schreyer und Martin Krause, Andreas Wildgruber, Sigrid Lorenz und Elisabeth Minzl sowie Monika Wertfein und Eva Reichert-Garschhammer erweitern und vertiefen den Blick auf gelingende Interaktionspraxis um die Aspekte Kommunikation mit Eltern, Arbeitszufriedenheit von Kita-Fachkräften, Kooperation in der Schulkindbetreuung, Interaktionsqualität innerhalb der Teams und Bedeutung von Peer-Interaktionen. Wir als Herausgeberteam bedanken uns herzlich bei allen Autorinnen und Autoren für die wertvollen Beiträge zu diesem Band. München, im November 2016 Monika Wertfein, Andreas Wildgruber, Claudia Wirts, Fabienne Becker-Stoll
I. Unterschiedliche Blickwinkel auf Interaktionen in der Kindertagesbetreuung
I.1 Bedeutung der elterlichen Feinfühligkeit für die kindliche Entwicklung Fabienne Becker-Stoll
Schlüsselwörter: Feinfühligkeit, Eltern, frühe Bindungserfahrungen, Stressregulation
Wird ein Kind geboren, hängt sein Leben und Überleben ganz und gar von den Personen ab, die dieses Kind versorgen und pflegen – meist sind es seine Eltern. Gleichzeitig ist das nicht alleine überlebensfähige Neugeborene aufgrund seiner physiologischen Unreife noch extrem anpassungsfähig. Ganz gleich, ob das Kind hier in Deutschland in eine Akademikerfamilie oder in Botswana in eine Nomadenfamilie der bush people hineingeboren wird, es ist phylogenetisch so ausgestattet, dass es sich an die unterschiedlichsten Umwelten anpassen kann. Die wichtigsten Kompetenzen, um in der gegebenen Umwelt zurechtzukommen, wird es von und mit seinen Eltern erlernen. Die Erfahrungen, die das Kind von Geburt an und in den ersten Lebensjahren vor allem in der Interaktion mit seinen Eltern und mit anderen wichtigen Bezugspersonen machen wird, werden sein Gehirn formen und die Weichen für seine weitere Entwicklung stellen. Im folgenden Beitrag wird erklärt, wie sich die Interaktionserfahrungen, die ein Kleinkind mit seinen wichtigsten Bezugspersonen macht, auf verschiedene Bereiche seiner Entwicklung auswirken. Für pädagogische Fachkräfte ist dieses Wissen wichtig, weil es ihnen hilft, die Kinder, mit denen sie zusammenarbeiten, besser zu verstehen und gleichzeitig die Bedeutung ihres Interaktionsverhaltens gegenüber den Kindern zu erkennen und bewusst auf die Bedürfnisse der Kinder auszurichten.
Durch die Interaktionen zwischen Eltern und Kind werden die Grundbedürfnisse des Kindes befriedigt Seit den Untersuchungen von René Spitz (1945) zum Hospitalismus wissen wir, dass die Befriedigung der physischen Grundbedürfnisse (Hunger, Durst,
Bedeutung der elterlichen Feinfühligkeit für die kindliche Entwicklung
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körperliche Hygiene, Schutz vor Kälte oder Hitze) nicht ausreicht, um eine gesunde Entwicklung von Kindern zu gewährleisten. Vielmehr ist eine angemessene Befriedigung der psychischen Grundbedürfnisse die Voraussetzung für eine gesunde Entwicklung. Neugeborene, Säuglinge und Kleinkinder sind ganz auf die Befriedigung der Grundbedürfnisse durch ihre soziale Umwelt angewiesen. Nach den beiden amerikanischen Motivationsforschern Deci und Ryan (1995) unterscheiden wir dabei die drei psychischen Grundbedürfnisse Bindung, Kompetenz und Autonomie. Werden diese Grundbedürfnisse in der Interaktion mit den primären Bezugspersonen ausreichend befriedigt, kann das Kind sich aktiv mit seiner Umwelt auseinandersetzen und die alterstypischen Entwicklungsaufgaben gut bewältigen. Das Grundbedürfnis nach Bindung steht für das Bedürfnis enge zwischenmenschliche Beziehungen einzugehen, sich sicher gebunden zu fühlen und sich als liebesfähig und liebenswert zu erleben. Dem Grundbedürfnis nach Kompetenz liegt der Wunsch nach einer effektiven Interaktion mit der Umwelt zugrunde, durch die positive Ergebnisse erzielt und negative verhindert werden können. Autonomie steht für das Grundbedürfnis nach freier Bestimmung des eigenen Handelns und selbstbestimmter Interaktion mit der Umwelt (Deci & Ryan, 1992). Der Mensch hat die angeborene motivationale Tendenz, sich mit anderen Personen in einer sozialen Umwelt verbunden zu fühlen, in dieser Umwelt effektiv zu wirken und sich dabei persönlich als autonom und initiativ zu erfahren. In den ersten Lebensjahren sind Kinder darauf angewiesen, dass auch ihre psychischen Grundbedürfnisse von ihrer unmittelbaren sozialen Umwelt befriedigt werden. Das Grundbedürfnis nach Bindung wird zunächst von den Eltern beantwortet. Hierbei sind wiederum die drei Aspekte elterliches Engagement, Struktur und Unterstützung von Autonomie grundlegend. Elterliches Engagement steht für eine Beziehung zum Kind, die von Freude und Interesse am Kind geprägt ist, in welcher Gefühle offen ausgedrückt werden können und die Bezugsperson emotional und zeitlich verfügbar ist. Struktur wiederum ist notwendig, um die Kompetenz eines Kindes zu fördern, sie umfasst an den Entwicklungsstand angepasste Herausforderungen, aber auch Hilfestellung beim Erwerb von neuen Strategien (Skinner & Wellborn, 1991). Autonomie unterstützendes Verhalten beinhaltet die Gewährung von Freiheit und Wahlmöglichkeiten bei einem Minimum an Regeln, sodass eigene Ziele erkannt und verfolgt werden können. Autonomie wird auch als Entwicklungsschritt verstanden, als Übergang zu selbst-reguliertem Verhalten (Deci & Ryan, 1995), welcher jedoch nicht unabhängig von der Umwelt geschehen kann und somit sehr beeinflussbar ist (Ryan, Kuhl & Deci, 1997). Die Unterstützung von Autonomie ist demnach ein wichtiger Punkt im Verhalten von Bezugspersonen (Ryan, Deci & Grolnick, 1995).
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Unterschiedliche Blickwinkel auf Interaktionen in der Kindertagesbetreuung
Folgt man der Bindungstheorie, ist für die genannten Prozesse zunächst der Aufbau einer sicheren Eltern-Kind-Bindung in der frühen Kindheit die Grundvoraussetzung, um im weiteren Entwicklungsverlauf Kompetenz- und Autonomiebestrebungen optimal beantworten und fördern zu können.
Über das Grundbedürfnis nach Bindung entsteht die Eltern-Kind-Beziehung Zu Lebensbeginn entsteht zwischen Kind und seiner primären Bezugsperson (meist die Mutter) eine enge Beziehung, deren Ziel es ist, die Nähe zwischen beiden aufrechtzuerhalten, um damit dem Kind möglichst hohen Schutz zu geben. Kinder verfügen von Geburt an über ein Verhaltenssystem, das es ihnen ermöglicht, Bindungsverhalten gegenüber einer oder einigen wenigen Personen zu zeigen (Bowlby, 1988/2008). Dabei ist das Kind aktiv und hat die Initiative bei der Bildung von Bindung. Es bindet sich nicht nur an die Mutterperson, die es füttert und seine leiblichen Bedürfnisse befriedigt, sondern auch an andere Personen, die mit ihm spielen und interagieren (Ainsworth, 1964/2003), also z. B. auch an die Tagesmutter oder die Erzieherin in der Krippe. In den ersten Lebensmonaten zeigen Säuglinge einfach strukturierte Verhaltensmuster wie Weinen, Nähe-Suchen und Anklammern. Im Laufe des ersten Lebensjahres wird dieses Bindungsverhalten zunehmend komplexer. Das dem Bindungsverhalten zugrunde liegende Bindungssystem wird durch Fremdheit, Unwohlsein oder Angst ausgelöst. Die Erregung wird durch Wahrnehmung der Bindungsperson, besonders durch Nähe und liebevollen Körperkontakt zu ihr und Interaktion mit ihr, beendet (Grossmann & Grossmann, 2012). Die meisten Kinder entwickeln in den ersten neun Lebensmonaten Bindungen gegenüber Personen, die sich dauerhaft um sie kümmern. Auch wenn ein Kind zu mehreren Personen Bindungsbeziehungen entwickelt, so sind diese eindeutig hierarchisch geordnet, d. h. das Kind bevorzugt eine Bindungsperson vor den anderen. Hat es eine Bindung zu einer bestimmten Person aufgebaut, so kann diese nicht ausgetauscht werden. Längere Trennungen oder gar der Verlust dieser Bindungsfigur führen zu schweren Trauerreaktionen. Neben dem Bindungsverhaltenssystem gibt es nach Bowlby (1987/2003) ein komplementäres Explorationsverhaltenssystem, das die Grundlage für die Erkundung der Umwelt bietet. Mit beiden Verhaltenssystemen ist das Kind von Geburt an ausgestattet; beide Verhaltenssysteme werden durch Mangel aktiviert und durch Sättigung beruhigt. Hat das Baby zu einer Person eine Bindung aufgebaut, so kann es von dieser aus seine Umwelt erkunden und Explorationsverhalten zei-
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gen. Kommt das Kind dann bei seinen Erkundungsversuchen in eine Überforderungssituation (Erschrecken, Angst, Müdigkeit, Schmerz, Hunger, Unwohlsein), wird sein Bindungsverhalten aktiviert, und es wird zur »sicheren Basis« der Bindungsperson zurückkehren.
Elterliche Feinfühligkeit bestimmt die Qualität der Eltern-Kind-Interaktion Dem kindlichen Explorations- und Bindungsverhaltenssystem steht das elterliche Pflegeverhaltenssystem gegenüber. Es stattet Eltern mit der Fähigkeit und Bereitschaft aus, auf die Signale und Bedürfnisse des Kindes zu reagieren, es zu beschützen und zu versorgen und unterstützt auch die Bindungsentwicklung der Eltern zu ihrem Kind. Durch seine Bindungssignale sorgt das Kind für die Aufrechterhaltung der elterlichen (meist mütterlichen) Zuwendung, die wiederum für das Überleben des Säuglings notwendig ist (Grossmann & Grossmann, 2012). Wie Eltern auf die Bindungs- und Explorationsbedürfnisse ihres Kindes reagieren, ist sehr unterschiedlich und hängt weitgehend mit ihren eigenen Kindheitserfahrungen zusammen. Mary Ainsworth hat dieses mütterliche Antwortverhalten als »Feinfühligkeit« beschrieben (Ainsworth, 1978/2003). Feinfühligkeit von Bindungspersonen gegenüber den Signalen des Kindes bedeutet, sich in die Lage des Kindes versetzen zu können und es als eigenständige Person mit eigenen Bedürfnissen und Absichten anzuerkennen. Feinfühliges Verhalten gegenüber einem Kleinkind ist die Voraussetzung für den Aufbau einer emotional vertrauensvollen und tragfähigen Beziehung und beinhaltet, die Signale des Kindes wahrzunehmen, richtig zu interpretieren und prompt sowie angemessen darauf zu reagieren. Neuere Untersuchungen zur Rolle des Vaters und zur väterlichen Feinfühligkeit legen nahe, dass diese für eine sichere Exploration des Kindes ebenso bedeutsam sind wie die mütterliche Feinfühligkeit für eine sichere Bindungsorganisation (Kindler & Grossmann, 2004). Das Konzept der »feinfühligen Herausforderung im Spiel« geht davon aus, dass der erwachsene Spielpartner in seiner Interaktion mit dem Kind nicht nur feinfühlig auf die Bindungsbedürfnisse des Kindes eingeht, sondern ebenso die Neugier, die Exploration und die Aktivität des Kindes unterstützt und anregt. Untersuchungen (vgl. Kindler & Grossmann, 2004) zeigen, dass feinfühlige Unterstützung kindlicher Exploration der Bereich ist, von dem aus sich väterliche Einflüsse auf zentrale Aspekte der sozial-emotionalen und Bindungsentwicklung über Zeiträume bis zum 22. Lebensjahr entfalten.
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Die Bedeutung der Eltern-Kind-Interaktion für die Emotionsregulation und Stressbewältigung Je nachdem, wie feinfühlig Eltern auf die emotionalen Signale des Säuglings reagieren, gelingt es ihnen besser oder schlechter, das Kind zu beruhigen. Es sind diese tausendfach wiederholten Erfahrungen, die die Fähigkeit des Kindes, mit Stress umzugehen, nachhaltig beeinflussen werden. Das Stressreaktionssystem ist eng mit dem elterlichen Fürsorge- und dem kindlichen Bindungsverhaltenssystem verknüpft. Eine der Fürsorgefunktionen besteht darin, den Säugling bei der Regulation von basalen physiologischen und emotionalen Reaktionen und dem Aufbau zunehmend komplexer Verhaltensantworten auf emotionale Belastung zu unterstützen. Auf diese Weise beeinflusst das Fürsorgeverhalten der Eltern die Entwicklung eines ausbalancierten Stressreaktionssystems, einer effektiven Emotionsregulation und einer zielkorrigierten Selbststeuerung (Zimmermann, 2000). Kinder, die die Nähe einer Bezugsperson bei emotionaler Belastung suchen, bei ihr Trost und Beruhigung erfahren und sich dann wieder der Exploration der Umgebung zuwenden, haben zu der Bezugsperson eine sichere Bindung aufgebaut. Kinder mit unsicher-vermeidender Bindung an einen Elternteil, vermeiden den Ausdruck negativer Belastung gegenüber den Bezugspersonen und wenden sich stärker der Exploration zu. Sie wirken z. B. nach kurzen Trennungen nach außen hin wenig emotional (und somit vermeintlich unbelastet), sind jedoch, wie man auf physiologischer Ebene feststellen kann, durchaus belastet. Kinder mit unsicher-ambivalenter Bindung an einen Elternteil zeigen einerseits Verhalten, das die Nähe zum Elternteil etabliert oder aufrechterhält, gleichzeitig jedoch Kontaktwiderstand oder weinerliche Passivität. Sie beruhigen sich nur sehr langsam und explorieren nicht mehr. Diese beiden Gruppen von Kindern mit unsicherer Bindung finden beim Elternteil keine ausreichende emotionale Sicherheit. Den Eltern gelingt es nicht, die negativen Emotionen der Kinder zu regulieren (Zimmermann, 2001). Beispiele aus der frühpädagogischen Praxis zeigen, dass Kleinkinder, die keine sicheren Bindungsbeziehungen zu ihren Eltern aufbauen konnten, von feinfühliger Zuwendung durch ihre Bezugserzieherinnen/ihren Bezugserzieher profitieren und in der Interaktion mit ihnen nach und nach lernen, dass sie bei Belastung Trost erfahren. Eine vertrauensvolle Beziehung zur Fachkraft kann Kindern somit helfen, zu einer guten Emotionsregulation zu kommen. Je jünger Kinder sind, desto stärker verändern die täglich wiederkehrenden Interaktionserfahrungen mit ihren primären Bezugspersonen die unbewusste Bindungsorganisation und damit auch das emotionale Erleben und Verhalten der Kinder. Allerdings fordern diese Kinder durch ihre geringere emotionale Regu-
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lationsfähigkeit die Fachkräfte besonders heraus. Darum ist das Wissen über Bindungsentwicklung und über die Auswirkungen von feinfühligem Verhalten gegenüber Kindern für Fachkräfte von besonderer Bedeutung. Die Entwicklung der Emotionsregulation von der Kindheit bis zum Jugend alter lässt sich als Entwicklung von überwiegend externer hin zu überwiegend interner Regulation beschreiben. Jedoch wird die externe Emotionsregulation nicht gänzlich durch interne Selbstregulationsstrategien abgelöst. Vielmehr verschiebt sich im Laufe der Entwicklung mehr und mehr der Schwerpunkt in Richtung Selbstregulation. Schon früh unterscheiden sich Kinder im Hinblick darauf, ob sie eher zu individueller oder sozialer Emotionsregulation tendieren, und wie flexibel sie über verschiedene Regulationsstrategien verfügen können (Spangler, 2001). Grundlegende Strategien der Emotionsregulation und die damit verbundenen Muster des emotionalen Ausdrucks werden als Bindungsverhaltensstrategien in der frühen Bindungsbeziehung zu den Eltern erlernt und im Laufe der weiteren Entwicklung auf neue Beziehungen und Situationen übertragen. Den frühen Interaktionserfahrungen kommt demzufolge eine besondere Bedeutung für die Emotionsregulation und die Stressbewältigung zu (Zimmermann et al., 2001). Wie sich die Erfahrungen feinfühliger Zuwendung durch die Eltern und sicherer Bindungsbeziehungen auf die weitere Entwicklung des Kindes bis ins junge Erwachsenenalter hinein auswirken, zeigte sich in mehreren internationalen Längsschnittstudien (vgl. Grossmann, Grossmann & Kindler, 2005; Sroufe et al., 2005), aus denen im Folgenden einige Ergebnisse dargestellt werden.
Auswirkung feinfühliger Interaktions- und sicherer Bindungserfahrungen auf die weitere Entwicklung des Kindes Bereits am Ende des ersten Lebensjahres zeichnen sich sicher gebundene Kinder durch subtilere und vielfältige Kommunikationsfähigkeiten aus (Ainsworth & Bell, 1974, vgl. Grossmann & Grossmann, 1991). Im Alter von zwei Jahren sind diese Kinder in Problemlösesituationen eher in der Lage, auf soziale Ressourcen, z. B. die Unterstützung durch die Mutter, zurückzugreifen (Matas, Arend & Sroufe, 1978; Schieche, 1996). Im Kindergarten wurde bei sicher gebundenen Kindern weniger aggressives bzw. feindseliges Verhalten gegenüber anderen Kindern und weniger emotionale Isolation und Abhängigkeit von den Erzieherinnen beobachtet. Sicher gebundene Kinder zeigten mehr Kompetenz im Umgang mit anderen Kindern und eine positivere Wahrnehmung von sozialen Konfliktsituationen und waren sehr viel konzentrierter beim Spiel
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(Sroufe, 1983; Suess, Grossmann, & Sroufe, 1992). Schon in der frühen Kindheit zeigen sich demnach bei Kindern mit sicherer Mutterbindung höhere soziale Kompetenzen als bei Kindern mit unsicherer Mutterbindung. Sicher gebundene Kinder verfügen weiterhin in unterschiedlichen Altersstufen über eine höhere Ich-Flexibilität, d. h. die Fähigkeit, Gefühle und Impulse situationsangemessen zu regulieren. Das bedeutet, dass sie eher in der Lage sind, die Kontrolle und Modulation von Impulsen, Bedürfnissen und Gefühlen dynamisch an situative Erfordernisse anzupassen, als Kinder, die auf eine unsichere Bindungsstrategie zurückgreifen müssen. Kinder mit einer hohen Ich-Flexibilität können sich z. B. in einer Gruppensituation zurücknehmen und warten, bis sie an der Reihe sind; sie können mit Niederlagen umgehen und sind bei Konflikten mit anderen Kindern in der Lage, einen Kompromiss zu finden. Auch im späteren Schul- bzw. Jugendalter zeichnen sich sicher gebundene Kinder durch eine positive soziale Wahrnehmung, hohe soziale Kompetenz, beziehungsorientiertes Verhalten, bessere Freundschaftsbeziehungen mit Gleichaltrigen und Vertrauens- oder Liebesbeziehungen aus (Zimmermann et al., 2000). Zusammengenommen lassen die genannten Ergebnisse darauf schließen, dass eine sichere Bindungsorganisation in der Herkunftsfamilie auch Vorteile in anderen Kontexten bietet, im Sinne einer gelungenen Anpassung. Für pädagogische Fachkräfte sind die Ergebnisse aus der Bindungsforschung interessant, die die Emotionsregulation und das Verhalten von Kindern im Kindergarten beleuchten. In der von Suess und Kollegen (1992) durchgeführten Längsschnittstudie zeigte sich, dass Kinder, die zu ihren beiden Eltern eine sichere Bindung aufgebaut hatten, im Kindergarten die höchste soziale Kompetenz, aber auch Selbstständigkeit im Problemlösen aufwiesen. Diese Kinder konnten sowohl gut alleine oder mit anderen Spielen, sich dabei besser konzentrieren, und vor allem Konflikte mit Gleichaltrigen selbstständig lösen. Sie nahmen aber auch soziale Situationen positiver wahr, als Kinder die nur zu einem Elternteil oder gar keine sichere Bindung aufwiesen. Diese Ergebnisse aus der Bindungsforschung sind wichtig, weil sie erstens zeigen, dass sichere Bindungen zu den Eltern das Verhalten und das emotionale Erleben von Kindern auch in sozialen Kontexten ohne die Eltern beeinflussen, und zweitens auch deutlich machen, dass sichere Bindungserfahrungen nicht – wie lange Zeit angenommen – zu emotionaler Abhängigkeit, sondern im Gegenteil zu größerer Selbstständigkeit und Kompetenz führen.
Bedeutung der elterlichen Feinfühligkeit für die kindliche Entwicklung
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Feinfühliges elterliches Interaktionsverhalten beeinflusst die Stressregulation der Kinder und kann durch Intervention verbessert werden Kinder fordern die Feinfühligkeit ihrer Eltern in unterschiedlicher Weise heraus: Schon Neugeborene unterscheiden sich deutlich in ihrer Fähigkeit, sich zu orientieren und zu regulieren. Während manche Babys schnell herausfinden, wie sie saugen müssen, um Nahrung aufzunehmen, brauchen andere viel Unterstützung und Anleitung, bis es mit dem Stillen klappt. Einige Neugeborene lassen sich auch durch unangenehme Reize und laute Geräusche nicht aus der Ruhe bringen, während andere dadurch in großen Stress geraten und sich nur durch ausgiebiges Trösten und Besänftigen wieder beruhigen lassen. Für diese offensichtlichen Temperamentsunterschiede gibt es eine Vielzahl an zusammenwirkenden Erklärungen, die sowohl in der Veranlagung des Kindes als auch im Verlauf der Schwangerschaft und Geburt liegen können (vgl. Grossmann et al., 1985; Spangler & Zimmermann, 2014). Diese unterschiedlichen Verhaltensdispositionen wirken sich auch auf die Bindungsentwicklung aus. Gelingt es Müttern allerdings, auch bei einem schwierigen Temperament des Kindes eine feinfühlige Interaktion über das erste Lebensjahr aufrechtzuerhalten, so unterscheiden sich diese irritierbaren Kinder am Ende des ersten Lebensjahres in ihrer Emotionsregulationsfähigkeit nicht mehr von Kindern, die bei Geburt ein ruhiges Temperament aufwiesen. Die mütterliche Feinfühligkeit wirkt hier wie ein Schutz oder Puffer für das irritierbare Kind (Spangler, 2001). Gelingt es Eltern nicht ihre Feinfühligkeit gegenüber Kindern, die schon als Neugeborene leicht irritierbar und wenig orientierungsfähig waren, aufrechtzuerhalten, dann entwickeln diese eher unsichere Bindungen an ihre Eltern. In einer bemerkenswerten Interventionsstudie konnte Dymphna van den Boom nachweisen, dass Mütter von sehr irritierbaren Kindern, die eine Unterstützung in Form eines Feinfühligkeitstrainings erhalten, langfristig nicht nur ihre Feinfühligkeit verbessern, sondern dass auch deren Kinder häufiger eine sichere Bindung an sie entwickeln, als die irritierbaren Kinder, deren Mütter keine solche Intervention erhalten hatten (Van den Boom, 1994). Besonders beeindruckend ist diese Interventionsstudie nicht nur, weil sie ein methodisch sehr sauberes längsschnittliches Kontrollgruppendesign aufweist, sondern auch, weil die Intervention lediglich aus drei Hausbesuchen zwischen dem sechsten und neunten Lebensmonat des Kindes bestand, die nur wenige Stunden dauerten. Noch bemerkenswerter ist, dass die Effekte dieser Intervention sowohl im Verhalten des Kindes als auch in dem der Mutter auch noch vier Jahre nach den Hausbesuchen nachweisbar waren (Van den Boom, 1998).
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Für Eltern in multiplen Problemlagen wurde das bindungsbasierte Interventionsprogramm STEEP (Steps Towards Enjoyable and Effective Parenting) entwickelt, das in der Schwangerschaft beginnt und in dem die Eltern von professionellen Personen zwei Jahre begleitet werden. STEEP ist ein komplexes Frühinterventionsprogramm, das auf unterschiedlichen Ebenen ansetzt und die Eltern-Kind-Beziehung und Interaktion im Fokus hat. Auf der Verhaltensebene wird der Umgang von Eltern mit dem Kind auf Video aufgenommen. Über das gemeinsame Betrachten mit den betroffenen Eltern wird die Interaktion zum Gegenstand der Intervention. Auf der Repräsentationsebene werden die Vorstellungen der Eltern, die meist aus ihrer eigenen Kindheit stammen und die Beziehung zu ihren Kindern steuern, in ihrer Auswirkung auf den konkreten Umgang mit dem Kind aufgespürt und Thema der Intervention. STEEP erwies sich bei jungen hochbelasteten Müttern als wirksame Intervention sowohl in amerikanischen Studien als auch in einer aktuellen Untersuchung in Deutschland. Im Vergleich zu einer Kontrollgruppe entwickelten signifikant mehr Kinder aus der STEEP-Intervention (71 %) im Einjahresalter eine sichere Bindung zu ihren Müttern. Bei Beendigung, im Zweijahresalter der Kinder, erwies sich die STEEP-Intervention als wirksam in der Vermeidung von Bindungsdesorganisation (Suess et al., 2016). Die Feinfühligkeit zwischen Eltern und ihren Kindern steht von Beginn an im Zusammenhang mit den Interaktionserfahrungen, die Eltern in ihrer eigenen Kindheit gemacht haben und damit, wie sich diese Erfahrungen in ihren jeweiligen unbewussten inneren Repräsentationen von Bindung niederschlagen. Gleichzeitig spielt die aktuelle Situation der Eltern auch eine entscheidende Rolle. Eltern, die unter einer Vielzahl von Belastungen leiden und nur über wenig Ressourcen verfügen, werden auch Mühe haben, den Bedürfnissen eines ausgeglichenen Säuglings zu begegnen, und brauchen entsprechend niederschwellige Unterstützungsangebote, die nachweislich wirken, und ihnen helfen, zu ihrer Feinfühligkeit und Elternkompetenz zurückzufinden oder diese auszubauen. Betrachtet man die vielfältigen Auswirkungen früher Interaktionserfahrungen auf die biophysiologische Regulation, auf die Gehirnentwicklung und allgemein auf die Kompetenzentwicklung bis ins Erwachsenenalter hinein, wird die Bedeutung früher Hilfen für gelingende und feinfühlige Interaktionen zwischen Eltern und Kleinkindern noch deutlicher. Darüber hinaus zeigt die längsschnittliche Bindungsforschung, dass frühe Erfahrungen von Feinfühligkeit und sicherer Bindung über die unbewussten inneren Arbeitsmodelle von Bindung mit dem Interaktionsverhalten an die Kinder und damit von einer Generation auf die nächste weitergegeben werden (vgl. Grossmann, Grossmann & Kindler, 2005). Bindungsbasierte Erziehungsberatung und Familienbildung können
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dazu beitragen, dass negative Interaktionserfahrungen – meist unbewusst und unwillentlich – nicht mehr von einer Generation an die andere weitergegeben werden (vgl. Scheuerer-Englisch, 2012). Inzwischen gibt es verschiedene Untersuchungen, die zeigen, wie sehr Kinder auch von feinfühliger Zuwendung durch Bezugspersonen in außerfamiliären Betreuungssettings profitieren. Auch Kinder, die Zuhause viel positive Zuwendung durch ihre Eltern erfahren, profitieren in ihrer Entwicklung noch zusätzlich von einer guten Fachkraft-Kind-Beziehung. Für Kinder, die Zuhause wenig elterliche Feinfühligkeit erfahren, haben positive Interaktionen in der Kindertageseinrichtung allerdings noch weitreichendere Auswirkungen auf ihre Entwicklung, können also bei entsprechender Interaktionsqualität kompensatorisch wirken (Beckh et al., 2014). Betrachtet man die feinfühlige Interaktion von Bezugserzieherinnen gegenüber den ihr anvertrauten Kindern unter dem Aspekt der professionellen Kompetenz, so kann diese zu großen Anteilen den personalen Kompetenzen, also der Sozialkompetenz und Lern- bzw. Reflexionskompetenz zugeordnet werden (Deutsches Jugendinstitut, 2014). Auch diese Kompetenzbereiche können, ähnlich wie die fachliche Kompetenz (Fachwissen und Fertigkeiten) trainiert und somit erlernt werden. Hier hat sich insbesondere der Einsatz von Videofeedback bewährt, bei dem die gelingenden Interaktionen als Ausgangspunkt für die Weiterentwicklung von feinfühligem Verhalten dienen. Ein solches Fortbildungsprogramm wurde in den USA mit großem nachhaltigen Erfolg unter dem Titel »My Teaching Partner« durchgeführt (Pianta et al., 2008) (→ Kapitel I.2). Der Einsatz von Videofeedback zur Schulung von feinfühligem Interaktionsverhalten in Kindertageseinrichtungen findet inzwischen auch in Deutschland zunehmend Verbreitung und erweist sich als sehr effektiv, weil er pädagogischen Fachkräften hilft, über ihr eigenes Verhalten nachzudenken und sich ihrer bestehenden oder fehlenden Feinfühligkeit gegenüber den Kindern bewusst zu werden. Das Gelingen solcher videobasierten Fortbildungen hängt dabei jedoch ebenfalls maßgeblich von der Feinfühligkeit der Fortbildnerinnen und Fortbildner ab.
Literatur Ainsworth, M. D. S. (1964/2003): Muster von Bindungsverhalten, die vom Kind in der Interaktion mit seiner Mutter gezeigt werden. In: K. E. Grossmann & K. Grossmann (2003): Bindung und menschliche Entwicklung. John Bowlby, Mary Ainsworth und die Grundlagen der Bindungstheorie. Stuttgart, S. 102–111 Ainsworth, M. D. S. (1978/2003): Skalen zur Erfassung mütterlichen Verhaltens: Feinfühligkeit versus Unempfindlichkeit gegenüber den Signalen des Babys. In: K. E. Grossmann (Ed.), Entwicklung der Lernfähigkeit. München, S. 96–107
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I.2 Beobachtung und Weiterentwicklung der FachkraftKind-Interaktionen in der Frühpädagogik1 Robert C. Pianta
Schlüsselwörter: Fachkraft-Kind-Interaktionen, Professionalisierung, Beobachtung pädagogischer Praxis
Die Erfahrungen, die Kindern in Tageseinrichtungen ermöglicht werden und die damit geschaffenen Chancen, haben mögliche Auswirkungen auf die Bildungspolitik und -praxis (Office of Head Start, 2011; Sabol, Hong, Pianta & Burchinal, 2013). Interaktionen mit Gleichaltrigen und pädagogischen Fachkräften, die Einführung von Bildungsplänen sowie der Einsatz von Medien sind die wichtigsten Wege, auf denen Bildungs- und Erziehungsangebote die Entwicklung und das Lernen der Kinder beeinflussen (Eccles, Wigfield & Schiefele, 1998; Pianta, Belsky, Houts & Morrison, 2007). Darüber hinaus ist auch ein vertieftes Verständnis für die Zusammenhänge zwischen den alltäglichen Erfahrungen in Bildungseinrichtungen und biologischen Prozessen hochrelevant, um die Verbindungen zwischen Neurowissenschaft und den physiologischen Mechanismen, die Lernen, Entwicklung und Bildung vermitteln, besser zu verstehen. Dieser Beitrag liefert einen konzeptuellen Rahmen für die Forschung zu Fachkraft-Kind-Interaktionen und fasst die Forschungsergebnisse über die Zusammenhänge mit der kindlichen Entwicklung zusammen. Anhand der Ergebnisse von großen Beobachtungsstudien im Primar- und Elementarbereich werden die Merkmale dieser Bildungsressource in der frühkindlichen Bildung und Betreuung dargestellt. Ergänzt wird dies durch erste Belege für die Wirksamkeit von Ansätzen zur Verbesserung von Fachkraft-Kind-Interaktionen. Der Beitrag endet mit Schlussfolgerungen für die Bildungspolitik auf der Grundlage der dargestellten wissenschaftlichen Ergebnisse.
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Originaltitel: »Observation and Improvement of Teacher-Student Interaction in Early Education Settings« – der Beitrag wurde mit Unterstützung von Kathrin Beckh aus dem Englischen übersetzt.
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Konzeptualisierung, Messung und Effekte von Fachkraft-Kind-Interaktionen Bisherige Bemühungen, wirksames Lehren und Lernen zu beschreiben, führten zu einem bruchstückhaftem Verständnis: eine große Anzahl von kleinen Studien, viele beschreibende Ansätze, deren Wirksamkeit nie untersucht wurde oder für deren Untersuchung die entsprechenden Messinstrumente fehlen (Lemov, 2010) sowie Schwierigkeiten bei der systematischen Unterscheidung und Messung von bestimmten Aspekten des Verhaltens von Fachkräften, die sich speziell auf bestimmte Lerninhalte oder eine bestimmte Altersgruppe beziehen. Um diese Lücke in der wissenschaftlichen Untersuchung von Lernen und Lehren zu schließen, hat unsere Forschungsgruppe2 eine Reihe von theoretischen und empirischen Beiträgen erarbeitet (Hamre, Pianta et al., 2013; Hamre, Hatfield, Jamil & Pianta, 2013; Pianta et al., 2007; Pianta, La Paro & Hamre, 2008). In diesen stellen wir »Bildung durch Interaktionen« (»Teaching through Interactions«, TTI) als ein konzeptuelles Rahmenmodell für effektive Unterrichtsgestaltung vor und evaluieren es. In der Originalversion des TTI-Rahmenmodells wurden drei große Bereiche von Fachkraft-Kind-Interaktionen unterschieden: (1) emotionale Unterstützung, (2) Organisation des Kita-Alltags und (3) Lernunterstützung (Hamre, Pianta et al., 2013). Diese Auswahl basiert auf der Annahme, dass es sich hierbei um besonders wichtige Aspekte für die Entwicklungsbereiche soziale und emotionale Entwicklung von Kindern, Selbstregulation und Aufmerksamkeit sowie Schulerfolg, handelt. Eine beachtliche Anzahl von Studien zu Fachkraft-Kind-Interaktionen basiert auf dem TTI-Rahmenmodell und dem dazugehörigen Beobachtungsinstrument, dem Classroom Assessment Scoring System (CLASS; Pianta et al., 2008) (→ Kapitel I.3). Andere theoretische Rahmenmodelle und Instrumente kommen ebenfalls häufig zum Einsatz (z. B. Lemov, 2010), die empirische Evidenz im Hinblick auf ihre Verwendung und Validität ist jedoch begrenzt. Eine Studie zur Validität (konfirmatorische Faktorenanalysen) der CLASS – beruhend auf Beobachtungen von über 4000 US-amerikanischen Kindergartengruppen und Schulklassen bis zur fünften Klasse (Hamre, Pianta et al., 2013) legte nahe, dass die vorhergesagte Drei-Faktoren-Struktur des TTI-Rahmen modells die beobachteten Daten (Interaktionsqualität) am besten abbildet. Andere Studien sprechen dagegen eher dafür, dass ein einzelner Faktor, der 2 u. a. Bridget Hamre, Jason Downer, Amanda Williford, Andrew Mashburn, Jennifer Locasale- Crouch, Joseph Allen (University of Virginia)
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Unterschiedliche Blickwinkel auf Interaktionen in der Kindertagesbetreuung
sowohl die Alltagsorganisation als auch Lernunterstützung abbildet, den Daten am besten gerecht wird, um erfolgreiche Bildung durch Interaktionen abzubilden3. Schülereinschätzungen (anhand von standardisierten Erhebungsverfahren) zu erfolgreichem Unterricht scheinen die Annahme eines einzelnen, allgemeineren Faktors als beste Lösung zu bestätigen (Kane, Kare & Pianta, 2014). Sowohl die allgemeine, einfaktorielle Struktur als auch die detailliertere dreifaktorielle Struktur werden durch Studien, die den Lernerfolg und die Entwicklung von Kindern vorhersagen, gestützt (Allen et al., 2011; Jones, Bub & Raver, 2013; Kane et al., 2014). Die Mehrzahl der Studien, die die Zusammenhänge zwischen Fachkraft-Kind-Interaktionen und der kindlichen Entwicklung untersuchen, verwendet dafür ein robustes Set an Kovariaten (z. B. demographische Variablen), um mögliche Verzerrungen zu kontrollieren. Betrachtet man die Stärke des Zusammenhangs (Effektstärke) zwischen Interaktionsverhalten von Fachkräften und Lehrern sowie Kindvariablen wie z. B. Ergebnisse in Leistungstests, exekutive Funktionen (z. B. Arbeitsgedächtnis, Impulskontrolle), Disziplinarmaßnahmen, Verhalten in der Gruppe und andere Merkmale (Burchinal, Vandergrift, Pianta, & Mashburn, 2010; Mashburn et al., 2008; Pakarinen et al., 2011; Rimm-Kaufman, Curby, Grimm, Nathanson, & Brock, 2009), so zeigen sich im allgemeinen eher kleine Zusammenhänge. Höhere Zusammenhänge wurden dagegen für Kinder mit erhöhtem Risikoprofil (z. B. Hamre & Pianta, 2005) sowie für Einschätzungen vom Kind zur Unterrichtsqualität oder Motivation gefunden (Kane et al., 2014). Beobachtungsstudien sprechen auch für beträchtliche Schwankungen in der Fachkraft-Kind-Interaktion im Tagesverlauf, wobei größere Schwankungen sich negativ auf die Kinder auswirkten (Brock & Curby, 2014). Selbst wenn man das durchschnittliche Niveau der beobachteten Fachkraft-Kind-Interaktion berücksichtigte, würde die Konsistenz der Interaktionsqualität (niedrige Schwankungen) Fortschritte innerhalb eines Jahres in akademischen und sozialen Merkmalen vorhersagen (Curby, Brock, & Hamre, 2013). In ähnlicher Weise wirkten sich Schwankungen in Merkmalen der Fachkraft-Kind-Interaktion im Tagesverlauf in den Klassen 5 bis 9 auf das Ausmaß an Problemverhalten der Schülerinnen und Schüler aus (LoCasale-Crouch, Jamil, Pianta, Rudasill & DeCoster, 2013). Die meisten Studien, in denen Beobachtungsmethoden zur Erfassung des Verhaltens der pädagogischen Fachkraft zum Einsatz kamen, berichten hohe Korrelationen zwischen den Ratings, was die Untersuchung der Frage erschwert, 3 die Daten stammen aus CLASS-basierten Beobachtungen in höheren Klassen im Elementarbereich (Allen, Pianta, Gregory, Mikami & Lun, 2011) sowie aus der Measures of Effective Teaching Study-Stichprobe, die mehr als 3000 Schulklassen umfasst (Kane et al., 2014)
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wie individuelle Interaktionsmerkmale mit spezifischen Merkmalen der kindlichen Entwicklung zusammenhängen (Hamre, Pianta et al., 2013). Dies führt auch dazu, dass Forscher oft nur einen Bereich der Fachkraft-Kind-Interaktion untersuchen (z. B. Pakarinen et al., 2011) oder nur einen Interaktions-Gesamtwert verwenden (z. B. Jamil, Downer & Pianta, 2014), wodurch sich für jeden Ansatz Herausforderungen im Hinblick auf die Validität ergeben. Eine Überarbeitung des TTI-Rahmenmodells postuliert sowohl allgemeine, aspektübergreifende, als auch spezifische Merkmale der Interaktion (Hamre, Hatfield et al., 2013). Das allgemeine Merkmal »Responsive Teaching«, wirkt auf die Entwicklung über verschiedene Bereiche hinweg (sozial-emotional, kognitiv und im Verhalten), indem Kinder so in Lernangebote eingebunden werden, dass ihre emotionalen und kognitiven Kompetenzen und Bedarfe möglichst angemessen beantwortet werden.4 Zur Untersuchung von allgemeinen (d. h. Responsive Teaching) und bereichsspezifischen Faktoren (z. B. Motivationsunterstützung, Organisation des Kitaalltags bzw. Unterrichts, kognitive Anregung) wurde ein Bifaktor-Modell-Ansatz (Hamre, Hatfield, et al., 2013; vgl. Chen et al., 2012) gewählt, um anhand von Beobachtungsdaten aus 325 Kindergartengruppen die Ein-, Zweioder Dreifaktorenlösung zu vergleichen. Wie angenommen, zeigten Kinder in Gruppen mit hohen Werten in »Responsive Teaching« Vorteile über eine Vielzahl von Bereichen hinweg, darunter kognitive Fähigkeiten, Selbstregulation und Beziehungsgestaltung. Darüber hinaus fanden sich auch Belege für die Bereichsspezifität, wobei positives Verhaltensmanagement und kognitive Anregung jeweils unabhängig von der Responsivität zur Vorhersage von Selbstregulationsfähigkeiten bzw. kognitiver und sprachlicher Fortschritte beitrugen. Zwar wurde der Großteil der Forschung mit Beobachtungen in Kindergartengruppen in den USA durchgeführt, die Ergebnisse sind jedoch konsistent mit neuen Ergebnissen aus großen Beobachtungsstudien in Kindergartengruppen und Grundschulklassen in Chile (Yoshikawa et al., 2015), Ecuador (Araujo, Carneiro, Cruz-Aguayo & Schady, 2014) und Finnland (Pakarinen et al., 2011) sowie mit Beobachtungen in Sekundarschulen (Allen et al., 2011; Kane et al., 2014). Zudem zeigen sich konsistent stärkere Effekte der Fachkraft-Kind-Interaktion auf das Lernen und die Entwicklung von Kindern, die eine gewisse Vulnerabilität bzw. Entwicklungsgefährdung zeigen (z. B. Hamre & Pianta, 2005), 4
Fachkraft-Kind-Interaktionen haben, jenseits der eher allgemeinen Qualität der Responsivität, auch spezifischere Ziele bzw. einen Fokus auf das Erlernen einer Fähigkeit oder bestimmter Inhalte, was bestimmte Zielsetzungen hinsichtlich von Kompetenzen von Kindern widerspiegelt [Anmerkung der Herausgeber].
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was nahelegt, dass die Interaktionsqualität für Kinder mit Entwicklungsbeeinträchtigungen sogar von noch größerer Bedeutung ist.
Die Qualität der Erfahrungen und Interaktionen mit Lehr- und Fachkräften in den USA Kinder verbringen mindestens ein Viertel ihrer Tageszeit in Betreuungseinrichtungen oder Schulen, die meiste Zeit in der Gruppe, wobei die Qualität der Fachkraft-Kind-Interaktion im Durchschnitt allenfalls mäßig ist (Hamre, Pianta et al., 2013; Kane et al., 2014; Pianta et al., 2007). Nationale Beobachtungsstudien in amerikanischen Tageseinrichtungen für Kinder bis drei Jahre, Kindergärten und Grundschulen weisen darauf hin, dass die Qualität von lernunterstützenden und sozialen Aspekten der Erwachsenen-Kind-Interaktion im Allgemeinen niedrig ist und sogar für benachteiligte Kinder noch weiter sinkt (NICHD ECCRN, 2005; Pianta et al., 2007). In zwei großen US-amerikanischen Studien in Krippen- und Kindergarten-Settings, zeigten Beobachtungen in mehreren tausend Gruppen über verschiedene demographische Merkmale und Entwicklungsperioden von der Geburt bis zum Alter von fünf Jahren hinweg sehr deutlich, dass das allgemeine Qualitätsniveau mittelmäßig bis schlecht war (NICHD ECCRN, 2005; Mashburn et al., 2008). In diesen Studien, in denen standardisierte Instrumente zur Beobachtung der Fachkraft-Kind-Interaktion in Krippen und Kindergärten zum Einsatz kamen, zeigte sich, dass die Mehrzahl der pädagogischen Fachkräfte im Umgang mit den Kindern eher wenig beteiligt war, speziell in der sprachlichen und kognitiven Anregung. Wenn also die Kindertageseinrichtungsqualität als Qualität der Fachkraft-Interaktion verstanden wird, anstatt den Fokus lediglich auf Sicherheit, Hygiene oder Qualifikation der pädagogischen Fachkräfte zu richten, dann wird klar, dass sich die pädagogischen Fachkräfte als Entwicklungs- und Lernumwelt der Kinder auffallend passiv verhalten und Aktivitäten und Interaktionsformen, deren entwicklungsförderliche Wirkung bekannt ist, eher selten anbieten. In der NICHD Study of Early Child Care and Youth Development wurden anhand von Beobachtungen (jeweils mehr als 800 Klassen der ersten, dritten und fünften Klassenstufe in mehr als 23 US-Bundesstaaten) die Angebote für akademische Aktivitäten und Lernen erfasst, die einem typischen Schüler zur Verfügung standen. Mehr als 85 % dieser Angebote bestanden aus Frontalunterricht oder individueller Arbeit am Platz (Pianta et al., 2007). Die schulischen Angebote fokussierten weitaus mehr darauf, die Grundfertigkeiten einzuüben,
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als darauf, analytisches Denken und Problemlösefähigkeiten zu fördern. Individuelle Interaktionen zwischen Lehrkräften und Schülern fanden selten statt. Den Lehrkraft-Schüler-Interaktionen fehlte die Förderung höherer Denkprozesse und es gelang den Lehrkräften nicht, leistungsverbesserndes Feedback zu geben. Das Engagement der Schülerinnen und Schüler war im Allgemeinen passiv, angepasst und auf Folgsamkeit ausgerichtet. Über die Klassen hinweg lag die Wahrscheinlichkeit, auf einen Lehrer mit guten Interaktionsfähigkeiten zu treffen – d. h. mit Werten für emotionale und lernunterstützende Merkmale des Interaktionsverhaltens im oberen (Skalen-)Drittel – bei weniger als 10 % (Pianta et al., 2007). Obwohl wir sehr starke Belege dafür haben, dass die Qualität der Fachkraft-Kind-Interaktion im Kindergarten und im Krippenbereich sich direkt auf die Entwicklung und das Lernen der Kinder auswirken, ist die Interaktionsqualität in den meisten Settings niedrig, schwankend und inkonsistent über die Jahre. Kurz, diese Ressource für Lernen und Entwicklung ist eher zufällig verteilt, möglicherweise zum Teil aufgrund verwirrender Definitionen, was Qualität ausmacht sowie aufgrund von Defiziten in der Ausbildung und Unterstützung von pädagogischen Fachkräften.
Ein Coaching-Ansatz zur Weiterentwicklung der Fachkraft-Kind-Interaktion Eine beachtliche Menge an Forschung und Entwicklungsaktivitäten beschäftigt sich mit der Konzeption und Evaluation von Interventionen, die die Qualität der Fachkraft-Kind-Interaktion verbessern und so die Kindertageseinrichtung weiterentwickeln soll, um verstärkt das Lernen und die Entwicklung von Kindern zu fördern. Ein Coaching-Ansatz geht davon aus, dass das Interaktionsverhalten von pädagogischen Fachkräften durch die Schulung der Beobachtungsfähigkeiten verbessert werden kann, unter Nutzung von Videoanalysen des eigenen Interaktionsverhaltens und des von anderen. Der Coaching-Ansatz »MyTeachingPartner (MTP)« (Allen et al., 2011; Pianta, Mashburn, Downer, Hamre, & Justice, 2008) wurde speziell entwickelt, um die Aufmerksamkeit der Fachkräfte auf die Mikro-Analyse von alltäglichen Interaktionssituationen zu lenken und die Beobachtungsfähigkeiten zum einen durch die geführte Analyse von Videos ihres eigenen Interaktionsverhaltens sowie zum anderen über den Zugang zu Modell-/Beispielvideos zu stärken. In der ersten Evaluation bewirkte das MTP-Coaching Veränderungen im Hinblick auf eine Reihe von Aspekten der Fachkraft-Kind-Interaktion, wobei sich große Effektstärken, d = .77 bis .97, zeigten (Pianta, Mashburn et al., 2008).
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Für Fachkräfte in Kindergruppen mit einem hohen Armutsanteil hatte das Coaching sogar einen noch stärkeren Effekt auf die Qualität der Fachkraft-Kind-Interaktion. Kinder, deren Pädagoginnen und Pädagogen am Coaching teilgenommen hatten, zeigten einen höheren Zugewinn in ihren Literacy-Fähigkeiten und weniger Problemverhalten (z. B. Hamre et al., 2010). MTP-Coaching stand auch im Fokus einer großen experimentellen Evaluation mit fast 500 Fachkräften in Vorschuleinrichtungen an zehn Standorten. Der positive Einfluss auf lernunterstützende Interaktionen, wie die Unterstützung von komplexeren Denkprozessen, intensiverem und häufigerem Feedback sowie die Unterstützung der Sprachentwicklung, konnte dort repliziert werden (mit mittleren bis starken Effekten, d = .51 bis .69), wobei sich der Gebrauch von Mehrwortsätzen und die Impulskontrolle ebenfalls verbesserten (Downer, Pianta et al., 2014). Kontrollierte experimentelle Evaluationen von anderen Coach ing-Ansätzen fokussierten auf die Lehrer-Schüler-Interaktion während der ersten Schuljahre und bestätigten, dass Interaktionen durch Coaching beeinflusst werden können. Darüber hinaus führt Coaching auch zu Fortschritten beim Kind, sowohl im Hinblick auf seine Leistung als auch sein Verhalten (Bierman et al., 2008; Domitrovich et al., 2009; Powell, Diamond, Burchinal, & Koehler, 2010). Zwei kürzlich veröffentlichte und vielversprechende Interventionsansätze in der professionellen Weiterbildung werden im Folgenden näher beschrieben. Der Kurs »MyTeachingPartner« wurde entwickelt, um zum einen das Wissen von Fachkräften über die Rolle, die die Fachkraft-Kind-Interaktion für die Kompetenzentwicklung von Kindern spielt, zu verbessern und zum anderen, um spezifische Fähigkeiten bei der Beobachtung von effektiven und ineffektiven Fachkraft-Kind-Interaktionen zu vermitteln. Der Kurs umfasste 14 dreistündige Sitzungen, und wurde von örtlichen Hochschulen und Universitäten durchgeführt. Das Classroom Assessment Scoring System (CLASS) bildete den Bezugsrahmen für die Definition von Interaktionsqualität. Die Kursleiter absolvierten ein einwöchiges Training und erhielten fortwährende Unterstützung bei der Umsetzung, z. B. wöchentliche Telefon-Anrufe. Fachkräfte, die an diesem Kurs teilnahmen, zeigten signifikante Verbesserungen in ihrem Wissen über erfolgreiche Interaktionen, in ihren Beobachtungs fähigkeiten sowie in ihrer Einschätzung und Bewertung von alltäglichen Interaktionen (Hamre, Downer, et al., 2012). Insbesondere ergaben Beobachtungen der Interaktionsqualität der Fachkräfte, dass sie am Ende des Kurses sowie ca. neun bis zwölf Monate später im nächsten Kita-Jahr ihr Interak tionsverhalten im Hinblick auf Lernunterstützung deutlich verbessert hatten (d = .66 bzw. d = .25). Es zeigte sich, dass die Fähigkeit der Fachkraft in der
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Beobachtung und Unterscheidung von effektiven und ineffektiven Interaktionen der Schlüssel für den Wissenstransfer von den Kursinhalten in die alltägliche Praxis war. Das Coaching-Angebot »MyTeachingPartner« bietet den Fachkräften zwei Ressourcen: die MTP-Videothek und videobasiertes Coaching. Die MTP- Videothek stellt über 200 Videoclips von effektiven Interaktionen im Hinblick auf die Lernunterstützung zur Verfügung, die den Schwerpunkt auf Literacy, Sprache und soziale Entwicklung setzen (Kinzie et al., 2006). Der MTP-Coach ing-Zyklus umfasst Analysen und Feedback von Beobachtungssequenzen, die in Form von webbasiertem Austausch zwischen einer Fachkraft und einem Coach umgesetzt werden (sowohl synchron, gleichzeitig, als auch asynchron, zeitversetzt). Alle zwei Wochen nehmen die Fachkräfte ihre Umsetzung einer lernunterstützenden Aktivität auf Video auf und senden das Filmmaterial an ihren Coach. Der Coach unterteilt das Videomaterial in drei kurze Clips, die auf eine spezifische CLASS-Dimension fokussieren (z. B. kognitive Anregung), die zuvor mit der Fachkraft gemeinsam festgelegt wurde. Der erste Clip wird begleitet von Feedback, das darauf abzielt eine effektive Fachkraft-Kind-Interaktion in der festgelegten CLASS-Dimension darzustellen. Der zweite Clip wird begleitet von Feedback, das darauf abzielt, die Aufmerksamkeit der Fachkraft auf weniger effektive Interaktionen zu lenken. Der dritte Clip wird von Feedback begleitet, das darauf abzielt, lernunterstützende Fachkraft-Kind-Interaktionen zu identifizieren, die das Erreichen der Bildungsziele dieses Angebotes oder der Aktivität erleichtern. Ein solcher MTP-Coaching-Zyklus erstreckt sich über zwei Wochen und wird während des Jahres fortwährend wiederholt. Die ersten drei Zyklen im Jahr konzentrieren sich auf den Bereich emotionale Unterstützung, die nächsten beiden auf die Organisation des Kita-Alltags und die verbleibenden Zyklen auf Lernunterstützung, da davon ausgegangen wird, dass hier am meisten Coaching-Bedarf besteht. Obwohl es eine gewisse Variation im Umfang und in der Reihenfolge gab, hielten sich die Coach-Fachkraft-Paare weitgehend an das erwartete Muster. Im Durchschnitt nahmen die Fachkräfte an 10,11 Zyklen teil (SD = 4.15). Das entspricht dem Ziel von 8 bis 12 Zyklen, das auf Erwartungen über die nötige Anzahl von Zyklen aus früheren Implementierungen des MTP basiert (Allen et al., 2011; Downer et al., 2011). Der Coaching-Prozess war hochstandardisiert und vollständig manualisiert. Das Training beinhaltete das vorbereitende Lesen von Texten, das CLASS-Training zur Erlangung der Reliabilität und Rollenspiele zum Coaching. Die Coaches übten das Schreiben von Rückmeldungen an die Fachkräfte unter Berücksichtigung von optimalen Merkmalen für effektives
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Feedback. Eine Sammlung von effektiven Rückmeldungen wurde ebenfalls zur Verfügung gestellt. In der Mitte des Jahres nahmen die Coaches an einem zentral angebotenen Auffrischungskurs teil, bei dem die mündlichen und schriftlichen Rückmeldungen weiter eingeübt wurden. Fachkräfte, die an dieser Intervention teilnahmen, zeigten signifikante Fortschritte in ihrer Interaktion mit Kindern, sowohl während des Jahres, in dem sie das Coaching erhielten, als auch im Jahr danach (Downer et al., 2014). Die Effektstärken der Verbesserungen lagen im mittleren bis hohen Bereich, insbesondere im Hinblick auf lernunterstützende Verhaltensweisen, die bei der Mehrzahl der Fachkräfte im zweiten Halbjahr im Mittelpunkt des Coaching-Prozesses standen.
Implikationen für die Politik Die wissenschaftliche Literatur unterstreicht den Wert der Interaktionen zwischen Fachkräften und Kindern bei der Unterstützung des Lernens und der Entwicklung der Kinder. Sie identifiziert klare Defizite in diesem Qualiätsbereich in der Krippe, im Kindergarten und in der Grundschule. Aus dieser Forschung lassen sich auch Empfehlungen für die gegenwärtige Politik ableiten, denn die Interaktionen können auf der Basis von standardisierten und skalierbaren Verfahren beobachtet und verbessert werden. Die Bildungspolitik (z. B. im Rahmen des Ausgabennachweises, der Regulierung der Ausbildung von Fachkräften) sollte Fachkraft-Kind-Interaktionen als für sich stehende und wirksame Ressource zur Förderung der Kompetenzen und Entwicklung von Kindern anerkennen. Im Wesentlichen ist dies eine Empfehlung, den Fokus von politischen Maßnahmen zur Verbesserung der Arbeit von pädagogischen Fachkräften stärker auf Interaktionsprozesse zu lenken, die direkt im Zusammenhang mit Lernen und Lehren stehen, und weniger auf distale Faktoren, wie den Ausbildungsabschluss von Fachkräften, oder Leistungen, wie die Ergebnisse von Schülertests. Da ökonomische Belastungen für Kinder, Familien und Gemeinden im vergangenen Jahrzehnt zugenommen haben, verstärkten sich die Risiken durch Armut und schulische Anforderungen gegenseitig. Kinder und Lehrkräfte bzw. pädagogische Fachkräfte berichten [für die USA, Anmerkung der Herausgeber] ein erhöhtes Ausmaß an Stress/Belastungen (NCES, 2014) und der Einsatz von Disziplinarmaßnahmen (z. B. Ausschluss aus der Gruppe) ist in den letzten zehn Jahren dramatisch angestiegen – ein Trend der als beträchtliche Schief lage zwischen den Anforderungen an Schüler und Lehrer bzw. pädagogische Fachkräfte und den Ressourcen, die für den Erfolg relevant sind, charakterisiert
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wurde. Fünfzig Prozent der Lehrkräfte bzw. pädagogischen Fachkräfte beenden [in den USA, Anmerkung der Herausgeber] ihre professionelle Tätigkeit nach fünf Jahren, wobei die überwiegende Mehrheit berichtet, dass sie sich nicht ausreichend gut ausgebildet fühlen, um angemessen auf die sozialen Bedürfnisse und Verhaltensweisen der Kinder zu reagieren. Darüber hinaus gibt es Hinweise darauf, dass mehr als 10 % der Schulen in den USA chronisch daran scheitern, ihren Schülern förderliche Lernangebote zu machen (NCES, 2014). Die Bedeutung von Fachkraft-Kind-Interaktionen anzuerkennen, könnte bildungspolitisch in der Form umgesetzt werden, dass regelmäßige Vollerhebungen im Rahmen eines Monitorings über die Interaktionsqualität in Bildungseinrichtungen durchgeführt werden (vergleichbar der Durchführung im Rahmen des Head Start Program ((Office of Head Start, 2011) in den USA), um so gezielte Maßnahmen im Rahmen der Professionalisierung von Fachkräften zu unterstützen. Fachkraft-Kind-Interaktionen könnten auch in politischen Maßnahmen im Rahmen der Steuerung von Aus- und Weiterbildungsinhalten Eingang finden. In den USA wird im Rahmen nationaler Gesetzgebung dazu aufgerufen, standardisierte Beobachtungen der Interaktionen in der Kita- oder Schulpraxis zu einem Bewertungskriterium bei der Erfassung des Ausbildungserfolgs von pädagogischen Fachkräften zu machen. Da Beobachtungsmethoden zur Erfassung der Fachkraft-Kind Interaktionen [in den USA, Anmerkung der Herausgeber] zunehmend Bestandteil von staatlichen Konzepten zur Beurteilung von Fachkräften in der Frühpädagogik (Sabol et al., 2013) sowie bei der Beurteilung der Leistung von Lehrkräften von der ersten Klasse bis zum Schulabschluss darstellen (Kane et al., 2014), sind Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen, mit dem Ziel die Interaktionsqualität zu verbessern, von großer Bedeutung. Anreizorientierte Rahmenmodelle bei der Beurteilung von Fach- und Lehrkräften, in denen die Erfassung der Leistung (z. B. Interaktionsbeobachtungen) eng mit Methoden zur Verbesserung der Leistung (z. B. Coaching) verbunden sind, könnten einen großen Beitrag zur Verbesserung der Interaktionsqualität in Bildungsinstitutionen leisten.
Schlussfolgerungen Zunehmend belastbare wissenschaftliche Daten über Prozesse im Kita- und Schulalltag identifizierten Fachkraft-Kind-Interaktionen als einen Schlüssel aspekt bei der Unterstützung der Entwicklung und des Lernerfolgs von Kindern. Beobachtungsmethoden, die sich zur Erfassung von Interaktionen in
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Unterschiedliche Blickwinkel auf Interaktionen in der Kindertagesbetreuung
Forschung und Anwendung bewährt haben, bilden die Basis für die Professionalisierung von Fachkräften. Eine besondere Rolle kommt dabei dem Coaching zu, das, wie experimentelle Studien gezeigt haben, sowohl die Interaktionsqualität als auch den Bildungserfolg verbessern kann. Die bestehende Forschung ist vielversprechend im Hinblick auf die Konzeptualisierung, Messung und Verbesserung von Fachkraft-Kind-Interaktionen, es bleiben jedoch auch einige offene Fragen. Die Forschung sollte durch die Replikation in anderen Altersstufen und Kontexten erweitert werden. Darüber hinaus sollten aktuelle Forschungsergebnisse aus Neurowissenschaften und Physiologie der Entwicklung integriert werden. Investitionen in die wissenschaftliche Grundlagenforschung werden sich in der Zukunft auszahlen, gleichzeitig ist der aktuelle Wissensstand ausreichend, um politische Maßnahmen im Bereich der Aus- und Weiterbildung von Fachkräften umzusetzen.
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I.3 Wirksame Lernunterstützung in der frühkindlichen Bildung und Betreuung 1 Kathy Sylva2
Schlüsselwörter: Kindergarten, Betreuungsqualität, kindliche Entwicklung
Das EPPE/EPPSE-Projekt (»The Effective Pre-school, Primary and Secondary Education Project«) untersuchte die Auswirkungen frühkindlicher Bildung, Erziehung und Betreuung auf die Entwicklung von Kindern. Es war die erste bedeutende europäische Längsschnittstudie mit einer großen und nationalen Stichprobe von Kindern im Alter zwischen drei und elf Jahren. Das Projekt wurde später auf die Sekundarstufe erweitert, um die Entwicklung der Kinder bis zum Alter von 18 Jahren betrachten zu können. Den Schwerpunkt des Beitrages stellen die Auswirkungen des kindlichen bzw. familiären Hintergrunds und der pädagogischen Qualität in Kindertageseinrichtungen auf kognitive Leistungen (Englisch und Mathematik) und ihr Sozialverhalten (Selbstkontrolle, prosoziales Verhalten, Hyperaktivität und Probleme im Umgang mit Gleichaltrigen) im Alter von elf Jahren dar.
Das Bildungssystem in England Außerfamiliäre Kindertagesbetreuung in England ist mittlerweile kostenlos für Kinder ab drei Jahren, für benachteiligte Kinder bereits ab zwei Jahren. Als die Kinder für die EPPE-Studie rekrutiert wurden, war die außerfamiliäre Tagesbetreuung von Vorschulkindern noch nicht für alle Kinder kostenfrei und noch nicht so verbreitet wie heute. Damit ist die vorliegende Studie die letzte in Großbritannien, welche eine Gruppe von Kindern ohne Kita-Erfahrung rekrutieren konnte. Alle Anbieter von Früher Bildung berücksichtigen den 1 Originaltitel: »Effective Support for Learning in Early Childhood Education and Care« – der Beitrag wurde mit Unterstützung von Daniela Mayer aus dem Englischen übersetzt. 2 Co-Autorenteam: Grace Murkett, Edward Melhuish, Pam Sammons, Iram Siraj and Brenda Taggart (University of Oxford).
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nationalen Bildungsplan »Early Years Foundation Stage« (EYFS; Department for Education, 2014), welcher die Standards festlegt, die erfüllt sein müssen, um Lernen, Entwicklung und Betreuung von Kindern unter fünf Jahren zu gewährleisten. Die Entwicklung von Kindern im Alter von fünf Jahren wird über das »Foundation Stage Profile« eingeschätzt, eine Bewertungsskala, welche aus der Beobachtung des kindlichen Lernens durch pädagogische Fachkräfte abgeleitet wurde. Dieses Profil beschreibt den kindlichen Entwicklungsstand bezogen auf die frühen Lernziele, wie sie in dem gesetzlich vorgeschriebenen Bildungsplan EYFS dargestellt werden. Damit entsteht ein abgerundetes Bild des Wissens, Verständnisses und der Begabungen des Kindes sowie der allgemeinen Schulfähigkeit im Sinne der Bereitschaft für das Lernen in der Schule. Die Schulpflicht beginnt nach dem Alter von fünf Jahren mit dem Eintritt in eine Eingangsklasse (reception class) der Grundschule. Die Kinder werden im Alter von sieben Jahren anhand von Lehrerbeurteilungen formell bewertet, und im Alter von elf Jahren mit nationalen Testverfahren. Die Lehrerbeurteilung der Siebenjährigen bezieht sich auf die Bereiche Mathematik, Sprechen und Hören sowie Lesen und Schreiben. Im Alter von 11 Jahren beinhalten die Tests die Fächer Englisch (Lesen, Grammatik und Zeichensetzung, Rechtschreibung), Naturwissenschaften und Mathematik. Andere Bereiche, einschließlich persönliche, emotionale und soziale Entwicklung werden von den Lehrern während der Grundschulzeit beurteilt.
Die Ziele der EPPE-Studie Die EPPE-Studie untersuchte vier Fragen: ȤȤ Was sind die Auswirkungen der Kindertageseinrichtungen auf die intellektuelle sowie soziale und verhaltensbezogene Entwicklung der Kinder? ȤȤ Was sind die Auswirkungen der Familien auf die Entwicklung von Kindern? ȤȤ Sind manche Kindertageseinrichtungen effektiver als andere in der Unterstützung kindlicher Entwicklung? ȤȤ Reichen die Effekte von Kindertageseinrichtungen bis zum Ende der Pflichtschulzeit? (Diese Frage wird nicht in diesem Kapitel behandelt.)
Wirksame Lernunterstützung in der frühkindlichen Bildung und Betreuung
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Methode Stichprobe und kindbezogene Erhebungen Das EPPE-Team sammelte umfangreiche Informationen von 2800 Kindern, welche im Alter von mindestens drei Jahren in ihrer Kindertageseinrichtung zur Teilnahme gewonnen wurden, zusammen mit mehr als 300 familienbetreuten Kindern ohne Kindertageseinrichtungserfahrung, die zu Beginn der Schule rekrutiert wurden. Daten wurden zum kindlichen Entwicklungsverlauf gesammelt, zu Hintergrundinformationen von Eltern und Familie, zur familiären Anregungsqualität sowie zu den Kindertageseinrichtungen und Grundschulen, die die Kinder besuchten. Diese Daten wurden über längsschnittliche kindbezogene Erhebungen, Interviews mit Eltern und Pädagoginnen bzw. Pädagogen, Fragebögen für Kinder, Fallstudien von Einrichtungen und beobachtungsbasierte Rating-Skalen zur pädagogischen Qualität gewonnen. Die Kindertageseinrichtungen (n = 141) wurden von einer Reihe von Trägern (kommunalen Kindertagesstätten, integrierten Zentren, Spielgruppen, privaten Kindertagesstätten und Kindergärten) ausgewählt. Die kindlichen Kompetenzen im Alter von elf Jahren wurden aufgeteilt in kognitive Kompetenzen, gemessen an den Leistungen der nationalen SATs-Ergebnisse (SAT = Scholastic Assessment Test) in Englisch und Mathematik sowie das Sozialverhalten, gemessen durch eine erweiterte Version des »Strengths and Difficulties Questionnaire« (SDQ; Goodman, 1997). Hauptkomponentenanalysen und konfirmatorische Faktorenanalysen lieferten vier zugrundeliegende Dimensionen des sozialen Verhaltens: »Selbstkontrolle«, »prosoziales Verhalten«, »Hyperaktivität« und »Probleme im Umgang mit Gleichaltrigen«. Ausführliche Informationen über das Design und die Methodik des EPPE-Projekts können im Abschlussbericht (Sylva, Melhuish, Sammons, Siraj-Blatchford & Taggart, 2008) sowie im Buch, das die Ergebnisse bis zum Alter von elf Jahren zusammenfasst, nachgelesen werden (Sylva, Melhuish, Sammons, Siraj-Blatchford & Taggart, 2010). Qualitätsbeobachtungsskalen Eine wichtige Frage, die es für die EPPE-Studie zu klären galt, war der Zusammenhang zwischen einer höheren pädagogischen Qualität in Kindertageseinrichtungen und dem intellektuellem, sozialen sowie verhaltensbezogenen Entwicklungsstand von jungen Kindern. Beobachtungsbasierte Daten über die Qualität der jeweiligen Einrichtung wurden unter Verwendung der standardisierten Rating-Skalen ECERS-R und ECERS-E gesammelt. Die »Early Child-
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hood Environment Rating Scale – Revised« (ECERS-R; Harms, Clifford & Cryer, 19983), wurde konzipiert, um die pädagogische Qualität in Kindertageseinrichtungen zu evaluieren. Sie bewertet sieben weitgefasste Qualitätsdimensionen: Platz und Ausstattung, Betreuung und Pflege der Kinder, sprachliche und kognitive Anregungen, Aktivitäten, Interaktionen, Strukturierung der pädagogischen Arbeit und Eltern und Erzieherinnen/Erzieher. Eine Erweiterung der ECERS-R, die ECERS-E (Sylva, Siraj-Blatchford & Taggart, 2003; 2011), wurde im Rahmen des EPPE-Projekts entwickelt. Sie bietet eine stärkere Vertiefung und zusätzliche Merkmale in vier Bildungsbereichen: Literacy und Lesen, Mathematik, Naturwissenschaften und Umwelt sowie Vielfalt und individuelle Förderung. Unter dem Begriff »Environment«, entsprechend der Lernumwelt, im Titel der ECERS-Skalen, wird im weitesten Sinn verstanden, dass dies auch soziale Interaktionen, pädagogische Strategien und Beziehungen zwischen Kindern sowie Erwachsenen und Kindern umfasst. Da die ECERS-R in den Vereinigten Staaten entwickelt wurde, hielt es das EPPE-Team für erstrebenswert, eine ergänzende Skala zu entwickeln, welche sich sowohl auf die Bestimmungen in England als auch auf eine gute Praxis für den Umgang mit Vielfalt fokussiert. Die ECERS-E umfasst vier der sechs Entwicklungsbereiche aus dem Bildungsplan EYFS: (1) Kommunikation und Sprache, (2) Literacy, (3) Mathematik und (4) Verständnis der (Lebens-)Welt. Die Bereiche der körperlichen sowie persönlichen und sozio-emotionalen Entwicklung wurden bereits ausreichend durch die ECERS-R abgedeckt, sodass das Team entschied, sich auf die kognitiven Bereiche der Entwicklung zu konzentrieren. Pädagogische Aspekte stehen bei der ECERS-E, im Vergleich zur ECERS-R, sehr im Vordergrund. Diese Skalen wurden verwendet, um im Rahmen der EPPE-Studie Kinder in folgende Gruppen einzuteilen: kein Kindertageseinrichtungsbesuch, das heißt die familienbetreute Gruppe (10 % der Stichprobe), Kindertageseinrichtungen mit niedriger (15 %), mit mittlerer (52 %) und mit hoher Qualität (23 %).
Zentrale Ergebnisse Kind- und Familien-Merkmale Der Einfluss der Kind- und Familien-Merkmale war im Alter von elf Jahren geringer als mit sieben Jahren; dennoch hatten der höchste Bildungsabschluss der Mutter und die familiäre Anregungsqualität in der frühen Kindheit noch 3 deutsch: Kindergarten-Skala KES-R (Tietze, Schuster, Grenner & Roßbach, 2007)
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starke Auswirkungen auf die schulischen Ergebnisse der Kinder. Der Faktor Geschlecht hatte einen starken Einfluss sowohl auf die SDQ-Subskala »prosoziales Verhalten« als auch auf »Hyperaktivität«, wobei Mädchen sich eher prosozial und Jungen eher hyperaktiv verhielten. Schwächere Geschlechtereffekte ergaben sich bezüglich der Schulleistungen: Mädchen zeigten höhere Leistungen in Englisch und Jungen höhere Leistungen in Mathematik. Diese Befunde sind nicht neu. Was hingegen überraschte, ist der anhaltend starke Einfluss der frühen familiären Anregungsqualität. Darüber hinaus waren bedeutsame Merkmale wie das familiäre Einkommen, kostenlose Schulmahlzeiten (eine staatlich finanzierte Unterstützung für Kinder von Familien mit geringem Einkommen) und der sozio-ökonomische Status der Familie weniger starke Prädikatoren als das elterliche Bildungsniveau oder die frühe familiäre Anregungsqualität. Dies zeigt, dass das soziale Kapital bedeutsam bleibt. Hintergrundfaktoren zeigten in der Regel bei schulischen Ergebnissen größere Effekte als bei sozialen oder verhaltensbezogenen Merkmalen. Dass der kombinierte Einfluss aus kindlichen und familiären Hintergrundfaktoren im Alter von elf Jahren schwächer als mit sieben Jahren war, spricht für die zunehmende Bedeutung der Schule. Die Auswirkungen der Kindertageseinrichtungen bei Schuleintritt (mit fünf Jahren) Kita-Erfahrung verbesserte die kognitive und soziale Entwicklung der Kinder, verglichen mit Kindern, die keine Kindertageseinrichtung besucht hatten. Die Besuchsdauer zeigte sich als wichtiger Faktor. Mit jedem Monat Kita-Erfahrung ab dem Alter von zwei Jahren stieg die kognitive Entwicklung, die Unabhängigkeit, Konzentration und Kontaktfreude an. Ein Vollzeitbesuch führte zu keinem höheren Entwicklungsanstieg als ein Teilzeitbesuch (im Umfang von fünf Halbtagen). Die beobachtete »Prozessqualität« in Kindertageseinrichtungen war mit besseren kognitiven Kompetenzen und besserem Sozialverhalten bei allen Kindern im Alter von fünf, sieben und elf Jahren verbunden. Einrichtungen mit besser qualifiziertem Personal, vor allem mit einem hohen Anteil an ausgebildeten Frühpädagoginnen und -pädagogen, zeigten eine höhere pädagogische Qualität und ihre Kinder machten mehr Entwicklungsfortschritte, auch im Sozialverhalten, als die Kinder, die eine Einrichtung mit niedriger Qualität besuchten. Kinder ohne Kita-Erfahrung zeigten bei Schuleintritt schlechtere kognitive und soziale Ergebnisse, ungeachtet des Niveaus ihrer sozialen Benachteiligung, als diejenigen, die eine Kindertageseinrichtung besuchten. Ihnen wurde auch mit größerer Wahrscheinlichkeit von den Lehrerinnen und Lehrern sonderpädagogischer Förderbedarf zugeschrieben. Sozial benachteiligte Kinder und
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insbesondere Jungen konnten erheblich vom Besuch einer qualitativ guten Kindertageseinrichtung profitieren. Benachteiligte Kinder, die Einrichtungen mit Kindern aus gemischten sozialen Hintergründen besuchten, profitierten mehr als solche, die Einrichtungen besuchten, die überwiegend sozial benachteiligte Kinder betreuten. Kinder mit Risiken für Lern- oder Verhaltensschwierigkeiten wurden in ihrer Entwicklung besonders durch Kindertageseinrichtungen unterstützt, die zum einen »Bildung« und »Betreuung« gezielt verbanden und zum anderen unter der Trägerschaft der Kommune standen. Die anhaltende Wirkung von Kindertageseinrichtungen bis zum Alter von elf Jahren Die förderlichen Auswirkungen des Besuchs einer Kindertageseinrichtung blieben die gesamte »Key Stage 1« (d. h. die ersten drei Jahre) der Grundschule bedeutsam. Jedoch waren die Effekte für einige Ergebnisse nicht so stark wie bei Schuleintritt, wahrscheinlich aufgrund des immer stärker werdenden Einflusses der Grundschule auf die Entwicklung der Kinder. Die Anzahl der Monate, die ein Kind die Kindertageseinrichtung besucht hatte, zeigte weiterhin einen Einfluss auf dessen Entwicklung mit sieben Jahren, wobei die Effekte auf die kognitiven Leistungen höher waren als auf die Entwicklung des Sozialverhaltens. Während die Kita-Qualität deutlich mit den Lese- und Mathematikleistungen im Alter von sechs Jahren zusammenhing, war im Alter von sieben Jahren der Zusammenhang zwischen Qualität und kognitivem Leistungsstand schwächer. Zudem konnte kein signifikanter Effekt der Qualität auf das Sozialverhalten, auch im Umgang mit Gleichaltrigen, festgestellt werden. Allerdings blieben die Auswirkungen der Effektivität einer Kindertageseinrichtung auf Maße des Sozialverhaltens im Alter von sieben Jahren signifikant. Die von einem Kind besuchte Kita prägte seine Entwicklung noch zum Zeitpunkt des Schuleintritts. Diese einzigartigen Effekte von Kindertageseinrichtungen beeinflussten weiterhin die kognitive und soziale Entwicklung der Kinder in »Key Stage 1«. Dies bedeutet nicht, dass die Grundschule keine Auswirkungen auf das Leben der Kinder hatte – nur, dass die einzelnen Kindertageseinrichtungen, die sie besuchten, einen andauernden Einfluss hatten. Die anhaltende Wirkung des Kita-Besuchs im Alter von elf Jahren war vergleichbar mit der Wirkung im Alter von 7 Jahren. Die Abbildungen 1 und 2 stellen die Effekte des Kita-Besuchs auf die nationalen Lese- und Mathematik-Leistungstests der Schüler im Alter von elf Jahren dar, nach sozioökonomischen Status ihrer Eltern aufgeschlüsselt. Es wird deutlich, dass ein hoher sozio-ökonomischer Status mit einer höheren Leistung verbunden war, und dass
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Abbildung 1: Leseleistung im Alter von 11 Jahren: Rohwerte nach sozioökonomischem Status (SES) und Kita-Erfahrung (Mittelwerte)
Abbildung 2: Mathematikleistung im Alter von 11 Jahren: Rohwerte nach sozioökonomischem Status (SES) und Kita-Erfahrung (Mittelwerte)
der Kita-Besuch in jeder sozialen Schicht mit einer höheren Leistung zusammen hing. Die Werte von benachteiligten Kindern, die keine Kindertageseinrichtung besuchten, fielen dagegen unter das erwartete Leistungs-Mindestniveau für diese Altersgruppe (Niveau 4). Die Daten in den Grafiken stellen Mittelwerte dar und nicht die Ergebnisse aus Mehrebenenanalysen, in denen Hintergrundfaktoren kontrolliert wurden. Wurde der Einfluss der Hintergrundfaktoren kontrolliert,
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fanden sich im Alter von elf Jahren signifikante Auswirkungen des Besuchs einer Kindertageseinrichtung (vs. kein Kita-Besuch) auf die Leistungen in Englisch und Mathematik, welche mit den Ergebnissen für das Alter von sieben Jahren im Einklang stehen. Der Kita-Besuch zeigte auch einen positiven Effekt auf das prosoziale Verhalten von Elfjährigen, jedoch gab es keine statistisch signifikanten Unterschiede für andere Aspekte des Sozialverhaltens. Auch für die Qualität der Kindertageseinrichtungen fand sich eine fortdauernde Wirkung ab dem Alter von sieben bis elf Jahren. Es gibt eindeutig einen Anstieg im Zusammenhang mit der Qualität (s. Abb. 3), wobei die kindliche Leistung mit jeder der Kita-Qualitäts-Gruppen im Vergleich zu der Nicht-Kitagruppe höher ist. Obwohl die Gruppe mit niedriger Qualität bessere Noten in Englisch und Mathematik als die Nicht-Kitagruppe aufweist, sind diese Unterschiede statistisch nicht signifikant. Für die Gruppen mit mittlerer und hoher Kita-Qualität erreichen ihre Vorteile gegenüber der Gruppe ohne Kita-Besuch statistische Signifikanz. Darüber hinaus erzielten die Kinder, die eine Kindertageseinrichtung mit hoher Qualität besucht hatten, bessere Noten in Englisch und Mathematik als die Kinder, die eine Kindertageseinrichtung mit niedriger Qualität besuchten. Der Vorteil der Gruppe niedriger Qualität gegenüber der Gruppe mittlerer Qualität ist signifikant für Mathematik, jedoch nicht für Englisch. Der Effekt von hoher Qualität vs. kein Kita-Besuch ist am deutlichsten für Mathematik (ES = 0.34), und Englisch (ES = 0.29). Die hohe Qualität von Kindertageseinrichtungen war besonders vorteilhaft für die am stärksten benachteiligten Schülerinnen und Schüler, bei denen Benachteiligung mit einem Index der multiplen Benachteiligung gemessen wurde.
Abbildung 3: Einfluss der Kita-Qualität auf die Englisch- und Mathematikleistung im Alter von 11 Jahren (Effektstärken; Referenzgruppe: Kinder ohne Kita-Erfahrung)
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In Bezug auf Mathematik (aber nicht Englisch) hatten besonders benachteiligte Schülerinnen und Schüler, die eine qualitativ hochwertige Kindertageseinrichtung besuchten, signifikant höhere Leistungen als besonders benachteiligte Schulkinder, die keine Kindertageseinrichtung besuchten. In ähnlicher Weise war eine hohe Kita-Qualität besonders vorteilhaft für die Schülerinnen und Schüler von gering qualifizierten Eltern. Diejenigen, die eine qualitativ gute Kindertageseinrichtung besuchten, hatten signifikant höhere Leistungen in Mathematik als Kinder von gering qualifizierten Eltern, die keine Kindertageseinrichtung besuchten. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die Qualität von Kinder tageseinrichtungen ein signifikanter Prädiktor für die spätere Leistung in Englisch und Mathematik in der »Key Stage 2« (nationale Tests im Alter von elf Jahren) war. Zu beachten ist auch, dass die Beobachtungsskala ECERS-E die schulische Leistung in Englisch und Mathematik vorhersagt, während dies für die mit der ECERS-R gemessene Qualität nicht zutrifft. Jedoch hatten beide Qualitätsmaße einen statistisch signifikanten Einfluss auf das Sozialverhalten in allen vier Dimensionen im Alter von elf Jahren, wobei die ECERS-R einen etwas stärkeren Einfluss auf das zum späteren Zeitpunkt gemessene prosoziale Verhalten sowie das problembehaftete Verhalten im Umgang mit Gleichaltrigen hatte als die ECERS-E (s. Abb. 4 und 5). Da »Probleme im Umgang mit Gleichaltrigen« negative Verhaltensweisen sind, zeigen die Balkendiagramme, dass Kinder in Einrichtungen mit höherer Qualität niedrigere Werte aufwiesen als Kinder in Einrichtungen mit niedriger Qualität oder der Gruppe ohne Kita-Besuch (s. Abb. 5).
Abbildung 4: Einfluss der Kita-Qualität auf pro-soziales Verhalten im Alter von 11 Jahren (Effektstärken; Referenzgruppe: Kinder ohne Kita-Erfahrung)
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Abbildung 5: Einfluss der Kita-Qualität auf anti-soziales Verhalten im Alter von 11 Jahren (Effektstärken; Referenzgruppe: Kinder ohne Kita-Erfahrung)
Abbildung 6 macht deutlich, dass Kinder, die Kindertageseinrichtungen mittlerer und hoher Qualität besuchten, eine höhere Selbstregulation im Alter von elf Jahren aufwiesen als andere Kinder. Kinder ohne Kita-Erfahrung zeigten auf der Basis von Lehrereinschätzungen weniger prosoziales Verhalten als Kinder, die eine Kindertageseinrichtung besuchten, wobei der Unterschied die höchste Ausprägung für Kinder hat, die Einrichtungen mit hoher Qualität besucht hatten.
Abbildung 6: Einfluss der Kita-Qualität auf die Selbstregulation im Alter von 11 Jahren (Effektstärken; Referenzgruppe: Kinder ohne Kita-Erfahrung)
Wirksame Lernunterstützung in der frühkindlichen Bildung und Betreuung
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Insgesamt deuten die Ergebnisse darauf hin, dass der Besuch einer Kindertageseinrichtung mit hoher oder mittlerer Qualität eine nachhaltige Wirkung auf die Förderung oder Erhaltung eines besseren Sozialverhaltens hat, und zwar in Bezug auf erhöhte Selbstregulation, höheres prosoziales Verhalten und geringere Probleme im Umgang mit Gleichaltrigen im Alter von elf Jahren.
Schlussfolgerungen Die EPPE-Studie konnte die langfristigen Vorteile der Bildung, Erziehung und Betreuung in Kindertageseinrichtungen aufzeigen, verglichen mit einer familienbetreuten Gruppe von Kindern. Ferner hat sich erwiesen, dass Kinder, die Einrichtungen höherer Qualität besuchten, bessere schulische Leistungen und besseres Sozialverhalten zeigten als die, die Kitas mit einer niedrigeren Qualität oder keine Kindertageseinrichtung besucht hatten. Zusammengefasst: ȤȤ EPPE zeigt das Ausmaß, in dem einzelne Kind- und Familienmerkmale die akademische und soziale Entwicklung von Kindern im Alter von elf Jahren vorhersagen. ȤȤ Der Besuch einer Kindertageseinrichtung ist im Vergleich zu ausschließlicher Familienbetreuung mit einer besseren akademischen und sozialen Entwicklung verbunden. ȤȤ Der Besuch einer qualitativ guten Kindertageseinrichtung wird mit der späteren Leistung in Englisch- und in Mathematik-Tests in Verbindung gebracht sowie mit verbesserter Selbstregulation und (weniger) Problemen im Umgang mit Gleichaltrigen im Alter von elf Jahren. ȤȤ Die Ergebnisse zeigen, dass die Kombination verschiedener Einflüsse (z. B. Bildung der Eltern, die häusliche Anregungsqualität und höhere pädagogische Qualität in der Kindertageseinrichtung) einen wesentlichen Anschub für eine große Bandbreite von kindlichen Entwicklungsmaßen im Alter von elf geben kann. Nach mehr als 13 Jahren Forschung, ist die Hauptbotschaft des EPPE/EPPSE- Projektes, dass eine hohe pädagogische Qualität die Fähigkeiten zum »Lernen, wie man lernt« fördert. Unsere Befunde haben gezeigt, dass eine hohe Kindertageseinrichtungs-Qualität Kindern einen positiven Anfangsschub bei Schul eintritt gibt, aber darüber hinaus auch den Fortschritt in der Grundschule fördert, der größer ist als der von Kindern ohne Kita-Erfahrung. Zusätzlich dazu wirkt gute Kita-Qualität, und zu einem gewissen Grad auch bereits der Besuch einer Kindertageseinrichtung selbst, als Schutzfaktor gegen die potentiellen
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negativen Auswirkungen von kindlichen und familiären Hintergrundfaktoren wie beispielsweise dem sozioökonomischem Status, dem elterlichen Bildungsniveau und dem Geschlecht des Kindes. Informationen zu den langfristigen Auswirkungen bis zum Alter von sechzehn Jahren sind der Website des britischen Ministeriums für Bildung (DfE)4 zu entnehmen.
Literatur Department for Education, England. (2014): Statutory framework for the early years foundation stage. Zugriff am 31. 08. 2016. Verfügbar unter: https://www.gov.uk/government/uploads/ system/uploads/attachment_data/file/335504/EYFS_framework_from_1_September_2014__ with_clarification_note.pdf Department for Education, England (2014): Influences on students’ development at age 16. Zugriff am 31. 08. 2016. Verfügbar unter: https://www.gov.uk/government/publications/influences-on-students-development-at-age-16 Harms, T., Clifford, R. & Cryer, D (1998): Early Childhood Environment Rating Scale, Revised Edition (ECERS-R). New York Sylva, K., Melhuish, E., Sammons, P., Siraj-Blatchford, I, & Taggart, B. (2008): Final report from the primary phase: Pre-school, school and family influences on children’s development during Key Stage 2 (7–11). Nottingham: Department for Children, Schools and Families Sylva, K., Melhuish, E., Sammons, P., Siraj-Blatchford, I. & Taggart, B. (2010): Early Years Matters. London Sylva, K., Siraj-Blatchford, I. & Taggart, B. (2003; 2011): The Early Childhood Environment Rating Scale-Extension (ECERS-E): Four Curricular Subscales. Stafford Tietze, W., Schuster, K.-M., Grenner, K. & Roßbach, H.-G. (2007): Kindergarten-Skala (KES-R). Feststellung und Unterstützung pädagogischer Qualität in Kindergärten (3. Aufl.). Berlin
4 https://www.gov.uk/government/publications/influences-on-students-development-at-age-16
I.4 Interaktionsqualität und frühes Lernen im (mathematischen) Spiel Bernhard Hauser
Schlüsselwörter: Eltern-Kind-Interaktion, Spiel, Bildungsunterstützung
Welche Merkmale früher Förderung sind für späteres Können wichtig? Hierzu finden sich für viele Fragen schon ganz taugliche Antworten, mehrere Fragen aber sind nach wie vor ungeklärt. Welche Kompetenzen sollen vor Beginn der Grundschule in welchem Ausmaß gefördert werden? Wie gelingt die Gratwanderung zwischen Über- und Unterforderung junger Kinder? Welche Aspekte der Erwachsenen-Kind-Interaktionen wirken auf welche Weise? Der nachfolgende Text stellt einen Versuch dar, Antworten auf einen Teil dieser Fragen zu finden und neue Fragen anzugehen.
Erwachsenen-Kind-Interaktionen Erwachsenen-Kind-Interaktionen haben eine beachtliche Wirkung auf das Lernen kleiner Kinder. Schon länger bekannt ist die Wirksamkeit einer Förderung, die mit gestützt geteiltem Denken, offenen Fragen und dem Aufgreifen kind initiierter Aktivitäten arbeitet. Sylva et al. (2004) sprechen von gestützt geteilten Denkprozessen (sustained shared thinking), wenn zwei oder mehr Individuen zusammen einen gedanklichen Weg gehen, um ein Problem zu lösen, ein Konzept zu konkretisieren, eine Aktivität zu bewerten, eine Geschichte weiterzuerzählen, oder Denkprozesse der Kinder durch lautes Denken zu modellieren. Für gestützt geteiltes Denken finden sich positive Zusammenhänge mit Kooperation, Konformität, Unabhängigkeit und Konzentration. Befunde zeigen jedoch auch, »… dass der Alltag für ErzieherIn und Kind im Kindergarten nur selten zu einem stimulierenden Austausch über die Interaktionsprozesse führt« (König, 2009, S. 254). Ähnliches gilt für das Stellen von offenen Fragen: Sie machen selbst in den effektiv arbeitenden Einrichtungen lediglich 5 % aller Fragen der Mitarbeiterinnen aus (Sylva et al., 2004).
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Häufig gefordert und in Studien immer wieder als ertragreich herausgestellt ist das Anknüpfen an das vom Kind initiierte Spiel (Sylva et al., 2004). Erfolgreiches Anknüpfen an die Fragen und Interessen des Kindes als ein Schaffen von Lernmomenten (teachable moments, Ginsburg & Ertle, 2008) erfordert von der pädagogischen Fachkraft dreierlei: eine aufmerksame Beobachtung der kindlichen Aktivitäten, ein thematisches Verstehen der in diesem Tun enthaltenen Aspekte und ein Repertoire aus weiterführenden, motivierenden und herausfordernden Anregungen. Allerdings achten pädagogische Fachkräfte in dafür potentiell fruchtbaren Situationen vor allem auf Organisatorisches und lassen derartige Lern-Chancen meist ungenutzt verstreichen. Als Ursache vermuten Gingsburg und Ertle (2008) unter anderem Defizite in der Ausbildung frühpädagogischer Fachkräfte im erfolgreichen Unterstützen früher kognitiver und speziell mathematischer Kompetenzen. Aufgrund ähnlicher Befunde in deutschen Kindergärten kommen Anke König (2009) allgemein und Schuler und Wittmann (2009) im Hinblick auf mathematische Aspekte zu der Einschätzung, dass pädagogische Fachkräfte sehr häufig das Lernpotenzial von Alltagssituationen in der Kita weder wahrnehmen noch nutzen. Kognitive Aktivierung meint das Anregen von Vorwissen, das Erzeugen von kognitiven Konflikten oder das Anregen zum Weiterdenken. Kognitive Aktivierungen sind den teachable moments (z. B. Ginsburg & Ertle, 2008) vergleichbare didaktische Impulse. Hierfür zeigen Studien, die mit dem Beobachtungsinstrument »Classroom Assessment Scoring System« (CLASS, Pianta et al., 2008) die Interaktionsqualität in den Bereichen Beziehungsgestaltung, Unterstützung kindlicher Lernprozesse und Organisation des Kita-Alltags untersuchten (Kammermeyer et al., 2013, → Kapitel I.5), dass deutsche Fachkräfte in der emotionalen Unterstützung und in der Beziehungsgestaltung wie auch in der Organisation des Kita-Alltags mittlere bis hohe Werte aufweisen, hingegen durchgehend niedrige Werte in der kognitiven Aktivierung, also in der Unterstützung und Begleitung kindlicher Lernprozesse wie der Förderung des konzeptuellen Denkens, der frühen Sprache sowie der Lernunterstützung durch individuelles, konkretes Feedback. Entscheidend beim kognitiv aktivierenden Anknüpfen an vom Kind initiierte Spielsituationen sind vor allem das Verstehen der in einer (Spiel-)Situation enthaltenen bereichsspezifischen Handlungen, das Finden kompetenzerweiternder Anregungen oder Aktivitäten, und das fachliche Herausfordern des kindlichen Denkens (König, 2009; Schuler & Wittmann, 2009). Jedoch nutzen pädagogische Fachkräfte die Chancen kognitiver Aktivierung aus folgenden Gründen nicht oder zu wenig: Zum einen sind es die jeweiligen organisatorischen Erfordernisse, vor allem bei großen Kinder-
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gruppen und wenig Personal, zum anderen aber auch diesbezüglich zu wenig entwickelte Kompetenzen und Haltungen. Mythos Freispiel Das Freispiel gilt bei nicht wenigen pädagogischen Fachkräften als Selbstläufer und erzeugt gerade deshalb zuweilen die trügerische Gewissheit einer umfassenden Förderung für alle. Aber die Forschung zeigt zunehmend deutlicher, dass Freispiel viele Kinder im gründlichen Lernen – zum Beispiel in früher Mathematik – zu wenig unterstützt. Dies betrifft vor allem die schwächeren Lernenden (Ginsburg & Ertle, 2008). Zwar finden sich auch Vorteile für das Freispiel (Fisher et al., 2013), so fördert tägliches Spiel mit Bauklötzen – auch in Computerprogrammen – sogar bildungsferne vier- bis fünfjährige Kinder nachhaltig, was sich in besseren Mathematik-Leistungen in der Schule zeigt, die selbst auf dem Gymnasium noch nachweisbar sind. Auf der anderen Seite finden sich gravierende Nachteile für das Freispiel. Das Hauptproblem besteht im zu großen Anteil an nicht oder zu wenig genutzter Lernzeit, insbesondere in der Aufmerksamkeit und in der Selbstregulation, aber auch in den kognitiven Kompetenzen (Slot, 2014). Ein wesentlicher Grund für den mangelhaften Lernertrag scheint im für das Freispiel typischen zu langen Herumwandern von zu vielen Kindern, aber auch in den zu seltenen Erwachsenen-Kind-Interaktionen zu liegen. Deshalb wird derzeit für frühes Lernen vermehrt auf »geführtes Spiel« (guided play, z. B. Fisher et al., 2013) gesetzt. Dazu gehören auch die Regelspiele, in welchen Lerninhalt und Methode vorgegeben sind; damit ist auch die Übungsintensität für alle Kinder stärker sichergestellt.
Hintergrundmusik von Lernen im Spiel: Herausforderung Aufgrund der geringen Wirksamkeit der Erwachsenen-Kind-Interaktionen im spielintegrierten Lernen, aufgrund der Unklarheit, ob diese Interaktionen das Lernen im Spiel nachhaltig voranbringen, und auch aufgrund des großen Anteils an Kindern, die die Freiheit im Spiel zu wenig für Lernen nutzen, soll hier der Frage nachgegangen werden, ob für das nachhaltige Lernen im Spiel vielleicht weniger die direkten Erwachsenen-Kind-Interaktionen, sondern vielmehr die indirekten Erwachsenen-Kind-Interaktionen verantwortlich sind. Nachfolgend werden Befunde dargestellt, die nahelegen, dass hohe Leistungserwartungen von Erwachsenen und die Konfrontation mit Herausforderungen das Lernen im Spiel in hohem Maße beeinflussen können.
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Einfluss hoher Erwartungen Schon Vierjährige setzen sich bei ihrem Tun Ziele und zeigen Leistungsmotivation (Heckhausen, 1968). Ab etwa 3,6 Jahren schreiben Kinder Erfolg und Misserfolg, beim Versuch möglichst weit zu springen oder einen Turm möglichst hoch zu bauen, dem eigenen Bemühen zu. Dabei weist diese Leistungsmotivation eine wohl noch nicht ausreichend erforschte Verschränkung von intrinsischer und extrinsischer Motivation auf. Extrinsisch motiviert lernen Menschen vor allem, um eine Belohnung (Lob, gute Note, Anerkennung) zu erhalten oder eine Bestrafung (Missbilligung, Strafe, schlechte Note) zu vermeiden. Intrinsisch motiviert lernen sie aufgrund ihres Interesses an einer Sache – für die Sache selbst oder weil ihnen die Tätigkeit selber Spaß macht (z. B. Csikszentmihalyi, 1996; Deci & Ryan, 1993). Der Grad, mit dem Menschen intrinsisch oder extrinsisch motiviert einer Sache nachgehen, ist in hohem Maße erlernt. Dabei haben Erwartungen bedeutsamer Erwachsener, insbesondere von Eltern, auf Kinder einen sehr starken Einfluss (Fan & Chen, 2001). Für die Nutzung des Lernpotenzials in Spielen erscheint vor allem die intrinsische Motivation bedeutsam. Zwar ist zur Entstehung von intrinsischer Motivation wenig bekannt, jedoch bietet Joachim Bauer dafür eine plausible Hypothese an: »Kinder internalisieren die Erfahrungen, die sie mit ihren maßgeblichen, festen Bezugspersonen machen, das heißt, sie verankern die typischen Muster, nach denen sich ursprünglich das Beziehungsgeschehen zwischen Bezugspersonen und ihnen selbst abspielte, nach und nach in ihren neuronalen Netzwerken. Dies hat unter anderem zur Folge, dass Denkweisen und Haltungen der Bezugspersonen im Kind bzw. im Jugendlichen zu einem Teil des ›Selbst‹ werden. Diese ursprünglich aus Beziehungserfahrungen stammenden, dann ins eigene Selbst übernommenen Denkweisen und Haltungen bleiben lebendig, sie behalten eine dynamische Kraft. So wird ein Kind, das vom Vater oder von seiner Mutter über Jahre hinweg angetrieben und ermutigt wurde, seinen Fußballsport (oder sein Geigenspiel) zu vervollkommnen, diesen Ansporn, der ursprünglich von den Eltern ausging, zunehmend als eigenen Antrieb erleben. Dies – und nur dies – könnte man dann in der Tat als eine intrinsische Motivation bezeichnen« (Bauer, 2007, S. 95).
Trifft diese Vermutung zu, dann liegt eine Kopplung extrinsischer und intrinsischer Motivation vor. Ursprüngliche Motivierungen, die immer wieder auch extrinsische Qualität aufwiesen, z. B. das elterliche »das hast Du gut gemacht« oder die vor allem in der frühen Kindheit sehr häufige mimische Bestätigung
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durch die Eltern nach dem anerkennungssuchenden Blick des Kindes, dem gerade etwas gelungen ist. Diese frühen Erfahrungen sind angereichert mit impliziten Normen (»was wird von mir erwartet«), welche die Kinder nach und nach in ihre eigenen Erwartungen an sich selbst aufnehmen. Kinder, die höhere Erwartungen verinnerlichen, fordern sich auch mehr heraus. Wohl nicht grundlos gehören auch in Kindertageseinrichtungen herausfordernde Lernanregungen (challenge, vgl. Sylva et al., 2004) zu den Merkmalen wirksamer Frühpädagogik. Dabei zeigt sich auch ein positiver Verstärker-Zirkel: Je mehr Zeit für die primäre Betreuung investiert wird und je höher der elterliche akademische Ausbildungsgrad, desto höher sind deren Erwartungen (Stamm & Edelmann, 2013). Auch verbringen bildungsnahe Eltern nicht nur mehr Zeit mit ihrem Kind, sie gestalten diese auch ertragreicher (Bianchi, 2000). Dass das elterliche Erziehungsverhalten eine sehr einflussreiche Variable darstellt, zeigt sich eindrücklich in der großen Studie von Melhuish et al. (2008). Sie fanden für das Erziehungsverhalten einen im Vergleich zur mütterlichen Bildung doppelt so starken, im Vergleich zum elterlichen Einkommen gar dreimal so starken Einfluss mit einer sehr beachtlichen Effektstärke (d = 0.62). Das hierbei gefundene wirksame Erziehungsverhalten im Vorschulalter bestand aus elterlichem Vorlesen, Bibliotheksbesuchen, vielfältigem Spiel mit Zahlen und Wörtern, Malen und Zeichnen, und der Förderung des Erwerbs von Buchstaben, Zahlen, Liedern, Gedichten und Reimen. Dabei handelt es sich mehrheitlich um Aktivitäten mit spielerisch-kreativer Komponente, seien dies nun die erfundenen Fantasiewelten in Gedichten, Reimen, Liedern, gemalten oder gezeichneten Produkten und in Büchern oder im Spiel mit Zahlen und Wörtern. Je häufiger und je länger diese Aktivitäten in den Familien vorkamen, desto höher waren später die kognitiven Kompetenzen und Schulleistungen der Kinder. Reichhaltige spielerische Stimulation allein führt aber vermutlich noch zu keinen nennenswerten Vorteilen. Leistungserwartungen und Bildungsaspirationen scheinen notwendig zu sein, damit diese Einflussfaktoren wirksam werden. Diese manifestieren sich im sogenannten förderlichen Familientyp (Neuenschwander & Goltz, 2008): Kinder dieses Familientyps schneiden in der sechsten Grundschulklasse in den Fächern Deutsch und Mathematik signifikant besser ab als die anderen drei in dieser Studie identifizierten Familientypen: der leistungsorientierte, der wachsen-lassende und der vernachlässigende Typus. Charakteristisch für den förderlichen Familientyp sind eine Kombination aus viel Zuwendung und Selbstständigkeitsförderung, ein besonders stimulierendes Familienklima (viele Unternehmungen, Spiele, auch Freizeitaktivitäten) und vor allem besonders hohe Bildungsaspirationen, d. h. hohe Erwartungen an die Bildung und den Lernerfolg der Kinder. Letztere lagen mehr als eine Stan-
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dardabweichung über dem Mittelwert und damit bedeutend höher als bei den anderen familiären Stilen. Dass es sogar wichtig ist, schon sehr früh an junge Kinder angemessen hohe Erwartungen zu stellen, belegt die Forschung zur Resilienz. Danach haben vor allem diejenigen benachteiligten Kinder trotz widrigen Kindheitsbedingungen Erfolg, die nicht nur verlässliche Beziehungen außerhalb der Familie haben, sondern an die auch früh hohe Erwartungen gestellt werden (Werner, 2005). Diese hohen Erwartungen beinhalten unter anderem auch, dass die Umgebung dem Kind etwas zutraut. Wie bedeutsam Aspekte früher leistungsorientierter Herausforderungen in der Familie sind, konnte Lena Michel (2013) in einer kürzlich durchgeführten Pilot-Studie in einem Extremgruppenvergleich zeigen. Danach zeichnen sich bildungsnahe Mütter, deren fünf- und sechsjährige Söhne besonders weit entwickelte mathematische Kompetenzen aufweisen, durch ein spezifisches Förder-Muster beim Spielen mathematischer Regelspiele aus: Sie unterstützen in besonders hohem Ausmaß die Selbständigkeit ihrer Söhne, trauen diesen auch mehr Frustrationen (Enttäuschungen im Spiel) zu, versprachlichen mathematische Inhalte besonders häufig, halten ihre Söhne häufiger zu selbständigen mathematischen Aktivitäten an, bekommen auch im Verlauf des Spiels ihre hohen Erwartungen (z. B. »das kannst du selber zählen«) häufiger erfüllt. Im Vergleich mit den Söhnen von Müttern mit geringer Unterstützung der Selbständigkeit zeigten die Söhne mit hoher Autonomieunterstützung fast doppelt so gute Mathematik-Kompetenzen und auch deutlich mehr Freude an Mathematik (ausgedrückt durch Lächeln und Lachen während der Spielsequenzen). Auch wenn diese Studie noch einer Replikation mit größerer Stichprobe bedarf, so passen deren Befunde doch gut in den aktuellen Stand der Forschung und geben wichtige Hinweise für die Art qualitativ hochwertiger pädagogischer Interaktionen in der Familie wie auch im Transfer im frühpädagogischen Arbeitsfeld. Bildungserfolg von Kindern aus bildungsnahen Familien Die durch familiäre Erziehung erzeugten Unterschiede scheinen aktuell sogar zuzunehmen. So führen die potentiell statuserhaltenden oder auch statusverbessernden Maßnahmen von Mittel- und Oberschicht-Familien zu einer Intensivierung privater Förderung (Stamm, 2013). Nicht wenige Forschende sehen dieses Verhalten als Maßnahmenpaket zum Schutz vor sozialem Abstieg. Bilanzierend hält Margrit Stamm (2013, S. 308) dazu fest, »(…), dass die behütete und voraussetzungsreiche Kindheit (…) für einen Großteil der hierzulande aufwachsenden Kinder längst zur Norm geworden ist. (…)
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Für Familien in der Mitte der Gesellschaft ist jedoch die empirisch bedeutsame Tatsache spezifisch, dass sie an ihren Nachwuchs besonders hohe Erwartungen stellt, von seinen Begabungen und Talenten überzeugt sind und deshalb viel Zeit, Geld und ein rationalisiertes Familienleben in seine angemessene Betreuung und Förderung investieren.«
Für die meisten Kinder dieser Familien ist es normal, viel Zeit ins Lernen zu investieren, sich sehr früh schon ernsthaft für Vieles zu interessieren, nicht früh aufzugeben, und dabei auch noch Spaß zu haben. Damit verschaffen Mittelschichtfamilien ihren Kindern insgesamt auch Vorteile, »die sich bei Schuleintritt als Kompetenzvorsprünge bemerkbar machen« (Stamm, 2013, S. 310). Der mit derartigen Kompetenzvorsprüngen in der Regel verbundene Matthäus-Effekt (»Wer hat, dem wird gegeben«), wonach genau diejenigen schneller, gründlicher und breiter lernen, die schon viel wissen, wird damit zu einem nahezu stabilen Merkmal bildungsnaher Mittel- und Oberschichtfamilien. Dabei ist es nicht in erster Linie die elterliche Bildungsnähe, auf die es ankommt, sondern vor allem die Quantität und Qualität der investierten Zeit. Es sind also die primären Herkunftseffekte, auf die es wirklich ankommt. Man kann hier durchaus von einem »meritokratischen Effekt« sprechen: Bildungserfolg ist in erster Linie das Ergebnis elterlicher Investition an Zeit und Interaktionen mit ihren Kindern.
Lernen im (mathematischen) Spiel Die Forschung zur Wirksamkeit von Lernen im Spiel hat in den letzten Jahren beachtlich zugelegt. Deshalb wird nachfolgend nur ein Ausschnitt genauer beschrieben: Die Wirksamkeit von Regelspiel und der darin beobachteten Erwachsenen-Kind-Interaktionen im Bereich der frühen mathematischen Kompetenzen. Regelspiele und das Projekt SpiF (Spielintegrierte Förderung im Regelspiel) Positive Wirkungen von Regelspielen auf frühe mathematische Kompetenzen finden sich für Karten- und Videospiele sowie insbesondere für numerische Brettspiele wie das Leiterspiel (Siegler & Ramani, 2009; Hauser et al., 2015). Beim Brettspiel »The great race« mit aufsteigend von Eins bis Zehn nummerierten Feldern konnten schon nach viermaligem Spielen signifikante Lernfort-
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schritte im Vergleich zu einer Kontrollgruppe nachgewiesen werden (Ramani & Siegler, 2008). Dabei fand sich schon bei vierjährigen Kindern ein überzufälliges Wechseln von der logarithmischen zur linearen Zahlrepräsentation: Dabei beginnen Kinder zu verstehen, dass zwischen der Eins und der Zwei derselbe (»lineare«) Abstand liegt wie zwischen der Acht und der Neun, wohingegen sie vorher mehrheitlich umso geringere Abstände zwischen zwei Zahlen annehmen (auf einer Linie einzeichnen), je grösser die Zahlen werden. Andere Spiele fördern andere Kompetenzen, wie zum Beispiel das Kartenspiel »Lining Up the Fives« (Kamii & Yaduhiko, 2005) die Seriation oder Ordinalität, in welchem die Kinder zum Beispiel lernen, dass vor der Sechs stets die Fünf und nach der Sechs stets die Sieben kommt. Wir konnten vor kurzem in einer eigenen Untersuchung (Hauser et al., 2014) zeigen, dass mathematische Regelspiele im Vergleich mit einer Kontrollgruppe hinsichtlich dem Erlernen arithmetischer Kompetenzen wirksam sind. Hierfür spielten die Kinder dreimal wöchentlich über acht Wochen gezielt ausgewählte mathematische Regelspiele in der Kita. Die Kindergruppe mit der spielintegrierten Förderung schnitt signifikant besser ab als die Kontrollgruppe, während das ebenfalls in dieser Studie untersuchte schon länger als wirksam bekannte Training früher arithmetischer Kompetenzen (»Mengen, zählen, Zahlen« (MzZ), Krajewski et al., 2008) keine signifikante Wirkung zeigte. Vertiefende Videoanalysen konnten zeigen, dass sich die spielintegriert (im Regelspiel) geförderten Kinder nur in etwa 10 % der Spielzeit vom mathematischen Tun ablenken ließen, die Kinder im Trainingsprogramm jedoch in mehr als 20 % der Zeit (Rechsteiner & Hauser, 2012). Zudem zeigten sich im Vergleich zum MzZ-Training größere Unterschiede in der spielintegrierten Förderung bezüglich der individuellen Lernfortschritte (Gesamtergebnisse). Dies weist darauf hin, dass es im Regelspiel große Unterschiede in der Nutzung der Lernmöglichkeiten gibt. Vergleicht man diese Ergebnisse mit Befunden zum Freispiel, bei dem noch größere Unterschiede gefunden wurden, wie erfolgreich verschiedene Kinder Freispielsituationen nutzen (Slot, 2014), ist deshalb gerade bei vielen benachteiligten Kindern mit einer geringeren Nutzung der Lernmöglichkeiten im Spiel zu rechnen. Deshalb ist es von großem Interesse, verschiedene Aspekte des spiel integrierten Lernens genauer zu untersuchen und zu diskutieren. Überschätzte Wirkung der Erwachsenen-Kind-Interaktion im Regelspiel? Hinsichtlich der Erwachsenen-Kind-Interaktionen fanden sich zum Teil nicht erwartete und überraschende Ergebnisse. So hatten die Frühpädagoginnen in
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der spielintegrierten Förderung im Projekt SpiF (Hauser et al., 2014) kaum Zeit für kognitionsanregende Interaktionen, weil sie (aus der Perspektive der einzelnen Kinder) im Durchschnitt nur in 3,2 % der Gesamtzeit mit den Kindern interagierten. Weiter fand sich für die spielintegrierte Förderung eine erheblich intensivere Auseinandersetzung mit mathematischen Inhalten als im Training (deutlich längeres und häufigeres eigenes mathematisches Verbalisieren und Tun) – trotz erheblich weniger Erwachsenen-Kind-Interaktionen. Im Training jedoch richteten die Kinder im Mittel in fast 30 % der Zeit die Aufmerksamkeit auf die Pädagogin, die deshalb auch viel mehr Zeit hatte, wirksame Interaktionen zu zeigen. Die Kinder waren aber deutlich weniger Zeit mathematisch selbst aktiv (Rechsteiner & Hauser, 2012). Die Interaktionen der Fachkräfte wurden weder in unserer noch in den Studien von Krajewski et al. (2008) inhaltlich erfasst, wünschenswert wäre weitere Forschung zur tatsächlichen Umsetzung der für das Training vorgeschriebenen – kognitiv aktivierenden – Verhaltensweisen (z. B. Anregen der Kinder zur Verbalisierung mathematischer Inhalte). Vertiefte Analysen zu den Fachkraft-Kind-Interaktionen im SpiF-Spiel »Fünfer-Raus« (Wullschleger, 2011) zeigten, dass kognitiv aktivierende und ko-konstruktive Impulse kaum vorkamen und zusammen nur etwa 10 % aller Interaktionen ausmachten (analysiert wurden 200 Interaktionen in Filmsequenzen von 14 pädagogischen Fachkräften). Am häufigsten fand sich noch das Nutzen von Fehlern als Ressource, hingegen hatte keine Fachkraft mit offenen Fragen gearbeitet. Man mag dieses Ergebnis als enttäuschend betrachten, muss jedoch in Betracht ziehen, dass das Training mit erheblich mehr Interaktionen insgesamt zu schlechteren Ergebnissen geführt hat. Möglicherweise wird im Kontext von bewusst ausgewählten Regelspielen die Bedeutung der Anwesenheit und der aktiven Förderung der pädagogischen Fachkraft überbewertet. Dies zeigte eine weitere Analyse unserer Daten. So war das Spiel »Shut the Box« sowohl für Kinder geeignet, die in annähernd allen Situationen, selbst bei kleinen Mengen, die Augen beider Würfel abzählen mussten, aber auch für Kinder, die schon über deutlich fortgeschrittenere Strategien zur Mengenbestimmung verfügten wie mentales Addieren oder akkurates Schätzen (Wolf, 2011). Verschiedene Regelspiele scheinen Kinder mit sehr unterschiedlichen Kompetenzen passgenau auf ihrem Niveau abzuholen und erweisen sich damit als adaptiv. In dieselbe Richtung weisen auch Befunde der von Monika Schwitter (2014) durchgeführten Weiterentwicklung der Studie »The great race« (Ramani & Siegler, 2008). Im ursprünglichen Spiel mit zehn mit den Zahlen Eins bis Zehn in aufsteigender Folge beschrifteten Feldern war eine Hilfestellung durch einen Erwachsenen nötig. In der von Schwitter weiterentwickelten Variante »Hasenwettlauf« konnte dieses Spiel ohne Erwachsene von zwei Kindern gespielt wer-
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den. Der erstaunliche Effekt war: Die vier- bis fünfjährigen Kinder erzielten mit »Hasenwettlauf« vergleichbare Fortschritte wie im ursprünglichen »The great race« – trotz deutlich weniger Erwachsenen-Kind-Interaktionen während des Spiels.
Schlussfolgerungen Anregende Interaktionen: Nur ein Teil der Erklärung Aus den Studien wird deutlich: Mathematisches Lernen im Regelspiel wirkt trotz sehr wenig und gleichzeitig einem verschwindend geringen Anteil an pädagogisch hochwertigen Interaktionen der pädagogischen Fachkraft. Es bleibt offen, ob mehr dieser Interaktionen die Wirkung nochmals verstärken, oder ob die Bedeutung von viel ungestörter Übung im Spiel wichtiger ist als die hohe Interaktionsqualität mit Erwachsenen. Proximale Lernzone: oft weiter entwickelt als vermutet Die oft sehr intensiven und erfolgreichen elterlichen Bildungsaktivitäten werden noch zu oft abgewertet und diffamiert – zum Beispiel als schädliches »Ziehen an den Gräsern« (Largo & Beglinger, 2009). Dabei sollten sie eigentlich als Best-Practice-Beispiele mit Modell-Charakter fungieren, sofern sie das Kind nicht überfordern. Die proximale Lernzone (Vygotsky, 1967) ist oft erheblich weiter entwickelt als vermutet. Der Erwachsene muss weitergehen, also das Kind mehr herausfordern als oft intuitiv vermutet, um zur Grenze zu gelangen, welche das Potenzial ausreichend herausfordernd »ausschöpft«. Ein förderliches Klima erfordert Wärme (emotional support, Pianta et al., 2008), angemessen hohe Anforderungen, Feedback-Qualität und nachfolgende Erfolge mit viel Anerkennung. Leistungsorientierung und hohe Erwartungen dürften ein entscheidender Wirkaspekt spielintegrierten Lernens sein, deren Bedeutung bislang – sehr zu Unrecht – fast nur im Kontext von Leistungsdruck und Überforderung diskutiert worden ist. Mehr Forschung dazu erscheint notwendig, aber auch vermehrtes Aufmerksammachen auf deren starke Wirkungen. Auch im Kita-Alltag können Herausforderungen bei gleichzeitiger Anerkennung kindlicher Leistungen als Mittel zur Unterstützung von kindlicher Kompetenzentwicklung eingesetzt werden.
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I.5 Unterstützung kindlicher Kompetenzentwicklung und ihre Bedingungen in Kindertageseinrichtungen Claudia Wirts, Monika Wertfein und Andreas Wildgruber 1
Schlüsselwörter: Interaktionsqualität, Frühpädagogik, Sprachwissen, Situationen
Der Artikel gibt einen Überblick über die Forschungslage zu effektiven Strategien in der Fachkraft-Kind-Interaktion und praktische Anregungen zur Umsetzung hochwertiger Interaktionen auf Basis eigener Forschungsergebnisse aus der BIKE-Studie des IFP (Wertfein, Wirts & Wildgruber, 2015). Die BIKE-Studie (Bedingungsfaktoren für gelingende Interaktionen zwischen Erzieherinnen und Kindern) untersucht Interaktionen im Alltag von 85 Fachkräften aus bayerischen Kindertageseinrichtungen und das Bedingungsgefüge zwischen Prozess-, Struktur-, und Orientierungsqualität. Dazu wurden die Interaktionen zwischen Fachkräften und Kindern jeweils einen Vormittag teilnehmend beobachtet und mit dem Verfahren »Classroom Assessment Scor ing System Pre-K« (Pianta, La Paro & Hamre, 2008) eingeschätzt. Der vorliegende Artikel nimmt speziell die Qualität von Alltagsinteraktionen zwischen Fachkräften und Kindern und die Zusammenhänge mit Aspekten des Fachwissens und Rahmenbedingungen in den Blick. Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass insbesondere im Bereich der Lernunterstützung in deutschen Kitas noch deutlicher Optimierungsbedarf besteht, die emotionale Unterstützung und die Alltagsorganisation aber ein hohes Niveau zeigen. Des Weiteren finden sich Hinweise, dass anwendungsbezogenes Sprachwissen der Fachkräfte mit der Qualität der Fachkraft-Kind-Interaktionen zusammenhängt und dass die Interaktionsqualität abhängig ist von den jeweiligen Aktivitäten. So zeigte sich z. B. für Essenssituationen eine insgesamt niedrigere Interaktionsqualität im Vergleich mit anderen Alltagssituationen, und das Freispiel wird seltener für Lernunterstützung genutzt als z. B. moderierte Situationen. 1
Unser Dank gilt den Kolleginnen und Kollegen, die uns bei den Erhebungen unterstützt haben sowie unseren studentischen Hilfskräften und Forschungspraktikantinnen, die in das Projekt BIKE involviert waren. Für die Vorarbeiten für diesen Artikel möchten wir insbesondere Erik Danay, Marina Kammermeier und Dolores Plese danken.
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Wie wurde die Interaktionsqualität erhoben? Interaktionen können nach sehr unterschiedlichen Kriterien beurteilt werden, je nachdem, welchen Zweck sie verfolgen, in welchem Kontext sie stattfinden oder an wen sie gerichtet sind. Daher ist es wichtig, zunächst die Beurteilungskriterien und ihre Begründungszusammenhänge offen zu legen. Die BIKE-Studie (Bedingungsfaktoren für gelingende Interaktionen zwischen Erzieherinnen und Kindern) bezieht sich auf ein vielschichtiges Modell von Interaktionsqualität, das verschiedene Qualitätsdimensionen von Interaktionen einbezieht und sich auf Kriterien bezieht, die im Rahmen zahlreicher vorausgehender Studien als unterstützend für verschiedene kindliche Entwicklungsbereiche identifiziert wurden. Diese vielschichtigen Qualitätsdimensionen sind in dem – im Rahmen von BIKE eingesetzten – Instrument zur standardisierten Beobachtung der Interaktionsqualität, dem »Classroom Assessment Scoring System (CLASS) Pre-K« (Pianta, La Paro & Hamre, 2008), enthalten. Die CLASS Pre-K untergliedert Interaktionsqualität in der Kita in drei große Qualitätsbereiche (Domänen), die wiederum je drei bis vier separat einzuschätzende Qualitätsdimensionen enthalten: 1. Emotionale Unterstützung (Positives Klima, Negatives Klima, Feinfühligkeit, Orientierung am Kind) 2. Organisation des Kita-Alltags (Verhaltensmanagement, Beschäftigungsgrad der Kinder, Lernarrangement) 3. Lernunterstützung (Kognitive Anregung, Feedbackqualität, Unterstützung sprachlichen Lernens). Die CLASS Pre-K arbeitet mit einer siebenstufigen Beobachtungsskala, und ist konzipiert für die Beobachtung der Interaktionsqualität in Kindertageseinrichtungen für Kinder zwischen drei und sechs Jahren. Werte von eins bis zwei auf der siebenstufigen Skala der CLASS indizieren ein niedriges Niveau der Interaktionsqualität in den einzelnen Dimensionen, Werte von drei bis fünf ein mittleres Niveau und Werte von sechs bis sieben ein hohes Niveau. In internationalen Studien zeigten sich Zusammenhänge, dass eine höhere Qualität gemessen mit der CLASS Pre-K mit einer besseren Entwicklung der Kinder verbunden war. Die CLASS Pre-K konnte besser Entwicklungsfortschritte vorhersagen als andere Verfahren zur Qualitätsmessung (Mashburn et al., 2008; Burchinal et al., 2011). Dass die CLASS Pre-K nicht nur in den USA funktioniert2, sondern auch in Deutschland, konnten Studien belegen (Stuck, Kammermeyer, & Roux, im 2 Testgüte und Faktorenstruktur der CLASS Pre-K wurden in Studien in den USA in über 4300 Kita-Gruppen bestätigt (Hamre et al., 2013)
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Druck; Suchodoletz, Fäsche, Gunzenhauser & Hamre, 2014). Außer in diesen Ländern wurde die CLASS Pre-K auch in Europa in niederländischen und finnischen Studien (Slot, 2015; Pakarinen et al., 2010) eingesetzt, wodurch auch internationale Vergleiche der Interaktionsqualität ermöglicht werden. In der BIKE-Studie dauerte jede Hospitation in der Kita ca. vier Stunden, fand am Vormittag statt und umfasste die Beobachtung von meist zwei Fachkräften mit der CLASS Pre-K in vier bis fünf Zyklen von je 20 Minuten. Die Hospitation fand im regulären Kindergartenalltag statt und begann in der Regel mit dem Morgenkreis, umfasste Freispiel und moderierte Aktivitäten, u. a. Vorlesesituationen, und endete mit dem Mittagessen. Hatte eine dieser Situationstypen einen Anteil von mindestens 15 der 20 Minuten pro Erhebungszyklus, dann wurde dies als homogene Situation definiert. 331 der 411 beobachteten Zyklen (80,5 %) waren homogene Situationen. Beobachtet wurden normale Alltagsabläufe ohne Rücksicht auf die Beobachtung, lediglich um eine Bilderbuchbetrachtung wurde gebeten, sofern dies in den Alltagsabläufen gut integrierbar war. Alle BeobachterInnen wurden in der Anwendung der CLASS Pre-K geschult und jährlich rezertifiziert.
Wie gut ist die Interaktionsqualität in den verschiedenen Qualitätsdimensionen? Emotionale Unterstützung Eine hochwertige emotionale Unterstützung ist die Basis guter und erfolgreicher Pädagogik. Eine hohe Beziehungsqualität von pädagogischer Fachkraft und Kind trägt nachgewiesenermaßen zu besseren sozialen Kompetenzen bei (Birch & Ladd, 1998; Howes, 2000). Kinder, die von feinfühligen Fachkräften begleitet werden, haben weniger internalisierende Probleme (vgl. NICHD ECCRN, 2003; Rimm-Kaufman et al., 2002), zeigen mehr positive Verhaltensweisen in der Beziehung zu Gleichaltrigen und eine höhere Sozialkompetenz (Holloway & Reichhart-Erikson, 1989). Aber nicht nur die sozialen Kompetenzen der Kinder werden durch gute emotionale Unterstützung gefördert. In Gruppen, in welchen das Fachkraft- Verhalten von hoher Feinfühligkeit geprägt ist, verhalten sich die Kinder engagierter, erkunden ihre Umwelt aktiver, verfügen dadurch über mehr Lernmöglichkeiten (vgl. Rubenstein & Howes, 1983; Ruopp et al., 1979) und entwickeln sich positiver bezüglich ihrer sprachlichen Kompetenzen (Connor et al., 2005). Die Qualität der emotionalen Unterstützung wird mit der CLASS Pre-K anhand der vier Dimensionen eingeschätzt. So umfasst das Positive Klima, einer-
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seits die emotionale Verbundenheit, den Ausdruck positiver Gefühle und positive sowie respektvolle Kommunikation zwischen Fachkraft und Kindern, und andererseits umfasst das Negative Klima ausgedrückte negative Gefühle und abwertendes Verhalten. Darüber hinaus wird die Feinfühligkeit der Fachkraft im Hinblick auf emotionale und lernbezogene Bedürfnisse der Kinder erfasst. Als letzte Dimension wird die Orientierung an den Interessen und Sichtweisen der Kinder bei der Planung und Durchführung gemeinsamer Aktivitäten sowie Möglichkeiten für Kinder, sich aktiv zu beteiligen (Orientierung am Kind), erfasst. In diesem Bereich zeigten die beteiligten bayerischen Fachkräfte in der BIKE-Studie im Durchschnitt hohe Werte. Insbesondere das positive Klima (M = 5.87; SD = 0.72) und die Feinfühligkeit (M = 5.64; SD = 0.70) zeigten ein hohes Qualitätsniveau. Auch die Orientierung am Kind (M = 5.50; SD = 0.71) lag durchschnittlich im hohen mittleren Qualitätsbereich. Ausgedrückte ernsthafte Negativität (Negatives Klima) (M = 6.90; SD = 0.19) wurde selten beobachtet, sodass auch hier ein hohes Qualitätsniveau (rekodierte Daten) erreicht wurde. Diese Seltenheit des Auftretens in den Beobachtungssituationen ist typisch in europäischen Studien (Pakarinen et al., 2010; Stuck et al., im Druck; Suchodoletz et al., 2014). Organisation des Kita-Alltags Der zweite große erfasste Bereich ist die Organisation des Kita-Alltags. Dieser Bereich umfasst die Klarheit der Verhaltenserwartungen an die Kinder und den effektiven Umgang mit Konflikten (Verhaltensmanagement). Darüber hinaus wird die Dimension Beschäftigungsgrad der Kinder beobachtet, um einzuschätzen, inwiefern die verfügbare Zeit im Kita-Alltag von Fachkräften und Kindern für anregende Aktivitäten genutzt wird (z. B. wenig Leerlauf, etablierte Routinen). Außerdem richtet sich das Augenmerk darauf, inwiefern das pädagogische Handeln und die bereitgestellten Materialien das Interesse, Engagement und Lernpotenzial der Kinder unterstützen (Lernarrangement). Auch im Bereich der Organisation des Kita-Alltags stellt sich die Interaktionsqualität in der BIKE-Studie durchschnittlich positiv dar: Die Mittelwerte für die Dimensionen Verhaltensmanagement (M = 5.94; SD = 0.73) und Beschäftigungsgrad der Kinder (M = 5.67; SD = 0.72) liegen im qualitativ hohen Bereich. Die Dimension Lernarrangement (M = 4.97; SD = 0.78) verfehlt nur knapp den hohen Qualitätsbereich.
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Lernunterstützung Die Lernunterstützung untergliedert sich ebenfalls in drei Qualitätsdimensionen: Die kognitive Anregung erfasst, ob und wie die Fachkräfte eigenaktive Denkprozesse bei den Kindern anregen und ob sie darauf Wert legen, dass die Kinder Sachverhalte verstehen, statt nur auf basale Anleitung und auf Wissens wiedergabe zu setzen. Die Dimension Feedbackqualität nimmt in den Blick, wie die Fachkräfte lernunterstützendes Feedback einsetzen, das die Kinder in ihrem Verstehen und Lernen weiterbringt und das Dranbleiben an einer Sache unterstützt. Die Unterstützung sprachlichen Lernens wird anhand der Qualität und Quantität der sprachlichen Anregung und des Einsatzes sprachförderlicher Strategien beurteilt. Der Bereich der Lernunterstützung erreicht in allen Dimensionen deutlich niedrigere Werte als die beiden anderen Qualitätsbereiche (Emotionale Unterstützung, Organisation des Kita-Alltags). Die durchschnittliche Qualität der kognitiven Anregung (M = 1.76; SD = 0.64) und Feedbackqualität (M = 2.58; SD = 0.92) liegt jeweils noch im niedrigen Qualitätsbereich, die Unterstützung sprachlichen Lernens (M = 3.14; SD = 0.85) erreicht zwar ein etwas höheres, mit einem Wert knapp über drei, jedoch nur knapp mittleres Qualitätsniveau. Nicht nur Studien, die die CLASS Pre-K einsetzen, auch viele weitere Studien, die mit anderen Forschungsinstrumenten Prozessqualität zwischen Fachkraft und Kind erfassen, bestätigen, dass die durchschnittliche Qualität gerade in den für die Lernunterstützung relevanten Aspekten in deutschen Kitas gering ausgeprägt ist (z. B. Anders et al., 2012; Tietze et al., 2013; König, 2009).
Unterschiede in verschiedenen Alltagssituationen – Entwicklungsbedarf bei Essen und Freispiel Situationsunterschiede wurden mit den BIKE-Daten mittels Varianzanalysen berechnet (nähere Angaben zu den Berechnungen vgl. Wildgruber, Wertfein, Wirts, Kammermeier & Danay, 2016). Bei den Analysen zeigten sich signifikante Unterschiede in allen drei Qualitätsdomänen. Multilevel-Analysen mit einem erweiterten Datensatz aus den Projekten BiSS-E1+2 bestätigen die Ergebnisse deutschlandweit, auch unter Kontrolle von Person und Tagesverlauf (Egert, Wildgruber, Wirts & Danay, in Vorbereitung). Die emotionale Unterstützung sowie positives Klima, Feinfühligkeit und Orientierung am Kind waren in Essenssituationen signifikant niedriger als in
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anderen Situationen (vgl. Wildgruber et al. 2016)3. Dies ist vermutlich darauf zurückzuführen, dass Essenssituationen häufig eine hohe organisatorische Herausforderung darstellen und damit verbunden, Stresssituationen leichter eintreten. Auch im Bereich der Organisation des Kita-Alltags zeigen sich signifikante Situationsunterschiede. Die Interaktionsqualität in Essenssituationen und im Freispiel für den Beschäftigungsgrad der Kinder und das Lernarrangement zeigen eine niedrigere Interaktionsqualität als moderierte Situationen, die qualitativ nach oben abweichen (vgl. Wildgruber et al., 2016). Ein niedrigerer Beschäftigungsgrad der Kinder bedeutet, dass in Essenssituationen und im Freispiel häufiger Leerlauf zu beobachten ist, d. h. Kinder müssen längere Zeit warten (z. B. ohne Aktivität am Tisch auf das Essen), oder finden nicht ins Spiel. Ebenso geht in die Beurteilung ein, ob erkennbar ist, dass es etablierte Routinen gibt, an denen sich die Kinder orientieren können, sodass sie sicher und selbstständig agieren können und z. B. Übergänge dadurch fließender ablaufen. Das Etablieren von Routinen ist sehr hilfreich, um Prozessabläufe im Kita-Alltag reibungsloser zu gestalten und den Kindern Sicherheit zu geben. So hilft etwa der Klang eines Instruments als Aufräumsignal, sprich eine erkennbare Struktur von Übergängen (»Immer vor dem Essen ins Bad und Hände waschen«, oder »Wer schon angezogen ist, darf zur Kollegin in den Garten oder holt sich noch ein Buch aus dem Korb«). In Kitas, in denen solche Routinen gut etabliert sind, waren nicht nur die Abläufe fließender, sondern in der Regel auch weniger Verhaltenskorrekturen (z. B. Ermahnungen) in potenziellen Stresssituationen und damit ein ruhigerer Umgang miteinander zu beobachten. Bezüglich des Lernarrangements betreffen die Unterschiede Aspekte wie die Involviertheit der Kinder und die Qualität, mit der die Fachkraft das Interesse der Kinder unterstützt. Die Situationsunterschiede gehen wahrscheinlich darauf zurück, dass in Freispiel- und Essenssituationen insgesamt sehr wenig inhaltliche Dialoge stattfinden. Erste explorative Feinanalysen einzelner Freispielsituationen (N = 4, 20 Minuten) anhand von Videos zeigen, dass fast ausschließlich organisatorische Themen in den Fachkraft-Kind-Interaktionen zu finden sind. Gespräche über inhaltliche Themen (wie z. B. das Spiel der Kinder »Was macht ihr denn da?«, »Was malst du?«, oder Erlebtes »Was hast du gestern gemacht?«) sind kaum zu finden. Sprachanregende offene Fragen z. B. fanden sich in den analysierten Freispielsituationen durchschnittlich viermal 3 Die Varianzanalysen (ANOVA) wurden mit den Daten aus homogenen Situationen (Freispiel, Essen, Moderierte Aktivitäten, Lesesituationen, Garten) durchgeführt, Abweichungen wurden vom individuellen Mittelwert der jeweiligen Fachkraft ermittelt.
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in 20 Minuten, was 1,8 % der Gesamtäußerungen der Fachkräfte entspricht. Zudem zeigt sich in Essenssituationen ein signifikant niedrigeres emotionales Klima. Beim Essen ist dies wahrscheinlich durch die erhöhte organisatorische Anforderung erklärbar. Essenssituationen, die aus diesem Muster herausfallen und sehr positive Interaktionsqualität aufweisen, sind häufig sehr kindgerecht organisiert und zeichnen sich durch gut etablierte Routinen aus. So sitzen z. B. vier bis fünf Kinder gemeinsam mit einer Fachkraft am Tisch und können sich selbst aus Schüsseln und geeigneten Karaffen bedienen, was den organisatorischen Aufwand während des Essens für die Fachkräfte reduziert. Zudem werden in diesen besonders positiven Essenssituationen in der Regel Verhaltenserwartungen an die Kinder eher proaktiv und positiv kommuniziert (»Achtet gleich mal drauf, dass ihr alle mit dem Besteck esst!« oder »Das mit dem Messer machst du schon prima«) statt der häufiger zu beobachtenden Variante der negativen Verhaltenskorrektur (»Nimm jetzt die Gabel, du sollst doch nicht mit den Fingern essen!«). Ein weiterer Unterschied machen in diesen gut organisierten Essenssituationen auch die Gespräche aus, die an kleineren Tischen und in Ruhe stattfinden können, während diese z. B. beim häufig vorkommenden Austeilen von Essen vom Wagen oder der Küchenzeile mit ständig wechselnden Kindern organisatorisch kaum möglich sind. Hier überwiegen organisatorische, oft leider auch negativ verhaltensregulierende Dialoge, was auch die niedrigen Werte im Bereich emotionale Unterstützung zum Teil erklärt. Die Lernanregung ist im Freispiel, beim Essen und im Garten in allen zugehörigen Dimensionen (Kognitive Anregung, Feedbackqualität und Unterstützung sprachlichen Lernens) niedriger als die durchschnittliche Interaktionsqualität, während auch hier wieder moderierte Situationen besser abschneiden (vgl. Wildgruber et al., 2016). Als besonders problematisch ist hier die niedrige Lernanregung im Freispiel zu sehen, das in Deutschland in der Regel einen Großteil der Kita-Alltagszeit einnimmt und eigentlich durchaus sehr hohes Potenzial für die Unterstützung von Lernprozessen birgt. Dass dieses Potenzial nur unzureichend genutzt wird, zeigen Daten nicht nur aus Bayern (BIKE-Studie), sondern auch deutschlandweit (Projekte BISS-E; Egert, Wildgruber, Wirts & Danay, in Vorbereitung). In Einzelfällen zeigte sich im Freispiel eine sehr hohe Lernunterstützung mit sechs Punkten fast das Optimum in den betreffenden CLASS- Dimensionen. Das bedeutet, dass das Freispiel nicht per se wenig lernanregend ist, sondern im Alltag von vielen Fachkräften für lernanregende Interaktionen, aber auch für Interaktionen im Allgemeinen, zu selten genutzt wird. Auch zeigen die insgesamt höheren Werte in moderierten Situationen, dass Fachkräfte durchaus über Kompetenzen zur Lern- und Sprachanregung verfügen, diese in Freispiel-, Garten- und Essenssituationen aber nur selten einsetzen.
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In der pädagogischen Praxis ist es des Weiteren wichtig, durch regelmäßige Reflexion sicherzustellen, dass alle Kinder eine hohe Qualität der Bildung, Erziehung und Betreuung erleben dürfen und nicht einzelne Kinder, die z. B. eher zurückhaltend sind, weniger Unterstützung bekommen als andere. Insbesondere Kinder, die über weniger sprachliche Kompetenzen verfügen, haben ein erhöhtes Risiko, auch in der Kita weniger Unterstützung zu bekommen. So erhalten Kinder mit einer niedrigeren Sprachleistung weniger Zuwendung und die Fachkräfte setzen weniger Sprachlehrstrategien ein (Albers, Bendler, Lindmeier & Schröder, 2013). Eine Voraussetzung für eine hohe Interaktionsqualität ist auch, dass die Interaktionen an die jeweiligen Bedürfnisse und Kompetenzen des einzelnen Kindes angepasst sind und die »Zone der nächsten Entwicklung« anregen (Vygotskij, 1932-34/2005). Dies weist uns auch darauf hin, dass lernunterstützende Interaktionen niemals mechanistisch verfolgt werden sollten im Sinne einer reinen Anwendung von Techniken. Wesentlich ist, dass Fachkräfte die Ideen, Äußerungen und Aktivitäten des jeweiligen Kindes wertschätzend wahrnehmen und darauf aufbauend Interaktionen mit jedem Kind engagiert und mit hoher emotionaler Beteiligung gestalten. Die hier vorgestellten deskriptiven Ergebnisse der BIKE-Studie zur Interaktionsqualität im pädagogischen Alltag und weiterer Studien (u. a. Suchodoletz et al., 2014; Kammermeyer, Roux & Stuck, 2013) zeigen, dass insbesondere im Bereich der Lernunterstützung ein ausgeprägter Weiterentwicklungsbedarf in der frühpädagogischen Praxis in Deutschland besteht.
Wie unterstützt man erfolgreich die kindliche Lernentwicklung? Kognitive Anregung und Feedback-Qualität In vielen Studien wurden Zusammenhänge zwischen spezifischen Interaktionen und kindlicher Kompetenzentwicklung festgestellt. Offene Fragen sind z. B. eine effektive Strategie zur Anregung akademischer und sprachlicher Kompetenzen (u. a. Siraj-Blatchford, Sylva, Muttock, Gilden & Bell, 2002). Whitehurst et al. (1994) konnten solche Effekte offener Fragen auch für dialogische Bilderbuchbetrachtungen zeigen. Aber offene Fragen finden sich im Kita-Alltag nur sehr selten (Siraj-Blatchford & Manni, 2008; König, 2009; Briedigkeit, 2011; Tournier, Wadepohl & Kucharz, 2014). Methoden zur Anregung höherer, aktiver Denkprozesse (z. B. längere begleitete Denkprozesse (sustained shared thinking), Strategien zur Unterstützung kindlicher Denkprozesse) korrelie-
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ren mit besseren kognitiven, sprachlichen und sozialen Kompetenzen bei den Kindern (Hildebrandt, Scheidt, Hildebrandt, Hédervári-Heller & Dreier, 2016; Wharton-McDonald et al., 1998; Siraj-Blatchford et al., 2002; Taylor et al., 2003). Aber auch diese Strategien kommen in Alltagsinteraktionen in der Kita kaum vor (Siraj-Blatchford et al., 2002; König, 2009; Anders et al., 2012). Zudem korreliert auch das Maß, mit dem kindliche Interessen einbezogen werden und die Wahlfreiheit der Kinder bezüglich der Aktivitäten mit der kindlichen Entwicklung (Siraj-Blatchford et al., 2002). In der konkreten Umsetzung ist es daher wichtig, dass in Alltagssituationen vermehrt Strategien der Denk- und Sprachanregung zum Einsatz kommen. Im Folgenden soll anhand von Beispielen erläutert werden, dass dies keine isolierten Fördersettings benötigt, sondern integriert in den Kita-Alltag umgesetzt werden kann. Die nachfolgend dargestellte Bilderbuchbetrachtung (vgl. Tab. 1) ist ein Beispiel für eine alltagsintegrierte Lernanregung auf hohem Niveau. Tabelle 1: Transkript einer Bilderbuchbetrachtung (BIKE-Studie) *Fk1: *Fk1: *Fk1: *KID: *Fk1: *KID: *Fk1: *KID: *Fk1: *KID: *Fk1: *KID: *Fk1: *KID: *Fk1:
und der kleine Philibert ist so ein ganz kleiner Pinguin, und was er so erlebt, will ich euch mal zeigen da müsst ihr mir aber mal helfen, auch das mal zu erzählen jetzt zeig ich euch das erste Bild, ich zeig es euch rundherum warum kann er fliegen? wieso fragst du, ob er fliegen kann? eigentlich können die gar nicht fliegen wieso kommst du darauf, die haben doch auch hier Flügel dran?! das sind Arme das sind Arme? sag ich, Arme, damit können die im Wasser schwimmen hm, aber soweit ich … die haben keine Finger! die haben keine Finger, also ihr meint, die benutzen diese Flügel an der Seite wie Flossen, und brauchen die Flossen für was, Tobias? zum Schwimmen also kann der gar nicht fliegen?
Bei lernunterstützenden Aktivitäten (CLASS-Dimension »Kognitive Anregung«) geht es vor allem darum, dass die Kinder zum selbständigen Denken angeregt werden, z. B. durch Warum- und Wie-Fragen: (»Was meinst Du, warum guckt die Möwe so böse?«). Weitere Möglichkeiten sind das gemeinsame Sammeln von Ideen (»Was brauchen wir für das Theaterstück als Verkleidung?«), die Integration/Aktivierung von Vorwissen (»Letzte Woche haben wir …, wisst ihr noch …?«) oder die Verbindung zum echten Leben (»Du warst schon an der Nordsee und da gab’s auch Möwen, oder?«).
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Häufig werden zwar Wissensinhalte von den Fachkräften präsentiert, jedoch bleiben die Kinder oft in ihrer Zuhörerrolle, ohne sich eigenständig mit den Inhalten auseinanderzusetzen. Dies ist der Hauptgrund für die niedrigen Durchschnittswerte im Bereich der kognitiven Anregung. Die im obigen Beispiel angewandten lernanregenden Strategien lassen sich noch erweitern um Aspekte der Feedbackqualität, z. B. Hilfestellung geben (»Überleg mal, mit welchen Puzzleteilen könntest du anfangen, damit es leichter wird?«), Feedback-Schleifen eingehen (Dranbleiben am Thema unterstützen, weiterführende Fragen stellen) oder Denkprozesse anregen (Auffordern zum Erklären und Laut-Denken, Rückfragen stellen). Und auch die Unterstützung sprachlichen Lernens ist ein wichtiger Bereich der Lernunterstützung. Unter anderem durch das Wiederholen und Erweitern kindlicher Äußerungen (»Da Auto.« »Ja, das ist ein rotes Auto.«), das Stellen offener Fragen (»Was hast du denn gestern gemacht?«) oder handlungsbegleitendes Sprechen (»Ich blättere jetzt um.«) sowie die Verwendung und Erklärung nicht alltäglichen Wortschatzes (»Eine Biene ist ein Insekt und Käfer sind auch Insekten.«) und sprachlich komplexerer Strukturen kann kindliche Sprachentwicklung im Kita-Alltag gut unterstützt werden. Wichtig ist, dass sich alle hier dargestellten lernanregenden Strategien in Alltagssituationen integrieren lassen, ohne diese zu »verschulen«. Es geht gerade nicht darum, unterrichtsgleich Wissen zu vermitteln, sondern darum, die Kinder dazu anzuregen, sich aktiv mit ihrer Umwelt auseinanderzusetzen und alltägliche Beobachtungen, Erfahrungen und Materialien mit Unterstützung der Erwachsenen zu entdecken, zu verstehen und zu erforschen. Fachkräfte können die Neugier der Kinder anregen und ihr Interesse an einem Gegenstand motivierend begleiten, damit auch Kinder, die von sich aus weniger Neugier und Forschergeist zeigen, mit Freude Neues entdecken.
Wie hängen Wissen über Sprachentwicklung und Interaktionsqualität zusammen? In der BIKE-Studie wurde auch ein kurzer Fragebogen zum Sprachwissen (Wirts, Wildgruber & Wertfein, 2012) eingesetzt. Dieser umfasst zehn Fragen zur Einschätzung der Sprach- und Schriftsprachentwicklung vom Krippenalter bis zur Grundschulzeit. Dabei wurden Beispiele kindlicher (Schrift-)Sprachäußerungen zum Ausgangspunkt genommen, um das Sprachwissen der pädagogischen Fachkräfte zu ermitteln. Der kurze Fragebogen ist im geschlossenen Antwortformat mit Mehrfachantworten konzipiert und bezieht folgende Sprachkompetenzbereiche mit ein: Lexikon/Semantik, Phonologie, Morphologie, Syntax,
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Schriftspracherwerb sowie den Themenbereich der Mehrsprachigkeit. Das Instrument ist als Kurzerhebungsverfahren im Rahmen umfassender Studien konzipiert und wurde im Rahmen der BIKE-Studie pilotiert. Ausgehend von der Hypothese, dass anwendungsbezogene Wissensaspekte für die konkrete Umsetzung in der Alltagsinteraktion relevanter sind als theoretisches Wissen, wurde das Sprachwissen auf zwei Ebenen erfasst. Es wurde unterschieden zwischen anwendungsbezogenem und theoretischem Sprachwissen. Anwendungsbezogenes Sprachwissen bezieht sich auf die konkrete Frage nach der Einschätzung eines auffälligen oder unauffälligen Spracherwerbs, was für pädagogische Fachkräfte alltagsrelevantes Wissen darstellt. Theoretisches Sprachwissen setzt darüber hinaus auch die Kenntnis von Fachwortschatz und abstrakterem Wissen über Sprache voraus (Fragen konzipiert in Anlehnung an SprachKoPF; Thoma & Tracy, 2012). Es zeigte sich insgesamt erwartungsgemäß ein höheres anwendungsbezogenes Sprachwissen (M = 7.86, SD = 1.35) bei den untersuchten Pädagoginnen als theoretisches Wissen im Bereich Sprache (M = 6.08, SD = 1.98). Das Sprachwissen (Fragebogen zum Sprachwissen) wurde zunächst mittels einer Pearson Korrelationsanalyse hinsichtlich der Zusammenhänge mit der Interaktionsqualität (CLASS) untersucht. Hierbei ließ sich ein kleiner, jedoch signifikanter Zusammenhang (r = 0.228, p ≤ 0.037) zwischen dem anwendungsbezogenen Wissen und der beobachteten Interaktionsqualität (CLASS-Gesamtscore in homogenen Situationen) feststellen. Besonders interessant im Kontext der hier fokussierten Fragestellung ist, dass sich die Zusammenhänge nur bezüglich des anwendungsbezogenen Sprachwissens, nicht jedoch zwischen dem theoretischen Wissen und der Interaktionsqualität (CLASS-Gesamtscore in homogenen Situationen) finden ließen (r = 0.112, n. s.). Diese Ergebnisse zum Sprachwissen sind erste Indizien, dass anwendungsbezogenes Wissen einen größeren Einfluss auf das konkrete Handeln hat als das abstrakt-theoretische Wissen. Dies bedeutet nicht, dass die Aus-, Fort und Weiterbildung kein theoretisches Wissen vermitteln soll, denn auch das anwendungsbezogene Wissen beinhaltet – teilweise sogar sehr komplexes – Theoriewissen. Die dargestellten Ergebnisse legen allerdings nahe, dass im Sinne der Kompetenzorientierung hinterfragt werden sollte, welches Wissen tatsächlich für die pädagogische Handlungspraxis in der Kita relevant ist. So sollten pädagogische Fachkräfte z. B. eine Gefährdung der Sprachentwicklung erkennen (Grenzsteine), nicht aber eine Sprachentwicklungsstörung diagnostizieren können. In der Aus-, Fort- und Weiterbildung sollten daher besonders handlungsrelevante Inhalte im Bereich der Sprachentwicklung die größte Aufmerksamkeit erhalten.
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Fazit Anhand der dargestellten Ergebnisse der BIKE-Studie zur Interaktionsqualität im Kita-Alltag lassen sich zwei große Handlungsfelder für die Aus-, Fort- und Weiterbildung identifizieren: Alltagsintegrierte Strategien zur Unterstützung kindlichen Lernens sollten verstärkt in den Fokus genommen werden und theoretische Ausbildungsinhalte (z. B. Wissen über Sprache) im Sinne der Kompetenz orientierung auf ihre Handlungsrelevanz im Praxisfeld Kita hinterfragt werden. Dass sich im Bereich der emotionalen Unterstützung eine hohe Qualität zeigt, ist eine hervorragende Grundlage, um auch kognitives und sprachliches Lernen in positiven Zusammenhängen zu ermöglichen. Ohne diese stabile emotionale Grundlage ist Lernunterstützung nur bedingt möglich, denn kindliches Lernen funktioniert besonders dann gut, wenn es in positiven Beziehungskontexten und vom Kind aus motiviert stattfindet. Daher darf die Lernunterstützung nie auf Kosten der emotionalen Unterstützung verbessert werden, sondern auf Basis guter Beziehungen sollten zusätzlich qualitativ hochwertige Alltagsinteraktionen angestrebt werden. Dies ist häufig allein schon durch eine verbesserte Wahrnehmung von Lernpotenzialen in Alltagssituationen zu erreichen. Auf die Lernunterstützung in Freispiel- und Essenssituationen sollte besondere Aufmerksamkeit gerichtet werden. Das Wahrnehmen von Bildungspotenzial im Alltag und die Umsetzung lernanregender Interaktionen sollten daher wichtige Qualifizierungsziele in Aus-, Fort- und Weiterbildung sein.
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Unterstützung kindlicher Kompetenzentwicklung
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I.6 Frühpädagogik im Spannungsfeld zwischen Rahmenbedingungen, Professionalisierungsanspruch und Alltagswirklichkeit Iris Nentwig-Gesemann
Schlüsselwörter: Professionalisierung, Kita-Leitung, kompetentes System, Gruppendiskussion, Dokumentarische Methode
Fachkräfte in Kindertageseinrichtungen arbeiten im Spannungsfeld zwischen pädagogischem Auftrag und der Gestaltung qualitativ hochwertiger pädagogisch-sozialer Beziehungen auf der einen Seite, strukturellen und organisationsspezifischen Bedingungen und Rahmungen auf der anderen Seite. Bereits im Kontext der sogenannten »Schlüsselstudie« (Viernickel, Nentwig-Gesemann, Nicolai, Schwarz & Zenker, 2013) wurde mit Bezug auf ein systemisches Professionalisierungsmodell hervorgehoben, dass Rahmenbedingungen und organisationale (Unterstützungs-)Strukturen allein die Realisierung hochwertiger professioneller frühpädagogischer Praxis nicht gewährleisten können. Ebenso wenig können allerdings die pädagogischen Kompetenzen und die professionelle Haltung von Fach- und Leitungskräften als einzig relevanter Qualitätsfaktor betrachtet werden (vgl. Viernickel, Nentwig-Gesemann & Weßels, 2014). Die Kernfrage des auf zwei empirischen Studien beruhenden Beitrags ist, wie Fach- und Leitungskräfte in Kitas sich aktuell in den verschiedenen Spannungsfeldern zwischen strukturellen Rahmenbedingungen1, hohen und komplexen Professionalisierungsansprüchen und den eigenen habituellen, handlungsleitenden Orientierungen bewegen (Viernickel et al., 2013; Nentwig-Gesemann, Nicolai & Köhler, 2016). Wie gehen Kita-Teams mit der Herausforderung der Umsetzung der Bildungsprogramme und den damit verbundenen Kompetenzerwartungen um? Welche Wege schlagen Kita-Leitungen angesichts der großen Fülle und Komplexität ihres anspruchsvollen Tätigkeitsfeldes ein, das wirtschaftliche und Management-Aufgaben ebenso umfasst wie team-, fami1 In Bezug auf Rahmenbedingungen bzw. Strukturqualität wird dabei in diesem Beitrag aus Platzgründen auf die Zeitkontingente fokussiert, die für die mittelbare pädagogische Arbeit sowie Leitungsaufgaben zur Verfügung stehen.
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lien- und kindbezogene (sozial-)pädagogische Aufgaben? Welche Spannungen ergeben sich also, wenn theoretisch formulierte Qualitätsanforderungen und -erwartungen auf die (Rahmen-)Bedingungen in den Kitas, die Orientierungen und Einstellungen der Fachkräfte vor Ort treffen? Abschließend werden einige Schlussfolgerungen für Qualitätsentwicklung und Professionalisierung im Feld der Frühpädagogik formuliert, die an die Idee des »kompetenten Systems« anschließen (vgl. Urban, Vandenbroeck, Van Laere, Lazzari & Peeters, 2012): »›Kompetenz‹ entwickelt sich in wechselseitigen Beziehungen zwischen Individuen, Teams, Einrichtungen und dem weiteren Zusammenhang von Gemeinwesen und Gesellschaft« (Urban, 2013, o. S.).
Professionalität als personale und strukturelle Qualität Das frühpädagogische Feld ist aktuell von Spannungsfeldern zwischen massiven Professionalisierungsansprüchen und -bestrebungen einerseits und einer ›brüchigen‹ Professionswerdung andererseits geprägt. So bleibt frühpädagogischen Fachund Leitungskräften nach wie vor in Bezug auf Berufsprestige, Entlohnung sowie Freiräumen für selbstverantwortliches Handeln die mit dem Professionsstatus (vgl. Cloos & Betz, 2014; Combe & Helsper, 1996) verbundene Anerkennung weitestgehend verwehrt. Während es z. B. in Bezug auf Ärzte oder Lehrkräfte eine durchaus gefestigte Anerkennungskonfiguration im Sinne gefestigter Anerkennungsbeziehungen (vgl. Voswinkel, 2001) gibt, kann davon im Bereich der Frühpädagogik aktuell nicht die Rede sein: »Gegenüber allen anderen sozialen Welten, weist die Elementarbildung wohl den größten Professionalisierungsrückstand, aber auch das größte Anerkennungsdefizit auf« (Nittel & Schütz, 2013, S. 126). Mit der Einführung der Bildungsprogramme/-pläne und den damit verbundenen wesentlich erhöhten Anforderungen an die Qualität der frühpädagogischen Arbeit wurden starke, normative Impulse von außen gesetzt, die auch die Erwartungen an die erforderlichen Kompetenzen der Fachkräfte nachhaltig verändert haben. Im Zentrum der Kompetenzmodelle und -profile, deren Entwicklung durch die Professionalisierungsimpulse ausgelöst wurde, steht dabei die jeweilige Fachkraft als Person: Kompetenz und Qualität werden primär auf einer personalen Ebene verortet (Robert-Bosch-Stiftung, 2008; 2011; Fröhlich-Gildhoff et al., 2014a; 2014b). Nicht zuletzt war insbesondere mit der Akademisierung das Ziel verbunden, über die wissenschaftlich fundierte Qualifizierung von Professionellen die Frühpädagogik zu einer Profession zu entwickeln (vgl. von Balluseck, 2008; Pasternack, 2015). Der von außen an das Feld herangetragene, normative Anspruch an das professionelle Handeln frühpäda-
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gogischer Fachkräfte ist, dass sie über fundiertes wissenschaftlich-theoretisches Wissen und eine selbst-reflexive, forschende Haltung ebenso verfügen wie über die Bereitschaft und den Wunsch, eigenverantwortlich und autonom zu entscheiden und auch unvorhersehbare, herausfordernde Situationen zu bewältigen, über ihre Qualität zu reflektieren und sich daran im wahrsten Sinne des Wortes weiterzubilden (vgl. Nentwig-Gesemann, 2007; 2013; Nentwig-Gesemann & von Balluseck, 2008; Robert Bosch Stiftung, 2008). Fach- und Leitungskräfte in Kitas sollten demnach nicht als »Umsetzer« von Vorgaben und Rezeptwissen gedacht, ausgebildet und adressiert werden, sondern als verantwortlich, kritisch und fachlich fundiert argumentierende Angehörige einer Profession. Empirische Studien zeigen allerdings, dass das frühpädagogische Feld nach wie vor durch sehr diverse handlungsleitende Orientierungen von Fachkräften geprägt ist – auch solchen, die nicht so ohne Weiteres kompatibel zu den vielfach ausformulierten Kompetenzvorstellungen sind (vgl. z. B. Mischo, Wahl, Hendler & Strohmer, 2015; Nentwig-Gesemann et al., 2016; Viernickel et al., 2013). Zudem trafen und treffen die anspruchsvollen Kompetenzerwartungen an Fach- und Leitungskräfte in der Realität auf insgesamt als nicht hinreichend gut zu bezeichnende Rahmenbedingungen sowie Strukturen, die noch nicht auf eine (Teil-)Akademisierung eingestellt sind (vgl. z. B. Bertelsmann Stiftung, 2016; Viernickel et al., 2013; Viernickel & Voss, 2013; Schreyer, Krause, Brandl & Nicko, 2014; Tietze, Becker-Stoll, Bensel, Eckhardt, Haug-Schnabel, Kalicki, Keller & Leyendecker, 2013). KiTa als institutionelles Betreuungssetting wird dabei maßgeblich von den Mitteln und Bedingungen beeinflusst, die Bund, Länder, Kommunen und Träger zur Verfügung stellen. Eine (zu) geringe Schnittmenge zwischen normativen Idealvorstellungen und alltagspraktischem Handeln, zwischen »Norm und Habitus«, in Kitas führt zu Spannungsfeldern und Dilemmata, die für die Entwicklung des Systems der Frühkindlichen Bildung, Betreuung und Erziehung (FBBE) hin zu einem ›kompetenten System‹ zugleich Herausforderung und Chance sein können.
Transformationen der Bildungsprogramme/-pläne in die Kita-Praxis2 In der Studie »Schlüssel zu guter Bildung, Erziehung und Betreuung« (Viernickel et al., 2013) wurden mit einer Methodentriangulation aus standardisierten und 2 Dieses Kapitel beruht in großen Teilen auf einem gemeinsam mit Susanne Viernickel verfassten, zusammenfassenden Beitrag zur Schlüsselstudie (Viernickel & Nentwig-Gesemann, 2013).
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rekonstruktiven Methoden sowohl wesentliche Elemente der Strukturqualität erfasst als auch handlungsleitende Orientierungen von Fach- und Leitungskräften rekonstruiert. Die Kernfrage war, unter welchen personellen und zeitlichen Bedingungen Fachkräfte arbeiten, was von den Bildungsprogrammen/-plänen in der Praxis angekommen ist und auf welchen pädagogischen Grundhaltungen ihr Umgang mit diesen beruht. Im quantitativen Teil der Studie konnte eine reine Zufallsstichprobe realisiert werden, die Repräsentativität in Bezug auf die Trägerschaft (öffentliche/ freie Träger) und Lage der Einrichtungen im Bundesgebiet (Ost/West) beansprucht.3 Die umfangreichen Fragebögen beinhalten mehrere Fragenkomplexe zu den personellen Ressourcen, den betreuten Kindern, den pädagogischen Tätigkeiten in den Bereichen Beobachtung und Dokumentation, Zusammenarbeit mit Familien, Gestaltung des Übergangs Kita-Grundschule, Sprachförderung und Qualitätssicherung und -entwicklung sowie den hierfür eingesetzten und als notwendig erachteten Zeitkontingenten. Daneben wurden in den Fragebögen Daten zur Person, zu Ausbildung/Qualifikation sowie zu Arbeitssituation und -klima und Fakten zur Einrichtung selbst erfasst. Im qualitativen Studienteil wurden in drei deutschen Großstädten insgesamt 21 Gruppendiskussionen mit Einrichtungsteams, Leitungskräften sowie lokalen Trägervertreterinnen und -vertretern durchgeführt. Mit dem rekonstruktiven Analyseverfahren der Dokumentarischen Methode (Bohnsack, Nentwig-Gesemann & Nohl, 2007) wurden sowohl explizites Wissen, also Deutungsmuster, Einstellungen und Bewertungen der Teilnehmenden, als auch ihr implizites, handlungspraktisches Erfahrungswissen und ihre Werthaltungen rekonstruiert. Der systematische Vergleich innerhalb und zwischen den Fällen ermöglichte dann, strukturidentische Muster herauszuarbeiten, wie Einrichtungsteams denken, deuten und handeln. Das Umsetzungsdilemma: Zu wenig Zeit für mittelbare pädagogische Aufgaben In den Bildungsprogrammen/-plänen der Bundesländer werden zahlreiche Anforderungen an die pädagogische Arbeit mit den Kindern und die Zusammenarbeit mit verschiedenen Akteuren (Team, Eltern, Grundschullehrkräften u. a.) formuliert. Für diese zusätzlichen, außerhalb der pädagogischen »Kontaktzeit« zu leistenden Tätigkeiten, muss sogenannte mittelbare pädagogische 3 Die hier berichteten Ergebnisse beruhen auf den Antworten von rund 1.150 Fachkräften und 650 Leitungskräften aus allen 16 Bundesländern.
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Arbeitszeit (vgl. Viernickel & Schwarz, 2009, S. 6) eingesetzt werden. Dies gilt beispielsweise für die Auswertung und Besprechung von Beobachtungen, die Dokumentation von Sprachstandserhebungen, das Führen von individuellen Entwicklungsgesprächen oder den fachlichen Austausch und die Abstimmung von pädagogischen Zielen mit den Lehrkräften der aufnehmenden Grundschulen. Obwohl bereits vor über 15 Jahren das EU-Kinderbetreuungsnetzwerk die Berücksichtigung von wöchentlicher Arbeitszeit ohne Kontakt zu Kindern empfahl (vgl. Netzwerk Kinderbetreuung, 1996), verneinten die befragten Fachkräfte mehrheitlich, dass ihnen für Aufgaben mittelbarer pädagogischer Arbeit im Arbeitsvertrag verankerte oder zumindest mit dem Träger verbindlich vereinbarte Zeitanteile zustehen. Besonders prekär ist die Situation in den östlichen Bundesländern: Von den dort tätigen Fachkräften gab nur jede sechste (17 %) an, dass entsprechende Regelungen existieren (alte Bundesländer: 44 %). Fehlen solche Regelungen, führt dies offensichtlich zur Verlagerung mittelbarer pädagogischer Arbeitsaufgaben in andere Bereiche: Ein Drittel bis über die Hälfte der befragten Fachkräfte ohne »Verfügungszeiten« erledigt Beobachtungs- und Dokumentationsaufgaben sowie die Vorbereitung von Entwicklungsgesprächen immer oder überwiegend zu Hause, in den Pausen oder während der Kontaktzeit mit den Kindern; Fachkräfte mit vereinbarten Vor- und Nachbereitungszeiten tun dies signifikant seltener, aber immer noch je nach konkreter Anforderung zu etwa 18 % bis 23 %. Nach eigener Einschätzung wenden die befragten Fachkräfte in den fokussierten fünf Arbeitsfeldern in einer durchschnittlichen Arbeitswoche insgesamt knapp drei Stunden4 außerhalb des direkten Kontakts mit den Kindern auf5. Die notwendigen Zeitressourcen werden demgegenüber weitaus höher angesetzt als die tatsächlich investierten Zeitanteile. Im Arbeitsbereich Beobachtung und Dokumentation halten die befragten Fachkräfte 120 Minuten wöchentliche mittelbare pädagogische Arbeitszeit für notwendig, in den Bereichen Sprachförderung, Zusammenarbeit mit Eltern, Gestaltung des Übergangs Kita-Grundschule und Qualitätssicherung/-entwicklung liegen die Bedarfe im Schnitt bei ca. einer Stunde wöchentlich. Hierbei zeigten sich nur geringe Unterschiede zwischen Fachkräften in Teilzeit- und Vollzeitbeschäftigung. Realität und Idealvorstellung klaffen somit um wöchentlich zwei bis drei Stunden auseinander. Zählt man weitere, in der Studie nicht thematisierte Aufgaben wie die Vor- und Nachbe4 Alle Werte sind Medianwerte. 5 In die Berechnungen gingen nur Daten von Befragten ein, die die o. g. Bereiche als Aufgabengebiete benannt haben.
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reitung von Aktivitäten und Projekten in den verschiedenen Bildungsbereichen, Planungszeiten und organisatorische Absprachen hinzu, erscheint die Annahme von ca. 20 % mittelbarer pädagogischer Arbeitszeit mehr als realistisch. Typische Umgangsformen mit den Anforderungen der Bildungsprogramme Aus den Gruppendiskussionen konnte rekonstruiert werden, dass tatsächlich alle Teams unter einem Umsetzungsdilemma leiden: Das, was von ihnen erwartet wird bzw. was sie als professionellen Selbstanspruch haben, können sie ihrer Meinung nach unter den gegebenen Bedingungen nicht zufriedenstellend realisieren. Die Grenzen der eigenen zeitlichen, psychischen und körperlichen Belastbarkeit werden aus der Perspektive der Fachkräfte sehr oft überschritten, um den Kindern so gut wie möglich gerecht zu werden. Generell wünschen sich die Fachkräfte mehr Anerkennung und Wertschätzung: Weder fühlen sie sich angemessen bezahlt, noch gesellschaftlich wertgeschätzt, noch in ihrer professionellen Handlungsautonomie und Verantwortung gefördert. Allerdings dokumentierten sich sehr unterschiedliche Umgangsweisen mit den in den Bildungsprogrammen/-plänen formulierten professionellen Anforderungen6: ȤȤ Umsetzungsorientierte Teams bemühen sich sehr intensiv darum, die Bildungsprogramme organisatorisch-strukturell in den Alltag zu integrieren, die Vorgaben möglichst vorbildlich und effizient zu erfüllen und dies nach außen (z. B. für den Träger und die Eltern) umfassend zu dokumentieren. In diesen Teams bleibt oft wenig Zeit dafür, sich der eigenen pädagogischen Orientierungen zu vergewissern und Qualitätsentwicklung aus dem Team heraus voranzutreiben. Die Fachkräfte machen eher die Erfahrung von Überlastung als von Selbstwirksamkeit. ȤȤ Wertekernbasierte Teams schätzen die Bildungsprogramme zwar grundsätzlich positiv ein, streben aber nicht danach, alle darin formulierten Anforderungen möglichst umfassend und »optimal« zu erfüllen. Vielmehr orientieren sie sich am Primat der Gestaltung professioneller Beziehungen und der kontinuierlichen und reflektierten Einbeziehung der Bedarfe und Bedürfnisse von Kindern und Familien. Die Teams beziehen sich auf pädagogische Grundwerte, die über die Bildungsprogramme hinausgehen, z. B. auf humanistisch oder religiös fundierte, ethisch-moralische Werte oder 6 Die drei empirisch rekonstruierten »Typen« sind als analytische »Erkenntnisfolien« und nicht als Klassifikations- oder gar Bewertungsschemata für Kita-Teams zu verstehen.
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(reform-)pädagogische Konzepte. Diversität wird, auch im eigenen Team, als Ressource betrachtet und geschätzt. Die Fachkräfte suchen und erarbeiten sich eigene Wege der Professionalisierung und integrieren dabei die Anforderungen der Bildungsprogramme. ȤȤ Distanzierte Teams lehnen neue Standards und Anforderungen, z. B. im Hinblick auf das Beobachten und Dokumentieren und die Gestaltung von Erziehungs- und Bildungspartnerschaften mit Eltern, mehr oder weniger ab, weil sie mit dem eigenen Orientierungsrahmen nicht zu vereinbaren sind, und distanzieren sich damit von zentralen Aspekten der Bildungsprogramme. Für diese Teams ist ihr berufsbiografisches Erfahrungswissen (z. B. die Durchführung von Beschäftigungen; am Jahreskreis orientierte Bastelangebote mit Kindern; Eltern als Adressaten pädagogischer Ratschläge) handlungsleitend und -orientierend. Die Art des Umgangs mit den Bildungsprogrammen wird wesentlich davon beeinflusst, ob die Fachkräfte sich überhaupt mit deren Kernorientierungen identifizieren: Bleibt die neue Arbeitsgrundlage aus ihrer Perspektive eine mit hohen Erwartungen an sie verbundene, normative Vorgabe »von außen«, greifen eher technokratische Formen des möglichst effizienten Umsetzens oder aber Ablehnungsmechanismen. Finden die Fachkräfte hingegen in den Bildungsprogrammen/-plänen ihren pädagogischen Wertekern wieder und erfahren sich damit als maßgebliche und kompetente Akteure, können diese die mit ihnen intendierte, handlungsleitende Wirk- und Innovationskraft tatsächlich entfalten. Als weitere Einflussfaktoren konnten in der Studie die Team- und vor allem die Leitungsqualität identifiziert werden: Wenn Träger und Leitung Teams dabei unterstützen, kreative und für sie bzw. ihr Klientel »passgenaue« Wege zu finden, den Anforderungen gerecht zu werden, verringert sich das Leiden am Umsetzungsdilemma bzw. wird der Umgang damit souveräner. Je höher die eigene Aktivitäts- und Handlungskompetenz eingeschätzt wird, umso höher sind die positive Identifikation mit der eigenen Arbeit und das professionelle Selbstbewusstsein.
Schlüsselposition Kita-Leitung: Wandlungsdynamiken und Professionalisierungsprozesse in einem komplexen Berufsfeld Die dynamischen Entwicklungen im System der FBBE und die damit verbundenen Qualitätsentwicklungs- und Professionalisierungsansprüche haben mit etwas Verzögerung schließlich auch dazu geführt, dass das Leiten von Kin-
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dertageseinrichtungen als eigenständiges und anspruchsvolles Aufgabenprofil anerkannt wird. Dass Leitungskräfte dabei eine Schlüsselposition für die Qualitätsentwicklung und Professionalisierung einnehmen, ist unumstritten (vgl. z. B. Strehmel & Ulber, 2014; DJI/WiFF, 2014). Kita-Leitungen agieren auf der Mikroebene der professionellen Beziehungsgestaltung zu Kindern, Eltern und den Fachkräften in ihren Teams. Zudem gestalten sie auf der kommunalen Ebene die Zusammenarbeit mit einem Träger, mit Kooperationspartnern sowie mit unterstützenden Angeboten im Sozialraum. Dies ist wiederum eingebettet in gesellschaftliche und politische Strukturen auf Länder- und Bundesebene sowie in fachliche Diskurse, an denen Kita-Leitungen ebenfalls direkt oder indirekt beteiligt sind. Damit kommt Kita-Leitungen eine Schlüsselrolle für die Entwicklung von »kompetenten Systemen« zu, in denen die von Urban (2013) definierten vier Dimensionen: »Individuen« (z. B. Beziehungs- und Interaktionsqualität), »Institutionen und Teams« (z. B. lernendes Team, interprofessionelle Kooperation), »interinstitutionelle Zusammenarbeit« (Zusammenarbeit im Gemeinwesen, Verknüpfung von Forschung und Praxis) und »Governance« (z. B. Kinderrechte, Recht auf Inklusion) berücksichtigt werden müssen, um den jeweiligen Herausforderungen (z. B. aktuell der bestmöglichen Inklusion und Förderung von Kindern mit Fluchtgeschichte) bestmöglich begegnen zu können. Die forschungsleitenden Fragen der qualitativen Studie waren: Welche konkreten Erfahrungen machen Kita-Leitungen in ihrer alltäglichen Leitungspraxis? Was sind ihre zentralen Themen und Relevanzen? Wo liegen konkret ihre Sorgen, Nöte und Bedarfe, Stärken und Ressourcen? Wie gehen sie mit den Anforderungen und Erwartungen um, die von außen und aus dem Team an sie gerichtet werden? Wie ist ihr professionelles Selbstverständnis, und was sind ihre zentralen handlungsleitenden Orientierungen? Lassen sich in Bezug auf die Erfahrungen und Orientierungen von Leitungskräften Gemeinsamkeiten und Unterschiede herausarbeiten, und womit hängen diese zusammen? Zur Datenerhebung wurde in allen 16 Bundesländern je eine ca. zweistündige Gruppendiskussion (Nentwig-Gesemann, 2010) mit acht bis zehn, möglichst divers zusammengesetzten7, Leitungskräften durchgeführt, vollständig transkribiert (N = 140) und mit der Dokumentarischen Methode analysiert. Kernziel dieser Methode (Bohnsack, Nentwig-Gesemann & Nohl, 2007) ist es, Implizites explizit zu machen. Damit ist gemeint, dass der Ausgangspunkt der Interpretation das jeweilige Erfahrungswissen von sozialen Akteuren ist und 7 Diversität in Bezug auf Geschlecht, Alter, Qualifikation, Größe und sozialräumliche Verortung der Einrichtungen, ihre Trägerschaft und ihr pädagogisches Profil.
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rekonstruiert wird, wie habituelle Orientierungen (Werthaltungen und Einstellungen) welche »typischen« Formen sozialer Praxis hervorbringen. Darüber hinaus fragt die Analyse danach, in welchen Erfahrungskontexten ähnliche oder unterschiedliche Orientierungsrahmen geprägt werden. Das Umsetzungsdilemma: Zu wenig Zeit für Leitungsaufgaben In über 13 Prozent der Kitas in Deutschland ist keine Arbeitszeit für das Erfüllen von Leitungsaufgaben eingeplant (Bertelsmann Stiftung, 2016, S. 1) – Leitung muss hier quasi »nebenbei« erledigt werden. Im Bundesländervergleich werden erhebliche Unterschiede deutlich: Während in Bremen in 32 % der Kitas überhaupt keine Zeitkontingente für Leitung zur Verfügung stehen, ist dies in Sachsen-Anhalt nur bei 2 % der Einrichtungen der Fall. »Keine geregelte Zeit für Leitungsaufgaben ist nicht nur ein Problem kleiner Kitas. Über 10 Prozent der mittelgroßen Kitas (8 bis 12 pädagogische Fachkräfte) müssen ohne finanzierte Personalressourcen für die Einrichtungsleitung auskommen. Auch hier gibt es große Unterschiede zwischen den Bundesländern: In Hessen arbeiten über 21 Prozent der mittelgroßen Kitas ohne vertraglich festgelegte Leitungsressourcen, in Thüringen ist es nur 1 Prozent« (Bertelmann Stiftung, 2016, S. 2).
Die Studie zeigte, dass Leitungskräfte mit einer großen Fülle und Komplexität von anspruchsvollen Aufgaben konfrontiert sind. Die professionelle Herausforderung eines Multitaskings, das wirtschaftliche und Management-Aufgaben ebenso umfasst wie team-, familien- und kindbezogene (sozial-)pädagogische Aufgaben, führt bei den Leitungen immer wieder zu Zweifeln daran, dass sie die an sie gestellten, hohen Erwartungen in der zur Verfügung stehenden Zeit qualitativ hochwertig erfüllen können. Insgesamt dokumentiert sich in den Gruppendiskussionen ein immens hoher Arbeits- und auch Leidensdruck angesichts des Missverhältnisses zwischen Aufgabenfülle von und Zeitkontingenten für Leitungsaufgaben. Zudem zweifeln einige Leitungen auch daran, angesichts der Veränderungen des Berufsprofils über alle notwendigen Leitungskompetenzen zu verfügen. Leitungskräfte mit einem frühpädagogischen Selbstverständnis und Profil fragen sich entweder, ob es überhaupt ihrer Leitungsrolle angemessen ist, sich Zeit für das pädagogische Kerngeschäft zu nehmen, oder leiden darunter, dass sie sich ausschließlich Managementaufgaben widmen müssen. Problematisiert wird zudem die hohe und zeitfressende Last an betriebsund hauswirtschaftlichen sowie verwaltungstechnischen Aufgaben, die z. B. in Schulen selbstverständlich von Sekretariaten übernommen werden. Auch
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Leitungskräfte erleben also immer wieder Umsetzungsdilemmata: Anspruchsvolle normative Erwartungen von außen und hohe Selbstansprüche führen Leitungskräfte damit angesichts zu geringer oder ungesicherter Zeitkontingente für Leitungsaufgaben in eine Spirale von Umsetzungsdruck, Verausgabungsneigung und Gratifikationskrise. Typische Umgangsweisen mit den professionellen Herausforderungen der Kita-Leitung Auf der Grundlage der Gruppendiskussionen konnten kontrastierende Typen des Umgangs mit den Leitungsaufgaben und -herausforderungen rekonstruiert werden: Kennzeichnend für den Typus Fürsorglichkeit ist die positive und ungebrochene Orientierung an der Gestaltung persönlicher und harmonischer Beziehungen im Team, mit Eltern und Kindern. Die Leitungskräfte leiten ihr Team in einem beziehungsorientierten, fürsorglichen Modus. Die Aufgabe der Teamführung wird stark auf der Ebene des – zeitintensiven – persönlichen Kontakts zu den Kollegen ausgestaltet – die Tür zum Büro ist »immer offen«. Diese Nähe kann insofern eine Ressource für das Leitungshandeln darstellen, als Leitung und Team eine solidarische Gemeinschaft bilden und mit gebündelten Kräften, aus den geteilten Praxiserfahrungen heraus, Qualitätsentwicklungsprozesse vorantreiben können. Allerdings leiden am Prinzip der Fürsorglichkeit orientierte Leitungskräfte auch persönlich und gemeinsam mit ihren Teams unter den hohen Erwartungen und dem aktuellen Innnovationsdruck, der sie vorantreibt. Die klare Positionierung und Abgrenzung dem Träger gegenüber fällt ebenso schwer, wie die Delegation bzw. Verteilung von Aufgaben im Team. Themen und Ziele im Bereich des Organisations- und Personalmanagements, also die strukturelle Führungsebene, rücken eher in den Hintergrund, zum Teil werden Verwaltungs- und Managementaufgaben sogar als »fachfremde«, lästige Aufgaben empfunden, für die man sich nicht ausgebildet fühlt. Einen maximalen Kontrast dazu stellt der Typus Management dar: Die Unbestimmtheit des Berufsprofils Kita-Leitung wird hier durch eine ausgeprägte Orientierung an der strukturellen Führungsebene bearbeitet: Die Leitungskräfte identifizieren sich mit der Managementebene von wirtschaftlichen Unternehmen. Sie zeichnen sich durch ein Führungsverständnis aus, das an reibungslosen Abläufen, an gut funktionierenden Strukturen und Strategien, an optimalen Voraussetzungen für das Erbringen guter Leistungen orientiert ist. Auf den Bereich Verwaltung und Management bezogen fühlen sich diese Leitungen sehr kompetent und beklagen weniger einen Mangel an Zeit für ihre Leitungsauf-
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gaben als vielmehr einen Mangel an (finanzieller) Anerkennung für ihre Leistungs- und Führungsbereitschaft. Zwischen ihren Leitungsaufgaben und dem pädagogischen Kerngeschäft, insbesondere der direkten Arbeit mit Kindern, ziehen sie eine klare Trennlinie, werten sie zum Teil sogar ab. Ein reflektiertes Kompetenzprofil als Leitung mit »doppelter Führungsverantwortung« für Kita als sowohl pädagogischer Organisation als auch pädagogischem Interaktionsraum lässt sich hier nicht rekonstruieren. Leitungen, die sich im Typus eines struktur- oder teambezogenen Leaderships als Manager einer pädagogischen Organisation und als Führungskraft eines pädagogischen Teams mit Verantwortung für dessen Professionalität sowie zum Teil auch noch als vorbildhaft arbeitende frühpädagogische Fachkraft verstehen, stehen vor der großen professionellen – und zeitorganisatorischen – Herausforderung, sehr komplexe Aufgabenbereiche zu bedienen und auszutarieren. Im strukturbezogenen Leadership gehen die Ziele und Visionen von Leitung weit über das konkrete pädagogische Interaktionsgeschehen hinaus. Das (Sozial-) Pädagogische gehört zum Leitungsverständnis, wird allerdings sehr stark auf der Ebene von Organisations- und Teamstruktur sowie sozialräumlicher Vernetzung ausgestaltet. Im teambezogenen Leadership dominiert die Orientierung an der Führung eines Teams bzw. einzelner Fachkräfte. Die Leitungen betrachten Kita vor allem als Ort pädagogischer und sozialer Beziehungen, ihre Visionen richten sich primär auf die Verbesserung von Beziehungs- und Interaktionsqualität in ihrem Haus. Leitung versteht sich hier selbst als pädagogische Praxisexpertin, die mit ihrer Arbeit ein Vorbild darstellt. Qualitätsentwicklung wird im Sinne von Personalentwicklung sehr stark aus dem Team heraus vorangetrieben. Die Studie widerlegt dabei die verbreitete Einschätzung, dass sich die Freude daran, pädagogisch in der Gruppe zu arbeiten, generell negativ auf ein professionelles Führungsverständnis auswirkt. Vielmehr zeigt vor allem das teambezogene Leadership, dass sich die eigene Präferenz für die direkte pädagogische Arbeit mit Kindern in der Gruppe und ein professionelles, an der Teamentwicklung orientiertes Führungsverständnis keinesfalls ausschließen.
Perspektiven Die beiden vorgestellten Studien zeigen, dass im Feld der FBBE drei zentrale Linien der Qualitätsentwicklung und Professionalisierung zusammengeführt werden müssen: Eine Verbesserung der Strukturqualität, also Qualitätsentwicklung auf der strukturellen und organisationalen Ebene, ist dringend erforderlich, damit
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frühpädagogische Fach- und Leitungskräfte ihre professionellen Kompetenzen auch tatsächlich zur Entfaltung bringen können. Neben der Absenkung der Fachkraft-Kind-Relation müssen vor allem verbindlich bereitgestellte Zeitkontingente für die mittelbare pädagogische Arbeit sowie für die verschiedenen Facetten des Aufgabenprofils von Leitungskräften dafür sorgen, dass die Fachkräfte die in den Bildungsprogrammen kondensierten, komplexen Aufgaben und hohen Erwartungen erfüllen können, ohne permanent Dilemma- und Erschöpfungserfahrungen zu machen (vgl. auch Nagel-Prinz & Paulus, 2012; Viernickel & Voss 2013; Schreyer et al., 2014; → Kapitel II.2). Leitungskräfte sollten zudem stärker als bisher von zeitaufwändigen hauswirtschaftlichen und Sekretariatsaufgaben entlastet werden. Die direkte pädagogische Arbeit mit Kindern sollte hingegen nicht prinzipiell aus dem Aufgabenprofil Kita-Leitung verschwinden: Stehen Leitungskräften mit einem Kombi-Profil angemessen gute Zeitkontingente dafür zur Verfügung, ihre doppelte pädagogische Leitungsverantwortung in der Alltagspraxis zu realisieren, ohne das Gefühl zu haben, weder das eine – Kita als Organisation – noch das andere – Kita als Raum pädagogischer Beziehungs- und Interaktionsgestaltung – zu vernachlässigen, gefährdet dies keinesfalls ein professionelles Leitungsverständnis. Für eine nachhaltige Verbesserung der pädagogischen und der Leitungsqualität ist es darüber hinaus notwendig, dass Fach- bzw. Leitungskräfte auf der Grundlage einer reflektierten professionellen Haltung agieren. Eine Möglichkeit, dies zu forcieren, ergibt sich aus der Teil-Akademisierung des Feldes und der damit verbundenen stärkeren Anbindung von Fachpraxis an den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand. Die Zusammenarbeit in multi- bzw. interprofessionellen Teams kann ebenfalls dazu beitragen, gesellschaftliche, soziale und pädagogische Herausforderungen durch das Zusammenführen und Bündeln verschiedener Kompetenzen besser zu bewältigen (Fröhlich-Gildhoff et al., 2014b). Schließlich ist es für die Entwicklung der geforderten professionellen, forschenden Haltung förderlich, dass die Bedeutung von methodisch fundierten Analyse- und Reflexionsprozessen bei Fach- und Leitungskräften und in Teams zunehmend als zentrale Professionalisierungsaufgabe anerkannt und etabliert wird. Zum Dritten lassen sich sowohl in der Schlüssel- als auch in der Leitungsstudie einige erste empirische Hinweise darauf finden, dass ein »kompetentes System« wesentlich dazu beiträgt, dass frühpädagogische Fach- und Leitungskräfte professionelle handlungsleitende Orientierungen entwickeln und in den Einrichtungen gute pädagogische Qualität realisiert wird. Ein zentrales Ergebnis der Schlüsselstudie ist, dass eine kritisch-diskursive, an fachlichen Themen orientierte Streit- und Kommunikationskultur im Team, ebenso wie ein anerkennender,
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an Partizipation, Mitbestimmung und fachlichem Input orientierter Leitungsstil, die Realisierung einer professionellen, an den Anforderungen und Erwartungen der Bildungsprogramme orientierten, pädagogischen Praxis fördern. »Sowohl eine gute Leitungs- und Teamqualität als auch als besser wahrgenommene strukturelle Rahmenbedingungen und trägerseitige Unterstützungsangebote tragen zur professionellen Arbeit im Sinne der Bildungsprogramme bei« (Viernickel, Nentwig-Gesemann & Weßels, 2014, S. 165).
Die Bedeutung eines kompetenten Systems wird auch in der Leitungsstudie deutlich: Eine fachlich kompetente Unterstützung durch den Träger stellt für Leitungskräfte eine wichtige und stärkende Ressource dar. Fühlen sich Leitungen hingegen von ihrem Träger mit immer neuen Aufgaben überhäuft, fachlich nicht hinreichend unterstützt und persönlich nicht wertgeschätzt, wird dies als sehr belastend wahrgenommen. Voraussetzung einer Kooperation auf Augenhöhe zwischen Leitung und Träger ist eine Leitungspersönlichkeit, die sich dem Träger aufgrund ihrer eigenen Expertise gewachsen fühlt, den kritischen Diskurs mit ihm nicht scheut und sich nicht in der Rolle des klaglosen »Umsetzers« übertragener Aufgaben sieht, sondern als zentraler (Mit-)Gestalter pädagogischer Qualität in Kitas. Der Träger wiederum ist angewiesen auf die Kooperation und Unterstützung durch Bund, Länder, Kommunen: »Ein kompetentes System setzt auf die reziproken Beziehungen zwischen Individuen, Teams, Institutionen und der politischen Ebene« (Urban et al., 2012, S. 45). Die CoRe-Studie8 »betont damit Rahmenbedingungen und Unterstützungsstrukturen, auf die pädagogische Fachkräfte notwendig angewiesen sind, um verantwortlich und kompetent mit den Bedürfnissen von Kindern und Eltern umzugehen« (Urban et al., 2012). Die Bedeutung von Wissenschaft und (Praxis-)Forschung scheinen allerdings in den bisherigen Modellen und Dimensionen eines »kompetenten Systems« eher unbeachtet oder zumindest nicht deutlich (genug) expliziert zu werden: Eine gute Verzahnung mit Wissenschaft und Forschung, das Einspeisen empirisch abgesicherter Erkenntnisse in die Praxis sowie das Aufgreifen und Bearbeiten praxisrelevanter Forschungsfragen, kann für alle individuellen, organisationalen und gesellschaftlichen Akteure im System der FBBE ein großes Professionalisierungspotenzial anbieten. 8 Die CoRe-Studie (Competence Requirements in Early Childhood Education and Care) (2011) wurde von der Europäischen Kommission in Auftrag gegeben, um die Kompetenzanforderungen an Fachkräfte der frühkindlichen Bildung, Betreuung und Erziehung in Europa zu untersuchen.
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II. Interaktion – Von der Wissenschaft zu guter Praxis
II.1 Kommunikation mit Eltern Christa Kieferle
Schlüsselwörter: Kommunikation, Zusammenarbeit mit Eltern, Eltern-Mitwirkung
Begleituntersuchungen zu PISA 2000 (OECD, 2001, 356 f.) ergaben, dass die Familie auf die mathematischen, naturwissenschaftlichen und auf die Lesekompetenzen der Schüler einen wesentlich stärkeren Einfluss hatte als der Unterricht oder andere Faktoren. So wird heute nicht mehr grundsätzlich angezweifelt, dass eine konstruktive Zusammenarbeit zwischen Bildungseinrichtung und Familie einen wesentlichen positiven Einfluss auf die Lernentwicklung des Kindes hat. Deshalb ist in allen deutschen Bildungsplänen die Bildungs- und Erziehungspartnerschaft mit Eltern als Teil der pädagogischen Handlungspraxis festgeschrieben. Oft bleibt diese Einsicht jedoch auf einer theoretischen Ebene stecken. Denn viele der Schlüsselansätze, die für eine gelingende und effektive Zusammen arbeit vonnöten sind, entbehren ganz konkreter und praktischer Ausführungen. Kommunikationspraktiken gelten als Indikatoren für die Qualität einer Einrichtung (z. B. Andersson, 1999). In einer der Studien, die die Zusammenhänge zwischen Kommunikation und Einrichtungsqualität untersuchten, fanden Ghazvini & Readdick (1994), dass eine höhere Einrichtungsqualität positiv mit einem hohen Niveau an Zwei-Wege-Kommunikationen korrelierte (s. a. Owen et al., 2000). Eine effektive Kommunikation von der Familie zur Einrichtung und von der Einrichtung zur Familie ist nach Epstein (2001) ein Schlüssel zur qualitativ hochwertigen Elternmitwirkung. Eine optimale Kommunikation zwischen Elternhaus und Bildungseinrichtung ist nach Epsteins Modell der andauernde Prozess, Kontakt über Mitteilungen, Telefonate, Notizen, Konferenzen, Unterhaltungen und andere Medien (Epstein, 2001) herzustellen. Wenn die Familie in einem engen Kontakt mit der Bildungseinrichtung steht, können die Eltern wichtige Hinweise darauf bekommen, wie sie ihr Kind in seinem Bildungsprozess, z. B. bei der Sprach- und Literacy-Entwicklung, begleiten und unterstützen können. Der Aufbau positiver und vertrauensvoller Beziehun-
Kommunikation mit Eltern
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gen mit Eltern hängt von einer guten Kommunikation ab (vgl. Raeff et al., 2000). Der Begriff Kommunikation bedeutet eine komplexe Handlung mit mehreren Komponenten. Die meisten Definitionen beinhalten einen Austausch oder eine Übermittlung von Informationen, Unterstützung, Gedanken, Einstellungen, Erwartungen und Gefühlen zwischen Menschen oder Gruppen. Kommunikationsmodelle stimmen in gewissen Elementen miteinander überein. Der Sender initiiert eine Botschaft und verschlüsselt sie durch ein Symbolsystem (z. B. Worte, Gesten, Bilder) in einem bestimmten Medium (z. B. schriftlich, mündlich, Video), dann sendet er sie über einen bestimmten Kanal (Botschaften müssen nicht verbal sein). Der Empfänger entschlüsselt die Botschaft, um ihre Bedeutung zu konstruieren (McQuail & Windahl, 1993). Eine oder beide Parteien gewinnen mehr Wissen, sind der Überzeugung anders zu denken oder werden überredet, in einer bestimmten Weise zu handeln. Auf der anderen Seite kann ein Empfänger eine Botschaft auch missverstehen, falsch interpretieren, zurückweisen oder ignorieren. Die Beziehungen zwischen Sendern und Empfängern werden beeinflusst durch ihre individuellen Kapazitäten und Persönlichkeiten, durch ihre relative Autonomie und davon, was sie übereinander denken und annehmen. Die Themen, die in diesem Kapitel angesprochen werden, beinhalten die Praxis der Fachkräfte-Eltern-Kommunikation, die Identifikation von Informationsbedarfen, Informationsnutzung und den Zugang zu Informationen. Kommunikation und Austausch von Informationen (und anderer Ressourcen) sind die Schlüsselkomponenten der Beziehungen zwischen Eltern und Bildungseinrichtung. Dieses Kapitel bringt einige Gedanken und Forschungsergebnisse aus den Kommunikations- und Informationswissenschaften ein, die Erkenntnisse darüber zeigen, was bei den Fachkräfte-Eltern-Interaktionen funktioniert und was Barrieren schafft. Die Vorteile der Mitwirkung von Familien in der Kindertageseinrichtung sind in der Forschung vielfach belegt, wie im Folgenden dargelegt wird (→ Kapitel I.4) Dennoch gibt es durchaus Verunsicherungen in der Praxis, da der Einbezug von Familien nicht schon immer die Rolle in der Frühpädagogik gespielt hat, wie es die heutigen gesellschaftlichen Herausforderungen bedingen. Das hat nicht zuletzt mit der zunehmenden sprachlichen und kulturellen Diversität, die uns in den Bildungseinrichtungen begegnet, zu tun. Offenheit und Transparenz sind wesentliche Faktoren, die dazu beitragen, dass Eltern bzw. Familien eine vertrauensvolle Beziehung und Bildungspartnerschaft mit den pädagogischen Fachkräften in den Kindertageseinrichtungen aufbauen können. Transparenz betrifft verschiedene Bereiche des pädagogischen Alltags in der Kindertageseinrichtung u. a. Konzeption, Lernaktivitäten, Beobachtung und Dokumentation sowie Zusatzangebote. Dies wird in den letzten Abschnitten dieses Kapitels thematisiert.
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Interaktion – Von der Wissenschaft zu guter Praxis
Zur Bedeutung der Familienmitwirkung In einer Forschungsliteraturanalyse von Van Voorhis et al. (2013) wurden 95 Forschungsarbeiten zur Einbindung von Familien von drei- bis achtjährigen Kindern untersucht. Dabei konnten insgesamt vier Kategorien des Einbezugs von Familien in die Bildungseinrichtung herausgearbeitet werden: ȤȤ Lernaktivitäten zu Hause, einschließlich derjenigen, bei denen die Eltern aktiv werden, um die Literacy- oder mathematischen Fähigkeiten ihrer Kinder außerhalb der Bildungseinrichtung zu unterstützen. ȤȤ Familienmitwirkung in der Bildungseinrichtung, einschließlich der Tätigkeiten und Interaktionen, die innerhalb des Gebäudes stattfinden, wie z. B. Eltern-Fachkraft-Konferenzen oder Hospitationen. ȤȤ Betreuung durch die Bildungseinrichtung, um Familien zu beteiligen, einschließlich der Methoden, die Bildungseinrichtungen und Pädagogen nutzen, um Familien zu gewinnen und dafür zu sorgen, dass sie sich willkommen fühlen. ȤȤ Unterstützende pädagogische Aktivitäten, einschließlich die Beschaffenheit und Qualität der Eltern-Kind-Beziehung und der häuslichen Umgebung, Grenzen setzen und Erziehungsverhalten. Die Schlüsselbefunde dieser Literaturstudie zeigen sehr deutlich, dass Familienmitwirkung für die Entwicklung der Literacy- und mathematischen Fähigkeiten eine bedeutsame Rolle spielt. Eine konstruktive Kommunikation zwischen Bildungseinrichtung und Familie wirkt sich auf das Lernen des Kindes aus (für den schulischen Bereich in Deutschland vgl. auch Sacher, 2006). Ein paar wenige Studien, so die Auswertung von Van Voorhis et al. (2013), zeigen auch einen Zusammenhang zwischen Familienmitwirkung und der sozial-emotionalen Entwicklung. Einen eher schwachen Einfluss haben wohl Aktivitäten, an denen sich Eltern in der Bildungseinrichtung beteiligen, wie z. B. Mithilfe bei Vorbereitungen von Festen. Insgesamt zeigen die vielen Forschungsergebnisse (z. B. McWayne et al., 2004; Marcon, 1999), dass sich eine gute und kontinuierliche Kommunikation zwischen den Bildungsorten Familie und Bildungseinrichtung in vielerlei Hinsicht positiv auf die Fähigkeiten des Kindes auswirkt, vor allem auf Lernmotivation, Verhalten und Sprache.
Mitwirkung – keine einfache Aufgabe für Fachkräfte und Eltern Obwohl die Kommunikation zwischen Eltern und Fachkräften ein Thema vieler praxisorientierter Artikel und Bücher in der Pädagogik ist, wurde sie in der
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Forschung weit weniger thematisiert (Mendoza et al., 2003). Am ehesten findet man Forschungsliteratur zu diesem Thema in Zusammenhang mit Übergängen (z. B. Niesel & Griebel, 2015). Für Eltern ist ihr Kind in der Regel die wichtigste Person in ihrem Leben, für das sie der stärkste Anwalt und Beschützer sein wollen, und es sind die pädagogischen Fachkräfte, mit denen die Eltern bei der wichtigen Aufgabe der Bildung und Erziehung eine Allianz schmieden sollen. Der kommunikative Austausch zwischen Eltern und pädagogischer Fachkraft kann die Fachkräfte dabei unterstützen, die Wahrnehmung der Eltern von ihrem Kind und die Eindrücke und Erwartungen, die sie von der Kindertageseinrichtung haben, besser zu verstehen. Zu häufig wird die Familie-Fachkraft-Kommunikation von den Eltern aber als nicht empathisch erlebt, sondern eher als von Misstrauen und wenig gegenseitigem Respekt geprägt (Lea, 2006). Eltern berichten, dass oftmals ihre Sicht auf wesentliche Themen, ihre Ansichten beim Setzen von Zielen und beim Treffen von Entscheidungen ignoriert werden (Bernhard et al., 1998). Einen möglichen Grund für diese Wahrnehmung sehen McNaughton et al. (2007) auch in den Zuhörfähigkeiten seitens der Fachkräfte. Aktive Zuhör fähigkeiten spielen eine bedeutende Rolle bei einer effektiven Kommunikation (O’Shea et al., 2000). Aktives Zuhören wird als mehrschrittiger Prozess beschrieben, der die Äußerung empathischer Kommentare, angemessener Fragestellung sowie das Paraphrasieren umfasst (Gordon, 2003; Turnbull & Turnbull, 1990). Das Ziel des aktiven Zuhörens ist, ein klares Verständnis der Anliegen des Sprechers zu entwickeln (z. B. durch Nachfragen) und ebenso das Interesse des Zuhörers an der Botschaft des Sprechers zu kommunizieren (z. B. durch Zusammenfassen des Verstandenen). Lasky (2000) deutet darauf hin, dass Fachkräfte durch aktives Zuhören wichtige Informationen gewinnen, mit denen sie arbeiten und gleichzeitig den Eltern ein aufrichtiges Interesse und Verständnis für deren Standpunkt mitteilen können. McNaughton et al. (2007) konnten in ihrer Studie zum aktiven Zuhören zeigen, dass ein gezieltes Training beobachtbare Verbesserungen in den Kommunikationsfertigkeiten erreichen kann, und dass die Anwendung dieser Fertigkeiten sowohl von den Fachkräften als auch von den Eltern der Kinder wertgeschätzt wurde. Wie Baum & McMurray-Schwarz (2004, S. 58) anmerken, haben viele, vor allem unerfahrene, pädagogische Fachkräfte zwiespältige Erwartungen hinsichtlich der Familien und ihrer Mitwirkung im Bildungsgeschehen. Einerseits sehen sie den Wert einer guten Mitwirkung von Familien, andererseits vergegenwärtigen sie sich sehr stressbeladene Beziehungen. Eltern und Familien werden noch zu oft durch die Defizitbrille wahrgenommen, durch die ihre Schwächen und Dysfunktionen betont werden. Dabei haben aus einer ökologischen Perspek-
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tive (Bronfenbrenner, 2005) betrachtet alle Familien Stärken, vor allem, wenn man den Ansatz der Mitwirkung verfolgt. Obwohl die Bedeutung von Elterngesprächen bekannt und unstrittig ist, wurden in 29 %, der in einer Studie vom Deutschen Jugendinstitut (Schoyerer & Van Santen, 2015) untersuchten Kitas, mit einem Teil der Eltern keine regelmäßigen Entwicklungsgespräche geführt (Bange, 2016). Als Gründe dafür wurden insbesondere psychische Erkrankungen der Eltern, Sprachprobleme oder das Leben in Armutslagen genannt. Demnach arbeiten die Fachkräfte gerade mit Eltern in besonderen Problemlagen seltener als mit anderen Eltern zusammen (Bange, 2016).
Familien mit diversen Hintergründen Die meisten Eltern mit Migrationshintergrund legen großen Wert auf eine gute Beziehung zu den pädagogischen Fachkräften (Honig et al., 2004; Jungen, 2013) und erachten Bildungsangebote für Eltern als sehr wichtig (Lokhande, 2014; Barz et al., 2015). Allerdings nehmen sie, vor allem, wenn sie aus den unteren sozialen Schichten kommen, die bestehenden Angebote seltener wahr als Eltern der Mehrheitsbevölkerung (Hartung et al. 2009). Als Gründe hierfür werden neben Sprachbarrieren und eigenen negativen Erfahrungen mit schulischem Lernen (Fischer et al., 2007) Benachteiligungserfahrungen (Hawighorst, 2009; Jungen, 2013) sowie Unsicherheit im Umgang mit pädagogischen Fachkräften und anderen Eltern genannt. So richten Bildungseinrichtungen beispielsweise ihr Augenmerk auf die sprachlichen Verständnisschwierigkeiten von Eltern, jedoch führen eher die Kommunikationsschwierigkeiten als der Sprachcode zu kulturellen Missverständnissen. Familien mit Migrationshintergrund sind eine sehr heterogene Gruppe, denn außer individuelle persönliche Unterschiede (z. B. in der sprachlichen, kognitiven oder sozial-emotionalen Entwicklung) bringen die Kinder auch kulturell bedingte Unterschiede mit, was die Bildungserfahrungen in der Familie, in der weiteren Lebensumgebung und in Bildungsinstitutionen anbelangt. Die Studie »Große Vielfalt, weniger Chancen« (Barz et al., 2015) zeigt, dass die Angehörigen der verschiedenen von den Bildungsforschern kategorisierten Migrantenmilieus über sehr unterschiedliche Ressourcen bezüglich der Unterstützung ihrer Kinder im Bildungsprozess verfügen. Die Studie macht deutlich, dass die Bildungspartnerschaften sehr individuell an die einzelnen Bedarfe der Eltern angepasst sein müssen, damit sie auch effektiv genutzt werden können (Kieferle & Becker-Stoll, 2016). Die Befragung von 1700 Personen mit Migrationshintergrund in dieser Studie ergab, dass sich die meisten Eltern quer durch alle Milieus
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dafür aussprachen, dass vermehrt Lehrkräfte mit interkultureller Kompetenz eingestellt werden. Auch schätzten sie als sehr wichtig bzw. wichtig ein, dass Schulen Offenheit und Wertschätzung für unterschiedliche Kulturen zeigen. In qualitativen Analysen zur Ungleichbehandlung von Kindern mit Migrationshintergrund in den deutschen Bildungseinrichtungen ermittelten Gomolla & Radtke (2007) jedoch eine ganze Reihe von Mechanismen direkter und indirekter institutioneller Diskriminierung. Die qualitativen Untersuchungen machen sichtbar, dass die Bildungseinrichtungen im Umgang mit sozialen Unterschieden an der Verfestigung, aber auch an der Veränderung sozialer Unterschiede in den Bildungskarrieren und -erfolgen aktiv beteiligt sind: mit ihren Organisationsstrukturen, Programmen, offenen und unausgesprochenen Regeln sowie mit dem Handlungswissen der Fachkräfte und ihren Kommunikationsformen und Routinen (vgl. z. B. Gogolin & Neumann, 1997; Weber, 2003; Gomolla, 2005; Kronig, 2007). In Hinsicht auf kulturelle Unterschiede lässt sich sagen, dass die Diskurse über frühe Bildung und Erziehung in Deutschland von einer Orientierung auf Autonomie geprägt sind (Keller, 2011). Viele Familien sind aber in einer anderen kulturellen Umgebung sozialisiert, deren Bildungs- und Erziehungsverständnis sich in Hinsicht auf das Bild vom Kind und seinen Platz in der Gesellschaft unterscheidet. Die deutsche Kita-Kultur ist weitgehend orientiert am kulturellen Modell der weißen Mittelschichtfamilie mit ihrer Betonung von Individualismus. Wird Kindern vermittelt, dies sei der einzig akzeptable Entwicklungspfad, so stehen sie unter dem Druck, sich an dieses kulturelle Modell anzupassen, und gleichzeitig wird dadurch ihre Familienkultur abgewertet. Negative Auswirkungen auf ihre Identitätsentwicklung und Lernmotivation können die Folge sein, denn für die emotionale Gesundheit ist die Verbundenheit mit der Familie und Familienkultur zentral (Gonzales-Mena, 2008; McCarty & Schaffer, 1992; Swisher & Deyhle, 1992). Interkulturell nicht sensibilisierte Fach- und Lehrkräfte haben jedoch oftmals keine Kenntnis davon. Gonzales-Mena (2008) weist darauf hin, dass kulturelle Einseitigkeiten in Bildungseinrichtungen sich in erster Linie darin zeigen, dass andere kulturelle Modelle ignoriert werden. Das bedeutet, dass ein Teil der Identität von Kindern und ihren Familien nicht wahrgenommen und damit auch nicht anerkannt wird. Dabei können sich Kinder grundsätzlich in mehr als einem kulturellen System zurechtfinden, können eine sogenannte »bikulturelle« Identität entwickeln, allerdings nicht, wenn sie gezwungen werden, die eine Identität auf Kosten der anderen zu erwerben. Eine gesunde Identität (eine, die nicht auf der Leugnung des Ursprungs beruht) ist jedoch eine wichtige Komponente der menschlichen Entwicklung und hilft Kindern dabei, sich zugehörig zu fühlen. Das scheint eine notwendige Bedingung für die Risikobereitschaft zu sein, die für das Lernen unerlässlich ist (Sheets & Hollins, 1999; Trumbull & Pacheco, 2005).
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Um mit Familien und Kindern aus unterschiedlichen Kulturen gut kommunizieren zu können, bedarf es interkultureller Kompetenzen, professioneller Einstellungen, Überzeugungen, Erkenntnisse und Fertigkeiten einer Fachkraft, die es ihr ermöglichen, auf Unterschiede positiv zu reagieren und effektiv mit jedem Kind, ungeachtet seines Hintergrundes, zu interagieren und seine Entwicklung zu unterstützen. In diesem Sinne geht es nicht allein um interkulturelle Unterschiede, sondern um alle Unterschiede, die Kinder als Individuen haben, wie z. B. Ethnie, Nationalität, Religion, Geschlecht, sprachliche Zugehörigkeit, sozio-ökonomischer Status und Leistungsfähigkeit. Zu verstehen, wo Eltern auf kulturelle Konflikte zwischen Bildungseinrichtung und familiärer Umgebung stoßen, ist notwendig, um eine gute Kommunikation und die Elternzufriedenheit mit der Bildungseinrichtung zu erreichen (Kieferle, 2015).
Austausch von Informationen und Transparenz schaffen Vertrauen Eine Bildungspartnerschaft bedeutet, dass Eltern, Familien und pädagogische Fachkräfte zusammenarbeiten, um das Kind in seiner gesamten Entwicklung zu unterstützen. Jeder würdigt, respektiert und wertschätzt, was der andere macht und sagt. Partnerschaft beinhaltet Verantwortung auf beiden Seiten. Eine gute Partnerschaft beruht auf Vertrauen. Dazu gehört auch der respektvolle Umgang mit vertraulichen Informationen, die Fachkräfte von den Eltern über sich und ihre Kinder erhalten, wobei natürlich keine Schweigepflicht in Fällen von Kindeswohlgefährdung gelten kann. Alle Eltern brauchen von Zeit zu Zeit Unterstützung (z. B. bei Eheproblemen, beim Verlust eines geliebten Menschen, bei finanziellen oder gesundheitlichen Problemen). Zeitbeschränkungen, Armut, sozialer und ökonomischer Hintergrund, kulturelle Identität, Diskriminierung, vorausgegangene negative Erfahrungen, literale Schwierigkeiten, Sprache oder verschiedene Behinderungen, können es für Eltern schwermachen, sich am Lernprozess und an der Entwicklung des Kindes so zu beteiligen, wie sie es am liebsten tun würden. Während eine gute Bildungspartnerschaft mit Eltern für alle Eltern und Familien gewinnbringend ist, kann sie für diese Familien besonders wichtig sein. Manche Eltern (wie z. B. Eltern mit körperlichen Einschränkungen, Analphabetismus oder Sprachbarrieren) haben möglicherweise besondere Bedürfnisse beim Abruf von Informationen oder bei der Teilnahme an Aktivitäten. Sie brauchen Informationen in barrierefreier Form und das Angebot, sich zu beteiligen.
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Barrieren abbauen Informationssucher können nicht etwas suchen, was sie nicht verstehen (Mendoza et al., 2003). Der Zugang zu Informationen kann durch Unterschiede im literalen Niveau zwischen Eltern und Fachkräften ernsthaft gefährdet sein. Aus diesem Grund ist es außerordentlich wichtig, dass Fachkräfte ihre Worte sehr achtsam wählen, wenn sie mit Eltern kommunizieren, vor allem, wenn diese wenig Bildung haben oder die deutsche Sprache auf einem niedrigen Niveau beherrschen. Forschungen in der Medizin und in der Bildung bestätigen, dass Eltern nicht immer die Schlüsselinformationen über ihre Kinder verstehen, wenn die Fachkräfte technische Ausdrucksweisen und Fachjargon ohne ausreichende Erklärung verwenden (z. B. Allen et al., 1993). Das Sprachniveau, in dem schriftliches Material verfasst ist, kann seine Brauchbarkeit für Leser beeinträchtigen. Leicht lesbare Materialien werden von den meisten Menschen verstanden, schwierigere hingegen können manche Leser verwirren, oder sie werden ignoriert. Studien haben gezeigt, dass Schriftstücke für Eltern oft auf einem zu hohen Niveau für einen Großteil der angestrebten Zielgruppe verfasst sind (z. B. Wegner & Girasek, 2003; Klingbeil et al., 1995). Sprachliche Unterschiede können Eltern von wichtigen Informationen abschneiden und sie davon abhalten, ihr eigenes Wissen mit den Fachkräften zu teilen. Hier wäre ein Übersetzungskommitee (aus interessierten Eltern/Familienmitgliedern und Fachkräften sowie dem Elternbeirat) hilfreich, das Mitteilungen nicht nur in die verschiedenen Sprachen übersetzt, sondern auch auf ihre Verständlichkeit hin überprüft. Für pädagogische Fachkräfte kann es nützlich sein, sich an folgenden Reflexionsfragen zu orientieren, um die Lebensumstände von Eltern im Blick zu haben, die Barrieren in der Kommunikation mit der Kindertageseinrichtung darstellen: ȤȤ Erhalten alle Eltern, auch die ohne Deutsch als Erstsprache oder Eltern, die sich aufgrund einer Taubheit mit Zeichensprache verständigen, Informationen über das Lernen ihres Kindes und die Möglichkeiten der Mitwirkung in der Kindertageseinrichtung? ȤȤ Kennen die Eltern, die eine Behinderung haben, die Unterstützung, die sie erhalten können, um in die Kindertageseinrichtung zu kommen? ȤȤ Haben die Fachkräfte und die Eltern Zugang zu Hilfen und Ausstattungen oder Dienste, wie z. B. Übersetzer (Zeichensprache, Fremdsprachen), die sie bei der Kommunikation miteinander unterstützen? ȤȤ Wissen die Eltern, die damit Schwierigkeiten haben, alleine in die Einrichtung zu kommen, dass sie Bekannte oder Verwandte mitbringen können, die sie unterstützen?
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ȤȤ Gibt es Ermutigung und praktische Hilfe für Väter, damit sie eingebunden sein können? ȤȤ Ist die Umgebung so gestaltet, dass sich auch Väter willkommen fühlen? ȤȤ Gibt es praktische Unterstützung für alleinerziehende Mütter und Väter, um einbezogen sein zu können? ȤȤ Fühlen sich alle Partner aller Eltern als freiwillige Helfer willkommen, sodass jedes Kind bei Veranstaltungen mit der Familie dabei sein kann? ȤȤ Wird deutlich, dass der Elternbeirat für alle Eltern Ansprechpartner ist? Wenn ein Kind in die Kindertageseinrichtung kommt, ist es sehr wichtig, dass Eltern und Kind von Anfang an das Gefühl haben, willkommen zu sein, anerkannt und respektiert zu werden. In vertrauensvollen Gesprächen mit den Eltern (bei Migranten mit Unterstützung von Übersetzern – nicht mit Hilfe älterer Kinder) können pädagogische Fachkräfte herausfinden, welche Ansichten hinsichtlich sozialer Anpassung aber auch hinsichtlich des Wissenserwerbes die Eltern haben. Die Erwartungen von Eltern an die Bildungseinrichtungen variieren kulturell. Während in manchen Kulturen der Wissenserwerb an erster Stelle steht, legen Eltern aus andern Kulturen den größten Wert auf die Fähigkeit, sich an Gemeinschaften sozial anpassen zu können, das bedeutet zu wissen, wie man mit einer großen Gruppe von Kindern interagiert oder angemessen einer pädagogischen Fachkraft antwortet (Dockett & Perry, 2005). Die Eltern, ihre Bedürfnisse und Erwartungen kennenzulernen, ist der erste Schritt, genauso wie Eltern den Fachkräften wertvolle Einblicke dahingehend anbieten können, wie das Angebot für sie verbessert werden kann oder erreichbarer wird. Damit Eltern aber überhaupt wissen, welche Informationen für die Fachkräfte wichtig sind, damit diese ein vollständigeres Bild von dem erhalten, was sie und ihre Kinder brauchen, ist es sinnvoll, den Eltern bei Eintritt in die Kindertageseinrichtung nicht nur mitzuteilen, dass sie Informationen mit der pädagogischen Fachkraft austauschen können, sondern auch konkret welche. Hier ein paar Beispiele: ȤȤ Der Fachkraft Feedback geben, z. B. wenn das Kind eine Aktivität in der Kindertageseinrichtung erlebt hat, die es auch zu Hause ausprobieren möchte. ȤȤ Familientraditionen und Kulturen, damit die Fachkräfte die Kinder dabei unterstützen können, sich zugehörig zu fühlen. ȤȤ Alles, was das Verhalten des Kindes oder seine Stimmung anbelangt, wie z. B. der Tod eines Haustiers, Trennung, Geburt eines Geschwisters, aber auch der bevorstehende Geburtstag, ein kulturelles Ereignis oder der Besuch eines nahen Verwandten. ȤȤ Befürchtungen in Bezug auf die Entwicklung des Kindes.
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ȤȤ Erfolge, die das Kind zu Hause gemacht hat. ȤȤ Informationen über bestimmte Unterstützungen oder Hilfe, die Eltern oder Kind brauchen, um an Aktivitäten teilnehmen zu können (z. B. Mitfahrgelegenheiten). ȤȤ Anregungen bzw. Übungen von Fachdiensten, die das Kind regelmäßig durchführen sollte (z. B. bestimmte Körperübungen).
Über die Einrichtung informieren Eines der wichtigsten vertrauensbildenden Maßnahmen in der Zusammenarbeit mit Familien ist Transparenz. Diese Transparenz betrifft verschiedene Bereiche des pädagogischen Alltags in der Kindertageseinrichtung, wie z. B. Konzeption, Lernaktivitäten, Beobachtung, Dokumentation und Zusatzangebote. Eltern sollten sowohl über die Bildungseinrichtung an sich als auch über das Personal informiert werden. Diese Informationen umfassen Details über: die pädagogische Konzeption der Einrichtung, den Bildungsplan – seine Prinzipien und Bildungsinhalte, die Einrichtungsleitung, die Bezugspersonen des Kindes, die Ausstattung, Schließ- und Öffnungszeiten, die Qualifikation des Personals, den Fachkraft-Kind-Schlüssel, Gebühren, Methoden des Verhaltensmanagements und der Eingewöhnung sowie über Zusatzangebote, wie z. B. Musikschule, Englischkurse für Kinder oder Bildungsangebote für Eltern. Der persönliche Austausch mit den pädagogischen Fachkräften ist für die meisten Eltern von zentraler Bedeutung, damit sie eine Vertrauensbasis aufbauen können. Einige Studien aus den achtziger und neunziger Jahren (z. B. Powell, 1989; Endsley & Minish, 1991) zeigen, dass sich Fachkräfte und Eltern am häufigsten während der Bring- und Abholzeit über die Kinder oder die Familie austauschen. Endsley und Minish (1991) stellten jedoch fest, dass in beinahe der Hälfte, der von ihnen beobachteten Bring- und Abholsituationen, keine Kommunikation stattfand, nicht einmal eine Begrüßung. Das deutet darauf hin, dass ein gewisser Anteil von Eltern wichtige Gelegenheiten verpasst, um mit den Fachkräften über ihre Kinder zu kommunizieren. Entweder, weil sie die Einrichtung während der Bring- und Abholzeiten nicht betreten, oder weil die Fachkräfte sie nicht zur Kenntnis nehmen. Dabei sollte sich eine Einrichtung bemühen, mit allen Familien zu kommunizieren (z. B. durch Dolmetscher) und auf Anfragen nach Unterstützung und Information reagieren (z. B. die Kommunikation unter den Familien erleichtern, die das gleiche Anliegen haben). Notwendig ist deshalb die Schaffung eines Systems, um auch mit Familien zu kommunizieren, die nicht jeden Tag in die Einrichtung kommen (z. B. E-Mail,
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Telefonate). Bange (2016) weist in seinem Aufsatz zur Kindertagesbetreuung und Kinder in Armutslagen auf die Notwendigkeit hin, dass in den Kindertageseinrichtungen in sozial belasteten Stadtteilen auch in den Randzeiten Sprech- und Anmeldezeiten sowie Öffnungszeiten angeboten werden, um weniger mobilen Eltern den Kontakt zu ermöglichen bzw. auf deren zum Teil ungünstige Arbeitszeiten eingehen zu können. Viele Eltern wünschen sich Elternbildungsangebote – 63 % der in der Studie von Barz et al. (2015) befragten Eltern mit Migrationshintergrund finden sie interessant bis sehr interessant. Diese Bildungsangebote könnten sein: »Einführung in die deutsche Kultur«, »Erziehungsratgeber/Welcher Erziehungsstil ist der richtige?«, »Rolle als Mutter/Vater« aber auch »Netzwerke/Austausch mit anderen Eltern« oder »Wie lernen Kinder beim Spiel?«, »Wie lernt ein Kind Sprache?«, »Gesunde Ernährung für mein Kind«. Das Sammeln von praktischen Erfahrungen durch gezielte Aktivitäten zu einem Thema kann Vätern und Müttern wertvolle Impulse geben. Sie können so die sozialen und emotionalen Aspekte des Lernens auf anschauliche Art und Weise erkennen und die Bedeutung des Spiels und der aktiven Erforschung besser nachvollziehen. Wichtig jedoch ist, dass alle Eltern und Kinder umfassend über alle Angebote in der Bildungseinrichtung (z. B. Angebote zum Erlernen von Fremdsprachen oder Musikinstrumenten) informiert werden und alle Angebote allen Kindern (für Bedürftige kostenfrei) zugänglich gemacht werden.
Informationen mit allen Eltern teilen Alle Eltern wollen wissen, was ihre Kinder in den Bildungseinrichtungen lernen, und warum manche Dinge in der Einrichtung so und nicht anders gemacht werden. Teil der Rolle von pädagogischen Fachkräften ist es, sicherzustellen, dass auch Eltern die Möglichkeit haben zu erfahren, was Inhalt des Bildungsplans ist und wie das deutsche Bildungssystem funktioniert. Das zeigt einerseits die Professionalität der Bildungseinrichtung und lässt andererseits die Eltern erkennen, was Kinder in der Kita an Kenntnissen und Fertigkeiten erwerben können. Bei Hospitationen können Eltern noch genauer erfahren, welche Kompetenzen sich Kinder in den einzelnen Spiel- oder Lernbereichen im Detail aneignen können. Bei Hospitationen ist darauf zu achten, dass die hospitierenden Eltern nicht nur als stille Beobachter fungieren, sondern dass mit ihnen vorher abgesprochen wird, welche Aufgaben sie während der Hospitation übernehmen können (z. B. mit Kindern lesen, etwas kochen, musizieren). Gerade Eltern, die
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in anderen Kulturkreisen sozialisiert wurden und selbst ganz andere Erfahrungen mit Bildungseinrichtungen haben, brauchen die Sicherheit, dass ihre Kinder auch in den deutschen Bildungseinrichtungen in ihren Bildungsprozessen unterstützt und gefördert werden. Denn nicht überall wird z. B. das Spiel als wichtige Lernform angesehen (vgl. z. B. Glick Gryfe, 2005; Lancy, 2007; Singer et al., 2009). Besonders deutlich werden die unterschiedlichen Auffassungen beim Übergang in die Grundschule. Während es in vielen europäischen Ländern eine Art Vorschule gibt, in der die Kinder mit verschiedenen Methoden (z. B. Stillsitzen über einen längeren Zeitraum) auf die Schule vorbereitet werden, versuchen die Bildungseinrichtungen in Deutschland den Übergang in die Schule möglichst gleitend zu gestalten. Eltern können eine unschätzbare Quelle an Informationen über ihre Kinder sein, sie können aber auch ihre eigenen besonderen Interessen, und Talente einbringen. Fachkräfte können die Eltern zu Beginn des Kindergartenjahres einladen, einen kurzen Fragebogen auszufüllen, in dem Fragen stehen, wie beispielsweise: ȤȤ Wären Sie gerne ein Gast in unserer Gruppe/Kita? Könnten Sie Geschichten vorlesen? Ein Lied lehren? Bei einem Projekt helfen? Einen Ausflug begleiten? Informationen übersetzen? ȤȤ Gibt es ein bestimmtes Thema, das Sie gerne in einer Aktivität finden würden (z. B. in eine neue Wohnung umziehen, neue Geschwister)? ȤȤ Gibt es ein bestimmtes Interesse, ein Talent oder eine berufliche Tätigkeit, die Sie gerne mit den Kindern, dem Personal teilen würden? ȤȤ Wie kann man Sie tagsüber am besten erreichen? ȤȤ Wann sind Sie am besten verfügbar? Auf diese Weise haben die Fachkräfte immer die Möglichkeit, die Eltern gezielt zur Mithilfe bei bestimmten Aktivitäten einzuladen. Eine gute Bildungspartnerschaft zeigt sich auch darin, dass die pädagogischen Fachkräfte die Eltern für ihre Zeit und Unterstützung würdigen, die sie investiert haben, wenn sie sich an Aktivitäten beteiligt oder in der Einrichtung hospitiert haben. Informationen sollten immer in verständlichen Worten verfasst sein. Schriftliche Notizen, Gespräche, Einsatz von Bildern und übersetzte Informationen sind hilfreich in der Kommunikation mit Eltern. Verschiedene Ausgestaltungen können für verschiedene Familien notwendig sein (hierzu Kieferle, 2015). Einer besonderen Aufmerksamkeit bedürfen auch Eltern, die getrennt leben oder geschieden sind, sodass beide Elternteile gleichermaßen informiert sind. Vor allem in Einrichtungen mit vielen sprachlichen und kulturellen Unterschieden kann ein Übersetzungskomitee gegründet werden, das die wichtigs-
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ten Standardinformationen übersetzt und auf kultursensible Formulierungen achtet. Im Laufe der Zeit verfügt so jede Einrichtung über ein gut ausgestattetes Archiv. Eine andere Möglichkeit, die Eltern zu informieren und zu unterstützten, sind Newsletter, die nützliche Informationen enthalten, wie z. B. die Lieder und Reime, die die Kinder lernen, wichtige Termine, oder kleine Theorieschnipsel, denen Vorschläge folgen für Aktivitäten, die man zu Hause durchführen kann, die nicht viel kosten und lustig sind. Das sogenannte »schwarze Brett« ist ein nützliches Instrument, um die Eltern darüber zu informieren, welche Aktivitäten die Kinder an einem bestimmten Tag unternehmen. Für die Eltern, die Schwierigkeiten mit dem Lesen haben, bieten sich Bilder als Informationsträger an. Ebenso geben sogenannte »sprechende Wände« Auskunft über wichtige Projekte und Aktivitäten in der Einrichtung.
Über Erfahrungen und Fortschritte der Kinder informieren Manche Eltern wünschen sich Informationen über die Entwicklung der Kinder. Sie können unterstützt werden, wenn nützliche Hilfsquellen als Orientierungshilfen (z. B. Broschüren, Websites, Spiele, Filme oder Bücher) in Bezug auf die Entwicklung von motorischen Fähigkeiten, Sprachkompetenz, aber auch Erziehungsratgeber z. B. im Elterncafé jederzeit verfügbar sind. Eltern und Fachkräfte sollten regelmäßig über Fortschritte, Interessen, Bedürfnisse und tägliche Erfahrungen der Kinder kommunizieren. Eltern haben grundsätzlich ein Recht auf Informationen über ihre Kinder, vor allem, wenn es um Testergebnisse oder Beobachtungen in den verschiedenen Entwicklungsbereichen geht. Hier ist absolute Transparenz gefragt. Es ist selbstverständlich, dass die Eltern über alle Instrumente, die in der Einrichtung verwendet werden, um die Entwicklung der Kinder in den verschiedenen Bereichen einzuschätzen und zu dokumentieren, informiert werden: Mit welchen Instrumenten wird was wie gemessen? Das gilt auch für die Arbeit mit Portfolios, wenn sie zum Zwecke der Einschätzung und Dokumentation der Fortschrittsentwicklung verwendet werden. Entwicklungsdokumentationen bilden die Basis, auf der Entwicklungsgespräche mit den Eltern geführt werden, und es zeugt von Professionalität, wenn die Eltern nach dem Gespräch eine Kopie der Dokumentation sowie ein Protokoll des Gesprächsverlaufs erhalten. Beschriftete Bilder oder Portfolios, die regelmäßig nach Hause mitgenommen werden können, damit sich Eltern und Kinder zusammen über die Erleb-
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nisse in der Kindertageseinrichtung unterhalten können, sind sehr wertvoll für die Kommunikation innerhalb der Familie, aber auch für die Kommunikation zwischen Einrichtung und Familie.
Zusammenfassung Die große Diversität unter den Familien bedeutet, dass es nicht möglich ist, sich auf eine einzige Methode der Kommunikation zu stützen, die alle Familien mit einer vorgegebenen Botschaft erreicht. Es bedarf einer Vielfalt an Methoden, die an die Bedürfnisse der einzelnen Familie und ihre Zeitpläne angepasst sind. Eltern und Fachkräfte können gut zusammenarbeiten, wenn drei Faktoren zusammenspielen: ȤȤ Angelegenheit: Menschen arbeiten in Angelegenheiten zusammen, die ihrer Meinung nach wichtig sind. ȤȤ Art der Zusammenarbeit: Die Art und Weise der Zusammenarbeit respektiert und wertschätzt die Beteiligung jeder Person. Der Prozess heißt auch, die Menschen willkommen zu heißen, die weniger Erfahrung oder Zutrauen haben. ȤȤ Ergebnisse erhalten: Zusammenarbeit produziert Ergebnisse. Die Menschen können erkennen, dass sich ihre Bemühungen gelohnt haben und dass ihre Meinung gehört wurde. Die Mitwirkung von Eltern und Familien verweist auf die Fähigkeit, sich gegenseitig als Lernende zu unterstützen (Bateson, 2000). Das heißt, Fachkräfte und Familien haben beide das Gefühl, in der Zusammenarbeit zum Wohle des Kindes etwas bewirken zu können, und beide haben das Gefühl, dass ihre Bemühungen einen Einfluss auf jede gegebene Situation haben. Daher sehen gut ausgebildete pädagogische Fachkräfte Familien als bedeutsame Mitwirkende am Bildungsprozess ihrer Kinder, deren Wissen, Meinungen und Anliegen wertvolle und wichtige Komponenten des Bildungsprozesses sind. Auch suchen sie nach Methoden, durch die eine Mitwirkung von Familien in vielfältiger Weise möglich gemacht wird. Eine befähigende Bildung und Erziehung basiert auf Dialog, Offenheit und dem Willen, die besten Möglichkeiten im anderen zu sehen (Laurence-Lightfood, 2003). Kommunikation ist ein intrinsischer Teil jeder Beziehung, auch der zwischen Eltern, Kindern und Fachkräften. Das Ideal ist die Zwei-Wege-Kommunikation, die offen und häufig zwischen Eltern und den Menschen außerhalb der Familie stattfindet. Sie erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass der Austausch von Informationen und anderen Ressourcen in einer
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Art und Weise geschieht, die sicherstellt, dass sie einen direkten oder indirekten positiven Einfluss auf die Entwicklung des Kindes nimmt. Fachkräfte sind in ihrer Kommunikation mit Eltern effektiver, wenn sie sich darüber bewusst sind, wie sich ihre eigene Kommunikationspraxis auf die Fähigkeit und Bereitschaft der Eltern, sich im Interesse ihrer Kinder in der Bildungseinrichtung zu engagieren, auswirkt. Ein tieferes Verständnis ihrer Rolle in sozialen Netzwerken, das aus ihnen selbst und den Familien besteht, kann auch einen besseren Zugang zu gefährdeten Familien erleichtern.
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II.2 Die Bedeutsamkeit guter Arbeitsbedingungen in Kindertageseinrichtungen Inge Schreyer und Martin Krause
Schlüsselwörter: Arbeitsbedingungen, Arbeitsbelastung, Arbeitszufriedenheit, Kindertageseinrichtung, Mitarbeiterbindung
Einleitung Im vorliegenden Beitrag wird die Bedeutung von Arbeitsbedingungen im Arbeitsfeld der Frühpädagogik untersucht – vor allem im Hinblick auf Arbeitszufriedenheit, Bindung an Beruf und Arbeitgeber sowie auf Arbeitsbelastungen. Die zugrundeliegenden Daten entstammen der AQUA-Studie1 (»Arbeitsplatz und Qualität in Kitas«), die von August 2011 bis Mai 2014 am Staatsinstitut für Frühpädagogik im München durchgeführt wurde und in der bundesweit insgesamt N = 6.606 Kita-Fachkräfte befragt wurden. In den letzten Jahren haben sich die Anforderungen im Kita-Bereich zunehmend geändert. Zu demographischen Veränderungen kamen fachliche Herausforderungen hinzu, wie beispielsweise offene Gruppenkonzepte, erweiterte Altersmischungen, inklusive Pädagogik oder regelmäßige Dokumentation von Entwicklungsprozessen. Erweiterte Öffnungszeiten und damit einhergehende Schichtarbeit, flexible Buchungsmodelle, häufig nur kurzfristig planbare Arbeitszeiten und ein erhöhter Einsparungsdruck werden darüber hinaus als zusätzliche Belastungen erlebt (vgl. Rudow, 2004, 2010). Kontextuelle und strukturelle Merkmale können sich – wie nationale und internationale Studien (u. a. Tietze, 1998; OECD, 2006) zeigten – auf die Qualität der pädagogischen Prozesse in Kitas und damit auch auf das Wohlbefinden und den Bildungserfolg von Kindern auswirken. Gute strukturelle und kon1
Gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (Fkz 01NV1103). Die Verantwortung für den vorliegenden Artikel liegt bei den Autoren. Der Abschlussbericht (Schreyer et al., 2014) kann kostenfrei unter www.aqua-studie.de heruntergeladen werden.
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textuelle Bedingungen sind daher Voraussetzung, dass Fachkräfte als zentrale, außerfamiliäre Bezugspersonen der Kinder imstande sind, auch bei steigenden Anforderungen noch qualitativ gute Arbeit zu leisten. Bisher haben sich nur wenige Studien explizit mit der Arbeitssituation von Kita-Fachkräften auseinandergesetzt. Die meisten dieser Untersuchungen sind regional begrenzt und/oder legen den Schwerpunkt auf die gesundheitlichen Probleme der Kita-Fachkräfte (vgl. IKK-Bundesverband 2006; GEW, 2007; DGB- Index, 2009; TK 2010; Viernickel & Voss, 2013). Allgemeine Arbeitsbelastungen, die Verbundenheit mit Beruf und Arbeitgeber sowie die Arbeitszufriedenheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden meist nur am Rande diskutiert. Außerdem fehlen Untersuchungen, die Zusammenhänge zwischen diesen Faktoren beschreiben. Das Ziel der AQUA-Studie war es, diese Forschungslücke zu schließen.
Beschreibung der Stichprobe Um eine repräsentative Stichprobe zu erhalten, wurden 10 % aller bundesdeutschen Kitas (N = 5.414) zufällig ausgewählt. Die Stichprobe war nach der Trägerzugehörigkeit (öffentliche Träger, nicht-kirchliche freie Träger und kirchliche Träger) und Bundesländern geschichtet. Die Teilnahme an der Studie war für alle Beteiligten freiwillig und erfolgte über zugesandte Papier-Fragebögen oder alternativ auch online. Nach der Bereinigung der Daten gingen die Antworten von 1.454 Kita-Leitungen (L) und von 5.152 Fachkräften ohne Leitungsfunktion (FoL) in die Berechnungen ein. Der überwiegende Teil der Teilnehmenden war weiblich (97,0 %). Über die Hälfte (51,9 %) gehörte der Altersgruppe zwischen 30 und 50 Jahren an. Leitungen waren mit durchschnittlich 47,1 Jahren (N = 1.434) etwas älter als ihre Kolleginnen bzw. Kollegen ohne Leitungsfunktion (MFoL = 39,3 Jahre, N = 5.030) und hatten auch etwas mehr Berufserfahrung (ML = 24,2 Jahre, N = 1.420 vs. MFoL = 16,2 Jahre, N = 4.888). Für Kita-Leitungen und Kita-Fachkräfte ohne Leitungsfunktion wurden separate Fragebögen erstellt, die jedoch in weiten Teilen identisch waren. Alle erstellten Fragebögen enthielten sowohl etablierte Skalen als auch eigens für die Studie konstruierte Items.
Die Bedeutsamkeit guter Arbeitsbedingungen in Kindertageseinrichtungen
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Theoretischer Hintergrund, Instrumente und Skalen Arbeitsbedingungen Um die Arbeitsbedingungen der teilnehmenden Fachkräfte zu erfassen, wurden in Anlehnung an eine von Rudow (2001) erstellte Prüfliste Items entwickelt, die sowohl materielle (z. B. erwachsenengerechte Möbel), organisationale (z. B. produktive Teamsitzungen), vertragliche (z. B. Sicherheit des Arbeitsplatzes) als auch soziale (z. B. Betriebsausflüge) Kriterien umfassen, welche auch als Voraussetzung für gute Struktur- und Organisationsqualität gelten (s. a. Tietze, 1998; Viernickel & Voss, 2013). Insgesamt wurden den Fachkräften über 40 Items vorgegeben (z. B. »erwachsenengerechte Möbel«, »Teamentwicklungsmaßnahmen«, »gute Ausstattung mit Arbeitsmaterialien«), die nach ihrer subjektiven Wichtigkeit und nach ihrem Vorhandensein auf einer fünfstufigen Likert-Skala (1 = unwichtig bis 5 = absolut wichtig bzw. 1 = überhaupt nicht erfüllt bis 5 = vollständig erfüllt) beurteilt wurden. Um die Darstellung der Ergebnisse übersichtlicher zu gestalten und um den Einflussfaktor »Arbeitsbedingungen« für nachfolgende Untersuchungen operationalisierbar zu machen, wurden aus diesen über 40 Fragen im Rahmen einer Gruppendiskussion, an welcher neben dem Projektteam auch Kita-Fachkräfte teilnahmen, zehn Items ausgewählt, die von den Teilnehmenden als wichtigste Indikatoren für gute Struktur- und Organisationsqualität angesehen wurden (s. a. Tietze, 1998; Strehmel, 2008). Diese zehn Items wurden zu einem gemeinsamen Summenwert (dem sog. AQUA-Index) aufaddiert. Bei der Erstellung des AQUA-Index (s. Tab. 2) war es den Autorinnen und Autoren wichtig, einen Itemsatz mit hoher inhaltlicher Plausibilität zu generieren, welcher eine große Akzeptanz im Feld erfährt. Tabelle 2: Zusammensetzung des AQUA-Index Materielle Rahmenbedingungen
1. gute Ausstattung mit Arbeitsmaterialien 2. angenehme räumliche Arbeitsbedingungen
Vertragliche Rahmenbedingungen
3. Sicherheit des Arbeitsplatzes 4. gerechte und leistungsbezogene Bezahlung
Organisationale Rahmenbedingungen
5. Personal-Kind-Relation (L)* bzw. angemessene Anzahl von Kindern in meiner Zuständigkeit (FoL) 6. gute Einarbeitung als Leitung (L), bzw. gute Einarbeitung neuer Kita-Fachkräfte (FoL) 7. ausreichend Zeit für Leitungsaufgaben (L) bzw. ausreichend Vor- und Nachbereitungszeit (FoL)
110 Team und Vorgesetzte
Interaktion – Von der Wissenschaft zu guter Praxis
8. Einhaltung von Zusagen und Versprechen von Seiten des Trägers 9. gutes Verhältnis zu den Vorgesetzten 10. gutes Verhältnis zu den Kolleginnen und Kollegen
* Bei den organisationalen Rahmenbedingungen waren die ausgewählten Items jeweils für Kita-Leitungen (L) und für Fachkräfte ohne Leitungsfunktion (FoL) unterschiedlich formuliert, bezogen sich aber auf den gleichen Sachverhalt und wurden entsprechend zu je einem Wert zusammengefasst.
Um für die weiteren Auswertungen einen mehrstufigen Faktor zu erhalten, wurden die Daten der befragten Fachkräfte in drei Gruppen geteilt, wobei eine symmetrische Aufteilung mit zwei etwa gleich großen »äußeren« Gruppen (schlechte und gute Arbeitsbedingungen) gewählt wurde. Ein ähnliches Vorgehen, das jedoch stärker auf die Auswirkung von strukturellen Einrichtungsmerkmalen auf die Gesundheit der pädagogischen Fachkräfte abzielte, wurde 2013 von Viernickel und Voss in ihrer Untersuchung STEGE bei Kitas in Nordrhein-Westfalen gewählt. In die Gruppe der schlechten Arbeitsbedingungen fallen in der AQUA-Studie somit 30,5 % (N = 1.741) der befragten Personen, in die mit mittleren Arbeitsbedingungen 41,1 % (N = 2.346) und 28,4 % (N = 1.617) gehören der Gruppe mit guten Arbeitsbedingungen an (s. Abb. 7).
Abbildung 7: AQUA-Index der Arbeitsbedingungen
Die Bedeutsamkeit guter Arbeitsbedingungen in Kindertageseinrichtungen
111
Berufliches und organisationales Commitment
Eine wichtige Grundlage der vorliegenden Untersuchung bildet die Theorie zur Mitarbeiterbindung von Felfe und Kollegen (Felfe, 2008; Felfe & Six, 2006). Laut Felfe beschreibt Commitment die individuelle emotionale Einstellung und die daraus resultierende Bindung an eine Organisation (organisationales Commitment) oder den Beruf an sich (berufliches Commitment). Mitarbeiterinnen bzw. Mitarbeiter mit hohem organisationalem oder beruflichem Commitment haben den Wunsch der Organisation bzw. dem Beruf treu zu bleiben. Commitment ist zudem ein relativ stabiles Konstrukt (Van Dick, 2004), das kaum Schwankungen unterliegt. Arbeitgeber im rechtlichen Sinn ist im deutschen Kita-System in der Regel ein öffentlicher oder freier Träger. Entsprechend wird im Rahmen der vorliegenden Studie unter »organisationalem Commitment« die Bindung an den Einrichtungsträger verstanden. Um Commitment zu erfassen, wurden Teile der Commitment-Skalen (COMMIT) von Felfe und Franke (2012) eingesetzt, welche auf den englischen Skalen von Meyer und Allen (1990) und den Skalen von Meyer et al. (1993) basieren. Die beiden Skalen bestehen aus insgesamt 12 Items, die auf einer fünfstufigen Likert-Skala mit den Polen 1 (= trifft nicht zu) und 5 (= trifft vollständig zu) eingeschätzt wurden. Beispielsweise wurde das berufliche Commitment mit dem Item »Ich wäre sehr froh, mein weiteres Arbeitsleben in diesem Beruf verbringen zu können« erfragt, das organisationale Commitment z. B. mit der Aussage »Ich denke, dass meine Wertvorstellungen zu denen des Trägers passen«. Arbeitszufriedenheit Arbeitszufriedenheit ist ein äußerst heterogenes, mehrdimensionales Konstrukt, das eine starke individuelle Komponente aufweist (s. a. Spector, 1997). Arbeitszufriedenheit muss immer in einem weiten Kontext gesehen werden. Roedenbeck (2008, s. Abb. 8) berücksichtigt dies, indem er vier sich überschneidende Facetten von Arbeitszufriedenheit postuliert: (1) Die affektive Komponente beinhaltet Aspekte wie Stolz, Spaß an der Arbeit und die Identifikation mit dem Arbeitgeber. (2) Die soziale Komponente umfasst neben der Anerkennung durch den Arbeitgeber und dem Teamklima beispielsweise auch die wahrgenommene Wertschätzung der Arbeit durch die Gesellschaft. (3) Zur materiellen Komponente von Arbeitszufriedenheit gehören neben der Arbeitsplatzsicherheit und der materiellen Ausstattung auch die Bezahlung. Unter der (4) kognitiven Komponente werden u. a. Aufstiegschancen, die wahrgenommene Interessantheit der Arbeit und die individuelle Verantwortung zusammengefasst.
112
Interaktion – Von der Wissenschaft zu guter Praxis
Abbildung 8: Facetten der Arbeitszufriedenheit (nach Roedenbeck, 2008)
Ein Instrument, in dem diese Vielschichtigkeit von Arbeitszufriedenheit berücksichtigt wird, ist der etablierte Fragebogen von Neuberger und Allerbeck (1978): Sie erfragen verschiedene Aspekte von Arbeitszufriedenheit mit jeweils einer Skala, geben zudem aber ein übergreifendes Item vor, welches die subjektive Komponente des Konstrukts aufgreift. Im Rahmen der AQUA-Studie kam diese etablierte Skala zur Anwendung: Es wurden insgesamt zehn Aspekte mit jeweils einem Item erfragt: 1) die Zufriedenheit mit der Arbeit insgesamt, 2) mit den Kolleginnen und Kollegen, 3) den Vorgesetzten, 4) der Tätigkeit an sich, 5) den Arbeitsbedingungen, 6) der Organisation und Leitung, 7) den Entwicklungsmöglichkeiten, 8) der Bezahlung und 9) dem Leben insgesamt; das Item 10) »Zufriedenheit mit der Möglichkeit, Beruf und Privatleben zu vereinbaren« wurde vom Projektteam hinzugefügt. Neuberger und Allerbeck begründen die Einzelitems damit, dass sie den Befragten die Möglichkeit eröffnen, in die Beantwortung auch Aspekte einfließen zu lassen, die nicht extra abgefragt wurden, aber individuell bedeutsam sind. Die Beantwortung erfolgte wie im Original auf einer siebenstufigen Likert-Skala mit den Polen 1 (= sehr unzufrieden) und 7 (= sehr zufrieden). Arbeitsbelastung In den letzten Jahren standen Untersuchungen zum Stresserleben im sozialen Arbeitsfeld häufiger im Fokus (z. B. GEW, 2007; Jungbauer & Ehlen, 2013). Wiederholt wurde in Studien (vgl. Bödecker & Dragano, 2005; Siegrist, 2013) darauf hingewiesen, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Berufen im Gesundheits-, Bildungs- und Sozialwesen besonders belastet sind. Eine Untersuchung von Rudow (2004) besagt zudem, dass in der Arbeit von pädagogischen Fach-
Die Bedeutsamkeit guter Arbeitsbedingungen in Kindertageseinrichtungen
113
kräften im Vergleich zu anderen Berufen überdurchschnittlich hohe psychische Belastungen auftreten. Arbeitsbelastungen wurden in der AQUA-Studie mit dem »Effort-Reward-Imbalance«-Verfahren zu Gratifikationskrisen (ERI) von Siegrist et al. (2004) erfasst. Im Zentrum steht hier die Frage nach einem Gleich- bzw. einem Ungleichgewicht zwischen Anstrengung/Aufwand (effort) und Belohnung (reward), d. h. Bezahlung, Wertschätzung, Aufstiegschancen etc. Ist dieses Verhältnis im Ungleichgewicht, sprechen die Autoren von einer beruflichen »Gratifikationskrise«. Die Folgen können z. B. eine »innere Kündigung« und mangelndes Wohlbefinden sein. Personen, deren subjektiv wahrgenommene Anstrengungen in zu wenig Belohnungen münden, sind weniger motiviert als Personen, bei denen sich die Kosten-Nutzen-Einschätzung zwischen ihren Bemühungen und den dafür erhaltenen Anerkennungen die Waage hält (s. Abb. 9). Angewendet wurde die Kurzfassung der deutschen Version des »Effort- Reward-Imbalance-Questionnaires« mit zehn Items und einem vierstufigen Antwort-Format (1 = stimme gar nicht zu bis 4 = stimme voll zu). »Anstrengung« wurde z. B. mit dem Item »Im Laufe der letzten Jahre ist meine Arbeit immer mehr geworden«, »Belohnung« mit dem Item »Wenn ich an all die erbrachten Leistungen denke, halte ich mein Gehalt/meinen Lohn für angemessen« erfragt. Mittels des Quotienten aus dem Summenwert der Skala Anstrengung und dem Summenwert der Skala Belohnung kann das (Un-)Gleichgewicht des Verhältnisses zwischen beruflichen Anforderungen und wahrgenommenen Belohnungen ausgedrückt werden: Die Autoren des Verfahrens gehen davon aus, dass ein niedriger Quotient (≤ 1,0) Personen kennzeichnet, bei denen dieses Ver-
Abbildung 9 : Effort-Reward-Imbalance-Modell von Siegrist et al. (2004, eigene Übersetzungen)
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Interaktion – Von der Wissenschaft zu guter Praxis
hältnis eher im Gleichgewicht ist; je höher der Quotient, desto markanter ist die Gratifikationskrise anzusehen. Die unterschiedliche Item-Anzahl der beiden Skalen (3 gegenüber 7) wird bei der Kurzversion durch einen Korrekturfaktor von 0,4286 ausgeglichen. Die genaue Berechnung des Quotienten erfolgt nach folgender Formel: ERI-Quotient =
Summenscore der Skala Anstrengung (Summenscore der Skala Belohnung x 0,4286)
Ausgewählte Ergebnisse Die im Folgenden berichteten Mittelwertunterschiede wurden mithilfe von univariaten Varianzanalysen (ANOVAS) überprüft. Im Falle eines signifikanten Haupteffekts wurden im Anschluss an die ANOVA entsprechende Post-Hoc-Tests mit Bonferroni-Korrektur gerechnet. Unterschiede in der prozentualen Verteilung einzelner Gruppen wurden anhand von Chi-Quadrat-Tests inferenzstatistisch abgesichert. Für alle statistischen Tests wurde ein Signifikanzniveau von α = .05 zugrunde gelegt. Um eine bessere Lesbarkeit zu gewährleisten, sind die ausgewählten Ergebnisse und Zusammenhänge in diesem Artikel bewusst deskriptiv gehalten, auf die Angabe inferenzstatistischer Kennwerte wurde daher verzichtet, Mittelwertsbzw. Häufigkeitsunterschiede zwischen den Gruppen werden nur berichtet, wenn sie statistisch signifikant sind. Für die im vorliegenden Beitrag untersuchten Aspekte sind vor allem folgende drei Skalen relevant: Arbeitszufriedenheit, Commitment an Beruf und Träger sowie Arbeitsbelastung und Gratifikationskrise. Arbeitszufriedenheit Die durchschnittlichen Mittelwerte der Teilnehmenden liegen bei den meisten Facetten von Arbeitszufriedenheit auf der siebenstufigen Skala über 5,0 und somit im oberen Bereich. Dieser Befund spricht insgesamt für eine hohe Arbeitszufriedenheit. Allerdings fällt auch auf, dass die Teilnehmenden in den Bereichen Bezahlung, Entwicklungsmöglichkeiten und Arbeitsbedingungen deutlich niedrigere Werte aufweisen (s. Tab. 3). In den nachfolgenden Auswertungen wird jeweils nur auf die »Zufriedenheit mit der Arbeit insgesamt (»allg. Arbeitszufriedenheit«) eingegangen.
Die Bedeutsamkeit guter Arbeitsbedingungen in Kindertageseinrichtungen
115
Tabelle 3: Mittelwerte der Zufriedenheit der Fachkräfte (N = 6.391–6.452) Zufriedenheit mit …
M
dem Leben insgesamt
5,9
der Tätigkeit
5,8
den Kolleginnen und Kollegen
5,7
der Arbeit insgesamt
5,6
der Organisation und Leitung
5,3
den Möglichkeiten, Beruf und Privatleben zu vereinbaren
5,1
den Arbeitsbedingungen
4,7
den Entwicklungsmöglichkeiten
4,7
der Bezahlung
3,4
Commitment an Beruf und Träger Das berufliche Commitment wurde von den Teilnehmenden mit Mges = 4,2 (N = 6.307) auf der fünfstufigen Likert-Skala insgesamt ebenfalls recht hoch eingeschätzt. Der Gesamtmittelwert für das organisationale Commitment lag mit Mges = 3,5 (N = 6.195) etwas darunter. Betrachtet man die beiden Skalen für Leitungen und Nicht-Leitungen getrennt, fällt auf, dass es hinsichtlich des beruflichen Commitments keine Mittelwertsunterschiede gibt (ML und MFoL = 4,2; NL=1.425, NFoL=4.882). Beim organisationalen Commitment jedoch liegen die Werte der Leitungen (M = 3,7; N = 1.390) über denen der Nicht-Leitungen (M = 3,4; N = 4.805). Alle Einzel-Items der Skala »berufliches Commitment« zeichnen sich signifikant durch einen höheren Mittelwert aus als die der Skala »organisationales Commitment« (s. Tab. 4). Tabelle 4: Mittelwerte des Commitments der Fachkräfte Berufliches Commitment (N = 6.399–6.434)
M
Ich wäre sehr froh, mein weiteres Arbeitsleben in diesem Beruf verbringen zu können
4,1
Ich bin stolz darauf, dass ich in diesem Beruf arbeite
4,3
Meine jetzige Tätigkeit macht mir Spaß
4,3
Ich würde mir wünschen, meine jetzige Tätigkeit auch in Zukunft auszuüben
4,3
Es ist für mich von großer Bedeutung, gerade diesen Beruf auszuüben
4,1
Mit meiner Tätigkeit kann ich mich identifizieren
4,4
Ich denke, dass ich meine Wertvorstellungen in meiner jetzigen Tätigkeit verwirklichen kann
4,2
116
Interaktion – Von der Wissenschaft zu guter Praxis
Organisationales Commitment (N = 6.343–6.415) Ich wäre froh, mein weiteres Arbeitsleben bei diesem Träger verbringen zu können
3,9
Ich fühle mich emotional nicht sonderlich mit diesem Träger verbunden
3,5
Ich bin stolz darauf, diesem Träger anzugehören
3,3
Ich empfinde ein starkes Gefühl der Zugehörigkeit zu meinem Träger
3,1
Ich denke, dass meine Wertvorstellungen zu denen des Trägers passen
3,6
Arbeitsbelastung und Gratifikationskrise Insgesamt kann beobachtet werden, dass der Gesamtmittelwert der Skala »Anstrengung« (vierstufige Likert-Skala, Mges = 3,1; N = 6.296) höher ist als derjenige der Skala »Belohnung« (Mges = 2,5; N = 5.764), was darauf hinweist, dass die Fachkräfte ihre geleisteten Anstrengungen höher einschätzen als das, was sie dafür zurückerhalten (Anerkennung, Wertschätzung, Geld). Tabelle 5 zeigt die Mittelwerte der jeweiligen Einzelitems. Tabelle 5: Mittelwerte der Arbeitsbelastung der Fachkräfte Skala Anstrengung (N = 6.384–6.461)
M
Aufgrund des hohen Arbeitsaufkommens besteht häufig großer Zeitdruck
3,0
Bei meiner Arbeit werde ich häufig unterbrochen und gestört
2,9
Im Laufe der letzten Jahre ist meine Arbeit immer mehr geworden
3,2
Skala Belohnung (N = 6.089–6.416 Ich erhalte von meinen Vorgesetzten bzw. einer entsprechenden wichtigen Person die Anerkennung, die ich verdiene
2,9
Die Aufstiegschancen in meinem Bereich sind schlecht
2,0
Ich erfahre – oder erwarte – eine Verschlechterung meiner Arbeitssituation
2,6
Mein eigener Arbeitsplatz ist gefährdet
3,4
Wenn ich an all die erbrachten Leistungen/Anstrengungen denke, halte ich die erfahrene Anerkennung für angemessen
2,5
Wenn ich an all die erbrachten Leistungen/Anstrengungen denke, halte ich meine pers. Chancen des berufl. Fortkommens für angemessen
2,4
Wenn ich an all die erbrachten Leistungen denke, halte ich mein Gehalt/meinen Lohn für angemessen
1,8
Die Bedeutsamkeit guter Arbeitsbedingungen in Kindertageseinrichtungen
117
Vergleicht man die Mittelwerte der Skala »Anstrengung« nach Leitungsfunktionen, wird klar, dass Leitungen ihre Anstrengungen deutlich größer einschätzen als dies Fachkräfte ohne Leitungsfunktion tun (ML = 3,4; N = 1.424 vs. MFoL = 3,0; N = 4.872). Dagegen gibt es hinsichtlich der Skala »Belohnung« keine Unterschiede zwischen Leitungen und Fachkräften ohne Leitungsfunktion (ML = 2,5; N = 1.335 gegenüber MFoL = 2,5; N = 4.429). Für den Großteil (71,7 %; N = 5.646) der befragten pädagogischen Fachkräfte ergibt sich so ein ERI-Quotient von 1,3 – d. h. sie nehmen zwischen ihren Anstrengungen und den dafür erhaltenen Belohnungen ein Ungleichgewicht wahr. Besonders augenfällig ist dies bei den Kita-Leitungen: Hier liegt bei 86,7 % (N = 1.321) eine Gratifikationskrise vor – gegenüber 67,1 % (N = 4.325) ihrer Kolleginnen bzw. Kollegen ohne Leitungsfunktion. Zusammenhänge mit der Qualität der Arbeitsbedingungen Arbeitszufriedenheit
Betrachtet man die allgemeine Arbeitszufriedenheit im Hinblick auf die Qualität der Arbeitsbedingungen, so lässt sich mit steigender Qualität der Arbeits bedingungen auch ein Anstieg der Arbeitszufriedenheit beobachten (s. Abb. 10). Ebenso berichten Personen, die sich nicht in einer Gratifikationskrise befinden, über eine höhere Zufriedenheit als Personen, die zwischen ihren Anstrengungen und den dafür erhaltenen Belohnungen ein Ungleichgewicht wahrnehmen (s. Abb. 11).
Abbildung 10: Allg. Arbeitszufriedenheit und Qualität der Arbeitsbedingungen
118
Interaktion – Von der Wissenschaft zu guter Praxis
Abbildung 11: Allg. Arbeitszufriedenheit und Gratifikationskrise
Abbildung 12: Commitment und Qualität der Arbeitsbedingungen
Commitment
Ebenso wie bei der Arbeitszufriedenheit gilt auch hier: Je besser die Arbeitsbedingungen, desto höher wird die Bindung an den Beruf bzw. an den Arbeitgeber eingeschätzt. Dabei sind die Unterschiede zwischen den unterschiedlichen Arbeitsbedingungen vor allem bei der Bindung an den Arbeitgeber zu beobachten – hier ist der Zusammenhang noch deutlicher als beim beruflichen Commitment (s. Abb. 12). Fachkräfte, die sich in einer Gratifikationskrise befinden, sind offensichtlich sowohl weniger stark an ihren Beruf als auch an ihren Arbeitgeber gebunden, wobei der Effekt für das organisationale Commitment ausgeprägter zu sein scheint (s. Abb. 13).
119
Die Bedeutsamkeit guter Arbeitsbedingungen in Kindertageseinrichtungen
Abbildung 13: Commitment und Gratifikationskrise
In diesem Zusammenhang konnten deutliche Unterschiede zwischen Leitungen und Nicht-Leitungen gefunden werden: Auch wenn sie sich in einer Gratifikationskrise befinden, fühlen sich Leitungen signifikant mehr an den Träger gebunden als ihre Kolleginnen bzw. Kollegen ohne Leitungsfunktion. Bei der Bindung an den Beruf gibt es dagegen so gut wie keine Unterschiede in Abhängigkeit von der Leitungsfunktion (s. Tab. 6). Tabelle 6: Mittelwerte des Commitments der Fachkräfte, nach Funktion Organisationales Commitment
Leitungen, Nges = 1.377
FoL, Nges = 4.195
Gratifikationskrise (ERI-Quotient >1)
3,6
3,3
keine Gratifikationskrise (ERI-Quotient ≤ 1)
4,0
3,7
Berufliches Commitment
Leitungen, Nges = 1.307
FoL, Nges = 4.228
Gratifikationskrise (ERI-Quotient >1)
4,1
4,1
keine Gratifikationskrise (ERI-Quotient ≤ 1)
4,4
4,5
Arbeitsbelastung
Mit steigender Qualität der Arbeitsbedingungen sinkt der Anteil der Fachkräfte, die zwischen ihren Anstrengungen und den dafür erhaltenen Belohnungen ein Ungleichgewicht wahrnehmen: Nahezu alle (90,8 %) der Fachkräfte, die unter schlechten Arbeitsbedingungen arbeiten, befinden sich auch in einer Gratifikationskrise. Wie Abbildung 14 zeigt, sinkt unter guten Arbeitsbedingungen dieser Anteil jedoch um fast die Hälfte auf 46 %.
120
Interaktion – Von der Wissenschaft zu guter Praxis
Unterscheidet man zusätzlich zwischen Fachkräften mit und ohne Leitungsfunktion, so fällt auf, dass der Zusammenhang für Fachkräfte ohne Leitungsfunktion noch ausgeprägter zu sein scheint (s. Abb. 15).
Abbildung 14: Gratifikationskrise und Qualität der Arbeitsbedingungen
Abbildung 15: Gratifikationskrise und Qualität der Arbeitsbedingungen, nach Leitungsfunktion
Die Bedeutsamkeit guter Arbeitsbedingungen in Kindertageseinrichtungen
121
Diskussion Die dargestellten Ergebnisse zeichnen in Bezug auf die Arbeitssituation der frühpädagogischen Fachkräfte in Deutschland ein ambivalentes und vielschichtiges Bild. Ein Großteil der Kita-Fachkräfte berichtet von einer hohen Zufriedenheit mit ihrer Arbeit im Allgemeinen – ein Befund, welcher mit diversen anderen Studien (u. a. Tett & Mayer, 1993; GEW, 2007) in Einklang steht. Betrachtet man die Arbeitszufriedenheit jedoch genauer und untersucht einzelne Facetten, erhält man einen differenzierteren Eindruck: Die Fachkräfte sind sowohl mit ihrer beruflichen Tätigkeit an sich als auch mit ihren Kolleginnen bzw. Kollegen und ihren Vorgesetzten sehr zufrieden. Für die Zufriedenheit mit den Arbeitsbedingungen, den beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten und insbesondere der Bezahlung fallen die Mittelwerte jedoch deutlich niedriger aus. Dieser Befund lässt vermuten, dass die hohe Arbeitszufriedenheit der Kita-Fachkräfte insgesamt vor allem auf der Freude an der pädagogischen Tätigkeit an sich beruht und weniger auf den beruflichen Rahmenbedingungen. Die AQUA-Studie hat jedoch auch gezeigt, dass die Kita-Fachkräfte in ihrem Arbeitsalltag starken Belastungen ausgesetzt sind. Andere Studien (z. B. Bödecker & Dragano, 2005, Siegrist, 2013) bestätigen diese Ergebnisse. Betrachtet man die Qualität der Arbeitsbedingungen, unter denen die Fachkräfte arbeiten, näher, wird deren Bedeutsamkeit sowohl für die Arbeitszufriedenheit als auch für das Belastungserleben klar: Personen mit guten Arbeitsbedingungen befinden sich nur halb so oft in einer »Gratifikationskrise« wie Kolleginnen bzw. Kollegen, die unter schlechten Arbeitsbedingungen arbeiten. Zudem konnte festgestellt werden, dass mit steigender Qualität der Arbeitsbedingungen auch die Zufriedenheit mit der Arbeit insgesamt zunimmt. Leitungen von Kitas fühlen sich beruflich deutlich stärker belastet als ihre Kolleginnen und Kollegen ohne Leitungsfunktion – sogar unter guten Arbeitsbedingungen. Dies deutet darauf hin, dass die zusätzlichen Aufgaben, die eine Leitung bewältigen muss, meist negative Auswirkungen auf ihr Arbeitsleben haben. Damit auch Leitungen möglichst stressfrei arbeiten können, sollte es Trägern daher ein Anliegen sein, sie besonders zu unterstützen, indem sie beispielsweise auf eine klare, verbindliche Aufgabenteilung zwischen der Trägerund Leitungsebene achten (s. a. Schreyer et. al., 2014, S. 72; → Kapitel I.6). Die befragten Kita-Fachkräfte weisen insgesamt sowohl eine hohe Bindung an ihren Beruf als auch an ihren Arbeitgeber auf. Dies könnte eine Erklärung dafür sein, warum die Fachkräfte trotz hoher beruflicher Belastungen von einer hohen Arbeitszufriedenheit berichten. Das etwas ausgeprägtere organisationale Commitment der Leitungen rührt eventuell daher, dass diese, anders als ihre
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Interaktion – Von der Wissenschaft zu guter Praxis
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, durch mehr Managementaufgaben häufiger in Kontakt zum Träger stehen. Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass es sich bei pädagogischen Fachkräften allem Anschein nach um eine besonders resiliente Gruppe von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern handelt, die ihren Beruf vermutlich häufig wirklich als Berufung erlebt und – trotz der oftmals nicht idealen Arbeitsbedingungen – die positiven Aspekte des Berufsfeldes sehr schätzt. Dies spiegelt sich in der hohen Zufriedenheit mit der Tätigkeit und der großen Bindung an ihren Beruf wider. Da es sich bei der AQUA-Studie um eine Querschnittsuntersuchung handelt, dürfen die gefundenen Zusammenhänge allerdings nicht kausal interpretiert werden. In den letzten Jahren musste sich das Personal in Kindertageseinrichtungen immer wieder auf veränderte Strukturen und Vorgaben einstellen. Damit pädagogische Fachkräfte die ihnen anvertrauten Kinder in ihren Entwicklungs-, Lern- und Bildungsprozessen stabil begleiten können, sind gute Arbeitsbedingungen die entscheidende Voraussetzung für qualitativ hochwertige pädagogische Arbeit, die auch eine gute Interaktionsqualität beinhaltet. Im Zuge des derzeitigen deutschlandweiten Ausbaus von Betreuungsplätzen sollte deshalb auch die Bedeutung guter Arbeitsbedingungen stärker in den Fokus genommen werden. Wenn Träger wissen, was ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern hinsichtlich der Arbeitsbedingungen besonders wichtig ist, können sie ihren eigenen Handlungsbedarf besser erkennen und geeignete Veränderungsmaßnahmen einleiten (→ Kapitel II.4). Damit wäre bereits eine gute Basis geschaffen, um die Arbeitsbelastung zu verringern und die Zufriedenheit des Personals zu erhöhen.
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Die Bedeutsamkeit guter Arbeitsbedingungen in Kindertageseinrichtungen
123
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II.3 Schulkindbetreuung bzw. Hort und Grundschule im Dialog Andreas Wildgruber
Schlüsselwörter: Hort, Ganztag, Grundschule, Kooperation
Leitbild – Bildungsverständnis Für Kinder stehen im Grundschulalter eine Vielzahl unterschiedlicher Bildungs- und Betreuungseinrichtungen zur Verfügung, die den Logiken des Kinder- und Jugendhilfe- oder des Schulsystems folgen. Die Unterschiede führen dazu, dass dem Verhältnis von Schule sowie Kinder- und Jugendhilfe große Aufmerksamkeit geschenkt wird. In den rechtlichen und curricularen Grundlagen für Grundschulen und Kindertageseinrichtungen wird für diese Institutionen ein Auftrag zur Kooperation formuliert, der nach Bildungssystem und Bundesland unterschiedlich fachlich fundiert ausformuliert wurde (Wildgruber & Griebel, 2016). Insbesondere der 12. Kinder- und Jugendbericht (BMFSFJ, 2006) hat einen Perspektivwechsel auf dieses Zusammenwirken vorgeschlagen. Zur institutionellen Perspektive auf Bildung in den jeweiligen Einrichtungen und deren Kooperation sind eine sozialräumliche sowie eine subjektorientierte Perspektive, die die individuellen Bildungsbiographien in den Mittelpunkt stellt, hinzugekommen. Der Bericht greift dabei zurück auf einen weiten Bildungsbegriff und fasst Bildung als umfassenden Prozess der Entwicklung der Persönlichkeit. Das Kind bildet sich in der aktiven, ko-konstruktiven Auseinandersetzung mit der Umwelt und in der Aneignung von Welt in vielfältigen Dimensionen und Bezügen. Dies erfolgt an verschiedenen Bildungsorten (formale und informale Bildung, z. B. Schulen und Horte) sowie in Lernwelten (informelle Bildung im Rahmen von z. B. Medien und Gleichaltrigengruppen). Die Bildungsprozesse erfolgen in einem Zusammenspiel der Bildungsorte und Lernwelten. Dies richtet die Aufmerksamkeit auf die Prozesse und Settings vor und neben der Schule und insbesondere auf das Zusammenwirken der
Schulkindbetreuung bzw. Hort und Grundschule im Dialog
125
Bildungsorte, was auch eine der zentralen Forderungen des 12. Kinder- und Jugendberichts darstellt (BMFSFJ, 2006, S. 350). Solche Gedanken sind auch in manchen rechtlichen und curricularen Grundlagen für Grundschulen und Kindertageseinrichtungen zu finden, z. B. in den Bayerischen Bildungsleitlinien (StMAS & StMUK, 2012): »Ziel der Leitlinien sind nicht mehr nur die Übergangsbegleitung des Kindes in seinem Bildungsverlauf, sondern in erster Linie die Entwicklung einer gemeinsamen Sprache, die Herstellung eines gemeinsamen Bildungsverständnisses und die Gestaltung einer anschlussfähigen Bildungskonzeption und -praxis« (StMAS & StMUK, 2012, S. 5).
Folgt man diesem Ansatz, dann sollen Schulen und Horte kooperativ dahin wirken, Bildungsprozesse von Kindern umfassend zu unterstützen. Bildung umfasst dabei zum einen den Ausbau gesellschaftlich definierter Kompetenzen, wie sie insbesondere in den Bildungsstandards für die Grundschulen beschrieben sind, und zum anderen Persönlichkeitsbildung im emanzipatorischen Verständnis, z. B. im Sinne der Entwicklung von Identität, des Erlebens von subjektiv bedeutsamen und sinnhaften Lernprozessen, des Erlernens von Lebenskompetenz sowie des Erlebens und Erlernens von Selbstbestimmung und Mitverantwortung (vgl. Mack, 2006). Auch die UN-Kinderrechtskonvention verpflichtet dazu, das Kindeswohl bzw. die Bedürfnisse von Kindern als einen Maßstab der Qualität von Bildungsorten zu definieren. Diese beiden Ziele – Kompetenzaufbau und Persönlichkeitsbildung – stellen auch den Bildungsauftrag für die Schulen aus den Grundschullehrplänen dar (Wildgruber & Griebel, 2016). Im Kontext der Bildungsdiskussion in der Folge von PISA wurde die fachliche Diskussion im Schulbereich jedoch oftmals auf den Kompetenzaufbau reduziert, unter Ausblendung des weiteren Horizontes von Bildung (Mack, 2006). Darüber hinaus »gerät [Schule], aufgrund der institutionellen Normierungen und der Notwendigkeit, Schulleistungen zu zertifizieren, in ein strukturelles Dilemma zwischen Anspruch und Wirklichkeit« (Mack, 2006, S. 172). Eine Kooperation zwischen Schule und Jugendhilfe, in der die Bildungsorte ihre jeweiligen Stärken und Logiken einbringen, enthält das Potenzial in sich, dass Bildungsprozesse in diesem erweiterten Verständnis eher realisiert werden. Mit einem solchen, geforderten engen Zusammenwirken der Bildungsorte Schule und Kindertageseinrichtung für Schulkinder wurden in Kooperationsmodellen in Bayern Erfahrungen gesammelt, die im Folgenden berichtet werden (vgl. Wildgruber & Kron-Sperl, 2015).
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Interaktion – Von der Wissenschaft zu guter Praxis
Die Kooperationsmodelle in Bayern In den 13 Kooperationsmodellen werden die Bildungsprozesse von Kindern im Grundschulalter in Tandems von Kindertageseinrichtungen und Schulen unterstützt, davon elf Schulen in öffentlicher und zwei in privater Trägerschaft. In diesen Tandems war zum Erhebungszeitpunkt die Kooperation strukturell verankert, das heißt zum Teil über Kooperationsverträge abgesichert, ohne dass die Einrichtungen ihre rechtliche und organisatorische Eigenständigkeit aufgaben; zum Teil war die Kooperation sogar so eng ausgebildet, dass die Leistungen von Schule und Jugendhilfe (Kindertageseinrichtungen) auf der Basis eines gemeinsamen Bildungsverständnisses zu einer integrierten Gesamtkonzeption und einem Angebot zusammengeführt wurden (an den Privatschul-Standorten). Die pädagogische Arbeit in den Kooperationsmodellen erfolgte auf der Basis von eigens für die Modelle erstellten Rahmenkonzepten bzw. Konzeptionen. Für die pädagogische Arbeit war eine Rhythmisierung des Unterrichts vorgesehen und eine Beteiligung von pädagogischen Fachkräften im Unterricht. Zur Unterstützung der Kooperation wurde an den Standorten den Lehrkräften und pädagogischen Fachkräften jeweils 45 Minuten wöchentlich zur Besprechung zur Verfügung gestellt. Im Rahmen der Intensivkooperation standen bei einem Teil der Standorte, die sich in einem schwierigen sozialen Umfeld befanden, auch zusätzliche Lehrerstunden zur Förderung zur Verfügung. In allen Tandems befanden sich Schulklassen und jeweils kooperierende Jugendhilfegruppen, die den Klassen jeweils zugeordnet waren, in einem Gebäude, sodass es räumliche Nähe gab. Die Standorte konnten auf unterschiedlich lange Erfahrungen mit den Kooperationsmodellen zurückblicken (1,5 bis 9 Jahre zum Erhebungszeitpunkt). Um die Kooperationserfahrungen an den Standorten zu erheben, wurden jeweils leitfadengestützte Gruppeninterviews gemeinsam mit Schul- und Jugendhilfe-Leitungen, mit Lehrkräften und pädagogischen Fachkräften an allen 13 Standorten sowie mit Eltern an sechs Standorten geführt. Insgesamt wurden 13 Gruppeninterviews mit Leitungen, 16 Gruppeninterviews mit 73 Lehrkräften aus allen Klassenstufen bzw. pädagogischen Fachkräften sowie sechs Gruppeninterviews mit insgesamt 32 Eltern geführt. Die Audiomitschnitte der Interviews wurden transkribiert und anschließend inhaltsanalytisch-kodierend ausgewertet. Die im Folgenden dargestellten Ergebnisse beziehen sich auf diese Daten und den unveröffentlichten Abschluss bericht (Wildgruber & Kron-Sperl, 2015).
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Ergebnisse Praktizierte Kooperationsformen zwischen Hort und Schule An allen untersuchten Standorten führten sowohl die Leitungen als auch die pädagogischen Fach- und Lehrkräfte regelmäßig formelle Besprechungen durch, bei den Fach- und Lehrkräften einmal pro Woche 45 Minuten. Alle Befragten sagten jedoch auch, dass diese Zeiträume nicht ausreichen würden, sodass regelmäßig informell kommuniziert wurde z. B. über Tür- und Angelgespräche, Telefon und Notizen. An vielen Standorten wurde die Jahresplanung zu Beginn des Jahres von Schule und Kindertageseinrichtung abgestimmt oder gemeinsam erstellt, um Stundenpläne, insbesondere Besprechungszeiten und gemeinsame Unterrichtszeiten, zu koordinieren, geeignete Teamkonstellationen zusammenzustellen und gemeinsame pädagogische Aktivitäten zu planen. Schriftliche Konzeptionen entfalteten an einem Teil der Standorte nur wenig Wirkung, weil sie in der Praxis nicht bekannt waren. Der Besuch gemeinsamer Fortbildungs- und Teamentwicklungsmaßnahmen von Schule und Kita wurde nur an circa der Hälfte der Standorte umgesetzt. Dies wurde damit begründet, dass es organisatorisch schwer umsetzbar sei und dass es an Fortbildungen mangelt, die für dieses Kooperationsformat geeignet sind. Im Hinblick auf Kooperation wurde die Unterrichts- und außerunterrichtliche Bildungszeit an den Standorten recht unterschiedlich gestaltet. An allen Standorten fand zumindest eine gemeinsame Grobplanung statt, wobei insbesondere allgemeine Organisation, Ausflüge, Elterngespräche und Projektthemen im Vordergrund standen. Die konkrete Planung der Unterrichtsinhalte und -methoden wurde vielfach durch die jeweilige Lehrkraft alleine durchgeführt, wobei sie auch den Einsatz der pädagogischen Fachkräfte im Unterricht plante. An jeweils ca. der Hälfte der Standorte wurde angesprochen, dass die beiden Professionen insbesondere in den Lern- und Übungszeiten, durch Differenzierungsmethoden im Unterricht, bei Ausflügen und in themenbezogenen Projekten kooperieren. Eine intensive Kooperation zwischen den Lehr- und pädagogischen Fachkräften wurde bei der Zusammenarbeit mit den Eltern an nahezu allen befragten Standorten durchgeführt.
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Anforderungen und Gelingensbedingungen für derartige Kooperationsmodelle In den Interviews wurden die Leitungen sowie pädagogischen Fach- und Lehrkräfte zu Gelingensbedingungen, zu Schwierigkeiten und zu einem eventuellen Handlungsbedarf zur Intensivierung der Kooperation befragt. Dabei kristallisierten sich Themenblöcke heraus, die immer wieder genannt wurden. Teamzusammensetzung und Personal
An allen Standorten wurden viele Facetten genannt, z. B. Wertschätzung der anderen Profession und Empathie für die Teampartner, an einem Strang ziehen, gemeinsame Werte und Augenhöhe, die in der Auswertung zum Überpunkt »funktionierende, wertschätzende Teams« zusammengefasst wurden. Funktionieren Teams nicht, so stellt dies eine besondere Herausforderung dar, weil Kommunikation und Kooperation zentrale Bedingungen für das Gelingen der hier erprobten Modelle sind. Ob die Kooperation in den Teams gelingt oder nicht, ist mit einer Reihe von Faktoren verbunden. Als Herausforderung stellte sich beispielsweise die Fluktuation beim Personal dar, was den erneuten Aufbau von Beziehungen in Teams oder geteilten pädagogischen Orientierungen notwendig macht. Personalkontinuität trägt zum Gelingen bei. An mehreren Standorten war es schwierig, Personen für die Kooperationsklassen zu gewinnen, die dort freiwillig arbeiten wollten. Somit mussten Pädagoginnen und Pädagogen für die Arbeit in diesen Klassen ausgewählt werden. Die Freiwilligkeit des Personals, in Kooperationsklassen ganztags zu arbeiten, wurde jedoch in den Interviews als Bedingung für ein Gelingen der Kooperationen in den Teams angesehen. Ein Zusammenhang ist darin zu sehen, dass mit den Kooperationsklassen ein höherer Arbeitsaufwand und insbesondere für die Lehrkräfte unattraktive Arbeitszeiten verbunden sind, wie in den Interviews geäußert wurde. Als grundlegende Gelingensbedingung der Kooperation wurde die Offenheit der Kooperationspartner betont, Offenheit für die andere Profession, deren Blickwinkel und pädagogisches Handeln sowie für eine fortschreitende Entwicklung und einen Lernprozess im Rahmen der Kooperationsmodelle. In Bezug auf die Lehrkräfte, die selten im Team arbeiten, wurde die Wichtigkeit benannt, dass sie bereit sind, Teamerfahrungen und die darin liegenden Chancen zuzulassen. Für eine gelingende Kooperation in den Teams sind Kommunikationsprozesse unverzichtbar, für die genügend Zeit zur Verfügung stehen muss. Darüber hinaus müssen auch entsprechende kommunikative Fähigkeiten der Teampartner vorhanden sein oder gefördert werden.
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Entwicklungsmöglichkeiten
Gelungene Kooperation braucht Raum für und Unterstützung von Entwicklung: ȤȤ Hospitationen in Kooperationsmodellen, die bereits Erfahrungen mit dem Aufbau gesammelt haben, wurden in den Interviews als gewinnbringend angesehen, ȤȤ gemeinsame Fortbildungen und Teamentwicklungsmaßnahmen. Solche Maßnahmen sind notwendig, weil die Kooperationsprojekte neue Anforderungen stellen und die Lehrkräfte und pädagogischen Fachkräfte oft nicht auf Wissen aus Aus- oder Fortbildung oder auf frühere berufliche Erfahrungen zurückgreifen können. Auch sind sie gefordert, sich auf andere professionelle Haltungen, Methoden etc. einzulassen. Gemeinsame positive Erfahrungen stellen ebenfalls Gelingensbedingungen dar. Hierzu wurden Beispiele für gemeinsame Erfahrungen im beruflichen Alltag, für Erfahrungen in gemeinsamen, verbindenden Projekten oder auch für Erfahrungen der Perspektivenübernahme des Anderen berichtet. Organisationsprozesse
Die Stundenplangestaltung bzw. die Organisation des Tagesablaufs in den beteiligten Kindertageseinrichtungen erfordert einen hohen Abstimmungsbedarf. Eine Herausforderung ist es insbesondere, Besprechungszeiten in den jeweiligen Klassen- und Gesamtteams sowie gemeinsame Unterrichtszeiten einzuplanen. Hier wurde auch eine Verbindung zur Rhythmisierung und der Anpassung an den Bio-Rhythmus der Kinder gezogen. Flexibilität sei notwendig, um den Mehrwert der Kooperationsmodelle ausreichend nutzen zu können. Geeignete Rahmenbedingungen
An erster Stelle wurde hier genannt, dass den Beteiligten genügend Zeit zur Verfügung gestellt werden muss. Insbesondere die Zeit für Besprechungen wurde als Problemfeld angesehen, denn die zur Verfügung gestellten 45 Minuten pro Woche wurden bei Weitem als nicht ausreichend erlebt. Die Besprechungsstunde wurde vielerorts vor allem für organisatorische Fragen, für Absprachen hinsichtlich dringender Termine und »auffälliger« Kinder genutzt. Für inhaltliche und konzeptionelle Fragen der Kooperation, eine inhaltlich-didaktische Verschränkung in Bezug auf Unterricht bzw. außerunterrichtliche Bildung und eine Besprechung aller oder zumindest der meisten Kinder besteht kaum Zeit, so die Erfahrungen der Beteiligten. Auch wird Zeit benötigt für einen Austausch der jeweiligen Vorstellungen sowie das Entwickeln einer gemeinsamen pädagogischen Linie.
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Auch die Wichtigkeit geeigneter Räumlichkeiten für das Gelingen wurde betont, die bei den Modellen die Umsetzung von Rhythmisierung unterstützen soll. Die Räume für den Unterricht und die Räume für die hortpädagogische Arbeit sollten nebeneinander liegen, es sollten ausreichend Differenzierungsräume vorhanden sein, nicht nur für die Arbeit in Kleingruppen, sondern auch als Rückzugsmöglichkeit für die Kinder. An manchen Standorten war der Mangel an Arbeitsplätzen für die Lehrkräfte und pädagogischen Fachkräfte, z. B. für Korrekturarbeiten, Thema. An einem Standort nutzen die Lehrkräfte und pädagogischen Fachkräfte, die jeweils eine Klasse bzw. Gruppe an Kindern bilden, erziehen und betreuen, auch jeweils ein gemeinsames Büro, was als Kooperationserleichterung angesehen wurde. An einem anderen Standort wurde das Einrichten eines gemeinsamen Teamzimmers (»Konferenzzimmer«) für Lehrkräfte und pädagogische Fachkräfte als Meilenstein für das Zusammenwachsen gesehen. Mehrwert Die intensivierte Kooperation ist also unter anderem mit erhöhtem Entwicklungsbedarf, Voraussetzungen im Team und erhöhtem Arbeitsaufwand verbunden. Welcher Mehrwert steht dem entgegen? Mehrwert für die Kinder
Für die Kinder und pädagogischen Prozesse in der Klasse bzw. Gruppe sahen sowohl Eltern als auch pädagogische Fach- und Lehrkräfte einen besseren sozialen Zusammenhalt und engere Beziehungen, sowohl unter den Kindern als auch zwischen den Pädagoginnen bzw. Pädagogen und Kindern, als z. B. in Regelklassen. Von den Pädagoginnen und Pädagogen wurde auch festgestellt, dass die Kinder in diesen Klassen bzw. Gruppen bessere Unterstützung erfahren und besonders positive Entwicklungen ihrer sozial-emotionalen Kompetenzen erzielen. Sehr viele Äußerungen spiegelten wider, dass der multiprofessionelle Blick auf die Kinder einen viel beachteten Mehrwert darstellt. Das Kind wird von verschiedenen Professionen und Personen sowie in verschiedenen Situationen gesehen. Zudem haben Eltern und Pädagoginnen bzw. Pädagogen an den meisten Standorten darauf hingewiesen, dass mehr individuelle Begleitung und Förderung stattfindet. Durch das Mehr an Personal werden die Kinder häufiger in Kleingruppen gefördert und gerade Kinder mit besonderem Unterstützungsbedarf erfahren eine individuelle Bildungsbegleitung. Den Kindern an den Kooperationsstandorten werden mehr erweiterte Lehr-/Lernmethoden wie z. B. Pro-
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jekte und Exkursionen in Musik, Kunst oder Sport angeboten. Weiterhin steht im Alltag mehr Zeit für eine flexible Nutzung zur Verfügung, sodass individueller auf den Bio-Rhythmus der Kinder eingegangen werden kann. Mehrwert für die Eltern
Für die Eltern besteht, aus deren Sicht und der der Pädagoginnen bzw. Pädagogen, ein oft genannter Mehrwert in einem besseren Informationsfluss zwischen Lehrkräften, pädagogischen Fachkräften und Eltern. Eltern werden zudem entlastet, insbesondere bei der Hausaufgabenbetreuung. Neben der zeitlichen Entlastung wurde vor allem die psychische Befreiung vom »Hausaufgabenstress« betont. Pädagoginnen und Pädagogen nannten auch die umfangreicheren Betreuungszeiten als Mehrwert für die Eltern. Mehrwert für das pädagogische Personal
Lehr- und pädagogische Fachkräfte hoben hervor, dass sie die Unterstützung und geteilte Verantwortung als sehr positiv und entlastend erleben. Dadurch, dass mehr Personen und Professionen beteiligt sind, können sie in schwierigen Situationen eine zweite Meinung einholen oder sich gegenseitig unterstützen. An vielen Standorten sahen Pädagoginnen bzw. Pädagogen auch einen persönlichen Mehrwert darin, einen Einblick in die aktuellen Entwicklungen im jeweils anderen Arbeitsfeld zu erhalten.
Diskussion und Schlussfolgerungen für die Kooperation zwischen Horten und Grundschulen Die vorgestellten Ergebnisse wurden mit qualitativen Interviews im Rahmen von Kooperationsmodellen erhoben, die besonders günstige Bedingungen für die Kooperation haben. Diese Kooperationen sind strukturell abgesichert und konzeptionelle Vorgaben liegen vor, die eine inhaltliche Orientierung geben bzw. geben würden, wenn sie in der Praxis genug bekannt wären. Rahmenbedingungen erleichtern die Kooperation, z. B. die räumliche Nähe dadurch, dass Schule und Kindertageseinrichtung im gemeinsamen Haus untergebracht sind, wöchentliche gemeinsame Besprechungszeiten sowie die Zuordnung von Klasse und Kita-Gruppe. Diese Faktoren spiegeln sich auch in den Ergebnissen zu Gelingensbedingungen wider. Aufgrund dieser besonderen Bedingungen stellen sich die Fragen, ȤȤ inwieweit die Ergebnisse mit denen anderer Studien übereinstimmen, in denen weniger günstige Bedingungen für eine Kooperation vorlagen, sowie
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ȤȤ welche Schlussfolgerungen sich daraus für die Kooperation von Horten bzw. Kindertageseinrichtungen (auch) für Schulkinder ziehen lassen, die keine strukturell abgesicherte Kooperation haben und in denen genannte Bedingungen nicht oder nur zum Teil bestehen. Zur ersten Fragestellung liegen Ergebnisse aus der Begleitforschung zur offenen Ganztagsgrundschule in Nordrhein-Westfalen vor, bei der Gelingensbedingungen für die inhaltliche Verknüpfung zwischen Unterricht und Hausaufgabenbetreuung sowie zwischen Unterricht und Freizeit- und Förderangeboten näher betrachtet wurden. Insbesondere in der vertiefenden qualitativen Teilstudie von Haenisch (2009, S. 12 ff.) wurde deutlich, dass intensiv kooperierende Schulen eine große Vielfalt möglicher Verzahnungsansätze zwischen Unterricht und Hausaufgabenbetreuung praktizieren. Die in dem vorliegenden Beitrag vorgestellten Ergebnisse erscheinen damit eher nicht als »Best Practice«, sondern als Anregungen für die Kooperationspraxis an weiteren Standorten, die für sich zielführende Kooperationsformen auswählen sollten. In derselben Studie von Haenisch (2009) wurde auch nach förderlichen Bedingungen für die Verzahnung gefragt. Nach der Erfahrung der Interviewten sind ausreichende zeitliche Ressourcen, regelmäßiger Austausch zwischen Fach- und Lehrkräften, dass viele Kinder aus einer Klasse den offenen Ganztag besuchen, gemeinsame Fortbildungen und gegenseitige Hospitationen wichtige Bedingungen. Im Projekt »Ganztagsschule und Quartiersmanagement« wurden ebenfalls Gelingensbedingungen für die Kooperation von Schule mit außerschulischen Partnern identifiziert und fünf Bereichen zugeordnet: »kommunikations- und interaktionsbezogene Gelingensbedingungen«, z. B. Wertschätzung und Anerkennung, »interessensbezogene Gelingensbedingungen«, z. B. Mechanismen des Interessenausgleichs, »organisationsbezogene Gelingensbedingungen«, z. B. geklärte Zuständigkeiten, »arbeitsbezogene Gelingensbedingungen«, z. B. kurze Kommunikationswege, sowie »klientenbezogene Gelingensbedingungen«, z. B. starke Adressatenorientierung (Floerecke et al., 2011). Zusammengenommen zeigen sich sehr große Überschneidungen zwischen den eigenen Ergebnissen und den Ergebnissen dieser Studien, die den Schluss zulassen, dass die Ergebnisse durchaus auch wegweisend für andere Standorte sein könnten, die nicht von Anfang an strukturell abgesicherte Kooperationsbedingungen aufweisen. Abschließend sollen deshalb Schlussfolgerungen für die Kooperation von Grundschulen und regulären Horten gezogen werden, in denen genannte Bedingungen nicht oder nur zum Teil bestehen.
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Unterstützende Haltungen entwickeln Damit die Kooperation zwischen Schule und Kindertageseinrichtung gelingen kann, sollten unterstützende Haltungen auf beiden Seiten vorhanden sein. Deutlich wurde, dass Kooperation eine Haltung von Offenheit bzw. die Bereitschaft zum Perspektivwechsel erfordert, die Offenheit für eine andere Profession, deren Blickwinkel und pädagogisches Handeln, und die Offenheit, sich selbst professionell weiterzuentwickeln und dazuzulernen. Dies ist insbesondere erforderlich, da das Wissen über die jeweils andere Profession sowie über die interprofessionelle Kooperation unter einem erweiterten Bildungsverständnis oftmals beschränkt ist und kaum auf frühere professionelle Erfahrungen zurückgegriffen werden kann. Eine gegenseitige Wertschätzung und fachliche sowie persönliche Anerkennung sind notwendig, z. B. um für die Kooperation und die professionelle Weiterentwicklung zu motivieren. Ohne sie ist auch ein Vertrauen ineinander nicht denkbar, das die Basis schafft z. B. für den Austausch sensibler Daten oder die Ermöglichung niedrigschwelliger Kommunikation. Ziele gemeinsam abstimmen Ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Kooperation ist die Abstimmung über die jeweiligen Interessen, Ziele und Prioritäten. Eine Kooperation ist dann tragfähig, wenn jede Seite für sich den Eindruck hat, zu profitieren, z. B. indem bestimmte Interessen und Ziele umgesetzt werden können und ein Interessensausgleich stattfindet. Die Entwicklung gemeinsamer Zielvorstellungen setzt voraus, dass sich die jeweiligen Kooperationspartner zunächst ihrer eigenen Ziele und Interessen klar werden müssen. Eine Orientierung für gemeinsame Zielvorstellungen gibt das oben dargestellte subjektbezogene, übergreifende Bildungsverständnis. Umfassende Bildung lässt sich erst in Kooperation und gegenseitiger Bezugnahme und Anschlussfähigkeit angemessen umsetzen. Das Kindeswohl und die Bedürfnisse des einzelnen Kindes sollten dabei Maßstab für die Orientierung der Pädagogik in den Institutionen und die Kooperation sein. Die Umsetzung von Kooperation kann dadurch erleichtert werden, dass zuerst bestimmte Themenbereiche, z. B. Hausaufgaben, bzw. konkrete inhaltliche Projekte, z. B. zu Ernährung und Gesundheit, in den Vordergrund gestellt werden. Dadurch wird Kooperation konkreter und überschaubarer und zeitnahe Erfolgserlebnisse werden ermöglicht, die Anschub geben, Startschwierigkeiten zu überwinden. Die Reflexion solcher Erfahrungen gibt der Weiterentwicklung weiteren Anschub.
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Gemeinsames Wissen aufbauen Gegenseitige Achtung und Wertschätzung sowie die Abstimmung über Interessen und Prioritäten werden dadurch unterstützt, dass Wissen über das pädagogische Profil des jeweils anderen vorhanden ist. Wo liegen die Kompetenzen der jeweiligen Professionen, welche Vorurteile liegen vor, beispielsweise zur Offenen Arbeit im Kita-Bereich, die auszuräumen sind, um Wertschätzung und Vertrauen zu erhöhen, was sind die Standards der jeweiligen Arbeit, welche Rahmenbedingungen gibt es? Es ist davon auszugehen, dass eher wenig Wissen über die jeweils andere Seite vorhanden ist, da dies in den Ausbildungen kaum thematisiert wird (Neuß et al., 2014), und das vorhandene Wissen wohl eher die Verschiedenheit in den Vordergrund stellt als die vorhandenen verbindenden Elemente (vgl. z. B. Bülow, 2011). Deshalb sollte eine gegenseitige Information erfolgen, z. B. im Rahmen einer gemeinsamen Teamsitzung. Als eine Gelingensbedingung werden sowohl in der in diesem Beitrag vorgestellten Studie als auch in weiteren Studien weiterbildende Maßnahmen genannt. Hilfreich sind Hospitationen in der jeweils anderen Einrichtung, aber auch in anderen Kooperationsprojekten, die bereits Erfahrungen mit einer ähnlichen Kooperation haben. Bei der Hospitation beim Kooperationspartner wird Wissen über die Pädagogik in der jeweils anderen Einrichtung praxisnah aufgebaut und zugleich können förderliche Haltungen und Beziehungen entstehen. Gemeinsame Fortbildungen und gemeinsame Teamtage (z. B. zum übergreifenden Bildungsverständnis und zur Verzahnung von Pädagogik) können Orientierung geben, Wissen vermitteln, gemeinsame Sprache schaffen (z. B. Verständigungsprozesse über Begriffe wie Bildung und Erziehung), zum Beziehungs- und Haltungsaufbau beitragen und damit eine Basis für die weitere Umsetzung von Kooperation schaffen. Nach den Erfahrungen aus den in diesem Beitrag vorgestellten Kooperationsverbünden tragen geteilte pädagogische Erfahrungen, etwa gemeinsame Projekte (z. B. Zirkusprojekt), bei, den Perspektivwechsel zu erleichtern, den anderen in seinen professionellen Logiken besser zu verstehen und wertzuschätzen. In regelmäßigem Kontakt bleiben Damit Kooperation gelingt, ist regelmäßige Kommunikation die Basis, wie die dargestellten Ergebnisse deutlich machen. Je vielfältiger die Kooperation, umso mehr Abstimmungs- und Kooperationsbedarf entsteht. Der Abstimmungsbedarf kann mit der Erfahrung wieder abnehmen. Jedoch zeigen die Ergebnisse auf, dass zum einen Gelegenheiten für regelmäßige strukturierte Kommunikation zu schaffen sind, im Sinne von Kooperationsgesprächen je nach Abstimmungsbedarf. Zum
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anderen sollten Wege der niedrigschwelligen Kommunikation insbesondere auf der Ebene der pädagogischen Fach- und Lehrkräfte genutzt werden, um Informationen fließen zu lassen und die Pädagogik anschlussfähig gestalten zu können. Hierfür ist auch die Bereitschaft zur Einrichtung von niedrigschwelligen Kommunikationswegen und zum kontinuierlichen Informationsaustausch notwendig. Sehen sich die Kooperationspartner nicht täglich, so unterstützen schriftliche und mündliche Wege z. B. über Telefon, SMS oder Eintragungen in Notizbüchern. Zuständigkeiten konzentrieren Um angesichts der Vielzahl von Aufgaben in den Einrichtungen die Kooperation auf der Einrichtungsebene zu verstetigen, können einzelne Personen beauftragt werden, die die Kooperationsaktivitäten steuern und die als Antriebsmotoren dienen. Die Ergebnisse zeigen, dass für die Kooperation auch viele personenbezogene Eigenschaften und Haltungen von Bedeutung sind. Auch begünstigt die Freiwilligkeit die Kooperation deutlich. Die Kooperation der pädagogischen Fach- und Lehrkräfte wird erschwert, wenn in einer Klasse bzw. Gruppe Kinder aus mehreren Gruppen bzw. Klassen sind, sodass die Zahl der Kooperationspartner und damit der Kooperationsaufwand ansteigen. Ein Lösungsweg ist hier, dass Kooperationsklassen gebildet werden. In diesen Klassen werden Kinder, die neben der Schulklasse auch den Hort besuchen, in einer Klasse zusammengefasst. Ressourcen verstetigen Die Ergebnisse aller hier berichteten Studien zeigen, dass Kooperation bestimmte Ressourcen und Rahmenbedingungen erfordert. An erster Stelle wird hier Zeit genannt. Zum einen wird Zeit benötigt, um die Kooperation aufzubauen, zum anderen ist jedoch auch regelmäßiger Abstimmungsbedarf notwendig, um den Mehrwert aus der Kooperation zu realisieren. Die Ergebnisse aus den hier vorgestellten Kooperationsprojekten zeigen, dass unter Zeitdruck die erforderliche inhaltliche und didaktische Verschränkung leidet sowie die professionelle Abstimmung in Bezug auf Kinder, die nicht auffallen. Es ist Aufgabe von Trägern und Leitungen entsprechende Ressourcen zur Verfügung zu stellen, als motivierendes Signal an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, vor allem aber um vertiefte und damit gewinnbringende Kooperation zu ermöglichen. Die Daten weisen auch darauf hin, dass, sollte vertiefte Kooperation verstetigt werden, eine strukturelle Absicherung – z. B. über Kooperationsverträge – Verantwortlichkeiten, Wege und Ressourcen definiert und damit zum Gelingen beiträgt.
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Mehrwert ausschöpfen Als einen klaren Mehrwert der Kooperation stellten die Interviewten den multiprofessionellen Blick auf das Kind heraus. Ein solcher wird durch den Informationsaustausch zum Kind realisiert, mit dem Einverständnis der Eltern und gegebenenfalls zusammen mit ihnen. Ziel ist es, ein möglichst umfassendes Bild vom Kind in verschiedenen Situationen und aus verschiedenen Perspektiven zu erhalten. Unter dem Gesichtspunkt der Partizipation sollte auch das Kind zu seiner Sicht befragt werden. Dies dient dazu, die Pädagogik adaptiv an den Bedürfnissen und Kompetenzen des einzelnen Kindes auszurichten. Letztendlich entscheiden jedoch die Ziele und Prioritäten sowie Möglichkeiten und Ressourcen der jeweiligen Einrichtungen, welche Formen der Kooperation – es wurden in diesem Beitrag vielfältige Formen benannt – realisiert werden können und sollen und damit auch, welcher Mehrwert realisiert werden soll und kann.
Literatur Bayerisches Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen & Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus [StMAS & StMUK] (2012): Gemeinsam Verantwortung tragen. Bayerische Leitlinien für die Bildung und Erziehung von Kindern bis zum Ende der Grundschulzeit. München Beher, K., Haenisch, H., Hermens, C., Nordt, G., Prein, G. & Schulz, U. (2007): Die offene Ganztagsschule in der Entwicklung. Empirische Befunde aus dem Primarbereich in Nordrhein-Westfalen. Weinheim Bülow, K. von (2011): Anschlussfähigkeit von Kindergarten und Grundschule. Rekonstruktion von subjektiven Bildungstheorien von Erzieherinnen und Lehrerinnen. Bad Heilbrunn Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend [BMFSFJ] (Hg.) (2006): Zwölfter Kinder- und Jugendbericht. Bericht über die Lebenssituation junger Menschen und die Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe in Deutschland. Zugriff am 24. 05. 2016. Verfügbar unter: http://www.bmfsfj.de/doku/Publikationen/kjb/data/download/kjb_060228_ak3.pdf Floerecke, P., Eibner, S. & Pawicki, M. (2011): Ganztagsschulen in der sozialraumorientierten Kooperation. Gelingens- und Misslingensbedingungen. In: K. Speck, T. Olk, O. Böhm-Kasper, H.-J. Stolz, H. & C. Wiezorek (Hg.): Ganztagsschulische Kooperation und Professionsentwicklung (S. 182–196). Studien zu multiprofessionellen Teams und sozialräumlicher Vernetzung. Weinheim Haenisch, H. (2009): Verzahnung zwischen Unterricht und außerunterrichtlichen Angeboten im offenen Ganztag. Eine qualitative Studie zu praktischen Ansätzen der Verzahnung in ausgewählten Schulen. Der GanzTag in NRW. Beiträge zur Qualitätsentwicklung, Heft 11. Münster: Institut für soziale Arbeit e. V. Münster/Serviceagentur »Ganztägig lernen in Nordrhein-Westfalen« DKJS-Deutsche Kinder- und Jugendstiftung (Hg.), Holtappels, H. G., Krinecki, J. & Menke, S. (2013): Lernkultur, Kooperationen und Wirkungen: Befunde aus der Ganztagsschulforschung. Dokumentation 08. Zugriff am 24. 05. 2016. Verfügbar unter: www.ganztaegig-lernen.de/sites/ default/files/Doku8_web.pdf
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Mack, W. (2006): Neue Perspektiven für das Zusammenspiel von Schule und Jugendhilfe. Das Bildungskonzept des Zwölften Kinder- und Jugendberichts und seine Implikationen für Schule und Jugendhilfe. Die Deutsche Schule, 98 (2), 162–177 Neuß, N., Henkel, J., Pradel, J. & Westerholt, F. (2014): Übergang Kita – Grundschule auf dem Prüfstand. Bestandsaufnahme der Qualifikation pädagogischer Fachkräfte in Deutschland. Wiesbaden Wildgruber, A. & Griebel, W. (2016): Erfolgreicher Übergang vom Elementar- in den Primarbereich. Empirische und curriculare Analysen. Weiterbildungsinitiative Frühpädagogische Fachkräfte, WiFF Expertisen, Bd. 44. München: Deutsches Jugendinstitut Wildgruber, A. & Kron-Sperl, V. (2015): Wissenschaftliche Begleitung der Modellprojekte »Kooperation von Ganztagsschulen mit Angeboten der Jugendhilfe«. München: unveröffentlichter Abschlussbericht
II.4 Interaktion im Kita-Team: Warum sie gelingen sollte und wie sie gelingen kann Sigrid Lorenz und Elisabeth Minzl
Schlüsselwörter: Teaminteraktion, Teamentwicklung, Teamresponsivität
»Man kann nicht nicht interagieren« könnte man frei nach Paul Watzlawick (2007) formulieren und damit darauf verweisen, dass es Menschen und mithin auch Teams nicht möglich ist, sich Interaktionen zu verweigern. Interaktion im Team geschieht – geplant oder ungeplant, bewusst oder unbewusst. Geplante, kompetente und verlässlich gestaltete Interaktionen zwischen den Teammitgliedern können das Team effektiv und effizient unterstützen. Insbesondere in kulturell diversen Teams – so Forschungsergebnisse (Fleischmann, 2014) – erweist sich die Interaktionsqualität als zentraler Einflussfaktor auf Teamergebnisse.
Der Blick auf Teaminteraktionen gewinnt an Bedeutung Schon immer war die Arbeit in Teams ein fester Bestandteil der Arbeit in Kindertageseinrichtungen. Unterschiedliche Entwicklungen im frühpädagogischen Feld machen jedoch deutlich, dass der Blick auf Teams und deren Art miteinander in Beziehung, also in Interaktion zu stehen, einen großen Bedeutungszuwachs erfahren haben. Die Fähigkeit, gut interagieren zu können, zählt nicht allein zu den »Soft Skills«, sondern hat sich, aufgrund der gestiegenen Komplexität der Anforderungen, zwischenzeitlich zu einer Schlüsselkompetenz aller Teams bzw. Teammitglieder entwickelt. Diese Komplexität drückt sich in Vielfalt aus: Die Zunahme an offener Arbeit erfordert klare Verständigungsprozesse, die Vielschichtigkeit des Bildungs- und Erziehungsauftrags benötigt ein gutes Zusammenwirken. Die Arbeit in multikulturellen und -professionellen Teams bedarf eines regelmäßigen und nachhaltigen Austauschs und unumgängliche Weiterentwicklungsprozesse gelingen nur in gemeinsamer Reflexion und intensivem Sich-Auseinandersetzen. Darüber hinaus trägt eine gute Interaktion zwischen den Teammitgliedern
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wesentlich zu einem positiven Teamklima und damit auch zur Mitarbeiter bindung bei. Und nicht zuletzt hat die Qualität der Interaktionen zwischen den einzelnen Teammitgliedern auch Vorbild- und Modellcharakter, sowohl für die Kinder als auch für die Eltern in den Einrichtungen. Allerdings ist häufig noch ein Verharren in traditionellen, eher starren pädagogischen Konzepten zu beobachten. Die Herausforderungen, vor denen Kitas heute stehen, können jedoch nur in ausreichend guter Interaktion bewältigt werden. Insbesondere für Leitungskräfte, aber auch für die Teammitglieder selbst ist es daher wichtig, der Qualität der Teaminteraktionen besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Im Gegensatz zu Interaktionen zwischen Fachkraft und Kind bzw. zwischen Fachkraft und Eltern finden sie oft noch wenig Beachtung. Dies mag seine Begründung unter anderem darin haben, dass der frühpädagogische Bereich ein zuvorderst weibliches Arbeitsfeld ist (in Kitas arbeiten im Bundesdurchschnitt 97 % Frauen; Cremers et al., 2015) und Frauen quasi automatisch eine hohe kommunikative Kompetenz bescheinigt wird. Darüber hinaus stellte die in Kitas lange übliche Arbeitsorganisation mit weitgehend geschlossenen Gruppenstrukturen keine sehr hohen Anforderungen an die Interaktionsqualität im Team. Und ebenso könnte es eine Rolle spielen, dass Kindertageseinrichtungen von ihrer Tradition her eher als leistungsfreier und zugleich sozial-warmherziger Raum begriffen wurden, in denen klare Interaktionsstrukturen als eher störend galten.
Teams entstehen durch eine gemeinsame Aufgabe Ein Team ist, aufgrund einiger charakteristischer Merkmale, eine spezifische Form von Gruppe. Ein Team fühlt sich in besonderer Weise miteinander verbunden und bildet, durch eine Art Gruppenhaut definiert, in gewisser Weise eine abgegrenzte Einheit »(…) innerhalb derer es ein ›Wir‹ gibt« (Von Schley, 2004, zitiert in Köker, 2012, S. 18). Die Durchlässigkeit dieser Gruppenhaut zeigt an, in welchem Umfang ein Team bereit ist, mit seiner Umwelt zu interagieren (Abb. 16). So lassen sich idealtypisch vier Arten von Teams unterscheiden: Teams, deren Gruppenhaut weitgehend undurchlässig ist und die folglich ohne nennenswerten Austausch zu ihrer Umwelt existieren; des Weiteren gibt es Teams mit semipermeabler, d. h. halbdurchlässiger Gruppenhaut, die entweder ausschließlich in ihre Umwelt hineinwirken, ohne jedoch von außen Impulse aufzunehmen oder aber Impulse aus der Umwelt aufnehmen, jedoch nicht nach außen wirken. »Ideale« Teams hingegen besitzen eine in beide Richtungen durchlässige Gruppenhaut, die es ihnen ermöglicht, in wechselseitigem
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Abbildung 16:Unterschiedlich mit der Umwelt interagierende Teams. In Anlehnung an V. Schley (in Köker 2012). Eigene Darstellung
Austausch mit ihrer Umwelt zu stehen. Sie sind empfänglich für Außenreize und gestalten zugleich ihre Umwelt mit. Sie haben keine starren Systemgrenzen, sondern können flexibel auf interne wie externe Erfordernisse reagieren; ebenso gelten sie, aufgrund ihrer reflexiven Interaktionen, als in besonderer Weise entwicklungsfähig. Als wichtigstes Unterscheidungsmerkmal zwischen »Gruppe« und »Team« kann aber das Merkmal der gemeinsamen Aufgabe in gemeinsamer Verantwortung gelten. Teams sind keine zufällige Ansammlung von Personen, sondern sie kennzeichnet eine gemeinsame Aufgabe, die letztendlich der Zweck ihrer Existenz ist (Hissnauer, 2006). Viele Kita-Teams definieren den Zuschnitt ihrer Aufgabe und deren konkretes Verständnis über eine Listung unterschiedlicher pädagogischer Handlungsbereiche im Rahmen ihrer Einrichtungskonzeption. Eher selten findet sich jedoch die explizite Formulierung einer grundlegenden Leitidee, einer Vision über den Zweck und das Ziel des eigenen Handelns. Dabei kann eine gemeinsam entwickelte regulative Leitidee ein sehr wertvoller Fluchtpunkt sein, also ein Punkt, in dem die unterschiedlichen Perspektiven, Meinungen und Überzeugungen der einzelnen Teammitglieder wieder zusammenlaufen; gerade in emotional geführten Auseinandersetzungen, etwa über die Gestaltung konkreter pädagogischer Prozesse, ist das Wissen um eine gemeinsame Leitidee sehr hilfreich und entlastend. Eine auch für Kitas geeignete Formulierung einer Leitidee kommt aus der Führungsphilosophie der »Fortschrittsfähigen Organisation«. Diese Führungsphilosophie wurde wesentlich von dem Münchner Wirtschaftswissenschaftler Werner Kirsch entwickelt und basiert grundlegend auf den Überlegungen Amitai Etzionis, einem US-amerikanischen Soziologen, dessen Thema das Zusammenleben von Gesellschaften und Gemeinschaften ist (Etzioni, 1975/2009; Kirsch, 1997). Nach diesem Konzept ist es die Aufgabe eines Teams, so zu handeln, dass es die Bedürfnisse der Menschen, die von seinem Handeln betroffen sind, immer besser befriedigt. Zu den vom Teamhandeln, also dem Handeln der pädagogischen Fachkräfte betroffenen Menschen zählen in erster Linie die Kinder, aber auch die Eltern, der Träger und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Kita
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selbst. Der Aspekt der Selbstfürsorge ist folglich in dieser Aufgabenvision prinzipiell mitgedacht. Zugleich besitzt diese Leitvision eine doppelte Denkrichtung: Einerseits definiert sie einen Aufgabeninhalt (»Bedürfnisse befriedigen«), andererseits auch eine Entwicklungsrichtung (»immer besser«); so verweist sie darauf, dass sich Teams nicht damit zufriedengeben sollten, eine einmal erreichte Qualität allein halten zu wollen. Kurz zusammengefasst lassen sich alle Formen der Teamarbeit durch folgende Merkmale charakterisieren (Hissnauer, 2006): ȤȤ ein gemeinsamer Auftrag, ȤȤ eine gemeinsame Arbeit, ȤȤ eine gemeinsame Verantwortung, ȤȤ klare Zielvorstellungen, ȤȤ eine eindeutige Zielvereinbarung.
Jedes Team besitzt eine Interaktionsstruktur Die Begriffe »Interaktion« und »Kommunikation« unterliegen keiner einheitlichen Definition, sondern werden, je nach Fachrichtung und Erkenntnisinteresse, unterschiedlich gefasst. In den Naturwissenschaften etwa liegt der Schwerpunkt auf der Informationsverarbeitung, die Sprachwissenschaften fokussieren auf Sprechabläufe und Bedeutungsprozesse und die Statistik entwickelt Gleichungen, mit deren Hilfe die gemeinsame Wirkung zweier oder mehrerer Variablen auf eine dritte abgebildet werden kann (Fuchs et al., 1978). Meist besteht eine Übereinstimmung jedoch dahingehend, dass beide Begriffe zwar eng miteinander verknüpft, nicht aber deckungsgleich sind. Auch dieser Beitrag folgt diesem Verständnis und versteht »Kommunikation« als (den zentralen) Teilbereich von »Interaktion«. Zugleich bezieht sich der Beitrag in erster Linie auf soziale Interaktion, da Teaminteraktionen in der Regel in einen sozialen Prozess eingebettet sind und sich die jeweiligen Teammitglieder innerhalb dieses Prozesses durch Kommunikation wechselseitig und sinnhaft aufeinander beziehen. Soziale Interaktionen bilden deshalb das Bindeglied zwischen dem individuellen, vorerst noch unverbundenen Handeln der einzelnen Teammitglieder, durch das erst so etwas wie Team- und Interaktionsstruktur ermöglicht wird (Von Scheve, 2010). Jedes Team ist ein soziales und lebendes System und damit, so lange es lebt, auch ein lernendes und sich selbst erzeugendes System1 man spricht hier 1
In Anschluss an Kirsch werden auch Kindertageseinrichtungen als lebende Systeme verstanden. Da alle lebenden Systeme lernen, kann es, dem folgend, keine nicht-lernende Kita geben. Kitas sollten deshalb anstreben, eine »fortschrittsfähige Organisation« zu werden.
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von einem autopoietischen System. Diese Erkenntnis ist nicht neu und findet sich etwa in der Systemtheorie Luhmanns (grundlegend in Luhmann, 1984), der zugleich die enge, gleichsam identische Beziehung zwischen sozialem System und Kommunikation beschreibt. Da jedes Team gewissermaßen automatisch miteinander kommuniziert und interagiert, entwickelt es über die Zeit eine eigene Interaktionsstruktur mit entsprechenden Interaktionspfaden. Diese Struktur ist insofern durchaus funktionell, als sie eine gewisse Erwartungssicherheit für das eigene Handeln bereitstellt. In vielen Kita-Teams entwickelt sie sich ohne große Beachtung oder bewusste Steuerung, sondern naturwüchsig und zufällig; manchmal ist sie damit auch erfolgreich. In der Praxis verläuft die Interaktion zwischen den Teammitgliedern in diesem Fall aber häufig ungeordnet und teils auch chaotisch, sodass das Team in seiner Leistung deutlich unter seinen eigentlichen Möglichkeiten zurückbleibt (Von Bebenburg, 2010). Die Folge ungesteuerter Teaminteraktionen kann eine Gesamtleistung des Teams sein, die kleiner ist als die Summe der Einzelleistungen seiner Mitglieder. Gelingt hingegen die soziale Interaktion eines Teams, kann es gemeinsam viel mehr erreichen als alle einzelnen Fachkräfte für sich. Dies macht deutlich, dass die Interaktion der Teammitglieder untereinander nicht nur einem allgemeinen Austausch dient, sondern – weit darüber hinaus – in fast alle Aufgabenfelder einer Kita hineinwirkt, so etwa in das Erarbeiten von Strukturen, die Abstimmung von Regeln, die Bearbeitung von Konflikten, das Besprechen von Praxisfällen, das Klären von Aufgabenverteilungen oder das Festlegen einzelner Veränderungsschritte. Deshalb sollten Kita-Teams ihre Interaktionsstruktur als einen Herstellungsprozess verstehen, somit als etwas, was bewusst aufgebaut werden kann, und das es in bestimmten Abständen immer wieder einer genaueren Prüfung zu unterziehen gilt.
Drei Standbeine gelingender Teaminteraktionen Teaminteraktionen sind kein Selbstzweck, sondern in ihrer Qualität daran zu messen, inwieweit sie zur Erfüllung der anstehenden Team- und Kita-Aufgaben beitragen. Hier stellt sich deshalb die Frage nach möglichen Wirkbereichen und -faktoren. In der Literatur werden unterschiedliche Teilkonzepte genannt. Ein hilfreiches Gesamtkonzept findet sich bei Von Bebenburg (2010), der drei Handlungsbereiche – er spricht auch von Standbeinen – für eine gelingende Teamarbeit definiert. Er verbindet diese Handlungsbereiche mit der Metapher eines dreibeinigen Stuhls, der aufgrund dieser Konstruktion selbst bei unebenem Untergrund stabil stehen kann. In Anlehnung an dieses Modell und unter Ein-
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bezug des Modells der »Fortschrittsfähigen Organisation« von Kirsch lassen sich idealtypisch folgende Interaktionsbereiche definieren (Abb. 17/18), die geeignet sind, die soziale Interaktion eines Teams erfolgreich zu tragen – auch unter schwierigen Bedingungen (»unebener Untergrund«): ȤȤ Interaktionen zur Organisation täglich sich wiederholender Aufgaben (Bein 1 Teamorganisation), ȤȤ Interaktionen zur Sicherstellung einer professionellen Responsivität im KitaTeam (Bein 2 Teamresponsivität), ȤȤ Interaktionen zur Sicherstellung der Weiterentwicklung des Teams/der Kita (Bein 3 Teamentwicklung).
Abbildung 17 und Abbildung 18: Dreibein des Designers und Zukunftsforschers Walter Papst (1924–2008) (Brosowsky in Bauwelt 32–33.15, S. 4) (Abb. 17). Drei »Beine« gelingender Team interaktionen: Teamorganisation, Teamresponsivität und Teamentwicklung (Abb. 18).
Die Interaktionen im Team besitzen dann eine hohe Qualität, wenn sie auf diesen drei Beinen zugleich stehen. Dabei sind sie immer wieder darauf hin zu überprüfen, ob sie gleich lang sind, d. h. ob das Team alle drei Interaktionsbereiche in gleichem Umfang und gleichwertig beachtet. Dies schließt ein, dass es Teamphasen und Situationen gibt, die den gesonderten Blick auf einen bestimmten Bereich erfordern. Nachfolgend die drei Interaktionsbereiche im Einzelnen (ähnlich auch Kirsch & zu Knyphausen, 1991).
Interaktionen im Team zur Organisation täglicher Aufgaben Hier handelt es sich um Interaktionen mit dem Ziel, die Handlungsfähigkeit des Teams bzw. der Kita und damit deren Selbstorganisation sicherzustellen. Insbesondere die Organisation der täglich anfallenden Aufgaben und deren
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prozesshafte Umsetzung sind Bezugspunkte dieser Interaktionen; damit wirken sie auch auf den Umgang mit personellen und zeitlichen Ressourcen. Die Verantwortung für das Gelingen dieses Interaktionsbereichs liegt vor allem bei der Kita-Leitung. Im Wesentlichen ist es ihre Aufgabe, verlässliche und aufeinander bezogene Ablaufstrukturen zu schaffen, indem Entscheidungen und Handlungen so koordiniert werden, dass Handlungszyklen entstehen. Ein Beispiel können vorstrukturierte Interaktionsketten zwischen den Mitarbeiterinnen im Rahmen des Beschwerdemanagements sein, wo jede Mitarbeiterin, was die Art der Aufnahme der Beschwerde und deren Dokumentation betrifft, in verlässlicher und transparenter Weise auf z. B. Beschwerden von Eltern reagiert. Konkrete Interaktionsstrukturen, die zu diesem Bereich gehören, sind (Von Bebenburg, 2010): ȤȤ Entscheidungsstrukturen durch Regeln, Verantwortungen, Verbindlichkeiten, ȤȤ Teamordnung z. B. regelmäßige Sitzungen, ȤȤ Teamgedächtnis, ȤȤ Dienstpläne, ȤȤ pädagogische Ablaufprozesse im Kita-Alltag. Erfahrungen im Praxisfeld lassen das Fazit zu, dass den Interaktionen dieses Bereichs bereits vergleichsweise große Beachtung geschenkt wird und sie häufig gut gelingen.
Interaktionen im Team zur Sicherstellung professioneller Responsivität Bei diesem Standbein der Responsivität geht es um Interaktionen, die im Bereich der Responsivität – der Begriff wurde im Wesentlichen von dem US-amerikanischen Soziologen Amitai Etzioni für den gesellschaftswissenschaftlichen Bereich systematisch erschlossen – verortet sind. Wie das englische Ursprungswort responsiveness, bedeutet auch die ins Deutsche übersetzte Form »Responsivität« so viel wie »Offenheit« oder »Empfänglichkeit«, also eine Bezugnahme der Interaktionen auf und Rückkopplung an die Bedürfnisse und Interessen von Individuen (vgl. Junge & Kron, 2002; auch Brettschneider, 1995; ähnlich Gutknecht, 2010). In dem vorliegenden Kontext beschreibt der Begriff der Responsivität die Fähigkeit eines Teams, ansprechbar, offen und sensibel für die Bedürfnisse der Personen zu sein, die von seinem Handeln betroffen sind. Aufgrund der Ausrichtung dieses Beitrags geht es hier in erster Linie um die Bedürfnisse der Teammitglieder selbst. Das Ziel der Kita sollte es sein, die Arbeitsaufgaben und
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-prozesse so gemeinsam zu definieren und zu gestalten, dass sie passgenau für die Bedürfnisse der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (inklusive der Leitung) sind. Die Herstellung dieser Passung ist weniger ein äußerlicher Prozess, der an bestimmten Organisationsbereichen oder bestimmten Techniken festzumachen ist, sondern zuallererst und hauptsächlich ein innerer Prozess. Die Fähigkeit der Responsivität umfasst dabei vier ineinandergreifende Facetten: (1.) Die Fähigkeit, sensibel für die Bedürfnisse der Kolleginnen und Kollegen (und eigener Bedürfnisse) zu sein; (2.) diese Bedürfnisse auch tatsächlich wahrnehmen zu können; (3.) sie vor dem Hintergrund des jeweiligen Lebenskontextes zu verstehen und (4.) das eigene Verhalten darauf abzustimmen (vgl. Kirsch & zu Knyphausen, 1991). Responsivität erschöpft sich somit nicht in einer Art Bedürfnissensibilität, sondern hängt entscheidend davon ab, in wie weit es den Teammitgliedern gelingt, die Bedürfnisse der Kolleginnen und Kollegen tatsächlich vor dem Hintergrund deren Lebenssituation deuten zu können. Das braucht Interesse an- und füreinander und vor allem erfordert es ausreichende und zuverlässige Kommunikation- und Interaktionsgelegenheiten. Professionelle Responsivität ist folglich Fähigkeit und Haltung des Teams zugleich. Manche Autoren sprechen in diesem Kontext von der Notwendigkeit einer »fairen Kommunikation«, eines tatsächlichen Mitteilens und Zuhörens und betonen als wesentliches Element eine »Achtsamkeitspraxis« (etwa Lutz, 2012). Allerdings stellt das richtige Verstehen der gesendeten Botschaften bzw. Bedürfnisse anderer Teammitglieder eine besondere Herausforderung dar, unabhängig davon, ob es sich um verbale oder nonverbale Äußerungen handelt. Die Ursache des Problems kann bildhaft an dem, im Wesentlichen auf Sigmund Freud zurückgehenden, sogenannten »Eisbergmodell« der Kommunikation verdeutlicht werden (Abb. 19):
Abbildung 19: Eisbergmodell der Kommunikation (vgl. etwa Ruch & Zimbardo, 1974, S. 366). Eigene Darstellung
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Ähnlich wie bei einem Eisberg, folgt auch unsere Kommunikation dem sogenannten Paretoprinzip, einer »80 zu 20«-Regel. Nur 20 % unserer Kommunikation findet »über Wasser« statt; es ist der Anteil, den wir direkt beobachten oder hören können, also Worte, Sprachlautstärke oder Mimik. Doch zusätzlich zu diesen sichtbaren Informationen transportieren wir immer auch eigene Gefühle, Überzeugungen, Erwartungen oder Erfahrungen, die nur schwer oder überhaupt nicht für unsere Kommunikations- und Interaktionspartner sichtbar sind, da sie gleichsam »unter Wasser« im Verborgenen liegen und wirken. Gerade diese nicht sichtbaren Anteile von Kommunikation erschweren das richtige Verstehen der Bedürfnisse der Teammitglieder untereinander. Doch selbst die sichtbaren Kommunikationsanteile sind nicht ohne weiteres zutreffend zu interpretieren. Dabei legen die Arbeiten von Collins und Turner (in Von Scheve, 2010) nahe, dass gelingende soziale Interaktionen im Team insbesondere davon abhängen, dass die einzelnen Teammitglieder die mimischen Anzeichen der Emotionen der anderen Teammitglieder treffend decodieren können; denn jeder Mensch besitzt seine eigene emotionale Mimik, eine Art eigenen emotionalen Dialekt. Nur durch ständige Reflexions- und Rückkopplungsprozesse können die sichtbaren und verborgenen Kommunikationsanteile der einzelnen Teammitglieder allmählich eingeschätzt und verstanden werden. Hierbei können folgende Aspekte helfen (vgl. auch Von Bebenburg, 2010): ȤȤ Feedbackkultur entwickeln, ȤȤ direkte Kommunikation (nicht über Dritte), ȤȤ konstruktiver Umgang mit Konflikten, ȤȤ der richtige Platz für jede(n) Einzelne(n), ȤȤ Übergänge gut begleiten: kommende Kolleg/-innen einführen, gehende Kolleg-/innen verabschieden, ȤȤ Rituale, die bewusst die Teamkultur fördern sowie ȤȤ gemeinsames Lachen und eine Fehlerkultur etablieren.
Kurzer Exkurs: Vorurteilsbewusste Teamkultur Das zweite Standbein der Responsivität steht vor allem für die Fähigkeit zur Dekodierung, die umso präziser verläuft, je näher sich die Teammitglieder im sozialen Raum stehen und je ausgeprägter das gemeinsam geteilte Erfahrungswissen ist (Von Scheve, 2010). Für die Kompetenz der Dekodierung von Botschaften, die zum größten Teil von den individuellen Gefühlen, Werten, Überzeugungen und Motiven geprägt sind, eignet sich der pädagogische Ansatz der vorurteilsbe wussten Pädagogik (vgl. grundsätzlich zu diesem Exkurs: www.kinderwelten.net).
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Der Anti-Bias-Ansatz wurde in den 1980er-Jahren in Kalifornien von Louise Derman-Sparks und Kolleg/-innen entwickelt und richtet sich gegen Einseitigkeiten und Diskriminierungen; das Berliner Projekt Kinderwelten hat seit Ende der 1990er-Jahre diesen Ansatz an den Situationsansatz im deutschen Raum angepasst. Auf der Teamebene haben die Ziele der vorurteilsbewussten Bildung und Erziehung dabei folgende Bedeutung: Interaktionen zur Stärkung der Ich- und Bezugsgruppenidentität Ausgangspunkt ist die Frage nach der individuellen Identität und Biographie, die das eigene pädagogische Handeln prägt. Durch regelmäßige Reflexion wird das eigene Handeln bewusst und kann sich weiterentwickeln. Reflexion in Kita-Teams: Welche Bedeutung hat mein eigener kultureller Hintergrund und welchen Einfluss nimmt dieser auf mein berufliches Handeln? Wie stehe ich als Kita-Leitung zu Macht und Verantwortung? Wie sieht es mit meiner eigenen Kommunikations- und Konfliktfähigkeit aus? Vielfalt kennenlernen und Empathie entwickeln Vielfältige Vorstellungen über Erziehung und Lernen bilden die Grundlage für das Zusammenleben und -arbeiten in der Kita. Das pädagogische Handeln wird von den eigenen Vorstellungen von Erziehung geprägt, welches aus der eigenen Perspektive richtig und wertvoll ist. In dem Aufeinandertreffen vielfältiger Erziehungsvorstellungen gilt es, diese Vielfalt kennen und achten zu lernen. Reflexion in Kita-Teams: Sind die Ressourcen der einzelnen Kolleg/-innen bekannt und werden diese gegenseitig geachtet? Nehme ich die vielfältigen Erfahrungen und Kompetenzen aller Kolleg/-innen als Kita-Leitung im Team wahr und fördere ich diese entsprechend? Einseitigkeiten thematisieren und aktiv widersprechen Eine klare Wertorientierung bei Einseitigkeiten und Ungerechtigkeiten in der Einrichtung und allgemein im Bildungsbereich unterstützt die gemeinsame Interaktion. Unterschiede sind gut, unterdrückerische Vorstellungen und Handlungsweisen sind es nicht. Reflexion in Kita-Teams: Wird der Umgang von Macht im Team auch gegenüber Kindern und Eltern thematisiert? Sind mir in meiner Rolle als Kita-Leitung unterschiedliche Formen von Machtausübung bewusst und wann bzw. wie übe ich selbst Macht aus?
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Diskriminierung aktiv widersprechen Der Umgang mit Vielfalt kann beim Einzelnen Befremdung auslösen, wenn das eigene Wertebild massiv dadurch in Frage gestellt wird. Reflexion in Kita-Teams: ȤȤ Wird Diskriminierungen und Einseitigkeiten im Team zum Thema gemacht? ȤȤ Beziehe ich in meiner Rolle als Kita-Leitung eindeutig Position gegen Diskriminierung und Einseitigkeiten? ȤȤ Initiiere und unterstütze ich den Dialog über Fragen von Ungerechtigkeit und Diskriminierung in der Kita? Durch den Ansatz der vorurteilsbewussten Bildung und Erziehung können regelmäßige Reflexionsprozesse ermöglicht und die Interaktionsstrukturen des Teams kontinuierlich weiterentwickelt werden. Ein vorurteilsbewusster Blick ermöglicht auch jeder Fachkraft die Entwicklung von professioneller Responsivität; aus dieser Perspektive wird es möglich, gemeinsame Lösungen unter Einbezug der Blickwinkel aller im Team zu finden.
Interaktionen im Team mit Blick auf eine Weiterentwicklung der Kita Teamentwicklung, im Sinne einer »Besser-Entwicklung«, versteht sich als ein sowohl (pro-)aktives wie auch reaktives Konzept. Eine so gefasste Weiterentwicklung braucht Interaktionen, die die Lernfähigkeit jedes Teammitglieds und dessen Kompetenz- und Wissenserweiterung sowie eine Steigerung der Problemlösefähigkeit des Teams als Ziel haben. Das erfordert gute persönliche und strukturelle Lernbedingungen, die dem Team helfen, beweglich zu bleiben; nur so kann auf Anforderungen von außen und innen angemessen reagiert werden. Über strukturierte Interaktionen kann sichergestellt werden, dass das individuelle Wissen der einzelnen Teammitglieder dem gesamten Team zugänglich gemacht wird und es in ein gemeinsames Wissen übergehen kann. Denn wenn Wissen ausschließlich individuell verankert ist, führt ein Mitarbeiterwechsel häufig zu erheblichen Wissenslücken. Um für die Weiterentwicklung notwendige Interaktionen zu schaffen, ist Folgendes wichtig (vgl. auch Von Bebenburg, 2010): ȤȤ Konzeptionsentwicklung und regelmäßige Fortschreibung, ȤȤ Entwicklung gemeinsamer Werte, ȤȤ Regeln der Wissenssicherung und des Wissenstransfers,
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ȤȤ ȤȤ ȤȤ ȤȤ
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Zuverlässige Hereinnahme von neuen Informationen, Ressourcenprofil (Wer kann welche Ressourcen für das Ganze einbringen?), Gesamtplanung der Fort- und Weiterbildungen, Inhouse-Schulungen für das gesamte Team.
Untersuchung zur Fähigkeit der Weiterentwicklung von Teams Wichtige Erkenntnisse zur Fähigkeit der Weiterentwicklung in Teams wurden im Rahmen der Evaluation der vierjährigen Fortbildungskampagne »Dialog Bildung« (2008 bis 2011)2 gewonnen. Diese Kampagne richtete sich an Einrichtungsteams, d. h. an jeweils alle aktiven pädagogischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einer Kindertageseinrichtung. Die Kampagne bot den Teams die Möglichkeit, sich vertiefend mit zentralen Aspekten des Bayerischen Bildungs- und Erziehungsplans auseinanderzusetzen, um die Grundprinzipien und Ziele des Plans in der Praxis nachhaltig zu verankern. Fortbildungsreferentinnen und -referenten begleiteten die Teams in den Einrichtungen über insgesamt vier Fortbildungseinheiten. An der Kampagne nahmen 1136 Einrichtungsteams bzw. 8347 pädagogische Fachkräfte teil. Veranstalter waren die Verbände der freien Wohlfahrtspflege sowie die Bayerische Verwaltungsschule in enger Kooperation mit den Landratsämtern und kreisfreien Städten. Die Verantwortung für die wissenschaftliche Begleitung lag beim Staatsinstitut für Frühpädagogik (IFP), das jeweils für die Fortbildungsstaffel eins und drei bzw. zwei und vier unterschiedliche Befragungskonzepte und Fragebögen verwendete. Die nachfolgend referierten Ergebnisse stammen aus den Befragungen (Vorbefragung ca. vier Wochen vor Fortbildungsbeginn und Nachbefragung ca. drei Monate nach Fortbildungsende) aus Staffel zwei und vier. Zielsetzung war es, zu untersuchen, ob die Fortbildungen aus Sicht der Teilnehmenden erfolgreich waren. Insbesondere zwei der Ergebnisse geben Hinweise auf die Weiterentwicklungsfähigkeit von Teams: 1. Die Angabe der Teams, in welchen Umfang es ihnen gelang, Wissen aus der Fortbildung mitzunehmen. 2. Die Angaben des Teams, in welchem Umfang es ihnen gelang, das in der Fortbildung Gelernte in die tägliche Praxis zu transferieren.
2
Weitere Informationen zur Kampagne, inklusive des Abschlussberichts, sind verfügbar unter: http://www.stmas.bayern.de/kinderbetreuung/bep/fortb-dialog.php
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Für beide Indikatoren wurde analysiert, ob sich bestimmte Teameigenschaften identifizieren lassen, die den Umfang des Fortbildungsgewinns sowie den Umfang des Wissenstransfers in die Praxis beeinflussen. Zugleich sollten Hindernisse im Transferprozess identifiziert werden. An den Befragungen (2008/09 und 2010/11 Vor- und Nachbefragung) nahmen zwischen 130 und 230 Teams teil, dies entspricht einem Rücklauf von zwischen 57 % und 78 %. Nach Auswertung dieser Rückantworten zeigten sich deutliche Hinweise darauf (auf Basis signifikanter bivariater Korrelationen), dass Teams mit bestimmten Interaktionseigenschaften (siehe nachstehende Auflistung) in den beiden Indikatoren besser abschnitten, als Teams, die in geringerem Umfang diese Eigenschaften besaßen. Teams mit einer guten sozialen Interaktionsstruktur konnten das Wissen sowohl aus der Teamfortbildung »Dialog Bildung« als auch aus zurückliegenden Fortbildungen in größerem Umfang und nachhaltiger in ihre tägliche Arbeit transferieren als Teams mit eher dysfunktionaler Interaktionsstruktur. Nachfolgend sind die hier bedeutsamen Ergebnisse summarisch zusammengefasst (genauere Angaben siehe Abschlussbericht, 2012, S. 25 ff.): ȤȤ Je mehr unterschiedliche Informationsquellen ein Team häufig nutzte, desto besser konnte es das Wissen aus Fortbildungen in seiner täglichen Arbeit umsetzen. Besonders förderlich war die Nutzung der Informationsquellen: Mitarbeiter/innen, Internet, Eltern, Fachberatung. ȤȤ Je vielfältiger und intensiver die Kontakte eines Teams waren, desto häufiger kam das Wissen aus Fortbildungen auch in der Arbeit an. Besonders wirksam war der häufige Kontakt zu den Kolleginnen, Arbeitskreisen, Schulen, anderen Kindertageseinrichtungen, Trägern und Verbänden. ȤȤ Teams mit Feedback-Kultur, die in gutem reflexiven Austausch standen, mit festen Zeiten, Reflexion im Gesamtteam, häufiger Unterstützung von außen, einer festen inhaltlichen Struktur und schriftlicher Fixierung der Reflexionsergebnisse, konnten neues Wissen aus der Fortbildung umfangreicher in die Praxis transferieren als Teams mit ungünstiger Reflexionsstruktur. ȤȤ Teams, die eine bestimmte Form des Umgangs mit Wissen und Lernen hatten, zogen einen tendenziell höheren Nutzen aus den Fortbildungen als Einrichtungen, die einen ungünstigen Umgang mit Lernen und Wissen hatten. Positiv wirkten etwa die hohe Bereitschaft voneinander zu lernen und die Vorstrukturierung dieser Lernprozesse, die Sicherstellung der Weitergabe wichtiger Informationen untereinander, die Gleichwertigkeit der Meinungen aller Fachkräfte (auch in Entscheidungssituationen). ȤȤ Teams mit einer bestimmten Haltung Problemen und Fehlern gegenüber, zogen einen tendenziell höheren Nutzen aus den Fortbildungen. Dazu zählte,
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dass jedes Teammitglied die Freiheit hatte, Neues in seiner Arbeit auszuprobieren und das Risiko des Misslingens nicht als persönliches Versagen gewertet wurde, dass (Sach-)Probleme nicht personifiziert, sondern in der Verantwortlichkeit des Gesamtteams gesehen wurden, und dass ein grundsätzliches Vertrauen zueinander auch in schwierigen Situationen bestand. Die Ergebnisse untermauern somit die Bedeutung von gelingenden Interaktionen mit Blick auf die Weiterentwicklung von Teams. Sie bestätigen, dass die Weiterentwicklung einer Kita nicht ausschließlich über die Teilnahme Einzelner an Fort- und Weiterbildungen sichergestellt werden kann, sondern zugleich ganz wesentlich davon abhängt, in wie weit das Team über bestimmte Interaktionsstrukturen, d. h. bestimmte Teameigenschaften verfügt. Abschließend und zusammenfassend kann festgehalten werden, dass gelingende Teaminteraktionen nicht die einzige, aber eine notwendige Bedingung für das Gelingen der Arbeit einer Kita ist. Die Herstellung gelingender Interaktionen im Team ist ein Prozess, der nie als abgeschlossen gelten kann. Zwar kann ein Team entsprechende Routinen entwickeln, die jedoch nicht zur Unbeweglichkeit und Reduzierung von Offenheit führen dürfen. Und ebenso wichtig ist es, bei allen Teaminteraktionen sowohl das »Ich« als auch das »Wir« im Blick zu haben, denn das »Wir« kann nur dann gelingen, wenn sich jede Fachkraft mit all ihren Kompetenzen und Bedürfnissen einbringen kann und Wertschätzung erfährt.
Literatur Abschlussbericht zur Kampagne Dialog Bildung (2012): Verfügbar unter: http://www.stmas.bayern.de/imperia/md/content/stmas/stmas_internet/kinderbetreuung/abschlussbericht_kampagne_dialog_bildung.pdf Brettschneider, F. (1995): Öffentliche Meinung und Politik. Wiesbaden Brosowsky, B. M. (o. J.): Zweckform mit Humor, Bauwelt 32–33.15. Verfügbar unter: http://www. bauwelt.de/dl/933132/artikel.pdf Cremers, M., Krab, J. & Calmbach, M. (2015): Männliche Fachkräfte in Kindertagesstätten. Eine Studie zur Situation von Männern in Kindertagesstätten und in der Ausbildung zum Erzieher. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Hg.). Berlin Etzioni, A. (1997, 2009): Die aktive Gesellschaft (2. Aufl.). Wiesbaden Fleischmann, C. (2014): Interkulturalisationsprozesse in multikulturellen Kreativteams. Schriftenreihe der Fakultät Sozial- und Wirtschaftswissenschaften der Otto-Friedrich-Universität Bamberg. Bamberg: University of Bamberg Press, Nr. 17 Franz, M. (2014): Werte Themenkarten für Teamarbeit, Elternarbeit, Seminare. München Fuchs, W. et al. (Hg.) (1978): Lexikon zur Soziologie. Opladen Gutknecht, D. (2010): Professionelle Responsivität. Ein hochschulbezogenes Ausbildungskonzept für den frühpädagogischen Arbeitskontext U3: Kinder unter drei Jahren und ihre Familien. Dissertation. Oldenburg
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Hissnauer, W. (2006): Arbeit im Team oder 2 + 2 = 7. Mainz Junge, M. & Kron, T (2002): Zygmunt Bauman. Soziologie zwischen Postmoderne und Ethik. Wiesbaden Kirsch, W. (1997): Wegweiser zur Konstruktion einer evolutionären Theorie der strategischen Führung. 2. überarbeitete und erweiterte Fassung, München: Verlag Barbara Kirsch. Kirsch, W. & zu Knyphausen, D. (1991): Unternehmungen als »autopoietische« Systeme? In: Thomas Sattelberger (Hg.): Die lernende Organisation – Konzepte für eine neue Qualität der Unternehmensentwicklung, Wiesbaden, S. 75–102 Köker, A. (2012): Bedeutungen obligatorischer Zusammenarbeit von Lehrerinnen und Lehrern, Bad Heilbrunn Luhmann, N. (1984): Soziale Systeme. Grundriss einer allgemeinen Theorie. Frankfurt a. M. Lüthi, E. et al. (2009): Teamentwicklung mit Diversity Management (3. Aufl.). Bern Lutz, Ch. (2012). Achtsamkeit im Team. Zusammenarbeit als gelungenes Miteinander erleben. In: Klein&Groß 6/2012, S. 11–14 Renoldner, C., Rabenstein, R. & Scala, E. (2007): Einfach systemisch! Systemische Grundlagen & Methoden für Ihre pädagogische Arbeit. Münster Von Bebenburg, M. (2010): … und alle machen mit! Wie Teamarbeit gelingen kann. Neu Ulm Von Scheve, C. (2010): Die emotionale Struktur sozialer Interaktionen: Emotionsexpression und soziale Ordnungsbildung. In: Zeitschrift für Soziologie, Jg. 39, Heft 5, S. 346–362 Wagner, P., Hahn, S. & Enßlin, U. (Hg.) (2006): Macker, Zicke, Trampeltier … Vorurteilsbewusste Bildung und Erziehung in Kindertageseinrichtungen. Handbuch für die Fortbildung. Weimar Watzlawick, P., Beavin, J. & Jackson, D. (2011): Menschliche Kommunikation. Formen, Störungen, Paradoxien (12. Aufl.). Bern Zimbardo, P. G. & Ruch, F. L. (1974): Lehrbuch der Psychologie. Eine Einführung für Studenten der Psychologie, Medizin und Pädagogik. Berlin
II.5 Peer-Interaktionen in den ersten Lebensjahren Monika Wertfein und Eva Reichert-Garschhammer
Schlüsselwörter: Gleichaltrige, Peer-Interaktionen, soziale Teilhabe, Kinder bis drei Jahre
Kinder lernen von ihren erwachsenen Bezugspersonen und im Austausch mit anderen Kindern. Um das Potenzial des Lernens von und mit Gleichaltrigen auch pädagogisch gezielter zu nutzen, sind Peer-Interaktionen verstärkt in den Blick zu nehmen. Was ist das Besondere an Peer-Beziehungen? Woran sind gelingende Kind-Kind-Interaktionen zu erkennen? Welche Unterstützungsmöglichkeiten von Seiten der Fachkräfte gibt es und welche Formen der Peer-Interaktion können wie positiv begleitet werden? Mit diesen Fragen beschäftigt sich das nachfolgende Kapitel.
Zur Bedeutung von Peers in der frühen Kindheit Die Säuglings- und Kleinkindforschung hat die Peer-Beziehungen in der neueren Zeit vor allem seit Mitte der 90er-Jahre näher untersucht (z. B. Youniss, 1994; Corsaro 1997) und herausgefunden (vgl. auch Ahnert, 2011): ȤȤ Peer-Beziehungen bergen bereits in den ersten Lebensjahren ein erstaunlich hohes Bildungspotenzial; mit zunehmendem Alter gewinnen Gleichaltrige immer mehr an Einfluss. ȤȤ Kinder brauchen Kinder, um gemeinsam Wissen zu konstruieren, Bedeutungen zu erforschen und verschiedene Perspektiven kennenzulernen oder in Interaktionen Verständnis und Interpretation von Werten und Normen miteinander auszuhandeln. ȤȤ Peer-Interaktionen in Kindertageseinrichtungen bieten einen Schutzraum, für den Umgang mit Gefühlen, das Entwickeln von Vertrauen, Teilen von gemeinsamen Interessen und das Erproben von Konfliktlösungen.
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Auch neuere Forschungen zu Peer-Interaktionen bestätigen deren Bedeutsamkeit für die kindliche Entwicklung: Denn Kinder sind von Geburt an auf Beziehungen ausgerichtet und am Dialog mit anderen interessiert. Hierfür haben sie altersgemäße Kompetenzen, die sie ständig weiterentwickeln, etwa das Teilen von Aufmerksamkeit, die Emotionsregulation oder der sprachliche Ausdruck (Ahnert, 2010). Hilfreich für die Kommunikation sind die aus der anthropologischen Forschung bekannten Motive und schon relativ früh (im Alter von ca. 18 Monaten) entwickelten prosozialen Verhaltensweisen: das Teilen, Zeigen, Mitfühlen und Helfen (Warneken, 2010). Schließlich ist das Eingehen von Beziehungen ein grundlegendes psychisches Bedürfnis und der Motor von Entwicklung und Lernprozessen von frühester Kindheit an. Für ihre Entwicklung brauchen Kinder eine wechselseitige Resonanz mit anderen Interaktionspartnern. Dies erfahren sie einerseits durch feinfühlige Reaktionen von Erwachsenen, die ihre Stimmung aufgreifen und ihre aktuellen Bedürfnisse angemessen beantworten. Andererseits machen Kinder wichtige Selbstwirksamkeitserfahrungen, indem andere Kinder auf ihre Kommunikationsangebote und Initiativen reagieren und zwar als gleichberechtigte bzw. gleichrangige Partner. Peers haben einen ähnlichen Entwicklungsstand, vergleichbares Wissen und Können und ähnliche Interessen (vgl. Becker-Stoll, Niesel & Wertfein, 2014). Kinder haben unter Gleichaltrigen meist den gleichen Einfluss auf Tempo und Inhalt ihrer Interaktion, die Wahl ihrer Interaktionspartner und das Aushandeln von Rollen. Symmetrische Peer-Beziehungen ergänzen somit die asymmetrischen Erwachsenen-Kind-Beziehungen und sind grundlegend für das wechselseitige Lernen von- und miteinander (Schneider & Wüstenberg, 2014). Was ist das Besondere an Peer-Interaktionen? Peer-Interaktionen zeichnen sich aus durch eine hohe Spielfreude, Beziehungsdichte und Gefühlsintensität und entstehen in den ersten Lebensjahren vor allem in gemeinsamen Alltags- und Spielsituationen; Interaktionspartner sind diejenigen, die gerade in der Nähe oder bedeutsam sind (z. B. indem sie auf etwas Zeigen) (vgl. Wehner, 2016). Einen hohen Stellenwert haben Spielobjekte als »Mittler sozialer Kontakte«, etwa beim Anbieten und Annehmen von Gegenständen (Völkel, 2015, S. 90). Nach Youniss (1994) sind bereits in der Interaktion zwischen sehr jungen Kindern mit Gleichaltrigen elementare Formen der Reziprozität (die Kinder beziehen sich aufeinander) und Ko-Konstruktion (die Kinder verfolgen ein gemeinsames Ziel) erkennbar, etwa im gegenseitigen Zeigen oder Austausch
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von Spielobjekten oder im Suchen gemeinsamer Lösungen bei Problemen (vgl. Becker-Stoll, Niesel & Wertfein, 2014). Tomasello (2014) macht mit seiner Forschung deutlich, dass kooperative Fähigkeiten ab dem ersten Geburtstag entwickelt und eingesetzt werden, um Interessen zusammen mit anderen zu verfolgen; auf diese Weise dienen auch die Interaktionen zwischen Peers gemeinsamen Zielen. Viernickel (2000; 2004) konnte zeigen, dass bereits Kinder zwischen 17 und 24 Monaten vielfältige Bedeutungen miteinander teilen, wobei Interaktionen rund um »Besitz« besonders häufig beobachtet werden konnten. Um sich über ihre Absichten zu verständigen, teilen sich Kinder untereinander im zweiten Lebensjahr über nonverbalen Gefühlsausdruck, Gesten, Blickkontakt oder Lautäußerungen mit. Imitation, Parallelspiel und häufige Wiederholungen prägen Peer-Interaktionen in den ersten Lebensjahren und werden gezielt zur Kontaktaufnahme eingesetzt. Beobachtet man das Spiel von Kindern in den ersten drei Lebensjahren, überwiegen gemeinsame Aktivitäten zu zweit, wobei die Dauer und Komplexität der Interaktionen mit dem Alter zunehmen (Brandes, 2008; Dollase, 2015). Es gibt aus der ethnographischen Forschung aber deutliche Hinweise darauf, dass Kinder bereits am Ende des zweiten Lebensjahres – ohne Zutun von Erwachsenen – in der Lage sind, sich gegenseitig abzustimmen und das Zusammenspiel einer kleinen Gruppe von Kindern so zu organisieren, dass jeder sich beteiligen und etwas für die Gruppe Neues und Bedeutsames entstehen kann (Monaco & Pontecorvo, 2010; Rutanen, 2007). Offenbar entwickeln Kinder bereits in den ersten drei Lebensjahren untereinander gemeinsame Routinen und schaffen sich so eine eigene »Kultur«; wer daran teilnimmt, gehört dazu und hat Anteil am gemeinsamen Wir-Gefühl, das von gegenseitiger Wertschätzung und gemeinsamen Interessen geprägt ist (Schneider & Wüstenberg, 2014). So wird deutlich, wie grundlegend die soziale Teilhabe an Interaktionen mit anderen Kindern bereits in frühen Jahren ist, für den Erwerb von Wissen über sich selbst, über andere und über das, was gemeinsam erlebt, gedacht und geteilt wird (Viernickel, 2004). Kinder regen sich gegenseitig emotional, körperlich, sozial und kognitiv zu neuen Erfahrungen an, entwickeln und verwirklichen gemeinsam neue Ideen und spornen sich gegenseitig an, ihre Fähigkeiten und Fertigkeiten auszubauen (Schneider & Wüstenberg, 2014). Je vertrauter sich die Kinder werden, desto stabiler wird ihre Spielgemeinschaft und desto anspruchsvoller und prosozialer werden ihre Interaktionen (vgl. Viernickel, 2000). Sind die Kinder aufeinander »eingespielt«, werden Als-Ob-Spiele möglich; sie beginnen im Alter von ca. 15 Monaten, mit dem Nachspielen bekannter Alltagshand lungen (z. B. Füttern, Kochen, Autofahren) und schaffen zunehmend Raum für das gemeinsame Erfinden und Entwickeln von neuen Realitäten und Fan-
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tasiewelten (Hauser, 2013; Ahnert, 2010). Das gemeinsame Spielen schafft neue selbst bestimmte Erfahrungsräume in einem geschützten Rahmen, der auch das Ausprobieren von Fehlern und Eingehen von Risiken gefahrlos möglich macht (Weltzien, 2016b). Die regelmäßige Gemeinschaft und der Austausch mit den anderen Kindern, wie sie in der außerfamiliären Betreuung möglich sind, können Sicherheit und Orientierung geben, und diese verringern dann nicht nur die Stressbelastung während der Eingewöhnung (Watamura et al., 2003), sondern erweitern auch die Spielfähigkeit der Kinder (Schneider-Andrich, 2011). Offenbar profitieren Kinder auch langfristig von den alltäglichen Peer-Interaktionen in Kindertageseinrichtungen, auch für ihre weitere soziale Kompetenzentwicklung bis ins Schulalter (u. a. Andersson, 1992).
Peer-Interaktionen als Bildungsressource nutzen Ressourcen von Altersmischung nutzen Die Erweiterung der Altersmischung wurde in Kitas als zukunftsweisender pädagogischer Ansatz erprobt. Die Befunde des am Staatsinstitut für Frühpädagogik wissenschaftlich begleiteten bayerischen Modellprojekts (Griebel et. al., 2004), die in den Bayerischen Bildungs- und Erziehungsplan im Kapitel »Kinder verschiedenen Alters« Eingang fanden, stellen die Bedeutung der Peer-Interaktion heraus: »Die (erweiterte) Altersmischung ist mit einer Reihe von Anforderungen an das pädagogische Personal verbunden, bietet jedoch besondere Möglichkeiten für die Kinder: Die Heterogenität der Gruppe (die bei erweiterter Altersmischung besonders groß ist) bietet den Kindern ein weites Feld vielseitiger Lern- und Erfahrungsmöglichkeiten. –– Für die Kinder entstehen vielfältige Möglichkeiten, Beziehungen einzugehen und soziale Kompetenzen zu entwickeln. Mehr als in homogenen Gruppen bietet sich den Kindern eine Auswahl unterschiedlicher Spielpartner/innen, die ihren Interessen und ihrem Entwicklungsstand unabhängig vom Alter entsprechen. –– Aufgrund der natürlichen Entwicklungsunterschiede werden die Kinder nicht so stark untereinander verglichen oder an ›altersgemäßen‹ Entwicklungsniveaus gemessen. Kinder geraten dadurch weniger unter Konkurrenzdruck. –– In altersgemischten Gruppen interagieren Kinder eher mit Kindern des anderen Geschlechts als in altershomogenen Gruppen.
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Hervorzuheben sind die sozialen Lernmöglichkeiten. Orientierung ist an Jüngeren und Älteren möglich, Kinder setzen sich hierbei ihre eigenen Entwicklungsschwerpunkte. Kinder lernen vieles leichter von Kindern als von Erwachsenen, da die Entwicklungsunterschiede nicht unüberwindbar groß erscheinen. Von einer erweiterten Altersmischung profitieren sowohl die jüngeren als auch die älteren Kinder: –– Jüngere Kinder erhalten vielfältige Anregungen durch die älteren. Sie beobachten sehr intensiv und versuchen, deren Fertigkeiten nachzuahmen. Entsprechend ihrem Entwicklungsstand nehmen sie aktiv oder beobachtend am Gruppengeschehen teil. Sie lernen, dass auch die älteren Kinder bestimmte Bedürfnisse und Wünsche haben und es diese zu respektieren gilt. –– Ältere Kinder erhalten vielfältige Anregungen von den jüngeren. Sie üben und vertiefen ihr Können und Wissen und gewinnen Sicherheit, indem sie die Jüngeren ›lehren‹. Ein Vorbild und Modell für jüngere Kinder zu sein, stärkt ihr Selbstbewusstsein. Ihr Verhalten orientiert sich nicht nur an dem der Gleichaltrigen. Selbst Kinder, die unter Gleichaltrigen häufig durch ein »wildes« oder gar aggressives Verhalten auffallen, sind mit Säuglingen und Kleinkindern meist behutsam, liebevoll und fürsorglich. –– Vorbehalte, dass die Säuglinge zu wenig Ruhe finden und die älteren Kinder zu wenig Anregung und Förderung (z. B. im Hinblick auf den Übergang zur Schule) erhalten, haben sich nicht bestätigt. –– Die Eingewöhnung neuer Kinder in die Tageseinrichtung wird erleichtert, indem die erfahrenen und in der Gruppe bereits gut eingelebten Kinder die ›Neulinge‹ hierbei unterstützen. Kindertageseinrichtungen mit erweiterter Altersmischung reduzieren die Anzahl der Übergänge. Dies bringt Vorteile für Kinder und Eltern mit sich. In den Beziehungen der Kinder untereinander, aber auch in den Beziehungen der Eltern untereinander wird eine hohe Kontinuität ermöglicht. Das Verhältnis der Kinder zu den pädagogischen Fachkräften wird intensiver, da eine kontinuierliche Bildung, Erziehung und Betreuung über einen längeren Zeitraum hinweg möglich ist. Die pädagogischen Angebote sind vielfältiger, individuelles Eingehen auf die Kinder wird leichter.« (BayStMAS/IFP 2005/2012, S. 117 f.)
Peer-Interaktionen im inklusiven Kontext »Lernen in Interaktion, Kommunikation und Kooperation ist der Schlüssel für hohe Bildungsqualität.« (BayStMAS/BayStMBW, 2014, S. 8). Die Bayerischen Bildungsleitlinien stellen für Kindertageseinrichtungen und Grundschulen heraus, dass zukunftsweisende Bildungskonzepte die aktive Beteiligung von Kindern
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an Bildungsprozessen ebenso betonen wie das Von- und Miteinanderlernen in heterogenen Kleingruppen. Bildung wird grundsätzlich als individueller und sozialer Prozess betrachtet, der die individuelle Kompetenzentwicklung ermöglicht und im Austausch mit anderen stattfindet (BayStMAS/BayStMBW, 2014, S. 29 f.). Auch aus der Perspektive einer inklusiven Pädagogik der Vielfalt, stellen Peer-Beziehungen und -Interaktionen eine zentrale Ressource für alle dar. Wir wissen: Jedes Kind profitiert von den sozialen Erfahrungen mit anderen Kindern und ist an Peer-Kontakten interessiert. Diese gilt es stärker und gezielter als bisher zu mobilisieren (GEW/Booth et al., 2015). So ergeben sich gelingende Interaktionen im pädagogischen Alltag nicht von selbst, sondern erfordern eine aktive und aufmerksame Rolle der Fachkraft, die die Kontakte und Spielpartnerschaften zwischen den Kindern genau beobachtet. Zudem wissen wir aus der Inklusionsforschung, dass die bloße Vielfalt in heterogenen Kindergruppen nicht automatisch mit gegenseitiger Wertschätzung und Unterstützung sowie mit bereichernden Prozessen des Voneinanderlernens einhergeht (vgl. Sulzer & Wagner, 2011). Damit alle Kinder Kompetenzen für eine positive, wertschätzende Gestaltung von Peer-Beziehungen und -Interaktionen entwickeln können, brauchen sie eine – an ihre Kompetenzen und die jeweilige Situation – angepasste pädagogische Unterstützung, die die Vielfalt der Kinder berücksichtigt. Kinder lernen gerade dann viel voneinander, wenn die Heterogenität der Gruppe pädagogisch gezielt genutzt wird, z. B. indem die Fachkraft ȤȤ eine positive, von gegenseitigem Vertrauen geprägte Gruppenatmosphäre schafft, die alle einbezieht, in der Vielfalt als Bereicherung anerkannt wird, alle Ideen Gehör finden und wertgeschätzt werden, ȤȤ vielfältige, auch non-verbale Ausdrucksmöglichkeiten zulässt, um alle Kinder einzubeziehen, ȤȤ die Fragen und Ideen der Kinder aufgreift und zum gemeinsamen Thema macht, ȤȤ mit offenen Fragen Prozesse gemeinsamen Nachdenkens oder weiterführende Dialoge anregt und ȤȤ die Unterschiede in den Gedanken der Kinder bewusst einsetzt und zum gemeinsamen Gesprächsgegenstand macht. Indem die Fachkraft im Tagesverlauf auf einen regelmäßigen Wechsel der Gruppengröße (zwischen Klein- und Großgruppen) und der Gruppenzusammensetzung (homogene vs. heterogene Gruppen) achtet, kann sie die Kinder zu verschiedenen Interaktionen anregen und gleichzeitig die Interak-
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tionen der Kinder in unterschiedlichen Konstellationen beobachten. Zudem kann sie durch die Bereitstellung und den Wechsel geeigneter Materialien und Räumlichkeiten eine Lernumgebung gestalten, die den Austausch unter den Kindern erleichtert (z. B. kleinerer Raum für stillere Kinder und Aktivitäten; großer Raum für Bewegungsspiele). Unterstützend sind außerdem Räumlichkeiten, die groß genug und so strukturiert sind, dass die Kinder sich bei ihren jeweiligen Aktivitäten, z. B. Turmbauen und Ballspielen, gegenseitig nicht stören, um negativen Peer-Interaktionen vorzubeugen. Durch die Bereitstellung von mehrfach vorhandenem Spielzeug kann die Fachkraft das in frühen Jahren bevorzugte Parallel- und Nachahmungsspiel unterstützen; dies muss aber nicht unbedingt Besitzkonflikte verringern, da soziale Konflikte in den ersten Lebensjahren eher zur Selbstbehauptung (»meins!«) ausgetragen werden (vgl. Ahnert, 2010). Bei der Materialienauswahl sind flexibel und kreativ einsetzbare Gegenstände, z. B. Alltagsmaterialien besonders einladend für gemeinsame Spielideen (Viernickel, 2014).
Woran sind gelingende Kind-Kind-Interaktionen zu erkennen? Gelingende Peer-Interaktionen sind dann möglich, wenn die Kinder sich wohl-, ernst genommen und als Teil der Gruppe fühlen (Schneider & Wüstenberg, 2014). Dies bringen sie im Kita-Alltag zum Ausdruck, indem sie häufig miteinander sprechen, sich gegenseitig zuhören, kooperieren, miteinander explorieren und im gemeinsamen Austausch ihren Fragen nachgehen (vgl. Siraj, Kingston & Melhuish, 2015). Das bedeutet nicht, dass Konflikte unter den Kindern nicht auftreten (dürfen). Sie sind vielmehr wichtige Gelegenheiten für die soziale Entwicklung der Kinder in jedem Alter, weil sie ein geeignetes Lernfeld für gemeinsame Lösungen sind. Vor allem Interessens- und Besitzkonflikte sind die treibende Kraft im Kita- Alltag, häufig zu beobachten sind vor allem Auseinandersetzungen um Spiel sachen, einen bestimmten Platz oder um die Aufmerksamkeit einer Bezugsperson. Dabei treten konflikthafte Interaktionen (ca. 40 bis 50 %) unter Kindern im Kita-Alltag nur etwas seltener auf als prosoziale Interaktionen und gemeinsames Spiel (ca. 50 bis 60 %) (vgl. Schneider & Wüstenberg, 2014; Viernickel, 2000). Wenn (Ziel-)Konflikte aufkommen, finden Kinder untereinander häufig ganz eigene, originelle Lösungen, z. B. gemeinsames Singen oder eine gemeinsame Spielidee, die den Konflikt rasch wieder auflöst. Die Abstimmung der eigenen Absichten mit denen eines anderen Kindes erfordert jedoch eine gegenseitige Verständigung, die unter jungen Kindern leicht zu Missverständnissen führen
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kann. Diese müssen dann von einem älteren Kind oder einem Erwachsenen aufgelöst bzw. vermittelt werden, damit die Interaktion zwischen den Peers positiv fortgesetzt werden kann (Ahnert, 2010). Inwiefern ein Kind erfolgreich mit anderen Peers interagiert bzw. wie oft es als Spielpartner ausgewählt wird, hängt maßgeblich von folgenden Kompetenzen ab (Ahnert, 2010): ȤȤ Koordination der Aufmerksamkeit mit anderen (z. B. auf ein Objekt), ȤȤ Regulation der eigenen Emotionen (z. B. in emotional herausfordernden Situationen), ȤȤ Regulation des eigenen Verhaltens/Impulskontrolle (z. B. in neuen Situationen), ȤȤ Nachahmung und Kooperation in gemeinsamen Aktivitäten, ȤȤ Entwicklung von Verständnis für die Sicht des anderen/Empathiefähigkeit (z. B. bei Meinungsverschiedenheiten) sowie ȤȤ Ausdruck der eigenen Wünsche und Absichten (z. B. sprachliche Fertigkeiten). Zum Ausbau dieser sozial relevanten Kompetenzen müssen keine speziellen Situationen geschaffen werden. Tägliche Schlüsselsituationen im Kita-Alltag, wie das Ankommen und Verabschieden, die Mahlzeiten oder Pflegesituationen können und sollten bewusst so gestaltet werden, dass sie möglichst viel Gelegenheit und Raum für Interaktionen unter Kindern beinhalten (Schneider & Wüstenberg, 2014), denn: »Der soziale Austausch zwischen Kleinkindern braucht Zeit und Gelegenheit.« (Viernickel, 2014, S. 168). Wichtig sind hier eine hohe Orientierung an den Interessen, Bedürfnissen und Gefühlen der einzelnen Kinder und die Kontinuität sowie Überschaubarkeit der alltäglichen Kontakte. Nur wenn Kinder wissen, was und vor allem welcher Spielpartner sie erwartet, können sie vertrauensvoll – am besten mit den gleichen Kindern – gemeinsame Aktivitäten entwickeln, Rituale gestalten und bestehende Kontakte vertiefen (Viernickel, 2014). Studien in Kindertageseinrichtungen weisen zudem darauf hin, dass die Stabilität der Betreuung zu positiven Peer-Interaktionen beiträgt, während häufige Wechsel der Betreuungspersonen vermehrt mit Aggressionen und Konflikten unter Peers einhergehen können (vgl. Ahnert, 2011).
Peer-Interaktionen moderieren Aufgrund der hohen intrinsischen Motivation und der hohen emotionalen Beteiligung sind Spiele unter Kindern sehr gut geeignet, um Lernprozesse und die kindliche Entwicklung anzuregen. Beobachtungsstudien machen deutlich: Im Kita-Alltag zeigen sich viele pädagogische Fachkräfte eher zurückhaltend
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im Spiel mit den Kindern, weil sie der Ansicht sind, dass Kinder im sogenannten »Freispiel« ungestört« und »ohne Erwachsene« sein sollten (vgl. O’Connor, 2016; König, 2009). Dabei können Erwachsene das Lernen der Kinder und die soziale Teilhabe aller Kinder im Spiel maßgeblich unterstützen, wenn sie sich am Spielgeschehen beteiligen und mit den Kindern in einen Dialog treten. Entscheidend ist, dass sich die Fachkraft als Spielpartner auf Augenhöhe einbringt, sodass die Kinder »die Bestimmer« des Spielgeschehens bleiben. Dies kann sie beispielsweise tun, indem sie neben dem Kind mit denselben Materialien hantiert (Parallelspiel) und dies sprachlich begleitet oder indem sie sich aktiv ins laufende Spiel einbringt und eine Aufgabe oder Rolle übernimmt (Mitspiel) (Wannack, Schütz & Arnaldi, 2011). O’Connor (2016) nennt verschiedene Spielbarrieren, die ohne die kompetente Unterstützung der Fachkraft von den Kindern allein nur schwer überwunden werden können, z. B. große Unterschiede zwischen der Lernumgebung in der Kita und dem Milieu oder der Kultur im familiären Lernumfeld sowie soziale Ausgrenzung von weniger selbstbewussten oder durchsetzungsstarken Kindern. Wenn Kinder aufgrund fehlender oder stark abweichender Vorerfahrungen nicht über Spielfertigkeiten verfügen oder sich auf bestimmte Spielformen nicht von sich aus einlassen können, brauchen sie die Fachkraft als »Spiel-Tutorin«, die ihnen – gemeinsam mit den anderen Kindern – Modell ist und neue Spielvarianten aufzeigt (Wannack, Schütz & Arnaldi, 2011). Durch ihre Spielbegleitung kann die Fachkraft die Kompetenzentwicklung der Kinder herausfordern und zudem das Spiel erweitern, damit insbesondere Gleichaltrige ihre Spielroutinen nicht stereotyp wiederholen und bei altbekannten Lösungsstrategien bleiben (vgl. O’Connor, 2016). Indem die Fachkraft Gespräche mit und unter den Kindern initiiert oder auf Aktivitäten anderer Kinder aufmerksam macht, kann sie den sozialen Austausch unter Kindern im Alltag aktiv anregen und so Ausgrenzungstendenzen vorbeugen. »Dabei kommt es darauf an, gerade so viel Impulse zu setzen, dass ein begonnener Kontakt nicht abbricht oder eine Spielidee weitergeführt werden kann.« (Viernickel, 2014, S. 169). Außerdem ist die Fachkraft herausgefordert, jeweils zu hinterfragen, ob, wie und wann es sinnvoll ist, dass sie ihre unmittelbare Beteiligung an den Peer-Interaktionen wieder ausblendet (Weltzien, 2016a). Hier ist Einfühlungsvermögen und immer wieder bewusstes Wahrnehmen des Gruppengeschehens notwendig, da sich sowohl ein Zuviel als auch ein Zuwenig an Interaktionsbegleitung negativ auf das Spielverhalten und die Kontakthäufigkeit unter Peers auswirken kann (Hauser, 2013). Um Peer-Interaktionen nicht zu stören, sondern angemessen zu unterstützen, ist zunächst eine aufmerksame Wahrnehmung erforderlich. Die Aufgabe
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der Fachkraft besteht darin, die Interaktion unter Kindern zuzulassen, gezielt zu beobachten und »ihre Aktivität sensibel an der der Kinder und am Selbstbildungsprozess der Gruppe auszurichten« (Brandes, 2008, S. 151). Ziel und pädagogische Herausforderung sind dabei, den Kindern den größtmöglichen Spielraum zu lassen, um ihre Interaktionen, auch bei Konflikten, spontan und selbstbestimmt zu gestalten. Denn: »Kindern vermittelt sich durch unser Handeln – oft ganz ohne Worte – ob wir das, was sie miteinander tun, für wichtig erachten, und ob wir ihnen die Regelung der eigenen Angelegenheiten zutrauen.« (Viernickel, 2014, S. 168). Kinder können nur dann selbstwirksame Erfahrungen machen, wenn sie die Möglichkeit haben, selbst Lösungen zu finden und wenn Hilfestellungen an ihre jeweiligen Fähigkeiten angepasst sind. Aber wichtig ist immer, dass Konflikte sorgsam überwacht werden, damit im Fall ungleicher Machtverteilung unter den Kindern nicht das Recht des Stärkeren zur Lernerfahrung wird. Auch wenn ein Kind nicht versteht, was ein anderes ihm mitteilen möchte, kann die Fachkraft auf der Grundlage ihrer Beobachtung der bestehenden Interaktionen unter Kindern moderierend als »Lernbegleiterin der Gruppe« einwirken, gezielt Hilfestellung geben und positive Gesprächserfahrungen ermöglichen (vgl. Brandes, 2008, S. 176). Auf diese Weise unterstützt sie proaktiv die Integration von Kindern, die sich schwerer tun, Teil der Gruppe zu werden und dadurch häufig zu »Zaungästen« werden (Weltzien, 2014, S. 92 f.). Dies gilt auch für Kinder, die soziale Kontakte von sich aus eher meiden, selbst kaum Interaktionen initiieren oder auf eher »aggressive« Weise versuchen, Kontakt mit anderen Kindern aufzunehmen und ohne Unterstützung der Fachkraft Gefahr laufen würden, zum Außenseiter zu werden (Schneider & Wüstenberg, 2014; Weltzien, 2016a). Wenn Kinder wiederholt ausgeschlossen werden, sollte sich die Fachkraft in jedem Fall einmischen. Doch sollte sie dies keinesfalls kontrollierend oder bestrafend, sondern eher indirekt (z. B. durch eine wertschätzende Bemerkung) und moderierend tun, um den Konflikt nicht noch zu verschärfen (Ahnert, 2011). Gerade im Umgang mit Kindern, die zu einer bestehenden Spielgruppe dazukommen, ist die Feinfühligkeit der Fachkraft in der Situation besonders gefragt: sie kann durch positive Aufmerksamkeit für das neue Kind aus der Gruppe heraus eine Spieleinladung formulieren und gleichzeitig durch »Wir«Sätze den Zusammenhalt der Gruppe stärken (z. B. »Wir bauen hier gerade einen Turm, hilfst Du uns dabei, alle großen Bausteine zu stapeln?«) (Weltzien, 2014). Wo viele Kinder am Kita-Alltag aktiv beteiligt sind, umso mehr Anlässe gibt es, Peer-Interaktionen pädagogisch zu begleiten und deren Bildungs- und Unterstützungspotenzial zur Entfaltung zu bringen.
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Die Fachkraft begleitet behutsam freie Spielprozesse, indem sie ȤȤ Kindern eine Bestätigung gibt, wenn ein Kontaktversuch gelungen ist, ȤȤ Kinder mit Blickkontakt anregt, bei der Sache zu bleiben oder einen Kontaktversuch nochmals zu initiieren, ȤȤ lernanregende Impulse gibt, indem sie z. B. in Worte fasst, was ein Kind gerade erlebt oder tut, ȤȤ prompt, effektiv und vorurteilsbewusst reagiert, indem sie z. B. die Enttäuschung eines Kindes verbalisiert, wenn andere Kinder es vom gemeinsamen Spiel ausschließen, ȤȤ Konflikten vorbeugt (z. B. indem sie Kindern hilft, doppelt vorhandenes Spielzeug zu finden) oder negative Interaktionen (z. B. Beschimpfungen, körperliche Auseinandersetzungen) behutsam unterbricht und die Kinder unterstützt, wieder ins gemeinsame Spiel zu finden. Die Fachkraft erweitert für die Kinder Möglichkeiten zur Peer-Interaktion, indem sie ȤȤ Portfolioarbeit mit den Kindern realisiert, weil dadurch nach Praxisberichten (z. B. aus Konsultationseinrichtungen) Peer-Interaktionen deutlich zunehmen (z. B. sehen sich die Kinder ihre Portfolio-Ordner oft gemeinsam an und tauschen sich über ihre dokumentierten Lernprozesse untereinander aber auch mit ihren pädagogischen Bezugspersonen rege aus), ȤȤ älteren Kindern eine Paten- und Tutorenrolle mit vorheriger Einführung überträgt, in denen sie Mitverantwortung für andere (jüngere) Kinder übernehmen (z. B. für ein neues Kita-Kind, für einen Spiel- und Lernbereich), und dadurch auf die Multiplikatorenwirkung setzt, die von Gleichaltrigen ausgeht (z. B. Verbesserung der Beziehungen und Interaktionen zum Partnerkind, Unterstützung der Peer-Lernprozesse auf beiden Seiten). Pädagogische Fachkräfte sollten Peer-Interaktionen »durch bewusstes, dialogisches und einfühlsames Interaktionsverhalten« im Spiel und in Alltagssituationen moderieren und angemessen begleiten können; dadurch können sie den Zusammenhalt unter den Kindern unterstützen, »gleichzeitig deren Autonomie wahren« (O’Connor, 2016, S. 28) und (nicht nur soziale) Lernprozesse unter den Kindern anregen.
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Ausblick: Interaktionsqualität unterstützen – Pädagogische Qualität weiterentwickeln
Die Beiträge in diesem Band geben wissenschaftlich fundierte und praxiserprobte Antworten auf die Frage: Wie lässt sich die Interaktionsqualität in der Praxis weiterentwickeln und was ist hier notwendig und möglich? So ist deutlich geworden, dass frühkindliche Bildungsprozesse nachhaltig beeinflusst werden ȤȤ von der emotionalen Atmosphäre und motivationalen Unterstützung durch Eltern sowie Fachkräfte, ȤȤ von der Organisation des Kita-Alltags und den dazugehörigen Rahmenund Arbeitsbedingungen der Leitungskräfte und des pädagogischen Teams, ȤȤ von der konkreten Unterstützung und Anregung des Lernens aller Kinder im Freispiel, in strukturierten Angeboten sowie bei der Gestaltung von Alltagsroutinen. Entsprechend lassen sich konkrete Ansatzpunkte zur Qualitätsentwicklung als auch zentrale Qualifizierungsziele in der Aus-, Fort- und Weiterbildung von pädagogischen Fachkräften, aber auch Einrichtungsleitungen ableiten, etwa ȤȤ die Reflexion und Bewusstwerdung des Bildungspotenzials der Interaktionen in alltäglichen Kita-Situationen, wie z. B. Mahlzeiten oder Freispielsituationen, ȤȤ die Reflexion und Erweiterung lernanregender Strategien und Fachkraft-Kind-Interaktionen mit dem Ziel der Anregung höherer Denkprozesse bei den Kindern, ȤȤ der Fokus auf handlungsleitendes Wissen zum Spracherwerb und auf effektive Strategien zur Unterstützung sprachlichen Lernens, z. B. häufige und längere Dialoge, offene Fragen, ȤȤ die Reflexion der (Berufs-)Biografie, pädagogischer Überzeugungen und die fortlaufende Weiterentwicklung der Teams und der Teamkultur im Sinne einer Offenheit für Diversität (z. B. im Umgang mit Kompetenzunterschieden innerhalb des Teams) und für Neues (z. B. im Austausch über Fortbildungsinhalte) sowie
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ȤȤ gezielte Investitionen in bedarfsgerechte Rahmenbedingungen, insbesondere einen kindgerechten, nach Alter der Kinder abgestuften Personalschlüssel, um der Gefahr entgegenzuwirken, dass die Qualität der Interaktionen – mit steigender Anzahl der Kinder, für welche die Fachkraft verantwortlich ist – deutlich abnimmt (vgl. Viernickel & Fuchs-Rechlin, 2015). Darüber hinaus bedarf es anwendungsorientierter Forschungs- und Praxisprojekte mit dem Ziel der fortlaufenden Beschreibung und Weiterentwicklung der Interaktionsqualität in Kindertageseinrichtungen sowie der Bildung von interdisziplinären Teams, z. B. durch die fachliche Vernetzung mit Fachdiensten, um auch Kinder mit besonderem Unterstützungsbedarf, wie beispielsweise Kinder mit Entwicklungsgefährdung, mit Fluchterfahrung oder aus prekären Lebenslagen, als auch ihre Familien effektiv und nachhaltig unterstützen und professionell begleiten sowie stärken zu können. Die Sicherung und Weiterentwicklung der Interaktionsqualität in Kindertageseinrichtungen stellt in der Anwendungsforschung des Staatsinstituts für Frühpädagogik einen wesentlichen Schwerpunkt dar. So steht die Unterstützung gelingender Interaktionen im Mittelpunkt des Modellversuchs »Pädagogische Qualitätsbegleitung in Kindertageseinrichtungen (PQB)« in Bayern. Ziel des bedarfsorientierten und kokonstruktiven Beratungs- und Coachingprozesses, den die pädagogischen Qualitätsbegleitungen gemeinsam mit der Einrichtungsleitung und dem pädagogischen Team anregen, ist die Reflexion und Weiterentwicklung der Interaktionsqualität in den Einrichtungen. Der PQB-Modellversuch setzt hierbei auf die nachhaltige Wirkung einer systematischen Beratung und kontinuierlichen Begleitung der Kindertageseinrichtungen, die Professionalisierung und Stärkung der pädagogischen Teams in ihrer professionellen Lern- und Weiterentwicklungsfähigkeit sowie die Vernetzung auf lokaler und Landesebene unter Einbeziehung bestehender (Qualitäts-)Netzwerke1. Ein Kernstück des Projekts stellt die forschungsbasierte Konzeption und praxisorientierte Fortentwicklung des »PQB-Qualitätskompasses« dar, eines differenzierten Beobachtungs- und Reflexionsbogens zur Sichtbarmachung und Stärkung der pädagogischen Qualität in Kindertageseinrichtungen. Dieses Instrument wird im Rahmen des Modellversuchs von den Pädagogischen Qualitätsbegleiterinnen und -begleitern in enger Abstimmung mit dem IFP erprobt und kommt im Rahmen von Hospitationen als auch Teamreflexionen in den Kindertageseinrichtungen zum Einsatz. 1
Nähere Informationen zum PQB-Modellversuch: http://www.ifp.bayern.de/projekte/qualitaet/ pqb.php
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Ausblick: Interaktionsqualität unterstützen – Pädagogische Qualität weiterentwickeln
Auch im Rahmen der Bund-Länder-Initiative »Bildung in Sprache und Schrift« (BiSS) wird am Staatsinstitut für Frühpädagogik das Thema Interaktionsqualität weiter vertieft. Die Betreuung mehrerer bayerischer BiSS-Verbünde zum Thema alltagsintegrierte Sprachbildung im Elementarbereich verfolgt das Ziel, Wissen und Kompetenzen zu guter Interaktion im Kita-Alltag zu implementieren. Zudem beschäftigen sich zwei weitere Projekte (BiSS-E1 und BiSS-E2) mit der Evaluation von verschiedenen Qualifizierungskonzepten zu alltagsintegrierter Sprachbildung in fünf Bundesländern. Hierbei wird insbesondere der Einfluss von Qualifizierungsmaßnahmen auf das konkrete Handeln der Fachkräfte (Interaktionsqualität und Umsetzung sprachlicher Bildungsaktivitäten) im Kita-Alltag in den Blick genommen. Weiterer Forschungsbedarf zeigt sich in unterschiedliche Richtungen, etwa ausgehend ȤȤ von der Zielkindperspektive und der Frage, inwiefern und wie unterschiedlich sich die verschiedenen Dimensionen von Interaktionsqualität auf verschiedene Kinder (z. B. Jungen und Mädchen), insbesondere ihr (Lern-)Verhalten und ihre Entwicklung tatsächlich auswirken (vgl. auch von Suchodoletz, Gunzenhauser & Larsen, 2015), ȤȤ von der Situationsperspektive und der Frage, welche Formen der Lernunterstützung in welchen Situationen (z. B. Essen und Erzählkreis) bzw. in welchen Settings (z. B. altershomogene und altersheterogene Gruppen) innerhalb eines Kita-Tages zu gelingenden Fachkraft-Kind-, aber auch kompetenten Kind-Kind-Interaktionen beitragen (vgl. auch Wildgruber, Wertfein, Wirts, Kammermeier & Danay, 2016; Remsperger, 2013), ȤȤ von der domänenspezifischen Perspektive und der Frage, wie spezifische Bildungsthemen und die dazugehörigen Bildungsprozesse zusammenhängen, z. B. ob und welche Unterschiede zwischen effektiven, lernanregenden Methoden beim Spracherwerb einerseits und beim Erwerb naturwissenschaftlicher Kompetenzen bestehen. Die Qualitätsentwicklung im Bereich der Interaktionen kann hierbei erfreulicherweise in den meisten Einrichtungen auf dem wichtigen Grundstein einer guten emotionalen Unterstützung aufbauen, sodass die weiteren Schritte in Richtung einer optimierten Lernanregung auf dieser Basis gut zu implementieren sind. Denn ohne gelingende Beziehungen zwischen Kindern und Fachkräften, Peers und auch im Team können qualitativ hochwertige Interaktionen nicht gelingen.
Ausblick: Interaktionsqualität unterstützen – Pädagogische Qualität weiterentwickeln
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Literatur Remsperger, R. (2013): Reaktionen von Kindern auf eine höhere bzw. geringere sensitive Responsivität in unterschiedlichen pädagogischen Situationen. In: K. Fröhlich-Gildhoff, I. Nentwig- Gesemann, A. König, U. Stenger & D. Weltzien (Hg.): Forschung in der Frühpädagogik VI: Interaktion zwischen Fachkräften und Kindern (S. 119–144). Freiburg Suchodoletz, A. von, Gunzenhauser, C. & Larsen, R. (2015): Die Beobachtung von Interaktionen im Kindergartenalltag: Das Individualized Assessment Scoring System (inCLASS). Frühe Bildung, 4 (4), S. 211–217 Viernickel, S. & Fuchs-Rechlin, K. (2015): Fachkraft-Kind-Relationen und Gruppengrößen in Kindertageseinrichtungen: Grundlagen, Analysen, Berechnungsmodell. In: S. Viernickel, K. Fuchs-Rechlin, P. Strehmel, C. Preissing, J. Bensel & G. Haug-Schnabel (Hg.): Qualität für alle. Wissenschaftlich begründete Standards für die Kindertagesbetreuung (S. 11–130). Freiburg im Breisgau Wildgruber, A., Wertfein, M., Wirts, C., Kammermeier, M. & Danay, E. (2016): Situative Unterschiede der Interaktionsqualität im Verlauf des Kindergartenalltags. Frühe Bildung, 5 (4), S. 206–213
Verzeichnis der Autorinnen und Autoren
Prof. Dr. Bernhard Hauser, Psychologe und Erziehungswissenschaftler, lehrt seit 1991 an der Pädagogischen Hochschule St. Gallen (PHSG) und deren Vorgängerinstitutionen. Er forscht bis 1998 an der Universität Zürich, seit 2004 an der PHSG. Seine Arbeitsschwerpunkte sind Lernen im Spiel, frühe Bildung und Klassenführung. Prof. Dr. Fabienne Becker-Stoll, Diplom-Psychologin, ist seit 2006 Direktorin des Staatsinstituts für Frühpädagogik in München. Sie studierte und promovierte in Regensburg bei Prof. Dr. Klaus Grossmann. Ab 2000 war sie wissenschaftliche Mitarbeiterin am Max Planck Institut für Psychiatrie in München und habilitierte 2005 an der LMU München, seit 2012 hat sie eine APL-Professur an der LMU München mit den Forschungsschwerpunkten: Bindungs- und Explorationsentwicklung in den ersten Lebensjahren, Bildung und Beziehungsqualität, Qualität frühkindlicher Bildung, Erziehung und Betreuung. Eva Reichert-Garschhammer, Juristin, ist seit 1997 Abteilungsleiterin am Staats institut für Frühpädagogik (IFP) in München, seit 2007 auch dessen stellvertretende Direktorin. Zu ihren Arbeitsschwerpunkten zählen: Entwicklung und Fortschreibung von Bildungsplänen und -leitlinien (Bayern, Hessen); Implementierung und Weiterentwicklung der Bildungsbereiche Sprache und Gesundheit (alltagsintegrierter Ansatz, gute gesunde Kita); BiSS-Landeskoordinatorin; Projektarbeit, Offene Arbeit und inklusive Bildung in Kitas; Entwicklung, Erprobung und Begleitung innovativer Unterstützungssysteme für die Praxis wie Netzwerk Konsultationseinrichtungen, Sprachberatung, Pädagogische Qualitätsbegleitung und Kita 4.0: digitale Transformation des frühen Bildungssystems. Dr. Sigrid Lorenz, Diplomsoziologin (Univ.) und Diplom-Sozialpädagogin (FH), ist seit 1990 wissenschaftliche Referentin am Staatsinstitut für Frühpädagogik in München. Ihre aktuellen Arbeitsschwerpunkte sind Flüchtlingskinder und
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deren Familien in der Kita, Modellversuch Pädagogische Qualitätsbegleitung, Bildungs- und Erziehungspartnerschaft mit Eltern, Befragung/Evaluation, Teamund Organisationsentwicklung. Elisabeth Minzl, Diplom-Sozialpädagogin (FH), Erzieherin, ist systemische Pädagogin, freiberufliche Fortbildungsreferentin insbesondere in prozessorientierten Themen wie Interaktions- und Beziehungsgestaltungen mit Kindern, Eltern und im Team, professionelle pädagogische Grundhaltungen und Weiterentwicklung von Kitas zu Orten und Zentren für Kinder und Familien. Sie schöpft aus Ihrer 10-jährigen Tätigkeit als Fachreferentin beim Verband kath. Kindertageseinrichtungen Bayern e. V., Fachberaterin und Dozentin an der Fachakademie für Sozialpädagogik. Dr. Inge Schreyer, Diplom-Psychologin, ist seit dem Jahr 2000 wissenschaftliche Referentin am Staatsinstitut für Frühpädagogik IFP in München. Neben den Systemen der Professionalisierung von Kita-Fachpersonal in Europa liegen ihre Forschungsschwerpunkte auf Aspekten der Qualität in Kitas und bei Trägern. Martin Krause, Diplom-Psychologe, Diplom-Sozialpädagoge (FH) ist seit 2009 wissenschaftlicher Referent am Staatsinstitut für Frühpädagogik in München. Zu seinen Arbeitsschwerpunkten zählen die Beobachtung und Dokumentation frühkindlicher Bildungsprozesse sowie Evaluation und Forschungsmethodik. Prof. Robert Pianta ist Dekan der Curry School of Education an der University of Virginia, USA, und ist dort Professor für Erziehungswissenschaft und Psychologie. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen der Konzeptualisierung und Messung von Interaktionen zwischen pädagogischen Fachkräften bzw. Lehrern und Kindern, der Entwicklung und Evaluation von Interventionen zur Weiterentwicklung von solchen Interaktionen sowie in der Bildungspolitik im frühkindlichen Bereich. Als Autor hat er zehn Bücher, 250 Zeitschriften und 50 Buchbeiträge veröffentlicht. Er war verantwortlich für Forschungsprojekte in einer Gesamthöhe von über 55 Millionen US-Dollar. Prof. Kathy Sylva ist Professorin für Pädagogische Psychologie an der Universität Oxford, Großbritannien. Als einen Forschungsschwerpunkt hat sie eine Reihe groß angelegter Studien zu den Effekten von Kindertageseinrichtungen auf die Entwicklung von Kindern durchgeführt, unter anderem die hier vorgestellte EPPE/EPPSE-Studie. In ihrem zweiten Schwerpunkt entwickelt und evaluiert sie Programme und Trainings, um Eltern in ihren Fähigkeiten zu unterstützen,
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Verzeichnis der Autorinnen und Autoren
kindliche Entwicklung zu fördern. Sie hat sieben Bücher und 200 Beiträge in Büchern und Zeitschriften veröffentlicht und wurde mehrfach von Politik und Fachgesellschaften für ihre Arbeit ausgezeichnet. Prof. Dr. Iris Nentwig-Gesemann, Diplom-Pädagogin, ist Professorin für Bildung im Kindesalter an der Alice Solomon Hochschule Berlin und Leiterin des Bachelor-Studiengangs »Erziehung und Bildung im Kindesalter«. Sie ist Mitglied des Leitungsteams Berlin des Programms »Profis in Kitas« der RobertBosch Stiftung. Ihre Arbeits- und Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich Kindheits- und Bildungsforschung, Methoden der qualitativen Sozialforschung, Evaluationsforschung, Theorie und Geschichte von Bildung und Erziehung, Sprache und Kommunikation. Dr. Monika Wertfein, Diplom-Psychologin, ist wissenschaftliche Referentin am Staatsinstitut für Frühpädagogik (IFP) in München. Ihre Arbeitsschwerpunkte sind Qualität in Kindertageseinrichtungen, Pädagogik der Vielfalt, Bildung, Erziehung und Betreuung von Kindern in den ersten drei Lebensjahren. Dr. Andreas Wildgruber, Sozialpädagoge (Diplom, Master), ist wissenschaftlicher Referent am Staatsinstitut für Frühpädagogik (IFP) in München. Seine Arbeitsschwerpunkte sind Interaktionen in der Kita, Übergänge in der frühkindlichen Bildungskarriere und Hortpädagogik. Er ist Mitglied bei der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft (DGfE) und dem Pestalozzi-Fröbel-Verband (pfv). Dr. Claudia Wirts, Sprachheilpädagogin/Sonderpädagogin (M.A.), ist wissenschaftliche Referentin am Staatsinstitut für Frühpädagogik (IFP) in München. Ihre Arbeitsschwerpunkte sind Interaktionen, Zuhörkultur und sprachliche Bildung in der Kita. Sie ist Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Sprachheilpädagogik (dgs) und des Deutschen Bundesverbands der akademischen Sprachtherapeuten (dbs).