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German Pages 86 [120] Year 1942
Lebendige Sprache Experimentalphonetische h e r a u s g e g e b e n v o n Wilhelm
Horn
Untersuchungen u n d Kurt
Ketterer/Heft
Experimentelle Dialektgeographie des Alemannischen in Baden Von
K U R T KETTERER Dozent an der Universität Berlin
Mit 35 Tafeln und 24 Figuren im Text
Teil I:
Die Konsonanten Aus der Abteilung zur Erforschung der lebenden Sprache am Englischen Seminar der Universität Berlin
Walter de G r u y t e r &. Co. v o r m a l s G. J. G ö s c h e n 's che V e r l a g s h a n d l u n g — J. G u t t e n t a g , V e r l a g s « B u c h h a n d l u n g — G e o r g R e i m e r — K a r l J. T r ü b n e r — V e i t 6. C o m p .
Berlin
1942
13
Wilhelm Horn in Verehrung und Dankbarkeit gewidmet
Archiv-Nr. 43 20 42 Druck von R. Wagner Sohn in Weimar Printed in Germany
Inhalt
Seite
1. K a p i t e l : Z u r P h y s i o l o g i e d e r K o n s o n a n t e n
. . .
7—44
. . .
24—26
Die Silbentheorie Stetsons
7—23
Die Ergebnisse von Menzerath und Lacerda Akzent und Konsonantismus
26—31
Die Koppelung von Kehlkopf und Zunge
. . . .
Tafeln
32—33 34—44
2. K a p i t e l : D i e a l e m a n n i s c h e n K o n s o n a n t e n
. . .
Einleitung
45—93 45—47
Zur phonetischen Schrift
47—50
Zum Material
50—52
Zur Registriertechnik
52—54
Die herrschende Auffassung über das niederaleniannische Lautsystem und seine Gliederung . . . .
54—56
Die Konsonanten der Mundart von Hausen i. W.
57—64
Die
Konsonanten
der Mundart von Horben bei
Säckingen
64—68
Die Konsonanten der Mundart von Sasbach a. K . Die
Konsonanten
der Mundarten
von
Sasbach-
walden, Ottersweiher und Untzhurst Besprechung einzelner Lauterscheinungen
68—70 71—72
. . . .
72—75
Zusammenfassung der Ergebnisse
75—78
Tafeln
79—86
Zur Einführung Trotz der Konstruktion von Reisekymographien war die experimental-phonetische Erforschung von Mundarten bis heute sehr schwierig. Abgesehen davon, daß die Aufzeichnungen, welche der pneumatische Kehltonschreiber und der Mundluftzeichner lieferten, sehr ungenau waren, konnte man nur in Ausnahmefällen unverbildete Sprecher in die Laboratorien der Universitätsstädte bringen. Dies ist mit einem Schlage anders geworden durch die graphische Auswertung der Sprechplatte. Jetzt stehen zusammenhängende sprachliche Äußerungen einwandfreier Gewährsmänner in genügendem Umfange auf Schallplatten zur Verfügung. Die darauf eingezeichneten Sprachschwingungen können sowohl fotografiert als auch mit dem vom Verfasser entwickelten Verfahren auf Ruß überschrieben werden. Die Aufzeichnungen sind in der Amplitude und in bezug auf Oberton-Reichtum den pneumatischen Registrierungen weit überlegen. In der vorliegenden Arbeit soll der Versuch unternommen werden, mit der Anwendung der neuen Möglichkeiten in der deutschen Mundartforschung Ernst zu machen. Es sind eine ganze Reihe repräsentativer Sprecher aus dem badischen Teil des alemannischen Sprachgebietes auf Grund von Oszillogrammen und Kymogrammen untersucht worden. Diese rein akustische Schwingungsanalyse bedarf jedoch dringend der Ergänzung durch die Lautphysiologie. Wir sind in der glücklichen Lage, uns dabei auf neue und bahnbrechende Arbeiten über Sprechatmung und Lautgrenzen stützen zu können, welche wir R. H. Stetson sowie unserem Landsmann P. Menzerath in Bonn verdanken. Außerdem hat der deutsche Physiologe W. Trendelenburg zusammen mit H. Wullstein neuerdings die Vorgänge bei der Vokalerzeugung mit modernsten Mitteln klargestellt. Die vorliegende Arbeit benutzt in jeder Hinsicht diese Vorarbeiten, und sie wird hoffentlich den Nachweis erbringen, daß eine Verbindung lautphysiologischer Ergebnisse mit der Schallregistrierung möglich und fruchtbringend ist.
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Zur Einführung
Da wir annehmen dürfen, daß die neuen Ergebnisse der Lautphysiologie den Linguisten noch nicht durchweg bekannt sind, sollen sie in einer kurzen Einleitung dargelegt werden. Ebenso mußten Einzelheiten der modernen Elektroakustik etwas ausführlicher besprochen werden, als für Spezialisten auf diesem Gebiete angemessen erscheint. Für die speziellen Fragen des badischen Alemannisch lagen die wertvollen Grundlagen vor, welche von den Schülern F. Kluge's und vor allem von dem Herausgeber des badischen Wörterbuches E. Ochs geschaffen wurden. Der Dekan der Philosophischen Fakultät der Universität Berlin, Professor Grapow, ermöglichte durch eine Beihilfe den Druck der Arbeit, wofür ihm auch an dieser Stelle herzlich gedankt sei. Kurt
Ketterer.
i. K a p i t e l :
Zur Physiologie der Konsonanten Die Silbentheorie von Stetson Stetson kontrolliert die Tätigkeit der Atemmuskulatur durch Messung des Luftdruckes im Mundraum und unterhalb der Stimmbänder. Die letzteren Messungen sind bei einem Patienten durchgeführt, an dem ein Luftröhrenschnitt vorgenommen war 1 ). In beiden Fällen wird ein kleines Röhrchen eingeführt, das mit einem Mareyschen Tambour in Verbindung steht (Fig. i). Wird der Druck im Ansatzrohr oder unterhalb der Glottis größer als der auf der Membran ruhende Außendruck der Luft, so verschiebt sich die Membran nach oben und ebenso der auf ihr montierte Schreibhebel. Bei NachlasFigur i. sen des Druckes wird der Hebel durch die elastischen Kräfte der Membran und durch die Schwerkraft nach unten bewegt. Für die Beurteilung solcher Kurven ist folgendes festzuhalten: Bei der Veränderung des Luftdruckes im Sprechapparat können drei verschiedene Muskelgruppen zusammenwirken: 1. die Bauchmuskulatur, 2. die Rippenmuskulatur, 3. das Zwerchfell. Durch die Tätigkeit dieser Muskeln kann das Volumen der gesamten im Sprechapparat eingeschlossenen Luftmasse verkleinert L)
R. H. Stetson : Motor Phonetics. (Archives Néerlandaises de Phoné-
tique Expérimentale.
1928.)
8
Kurt
Ketterer
oder vergrößert werden; je nachdem steigt oder fällt der Druck. Der von uns gemessene Momentanwert gibt* niemals die Tätigkeit einer einzelnen Muskelgruppe wieder. In ihm überlagert sich vielmehr die Wirkung der gesamten Kräfte, welche auf die eingeschlossene Luftmasse wirken. Dasselbe gilt für die Bewegungen der Bauchwand, welche von Stetson gleichfalls mit seinem „Negative-Pressure-Apparatus" aufgezeichnet worden sind. Infolge des sofortigen Druckausgleichs zeigen sich auf der Bauchwand auch die schnellen Druckschwankungen, welche, wie man mit Recht annimmt, durch die Tätigkeit des viel leichter beweglichen Zwerchfells hervorgerufen werden. Eine genaue zeitliche Abgrenzung der einzelnen Muskelimpulse sämtlicher bei der Sprechatmung beteiligten Gruppen hat Stetson durch Aufzeichnung von Aktionsströmen versucht. Doch sind diese Versuche nicht systematisch durchgeführt worden und leiden darunter, daß das untersuchte elektrische Feld durch den Einfluß anderer gleichzeitig arbeitender Gruppen mitverändert wurde. So bleiben wir denn voraussichtlich noch lange Zeit auf die Messung des Luftdruckes angewiesen.
Figur 2.
Die Frage, die sich Stetson stellte, war folgende: „ I n welcher Weise sind die Artikulationsbewegungen dem Druckverlauf bzw. den Atembewegungen zeitlich zugeordnet?" Er registrierte also gleichzeitig die Kontaktzeiten der labialen und alveolaren Verschlußlaute und die Druckänderung im Ansatzrohr und unterhalb der Stimmbänder. Selbstverständlich hat dieses Verfahren seine schweren psychologischen Bedenken. Der Erfolg zeigt aber, daß eine allerdings stark mechanisierte Artikulation dabei so erfaßt wird, daß Rückschlüsse auf die natürliche Sprache gezogen werden können. Die wesentlichen Resultate Stetsons sind folgende: i . Zu jeder Silbe ordnet sich ein gesonderter Gipfel des Luftdruckes zu. Als hypothetische Ursache dieser Schwankung gilt für
Experimentelle Dialektgeographie des Alemannischen in Baden.
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Stetson ein Muskelimpuls, den er als ,,chest-pulse" bezeichnet. Über die Schnelligkeit, mit der diese Atemstöße wiederholt werden können, gibt Fig. 2 Auskunft. Bei geöffneten Stimmbändern wurde von der Versuchsperson eine schnelle Reihe von Atemstößen erzeugt. Artikuliert wurde ein geflüstertes ,,m". Die Kurve zeigt den Druckverlauf der Nasenluft. Es ergibt sich pro sec. ein achtmaliges Steigen und Fallen der Druckkurve, das auf ebenso viele gesonderte Atembewegungen zurückzuführen ist. Daß die sogenannte Drucksilbe, die somit Stetson als motorische Einheit des Sprechens aufstellt, auch in der Gruppe ,,ala" vorhanden ist, ergibt sich aus Fig. 3. Die Kurve gibt die Bewegungen der Bauchwand (Epigastrium) in der Gruppe „alahadad". Die Artikulation des ,,1" ist durch 1——1 bezeichnet. Die gesamte Kurve hat vier deutlich erkennbare Gipfel. Der Begriff der Sonoritätssilbe oder Schallsilbe, mit dem man hier früher arbeitete, ist durch diese einfache Registrierung als überflüssig erwiesen. 2. Der Konsonant „gehört" zu einer Silbe, wenn er im Ablauf der Silbenbewegung eine mechanische Funktion ausübt. 3. Diese Funktion kann eine doppelte sein: a) Die „releasing function", d. h. der konsonantische Verschluß löst den Vokal aus, indem er die Anfangsbedingungen für dessen Artikulation verändert. Der Gegensatz dazu ist der selbstausgelöste Vokal, der lediglich durch die Tätigkeit der Atemmuskulatur hervorgerufen wird. b) Die „arresting function", d. h. der konsonantische Verschluß, unterbricht die Luftströmung nach Art eines plötzlich zuklappenden Ventils. Das ist der Fall in der geschlossenen Silbe. Der Gegensatz dazu ist das „self-arresting" des Vokals, z. B. in der Gruppe ,,pa". In diesem Falle wird die Luftströmung nach Stetson durch ins Spielkommen der negativen Muskelgruppen angehalten. Es ist wohl die wesentlichste von Stetsons Entdeckungen, daß in der offenen Silbe überhaupt z. B. in der Gruppe „pata" die Silbenbewegung von ,,pa" auf dieselbe Weise angehalten wird wie in der ungedeckten Silbe ,,pa". Der Konsonant ,,t" hat also in der Silbe ,,pa" keine Funktion, er „gehört" zur nächsten Silbe.
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Kurt Ketterer
Besprechung von Einzelfällen i. Der s i l b e n s c h l i e ß e n d e K o n s o n a n t nach k u r z e m Vokal. In Abhängigkeit von der Zeit sind drei verschiedene Vorgänge verzeichnet (Fig. 4). a) C = „chest-pulse", d. h. Silbenstoß. Die Kurve stellt den Druckverlauf unterhalb der Stimmbänder dar. b) A = ,,air in the mouth", Druckablauf im Ansatzrohr. In das verschlossene Ansatzrohr wird während der Zeit des Kontaktes bzw. der Engenbildung ein Röhrchen eingeführt, das den Vorgang auf eine Membran überträgt. c) L = „lips". Ein luftgefülltes Gummipolster zwischen den Lippen verzeichnet die Zeit des Kontaktes und eventuelle Schwankungen der Muskelspannung während derselben. Im Augenblick, wo die Lippenkurve steigt, ist der Mund geschlossen. Die vorbereitenden Bewegungen sind nicht berücksichtigt. Während der Artikulation des Vokals ,,u" steigt der Luftdruck unterhalb der Stimmbänder stark an. Wie neuere Forschungen von Trendelenburg und Wuhlstein ge*> » zeigt haben, ist im Falle der Bruststimme die Glottis während einer Vokalperiode nur kurzzeitig geöffnet. Bei tiefen Tönen überwiegt die Zeit des Verschlusses über die Öffnungszeit. Infolgedessen hat naturgemäß jede Art von positiver Muskeltätigkeit einen Druckanstieg zur Folge. F i g u r 4. Die kleinen Schwankungen des Luftdruckes, welche durch das regelmäßige Öffnen und Schließen der Stimmbänder hervorgerufen werden, sind auf den makroskopischen Darstellungen Stetsons nicht vorhanden. Im geöffneten Ansatzrohr herrscht, wie ohne weiteres verständlich, der Luftdruck Null, d. h. derjenige der Außenluft. Für den Konsonanten ,,p" beobachten wir folgendes: In dem Moment seines Einsatzes steigt der Luftdruck im Munde steil an. Dies ist natürlich, da nunmehr sämtliche Räume oberhalb der Glottis in das abgeschlossene Gesamtvolumen einbezogen sind. Der Anstieg dauert solange, bis die ganze Luftsäule einen einheitlichen, nicht mehr weiter steigerungsfähigen Druckzustand erreicht hat. Dadurch
Experimentelle Dialektgeographie des Alemannischen in Baden
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kommen die Atembewegungen "zum Stehen, der Silbenstoß wird von dem Konsonanten angehalten (arrested). Die Deutung des abfallenden Astes der C-Kurve ist schwierig, da der genaue Ablauf der Muskeltätigkeit nicht bekannt ist. Sicher ist, daß in der kurzen geschlossenen Silbe der Konsonant in dem Augenblick einsetzt, wo der Druck unterhalb der Stimmbänder sein Maximum erreicht hat. 2. D e r s i l b e n a n l a u t e n d e
Konsonant.
Im Gegensatz zu dem stetigen Ablauf des Druckes beim silbenschließenden Konsonanten zeigt der silbeneröffnende Konsonant (releasing consonant) folgende Entwicklung: In der Gruppe „ p u " (Fig. 5) ist der Verschluß bereits vorhanden im Augenblick oder kurz nach Beginn der Muskeltätigkeit. Diese führt deshalb sofort zur Drucksteigerung mnerhalb des gesamten einI\ • V ! a geschlossenen Luftvoluzst* . Jl mens. Der Druck unterhalb der geöffneten />up Stimmbänder (C) und im Ansatzrohr (A) steigt nahezu linear. Im Augenblick der Explosion, der durch das Ende der KonFigur 5. taktkurve (L) gegeben ist erfolgt im Mundraum ein momentaner Ausgleich. Der Druck fällt A kurzzeitig auf Null (A). u Infolge der Trägheit der von Stetson benutzten Figur 6. Apparatur fällt jedoch die Mundluftkurve erheblich langsamer als der tatsächliche Druckvorgang. Der korrekte Verlauf ist aus der Zeichnung ersichtlich (Fig. 6). Der nach unten gerichtete Ast unmittelbar hinter dem Wendepunkt stellt überwiegend die Rückbewegung des Schreibers in die Ruhelage dar. Man sieht ferner, daß er die für den Vokal ,,u" geforderte Null-Stellung nicht erreicht, da ein neuer Druckanstieg in kürzerer Zeit einsetzt als der Schreiber zur Erreichung der Gleichgewichts-
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Kurt
Ketterer
läge benötigt. Infolgedessen steigt auch der Druck des folgenden „ p " in Stetsons Kurve nicht von Null ab, sondern von einem tatsächlich nicht vorhandenen positiven Wert. An der C-Kurve ist in hohem Grade auffällig, daß sie nach der Explosion des Konsonanten noch weiter steigt; denn bei vollständig verschlossenem Ansatzrohr wäre zum mindesten unter der Voraussetzung eines konstanten Anblasedruckes eine größere Drucksteigerung zu erwarten als während der Phonation eines Vokals, wo immerhin durch periodisches Öffnen der Stimmbänder ein gewisser Druckausgleich gegeben ist. Stetson schließt daraus, daß die Muskeln bei der Hervorbringung des „chest-pulse" eine ganz bestimmte Art von Bewegung ausführen, die er als ballistisch bezeichnet. Sie charakterisiert sich im wesentlichen dadurch, daß durch einen kurzzeitigen Impuls der positiven Muskelgruppen dem zu bewegenden Glied eine hohe kinetische Energie verliehen wird. Dies wird dadurch ermöglicht, daß die negativen Muskelgruppen nicht eingreifen. Nach Ablauf des positiven Impulses wirken auf das bewegte Glied eine kurze Zeit lang keinerlei Muskelkräfte. Es bewegt sich frei, seine Geschwindigkeit und Richtung können in dieser Zeit nicht beeinflußt werden. Erst später wird die Bewegung durch Einsatz der negativen Muskelgruppen verlangsamt und zum Stehen gebracht. Im Gegensatz dazu wirken bei der sogenannten „geführten" Bewegung von vornherein die negativen Muskelgruppen mit. Dadurch werden diese Bewegungen verlangsamt, können aber auch jederzeit in Geschwindigkeit und Richtung verändert werden (controlled movement). Diese Tatsachen sind von der Muskelphysiologie mit Hilfe von Aktionsströmen beim Schreiben, Taktieren und anderen Bewegungen nachgewiesen. Als zwei prinzipielle Unterschiede in der Art des Muskeleinsatzes dürften sie auch beim Sprechen eine bedeutsame Rolle spielen. Spricht man doch seit langem von dem sogenannten Stoßton im Gegensatz zum zweigipfligen Schleifton. In den entsprechenden Melodiekurven, welche uns im allgemeinen die Spannungsänderungen des Kehlkopfes wiedergeben, zeigt der Stoßton regelmäßig eine parabelähnliche Kurve von starker Steigung. Ihm gegenüber stehen die anderen Akzente in variabler Form und Steigung. Vgl. die Arbeiten der Schriftenreihe „Lebendige Sprache" von A. Siegloch: „Die phonetischen Mittel der Deklamation bei J. W. Holloway in der Wiedergabe der Leichenrede des Mark Anton" und H. Heilmann: „Experimentalphonetische Untersuchung der Sprache von A. Lloyd James."
Experimentelle Dialektgeographie des Alemannischen in Baden
3. D e r s i l b e n s c h l i e ß e n d e
Konsonant
nach
langem
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Vokal.
Von dem Worte „ p l a t e " (sprich „ p l e i t " ) (Fig. 7) liegt nur die Mundkurve vor. Sie hat den zu erwartenden Null-Wert während des Vokals. Im Augenblick des ,,t"-Verschlusses steigt der D r u c k ; der A n stieg vollzieht sich jedoch erheblich flacher als hinter kurzem Vokal. Stetson schließt daraus, d a ß die im einzelnen un, bekannte D r u c k k u r v e des langen Vokals ihr Maxim u m bereits überschritten hat. Dieses Abklingen schreibt er der Tätigkeit p/otc a der negativen Muskel/>j» gruppen zu. Der Vokal Figur 7. wird also durch den ,,t"Verschluß nur teilweise angehalten. Der flache Anstieg des L u f t druckes beweist, daß der Verschluß der abklingenden Phase des vorhergehenden Vokals zugeordnet ist. 4. D e r k u r z e V o k a l i n o f f e n e r
Silbe.
Die K u r v e enthält das W o r t , ,satsa" (Fig. 8). Während der Dauer des ,,s" liegt Muskeltätigkeit bei stark verengtem Ansatzrohr vor. Der D r u c k steigt infolgedessen nahezu ebenso wie bei einem totalen Verschluß. Die Öffnung zum ,,a" r u f t wieder den Ausgleich und damit den scharfen K n i c k in der Aufzeichnung hervor. Während der Arti-
kulation des , , a " ist der Druck erwartungsgemäß gleich Null. Auf das , , a " folgt direkt der ,,t"-Verschluß, aber, und das ist das Entscheidende, der ,,t"-Verschluß verursacht kein Steigen des Druckes im Ansatzrohr, d. h. es ist ihm keinerlei Luftströmung zugeordnet. Der Silbenstoß des , , a " m u ß also mit dem V o k a l selbst erloschen sein. Diese aus dem Nichtanstieg des Druckes bei verschlossenem Ansatzrohr unwiderleglich folgende Tatsache bezeichnet Stetson als „seif-
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Kurt Ketterer
arresting" des Vokals und führt sie ebenso wie das Aussetzen des Vokals in der ungedeckten offenen Silbe auf die Gegenwirkung der Atemmuskeln zurück. Die folgende Konsonantengruppe hat also keinen Einfluß auf den Vokal. Sie „gehört" zur nächsten, jedenfalls aber nicht zur vorhergehenden Silbe. 5. Die G e m i n a t a . Hier liefert Stetson den objektiven Nachweis für die bereits aus dem Muskelgefühl erschlossene Tatsache, daß die sogenannte Geminata zwei Silbenstößen zugeordnet ist (Fig. 9). Die beiden Silbenstöße sind auf der unteren Kurve verzeichnet. Der erste wird in bekannter Weise nahezu im Maximum durch den Einsatz des ,,p"-Verschlusses zum Stehen gebracht. Die Mundkurve hat die typisch stetige Form des „arresting". Nicht in der Mitte des Verschlusses, sondern im letzten Drittel setzt ein neuer Silbenstoß ein. Er führt zu einem neuen Druckanstieg in der Form, wie er uns in der Gruppe „ p u " (Fig. 5) geläufig ist. Infolge der zweimaligen Mundöffnung für das vorhergehende und folgende „ u " reflektiert die Mundkurve die beiden Silbenstöße nur in verstümmelter Form. Ist sie allein gegeben, so folgt trotzdem aus der Kombination der „arresting" und „releasing" Form des Druckablaufs die Existenz dieser beiden Stöße. Man erschließt sie allgemein aus der Zweigipfligkeit der Luftdruckkurve während des Kontaktes. Interessant ist, daß Stetson bimaximalen Druckverlauf bereits bei einer Dauer von 10 es registriert hat. Dies ist genau die Mindestdauer der Geminata im Alemannischen. 6. Die K o n s o n a n t e n g r u p p e . Fig. 10 (Gruppe „topto") stellt der Reihe nach von unten nach oben den Druckablauf im Ansatzrohr (A), die Kontaktzeit von Zunge und Alveolen (T) und der Lippen (L) dar. Die Mundkurve ist bei langsamem Sprechtempo noch zweigipflig (Fall 1), sie stimmt mit derjenigen der Geminata vollständig überein. Der erste Konsonant „gehört" zur ersten, der zweite zur folgenden Silbe. Die Kontaktzeiten für Lippen und Zunge sind klar getrennt. Diesen Fall bezeichnet
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Stetson als „abutting", d. h. Nebeneinanderliegen der Konsonanten. Fall 2 läßt die Nachwirkung von zwei verschiedenen Silbenstößen in einer starken Richtungsänderung des ansteigenden Astes erkennen, er ist ifn mathematischen Sinne gleichfalls als zweigipflig zu betrachten. Bei Beschleunigung des Sprechtempos sehen wir in Fall 3, 4 und 5 die Nachwirkung des vorhergehenden Silbenstoßes immer geringer werden, es tritt offenbar in zunehmendem Maße „self-arresting" des Vokals ein. In den Fällen 6 und 7 haben wir die klare „releasing" Form der Mundkurve, nämlich ein starkes lineares Ansteigen bis zur Explosion, die wiederum in Stetsons Aufzeichnung als scharfer Wendepunkt der Kurve auftritt, gefolgt von einem absteigenden Ast, der von der Rückbewegung des Schreibers in die für den Vokal ,,o" geforderte Null-Stellung herrührt.
Die Bewegungen im Ansatzrohr, welche zur Erzeugung der Gruppe ,,pt" notwendig sind, werden also bald zwei getrennten, bald einem einzigen Silbenstoß zugeordnet. Dies bedingt einen großen Unterschied in der Zeit, welche zur Ausführung der beiden Kontakte zur Verfügung steht. Während sie in Fig. 8, Fall 1 in ihrem zeitlichen Ablauf noch vollkommen getrennt sind, schieben sie sich bei Beschleunigung des Sprechtempos immer mehr ineinander (overlapping). Auch für die Konsonantengruppen ist es also möglich, aus der Druckkurve im Ansatzrohr eine objektive Bestimmung der Silbengrenze zu gewinnen. Die Konsonantengruppe kann bei „self-arresting" des Vokals vollständig zur folgenden Silbe zählen und wird dann als „combined consonant" bezeichnet. Aus der Notwendigkeit, in diesem Falle die sämtlichen erforderlichen Bewegungen im Ansatzrohr in relativ kurzer Zeit auszuführen, ergeben sich zweifellos im Laufe der Sprachgeschichte wichtige Ausfälle und Angleichungen. Als der stabilste Teil der Gruppe erweist sich naturgemäß der Konsonant unmittelbar vor dem Vokal. Dem Ausfall oder der Angleichung verfällt der frühere „arresting consonant" der vorhergehenden Silbe. Besonders bei satzphonetischem Zusammenstoß eines silbenschließenden
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Kurt Ketterer
und silbeneröffnenden Konsonanten beobachten wir deshalb immer wieder den Ausfall des silbenschließenden aus dem vorhergehenden Wort. Druckverhältnisse bei den einzelnen Lautklassen Von größter Bedeutung sind die Registrierungen Stetsons über die Druckunterschiede bei stimmlosen und stimmhaften Verschlußund Reibelauten. Fig. I i . Luftdruckkurve des Ansatzrohrs für die stimmlosen Konsonanten „ p " und ,,f". Der Druck ist für den stimmlosen Reibelaut etwas niedriger als für den entsprechenden Verschlußlaut. Der Verlauf der Kurve für ,,f" ist am Ende etwas stetiger als bei dem explosionsartig beendeten Verschlußlaut. Daher rührt auch wohl die Tatsache, daß nach bisherigen Messungen die Reibelaute etwas länger sind als die Verschlußlaute.
F i g u r 13.
F i g u r 14.
Dasselbe gilt für die Gruppen „ e t " und „ e s " (Fig. 12). Wesentlich niedriger dagegen ist die Drucksteigerung für die stimmhaften Reibelaute „ v " und ,,z", wie die beiden folgenden Abbildungen zeigen (Fig. 13 u. 14).
Experimentelle Dialektgeographie des Alemannischen in B a d e n
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Anwendung der Ergebnisse Stetsons Daß der Konsonant im wesentlichen durch den Silbenstoß bedingt ist, zu dem er „gehört", sieht man am klarsten aus der Tatsache, daß bestimmte konsonantische Qualitäten überhaupt nur vor oder nach der starkbetonten Silbe möglich sind. Dies ist im Englischen und Deutschen für die behauchte Tenuis beobachtet worden. Prof. Horn machte mich darauf aufmerksam, daß ältere englische Schreibungen wie „prodestant" u. ä. auf den Verlust oder die Reduktion der Behauchung nach der starkbetonten Silbe hinweisen. In vielen hochalemannischen Mundarten gilt dasselbe für die anlautende unbehauchte Fortis. Auch die Geminata verschwindet in schwachbetonter Stellung. So steht (L. A. 262) betont am Taktende: „wella" (wollen) (22 es) und schwachbetont: ,,wil 9r six het web (6, 5 es) sselbar abinda" (weil er sich hat wollen selber anbinden) und auf derselben Platte: ,,appa" (herunter) (26 es) am Ende des Sprechtaktes, dazu: ,,epa (10 es) tswensk mettsr" (etwa zwanzig Meter). Unter sonst gleichen Bedingungen wird ein kurzer Silbenstoß im Ansatzrohr eine geringere Drucksteigerung hervorrufen, als ein längerer, der Konsonant wird schwächer. Innerhalb dieser Voraussetzungen gilt die oft beobachtete Beziehung zwischen Dauer und Stärke der Konsonanten. Als weitere Bedingung kommt hinzu, daß der Druckverlauf im folgenden Vokal grundsätzlich derselbe ist. Die Abschwächung der Konsonanten, welche schwachen Silbenstößen zugeordnet sind, kann bis zum Ersatz der Tenuis durch die Media führen, wie dies aus unserer Materialzusammenstellung hervorgeht. Solche Abschwächungen sind übrigens auch im Englischen von unseren Mitarbeitern häufig beobachtet, z. B. ,,aed abaut" für ,,set abaut" = at about ,,widz ai maiseif" für ,,wits ai maiseif" = which I myself. In Mundarten, die straffer artikulieren, bleibt die Tenuis qualitativ erhalten, wird aber quantitativ reduziert (vgl. die Mundart von Horben). Aus der Tatsache, daß für die Gesamtheit der Bewegungen im Ansatzrohr in der schwachbetonten Silbe eine wesentlich geringere Zeit zur Verfügung steht, erklären sich ohne weiteres die häufigen quantitativen und qualitativen Abschwächungen und Ausfälle von Lauten in diesen Silben, besonders wenn man bedenkt, daß infolge der dauernd zu beobachtenden Angleichung der Energie im Atemapparat und Ansatzrohr in der schwachbetonten Silbe vermutlich auch die Verschiebungen der Zunge usw. langsamer ablaufen und weniger exakt ausgeführt werden. 2
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Kurt Ketterer
Erhält andererseits die „unbetonte" Silbe einen Nebenakzent, wie dies bei steigendem Druckverlauf des gesamten Satzes am Ende der Atemgruppe häufig ist, so verlängern sich Vokal u n d Konsonant. Dies ist ein Hauptgrund dafür, warum bei der Untersuchung der rhythmischen Folge - sich äußerst uneinheitliche Werte ergeben haben. Die Konsonanten, welche die „unbetonte" Silbe anlauten, fallen erheblich kürzer aus, wenn diese als wirklich „unbetonte" zwischen zwei starkbetonten steht. Die eben geschilderten Verhältnisse veranschaulicht eine Zusammenstellung von H. Heilmann in einer Arbeit über die Sprache von A. Lloyd James (Lebendige Sprache, Heft 2). p luta
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Auf der Abszisse ist die Dauer der Konsonanten in 1/100 sec aufgetragen, auf der Ordinate die relative Anzahl der Fälle (Fig. 15). Dje schwarzgedeckten Säulen stellen Konsonanten vor der starkbetonten Silbe dar, die schraffierten solche nach der starkbetonten Silbe ohne Unterscheidung der Quantität des vorhergehenden Vokals. Es ist festzustellen, daß die oberen Werte der Quantität ausschließlich für den Konsonanten vor der starkbetonten Silbe reserviert sind. Der Konsonant, welcher die „schwachbetonte" Silbe eröffnet, kann die Quantität der kürzeren starkbetonten Fälle haben, im allgemeinen aber ist er kürzer. In der Streuung, welche der Konsonant vor „unbetonter" Silbe aufweist, spiegelt sich die ganze satzphonetische Abwandlung der Intensität der Nebensilbe. Dieses Gesetz erscheint in gleicher Weise in sämtlichen Arbeiten, welche in der Phonetikabteilung des Englischen Seminars angefertigt worden sind. Daß es sich nicht um eine willkürliche Streuung, sondern um die Auswirkung eines physiologischen Gesetzes dabei handelt, beweist die Tatsache, daß die Anzahl der herangezogenen Fälle dabei keine Rolle spielt. Das Gesetz erscheint immer, es ist ein Ausfluß artikulatorischer Notwendigkeiten. Vgl.
Experimentelle Dialektgeographie des Alemannischen in Baden
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auch die folgende Kurve aus der Arbeit von H. Löhnert über die Sprache von MacDonald 1 ) (Fig. 16).
Die Kurve veranschaulicht die Quantitätsverhältnisse des sogenannten „unbetonten" „ a " in der Sprache MacDonalds, auf der Abszisse die Quantität in 1/100 sec, auf der Ordinate die prozentuelle Häufigkeit der Fälle. In der wechselnden Länge drücken sich die Unterschiede der Rhythmisierung aus. Ihnen entsprechend schwankt die Dauer der silbeneröffnenden Konsonanten. Wie vereinbart sich nun mit der Stetsonschen Theorie die Tatsache, daß neben dem klaren Einfluß des folgenden Vokals ein ebenfalls unbestreitbarer Einfluß der Quantität des vorhergehenden betonten Vokals auf den folgenden, nicht zu ihm „gehörenden" Konsonanten beobachtet worden ist ? O. Jespersen: Lehrbuch der Phonetik, 2. Aufl., S. 187 gibt nach den Untersuchungen von F. A. Meyer die folgende Übersicht über die Dauer der Konsonanten im Englischen (siehe nächste Seite). In der vorliegenden Arbeit ist dieser Gesichtspunkt nicht berücksichtigt, da nicht genügend Fälle zur Verfügung standen. Nach der Tabelle bei Jespersen hat also der vorhergehende Vokal die Anfangsbedingungen für die Artikulation der folgenden Silbe nachweisbar modifiziert. Dies ist nur dann zu verstehen, wenn beide Silben einer übergeordneten motorischen Einheit angehören. Die vorr)
Lebendige Sprache, H e f t 8. 2*
Kurt
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Ketterer
Inlaut nach langem Vokal p t k b d f s v 1 m
• . . . . . . . . .
• . . . . . . . . .
nach kurzem Vokal
8,0
10,2
7.9 8,9
10,6
4,9 7,3 9,3 4,9 7,2 7,9
7,i 5.7 8,7 9,5 4,8 7,5 8,6
9,o
6,2
liegende Beobachtung liefert uns also einen entscheidenden Beweis für die Existenz des Sprechtaktes. Nach langem Vokal überlagert sich der Silbenstoß einer anderen Phase eines übergeordneten Druckverlaufes, dessen Beitrag zum gesamten Momentandruck geringer ist, als nach der kurzen betonten Silbe. Stetson nimmt an, daß diese längeren und langsamer folgenden Stöße von der Bauchmuskulatur ausgeführt werden.
x*mp f/g. /tf
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Moas
Figur 17.
Auf Figur 17 erscheint der sogenannte Sprechtakt (von Stetson als „subgroup" bezeichnet) in der zweimaligen Unterteilung der LautReihe ,,zeep ope will be p (p)ope." Ähnlich wie bei der Superposition von Schwingungen sieht man auf der Abbildung die Wirkung addiert, welche zwei getrennte, zeitlich veränderte Kräfte von verschiedener Periodizität auf den Momentanwert des Luftdruckes unterhalb der Stimmbänder ausüben. Besonders folgenreich ist die aus Stetsons Messungen zu entnehmende Tatsache, daß der Luftdruck der Konsonanten eigentlich für jede Klasse verschieden ist (vgl. Fig. 11—14). Den stärksten Druck hat er naturgemäß für die stimmlosen Verschlußlaute festgestellt, entsprechend dem Umstände, daß hier kräftige Atembewegungen bei
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vollständig verschlossenem Ansatzrohr stattfinden. Die stimmlosen Reibelaute haben, wie sich u. a. auch aus Beobachtungen über ihre Wirkung auf vorhergehende Vokale ergibt, einen etwas geringeren Druck. Wesentlich davon abgesetzt erscheinen die stimmhaften Verschluß- und Reibelaute. Bei Stetson liegen allerdings nur vereinzelte Registrierungen vor. Es wäre notwendig, die Luftdruckunterschiede bei den einzelnen Konsonantenklassen in einer hinreichend großen Anzahl von Fällen zu untersuchen, so, daß die wechselnde Intensität der Artikulation als störender Faktor durch Mittelwertsbildung eliminiert würde. Von diesen Beobachtungen aus kommen wir zu einer richtigen Definition und Deutung der durch Messungen im Schallfelde erwiesenen Tatsache des „Einflusses" der Konsonanten auf die Dauer folgender und vorhergehender Vokale; denn die Aufgabe des Sprechers, bei der Artikulation der Konsonantenklassen besteht nun darin, den Druckverlauf des Sprechtaktes und die Zuordnung der Bewegungen im Ansatzrohr so abzustimmen, daß im Augenblick des Konsonanteneinsatzes die richtigen Ausgangsbedingungen für den betreffenden Konsonanten vorhanden sind. Am klarsten wird das in der kurzen geschlossenen Silbe. Es ist gar nicht möglich, das ,,e" in den Gruppen „ep", „ e f " und „ e v " in gleicher Zeit und mit gleicher Stärke zu sprechen, da wir in diesem Falle niemals zu den erforderlichen Druckunterschieden für die folgenden Konsonanten kommen. Es bleibt nur die Möglichkeit, entweder die Gruppe „ e v " als ganze schwächer zu sprechen, oder aber, und das ist das Häufigere, den Vokal so lange hinauszuzögern, bis sich der Druck zu dem für den stimmhaften Konsonanten nötigen Grade erniedrigt hat, d. h. den Vokal zu verlängern 1 ). Dies geschieht dann auch tatsächlich im Deutschen, Französischen und Englischen und zwar im Rahmen der für den kurzen Vokal bei ruhiger Aussprache zugelassenen recht erheblichen Schwankungsbreite. So ist nach Jespersen das Verhältnis zwischen kurzem „ a " vor „ t " und vor „ s " wie i : 1,38 usw. Vgl. auch die vollständige Dehnung der französischen Vokale vor stimmhaftem Reibelaut „neuve" (növ) gegenüber der männlichen Form „neuf" (nöf). Außerl ) Untersuchungen über Quantität, Melodie und Dynamik von Wortgruppen mit verschiedenen Konsonanten sind in der Phonetikabteilung des Englischen Seminars im Gange. Bisher ist die quantitative Seite dieses Problems isoliert behandelt worden. H. Heilmann hat festgestellt, daß der Melodieverlauf der Vokale in stimmhafter Umgebung weniger steil ist, als in stimmloser (Lebendige Sprache, Heft 2).
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dem haben wir im Englischen verschiedene Quantität für den Vokal in „head" (hed) gegenüber „hat" (hset). Auch die Dauer des langen Vokals im Englischen ist durch den silbenschließenden Konsonanten wesentlich modifiziert. In allen Fällen handelt es sich also um den spontanen Ersatz einer unbrauchbaren Druckbewegung durch eine andere, die im Hinblick auf den schließenden Konsonanten von niederem Luftdruck umgestaltet ist.
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Voraussetzung für diese Art der Lösung ist selbstverständlich, daß die betreffende Sprache über eine Druckbewegung verfügt, welche mit dem Intensitätsmaximum am Anfang des Vokals und einem hinreichend flachen Abfall ausgestattet ist. (Decrescendo-Betonung.) Liegt aber das Druckmaximum am Ende des Vokals, wie z. B. häufig im Alemannischen, und wird an der Koordination von Vokal und Konsonant zu einem Silbenstoß festgehalten, so ist die Aussprache von stimmhaften Verschlußlauten in der kurzen geschlossenen Silbe unmöglich. So werden im Alemannischen inlautendes ,,b", ,,d", ,,g" im Auslaut nach kurzem betonten Vokal zu ,,p"', ,,t"', ,,k"'.
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Hinter langem Vokal verfügt auch das Alemannische über eine abschwellende Phase der Druckbewegung, welcher Laute von niederem Luftdruck zugeordnet werden können, und deshalb finden wir an dieser Stelle ,,b", „d", ,,g", wie wir sehen werden, als Media. Dasselbe gilt erst recht für die schwachbetonte Silbe. Die Abbildung (Fig. 18) zeigt in mehreren Fällen die Melodiebewegung der starkbetonten geschlossenen Silbe. Stetsons Kurve des subglottalen Drucks (Fig. 4) beweist, daß sie mit der Intensitätsbewegung parallel läuft. Wie aus der Abbildung (Fig. 18) hervorgeht, gelten dieselben Verhältnisse für die starkbetonte Silbe ,,at'" in „bramât'" (Sasbachwalden) und für die Geminata „appa" (Göschenen in der Schweiz). Dazu fügen sich die intervokalischen Konsonantengruppen „aptsfara" (abzufahren) und ,,upsi" (auf sich), für die auch nach Ausweis ihrer Quantität dieselben Verhältnisse vorliegen wie für die Geminata. Melodie- und Druckverhältnisse des sogen, „scharfgeschnittenen" Silbenakzents sind damit experimentell belegt. Uber den Amplitudenabfall des Vokals im Schallfelde vgl. Tafel 3. Der Einfluß des Konsonanten auf die Dauer des Vokals der vorhergehenden Silbe ist auch für den Fall festgestellt, daß dieser Konsonant zur folgenden Silbe „gehört". So fand A. Grégoire1) das „a" in „badaud" länger als in „bateau", das ,,é" in „débit" länger als in „dépit" usw. Ähnliche Feststellungen enthält die Arbeit von H. Blasche über die Sprache von Lord Roberts2). Auch in diesem Falle handelt es sich wohl darum, daß bei den stimmlos anlautenden Silben der Einsatz des Konsonanten in eine frühere und deshalb stärkere Phase der Druckbewegung des Sprechtaktes hineinverlegt wird, als es bei den stimmhaften der Fall ist. Wie weit diese Druckbewegung absolut und in ihrem relativen Ablauf in beiden Fällen verschieden ausfällt, läßt sich bis jetzt nicht sagen, da Grégoire weder die Gesamtdauer der beiden Gruppen noch ihre Intensitätsund Melodiebewegung angegeben hat. Wenn bei Jespersen für diesen Einfluß des Konsonanten bald die Artikulationsart (Verschluß- oder Reibelaut), bald der Stimmgehalt des Konsonanten verantwortlich gemacht wird, so gestattet die neue motorische Betrachtungsweise R. H. Stetsons, diese scheinbar verschiedenen Ursachen auf einen einzigen Nenner zu bringen und physiologisch befriedigend zu erklären. 1 ) Grégoire, A., L ' I n f l u e n c e des occlusives (Revue de Phonétique I. 260. Paris 19x1). 2)
Lebendige Sprache, H e f t 4.
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Die Ergebnisse von Menzerath und Lacerda Die Verfasser der Arbeit: „Koartikulation, Steuerung und Lautabgrenzung", P. Menzerath und A. de Lacerda 1 ), befassen sich mit der Frage der sogenannten Übergangsbewegungen. Schon der Begriff ,,Übergangsbewegungen" setzt eigentlich eine irrtümliche Grundauffassung der Vorgänge im Ansatzrohr voraus, nämlich die Annahme einer Ruhe- oder Stellungsphase für jeden einzelnen Laut, auf welche dann als zeitlich getrennte Phase eine Verschiebung in eine neue Stellung zu folgen hätte usw. Mit Hilfe eines von Lacerda erfundenen außerordentlich brauchbaren Schreibers sind diese Verhältnisse für die Labiale untersucht worden. Das, worauf es für uns bei der Deutung der Oszillogramme ankommt, ist die von den Verfassern entdeckte Tatsache, daß die sogenannte Übergangsbewegung in der Gruppe ,,apa", d. h. die Schließbewegung der Lippen für das ,,p", bereits während der Artikulation des vorhergehenden Vokals ,,a" vorgenommen wird. Tafel i : Gleichzeitige Aufzeichnung der Mundluft und der Lippenbewegung im Worte ,,apa". Die Änderung der Stellung von Unterund Oberlippe (L) beginnt während der ,,a"-Artikulation. Das ,,a" wird also gewissermaßen in den Verschluß „hineinartikuliert". Dieselbe Frage ist mit Hilfe des von R. Schilling in Freiburg angegebenen Elektrolabiographen auf Tafel 2 behandelt. Dieser Apparat registriert den Zeitpunkt des vollzogenen M-Kontaktes durch einen kleinen senkrechten Strich, der die gleichzeitig aufgenommene Mund- (M) und Kehlkopfkurve (K) schneidet. Der Schnittpunkt liegt meistens unmittelbar am Ende des Vokals, manchmal geringe Zeit später. Daraus folgt, wie schon erwähnt, daß der Lippenschluß im großen und ganzen in die Zeit der vorhergehenden Vokalartikulation fällt. Für diejenigen Lautfolgen, wo Vokal und Konsonant nicht wie hier von zwei getrennten Organen, sondern wie in „ a t a " und „ a k a " hintereinander von der Zunge allein ausgeführt werden müssen, gelten diese Behauptungen selbstverständlich nicht. Bei der großen Beweglichkeit der Zunge ist anzunehmen, daß die konsonantische Bewegung während des Vokals weitgehend vorbereitet wird. Für alle diese Fälle muß jedoch festgestellt werden, daß die genaueren Einzelheiten noch vollkommen im Dunkeln liegen. Durch bloßes Betasten der Zunge aber läßt sich klarstellen, daß auch in diesen Fällen die alte Auffassung von einem Wechsel zwischen Ruhelage und Berlin und Bonn 1933.
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R e g i s t r i e r u n g des L i p p e n k o n t a k t e s bei Labialen auf der .Mundluftkurve nach Menzerath und L a e e r d a .
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Bewegung im Ansatzrohr unzutreffend ist. Röntgenfilme von J a n ker zeigen nach Menzerath alle artikulierenden Organe in ständigem Ortswechsel. Die Schwierigkeit, die sich daraus ergibt, ist folgende: der akustische Befund entspricht nicht ganz den Folgerungen, welche sich für die Schwingungsform z. B . der Vokale aus der Annahme einer dauernden Zungenverschiebung zu ergeben scheinen. G. Scherer hat eine Anzahl englischer Vokale aus zusammenhängender Rede mit Hilfe des Haderschen Analysators Periode für Periode durchgearbeitet und bei unverändertem Grundton auch die Frequenz und Amplitude der Obertöne in weitem Umfang konstant gefunden. Aus den Siebkettenanalysen von F . Trendelenburg ist zu entnehmen, daß der charakteristische Oberton auch in gesprochenen Vokalen während nahezu der ganzen Dauer des Vokals vorhanden ist und somit eine feste Resonanzlage der Mundhöhle für dieselbe Zeit vorausgesetzt werden muß. Es ist möglich, daß die Wirkung der Zungenverschiebung auf die Form des Resonators durch Bewegungen an anderer Stelle (Lippen oder Unterkiefer) kompensiert wird. Der Resonator wird nachgestimmt (Paget). Auf alle Fälle aber scheint es notwendig, einen Unterschied in der Größenordnung der Verschiebungen im Ansatzrohr zu machen. Dabei wird sich die frühere „Stellungsphase" wohl als Abschnitt von relativ geringer Stellungsänderung erweisen, entsprechend der Tatsache, daß jeder gesprochene Vokal einen „stationären" Teil enthält. Für die Deutung der Vokalbilder auf Oszillogrammen lehren Menzeraths Feststellungen folgendes. Man ist bisher gewöhnt, die Vokalamplitude als proportional dem Anblasedruck zu betrachten. Diese Auffassung ist teilweise unhaltbar geworden; denn durch die Verengung der Öffnung des Ansatzrohrs infolge des Lippenschlusses während der Vokalartikulation verschlechtern sich die Abstrahlungsbedingungen von einem aus dem Oszillogramm nicht ersichtlichen Zeitpunkt ab. Diese Verhältnisse veranschaulicht das Oszillogramm von „appa", das vom Verfasser gesprochen und von F. Trendelenburg über das Mikrophon aufgenommen wurde (Taf. 3). Zunächst ist festzustellen, daß der Vokal „ a " eine bis zuletzt ansteigende Melodiebewegung hat. Die eingetragenen Maßzahlen, welche die Schwingungsdauer charakterisieren, zeigen nach oben eine ständige Zunahme der Frequenz. Die Amplitude steigt dauernd bis zur Periode Nr. 9. Von Periode Nr. 9 ab sehen wir den starken Abfall, welcher ohne Frage dem Lippenschluß zuzuschreiben ist. Die folgenden unregelmäßigen Schwingungen stellen den Stimmton bei verschlossenem Ansatzrohr dar. Melodie- und Amplitudenkurve des Vokals laufen also von einem bestimmten Punkt ab aus-
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ICetterer
einander. Darin drückt sich die Störung der Amplitudenkurve durch die Tätigkeit des Ansatzrohrs aus. Es ist nun aber keineswegs sicher, daß bis zur Periode Nr. 9 eine ungestörte Abstrahlung der Energie des Vokals stattgefunden hat. Die Zunahme der Energie in dem vorhergehenden Zeitabschnitt kann unter Umständen so groß gewesen sein, daß sie sich trotz bereits einsetzender Verengung des Mundes immer noch als Steigerung der Amplitude im Schallfelde durchsetzen konnte. Eine gewisse Vorsicht bei der Benutzung der Amplitude von Oszillogrammen erscheint demnach geboten, sofern man diese als Reflex des Anblasedruckes auswerten will. Soweit mir bekannt, ist auf einen entscheidenden Punkt betreffs der Übergangsbewegung noch nicht hingewiesen worden. Hinter dem kurzen betonten Vokal ist die sogenannte Implosion hörbar. Bei der Schweizer Geminata ,,appa", „wittar" ergab sich dies aus einem einfachen Hörversuch. Die Schallplatte L. A. 262 wurde mit einem gewöhnlichen akustischen Grammophon abgetastet. Unmittelbar hinter dem Vokal vor der Explosion und dem folgenden Vokal wurde die Schalldose weggenommen. Sämtliche Versuchspersonen waren imstande, die Artikulationsstelle und Artikulationsart des Konsonanten zu bestimmen. Ebenso kann man die Silben ,,ap", ,,ak", ,,at" auch dann erkennen, wenn man die Lippen oder die Zunge in der Artikulationsstellung festhält und die Explosion unterdrückt. In der Gruppe „ a t a " dagegen ist die Implosion unhörbar. Bei künftigen Untersuchungen wäre deshalb der Unterschied der offenen und geschlossenen Silbe systematisch zu berücksichtigen. Ohne weiteres ist jetzt schon klar, daß in der geschlossenen Silbe die Übergangsbewegung früher einsetzen und kräftiger ausgeführt werden muß, als in der offenen, was zu dem hörbaren Anschlag von Lippe gegen Lippe bzw. Zunge gegen Gaumen führt, der von einer großen Reihe von Zeugen bei Hörversuchen bestätigt wurde.
Akzent und Konsonantismus Am leichtesten und sichersten zu erfassen ist für die elektroakustische Methode die Abänderung des Grundtons, die sogenannte Sprachmelodie. Zum Verständnis der in unserer Arbeit gegebenen zahlreichen Melodiekurven ist folgendes zu beachten. Bei Erregung durch den Luftstrom schwingen die Stimmbänder in ihrer sogenannten Eigenfrequenz. Diese hängt ab von ihrer Masse und Spannung. Der Kehlkopf stellt ein schwingungsfähiges System mit zeitlich veränderlicher Rückstellkraft dar. Die Verhältnisse liegen
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Da es sich bei den benutzten Platten um mechanische Aufnahmen handelt, bei denen eine verhältnismäßig schwer erregbare Glimmermembran benutzt wurde, erscheinen die an sich schon schlecht abgestrahlten Schwingungen des Kehlkopfes bei verschlossenem Ansatzrohr schwächer, als auf entsprechenden elektrischen Aufnahmen. Auch aus diesem Grunde ist eine Auswertung der Amplitude des Stimmtons unterblieben. Allgemein ist festzustellen, daß auch in anderen Sprachen eine hundertprozentige Stimmlosigkeit fast nur im absoluten Anlaut vorkommt. Konsonanten in intervokalischer Stellung haben auch bei großer Intensität manchmal einen recht erheblichen Anteil von Stimmklang. (Vgl. das Oszillogramm einer unbehauchten italienischen Tenuis nach Gemelli Fig. 24.)
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Kurt Ketterer
Dasselbe gilt für die behauchte Tenuis im Englischen und Alemannischen. Dies verursacht einige Schwierigkeiten für die bisherige Auffassung über den artikulatorischen Unterschied der germanischen behauchten Tenuis von der romanischen unbehauchten. Bei ,,p'", ,,t'", ,,k"' sollen die Stimmbänder weit geöffnet sein, bei ,,p", ,,t", ,,k" stark genähert. Diese Hypothese stützt sich auf die Tatsache, daß bei ,,p", ,,t", ,,k" der Vokaleinsatz in spätestens 1/100 sec erfolgt, bei ,,p"', ,,t'"> ..k'" hingegen nach erheblich längerer Zeit. Man nahm an, daß der große zeitliche Abstand der ersten Vokalperiode vom Explosionsknall mit vorbereitenden Bewegungen für die Vokalartikulation ausgefüllt sei, Bewegungen, die bei ,,p", ,,t", ,,k" offenbar dadurch überflüssig oder verkürzt würden, daß der Kehlkopf während der Verschlußzeit in einer der Phonationsstellung stärker angenäherten Lage und Spannung gehalten sei. Eine Lösung dieser Frage wäre nur dann möglich, wenn über Stellung und Spannungszustand der Stimmbänder bei den beiden Klassen exaktere Angaben gemacht werden könnten als heute. T e n u i s und M e d i a im O s z i l l o g r a m m und K y m o g r a m m Die Unhaltbarkeit der früher als stimmlose Media gekennzeichneten Konsonantenklasse folgt eindeutig aus den Oszillogrammen (vgl. besonders Tafel 20) und Kymogrammen 1 ). Die Media ,,d" hat kurze Quantität und vollkommen durchlaufenden Stimmton. Das Explosionsgeräusch ist nicht wahrnehmbar. Der Grund dafür liegt einmal darin, daß die Glimmermembran nicht genügend ansprach und daß außerdem das Nadelgeräusch sehr stark in Erscheinung tritt. Trotzdem bleibt der Stimmton als periodischer Vorgang erkennbar. Die sog. stimmlose Media, hier bereits ,,t" geschrieben, hat nur am Anfang ihrer Verschlußzeit Stimme. Lange vor der Explosion setzt der Stimmton völlig aus, um erst in weniger als 1/100 sec später im folgenden Vokal wieder zu erscheinen. Diese Verhältnisse sind auf den mit dem Kettererschen Schreiber aufgenommenen Kurven deutlicher zu belegen, als auf den Oszillogrammen, da dieser Schreiber auf das Nadelgeräusch nicht anspricht. Die sog. Tenuis-Fortis des Hochalemannischen verhält sich nun in bezug auf die Stimme genau so wie die Tenuis lenis (stimmlose Media). Sie unterscheidet sich auch in bezug auf ihre Dauer nur ') Vgl. Ketterer: „ Z u r
graphischen Auswertung der Sprechplatte" in
Journal für Psychologie und Neurologie B d . 44 (1932), 675—689..
TAFEL 20
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" wird im Anlaut nicht anders behandelt als westg. ,,d". Die Media ist wiederum in Verbindung mit ,,r" bevorzugt. Eine Nachwirkung des früher bestehenden Unterschiedes ist in dem mir zur Verfügung stehenden Material nicht erkennbar. Im einzelnen gelten folgende Werte: westg. ,,d" als ,,d" als ,,t" w e s t g . ,,]?" als „ d " als ,,t" westg. „ b " als „ b "
Durchschnittswert: 5.2 es Quantitätsbereich: 7 es—14 es Durchschnittswert: 9,6 es Quantitätsbereich: 4 es—8 es Durchschnittswert: 5.6 es Quantitätsbereich: 6,5 es—13 CS Durchschnittswert: 8,5 es Quantitätsbereich: 3 es—8 es Durchschnittswert: 5.7 es
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Experimentelle Dialektgeographie des Alemannischen in Baden
w e s t g . ,,b" als „ p " westg. „ g " als „ g " als „k"
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Quantitätsbereich: 6 e s — n es Durchschnittswert: 8,3 es Quantitätsbereich: Durchschnittswert: Quantitätsbereich: Durchschnittswert:
4 es—11 es 5,7 es 5 es—9 es 7,3 es
Soweit die vorhandenen Melodiekurven ausreichen, läßt sich sagen, daß die Media, wie schon erwähnt, vor tief einsetzender Tonsilbe bevorzugt wird, während der hoch einsetzende und fallende Typus meistens sehr starke Verschlußlaute vor sich hat. Da im Innern der Atemgruppe tiefer Einsatz und Steigton üblich ist, am Ende der Atemgruppe dagegen hoher Einsatz und Fallton, so sind die Voraussetzungen für die Aufspaltung des Konsonantismus gegeben. Es ist anzunehmen, daß sie sich auf das gesamte Konsonantengebiet erstreckt. Die dabei entstehenden Unterschiede brauchen in der phonetischen Wiedergabe nicht in Erscheinung zu treten. Es kann sich z. B. darum handeln, daß eine stark explosive Fortis mit einem Lösungslaut abwechselt. Einen ähnlichen Wechsel beobachten wir bei den Reibelauten ,,s", „s", ,,f" und ,,x". Die Anzahl der Fälle, wo die stimmhaften Varianten auftreten, ist indessen nicht erheblich genug, um eine Zusammenstellung zu rechtfertigen. Daß dies Zufall ist, beweisen andere, im übrigen grundsätzlich mit Hausen übereinstimmende Mundarten. Zusammenfassung Wir haben die Mundart von Hausen im Wiesenthal als Vertreter der sogenannten nieder-alemannischen Mundarten innerhalb des xoGebietes auf Grund des Zeugnisses von Oszillogrammen, Kymogrammen, Schallplatten und nicht zuletzt auf Grund ihrer Wiedergabe durch den Dichter Hebel im einzelnen bestimmt. Es zeigte sich, daß diese Mundart erheblich älter ist und den schweizerischen Mundarten wesentlich nähersteht, als bisher angenommen wurde. Sie teilt mit den Schweizer Mundarten die Unterscheidung von westgermanischem ,,d" und ,,£>", die Unterscheidung von jungem und altem ,,s", die Vertretung von niederdeutsch ,,p", ,,t", ,,k" durch stimmlose Reibelaute, alles Eigentümlichkeiten, die in der bisherigen Auffassung ausschließlich den sogenannten geminierenden Mundarten zugeschrieben wurden. Zum Unterschied von diesen Mundarten hat Hausen
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K u r t Ketterer
den sogenannten losen Anschluß des Konsonanten nach stark betonter Silbe „self-arresting" des vorhergehenden Vokals nach Stetson, wie in den Vorarbeiten richtig festgestellt worden ist. Bei dem im folgenden durchzuführenden Vergleich mit der geminierenden Mundart von Horben bei Säckingen werden die Gemeinsamkeiten der beiden Gruppen noch stärker hervortreten.
Die Konsonanten der Mundart von Horben bei Säckingen 1. Die Konsonanten nach stark betonter Silbe Das Konsonantensystem wird allgemein mit größerer Spannung im Ansatzrohr artikuliert. Die velaren Laute sind etwas nach hinten gerückt. Unter großen geographischen Gesichtspunkten, wie sie hier vorliegen, scheint es richtiger, diese Tatsachen bei der Aufstellung der phonetischen Schrift nicht zu berücksichtigen, da es sich um keine wesentlichen Merkmale, sondern nur um Varianten der Intensität von Klassen handelt, deren wesentliche Merkmale in beiden Gruppen gemeinsam gegeben sind. Die Berechtigung dieses Verfahrens wird schon aus dem Vergleich der Quantitätswerte sichtbar (vgl. Tafel 28—31). Westgermanisch „ d " ist durchweg als ,,t" vorhanden und von ,,£>" (stimmhafte Media ,,d") unterschieden. W e s t g . ,, J>"
Quantitätsbereich: 3 es—6 es
w e s t g . ,,(n)J)"
Durchschnittswert: 4,5 es Quantitätsbereich: 2 es—4 es Durchschnittswert: 3,5 es
Dagegen: westg. ,,d"
Quantitätsbereich: 6 es—13 es
Durchschnittswert: 8,3 es westg. , , d d j " Quantitätsbereich: 6,5 e s — l i e s westg. ,,(n)d" Quantitätsbereich: 2 es—5 es Durchschnittswert: 3,5 es In der Behandlung von niederdeutsch ,,g" und ,,b" nach druckstarker Silbe stimmen die Mundarten von Horben und Hausen ebenfalls grundsätzlich darin überein, daß die Vertretung dieser Laute durch die stimmhafte Media ,,g" und ,,b" zulässig und überwiegend üblich ist. Die Trennung der stimmhaften niederdeutschen Media ,,d" von den Medien „ b " und „ g " erscheint somit als grundlegende Eigen-
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