Extraterritorialer Grundrechtsschutz gemäß Art. 16a GG [1 ed.] 9783428580187, 9783428180189

Die Autorin befasst sich mit dem seit Langem geführten Streit um die territoriale Reichweite des deutschen Asylgrundrech

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German Pages 344 [345] Year 2020

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Extraterritorialer Grundrechtsschutz gemäß Art. 16a GG [1 ed.]
 9783428580187, 9783428180189

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Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1435

Extraterritorialer Grundrechtsschutz gemäß Art. 16a GG

Von

Annika Dippel

Duncker & Humblot · Berlin

ANNIKA DIPPEL

Extraterritorialer Grundrechtsschutz gemäß Art. 16a GG

Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1435

Extraterritorialer Grundrechtsschutz gemäß Art. 16a GG

Von

Annika Dippel

Duncker & Humblot · Berlin

Die Juristische Fakultät der Ruhr-Universität Bochum hat diese Arbeit im Jahr 2019 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2020 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: L101 Mediengestaltung, Fürstenwalde Druck: CPI buchbücher.de gmbh, Birkach Printed in Germany ISSN 0582-0200 ISBN 978-3-428-18018-9 (Print) ISBN 978-3-428-58018-7 (E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2019/20 von der Juristischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum als Dissertation angenommen. Herrn Professor Dr. Wolfram Cremer danke ich für die angenehme Zeit, die ich als wissenschaftliche Mitarbeiterin an seinem Lehrstuhl verbracht habe und für den großen Freiraum, den er mir bei der Entwicklung dieser Arbeit gelassen hat. Herrn Professor Dr. Pierre Thielbörger danke ich für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Bedanken möchte ich mich zudem bei meinen ehemaligen Lehrstuhlkollegen und -kolleginnen Frau Dr. Stefanie Schulz-Große, Herrn Dr. Gregor-Julius Ostermann und Frau Antonia Tobisch, deren persönlicher und fachlicher Rat das Entstehen dieser Arbeit stets gefördert hat. Aus meinem privaten Umfeld bedanke ich mich bei meiner Familie und meinen Freundinnen dafür, dass sie mir während meiner gesamten Ausbildung den Rücken gestärkt haben. Ganz besonderen Dank verdienen dabei meine Eltern Karin Tiedt und Klaus Dippel sowie mein Bruder Dr. Moritz Alexander Dippel und mein Ehemann Dr. Paul Veit. Bochum, im April 2020

Annika Dippel

Inhaltsübersicht Einleitung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 I. Zeitgeschichtlicher Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 II. Untersuchungsgegenstand und -anlass . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 III. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 A. Territoriale Beschränkung aufgrund Völkerrechts  . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 I. Völkerrechtsverletzung durch die Gewährleistung eines extraterritorialen Asylgrundrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 II. Einfluss des Völkerrechts auf die Grundrechtsgeltung – Rang des Völkerrechts im Grundgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 B. Extraterritoriale Grundrechtsgeltung für gebietsfremde Ausländer nach dem Grundgesetz – Allgemeiner Teil  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 I. Standpunkt des Bundesverfassungsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 II. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 III. Extraterritoriale Grundrechtsgeltung der abwehrrechtlichen Dimension . 66 IV. Extraterritoriale Grundrechtsgeltung der nicht-abwehrrechtlichen Grundrechtsdimensionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 V. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 C. Die Einordnung des asylgrundrechtlichen ­Gewährleistungsgehalts  . . . . 127 I. Abgrenzung der abwehr- und leistungsrechtlichen Dimension der Grundrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 II. Einordnung des asylgrundrechtlichen Gewährleistungsgehalts . . . . . . . . . 129 III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 D. Extraterritoriale Geltung des Art. 16a GG – Besonderer Teil  . . . . . . . . . 156 I. Ausnahmsweise territoriale Beschränkung durch tatbestandliche territoriale ­Anspruchsentstehungsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 II. Extraterritorial bewirkte Beschränkung des Schutzbereichs bei Einreise aus einem sicheren Drittstaat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 III. Völkerrechtliche Öffnungsklausel – die Auswirkungen des Art. 16a Abs. 5 GG auf das extraterritoriale Asylrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 IV. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 E. Fallbeispiele  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 I. Der Eingriff als Auslöser der Abwehrwirkung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 II. Der Anspruch auf Erteilung eines Asylvisums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195

8 Inhaltsübersicht III. Rechtslage für politisch verfolgte Personen an Bord von unter der Bundesflagge geführten Schiffen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 IV. „Erklärung EU-Türkei“ vom 18. März 2016 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 V. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 F. Verfahrensrechtliche Dimension des extraterritorialen Asylgrundrechts  224 I. Verfahrensabhängigkeit des Asylrechts? – Zur verfassungsrechtlichen Bedeutung des Asylverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 II. Einrichtung und Durchführung eines Asylverfahrens für gebietsfremde Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 III. Effektiver gerichtlicher Rechtsschutz für gebietsfremde politisch Verfolgte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 G. Das extraterritoriale Asylgrundrecht und der Anwendungsvorrang des Unionsrechts  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 I. Verhältnis zwischen Unionsrecht und den deutschen Grundrechten – Anwendungsvorrang des Unionsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 II. Das Gemeinsame Europäische Asylsystem und Art. 16a GG . . . . . . . . . . 263 III. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298 H. Zusammenfassung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 Literaturverzeichnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 Sachwortverzeichnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 344

Inhaltsverzeichnis Einleitung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 I. Zeitgeschichtlicher Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 II. Untersuchungsgegenstand und -anlass . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 III. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 A. Territoriale Beschränkung aufgrund Völkerrechts  . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 I. Völkerrechtsverletzung durch die Gewährleistung eines extraterritorialen Asylgrundrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 1. Keine Verletzung allgemeiner Rechtsgrundsätze  . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 2. Keine Verletzung von Völkervertragsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 3. Verstoß gegen Völkergewohnheitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 a) Verletzung fremder staatlicher Souveräniät . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 (1) Jurisdiction to enforce . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 (2) Jurisdiction to prescribe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 (3) Völkerrechtliche Kompetenz der Bundesrepublik Deutschland zur Gewährleistung extraterritorialen Asylrechts . . . . . . . 34 (a) Grundrechte als Regelung von Sachverhalten – grundsätzliches Erfordernis eines sinnvollen Anknüpfungspunktes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 (b) Kein Konflikt mit fremder staatlicher Souveränität durch Einräumung von Individualrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 (aa) Abwehrrechtliche Dimension  . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 (bb) Leistungsrechtliche Dimension . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 (4) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 b) Botschaftsasyl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 c) Rechtslage auf See . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 (1) Küstengewässer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 (2) Ausschließliche Wirtschaftszone . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 (3) Hohe See . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 II. Einfluss des Völkerrechts auf die Grundrechtsgeltung – Rang des Völkerrechts im Grundgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 1. Völkervertragsrecht – Rang einfachen Bundesrechts . . . . . . . . . . . . . . 46 2. Völkergewohnheitsrecht – Rang zwischen Verfassungsrecht und einfachem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53

10 Inhaltsverzeichnis B. Extraterritoriale Grundrechtsgeltung für gebietsfremde Ausländer nach dem Grundgesetz – Allgemeiner Teil  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 I. Standpunkt des Bundesverfassungsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 1. Washingtoner Abkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 2. Spanier . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 3. Familiennachzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 4. Zweitregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 5. Telekommunikationsüberwachung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 6. Luftangriff in Kunduz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 7. Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 II. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 1. Umfassende Bindung an die Grundrechte des Grundgesetzes innerhalb des Staatsgebiets, aber keine strikte Beschränkung auf das Staatsgebiet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 2. Grundsätzlich umfassende Grundrechtsbindung der deutschen Staatsgewalt gemäß Art. 1 Abs. 3 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 III. Extraterritoriale Grundrechtsgeltung der abwehrrechtlichen Dimension . 66 1. Subordinationserfordernis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 a) Grundansatz und seine verschiedenen Ausprägungen bzw. Implikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 (1) Verfassungsrechtliche Anknüpfungspunkte für ein Subordinationserfordernis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 (a) Status passivus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 (b) Art. 1 Abs. 3 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 (2) Voraussetzungen der die Grundrechtsgeltung bewirkenden Subordination . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 (a) Völkerrechtliche Regelungskompetenz – Gebiets- und Personalhoheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 (b) Regelmäßige Ausübung von Hoheitsgewalt bzw. effektive Gebietskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 (c) Insbesondere keine Subordination bei faktischen Betroffenheiten – keine Ausübung von Staatsgewalt und rechts­ praktische Schwierigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 (d) Grundrechtsgeltung für gebietsfremde Ausländer im Falle eines partiellen Grundrechtsstatus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 (e) Aufgenötigte Subordination bei finalem, grenzüberschreitendem staatlichen Handeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 b) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 (1) Fehlender verfassungsrechtlicher Anknüpfungspunkt für das Erfordernis einer vorher bestehenden Subordination . . . . . . . . 73 (2) Fehlende verfassungsrechtliche Begründung der völkerrechtlichen Regelungskompetenz als Voraussetzung für die Sub­ ordination . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74

Inhaltsverzeichnis11 (3) Fehlende verfassungsrechtliche Begründung der regelmäßigen Ausübung von Hoheitsgewalt bzw. effektiven Gebietskontrolle als Voraussetzung für die Subordination . . . . . . . . . . 75 (4) Fehlende verfassungsrechtliche Begründung der Differen­ zierung zwischen faktischen Auswirkungen und finalem ­Hoheitshandeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 (5) Kein Schluss von rechtspraktischen Schwierigkeiten auf die Verfassungsrechtslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 2. Uneingeschränkte extraterritoriale Grundrechtsgeltung gemäß der allgemeinen Grundrechtsdogmatik  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 a) Ausgangspunkt: „Wirkungsprinzip“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 (1) Das „Wirkungsprinzip“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 (2) Vorwurf des Fehlschlusses wegen Gründung auf Art. 1 Abs. 3 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 (3) Vorwurf des Zirkelschlusses wegen Vermischung von Grundrechtsgeltung und Eingriff, insbesondere zur negativen Differenzhypothese Yousifs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 b) Beurteilung der extraterritorialen Grundrechtsgeltung anhand der allgemeinen Grundrechtsdogmatik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 c) Verständnis der extraterritorial unbeschränkten Grundrechts­ geltung als „dogmatisches Glasperlenspiel“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 d) Die der Beschränkung der extraterritorialen Grundrechtsgeltung zugrunde liegenden Folgeerwägungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 (1) Die Grenze der faktischen Möglichkeit und Störung der außenpolitischen Handlungsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 (2) Der Vorwurf des Grundrechtsimperialismus bzw. -oktroi . . . . 88 e) Extraterritoriale Grundrechtsgeltung ohne Durchsetzbarkeit? . . . . . 90 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 IV. Extraterritoriale Grundrechtsgeltung der nicht-abwehrrechtlichen Grundrechtsdimensionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 1. Territoriale Reichweite der schutzrechtlichen Dimension der Grundrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 a) Die schutzrechtliche Dimension der Grundrechte . . . . . . . . . . . . . . 93 b) Der Staatszweck Sicherheit als Fundament der grundrechtlichen Schutzrechte und seine Aussage über deren territoriale Reich­ weite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 (1) Verfassungsrechtliche Anknüpfung des Staatszwecks Sicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 (a) Keine Identität von Staatszweck Sicherheit und Grundpflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 (b) Verfassungstextliche Anknüpfungspunkte für den Staatszweck Sicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 (c) Insbesondere keine Infragestellung der verfassungsrechtlichen Anknüpfung wegen der Anknüpfung der Schutzrechte an die Grundrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98

12 Inhaltsverzeichnis (d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 (2) Bindung der schutzrechtlichen Dimension der Grundrechte an das Gewaltmonopol der Bundesrepublik Deutschland . . . . . . . 98 c) Bedeutung der Verknüpfung der Schutzrechtsdimension mit dem Gewaltmonopol der Bundesrepublik für die verschiedenen Fallkonstellationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 (1) Deutsche Staatsangehörige im Ausland – Verhältnis zum diplo­matischen Schutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 (2) Gebietsfremde Ausländer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 (a) Differenzierung nach dem räumlichen Ursprung der Gefahrenquelle – Schutzrechte nur für Gefahren inländischen Ursprungs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 (aa) Abschließender Charakter des Art. 16a GG und Schutzgutorientierung der Grundrechte . . . . . . . . . . . 105 (a) Fehlende Auseinandersetzung mit dem Gewährleistungsgehalt des Art. 16a GG . . . . . . . . . 106 (b) Außerachtlassung struktureller Unterschiede zwischen Art. 16a GG und grundrechtlichen Schutzrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 (aa) Ablehnung grundrechtlicher Schutzpflichten gegenüber Gefahren durch fremde Staaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 (bb) Erstreckung der grundrechtlichen Schutzpflichten auf Gefahren durch fremde Staaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 (γ) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 (bb) Strukturelle Parallelen zwischen Schutz- und Abwehrrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 (cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 (b) Differenzierung nach dem Grad des Inlandsbezugs . . . . . 114 (3) Erläuterung des vertretenen Ansatzes hinsichtlich des Einflusses des räumlichen Ursprungs auf die Schutzrechte . . . . . 115 d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 2. Territoriale Reichweite der originär-leistungsrechtlichen Dimension der Grundrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 a) Abgrenzung von Leistungs- und Teilhaberechten . . . . . . . . . . . . . . 117 b) Derivative Teilhaberechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 c) Originäre Leistungsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 (1) Erfordernis einer konkreten Inlandsbeziehung . . . . . . . . . . . . . 119 (2) Bereichsspezifische Ermittlung originärer Leistungsrechte – Unmöglichkeit einer allgemeingültigen Aussage zu deren territorialer Reichweite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 3. Territoriale Reichweite der Verfahrensdimension der Grundrechte . . . 122 a) Die Verfahrensdimension der Grundrechte – Grundlagen . . . . . . . . 123

Inhaltsverzeichnis13 b) Territoriale Beschränkung der Verfahrensdimension der Grundrechte in Abhängigkeit des materiellen Gewährleistungsgehalts . . . 123 c) Pflicht zur Bereitstellung der notwendigen Institutionen im Ausland – notwendige Kooperation mit fremden Staaten . . . . . . . . . . . 124 d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 V. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 C. Die Einordnung des asylgrundrechtlichen Gewährleistungsgehalts  . . . . 127 I. Abgrenzung der abwehr- und leistungsrechtlichen Dimension der Grundrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 II. Einordnung des asylgrundrechtlichen Gewährleistungsgehalts . . . . . . . . . 129 1. Rechte im Asyl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 a) Rechte auf persönliche und berufliche Entfaltung  . . . . . . . . . . . . . 131 (1) Kein Gewährleistungsgehalt des Art. 16a Abs. 1 GG . . . . . . . 131 (2) Keine Einordnung dieser Rechte als originäre Leistungs­ rechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 b) Anspruch auf Gewährleistung eines Existenzminimums  . . . . . . . . 132 (1) Irrelevanz der politischen Verfolgung für die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Gewährleistung des Existenzminimums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 (2) Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 (3) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 2. Recht auf Asyl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 a) Das Asylrecht als Leistungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 (1) Das Asylrecht als positiver Verleihungsakt . . . . . . . . . . . . . . . 136 (a) Entscheidung über die Aufnahme in die Bundesrepublik bzw. die Aufhebung der Geschlossenheit der Staats­ grenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 (b) Einräumung eines Rechtsstatus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 (aa) Bundesverfassungsgericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 (bb) Keine Anknüpfung an Hannah Arendt . . . . . . . . . . . 143 (cc) „Status“ als Summe aller den Asylberechtigten treffenden Rechte und Pflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 (dd) Dogmatische Widersprüche der Forderung nach einer positiven Statusverleihung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 (c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 (2) Asylrecht als Schutzrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 (a) Strukturelle Parallele zwischen Asylrecht und Schutzrechten? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 (b) Fehlende Begründung asylrechtlich gewährleisteter Schutzmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 (aa) Keine Pflicht zum Vorgehen gegen den Verfolgerstaat  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 (bb) Keine geschuldete Hilfestellung bei der Flucht . . . . 149

14 Inhaltsverzeichnis (cc) Einreisenlassen als Schutzmittel? . . . . . . . . . . . . . . . 150 (dd) Menschenwürdiges Dasein als Schutzmittel? . . . . . . 150 (c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 b) Das Asylgrundrecht als Abwehrrecht – Die Flucht vor politischer Verfolgung als natürliche Freiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 D. Extraterritoriale Geltung des Art. 16a GG – Besonderer Teil  . . . . . . . . . 156 I. Ausnahmsweise territoriale Beschränkung durch tatbestandliche territoriale Anspruchsentstehungsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 1. Erreichen bzw. Betreten des Staatsgebiets . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 a) Wortlaut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 b) Genetische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 (1) Vorstellungen des Parlamentarischen Rates vom Flüchtling an der Grenze – insbesondere Vergleich mit Landesverfassungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 (2) Beschränkung auf das allgemeine Völkerrecht . . . . . . . . . . . . 163 (3) Vorstellungen des verfassungsändernden Gesetzgebers . . . . . . 164 (4) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 c) Systematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 (1) Ehemalige Nähe des Asylrechts zum Auslieferungsverbot des Art. 16 Abs. 2 S. 1 GG a. F. bzw. Art. 16 Abs. 2 GG n. F. – systematisch-genetische Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 (2) Umkehrschluss aus Art. 16a Abs. 2 GG gegen eine territoriale Beschränkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 d) Schluss aus dem Verbot von Nachteilen aus einer „illegalen“ Einreise – eine teleologische Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 e) Argumentation Randelzhofers: das Einreiseverhinderungsverbot als positive Handlungspflicht und die sichere Drittstaatenregelung als Ausdruck eines generellen Beschränkungswillens . . . . . . . . . . . 170 f) Definitionsschwierigkeit hinsichtlich des Erreichens der Staatsgrenze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 g) Funktionales Grenzäquivalent . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 h) Völkerrechtsfreundliche Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 i) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 2. Verlassen des Herkunftsstaats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 II. Extraterritorial bewirkte Beschränkung des Schutzbereichs bei Einreise aus einem sicheren Drittstaat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 1. Sichere Drittstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 a) Dynamische Verweisung auf die Mitgliedstaaten der Europäischen Union  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 b) Gesetzliche Bestimmung sicherer Drittstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . 180 2. Einreise aus einem sicheren Drittstaat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181

Inhaltsverzeichnis15 a) Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 b) Anwendbarkeit auf Personen an Bord von Schiffen oder Flugzeugen unter der Flagge eines sicheren Drittstaates außerhalb des jeweiligen eigenen Hoheitsgebiets – Erfordernis eines Gebietskontakts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 c) Anwendbarkeit auf Personen an Bord von Schiffen oder Flugzeugen unter der Flagge anderer Drittstaaten innerhalb des Hoheitsbereichs sicherer Drittstaaten – Transitaufenthalte . . . . . . . . . . . . . 185 (1) Eintreten in das Hoheitsgebiet ohne Landung an einem H ­ afen . 186 (2) Landung an einem Hafen im Hoheitsgebiet . . . . . . . . . . . . . . . 187 d) Erfordernis der Einreise in das Staatsgebiet der Bundesrepublik . . 189 e) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 3. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 III. Völkerrechtliche Öffnungsklausel – die Auswirkungen des Art. 16a Abs. 5 GG auf das extraterritoriale Asylrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 IV. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 E. Fallbeispiele  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 I. Der Eingriff als Auslöser der Abwehrwirkung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 II. Der Anspruch auf Erteilung eines Asylvisums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 1. Voraussetzungen für einen abwehrrechtlich fundierten Anspruch auf eine positive Handlung in Form einer Visumserteilung . . . . . . . . . . . . 196 2. Das Visumserfordernis im einfachen deutschen Recht als Eingriff in Art. 16a Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 a) Das grundsätzliche Visumserfordernis für die Einreise . . . . . . . . . . 197 b) Die Möglichkeit für gebietsfremde politisch Verfolgte, ein Visum zu erhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 (1) Das Schengen-Visum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 (2) Das nationale Visum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 c) Das Visumserfordernis als Eingriff in das Asylrecht  . . . . . . . . . . . 199 3. Die Visumspflicht i. V. m. dem Beförderungsverbot für Beförderungsunternehmen als Eingriff in Art. 16a Abs. 1 GG  . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 III. Rechtslage für politisch verfolgte Personen an Bord von unter der Bundesflagge geführten Schiffen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 1. Mögliche Eingriffshandlungen an Bord von Schiffen . . . . . . . . . . . . . 207 a) Maßnahmen gegenüber politisch verfolgten Personen an Bord . . . 207 b) Maßnahmen gegenüber politisch verfolgten Personen, die erst begehren, an Bord zu kommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 (1) Verwehrung als Abweisung im Sinne des Abweisungsverbots . 208 (2) Verwehrung als Fluchtbehinderung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 c) Asylrechtskonforme Verhaltensweisen an Bord eines Schiffes – insbesondere zur Möglichkeit, eine politisch verfolgte Person abzusetzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212

16 Inhaltsverzeichnis 2. Grundrechtsverpflichtete Akteure auf See . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 a) Grundrechtsbindung des Gesetzgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 b) Grundrechtsbindung von Kapitän und übriger Besatzung an Bord . 214 (1) Besatzung der von der öffentlichen Hand gesteuerten Schiffe . 215 (2) Kapitäne von privat gesteuerten Kauffahrteischiffen . . . . . . . . 215 (a) Beliehenenfunktion des Kapitäns eines Kauffahrteischiffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 (b) Abgrenzung von privatem Hausrecht und öffentlichrechtlicher Zwangsbefugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 (c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 IV. „Erklärung EU-Türkei“ vom 18. März 2016 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 1. Aufnahme von Syrern in die EU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 2. Rückführungen aus Griechenland in die Türkei . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 3. Erschwerung der Einreise in die Bundesrepublik . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 V. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 F. Verfahrensrechtliche Dimension des extraterritorialen Asylgrundrechts  224 I. Verfahrensabhängigkeit des Asylrechts? – Zur verfassungsrechtlichen Bedeutung des Asylverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 1. Einrichtung eines Asylverfahrens als Teil des asylgrundrechtlichen Gewährleistungsgehalts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 2. Besondere Ausprägung der allen Grundrechten immanenten Verfahrensdimension . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 3. Asylverfahren als Widerlegungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 II. Einrichtung und Durchführung eines Asylverfahrens für gebietsfremde Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 1. Verfassungsrechtlich geschuldete Notwendigkeit der Einrichtung von Asylverfahren für gebietsfremde Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 2. Bei der verfassungsrechtlichen Bewertung von Asylverfahren zu beachtende Besonderheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 a) Tatsächliche Schwierigkeiten der Einrichtung und Durchführung von Asylverfahren für gebietsfremde Ausländer . . . . . . . . . . . . . . . 237 b) Besonderheiten des Art. 16a Abs. 3 GG – sichere Herkunftsstaatenregelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 III. Effektiver gerichtlicher Rechtsschutz für gebietsfremde politisch Verfolgte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 1. Allgemeine verfassungsrechtliche Anforderungen an die Gewährleistung eines effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes in öffentlichrechtlichen Streitigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 a) Mindestanforderungen gemäß Art. 19 Abs. 4 GG an die Gewährleistung eines effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes . . . . . . . . . . 241 b) Anspruch auf eine mündliche Verhandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243

Inhaltsverzeichnis17 c) Bedeutung der grundrechtlichen Rechtsschutzgarantie für gebietsfremde politisch Verfolgte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 (1) Eröffnung der Rechtsweggarantie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 (2) Gewährleistung eines einstweiligen Rechtsschutzes . . . . . . . . 245 d) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 2. Besonderheiten hinsichtlich des einstweiligen Rechtsschutzes gemäß Art. 16a GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 a) Art. 16a Abs. 2 S. 3 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 (1) Voraussetzungen und Reichweite der Rechtsschutzbeschränkung – rein deklaratorische Bedeutung des Art. 16a Abs. 2 S. 3 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 (2) Anwendbarkeit auf einreiseverhindernde Maßnahmen . . . . . . 250 (3) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 b) Art. 16a Abs. 4 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 (1) Regelungsinhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 (2) Anwendbarkeit auf einreiseverhindernde Maßnahmen . . . . . . 253 (a) Der eindeutige Wortlaut des Art. 16a Abs. 4 GG . . . . . . . 253 (b) Genetisch-teleologische Auslegung – Verfahrensbeschleu­ nigung insbesondere im Flughafenverfahren . . . . . . . . . . . 254 (c) Teleologische Betrachtung – keine Besserstellung von gebietsfremden gegenüber gebietsinternen Personen? . . . . 257 (d) Allgemeine Rechtslage nach Art. 19 Abs. 4 GG – kein ineffektiver Rechtsbehelf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 (3) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 G. Das extraterritoriale Asylgrundrecht und der Anwendungsvorrang des Unionsrechts  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 I. Verhältnis zwischen Unionsrecht und den deutschen Grundrechten – Anwendungsvorrang des Unionsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 II. Das Gemeinsame Europäische Asylsystem und Art. 16a GG . . . . . . . . . . 263 1. Qualifikations-Richtlinie (2011/95/EU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 2. Aufnahme-Richtlinie (2013/33/EU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 3. Dublin III-Verordnung (VO [EU] Nr. 604/2013) . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 a) Dublin III-Zuständigkeit der Bundesrepublik trotz Untergangs des Asylgrundrechts aufgrund der Drittstaatenregelung . . . . . . . . . . . . 270 (1) Ansicht Fröhlichs – Lösung über Art. 16a GG . . . . . . . . . . . . 270 (2) Gegenposition – Differenzierung hinsichtlich der Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 (a) Dublin III-Zuständigkeit lediglich für Anträge auf Gewährung internationalen Schutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 (b) Konflikt hinsichtlich der Reichweite der Drittstaatenregelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272

18 Inhaltsverzeichnis (aa) Ansatz des Bundesverfassungsgerichts: Erstreckung des Untergangs gemäß der sicheren Drittstaatenregelung auf den einfachgesetzlichen Abschiebungsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 (bb) Konflikt zwischen Erstreckung auf anderweitigen Verfolgungsschutz und Dublin III-Zuständigkeit . . . 273 b) Unzuständigkeit der Bundesrepublik gemäß Dublin III-Verordnung trotz bestehenden Asylgrundrechts – Art. 16a GG und das Selbsteintrittsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 (1) Überstellungspflicht infolge der Dublin III-Zuständigkeit? – zur Ermessensentscheidung i. R.d. Selbsteintrittsrechts . . . . . . 275 (2) Unionsrechtliche Einschränkung des Selbsteintrittsrechts . . . . 277 (3) Stellungnahme – freie Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Unionsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 (a) Das Selbsteintrittsrecht als systemimmanente Regelung . . 279 (b) Die der Dublin III-Verordnung zugrunde liegende Inte­ ressenlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 (aa) Mindestens eine Prüfung: Vermeidung des „refugee in orbit“-Phänomens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 (bb) Höchstens eine Prüfung: Vermeidung von „forum shopping“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 (cc) Keine solidarische Aufteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 (4) EuGH in Jafari und A.S. – eine Bestätigung der deutschen Flüchtlingspolitik im Spätsommer 2015 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 c) Konsequenz – potentielle Aushebelung der Dublin III-Zuständigkeitsbestimmung für die Bundesrepublik Deutschland durch die extraterritoriale Geltungsreichweite des Art. 16a GG . . . . . . . . . . . 286 4. Verfahrens-Richtlinie (2013/32/EU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 5. EU-Quotenregelung 2015 zur Umverteilung von schutzsuchenden Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 6. Strafbarkeit der Beihilfe zur unerlaubten Einreise (Richtlinie 2002/90/ EG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 7. Der Schutz der Außengrenzen der EU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 a) Die Schengener Übereinkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 b) Der Schengener Grenzkodex (Verordnung [EU] 2016/399) . . . . . . 293 c) Der Visa-Kodex (Verordnung [EG] Nr. 810/2009) . . . . . . . . . . . . . 294 (1) Inhalt des Visa-Kodexes und Rechtsprechung des EuGH in X und X . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 (2) Auswirkungen des extraterritorial geltenden Asylrechts gemäß Art. 16a Abs. 1 GG – Anspruch auf Erteilung eines Asylvisums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 d) Rückführungsrichtlinie (2008/115/EG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 e) Rückbeförderungspflicht von Beförderungsunternehmen (Richt­ linie 2001/51/EG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 III. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298

Inhaltsverzeichnis19 H. Zusammenfassung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 Literaturverzeichnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 Sachwortverzeichnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 344

Einleitung I. Zeitgeschichtlicher Hintergrund Kaum ein anderes Rechtsgebiet ist so emotionsgeladen wie das Asylrecht. Ein Staat nimmt freiwillig, d. h. ohne äußerliche Zwänge, wie beispielsweise völkervertragliche Verpflichtungen, einen fremden Staatsangehörigen oder Staatenlosen auf und gewährt ihm fortan Schutz und Versorgung. Gerade in Zeiten verstärkter weltweiter Fluchtbewegungen wird das Asylrechtssystem vermehrt in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt und verschärft unter die Lupe genommen. So war es in der Bundesrepublik in den 80er und 90er Jahren des vorigen Jahrhunderts1 und so ist es jetzt, spätestens seit dem Jahr 2015. Die Zahl der in der Bundesrepublik gestellten Asylanträge stieg Ende der 80er und Anfang der 90er Jahre zum ersten Mal sprunghaft an, bis sie im Jahre 1992 ihren Höhepunkt mit 438.191 erreichte.2 Infolgedessen3 wurde 1993 eine umfassende Asylrechtsreform verabschiedet, die über Änderungen im einfachen Recht hinausging.4 Aus Art. 16 Abs. 2 S. 2 GG wurde Art. 16a GG. Seitdem gehört das Asylrecht zu einem der wenigen Grundrechte, deren Text seit Inkrafttreten des Grundgesetzes angetastet wurde. Insbesondere die Einfügung der Absätze 2 bis 4 in Art. 16a GG, welche die sichere Dritt- und Herkunftsstaatenregelung enthalten, bewirkte eine starke Reduktion dessen praktischen Anwendungsbereichs und Gewährleistungsgehalts.5 Namentlich 1  Zum wissenschaftlichen Diskurs vor der Asylrechtsreform s. Randelzhofer, Art. 16a, in: Maunz/Dürig, GG, 59. Aufl. Juli 2010, Rn. 6 ff. 2  Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Aktuelle Zahlen zu Asyl (03/2019), S. 5. 3  Zum Wunsch der Öffentlichkeit nach einer Einschränkung des Asylrechts und zur Entwicklung des Asylrechts in der Bundesrepublik allgemein Tiedemann, ZAR 2009, 161, insbesondere S. 166 f.; zum Hintergrund der Asylrechtsreform im Jahre 1993 Zimmermann/Tams, Art. 16a, in: Berliner Kommentar, 2018 (Stand: 19. EL 2007), Rn. 5 ff. 4  Gesetz zur Änderung asylverfahrens-, ausländer- und staatsangehörigkeitsrechtlicher Vorschriften vom 30. Juni 1993, BGBl. I, S. 1062; Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 16 und 18) vom 28. Juni 1993, BGBl. I, S. 1002. Auch im Jahre 2015 wurde das Asylrecht in Form des Asylverfahrensbeschleunigungsgesetzes vom 20. Oktober 2015, BGBl. II, S. 1722, novelliert, welches weitreichende Änderungen des einfachgesetzlichen Asylrechts beinhaltete. Einen Überblick über die einzelnen Änderungen gibt Kluth, ZAR 2015, 337. 5  Zu den Auswirkungen der beiden Regelungen auf das Asylrecht s. u. Teil D. II. sowie Teil F. II. 2. b) und Teil F. III. 2.

22 Einleitung

die sichere Drittstaatenregelung umschließt die Bundesrepublik mittlerweile mit einem Gürtel sicherer Drittstaaten (sog. „cordon sanitaire“6), deren Durchquerung zu einem Ausschluss bzw. Untergang des grundrechtlichen Asylrechts führt. Es wird zum Teil von einer Abschaffung des Asylrechts gesprochen.7 Das Bundesverfassungsgericht hat die Änderungen des Asylkompromisses in drei Entscheidungen vom 4. Mai 1996 im Wesentlichen als verfassungskonform qualifiziert.8 Nach einer Phase der Entspannung über die folgenden zwei Jahrzehnte folgte dann die aktuelle sog. Flüchtlingskrise. Die Zahl der Asylanträge in der Bundesrepublik stieg im Jahre 2015 über den bis dahin bestehenden Höchstwert aus dem Jahre 1992 auf 476.649 an und gipfelte schließlich im Jahr 2016 bei 745.545.9 Zumindest in der öffentlichen Wahrnehmung drohte eine völlige Überlastung des deutschen Rechtssystems. Symptomatisch dafür ist etwa eine verbreitet konstatierte Überlastung der Verwaltungsgerichte.10 Des Weiteren wird die öffentliche Diskussion von Bildern schutzsuchender Personen, die über das Meer auf zumeist wenig seetauglichen Schlauchbooten das europäische Festland erreichen oder auf See von der Marine oder gemeinnützigen Organisationen aufgesammelt werden, begleitet.11 Auch die 6  Diesen Begriff benutzend z. B. Henkel, NJW 1993, 2705, S. 2708. Seitdem wird die Bundesrepublik allerdings nicht mehr nur von EU-Mitgliedstaaten und gesetzlich als sicher bestimmten Drittstaaten, sondern ausschließlich von EU-Mitgliedstaaten umschlossen. 7  Franßen, DVBl. 1993, 300, S. 301, spricht von einer „Grundrechtsverhinderungsvorschrift“; Michael/Morlok, Grundrechte (2017), 6. Aufl., Rn. 410, sprechen von einem „symbolische[n] Gehalt“; Prantl, Es gibt viel wiedergutzumachen, www. sueddeutsche.de/politik/fluechtlinge-in-deutschland-es-gibt-viel-wieder-gut-zu-ma chen-1.2629505#redirectedFromLandingpage (1.9.17), letzter Zugriff am 21.05.2018, spricht vom Ausschalten des Grundrechts. 8  BVerfGE 94, 49; BVerfGE 94, 166; BVerfGE 94, 115. Kritisch dazu LübbeWolff, DVBl. 1996, 825. 9  Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Aktuelle Zahlen zu Asyl (03/2019), S. 5. 10  Vgl. z. B. Zeit Online, Zahl der Asylklagen verfünffacht, www.zeit.de/gesell schaft/zeitgeschehen/2017-11/verwaltungsgerichte-asylklagen-verfuenffacht-zunahme (2.11.2017), letzter Zugriff am 28.02.2018, wonach sich die Zahl der Klagen in Asylverfahren vor den Verwaltungsgerichten im damals vergangenen Jahr verfünffacht habe. Verglichen wurde der Zeitraum vom 30. Juni 2016 bis 30. Juni 2017 mit dem Vorjahreszeitraum; Spiegel Online, Verwaltungsrichter warnen vor Zusammenbruch, www.spiegel.de/politik/deutschland/asylverfahren-verwaltungsrichter-warnen-vorzusammenbruch-a-1158807.html (20.7.2017), letzter Zugriff am 21.05.2018; FAZ, Asylverfahren bringen Verwaltungsgerichte ans Limit, www.faz.net/aktuell/politik/ inland/fluechtlinge-asylverfahren-bringen-verwaltungsgerichte-ans-limit-15150106. html (14.8.2017), letzter Zugriff am 28.02.2018. 11  S. nur SZ.de, Marine rettet 3500 Flüchtlinge, www.sueddeutsche.de/panorama/ mittelmeer-marine-rettet-fluechtlinge-1.2509208 (7.6.15), letzter Zugriff am 21.05.



I. Zeitgeschichtlicher Hintergrund23

Fluchtrouten über Land wurden vielfach bildlich dokumentiert.12 Dies gilt ebenfalls für die zahlreichen Flüchtlingslager, in denen schutzsuchende Familien auf engstem Raum in Containern oder unter freiem Himmel leben.13 Schließlich sind auch die Zahlen derjenigen, die die Reise nach Europa nicht überleben, Teil der öffentlichen Diskussion.14 Die Rede ist etwa vom Mittelmeer als „Massengrab“.15 Ebenso präsent wie die Einzelschicksale der Betroffenen ist die Debatte um das Gemeinsame Europäische Asylsystem und namentlich die Dublin IIIVerordnung.16 Insbesondere letztere wird öffentlich gemeinhin als „gescheitert“ aufgefasst.17 Im Zentrum der Kritik steht dabei das System, wonach die Zuständigkeit für Asylanträge einseitig auf die an den süd-westlichen Außengrenzen der EU liegenden Mitgliedstaaten verlagert wird.18 Als symptomatisch für das Scheitern des EU-Asylsystems ist insbesondere die Lage in Griechenland zu bezeichnen. Ab dem Jahr 2011 wurde aus Deutschland eine Zeit lang nicht mehr nach Griechenland abgeschoben.19 Laut EGMR stellte 2018. Die Lage auf dem Mittelmeer war schon der Anlass für die Arbeit von Dippel, The Human Rights of Migrants: Maritime Interception in the Mediterranean (2015). 12  S. z. B. die Bildersammlung der Tagesschau, Der Weg der Flüchtlinge durch die Balkanstaaten, www.tagesschau.de/multimedia/bilder/fluechtlinge-balkanroute-111~_ origin-7251a904-6cca-4dd0-a7b1-916634a1dbc2.html, letzter Zugriff am 21.05.18. 13  Höhler, Container der Ohnmacht, www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/201702/fluechtlingskrise-fluechtlinge-griechenland-fluechtlingslager-asylpolitik/komplett ansicht (7.2.17), letzter Zugriff am 28.2.18. 14  Zu den Zahlen des UNHCR zur Anreise über das Mittelmeer und zu Verstorbenen bzw. Vermissten s. http://data2.unhcr.org/en/situations/mediterranean, letzter Zugriff am 10.05.2018. 15  Becker/Gebauer, Mittelmeer wird wieder zum Massengrab, www.spiegel.de/ politik/ausland/mehr-fluechtlinge-mittelmeer-wird-wieder-zum-massengrab-a1106767.html (9.8.16), letzter Zugriff am 15.05.18. 16  Dazu im Einzelnen unten Teil G. II. 17  Lübbe, Dublin ist gescheitert, https://verfassungsblog.de/dublin-ist-gescheitertthesen-zum-umbau-des-europaeischen-asylsystems/ (19.05.2015), letzter Zugriff am 13.09.2018; Marx, KJ 2016, 150, S. 154. 18  Jacobsen, Der Skandal heißt Dublin, www.zeit.de/politik/ausland/2017-03/euro paeische-union-asylpolitik-fluechtlinge-griechenland-dublin-vertraege (23.3.17), letzter Zugriff am 02.03.18. Zum Dublin-System s. u. Teil G. II. 3. 19  Dazu Dörig, jM 2015, 196, S. 199; Zeit Online, Deutschland stoppt Abschiebungen nach Griechenland, www.zeit.de/politik/ausland/2011-01/asyl-abschiebunggriechenland (19.01.11), letzter Zugriff am 10.05.2018. Im Dezember 2016 empfahl die Europäische Kommission, die Überstellungen nach Griechenland nach der Dublin IIIVerordnung wieder aufzunehmen, Empfehlung der Kommission vom 8.12.2016 an die Mitgliedstaaten im Hinblick auf die Wiederaufnahme der Überstellungen nach Griechenland gemäß der Verordnung (EU) Nr. 604/2013, C(2016) 8525 final, S. 17 f. Daraufhin wurden Abschiebungen aus Deutschland nach Griechenland wieder durchgeführt, FAZ, Wieder Rückführungen nach Griechenland geplant, www.faz.net/aktuell/

24 Einleitung

eine Überstellung nach Griechenland sogar einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK dar.20 Auch der EuGH diagnostizierte die Gefahr, dass asylsuchende Personen in Griechenland unmenschlicher und erniedrigender Behandlung im Sinne des Art. 4 GRC ausgesetzt werden.21 Das Bundesverfassungsgericht stoppte außerdem in mehreren Verfahren im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes Abschiebungen nach Griechenland.22 Bevor die Verfahren in der Hauptsache entschieden werden konnten, entschied sich das Bundesinnenministerium für die Erklärung eines befristeten, generellen Abschiebungsstopps nach Griechenland.23 Flankiert wird die Debatte um das Gemeinsame Europäische Asylsystem von den Forderungen nach oder gar dem Einleiten von Maßnahmen der EU respektive einzelner Mitgliedstaaten, die Flüchtlingen das Erreichen des EUGebiets erschweren oder unmöglich machen sollen. Zu nennen sind etwa die Errichtung von Zäunen und Kontrollen an EU-Außen- und Innengrenzen seitens beispielsweise Ungarns24 oder Abkommen mit Nicht-EU-Staaten wie z. B. der Türkei25 und Libyen26, welche die Weiterreise von Asylsuchenden hindern sollen. Prominent durch die Presse ging u. a. im Juni 2018 der Fall politik/inland/fluechtlingspolitik-erstmals-wieder-rueckfuehrungen-nach-griechen land-15139682.html (06.08.2017), letzter Zugriff am 03.06.2019; Süddeutsche Zeitung, Griechenland will Abschiebungen aus Deutschland wieder erlauben, www.sued deutsche.de/politik/asylverfahren-griechenland-will-abschiebungen-aus-deutschlandwieder-erlauben-1.3617689 (05.08.2017), letzter Zugriff am 03.06.2019. 20  EGMR, Case of M.S.S. v. Belgium and Greece, App. No. 30696/09, Urteil vom 21.01.2011, Rn. 360. 21  EuGH, Urt. v. 21. Dezember 2011, verb. Rs. C-411/10 und C-493/10, ECLI:EU:C:2011:865, insbesonder Rn. 86 ff. – N.S. und M. E. 22  Es wurde erwartet, dass sich das BVerfG in der Hauptsache „erneut kritisch“ mit der 1993 eingeführten Drittstaatenregelung auseinandersetzen würde, Weinzierl/ Hruschka, NVwZ 2009, 1540, S. 1540. 23  Zum genaueren Verfahrensgang s. Roeser, EuGRZ 2011, 445, S. 447 f., s. auch Fn. 33. 24  Zeit Online, Ungarn plant jetzt eine Mauer, www.zeit.de/politik/ausland/2016-08/ viktor-orban-grenzzaun-ausbau-ungarn-fluechtlinge (26.08.2016), letzter Zugriff am 02.03.18. 25  S. dazu Aykanat, Ein Jahr Flüchtlingsdeal – die Bilanz, www.sueddeutsche.de/ politik/eu-tuerkei-deal-ein-jahr-fluechtlingsdeal-die-bilanz-1.3424708 (18.03.17), letzter Zugriff am 02.03.18. Zur Erklärung EU-Türkei s. u. Teil E. IV. 26  Europäische Kommission, Communication […] on establishing a new Partnership Framework with third countries under the European Agenda on Migration, COM(2016) 385 final v. 7.6.2016; FAZ, Merkel will Flüchtlingsabkommen mit ­Libyen, www.faz.net/aktuell/politik/ausland/fluechtlingsabkommen-mit-libyen-nachtuerkischem-vorbild-geplant-15146927.html (11.08.17), letzter Zugriff am 02.03.18; Zeit Online, EU-Parlamentspräsident Tajani fordert Auffanglager in Libyen, www. zeit.de/politik/ausland/2017-02/fluechtlinge-libyen-antonio-tajani-auffanglager (27.02.2017), letzter Zugriff am 10.05.2018; Zeit Online, EU plant Auffanglager für



II. Untersuchungsgegenstand und -anlass25

der „Aquarius“, einem Rettungsschiff, das in Seenot geratene Flüchtlinge aus dem Mittelmeer gerettet hatte. Italien und Malta verweigerten der „Aquarius“ das Anlegen und von Bord Lassen der Geretteten. Obwohl die notwendige medizinische Versorgung von Kranken und Schwangeren an Bord nicht möglich war, mussten die Betroffenen mehrere Tage an Bord verweilen, bis Spanien sich zur Aufnahme bereiterklärte. Die Odyssee nahm im Hafen von Valencia ein Ende.27

II. Untersuchungsgegenstand und -anlass Solche und ähnliche Maßnahmen betreffen den Gegenstand dieser Arbeit, oder umgekehrt: Die Ergebnisse dieser Arbeit betreffen die rechtliche Zulässigkeit solcher Maßnahmen. Untersuchungsgegenstand ist die verfassungsrechtliche Zulässigkeit extraterritorialer Maßnahmen der Bundesrepublik Deutschland zur Steuerung der Einreise von Asylsuchenden und mithin die Frage nach der extraterritorialen Geltung des Art. 16a GG. Entfaltet Art. 16a GG gegenüber der Bundesrepublik Deutschland auch zu Gunsten von Per­ sonen Wirkungen, die sich (noch) außerhalb des Bundesgebietes befinden? Inwiefern werden die Handlungsmöglichkeiten der Bundesrepublik hinsichtlich extraterritorialer Maßnahmen insbesondere zur Zuwanderungssteuerung durch Art. 16a GG beschränkt? Ins Auge gefasst ist dabei insbesondere die Frage, ob die Bundesrepublik durch Maßnahmen zur Verhinderung des Erreichens des Bundesgebiets von potenziell Asylberechtigten das Asylgrundrecht verletzt. Wäre Art. 16a GG territorial auf das Bundesgebiet beschränkt, dürfte die Bundesrepublik gegenüber Asylsuchenden, die sich noch außerhalb der Bundesrepublik befinden, jedwede Maßnahmen ergreifen, ohne dass diese an Art. 16a GG zu messen wären.28 Geht man demgegenüber von einer extraterritorialen Geltung29 des Asylrechts aus, stellt sich die Frage, was das Individuum von der Bundesrepublik verlangen kann. Flüchtlinge in Libyen, www.zeit.de/politik/ausland/2016-04/eu-abkommen-fluecht linge-libyen-nordafrika (29.04.2016), letzter Zugriff am 10.05.2018. 27  Bensch, „Die Zustände an Bord sind nicht gut“, www.tagesschau.de/ausland/ aquarius-141.html (15.06.2018), letzter Zugriff am 19.06.2018; Tagesschau, Erste Flüchtlinge erreichen Hafen von Valencia, www.tagesschau.de/ausland/aquarius-spa nien-111.html (17.06.2018), letzter Zugriff am 19.06.2018. 28  Inwiefern eine Bindung aus anderen Grundrechten mit den Maßnahmen in Konflikt stehen könnten, ist nicht Gegenstand dieser asylrechtlich konzentrierten Arbeit. 29  Zu einer ausführlicheren Auseinandersetzung mit den Begriffen „Wirkung“, „Geltung“ und „Anwendbarkeit“ der Grundrechte s. z. B. Yousif, Die Extraterritoriale Geltung der Grundrechte (2007), S. 8 ff. und Elbing, Zur Anwendbarkeit der Grundrechte bei Sachverhalten mit Auslandsbezug (1992), S. 46 ff. In dieser Arbeit sollen diese synonym verwendet werden und die Bindung der deutschen Hoheitsgewalt an die Grundrechte bzw. Art. 16a Abs. 1 GG beschreiben.

26 Einleitung

Art. 16a GG sowie seine Vorgängervorschrift Art. 16 Abs. 2 S. 2 GG a. F. sind bzw. waren seit Inkrafttreten des Grundgesetzes im Jahre 1949 Gegenstand zahlreicher wissenschaftlicher Abhandlungen. Die hier erörterte Fragestellung wird dabei meistens zumindest gestreift. Eine vertiefte (monographische) Auseinandersetzung damit findet sich – soweit ersichtlich – nicht.30 Im Übrigen ist das Interesse am grundrechtlichen Asylrecht nach einer regelrechten Literaturlawine in den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts als Antwort auf die Asylrechtsreform spätestens seit Mitte der 2000er Jahre beinahe zum Erliegen gekommen. Der Fokus der rechtswissenschaftlichen Auseinandersetzung im Asylrecht schwenkte um auf das seitdem stark ausgebaute EU-rechtliche Asylsystem, von welchem teilweise angenommen wird, dass es den deutschen Art. 16a GG praktisch seiner Effektivität bzw. Wirksamkeit beraubt.31 Ziel dieser Arbeit ist es mithin, den Wirkungsbereich des Art. 16a GG in diesen „neuen“ unionsrechtlichen Kontext einzuordnen. In diesem Zusammenhang wird eine spezifische Schwierigkeit der hier behandelten Frage offenbar. So ist das Asylrecht ein Recht, das untrennbar mit internationalen Rechtsinstrumenten verwoben zu sein scheint.32 Zu nennen sind neben dem Gemeinsamen Europäischen Asylsystem der EU mit seinen zahlreichen Sekundärrechtsakten33 völkerrechtliche Menschenrechtsverträge, wie insbesondere die GFK34, die EMRK35, der IPbpR36 und die 30  Vgl. zu diesem Befund (hinsichtlich der Kommentarliteratur) auch Kluth, ZAR 2017, 105, S. 109, wonach wohl „stillschweigend“ davon ausgegangen werde, dass Asyl nur im Bundesgebiet beantragt werden könne. Nunmehr widmet allerdings ­Gärditz, Art. 16a, in: Maunz/Dürig, GG, 84. Aufl. August 2018, Rn. 305 ff., dem „Erreichen des Bundesgebiets“ einen eigenen Abschnitt. 31  Tiedemann, ZAR 2009, 161, S. 167, welcher es neben dem gemeinschaftsrechtlichen Flüchtlingsrecht als „schlicht sinnlos“ beschreibt; Lehner, Das Grundrecht auf Asyl und seine Folgerechte im Grundgesetz, in: Bungenberg/Giegerich/Stein, Asyl und Migration, 2016, insbesondere S. 111 („Marginalisierung“); vgl. dazu auch ­Dörig/Langenfeld, NJW 2016, 1, S. 2. 32  Gärditz, Art. 16a, in: Maunz/Dürig, GG, 84. Aufl. August 2018, Rn. 74; vgl. Papier, Asyl und Migration als Herausforderung für Staat und EU, in: Walter/Burgi, Flüchtlingspolitik, 2017, S. 119 f. 33  S. dazu unten Teil G. II. 34  Gesetz betreffend das Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 1. September 1953, BGBl. II S. 559. 35  Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten in der Fassung der Bekanntmachung der Neufassung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 22. Oktober 2010, BGBl. II, S. 1198, geändert durch das 15. EMRK-Protokoll vom 24. Juni 2013, Gesetz zu dem Protokoll Nr. 15 vom 24. Juni 2013 zur Änderung der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 2. Dezember 2014, BGBl. II, S. 1034. 36  Gesetz zu dem Internationalen Pakt vom 19. Dezember 1966 über bürgerliche und politische Rechte vom 15. November 1973, BGBl. II S. 1533.



III. Gang der Untersuchung27

AEMR37. Wie sich die einzelnen völkerrechtlichen Regelungen auf die extraterritoriale Reichweite des Art. 16a GG auswirken und wie sich Art. 16a GG auf der anderen Seite in das völkerrechtliche System des Menschenrechtsschutzes einfügt, wird dementsprechend zu berücksichtigen sein.38

III. Gang der Untersuchung Die Untersuchung gliedert sich in sieben Hauptteile. Zunächst wird untersucht, ob bzw. inwiefern eine extraterritoriale Asylrechtsgeltung gegen allgemeines Völkerrecht verstieße und welchen Einfluss ein solcher Verstoß auf den Gewährleistungsgehalt der Grundrechte des Grundgesetzes hätte (A.). Da Art. 16a GG keine eindeutige Aussage über seine territoriale Reichweite entnommen werden kann, wird im Anschluss untersucht, ob dem Grundgesetz allgemein Aussagen zu einer extraterritorialen Grundrechtsgeltung für gebietsfremde Ausländer entnommen werden können (B.). Dabei wird auf einen im deutschen rechtswissenschaftlichen Schrifttum seit Jahrzehnten geführten Streit einzugehen sein. Die in Teil B. gefundenen Ergebnisse werden sodann in einem Teil C. auf Art. 16a GG angewendet. Daraufhin wird die territoriale Reichweite des Asylgrundrechts durch Auslegung des Art. 16a GG ermittelt (D.). Dazu wird das Asylrecht mithilfe der klassischen Methoden hinsichtlich einer territorialen Beschränkung ausgelegt (I.). Im Anschluss daran wird untersucht, ob bzw. inwiefern die übrigen, im Jahre 1993 eingeführten Absätze des Art. 16a GG Einfluss auf die territoriale Reichweite des Art. 16a Abs. 1 GG haben (II. und III.). Im darauffolgenden Teil E. wird das Ergebnis der vorhergehenden Teile anhand dreier Fallbeispiele dargestellt. Es wird untersucht, ob bzw. unter welchen Voraussetzungen das extraterritorial geltende Asylrecht des Grundgesetzes einen Anspruch auf Erteilung eines Asylvisums enthält (II.). Gerade diese Frage gewinnt vor dem Hintergrund eines vom EuGH im Jahre 2017 gefällten Urteils an Aktualität. So stellte dieser fest, dass das Unionsrecht keinen Anspruch auf Erteilung eines Asylvisums enthalte und dass es infolgedessen für die Beantwortung dieser Frage auf das jeweilige nationale Recht ankomme.39 Danach wird untersucht, wie sich die Rechtslage für Asylsuchende an Bord von Schiffen darstellt, die unter der Bundesflagge 37  Vereinte Nationen, Resolution der Generalversammlung 217 A (III). Allgemeine Erklärung der Menschenrechte vom 10. Dezember 1948, abrufbar unter: www.un.org/ depts/german/menschenrechte/aemr.pdf (zuletzt abgerufen am 19.06.2018). 38  S. insbesondere Teil A. und G. 39  Zu diesem Urteil und dessen Bedeutung für diese Arbeit s. u. Teil E. II. und Teil G. II. 7. c).

28 Einleitung

fahren (III.). Diese Frage gewinnt vor dem oben geschilderten zeitgeschichtlichen Hintergrund – insbesondere um den Fall der „Aquarius“ – an Bedeutung. Schließlich wird auf die Erklärung EU-Türkei eingegangen, welche insbesondere die Rückführung von in Griechenland ankommenden irregulären Migranten in die Türkei vorsieht (IV.). In Teil F. werden dann die verfahrensrechtlichen Auswirkungen eines extraterritorial geltenden Asylrechts dargestellt. Dabei wird zunächst auf die verbreitet postulierte Verfahrensabhängigkeit des Asylrechts und seine verfassungsrechtlichen Implikationen einzugehen sein (I.). Daraufhin wird gefragt, ob das extraterritoriale Asylrecht gemäß Art. 16a GG die Einrichtung und Durchführung von Asylverfahren für gebietsfremde Ausländer erfordert (II.). Im Anschluss wird gefragt, ob gebietsfremden Ausländern im Hinblick auf das extraterritoriale Asylrecht Rechtsschutz zu gewähren ist und welche Anforderungen an einen solchen zu stellen wären (III.). Schließlich wird in Teil G. das extraterritoriale Asylrecht des Art. 16a GG in das Gemeinsame Europäische Asylsystem der Europäischen Union eingefügt. Dabei wird untersucht, ob der Anwendungsvorrang des Unionsrechts die nationalrechtlich bestehende extraterritoriale Geltung des Asylrechts wieder einschränkt. Untersucht werden die einzelnen unionsrechtlichen Sekundärrechtsakte, wobei die Dublin III-Verordnung einen Schwerpunkt der Analyse bilden wird.

A. Territoriale Beschränkung aufgrund Völkerrechts Eine Beschränkung des Asylrechts auf sich innerhalb des Staatsgebiets der Bundesrepublik befindliche Personen – gebietsinterne Personen – könnte u. a. damit begründet werden, dass eine extraterritoriale Wirkung des Asylrechts eine Völkerrechtsverletzung darstellt. Der jeweilige Verfolgerstaat könnte das von einem anderen Staat gewährte Asyl erst dann zu tolerieren haben, wenn die schutzsuchende Person das Staatsgebiet des Zufluchtsstaates erreicht hat. Völkerrechtlich dürfte Asyl gemäß Art. 16a GG demnach erst dann gewährt werden, wenn die flüchtende Person das Staatsgebiet der Bundesrepublik Deutschland erreicht hat.40 Dabei könnte eine derartige begrenzte territoriale Geltung des Asylgrundrechts aufgrund Völkerrechts grundsätzlich in zweierlei Weise begründet werden. Zum einen könnte die Begrenzung durch eine dem Grundrecht gegenüber höherrangige Norm erfolgen. Zum anderen könnte das Asylgrundrecht selbst tatbestandlich eine Beschränkung auf das völkerrechtlich Zulässige beinhalten.41 An dieser Stelle wird nur untersucht, ob das Völkerrecht – als höherrangiges Recht – die räumliche Reichweite des Asylgrundrechts bestimmt. Auf die Frage, ob Art. 16a Abs. 1 GG tatbestandlich auf das völkerrechtlich Zulässige beschränkt ist, wird zu einem späteren Zeitpunkt im Rahmen der Auslegung des Art. 16a Abs. 1 GG eingegangen.42 40  Vgl. Kreßel, DÖV 1988, 501, S. 503, demzufolge die territoriale Begrenzung des Asylrechts (auch) eine „völkerrechtliche Rechtfertigung“ habe, „da die Zuerkennung der Asylberechtigung einer im Ausland befindlichen Person in die Hoheitsbefugnisse des Verfolgerstaates oder eines Drittstaates eingreifen [könne]“; vgl. Arnauld, Art. 16a, in: Münch/Kunig, GG, 6. Aufl. 2012, Rn. 25, demzufolge das Asylrecht zwar für gebietsfremde Ausländer schon entstehe, die „Durchsetzung des Anspruchs“ [im Original hervorgehoben] allerdings „im Einklang mit der völkerrechtlichen Differenzierung zwischen einer jurisdiction to prescribe und einer jurisdiction to enforce“ [Hervorhebung im Original] nur im eigenen Staatsgebiet „gestattet“ sei. Daher könne insbesondere nicht in deutschen Botschaften „wirksam um Asyl nachgesucht werden“; vgl. Waldstein, Das Asylgrundrecht im europäischen Kontext (1993), S. 35. 41  Elbing, Zur Anwendbarkeit der Grundrechte bei Sachverhalten mit Auslandsbezug (1992), S. 57; vgl. Hailbronner, Asylrecht und Völkerrecht, in: Hb AsylR I, 1980, S. 106 f. Zu dieser Unterscheidung der möglichen Begrenzungen im Hinblick auf den räumlichen Geltungsbereich von verwaltungsrechtlichen Normen Vogel, Der räumliche Anwendungsbereich der Verwaltungsrechtsnorm (1965), S. 341. 42  Siehe unten Teil D. I. 1. b) (2). Des Weiteren beschäftigt sich der vorliegende Abschnitt allein mit allgemeinem Völkerrecht, während dem Recht der Europäischen Union unten ein eigener Teil G. gewidmet wird.

30

A. Territoriale Beschränkung aufgrund Völkerrechts

I. Völkerrechtsverletzung durch die Gewährleistung eines extraterritorialen Asylgrundrechts Konfligiert das Völkerrecht also mit einer extraterritorialen Asylgrundrechtsgewährleistung? Als Anknüpfungspunkt kommen gemäß Art. 38 Abs. 1 IGH-Statut verschiedene Völkerrechtsquellen in Betracht, namentlich völkerrechtliche Verträge, Völkergewohnheitsrecht und allgemeine Rechtsgrundsätze.43 1. Keine Verletzung allgemeiner Rechtsgrundsätze Die allgemeinen Rechtsgrundsätze beschreiben Grundsätze, die übereinstimmend in den nationalstaatlichen Rechtsordnungen vorgefunden werden, wie z. B. pacta sunt servanda oder das Gebot von Treu und Glauben.44 Wegen ihrer Allgemeinheit kommt ihnen gegenüber den Normen des Vertragsund Gewohnheitsrechts lediglich subsidiäre Funktion zu.45 Ein solcher Grundsatz, der der extraterritorialen Geltung des deutschen Asylrechts entgegenstehen würde, also ein Grundsatz, demzufolge die Gewährleistung eines extraterritorial geltenden Asylrechts verboten wäre, ist nicht ersichtlich. 2. Keine Verletzung von Völkervertragsrecht Ein völkerrechtlicher Vertrag, gegen den die extraterritoriale Einräumung von Asylrecht verstoßen würde, ist ebenfalls nicht ersichtlich. Dazu hätte die 43  Statut des Internationalen Gerichtshofs vom 26. Juni 1945, Gesetz zum Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zur Charta der Vereinten Nationen vom 6. Juni 1973, BGBl. II, S. 421, 505. Die ebenfalls aufgezählten richterlichen Entscheidungen und Lehrmeinungen dienen dabei nicht als eigene Rechtsquelle, sondern als Hilfe zur Bestimmung der übrigen drei Rechtsquellen. Sie sind sog. Rechtserkenntnisquellen, Arnauld, Völkerrecht (2016), 3.  Aufl., Rn. 279; Herdegen, Völkerrecht (2018), 17. Aufl., § 14, Rn. 1, § 21, Rn. 1; Stein/Buttlar/Kotzur, Völkerrecht (2017), 14. Aufl., Rn. 160, 169; Vitzthum, Begriff, Geschichte und Rechtsquellen des Völkerrechts, in: Völkerrecht, 7. Aufl. 2016, Rn. 147; Thirlway, Sources of International Law, in: Evans, International Law, 4. Aufl. 2014, S. 105. Diese bleiben folglich vorliegend unberücksichtigt. 44  Arnauld, Völkerrecht (2016), 3.  Aufl., Rn.  263  ff.; Herdegen, Völkerrecht (2018), 17. Aufl., § 17, Rn. 1 ff.; Stein/Buttlar/Kotzur, Völkerrecht (2017), 14. Aufl., Rn. 162 f., auch zu weiteren Beispielen; Thirlway, Sources of International Law, in: Evans, International Law, 4. Aufl. 2014, S. 104 f.; Geiger, Staatsrecht III (2018), 8. Aufl., S.  84 f. 45  Stein/Buttlar/Kotzur, Völkerrecht (2017), 14. Aufl., Rn. 165; Vitzthum, Begriff, Geschichte und Rechtsquellen des Völkerrechts, in: Völkerrecht, 7. Aufl. 2016, Rn. 142; Schweitzer/Dederer, Staatsrecht III (2016), 11. Aufl., Rn. 492.



I. Gewährleistung eines extraterritorialen Asylgrundrechts31

Bundesrepublik sich vertraglich dazu verpflichten müssen, kein extraterritorial geltendes Asylrecht zu gewährleisten. Vielmehr hat die Bundesrepublik Abkommen wie die EMRK, den IPbpR und die GFK unterzeichnet und ratifiziert, in denen sie sich zur Gewährleistung und eben nicht zur Ablehnung von bestimmten Menschenrechten verpflichtet hat. In Art. 14 AEMR findet gar die Gewährung und nicht das Verbot von Asyl Erwähnung.46 3. Verstoß gegen Völkergewohnheitsrecht Sowohl die allgemeinen Rechtsgrundsätze als auch das Völkervertragsrecht enthalten mithin kein Verbot der extraterritorialen Asylrechtsgewährleistung. Zu prüfen bleibt, ob eine extraterritoriale Asylrechtsgewährleistung gegen Völkergewohnheitsrecht verstößt. Bei Völkergewohnheitsrecht handelt es sich um ungeschriebene Rechtssätze, die sich aus consuetudo und opinio juris, d. h. aus einer von der Rechtsüberzeugung der Völkerrechtssubjekte getragenen allgemeinen Übung zusammensetzen.47 Zunächst wird geprüft, ob eine extraterritoriale Asylgrundrechtsgewährleistung gegen fremde staatliche Sourveränität verstößt.48 Im Anschluss wird untersucht, ob den völkergewohnheitsrechtlichen Regeln zum Botschaftsasyl und zur Rechtslage auf See Aussagen hinsichtlich eines Verbots nationaler, extraterritorialer Asylgrundrechtsgewährleistungen entnommen werden können. a) Verletzung fremder staatlicher Souveräniät Die Völkerrechtskonformität von staatlichem Handeln hängt davon ab, ob der betreffende Staat im Rahmen seiner Hoheitsmacht (jurisdiction) handelt und durch seine Handlung nicht die Souveränität eines anderen Staates ver46  Damit ist keine Aussage darüber getroffen, ob diese Verträge einen Individualanspruch auf Gewährleistung von Asylrecht beinhalten. Es sei lediglich festgestellt, dass diese die Gewährung von extraterritorial geltendem Asylrecht jedenfalls nicht verbieten. 47  Arnauld, Völkerrecht (2016), 3. Aufl., Rn. 250; Herdegen, Völkerrecht (2018), 17. Aufl., § 16, Rn. 1; Stein/Buttlar/Kotzur, Völkerrecht (2017), 14. Aufl., Rn. 124; Vitzthum, Begriff, Geschichte und Rechtsquellen des Völkerrechts, in: Völkerrecht, 7. Aufl. 2016, Rn. 131; Thirlway, Sources of International Law, in: Evans, International Law, 4. Aufl. 2014, S. 98; Schweitzer/Dederer, Staatsrecht III (2016), 11. Aufl., Rn. 463. 48  Bei der Regel, dergemäß die Vornahme staatlicher Hoheitsakte auf fremdem Staatsgebiet einer Rechtfertigung bedarf, handelt es sich um Völkergewohnheitsrecht, Vogel, Der räumliche Anwendungsbereich der Verwaltungsrechtsnorm (1965), S. 342.

32

A. Territoriale Beschränkung aufgrund Völkerrechts

letzt.49 Im Völkerrecht ist dabei zwischen der jurisdiction to prescribe – der Hoheitsmacht Sachverhalte zu regeln – und der jurisdiction to enforce – der Hoheitsmacht, die Regelung zu vollziehen – zu unterscheiden.50 Im Folgenden wird geprüft, ob bzw. inwieweit die Gewährleistung eines extraterritorialen Asylgrundrechts gegen fremde Hoheitsmacht verstoßen würde bzw. inwiefern diese im Rahmen der Hoheitsmacht der Bundesrepublik liegt. (1) Jurisdiction to enforce Die jurisdiction to enforce ist grundsätzlich an das eigene Staatsgebiet, d. h. an die Reichweite der eigenen Gebietshoheit gebunden.51 Vollzugsmaßnahmen dürfen auf fremdem Hoheitsgebiet nur ausnahmsweise vorgenommen werden, ohne dass gegen fremde Gebietshoheit verstoßen würde. Dies ist z. B. dann der Fall, wenn der fremde Staat dies ausdrücklich erlaubt52 oder dies durch Resolutionen des UN-Sicherheitsrats erlaubt wird.53 Die Bundesrepublik kann damit auf fremdem Staatsgebiet grundsätzlich – abgesehen vom Vorliegen eines der genannten Ausnahmefälle – keine Maßnahmen zur Durchsetzung bzw. Erfüllung eines Rechts ergreifen. Dies verstieße grundsätzlich gegen die fremde Gebiets- bzw. Personalhoheit.54 Im Hinblick auf das Asylrecht beträfe das z. B. das aktive Befördern einer politisch verfolgten Person aus ihrem Heimatstaat in die Bundesrepublik.55 Selbst wenn die bloße Einräumung eines extraterritorial geltenden Grundrechts

49  Dazu, dass Staaten durch bestimmte Handlungen bzw. Hoheitsakte fremde Souveränität verletzen können Arnauld, Völkerrecht (2016), 3. Aufl. Rn. 336 ff.; Herdegen, Völkerrecht (2018), 17. Aufl., § 26, Rn. 1, § 23, Rn. 3. Vgl. Brownlie, Principles of public international law (2008), 7. Aufl., S. 299, wonach das Ausreichen einer Begründung von jurisdiction in der Regel im Verhältnis zu den Rechten anderer Staaten bestimmt werde und keine Frage von grundsätzlicher Kompetenz sei. 50  Arnauld, Völkerrecht (2016), 3. Aufl., Rn. 346; Stein/Buttlar/Kotzur, Völkerrecht (2017), 14. Aufl., Rn. 609; Staker, Jurisdiction, in: Evans, International Law, 4. Aufl. 2014, S. 312. 51  Arnauld, Völkerrecht (2016), 3. Aufl., Rn. 346; Staker, Jurisdiction, in: Evans, International Law, 4. Aufl. 2014, S. 331. 52  Z. B. durch vertragliche Abreden zwischen den Staaten, Arnauld, Völkerrecht (2016), 3. Aufl., Rn. 337; Staker, Jurisdiction, in: Evans, International Law, 4. Aufl. 2014, S. 332. 53  Werner, Die Grundrechtsbindung der Bundeswehr (2006), S. 100; Arnauld, Das (Menschen-)Recht im Auslandseinsatz, in: Streitkräfte und Menschenrechte, 2008, S. 74. 54  Staker, Jurisdiction, in: Evans, International Law, 4. Aufl. 2014, S. 331. 55  Ob eine solche Handlung von Art. 16a GG geschuldet ist, wird in einem späteren Abschnitt zu erörtern sein. S. insbesondere Teil C. und Teil E.



I. Gewährleistung eines extraterritorialen Asylgrundrechts33

nicht gegen Völkerrecht verstieße,56 könnte je nach Gewährleistungsgehalt – wenn also das Asylgrundrecht z. B. einen Anspruch auf aktives Befördern in die Bundesrepublik enthielte – damit zumindest dessen extraterritoriale Durchsetzung gegen Völkerrecht verstoßen. (2) Jurisdiction to prescribe Die jurisdiction to prescribe ist demgegenüber regelmäßig weiter, allerdings auch nicht unbegrenzt.57 Für die Zuständigkeit zur Regelung eines Sachverhalts ist grundsätzlich ein sog. genuine link, d. h. eine sinnvolle Anknüpfung58 an den Regelungsstaat zu fordern, welcher vorwiegend durch einen Bezug entweder zum Staatsgebiet oder über die Staatsangehörigkeit begründet wird.59 Damit soll eine Einmischung in den Hoheitsbereich fremder Staaten vermieden werden.60 56  Dazu

sogleich. wird angenommen, der Ständige Internationale Gerichtshof habe im Fall S.S. „Lotus“ (PCIJ, Case of the S.S. „Lotus“, Series A, No. 10, Urteil vom 07.09.1927) ausgeführt, die jurisdiction to prescribe sei unendlich, es sei denn ein ausdrückliches völkerrechtliches Verbot stünde dem entgegen. Dies basiert allerdings auf einer Fehlinterpretation des Urteils, Staker, Jurisdiction, in: Evans, International Law, 4. Aufl. 2014, S. 314 f., welcher dem Urteil keine so weitreichende völkerrechtliche Befugnis entnimmt und bei der Regelung von Sachverhalten mit Auslandsbezug eine Anknüpfung an den eigenen Staat fordert. Zum Lotus-Urteil s. allerdings Herdegen, Völkerrecht (2018), 17. Aufl., § 26, Rn. 6, welcher dem Urteil einen solchen weiten Handlungsspielraum entnimmt, der nur durch einzelne Verbotsregeln eingeschränkt sei. Das Erfordernis einer Rechtfertigung entnimmt er allein der jüngeren Entwicklung des Völkerrechts und nicht dem Lotus-Fall selbst; ebenso interpretiert von Stein/Buttlar/Kotzur, Völkerrecht (2017), 14. Aufl., Rn. 605 f. 58  Zur Terminologie: Arnauld, Das (Menschen-)Recht im Auslandseinsatz, in: Streitkräfte und Menschenrechte, 2008, S. 73, spricht von einem „legitimen Anknüpfungspunkt“; so auch Bothe, UPR 1983, 1, S. 2; BVerfG, NVwZ 2008, 878, S. 879, spricht von einem „legitimierenden Anknüpfungspunkt“; Baldus, Transnationales Polizeirecht (2001), S. 153: „sinnvoller Anknüpfungspunkt“; so auch Badura, § 47, in: HGR II, 2006, Rn. 8; Krieger, Die Reichweite der Grundrechtsbindung, in: Parlamentarische Kontrolle, 2008, S. 3, spricht von einer „echten Verknüpfung“; Bleckmann, DVBl. 1980, 693, S. 699, spricht von einer sachlichen Verbindung; Yousif, Die Extraterritoriale Geltung der Grundrechte (2007), S. 73, spricht von einer „sinnvollen Anknüpfung“. Im Folgenden soll von einem „sinnvollen Anknüpfungspunkt“ bzw. einer „sinnvollen Anknüpfung“ die Rede sein. 59  BVerfG, NVwZ 2008, 878, S. 879, spricht von einem „legitimierenden Anknüpfungspunkt“, der durch Gebiets- oder Personalhoheit begründet werden könne. Zu weiteren Anknüpfungspunkten s. Arnauld, Völkerrecht (2016), 3. Aufl., Rn. 347; Herdegen, Völkerrecht (2018), 17. Aufl., § 26, Rn. 1 ff.; Stein/Buttlar/Kotzur, Völkerrecht (2017), 14. Aufl., Rn. 606 ff.; Geiger, Staatsrecht III (2018), 8. Aufl., S. 291. 60  Vgl. Stein/Buttlar/Kotzur, Völkerrecht (2017), 14. Aufl., Rn. 601. 57  Teilweise

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A. Territoriale Beschränkung aufgrund Völkerrechts

(3) Völkerrechtliche Kompetenz der Bundesrepublik Deutschland zur Gewährleistung extraterritorialen Asylrechts Nun stellt sich die Frage, ob die Gewährleistung bzw. Regelung eines extraterritorial geltenden Asylgrundrechts gegen fremde staatliche Souveränität verstieße bzw. inwiefern die Bundesrepublik Deutschland die völkerrechtliche Kompetenz für die Gewährleistung extraterritorialen Asylrechts hat. (a) G  rundrechte als Regelung von Sachverhalten – grundsätzliches ­Erfordernis eines sinnvollen Anknüpfungspunktes Die Grundrechte des deutschen Grundgesetzes sind vornehmlich als subjektive Rechte konzipiert, die den Einzelnen dazu berechtigen, unter bestimmten Umständen von der Bundesrepublik Deutschland ein bestimmtes Verhalten (positives Tun oder Unterlassen) zu verlangen.61 Bei der Einräumung von Grundrechten durch das Grundgesetz handelt es sich damit um die Regelung von Sachverhalten im völkerrechtlichen Sinne.62 Für eine Geltung außerhalb des Staatsgebiets der Bundesrepublik wäre aus völkerrechtlicher Sicht grundsätzlich eine sinnvolle Anknüpfung der Grundrechtsträger an die Bundesrepublik erforderlich.63 Bei einer Geltung gegenüber deutschen Staatsangehörigen wäre ein solcher Anknüpfungspunkt in der Staatsangehörigkeit zu sehen, welche grundsätzlich die Personalhoheit der Bundesrepublik begründet.64 Deutschen Staatsangehörigen gegenüber wäre eine extraterritoriale Grundrechts- bzw. Asylrechtsgeltung mithin grundsätzlich völkerrechtmäßig. Das Asylrecht des Art. 16a GG adressiert allerdings nur Personen ohne deutsche Staatsangehörigkeit.65 Für einen gebietsfremden Ausländer 61  Ramsauer, JuS 2012, 769, S. 772; Herdegen, Art. 1 Abs. 3, in: Maunz/Dürig, GG, 84. Aufl. August 2018, Rn. 13. Zur Abgrenzung zwischen Abwehr- und Leistungsrechten s. u. Teil C. I. 62  Nettesheim, § 241, in: HStR XI, 3. Aufl. 2013, Rn. 55; Elbing, Zur Anwendbarkeit der Grundrechte bei Sachverhalten mit Auslandsbezug (1992), S. 138. 63  Elbing, Zur Anwendbarkeit der Grundrechte bei Sachverhalten mit Auslandsbezug (1992), S. 138 f. 64  Stein/Buttlar/Kotzur, Völkerrecht (2017), 14. Aufl., Rn. 560; Arnauld, Völkerrecht (2016), 3. Aufl., Rn. 347. 65  Becker, § 240, in: HStR XI, 3.  Aufl. 2013, Rn. 76; Maaßen, Art. 16a, in: BeckOK GG, 39. Aufl. 15.11.2018, Rn. 11 ff.; Zimmermann/Tams, Art. 16a, in: Berliner Kommentar, 2018 (Stand: 19. EL 2007), Rn. 64 f. Die Frage, ob Art. 16a Abs. 1 GG auch für deutsche Staatsangehörige gilt, muss hier nicht weiter entfaltet werden. Relevant ist an dieser Stelle allein die Feststellung, dass Art. 16a Abs. 1 GG (zumindest auch) für Personen gilt, die nicht die deutsche Staatsangehörigkeit haben, für die also keine Personalhoheit der Bundesrepublik besteht.



I. Gewährleistung eines extraterritorialen Asylgrundrechts35

bestehen allerdings weder Personal- noch Gebietshoheit, sodass grundsätzlich kein sinnvoller Anknüpfungspunkt zur Bundesrepublik gegeben ist. (b) K  ein Konflikt mit fremder staatlicher Souveränität durch Einräumung von Individualrechten Fraglich ist jedoch, ob das Erfordernis eines sinnvollen Anknüpfungspunktes auch im Falle einer Grundrechtsgewährung zu fordern ist.66 Die Forderung nach einem sinnvollen Anknüpfungspunkt wird insbesondere in solchen Fällen diskutiert, in denen das Verhalten einer Person sanktioniert oder auf eine andere Weise einer Belastung unterworfen werden soll, etwa bei Strafvorschriften oder steuerlichen Regelungen.67 Bei der Asylgewährung – so wie bei der Gewährung von Grundrechten allgemein – räumt ein Staat der betroffenen Person jedoch ein subjektives Recht, eine Begünstigung ein. Von dieser Begünstigung kann die Person dann nach eigenem Ermessen Gebrauch machen oder nicht. Im Hinblick auf die Wahrung fremder staatlicher Souveränität könnte die Grundrechtsgewährung qualitativ etwas anderes sein als die Anwendung (belastender) einfacher Gesetze.68 Es könnte angenommen werden, dass die Einräumung eines Individualanspruchs gegen die Bundesrepublik allein keine Auswirkungen auf den jeweiligen fremden Staat und das dort geregelte Zusammenleben hat.69 Durch die Gewährung von Grundrech66  S. hierzu Baldus, Transnationales Polizeirecht (2001), S. 152 f., demzufolge kein Völkerrechtssatz existiere, der es einem Staat verbiete, sich bei extraterritorialem Handeln seinen Grundrechten zu unterwerfen; Bleckmann, DVBl. 1980, 693, S. 701, demzufolge das Völkerrecht hinsichtlich der Begründung von Rechten für Ausländer „flexibler“ sei als hinsichtlich der Begründung von Pflichten. 67  S. z. B. BVerfGE 63, 343 (369), zum Erfordernis eines Anknüpfungspunktes für eine Abgabenerhebung; s. auch die Äußerungen von Merten, Räumlicher Geltungsbereich, in: FS H. Schiedermair, 2001, S. 333 f. 68  Krieger, Die Reichweite der Grundrechtsbindung, in: Parlamentarische Kontrolle, 2008, S. 4; Yousif, Die Extraterritoriale Geltung der Grundrechte (2007), S. 73; Robbers, Sicherheit als Menschenrecht (1987), S. 212 f., demzufolge die „Einräumung von Rechten“ für Gebietsfremde die „Vermittlung von Vorteilen und keine Ausübung von Hoheitsakten“ sei; Herdegen, Völkerrecht (2018), 17. Aufl., § 26, Rn. 3, wonach ein Staat fremden Staatsangehörigen im Ausland Begünstigungen nach Belieben einräumen könne; Quaritsch, § 120, in: HStR V, 2. Aufl. 2000, Rn. 73, wonach zumindest die Begünstigung von Ausländern zulässig sei; Ziegenhain, Extraterritoriale Rechtsanwendung (1992), S. 245, welcher zwischen fakultativen und zwingenden Normen unterscheidet; vgl. Bungert, Kapitalgesellschaften (1994), S. 234. Zweifelnd demgegenüber Oppermann, Transnationale Ausstrahlung deutscher Grundrechte?, in: FS Grewe, 1981, S. 535. 69  Ziegenhain, Extraterritoriale Rechtsanwendung (1992), S. 245, wonach Private im Ausland ein „Angebot zur Wahrnehmung einer Rechtsposition entgegennehmen [können], ohne daß ersichtliche Interessen des respektiven Staates beeinträchtigt wür-

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A. Territoriale Beschränkung aufgrund Völkerrechts

ten legt die Bundesrepublik allein sich selbst Pflichten auf.70 Zu differenzieren ist allerdings zwischen den verschiedenen Grundrechtsdimensionen.71 (aa) Abwehrrechtliche Dimension Jedenfalls in der abwehrrechtlichen Dimension wirken die Grundrechte gerade nicht „zuständigkeitserweiternd“, sondern „zuständigkeitsbeschrän­ kend“.72 Mit anderen Worten: Die extraterritoriale Grundrechtsgeltung verringert die potenziellen (extraterritorialen) Handlungsmöglichkeiten der Bundesrepublik.73 Eine solche Selbstbeschränkung von Handlungsmöglichkeiten kann nicht als Verletzung einer fremden staatlichen Souveränität qualifiziert werden.74 In ihrer abwehrrechtlichen Dimension wirken die Grundden“; Bierwirth, ZAR 1987, 64, S. 64 f., wonach eine Asylzusage für eine Person, die sich noch im Heimatstaat befindet, ihre rechtlichen Wirkungen erst mit Einreise in die Bundesrepublik entfalten würde; BVerwGE 69, 323 (329 f.), wonach die Anerkennung von Asyl für einen Ausländer im Ausland die fremde Souveränität nicht berühre; Bothe, UPR 1983, 1, S. 2, wonach die Gewährung von Rechten keine Ausübung von Hoheitsgewalt sei; vgl. aber Yousif, Die Extraterritoriale Geltung der Grundrechte (2007), S. 13, derzufolge Staaten allein in der Zuerkennung von Grundrechten schon eine Souveränitätsverletzung sehen könnten. 70  Bleckmann/Busse, DVBl. 1977, 794, S. 795; Merten, Räumlicher Geltungsbereich, in: FS H. Schiedermair, 2001, S. 333 f.; Sachs, Das Recht zum Aufenthalt im Staatsgebiet, in: Staatsrecht IV/1, 2006, S. 751. Zum Verständnis des Asylrechts als freiwillige Einschränkung der eigenen Souveränität durch den es gewährenden Staat s. Woyczechowski, Zwischen Vermutung und Gewissheit (2003), S. 36. 71  Lorenz, Der territoriale Anwendungsbereich der Grund- und Menschenrechte (2005), S. 162; Kötter/Nolte, DÖV 2007, 186, S. 190 f., unterscheiden hinsichtlich der abwehr- und der schutzrechtlichen Dimension; Schwander, Extraterritoriale Wirkung von Grundrechten im Mehrebenensystem (2019), S. 162 ff., differenziert zwischen status negativus und positivus. Zur Abgrenzung der abwehr- und leistungsrechtlichen Dimension s. u. Teil C. I. 72  Walter, § 237, in: HStR XI, 3. Aufl. 2013, Rn. 51 [Hervorhebung nicht im Original]; Sachs, Das Recht zum Aufenthalt im Staatsgebiet, in: Staatsrecht IV/1, 2006, S. 751; Weizsäcker, Grundrechte und freiwillige Migration (2007), S. 75; Walter/Ungern-Sternberg, DÖV 2012, 861, S. 865, meinen zwar, dass die extraterritoriale Anwendbarkeit allein der Grundrechte (ohne Vorliegen eines Bundeswehreinsatzes) eine Erweiterung der deutschen Hoheitsgewalt ins Ausland darstelle, erkennen jedoch ebenfalls, dass die Grundrechte in ihrer abwehrrechtlichen Dimension zuständigkeitsbeschränkend wirken und damit kaum das Souveränitätsprinzip verletzen könnten. 73  Von „Handlungsrestriktionen“ spricht Arnauld, Das (Menschen-)Recht im Auslandseinsatz, in: Streitkräfte und Menschenrechte, 2008, S. 73; von einer „Begrenzung“ von Staatsgewalt spricht Elbing, Zur Anwendbarkeit der Grundrechte bei Sachverhalten mit Auslandsbezug (1992), S. 222. 74  Arnauld, Das (Menschen-)Recht im Auslandseinsatz, in: Streitkräfte und Menschenrechte, 2008, S. 73, demzufolge die Grundrechte in ihrer abwehrrechtlichen Dimension zu einem Unterlassen verpflichteten und sich insoweit mit dem Territoria-



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rechte auf völkerrechtlicher Ebene damit gewissermaßen als Schutz fremder staatlicher Souveränität.75 Mit anderen Worten: Die Gewährleistung von Grundrechten in ihrer abwehrrechtlichen Dimension stellt keine Ausübung von Hoheitsgewalt dar, welche mit fremder staatlicher Souveränität in Konflikt geraten könnte.76 Eine extraterritoriale Grundrechtsgeltung wäre mithin, soweit dadurch allein die abwehrrechtliche Dimension aktiviert würde, keine Völkerrechtsverletzung. (bb) Leistungsrechtliche Dimension Anders ist die Lage jedoch hinsichtlich der leistungsrechtlichen Dimension der Grundrechte zu bewerten.77 Gewähren die Grundrechte dem Individuum litätsprinzip deckten; Gröpl, ZRP 1995, 13, S. 17, demzufolge deutsche Staatsgewalt „allenfalls bei einem Bruch des Fernmeldegeheimnisses“ in Konflikt mit ausländischem Recht gerate und nicht bei seiner Befolgung; Wahl/Schütz, § 42 Abs. 2, in: VwGO, 33. Aufl. Juni 2017, Rn. 222, wonach der Schutz ausländischer Grenznachbarn keine Ausübung von Hoheitsgewalt darstelle; Yousif, Die Extraterritoriale Geltung der Grundrechte (2007), S. 88, weist darauf hin, dass die Grundrechte in ihrer abwehrrechtlichen Dimension ein Unterlassen verlangen, wodurch die Souveränität anderer Staaten unberührt bleibe; Lorenz, Der territoriale Anwendungsbereich der Grund- und Menschenrechte (2005), S. 83, demzufolge „die menschenrechtliche Zähmung der kompetenzlosen Vornahme einer extraterritorialen Handlung […] keine Souveränitätsverletzung [beinhalte].“ 75  Krieger, Die Reichweite der Grundrechtsbindung, in: Parlamentarische Kontrolle, 2008, S. 4, derzufolge die abwehrrechtliche Dimension Konflikte mit dem jeweiligen fremden Staat vermeide; Becker, § 240, in: HStR XI, 3. Aufl. 2013, Rn. 8, nennt es „souveränitätsschonender“, zwar ohne Konkretisierung auf die abwehrrechtliche Dimension, aber an eine Handlung der Staatsgewalt anknüpfend; Vitzthum, Extraterritoriale Grundrechtsgeltung, in: FS Bothe, 2008, S. 1222, im Zusammenhang mit der Auslandsaufklärung durch den BND. Ihm zufolge belaste die Auslandsaufklärung selbst die auswärtigen Beziehungen, nicht die Erstreckung der (Abwehr)Grundrechtsgeltung auf diese Tätigkeit; vgl. Lorenz, Der territoriale Anwendungsbereich der Grund- und Menschenrechte (2005), S. 161. 76  Koops, Seeräubereibekämpfung durch die Bundeswehr im Einklang mit dem Grundgesetz (2013), S. 164 ff.; Zimmermann, ZRP 2012, 116, S. 117; vgl. Menzel, Internationales Öffentliches Recht (2011), S. 565, 567; vgl. Robbers, Sicherheit als Menschenrecht (1987), S. 212 f. 77  Walter, § 237, in: HStR XI, 3. Aufl. 2013, Rn. 51; Yousif, Die Extraterritoriale Geltung der Grundrechte (2007), S. 88; in diese Richtung gehen auch die Äußerungen von Bierwirth, ZAR 1987, 64, S. 67, wenn er verschiedene vom Völkerrecht nicht zugelassene Verhaltensweisen beschreibt; Menzel, Internationales Öffentliches Recht (2011), S. 565, 567, hinsichtlich Verfahrensgarantien gegenüber Ausländern im Ausland und der Gewährung grundrechtlicher Schutzpflichten; hinsichtlich grundrecht­ licher Leistungsrechte Lorenz, Der territoriale Anwendungsbereich der Grund- und Menschenrechte (2005), S. 162 f.; Zimmermann, ZRP 2012, 116, S. 117, hinsichtlich grundrechtlicher Schutzpflichten; so auch Weizsäcker, Grundrechte und freiwillige Mi-

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A. Territoriale Beschränkung aufgrund Völkerrechts

ein Recht, von der Bundesrepublik die Vornahme einer positiven Handlung zu verlangen, kann nicht mehr von einer allein zuständigkeitsbeschränkenden Wirkung gesprochen werden. Die Vornahme einer positiven Handlung kann je nach den Umständen des Einzelfalls mit der Gebietshoheit eines fremden Staates in Konflikt stehen.78 Dies wäre dann der Fall, wenn das grundrechtlich gewährte Leistungsrecht auf Erfüllung auf fremdem Staatsgebiet gerichtet wäre.79 Die Erfüllung eines solchen Rechts würde grundsätzlich die fremde Gebietshoheit verletzen und wäre damit völkerrechtswidrig.80 (4) Zwischenergebnis Die Gewährleistung extraterritorial geltender Grundrechte verletzt hinsichtlich der abwehrrechtlichen Dimension fremde staatliche Souveränität nicht. In der Gewährleistung von Abwehrrechten für gebietsfremde Ausländer ist zwar insofern eine Ausübung von Hoheitsgewalt zu sehen, als dass ein Sachverhalt geregelt wird. Diese konfligiert jedoch nicht mit der fremden staatlichen Souveränität, da sich die Bundesrepublik damit lediglich Handlungsbeschränkungen auferlegt. Ein sinnvoller Anknüpfungspunkt ist in diesem Fall nicht zu fordern. Gewährt ein Grundrecht hingegen eine Leistung auf fremdem Staatsgebiet ist ein sinnvoller Anknüpfungspunkt zu fordern. Die Erfüllung einer positiven Leistungspflicht auf fremdem Staatsgebiet durch die Bundesrepublik steht grundsätzlich in Konflikt mit der fremden staatlichen Souveränität. gration (2007), S. 75 f.; hinsichtlich grundrechtlicher Schutzpflichten und Verfahrensgarantien, soweit sie die Bereitstellung von Institutionen erfordern Arnauld, Das (Menschen-)Recht im Auslandseinsatz, in: Streitkräfte und Menschenrechte, 2008, S. 72 f. A. A. Vitzthum, Extraterritoriale Grundrechtsgeltung, in: FS Bothe, 2008, S. 1219. 78  Lorenz, Der territoriale Anwendungsbereich der Grund- und Menschenrechte (2005), S.  162 f.; Arnauld, Das (Menschen-)Recht im Auslandseinsatz, in: Streitkräfte und Menschenrechte, 2008, S. 74. S. o. zur jurisdiction to enforce. 79  Yousif, Die Extraterritoriale Geltung der Grundrechte (2007), S. 88; Lukes/Dehmer/Wendling, GewArch 1986, 1, S. 4 f., wonach die Gewährung verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes grundsätzlich keinen Eingriff in die fremde Souveränität darstelle, die Zulässigkeit der Vornahme von Verfahrenshandlung wie z. B. der Zustellung aber von der Entscheidung des fremden Staates abhänge; vgl. zudem BVerwGE 75, 285 (290), wonach die Möglichkeit für Ausländer sich an einem Verwaltungsverfahren im Inland der Bundesrepublik zu beteiligen noch keine Ausübung von Hoheitsgewalt im Ausland darstelle. 80  Arnauld, Das (Menschen-)Recht im Auslandseinsatz, in: Streitkräfte und Menschenrechte, 2008, S. 72 f.; hinsichtlich Beteiligungsrechten an einem inländischen Verwaltungsverfahren vgl. allerdings Schmidt-Aßmann, Art. 19 Abs. 4, in: Maunz/ Dürig, GG, 84. Aufl. August 2018, Rn. 133, demzufolge das völkerrechtliche Territorialitätsprinzip dem nicht mehr entgegenstehe. Dies wird allerdings konkret im Hinblick auf Rechte geäußert, die aus dem Völkerrecht selbst folgen.



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Die Gewährleistung eines Asylrechts für gebietsfremde Ausländer, für die ein sinnvoller Anknüpfungspunkt zur Bundesrepublik nicht gegeben ist, verstieße demnach nur insoweit gegen Völkerrecht, als dass es die Vornahme von positiven Handlungen auf fremdem Staatsgebiet erfordern würde. b) Botschaftsasyl Vor diesem Hintergrund ist fraglich, ob sich aus den völkergewohnheitsrechtlichen Regelungen zum sog. Botschaftsasyl gegenüber der soeben erörterten Rechtslage etwas anderes ergibt. Es stellt sich die Frage, ob ein Staat sog. Botschaftsasyl gewähren dürfte. Botschaftsasyl81 bezeichnet die Schutzgewährung eines Staates außerhalb des eigenen Staatsgebiets innerhalb einer diplomatischen Mission. Dies wird auch als internes Asyl bezeichnet, da es innerhalb des fremden Hoheitsgebiets – z. B. des Verfolgerstaates – gewährt wird. Als externes Asyl bezeichnet man dementsprechend die Gewährung von Schutz innerhalb des eigenen Staatsgebiets.82 Die Botschaftsgebäude sind Teil des Staatsgebiets des jeweiligen Empfangsstaates83 und nicht etwa ein exterritorialer Teil des Staatsgebiets des Entsendestaates.84 Die Vornahme von Hoheitsakten durch Vertreter des Entsendestaates ist dort allerdings ausnahmsweise grundsätzlich erlaubt, soweit sie diplomatische Aufgaben erfüllen.85 Während das externe Asyl als völkerrechtlich zulässig angesehen wird,86 besteht hinsichtlich des internen Asyls weitgehende Einigkeit darüber, dass 81  Auch

diplomatisches Asyl genannt. Asylrecht und Völkerrecht, in: Hb AsylR I, 1980, S. 73; Randelzhofer, Art. 16a, in: Maunz/Dürig, GG, 59. Aufl. Juli 2010, Rn. 14. 83  Damit ist der (fremde) Staat gemeint, auf dem das Botschaftsgebäude steht. Vgl. zur Nutzung dieser Begrifflichkeit z.  B. Arnauld, Völkerrecht (2016), 3.  Aufl., Rn. 551. 84  Stein/Buttlar/Kotzur, Völkerrecht (2017), 14.  Aufl., Rn.  736; Randelzhofer, Art. 16a, in: Maunz/Dürig, GG, 84. Aufl. August 2018 (Stand: bis 59. EL Juli 2010), Rn. 17; Arnauld, Völkerrecht (2016), 3. Aufl., Rn. 75; Hailbronner, Asylrecht und Völkerrecht, in: Hb AsylR I, 1980, S. 73; Kau, Der Staat und der Einzelne als Völkerrechtssubjekt, in: Völkerrecht, 7. Aufl. 2016, Rn. 74, demzufolge dies „[h]eute […] anerkannt [sei]“. Mit Entsendestaat ist der Staat gemeint, der seine Botschaft auf fremdem Staatsgebiet einrichtet. Vgl. zur Nutzung dieser Begrifflichkeit z. B. Ar­ nauld, Völkerrecht (2016), 3. Aufl., Rn. 551. 85  Arnauld, Völkerrecht (2016), 3.  Aufl., Rn. 579; BVerwGE 69, 323 (327); Hailbronner, Asylrecht und Völkerrecht, in: Hb AsylR I, 1980, S. 73, wonach sich Beschränkungen der Hoheitsgewalt nur zum Zwecke der Erfüllung diplomatischer Aufgaben rechtfertigen ließen. 86  Stein/Buttlar/Kotzur, Völkerrecht (2017), 14. Aufl., Rn. 589; Hailbronner, Asylrecht und Völkerrecht, in: Hb AsylR I, 1980, S. 75; Randelzhofer, Art. 16a, in: Maunz/ Dürig, GG, 84. Aufl. August 2018 (Stand: bis 59. EL Juli 2010), Rn. 20; es sei Aus82  Hailbronner,

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A. Territoriale Beschränkung aufgrund Völkerrechts

es gegen Völkerrecht verstößt.87 Es wird soweit ersichtlich nicht ausdrücklich zwischen abwehrrechtlicher und leistungsrechtlicher Dimension unterschieden.88 Die im Zusammenhang mit der (Un)Zulässigkeit der Gewährung von Botschaftsasyl gefällten Äußerungen beziehen sich soweit ersichtlich auf Situationen, in denen einer Person durch Aufenthalt in einem Botschaftsgebäude Schutz gewährt wird.89 Unabhängig davon, ob dies als abwehr- oder leistungsrechtlicher Gewährleistungsgehalt einzustufen wäre,90 verstieße dies fluss der territorialen Souveränität eines Staates, Woyczechowski, Zwischen Vermutung und Gewissheit (2003), S. 25 f. 87  Heintze, § 25, in: Völkerrecht, 7. Aufl. 2018, Rn. 39; Arnauld, Völkerrecht (2016), 3. Aufl., Rn. 583; ICJ, Asylum Case (Colombia v. Peru), Urteil vom 20.11.1950, 15; Shah, Asylum, Diplomatic, Max Planck EPIL (April 2007), Rn. 1; Bleckmann, Völkerrecht (2001), Rn. 753; Randelzhofer, Art. 16a, in: Maunz/Dürig, GG, 84. Aufl. August 2018 (Stand: bis 59. EL Juli 2010), Rn. 18; BVerwGE 69, 323 (326 f.); Drosdzol, NVwZ 1985, 325, S. 325; Kau, Der Staat und der Einzelne als Völkerrechtssubjekt, in: Völkerrecht, 7. Aufl. 2016, Rn. 74 ff.; vgl. Kimminich, Der internationale Rechtsstatus des Flüchtlings (1962), S. 102 f; vgl. Stein/Buttlar/Kotzur, Völkerrecht (2017), 14. Aufl., Rn. 590, 745 ff., welche aufgrund von mehreren Fällen, in denen Personen Zuflucht in Botschaftsgebäuden gewährt wurde, die Überlegung anstellen, ob dies u. U. völkerrechtlich gerechtfertigt sein kann. Im Ergebnis zweifeln sie jedoch aufgrund des Fehlens der Entstehungsvoraussetzungen für Völkergewohnheitsrecht daran; als sehr zweifelhaft („very doubtfull“) beschreibt die Existenz eines Rechts auf Gewährung diplomatischen Asyls Brownlie, Principles of public international law (2008), 7. Aufl., S. 357. 88  Eine Differenzierung ist bei Hailbronner, Einreiseverweigerung und Visumzwang im Asylrecht, in: FS Doehring, 1989, S. 295, zu erkennen. Demzufolge sei die Entgegennahme eines Asylantrags noch kein Eingriff in die fremde Hoheit. Dies beinhalte noch keinerlei „extraterritoriale[…] Schutzgewährung“, auch wenn dies mit einer Visumserteilung verbunden wäre. Bedenklich könnte allerdings die Hilfe bei der Flucht sein, welche als Einmischung in die inneren Angelegenheiten des fremden Staates gezählt werden könnte. 89  S. dazu z. B. Kimminich, Der internationale Rechtsstatus des Flüchtlings (1962), S. 101; Kau, Der Staat und der Einzelne als Völkerrechtssubjekt, in: Völkerrecht, 7. Aufl. 2016, Rn. 74  ff.; Heintze, § 25, in: Völkerrecht, 7. Aufl. 2018, Rn. 39; Schnapp, Jura 1987, 1, S. 1; Shah, Asylum, Diplomatic, Max Planck EPIL (April 2007), Rn. 1, der diplomatisches Asyl als Recht des Entsendestaates versteht, Geflüchteten Schutz zu gewähren, die in der Botschaft anwesend sind („present in the premises of the mission“); vgl. Randelzhofer, Art. 16a, in: Maunz/Dürig, GG, 84. Aufl. August 2018 (Stand: bis 59. EL Juli 2010), Rn. 17; vgl. Drosdzol, NVwZ 1985, 325, S. 325; vgl. Hailbronner, Asylrecht und Völkerrecht, in: Hb AsylR I, 1980, S. 73; vgl. Hailbronner, Einreiseverweigerung und Visumzwang im Asylrecht, in: FS Doehring, 1989, S. 294. 90  So ließe sich die Aufenthaltsgewährung in einer Botschaft u. U. als positive Leistung einordnen. Andererseits könnte das Nicht-Abweisen oder das Nicht-Entfernen einer einmal in die Räumlichkeiten einer Botschaft gelangten Person auch als Unterlassung eingestuft und damit der abwehrrechtlichen Dimension zugeschrieben werden. Zu der Einordnung des Einreisenlassens in das Staatsgebiet als Leistung oder Unterlassen s. u. (Teil C. II. 2. a) (1) (a)). Zu der Frage, ob die Aufnahme und Aufent-



I. Gewährleistung eines extraterritorialen Asylgrundrechts41

mithin gegen Völkergewohnheitsrecht.91 Hinsichtlich anderer Formen der Gewährung von asylgrundrechtlich fundiertem Schutz wie etwa die Erteilung eines Visums zur Asylantragsstellung im eigenen Staatsgebiet92 sind dem keine Aussagen zu entnehmen. Insofern gilt das oben Gesagte, wonach die Vornahme positiver Handlungen auf fremdem Staatsgebiet grundsätzlich völkerrechtswidrig ist.93 Hinsichtlich der Erteilung von Visa zur Einreise in das eigene Staatsgebiet ist jedoch grundsätzlich davon auszugehen, dass diese den Botschaften erlaubt ist. Schließlich ist das darin gewährte Recht auf Erfüllung im Inland des erteilenden Staates gerichtet.94 Dass ein Asylvisum auf Schutzgewährung im Inland gegenüber dem jeweiligen Empfangsstaat gerichtet sein könnte, dürfte daran jedenfalls nichts ändern, da die Gewährung von externem Asyl völkerrechtlich grundsätzlich erlaubt ist.95 c) Rechtslage auf See Weiter ist die völkergewohnheitsrechtliche Lage auf See in den Blick zu nehmen. Zum einen soll ermittelt werden, ob sich daraus gegenüber der oben erläuterten Rechtslage im Hinblick auf die extraterritoriale Grundrechts- bzw. Asylgrundrechtsgewährleistung etwas anderes ergibt. Zum anderen wird in späteren Abschnitten dieser Arbeit auf die Rechtslage an Bord deutscher Schiffe zurückzukommen sein, sodass eine anfängliche Klärung der Rechtslage auf See notwendig ist.96 Im Hinblick auf die Rechtslage auf See sind einige völkerrechtliche Besonderheiten zu beachten. So stellen die Meere zum Teil kein fremdes Hoheitsgebiet, sondern vielmehr hoheitsfreie Zonen dar. Ein Tätigwerden der haltsgewährung gegenüber einer Person an Bord eines Schiffes als Tun oder Unterlassen einzustufen ist s. u. (Teil E. III. 1.). Zur Abgrenzung von Abwehr- und Leistungsrechten s. u. (Teil C. I.). 91  Zu der Frage, ob Art. 16a GG ein Recht auf Gewährung von Botschaftsasyl beinhaltet s. u. Teil E. III. 1. b) (1). 92  Dazu, dass es sich dabei aus asylgrundrechtlicher Sicht um die Erfüllung einer abwehrrechtlich fundierten Pflicht handeln könnte s. u. Teil E. II. Nichtsdestotrotz handelt es bei der Erteilung eines Verwaltungsaktes um eine positive Handlung. 93  S. o. Teil A. I. 3. a). 94  Es handele sich nicht um den Vollzug eines Rechts im Ausland, sondern um die „Voraussetzung für ihre Umsetzung im Inland“, Weizsäcker, Grundrechte und freiwillige Migration (2007), S. 76. Laut Kau, Der Staat und der Einzelne als Völkerrechtssubjekt, in: Völkerrecht, 7. Aufl. 2016, Rn. 75a, handele es sich bei der Erteilung eines Visums durch Botschaften und Konsulate um „bloß eine diplomatische Dienstleistung“, die offenbar anders zu bewerten sei als andere hoheitliche Handlungen auf fremden Staatsgebiet. 95  S. o. am Anfang dieses Abschnitts. 96  S. insbesondere Teil B. IV. 1. b) (2), sowie Teil E. III.

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A. Territoriale Beschränkung aufgrund Völkerrechts

Bundesrepublik gerät in diesen Zonen dementsprechend nicht notwendig in Konflikt mit fremder Hoheitsgewalt. Das Seevölkerrecht wurde im Seerechtsübereinkommen (SRÜ)97 niedergelegt, welches (mittlerweile) weitgehend als Gewohnheitsrecht anerkannt ist bzw. Gewohnheitsrecht wiedergibt.98 Auf den Meeren sind dabei drei Zonen der Meeresoberfläche99 zu differenzieren: die Küstengewässer, die ausschließliche Wirtschaftszone und die hohe See. (1) Küstengewässer Die Küstengewässer erstrecken sich gemäß Art. 3 SRÜ bis zu 12 Seemeilen seewärts über die Landgrenzen hinaus. Diese liegen in der ausschließlichen staatlichen Souveränität des jeweiligen Küstenstaates.100 Laut Art. 2 Abs. 1 SRÜ erstreckt sich die Souveränität eines Küstenstaates auf seine Küstengewässer. Seine Territorialhoheit erstreckt sich grundsätzlich auch auf die sich darin befindlichen Schiffe fremder Staaten.101 Die Ansicht, jedenfalls Kriegsschiffe stellten exterritoriale Teile des Hoheitsgebietes dar, wird wohl nicht mehr vertreten.102 In den Küstengewässern eines fremden Staates ist die Jurisdiktion der Bundesrepublik grundsätzlich eingeschränkt. Die Jurisdiktion des Flaggstaa97  Gesetz zu dem Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen vom 10. Dezember 1982 (Vertragsgesetz Seerechtsübereinkommen) vom 2. September 1994, BGBl. II S. 1798. 98  Arnauld, Völkerrecht (2016), 3. Aufl., Rn. 801, demzufolge das SRÜ heute „in weiten Teilen“ Gewohnheitsrecht darstelle; Heintschel von Heinegg, § 38, in: Völkerrecht, 7. Aufl. 2018, Rn. 19, wonach viele der Vorschriften des Seerechtsübereinkommens deklaratorisch für geltendes Völkergewohnheitsrecht seien; Herdegen, Völkerrecht (2018), 17. Aufl., § 31, Rn. 2, demzufolge es „weitgehend“ Völkergewohnheitsrecht entspreche. 99  Im Hinblick auf grundrechtliche Gewährleistungen sind der Festlandsockel und der Tiefseeboden an dieser Stelle zu vernachlässigen. 100  Tanaka, The International Law of the Sea (2012), S. 83. Sie zählen als Bestandteil des jeweiligen Staatsgebiets, Arnauld, Völkerrecht (2016), 3. Aufl., Rn. 805, bzw. sie sind ebenso zu behandeln, Fournier, Der Einsatz der Streitkräfte gegen Piraterie auf See (2014), S. 78; vgl. Barnes, Art. 2, in: Proelss, UNCLOS, 2017, Rn. 14 f. 101  Hanses, Die rechtliche Stellung des Kapitäns (1983), S. 156; Kimminich, Der internationale Rechtsstatus des Flüchtlings (1962), S. 115; Arnauld, Völkerrecht (2016), 3. Aufl., Rn. 805, demzufolge die Jurisdiktion des Flaggstaates zwar fortdauere, aber „eingeschränkt [werde]“. Nicht unter die Jurisdiktion des Küstenstaates fielen beispielsweise „Fragen der inneren Disziplin an Bord“; vgl. Fournier, Der Einsatz der Streitkräfte gegen Piraterie auf See (2014), S. 78. 102  Dazu Hailbronner, Asylrecht und Völkerrecht, in: Hb AsylR I, 1980, S. 73; Pollern, Das moderne Asylrecht (1980), S. 99; Beckert/Breuer, Öffentliches Seerecht (1991), Rn. 427; Sinha, Asylum and international law (1971), S. 267 f.



I. Gewährleistung eines extraterritorialen Asylgrundrechts43

tes konfligiert mit der Jurisdiktion des Küstenstaates. Dem Flaggstaat verbleiben z. B. die Jurisdiktion über „Fragen der inneren Disziplin an Bord“ sowie ein Recht auf friedliche Durchfahrt (innocent passage).103 Die Gewährung von Asylschutz an Bord eines Schiffes innerhalb fremder Küstengewässer ist jedenfalls gegenüber den Staatsangehörigen des Küstenstaates allerdings grundsätzlich völkerrechtswidrig.104 Ein Küstenstaat darf z. B. die sich an Bord eines deutschen Schiffs105 befindlichen Flüchtlinge festnehmen.106 Zu beachten ist jedoch, dass sich die Staatenimmunität der Bundesrepublik auf die von der öffentlichen Hand gesteuerten Schiffe wie Kriegsschiffe oder Schiffe, die Staatsoberhäupter befördern, erstreckt. Vertreter des Küstenstaates dürfen diese insbesondere nicht betreten und gegenüber den Personen an Bord keine Hoheitsgewalt ausüben.107 (2) Ausschließliche Wirtschaftszone Die ausschließliche Wirtschaftszone erstreckt sich gemäß Art. 57 SRÜ vom Ende der Küstengewässer bis zu 200 Seemeilen seewärts über die Landgrenzen hinaus. In dieser Zone steht dem jeweiligen Küstenstaat die Hoheitsgewalt in Bezug auf dessen wirtschaftliche Nutzung zu. Das umfasst z. B. die Ausbeutung natürlicher lebender und nicht-lebender Ressourcen (Art. 56 Ia 103  Arnauld, Völkerrecht (2016), 3.  Aufl., Rn. 806. Zum Recht auf friedliche Durchfahrt Heintschel von Heinegg, § 40, in: Völkerrecht, 7. Aufl. 2018, Rn. 17 ff.; Tanaka, The International Law of the Sea (2012), S. 85 ff.; Herdegen, Völkerrecht (2018), 17. Aufl., § 31, Rn. 3, 5. 104  Colombos, Internationales Seerecht (1963), S. 272 f.; Hanses, Die rechtliche Stellung des Kapitäns (1983), S. 156; Pollern, Das moderne Asylrecht (1980), S. 99; Kimminich, Der internationale Rechtsstatus des Flüchtlings (1962), S. 112 f., welcher die Rechtslage deshalb mit der Rechtslage hinsichtlich diplomatischer Missionen vergleicht; zur Entwicklung dieser Ansicht im vorletzten Jahrhundert vgl. Beckert/Breuer, Öffentliches Seerecht (1991), Rn. 731 f., denen zufolge sich die Auffassung durchgesetzt habe, dass es keine Grundlage für die Gewährung eines internen Asyls gebe. 105  Mit deutschem Schiff ist in dieser Arbeit ein Schiff gemeint, das die Bundesflagge führt. 106  Colombos, Internationales Seerecht (1963), S. 272 f.; Sinha, Asylum and international law (1971), S. 268. Auch hier wird soweit ersichtlich nicht hinsichtlich abwehr- und leistungsrechtlicher Dimension unterschieden. Gemeint ist allerdings offenbar ebenfalls – wie bei Botschaftsgebäuden – eine Asylgewährung in Form einer physischen Anwesenheit an Bord. 107  Hanses, Die rechtliche Stellung des Kapitäns (1983), S. 156, Fn. 128; Kimminich, Der internationale Rechtsstatus des Flüchtlings (1962), S. 113 f.; s. allerdings Sinha, Asylum and international law (1971), S. 267 f., wonach öffentlich gesteuerten Schiffen Immunitäten nur hinsichtlich der Erfüllung ihrer Funktion eingeräumt würden. Allerdings scheine es so, als könnten Flüchtige nicht zwangsweise zurückgeholt werden („forcibly retrieved“), obwohl sie übergeben werden müssten („ought to be surrendered“).

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A. Territoriale Beschränkung aufgrund Völkerrechts

SRÜ) oder wissenschaftliche Meeresforschung (Art. 56 Ib (ii) SRÜ). Im Übrigen gilt gemäß Art. 58 SRÜ die Rechtslage, die auf hoher See gilt. Grundbzw. asylrechtliche Gewährleistungen sind von den Regelungen zur ausschließlichen Wirtschaftszone nicht betroffen. Das heißt, in dieser Hinsicht gilt das im Folgenden für die hohe See Gesagte. (3) Hohe See Die hohe See ist frei von staatlicher Hoheitsgewalt. Gemäß Art. 89 SRÜ darf kein Staat die hohe See seiner Hoheitsgewalt unterwerfen. Räume staatlicher Souveränität bestehen allerdings insoweit, als dass Staaten gemäß Art. 92 SRÜ die ausschließliche Hoheitsgewalt auf Schiffen innehaben, die ihre Flagge führen.108 An Bord eines Schiffs, das die Flagge der Bundesrepublik Deutschland führt, gilt folglich deutsches Recht. Die Bundesrepublik kann dort Gesetze sowohl erlassen als auch durchsetzen. Insbesondere die Begründung eines sinnvollen Anknüpfungspunktes ist dort demnach nicht notwendig. Die Einräumung eines extraterritorial geltenden Asylrechts und dessen Durchsetzung gerät an Bord deutscher Schiffe auf hoher See und in fremden ausschließlichen Wirtschaftszonen grundsätzlich nicht in Konflikt mit fremder Hoheitsgewalt. 4. Zwischenergebnis Hinsichtlich der Frage, ob die Gewährung von extraterritorial geltenden Grundrechten gegen Völkerrecht verstößt, ist in mehrfacher Hinsicht zu differenzieren. Erstreckt sich die Grundrechtsgewährung auf fremdes Staatsgebiet, ist zunächst zwischen der jurisdiction to enforce und der jurisdiction to prescribe zu differenzieren. Die Erfüllung eines extraterritorial geltenden Rechts auf fremdem Staatsgebiet durch positive Handlungen steht grundsätzlich in Konflikt mit der fremden staatlichen Souveränität und verstößt damit grundsätzlich gegen Völkerrecht. Hinsichtlich der Frage, ob die Bundesrepublik ein Recht überhaupt regeln darf, ist weiter zwischen der abwehrrechtlichen und der leistungsrechtlichen Dimension der Grundrechte zu differenzieren. Während es für die leistungsrechtliche Dimension auf das Vorliegen eines sinnvollen Anknüpfungspunktes ankommt – der bei der vorliegend interessierenden Personengruppe der gebietsfremden, nicht-deutschen Staatsangehörigen grundsätzlich nicht vorliegt –, verletzt die Gewährung extraterritorialer Grundrechte in ihrer abwehrrechtlichen Dimension grundsätzlich nicht die fremde staatliche Souveränität. 108  Arnauld, Völkerrecht (2016), 3. Aufl., Rn. 819; Tanaka, The International Law of the Sea (2012), S. 152.



II. Grundrechtsgeltung – Rang des Völkerrechts im Grundgesetz45

Gegen Völkergewohnheitsrecht verstößt zudem die Gewährung von Asyl in Form der Schutzgewährung innerhalb der Räumlichkeiten einer deutschen Botschaft auf fremdem Staatsgebiet, unabhängig davon, ob dies als abwehroder leistungsrechtlich einzustufen ist. Dies umfasst allerdings grundsätzlich nicht eine Asylgewährleistung in Form der Erteilung eines Visums. An Bord von Schiffen, die unter der Bundesflagge geführt werden, gilt die ausschließliche Hoheitsgewalt der Bundesrepublik, sodass die Gewährung eines extraterritorial geltenden Asylrechts unabhängig davon völkerrechtlich zulässig ist, ob sie die abwehr- oder leistungsrechtliche Dimension betrifft. Sowohl die Regelung als auch der Vollzug der Grundrechtsnormen durch positive Handlungen sind völkerrechtlich zulässig. Etwas anderes gilt allerdings, wenn sich die Schiffe innerhalb fremder Küstengewässer befinden. Diese unterliegen der Souveränität des jeweiligen Küstenstaates. Dort ist folglich wieder zwischen jurisdiction to enforce und jurisdiction to prescribe einerseits, sowie der abwehr- und leistungsrechtlichen Dimension andererseits zu differenzieren. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass sich die Staaten­ immunität der Bundesrepublik auf von der öffentlichen Hand gesteuerte Schiffe wie Kriegsschiffe oder Schiffe, die Staatsoberhäupter befördern, erstreckt. Vertreter des Küstenstaates können z. B. nicht an Bord dieser Schiffe gehen und Personen festnehmen.

II. Einfluss des Völkerrechts auf die Grundrechtsgeltung – Rang des Völkerrechts im Grundgesetz Im vorangehenden Abschnitt wurde herausgearbeitet, dass bei einer extraterritorialen Gewährleistung von (grundrechtlich fundierten) Leistungsrechten eine Verletzung von Völkerrecht möglich ist. Damit bleibt nun zu prüfen, inwiefern dies Einfluss auf die Geltungsreichweite eines Grundrechts hätte. Entscheidend für die Beantwortung dieser Frage ist der Rang des Völkerrechts im Rahmen der deutschen Rechtsordnung. Um (unmittelbaren) Einfluss auf die Reichweite eines Grundrechts zu haben, muss das Völkerrecht hierarchisch entweder über der Verfassung stehen oder dieser zumindest gleichgeordnet sein. Käme dem Völkerrecht ein Rang unterhalb des Grundgesetzes zu, so könnte es von vornherein jedenfalls keinen unmittelbaren Einfluss auf das dann höherrangige Grundrecht haben.109 109  So Yousif, Die Extraterritoriale Geltung der Grundrechte (2007), S. 12, 14; Elbing, Zur Anwendbarkeit der Grundrechte bei Sachverhalten mit Auslandsbezug (1992), S.  60 ff.; Schwander, Extraterritoriale Wirkung von Grundrechten im Mehr­ ebenensystem (2019), S. 67; Menzel, Internationales Öffentliches Recht (2011), S. 567, kommt zu dem Schluss, dass „eine pauschale Nicht-Grundrechtsgeltung“ [Hervor­hebung im Original] im Falle von Völkerrechtsverletzungen die grundgesetz-

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A. Territoriale Beschränkung aufgrund Völkerrechts

Die allgemeinen Regeln des Völkerrechts, d. h. Völkergewohnheitsrecht und die allgemeinen Rechtsgrundsätze, werden über Art. 25 GG und Völkervertragsrecht über Art. 59 GG in die deutsche Rechtsordnung einbezogen. Für die Frage, ob Völkerrecht das Grundgesetz bzw. die Grundrechte (unmittelbar) beschränken kann, kommt es darauf an, welchen Rang ihm die Inkorporationsartikel 25 und 59 GG innerhalb der deutschen Rechtsordnung zuschreiben. 1. Völkervertragsrecht – Rang einfachen Bundesrechts Völkerrechtliche Verträge werden nach Art. 59 Abs. 2 GG von staatlichen Rechtsakten – den jeweiligen Vertragsgesetzen – in innerstaatliches Recht überführt und haben der Rechtsnatur der Vertragsgesetze entsprechend den Rang einfacher Gesetze.110 Sie stehen damit normhierarchisch unterhalb des Grundgesetzes und können dessen Inhalt nicht unmittelbar bestimmen bzw. einschränken. Ergäbe sich aus Völkervertragsrecht ein Verbot, extraterritoriales, nationales Asyl zu gewährleisten, bedeutete dies folglich nicht, dass dieses nicht auf verfassungsrechtlicher Ebene geregelt sein darf. 2. Völkergewohnheitsrecht – Rang zwischen Verfassungsrecht und einfachem Recht Hinsichtlich der hierarchischen Stellung des Völkergewohnheitsrechts werden verschiedene Ansätze vertreten. Die allgemeinen Regeln des Völkerrechts werden dem Grundgesetz dabei entweder gleich-111 oder übergeordnet112 oder liche Normenhierarchie verkennen würde. Inwiefern die Völkerrechtslage im Rahmen einer völkerrechtsfreundlichen Auslegung Einfluss auf den Inhalt eines Grundrechts hat, wird zu einem späteren Zeitpunkt innerhalb der Auslegung von Art. 16a GG zu berücksichtigen sein (Teil D. I. 1. h). 110  Kempen, Art.  59, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG, 7.  Aufl. 2018, Rn. 92; Hailbronner, Asylrecht und Völkerrecht, in: Hb AsylR I, 1980, S. 105; Stern, Staatsrecht I (1984), 2. Aufl., S. 506. 111  Z. B. Cremer, § 235, in: HStR XI, 3. Aufl. 2013, Rn. 27; Steinberger, § 173, in: HStR VII, 1992, Rn. 61; Doehring, VVDStRL 32 (1974), 7, S. 22; Tietje, Internationalisiertes Verwaltungshandeln (2001), S. 218 f.; Pernice, Art. 25, in: Dreier, GG, 2. Aufl. 2006, Rn. 25, jedenfalls hinsichtlich des dispositiven Völkerrechts. 112  Vertreten u. a. von Curtius, DV 1955, 145; Grewe, VVDStRL 12 (1954), 129, S. 148; dafür hinsichtlich jus cogens, im Übrigen jedoch offenlassend, Tietje, Internationalisiertes Verwaltungshandeln (2001), S. 218 f.; allein hinsichtlich jus cogens Normen, Hobe, Art. 25, in: Berliner Kommentar, 2018 (Stand: 36. EL 2011), Rn. 33; gegen einen Überverfassungsrang das Bundesverfassungsgericht in: BVerfGE 111, 307 (317 f.); BVerfGE 37, 271 (278 f.); BVerfGE 6, 309 (363).



II. Grundrechtsgeltung – Rang des Völkerrechts im Grundgesetz47

ihm wird ein Rang zwischen Grundgesetz und einfachem Recht zugesprochen.113 Für einen Überverfassungsrang wird die Entstehungsgeschichte des Art. 25 GG herangezogen, wonach das Völkerrecht zunächst als Teil des Bundesverfassungsrechts geregelt werden und dem Bundesverfassungsrecht sogar vorgehen sollte.114 Dagegen wird jedoch zunächst die fehlende Erwähnung des Art. 25 GG in Art. 79 Abs. 3 GG angeführt.115 So könnte Art. 25 GG grundsätzlich abgeschafft werden.116 Zudem wird auch der Wortlaut des Art. 25 113  Z. B. Heintschel von Heinegg, Art. 25, in: GG, 2. Aufl. 2013, Rn. 27; Wollenschläger, Art. 25, in: Dreier, GG, 3. Aufl. 2015, Rn. 30; Herdegen, Art. 25 GG, in: Maunz/Dürig, GG, 84. Aufl. August 2018, Rn. 78; Tomuschat, Art. 25, in: Bonner Kommentar, 2018 (Stand: 140. Akt. Juni 2009), Rn. 86; Mosler, Das Völkerrecht in der Praxis der deutschen Gerichte (1957), S. 44 f.; Schmahl, JuS 2013, 961, S. 964; Hillgruber, Art. 25, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein/Henneke, GG, 14. Aufl. 2018, Rn. 11; Wolff, Art. 25, in: Hömig/Wolff, GG, 12. Aufl. 2018, Rn. 4; Rojahn, Art. 25, in: Münch/Kunig, GG, 6. Aufl. 2012, Rn. 55; Papadimitriu, Die Stellung der allgemeinen Regeln des Völkerrechts im innerstaatlichen Recht (1972), S. 90; Stein/Buttlar/ Kotzur, Völkerrecht (2017), 14. Aufl., Rn. 201; Geiger, Staatsrecht III (2018), 8. Aufl., S. 153; Bungert, DÖV 1994, 797, S. 803; Koenig/König, Art. 25, in: Mangoldt/Klein/ Starck, GG, 7. Aufl. 2018, Rn. 56; Bleckmann, Völkerrecht (2001), Rn. 424; Hobe, Art. 25, in: Berliner Kommentar, 2018 (Stand: 36. EL 2011), S. 33, abgesehen von jus cogens Normen, denen er einen Überverfassungsrang zuspricht. 114  Curtius, DV 1955, 145, S. 145; Grewe, VVDStRL 12 (1954), 129, S. 148; Hobe, Art. 25, in: Berliner Kommentar, 2018 (Stand: 36. EL 2011), Rn. 31; Tietje, Internationalisiertes Verwaltungshandeln (2001), S. 217 ff.; Cremer, § 235, in: HStR XI, 3. Aufl. 2013, Rn. 27, will die Entstehungsgeschichte jedenfalls für die Begründung eines Gleichrangs heranziehen; Koenig/König, Art. 25, in: Mangoldt/Klein/ Starck, GG, 7. Aufl. 2018, Rn. 52 f., wonach die Entstehungsgeschichte zwar für einen Überverfassungsrang spreche, diese allerdings nur eines der Auslegungskriterien und folglich nicht letztentscheidend sei; so auch Steinberger, § 173, in: HStR VII, 1992, Rn. 57; vgl. Wollenschläger, Art. 25, in: Dreier, GG, 3. Aufl. 2015, Rn. 30, der letztendlich jedoch einen Rang zwischen Grundgesetz und einfachem Recht vertritt; vgl. zur Entstehungsgeschichte auch Tomuschat, Art. 25, in: Bonner Kommentar, 2018 (Stand: 140. Akt. Juni 2009), Rn. 84. 115  Steinberger, § 173, in: HStR VII, 1992, Rn. 58; Koenig/König, Art. 25, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG, 7. Aufl. 2018, Rn. 53; Wollenschläger, Art. 25, in: Dreier, GG, 3. Aufl. 2015, Rn. 30; Rudolf, Völkerrecht und deutsches Recht (1967), S. 264; Geiger, Staatsrecht III (2018), 8. Aufl., S. 153; Bungert, DÖV 1994, 797, S. 803; gegen das Argument, dass Art. 79 Abs. 3 GG hinsichtlich der Schranken einer Verfassungsänderung nicht abschließend sei Doehring, Die allgemeinen Regeln des völkerrechtlichen Fremdenrechts (1963), S. 178, demzufolge die Beweislast für eine solche Behauptung beim Behauptenden liege; s. allerdings Pigorsch, Die Einordnung Völkerrechtlicher Normen in das Recht der Bundesrepublik Deutschland (1959), S. 26, wonach Art. 79 Abs. 3 GG nur vor Änderungen durch innerstaatliches Recht schützen solle. 116  Heintschel von Heinegg, Art. 25, in: GG, 2. Aufl. 2013, Rn. 27. S. allerdings Pernice, Art. 25, in: Dreier, GG, 2. Aufl. 2006, Rn. 26, demzufolge mit der Bindung

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A. Territoriale Beschränkung aufgrund Völkerrechts

S. 2 GG gegen einen Überverfassungsrang angeführt. Dieser spreche nur von einem Vorrang vor „den Gesetzen“ und nicht dem Grundgesetz.117 Allerdings ist dieser Schluss nicht zwingend, ist doch auch das Grundgesetz ein Gesetz.118 Mithin lässt der Wortlaut keinen Schluss auf ein bestimmtes Rangverhältnis zu.119 Gegen einen Überverfassungsrang spricht jedoch insbesondere, dass dieser die Integrität der Verfassung beschädigen würde. So würde ein Überverfassungsrang die Verfassung „unkontrollierbaren Einflüssen von außen“ aussetzen.120 Außerdem stellt die Verfassung selbst die höchste Norm der deutschen Rechtsordnung dar. Sie kann damit keine andere Norm mit einem höheren Rang ausstatten.121 Gegen einen Überverfassungsrang spricht des Weiteren Art. 100 Abs. 2 GG, wonach das Bundesverfassungsgericht nur darüber zu entscheiden hat, ob eine Regel des Völkerrechts Bestandteil des Bundesrechts ist und ob sie Rechte und Pflichten für den Einzelnen erzeugt.122 Nicht hingegen habe es darüber zu entscheiden, ob eine Norm des

an das Recht gem. Art. 20 Abs. 3 GG der Vorrang des jus cogens über Art. 79 Abs. 3 GG gesichert sei. Dieses Argument könnte allerdings jede Rechtsnorm zum änderungsfesten Kern der Verfassung heraufstufen und ist deshalb wenig stichhaltig. 117  Rojahn, Art. 25, in: Münch/Kunig, GG, 6. Aufl. 2012, Rn. 55; Koenig/König, Art. 25, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG, 7.  Aufl. 2018, Rn. 53; Wollenschläger, Art. 25, in: Dreier, GG, 3. Aufl. 2015, Rn. 30; Heintschel von Heinegg, Art. 25, in: GG, 2. Aufl. 2013, Rn. 27; Mosler, Das Völkerrecht in der Praxis der deutschen Gerichte (1957), S. 44 f.; Hillgruber, Art. 25, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein/Henneke, GG, 14. Aufl. 2018, Rn. 11; vgl. auch Herdegen, Art. 25 GG, in: Maunz/Dürig, GG, 84. Aufl. August 2018, Rn. 78, welcher dem Wortlaut einen Zwischenverfassungsrang entnehmen will. 118  Hillgruber, Art. 25, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein/Henneke, GG, 14. Aufl. 2018, Rn. 12; Kunig, Völkerrecht und staatliches Recht, in: Völkerrecht, 7. Aufl. 2016, S.  156; a. A. Doehring, Die allgemeinen Regeln des völkerrechtlichen Fremdenrechts (1963), S. 176 f., aufgrund eines systematischen Vergleichs mit anderen Normen des Grundgesetzes, u. a. Art.  59. 119  Zuleeg, Art. 24 Abs. 3/Art. 25, in: AK-GG, 3. Aufl. 2001, Rn. 22; Steinberger, § 173, in: HStR VII, 1992, Rn. 59; Koenig/König, Art. 25, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG, 7. Aufl. 2018, Rn. 51. 120  Hillgruber, Art. 25, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein/Henneke, GG, 14. Aufl. 2018, Rn. 11; Wollenschläger, Art. 25, in: Dreier, GG, 3. Aufl. 2015, Rn. 30; Tomuschat, Art. 25, in: Bonner Kommentar, 2018 (Stand: 140. Akt. Juni 2009), Rn. 85. 121  Koenig/König, Art. 25, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG, 7. Aufl. 2018, Rn. 53; Rojahn, Art. 25, in: Münch/Kunig, GG, 6. Aufl. 2012, Rn. 55; Rudolf, Völkerrecht und deutsches Recht (1967), S. 264 f.; Tomuschat, Art. 25, in: Bonner Kommentar, 2018 (Stand: 140. Akt. Juni 2009), Rn. 85; a. A. Pigorsch, Die Einordnung Völkerrechtlicher Normen in das Recht der Bundesrepublik Deutschland (1959), S. 25. 122  Geiger, Staatsrecht III (2018), 8. Aufl., S. 153; Hobe, Art. 25, in: Berliner Kommentar, 2018 (Stand: 36. EL 2011), Rn. 31; Rudolf, Völkerrecht und deutsches Recht (1967), S. 265.



II. Grundrechtsgeltung – Rang des Völkerrechts im Grundgesetz49

Grundgesetzes dem Völkerrecht widerspreche.123 Art. 100 Abs. 2 GG geht demnach davon aus, „daß die Geltung des [Grundgesetzes] selbst nicht aufgrund eines Widerspruchs zu den allgemeinen Regeln des Völkerrechts in Frage gestellt werden kann.“ Es ist keine Prüfung vorgesehen, „ob eine Bestimmung des [Grundgesetzes] selbst dem Völkerrecht entspricht oder nicht.“124 Ein Überverfassungsrang ist damit abzulehnen.125 Die Ansicht, die Völkergewohnheitsrecht einen der Verfassung gleichen Rang zuordnet, unterscheidet zwischen der Einordnung auf Ebene des einfachen Verfassungsrechts und des änderungsfesten Verfassungsrechts.126 Weiter wird zwischen Normen des dispositiven Völkerrechts und des sogenannten ius cogens – den zwingenden Normen des Völkerrechts – differenziert.127 Für eine Differenzierung nach der Bindungsintensität des Völkerrechts gibt der Text des Grundgesetzes allerdings keinerlei Anhaltspunkt.128 Außerdem handelt es sich dabei um einen Zirkelschluss. Es wird argumentiert, wenn es Sinn des ius cogens sein solle, dass Staaten unter keinen Umständen von ihm abweichen dürfen, dann habe sich auch die Verfassungsordnung an diesem ius cogens auszurichten.129 Damit wird vorausgesetzt, dass die ius cogensNormen des Völkerrechts den Inhalt des Grundgesetzes bestimmen können. Dies könnten sie aber nur, wenn sie Verfassungsrang hätten. Ob die ius co123  Doehring, Die allgemeinen Regeln des völkerrechtlichen Fremdenrechts (1963), S. 179; Geiger, Staatsrecht III (2018), 8. Aufl., S. 153; Koenig/König, Art. 25, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG, 7. Aufl. 2018, Rn. 53. 124  Dahm, Zur Problematik des Völkerstrafrechts (1956), S. 70, zit. u.  a. von Doehring, Die allgemeinen Regeln des völkerrechtlichen Fremdenrechts (1963), S. 179. 125  So im Ergebnis auch Scheuner, Der Verfassungsschutz im Bonner Grundgesetz (1950), S. 323; Tomuschat, § 172, in: HStR VII, 1992, Rn. 15. 126  So z. B. Pernice, Art. 25, in: Dreier, GG, 2. Aufl. 2006, Rn. 25, demzufolge dispositives Völkerrecht Verfassungsrang habe, während zwingendes Völkerrecht den verfassungsändernden Gesetzgeber binde. 127  Hobe, Art. 25, in: Berliner Kommentar, 2018 (Stand: 36. EL 2011), Rn. 33, spricht jus cogens einen Überverfassungsrang zu, vertritt im Übrigen aber einen Zwischenrang; Pernice, Art. 25, in: Dreier, GG, 2. Aufl. 2006, Rn. 25, welcher dispositivem Völkerrecht einfachen Verfassungsrang und jus cogens Überverfassungsrang einräumt; so auch Tietje, Internationalisiertes Verwaltungshandeln (2001), S. 218 f.; Rojahn, Art. 25, in: Münch/Kunig, GG, 6. Aufl. 2012, Rn. 57, welcher wiederum dispositives Völkerrecht zwischen Verfassung und einfachem Recht und jus cogens auf Verfassungsebene einordnet; Zuleeg, Art. 24 Abs. 3/Art. 25, in: AK-GG, 3. Aufl. 2001, Rn. 24, der zwingendem Völkerrecht einen Rang über der Verfassung einräumt, im Übrigen aber ebenfalls einen Zwischenrang vertritt. 128  Wollenschläger, Art. 25, in: Dreier, GG, 3. Aufl. 2015, Rn. 29; Hillgruber, Art. 25, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein/Henneke, GG, 14. Aufl. 2018, Rn. 13; Kunig, Völkerrecht und staatliches Recht, in: Völkerrecht, 7. Aufl. 2016, Rn. 157. 129  Hobe, Art. 25, in: Berliner Kommentar, 2018 (Stand: 36. EL 2011), Rn. 33.

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A. Territoriale Beschränkung aufgrund Völkerrechts

gens Normen des Völkerrechts jedoch Verfassungsrang haben oder nicht, soll gerade erst beantwortet werden. Diese Frage kann nur aus der Verfassung heraus beantwortet werden. Aus völkerrechtlicher Sicht mag es überzeugend sein, anzunehmen, dass ius cogens die Staaten zwingt, ihre Verfassungen danach auszurichten, um die unbedingte Beachtung zu sichern. Aus grundgesetzlicher Sicht ist dies jedoch nicht zwingend. Die Begründung eines (Über-) Verfassungsrangs von ius cogens kann damit nicht überzeugen. Gegen eine Einordnung des Völkerrechts als unabänderbares Verfassungsrecht spricht zudem wiederum deren fehlende Aufzählung in Art. 79 Abs. 3 GG.130 Gegen einen Gleichrang zwischen Verfassungsrecht und Völkerrecht wird mit einem Wertungswiderspruch argumentiert. So könne die Bundesrepublik mittels völkerrechtlichen Vertrags von dispositivem Völkergewohnheitsrecht abweichen. Völkerrechtliche Verträge haben dabei nach Art. 59 GG den Rang einfachen Gesetzesrechts, während das Völkergewohnheitsrecht, von dem sie dispensieren, Verfassungsrang hätte.131 Dieser Einwand gegen den Gleichrang von Verfassungs- und Völkergewohnheitsrecht ist nicht überzeugend. So bestünde der Wertungswiderspruch auch bei einer Einordnung des Völkergewohnheitsrechts zwischen Bundesrecht und Grundgesetz. Immerhin würde das (einfache) Zustimmungsgesetz zu einem völkerrechtlichen Vertrag zur Disposition von Völkergewohnheitsrecht von einer Norm abweichen, die ihr hierarchisch immer noch übergeordnet wäre. Nichtsdestotrotz sprechen gegen die Gleichordnung von Verfassung und Völkergewohnheitsrecht mehrere Argumente. So wird gegen die Gleichordnung Art. 79 Abs. 1 S. 1 GG angeführt, der eine Einheit von Verfassungstext und materiellem Verfassungsrecht fordert. Bei Völkergewohnheitsrecht handelt es sich um ungeschriebenes Recht. Dieses kann sich ändern, ohne dass dies im Text des Grundgesetzes zum Ausdruck kommt.132 Gegen dieses Argument wird zwar vorgebracht, ein normativer Anknüpfungspunkt finde sich in Art. 25 GG.133 Allerdings gibt Art. 25 GG nicht den Inhalt der einzelnen 130  Rudolf, Völkerrecht und deutsches Recht (1967), S.  266; Wollenschläger, Art. 25, in: Dreier, GG, 3. Aufl. 2015, Rn. 30; Rojahn, Art. 25, in: Münch/Kunig, GG, 6. Aufl. 2012, Rn. 55. 131  Rojahn, Art. 25, in: Münch/Kunig, GG, 6. Aufl. 2012, Rn. 56. Zum Rang von Völkervertragsrecht s. o. Teil A. II. 1. 132  Rojahn, Art. 25, in: Münch/Kunig, GG, 6. Aufl. 2012, Rn. 56; Wollenschläger, Art. 25, in: Dreier, GG, 3. Aufl. 2015, Rn. 30; Kunig, Völkerrecht und staatliches Recht, in: Völkerrecht, 7. Aufl. 2016, Rn. 156; Rudolf, Völkerrecht und deutsches Recht (1967), S. 264 f., 267; Tomuschat, Art. 25, in: Bonner Kommentar, 2018 (Stand: 140. Akt. Juni 2009), Rn. 86; Stern, Staatsrecht I (1984), 2. Aufl., S. 493; a. A. Tietje, Internationalisiertes Verwaltungshandeln (2001), S. 219, unter Verweis auf Art. 23 und 24 GG. 133  Koenig, Art. 25, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG, 6. Aufl. 2010, Rn. 55; Steinberger, § 173, in: HStR VII, 1992, Rn. 61; Cremer, § 235, in: HStR XI, 3. Aufl. 2013,



II. Grundrechtsgeltung – Rang des Völkerrechts im Grundgesetz51

völkergewohnheitsrechtlichen Normen wieder. Sollte Art. 25 GG eine Ausnahme vom Gebot der Verfassungstextänderung machen, so hätte dies eindeutiger aus seinem Wortlaut hervorgehen müssen.134 Dem wird allerdings zweierlei entgegengehalten. Zum einen wird vorgebracht, dass der Kern der Verfassung immerhin noch über Art. 79 Abs. 3 GG geschützt werde.135 Zum anderen wird gegen eine Gefährdung der Integrität angeführt, dass derzeit gar keine völkergewohnheitsrechtlichen Normen bestünden, die inhaltlich in Widerspruch zu den Verfassungsnormen stünden.136 Letzterem muss jedoch entgegengehalten werden, dass es keineswegs ausgeschlossen ist, dass sich dies im Laufe der Zeit ändern, d. h. der Verfassung widersprechendes Völkergewohnheitsrecht entstehen könnte.137 Hiergegen wird wiederum vorgebracht, dass in dem Fall, in dem sich verfassungswidriges Völkerrecht entwickelt, die Bundesrepublik von der Möglichkeit des Widerspruchs gegen eine völkergewohnheitsrechtliche Norm, die unter dem Stichwort des „persistent objector“138 diskutiert wird, Gebrauch machen könne.139 Durch den Widerspruch der Bundesrepublik gegen eine sich im Entstehen befindliche völkergewohnheitsrechtliche Norm würde die Bindung der Bundesrepublik an diese Norm abgewendet.140 Die Bundesrepublik könnte damit abwenden, an eine der Verfassung widersprechende völkergewohnheitsrechtliche Norm gebunden zu werden. Zu berücksichtigen ist allerRn. 27; Doehring, Die allgemeinen Regeln des völkerrechtlichen Fremdenrechts (1963), S. 184, mit einem Vergleich der Norm mit der Erwähnung des Sittengesetzes des Art. 2 Abs. 1 GG, das sich ebenfalls ändern könne ohne in Widerspruch mit Art. 79 Abs. 1 S. 1 GG zu geraten; Pernice, Art. 25, in: Dreier, GG, 2. Aufl. 2006, Rn. 26, demzufolge die Relativierung des Gebots aus Art. 79 Abs. 1 S. 1 GG zur Identität der international offenen Verfassung gehöre und eine Parallele in Art. 23 und 24 GG finde; so auch Tietje, Internationalisiertes Verwaltungshandeln (2001), S. 219; s. zudem Pigorsch, Die Einordnung Völkerrechtlicher Normen in das Recht der Bundesrepublik Deutschland (1959), S. 26 ff., demzufolge Art. 79 Abs. 1 S. 1 GG nur Verfassungsänderungen durch innerstaatliche Gesetze betrifft. 134  Rojahn, Art. 25, in: Münch/Kunig, GG, 6. Aufl. 2012, Rn. 56; vgl. zum Beispiel den Fall des Art. 23 GG, auf welchen Art. 79 Abs. 1 S. 1 GG nicht angewendet wird, Dietlein, Art. 79, in: BeckOK GG, 39. Aufl. 15.11.2018, Rn. 6 f. 135  Koenig, Art. 25, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG, 6. Aufl. 2010, Rn. 55. 136  Koenig, Art. 25, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG, 6. Aufl. 2010, Rn. 55; Steinberger, § 173, in: HStR VII, 1992, Rn. 61. 137  Kunig, Völkerrecht und staatliches Recht, in: Völkerrecht, 7.  Aufl. 2016, Rn. 156; vgl. dazu selbst Steinberger, § 173, in: HStR VII, 1992, Rn. 61. 138  Frei übersetzt bedeutet dies etwa „hartnäckiger Protestierender“. 139  Koenig, Art. 25, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG, 6. Aufl. 2010, Rn. 55; Steinberger, § 173, in: HStR VII, 1992, Rn. 61; Hobe, Art. 25, in: Berliner Kommentar, 2018 (Stand: 36. EL 2011), Rn. 34; Cremer, § 235, in: HStR XI, 3. Aufl. 2013, Rn. 27. 140  Zur Wirkung der „persistent objector rule“ Elias, Persistent Objector, Max Planck EPIL (September 2006), Rn. 1.

52

A. Territoriale Beschränkung aufgrund Völkerrechts

dings die Schwierigkeit, sich alleine beständig gegen eine vom Rest der Völkergemeinschaft akzeptierte Norm zu stellen.141 Zudem ist fraglich, warum die Bundesrepublik sich in dem Fall, in dem die völkergewohnheitsrechtliche Norm auf der gleichen Ebene wie die Verfassung anzusiedeln wäre, veranlasst sehen sollte, sich als „persistent objector“ zu gerieren. Die Annahme eines Gleichrangs schließt einen Vorrang des Verfassungsrechts gerade aus. Konflikte wären bei einem Gleichrang vielmehr im Wege der praktischen Konkordanz zu lösen.142 Die Befürchtung einer Gefährdung der Integrität der Verfassung durch außerhalb dessen be- und entstehendes Recht kann damit nicht entkräftet werden. Bei Völkergewohnheitsrecht handelt es sich außerdem um ungeschriebenes Recht, dessen Inhalt nur schwer mit Sicherheit festzustellen ist. Diese Schwierigkeiten würden bei einem Gleichrang auf das Verfassungsrecht übertragen.143 Diese Unsicherheiten würden insbesondere im Rahmen des Grundrechtsschutzes zu Problemen führen. So enthalten die Grundrechte jeweils Gesetzesvorbehalte, denen gemäß die Grundrechte nur aufgrund inhaltlich bestimmter Gesetze beschränkt werden können. Stünde das Völkergewohnheitsrecht auf der gleichen Ebene wie das Grundgesetz, könnten Grundrechtseingriffe auch auf Grundlage der inhaltlich schwer bestimmbaren völkergewohnheitsrechtlichen Normen erfolgen. Der vom Grundgesetz geregelte und abgestufte Grundrechtsschutz könnte damit ausgehöhlt werden.144 Außerdem könnte der im Völkerrecht geregelte Mindeststandard für die Fremden als Spezialregelung gegenüber den Grundrechten herangezogen und mithin dazu genutzt werden, den Grundrechtsschutz für Ausländer auszuschalten.145 Damit ist insgesamt von einem Rang zwischen Grundgesetz und einfachem Recht auszugehen.146

141  S. zur eingeschränkten Bedeutung dieses Instituts Crawford, Brownlie’s Principles of Public International Law (2012), 8. Aufl., S. 28; dazu auch Arnauld, Völkerrecht (2016), 3. Aufl., Rn. 257, wonach es sich eher um Theorie als um Praxis handele. 142  So Cremer, § 235, in: HStR XI, 3. Aufl. 2013, Rn. 27; vgl. auch den Vorschlag von Hobe, Art. 25, in: Berliner Kommentar, 2018 (Stand: 36. EL 2011), Rn. 34. 143  Rojahn, Art. 25, in: Münch/Kunig, GG, 6. Aufl. 2012, Rn. 56; Wollenschläger, Art. 25, in: Dreier, GG, 3. Aufl. 2015, Rn. 30. 144  Koenig/König, Art. 25, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG, 7. Aufl. 2018, Rn. 55; vgl. Steinberger, § 173, in: HStR VII, 1992, Rn. 58, allerdings nur gegen einen Überverfassungsrang. 145  S. zu diesem Argument Zuleeg, Art. 24 Abs. 3/Art. 25, in: AK-GG, 3. Aufl. 2001, Rn. 23. 146  So z. B. auch Rojahn, Art. 25, in: Münch/Kunig, GG, 6. Aufl. 2012, Rn. 55 ff.; Wollenschläger, Art. 25, in: Dreier, GG, 3. Aufl. 2015, Rn. 30; Ipsen, DVBl. 1949, 486, S. 490; Herdegen, Art. 25 GG, in: Maunz/Dürig, GG, 84. Aufl. August 2018,



III. Ergebnis53

III. Ergebnis Die Gewährleistung eines extraterritorial geltenden Asylrechts wäre dann ein Verstoß gegen Völkerrecht, wenn sie auf die Vornahme positiver Handlungen auf fremdem Staatsgebiet gerichtet wäre. Selbst dann aber hätte dies keinen unmittelbaren Einfluss auf den Gewährleistungsgehalt des gegenüber jedwedem Völkerrecht normhierarchisch höheren Art. 16a GG. Der Gewährleistungsgehalt des Art. 16a GG wird durch Völkerrecht demnach nicht unmittelbar territorial eingeschränkt.147

Rn. 78; Schmahl, JuS 2013, 961, S. 964; Geiger, Staatsrecht III (2018), 8. Aufl., S. 153. 147  Allgemein dazu, dass das hierarchisch höhere Asylgrundrecht nicht durch allgemeines Völkerrecht eingeschränkt ist so auch Franke, Politisches Delikt und Asylrecht (1979), S. 72, sowie Pollern, Das moderne Asylrecht (1980), S. 321.

B. Extraterritoriale Grundrechtsgeltung für gebietsfremde Ausländer nach dem Grundgesetz – Allgemeiner Teil Nachdem dargelegt wurde, dass die Geltungsreichweite der Grundrechte nicht durch Völkerrecht bestimmt bzw. eingeschränkt wird, stellt sich die Frage, wie die territoriale Reichweite des Art. 16a GG aus Sicht der Verfassung zu bewerten ist. Die Frage ist, ob Art. 16a GG territorial auf das Bundesgebiet beschränkt ist oder auch extraterritorial, d. h. gegenüber gebietsfremden Ausländern seine Wirkung entfaltet. Art. 16a GG selbst ist dabei keine eindeutige Aussage diesbezüglich zu entnehmen.148 In Konsequenz dessen sind seine extraterritoriale Geltung bzw. seine territoriale Beschränkung in der Literatur umstritten. Um die Frage nach einer territorialen Beschränkung des Asylgrundrechts vollumfänglich beantworten zu können, wird an dieser Stelle – in einem ersten Schritt – untersucht, wie sich die extraterritoriale Grundrechtsgeltung nach dem Grundgesetz allgemein darstellt. Es wird untersucht, ob die Geltungsreichweite der Grundrechte nach dem Grundgesetz allgemein territorial beschränkt ist bzw. – mit Blick auf den hiesigen Untersuchungsgegenstand – ob bzw. unter welchen Voraussetzungen die Grundrechte des Grundgesetzes gegenüber gebietsfremden Ausländern überhaupt Geltung entfalten.149 Nach einer Skizzierung der einschlägigen bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung (I.) werden die Grundlagen bzw. der verfassungsrechtliche Ausgangspunkt für die vorzunehmende Untersuchung erläutert (II.). Im An148  Vgl. Arnauld, Art. 16a, in: Münch/Kunig, GG, 6. Aufl. 2012, Rn. 25, der die Tatsache, dass sich dem Wortlaut „kein Hinweis auf eine solche zusätzliche Bedingung“ entnehmen lasse, allerdings als Argument gegen das Erfordernis eines Kontakts mit dem Staatsgebiet für die Entstehung des Anspruchs heranzieht. Zu einer detaillierten Auslegung des Art. 16a GG s. u. Teil D. I. 149  Es sollen insbesondere keine allgemeinen Grundsätze entwickelt werden, nach denen die verschiedenen Konstellationen, in denen ein Auslandsbezug festgestellt werden kann, auf ihre Grundrechtsrelevanz hin überprüft werden können. Zu einer solchen Aufarbeitung s. etwa Hofmann, Grundrechte und grenzüberschreitende Sachverhalte (1994), Elbing, Zur Anwendbarkeit der Grundrechte bei Sachverhalten mit Auslandsbezug (1992), sowie Yousif, Die Extraterritoriale Geltung der Grundrechte (2007), S. 105 ff., welche nach einer Feststellung der grundsätzlichen extraterritorialen Geltung der Grundrechte untersucht, ob diese gegenüber innerstaatlichen Sachverhalten modifiziert bzw. mit einer „geringeren Schutzintensität“ ausgestattet ist.



I. Standpunkt des Bundesverfassungsgerichts55

schluss daran werden die verschiedenen in der Literatur entwickelten Ansätze dargelegt und analysiert (III.). Die Diskussion wird sodann im Hinblick auf verschiedene Grundrechtsdimensionen ausdifferenziert (IV.).

I. Standpunkt des Bundesverfassungsgerichts Zunächst stellt sich die Frage, ob der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hinsichtlich der extraterritorialen Grundrechtsgeltung gegenüber gebietsfremden Ausländern eine Aussage entnommen werden kann. 1. Washingtoner Abkommen Schon in dem Beschluss zum Washingtoner Abkommen im Jahre 1957 kam die extraterritoriale Reichweite der Grundrechte zur Sprache.150 Es ging um das Zustimmungsgesetz zu einem völkerrechtlichen Vertrag. Dieser betraf die in der Schweiz beschlagnahmten deutschen Vermögen und deren Wiedererlangung durch die betroffenen Deutschen. Letztere wurden dabei vor die Wahl gestellt, entweder eine Ablösesumme zu bezahlen oder die Liquidation der Vermögenswerte zu dulden. Laut Bundesverfassungsgericht stand die Tatsache, dass der völkerrechtliche Vertrag im Ausland zu vollziehen war, der Bindung der deutschen Hoheitsgewalt an die Grundrechte bei Erlass des Zustimmungsgesetzes nicht entgegen. Die Staatsgewalt sei auch dann an die Grundrechte gebunden, „soweit Wirkungen ihrer Betätigung im Ausland eintreten“.151 Eine Aussage zur extraterritorialen Reichweite der Grundrechte ist der Entscheidung insofern zu entnehmen, als sie einen Sachverhalt betraf, bei dem das betroffene, über Art. 14 GG grundrechtlich geschützte Rechtsgut (Eigentum) außerhalb der Bundesrepublik lag und eine Maßnahme der deutschen Hoheitsgewalt grenzüberschreitende Wirkungen auf dieses Rechtsgut entfaltete.152 Allerdings betraf die Entscheidung deutsche Staatsangehörige, die sich selbst innerhalb des Staatsgebiets befanden. Eine auf die Frage nach der Bestimmung der Reichweite der Grundrechtsbin150  Dieser Beschluss stellt den zentralen Ausgangspunkt für das später noch zu erläuternde „Wirkungsprinzip“ dar. S. dazu unten Teil B. III. 2. a). 151  BVerfGE 6, 290 (295); bestätigt in BVerfGE 57, 9 (23). Auf dieser Aussage gründete sich daraufhin das in der Literatur entwickelte „Wirkungsprinzip“, welches an späterer Stelle noch weiter analysiert werden wird. S. u. insbesondere Teil B. III. 2. a) (1). 152  S. dazu Lorenz, Der territoriale Anwendungsbereich der Grund- und Menschenrechte (2005), S. 129, welcher die Kernaussage dieses Urteils u. a. darin sieht, dass die Grundrechte auf Sachverhalte mit Auslandsbezug grundsätzlich anwendbar seien; vgl. Koops, Seeräubereibekämpfung durch die Bundeswehr im Einklang mit dem Grundgesetz (2013), S. 208.

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B. Extraterritoriale Grundrechtsgeltung – Allgemeiner Teil

dung gegenüber gebietsfremden Ausländern unmittelbar anwendbare Aussage ist der Entscheidung damit nicht zu entnehmen.153 2. Spanier Zu untersuchen ist darüber hinaus der Spanier-Beschluss154 aus dem Jahr 1971. Im Beschluss ging es um eine deutsche Staatsangehörige und einen spanischen Staatsangehörigen, die in Deutschland heiraten wollten. Über Art. 13 Abs. 1 EGBGB wurde für die Beurteilung der Ehefähigkeit des Mannes das spanische Recht herangezogen. Der Ehefähigkeit stand nach spanischem Recht die nach deutschem Recht rechtskräftige Scheidung der Frau entgegen. Die Eheschließung wurde den Betroffenen verwehrt. Hiergegen erhoben beide Verfassungsbeschwerde. Das Bundesverfassungsgericht prüfte eine Verletzung von Art. 6 Abs. 1 GG und insbesondere die Frage, ob es einer Prüfung am Maßstab des Art. 6 Abs. 1 GG entgegenstehe, dass der Eingriff auf der Anwendung ausländischen Rechts beruht.155 Das Bundesverfassungsgericht entschied, dass auch im internationalen Privatrecht die „Leitnorm“ des Art. 1 Abs. 3 GG anzuwenden sei. Diese binde alle staatliche Gewalt im Geltungsbereich des Grundgesetzes mit unmittelbarer Wirkung an die Grundrechte. Dabei sei die Grundrechtsbindung zunächst beim Erlass einer Kollisionsnorm und daran anschließend im Kollisionsfall bei Anwendung ausländischen Rechts zu berücksichtigen. Im Hinblick auf die Grundrechtsbindung wird bei Erlass einer Kollisionsnorm, d. h. einer Norm, nach der im Einzelfall bestimmt wird, welches nationale Recht anzuwenden ist, die Verschiedenheit und Wandelbarkeit ausländischen Rechts berücksichtigt. Der Gesetzgeber könne potenzielle Grundrechtsverletzungen bei Erlass einer Kollisionsnorm kaum vorhersehen. Gerade dies spräche allerdings gegen die Annahme, dass bei Erlass einer solchen Kollisionsnorm die Anwendbarkeit der Grundrechte im Kollisionsfall ausgeschlossen werden könne, würde der Gesetzgeber dadurch doch einen „mehr oder weniger ‚grundrechtsfreie[n]‘ Raum“ schaffen. Vielmehr blieben die deutschen Be153  Röben, Außenverfassungsrecht (2007), S. 386; Koops, Seeräubereibekämpfung durch die Bundeswehr im Einklang mit dem Grundgesetz (2013), S. 208; Ziekow, Über Freizügigkeit und Aufenthalt (1997), S. 504 f. A. A. allerdings Heintzen, Auswärtige Beziehungen privater Verbände (1988), S. 101, 131, demzufolge die Entscheidung die grundsätzlich territoriale Geltung der Grundrechte nicht widerlege, sondern bestätige; diese Auslegung des Beschlusses als „sehr zweifelhaft“ ablehnend Bungert, Kapitalgesellschaften (1994), S. 228; gegen die Ansicht Heintzens auch ­Elbing, Zur Anwendbarkeit der Grundrechte bei Sachverhalten mit Auslandsbezug (1992), S.  227 ff. 154  BVerfGE 31, 58. 155  BVerfGE 31, 58 (70 ff.).



I. Standpunkt des Bundesverfassungsgerichts57

hörden und Gerichte bei der Anwendung des fremden nationalen Rechts über Art. 1 Abs. 3 GG an die Grundrechte gebunden. Es komme darauf an, „ob eine innerstaatliche Rechtshandlung deutscher Staatsgewalt in bezug auf einen konkreten Sachverhalt, der eine mehr oder weniger starke Inlandsbeziehung aufweist, zu einer Grundrechtsverletzung führt.“156 Das Gericht entschied weiter, dass ein Grundrecht „wesensmäßig eine bestimmte Beziehung zur Lebensordnung im Geltungsbereich der Verfassung voraussetzen“ könne. Inwieweit dies der Fall sei, ließe sich „nicht allgemein“ bestimmen. Vielmehr sei „jeweils durch Auslegung der entsprechenden Verfassungsnorm festzustellen, ob sie nach Wortlaut, Sinn und Zweck für jede denkbare Anwendung hoheitlicher Gewalt innerhalb der Bundesrepublik gelten will oder ob sie bei Sachverhalten mit mehr oder weniger intensiver Auslandsbeziehung eine Differenzierung zuläßt oder verlangt“.157 Dem Urteil wurde zum Teil die Aussage entnommen, die Grundrechte gälten grundsätzlich unbeschränkt, die jeweilige Reichweite des Grundrechts sei allerdings durch Auslegung zu ermitteln.158 Diese Entscheidung betraf einen Fall des internationalen Privatrechts, bei welchem der Auslandsbezug u. a. darüber hergestellt wird, dass von deutschen Behörden bzw. Gerichten eine ausländische Norm angewendet werden muss.159 Für die vorliegende Fragestellung, ob die Grundrechte gegenüber gebietsfremden Ausländern ohne jeglichen Inlandsbezug anwendbar sind, trifft sie keine eindeutige Aussage.160 Die betroffenen Rechtsgüter befanden 156  BVerfGE

31, 58 (72–75). 31, 58 (77). 158  Krieger, Die Reichweite der Grundrechtsbindung, in: Parlamentarische Kon­ trolle, 2008, S. 5; vgl. Schröder, Zur Wirkkraft der Grundrechte, in: FS Schlochauer, 1981, S. 139 ff.; vgl. Menzel, Internationales Öffentliches Recht (2011), S. 558, der darin einen bereichsspezifischen Ansatz bestätigt sieht. S. auch Lorenz, Der territoriale Anwendungsbereich der Grund- und Menschenrechte (2005), S. 132, welcher den Beschluss sogar als „Leitentscheidung zur Frage der extraterritorialen Anwendbarkeit der Grundrechte“ bezeichnet. 159  Hofmann, Grundrechte und grenzüberschreitende Sachverhalte (1994), S. 15 ff.; Stern, Staatsrecht III/1 (1988), S. 1238 ff. Zur Bedeutung des Beschlusses für das deutsche internationale Privatrecht und dazu, dass dieser eine „dogmengeschichtliche Wende“ für letzteres eingeleutet habe, Stöcker, RabelsZ 1974, 79, S. 80. 160  Röben, Außenverfassungsrecht (2007), S. 386, der darauf hinweist, dass die Entscheidung einen „Sachverhalt mit starkem Inlandsbezug“ betraf; Schwander, Ex­ traterritoriale Wirkung von Grundrechten im Mehrebenensystem (2019), S. 44, demzufolge sich die Entscheidung nicht mit „echten Auslandswirkungen“ beschäftigt habe. S. allerdings Lorenz, Der territoriale Anwendungsbereich der Grund- und Menschenrechte (2005), S. 132, demzufolge seit dieser Entscheidung u. a. gefragt werde, ob zur Eröffnung der Schutzbereiche der Grundrechte ein Inlandsbezug erforderlich ist und ob „ein allgemeines Grundrechtskollisionsrecht“ entworfen werden könne. 157  BVerfGE

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B. Extraterritoriale Grundrechtsgeltung – Allgemeiner Teil

sich ebenso im Inland wie die entscheidenden staatlichen Organe.161 Es wird ausschließlich festgestellt, dass in einem Fall, in dem ausländisches Recht auf einen Sachverhalt anzuwenden ist, nur die Anwendung des deutschen einfachen Rechts ausgeschlossen wird und nicht etwa auch die Anwendung der deutschen Grundrechte.162 Die Problematik der Grundrechte im Zusammenhang mit dem internationalen Privatrecht besteht damit weniger in der Frage, ob die deutschen Grundrechte überhaupt anwendbar sind, sondern darin, wie das anzuwendende ausländische Recht an den deutschen Grundrechten zu messen ist.163 3. Familiennachzug Im Beschluss zum Familiennachzug aus dem Jahr 1987 wurde geprüft, ob der Schutzbereich von Art. 6 GG auch für Ausländer gilt, die noch nicht in den räumlichen Hoheitsbereich der Bundesrepublik gelangt sind. Es wird lediglich festgestellt, dass der mangelnde Gebietskontakt dann nicht zur Unanwendbarkeit des Art. 6 GG führt, wenn der Betroffene mit einer Person in Ehe und Familie verbunden ist, die einen solchen Gebietskontakt bereits hergestellt hat.164 Ob ein Gebietskontakt bzw. Inlandsbezug für die Anwendbarkeit der Grundrechte erforderlich ist, wird damit offengelassen. 4. Zweitregister Beim Zweitregister-Urteil165 aus dem Jahr 1995 ging es um die eingeschränkte Geltung des deutschen Tarifrechts auf deutschen Schiffen gegenüber ausländischen Besatzungsmitgliedern gemäß § 21 Abs. 4 FlRG und 161  Menzel, Internationales Öffentliches Recht (2011), S. 560; vgl. Koops, Seeräubereibekämpfung durch die Bundeswehr im Einklang mit dem Grundgesetz (2013), S. 210; vgl. Oppermann, Transnationale Ausstrahlung deutscher Grundrechte?, in: FS Grewe, 1981, S. 524, m. Fn. 7; vgl. Elbing, Zur Anwendbarkeit der Grundrechte bei Sachverhalten mit Auslandsbezug (1992), S. 143. 162  Becker, § 240, in: HStR XI, 3. Aufl. 2013, Rn. 50 ff.; vgl. Beck, Auslandseinsätze deutscher Streitkräfte (2008), S. 58. 163  Vgl. Werner, Die Grundrechtsbindung der Bundeswehr (2006), S. 79 f.; vgl. Stern, Staatsrecht III/1 (1988), S. 1239 f. Zur unterschiedlichen Zielsetzung von internationalem Verfassungsrecht und internationalem Privatrecht Bungert, Kapitalgesellschaften (1994), S. 203 f.; Elbing, Zur Anwendbarkeit der Grundrechte bei Sachverhalten mit Auslandsbezug (1992), S. 23 ff. 164  BVerfGE 76, 1 (46). Vgl. Quaritsch, § 120, in: HStR V, 2. Aufl. 2000, Rn. 83, der in dem im Inland lebenden Familienmitglied einen Inlandsbezug erkennt. Auch Isensee, § 115, in: HStR V, 2. Aufl. 2000, Rn. 88, erkennt in diesem Fall einen „territoriale[n] Anknüpfungspunkt“. 165  BVerfGE 92, 26.



I. Standpunkt des Bundesverfassungsgerichts59

dessen Vereinbarkeit mit den Grundrechten des Grundgesetzes. Das Bundesverfassungsgericht stellte fest, dass der Gesetzgeber bei der Wahrnehmung seiner Ausgestaltungsbefugnis die besonderen Gegebenheiten der Handelsschifffahrt in internationalen Gewässern berücksichtigen dürfe. Diese bestünden insbesondere darin, dass sie „notwendig außerhalb des deutschen Hoheitsgebiets stattfindet.“166 Der Gesetzgeber müsse durch die Aufrechterhaltung eines ungeschmälerten Grundrechtsschutzes nicht die Gefahr in Kauf nehmen, dass deutsche Reeder ihre Schiffe ausflaggen167 und damit vollständig der Grundrechtsgeltung entziehen.168 Dadurch, dass das Bundesverfassungsgericht eine Beeinträchtigung des Grundrechts bejaht und die Verfassungsmäßigkeit dieser prüft, inkludiert es zugleich, dass Grundrechte bei Fällen mit Auslandsbezug überhaupt anwendbar sind.169 Allerdings bezog sich dieser Teil des Urteils auf die Verletzung der Koalitionsfreiheit der deutschen Gewerkschaften aus Art. 9 Abs. 3 GG. Die Frage, ob die Grundrechte auch gegenüber gebietsfremden Ausländern gelten, wird damit nicht unmittelbar beantwortet. In dem Urteil wird jedoch auch die Verletzung der Menschenwürde und Handlungsfreiheit ausländischer Seeleute geprüft. Das Gericht stellt fest, dass § 21 Abs. 4 S. 1 und 2 FlRG zwar die Anwendung ausländischen Rechts auf deutschen Schiffen ermögliche. Damit sei nicht ausgeschlossen, dass es zu ausbeuterischen Arbeitsbedingungen kommen könnte. Dadurch allein würde in die Grundrechte der ausländischen Seeleute jedoch noch nicht eingegriffen. Indes hätten die deutschen Gerichte bei Anwendung des ausländischen Rechts im Einzelfall die Grundrechte zu beachten.170 Durch die Prüfung des Eingriffs lässt das Gericht erkennen, dass es von einer grundsätzlichen Anwendbarkeit der Grundrechte außerhalb des Staatsgebiets ausgeht.171 So befanden sich die betroffenen Rechtsgüter nicht inner166  BVerfGE

92, 26 (42). bedeutet, das Schiff unter der Flagge eines anderen Staates fahren zu lassen. Damit würde das Schiff der ausschließlichen Hoheitsgewalt des fremden Staates unterliegen (vgl. zur Rechtslage auf See Teil A. I. 3. c). 168  BVerfGE 92, 26 (38–43). 169  Vgl. Kronke, Grundrechte bei Fällen mit Auslandsbezug, in: Die Wirkungskraft der Grundrechte, 1998, S. 37 ff., welcher das Urteil im Übrigen wegen seiner methodischen Schwächen kritisiert; vgl. Ruthig, Globalisierung und Grundgesetz, in: Wolter/Riedel/Taupitz, Einwirkungen der Grundrechte, 1999, 278 f.; vgl. Lorenz, Der territoriale Anwendungsbereich der Grund- und Menschenrechte (2005), S. 135. 170  BVerfGE 92, 26 (48 f.). 171  Vgl. Kronke, Grundrechte bei Fällen mit Auslandsbezug, in: Die Wirkungskraft der Grundrechte, 1998, S. 39; vgl. Krieger, Die Reichweite der Grundrechtsbindung, in: Parlamentarische Kontrolle, 2008, S. 5, welche aus dem Urteil abliest (bezogen allerdings auf Art. 9 Abs. 3 GG und Art. 3 Abs. 1 GG der Seeleute mit ausländischem 167  „Ausflaggen“

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B. Extraterritoriale Grundrechtsgeltung – Allgemeiner Teil

halb, sondern außerhalb der Bundesrepublik, nämlich an Bord von Schiffen. Schiffe, die unter der Bundesflagge geführt werden, nehmen für den Bereich außerhalb des deutschen Staatsgebiets jedoch eine Sonderstellung ein. Diese unterliegen der ausschließlichen Hoheitsgewalt der Bundesrepublik.172 Eine allgemeine Aussage zur Grundrechtsgeltung gegenüber gebietsfremden Ausländern ohne Inlandsbeziehung lässt die Entscheidung demnach nicht zu.173 5. Telekommunikationsüberwachung Auch im Urteil zur Telekommunikationsüberwachung174 aus dem Jahr 1999 wurde die Frage nach dem Erfordernis eines Inlandsbezugs nicht eindeutig geklärt.175 Dabei ging es um die strategische Fernmeldeüberwachung des Bundesnachrichtendienstes, die unabhängig davon erfolgte, ob es sich bei den abgehörten Personen um Deutsche oder Ausländer handelte oder ob sich diese innerhalb oder außerhalb der Bundesrepublik aufhielten. Ein Gebietskontakt wurde im Urteil darin gesehen, dass „die Erfassung und Aufzeichnung des Telekommunikationsverkehrs mit Hilfe der auf deutschem Boden stationierten Empfangsanlagen des Bundesnachrichtendienstes“ erfolgt waren. Auch die Auswertung der Daten erfolgte auf deutschem Boden.176 Ob ein territorialer Bezug für die Grundrechtsgeltung erforderlich ist, lässt das Urteil letztlich offen.177 So stellte es fest, dass die Bindung des Art. 10 GG aufgrund Wohnsitz), dass sich Modifikationen der Wirkkraft der Grundrechte bei Sachverhalten mit Auslandsbezug auf Schutzbereichs-, Eingriffs- und Rechtfertigungsebene ergeben können. Eine grundsätzliche (einzelfallunabhängige) Grundrechtsbindung wird damit vorausgesetzt. 172  Siehe dazu oben Abschnitt Teil A. I. 3. c). 173  A. A. offenbar Starck, Art. 1, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG, 7. Aufl. 2018, Rn. 212, der dem Urteil die Äußerung entnehmen will, dass Handelsschiffe unter deutscher Flagge bezüglich der Besatzung nicht auf den vollen Grundrechtsstandard verpflichtet seien. Es bleibt allerdings unklar, wer mit Handelsschiffen gemeint ist. In dem Urteil ging es jedenfalls nicht etwa um die grundrechtliche Verpflichtung des Kapitäns, sondern des deutschen Gesetzgebers. Zur Grundrechtsbindung von Kauffahrtteischiffskapitänen s. u. Teil E. III. 2. b) (2). 174  BVerfGE 100, 313. 175  Vitzthum, Extraterritoriale Grundrechtsgeltung, in: FS Bothe, 2008, S. 1214; Menzel, Internationales Öffentliches Recht (2011), S. 564 f.; Arndt, NJW 2000, 47, 48 f.; Lorenz, Der territoriale Anwendungsbereich der Grund- und Menschenrechte (2005), S.  136 f. 176  BVerfGE 100, 313 (363 f.). 177  Vitzthum, Extraterritoriale Grundrechtsgeltung, in: FS Bothe, 2008, S. 1214; Arndt, NJW 2000, 47, 48 f.; Breuer, Verfassungsrechtliche Anforderungen an das Wahlrecht der Auslandsdeutschen (2001), S. 139; Menzel, Internationales Öffentliches Recht (2011), S. 559, 564 f.; Lorenz, Der territoriale Anwendungsbereich der Grundund Menschenrechte (2005), 136 f.; Becker, § 240, in: HStR XI, 3. Aufl. 2013, Rn. 88,



I. Standpunkt des Bundesverfassungsgerichts61

der Verknüpfung mit dem Inland „selbst dann“ eingreife, „wenn man dafür einen hinreichenden territorialen Bezug voraussetzen wollte“.178 6. Luftangriff in Kunduz Ein Beschluss aus dem Jahre 2015 lässt hingegen die Annahme erkennen, dass die Grundrechte auch gegenüber gebietsfremden Ausländern ohne Inlandsbezug gelten. In dem Beschluss ging es um die Einstellung eines Ermittlungsverfahrens zu einem Luftangriff in Kunduz durch den Generalbundesanwalt.179 Ermittlungsgegenstand war ein von einem Oberst der Bundeswehr veranlasster Luftangriff auf zwei Tanklastwagen, bei dem zwei Kinder getötet wurden. Strafanzeige erstattete der Vater der Getöteten. Seine Verfassungsbeschwerde wurde „mangels hinreichender Aussicht auf Erfolg“ nicht zur Entscheidung angenommen. Das Bundesverfassungsgericht bejahte allerdings den Anspruch des Vaters auf Strafverfolgung aus Art. 6 Abs. 1 und 2 i. V. m. Art. 2 Abs. 2 und 1 Abs. 1 S. 2 GG,180 jedoch ohne auf die Tatsache einzugehen, dass sich der Sachverhalt vollständig im Ausland abspielte.181 7. Resümee Insgesamt lässt sich der älteren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts keine eindeutige allgemeingültige Aussage über die territoriale Reichweite der Grundrechte bzw. deren extraterritoriale Anwendbarkeit für gebietsfremde Ausländer, die keinen Inlandsbezug aufweisen, entnehmen.182 demzufolge dem Urteil allerdings auch der Hinweis entnommen werden könnte, dass ein Gebietskontakt sogar entbehrlich sein könnte. 178  BVerfGE 100, 313 (363 f.). 179  BVerfG, NJW 2015, 3500. 180  BVerfG, NJW 2015, 3500, S. 3501; kritisch dazu Hörnle, JZ 2015, 893, sowie Gärditz, JZ 2015, 893. 181  So auch Schwander, Extraterritoriale Wirkung von Grundrechten im Mehrebenensystem (2019), S. 51. 182  Menzel, Internationales Öffentliches Recht (2011), S. 558 f.; Thym, DÖV 2010, 621, S. 629, dazu, dass Karlsruhe noch nicht zu der Situation Stellung beziehen musste, in der kein Inlandsbezug vorliegt; Mrozek, Grenzschutz als supranationale Aufgabe (2013), S. 117, derzufolge die wenigen Äußerungen des BVerfG hierzu eher „rudimentäre[n]“ Charakters seien; Werner, Die Grundrechtsbindung der Bundeswehr (2006), S. 80, derzufolge sich das BVerfG „eher beiläufig“ zu dem Thema geäußert habe; Röben, Außenverfassungsrecht (2007), S. 408, demzufolge das BVerfG „noch nicht abschließend Stellung genommen [habe]“; vgl. Becker, § 240, in: HStR XI, 3. Aufl. 2013, Rn. 5; vgl. Ruthig, Globalisierung und Grundgesetz, in: Wolter/Riedel/ Taupitz, Einwirkungen der Grundrechte, 1999, S. 278. Kritik an der Rspr. des BVerfG übend Baldus, Transnationales Polizeirecht (2001), S. 129 ff., insbesondere im Hin-

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B. Extraterritoriale Grundrechtsgeltung – Allgemeiner Teil

Einem neueren Beschluss ist die Annahme einer extraterritorialen Geltung von Grundrechten durchaus zu entnehmen, ohne dass das Gericht jedoch auf die Extraterritorialität des Sachverhalts eingegangen wäre.183

II. Grundlagen Bevor die verschiedenen in der Literatur vertretenen Ansichten analysiert werden, sind die allgemein anerkannten Grundlagen zur räumlichen Geltungsreichweite des Grundgesetzes bzw. der Grundrechte zu klären. 1. Umfassende Bindung an die Grundrechte des Grundgesetzes ­innerhalb des Staatsgebiets, aber keine strikte Beschränkung auf das Staatsgebiet Unbestritten ist, dass das Staatsgebiet der Bundesrepublik den „Kernbereich der Grundrechtsanwendung“ darstellt.184 Dies gilt auch gegenüber sich im Inland befindlichen Ausländern.185 Eine Person kann sich also spätestens dann vollumfänglich auf die Grundrechte berufen, wenn sie das Staatsgebiet der Bundesrepublik betreten hat. Des Weiteren ist weitgehend unbestritten, dass die Geltung der Grundrechte nicht strikt auf das Staatsgebiet beschränkt ist. Die These, dass hoheitliche Handlungen grundrechtsrelevante Wirkungen nur bis zur Staatsgrenze entfalten, wird heute kaum mehr vertreten.186 blick auf dessen Abweichen von der Eingriffs- und Schrankendogmatik; Vitzthum, Extraterritoriale Grundrechtsgeltung, in: FS Bothe, 2008, S. 1213 f., der die („restriktive“) Rechtsprechung des BVerfG eher als ein „Abarbeiten von Fällen denn ein Argumentieren im Horizont eines Systems“ nennt. 183  S. allerdings Schwander, Extraterritoriale Wirkung von Grundrechten im Mehr­ ebenensystem (2019), S. 52, demzufolge eine „klare Linie“ nicht erkennbar sei. 184  Isensee, § 115, in: HStR V, 2. Aufl. 2000, Rn. 83; Vitzthum, Extraterritoriale Grundrechtsgeltung, in: FS Bothe, 2008, S. 1213; Röben, Außenverfassungsrecht (2007), S.  404 f.; Badura, Territorialprinzip und Grundrechtsschutz, in: FS Leisner, 1999, S. 409. 185  Isensee, § 115, in: HStR V, 2. Aufl. 2000, Rn. 77; Oppermann, Transnationale Ausstrahlung deutscher Grundrechte?, in: FS Grewe, 1981, S. 523; vgl. Isensee, VVDStRL 32 (1974), 49, S. 61 f. 186  Isensee, § 115, in: HStR V, 2. Aufl. 2000, Rn. 82 f.; Quaritsch, § 120, in: HStR V, 2. Aufl. 2000, Rn. 72; Kronke, Grundrechte bei Fällen mit Auslandsbezug, in: Die Wirkungskraft der Grundrechte, 1998, S. 40; Bleckmann/Busse, DVBl. 1977, 794, S.  795 f.; Becker, § 240, in: HStR XI, 3. Aufl. 2013, Rn. 6 ff.; Stern, Staatsrecht III/1 (1988), S. 1230; Menzel, Internationales Öffentliches Recht (2011), S. 560; Kunig, Art. 1, in: Münch/Kunig, GG, 6. Aufl. 2012, Rn. 53; Yousif, Die Extraterritoriale Geltung der Grundrechte (2007), S. 17 ff.; Elbing, Zur Anwendbarkeit der Grundrechte bei Sachverhalten mit Auslandsbezug (1992), S. 236 f. Zur geschichtlichen Entwick-



II. Grundlagen63

2. Grundsätzlich umfassende Grundrechtsbindung der deutschen Staatsgewalt gemäß Art. 1 Abs. 3 GG Zu prüfen bleibt, wie weit die extraterritoriale Grundrechtsbindung der deutschen Staatsgewalt genau reicht, d. h. ob bzw. welche (zusätzlichen) Voraussetzungen an die Grundrechtsbindung in räumlicher Hinsicht geknüpft werden können bzw. müssen. Die „Leitnorm“187 im Hinblick auf die Grundrechtsbindung der deutschen Staatsgewalt stellt Art. 1 Abs. 3 GG dar.188 Verbreitet wird davon ausgegangen, dass Art. 1 Abs. 3 GG eine umfassende Grundrechtsbindung regelt.189 Art. 1 Abs. 3 GG stellt lediglich auf die Ausübung von Staatsgewalt ab, unabhängig davon, wo diese ausgeübt wird.190 lung des Territorialitätsprinzips und dessen letztendlicher einhelliger Ablehnung Baldus, Transnationales Polizeirecht (2001), S. 151 f. Zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts siehe: BVerfGE 6, 290 (295); BVerfGE 6, 32 (44); BVerfGE 40, 141 (165 ff.); BVerfGE 51, 1 (22 ff.); BVerfGE 57, 9 (23); wenn das Bundesverfassungsgericht in BVerfGE 94, 166 (198 f.), äußert, dass die Staatsgrenze „als Hindernis der freien Bewegung nach der allgemeinen Rechtsordnung vorgegeben“ sei, wird damit keine Aussage über eine grundsätzliche territoriale Beschränkung der Grundrechte getroffen, sondern lediglich der Schutzbereich des Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG ausgelegt; zu letzterem Sachs, Einf., in: Sachs, GG, 8. Aufl. 2018, Rn. 28a. 187  Zur Bezeichnug des Art. 1 Abs. 3 GG als „Leitnorm“ der Grundrechtsbindung durch das BVerfG s. o. Teil B. I. 2. S. auch Hofmann, Grundrechte und grenzüberschreitende Sachverhalte (1994), S. 13. 188  Auch Baldus, Transnationales Polizeirecht (2001), S. 147, nimmt Art. 1 Abs. 3 GG für die Beantwortung der territorialen Reichweite der Grundrechtsbindung als Ausgangspunkt; so auch Walter/Ungern-Sternberg, DÖV 2012, 861, S. 864, sowie Gröpl, ZRP 1995, 13, S. 16. S. auch Becker, § 240, in: HStR XI, 3. Aufl. 2013, Rn. 12, m. Fn. 27, demzufolge „[n]ahezu alle Erörterungen des räumlichen Anwendungsbereichs der Grundrechte“ mit einer Analyse des Art. 1 Abs. 3 GG begännen. Zu letzterem Schluss kommt auch Lorenz, Der territoriale Anwendungsbereich der Grund- und Menschenrechte (2005), S. 159. Gegen eine Anknüpfung an Art. 1 Abs. 3 GG als Ausgangspunkt für eine Beurteilung der Reichweite der Grundrechtsbindung allerdings Elbing, Zur Anwendbarkeit der Grundrechte bei Sachverhalten mit Auslandsbezug (1992), S. 72 ff., anders wiederum offenbar auf S. 222. Zum Vorwurf des Zirkelschlusses s. u. Teil B. III. 2. a) (2). 189  Krieger, Die Reichweite der Grundrechtsbindung, in: Parlamentarische Kontrolle, 2008, S. 1, derzufolge Art. 1 Abs. 3 GG die umfassende Grundrechtsbindung „unmissverständlich“ klarstelle; vgl. BVerfGE 100, 313 (362), wo von einer „umfassende[n] Bindung“ die Rede ist, woraus sich aber noch keine „abschließende Festlegung der räumlichen Geltungsreichweite der Grundrechte“ ergebe. 190  Baldus, Transnationales Polizeirecht (2001), S. 147; Zimmermann, ZRP 2012, 116, S. 117; Tomuschat, § 172, in: HStR VII, 1992, Rn. 53; Hailbronner, Einreiseverweigerung und Visumzwang im Asylrecht, in: FS Doehring, 1989, S. 295; Arnauld, Art. 16a, in: Münch/Kunig, GG, 6. Aufl. 2012, Rn. 25; Sachs, Das Recht zum Aufenthalt im Staatsgebiet, in: Staatsrecht IV/1, 2006, S. 751; Ruthig, Globalisierung und Grundgesetz, in: Wolter/Riedel/Taupitz, Einwirkungen der Grundrechte, 1999, S. 289; Werner, Die Grundrechtsbindung der Bundeswehr (2006), S. 78; Yousif, Die Extrater-

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B. Extraterritoriale Grundrechtsgeltung – Allgemeiner Teil

Angeknüpft werden kann diese Annahme zunächst an den Wortlaut des Art. 1 Abs. 3 GG.191 Der „klaren, an Vagheit armen Formulierung“ des Art. 1 Abs. 3 GG ist zu entnehmen, dass jede staatliche Handlung an die Grundrechte gebunden ist, ohne in räumlicher Hinsicht zu differenzieren.192 Eine genetische Auslegung der Norm gibt demgegenüber keine Richtung vor. Verbreitet wird angenommen, der Verfassungsgeber habe die Frage der extraterritorialen Grundrechtsbindung nicht bedacht.193 Damit spricht die Entstehungsgeschichte zwar nicht für eine territoriale Unbeschränktheit, steht dieser aber auch nicht entgegen.194 ritoriale Geltung der Grundrechte (2007), S. 14; Stoltenberg, ZRP 2008, 111, S. 112; Oehmke, Der Einsatz privater Sicherheitsdienste auf Handelsschiffen (2016), S. 413 f.; vgl. Bleckmann/Busse, DVBl. 1977, 794, S. 795; vgl. Arnauld, Das (Menschen-) Recht im Auslandseinsatz, in: Streitkräfte und Menschenrechte, 2008, S. 63; vgl. Schröder, Zur Wirkkraft der Grundrechte, in: FS Schlochauer, 1981, S. 138, demzufolge damit „Abschließendes“ nicht gesagt sei. 191  S. nur Werner, Die Grundrechtsbindung der Bundeswehr (2006), S. 78; Walter/ Ungern-Sternberg, DÖV 2012, 861, S. 864; Arnauld, Das (Menschen-)Recht im Auslandseinsatz, in: Streitkräfte und Menschenrechte, 2008, S. 63; Yousif, Die Extraterritoriale Geltung der Grundrechte (2007), S. 14; Ulmer, Asylrecht und Menschenwürde (1996), S. 160 f.; vgl. Schwander, Extraterritoriale Wirkung von Grundrechten im Mehrebenensystem (2019), S. 177. 192  Baldus, Transnationales Polizeirecht (2001), S. 147 f.; Schorkopf, Grundgesetz und Überstaatlichkeit (2007), S. 112, 119; Koops, Seeräubereibekämpfung durch die Bundeswehr im Einklang mit dem Grundgesetz (2013), S. 250; vgl. Lorenz, Der territoriale Anwendungsbereich der Grund- und Menschenrechte (2005), S. 160, wonach der Wortlaut von Art. 1 Abs. 3 GG zunächst für eine unbeschränkte Bindung an die Grundrechte spreche. Für eine Unergiebigkeit des Wortlauts allerdings Neubert, Der Einsatz tödlicher Waffengewalt durch die deutsche auswärtige Gewalt (2016), S. 139. Der Telos spreche allerdings für eine extraterritoriale Grundrechtsbindung. 193  Lorenz, Der territoriale Anwendungsbereich der Grund- und Menschenrechte (2005), S. 158; Hofmann, Grundrechte und grenzüberschreitende Sachverhalte (1994), S. 11; Bungert, Kapitalgesellschaften (1994), S. 220 f.; Gröpl, ZRP 1995, 13, S. 15; Ohler, Die Kollisionsordnung des Allgemeinen Verwaltungsrechts (2005), S. 277; Beck, Auslandseinsätze deutscher Streitkräfte (2008), S. 63; Ulmer, Asylrecht und Menschenwürde (1996), S. 136; Elbing, Zur Anwendbarkeit der Grundrechte bei Sachverhalten mit Auslandsbezug (1992), S. 28 f., wonach lediglich die Wirkung fremder Staatsgewalt im Bundesgebiet gesehen worden sei (Art. 16 Abs. 2 GG a. F.). Die „Auslandswirkung deutscher Staatsgewalt [habe] der Parlamentarische Rat dagegen komplett übersehen“; es ergäben sich „entstehungsgeschichtlich keinerlei aussagekräftigen Hinweise“, Menzel, Internationales Öffentliches Recht (2011), S. 567; vgl. Gamillschegg, Die Grundrechte bei der Anwendung ausländischen Rechts, in: FS Nipperdey, 1965, S. 324, zur Frage nach der Geltung der Grundrechte im internationalen Privatrecht. Weizsäcker, Grundrechte und freiwillige Migration (2007), S. 72 ff., dazu, dass der Parlamentarische Rat den Ausschluss der Geltung der Grundrechte für gebietsfremde Ausländer jedenfalls nicht als selbstverständlich vorausgesetzt habe. 194  Baldus, Transnationales Polizeirecht (2001), S. 147 f. S. dazu auch die Untersuchung von Koops, Seeräubereibekämpfung durch die Bundeswehr im Einklang mit



II. Grundlagen65

Eine territoriale Beschränkung der Grundrechte auf das Bundesgebiet kann zudem nicht (systematisch) aus anderen Verfassungsbestimmungen entnommen werden, insbesondere nicht aus Art. 23 GG a. F. und Art. 24 GG.195 Art. 23 GG a. F. regelte, dass das Grundgesetz zunächst „in den alten Bundesländern“ gelte und in anderen Teilen Deutschlands nach deren Beitritt in Kraft zu setzen sei. Darin ist nicht „[m]ehr als eine Aussage zu dem aktuellen Status des Grundgesetzes als Verfassung in und zur Überwindung der deutschen Teilung“ zu sehen gewesen.196 Außerdem wird zurecht darauf hingewiesen, dass Art. 23 GG a. F. jedenfalls seit seiner Abschaffung nicht mehr für eine territoriale Beschränkung herangezogen werden kann.197 Schließlich hat Art. 24 GG nicht selbst grundrechtsbegrenzende Wirkung, sondern – wenn überhaupt – das aufgrunddessen erlassene Recht.198

dem Grundgesetz (2013), S. 243 ff., demzufolge die Entstehungsgeschichte des Art. 1 Abs. 3 GG kein eindeutiges Ergebnis bringe. 195  Zu Art. 23 GG a. F.: Becker, § 240, in: HStR XI, 3. Aufl. 2013, Rn. 10; Baldus, Transnationales Polizeirecht (2001), S. 154; Lorenz, Der territoriale Anwendungsbereich der Grund- und Menschenrechte (2005), S. 158; Breuer, Verfassungsrechtliche Anforderungen an das Wahlrecht der Auslandsdeutschen (2001), S. 137 f.; Rudolf, Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht, Heft 11, 1973, 7, S. 13 ff.; Hofmann, Grundrechte und grenzüberschreitende Sachverhalte (1994), S. 12 f.; Werner, Die Grundrechtsbindung der Bundeswehr (2006), S. 76 f.; Scheer, Der Ehegatten- und Familiennachzug von Ausländern (1994), S. 168; Elbing, Zur Anwendbarkeit der Grundrechte bei Sachverhalten mit Auslandsbezug (1992), S. 76–78; vgl. Vogel, Der räumliche Anwendungsbereich der Verwaltungsrechtsnorm (1965), S. 147. A. A. noch zu Art. 23 GG a. F. Oppermann, Transnationale Ausstrahlung deutscher Grundrechte?, in: FS Grewe, 1981, S. 527; vgl. Robbers, Sicherheit als Menschenrecht (1987), S. 212, welcher annimmt, dass Art. 23 GG a. F. die Begrenzung des Grundrechtsschutzes auf das Inland als „Regelfall“ erscheinen lasse. Eine weitergehende Erstreckung sei demgegenüber „besonders begründungsbedürftig“; gegen eine Beschränkung der Grundrechtsbindung auf das Staatsgebiet gem. Art. 23 GG a. F. Denninger/ Rachor, ZAR 1988, 51, S. 54. Zu Art. 24 Abs. 1 GG: Elbing, Zur Anwendbarkeit der Grundrechte bei Sachverhalten mit Auslandsbezug (1992), S. 79–81; vgl. Streinz, Bundesverfassungsgerichtlicher Grundrechtsschutz (1989), S. 226. 196  Becker, § 240, in: HStR XI, 3. Aufl. 2013, Rn. 10. 197  Baldus, Transnationales Polizeirecht (2001), S. 154; Hofmann, Grundrechte und grenzüberschreitende Sachverhalte (1994), S. 13; Werner, Die Grundrechtsbindung der Bundeswehr (2006), S. 77; a. A. Elbing, Zur Anwendbarkeit der Grundrechte bei Sachverhalten mit Auslandsbezug (1992), S. 77. 198  Elbing, Zur Anwendbarkeit der Grundrechte bei Sachverhalten mit Auslandsbezug (1992), S. 79–81; vgl. Streinz, Bundesverfassungsgerichtlicher Grundrechtsschutz (1989), S. 226.

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B. Extraterritoriale Grundrechtsgeltung – Allgemeiner Teil

3. Zwischenergebnis Eine Einschränkung der Grundrechtsgeltung gegenüber gebietsfremden Ausländern kann Art. 1 Abs. 3 GG jedenfalls nicht entnommen werden. Der Wortlaut des Art. 1 Abs. 3 GG deutet vielmehr auf eine unbeschränkte Grundrechtsbindung der deutschen Staatsgewalt hin, d. h. auch gegenüber gebietsfremden Ausländern. Im Folgenden wird nun weiter geprüft, ob bzw. wie für die Grundrechtsbindung eine Differenzierung in räumlicher Hinsicht verfassungsrechtlich begründet werden könnte.

III. Extraterritoriale Grundrechtsgeltung der abwehrrechtlichen Dimension In der Literatur wurden verschiedene Ansätze zur Bestimmung der allgemeinen extraterritorialen Reichweite der Grundrechte entwickelt. Es wurden Anknüpfungspunkte entwickelt, anhand derer entschieden werden kann, ob auf einen Sachverhalt mit Auslandsbezug die deutschen Grundrechte Anwendung finden oder nicht.199 Diese Diskussion wird teilweise unter dem Stichwort „Grundrechtskollisionsrecht“ geführt.200 Der Begriff „Kollisionsrecht“ ist dem internationalen Privatrecht entnommen.201 Im internationalen Privatrecht geht es grundlegend um die Frage, ob die Normen der deutschen oder einer ausländischen Rechtsordnung auf einen Sachverhalt anzuwenden sind.202 Entscheidend ist dabei, zu welcher Rechtsordnung die „engste Verbindung“ besteht.203 Der Begriff „Grundrechtskollisionsrecht“ ist jedoch unpassend für die vorliegende Fragestellung. So geht es vorliegend lediglich darum, dass der Staat „die Anwendbarkeit seiner eigenen Normen festlegt“.204 Dabei wird keine Aussage über die Anwendbarkeit fremder Rechtsordnungen 199  Vgl.

Yousif, Die Extraterritoriale Geltung der Grundrechte (2007), S. 72–74. Isensee, § 115, in: HStR V, 2. Aufl. 2000, Rn. 77 ff.; Lorenz, Der territoriale Anwendungsbereich der Grund- und Menschenrechte (2005), S. 132, wonach im Anschluss an die Spanier-Entscheidung des BVerfG (s. o.) u. a. gefragt werde, ob ein „Grundrechtskollisionsrecht“ entworfen werden könne. Zu weiteren Begriffen s.  Bungert, Kapitalgesellschaften (1994), S.  183 f., m. w. N. 201  Vgl. Heintzen, § 50, in: HGR II, 2006, Rn. 31. Dazu, dass jedenfalls der Ansatz Isensees (dazu sogleich) „Ähnlichkeit zum internationalen Privatrecht“ aufzeigt, Schwander, Extraterritoriale Wirkung von Grundrechten im Mehrebenensystem (2019), S. 69. 202  Hein, Einl. IPR, in: MüKo BGB Bd. 11, 7. Aufl. 2018, Rn. 1. 203  Hein, Einl. IPR, in: MüKo BGB Bd. 11, 7. Aufl. 2018, Rn. 28 f. [im Original hervorgehoben]. 204  Isensee, § 115, in: HStR V, 2. Aufl. 2000, Rn. 77, Fn. 164; vgl. Heintzen, § 50, in: HGR II, 2006, Rn. 31, m. Fn. 102. 200  S.  z. B.



III. Extraterritoriale Grundrechtsgeltung der abwehrrechtlichen Dimension67

getroffen.205 Die Antwort auf die Frage nach der Anwendbarkeit der Grundrechte kann nur aus der Verfassung selbst heraus und nicht etwa – wie im Falle des internationalen Privatrechts – in Form eines separaten Kollisionsrechts entwickelt werden.206 Die Ansätze zur Begründung einer Grundrechtsbindung bei grenzüberschreitenden Sachverhalten bzw. Sachverhalten mit Auslandsbezug führen insbesondere im Hinblick auf die Grundrechtsbindung gegenüber gebietsfremden Ausländern ohne Inlandsbezug – der in dieser Arbeit interessierenden Personengruppe – zu unterschiedlichen Ergebnissen. Einerseits wird die extraterritoriale Grundrechtsgeltung an bestimmte Voraussetzungen geknüpft, die für gebietsfremde Ausländer ohne Inlandsbezug in der Regel nicht erfüllt sind. Für die extraterritoriale Grundrechtsgeltung für gebietsfremde, politisch verfolgte Ausländer würde dies bedeuten, dass diese sich gegenüber der Bundesrepublik grundsätzlich noch nicht auf die deutschen Grundrechte inklusive des Art. 16a GG berufen könnten. Andererseits wird vertreten, dass die Grundrechtsgeltung auch extraterritorial grundsätzlich unbegrenzt ist. Für den gebietsfremden, politisch verfolgten Ausländer bedeutete dies folglich die grundsätzliche Möglichkeit der Berufung auf die deutschen Grundrechte gegenüber der Bundesrepublik. Die zahlreichen, verschiedenen Ansätze werden im Folgenden in zwei Lager eingeteilt, analysiert und bewertet.207 1. Subordinationserfordernis Verbreitet wird für eine Grundrechtsbindung der deutschen Staatsgewalt ein Subordinationsverhältnis zwischen Grundrechtsträger und -verpflichtetem gefordert.208 Zurückzuführen ist das Subordinationserfordernis wohl auf Isen205  Breuer, Verfassungsrechtliche Anforderungen an das Wahlrecht der Auslandsdeutschen (2001), S. 136. 206  Ruthig, Globalisierung und Grundgesetz, in: Wolter/Riedel/Taupitz, Einwirkungen der Grundrechte, 1999, S. 291 f.; Heintzen, § 50, in: HGR II, 2006, Rn. 31, m. Fn. 102; zur „Einseitigkeit“ des Grundrechtskollisionsrechts im Gegensatz zur Zweiseitigkeit des internationalen Privatrechts Elbing, Zur Anwendbarkeit der Grundrechte bei Sachverhalten mit Auslandsbezug (1992), S. 39 ff. 207  Für eine jeweils gesonderte Darstellung und Analyse der verschiedenen Ansätze siehe z. B.: Ulmer, Asylrecht und Menschenwürde (1996), S. 137 ff.; Werner, Die Grundrechtsbindung der Bundeswehr (2006), S. 82 ff.; Lorenz, Der territoriale Anwendungsbereich der Grund- und Menschenrechte (2005), S. 143 ff.; Elbing, Zur Anwendbarkeit der Grundrechte bei Sachverhalten mit Auslandsbezug (1992), S.  199 ff. 208  Isensee, § 115, in: HStR V, 2. Aufl. 2000, Rn. 83 f.; Heintzen, Auswärtige Beziehungen privater Verbände (1988), 96 ff.; Krieger, Die gerichtliche Kontrolle von militärischen Operationen, in: Rechtsfragen der Terrorismusbekämpfung durch Streitkräfte, 2004, S. 237; so offenbar auch Schwerdtfeger, 53. DJT Band I, Gutachten A

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B. Extraterritoriale Grundrechtsgeltung – Allgemeiner Teil

see.209 Vertreten wird es allerdings in verschiedenen Ausprägungen. Zunächst sollen der Grundansatz und seine verschiedenen Ausprägungen erläutert werden, um diese in einem zweiten Schritt zu analysieren und zu bewerten. a) Grundansatz und seine verschiedenen Ausprägungen bzw. Implikationen Grundannahme des Subordinationserfordernisses ist, dass die Grundrechte im Ausland nicht genauso gälten wie im Inland. Ein Eingriff setze vielmehr Subordination voraus. Der gebietsfremde Ausländer sei der deutschen Staatsgewalt jedoch nicht unterworfen, womit die Möglichkeit der Eingriffsabwehr entfalle.210 Unterschieden werden zwei Stufen. Die erste stellt die „Koordinationsphase“ dar, in der eine ausländische Person zum Gebiet der Bundesrepublik zugelassen werde. In dieser Phase bestehe noch keine Grundrechtsbindung und insbesondere kein Recht auf Einreise.211 Hat die Bundesrepublik eine Person trotzdem zum Bundesgebiet zugelassen, erfolge ein Übergang auf die zweite Stufe: die Subordination. Erst von da an sei eine Grundrechtsbindung gegeben.212 (1) Verfassungsrechtliche Anknüpfungspunkte für ein Subordinationserfordernis Fraglich ist nun, wie das Subordinationserfordernis an der Verfassung angeknüpft werden kann. Welches die Anknüpfungspunkte für eine Grundrechtsgeltung sind, ist aus der Verfassung zu ermitteln.213

(1980) A 29; Quaritsch, § 120, in: HStR V, 2. Aufl. 2000, Rn. 80 f., fordert eine „Inlandsbeziehung“; vgl. Bungert, Kapitalgesellschaften (1994), 229 ff., der von einer „Subjektion“ spricht, dafür allerdings eine tatsächliche Unterworfenheit ausreichen lässt; unklar Kment, Grenzüberschreitendes Verwaltungshandeln (2010), S. 182 ff. 209  So auch Yousif, Die Extraterritoriale Geltung der Grundrechte (2007), S. 79; Lorenz, Der territoriale Anwendungsbereich der Grund- und Menschenrechte (2005), S. 145. 210  Isensee, § 115, in: HStR V, 2. Aufl. 2000, Rn. 78. 211  Etwas anderes solle für das Asylrecht gelten, Isensee, § 115, in: HStR V, 2. Aufl. 2000, Rn. 91. 212  Isensee, § 115, in: HStR V, 2. Aufl. 2000, Rn. 92–94; Isensee, VVDStRL 32 (1974), 49, S. 60 ff., insbesondere S. 65 ff.; Heintzen, Auswärtige Beziehungen privater Verbände (1988), S. 132. 213  Isensee, § 115, in: HStR V, 2. Aufl. 2000, Rn. 80.



III. Extraterritoriale Grundrechtsgeltung der abwehrrechtlichen Dimension69

(a) Status passivus Gesehen wird der Anknüpfungspunkt z. T. im status passivus, an welchen Rechte und Pflichten erst anknüpften. Die „Subjektion“ mache diesen status passivus aus.214 Dieser sei „ ‚eine bestimmte Position der Person zum Staat‘, an die Rechte und Pflichten anknüpfen können“. Auf diesem bauten die „drei grundrechtlich konstituierten status“ negativus, positivus und activus auf. Die grundrechtlichen Status erforderten die Existenz des status passivus. Dieser status passivus setze wiederum Subjektion voraus. Daraus wird gefolgert, dass die Grundrechtsgeltung Subjektion bzw. Subordination voraussetze.215 (b) Art. 1 Abs. 3 GG Teilweise wird das Erfordernis der Subordination auch unmittelbar aus Art. 1 Abs. 3 GG abgeleitet. Art. 1 Abs. 3 GG regele nicht nur die Bindung der deutschen staatlichen Gewalt an die Grundrechte. Gleichzeitig beschreibe er den Grundrechtsberechtigten als den dieser staatlichen Gewalt Unterworfenen. Aus Art. 1 Abs. 3 GG sei demnach abzulesen, dass die deutsche Staatsgewalt nur gegenüber denjenigen an die Grundrechte gebunden sei, die ihrer Gewalt unterworfen sind.216 (2) Voraussetzungen der die Grundrechtsgeltung bewirkenden Subordination Fraglich ist, wann von dem Vorliegen einer die Grundrechtsgeltung bewirkenden Subordination auszugehen ist. (a) Völkerrechtliche Regelungskompetenz – Gebiets- und Personalhoheit Die Voraussetzungen für eine die Grundrechtsgeltung bewirkende Subordination werden überwiegend in der völkerrechtlichen Zuständigkeit der Bundesrepublik gesehen. Die völkerrechtliche Zuständigkeit bilde die Grenze der grundrechtlichen Verantwortlichkeit.217 Eine Subordination bestehe demnach 214  Isensee, § 115, in: HStR V, 2. Aufl. 2000, Rn. 83 f.; kritisch zu diesem Ansatz Baldus, Transnationales Polizeirecht (2001), S. 150 f. 215  Isensee, § 115, in: HStR V, 2. Aufl. 2000, Rn. 84. 216  Heintzen, Auswärtige Beziehungen privater Verbände (1988), S. 121 f.; Heintzen, § 50, in: HGR II, 2006, Rn. 31; so offenbar auch Starck, Art. 1, in: Mangoldt/ Klein/Starck, GG, 7. Aufl. 2018, Rn. 212. 217  Heintzen, Auswärtige Beziehungen privater Verbände (1988), S. 118, 122 f., 127; Heintzen, § 50, in: HGR II, 2006, Rn. 31, vgl. auch Rn. 36; Merten, Räumlicher

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B. Extraterritoriale Grundrechtsgeltung – Allgemeiner Teil

grundsätzlich nur gegenüber den eigenen Staatsangehörigen (Personalhoheit) und gegenüber den Personen, die sich innerhalb des deutschen Staatsgebietes aufhalten bzw. einen „Gebietskontakt“218 herstellen (Gebietshoheit).219 Gegenüber gebietsfremden Ausländern wäre die Bundesrepublik demnach grundsätzlich nicht zur Wahrung der Grundrechte verpflichtet.220 Handlungen einer deutschen Botschaft gegenüber einem gebietsfremden Ausländer würden dementsprechend z. B. nicht als Ausübung von Staatsgewalt angesehen.221 (b) R  egelmäßige Ausübung von Hoheitsgewalt bzw. effektive Gebietskontrolle Zum Teil wird eine Subordination für gebietsfremde Ausländer unabhängig von einem Gebietskontakt bei einer „strukturierte[n] Herrschaftsausübung im Sinn einer generalisierten Kontrolle“ bejaht.222 Dafür sei eine „regelmäßige[…] Ausübung von Hoheitsgewalt“ erforderlich, „die der innerstaatlichen Ausübung von Hoheitsgewalt vergleichbar ist“.223

Geltungsbereich, in: FS H. Schiedermair, 2001, S. 344; Badura, Territorialprinzip und Grundrechtsschutz, in: FS Leisner, 1999, 410 f.; Isensee, § 115, in: HStR V, 2. Aufl. 2000, Rn. 84, wonach sich der status passivus aus der Gebiets- oder Personalhoheit ergebe; angedeutet von Röben, Außenverfassungsrecht (2007), demzufolge die „völkerrechtmäßige“ Gesetzgebung der Bindung der Grundrechte unterliege; für eine Orientierung des Geltungsbereichs der Grundrechte anhand der völkerrechtlichen Grenzen offenbar auch Kloepfer, Verfassungsrecht II (2010), § 46. 218  Zum partiellen Grundrechtsstatus des gebietsfremden Ausländers s. u. Teil B. III. 1. a) (2) (d). 219  Isensee, § 115, in: HStR V, 2. Aufl. 2000, Rn. 85; Heintzen, Auswärtige Beziehungen privater Verbände (1988), S. 130 ff.; Badura, Territorialprinzip und Grundrechtsschutz, in: FS Leisner, 1999, S. 411, fordert für Ausländer im Ausland einen „Inlandsbezug“. Schorkopf, Grundgesetz und Überstaatlichkeit (2007), S. 124 f., nennt diesen Ansatz im Ergebnis „erfolgversprechend[…]“, anerkennt allerdings auch, dass das Völkerrecht „gerade keine exakten Regeln für die extraterritoriale Anwendung bereithält.“ Zur Bedeutung von Gebiets- und Personalhoheit im Völkerrecht s. o. Teil A. I. 3. a) (2). 220  Isensee, § 115, in: HStR V, 2. Aufl. 2000, Rn. 87, 92; Becker, § 240, in: HStR XI, 3. Aufl. 2013, Rn. 19. 221  Heintzen, § 50, in: HGR II, 2006, Rn. 31; a.  A. Oppermann, Transnationale Ausstrahlung deutscher Grundrechte?, in: FS Grewe, 1981, S. 523. 222  Krieger, Die gerichtliche Kontrolle von militärischen Operationen, in: Rechtsfragen der Terrorismusbekämpfung durch Streitkräfte, 2004, S. 237. 223  Krieger, Die gerichtliche Kontrolle von militärischen Operationen, in: Rechtsfragen der Terrorismusbekämpfung durch Streitkräfte, 2004, S. 237; zustimmend ­Lorenz, Der territoriale Anwendungsbereich der Grund- und Menschenrechte (2005), S.  164 ff.



III. Extraterritoriale Grundrechtsgeltung der abwehrrechtlichen Dimension71

(c) Insbesondere keine Subordination bei faktischen Betroffenheiten – keine Ausübung von Staatsgewalt und r­echtspraktische Schwierigkeiten Insbesondere rein faktische Betroffenheiten wie etwa Umweltgefahren durch grenzüberschreitende Emissionen werden mangels eines vorher bestehenden Subordinationsverhältnisses teilweise nicht als grundrechtsrelevant angesehen.224 Grenzüberschreitende faktische Auswirkungen stellten „keine Ausübung deutscher Staatsgewalt“ dar, sondern lediglich deren „Folge“.225 Gegen die Gewährung eines grenzüberschreitenden Grundrechtsschutzes in solchen Fällen wird zudem vorgebracht, dass dies zu rechtspraktischen Schwierigkeiten wie z. B. bei Zustellungen und Anhörungen führen würde, welche grundsätzlich nur mit Erlaubnis des fremden Staates vorgenommen werden könnten. Die mit der Grundrechtsgeltung einhergehenden Pflichten zur Bereitstellung grundrechtssichernder Verfahren könnten nicht auf fremdem Staatsgebiet gewährleistet werden. Dies würde zu einem Konflikt mit der fremden Hoheitsgewalt führen. Für diese Art von Fällen sei das Grundgesetz zu ‚starr‘, um auf die verschiedenen Interessen- und Rechtspositionen einzugehen. Vielmehr müsste die Bundesrepublik derartige Fälle durch Kooperation mit dem jeweiligen Anrainerstaat lösen.226

224  Isensee, § 115, in: HStR V, 2. Aufl. 2000, Rn. 89; Heintzen, Auswärtige Beziehungen privater Verbände (1988), 148; Heintzen, § 50, in: HGR II, 2006, Rn. 33, 35; vermittelnd offenbar Kment, Grenzüberschreitendes Verwaltungshandeln (2010), S. 183 f., der bei faktischen Eingriffen die Grundrechtsgeltung bejaht, das Schutz­ niveau jedoch als abgesenkt ansieht. A. A. Bungert, Kapitalgesellschaften (1994), S.  232 f.; Elbing, Zur Anwendbarkeit der Grundrechte bei Sachverhalten mit Auslandsbezug (1992), 259 ff.; Quaritsch, § 120, in: HStR V, 2. Aufl. 2000, Rn. 86. S. hierzu Oppermann, Transnationale Ausstrahlung deutscher Grundrechte?, in: FS Grewe, 1981, S. 527, welcher dem Erfordernis eines Gebietskontaktes zwar grundsätzlich zustimmt, in der grenzüberschreitenden Umweltbelastung allerdings einen Gebietskontakt erkennt bzw. dies zumindest andenkt; so auch Merten, Räum­ licher Geltungsbereich, in: FS H. Schiedermair, 2001, S. 345; vgl. Becker, § 240, in: HStR XI, 3. Aufl. 2013, Rn. 22, demzufolge die Differenzierung zwischen finalen und mittelbaren Grundrechtsbeeinträchtigungen für die Statusbegründung zumindest nicht „zwingend“ sei. 225  Heintzen, Auswärtige Beziehungen privater Verbände (1988), S. 148. 226  Isensee, § 115, in: HStR V, 2. Aufl. 2000, Rn. 89; s. auch Starck, Art. 1, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG, 7. Aufl. 2018, Rn. 212, demzufolge u. a. die prozessualen Konsequenzen und die eingeschränkte außenpolitische Handlungsfähigkeit der Bundesrepublik gegen eine Erstreckung der Grundrechte auf Ausländer im Ausland sprächen; vgl. auch Oppermann, Transnationale Ausstrahlung deutscher Grundrechte?, in: FS Grewe, 1981, S. 532.

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B. Extraterritoriale Grundrechtsgeltung – Allgemeiner Teil

(d) G  rundrechtsgeltung für gebietsfremde Ausländer im Falle eines partiellen Grundrechtsstatus Mangels Subordination seien die Grundrechte gegenüber gebietsfremden Ausländern „grundsätzlich nicht anwendbar.“227 Eine Grundrechtsbindung gegenüber gebietsfremden Ausländern sei nur dann – und dann auch nur partiell228 für die entsprechenden Grundrechte – gegeben, wenn irgendwie auch für diese ein Gebietskontakt begründet werden könnte. Eine Grundrechtsgeltung sei z. B. für Art. 14 GG über ein im Inland gelegenes Grundstück oder bei Art. 6 Abs. 1 GG über ein sich im Inland aufhaltendes Fami­ lienmitglied begründbar.229 (e) A  ufgenötigte Subordination bei finalem, grenzüberschreitendem ­staatlichen Handeln Eine für die Grundrechtsgeltung notwendige Anknüpfung sei auch in Fällen finalen Staatshandelns „über die Grenze hinweg“ oder außerhalb des deutschen Staatsgebiets gegeben. Durch Zwangsmaßnahmen werde die Person „faktisch“ der deutschen Staatsgewalt unterworfen. Der status negativus werde ihr „aufgenötigt“.230 Von dieser Situation nicht umfasst seien allerdings Einsätze der Bundeswehr, bei denen Schüsse auf fremde Soldaten als

§ 115, in: HStR V, 2. Aufl. 2000, Rn. 87. einem „partielle[n] Grundrechtsstatus“ sprechend Merten, Räumlicher Geltungsbereich, in: FS H. Schiedermair, 2001, S. 344, sowie Isensee, § 115, in: HStR V, 2. Aufl. 2000, Rn. 85. 229  Isensee, § 115, in: HStR V, 2. Aufl. 2000, Rn. 85, 88, im Hinblick auf Art. 6 Abs. 1 GG und ein sich im Inland aufhaltendes Familienmitglied freilich nur im Sinne eines Grundrechtsrechtsreflexes; Isensee, VVDStRL 32 (1974), 49, S. 61 f. zu Art. 14 GG, S. 65 m. Fn. 40 zu Art. 6 GG. In letzterem Falle genieße der gebietsfremde Ausländer allerdings nur einen Grundrechtsreflex. Der Grundrechtsschutz gebühre lediglich dem Gebietsansässigen. So auch Becker, § 240, in: HStR XI, 3. Aufl. 2013, 19, m. Fn. 46; Heintzen, § 50, in: HGR II, 2006, Rn. 33, allerdings ohne Bezugnahme auf einen Grundrechtsreflex; wie letzterer auch Quaritsch, § 120, in: HStR V, 2. Aufl. 2000, Rn. 79, 81. Für einen „partielle[n] Grundrechtsstatus“ Merten, Räumlicher Geltungsbereich, in: FS H. Schiedermair, 2001, S. 344. 230  Isensee, § 115, in: HStR V, 2. Aufl. 2000, Rn. 90; dem offenbar zustimmend Badura, Territorialprinzip und Grundrechtsschutz, in: FS Leisner, 1999, S. 409; Heintzen, § 50, in: HGR II, 2006, Rn. 33; Merten, Räumlicher Geltungsbereich, in: FS H. Schiedermair, 2001, S. 345; Kment, Grenzüberschreitendes Verwaltungs­ handeln (2010), S. 183. Kritisch gegenüber dieser Differenzierung Becker, § 240, in: HStR XI, 3.  Aufl. 2013, Rn. 22, sowie Bungert, Kapitalgesellschaften (1994), S.  232 f. 227  Isensee, 228  Von



III. Extraterritoriale Grundrechtsgeltung der abwehrrechtlichen Dimension73

Maßnahme gegen den fremden Staat zu bewerten seien und nicht als Maßnahmen gegen die Soldaten als Individuen.231 b) Bewertung Die Subordinationslehre kann insgesamt nicht überzeugen. (1) Fehlender verfassungsrechtlicher Anknüpfungspunkt für das Erfordernis einer vorher bestehenden Subordination Zunächst ist nicht ersichtlich, inwiefern Art. 1 Abs. 3 GG einen Anknüpfungspunkt für das Erfordernis einer vorher bestehenden Subordination bieten sollte.232 So kann eine Subordination auch erst infolge einer Hoheitsgewaltausübung (zeitgleich) entstehen.233 Auch die Bezugnahme auf die StatusLehre kann nicht verfangen.234 So setzen doch nicht die Grundrechte das Bestehen eines Status voraus, sondern vielmehr folgt der Status aus den Grundrechten.235 231  Isensee, § 115, in: HStR V, 2. Aufl. 2000, Rn. 90, Fn. 201; Heintzen, § 50, in: HGR II, 2006, Rn. 31; vgl. Krieger, Die gerichtliche Kontrolle von militärischen Operationen, in: Rechtsfragen der Terrorismusbekämpfung durch Streitkräfte, 2004, S.  237 f. A. A. Kunig, Art. 1, in: Münch/Kunig, GG, 6. Aufl. 2012, Rn. 53; Kunig, Art. 104, in: Münch/Kunig, GG, 6. Aufl. 2012, Rn. 20 – Auslandseinsätze; Höfling, Art. 1, in: Sachs, GG, 8. Aufl. 2018, Rn. 88; Jarass, Art. 1, in: Jarass/Pieroth, GG, 15. Aufl. 2018, Rn. 44; Kötter/Nolte, DÖV 2007, 186, S. 190; Quaritsch, § 120, in: HStR V, 2. Aufl. 2000, Rn. 80; Merten, Räumlicher Geltungsbereich, in: FS H. Schiedermair, 2001, S. 345. 232  Zur Anknüpfung der Subordinationslehre an Art.  1 Abs.  3 GG s.  o. Teil B. III. 1. a) (1) (b). 233  Yousif, Die Extraterritoriale Geltung der Grundrechte (2007), S. 82 f.; Bungert, Kapitalgesellschaften (1994), S. 230 f., der allein auf die „tatsächliche Unterworfenheit“ abstellt; Vitzthum, Extraterritoriale Grundrechtsgeltung, in: FS Bothe, 2008, S. 1220, demzufolge der Eingriff selbst zu einer Unterworfenheit führt; so wohl auch Beck, Auslandseinsätze deutscher Streitkräfte (2008), S. 114, 116; vgl. Ulmer, Asylrecht und Menschenwürde (1996), S. 159. 234  Zur Anknüpfung der Subordinationslehre an den status passivus s. o. Teil B. III. 1. a) (1) (a). 235  Baldus, Transnationales Polizeirecht (2001), S. 151. Daran ändern auch die Hinweise von Heintzen, Auswärtige Beziehungen privater Verbände (1988), S. 113 ff., nichts. Er meint, dass der Staat der Verfassung sehr wohl als etwas Vorgegebenes angesehen werden könne. Das erklärt jedoch nicht, warum gerade der Status grundrechtsbegründend sein soll oder warum die völkerrechtliche Gebiets- und Personalhoheit für den Status entscheidend sein sollen. Seine Berufung auf Jellineks Statuslehre (S. 102 ff.) ist alles andere als zwingend, insbesondere vor dem Hintergrund, dass Heintzen selbst erkennt, dass Jellinek das „Problem nicht unmittelbar [aufgreife]“

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B. Extraterritoriale Grundrechtsgeltung – Allgemeiner Teil

(2) Fehlende verfassungsrechtliche Begründung der völkerrechtlichen Regelungskompetenz als Voraussetzung für die Subordination Darüber hinaus ist bezüglich der entwickelten Kriterien für die Ermittlung eines Subordinationsverhältnisses – Gebiets- und Personalhoheit –236 daran zu erinnern, dass der Inhalt des Grundgesetzes durch das Grundgesetz selbst und nicht durch das Völkerrecht bestimmt wird.237 Damit kann es schon nicht überzeugen, dass die völkerrechtliche Zuständigkeit die Anwendbarkeit der Grundrechte bestimmt.238 Auch bei der Vornahme völkerrechtswidriger Handlungen muss die Bundesrepublik an die Grundrechte gebunden sein.239 Ansonsten würde ein Verstoß gegen Völkerrecht auch noch dadurch belohnt, dass zusätzlich die grundrechtliche Bindung entfiele.240 Andersherum ließe sich ein Völkerrechtsverstoß durch die Nicht-Geltung von Grundrechten auch nicht wieder ausräumen.241

(S. 105). Menzel, Internationales Öffentliches Recht (2011), S. 593, nennt den Ansatz Heintzens eine „unbewiesene petitio principii“. 236  S. dazu oben Teil B. III. 1. a) (2) (a). 237  Siehe oben Abschnitt Teil A. II. 238  Yousif, Die Extraterritoriale Geltung der Grundrechte (2007), S. 87 ff.; Menzel, Internationales Öffentliches Recht (2011), S. 567; Bungert, Kapitalgesellschaften (1994), S.  211 f.; Neubert, Der Einsatz tödlicher Waffengewalt durch die deutsche auswärtige Gewalt (2016), S. 141; Elbing, Zur Anwendbarkeit der Grundrechte bei Sachverhalten mit Auslandsbezug (1992), S. 202 ff., der sich zudem darauf beruft, dass das Völkerrecht keine eindeutigen Zuständigkeiten regelt, woraufhin es zu Jurisdiktionskonflikten kommen könne. Ohne klare Zuständigkeitsbestimmung könne die völkerrechtliche Zuständigkeit kein für die Grundrechtsgeltung relevantes Kriterium sein. 239  Vitzthum, Extraterritoriale Grundrechtsgeltung, in: FS Bothe, 2008, S. 1215 f.; Bleckmann, DVBl. 1980, 693, S. 699 f.; Yousif, Die Extraterritoriale Geltung der Grundrechte (2007), S. 89 f.; Klein, Bundesverfassungsgericht und Ostverträge (1985), 2. Aufl., S. 31; Krieger, Die Reichweite der Grundrechtsbindung, in: Parlamentarische Kontrolle, 2008, S. 4; Badura, § 47, in: HGR II, 2006, Rn. 4, 13; Elbing, Zur Anwendbarkeit der Grundrechte bei Sachverhalten mit Auslandsbezug (1992), S. 205; Kronke, Grundrechte bei Fällen mit Auslandsbezug, in: Die Wirkungskraft der Grundrechte, 1998, S. 42, welcher das Ergebnis, dass sich die Bundesrepublik durch Verletzung des Völkerrechts der Grundrechtsbindung entziehen könnte, „geradezu absurd“ nennt. 240  Becker, § 240, in: HStR XI, 3. Aufl. 2013, Rn. 9; Menzel, Internationales Öffentliches Recht (2011), S. 565, 567; Ulmer, Asylrecht und Menschenwürde (1996), S. 156; zur Absurdität eines solchen Ergebnisses Arnauld, Das (Menschen-)Recht im Auslandseinsatz, in: Streitkräfte und Menschenrechte, 2008, S. 66 f., 74. 241  Elbing, Zur Anwendbarkeit der Grundrechte bei Sachverhalten mit Auslandsbezug (1992), S. 141.



III. Extraterritoriale Grundrechtsgeltung der abwehrrechtlichen Dimension75

(3) Fehlende verfassungsrechtliche Begründung der regelmäßigen ­Ausübung von Hoheitsgewalt bzw. effektiven Gebietskontrolle als Voraussetzung für die Subordination Auch das Erfordernis einer regelmäßigen Ausübung von Hoheitsgewalt bzw. einer effektiven Gebietskontrolle als Grundlage einer Subordination242 kann nicht überzeugen.243 Dieses ist offenbar an die (stark kritisierte244) Bankovic-Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte245 angelehnt.246 Der Entscheidung des EGMR zufolge sei für die Anwendbarkeit der EMRK auf Sachverhalte außerhalb ihres Geltungsbereichs (espace juridique247) eine effektive Kontrolle (effective control) erforderlich.248 Der EGMR fußt seine These dabei auf Art. 1 EMRK und dessen Bezug auf alle ihrer Hoheitsgewalt unterstehenden Personen.249 Es ist jedoch nicht ersichtlich, inwiefern diese Rechtsprechung des EGMR Gültigkeit für die Reichweite der Grundrechtsgeltung nach dem Grundgesetz beanspruchen kann.250

242  S.

dazu oben Teil B. III. 1. a) (2) (b). auch Sachs, Vor Art. 1, in: Sachs, GG, 8. Aufl. 2018, Rn. 19. 244  Zur Kritik an der Bankovic-Rspr. z. B. Milanovic, EJIL 2012, 121, insbesondere S. 123 ff.; von „Irritationen“ spricht Arnauld, Das (Menschen-)Recht im Auslandseinsatz, in: Streitkräfte und Menschenrechte, 2008, S. 62. Diese Rechtsprechung wird bereits als stark kritisiert („strongly criticised“) eingestuft von Dippel, The Human Rights of Migrants: Maritime Interception in the Mediterranean (2015), S. 8. 245  EGMR, Case of Bankovic and others v. Belgium and others, App. No. 52207/99, Entscheidung vom 12.12.2001. 246  Krieger, Die gerichtliche Kontrolle von militärischen Operationen, in: Rechtsfragen der Terrorismusbekämpfung durch Streitkräfte, 2004, S. 238, spricht von einer parallelen Ausgestaltung. Zudem verweist sie auf S. 237 in Fn. 71 nach ihrer Forderung nach einer regelmäßigen Ausübung von Hoheitsgewalt auf Krieger, ZaöRV 2002, 669, S. 672, wo sie sich mit der Bankovic-Rspr. auseinandersetzt. 247  EGMR, Case of Bankovic and others v. Belgium and others, App. No. 52207/99, Entscheidung vom 12.12.2001, Rn. 80. 248  EGMR, Case of Bankovic and others v. Belgium and others, App. No. 52207/99, Entscheidung vom 12.12.2001, Rn. 70 ff. 249  Krieger, ZaöRV 2002, 669, S. 670 ff. 250  Dazu insbesondere Yousif, Die Extraterritoriale Geltung der Grundrechte (2007), S. 90 ff., insbesondere S. 93 ff., welche die Übertragung der EGMR-Rechtsprechung auf das Grundgesetz prüft und ablehnt. Dagegen auch Herdegen, Art. 1 Abs. 3, in: Maunz/Dürig, GG, 84. Aufl. August 2018, Rn. 71; Walter, § 237, in: HStR XI, 3. Aufl. 2013, Rn. 51; Walter/Ungern-Sternberg, DÖV 2012, 861, S. 864; Zimmermann, ZRP 2012, 116, S. 117; Beck, Auslandseinsätze deutscher Streitkräfte (2008), S. 117; Oehmke, Der Einsatz privater Sicherheitsdienste auf Handelsschiffen (2016), S. 414; Neubert, Der Einsatz tödlicher Waffengewalt durch die deutsche auswärtige Gewalt (2016), S. 140 f. 243  So

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B. Extraterritoriale Grundrechtsgeltung – Allgemeiner Teil

(4) Fehlende verfassungsrechtliche Begründung der Differenzierung zwischen faktischen Auswirkungen und finalem Hoheitshandeln Zudem stellt sich die Frage, warum gerade finales Staatshandeln251 für eine Subordination des gebietsfremden Ausländers genügen soll. Inwiefern unterscheidet sich diese Situation von der bloß faktischen Einwirkung?252 Ist entscheidend, ob eine physische Einwirkung auf die Person erfolgt wie in Isensees Beispielsfall des Schusses auf einen flüchtenden Spion?253 Dann ist aber nicht erklärbar, inwiefern sich die Situation von dem Beispiel der grenzüberschreitenden Emissionen als rein faktische Einwirkungen unterscheidet.254 Auch in diesem Zusammenhang kann es um mehr oder weniger schwere physische Einwirkungen auf die Person gehen. Oder geht es um die Zielgerichtetheit des Handelns gegenüber einer Person, sodass z. B. ein sich aus Unachtsamkeit lösender Schuss, der nur aus Versehen eine Person außerhalb des Staatsgebiets trifft, nicht unter die Ausnahmeregelung fallen würde?255 Dabei stellte sich jedoch die Frage, wieso nicht auch hier ein Aufzwängen des Subordinationsverhältnisses stattfinden sollte. Immerhin würde ebenfalls durch eine staatliche Handlung der Rechtsgüterkreis einer Person getroffen. Außerdem werden dadurch Fragen der Eingriffsqualifikation auf die vorgelagerte Ebene der Grundrechtsanwendbarkeit verschoben.256 Die Differenzierung zwischen finalem und faktischem Staatshandeln kann damit nicht nachvollziehbar innerhalb des Subordinationsansatzes begründet werden.257 251  S.

dazu oben Teil B. III. 1. a) (2) (e). dazu oben Teil B. III. 1. a) (2) (c). Ebenfalls gegen eine unterschiedliche Behandlung von faktischen und finalen Handlungen entgegen der Rechtslage bei reinen Inlandsfällen Lorenz, Der territoriale Anwendungsbereich der Grund- und Menschenrechte (2005), S. 170 ff. Zum Grundrechtseingriff z. B. Herdegen, Art. 1 Abs. 3, in: Maunz/Dürig, GG, 84. Aufl. August 2018, Rn. 39 ff. 253  So z. B. die Interpretation dieses Ansatzes von Kronke, Grundrechte bei Fällen mit Auslandsbezug, in: Die Wirkungskraft der Grundrechte, 1998, S. 42 f. Zum Beispielsfall s. Isensee, § 115, in: HStR V, 2. Aufl. 2000, Rn. 90. 254  Vgl. Ohler, Die Kollisionsordnung des Allgemeinen Verwaltungsrechts (2005), S. 285. 255  So der Schluss von Yousif, Die Extraterritoriale Geltung der Grundrechte (2007), S. 86, die die Unterscheidung nach der Finalität ebenfalls ablehnt; so auch Elbing, Zur Anwendbarkeit der Grundrechte bei Sachverhalten mit Auslandsbezug (1992), S.  259 ff. 256  Yousif, Die Extraterritoriale Geltung der Grundrechte (2007), S. 85 f.; Elbing, Zur Anwendbarkeit der Grundrechte bei Sachverhalten mit Auslandsbezug (1992), S. 259–266. 257  Zweifelnd hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Anknüpfung für eine Differenzierung nach der Finalität Schwander, Extraterritoriale Wirkung von Grundrechten im Mehrebenensystem (2019), S. 73. Ebenfalls für eine Grundrechtsbindung gegen252  S.



III. Extraterritoriale Grundrechtsgeltung der abwehrrechtlichen Dimension77

(5) Kein Schluss von rechtspraktischen Schwierigkeiten auf die Verfassungsrechtslage Auch kann nicht aus eventuell bestehenden rechtspraktischen Schwierigkeiten258 ein Schluss auf die Rechtslage gezogen werden. Schwierigkeiten bezüglich der Vornahme etwaiger Verfahrenshandlungen bei Sachverhalten mit Auslandsbezug können gegebenenfalls z. B. im Rahmen der Abwägung in der Verhältnismäßigkeitsprüfung Berücksichtigung finden.259 Vor diesem Hintergrund kann die Behauptung nicht überzeugen, das Grundgesetz sei zu ‚starr‘, um auf die verschiedenen Rechts- und Interessenpositionen einzugehen.260 So ist insbesondere die Verhältnismäßigkeitsprüfung gerade darauf ausgerichtet, die verschiedenen kollidierenden Rechtsgüter und Interessenpositionen gegeneinander abzuwägen und zu einzelfallgerechten Lösungen zu kommen. Wenn überhaupt ist die Verhältnismäßigkeit eher für ihre besondere Elastizität zu kritisieren, die als „Einfallstor“ für Willkür wirken kann.261 Außerdem würde die Ablehung des extraterritorialen Grundrechtsschutzes aufgrund rechtspraktischer Schwierigkeiten dazu führen, dass die „eigentlich zur Abrundung des Grundrechtsschutzes entwickelte verfahrensrechtliche Dimension“ zur Einschränkung des Grundrechtsschutzes führte.262 Der Vorschlag einer Lösung über zwischenstaatliche Vereinbarungen überzeugt ebenfalls nicht. Warum sollte die Bundesrepublik ihre diplomatischen Beziehungen anstrengen, um den Schutz von Rechtsgütern zu erreichen, wenn sie dazu nicht verpflichtet wäre.263

über Grenznachbarn bei faktischen Beeinträchtigungen, insbesondere im Fall von grenzüberschreitenden Umweltbeeinträchtigungen Kunig, Art. 1, in: Münch/Kunig, GG, 6. Aufl. 2012, Rn. 55, sowie Badura, § 47, in: HGR II, 2006, Rn. 15. Gegen eine Anknüpfung an die Finalität auch Neubert, Der Einsatz tödlicher Waffengewalt durch die deutsche auswärtige Gewalt (2016), S. 141, da es in „Konflikt mit der überkommenen Grundrechtsdogmatik“ stehe. 258  S. dazu oben Teil B. III. 1. a) (2) (c). 259  Vgl. Lorenz, Der territoriale Anwendungsbereich der Grund- und Menschenrechte (2005), S. 148, demzufolge die Möglichkeit der Teilnahme an einem innerdeutschen Verwaltungsverfahren die „nachgelagerte Frage der Rechtsverwirklichung“ betreffe; vgl. Robbers, Sicherheit als Menschenrecht (1987), S. 214, demzufolge praktische Schwierigkeiten nicht eine „völlige Verneinung“, sondern „nur eine andere Ausgestaltung“ zuließen. 260  S. dazu oben Teil B. III. 1. a) (2) (c). 261  Vgl. Volkmann, JZ 2005, 261, S. 270. 262  Becker, § 240, in: HStR XI, 3. Aufl. 2013, Rn. 72. 263  Vgl. Oppermann, Transnationale Ausstrahlung deutscher Grundrechte?, in: FS Grewe, 1981, S. 524 f., zu der fehlenden freiwilligen Bereitschaft, Grenznachbarn in die Genehmigungsverfahren zu umweltrelevanten Projekten einzubeziehen.

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B. Extraterritoriale Grundrechtsgeltung – Allgemeiner Teil

c) Zwischenergebnis Das Erfordernis eines vor der Grundrechtsbeeinträchtigung vorliegenden Subordinationsverhältnisses entbehrt damit insgesamt der verfassungsrechtlichen Verankerung und ist abzulehnen.264 2. Uneingeschränkte extraterritoriale Grundrechtsgeltung gemäß der allgemeinen Grundrechtsdogmatik Eine größere Strömung in der Literatur hinsichtlich der extraterritorialen Grundrechtsgeltung wird zum Teil unter dem Stichwort „Wirkungsprinzip“ diskutiert.265 Die Analyse dieses Ansatzes soll dementsprechend zunächst auch unter diesem Stichwort erfolgen, wobei sich herausstellen wird, dass die Bezeichnung als „Wirkungsprinzip“ ungünstig ist, da sie zu Missverständnissen führt.266 a) Ausgangspunkt: „Wirkungsprinzip“ Es wird zunächst dargestellt, was verbreitet unter dem „Wirkungsprinzip“ verstanden wird und welche Kritik daran geübt wird. (1) Das „Wirkungsprinzip“ Den Vertretern des sogenannten „Wirkungsprinzips“ zufolge ist die deutsche Staatsgewalt grundsätzlich territorial unbeschränkt an die Grundrechte gebunden.267 Zum Teil wird dabei als Ausgangspunkt auf die oben bereits 264  So auch Sachs, Das Recht zum Aufenthalt im Staatsgebiet, in: Staatsrecht IV/1, 2006, S.  750 f.; Yousif, Die Extraterritoriale Geltung der Grundrechte (2007), S. 84; Müller, Verwaltungsvorschriften im Ausländerrecht (1986), S. 83  f.; Bleckmann, DVBl. 1980, 693, S. 701; Scheer, Der Ehegatten- und Familiennachzug von Ausländern (1994), S. 168; Schwander, Extraterritoriale Wirkung von Grundrechten im Mehr­ ebenensystem (2019), S. 73. Kritisch (und im Ergebnis ablehnend) gegenüber dem Subordinationserfordernis auch Höfling, Art. 1, in: Sachs, GG, 8. Aufl. 2018, Rn. 89; als „nicht plausibel“ ablehnend Nolte, VVDStRL 67 (2008), 129, S. 143. Schorkopf, Grundgesetz und Überstaatlichkeit (2007), S. 125, stellt jedenfalls fest, dass sich dieser Ansatz „gegen die herrschende Meinung nicht durchgesetzt“ habe. 265  So bezeichnet z. B. von Isensee, § 115, in: HStR V, 2. Aufl. 2000, Rn. 82; Yousif, Die Extraterritoriale Geltung der Grundrechte (2007), S. 74; Becker, § 240, in: HStR XI, 3. Aufl. 2013, Rn. 14. 266  S. dazu insbesondere unten Teil B. III. 2. a) (3). 267  So z. B. Stern, Staatsrecht III/1 (1988), S. 1230; Yousif, Die Extraterritoriale Geltung der Grundrechte (2007), S. 74; Vitzthum, Extraterritoriale Grundrechtsgel-



III. Extraterritoriale Grundrechtsgeltung der abwehrrechtlichen Dimension79

dargestellte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Washingtoner Abkommen268 verwiesen, wonach die deutsche Staatsgewalt auch dann an die Grundrechte gebunden sei, „soweit Wirkungen ihrer Betätigung im Ausland eintreten“.269 Begründet wird die territorial unbeschränkte Bindung an die Grundrechte mit Art. 1 Abs. 3 GG. Dieser unterwerfe die Bindung der deutschen Hoheitsgewalt keinerlei räumlichen Beschränkungen. Demzufolge sei die Grundrechtsbindung grundsätzlich territorial unbeschränkt.270 (2) Vorwurf des Fehlschlusses wegen Gründung auf Art. 1 Abs. 3 GG Diese Herleitung wird teilweise als „Fehlschluß“271 abgelehnt. Art. 1 Abs. 3 GG enthalte keinerlei Aussage über die räumliche Reichweite der Grundrechtsgeltung. Dieser enthalte allein eine Aussage über den Adressaten der Grundrechte. Art. 1 Abs. 3 GG regele lediglich, dass wenn die Grundrechte anwendbar sind, dann die deutsche Staatsgewalt an diese gebunden ist. Die Anwendbarkeit der Grundrechte werde von Art. 1 Abs. 3 GG vorausgesetzt. Zöge man nun einen Schluss aus Art. 1 Abs. 3 GG für die (territorialen) Anwendbarkeitsvoraussetzungen der Grundrechte, handelte es sich mithin um einen Fehlschluss. Die inhaltliche und territoriale Reichweite der tung, in: FS Bothe, 2008, S. 1218; Herdegen, Art. 1 Abs. 3, in: Maunz/Dürig, GG, 84. Aufl. August 2018, Rn. 71; Sachs, Das Recht zum Aufenthalt im Staatsgebiet, in: Staatsrecht IV/1, 2006, S. 750 ff.; Klein, Bundesverfassungsgericht und Ostverträge (1985), 2. Aufl., S. 31; Kingreen/Poscher, Grundrechte (2017), 33. Aufl., Rn. 244; Poscher, VVDStRL 67 (2008), 160, S. 191; Koops, Seeräubereibekämpfung durch die Bundeswehr im Einklang mit dem Grundgesetz (2013), S. 263. 268  S. o. Teil B. I. 1. 269  BVerfGE 6, 290 (295). Auf diese Aussage des Urteils berufen sich z. B.: Stern, Staatsrecht III/1 (1988), S. 1230; Waldhoff, Die innerstaatlichen Grundrechte als Maßstab der Außenpolitik?, in: Isensee, Menschenrechte als Weltmission, 2009, S. 61; Bothe, UPR 1983, 1, S. 4; Ruthig, Globalisierung und Grundgesetz, in: Wolter/ Riedel/Taupitz, Einwirkungen der Grundrechte, 1999, S. 289 f.; Sachs, Vor Art. 1, in: Sachs, GG, 8. Aufl. 2018, Rn. 19; Kunig, Art. 1, in: Münch/Kunig, GG, 6. Aufl. 2012, Rn. 53; Oehmke, Der Einsatz privater Sicherheitsdienste auf Handelsschiffen (2016), S. 414; Werner, Die Grundrechtsbindung der Bundeswehr (2006), S. 98. 270  Yousif, Die Extraterritoriale Geltung der Grundrechte (2007), S. 74; Badura, § 47, in: HGR II, 2006, Rn. 13; Ruthig, Globalisierung und Grundgesetz, in: Wolter/ Riedel/Taupitz, Einwirkungen der Grundrechte, 1999, S. 289; Meierhofer, Die asylrechtliche Drittstaatenregelung (1998), S. 71 f.; Vitzthum, Extraterritoriale Grundrechtsgeltung, in: FS Bothe, 2008, S. 1218; Breuer, Verfassungsrechtliche Anforderungen an das Wahlrecht der Auslandsdeutschen (2001), S. 140; Schröder, Zur Wirkkraft der Grundrechte, in: FS Schlochauer, 1981, S. 138. Dazu, dass Art. 1 Abs. 3 GG keine räumliche Beschränkung regelt s. o. Teil B. II. 2. 271  Merten, Räumlicher Geltungsbereich, in: FS H. Schiedermair, 2001, S. 340; Quaritsch, § 120, in: HStR V, 2. Aufl. 2000, Rn. 75.

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B. Extraterritoriale Grundrechtsgeltung – Allgemeiner Teil

einzelnen Grundrechte müsse vielmehr unabhängig von Art. 1 Abs. 3 GG anhand der einzelnen Grundrechtsartikel entwickelt werden.272 Dieser Vorwurf des Fehlschlusses vermag nicht zu überzeugen. Die Feststellung, dass Art. 1 Abs. 3 GG keine räumliche Beschränkung enthält, steht der Möglichkeit nicht entgegen, aus den einzelnen Grundrechten jeweilige grundrechtsspezifische territoriale Beschränkungen herzuleiten. Vielmehr handelt es sich dabei um zwei unterschiedliche Prüfungsschritte. Zunächst wird festgestellt, dass Art. 1 Abs. 3 GG keine von den einzelnen Grundrechten unabhängige räumliche Beschränkung der Grundrechtsgeltung enthält. Im Anschluss daran können die einzelnen Grundrechte auf eine für sie speziell geltende räumliche Beschränkung hin untersucht werden.273 (3) Vorwurf des Zirkelschlusses wegen Vermischung von Grundrechtsgeltung und Eingriff, insbesondere zur negativen Differenzhypothese Yousifs Darüber hinaus wird dem Wirkungsprinzip jedoch noch aus einem anderem Grunde vorgeworfen, auf einem Zirkelschluss gegründet zu sein. Grundrechtsrelevante Wirkungen könnten sich demnach erst in bestehenden Grundrechtspositionen zeigen. Ob eine Grundrechtsposition besteht, solle jedoch anhand der Wirkungen erst ermittelt werden.274 Mit anderen Worten: Der Eingriff würde geprüft werden, bevor überhaupt die Anwendbarkeit der Grundrechte festgestellt worden ist. Yousif hält diesem Einwand entgegen, dass dieser die Begriffe „Wirkungen“ und „Grundrechtsbeeinträchtigungen“ miteinander gleichsetze. Diese 272  Dazu, dass es sich dabei um einen „klassischen Fehlschluß“ handele Merten, Räumlicher Geltungsbereich, in: FS H. Schiedermair, 2001, S. 340; Quaritsch, § 120, in: HStR V, 2. Aufl. 2000, Rn. 75 f.; von einem „Zirkelschluß“ sprechend Elbing, Zur Anwendbarkeit der Grundrechte bei Sachverhalten mit Auslandsbezug (1992), S. 72 ff., vgl. S 183 f. Dazu, dass Art. 1 Abs. 3 GG lediglich regele, dass Legislative, Exekutive und Judikative an die Grundrechte gebunden sind Stern, Staatsrecht III/1 (1988), S. 1202. Wie die Bindung im Einzelnen ausfällt, sei anhand der Grundrechtsnormen zu entnehmen. Vgl. Mrozek, Grenzschutz als supranationale Aufgabe (2013), S. 116, derzufolge gar kein Schluss aus Art. 1 Abs. 3 GG auf die räumliche Geltungsreichweite der Grundrechte zu entnehmen sei. 273  Yousif, Die Extraterritoriale Geltung der Grundrechte (2007), S. 77 f.; Krieger, Die Reichweite der Grundrechtsbindung, in: Parlamentarische Kontrolle, 2008, S. 1; Hailbronner, Einreiseverweigerung und Visumzwang im Asylrecht, in: FS Doehring, 1989, S. 295; Baldus, Transnationales Polizeirecht (2001), S. 150; Gärditz, Art. 16a, in: Maunz/Dürig, GG, 84. Aufl. August 2018, Rn. 305. Zu einer in Art. 16a GG verankerten territorialen Beschränkung des grundrechtlichen Schutzes siehe unten Teil D. I. 274  Isensee, § 115, in: HStR V, 2. Aufl. 2000, Rn. 83; Becker, § 240, in: HStR XI, 3. Aufl. 2013, Rn. 16.



III. Extraterritoriale Grundrechtsgeltung der abwehrrechtlichen Dimension81

seien jedoch voneinander zu unterscheiden. Zunächst sei zu prüfen, ob sich die deutsche Staatsgewalt auf die Rechtsgüter eines Betroffenen ausgewirkt habe. In einem solchen Fall sei die Grundrechtsgeltung zu bejahen. Erst im nächsten Schritt sei zu prüfen, ob es sich bei diesen Auswirkungen auch um einen Eingriff gehandelt habe. Zur Ermittlung der die Grundrechtsgeltung auslösenden Auswirkungen sei eine „Art ‚Differenzhypothese‘ “ anzustellen, wonach das jeweilige Rechtsgut vor und nach der Ausübung deutscher Staatsgewalt zu vergleichen sei. Bei einer „negativen Differenz“ sei von grundrechtsgeltungsbegründenden Auswirkungen auszugehen.275 Diese Differenzhypothese ist schwer nachvollziehbar. Zum einen ist die verfassungsrechtliche Herleitung dieser Differenzhypothese unklar. Zum anderen bleibt unklar, wie eine Grundrechtsbeeinträchtigung von bloßen Auswirkungen zu unterscheiden sein soll. Dies gilt umso mehr, da Yousif zur Feststellung einer bloßen, die Grundrechtsgeltung auslösenden „Auswirkung“ die Kriterien, die zur Bestimmung von Grundrechtsbeeinträchtigungen entwickelt worden sind, heranziehen will.276 Eine Differenzierung zwischen der Prüfung der Grundrechtsgeltung und dem Vorliegen eines Eingriffs im Einzelfall ist nach diesem Ansatz schwerlich möglich. Nichtsdestotrotz kann der Vorwurf des Zirkelschlusses in diesem Zusammenhang nicht überzeugen. Sowohl der Vorwurf selbst als auch der Widerlegungsversuch basieren vielmehr auf einem Missverständnis des Wirkungsprinzips.277 Wie dieses richtigerweise zu verstehen und anzuwenden ist, wird im folgenden Abschnitt entfaltet. b) Beurteilung der extraterritorialen Grundrechtsgeltung anhand der allgemeinen Grundrechtsdogmatik Die die Grundrechtsgeltung auslösenden ‚Wirkungen‘ sind nicht als gesonderte Grundrechtsgeltungsvoraussetzungen zu verstehen. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die Grundrechte grundsätzlich territorial unbeschränkt gelten278 und die Bundesrepublik in diese folglich nur mit verfassungsrechtliDie Extraterritoriale Geltung der Grundrechte (2007), S. 74 f. Die Extraterritoriale Geltung der Grundrechte (2007), S. 75 ff. 277  Besonders ins Auge springt das Missverständnis des „Wirkungsprinzips“ bei Becker, § 240, in: HStR XI, 3. Aufl. 2013, Rn. 16, wenn er mit Blick auf den Zirkelschluss meint, die Grundrechte könnten nur dann „wirken“, wenn sie anwendbar seien. Die geforderten Wirkungen beziehen sich jedoch eindeutig auf das Staatshandeln und nicht auf die Grundrechte. Zur in Bezug genommenen Rechtsprechung s. o. Teil B. III. 2. a) (1). 278  So z. B. Baldus, Transnationales Polizeirecht (2001), S. 154; Gärditz, Art. 16a, in: Maunz/Dürig, GG, 84. Aufl. August 2018, Rn. 305; Bothe, UPR 1983, 1, S. 4; 275  Yousif, 276  Yousif,

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B. Extraterritoriale Grundrechtsgeltung – Allgemeiner Teil

cher Rechtfertigung eingreifen darf. Die extraterritoriale Grundrechtsgeltung bestimmt sich anhand der allgemeinen Grundrechtsdogmatik.279 Die Tatsache, dass es sich um einen Sachverhalt mit Auslandsbezug handelt, kann dabei sowohl in der Prüfung des Schutzbereichs als auch in der Eingriffsund Rechtfertigungsprüfung Berücksichtigung finden. Dies wird auch von weiten Teilen des Schrifttums in der Sache vertreten.280 Die Grundrechte Mrozek, Grenzschutz als supranationale Aufgabe (2013), S. 119; Thym, DÖV 2010, 621, S.  628 f.; Ulmer, Asylrecht und Menschenwürde (1996), S. 160 ff.; Menzel, Internationales Öffentliches Recht (2011), S. 593; Walter/Ungern-Sternberg, DÖV 2012, 861, S. 865; Kloepfer, Verfassungsrecht II (2010), § 46, Rn. 21. 279  So auch Walter/Ungern-Sternberg, DÖV 2012, 861, S. 867, denen zufolge sich die Modifikation der Reichweite der Grundrechte bei Sachverhalten mit Auslandsbezug „im Rahmen der allgemeinen Grundrechtsdogmatik bewegen“ müssten; ebenfalls für eine Behandlung grenzüberschreitender Sachverhalte anhand der „Eingriffs- und Schrankendogmatik“ Baldus, Transnationales Polizeirecht (2001), S. 129 ff., insbesondere S. 142. S. auch Neubert, Der Einsatz tödlicher Waffengewalt durch die deutsche auswärtige Gewalt (2016), S. 136 ff., 169 f. 280  Becker, § 240, in: HStR XI, 3. Aufl. 2013, Rn. 28 ff., 73 ff., 100 ff.; Menzel, Internationales Öffentliches Recht (2011), S. 570, 571 ff., 577; Nettesheim, § 241, in: HStR XI, 3. Aufl. 2013, Rn. 59 ff.; Jarass, Art. 1, in: Jarass/Pieroth, GG, 15. Aufl. 2018, Rn. 44; Ruthig, Globalisierung und Grundgesetz, in: Wolter/Riedel/Taupitz, Einwirkungen der Grundrechte, 1999, S. 291 ff., demzufolge jedes Grundrecht selbst seine räumliche Reichweite bestimme und der „Faktor Auslandsberührung“ i. R.d. Verhältnismäßigkeitsprüfung eine Rolle spielen könne; so auch Beck, Auslandseinsätze deutscher Streitkräfte (2008), S. 74, 119; Arnauld, Das (Menschen-)Recht im Auslandseinsatz, in: Streitkräfte und Menschenrechte, 2008, S. 71, spricht von der „Auslandstauglichkeit“ der jeweiligen Grundrechte. Es eigne sich nicht jedes Grundrecht gleichermaßen zum „Transfer auf Auslandssachverhalte“; Gärditz, Art. 16a, in: Maunz/Dürig, GG, 84. Aufl. August 2018, Rn. 305, demzufolge die „räumliche Geltungsreichweite der Grundrechte […] für jedes Grundrecht einzeln […] zu bestimmen“ sei; Hailbronner, Einreiseverweigerung und Visumzwang im Asylrecht, in: FS Doehring, 1989, S. 295, für eine Auslegung der einzelnen Grundrechte hinsichtlich eines Inlandsbezugs; für eine flexible Grundrechtsanwendung im Zusammenhang mit deren Auslegung Schröder, Zur Wirkkraft der Grundrechte, in: FS Schlochauer, 1981, S. 140 f.; für eine Berücksichtigung der Besonderheiten eines Auslandseinsatzes auf der „Schrankenebene“ und dabei insbesondere in der Verhältnismäßigkeit Zimmermann, ZRP 2012, 116, S. 117 f.; Poscher, VVDStRL 67 (2008), 160, S. 192, demzufolge „globalisierungsspezifische Politikziele […] Grundrechtsbeschränkungen rechtfertigen“ können; Ulmer, Asylrecht und Menschenwürde (1996), S. 160 ff., mit Hinweis auf die praktische Konkordanz, S. 173; für einen einzelfallbezogenen Ansatz hinsichtlich der Bestimmung der Reichweite der Grundrechtsbindung Thym, DÖV 2010, 621, S. 629, Breuer, Verfassungsrechtliche Anforderungen an das Wahlrecht der Auslandsdeutschen (2001), S. 141 f., Hofmann, Grundrechte und grenzüberschreitende Sachverhalte (1994), S. 68 ff., sowie offenbar auch Nolte, VVDStRL 67 (2008), 129, S. 143 ff. S. zudem Elbing, Zur Anwendbarkeit der Grundrechte bei Sachverhalten mit Auslandsbezug (1992), S. 182, 219 ff., der die verschiedenen Aspekte ermittelt und typisiert, die auf den verschiedenen Ebenen zur Einschränkung des Grundrechtsschutzes herangezogen werden können; Geiger, Staatsrecht III (2018), 8. Aufl.,



III. Extraterritoriale Grundrechtsgeltung der abwehrrechtlichen Dimension83

gewähren damit auch dem gebietsfremden Ausländer zunächst einmal den Schutz grundrechtlich geschützter Rechtspositionen. Ob daraus auch ein Abwehranspruch folgt, kann erst dann beantwortet werden, wenn die Bundesrepublik in diese (ungerechtfertigterweise) eingreift.281 Eine Vermischung der Prüfungen von Grundrechtsgeltung und Eingriff kann so jedenfalls vermieden werden, da eine eigenständige Prüfung der Grundrechtsgeltungsvoraussetzungen gar nicht stattfindet. Dieses Verständnis kann auch einem Einwand Ohlers gegen das Wirkungsprinzip entgegengehalten werden. Dieser moniert, dass von „der faktischen Einwirkung in eine Rechtsposition […] nicht auf die allein rechtlich zu qualifizierende Bindung des Grundrechtsadressaten zurückgeschlossen werden [könne]. Rein kausale Betrachtungen“ sagten nichts über die „rechtliche Zurechnung“ aus.282 Seinem Verständnis des Wirkungsprinzips zufolge sei eine Grundrechtsbindung allein anhand der Wirkungen beim Grundrechtsträger zu bemessen, sodass eine Grundrechtsbindung z. B. auch dann zu bejahen sei, wenn eine fremde Hoheitsgewalt auf diesen einwirke. Dementsprechend könne das Wirkungsprinzip zu einer Grundrechtsbindung der fremden Hoheitsgewalt führen. Außerdem werde nicht berücksichtigt, dass der Zurechnungszusammenhang zwischen der Handlung der deutschen Hoheitsgewalt und der Einwirkung auf eine Rechtsposition durch Handlungen Dritter unterbrochen sein kann.283 Dass sich die Grundrechtsbindung nur an die deutsche Hoheitsgewalt richtet und dementsprechend nur die „Wirkungen“ der Handlungen deutscher Hoheitsgewalt auf eine grundrechtlich geschützte Rechtsposition grundrechtlich relevant sind, wird auch vom Wirkungsprinzip inS. 136 f., der auf die Möglichkeit der Schutzbereichsauslegung und die Frage der Eingriffszurechnung verweist. Vgl. Herdegen, Art. 1 Abs. 3, in: Maunz/Dürig, GG, 84. Aufl. August 2018, Rn. 71 ff., der die Grundrechtsgeltung im Ausland bejaht und deren Intensität anhand der Umstände des Einzelfalls bemisst und dabei u. a. auf Rechtfertigungsaspekte eingeht; so auch Oehmke, Der Einsatz privater Sicherheitsdienste auf Handelsschiffen (2016), S. 416 ff.; vgl. Zuleeg, DÖV 1973, 361, S. 366, demzufolge sich der Einreisewillige auf Art. 2 Abs. 1 GG berufen könne, welcher aber aus den verschiedensten Gründen des öffentlichen Interesses eingeschränkt werden könne; vgl. Stern, Staatsrecht III/1 (1988), S. 1230 ff. 281  Dolderer, Objektive Grundrechtsgehalte (2000), 262 f., wonach Eingriffe die subjektiv-abwehrrechtlichen Grundrechtsreaktionen auslösten; Bleckmann, Grundrechte (1997), 4. Aufl., S. 246, Rn. 5, demzufolge aus den Freiheiten erst ein Abwehrrecht entstehe, wenn unbefugt in den Schutzbereich eingegriffen worden ist. S. hierzu auch Elbing, Zur Anwendbarkeit der Grundrechte bei Sachverhalten mit Auslandsbezug (1992), S. 275, demzufolge die Feststellung des Vorliegens eines Eingriffs entscheidend sei. 282  Ohler, Die Kollisionsordnung des Allgemeinen Verwaltungsrechts (2005), S. 287. 283  Ohler, Die Kollisionsordnung des Allgemeinen Verwaltungsrechts (2005), S. 287.

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B. Extraterritoriale Grundrechtsgeltung – Allgemeiner Teil

folge der Anknüpfung an Art. 1 Abs. 3 GG vorausgesetzt. Die Zurechnung und deren mögliche Unterbrechung kann zudem – wie üblich – z. B. in der Prüfung des Eingriffs berücksichtigt werden.284 Für die Beurteilung der extraterritorialen Grundrechtsgeltung gemäß der allgemeinen Grundrechtsdogmatik spricht zunächst, dass der diesem widersprechende Ansatz die an ihn gestellte Begründungslast285 nicht erfüllen konnte. Die Ansicht, derzufolge die Grundrechtsbindung territorial unbeschränkt ist, konnte damit begründet werden, dass Art. 1 Abs. 3 GG keine ausdrückliche territoriale Beschränkung der Grundrechtsbindung regelt.286 Ein Ansatz, der demgegenüber eine territorial nicht unbeschränkte Geltung behauptet, trägt vor diesem Hintergrund die Argumentationslast.287 Der Ansatz, der das Erfordernis einer Subordination für die Grundrechtsgeltung behauptet, konnte jedoch verfassungsrechtlich nicht begründet werden.288 Zudem wird sich im Folgenden zeigen, dass die an der territorialen Unbeschränktheit geäußerte Kritik nicht überzeugen kann. c) Verständnis der extraterritorial unbeschränkten Grundrechtsgeltung als „dogmatisches Glasperlenspiel“ Nun wurde das vorliegend vertretene Verständnis einer extraterritorialen Grundrechtsgeltung als „dogmatisches Glasperlenspiel ohne jede praktische Bedeutung“ bezeichnet. Es wurde hinterfragt, inwiefern es dem gebietsfremden Ausländer etwas ‚nützen‘ soll, dass „Myriaden täglicher Meinungsäußerungen“ von Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG umfasst werden, wenn dieser mit der deutschen Staatsgewalt niemals „in Berührung“ kommt.289 Fraglich ist jedoch, inwiefern die Geltung eines Grundrechts einer Person unmittelbar ‚etwas nützen‘ muss. Zur Veranschaulichung soll das angeführte Beispiel weitergedacht 284  Zur alleinigen Bindung der deutschen Staatsgewalt und zu Kausalität und Zurechnung bei Sachverhalten mit Auslandsbezug z. B. Becker, § 240, in: HStR XI, 3. Aufl. 2013, Rn. 34 ff, 38 ff.; Geiger, Staatsrecht III (2018), 8. Aufl., S. 136 f. 285  Es muss grundsätzlich jede Behauptung begründet werden, Alexy, Theorie der juristischen Argumentation (1983), S. 239. 286  Zum Inhalt des Art. 1 Abs. 3 GG s. o. Teil B. II. 2. Zur Begründung der territorial unbeschränkten Grundrechtsgeltung mit Art. 1 Abs. 3 GG s. o. Teil B. III. 2. a) (1). 287  S. Menzel, Internationales Öffentliches Recht (2011), S. 564, zur „Argumentationslast“ zulasten der „Behauptung territorialer oder personaler Beschränkungen“ vor dem Ausgangspunkt, dass Art. 1 Abs. 3 GG keine ausdrücklichen Beschränkungen regele. So auch Yousif, Die Extraterritoriale Geltung der Grundrechte (2007), S. 78, sowie Sachs, Das Recht zum Aufenthalt im Staatsgebiet, in: Staatsrecht IV/1, 2006, S. 751. 288  S. o. Teil B. III. 1. 289  Merten, Räumlicher Geltungsbereich, in: FS H. Schiedermair, 2001, S. 343.



III. Extraterritoriale Grundrechtsgeltung der abwehrrechtlichen Dimension85

werden. So ist die Meinungsfreiheit grundsätzlich darauf gerichtet, Eingriffe des Staates abzuwehren. Auch für den sich im Inland aufhaltenden deutschen Staatsangehörigen entfaltet Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG erst dann seinen Schutz, wenn die deutsche Staatsgewalt in seinen Schutzbereich eingreift.290 Es mag zwar sehr viel unwahrscheinlicher sein, dass ein Staatsorgan der Bundesrepublik Deutschland in die Meinungsfreiheit eines in China lebenden Chinesen291 eingreift bzw. eingreifen will. Es ist jedoch nicht ersichtlich, inwiefern daraus die Notwendigkeit eines die Grundrechtsgeltung besonders begründenden Kriteriums zu schließen sein soll bzw. warum die Meinungsfreiheit in diesem Fall von vornherein nicht gelten soll. Denn wenn es dann doch zu dem unwahrscheinlichen Fall einer Maßnahme der Bundesrepublik kommen sollte, die die Meinungsfreiheit des Chinesen in China beeinträchtigt, warum sollte dieser der Bundesrepublik dann schutzlos gegenüber­stehen?292 d) Die der Beschränkung der extraterritorialen Grundrechtsgeltung zugrunde liegenden Folgeerwägungen Die Lösung der extraterritorialen Grundrechtsgeltung über die allgemeine Grundrechtsdogmatik wird gestärkt, wenn man den Ansätzen, die die Grundrechtsgeltung extraterritorial beschränken, auf den Grund geht und erkennt, dass diese auf Folgeerwägungen basieren, die entweder nicht überzeugen oder auch von der hier vertretenen Ansicht miteinbezogen werden können. Die Vertreter der Ansichten, wonach die extraterritoriale Grundrechtsgeltung eingeschränkt sei, berufen sich im Wesentlichen auf zwei Annahmen. Zum einen wird behauptet, eine „uferlose“ extraterritoriale Anwendung der Grundrechte müsse verhindert werden, unter anderem weil sonst die Bundesrepublik schnell die Grenze des faktisch Möglichen erreichen würde.293 Au290  S. dazu auch Elbing, Zur Anwendbarkeit der Grundrechte bei Sachverhalten mit Auslandsbezug (1992), S. 276 f., der betont, dass es dann keines grundrechtlichen Schutzes bedürfe, wenn die deutsche Staatsgewalt den Einzelnen nicht „behelligen“ würde. 291  So das konkret gewählte Beispiel von Merten, Räumlicher Geltungsbereich, in: FS H. Schiedermair, 2001, S. 343. 292  Vgl. dazu Becker, § 240, in: HStR XI, 3. Aufl. 2013, Rn. 96, der z. B. aus Art. 5 Abs. 1 GG ebenfalls einen Schutz für im Ausland getätigte Meinungsäußerungen ableitet. Der Auslandszusammenhang könne dann im Rahmen der Rechtfertigung Berücksichtigung finden. 293  Isensee, § 115, in: HStR V, 2. Aufl. 2000, Rn. 79; Isensee, VVDStRL 32 (1974), 49, S. 63; Quaritsch, § 120, in: HStR V, 2. Aufl. 2000, Rn. 77; Quaritsch, Arbeitsverbot und Sichtvermerk als „flankierende“ Maßnahmen des Asylverfahrens, in: FS Zeidler I, 1987, S. 970, welcher sich mit diesem Argument dezidiert zum Asylrecht äußert; s. demgegenüber Arnauld, Das (Menschen-)Recht im Auslandseinsatz, in: Streitkräfte und Menschenrechte, 2008, S. 71, der eine grundsätzlich unbeschränkte

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B. Extraterritoriale Grundrechtsgeltung – Allgemeiner Teil

ßerdem würde die unbeschränkte extraterritoriale Grundrechtsbindung die außenpolitische Handlungsfähigkeit der Bundesrepublik stören.294 Zum anderen wird befürchtet, dass die Bundesrepublik sich durch eine territorial unbeschränkte Grundrechtsgeltung eines sogenannten Grundrechtsimperialismus bzw. Grundrechtsoktroi schuldig machen könnte.295 (1) Die Grenze der faktischen Möglichkeit und Störung der außenpolitischen Handlungsfähigkeit Dem Argument der Grenze der faktischen Möglichkeit kann entgegengehalten werden, dass sich dessen Urheber zumeist allein auf den Leistungscharakter der Grundrechte beschränken und damit unberücksichtigt lassen, dass Grundrechte auch und sogar vornehmlich Abwehrrechte sind.296 Quaritsch z. B. wählt zur Verdeutlichung das seither vielzitierte Bild des hungernden Inders vor der deutschen Botschaft in Neu-Delhi, für welchen die Bundesrepublik wohl kaum verantwortlich sein könne.297 Dieses Bild mag zwar auf den ersten Blick überzeugen. Die Bundesrepublik kann in der Tat nicht extraterritoriale Grundrechtsgeltung befürwortet und vielmehr dem Staat für die Behauptung der mangelnden Leistungsfähigkeit die Begründungslast auferlegt. 294  Hailbronner, VVDStRL 56 (1997), 7, S. 15  ff.; Oppermann, Transnationale Ausstrahlung deutscher Grundrechte?, in: FS Grewe, 1981, S. 530 f.; vgl. zu diesem Argument im Zusammenhang mit der Bejahung von Schutzrechten für gebietsfremde Ausländer Robbers, Sicherheit als Menschenrecht (1987), S. 213 f., demzufolge sich dies jedoch lediglich auf die Ausgestaltung des Rechts auswirke. 295  Isensee, § 115, in: HStR V, 2. Aufl. 2000, Rn. 79; Isensee, VVDStRL 32 (1974), 49, S. 63; Merten, Räumlicher Geltungsbereich, in: FS H. Schiedermair, 2001, S.  337 f.; Oppermann, Transnationale Ausstrahlung deutscher Grundrechte?, in: FS Grewe, 1981, S. 531; Stern, Staatsrecht III/1 (1988), S. 1242–1244, der ebenfalls die Gefahr eines Grundrechtsoktroi erkennt, daraus aber lediglich schließt, dass der Grundrechtsschutz bei auslandsbezogenen Sachverhalten nicht zu „ignorieren“, sondern „zurückhaltend zu handhaben“ sei; Becker, § 240, in: HStR XI, 3. Aufl. 2013 Rn. 24 ff., der die Gefahr eines Grundrechtsoktroi als gering einstuft. 296  Dazu, dass Grundrechte vorrangig Abwehrrechte sind Stern, § 185, in: HStR IX, 3. Aufl. 2011, Rn. 60; im Zusammenhang mit Schutzrechten Dietlein, Die Lehre von den grundrechtlichen Schutzpflichten (2005), 2. Aufl., S. 34. Zu den verschiedenen Grundrechtsdimensionen s. u. Teil B. IV. 297  Quaritsch, Arbeitsverbot und Sichtvermerk als „flankierende“ Maßnahmen des Asylverfahrens, in: FS Zeidler I, 1987, S. 970; Quaritsch, § 120, in: HStR V, 2. Aufl. 2000, Rn. 76. Aufgenommen z. B. von Isensee, § 115, in: HStR V, 2. Aufl. 2000, Rn. 87; Gröpl, ZRP 1995, 13, S. 17; Vitzthum, Extraterritoriale Grundrechtsgeltung, in: FS Bothe, 2008, S. 1219 f. S. zur Rezeption dieses Bildes in der Literatur Menzel, Internationales Öffentliches Recht (2011), S. 569, welcher von einem „durch die Literatur geisternden Bild“ spricht und die Befürchtung von Sozialhilfeansprüchen gegenüber allen Bedürftigen als argumentum ad absurdum bezeichnet; s. auch Yousif, Die Extraterritoriale Geltung der Grundrechte (2007), S. 154, welche die Formulierung als „polemisch[…]“ bezeichnet.



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jedem Menschen auf der Welt gegenüber zur Sicherung des Existenzminimums verantwortlich sein. Es ist jedoch zwischen den verschiedenen Grundrechtsdimensionen zu differenzieren.298 Das genannte Beispiel beschränkt sich auf die extraterritoriale Geltung eines der wenigen anerkannten originären grundrechtlichen Leistungsrechte.299 Die Abwehrrechte fordern jedoch primär ein Unterlassen von Handlungen und nicht die Vornahme von Handlungen.300 Für Unterlassungen gibt es jedoch grundsätzlich keine Grenze des faktisch Möglichen. So fordert das Unterlassen – im Gegensatz zu positiven Handlungen – nicht den Einsatz erschöpflicher Ressourcen.301 Zur Gewährleistung der Leistungsfähigkeit der Bundesrepublik reichte es demzufolge, die extraterritoriale Reichweite von grundrechtlichen Leistungsansprüchen zu beschränken und zumindest von einer unbeschränkten extraterritorialen Reichweite der abwehrrechtlichen Dimension auszugehen.302 Jedenfalls ge298  Gröpl, ZRP 1995, 13, S. 17, welcher im Hinblick auf Art. 10 GG und dessen extraterritoriale Reichweite feststellt, dass es sich im Gegensatz zum Existenzminimum um ein Abwehrrecht „im klassischen“ Sinne handele, welches keine sozialen Leistungsansprüche in sich trage; Menzel, Internationales Öffentliches Recht (2011), S. 573 f., der hinsichtlich der abwehrrechtlichen Dimension ein erhöhtes Maß an Grundrechtsverantwortlichkeit annimmt; Robbers, Sicherheit als Menschenrecht (1987), S. 211 f., welcher zwischen abwehrrechtlicher und schutzrechtlicher Dimension im Hinblick auf grenzüberschreitende Umweltbelastungen unterscheidet; Heintzen, § 50, in: HGR II, 2006, Rn. 36, der zwar zwischen der Verhinderung und der Förderung des Gebietszugangs für politisch Verfolgte unterscheidet, diese Differenzierung aber im Anschluss daran nicht konsequent durchhält; Vitzthum, Extraterritoriale Grundrechtsgeltung, in: FS Bothe, 2008, S. 1219 f., der jedenfalls zwischen abwehr- und leistungsrechtlichen Gehalten differenziert; Waldhoff, Die innerstaatlichen Grundrechte als Maßstab der Außenpolitik?, in: Isensee, Menschenrechte als Weltmission, 2009, S. 60 ff., differenziert zwischen abwehr- und schutzrechtlicher Dimension; Weizsäcker, Grundrechte und freiwillige Migration (2007), S. 77; Walter/Ungern-Sternberg, DÖV 2012, 861, S. 865, differenzieren ebenfalls hinsichtlich der abwehrrechtlichen Dimension; andeutungsweise auch Schwander, Extraterritoriale Wirkung von Grundrechten im Mehrebenensystem (2019), S. 74, hinsichtlich des status positivus. Letztlich differenziert Quaritsch, § 120, in: HStR V, 2. Aufl. 2000, Rn. 80 f., selbst zwischen Abwehr- und Leistungsrechten, wenn er eine Grundrechtsbindung bejaht, wenn ein Eingriff erfolgt, und ablehnt, wenn sich pflichtgemäßes Handeln des Staates „in Negation erschöpft“. 299  Vgl. Beck, Auslandseinsätze deutscher Streitkräfte (2008), S. 116 f. Zur territorialen Reichweite originärer Leistungsrechte s. u. Teil B. IV. 2. c). Zur Einordnung des Rechts auf Existenzminimum als originäres Leistungsrecht s. u. Teil C. II. 1. b). 300  S. zu der Abgrenzung unten Teil C. I. 301  Vgl. auch hier Gröpl, ZRP 1995, 13, S. 17, im Zusammenhang mit der extraterritorialen Reichweite von Art. 10 GG, welcher betont, dass es sich bei Art. 10 GG nicht um ein Leistungsrecht handele und dieser folglich keine sozialen Ansprüche in sich trage. Demzufolge stünde einer extraterritorialen Geltung dessen nicht die finanzielle Überlastung des Staates entgegen. 302  Beck, Auslandseinsätze deutscher Streitkräfte (2008), S. 113 ff., insbesondere S. 116 f. S. auch Arnauld, Das (Menschen-)Recht im Auslandseinsatz, in: Streitkräfte

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nügt der angeblich notwendige Schutz der Bundesrepublik vor Überlastung allein nicht, um die Geltung der Grundrechte für gebietsfremde Ausländer undifferenziert generell einzuschränken. Dies kann ebenfalls dem Argument der Störung der außenpolitischen Handlungsfähigkeit entgegengehalten werden, wonach insbesondere die Gewährung von Schutzrechten gegenüber ausländischen Gefahren als problematisch angesehen wird.303 Menzel führt darüber hinaus aus, dass die „Folgenszenarios“, auf denen die Ablehnung einer extraterritorialen Grundrechtsgeltung basiere, zumeist unrichtig seien. So ließe sich z. B. eine Überlastung der Gerichte durch die Ablehnung einer Klage wegen ersichtlicher Abwegigkeit des Vorbringens verhindern.304 Jedenfalls bewiesen sich Grundrechte nicht dadurch, „dass man an sie adressierte Bewährungsproben präventiv hinwegdefiniert.“305 (2) Der Vorwurf des Grundrechtsimperialismus bzw. -oktroi Auch das Argument des Grundrechtsimperialisums bzw. -oktroi kann hinsichtlich einer (allgemeinen) Beschränkung der extraterritorialen Grundrechtsgeltung nicht überzeugen. Es wird befürchtet, dass die Erstreckung des deutschen Grundrechtsschutzes auf die Bürger anderer Staaten, die gegebenenfalls keinen gleichwertigen Grundrechtsschutz bieten, als Störung deren Souveränität aufgefasst werden könnte.306 und Menschenrechte, 2008, S. 71 ff., der sich auf die begrenzten Möglichkeiten explizit nur im Zusammenhang mit Schutzpflichten und Verfahrensgarantien beruft; Menzel, Internationales Öffentliches Recht (2011), S. 574, der für eine grundrechtliche Verantwortlichkeit jedenfalls in Fällen von Ingerenz ausgeht; Nettesheim, § 241, in: HStR XI, 3. Aufl. 2013, Rn. 58, der für eine differenzierte Betrachtung von Eingriffsund Schutzpflichtensituationen zu plädieren scheint; so offenbar auch Kötter/Nolte, DÖV 2007, 186, S. 190 f. Gegen eine Differenzierung hinsichtlich der verschiedenen Dimensionen mangels dogmatischen Anknüpfungspunktes Merten, Räumlicher Geltungsbereich, in: FS H. Schiedermair, 2001, S. 344. Auf die Frage nach einem dogmatischen Anknüpfungspunkt für eine Differenzierung nach den Grundrechtsdimen­ sionen wird im Anschluss an diesen Teil eingegangen (Teil B. IV). 303  Zum Argument der Störung der außenpolitischen Handlungsfähigkeit Hailbronner, VVDStRL 56 (1997), 7, S. 15 ff. Dazu, dass sich die Grundrechtsbindung internationalen Kooperationen nicht entgegenstellt Poscher, VVDStRL 67 (2008), 160, S. 193. 304  Menzel, Internationales Öffentliches Recht (2011), S. 569 f. Dabei verweist er auch auf den Fall, in dem die Verfassungsbeschwerde eines Staatsbürgers Uruguays zurückgewiesen wurde, welcher sich vom Bundesnachrichtendienst verfolgt gefühlt hatte. 305  Menzel, Internationales Öffentliches Recht (2011), S. 570; vgl. Ulmer, Asylrecht und Menschenwürde (1996), S. 149. 306  Merten, Räumlicher Geltungsbereich, in: FS H. Schiedermair, 2001, S. 337 f.; Oppermann, Transnationale Ausstrahlung deutscher Grundrechte?, in: FS Grewe, 1981, S. 531, welcher auf BVerfGE 18, 112 (117) verweist. Demnach berechtige



III. Extraterritoriale Grundrechtsgeltung der abwehrrechtlichen Dimension89

Die Grundrechte beschränken allerdings nur die hoheitliche Tätigkeit der Bundesrepublik Deutschland. Das heißt zum einen, dass sie dem jeweiligen ausländischen Grundrechtsträger lediglich Rechte zur Abwehr ihrer eigenen Maßnahmen gewährt. Von diesen Rechten kann die betroffene Person nach eigenem Ermessen Gebrauch machen oder nicht. Die Wertvorstellungen der Bundesrepublik werden damit dem jeweiligen Betroffenen nicht aufgezwängt.307 Zudem setzte ein Grundrechtsimperialismus die Kollision zweier Rechtsordnungen voraus. Das hieße, zwei Rechtsordnungen müssten zwei verschiedene Rechtsfolgen an ein und denselben Tatbestand knüpfen. Durch die Grundrechte werden aber gerade keine fremden Staaten verpflichtet. Sie richten sich ausschließlich an die Bundesrepublik. Eine beispielsweise im Ausland getätigte Meinungsäußerung ist gemäß Art. 5 Abs. 1 GG nur gegenüber Maßnahmen der Bundesrepublik geschützt. Ein Verbot dieser Meinungsäußerung durch den jeweiligen Aufenthaltsstaat wäre davon nicht berührt. Durch die extraterritoriale Geltung von Grundrechten kann dementsprechend keine Kollision zwischen zwei Rechtsordnungen entstehen. Der jeweilige Aufenthaltsstaat ist von der Geltung der deutschen Grundrechte gar nicht betroffen.308 Von einem Aufzwängen von Wertvorstellungen durch eine extraterritoriale Grundrechtsgeltung kann also nicht die Rede sein.309 Art. 102 GG die Bundesrepublik nicht zu einem Werturteil über die Rechtsordnungen anderer Staaten, die nicht dieselben Erfahrungen mit einem Unrechtssystem teilen wie die Bundesrepublik Deutschland; zweifelnd an dieser Entscheidung allerdings BVerfGE 60, 348 (354); zur Inbezugnahme der Auslieferungsentscheidung des BVerfG Becker, § 240, in: HStR XI, 3. Aufl. 2013, Rn. 24, m. Fn. 56. Vgl. hierzu auch Bleckmann/Busse, DVBl. 1977, 794, S. 796, die zwar für eine Grundrechtsbindung bei Hoheitsakten der deutschen Staatsgewalt auf fremdem Hoheitsgebiet plädieren, zugleich aber davon ausgehen, dass die Bundesrepublik den vollen Grundrechtsstandard den fremden Rechts- und Wertauffassungen entsprechend ggf. nicht voll durchsetzen können wird. 307  Yousif, Die Extraterritoriale Geltung der Grundrechte (2007), S. 26; Walter, § 237, in: HStR XI, 3. Aufl. 2013, Rn. 51; vgl. Neubert, Der Einsatz tödlicher Waffengewalt durch die deutsche auswärtige Gewalt (2016), S. 185 f. Etwas anderes könnte dann anzunehmen sein, wenn z. B. i. R.d. schutzrechtlichen Dimension der Grundrechte ein Anspruch auf „Einwirken“ der Bundesrepublik auf einen die Grundrechte des Einzelnen beeinträchtigenden fremden Staat angenommen wird. Auch in diesem Falle einen Grundrechtsoktroi ablehnend Elbing, Zur Anwendbarkeit der Grundrechte bei Sachverhalten mit Auslandsbezug (1992), S. 128 ff. Auch hier würde eine Differenzierung zwischen abwehr- und leistungsrechtlicher Dimension der Grundrechte genügen. Zur Ablehnung der allgemeinen schutzrechtlichen Dimension der Grundrechte gegenüber Gefahren mit ausländischem Ursprung s. u. Teil B. IV. 1. 308  So Becker, § 240, in: HStR XI, 3. Aufl. 2013, Rn. 27; vgl. Meierhofer, Die asylrechtliche Drittstaatenregelung (1998), S. 72 f. 309  Schwander, Extraterritoriale Wirkung von Grundrechten im Mehrebenensystem (2019), S. 74; Menzel, Internationales Öffentliches Recht (2011), S. 568 f.; vgl. Ulmer, Asylrecht und Menschenwürde (1996), S. 149.

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B. Extraterritoriale Grundrechtsgeltung – Allgemeiner Teil

Schließlich kann der Vorwurf des Grundrechtsimperialismus gerade im Hinblick auf das Asylrecht nicht verfangen. So bedeutet dieses naturgemäß eine Missbilligung der Sach- bzw. Rechtslage in einem anderen Staat.310 Selbst wenn man also in der Grundrechtsgeltung für gebietsfremde Ausländer einen Grundrechtsimperialismus erkennen würde, könnte dieser Einwand einer extraterritorialen Geltung gerade des Art. 16a Abs. 1 GG nicht entgegenstehen, würde dieser doch die Existenz des Asylrechts überhaupt in Frage stellen. Auch hier ist allerdings hinsichtlich der verschiedenen Grundrechtsdimensionen zu differenzieren. Jedenfalls hinsichtlich der abwehrrechtlichen Dimension ist die Annahme eines Grundrechtsimperialismus abzulehnen.311 e) Extraterritoriale Grundrechtsgeltung ohne Durchsetzbarkeit? Teilweise wird zudem vertreten, die Grundrechte gälten zwar auch extraterritorial, seien extraterritorial aber nicht durchsetzbar.312 Begründet wird dies offenbar in Anlehnung an die völkerrechtliche Unterscheidung zwischen jurisdiction to prescribe und jurisdiction to enforce.313 Dem ist entgegenzuhalten, dass die Durchsetzung eines Abwehrrechts primär ein Unterlassen der Bundesrepublik fordert, welches nicht der Vornahme von Zwangsmaßnahmen bedarf, die mit der fremden staatlichen Souveränität in Konflikt geraten könnte. Die Durchsetzung der Grundrechte als Abwehrrechte bedeutet damit von vornherein nicht Durchsetzung etwa gegenüber einer fremden Hoheitsmacht.314 Es genügt demnach auch hier die territoriale Beschränkung von

310  Welche im Übrigen schon nach Völkerrecht vom Verfolgerstaat zu dulden ist (s. o. Teil A. I). Dazu, dass die Gewährung von Asylrecht „typischerweise“ eine Einmischung in fremde Angelegenheiten darstellt Menzel, Internationales Öffentliches Recht (2011), S. 452; Gärditz, Art. 16a, in: Maunz/Dürig, GG, 84. Aufl. August 2018, Rn. 447, demzufolge „[d]iplomatische Verwerfungen im Falle der Asylgewährung […] grundrechtsimmanent angelegt [seien]“; s. dazu auch Zimmermann/Tams, Art. 16a, in: Berliner Kommentar, 2018 (Stand: 19. EL 2007), Rn. 36. 311  Lorenz, Der territoriale Anwendungsbereich der Grund- und Menschenrechte (2005), S. 179. Zur Beurteilung der extraterritorialen Geltung der Grundrechte in ihren nicht-abwehrrechtlichen Dimensionen s. im Anschluss Teil B. IV. 312  Vgl. Stern, Staatsrecht III/1 (1988), S. 1232 f.; in Hinblick auf die territoriale Reichweite von Art. 16a Abs. 1 GG Arnauld, Art. 16a, in: Münch/Kunig, GG, 6. Aufl. 2012, Rn. 25. 313  Arnauld, Art. 16a, in: Münch/Kunig, GG, 6.  Aufl. 2012, Rn. 25 (s. schon Fn. 40). Zum Unterschied zwischen jurisdiction to prescribe und enforce s. o. Teil A. I. 3. a). 314  S. dazu schon oben Teil A. I. 3. a).



III. Extraterritoriale Grundrechtsgeltung der abwehrrechtlichen Dimension91

Grundrechtsgewährleistungen, die dem status positivus zuzuordnen sind und gegebenenfalls die Vornahme positiver Handlungen erfordern.315 3. Zwischenergebnis Die Ansätze, die für eine Grundrechtsgeltung gegenüber gebietsfremden Ausländern eine Subordination fordern, können zumindest für die abwehrrechtliche Dimension der Grundrechte nicht überzeugen. Vielmehr ist von einer grundsätzlich unbeschränkten extraterritorialen Geltung der Grundrechte als Abwehrrechte auszugehen. Extraterritorial geltende Grundrechte dürfen in ihrer abwehrrechtlichen Dimension demnach nur eingeschränkt werden, wenn eine verfassungsrechtliche Rechtfertigung gegeben ist. Wenn angenommen wird, die Grundrechtsbindung divergiere bei einem Handeln der Bundesrepublik im Ausland von der Grundrechtsbindung bei einem Handeln im Inland,316 so ist dies jedenfalls missverständlich. Die Bindung ist im Ausland nicht eingeschränkt.317 Es kann lediglich angenommen werden, dass die Umstände des Einzelfalls bei Sachverhalten mit Auslandsbezug eher zu einer verfassungsrechtlich gerechtfertigten Einschränkung der Grundrechte führen können, als dies bei rein inländischen Sachverhalten der Fall wäre.318 In dem Zusammenhang ist daran zu erinnern, dass der Wirkbzw. Geltungsbereich eines Grundrechts von seinem effektiven Garantiegehalt zu unterscheiden ist.319 315  Zur Einschränkung der territorialen Reichweite grundrechtlicher Gewährleistungen jenseits des Abwehrrechts s. u. Teil B. IV. 316  Dreier, Art. 1 III, in: Dreier, GG, 3. Aufl. 2013, Rn. 45, spricht von Modifikationen, gibt außerdem aber zu, dass deren dogmatische Erfassung umstritten sei; vgl. Kunig, Art. 1, in: Münch/Kunig, GG, 6. Aufl. 2012, Rn. 53. 317  Yousif, Die Extraterritoriale Geltung der Grundrechte (2007), S. 145 f., mit einer ausführlichen Untersuchung (und Ablehnung) der diskutierten Aspekte, die zu einer grundsätzlichen Modifikation der extraterritorialen Grundrechtsgeltung führen sollen, S.  105 ff.; Lorenz, Der territoriale Anwendungsbereich der Grund- und Menschenrechte (2005), S. 181 f., demzufolge es verfehlt sei, von einer „generell geringeren Wirkkraft zu sprechen“; vgl. Kronke, Grundrechte bei Fällen mit Auslandsbezug, in: Die Wirkungskraft der Grundrechte, 1998, S. 37, demzufolge die Annahme, Grundrechte seien bei Auslandsberührung „generell ‚weniger Wert‘ “ eine „kaum zumutbare Perspektive“ sei. 318  Menzel, Internationales Öffentliches Recht (2011), S. 575 f.; Poscher, VVDStRL 67 (2008), 160, S. 191 f.; Yousif, Die Extraterritoriale Geltung der Grundrechte (2007), S.  145 f. 319  Lübbe-Wolff, Eingriffsabwehrrechte (1988), S. 25 f.; Vitzthum, Extraterritoriale Grundrechtsgeltung, in: FS Bothe, 2008, S. 1222. Deswegen sei der faktische Mehrwert einer extraterritorialen Grundrechtsgeltung nicht zu überschätzen. S. hierzu auch Kronke, Grundrechte bei Fällen mit Auslandsbezug, in: Die Wirkungskraft der Grund-

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B. Extraterritoriale Grundrechtsgeltung – Allgemeiner Teil

IV. Extraterritoriale Grundrechtsgeltung der nicht-abwehrrechtlichen Grundrechtsdimensionen Festgestellt wurde bisher, dass die Grundrechte in ihrer abwehrrechtlichen Dimension grundsätzlich territorial unbeschränkt gelten. Dabei wurde bereits angesprochen, dass die leistungsrechtliche Dimension der Grundrechte – im Sinne eines Gegenbegriffs zur Abwehrdimension – in dieser Hinsicht unterschiedlich zu bewerten sein könnte. Im Folgenden wird deshalb untersucht, ob die Grundrechte auch in ihren über die abwehrrechtliche Dimension hinausgehenden Dimensionen territorial unbeschränkt gelten bzw. ob hinsichtlich dieser Dimensionen überhaupt eine solche allgemeingültige Aussage möglich ist. Die Dimensionen sollen jeweils getrennt voneinander untersucht werden. Unterteilt wird in die schutzrechtliche, die originär-leistungsrechtliche und die verfahrensrechtliche Dimension. Auch wenn der asylgrundrechtliche Gewährleistungsgehalt letztendlich der abwehrrechtlichen Dimension der Grundrechte zugeordnet wird,320 gewinnt die folgende Analyse insbesondere vor dem Hintergrund der später dargestellten Fallbeispiele und auch der Darstellung der Verfahrensdimension des extraterritorial geltenden Asylrechts an Bedeutung.321 Darüber hinaus gewinnt sie mittelbar an Bedeutung. Die folgende Analyse der territorialen Reichweite der nicht-abwehrrechtlichen Grundrechtsdimensionen wird zeigen, dass Ansätze in der Literatur zum Teil auf einem unzutreffenden oder zumindest unvollständigen Verständnis gerade des asylgrundrechtlichen Gewährleistungsgehalts fußen. Die folgende Analyse wird mithin zeigen, dass nicht nur die Bestimmung der Reichweite der extraterritorialen Grundrechtsgeltung für gebietsfremde Ausländer Bedeutung für die Bestimmung der Geltungsreichweite des Asylgrundrechts hat, sondern – nunmehr umgekehrt – auch die Bestimmung des asylgrundrechtlichen Gewährleistungsgehalts Bedeutung für die Bestimmung der Reichweite der extraterritorialen Grundrechtsgeltung für gebietsfremde Ausländer allgemein hat. 1. Territoriale Reichweite der schutzrechtlichen Dimension der Grundrechte Als erstes soll die schutzrechtliche Dimension der Grundrechte auf ihre grundsätzliche territoriale Reichweite hin überprüft werden. Dies ist vor dem rechte, 1998, S. 43, demzufolge sich jemand nur an ein deutsches Gericht wenden werde, weil er „tatsächlich“ vom Handeln der Bundesrepublik „berührt ist“ [Hervorhebung im Original]. 320  S. u. Teil  C. 321  S. insbesondere Teil E. III. und Teil F.

IV. Grundrechtsgeltung der nicht-abwehrrechtlichen Grundrechtsdimensionen

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Hintergrund dieser Arbeit von besonderem Interesse. Denn gerade im Hinblick auf die extraterritoriale Reichweite von Schutzrechten wird oft mit Rückschlüssen aus Art. 16a GG argumentiert.322 Andersherum wird auch bei der Bestimmung des Inhalts des asylrechtlichen Gewährleistungsgehalts teilweise mit dessen schutzrechtlichem Charakter argumentiert.323 Zur Ermittlung der territorialen Reichweite der schutzrechtlichen Dimension der Grundrechte wird zunächst dessen verfassungsrechtliche Herleitung in den Blick genommen und auf eine Aussage zur territorialen Reichweite untersucht. a) Die schutzrechtliche Dimension der Grundrechte Die schutzrechtliche Dimension der Grundrechte ist eine neben der Abwehrfunktion von Bundesverfassungsgericht324 und Literatur325 weitgehend anerkannte Grundrechtsfunktion. Abwehrrecht und Schutzrecht sind dabei auf den Schutz desselben Rechtsguts, jedoch gegen zwei unterschiedliche Arten der Beeinträchtigung gerichtet. Während die Grundrechte als Abwehrrechte gegen Beeinträchtigungen des Rechtsguts durch den Staat schützen, schützen die grundrechtlichen Schutzrechte gegen Rechtsgutsgefährdungen 322  S. z. B. die später noch ausführlich zu analysierenden Ausführungen von: Robbers, Sicherheit als Menschenrecht (1987), S. 209 f.; Dietlein, Die Lehre von den grundrechtlichen Schutzpflichten (2005), 2. Aufl., S. 120; Yousif, Die Extraterritoriale Geltung der Grundrechte (2007), S. 156 f.; Krings, Grund und Grenzen grundrechtlicher Schutzansprüche (2003), S. 146 f., 201 f.; angedeutet auch von Kleinlein/Rabenschlag, ZaöRV 2007, 1277, S. 1303 f. Dazu im Einzelnen unten (Teil B. IV. 1. c) (2) (a) (aa)). 323  S. dazu insbesondere unten Teil C. II. 2. a) (2). 324  Zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts s. nur BVerfGE 39, 1 – zur Fristenlösung; BVerfGE 35, 79 (114 f.); BVerfGE 46, 160 (164); BVerfGE 49, 89 (132); BVerfGE 56, 54 (78); BVerfGE 77, 170 (214); BVerfGE 1, 97 (104). Eine Übersicht über die bundesverfassungsgerichtlichen Leitentscheidungen zum Thema „staatliche Schutzpflicht“ bietet Isensee, § 191, in: HStR IX, 3. Aufl. 2011, Rn. 146– 157; zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auch Cremer, Freiheitsgrundrechte (2003), 229 ff.; Klein, NJW 1989, 1633, S. 1634 f.; Hermes, Das Grundrecht auf Schutz von Leben und Gesundheit (1987), S. 43 ff.; Unruh, Zur Dogmatik der grundrechtlichen Schutzpflichten (1996), S. 29 ff. 325  S. nur Cremer, Freiheitsgrundrechte (2003), S. 228; Isensee, Das Grundrecht auf Sicherheit, Schriftenreihe der Juristischen Gesellschaft e. V. Berlin (1983), Heft 79; Isensee, § 111, in: HStR V, 2. Aufl. 2000; Murswiek, Die staatliche Verantwortung (1985), S. 101; Dietlein, Die Lehre von den grundrechtlichen Schutzpflichten (2005), 2. Aufl.; Unruh, Zur Dogmatik der grundrechtlichen Schutzpflichten (1996); Alexy, Theorie der Grundrechte (1985), 410 ff.; Calliess, § 44, in: HGR II, 2006, Rn. 4; ­Becker, § 240, in: HStR XI, 3. Aufl. 2013, 108 ff.; Klein, NJW 1989, 1633; Sodan, NVwZ 2000, 601, S. 603; Ruffert, Vorrang der Verfassung (2001), S. 141 ff.; Dolderer, Objektive Grundrechtsgehalte (2000), S. 177 ff., 383 ff.

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B. Extraterritoriale Grundrechtsgeltung – Allgemeiner Teil

seitens privater Dritter.326 Adressat von sowohl Abwehrrecht als auch Schutzrecht ist stets der Staat.327 Dem Einzelnen wird ein Recht gegen den Staat auf Tätigwerden in Form von Schutzmaßnahmen eingeräumt. Damit handelt es sich nicht wie beim Abwehrrecht um ein Recht auf ein Unterlassen, sondern um ein Recht auf eine positive Handlung.328 Demzufolge kann z. B. von der Legislative die normative Absicherung grundrechtlicher Freiräume verlangt werden.329 Dies geschieht z. B. durch das Strafrecht,330 das allgemeine und das besondere Polizei- und Sicherheitsrecht, aber auch durch privatrechtliche Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche.331 Daran anschließend gebietet die Schutzpflicht auch die Durchsetzung dieser Schutznormen.332 b) Der Staatszweck Sicherheit als Fundament der grundrechtlichen ­Schutzrechte und seine Aussage über deren territoriale Reichweite Um nun die Frage beantworten zu können, ob die schutzrechtliche Dimension der Grundrechte territorial beschränkt ist, ist die verfassungsrechtliche Herleitung der schutzrechtlichen Dimension der Grundrechte selbst zu untersuchen. Anerkannterweise sind die Grundrechte zunächst Abwehrrechte. Sie sollen dem Bürger einen Freiraum von staatlichen Übergriffen gewährleisten. Die aus der schutzrechtlichen Dimension folgende Verpflichtung hingegen, gegen die Schutzgutsgefährdung durch einen (privaten) Dritten vorzugehen, kann demgegenüber unter Umständen die Pflicht zum Eingriff in die Rechtsgüter 326  Isensee, § 191, in: HStR IX, 3. Aufl. 2011, Rn. 1; Isensee, § 111, in: HStR V, 2. Aufl. 2000, Rn. 1; Klein, NJW 1989, 1633, S. 1633; Calliess, § 44, in: HGR II, 2006, Rn. 18. 327  Isensee, § 191, in: HStR IX, 3. Aufl. 2011, Rn. 4. 328  Hermes, Das Grundrecht auf Schutz von Leben und Gesundheit (1987), S. 39; Robbers, Sicherheit als Menschenrecht (1987), S. 125; Alexy, Theorie der Grundrechte (1985), S. 415. 329  Dietlein, Die Lehre von den grundrechtlichen Schutzpflichten (2005), 2. Aufl., S. 70; Isensee, § 111, in: HStR V, 2. Aufl. 2000, Rn. 139; Isensee, Das Grundrecht auf Sicherheit, Schriftenreihe der Juristischen Gesellschaft e. V. Berlin (1983), Heft 79, S. 51; Unruh, Zur Dogmatik der grundrechtlichen Schutzpflichten (1996), S. 23; Stern, Staatsrecht III/1 (1988), S. 951. 330  Klein, NJW 1989, 1633, S. 1637. 331  Hermes, Das Grundrecht auf Schutz von Leben und Gesundheit (1987), S. 38 f. 332  Dietlein, Die Lehre von den grundrechtlichen Schutzpflichten (2005), 2. Aufl., S. 71; Isensee, § 111, in: HStR V, 2. Aufl. 2000, Rn. 139; Hermes, Das Grundrecht auf Schutz von Leben und Gesundheit (1987), S. 39; darüber hinaus könne auch ein Einschreiten unmittelbar aufgrund der Schutzpflicht erfolgen und über das fehlen einfachgesetzlicher Befugnisnormen hinweghelfen, Kötter/Nolte, DÖV 2007, 186, S. 193.

IV. Grundrechtsgeltung der nicht-abwehrrechtlichen Grundrechtsdimensionen

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eben dieses Dritten bedeuten. Durch die Anerkennung einer Schutzfunktion werden die Grundrechte damit entgegen ihrer Abwehrfunktion unter Umständen sogar zu Eingriffspflichten (bezüglich der gefährdenden Dritten).333 Dementsprechend stark umstritten ist die Herleitung der Schutzpflichten. An dieser Stelle kann die Diskussion darüber, wie die Schutzpflichtendimension an die Grundrechte anzuknüpfen ist, nicht im Detail wiedergegeben und bewertet werden. Dies ist allerdings auch nicht notwendig. Vielmehr fokussiert sich die folgende Darstellung auf ein Begründungselement, auf das zahlreiche Auffassungen zurückgreifen: den Staatszweck Sicherheit.334 Der Staatszweck Sicherheit wird verbreitet auf die Staatsphilosophie von Thomas Hobbes zurückgeführt, wonach Staatlichkeit insbesondere durch die staatliche Garantie der Sicherheit legitimiert sei. Der Bürger unterwerfe sich dem Gewaltmonopol des Staates. Im Gegenzug garantiere der Staat dem Bürger die Gewährleistung seiner Sicherheit. Die Gewährleistung der Sicherheit kompensiere damit das Aufgeben der Selbsthilfe durch den Bürger selbst.335 Die Berufung auf den Staatszweck Sicherheit sieht sich allerdings dem Vorwurf ausgesetzt, dieser finde keine Anknüpfung in der Verfassung und sei 333  Zur Ambivalenz von Abwehrrecht und Schutzrecht Isensee, § 191, in: HStR IX, 3. Aufl. 2011, Rn. 5 und 165 ff.; Dolderer, Objektive Grundrechtsgehalte (2000), S. 180. 334  Isensee, § 111, in: HStR V, 2.  Aufl. 2000, Rn. 83–85; Alexy, Theorie der Grundrechte (1985), S. 414 f.; Calliess, § 44, in: HGR II, 2006, Rn. 1 ff., 20; Murswiek, Die staatliche Verantwortung (1985), 102 ff.; Klein, NJW 1989, 1633, S. 1635 f.; Klein, DVBl. 1994, 489, S. 493; Ruffert, Vorrang der Verfassung (2001), S. 154 ff.; Stern, Staatsrecht III/1 (1988), S. 932 ff.; Bleckmann, DVBl. 1988, 938, S. 940 f.; Unruh, Zur Dogmatik der grundrechtlichen Schutzpflichten (1996), S. 37–41; Dreier, Vorb. Art. 1, in: Dreier, GG, 3. Aufl. 2013, Rn. 104. 335  Unter Bezugnahme auf Hobbes Calliess, § 44, in: HGR II, 2006, S. 1 ff. Zur Staatsphilosophie von Hobbes: Dietlein, Die Lehre von den grundrechtlichen Schutzpflichten (2005), 2. Aufl., S. 21 f.; Isensee, Die Friedenspflicht der Bürger, in: FS ­Eichenberger, 1982, S. 26; Isensee, Das Grundrecht auf Sicherheit, Schriftenreihe der Juristischen Gesellschaft e. V. Berlin (1983), Heft 79, S. 3 ff.:, vgl. Murswiek, Die staatliche Verantwortung (1985), S. 102 ff. Zur Berufung auf den Staatszweck Sicherheit Klein, NJW 1989, 1633, S. 1635 f., der die Kompensation der Gewaltaufgabe des Individuums durch den staatlich gewährten Schutz als „wichtige dogmatische Erklärung für die Notwendigkeit staatlicher Schutzpflichten“ beschreibt. Er stellt allerdings fest, dass diese Erklärung nicht allein trage, da sie Fällen nicht gerecht werde, in denen das bedrohte Individuum (z. B. werdendes Leben) hilflos ausgeliefert ist und damit von einer Gewaltaufgabe nicht die Rede sein könne. Auf eine umfängliche Analyse der Tragfähigkeit der in Frage stehenden Staatsphilosophie kommt es an dieser Stelle allerdings nicht an. Entscheidend ist allein, dass der staatsphilosophische Gedanke der Verfassung zugrundeliegt und daraus Schlüsse für die Inhaltsbestimmung der grundrechtlichen Gewährleistungsgehalte gezogen werden können (dazu im anschließenden Abschnitt).

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B. Extraterritoriale Grundrechtsgeltung – Allgemeiner Teil

deshalb nicht geeignet, für die Bestimmung des Gehalts der grundrechtlichen Schutzpflichten herangezogen zu werden.336 Zunächst muss mithin geklärt werden, ob und inwiefern der Staatszweck Sicherheit seinen Ausdruck in der Verfassung gefunden hat. Im Anschluss daran kann erörtert werden, welche Folgerungen dem Staatszweck Sicherheit für die territoriale Reichweite der Schutzrechte entnommen werden können und ob die schutzrechtliche Dimension der Grundrechte auch gegenüber den in dieser Untersuchung interessierenden gebietsfremden Ausländern greift. (1) Verfassungsrechtliche Anknüpfung des Staatszwecks Sicherheit Fraglich ist, ob der Staatszweck Sicherheit Ausdruck im Grundgesetz gefunden hat. (a) Keine Identität von Staatszweck Sicherheit und Grundpflichten Zunächst ist die an dieser Stelle angesprochene Unterwerfung des Bürgers unter das staatliche Gewaltmonopol nicht mit der Auferlegung von Grundpflichten zu identifizieren.337 Diese stellen positive Pflichten der Bürger bzw. der Bürgerinnen dar – z. B. das Zahlen von Steuern –, ohne deren Erfüllung diese nicht in den Genuss ihrer Grundrechte kommen können.338 Dieses Konzept des „Synallagmas“339 zwischen Grundrechten und Grundpflichten hat in der Tat keinen Eingang in das Grundgesetz gefunden. So werden die Grundrechte dem Bürger gerade unabhängig von der Erfüllung irgendwelcher Pflichten eingeräumt.340

336  Yousif, Die Extraterritoriale Geltung der Grundrechte (2007), S. 160 f.; Kleinlein/Rabenschlag, ZaöRV 2007, 1277, S. 1303; vgl. Unruh, Zur Dogmatik der grundrechtlichen Schutzpflichten (1996), S. 40. 337  So offenbar Yousif, Die Extraterritoriale Geltung der Grundrechte (2007), S. 160 f. Dabei bezieht sie sich im Hinblick auf die Grundpflichten auf die „Einheit von Grundrechten und Grundpflichten der früheren sozialistischen Verfassungen Osteuropas“. 338  Isensee, § 111, in: HStR V, 2. Aufl. 2000, Rn. 25. 339  So bezeichnet von Yousif, Die Extraterritoriale Geltung der Grundrechte (2007), S. 161. 340  So schon Yousif, Die Extraterritoriale Geltung der Grundrechte (2007), S. 161; Stern, Staatsrecht III/2 (1994), S. 1061 ff., insbesondere im Vergleich zu „der Doktrin der kommunistischen und sozialistischen Verfassungen“. Dazu, dass die Grundpflichten und die Friedenspflicht des Bürgers zu unterscheiden sind Kröger, JuS 1984, 172, S. 173. Während das Grundgesetz letztere voraussetze, kenne es erstere lediglich in (im Vergleich zur Weimarer Reichsverfassung) weit geringerem Umfang.

IV. Grundrechtsgeltung der nicht-abwehrrechtlichen Grundrechtsdimensionen

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(b) Verfassungstextliche Anknüpfungspunkte für den Staatszweck Sicherheit Eine Unterordnung des Bürgers unter die Staatsgewalt wird von der Verfassung hingegen sehr wohl vorausgesetzt. Als verfassungstextlicher Anknüpfungspunkt wird beispielsweise Art. 20 Abs. 1 GG und die darin erwähnte Staatlichkeit der Bundesrepublik genannt. Insbesondere die Rechtsstaatlichkeit wird als „Fundament“ der bürgerlichen Friedenspflicht und der staatlichen Schutzpflicht begriffen.341 Darüber hinaus wird Art. 8 Abs. 1 GG angeführt, der das Recht gewährt, sich „friedlich und ohne Waffen“ zu versammeln. Dies sei Ausdruck der allen Grundrechten vorausgesetzten bürgerlichen Friedensordnung.342 Dass der Staatszweck Sicherheit dem Grundgesetz immanent ist, wird verbreitet jedenfalls nicht bezweifelt.343 Letztlich stellt er eine Voraussetzung der „effektiven Geltung“ der Verfassung dar.344 Ohne die Aufgabe der privaten Eigenmacht zugunsten des staatlichen Gewaltmonopols wäre die Verfassung gegenstandslos. Der Staatszweck Sicherheit ist damit nicht nur im weiteren Sinne Teil der Entstehungsgeschichte der Grundrechte, sozusagen als Legende von den Grundrechten. Vielmehr zählt er zu dessen im Rahmen der Auslegung relevanten historisch-teleologischen Hintergrund.345 341  Dietlein, Die Lehre von den grundrechtlichen Schutzpflichten (2005), 2. Aufl., S. 26; Götz, § 79, in: HStR III, 2. Aufl. 1996, Rn. 9; Murswiek, Die staatliche Verantwortung (1985), S. 104, zur in Art. 20 Abs. 1 GG erwähnten Staatlichkeit; vgl. Schmidt-Aßmann, § 24, in: HStR I, 1987, Rn. 10, 16. 342  Dietlein, Die Lehre von den grundrechtlichen Schutzpflichten (2005), 2. Aufl., S. 27; Isensee, Die Friedenspflicht der Bürger, in: FS Eichenberger, 1982, S. 31 f.; Bethge, DVBl. 1989, 841, S. 845; Kröger, JuS 1984, 172, S. 173. 343  Isensee, § 191, in: HStR IX, 3. Aufl. 2011, Rn. 182, demzufolge der Staatszweck Sicherheit zur materiellen Verfassung gehöre; Cremer, Freiheitsgrundrechte (2003), S. 259, demzufolge „außer Zweifel“ stehe, dass der Staatszweck Sicherheit im sozialen Rechtsstaat des Grundgesetzes fortexistiere; Dietlein, Die Lehre von den grundrechtlichen Schutzpflichten (2005), 2. Aufl., S. 26, demzufolge „kein vernünftiger Zweifel“ daran bestehen könne; Kröger, JuS 1984, 172, S. 173, demzufolge staatliches Gewaltmonopol und bürgerliche Friedenspflicht vom Parlamentarischen Rat für „so selbstverständlich“ gehalten wurden, dass er sie nicht ausdrücklich ins Grundgesetz einbezogen hat; vgl. Murswiek, Die staatliche Verantwortung (1985), S. 102, demzufolge die Pflicht des Staates zum Verbot privater Gewaltanwendung „zum Kernbestand neuzeitlichen europäischen Staatsdenkens [gehöre]“; vgl. Ruffert, Vorrang der Verfassung (2001), S. 156 f.; vgl. Bethge, DVBl. 1989, 841, S. 844 ff.; vgl. Stern, Staatsrecht III/1 (1988), S. 933 f. 344  Isensee, § 111, in: HStR V, 2. Aufl. 2000, Rn. 83; Isensee, Die Friedenspflicht der Bürger, in: FS Eichenberger, 1982, S. 31. 345  Für die Berücksichtigung des ideengeschichtlichen Hintergrunds bei der Grundrechtsauslegung Robbers, Sicherheit als Menschenrecht (1987), S. 27 ff.; Unruh, Zur Dogmatik der grundrechtlichen Schutzpflichten (1996), S. 41, der den ideen-

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B. Extraterritoriale Grundrechtsgeltung – Allgemeiner Teil

(c) Insbesondere keine Infragestellung der verfassungsrechtlichen ­Anknüpfung wegen der Anknüpfung der Schutzrechte an die Grundrechte Auch der Vorwurf, der Staatszweck Sicherheit vermöge lediglich zu erklären, „warum dem Staat überhaupt Schutzpflichten obliegen, nicht aber, ob sich diese den Grundrechten entnehmen lassen“346, kann die Relevanz des Staatszwecks Sicherheit für die Reichweite der Schutzrechte nicht in Frage stellen. Die Schutzrechte seien auch Teil der grundrechtlichen Gewährleistungsgehalte, was eine extraterritoriale Geltung der Schutzrechte „nicht von vornherein aus[schließe]“.347 Die Frage, ob die Schutzrechte in den Grundrechten verfassungsrechtlich fundiert sind, und die Frage der Reichweite der Schutzpflichten sind jedoch zwei voneinander zu trennende Fragen. Dass die Schutzrechte in den Grundrechten fundiert sind, wird durch die Feststellung, dass diese durch den Staatszweck Sicherheit inhaltlich definiert werden, nicht in Frage gestellt. Die Grundrechte gewähren Schutzrechte gegen den Staat. Der Gewährleistungsgehalt dieser Schutzrechte bestimmt sich nach dem Staatszweck Sicherheit, dem Grund, warum Schutzrechte überhaupt aus den Grundrechten abgeleitet werden. Wenn der Staatszweck Sicherheit erklären kann, warum die Schutzrechte überhaupt als Teil der grundrechtlichen Gewährleistungsgehalte angesehen werden, kann er auch die inhaltliche Reichweite dieser Schutzrechte bestimmen. (d) Zwischenergebnis Der Staatszweck Sicherheit hat seinen Ausdruck im Grundgesetz gefunden und bildet eine Grundlage für die Bestimmung der Reichweite von grundrechtlichen Schutzrechten. (2) Bindung der schutzrechtlichen Dimension der Grundrechte an das Gewaltmonopol der Bundesrepublik Deutschland Wenn die schutzrechtliche Dimension der Grundrechte im Gegenzug für die Unterwerfung des Bürgers unter das Gewaltmonopol des Staates gewährt geschichtlichen Hintergrund zwar nicht als tragende Säule der Begründung von Schutzpflichten, jedoch als wichtigen Baustein dieser Säule bezeichnet. 346  Yousif, Die Extraterritoriale Geltung der Grundrechte (2007), S. 162 [Hervorhebung im Original]. 347  Yousif, Die Extraterritoriale Geltung der Grundrechte (2007), S. 162.

IV. Grundrechtsgeltung der nicht-abwehrrechtlichen Grundrechtsdimensionen

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wird, können dann bzw. dort keine Schutzpflichten bestehen, wenn bzw. wo der Staat das Gewaltmonopol nicht innehat.348 Fraglich ist, wo die Bundesrepublik das Gewaltmonopol innehat. Das Recht zur alleinigen Ausübung von Hoheitsgewalt erstreckt sich – wie an anderer Stelle bereits dargelegt – auf das Staatsgebiet und auf bestimmte Bereiche außerhalb des Staatsgebiets wie z. B. an Bord der unter der Staatsflagge geführten Schiffe außerhalb der Küstengewässer fremder Staaten.349 Die Bundesrepublik hat demnach das Gewaltmonopol im Hinblick auf das eigene Staatsgebiet und die unter der Bundesflagge geführten Schiffe. Die Personen, die sich in diesen Bereichen aufhalten, sind dem Gewaltmonopol der Bundesrepublik unabhängig davon unterworfen, ob diese die deutsche Staatsangehörigkeit innehaben oder nicht. Ihnen gegenüber können demnach grundrechtliche Schutzpflichten bestehen.350 Befindet sich eine Person außerhalb dieser Bereiche, also z. B. im Staatsgebiet eines fremden Staates, unterliegt sie nicht mehr dem Gewaltmo348  Dazu, dass der Staatszweck Sicherheit als Fundament des Schutzanspruchs umso weniger trägt, je größer der jeweilige Auslandsbezug des Sachverhalts ist Kleinlein/Rabenschlag, ZaöRV 2007, 1277, S. 1303; Elbing, Zur Anwendbarkeit der Grundrechte bei Sachverhalten mit Auslandsbezug (1992), S. 99, stellt fest, dass die Begründung von Schutzpflichten über das Zusammenspiel von Gehorsam und Schutz bei Sachverhalten mit Auslandsbezug nicht greife. S. hierzu auch Fn. 351. Auch Dietlein, Die Lehre von den grundrechtlichen Schutzpflichten (2005), 2. Aufl., S. 121, erkennt, dass der Zusammenhang zwischen Schutzpflicht und bürgerlicher Friedenspflicht beim gebietsfremden Ausländer nicht greift. S. Beck, Auslandseinsätze deutscher Streitkräfte (2008), S. 54, 100 f., demzufolge im Ausland kein „ ‚Austauschverhältnis‘ zwischen Gehorsam und Schutz“ bestehe. Eine Ausnahme gelte, wenn deutsche Streitkräfte ausnahmsweise das Gewaltmonopol innehaben. Auch den fremden Bürger treffe dann eine „umfassende Gehorsamspflicht“. S. zudem Becker, § 240, in: HStR XI, 3. Aufl. 2013, Rn. 109, jedenfalls im Hinblick auf Schutzrechte gegenüber fremder Hoheitsgewalt; ebenfalls im Hinblick auf die Frage nach einer Schutzpflicht gegenüber auswäritgen Mächten Isensee, § 191, in: HStR IX, 3. Aufl. 2011, Rn. 208, demzufolge die Schutzpflicht „zugeschnitten“ sei auf „den inländischen Störer, der der deutschen Staatsgewalt unterliegt“. Vgl. Weizsäcker, Grundrechte und freiwillige Migration (2007), S. 78. S. demgegenüber Krings, Grund und Grenzen grundrecht­ licher Schutzansprüche (2003), S. 198 f., demzufolge sich der Staat als „Koordinator“ auch dann betätigen könne, wenn sich seine „Rechtsmacht“ nicht „über alle aufeinander abzustimmenden Faktoren“ beziehe. 349  Die Hoheitsgewässer fremder Staaten unterliegen grundsätzlich der Hoheitsgewalt des jeweiligen fremden Staates, sodass der jeweilige Flaggstaat eines in diesen fremden Hoheitsgewässern fahrenden Schiffs kein Hoheitsgewaltsmonopol innehaben kann. S. dazu insgesamt die Ausführungen unter Teil A. I. 350  S. hierzu hinsichtlich des deutschen Staatsgebiets Dietlein, Die Lehre von den grundrechtlichen Schutzpflichten (2005), 2. Aufl., S. 117 f., wonach für Ausländer im Inland auch grundrechtliche Schutzrechte bestünden. S. zudem Beck, Auslandseinsätze deutscher Streitkräfte (2008), S. 54, 100 f., demzufolge auch auf fremden Staatsgebiet ausnahmsweise ein die Schutzpflichtendimension begründendes Gewaltmonopol entstehen könne.

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B. Extraterritoriale Grundrechtsgeltung – Allgemeiner Teil

nopol der Bundesrepublik, ebenfalls unabhängig davon, ob sie Staatsangehörige ist oder nicht. Grundrechtliche Schutzrechte können für diese folglich nicht entstehen.351 c) Bedeutung der Verknüpfung der Schutzrechtsdimension mit dem Gewaltmonopol der Bundesrepublik für die verschiedenen ­Fallkonstellationen Wie sich die eben entwickelte Ansicht in den verschiedenen Fallkonstellationen auswirkt, soll im folgenden Abschnitt dargestellt werden. Der Aufbau soll anhand einer in der Literatur verbreitet vorgenommenen Differenzierung der Fallkonstellationen erfolgen. Die in der Literatur verfolgte Differenzierung kann anhand dreier Kriterien eingeteilt werden. Entscheidend ist demnach die Staatsangehörigkeit der betroffenen Person, deren Anwesenheit inner- oder außerhalb des Bundesgebiets und der räumliche Ursprung der Gefahrenquelle.352 Die vorliegende Arbeit interessiert sich insbesondere für die Personengruppe der gebietsfremden Ausländer. Die folgende Darstellung erfolgt der Übersichtlichkeit halber zweigliedrig und unterscheidet in erster Linie zwischen deutschen Staatsangehörigen (1) und Personen, die die deutsche Staatsangehörigkeit nicht innehaben (2). Innerhalb dieser beiden Abschnitte soll dann jeweils auf die Relevanz der Anwesenheit der betroffenen Person inner- und außerhalb der Bundesrepublik und des räumlichen Ursprungs der Gefahr eingegangen werden. Vorweggenommen werden soll lediglich die Feststellung, dass die Frage der Existenz 351  A. A. BVerfG, NJW 2015, 3500, S. 3501, welches die aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 und 2 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 S. 2 GG folgende Schutzpflicht in Form eines Anspruchs auf Strafverfolgung in einem Sachverhalt als einschlägig anerkannte, der sich vollständig im Ausland abspielte (s. o. Teil B. I. 6.). Ebenfalls a. A. Elbing, Zur Anwendbarkeit der Grundrechte bei Sachverhalten mit Auslandsbezug (1992), S. 99, 103 ff. Dieser erkennt zwar, dass die Begründung von Schutzansprüchen über den Staatszweck Sicherheit bei Sachverhalten mit Auslandsbezug nicht greift. Allerdings begründet er eine Schutzpflicht daraufhin mit einem „Annexgedanken“ [Hervorhebung im Original], wonach die Schutzpflicht auch dort bestehe, wo die staatstheoretischen Erwägungen nicht tragen. Dabei beruft er sich auf Klein, NJW 1989, 1633, S. 1636, welcher diesen Gedanken zu der Frage heranzieht, ob der Staatszweck Sicherheit Schutzpflichten auch gegenüber hilflosen Bürgern (z. B. ungeborenem Leben) begründen kann. Es geht damit jedenfalls um Sachverhalte, in denen sowohl Grundrechtsträger als auch Gefährder zumindest dem Gewaltmonopol der Bundesrepublik unterliegen. Eine Begründung dafür, warum dieser Annexgedanke auf Sachverhalte mit Auslandsbezug übertragen werden kann, ist nicht ersichtlich. S. hierzu auch schon oben Teil B. IV. 1. b), Fn. 335. 352  So z.  B. bei Dietlein, Die Lehre von den grundrechtlichen Schutzpflichten (2005), 2. Aufl., S. 117 ff.; Robbers, Sicherheit als Menschenrecht (1987), S. 208 ff.; vgl. Krings, Grund und Grenzen grundrechtlicher Schutzansprüche (2003), S. 194 ff.

IV. Grundrechtsgeltung der nicht-abwehrrechtlichen Grundrechtsdimensionen 101

von Schutzrechten für beide Personengruppen zu bejahen ist, wenn sie sich innerhalb des Staatsgebiets oder des ausschließlichen Hoheitsbereichs der Bundesrepublik aufhalten und die jeweilige Gefahr innerhalb dieses Bereichs ihren Ursprung hat. In diesem Fall unterlägen sowohl die betroffene Person als auch die Gefahrenquelle dem Gewaltmonopol der Bundesrepublik. Insoweit ist die Reichweite der schutzrechtlichen Dimension der Grundrechte – soweit ersichtlich – auch nicht umstritten.353 (1) Deutsche Staatsangehörige im Ausland – Verhältnis zum diplomatischen Schutz Befindet sich eine deutsche Staatsangehörige innerhalb des Staatsgebiets eines fremden Staates, bestehen für sie nach der hier verfolgten Lösung grundsätzlich keine grundrechtlichen Schutzrechte. Fremdes Staatsgebiet unterliegt der ausschließlichen Gebietshoheit des jeweiligen fremden Staates. Die Bundesrepublik hat dort demnach nicht das für die Schutzpflichtendimension erforderliche Gewaltmonopol inne. Konsequenz dieser Ansicht ist etwa, dass in Fällen, in denen Deutsche im Ausland von Dritten als Geisel genommen werden, keine grundrechtlichen Schutzrechte bestehen.354 Fraglich ist jedoch, wie sich dies zu der Gewährleistung von diplomatischem Schutz verhält, welcher teilweise mit der Frage nach der extraterritorialen Reichweite grundrechtlicher Schutzrechte für Deutsche in einem Atemzug genannt oder gar damit identifiziert wird.355 Unter diplomatischem 353  S. zum Staatsgebiet als „Kernbereich“ der Grundrechtsgeltung bereits oben Teil B. II. 1. S. im Übrigen Dietlein, Die Lehre von den grundrechtlichen Schutzpflichten (2005), 2. Aufl., S. 117 ff.; dazu, dass der grundrechtliche Schutz gebietsinterner Ausländer gegenüber inländischen Gefahren der „gängigen Grundrechtssystematik“ folge Krings, Grund und Grenzen grundrechtlicher Schutzansprüche (2003), S. 194. 354  Ebenso hinsichtlich der Schutzpflichtendimension der Grundrechte Kötter/ Nolte, DÖV 2007, 186, S. 190 f. A. A. Becker, § 240, in: HStR XI, 3. Aufl. 2013, Rn. 110, der einen Anspruch auf den „aktiven“ Schutz der sachlich einschlägigen Freiheitsrechte für deutsche Staatsangehörige im Ausland bejaht; ebenfalls für einen Anspruch auf Lösegeldzahlung offenbar Nettesheim, § 241, in: HStR XI, 3. Aufl. 2013, Rn. 68, sowie Yousif, Die Extraterritoriale Geltung der Grundrechte (2007), S. 152, wobei ihre Feststellung, dass die Erfüllung einer Lösegeldforderung im Ausland völkerrechtlich zulässig sei, im Hinblick auf das oben zur jurisdiction to enforce Gesagte bezweifelt werden muss. Zur jurisdiction to enforce s. o. Teil A. I. 3. a) (1). 355  Dietlein, Die Lehre von den grundrechtlichen Schutzpflichten (2005), 2. Aufl., S.  122 ff.; Menzel, Internationales Öffentliches Recht (2011), S. 588 ff.; Yousif, Die Extraterritoriale Geltung der Grundrechte (2007), S. 152, die den Anspruch auf diplomatischen Schutz als „meist diskutierte[n] Schutzanspruch“ für deutsche Staatsangehörige im Ausland bezeichnet; so auch Krings, Grund und Grenzen grundrechtlicher Schutzansprüche (2003), S. 199 f., zusammen mit dem militärischen Schutz der Inlän-

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B. Extraterritoriale Grundrechtsgeltung – Allgemeiner Teil

Schutz sind verschiedene Anspruchsinhalte zu verstehen. Umfasst sind der Schutz vor ausländischen Hoheitsgewalten sowie fürsorgerische Maßnahmen zugunsten der eigenen Staatsangehörigen.356 Im Zusammenhang mit diplomatischem Schutz haben die abzuwehrenden Gefahren ihren Ursprung definitionsgemäß außerhalb des Hoheitsbereichs der Bundesrepublik. Eine territoriale Beschränkung gibt es beim diplomatischen Schutz demzufolge gerade nicht. Dies könnte dem soeben gefundenen Ergebnis, dass es auch für Deutsche auf eine Anwesenheit im Staatsgebiet ankommt, entgegenstehen. Bei dem Recht auf diplomatischen Schutz handelt es sich jedoch um einen Sonderfall eines ‚Schutzrechts‘, der keinen (nunmehr induktiven) Schluss auf die allgemeine Rechtslage zulässt.357 Das Recht auf diplomatischen Schutz wird nicht (ausschließlich) auf die grundrechtliche Schutzrechtsdimension zurückgeführt.358 Vielmehr wird es überwiegend (bzw. auch) aus einem Grundverhältnis zwischen der Bundesrepublik und ihren Staatsbürgern hergeleitet.359 Das Recht auf diplomatischen Schutz kann damit nicht mit der der; Becker, § 240, in: HStR XI, 3. Aufl. 2013, Rn. 111, demzufolge der grundrecht­ liche Schutz im Wege des diplomatischen Schutzes gewährt werden könne; unklar hinsichtlich des Verhältnisses zwischen allgemeiner Schutzpflichtendimension und diplomatischem Schutz Beck, Auslandseinsätze deutscher Streitkräfte (2008), S. 93 ff.; Isensee, § 115, in: HStR V, 2. Aufl. 2000, Rn. 86, demzufolge sich die Grundrechtsbindung gegenüber deutschen Staatsangehörigen im Ausland insgesamt über den di­ plomatischen und konsularischen Schutz aktualisiere; vgl. Waldhoff, Die innerstaat­ lichen Grundrechte als Maßstab der Außenpolitik?, in: Isensee, Menschenrechte als Weltmission, 2009, S. 62. 356  Ruffert, § 206, in: HStR X, 3. Aufl. 2012, Rn. 2 ff.; Dietlein, Die Lehre von den grundrechtlichen Schutzpflichten (2005), 2. Aufl., S. 122. 357  Kötter/Nolte, DÖV 2007, 186, S. 191, die zwischen Schutzrechten und Recht auf diplomatischen Schutz unterscheiden; dazu, dass aus dem speziellen Rechtsinstitut des diplomatischen Schutzes kein Schluss auf die Reichweite der grundrechtlichen Schutzpflicht gezogen werden kann auch Elbing, Zur Anwendbarkeit der Grundrechte bei Sachverhalten mit Auslandsbezug (1992), S. 106, allerdings in dem umgekehrten Sinn, dass ein Grundrecht nicht deshalb verneint werden kann, weil eine Situation vom diplomatischen Schutz nicht umfasst ist; Becker, § 240, in: HStR XI, 3. Aufl. 2013, Rn. 111, demzufolge zwischen beidem zu differenzieren sei. 358  Siehe dazu Scheidler, DÖV 2006, 417, S. 418, der einerseits zwar eine Ableitung aus den Grundrechten befürwortet, andererseits jedoch darauf hinweist, dass sowohl die Ableitung aus den Grundrechten, als auch die Ableitung aus dem Staatsangehörigkeitsverhältnis jeweils aufeinander verweisen. 359  Für eine Einordnung in der institutionellen Garantie der Staatsangehörigkeit Isensee, § 111, in: HStR V, 2. Aufl. 2000, Rn. 123; Isensee, § 191, in: HStR IX, 3. Aufl. 2011, Rn. 212. S. allerdings Dietlein, Die Lehre von den grundrechtlichen Schutzpflichten (2005), 2. Aufl., S. 123 ff., welcher den diplomatischen Schutz als „Unterart“ der grundrechtlichen Schutzpflicht einordnet. Gegen eine Einordnung als Schutzpflicht Dreier, Vorb. Art. 1, in: Dreier, GG, 3. Aufl. 2013, Rn. 104; Treviranus, DÖV 1979, 35, S. 36 f.; so offenbar auch Stern, Staatsrecht I (1984), 2. Aufl., S. 259; Geck, ZaöRV 1956/57, 476, S. 517, wonach der Anspruch auf Auslandsschutz kein

IV. Grundrechtsgeltung der nicht-abwehrrechtlichen Grundrechtsdimensionen 103

schutzrechtlichen Dimension der Grundrechte identifiziert werden. Dies gilt insbesondere deshalb, weil eine alleinige Ableitung des Rechts auf diplomatischen Schutz aus der grundrechtlichen Schutzpflichtendimension eine unterschiedliche Behandlung zwischen Deutschen und Nicht-Deutschen nicht erklären könnte.360 Das Recht deutscher Staatsangehöriger auf diplomatischen Schutz durch die Bundesrepublik fußt damit (wenn überhaupt) nicht allein auf der Schutzpflichtendimension der Grundrechte, sondern (zugleich) auf dem Staatszugehörigkeitsverhältnis. Es handelt sich damit nicht um einen Sonderfall der grundrechtlichen Schutzpflicht, weswegen eine unterschiedliche Betrachtung im Vergleich zur (allgemeinen) Schutzpflichtendimension angezeigt ist. Dass deutschen Staatsangehörigen ein territorial unbeschränktes Recht auf diplomatischen Schutz eingeräumt wird, steht der extraterritorialen Beschränkung der danebenstehenden allgemeinen schutzrechtlichen Dimension insoweit nicht entgegen. (2) Gebietsfremde Ausländer Für gebietsfremde Ausländer gilt nichts anderes als für deutsche Staatsangehörige. Befindet sich eine Person im Ausland, bestehen für sie nach dem Grundrecht i. S. d. Art. 1 Abs. 3 GG sei; vgl. Stern, Staatsrecht III/1 (1988), S. 934, wonach der diplomatische Schutzanspruch Bestandteil des Staatsangehörigkeitsverhältnisses sei und fraglich sei, inwieweit dieser subjektive Rechte des Einzelnen entsprechen. Dazu, dass der diplomatische Schutz früher im Staatsangehörigkeitsverhältnis begründet wurde, dann jedoch auch eine Verankerung in den Grundrechten entwickelt wurde Hermes, Das Grundrecht auf Schutz von Leben und Gesundheit (1987), S. 56 f. Auf die Grundbeziehung der Staatsangehörigkeit abstellend BVerfGE 37, 217 (241); vgl. BVerfGE 40, 141 (177 f.), in welchem eine Pflicht von Verfassungs wegen anerkannt wird, die Staatsangehörigen gegenüber fremden Staaten zu schützen. Dazu, dass die verfassungsrechtliche Verankerung des diplomatischen Schutzes überwiegend unklar geblieben ist und Gerichte und Literatur sich auf den Status als Staatsangehörige, die Grundrechte oder beides berufen s. Kolb/Neumann/Salomon, ZaöRV 2011, 191, S. 239 f. Kötter/Nolte, DÖV 2007, 186, 191 ff., sehen den verfassungsrechtlichen Grund des Auslandsschutzes in der Zuordnung des Einzelnen zur Staatsgewalt begründet, konkretisieren diesen inhaltlich allerdings analog der Schutzfunktion der Grundrechte; so auch schon Klein, Anspruch auf diplomatischen Schutz?, in: Ress/Stein, Der diplomatische Schutz, 1996, S. 128 f.; s. auch Yousif, Die Extraterritoriale Geltung der Grundrechte (2007), S. 153, derzufolge der Anspruch auf diplomatischen Schutz entweder aus einer Schutzpflicht oder dem Staatsangehörigkeitsverhältnis abgeleitet werde. 360  Menzel, Internationales Öffentliches Recht (2011), S. 590; Kötter/Nolte, DÖV 2007, 186, S. 192. S. (insofern konsequent) Ruffert, § 206, in: HStR X, 3. Aufl. 2012, Rn. 34, der den diplomatischen Schutz als allein grundrechtlich fundiert ansieht und deshalb im Hinblick auf die Menschenrechte für eine Erstreckung auch auf nicht deutsche Staatsangehörige zu plädieren scheint.

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B. Extraterritoriale Grundrechtsgeltung – Allgemeiner Teil

in dieser Arbeit vertretenen Ansatz grundsätzlich keinerlei grundrechtlichen Schutzrechte. Im Schrifttum wurden nun zwei Ansätze entwickelt, denenzufolge auch gebietsfremden Ausländern gewisse grundrechtlich fundierte Schutzrechte zuerkannt werden.361 Es wird einerseits hinsichtlich des räumlichen Ursprungs der Gefahren differenziert. Für gebietsfremde Ausländer gebe es grundrechtlich fundierte Schutzrechte zwar nicht für Gefahren aus dem Ausland, wohl aber für Gefahren, die ihren Ursprung im Inland haben (a). Begründet wird diese Ansicht zum einen mit einem Schluss aus Art. 16a GG (aa) und zum anderen mit den strukturellen Parallelen zwischen Abwehr- und Schutzrechten (bb). Andererseits wird das Bestehen von Schutzrechten für gebietsfremde Ausländer gegenüber Gefahren durch fremde Staaten in Form eines Anspruchs auf fehlerfreie Ermessensentscheidung dem Grunde nach bejaht. Im Rahmen der Ermessensausübung sei jedoch der Grad des Inlandsbezugs zu berücksichtigen (b). Diese beiden Ansätze werden analysiert und schließlich als nicht überzeugend zurückgewiesen. Im Anschluss wird der in dieser Arbeit vertretene Ansatz, der die Entstehung grundrechtlich fundierter Schutzrechte für gebietsfremde Personen vollumfänglich ablehnt, vor dem Hintergrund dieser Analyse erläutert. Dabei wird insbesondere darauf eingegangen, inwiefern der räumliche Ursprung der Gefahrenquelle innerhalb dieses Ansatzes Berücksichtigung findet (3). (a) D  ifferenzierung nach dem räumlichen Ursprung der Gefahrenquelle – Schutzrechte nur für Gefahren inländischen Ursprungs Einer Ansicht nach ist hinsichtlich des räumlichen Ursprungs der Gefahr zu unterscheiden. Handelte es sich um eine Gefahr aus dem Ausland, bestünden keine grundrechtlichen Schutzrechte, hinsichtlich Gefahren inländischen Ursprungs allerdings schon.362 Begründet wird diese Ansicht einerseits mit einem Schluss aus dem abschließenden Charakter des Art. 16a GG und der 361  Unberücksichtigt bleiben soll der Ansatz von Szczekalla, Die sogenannten grundrechtlichen Schutzpflichten (2002), S. 445 f., der Schutzpflichten gegenüber gebietsfremden Ausländern offenabar uneingeschränkt bejaht. Die Begründung bleibt allerdings unklar. 362  Dietlein, Die Lehre von den grundrechtlichen Schutzpflichten (2005), 2. Aufl., S.  120 ff.; Robbers, Sicherheit als Menschenrecht (1987), S. 209 ff.; Yousif, Die Extraterritoriale Geltung der Grundrechte (2007), S. 156 ff. Jedenfalls für grundrechtliche Schutzpflichten von gebietsfremden Ausländern hinsichtlich ausreisender gewaltbereiter Hooligans Oehmke, Der Einsatz privater Sicherheitsdienste auf Handelsschiffen (2016), S. 415 f. Im Übrigen scheint sie jedoch auf die Ausübung von Staatsgewalt und deren Auswirkungen abzustellen.

IV. Grundrechtsgeltung der nicht-abwehrrechtlichen Grundrechtsdimensionen 105

Schutzgutorientierung der Grundrechte (aa) und andererseits mit den strukturellen Parallelen zwischen Schutz- und Abwehrrechten (bb). (aa) A  bschließender Charakter des Art. 16a GG und Schutzgutorientierung der Grundrechte Zunächst soll die Ansicht analysiert werden, die sich auf den abschließenden Charakter des Art. 16a GG und die Schutzgutorientierung der Grundrechte stützt. Das Grundrecht auf Asyl stelle demzufolge eine ausnahmsweise positivierte Schutzpflicht dar. Diese greife ausschließlich gegenüber Gefahren ausländischen Ursprungs – nämlich politischer Verfolgung durch einen fremden Staat – und stelle in dieser Hinsicht eine abschließende Regelung dar.363 Eine über die Pflicht zur Asylgewährung hinausgehende staatliche Schutzpflicht gegenüber gebietsfremden Ausländern vor Gefahren ausländischen Ursprungs statuiere das Grundgesetz nicht.364 Gegenüber Gefahren inländischen Ursprungs bestehe eine Schutzpflicht gegenüber gebietsfremden Ausländern hingegen schon. Diese differenzierte Behandlung von Gefahren ausländischen und inländischen Ursprungs wird nun mit dem Bezug auf Art. 1 Abs. 2 GG bzw. die Schutzgutorientierung der Grundrechte begründet. Gegenüber Gefahren inländischen Ursprungs wird angeführt, dass eine Ablehnung grundrechtlicher Schutzrechte „eine solche ‚Wertegleichgültigkeit‘ der Verfassung gegenüber Gefährdungen grundrechtlicher Güter jenseits der Grenzen des eigenen Geltungsbereiches“ bedeute, die nicht nur der „Schutzgutorientierung des grundrechtlichen Schutzauftrages, sondern insbesondere dem in Art. 1 Abs. 2 GG formulierten Bekenntnis des Grundgesetzes ‚zu den unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten‘  “ widerspreche. Diesem in Art. 1 GG zum Ausdruck kommenden „Ethos“ entspreche es, „die staatliche Schutzpflicht auch auf solche inländisch verursachten Gefährdungslagen auszudehnen, deren Risiko sich erst im Ausland und gegenüber dort aufhältigen Ausländern realisieren kann“.365 363  Dietlein, Die Lehre von den grundrechtlichen Schutzpflichten (2005), 2. Aufl., S. 120; Robbers, Sicherheit als Menschenrecht (1987), S. 209 f.; Yousif, Die Extraterritoriale Geltung der Grundrechte (2007), S. 157 f.; vgl. Krings, Grund und Grenzen grundrechtlicher Schutzansprüche (2003), der für die Schutzpflichtenbegründung ­einen Bezug des Gefährdeten zu Staatsgebiet oder Staatsvolk fordert (S. 196 f.). Eine Schutzpflicht für gebietsfremde Ausländer scheide schon aus diesem Grunde aus. In der Asylgarantie erkennt er eine „Ausnahme“ hiervon und „zugleich eine abschließende Regelung“ für gebietsfremde Ausländer (S. 201). 364  Dietlein, Die Lehre von den grundrechtlichen Schutzpflichten (2005), 2. Aufl., S. 120. 365  Dietlein, Die Lehre von den grundrechtlichen Schutzpflichten (2005), 2. Aufl., S. 121 f.; unter zusätzlicher Bezugnahme der Präambel des Grundgesetzes so bereits Robbers, Sicherheit als Menschenrecht (1987), S. 215 f., der zudem pragmatisch argu-

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B. Extraterritoriale Grundrechtsgeltung – Allgemeiner Teil

Die Ansicht stützt die Ablehnung von Schutzrechten für Gefahren ausländischen Ursprungs also auf Art. 16a GG und die Bejahung von Schutzrechten für Gefahren inländischen Ursprungs auf Art. 1 Abs. 2 GG bzw. die Schutzgutorientierung der Grundrechte. Die Argumentation kann allerdings nicht überzeugen. (a) F  ehlende Auseinandersetzung mit dem Gewährleistungsgehalt des Art. 16a GG Zunächst einmal fehlt es an einer Auseinandersetzung mit dem Gewährleistungsinhalt des Art. 16a GG. Grundstein der Argumentation ist die Annahme, Art. 16a GG sei ein Schutzrecht i. S. d. schutzrechtlichen Dimension der Grundrechte.366 Ob Art. 16a GG überhaupt ein Schutzrecht in dieser Form verbürgt, wird jedoch nicht geprüft, sondern vielmehr als gegeben vorausgesetzt. Indessen verbürgt Art. 16a GG – wie noch ausführlich begründet werden wird – ein Abwehr- und kein Schutzrecht.367 Ein abschließender Charakter des Asylrechts im Hinblick auf einen Ausschluss weiterer Schutzrechte von gebietsfremden Ausländern ist damit schon deshalb zurückzuweisen.

mentiert, wenn er meint, dass wenn Deutschland die größte Beherrschungsmöglichkeit über die Gefahrenquelle hat, es auch Schutzrechte für gebietsfremde Ausländer geben müsse; zustimmend Yousif, Die Extraterritoriale Geltung der Grundrechte (2007), S. 158 ff., welche als Begründung für die Anknüpfung an die Beherrschungsmöglichkeit zudem auf die strukturellen Parallelen zwischen Abwehrrecht und Schutzpflicht verweist (s. dazu unten Teil B. IV. 1. c) (2) (a) (bb)). Gegen den schutzrechtlichen Schutz von Ausländern gegenüber inländischen Gefahren aufgrund des Art. 1 Abs. 2 GG Krings, Grund und Grenzen grundrechtlicher Schutzansprüche (2003), S. 197, da Art. 1 Abs. 2 GG kein „schutzpflichtenbezogener Aussagegehalt“ entnommen werden könne. Dieser sichere einen „menschenrechtlichen Mindeststandard“, zu dem eine grundrechtliche Schutzpflichtendimension „bislang“ nicht gehöre. Zu verweisen ist in diesem Zusammenhang auch auf einen Streit vor dem BVerwG, in dem ein im Ausland wohnender Ausländer eine atomrechtliche Genehmigung angriff. Die Klagebefugnis wurde allerdings auf einer einfachgesetzlichen, drittschützenden Norm begründet, sodass ein Rekurs auf grundrechtliche Schutzpflichten entbehrlich wurde. S. dazu Badura, Territorialprinzip und Grundrechtsschutz, in: FS Leisner, 1999, S. 404 f. 366  Robbers, Sicherheit als Menschenrecht (1987), S. 209; Dietlein, Die Lehre von den grundrechtlichen Schutzpflichten (2005), 2. Aufl., S. 31, 120; Yousif, Die Extraterritoriale Geltung der Grundrechte (2007), S. 157 f. 367  S. unten Teil C. II. Zur Ablehnung der Einordnung des asylrechtlichen Gewährleistungsgehalts als Schutzrecht s. insbesondere Teil C. II. 2. a) (2).

IV. Grundrechtsgeltung der nicht-abwehrrechtlichen Grundrechtsdimensionen 107

(b) A  ußerachtlassung struktureller Unterschiede zwischen Art. 16a GG und grundrechtlichen Schutzrechten Selbst wenn die Einordnung des Asylrechts als Schutzrecht überzeugen könnte, wäre die Einordnung des Art. 16a GG als abschließende Regelung für Gefahren aus dem Ausland jedoch nicht überzeugend.368 Der Ansatz ist in sich nicht konsistent, da er nur die strukturellen Parallelen zwischen grundrechtlich fundierten Schutzrechten und Asylgrundrecht berücksichtigt, die strukturellen Unterschiede aber außer Acht lässt. Zu dieser Schussfolgerung gelangt man, wenn die Einordnung des Art. 16a GG als abschließende Regelung für grundrechtlich fundierte Schutzrechte, die gebietsfremden Ausländern gegenüber Gefahren ausländischen Ursprungs eingeräumt werden, in ihre Einzelteile segmentiert nachvollzieht. Die strukturelle Parallele liegt darin, dass sowohl dem Asylrecht als auch den grundrechtlichen Schutzrechten ein Dreiecksverhältnis zugrunde liegt.369 Sowohl die Schutzrechtsdimension der Grundrechte als auch Art. 16a GG ‚schützen‘ den Grundrechtsträger vor einem Dritten. Aus der Tatsache, dass das Asylrecht Ausländer nur gegenüber ausländischen Gefahren schützt, wird nun gefolgert, dass das Asylrecht für Ausländer nur hinsichtlich ausländischer Gefahren abschließend sei, während sich eine solche „Exklusivität“ gegenüber inländischen Gefahren nicht begründen lasse.370 Das Asylrecht beschränke das Schutzrecht von Ausländern gegenüber ausländischen Gefahren hinsichtlich der Rechtsträger sowie der Schutzmittel. Das Schutzrecht gelte nur für politisch Verfolgte und beschränke sich auf die Gewährung von Asyl.371 Das Asylrecht stellt dieser Ansicht nach folglich einen ausnahmsweise positivierten Ausschnitt aus der allgemeinen Schutzrechtsdimension der Grundrechte dar. Das Asylrecht ist sozusagen ein lex specialis zur allgemeinen Schutzrechtsdimension der Grundrechte. Dieses zugrunde liegende Verhältnis von Art. 16a GG zu der allgemeinen schutzrechtlichen Dimension der Grundrechte soll anhand des folgenden Schaubilds erläutert werden. Darin stellt Art. 16a GG einen Ausschnitt aus der allgemeinen Schutzrechtsdimension dar.

368  Gegen den Schluss der Schutzpflichten begrenzenden Wirkung des Asylrechts Szczekalla, Die sogenannten grundrechtlichen Schutzpflichten (2002), S. 446, allerdings ohne Begründung; zweifelnd auch Kleinlein/Rabenschlag, ZaöRV 2007, 1277, S.  1303 f. 369  Krings, Grund und Grenzen grundrechtlicher Schutzansprüche (2003), S. 146 f. 370  Yousif, Die Extraterritoriale Geltung der Grundrechte (2007), S. 157 f. 371  Robbers, Sicherheit als Menschenrecht (1987), S. 209.

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B. Extraterritoriale Grundrechtsgeltung – Allgemeiner Teil

Schaubild 1

Ein struktureller Unterschied zwischen grundrechtlichen Schutzrechten und dem Asylrecht wird damit jedoch verkannt. Die grundrechtlichen Schutzrechte allgemein schützen auch bzw. insbesondere vor privaten Dritten,372 während das Asylrecht nur vor fremder Staatsgewalt schützt.373 Dabei handelt es sich um zwei qualitativ unterschiedliche Gefahren, was eine differenzierte Betrachtung erforderlich macht. Aber auch unabhängig davon, ob man grundrechtliche Schutzpflichten gegenüber Gefahren durch fremde Staaten anerkennt oder nicht,374 muss die Spezifikation des Asylrechts auf allein staatliche ausländische Gefahren bei der Begründung eines abschließenden Charakters berücksichtigt werden. Wird diese Spezifikation des Asylrechts auf allein staatliche Gefahren berücksichtigt, zeigt sich, dass die Einordnung des Art. 16a GG als abschließende Regelung eine Differenzierung zwischen ausländischen Gefahren (sowohl staatlichen als auch privaten Ursprungs) einerseits und inländischen Gefahren andererseits nicht fundieren kann. Dies gilt unabhängig davon, ob die Schutzrechtsdimension auf Gefahren durch fremde Staaten abgelehnt (aa) oder bejaht (bb) wird. Unabhängig davon, welche Auffassung vertreten wird, kann der postulierte abschließende Charakter des Art. 16a GG eine Differenzierung nach dem räumlichen Ursprung der Gefahrenquelle nicht begründen.

372  S.

dazu schon oben Teil B. IV. 1. a), Fn. 326. dass Art. 16a Abs. 1 GG eine staatliche Verfolgung voraussetzt Maaßen, Art. 16a, in: BeckOK GG, 39. Aufl. 15.11.2018, Rn. 29 ff. 374  Für eine Einbeziehung fremder Staaten als mögliche Gefahrenquelle z. B. Dietlein, Die Lehre von den grundrechtlichen Schutzpflichten (2005), 2. Aufl., S. 102. Dagegen Isensee, § 191, in: HStR IX, 3. Aufl. 2011, Rn. 208; vgl. Isensee, Das Grundrecht auf Sicherheit, Schriftenreihe der Juristischen Gesellschaft e. V. Berlin (1983), Heft 79, S. 30 f. 373  Dazu,

IV. Grundrechtsgeltung der nicht-abwehrrechtlichen Grundrechtsdimensionen 109

(aa) A  blehnung grundrechtlicher Schutzpflichten gegenüber Gefahren durch fremde Staaten Lehnte man das Entstehen grundrechtlicher Schutzpflichten gegenüber Gefahren durch fremde Staaten ab, könnte das auf staatliche Gefahren spezifizierte Asylrecht von vornherein nicht als Schutzrecht eingeordnet werden.375 Kann das Asylrecht nicht als Schutzrecht eingeordnet werden, ist nicht ersichtlich, warum das Asylrecht eine abschließende Regelung für Schutzrechte darstellen sollte. Der Gewährleistungsgehalt des Asylrechts und der allgemeinen Schutzrechtsdimension der Grundrechte überschnitten sich in diesem Falle gar nicht:

Schaubild 2

(bb) E  rstreckung der grundrechtlichen Schutzpflichten auf Gefahren durch fremde Staaten Bezöge man hingegen Gefahren durch fremde Staaten als mögliche Gefahrenquelle für grundrechtliche Schutzpflichten mit ein, könnte der abschließende Charakter des Art. 16a GG hinsichtlich aller Gefahren ausländischen Ursprungs im Gegensatz zu allen Gefahren inländischen Ursprungs ebenfalls nicht überzeugen. Dies wird deutlich, wenn die Voraussetzungen der Einordnung einer Regelung als abschließend herausgestellt und auf die vorliegende Fragestellung angewendet werden. Es wird sich im Folgenden zeigen, dass eine Einordnung des Art. 16a GG als abschließende Regelung nicht zu demselben Ergebnis führen würde wie die vorliegend untersuchte Ansicht. Hat eine Norm abschließenden Charakter, verdrängt sie andere, grundsätzlich ebenfalls auf den durch sie geregelten Sachverhalt anwendbare Normen. Vorliegend stellt sich die Frage, ob für gebietsfremde Ausländer die für alle 375  Vgl. Isensee, Das Grundrecht auf Sicherheit, Schriftenreihe der Juristischen Gesellschaft e. V. Berlin (1983), Heft 79, S. 30 f.

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B. Extraterritoriale Grundrechtsgeltung – Allgemeiner Teil

Grundrechte grundsätzlich geltende Schutzpflichtendimension aktiviert ist. Wenn nun Art. 16a GG als für die grundrechtlichen Schutzrechte für gebietsfremde Ausländer abschließende Regelung qualifiziert werden soll, muss zunächst davon ausgegangen werden, dass sowohl Art. 16a GG376 als auch die allgemeine schutzrechtliche Dimension der Grundrechte gebietsfremden Ausländern grundrechtliche Schutzrechte einräumen. Beide Normen wären demnach grundsätzlich auf den relevanten Sachverhalt anwendbar und würden für gebietsfremde Ausländer zunächst einmal Schutzrechte begründen. Wird nun Art. 16a GG für den vorliegenden Sachverhalt als abschließend eingestuft, wird die allgemeine schutzrechtliche Dimension der Grundrechte für den betroffenen Sachverhalt verdrängt, sodass diese für gebietsfremde Ausländer folglich keine Schutzrechte begründen kann. Anders ausgedrückt: Für gebietsfremde Ausländer bestehen Schutzrechte nur gemäß Art. 16a GG, nicht jedoch gemäß der allgemeinen schutzrechtlichen Dimension der Grundrechte. Nun stellt sich hinsichtlich der vorliegend untersuchten Ansicht die Frage, warum Art. 16a GG zwar im Hinblick auf ausländische Gefahren, nicht jedoch im Hinblick auf inländische Gefahren abschließend sein soll. Zur Verdeutlichung dieser Inkongruenz soll das folgende Schaubild dienen:

Schaubild 3

376  Dass schon die Einordnung des Art. 16a GG als Schutzrecht nicht überzeugen kann, wurde oben bereits angesprochen und wird unten ausführlich dargelegt (Teil C. II. 2. a) (2)). Ob sich auch gebietsfremde Ausländer auf Art. 16a GG berufen können, wird ebenfalls zu einem späteren Zeitpunkt zu erörtern sein (Teil D. I.).

IV. Grundrechtsgeltung der nicht-abwehrrechtlichen Grundrechtsdimensionen 111

Nun ist eine Inkongruenz zwischen den Anwendungsbereichen der in Verhältnis zueinander gesetzten Regelungen zwar der Regelfall. Der Anwendungsbereich der als abschließend qualifizierten Norm muss definitionsgemäß enger sein als der der verdrängten (allgemeineren) Norm. Wie weit die verdrängende Wirkung der abschließenden Norm reicht, muss aber jedenfalls dann begründet werden, wenn sie sich nicht auf den gesamten, sondern nur auf einen Teil des Anwendungsbereichs der allgemeineren Norm beziehen soll.377 Fraglich ist, warum der abschließende Charakter des Art. 16a GG sich nur auf alle Gefahren ausländischen Ursprungs und nicht auch auf Gefahren inländischen Ursprungs beziehen soll, oder umgekeht, warum er nicht auf ausländische staatliche Gefahren beschränkt bleibt. Art. 16a GG bezieht sich – wie bereits dargelegt – lediglich auf Gefahren durch fremde Staaten, nicht jedoch auf Gefahren durch private Dritte oder Umweltgefahren. Es wäre demnach anzunehmen, dass sich der abschließende Charakter entweder nur auf die konkrete von der Norm erfasst Situation bezieht; dann bezöge sich der abschließende Charakter lediglich auf Gefahren durch fremde Staaten. Für gebietsfremde Ausländer bestünden demnach bloß keine grundrechtlichen Schutzrechte im Hinblick auf Gefahren durch fremde Staaten, wohl aber im Hinblick auf Gefahren durch private Dritte und Umweltgefahren, sowohl ausländischen als auch inländischen Ursprungs. Oder man bezöge den abschließenden Charakter auf alle möglichen Gefahren; dann bestünden für gebietsfremde Ausländer abgesehen von Art. 16a GG gar keine Schutzrechte, nicht gegenüber Gefahren durch fremde Staaten und nicht gegenüber Gefahren seitens Privater oder Umweltgefahren, jeweils sowohl ausländischen als auch inländischen Ursprungs. Wenn nun der abschließende Charakter des Art. 16a GG neben Gefahren durch fremde Staaten nur auf Gefahren durch private Dritte und Umweltgefahren mit jeweils ausländischem Ursprung bezogen werden sollen, nicht jedoch auf Gefahren durch private Dritte und Umweltgefahren inländischen Ursprungs, so bedarf dies einer Begründung. Die Differenzierung danach, ob die Gefahr dem In- oder Ausland entspringt, wurde nun mit der Schutzgutorientierung der Grundrechte und mit Bezug auf Art. 1 Abs. 2 GG begründet.378 Es ist jedoch nicht ersichtlich, warum Art. 1 Abs. 2 GG und die Schutzgutorientierung der Grundrechte nur im Hinblick auf die Gefahren mit inländischem Ursprung gelten sollten. So lassen Art. 1 Abs. 2 GG und die Schutzgutorientierung der Grundrechte selbst keine Differenzierung nach der räumlichen Quelle einer Gefahr erken377  Vgl. zur Verdeutlichung der Problematik insbesondere den Unterschied zu Schaubild 1 (S. 108). 378  S. o. Teil B. IV. 1. c) (2) (a) (aa).

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B. Extraterritoriale Grundrechtsgeltung – Allgemeiner Teil

nen. Konsequenterweise müssten diese also auch für Schutzrechte gegen Gefahren ausländischen Ursprungs herangezogen werden können.379 Dass der abschließende Charakter des Art. 16a GG auf nicht-staatliche Gefahren mit ausländischem Ursprung bezogen wird, nicht jedoch auf nicht-staatliche Gefahren inländischen Ursprungs, kann demzufolge nicht überzeugend begründet werden. (γ) Zwischenergebnis Wenn mit dem abschließenden Charakter des Art. 16a GG argumentiert werden soll, müsste entweder vertreten werden, dass dieser nur für ausländische, staatliche Gefahren greift, oder dass dieser für jegliche Gefahren sowohl ausländischen als auch inländischen Ursprungs gilt. Die Ansicht, die nach dem räumlichen Ursprung der Gefahr differenziert und gebietsfremden Ausländern dabei grundrechtliche Schutzrechte allein gegenüber Gefahren inländischen Ursprungs einräumen will, kann jedenfalls nicht mit dem abschließenden Charakter des Art. 16a GG begründet werden. (bb) Strukturelle Parallelen zwischen Schutz- und Abwehrrechten Die extraterritoriale Geltung der schutzrechtlichen Dimension der Grundrechte zumindest für Gefahren, die dem Inland bzw. dem Beherrschungsbereich380 der Bundesrepublik entspringen, wurde zudem aufgrund der „strukturelle[n] Gemeinsamkeit“ mit der abwehrrechtlichen Dimension der Grundrechte bejaht. Strukturelle Gemeinsamkeit sei, dass es bei beiden „um eine Verteidigung des status quo“ gehe.381 Im Gegensatz zur originär-leistungsrechtlichen Dimension würden durch die Schutzrechte „keine zusätzlichen einfach-rechtlichen Positionen oder faktischen Handlungsoptionen“ geschaffen.382 Sowohl hinsichtlich der Abwehr- als auch der Schutzrechte liege die Gefahr im „Verantwortungsbereich“ der Bundesrepublik. Diese könne die Schädigung verhindern, entweder durch Unterlassen eigenen Verhaltens oder durch Unterbindung einer Schädigung durch Dritte mit Hoheitsgewalt.383 379  Gegen ein Berufen auf Art. 1 Abs. 2 GG zur Begründung von Schutzpflichten von gebietsfremden Ausländern gegenüber inländischen Gefahren auch Krings, Grund und Grenzen grundrechtlicher Schutzansprüche (2003), S. 197, allerdings aus anderen Gründen. S. o. Teil B. IV. 1. c) (2) (a) (aa), Fn. 365. 380  Yousif, Die Extraterritoriale Geltung der Grundrechte (2007), S. 159 f., spricht von der „Beherrschungsmöglichkeit“ der Bundesrepublik. 381  Yousif, Die Extraterritoriale Geltung der Grundrechte (2007), S. 159. Zu den Gemeinsamkeiten von Abwehr- und Schutzrechten s. schon oben Teil B. IV. 1. a). 382  Yousif, Die Extraterritoriale Geltung der Grundrechte (2007), S. 159. 383  Yousif, Die Extraterritoriale Geltung der Grundrechte (2007), S. 159.

IV. Grundrechtsgeltung der nicht-abwehrrechtlichen Grundrechtsdimensionen 113

Es wird allerdings nicht überzeugend dargelegt, warum gerade die geschilderten Gemeinsamkeiten eine extraterritoriale Geltung der Schutzrechte begründen können soll. Für die Bejahung der extraterritorialen Geltung von Abwehrrechten war der entscheidende Anknüpfungspunkt die Ingerenz der Bundesrepublik. So knüpft das oben dargestellte Wirkungsprinzip nach dem in dieser Arbeit vertretenen Verständnis anhand der allgemeinen Grundrechtsdogmatik für die extraterritoriale Grundrechtsgeltung in der abwehrrechtlichen Dimension gerade an positive Handlungen der Bundesrepublik an.384 Dieser Anknüpfungspunkt staatlicher Ingerenz soll für die extraterritoriale Geltung der Schutzrechte offenbar gerade nicht mehr entscheidend sein. Eine solche Abweichung bedarf der Begründung. Der Grund für die unterschiedliche Bewertung hinsichtlich der Ingerenz als Anknüpfungspunkt wird darin gesehen, dass die Gefahrenquelle in beiden Fällen im „Verantwortungsbereich“ der Bundesrepublik liege.385 Fraglich ist nun, was dieser „Verantwortungsbereich“ sein soll. Dieser Begriff kann entweder rechtlich oder faktisch verstanden werden. Sollte damit gemeint sein, dass die Gefahren aus einem Bereich entspringen, für den die Bundesrepublik verantwortlich im rechtlichen Sinne ist, so handelte es sich bei dieser Argumentation um einen Zirkelschluss. Ob eine schutzrechtliche Verantwortlichkeit für Gefahren mit inländischem Ursprung besteht, ist gerade die Frage. Die Reichweite der Verantwortung würde mithin mit der Reichweite der Verantwortung begründet. Auch ein faktisches Verständnis des Begriffs vermag jedoch eine extraterritoriale Schutzrechtsdimension nicht zu begründen. Allein die rein faktische Möglichkeit der Bundesrepublik, vor einer Gefahr zu schützen, sagt noch nichts darüber aus, ob sie auch dazu verpflichtet ist. Die Feststellung, dass die Bundesrepublik nur zu Handlungen verpflichtet sein kann, die in ihrem tatsächlichen Beherrschungsvermögen stehen, ist vielmehr als trivial bzw. evident zu bezeichnen. So ist es von vornherein selbstverständlich, dass überhaupt nur die Beseitigung von Gefahren verlangt werden kann, deren Beseitigung für die Bundesrepublik auch möglich ist. Zu Unmöglichem kann grundsätzlich keine Verpflichtung bestehen.386 Es müsste zunächst ein Rechtssatz begründet werden, wonach die Bundesrepublik jede Gefahrenquelle zu beseitigen hätte, die sie tatsächlich beseitigen kann. Eine solche 384  S. o. Teil B. III. 2. Auch die an dieser Stelle analysierte Ansicht geht davon aus, Yousif, Die Extraterritoriale Geltung der Grundrechte (2007), S. 156, welche auch erkennt, dass die „Anwendung des Wirkungsprinzips hier schwierig“ sei. 385  Yousif, Die Extraterritoriale Geltung der Grundrechte (2007), S. 159 f. 386  S. dazu z. B. Depenheuer, § 269, in: HStR XII, 3. Aufl. 2014, insbesondere Rn. 4 f. Danach rechtfertige sich der Vorbehalt des Möglichen „prima facie aus seiner elementaren Evidenz“.

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B. Extraterritoriale Grundrechtsgeltung – Allgemeiner Teil

Begründung wird allerdings nicht geboten. Es handelt sich damit um eine petitio principii. Die geschilderte Gemeinsamkeit der Abwehr- und Schutzrechte kann mithin die Differenzierung nach ausländischer und inländischer Gefahr nicht begründen. (cc) Zwischenergebnis Die in der Literatur vertretene Ansicht, die grundrechtlich fundierte Schutzrechte auch gegenüber gebietsfremden Ausländern als gewährleistet ansieht und dabei hinsichtlich des räumlichen Ursprungs der Gefahrenquelle unterscheidet, kann nicht überzeugen und ist zurückzuweisen. (b) Differenzierung nach dem Grad des Inlandsbezugs Einen weiteren Ansatz vertreten Kleinlein/Rabenschlag. Diese erkennen Schutzrechte für gebietsfremde Ausländer dem Grunde nach an. Diese seien von vornherein nur auf den Schutz vor Gefahren durch fremde Staaten gerichtet. Zudem wird der (Schutz)Anspruch von vornherein – sowohl für Deutsche als auch für Ausländer – bloß als Anspruch auf fehlerfreie Ermessensausübung verstanden. Den Grad des Inlandsbezugs lassen sie dann im Ermessen einfließen.387 Nach welchen Kriterien dieser Inlandsbezug und insbesondere seine Intensität zu bemessen sein soll, bleibt indes offen. Einerseits sei die Versagung eines Anspruchs demjenigen Nichtstaatsangehörigen gegenüber, der „niemals in irgendeinem Bezug zum Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland gestanden [hat], in der Sache angemessen“.388 Andererseits solle eine Anwesenheit auf einem unter deutscher Flagge geführten Schiff genügen. Etwas anderes solle wiederum gegenüber Piraten gelten, die ein deutsches Schiff gekapert haben. Diese sollen entweder gar keine Schutzrechte innehaben oder die Tatsache, dass sie das Schiff gekapert haben, soll im Ermessen Berücksichtigung finden.389 387  Kleinlein/Rabenschlag, ZaöRV 2007, 1277, S. 1299 ff., 1303 ff. Das „weite politische Ermessen“ beziehe sich dabei „sowohl auf die Einschätzung des außenpolitisch erheblichen Sachverhalts als auch auf die Zweckmäßigkeit möglichen Verhaltens“, S. 1299. Diesem Ansatz offenbar folgend Kolb/Neumann/Salomon, ZaöRV 2011, 191, S. 242 ff. 388  Kleinlein/Rabenschlag, ZaöRV 2007, 1277, S. 1303 f. 389  So die Anwendung dieses Ansatzes von Kolb/Neumann/Salomon, ZaöRV 2011, 191, S. 243, auf den von ihnen untersuchten Fall.

IV. Grundrechtsgeltung der nicht-abwehrrechtlichen Grundrechtsdimensionen 115

Insbesondere Letzteres zeigt, wie sehr die Differenzierung nach dem Grad des Inlandsbezugs der Willkür geöffnet ist. Darüber hinaus ist die verfassungsrechtliche Grundlage unklar. Die Differenzierung anhand des Grades des Inlandsbezugs im Rahmen des Ermessens kann damit nicht überzeugen und ist ebenfalls zurückzuweisen. (3) Erläuterung des vertretenen Ansatzes hinsichtlich des Einflusses des räumlichen Ursprungs auf die Schutzrechte Vorliegend wird die Gewährung von grundrechtlich fundierten Schutzrechten gegenüber gebietsfremden Personen – sowohl für Deutsche als auch für Ausländer – abgelehnt. Vor dem Hintergrund der soeben analysierten und letzendlich abgelehnten Auffassungen, die grundrechtlich fundierte Schutzrechte gegenüber gebietsfremden Ausländern unter bestimmten Umständen bejahen, soll erläutert werden, wie die Frage nach dem räumlichen Ursprung der Gefahr in dem vorliegend vertretenen Ansatz Berücksichtigung findet. Der räumliche Ursprung der Gefahr wird nach dem vorliegend vertretenen Ansatz hinsichtlich der Begründung einer grundrechtlich fundierten Schutzpflicht unberücksichtigt gelassen. Der räumliche Ursprung einer Gefahr hat lediglich Auswirkungen auf die Frage, welche Schutzmittel wann ergriffen werden können bzw. müssen.390 Die Schutzpflicht ist auf die Abwendung von Schäden an den grundrechtlich geschützten Rechtsgütern einer schutzberechtigten Person gerichtet. Entspringt nun die Gefahr dem Ausland, so entsteht die Schutzpflicht der Bundesrepublik erst, sobald die Gefahr die Staatsgrenze überschreitet und letztendlich in einen Schaden innerhalb der Bundesrepublik umzuschlagen droht. Erst ab diesem Zeitpunkt ist die Bundesrepublik für den Schutz des Rechtsguts verantwortlich und muss Schutzmaßnahmen ergreifen. Verdeutlicht werden soll dies an einem sehr vereinfachten Beispielsfall: A plant B zu erschießen. Solange sich A im Ausland befindet, besteht noch keine Schutzpflicht der Bundesrepublik gegenüber B, unabhängig davon, ob sich dieser im In- oder Ausland befindet. Begibt sich A nun in die Bundesrepublik, um den sich in der Bundesrepublik aufhaltenden B zu erschießen, entsteht die Schutzpflicht mit Überschreiten der Grenze. Begibt sich B ins Ausland und A erschießt B im Ausland, so besteht für diese Situation keine grundrechtlich fundierte Schutzpflicht der Bundesrepublik. Wie verhält es sich jedoch, wenn A seinen Plan mittels eines Schusses über die Grenze er390  Ähnlich ist der Ansatz von Krings, Grund und Grenzen grundrechtlicher Schutzansprüche (2003), S. 198 f., für den allerdings ein Bezug der Grundrechtsberechtigten zu Staatsgebiet oder -volk zur Begründung der Schutzpflicht ausreicht (S. 197).

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B. Extraterritoriale Grundrechtsgeltung – Allgemeiner Teil

füllen will? Nach der hier vertretenen Ansicht entstehen grundrechtlich fundierte Schutzrechte von B erst dann, wenn die Gefahr, also die Kugel, die Grenze überschreitet. Die Frage, ob die Bundesrepublik ihre Schutzpflicht erfüllt, indem sie B z. B. durch einen finalen Rettungsschuss über die Grenze schützt oder B mit einer schusssicheren Weste ausstattet – d. h. gebietsintern tätig wird –, steht dann – abhängig insbesondere von Verhältnismäßigkeitserwägungen – im Ermessen der Bundesrepublik, in welches sie dann z. B. völkerrechtliche Erwägungen – ein Schuss über die Grenze könnte als Einmischung in die Angelegenheiten des betroffenen Staates gewertet werden – einfließen lassen kann. Andersherum ist die Bundesrepublik nicht (jedenfalls nicht grundrechtlich) dafür verantwortlich, gebietsfremde Personen vor Gefahren aus dem Inland zu schützen. Es besteht zwar ein Interesse daran (und u. a. eine völkerrechtliche Verpflichtung), dass die Bundesrepublik Gefahrenquellen aus ihrem Einflussbereich auch insoweit eindämmt, als dass sie Personen im Ausland gefährden. Das bedeutet jedoch nicht notwendig, dass es dafür auch ein grundrechtlich verankertes Schutzrecht gibt. d) Zwischenergebnis Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass die Schutzrechtsdimension der Grundrechte sowohl für Deutsche als auch für Ausländer praktisch territorial beschränkt ist. Die Schutzfunktion ist dabei zwar nicht an das Bundesgebiet als solches gebunden, sondern an eine Anwesenheit in einem Bereich, der dem Gewaltmonopol der Bundesrepublik unterliegt. Dazu zählen neben dem Staatsgebiet der Bundesrepublik z. B. die Räumlichkeiten von Schiffen, die die Bundesflagge führen, soweit sich diese außerhalb fremder Hoheitsgewässer befinden. Mithin gilt die schutzrechtliche Dimension der Grundrechte anders als die abwehrrechtliche Dimension nicht territorial unbegrenzt. 2. Territoriale Reichweite der originär-leistungsrechtlichen Dimension der Grundrechte Neben der schutzrechtlichen Dimension der Grundrechte ist auf die leistungsrechtliche Dimension der Grundrechte einzugehen. So wurde bereits angesprochen, dass eine extraterritoriale Grundrechtsgeltung vielfach abgelehnt wird, weil eine Überlastung der Leistungsfähigkeit der Bundesrepublik befürchtet wird.391 Angesichts dessen soll nun geklärt werden, ob sich hin391  S.

dazu insbesondere Teil B. III. 2. d) (1).

IV. Grundrechtsgeltung der nicht-abwehrrechtlichen Grundrechtsdimensionen 117

sichtlich der leistungsrechtlichen Dimension eine allgemeingültige Aussage hinsichtlich ihrer territorialen Reichweite ergibt. Ordnete man Art. 16a GG als Leistungsrecht ein,392 wäre dann gegebenenfalls grundsätzlich von einer territorialen Beschränkung des Asylrechts auszugehen. a) Abgrenzung von Leistungs- und Teilhaberechten Zunächst sollen aufgrund der uneinheitlichen Terminologie in der Literatur393 die verschiedenen Arten von grundrechtlich fundierten Leistungsrechten i. w. S. kategorisch voneinander abgegrenzt werden. Dabei soll zwischen originären Leistungsrechten und derivativen Teilhaberechten unterschieden werden. Die originären Leistungsrechte sind als „Ansprüche auf Schaffung nicht bestehender Einrichtungen und Leistungssysteme, welche im weitesten Sinne der Förderung der Grundrechtsausübung dienen“ zu verstehen.394 Als derivative Teilhaberechte sind hingegen solche Rechte zu verstehen, die auf die gleiche Teilhabe an anderen bereits gewährten Leistungen gerichtet sind.395 Im Folgenden soll erst festgestellt werden, warum die Prüfung der territorialen Reichweite der derivativen Teilhaberechte im Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht angezeigt ist (b), bevor dann auf die originären Leistungsrechte (c) eingegangen wird. b) Derivative Teilhaberechte Bei derivativen Teilhaberechten geht es um die gleiche Teilhabe an Leistungen, die anderen bereits gewährt werden. Ein solcher Anspruch wird durch Art. 3 Abs. 1 GG begründet, welcher neben der ungleichen Belastung auch die ungleiche Nichtbegünstigung verbietet. Inhaltlich wird dieser Anspruch durch das jeweils thematisch einschlägige Freiheitsgrundrecht gesteuert.396 Bei den derivativen Teilhaberechten handelt es sich damit lediglich um eine Ausprägung des allgemeinen Gleichheitssatzes und nicht um eine eigene Grundrechtskategorie.397 Die Frage, ob derivative Teilhaberechte grundsätz392  Zu der Frage, ob Art. 16a GG als Leistungs- oder Abwehrrecht einzuordnen ist s. u. Teil C. II., insbesondere mit Fn. 450. 393  Dazu ausführlich Murswiek, § 192, in: HStR IX, 3. Aufl. 2011, Rn. 5 ff. 394  Cremer, Freiheitsgrundrechte (2003), S. 364. 395  Cremer, Freiheitsgrundrechte (2003), S. 361–363. 396  Cremer, Freiheitsgrundrechte (2003), S. 362. 397  Cremer, Freiheitsgrundrechte (2003), S. 363, der die Bildung einer eigenen Grundrechtskategorie als unnötig bezeichnet. S. auch Stern, § 185, in: HStR IX, 3. Aufl. 2011, Rn. 63; Kischel, Art. 3, in: BeckOK GG, 39. Aufl. 15.11.2018, Rn. 88; vgl. Kirchhof, Art. 3 Abs. 1, in: Maunz/Dürig, GG, 84. Aufl. August 2018, Rn. 293;

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B. Extraterritoriale Grundrechtsgeltung – Allgemeiner Teil

lich territorial beschränkt sind, ist demnach identisch mit der Frage, ob Art. 3 Abs. 1 GG grundsätzlich territorial beschränkt ist. An dieser Stelle wird allerdings lediglich geprüft, ob bzw. inwiefern die grundsätzliche, das heißt von den einzelnen Grundrechtsartikeln unabhängige extraterritoriale Grundrechtsgeltung zu bewerten ist. Wie die einzelnen Grundrechte im Hinblick auf ihre extraterritoriale Geltungsreichweite zu beurteilen sind, soll in dieser Arbeit ausschließlich für das Asylrecht398 beantwortet werden. Die Frage nach einer territorialen Beschränkung des Art. 3 Abs. 1 GG in Form von derivativen Teilhaberechten wird dementsprechend im Rahmen dieser Arbeit nicht weiter untersucht. c) Originäre Leistungsrechte Zu fragen bleibt damit, ob die grundrechtlich fundierten originären Leistungsrechte zumindest für Ausländer399 grundsätzlich territorial beschränkt sind. So wird gegen eine extraterritoriale Grundrechtsgeltung insbesondere mit dem Recht auf Gewährleistung eines Existenzminimums argumentiert. Die Bundesrepublik könne nicht für das Leid der gesamten Weltbevölkerung verantwortlich sein.400 Im Zusammenhang mit der territorialen Reichweite des Art. 16a Abs. 1 GG findet sich zudem die Annahme, dass das Asylrecht als originäres Leistungsrecht grundsätzlich auf das Staatsgebiet beschränkt sei. Namentlich Quaritsch führt aus, das Asylrecht gehöre zu den „gewährenden Normen“, womit „grundsätzlich von territorialer Begrenzung auszugehen“ sei.401 Das Asylrecht solle „sicher nicht mundial wirken und allen politisch Verfolgten […] einen Rechtsanspruch auf Asyl gewähren“.402 Er bevgl. auch Jarass, § 38, in: HGR II, 2006, Rn. 25, wonach bei Teilhaberechten regelmäßig auch Gleichheitsaspekte eine wichtige Rolle spielen. 398  Siehe dazu unten D. 399  Die vorliegende Prüfung soll dem Untersuchungsgegenstand der vorliegenden Arbeit entsprechend auf gebietsfremde Ausländer beschränkt bleiben. Es wird insbesondere nicht darauf eingegangen, ob gebietsfremden deutschen Staatsangehörigen ein Anspruch auf Gewährleistung eines Existenzminimums zusteht. 400  Quaritsch, § 120, in: HStR V, 2. Aufl. 2000, Rn. 76 f., 81 f. Vgl. zudem obige Ausführungen zum Argument der Grenze der faktischen Möglichkeit Teil B. III. 2. d) (1). 401  Quaritsch, Arbeitsverbot und Sichtvermerk als „flankierende“ Maßnahmen des Asylverfahrens, in: FS Zeidler I, 1987, S. 970 f. Mit „gewährenden Normen“ muss im Kontext des Textes „leistungsrechtliche Normen“ gemeint sein, denn unmittelbar im Anschluss schreibt Quaritsch, dass die Beanspruchung des Existenzminimums auch nur auf dem Staatsgebiet möglich sei; so auch Hailbronner, Einreiseverweigerung und Visumzwang im Asylrecht, in: FS Doehring, 1989, S. 292. 402  Quaritsch, Arbeitsverbot und Sichtvermerk als „flankierende“ Maßnahmen des Asylverfahrens, in: FS Zeidler I, 1987, S. 971.

IV. Grundrechtsgeltung der nicht-abwehrrechtlichen Grundrechtsdimensionen 119

hauptet mithin, dass das Asylrecht deshalb territorial begrenzt sei, weil es zu den Leistungsrechten zähle. (1) Erfordernis einer konkreten Inlandsbeziehung In der Literatur wurde teilweise postuliert, grundrechtliche Leistungsrechte erforderten eine „konkrete Inlandsbeziehung“.403 Begründet wurde dies mit der „fehlenden Zuständigkeit“ sowie der „sonst unangemessenen und in ihren Folgen unübersehbaren Last unbegrenzter Pflichten“.404 Dass die fehlende völkerrechtliche Zuständigkeit keinen unmittelbaren Einfluss auf das normhierarchisch höhere Verfassungsrecht hat, wurde bereits dargelegt.405 Inwiefern es sich bei originären Leistungsrechten um „unbegrenzte“ Pflichten handelt und inwiefern dies gerade die Forderung einer konkreten Inlandsbeziehung begründet, wird nicht dargelegt.406 Zudem werden zur Er­ läuterung dieser „konkreten Inlandsbeziehungen“ verschiedene Fälle der Bundesverfassungsgerichtsrechtsprechung herangezogen, welche – wie sich herausstellen wird – auf den vorliegenden Zusammenhang gar nicht zugeschnitten sind. In Bezug genommen wird z. B. der Fall eines Asylbewerbers, der vor Abschluss seines Asylverfahrens abgeschoben wurde und dann vom Ausland aus sein Verfahren weiterverfolgte.407 Das betroffene Grundrecht war Art. 16a GG. Inwiefern es sich dabei um ein Beispiel von originären Leistungsrechten handeln soll, wird nicht dargelegt. So ist jedenfalls umstritten – worauf noch zurückzukommen sein wird –, ob es sich bei dem asylrechtlichen Gewährleistungsgehalt um ein Abwehr- oder Leistungsrecht handelt. Überzeugend 403  Quaritsch, § 120, in: HStR V, 2. Aufl. 2000, Rn. 82 ff.; Yousif, Die Extraterritoriale Geltung der Grundrechte (2007), S. 154 ff.; Lorenz, Der territoriale Anwendungsbereich der Grund- und Menschenrechte (2005), S. 168 f.; so wohl auch Beck, Auslandseinsätze deutscher Streitkräfte (2008), S. 114, 116, sowie Menzel, Internationales Öffentliches Recht (2011), S. 574. 404  Quaritsch, § 120, in: HStR V, 2. Aufl. 2000, Rn. 82; Vitzthum, Extraterritoriale Grundrechtsgeltung, in: FS Bothe, 2008, S. 1219; Yousif, Die Extraterritoriale Geltung der Grundrechte (2007), S. 154 ff.; Lorenz, Der territoriale Anwendungsbereich der Grund- und Menschenrechte (2005), S. 168. 405  S. o. Teil  A. II. 406  S. dazu insbesondere Yousif, Die Extraterritoriale Geltung der Grundrechte (2007), die zunächst eine uneingeschränkte extraterritoriale Wirkung grundrechtlicher Teilhaberechte ablehnt, da dadurch der Bundesrepublik unerfüllbare Pflichten auferlegt würden und deshalb einen „zusätzlichen Bezug“ zur deutschen Staatsgewalt fordert (S. 154 f.), schließlich jedoch selbst darauf hinweist, dass Teilhaberechte stets „unter dem Vorbehalt des Möglichen“ stünden (S. 156). 407  BVerwGE 69, 323 (328  ff.); Quaritsch, § 120, in: HStR V, 2. Aufl. 2000, Rn. 83.

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B. Extraterritoriale Grundrechtsgeltung – Allgemeiner Teil

erscheint letztlich – wie noch begründet wird – die Einordnung als Abwehrrecht.408 Des Weiteren in Bezug genommen wird ein Fall, in dem das Nachzugsbegehren der Ehefrau eines in der Bundesrepublik mit unbefristeter Aufenthaltserlaubnis lebenden Ausländers abgelehnt wurde.409 Der Schutzbereich des Art. 6 Abs. 1 GG wurde dabei insofern als berührt angesehen, als er u. a. ein Recht auf ein eheliches und familiäres Zusammenleben umfasst.410 Die in Art. 6 GG enthaltene Institutsgarantie wurde allerdings gerade nicht als betroffen angesehen.411 Hinsichtlich der Frage, ob für grundrechtlich fundierte originäre Leistungsrechte gegenüber gebietsfremden Ausländern ein konkreter Inlandsbezug zu fordern ist, wurde zudem auf Fälle sozialversicherungspflichtiger Tätigkeiten in der Bundesrepublik verwiesen.412 Die sozialversicherungsrechtlichen Ansprüche eines Betroffenen genössen auch dann grundrechtlichen Schutz, wenn der betroffene Ausländer die Bundesrepublik mittlerweile verlassen hat. Der Inlandsbezug wird in solchen Fällen in der sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit innerhalb der Bundesrepublik gesehen, auf der sich die Ansprüche gründen.413 In dem konkreten in Bezug genommenen Fall wurde eine Regelung gerügt, die die Beschwerdeführerin dadurch benachteiligte, dass ihr als Ausländerin mit gewöhnlichem Wohnsitz im Ausland die Auszahlung der Hinterbliebenenrente vorenthalten wurde, während deutschen Staatsangehörigen mit gewöhnlichem Wohnsitz im Ausland die Hinterbliebenenrente ausgezahlt wurde.414 In dem Verfahren wurde vom Bundesverfassungsgericht ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG geprüft. Schon deshalb kann dieser Fall nicht als Beispiel für eine konkrete Inlandsbeziehung bei originären Leistungsrechten herangezogen werden.415 Darüber hinaus handelte es sich bei diesem Fall um eine Abwehrsituation, in der an ein Vorverhalten der Bundesrepublik angeknüpft wird.416 Der entscheidende Punkt für das Entstehen der sozialversicherungsrechtlichen Ansprüche folgt zudem nicht primär daraus, dass eine Person im Inland tätig wurde, sondern daraus, dass sie während dieser Tätigkeit Beiträge zur Sozialversicherung geleistet 408  Dazu

im Detail unten Teil C. II. 76, 1 (41 ff.); Quaritsch, § 120, in: HStR V, 2. Aufl. 2000, Rn. 83. 410  BVerfGE 76, 1 (42). 411  BVerfGE 76, 1 (49). 412  Quaritsch, § 120, in: HStR V, 2. Aufl. 2000, Rn. 83. 413  Quaritsch, § 120, in: HStR V, 2. Aufl. 2000, Rn. 83. 414  BVerfGE 51, 1 (22 ff.). 415  Zur Abgrenzung von auf Art. 3 Abs. 1 GG basierenden Leistungsrechten und den vorliegend interessierenden originären Leistungsrechten s. o. Teil B. IV. 2. a) und b). 416  Robbers, Sicherheit als Menschenrecht (1987), S. 211. 409  BVerfGE

IV. Grundrechtsgeltung der nicht-abwehrrechtlichen Grundrechtsdimensionen 121

und sich ihre Ansprüche gegen die Bundesrepublik damit gleichsam erkauft hat. Es handelt sich also nicht um beitragsunabhängige originäre Leistungsrechte wie z. B. das Existenzminimum aus Art. 1 Abs. 1 GG (i. V. m. Sozialstaatsprinzip), sondern um beitragsabhängige Rechte.417 Die Forderung eines konkreten Inlandsbezugs als Voraussetzung für die Entstehung originärer Leistungsrechte für gebietsfremde Ausländer kann nicht überzeugen. Für die Frage, ob eine solche Voraussetzung für die originär-leistungsrechtliche Dimension der Grundrechte aus der Verfassung hergeleitet werden kann, wird im Folgenden die verfassungsrechtliche Grundlage der originären Leistungsrechte selbst untersucht. Um eine allgemeingültige territoriale Beschränkung von originären Leistungsrechten herleiten zu können, müsste zunächst davon ausgegangen werden können, dass es eine solche der Abwehrfunktion vergleichbare Leistungsfunktion der Grundrechte überhaupt gibt. (2) Bereichsspezifische Ermittlung originärer Leistungsrechte – ­Unmöglichkeit einer allgemeingültigen Aussage zu deren territorialer Reichweite Die vor allem in den 1970er Jahren geführte Diskussion um die Existenz originärer grundrechtlicher Leistungsrechte418 hat sich mittlerweile beruhigt.419 Eine sozialstaatliche Grundrechtstheorie, wonach die Grundrechte auch Leistungsrechte umfassten, soweit ihre Verwirklichung dies erforderte, konnte sich als Grundlage von originären Leistungsrechten nicht durchsetzen.420 Es wurde insbesondere gezeigt, dass sich manche der grundrechtlichen Leistungsrechte abwehrrechtlich begründen lassen, wie z. B. insbesondere die Zulassung zum Studium.421 Auch die Entstehungsgeschichte spricht gegen die Annahme einer allgemeinen Leistungsfunktion der Grundrechte. So wurden vom Parlamentarischen Rat gerade keine sozialen und wirtschaftlichen Grundrechte in das Grundgesetz aufgenommen.422 Vielmehr können 417  Zu dieser Unterscheidung zwischen beitragsab- und -unabhängigen Rechten Cremer, EuR 2017, 681, S. 691. 418  Als Bezugspunkt dafür dient insbesondere die Staatsrechtslehrertagung aus dem Jahre 1971, Rüfner, § 40, in: HGR II, 2006, Rn. 43; Stern, § 185, in: HStR IX, 3. Aufl. 2011, Rn. 63. S. dazu die Beiträge von Martens, VVDStRL 30 (1972); sowie Häberle, VVDStRL 30 (1972). 419  Stern, § 185, in: HStR IX, 3. Aufl. 2011, Rn. 63; Rüfner, § 40, in: HGR II, 2006, Rn. 44. 420  Cremer, Freiheitsgrundrechte (2003), S. 364; Stern, § 185, in: HStR IX, 3. Aufl. 2011, Rn. 63; Kloepfer, Verfassungsrecht II (2010), § 48, Rn. 24. 421  Rüfner, § 40, in: HGR II, 2006, Rn. 44; dazu ausführlich Cremer, Freiheitsgrundrechte (2003), S. 368 ff. 422  Siehe dazu die Analyse von Cremer, Freiheitsgrundrechte (2003), S. 366 f.

122

B. Extraterritoriale Grundrechtsgeltung – Allgemeiner Teil

originäre Leistungsrechte aus den Grundrechten lediglich bereichsspezifisch hergeleitet werden.423 Wird nun eine allgemeine Leistungsfunktion der Grundrechte abgelehnt, so kann auch keine allgemeine territoriale Beschränkung dieser Leistungsfunktion angenommen werden. Können grundrechtliche, originäre Leistungsrechte nur bereichsspezifisch ermittelt werden, so betrifft dies auch deren territoriale Reichweite. Das heißt, dass für das Asylrecht, soweit daraus originäre Leistungsrechte abzuleiten wären,424 grundrechtsspezifisch bestimmt werden müsste, ob diese gegebenenfalls territorial beschränkt sind oder nicht. d) Zwischenergebnis Ob die derivativen Teilhaberechte einer grundsätzlichen, territorialen Beschränkung unterliegen, entscheidet sich nach der territorialen Reichweite des Art. 3 Abs. 1 GG. Die derivativen Teilhaberechte haben folglich keine Relevanz in der vorliegenden Untersuchung. Hinsichtlich der grundrechtlich fundierten originären Leistungsrechte wurde festgestellt, dass es sich dabei nicht um eine eigenständige Grundrechtsdimension handelt. Vielmehr werden die originären Leistungsrechte bereichsspezifisch ermittelt. Mithin kann auch ihre territoriale Reichweite nur bereichsspezifisch ermittelt werden. Eine allgemeingültige Aussage zur territorialen Reichweite der originären Leistungsrechte ist damit nicht möglich. Wäre Art. 16a GG als originäres Leistungsrecht einzuordnen, müsste dessen territoriale Reichweite folglich – sowie auch bei einer Einordnung als Abwehrrecht – grundrechtsspezifisch ermittelt werden. 3. Territoriale Reichweite der Verfahrensdimension der Grundrechte Schließlich soll untersucht werden, ob bzw. inwiefern die Verfahrensdimension der Grundrechte einer grundsätzlichen territorialen Beschränkung unterliegt. Nicht Gegenstand der Untersuchung ist die territoriale Reichweite der Prozessgrundrechte aus Art. 19 Abs. 4 S. 1, Art. 101 und Art. 103 Abs. 1 GG. Dabei handelt es sich jeweils um selbstständige Grundrechte bzw. grundrechtsgleiche Rechte.425 Von besonderem Interesse ist die grundsätzli423  Cremer, Freiheitsgrundrechte (2003), S. 378, welcher im Anschluss das Recht auf Gewährleistung eines Existenzminimums untersucht, S. 378 ff. 424  Dazu unten Teil C. II. 425  Auf die Prozessgrundrechte soll zu einem späteren Zeitpunkt noch weiter eingegangen werden, s. Teil F. III. 1.

IV. Grundrechtsgeltung der nicht-abwehrrechtlichen Grundrechtsdimensionen 123

che territoriale Reichweite der Verfahrensdimension von Grundrechten gerade für die Bestimmung der territorialen Reichweite des Asylgrundrechts, weil für Letzteres verbreitet eine Verfahrensabhängigkeit postuliert wird.426 a) Die Verfahrensdimension der Grundrechte – Grundlagen Vom Bundesverfassungsgericht werden Rechtsschutzansprüche teils unmittelbar aus den materiellen Grundrechtsgehalten hergeleitet.427 Diese Verfahrensdimension der Grundrechte stellt eine „Schutzmodalität, die der ­Verwirklichung des jeweils einschlägigen materiellrechtlichen Grundrechtsgehalts dient“428, dar, unabhängig davon, ob die jeweils zu sichernde Gewährleistung z. B. abwehr- oder schutzrechtlich einzuordnen ist.429 Die Verfahrensdimension der Grundrechte erfordert, dass wenn der Staat im Einzelfall in ein Grundrecht eingreifen will, er grundsätzlich ein Verfahren zur Verfügung stellen muss. Zugleich erfordert die Verfahrensdimension der Grundrechte bei der Durchführung des jeweiligen Verfahrens die Verfahrensvorschriften grundrechtskonform auszulegen.430 b) Territoriale Beschränkung der Verfahrensdimension der Grundrechte in Abhängigkeit des materiellen Gewährleistungsgehalts Ob bzw. inwiefern die Verfahrensdimension der Grundrechte territorial beschränkt ist, kann nicht losgelöst von den einzelnen Grundrechten beantwortet werden. Die Verfahrensdimension der Grundrechte bzw. die Anforderungen, die sich daraus für ein staatliches Verhalten ergeben, sind anhand des 426  Dazu

im Einzelnen F. BVerfGE 37, 132 (141); BVerfGE 39, 276 (294); BVerfGE 45, 422 (430 ff.); BVerfGE 73, 280 (296); Bethge, NJW 1982, 1, S. 5. Wegen der damit einhergehenden Verdrängung des Gewährleistungsgehalts des Art. 19 Abs. 4 GG kritisch gegenüber einer Ableitung von eigenständigen Verfahrensrechten aus den Grundrechten Papier, § 177, in: HStR VIII, 3. Aufl. 2010, Rn. 19. Letzteres soll im vorliegenden Zusammenhang unberücksichtigt bleiben. Gäbe es keine verfahrensrechtliche Komponente der grundrechtlichen Gewährleistungsgehalte, müsste auch deren territoriale Reichweite nicht allgemein bestimmt werden. Zur territorialen Reichweite des Art. 19 Abs. 4 GG s. u. Teil F. III. 1. 428  Cremer, Freiheitsgrundrechte (2003), S. 401. 429  Cremer, Freiheitsgrundrechte (2003), S. 401; Jarass, AöR 1995, 345, S. 353; in diese Richtung auch Dreier, Jura 1994, 505, S. 511 f., wonach Organisation und Verfahrensregeln der Realisierung der einzelnen Freiheiten dienten; vgl. auch die Ausführungen von Held, Der Grundrechtsbezug des Verwaltungsverfahrens (1984), S.  176 ff. 430  Cremer, Freiheitsgrundrechte (2003), S. 400 ff.; Kloepfer, Verfassungsrecht II (2010), § 48, Rn. 32; BVerfGE 56, 216 (236). 427  S. nur

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B. Extraterritoriale Grundrechtsgeltung – Allgemeiner Teil

jeweiligen Gewährleistungsgehalts des Grundrechts und des jeweiligen Einzelfalls zu ermitteln. Ist einem Grundrecht ein extraterritorial geltendes Recht zu entnehmen, ist auch das korrespondierende Verfahren eine mögliche Schutzmodalität.431 Will der Staat in das sich extraterritorial auswirkende Recht eingreifen, hat er gegebenenfalls ein Verfahren zur Sicherung des Schutzes des betroffenen Grundrechts bereitzustellen. Im Rahmen dieses Verfahrens sind die Verfahrensvorschriften dann auch grundrechtskonform anzuwenden. Darüber hinaus ist ein Zugang zu Rechtsschutzverfahren zu gewähren.432 Gewährt ein Grundrecht andererseits kein extraterritoriales Recht, ergibt eine extraterritoriale Verfahrensdimension keinen Sinn. Erfordert ein Grundrecht z. B. die Anwesenheit in der Bundesrepublik, erstreckt sich dessen grundrechtlicher Schutz nicht auf gebietsfremde Personen. Das Grundrecht kann folglich nicht gegenüber gebietsfremden Personen verletzt werden. Kann es gegenüber gebietsfremden Personen nicht verletzt werden, bedürfen gebietsfremde Personen auch nicht der verfahrensmäßigen Sicherung des Grundrechts.433 Für die Verfahrensdimension der Grundrechte kommt es folglich auf die Reichweite des materiellen Gewährleistungsgehalts des einzelnen Grundrechts an. Eine allgemeingültige Aussage kann für deren (extra-)territoriale Reichweite mithin nicht getroffen werden. c) Pflicht zur Bereitstellung der notwendigen Institutionen im Ausland – notwendige Kooperation mit fremden Staaten Von Arnauld weist darauf hin, dass extraterritorial geltende Verfahrensgarantien, soweit sie mit der Pflicht zur Bereitstellung von Institutionen verbunden sind, aus völkerrechtlicher Sicht „Schwierigkeiten“ bereiten würden.434 Zur Verdeutlichung wählt er das Beispiel einer Hausdurchsuchung, vor der eine richterliche Genehmigung einzuholen sei, und den Fall einer Festnahme, bei der der Festgenommene dem Haftrichter vorzuführen sei. Die Bereitstellung der dafür notwendigen Institutionen im Ausland verstieße geDie Extraterritoriale Geltung der Grundrechte (2007), S. 201. eine extraterritoriale Reichweite der verfahrensrechtlichen Dimension der Grundrechte auch Yousif, Die Extraterritoriale Geltung der Grundrechte (2007), S. 196 ff. Für einen gerichtlichen Rechtsschutz vom Ausland aus auch Merten, Räumlicher Geltungsbereich, in: FS H. Schiedermair, 2001, S. 345. 433  Vgl. Heintzen, Auswärtige Beziehungen privater Verbände (1988), S. 148 f. 434  Arnauld, Das (Menschen-)Recht im Auslandseinsatz, in: Streitkräfte und Menschenrechte, 2008, S. 73; s. zu Schwierigkeiten der Wahrung des Art. 19 Abs. 4 GG im Ausland auch Schorkopf, Grundgesetz und Überstaatlichkeit (2007), S. 123 f. 431  Yousif, 432  Für

IV. Grundrechtsgeltung der nicht-abwehrrechtlichen Grundrechtsdimensionen 125

gen das Territorialitätsprinzip. Daraus folge grundsätzlich eine Pflicht zur Kooperation mit dem jeweiligen fremden Staat.435 Die angesprochene Problematik ändert an dem Ergebnis der extraterritorialen Erstreckung der Verfahrensdimension der Grundrechte im Falle eines extraterritorial geltenden Gewährleistungsgehalts allerdings nichts. Unabhängig davon, dass entgegenstehendes Völkerrecht wie bereits dargelegt den Geltungsbereich der Grundrechte nicht einschränkt,436 verdeutlichen die von von Arnauld gewählten Beispiele vielmehr die Notwendigkeit extraterritorialen Grundrechtsschutzes. Es trifft zwar zu, dass die Bereitstellung staatlicher Institutionen auf fremdem Staatsgebiet grundsätzlich gegen die Gebietshoheit des fremden Staates verstoßen würde. Allerdings würde schon die Festnahme von Personen und die Hausdurchsuchung durch die Bundesrepublik im Ausland gegen die fremde Gebietshoheit verstoßen.437 Für eine völkerrechtskonforme Durchführung dieser Maßnahmen müsste bereits mit dem fremden Staat kooperiert werden. Wollte die Bundesrepublik eine solche Maßnahme auf fremdem Staatsgebiet vornehmen, müsste sie also bereits im Vorfeld von dem fremden Staat eine Erlaubnis einholen. In diesem Zusammenhang könnte sie dann – abhängig vom Einzelfall – grundrechtlich verpflichtet sein, z. B. (gleichzeitig) auch die Erlaubnis für die Bereitstellung bestimmter (gegebenenfalls vorübergehender) Institutionen einzuholen oder eine Inanspruchnahme der Institutionen des anderen Staates mit diesem Staat abzusprechen.438 d) Zwischenergebnis Die territoriale Reichweite der Verfahrensdimension der Grundrechte richtet sich nach deren jeweiligem materiellen Gewährleistungsgehalt und dessen territorialer Reichweite. Eine allgemeingültige Aussage hinsichtlich der territorialen Reichweite der Verfahrensdimension der Grundrechte ist damit nicht möglich. 435  Arnauld, Das (Menschen-)Recht im Auslandseinsatz, in: Streitkräfte und Menschenrechte, 2008, S. 73. 436  S. o. Teil A. II. 437  S. o. zur jurisdiction to enforce Teil A. I. 3. a) (1). 438  Vgl. dazu Zimmermann, ZRP 2012, 116, S. 117, wonach bei Auslandshandeln der Bundeswehr die Einleitung von ausländischen Verfahren als „grundrechtlich geboten“ angesehen werden könnte. Die Bereitstellung eines Zugangs zu Rechtsschutzverfahren in der Bundesrepublik Deutschland für gebietsfremde Ausländer ist außerdem keineswegs per se unmöglich. So existieren bereits Möglichkeiten, die Beteiligung fremder Staatsangehöriger an inländischen Verfahren mit dem jeweiligen fremden Staat z. B. innerhalb internationaler Abkommen zu regeln, Yousif, Die Extraterritoriale Geltung der Grundrechte (2007), S. 202–204, auch zu weiteren Möglichkeiten der Ausgestaltung der Verfahren bei Beteiligung gebietsfremder Ausländer.

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B. Extraterritoriale Grundrechtsgeltung – Allgemeiner Teil

V. Ergebnis Zunächst wurde ermittelt, dass die Grundrechte in ihrer abwehrrechtlichen Dimension grundsätzlich territorial unbeschränkt gelten. Soweit das Asylrecht des Art. 16a GG als Abwehrrecht eingeordnet würde, spräche jedenfalls die allgemeine verfassungsrechtliche Lage gegen eine territoriale Beschränkung. Die schutzrechtliche Dimension der Grundrechte ist demgegenüber auf den dem Gewaltmonopol der Bundesrepublik Deutschland unterliegenden Bereich beschränkt. Grundrechtlich fundierte Schutzrechte können nur für Personen entstehen, die sich innerhalb dieses Bereichs befinden und auch nur gegenüber Gefahren, die ihnen innerhalb dieses Bereichs drohen.439 Soweit das Asylrecht des Art. 16a GG also – wie z. T. argumentiert440 – als ausnahmsweise positiviertes Schutzrecht einzuordnen wäre, spräche dies für eine territoriale Beschränkung des Asylrechts. Für die originär-leistungsrechtliche Dimension der Grundrechte konnte keine allgemeingültige Aussage getroffen werden, da die originären Leistungsrechte bereichsspezifisch zu ermitteln sind. Die territoriale Reichweite der originären Leistungsrechte kann damit ebenfalls nur bereichsspezifisch ermittelt werden. Selbst wenn Art. 16a GG also als originäres Leistungsrecht eingeordnet werden würde, könnte dieser Einordnung allein noch keine Aussage hinsichtlich der territorialen Beschränkung entnommen werden. Für die verfahrensrechtliche Dimension der Grundrechte beurteilt sich die territoriale Reichweite äquivalent zur territorialen Reichweite der einzelnen Grundrechtsgewährleistungsgehalte. Eine allgemeingültige Aussage hinsichtlich der territorialen Reichweite der verfahrensrechtlichen Dimension der Grundrechte konnte folglich ebenfalls nicht getroffen werden. Soweit das Asylgrundrecht als verfahrensabhängiges Grundrecht eingordnet wird441 bzw. seine verfahrensrechtliche Dimension betroffen ist, kann der allgemeinen verfassungsrechtlichen Lage mithin ebenfalls keine Aussage hinsichtlich einer territorialen Beschränkung entnommen werden.

439  S. o.

Teil B. IV. 1. b) (2), sowie Teil B. IV. 1. c) (3). dazu unten Teil C. II. 2. a) (2). 441  Dazu unten Teil F. I. 440  S.

C. Die Einordnung des asylgrundrechtlichen ­Gewährleistungsgehalts Im vorstehenden Teil B. wurde ermittelt, dass hinsichtlich der Frage, ob ein bestimmtes Grundrecht extraterritorial Geltung entfaltet, entscheidend ist, welcher Grundrechtsdimension sein Gewährleistungsgehalt zuzuordnen ist. Für die Bestimmung der räumlichen Geltungsreichweite des Art. 16a GG ist also zu ermitteln, welcher Grundrechtsdimension der asylgrundrechtliche Gewährleistungsgehalt zuzuordnen ist. Je nachdem, wie das Asylgrundrecht einzuordnen ist, ergeben sich Unterschiede im Hinblick auf die jeweilige Begründungslast.442 Für die schutzrechtliche Dimension der Grundrechte wurde eine extraterritoriale Beschränkung ermittelt, sodass die allgemeine verfassungsrechtliche Lage bei einer Einordnung als Schutzrecht eher für eine extraterritoriale Beschränkung des Asylgrundrechts sprechen würde. Die Anforderungen an die Begründung eines extraterritorial unbeschränkt geltenden Asylrechts wären damit höher als die Anforderungen an die Begründung eines extraterritorial beschränkten Asylrechts. In ihrer abwehrrechtlichen Dimension hingegen sind die Grundrechte nach der allgemeinen verfassungsrechtlichen Lage territorial unbeschränkt. Wird das Asylgrundrecht also als Abwehrrecht eingeordnet, spricht die allgemeine verfassungsrechtliche Lage mithin gegen eine territoriale Beschränkung. Die Anforderungen an die Begründung einer territorialen Beschränkung wären in der abwehrrechtlichen Dimension folglich höher als die Anforderungen an die Darlegung einer territorial unbeschränkten Geltung. Wird das Asylgrundrecht allerdings als originäres Leistungsrecht eingeordnet, gibt die allgemeine verfassungsrechtliche Lage keine Aussage hinsichtlich der Anforderung an die Begründungslast her. Für originäre Leistungsrechte wurde weder für noch gegen eine territoriale Beschränkung eine allgemeingültige Aussage ermittelt. Die Anforderungen an die Darlegung einer territorialen Beschränkung sind damit weder höher noch niedriger als die Anforderungen an die Darlegung einer territorial unbeschränkten Geltung. Die Argumentationslast ist für beide Ansätze gleichmäßig verteilt. Über die Ermittlung der jeweils unterschiedlichen Anforderungen an die Begründungslast hinaus ermöglicht die Einordnung des Asylgrundrechts in eine der Grundrechtsdimensionen eine erste, vertiefte Auseinandersetzung 442  Dazu,

dass Behauptungen begründet werden müssen s. o. Teil B. III. 2. b).

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C. Die Einordnung des asylgrundrechtlichen Gewährleistungsgehalts

mit dem asylgrundrechtlichen Schutzgut, welche für die spätere Auslegung des asylgrundrechtlichen Schutzbereichs443 von zentraler Bedeutung sein wird. Zudem werden die Ergebnisse später im Rahmen der Darstellung des extraterritorial geltenden Asylrechts anhand von Fallbeispielen relevant.444

I. Abgrenzung der abwehr- und leistungsrechtlichen Dimension der Grundrechte Für eine Abgrenzung von Leistungs- und Abwehrrechten bzw. der Abwehr- von der Leistungsdimension der Grundrechte ist in erster Linie entscheidend, ob von der Bundesrepublik die Vornahme einer positiven Handlung oder ein Unterlassen zu fordern ist. Wird ein Unterlassen gefordert, handelt es sich bei dem Grundrecht um ein Abwehrrecht. Wird hingegen die Vornahme einer positiven Handlung gefordert, handelt es sich um ein ­Leistungsrecht.445 Positives Handeln ist dabei als die „kausale Änderung von Zuständen oder Prozessen in der Wirklichkeit“ und Unterlassen als die Nicht­änderung von Zuständen oder Prozessen in der Wirklichkeit trotz Möglichkeit anzusehen.446 Die Beurteilung, ob es sich bei dem von der Bundesrepublik geforderten Verhalten um ein positives Handeln oder ein Unterlassen handelt, kann dabei aus zwei verschiedenen Perspektiven erfolgen. Gemäß einer formellen Betrachtung wird das konkrete von der Bundesrepublik zu fordernde Verhalten untersucht. Eine Unterscheidung aufgrund einer mate­ riellen Betrachtung untersucht demgegenüber die dem Grundrecht zugrunde liegende Freiheit selbst. Das heißt, es wird gefragt, ob – vorhergehendes staatliches Handeln und insbesondere die unterverfassungsrechtliche Rechtsordnung außer Acht lassend – vom Staat stets ein Unterlassen zu fordern ist.447 Abwehrrechte schützen ein natürliches Handeln bzw. Sein448 und setzen „die Freiheit des Bürgers als dem Staat vorgegeben voraus“.449 Vorliegend wird ein materieller Ansatz zu Grunde gelegt.

443  S. u.

Teil D. I. Teil  E. 445  Borowski, Grundrechte als Prinzipien (2018), 3. Aufl., S. 284. 446  Borowski, Grundrechte als Prinzipien (2018), 3. Aufl., S. 285; Cremer, Freiheitsgrundrechte (2003), S. 139; Roth, Faktische Eingriffe in Freiheit und Eigentum (1994), S. 99. 447  Borowski, Grundrechte als Prinzipien (2018), 3. Aufl., S. 287 ff. 448  Cremer, Freiheitsgrundrechte (2003), S. 76 ff. 449  Isensee, § 111, in: HStR V, 2. Aufl. 2000, Rn. 2. 444  S. u.



II. Einordnung des asylgrundrechtlichen Gewährleistungsgehalts129

II. Einordnung des asylgrundrechtlichen Gewährleistungsgehalts Die Einordnung des Asylrechts als Abwehr- oder Leistungsrecht ist in der Literatur umstritten.450 Unter anderem wird vorgebracht, beim Asyl stehe die Gewährung von Hilfeleistungen durch den Staat im „Vordergrund“,451 was für eine leistungsrechtliche Bewertung sprechen würde. Dem ist zuzugeben, dass die einzelne Person, der Asyl gewährt wird, häufig auch ein Interesse an beruflicher und persönlicher Entfaltung im Zufluchtsstaat haben wird. Unter Einbeziehung dieser Interessen mag die Annahme einer territorialen Beschränkung des Art. 16a Abs. 1 GG auf den ersten Blick nachvollziehbar erscheinen. Die These, Art. 16a Abs. 1 GG gewährleiste allen politisch Verfolgten auf der Welt ihre persönliche und berufliche Entfaltung, erscheint prima facie fernliegend. Bei den asylrechtlichen Gewährleistungen ist zwischen dem Recht auf Asyl und den Rechten im Asyl zu differenzieren.452 Ersteres betrifft den 450  Für die Einordnung als Leistungsrecht z. B.: Rüfner, § 40, in: HGR II, 2006, Rn. 4, Fn. 16; Ossenbühl, Grundrechtsschutz im und durch Verfahrensrecht, in: FS Eichenberger, 1982, S. 185; Arnauld, Art. 16a, in: Münch/Kunig, GG, 6. Aufl. 2012, Rn. 26, bei dem von einem unspezifischen Leistungsrecht die Rede ist; Isensee, § 191, in: HStR IX, 3. Aufl. 2011, Rn. 214: „Status-positivus-Grundrecht auf Asyl“; als Leistungsrecht sui generis einordnend Cremer, Freiheitsgrundrechte (2003), S. 404; Huber, Art. 19, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG, 7. Aufl. 2018, Rn. 374, spricht von einem Teilhaberecht auf Bereitstellung gerichtlicher Verfahren zur Rechtsdurchsetzung, das aus Art. 16a GG abzuleiten sei; Kluth, Art. 16a, in: Stern/Becker, Grundrechte, 2. Aufl. 2016, Rn. 62: „Ansprüche auf Gewährung eines legalen Aufenthalts“; Michael/Morlok, Grundrechte (2017), 6. Aufl., Rn. 414, sprechen von einem atypischen Leistungsrecht. Für eine Einordnung als Abwehrrecht z. B.: Franz, Das Asylrecht der politisch verfolgten Fremden (1961), S. 55 ff.; Rottmann, Der Staat 1984, 337, S.  345 ff.; Pollern, BayVBl. 1979, 200, S. 200 f.; Pollern, Das moderne Asylrecht (1980), S. 295–297; Schnapp, Art. 16a, in: Münch/Kunig, GG, 5. Aufl. 2000, Rn. 3; Bierwirth, ZAR 1987, 64, S. 68 f.; Huber/Göbel-Zimmermann, Ausländer- und Asylrecht (2008), 2.  Aufl., Rn.  1624; Kingreen/Poscher, Grundrechte (2017), 33. Aufl., Rn. 1133; Sachs, Grundrechte (2017), 3. Aufl., S. 619, Rn. 4; Zimmermann/ Tams, Art. 16a, in: Berliner Kommentar, 2018 (Stand: 19. EL 2007), Rn. 41; Gärditz, Art. 16a, in: Maunz/Dürig, GG, 84. Aufl. August 2018, Rn. 184. 451  Kimminich, Asylrecht (1968), S. 143 f.; Kimminich, JZ 1965, 739, S. 744 f.; Franke, Politisches Delikt und Asylrecht (1979), S. 74 f.; Maaßen, Art. 16a, in: BeckOK GG, 39. Aufl. 15.11.2018, Rn. 50, wonach es in seinem „Kern“ eine leistungsrechtliche Schutzverbürgung darstelle. 452  S. nur Masing, Art. 16a, in: Dreier, GG, 2. Aufl. 2004, Rn. 93; Denninger/Rachor, ZAR 1988, 51, S. 52; Franz, Das Asylrecht der politisch verfolgten Fremden (1961), S. 59; Becker, Art. 16a, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG, 7.  Aufl. 2018, Rn. 120; Arnauld, Art. 16a, in: Münch/Kunig, GG, 6. Aufl. 2012, 26, unterscheidet zwischen Recht auf Aufenthalt und Recht im Aufenthalt.

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C. Die Einordnung des asylgrundrechtlichen Gewährleistungsgehalts

Schutz vor politischer Verfolgung, den „Kern“ des Asylrechts.453 Bei Letzteren geht es darum, was die einzelne Person während der Zeit, in der ihr dieser Schutz im Zufluchtsstaat gewährt wird – sei es auch nur vorläufig bis zum Abschluss des Asylverfahrens –, über diesen (Kern)Schutz hinaus vom Zufluchtsstaat verlangen kann.454 Man könnte es auch beschreiben als die Fragen nach dem „Ob“ und dem „Wie“ der Asylgewährung. Bei der Untersuchung, ob das Asylrecht als Abwehr- oder Leistungsrecht einzuordnen ist, muss hinsichtlich dieser beiden Facetten des Asylrechts differenziert werden. Bevor die Frage nach der Einordnung der jeweiligen Gewährleistungegehalte beantwortet werden kann, muss zunächst geprüft werden, ob diese überhaupt aus Art. 16a GG abzuleiten sind. 1. Rechte im Asyl Verbreitet wird angenommen, die Rechte im Asyl beinhalteten zahlreiche verschiedene Gewährleistungsansprüche wie insbesondere die Gewährleistung der persönlichen und beruflichen Entfaltung455 sowie des Existenzminimums456.457

453  Renner, ZAR 1993, 118, S. 119; Denninger/Rachor, ZAR 1988, 51, S. 52: „Kernbereich“; so auch BVerwGE 65, 244 (247); BVerwGE 49, 202 (205 f.), spricht von „Kerngehalt“; so auch Dutta, Luftverkehr und Asylrecht (1997), S. 154, sowie Marx, AsylG (2017), 9. Aufl. § 13, Rn. 11. 454  Gusy, Asylrecht und Asylverfahren (1979), S. 18 f. Dieser Teil wird auch als positives Statusrecht verstanden, vgl. Rottmann, Der Staat 1984, 337, S. 347. Dabei ist jedoch davon auszugehen, dass die Rechte im Asyl aus anderen Grundrechten abgeleitet werden, vgl. z. B. Denninger/Rachor, ZAR 1988, 51, S. 52. Dazu sogleich ausführlich. 455  Randelzhofer, Art. 16a, in: Maunz/Dürig, GG, 84. Aufl. August 2018 (Stand: bis 59. EL Juli 2010), Rn. 134. Von Literatur und BVerwG wird das Recht auf berufliche und persönliche Entfaltung inhaltlich größtenteils nicht weiter präzisiert. S. aber z. B. Randelzhofer, § 153, in: HStR VII, 3. Aufl. 2009, Rn. 69, der in diesem Zusammenhang auf Wartezeiten für den Erhalt von Arbeitserlaubnissen und das Verbot, eine Erwerbstätigkeit auszuüben, Bezug nimmt. 456  Maaßen, Art. 16a, in: BeckOK GG, 39. Aufl. 15.11.2018, Rn. 50; BVerwGE 71, 139 (141); BVerwGE 65, 244 (247). Für eine Ableitung aus Art. 16a GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 und Art. 20 GG Wittreck, Art. 16a, in: Dreier, GG, 3. Aufl. 2013, Rn. 122. 457  BVerwGE 49, 202 (206); Randelzhofer, § 153, in: HStR VII, 3. Aufl. 2009, Rn. 12, 65; Rüfner, § 40, in: HGR II, 2006, Rn. 4, Fn. 16; Franke, Politisches Delikt und Asylrecht (1979), S. 74 f.; Masing, Art. 16a, in: Dreier, GG, 2. Aufl. 2004, Rn. 93, 98; Rothkegel, ZRP 1992, 222, S. 226, zufolge handele es sich hierbei um die herrschende Meinung.



II. Einordnung des asylgrundrechtlichen Gewährleistungsgehalts131

a) Rechte auf persönliche und berufliche Entfaltung Zunächst wird untersucht, ob die Rechte auf berufliche und persönliche Entfaltung der politisch verfolgten Person aus Art. 16a Abs. 1 GG abzuleiten sind. Darüber hinaus wird geprüft, ob es sich dabei um Abwehr- oder Leistungsrechte handelt. (1) Kein Gewährleistungsgehalt des Art. 16a Abs. 1 GG Ob diese Rechte Teil des asylrechtlichen Gewährleistungsgehalts sind, ist anhand einer Auslegung des Art. 16a Abs. 1 GG zu ermitteln. Anhaltspunkte ergibt eine genetische Analyse. So wurde im Parlamentarischen Rat ausdrücklich die Aufnahme eines Rechts auf Arbeit in das Asylrecht diskutiert und schließlich abgelehnt. Renner schlug in der 44. Sitzung am 19. Januar 1949 vor, das Asylrecht wie folgt zu fassen: „Politisch Verfolgte genießen Asylrecht einschließlich des Rechtes auf Arbeit.“458, woraufhin Schmid darauf hinwies, dass ein solcher Zusatz deswegen unnötig sei, weil schon Art. 2 das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit beinhalte.459 Die Entstehungsgeschichte des Asylrechts des Grundgesetzes spricht damit gegen die Ableitung eines Rechts auf persönliche und berufliche Entfaltung aus Art. 16a Abs. 1 GG.460 Der Einwand Schmids kann dabei auch denjenigen Stimmen entgegengehalten werden, die die Rechte auf berufliche und persönliche Entfaltung deshalb als Teil des Asylrechts proklamieren, weil es Sinn und Zweck der Asylgewährung sei, politisch Verfolgten eine „neue Zukunftsperspektive“ zu gewähren.461 Die Ablehnung einer Ableitung der genannten Rechte im Asyl aus Art. 16a Abs. 1 GG führte nicht etwa dazu, dass politisch Verfolgte diese Rechte nicht innehätten. Vielmehr sind diese Rechte wie für nicht politisch verfolgte Personen aus anderen Grundrechtsverbürgungen abzuleiten.462 Grundrecht auf Asyl (1992), 2. Aufl., S. 48. Grundrecht auf Asyl (1992), 2. Aufl., S. 49; Doemming/Füsslein/Matz, JöR n. F. 1 1951, S. 169. 460  Selk, Asylrecht und Verfassung (1990), S. 47–49; Pollern, Das moderne Asylrecht (1980), S. 296; Davy, Art. 16a, in: AK-GG, 3. Aufl. 2001, Rn. 38; Dutta, Luftverkehr und Asylrecht (1997), S. 158; Denninger/Rachor, ZAR 1988, 51, S. 52; Franz, Das Asylrecht der politisch verfolgten Fremden (1961), S. 58. 461  So z. B. Masing, Art. 16a, in: Dreier, GG, 2. Aufl. 2004, Rn. 93; vgl. BVerwGE 49, 202 (206). 462  Gärditz, Art. 16a, in: Maunz/Dürig, GG, 84. Aufl. August 2018, Rn. 333; Denninger/Rachor, ZAR 1988, 51, S. 52. Jedenfalls für eine Ableitung „auch aus anderen Grundrechten“ Neußner, ZAR 1989, 17, S. 20. Laut Arnauld, Art. 16a, in: Münch/ Kunig, GG, 6. Aufl. 2012, Rn. 26, besitze Art. 16a Abs. 1 GG eine „Türöffnerfunktion“ [im Original hervorgehoben] für andere staatliche Rechtspflichten. Ebenfalls gegen eine Ableitung der Rechte im Asyl aus Art. 16a und für eine Ableitung aus 458  Kreuzberg/Wahrendorf, 459  Kreuzberg/Wahrendorf,

132

C. Die Einordnung des asylgrundrechtlichen Gewährleistungsgehalts

(2) Keine Einordnung dieser Rechte als originäre Leistungsrechte Unabhängig davon, dass die Rechte auf berufliche und persönliche Entfaltung von vornherein nicht Teil des Art. 16a Abs. 1 GG sind, sind diese Rechte zudem nicht als originäre Leistungs-, sondern Abwehrrechte einzuordnen. Die berufliche und persönliche Entfaltung einer nicht politisch verfolgten Person wird zunächst einmal über die allgemeine Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG bzw. die Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG und über das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG geschützt. Diese Grundrechte werden jedoch grundsätzlich nicht als originäre Leistungsrechte eingestuft.463 Es ist nicht ersichtlich, warum für Asylberechtigte das Recht auf persönliche und berufliche Entfaltung im Gegensatz dazu als originär leistungsrechtlicher Gewährleistungsgehalt eingestuft werden sollte. So ist die persönliche und berufliche Entfaltung nicht primär auf eine Leistung des Staates angewiesen. Wollte man die Rechte auf berufliche und persönliche Entfaltung von Asylberechtigten als Leistungsrechte bewerten, so müsste z. B. begründet werden, dass Asylberechtigte einen Anspruch auf Gewährleistung eines Arbeitsplatzes haben,464 ein Recht, das Deutschen aus Art. 12 Abs. 1 GG unbestritten nicht zusteht.465 Das Gleiche gilt für die persönliche Entfaltung nach Art. 2 Abs. 1 bzw. Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG. Selbst wenn die Rechte auf persönliche und berufliche Entfaltung aus Art. 16a Abs. 1 GG abzuleiten wären, wären sie konsequenterweise nicht als originäre Leistungsrechte, sondern als Abwehrrechte einzuordnen. b) Anspruch auf Gewährleistung eines Existenzminimums Der Anspruch auf Gewährleistung des Existenzminimums hingegen ist als originäres Leistungsrecht einzustufen.466 Es stellt sich mithin nur noch die Frage, ob dieses auch aus Art. 16a GG und nicht etwa aus anderen Grundrechten abzuleiten ist. Art. 1 i. V. m. dem Sozialstaatsprinzip Becker, Art. 16a, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG, 7. Aufl. 2018, Rn. 120; Lübbe-Wolff, Art. 16a, in: Dreier, GG, 1996, Rn. 52 f.; Bleckmann, Grundrechte (1997), 4. Aufl., S. 1140, Rn. 69. 463  Für die Berufsfreiheit s. z.  B. Ruffert, Art. 12, in: BeckOK GG, 39. Aufl. 15.11.2018, Rn. 17. Für die allgemeine Handlungsfreiheit s. z. B. Lang, Art. 2, in: BeckOK GG, 39. Aufl. 15.11.2018, Rn. 8. Für das allgemeine Persönlichkeitsrecht s.  z. B. Di Fabio, Art. 2, in: Maunz/Dürig, GG, 84. Aufl. August 2018, Rn. 147. 464  Schon gegen die Ableitung eines Anspruchs auf Zugang zum Arbeitsmarkt Wittreck, Art. 16a, in: Dreier, GG, 3. Aufl. 2013, Rn. 122. 465  BVerfGE 84, 133 (146). 466  S. BVerfGE 125, 175 (223): der „unmittelbar verfassungsrechtliche Leistungsanspruch“.



II. Einordnung des asylgrundrechtlichen Gewährleistungsgehalts133

(1) Irrelevanz der politischen Verfolgung für die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Gewährleistung des Existenzminimums Abgeleitet wird der Anspruch grundsätzlich aus Art. 1 Abs. 1 GG (i. V. m. Sozialstaatsprinzip).467 Fraglich ist, ob bzw. warum der Anspruch auf Gewährleistung eines Existenzminimums bei Asylberechtigten stattdessen aus Art. 16a Abs. 1 GG abgeleitet werden sollte. So wird der Anspruch auf ein Existenzminimum über Art. 1 Abs. 1 GG umfassend für jedermann, d. h. ohne eine Einschränkung in persönlicher Hinsicht gewährleistet, also sowohl für politisch Verfolgte als auch für alle nicht politisch Verfolgten. Entscheidendes Merkmal ist die Hilfebedürftigkeit.468 Eine (weitere) Ableitung aus Art. 16a Abs. 1 GG ist wenig überzeugend.469 Voraussetzung für eine materielle Berechtigung nach Art. 16a Abs. 1 GG ist die politische Verfolgung. Bei einer Ableitung eines Anspruchs auf Gewährleistung eines Existenzminimums aus Art. 16a Abs. 1 GG müsste dementsprechend die politische Verfolgung auch Voraussetzung dieses Anspruchs sein. Die politische Verfolgung einer Person ist indes weder für die Gewährleistung des Existenzminimums noch für dessen Verweigerung kausal. Denn selbst wenn nach Durchführung eines Asylverfahrens die fehlende Asylberechtigung festgestellt würde, stünde der betroffenen, nunmehr nicht politisch verfolgten Person – ggf. bis zur Abschiebung – immer noch ein Anspruch auf die Gewährleistung eines Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG zu.470 Im umgekehrten Fall, wenn das Asylverfahren einer politisch verfolgten Person positiv beschieden, d. h. 467  S. nur Herdegen, Art. 1 Abs. 1, in: Maunz/Dürig, GG, 84. Aufl. August 2018, Rn. 121; Wittreck, Art. 20 (Sozialstaat), in: Dreier, GG, 3. Aufl. 2015, Rn. 45. 468  BVerfGE 125, 175 (222 f.), wo darauf verwiesen wird, dass der Anspruch auf Achtung der Würde jedem Einzelnen zustehe. Die Voraussetzung, die ein potenzieller Anspruchsinhaber erfüllen müsse, sei die Hilfebedürftigkeit; Wittreck, Art. 20 (Sozialstaat), in: Dreier, GG, 3. Aufl. 2015, Rn. 45, der ebenfalls auf den „Hilfebedürftigen“ abstellt; Grzeszick, Art. 20 GG, in: Maunz/Dürig, GG, 84. Aufl. August 2018, Rn. 23, spricht von einem Existenzminimum „für jedermann“ [im Original hervorgehoben] und stellt auf den „Bedürftigen“ ab; für einen Anspruch Asylberechtigter auf Gewährleistung einer menschenwürdigen Existenz aus Art. 1 GG i. V. m. dem Sozialstaatsprinzip Hufen, Grundrechte (2018), 7. Aufl., § 20, Rn. 24. 469  So auch Pollern, BayVBl. 1979, 200, S. 200; Pollern, Asylrecht im deutschen Recht, in: Hb AsylR I, 1980, S. 193 f.; Selk, Asylrecht und Verfassung (1990), S. 58; vgl. Fröhlich, Das Asylrecht im Rahmen des Unionsrechts (2011), S. 58. A. A. Rühmann, NVwZ 1982, 609, S. 610, welcher das Asylrecht in diesem Punkt als Wiederholung bzw. Verdopplung des inhaltlich gleichen Anspruchs auf Gewährleistung eines Existenzminimums aus Art. 1 i. V.m dem Sozialstaatsprinzip sieht. 470  S. BVerfGE 132, 134 (164), wonach der Gesetzgeber bei der konkreten Ausgestaltung der existenzsichernden Leistungen „nicht pauschal nach dem Aufenthaltsstatus differenzieren“ dürfe. Differenzierungen hinsichtlich der konkreten Leistungen seien vielmehr anhand des tatsächlichen Bedarfs zu begründen. A.  A. allerdings Randelzhofer, Art. 16a, in: Maunz/Dürig, GG, 84. Aufl. August 2018 (Stand: bis

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C. Die Einordnung des asylgrundrechtlichen Gewährleistungsgehalts

eine Asylberechtigung anerkannt wird, so steht der Person zunächst derselbe Anspruch auf Gewährleistung eines Existenzminimums zu wie nicht politisch Verfolgten bzw. Deutschen.471 Findet die nunmehr anerkannt asylberechtigte Person z. B. eine Anstellung und kann infolgedessen selbst für ihren Unterhalt aufkommen, so ist sie nicht mehr abhängig von der staatlichen Gewährleistung eines Existenzminimums. Obwohl sie also politisch verfolgt ist, werden an sie keine Leistungen zur Sicherung des Existenzminimums erbracht. Vielmehr ist auch bei anerkannten Asylberechtigten die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit bzw. der individuelle Bedarf der jeweiligen Person Voraussetzung für das grundrechtliche originäre Leistungsrecht und nicht die politische Verfolgung.472 Die materiellen Voraussetzungen für einen Anspruch auf Gewährleistung eines Existenzminimums sind folglich identisch mit den Voraussetzungen des Art. 1 Abs. 1 GG. Die politische Verfolgung, die Voraussetzung für eine Berechtigung gemäß Art. 16a Abs. 1 GG ist, hat demgegenüber keinen Einfluss auf den Anspruch auf Gewährleistung eines Existenzminimums.473 (2) Entstehungsgeschichte Gegen eine Ableitung von Sozialleistungen aus Art. 16a Abs. 1 GG bzw. Art. 16 Abs. 2 S. 2 GG a. F. spricht zudem dessen Entstehungsgeschichte. Obwohl im Parlamentarischen Rat mehrfach Bezug auf die völkerrechtlichen Asylformen genommen wurde, wurde nie diskutiert, ob über die traditionellen Asylformen im Völkerrecht, welche ausschließlich Schutz und Zuflucht gewähren, hinaus auch staatliche Sozialleistungen gewährt werden sollten.474 59. EL Juli 2010), Rn. 141, demzufolge hinsichtlich der existenzsichernden Leistungen differenziert werden könne. 471  BVerfGE 132, 134 (161), wonach für die Bestimmung des konkreten Bedarfs nur die Gegebenheiten in Deutschland maßgeblich seien. Die Verfassung erlaube es nicht, „das in Deutschland zu einem menschenwürdigen Leben Notwendige unter Hinweis auf das Existenzniveau des Herkunftslandes von Hilfebedürftigen oder auf das Existenzniveau in anderen Ländern niedriger als nach den hiesigen Lebensverhältnissen geboten festzulegen“. A. A. Leisner, Existenzsicherung im Öffentlichen Recht (2007), S. 422 f., demzufolge das Existenzminimum für Asylberechtigte, das Existenzminimum deutscher Staatsangehöriger unterschreiten könne. Zu leisten sei jedenfalls aber mehr als der Herkunftsstaat biete. 472  Dazu, dass es für das Recht auf Gewährleistung eines Existenzminimums auf die individuelle Leistungsfähigkeit ankommt BVerfGE 125, 175 (222). Demnach ist Voraussetzung die Hilfebedürftigkeit. Weitere Nachweise schon oben Fn. 468. 473  Vgl. Fröhlich, Das Asylrecht im Rahmen des Unionsrechts (2011), S. 58, zum Fehlen eines „asylspezifischen Bezug[s]“ im Hinblick auf den Anspruch auf Gewährleistung eines Existenzminimums. 474  Rottmann, Der Staat 1984, 337, S. 350 f.



II. Einordnung des asylgrundrechtlichen Gewährleistungsgehalts135

(3) Zwischenergebnis Der Anspruch auf Gewährleistung eines Existenzminimums ist nicht aus Art. 16a Abs. 1 GG, sondern allein aus Art. 1 Abs. 1 GG (i. V. m. dem Sozialstaatsprinzip) abzuleiten.475 Es handelt sich beim Anspruch auf die Gewährleistung eines Existenzminimums dementsprechend zwar um ein originäres Leistungsrecht, aber nicht um einen Gewährleistungsgehalt des Art. 16a Abs. 1 GG. c) Zwischenergebnis Die Gewährleistung eines menschenwürdigen Lebens und einer beruflichen und persönlichen Entfaltung ist zwar auch für politisch Verfolgte grundrechtlich abgesichert. Dieser Schutz folgt allerdings nicht aus Art. 16a GG, sondern aus anderen Grundrechten des Grundgesetzes. Im Übrigen wäre der Schutz der beruflichen und persönlichen Entfaltung, wenn er doch aus Art. 16a GG abzuleiten wäre, schon nicht leistungsrechtlich, sondern abwehrrechtlich einzuordnen. Die Geltungsreichweite der sogenannten Rechte im Asyl ist jedenfalls keine Frage der Geltungsreichweite des Art. 16a GG. 2. Recht auf Asyl Zu prüfen bleibt, wie das Recht auf Asyl einzuordnen ist. Das Recht auf Asyl beschreibt den Schutz vor gegenwärtiger politischer Verfolgung und stellt damit den „Kern“ des Asylrechts dar.476 Angesprochen sind damit namentlich das Verbot der Zurückweisung an der Grenze und der Abschiebung bzw. Zurückweisung in den Herkunftsstaat477 und das damit einhergehende 475  Becker, Art.  16a, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG, 7. Aufl. 2018, Rn. 120; Lübbe-Wolff, Art. 16a, in: Dreier, GG, 1996, Rn. 52 f.; Schnapp, Art. 16a, in: Münch/ Kunig, GG, 5. Aufl. 2000, Rn. 3; Dutta, Luftverkehr und Asylrecht (1997), S. 156; Zimmermann/Tams, Art. 16a, in: Berliner Kommentar, 2018 (Stand: 19. EL 2007), Rn. 45; jedenfalls gegen eine Ableitung aus Art. 16a GG Kingreen/Poscher, Grundrechte (2017), 33. Aufl., Rn. 1133; vgl. Hufen, Grundrechte (2018), 7. Aufl., § 20, Rn. 24; vgl. Pieroth, Art. 16a, in: Jarass/Pieroth, GG, 11. Aufl. 2011, Rn. 23, wonach die Forderung, dass die Bundesrepublik Asylsuchende nicht verhungern lassen darf, nicht aus Art. 16a GG, sondern aus dem Recht auf Leben folge. Zu Art. 16 Abs. 2 S. 2 GG a. F. bereits Franz, Das Asylrecht der politisch verfolgten Fremden (1961), S.  56 ff.; Pollern, Asylrecht im deutschen Recht, in: Hb AsylR I, 1980, S. 193 f.; Pollern, Das moderne Asylrecht (1980), S. 297. 476  S. dazu schon oben Teil C. II., Fn. 453. 477  Randelzhofer, Art. 16a, in: Maunz/Dürig, GG, 84. Aufl. August 2018 (Stand: bis 59. EL Juli 2010), Rn. 132; Randelzhofer, § 153, in: HStR VII, 3. Aufl. 2009, Rn. 63; Neußner, ZAR 1989, 17, S. 19; Dutta, Luftverkehr und Asylrecht (1997),

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C. Die Einordnung des asylgrundrechtlichen Gewährleistungsgehalts

Recht auf Aufenthalt in der Bundesrepublik.478 Die Ableitung dieser Gewährleistungsgehalte aus Art. 16a Abs. 1 GG steht anders als bei den Rechten im Asyl nicht in Frage. Damit bleibt die Frage nach dessen Einordnung als Abwehr- oder Leistungsrecht zu beantworten. Dabei gibt es eine Vielfalt an Argumenten, die für und gegen die Einordnung als Leistungsrecht bzw. Abwehrrecht vorgebracht werden. Im Folgenden soll der Versuch unternommen werden, die Argumente zu systematisieren und zu analysieren. Dazu werden zunächst zwei Positionen untersucht, die das Asylrecht als Leistungsrecht verstehen. Zum einen wird postuliert, das Asylrecht sei auf einen positiven Verleihungsakt gerichtet. Zum anderen wird das Asylrecht als ausnahmsweise positiviertes Schutzrecht eingeordnet. a) Das Asylrecht als Leistungsrecht (1) Das Asylrecht als positiver Verleihungsakt Das Asylrecht wird von zahlreichen Autoren als Leistungsrecht eingestuft.479 Dazu werden verschiedene Konstruktionen vertreten. Einige davon haben gemeinsam, dass sie dem Asylrecht primär einen Anspruch auf einen bestimmten Verleihungsakt entnehmen. Wie dieser Verleihungsakt ausgestaltet sein soll, wird dabei unterschiedlich bewertet. Im Folgenden sollen die verschiedenen dazu vertretenen Meinungen in zwei Ausprägungen aufgeteilt und diskutiert werden. Erstens soll untersucht werden, ob der asylrechtlich geschuldete Verleihungsakt als Entscheidung über die Aufnahme einer Person in die Bundesrepublik bzw. die Aufhebung der grundsätzlichen „GeS. 154; Marx, AsylG (2017), 9. Aufl., § 13, Rn. 11; Becker, Art. 16a, in: Mangoldt/ Klein/Starck, GG, 7. Aufl. 2018, Rn. 121; BVerwGE 49, 202 (205 f.); BVerwGE 69, 323 (325). 478  Gärditz, Art. 16a, in: Maunz/Dürig, GG, 84. Aufl. August 2018, Rn. 333; Bierwirth, ZAR 1987, 64, S. 68, demzufolge aus dem Verbot der Auslieferung oder Abschiebung als „Gegenstück“ ein „gesicherter aufenthaltsrechtlicher Status“ folge; Renner, NVwZ 1983, 649, S. 652 f., demzufolge das Asylrecht vor Maßnahmen schütze, die die Person dem Zugriff des Verfolgers aussetze. Mit dem Verbot von Abschiebung und Auslieferung sei „notwendig die Pflicht zur Aufenthaltsgewährung verbunden“; Wittreck, Art. 16a, in: Dreier, GG, 3. Aufl. 2013, Rn. 88, beschreibt den Schutz vor Ausweisung bzw. Abschiebung als „Pendant zum Aufenthaltsrecht“; vgl. Zimmermann/Tams, Art. 16a, in: Berliner Kommentar, 2018 (Stand: 19. EL 2007), Rn. 41 f. Laut BVerwGE 62, 206 (210 f.), wirke sich der „Kerngehalt“ des Art. 16 Abs. 2 S. 2 GG a. F. dahin aus, dass Aufenhalt in der Bundesrepublik „zumindest solange ermöglicht werden muß, als er [der Asylberechtigte] nicht Aufnahme in einem anderen Staat, in dem er ebenfalls vor Verfolgung und vor Abschiebung in einen Verfolgerstaat sicher ist, finden kann.“ 479  S. schon oben Teil C. II, Fn. 450.



II. Einordnung des asylgrundrechtlichen Gewährleistungsgehalts137

schlossenheit der Staatsgrenzen“ zu verstehen ist.480 Zweitens wird untersucht, ob dieser Verleihungsakt als positive Verleihung eines Status zu verstehen ist.481 Der Übergang zwischen den beiden Ausprägungen ist fließend. Eine trennscharfe Einordnung der vertretenen Meinungen zu der einen oder anderen Ausprägung ist kaum möglich. So würde eine Verleihung des Asyls als Status z. B. die Aufnahme der Person in die Bundesrepublik automatisch zur Folge haben. Andersherum könnte die Aufnahme in die Bundesrepublik auch als Statusanerkennung gewertet werden. Im Interesse einer übersichtlichen Darstellung und Bewertung der einzelnen Argumente soll dennoch zwischen den beiden Konstruktionen unterschieden werden.

480  Masing, Art. 16a, in: Dreier, GG, 2. Aufl. 2004, Rn. 91; Hailbronner, Ausländerrecht (1984), Rn. 973, zufolge handelt es sich beim Asylrecht um „die positive Gewährung einer Zufluchtsstätte“. Streitgegenstand eines Rechtsstreits wäre „die Verpflichtung zur vorläufigen Zulassung“; die „Zulassung“ des Fremden zur Rechtsordnung stelle eine Leistung dar, Randelzhofer, § 153, in: HStR VII, 3. Aufl. 2009, Rn. 11; die Erlaubnis der Einreise betreffe den status positivus, Isensee, Vertrauensschutz für ausländischen Familiennachzug, in: FS Doehring, 1989, S. 382; Arnauld, Art. 16a, in: Münch/Kunig, GG, 6. Aufl. 2012, Rn. 26, demzufolge das Asyl auf eine Leistung gerichtet sei, die als Gewährung von Zuflucht bzw. die Gestattung von Aufenthalt konkretisiert wird; Maaßen, Art. 16a, in: BeckOK GG, 39. Aufl. 15.11.2018, Rn. 50 f., wonach das Asylrecht im Kern leistungsrechtlich einzustufen sei, da es einen Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels vermittele; so auch Kluth, Art. 16a, in: Stern/Becker, Grundrechte, 2. Aufl. 2016, Rn. 62; weniger ausdrücklich Robbers, Sicherheit als Menschenrecht (1987), S. 205, der den asylrechtlichen Gewährleistungsgehalt als „Aufnahme in die Bundesrepublik“ beschreibt; vgl. Becker, Art. 16a, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG, 7. Aufl. 2018, Rn. 119, demzufolge es beim Asylrecht um die Einräumung eines Aufenthaltsrechts gehe, das der ausdrücklichen Verleihung bedürfe. Die abwehrrechtliche Funktion des Grundrechts stehe dann im Vordergrund, wenn es um den verwaltungsrechtlichen Vollzug gehe. Zur Einordnung des Rechts auf Einreise zum status positivus Meyer-Teschendorf, DÖV 1989, 105, S. 107, 109, jedoch zu Art. 6 und 2 Abs. 1 GG. 481  Fröhlich, Das Asylrecht im Rahmen des Unionsrechts (2011), S. 51 ff.; Ipsen, Grundrechte (2018), 21. Aufl., Rn. 1005, wonach Art. 16a GG auf die „Einräumung eines Rechtsstatus“ gerichtet sei; Michael/Morlok, Grundrechte (2017), 6. Aufl., Rn. 414, wonach das Asylrecht auf die Leistung eines rein formalen Status gerichtet sei. Dieser Status ziehe dann einfachgesetzliche Leistungsansprüche nach sich, die von der Verfassungsgarantie nicht erfasst seien; Quaritsch, Arbeitsverbot und Sichtvermerk als „flankierende“ Maßnahmen des Asylverfahrens, in: FS Zeidler I, 1987, S. 960, wonach Asyl kein Abwehrrecht, sondern ein „Rechtsstatus des Nichtdeutschen“ sei; Ossenbühl, Grundrechtsschutz im und durch Verfahrensrecht, in: FS Eichen­berger, 1982, S. 185, spricht von der „Notwendigkeit staatlicher ‚Zuteilung‘ “; vgl. Will, Art. 16a, in: Sachs, GG, 8. Aufl. 2018, Rn. 11, wonach der Asylsuchende einen „gleichsam konstitutiven Anerkennungsakt“ erwirken müsse; vgl. BVerfGE 60, 253 (296), demzufolge der Anerkennungsbescheid erforderlich sei, um dem Status des Asylberechtigten Anerkennung zu verschaffen (dazu unten Teil C. II. 2. a) (1) (b) (aa)).

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C. Die Einordnung des asylgrundrechtlichen Gewährleistungsgehalts

(a) E  ntscheidung über die Aufnahme in die Bundesrepublik bzw. die Aufhebung der Geschlossenheit der Staatsgrenzen Einer Auffassung im Schrifttum zufolge sei die Gewährung der Einreise und des Aufenthalts nicht als Unterlassung einreiseverhindernder Maßnahmen zu sehen, sondern als „die Entscheidung, dem Verfolgten gegenüber die sonst geltende Geschlossenheit der Staatsgrenzen aufzuheben und ihm durch Aufnahme Schutz zukommen zu lassen“.482 Erst im Anschluss an die Gewährung dieses Zugangs seien Abwehrrechte wie z. B. das Recht auf Abwehr aufenthaltsbeendender Maßnahmen abzuleiten.483 Diese Argumentation beruht offenbar auf der Annahme einer grundsätzlichen Geschlossenheit der Staatsgrenzen der Bundesrepublik. Die Argumentation kann deshalb nur dann überzeugen, wenn eine solche Geschlossenheit der Staatsgrenzen verfassungsrechtlich begründet werden kann. Zunächst ist festzustellen, dass die Bundesrepublik keine natürlichen Staatsgrenzen hat. Im natürlichen, vorstaatlichen Raum ist der Mensch in der Lage, sich in jede beliebige Richtung fortzubewegen. Erst die (virtuelle) Aufspaltung der Welt in verschiedene Staaten mit ihren Staatsgrenzen und Rechtsordnungen setzen dem Menschen seine Grenzen. Es kann sich bei der behaupteten Geschlossenheit der Staatsgrenzen mithin nur um eine rechtliche Geschlossenheit handeln. Wie aber kann diese Geschlossenheit begründet und insbesondere aus der Verfassung hergeleitet werden? Dass das Territorialprinzip heute überwiegend nicht mehr vertreten wird, wurde bereits an anderer Stelle festgestellt.484 Eine grundsätzliche Geschlossenheit der Staatsgrenzen wird allerdings etwa daraus abgeleitet, dass selbst Art. 2 Abs. 1 GG keine allgemeine Einreisefreiheit gewähre.485 Diese An482  Masing, Art. 16a, in: Dreier, GG, 2. Aufl. 2004, Rn. 91. S. bereits die Nachweise in Fn. 480 (S. 137). 483  Masing, Art. 16a, in: Dreier, GG, 2. Aufl. 2004, Rn. 91; so offenbar auch Becker, Art. 16a, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG, 7. Aufl. 2018, S. 119, demzufolge es beim Asylrecht um die Einräumung eines Aufenthaltsrechts gehe. Dieses bedürfe der „ausdrücklichen Verleihung“. Es ergebe sich „weder aus einem bereits bestehenden Rechtsverhältnis wie der Staatsangehörigkeit noch folg[e] es schon aus dem Schutz der Menschenwürde und persönlicher Freiheit.“ Der Asylberechtigte könne sich aber auf sein Aufenthaltsrecht berufen, um dieses Aufenthaltsrecht beeinträchtigende Maßnahmen abzuwehren. Damit stehe die abwehrrechtliche Funktion des Asylrechts „im Ergebnis […] im Vordergrund […] soweit der verwaltungsmäßige Vollzug berührt [sei]“; vgl. Randelzhofer, § 153, in: HStR VII, 3. Aufl. 2009, Rn. 11. 484  Zur herrschendem Ablehnung des Territorialprinzips in der Literatur s.  o. Teil B. II. 1, Fn. 186. Vgl. dazu auch Bleckmann/Busse, DVBl. 1977, 794, S. 795, wonach sich das Grundgesetz von der während des Nationalsozialismus verfestigten Vorstellung geschlossener Staatsgrenzen bewusst abgrenzen wollte. 485  So ist jedenfalls die Äußerung von Masing, Art. 16a, in: Dreier, GG, 2. Aufl. 2004, Rn. 91, m. Fn. 264, zu verstehen.



II. Einordnung des asylgrundrechtlichen Gewährleistungsgehalts139

nahme setzt voraus, dass Art. 2 Abs. 1 GG zum einen in der Tat kein Recht auf Einreise beinhaltet und zum anderen das Maximum der möglichen Freiheitsgewährung durch andere Grundrechte beschreibt. Nun ist schon zweifelhaft, ob erstere Annahme überzeugen kann.486 Immerhin wird die durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützte Freiheit gemeinhin im Sinne eines ‚tun und lassen, was man will‘ verstanden.487 Warum sollte dies nicht auch die Einreise in die Bundesrepublik beinhalten? Dem Schutzbereich entsprechend weit sind auch die Rechtfertigungsmöglichkeiten für Eingriffe.488 Somit wäre jedenfalls nach einem kursorischen Blick auf die Rechtslage davon auszugehen, dass Art. 2 Abs. 1 GG ein Recht auf Einreise für deutsche Staatsangehörige sowie für Ausländer enthält.489 Eine detaillierte Analyse der Frage, ob Art. 2 Abs. 1 GG gebietsfremden Ausländern ein Recht auf Einreise in die Bundesrepublik gewährleistet, kann im vorliegenden Zusammenhang allerdings aus zwei Gründen dahinstehen. Erstens wird die Ablehnung eines allgemeinen Einreiserechts für Ausländer u. a. damit begründet, dass Art. 16a Abs. 1 GG ein spezielles Einreiserecht für eine bestimmte Gruppe von Ausländern begründe und dafür ab486  Die Frage, ob aus Art. 2 Abs. 1 GG ein Recht auf Einreise abgeleitet werden kann, ist umstritten. Gegen die Ableitung eines Einreiserechts für Ausländer aus Art. 2 Abs. 1 GG z. B. Hailbronner, NJW 1983, 2105, S. 2110; Thym, Migrationsverwaltungsrecht (2010), S. 68 f.; Zimmermann, Das neue Grundrecht auf Asyl (1994), S. 268; Isensee, Vertrauensschutz für ausländischen Familiennachzug, in: FS Doehring, 1989, S. 382; Renner, NVwZ 1983, 649, S. 651; Meyer-Teschendorf, DÖV 1989, 105, S. 107, 109, zu Art. 6 und 2 Abs. 1 GG; vgl. BVerfGE 49, 168 (183 f.), wonach das Grundgesetz nur für politisch Verfolgte ein Aufenthaltsrecht regele. Dies dürfte logischerweise auch für das Einreiserecht gelten; vgl. BVerwGE 56, 254 (258). Für ein Recht auf Einreise für Ausländer aus Art. 2 Abs. 1 GG z. B. Zuleeg, DÖV 1973, 361, S. 366; Sachs, Das Recht zum Aufenthalt im Staatsgebiet, in: Staatsrecht IV/1, 2006, S. 744 ff. Einen Mittelweg beschreitet Gundel, § 198, in: HStR IX, 3. Aufl. 2011, Rn. 49, demzufolge Art. 2 Abs. 1 GG zwar kein Einreiserecht gewähre, sondern einen (schwachen) Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung. Offen bleibt jedoch die dogmatische Anknüpfung dieser Annahme. 487  Hillgruber, § 200, in: HStR IX, 3. Aufl. 2011, Rn. 37; BVerfGE 6, 32 (36), wonach Art. 2 Abs. 1 GG die Handlungsfreiheit in einem „umfassenden Sinne“ schütze, mit Verweis auf die ursprüngliche Fassung: „Jeder kann tun und lassen was er will“. 488  Zur geringen materiellen Bedeutung des Art. 2 Abs. 1 GG Rüfner, § 196, in: HStR IX, 3. Aufl. 2011, Rn. 45; vgl. zur leichteren Einschränkbarkeit des Art. 2 Abs. 1 GG Sachs, Das Recht zum Aufenthalt im Staatsgebiet, in: Staatsrecht IV/1, 2006, S. 754. 489  S. dazu insbesondere Zuleeg, DÖV 1973, 361, S. 366, demzufolge sich der Ausländer hinsichtlich eines Zuzugsrechts neben Art. 16 Abs. 2 S. 2 GG a. F. auch auf Art. 2 Abs. 1 GG berufen könne, allerdings mit Hinweis auf die einfacheren Rechtfertigungsmöglichkeiten für Eingriffe; vgl. Müller, Verwaltungsvorschriften im Ausländerrecht (1986), S. 84.

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C. Die Einordnung des asylgrundrechtlichen Gewährleistungsgehalts

schließend sei.490 So könnte allerdings nur begründet werden, dass konkret Art. 2 Abs. 1 GG kein allgemeines Recht auf Einreise beinhaltet, nicht jedoch die grundsätzliche Geschlossenheit der Staatsgrenzen, um die es im vorliegenden Zusammenhang geht. Jedenfalls aber könnte eine solche Geschlossenheit gerade nicht der Bestimmung des Gewährleistungsgehaltes von Art. 16a Abs. 1 GG zugrunde gelegt werden. Zweitens ist fraglich, ob bzw. wie die zweite Voraussetzung der These – die Annahme, Art. 2 Abs. 1 GG regele den maximalen Gewährleistungsgehalt grundrechtlich geschützter Freiheit – begründet werden kann. Dafür müsste begründet werden können, dass Art. 2 Abs. 1 GG im Hinblick auf die von ihm nicht umfassten Gewährleistungsgehalte den anderen Grundrechten gegenüber abschließend ist. Zu klären ist dafür das Verhältnis zwischen Art. 2 Abs. 1 GG und den übrigen Grundrechten. Art. 2 Abs. 1 GG wird überwiegend als Auffanggrundrecht angesehen. Das heißt, dass wenn der Schutzbereich eines anderen (speziellen) Freiheitsgrundrechts eröffnet ist, auch der Schutzbereich des Art. 2 Abs. 1 GG eröffnet ist. Art. 2 Abs. 1 GG tritt dann als subsidiär zurück.491 Ist ein spezielles Freiheitsgrundrecht hingegen nicht einschlägig, kann in der Regel auf Art. 2 Abs. 1 GG zurückgegriffen werden.492 Der Schutzbe490  Merten, Räumlicher Geltungsbereich, in: FS H. Schiedermair, 2001, S. 345; Zimmermann, Das neue Grundrecht auf Asyl (1994), S. 268; BVerfGE 76, 1 (46 f.); Vitzthum, Extraterritoriale Grundrechtsgeltung, in: FS Bothe, 2008, S. 1222; Hillgruber, Art. 1, in: BeckOK GG, 39. Aufl. 15.11.2018, Rn. 77, sieht für Ausländer ein Recht auf Einreise nur in Art. 16a GG und nicht in anderen Grundrechten geregelt; so auch Rüfner, § 196, in: HStR IX, 3. Aufl. 2011, Rn. 41, sowie Isensee, Vertrauensschutz für ausländischen Familiennachzug, in: FS Doehring, 1989, S. 382; MeyerTeschendorf, DÖV 1989, 105, S. 106 f., welcher das Asylrecht als für Ausländer hinsichtlich des Einreiserechts speziell bzw. abschließend ansehen will, da es ansonsten gegenstandslos würde. Unklar ist die Position von Scheer, Der Ehegatten- und Familiennachzug von Ausländern (1994), S. 168 f., welcher zunächst schreibt, ein Einreiserecht für Ausländer sei vom Schutzbereich des Art. 2 Abs. 1 GG umfasst, im Anschluss daran jedoch meint, durch die Verweigerung der Einreise würde nicht in Art. 2 Abs. 1 GG eingegriffen. Ein Einreiserecht bestehe für Ausländer nur gem. Art. 16 Abs. 2 S. 2 GG (a. F.). Im Anschluss meint er, dass nur dann, wenn im Rahmen der Ermessensentscheidung andere Grundrechte (wie Art. 6 Abs. 1 GG) Gewicht erlangen und das Ermessen auf Null reduzieren, die Einreiseverweigerung einen Eingriff in Art. 2 Abs. 1 GG darstelle. Vgl. Weides/Zimmermann, NJW 1988, 1414, S. 1417, denen zufolge allein Art. 11 Abs. 1 und Art. 16 Abs. 2 S. 2 GG a. F. ein Aufenthaltsrecht regelten. Art. 6 Abs. 1 GG könne kein Anspruchsinhalt entnommen werden, der ausschließlich diesen vorbehalten ist. Wie sich der subsidiäre Art. 2 Abs. 1 GG dazu verhält, wird allerdings nicht erörtert. Gegen einen Schluss von Art. 16 Abs. 2 S. 2 GG a. F. auf Art. 2 Abs. 1 GG allerdings Renner, NVwZ 1983, 649, S. 651, der im Übrigen allerdings auch ein Einreiserecht aus Art. 16 Abs. 2 S. 2 GG a. F. anerkennt und aus Art. 2 Abs. 1 GG ablehnt. 491  S. nur Kunig, Art. 2, in: Münch/Kunig, GG, 6. Aufl. 2012, Rn. 12. 492  Dreier, Art. 2 I, in: Dreier, GG, 3. Aufl. 2013, Rn. 28. Teilweise wird angenommen, dass ein Rückgriff auf Art. 2 Abs. 1 GG dann ausscheide, wenn eine Verhaltens-



II. Einordnung des asylgrundrechtlichen Gewährleistungsgehalts141

reich des Art. 2 Abs. 1 GG ist folglich weiter als die Schutzbereiche der speziellen Freiheitsgrundrechte. Man könnte also annehmen, dass ein Recht, das schon nicht von Art. 2 Abs. 1 GG umfasst ist, erst recht nicht von den engeren Gewährleistungsgehalten der übrigen Freiheitsgrundrechte umfasst sein kann. Dieser Schluss ist jedoch nicht folgerichtig. So folgt die Subsidiarität des Art. 2 Abs. 1 GG aus der Tatsache, dass sein Schutzbereich weiter ist als der der übrigen Grundrechte. Es folgt nicht etwa umgekehrt die Tatsache, dass der Schutzbereich von Art. 2 Abs. 1 GG weiter ist, aus dessen Subsidiarität. Die Subsidiarität des Art. 2 Abs. 1 GG ist vielmehr die logische Folge davon, dass Art. 2 Abs. 1 GG jegliches menschliches Verhalten schützt. Schützt er jegliches menschliches Verhalten, schützt er zwangsläufig auch die durch die anderen, speziellen Grundrechte geschützten Verhaltensweisen. Die Subsidiarität des Art. 2 Abs. 1 GG setzt folglich voraus, dass dieser das Maximum grundrechtlicher Gewährleistungsgehalte umfasst. Vorliegend soll jedoch gerade im Gegensatz dazu begründet werden, dass Art. 2 Abs. 1 GG gerade nicht jedes menschliche Verhalten schützt – nämlich kein Recht auf Einreise –, um daraus wieder den Schluss ziehen zu können, dass auch andere Grundrechte kein Recht auf Einreise gewähren können. Wird allerdings eine bestimmte Verhaltensweise aus dem Schutzbereich des Art. 2 Abs. 1 GG ausgeklammert, wird der Feststellung, dass Art. 2 Abs. 1 GG den maximalen grundrechtlichen Gewährleistungsgehalt beschreibt, zumindest im Hinblick auf diese ausgeklammerte Verhaltensweise die Grundlage entzogen. Dass selbst Art. 2 Abs. 1 GG kein Recht auf Einreise beinhaltet, kann damit nicht zur Begründung einer grundsätzlichen Geschlossenheit der Staatsgrenzen herangezogen werden. Eine anderweitige Begründung einer grundsätzlichen rechtlichen Geschlossenheit der Staatsgrenzen ist nicht ersichtlich.493 weise „thematisch“ von einem besonderen Grundrecht erfasst, ihr der grundrechtliche Schutz jedoch vorenthalten wird („negative[…] Spezialität“), Hillgruber, § 200, in: HStR IX, 3. Aufl. 2011, Rn. 41, 42 ff. Kritisch demgegenüber und diesen Ansatz ablehnend Arnauld, Die Freiheitsrechte und ihre Schranken (1999), S. 53 ff. Die negative Spezialität ist in diesem Zusammenhang allerdings nicht relevant. Das vorliegend untersuchte Argument geht gerade nicht davon aus, dass eine Verhaltensweise deswegen von Art. 2 Abs. 1 GG nicht umfasst sei, weil sie einem speziellen Freiheitsgrundrecht thematisch zwar zugeordnet, aber nicht von dessen Gewährleistungsgehalt umfasst sei. Vielmehr wird umgekehrt angesetzt. Es wird angenommen, eine Verhaltensweise könne nicht vom speziellen Freiheitsgrundrecht umfasst sein, weil sie schon von Art. 2 Abs. 1 GG nicht umfasst ist. Zu dem Argument, ein Recht auf Einreise könne von Art. 2 Abs. 1 GG nicht umfasst sein, weil dies nur für Deutsche (Art. 11 GG) und politisch Verfolgte (Art. 16a GG) geregelt sei s. o. 493  Die Äußerungen in BVerfGE 94, 166 (198 f.), wonach die Staatsgrenze „als Hindernis der freien Bewegung nach der allgemeinen Rechtsordnung vorgegeben“ sei, sind nicht als Begründung einer rechtlichen Geschlossenheit des Staatsgebiets anzusehen. In der Urteilspassage ging es vielmehr um die Auslegung des Schutzbereichs des Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG.

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C. Die Einordnung des asylgrundrechtlichen Gewährleistungsgehalts

Das Asylrecht muss folglich die grundsätzliche Geschlossenheit der Staatsgrenzen auch nicht aufheben.494 (b) Einräumung eines Rechtsstatus Einige Stimmen im Schrifttum nehmen an, das Asylrecht ziele darauf ab, politisch Verfolgten einen Rechtsstatus einzuräumen.495 (aa) Bundesverfassungsgericht Das Bundesverfassungsgericht äußert sich im Zusammenhang mit dem Asylrecht zum Status. Demzufolge könne das Asylrecht „als Status grundsätzlich erst nach Erwirkung des Anerkennungsaktes geltend gemacht werden.“496 Daraus wurde abgeleitet, das Bundesverfassungsgericht gehe davon aus, das Asylrecht des Art. 16a GG sei auf die Verleihung eines Rechtsstatus gerichtet.497 Das Gericht beschrieb allerdings nur die „geltende Gesetzeslage“,498 also das einfache Recht. Damit wurde keine Aussage darüber getroffen, ob Art. 16a Abs. 1 GG selbst fordert, dass ein Status verliehen wird. Vielmehr wurde an der in Bezug genommenen Stelle gerade geprüft, ob das Erfordernis einer Entscheidung über den asylrechtlichen „Status“ verfassungsrechtlichen Bedenken ausgesetzt ist. Dies wurde damit verneint, dass ein „dringendes Interesse der Rechtsordnung an einem den Status feststellenden Formalakt“ bestehe.499 Wäre die Verleihung eines Status der Inhalt der Asylrechtsgewährleistung, würde sich diese Frage gar nicht stellen. Die Äußerung des Gerichts spricht damit gerade gegen die Annahme, das Asylgrundrecht fordere die Verleihung eines Status.500

494  Gärditz, Art. 16a, in: Maunz/Dürig, GG, 84. Aufl. August 2018, Rn. 185, demzufolge „die ‚Zulassung des Fremden zur deutschen Rechtsordnung‘ […] keine eigentliche Leistung“ sei. „Der Anwendungsbereich der Rechtsordnung“ hänge nicht von einem „spezifischen Zulassungsakt“ ab, sondern folge aus der „Faktizität der Anwesenheit auf deutschem Staatsgebiet“ [im Original z. T. hervorgehoben]. 495  S. o. zu den Nachweisen Teil C. II. 2. a) (1), Fn. 481. 496  BVerfGE 60, 253 (295). 497  Fröhlich, Das Asylrecht im Rahmen des Unionsrechts (2011), S. 51. 498  BVerfGE 60, 253 (295). 499  BVerfGE 60, 253 (295). 500  So offenbar auch Ipsen, Grundrechte (2017), 20. Aufl., Rn. 1005, der seine Auffassung, Art. 16a Abs. 1 GG sei auf die Einräumung eines Rechtsstatus gerichtet, „im Gegensatz“ zum BVerfG begründet.



II. Einordnung des asylgrundrechtlichen Gewährleistungsgehalts143

(bb) Keine Anknüpfung an Hannah Arendt Fröhlich verbindet die Auffassung, derzufolge das Asylrecht auf Einräumung eines Status gerichtet sei, mit einem von Hannah Arendt entwickelten Gedanken. Demnach bestehe das Dilemma des Flüchtlings darin, dass dieser mit seiner Heimat zugleich seinen Status verloren habe und sich nun der Schwierigkeit ausgesetzt sehe, eine Zuordnung zu einem fremden Staat zu finden. Dies sei nun die Aufgabe des Asylrechts.501 Die Berufung auf Hannah Arendt ist in diesem Zusammenhang jedoch nicht stichhaltig.502 Es handelt sich bei ihrem in Bezug genommenen Text503 um eine Analyse der gesellschaftlichen Lage in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, mit der die Rechts- und Schutzlosigkeit der Flüchtlinge und Staatenlosen dargelegt wurde. Der Grundrechtsschutz als ganzer und der Grundrechtsschutz von Nicht-Staatsangehörigen hat seitdem eine deutliche Verbesserung erfahren.504 Insbesondere das Grundgesetz gewährt Menschen auch unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit – jedermann – gewisse Grundrechte. Flüchtlinge sind damit – zumindest in rechtlicher Hinsicht – bereits nicht mehr ohne Status im Arendt’schen Sinne.505 Dementsprechend muss nicht gefordert werden, dass die Bundesrepublik politisch Verfolgten gemäß Art. 16a Abs. 1 GG einen Status im Sinne einer positiven Leistung verleihen muss. Vielmehr verleiht die bloße Existenz des Art. 16a GG den politisch Verfolgten bereits einen solchen (rechtlichen) Status.506 Die Annahme, das Asylrecht regele ein Recht auf Verleihung eines Status, kann damit nicht mit Hannah Arendts Gedanken begründet werden. Das Asylrecht im Rahmen des Unionsrechts (2011), S. 51 f. der von Fröhlich (Fn. 501) in Bezug genommene Depenheuer, Zwischen staatlicher Souveränität und Menschenrecht, in: FS Brunner, 2001, S. 55, spricht lediglich von einer politischen Verpflichtung. Der ebenfalls in Bezug genommene Nath­wani, Int’l J. Refugee L. 2000, 354, S. 364, spricht ebenfalls nur davon, dass es Ziel [im Original: purpose] des Asylrechts sei, diejenigen zu schützen, die nicht durch ihre Heimatstaaten geschützt werden. Dabei wird keine Aussage darüber getroffen, ob das Asylrecht eine Statusverleihung erfordert. 503  Arendt, Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft (2003), 9. Aufl., S. 559 ff. 504  Die von Hannah Arendt in Bezug genommene Lage wurde – in rechtlicher Hinsicht – mittlerweile dadurch „überwunden“, dass das moderne Recht Menschen unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit einen gewissen Schutz gewährt, Groß, KJ 2001, 100, S. 110, in Bezug auf Völker- und Europarecht. 505  Vgl. nochmals Groß, KJ 2001, 100, S. 110 (s. nochmals Fn. 504). 506  Vgl. dazu Siehr, Die Deutschenrechte (2001), S. 142 ff, insbesondere S. 146, welche im Zusammenhang mit Arendts Kritik an der Schließung der Menschenrechte gegenüber Menschen außerhalb der Staatsgrenzen in Art. 16a GG eine „ausnahmsweise gegebene verfassungskräftige Öffnung der innerstaatlichen Ordnung nach außen“ erkennt. 501  Fröhlich, 502  Auch

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C. Die Einordnung des asylgrundrechtlichen Gewährleistungsgehalts

(cc) „ Status“ als Summe aller den Asylberechtigten treffenden Rechte und Pflichten Im Übrigen wird zwar im Zusammenhang mit dem Asylrecht oft von einem „Status“ gesprochen.507 Teilweise ist auch von einem „negative[n] Statusrecht“ die Rede.508 Dem folgen jedoch zumeist keinerlei Aussagen oder Erläuterungen darüber, ob mit diesem Status ein noch zu verleihender Status im technischen Sinne gemeint ist oder lediglich die Rechtsstellung Asylberechtigter nach dem deutschen Recht im Sinne der Summe aller den Asylberechtigten zustehenden (einfachgesetzlichen und verfassungsrechtlichen) Rechte und Pflichten in Abgrenzung zu der Rechtsstellung nicht politisch verfolgter Personengruppen beschrieben werden soll.509 Der bloßen Bezeichnung des Asylrechts als ‚Statusrecht‘ im Schrifttum kann mithin nicht entnommen werden, dass dies im Sinne eines positiv zu verleihenden Status gemeint ist. (dd) D  ogmatische Widersprüche der Forderung nach einer positiven Statusverleihung Schließlich führt das Verständnis des Asylrechts als leistungsrechtlich zu verstehendes positives Statusrecht zu dogmatischen Widersprüchen. Dies gilt unabhängig davon, ob dieser Status in einem konstitutiven oder deklaratorischen Anerkennungsverfahren festgestellt wird.510 Würde der Asylstatus im Rahmen eines konstitutiven Anerkennungsverfahrens festgestellt,511 könnte bis zum Abschluss des Verfahrens kein Ab507  Grabherr, NVwZ 1989, 38, S. 38; Isensee, § 115, in: HStR V, 2. Aufl. 2000, Rn. 91; Arnauld, Art. 16a, in: Münch/Kunig, GG, 6. Aufl. 2012, Rn. 26; Bierwirth, ZAR 1987, 64, S. 68; Selk, ZAR 1994, 59, S. 61, spricht von verfahrensrechtlichem Status; Hufen, Grundrechte (2018), 7. Aufl., § 20, Rn. 14, der den Abwehrcharakter des Asylrechts feststellt und erkennt, dass das Asylrecht vor Eingriffen in „den besonderen Status politisch Verfolgter“ schützt. 508  Fritz, § 9 AsylVfG, in: AsylVfG, 1983, Rn. 11; vgl. auch Pollern, Das moderne Asylrecht (1980), S. 295. 509  Vgl. Gusy, Asylrecht und Asylverfahren (1979), S. 19, 12; vgl. Bierwirth, ZAR 1987, 64, S. 68, wonach es sich beim Asylrecht im Kern um ein Abwehrrecht handele demgemäß Auslieferung und Abschiebung untersagt seien. Erst als Gegenstück dazu folge ein gesicherter aufenthaltsrechtlicher „Status“. Mit Status ist folglich offenbar die Summe der der asylberechtigten Person zustehenden Rechte gemeint. 510  Dazu Rottmann, Der Staat 1984, 337, S. 358–360. 511  So z. B. Will, Art. 16a, in: Sachs, GG, 8. Aufl. 2018, Rn. 11 bzw. 49, der von einem „gleichsam konstitutiven Anerkennungsakt“ bzw. einem konstitutiven, rechtsgestaltenden Verwaltungsakt spricht; so auch Bonk, Art. 16a, in: Sachs, GG, 1996, Rn. 3, 10; ebenfalls von einer gleichsam konstitutiven Wirkung sprechend BVerfGE



II. Einordnung des asylgrundrechtlichen Gewährleistungsgehalts145

schiebungsschutz bestehen.512 Das den Abschiebungsschutz begründende Asylrecht würde erst durch den Anerkennungsakt konstituiert. Vor Erlass des Anerkennungsaktes bestünde folglich kein Asylrecht. Die politisch verfolgte Person könnte in ihren Verfolgerstaat abgeschoben werden, ohne dass dies an Art. 16a Abs. 1 GG zu messen wäre. Das Asylrecht würde „leer­ laufen“.513 Dieser Widerspruch könnte nun dadurch aufgelöst werden, dass dem Asylrecht sogenannte Vorwirkungen zugeschrieben werden, wonach aufenthaltsbeendende Maßnahmen vor Abschluss des rechtskräftigen Verfahrens verboten seien.514 Damit wird der Widerspruch allerdings nicht aufgelöst, sondern lediglich bestätigt. Die Vorwirkungskonstruktion behauptet eine auf ein Recht bezogene Wirkung, obwohl das Recht noch gar nicht existiert. Eine 60, 253 (295); Theis, BayVBl. 1977, 651, S. 652: „Meines Erachtens wird das Asylrecht erst durch den hoheitlichen Anerkennungsakt konstitutiv erworben.“ Kanein, Ausländergesetz (1980), 3. Aufl., S. 254 zu § 34 AuslG, spricht von einem feststellenden Verwaltungsakt „mit konstitutiver Wirkung“; für ein konstitutives Verständnis offenbar auch Böckenförde, Ausländerrecht (1972), 2. Aufl., S. 54; offenbar ebenfalls für ein konstitutives Verständnis Merl, Das Asylrecht politisch Verfolgter (1968), S.  153 f., 164; Marxen, Deutsches Ausländerrecht (1967), § 28 AuslG, Rn. 8; fälschlicherweise wurde Zink, Asylrecht (1962), S. 200 ff., als Vertreter einer konstitutiven Wirkung eingeordnet. Dabei beziehen sich seine Äußerungen allerdings auf die Anerkennung des GFK-Status gem. der damaligen AsylVO (BGBl. I, 9. Januar 1953, S. 3). 512  Selk, Asylrecht und Verfassung (1990), S. 32; Denninger/Rachor, ZAR 1988, 51, S. 53. 513  Rottmann, Der Staat 1984, 337, S. 359; Gusy, Asylrecht und Asylverfahren (1979), S. 262, wonach die Regelung eines konstitutiven Asylverfahrens für Grundrechte einen Verstoß gegen die Verfassung (Art. 20 Abs. 3 und Art. 1 Abs. 3 GG) darstellen würde. 514  So das Konstrukt z. B. von Theis, BayVBl. 1977, 651, S. 652; BVerwG, NVwZ 1988, 737, S. 739 f., demzufolge das Asylgrundrecht erst nach „Erwirkung des Anerkennungsaktes geltend“ gemacht werden könne. Bis dahin bestehe „keine der materiellen Rechtslage entsprechende Rechtsposition.“ Die betroffene Person habe lediglich ein „vorläufiges Bleiberecht.“ S. z. B. auch Gärditz, Art. 16a, in: Maunz/Dürig, GG, 84. Aufl. August 2018, Rn. 342, der einerseits ein konstitutives Verständnis vertritt (Rn. 328 f.), andererseits aber vom Bedürfnis eines vorübergehenden Schutzes spricht, um den grundrechtlichen Anspruch nicht zu vereiteln; so offenbar auch: Merl, Das Asylrecht politisch Verfolgter (1968), S. 164; Maaßen, Art. 16a, in: BeckOK GG, 39. Aufl. 15.11.2018, Rn. 51, sowie Bonk, Art. 16a, in: Sachs, GG, 1996, Rn. 3, 10. So offenbar auch Gusy, Jura 1993, 505, S. 506, demnach das vorläufige Aufenthaltsrecht noch nicht das Asylrecht sei, da die Berechtigung noch nicht festgestellt ist. Zu den aus dem Asylrecht abzuleitenden Vorwirkungen s. auch Kreßel, DÖV 1988, 501, S. 505, demzufolge wegen der langen Dauer der Anerkennungsverfahren beim Bundesamt der betroffenen Person ein Vorwirkungsrecht eingeräumt werden müsse. Demzufolge dürften auch Asylbewerber in die Bundesrepublik einreisen und sich dort aufhalten.

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C. Die Einordnung des asylgrundrechtlichen Gewährleistungsgehalts

Vorwirkung, die ein vorläufiges Einreise- bzw. Bleiberecht gewährt, stellt damit letztendlich nichts anderes dar als ein schon vor dem Anerkennungsakt bestehendes Asylrecht.515 Wenn aber das Asylgrundrecht schon vor Erlass des Anerkennungsaktes Wirkung entfalten soll, kann dieser Anerkennungsakt nicht konstitutiv sein. Ein konstitutives Verständnis des Anerkennungsaktes schließt die Möglichkeit von Vorwirkungen des Rechts begriffslogisch gerade aus. Wer ein konstitutives Verständnis des Anerkennungsaktes vertritt, muss konsequenterweise in Kauf nehmen, dass das Asylrecht leerläuft. Würde das Asylrecht erst durch den Anerkennungsakt konstituiert, könnte die Bundesrepublik ihre asylgrundrechtliche Bindung durch das bloße Unterlassen eines Anerkennungsverfahrens oder eine gezielte Abschiebung vor Abschluss des Verfahrens verhindern. Dass im Grundgesetz ein Grundrecht geregelt werden sollte, das seiner Konstruktion nach leerläuft, ist jedoch nicht anzunehmen. Ein konstitutives Verständnis vom Asylrechtsanerkennungsakt kann damit nicht widerspruchsfrei vertreten werden.516 Damit bleibt nur die Alternative, den Anerkennungsakt deklaratorisch zu verstehen. Sieht man das Anerkennungsverfahren allerdings als rein deklaratorisches Verfahren,517 kann nicht mehr von einem Verleihungsakt im originär-leistungsrechtlichen Sinne die Rede sein. Demnach bestünde der Status mit all den daraus abzuleitenden Rechten bereits gemäß Art. 16a Abs. 1 GG und gerade nicht erst infolge des Verleihungsaktes.518 Der Anerkennungsakt würde das bereits bestehende Recht lediglich – deklaratorisch – bestätigen. 515  Vielmehr beschreibt der Begriff „Vorwirkungen“ allein ein verfahrensrechtliches Phänomen, bei dem einer Person das begehrte Recht vorläufig schon vor der Feststellung der Berechtigung gewährt wird, um irreparable Schäden zu vermeiden. S. dazu im Einzelnen unten insbesondere Teil F. I. 3. S. auch Gärditz, Art. 16a, in: Maunz/Dürig, GG, 84. Aufl. August 2018, Rn. 185, demzufolge es sich bei dem „vorübergehenden Anspruch auf Aufenthalt zur Durchführung eines Asylverfahrens“ um „die bloße aufenthaltsrechtliche Sekundärfolge des Abwehranspruchs“ handele; Dutta, Luftverkehr und Asylrecht (1997), S. 53, beschreibt es als „Kehrseite“ des Zurückweisungs- und Abschiebungsschutzes. 516  Gegen ein konstitutives Verständnis des Anerkennungsakts auch Renner, NVwZ 1983, 649, S. 653; Gusy, Asylrecht und Asylverfahren (1979), S. 262. 517  So z. B. Arnauld, Art. 16a, in: Münch/Kunig, GG, 6. Aufl. 2012, Rn. 25  f., demzufolge das deklaratorische Anerkennungsverfahren lediglich auf Prüfung der Voraussetzungen und nicht auf Zuerkennung gerichtet sei. Das Asylrecht sei jedoch auf eine Leistung (die Gewährung von Zuflucht) gerichtet; so auch Masing, Art. 16a, in: Dreier, GG, 2. Aufl. 2004, Rn. 91 f., der die Zulassungsentscheidung zwar als Leistung einordnet, den Anerkennungsakt allerdings als deklaratorisch ansieht; vgl Ossenbühl, Grundrechtsschutz im und durch Verfahrensrecht, in: FS Eichenberger, 1982, S. 185. 518  Bierwirth, ZAR 1987, 64, S. 68, demzufolge das Recht auf Asyl unmittelbar aus Art. 16 GG a. F. folge, weswegen die Anerkennung nur „deklaratorische, nie aber konstitutive“ Wirkung habe; so auch Pollern, Das moderne Asylrecht (1980), S. 291.



II. Einordnung des asylgrundrechtlichen Gewährleistungsgehalts147

Die Annahme eines deklaratorischen Anerkennungsverfahrens spräche damit gerade für eine abwehrrechtliche Konzeption des Asylrechts.519 (c) Zwischenergebnis Die Auffassungen, die den Gewährleistungsgehalt des Rechts auf Asyl primär in einem staatlichen Verleihungsakt sehen, können insgesamt nicht überzeugen.520 Das Asylgrundrecht ist weder auf eine positive Aufnahme in die Bundesrepublik noch auf eine positive Einräumung eines Rechtsstatus gerichtet. (2) Asylrecht als Schutzrecht Teilweise wird in der Literatur vertreten, bei dem Asylgrundrecht handele es sich um ein (ausnahmsweise) positiviertes Schutzrecht.521 Die den Grundrechten grundsätzlich zugrunde liegende schutzrechtliche Dimension, welche 519  Selk, Asylrecht und Verfassung (1990), S. 32; Lübbe-Wolff, Art. 16a, in: Dreier, GG, 1996, Rn. 53, die das Asylgrundrecht als Abwehrrecht einordnet und daraus folgert, dass die behördliche Anerkennung der Asylberechtigung deklaratorischen Charakter habe; s. auch Hufen, Grundrechte (2018), 7. Aufl., § 20, Rn. 14, der das Asylrecht ebenfalls abwehrrechtlich versteht und die Anerkennung deklaratorisch einordnet; Bierwirth, ZAR 1987, 64, S. 68. 520  So auch Renner, NVwZ 1983, 649, S. 653; Renner, ZAR 1993, 118, S. 119; Sachs, Grundrechte (2017), 3. Aufl., S. 619, Rn. 4, wonach die Auffassung von Zulassung und Duldung als Leistungen gegenüber der abwehrrechtlichen Konstruktion keinen qualitativen Unterschied erkennen lasse; Hufen, Grundrechte (2018), 7. Aufl., § 20, Rn. 14, demzufolge die Anerkennung keine staatliche Leistung, sondern lediglich Bestätigung sei. 521  Dietlein, Die Lehre von den grundrechtlichen Schutzpflichten (2005), 2. Aufl., S. 31, 120; Mrozek, Grenzschutz als supranationale Aufgabe (2013), S. 115; Robbers, Sicherheit als Menschenrecht (1987), S. 186, spricht von einem „benannten subjektiven Recht[…] auf Schutz“; Krings, Grund und Grenzen grundrechtlicher Schutzansprüche (2003), S. 146 f., spricht von einer expliziten Schutzpflicht, gibt allerdings auch zu, dass das Asylrecht „abwehr- und leistungsrechtliche[…] Züge“ habe. Eine „besondere Spielart des Auslandsschutzes vor staatlichen Maßnahmen“ heißt es auf S. 201; auch Yousif, Die Extraterritoriale Geltung der Grundrechte (2007), S. 157, geht offenbar von der Einordnung des Asyrechts als Schutzrecht aus; vgl. Gerbig, Grundrecht auf staatlichen Schutz (2014), S. 37, die von einer grundrechtlichen Bestimmung „mit positivem Gehalt“ spricht. Zudem könne die staatliche Pflicht zur Asylgewährung „als besondere Schutzpflicht“ verstanden werden. Ob sie als solche zu verstehen ist, bleibt indes offen; vgl. Isensee, Das Grundrecht auf Sicherheit, Schriftenreihe der Juristischen Gesellschaft e. V. Berlin (1983), Heft 79, S. 30 f., welcher die Einordnung als Schutzrecht nur ablehnt, weil die Gefahr von einem fremden Staat und nicht einem privaten Dritten ausgeht. Allerdings erkennt er eine „analoge Problematik“.

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C. Die Einordnung des asylgrundrechtlichen Gewährleistungsgehalts

auf die Vornahme positiver Handlungen durch die Bundesrepublik gerichtet ist, würde damit zum Hauptgewährleistungsgehalt hochgestuft. Damit könnte das Asylrecht als Leistungsrecht einzustufen sein. Fraglich ist, ob diese Einordnung des Asylrechts als (ausnahmsweise) positiviertes Schutzrecht überzeugen kann. (a) Strukturelle Parallele zwischen Asylrecht und Schutzrechten? Auf den ersten Blick unterscheidet sich das Asylrecht im Hinblick auf die ihm zugrunde liegende Gefahrenlage grundlegend von den üblicherweise als Abwehrrechte eingeordneten Grundrechten. Abwehrrechte sind auf Abwehr von Eingriffen durch den Staat gerichtet. Dem Asylrecht liegt hingegen immer ein Dreiecks-Verhältnis zugrunde. An den drei Ecken stehen die verfolgte Person als Rechtsinhaberin, die Bundesrepublik als durch das Recht Verpflichtete und der Verfolger, von dem die Gefahr für den Rechtsinhaber ausgeht.522 Die Beeinträchtigung der Freiheit – die politische Verfolgung – geht also nicht von der Bundesrepublik selbst, sondern von einem Dritten aus. Nur ein Unterlassen des Verfolgers und eben nicht der Bundesrepublik würde etwas an der politischen Verfolgung ändern. Die Bundesrepublik kann an der politischen Verfolgung der Person nur durch positive Handlungen etwas ändern, z. B. durch – bildlich gesprochen – Entreißen einer Person aus den Händen des Verfolgers oder durch Maßnahmen gegen den Verfolger, die die Verfolgung selbst stoppen. Die dem Asylrecht zugrunde liegende Situation ähnelt damit auf den ersten Blick eher den grundrechtlich verbürgten Schutzrechten als den Abwehrrechten. Demnach könnte man zu dem Schluss kommen, das Asylrecht sei ein positiviertes Schutzrecht, das grundsätzlich das Ergreifen schützender Maßnahmen, das heißt positiver Handlungen, erfordert. Das Asylrecht könnte dementsprechend als originäres Leistungsrecht in Form eines positivierten Schutzrechts einzuordnen sein. (b) Fehlende Begründung asylrechtlich gewährleisteter Schutzmittel Die Einordnung des Asylgrundrechts als ausnahmsweise positiviertes Schutzrecht kann nur dann überzeugen, wenn aus Art. 16a GG Verpflichtungen zu positiven (Schutz)Handlungen abgeleitet werden könnten. Grundrechtliche Schutzrechte sind auf die Verhinderung oder Beendigung der jeweiligen Gefahr gerichtet. Dies kann entweder bedeuten, dass die Bundesre522  Diese dem Asylrecht zugrunde liegende Dreieckskonstellation liegt jedenfalls der Einordnung des Asylrechts als Schutzrecht von Krings, Grund und Grenzen grundrechtlicher Schutzansprüche (2003), S. 146 f., zugrunde.



II. Einordnung des asylgrundrechtlichen Gewährleistungsgehalts149

publik gegen den Störer vorgehen muss oder dass sie dem zu Schützenden Hilfestellungen geben muss, um ihn in die Lage zu versetzen, sich selbst zu schützen.523 Es müsste also erläutert werden, inwiefern das Asylrecht derartige Schutzmittel gewährleistet. Denjenigen zufolge, die das Asylrecht als Schutzrecht einordnen, ist das Asylrecht auf die Gewährleistung von „Schutz“ gegenüber dem jeweiligen Verfolgerstaat gerichtet.524 Was genau aber ist der Inhalt dieses „Schutzes“ und stellt sich dieser als „Schutzmittel“ im Sinne der schutzrechtlichen Dimension der Grundrechte dar? Nur dann könnte das Asylrecht als positiviertes Schutzrecht und damit als Leistungsrecht eingeordnet werden. (aa) Keine Pflicht zum Vorgehen gegen den Verfolgerstaat Die erste Handlungsalternative würde bedeuten, dass die Bundesrepublik gegen den verfolgenden fremden Staat (den Störer) vorgehen müsste, um die Verfolgung zu beenden. Das hieße, die Bundesrepublik müsste für jede einzelne schutzsuchende Person den jeweiligen Herkunftsstaat kontaktieren und ggf. gegen diesen vorgehen, um die Verfolgung zu beenden. Es ist kein Anhaltspunkt dafür ersichtlich, dass mit Art. 16a Abs. 1 GG ein solcher Anspruch auf Vorgehen gegen den Verfolgerstaat eingeräumt werden sollte. Das Anstrengen diplomatischer Beziehungen kann zwar unter Umständen politisch angezeigt sein. Ein subjektivrechtlicher, grundrechtlicher Anspruch auf ein solches Verhalten erscheint jedoch mehr als abwegig. Dies wird auch – soweit ersichtlich – von niemandem vertreten.525 (bb) Keine geschuldete Hilfestellung bei der Flucht Damit bleibt allein die Handlungsalternative in Form einer Hilfestellung für die Betroffenen, sich selbst vor der politischen Verfolgung zu schützen. Wie aber kann bzw. soll eine solche Hilfestellung aussehen? Mit welchen Mitteln könnte die Bundesrepublik einer politisch verfolgten Person helfen, sich vor Verfolgung zu schützen? Ziel der Maßnahme müsste die Sicherheit der Person vor der politischen Verfolgung sein. Die Person müsste also an einem sicheren Ort ankommen können. Dieser Ort wäre z. B. das Staatsgebiet der Bundesrepublik. Muss die Bundesrepublik den Betroffenen also bei Das Grundrecht auf Schutz von Leben und Gesundheit (1987), S. 38 f. Sicherheit als Menschenrecht (1987), S. 186; Dietlein, Die Lehre von den grundrechtlichen Schutzpflichten (2005), 2. Aufl., S. 31. 525  Dagegen ausdrücklich Franz, Das Asylrecht der politisch verfolgten Fremden (1961), S. 59. 523  Hermes,

524  Robbers,

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C. Die Einordnung des asylgrundrechtlichen Gewährleistungsgehalts

der Flucht nach Deutschland helfen, also z. B. einen Flug organisieren? Eine so weitreichende Hilfestellung kann aus Art. 16a GG nicht abgeleitet werden. Dies wird ebenfalls – soweit ersichtlich – von niemandem vertreten.526 (cc) Einreisenlassen als Schutzmittel? Schließlich könnte das Einreisenlassen in die Bundesrepublik und anschließendes Nichtabschieben als ‚Hilfestellung‘ für die Betroffenen angesehen werden.527 Immerhin sind sie im Staatsgebiet sicher vor der politischen Verfolgung. Wie an anderer Stelle bereits gezeigt, konnte eine Einordnung dieser Handlungen als positive Verleihungsakte allerdings nicht überzeugen.528 Beim Einreisenlassen bzw. Nicht-Abschieben handelt es sich vielmehr um die Unterlassung von einreisebehindernden bzw. aufenthaltsbe­ endenden Maßnahmen.529 (dd) Menschenwürdiges Dasein als Schutzmittel? Soweit die Gewährleistung eines menschenwürdigen Daseins in der Bundesrepublik als Schutzmittel angesehen würde, wurde diesbezüglich bereits dargelegt, dass es sich nicht um eine Gewährleistung des Art. 16a GG, sondern des Art. 1 GG handelt.530 Bei den letztgenannten Mitteln kann deshalb nicht von Schutzmitteln im schutz- bzw. leistungsrechtlichen Sinne gesprochen werden. (c) Zwischenergebnis Das Asylrecht ist nicht auf die Vornahme von Schutzhandlungen im Sinne der schutzrechtlichen Dimension der Grundrechte gerichtet. Die Annahme, das Asylrecht sei eine ausnahmsweise positivierte Schutzpflicht, ist damit 526  Explizit gegen eine Verpflichtung zur „aktive[n] Fluchthilfe“ Lübbe-Wolff, Art. 16a, in: Dreier, GG, 1996, Rn. 55. 527  Dietlein, Die Lehre von den grundrechtlichen Schutzpflichten (2005), 2. Aufl., S. 31, sieht als asylgrundrechtlich gewährleistetes Schutzmittel die Asylgewährung in Form des Zurückweisungs- und (Ketten)Abschiebungsverbots an. 528  S. o. Teil C. II. 2. a) (1). 529  Franz, Das Asylrecht der politisch verfolgten Fremden (1961), S. 58. Ebenfalls für die Einordnung von Auslieferung, Ausweisung und Abschiebung als aktives Tun Szczekalla, Die sogenannten grundrechtlichen Schutzpflichten (2002), S. 442, demzufolge ein Abwehrrecht vorliege und die Schutzpflicht nicht einschlägig sei. 530  S. o. Teil C. II. 1.



II. Einordnung des asylgrundrechtlichen Gewährleistungsgehalts151

abzulehnen.531 Das Asylrecht stellt damit kein originäres Leistungsrecht in Form eines ausnahmsweise positivierten Schutzrechts dar. b) Das Asylgrundrecht als Abwehrrecht – Die Flucht vor politischer Verfolgung als natürliche Freiheit Nun sollen aber nicht lediglich die Argumente für die Einordnung als originäres Leistungsrecht abgelehnt werden. Vielmehr soll die Einordnung des Asylgrundrechts als Abwehrrecht auch positiv begründet werden. Dafür muss dargelegt werden, dass die dem Asylrecht zugrunde liegende, natürliche Freiheit von der Bundesrepublik primär ein Unterlassen fordert. So wird behauptet, das Asylrecht sei ein originäres Leistungsrecht, da es ihm an einer dem Staat zurechenbaren Ingerenz fehle.532 Was aber soll nun die dem Asylrecht zugrunde liegende Freiheit sein und wie ist diese zu bewerten? An dieser Stelle soll ein Verständnis des Asylrechts vertreten werden, bei dem der verbreitete Fokus auf das „Asyl“, also den letztendlich angestrebten Schutz, umgelenkt werden soll auf den diesem Schutzziel zugrunde liegenden Lebenssachverhalt. So liegt dem Asylrecht durchaus ein physisch greifbarer Sachverhalt, eine menschliche Verhaltensweise, zugrunde: Die Flucht einer Person in die Bundesrepublik Deutschland.533 Die Flucht ist eine ‚natürliche‘ Reaktion des Menschen auf eine Gefahrensituation. Sie kann beispielsweise als Verlassen eines Ortes oder Ausweichen aus einer unangenehmen Lebenssituation beschrieben werden.534 Es handelt sich um einen Vorgang, eine menschliche Verhaltensweise, welche man im realen Leben erkennen kann. Der Flucht an sich können dabei nahezu unendlich viele verschiedene Gefahrensituationen vorausgehen, z. B. eine Naturgewalt in Form von Überflutung oder Brand oder der Angriff eines Tieres oder 531  So im Ergebnis auch Cremer, Freiheitsgrundrechte (2003), S. 404, demzufolge es sich beim Asylrecht nicht um eine „bereichsspezifische Positivierung der grundrechtlichen Schutzfunktion“ handele, „weil die Gefährdung nicht von privaten Dritten, sondern von fremden Staaten [ausgehe]“. 532  Cremer, Freiheitsgrundrechte (2003), S. 68, Fn. 293. 533  Ähnlich wird das Asylrecht verstanden von: Lübbe-Wolff, Art. 16a, in: Dreier, GG, 1996, Rn. 53, welche von einer von Art. 16a Abs. 1 GG gewährleisteten „Aufenthaltsnahme“ spricht, die als „klassische Freiheitsausübung“ anzusehen sei; Sachs, Grundrechte (2017), 3. Aufl., S. 619, Rn. 6, beschreibt den Schutzgegenstand des Asylrechts als die tatsächliche Möglichkeit zum Aufenthalt im Inland; Gusy, Jura 1993, 505, S. 506, beschreibt das Asylrecht als Recht in die Bundesrepublik einzureisen und sich darin aufzuhalten, „um vor Verfolgung geschützt zu sein“ [im Original hervorgehoben]; vgl. Sachs, Das Auslieferungsverbot und das Asylrecht, in: Staatsrecht IV/1, 2006, S. 828; vgl. Hufen, Grundrechte (2018), 7. Aufl., § 20, Rn. 14, der das Asylrecht als vorstaatliches Menschenrecht beschreibt. 534  Duden, Band 3, „Flucht“ (1993).

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C. Die Einordnung des asylgrundrechtlichen Gewährleistungsgehalts

eines anderen Menschen. Es handelt sich jeweils um Situationen, in denen ein Mensch seinen aktuellen (räumlichen) Aufenthaltsort verlässt, um vor einer Gefahr Sicherheit zu erlangen. Dass es einer Person zunächst einmal möglich ist, sich selbst – ohne staatliche Hilfe – durch Flucht einer Gefahr und insbesondere einer politischen Verfolgung zu entziehen, zeigen die ak­ tuell 68,5 Millionen Menschen, die weltweit auf der Flucht sind – davon 3,1 Millionen Asylsuchende.535 Das Asylrecht des Art. 16a Abs. 1 GG hat dabei die Flucht vor einer bestimmten Gefahr, der politischen Verfolgung, für grundrechtlich besonders schützenswert anerkannt. Die dem Asylrecht zugrunde liegende natürliche Freiheit ist damit die Freiheit zur Flucht vor politischer Verfolgung. Nun könnte moniert werden, dass eine politische Verfolgung doch nur eine staatliche sein könne und das Asylrecht deswegen definitionsgemäß schon nicht vorstaatlich sein könne. Die politische Verfolgung als Voraussetzung für eine Berechtigung nach Art. 16a GG ist allerdings von der asylgrundrechtlich geschützten Verhaltensweise der Flucht zu unterscheiden. Während eine politische Verfolgung nach Art. 16a GG nur eine staatliche sein kann536 und dementsprechend die Existenz eines (Verfolger)Staates voraussetzt, handelt es sich bei der Flucht um eine Form der Fortbewegung und damit um eine natürliche Verhaltensweise, die auch ohne staatliche Konstitution ausgeübt werden kann. Die Fortbewegung als natürliche Verhaltensweise ist von ihren Motiven (Flucht vor politischer Verfolgung) zu unterscheiden. Diese Deutung des Asylrechts findet ihren normativen Anknüpfungspunkt unmittelbar in Art. 16a Abs. 1 GG. Dass dem Asylrecht gemäß Art. 16a Abs. 1 GG die Flucht einer politisch verfolgten Person nach Deutschland zugrunde liegt, ist eine seiner selbstverständlichen Prämissen.537 Flucht ist die typische Folge von politischer Verfolgung. Asyl für politisch Verfolgte funktioniert nur über eine Flucht. Die Flucht ist das Bindeglied zwischen politischer Verfolgung und Asyl im Zufluchtsland.538 Dies wird in der Rechtsprechung von Bundesverfassungs- und -verwaltungsgericht besonders deutlich hervorgehoben, wenn postuliert wird, das Asylrecht des Grundgesetzes 535  Die Zahlen beziehen sich auf das Jahr 2017, UNHCR, Forced Displacement in 2018, S. 2, www.unhcr.org/5b27be547 (20.06.2018), letzter Zugriff am 20.06.2018. 536  S. o. Teil B. IV. 1. c) (2) (a) (aa) (b), Fn. 373. 537  S. nur Sachs, Das Auslieferungsverbot und das Asylrecht, in: Staatsrecht IV/1, 2006, S. 828, demzufolge sich die Verfolgung aus „Sicht der Verfolgten […] als eine Situation der Flucht vor gezielten Eingriffen [darstelle]“ [im Original teilweise hervorgehoben]. 538  Das soll nicht heißen, dass eine Person, die nicht flieht, auch nicht politisch verfolgt sein kann. Ob das Antreten der Flucht Tatbestandsvoraussetzung des Asylrechts ist, ist eine andere Frage, auf die weiter unten bei der Auslegung des Art. 16a GG einzugehen sein wird (Teil D. I. 2.).



II. Einordnung des asylgrundrechtlichen Gewährleistungsgehalts153

basiere auf dem „Zufluchtgedanken“.539 Die Gerichte stellen fest, dass die Flucht der betroffenen Personen in einem zeitlichen und kausalen Zusammenhang zu den jeweiligen Verfolgungshandlungen stehen muss.540 Die an dieser Rechtsprechung geäußerte Kritik im Schrifttum bezieht sich dabei nicht auf den dem Asylrecht zugrunde liegenden postulierten Zufluchtgedanken selbst, sondern nur auf das Erfordernis eines Zusammenhangs zwischen Flucht und Verfolgungshandlung, da so ein Teil der politisch Verfolgten von der Asylrechtsgewährung ausgeschlossen würde.541 Auch den Diskussionen des Parlamentarischen Rats ist zu entnehmen, dass die Flucht politisch Verfolgter der Lebenssachverhalt ist, der dem Asylrecht zugrunde liegt.542 Dies wird besonders deutlich in einer Äußerung von Wagner zu der Frage, ob Asyl nur Deutschen gewährt werden sollte: „Das Asylrecht setzt voraus – das gehört begrifflich überhaupt dazu –, daß es sich nicht um einen Angehörigen der eigenen Nation dreht. Deswegen sucht er ja bei uns Asyl, Zuflucht. Dieser Begriff der Zuflucht heißt doch: Er kommt aus einem anderen Land geflüchtet und sucht bei uns Schutz und Unterkunft. Das ist doch der natürliche Begriff des Asyls und der Zuflucht.“543

Dass dem Asyl die Flucht einer politisch verfolgten Person vorausgeht, geht auch aus seiner anschließenden Stellungnahme hervor: „Wir wollen in diesem Grundrecht in Absatz 2 sagen: Der politisch Verfolgte kann zu uns kommen, er wird von uns beschützt, er hat Asyl.“544

539  BVerfGE 80, 315 (344) [Hervorhebung im Original]; BVerwGE 85, 139 (140); BVerwGE 87, 52 (53); s. auch Will, Art. 16a, in: Sachs, GG, 8. Aufl. 2018, Rn. 1. 540  BVerfGE 74, 51 (57 ff.); BVerwGE 85, 139 (140); BVerwGE 77, 258 (260). 541  Ausgeschlossen seien damit z. B. Personen, die bereits geflohen sind, deren politische Verfolgung jedoch erst nach ihrer Flucht begonnen hat. Verlangte man nun einen Zusammenhang zwischen Flucht und politischer Verfolgung, würde das Asylrecht diese Personen nicht schützen, obwohl sie im Heimatstaat politische Verfolgung erwarten würde, Masing, Art. 16a, in: Dreier, GG, 2. Aufl. 2004, Rn. 68. Kritisch gegenüber den vom BVerfG geäußerten historischen und teleologischen Argumenten Lübbe-Wolff, Art. 16a, in: Dreier, GG, 1996, Rn. 31. 542  Siehe z. B. nur Kreuzberg/Wahrendorf, Grundrecht auf Asyl (1992), 2. Aufl., S. 46 f., wo in einem Gegenvorschlag des Allgemeinen Redaktionsausschusses die Rede von einem Ausländer ist, der „in das Bundesgebiet geflüchtet“ ist. 543  Kreuzberg/Wahrendorf, Grundrecht auf Asyl (1992), 2. Aufl., S. 51. 544  Kreuzberg/Wahrendorf, Grundrecht auf Asyl (1992), 2. Aufl., S. 52.

154

C. Die Einordnung des asylgrundrechtlichen Gewährleistungsgehalts

c) Zwischenergebnis Die dem Recht auf Asyl zugrunde liegende Freiheit ist die Freiheit zur Flucht vor politischer Verfolgung in die Bundesrepublik.545 Diese fordert von der Bundesrepublik primär ein Unterlassen von Beeinträchtigungen dieser Freiheit. Gemeint sind damit insbesondere Ver- oder Behinderungen der Einreise in die Bundesrepublik sowie Abschiebungen. Nur ein abwehrrechtliches Verständnis des Asylrechts kann diese Verbote widerspruchsfrei erklären. Diese Feststellung wird dadurch bekräftigt, dass auch die Gegenposition trotz eines primär leistungsrechtlichen Verständnisses des Asylrechts teils anerkennt, dass jedenfalls die asylrechtlichen Kerngewährleistungen – Abschiebungs- und Zurückweisungsverbot – abwehrrechtlich einzustufen seien.546

III. Ergebnis Während die Rechte im Asyl nicht Teil des Gewährleistungsgehalts von Art. 16a GG sind, ist das Recht auf Asyl als abwehrrechtlich und insbesondere nicht als schutzrechtlich einzuordnen. Die eingangs angesprochene Annahme, das Asylrecht sei (zumindest auch) ein Leistungsrecht, weil es sich nicht im bloßen Aufenthalt in der Bundesrepublik erschöpfe, ist demnach unzutreffend. Das Asylrecht des Art. 16a GG erschöpft sich sehr wohl im Recht auf bloßen Aufenthalt bzw. auf Aufenthaltsnahme in der Bundesrepublik. Es begründet ein Abweisungs- bzw. Abschiebungsverbot. Das Aufenthaltsrecht ist dabei als „Gegenstück“ des Auslieferungs- und Abschiebungs545  Im Ergebnis ebenso, aber weniger deutlich Lübbe-Wolff, Art. 16a, in: Dreier, GG, 1996, Rn. 53, wonach die Aufenthaltsnahme eine klassische Freiheitsausübung sei, zu deren Absicherung es keiner leistungsrechtlichen Ansprüche bedürfe; s. auch nochmals Sachs, Grundrechte (2017), 3. Aufl., S. 619, Rn. 6; vgl. auch Hufen, Grundrechte (2018), 7. Aufl., § 20, Rn. 14, der das Asylrecht als vorstaatliches Menschenrecht beschreibt. 546  S. dazu insbesondere Randelzhofer, § 153, in: HStR VII, 3. Aufl. 2009, Rn. 11, welcher schreibt, dass der Schutz vor politischer Verfolgung durch das Verbot zugangs- und aufenthaltsbeendender Maßnahmen erreicht werde und dieser Schutz „im Ansatz“ eine abwehrrechtliche Funktion aufweise. Allerdings sei dieses Verbot „nur der negative Ausfluß des Anspruchs auf Schutz vor politischer Verfolgung […]. Dieser Schutz kann zwar allein durch das besagte Verbot erreicht werden, aber die Leistung besteht gerade in der Durchsetzung dieses Verbots, durch die Zulassung des Fremden zur deutschen Rechtsordnung.“ Zudem schreibt er unmittelbar im Anschluss daran in Rn. 12, das Asylrecht erschöpfe sich nicht in seinem Abwehrcharakter; so offenbar auch Arnauld, Art. 16a, in: Münch/Kunig, GG, 6. Aufl. 2012, Rn. 27. S. auch Selk, ZAR 1994, 59, S. 61 f., demzufolge nur streitig sei, ob zu dem abwehrrechtlichen Gehalt eine „leistungsrechtliche Komponente“ hinzutrete.



III. Ergebnis155

verbots zu verstehen.547 Das bedeutet nicht, dass sich auch der gesamte dieser Person im Übrigen zustehende Grundrechtsschutz darin erschöpft. So stehen einer politisch verfolgten Person spätestens ab Betreten der Bundesrepublik auch die übrigen Jedermann-Grundrechte des Grundgesetzes wie z. B. das Recht auf Gewährleistung eines Existenzminimums und die Religions- und Meinungsfreiheit zu. Diese werden allerdings aus den jeweiligen anderen Grundrechten abgeleitet und nicht aus Art. 16a GG. Die Einordnung des Asylgrundrechts als Abwehrrecht spricht den Ergebnissen von Teil B. zufolge für eine territorial unbeschränkte Geltung. Eine territoriale Beschränkung kann sich allerdings durch eine Auslegung des asylgrundrechtlichen Schutzbereichs ergeben.548 Ansonsten darf das Asylgrundrecht extraterritorial nur mittels verfassungsrechtlich gerechtfertigten Eingriffs beschränkt werden.

547  Bierwirth, ZAR 1987, 64, S. 68; vgl. dazu auch BVerwGE 62, 206 (210 f.), wonach es dem humanitären Konzept des Asylrechts widerspreche, wenn nicht Aufenthalt in der Bundesrepunblik gewährt würde, sondern politisch Verfolgte in erster Linie auf den Schutz in anderen Ländern verwiesen würden. 548  Dazu sogleich im Anschluss.

D. Extraterritoriale Geltung des Art. 16a GG – Besonderer Teil Die zentrale Frage dieser Arbeit ist, ob Art. 16a GG schon für gebietsfremde Personen gilt. Die geschützte Freiheit ist die Freiheit zur Flucht vor politischer Verfolgung549 und das von Art. 16a Abs. 1 GG gewährleistete Recht auf Asyl bedeutet das Verbot von Abschiebung und Zurückweisung an der Grenze sowie das damit einhergehende Recht auf Aufenthalt in der Bundesrepublik.550 Die Frage der extraterritorialen Geltung des Art. 16a Abs. 1 GG ist für die gebietsfremde Person insofern entscheidend, als dass sie auf dessen Grundlage Eingriffe der Bundesrepublik in ihre Flucht abwehren könnte, selbst wenn sie sich noch außerhalb des Bundesgebiets befindet. Dem Rechtfertigungszwang des Art. 16a Abs. 1 GG unterworfen könnten z. B. einreiseverhindernde Maßnahmen sein sowie Beteiligungen der Bundesrepublik an Abschiebungen der betroffenen Personen durch dritte Staaten. Da Art. 16a Abs. 1 GG mit dem Recht auf Asyl ein Abwehrrecht gewährleistet, konnte in Teil C. auf Grundlage der Ergebnisse von Teil B. bereits festgestellt werden, dass nach der allgemeinen verfassungsrechtlichen Lage grundsätzlich von seiner territorial unbeschränkten Geltung auszugehen ist. Das bedeutet jedoch nicht, dass Art. 16a GG nicht eine nunmehr grundrechtsspezifische ausnahmsweise territoriale Beschränkung entnommen werden kann.551 Ob Art. 16a GG eine solche zu entnehmen ist, ist Gegenstand des vorliegenden, besonderen Teils. Für diese Prüfung wird zunächst das Asylrecht gemäß Art. 16a Abs. 1 GG auf eine tatbestandliche territoriale Anspruchsentstehungsvoraussetzung hin untersucht (I.). Daraufhin werden die räumlichen Auswirkungen der sicheren Drittstaatenregelung des Art. 16a Abs. 2 GG auf das extraterritoriale Asylrecht dargelegt (II.), um schließlich noch einen Blick auf die völkerrechtliche Öffnungsklausel des Art. 16a Abs. 5 GG und deren Auswirkungen auf die Reichweite des Asylrechts zu werfen (III.).

549  S. o.

Teil C. II. 2. b). Teil C. II. 2. 551  S. insbesondere Teil B. III. 2. a) (2). 550  S. o.



I. Beschränkung durch territoriale Anspruchsentstehungsvoraussetzungen157

I. Ausnahmsweise territoriale Beschränkung durch tatbestandliche territoriale ­Anspruchsentstehungsvoraussetzungen Ob ein bestimmtes Grundrecht auf einen Sachverhalt mit Auslandsbezug anwendbar ist, ist durch Auslegung des Grundrechtsartikels zu ermitteln.552 Im Folgenden soll Art. 16a Abs. 1 GG auf zwei territoriale Anspruchsentstehungsvoraussetzungen hin untersucht werden. Zunächst wird einer in der Literatur weit verbreiteten Annahme auf den Grund gegangen, derzufolge das Asylrecht erst entstehe, wenn die politisch verfolgte Person das Staatsgebiet der Bundesrepublik erreicht bzw. betreten hat. Daraufhin wird untersucht, ob eine Person in räumlicher Hinsicht zumindest ihren Herkunftsstaat verlassen haben muss. Gemäß Art. 16a Abs. 1 GG setzt die Eröffnung des Schutzbereiches eine politische Verfolgung voraus; darauf soll im Folgenden indes nicht weiter eingegangen werden. Die Prüfung konzentriert sich vielmehr auf die Frage, ob zusätzlich zur politischen Verfolgung ein Betreten bzw. Erreichen der Staatsgrenzen oder zumindest ein Verlassen des Herkuftsstaates erforderlich ist. 1. Erreichen bzw. Betreten des Staatsgebiets In Literatur und Rechtsprechung wird überwiegend angenommen, dass das Grundrecht auf Asyl erst entstehe, wenn die asylsuchende Person das Staatsgebiet der Bundesrepublik Deutschland erreicht bzw. betreten hat.553 Im 552  Dazu, dass die Anwendbarkeit eines Grundrechts auf einen Sachverhalt mit Auslandsbezug durch Auslegung zu ermitteln ist s. o. Teil B. III. 2. b). S. zudem Becker, § 240, in: HStR XI, 3. Aufl. 2013, Rn. 73, 85. Zum Teil wird diskutiert, ob der Schutzbereich der einzelnen Grundrechte bei Sachverhalten mit Auslandsbezug eingeschränkt werden müsse. S. z. B. Schröder, Zur Wirkkraft der Grundrechte, in: FS Schlochauer, 1981, S. 142 ff., der dies allerdings ablehnt (s. insbesondere S. 147). Dies ablehnend auch Yousif, Die Extraterritoriale Geltung der Grundrechte (2007), S. 112 ff. Für eine Orientierung allein am jeweiligen Grundrecht auch Heintzen, Auswärtige Beziehungen privater Verbände (1988), S. 152 f. In der vorliegenden Arbeit soll davon ausgegangen werden, dass die Grundrechte des Grundgesetzes allein anhand der klassischen Methoden auszulegen sind. So auch Yousif, Die Extraterritoriale Geltung der Grundrechte (2007), S. 115  ff.; Baldus, Transnationales Polizeirecht (2001), S.  160 f. 553  BVerwGE 69, 323 (324 f.); BVerwGE 69, 289 (291); BVerwGE 78, 332 (343); angedeutet in BVerwGE 4, 235 (236); Gärditz, Art. 16a, in: Maunz/Dürig, GG, 84. Aufl. August 2018, Rn. 306; Becker, Art. 16a, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG, 7. Aufl. 2018, Rn. 125; Randelzhofer, § 153, in: HStR VII, 3. Aufl. 2009, Rn. 50; Randelzhofer, Art. 16a, in: Maunz/Dürig, GG, 84. Aufl. August 2018 (Stand: bis

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D. Extraterritoriale Geltung des Art. 16a GG – Besonderer Teil

Folgenden werden die für diese Position vorgebrachten Argumente unter Einbeziehung der Gegenargumente untersucht und gewürdigt. a) Wortlaut Es wird behauptet, dem Wortlaut bzw. -sinn des Art. 16a GG sei eine Beschränkung auf das Staatsgebiet zu entnehmen.554 Folglich ist zu untersu59. EL Juli 2010), Rn. 107; Randelzhofer, Die völker- und verfassungsrechtlichen Grundlagen des deutschen Asylrechts, in: Stern, Zuwanderungs- und Asylrecht, 2003, S. 27; Quaritsch, Arbeitsverbot und Sichtvermerk als „flankierende“ Maßnahmen des Asylverfahrens, in: FS Zeidler I, 1987, S. 969–972; Quaritsch, § 120, in: HStR V, 2. Aufl. 2000, Rn. 72, 83; Jarass, Art. 16a, in: Jarass/Pieroth, GG, 15. Aufl. 2018, Rn. 6; Gundel, § 198, in: HStR IX, 3. Aufl. 2011, Rn. 47; Grützner, Auslieferungsverbot und Asylrecht, in: Neumann/Nipperdey/Scheuner, Grundrechte, 1954, S. 595 f.; Pollern, Das moderne Asylrecht (1980), S. 291; Maaßen, Art. 16a, in: BeckOK GG, 39. Aufl. 15.11.2018, Rn. 49; Dietlein, Die Lehre von den grundrechtlichen Schutzpflichten (2005), 2. Aufl., S. 31; Isensee, § 115, in: HStR V, 2. Aufl. 2000, Rn. 91; Merten, Räumlicher Geltungsbereich, in: FS H. Schiedermair, 2001, S. 336; Merten, § 56, in: HGR III, 2009, Rn. 111; Gnatzy, Art. 16a, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein/Henneke, GG, 14. Aufl. 2018, Rn. 31; Kreßel, DÖV 1988, 501, S. 503, 505; Paul, ZAR 1982, 184, S. 190; Neußner, ZAR 1989, 17, S. 21; Woyczechowski, Zwischen Vermutung und Gewissheit (2003), S. 60; Meyer-Teschendorf, DÖV 1989, 105, S. 107; Kluth, Art. 16a, in: Stern/Becker, Grundrechte, 2. Aufl. 2016, Rn. 63; Antoni, Art. 16a, in: Hömig/Wolff, GG, 12. Aufl. 2018, Rn. 3; Bierwirth, ZAR 1987, 64, S. 67; Hailbronner, Einreiseverweigerung und Visumzwang im Asylrecht, in: FS Doehring, 1989, S.  296 ff.; Waldstein, Das Asylgrundrecht im europäischen Kontext (1993), S.  34 f.; Becker, Die Zukunft des europäischen und deutschen Asylrechts, in: Walter/ Burgi, Flüchtlingspolitik, 2017, S. 85; Heintzen, Auswärtige Beziehungen privater Verbände (1988), S. 145; Becker, § 240, in: HStR XI, 3. Aufl. 2013, Rn. 76; Drosdzol, NVwZ 1985, 325, S. 325; Grabherr, NVwZ 1989, 38, S. 38, demzufolge das Asylrecht territorial gebunden sei. Anderer Ansicht sind u. a. Arnauld, Art. 16a, in: Münch/ Kunig, GG, 6. Aufl. 2012, Rn. 25; Wittreck, Art. 16a, in: Dreier, GG, 3. Aufl. 2013, Rn. 85; Gusy, Asylrecht und Asylverfahren (1979), S. 166; Ziekow, Über Freizügigkeit und Aufenthalt (1997), S. 513; Davy, Art. 16a, in: AK-GG, 3. Aufl. 2001, Rn. 39; Sachs, Das Auslieferungsverbot und das Asylrecht, in: Staatsrecht IV/1, 2006, S.  844 f.; Dutta, Luftverkehr und Asylrecht (1997), S. 64; Denninger/Rachor, ZAR 1988, 51, S. 59; so offenbar auch Masing, Art. 16a, in: Dreier, GG, 2. Aufl. 2004, Rn. 96. S. auch Kingreen/Poscher, Grundrechte (2017), 33. Aufl., Rn. 1133, denen zufolge die Auffassung, eine Berechtigung nach Art. 16a entstehe erst mit Erreichen des Staatsgebiets, gegen Art. 1 Abs. 3 GG verstoße. Dabei wird allerdings nicht zwischen territorialer Reichweite des Art. 1 GG und des Art. 16a GG differenziert. Aus der territorialen Unbegrenztheit des Art. 1 Abs. 3 GG folgt nicht zwingend die territoriale Unbegrenztheit der (speziellen) Grundrechte. Dazu, dass zwischen der extraterritorialen Grundrechtsgeltung allgemein und der Geltung der einzelnen Grundrechte speziell zu differenzieren ist s. o. insbesondere Teil B. III. 2. a) und dabei insbesondere Abschnitt (2). 554  Laut BverwG entspreche das Erfordernis des Erreichens der Grenze dem „Wortsinn“ des Asyls. „Wortgeschichtlich“ bedeute dies „Sicher-Sein vor Verfolgung,



I. Beschränkung durch territoriale Anspruchsentstehungsvoraussetzungen159

chen, ob sich aus dem Wortlaut die Bedingung der Anwesenheit im deutschen Staatsgebiet für die Entstehung der Asylberechtigung ergibt. Art. 16a Abs. 1 GG lautet: „Politisch Verfolgte genießen Asylrecht.“ Zunächst ist festzustellen, dass es in dem Grundrecht nicht etwa heißt: „Politisch Verfolgte genießen Asylrecht innerhalb des Staatsgebiets.“ Eine eindeutige territoriale Gebundenheit gibt der Wortlaut damit nicht her.555 Allerdings könnte der Wortteil „Asyl“ selbst auf eine solche Gebundenheit schließen lassen. So wird dem Wort „Asyl“ ein territoriales Element zugeschrieben, wird doch „Asyl“ unter anderem als ein Zufluchtsort oder eine Freistätte verstanden.556 So wird z. B. mit dem Begriff „Obdachlosenasyl“ eine „Unterkunft für Obdachlose“ beschrieben.557 Dem könnte ein räumliches Verständnis von Asyl zu entnehmen sein. Das Asyl bestünde demnach nur an einem bestimmten Ort. Sobald man diesen betritt, wird man geschützt. Mögliche Zufluchtsorte waren nach sakralem Asylverständnis Kirchen oder andere geheiligte Stätten, wie z. B. der Schatten einer bestimmten Person.558 Man könnte demnach annehmen, das Asyl entstünde erst bei Erreichen des Schutzortes.559

d. h. vor gewaltsamer Entfernung aus der gefundenen Zuflucht an kirchlichen oder weltlichen Asylstätten“, BVerwGE 69, 323 (325). Für eine territoriale Gebundenheit des Asylrechts aufgrund des Wortlauts auch: Randelzhofer, § 153, in: HStR VII, 3. Aufl. 2009, Rn. 50; Drosdzol, NVwZ 1985, 325, S. 325; Woyczechowski, Zwischen Vermutung und Gewissheit (2003), S. 60; Jarass, Art. 16a, in: Jarass/Pieroth, GG, 15. Aufl. 2018, Rn. 6; Waldstein, Das Asylgrundrecht im europäischen Kontext (1993), S. 34. 555  Arnauld, Art. 16a, in: Münch/Kunig, GG, 6. Aufl. 2012, Rn. 25. Zur Unergiebigkeit des Wortlauts des Art. 16 Abs. 2 S. 2 GG a. F. s. auch BVerfGE 74, 51 (57), demzufolge es sich um eine „knappe[…] und lapidare[…] Formulierung handele. 556  Die Möglichkeit eines räumlichen Verständnisses des Ausrucks „Asyl“ erwähnen z. B. Gusy, Asylrecht und Asylverfahren (1979), S. 6; Wollenschläger, Geschichte und Formen des Asylrechts, in: Hb AsylR I, 1980, S. 55; Merl, Das Asylrecht politisch Verfolgter (1968), S. 100; Drosdzol, NVwZ 1985, 325, S. 325; Grützner, Auslieferungsverbot und Asylrecht, in: Neumann/Nipperdey/Scheuner, Grundrechte, 1954, S. 594. Vgl. dazu auch die Wörterbucheinträge in Grimm/Grimm, Wörterbuch, „Asyl“ (2007); Wahrig, Wörterbuch, „Asyl“ (1967). 557  Wahrig, Wörterbuch, „Asyl“ (1967); Grimm/Grimm, Wörterbuch, „Asyl“ (2007). Dazu, dass sich die „räumliche Bedeutung“ des Worts Asyl im Ausdruck Obdachlosenasyl finde, Kimminich, Grundprobleme des Asylrechts (1983), S. 2. 558  Vgl. dazu BVerfGE 74, 51 (58); Der große Brockhaus, Band II, „Asyl“/„Asylrecht“ (1929). 559  So z. B. Drosdzol, NVwZ 1985, 325, S. 325, demzufolge es für den Asylanspruch des Betroffenen aufgrund des räumlichen Verständnisses des Begriffs des Asyls „[w]esentlich“ sei, „daß der Flüchtling das Gebiet des Zufluchtstaates erreicht hat“.

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D. Extraterritoriale Geltung des Art. 16a GG – Besonderer Teil

Allerdings wird das Wort „Asyl“ aus dem Griechischen („unverletzt“560 oder „unverletzlich“561) abgeleitet und bezieht sich neben dem Zufluchtsort auch auf die zu schützende Person, auf die nicht zugegriffen werden kann.562 Nach diesem Verständnis könnte auch die zu schützende Person selbst als Bezugspunkt des Asyls gesehen werden. Es ginge dann nicht (in erster Linie) darum, dass eine Person sich in einem bestimmten Raum befindet, sondern darum, dass diese sicher ist bzw. einen Raum der Sicherheit erreichen kann. Daneben kann unter „Asyl“ auch der Schutz selbst verstanden werden, der einer Person gewährt wird.563 Damit bleibt festzuhalten, dass der Wortlaut des Art. 16a Abs. 1 GG nicht für die Begründung eines Erfordernisses des Betretens oder Erreichens des Staatsgebiets für die Entstehung des Asylrechts herangezogen werden kann.564 b) Genetische Auslegung Zu untersuchen ist des Weiteren, ob eine genetische Auslegung von Art. 16a Abs. 1 GG bzw. Art. 16 Abs. 2 S. 2 GG a. F. Aufschluss über eine territorial beschränkte Wirkung des Asylrechts gibt. Dafür gilt es, die Entstehungsgeschichte des Grundrechtsartikels nachzuvollziehen.565 Zu analysieren sind die Materialien des Parlamentarischen Rats566 sowie die Materialien der Asylrechtsreform aus dem Jahre 1993.567 560  Wahrig, Wörterbuch, „Asyl“ (1967); Grimm/Grimm, Wörterbuch, „Asyl“ (2007); Wahrig-Burfeind, Brockhaus (2011), 9. Aufl. 561  Duden, Band VII, „Asyl“ (2007); Brockhaus Enzyklopädie, Band I, „Asyl“ (1966). 562  Vgl. Dudda, ZAR 1996, 32, S. 32; vgl. Selk, Asylrecht und Verfassung (1990), S. 43; vgl. Randelzhofer, Art. 16a, in: Maunz/Dürig, GG, 84. Aufl. August 2018 (Stand: bis 59. EL Juli 2010), Rn. 14, der daraus allerdings eine „räumliche Komponente“ des Begriffs ableitet. 563  Kimminich, Grundprobleme des Asylrechts (1983), S. 1 f.; Lange, Grundfragen des Auslieferungs- und Asylrechts (1953), S. 11; Franz, Das Asylrecht der politisch verfolgten Fremden (1961), S. 56; Bleckmann, Grundrechte (1997), 4. Aufl., S. 1114, Rn. 1; Dudda, ZAR 1996, 32, S. 32; Wollenschläger, Geschichte und Formen des Asylrechts, in: Hb AsylR I, 1980, S. 55; Selk, Asylrecht und Verfassung (1990), S. 43; Grützner, Auslieferungsverbot und Asylrecht, in: Neumann/Nipperdey/Scheuner, Grundrechte, 1954, S. 594; Brockhaus Enzyklopädie, Band I, „Asyl“ (1966): „die Gewährung von Schutz gegen Verfolgung auf Grund besonderer persönlicher, räuml. oder zeitl. Bedingungen“; vgl. Merl, Das Asylrecht politisch Verfolgter (1968), S. 100. 564  So auch Arnauld, Art. 16a, in: Münch/Kunig, GG, 6. Aufl. 2012, Rn. 25; vgl. zur Unergiebigkeit des Wortlauts von Art. 16 Abs. 2 S. 2 GG a. F. für seine Auslegung BVerfGE 74, 51 (57), allerdings zu der Frage, ob Nachfluchtgründe für eine Berechtigung ausreichen. 565  Reimer, Juristische Methodenlehre (2016), Rn. 347, 350–354. 566  Pieroth, Jura 1984, 568, S. 568. 567  Reimer, Juristische Methodenlehre (2016), Rn. 347–350.



I. Beschränkung durch territoriale Anspruchsentstehungsvoraussetzungen161

(1) Vorstellungen des Parlamentarischen Rates vom Flüchtling an der Grenze – insbesondere Vergleich mit Landesverfassungen In der Literatur wird behauptet, der Parlamentarische Rat habe zum Zeitpunkt des Grundgesetzerlasses die Vorstellung gehabt, dass die Gewährleistung von Asyl überhaupt erst dann in Betracht komme, wenn eine schutzsuchende Person die Staatsgrenzen der Bundesrepublik bereits erreicht habe. Von einer territorialen Beschränkung des Asylrechts sei man als „selbstverständlich“ ausgegangen.568 Die Verfassungsmütter und -väter hätten bei Schaffung des Asylrechts das Bild eines schutzsuchenden Flüchtlings an der Grenze vor Augen gehabt.569 Kehrseitig könnte als ausgeschlossen gelten, dass eine Person, die die Grenze noch nicht erreicht hat, schon Rechte aus dem Asylrecht ableiten kann. Besonders deutlich mache dies eine Untersuchung des Asylgrundrechts in den Landesverfassungen, an welche der Verfassungsgeber bei der Schaffung von Art. 16 Abs. 2 S. 2 GG a. F. angeknüpft habe.570 Zum Beispiel setzten die kurz vor dem Grundgesetz erlassenen Art. 11 Abs. 2 SVerf571, Art. 105 BayVerf572 und Art. 7 Abs. 2 HessVerf573 voraus, dass die politisch verfolgte 568  Quaritsch, Arbeitsverbot und Sichtvermerk als „flankierende“ Maßnahmen des Asylverfahrens, in: FS Zeidler I, 1987, S. 971 f.; Meyer-Teschendorf, DÖV 1989, 105, S. 107. Vgl. Rottmann, Der Staat 1984, 337, S. 339, welcher die geographische Entfernung Deutschlands zu potenziellen Verfolgerstaaten als „natürliches Zuzugshindernis“ beschreibt, welches zuvor das territoriale Asylrecht geprägt habe. Dazu, dass sich die Verfassungsväter keine Gedanken zur extraterritorialen Bindung der Grundrechte gemacht haben, s. o. Teil B. II. 2. 569  Bierwirth, ZAR 1987, 64, S. 67; Hailbronner, Einreiseverweigerung und Visumzwang im Asylrecht, in: FS Doehring, 1989, S. 296. 570  Bierwirth, ZAR 1987, 64, S. 67; Meyer-Teschendorf, DÖV 1989, 105, S. 107; zumindest der Wortlaut der Verfassung des Landes Hessen war dem Parlamentarischen Rat bewusst, s. Doemming/Füsslein/Matz, JöR n. F. 1 1951, S. 165; vgl. auch Wernicke/Booms, Der Parlamentarischer Rat 1948–1949, Bd 2 (1981), 220, Fn. 93. Zum Zusammenhang zwischen den Länderverfassungen und Art. 16 Abs. 2 S. 2 GG a. F. s. auch BVerfGE 74, 51 (60 f.), allerdings im Zusammenhang mit der Frage, ob Nachfluchtgründe für eine Asylberechtigung ausreichen; BVerwGE 69, 323 (326). Dazu, dass die Normen in der Formulierung „Pate“ standen Randelzhofer, Art. 16a, in: Maunz/Dürig, GG, 84. Aufl. August 2018 (Stand: bis 59. EL Juli 2010), Rn. 3. 571  Verfassung des Saarlandes vom 15. Dezember 1947, Amtsblatt 1947, S. 1077: „Asylrecht genießt, wer unter Verletzung der in dieser Verfassung niedergelegten Grundrechte verfolgt und in das Saarland geflohen ist.“ 572  Verfassung des Freistaats Bayern, BayGVBl. 1946, Nr. 23, S. 333: „Ausländer, die unter Nichtbeachtung der in dieser Verfassung niedergelegten Grundrechte im Ausland verfolgt werden und nach Bayern geflüchtet sind, dürfen nicht ausgeliefert und ausgewiesen werden.“ 573  Verfassung des Landes Hessen, HessGVBl. 1946, Nr. 34/35, S. 229: „Fremde genießen den Schutz vor Auslieferung und Ausweisung, wenn sie unter Verletzung

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D. Extraterritoriale Geltung des Art. 16a GG – Besonderer Teil

Person in das jeweilige Land geflohen sein muss. Das Fliehen wird dabei im Perfekt formuliert, was darauf hindeutet, dass davon ausgegangen wird, dass die Flucht ihr Ende genommen hat, d. h. die Person schon im Staatsgebiet angekommen ist. Es würde damit vorausgesetzt, dass die schutzsuchende Person bereits vor Ort ist. Eine solche Formulierung spricht in der Tat für eine territoriale Bedingtheit des Asylrechts. Der Grundrechtskatalog Bergsträssers enthielt allerdings auch den Zusatz „die nach dem Geltungsbereich des Grundgesetzes geflohen sind“574. Ein weiterer Vorschlag enthielt die ausdrückliche territoriale Beschränkung: „[…] genießt im Bundesgebiet Asylrecht.“575 Laut Gärditz ergebe sich „aus der Genese des Grundrechts nicht eindeutig“, warum diese Formulierung576 „fallengelassen“ worden sei. Aus dem Fehlen einer Kontroverse sei nun zu schließen, dass von einem territorialen Vorbehalt als „selbstverständlich“ ausgegangen worden und eine „textuelle Klarstellung schlicht entbehrlich“ gewesen sei.577 Andererseits kann die Tatsache, dass der Parlamentarische Rat gerade in dem Bewusstsein der Möglichkeit ausdrücklicher territorial beschränkender Formulierungen keine solche Formulierung aufgenommen hat, auch dahingehend ausgelegt werden, dass eine solche Beschränkung gerade nicht gewollt war. Jedenfalls kann zumindest daran gezweifelt werden, dass die Mitglieder des Parlamentarischen Rats nur den Flüchtling an der Grenze vor Augen hatten. So war dem Parlamentarischen Rat bekannt, dass für zahlreiche Menschen, die vor dem nationalsozialistischen Verbrechensregime fliehen und per Schiff in die USA ausreisen wollten, die Flucht aufgrund fehlender Reisepapiere erheblich erschwert war oder gar scheiterte.578 Das Fehlen einer Diskussion im Parlamentarischen Rat kann also sowohl für als auch gegen eine territoriale Beschränkung des Asylrechts sprechen. Die Annahme, der Parlamentarische Rat habe die territoriale Begrenzung als selbstverständlich vorausgesetzt, ist jedenfalls bloße Spekulation. Die Auslegung anhand der Vorstellungen des Parlamentarischen Rates bleibt vielmehr uneindeutig. der in dieser Verfassung niedergelegten Grundrechte im Ausland verfolgt werden und nach Hessen geflohen sind.“ 574  Kreuzberg/Wahrendorf, Grundrecht auf Asyl (1992), 2. Aufl., S. 26. 575  Ein Vorschlag, der das Asylrecht außerdem auf Deutsche beschränkte, Kreuzberg/Wahrendorf, Grundrecht auf Asyl (1992), 2. Aufl., S. 46. 576  In Bezug genommen wurde dabei die Formulierung des Grundrechtskatalogs von Bergsträsser. 577  Gärditz, Art. 16a, in: Maunz/Dürig, GG, 84. Aufl. August 2018, Rn. 307. 578  Vgl. dazu Denninger/Rachor, ZAR 1988, 51, S. 58 f.



I. Beschränkung durch territoriale Anspruchsentstehungsvoraussetzungen163

(2) Beschränkung auf das allgemeine Völkerrecht Eine territoriale Gebundenheit des Asylrechts wird außerdem daraus abgeleitet, dass sich der Parlamentarische Rat bei der Schaffung des Asylrechts am völkerrechtlichen Institut des Asylrechts orientiert habe. Insbesondere wird darauf abgestellt, dass einer ursprünglichen Formulierung zufolge Asylrecht nur „im Rahmen des allgemeinen Völkerrechts“579 gewährt werden sollte. Es ist davon ausgegangen worden, dass das Grundgesetz nicht mehr vorsehen dürfe, als das allgemeine Völkerrecht vorschreibt.580 Von dieser Formulierung sei dann allein wegen der Einfügung des Art. 25 GG abgesehen worden,581 nicht weil der Sache nach etwas an dem Umfang des Grundrechts geändert werden sollte.582 Daraus könnte geschlossen werden, dass eine völkerrechtswidrige (extraterritoriale) Wirkung des Asylgrundrechts nicht gewollt war.583 Der Umfang des Asylrechts wäre damit durch das völkerrechtlich Zulässige begrenzt.584 Allerdings sollte der vorgeschlagene textliche Bezug auf das Völkerrecht lediglich den Personenkreis der Asylberechtigten eingrenzen. Personen, denen nach allgemeinem Völkerrecht kein Anspruch auf Asyl zustand, sollten auch von der Bundesrepublik kein Asyl gewährt bekommen.585 Auf diese 579  Asylrechtsentwurf des in der 3. Sitzung des Ausschusses für Grundsatzfragen gebildeten Redaktionskomitees bestehend aus den Abgeordneten v. Mangoldt, Bergsträsser und Zinn, Kreuzberg/Wahrendorf, Grundrecht auf Asyl (1992), 2. Aufl., S. 28. 580  S. dazu Doemming/Füsslein/Matz, JöR n. F. 1 1951, S. 165. 581  S. dazu die Diskussion in der 4. Sitzung des Ausschuss für Grundsatzfragen am 23.9.1948, abgedruckt in: Kreuzberg/Wahrendorf, Grundrecht auf Asyl (1992), 2. Aufl., S. 36. Doemming/Füsslein/Matz, JöR n. F. 1 1951, S. 165 f. S. zudem Dörig/ Langenfeld, NJW 2016, 1, S. 2, Fn. 5; Tiedemann, ZAR 2009, 161, S. 162; Hailbronner, Einreiseverweigerung und Visumzwang im Asylrecht, in: FS Doehring, 1989, S.  293 f.; Isensee, § 115, in: HStR V, 2. Aufl. 2000, Rn. 91, m. Fn. 204; vgl. Randelzhofer, Art. 16a, in: Maunz/Dürig, GG, 84. Aufl. August 2018 (Stand: bis 59. EL Juli 2010), Rn. 4; vgl. Kimminich, Asylrecht (1968), S. 72, demzufolge das Grundgesetz aber nicht daran gehindert sei, mehr zu gewähren als das Völkerrecht. 582  Randelzhofer, Die völker- und verfassungsrechtlichen Grundlagen des deutschen Asylrechts, in: Stern, Zuwanderungs- und Asylrecht, 2003, S. 19 f.; Reichel, Das staatliche Asylrecht (1987), S. 161. 583  Isensee, § 115, in: HStR V, 2. Aufl. 2000, Rn. 91, m. Fn. 204. 584  Oben wurde zwar erörtert, dass das Völkerrecht keinen unmittelbaren Einfluss auf den Gewährleistungsgehalt der Grundrechte hat. An dieser Stelle würde ein möglicherweise bestehender Einfluss einer Völkerrechtswidrigkeit jedoch über das Grundrecht selbst, d. h. aus der Verfassung heraus entwickelt. In diesem Fall würde nicht das Völkerrecht selbst den Tatbestand des Grundrechts begrenzen. Vielmehr würde das Grundgesetz selbst für Art. 16a GG die Grenzen des Völkerrechts übernehmen. 585  Pollern, Das moderne Asylrecht (1980), S. 316. Dabei wurde insbesondere an eine damals bestehende Pflicht zur Auslieferung politischer Attentäter gedacht, Köf-

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D. Extraterritoriale Geltung des Art. 16a GG – Besonderer Teil

Weise sollte das Asylrecht für bestimmte Konstellationen ausgeschlossen werden und zwar für politisch motivierte Delikte, die mit einem Attentat verbunden sind.586 Es ging also nicht um die Begründung einer generellen tatbestandlichen Abhängigkeit des Asylrechts vom Völkerrecht. Insbesondere ging es nicht um eine (grundsätzlich für alle Asylberechtigten geltende) territoriale Entstehungsvoraussetzung des Asylrechts. Darüber hinaus wurde bereits festgestellt, dass Abwehrrechte wie das Asylgrundrecht extraterritorial grundsätzlich nicht gegen Völkerrecht verstoßen.587 (3) Vorstellungen des verfassungsändernden Gesetzgebers Schließlich ist zu prüfen, ob der verfassungsändernde Gesetzgeber im Jahre 1993 eine territoriale Beschränkung regeln wollte.588 Jedenfalls wurde am Wortlaut des Asylrechts festgehalten, was zunächst gegen eine Änderung dessen territorialer Reichweite spricht. Die knappe Gesetzesbegründung deutet zudem nicht auf Motivationen in diese Richtung hin. Vielmehr wird ausdrücklich am Charakter des Asylrechts als Individualgrundrecht festgehalten.589 Eine Äußerung in Hinsicht auf eine territoriale Beschränkung der Asylrechtsgewährleistung ist nicht ersichtlich. Vielmehr ging es bei der Reform des Asylrechts in erster Linie darum, die missbräuchliche Berufung auf das Asylrecht, so wie es in Art. 16 Abs. 2 S. 2 GG a. F. gewährleistet wurde,

ner/Nicolaus, Grundlagen des Asylrechts, Bd. 1 (1986), S. 335–337; Kreuzberg/Wahrendorf, Grundrecht auf Asyl (1992), 2. Aufl., S. 33–37; Kimminich, JZ 1965, 739, S.  740 f. 586  S. bereits Fn. 585. S. zudem die Äußerungen von Schmid im Ausschuss für Grundsatzfragen (4. Sitzung am 23.9.1948) sowie im Haupsausschuss (18. Sitzung am 4.12.1948), abgedruckt in: Kreuzberg/Wahrendorf, Grundrecht auf Asyl (1992), 2. Aufl., S. 33, 44 f. Kritisch dazu wegen des Wortlauts des Entwurfs Reichel, Das staatliche Asylrecht (1987), S. 161. Hätte allein eine Einschränkung des Personenkreises bezweckt sein sollen, so hätte es heißen müssen: „Politisch Verfolgte im Sinne des Völkerrechts genießen Asylrecht“. 587  S. o. Teil A. I. Zwar könnte etwas anderes für abwehrrechtlich fundierte Leistungsrechte gelten. Dies beträfe allerdings eine Situation, in der bereits ein Eingriff in das Asylrecht festgestellt werden kann, und hat für die Frage, ob das primär gemäß Art. 16a GG Geschuldete gegen Völkerrecht verstößt mithin keine Bedeutung. 588  Auch Gärditz, Art. 16a, in: Maunz/Dürig, GG, 84. Aufl. August 2018, Rn. 307, untersucht, ob die Verfassungsreform 1993 etwas an der territorialen Reichweite des Asylrechts geändert hat. Dieser geht dabei allerdings von einer territorialen Beschränkung des Art. 16 Abs. 2 S. 2 GG a. F. aus und kommt zu dem Ergebnis, dass sich daran durch die Reform nichts ändern sollte. Dies gehe daraus hervor, dass die Reform im Zeichen der Begrenzung der Einwanderung gestanden habe, die an der territorialen Gebundenheit nichts ändern sollte. 589  BT-Drs. 12/4152, S. 3.



I. Beschränkung durch territoriale Anspruchsentstehungsvoraussetzungen165

auszuschließen.590 Es fielen zwar Äußerungen zur Anwesenheit der Betroffenen im Staatsgebiet. Diese geben allerdings keinen Hinweis auf eine territoriale Beschränkung des Asylrechts. Eine Äußerung Seiters in der 134. Sitzung des Deutschen Bundestages591 bezieht sich z. B. auf das Erreichen der Grenze durch den Schutzsuchenden. Danach könne das Asylrecht „naturgemäß frühestens an unseren Grenzen Wirkung entfalten.“ Die angesprochene Wirkung ist dem Kontext der Äußerung nach jedoch nicht als Grundrechtsgeltung bzw. -anwendbarkeit zu verstehen. Die Bemerkung fiel vielmehr im Zusammenhang mit der Feststellung, dass vor Erreichen der Grenzen angesetzt werden müsse, d. h. Fluchtursachen bekämpft werden müssten. In der 160. Sitzung des Deutschen Bundestages äußert Wiefelspütz, dass das Grundrecht auf Asyl „einen völlig schrankenlosen Zutritt zum Gebiet der Bundesrepublik Deutschland“ verspreche und dies – angesichts der damaligen Verhältnisse – nicht eingelöst werden könne.592 Daraus lässt sich zwar der – unbestrittene – Wille zur Beschränkung der Asylgarantie bzw. des davon umfassten Personenkreises entnehmen, nicht jedoch die Überlegung gerade der territorialen Beschränkung der Geltung des Grundrechts. Zu erwähnen ist ebenfalls der Redebeitrag von Höll. Diese referierte über die Fluchtgeschichte Leo Trotzkis, welcher 1929 von der Türkei aus ohne Erfolg versucht habe, durch Beantragung eines Visums Asyl in Deutschland zu erlangen.593 Es handelt sich dabei um ein Beispiel aus der Zeit vor Einführung des Asylrechts als Grundrecht des Grundgesetzes. Daraus kann eher geschlossen werden, dass die extraterritoriale Geltungsreichweite des Asylrechts vorausgesetzt wurde. Jedenfalls aber wurde nicht explizit von einem Ausschluss der Extraterritorialität gesprochen. Dem verfassungsändernden Gesetzgeber kann damit kein Wille dahingehend entnommen werden, in das Asylrecht eine Anwesenheit im Staatsgebiet als Entstehungsvoraussetzung einzufügen.

590  Zudem sollte eine Lösung dafür entwickelt werden, dass Deutschland gegenüber den übrigen Staaten der EU den weit überwiegenden Teil der Flüchtlinge aufnehmen musste. Eine gerechte Verteilung sollte angestrebt werden. Ebenfalls angestrebt war eine Verfahrensbeschleunigung, 134. Sitzung des Deutschen Bundestages, 21. Januar 1993, Plenarprotokoll 12/134, S. 11595 ff., passim. 591  134. Sitzung des Deutschen Bundestages, 21. Januar 1993, Plenarprotokoll 12/134, S. 11608. 592  160. Sitzung des Deutschen Bundestages, 26. Mai 1993, Plenarprotokoll 12/160, S. 13574 (D). 593  160. Sitzung des Deutschen Bundestages, 26. Mai 1993, Plenarprotokoll 12/160, S. 13680 (D).

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D. Extraterritoriale Geltung des Art. 16a GG – Besonderer Teil

(4) Zwischenergebnis Im Wege einer genetischen Auslegung des 16 Abs. 2 S. 2 GG a. F. und des Art. 16a GG lässt sich damit nichts hinsichtlich einer territorialen Gebundenheit in Form einer Entstehungsvoraussetzung entnehmen. c) Systematik Des Weiteren ist die Systematik des Asylrechts bzw. dessen systematische Stellung im Grundgesetz zu untersuchen. (1) Ehemalige Nähe des Asylrechts zum Auslieferungsverbot des Art. 16 Abs. 2 S. 1 GG a. F. bzw. Art. 16 Abs. 2 GG n. F. – systematisch-genetische Betrachtung Das Asylrecht wurde im Parlamentarischen Rat im Zusammenhang mit dem Auslieferungsverbot gegenüber Deutschen diskutiert und zusammen in Art. 16 Abs. 2 GG a. F. geregelt.594 Das Auslieferungsverbot bezieht sich dabei naturgemäß auf sich im Inland befindliche Personen.595 Daraus wird geschlossen, dass auch das Asylrecht parallel dazu von einer sich im Inland befindlichen Person ausgeht.596 Gegen einen Schluss vom Auslieferungsverbot auf das Asylrecht könnte zunächst sprechen, dass diese in der Asylrechtsreform des Jahres 1993 getrennt wurden und nunmehr in zwei verschiedenen Grundgesetzartikeln geregelt sind. Der Gesetzesbegründung lässt sich allerdings kein Hinweis dahingehend entnehmen, dass durch die Trennung von Auslieferungsverbot und 594  S. dazu sowohl Art. 16 Abs. 2 S. 2 GG a. F. als auch die vorläufigen Entwürfe des Asylgrundrechts, Schick/Kahlenberg, Der Parlamentarische Rat 1948–1949, Bd. 7 (1995), S. 2, 37. Vgl. zum Zusammenhang zwischen Auslieferungsverbot und Asylrecht in Art. 16 Abs. 2 GG a. F. Dörig/Langenfeld, NJW 2016, 1, S. 2, allerdings nicht im Zusammenhang mit einer territorialen Beschränkung, sondern mit der Bestimmung des Schutzbereichs. 595  Das Auslieferungsverbot schützt das Recht jedes Staatsbürgers, „sich in seinem Heimatland aufhalten zu dürfen“, BVerfGE 29, 183 (192); die Auslieferung sei dadurch gekennzeichnet, „dass eine Person auf Ersuchen zwangsweise aus dem Bereich der inländischen Hoheitsgewalt entfernt und einer ausländischen Gewalt überstellt wird“, BVerfGE 113, 273 (293); BVerfGE 10, 136 (139); Grützner, Auslieferungsverbot und Asylrecht, in: Neumann/Nipperdey/Scheuner, Grundrechte, 1954, S. 584, beschreibt es als die „Herausgabe“ einer Person vom Zufluchtstaat an einen anderen Staat zum Zwecke der Strafverfolgung oder -vollstreckung. 596  BVerwGE 69, 323 (325); Drosdzol, NVwZ 1985, 325, S. 325; Meyer-Teschendorf, DÖV 1989, 105, S. 107; Gärditz, Art. 16a, in: Maunz/Dürig, GG, 84. Aufl. August 2018, Rn. 307.



I. Beschränkung durch territoriale Anspruchsentstehungsvoraussetzungen167

Asylrecht etwas am Inhalt des Letzteren geändert werden sollte. Die Regelung in einem eigenständigen Artikel war ausweislich der Gesetzesbegründung vielmehr allein dem Regelungsumfang des neuen Asylrechts geschuldet.597 Dass die beiden Grundrechte zuvor zusammen geregelt waren, ist demnach für die Auslegung des aktuellen Asylrechts noch aussagekräftig. Ob der frühere systematische Zusammenhang zwischen Auslieferungsverbot und Asylrecht einen Schluss auf eine territoriale Entstehungsvoraussetzung zulässt, ist folglich einer Prüfung zu unterziehen. Bei genauerer Betrachtung wird ein grundlegender Unterschied zwischen den beiden deutlich, der eine unterschiedliche Behandlung nahelegt. Eine Person, deren Auslieferung verlangt wird, muss sich naturgemäß im Inland befinden. Befände sie sich außerhalb des Bundesgebietes, könnte von einer Auslieferung gar keine Rede sein. Auslieferungsanträge richten sich der Natur der Sache nach an den jeweils aktuellen Aufenthaltsstaat.598 Die Anwesenheit im Inland ist damit von vornherein zwingende Voraussetzung für eine Berechtigung nach Art. 16 Abs. 2 S. 1 GG. Für einen Schutz von politisch verfolgten Personen hingegen ist der Aufenthalt der betroffenen Person im Inland jedenfalls nicht zwingend erforderlich. Im Gegensatz zum Auslieferungsverbot besteht – wie gezeigt – sehr wohl die Möglichkeit, Asylrecht z. B. in Form eines Rechts auf Abwehr fluchtbeeinträchtigender Maßnahmen auch für gebietsfremde Personen zu gewähren. Außerdem gilt der Schutz des Asylrechts nur für Ausländer.599 Ausländer kommen naturgemäß aus dem Ausland. Die beiden in Art. 16 Abs. 2 GG a. F. angesprochenen Personengruppen stehen damit hinsichtlich ihrer territorialen Hintergründe unter unterschiedlichen Vorzeichen. Dass beide Grundrechte im selben Grundgesetzartikel geregelt worden sind, ist vielmehr dem Umstand geschuldet, dass beide Grundrechte eine ähnliche Schutzrichtung aufweisen. So sind beide auf den Schutz des Individuums vor einem fremden Staat durch Aufenthalt in der Bundesrepublik gerichtet.600 v. Mangoldt äußerte im Ausschuss für Grundsatzfragen am 21. September 1948 Folgendes: „Nach Art. 14 Abs. 1 des Herrenchiemseer Entwurfs darf kein Deutscher einer fremden Macht ausgeliefert werden. Dieses Grundrecht ist in dem Vorschlag des Herrn Dr. Bergsträsser nicht enthalten. Es entspricht aber durchaus kontinentalem Rechtsdenken. Wir sollten es wieder aufnehmen. Vielleicht bringt man es in dem gleichen Artikel wie das Asylrecht.“601 597  BT-Drs.

12/4152, S. 3, B. zu Artikel 1, zu Nummer 1. Fn. 595. 599  S. o. Teil A. I. 3. a) (3) (a), Fn. 65. 600  Vgl. Menzel, Internationales Öffentliches Recht (2011), S. 450, demzufolge nur der Schutz „nach außen […] so verschiedene Themen [verband]“. 601  Abgedruckt in: Kreuzberg/Wahrendorf, Grundrecht auf Asyl (1992), 2. Aufl., S. 23 [Hervorhebung nicht im Original]. 598  S. bereits

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D. Extraterritoriale Geltung des Art. 16a GG – Besonderer Teil

Daraus kann geschlossen werden, dass die gemeinsame Regelung von Asylrecht und Auslieferungsverbot durch die beiden gemeinsame Bedrohung des Individuums durch eine fremde Macht motiviert war. Die Frage, ob das Recht darauf schon vor Erreichen des Bundesgebietes entsteht, hat damit nichts zu tun. Aus dem ehemaligen systematischen Zusammenhang zwischen Asylrecht und Auslieferungsverbot kann demnach kein Schluss auf die territoriale Reichweite des Art. 16a Abs. 1 GG entnommen werden.602 (2) Umkehrschluss aus Art. 16a Abs. 2 GG gegen eine territoriale Beschränkung Ein Argument gegen eine territoriale Gebundenheit wurde aus dem Zusammenhang mit der sicheren Drittstaatenregelung aus Art. 16a Abs. 2 Satz 1 und 2 GG603 gezogen. Diese mache nur Sinn, „wenn ein Einreiserecht dem Grunde nach schon [bestünde]“.604 Während Art. 16a Abs. 1 GG noch ein „unkonditioniertes Schutzversprechen für alle politisch Verfolgten“ enthalte, regele Abs. 2 eine Ausnahme gerade nur in Fällen der Einreise über sichere Drittstaaten.605 Die Personen, die aus anderen (unsicheren) Drittstaaten einreisen, seien demgegenüber grundrechtsberechtigt.606 Mit anderen Worten: Eine Nichtberechtigung trotz bestehender politischer Verfolgung ist nur für den Fall der Einreise aus einem sicheren Drittstaat geregelt. In allen anderen Situationen muss eine Berechtigung im Umkehrschluss bejaht werden. Im Falle der Einreise aus einem sicheren Drittstaat ginge das dem Grunde nach bereits zur Entstehung gelangte Grundrecht wieder unter. Dieser Umkehrschluss ist nicht zwingend. Art. 16a Abs. 2 GG würde auch dann durchaus noch Sinn ergeben, wenn Art. 16a Abs. 1 GG eine territoriale Beschränkung enthielte. Das Asylrecht, das grundsätzlich erst bei Betreten bzw. Erreichen des Staatsgebiets entstehen würde, entstünde dann nicht, wenn das Betreten aus einem sicheren Drittstaat erfolgte. Die sichere Drittstaatenregelung diente dann als negative Tatbestandsvoraussetzung, deren Vorliegen das Entstehen des Asylrechts verhindern würde. Aus Art. 16a Abs. 2 GG kann damit kein systematisch-genetisches Argument weder gegen noch für eine territoriale Beschränkung hergeleitet werden.

602  Vgl. Kimminich, Grundprobleme des Asylrechts (1983), S. 97, demzufolge Art. 16 Abs. 2 S. 2 GG a. F. „keine rechtshistorische und rechtsdogmatische Verbindung mit den übrigen Normierungen dieses Artikels“ habe. 603  Zur Drittstaatenregelung s. u. Teil D. II. 604  Wittreck, Art. 16a, in: Dreier, GG, 3. Aufl. 2013, Rn. 85. 605  Arnauld, Art. 16a, in: Münch/Kunig, GG, 6. Aufl. 2012, Rn. 25. 606  Pieroth, Art. 16a, in: Jarass/Pieroth, GG, 11. Aufl. 2011, Rn. 19.



I. Beschränkung durch territoriale Anspruchsentstehungsvoraussetzungen169

d) Schluss aus dem Verbot von Nachteilen aus einer „illegalen“ Einreise – eine teleologische Betrachtung Gegen die Bedingung der Anwesenheit im Staatsgebiet für die Entstehung des Asylrechts könnte jedoch ein weiteres Argument sprechen. Dem Asylrecht wird u. a. das Verbot entnommen, eine Person, die sich auf Asyl beruft, wegen ihrer „illegalen“ Einreise zu benachteiligen.607 Mit „illegaler“ Einreise ist die Einreise ohne Einreisetitel – z. B. in Form eines Visums – gemeint. Würde nun gleichzeitig das Entstehen des Asylrechts vom Betreten des Bundesgebiets abhängig gemacht, so führte dies zu einem widersprüchlichen Ergebnis. Das Asylrecht wäre auf der einen Seite territorial beschränkt und könnte demnach kein Recht auf Einreise gewähren. Reiste die schutzsuchende Person nunmehr „illegal“, d. h. obwohl ihr kein Recht darauf zustand, in die Bundesrepublik ein, drohten ihr daraus hingegen keine nachteiligen Konsequenzen. Das würde zu dem Ergebnis führen, dass diejenigen, die „illegal“ einreisen, gegenüber denjenigen, die versuchen auf legalem Weg in die Bundesrepublik zu gelangen, bevorzugt würden. Während die Bundesrepublik gegenüber Letzteren keine Verpflichtung aus dem Asylrecht hätte und in die Flucht eingreifen könnte, ohne auf Art. 16a Abs. 1 GG Rücksicht nehmen zu müssen, genössen Erstere gegenüber der Bundesrepublik Asylschutz.608 Durch ein strikt territorial gebundenes Verständnis des Asylrechts würde den asylsuchenden Personen demnach ein Anreiz gegeben, ohne Meldung bei den Grenzbehörden „illegal“ einzureisen, anstatt in einem ordent­ lichen Verfahren im Vorhinein ein Visum zu beantragen bzw. sich an der Grenze zu melden.609 Das Verbot von Nachteilen aufgrund der „illegalen“ Einreise spricht damit gegen die Annahme, das Asylrecht erfordere das Betreten des Bundesgebiets.

607  BVerwG, DÖV 1978, 180, S. 181; s. dazu auch Art. 31 der Genfer Flüchtlingskonvention, auf den auch das Urteil verweist; Pollern, Das moderne Asylrecht (1980), S. 292; Gärditz, Art. 16a, in: Maunz/Dürig, GG, 84. Aufl. August 2018, S. 330; Grabherr, NVwZ 1989, 38, S. 39 f.; Grützner, Auslieferungsverbot und Asylrecht, in: Neumann/Nipperdey/Scheuner, Grundrechte, 1954, S. 595; vgl. Gusy, Asylrecht und Asylverfahren (1979), S. 167 f., demzufolge Art. 16 Abs. 2 S. 2 GG a. F. ein Rechtfertigungsgrund für den Verstoß gegen ausländerrechtliche Einreisevorschriften sei. 608  Jedenfalls insoweit dieser nicht durch die sichere Drittstaatenregelung untergegangen ist (s. dazu unten Teil D. II.). 609  Hierzu Nußberger, NVwZ 2016, 815, S. 818, zur Rechtslage unter der EMRK; vgl. Denninger/Rachor, ZAR 1988, 51, S. 59.

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D. Extraterritoriale Geltung des Art. 16a GG – Besonderer Teil

e) Argumentation Randelzhofers: das Einreiseverhinderungsverbot als positive Handlungspflicht und die sichere Drittstaatenregelung als Ausdruck eines generellen Beschränkungswillens Randelzhofer argumentiert, aus dem Zurückweisungsverbot an der deutschen Grenze folge nicht die Pflicht, einreiseverhindernde Maßnahmen bereits im Vorfeld des Erreichens der Grenze zu unterlassen. Das „– negative – Verbot, einen Asylberechtigten nicht an der Grenze zurückzuweisen [besage] noch nichts über die – positive – Pflicht, dem Asylberechtigten das Erreichen dieser Grenze jedenfalls nicht zu erschweren“.610 Eine solche Pflicht könne Art. 16a Abs. 1 GG deshalb nicht entnommen werden, weil Abs. 2 einen Ausschluss für diejenigen regele, die aus einem sicheren Drittstaat einreisen wollten. Dies diene indirekt auch dem Zweck, den Zugang zum Hoheitsgebiet der Bundesrepublik zu erschweren.611 Zunächst ist nicht ersichtlich, inwiefern die Qualifizierung der asylrechtlichen Handlungsanforderungen an die Bundesrepublik als positiv oder negativ Relevanz für die Frage der extraterritorialen Asylrechtsgeltung haben soll. Wie an anderer Stelle bereits dargelegt gibt die Qualifizierung eines Rechts als Abwehr- oder Leistungsrecht allein keine unmittelbare Aussage über die räumliche Geltungsreichweite eines Grundrechts.612 Davon abgesehen ist aber schon seine Einordnung unzutreffend. So handelt es sich bei der Pflicht, das Erreichen der Grenze nicht zu erschweren, nicht um eine positive Handlung, sondern eine Unterlassung: die Unterlassung von Erschwerungen.613 Zudem kann auch der Bezug auf die sichere Drittstaatenregelung nicht überzeugen. Diese schließt nämlich nur einen bestimmten Kreis von Personen von der Asylgewährung aus, bei denen davon ausgegangen wird, dass sie nicht mehr schutzbedürftig sind. Daraus kann nicht die generelle Intention geschlossen werden, den Zugang zum Bundesgebiet insgesamt – auch für die übrigen politisch Verfolgten – zu erschweren. Nur weil die Abweisung eines bestimmten Personenkreises damit ermöglicht werden sollte, heißt das nicht, dass die Abweisung von Asylberechtigten insgesamt ermöglicht bzw. erleich610  Randelzhofer, Art. 16a, in: Maunz/Dürig, GG, 84. Aufl. August 2018 (Stand: bis 59. EL Juli 2010), Rn. 107. Gemeint ist damit offensichtlich nicht das Ge- sondern das Verbot der Zurückweisung. 611  Randelzhofer, Art. 16a, in: Maunz/Dürig, GG, 84. Aufl. August 2018 (Stand: bis 59. EL Juli 2010), Rn. 107. 612  S. o. Teil B. Dies gilt insbesondere für die originär leistungsrechtliche Dimension, für die keinerlei allgemeingültige Aussage hinsichtlich einer territorialen Beschränkung getroffen werden konnte. Etwas anderes gälte nur bei einer Einordnung als positiviertes Schutzrecht. 613  Gegen Randelzhofers Argumentation auch Selk, Asylrecht und Verfassung (1990), S. 31; Dutta, Luftverkehr und Asylrecht (1997), S. 156 f.



I. Beschränkung durch territoriale Anspruchsentstehungsvoraussetzungen171

tert werden sollte. Wie oben bereits angesprochen sollte durch die Reform 1993 insbesondere der Asylrechtsmissbrauch eingedämmt werden.614 Jedenfalls ist nicht ersichtlich, wie dies auf das Erfordernis eines Erreichens der Staatsgrenze schließen lassen soll. f) Definitionsschwierigkeit hinsichtlich des Erreichens der Staatsgrenze Gegen die tatbestandliche Beschränkung des Asylrechts auf Personen, die die Staatsgrenze der Bundesrepublik erreicht haben, spricht, dass deren Vertreter eine genaue Definition schuldig bleiben, die eine Bestimmung dessen ermöglichen würde, wann und wann nicht von einem die Grundrechtsberechtigung aktivierenden Erreichen der Staatsgrenze auszugehen ist. Die Annahme ist, dass das Asylrecht erst dann ein Zurückweisungsverbot gegenüber der Bundesrepublik gewähre, wenn die Staatsgrenzen erreicht wurden. Vorher könne gegen die Bundesrepublik noch kein Recht aus Art. 16a GG abgeleitet werden.615 Sicher erscheint dabei nur, dass eine Person keine Rechte gegenüber einer deutschen Auslandsvertretung geltend machen können soll. Macht sich die Person aber auf den Weg Richtung deutscher Staatsgrenze, stellt sich die Frage, wann der Zeitpunkt erreicht ist, an dem das Zurückweisungsverbot des Art. 16a GG schließlich entsteht. Anders gefragt: Ab wann darf die Bundesrepublik einem Erreichen der Grenze nicht mehr entgegenwirken? Man könnte eine bestimmte räumliche Nähe zur Staatsgrenze fordern. Dann würde sich allerdings die Frage stellen, was genau unter räumlicher Nähe zu verstehen ist. Muss die Person unmittelbar – z. B. einen Meter – davor stehen oder reicht auch ein Abstand von 50 Metern oder Sichtweite? Einfacher abzustecken wäre der Einflussbereich der Grenzbeamten, die die Einreise in die Bundesrepublik überwachen. So würde das Zurückweisungsverbot an der Grenze der Bundesrepublik schließlich gegenüber diesen geltend gemacht werden. Man könnte demnach annehmen, dass das Zurückweisungsverbot erst dann gilt, wenn die Grenzbeamten überhaupt erst die Möglichkeit einer Zurückweisung hätten. Wenn es aber allein auf die Möglichkeit einer Zurückweisung ankommen soll, stellt sich die Frage, inwiefern die Grenzbeamten anders behandelt werden sollten als die Mitarbeiter einer deutschen Auslandsvertretung, die ein Visum und damit die Einreise 614  S. o.

Teil D. I. 1. b) (3). Isensee, § 115, in: HStR V, 2. Aufl. 2000, Rn. 91; Becker, § 240, in: HStR XI, 3. Aufl. 2013, Rn. 76, wonach das Asylrecht nicht deutsche Auslandsvertretungen verpflichte. Erst an der Grenze dürfe ein politisch Verfolgter nicht zurückgewiesen werden; Jarass, Art. 16a, in: Jarass/Pieroth, GG, 15. Aufl. 2018, Rn. 28, wonach die Abweisung an der Grenze eine Grundrechtsbeeinträchtigung sei. Wegen des Erfordernisses des Erreichens der Grenze sei die Ablehung eines Visums hingegen kein Eingriff. 615  S. etwa

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D. Extraterritoriale Geltung des Art. 16a GG – Besonderer Teil

in die Bundesrepublik verweigern.616 In beiden Fällen würde einer Person die Einreise in die Bundesrepublik verboten bzw. erschwert. Nun wird behauptet, deutsche Auslandsvertretungen übten gegenüber Ausländern im Ausland keine Staatsgewalt i. S. d. Art. 1 Abs. 3 GG aus, weil sie völkerrechtlich nicht zu diplomatischem Asyl berechtigt seien.617 Dass die Grundrechtsbindung gemäß Art. 1 Abs. 3 GG nicht durch eine völkerrechtliche Handlungsbefugnis bestimmt wird, wurde allerdings schon an anderer Stelle ausführlich dargelegt.618 Das Erfordernis des Erreichens der Staatsgrenze erscheint damit als Kompromiss zwischen der Auffassung, die das Betreten des Staatsgebiets für ein Entstehen des Asylrechts fordert, und der Auffassung, die für eine unbeschränkte extraterritoriale Geltung des Asylrechts plädiert. Das Erreichen der Grenzen ist als ein für das Entstehen einer Grundrechtsbindung entscheidendes Kriterium jedoch zu unscharf. Entweder eine Person ist innerhalb oder außerhalb des Staatsgebiets, vor oder hinter der Grenze. Ein Zwischenraum existiert nicht. Wird nun allein das Erreichen der Grenze als ausreichend erachtet, so wird damit eine extraterritoriale Geltung im Ergebnis jedenfalls grundsätzlich akzeptiert.619 Wer eine Grenze erst erreicht, hat diese noch nicht übertreten. Hat er sie noch nicht übertreten, hält er sich im extraterritorialen Bereich auf. g) Funktionales Grenzäquivalent Eine Art Mittelweg bei der Auslegung des Art. 16a GG hinsichtlich einer territorialen Bedingtheit beschreitet Gärditz. Er plädiert einerseits für eine territoriale Bedingtheit des Asylrechts aus historischen und systematischen Gründen.620 Andererseits akzeptiert er eine Geltung des Art. 16a GG, wenn ein „Regime der Grenzsicherung“ z. B. auf hohe See „vorverlagert“ wird. Erforderlich sei dafür allerdings mehr als die „Anwesenheit von Amtswaltern mit beliebigen Hoheitsbefugnissen“.621 Es müsse sich um ein „funktionales 616  Zum

Anspruch auf Erteilung eines Asylvisums s. u. Teil E. II. § 50, in: HGR II, 2006, Rn. 36. 618  Teil B. III. 1. 619  Denninger/Rachor, ZAR 1988, 51, S. 57; Dutta, Luftverkehr und Asylrecht (1997), S. 64; vgl. Gusy, Asylrecht und Asylverfahren (1979), S. 166. 620  Gärditz, Art. 16a, in: Maunz/Dürig, GG, 84. Aufl. August 2018, Rn. 307. Er bezieht sich darauf, dass der Parlamentarische Rat die territoriale Beschränktheit als selbstverständlich angesehen habe (Teil D. I. 1. b) (1)) und dass das Asylrecht im Zusammenhang mit dem Auslieferungsverbot diskutiert und erlassen worden war (Teil D. I. 1. c) (1)). 621  Gärditz, Art. 16a, in: Maunz/Dürig, GG, 84. Aufl. August 2018, Rn. 315. 617  Heintzen,



I. Beschränkung durch territoriale Anspruchsentstehungsvoraussetzungen173

Grenzäquivalent“ handeln, welches z. B. nicht durch „bloße Seenotrettung“ errichtet werde.622 Bestehen solle ein solches z. B. bei auf fremdem Staatsgebiet errichteten „extraterritorialen Transit- und Auffangeinrichtungen“, in denen Asylanträge von deutschen Amtswaltern vor Ort geprüft werden.623 Kein „funktionaler Zusammenhang mit der Grenzsicherung“ werde sich in Bezug auf das Mittelmeer begründen lassen, da jeder Betroffene dann zunächst das Gebiet eines sicheren Drittstaates betreten müsse. Art. 16a Abs. 1 GG beziehe sich lediglich auf die Außengrenzen der Bundesrepublik und nicht die Außengrenzen der EU.624 Gärditz bindet damit das Entstehen des Anspruchs aus Art. 16a GG an das Erreichen der deutschen Staatsgrenzen, legt dabei allerdings den Begriff der Staatsgrenze insoweit weit aus, dass die deutsche Staatsgrenze auch z. B. auf die hohe See oder sogar auf fremdes Staatsgebiet verlagert angesehen werden könnte, soweit die Bundesrepublik dort durch den gezielten Einsatz ihrer Hoheitsgewalt ein funktionales Grenzregime errichtet. Nicht ersichtlich ist allerdings der verfassungsrechtliche Anknüpfungspunkt für eine solche Auffassung.625 Nicht ersichtlich ist zudem eine Begründung für die Annahme, ein funktionales Grenzregime könne von vornherein nicht im Mittelmeer begründet werden. Zum einen ist die Annahme unzutreffend, ein Betroffener müsste vom Mittelmeer aus zwingend das Gebiet eines sicheren Drittstaates betreten. Die Bundesrepublik ist mit dem Schiff zumindest theoretisch auch vom Mittelmeer aus erreichbar. Das bloße Durchqueren der Küstengewässer sicherer Drittstaaten auf dem Weg genügt für eine Anwendbarkeit von Art. 16a Abs. 2 GG – wie später noch im Detail zu entfalten sein wird626 – nicht. Zum anderen ist nicht ersichtlich, warum die potentielle zukünftige Anwendbarkeit der sicheren Drittstaatenregelung schon vor Erfüllung ihrer Voraussetzungen Rechtsfolgen für die Anwendbarkeit des Art. 16a GG insgesamt zeitigen sollte. Überzeugender wäre zunächst von einer Anspruchsentstehung nach Art. 16a Abs. 1 GG auszugehen und erst dann einen Untergang des Asylrechts anzunehmen, wenn die Voraussetzungen der sicheren Drittstaatenregelung erfüllt sind. Dem Ansatz von Gärditz ist insgesamt nicht zu folgen.

622  Gärditz, Art. 16a, in: Maunz/Dürig, GG, 84. Aufl. August 2018, Rn. 315, [im Original teilweise hervorgehoben]. 623  Gärditz, Art. 16a, in: Maunz/Dürig, GG, 84. Aufl. August 2018, Rn. 317, [im Original hervorgehoben]. 624  Gärditz, Art. 16a, in: Maunz/Dürig, GG, 84. Aufl. August 2018, Rn. 315. 625  Die Auffassung erinnert dabei an die oben bereits erörterte Ansicht, die die Bindung an die Grundrechte allgemein von der effektiven Gebietskontrolle abhängig macht. S. o. Teil B. III. 1. a) (2) (b), sowie Teil B. III. 1. b) (3). 626  S. u. Teil D. II. 2.

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D. Extraterritoriale Geltung des Art. 16a GG – Besonderer Teil

h) Völkerrechtsfreundliche Auslegung Schließlich stellt sich die Frage, ob das Gebot der völkerrechtsfreundlichen Auslegung des Grundgesetzes zu einem anderen Ergebnis führen könnte. Danach ist nach Möglichkeit von mehreren Auslegungsergebnissen dasjenige zu wählen, das nicht bzw. am wenigsten mit Völkerrecht in Konflikt steht.627 Unabhängig von der Frage, inwiefern das Gebot der völkerrechtsfreundlichen Auslegung überhaupt in Bezug auf die Auslegung eines grundrechtlichen Schutzbereichs anzuwenden ist, erforderte dies für seine Anwendung mehrere Auslegungsmöglichkeiten.628 Die in dieser Arbeit gestellte Frage kann allerdings nur mit ja oder nein beantwortet werden. Das Grundrecht gilt entweder bereits extraterritorial oder nicht. Dies lässt mehrere Deutungsmöglichkeiten nicht zu. Ein Grundrecht kann nicht mehr oder weniger extraterritorial gelten. Die obigen Ausführungen sprechen zudem gegen eine territoriale Beschränkung des Asylrechts. Es sind nicht etwa zwei gleichermaßen überzeugende Auslegungsmöglichkeiten gegeben, zwischen denen gewählt werden könnte. Außerdem ist auf die zu Beginn der Arbeit geschilderte völkerrechtliche Lage zu verweisen.629 Demnach steht Völkerrecht einer extraterritorialen Gewährung von Grundrechten in ihrer abwehrrechtlichen Dimension nicht entgegen. Dass der asylrechtliche Gewährleistungsgehalt abwehrrechtlich einzuordnen ist, wurde bereits dargelegt.630 Das Asylrecht fordert von der Bundesrepublik grundsätzlich ein Unterlassen, welches mit fremder Hoheitsgewalt nicht in Konflikt gerät. Insoweit aus dem Asylrecht schutzrechtliche Gewährleistungsgehalte abzuleiten wären, wurde ermittelt, dass diese nicht außerhalb des Hoheitsgewaltsmonopols der Bundesrepublik bestehen.631 Dass aus dem Asylrecht je nach Fallgestaltung auch positive Handlungen verlangt werden können,632 kann für die Frage nicht entscheidend sein. So geht es hier um die Frage, wie der asylrechtliche Schutzbereich abstrakt auszulegen ist. Die Frage, ob Art. 16a GG schon extraterritorial gilt, kann nur grundsätzlich, d. h. unabhängig vom Einzelfall beJura 2013, 326, S. 329. Jura 2013, 326, S. 330; Schweitzer/Dederer, Staatsrecht III (2016), 11. Aufl., Rn. 243, 247. 629  S. o. Teil A. I. 630  S. o. Teil C. II. 2. 631  S. o. Teil B. IV. 1. 632  S. dazu Borowski, Grundrechte als Prinzipien (2018), 3. Aufl., S. 289 f.; Borowski, JöR 2002, 301, S. 303–305; Roth, Faktische Eingriffe in Freiheit und Eigentum (1994), S. 86, dazu, dass das abwehrrechtliche Primärrecht in Form eines Sekundäranspruchs auf Wiederherstellung der grundrechtlichen Integrität gerichtet sein kann; so auch Cremer, Freiheitsgrundrechte (2003), S. 139; Redeker, DÖV 1987, 194, S. 196 f., dazu, dass aus der Verletzung eines Abwehrrechts ein Folgenbeseitigungs­ anspruch folgt. 627  Hofmann, 628  Hofmann,



I. Beschränkung durch territoriale Anspruchsentstehungsvoraussetzungen175

antwortet werden. Unabhängig vom Einzelfall gewährt das Asylrecht eben ein in dieser Hinsicht völkerrechtlich neutrales bzw. zulässiges Recht auf Unterlassen. Das Gebot der völkerrechtsfreundlichen Auslegung kann demnach nicht für eine territoriale Beschränkung des Asylrechts herangezogen werden. i) Ergebnis Die Auslegung des Art. 16a Abs. 1 GG ergab, dass Art. 16a Abs. 1 GG nicht tatbestandlich durch die Anwesenheit der schutzsuchenden Person im Inland oder das Erreichen der deutschen Staatsgrenzen bedingt ist. Damit gilt das Asylrecht grundsätzlich schon außerhalb des Bundesgebiets für alle Personen, die politisch verfolgt werden. Aus dem Asylrecht folgt mithin das Verbot für die Bundesrepublik, die Einreise von politisch Verfolgten in das Staatsgebiet der Bundesrepublik durch extraterritoriale Vorfeldmaßnahmen zu ver- bzw. behindern oder sich an Abschiebungen durch dritte Staaten zu beteiligen. 2. Verlassen des Herkunftsstaats Eine territoriale Beschränkung könnte insofern anzunehmen sein, als dass zumindest das Verlassen des Herkunfts- bzw. Verfolgerstaates verlangt wird. Das Asylrecht wäre damit territorial nicht auf das Bundesgebiet, sondern auf den Raum außerhalb des Verfolgerstaates beschränkt. Gusy vertritt die Ansicht, dass das Verlassen des Herkunftsstaates Voraussetzung des Asylrechts sei. Als Begründung bezieht er sich auf den historisch engen Zusammenhang zwischen Asylrecht und Ausreiserecht.633 Dieser Zusammenhang ist jedoch vielmehr der Natur der Sache geschuldet. Und zwar wird derjenige, der politisch verfolgt wird, typischerweise die Flucht ergreifen und in diesem Zuge aus dem Heimatstaat ausreisen. Wie bereits dargelegt ist die freie Flucht gerade das zu schützende Rechtsgut.634 In Fällen, in denen sich eine Person gegenüber der Bundesrepublik also auf das Asylrecht berufen wird, kann also in der Regel davon ausgegangen werden, dass eine Ausreise bereits erfolgt sein wird. Es ist jedoch kein Grund ersichtlich, warum gerade die Ausreise aus dem Verfolgerstaat als Tatbestandsmerkmal des Art. 16a Abs. 1 GG anzusehen sein soll. So beginnt eine Flucht doch bereits innerhalb des Heimatstaates, beispielsweise mit Verlassen der eigenen Wohnung Richtung si633  Gusy, Asylrecht und Asylverfahren (1979), S. 10 mit Fn. 41; auch Hailbronner, Einreiseverweigerung und Visumzwang im Asylrecht, in: FS Doehring, 1989, S. 296, vertritt das Erfordernis des Verlassens des Herkunftsstaates. 634  S. o. Teil C. II. 2.

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D. Extraterritoriale Geltung des Art. 16a GG – Besonderer Teil

cherem Ausland. Warum sollte zu diesem Zeitpunkt noch kein grundrechtlicher Schutz eingreifen? Soweit von Rechtsprechung und Literatur das Erfordernis einer Flucht angesprochen und diskutiert wird, ist nicht die Frage angesprochen, ob eine Ausreise erfolgt sein muss. Vielmehr geht es um die Frage, ob zwischen Verfolgungshandlung und Flucht ein Kausalzusammenhang gegeben sein muss.635 Damit könnte höchstens die Voraussetzung entnommen werden, dass eine Flucht überhaupt begonnen worden sein muss. Wann vom Beginn dieser Flucht auszugehen ist – ob schon vor oder erst nach Ausreise aus dem Heimatstaat – bleibt offen. Die Annahme Gusys, das Asylrecht greife erst ab Verlassen des Verfolgerstaates, kann damit verfassungsrechtlich nicht begründet werden. 3. Ergebnis Das Asylrecht des Art. 16a Abs. 1 GG regelt mithin weder das Betreten bzw. Erreichen des deutschen Staatsgebiets noch das Verlassen des Herkunftsstaates als Anspruchsentstehungsvoraussetzung. Das Asylgrundrecht schützt die Flucht politisch Verfolgter in die Bundesrepublik. Es schützt vor Zurückweisungen an der Grenze und vor Abschiebungen bzw. Zurückweisungen in den Verfolgerstaat.636 Die extraterritoriale Wirkung des Art. 16a Abs. 1 GG bedeutet, dass die Bundesrepublik keine Maßnahmen ergreifen bzw. sich an solchen beteiligen darf, die dazu führen, dass politisch Verfolgte ihre Grenze nicht erreichen oder in ihre Verfolgerstaaten zurückbefördert werden.

II. Extraterritorial bewirkte Beschränkung des Schutzbereichs bei Einreise aus einem sicheren Drittstaat Auch wenn gezeigt wurde, dass das Asylrecht tatbestandlich nicht durch die Anwesenheit der schutzsuchenden Person im Bundesgebiet beschränkt ist, könnte sich die räumliche Position der schutzsuchenden Person trotzdem auf ihr Asylrecht auswirken. Angesprochen ist damit die sichere Drittstaatenregelung des Art. 16a Abs. 2 GG, welche auf ihre (räumlichen) Auswirkungen auf das extraterritoriale Asylrecht des Art. 16a Abs. 1 GG hin zu untersuchen ist. 635  S. z. B. BVerwGE 87, 52 (53); BVerwGE 85, 139 (140); BVerfGE 74, 51 (60); BVerfGE 80, 315 (344); Randelzhofer, Art. 16a, in: Maunz/Dürig, GG, 84. Aufl. August 2018 (Stand: bis 59. EL Juli 2010), Rn. 42; Wittreck, Art. 16a, in: Dreier, GG, 3. Aufl. 2013, Rn. 73. Siehe dazu auch schon die Ausführungen oben zum Zufluchtgedanken des Asylrechts Teil C. II. 2. b). 636  S. o. Teil C. II. 2.



II. Extraterritorial bewirkte Beschränkung des Schutzbereichs177

Gemäß Art. 16a Abs. 2 S. 1 GG kann sich auf Abs. 1 nicht berufen, wer aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften oder aus einem anderen Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist. Gemäß Art. 16a Abs. 2 S. 2 GG werden die Staaten außerhalb der Europäischen Gemeinschaften, auf die die Voraussetzungen des Satzes 1 zutreffen, durch Gesetz bestimmt, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf. Diese Regelung betrifft die extraterritoriale Geltungsreichweite des Asylrechts insofern, als dass sich der räumliche Verlauf der Flucht und damit die räumliche Position der schutzsuchenden Person auf ihr Asylrecht auswirkt. Laut Bundesverfassungsgericht beschränkt die sichere Drittstaatenregelung den persönlichen Geltungsbereich des Asylrechts.637 Auch in der Literatur wird die Drittstaatenregelung überwiegend als Beschränkung des (persönlichen) Schutzbereichs eingeordnet bzw. die These vertreten, die Drittstaatenregelung schließe einen bestimmten Personenkreis vollständig von der Asylrechtsverbürgung aus.638 Die Ansicht, derzufolge das Asylrecht für den be637  BVerfGE

94, 49 (87). ZfSH/SGB 1995, 281, S. 286; Randelzhofer, § 153, in: HStR VII, 3. Aufl. 2009, Rn. 75; Heinold, Sten. Prot., S. 416; Renner, ZAR 1993, 118, S. 118; Jarass, Art. 16a, in: Jarass/Pieroth, GG, 15. Aufl. 2018, Rn. 23; GöbelZimmermann/Masuch, InfAuslR 1996, 404, S. 406; Fröhlich, Das Asylrecht im Rahmen des Unionsrechts (2011), S. 97 m. w. N. in Fn. 76; Will, Art. 16a, in: Sachs, GG, 8. Aufl. 2018, Rn. 56, 69; Tomuschat, EuGRZ 1996, 381, S. 383; Becker, Art. 16a, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG, 7. Aufl. 2018, Rn. 151; Lübbe-Wolff, Art. 16a, in: Dreier, GG, 1996, Rn. 71 m. w. N. in Fn. 275; Renner, ZAR 1996, 103, S. 103; Masing, Art. 16a, in: Dreier, GG, 2. Aufl. 2004, Rn. 71 f.; Schnapp, Art. 16a, in: Münch/Kunig, GG, 5. Aufl. 2000, Rn. 12; Papier, Asyl und Migration als Herausforderung für Staat und EU, in: Walter/Burgi, Flüchtlingspolitik, 2017, S. 120; „verfassungsunmittelbare Bestimmung und Begrenzung des Schutzbereichs“ bei Papier, Sten. Prot., 262 f., 276; wie letzterer auch Möller, Art. 16a GG, in: AuslR, 2. Aufl. 2016, Rn. 21; Günther, § 26a AsylG, in: Beck-OK AuslR, 20. Aufl. 01.11.2018, Rn. 4 (Beschränkung des persönlichen Schutzbereichs); Wittreck, Art. 16a, in: Dreier, GG, 3. Aufl. 2013, Rn. 96, wonach jegliche Berufung auf Art. 16a GG ausgeschlossen sei; „negative Beschreibung des Schutzbereichs“ bei Lotz, Sten. Prot., S. 250; Voßkuhle, DÖV 1994, 53, S. 55, spricht von einem „materiellen Ausschluß des Asylgrundrechts“ [im Original z. T. hervorgehoben]; Schoch, DVBl. 1993, 1161, S. 1164, welcher Art. 16a Abs. 2 GG als „verfassungsunmittelbare Begrenzung des Schutzbereichs“ [im Original hervorgehoben] bezeichnet und mit den Voraussetzungen „friedlich und ohne Waffen“ des Art. 8 GG vergleicht; Wollenschläger/Schraml, JZ 1994, 61, S. 62, sprechen von einer Begrenzung des Schutzbereichs in materieller Hinsicht; für eine „sachliche[…] Begrenzung des Schutzbereichs“ Gärditz, Art. 16a, in: Maunz/Dürig, GG, 84. Aufl. August 2018, Rn. 377. Eine andere Einordnung trifft auch Arnauld, Art. 16a, in: Münch/Kunig, GG, 6. Aufl. 2012, Rn. 34, der die Drittstaatenregelung nicht auf der Ebene des Schutzbereichs, sondern der Schranken ansiedelt. 638  Lehnguth/Maassen,

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D. Extraterritoriale Geltung des Art. 16a GG – Besonderer Teil

troffenen Personenkreis nicht zum Entstehen komme,639 kann allerdings nicht überzeugen, da das Asylrecht – wie soeben dargelegt – schon extraterritorial mit Beginn der politischen Verfolgung entsteht. Die Drittstaatenregelung kann also nur dazu führen, dass das Asylrecht im Nachhinein wieder untergeht. Im Folgenden soll hinsichtlich der Rechtsfolge der sicheren Drittstaatenregelung dementsprechend von einem Untergang des Asylrechts gesprochen werden. Auf eine umfassende Darstellung bzw. Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der Drittstaatenregelung selbst und des dazu ergangenen Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 14. Mai 1996640 wird im Rahmen dieser Arbeit verzichtet. Dies gilt insbesondere für eine Ermittlung der Reichweite der sicheren Drittstaatenregelung, sowohl hinsichtlich ihres Tatbestands als auch ihrer Rechtsfolge. Nicht untersucht wird demensprechend, wann ein Drittstaat als sicher einzustufen ist und ob die mangelnde tatsächliche Sicherheit in einem Drittstaat Auswirkungen auf die Anwendbarkeit der Drittstaatenregelung hat. Des Weiteren wird nicht geprüft, ob die Drittstaatenregelung auch hinsichtlich einer (Ketten)Abschiebung in den Verfolgerstaat gilt. Darüber hinaus wird nicht darauf eingegangen, ob die sichere Drittstaatenregelung mit Art. 79 Abs. 3 GG i. V. m. Art. 1 GG vereinbar ist. Diese und weitere Fragen wurden seit Inkrafttreten der Grundgesetzänderung im Jahre 1993 in der Literatur bereits ausführlich behandelt.641 Eine erneute Aufarbeitung dieser Thematik ist vorliegend nicht angezeigt, da diese für den Prüfungsgegenstand dieser Arbeit nicht von Bedeutung wäre. Die vorliegende Arbeit untersucht die Frage, inwiefern sich die räumliche Stellung einer Person auf ihr Asylgrundrecht auswirkt. Käme man zu dem Ergebnis, dass die Drittstaaten639  Lehnguth/Maassen, ZfSH/SGB 1995, 281, S. 286; Renner, Sten. Prot., S. 346; Renner, ZAR 1993, 118, S. 118, 120; Henkel, NJW 1993, 2705, S. 2706; Fröhlich, Das Asylrecht im Rahmen des Unionsrechts (2011), S. 97; Bergmann, Art. 16a GG, in: AuslR, 12. Aufl. 2018, Rn. 93; Schoch, DVBl. 1993, 1161, S. 1164; Möller, Art. 16a GG, in: AuslR, 2. Aufl. 2016, Rn. 21; unklar Bonk, Art. 16a, in: Sachs, GG, 1996, Rn. 48 f., der zunächst feststellt, dass der Anspruch „nicht zur Entstehung“ kommt und darauf hin von einer anspruchsvernichtenden Wirkung spricht. 640  BVerfGE 94, 49. 641  S. nur Zimmermann, Das neue Grundrecht auf Asyl (1994); Daniels, Der neue Asylgrundrechtsartikel 16a GG (1994); Meierhofer, Die asylrechtliche Drittstaatenregelung (1998); Ulmer, Asylrecht und Menschenwürde (1996); Kupka, Die Drittstaatenregelung im Asylrecht (1999); Woyczechowski, Zwischen Vermutung und Gewissheit (2003); Hong, Asylgrundrecht und Refoulementverbot (2008); Dutta, Luftverkehr und Asylrecht (1997); Lübbe-Wolff, DVBl. 1996, 825; Marx, InfAuslR 1997, 208; Lehnguth/Maassen, ZfSH/SGB 1995, 281; Schoch, DVBl. 1993, 1161; Tomuschat, EuGRZ 1996, 381; Voßkuhle, DÖV 1994, 53; Hailbronner, ZAR 1993, 107; Renner, ZAR 1993, 118; Renner, ZAR 1996, 103; Selk, ZAR 1994, 59; Gusy, Jura 1993, 505; Henkel, NJW 1993, 2705; Göbel-Zimmermann/Masuch, InfAuslR 1996, 404; Hehl, ZRP 1993, 301; Frowein/Zimmermann, JZ 1996, 753.



II. Extraterritorial bewirkte Beschränkung des Schutzbereichs179

regelung verfassungswidrig und damit nichtig bzw. ein Staat trotz seiner (grund)gesetzlichen Einordnung als sicher nicht als sicher anzusehen und die Drittstaatenregelung auf diesen folglich nicht anwendbar ist, so hätte die Drittstaatenregelung keine Auswirkungen auf das Asylrecht des Einzelnen. Dies gälte unabhängig davon, wo sich die betroffene Person aufhält. Mit anderen Worten: Scheitert die Anwendbarkeit der Drittstaatenregelung aufgrund ihrer eigenen Verfassungswidrigkeit oder weil ihre Voraussetzungen nicht erfüllt sind, so kann sie von vornherein keine Auswirkungen auf das extraterritoriale Asylrecht des Art. 16a Abs. 1 GG haben. Die folgende Prüfung konzentriert sich dem Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit entsprechend auf die Frage der räumlichen Tatbestandsvoraussetzungen der sicheren Drittstaatenregelung. Dafür wird zunächst dargelegt, welche Staaten sichere Drittstaaten i. S. d. Regelung darstellen. Die Summe dieser Staaten ergibt den Teil der Erdoberfläche, auf den sich Art. 16a Abs. 2 GG bezieht. Daraufhin wird erörtert, unter welchen Voraussetzungen der Aufenthalt in einem solchen Drittstaat die Wirkungen der Drittstaatenregelung aktiviert und ob diese schon extraterritorial eintreten. 1. Sichere Drittstaaten a) Dynamische Verweisung auf die Mitgliedstaaten der Europäischen Union Trotz des Bezugs auf die „Europäischen Gemeinschaften“ ist Art. 16a Abs. 2 GG nach einhelliger Ansicht nunmehr auf die Mitgliedstaaten der Europäischen Union zu beziehen.642 Fraglich ist indes, ob Art. 16a Abs. 2 S. 1 GG sich nur auf die Mitgliedstaaten bezieht, die zum Zeitpunkt der Asylrechtsreform bereits Mitgliedstaaten waren. Überwiegend wird Art. 16a Abs. 2 S. 1 GG als dynamische Verweisung eingeordnet.643 Es sollten nicht 642  S. nur Will, Art. 16a, in: Sachs, GG, 8. Aufl. 2018, Rn. 58; Wittreck, Art. 16a, in: Dreier, GG, 3. Aufl. 2013, Rn. 97; Meierhofer, Die asylrechtliche Drittstaatenregelung (1998), S. 95; Jarass, Art. 16a, in: Jarass/Pieroth, GG, 15. Aufl. 2018, Rn. 24; Arnauld, Art. 16a, in: Münch/Kunig, GG, 6. Aufl. 2012, Rn. 38; Kupka, Die Drittstaatenregelung im Asylrecht (1999), S. 15. Die Europäische Union in ihrer heutigen Form ist aus den Europäischen Gemeinschaften hervorgegangen und mit ihnen seit dem Vertrag von Lissabon verschmolzen, Borchardt, Die rechtlichen Grundlagen der Europäischen Union (2015), 6. Aufl., Rn. 11. 643  BVerfGE 94, 49 (89); Lehnguth/Maassen, ZfSH/SGB 1995, 281, S. 283; Fröhlich, Das Asylrecht im Rahmen des Unionsrechts (2011), S. 96; Will, Art. 16a, in: Sachs, GG, 8. Aufl. 2018, Rn. 60; Randelzhofer, Art. 16a Abs. 2–5, in: Maunz/Dürig, GG, 84. Aufl. August 2018 (Stand: bis 59. EL Juli 2010), Rn. 4; Wittreck, Art. 16a, in: Dreier, GG, 3. Aufl. 2013, Rn. 97; Masing, Art. 16a, in: Dreier, GG, 2. Aufl. 2004, Rn. 73; Arnauld, Art. 16a, in: Münch/Kunig, GG, 6. Aufl. 2012, Rn. 38; Meierhofer,

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D. Extraterritoriale Geltung des Art. 16a GG – Besonderer Teil

nur diejenigen Mitgliedstaaten einbezogen werden, die zum Zeitpunkt der Asylrechtsreform Mitglieder waren, sondern auch die potenziellen zukünftigen Mitgliedstaaten.644 Dies wird zum einen daraus geschlossen, dass nicht die damaligen Mitgliedstaaten einzeln aufgezählt worden sind.645 Zum anderen liegt der Norm die Vorstellung zugrunde, dass alle Mitgliedstaaten eine im Wesentlichen gleiche Grundüberzeugung im Hinblick auf GFK und EMRK haben.646 Folge der dynamischen Verweisung ist zum einen, dass nicht nur die damaligen Mitgliedstaaten von der Drittstaatenregelung umfasst werden, sondern auch diejenigen, die seit der Asylrechtreform in die EU eingetreten sind. Zum anderen bedeutet es auch umgekehrt, dass ein damaliger Mitgliedstaat nach seinem Austritt nicht mehr zu den verfassungsrechtlich als sicher eingestuften Drittstaaten zählt und folglich nur über einfaches Gesetz zum sicheren Drittstaat bestimmt werden kann. Dies wird für das Vereinigte Königreich gelten, das seit dem 1. Januar 1973 Mitglied der Europäischen Gemeinschaften ist, wenn es aus der Europäischen Union austritt.647 b) Gesetzliche Bestimmung sicherer Drittstaaten Gemäß Art. 16a Abs. 2 S. 1 i. V. m. S. 2 GG besteht die Möglichkeit, mit Zustimmung des Bundesrates sichere Drittstaaten zu bestimmen. Materielle Voraussetzung für ein Gesetz gemäß Art. 16a Abs. 2 S. 2 GG ist zum einen, Die asylrechtliche Drittstaatenregelung (1998), S. 95; Maaßen, Art. 16a, in: BeckOK GG, 39. Aufl. 15.11.2018, Rn. 63; Zimmermann/Tams, Art. 16a, in: Berliner Kommentar, 2018 (Stand: 19. EL 2007), Rn. 147; Jarass, Art. 16a, in: Jarass/Pieroth, GG, 15. Aufl. 2018, Rn. 24; a. A. Ulmer, Asylrecht und Menschenwürde (1996), S. 104 ff. 644  Randelzhofer, § 153, in: HStR VII, 3. Aufl. 2009, Rn. 77; Randelzhofer, Art. 16a Abs. 2–5, in: Maunz/Dürig, GG, 84. Aufl. August 2018 (Stand: bis 59. EL Juli 2010), Rn. 4; Meierhofer, Die asylrechtliche Drittstaatenregelung (1998), S. 95; Zimmermann, Das neue Grundrecht auf Asyl (1994), S. 281 ff.; Wittreck, Art. 16a, in: Dreier, GG, 3. Aufl. 2013, Rn. 97; Will, Art. 16a, in: Sachs, GG, 8. Aufl. 2018, Rn. 60; ­Arnauld, Art. 16a, in: Münch/Kunig, GG, 6. Aufl. 2012, Rn. 38. 645  Meierhofer, Die asylrechtliche Drittstaatenregelung (1998), S. 95; Randelzhofer, Art. 16a Abs. 2–5, in: Maunz/Dürig, GG, 84. Aufl. August 2018 (Stand: bis 59. EL Juli 2010), Rn. 4; Randelzhofer, § 153, in: HStR VII, 3. Aufl. 2009, Rn. 77. 646  Will, Art. 16a, in: Sachs, GG, 8. Aufl. 2018, Rn. 60; Randelzhofer, Art. 16a Abs. 2–5, in: Maunz/Dürig, GG, 84. Aufl. August 2018 (Stand: bis 59. EL Juli 2010), Rn. 4. 647  Nach einem Bürger-Referendum im Juni 2016 teilte das Vereinigte Königreich dem Europäischen Rat im März 2017 offiziell mit, aus der EU austreten zu wollen und machte von Art. 50 des Vertrags von Lissabon Gebrauch. S. zum Verfahrensgang europa.eu/newsroom/highlights/special-coverage/brexit_de (letzter Zugriff: 03. Juni 2019).



II. Extraterritorial bewirkte Beschränkung des Schutzbereichs181

dass der jeweilige Drittstaat sowohl der GFK als auch der EMRK beigetreten ist und diese ratifiziert hat. Zum anderen muss auch in tatsächlicher Hinsicht sichergestellt sein, dass diese auch verlässlich angewendet werden.648 Da es sich dabei um einfaches Gesetzesrecht handelt, ist die Überprüfung dieser Voraussetzungen, das heißt der Sicherheit im Drittstaat, im Rahmen einer Normenkontrolle möglich.649 Das Bundesverfassungsgericht hat dem Gesetzgeber bei dieser Einschätzung jedoch einen weiten Spielraum eingeräumt.650 Ob dieser weite Spielraum rechtsstaatlichen Erwägungen und dem Asylrecht selbst gerecht wird, mag bezweifelt werden,651 soll hier jedoch dahingestellt bleiben.652 Zurzeit sind gemäß § 26a Abs. 2 AsylG i. V. m. Anlage I des AsylG653 Norwegen und die Schweiz als sichere Drittstaaten im Sinne des Art. 16a Abs. 2 S. 2 GG bestimmt. 2. Einreise aus einem sicheren Drittstaat Das vorliegend entscheidende Tatbestandsmerkmal der sicheren Drittstaatenregelung ist, dass die schutzsuchende Person aus einem der eben identifizierten sicheren Drittstaaten eingereist sein muss. Fraglich ist, wann von einer Einreise aus einem solchen Staat auszugehen ist. Wie muss sich eine Person im Raum bewegen, um die sichere Drittstaatenregelung auszulösen? Dafür werden zunächst die Grundlagen der Voraussetzungen einer Einreise aus einem sicheren Drittstaat erläutert (a). Daraufhin wird untersucht, ob z. B. auch das Betreten eines Schiffs unter der Flagge eines sicheren Drittstaates ausreicht (b), und wie es sich auswirkt, wenn ein Schiff oder Flugzeug mit schutzsuchenden Personen an Bord die Hoheitsgewässer bzw. das Hoheitsgebiet eines sicheren Drittstaates durchquert (c). Schließlich wird ermittelt, ob die Drittstaatenregelung erst greift, wenn eine Einreise ins Bundesgebiet erfolgt ist, oder ob sie schon vorher greift, wenn sich die Person noch außerhalb der Bundesrepublik befindet (d).

Art. 16a, in: Dreier, GG, 3. Aufl. 2013, Rn. 99 f. Art. 16a, in: Sachs, GG, 8. Aufl. 2018, Rn. 66 f. 650  BVerfGE 94, 49 (93). Demzufolge muss sich die Entscheidung des Gesetzgebers bloß als „vertretbar“ erweisen. 651  S.  z. B. Wittreck, Art. 16a, in: Dreier, GG, 3. Aufl. 2013, Rn. 100; Marx, Inf­ AuslR 1997, 208, S. 210; Zimmermann/Tams, Art. 16a, in: Berliner Kommentar, 2018 (Stand: 19. EL 2007), Rn. 157; vgl. auch Frowein/Zimmermann, JZ 1996, 753, S. 757; weniger streng im Hinblick auf die Komplexität der Fragestellung jedoch Tomuschat, EuGRZ 1996, 381, S. 381 f. 652  S. bereits oben Teil D. II., S. 178. 653  Stand 09. Mai 2018. Neufassung des Asylverfahrensgesetzes vom 2. September 2008, BGBl I, S. 1798. 648  Wittreck, 649  Will,

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D. Extraterritoriale Geltung des Art. 16a GG – Besonderer Teil

a) Grundlagen Zunächst sollen die allgemeinen Voraussetzungen für die Anwendbarkeit der sicheren Drittstaatenregelung erläutert werden, um daraufhin die verschiedenen räumlichen Konstellationen zu untersuchen. Für die Drittstaatenregelung genügt nach wohl einhelliger Ansicht nicht allein die Durchreise durch einen sicheren Drittstaat. Entscheidend ist, dass die schutzsuchende Person die Möglichkeit hatte, im sicheren Drittstaat ein Schutzgesuch zu stellen.654 Auf den subjektiven Willen der schutzsuchenden Person, ein Schutzgesuch im jeweiligen sicheren Drittstaat zu stellen, kommt es dabei nicht an.655 Reiste die schutzsuchende Person zum Beispiel mithilfe von öffentlichen Verkehrsmitteln ohne einen Zwischenhalt im sicheren Drittstaat ein, genügte dies zwar nicht für die Anwendbarkeit des Art. 16a Abs. 2 GG.656 Werden die Hindernisse zur Inanspruchnahme von Schutz allerdings von der schutzsuchenden Person selbst verursacht, muss sie sich dies zurechnen lassen.657 Sie kann sich zum Beispiel nicht bewusst in einem LKW einschließen lassen, um die Anwendbarkeit von der Drittstaatenregelung zu umgehen.658 Von der Person wird verlangt, die Flucht zu unterbrechen, um einen Schutzantrag zu stellen.659 654  Hailbronner, Art. 16a GG, in: AuslR, Januar 2018, Rn. 329; Schoch, DVBl. 1993, 1161, S. 1163 f.; Masing, Art. 16a, in: Dreier, GG, 2. Aufl. 2004, Rn. 74; Lübbe-Wolff, Art. 16a, in: Dreier, GG, 1996, Rn. 68; Woyczechowski, Zwischen Vermutung und Gewissheit (2003), S. 66 ff.; Will, Art. 16a, in: Sachs, GG, 8. Aufl. 2018, Rn. 71; Arnauld, Art. 16a, in: Münch/Kunig, GG, 6. Aufl. 2012, Rn. 41; Randelz­ hofer, § 153, in: HStR VII, 3. Aufl. 2009, Rn. 81; vgl. BVerfGE 94, 49 (106 f.). 655  Jarass, Art. 16a, in: Jarass/Pieroth, GG, 15.  Aufl. 2018, Rn. 26; Arnauld, Art. 16a, in: Münch/Kunig, GG, 6.  Aufl. 2012, Rn. 41; Randelzhofer, Art. 16a Abs. 2–5, in: Maunz/Dürig, GG, 84. Aufl. August 2018 (Stand: bis 59. EL Juli 2010), Rn. 41. 656  So insbesondere BVerfGE 94, 49 (94); Will, Art. 16a, in: Sachs, GG, 8. Aufl. 2018, Rn. 71; Lübbe-Wolff, Art. 16a, in: Dreier, GG, 1996, Rn. 68, Fn. 270. Fraglich ist jedoch, wann schon ein Zug einen Staat ohne Zwischenhalt komplett durchfährt, Hailbronner, NVwZ 1996, 625, S. 627; Marx, InfAuslR 1997, 208, S. 216. 657  Randelzhofer, Art. 16a Abs. 2–5, in: Maunz/Dürig, GG, 84. Aufl. August 2018 (Stand: bis 59. EL Juli 2010), Rn. 41; Arnauld, Art. 16a, in: Münch/Kunig, GG, 6. Aufl. 2012, Rn. 41; Zimmermann/Tams, Art. 16a, in: Berliner Kommentar, 2018 (Stand: 19. EL 2007), Rn. 136; Masing, Art. 16a, in: Dreier, GG, 2. Aufl. 2004, Rn. 74; Becker, Art. 16a, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG, 7. Aufl. 2018, Rn. 172. 658  BVerwGE 105, 194 (196); Masing, Art. 16a, in: Dreier, GG, 2. Aufl. 2004, Rn. 74, Fn. 215; Will, Art. 16a, in: Sachs, GG, 8. Aufl. 2018, Rn. 71. Wegen der Schutzbedürftigkeit des Flüchtlings kritisch hierzu Göbel-Zimmermann, Asyl- und Flüchtlingsrecht (1999), S. 93 f. 659  BVerfGE 94, 49 (94); Maaßen/Wyl, ZAR 1996, 158, S. 163; Meierhofer, Die asylrechtliche Drittstaatenregelung (1998), S. 130; Hailbronner, Art. 16a GG, in: AuslR, Januar 2018, Rn. 329.



II. Extraterritorial bewirkte Beschränkung des Schutzbereichs183

Einer Einreise aus einem sicheren Drittstaat steht es zudem nicht entgegen, dass der sichere Drittstaat nicht die letzte Station vor der Einreise in die Bundesrepublik war. Reist eine Person zunächst in einen sicheren Drittstaat ein, um dann in einen nicht als sicher bestimmten Drittstaat und dann von dort aus in die Bundesrepublik einzureisen, liegt trotzdem eine Einreise aus einem sicheren Drittstaat vor.660 b) Anwendbarkeit auf Personen an Bord von Schiffen oder Flugzeugen unter der Flagge eines sicheren Drittstaates außerhalb des jeweiligen eigenen Hoheitsgebiets – Erfordernis eines Gebietskontakts Fraglich ist nun, was für Personen gilt, die sich an Bord eines Schiffs oder eines Flugzeugs befinden, das unter der Flagge eines sicheren Drittstaats geführt wird. Mit anderen Worten: Findet die Drittstaatenregelung Anwendung, wenn ein sicherer Drittstaat auf hoher See Flüchtlinge von einem kenternden Schlauchboot rettet oder wenn irgendwo auf der Welt ein Flugzeug, das unter der Flagge eines sicheren Drittstaates geführt wird, von einer politisch verfolgten Person betreten wird? Entscheidend für die Beantwortung dieser Frage ist, ob die Einreise aus einem sicheren Drittstaat erfordert, dass das Landterritorium des sicheren Drittstaates betreten worden sein muss. Dann würde das Betreten eines Schiffs oder Flugzeugs allein nicht für eine Anwendbarkeit der sicheren Drittstaatenregelung genügen. Gegen das Erfordernis eines Gebietskontakts und für das Ausreichen der Anwesenheit an Bord eines Schiffs oder Flugzeugs unter der Flagge eines sicheren Drittstaats könnten Sinn und Zweck der Drittstaatenregelung sprechen. Sinn und Zweck der Drittstaatenregelung ist es, diejenigen vom Asylschutz in der Bundesrepublik Deutschland auszuschließen, die dieses Schutzes nicht mehr bedürfen, weil sie schon anderweitigen Schutz gefunden haben bzw. hätten finden können.661 Es geht in der Sache demnach nicht darum, dass eine Person einen bestimmten Fluchtweg über bestimmte Staatsgebiete genommen hat, sondern um die mangelnde Schutzbedürftigkeit einer Person. Daraus könnte geschlossen werden, dass es nicht darauf ankommt, ob ein Kontakt zum Staatsgebiet hergestellt worden ist, sondern darum, ob durch den jeweiligen Drittstaat Schutz gewährt wird oder nicht. Schutz könnte ein 660  BVerfGE 94, 49 (94); Woyczechowski, Zwischen Vermutung und Gewissheit (2003), S.  62 ff.; Marx, InfAuslR 1997, 208, S. 215; Lehnguth/Maassen, ZfSH/SGB 1995, 281, S. 285, insbesondere Fn. 45; a. A. noch Kanein/Renner, AuslR (1993), 6. Aufl. Art. 16a GG, Rn. 99; für die Ansicht, dass der sichere Drittstaat nicht der letzte Staat vor der Einreise sein muss jedoch in den Folgeauflagen, Kanein/Renner, AuslR (1999), 7. Aufl. Art. 16a, Rn. 99, sowie Bergmann, Art. 16a GG, in: AuslR, 12. Aufl. 2018, Rn. 99. 661  BT-Drs. 12/4152, S. 3 f.

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D. Extraterritoriale Geltung des Art. 16a GG – Besonderer Teil

Staat einer Person auch an Bord eines Schiffes gewähren. Die Schutzbedürftigkeit könnte demnach schon an Bord eines Schiffes eines sicheren Drittstaates entfallen, ohne dass das Staatsgebiet betreten worden ist. Immerhin bestehen die völkervertraglichen Pflichten von EMRK und GFK für die Unterzeichnerstaaten auch an Bord von Schiffen.662 Gegen eine solche Auslegung spricht jedoch der Wortlaut des Art. 16a Abs. 2 GG. Dort ist von einer Einreise aus einem Staat die Rede. Darunter ist die Einreise aus einem fremden Staatsgebiet zu verstehen.663 Geht eine Person an einem deutschen Hafen von Bord eines französischen Schiffs ohne vorher französischen Boden berührt zu haben, ist dies grundsätzlich nicht als Einreise aus Frankreich zu sehen. Der Wortlaut setzt vielmehr die Einreise aus einem fremden Staatsgebiet voraus. Für dieses Verständnis spricht auch die Gesetzesbegründung. Demnach habe der Gesetzgeber bei der Feststellung der Sicherheit eines Drittstaats die Praxis „in dem betreffenden Staat“664 zugrunde zu legen und nicht etwa die Praxis „des betreffenden Staates“. Die Präposition „in“ bezeichnet dabei den Ort eines Geschehens, während räumlich unter einem Staat grundsätzlich dessen Staatsgebiet zu verstehen ist.665 Bei der Einreise aus einem sicheren Drittstaat ist dementsprechend ein (Staats)Gebietskontakt zu fordern.666 Befindet sich eine Person lediglich an 662  Zur Bindung an die EMRK an Bord von Schiffen, EGMR, Case of Hirsi Jamaa and others v. Italy, App. No. 27765/09, Urteil vom 23.02.2012. Der EGMR entschied, dass Personen an Bord von Schiffen nicht in den Häfen von Staaten abgesetzt werden dürfen, in denen ihnen Verfolgung bzw. die Abschiebung in einen solchen (verfolgenden) Staat droht. Auch das Zurückweisungsverbot der GFK entfaltet seine Bindungswirkung an Bord von Schiffen, Fischer-Lescano/Tohidipur, ZaöRV 2007, 1219, S.  1243 ff. 663  Vgl. Maaßen/Wyl, ZAR 1996, 158, S. 163. Diese sprechen vom tatsächlichen „Verlassen eines fremden Staatsgebiets“, allerdings beziehen sie sich dabei speziell auf den Wortlaut „aus“. 664  BT-Drs. 12/4152, S. 4. 665  Dafür spricht z. B., dass das Staatsgebiet nach der Drei-Elemente-Lehre ein den Staat ausmachendes Kriterium ist. Zur Drei-Elemente-Lehre s. Degenhart, Staatsrecht I (2017), 33. Aufl., Rn. 2 f. 666  So auch Woyczechowski, Zwischen Vermutung und Gewissheit (2003), S. 66. Davon scheint auch die Rspr. auszugehen, s. nur BVerwGE 105, 194 (198), welches von einem tatsächlichen Gebietskontakt als Voraussetzung spricht. Arnauld, Art. 16a, in: Münch/Kunig, GG, 6. Aufl. 2012, Rn. 41, spricht von einem „qualifizierte[n] Gebietskontakt“; ebenfalls auf den Aufenthalt im Territorium eines Drittstaates abstellend Randelzhofer, Art. 16a Abs. 2–5, in: Maunz/Dürig, GG, 84. Aufl. August 2018 (Stand: bis 59. EL Juli 2010), Rn. 40; Wollenschläger/Schraml, JZ 1994, 61, S. 64, denenzufolge der „bloße Gebietskontakt“ ausreiche. Dies ergibt sich auch aus einem zu Protokoll gegebenen Redebeitrag zur 160. Sitzung des Deutschen Bundestages, 26. Mai 1993, Plenarprotokoll 12/160, S. 13675 (A), wonach ein Gebietskontakt mit einem als sicher definierten Drittstaat vorausgesetzt werde. Vgl. Göbel-Zimmermann/



II. Extraterritorial bewirkte Beschränkung des Schutzbereichs185

Bord eines Schiffs oder Flugzeugs, das unter der Flagge eines Drittstaates geführt wird, so ist noch nicht von einer Anwendbarkeit der Drittstaatenregelung des Art. 16a Abs. 2 GG auszugehen. Dasselbe gilt im Übrigen für Schiffe und Flugzeuge unter deutscher Flagge. Allein das Betreten dieser stellt noch keine Einreise in die Bundesrepublik dar.667 Entscheidend ist zwar nicht der Gebietskontakt allein, sondern die Möglichkeit, einen Schutzantrag zu stellen.668 Der Gebietskontakt stellt jedoch eine Mindestvoraussetzung dar, da eine Anwendbarkeit außerhalb des Staatsgebiets der sicheren Drittstaaten ausgeschlossen ist. c) Anwendbarkeit auf Personen an Bord von Schiffen oder Flugzeugen unter der Flagge anderer Drittstaaten innerhalb des Hoheitsbereichs sicherer Drittstaaten – Transitaufenthalte Zu fragen ist außerdem, ob die sichere Drittstaatenregelung dann greift, wenn eine Person sich an Bord eines Schiffes oder eines Flugzeugs befindet, das das Hoheitsgebiet, die Hoheitsgewässer oder den Luftraum eines sicheren Drittstaates ansteuert bzw. durchquert. Die internen Gewässer und Territorialgewässer sowie der Luftraum über dem Hoheitsgebiet gehören zum Staatsgebiet eines Staates.669 Nun könnte angenommen werden, dass sobald ein Schiff die Küstengewässer befährt bzw. ein Flugzeug in den Luftraum eines sicheren Drittstaats eintritt, ein Gebietskontakt zum sicheren Drittstaat hergestellt wird und die sichere Drittstaatenregelung zur Anwendung kommt.670 Konsequenterweise ist jedoch auch in diesem Fall darauf abzustellen, ob die betroffene Person die Möglichkeit hatte, im sicheren Drittstaat ein Schutzgesuch zu stellen.671 Masuch, InfAuslR 1996, 404, S. 408; vgl. Göbel-Zimmermann, Asyl- und Flüchtlingsrecht (1999), S. 92; vgl. VG Bremen, NVwZ-Beil. 1994, 72, wonach das Betreten eines Schiffs, das im deutschen Zweitregister eingetragen ist, noch keine Einreise in die Bundesrepublik darstellt. 667  Meierhofer, Die asylrechtliche Drittstaatenregelung (1998), S. 130 f. Ansonsten könnte man selbst bei zwischenzeitlicher Landung in einem sicheren Drittstaat gegebenenfalls argumentieren, dass die Einreise in die Bundesrepublik bereits erfolgt und die sichere Drittstaatenregelung nicht mehr anzuwenden sei; s. auch VG Bremen, NVwZ-Beil. 1994, 72. 668  S. o. Teil D. II. 2. a). 669  Zu Hoheitsgewässern s. o. Teil A. I. 3. c) und zum Luftraum s. Art. 1 des Abkommens über die Internationale Zivilluftfahrt (Chicagoer Abkommen), BGBl. II 1956, S. 411. 670  Vgl. zu dieser Annahme Göbel-Zimmermann, Asyl- und Flüchtlingsrecht (1999), S. 92, der eine solche Auslegung selbst allerdings nicht vertritt. 671  Jarass, Art. 16a, in: Jarass/Pieroth, GG, 15. Aufl. 2018, Rn. 26, wonach es bei einer Einreise mit Flugzeug oder Schiff bei einem Zwischenhalt im sicheren Drittstaat

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D. Extraterritoriale Geltung des Art. 16a GG – Besonderer Teil

Hinsichtlich der Frage, in welchen Fällen eine solche Möglichkeit besteht, hat sich in Rechtsprechung und Literatur unter dem Stichwort „Transitaufenthalt“ eine Kasuistik herausgebildet, die im Folgenden dargestellt werden soll. Wie bereits dargelegt wird bei der Durchquerung eines sicheren Drittstaates in einem öffentlichen Verkehrsmittel ohne Zwischenhalt die Anwendbarkeit der Drittstaatenregelung abgelehnt, während die Durchquerung in einem selbstverplombten LKW hingegen nicht reicht, um die Anwendbarkeit der Drittstaatenregelung auszuschließen.672 Die an dieser Stelle zu diskutierenden Transitaufenthalte betreffen nun die Situation der Einreise mittels Flugzeugs oder Schiffs. (1) Eintreten in das Hoheitsgebiet ohne Landung an einem Hafen Zunächst kann es für die Anwendbarkeit der Drittstaatenregelung nicht genügen, wenn ein Flugzeug mit einer schutzsuchenden Person an Bord bloß in den Luftraum eines sicheren Drittstaates eingeflogen, nicht aber gelandet ist. Die Stellung eines Schutzantrags sowie die Unterbrechung der Flucht sind vom Luftraum aus für die betroffene Person nicht möglich.673 Etwas anderes gilt, wenn es sich um ein privates Flugzeug handelt, da in diesem Fall grundsätzlich auf die Landung Einfluss genommen werden kann.674 Bei Schiffen kommt es für die Anwendbarkeit der sicheren Drittstaaten­ regelung wie bei Flugzeugen darauf an, ob sie an einem Hafen eines sicheren Drittstaates anlegen. Fahren sie nur in die Küstengewässer ein, ohne an einem Hafen anzulegen, ist keine Einreise im Sinne der sicheren Drittstaatenregelung gegeben.675 Von schutzsuchenden Personen wird mithin nicht verlangt, von Bord zu springen und an Land zu schwimmen.676 Anderes gilt wiederum, wenn die Person Einfluss auf den Kurs des Schiffs hat.677

auf die objektive Möglichkeit eines Schutzgesuchs ankomme; bei Zwischenaufenthalten an Flug- oder Seehäfen ebenfalls auf die objektive Schutzantragsmöglichkeit abstellend Randelzhofer, Art. 16a Abs. 2–5, in: Maunz/Dürig, GG, 84. Aufl. August 2018 (Stand: bis 59. EL Juli 2010), Rn. 40. 672  S. o. Teil D. II. 2. a). 673  Gärditz, Art. 16a, in: Maunz/Dürig, GG, 84. Aufl. August 2018, Rn. 358; Günther, § 26a AsylG, in: Beck-OK AuslR, 20. Aufl. 01.11.2018, Rn. 25; OVG Münster, NVwZ 1997, 1143, S. 1144. 674  Gärditz, Art. 16a, in: Maunz/Dürig, GG, 84. Aufl. August 2018, Rn. 358; vgl. Maaßen/Wyl, ZAR 1996, 158, S. 163, hinsichtlich privater Fahrzeuge. 675  Günther, § 26a AsylG, in: Beck-OK AuslR, 20. Aufl. 01.11.2018, Rn. 25. 676  Westphal, ZAR 2000, 218, S. 220. 677  Günther, § 26a AsylG, in: Beck-OK AuslR, 20. Aufl. 01.11.2018, Rn. 25.



II. Extraterritorial bewirkte Beschränkung des Schutzbereichs187

(2) Landung an einem Hafen im Hoheitsgebiet Landet nun ein Flugzeug auf einem Flughafen des sicheren Drittstaates oder legt ein Schiff in einem Hafen an, sind verschiedene Konstellationen zu unterscheiden. Die Anwendbarkeit der Drittstaatenregelung wird dann abgelehnt, wenn das Flugzeug das Rollfeld nicht verlassen hat. Besteht keine Möglichkeit, das Flugzeug zu verlassen, kann auch kein Schutzantrag gestellt werden.678 Problematischer erscheint dagegen die Beantwortung der Frage, was gilt, wenn die Person sich bereits im Transitbereich des Flughafens aufhält. Einerseits wird die Anwendbarkeit der Drittstaatenregelung abgelehnt, weil die Person noch nicht in den Drittstaat eingereist ist und dementsprechend noch kein Schutzgesuch stellen kann.679 Andererseits wird von der Person verlangt, die Flucht zu unterbrechen und die Grenzpassage zwecks Schutzantragsstellung zu überqueren. Laut Bundesverfassungsgericht kommt es für die Anwendbarkeit der Drittstaatenregelung nicht darauf an, dass sich die betroffene Person eine bestimmte Zeit im Drittstaat aufgehalten hat. Vielmehr sei der tatsächliche Verlauf der Reise entscheidend.680 Daraus wird geschlossen, dass es nicht darauf ankomme, ob in den sicheren Drittstaat im ausländerrechtlichen Sinne eingereist worden ist. Der bloße (tatsächliche) Aufenthalt im Transitbereich genüge demnach für Art. 16a

678  Marx, InfAuslR 1997, 208, S. 217; Voßkuhle, DÖV 1994, 53, S. 55, demzufolge die Zwischenlandung mit einem Flugzeug nicht ausreichen dürfe, ohne allerdings hinsichtlich des Aufenthalts im Transitbereichs oder noch auf dem Rollfeld zu differenzieren. 679  S. nur Schoch, DVBl. 1993, 1161, S. 1163 f.; Becker, Art. 16a, in: Mangoldt/ Klein/Starck, GG, 7. Aufl. 2018, Rn. 174; Lübbe-Wolff, Art. 16a, in: Dreier, GG, 1996, Rn. 68; Masing, Art. 16a, in: Dreier, GG, 2. Aufl. 2004, Rn. 74; Zimmermann/ Tams, Art. 16a, in: Berliner Kommentar, 2018 (Stand: 19. EL 2007), Rn. 136; Ulmer, Asylrecht und Menschenwürde (1996), S. 97, unter Verweis auf das SDÜ und das Dubliner Übereinkommen (s. dazu unten Teil G). In der Literatur ist umstritten, wie die Äußerungen des Bundesverfassungsgerichts in BVerfGE 94, 115 (131) zu dieser Frage zu werten ist. Laut Woyczechowski, Zwischen Vermutung und Gewissheit (2003), S. 69 f., erfolge trotz Transitaufenthalts eine Entscheidung in der Sache. Dies lasse auf die „Unbeachtlichkeit des Flughafentransits“ schließen; so z.  B. auch Schnapp, Art. 16a, in: Münch/Kunig, GG, 5. Aufl. 2000, Rn. 17; Lübbe-Wolff, DVBl. 1996, 825, S. 832; Antoni, Art. 16a, in: Hömig/Wolff, GG, 12. Aufl. 2018, Rn. 10; Jarass, Art. 16a, in: Jarass/Pieroth, GG, 15. Aufl. 2018, Rn. 26. Andererseits wird angenommen, dass die Frage vom BverfG offengelassen worden ist, Renner, ZAR 1996, 103, S. 105, m. Fn. 12. Zum Thema Transitaufenthalt s. auch Zimmermann, Das neue Grundrecht auf Asyl (1994), S. 199, der die Praxis verschiedener Staaten mit Hinblick auf deren Drittstaatenregelungen vergleicht und zu dem Ergebnis kommt, dass diese einen bloßen Transitaufenthalt am Flughafen grundsätzlich nicht ausreichen lassen. 680  BVerfGE 94, 49 (94).

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D. Extraterritoriale Geltung des Art. 16a GG – Besonderer Teil

Abs. 2 GG.681 Dementsprechend wird teilweise auch bei einem Verbleiben im Flugzeug darauf abgestellt, ob die Möglichkeit bestand, das Flugzeug zu verlassen.682 Letztendlich entscheidend ist jedenfalls, ob der betroffenen Person das Verlassen des Transitbereichs im Einzelfall zwecks Schutzantragsstellung tatsächlich möglich war.683 Bei einem Schiff kommt es zunächst ebenfalls darauf an, ob das betreffende Schiff in einem Hafen im Drittstaat angelegt hat und ob die Möglichkeit eines Schutzantrags bestand.684 Entscheidend ist damit die Möglichkeit, 681  Maaßen/Wyl, ZAR 1996, 158, S. 163; Marx, InfAuslR 1997, 208, S. 217; Lehnguth/Maassen, ZfSH/SGB 1995, 281, S. 285; Randelzhofer, Art. 16a Abs. 2–5, in: Maunz/Dürig, GG, 84. Aufl. August 2018 (Stand: bis 59. EL Juli 2010), Rn. 40. Ebenfalls für das Erfordernis allein eines tatsächlichen Aufenthalts Maaßen, Art. 16a, in: BeckOK GG, 39. Aufl. 15.11.2018, Rn. 77. Laut Hailbronner, Art. 16a GG, in: AuslR, Januar 2018, Rn. 330, könne es deswegen nicht auf eine Einreise nach den jeweiligen ausländerrechtlichen Bestimmungen des Aufenthaltsstaates ankommen, weil sonst die Anwendbarkeit der Drittstaatenregelung vom jeweiligen ausländerrechtlichen Begriff der Einreise abhinge. Laut Henkel, NJW 1993, 2705, S. 2706, habe bei einem Transit­ aufenthalt die Möglichkeit eines Schutzantrags bestanden; s. aber Frowein/Zimmermann, JZ 1996, 753, S. 757, denenzufolge nicht bei jedem Aufenthalt im Transitbereich von der Möglichkeit einer Schutzantragsstellung ausgegangen werden könne. 682  Günther, § 26a AsylG, in: Beck-OK AuslR, 20. Aufl. 01.11.2018, Rn. 24; Bender, § 24, in: MAH VerwR, 4. Aufl. 2017, Rn. 98; Göbel-Zimmermann/Eichhorn/ Beichel-Bendetti, Asyl- und Flüchtlingsrecht (2017), Rn. 89; VGH Kassel, NVwZBeil. 2001, 50, demzufolge die Drittstaatenregelung anwendbar war, weil das Flugzeug bei einem halbstündigen Aufenthalt in Paris hätte verlassen werden können; so auch Huber/Göbel-Zimmermann, Ausländer- und Asylrecht (2008), 2. Aufl., Rn. 1654. 683  Meierhofer, Die asylrechtliche Drittstaatenregelung (1998), S. 130; Gärditz, Art. 16a, in: Maunz/Dürig, GG, 84. Aufl. August 2018, Rn. 359; Kluth, Art. 16a, in: Stern/Becker, Grundrechte, 2. Aufl. 2016, Rn. 96; Bonk, Art. 16a, in: Sachs, GG, 1996, Rn. 49; von einer objektiven Möglichkeit der Schutzbeanspruchung sprechend Maaßen, Art. 16a, in: BeckOK GG, 39. Aufl. 15.11.2018, Rn. 77; Arnauld, Art. 16a, in: Münch/Kunig, GG, 6. Aufl. 2012, Rn. 41, der darauf hinweist, dass sich regelmäßig keine Gelegenheit zur Antragsstellung ergebe, wenn der Transitbereich eines Flughafens nicht verlassen wird. Damit stellt er jedenfalls auch auf die Möglichkeit der Antragsstellung und nicht allein auf den Verbleib in der Transitzone ab. S. jedoch VG Münster, Urt. v. 5. Dezember 2017, Az. 8a K 925/17.A, Rn. 20 (juris), demzufolge bei einem Aufenthalt im Transitbereich eines Hafens von einer Schutzmöglichkeit auszugehen sei. 684  Marx, InfAuslR 1997, 208, S. 217; Westphal, ZAR 2000, 218, S. 219 f.; gegen eine Anwendbarkeit, wenn der Transitbereich nicht verlassen wurde Schoch, DVBl. 1993, 1161, S. 1163 f.; Jarass, Art. 16a, in: Jarass/Pieroth, GG, 15. Aufl. 2018, Rn. 26. Laut VG Münster, Urt. v. 5. Dezember 2017, Az. 8a K 925/17.A, Rn. 20 (juris), sei bei einem Aufenthalt im Transitbereich eines Seehafens in der Regel von der Möglichkeit einer Schutzantragsstellung auszugehen; so auch Günther, § 26a AsylG, in: Beck-OK AuslR, 20. Aufl. 01.11.2018, Rn. 24; so offenbar auch Randelzhofer, Art. 16a Abs. 2–5, in: Maunz/Dürig, GG, 84. Aufl. August 2018 (Stand: bis 59. EL Juli 2010), Rn. 40.



II. Extraterritorial bewirkte Beschränkung des Schutzbereichs189

das Schiff zu verlassen oder Kontakt zu den Kontrollorganen des Hafens aufzunehmen.685 d) Erfordernis der Einreise in das Staatsgebiet der Bundesrepublik Schließlich ist zu fragen, ab welchem Zeitpunkt sich die Drittstaatenregelung auf das Asylrecht auswirkt. Feststeht bislang, dass die Drittstaatenregelung nicht auf eine Person anwendbar ist, die sich noch gänzlich außerhalb der sicheren Drittstaaten befindet. Die betroffene Person kann sich in dem Fall vollumfänglich auf das extraterritoriale Asylrecht berufen. Die Frage ist nun, ob die Drittstaatenregelung tatbestandlich erfordert, dass das Staatsgebiet der Bundesrepublik betreten wird, oder ob sie bereits dann greift bzw. ob die Tatbestandsvoraussetzung der Einreise schon dann erfüllt ist, wenn sich die Person noch im sicheren Drittstaat befindet, d. h. die Grenze zur Bundesrepublik noch nicht überschritten wurde. Der Wortlaut des Einreisens deutet darauf hin, dass die Bundesrepublik bereits betreten worden sein muss. Solange sich die Person noch innerhalb des sicheren Drittstaates befindet, könnte man davon ausgehen, dass noch keine Einreise in die Bundesrepublik stattgefunden hat und die Drittstaatenregelung dementsprechend noch nicht anwendbar ist. Die Person könnte sich dementsprechend noch vollumfänglich auf das Asylrecht berufen. Eine teleologische Auslegung spricht jedoch gegen eine solche Annahme. So führte diese zu unsinnigen Ergebnissen. Die Bundesrepublik dürfte der Person gemäß Art. 16a Abs. 1 GG die Einreise aus dem sicheren Drittstaat nicht verweigern. Vor der Einreise würde das Asylrecht ja noch Wirkung entfalten, da die Drittstaatenregelung noch nicht greifen würde. Im Zeitpunkt der Erfüllung dieser Pflicht, also des tatsächlichen Gewährenlassens der Einreise, würde die Drittstaatenregelung dann jedoch greifen und die Berufung auf Art. 16a Abs. 1 GG ausschließen. Die Bundesrepublik könnte eine Abschiebung durchführen, ohne Art. 16a Abs. 1 GG beachten zu müssen. Dem Berufen auf das Asylgrundrecht in einem solchen Fall wäre die dolo facit-Einrede686 entgegenzuhalten. Der Betroffene beriefe sich auf ein Recht, das durch seine Inanspruchnahme (Einreise in die Bundesrspublik) entfallen würde. Auch eine genetisch-teleologische Auslegung des Art. 16a Abs. 2 GG spricht gegen ein Erfordernis des Betretens der Bundesrepublik. In der Be685  Göbel-Zimmermann, Asyl- und Flüchtlingsrecht (1999), S. 93. Das Verlassen des Schiffs ist z. B. dann nicht möglich, wenn das Schiff auf Reede lag, Westphal, ZAR 2000, 218, S. 220; VG Bremen, NVwZ-Beil. 1994, 72, wonach Art. 16a Abs. 2 GG deshalb anwendbar war, weil die betroffene Person im Hafen an Land hätte gehen können. 686  Zum Rechtssatz „dolo facit qui petit quod statim redditurus est“ Schubert, § 242, in: MüKo BGB Bd. 2, 7. Aufl. 2016, Rn. 440.

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D. Extraterritoriale Geltung des Art. 16a GG – Besonderer Teil

gründung der Grundgesetzänderung heißt es ausdrücklich, dass es durch die Drittstaatenregelung ermöglicht werden sollte, „die Betroffenen an der Grenze zurückzuweisen oder unverzüglich in den sicheren Drittstaat zurückzubringen“.687 Daraus ist zu schließen, dass die Drittstaatenregelung schon anwendbar sein muss, bevor die betroffene Person die Grenze zur Bundesrepublik überquert hat. Sobald eine Person in einen sicheren Drittstaat einreist und die Möglichkeit eines Schutzgesuchs besteht, greift die Drittstaatenregelung folglich schon. e) Zwischenergebnis Die Drittstaatenregelung ist außerhalb des Staatsgebiets sicherer Drittstaaten noch nicht anwendbar. Insbesondere die Anwesenheit an Bord eines Schiffs oder Flugzeugs unter der Flagge eines sicheren Drittstaates allein genügt nicht. Die Drittstaatenregelung erfordert stets einen Gebietskontakt mit einem sicheren Drittstaat. Dieser wird bei einer Reise mit Flugzeug oder Schiff durch Landen bzw. Anlegen in einem Flug- bzw. Seehafen des sicheren Drittstaates hergestellt. Sobald ein Gebietskontakt hergestellt ist und zumindest potentiell die Möglichkeit besteht, ein Schutzgesuch zu stellen, sind die Voraussetzungen für eine Einreise i. S. d. Drittstaatenregelung erfüllt. Die Anwendbarkeit der sicheren Drittstaatenregelung erfordert allerdings nicht das Einreisen in die Bundesrepublik. Sie entfaltet vielmehr schon extraterritorial ihre Wirkung. 3. Zusammenfassung Die Drittstaatenregelung greift schon außerhalb des Staatsgebiets der Bundesrepublik, sobald das Staatsgebiet eines sicheren Drittstaates betreten wird und eine Möglichkeit der Schutzantragsstellung entsteht. Die Wahl des Fluchtwegs hat damit Einfluss auf die extraterritoriale Reichweite des Asylrechts aus Art. 16a Abs. 1 GG.

III. Völkerrechtliche Öffnungsklausel – die Auswirkungen des Art. 16a Abs. 5 GG auf das extraterritoriale Asylrecht Schließlich stellt sich die Frage, inwiefern Art. 16a Abs. 5 GG sich auf das nach Abs. 1 gewährleistete extraterritoriale Asylrecht auswirkt. Laut Abs. 5 stehen die Abs. 1 bis 4 völkerrechtlichen Verträgen von Mitgliedstaaten der 687  BT-Drs. 12/4152,

S. 4.



III. Völkerrechtliche Öffnungsklausel191

Europäischen Gemeinschaften untereinander und mit dritten Staaten nicht entgegen, die unter Beachtung der Verpflichtungen aus der GFK und der EMRK, deren Anwendung in den Vertragsstaaten sichergestellt sein muss, Zuständigkeitsregelungen für die Prüfung von Asylbegehren einschließlich der gegenseitigen Anerkennung von Asylentscheidungen treffen. Dabei handelt es sich um die sog. „völkerrechtliche Öffnungsklausel“688 des Asylrechts. Sie diente insbesondere der Ratifikation des Schengener Durchführungsübereinkommens und des Dubliner Übereinkommens.689 Die Erscheinungsform des Abs. 5 wurde schon früh kritisiert, weil dieser durch seine starke Konkretisierung auf bestimmte Regelungen nicht die Grundlage für eine europäische Vollharmonisierung des Asylrechts geschaffen habe.690 Seit ihrer Einführung hat die Öffnungsklausel stark an praktischer Bedeutung eingebüßt.691 Die Grundlage der Übertragung von Hoheitsrechten auf die EU findet sich nicht in Art. 16a Abs. 5 GG, sondern in Art. 23 GG.692 688  Diesen Begriff benutztend z. B. Randelzhofer, Art. 16a Abs. 2–5, in: Maunz/ Dürig, GG, 84. Aufl. August 2018 (Stand: bis 59. EL Juli 2010), Rn. 193. 689  BT-Drs. 12/4152, S. 4; Will, Art. 16a, in: Sachs, GG, 8. Aufl. 2018, Rn. 106; Jarass, Art. 16a, in: Jarass/Pieroth, GG, 15. Aufl. 2018, Rn. 43; Göbel-Zimmermann/ Masuch, InfAuslR 1996, 404, S. 415; Schoch, DVBl. 1993, 1161, S. 1167; Renner, ZAR 1993, 118, S. 122; Hailbronner, ZAR 1993, 107, S. 116; Meierhofer, Die asylrechtliche Drittstaatenregelung (1998), S. 214; Gnatzy, Art. 16a, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein/Henneke, GG, 14. Aufl. 2018, Rn. 19. Zu Dublin- und Schengensystem s. u. Teil G. II. 3 und Teil G. II. 7. 690  Schoch, DVBl. 1993, 1161, S. 1167; Wollenschläger/Schraml, JZ 1994, 61, S. 70; Huber, Das Asylrecht nach der Grundgesetzänderung, in: Barwig u. a., Asyl nach der Änderung des Grundgesetzes, 1994, S. 219; Marx, Rechtsgutachten zu den verfassungs- und europarechtlichen Fragen im Hinblick auf Überstellungen an Mitgliedstaaten im Rahmen der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 (Dublin-II-Verordnung), S. 52, www.proasyl.de/wp-content/uploads/2010/03/Marx__Rechtsgutachten_Dublin_ II-Verordnung_Maerz_2010.pdf (März 2010), letzter Zugriff am 03.01.2018. 691  Jarass, Art.  16a, in: Jarass/Pieroth, GG, 15.  Aufl. 2018, Rn. 43; Becker, Art. 16a, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG, 7. Aufl. 2018, Rn. 229; Hoppe, Eilrechtsschutz gegen Dublin II-Überstellungen (2013), S. 226  f.; Maaßen, Art. 16a, in: BeckOK GG, 39. Aufl. 15.11.2018, Rn. 109, nennt sie „weitgehend bedeutungslos“ [im Original hervorgehoben]. 692  Will, Art. 16a, in: Sachs, GG, 8. Aufl. 2018, Rn. 106 f.; Maaßen, Art. 16a, in: BeckOK GG, 39. Aufl. 15.11.2018, Rn. 109; Hailbronner, § 123, in: HGR V, 2013, Rn. 294; vgl. Becker, Art. 16a, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG, 7. Aufl. 2018, Rn. 229. S. jedoch Zimmermann, Das neue Grundrecht auf Asyl (1994), S. 384 ff., wonach Art. 16a Abs. 5 GG zu Art. 23 GG ein lex specialis darstelle, mit der Folge, dass vor Übertragung von Hoheitsrechten auf die EU im Bereich der Asylpolitik Art. 16a Abs. 5 GG geändert werden müsse; s. dagegen überzeugend Hoppe, Eilrechtsschutz gegen Dublin II-Überstellungen (2013), S. 225, wonach Art. 16a Abs. 5 GG der europäischen Integration im Asylbereich gerade keine Schranken auferlegen wollte; gegen die Spezialität des Art. 16a Abs. 5 GG gegenüber Art. 23 GG auch Fröhlich, Das Asylrecht im Rahmen des Unionsrechts (2011), S. 104 f.

192

D. Extraterritoriale Geltung des Art. 16a GG – Besonderer Teil

Auf der Grundlage von Art. 23 GG kann die Bundesrepublik Hoheitsrechte auf die Europäische Union übertragen, was unter anderem durch den Vertrag von Lissabon geschehen ist.693 Mit diesem wurde u. a. Art. 78 AEUV eingeführt, auf dessen Grundlage das EU-Sekundärrecht im Bereich Asyl erlassen wurde.694 Trotzdem sollen zumindest die potenziellen Auswirkungen einer Regelung nach Art. 16a Abs. 5 GG auf das (extraterritoriale) Asylrecht im Überblick dargestellt werden.695 Eine unter Abs. 5 fallende Regel hat Vorrang gegenüber den Regelungen der Abs. 1 bis 4.696 Dabei kann es sich ausschließlich um Zuständigkeitsregelungen und die gegenseitige Anerkennung von Asylentscheidungen handeln. Ist nach einer solchen Bestimmung ein anderer Staat als die Bundesrepublik zuständig für die Prüfung eines Asylverfahrens, so geht diese Zuständigkeit dem in Abs. 1 gewährten Asylrecht vor. Ist andererseits die Bundesrepublik nach dieser Regelung zuständig, so muss ein Asylverfahren durchgeführt werden, selbst wenn der Ausschluss des Abs. 2 eingreift.697 Die gegenseitige Anerkennung von Asylentscheidungen dient der Vermeidung von Doppelprüfungen. Dies gilt hinsichtlich sowohl positiver als auch negativer Asylentscheidungen.698 Die Regelungen beziehen sich dem „eindeutige[n] Wortlaut“ des Abs. 5 zufolge nicht auf die Regelung aufenthaltsbeendender Maßnahmen. Die Entscheidung über Abschiebungshindernisse bleibt demnach „unberührt“.699 Außerdem kann die korrekte Auslegung und Anwendung der völkerrechtlichen Regelungen im Rahmen eines Rechtsschutzverfahrens überprüft werden.700 Art. 16a Abs. 5 GG bietet keinen Anknüpfungspunkt hinsichtlich der Differenzierung nach dem derzeitigen Aufenthaltsort der betroffenen Person. Die völkerrechtlichen Regelungen haben damit Einfluss auf 693  Scholz, Art. 23, in: Maunz/Dürig, GG, 84. Aufl. August 2018, Rn. 7, 16 ff. zum Vertrag von Lissabon. 694  Zum Gemeinsamen Europäischen Asylsystem s.  u. Teil G. II. (insbesondere S. 264). 695  Für eine detailiertere Darlegung des Art. 16a Abs. 5 GG s. Meierhofer, Die asylrechtliche Drittstaatenregelung (1998), S. 214 ff. 696  Göbel-Zimmermann/Masuch, InfAuslR 1996, 404, S. 416. 697  Becker, Art. 16a, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG, 7. Aufl. 2018, Rn. 235  ff.; Göbel-Zimmermann/Masuch, InfAuslR 1996, 404, S. 416; Ulmer, Asylrecht und Menschenwürde (1996), S. 120. 698  Becker, Art. 16a, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG, 7. Aufl. 2018, Rn. 237 f.; Ulmer, Asylrecht und Menschenwürde (1996), S. 121 f. 699  Göbel-Zimmermann/Masuch, InfAuslR 1996, 404, S. 416; Ulmer, Asylrecht und Menschenwürde (1996), S. 123; Hailbronner, ZAR 1993, 107, S. 116; vgl. Schoch, DVBl. 1993, 1161, S. 1167, der an der Einbeziehung aufenthaltsbeendender Maßnahmen zweifelt; a. A. Renner, ZAR 1993, 118, S. 122, demzufolge die Regelung sonst zur Erreichung des angestrebten Zwecks „ersichtlich ungeeignet“ wäre. 700  Göbel-Zimmermann/Masuch, InfAuslR 1996, 404, S. 416.



IV. Ergebnis193

das gemäß Abs. 1 gewährleistete Asylrecht unabhängig davon, wo sich die betroffene Person befindet.

IV. Ergebnis Die asylgrundrechtlich geschützte Freiheit ist die Freiheit zur Flucht vor politischer Verfolgung in die Bundesrepublik Deutschland. Art. 16a Abs. 1 GG gewährt ein Recht auf Abwehr die Flucht vor politischer Verfolgung in die Bundesrepublik Deutschland be- oder verhindernder Maßnahmen. Dieses Recht besteht schon extraterritorial, d. h. für gebietsfremde politisch verfolgte Personen. Es gilt namentlich unabhängig davon, ob eine Person das Staatsgebiet der Bundesrepublik betreten bzw. erreicht hat und unabhängig davon, ob der Herkunftsstaat bereits verlassen worden ist. Will die Bundesrepublik eine politisch verfolgte Person an der Flucht bzw. Einreise in die Bundesrepublik hindern oder gar in den Herkunftsstaat zurückbefördern, sind diese Maßnahmen an Art. 16a Abs. 1 GG zu messen. Auch die sichere Drittstaatenregelung gilt schon extraterritorial. Sobald eine politisch verfolgte Person einen sicheren Drittstaat betritt und die Möglichkeit hat, ein Schutzgesuch zu stellen, geht ihr Asylgrundrecht unter. Es ist jedoch zu betonen, dass der Schutzbereich eines Grundrechts nicht gleich seinem effektiven Garantiebereich ist.701 Durch die Bestimmung der Reichweite des Schutzbereichs und seines Untergangstatbestandes ist noch nichts darüber ausgesagt, wozu die Bundesrepublik im Einzelnen verpflichtet ist. Dazu müsste vielmehr im Anschluss einzelfallbezogen geprüft werden, welche Maßnahmen als Eingriff zu werten wären und ob diese verfassungsrechtlich gerechtfertigt werden können.702 Ergebnis dieses Abschnitts ist allein, dass die Bundesrepublik, wenn sie Maßnahmen ergreift, die Auswirkungen dieser Maßnahmen auf die Flucht gebietsfremder, politisch verfolgter Personen zu berücksichtigen hat. Insoweit diese als Eingriffe in Art. 16a Abs. 1 GG einzustufen sind, unterliegt sie dem Zwang, sich verfassungsrechtlich zu rechtfertigen.703

701  S. nochmals

Lübbe-Wolff, Eingriffsabwehrrechte (1988), S. 25 f. dazu den nächsten Teil E., in dem das extraterritoriale Asylrecht anhand dreier Fallbeispiele dargestellt werden soll. 703  So auch schon angesporchen von Weinzierl, ZAR 2010, 260, S. 270, in Bezug auf Rücknahme- und Zuständigkeitsabkommen mit Staaten außerhalb der EU. 702  Siehe

E. Fallbeispiele Was bedeutet nun die extraterritoriale Geltung des Asylrechts für die schutzsuchende Person? Was kann der oder die Einzelne außerhalb des Staatsgebiets von der Bundesrepublik verlangen? Wie sich die extraterritoriale Geltung des Asylgrundrechts auswirkt, wird anhand dreier Fallbeispiele dargelegt. Geprüft wird, ob bzw. unter welchen Voraussetzungen das extraterritoriale Asylrecht einen Anspruch auf Erteilung eines Visums beinhaltet. Zudem wird geprüft, wie sich die Lage für eine schutzsuchende Person an Bord eines Schiffes unter deutscher Flagge darstellt. Schließlich wird noch auf die „Erklärung EU-Türkei“ vom 18. März 2016 eingegangen.

I. Der Eingriff als Auslöser der Abwehrwirkung Das Asylrecht ist ein Eingriffsabwehrrecht.704 Der abwehrrechtliche Schutz eines Grundrechts aktualisiert sich erst dann, wenn in den Schutzbereich des Grundrechts eingegriffen wird.705 Mit anderen Worten: Für die Frage, ob ein Grundrecht gegenüber einer Maßnahme seine Abwehrwirkung entfaltet, kommt es darauf an, ob die Maßnahme einen Eingriff in dieses Grundrecht darstellt.706 Damit sind nicht nur Maßnahmen im Sinne eines klassischen Eingriffsbegriffs angesprochen, der einen finalen, rechtsförmigen Hoheitsakt fordert, welcher mit Befehl und Zwang durchsetzbar ist und zu einer vorhersehbaren, unmittelbaren Beschränkung für die betroffene Person führt.707 Voraussetzung für einen Grundrechtseingriff nach einem modernen Verständnis ist jedenfalls eine Integritätsbeeinträchtigung infolge einer dem Staat zurechenbaren Maßnahme gegen den Willen der betroffenen Person.708 Die in der Literatur angestellte Überlegung einer höheren „Relevanzgrenze“ für 704  S. o.

Teil C. II. Freiheitsgrundrechte (2003), S. 136; Hillgruber, § 200, in: HStR IX, 3. Aufl. 2011, Rn. 76. S. dazu bereits Teil B. III. 2. b), insbesondere m. Fn. 281. 706  Voßkuhle/Kaiser, JuS 2009, 313, S. 313. 707  Mittlerweile wird der sog. klassische Eingriffsbegriff verbreitet als zu eng befunden, Voßkuhle/Kaiser, JuS 2009, 313, S. 313; Isensee, § 191, in: HStR IX, 3. Aufl. 2011, Rn. 112; siehe auch Cremer, Freiheitsgrundrechte (2003), S. 147 ff., insbesondere S. 149, welcher sogar zu dem Schluss kommt, dass ein derart restriktiver klassischer Eingriffsbegriff „historisch nicht nachweisbar“ sei. 708  Cremer, Freiheitsgrundrechte (2003), S. 137; Isensee, § 191, in: HStR IX, 3. Aufl. 2011, Rn. 112 ff. mit Fallbeispielen für den erweiterten Eingriff. 705  Cremer,



II. Der Anspruch auf Erteilung eines Asylvisums195

extraterritoriale Eingriffe709 ist mangels verfassungsrechtlichen Anknüpfungspunktes abzulehnen.710 Für die Frage, ob das Asylgrundrecht in den folgenden Beispielsfällen seine Abwehrwirkung entfaltet, kommt es mithin darauf an, ob ein Eingriff in Art. 16a GG festgestellt werden kann.

II. Der Anspruch auf Erteilung eines Asylvisums Unter einem Asylvisum ist ein Visum zu verstehen, das der betroffenen Person die Einreise in die Bundesrepublik und den Aufenthalt zum Zwecke der Asylantragsstellung und -verfahrensdurchführung erlaubt. Die Ansicht, die das Asylrecht als territorialgebundenes Grundrecht einordnet und eine Geltung für gebietsfremde Ausländer ablehnt, muss zu dem Ergebnis kommen, dass ein Anspruch auf Erteilung eines Asylvisums vom Ausland aus nicht aus Art. 16a Abs. 1 GG abgeleitet werden kann.711 Wird hingegen – so 709  Schröder, Zur Wirkkraft der Grundrechte, in: FS Schlochauer, 1981, S. 150., welcher jedenfalls andenkt, ob der Grundrechtsschutz „möglicherweise“ erst bei einer „näher zu bestimmenden ‚Relevanzgrenze‘ “ einsetze und überlegt, ob diese für Inund Ausländer unterschiedlich zu bewerten sei. 710  Bungert, Kapitalgesellschaften (1994), S. 235; Elbing, Zur Anwendbarkeit der Grundrechte bei Sachverhalten mit Auslandsbezug (1992), S. 212 f.; Lorenz, Der territoriale Anwendungsbereich der Grund- und Menschenrechte (2005), S. 175; Yousif, Die Extraterritoriale Geltung der Grundrechte (2007), S. 122–125. 711  S.  z. B. Isensee, § 115, in: HStR V, 2. Aufl. 2000, Rn. 91; Paul, ZAR 1982, 184, S. 190; Maaßen, Art. 16a, in: BeckOK GG, 39. Aufl. 15.11.2018, Rn. 51; Gärditz, Art. 16a, in: Maunz/Dürig, GG, 84. Aufl. August 2018, Rn. 308; Hailbronner, Einreiseverweigerung und Visumzwang im Asylrecht, in: FS Doehring, 1989, S.  299 f.; Quaritsch, Arbeitsverbot und Sichtvermerk als „flankierende“ Maßnahmen des Asylverfahrens, in: FS Zeidler I, 1987, S. 972; Gnatzy, Art. 16a, in: SchmidtBleibtreu/Klein/Henneke, GG, 14. Aufl. 2018, Rn. 31; Kluth, Art. 16a, in: Stern/Becker, Grundrechte, 2. Aufl. 2016, Rn. 63; Jarass, Art. 16a, in: Jarass/Pieroth, GG, 15. Aufl. 2018, Rn. 28. Insofern inkonsequent Kreßel, DÖV 1988, 501, S. 505 f., der das Erreichen der Grenze als zwingenden Tatbestand des Asylrechts einordnet, trotzdem aber Abwehransprüche gegenüber das Asylrecht vereitelnden Maßnahmen (namentlich das Beförderungsverbot i. V. m. einer Visumspflicht, dazu sogleich) im Vorhinein aus dem Asylrecht ableitet; ähnlich Becker, Art. 16a, in: Mangoldt/Klein/ Starck, GG, 7. Aufl. 2018, Rn. 125, der das Asylrecht als durch das Erreichen der Grenze bedingt einordnet, aus seinem objektiv-rechtlichen Gehalt jedoch die Verfassungswidrigkeit des Beförderungsverbots (dazu unten) ableitet; inkonsequent auch Grabherr, NVwZ 1989, 38, S. 39, der das Asylrecht als territorial gebunden ansieht und das Beförderungsverbot trotzdem als „Angriff“ auf das Asylgrundrecht wertet. Unentschlossen scheint Waldstein, Das Asylgrundrecht im europäischen Kontext (1993), S. 50 ff., der einen Anspruch auf Visumserteilung wegen des Territorialcharakters des Asylrechts ablehnt, das Asylrecht allerdings als humanitären Gesichtspunkt in das Ermessen der Auslandsvertretungen einfließen lassen will. Zur Vereinbarkeit des Beförderungsverbots mit Art. 16a GG vgl. Kluth, § 63 AufenthG, in: Beck-OK AuslR, 20. Aufl. 01.11.2018, Rn. 7.

196

E. Fallbeispiele

wie in dieser Arbeit – eine extraterritoriale Geltung des Asylrechts vertreten, ist die Frage, ob Art. 16a Abs. 1 GG einen Anspruch auf Erteilung eines Visums gewährleistet, zu prüfen. Im Jahre 2017 wurde die Frage, ob das extraterritorial geltende Asylrecht einen Anspruch der schutzsuchenden Person auf Erteilung eines Asylvisums beinhaltet, wieder ins Bewusstsein gerufen.712 Am 7. März 2017 fällte der EuGH ein Urteil in der Rechtssache X und X gegen Belgien.713 Darin wurde festgestellt, dass es für die Frage, ob „aus humanitären Gründen Visa oder Aufenthaltstitel für einen langfristigen Aufenthalt“ erteilt werden müssen, auf das nationale und nicht das Unionsrecht ankomme.714 Dementsprechend stellt sich die Frage, ob deutsches Recht einen Anspruch auf Erteilung eines Asylvisums gewährt.715 1. Voraussetzungen für einen abwehrrechtlich fundierten Anspruch auf eine positive Handlung in Form einer Visumserteilung Zunächst ist fraglich, unter welchen Voraussetzungen das Asylrecht einen Anspruch auf Erteilung eines Visums gewähren könnte. Immerhin handelt es sich beim Asylrecht um ein Abwehrrecht,716 das primär auf Unterlassen gerichtet ist. Die Erteilung eines Visums ist hingegen als positive Handlung einzuordnen. Inwiefern kann nun ein Abwehrrecht einen Anspruch auf Vornahme einer positiven Handlung gewährleisten? Ansprüche auf positives staatliches Handeln sind dann abwehrrechtlich verbürgt, wenn zuvor in das betreffende Grundrecht eingegriffen worden ist und das positive Handeln der Rückgängigmachung dieses Eingriffs dient. Der Staat muss Maßnahmen ergreifen, um die Integritätsverletzung zu beseitigen. Das primär auf Unterlassen gerichtete Abwehrrecht kann dann in Form eines Sekundär- oder Teritiäranspruchs auf positives Tun gerichtet sein.717 Ein Anspruch auf Erteilung eines Asylvisums ist demnach gegebenenfalls 712  Eine Frage, die bereits in den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts diskutiert wurde, s. dazu z. B.: Bierwirth, ZAR 1987, 64; Denninger/Rachor, ZAR 1988, 51. 713  EuGH, Urt. v. 7. März 2017, Rs. C-638/16 PPU, ECLI:EU:C:2017:173 – X und X; vgl. zur Aktualität der Fragestellung auch Kluth, ZAR 2017, 105. Siehe zum VisaKodex der EU auch unten Teil G. II. 7. c). 714  EuGH, Urt. v. 7. März 2017, Rs. C-638/16 PPU, ECLI:EU:C:2017:173 – X und X, Rn.  43 f. 715  Kluth, ZAR 2017, 105, S. 109; vgl. auch die Urteilsanmerkung von Welte, ZAR 2017, 220. Laut Laskowski, § 73, in: Ehlers/Fehling/Pünder, BesVwR, 3. Aufl. 2013, Rn. 42, sei die Frage, ob Art. 16a GG räumliche Vorwirkungen gegenüber u. a. der Sichtvermerkspflicht entfaltet, „noch nicht abschließend geklärt aber denkbar“. 716  S. o. Teil C. II. 2. 717  S. bereits die Nachweise in Teil D. I. 1. h), Fn. 632.



II. Der Anspruch auf Erteilung eines Asylvisums197

dann geschuldet, wenn dies zur Rückgängigmachung eines vorher erfolgten Eingriffs erforderlich ist. Was aber könnte nun der Eingriff sein, der die Erteilung eines Asylvisums erforderlich machen würde? Das Asylrecht gewährt ein Recht auf Flucht bzw. Einreise in die und Aufenthalt in der Bundesrepublik und gilt bereits außerhalb des Staatsgebietes, solange die politisch verfolgte Person nicht in einen sicheren Drittstaat eingereist ist.718 Ein Eingriff wäre demnach dann anzunehmen, wenn eine staatliche Maßnahme dem politisch Verfolgten das Einreisen in die und den Aufenthalt in der Bundesrepublik ganz oder teilweise unmöglich macht bzw. erschwert und die Visumserteilung diesen Eingriff wieder ausräumen würde. Als Eingriff käme die Regelung einer Visumserteilung als Voraussetzung für die Einreisegewährung in Betracht. Zu prüfen ist, ob eine solche Regelung im deutschen Recht existiert und ob diese als Eingriff in Art. 16a Abs. 1 GG zu qualifizieren wäre.719 2. Das Visumserfordernis im einfachen deutschen Recht als Eingriff in Art. 16a Abs. 1 GG a) Das grundsätzliche Visumserfordernis für die Einreise Ein Ausländer bedarf für die Einreise in die Bundesrepublik gemäß § 4 Abs. 1 S. 1 AufenthG eines Aufenthaltstitels. Ein Ausländer, der unerlaubt einreisen will, wird laut § 15 Abs. 1 AufenthG an der Grenze zurückgewiesen. Dabei handelt es sich um einen zwingenden Zurückweisungsgrund.720 Wann eine unerlaubte Einreise vorliegt, bestimmt § 14 Abs. 1 AufenthG.721 Nr. 2 dieser Norm bestimmt, dass die Einreise ohne den nach § 4 erforderlichen Aufenthaltstitel unerlaubt ist. § 4 Abs. 1 S. 2 AufenthG spezifiziert, in welcher Form Aufenthaltstitel erteilt werden können: das Schengen-Visum (§ 6 Abs. 1 Nr. 1), das nationale Visum (§ 6 Abs. 3), die Aufenthaltserlaubnis (§ 7), die Blaue Karte EU (§ 19a), die ICT-Karte (§ 19b), die Mobiler-ICTKarte (§ 19d), die Niederlassungserlaubnis (§ 9) oder die Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU (§ 9a). Dabei ist das Visum der einzige Titel, der schon außerhalb der Bundesrepublik erteilt wird.722 718  Siehe

oben Teil D. II. Art. 16a, in: Münch/Kunig, GG, 6. Aufl. 2012 Rn. 27, der das extraterritoriale Entstehen des Anspruchs auf Asyl ebenfalls bejaht und feststellt, dass eine Visumspflicht an Art. 16a Abs. 1 GG zu messen sei. 720  Dollinger, § 15 AufenthG, in: Beck-OK AuslR, 20. Aufl. 01.11.2018, Rn. 8. 721  Dollinger, § 15 AufenthG, in: Beck-OK AuslR, 20. Aufl. 01.11.2018, Rn. 8. 722  Maor, § 4 AufenthG, in: Beck-OK AuslR, 20. Aufl. 01.11.2018, Rn. 14 f.; dazu, dass das Visum stets vor der Einreise von deutschen Auslandsvertretungen erteilt wird Hailbronner, Asyl- u. AuslR (2017), 4. Aufl., Rn. 173. 719  Arnauld,

198

E. Fallbeispiele

b) Die Möglichkeit für gebietsfremde politisch Verfolgte, ein Visum zu erhalten Fraglich ist, ob es gebietsfremden politisch Verfolgten möglich ist, ein Visum zu erlangen, d. h. ob ein Anspruch auf Erteilung eines (Asyl)Visums vom deutschen Recht gewährleistet wird. (1) Das Schengen-Visum Das Schengen-Visum kann gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG für die Durchreise durch das Hoheitsgebiet der Schengen-Staaten oder für geplante Aufenthalte in diesem Gebiet von bis zu 90 Tagen je Zeitraum von 180 Tagen erteilt werden. Schutzsuchende Personen streben jedoch in der Regel längere bzw. dauerhafte Aufenthalte in der Bundesrepublik an. Sie erfüllen damit nicht die Voraussetzungen für die Erteilung eines Schengen-Visums.723 (2) Das nationale Visum Das nationale Visum hingegen wird gemäß § 6 Abs. 3 S. 1 AufenthG für längerfristige Aufenthalte in der Bundesrepublik erteilt. Damit passt es grundsätzlich auf die Situation des gebietsfremden politisch Verfolgten. Dieser strebt von außerhalb der Bundesrepublik den dauerhaften Aufenthalt in dieser an. Allerdings richtet sich die Erteilung des nationalen Visums gemäß § 6 Abs. 3 S. 2 AufenthG nach den für die Aufenthaltserlaubnis, die Blaue Karte EU, die ICT-Karte, die Niederlassungserlaubnis und die Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU geltenden Vorschriften. Fraglich ist, ob politisch Verfolgte diese Voraussetzungen erfüllen. Die Blaue Karte EU wird zum Zweck einer der beruflichen Qualifikation des betroffenen Ausländers angemessenen Beschäftigung erteilt. Die Niederlassungserlaubnis sowie die Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU gelten nur für Personen, die sich seit fünf Jahren mit Aufenthaltstitel im Bundesgebiet aufhalten. Die ICT-Karte richtet sich an Arbeitnehmer, die innerhalb eines Unternehmens transferiert werden. Nicht jeder politisch Verfolgte erfüllt diese Voraussetzungen. Diese Formen des Aufenthaltstitels sind demnach nicht auf gebietsfremde politisch verfolgte Personen anwendbar, da letztere die besonderen Voraussetzungen nicht notwendig erfüllen. Damit bleibt nur die Möglichkeit eines Visums anhand der Vorschriften über die Aufenthaltserlaubnis. Die Aufenthaltserlaubnis ist ein befristeter Aufenthaltstitel, der zu einem der in den nachfolgenden Abschnitten genann723  So

die Entscheidung des EuGH (s. o. Teil E. II., sowie unten Teil G. II. 7. c).



II. Der Anspruch auf Erteilung eines Asylvisums199

ten Zwecke erteilt wird. Dabei regelt § 25 AufenthG die Aufenthaltserlaubnis für Asylberechtigte. Diese wird jedoch nur erteilt, wenn die Asylberechtigung bereits anerkannt worden ist. Die Durchführung eines Asylverfahrens nach dem AsylG erfordert gemäß § 14 AsylG jedoch einen Asylantrag, der von der betroffenen Person beim BAMF724 bzw. einer seiner Außenstellen gestellt werden muss. Gemäß § 23 Abs. 1 AsylG hat die Person zur Stellung des Asylantrags bei der jeweiligen Außenstelle des Bundesamtes persönlich zu erscheinen. Das im AsylG geregelte Asylverfahren setzt demnach die Anwesenheit der betroffenen Personen in der Bundesrepublik voraus.725 Vor der Einreise in die Bundesrepublik ist die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 AufenthG ausgeschlossen. Möglich wäre auch eine Aufenthaltserlaubnis nach § 22 AufenthG, welche für die Aufnahme aus dem Ausland aus dringenden humanitären Gründen erteilt werden kann. § 22 AufenthG ist ausweislich der Gesetzesbegründung insbesondere auf die Aufnahme von gebietsfremden Ausländern gerichtet.726 Allerdings sollte sie Ausländern keinen Anspruch auf Aufnahme geben.727 Die Norm eröffnet einen Ermessensspielraum.728 Es ist also nicht sicher gewährleistet, dass politisch Verfolgte ein auf § 22 AufenthG gestütztes Visum erhalten.729 Für politisch Verfolgte, die sich noch außerhalb der Bundesrepublik befinden, ist es demnach nicht bzw. jedenfalls nicht sicher möglich, ein für die (legale) Einreise erforderliches nationales Visum zu erhalten. c) Das Visumserfordernis als Eingriff in das Asylrecht Fraglich ist, ob ein Visumserfordernis für die Einreise in die Bundesrepublik das asylrechtlich gewährleistete Einreiserecht für politisch Verfolgte 724  Bundesamt

für Migration und Flüchtlinge. § 13 AsylG, in: AuslR, 12. Aufl. 2018, Rn. 16; auch die Antragstellung auf deutschen Schiffen und in deutschen Botschaftsgebäuden ist ausgeschlossen, Sieweke/Kluth, § 13 AsylG, in: Beck-OK AuslR, 20. Aufl. 01.11.2018, Rn. 8; so auch der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages (WD 3: Verfassung und Verwaltung), Asylantragstellung an Bod eines deutschen Kriegsschiffes, 2016, Az. WD 3 – 3000 – 060/16. 726  BT-Drs. 15/420, S. 77. 727  BT-Drs. 15/420, S. 77. Hailbronner, Asyl- u. AuslR (2017), 4. Aufl., Rn. 563, demzufolge es sich nicht um eine „generalklauselartige Befugnis“ handele. 728  Hailbronner, Asyl- u. AuslR (2017), 4.  Aufl., Rn. 563 ff., 571; Bergmann/ Röcker, § 22 AufenthG, in: AuslR, 12. Aufl. 2018, 22.1.4; Hecker, § 22 AufenthG, in: Beck-OK AuslR, 20. Aufl. 01.11.2018, Rn. 4. 729  Ob Art. 16a Abs. 1 GG das eröffnete Ermessen auf null reduziert, kann erst entschieden werden, wenn ermittelt wurde, ob Art. 16a Abs. 1 GG überhaupt einen Anspruch auf Erteilung eines Asylvisums gewährleistet. S. hierzu das Ergebnis dieses Abschnitts Teil E. II. 4., insbesondere mit Fn. 753. 725  Bergmann,

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E. Fallbeispiele

ganz oder teilweise unmöglich macht oder erschwert, wenn zugleich einfachgesetzlich kein Asylvisum für politisch Verfolgte vorgesehen ist.730 Laut Bundesverfassungsgericht ist die Verpflichtung, vor Einreise ein Visum einzuholen dann nicht gemäß Art. 16 Abs. 2 S. 2 GG a. F. zu beanstanden, wenn die Erfüllung dieser Pflicht für die betroffene Person möglich und zumutbar ist.731 Dabei ging es um eine Person, die schon vorher in der Bundesrepublik anwesend, nach Stellung des Asylantrags ausgereist und dann ohne erforderliches Visum wieder eingereist war. Dem BVerfG zufolge hätte vorgebracht werden können, dass „wegen unmittelbar drohender Verfolgung keine Zeit mehr verblieben sei, einen Sichtvermerktsantrag zu stellen, daß schon ein Aufsuchen des Konsulats eine unmittelbare Verfolgungsgefahr ausgelöst hätte oder daß ein gestellter Sichtvermerksantrag abgelehnt worden sei und sich daraus eine solche Gefahr ergeben hätte.“732 Der Beschwerdeführer habe allerdings nichts in dieser Hinsicht vorgetragen. Außerdem sei dies auch nicht ersichtlich.733 Da die Voraussetzungen für die Erteilung eines Visums von politisch Verfolgten aber nicht notwendig erfüllt werden, wird das Erhalten eines Visums für politisch Verfolgte unter Umständen734 unmöglich.735 Damit könnte schon von einem Eingriff ausgegangen werden. Es stellt sich jedoch die Frage, ob das Erfordernis eines Visums allein die Ausübung der grundrechtlich geschützten Freiheit bereits beeinträchtigt. Dies wäre dann der Fall, wenn Personen ohne erforderliches Visum die Einreise in die Bundesrepublik verweigert werden würde. Laut § 15 Abs. 1 AufenthG werden Personen ohne Aufenthaltstitel, d. h. u. a. Personen ohne Visum, an der Grenze zwar zwingend zurückgewiesen. § 15 Abs. 4 S. 2 AufenthG macht von diesem Gebot jedoch eine Ausnahme für Asylsuchende. Demnach darf ein Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, nicht zurückgewiesen werden, solange ihm der Aufenthalt im Bundesgebiet nach den Vorschriften des AsylG gestattet ist. Eine Aufenthaltsgestattung für Personen, die um Asyl nachsuchen, ist in § 55 Abs. 1 S. 1 AsylG geregelt. § 18 Abs. 1 AsylG regelt zudem, dass eine Person, die bei einer Grenzbehörde um Asyl nachsucht, unverzüglich an die zuständige Aufnahmeeinrichtung 730  So z. B. Dutta, Luftverkehr und Asylrecht (1997), S. 61; Rüfner, § 196, in: HStR IX, 3. Aufl. 2011, Rn. 42; Wittreck, Art. 16a, in: Dreier, GG, 3. Aufl. 2013, Rn. 92. 731  BVerfG, NVwZ 1987, 1068. 732  BVerfG, NVwZ 1987, 1068. 733  BVerfG, NVwZ 1987, 1068. 734  D. h. in den Fällen, in denen politisch Verfolgte nicht die zusätzlichen Voraussetzungen für die Erteilung eines Visums erfüllen (s. o.). 735  Zu bedenken ist zudem, dass der tatsächlich politisch Verfolgte grundsätzlich keine Zeit für ein langwieriges Visumserteilungsverfahren haben wird, Dutta, Luftverkehr und Asylrecht (1997), S. 73.



II. Der Anspruch auf Erteilung eines Asylvisums201

weiterzuleiten ist.736 Laut § 18a Abs. 1 S. 3 AsylG ist Personen, die auf dem Luftweg einreisen und um Asyl nachsuchen, unverzüglich die Gelegenheit zur Stellung des Asylantrags zu geben.737 Wenn also eine politisch verfolgte Person ohne Visum die Grenze der Bundesrepublik erreicht, wird sie bei Äußerung eines Asylgesuches nicht zurückgewiesen. Politisch Verfolgte können demnach auch ohne das grundsätzlich erforderliche Visum von ihrem Recht auf Einreise in die Bundesrepublik Gebrauch machen. Durch die Visumspflicht allein wird demnach mangels Integritätsbeeinträchtigung noch nicht in das Asylgrundrecht eingegriffen.738 3. Die Visumspflicht i. V. m. dem Beförderungsverbot für Beförderungsunternehmen als Eingriff in Art. 16a Abs. 1 GG Etwas anderes könnte sich jedoch für §§ 63 f. AufenthG ergeben. Gemäß § 63 Abs. 1 AufenthG dürfen Beförderungsunternehmer Ausländer ohne erforderlichen Aufenthaltstitel nicht in die Bundesrepublik befördern. Die Zuwiderhandlung kann gemäß § 63 Abs. 2, 3 AufenthG mit Zwangsgeld von mindestens 1000 bis höchstens 5000 Euro geahndet werden. Außerdem hat der Beförderungsunternehmer den Ausländer, wenn dieser zurückgewiesen worden ist, gemäß § 64 Abs. 1 AufenthG unverzüglich außer Landes zu brin­ gen. 736  § 18 Abs. 2 AsylG regelt eine Ausnahme von der Weiterleitungspflicht. Und zwar wird einer Person dann die Einreise verweigert, wenn sie aus einem sicheren Drittstaat einreist, wenn ein anderer Mitgliedstaat der EU für die Prüfung des Asylantrags zuständig ist oder wenn die betroffene Person eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil sie in der Bundesrepublik wegen einer besonders schweren Straftat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist und ihre Ausreise nicht länger als drei Jahre zurückliegt. Die erste Ausnahme betrifft grundsätzlich keine Personen, die nach Art. 16a Abs. 1 GG zur Einreise berechtigt sind (s. o.). Zur zweiten Ausnahme s. u. Die dritte Ausnahme geht über den Schwerpunkt dieser Arbeit hinaus und betrifft die Frage des Terrorismusvorbehalts und damit die Frage, wann bzw. inwiefern das Asylrecht verfassungskonform eingeschränkt werden kann, vgl. zu letzterem Haderlein, § 18 AsylG, in: Beck-OK AuslR, 20. Aufl. 01.11.2018, Rn. 24. 737  Gem. § 18a Abs. 1 S. 1 und 2 AsylG ist das Asylverfahren für Personen aus sicheren Herkunftsstaaten und Personen, die sich nicht ausweisen können, vor der Entscheidung über die Einreise durchzuführen, soweit die Unterbringung auf dem Flughafengelände möglich oder lediglich wegen eines stationären Krankenhausaufenthalts nicht möglich ist. 738  So auch Masing, Art. 16a, in: Dreier, GG, 2. Aufl. 2004, Rn. 96, es sei denn die Sichtvermerkspflicht würde „gezielt dazu eingesetzt […] das Erreichen der Bundesrepublik zu erschweren“. Laut Wittreck, Art. 16a, in: Dreier, GG, 3. Aufl. 2013, Rn. 92, handele es sich dabei um die wohl überwiegende Meinung im Schrifttum.

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E. Fallbeispiele

Damit werden politisch Verfolgte in ihrer Wahl des Fluchtwegs eingeschränkt.739 Anstatt mit Verkehrsmitteln wie Flugzeugen oder Schiffen in die Bundesrepublik einzureisen, sind sie zumeist auf sog. Schlepperbanden angewiesen, die sie auf weniger sicheren Wegen in die Bundesrepublik bringen. Dabei werden sie beispielsweise in Lastwagen oder auf seeuntauglichen, überfüllten Schlauchbooten befördert.740 Die Flucht vor politischer Verfolgung wird damit durch das Beförderungsverbot zumindest erschwert und teilweise sogar unmöglich.741 Die Unmöglichkeit der Beförderung auf legalem (sicherem) Weg stellt damit eine Integritätsbeeinträchtigung des Asylrechts dar.742 Die Beförderungsunternehmen können als Private durch ihre Handlungen zwar grundsätzlich nicht in Grundrechte eingreifen, da Grundrechte keine unmittelbare Drittwirkung entfalten.743 Allerdings kann das Verhalten Privater der Bundesrepublik u. U. zugerechnet werden. Eine Zu739  Winkelmann, § 18 AsylG, in: AuslR, 12. Aufl. 2018, Rn. 17, wonach der Zugang zum Bundesgebiet empfindlich betroffen worden sei; die „Fluchtmöglichkeiten [werden] auf den Landweg [reduziert]“, Dutta, Luftverkehr und Asylrecht (1997), S. 65 f. 740  Auf diesen Transportwegen sterben jedes Jahr hunderte von Flüchtlingen. Im August 2015 erstickten z. B. 71 Flüchtlinge in einem Kühl-Lkw, in dem sie von Schleusern nach Österreich „geschmuggelt“ wurden, Tagesschau, Mordanklage nach Tod von Flüchtlingen, www.tagesschau.de/ausland/erstickte-fluechtlinge-prozess-101. html (04.05.2017), letzter Zugriff am 12.12.2018. Der Tagesschau, Mehr als 1500 Menschen ertrunken, www.tagesschau.de/ausland/mittelmeer-fluechtlinge-137.html (04.08.2018), letzter Zugriff am 12.12.2018, zufolge nutzten „Menschenschmuggler […] immer seeuntüchtigere Boote“. Zugleich wird berichtet, dass im Jahre 2018 bereits mehr als 1500 Menschen bei der Überquerung des Mittelmeers ertrunken seien. 741  Bierwirth, ZAR 1987, 64, S. 65; Grabherr, NVwZ 1989, 38, S. 39; Denninger/ Rachor, ZAR 1988, 51, S. 51. 742  Vgl. dazu Grabherr, NVwZ 1989, 38, S. 39, wonach das Asylrecht mittelbare Anreiserestriktionen verwehre. Insbesondere sei zu bezweifeln, dass der Verweis auf den Landweg zur Ausräumung der Beeinträchtigung ausreiche. Dabei beruft er sich auf einen unveröffentlichten Beschluss des OVG Münster v. 12.09.1984, Az. 17 B 1629/84; s. auch Hailbronner, Ausländerrecht (1984), Rn. 972, demzufolge das Beförderungsverbot die Einreise in das Bundesgebiet unzumutbar erschweren könnte. Das Bundesverwaltungsgericht hielt die Regelung des § 18 Abs. 5 S. 1 AuslG 1965 (Eingeführt mit Art. 6 des Gesetzes zur Bekämpfung der illegalen Beschäftigung [BillBG] vom 15. Dezember 1981, BGBl. I S. 1390), welcher es dem Bundesinnenminister erlaubte, Beförderungsunternehmen die Beförderung von Ausländern ins Bundesgebiet zu untersagen, die keine Aufenthaltserlaubnis innehaben, für verfassungswidrig und legte diesen im Jahre 1992 dem Bundesverfassungsgericht gem. Art. 100 Abs. 1 GG vor. Es begründete seine Annahme damit, dass § 18 Abs. 5 S. 1 AuslG 1965 insoweit gegen Art. 16 Abs. 2 S. 2 GG a. F. verstoße, als dass davon auch Asylberechtigte betroffen seien, BVerwG, NVwZ 1992, 682, S. 684. Das Bundesverfassungsgericht wies die Vorlage als unzulässig zurück. Ob das Beförderungsverbot gegen das Asylgrundrecht verstößt, wurde dabei offengelassen, da das klagende Transportunternehmen sich jedenfalls nicht auf das Asylgrundrecht berufen könne, BVerfGE 97, 49 (65 f.). 743  Voßkuhle/Kaiser, JuS 2009, 313, S. 313.



II. Der Anspruch auf Erteilung eines Asylvisums203

rechnung ist jedenfalls dann zu bejahen, wenn „der Staat gerade auf das beeinträchtigende Verhalten des Privaten [abzielt]“.744 Die Pflicht der Beförderungsunternehmer, zurückgewiesene Ausländer unverzüglich außer Landes zu bringen, wurde ausweislich der Gesetzesbegründung zu dem Zweck eingeführt, die Kontrolle und sofortige Zurückweisung unerlaubt einreisender Ausländer zu erleichtern.745 Es war also gerade das Ziel des Gesetzes, die Einreise von Personen ohne Visum – und das schließt wie gezeigt politisch Verfolgte mit ein – zu erschweren bzw. unmöglich zu machen. Wenn die Beförderungsunternehmer die Beförderung politisch Verfolgter ohne Visum in die Bundesrepublik verweigern, kann dies der Bundesrepublik zugerechnet werden. Zwar ist jedenfalls die Rückbeförderungspflicht auf politisch Verfolgte nicht anwendbar. So dürfen diese wegen Art. 16a Abs. 1 GG und auch nach einfachem Recht wie gezeigt nicht zurückgewiesen werden. Es ist jedoch kaum anzunehmen, dass ein Beförderungsunternehmen bewusst eine Person ohne Visum befördern und damit ein Zwangsgeld riskieren wird. Vielmehr ist davon auszugehen, dass von vornherein gänzlich davon Abstand genommen wird, Personen ohne Visum in die Bundesrepublik zu befördern, ohne zwischen Asylberechtigten und -nichtberechtigten zu differenzieren.746 Damit stellt die Visumspflicht i. V. m. dem Verbot der Beförderung von Personen ohne Visum durch Beförderungsunternehmer einen Eingriff in das Asylrecht des Art. 16a Abs. 1 GG dar.747 JuS 2009, 313, S. 313. IV/3013, zu § 18 AuslG in der Fassung vom 28. April 1965, BGBl. I, S. 353. Vgl. Marx/Strate/Pfaff, AsylVfG (1987), 2. Aufl. Vorb. §§ 19 ff., Rn. 12. 746  Zu dieser Schlussfolgerung kommt auch Kreßel, DÖV 1988, 501, S. 502. 747  So auch Kingreen/Poscher, Grundrechte (2017), 33. Aufl., Rn. 1133; Schnapp, Art. 16a, in: Münch/Kunig, GG, 5. Aufl. 2000, Rn. 3; Sachs, Grundrechte (2017), 3. Aufl., S. 627, Rn. 29; Sachs, Das Auslieferungsverbot und das Asylrecht, in: Staatsrecht IV/1, 2006, S. 845; Lübbe-Wolff, Art. 16a, in: Dreier, GG, 1996, Rn. 55; Arnauld, Art. 16a, in: Münch/Kunig, GG, 6. Aufl. 2012, Rn. 27; Wittreck, Art. 16a, in: Dreier, GG, 3. Aufl. 2013, Rn. 92; Denninger/Rachor, ZAR 1988, 51, S. 56  ff.; Hailbronner, Ausländerrecht (1984), Rn. 972; Dutta, Luftverkehr und Asylrecht (1997), S.  77 f.; Masing, Art. 16a, in: Dreier, GG, 2. Aufl. 2004, Rn. 96, wonach zwar das Beförderungsverbot einen Eingriff darstelle, nicht allerdings die generelle Visumspflicht, da diese nicht zu einem generellen Ausschluss vom Asylrecht führe; vgl. Becker, Art. 16a, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG, 7. Aufl. 2018, Rn. 125, wonach mangels einer Pflicht zur Förderung der Einreise zwar kein Anspruch auf Erteilung eines Visums bestehe, der objektiv-rechtliche Gehalt aber die Verhinderung der Einreise verbiete. Das Beförderungsverbot sei demnach verfassungswidrig; ähnlich Kreßel, DÖV 1988, 501, S. 505 f., der zwar aufgrund der territorialen Beschränkung des Asylrechts zu dem Ergebnis kommt, dass Visumspflicht und Rückbeförderungspflicht für Tansportunternehmen nur gegen das Asylrecht als Teil der objektiven Werteordnung des Grundgesetzes verstoßen. Der aber aus der abwehrrechtlichen Dimension 744  Voßkuhle/Kaiser, 745  BT-Drs.

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E. Fallbeispiele

Zum Teil wurde moniert, dass damit auch ein Recht auf Bereitstellung von Transportmitteln bejaht werden müsste. Die Situation der Person, der kein Visum gewährt wird, sei vergleichbar mit einem Nichtschwimmer, der den Grenzfluss ins Zufluchtland nicht durchqueren kann, oder einer Person, die die Flugkosten nicht bezahlen kann.748 Die beschriebenen Maßnahmen unterscheiden sich jedoch erheblich von der Situation der Visumspflicht in Verbindung mit dem Rückbeförderungsgebot. Während die aus der Visumspflicht i. V. m. dem Beförderungsverbot folgenden Ansprüche auf einer staatlichen Ingerenz beruhen und damit abwehrrechtlich fundiert sind, stellten Ansprüche auf Bereitstellung von Transportmitteln originäre Leistungsrechte dar.749 Wie bereits dargelegt wurde, sind solche Leistungsrechte aus Art. 16a Abs. 1 GG nicht abzuleiten.750 4. Ergebnis Durch die Regelung einer Visumspflicht in Verbindung mit einem Transportverbot für Beförderungsunternehmen wird in das Asylrecht des Art. 16a Abs. 1 GG eingegriffen. Soweit dieser Eingriff nicht gerechtfertigt werden des Asylrechts auch ein Recht ableitet, die staatliche Verhinderung der Inanspruchnahme des Grundrechts abzuwehren; vgl. Davy, Art. 16a, in: AK-GG, 3. Aufl. 2001, Rn. 39, welche die Regelungen als „unter dem Blickwinkel der Effektivität des Grundrechtsschutzes bedenklich“ einordnet. Anderer Ansicht Maaßen, Art. 16a, in: BeckOK GG, 39. Aufl. 15.11.2018, Rn. 51; Quaritsch, Arbeitsverbot und Sichtvermerk als „flankierende“ Maßnahmen des Asylverfahrens, in: FS Zeidler I, 1987, S. 972; Bierwirth, ZAR 1987, 64, S. 67 ff., wonach die Visumserteilung eine Förderung des Zugangs zum Bundesgebiets darstelle, welche nicht gem. Art. 16 Abs. 2 S. 2 GG a. F. geschuldet sei. 748  Bierwirth, ZAR 1987, 64, S. 67; zustimmend Waldstein, Das Asylgrundrecht im europäischen Kontext (1993), S. 50 f.; auch Isensee, § 115, in: HStR V, 2. Aufl. 2000, Rn. 91, differenziert nicht zwischen der Erteilung eines Visums und dem Anspruch auf Transport; so offenbar auch Hailbronner, Einreiseverweigerung und Visumzwang im Asylrecht, in: FS Doehring, 1989, S. 299, wonach es keine Pflicht gebe, „es jedem Antragsteller mit Hilfe eines Visums zu ermöglichen, in die Bundesrepublik einzureisen“; vgl. auch Heintzen, § 50, in: HGR II, 2006, Rn. 36, demzufolge Art. 16a Abs. 1 GG einen Anspruch auf Gebietszulassung gewähre. Die Bundesrepublik müsse den Gebietszugang allerdings nicht „fördern“. Visumspflicht und Beförderungsverbot seien „Behinderungen im Vorfeld des Gebietszugangs, gegen die asylgrundrechtlicher Widerstand nicht möglich“ sei. Letzteres sei keine Umgehung des Asylrechts, sondern „eine unvermeidbare Implikation seines […] weit vorgeschobenen internationalen Anwendungsbereichs“. 749  Dutta, Luftverkehr und Asylrecht (1997), S. 90  f.; Denninger/Rachor, ZAR 1988, 51, S. 56 f., denen zufolge es sich zwar formell, nicht aber materiell um eine Leistung handele. Zur Unterscheidung zwischen formeller und materieller Betrachtung s. o. Teil C. I. 750  S. o. Teil C. II.



II. Der Anspruch auf Erteilung eines Asylvisums205

kann, sind die daraus für die Flucht einer politisch verfolgten Person entstehenden Erschwernisse durch die Bundesrepublik auszuräumen.751 Dies wäre zum Beispiel durch eine Abschaffung der Visumspflicht für Asylsuchende752 oder durch die Regelung eines Asylvisums möglich.753 Die Abschaffung der Visumspflicht scheitert allerdings unter Umständen an vorrangigem Unionsrecht.754 Die Visumspflicht ist unionsrechtlich für bestimmte Staaten vorgeschrieben.755 Damit bliebe zur Entsprechung des Art. 16a Abs. 1 GG lediglich die nationalrechtliche Einführung eines Asylvisums. Dabei dürfte allerdings in der Regel anzunehmen sein, dass eine wirklich politisch verfolgte Person insbesondere innerhalb des Verfolgerstaates nicht in der Lage sein wird, ein Visum zu beantragen.756 Diese Konfliktsituation gilt es vor dem Hintergrund des Art. 16a Abs. 1 GG bestmöglich aufzulösen. Die Erteilung eines Visums stellte jedenfalls keine positive Hilfe bei der Flucht,757 sondern einen abwehrrechtlichen Sekundäranspruch dar.758 Die Bundesrepublik ist nicht etwa zur Bereitstellung von Flugzeugen oder Bezahlung von Flugtickets für die Flucht verpflichtet. Als abwehrrechtliche Sekundäransprüche wären diese nur dann geschuldet, wenn die Bundesrepu751  Es besteht allerdings keine Verpflichtung der Beförderungsunternehmer, die politisch Verfolgten zu befördern, da diese nicht über Art. 1 Abs. 3 GG gebunden sind. Insofern unzutreffend offenbar Dutta, Luftverkehr und Asylrecht (1997), S. 95. 752  Laut Neußner, ZAR 1989, 17, S. 18, 21  f., sei der Asylberechtigte wegen Art. 16 Abs. 2 S. 2 GG a. F. von der Sichtvermerkspflicht befreit. Dementsprechend gelte für diesen auch nicht das Transportverbot. 753  Für einen Anspruch auf Erteilung eines Visums z. B. Denninger/Rachor, ZAR 1988, 51, S. 59; Hailbronner, Ausländerrecht (1984), Rn. 972. Zur Möglichkeit der Erteilung eines Asylvisums gem. § 22 AufenthG s. Dörig, jM 2015, 196, S. 202. Auch Kaufhold, ZRP 2017, 69, S. 72, plädiert für die Einrichtung eines Asylvisums als Lösung der aktuellen Krise. Auch der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen schlägt die Möglichkeit humanitärer Visa vor, um den Problemen der illegalen Einreise zu begegnen, UNHCR, Legal avenues to safety and protection through other forms of admission, 18. November 2014, www.refworld.org/pdfid/5594e5924.pdf, letzter Zugriff am 19. Mai 2017. Gegen einen subjektiven Anspruch auf Erteilung eines Visums Bierwirth, ZAR 1987, 64, S. 69, demzufolge das Asylrecht des GG allerdings als objektive Wertentscheidung im Rahmen des Ermessens beachtet werden müsse. 754  Zum Vorrang des EU-Rechts vor dem Grundgesetz s. u. Teil G. I. 755  S. dazu unten Teil G. II. 7. c). 756  Neußner, ZAR 1989, 17, S. 18, 19; Dutta, Luftverkehr und Asylrecht (1997), S. 73, sowie S. 91 f.; Groß, KJ 2001, 100, S. 103; BVerwG, DÖV 1978, 180, S. 181. 757  So aber Bierwirth, ZAR 1987, 64, S. 67, der die Visumserteilung als Leistung ansieht und beispielsweise mit Transportleistungen vergleicht; dagegen jedoch Dutta, Luftverkehr und Asylrecht (1997), S. 90 f. 758  Denninger/Rachor, ZAR 1988, 51, S. 56 f., welche zutreffend die Visumserteilung als „Beseitigung eines staatlicherseits aufgestellten Einreisehindernisses“ an­ sehen.

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E. Fallbeispiele

blik z. B. für die Abwesenheit von Flugzeugen oder die unzureichende finanzielle Leistungsfähigkeit einer Person hinsichtlich des Flugticketkaufs verantwortlich wäre. Solange diese aber nicht auf Maßnahmen der Bundesrepublik zurückzuführen sind, ist das gerade nicht der Fall. Wie an anderer Stelle bereits dargelegt, sind originäre, von staatlicher Ingerenz unabhängige Leistungsrechte nicht aus Art. 16a Abs. 1 GG abzuleiten.759

III. Rechtslage für politisch verfolgte Personen an Bord von unter der Bundesflagge geführten Schiffen Angesichts der anfangs geschilderten Situation im Mittelmeer760 beschäftigt sich der folgende Abschnitt mit der Rechtslage an Bord von Schiffen, die unter der Bundesflagge geführt werden. Wie bereits dargelegt verstieße die Gewährung von Asylschutz an Bord von Schiffen innerhalb fremder Hoheitsgewässer grundsätzlich gegen Völkerrecht.761 Wie aber stellt sich die Rechtslage nach nationalem (Verfassungs)Recht dar? Wie wirkt sich das extraterritoriale Asylrecht des Art. 16a GG für Flüchtlinge aus, die sich an Bord von Schiffen befinden, die unter deutscher Flagge geführt werden? Die Ansicht, die Art. 16a Abs. 1 GG als territorial beschränkt einstuft, muss hier zu dem Ergebnis kommen, dass Art. 16a Abs. 1 GG für Personen an Bord deutscher Schiffe noch keine Rechte begründet.762 Fraglich ist jedoch, wie sich die in dieser Arbeit vertretene extraterritoriale Geltung des Art. 16a Abs. 1 GG an Bord deutscher Schiffe auswirkt. Zunächst soll dafür kurz skizziert bzw. wiederholt werden, welche Maßnahmen als Eingriffe zu qualifizieren wären und welche nicht (1.). Daraufhin wird dargelegt, welche Akteure inwiefern an die Grundrechte gebunden sind und die geschilderten Eingriffshandlungen mithin (aus asylgrundrechtlicher Sicht) zu unterlassen haben (2.).

759  S. o.

Teil C. II. Einleitung I. Zeitgeschichtlicher Hintergrund. 761  S. schon oben Teil A. I. 3. c); Beckert/Breuer, Öffentliches Seerecht (1991), Rn. 731 f. Insbesondere die These, zumindest die Schiffe der öffentlichen Hand stellten Teile des Staatsgebiets des Flaggstaates dar, gilt als widerlegt, Kimminich, Der internationale Rechtsstatus des Flüchtlings (1962), S. 112 f.; ebenso Sinha, Asylum and international law (1971), S. 267 f., dazu dass auf Schiffen (sowohl öffentlich als auch privat gesteuert) innerhalb fremder Küstengewässer kein Asyl gewährt werden darf s. S. 268. 762  Gärditz, Art. 16a, in: Maunz/Dürig, GG, 84. Aufl. August 2018, Rn. 313, 315, zu dem von ihm vertretenen funktionalen Grenzäquivalent s. o. Teil D. I. 1. g); Merten, Räumlicher Geltungsbereich, in: FS H. Schiedermair, 2001, S. 336; Merten, § 56, in: HGR III, 2009, Rn. 111. 760  S. o.



III. Rechtslage für politisch verfolgte Personen an Bord von Schiffen207

1. Mögliche Eingriffshandlungen an Bord von Schiffen Wie bereits dargelegt, verbietet das Asylrecht des Art. 16a GG als extraterritorial geltendes Abwehrrecht Be- und Verhinderungen der freien Flucht durch staatliche Maßnahmen. Maßnahmen, die zu solchen Be- oder Verhinderungen führen, sind folglich zu unterlassen. Wie sich dies für die potenziell Betroffenen auswirkt, soll zunächst für diejenigen beantwortet werden, die sich bereits an Bord eines deutschen Schiffes befinden. Daraufhin soll die Frage auch im Hinblick auf Personen untersucht werden, die das An-BordKommen z. B. in einem fremden Hafen erst begehren. a) Maßnahmen gegenüber politisch verfolgten Personen an Bord Eingriffe wären z. B. in Regelungen zu sehen, denen zufolge politisch verfolgte Personen, die sich an Bord von deutschen Schiffen befinden, in ihrem Heimathafen763 abzusetzen wären.764 Ein Küstenstaat darf eine Person bereits dann festnehmen, wenn das Schiff, an dessen Bord sie sich aufhält, sich in seinen Küstengewässern befindet.765 Das heißt, ein Schiff dürfte mit schutzsuchenden Personen an Bord unter Umständen nicht die Küstengewässer des betreffenden Verfolgerstaates befahren, jedenfalls aber nicht in dessen Hafen anlegen, wenn mit der Festnahme der Person zu rechnen wäre. Durch das Einfahren in die Küstengewässer bzw. das Anlegen am Hafen würde durch positives Tun ein Kausalverlauf in Gang gesetzt, der zur Rückverbringung einer Person in ihren Verfolgerstaat führt. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass der Kapitän eines Schiffes eine politisch verfolgte Person im Hinblick auf seine asylrechtliche Verpflichtung entweder für immer an Bord lassen und das Befahren der Küstengewässer des Verfolgerstaates unterlassen oder die Person in einem Staat absetzen muss, in dem keine Verfolgung bzw. Kettenabschiebung droht.

763  Oder in Häfen von Staaten, die selbst wiederum in den Heimatstaat abschieben (Kettenabschiebung). 764  Diese Rechtslage – das Verbot der Rückverbringung an Bord befindlicher Personen in ihren bzw. einen Verfolgerstaat – entspricht der Rechtslage nach der EMRK. Der EGMR entschied im Jahre 2013, dass Personen an Bord von Schiffen nicht in den Häfen von Staaten abgesetzt werden dürfen, in denen ihnen Verfolgung bzw. die Abschiebung in einen solchen (verfolgenden) Staat droht, EGMR, Case of Hirsi Jamaa and others v. Italy, App. No. 27765/09, Urteil vom 23.02.2012. Dies wurde bereits festgestellt von Dippel, The Human Rights of Migrants: Maritime Interception in the Mediterranean (2015), S. 5 ff. 765  S. o. Teil A. I. 3. c) (1).

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E. Fallbeispiele

b) Maßnahmen gegenüber politisch verfolgten Personen, die erst begehren, an Bord zu kommen Weiter stellt sich die Frage, ob eine Person, die sich noch nicht an Bord eines deutschen Schiffes befindet – sondern z. B. an Land in einem fremden Hafen –, unter Berufung auf Art. 16a Abs. 1 GG verlangen kann, an Bord eines dort anlegenden, deutschen Schiffes zu kommen. Zu fragen ist damit, ob das Asylrecht es verbietet, eine politisch verfolgte Person in einem fremden Hafen abzuweisen. (1) Verwehrung als Abweisung im Sinne des Abweisungsverbots Die Verwehrung an Bord zu kommen könnte als Abweisung im Sinne des asylgrundrechtlichen Abweisungsverbots eingeordnet werden. Letzteres gilt allerdings aus folgenden Gründen nur für Abweisungen an der Staatsgrenze und nicht auch für Abweisungen in fremden Hafen. Zunächst spricht für ein solches Verständnis des asylgrundrechtlichen Abweisungsverbots der Wortlaut des Art. 16a Abs. 1 GG. Diesem ist eine räumliche Komponente insoweit zu entnehmen, als dass einer Person Asyl im Sinne von Schutz nur an einem bestimmten Ort gewährt werden kann.766 Es kann davon ausgegangen werden, dass eine Person vor Verfolgung erst dann sicher ist, wenn sie einen Ort der Sicherheit erreicht hat. An diesem endet die vorhergehende Flucht. Das Erreichen eines Raums der Sicherheit wäre zwar nicht Entstehungsvoraussetzung, wohl aber Ziel des Asylrechts. Für eine Beschränkung des Abweisungsverbots auf Abweisungen an der Staatsgrenze spricht zudem eine genetisch-teleologische Betrachtung. Der Diskussion des Parlamentarischen Rats über das völkerrechtliche Asylrechtsinstitut im Zusammenhang mit der Schaffung des grundrechtlichen Asylrechts767 kann die Intention entnommen werden, sich bei der Ausgestaltung des Inhalts des Asylrechts daran zu orientieren, was nach Völkerrecht als Asylrecht zu verstehen war. Im allgemeinen Völkerrecht ist das Asylrecht nicht als Individualrecht, sondern lediglich als Recht von Staaten anerkannt, verfolgten Personen auf dem eigenen Territorium Asyl zu gewähren, ohne die Souveränitätsrechte der jeweiligen Herkunftsstaaten zu verletzen.768 Ein Recht zur Asylgewährung innerhalb der Räumlichkeiten von diplomatischen Vertretungen wird weitgehend abgelehnt.769 Es kann geschlossen werden, 766  Zum

räumlichen Verständnis des Wortlauts „Asyl“ s. o. Teil D. I. 1. a). dazu oben Teil D. I. 1. b) (2). 768  BVerfGE 74, 51 (58); Hailbronner/Gogolin, Asylum, Territorial, Max Planck EPIL (September 2013), Rn. 25. 769  Siehe dazu schon oben Teil A. I. 3. b). 767  S.



III. Rechtslage für politisch verfolgte Personen an Bord von Schiffen209

dass das deutsche Asylrecht auf eine Zufluchtgewährung innerhalb des Staatsgebiets der Bundesrepublik gerichtet sein sollte und eben nicht auf eine Zufluchtgewährung an einem Ort außerhalb der Bundesrepublik.770 Der Ziel- bzw. Zufluchtsort, an dem Sicherheit vor politischer Verfolgung bestehen soll, ist beim grundrechtlichen Asylrecht das Staatsgebiet der Bundesrepublik. Art. 16a Abs. 1 GG ist also zwar nicht durch die Anwesenheit einer Person im Staatsgebiet bedingt. Es ist jedoch letztendlich auf die Anwesenheit der Person im Staatsgebiet gerichtet. Das heißt, Eingriffe in den Vorgang der Flucht sind auch vor Erreichen der Staatsgrenze grundsätzlich zu unterlassen. Eine letztendliche Zuflucht im Sinne eines dauerhaften Aufenthalts zum Zwecke der Sicherheit vor politischer Verfolgung ist jedoch nur innerhalb des Bundesgebiets und z. B. nicht innerhalb von Botschaften oder an Bord von Schiffen zu gewährleisten. Die Bundesrepublik hat nur innerhalb ihres Staatsgebiets unter allen Umständen ausschließliche Hoheitsmacht771 und kann deshalb auch nur dort dauerhafte Sicherheit vor Verfolgung effektiv gewährleisten.772 Demnach wäre dem Asylrecht zwar ein Verbot einreiseverhindernder Maßnahmen schon außerhalb des Staatsgebiets zu entnehmen. Dieses bezieht sich allerdings nur auf Maßnahmen zur Verhinderung der Einreise in das Bundesgebiet, nicht z. B. auf die Verweigerung der Aufnahme in ein Botschaftsgebäude.773 Das Abweisungsverbot bezieht sich dementsprechend auch nicht auf deutsche Schiffe, die nicht zum Staatsgebiet der Bundesrepublik zählen.774 Die Verwehrung in einem fremden Hafen an Bord zu kommen verstößt also nicht gegen das asylgrundrechtliche Abweisungsverbot. 770  So auch Gusy, Asylrecht und Asylverfahren (1979), S. 10. Vgl. Hailbronner, Einreiseverweigerung und Visumzwang im Asylrecht, in: FS Doehring, 1989, S. 294, demzufolge die „Gebietsbezogenheit“ den Inhalt des Asylrechts kennzeichne. 771  Zur eingeschränkten Reichweite der deutschen Hoheitsgewalt in deutschen Botschaften und auf deutschen Schiffen s. o. Teil A. I. 3. b) und Teil A. I. 3. c). 772  Gusy, Asylrecht und Asylverfahren (1979), S. 10; Denninger/Rachor, ZAR 1988, 51, S. 55 f.; Dutta, Luftverkehr und Asylrecht (1997), S. 59 f.; Bierwirth, ZAR 1987, 64, S. 64, der zudem darauf hinweist, dass eine Person, solange sie sich noch in ihrem Herkunftsstaat befindet, immer noch dem Zugriff ihres Verfolgers ausgesetzt ist. 773  Dieses räumliche Verständnis ist der Ansicht, die eine territoriale Gebundenheit des Asylrechts vertritt, immanent. Vgl. zudem VG Bremen, NVwZ-Beil. 1994, 72, wonach der Einreisebegriff des Art. 16a Abs. 2 GG sich auf das deutsche Staatsgebiet bezieht und nicht auf Botschaften, Konsulate oder Schiffe. Dabei ging es allerdings um die Auslegung des Abs. 2 und nicht des Abs. 1; vgl. Bierwirth, ZAR 1987, 64, S. 64, der eine extraterritoriale Asylanerkennung als „Asylzusage für den Fall des Erreichens des Staatsgebiets“ ansehen würde. S. dazu, dass das grundrechtliche Asylrecht kein Recht auf Botschaftsasyl gewährt Gusy, Asylrecht und Asylverfahren (1979), S. 10; Denninger/Rachor, ZAR 1988, 51, S. 55 f. 774  S. dazu schon oben Teil A. I. 3. c) (1).

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E. Fallbeispiele

(2) Verwehrung als Fluchtbehinderung Die Verwehrung an Bord zu kommen könnte jedoch eine positive Handlung darstellen, die eine Behinderung der asylrechtlich geschützten freien Flucht der Person zur Folge hätte. Kann eine Person in einem Hafen nicht an Bord eines deutschen Schiffes gelangen, kann die Flucht gegebenenfalls nur unter erschwerten Bedingungen – z. B. zu Fuß an Land – fortgesetzt werden. Die Flucht würde durch die Abweisung behindert. Eine Behinderung der Flucht wäre jedenfalls dann zu bejahen, wenn der betroffenen Person die Inanspruchnahme eines ihr bereits zur Verfügung stehenden Fluchtmittels erschwert würde. Dies wäre z. B. dann der Fall, wenn der Person das Betreten z. B. einer Fähre erschwert werden würde, für die sie schon eine Fahrkarte gelöst hat bzw. für die der Erwerb einer Fahrkarte für Private grundsätzlich möglich ist. Zu erinnern ist an das oben bereits dargestellte Beförderungsverbot für Beförderungsunternehmer.775 Dieses stellt grundsätzlich einen Eingriff in das Asylgrundrecht dar.776 Es stellt sich jedoch die Frage, wie Fluchtmodalitäten zu behandeln sind, die einer Person gerade noch nicht zur Verfügung stehen, weil z. B. der Kauf einer Fahrkarte – z.B für ein reines Frachtschiff oder ein Schiff der deutschen Marine – nicht angeboten wird. Zur Veranschaulichung dieses Unterschieds soll ein Beispielsfall aus dem Kontext der Meinungsfreiheit dienen. Eine Person darf ihre Meinung z. B. mittels Plakat äußern. Es sind jedoch zwei unterschiedliche Fragen, ob die Bundesrepublik nun Plakate zu diesem Zwecke bereitstellen muss oder ob sie einer Person, die ihre Meinung bereits mittels Plakat äußert, das Plakat wieder wegnehmen darf. Der Unterschied zwischen dem Fall einer Person, die sich bereits an Bord eines Schiffes befindet oder jedenfalls schon eine Fahrkarte gekauft hat, und einer Person, die erst Aufnahme an Bord begehrt, besteht darin, dass erstere eine bestimmte Fluchtmöglichkeit – Flucht mittels Schiff – bereits in Anspruch nimmt – eine Ausübung ist ohne den Staat möglich –, während letztere die betreffende Fluchtmöglichkeit gerade noch nicht ausübt und deren Bereitstellung verlangt – eine Ausübung ist ohne den Staat nicht möglich. Die Möglichkeit der tatsächlichen Ausübung der Verhaltensweise „Flucht“ liegt sozusagen im Verantwortungs- bzw. Risikobereich der politisch verfolgten Person. Das An-Bord-Lassen einer politisch verfolgten Person in einem fremden Hafen stellt nicht das Unterlassen einer Behinderung der freien Flucht dar, 775  Dieses gilt auch für die Beförderung auf dem Seeweg, Bauer/Dollinger, § 63 AufenthG, in: AuslR, 12. Aufl. 2018, 63.1.1. 776  S. o. Teil E. II. 3.



III. Rechtslage für politisch verfolgte Personen an Bord von Schiffen211

sondern die Unterstützung der freien Flucht durch positive Handlungen. Wie bereits dargelegt, sind dem Asylrecht keine originären Leistungsrechte zu entnehmen. Vielmehr gewährleistet es ein Abwehrrecht.777 Insbesondere den Diskussionen des Parlamentarischen Rats ist kein Hinweis darauf zu entnehmen, dass eine Förderung der Flucht in den Gewährleistungsgehalt des Asylrechts einbezogen werden sollte.778 Das Asylrecht schützt lediglich die Freiheit zur Flucht und nicht auch dessen positive Unterstützung.779 Die Abweisung einer Person im Hafen eines fremden Staates stellt damit grundsätzlich keinen Eingriff in Art. 16a Abs. 1 GG dar. Ein Eingriff wäre nur dann zu bejahen, wenn einer Person eine ihr grundsätzlich offenstehende Fluchtmöglichkeit (z. B. die Fahrt mit einer Fähre, für die der Erwerb einer Fahrkarte durch die betroffene Person möglich ist) wieder erschwert wird. c) Asylrechtskonforme Verhaltensweisen an Bord eines Schiffes – insbesondere zur Möglichkeit, eine politisch verfolgte Person abzusetzen Schließlich stellt sich die Frage, was mit einer politisch verfolgten Person, die sich bereits an Bord eines Schiffs befindet, aus asylgrundrechtlicher Perspektive geschehen darf. Feststeht bisher nur, dass sie nicht in ihrem Heimatstaat oder in einem Staat abgesetzt werden darf, der in den Heimatstaat abschiebt. Wo aber darf bzw. muss sie nun abgesetzt werden?780 Die betroffene Person kann jedenfalls nicht gemäß Art. 16a Abs. 1 GG verlangen, dauerhaft an Bord zu bleiben. Das Recht auf dauerhaften Aufenthalt bezieht sich ebenso wie das Recht auf Einreise wie bereits geschildert lediglich auf deutsches Staatsgebiet und damit nicht auf die Räumlichkeiten von Schiffen. Da die Unterstützung bzw. Erleichterung der Flucht – wie dargelegt – nicht geschützt wird, ist es auch nicht geschuldet, die Person in den Staat zu bringen, auf den sie selbst ihre Flucht gerichtet hat. Eine Person, die beispielsweise in einem asiatischen Staat an Bord geht, kann nicht verlangen, gerade z. B. in die Bundesrepublik gebracht zu werden. Kann eine Person ihre Flucht 777  S. o.

Teil C. II. auch Bierwirth, ZAR 1987, 64, S. 67, allerdings im Zusammenhang mit der Frage, ob das Asylrecht erst ab Erreichen des Staatsgebiets gilt. 779  Gegen die Ableitung eines Rechts auf Förderung der Flucht auch Lübbe-Wolff, Art. 16a, in: Dreier, GG, 1996, Rn. 55; Masing, Art. 16a, in: Dreier, GG, 2. Aufl. 2004, Rn. 96. S. schon oben Teil C. II. 2. a) (2) (b). 780  Diese Frage stellte sich auch schon Dippel, The Human Rights of Migrants: Maritime Interception in the Mediterranean (2015), S. 16 ff., im Hinblick auf das in Art. 3 EMRK verbürgte non-refoulement-Gebot. 778  So

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E. Fallbeispiele

auch von einem anderen Ort aus fortführen oder erreicht die Person an diesem Ort einen Ort der Sicherheit, handelt es sich beim Absetzen der Person an diesem Ort nicht um eine Be- bzw. Verhinderung der Flucht vor politischer Verfolgung. Betritt die Person in ihrem Heimatstaat eine Fähre, die in einen sicheren Staat fährt, so ist es mit dem Asylgrundrecht vereinbar, wenn die Person gezwungen wird, an diesem sicheren Ort an Land zu gehen. Die Person kann nicht etwa verlangen, dass der Kapitän seine Route ändert und planwidrig in den Staat fährt, auf den die betroffene Person ihre Flucht gerichtet hat. Handelt es sich bei dem Ort um einen sicheren Drittstaat, ist Art. 16a Abs. 2 GG zu beachten.781 Wird eine Person in einem sicheren Drittstaat abgesetzt, geht ihr Asylrecht unter. Vor Absetzen einer Person in einem gemäß Art. 16a Abs. 2 GG als sicher bestimmten Staat ist die Drittstaatenregelung jedoch noch nicht anwendbar. Vor dem Absetzen muss mithin vollumfänglich geprüft werden, ob der betroffenen Person im jeweiligen Staat Verfolgung oder (Ketten)Abschiebung in den Verfolgerstaat droht. Der Kapitän hat demnach aus asylgrundrechtlicher Perspektive die Wahl, die Person entweder auf Dauer an Bord zu lassen oder in einem Staat abzusetzen, in dem die Person vor Verfolgung sicher ist. Ob die angesteuerten Staaten sich zur Aufnahme der politisch Verfolgten bereiterklären, ist eine andere Frage. Außer der Bundesrepublik ist kein anderer Staat gemäß Art. 16a Abs. 1 GG zur Aufnahme verpflichtet.782 Jedenfalls aber die Bundesrepublik muss gemäß Art. 16a Abs. 1 GG die Aufnahme gewähren. Erklärt sich kein anderer sicherer Staat zur Aufnahme bereit, bleibt mithin immer die Möglichkeit zur Ablieferung in der Bundesrepublik.783 Die betroffene politisch verfolgte Person kann dies aber nicht notwendig verlangen. d) Zwischenergebnis Hinsichtlich der Frage, wie an Bord eines Schiffes in das Asylrecht einer Person eingegriffen werden kann, ist folglich zunächst zwischen zwei Situationen zu unterscheiden: Befindet die Person sich noch nicht an Bord, kann sie nicht unter Berufung auf ihr Asylrecht Aufnahme an Bord verlangen. Eine ihr zustehende Möglichkeit, an Bord zu kommen – z. B. durch Ticket781  Siehe

dazu oben Teil D. II. denken wäre allerdings an die jeweiligen nationalen Grundrechte oder völkerrechtliche Vereinbarungen bzw. Verpflichtungen. 783  Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt Dippel, The Human Rights of Migrants: Maritime Interception in the Mediterranean (2015), S. 16 ff., wonach ein Staat, der Flüchtlinge auf See abfängt, zur Wahrung des non-refoulement-Gebots der EMRK gegebenenfalls temporäre Aufnahme ins eigene Staatsgebiet gewähren muss. 782  Zu



III. Rechtslage für politisch verfolgte Personen an Bord von Schiffen213

kauf – darf aus asylgrundrechtlicher Sicht jedoch nicht beeinträchtigt werden. Befindet sich die betroffene Person an Bord, kann sie sich hinsichtlich der Absetzung in ihrem Verfolgerstaat bzw. einem Staat, der in diesen abschiebt, auf das Asylrecht berufen und das Unterlassen des Absetzens dort verlangen. Über dieses Abschiebungsverbot hinaus ist jedoch weder der dauerhafte Aufenthalt an Bord noch die Ablieferung in einen bestimmten Staat nach Wahl der betroffenen Person geschuldet. Vielmehr kann die politisch verfolgte Person in jedem Staat abgesetzt werden, in dem sie sicher vor politischer Verfolgung bzw. Abschiebung in den jeweiligen Verfolgerstaat ist. Als letzte Möglichkeit bleibt dabei immer das Absetzen in der nach Art. 16a Abs. 1 GG zur Aufnahme verpflichteten Bundesrepublik Deutschland. 2. Grundrechtsverpflichtete Akteure auf See Nachdem die möglichen Eingriffshandlungen festgesteckt wurden, ist zu ermitteln, wem gegenüber das extraterritoriale Asylrecht auf See geltend gemacht werden kann. a) Grundrechtsbindung des Gesetzgebers An Bord von Schiffen unter deutscher Flagge gilt die ausschließliche Hoheitsgewalt der Bundesrepublik Deutschland.784 Das heißt u. a., dass deutsches Recht an Bord dieser Schiffe gilt. Beim Erlass von die Schifffahrt betreffenden Gesetzen ist die Bundesrepublik gemäß Art. 1 Abs. 3 GG an Art. 16a GG gebunden.785 Ein Gesetz, das also beispielsweise den Kapitän eines Schiffs786 dazu verpflichten würde, an Bord befindliche, politisch verfolgte Personen in ihrem jeweiligen Heimatstaat abzusetzen, würde einen Eingriff in Art. 16a Abs. 1 GG bedeuten. Das oben bereits beleuchtete Beför784  Siehe

oben, Abschnitt Teil A. I. 3. c). Heintzen, § 50, in: HGR II, 2006, Rn. 31, demzufolge Staatsgewalt an Bord von Schiffen nur „funktionsspezifisch“ ausgeübt werde, weswegen insbesondere eine Berufung auf Art. 16a GG ausscheide. Eine Begründung ist allerdings nicht ersichtlich. Eine Erklärung dessen könnte in den Äußerungen von Quaritsch, § 120, in: HStR V, 2. Aufl. 2000, Rn. 72, gefunden werden. Demnach gelte kraft Flaggenhoheit nur der funktionsspezifische Teil der deutschen Rechtsordnung, d. h. z. B. das deutsche Arbeits- und Frachtrecht. Allerdings wird anerkannt, dass das deutsche Seemannsgesetz und deutsches öffentliches Recht insoweit gelten, als dass sie der Schiffsführung kompetenzgemäß zustünden und diese hoheitliche Befugnisse ausübe. Insoweit könnten auch die Grundrechte gelten. Auf Asylrecht könne sich ein blinder Passagier nur deshalb nicht berufen, weil dieses nach seiner Auffassung nur innerhalb der Staatsgrenzen gelte. Letzteres wird in dieser Untersuchung allerdings nicht vertreten, s. o. Teil D. I. 786  S. dazu noch weiter unten Teil E. III. 2. b) (2). 785  A. A.

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E. Fallbeispiele

derungsverbot für Transportunternehmer gilt auch für die Beförderung auf dem Seeweg.787 Hinsichtlich der Frage, ob es sich dabei um einen Eingriff in Art. 16a Abs. 1 GG handelt, ist insofern nach oben zu verweisen.788 Außerdem ist für den Raum an Bord eines Schiffes die schutzrechtliche Dimension des Art. 16a Abs. 1 GG zu beachten.789 Diese könnte grundsätzlich zu der grundrechtlich fundierten Pflicht der Bundesrepublik zur Ergreifung von Schutzmaßnahmen gegen Gefährdungen der Flucht durch Private wie z. B. die jeweiligen Kapitäne von deutschen Schiffen führen. In Betracht käme ein Verbot, politisch Verfolgte im Hafen ihrer Heimatstaaten abzusetzen.790 Andererseits verpflichtet Art. 16a Abs. 1 GG die Bundesrepublik nicht dazu, etwa eine Pflicht zu erlassen, derzufolge politisch verfolgte Personen an Bord zu lassen sind, um ihnen die Flucht zu vereinfachen. b) Grundrechtsbindung von Kapitän und übriger Besatzung an Bord Fraglich ist, wie sich die Grundrechtsbindung für den Kapitän und die übrige Besatzung an Bord eines unter deutscher Flagge geführten Schiffs darstellt. Grundrechte binden laut Art. 1 Abs. 3 GG nur die deutsche öffentliche Gewalt. Zunächst muss demnach geklärt werden, wann bei Handlungen eines Kapitäns oder der übrigen Besatzung eines Schiffes unter deutscher Flagge von einer Ausübung hoheitlicher Gewalt auszugehen ist. Dabei ist zwischen Schiffen zu unterscheiden, die von der öffentlichen Hand einerseits und von Privaten andererseits gesteuert werden.

§ 63 AufenthG, in: AuslR, 12. Aufl. 2018, 63.1.1. Teil E. II. 3. 789  Oben wurde dargelegt, dass zum einen die schutzrechtliche Dimension der Grundrechte an den Bereich des Gewaltmonopols der Bundesrepublik gebunden ist (Teil B. IV. 1) und dass sich zum anderen das Gewaltmonopol der Bundesrepublik auf die Schiffe unter deutscher Flagge erstreckt, welche sich außerhalb fremder Hoheitsgewässer befinden (Teil A. I. 3. c)). 790  Wann bei einer Gefahr ein gesetzgeberisches Eingreifen zu fordern ist und wann dies insbesondere zu einem subjektiven Recht der Betroffenen führt, kann im Rahmen dieser abstrakt gehaltenen Arbeit nicht beantwortet werden. An dieser Stelle soll die Feststellung genügen, dass die schutzrechtliche Dimension des Asylrechts sich an Bord von Schiffen auswirkt. Zudem unterbleibt an dieser Stelle auch eine Untersuchung, ob eine solche Regelung neben diesbezüglich gegebenenfalls bestehenden völkerrechtlichen Verträgen oder völkergewohnheitsrechtlichen Normen überhaupt noch notwendig ist. Zur völkerrechtlichen Lage hinsichtlich der eindeutig gegebenen völkerrechtlichen Pflicht zur Seenotrettung von Flüchtlingen und der Unsicherheiten hinsichtlich der Frage, wo diese im Anschluss abzusetzen sind s. Brevern/ Bopp, ZaöRV 2002, 841. 787  Bauer/Dollinger, 788  S. o.



III. Rechtslage für politisch verfolgte Personen an Bord von Schiffen215

(1) Besatzung der von der öffentlichen Hand gesteuerten Schiffe Handelt es sich um ein von der öffentlichen Hand gesteuertes Schiff – z. B. ein Schiff der Bundesmarine oder der Küstenwache als Teil der Bundespolizei –, sind der Kapitän und die übrige Besatzung als Teil der Staatsgewalt unmittelbar und in vollem Umfang an die Grundrechte gebunden.791 Maßnahmen von Kapitän und übriger Besatzung gegenüber politisch verfolgten Personen an Bord sind demnach als staatliche Maßnahmen anzusehen, die an den Grundrechten zu messen sind. Befiehlt ein Besatzungsmitglied oder der Kapitän einer sich an Bord befindlichen, politisch verfolgten Person von Bord zu gehen, handelt es sich mithin um eine staatliche Maßnahme. Trifft dieser Befehl eine politisch verfolgte Person im Hafen ihres Heimatstaates, handelt es sich mithin um einen Eingriff in Art. 16a Abs. 1 GG. (2) Kapitäne von privat gesteuerten Kauffahrteischiffen Kapitän und übrige Besatzung von privat gesteuerten Schiffen stellen demgegenüber zunächst keinen Teil der Staatsgewalt dar. Diese unterliegen damit grundsätzlich keiner unmittelbaren Grundrechtsbindung gemäß Art. 1 Abs. 3 GG. Deren Handlungen sind demzufolge grundsätzlich nicht an Art. 16a GG zu messen. (a) Beliehenenfunktion des Kapitäns eines Kauffahrteischiffs Etwas anderes könnte jedoch für den Kapitän eines Kauffahrteischiffes gelten, für welchen Sonderregelungen nach dem SeeArbG792 existieren.793 Aufgrund der Loslösung der Schiffe vom deutschen Staatsgebiet und der daraus folgenden mangelnden Erreichbarkeit von Staatsorganen fungiert der Kapitän in bestimmten Situationen als Vertreter des Staates.794 Zum Beispiel hat der Kapitän an Bord seines Schiffes gemäß § 121 SeeArbG gewisse 791  Dies ergibt sich aus Art. 1 Abs. 3 GG und der extraterritorial grundsätzlich unbeschränkten Geltung der Grundrechte (Teil B.). Vgl. zur Bindung der Bundesmarine an Art. 104 GG bei der Festnahme von Piraten auf hoher See Schmahl, Art. 104, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein/Henneke, GG, 14. Aufl. 2018, Rn. 27, sowie Thym, DÖV 2010, 621, S. 628 f. 792  Seearbeitsgesetz vom 20. April 2013 (BGBl I, S. 868). 793  Zur Definition von Kauffahrteischiffen als „Seeschiffe, die dem Erwerb durch Seefahrt dienen“ s. Bubenzer/Peetz/Mallach, SeeArbG (2016), § 1, Rn. 1. 794  Segelken, Kapitänsrecht (1967), S. 389; Hanses, Die rechtliche Stellung des Kapitäns (1983), S. 157 f.; Ehlers, RdTW 2017, 361, S. 361; vgl. Bahnsen, Einf, in: Rabe/Bahnsen, SeeHR, 5. Aufl. 2018, Rn. 34.

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E. Fallbeispiele

Zwangsbefugnisse gegenüber der übrigen Besatzung und den sonstigen Personen an Bord, um die Sicherheit und Ordnung an Bord zu erhalten. Es stehen dem Kapitän polizeiliche Befugnisse zu.795 Nach wohl überwiegender Ansicht wird in diesem Zusammenhang der Kapitän als Beliehener angesehen.796 In dieser Funktion ist er nach ganz überwiegender Ansicht an die Grundrechte gebunden.797 Befiehlt der Kapitän eines Kauffahrteischiffs einer politisch verfolgten Person in ihrem Heimatstaat von Bord zu gehen, ist damit ein Konflikt mit Art. 16a Abs. 1 GG möglich. (b) A  bgrenzung von privatem Hausrecht und öffentlich-rechtlicher ­Zwangsbefugnis Bei dem Befehl, von Bord zu gehen, könnte es sich allerdings auch um die Ausübung des privatrechtlichen Hausrechts handeln, welches der Kapitän im Rahmen seiner Schiffsgewalt ebenfalls innehat.798 Das heißt, der Kapitän entscheidet, wer an Bord kommen darf und wer von Bord zu gehen hat. Bei dem Befehl, von Bord zu gehen, könnte es sich demnach auch um die Ausübung des privatrechtlichen Hausrechts handeln.799 In dieser Funktion handelt der Kapitän in privater Funktion und damit nicht als Beliehener, sodass eine Grundrechtsbindung abzulehnen wäre. Für die Bindung des Kapitäns an Art. 16a Abs. 1 GG ist demnach entscheidend, ob ein Verweis von Bord im Rahmen des privaten Hausrechts oder der Beleihung nach § 121 SeeArbG erfolgt. Die rechtliche Qualifikation einer Anordnung hängt dabei vom je795  Hanses, Die rechtliche Stellung des Kapitäns (1983), S. 160, allerdings noch zu § 106 SeemG; Schelp/Fettback, SeemG (1976), 3. Aufl., § 106, Anm. 3; Lindemann, SeeArbG (2014), § 121, Rn. 5; Oehmke, Der Einsatz privater Sicherheitsdienste auf Handelsschiffen (2016), S. 312, ohne normative Anknüpfung. 796  Schnapp/Kaltenborn, JuS 2000, 937, S. 937; Bubenzer, § 121, in: SeeArbG, 2015, Rn. 9; Bubenzer/Peetz/Mallach, SeeArbG (2016), § 121, Rn. 2; Bleckmann/ Busse, DVBl. 1977, 794, S. 796; Hanses, Die rechtliche Stellung des Kapitäns (1983), S. 161; Lindemann, SeeArbG (2014), § 121, Rn. 1; Oehmke, Der Einsatz privater Sicherheitsdienste auf Handelsschiffen (2016), S. 312; Nehab, DÖV 2013, 555, S. 557 f., der diese Ansicht anhand einer Auslegung der §§ 120, 121 SeeArbG belegt; Ehlers, RdTW 2017, 361, S. 361 f., der diesbezüglich allerdings Zweifel anmeldet. 797  Schnapp/Kaltenborn, JuS 2000, 937, S. 938; Bleckmann/Busse, DVBl. 1977, 794, S. 796; Lindemann, SeeArbG (2014) § 121, Rn. 6–9, welcher ausführt, inwiefern der Kapitän bei seinen Anordnungen an den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gebunden ist; s. auch Ehlers, RdTW 2017, 361, S. 365, der auf die Bindung des Kapitäns an Art. 104 GG eingeht. 798  Ehlers, RdTW 2017, 361, S. 362; Hanses, Die rechtliche Stellung des Kapitäns (1983), S. 159, demzufolge das Hausrecht insbesondere nicht zur öffentlich-recht­ lichen Stellung des Kapitäns gehöre. 799  Dazu, dass das Hausrecht des Kapitäns primär privatrechtlich einzustufen ist Herber, Seehandelsrecht (2016), 2. Aufl., S. 153.



III. Rechtslage für politisch verfolgte Personen an Bord von Schiffen217

weiligen Einzelfall ab.800 Entscheidend ist dabei, ob es im bestimmten Fall um den Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung geht oder nicht.801 Dies führt zu dem Ergebnis, dass in einem Fall, in dem die Anwesenheit einer politisch verfolgten Person an Bord eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung bedeutet – z. B. weil die Person andere Passagiere bedroht – das Absetzen dieser Person im nächstgelegenen Hafen – bei dem es sich u. U. um den Heimathafen handeln könnte – an Art. 16a GG zu messen wäre, während das Absetzen einer friedlichen politisch verfolgten Person, deren Anwesenheit keine Auswirkungen auf die öffentliche Sicherheit und Ordnung an Bord hat, als Ausübung des privaten Hausrechts nicht an den Grundrechten zu messen wäre. Dieses Ergebnis ist wenig überzeugend, da die Bindung des Kapitäns an Art. 16a Abs. 1 GG in den Händen der politisch verfolgten Person läge. Die Aktivierung der grundrechtlichen Bindung könnte dabei durch eine Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung an Bord erreicht werden. Eine Lösung könnte in der mittelbaren Grundrechtsbindung des Kapitäns gefunden werden.802 Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts „kann die mittelbare Grundrechtsbindung Privater einer Grundrechtsbindung des Staates vielmehr nahe oder auch gleich kommen.“ Dies sei je nach Gewährleistungsgehalt und Fallgestaltung zu entscheiden. Insbesondere für den Schutz der Kommunikation komme dies dann in Betracht, „wenn private Unternehmen die Bereitstellung schon der Rahmenbedingungen öffentlicher Kommunikation selbst übernehmen und damit in Funktionen eintreten, die – wie die Sicherstellung der Post- und Telekommunikationsdienstleistungen – früher dem Staat als Aufgabe der Daseinsvorsorge zugewiesen waren.“803 Zwar eröffnet der Kapitän keinen öffentlichen Verkehr, aber die Anwesenheit an Bord ist grundsätzlich von der Zustimmung des Kapitäns abhängig.804 Weiter ist zu berücksichtigen, dass an Bord eines privat gesteuerten Schiffes – insbesondere auf hoher See bzw. außerhalb der deutschen Küstenge800  Ehlers, RdTW 2017, 361, S. 362; vgl. auch Herber, Seehandelsrecht (2016), 2. Aufl., S. 153, demzufolge das Hausrecht nur öffentlich-rechtlichen Charakter habe, wenn es der Sicherheit der Schiffsführung dient. 801  Herber, Seehandelsrecht (2016), 2. Aufl., S. 153, demzufolge das Hausrecht nur öffentlich-rechtlichen Einschlag habe, wenn es um die Sicherheit der Schiffsführung gehe; Ehlers, RdTW 2017, 361, S. 363, der ausführt, dass die Voraussetzungen einer Beleihung gegeben seien, soweit es sich um Maßnahmen zur Erhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung handelt. Daraus kann geschlossen werden, dass keine Beleihung anzunehmen ist, wenn es sich um anderweitige Maßnahmen handelt; vgl. Puttfarken, Seehandelsrecht (1997), Rn. 549. 802  Diese Idee entstand im Rahmen einer mündlichen Diskussion mit GregorJulius Ostermann. 803  BVerfGE 128, 226 (249 f.). 804  S. z. B. § 125 SeeArbG.

218

E. Fallbeispiele

wässer – keine deutsche Staatsgewalt erreichbar ist, obwohl dieser Raum der deutschen Hoheitsgewalt unterliegt. Das gibt dem Kapitän an Bord ein staatsähnliches Entscheidungsmonopol.805 Dies wird insbesondere in der Bezeichnung des Kapitäns als „Master next God“ widergespiegelt.806 Des Weiteren ist der Gewährleistungsgehalt des Asylrechts bzw. dessen existen­ tielle Bedeutung für die sich an Bord eines Schiffes befindlichen politisch verfolgten Personen zu berücksichtigen. Die Entscheidung, ob bzw. wo eine Person von Bord gehen muss, kann u. U. einer Abschiebung in den Verfolgerstaat mit potenziell existenzvernichtender Wirkung807 gleichkommen. Der Kapitän übt nicht lediglich Einfluss auf eine Modalität der Grundrechtsausübung aus, sondern beschneidet unter Umständen den Kern des Asylrechts. Je nachdem, wo eine politisch verfolgte Person von Bord geschickt wird, entscheidet der Kapitän über ihr Schicksal. Im Anbetracht dieser Umstände ist zumindest im Hinblick auf die Entscheidung über den Verweis von Bord bei politisch verfolgten Personen von einer staatsähnlichen Stellung auszugehen. Damit könnte eine mittelbare Drittwirkung begründet werden, die einer staatlichen Grundrechtsbindung gleichkommt. Als „Einbruchstelle[…]“ des Grundrechts808 könnten die privatrechtlichen Regelungen zum Hausrecht und dabei insbesondere Art. 1004 Abs. 2 BGB herangezogen werden, welcher die Duldungspflicht des Eigentümers regelt.809 (c) Zwischenergebnis Hinsichtlich der Entscheidung, ob und wo eine Person von Bord gehen muss, ist es demnach für die Bindung des Kapitäns eines Kauffahrteischiffs an Art. 16a Abs. 1 GG zunächst entscheidend, ob es sich dabei um die Ausübung der hoheitlichen Befugnisse oder des privatrechtlichen Hausrechts handelt. Eine (unmittelbare) Grundrechtsbindung besteht dabei lediglich hinsichtlich der Ausübung hoheitlicher Befugnisse. Bei der Ausübung des privatrechtlichen Hausrechts, für die keine unmittelbare Grundrechtsbindung besteht, kann das Asylrecht jedoch im Rahmen einer mittelbaren Drittwirkung Berücksichtigung finden.

805  S. zur mangelnden Erreichbarkeit deutscher Staatsgewalt auf See auch schon oben Teil E. III. 2. b) (2) (a). 806  S. zu dieser Bezeichnung z. B. Ehlers, RdTW 2017, 361, S. 361. 807  Vgl. hierzu Tomuschat, EuGRZ 1996, 381, S. 385, demzufolge die Abschiebung eines Asylberechtigten Fakten schaffen könne, „die sich nicht mehr umkehren lassen.“ 808  BVerfGE 7, 198 (206). 809  Vgl. dazu im Zusammenhang mit dem Fraport-Urteil und der Versammlungsfreiheit Wendt, NVwZ 2012, 606, S. 606 f.



IV. „Erklärung EU-Türkei“ vom 18. März 2016219

3. Ergebnis Schiffe, die unter der Bundesflagge geführt werden, stellen Teil des ausschließlichen Hoheitsbereichs der Bundesrepublik dar. An Bord gilt die deutsche Rechtsordnung. Demnach muss die Bundesrepublik bei Erlass von Gesetzen, die die Rechtslage an Bord solcher Schiffe regeln, Art. 16a Abs. 1 GG beachten. Weder darf sie Private zu Beeinträchtigungen der freien Flucht politisch verfolgter Personen verpflichten, noch darf sie Privaten die Unterstützung der freien Flucht – etwa durch Beförderung in die Bundesrepublik – verbieten. Außerdem ist sie unter Umständen sogar zum Schutz der Flucht vor Gefährdungen durch Private verpflichtet. An Art. 16a Abs. 1 GG gebunden sind auch Kapitän und übrige Besatzung von öffentlich geführten, deutschen Schiffen. Kapitäne privat geführter Kauffahrteischiffe sind im Rahmen ihrer Beliehenenfunktion zur Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung an Bord an Art. 16a Abs. 1 GG gebunden. Im Rahmen der Ausübung ihres grundrechtlich nicht gebundenen privatrechtlichen Hausrechts könnte das Asylrecht über eine mittelbare Drittwirkung Berücksichtigung finden. Als Eingriff in das Asylrecht an Bord deutscher Schiffe zählt jedenfalls das Absetzen einer an Bord befindlichen, politisch verfolgten Person in ihrem Verfolgerstaat. Die Verweigerung gegenüber einer politisch verfolgten Person, im Hafen eines fremden Staates an Bord zu kommen, stellt insbesondere keinen Eingriff in Art. 16a Abs. 1 GG dar.

IV. „Erklärung EU-Türkei“ vom 18. März 2016 Ein Blick soll auch auf die „Erklärung EU-Türkei“ vom 18. März 2016 geworfen werden. Darin wurde vereinbart, dass alle neuen „irregulären Migranten“, die von der Türkei aus in Griechenland ankommen, in die Türkei „rückgeführt“ werden, wenn sie entweder keinen Asylantrag stellen oder ihr Asylantrag abgelehnt wird.810 Für jeden rückgeführten Syrer wird ein anderer Syrer aus der Türkei in der EU „neu angesiedelt“, wobei diejenigen Syrer vorrangig berücksichtigt werden sollen, die vorher nicht irregulär in die EU eingereist sind und dies auch nicht versucht haben.811 Zudem soll die Türkei „alle erforderlichen Maßnahmen ergreifen, um zu verhindern, dass neue Seeoder Landrouten für die illegale Migration von der Türkei in die EU entste810  Maßnahme 1, Europäischer Rat/Rat der Europäischen Union, Erklärung EUTürkei, 18. März 2016, www.consilium.europa.eu/de/press/press-releases/2016/03/18eu-turkey-statement/ (18.03.2016), letzter Zugriff am 22.06.2017. 811  Maßnahme 2, Europäischer Rat/Rat der Europäischen Union, Erklärung EUTürkei, 18. März 2016, www.consilium.europa.eu/de/press/press-releases/2016/03/18eu-turkey-statement/ (18.03.2016), letzter Zugriff am 22.06.2017.

220

E. Fallbeispiele

hen, und sie wird zu diesem Zweck mit den Nachbarstaaten sowie mit der EU zusammenarbeiten“.812 Eine vollumfängliche rechtliche Bewertung dieser Erklärung erforderte die Beantwortung einer Vielzahl von Fragen. Zu klären wäre etwa, ob es sich bei der Erklärung um eine Handlung der EU oder der Mitgliedstaaten handelt.813 In letzterem Falle stellte sich die Frage nach der Rechtsnatur der Handlung, ob es sich also um einen rechtlich verbindlichen völkerrechtlichen Vertrag mit Rechten bzw. Pflichten für die Bundesrepublik oder eine bloße Absichtserklärung handelt.814 Handelte es sich um einen völkerrechtlichen Vertrag, wäre zu prüfen, ob ein solcher, der durch die Bundeskanzlerin auf einem internationalen Gipfel abgeschlossen worden ist, auf verfassungsmäßige Weise zustande gekommen ist.815 Dem Prüfungsgegenstand dieser Arbeit entsprechend soll vorliegend allerdings keine Bearbeitung dieser allgemeinen verfassungsrechtlichen Fragen erfolgen. Vielmehr wird lediglich untersucht, ob die in der Erklärung EU-Türkei vereinbarten Maßnahmen inhaltlich einen Eingriff in Art. 16a GG darstellen. 1. Aufnahme von Syrern in die EU Im Hinblick auf die syrischen Staatsangehörigen, die aufgrund der Übereinkunft von der Europäischen Union aus der Türkei aufgenommen werden, 812  Maßnahme 3, Europäischer Rat/Rat der Europäischen Union, Erklärung EUTürkei, 18. März 2016, www.consilium.europa.eu/de/press/press-releases/2016/03/18eu-turkey-statement/ (18.03.2016), letzter Zugriff am 22.06.2017. 813  Laut EuG handelte es sich bei der Erklärung EU-Türkei nicht um eine Handlung des Europäischen Rates oder eines anderen Organs, einer Einrichtung oder einer sonstigen Stelle der Europäischen Union, sondern um eine von den Mitgliedstaaten mit der Republik Türkei geschlossene internationale Übereinkunft, EuG, Beschl. v. 28. Februar 2017, Rs. T-192/16, ECLI:EU:T:2017:128 – NF; Rs. T-193/16, ECLI:EU:T:2017:129 – NG; Rs. 257/16, ECLI:EU:T:2017:130 – NM. Die gegen diese Beschlüsse beim EuGH eingelegten Rechtsmittel wurden mit Beschl. v. 12. September 2018, verb. Rs. C-208/17 P bis C-210/17 P, ECLI:EU:C:2018:705 – NF, NG, NM, gem. Art. 181 Verfahrensordnung des Gerichtshofs als offensichtlich unzulässig zurückgewiesen. Die Einordnung der Erklärung ist jedoch durchaus umstritten. Von einer Maßnahme der EU ausgehend etwa Hofmann/Schmidt, NVwZ-Extra 2016, 1, insbesondere S. 3 ff.; von einer Maßnahme des Europäischen Rats ausgehend Rohländer, KJ 2017, 81, S. 87. 814  Zur Frage, ob die Erklärung auf einen Rechtsbindungswillen schließen lässt Hofmann/Schmidt, NVwZ-Extra 2016, 1, S. 3 ff., die allerdings davon ausgehen, dass es sich um einen Akt der EU handelt. Für eine Absichtserklärung Schmitt, Die Reaktionen der EU auf das starke Ansteigen des Flüchtlingszustroms, in: Bungenberg/ Giegerich/Stein, Asyl und Migration, 2016, S. 28 ff., die ebenfalls von einer Handlung der EU ausgeht. 815  Zu prüfen wären insbesondere die Voraussetzungen des Art. 59 GG.



IV. „Erklärung EU-Türkei“ vom 18. März 2016221

ist kein Konflikt mit Art. 16a Abs. 1 GG ersichtlich. Ihnen wird die Flucht nicht erschwert. Vielmehr wird ihnen die Flucht dadurch erleichtert, dass ihnen ein legaler Weg in die Union ermöglicht wird. 2. Rückführungen aus Griechenland in die Türkei Fraglich ist, wie die Rückführungen von Personen aus Griechenland in die Türkei zu bewerten wären. Grundsätzlich schreibt das Abkommen die Prüfung von Asylanträgen in Griechenland vor. Nur diejenigen, die keinen Asylantrag stellen oder deren Asylanträge abgelehnt worden sind, werden in die Türkei zurückgeführt. Es handelt sich mithin um Personen, die sich innerhalb des griechischen Staatsgebiets befinden und nicht nur die Möglichkeit einer Schutzantragsstellung hatten, sondern ein Asylverfahren bereits durchlaufen haben. Damit sind die Voraussetzungen der sicheren Drittstaatenregelung des Art. 16a Abs. 2 GG erfüllt. Das Asylrecht ist für die von der Erklärung Betroffenen folglich untergegangen,816 sodass grundsätzlich nicht von einem Konflikt mit dem Asylgrundrecht auszugehen wäre. Entscheidend wäre an dieser Stelle eine Untersuchung, ob die sichere Drittstaatenregelung im Hinblick auf Griechenland gegebenenfalls nicht anwendbar ist, obwohl es sich um einen EU-Mitgliedstaat handelt, eine Frage also, die nicht im Rahmen dieser Arbeit behandelt werden soll.817 Des Weiteren wäre zu untersuchen, ob die sichere Drittstaatenregelung auch das Verbot von Abschiebungen in den Herkunftsstaat untergehen lässt. Angenommen, die sichere Drittstaatenregelung wäre auf Personen in Griechenland nicht anwendbar bzw. die Drittstaatenregelung führte jedenfalls nicht zu einem Untergang des Verbots von Abschiebungen in den Herkunftsstaat, wäre für die Vereinbarkeit der durch die „Erklärung EU-Türkei“ vereinbarten Rückführungen mit Art. 16a Abs. 1 GG entscheidend, ob die von Griechenland durchgeführten Verfahren gewährleisten, dass die Anträge von politisch Verfolgten Erfolg haben. Wäre von ihrem Erfolg auszugehen, wäre den Betroffenen gemäß Art. 24 Abs. 1 Uabs. 1 der Qualifikations-Richtlinie ein Aufenthaltstitel auszustellen. Eine Rückführung, die gegen Art. 16a Abs. 1 GG verstoßen könnte, würde nicht stattfinden. Wäre nicht von einem Erfolg aller Anträge tatsächlich politisch Verfolgter auszugehen, würden also Rückführungen politisch Verfolgter erfolgen, käme es für eine Verletzung von Art. 16a Abs. 1 GG darauf an, ob Rückführungen in die Türkei (Ketten) Abschiebungen in den Herkunftsstaat darstellen würden. Dies wäre dann der 816  Zur

sicheren Drittstaatenregelung s. o. Teil D. II. wäre eine vertiefte Untersuchung der sicheren Drittstaatenregelungen, d. h. insbesondere ihrer Voraussetzungen und Verfassungsmäßigkeit vorzunehmen. S. dazu bereits Teil D. II., S. 178. 817  Dazu

222

E. Fallbeispiele

Fall, wenn von der Türkei entweder selbst politische Verfolgung gegenüber den jeweils Betroffenen ausginge818 oder wenn die Türkei die rückgeführten Betroffenen in ihre Verfolgerstaaten abschieben würde.819 3. Erschwerung der Einreise in die Bundesrepublik Zweifel hinsichtlich der Vereinbarkeit mit Art. 16a Abs. 1 GG bestehen insofern, als dass durch das Abkommen die Einreise in die Bundesrepublik und damit die Flucht erschwert wird. Die Ankünfte von Migranten in Griechenland haben sich nach Umsetzung des Abkommens erheblich reduziert. In den Wochen vor Umsetzung des Abkommens kamen durchschnittlich ca. 1740 Personen pro Tag in Griechenland an, danach nur noch durchschnittlich ca. 90.820 Sofern eine Kausalität zwischen der Erklärung und der Abnahme von Ankünften in der Europäischen Union dargelegt werden könnte, bedeutete die Erklärung eine Beeinträchtigung der Flucht und damit gegebenenfalls einen Eingriff in Art. 16a Abs. 1 GG.

818  Unter den Asylbewerbern in Deutschland befinden sich auch türkische Staatsangehörige. So wurden 7,3 % der im November 2018 beim BAMF gestellten Erst­ anträge von türkischen Staatsangehörigen gestellt, BAMF, Aktuelle Zahlen zu Asyl, S. 8, www.bamf.de (November 2018), letzter Zugriff am 19.12.2018. Die Begründetheit der Anträge vorausgesetzt, könnte es sich bei der Türkei für einen Teil der möglicherweise von der Erklärung Betroffenen um einen Verfolgerstaat handeln. 819  Hofmann/Schmidt, ZAR 2018, 1, S. 3 ff., die sich mit der Einstufung der Türkei als sicherer Drittstaat i. S. d. Art. 38 Asylverfahrensrichtlinie beschäftigen und diesbezüglich Zweifel äußern; ebenfalls an der hinreichenden Sicherheit vor Kettenabschiebungen zweifelnd Rohländer, KJ 2017, 81, S. 90 ff.; sowie Schmitt, Die Reaktionen der EU auf das starke Ansteigen des Flüchtlingszustroms, in: Bungenberg/Giegerich/ Stein, Asyl und Migration, 2016, S. 31 ff.; gegen eine Einstufung der Türkei als sicheren Drittstaat i. S. d. Art. 38, 39 Verfahrensrichtlinie Marx, Rechtsgutachten zur Frage, ob die Türkei als „sicherer Drittstaat“ eingestuft werden kann, www.proasyl.de/wpcontent/uploads/2016/03/160304_Gutachten_Marx_Tuerkei_als_sicherer_Drittstaat_ korr.pdf (29.02.2016), letzter Zugriff am 19.12.2018, S. 10 ff. Amnesty International, Türkei schiebt massenhaft syrische Flüchtlinge ab, www.amnesty.de/2016/4/1/tuerkeischiebt-massenhaft-syrische-fluechtlinge-ab (31.3.2016), letzter Zugriff am 19.12. 2018, berichet von Massenabschiebungen nach Syrien durch die Türkei. 820  Europäische Kommission, Implementing the EU-Turkey Statement – Questions and Answers, europa.eu/rapid/press-release_MEMO-16-4321_en.htm?locale=en (8.12. 2016), letzter Zugriff am 14.12.2018. Rohländer, KJ 2017, 81, S. 81, welcher die faktischen Auswirkungen der Erklärung aus diesem Grund als „enorm“ bezeichnet. Ob die Abnahme von Ankünften auf der Erklärung EU-Türkei beruht, bedürfte allerdings einer Untersuchung. Daran zweifelnd etwa Spijkerboer, Fact Check: Did the EU-Turkey Deal Bring Down the Number of Migrants and of Border Deaths?, www. law.ox.ac.uk/research-subject-groups/centre-criminology/centreborder-criminologies/ blog/2016/09/fact-check-did-eu (28.09.2016), letzter Zugriff am 19.12.2018.



V. Ergebnis223

V. Ergebnis Die extraterritoriale Geltung des Art. 16a Abs. 1 GG kann zu der Pflicht der Bundesrepublik führen, politisch verfolgten Personen ein Asylvisum auszustellen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Einführung einer Visumspflicht zusammen mit der Regelung eines Beförderungsverbots zur Erschwerung der Flucht führt. Für politisch verfolgte Personen an Bord eines deutschen Schiffs bedeutet die extraterritoriale Geltung des Asylrechts, dass sie nicht in ihren Heimatstaaten von Bord geschickt werden dürfen. Sie dürfen lediglich in Staaten abgesetzt werden, in denen sie vor Verfolgung bzw. (Ketten)Abschiebung in den Heimatstaat sicher sind. Diese Pflicht gilt unter Umständen auch für Kapitäne privater Kauffahrteischiffe, soweit sie ihre hoheitlichen Befugnisse im Rahmen ihrer Beliehenenstellung ausüben. Im Rahmen der Ausübung ihres privatrechtlichen Hausrechts ist an eine mittelbare Drittwirkung zu denken. Das extraterritoriale Asylrecht gewährleistet allerdings insbesondere keine positive Förderungspflicht etwa in Form der Bereitstellung von Transportmitteln zur Unterstützung der Flucht. Die „Erklärung EU-Türkei“ enthält zum Teil Maßnahmen, die Eingriffe in Art. 16a Abs. 1 GG bedeuten könnten. Dies gilt insoweit dargelegt werden kann, dass diese zu (Ketten)Abschiebungen von politisch Verfolgten in Verfolgerstaaten führen und insoweit sie die Flucht in die Bundesrepublik erschweren.

F. Verfahrensrechtliche Dimension des extraterritorialen Asylgrundrechts Die vorhergehenden Abschnitte haben ergeben, dass das Asylrecht des Art. 16a GG schon extraterritorial gilt. Politisch verfolgte Personen können demnach schon von außerhalb der Bundesrepublik ein Recht auf Unterlassen von zugangsverhindernden bzw. fluchtbeeinträchtigenden Maßnahmen geltend machen. Wie an anderer Stelle bereits angesprochen beinhalten die einzelnen Grundrechte jeweils eine Verfahrensdimension. Dabei sind die von dem Grundrecht gewährleisteten Verfahrensrechte unmittelbar mit dessen materieller Gewährleistung verknüpft. Wird in ein Grundrecht eingegriffen bzw. soll in ein Grundrecht eingegriffen werden, so bedarf dies einerseits der Bereitstellung eines Verwaltungsverfahrens zur Sicherstellung der Rechtmäßigkeit des Eingriffs und andererseits der Möglichkeit, Rechtsschutz gegen Eingriffe zu erlangen. Eine grundsätzliche Modifikation für den extraterritorialen Bereich gibt es für diese Grundrechtsdimension nicht. Die territoriale Reichweite der Verfahrensdimension ist vielmehr kongruent mit der territorialen Reichweite des eingeräumten subjektiven Rechts.821 Fraglich ist nun, wie sich die grundrechtliche Verfahrensdimension speziell für das extraterritoriale Asylrecht des Art. 16a GG darstellt und welche Besonderheiten sich u. U. insbesondere infolge der Absätze 2 bis 4 ergeben. Von der Rechtsprechung anerkannt ist, dass ein Asylbewerber, der vor Abschluss seines Asylverfahrens abgeschoben wird, sein Asylverfahren vom Ausland aus weiterverfolgen kann.822 Dasselbe gilt für die Weiterverfolgung seines Rechtsschutzes.823 In dieser Arbeit liegt der Fokus auf der Situation, in der die Person die Bundesrepublik gerade noch nicht betreten hat bzw. hatte. Um die Verfahrensdimension des extraterritorialen Asylrechts darstellen zu können, ist zunächst auf die verbreitet vertretene Verfahrensabhängigkeit des Asylrechts einzugehen. Geklärt werden soll, was sich dahinter verbirgt und welche Folgerungen daraus gegebenenfalls abgeleitet werden können (I.). Daraufhin wird die verwaltungs- und dann die gerichtsverfahrensrechtliche Seite des extraterritorialen Asylgrundrechts untersucht (II., III.).

821  S. o.

Teil B. IV. 3. 69, 323 (328 ff.). 823  BVerfG, Nichtannahmebeschluss v. 27. Februar 2001 – 2 BvR 2067/00. 822  BVerwGE



I. Zur verfassungsrechtlichen Bedeutung des Asylverfahrens225

I. Verfahrensabhängigkeit des Asylrechts? – Zur verfassungsrechtlichen Bedeutung des Asylverfahrens In Literatur und Rechtsprechung wird überwiegend eine Verfahrensabhängigkeit des Asylrechts konstatiert.824 Insbesondere aus dieser proklamierten Verfahrensabhängigkeit wird zum Teil ein besonderer Charakter des Asylrechts im Vergleich zu den übrigen Freiheitsgrundrechten825 hergeleitet.826 Dazu, was diese Verfahrensabhängigkeit bedeuten soll und welche Schlussfolgerungen für den Gewährleistungsgehalt dieses Grundrechts gezogen werden können, besteht jedoch kein eindeutiges Bild. Was hat es also mit dieser Verfahrensabhängigkeit auf sich? Bedeutete sie, dass dem Asylrecht ein unbedingtes Recht auf Einrichtung und Durchführung eines Asylverfahrens zu entnehmen wäre, so gewährleistete Art. 16a GG dem in dieser Arbeit gefundenen Ergebnis zufolge u. U. ein unbedingtes Recht auf Einrichtung und Durchführung eines Asylverfahrens für gebietsfremde Ausländer.827

824  Ossenbühl, DÖV 1981, 1, S. 5; Ossenbühl, Grundrechtsschutz im und durch Verfahrensrecht, in: FS Eichenberger, 1982, S. 185; Schoch, DVBl. 1993, 1161, S. 1165; Stern, Staatsrecht III/1 (1988), S. 975; Becker, Art. 16a, in: Mangoldt/Klein/ Starck, GG, 7. Aufl. 2018, Rn. 126; BVerfGE 94, 166 (208 f.); von einer besonderen Verfahrensabhängigkeit sprechend Huber/Göbel-Zimmermann, Ausländer- und Asylrecht (2008), 2. Aufl., Rn. 1624; es sind auch andere Bezeichnungen zu finden, wie z. B. Grundrecht unter Verfahrensvorbehalt, BVerfGE 60, 253 (295); oder verwaltetes Grundrecht, Schnapp, Jura 1987, 1, S. 4; Maaßen, Art. 16a, in: BeckOK GG, 39. Aufl. 15.11.2018, Rn. 52; Bethge, NJW 1982, 1, S. 5; oder beides BVerwG, NVwZ 1988, 737, S. 739; Kimminich, Asyl- und Ausländer-Aufenthalt, in: Bachof/Heigl/Redeker, BVerwG, 1978, S. 371: „besondere Beziehung zur Verwaltung“; von einer ausgeprägten Verfahrensdimension spricht Arnauld, Art. 16a, in: Münch/Kunig, GG, 6. Aufl. 2012, Rn. 28; Yousif, Die Extraterritoriale Geltung der Grundrechte (2007), S. 163, die von einer aus Art. 16a GG abgeleiteten Verfahrensgarantie spricht; Göbel-Zimmermann/Masuch, InfAuslR 1996, 404, S. 404, sprechen von besonderer Verfahrensabhängigkeit; Davy, Art. 16a, in: AK-GG, 3. Aufl. 2001, Rn. 39 f., derzufolge sich auf das Asylrecht nur Personen berufen können, deren Status als Asylberechtigte in einem förmlichen Verfahren festgestellt wurde. Es sei „in besonderem Maß verfahrensabhängig“ [im Original z. T. hervorgehoben]. 825  Abgesehen vom Recht auf Kriegsdienstverweigerung, Art. 4 Abs. 3 GG. 826  Dazu im Einzelnen sogleich. 827  Vgl. hierzu Gnatzy, Art.  16a, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein/Henneke, GG, 14. Aufl. 2018, Rn. 31, der umgekehrt von einem territorial gebundenen Asylrecht ausgeht und demnach gerade keinen Anspruch auf Durchführung eines Asylverfahrens vom Ausland aus Art. 16a GG ableitet; vgl dazu auch Randelzhofer, Die völkerund verfassungsrechtlichen Grundlagen des deutschen Asylrechts, in: Stern, Zuwanderungs- und Asylrecht, 2003, S. 27.

226 F. Verfahrensrechtliche Dimension des extraterritorialen Asylgrundrechts

1. Einrichtung eines Asylverfahrens als Teil des asylgrundrechtlichen Gewährleistungsgehalts Wie an anderer Stelle bereits dargelegt, wird von einem Teil der Literatur vertreten, das Asylrecht sei auf die Verleihung eines Anerkennungsaktes gerichtet und deswegen als Leistungsrecht einzuordnen.828 Dabei wird zum Teil vertreten, dass der Anerkennungsakt konstitutive Wirkung hat.829 Eine Verfahrensabhängigkeit könnte dementsprechend so verstanden werden, dass die Durchführung eines Verfahrens mit anschließendem Anerkennungsakt den Gewährleistungsinhalt des Asylgrundrechts darstellt.830 Gilt das Asylgrundrecht also schon extraterritorial, hätte jede politisch verfolgte Person das Recht, vom Ausland aus die Durchführung eines Asylverfahrens mit anschließender Asylanerkennung zu verlangen. Dass das Asylrecht des Art. 16a Abs. 1 GG ein Abwehrrecht ist und keinen originär leistungsrechtlichen Inhalt hat, wurde an anderer Stelle bereits dargestellt. Insbesondere wurde dargelegt, dass das Asylrecht gerade nicht der Verleihung eines Status bedarf. Das Asylrecht schützt vielmehr die natürliche Freiheit zur Flucht, die durch das Verbot aufenthaltsbeendender und einreiseverhindernder Maßnahmen gewährleistet wird.831 Dass Art. 16a Abs. 1 GG schon extraterritorial gilt, bedeutet dementsprechend nicht, dass gebietsfremde politisch verfolgte Ausländer einen Anspruch auf Durchführung eines Asylverfahrens vom Ausland aus innehaben. Im Übrigen schützte ein Asylverfahren mit anschließender Asylanerkennung allein auch noch nicht vor politischer Verfolgung.832 Der Anerkennungsakt selbst hält den Verfolgerstaat nicht – jedenfalls nicht notwendig – von der 828  S. o.

Teil C. II. 2. a) (1). Teil C. II. 2. a) (1) (b) (dd). 830  So könnte z. B. Stern, Staatsrecht III/1 (1988), S. 975, zu verstehen sein, demzufolge u. a. das Asylrecht „im Recht auf Organisation und Verfahren [bestehe]“. So könnte auch Thym, Migrationsverwaltungsrecht (2010), S. 70, zu verstehen sein, wenn er meint, Asylrecht enthalte ein subjektives Recht „auf Durchführung eines Asylverfahrens“; ebenso könnte Ossenbühl, DÖV 1981, 1, S. 5, verstanden werden, wenn er meint, das Asylrecht erschöpfe sich „nahezu“ in seiner verfahrensrechtlichen Abstützung“. Dazu, dass dies im Ergebnis allerdings nicht so verstanden wird s. u. Teil F. I. 3., m. Fn. 862. 831  S. o. Teil C. II. 832  S. dazu Bierwirth, ZAR 1987, 64, S. 65, der daraus, dass das Verfahren noch keinen Asylschutz bewirkt und damit ein untaugliches Schutzmittel wäre, ableitet, dass es keinen Anspruch auf Bereitstellung eines vom Ausland aus durchzuführenden Asylverfahrens gebe. Damit wird allerdings die Funktion des Verfahrens als Mittel zur Eingriffsabwehr nicht berücksichtigt; vgl. zur abwehrenden Wirkung von Verfahren z. B. Woyczechowski, Zwischen Vermutung und Gewissheit (2003), S. 118. S. auch direkt im Anschluss an diesen Abschnitt Teil F. I. 2. 829  S. o.



I. Zur verfassungsrechtlichen Bedeutung des Asylverfahrens227

Verfolgung ab.833 Erst der Aufenthalt einer Person im Staatsgebiet834 der Bundesrepublik entzieht sie dem Zugriff des Verfolgers. Jedenfalls würde der Verfolgerstaat mit dem Ergreifen von Verfolgungsmaßnahmen auf dem Staatsgebiet der Bundesrepublik gegen Völkerrecht verstoßen.835 Ein Asylverfahren mit anschließender Anerkennung allein brächte den Betroffenen diesem Ziel, dem Aufenthalt im sicheren Bundesgebiet, nicht näher. Die Existenz einer Asylanerkennung hat – unabhängig von der unterverfassungsrechtlichen Rechts­lage836 – auf die tatsächliche Möglichkeit der Flucht keinerlei Einfluss. 2. Besondere Ausprägung der allen Grundrechten immanenten Verfahrensdimension Möglich wäre allerdings, dass die allen Grundrechten zugrunde liegende Verfahrensdimension beim Asylrecht eine besondere Ausprägung erfährt, die die Annahme einer sog. Verfahrensabhängigkeit begründen könnte. Dies wäre z. B. dann der Fall, wenn das Asylrecht ohne Durchführung eines Asylverfahrens mit anschließender Anerkennung der Asylberechtigung „praktisch“ nicht verwirklicht bzw. in Anspruch genommen werden könnte.837 Zu seinem effektiven Schutz könnte stets die Einrichtung eines solchen Asylverfahrens erforderlich und dementsprechend doch gemäß Art. 16a Abs. 1 GG geschuldet sein. Eine solche Auffassung der verfahrensrechtlichen Dimension des Asylrechts wird nicht explizit vertreten. Jedoch können verschiedene Äußerungen des Schrifttums und der Rechtsprechung in diesem Sinne verstanden werden.838 Im Folgenden soll diese Auffassung deswegen analysiert werden. 833  Solange sich eine Person noch im Verfolgerstaat befindet, unterliegt sie „weiterhin uneingeschränkt dessen Zugriff“, Bierwirth, ZAR 1987, 64, S. 64. 834  Oder an Bord eines unter der Bundesflagge geführten Schiffes außerhalb fremder Hoheitsgewässer. 835  Zur fehlenden jurisdiction to enforce auf fremdem Staatsgebiet s. o. Teil A. I. 3. a) (1). 836  S. z. B. die oben geschilderte Rechtslage hinsichtlich für die tatsächliche Einreise erforderlicher Visa (Teil E. II.). 837  Bethge, NJW 1982, 1, S. 5, demzufolge das Asylrecht ohne förmliche Anerkennung „praktisch nicht realisierbar“ sei. 838  Dies geht aus verschiedenen Äußerungen innerhalb der Literatur hervor. S. etwa: Ossenbühl, Grundrechtsschutz im und durch Verfahrensrecht, in: FS Eichenberger, 1982, S. 185, wonach das Verfahren condition sine qua non der individuellen Grundrechtsausübung sei; Ossenbühl, DÖV 1981, 1, S. 5, wonach das Grundrecht durch Anerkennung „faktisch“ erst „zugeteilt“ werde; BVerfGE 56, 216 (236), wonach das Asylrecht ohne Verfahrensregelung nicht wirksam in Anspruch genommen und durchgesetzt werden könne; BVerfGE 60, 253 (294 f.), wonach der Asylsuchende nur über ein Verfahren in den Genuss seines Asylrechts kommen könne; BVerfGE 87, 48 (61 f.), wonach die „wirksame Durchsetzung“ des Asylrechts einer Feststellung seines Tatbestands bedürfe; Woyczechowski, Zwischen Vermutung und Gewissheit

228 F. Verfahrensrechtliche Dimension des extraterritorialen Asylgrundrechts

Kimminich zufolge sei die Besonderheit des Asylrechts gegenüber anderen Grundrechten, dass eine Person, die sich auf Asylrecht berufen will, zunächst ein Verwaltungsverfahren anstrengen müsse, um ihre Grundrechtsinhaberschaft überhaupt erst zu beweisen. Wolle sich jemand dagegen z. B. auf Eigentum oder die Unverletzlichkeit der Wohnung berufen, so müsse er nicht erst in einem Verwaltungsverfahren beweisen, dass er oder sie Träger dieses Grundrechts, also Eigentümer oder Wohnungsinhaber ist.839 Die Notwendigkeit, ein Verwaltungsverfahren anzustrengen, um die eigene Asylberechtigung zu beweisen, stellt jedoch keine Besonderheit des Asylrechts dar. Zunächst einmal trifft es nicht zu, dass die Grundrechtsträgerschaft bei anderen Grundrechten nicht bewiesen werden müsste. So wird, wenn sich eine Partei vor Gericht – um bei den angeführten Beispielen zu bleiben – auf Art. 13 GG beruft, ebenfalls erst geprüft, ob sie überhaupt Wohnungsbesitzerin ist. Genauso muss geprüft werden, ob eine Person, die sich auf Art. 14 GG beruft, Eigentümerin ist. Letztlich erfolgt bei jedem Berufen auf ein Grundrecht die Prüfung, ob der Schutzbereich eröffnet ist, sowohl in personeller als auch in sachlicher Hinsicht. Der maßgebliche Unterschied könnte nach Kimminichs Argumentation nun darin bestehen, dass zur Prüfung der Asylberechtigung das Durchlaufen eines speziell dafür eingerichteten Verwaltungsverfahrens notwendig ist. Allerdings ist u. U. auch bei der Prüfung von Eigentum und zwar beim Eigentum an (2003), S. 118 f., wonach sich die Vorverlagerung der abwehrenden Sicherung von Grundrechten ins Verfahren als conditio sine que non aus der „Eigenart“ des Asylrechts ergebe, ausdrücklich zudem auf S. 121; Renner, NVwZ 1983, 649, S. 653, wonach das Asylrecht zu seiner „Verwirklichung“ eines Feststellungsverfahrens bedürfe; so auch Waldstein, Das Asylgrundrecht im europäischen Kontext (1993), S. 37; Schnapp, Jura 1987, 1, S. 4, wonach es zu seiner „effektiven Geltung eines Hoheitsaktes [bedürfe]“; Klein, DVBl. 1994, 489, S. 490, wonach die verfahrensmäßige Feststellung der Grundrechtsberechtigung Voraussetzung für die Ausübung des Asylrechts sei; Zimmermann/Tams, Art. 16a, in: Berliner Kommentar, 2018 (Stand: 19. EL 2007), Rn. 45, wonach das Asylrecht anders als „klassische“ Grundrechte nur mit einer staatlichen Feststellung geltend gemacht werden könne. Insoweit weise das Asylrecht einen leistungsrechtlichen Charakter auf, s. zudem Rn. 47. 839  Kimminich, Asyl- und Ausländer-Aufenthalt, in: Bachof/Heigl/Redeker, BVerwG, 1978, S. 371; vgl. Kimminich, Grundprobleme des Asylrechts (1983), S. 113; vgl. Göbel-Zimmermann/Masuch, InfAuslR 1996, 404, S. 404, denenzufolge „das Asylrecht grundsätzlich erst nach einer Anerkennung geltend gemacht werden [könne]“; vgl. Schoch, DVBl. 1993, 1161, S. 1165, wenn er schreibt, das Asylrecht sei „in hohem Maße verfahrensabhängig“ und die Feststellung des Grundrechtstatbestands könne nur in einem geeigneten Verfahren erfolgen; vgl. Gärditz, Art. 16a, in: Maunz/Dürig, GG, 84. Aufl. August 2018, Rn. 328 f., der u. a. wegen der anspruchsvollen Prüfung im Asylverfahren für ein konstitutives Verständnis argumentiert; vgl. Yousif, Die Extraterritoriale Geltung der Grundrechte (2007), S. 164, wonach Asylrecht ohne geeignete Verfahrensregelungen nicht wirksam in Anspruch genommen und durchgesetzt werden könne.



I. Zur verfassungsrechtlichen Bedeutung des Asylverfahrens229

einem Grundstück beispielsweise die Heranziehung des jeweiligen Grundbuchamts notwendig. Ob ein spezielles Verwaltungsverfahren und sogar eine eigens zuständige Behörde eingerichtet werden muss, ist demnach vielmehr allein Konsequenz der jeweiligen Komplexität einer Prüfung. Die Prüfung des Wohnungsbesitzes bzw. -eigentums wird dabei in der Regel einfacher ausfallen als die Prüfung, ob eine Person in ihrem Herkunftsstaat politisch verfolgt wird.840 Das ändert allerdings nichts daran, dass beides bewiesen bzw. geprüft werden muss. Dass es graduelle Unterschiede hinsichtlich der Schwierigkeit oder Dauer der Prüfungen gibt, macht nicht etwa die eine Prüfung erforderlicher für einen effektiven Grundrechtsschutz als die andere.841 3. Asylverfahren als Widerlegungsverfahren Die Tatsache, dass bei jedem Berufen auf Asylrecht ein Assylverfahren durchgeführt werden muss, ist nicht Folge einer besonderen Verfahrensabhängigkeit des Grundrechts, sondern hat vielmehr einen anderen, einfacheren Grund. Die Bundesrepublik will Asylrecht nur denjenigen gewähren, die auch tatsächlich ein Recht darauf haben, d. h. tatsächlich politisch verfolgt werden.842 Personen, die nicht politisch verfolgt werden, d. h. kein Recht auf Asyl haben, soll Asyl nicht gewährt werden. Letztere sollen folglich – vorbehaltlich anderer Einreise- und Aufenthaltsrechte – an der Grenze abgewiesen oder abgeschoben werden. Um sicherzustellen, dass auch tatsächlich nur diejenigen abgewiesen bzw. abgeschoben werden, die nicht politisch verfolgt sind, wird bei jeder Person, die sich auf Art. 16a GG beruft, die Asylberechtigung geprüft und schließlich entweder bejaht oder verneint.843 Rottmann beschreibt das Asylverfahren deshalb zurecht als „Widerlegungsverfahren“. 840  Dies scheint auch das Argument zu sein, warum Gärditz, Art. 16a, in: Maunz/ Dürig, GG, 84. Aufl. August 2018, Rn. 328 f., den Asylanerkennungsakt als konstitutiv einordnet. 841  Denninger, § 193, in: HStR IX, 3. Aufl. 2011, Rn. 39, wonach potentiell alle Grundrechte vom erfolgreichen Durchlaufen eines Verfahrens abhängig gemacht werden könnten. 842  Denninger/Rachor, ZAR 1988, 51, S. 53, wonach es im Interesse des Staates liege, nur denjenigen Asylrecht zu gewähren, denen es auch tatsächlich zusteht; so auch Selk, Asylrecht und Verfassung (1990), S. 33; Baumüller, NVwZ 1982, 222, S. 222, wonach Asylverfahren ganz überwiegend im Interesse der Bundesrepublik durchgeführt würden. 843  BVerfG, NVwZ 2015, 1204, S. 1204 f., wonach die zuständigen Stellen bei einer Auslieferung zu prüfen haben, ob politische Verfolgung droht. Vgl. Lübbe-Wolff, Art. 16a, in: Dreier, GG, 1996, Rn. 56; vgl. Arnauld, Art. 16a, in: Münch/Kunig, GG, 6. Aufl. 2012, Rn. 25, 28; vgl. Davy, Art. 16a, in: AK-GG, 3. Aufl. 2001, Rn. 40, derzufolge die „verfahrensrechtliche Ausgestaltung durch das AsylVfG […] primär auf eine ordnungsgemäße Einlösung der grundrechtlichen Garantie“ [im Original z. T. hervorgehoben] ziele.

230 F. Verfahrensrechtliche Dimension des extraterritorialen Asylgrundrechts

Ziel dessen sei nicht die Anerkennung des Asylrechts, sondern die Entscheidung darüber, ob das Asylrecht gegebenenfalls zu Unrecht in Anspruch genommen wird.844 Andersherum hat eine tatsächlich politisch verfolgte Person dann kein Interesse an der Prüfung ihrer politischen Verfolgung durch eine deutsche Behörde, wenn sie gar nicht abgewiesen bzw. abgeschoben werden soll.845 Lässt die Bundesrepublik die Person unbehelligt im Bundesgebiet leben – etwa weil sie aus anderen Gründen als ihrer politischen Verfolgung einen Aufenthaltstitel erlangt hat –, gibt es keinen Eingriff, der abgewehrt werden muss. Muss kein Eingriff abgewehrt werden, gibt es keinen Grund, sich der Bundesrepublik gegenüber auf das Asylrecht zu berufen. Gibt es keinen Eingriff, gibt es kein dem Eingriff vorgelagertes Verwaltungsverfahren und kein den potenziellen Eingriff überprüfendes Gerichtsverfahren.846 Die Tatsache, dass jedes Asylgesuch überprüft wird und es in jedem Fall eine entweder positive oder negative Asylfeststellung gibt, ist demnach lediglich Konsequenz des einfachrechtlich geregelten Ausländerrechtssystems. Dessen Grundannahme ist, dass ein Ausländer kein Recht auf Einreise und Aufenthalt in die bzw. in der Bundesrepublik hat. Ein solches besteht lediglich in Ausnahmefällen, die individuell geprüft werden müssen. Einer dieser Ausnahmefälle ist das Asylrecht.847 Gusy ordnet die Verfahren zutreffend als 844  Rottmann, Der Staat 1984, 337, S. 357 [im Original hervorgehoben]; so auch Baumüller, NVwZ 1982, 222, S. 222; so offenbar auch Gusy, Asylrecht und Asylverfahren (1979), S. 267, demzufolge im Asylverfahren zunächst davon auszugehen sei, dass das Asylrecht der betroffenen Person zusteht; so offenbar auch Lübbe-Wolff, Art. 16a, in: Dreier, GG, 1996, Rn. 56. 845  Baumüller, NVwZ 1982, 222, S. 222, wonach ein Asylbewerber auch ohne Asylverfahren leben könne; so auch Denninger/Rachor, ZAR 1988, 51, S. 53; Sachs, Das Auslieferungsverbot und das Asylrecht, in: Staatsrecht IV/1, 2006, S. 849 f., m. Fn. 321, demzufolge das Verfahren nur notwendig sei, wenn das Recht „nicht ohne weiteres erfüllt“ werde. Vgl. Cremer, Freiheitsgrundrechte (2003), S. 404 f., demzufolge Asyl auch ohne Verfahren „schlicht“ gewährt werden könne, wenn Art. 16a Abs. 3 S. 2 GG nicht ein Asylverfahren voraussetzen würde. Jedenfalls sei das Verfahren aber kein „Selbstzweck“, sondern auf die Feststellung der materiellen Anspruchsvoraussetzungen gerichtet. 846  Vgl. Baumüller, NVwZ 1982, 222, S. 225, demzufolge dem Asylrecht auch ohne Durchführung eines Anerkennungsverfahrens genügt werde, wenn das Bleiberecht z. B. durch Erteilung einer Duldung verwirklicht wird; vgl. Dutta, Luftverkehr und Asylrecht (1997), S. 90 f., demzufolge eine politisch verfolgte Person auch ohne Sichtvermerksverfahren auskomme. Dieses sei vielmehr „im Interesse der Bundesrepublik“ eingeführt worden. 847  Zu der Regelungsstruktur des Asylrechtssystems vgl. BVerfGE 60, 253 (295). Demzufolge gehe die „geltende Gesetzeslage“ nicht von einem Bestehen des Asylrechts aus, sondern erfordere stets die positive Feststellung dessen. Daraus folgert das BVerfG allerdings bloß, dass das Asylrecht i. R.d. einfachen Rechts unter einen Ver-



I. Zur verfassungsrechtlichen Bedeutung des Asylverfahrens231

Grundrechtseinschränkungen ein, da sie „zusätzliche Voraussetzungen“ für den Genuss des Asylrechts darstellten.848 Vor diesem Hintergrund wird auch deutlich, worum es sich bei den sog. „Vorwirkungen“ des Asylrechts handelt.849 Verbreitet wird postuliert, dass im Rahmen der Vorwirkungen des Asylrechts einem Asylbewerber u. a. bzw. insbesondere ein vorläufiges Bleiberecht eingeräumt wird.850 Das vorläufige Bleiberecht erklärt sich allerdings vielmehr daraus, dass Asyl- und deren gerichtliche Überprüfungsverfahren eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen. Zum Schutz der materiellen Rechtsposition ist die eingreifende Maßnahme – Einreiseverweigerung oder Abschiebung – bis zum Abschluss der Verfahren zu unterlassen.851 Sind Abweisung oder Abschiebung einmal erfolgt, besteht nämlich die Gefahr, dass die politisch verfolgte Person zum Zeitpunkt der letztendlichen Entscheidung dem Zugriff ihres Verfolgers bereits wieder ausgesetzt ist und ihr auch der positive Asylrechtsbescheid nicht mehr nützen kann.852 Es würden dadurch gegebenenfalls irreversible Fakten geschaffen.853 Um dies zu verhindern, soll der betroffenen Person ein Bleiberecht bis zum Abschluss des fahrensvorbehalt gestellt sei. Dem sind keine Äußerungen hinsichtlich eines schon auf Verfassungsebene angelegten Verfahrensvorbehalts zu entnehmen (dazu schon oben Teil C. II. 2. a) (1) (b) (aa)). 848  Gusy, Asylrecht und Asylverfahren (1979), S. 261; so auch Pollern, Das moderne Asylrecht (1980), S.  291, demzufolge das Anerkennungsverfahren eine Schranke des Asylrechts darstelle, die der Rechtsklarheit und -sicherheit diene. 849  Zu Vorwirkungen s. schon oben Teil C. II. 2. a) (1) (b) (dd). 850  S.  z. B. Kreßel, DÖV 1988, 501, S. 502, demzufolge das Asylrecht „gewisse Vorwirkungen“ entwickele, zu denen ein vorläufiges Aufenthaltsrecht gehöre; Hailbronner, Einreiseverweigerung und Visumzwang im Asylrecht, in: FS Doehring, 1989, S. 290 f., demzufolge das Asylrecht „Vorwirkungen“ gewährleiste. Die „bloße Geltendmachung“ des Asylrechts sichere ein vorläufiges Aufenthaltsrecht „zum Zweck der Durchführung des Asylverfahrens“; so auch Zimmermann/Tams, Art. 16a, in: Berliner Kommentar, 2018 (Stand: 19. EL 2007), Rn. 46, sowie Papier, Sten. Prot., S. 258; für aus dem Asylrecht folgende Vorwirkungen auch Theis, BayVBl. 1977, 651, S. 652, demzufolge diese Zurückweisung an der Grenze und Abschiebung in den Verfolgerstaat verböten. Vgl. BVerfGE 94, 49 (87). 851  Masing, Art. 16a, in: Dreier, GG, 2. Aufl. 2004, Rn. 92, der die Einordnung von Einreiserecht und Abschiebungsschutz als Vorwirkung für wenig überzeugend hält. Vgl. nochmals Gärditz, Art. 16a, in: Maunz/Dürig, GG, 84. Aufl. August 2018, Rn. 185, sowie Dutta, Luftverkehr und Asylrecht (1997), S. 53 (s. zu beiden nochmals Teil C. II. 2. a) (1) (b) (dd), Fn. 515); s. auch nochmals Hailbronner, Einreiseverweigerung und Visumzwang im Asylrecht, in: FS Doehring, 1989, S. 290 f. (s. bereits Fn. 850). 852  So auch Gusy, Asylrecht und Asylverfahren (1979), S. 267; Renner, NVwZ 1983, 649, S. 653. 853  Laut Masing, Art. 16a, in: Dreier, GG, 2. Aufl. 2004, Rn. 101, seien Fehlentscheidungen im Asylverfahren „praktisch unkorrigierbar“; so auch Kluth, Art. 16a, in: Stern/Becker, Grundrechte, 2. Aufl. 2016, Rn. 64.

232 F. Verfahrensrechtliche Dimension des extraterritorialen Asylgrundrechts

Verfahrens zustehen.854 Eine Person, die sich auf Asyl beruft, darf demnach – aus asylgrundrechtlicher Sicht – erst dann abgewiesen bzw. abgeschoben werden, wenn das Fehlen der Asylberechtigung festgestellt wurde.855 Handelt es sich nun um eine tatsächlich asylberechtigte Person, so leitet sich ihr Bleibe- bzw. Aufenthaltsrecht allerdings schon unmittelbar aus Art. 16a GG ab.856 Dieses wird durch einen positiven Asylbescheid lediglich (deklaratorisch) bestätigt.857 Die sog. Vorwirkungen haben allein dann eigenständige Bedeutung, wenn ein Asylverfahren für eine Person durchgeführt wird, die nicht asylberechtigt ist.858 Dass sie nicht asylberechtigt ist, ist vor Abschluss des Asylverfahrens noch nicht bekannt. Ihr wird vorläufig derselbe Schutz gewährt, der nur politisch Verfolgten zusteht.859 Dass einer Person vorläufig ein Recht gewährt wird, das ihr nicht zusteht, ist allerdings kein asylrechtsspezifisches Phänomen.860 Vielmehr ist dies auch in jedem 854  Renner, NVwZ 1983, 649, S. 653. Hailbronner, Vom Asylrecht zum Asylbewerberrecht, in: FS Zeidler I, 1987, S. 922, demzufolge sich die Vorwirkungen des Asylrechts daraus erklären, dass dem Asylbewerber „das ihm möglicherweise zustehende Grundrecht auf Asyl nicht gefährdet oder vereitelt wird.“ Vgl. Arnauld, Art. 16a, in: Münch/Kunig, GG, 6. Aufl. 2012, Rn. 28, demzufolge geeignete Vorkehrungen zu treffen seien, um praktisch unkorrigierbare Fehlentscheidungen zu vermeiden; vgl. BVerwGE 62, 206 (211), wonach das Asylrecht den Asylbewerber bis zur Klärung einer möglicherweise bestehenden Berechtigung schützt, um das Recht nicht zu gefährden oder zu vereiteln. 855  So auch Renner, NVwZ 1983, 649, S. 653; Lübbe-Wolff, DVBl. 1996, 825, S. 825; Gusy, Jura 1993, 505, S. 506. 856  Renner, NVwZ 1983, 649, S. 653; Gusy, Asylrecht und Asylverfahren (1979), S. 266; Pollern, Das moderne Asylrecht (1980), S. 291; Arnauld, Art. 16a, in: Münch/ Kunig, GG, 6. Aufl. 2012, Rn. 25, 28, demzufolge dem Verfahren ein unbedingter Anspruch vorausgehe; Bethge, NJW 1982, 1, S. 5, demzufolge das Asylrecht zwar ohne Anerkennungsakt praktisch nicht realisierbar sei, der aber anerkennt, dass das Asylrecht unmittelbar aus Art. 16a GG und nicht dem Anerkennungsakt folgt; LübbeWolff, Art. 16a, in: Dreier, GG, 1996, Rn. 56, derzufolge zwischen dem „eigentlichen Grundrecht“ und der Vorwirkung kein inhaltlicher Unterschied bestehe. 857  Grützner, Auslieferungsverbot und Asylrecht, in: Neumann/Nipperdey/Scheuner, Grundrechte, 1954, S. 596; Renner, NVwZ 1983, 649, S. 653; Lübbe-Wolff, Art. 16a, in: Dreier, GG, 1996, Rn. 56. Zur deklaratorischen Wirkung des Asylrechts als Abwehrrecht s. schon oben insbesondere Teil C. II. 2. a) (1) (b) (dd). 858  Woyczechowski, Zwischen Vermutung und Gewissheit (2003), S. 61, dazu, dass Nicht-Asylberechtigte vorübergehend in den Genuss des Asylrechts kommen können. 859  Gusy, Jura 1993, 505, S. 506, demzufolge das vorläufige Bleiberecht gewährt wird, bevor die Berechtigung festgestellt wurde; Masing, Art. 16a, in: Dreier, GG, 2. Aufl. 2004, Rn. 92, demzufolge zum Schutz der tatsächlich politisch Verfolgten vorläufig jedem Schutzsuchenden Schutz gewährt werde; Davy, Art. 16a, in: AK-GG, 3. Aufl. 2001, Rn. 40, derzufolge das Asylrecht auch die genössen, die behaupten politisch Verfolgte zu sein; vgl. Will, Art. 16a, in: Sachs, GG, 8. Aufl. 2018, Rn. 14. 860  So aber offenbar Woyczechowski, Zwischen Vermutung und Gewissheit (2003), S. 61, derzufolge dies zu einer „besonderen Gestalt im Kanon der Grundrechte“



I. Zur verfassungsrechtlichen Bedeutung des Asylverfahrens233

anderen einstweiligen Rechtsschutzverfahren der Fall,861 in dem einer Partei vorläufig etwas gewährt wird, das ihr im Hauptsacheverfahren dann aberkannt wird. Zur Verdeutlichung folgender hypothetischer Beispielsfall: Einer Person wird von einer Behörde per Verfügung eine Tätigkeit verboten. Die Person klagt gegen dieses Verbot. Sie führt an, dass es sich bei der Tätigkeit um eine berufliche handelt und diese demnach über Art. 12 Abs. 1 GG geschützt sei. Im parallel angestrengten einstweiligen Rechtsschutzverfahren suspendiert das Gericht das Verbot vorläufig bis zur Entscheidung in der Hauptsache. Das Gericht im Hauptsacheverfahren kommt schließlich jedoch zu dem Ergebnis, dass es sich nicht um eine berufliche Tätigkeit i. S. d. Art. 12 Abs. 1 GG handelt und weist die Klage ab. In einem solchen Fall wäre nicht die Rede von „Vorwirkungen“ des Art. 12 GG. Auch im umgekehrten Fall, in dem der Klage letztlich stattgegeben würde, würde man nicht annehmen, die vorläufig vom Gericht erklärte Aussetzung des Verbots folge aus den „Vorwirkungen“ des Art. 12 Abs. 1 GG. Vielmehr folgte das Recht zur Ausübung der Tätigkeit unmittelbar aus Art. 12 Abs. 1 GG.

Letztendlich ist das Asylrecht – jedenfalls in verfassungsrechtlicher Hinsicht – damit genauso verfahrensabhängig wie andere Abwehrrechte auch. Dies wird – nicht notwendig explizit, jedenfalls aber im Ergebnis – wohl auch verbreitet in Literatur und Rechtsprechung vertreten.862 führe; Waldstein, Das Asylgrundrecht im europäischen Kontext (1993), S. 38, der dies als eine „Besonderheit“ des Asylrechts qualifiziert; sowie Sachs, Das Auslieferungsverbot und das Asylrecht, in: Staatsrecht IV/1, 2006, S. 851, demzufolge der Widerspruch, dass einem Nichtberechtigten gegenüber eine Grundrechtsvereltzung erfolgen könnte, dadurch zu lösen sei, dass man „eine nur objektiv-rechtliche, nicht als Grundrecht zu subjektivierende Pflicht des Gesetzgebers zur Anerkennung eines vorläufigen Bleiberechts schon der Asylrechtsprätendenten annimmt und in Streitfällen einstweiligen Rechtsschutz zur Vermeidung einer Verletzung des nur möglicherweise bestehenden Asylgrundrechts gewährt“, der wiederum über Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG als subjektives Grundrecht garantiert sei. 861  Vgl. Isensee, § 115, in: HStR V, 2. Aufl. 2000, demzufolge sich die aufenthaltsrechtlichen Vorwirkungen i. V. m. Art. 19 Abs. 4 GG ergäben. 862  Dazu einige Äußerungen, aus denen dies herausgelesen werden kann: Marx, AsylG (2017), 9. Aufl., § 13, Rn. 11, wonach die Behörden den Abschiebungsschutz von Verfassungs wegen zu beachten hätten und nicht mit Verweis auf die Antragsabhängigkeit des Asylverfahrens verneinen dürften. Der Anspruch auf Schutz könne durch den Asylantrag durchgesetzt werden; Becker, Art. 16a, in: Mangoldt/Klein/ Starck, GG, 7. Aufl. 2018, Rn. 126, demzufolge das Asylrecht „vielleicht stärker, zumindest aber offensichtlicher als die übrigen Grundrechte, auf eine verfahrensrechtliche Ausgestaltung angewiesen [seien]“; Sachs, Grundrechte (2017), 3. Aufl., S. 619, Rn. 4, demzufolge die verfahrensrechtliche Seite des Grundrechts „wie auch sonst nur flankierende Bedeutung“ habe; Rottmann, Der Staat 1984, 337, S. 357 f., demzufolge das Asylverfahren ein Widerlegungsverfahren nicht zur Anerkennung der Asylberechtigung, sondern zur Feststellung der Ausreisepflicht bei missbräuchlicher Berufung auf Asylrecht sei; das Anerkennungsverfahren ebenfalls als „Widerlegungsverfahren[…]“ einordnend Baumüller, NVwZ 1982, 222, S. 222; Arnauld, Art. 16a, in: Münch/Kunig, GG, 6. Aufl. 2012, Rn. 28, der das Verfahren als Vorkehrung zur Ver-

234 F. Verfahrensrechtliche Dimension des extraterritorialen Asylgrundrechts

4. Ergebnis Will die Bundesrepublik eine Person abweisen oder abschieben, muss sie die Asylberechtigung prüfen, um auszuschließen, dass sie eine asylberechtigte Person abweist bzw. abschiebt. Das Asylrecht ist in verfassungsrechtlicher Hinsicht nicht abhängiger von einem Verfahren als andere Eingriffsabwehrrechte auch. Das Asylverfahren sowie anschließende Gerichtsverfahren dienen dem Ausschluss von asylrechtswidrigen Abweisungen oder Abschiebungen. Die extraterritoriale Geltung des Asylrechts erfordert mithin nicht notwendig die Einrichtung von Asylverfahren für gebietsfremde Ausländer. Sie erfordert dies nur insoweit, als bereits gegenüber gebietsfremden Personen in das Asylgrundrecht eingegriffen werden soll.

II. Einrichtung und Durchführung eines Asylverfahrens für gebietsfremde Personen Fraglich ist, ob bzw. wann ein Anspruch auf Einrichtung eines Asylverfahrens für gebietsfremde Personen aus Art. 16a Abs. 1 GG folgt und welche Anforderungen an ein solches Verfahren zu stellen wären.

meidung von Fehlentscheidungen einordnet; Grabherr, NVwZ 1989, 38, S. 38, der meint, die allgemeine „Komplementärfunktion“ des Verfahrens für die Durchsetzung des materiellen Rechts zeige sich „besonders deutlich“ beim Asylrecht; Ossenbühl, DÖV 1981, 1, S. 5, der das Asylrecht zwar als verfahrensabhängiges Grundrecht beschreibt. Der allerdings erklärt, dass das Grundrecht nur in „tatsächlicher“ Hinsicht von der richtigen Verfahrensgestaltung abhänge. Es werde „faktisch“ zugeteilt. Damit wird verdeutlicht, dass es sich nicht um eine rechtliche Unterscheidung handelt; Davy, Art. 16a, in: AK-GG, 3. Aufl. 2001, Rn. 40, die zwar von Verfahrensabhängigkeit spricht, aber zugibt, dass das Verfahren „im Dienst der materiellen Garantie“ stehe, und dass das Abhängigmachen von einem Verfahren eine Grundrechtsbeschränkung darstelle; vgl. Schnapp, Art. 16a, in: Münch/Kunig, GG, 5. Aufl. 2000, Rn. 3. Auch in der Rspr. des BVerfG sind z. T. Hinweise für diese Ansicht erkennbar: s. z. B. BVerfGE 52, 391 (407), worin von einem Einfluss des Asylrechts auf die Verfahrensgestaltung die Rede ist, die mit der allgemeinen verfahrensrechtlichen Dimension der Grundrechte in Verbindung gebracht wird; vgl. auch BVerfGE 63, 215 (225), wo lediglich von einer verfahrensrechtlichen Bedeutung des Asylrechts die Rede ist; auch in BVerfGE 65, 76 (94), wird das Erfordernis einer geeigneten Verfahrensregelung mit der allgemeinen Verfahrensdimension der Grundrechte in Verbindung gebracht. Unklar ist die Position von Huber/Göbel-Zimmermann, Ausländer- und Asylrecht (2008), 2. Aufl., Rn. 1624, die einerseits meinen, das Asylverfahren müsse „grundrechtseffektuierend“ sein, was dafür spräche, dass das Asylverfahren den Genuss des Asylrechts erst möglich macht. Zugleich wird jedoch darauf abgestellt, dass das Verfahren einer optimalen Sicherstellung der Grundrechtsverwirklichung diene, was dafür spräche, dass das Verfahren keine eigenständige Bedeutung hat, sondern nur der Sicherung des materiellen Grundrechtsgewährleistungsgehalts dient.



II. Einrichtung und Durchführung eines Asylverfahrens235

1. Verfassungsrechtlich geschuldete Notwendigkeit der Einrichtung von Asylverfahren für gebietsfremde Personen So wie bei anderen Freiheitsrechten auch erfordert das Asylrecht die Einrichtung und Durchführung von Verwaltungsverfahren allein zur Kontrolle und gegebenenfalls Verhinderungen von potenziellen ungerechtfertigten Eingriffen.863 Die Verfahren müssen demnach dann durchgeführt werden, wenn die Bundesrepublik dem Einzelnen die asylrechtlichen Gewährleistungen verweigern will. Will die Bundesrepublik also Maßnahmen ergreifen, die gegenüber politisch Verfolgten als Eingriffe gewertet werden könnten, muss sie ein Verwaltungsverfahren gewährleisten, das den geplanten Maßnahmen vorgelagert ist und der Verhinderung ungerechtfertigter Eingriffe in Art. 16a GG dient. Dies gilt unabhängig davon, wo sich die Personen befinden, die von der Maßnahme betroffen werden.864 Will die Bundesrepublik also Personen außerhalb der Bundesrepublik z. B. das Erreichen des Bundesgebiets erschweren, so muss sie gemäß Art. 16a Abs. 1 GG im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens sicherstellen, dass ihre Maßnahmen nicht politisch verfolgte Personen treffen bzw. diesen gegenüber nicht ungerechtfertigt erfolgen. Der Bundesrepublik bleiben damit folgende Möglichkeiten. Sie kann einreisebehindernde Maßnahme aus Sicht des Art. 16a Abs. 1 GG dann ergreifen, wenn entweder ausgeschlossen ist, dass von ihr auch politisch Verfolgte betroffen werden, oder wenn die Maßnahme auch gegenüber politisch Verfolgten gerechtfertigt wäre.865 Im letzteren Fall muss sie konsequenterweise keine individuelle Prüfung von Asylgründen durchführen, da auch eine positive Bescheidung dessen keinen Einfluss auf die (asylrechtliche) Verfassungsmäßigkeit der Maßnahme hätte. Kann sie die Maßnahme gegenüber politisch Verfolgten allerdings nicht rechtfertigen, bleiben ihr nur die folgenden Handlungsalternativen. Entweder sie unterlässt die Maßnahme vollständig oder sie prüft für jede betroffene Person, ob diese politisch verfolgt wird, und ergreift die Maßnahme dementsprechend nur gegenüber den nicht politisch Verfolgten. Letzterer Maßnahme dürften sich dabei erhebliche praktische Schwierigkeiten gegenüberstellen.866

863  S.

dazu den vorhergehenden Abschnitt Teil F. I. extraterritorialen Reichweite der Verfahrensdimension der Grundrechte s. o. Teil B. IV. 3. Zur extraterritorialen Reichweite des Art. 16a Abs. 1 GG s. o. Teil D. 865  Die Frage, wann ein Eingriff in Art. 16a GG gerechtfertigt sein kann, wird im Rahmen dieser Arbeit nicht näher behandelt. Es sei jedoch darauf hingewiesen, dass Art. 16a Abs. 1 GG vorbehaltlos gewährleistet wird, Becker, Art. 16a, in: Mangoldt/ Klein/Starck, GG, 7. Aufl. 2018, Rn. 144. 866  Vgl. Neußner, ZAR 1989, 17, S. 18. S. zudem im Anschluss Teil F. II. 2. a). 864  Zur

236 F. Verfahrensrechtliche Dimension des extraterritorialen Asylgrundrechts

Oben wurde bereits dargelegt, dass z. B. die Verweigerung eines Visums i. V. m. einem daran anschließendem Beförderungsverbot gegenüber Asylberechtigten einen Eingriff darstellt.867 Um die Verletzung des Art. 16a GG durch diese Maßnahme auszuschließen, muss demnach entweder eine verfassungsrechtliche Rechtfertigung vor Art. 16a GG gelingen oder es muss dargelegt werden, dass die einzelne betroffene Person nicht gemäß Art. 16a GG berechtigt ist, d. h. nicht politisch verfolgt wird. Gelingen kann dies nur durch eine individuelle Prüfung der Asylvoraussetzungen. Wird eine politische Verfolgung festgestellt, muss die Auslandsvertretung folglich das Visum erteilen oder eine Ausnahme von der Visumspflicht oder vom Beförderungsverbot aussprechen. Dasselbe gilt auch für einen (an die Grundrechte gebundenen) Kapitän,868 der eine Person in irgendeinem Hafen absetzen will. Er muss entweder ausschließen können, dass es sich bei dem Absetzen im jeweiligen Staat um einen Eingriff ins Asylrecht handelt. Dies wäre z. B. dann der Fall, wenn im angesteuerten Staat selbst generell Sicherheit vor politischer Verfolgung bzw. (Ketten)Abschiebung in den Verfolgerstaat geboten wäre. Zudem könnte er die Person dann in einem Staat absetzen, wenn dies selbst dann gerechtfertigt wäre, wenn die Person politisch verfolgt würde. Der Kapitän könnte auch die individuelle Situation der Person prüfen und nur dann von einem Absetzen absehen, wenn eine politische Verfolgung vorliegt und der angesteuerte Staat entweder der Verfolgerstaat ist oder in diesen abschiebt. 2. Bei der verfassungsrechtlichen Bewertung von Asylverfahren zu beachtende Besonderheiten Fraglich ist, welche Anforderungen grundsätzlich an Verfahren zu stellen sind, die gebietsfremde Ausländer betreffen. Durch die Regelung eines Verfahrens dürfen dem Grundrechtsträger keine „unüberwindbaren Hürden“ auferlegt werden, wenn dadurch die „Entwertung der materiellen Grundrechtsposition“ bewirkt würde.869 An dieser Stelle sollen nun nicht die allgemeinen Anforderungen an eine verfassungskonforme Einrichtung und Durchführung von Verwaltungsverfahren im Detail ausgearbeitet werden.870 Es 867  S. o.

Teil E. II. 3. Auswirkung des extraterritorialen Asylgrundrechts an Bord von Schiffen unter deutscher Flagge s. o. Teil E. III. 869  Neußner, ZAR 1989, 17, S. 18; das Verfahren müsse „von Verfassungs wegen sachgerecht, geeignet und zumutbar sein“, Masing, Art. 16a, in: Dreier, GG, 2. Aufl. 2004, Rn. 101, [im Original z. T. hervorgehoben]. 870  Im Hinblick auf das Asylgrundrecht wäre dabei insbesondere zu berücksichtigen, dass eine Fehlentscheidung dazu führt, dass eine Person ihrem Verfolger ausgesetzt wird, Baumüller, NVwZ 1982, 222, S. 225. 868  Zur



II. Einrichtung und Durchführung eines Asylverfahrens237

sollen vielmehr lediglich die Besonderheiten angesprochen werden, die bei Asylverfahren für gebietsfremde Ausländer zu beachten wären. Dabei soll zunächst auf tatsächliche Schwierigkeiten871 und dann auf verfassungsrechtliche Besonderheiten eingegangen werden. a) Tatsächliche Schwierigkeiten der Einrichtung und Durchführung von Asylverfahren für gebietsfremde Ausländer Nun betrifft die Prüfung politischer Verfolgung naturgemäß eine Materie von hoher Komplexität. Zur Gewährleistung einer verfassungsrechtlichen Anforderungen genügenden Prüfung sind detaillierte Kenntnisse der jeweils aktuellen politischen Verhältnisse in den verschiedenen Staaten erforderlich. Darüber hinaus sind umfassende Sprachkenntnisse erforderlich, die es ermöglichen, die jeweilige Person anzuhören und deren Herkunft festzustellen.872 Die Aussage der betroffenen Person nimmt einen hohen Stellenwert in der Prüfung von Asylgründen ein.873 Es ist zu bezweifeln, dass jede deutsche Botschaft und jeder Kapitän eines deutschen Schiffs zu einer diesen Anforderungen entsprechenden Prüfung in der Lage sein werden. Zudem ist in Betracht zu ziehen, dass die Aussage der betroffenen Person ein gewisses Maß an physischer und psychischer Gesundheit erfordert;874 eine Voraussetzung, die unter Umständen nicht in jedem Fall kurzfristig sichergestellt werden kann. Zwar schuldet die Bundesrepublik außerhalb der Bundesrepublik gemäß Art. 16a GG grundsätzlich nicht die Ergreifung von Maßnahmen zur Sicher- bzw. Wiederherstellung der Gesundheit einer Person.875 Ein verfassungsrechtlichen Anforderungen gerecht werdendes Asylverfahren setzt die Gesundheit der betroffenen Person jedoch voraus.876 Ist 871  Die tatsächlichen Schwierigkeiten der Durchführung von Verfahren an Bord von Schiffen werden im Hinblick auf Art. 13 EMRK bereits angesprochen von Dippel, The Human Rights of Migrants: Maritime Interception in the Mediterranean (2015), S. 28. 872  Kluth, Art. 16a, in: Stern/Becker, Grundrechte, 2. Aufl. 2016, Rn. 65. 873  Laut Ossenbühl, DÖV 1981, 1, S. 5, sei ein Asylverfahren ohne intensive Beteiligung der Betroffenen verfassungswidrig; s. auch BVerfGE 94, 166 (240) [abweichende Meinung Limbach, Böckenförde, Sommer]. 874  BVerfGE 94, 166 (202); Maaßen, Art.  16a, in: BeckOK GG, 39.  Aufl. 15.11.2018, Rn. 54; Kluth, Art. 16a, in: Stern/Becker, Grundrechte, 2. Aufl. 2016, Rn. 65. 875  Dem Asylrecht sind keine originären Leistungsrechte zu entnehmen und soweit die Schutzdimension betroffen wäre, wurde bereits dargelegt, dass diese auf den Bereich des deutschen Gewaltmonopols beschränkt ist. Vielmehr liegt die Gesundheit im Verantwortungs- bzw. Risikobereich der Person selbst bzw. des jeweiligen Aufenthaltsstaats abhängig von Völkerrecht und der jeweiligen nationalen Rechtsordnung. 876  BVerfGE 94, 166 (202).

238 F. Verfahrensrechtliche Dimension des extraterritorialen Asylgrundrechts

eine Person nicht gesund genug, so kann kein Asylverfahren durchgeführt werden. Ohne Verfahren darf die geplante Maßnahme gegebenfalls nicht vorgenommen werden. Entweder die Bundesrepublik erlaubt der Person also die Einreise oder sie prüft, ob eine Genesung im aktuellen Aufenthaltsstaat möglich ist, und wartet diese ab, um schließlich das Asylverfahren durchzuführen. b) Besonderheiten des Art. 16a Abs. 3 GG – sichere Herkunftsstaatenregelung Besonderheiten ergeben sich für die Einrichtung und Durchführung von Asylverfahren allerdings aus Art. 16a Abs. 3 GG. Dieser könnte eine Einrichtung und Durchführung von Verfahren für gebietsfremde Ausländer erleichtern. Geregelt ist dort die sog. sichere Herkunftsstaatenregelung, welche den verfahrensbezogenen Gewährleistungsgehalt des Asylrechts einschränkt.877 An dieser Stelle kann auf eine umfassende Darstellung ihrer Voraussetzungen und eine Prüfung ihrer Verfassungsmäßigkeit sowie eine Auseinandersetzung mit dem hierzu ergangenen Urteil des Bundesverfassungsgerichts878 verzichtet werden.879 Es soll lediglich geklärt werden, ob sie auch auf gebietsfremde Personen anwendbar ist. Gemäß Art. 16a Abs. 3 S. 1 GG können in einem zustimmungsbedürftigen Gesetz Staaten bestimmt werden, bei denen aufgrund der Rechtslage, der Rechtsanwendung und der allgemeinen politischen Verhältnisse gewährleistet erscheint, dass dort weder politische Verfolgung noch unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung stattfindet. Aktuell sind gemäß § 29a Abs. 2 i. V. m. Anlage II AsylG die Mitgliedstaaten der EU, Albanien, Bosnien und Herzegowina, Ghana, Kosovo, Mazedonien (ehemalige jugoslawische Republik)880, Montenegro, Senegal und Serbien als sichere Herkunftsstaaten bestimmt.881 Laut Abs. 3 S. 2 wird vermutet, dass Ausländer 877  BVerfGE

94, 115 (132). 94, 115. 879  Die obigen Ausführungen zur sicheren Drittstaatenregelung (Teil D. II) gelten entsprechend. 880  Seit 12. Februar 2019 Republik Nordmazedonien, Handelsblatt, Mazedonien offiziell zu Nordmazedonien umbenannt, www.handelsblatt.com/politik/international/ namensaenderung-mazedonien-offiziell-zu-nordmazedonien-umbenannt/23979686. html (12.02.2019), letzter Zugriff am 17.06.2019. S. auch die Angaben des Auswär­ tigen Amtes der Bundesrepublik Deutschland, www.auswaertiges-amt.de/de/aussen politik/laender/nordmazedonien-node/aussenpolitik/207648#content_3, letzter Zugriff am 17.06.2019. 881  Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz vom 20. Oktober 2015, BGBl. I, S. 1722 (Stand 19. Juni 2019). 878  BVerfGE



II. Einrichtung und Durchführung eines Asylverfahrens239

aus diesen Staaten nicht verfolgt werden, d. h. nicht nach Abs. 1 materiell berechtigt sind. Diese Vermutung kann die betroffene Person widerlegen,882 wenn sie Tatsachen vorträgt, die die Annahme begründen, dass sie entgegen der gesetzlichen Vermutung politisch verfolgt wird.883 Dafür muss die betroffene Person entweder schlüssig und substantiiert vortragen, dass sie im Einzelfall politisch verfolgt wird oder die gesetzliche Einstufung des Herkunftsstaates als verfolgungsfrei entkräften.884 Der prüfenden Behörde und dem dessen Entscheidung überprüfenden Gericht wird vom Gesetzgeber ein Teil der Tatsachen- und Beweiswürdigung abgenommen.885 Die Asylanträge von Personen aus sicheren Herkunftsstaaten sind in der Regel als unbegründet abzulehnen, wenn keine die Vermutung widerlegenden Tatsachen vorgetragen werden.886 Die für den Prüfungsgegenstand dieser Arbeit entscheidende Frage ist, ob diese Einschränkungen auch für Personen gelten, die sich noch außerhalb der Bundesrepublik befinden. Hinsichtlich der „antizipierten Tatsachen- und Beweiswürdigung“887 des Abs. 3 ist kein Grund ersichtlich, warum diese nicht auch für Personen außerhalb der Bundesrepublik gelten sollten.888 Die Vermutung der Verfolgungsfreiheit folgt aus der Herkunft der betroffenen Person aus einem als sicher bzw. verfolgungsfrei bestimmten Staat. Ob sich eine Person in- oder außerhalb der Bundesrepublik befindet, ändert nichts an dessen Staatsangehörigkeit und der damit zusammenhängenden Frage, ob eine Person in ihrem Herkunftsstaat politisch verfolgt wird oder nicht.889 Soll also die Einreise einer Person, die aus einem sicheren Herkunftsstaat § 153, in: HStR VII, 3. Aufl. 2009, Rn. 97. JZ 1994, 61, S. 68; Göbel-Zimmermann/Masuch, Inf­ AuslR 1996, 404, S. 412 f. 884  Wittreck, Art. 16a, in: Dreier, GG, 3. Aufl. 2013, Rn. 103; Becker, Art. 16a, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG, 7. Aufl. 2018, Rn. 203 f.; Gärditz, Art. 16a, in: Maunz/ Dürig, GG, 84. Aufl. August 2018, Rn. 407; vgl. Randelzhofer, Art. 16a Abs. 2–5, in: Maunz/Dürig, GG, 84. Aufl. August 2018 (Stand: bis 59. EL Juli 2010), Rn. 133 ff. 885  BVerfGE 94, 115 (133). 886  Becker, Art. 16a, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG, 7. Aufl. 2018, Rn. 195; Göbel-Zimmermann/Masuch, InfAuslR 1996, 404, S. 413; Hailbronner, § 123, in: HGR V, 2013, Rn. 257; Will, Art. 16a, in: Sachs, GG, 8. Aufl. 2018, Rn. 89. S. dazu auch § 29a Abs. 1 AsylG. Auch an dieser Stelle soll eine Untersuchung der Verfassungsmäßigkeit der Asylreform aus dem Jahre 1993 unterbleiben. Zu den Gründen siehe bereits oben Teil D. II. 887  BVerfGE 94, 115 (133). 888  Renner, Sten. Prot., S. 353, äußert allerdings Zweifel daran, dass ein entsprechendes Verfahren vor Einreise der betroffenen Person praktisch durchgeführt werden kann. 889  Von einer extraterritorialen Anwendbarkeit der sicheren Drittstaatenregelung ausgehend offenbar auch Dutta, Luftverkehr und Asylrecht (1997), S. 94. 882  Randelzhofer,

883  Wollenschläger/Schraml,

240 F. Verfahrensrechtliche Dimension des extraterritorialen Asylgrundrechts

kommt, be- oder verhindert werden und muss deswegen ein Asylverfahren durchgeführt werden, gilt die widerlegliche Vermutung der Verfolgungsfreiheit des Abs. 3. 3. Ergebnis Will die Bundesrepublik außerhalb ihres Staatsgebiets in die Fluchtbewegungen, d. h. potenziell in das extraterritoriale Asylrecht eingreifen, muss sie entweder darlegen, dass Eingriffe in Art. 16a GG gerechtfertigt wären oder dass die einzelnen Betroffenen gar nicht asylberechtigt sind. Besondere Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang der sicheren Herkunftsstaatenregelung zu, soweit die Herkunft einer Person schon außerhalb der Bundesrepublik einwandfrei festgestellt werden kann. Ist die sichere Herkunftsstaatenregelung anwendbar, wird das Fehlen einer politischen Verfolgung vermutet.

III. Effektiver gerichtlicher Rechtsschutz für gebietsfremde politisch Verfolgte Neben dem Erfordernis der Einführung von Verwaltungsverfahren zur Vermeidung von verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigten Eingriffen in das Asylgrundrecht beinhaltet die Verfahrensdimension der Grundrechte auch ein Erfordernis der Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes. Dieses dient der Kontrolle der Rechtmäßigkeit der durchzuführenden Verwaltungsverfahren. Greift ein Hoheitsträger in ein grundrechtlich geschütztes Rechtsgut ein, so muss der betroffenen Person gerichtlicher Rechtsschutz gegen diesen Eingriff eröffnet werden. Für die Gewährung gerichtlichen Rechtsschutzes in öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten wie der vorliegenden ist Art. 19 Abs. 4 GG vorrangig „zuständig“.890 Es stellt sich die Frage, wie sich dieses Recht auf effektiven Rechtsschutz für den extraterritorialen Gewährleistungsgehalt des Art. 16a GG darstellt und welche Besonderheiten dafür ggf. gelten. Zur Beantwortung dieser Frage werden zunächst die allgemeinen Anforderungen des Art. 19 Abs. 4 GG bzw. des Art. 103 GG dargelegt. Im Anschluss daran werden die Besonderheiten des einstweiligen Rechtsschutzes für Asylsachen und deren Auswirkungen auf das extraterritoriale Asylgrundrecht erörtert.

890  Cremer, Freiheitsgrundrechte (2003), S. 411 f.; Papier, § 177, in: HStR VIII, 3. Aufl. 2010, Rn. 19; Jarass, § 38, in: HGR II, 2006, Rn. 54.



III. Effektiver gerichtlicher Rechtsschutz für politisch Verfolgte241

1. Allgemeine verfassungsrechtliche Anforderungen an die Gewährleistung eines effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes in öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten a) Mindestanforderungen gemäß Art. 19 Abs. 4 GG an die Gewährleistung eines effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes Die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG gilt für Sachverhalte, in denen sich das Individuum einer Maßnahme der deutschen Hoheitsgewalt gegenübersieht. Sind die Voraussetzungen des Art. 19 Abs. 4 GG gegeben, gewährt dieser der betroffenen Person ein Recht auf eine wirkungsvolle gerichtliche Kontrolle, d. h. Zugang zu Gerichten, ein Verfahren und eine Entscheidung.891 Insofern hat Art. 19 Abs. 4 GG leistungsrechtlichen Charakter.892 Bei Art. 19 Abs. 4 GG handelt es sich um ein vorbehaltloses Grundrecht, sodass sich dessen Einschränkungsmöglichkeiten grundsätzlich aus der Verfassung ergeben müssen.893 Allerdings erfordert er auch eine Ausgestaltung des Rechtsschutzes durch den einfachen Gesetzgeber, wobei dieser wiederum an den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebunden ist.894 Für eine Einschlägigkeit der Rechtsschutzgarantie ist erforderlich, dass der jeweilige Hoheitsträger ein subjektiv-öffentliches Recht der betroffenen Person verletzt. Subjektiv-öffentliche Rechte können dabei aus dem einfachen Recht folgen, werden aber in jedem Fall in den Grundrechten des Grundgesetzes gesehen.895 Für die Rechtsweggarantie ist dabei grundsätzlich unerheblich, ob das Recht auch tatsächlich verletzt wurde. Allein die Möglichkeit 891  Schulze-Fielitz, Art. 19 IV, in: Dreier, GG, 3.  Aufl. 2013, Rn. 79; Sachs, Art. 19, in: Sachs, GG, 8. Aufl. 2018, Rn. 134; Enders, Art. 19, in: BeckOK GG, 39. Aufl. 15.11.2018, Rn. 74, m. w. N. aus der Rechtsprechung des BVerfG. 892  Schmidt-Aßmann, Art. 19 Abs. 4, in: Maunz/Dürig, GG, 84. Aufl. August 2018, Rn. 5, 7; Schmidt-Aßmann, § 45, in: HGR II, 2006, Rn. 2; Schulze-Fielitz, Art. 19 IV, in: Dreier, GG, 3. Aufl. 2013, Rn. 84; Krebs, Art. 19, in: Münch/Kunig, GG, 6. Aufl. 2012, Rn. 55; Denninger, § 193, in: HStR IX, 3. Aufl. 2011, Rn. 4; BVerfGE 101, 106 (123); BVerfGE 118, 168 (207); BVerfG, NVwZ 2017, 305, S. 305; Enders, Art. 19, in: BeckOK GG, 39. Aufl. 15.11.2018, Rn. 52, m. w. N. aus der Rechtsprechung des BVerfG. 893  Schulze-Fielitz, Art. 19 IV, in: Dreier, GG, 3. Aufl. 2013, Rn. 140; Kingreen/ Poscher, Grundrechte (2017), 33. Aufl., Rn. 1177. 894  Schmidt-Aßmann, Art. 19 Abs. 4, in: Maunz/Dürig, GG, 84. Aufl. August 2018, Rn. 5; Huber, Art. 19, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG, 7. Aufl. 2018, Rn. 381; vgl. Schulze-Fielitz, Art. 19 IV, in: Dreier, GG, 3. Aufl. 2013, Rn. 84. 895  Enders, Art. 19, in: BeckOK GG, 39. Aufl. 15.11.2018, Rn. 61; Schmidt-Aßmann, Art. 19 Abs. 4, in: Maunz/Dürig, GG, 84. Aufl. August 2018, Rn. 121; SchulzeFielitz, Art. 19 IV, in: Dreier, GG, 3. Aufl. 2013, Rn. 61; Krebs, Art. 19, in: Münch/ Kunig, GG, 6. Aufl. 2012, Rn. 66; Sachs, Art. 19, in: Sachs, GG, 8. Aufl. 2018, Rn. 127; Kingreen/Poscher, Grundrechte (2017), 33. Aufl., Rn. 1164.

242 F. Verfahrensrechtliche Dimension des extraterritorialen Asylgrundrechts

bzw. die schlüssige Behauptung einer Individualrechtsverletzung genügt. Immerhin ist es gerade die Aufgabe der Gerichte, das Vorliegen einer Verletzung erst zu überprüfen.896 Eine Verletzung muss allerdings hinreichend substantiiert vorgetragen werden.897 Die Rechtsweggarantie erfordert nicht die unbedingte Zugänglichkeit zu Gerichten, solange die Zugangsbedingungen nicht unzumutbar und durch sachliche Gründe getragen sind.898 Die Einschränkung des Zugangs darf nicht zu einem faktischen Rechtswegausschluss führen. Art. 19 Abs. 4 GG hat dabei eine gewisse Ausstrahlungswirkung schon auf das Verwaltungsverfahren. So darf schon das Verwaltungsverfahren nicht so ausgestaltet sein bzw. durchgeführt werden, dass der Rechtsschutz unzumutbar erschwert oder ausgeschlossen wird.899 Der Zugang zu einem Gericht kann insbesondere dann unzumutbar erschwert sein, wenn ein Ausländer auf ein Rechtsschutzverfahren vom Ausland aus verwiesen wird.900 Gegebenenfalls ist gemäß Art. 19 Abs. 4 GG ein vorbeugender901 oder ein vorläufiger Rechtsschutz erforderlich, um irreparable Schäden zu vermeiden.902 Ein nachträglicher Rechtsschutz ist u. U. kein effektiver. Im Rahmen 896  Schulze-Fielitz, Art. 19 IV, in: Dreier, GG, 3.  Aufl. 2013, Rn. 75; Huber, Art. 19, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG, 7. Aufl. 2018, Rn. 417; Krebs, Art. 19, in: Münch/Kunig, GG, 6. Aufl. 2012, Rn. 67; Sachs, Art. 19, in: Sachs, GG, 8. Aufl. 2018, Rn. 135; Kingreen/Poscher, Grundrechte (2017), 33. Aufl., Rn. 1165; vgl. BVerfGE 100, 313 (364), dazu, dass eine Verletzung allein möglich erscheinen muss. 897  Enders, Art. 19, in: BeckOK GG, 39. Aufl. 15.11.2018, Rn. 64; auf eine plausible und schlüssige Behauptung komme es an, Huber, Art. 19, in: Mangoldt/Klein/ Starck, GG, 7. Aufl. 2018, Rn. 417; so auch Kingreen/Poscher, Grundrechte (2017), 33. Aufl., Rn. 1165. 898  Schulze-Fielitz, Art. 19 IV, in: Dreier, GG, 3.  Aufl. 2013, Rn. 92; Huber, Art. 19, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG, 7. Aufl. 2018, Rn. 461; Sachs, Art. 19, in: Sachs, GG, 8. Aufl. 2018, Rn. 139; BVerfGE 40, 272 (274 f.); BVerfGE 60, 253 (269); BVerfGE 69, 381 (385); BVerfGE 77, 275 (284); BVerfGE 88, 118 (123 f.); BVerfGE 69, 1 (49); Krebs, Art. 19, in: Münch/Kunig, GG, 6. Aufl. 2012, Rn. 75, m. w. N. aus der Rspr. des BVerfG. 899  Schulze-Fielitz, Art. 19 IV, in: Dreier, GG, 3. Aufl. 2013, Rn. 87; BVerfGE 69, 1 (49); Krebs, Art. 19, in: Münch/Kunig, GG, 6. Aufl. 2012, Rn. 72; Huber, Art. 19, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG, 7. Aufl. 2018, Rn. 491 ff.; Sachs, Art. 19, in: Sachs, GG, 8. Aufl. 2018, Rn. 140, 143a. 900  Schulze-Fielitz, Art. 19 IV, in: Dreier, GG, 3. Aufl. 2013, Rn. 92. 901  Dazu Huber, Art. 19, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG, 7. Aufl. 2018, Rn. 467 f.; Sachs, Art. 19, in: Sachs, GG, 8. Aufl. 2018, Rn. 148; Schulze-Fielitz, Art. 19 IV, in: Dreier, GG, 3. Aufl. 2013, Rn. 107. 902  Zum einstweiligen Rechtsschutz: Schulze-Fielitz, Art. 19 IV, in: Dreier, GG, 3. Aufl. 2013, Rn. 113; Sachs, Art. 19, in: Sachs, GG, 8. Aufl. 2018, Rn. 148a; BVerfG, NVwZ 2009, 977, S. 978; BVerfGE 35, 263 (274); BVerfGE 35, 382 (401 f.); BVerfGE 46, 166 (179); BVerfGE 65, 1 (70); BVerfGE 79, 69 (74); BVerfGE 93, 1 (13); BVerfGE 94, 166 (194, 216); BVerfGE 126, 1 (27).



III. Effektiver gerichtlicher Rechtsschutz für politisch Verfolgte243

des einstweiligen Rechtsschutzes kann dabei die Vorwegnahme der Haupt­ sache erforderlich sein, wenn ohne diese irreversible Schäden für den Betroffenen entstehen würden.903 Wie bei der Verfahrensdimension der Grundrechte selbst904 hängt die territoriale Reichweite der Rechtsschutzgarantie an der territorialen Reichweite des subjektiv-öffentlichen Rechts. Erstreckt sich der Schutz eines Rechts auch auf den extraterritorialen Bereich, besteht kein Grund, nicht auch den zur Sicherung und Durchsetzung dieses Rechts bestehenden Art. 19 Abs. 4 GG extraterritorial zu gewährleisten.905 b) Anspruch auf eine mündliche Verhandlung Für diese Arbeit von besonderem Interesse ist die Frage, ob der Anspruch auf einen effektiven Rechtsschutz einen Anspruch auf eine mündliche Verhandlung beinhaltet. Eine mündliche Verhandlung würde gegebenenfalls eine physische Anwesenheit der rechtsschutzsuchenden Person vor einem deutschen Gericht erfordern, sodass eine Pflicht zur Beförderung oder zumindest zur Zulassung der Person in die Bundesrepublik anzunehmen sein könnte. Art. 19 Abs. 4 GG gewährt grundsätzlich keinen Anspruch auf eine mündliche Verhandlung.906 Dasselbe gilt für Art. 103 Abs. 1 GG. Dieser gewährleistet ein Recht darauf, sich in einem Rechtsstreit vor Gericht zu der Sache zu äußern.907 Ein schriftliches Verfahren genügt in der Regel.908 Eine Person 903  Kuhla, § 123, in: BeckOK VwGO, 46. Aufl. 1.7.2018, Rn. 156; BVerfG, NJW 2002, 3691, S. 3692; BVerwG, NJW 2000, 160, S. 161 f. Zur im einstweiligen Rechtsschutz erforderlichen Abwägung s. u. Teil F. III. 2. b) (1). 904  S. dazu oben Teil B. IV. 3. b). 905  Papier, § 177, in: HStR VIII, 3. Aufl. 2010, Rn. 24 f.; Wolfrum, DVBl. 1984, 493, S. 500; Mrozek, Grenzschutz als supranationale Aufgabe (2013), S. 121; Yousif, Die Extraterritoriale Geltung der Grundrechte (2007), S. 197; Beck, Auslandseinsätze deutscher Streitkräfte (2008), S. 287; Huber, Art. 19, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG, 7. Aufl. 2018, Rn. 388, wonach Art. 19 Abs. 4 GG Anwendung findet, soweit sich Maßnahmen der deutschen Hoheitsgewalt im Ausland auswirken; vgl. Krieger, Die gerichtliche Kontrolle von militärischen Operationen, in: Rechtsfragen der Terrorismusbekämpfung durch Streitkräfte, 2004, S. 236; vgl. Kloepfer, DVBl. 1984, 245, S. 248, wonach bei Klagen gebietsfremder Ausländer für Art. 19 Abs. 4 GG auf die subjektiv-öffentlichen Rechte abzustellen sei. Allgemein zur Abhängigkeit der Rechtsschutzgarantie von der von ihm zu schützenden Rechtsposition Enders, Art. 19, in: BeckOK GG, 39. Aufl. 15.11.2018, Rn. 51. 906  Schulze-Fielitz, Art. 19 IV, in: Dreier, GG, 3. Aufl. 2013, Rn. 115. 907  Ständige Rspr., BVerfGE 1, 418 (429); BVerfGE 19, 32 (36); BVerfGE 60, 175 (210); BVerfGE 89, 381 (391). 908  Remmert, Art.  103 Abs. 1, in: Maunz/Dürig, GG, 84. Aufl. August 2018, Rn. 65; BVerfG, NJW 2014, 2563, S. 2563; BVerfGE 60, 175 (210 f.); BVerfGE 36, 85 (87); BVerfGE 112, 185 (206).

244 F. Verfahrensrechtliche Dimension des extraterritorialen Asylgrundrechts

könnte demnach grundsätzlich auf die Führung eines (schriftlichen) Gerichtsverfahrens vom Ausland aus verwiesen werden. Allerdings kann eine mündliche Verhandlung ausnahmsweise dann erforderlich sein, wenn nur so eine ‚richtige‘ Entscheidung gewährleistet werden kann. Dies wird u. a. für Asylverfahren angenommen.909 Zu berücksichtigen ist u. a., dass ein „Asylbewerber in aller Regel auf schwer überwindliche oder unzumutbare Schwierigkeiten treffen wird, sein Rechtsschutzbegehren von seinem Heimatstaat aus vor deutschen Gerichten zu verfolgen.“910 Demzufolge wäre einem asylbegehrenden, gebietsfremden Ausländer gegebenenfalls Zugang zum Bundesgebiet zu gestatten, um ein verfassungsgemäßes Rechtsschutzverfahren zu ermöglichen. Zu Berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang auch der im Verwaltungsrechtsweg geltende Amtsermittlungsgrundsatz. Dieser ist in § 86 VwGO geregelt, ist allerdings auch verfassungsrechtlich in Art. 19 Abs. 4 und Art. 20 Abs. 3 GG fundiert.911 Hinsichtlich der Wahl des Beweismittels hat das Gericht ein weites Ermessen.912 Bei der Ausübung dieses Ermessens sind jedoch die betroffenen Grundrechte, in diesem Fall Art. 16a Abs. 1 GG, zu berücksichtigen.913 c) Bedeutung der grundrechtlichen Rechtsschutzgarantie für gebietsfremde politisch Verfolgte Die für die Darstellung der Auswirkungen der extraterritorialen Asylrechtsgeltung relevanten Ergebnisse sind wie folgt zusammenzufassen. (1) Eröffnung der Rechtsweggarantie Eine gebietsfremde politisch verfolgte Person, die sich einer ihre Flucht beeinträchtigenden Maßnahme der Bundesrepublik ausgesetzt sieht, hat grundsätzlich einen Anspruch auf Zugang zu einem deutschen Gericht. Greift die Bundesrepublik in die Flucht einer politisch verfolgten Person ein – gerechtfertigt oder nicht –, so muss sie diesen Zugang zu den Gerichten eröff909  Remmert, Art.  103 Abs. 1, in: Maunz/Dürig, GG, 84. Aufl. August 2018, Rn. 66; vgl. Frowein/Zimmermann, JZ 1996, 753, S. 762 f., zum Erfordernis einer mündlichen Verhandlung; vgl. BVerfGE 67, 43 (62) unter Bezugnahme auf Art. 19 Abs. 4 GG, wonach je nach Sachlage eine persönliche Anhörung zu gewähren sei. 910  BVerfGE 67, 43 (60 f.). 911  Breunig, § 86, in: BeckOK VwGO, 46. Aufl. 1.7.2018, Rn. 8. 912  Breunig, § 86, in: BeckOK VwGO, 46. Aufl. 1.7.2018, Rn. 21. 913  Lübbe-Wolff, Art. 16a, in: Dreier, GG, 1996. Rn. 59; Masing, Art. 16a, in: Dreier, GG, 2. Aufl. 2004, Rn. 102; vgl. Arnauld, Art. 16a, in: Münch/Kunig, GG, 6. Aufl. 2012, S. 28.



III. Effektiver gerichtlicher Rechtsschutz für politisch Verfolgte245

nen. Lehnt eine deutsche Auslandsvertretung z. B. die Gewährung eines Asylvisums ab oder wird eine schutzsuchende Person am Hafen ihres Herkunftsstaates von Bord geschickt,914 so ist der Rechtsweg zu eröffnen. Subjektiv-öffentliches Recht ist das Recht auf eine ungestörte Flucht in die Bundesrepublik gemäß Art. 16a GG. Für die Rechtsweggarantie selbst ist es dabei unerheblich, ob die Person tatsächlich gemäß Art. 16a Abs. 1 GG politisch verfolgt ist oder nicht. Es genügt die schlüssige und substantiierte Behauptung dessen.915 Dabei wäre dem Kläger gegebenenfalls eine persönliche Anhörung vor Gericht zu gewähren, wenn anders eine ‚richtige‘ Entscheidung nicht gewährleistet werden kann. Dafür müsste ihm gegebenenfalls Zugang zur Bundesrepublik gewährt werden. Damit würde sich das Verfahren allerdings automatisch erledigen. Das Asylrecht extraterritorial beschränkende Maßnahmen werden i. d. R. einreiseverhindernde Maßnahmen sein. Mit dem Einlass der Person in die Bundesrepublik erfolgte jedoch die Einreise. Von da an könnte in das Asylrecht nur noch mittels Abschiebung (d. h. Aufenthaltsbeendigung) eingegriffen werden. Dem Gericht bliebe damit grundsätzlich keine andere Wahl, als eine dem mit dem Antrag verfolgten Zweck entsprechende Anordnung zu erlassen.916 (2) Gewährleistung eines einstweiligen Rechtsschutzes Es ist grundsätzlich auch ein vorläufiger Rechtsschutz zu ermöglichen. Gelangt eine tatsächlich politisch verfolgte Person erstmal zurück in die Hände ihres Verfolgers, kann ein Verfahren vor einem deutschen Gericht möglicherweise nicht mehr helfen.917 So drohen der betroffenen Person im Verfolgerstaat gegebenenfalls Inhaftierung und/oder im schlimmsten Falle Folter oder der Tod. Selbst das erfolgreiche Beschreiten des Rechtswegs vom 914  Zur

Eingriffsqualität dieser Maßnahmen s. o. Teil E. Teil F. III. 1. a). 916  Zur Tenorierung einer Entscheidung im einstweiligen Rechtsschutz s. z.  B. Kuhla, § 123, in: BeckOK VwGO, 46. Aufl. 1.7.2018, Rn. 139 ff. 917  Tomuschat, EuGRZ 1996, 381, S. 385, demzufolge bei Vorliegen einer politischen Verfolgung eine abermalige Flucht aus dem Heimatland in der Regel nicht gelingen werde; Gärditz, Art. 16a, in: Maunz/Dürig, GG, 84. Aufl. August 2018, Rn. 463, demzufolge dem Verfolgten im Falle der erfolgreichen Klage in der Hauptsache die „Wiedereinreise […] praktisch versperrt“ sei; so auch Renner, ZAR 1996, 103, S. 108, im Hinblick auf eine erfolgreiche Verfassungsbeschwerde; Franke, Politisches Delikt und Asylrecht (1979), S. 75, spricht bei einer Abschiebung in den Verfolgerstaat gar von einer Vernichtung des Asylrechts und einem Antasten dessen Wesensgehalts i. S. d. Art. 19 Abs. 2 GG. Die irreversiblen Folgen der Abschiebung einer tatsächlich verfolgten Person in ihren Verfolgerstaat werden bereits angesprochen von Dippel, The Human Rights of Migrants: Maritime Interception in the Mediterranean (2015), S. 28. 915  S. o.

246 F. Verfahrensrechtliche Dimension des extraterritorialen Asylgrundrechts

Ausland aus – angenommen dies wäre tatsächlich überhaupt noch möglich918 – würde ihr zum Schutz ihrer Flucht dann nicht mehr nützen.919 d) Ergebnis Kann eine gebietsfremde Person schlüssig behaupten, durch eine Maßnahme der Bundesrepublik in ihrem extraterritorial geltenden Asylrecht verletzt zu sein, ist ihr Zugang zu den deutschen Gerichten zu gewährleisten. Ein die Richtigkeit der Entscheidung gewährleistendes Gerichtsverfahren kann dann unter Umständen die Gewährung von Zugang zum Bundesgebiet erfordern. Zudem ist ihr die Möglichkeit einstweiligen Rechtsschutzes zu gewährleisten. 2. Besonderheiten hinsichtlich des einstweiligen Rechtsschutzes gemäß Art. 16a GG Nach Art. 19 Abs. 4 GG ist einer politisch verfolgten Person grundsätzlich die Möglichkeit zu gewähren, extraterritorial Rechtsschutz gegen sie in ihrer Flucht behindernde Maßnahmen zu erreichen. Nun enthält Art. 16a GG allerdings besondere Regelungen zum einstweiligen gerichtlichen Rechtsschutz in Abs. 2 S. 3 und Abs. 4. So regelt Art. 16a Abs. 2 S. 3 GG, dass in Fällen der Einreise aus einem sicheren Drittstaat aufenthaltsbeendende Maßnahmen unabhängig von einem hiergegen eingelegten Rechtsbehelf vollzogen werden können. Laut Abs. 4 S. 1 wird die Vollziehung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen in Fällen, in denen eine Person aus einem sicheren Herkunftsstaat kommt und in anderen Fällen, die offensichtlich unbegründet sind oder als offensichtlich unbegründet gelten, durch das Gericht nur ausgesetzt, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtsmäßigkeit der Maßnahme bestehen. Der Prüfungsumfang kann eingeschränkt werden und verspätetes Vorbringen kann unberücksichtigt bleiben. Näheres regelt gemäß Abs. 4 S. 2 ein Bundesgesetz. Die besonderen Regelungen hinsichtlich des Rechtsschutzes in Art. 16a Abs. 2 und 4 GG gehen Art. 19 Abs. 4 GG als jüngere und speziellere Regelungen vor.920 Gegenstand der folgenden Prüfung sind die Auswirkungen dieser Regelungen auf den extraterritorialen Rechtsschutz.

918  Unabhängig davon, dass gerade im Falle des Todes, ein Rechtsschutzverfahren – jedenfalls nicht mehr vom Betroffenen – durchgeführt werden kann. 919  Tomuschat, EuGRZ 1996, 381, S. 385 (s. auch nochmals Fn. 917). 920  Rothkegel, Änderungen der Verfassung, in: Barwig u. a., Asyl nach der Änderung des Grundgesetzes, 1994, S. 202.



III. Effektiver gerichtlicher Rechtsschutz für politisch Verfolgte247

a) Art. 16a Abs. 2 S. 3 GG Gemäß Art. 16a Abs. 2 S. 3 GG können in Fällen des Art. 16a Abs. 2 S. 1 GG aufenthaltsbeendende Maßnahmen unabhängig von einem dagegen eingelegten Rechtsbehelf vollzogen werden. Damit bezieht sich Art. 16a Abs. 2 S. 3 GG aus nachfolgenden Gründen ausschließlich auf den einstweiligen Rechtsschutz und nicht auf das Verfahren in der Hauptsache. Soll ein Ausländer, der aus einem sicheren Drittstaat eingereist ist, in einen sicheren Drittstaat abgeschoben werden, ergeht eine Abschiebungsanordnung gemäß § 34a Abs. 1 S. 1 AsylG. Dabei handelt es sich um einen Verwaltungsakt, der mit der Anfechtungsklage angegriffen werden kann.921 Grundsätzlich haben Anfechtungsklagen gemäß § 80 Abs. 1 S. 1. VwGO aufschiebende Wirkung. Die Abschiebungsanordnung dürfte dann grundsätzlich nicht vollzogen werden. Die aufschiebende Wirkung entfällt jedoch in Fällen von Abschiebungen gemäß § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 VwGO i. V. m. § 75 AsylG. Grundsätzlich bestünde dann die Möglichkeit, gemäß § 80 Abs. 5 S. 1 Alt. 1 VwGO eine gerichtliche Anordnung der aufschiebenden Wirkung zu beantragen. Nun regelt Art. 16a Abs. 2 S. 3 GG jedoch, dass Abschiebungen unabhängig von gegen sie eingelegten Rechtsbehelfen vollzogen werden können. Zwar ist laut § 34a Abs. 2 S. 2 AsylG eine Abschiebung vor der gerichtlichen Entscheidung explizit nicht zulässig. Trotzdem wird die (potentielle) Anwendbarkeit des Art. 16a Abs. 2 S. 3 GG auf gebietsfremde Ausländer geprüft. (1) Voraussetzungen und Reichweite der Rechtsschutzbeschränkung – rein deklaratorische Bedeutung des Art. 16a Abs. 2 S. 3 GG Zu ermitteln ist, wie sich Art. 16a Abs. 2 S. 3 GG auf die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG auswirkt. Teilweise wird vertreten, dass in Fällen des Art. 16a Abs. 2 S. 1 GG nur der einstweilige Rechtsschutz ausgeschlossen werde und es der betroffenen Person mithin unbenommen bleibe, den Rechtsschutz vom Ausland aus weiterzuverfolgen.922 Im Folgenden wird demgegenüber dargelegt, dass in den Fällen, in denen Art. 16a Abs. 2 S. 3 921  Becker, Art.  16a, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG, 7. Aufl. 2018, Rn. 181; Pietzsch, § 34a AsylG, in: Beck-OK AuslR, 20. Aufl. 01.11.2018, Rn. 30. Ein Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO sei nur ausnahmsweise möglich, wenn ersichtlich nicht sichergestellt ist, dass die Anordnung so frühzeitig bekanntgegeben wird, dass ein effektiver vorläufiger Rechtsschutz noch möglich sein wird, Rn. 33. 922  So ausdrücklich in der Begründung zur Grundgesetzänderung, BT-Drs. 12/4152, S. 4. S. z. B. auch Bergmann, Art. 16a GG, in: AuslR, 12. Aufl. 2018, Rn. 112; Antoni, Art. 16a, in: Hömig/Wolff, GG, 12. Aufl. 2018, Rn. 11; Gnatzy, Art. 16a, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein/Henneke, GG, 14. Aufl. 2018, Rn. 13; Bonk, Art. 16a, in: Sachs, GG, 1996, Rn. 63.

248 F. Verfahrensrechtliche Dimension des extraterritorialen Asylgrundrechts

GG überhaupt nur anwendbar ist bzw. zu seiner rechtsschutzausschließenden Wirkung gelangt, die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG insgesamt von vornherein nicht eröffnet wäre.923 Art. 16a Abs. 2 S. 3 GG hat damit rein deklaratorische Bedeutung.924 Ein Ergebnis, wonach der einstweilige Rechtsschutz, aber nicht das Hauptsacheverfahren ausgeschlossen ist, kann vor diesem Hintergrund keinen Bestand haben. Zur Erklärung dieser Ansicht soll zunächst die Rechtslage nach Art. 19 Abs. 4 GG nachgezeichnet werden. Für die Eröffnung der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG genügt – wie bereits dargelegt – der schlüssige Vortrag der Verletzung eines subjektiv-öffentlichen Rechts.925 Das subjektiv-öffentliche Recht ist in Art. 16a Abs. 1 GG geregelt. Art. 16a Abs. 2 S. 1 GG regelt den Untergang dieses Rechts.926 Für den schlüssigen Vortrag einer Verletzung des Asylgrundrechts ist folglich entscheidend, dass darin nicht nur die Berechtigung nach Art. 16a Abs. 1 GG schlüssig vorgetragen, sondern auch die Einschlägigkeit der sicheren Drittstaatenregelung schlüssig bestritten wird. Für eine Anwendbarkeit der sicheren Drittstaatenregelung kommt es darauf an, ob eine Person das Staatsgebiet eines sicheren Drittstaates betreten hat und ob ihr die Möglichkeit der Stellung eines Schutzantrags gegeben war. Nicht einschlägig ist die sichere Drittstaatenregelung z. B. dann, wenn sich die betroffene Person noch gänzlich außerhalb des Staatsgebiets sowohl der Bundesrepublik als auch der als sicher bestimmten Drittstaaten befindet.927 Für den schlüssigen Vortrag der Verletzung des subjektiv-öffentlichen Rechts auf Einreise in die und Aufenthalt in der Bundesrepublik kommt es folglich darauf an, dass dem Vortrag des Betroffenen entnommen werden kann, dass die Drittstaatenregelung des Art. 16a Abs. 2 S. 1 GG nicht ein923  Dazu schon Schoch, DVBl. 1993, 1161, S. 1165; vgl. Masing, Art. 16a, in: Dreier, GG, 2. Aufl. 2004, Rn. 90, demzufolge „die Reichweite des Ausschlusses des vorläufigen Rechtsschutzes […] der Reichweite der Ausschlußwirkung des Art. 16a II 1 GG [folge]“; vgl. Lübbe-Wolff, Art. 16a, in: Dreier, GG, 1996, Rn. 82, derzufolge der verfassungsrechtliche Anspruch auf vorläufigen Rechtsschutz schon gem. Art. 16a Abs. 2 S. 1 GG ausgeschlossen sei und der Sinn des S. 3 deswegen in dem Ausschluss des vorläufigen Rechtsschutzes auch gegenüber anderen der Aufenthaltsbeendigung entgegenstehenden Rechten zu sehen sei. Laut BVerfG sind diese Rechte aber auch schon durch Abs. 2 S. 1 ausgeschlossen (s. dazu unten Teil G. II. 3. a) (2) (b) (aa)), was dies. selbst erkennt (Rn. 82 i. V. m. 73). 924  Arnauld, Art. 16a, in: Münch/Kunig, GG, 6. Aufl. 2012, Rn. 44, nennt S. 3 die „prozessuale Spiegelung der materiellrechtlichen Regelung in S. 1“ [im Original hervorgehoben]. So in der Sache auch Papier, Sten. Prot., S. 268 f. Vgl. Hailbronner, Sten. Prot., S. 290. 925  S. o. Teil F. III. 1. a). 926  S. o. Teil D. II. 927  Zu den räumlichen Tatbestandsvoraussetzungen der sicheren Drittstaatenregelung s. o. Teil D. II. 2.



III. Effektiver gerichtlicher Rechtsschutz für politisch Verfolgte249

schlägig ist. Wird die Einreise aus einem sicheren Drittstaat nicht schlüssig bestritten,928 kann kein schlüssiger Vortrag der Möglichkeit einer Rechtsverletzung vorliegen. Die Voraussetzungen der Rechtsschutzgarantie wären damit nicht gegeben.929 Art. 16a Abs. 2 S. 3 GG bezieht sich nun ausdrücklich auf Fälle des Satzes 1. Es wird verbreitet angenommen, dass Art. 16a Abs. 2 S. 3 GG dann keine Anwendung finden könne, wenn überhaupt streitig ist, ob eine Einreise aus einem sicheren Drittstaat stattgefunden hat.930 Auch für Art. 16a Abs. 2 S. 3 GG ist damit entscheidend, ob die Anwendbarkeit der sicheren Drittstaatenregelung schlüssig bestritten werden kann. Die Voraussetzungen für einen Ausschluss des einstweiligen Rechtsschutzes nach Art. 16a Abs. 2 S. 3 GG sind damit dieselben wie für die Ablehnung der Rechtsschutzgarantie nach Art. 19 Abs. 4 GG insgesamt.931 Art. 16a Abs. 2 S. 3 GG zeichnet damit nur (nunmehr deklaratorisch) die Lage für einen Teil der Rechtsschutzgarantie 928  Zu den Voraussetzungen dafür sogleich im folgenden Absatz („ernstlich zweifelhaft“). 929  Laut Papier, Sten. Prot., S. 269  f., werde die Rechtsschutzgewähr „gegenstandslos“ soweit die „Reduktion des materiellen Asylgrundrechts“ reiche. 930  BVerfGE 94, 49 (101 f.). Dies komme allerdings nur dann in Betracht, wenn das Vorbringen die Einreise aus einem sicheren Drittstaat „ernstlich zweifelhaft“ erscheinen lässt. Aus der Literatur s. nur Henkel, NJW 1993, 2705, S. 2708; Arnauld, Art. 16a, in: Münch/Kunig, GG, 6. Aufl. 2012, Rn. 44; Schnapp, Art. 16a, in: Münch/ Kunig, GG, 5. Aufl. 2000, Rn. 20; Becker, Art. 16a, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG, 7. Aufl. 2018, Rn. 184; Hailbronner, Art. 16a GG, in: AuslR, Januar 2018, Rn. 360; Möller, Art. 16a GG, in: AuslR, 2. Aufl. 2016, Rn. 26; Wollenschläger/Schraml, JZ 1994, 61, S. 66; Hailbronner, § 123, in: HGR V, 2013, Rn. 248; Meierhofer, Die asylrechtliche Drittstaatenregelung (1998), S. 257 f. A. A. Bergmann, Art. 16a GG, in: AuslR, 12. Aufl. 2018, Rn. 113, demzufolge die Berufung darauf, dass keine Einreise aus dem betreffenden Staat stattgefunden habe, versagt bleibe. Eilrechtsschutz ist zudem weiterhin möglich, wenn die Drittstaatenregelung nicht anwendbar ist, weil eine vom BVerfG entwickelte Fallgruppe einschlägig ist BVerfGE 94, 49 (102); Göbel-Zimmermann, Asyl- und Flüchtlingsrecht (1999), S. 98. Fraglich ist, wie die Äußerungen des BVerfG zu verstehen sind, wonach Art. 16a Abs. 2 S. 3 GG nicht gelte, wenn die Person nicht in einen sicheren Drittstaat, sondern in den Herkunftsstaat abgeschoben werden soll, BVerfGE 94, 49 (101). Dies folge aus Wortlaut und Sinnzusammenhang der Norm. Dies würde bedeuten, dass Art. 16a Abs. 2 S. 1 GG (laut BVerfG) nicht zu einem Ausschluss des Asylrechts gegenüber einer Abschiebung in den Herkunftsstaat führt. Seine Äußerungen auf S. 97, wonach bei einer Abschiebung in den Herkunftsstaat die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG a. F. und nicht etwa die des Art. 16a Abs. 1 GG zu prüfen seien, sprechen allerdings gerade gegen ein solches Verständnis, so z. B. Lübbe-Wolff, DVBl. 1996, 825, S. 826. Dabei handelt es sich jedoch nicht um eine Frage der Reichweite des an dieser Stelle allein interessierenden Art. 16a Abs. 2 S. 3 GG, sondern um eine Frage der Reichweite der Rechtsfolge des Art. 16a Abs. 2 S. 1 GG, eine Frage also, die im Rahmen dieser Arbeit nicht behandelt werden soll. S. dazu bereits oben Teil D. II. 931  So schon Schoch, DVBl. 1993, 1161, S. 1165, 1167 f.

250 F. Verfahrensrechtliche Dimension des extraterritorialen Asylgrundrechts

des Art. 19 Abs. 4 GG nach.932 Der Anspruch auf einstweiligen Rechtsschutz ist nach Art. 16a Abs. 2 S. 3 GG nur in Fällen ausgeschlossen, in denen der gesamte Anspruch auf Gewährung gerichtlichen Rechtsschutzes – d. h. sowohl einstweilig als auch in der Hauptsache – sowieso schon ausgeschlossen wäre.933 Rechtsschutz kann gegen aufenthaltsbeendende Maßnahmen demnach nur dann in Anspruch genommen werden, wenn die Anwendbarkeit der Drittstaatenregelung schlüssig bestritten werden kann. Dies gilt bezüglich einstweiligen Rechtsschutzes und Rechtsschutzes in der Hauptsache (ggf. vom Ausland aus) gleichermaßen. Wird die Anwendung der Drittstaatenregelung hingegen nicht schlüssig bestritten, ist weder einstweiliger Rechtsschutz noch Rechtsschutz im Hauptsacheverfahren zu gewährleisten. Eine für die Anfechtungsklage gegen die Abschiebungsanordnung gemäß § 42 Abs. 2 GG erforderliche Klagebefugnis könnte nicht auf eine mögliche Verletzung von Art. 16a Abs. 1 GG gestützt werden.934 Die Klagebefugnis erforderte die substantiierte Darlegung der Möglichkeit einer Rechtsverletzung.935 Kann die Anwendbarkeit der sicheren Drittstaatenregelung nicht schlüssig bestritten werden, kann die Möglichkeit einer Rechtsverletzung hinsichtlich Art. 16a Abs. 1 GG nicht substantiiert dargelegt werden. Die Klage wäre insoweit – vorbehaltlich der Möglichkeit der Verletzung anderer subjektiver Rechte – als unzulässig abzuweisen. Da auch ein Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz analog § 42 Abs. 2 VwGO die Möglichkeit einer Rechtsverletzung erfordert,936 wäre dieser aus demselben Grund als unzulässig abzulehnen. (2) Anwendbarkeit auf einreiseverhindernde Maßnahmen Zum Teil wird angenommen, Art. 16a Abs. 2 S. 3 GG sei auch auf einreiseverhindernde Maßnahmen anwendbar.937 Einreiseverhindernde Maßnahmen sind Maßnahmen, die gebietsfremden Personen – also dem in dieser 932  Vgl. Hailbronner, § 123, in: HGR V, 2013, Rn. 254, demzufolge der Richter wegen seiner Bindung an das Gesetz sowieso von der Sicherheit im Drittstaat auszugehen habe. 933  Hailbronner, § 123, in: HGR V, 2013, Rn. 252, demzufolge das Gebot effektiven Rechtsschutzes entfalle, soweit eine Person vom Asylrecht ausgeschlossen sei; so in der Sache auch Papier, Sten. Prot., S. 269 f. 934  Tomuschat, EuGRZ 1996, 381, S. 383. 935  Detterbeck, Allgemeines Verwaltungsrecht (2018), 16. Aufl., Rn. 1351. 936  Detterbeck, Allgemeines Verwaltungsrecht (2018), 16. Aufl., Rn. 1500. 937  BVerfGE 94, 49 (101); Maaßen, Art.  16a, in: BeckOK GG, 39.  Aufl. 15.11.2018, Rn. 79; Zimmermann/Tams, Art. 16a, in: Berliner Kommentar, 2018 (Stand: 19. EL 2007), Rn. 169; Arnauld, Art. 16a, in: Münch/Kunig, GG, 6. Aufl.



III. Effektiver gerichtlicher Rechtsschutz für politisch Verfolgte251

Arbeit interessierenden Personenkreis – gegenüber ergriffen werden. Wie an anderer Stelle bereits dargelegt ist Art. 16a Abs. 2 GG schon auf Personen anwendbar, die sich noch außerhalb des Bundesgebiets befinden.938 Das Asylrecht kann mithin auch schon für diese Personen untergegangen sein. Für einreiseverhindernde Maßnahmen kann hinsichtlich des Rechtsschutzausschlusses nichts anderes gelten als für aufenthaltsbeendende. Wird das Vorliegen eines Falls des Art. 16a Abs. 2 S. 1 GG schlüssig bestritten, ist S. 3 gar nicht anwendbar. Sowohl einstweiliger Rechtsschutz als auch Haupt­ sacherechtsschutz sind zu gewähren, unabhängig davon ob die das Asylrecht beeinträchtigende Maßnahme sich als aufenthaltsbeendend oder einreise­ verhindernd darstellt. Wird das Vorliegen eines Falls des Art. 16a Abs. 2 S. 1 GG hingegen nicht schlüssig bestritten, ist von einem Untergang des Asylrechts auszugehen, sodass die Rechtsschutzgarantie nicht eröffnet ist.939 Eine Einreiseverweigerung gemäß § 18 Abs. 2 Nr. 1 AsylG aufgrund einer Einreise aus einem sicheren Drittstaat stellt einen Verwaltungsakt dar.940 Da mit der Einreiseverweigerung in eine bestehende Rechtsposition eingegriffen würde – gemäß Art. 16a Abs. 1 GG besteht ein (schon extraterritorial geltendes) Recht auf Einreise in die Bundesrepublik941 –, handelt es sich um einen belastenden Verwaltungsakt.942 Statthaft ist damit ebenfalls die Anfechtungsklage bzw. ein Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO.943 Für die Klagebefugnis gemäß bzw. analog § 42 Abs. 2 VwGO kommt es dann auf das schlüssige Bestreiten der Anwendbarkeit der sicheren Drittstaatenregelung an.

2012, Rn. 44; Hailbronner, Art. 16a GG, in: AuslR, Januar 2018, Rn. 359; Bonk, Art. 16a, in: Sachs, GG, 1996, Rn. 64. 938  S. o. Teil D. II. 2. 939  So auch Lübbe-Wolff, Art. 16a, in: Dreier, GG, 1996, Rn. 85, die allerdings anders als das BVerfG davon ausgeht, dass sich Art. 16a Abs. 2 S. 1 GG nicht auf andere Rechte als Art. 16a Abs. 1 GG erstreckt und den Sinn des Abs. 2 S. 3 darin sieht, dass er den einstweiligen Rechtsschutz im Hinblick auf die Berufung auf diese Rechte ausschließt. 940  Winkelmann, § 18 AsylG, in: AuslR, 12. Aufl. 2018, Rn. 35. 941  S. o. Teil D. I. 942  A. A. Winkelmann, § 18 AsylG, in: AuslR, 12. Aufl. 2018, Rn. 36, welcher von der territorialen Beschränkung des Asylgrundrechts ausgeht. 943  So auch Fritz, § 9 AsylVfG, in: AsylVfG, 1983, Rn. 11, hinsichtlich einer Zurückweisung an der Grenze. A. A. Winkelmann, § 18 AsylG, in: AuslR, 12. Aufl. 2018, der die Verpflichtungsklage für statthaft befindet, Rn. 41, der allerdings – entgegen der in dieser Arbeit vertretenen Position – von einer territorialen Beschränkung des Asylgrundrechts ausgeht und deshalb die Einreisegewährung als begünstigenden Verwaltungsakt ansieht, Rn. 36. Auch Marx, AsylG (2017), 9. Aufl., § 18, Rn. 38, erklärt die Verpflichtungsklage als statthaft.

252 F. Verfahrensrechtliche Dimension des extraterritorialen Asylgrundrechts

(3) Zwischenergebnis Art. 16a Abs. 2 S. 3 GG, der den Vollzug aufenthaltsbeendender Maßnahmen unabhängig von einem dagegen eingelegten Rechtsbehelf erlaubt, hat keinen eigenen Anwendungsbereich. Er ist von rein deklaratorischer Natur. Ist ein Fall des Art. 16a Abs. 2 S. 1 GG gegeben, ist das Recht aus Art. 16a Abs. 1 GG untergegangen. Wird gegen eine Abschiebungsanordnung Anfechtungsklage erhoben und ein Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt, so ist nicht nur entscheidend, dass das Vorliegen von politischer Verfolgung schlüssig dargelegt werden kann. Vielmehr muss auch die Anwendbarkeit der sicheren Drittstaatenregelung schlüssig bestritten werden können. Nur dann kann der für die Eröffnung der Rechtsschutzgarantie notwendige hinreichend substantiierte Vortrag einer subjektiven Rechtsverletzung – jedenfalls im Hinblick auf Art. 16a GG – gelingen.944 Dies gilt sowohl für aufenthaltsbeendende als auch für einreiseverhindernde Maßnahmen gleichermaßen. Sowohl eine Anfechtungsklage als auch ein Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO würden mangels Klage- bzw. Antragsbefugnis gemäß bzw. analog § 42 Abs. 2 VwGO abgewiesen bzw. abgelehnt. b) Art. 16a Abs. 4 GG In Art. 16a Abs. 4 GG findet sich eine Beschränkung der Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 GG.945 Auch hier soll zunächst der Regelungsinhalt kurz erläutert werden, um dann zu prüfen, ob dieser auch auf die Rechtsschutzgarantie für gebietsfremden Personen anwendbar ist. (1) Regelungsinhalt Gemäß Art. 16a Abs. 4 GG wird in Fällen des Abs. 3946 und in anderen Fällen, die offensichtlich unbegründet sind oder als offensichtlich unbegründet gelten, die Vollziehung von Abschiebungen nur ausgesetzt, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Maßnahme bestehen.947 Zudem kann 944  Zum Erfordernis eines hinreichend substantiierten Vortrags für die Rechtsschutzgarantie s. o. Teil F. III. 1. a). 945  Gärditz, Art. 16a, in: Maunz/Dürig, GG, 84. Aufl. August 2018, Rn. 470 („Einschränkung des Art. 19 Abs. 4 GG“); Schmidt-Aßmann, Art. 19 Abs. 4, in: Maunz/ Dürig, GG, 84. Aufl. August 2018, Rn. 273a („die überkommenen Maßstäbe des Art. 19 Abs. 4 modifizierendes Prüfungskonzept vorläufigen Rechtsschutzes“). 946  Dazu schon oben Teil F. II. 2. b). 947  Ernstliche Zweifel sollen laut Bundesverfassungsgericht vorliegen, „wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, daß die Maßnahme einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält“, BVerfGE 94, 166 (194).



III. Effektiver gerichtlicher Rechtsschutz für politisch Verfolgte253

gemäß Hs. 2 der Prüfungsumfang eingeschränkt werden und verspätetes Vorbringen unberücksichtigt bleiben. Der einstweilige Rechtsschutz wird damit nicht wie in Abs. 2 S. 3 gänzlich ausgeschlossen, sondern lediglich beschränkt. Dabei handelt es sich um eine Einschränkung des gemäß Art. 19 Abs. 4 GG geschuldeten Maßstabs für die Prüfung im einstweiligen Rechtsschutz.948 Laut Bundesverfassungsgericht bedürfe die sofortige Vollziehung eines Verwaltungsaktes eines „besonders öffentliche[n] Interesse[s]“.949 Aus dem „Zweck der Rechtsschutzgarantie und dem Verfassungsgrundsatz der Verhältnismäßigkeit“ ergebe sich, dass der Rechtsschutzanspruch des Bürgers „umso stärker“ sei und „umso weniger zurückstehen“ dürfe, „je schwerwiegender die ihm auferlegte Belastung“ sei „und je mehr die Maßnahmen der Verwaltung Unabänderliches bewirken.“950 Vor der Asylrechtsreform aus dem Jahre 1993 entschied das Bundesverfassungsgericht, dass im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes gegen eine wegen offensichtlicher Unbegründetheit sofort vollziehbare Abschiebungsandrohung strenge Anforderungen an die gerichtliche Prüfung der Offensichtlichkeit zu stellen seien. Das Gericht müsse die Frage der Offensichtlichkeit „erschöpfend, wenngleich mit Verbindlichkeit allein für das Eilverfahren“ klären und über eine „lediglich summarische Prüfung“ hinausgehen.951 Diese Anforderungen gestalte Art. 16a Abs. 4 S. 1 GG laut Bundesverfassungsgericht um.952 Ernstliche Zweifel i. S. d. Art. 16a Abs. 4 GG seien „eigenständig“ zu bestimmen und lägen nur dann vor, „wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, daß die Maßnahme einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält.“953 (2) Anwendbarkeit auf einreiseverhindernde Maßnahmen Es stellt sich die Frage, ob diese Einschränkungen des einstweiligen Rechtsschutzes auch für gebietsfremde Personen gelten. Fraglich ist damit, ob sie auch gegenüber einreiseverhindernden Maßnahmen gelten. (a) Der eindeutige Wortlaut des Art. 16a Abs. 4 GG Vom Wortlaut her ist Abs. 4 ausdrücklich auf Situationen zugeschnitten, in denen sich die betroffenen Personen bereits innerhalb der Bundesrepublik 948  Vgl.

schon die Nachweise in Fn. 945. 35, 382 (402). 950  BVerfGE 35, 382 (402). 951  BVerfGE 67, 43 (61 f.). 952  BVerfGE 94, 166 (194). 953  BVerfGE 94, 166 (194). Sie sind demzufolge nicht wie in § 80 Abs. 4 S. 3 VwGO zu verstehen, Göbel-Zimmermann/Masuch, InfAuslR 1996, 404, S. 414. 949  BVerfGE

254 F. Verfahrensrechtliche Dimension des extraterritorialen Asylgrundrechts

befinden. Eine aufenthaltsbeendende Maßnahme setzt einen bereits bestehenden Aufenthalt und damit eine bereits erfolgte Einreise voraus. Ein noch nicht bestehender Aufenthalt kann nicht beendet werden. Vom Wortlaut her ist die Regelung damit nicht auf einreiseverhindernde Maßnahmen und dementsprechend nicht auf gebietsfremde Personen anwendbar.954 Fraglich ist, ob sich mittels der übrigen Auslegungsmethoden ein anderes Ergebnis ermitteln lässt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass für die Auslegung von Verfassungsnormen der Wortlaut insbesondere wegen des Gebots der Normenklarheit gemäß Art. 79 Abs. 1 S. 1 GG von maßgeblicher Bedeutung ist.955 Die Einschränkung dieser Bedeutung wegen der regelmäßigen Vagheit der Grundrechtsbestimmungen956 kann in diesem Fall jedenfalls nicht greifen, da es sich um eine eindeutige Formulierung handelt. An die Begründung der Auslegung der Norm gegen ihren eindeutigen Wortlaut bzw. einer Analogie sind hohe Anforderungen zu stellen. In der Literatur wird verbreitet vertreten, dass Art. 16a Abs. 4 GG auch auf einreiseverhindernde Maßnahmen anwendbar sei.957 Fraglich ist, wie eine solche Anwendbarkeit begründet werden kann. (b) G  enetisch-teleologische Auslegung – Verfahrensbeschleunigung ­insbesondere im Flughafenverfahren Es wird unter anderem argumentiert, dass Art. 16a Abs. 4 GG auch auf einreiseverhindernde Maßnahmen anzuwenden sei, weil sonst der Zweck der Regelung – die Verfahrensbeschleunigung – nicht zu erreichen sei. Insbesondere das Flughafenverfahren sei mit Abs. 4 bezweckt gewesen.958 954  Lübbe-Wolff, Art. 16a, in: Dreier, GG, 1996, Rn. 95; Arnauld, Art. 16a, in: Münch/Kunig, GG, 6. Aufl. 2012, Rn. 52; Becker, Art. 16a, in: Mangoldt/Klein/ Starck, GG, 7. Aufl. 2018, Rn. 216. 955  Cremer, Freiheitsgrundrechte (2003), S. 59. 956  Cremer, Freiheitsgrundrechte (2003), S. 59. 957  S. nur Gärditz, Art. 16a, in: Maunz/Dürig, GG, 84. Aufl. August 2018, Rn. 471; Will, Art. 16a, in: Sachs, GG, 8. Aufl. 2018, Rn. 103; Masing, Art. 16a, in: Dreier, GG, 2. Aufl. 2004, Rn. 125; Antoni, Art. 16a, in: Hömig/Wolff, GG, 12. Aufl. 2018, Rn. 14; Arnauld, Art. 16a, in: Münch/Kunig, GG, 6. Aufl. 2012, Rn. 52; Becker, Art. 16a, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG, 7. Aufl. 2018, Rn. 216; Randelzhofer, § 153, in: HStR VII, 3. Aufl. 2009, Rn. 116 f., differenziert zwischen Fällen des Abs. 3 und Fällen, die offensichtlich unbegründet sind oder als offensichtlich unbegründet gelten. Nur in ersterem Fall sei Abs. 4 auf einreiseverhindernde Maßnahmen anwendbar, da die Prüfung bereits an der Grenze vorgenommen werden könne. Warum an der Grenze nicht auch eine Prüfung der anderen Fälle möglich sein soll, bleibt allerdings unklar. 958  Arnauld, Art. 16a, in: Münch/Kunig, GG, 6. Aufl. 2012, Rn. 52, 55. So offenbar auch Lübbe-Wolff, Art. 16a, in: Dreier, GG, 1996, Rn. 95, Masing, Art. 16a, in:



III. Effektiver gerichtlicher Rechtsschutz für politisch Verfolgte255

Es stellt sich allerdings die Frage, ob die weite Auslegung des Begriffs „aufenthaltsbeendende Maßnahmen“ bzw. eine analoge Anwendung959 im Hinblick auf das Flughafenverfahren überhaupt notwendig wäre. § 18a AsylG regelt die Verfahren bei Einreise auf dem Luftweg und damit das sog. Flughafenverfahren.960 Nach § 18a Abs. 1 S. 1 ist das Asylverfahren grundsätzlich vor der Entscheidung über die „Einreise“ durchzuführen. Wird der Asylantrag als offensichtlich unbegründet abgelehnt, ist nach § 18a Abs. 3 S. 1 die Einreise zu verweigern. Einem Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz darf gemäß § 18a Abs. 4 S. 6 i. V. m. § 36 Abs. 4 S. 1 AsylG nur dann stattgegeben werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen. Nun könnte angenommen werden, dass diese Regelung dann nicht verfassungsmäßig wäre, wenn Art. 16a Abs. 4 GG nicht auch auf einreiseverhindernde Maßnahmen anzuwenden wäre. Immerhin stünde die Regelung dann in Konflikt mit dem nach Art. 19 Abs. 4 GG Gewährleisteten.961 Dem Begriff „Einreise“ nach dem Grundgesetz einerseits und nach dem AsylG andererseits liegt allerdings nicht dasselbe Verständnis zugrunde. So wird im Flughafenverfahren gemäß § 18a AsylG davon ausgegangen, dass eine Person, die über einen Flughafen „einreisen“ will und bei der Grenzbehörde des Flughafens um Asyl nachsucht, noch nicht „eingereist“ ist, obwohl sie sich schon auf deutschem Boden befindet. Es wird zwischen tatsächlicher und rechtlicher Einreise unterschieden.962 Soll eine Person direkt vom Flughafen zurückgeschickt werden, handelt es sich auf einfachgesetzlicher Ebene damit um eine einreiseverhindernde Maßnahme. Sinn dieser Regelung ist es, die Ausnutzung der Rücktransportverpflichtung von Fluggesellschaften zu ermöglichen.963 Gemäß § 64 AufenthG hat ein Beförderungsunternehmen Dreier, GG, 2. Aufl. 2004, Rn. 125, sowie Becker, Art. 16a, in: Mangoldt/Klein/ Starck, GG, 7. Aufl. 2018, Rn. 216; vgl. Zimmermann/Tams, Art. 16a, in: Berliner Kommentar, 2018 (Stand: 19. EL 2007), Rn. 217. 959  Ob die Ansichten, die eine Anwendbarkeit des Art. 16a Abs. 4 GG auch auf einreiseverhindernde Maßnahmen befürworten, dies in Form einer weiten Auslegung oder einer analogen Anwendung konstruieren, wird soweit ersichtlich nicht spezifiziert. Auf eine exakte Einordnung soll es an dieser Stelle aber auch nicht ankommen, da im Folgenden dargestellt wird, dass die Anwendung des Prüfungsmaßstabes des Art. 16a Abs. 4 GG auch auf einreiseverhindende Maßnahmen keiner weiten Auslegung bzw. Analogiebildung bedarf (Teil F. III. 2. b) (2) (d)). 960  Haderlein, § 18a AsylG, in: Beck-OK AuslR, 20. Aufl. 01.11.2018, Rn. 2. 961  S. dazu oben Teil F. III. 2. b) (1). 962  Lübbe-Wolff, DVBl. 1996, 825, S. 836, spricht von einer „Einreise im Rechtssinne“; so auch Winkelmann, § 18a AsylG, in: AuslR, 12. Aufl. 2018, Rn. 14. 963  Haderlein, § 18a AsylG, in: Beck-OK AuslR, 20. Aufl. 01.11.2018, Rn. 1; dazu auch schon Lübbe-Wolff, DVBl. 1996, 825, S. 836, wonach die Rücktransportverpflichtung der Beförderungsunternehmen von einer noch nicht erfolgten Einreise abhinge.

256 F. Verfahrensrechtliche Dimension des extraterritorialen Asylgrundrechts

einen zurückgewiesenen Ausländer unverzüglich außer Landes zu bringen, wenn er ihn an die Grenze befördert hat. Voraussetzung für diese Pflicht ist, dass die Einreise noch nicht beendet wurde.964 Auf verfassungsrechtlicher Ebene ist allerdings ein anderer Einreisebegriff zugrunde zu legen. Auf verfassungsrechtlicher Ebene ist kein Hinweis zu finden, der dafür spräche, gerade das Passieren der Grenzbehörden auf einem Flughafen als Einreisetatbestand zu begreifen und bei Nichtpassieren dementsprechend davon auszugehen, dass eine Person noch nicht eingereist sei. Der in Art. 115a GG benutzte Begriff „Bundesgebiet“ wird z. B. als die Erdoberfläche sowie der Luftraum darüber und das Erdreich darunter verstanden.965 Der in Art. 11 und 29 GG genutzte Begriff „Bundesgebiet“ wird als der in der Präambel umschriebene Bereich verstanden.966 Von einem Ausschluss des Geländes eines Flughafens vom Bundesgebiet ist nicht die Rede. Es ist mithin nicht ersichtlich, warum bei Anwesenheit auf dem Gelände eines Flughafens auf deutschem Boden aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht von einer Anwesenheit im Staatsgebiet ausgegangen werden sollte.967 Demnach kann bei der Ankunft an einem Flughafen in Deutschland aus verfassungsrechtlicher Sicht schon von einer erfolgten Einreise in die Bundesrepublik ausgegangen werden.968 Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Flughafenregelung. Darin hieß es, dass der „Raum der Bundesrepublik“ Asylbewerbern „rechtlich nicht zugänglich“ sei. „Die Tat­ sache, daß sie sich […] schon auf deutschem Staatsgebiet befinden“, ändere nichts daran, „daß über die Gewährung der Einreise erst noch zu entscheiden ist.“969 Damit wird zum einen davon ausgegangen, dass sich eine Person auf einem deutschen Flughafen bereits innerhalb des deutschen Staatsgebiets befindet. Zum anderen betraf die zitierte Urteilspassage die Frage, ob die Unterbringung einer Person im Transitbereich des Flughafens einen Verstoß gegen Art. 104 i. V. m. Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG darstelle. Die Feststellung, dass „der Asylantrag“ keinen „Anspruch auf Einreise“ gewähre,970 ist damit nicht § 64 AufenthG, in: Beck-OK AuslR, 20. Aufl. 01.11.2018, Rn. 7. Art. 115a, in: Maunz/Dürig, GG, 84. Aufl. August 2018, Rn. 30; vgl. Schmidt-Radefeld, Art. 115a, in: BeckOK GG, 39. Aufl. 15.11.2018, Rn. 1, der das Bundesgebiet als „das Territorium der Bundesrepublik“ definiert. 966  Ogorek, Art.  11, in: BeckOK GG, 39. Aufl. 15.11.2018, Rn. 19; Durner, Art. 11, in: Maunz/Dürig, GG, 84. Aufl. August 2018, Rn. 95; Hellermann, Art. 29, in: BeckOK GG, 39. Aufl. 15.11.2018, Rn. 5. 967  Für eine Anwesenheit im Staatsgebiet auch Gärditz, Art. 16a, in: Maunz/Dürig, GG, 84. Aufl. August 2018, Rn. 479. 968  So auch Gusy, Asylrecht und Asylverfahren (1979), S. 166. 969  BVerfGE 94, 166 (199). 970  BVerfGE 94, 166 (199). 964  Kluth,

965  Epping,



III. Effektiver gerichtlicher Rechtsschutz für politisch Verfolgte257

so zu lesen, als bestünde kein Recht auf Einreise in das Bundesgebiet an sich. Gemeint ist vielmehr, dass das Asylgrundrecht kein Recht auf Einreise in den Rest des Bundesgebiets bzw. kein Recht auf Einreise im einfachrechtlichen Sinne gibt. Würde eine Person von einem deutschen Flughafen aus zwangsweise ins Ausland gebracht werden, wäre demnach aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht von einer einreiseverhindernden, sondern von einer aufenthaltsbeenden­ den Maßnahme auszugehen. Die Einschränkung des Art. 16a Abs. 4 GG wäre damit im Flughafenverfahren anwendbar, ohne dass dieser entgegen seinem Wortlaut weit ausgelegt bzw. analog angewendet werden müsste. Das Argument, dass Art. 16a Abs. 4 insbesondere wegen des Flughafenverfahrens auch auf einreiseverhindernde Maßnahmen erstreckt werden müsse, kann somit nicht verfangen. (c) Teleologische Betrachtung – keine Besserstellung von gebietsfremden gegenüber gebietsinternen Personen? Des Weiteren wird für die Anwendung des Art. 16a Abs. 4 GG auf einreiseverhindernde Maßnahmen angeführt, dass ansonsten gebietsfremde Personen besser geschützt würden als diejenigen, die sich innerhalb der Bundesrepublik aufhalten.971 Wie an anderer Stelle bereits dargelegt, erfährt der Grundrechtsschutz von gebietsfremden Personen gegenüber Personen im Inland jedoch keine grundsätzliche Modifikation im Sinne einer Abschwächung des Schutzniveaus.972 Damit ist die Annahme, dass aus einer Einschränkung eines Grundrechts gegenüber Personen im Inland automatisch, etwa im Sinne eines argumentum a maiore ad minus, auch die Einschränkung desselben Rechts gegenüber gebietsfremden Personen zu folgen hätte, keineswegs zwingend. Selbst wenn eine „enge“ Auslegung des Abs. 4 also zu einer Besserstellung der Personen führen würde, die sich noch außerhalb der Bundesrepublik aufhalten, spräche dies allein nicht für eine „weite“ Auslegung bzw. analoge Anwendung des Abs. 4.

Art. 16a, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG, 7. Aufl. 2018, Rn. 185, 216. Teil B. III. Dies gilt jedenfalls hinsichtlich der Abwehrrechte wie u. a. das Asylrecht. Zur Einordnung des Asylrechts als Abwehrrecht s. o. Teil C. II. 971  Becker, 972  S. o.

258 F. Verfahrensrechtliche Dimension des extraterritorialen Asylgrundrechts

(d) A  llgemeine Rechtslage nach Art. 19 Abs. 4 GG – kein ineffektiver Rechtsbehelf Die Gerichte müssen den für diese unmittelbar anwendbaren Entscheidungsmaßstab973 dennoch auch in Fällen einreiseverhindernder Maßnahmen beachten. Dies ergibt sich allerdings nicht aus einer weiten Auslegung des Tatbestandsmerkmals „aufenthaltsbeendende Maßnahmen“ bzw. einer analogen Anwendung des Art. 16a Abs. 4, sondern vielmehr unmittelbar aus Art. 19 Abs. 4 GG selbst. Dieser gewährleistet einstweiligen Rechtsschutz nicht etwa um jeden Preis, sondern lediglich im Rahmen eines effektiven Rechtsschutzes.974 Ein von vornherein fruchtloser Rechtsbehelf ist dementsprechend nicht Teil des Gewährleistungsgehalts des Art. 19 Abs. 4 GG. Auf einen solchen besteht kein Anspruch. Spielt man nun einen Fall des uneingeschränkten einstweiligen Rechtsschutzes gegen eine einreiseverhindernde Maßnahme in einem Fall des Art. 16a Abs. 4 GG durch, wird offenbar, dass es sich dabei um einen fruchtlosen Rechtsbehelf handeln würde: Eine Person aus einem sicheren Herkunftsstaat begehrt Einreise in die Bundesrepublik. Diese wird ihr verweigert. Sie stellt einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz. An der Rechtmäßigkeit der Einreiseverweigerung bestehen keine ernst­lichen Zweifel.

Ohne Anwendung des eingeschränkten Prüfungsmaßstabs des Art. 16a Abs. 4 GG wäre der Person im Beispielsfall die Einreise im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes zu gewähren. Dies wäre zum Beispiel dann der Fall, wenn die Erfolgsaussichten in der Hauptsache offen erscheinen (weder Rechtmäßigkeit noch Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts sind offensichtlich) und eine Interessenabwägung zum Überwiegen des Interesses des Antragsstellers kommt.975 Unmittelbar nach der Einreise könnte eine sofort vollziehbare Abschiebungsanordnung ergehen. Im einstweiligen Rechtsschutz gegen diese sofort vollziehbare Abschiebungsanordnung wäre einstweiliger Rechtsschutz nur im eingeschränkten Prüfungsumfang zu gewähren. Da im Fall keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsanordnung bestehen, bleibt der einstweilige Rechtsschutz ohne Erfolg und die Abschiebung kann sofort vollzogen werden. Die ursprüngliche, uneingeschränkte Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes gegen die Einreisever973  Randelzhofer, § 153, in: HStR VII, 3. Aufl. 2009, Rn. 119; Becker, Art. 16a, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG, 7. Aufl. 2018, Rn. 205; Bonk, Art. 16a, in: Sachs, GG, 1996, Rn. 69; Zimmermann/Tams, Art. 16a, in: Berliner Kommentar, 2018 (Stand: 19. EL 2007), Rn. 216; vgl. Wittreck, Art. 16a, in: Dreier, GG, 3. Aufl. 2013, Rn. 106. 974  S. o. Teil F. III. 1. 975  Zur Begründetheitsprüfung eines Antrags gem. § 80 Abs. 5 S. 1 VwGO Detterbeck, Allgemeines Verwaltungsrecht (2018), 16. Aufl., Rn. 1503.



III. Effektiver gerichtlicher Rechtsschutz für politisch Verfolgte259

weigerung würde damit letztlich ausgehöhlt. Von einem effektiven Rechtsbehelf könnte damit keine Rede sein. (3) Zwischenergebnis Art. 16a Abs. 4 GG regelt einen eingeschränkten Prüfungsmaßstabs im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gegen aufenthaltsbeendende Maßnahmen. Dieser gilt auch für einreiseverhindernde Maßnahmen, da ein uneingeschränkter einstweiliger Rechtsschutz gem. Art. 19 Abs. 4 GG nur im Rahmen eines effektiven Rechtsschutzes gewährleistet wird. Ein im Prüfungsmaßstab uneingeschränkter einstweiliger Rechtsschutz gegen einreiseverhindernde Maßnahmen würde jedoch durch einen im Anschluss an die Einreise im Prüfungsmaßstab eingeschränkten einstweiligen Rechtsschutz gegen eine dann vorgenommene aufenthaltsbeendende Maßnahme ausgehebelt. c) Ergebnis Gegen Verletzungen des extraterritorialen Asylrechts ist aufgrund von Art. 19 Abs. 4 GG ein effektiver Rechtsschutz zu gewährleisten. Dies erfordert, dass den Betroffenen der Zugang zu deutschen Gerichten nicht auf unzumutbare Weise erschwert werden darf. Außerdem erfordert ein effektiver Rechtsschutz bei Abschiebung und Einreiseverweigerung von potenziell Asylberechtigten die Gewährleistung eines einstweiligen Rechtsschutzes. Erforderlich für die Eröffnung der Rechtsschutzgarantie ist nicht die tatsächliche Verletzung des Asylrechts, sondern allein der schlüssige Vortrag einer solchen. Kann ein Fall der sicheren Drittstaatenregelung, d. h. der Untergang des Asylrechts im jeweiligen Fall nicht schlüssig bestritten werden, so kann der schlüssige Vortrag einer Asylgrundrechtsverletzung nicht gelingen. Die Rechtsweggarantie ist nicht eröffnet. Das heißt eine Anfechtungsklage bzw. ein Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gegen die Einreiseverweigerung bzw. die Aufenthaltsbeendigung würden gemäß bzw. analog § 42 Abs. 2 VwGO als unzulässig abgewiesen bzw. abgelehnt. Art. 16a Abs. 2 S. 3 GG ist in dieser Hinsicht gegenüber der Rechtslage gemäß Art. 19 Abs. 4 GG von rein deklaratorischer Bedeutung. Art. 16a Abs. 4 GG regelt einen eingeschränkten Prüfungsmaßstab für einstweilige Rechtsschutzverfahren gegen aufenthaltsbeendende Maßnahmen. Da Art. 19 Abs. 4 GG nur einen effektiven Rechtsschutz gewährleistet, ist dieser eingeschränkte Prüfungsmaßstab auch auf einreiseverhindernde Maßnahmen anzuwenden.

260 F. Verfahrensrechtliche Dimension des extraterritorialen Asylgrundrechts

IV. Zusammenfassung Die extraterritoriale Geltung des Art. 16a GG führt nicht zu einem unbedingten Anspruch gebietsfremder politisch Verfolgter auf Durchführung eines Asylverfahrens und Feststellung der Asylberechtigung. Verfahren stellen hinsichtlich der Asylberechtigung – so wie bei den übrigen Eingriffsabwehrrechten auch – lediglich ein Schutzmittel dar. Die Durchführung eines Verfahrens ist nur dann gefordert, wenn durch eine Maßnahme potenziell in das Asylrecht eingegriffen wird. Will die Bundesrepublik also Maßnahmen zur Steuerung der Zuwanderung ergreifen, die gebietsfremden Personen schon das Erreichen des Staatsgebiets erschweren sollen, so erfordert dies grundsätzlich die Einrichtung von Asylverfahren und die Eröffnung eines gerichtlichen Rechtsschutzes schon für die betroffenen gebietsfremden Personen. Für Personen aus sicheren Herkunftsstaaten ist dabei die Vermutung des Art. 16a Abs. 3 GG zu beachten, die es zu widerlegen gilt. Hinsichtlich des gerichtlichen Rechtsschutzes ist zu beachten, dass dieser nur dann eröffnet ist, wenn das Fehlen der Voraussetzungen der sicheren Drittstaatenregelung schlüssig vorgetragen werden kann. Dies gilt sowohl hinsichtlich des einstweiligen als auch des Hauptsacherechtsschutzes. Hinsichtlich der Personen, die aus sicheren Herkunftsstaaten kommen, ist beim einstweiligen Rechtsschutz der eingeschränkte Prüfungsmaßstab des Art. 16a Abs. 4 zu beachten. Letzterer gilt sowohl für aufenthaltsbeendende als auch einreiseverhindernde Maßnahmen.

G. Das extraterritoriale Asylgrundrecht und der Anwendungsvorrang des Unionsrechts Schließlich stellt sich die Frage, inwiefern die extraterritoriale Geltungsreichweite des Asylgrundrechts des Art. 16a GG durch Unionsrecht eingeschränkt wird. So wird zum Teil behauptet, das Asylrecht des Art. 16a GG trete praktisch fast vollständig hinter dem unionsrechtlichen Verfolgungsschutz zurück.976 Zu prüfen ist demnach, inwieweit das extraterritoriale Asylrecht vom Unionsrecht derart überlagert wird, dass es nicht mehr zur Anwendung kommen kann. Zunächst wird dafür abstrakt das Verhältnis zwischen Unionsrecht und deutschem Recht, insbesondere den Grundrechten geklärt. Im Anschluss werden die einzelnen asylrechtlich relevanten Unionsrechtsakte dargestellt und auf ihre Auswirkungen auf das extraterritoriale Asylrecht gemäß Art. 16a GG überprüft. Der Fokus wird dabei auf gebietsfremden Personen liegen.

I. Verhältnis zwischen Unionsrecht und den deutschen Grundrechten – Anwendungsvorrang des Unionsrechts Zunächst ist das Verhältnis zwischen Unionsrecht und den deutschen Grundrechten zu klären. An anderer Stelle wurde bereits die Stellung des allgemeinen Völkerrechts im deutschen Recht ermittelt. Das Ergebnis war, dass Völkervertragsrecht den Rang einfacher Bundesgesetze innehat, während Völkergewohnheitsrecht zwischen dem Grundgesetz und dem einfachen Recht anzusiedeln ist. Völkerrecht, das einer extraterritorialen Gewährleistung des grundrechtlichen Asylrechts entgegenstehen würde, hätte demnach grundsätzlich keine Auswirkungen auf den Geltungsumfang des normhierarchisch höherrangigen Verfassungsrechts.977 Das Verhältnis zwischen nationalem Recht und Unionsrecht stellt sich allerdings anders dar. Das Unionsrecht hat nach einhelliger Ansicht grundsätzlich Vorrang vor nationalem Recht.978 Dies gilt sowohl für einfache Gesetze als auch für das Grundgesetz inklusive 976  Dörig/Langenfeld, NJW 2016, 1, S. 2; Tiedemann, ZAR 2009, 161, S. 161, demzufolge Art. 16a GG spätestens seit Inkrafttreten der Qualifikations-Richtlinie (dazu sogleich) „jegliche Funktion verloren“ habe. 977  S. o. Teil A. II. 978  Vgl. dazu Erklärung Nr. 17 zum Vertrag von Lissabon, ABl. Nr. C 306, 1.

262

G. Das extraterritoriale Asylgrundrecht

der Grundrechte. Laut EuGH gilt dieser Vorrang unbeschränkt, während das BVerfG diesem Vorrang gewisse Grenzen setzt.979 Laut BVerfG begründet sich der Vorrang des Unionsrechts im deutschen Recht über den Anwendungsbefehl des Art. 23 GG. Das heißt, dass der Vorrang nur in den Grenzen des Art. 79 Abs. 3 i. V. m. Art. 1, 20 GG gelten kann.980 Der EuGH hingegen begründet den Vorrang hauptsächlich über den autonomen Charakter des Unionsrechts und die Notwendigkeit des Vorrangs für die Funktionsfähigkeit des Unionsrechts.981 Bei dem Vorrang des Unionsrechts handelt es sich nach überwiegender Ansicht um einen Anwendungs- und keinen Geltungsvorrang. Das bedeutet, im Falle einer Kollision zwischen Unionsrecht und nationalem Recht bleibt das nationale Recht zwar wirksam, wird jedoch nicht angewendet.982 Dieser Anwendungsvorrang setzt eine Kollision zwischen Unionsrecht und nationalem Recht voraus.983 Dies ist der Fall, wenn die Anwendung des nationalen Rechts und die Anwendung von Unionsrecht in Widerspruch zueinander stehen.984 Ist den Mitgliedstaaten hingegen ein Umsetzungsspielraum belassen, ist die Ausfüllung dieses Spielraums wieder am höherrangigen nationalen Recht inklusive der Grundrechte zu messen.985 JA 2011, 885, S. 887 f. 123, 267 (397 ff.); Isensee, Vorrang des Europarechts, in: FS Stern, 1997, S.  1248 f.; Frenz, Europarecht (2016), 2. Aufl., Rn. 128 ff.; zur Begründung über Art. 23 GG Ruffert, Art. 1 AEUV, in: Calliess/Ruffert, EUV, AEUV, 5. Aufl. 2016, Rn. 17. 981  EuGH, Urt. v. 15. Juli 1964, Rs. 6/64, ECLI:EU:C:1964:66, S. 1269 f. – Costa/ E.N.E.L.; Jarass/Beljin, NVwZ 2004, 1, S. 1. 982  Haratsch/Koenig/Pechstein, Europarecht (2016), Rn. 179; Herdegen, Europarecht (2018), 20. Aufl., § 10, Rn. 3; Terhechte, EuR 2006, 828, S. 835; Ruffert, Art. 1 AEUV, in: Calliess/Ruffert, EUV, AEUV, 5. Aufl. 2016, Rn. 18; Maurer, Der Anwendungsvorrang im Normensystem, in: FS Stern, 2012, S. 101 ff.; Hwang, EuR 2016, 355, S. 355; Isensee, Vorrang des Europarechts, in: FS Stern, 1997, S. 1242. 983  Haratsch/Koenig/Pechstein, Europarecht (2016), Rn.  179; Jarass/Beljin, NVwZ 2004, 1, S. 3. 984  Jarass/Beljin, NVwZ 2004, 1, S. 3. 985  BVerfGE 118, 79 (95); BVerfGE 121, 1 (15); Herdegen, Europarecht (2018), 20. Aufl., § 10, Rn. 29. Zur Anwendbarkeit des Art. 16a GG i. R.d. Selbsteintrittsermessens Moll/Pohl, ZAR 2012, 102, S. 107; Lehnert/Pelzer, NVwZ 2010, 613, S. 615. Bei Ausfüllung eines Ermessensspielraums sind laut EuGH die nationalen Grundrechte und die Grundrechte der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (BGBl. II, vom 14. Oktober 2008, S. 1165) nebeneinander anwendbar, EuGH, Urt. v. 26. Februar 2013, Rs. C-399/11, ECLI:EU:C:2013:107 – Melloni, Rn. 60; Classen, EuR 2017, 347, S. 358. Da im Folgenden nicht auf die konkrete Ausgestaltung von unionsrechtlich eingeräumten Ermessensspielräumen durch die Bundesrepublik eingegangen wird, ist auf das Verhältnis zwischen den nebeneinander anwendbaren Grundrechtsordnungen nicht weiter einzugehen. 979  Schöbener, 980  BVerfGE



II. Das Gemeinsame Europäische Asylsystem und Art. 16a GG263

Insgesamt ist festzuhalten, dass deutsche Grundrechte nur hinter unionsrechtlich vollends determinierten Handlungspflichten – laut Bundesverfassungsgericht im Rahmen von Art. 79 Abs. 3 GG – zurücktreten, während sie bei der Ausfüllung von unionsrechtlich eingeräumten Umsetzungsspielräumen durch die Bundesrepublik Wirkung entfalten. Art. 16a GG wird folglich nur dann infolge des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts verdrängt, wenn das Unionsrecht die Bundesrepublik zu Handlungen verpflichtet, die mit Art. 16a GG kollidieren. Im Folgenden werden die Instrumente des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems dementsprechend daraufhin untersucht, ob sie mit Art. 16a GG kollidieren und diesen verdrängen oder ob sie der Bundesrepublik einen Ermessensspielraum belassen, in welchem die Bindungen des Art. 16a GG beachtet werden müssen bzw. dürfen.

II. Das Gemeinsame Europäische Asylsystem und Art. 16a GG Der Plan der Schaffung eines Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) geht auf das Programm von Tampere986 aus dem Jahr 1999 zurück.987 Danach sollte „auf kurze Sicht“ insbesondere eine Formel zur Bestimmung des für die Prüfung eines Asylantrags zuständigen Mitgliedstaates, gemeinsame Standards für Asylverfahren, gemeinsame Aufnahmebedingungen und eine Annäherung der Bestimmung über die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gefunden werden (erste Phase). Auf „längere Sicht“ sollte ein gemeinsames Asylverfahren und ein unionsweit geltender einheitlicher Asylstatus geschaffen werden (zweite Phase).988 In den darauffolgenden Jahren wurden auf der Grundlage von Art. 63 des EG-Vertrags (Amsterdam), welcher das Asyl als Politik der Gemeinschaft regelte,989 mehrere Maßnahmen erlassen.990 In diesem Zuge wurden unter anderem die Dublin II-Verord986  Tampere Europäischer Rat, 15. und. 16. Oktober 1999, Schlussfolgerungen des Vorsitzes, www.europarl.europa.eu/summits/tam_de.htm, letzter Zugriff am 24. August 2017. 987  Progin-Theuerkauf, Art. 78 AEUV, in: Groeben/Schwarze/Hatje, EU-Recht, 7. Aufl. 2015, Rn. 9; Fröhlich, Das Asylrecht im Rahmen des Unionsrechts (2011), S. 193. 988  Tampere Europäischer Rat, 15. und. 16. Oktober 1999, Schlussfolgerungen des Vorsitzes, www.europarl.europa.eu/summits/tam_de.htm, letzter Zugriff am 24. August 2017. 989  Vorher war die Asylpolitik eine Angelegenheit gemeinsamen Interesses und damit Teil der dritten Säule, Art. K. 1 des Vertrags von Maastricht, ABl. C 191 vom 29. Juli 1992, S. 1; Progin-Theuerkauf, Art. 78 AEUV, in: Groeben/Schwarze/Hatje, EU-Recht, 7. Aufl. 2015, Rn. 2; Rossi, Art. 78 AEUV, in: Calliess/Ruffert, EUV, AEUV, 5. Aufl. 2016, Rn. 1. 990  Progin-Theuerkauf, Art. 78 AEUV, in: Groeben/Schwarze/Hatje, EU-Recht, 7. Aufl. 2015, Rn. 3–7.

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G. Das extraterritoriale Asylgrundrecht

nung (2003)991, die Aufnahme-Richtlinie (2003)992, die Qualifikations-Richtlinie (2004)993 sowie die Verfahrens-Richtlinie (2005)994 erlassen.995 In Anknüpfung an Tampere wurde dann im Jahr 2005 das Haager Programm beschlossen.996 Dieses forderte unter anderem die Evaluierung der Rechtsakte der ersten Phase und den Abschluss der zweiten Phase.997 Mit dem Vertrag von Lissabon im Jahre 2009 wurde das Asylrecht durchaus substantiellen Änderungen unterzogen. Zentraler Artikel im Unionsrecht ist nun Art. 78 AEUV, welcher im Vergleich zu Art. 63 EGV insbesondere nicht mehr nur die Regelung von Mindestnormen, sondern eine Vollharmonisierung des europäischen Asylrechts ermöglicht.998 2010 beschloss der Europäische Rat das Stockholmer Programm, in welchem er das Ziel der Entwicklung eines GEAS wiederholte und zu diesem Zwecke den Erlass von Regelungen gemäß Art. 78 AEUV forderte.999 In den Jahren 2011 und 2013 wurden sodann die Verordnung und die Richtlinien aus den Jahren 2003 bis 2005 neugefasst. Im Folgenden werden diese Neufassungen und eine Reihe anderer unions991  Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatenangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist, ABl. L 50, 25.3.2003, S. 1; demgegenüber war Dublin I noch ein zwischenstaatlicher, völkerrechtlicher Vertrag über die Bestimmung des zuständigen Staates für die Prüfung eines in einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften gestellten Asylantrags, ABl. C 254, 19.8.1997, S. 1. 992  Richtlinie 2003/9/EG des Rates vom 27. Januar 2003 zur Festlegung von Mindestnormen für die Aufnahme von Asylbewerbern in den Mitgliedstaaten, ABl. L 31, 6.2.2003, S. 18. 993  Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatenangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes, ABl. L 304, 30.9.2004, S. 12. 994  Richtlinie 2005/85/EG des Rates vom 1. Dezember 2005 über Mindestnormen für Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Zuerkennung und Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft, ABl. L 326, 13.12.2005, S. 13. 995  Zur Entwicklung des GEAS insgesamt Marx, KJ 2016, 150, mit einer kritischen Analyse des Systems und seiner ihm von vornherein immanenten Defizite. 996  Haager Programm zur Stärkung von Freiheit, Sicherheit und Recht in der ­Europäischen Union, ABl. C 53, 3.3.2005, S. 1. Progin-Theuerkauf, Art. 78 AEUV, in: Groeben/Schwarze/Hatje, EU-Recht, 7. Aufl. 2015, Rn. 10. 997  Haager Programm zur Stärkung von Freiheit, Sicherheit und Recht in der ­Europäischen Union, ABl. C 53, 3.3.2005, S. 3 f. 998  Progin-Theuerkauf, Art. 78 AEUV, in: Groeben/Schwarze/Hatje, EU-Recht, 7. Aufl. 2015, Rn. 8; Rossi, Art. 78 AEUV, in: Calliess/Ruffert, EUV, AEUV, 5. Aufl. 2016, Rn. 12. 999  Das Stockholmer Programm – Ein offenes und sicheres Europa im Dienste und zum Schutz der Bürger, ABl. C 115, 4.5.2010, S. 1 (32). Dazu dass das Stockholmer Programm der „Nachfolger“ des Haager Programms ist Progin-Theuerkauf, Art. 78 AEUV, in: Groeben/Schwarze/Hatje, EU-Recht, 7. Aufl. 2015, Rn. 11.



II. Das Gemeinsame Europäische Asylsystem und Art. 16a GG265

rechtlicher Maßnahmen erläutert und auf eine Kollision mit der extraterritorialen Geltung des Art. 16a GG hin untersucht. 1. Qualifikations-Richtlinie (2011/95/EU) Zunächst wurde im Jahr 2011 die sog. Qualifikations-Richtlinie (QRL) überarbeitet und neugefasst.1000 Zweck dieser Richtlinie ist gemäß Art. 1, Normen für die Anerkennung von Drittstaatenangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen, die Anspruch auf subsidiären Schutz haben, sowie für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes festzulegen. Die Richtlinie enthält Regelungen über die Prüfung und Bewertung von Schutzanträgen. Darüber hinaus regelt sie die materiellen Voraussetzungen für das Vorliegen der Flüchtlingseigenschaft – insbesondere über mögliche Akteure, Verfolgungshandlungen und Verfolgungsgründe – und des subsidiären Schutzes sowie die Zu- und Aberkennung der beiden Status. Insoweit die QRL zwingende Ausschlussgründe für die Anerkennung einer Person als Flüchtling regelt und dieser Person insoweit kein Schutz nach nationalem Recht gewährt werden darf, der mit der Rechtsstellung als Flüchtling verwechselbar ist,1001 stünde eine Asylgewährung nach Art. 16a GG in Konflikt mit der QRL. Dabei handelte es sich jedoch nicht um eine Fallkonstellation, die gerade das extraterritoriale Asylgrundrecht betrifft. Vielmehr wäre die Frage betroffen, wem Asylgrundrecht gewährt werden darf bzw. muss und damit eine Frage der „politischen Verfolgung“. Die Voraussetzungen einer materiellen Berechtigung i. S. v. politischer Verfolgung ist jedoch kein Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit.1002 Hinsichtlich der Vorschriften zu Prüfung und Bewertung der Schutzanträge ist grundsätzlich keine Kollision mit dem extraterritorialen Art. 16a GG ersichtlich. Darüber hinaus enthält die QRL noch Bestimmungen über den Inhalt des zuerkannten Schutzstatus. Dabei werden Regelungen z. B. über den Zugang zur Beschäftigung und zu Bildung, über medizinische Versorgung und Sozialhilfeleistungen getroffen. Angesprochen sind damit die Rechte im Asyl, welche kein 1000  Richtlinie 2011/95/EU des europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatenangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (Neufassung). 1001  EuGH, Urt. v. 9. November 2010, verb. Rs. C-57/09 und C-101/09, ECLI:EU:C:2010:661 – Bundesrepublik gegen B, D, Rn. 115 ff. Zustimmend Gärditz, Art. 16a, in: Maunz/Dürig, GG, 84. Aufl. August 2018, Rn. 134 ff. 1002  S. schon oben Teil D. I.

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G. Das extraterritoriale Asylgrundrecht

Gewährleistungsinhalt des Art. 16a Abs. 1 GG sind.1003 Zudem setzen diese einen Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines Staates voraus und betreffen damit keine Personen, die sich noch außerhalb des jeweiligen Staates befinden. Ein Konflikt zum extraterritorial geltenden Art. 16a GG ist in dieser Hinsicht folglich nicht ersichtlich. Etwas anderes könnte hinsichtlich Art. 21 Abs. 1 QRL gelten, welcher die Beachtung des Grundsatzes der Nichtzurückweisung in Übereinstimmung mit völkerrechtlichen Verpflichtungen vorschreibt. Dieser betrifft naturgemäß auch Personen, die sich noch außerhalb des Hoheitsgebiets befinden. Insoweit besteht aber ebenfalls kein Konflikt zu Art. 16a Abs. 1 GG, da dieser ebenfalls die Zurückweisung an der Grenze verbietet. Art. 21 Abs. 2 QRL ermöglicht es den Mitgliedstaaten allerdings unter bestimmten Umständen, Personen zurückzuweisen, obwohl ihnen der Flüchtlingsstatus zuerkannt wurde. Voraussetzung ist, dass stichhaltige Gründe für die Annahme gegeben sind, dass die Person eine Gefahr für die Sicherheit eines Mitgliedstaates darstellt oder sie eine Gefahr für die Allgemeinheit des Mitgliedstaates darstellt, weil sie wegen einer besonders schweren Straftat rechtskräftig verurteilt wurde. Ein Konflikt mit Art. 16a Abs. 1 GG könnte dann bestehen, wenn die QRL eine Zurückweisungsmöglichkeit bietet, die gemäß Art. 16a GG im konkreten Fall unzulässig ist. Zwar ist auch gemäß Art. 16a GG die Abschiebung eines Asylberechtigten nicht von vorn herein ausgeschlossen. Wie jedes vorbehaltlose Grundrecht unterliegt auch Art. 16a GG verfassungsimmanenten Schranken.1004 Ein Konflikt könnte allerdings dann bestehen, wenn die verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine Abweisung bzw. Abschiebung eines Asylberechtigten strenger wären als die der QRL. Selbst dann aber entstünde kein Konflikt zwischen den beiden Normen, da es sich bei der Zurückweisungsmöglichkeit der QRL um eine Ermessensvorschrift handelt. Die QRL regelt nicht etwa ein Abschiebungsgebot. Sobald Art. 16a Abs. 1 GG die Beachtung des Abschiebungsverbots bzw. non-refoulement im konkreten Einzelfall gebieten würde, dürfte die Bundesrepublik folglich von der Abweisungsmöglichkeit der QRL keinen Gebrauch machen.

1003  S. o.

Teil C. II. 1. Art. 16a, in: Maunz/Dürig, GG, 84. Aufl. August 2018, Rn. 433; zu den Schranken des Asylrechts Randelzhofer, § 153, in: HStR VII, 3. Aufl. 2009, Rn.  59 ff.; Becker, Art. 16a, in: Mangoldt/Klein/Starck, GG, 7. Aufl. 2018, Rn. 148. 1004  Gärditz,



II. Das Gemeinsame Europäische Asylsystem und Art. 16a GG267

2. Aufnahme-Richtlinie (2013/33/EU) Am 26. Juni 2013 wurde die sog. Aufnahme-Richtlinie neugefasst.1005 Zweck dieser Richtlinie ist gemäß Art. 1 die Festlegung von Normen für die Aufnahme von Antragstellern auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten. Dies betrifft u. a. Regelungen über den Aufenthaltsort und die Bewegungsfreiheit (Art. 7), medizinische Untersuchungen (Art. 13) und berufliche Bildung (Art. 16). Es geht demnach um die Behandlung von schutzsuchenden Personen, die sich bereits in einem Mitgliedstaat befinden. Art. 3 Abs. 1 bezieht die Richtlinie außerdem ausdrücklich auf alle Drittstaatenangehörige, die sich „im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates einschließlich an der Grenze“ befinden. Abs. 2 erläutert, dass die Richtlinie gerade bei Anträgen auf diplomatisches oder territoriales Asyl in Auslandsvertretungen nicht gilt. Aus der Aufnahme-Richtlinie sind dementsprechend Rechte oder Pflichten für bzw. gegenüber denjenigen gebietsfremden Personen ableitbar, die die Grenze erreicht haben. Kollisionen zwischen der Aufnahme-Richtlinie und Art. 16a GG sowie Art. 19 Abs. 4 GG sind möglich, wenn sich die geforderten Anforderungen an die Aufnahme unterscheiden. Dies ist in zwei Richtungen möglich. Entweder die verfassungsrechtlichen Anforderungen sind strenger oder geringer als die Anforderungen der Richtlinie. Sind die Anforderungen geringer, so entsteht kein Konflikt. Art. 16a GG bzw. Art. 19 Abs. 4 GG enthalten lediglich das Verbot, einen gewissen Standard zu unterschreiten. Die Gewährung höherer Standards ist nicht ausgeschlossen. Andersherum könnten aber auch die Standards der Aufnahme-Richtlinie die verfassungsrechtlichen Standards unterschreiten. Dafür hält jedoch Art. 4 der Aufnahme-Richtlinie eine explizite Regelung vor. Und zwar erlaubt dieser ebenso die Gewährung günstigerer Bestimmungen durch die Mitgliedstaaten. Bei der Aufnahme-Richtlinie handelt es sich nur um einen Minimalstandard.1006 Die zwischen AufnahmeRichtlinie und Art. 16a GG möglichen Differenzen stellten mithin keine Konflikte dar, die den Anwendungsvorrang des Unionsrechts auslösen und Art. 16a GG verdrängen würden.

1005  Richtlinie 2013/33/EU des europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen (Neufassung). 1006  Peek/Tsourdi, Asylum Reception Conditions Directive 3013/33/EU, in: EU IAL, 2. Aufl. 2016, Art. 4, Rn. 1 f.

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G. Das extraterritoriale Asylgrundrecht

3. Dublin III-Verordnung (VO [EU] Nr. 604/2013) Ebenfalls am 26. Juni 2013 wurde die sog. Dublin III-Verordnung verabschiedet.1007 Die Verordnung dient gemäß Art. 1 der Bestimmung des für die Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz zuständigen Mitgliedstaates. Am Anfang stand das Dubliner Übereinkommen (Dublin I)1008 aus dem Jahre 1990, welches 19971009 in Kraft getreten ist. Bei diesem handelt es sich um einen zwischenstaatlichen, multilateralen völkerrechtlichen Vertrag, der Kriterien festlegt, nach welchen der für einen Asylantrag zuständige Staat zu bestimmen ist.1010 Mit der Dublin II-Verordnung1011 aus dem Jahre 2003 wurde das Dubliner Übereinkommen dann in das Recht der EU nach dem Amsterdamer Vertrag eingegliedert.1012 Gemäß Art. 3 Abs. 1 S. 2 der Dublin III-Verordnung bestimmt sich die Zuständigkeit nach den in der Verordnung vorgegebenen Kriterien, welche gemäß Art. 7 Abs. 1 in der vorgegebenen Rangfolge zu bewerten sind. Die ersten vier vorrangig zu prüfenden Kriterien dienen dabei dem Schutz von Minderjährigen und dem Zusammenhalt von Familien. Das nächste Kriterium stellt darauf ab, ob der betroffenen Person von einem Dublin-Staat ein Aufenthaltstitel oder ein Visum ausgestellt worden ist. Ist dies der Fall, ist der ausstellende Staat auch für die Prüfung des Asylverfahrens zuständig. Nachrangig demgegenüber – und in der Praxis am häufigsten entscheidend1013 – ist das Kriterium, wonach der Staat zuständig ist, dessen Grenze die Person aus einem Drittstaat kommend illegal überschreitet. Wiederum nachrangig wird geprüft, 1007  Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatenangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Neufassung). 1008  ABl. C 254, 19.8.1997, S. 1. 1009  Bekanntmachung über das Inkrafttreten des Übereinkommens über die Bestimmung des zuständigen Staates für die Prüfung eines in einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften gestellten Asylantrags vom 2. Juli 1997, BGBl. II, S. 1452. 1010  Ausführlich zur Entstehungsgeschichte des Dublin-Systems Hermann, Das Dublin System (2008), S. 8 ff. 1011  Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatenangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist, ABl. L 50, 25.3.2003, S. 1. 1012  Marx, KJ 2016, 150, S. 151 f. 1013  Lübbe, EuR 2015, 351, S. 356; Lübbe, ZAR 2015, 125, S. 128; Lübbe, Dublin ist gescheitert, https://verfassungsblog.de/dublin-ist-gescheitert-thesen-zum-umbaudes-europaeischen-asylsystems/ (19.05.2015), letzter Zugriff am 13.09.2018, die es als „zentrale[n] Zuordnungsgrund“ beschreibt; Farahat/Markard, JZ 2017, 1088, S. 1090, denenzufolge es das „praktisch bedeutsamste“ Kriterium sei.



II. Das Gemeinsame Europäische Asylsystem und Art. 16a GG269

ob die Person in einen Mitgliedstaat eingereist ist, in dem für sie kein Visumszwang besteht oder ob sie ihren Schutzantrag im internationalen Transitbereich eines Flughafens eines Mitgliedstaates gestellt hat. Erweist es sich als unmöglich, einen Antragsteller an den zunächst als zuständig bestimmten Mitgliedstaat zu überstellen, da es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung i. S. d. Artikels 4 GRC mit sich bringen, muss die Prüfung der Zuständigkeit gemäß Art. 3 Abs. 2 UAbs. 2 anhand der Kriterien fortgesetzt werden, um festzustellen, ob ein anderer Mitgliedstaat als zuständig bestimmt werden kann.1014 Lässt sich anhand der Kriterien ein zuständiger Mitgliedstaat schließlich nicht bestimmen, so ist gemäß Art. 3 Abs. 2 UAbs. 1 derjenige Mitgliedstaat zuständig, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt worden ist. Unabhängig von diesen Kriterien kann ein Mitgliedstaat durch Ausübung des sog. Selbsteintrittsrechts zum zuständigen Mitgliedstaat werden. Laut Art. 17 Abs. 1 UAbs. 1 kann ein Mitgliedstaat beschließen, einen Schutzantrag zu prüfen, auch wenn er nach den genannten Kriterien nicht zuständig ist. Gemäß Art. 17 Abs. 1 UAbs. 2 S. 1 wird dieser Mitgliedstaat dann zum zuständigen Mitgliedstaat. Gemäß Art. 18 Abs. 1 ist der zuständige Mitgliedstaat zur Aufnahme des Antragsstellers verpflichtet. Fraglich ist, ob bzw. in welchen Fällen die Zuständigkeitsbestimmung nach der Dublin III-Verordnung mit dem extraterritorialen Asylrecht aus Art. 16a GG kollidiert und inwiefern sich dies auf dessen Gewährleistungsumfang auswirkt. Kollisionen sind in zwei Richtungen möglich, die im Folgenden nacheinander analysiert werden. Erstens soll geprüft werden, ob bzw. wie sich der Anwendungsvorrang des Unionsrechts auswirkt, wenn die Dublin III-Verordnung die Zuständigkeit der Bundesrepublik regelt, während das Asylrecht des Art. 16a GG z. B. aufgrund der sicheren Drittstaatenregelung untergegangen ist. Zweitens werden die Auswirkungen des Anwendungsvorrangs geprüft, wenn nach der Dublin III-Verordnung ein anderer Mitgliedstaat als die Bundesrepublik als zuständig bestimmt wird, während das Asylrecht des Art. 16a GG nicht aufgrund der sicheren Drittstaatenregelung untergegangen ist.1015 1014  Zu den systematischen Mängeln vgl. insbesondere EuGH, Urt. v. 21. Dezember 2011, verb. Rs. C-411/10 und C-493/10, ECLI:EU:C:2011:865 – N.S. und M. E.; EuGH, Urt. 14. November 2013, Rs. C-4/11, ECLI:EU:C:2013:740 – Puid; EuGH, Urt. V. 10. Dezember 2013, Rs. C-394/12, ECLI:EU:C:2013:813 – Abdullahi. Zu diesen Urteilen s. Bergmann, ZAR 2015, 81, S. 84 f. 1015  Auch Hoppe, Eilrechtsschutz gegen Dublin II-Überstellungen (2013), S. 236 f., identifiziert diese beiden Situationen als die zwei Kollisionsmöglichkeiten zwischen Dublin II-Verordnung und Art. 16a GG.

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G. Das extraterritoriale Asylgrundrecht

a) Dublin III-Zuständigkeit der Bundesrepublik trotz Untergangs des Asylgrundrechts aufgrund der Drittstaatenregelung Die erste von zwei möglichen Kollisionen könnte gegeben sein, wenn die Dublin III-Verordnung zwar die Zuständigkeit der Bundesrepublik für eine Person begründet, das Asylrecht allerdings gemäß Art. 16a Abs. 2 GG untergegangen ist. Während die Bundesrepublik durch die Dublin III-Verordnung zur Aufnahme der Person und zur Prüfung ihres Asylantrags verpflichtet wäre, müsste sie diese gemäß Art. 16a GG nicht aufnehmen und den Antrag auch nicht prüfen. Nach Art. 8 Abs. 1 S. 1 der Dublin III-Verordnung ist die Bundesrepublik zum Beispiel für eine unbegleitete Minderjährige zuständig, wenn sich ein Familienangehöriger rechtmäßig in der Bundesrepublik aufhält, sofern es dem Wohl der betroffenen Minderjährigen dient. Reist die betroffene Minderjährige aus einem sicheren Drittstaat in die Bundesrepublik ein, greift jedoch Art. 16a Abs. 2 GG.1016 Das nachrangige Erstzutrittskriterium wäre dabei für die Dublin III-Zuständigkeit unbeachtlich. Während das nationale Asylrecht also untergegangen ist, verpflichtet das Unionsrecht zur Aufnahme und Prüfung des Schutzantrags. Daraus wird nun geschlossen, die Bundesrepublik könne die Asylberechtigung nicht mit Verweis auf Art. 16a Abs. 2 GG ablehnen. Dieser sei wegen der Zuständigkeitsbestimmung der Dublin III-Verordnung i. V. m. dem Anwendungsvorrang des Unionsrechts nicht anwendbar.1017 Wie bereits dargestellt, erfordert der Vorrang des Unions­rechts einen Konflikt zu nationalem Recht. Fraglich ist, ob es sich bei der beschriebenen Situation um einen solchen handelt. (1) Ansicht Fröhlichs – Lösung über Art. 16a GG Fröhlich lehnt „im Ergebnis“ einen „Konflikt“ zwischen unionsrechtlicher Aufnahmepflicht und grundgesetzlicher sicherer Drittstaatenregelung ab. Die Lösung des Konflikts finde sich in der Drittstaatenregelung selbst. Diese schließe lediglich das Recht des Einzelnen aus, sich auf Asylrecht zu berufen, nicht hingegen die Befugnis der Bundesrepublik, dennoch Asylrecht zu gewähren. Damit sollte der Bundesrepublik die Möglichkeit zur „Erfüllung ihrer Kooperationspflichten“ gegeben werden. Da das Asylrecht selbst die Erfüllung der unionsrechtlichen Verpflichtungen erlaube, sei ein Rückgriff 1016  S. o.

Teil D. II. DÖV 2016, 357, S. 365; Lehner, Das Grundrecht auf Asyl und seine Folgerechte im Grundgesetz, in: Bungenberg/Giegerich/Stein, Asyl und Migration, 2016, S. 108; Lehnert/Pelzer, NVwZ 2010, 613, S. 613, freilich noch zur Dublin IIVerordnung; Hailbronner, § 123, in: HGR V, 2013, Rn. 225, ebenfalls noch zu Dublin II. 1017  Stumpf,



II. Das Gemeinsame Europäische Asylsystem und Art. 16a GG271

auf den Anwendungsvorrang des Unionsrechts nicht erforderlich.1018 Nach „der Konzeption des Asylverfahrensgesetzes [heute AsylG]“ lebe das Asylgrundrecht des Art. 16a Abs. 1 GG wieder auf, wenn ein Asylsuchender aus einem Mitgliedstaat in die Bundesrepublik überstellt wird.1019 Gemäß § 26a Abs. 1 S. 3 Nr. 2 AsylG1020 gilt dessen Satz 1 u. a. dann nicht, wenn die Bundesrepublik Deutschland aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. § 26a Abs. 1 Satz 1 regelt, dass sich eine Person, die aus einem Staat i. S. d. Art. 16a Abs. 2 S. 1 GG eingereist ist, nicht auf Art. 16a Abs. 1 GG berufen kann. Dieser Auffassung ist nicht zuzustimmen. Die Annahme, auf der sie beruht, ist unzutreffend. Der einfache Gesetzgeber kann das grundrechtliche Asylrecht nicht zum Wiederaufleben bringen. Entscheidet sich der einfache Gesetzgeber dazu, trotz Art. 16a Abs. 2 S. 1 GG „Asylrecht“ bzw. asylrechtlichen Schutz zu gewähren, handelt es sich dabei lediglich um eine einfachrechtliche – dem grundrechtlichen Schutz gegenüber minderwertige – Rechtsposition.1021 (2) Gegenposition – Differenzierung hinsichtlich der Rechtsfolgen Richtigerweise ist hinsichtlich sowohl der Rechtsfolge der Dublin III-Zuständigkeit als auch der Reichweite des Untergangs des Asylrechts gemäß der Drittstaatenregelung zu differenzieren.1022 (a) D  ublin III-Zuständigkeit lediglich für Anträge auf Gewährung ­internationalen Schutzes Art. 3 Abs. 1, 2 b) der Dublin III-Verordnung i. V. m. Art. 2 h) der QRL regelt ausschließlich die Zuständigkeit für die Prüfung von Anträgen auf internationalen Schutz, d. h. die Zuerkennung des Flüchtlingsstatus oder des subsidiären Schutzstatus. Anträge auf nationalrechtlich gewährtes grundrecht­ liches Asylrecht sind von der Dublin III-Zuständigkeit gar nicht umfasst. Die Zuständigkeit nach Dublin III gebietet nicht die Prüfung bzw. Gewährleistung Das Asylrecht im Rahmen des Unionsrechts (2011), S. 345. Das Asylrecht im Rahmen des Unionsrechts (2011), S. 345 f. 1020  Auf diese Norm bezieht sich Fröhlich, Das Asylrecht im Rahmen des Unionsrechts (2011), S. 346, Fn. 59, in seiner Argumentation. 1021  So auch Hoppe, Eilrechtsschutz gegen Dublin II-Überstellungen (2013), S.  243 f. 1022  Moll/Pohl, ZAR 2012, 102, S. 106 f.; Hoppe, Eilrechtsschutz gegen Dublin IIÜberstellungen (2013), S. 242 ff. 1018  Fröhlich, 1019  Fröhlich,

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G. Das extraterritoriale Asylgrundrecht

des Asylrechts gemäß Art. 16a Abs. 1 GG.1023 Geht nun das Asylrecht gemäß Art. 16a Abs. 2 GG unter, besteht jedenfalls in diesem Zusammenhang in der Tat kein Konflikt zur Dublin III-Zuständigkeit.1024 Ein Antrag auf Gewährung des Asylrechts aus Art. 16a Abs. 1 GG hat wegen des Untergangs gemäß Art. 16a Abs. 2 GG keinen Erfolg, während der Antrag auf Prüfung des Flüchtlings- und des subsidiären Schutzstatus wegen der Dublin III-Zuständigkeit nicht ausgeschlossen werden kann.1025 (b) Konflikt hinsichtlich der Reichweite der Drittstaatenregelung Der wahre Konflikt zwischen Dublin III-Zuständigkeit und Art. 16a GG ergibt sich erst für Personen, die sich bereits innerhalb des Bundesgebiets befinden. Der Ausschluss des Art. 16a Abs. 2 GG erstreckt sich nämlich laut Bundesverfassungsgericht auch auf den einfachgesetzlichen Schutz, d.  h. insbesondere den Schutz nach GFK und EMRK bzw. subsidiären Schutz. (aa) A  nsatz des Bundesverfassungsgerichts: Erstreckung des Untergangs gemäß der sicheren Drittstaatenregelung auf den einfachgesetzlichen Abschiebungsschutz Einfachgesetzliche Abschiebungsverbote bzw. -hindernisse finden sich in §§ 60, 60a AufenthG. § 60 Abs. 1 AufenthG verbietet die Abschiebung eines Ausländers in Anwendung der GFK in einen Staat, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist.1026 Gemäß § 60 Abs. 2 AufenthG i. V. m. § 4 Abs. 1 AsylG darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, vor dem ihm subsidiärer Schutz zu gewähren ist.1027 Gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit dies nach der EMRK unzulässig ist.1028

ZAR 2012, 102, S. 106 f. ZAR 2012, 102, S. 106 f.; Maaßen, Art. 16a, in: BeckOK GG, 39. Aufl. 15.11.2018, Rn. 60. 1025  Insoweit unzutreffend Stumpf, DÖV 2016, 357, S. 365, der davon ausgeht, dass die Drittstaatenregelung bei unionsrechtlicher Zuständigkeitsbestimmung der Bundesrepublik nicht anwendbar sei; so auch Lehnert/Pelzer, NVwZ 2010, 613, S. 613. 1026  Koch, § 60 AufenthG, in: Beck-OK AuslR, 20. Aufl. 01.11.2018, Rn. 6. 1027  Koch, § 60 AufenthG, in: Beck-OK AuslR, 20. Aufl. 01.11.2018, Rn. 29. 1028  Koch, § 60 AufenthG, in: Beck-OK AuslR, 20. Aufl. 01.11.2018, Rn. 34. 1023  Moll/Pohl, 1024  Moll/Pohl,



II. Das Gemeinsame Europäische Asylsystem und Art. 16a GG273

Der in Art. 16a Abs. 2 GG geregelte Untergang basiert nun auf der Vermutung, dass die betroffene Person im Zielstaat sicher ist. Maßstab dieser Sicherheitsvermutung ist die Sicherstellung der Anwendung der EMRK und der GFK. Soweit sich die Abschiebungsverbote auf die Verhältnisse bzw. die (Un-)Sicherheit im jeweiligen Zielstaat beziehen, ist der Untergang des Art. 16a Abs. 2 GG nach dem Bundesverfassungsgericht auf diese zu erstrecken.1029 Art. 16a Abs. 2 GG machte keinen Sinn, wenn sich die betroffene Person zwar nicht auf Art. 16a Abs. 1 GG, aber z. B. auf einfachgesetzliche Abschiebungsverbote berufen könnte.1030 (bb) K  onflikt zwischen Erstreckung auf anderweitigen Verfolgungsschutz und Dublin III-Zuständigkeit Während Art. 16a Abs. 2 S. 1 GG nach der Lösung vom Bundesverfassungsgericht also die Prüfung der Anträge auf Schutz nach GFK und EMRK ausschließt, ist diese nach der Dublin III-Zuständigkeit gerade geboten. Insoweit besteht dementsprechend ein teilweiser Konflikt zwischen Dublin III und der Drittstaatenregelung, der über den Anwendungsvorrang des Unionsrechts zu lösen ist.1031 Die Drittstaatenregelung ist folglich insoweit, als sie sich auf die Gewährung internationalen Schutzes erstreckt, nicht anwendbar. Das bedeutet, dass die Bundesrepublik im geschilderten Beispielsfall wegen Art. 16a Abs. 2 GG zwar nicht zur Prüfung eines Antrags auf grundrechtliches Asyl verpflichtet ist. Trotz der grundsätzlichen Erstreckung des Art. 16a Abs. 2 S. 1 GG auch auf anderweitigen Verfolgungsschutz bleibt sie jedoch zur Prüfung von Anträgen auf Gewährung internationalen Schutzes verpflichtet, wenn die Dublin III-Verordnung die Zuständigkeit der Bundesrepu-

1029  BVerfGE 94, 49 (95  f.). Für eine solche Erstreckung auch Randelzhofer, Art. 16a Abs. 2–5, in: Maunz/Dürig, GG, 84. Aufl. August 2018 (Stand: bis 59. EL Juli 2010), Rn.  52 ff.; Arnauld, Art. 16a, in: Münch/Kunig, GG, 6. Aufl. 2012, Rn. 42; Zimmermann/Tams, Art. 16a, in: Berliner Kommentar, 2018 (Stand: 19. EL 2007), Rn. 159. Gegen eine Erstreckung des Ausschlusses auf andere Rechte Ulmer, Asylrecht und Menschenwürde (1996), S. 107–111; Huber, NVwZ 1993, 736, S. 737; wegen des eindeutigen Wortlauts des Art. 16a Abs. 2 GG Schoch, DVBl. 1993, 1161, S. 1164. 1030  Randelzhofer, Art. 16a Abs. 2–5, in: Maunz/Dürig, GG, 84. Aufl. August 2018 (Stand: bis 59. EL Juli 2010), Rn. 53  f. S. hierzu Hoppe, Eilrechtsschutz gegen ­Dublin II-Überstellungen (2013), S. 251 ff., demzufolge dies in einem Fall, in dem die Unzuständigkeit der Bundesrepublik auch unionsrechtlich determiniert ist, diese Erstreckung gegen das unionsrechtliche Verbot der Parallelgesetzgebung verstoße, soweit es um am Dublin-System teilnehmende Staaten gehe. 1031  Moll/Pohl, ZAR 2012, 102, S. 106 f.; Hoppe, Eilrechtsschutz gegen Dublin IIÜberstellungen (2013), S. 242–246.

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G. Das extraterritoriale Asylgrundrecht

blik dafür regelt.1032 Dieser Anwendungsvorrang des Unionsrechts hielte dabei auch einer bundesverfassungsgerichtlichen Identitätskontrolle stand, da der Individualrechtsschutz durch die Einschränkung eines Grundrechtsuntergangs gestärkt und nicht beschränkt wird. Die Stärkung von Individualgrundrechten verstößt nicht gegen Art. 79 Abs. 3 GG. Anzumerken ist, dass das Urteil des Bundesverfassungsgerichts im Jahre 1996 erging. Zu diesem Zeitpunkt war die Zuständigkeitsverteilung noch in Art. 28 bis 38 des Schengener Durchführungsübereinkommens geregelt.1033 Das Dubliner Übereinkommen war noch nicht in Kraft.1034 Sowohl die Art. 28 bis 38 des Schengener Durchführungsübereinkommens als auch das Dubliner Übereinkommen fielen laut Bundesverfassungsgericht unter Art. 16a Abs. 5 GG. Laut Bundesverfassungsgericht trat Art. 16a Abs. 2 GG hinter diesen „gegebenenfalls“ zurück.1035 Wäre also Deutschland als zuständiger Staat bestimmt gewesen, wäre die Drittstaatenregelung dem Bundesverfassungsgericht zufolge über Art. 16a Abs. 5 GG verdrängt worden. Ein Konflikt mit Unionsrecht wäre demnach gar nicht entstanden. Im Übrigen betrafen die dem Urteil zugrunde liegenden Verfahren Personen, die über Griechenland bzw. Österreich eingereist waren. Sowohl Griechenland als auch Österreich waren nicht Parteien des Schengener Durchführungsübereinkommens, sodass die sichere Drittstaatenregelung noch entscheidend war.1036 b) Unzuständigkeit der Bundesrepublik gemäß Dublin III-Verordnung trotz bestehenden Asylgrundrechts – Art. 16a GG und das Selbsteintrittsrecht Andersherum stellt sich die Frage, ob das Asylrecht des Art. 16a Abs. 1 GG mit der unionsrechtlich bestimmten Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaates kollidiert. So wird zum Teil angenommen, dass die unionsrechtlich bestimmte Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaates das Asylrecht aus Art. 16a GG über den Anwendungsvorrang des Unionsrechts verdrängt.1037 1032  Hoppe, Eilrechtsschutz gegen Dublin II-Überstellungen (2013), S. 242, 245 f.; Moll/Pohl, ZAR 2012, 102, S. 106 f. 1033  Diese wurden letztlich zugunsten des Dubliner Übereinkommens aufgehoben. S. dazu unten Teil G. II. 7. a). 1034  Zu Dublin I s. o. Teil G. II. 3. (S. 268). 1035  BVerfGE 94, 49 (86). 1036  Lübbe-Wolff, DVBl. 1996, 825, S. 828. 1037  Hoppe, Eilrechtsschutz gegen Dublin II-Überstellungen (2013), S. 246 f., demzufolge die Lösung dieses Konflikts „problemlos durch Anwendung der vorrangigen Verordnung herbeizuführen“ sei; Gnatzy, Art. 16a, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein/Henneke, GG, 14. Aufl. 2018, Rn. 8, demzufolge sich eine Person, für die ein anderer Staat zuständig ist, nicht mehr auf Asylrecht berufen könne.



II. Das Gemeinsame Europäische Asylsystem und Art. 16a GG275

Zwar wird der Schutz des Art. 16a Abs. 1 GG in der Regel gemäß der sicheren Drittstaatenregelung ausgeschlossen sein. So ergibt sich die Zuständigkeit eines Staates nach der Dublin III-Verordnung in der Regel daraus, dass dieser von der Person zuerst betreten worden ist, wobei alle am DublinSystem teilnehmenden Staaten gleichzeitig sichere Drittstaaten im Sinne des Art. 16a Abs. 2 GG i. V. m. Anlage II zum AsylG sind.1038 Allerdings kann sich die Zuständigkeit eben auch aus vom Einreiseweg unabhängigen Kriterien ergeben. Reist ein Minderjähriger z. B. direkt in die Bundesrepublik ein und hält sich sein Vater berechtigt in Frankreich auf, so ist u. U. Frankreich nach Dublin III zuständig und die sichere Drittstaatenregelung nicht einschlägig. (1) Überstellungspflicht infolge der Dublin III-Zuständigkeit? – zur Ermessensentscheidung i. R.d. Selbsteintrittsrechts Hoppe zufolge seien solche Fälle „problemlos durch Anwendung der vorrangigen Verordnung“ zu lösen.“1039 Es handele sich um eine direkte Kollision zweier unterschiedlicher Handlungsanforderungen an die Bundesrepu­ blik. Ist die Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaates bestimmt, dürfe dies nicht durch einen grundgesetzlichen Anspruch auf Durchführung eines Asylverfahrens oder Asylanerkennung untergraben werden.1040 Diese Ansicht kann nicht überzeugen. Die Voraussetzung, auf der Hoppes Ansicht basiert, ist, dass zwischen der Zuständigkeitsbestimmung der ­Dublin III-Verordnung und Art. 16a Abs. 1 GG eine Kollision besteht. Eine Kollision wäre jedoch nur dann anzunehmen, wenn die Dublin III-Verordnung zwingend eine Überstellung in den nach ihren Kriterien bestimmten zuständigen Mitgliedstaat verlangte, welche gemäß Art. 16a Abs. 1 GG verboten wäre. Dies ist jedoch gerade nicht der Fall. Die Dublin III-Verordnung räumt den Mitgliedstaaten mit dem Selbsteintrittsrecht in Art. 17 die Möglichkeit ein, die Prüfung eines Asylantrags zu übernehmen, selbst wenn ein anderer Mitgliedstaat nach den Kriterien zuständig wäre. Die Zuordnung nach den Dublin III-Kriterien ist noch nicht das Ende der Dublin III-Zuständigkeitsbestimmung. Folge des Selbsteintrittsrechts ist nämlich der Übergang der Zuständigkeit auf den dieses ausübenden Staat. Die Ausübung des Selbsteintrittsrechts steht dabei im Ermessen der Mitgliedstaaten. Dieses den Mitgliedstaaten unionsrechtlich eingeräumte Ermessen ist wie bereits darge1038  So auch Hoppe, Eilrechtsschutz gegen Dublin II-Überstellungen (2013), S. 246; vgl. Fröhlich, Das Asylrecht im Rahmen des Unionsrechts (2011), S. 342 f. 1039  Hoppe, Eilrechtsschutz gegen Dublin II-Überstellungen (2013), S. 247. 1040  Hoppe, Eilrechtsschutz gegen Dublin II-Überstellungen (2013), S. 236 f.

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legt durch nationales Recht auszufüllen.1041 Die Bundesrepublik ist bei der Ausübung ihres Selbsteintrittsermessens zur Beachtung ihrer grundrechtlich geschuldeten Pflichten verpflichtet. Ist sie nun gemäß Art. 16a Abs. 1 GG dazu verpflichtet, eine Überstellung in den zuständigen Mitgliedstaat zu unterlassen, ist ihr Ermessen hinsichtlich des Selbsteintrittsrechts nach nationalem Recht unter Umständen auf null reduziert.1042 Das Selbsteintrittsrecht muss ausgeübt werden.1043 Es besteht keine EU-rechtliche Pflicht zur Überstellung in einen anderen EU-Mitgliedstaat.1044 Damit besteht zwischen Art. 16a Abs. 1 GG und der Dublin III-Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaates grundsätzlich kein Konflikt.1045 Eine Auflösung über den Anwendungsvorrang des Unionsrechts ist folglich nicht angezeigt.

1041  Explizit zum Selbsteintrittsrecht Heusch/Günther, § 29 AsylG, in: Beck-OK AuslR, 20.  Aufl. 01.11.2018, Rn. 62; Gärditz, Art. 16a, in: Maunz/Dürig, GG, 84. Aufl. August 2018, Rn. 150; Moll/Pohl, ZAR 2012, 102, S. 107; Funke-Kaiser, Asyl- und Flüchtlingsrecht, in: Bergmann/Kenntner, Deutsches Verwaltungsrecht, 2002, Rn. 118. Zur Anwendbarkeit der Grundrechte i. R.d. Ausfüllung unionsrechtlich eingeräumten Ermessens s. o. Teil G. I. 1042  Fröhlich, Das Asylrecht im Rahmen des Unionsrechts (2011), S. 341 f. Zur Bindung der Bundesrepublik an Art. 16a Abs. 1 GG bei der Ausübung des Selbsteintrittsrechts Moll/Pohl, ZAR 2012, 102, S. 107 f.; vgl. dazu auch EGMR, Case of M.S.S. v. Belgium and Greece, App. No. 30696/09, Urteil vom 21.01.2011, Rn. 339 f. Auch der EGMR kommt zu dem Ergebnis, dass Belgien wegen der Möglichkeit des Selbsteintritts nicht zur Überstellung verpflichtet war; s. dazu auch Wendel, DVBl. 2015, 731, S. 739. Zur Möglichkeit einer Ermessensreduktion im Rahmen der verfassungsrechtlichen Ausfüllung des Selbsteintrittsermessens Funke-Kaiser, Asyl- und Flüchtlingsrecht, in: Bergmann/Kenntner, Deutsches Verwaltungsrecht, 2002, Rn. 118. 1043  Zu beachten ist dabei, dass auch andere Grundrechte in den Entscheidungsprozess einwirken könnten. So könnten z. B. Art. 6 Abs. 1 GG oder das Kindeswohl aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG für eine Zusammenführung der Familie in Frankreich sprechen, etwa weil der überwiegende Teil der nahen Angehörigen sich dort aufhält. Dabei ist jedoch zu bedenken, dass Art. 16a Abs. 1 GG als Abschiebungsverbot für die Bundesrepublik und nicht etwa als Ausreiseverbot für die Betroffenen wirkt. Das heißt, das Asylrecht entfaltet seine effektive Wirkung nur im Falle, dass eine (zwangsweise) Abschiebung vorgenommen werden soll. In der Regel kann davon ausgegangen werden, dass wenn die Familienzusammenführung dem Kindeswohl entspricht, der Minderjährige seinen Asylantrag nicht in Deutschland, sondern in Frankreich stellen wollen wird. Reist nun der Minderjährige freiwillig nach Frankreich, liegt es nicht im Interesse des Art. 16a GG, dies zu verhindern. Insoweit würde sich Art. 16a Abs. 1 GG auch nicht auf die Ermessensentscheidung hinsichtlich des Selbsteintrittsrechts auswirken. 1044  Vgl. Wittreck, Art. 16a, in: Dreier, GG, 3. Aufl. 2013, Rn. 90. 1045  So schon zum Verhältnis zwischen Asylgrundrecht und Schengener Abkommen Steinberg, Sten. Prot., S. 380.



II. Das Gemeinsame Europäische Asylsystem und Art. 16a GG277

(2) Unionsrechtliche Einschränkung des Selbsteintrittsrechts Die Ausübung des Selbsteintrittsrechts könnte allerdings unionsrechtlich bestimmt bzw. gelenkt sein. Ist die Ausübung des Selbsteintrittsrechts unionsrechtlich untersagt, könnte dies letztendlich doch zu einer Überstellungspflicht führen, die das Abschiebungs- bzw. Abweisungsverbot des Art. 16a Abs. 1 GG letztendlich verdrängen würde. Es stellt sich also die Frage, inwiefern das Ermessen des Art. 17 der Dublin III-Verordnung nun insofern auf null reduziert sein könnte, dass das Selbsteintrittsrecht nicht ausgeübt werden dürfte. Bei der Frage nach ermessensleitenden bzw. -bestimmenden Aspekten ist zunächst an humanitäre Gründe zu denken.1046 So könnten neben den nationalen Grundrechten z. B. auch die Unionsgrundrechte der GRC das Selbsteintrittsermessen lenken.1047 Diese werden allerdings in der Regel ebenfalls als Überstellungsverbote und gerade nicht als Überstellungsgebote wirken und damit genau wie Art. 16a Abs. 1 GG zu einer Selbsteintrittspflicht führen.1048 Da in diesen Fällen gerade keine Kollision zum nationalen Recht entstehen würde, bleiben diese ermessensleitenden Aspekte im Folgenden unberücksichtigt. Gegen die Ausübung des Selbsteintrittsrechts wurde der effet utile der Dublin III-Verordnung angeführt. Filzwieser/Sprung sind der Auffassung, dass jedenfalls die „extensive“ Ausübung des Selbsteintrittsrechts das Zuständigkeitssystem der Dublin III-Verordnung „unterhöhlen“ und damit das effet utile-Prinzip verletzen würde.1049 Zudem wird vertreten, dass das eingeräumte Ermessen nicht in einer Weise ausgeübt werden dürfe, „die die Dublin-Zuständigkeitsregeln zur Makulatur werden lässt“. Es handele sich um 1046  Nestler/Vogt, ZAR 2017, 21, S. 25; Lehnert/Pelzer, NVwZ 2010, 613, S. 614; Hruschka/Maiani, Dublin III Regulation (EU) No 604/2013, in: EU IAL, 2. Aufl. 2016, Art. 17, Rn. 2, 9 ff. 1047  Nestler/Vogt, ZAR 2017, 21, S. 26; Wendel, JZ 2016, 332, S. 334 f.; Heusch/ Günther, § 29 AsylG, in: Beck-OK AuslR, 20. Aufl. 01.11.2018, Rn. 61; Lehnert/ Pelzer, NVwZ 2010, 613, S. 614 f.; Lübbe, EuR 2015, 351, S. 362. 1048  Heusch/Günther, §  29 AsylG, in: Beck-OK AuslR, 20. Aufl. 01.11.2018, Rn. 61, demzufolge die Bindung an die Unionsgrundrechte bei Ausübung des Selbsteintrittsrechts zu einer Selbsteintrittspflicht führen könne; vgl. hierzu Nestler/Vogt, ZAR 2017, 21, S. 24 f., in Bezug auf ermessensleitende humanitäre Gesichtspunkte; zum unionsrechtlichen Überstellungsschutz nach Art. 4 GRC vgl. Bergmann, ZAR 2015, 81, S. 84 f. Laut Wendel, JZ 2016, 332, S. 334, besteht nach der EuGH-Rspr. allerdings kein subjektives Recht auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts gem. der GRC; vgl. dazu EuGH, Urt. v. 14. November 2013, ECLI:EU:C:2013:740, Rn. 37 – Puid; dem Urteil zustimmend Thym, NVwZ 2014, 129, S. 131; s. jedoch Lübbe, EuR 2015, 351, S. 362, für die Möglichkeit eines einklagbaren Rechts. 1049  Filzwieser/Sprung, Dublin III-Verordnung (2014), Art. 17, K2. Dabei sprechen sie von „etwa“ der Hälfte aller Fälle. A. A. Lübbe, ZAR 2015, 125, S. 131.

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G. Das extraterritoriale Asylgrundrecht

eine „Ausnahmeregelung“, die keine „zeitlich und zahlenmäßig unbegrenzte Einreiseerlaubnis rechtfertig[e]“.1050 Diese Argumentation findet sich u. a. im Zusammenhang mit der rechtlichen Bewertung der deutschen Flüchtlingspolitik im Spätsommer 2015.1051 Die Bundesregierung setzte für einige Monate das Dublin-Verfahren für syrische Schutzsuchende aus.1052 Das heißt, die Asylanträge der betroffenen Personen wurden unabhängig davon geprüft, ob bzw. dass ein anderer Mitgliedstaat dafür zuständig gewesen wäre. Dies ist hinsichtlich der Dublin III-Zuständigkeitsordnung als Ausübung des Selbsteintrittsrechts anzusehen.1053 Als weiteres Argument gegen die Ausübung eines Generalselbsteintritts wird in diesem Zusammenhang angeführt, dass dadurch die Flucht einer Vielzahl von Menschen erst bewirkt würde, die ansonsten nicht fliehen würden. Dies wird insbesondere als Verstoß gegen das unionsrechtliche Loyalitätsgebot des Art. 4 Abs. 3 EUV gesehen, welches es verbiete, Partnerstaaten unverhältnismäßigen Folgewirkungen auszusetzen.1054 1050  Peukert/Hillgruber/Foerste/Putzke, ZAR 2016, 131, S. 135; s. auch Thym, NVwZ 2014, 129, S. 131, demzufolge die „systemimmanente Ausnahme“ des Selbsteintrittsrechts „eng auszulegen“ sei und nicht die praktische Wirksamkeit der Zuständigkeitsabgrenzung „untergraben“ dürfe; dem zustimmend Wendel, DVBl. 2015, 731, S. 740; für einen Verstoß der Bundesrepublik gegen „geltendes Europarecht“ Stumpf, DÖV 2016, 357, S. 360, Fn. 21, mit dem Argument, dass eine „Ausnahme zur Regel verkehrt“ würde; zweifelnd an der Unionsrechtmäßigkeit der „massenhafte[n] Aktivierung des als Ausnahmeklausel gedachten Selbsteintrittsrechts“ auch Hailbronner/ Thym, JZ 2016, 753, S. 759; vgl. Wendel, JZ 2016, 332, S. 338 f., demzufolge die mitgliedstaatliche Exekutive nicht die Gesetzgebung der EU unterlaufen dürfe. Noch zu Dublin I vgl. Weber, ZRP 1993, 170, S. 171. 1051  Z. B. Peukert/Hillgruber/Foerste/Putzke, ZAR 2016, 131, S. 135; Wendel, JZ 2016, 332, S. 338; Stumpf, DÖV 2016, 357, S. 360. 1052  Zeit Online, Deutschland setzt Dublin-Verfahren für Syrer aus, www.zeit.de/ politik/ausland/2015-08/fluechtlinge-dublin-eu-asyl (25.08.2015), letzter Zugriff am 10.05.2018; Zeit Online, Deutschland wendet Dublin-Verfahren wieder an, www.zeit. de/politik/deutschland/2015-11/fluechtlingskrise-deutschland-dublin-verfahren-syrer (10.11.2015), letzter Zugriff am 10.05.2018; Stumpf, DÖV 2016, 357, S. 360. Zum Hintergrund dessen s. auch Gnatzy, Art. 16a, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein/Henneke, GG, 14. Aufl. 2018, Rn. 10a ff. 1053  So Wendel, JZ 2016, 332, S. 338, der allerdings auch (insbesondere förmliche) Probleme dieser Einordnung aufzeigt. So seien z. B. die durch den Selbsteintritt ausgelösten Informations- und Unterrichtungspflichten nicht erfüllt worden; Nestler/Vogt, ZAR 2017, 21, S. 24, dazu, dass der Selbsteintritt auch konkludent möglich sei. So seien die Unterrichtungspflichten nur Konsequenz und nicht Voraussetzung des Selbsteintrittsrechts; für eine Einstufung als Ausübung des Selbsteintrittsrechts auch Hailbronner/Thym, JZ 2016, 753, S. 759. 1054  So Wendel, JZ 2016, 332, S. 339 f., der allerdings betont, dass der Nachweis, dass das Verhalten der Bundesrepublik tatsächlich Einfluss auf die Fluchtbewegungen gehabt hat, schwer zu erbringen sein wird.



II. Das Gemeinsame Europäische Asylsystem und Art. 16a GG279

(3) Stellungnahme – freie Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Unionsrecht Die Ansicht, die von einem unionsrechtlich eingeschränkten Selbsteintrittsermessen ausgeht, kann nicht überzeugen. (a) Das Selbsteintrittsrecht als systemimmanente Regelung Zunächst einmal wird das Selbsteintrittsrecht gerade von der Dublin IIIVerordnung selbst vorausgesetzt, ohne dass irgendwelche materiellrechtlichen Bedingungen daran geknüpft werden.1055 Die Ausübung eines in der Verordnung selbst vorgesehenen Rechts kann grundsätzlich nicht ihrer eigenen praktischen Wirksamkeit entgegenstehen.1056 Außerdem wurde dieses wohl auch gerade dazu eingeräumt, nationalrechtliche Asylgewährleistungen zu berücksichtigen.1057 Dies widerspricht insbesondere dem Argument von 1055  Nestler/Vogt, ZAR 2017, 21, S. 24; Hruschka/Maiani, Dublin III Regulation (EU) No 604/2013, in: EU IAL, 2. Aufl. 2016, Art. 17, Rn. 17; Bast/Möllers, Dem Freistaat zum Gefallen, https://verfassungsblog.de/dem-freistaat-zum-gefallen-ueberudo-di-fabios-gutachten-zur-staatsrechtlichen-beurteilung-der-fluechtlingskrise/ (16. Januar 2016), letzter Zugriff am 06.03.2019; Wendel, JZ 2016, 332, S. 334, 338; zur Dublin II-Verordnung auch EuGH, Urt. v. 30 Mai 2013, Rs. C-528/11, ECLI:EU:C:2013:342, Rn. 36 – Halaf; ebenfalls zur Dublin II-Verordnung Hermann, Das Dublin System (2008), S. 121, der im Selbsteintrittsrecht einen Ausdruck des völkerrechtlichen Grundsatzes sieht, dass jeder Staat grundsätzlich frei über die Gewährung von Asyl entscheiden kann; s. auch Bergmann, ZAR 2015, 81, S. 84, der von „freiem […] Ermessen“ spricht; vgl. aber Lübbe, EuR 2015, 351, S. 362 f., die aus Unions- und EMRK-Grundrechten bereits die Möglichkeit einer Ermessensreduktion auf null i. R.d. Art. 17 Dublin III-Verordnung ableitet. 1056  Gärditz, Art. 16a, in: Maunz/Dürig, GG, 84. Aufl. August 2018, Rn. 150, wonach das Rechtsregime „keine Ordnungsfunktion“ erfülle, die sich „nach seiner Teleo­logie gegen die freiwillige Übernahme“ richte; gegen die Annahme, dass die übermäßige („excessive“) Ausübung des Selbsteintrittsrechts den Zielen der Verordnung entgegensteht auch Hruschka/Maiani, Dublin III Regulation (EU) No 604/2013, in: EU IAL, 2. Aufl. 2016, Art. 17, Rn. 17; Hermann, Das Dublin System (2008), S. 123, der in Art. 3 Abs. 2 der Dublin II-Verordnung gerade eine „Freizeichnung“ von einem Gemeinschaftsrechtsverstoß sieht; ebenfalls zur Vorgängervorschrift Hermann, Council Regulation (EC) No 343/2003, in: EU IAL, 2010 Art. 3, Rn. 7. 1057  Vgl. dazu Wendel, JZ 2016, 332, S. 335; Hailbronner, ZAR 1995, 3, S. 4; Hailbronner, Perspektiven einer europäischen Asylrechtsharmonisierung, in: Hailbronner, Asyl- und Einwanderungsrecht, 1992, S. 138; Streinz, Gibt es ein europäisches Einwanderungs- und Asylrecht?, in: Stern, Zuwanderungs- und Asylrecht, 2003, S.  73 f.; Nestler/Vogt, ZAR 2017, 21, S. 24, hinsichtlich nationalstaatlicher „Vorgaben“; noch zu Dublin I Funke-Kaiser, Asyl- und Flüchtlingsrecht, in: Bergmann/ Kenntner, Deutsches Verwaltungsrecht, 2002, Rn. 113. Demnach sei das „sehr weite Ermessen“ dazu da, national-rechtlichen Vorgaben Rechnung tragen zu können, sowie „auch einen Freiraum schlichter Opportunitätserwägungen zu eröffnen“; Weber, ZRP

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G. Das extraterritoriale Asylgrundrecht

Wendel, dass der Generalselbsteintritt dem Willen des Unionsgesetzgebers zuwiderlaufen würde.1058 An dieser Stelle soll auf die Reformbemühungen der Europäischen Kommission hingewiesen werden. Diese schlug im Sommer 2016 eine Reform der Dublin III-Verordnung vor, in der die Ausübung des Selbsteintrittsrechts nicht mehr frei, sondern an bestimmte Bedingungen geknüpft werden sollte. So schlug sie vor, die Ermessensklausel der Dublin III-Verordnung so zu ändern, dass das Selbsteintrittsrecht nur noch „aus familiären Gründen“ ausgeübt werden dürfe.1059 Diese Änderung wurde vom Europäischen Parlament in seinem Reformvorschlag im November 2017 allerdings nicht übernommen. Dieses schlug vielmehr die Beibehaltung des ursprünglichen, freien Ermessens vor.1060 (b) Die der Dublin III-Verordnung zugrunde liegende Interessenlage Darüber hinaus wird die der Dublin III-Verordnung zugrunde liegende Interessenlage nicht berücksichtigt bzw. unzutreffend eingeschätzt. Es ist nicht das Ziel der Zuständigkeitsbestimmung dafür zu sorgen, dass die Verantwortung für die gestellten Asylanträge gerade nach dem vorgezeichneten System verteilt wird.1061 Die Aufteilung der Verantwortung für Asylanträge ist vielmehr Mittel zur Erreichung anderer Zwecke. Es soll sichergestellt werden, dass jeder Asylantrag, der im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates gestellt wird, zugleich mindestens und höchstens einmal geprüft wird.1062 Welchen 1993, 170, S. 171, demzufolge dies aber eine erhebliche Untergrabung des Vertragszwecks darstelle; ebenfalls noch zu Dublin I Mohr, Sten. Prot., S. 443. 1058  Wendel, JZ 2016, 332, S. 338 f. 1059  Art. 19 Abs. 1, COM(2016) 270 final vom 4. Mai 2016, 2016/0133 (COD); insgesamt kritisch zu den Reformvorschlägen der Kommission Henkel, ZRP 2017, 2; Henkel, DVBl. 2017, 269; sowie Marx, ZAR 2016, 366, insbesondere S. 373 ff. 1060  Änderungsantrag 125, Entwurf einer legislativen Entschließung des Europäischen Parlaments zu dem Vorschlag für die Neufassung der Dublin III-Verordnung vom 6. November 2017, Dokument A8-0345/2017. 1061  Lübbe, ZAR 2015, 125, S. 128; Hermann, Das Dublin System (2008), S. 54; vgl. Gärditz, Art. 16a, in: Maunz/Dürig, GG, 84. Aufl. August 2018, Rn. 150; vgl. Renner, ZAR 1996, 103, S. 105, wonach es bei Dublin I und SDÜ nicht um eine gerechte Verteilung gehen könne, da an rein formale und nicht materielle Kriterien angeknüpft werde, unabhängig von Belastbarkeit und Aufnahmefähigkeit der Staaten. Zu den Schengener Abkommen s. u. Teil G. II. 7. 1062  So auch Günther, ZAR 2017, 7, S. 8; Lübbe, EuR 2015, 351, S. 351; Streinz, Gibt es ein europäisches Einwanderungs- und Asylrecht?, in: Stern, Zuwanderungsund Asylrecht, 2003, S. 73; Woyczechowski, Zwischen Vermutung und Gewissheit (2003), S. 44; Farahat/Markard, JZ 2017, 1088, S. 1090; von einem „one chance only“-Prinzip sprechend Wendel, JZ 2016, 332, S. 332; so auch Gerlach, ZRP 1993,



II. Das Gemeinsame Europäische Asylsystem und Art. 16a GG281

Zwecken dies dienen soll und dass dies gerade nicht für eine bestimmte Ausübungspraxis hinsichtlich des Selbsteintrittsrechts spricht1063 – jedenfalls nicht für ein Absehen vom Selbsteintrittsrecht –, wird im Folgenden entfaltet. (aa) M  indestens eine Prüfung: Vermeidung des „refugee in orbit“Phänomens Ein Antrag soll mindestens einmal geprüft werden, um zu verhindern, dass sich alle Mitgliedstaaten der Reihe nach der Verantwortung für einen gestellten Asylantrag entziehen und sich die betroffene Person im schutzlosen „orbit“1064 wiederfindet.1065 Dieses Ziel dient primär dem Individuum. Es soll sichergestellt werden, dass eine schutzbedürftige Person nicht letztendlich doch wieder in ihren Verfolgerstaat zurückgeschoben wird. Für die Erreichung dieses Ziels ist es jedoch irrelevant, von welchem Mitgliedstaat die 164, S. 165; Bast/Möllers, Dem Freistaat zum Gefallen, https://verfassungsblog.de/ dem-freistaat-zum-gefallen-ueber-udo-di-fabios-gutachten-zur-staatsrechtlichen-beur teilung-der-fluechtlingskrise/ (16. Januar 2016), letzter Zugriff am 06.03.2019, denen zufolge die „Priorität“ des Systems darauf liege, dass „überhaupt“ [im Original hervorgehoben] eine Prüfung stattfinde; so auch Hermann, Das Dublin System (2008), S. 123. 1063  Fröhlich, Das Asylrecht im Rahmen des Unionsrechts (2011), S. 342, demzufolge die Ausübung des Selbsteintrittsrechts den zwei zentralen Zwecken der Verordnung nicht wiederspreche. 1064  Mit dem Begriff „refugee in orbit“ wird das Phänomen beschrieben, dass sich alle von einer schutzsuchenden Person angesteuerten Staaten der Reihe nach – z. B. aufgrund einer nationalen sicheren Drittstaatenregelung – für unzuständig erklären, sodass die Person letztendlich schutzlos dasteht, Farahat/Markard, JZ 2017, 1088, S. 1090; dazu, dass dieses Phänomen in Europa die siebziger und achtziger Jahre prägte Marx, KJ 2016, 150, S. 150. 1065  Günther, ZAR 2017, 7, S.  8; Gärditz, Art. 16a, in: Maunz/Dürig, GG, 84. Aufl. August 2018, Rn. 121, 143; Lehner, Das Grundrecht auf Asyl und seine Folgerechte im Grundgesetz, in: Bungenberg/Giegerich/Stein, Asyl und Migration, 2016, S. 108; Hermann, Das Dublin System (2008), S. 52 f.; Hermann, Council Regulation (EC) No 343/2003, in: EU IAL, 2010 Art. 1, Rn. 20; Wendel, JZ 2016, 332, S. 332; Weinzierl, ZAR 2010, 260, S. 261; Gerlach, ZRP 1993, 164, S. 164, 166; Woyczechowski, Zwischen Vermutung und Gewissheit (2003), S. 43; Streinz, Gibt es ein europäisches Einwanderungs- und Asylrecht?, in: Stern, Zuwanderungs- und Asylrecht, 2003, S. 73; Fröhlich, ZG 2016, 215, S. 218; Fröhlich, Das Asylrecht im Rahmen des Unionsrechts (2011), S. 342; vgl. auch den Bericht der Kommission zur Bewertung des Dublin-Systems, KOM(2007) 299 vom 6.6.2007, in welchem sie auf S. 7 einerseits feststellt, dass die Selbsteintrittsklausel (Art. 3 Abs. 2 Dublin II-Verordnung) in den Mitgliedstaaten unterschiedlich ausgelegt werde – „von humanitären bis hin zu rein praktischen Gründen“ – und andererseits dazu ermutigt, „aus humanitären Gründen die Souveränitätsklausel anzuwenden, da dies dem impliziten Ziel der Bestimmung entsprechen dürfte“.

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G. Das extraterritoriale Asylgrundrecht

jeweilige Prüfung durchgeführt wird, solange sie nur durchgeführt wird.1066 Für diesen Zweck ist mithin irrelevant, ob der zu prüfende Mitgliedstaat nach den Dublin-Kriterien oder dem Selbsteintrittsrecht für zuständig befunden wird. (bb) Höchstens eine Prüfung: Vermeidung von „forum shopping“ Ein Antrag soll gleichzeitig nur höchstens einmal geprüft werden, um das sog. „forum-shopping“ zu verhindern.1067 Mit „forum shopping“ ist gemeint, dass schutzsuchende Personen gezielt in diejenigen Mitgliedstaaten reisen, in denen sie sich wirtschaftliche Vorteile ausrechnen.1068 Dieses Ziel dient gerade den Mitgliedstaaten, die im Rahmen eines „forum shopping“ ausgesucht, mit einer verhältnismäßig hohen Zahl von Schutzgesuchen konfrontiert und folglich überlastet werden würden.1069 Die Zuständigkeit nach der Dublin IIIVerordnung gäbe diesen Staaten unter Umständen die Möglichkeit einer Abbzw. Verweisung der gestellten Anträge. Entscheidet sich nun ein Staat freiwillig1070 zur Ausübung des Selbsteintrittsrechts, so verzichtet er lediglich auf einen ihm selbst eingeräumten Schutz. Von einer Illoyalität den anderen Mitgliedstaaten gegenüber kann demnach keine Rede sein.1071 (cc) Keine solidarische Aufteilung Bei der Berufung auf den effet utile wird nicht berücksichtigt, dass es eben nicht um die gerechte Verteilung eines von den Mitgliedstaaten begehrten 1066  Vgl. Hermann, Das Dublin System (2008), S. 56, demzufolge ein Asylantragsteller sich nicht aussuchen könne, in welchem Staat der Antrag geprüft wird, da sich dies aus den Kriterien ergebe. Es bestehe jedoch jedenfalls ein Anspruch darauf, dass der Antrag überhaupt geprüft werde, um so die refugee-in-orbit-Situation zu vermeiden. Vgl. zudem Fröhlich, Das Asylrecht im Rahmen des Unionsrechts (2011), S. 342, dazu, dass eine refugee-in-orbit-Situation nicht begünstigt werde. 1067  Fröhlich, ZG 2016, 215, S. 218; Hailbronner, ZAR 1995, 3, S. 4; Streinz, Gibt es ein europäisches Einwanderungs- und Asylrecht?, in: Stern, Zuwanderungs- und Asylrecht, 2003, S. 73; Gärditz, Art. 16a, in: Maunz/Dürig, GG, 84. Aufl. August 2018, Rn. 121; Wendel, JZ 2016, 332, S. 332; Woyczechowski, Zwischen Vermutung und Gewissheit (2003), S. 43; Günther, ZAR 2017, 7, S. 8, der die Verhinderung des forum shoppings zu einem der beiden „Hauptziele“ der Verordnung erklärt; Gerlach, ZRP 1993, 164, S. 164 f., zur Vermeidung mehrfacher Asylantragsstellung. 1068  Günther, ZAR 2017, 7, S. 8. 1069  Vgl. Gärditz, Art. 16a, in: Maunz/Dürig, GG, 84. Aufl. August 2018, Rn. 150. 1070  Bzw. den eigenen nationalrechtlichen Verpflichtungen entsprechend. 1071  Vgl. Gärditz, Art. 16a, in: Maunz/Dürig, GG, 84. Aufl. August 2018, Rn. 150, demzufolge das Dublin-System keine „Ordnungsfunktion“ erfülle, „die sich nach seiner Teleologie gegen die freiwillige Übernahme von Asylverfahren richtet“.



II. Das Gemeinsame Europäische Asylsystem und Art. 16a GG283

Gutes,1072 sondern um das Aufteilen einer gemeinsamen Belastung bzw. humanitären Verantwortung geht. Dies ist schon daran zu erkennen, dass die Zuständigkeit jedenfalls nach dem praktisch relevantesten1073 Kriterium des Erstzutrittsstaates nicht solidarisch nach einem Schlüssel, sondern nach dem „Verursacherprinzip“ aufgeteilt wird.1074 Letzteres bedeutet, dass die Zuständigkeit demjenigen Staat zugeordnet wird, „der für die Einreise in den Kooperationsraum verantwortlich ist (Verursacherprinzip).“1075 Das Interesse an einer solidarischen Aufteilung kann vielmehr für statt gegen die Ausübung des Selbsteintrittsrechts angeführt werden, da so andere Staaten entlastet werden könnten.1076 (4) EuGH in Jafari und A.S. – eine Bestätigung der deutschen Flüchtlingspolitik im Spätsommer 2015 Zwei im Zusammenhang mit der Auslegung der Dublin III-Verordnung richtungsweisende Urteile ergingen im Juli 2017, welche an dieser Stelle kurz erläutert werden sollen. Es handelt sich um die Rechtssachen A.S. und 1072  Vgl. Hermann, Das Dublin System (2008), S. 65 f., zur Dublin II-Verordnung, wonach das Dublin-System die Asylanträge unabhängig von der Aufnahmekapazität der Staaten verteilt. 1073  S. o. Teil G. II. 3., Fn. 1013. 1074  Wendel, JZ 2016, 332, S. 333. Dazu, dass die Zuständigkeit nach dem Verursacherprinzip aufgeteilt wird Marx, KJ 2016, 150, S. 156, der die Zuständigkeitsverteilung nach dem Verursacherprinzip als einen der „Geburtsfehler“ des Dublin-Systems beschreibt; zum Verursacherprinzip im Dublin-System s. auch Lübbe, EuR 2015, 351, S. 353; Weinzierl, ZAR 2010, 260, S. 261, derzufolge das Dublin-System nicht zur Lastenteilung konzipiert wurde. Dazu auch Hermann, Council Regulation (EC) No 343/2003, in: EU IAL, 2010 Art. 1, Rn. 34 ff. Dazu, dass das Dublin-System trotz der Erwähnung von Solidarität in den Erwägungsgründen von vornherein nicht als solidarischer Lastenteilungsmechanismus konzipiert war Fröhlich, ZG 2016, 215, S. 221; vgl. dazu Günther, ZAR 2017, 7, S. 9, 13. In diesem Zusammenhang ist auf die aktuellen Pläne von Kommission und Parlament zur Neufassung der Dublin IIIVerordnung (Dublin IV) hinzuweisen. S. dazu insbesondere den Bericht des Parlaments, Dokument A8-0345/2017 vom 6. November 2017. Vorgeschlagen wurde dabei insbesondere die Einführung eines Korrekturmechanismus, der sich an einem bestimmten Referenzschlüssel orientieren soll. Der Korrekturmechanismus soll dann greifen, wenn eine Zuständigkeitsbestimmung oder eine Überstellung nicht aufgrund der Zuständigkeitskriterien erfolgen kann. Dieser Mechanismus soll ausweislich der Begründung zu Änderungsantrag 178 dem Ausgleich der unfairen Belastung der Außengrenzstaaten dienen. 1075  Lübbe, EuR 2017, 639, S. 642. 1076  Wendel, JZ 2016, 332, S. 338, allerdings nur situationsspezifisch und nicht in Form eines generellen Selbsteintritts. Vgl. dazu auch Hermann, Das Dublin System (2008), S. 65.

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G. Das extraterritoriale Asylgrundrecht

Jafari.1077 In der Rechtssache A.S. geht es um einen syrischen Staatsangehörigen, der aus Syrien über den Libanon und die Türkei nach Griechenland eingereist ist. Von dort aus reiste er über die ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien1078 und Serbien nach Kroatien. Die kroatischen Behörden verweigerten ihm nicht die Einreise, sondern organisierten vielmehr seine Weiterbeförderung an die slowenische Staatsgrenze, welche er am 20. Fe­ bruar 2016 überquerte. Am 19. März 2016 stellte Slowenien ein Wiederaufnahmegesuch nach der Dublin III-Verordnung an Kroatien, woraufhin die kroatischen Behörden bestätigten, dass Kroatien in der Tat der zuständige Mitgliedstaat sei. Das slowenische Innenministerium entschied am 14. Juni 2016, Herrn A.S. nach Kroatien zu überstellen. Gegen diese Entscheidung erhob Herr A.S. Klage.1079 In der Rechtssache Jafari geht es um zwei Schwestern afghanischer Staatsangehörigkeit, die mit ihren Kindern im Dezember 2015 aus Afghanistan über den Iran und die Türkei nach Griechenland einreisten. Von dort aus reisten sie über die ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien1080, Serbien, Kroatien und Slowenien nach Österreich ein. Auch in diesem Fall erhoben die Betroffenen Klage gegen die Ausweisungsverfügungen, denen zufolge sie nach Kroatien zurückgeführt werden sollten.1081 In den Verfahren ging es hauptsächlich um die Auslegung der Dublin III-Verordnung, und zwar insbesondere um die Frage, ob diese in Verbindung mit anderen Unionsrechtsakten auszulegen sei, was unter einem Visum i. S. d. Art. 12 zu verstehen und wie das Kriterium der illegalen Einreise aus Art. 13 auszulegen sei. In den Schlussanträgen äußerte sich Generalanwältin Sharpston zu der sog. „Flüchtlingskrise“1082 in der Westbalkanregion zwischen September 2015 und März 2016 sowie insbesondere zu der Flüchtlingspolitik der Bundes­ republik Deutschland. Ihrer Auffassung zufolge sei die Zuständigkeit für die Prüfung von Asylverfahren in besonderen Fällen wie der Flüchtlingskrise nicht anhand des Kriterienkatalogs des dritten Kapitels der Dublin III-Verordnung zu ermitteln. Die Kriterien seien auf solche Umstände nicht zugeschnitten. Vielmehr sei die Zuständigkeit entweder über das Selbsteintritts1077  EuGH, Urt. v. 26. Juli 2017, Rs. C-490/16, ECLI:EU:C:2017:585 – A.S.; EuGH, Urt. v. 26.Juli 2017, Rs. 646/16, ECLI:EU:C:2017:586 – Jafari. 1078  Nunmehr Republik Nordmazedonien, s. o. Teil F. II. 2. b), Fn. 880. 1079  GA Sharpston, Schlussanträge v. 8. Juni 2017, Rs. C-490/16 und 646/16, ECLI:EU:C:2017:443, Rn. 71 – 79; EuGH, Urt. v. 26. Juli 2017, Rs. C-490/16, ECLI:EU:C:2017:585, Rn. 14 – 19 – A.S. 1080  Nunmehr Republik Nordmazedonien, s. o. Teil F. II. 2. b), Fn. 880. 1081  GA Sharpston, Schlussanträge v. 8. Juni 2017, Rs. C-490/16 und 646/16, ECLI:EU:C:2017:443, Rn. 81 – 95; EuGH, Urt. v. 26.Juli 2017, Rs. 646/16, ECLI:EU:C:2017:586, Rn. 29 – 35 – Jafari. 1082  GA Sharpston, Schlussanträge v. 8. Juni 2017, Rs. C-490/16 und 646/16, E-CLI:EU:C:2017:443, Rn. 18.



II. Das Gemeinsame Europäische Asylsystem und Art. 16a GG285

recht des Art. 17 oder über Art. 3 Abs. 2 der Dublin III-Verordnung zu lösen, wonach im Zweifel derjenige Mitgliedstaat zuständig ist, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde.1083 Der EuGH widersprach dieser Ansicht in seinem Urteil in der Rechtssache Jafari zum Teil. Demzufolge sei die Tatsache, dass außergewöhnlich viele Schutzsuchende gleichzeitig die Mitgliedstaaten erreicht haben, für die Anwendbarkeit der Dublin III-Kriterien irrelevant.1084 Damit hält er unabhängig von den besonderen Umständen des Sommers 2015 am Dublin-System fest.1085 Darüber hinaus wird allerdings Folgendes geäußert: „Viertens kann, unabhängig vom Erlass solcher Maßnahmen, die Aufnahme einer außergewöhnlich hohen Zahl internationalen Schutz begehrender Drittstaatenangehöriger durch einen Mitgliedstaat auch dadurch erleichtert werden, dass andere Mitgliedstaaten, einseitig oder in Abstimmung mit dem betreffenden Mitgliedstaat, im Geist der Solidarität, der im Einklang mit Art. 80 AEUV der Dublin-III-Verordnung zugrunde liegt, von der in Art. 17 Abs. 1 dieser Verordnung vorgesehenen Befugnis Gebrauch machen, zu beschließen, bei ihnen gestellte Anträge auf internationalen Schutz zu prüfen, auch wenn sie nach den in der Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig sind.“1086

Die extensive Ausübung des Selbsteintrittsrechts ist demnach nicht nur kein Verstoß gegen das Dublin-System,1087 sondern vielmehr Voraussetzung für sein Funktionieren.1088 Ob Letzteres angesichts der Freiwilligkeit des Selbsteintrittsrechts überzeugen kann, sei dahingestellt.1089 Jedenfalls wird damit implizit die Flüchtlingspolitik der Bundesrepublik im Spätsommer 2015 als mit der Dublin III-Verordnung vereinbar erklärt.1090 Die Ausübung 1083  GA Sharpston, Schlussanträge v. 8. Juni 2017, Rs. C-490/16 und 646/16, ECLI:EU:C:2017:443, Rn. 219 – 243. 1084  EuGH, Urt. v. 26.Juli 2017, Rs. 646/16, ECLI:EU:C:2017:586, Rn. 93 – 101 – Jafari; bestätigt am selben Tag in EuGH, Urt. V. 26. Juli 2017, Rs. 490/16, ECLI:EU:C:2017:585, Rn. 40 – A.S. 1085  Lübbe, EuR 2017, 639, S. 642 f. 1086  EuGH, Urt. v. 26.Juli 2017, Rs. 646/16, ECLI:EU:C:2017:586, Rn. 100 – Jafari. 1087  Farahat/Markard, JZ 2017, 1088, S. 1089, denenzufolge laut den Urteilen „eine freiwillige Verantwortungsübernahme durch einzelne Mitgliedstaaten […] zulässig“ sei. 1088  Vgl. dazu auch Hermann, Council Regulation (EC) No 343/2003, in: EU IAL, 2010 Art. 1, Rn. 34, wonach die Gewährung von Asyl (auch wenn sie nicht verpflichtend ist) als solidarische Handlung gesehen werden könne. 1089  Vgl. Lübbe, EuR 2017, 639, S. 647; zur zurückhaltenden Ausübung des Selbsteintrittsrechts durch die Mitgliedstaaten s. Hruschka/Maiani, Dublin III Regulation (EU) No 604/2013, in: EU IAL, 2. Aufl. 2016, Art. 17, Rn. 17 („reluctance“). 1090  Farahat/Markard, JZ 2017, 1088, S. 1091; Gärditz, Art. 16a, in: Maunz/Dürig, GG, 84. Aufl. August 2018, Rn. 150; Becker, Solidarität mit Flüchtlingen?, http:// www.spiegel.de/politik/ausland/fluechtlinge-europaeischer-gerichtshof-staerkt-dublin-

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G. Das extraterritoriale Asylgrundrecht

des Ermessens hinsichtlich des Selbsteintrittsrechts ist dementsprechend auch nach der Ansicht des EuGH nicht europarechtlich vorgezeichnet. Dies gilt jedenfalls für eine Vorzeichnung, die einer Ausübung entgegenstehen würde. Vielmehr sprechen die Äußerungen des EuGH gerade für eine Ausübung des Selbsteintrittsrechts. c) Konsequenz – potentielle Aushebelung der Dublin III-Zuständigkeitsbestimmung für die Bundesrepublik Deutschland durch die extraterritoriale Geltungsreichweite des Art. 16a GG Zwischen Dublin III-Verordnung und Art. 16a GG besteht grundsätzlich kein für den unionsrechtlichen Anwendungsvorrang relevanter Konflikt, der die (extraterritoriale) Reichweite des Asylgrundrechts einschränken würde. Bestimmt die Dublin III-Verordnung die Zuständigkeit der Bundesrepublik für einen Asylantrag, verdrängt sie insoweit die Erstreckung des Asylrechtsuntergangs gemäß Art. 16a Abs. 2 GG auf den einfachgesetzlichen Schutz, soweit dieser den internationalen Schutz regelt. Während Art. 16a Abs. 1 GG untergegangen ist, müssen Anträge auf internationalen Schutz weiterhin geprüft werden. Der internationale Schutz ist folglich zwar nicht mehr verfassungsrechtlich, dafür aber unionsrechtlich abgesichert. Bestimmt die Dublin III-Verordnung die Zuständigkeit eines anderen Staates, so besteht ebenfalls kein Konflikt zu Art. 16a GG. Bestimmt Art. 16a GG ein Abweisungs- bzw. Abschiebungsverbot, so kann dies im Rahmen des Ermessens hinsichtlich des Sebsteintrittsrechts der Dublin III-Verordnung berücksichtigt werden. Das Selbsteintrittsrechts muss u. U. aus verfassungsrechtlichen Gründen ausgeübt werden. Übernimmt ein Staat freiwillig – aus nationalrechtlichen Gründen – die Verantwortung für die Prüfung von Asylanträgen – sei es im Einzelfall oder generell – so verstößt er nicht gegen den effet utile des Unionsrechts. Das Unionsrecht lenkt das den Mitgliedstaaten eröffnete Selbsteintrittsermessen grundsätzlich nicht in Richtung einer grundsätzlichen Ablehnung und nur ausnahmsweisen Ausübung des Selbsteintrittsrechts. Bedenkt man, dass das extraterritorial geltende Asylrecht des Art. 16a Abs. 1 GG unter Umständen zu einer Pflicht der Bundesrepublik zur Ausstellung eines Asylvisums führt,1091 so kann dies zu einer faktischen Aushebelung des Dublin-Systems für die Bundesrepublik führen. Die Frage, ob ein verordnung-zum-asylrecht-a-1159810.html (26.7.17), letzter Zugriff am 13.09.18; vgl. Lübbe, EuR 2017, 639, S. 644. 1091  S. o. Teil E. II.



II. Das Gemeinsame Europäische Asylsystem und Art. 16a GG287

Staat der betroffenen antragstellenden Person ein Visum ausgestellt hat, ist ein Zuständigkeitskriterium der Dublin III-Verordnung. Darüber hinaus ermöglichte das Visum u. U. auch die unmittelbare Einreise in die Bundesrepublik, womit auch das Erstzutrittskriterium erfüllt werden könnte. Befindet sich eine Person noch außerhalb der Staatsgebiete der als sicher bestimmten Drittstaaten, ist der Asylrechtsuntergang der sicheren Drittstaatenregelung noch nicht einschlägig, sodass dieser einer Berufung auf Art. 16a Abs. 1 GG nicht entgegensteht. Die sichere Asylantragsprüfung in der Bundesrepublik könnte u. U. folglich durch die Beantragung eines Visums von außerhalb der sicheren Drittstaaten – Mitgliedstaaten der EU, Norwegen und die Schweiz – erreicht werden. Aufgrund der verfahrensrechtlichen Absicherung des Asylrechts aus Art. 16a GG genügt dabei unter Umständen die bloße Berufung auf Asyl, soweit dies schlüssig vorgetragen werden kann. Soweit die tatsächliche Berechtigung nicht schon für die sich noch im Ausland befindliche Person verneint werden kann – dies erforderte ein verfassungsrechtlichen Anforderungen entsprechendes Asylverwaltungs- und -gerichtsverfahren –, dürfte ihr der Zugang zur Bundesrepublik grundsätzlich nicht erschwert werden, was grundsätzlich zur Pflicht zur Erteilung eines Asylvisums führen könnte. Gelangt die betroffene Person so in die Bundesrepublik, wird diese nach der Dublin III-Verordnung in der Regel für die Prüfung des Asylantrags zuständig sein. Die Prüfung bezieht sich dann (je nach räumlichem Verlauf der Einreise) nicht nur auf die Voraussetzungen des Art. 16a GG – dem Grund für die ursprüngliche Ausstellung des Asylvisums –, sondern auch auf die Voraussetzungen der GFK und des subsidiären Schutzstatus. Angesichts des verbreitet angenommenen Scheiterns des Dublin-Systems1092 dürfte sich dabei aber kaum ein Unterschied zur aktuellen Lage ergeben, wonach die Bundesrepublik trotz seiner Lage im Zentrum der EU – cordon sanitaire – Hauptaufnahmeland war.1093

1092  Zu diesem Ergebnis kommt insbesondere Marx, KJ 2016, 150, insbesondere S. 154, mit einer Analyse der Schwachstellen des europäischen Asylschutzsystems; kritisch zum Dublin-System auch Günther, ZAR 2017, 7, insbesondere S. 12 ff.; s. zur mangelnden Wirksamkeit auch Fröhlich, ZG 2016, 215, S. 223 ff. S. zudem oben Einleitung I. Zeitgeschichtlicher Hintergrund, insbesondere Fn. 17. 1093  Vgl. dazu die Zahlen von eurostat, dem statistischen Amt der EU, wonach die Bundesrepublik z. B. im Jahre 2016 57 % der Erst- und 56 % der Letztentscheidungen in Asylverfahren gefällt hat, abrufbar unter http://ec.europa.eu/eurostat/statistics-ex plained/index.php/Asylum_statistics/de (zuletzt abgerufen am 31.05.2018).

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G. Das extraterritoriale Asylgrundrecht

4. Verfahrens-Richtlinie (2013/32/EU) Am selben Tag wie die Aufnahme-Richtlinie und die Dublin III-Verordnung wurde die sog. Verfahrens-Richtlinie neugefasst.1094 Zweck ist gemäß Art. 1 die Einführung gemeinsamer Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes gemäß der Richtlinie 2011/95/EU (QRL).1095 Die Bestimmungen betreffen dabei insbesondere Verfahrensgrundsätze und -garantien, wie z. B. Vorschriften zur persönlichen Anhörung, Anforderungen an die Entscheidungen der Asylbehörde oder Bestimmungen zu Rechtsberatung und -vertretung. Laut Art. 3 Abs. 1 gilt die Richtlinie nur für Anträge auf internationalen Schutz, die im Hoheitsgebiet – einschließlich an der Grenze, in den Hoheitsgewässern oder in den Transitzonen – der Mitgliedstaaten gestellt werden. Abs. 2 spezifiziert, dass die Richtlinie nicht auf Anträge auf diplomatisches oder territoriales Asyl in Vertretungen der Mitgliedstaaten anwendbar ist. Die Richtlinie gilt also nur insoweit für Personen außerhalb der Bundesrepublik, als sie Anträge an der Grenze betrifft. Zu prüfen ist, ob insoweit Kollisionen mit Art. 16a GG möglich sind. Die Richtlinie betrifft insbesondere die Verfahrensgrundsätze und -garantien. Das umschließt z. B. konkrete Vorschriften darüber, wie Anträge zu prüfen sind und wie (z. B. in welcher Form) Entscheidungen zu ergehen haben. Es ist z. B. geregelt, wie das jeweilige Verfahren durchzuführen ist. Die Richtlinie regelt u. a. Normen über die Erforderlichkeit und die Durchführung einer persönlichen Anhörung, zu möglicherweise erforderlichen medizinischen Untersuchungen oder zur Unentgeltlichkeit rechts- und verfahrenstechnischer Auskünfte. Diese Regelungen stellen grundsätzlich bloß eine Ausgestaltung des durchzuführenden Asylverfahrens dar und bedeuten soweit ersichtlich grundsätzlich keinen Konflikt mit der Gewährleistung von Asylrecht. Regelt sie im Einzelnen strengere Anforderungen an ein Verfahren als Art. 16a Abs. 1 bzw. Art. 19 Abs. 4 GG, besteht insofern kein Konflikt, als Art. 16a Abs. 1 bzw. Art. 19 Abs. 4 GG nur ein Mindestschutzniveau vorschreiben. Regelt sie weniger strenge Anforderungen an ein Verfahren als Art. 16a Abs. 1 bzw. Art. 19 Abs. 4 GG, so sieht Art. 5 der Verfahrens-Richtlinie vor, dass die Mitgliedstaaten günstigere Bestimmungen einführen oder beibehalten können, soweit sie mit der Richtlinie vereinbar sind. Soweit die Verfahrens-Richtlinie in Art. 31 Abs. 8, Art. 41 und Art. 43 beschleunigte Verfahren, Ausnahmen vom Recht auf Verbleib bei Folgeanträgen bzw. das Durchführen von Verfahren an der Grenze bzw. in Transitzonen 1094  Richtlinie 2013/32/EU des europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes (Neufassung). 1095  S. zur Qualifikationsrichtlinie oben Teil G. II. 1.



II. Das Gemeinsame Europäische Asylsystem und Art. 16a GG289

erlaubt, ist festzustellen, dass es sich um Ermessensvorschriften handelt. Soweit es sich also überhaupt um Einschränkungen des asylgrundrechtlich zu gewährleistenden Schutzes handelte, dürfte die Bundesrepublik gemäß Art. 16a Abs. 1 GG von ihnen keinen Gebrauch machen. Ein Konflikt könnte hinsichtlich der Vorschriften zu sicheren Dritt- und Herkunftsstaaten gegeben sein. Die Verfahrens-Richtlinie enthält in den Art. 36 bis 39 Regelungen zu sicheren Herkunfts- und Drittstaatenregelungen. Ein Konflikt könnte dann anzunehmen sein, wenn die Anforderungen der Verfahrens-Richtlinie strenger resprektive milder sind als die des Art. 16a GG. Ob diese in Konflikt mit Art. 16a GG stehen, muss im Rahmen dieser Arbeit allerdings nicht im Detail behandelt werden. Zum einen handelt es sich ebenfalls um Ermessensnormen. Insoweit die Vorschriften der Richtlinie also geringere Anforderungen an die Bestimmung sicherer Herkunfts- und Drittstaaten stellten und unter Umständen Dritt- bzw. Herkunftsstaaten als sicher bestimmt werden könnten, die nach Art. 16a Abs. 2 und 3 GG nicht als sicher bestimmt werden könnten, dürfte von den unionsrechtlich eingeräumten Ermessensspielräumen aufgrund von Art. 16a Abs. 1 GG kein Gebrauch gemacht werden. Zum anderen handelte es sich – wenn überhaupt – nicht um einen Konflikt mit dem Asylrecht, sondern mit den Asylrechtseinschränkungen. Soweit die Normen also strengere Anforderungen an die Regelung sicherer Herkunfts- und Drittstaatenregelungen regelten als Art. 16a Abs. 2 und 3 GG, so erfolgte die Lösung dieses Konflikts nach dem Muster wie beim Konflikt zwischen Dublin III-Zuständigkeit und Asylrechtsuntergang nach Art. 16a Abs. 2 GG.1096 Das Asylgrundrecht würde gemäß Art. 16a Abs. 2 GG untergehen, während dieser Untergang allerdings nicht auf den zu gewährenden internationalen Schutz erstreckt werden könnte. Wenn also z. B. festgestellt wird, dass Art. 39 Abs. 3 der Verfahrens-Richtlinie1097 der nationalrechtlichen Regelung einer unwiderleglichen Vermutung der Sicherheit im Drittstaat entgegensteht,1098 gilt dies nur hinsichtlich der Anträge auf internationalen Schutz und nicht hinsichtlich der Anträge auf grundrechtliches Asyl. Diese Ansicht teilt offenbar auch das Bundesverwaltungsgericht. Im März 2017 setzte es ein Verfahren aus, um ein Vorabentscheidungsverfahren ge1096  S. o.

Teil G. II. 3. a) (2) (b) (bb). Art. 39 Abs. 3 der Verfahrens-Richtlinie wird dem Antragsteller die Möglichkeit eingeräumt, die Anwendung des Konzepts des sicheren europäischen Drittstaats mit der Begründung anzufechten, dass der betreffende Drittstaat für ihn in seiner besonderen Situation nicht sicher ist. 1098  So z. B. Marx, Rechtsgutachten zur Frage, ob die Türkei als „sicherer Drittstaat“ eingestuft werden kann, S. 8, www.proasyl.de/wp-content/uploads/2016/03/1603 04_Gutachten_Marx_Tuerkei_als_sicherer_Drittstaat_korr.pdf (29.02.2016), letzter Zugriff am 19.12.2018, welcher die unwiderlegbare Vermutung der Sicherheit im Drittstaat nach Art. 16a Abs. 2 GG als „nicht unionsrechtskonform“ einstuft. 1097  Gemäß

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G. Das extraterritoriale Asylgrundrecht

mäß Art. 267 AEUV anzustrengen. In diesem Verfahren äußerte es sich zu dem Verhältnis zwischen §§ 29 Abs. 1 Nr. 3, 26a AsylG einerseits und Art. 33 Abs. 2 der Verfahren-Richtlinie andererseits. Gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 3 AsylG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein Staat, der bereit ist, den Ausländer wieder aufzunehmen, als für den Ausländer sicherer Drittstaat gemäß § 26a AsylG betrachtet wird. § 26a Abs. 1 S. 1 AsylG regelt, dass sich ein Ausländer nicht auf Art. 16a Abs. 1 GG berufen kann, wenn er aus einem sicheren Drittstaat gemäß Art. 16a Abs. 2 S. 1 GG eingereist ist. Sichere Drittstaaten gemäß Art. 16a Abs. 2 S. 1 GG sind u. a. die Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Laut Bundesverwaltungsgericht sei „der Verweis auf einen sicheren Drittstaat jedenfalls bei der Versagung internationalen Schutzes nur hinsichtlich der Staaten der Anlage I [des AsylG] möglich.“1099 Von dem im nationalen Recht geregelten Konzept sicherer Drittstaaten dürfe hinsichtlich der Mitgliedstaaten der Europäischen Union kein Gebrauch gemacht werden. Art. 33 Abs. 2 der Verfahrens-Richtlinie zähle „die Gründe, aus denen die Mitgliedstaaten einen Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig betrachten dürfen, abschließend [auf].“1100 Dieser erlaube in lit. b) und c) den Verweis auf nationale Drittstaatenregelungen, welche wiederum auf Art. 35 und 38 der Richtlinie verwiesen. Diese erklärten sichere Drittstaatenregelungen jedoch nur in Bezug auf Staaten für anwendbar, die keine EU-Mitgliedstaaten sind.1101 Das Bundesverwaltungsgericht bezieht sich ausdrücklich auf die Versagung internationalen Schutzes. Daraus kann geschlossen werden, dass sich der Anwendungsvorrang des Art. 33 der Verfahrens-Richtlinie nur im Hinblick auf den internationalen Schutz und nicht auch auf den asylgrundrechtlichen Schutz bezieht. Die Anwendung des Asylgrundrechts aus Art. 16a Abs. 1 GG wird von den Vorschriften der Verfahrensrichtlinie folglich nicht verdrängt.

1099  BVerwG, Beschluss v. 23.03.2017 – 1 C 20/16, Rn. 13 (juris) [Hervorhebung nicht im Original]. 1100  BVerwG, Beschluss v. 23.03.2017 – 1 C 20/16, Rn. 13 (juris) [Hervorhebung nicht im Original]. So auch Vedsted-Hansen, Asylum Procedures Directive 2013/32/ EU, in: EU IAL, 2. Aufl. 2016, Art. 33, Rn. 2. 1101  BVerwG, Beschluss v. 23.03.2017 – 1 C 20/16, Rn. 13 (juris). So auch Vedsted-Hansen, Asylum Procedures Directive 2013/32/EU, in: EU IAL, 2. Aufl. 2016, Art. 33, Rn. 3, Art. 38, Rn. 2.



II. Das Gemeinsame Europäische Asylsystem und Art. 16a GG291

5. EU-Quotenregelung 2015 zur Umverteilung von schutzsuchenden Personen Am 22. September 2015 beschloss die Kommission eine Umverteilung von 120.000 Personen, die einen Antrag auf internationalen Schutz in Griechenland oder Italien gestellt haben.1102 Betroffen von der Quotenregelung sind Personen, für deren Antragsprüfung nach der Dublin III-Verordnung entweder Griechenland oder Italien zuständig sind, Art. 3 Abs. 1. Die Personen werden in andere Mitgliedstaaten „umgesiedelt“. Letztere werden in Folge der Umsiedlung zu den für die Antragsprüfung zuständigen Mitgliedstaaten, Art. 4 Abs. 1 i. V. m. Art. 2 e, f. Damit handelt es sich bei der Quotenregelung um eine Spezialregelung zum Dublin-Zuständigkeitsverteilungssystem. Die Zuständigkeit der Bundesrepublik für einen Schutzantrag wird unabhängig von den Dublin-Kriterien nach einer bestimmten Quote festgelegt. Ein Konflikt könnte wie bei der regulären Zuständigkeitsverteilung im Dublin-System entstehen, wenn das Asylrecht z. B. nach Art. 16a Abs. 2 GG ausgeschlossen wäre. Der Konflikt ist ebenso zu lösen. Nicht das Asylrecht wird im Wege des Anwendungsvorrangs verdrängt, sondern der Asylrechtsuntergang, soweit er auf den internationalen Schutz erstreckt wird.1103 6. Strafbarkeit der Beihilfe zur unerlaubten Einreise (Richtlinie 2002/90/EG) Zu untersuchen ist außerdem die Richtlinie 2002/90/EG des Rates vom 28. November 2002 zur Definition der Beihilfe zur unerlaubten Ein- und Durchreise und zum unerlaubten Aufenthalt. Damit soll erreicht werden, dass die Mitgliedstaaten ihren Strafvorschriften eine einheitliche Definition der Schleuserkriminalität zugrundelegen.1104 Gemäß Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie legt jeder Staat Sanktionen für diejenigen fest, die einer Person, die nicht Angehörige eines Mitgliedstaates ist, vorsätzlich dabei helfen, in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates unter Verletzung der Rechtsvorschriften des betreffenden Staates über die Einreise oder die Durchreise von Ausländern einzureisen oder durch dessen Hoheitsgebiet zu reisen. Durch diese Vorgabe könnte insofern auf das extraterritoriale Asylrecht eingewirkt werden, als dass den Schutz suchenden Personen die Flucht (mittelbar) erschwert wird, indem anderen Personen die Hilfe versagt wird. 1102  Beschluss des Rates zur Einführung von vorläufigen Maßnahmen im Bereich des internationalen Schutzes zugunsten von Italien und Griechenland, 22. September 2015, 12098/15. 1103  S. o. Teil G. II. 3. a). 1104  Schott-Mehrings, ZAR 2014, 142, S. 142.

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Die Richtlinie bezieht sich auf die Verletzung der Einreisevorschriften des betreffenden Mitgliedstaates. Sie schreibt nicht etwa den Inhalt dieser Einreisevorschriften vor. Vielmehr setzt sie das Bestehen von Einreisevorschriften voraus. Bei Erlass der Einreisevorschriften der Bundesrepublik Deutschland ist Art. 16a Abs. 1 GG zu berücksichtigen. Die Einreise von Asylberechtigten muss (bzw. darf gemäß Art. 16a Abs. 1 GG) nicht als unerlaubte Einreise geregelt werden. Die Richtlinie fordert damit nicht die Beschränkung des deutschen extraterritorialen Asylgrundrechts. 7. Der Schutz der Außengrenzen der EU Die Kompetenz für den Schutz der Staatsgrenzen liegt laut Art. 77 AEUV – ehemals Art. 62 EGV – bei der EU. Abs. 1 beschreibt die Ziele der Grenzschutzpolitik, nämlich die Abschaffung der Binnengrenzkontrollen, die Wirk­ samkeit der Kontrollen an den Außengrenzen sowie die Schaffung eines ­integrierten Grenzschutzsystems an den Außengrenzen. In Abs. 2 und 3 finden sich die dafür eingerichteten Kompetenztitel.1105 Zur Beantwortung der Frage, ob der Anwendungsvorrang des Unionsrechts zu einer Modifikation des extraterritorialen deutschen Asylrechts führt, ist die unionsrechtliche Regelung des Außengrenzschutzes von Interesse. a) Die Schengener Übereinkommen Der Schutz der europäischen Außengrenzen ist das Gegenstück zur Abschaffung der Binnengrenzkontrollen in der Europäischen Union.1106 Letztere wurde 1985 mit dem Schengener Übereinkommen1107 bzw. dessen Durchführungsübereinkommen (SDÜ)1108 aus dem Jahre 1990 eingeleitet.1109 Diese noch als völkerrechtliche Verträge abgeschlossenen Regelwerke wurden mit Art. 77 AEUV, in: Calliess/Ruffert, EUV, AEUV, 5. Aufl. 2016, Rn. 1–4. Art. 77 AEUV, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, EUV/AEUV, 61. Aufl. ­April 2017, Rn. 1 f., 4. 1107  Übereinkommen zwischen den Regierungen der Staaten der Benelux-Wirtschaftsunion, der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik betreffend den schrittweisen Abbau der Kontrollen an den gemeinsamen Grenzen, ABl. L 239, 22.09.2000, S. 13. 1108  Übereinkommen zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen vom 14. Juni 1985 zwischen den Regierungen der Staaten der Benelux-Wirtschaftsunion, der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik betreffend den schrittweisen Abbau der Kontrollen an den gemeinsamen Grenzen, ABl. L 239, 22.09.2000, S. 19. 1109  Thym, Art.  77 AEUV, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, EUV/AEUV, 61. Aufl. ­April 2017, Rn. 1 f., 4. 1105  Rossi,

1106  Thym,



II. Das Gemeinsame Europäische Asylsystem und Art. 16a GG293

dem Amsterdamer Vertrag und seinem Schengen-Protokoll in das Recht der EU überführt.1110 Darüber hinaus wurden die Regelungen der Schengener Übereinkommen nach und nach durch andere Rechtsakte ersetzt oder ergänzt.1111 So regelten z. B. Art. 28 bis 38 die Zuständigkeit für die Behandlung von Asylbegehren, welche mit dem Bonner Protokoll im Jahre 1995 zugunsten von Dublin I aufgehoben wurden.1112 Die übrigen für die vorliegende Fragestellung relevanten Änderungen werden im Folgenden einzeln beleuchtet. b) Der Schengener Grenzkodex (Verordnung [EU] 2016/399) Im Jahre 2006 ersetzte der Schengener Grenzkodex (SGK)1113, welcher im Jahre 2016 aufgrund mehrfacher Änderungen neukodifiziert wurde,1114 die Art. 2 bis 8 SDÜ.1115 Dieser sieht laut Art. 1 vor, dass die Binnengrenzkontrollen wegfallen, und legt Regeln für die Grenzkontrollen an den Außengrenzen fest. Das Verhältnis des SGK zum Flüchtlings- bzw. Asylrecht wird in mehreren Vorschriften widergespiegelt: Art. 3 b), 5 Abs. 3, 6 Abs. 5 c), 7 Abs. 1, 14 Abs. 1 SGK.1116 Gemäß Art. 14 Abs. 1 S. 1 wird einer Person, die nicht alle Einreisevoraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 erfüllt und die nicht zu dem in Art. 6 Abs. 5 genannten Personenkreis gehört, die Einreise zwar verweigert. Zum einen bleibt laut Art. 14 Abs. 1 S. 2 davon die Anwendung besonderer Bestimmungen zum Asylrecht und zum internationalen Schutz aber unberührt.1117 Zum anderen „kann“ ein Mitgliedstaat einer Person gemäß Art. 6 ZAR 2010, 213, S. 216. ZAR 2010, 213, S. 218. 1112  Siehe Gesetz zu dem Protokoll vom 26. April 1994 zu den Konsequenzen des Inkrafttretens des Dubliner Übereinkommens für einige Bestimmungen des Durchführungsübereinkommens zum Schengener Übereinkommen (Bonner Protokoll) vom 11. September 1995, BGBl. II, S. 738; zur aktuellen Regelung des Dublin-Systems s. o. Teil G. II. 3. 1113  Verordnung (EG) Nr. 562/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2006 über einen Gemeinschaftskodex für das Überschreiten der Grenzen durch Personen (Schengener Grenzkodex), ABl. L 105, 13.4.2006, S. 1. 1114  Verordnung (EU) 2016/399 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. März 2016 über einen Gemeinschaftskodex für das Überschreiten der Grenzen durch Personen (Kodifizierte Fassung), ABl. L 77, 23.3.2016, S. 1. 1115  Winkelmann, ZAR 2010, 213, S. 218. 1116  Zur Vorgängerregelung (s. Fn. 1113) Epiney/Egbuna-Joss, Schengen Borders Code Regulation (EC) No 562/2006, in: EU IAL, 2. Aufl. 2016, Art. 1 Rn. 12 ff. 1117  Dazu gehört z. B. Dublin, Wendel, JZ 2016, 332, S. 341, noch zur Vorgängervorschrift Art. 13 Abs. 1 S. 2 SGK (Fn. 1113); so auch Bast/Möllers, Dem Freistaat zum Gefallen, https://verfassungsblog.de/dem-freistaat-zum-gefallen-ueber-udo-di1110  Winkelmann, 1111  Winkelmann,

294

G. Das extraterritoriale Asylgrundrecht

Abs. 5 c) die Einreise aus „humanitären Gründen oder Gründen des nationalen Interesses oder aufgrund internationaler Verpflichtungen gestatten“.1118 Laut Art. 3b gilt der SGK unbeschadet der Rechte von Flüchtlingen und Schutzsuchenden, insbesondere hinsichtlich der Nichtzurückweisung. Laut Art. 5 Abs. 3 S. 1 sanktionieren die Mitgliedstaaten das unbefugte Übertreten der Außengrenzen unbeschadet der „internationalen Schutzverpflichtungen“, d. h. Art.  31 GFK.1119 Laut Art. 7 Abs. 1 S. 1 führen die Grenzschutzbeamten ihre Aufgaben „unter uneingeschränkter Wahrung der Menschenwürde“ durch. Der SGK gibt der Bundesrepublik damit die Möglichkeit, politisch Verfolgten die Einreise in die Bundesrepublik zu gestatten, ohne gegen die Vorgaben des SGK zu verstoßen. Damit besteht kein Konflikt zwischen SGK und Art. 16a Abs. 1 GG, der zu einer Verdrängung des Letzteren führen würde. c) Der Visa-Kodex (Verordnung [EG] Nr. 810/2009) (1) Inhalt des Visa-Kodexes und Rechtsprechung des EuGH in X und X Der Visakodex1120 ersetzte laut seinem Art. 56 Abs. 1 die Art. 9 bis 17 des SDÜ.1121 Er regelt laut Art. 1 die Verfahren und Voraussetzungen für die Erteilung von Visa für die Durchreise durch das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten oder für geplante Aufenthalte von höchstens drei Monaten. In der Visums-VO1122 sind derweil die Staaten aufgelistet, deren Angehörige für die Einreise in die Union eines Visums bedürfen. fabios-gutachten-zur-staatsrechtlichen-beurteilung-der-fluechtlingskrise/ (16. Januar 2016), letzter Zugriff am 06.03.2019. 1118  Zur Vorgängerregelung (s. Fn. 1138) Epiney/Egbuna-Joss, Schengen Borders Code Regulation (EC) No 562/2006, in: EU IAL, 2. Aufl. 2016, Art. 13, Rn. 1, Fn. 100, denenzufolge die Fälle des Art. 13 Abs. 1 S. 2, 1. Alt. schon von Art. 5 Abs. 4 c) abgedeckt seien. 1119  Zur Vorgängerregelung (s. Fn. 1138) Epiney/Egbuna-Joss, Schengen Borders Code Regulation (EC) No 562/2006, in: EU IAL, 2. Aufl. 2016, Art. 4, Rn. 5. 1120  Verordnung (EG) Nr. 810/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über einen Visakodex der Gemeinschaft (Visakodex), ABl. L 243 vom 15. September 2009, S. 1. 1121  Winkelmann, ZAR 2010, 213, S. 218; Rossi, Art. 77 AEUV, in: Calliess/Ruffert, EUV, AEUV, 5. Aufl. 2016, Rn. 11. 1122  Verordnung (EG) Nr. 539/2001 des Rates vom 15. März 2001 zur Aufstellung der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige beim Überschreiten der Außengrenzen im Besitz eines Visums sein müssen, sowie der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige von dieser Visumpflicht befreit sind, ABl. L 81 vom 21. März 2001, S. 1.



II. Das Gemeinsame Europäische Asylsystem und Art. 16a GG295

In diesem Zusammenhang erging das oben bereits angesprochene Urteil des EuGH in der Sache X und X.1123 Darin ging es um eine syrische Familie, die in einer belgischen Botschaft im Libanon ein Visum gemäß Art. 25 Abs. 1 a) des Visakodex zum Zwecke der Asylantragsstellung beantragt hatte. Der Antrag wurde abgelehnt. Der Fall landete im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens vor dem EuGH. Dieser bestätigte die Entscheidung des belgischen Ausländeramtes mit der Begründung, dass Art. 25 des Visakodex nur für vorübergehende Aufenthalte von maximal 90 Tagen gilt. Die Anträge der Familie seien jedoch auf die Erteilung von Aufenthaltstiteln ohne zeitliche Beschränkung gerichtet gewesen und fielen demnach nicht unter den Anwendungsbereich gemäß Art. 1 des Visakodex. Die Anträge seien vielmehr nach nationalem Recht zu beurteilen, da der Unionsgesetzgeber noch keinen „auf Art. 79 Abs. 2 Buchst. a AEUV beruhenden Rechtsakt erlassen hat, der die Voraussetzungen betrifft, unter denen die Mitgliedstaaten Drittstaatenangehörigen aus humanitären Gründen Visa oder Aufenthaltstitel für einen längerfristigen Aufenthalt erteilen.“ Damit sei die Situation nicht vom Unionsrecht geregelt, weshalb insbesondere Art. 4 und Art. 18 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union nicht anwendbar seien.1124 Damit entschied der EuGH entgegen der Schlussanträge des Generalanwalts Paolo Mengozzi, welcher aus dem Visakodex eine Pflicht zur Erteilung eines Visums ableitete.1125 Dem Generalanwalt wurde u. a. vorgeworfen, die Dublin III-Verordnung auszuhebeln.1126

1123  EuGH, Urt. v. 7. März 2017, Rs. C-638/16 PPU, ECLI:EU:C:2017:173 – X und X. S. dazu oben Teil E. II. 1124  EuGH, Urt. v. 7. März 2017, Rs. C-638/16 PPU, ECLI:EU:C:2017:173, insbesondere Rn. 42–45 – X und X. 1125  GA Menagozzi, Schlussanträge vom 7. Februar 2017, Rs. 638/16 PPU, ECLI: EU:C:2017:93, Rn. 127 – X und X; siehe dazu Steinbeis, Visa für Aleppo, www.ver fassungsblog.de/visa-fuer-aleppo/ (7.2.17), letzter Zugriff am 01.06.2018. Zur Kritik am EuGH-Urteil s. Endres de Oliveira, Humanitäre Visa für Flüchtlinge, Teil 1: Nicht mit der EU, https://verfassungsblog.de/humanitaere-visa-fuer-fluechtlinge-nicht-mitder-eu/ (09.03.2017), letzter Zugriff am 10.05.2018, sowie Ziebritzki, Humanitäre Visa für Flüchtlinge, Teil 2: wirklich keine Angelegenheit der EU?, https://verfas sungsblog.de/humanitaere-visa-fuer-fluechtlinge-teil-2-wirklich-keine-angelegenheitder-eu/ (09.03.2017), letzter Zugriff am 10.05.2018. 1126  Classen, EuR 2017, 347, S. 353 f.; vgl. dazu auch Welte, ZAR 2017, 220, S. 220, demzufolge eine EU-rechtliche Pflicht zur Ausstellung von humanitären Visa das Dublin-System unterlaufen würde.

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G. Das extraterritoriale Asylgrundrecht

(2) Auswirkungen des extraterritorial geltenden Asylrechts gemäß Art. 16a Abs. 1 GG – Anspruch auf Erteilung eines Asylvisums Anträge auf humanitäre Visa sind also nach nationalem Recht zu beurteilen. An anderer Stelle wurde bereits ermittelt, dass Art. 16a Abs. 1 GG unter Umständen die Erteilung eines Asylvisums erfordert, und zwar dann, wenn dies der Ausräumung von durch die Visumspflicht i. V. m. Transportverboten bewirkten Be- und Verhinderungen der Flucht dient.1127 Gemäß Art. 12 der Dublin III-Verordnung bedeutet das, dass die Bundesrepublik vorbehaltlich vorrangiger Kriterien für die Prüfung des Asylverfahrens zuständig wäre. Das bedeutete insbesondere, die Bundesrepublik wäre vorrangig gegenüber dem Mitgliedstaat zuständig, in den die betroffene Person zuerst illegal einreist. Fraglich ist, ob dieses Ergebnis nicht faktisch das Dublin-System aushebelt. Auch hier kann jedoch darauf verwiesen werden, dass es der Dublin IIIVerordnung nicht um die Aufteilung der Schutzsuchenden nach einem ­bestimmten Schlüssel geht, sondern um die Sicherstellung, dass ein Asyl­ antrag höchstens und mindestens einmal geprüft wird.1128 So wie die Bundesrepublik bei der Ausübung ihres Selbsteintrittsermessens an Art. 16a GG gebunden ist, ist sie hinsichtlich der Frage, ob ein Asylvisum erteilt werden muss, an Art. 16a GG gebunden. Hält die Bundesrepublik an dem Transportverbot für Personen ohne Visum fest, muss sie gegebenenfalls ein solches Asylvisum regeln, um Verletzungen des Art. 16a Abs. 1 GG zu vermeiden. Will sie die daraus folgende vorrangige Zuständigkeit nach Dublin III verhindern, bliebe ihr z. B. die Möglichkeit, eine Ausnahme vom Transportverbot zu regeln. Infolgedessen wäre allerdings auch die direkte Einreise in die Bundesrepublik wieder möglich, sodass eine Zuständigkeit nach Art. 13 der Dublin III-Verordnung gegeben wäre. d) Rückführungsrichtlinie (2008/115/EG) Des Weiteren ist im Zusammenhang mit dem GEAS die sog. Rückführungs-Richtlinie1129 aus dem Jahre 2008 zu untersuchen, die Art. 23 und 24 des SDÜ ersetzte.1130 Diese regelt laut Art. 1 gemeinsame Normen und Ver1127  S. o.

Teil E. II. Teil G. II. 3. b) (3) (b). 1129  Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatenangehöriger, ABl. L 348, 24. Dezember 2008, S. 98. 1130  Winkelmann, ZAR 2010, 213, S. 218. 1128  S. o.



II. Das Gemeinsame Europäische Asylsystem und Art. 16a GG297

fahren für die Rückführung von Drittstaatenangehörigen, die sich illegal in den Mitgliedstaaten aufhalten. Damit setzt die Anwendbarkeit der Richtlinie zum einen voraus, dass sich eine Person bereits in der Bundesrepublik befindet. Eine Kollision mit dem extraterritorialen Asylrecht kommt damit von vornherein nicht in Frage. Darüber hinaus dürfte sie auch ansonsten mit Art. 16a GG nicht kollidieren. So ist sie nur gegenüber Personen anwendbar, die kein Aufenthaltsrecht innehaben. Für Personen, denen nach Unionsrecht oder nationalem Recht ein Aufenthaltsrecht gewährt wird, ist die Richtlinie demnach nicht anwendbar.1131 Personen, die nach Art. 16a Abs. 1 GG berechtigt sind, steht jedoch ein Recht zum Aufenthalt in der Bundesrepublik zu, sodass die Rückführungs-Richtlinie auf diese nicht anwendbar ist.1132 e) Rückbeförderungspflicht von Beförderungsunternehmen (Richtlinie 2001/51/EG) Die Richtlinie 2001/51/EG1133 ergänzt Art. 26 SDÜ1134 und regelt die Pflicht für Beförderungsunternehmen, Personen zurückzubefördern, denen die Einreise verweigert wird. Den Anknüpfungspunkt für die Rückbeförderungspflicht bildet nach Art. 26 SDÜ die Verweigerung der Einreise. Politisch verfolgten Personen darf die Einreise – jedenfalls aus asylgrundrechtlicher Sicht – gemäß Art. 16a Abs. 1 GG allerdings grundsätzlich, d. h. vorbehaltlich eines Eingreifens des Art. 16a Abs. 2 GG, der zum Untergang des Asylgrundrechts führt, nicht verweigert werden. Soweit die Richtlinie 2001/51/EG also eine Verpflichtung regeln würde, eine Pflicht zur Rückbeförderung in den Herkunftsstaat zu erlassen, könnte ein Konflikt zu Art. 16a GG bestehen. Art. 26 SDÜ regelt die Rückbeförderungspflicht jedoch nur vorbehaltlich der Verpflichtungen aus der GFK. Die GFK selbst enthält wiederum selbst das Verbot der Abschiebung in den Verfolgerstaat. Des Weiteren gibt Art. 26 Abs. 2 SDÜ ausdrücklich vor, dass die Mitgliedstaaten eine Sanktion für Beförderungsunternehmen nur vorbehaltlich ihres Verfassungsrechts einführen. Ein Konflikt zwischen Art. 26 SDÜ in Verbindung mit der Richtlinie 2001/51/EG einerseits und Art. 16a GG andererseits ist damit nicht gegeben. ZAR 2011, 281, S. 282. § 55 Abs. 1 S. 1 AsylG, demzufolge einem Ausländer, der um Asyl nachsucht, der Aufenthalt im Bundesgebiet zur Durchführung des Asylverfahrens gestattet ist. Die Anwendbarkeit der Rückführungs-Richtlinie scheidet mithin aus, Hörich, ZAR 2011, 281. 1133  Richtlinie 2001/51/EG des Rates vom 28. Juni 2001 zur Ergänzung der Regelung nach Artikel 26 des Übereinkommens zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen vom 14. Juni 1985. 1134  Winkelmann, ZAR 2010, 213, S. 218. 1131  Hörich,

1132  Beachte

298

G. Das extraterritoriale Asylgrundrecht

III. Fazit Das Unionsrecht geht dem deutschen Recht zwar grundsätzlich vor. Im Bereich des Asylrechts muss allerdings festgestellt werden, dass es überwiegend mit Ermessensvorschriften arbeitet, die eine Berücksichtigung des deutschen Asylgrundrechts aus Art. 16a GG in diesem Rahmen ermöglichen bzw. erfordern. Soweit Konflikte festgestellt werden konnten, betrafen diese nicht das Grundrecht aus Art. 16a Abs. 1 GG, sondern den Untergang dessen gemäß Abs. 2 oder dessen Einschränkungen in Abs. 3 und 4. Von einer Überlagerung oder Verdrängung des Asylgrundrechts des Art. 16a Abs. 1 GG durch Unionsrecht kann damit insgesamt nicht die Rede sein. Vielmehr wurde deutlich, dass das extraterritoriale Asylrecht des Art. 16a GG, soweit es zu einer Visumserteilungspflicht führt, sogar zu einer verstärkten Verantwortlichkeit der Bundesrepublik für Asylberechtigte führen kann. Damit kann die These, dass das Dublin III-System zu einer stärkeren Belastung der räumlich außenliegenden Mitgliedstaaten führt,1135 nicht – jedenfalls nicht im Hinblick auf die räumlich innenliegende Bundesrepublik – aufrechterhalten werden.

1135  S. nur Hailbronner/Thym, JZ 2016, 753, S. 759; Farahat/Markard, JZ 2017, 1088, S. 1090.

H. Zusammenfassung Gegenstand der vorliegenden Untersuchung war die Frage, ob Art. 16a GG extraterritorial gilt, eine Frage, die seit Einführung des Asylrechts in den Grundrechtekatalog des Grundgesetzes diskutiert wird. Beleuchtet wurde diese Frage aus verschiedenen Blickwinkeln. Nach einer Reise ausgehend vom allgemeinen Völkerrecht über die allgemeine Grundrechtsdogmatik und eine Auslegung des Asylgrundrechts des Art. 16a GG bis hin zum Einfluss des Unionsrechts auf das Grundgesetz gelangte diese Arbeit letztendlich zu dem Ergebnis, dass Art. 16a GG grundsätzlich auch extraterritorial Geltung entfaltet und das Nachlassen des Interesses an Art. 16a GG im Schrifttum nicht gerechtfertigt ist. Die Ergebnisse dieser Arbeit sollen in den folgenden elf Punkten zusammengefasst werden. 1. Kein Konflikt des extraterritorialen Asylgrundrechts mit Völkerrecht Ein extraterritorial geltendes Grundrecht auf Asyl stünde in seiner abwehrrechtlichen Dimension dem Völkerrecht nicht entgegen. Bei der Gewährung eines Abwehrrechts an gebietsfremde Personen handelt es sich nicht um eine extraterritoriale Ausübung von Hoheitsgewalt, die fremde staatliche Souveränität verletzte. Gewährte das Asylrecht hingegen die Vornahme positiver Handlungen, die auf fremdem Hoheitsgebiet vollstreckt werden müssten, könnte dies die fremde staatliche Souveränität verletzen und damit gegen Völkerrecht verstoßen. Dies gilt auch für die Räumlichkeiten deutscher Auslandsvertretungen auf fremdem Staatsgebiet, für die der Bundesrepublik ausnahmsweise eine gewisse Hoheitsgewalt zusteht. Diese ausnahmsweise gewährte Hoheitsgewalt bezieht sich nur auf die funktionsspezifischen Aufgaben einer Botschaft, welche insbesondere nicht das sog. Botschaftsasyl umfassen. Botschaftsasyl in Form der Gewährung eines physischen Schutzes innerhalb der Räumlichkeiten einer Botschaft verstößt gegen Völkergewohnheitsrecht. Dies gilt unabhängig davon, ob diese Asylrechtsgewährung als abwehr- oder leistungsrechtlich verbürgt eingeordnet wird. Hinsichtlich einer Asylrechtsgewährleistung in Form der Erteilung eines Asylvisums ist allerdings davon auszugehen, dass diese einer Botschaft erlaubt ist.

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H. Zusammenfassung

Hinsichtlich der Räumlichkeiten von Schiffen, die unter der Bundesflagge geführt werden, gilt, dass diese jedenfalls auf hoher See der ausschließlichen Hoheitsgewalt der Bundesrepublik unterliegen und eine Asylrechtsgewährleistung an Bord dieser Schiffe nicht mit Völkerrecht in Konflikt steht. Befinden sich diese Schiffe allerdings innerhalb fremder Küstengewässer, ist die Hoheitsgewalt der Bundesrepublik nicht mehr uneingeschränkt. Die Hoheitsgewalt des Küstenstaates erstreckt sich auf seine Küstengewässer und auf die sich darin befindenden Schiffe fremder Staaten. Eine Asylrechtsgewährleistung an Bord stünde in Konflikt mit der Hoheitsgewalt des Küstenstaates. Der Küstenstaat darf insbesondere die Personen, denen an Bord Asyl gewährt wird, festnehmen. Etwas anderes gilt allein gegenüber Staatsschiffen, deren staatliche Immunität der Küstenstaat zu respektieren hat. Fremde Staatsschiffe dürfen grundsätzlich nicht betreten werden. Letztendlich hätte der Verstoß eines extraterritorial geltenden Asylgrundrechts gegen Völkerrecht jedoch keinen unmittelbaren Einfluss auf den asylgrundrechtlichen Gewährleistungsgehalt, da Völkerrecht normhierarchisch unterhalb der Verfassung steht. Der Gewährleistungsgehalt des deutschen Asylgrundrechts ist damit unabhängig vom Völkerrecht zu bestimmen. 2. Keine allgemeine territoriale Beschränkung durch das Grundgesetz für die abwehrrechtliche Dimension der Grundrechte Die Grundrechte gelten in ihrer abwehrrechtlichen Dimension grundsätzlich territorial unbeschränkt. Es ist insbesondere nicht das Vorliegen einer Subordination unter die deutsche Hoheitsgewalt erforderlich. Ob und inwiefern sich der Gewährleistungsgehalt eines Grundrechts in seiner abwehrrechtlichen Dimension auch auf gebietsfremde Personen erstreckt, ist vielmehr anhand der allgemein anerkannten Grundrechtsdogmatik zu beurteilen. Ob die Extraterritorialität eines Sachverhalts Einfluss auf den Grundrechtsschutz hat, kann bzw. muss auf der Ebene des Schutzbereichs, des Eingriffs und der Rechtfertigung berücksichtigt werden. Für die Frage, ob ein bestimmtes (Abwehr)Grundrecht grundsätzlich bereits extraterritorial gilt, kommt es demnach auf die Auslegung seines Schutzbereichs im Hinblick auf eine territoriale Beschränkung an.



H. Zusammenfassung301

3. Grundsätzliche Beschränkung der schutzrechtlichen Dimension der Grundrechte auf den dem deutschen Gewaltmonopol unterliegenden Bereich Für die schutzrechtliche Dimension der Grundrechte konnte eine Beschränkung auf den dem deutschen Gewaltmonopol unterliegenden Bereich festgestellt werden. Erst wenn eine Person diesen Bereich betritt, entfalten die Grundrechte auch ihre schutzrechtliche Wirkung. Das Gewaltmonopol der Bundesrepublik erstreckt sich dabei auf das gesamte deutsche Staatsgebiet sowie z. B. auf die Räumlichkeiten der unter der Bundesflagge geführten Schiffe, soweit sich diese außerhalb fremder Küstengewässer befinden. 4. Keine allgemeingültige Aussage für die grundrechtlich fundierten originären Leistungsrechte und die verfahrensrechtliche Dimension der Grundrechte Da die grundrechtlich begründeten, originären Leistungsrechte keiner selbstständigen Grundrechtsfunktion entspringen, kommt es für ihre jeweilige territoriale Reichweite auf ihre spezifische Herleitung an. Sowie die originären Leistungsrechte selbst bereichsspezifisch ermittelt werden müssen, ist auch deren territoriale Reichweite bereichsspezifisch zu ermitteln. Für die verfahrensrechtliche Dimension der Grundrechte kommt es auf die territoriale Reichweite des materiellen Gehalts des jeweiligen Grundrechts an. Gilt ein Grundrecht extraterritorial, entfaltet sich auch dessen Verfahrensdimension extraterritorial. Entfaltet ein Grundrecht extraterritorial keine Geltung, entfaltet sich auch seine Verfahrensdimension nicht extraterritorial. 5. Das Asylgrundrecht ist ein Abwehrrecht – Die natürliche Freiheit zur Flucht als asylgrundrechtlicher ­Gewährleistungsgehalt Die sog. Rechte im Asyl sind nicht Teil des Gewährleistungsgehalts des Art. 16a GG. Das Recht auf Asyl ist ein aus Art. 16a Abs. 1 GG abzuleitendes Abwehrrecht. Die von Art. 16a Abs. 1 GG geschützte natürliche Freiheit ist die Freiheit zur Flucht vor politischer Verfolgung. Im Kern wird dafür ein Recht auf Einreise und Aufenthalt im Staatsgebiet der Bundesrepublik gewährleistet. Das Asylrecht verbietet die Abweisung an der deutschen Staatsgrenze und die Abschiebung. Es handelt sich beim Asylrecht insbesondere nicht um ein positiviertes Schutzrecht. Ebenfalls nicht Teil des Gewährleistungsgehalts ist das Recht auf einen positiven Verleihungsakt in Form einer Entscheidung über die Aufnahme in die Bundesrepublik oder

302

H. Zusammenfassung

einer Einräumung eines Rechtsstatus. Das Asylrecht folgt unmittelbar aus Art. 16a GG und bedarf keiner konstitutiven Anerkennung. Die im einfachen Asylrecht zentrale Asylanerkennung ist vielmehr ein Mittel zur Abwehr staatlicher Eingriffe in das Asylrecht und hat demnach rein deklaratorische Bedeutung. 6. Keine ausnahmsweise territoriale Beschränkung des Art. 16a GG Der Schutzbereich des Art. 16a Abs. 1 GG enthält keine tatbestandliche territoriale Beschränkung. Weder das Erreichen bzw. Betreten des Staatsgebiets noch das Verlassen des Herkunftsstaates sind territoriale Anspruchsentstehungsvoraussetzung des Asylgrundrechts. Anspruchsentstehungsvoraussetzung ist allein das Vorliegen von politischer Verfolgung. 7. Bereits extraterritorial bewirkter Untergang des Asylrechts durch die sichere Drittstaatenregelung Die sichere Drittstaatenregelung des Art. 16a Abs. 2 GG regelt den Untergang des Asylrechts für den Fall der Einreise aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem gesetzlich als sicher bestimmten Drittstaat. Die Drittstaatenregelung greift bereits extraterritorial, nämlich im Zeitpunkt des Gebietskontakts mit einem sicheren Drittstaat, wenn die Möglichkeit der Schutzantragsstellung gegeben ist. Der räumliche Verlauf der Flucht der politisch verfolgten Person wirkt sich damit auf den Gewährleistungsgehalt des ihr zustehenden Asylrechts aus. 8. Beispiele für eine extraterritoriale Beeinträchtigung der freien Flucht Die Bundesrepublik darf gemäß Art. 16a GG grundsätzlich nicht die freie Flucht von politisch verfolgten Personen beinträchtigen. Eine solche Beeinträchtigung ist u. a. in der Regelung einer Visumspflicht i. V. m. einem Transportverbot für Beförderungsunternehmen bei fehlendem Visum zu sehen, wenn die Erteilungsvoraussetzungen für ein Visum von politisch Verfolgten nicht notwendig erfüllt werden können. Eine solche Regelung bedarf der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung vor Art. 16a GG. Soweit eine verfassungsrechtliche Rechtfertigung für den Eingriff nicht gegeben ist, gewährt Art. 16a Abs. 1 GG politisch Verfolgten gegebenenfalls einen Anspruch auf Erteilung eines Asylvisums oder jedenfalls auf Erteilung einer Ausnahme vom Transportverbot für Beförderungsunternehmen bei fehlendem Visum.



H. Zusammenfassung303

Des Weiteren ist das extraterritoriale Asylrecht an Bord von Schiffen zu beachten, die die Bundesflagge führen. Personen, die sich an Bord befinden, dürfen grundsätzlich nicht in ihren Heimatstaaten oder Staaten abgesetzt werden, die sie wiederum in die Heimatstaaten abschieben. Da die Räumlichkeiten an Bord außerhalb fremder Küstengewässer der ausschließlichen Hoheitsgewalt – dem Gewaltmonopol – der Bundesrepublik unterliegen, entfaltet sich dort auch die schutzrechtliche Dimension des Art. 16a Abs. 1 GG. Die politisch verfolgte Person hat keinen Anspruch darauf, in einem bestimmten Staat ihrer Wahl abgesetzt zu werden. Es muss sich lediglich um einen Staat handeln, in dem sie vor Verfolgung bzw. Rückschiebung in den Verfolgerstaat sicher ist. Art. 16a GG gewährt einer Person, die sich noch im Hafen eines Staates befindet, nicht das Recht, an Bord eines Schiffes gelassen und mitgenommen zu werden. Das Abweisungsverbot gilt nur im Hinblick auf die deutschen Staatsgrenzen. Art. 16a GG gewährleistet nicht einen Anspruch auf positive Unterstützung der Flucht. Art. 16a GG schützt nur die Inanspruchnahme von der Person tatsächlich zur Verfügung stehenden Fluchtmöglichkeiten, nicht jedoch die (positive) Zurverfügungstellung von Fluchtmöglichkeiten. Diese Bindung besteht gemäß Art. 1 Abs. 3 GG nur für die deutsche Hoheitsgewalt, d. h. insbesondere für den deutschen Gesetzgeber sowie die gesamte Besatzung von Schiffen, die von der deutschen öffentlichen Hand gesteuert werden. Zudem gilt sie in bestimmten Situationen auch für Kapitäne von privat geführten Kauffahrteischiffen. Diesen stehen polizeiliche Befugnisse zur Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung an Bord zu. In diesem Rahmen sind die Kapitäne als Beliehene an die deutschen Grundrechte und damit an Art. 16a GG gebunden. Im Zusammenhang mit dem ihnen zudem zustehenden privaten Hausrecht kommt eine mittelbare Drittwirkung des Art. 16a Abs. 1 GG in Betracht. Für die Frage, ob die „Erklärung EU-Türkei“ in Konflikt mit Art. 16a GG steht, müsste untersucht werden, ob die Türkei selbst einen Verfolgerstaat für einen Teil der von der Erklärung Betroffenen darstellt oder ob die Türkei Betroffene in ihre Herkunftsstaaten abschiebt. Ein Konflikt mit Art. 16a GG könnte auch dann bestehen, wenn dargelegt werden kann, dass die „Erklärung EU-Türkei“ zu einer geringeren Ankunft von Asylberechtigten in Griechenland geführt hat, wenn insoweit eine Erschwernis der Flucht vor politischer Verfolgung dargelegt werden kann.

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H. Zusammenfassung

9. Keine verfassungsrechtliche Verfahrensabhängigkeit des Asylrechts – Einschränkungen der Anforderungen an eine Ausgestaltung des Verfahrensrechts infolge von Dritt- und Herkunftsstaatenregelung Die oftmals proklamierte Verfahrensabhängigkeit des Asylrechts stellt keine strukturelle Besonderheit des Asylrechts gegenüber den übrigen Freiheitsgarantien dar. Das Verfahren dient der Sicherung des Grundrechts vor verfassungswidrigen Eingriffen. Das Asylverfahren dient dem Zweck, die Abweisung bzw. Abschiebung von tatsächlich Asylberechtigten auszuschließen. Nur die tatsächlich nicht Asylberechtigten sollen abgewiesen bzw. abgeschoben werden. Das einfache Aufenthaltsrecht geht dabei grundsätzlich davon aus, dass eine Person kein Recht auf Einreise und Aufenthalt hat. Nur deshalb muss sich letztendlich jede asylberechtigte Person zur Ausübung ihres Asylrechts aktiv auf ihr Asylrecht berufen, nicht etwa, weil die Ausübung des Asylrechts ohne Asylverfahren nicht möglich wäre. Die ebenfalls oft behaupteten „Vorwirkungen“ des Asylrechts sind lediglich ein typisches verfahrensrechtliches Phänomen, bei dem ein Recht vorläufig sowohl den materiell Berechtigten als auch den materiell nicht Berechtigten gewährt wird, um irreparable Schäden zu vermeiden. Da eine Abweisung bzw. Abschiebung vor Abschluss des Asylverfahrens dazu führen könnte, dass eine letztendlich tatsächlich asylberechtigte Person ihrem Verfolger unwiederbringlich in die Hände fällt, wird bis zum Abschluss des Asylverfahrens von Abweisung und Abschiebung abgesehen. Erst wenn das Fehlen der Asylberechtigung feststeht, dürfen Abweisung bzw. Abschiebung – aus asylgrundrechtlicher Sicht – durchgeführt werden. Das „vorläufige“ Einreise- bzw. Bleiberecht hat demnach nur Bedeutung für den tatsächlich nicht Berechtigten, dem etwas gewährt wird, das ihm – jedenfalls gemäß Art. 16a Abs. 1 GG – nicht zusteht. Ist eine Person hingegen tatsächlich politisch verfolgt, folgt ihr Einreise- und Aufenthaltsrecht unmittelbar aus Art. 16a Abs. 1 GG. Der Einrichtung von Asylverwaltungs- und rechtsschutzverfahren schon für gebietsfremde Ausländer bedarf es dann, wenn die Bundesrepublik Maßnahmen vornehmen möchte, die gegenüber gebietsfremden politisch Verfolgten eine Beeinträchtigung ihrer Flucht bedeuten würden. Die Verfahren dienen dann der Verhinderung von Verletzungen des Art. 16a Abs. 1 GG. Für die Ausgestaltung der Verfahren zur Überprüfung der Asylberechtigung ist bei Einschlägigkeit der sicheren Herkunftsstaatenregelung dessen eingeschränkter Prüfungsmaßstab zu beachten. Das Fehlen der Asylberechtigung wird vermutet und muss widerlegt werden. Dies gälte auch für Asylverfahren, die für gebietsfremde Personen durchgeführt werden.



H. Zusammenfassung305

Hinsichtlich der Ausgestaltung eines effektiven Rechtsschutzes sind ebenfalls die Auswirkungen von sicherer Dritt- und Herkunftsstaatenregelung zu beachten. Im Falle der Einschlägigkeit der sicheren Drittstaatenregelung ist zu beachten, dass das subjektiv-öffentliche Recht untergeht, für welches der effektive Rechtsschutz gemäß Art. 19 Abs. 4 GG gewährt wird. Rechtsschutz gegen Abweisung und Abschiebung kann demnach nur erfolgreich sein, wenn das Vorliegen einer Einreise aus einem sicheren Drittstaat schlüssig bestritten werden kann. Dies gilt sowohl hinsichtlich des einstweiligen Rechtsschutzes als auch des Rechtsschutzes in der Hauptsache. Art. 16a Abs. 2 S. 3 GG hat rein deklaratorische Bedeutung. Bei Einschlägigkeit der sicheren Herkunftsstaatenregelung ist der Prüfungsmaßstab des einstweiligen Rechtsschutzes gemäß Art. 16a Abs. 4 GG sowohl gegen aufenthaltsbeendende als auch einreiseverhindernde Maßnahmen eingeschränkt. 10. Keine Einschränkung des extraterritorial geltenden Asylrechts durch (anwendungs)vorrangiges Unionsrecht Der Anwendungsvorrang des Unionsrechts führt zu keiner Verdrängung des extraterritorial geltenden Asylrechts aus Art. 16a Abs. 1 GG. Verdrängt wird durch das Unionsrecht in bestimmten Fällen lediglich der Untergang des Asylrechts durch die sichere Drittstaatenregelung, und zwar hinsichtlich dessen Erstreckung auf den einfachgesetzlich gewährleisteten, internationalen Schutz. Das extraterritoriale Asylrecht des Art. 16a Abs. 1 GG entfaltet seine Bedeutung im Rahmen der vom Unionsrecht eingeräumten Ermessensspielräume. Dies betrifft insbesondere das Selbsteintrittsrecht der Dublin III-Verordnung. Soweit das Asylrecht des Art. 16a GG ein Einreise- und Aufenthaltsrecht für eine bestimmte Person gewährleistet, so verbietet es der Bundesrepublik eine zwangsweise Überstellung der Person in den nach der Dublin III-Verordnung zuständigen Staat. Das Selbsteintrittsrecht muss ausgeübt werden. Wird die Bundesrepublik von der Dublin III-Verordnung als zuständiger Mitgliedstaat bestimmt, so führt dies jedoch nicht zum Wiederaufleben des gegebenenfalls durch die sichere Drittstaatenregelung untergegangenen grundrechtlichen Asylrechts. Vielmehr bleibt das Grundrecht hinsichtlich des Rechts auf Einreise und Aufenthalt in der Bundesrepublik untergegangen. Der asylrechtliche Schutz ist in diesem Falle lediglich ein einfachgesetzlich bzw. unionsrechtlich gewährleisteter.

306

H. Zusammenfassung

11. Möglicherweise verstärkte Verantwortlichkeit der Bundesrepublik für Asylbewerber wegen des Regelungszusammenhangs zwischen unionsrechtlicher Visumspflicht, Dublin III-Verordung und Art. 16a GG Der Regelungszusammenhang von Art. 16a GG und Unionsrecht kann u. U. zu einer verstärkten Verantwortlichkeit der Bundesrepublik für potenzielle Asylbewerber führen. So ist im Unionsrecht für die Staatsangehörigen bestimmter Staaten eine Visumspflicht vorgeschrieben. Wann ein auf dauerhaften Aufenthalt gerichtetes Visum zu erteilen ist, ergibt sich dabei aus nationalem Recht. Die Bundesrepublik ist im Hinblick auf die Entscheidung über die Erteilung eines Visums an Art. 16a GG gebunden. Da die Visumspflicht i. V. m. einem Transportverbot für Beförderungsunternehmen zu einer Beeinträchtigung der freien Flucht für politisch Verfolgte führt, ist die Bundesrepublik gemäß Art. 16a GG u. U. zur Erteilung eines (Asyl)Visums verpflichtet, um diese Beeinträchtigung wieder auszuräumen. Die Erteilung eines Visums ist wiederum i. R.d. Dublin III-Zuständigkeitssystems ein gegenüber dem Ersteintritt vorrangiges Kriterium. Anstelle der Erteilung eines Asylvisums könnte die Bundesrepublik zur Vermeidung von Eingriffen in Art. 16a Abs. 1 GG auch das Transportverbot für potentiell politisch Verfolgte aufheben. In dem Fall könnten die betroffenen Personen allerdings direkt in die Bundesrepublik einreisen, sodass die Bundesrepublik über das Ersteintrittskriterium der Dublin III-Verordnung für diese zuständig wäre.

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Sachwortverzeichnis Anerkennungsakt, 142 ff., 226 ff. – deklaratorisch  146, 232 – konstitutiv  144 ff., 226 ff. Asyl – Botschafts- 39 ff., 208 f. – externes  39 – internes  39

Hohe See  44, 172 f., 183, 217

Beförderungsverbot  201 ff., 236 Bord, an  183 ff., 185 ff., 206 ff. – eines Flugzeugs  183 ff., 185 ff., – eines Schiffes  41 ff., 58 ff., 99, 183 ff., 185 ff., 206 ff.

Kapitän  214 ff. 236 f. Kollisionsrecht  66 f.

Differenzhypothese, negative  80 f. diplomatischer Schutz  101 ff. Drittstaatenregelung, sichere  168, 170, 173, 176 ff., 246 ff., 270 ff. Drittwirkung  202, 217 f. Gebietshoheit  32, 35, 38, 70, 101, 125 Gebietskontakt  58, 60, 70, 72, 184 f. Gewässer – Hoheits- 185, 206, 288 s. Küsten­ gewässer – internationale  59 – Küsten-  42 f., 45, 99, 173, 185 f., 207 s. Hoheitsgewässer Grenzäquivalent, funktionales  172 f. Grundrechtsimperialismus  86, 88 ff. Grundrechtskollisionsrecht  66 Grundrechtsoktroi s. Grundrechts­ imperialismus

Inlandsbezug  57 ff., 67, 114 f., 119 ff. Jurisdiktion  42 f. – jurisdiction to enforce  32, 90 – jurisdiction to prescribe  33, 90

Rechtsstatus  72, 142 ff. Schutzrecht  92 ff., 147 ff., 174, 214, Seevölkerrecht  42 Sichtvermerk  200, s. Visum Souveränität, staatliche  31 ff., 88 ff. Staatenimmunität  43 Staatsgrenze – Geschlossenheit der  138 ff. Staatszweck Sicherheit  94 ff. Status  69, 72, 142 ff., Subordinationsverhältnis  68 ff. Transitaufenthalt  185 ff. Verfahrensabhängigkeit  123, 225 ff. Verfahrensdimension  122 ff., 224 ff. Visum  41, 165, 169, 171, 195 ff., 236, 245, 268 f., 284, 296 Vorwirkungen  145 f., 231 ff. Wirkungsprinzip  78 ff.