Evangelische Jugendlehre: Ein Hülfsbuch zur religiösen Jugendunterweisung nach Luthers Kleinem Katechismus (1. und 2. Hauptstück) 9783111647999, 9783111264684


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German Pages 386 [404] Year 1912

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Vorwort zur 1. Auflage
Vorwort zur 2. Auflage
Inhalt
Einleitung: Grundsätzliches
Eingang: Der Katechismus
Das erste Hauptstück: Die zehn Gebote
Das zweite Hauptstück: Der Glaub
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Evangelische Jugendlehre: Ein Hülfsbuch zur religiösen Jugendunterweisung nach Luthers Kleinem Katechismus (1. und 2. Hauptstück)
 9783111647999, 9783111264684

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Evangelische Zugendlehre (Ein hülfsbuch

zur religiösen Jugendunterweisung nach Luthers Kleinem Katechismus

(1. und 2. Hauptstück)

von

D. Karl Eger Geff. Rirchenrat, Professor der Theologie und

Direktor des predigerseminars zu Friedberg

Zweite Auflage (Drittes und viertes Tausend)

Verlag von Hlfreö Töpelmann Dormais Z. Ricker ♦ Gießen ♦ 1912

Druck vo« T. G. Stöber S. m. b.

Letp-1g.

Vorwort zur 1. Auflage. Was zur Herausgabe der vorliegenden Arbeit veranlaßte, war das

mir nicht nur aus den Kreisen der in den ersten Amtsjahren stehenden früheren Mitglieder unseres Predigerseminars, sondern auch aus denen er­

fahrener Katecheten (des Pfarrer- und Lehrerstandes) entgegentretende Be­ dürfnis nach einer Handreichung, die zu fortlaufender innerer Auseinander­

setzung mit den für die religionspädagogische Verarbeitung des Kleinen

Katechismus Luthers in Betracht kommenden Grundsätzen Anlaß und An­ regung gibt.

Zu solch fortlaufender Auseinandersetzung veranlaßt nicht so

sehr eine, wenn auch noch so genaue und sorgfältige, Darstellung dieser

(theologischen und pädagogischen) Grundsätze selbst, als vielmehr daS auSgeführte Beispiel, an dem die Durchführung der Grundsätze abgelesen

und geprüft werden kann.

Nur so ist es möglich, im Rahmen eines

Buches vom Umfang des vorliegenden all die Einzelfragen zu streifen,

die bei der unterrichtlichen Behandlung des Kleinen Katechismus berück­ sichtigt sein wollen.

Die Form des praktischen Beispiels macht sich aber

ganz besonders erforderlich bei einer Arbeit, die es darauf ablegt, die religionspädagogische Seite der Katechismusbehandlung gegenüber der

theologischen (natürlich so, daß das gewiffenhafte theologische Verständnis des Katechismus die Grundlage der ersteren bildet) in den Vordergrund zu rücken.

Da nötigt nur die Schilderung dessen, wie einer mit dem und

jenem Punkt, mit diesem und jenem Problem vor den Kindern fertig zu werden versucht hat, zur Nachprüfung der Richtigkeit des eingeschlagenen

Wegs, insbesondere auch zur Prüfung dessen, ob der Weg nun auch für die eignen Verhältnisse, für die eignen Kinder gangbar und ersprießlich ist. An nichts wird einem klarer als an dem praktischen Beispiel, auf wie vieles bei der Unterweisung über den Kleinen Katechismus um der

Kinder willen geachtet werden muß, woran man sonst achtlos vorübergeht, und wie vieles bei dieser Unterweisung keine oder doch nur eine unter-

IV

Borwort zur 1. Auflage.

geordnete Rolle spielt, worüber dem Theologen breite, hohe, tiefe Ge­

danken nahe liegen. Das sind die Gründe, die für die nachfolgende Darbietung maß­

gebend gewesen sind, und die auch die gewichtigen Bedenken, die sich einer solchen Darbietung entgegenstellen und sie lange verzögerten, schließlich

Es ist ja so leicht keine Arbeit verantwortungsvoller

überwogen haben.

und der Kritik gegenüber undankbarer als solch bis in Einzelheiten aus­ gearbeiteter Lehrgang.

Man lese, was darüber von Zezschwitz im

Vorwort zu seiner „Christenlehre" gesagt hat, wie von Rohden es in seiner Schrift „Ein Wort zur Katechismusfrage" (3. Aufl. Gotha, Thiene­

mann 1902) ablehnt, die von ihm vertretenen ausgezeichneten Grundsätze nun durch das ausgeführte Beispiel zu belegen, wie Staude in seinem

„Katechismusunterricht" (1900), der eigens zur Beeinflusiung des prak­

tischen Betriebs des Katechismusunterrichts geschrieben ist, sich doch nicht dazu entschließen kann, nun einen skizzierten Unterrichtsgang zu geben, sondern sich auf eingehende Besprechung des Lehrstoffs für den Lehrer

beschränkt.

Dabei kommt dann aber gerade das zu kurz, was ich oben

hervorgehoben habe: die Möglichkeit der Nachprüfung, welcher Gang der

unterrichtlichen Entwicklung im einzelnen Moment religionspädagogisch angemessen ist.

Daß aber in der angemessenen religionspädagogischen

Benutzung des Katechismus, nicht im Verständnis des Katechismusstoffes

selbst, die größten

Schwierigkeiten für

einen fruchtbaren,

die Kinder

packenden und dauernd interessierenden Katechismusunterricht liegen —

darüber dürfte unter denen, die mit der Praxis des Katechismusunter­ richts vertraut sind, Einstimmigkeit herrschen. Allerdings ist es mir bei dem von mir verfolgten Zweck nicht von

ferne darauf angekommen, die Zahl der Materialsammlungen zum Kleinen Katechismus um eine zu vermehren, sondern lediglich darauf,

den Ansatz und den Verlauf der unterrichtlichen Entwicklung — je nach den pädagogischen (eventuell auch theologischen) Schwierigkeiten

bald ausführlicher, bald weniger ausführlich, aber immer in gewisienhafter

Heraushehung des

Hauptzuges und der wichtigen Einzelmomente der

Entwicklung — zu skizzieren.

Das von mir zu diesen Skizzen ver­

wandte Material ist weder vollständig, noch will es irgendwie maßgebend sein: es soll nur gezeigt werden, in welcher Richtung und durch welche

Gedankengänge ich mir die Entwicklung vor den Kindern verlaufend denke.

Das eingestreute Spruchmaterial ist, soweit es nicht unmittelbar der unterrichtlichen Entwicklung selbst dient, wesentlich aus Rücksicht auf das

Borwort zur 1. Auflage.

in den lutherischen Gemeinden Hessens offiziell

V

eingeführte Spruchbuch

von Euler, für desien Sprüche man eine bessere Anordnung erstrebt,

eingefügt; daß damit in größter Freiheit geschaltet werden kann, wird auf den ersten Blick einleuchten.

Ebensowenig war ich auf Vollständigkeit

oder klassischen Wert des Materials an Kirchenliedern aus — und

was an geistlichen Dichtungen vorgeführt wird, beschränkt sich absichtlich auf ein paar Andeutungen über Heranziehung geeigneter Sachen aus Geroks Palmblättern.

So schließt die ganze Anlage des Buchs seine Ausnutzung als be­ queme Materialsammlung

von vornherein

aus.

Aber auch was den

von uns stizzierten Ansatz und Verlauf der katechetischen Entwicklung

selbst anlangt, so könnte die Arbeit gar nicht schlimmer miß­ braucht werden, als wenn man sie als Vorlage für den eignen

Unterricht, als Ersatz für die eigne Verarbeitung des Unter­

richtsstoffes benutzen wollte.

Wir werden im grundsätzlichen Teil

noch davon zu reden haben, daß und warum uns gerade im Kate­ chismusunterricht nichts, gar nichts, die persönliche Vertiefung

des Unterrichtenden in

seinen Lehrstoff,

das Berwachsensein

dieses Stoffes mit den persönlichen Interessen des Katecheten, und

demgemäß

die

allergewissenhafteste

bereitung ersetzen kann.

individuelle

Vor­

Zur Prüfung der Gründe des eignen Ver­

fahrens zu veranlassen, auf Schwierigkeiten hinzuweisen, die der inneren

Aneignung der Katechismusgedanken bei den Kindern hinderlich sind, auf Gedanken und Stimmungen aufmerksam zu machen, die für die Kinder im

Vordergrund stehen, während sie vom theologisch geschulten und interessierten Erwachsenen leicht übersehen werden, und umgekehrt: das soll die Arbeit leisten

und nichts anderes. Und sie kann es in relativer Vollständigkeit leisten nur

am gegebenen Beispiel; nur auf dem Weg kann man auch hoffen, der unter­ richtlichen Praxis in weiterem Umfang zweckdienliche Anregungen zu

geben.

Die Gefahr des Mißbrauchs in der angedeuteten Richtung hat mich

lange genug mit der Herausgabe zögern lassen: aber es überwog schließlich

die Zuversicht, daß die Skizzen selbst deutlich genug in der Richtung des

rechten Gebrauchs — der Befruchtung und Vertiefung der eignen Vor­

bereitungsarbeit — weisen werden.

Um diesen Gebrauch zu erleichtern,

ist nicht nur eine ausführliche Einleitung über die befolgten Grundsätze

im ganzen, sondern auch bei den einzelnen Abschnitten (Geboten, Artikeln)

eine Erörterung über die jeweils besonders zu beachtenden unterricht­ lichen Probleme und Schwierigkeiten eingeschoben.

Bei der letzteren habe

Borwort zur 1. Auflage.

VI

ich mich aber enge an die praktische Verwertung des betr. Abschnitts gehalten; theologische Gesichtspunkte sind nur insoweit gestreift, als sie für

die praktische Verarbeitung von unmittelbar maßgebender Bedeutung sind.

Unsere Arbeit dispensiert also von der Beschäftigung mit der eigentlich

theologischen Katechismusliteratur so wenig, daß sie eine gewisienhafte

Beschäftigung mit derselben vielmehr überall voraussetzt, bezw. zu ihr

anregen will. Katechismusunterricht ist mir seit den ersten Jahren meines Pfarrund Schulamts der liebste Unterricht gewesen; ich habe immer wieder er­ fahren, was für ein unersetzliches Mittel uns in ihm geboten ist, un-

gezwungen und natürlich in innere Berührung mit den Kinderseelen zu kommen und auf ihr religiös-sittliches Empfinden und Urteilen legitimen

Einfluß zu gewinnen.

Ebenso ist meine Schätzung des Kleinen Lutherischen

Katechismus als des Leitfadens, der dieser persönlichen Berührung mit

den Kindern einzigartig die Wege bahnt, von Jahr zu Jahr gestiegen. ES wäre mir eine große Freude, wenn die vorliegende Arbeit ein wenig dazu

beitrüge, anderen die religiöse Jugendunterweisung nach Luthers Kleinem

Katechismus ähnlich lieb zu machen, wie sie mir geworden ist und bis zu

diesem Tage ist. Friedberg, 20. März 1907.

K. Eger.

Vorwort zur 2. Auflage. In den dargebotenen Skizzen für den Unterrichtsgang selbst be­ schränken sich die Änderungen der neuen Auflage auf die Beseitigung

kleinerer Unkorrektheiten und Unebenheiten, sowie auf Anbringung ein­ zelner Ergänzungen und Erweiterungen.

Dagegen ist die Einleitung,

die die Grundsätze des Katechismusunterrichts behandelt, zum Teil voll­ ständig umgearbeitet worden, vor allem in

der Richtung, daß an die

Stelle einer reinen Darstellung der von unS befolgten Grundsätze eine Auseinandersetzung mit den religionspsychologischen gogischen Strömungen der Gegenwart, soweit

und

religionspäda.

sie den Katechismusunter,

richt berühren, getreten ist. Die Abschnitte „Recht und Zweck des K. U."

und „Die Methode des K. U." haben eine völlige Neubearbeitung unter

dem angegebenen Gesichtspunkt erfahren.

Natürlich durfte die theoretische

Auseinandersetzung den Rahmen nicht überschreiten, der ihr in einer „Einleitung" zu Skizzen des Unterrichtsganges gewiesen war.

Sie wird

aber wohl zur Gewinnung einer klaren grundsätzlichen Stellung in den

gegenwärtigen Kämpfen um Recht und Gestaltung des Katechismusunter­ richts genügen.

Am Schluß der

„Einleitung"

zur

1. Auflage hatte ich gebeten,

meine Arbeit religionspädagogisch und nicht nach dem theologischen Partei, standpunkt zu werten.

Die Bitte ist nur zum Teil erfüllt worden.

Als

„mild positiv", „mild liberal", „modern liberal" haben mich Rezensenten

etikettiert.

Einer behauptet: „Das Buch ist natürlich nur für den brauch­

bar, der gleich dem Berfasser auf dem Boden des konfessionellen Luther, tums steht." — Auf Grund dieser Erfahrungen darf ich wohl auch an dieser Stelle die Bitte wiederholen, die Ausführungen des Buches auf

ihre religionspädagogische Brauchbarkeit und nicht auf irgendein theo­ logisches Parieietikett zu prüfen.

Friedberg, 15. April 1912.

S. Eger.

Inhalt. Einleitung: Grundsätzliches...................................................................................

Sette 1

1. Recht und Zweck des Katechismusunterrichts..........................................

1

2. Der Lehrstoff des KatechismuSunterrichtS................................................... 12

3. Der Kleine Katechismus Luther-.................................................................18 4. Maß und Ort deS Katechismusunterrichts................................................... 27

5. Die Methode deS Katechismusunterrichts................................................... 31

6. Katechismus und Offenbarung (Bibel)........................................................44 7. Theologisch-Pädagogisches................................................................

61

Eingang: Der Katechismus........................................................................................56

Das erste Hauptstück: Die zehn Gebote............................................................ 63

I. Einleitung.............................................................................................................63 II. Die Überschrift....................................................................................................65 HL IV.

Das 1. Gebot........................................................................................................ 67 Übergang vom 1. zum 2. Gebot....................................................................83

V. DaS 2. Gebot.........................................................................................................86

VT. Das 3. Gebot.........................................................................................................99 VH. Übergang von der 1. zur 2. Tafel.............................................................. 110 VIII. DaS 4. Gebot...................................................................................................... 113 IX. DaS 5. Gebot.......................................................................................................129

X. DaS 6. Gebot.......................................................................................................143 XI. DaS 7. Gebot.......................................................................................................161

XU. DaS 8. Gebot.......................................................................................................168

XIII. DaS 9. und 10. Gebot.....................................................................................182 XIV. Der Schluß der Gebote.....................................................................................193 DaS zweite Hauptstück: Der Glaube...................................................................209

Einleitung................................................................................................................ 209

Der erste Artikel: Bon der Schöpfung.............................................................. 217 Der zweite Artikel: Bon der Erlösung..........................................................261

Der dritte Artikel: Bon der Heiligung......................................................... 319 Abschluß..................................................................................................................... 378

1

Einleitung: ilkundsätzliche-.

Eialeiiang.

Grundsätzliches. 1. Recht und Zweck des SatechtSmuSuuterrichtS.

Was in der vorliegenden Arbeit an Skizzen für die Unterricht-praxis geboten wird, ruht auf der Überzeugung, daß im Rahmen deS evan­ gelischen Religionsunterrichts ein selbständiger Katechismus­

unterricht im Sinn einer absichtsvollen Einführung der Kinder

in die für sie maßgebenden Grundsätze evangelisch-christlichen

Glaubens und Lebens nicht entbehrt werden kann, und daß ein derartiger Unterricht am

besten

im

engen

kleinen lutherischen Katechismus erteilt wird. hier angegebenen Voraussetzungen zurzeit

Anschluß

an den

Da gegen die beiden

von verschiedenen Seiten und

mit verschiedener Begründung Widerspruch erhoben wird, dürfen wir unS

der Aufgabe nicht entziehen, vor allen Dingen daS gute Recht deS von unS vertretenen Standpunkts auS dem Wesen des evangelischen Christen­

tums selbst und aus den Bedürfnissen der Kinder zn begründen. werfen zunächst einen Blick auf das, was

gegenwärtig gegen den

Wir

selb­

ständigen KatechiSmuSunterricht geltend gemacht wird, und zwar suchen wir die erhobenen Einwände in ihrem geschichtlichen Zusammenhang und in ihren letzten Gründen zu verstehen.

Selbstverständlich kann eS die Ein­

leitung eines Handbuchs, dem es um unmittelbare Beeinflussung der Unter-

richtSpraxis zu tun ist, nicht darauf ablegen, die Auseinandersetzung mit abweichenden grundsätzlichen Ansichten erschöpfend zu führen. nur darum handeln,

die

zurzeit

mit

ES kann sich

besonderem Nachdruck vertretenen

Anschauungen in ihren Hauptströmungen und in ihren hauptsächlichsten Zielen zu erfassen und ihnen gegenüber das innere Recht unsrer Auf­

fassung im ganzen zu erweisen.

Einzelauseinandersetzungen, insbesondere

die Nennung einzelner Vertreter der skizzierten Anschauungen, unterbleiben alS nicht in den Rahmen der hier zu lösenden Aufgabe gehörig. Eger, Evangelische Jugendlehre. 2. Anst.

1

Einleitung: Grundsätzliches.

2

Luther hat seinen Keinen Katechismus geschrieben, um eine schlichte, Kare, einfältige Form der „christlichen Lehre" zu haben, die man den Leuten, insbesondere dem jungen Volk, cinprägen und zum Verständnis

bringen solle, damit sie als Christen zu glauben und zu leben wüßten. „Was einem Christen zur Seligkeit zu wissen vonnöten ist", das wird

in der Reformationszeit auch in den Katechismen gesucht, die neben dem Luthers auskommen, aber auf lutherischem Gebiet einer nach dem andern

von ihm verdrängt werden. — Das war dann auch auf evangelischem Boden zunächst der wesentliche Inhalt des Religionsunterrichts der Kirche und Schule, daß man an Hand des Katechismus den Kindern den kurzen

Inbegriff der „christlichen Lehre", d. h. der für sie geltenden Grundsätze

christlichen Glaubens und Lebens, einprägte, die Sätze in ihrer Be­ deutung für die Kinder, oft notdürftig genug, erklärte und sie mit Exempeln

aus der Schrift „ausstrich".

die „Lehre"

Je mehr sich im Zeitalter der Orthodoxie

intellektualistisch-theologisch färbte, desto mehr wurde über

das im kleinen lutherischen Katechismus Gebotene hinaus — oft genug auch statt dessen, was der Katechismus bot — den Kindern die Kenntnis

solch theologischer Lehren zugemutet, bis man schließlich das ganze System

der orthodoxen Dogmatik verkürzt in den lutherischen Katechismus hinein­ gebaut hatte.

Das zerstörte nicht nur die Schlichtheit des ursprünglichen

lutherischen Ansatzes, sondern verschob auch den Akzent von den für die vraktische Frömmigkeit der Kinder maßgebenden elementaren Grundsätzen auf das Systematisch-Erkenntnismäßige.

Immerhin blieb man aber doch

insofern in Verbindung mit Luthers Ausgangspunkt, als man den Kindern vor allen Dingen einmal ein Wissen hinsichtlich der unentbehrlichen Normen christlichen Glaubens und Lebens beibringen wollte — nur daß man über

die Art und den Umfang dieser Normen andrer Ansicht geworden war

als Luther selbst.

Dabei hatte man ein unbefangenes Zutrauen dazu,

daß die richtige Darbietung dieser Gotteswahrheit und ihre zunächst gedächtnis- und verstandesmäßige Aufnahme bei den Kindern auch die

entscheidenden Anregungen für

ihre

fromme Lebensführung

mit

sich

bringen würde. Der Pietismus hat an der überlieferten Wertschätzung des Katechismus im Religionsunterricht wenig geändert, wenn er auch daneben auf die Einführung der Kinder in die Bibel selbst drang und sich namentlich auch um erbauliche Behandlung der christlichen Lehre bemühte.

Zu

letzterem Zweck wußte er die anregende und ancifernde Wirkung frommer

Geschichten, insbesondere der biblischen, zu würdigen, so daß unter

1. Recht und Zweck des Katechismusunterrichts.

3

Einflüssen vom Pietismus her der Unterricht in Biblischer Geschichte all­ mählich ein besonderes Stück des Religionsunterrichts wurde. war entfernt nicht

dem,

an

daß

biblischen Geschichten

diese

Katechismus aus seiner hervorragenden Stellung

Aber es den

nun

int Religionsunterricht

verdrängten; dafür war auch dem Pietismus viel zu sehr an der Ein­ Auch der Aufklärung und dem

prägung frommer Grundsätze gelegen.

Rationalismus liegt zu viel an einer klaren religiös-sittlichen Erkenntnis, um nicht die Einführung der Kinder in die Glaubens- und Sittenlehre

hochzuschätzen, wenn er auch mit der Bindung der Seligkeit an die An­ nahme der korrekten Lehre bricht und für die Tugendbeispiele der biblischen und der Kirchen-Geschichte viel übrig hat.

Allerdings weiß man mit der

Lehre der überlieferten Reformationskatechismen meist nichts Rechtes mehr

anzufangen und schafft eigne Glaubens- und Sittenlehren, auch moderne

Landeskatechismen,

Stelle des

die der Jugend

orthodoxen

beibrachten.

ein

rationalistisches Lehrsystem

an

Unterricht

in

Vielfach wurde der

„Biblischer Geschichte" vom „Religions"-Unterricht, eben jener Einführung in die christliche Glaubens-

und Sittenlehre,

auch

im Lehrplan durch

verschiedene Bezeichnung unterschieden — der deutlichste Beweis, wie sehr

man die selbständige Bedeutung des letzteren Unterrichts zu schätzen wußte. Die kirchliche Repristination von den fünfziger Jahren an setzte dann an

die Stelle der rationalistischen Glaubens- und Sittenlehre wieder den Unter­ richt in den Reformationskatechismen, besonders in dem lutherischen Katechis­ mus, und wies diesem Unterricht die Einführung in die bekenntnismäßige

Lehre zu, indem man in „Spruchbüchern" oder in „exponierten" Katechis­

men, welch letztere ein detaillierte- System von Fragen und Antworten bieten, wieder das altprotestantische Lehrsystem zum guten Teil in den luthe­ rischen Katechismus hineinschob — richtiger: die Aussagen des lutherischen

Katechismus in diesem System unterbrachte. Später waren es dann besonders die Anhänger der Ritschlschen Theologie, die für eine Befreiung des

einfachen Luthertextes aus der Vermischung mit diesem Lehrsystem und für

engen Anschluß der Katechismusunterweisung an den Luthertext eintraten

und mit diesen Bestrebungen weit über den Kreis der besonderen theo­ logischen Richtung hinaus Erfolg hatten.

Hier wird dann der systematische

Unterricht mit bewußter Absicht und Beschränkung zur religiös-sittlichen

Belehrung der Kinder an Hand von Luthers kleinem Katechismus. Der

erste Vorstoß

gegen das Nebeneinander von Biblischem Ge-

schichts- und Katechismus- (systematischem ReligionS-) Unterricht geschieht von

den Grundsätzen

der Herbart-Zillerschen Pädagogik aus.

1*

Der

4

Einleitung: Grundsätzliches.

Grundsatz, daß der Begriff aus der Anschauung gewonnen werden müsse,

macht gegen einen vom Begriff aus operierenden und deduzierenden Kate­ chismusunterricht mißtrauisch und führt letzten Endes zu der Forderung, daß die begrifflich formulierten Lehraussagen des Katechismus aus der

durch den Biblischen Geschichtsunterricht dargebotenen religiös-sittlichen Anschauung gewonnen werden müßten, mit anderen Worten, daß der

Katechismus nicht selbständiger Unterrichtsstoff, sondern nur Unterrichts­ ziel sein dürfe.

Als das Ideal wird ein „Schulkatechismus" erstrebt,

d. h. eine planmäßige Zusammenstellung der aus den Biblischen Geschichten

gewonnenen Einzelresultate christlichen Lehrbegriffs, die der Arbeit der

gesamten Schulzeit in Richtung auf Gewinnung dieses Lehrbegriffs ziel­ strebige Geschlossenheit verleihen soll.

Man bekommt zwar Schwierig­

keiten, den lutherischen Katechismus, der nun einmal vorgeschrieben war,

zu dem angegebenen Zweck der begrifflichen Krönung des Biblischen Ge­ schichtsunterrichts zu benutzen, da er offenbar anders als an dem Bedürf­ nis nach systematischer Zusammenfassung einzelner gelegentlich des Bi­

blischen Geschichtsunterrichts abstrahierter Lehrgedanken orientiert ist. Aber

man behilft sich, so gut es gehen will, schiebt die einzelnen Katechismus­ aussagen, auch die einzelnen Hauptstücke im ganzen, da ein, wo sie nach

dem Zusammenhang des Biblischen Geschichtsunterrichts zu passen scheinen,

auch wenn dabei eine weitgehende Zerstückelung des Katechismus heraus­

kommt.

Dem Schaden sucht man dann dadurch abzuhelfen, daß man

gegen das Ende der Schulzeit die seither zerstreut erarbeiteten Einzel­ resultate in einem „zusammenfassenden" Katechismusunterricht abschließend

nach dem von Luther gebotenen Gedankengang ordnet. Dieser Gedanke des Ineinander von geschichtlichem und systematischem Religionsunterricht erfreut sich, bis auf den heutigen Tag speziell bei den

„pädagogischen"

(im Unterschied von den „theologischen" gemeint) Be­

arbeitern des Religionsunterrichts einer sehr großen Beliebtheit und gilt ihnen als das der kindlichen Psyche einzig entsprechende Verfahren.

Es

liegt ja auch auf der Hand, daß der beherrschende Satz: von der An­

schauung zum Begriff so sehr der Weise kindlicher Gedankenbildung ent­ spricht, daß hier wirklich das pädagogisch einzig Richtige getroffen zu sein

scheint.

Aber die Entwicklung ist gerade im letzten Jahrzehnt rapid über

die Position der Herbart-Zillerianer hinausgegangen; diese kann sich schon

jetzt nur noch unter starken Konzessionen an eine anders orientierte Auf­ fassung von Wesen und Aufgabe des Religionsunterrichts halten.

Es ist das die Anschauung, die unter Einflüffen von Herder und

1. Recht und Zweck des KatechiSmuSunterrichtS.

5

Schleiermacher her gewachsen ist, aber erst in neuester Zeit eine größere

Anhängerschaft auch unter den Theoretikern und Praktikern des Religions­ unterrichts gewonnen hat.

Hier hält man die Erarbeitung und Ein­

prägung bestimmter religiös-sittlicher Begriffe nicht mehr für das er­ strebenswerte Ziel religiöser Unterweisung: die Kraft und Wahrheit der Religion liegt in dem religiösen Gefühl, in der flammenden Begeisterung

für das Göttliche, in der inneren Ergriffenheit durch die Gottheit.

Der

Religionsunterricht kann auf das religiöse Leben und Erleben beim Kind

förderlich nur dadurch wirken, daß er das Tun und Erleben gottbegei­ sterter und gottbegnadeter Menschen in packender Anschaulichkeit und mit

„ansteckender" Wärme vor ihnen schildert, damit die Kinder womöglich

in den Bannkreis des ihnen geschilderten religiösen Lebens selbst hinein­ gezogen und auf geheimnisvolle Weise in der Tiefe ihrer eignen Seele von Gott ergriffen werden, „Gott begegnen".

Auf das, was die frommen

Menschen an religiös-sittlichen Gedanken zum Ausdruck gebracht haben,

achtet man dabei wesentlich unter dem Gesichtspunkt, daß in diesen Aus­ sagen sich ihr religiöses Erleben ausgesprochen hat: deshalb sucht man

überall über die gedankliche Aussage hinaus zum innern gefühlsmäßigen

Verständnis des darin sich ausdrückenden Lebens selbst zu führen. Aller­ dings geht von den Theoretikern des christlichen Religionsunterrichts noch

keiner so weit wie Natorp, der die vorstellungs- und gedankenmäßige Einkleidung, die die frommen Männer der Vergangenheit ihrem reli­ giösen Gefühlserleben gegeben

haben,

lediglich als die unvollkommene

Form der in ihnen pulsierenden Unendlichkeit des Gefühls betrachtet und

auch die Kinder zu dieser Auffassung herangebildet sehen will.

Aber die

Ansicht hat schon sehr viele Anhänger, daß auf religiösem Gebiet alles Lehr- und Gedankenmäßige erst in zweiter und dritter Linie in Betracht

kommt, daß die Kinder mit Entschiedenheit von diesem Lehr- und Gedankenmäßigen auf das Nachfühlen und Nacherleben des an den großen Gestalten der Helden der Religion angeschauten Lebens hinzulenken sind. Bon hier aus gewinnt man dann auch wieder eine Stellung zu Luthers

kleinem Katechismus, die ihn der Zerstückelung wieder entreißt, die die Religionspädagogik der Herbart - Zillerianer mit ihm vorgenommen hat:

er wird Lebenszeugnis Luthers und muß dazu dienen, die Kinder inner­

lich näher an den Glaubenshelden Luther heranbringen zu helfen. Wie schon die bedeutendsten theologischen Vertreter der auf den Re­ ligionsunterricht angewandten Herbart-Zillerschen Methode seit den acht­

ziger, neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts sehr stark unter dem

6

Einleitung: Grundsätzliches.

Einfluß der Interessen der historischen Theologie standen, die damals

im Betrieb der deutschen theologischen Wissenschaft so stark zu dominieren anfingen, so mischt sich auch, und erst recht, in die Linie der primär gefühlsmäßigen Wertung der Religion und ihrer Helden dies geschicht­

liche Jnteresie ein.

Man glaubt so auch den Stücken des Katechismus,

die Luther aus der Tradition übernommen hat, dadurch einen lebendigen Sinn abgewinnen zu können, daß man sie als geschichtliches Lebenszeugnis

an den Stellen einordnet, an denen sie entstanden sind, die zehn Gebote in die prophetische Entwicklung Israels, das Apostolikum in die Zeit des werdenden Altkatholizismus, das Vaterunser in die Predigt Jesu, die Er­

klärungen Luthers in die Reformationszeit. Daß damit aus den Katechis­ musstücken etwas grundsätzlich anderes wird, als was sie nach dem früheren

Brauch waren, wo sie den Kindern etwas unmittelbar für sie Maß­ gebendes und Bedeutsames sagen sollten, leuchtet ebensosehr ein wie das andere, daß bei solcher Behandlung an manchem Punkt auf die Katechis­ musaussagen ein Licht fällt, das sie für Kinder unserer Zeit brauchbarer

machen kann als die frühere Art.

Es ist nur die später noch eingehen­

der zu erörternde Frage, ob das durchgängig der Fall ist.

Die entschlossenen Verfechter deS primär gefühlsmäßigen Charakters der Religion haben mit der lebensvollen Einführung in Leben und Wesen religiöser Persönlichkeiten als Unterrichtsstoff genug.

Für die Bildung

der religiösen Vorstellungen und Urteile bei den Kindern genügt ihnen das, was diese unter dem Einfluß jener Helden der Religion auch denkend

und urteilend erlebt haben.

Deshalb darf nach ihnen der religiöse Unter­

richtsstoff lediglich geschichtlicher Art sein; der „Katechismus" ist ein Überbleibsel und Überlebsel aus einer Vergangenheit mit einer grund­

sätzlich überwundenen Auffassung vom Wesen der Religion. Andere haben doch das Bedürfnis, noch eine Glaubens- und Sittenlehre als Abschluß

auf den wesentlich geschichtlichen Religionsunterricht draufzusetzen, um jene früher spontan und gelegentlich bei den Kindern aufgetauchten Vorstellungen

und Urteile zu ordnen, zu klären, wohl auch zu ergänzen.

Im allge­

meinen wiegt aber die Neigung vor, alles, was irgendwie nach Lehre, nach Dogma, nach System schmeckt, den „Kirchen" zu überlassen; diese

mögen dann zusehen, wie sie mit ihrer Systematik und Dogmatik gegen­ über dem wahren Wesen der Religion und den wirklichen religiösen Be­

dürfnissen der Kinder zurechtkommen. So tiefgreifend die Unterschiede zwischen Herbart-Zillerianern einer­

seits und den Vertretern deS gefühlsmäßigen Moments in der Religion

1. Recht und Zweck de- -atechiSmu-unterrichts.

7

andererseits — eS gibt dazwischen übrigens viele Übergänge — sein

mögen: in dem einen sind sie alle einig, daß ihnen die seither übliche

auSgiebige Unterweisung der Kinder in den für sie maßgebenden reli­ giös-sittlichen Gedanken und Grundsätzen unter Zugrundlegung van Luthers kleinem Katechismus höchstens noch in der Zeit des Übergang- zum Neuen

ertragen werden zu können scheint.

Die Praxis, auch die Praxis der

Theoretiker, zeigt sich übrigens weniger konsequent als die Theorie und bringt zum Teil eine recht glückliche Behandlung deS kleinen lutherischen Katechismus zustande, die das für die Gegenwartsfrömmigkeit der Kinder

Notwendige bietet, auch wenn sie um deS Prinzips willen diese praktische

Belehrung der Kinder über das, was sie alS Norm ihres frommen LebenS

brauchen, geflisientlich irgendwo „geschichtlich" anlehnen zu müssen glaubt.

Aber im allgemeinen ist der Lehrer, der nach den zu Recht bestehenden Lehrplänen „selbständigen" Katechismusunterricht erteilen muß, heute gegen­

über den meisten Stimmen derer, die sich als die Führer der religions­

pädagogischen Entwicklung ansehen, in einer recht schwierigen Lage: eS wird ihm das Vertrauen zu dem guten Recht des Verfahrens, das er denn

doch einmal pflichtmäßig üben muß, gründlich erschüttert.

Und das ist

unter allen Umständen ein großer Schade, auch wenn man gerade an­ gesichts der großen Verschiedenheit der Meinungen unter den Reformern unsere geltenden lehrplanmäßigen Vorschriften mit ihrem selbständigen Katechismusunterricht für lebenszäher hält, als vielfach angenommen wird.

Jedenfalls würde ich die vorliegende Arbeit der Darbietung von Skizzen für die Praxis des Katechismusunterrichts nicht unternommen haben, wenn

ich zum „selbständigen" Katechismusunterricht nicht grundsätzlich eine andere Stellung einnähme als die geschilderte.

Diese meine Stellung ist jetzt

näher zu begründen.

Ein großer Teil der Verwirrung, die zurzeit auf dem Gebiet der

Diskussion religiöser und kirchlicher Fragen eingerissen ist, ist dadurch ver­ ursacht, daß die Konsequenzen, die sich aus dem Wesen des Christentums als sittlich-persönlicher Religion für die Pflege christlicher Frömmigkeit bei Kindern und Erwachsenen ergeben, vielfach nicht klar erkannt werden.

Die einseitige Betonung des gefühlsmäßigen Charakters der Religion ist, aufs Christentum angewandt, so falsch wie der religiöse Intellektualismus und Moralismus, den die Auffassung der Religion als der Äußerung des

frommen Gefühls überwinden will.

Der Gott, mit dem es daS Christen­

tum zu tun hat, ist charaktervolle Persönlichkeit; er will etwas von und

mit unS, er weist uns Ziele und gibt uns Verheißungen, er läßt unS im

Einleitung: Grundsätzliches.

8

Fordern und Verheißen in eine bestimmte Richtung seines Willens hinein­

sehen.

Deshalb ist die Gemeinschaft mit diesem Gott etwas ganz andere-

als daS Wallen und Wogen frommen Gefühls in der Gotteinheit: das

Bewußtsein der Verantwortung und der Schuld vor Gott, das Bedürfnis nach seiner Vergebung, die sittlichen Lebensaußerungen der dankbaren Hin-

gäbe an ihn sind für das Verhältnis des Christen zu Gott charakteristisch

— freilich alles gänzlich eingetaucht in das religiöse Gefühl der schlecht-

hinigen Abhängigkeit von Gott und des völligen Einsseins mit ihm.

Das

Organ, durch das diese Abhängigkeit und dieses Einssein erfahren wird,

wird aber viel richtiger als „Gewissen" denn als „frommes Gefühl" be­ zeichnet, wenn man der charakteristisch sittlichen Art des Verhältnisses ge­ recht werden will.

Religiös-sittliches Leben, ein sittlich bestimmtes Ver­

hältnis zu Gott kann aber im Menschen nicht wachsen, ohne daß seinem sittlichen Urteilen und Empfinden normative religiös-sittliche Grund­

sätze vorgehalten werden mit dem Anspruch, daß in ihnen das zum

Ausdruck kommt, was Gott von dem betreffenden Menschen haben und waS er ihm nach seinem heiligen Gnadenwillen geben will.

nur die sittliche Lebensgemeinschaft

Man betrachte

zwischen menschlichen Persönlichkeiten,

zwischen Eltern und Kind u. a. (die Beziehung von Vater und Kind gibt Jesus den Vergleichungspunkt für unser Verhältnis zu Gott ab), um einzu­ sehen, daß volle sittlich-persönliche Gemeinschaft nur eine Gemeinschaft eines in

Richtung und Inhalt klar bestimmten Willens sein kann, nicht ein bloßeS Jneinanderfließen der Kräfte und Zusammenstimmen des Gefühls.

Der letztere

Gedanke ist am Naturleben, nicht am sittlich-persönlichen Leben orientiert. Nun ist allerdings der gewaltige Unterschied zwischen unserm Ver­

hältnis zu Gott und dem zu irdisch-menschlichen Persönlichkeiten, daß im

letztern Fall Begrenztes dem Begrenzten gegenübersteht, während unS in Gott der ewige Grund alles Lebens und aller Wirklichkeit, letzten Sein das unergründliche Geheimnis, gegeben ist.

in seinem

Eine Beziehung

zwischen dem Menschen und Gott, auch die sittlich bestimmte und bedingte, kann

deshalb

nie sein ohne ein Berührtwerden der Menschenseele von

den Schauern des Unendlichen, des nicht nur im sittlichen, sondern auch

im physisch-metaphysischen Sinn Allgewaltigen. Schranken

endlichen Denken-

DaS Moment des alle

und Strebens übersteigenden großen Ge­

heimnisse-, dem sich unser Gefühl sich ausweitend erschließt, vielmehr: das unser Gefühl, es über unsere individuelle Kleinheit hoch hinaushebend,

übergewaltig ergreift und in sein Leben hineinzieht, muß also auch zur Geltung kommen, wenn es sich um die Darbietung des ganzen Christen-

1.

Recht und Zweck deS KatechiSmuSunterrichtS.

9

tumS handelt und nicht nur um die seiner moralischen Züge.

DaS Ge­

fühl aber kann absichtsvoll gepflegt werden nicht dadurch, daß man aller­

Grundsätze über

hand

die

Bedingungen

lehrhaften Darstellung bringt,

desselben

zur

durch Anschauung

des

und Regungen

sondern lediglich

Lebens von Menschen, deren Gott sich bemächtigt hat.

Auch die unent­

behrlichen normativen Grundsätze bezüglich dessen, was wir von Gott zu

hoffen und was wir ihm zu leisten haben, erscheinen in der vom ganzen

Christentum geforderten religiösen Färbung nur dann, wenn sie in Ver­ bindung mit diesem geheimnisvollen Erleben Gottes dargeboten werden —

wobei dann freilich wieder das oben über die gewissensmäßige Art christ­ lichen Gotterlebens Ausgeführte gebührend zu beachten ist.

Beides muß also ein seiner Aufgabe voll gerecht werdender Unter­ richt im Christentum auch bei Kindern schon geben: die Anschauung

religiös-sittlichen LebenS und Erlebens in Schilderung religiös­

sittlicher Persönlichkeiten und desien, was sie getan, gelitten, gedacht und geredet haben, und den Hinweis auf die für unser Verhalten zu Gott

normativen Grundsätze christlichen Glaubens und Lebens.

Mit dieser

Doppelforderung scheinen wir nun aber ganz und gar in die Reihe der

Vorkämpfer der Herbart-Zillerschen Methode

und wirkungsvoller

den

Kindern

im Religionsunterricht zu

das von uns Erstrebte scheint durch nichts sachgemäßer

Denn

treten.

erreicht

geschichtlichen

werden

zu

können

als dadurch, daß man

religiös-sittlichen Anschauungsstoff darbietet,

aus dem sie, indem sie ihn sich innerlich aneignen, bestimmte Grund­ sätze des von den zur Anschauung gebrachten Personen betätigten (u. U.

vielleicht

auch

schuldhaft

vernachlässigten) religiös-sittlichen Lebens ab­

zulesen und sich als für ihr eignes Leben maßgebend einzuprägen haben. ES ist auch gar kein Zweifel, daß man nach der

fruchtbar

in

christlicher

Religion

angegebenen Methode

unterrichten kann.

Aber

zu

ihrem

vollen Recht kommen die beiden Seiten des Christentums, die religiös­ gefühlsmäßige und die sittlich-normative, dabei doch nicht.

DaS Moment

deS ehrfürchtig staunenden Anschauens starken, vielleicht heroischen reli­ giösen Lebens und der gefühlsmäßigen Begeisterung für daS Große, das

unS in den Helden der Religion entgegentritt, wird durchkreuzt und ver­ kürzt,

wenn alsbald aus dem Handeln und Leiden

jener Großen

die

Grundsätze für Regelung unseres eignen kleinen Lebens und seiner ge­ und Pflichten

ringen Aufgaben

trägt gar

auch

schon

manche

bei

der

gewonnen werden sollen.

biblische Geschichte ohne Zwang, ersten Darbietung

Gewiß ver­

daß man auS

ihr

vor den Kindern eine „Lehre"

Einleitung: Grundsätzliche-.

10

für diese entnimmt, und es wäre Pedanterie, wenn man dem ängstlich

auS dem Weg gehen wollte.

Aber viel häufiger wird die Ausnutzung

solcher Geschichten zur Gewinnung eineS LehrgedankenS ein Unrecht zugleich gegen die Geschichte und gegen den Lehrgedanken, weil einerseits nicht

genug Zeit zum gefühlsmäßigen Ausklingenlassen des in der Geschichte Geschauten gelassen wird, andererseits aber auch die „Lehre", der einzu­

prägende Grundsatz, nicht von dem für sie naturgemäßen ApperzeptionSpunkt, dem Lebensziel der Kinder, aus apperzipiert, sondern an Äuße­

rungen fremden, wenn auch vielleicht für uns recht vorbildlichen religiös­ sittlichen Lebens unmittelbar herangeschoben wird.

So kommt weder das

gefühlsmäßige, noch das normative Moment christlich-religiöser Unterweisung

ungebrochen zur Geltung, beide hemmen und durchkreuzen sich gegenseitig, statt einander zu fördern. Solche gegenseitige Förderung der beiden Elemente christlicher Reli­

giosität ist nur von einem Verfahren zu erwarten, das mit Bewußtsein eins der beiden in den Vordergrund stellt und daS andere es färbend

und bestimmend mitklingen läßt.

Da aber nach unseren früheren Aus­

führungen das Religiös-Gefühlsmäßige und das Sittlich-Normative im

Christentum gleichwertig ineinandergeschlungen sind, ist ein Unterrichts­ verfahren, das nur die Großen christlichen (und vorchristlichen) Glaubens

und Lebens zur gefühlsmäßigen Anschauung, unter Mitklingenlassen des

sittlich-normativen Moments, bringt, von einer unzulässigen Einseitig­ keit.

Vielmehr muß dieser Art von Unterweisung noch eine andere in

eigenständigem Wert zur Seite treten, bei der das Normative, die Ein­

prägung und Verankerung der christlichen Glaubens- und LebenSgrundsätze, das Beherrschende, die gefühlsmäßige Anschauung religiös-sittlichen LebenS

daS Mitklingende, die innerliche Aufnahme jener Grundsätze Befördernde

und Belebende ist. Deshalb brauchen wir zwei Arten christlichen Religionsunter­ richts: Einen Unterricht, der die Kinder für die Geschichte unserer Reli­ gion, d. h. für die Helden dieser Geschichte, Männer und Frauen, von den

Gestalten des Alten Testaments bis zur kirchlichen Gegenwart, interessiert und begeistert, in ihnen Sympathie (oder Antipathie) gegenüber den ge­

schilderten Persönlichkeiten, Ehrfurcht und Staunen gegenüber dem geschicht­

lich Großen, zugleich ahnendes Sichversenken in die Tiefe, in der jene ihr bestes Leben gefunden haben, erweckt — zunächst ohne daS hier von den

Kindern Gesehene und Erlebte durch geflissentliche Herausarbeitung von Grundsätzen, die für das Leben der Kinder normativ sein sollen, zu

1. Rrcht unb Zweck beS IkatechiSmuSunlerrichU.

trivialisieren.

11

Diesem „geschichtlichen" Religionsunterricht tritt dann in

selbständigem Aufbau ein anderer zur Seite, der die Kinder über da­

belehrt, was ihnen zu misten vonnöten ist, damit sie als rechte Christen

im Glauben an den Vater Jesu Christi leben und ihre Pflichten gegen Gott und die Mitmenschen erfüllen können.

Selbstverständlich kann auch

dieser Unterricht, wenn die christlichen Glaubens- und LebenSgrundsätze den Kindern voll verständlich und innerlich zu eigen gemacht, nicht bloß ihnen vorgesprochen und auferlegt werden sollen,

nicht ohne reichliche-

Anschauungsmaterial sein, daS die Kinder für einen Grundsatz durch Sympathie mit den diesen Grundsatz vertretenden Personen oder durch

Antipathie gegen die ihn verleugnenden zu gewinnen vermag.

Aber dieser

Anschauungsstoff, selbst wenn er derselbe ist wie der in der biblischen und in der Kirchengeschichte behandelte, kommt jetzt unter einem andern Gesichts­ punkt in Betracht als bei der Darbietung im geschichtlichen Unterricht

selbst: die Personen werden jetzt durch die Kinder von vornherein auf da­ hin angeschaut, was an ihnen für unser Verhalten normativ zu sein ge­

eignet ist.

Und neben den biblischen Anschauungsstoff wird man, wenn

man dem Zweck dieser Art von Religionsunterricht gerecht werden will, die

Kinder sich in ihrem Glauben und Leben zurechtfinden zu lehren, reichlich

Anschauungsstoff aus der Gegenwart stellen, bei dem die Anwendung

auf das Leben der Kinder leichter sich ergibt als bei dem ferner liegenden Stoff einer vielleicht schon sehr alten Vergangenheit.

Näheres darüber

ist unter „Methode des Katechismusunterrichts" auszuführen.

So ergibt sich also aus dem sittlich-persönlichen Charakter des christ»

lichen Gottesglaubens und der christlichen Religion überhaupt die Not­ wendigkeit eines selbständigen „Katechismus"-Unterrichts, eines selbständig

aufgebauten Stücks christlicher Jugendunterweisung, da- den Kindern durch

seine ganze Anlage gegenwärtig hält, daß es sich im Christentum nicht nur um ein Sosein, sondern um ein heiliges Soseinsollen handelt.

Die Er-

kenntnis dieser auS dem durch und durch ethischen Charakter deS Christen­

tums fließenden Notwendigkeit des „KatechiSmus"-Unterrichts ist zugleich die beste Schutzwehr gegen da- Mißverständnis, als hätte dieser Unterricht

seine Aufgabe gelöst, wenn er den Kindern einen theoretisch klaren Ein­ blick in die Glaubensgedanken und in die sittlichen Pflichten des Christen

vermittelt hätte.

Er hat seine Aufgabe überhaupt erst dann in Angriff

genommen, wenn es ihm gelingt, da- Wollen der Kinder in der Richtung auf ein bestimmte- Ziel ihres persönlichen Leben- in Bewegung setzen zu helfen.

Dabei wird es natürlich sehr auf Klarheit der Erkenntnis an-

Einleitung: Grundsätzliche-.

12

kommen, aber eS handelt sich um durchaus praktisch normierte und in­ teressierte Erkenntnis, um

nichts weniger als um Weitergabe

innerlich kalter und starrer Dogmen und Sittenregeln.

fertiger,

Der KatechiSmuS-

unterricht muß das allerlebendigste und allerbewegteste Stück des Reli­ gionsunterrichts sein;

aber es ist Leben und Bewegung

auf

das

den

Kindern alS daS für sie maßgebende vorgehaltene Ziel hin, nicht primär

die Anschauung fremden Lebens, worum es sich bei ihm handelt.

Nicht die Gefahr droht also dem Katechismusunterricht, wie wir ihn

alS auS dem Wesen des Christentums notwendig erwachsend erkannt haben, daß er zu kühl, zu objektiv, zu dogmatisch, zu uninteressant wird.

Viel­

mehr ist das die Schwierigkeit, ob man einen so praktisch zugespitzten

Unterricht, in dem fort und fort die Kinder bei ihren eignen religiös­

sittlichen Interessen angefaßt werden sollen, überhaupt zu einem Stück des lehrplanmäßigen Schulunterrichts machen kann und darf.

Selbstver­

ständlich wird man alles Treiberische, Ungesunde, im Übeln Sinn „Er­ bauliche" vom Katechismusunterricht geflissentlich fernhalten müssen, wenn jene

Schwierigkeit

überwunden

werden

soll.

Das Unterrichtsverfahren

wird im Katechismusunterricht kein anderes sein dürfen als im Unterricht

überhaupt: aus der Anschauung Erkenntnis, Urteil — aber dann auch, weil es sich um praktische Erkenntnis, um praktisches Urteil handelt, Appell

an den Willensentschluß.

Es wird von uns durch das praktische Beispiel

dargetan werden müssen, daß ein durchaus praktisch orientierter Unterricht

möglich ist, der die Grundsätze gesunder nüchterner Verständlichkeit nicht

von ferne verletzt und doch bei den Kindern fort und fort das Bewußt­ sein wachhält, daß hier Dinge behandelt werden, die für ihr Leben und

Streben praktisch von der allergrößten Bedeutung sind.

So wird auch

ganz von selbst der Anschein vermieden, als glaube man durch einen solchen Unterricht die Kinder „fromm" machen zu können.

2. Der Lehrstoff des KatechiSmuSnnterrichtS. Mit der Frage, was nun im Katechismusunterricht den Kindern als normativer Lehrstoff geboten werden soll, kommen wir zu dem schwierigsten

Punkt eineS normativen Unterrichts im Christentum, wie wir ihn bisher

ohne nähere Bestimmung seines Inhalts als grundsätzlich notwendig er­

wiesen haben.

Die Schwierigkeit, unter den auf dem Boden des heutigen

deutschen Protestantismus obwaltenden Verhältnissen den sachlichen Inhalt

der „Christenlehre" eindeutig zu bestimmen, ist mehr Grund für die weit­ verbreitete Abneigung gegen den selbständigen Katechismusunterricht, alS

13

2. Der Lehrstoff des Katechismusunterrichts.

vielen seinen Gegnern selbst bewußt ist: die „pädagogischen" Ablehnungs­

gründe sind in sehr weitem Umfang theologische und religiöse. Das protestantische Grundprinzip verlangt, daß die Normen christ­ lichen religiös-sittlichen Lebens vom einzelnen in persönlicher gewissens­

mäßiger Verarbeitung innerlich angeeignet, zu einem Stück des eignen persönlichen Lebens, der eignen persönlichen Überzeugung gemacht werden. Auf andere voll überzeugend kann aber ein christlicher Lehrer schließlich

nur mit dem wirken, was für ihn selber nicht nur äußerlich, sondern

auch innerlich Norm geworden ist.

Das scheint letzten Endes darauf

hinauszuführen, daß bei einem Unterricht, der die Kinder religiös-sittlich normativ beeinflussen soll, der Unterrichtende mit seiner persönlichen religiös­

sittlichen Überzeugung den Inhalt der Unterweisung bestimmen muß.

Die

individuelle Überzeugung des Lehrers wäre also die maßgebende Norm für die seinem Unterricht anvertrauten Kinder.

Jeder Lehrer hätte den

Inhalt seines „Katechismus"-Unterrichts nach dem, was ihm am Christen­ tum persönlich entscheidend geworden ist, selber festzusetzen: eine allgemeine

Norm als Stoff dieses Unterrichts könnte es nicht geben. Zweifellos muß das Moment der persönlichen Überzeugung des Unter­ richtenden beim „Katechismus"-Unterricht eine viel bedeutsamere Rolle spielen als beim „geschichtlichen" Religionsunterricht, der nur gegebenen

Stoff nach Kräften lebendig darzustellen hat.

Aber eine restlose Preis­

gabe der Kinder an die religiös-sittliche Individualität des Lehrenden ist

ganz unmöglich, wenn nicht der Gedanke einer über das bloße freie Be­ lieben der einzelnen Teilnehmer hinausgreifenden,

geschichtlich

fort­

wachsenden religiösen Gemeinschaft und ihrer gemeinsamen Lebensziele

rettungslos in die Brüche gehen soll.

Wie will man's verantworten, die

Eltern auch nur indirekt dazu zu nötigen, daß sie ihre Kinder einen Religionsunterricht

besuchen

lassen,

in dem jede

äußerlich

bestimmte

Garantie dafür fehlt, daß den Kindern Grundsätze eingeprägt werden, die der religiös-sittlichen Überzeugung der Eltern nach der Konfession, zu der sie gehören, im wesentlichen entsprechen?

Das persönliche Recht des

Lehrers in allen Ehren: die Individualität des Lehrenden als Allein­

herrscherin im Katechismusunterricht proklamieren, heißt auf jeden, auch den leisesten, Druck zum Besuch jenes Unterrichts verzichten, das heißt

aber schließlich jeden in den Organismus des Schulunterrichts einge­ gliederten Katechismusunterricht unmöglich machen und alles der freien Wirkung von Person auf Person überlasten. Ein organisierter „Katechismus"-Unterricht ist nur dann möglich,

Einleitung: Grundsätzliche-.

14

wenn ein normativer Lehrstoff für diesen Unterricht gefunden werden kann,

der nach dem Gemeinbewußtsein der religiösen Gemeinschaft, der Lehrer

und Kinder angehören, alS gemeinsame Norm sowohl über dem Unter­ richtenden wie über dem Unterrichteten steht.

Nun ist es aber gemeiner

evangelischer Grundsatz, daß diese Norm nicht irgendwie

gesetzlich von

einer in der heutigen organisierten Kirche vorhandenen Rechtsinstanz fest­ gestellt werden, daß sie vielmehr nur in dem gefunden werden kann, was

unS durch die Geschichte des Christentums, speziell in seiner evange­

lischen Ausprägung, als normativ von einem Geschlecht zum andern zu­ gewachsen ist. Bon dieser Voraussetzung aus ist jeder Lehrstoff für den „Kate­

chismus"-Unterricht von vornherein mit einem gewiffen Mißtrauen zu

betrachten, der auf dem Weg gewonnen wird, daß den Kindern eine jetzt, sei es von einem einzelnen, sei es von einer Rechtsinstanz in Kirche oder

Schule, neu gearbeitete Zusammenstellung von Glaubens- und Sittenlehren als Anhalt für die normative Unterweisung im Christentum geboten wird. Eine solche Zusammenstellung kann so gut in dem den Kindern durch den

„geschichtlichen"

Religionsunterricht

zugänglich

gemachten

geschichtlichen

Leben der evangelischen Christenheit begründet sein und sich so sehr von

persönlichen Liebhabereien freihalten, daß ihr sachlich alles Individualistisch-

Willkürliche fehlt, sie also sachlich durchaus ertragen werden könnte, nament­ lich bei älteren Kindern, die durch das ihnen früher gebotene geschichtliche

Material schon unmittelbare Eindrücke für ihr christliches Glauben und

Leben gewonnen haben — und wir werden später noch zu zeigen haben, daß der „Katechismus"-Unterricht überhaupt nicht zu früh einsetzen darf.

Aber immer wird eine derartige neu gearbeitete Zusammenstellung an dem Mangel leiden, daß ihr als einem Produkt unsrer vielzerklüfteten

kirchlichen

Gegenwart, die

zudem

nach

allgemeinem

Empfinden

keinen

Höhepunkt der religiösen Entwicklung bedeutet, das formal Autoritative,

das auf die Kinder unmittelbar einen normativen Eindruck macht, abgeht.

Biel wirkungsvoller, zugleich auch besser die innere Freiheit des Lehrenden mit seiner äußerlichen Gebundenheit vermittelnd, wird daS Verfahren sein, daß man auS dem uns geschichtlich zugewachsenen Zeugnis christlicher

Lehre Stücke auswählt, die einerseits inhaltlich als Anhaltspunkt für die Belehrung in den Grundsätzen christlichen Glaubens und christlicher Sitt­

lichkeit geeignet sind, anderseits auch heute noch vom evangelischen Gemein­

bewußtsein in den wesentlichen Punkten als unmittelbar normativ emp­ funden werden.

Da eS sich um Stücke der geschichtlichen Überlieferung

15

2. Der Lehrstoff des Katechismusunterrichts.

handelt, wird selbstverständlich eine restlose Identifikation der den Kindern zu bietenden Gegenwartsbelehrung mit dem Inhalt jener Stücke nicht

gefordert werden können; unter Umständen wird man das Geschichtliche

auch in seiner geschichtlichen Eigentümlichkeit, in seinem relativen Abstand

von unsrer Gegenwart den Kindern zur Empfindung bringen dürfen und müsien.

Aber im wesentlichen muß der Stoff der „Lehre", der aus

der Fülle des geschichtlich Vorliegenden für den heutigen „Katechismus"Unterricht geeignet sein soll, von der Art sein, daß er auch zu den Kindern

der Gegenwart unmittelbar als das redet, was auch für sie noch auto­ ritative Bedeutung hat.

Das ist aber nach gemein-evangelischem Empfinden der Fall einmal

im allgemeinen hinsichtlich der Verkündigung Jesu selbst, hinsichtlich des Evangeliums, dann aber, speziell für die evangelische Jugendunter­ weisung, hinsichtlich dessen, was die Reformation aus der kirchlichen katechetischen Überlieferung als klassisch beibehalten und mit „evan­

gelischer" Erläuterung versehen zur Grundlage der religiös-sittlichen Volks­ und Jugendunterweisung in den erneuerten evangelischen Kirchen gemacht

hat: die „Hauptstücke" mit ihrer Erläuterung in den Reformationskate­ chismen, vor allem dem lutherischen und dem Heidelberger Katechismus. Für welchen von den beiden Lehrstoffen sollen wir uns entscheiden?

Die alles überragende Autorität, die nach evangelischen Grundsätzen der Person und dem Wort Jesu zukommt, scheint entschieden dafür zn

sprechen, daß man das Evangelium Jesu und von Jesus, also eine ge­ eignete Auswahl von Lehrabschnitten des Neuen Testaments unter be­ sonderer Berücksichtigung der Evangelien, zur Grundlage der christlichen

Belehrung der Jugend macht.

Die Auswahl wäre natürlich lehrplan­

mäßig festzulegen. — Ich halte es für unbedingt erforderlich, daß auch

unsere „Christenlehre" (im Unterschied von dem, was der „geschichtliche" Teil des Religionsunterrichts bietet) die Kinder unmittelbar an das her­ anführt, was das Neue Testament, was insbesondere die Person Jesu

selbst, ihnen für ihr Glauben und Leben zu sagen hat.

Aber als An­

halt für die elementare Belehrung der Jugend über die christlichen

Glaubens- und Lebensgrundsätze ist die Predigt Jesu und der Apostel

nicht geeignet: dafür ist sie nicht elementar und andererseits nicht voll­ ständig genug.

Jesus setzt bei seiner Predigt die im damaligen Juden­

tum gegebene religiös-sittliche Bolkskultur überall voraus; er redet außer­ dem nie mit dem Zweck umfassender, zusammenhängender Belehrung,

sondern einerseits um die Gewissen zu wecken und die Herzen zu trösten.

Einleitung: Grundsätzliches.

16

andererseits um einzelne entscheidende Punkte im Verhältnis des Menschen zu Gott und GotteS zu den Menschen zu klären, und zwar oft genug Es heißt der Predigt Jesu ein

in absichtlich paradox zugespitzter Form.

großes Stück ihrer Kraft und Frische nehmen, wenn man sie in ein wenn auch lose gefügtes ausgeglichenes System bringen will. Deshalb wird in

der „Christenlehre" die Predigt Jesu selbst bei weitem am angemessensten

so verwandt, daß man sie der elementaren zusammenhängenden Belehrung

über die christlichen Glaubensgrundsätze und Lebenspflichten, die selbstver­ ständlich inhaltlich durchaus an Jesu Predigt orientiert sein muß, gegen

daS Ende der Schulzeit nachfolgen läßt.

Nur über die rechten Gedanken

christlichen Gebets gibt das Vaterunser eine Belehrung, die nach Inhalt

und Form für eine elementare zusammenhängende Einführung der Kinder in das, was Gegenstand christlichen Betens sein soll, geeignet ist. — Das hier über das Evangelium Jesu Gesagte gilt zum Teil in noch verstärktem Maß von den Schriften der Apostel, aus denen nur einzelne klassische

Stücke für die „Christenlehre" verwandt werden sollten.

So hat denn auch die Kirche in ihrer Missions- und Erziehungs­

praxis es neben der Tradition der

Herrenworte und

der apostolischen

Schriften von allem Anfang an auf zusammenhängende elementare religiöse

und sittliche Belehrung abgelegt und diese an bestimmte katechetische und liturgische Formen und Formeln angelehnt.

Wir finden die Spuren solch

elementarer Belehrung über die sittlichen Lebenspflichten der Christen, wie sie die älteste Missionspraxis bot, schon in den Briefen des Paulus an­

gedeutet,

und

die Formulierung der

wichtigsten Grundsätze

christlichen

Glaubens vollzieht sich in ihren Anfängen auch schon in apostolischer Zeit.

Mit der Ausgestaltung der kirchlichen Katechese fixiert sich der Lehrstoff, der den autoritativen Anhalt für die Unterweisung bildet, immer ent­ schiedener, dabei merkwürdig gleichmäßig: die Belehrung über die Grund­

sätze christlichen Glaubens benutzte als Anhalt das Symbolum, die über die christlichen Lebenspflichten das Doppelgebot der Liebe zu Gott und

dem Nächsten, die über das christliche Gebet das Vaterunser. dann noch die Belehrung über Taufe und Abendmahl.

Dazu tritt

Die mittelalter­

liche Kirche gibt aus triftigen volkserzieherischen Gründen der sittlichen Belehrung einen breiteren Anhalt, sei es in den 10 Geboten, sei es in

einer prägnanten Zusammenstellung der Tugenden und der Laster. Luther hat diese „Hauptstücke" christlicher Unterweisung, für die Belehrung über

die Christenpflichten schon aus biblizistischen Gründen die 10 Gebote, auS der mittelalterlichen Kirche übernommen und mit evangelischer Erklärung

2.

Der Lehrstoff des Katechismusunterrichtes.

17

zur autoritativen Grundlage der Jugend- und Volksbelehrung auch in der erneuerten Kirche gemacht.

Und die evangelischen Kirchen haben, ab­

gesehen von den Erschütterungen und Schwankungen während der Zeit des

Rationalismus, an dieser Grundlage der normativen religiösen Jugendbe­

lehrung im „Katechismus" (jetzt als autoritatives Lehrbuch gemeint) bis

auf den heutigen Tag fast durchgängig festgehalten. Es steht also genau besehen gar nicht zur Frage, was man als An­

haltspunkt für unsere Katechismusunterweisung einführen will, sondern ob wir ein gutes Gewissen dabei haben können, wenn wir an dem über­

lieferten Katechismuslehrstoff in den „Hauptstücken" fest halten — oder

ob die Verhältnisse sich so von Grund aus geändert haben, daß wir ge­ nötigt sind, ein völlig Neues zu Pflügen.

Daß beim gegenwärtigen Zu­

stand unseres kirchlichen Lebens ein derartiges Neues keinerlei Aussicht

hätte, sich in der evangelischen Kirchengemeinschaft mit allgemeiner Zu­ stimmung durchzusetzen, daß es nur zur Zersprengung dieser Gemeinschaft oder zur Vergewaltigung der Gewissen führen könnte, ist klar.

Anderer­

seits sind aber die „Hauptstücke" mit den reformatorischen Erklärungen als Stücke uralter kirchlicher Tradition zweifellos ganz besonders geeignet,

dem Bedürfnis der Bindung an ein autoritativ Gegebenes zugleich mit dem der persönlichen Freiheit des Unterrichtenden gerecht zu werden. Einem

geschichtlich Gegebenen, das für uns Autorität zu sein in Anspruch nimmt, weiß man sich berechtigt in pietätvoller Freiheit gegenüberzustehen —

da, wo der Abstand der Zeiten empfindlich wird, braucht man nur auf diesen Abstand hinzuweisen, um alles gesetzlich Enge und Drückende aus

der Beziehung auszuschalten.

So garantiert die Anlehnung der „Katechismus"-Unterweisung an

die alten Hauptstücke eine Gemeinsamkeit dieser Unterweisung in bezug auf die Hauptsachen, ohne die Bewegungsfreiheit des Lehrers über das

durch die Rücksicht auf die Gemeinschaft notwendig erforderte Maß hinaus einzuengen. Für die Mehrzahl unserer deutsch-evangelischen Schulen kommen

die Hauptstücke aber in ihrer Verbindung mit Luthers evangelischer Er­

klärung im kleinen Katechismus in Betracht.

Wir werden diesen in seiner

Bedeutung als autoritativen Anhalts für die Christenlehre noch näher zu betrachten und dabei auch im einzelnen zu erwägen haben, ob er dem Bedürfnis nach einem für die religiös-sittliche Gegenwartsbelehrung brauch­

baren autoritativen Anhalt wirklich voll entspricht. Aus dem hier Angeführten ergibt sich ein neuer schwerwiegender Grund gegen die Verwendung der sog. exponierten Katechismen, die durchEger. Evangelische Jugendlehre. 2. Aufl.

2

Einleitung: Grundsätzliches.

18

gängig eine zu starke Einschnürung der Bewegungsfreiheit von Lehrer und Kindern bedeuten.

Zum mindesten dürfen ihre über daS Maß des

lutherischen Katechismus hinausgehenden Fragen und Antworten nur als ein in aller Freiheit zu benutzender Leitfaden für die unterrichtliche

Entwicklung deS Lehrers, nicht als einzuprägender autoritativer Text be­ handelt werden.

Letzteres ist auch der Fall mit den Bemerkungen, be­

sonders Definitionen, die vielfach die Spruchbücher zum lutherischen Kate­

chismus enthalten.

Der autoritative Text muß knapp und geschichtlich

autoritativ geworden sein.

Beidem entspricht in hervorragendem Maß

LutherS kleiner Katechismus. 8. Der Kleine Katechismus Luthers. ES wird von urteilsfähiger Seite behauptet, der Kleine Katechismus

Luthers eigne sich, so hoch seine geschichtliche Bedeutung, auch seine Be­ deutung alS Zeugnis für die persönliche Frömmigkeit Luthers, zu werten sei, doch nicht mehr als Unterrichtsbuch, an dessen Hand die Kinder der

Gegenwart in die für sie maßgebenden Grundsätze christlichen Glaubens und Lebens einzuführen sind;

wenn heute jemand ein KatechiSmuslehr-

buch schriebe, würde er es nie in gleicher Weise gestalten. — So wie Luther kann natürlich nur Luther schreiben, und daß einer nach 400 Jahren allerhand anders setzen würde als damals, versteht sich auch von selbst.

Es ist nur die Frage, ob Luther nicht unerreichbar gut geschrieben hat, und ob das, was etwa der Änderung bedarf, von solchem Gewicht ist,

um das Buch selbst in seiner Brauchbarkeit zu beeinträchtigen.

Vor allem: Luthers Ausgangspunkt. Mit sicherem Griff greift er daS

klassische Material der kirchlichen Bolksbelehrung seiner Zeit in 10 Ge­ boten, Symbolum und Vater Unser auf und benutzt diese Stücke als

„Hauptstücke" nebst den zwei Sakramentshandlungen der evangelischen Kirche als Stützpunkt für seine Arbeit, die Auslegung der betreffenden

Stücke, Deutung der betreffenden Handlungen sein will.

Auf irgend­

welchen theologisch-systematischen Aufbau wird verzichtet, als Mittel zur Aufnahme der nebeneinander stehenden Hauptstücke schlicht und einfach daS Gedächtnis, nicht irgendwelche Reflexion über das Verhältnis der Stücke

zueinander, in Anspruch genommen.

Und zwar fließt in der Auslegung

daS religiöse und daS ethische Moment bei jedem Hauptstück ineinander

(man denke an den Schluß der Erklärung des 1. und 2. Artikels, an daS Gottvertrauen als die Krone der Erfüllung der Gebote), so daß auch

die Einteilung in Sittenlehre und Glaubenslehre nicht restlos paffen will.

3. Ter Kleine Katechismus Luthers.

19

Vielmehr handelt es sich Luther bei Auslegung der verschiedenen „Haupt­

stücke" um die Betrachtung der Einen christlichen Heilswahrheit von verschiedenen Gesichtspunkten

aus,

erst recht in ihrer Tiefe verstanden wird.

wodurch

diese Wahrheit

Dabei ist das, was an der

christlichen Wahrheit jeweils ins Auge gefaßt wird, einfach daS durch den vorliegenden Text an die Hand Gegebene.

Es wird nichts weniger als

theoretische Vollständigkeit erstrebt — in der klaren Erkenntnis, daß die Jugend und der gemeine Mann, für die der Katechismus bestimmt ist,

mit dieser theoretischen Vollständigkeit doch nichts anzufangen wissen, daß

ihnen allein mit kurzer, knapper Andeutung dessen, was für die Praxis

des Christenlebens die Hauptsache ist, gedient ist. Dazu kommt der echt evangelische Charakter der Auslegung, die Luther den rezipierten Stücken kirchlicher Bolksunterweisung beigefügt hat.

Es ist geradezu wundervoll,

mit welch kühner Selbstverständlichkeit er

den mosaischen Dekalog christianisiert und dadurch alle Bedenken gegen

seine

Verwendung

auf

christlich-evangelischem

Boden

hinfällig

macht.

Dabei ist ja allerdings fraglich, ob wir diese Christianisierung heutzutage

auch nur bei den Kindern in

gleicher Selbstverständlichkeit

vornehmen

dürfen, ob wir nicht auf den Unterschied zwischen der alttestamentlichen Vorlage und ihrer christlichen „Erfüllung" im Sinn Jesu, wie sie Luther

vorgenommen hat, ausdrücklich Hinweisen müssen.

Aber praktisch

ver­

wertet kann der alttestamentliche Dekalog selbstverständlich nur werden

in solcher Berchristlichung. — Ebenso

kommt

der evangelische Bor-

sehungs- und Erlösungsglaube in seiner persönlichen Zuspitzung bei der Auslegung des 1. und 2. Artikels gebührend zu seinem Recht. Diese Christianisierung und

Evangelisierung, die Luther

an

dem

Material der kirchlichen Bolkslehrtradition vollzieht, gibt dem lutherischen Katechismus

seinen

besonderen

Wert

als

KatechiSmuSbuch

auf

evangelischem Boden. Ein Zurückgreifen auf die Originalstücke dieser Tradition unter Ausschaltung der Auslegung Luthers, wie sie Basser mann seinerzeit vorgeschlagen hat,

mag

auf

unionistischem Boden bei

vorhandenem Mißtrauen gegen daS spezifisch „Lutherische" ein erträglicher

Notbehelf sein; eine Verbesserung gegenüber dem lutherischen Katechismus

ist

es nicht, da

es die unentbehrliche Arbeit der Berchristlichung und

Evangelisierung der Traditionsstücke unnötigerweise dem einzelnen Kate­ cheten auflädt.

Dazu scheint mir aber nicht bloß die Notwendigkeit

zu fehlen; es droht dadurch auch ein gutes Stück gemeinsamer evange­

lischer Katechismustradition verloren zu gehen,

was

aus früher ange-

2*

20

Einleitung: Grundsätzliches.

geböten Gründen nur zu bedauern ist.

Und ob wohl viele Katecheten

jene Verchristlichung und evangelische Zuspitzung der „Hauptstücke" besser

leisten werden, als es Luther gemacht hat?

Ein unschätzbarer formaler Vorzug der lutherischen Katechismus­ auslegung ist, daß sie so kurz und gedrungen ist.

Sie gibt die not­

wendigen Hilfen für das Gedächtnis und die erforderlichen Anhaltspunkte für das Nachdenken; aber sie belädt das Gedächtnis nicht mit Lasten, die

das freie fröhliche Eindringen in die Sache erschweren.

Allerdings sind

ja nicht alle Katecheten und auch nicht alle Instanzen der Kirchenleitung so veranlagt, daß sie diesen Vorzug als wirklichen Vorzug gelten lasten:

daher die Beseitigung der von Luther gewollten Kürze und Gedrungen­ heit entweder mit offenem Visier, indem man die lutherische Auslegung zu einem exponierten Katechismus erweitert, in Wirklichkeit aber dadurch zuschanden macht — oder verschämter, indem man im „Spruchbuch" den

nötigen Gedächtnisballast in Form von Definitionen nachschiebt, die

überall da, wo man das rechte innere Verhältnis zum Katechismusunter­ richt noch nicht gewonnen hat, mit Eifer den Kindern eingeprägt werden. So glaubt man den Kindern ein gediegeneres und vollständigeres Misten

um die christliche Heilswahrheit mitgeben zu können, als dies Luther bei

der Unvollkommenheit der Zeitverhältnisse möglich war. Glaubt man nicht,

daß Luther auch zu seiner Zeit ebensogut einen langen „Kleinen Kate­ chismus" hätte schreiben können wie einen kurzen, wenn er gewollt, wenn er es für richtig gehalten hätte?*) Die Frage nach dem Recht einer schlichten Katechismuserläuterung für die Hand der Kinder, eines „Kinderkatechismus" (A. Eckert, Das Problem des Kinder­ katechismus, Leipzig 1907), der den Kindern den mit ihnen verfolgten Unterrichts­

gang genauer skizziert und ihnen Stütze ist, sich an die Einzelheiten dieses Urtterrichtsganges zu erinnern, wird von unserer Polemik gegen die exponierten Katechismen

und gegen die Definitionen der Spruchbücher nicht getroffen.

Der Schaden, den

wir bekämpfen, liegt darin, daß die Fragen der exponierten Katechismen und die Definitionen der Spruchbücher nach ihrer ganzen Art zum Auswendiglernen

auffordern und auch tatsächlich im weitesten Umfang dazu benutzt werden, so daß

sie den Kindern den Luthertext in seiner Bedeutung als des knappen autoritativen Anhalts für den Unterrichtsgang wie (auswendig gelernt) für ihr Gedächtnis be­

einträchtigen und überwuchern.

Voraussetzung für einen guten Kinderkatechismus

und für einen nützlichen Gebrauch desselben ist, daß der Kinderkatechismus sich

deutlich als nichts anderes gibt, denn als reichlichere Ausführung des knappen

Katechismustextes für die Zwecke des Unterrichts, und daß für seine Ein­ führung ein Zwang von oben vermieden wird (damit nicht wieder an den Kinder­

katechismus statt an den Katechismus Luthers gebunden wird). Den Bedürfnissen

AIS weiteren formalen Vorzug der lutherischen Auslegung erkennen wir die Wucht und Plastik der Sprache Luthers, die sie auch für Kinder außerordentlich eindrucksvoll und behältlich macht. Hier wird uns ent­ gegengehalten, das sei eine Täuschung: hier verwechsle sich das Stimmungs­ urteil des Mannes mit geschultem Sprachgefühl in unzulässiger Weise mit dem, was Kindern zugänglich sei. Die Kinder verstünden die Sätze Luthers vielfach gar nicht, und man gerate in die Notwendigkeit, der Auslegung Luthers wieder eine neue Auslegung beizufügen, um sie ihnen verständlich zu machen. Ich kann das für die beiden von unS hier be­ handelten Hauptstücke nicht zugeben — beim 3. bis 5. Hauptstück liegen gewisse Schwierigkeiten vor, die aber auch nicht größer gemacht werden dürfen, als sie bei geeigneter unterrichtlicher Behandlung sind. — Im 1. Hauptstück könnte man höchstens die Auslegungen zum 9. und 10. Ge­ bot von dem angegebenen Gesichtspunkte aus beanstanden, und es ist die Frage, ob nicht noch andere Gründe rätlich machen, von ihrer Einprägung abzusehen. Im übrigen genügt aber nach meiner Erfahrung beim 1. Haupt­ stück deutliches Hervorheben der einzelnen Momente nebst geringfügigen Erläuterungen, sowie klares Anschreiben*) vollständig, um auch schwer­ fälligen zehnjährigen Kindern die Auslegung ohne Schwierigkeit zugänglich zu machen. Ebenso beweist die Erfahrung, daß die gegen die langen Perioden der Auslegungen zu den Glaubensartikeln erhobenen Bedenken bei weitem weniger begründet sind, als ihre Verfechter meinen. Die Gliederung ist so klar und durchsichtig, daß man sich nur die geringe Mühe nicht verdrießen lassen darf, sie den Kindern — wieder durch An-

nach gemeinsamem landes- ober provinzialkirchlichem Besitz ist vollständig genügt, wenn neben dem originalen Katechismustext eine Spruchsammlung vorgeschrieben wird. Unter Einhaltung der angeführten Kautelen kann der Kinderkatechismus den Katechismusunterricht für Lehrer und Kinder sehr erleichtern. *) Nach mehrjähriger praktischer Erprobung hat aus meine Anregung der Verlag Toepelmann in Gießen jetzt Katechismustaseln zum 1. und 2.Hauptstück herausgegeben, die allen Ansprüchen, die an solche Tafeln gestellt werden können, voll gerecht werden. Die Erfahrungen, die ich selbst und die Schulen, in denen die Tafeln bis jetzt eingeführt sind, damit gemacht haben, haben die Erwartungen über­ troffen. Die Qual des seitherigen Katechismusunterrichts, das Einpauken des SatechismuStexteS, ist vollständig in Wegfall gekommen; die Kinder lernen den Text nebenbei, geradezu spielend leicht, und dabei zeigt die Erfahrung, daß die Gediegenheit und Dauerhaftigkeit der Einprägung keineswegs Not leidet — im Gegenteil. Dabei ersparen die Tafeln durch ihre übersichtliche Gliederung ein gut Teil grammatischer Erläuterung deS Textes. Beim 2. Hauptstück haben sie sich besonders bewährt.

22

Einleitung: Grundsätzliches.

schreiben — aufzuzeigen.

Dann erstaunt man,

wie rasch auch junge

Kinder diese langen Stücke sich anzueignen vermögen.

Schwerer als diese durchaus nicht zu unterschätzenden formalen Vor­ züge wiegen die sachlichen; das gleiche gilt natürlich von den Bedenken.

Unter den Vorzügen ist zunächst zu betonen die Art und Weise, wie

Luther erklärt.

Sein „was ist das?" geht nie darauf aus, den Ge­

samtbegriff des Textes etwa begrifflich zu definieren; vielmehr zerlegt er ihn in seine einzelnen Momente, und zwar in ganz bestimmt umschriebene konkrete Momente.

Er treibt so mit dem Schwergewicht innerer Not­

wendigkeit die Unterweisung in die Bahn, daß man dem Kind diese Einzel­ momente in konkreten Anschauungen zum inneren Verständnis bringt. ist aber der psychologisch-pädagogisch einzig richtige Weg.

Das

Allerdings geht

eS dieser Eigenart lutherischer Auslegungskunst ähnlich wie seiner Tugend

der Kürze: man sucht den Mängeln und Lücken der lutherischen Auslegung

nach Kräften durch Einfügung der von ihm vergeffenen Definitionen ab­ zuhelfen.

Als ob Luther nicht imstande gewesen wäre, selbst begrifflich

zu definieren, wenn er gewollt, wenn er es für richtig gehalten hätte.

Dazu tritt bei Luther eine geradezu erstaunliche Fähigkeit, sich, auch unter Hintansetzung eigner Lieblingsgedanken, auf das Niveau des dem Kind und dem gemeinen Mann äußerlich und innerlich Zugäng­

lichen herabzustimmen.

Luther hat für sich persönlich als rechte christ­

liche Sabbatfeier immer das: von eignen Werken ruhen und Gott in sich wirken lassen angesehen. kein Wort!

Davon steht in seiner Auslegung des 3. Gebots

Ebenso fehlt der für Luthers persönliches Empfinden doch

zentrale Ausdruck der Gerechtigkeit aus lauter Gnaden, wenn auch die Stimmung des „aus lauter väterlicher, göttlicher Güte und Barmherzig­ keit, ohne all mein Verdienst und Würdigkeit" hindurchzieht.

sich durch das Ganze

Luther weiß eben, daß er kein Kompendium der Dogmatik,

sondern ein Religionsbuch fürs Volk zu schreiben hat, und da hinein

schreibt er nur, was er dem Volke zu frommem Glauben und Leben nach Form und Inhalt dienlich weiß. Aber man meint: das hat er wohl gewollt und erstrebt; es ist ihm

auch in manchem Stück gelungen, aber doch nur sehr teilweise.

Die Aus­

sage höchst gesteigerten idealen Gottvertrauens, das sich auch in Jammer und Elend von Gott „täglich und reichlich" versorgt weiß, ist im Mund

des Durchschnittschristen, und nun gar des halbwüchsigen Christenkindes, unwahr, ebenso wie der „verlorene und verdammte" Mensch im Artikel

von der Erlösung.

Man ruiniere den religiösen Wahrheitssinn des Kindes,

3. Der kleine Katechismus Luthers.

23

wenn man es derartige Bekenntnisse des Mannes, den Gott durch den Hollenrachen der Anfechtung und tiefsten Demütigung auf die Höhe sieg­

gewaltigen Glaubens geführt hat, als Stücke regulären religiösen Erlebens,

seines eigenen religiösen Erlebnisses, nachsprechen lasse.

Und wenn Luther

die metaphysische Zweinaturenlehre, wenn auch nur als Apposition, seiner

Erklärung des zweiten Artikels einfüge, so beweise das, daß es ihm auch nicht

gelungen sei,

die Theologie aus seinem Religionsbuch fürs Volk

sernzuhalten. Über dies letzte Bedenken unzulässiger Einführung von Theologie in

Gestalt der Zweinaturenlehre wird wohl am besten bei Besprechung des

2. Artikels selbst verhandelt werden: ich kann mich nun einmal von der metaphysischen Färbung des betreffenden Katechismussatzes nicht überzeugen,

so gewiß mir nichts ferner liegt als die Behauptung, Luther habe nicht auf dem Boden der metaphysischen Zweinaturenlehre gestanden.

Dagegen muß

den beiden anderen Bedenken rundweg zugegeben werden, daß bei un­

richtiger Behandlung gerade dieser Stellen enormer Schade gestiftet werden kann.

Ich halte die vielfach übliche, auf die Psyche des Kindes gar keine

Rücksicht nehmende Behandlung der Lehre von Sünde und Schuld, aber

ebenso die oberflächliche und innerlich unwahre Behandlung der unendlich

schwierigen Lehre vom christlichen Gottvertrauen für einen Krebsschaden unserer religiösen Jugendunterweisung,

für eine der verhängnisvollsten

Ursachen ihrer geringen Resultate.

Aber ist die Quelle reichlich versorget",

solcher Fehler wirklich Luthers „täglich und

„verlorener und verdammter Mensch"?

Oder nicht

vielmehr nur die Art, wie man mit diesen hohen und schweren Gedanken

als mit Dingen hantiert, die dem Kind etwas ganz Vertrautes, ja Selbst­

verständliches sind?

Aber gerade zu diesem Verfahren scheint ja Luther

zu veranlassen, indem er das „mich täglich und reichlich versorget", „mich verlorenen und verdammten Menschen" dem Kind als sein (des Kindes)

Bekenntnis in den Mund legen lehrt.

nis"

eines Kindes?

Ja, was ist denn das „Bekennt­

zumal wenn ihm das Bekenntnis vom Hausvater

vorgelesen oder wenn es vom Kind auswendig gelernt wird?

Kommt da

irgend jemand, kommt da auch das Kind selbst nur von ferne auf den

Gedanken, es spräche in dem „Bekenntnis" das aus, was in der Tiefe

seiner Seele im Augenblick

tatsächlich vorhanden und lebendig ist? —

Vielmehr wird das, was so als „Bekenntnis" ausgenommen und repro­ duziert wird, vom Kind als der normative Ausdruck dessen empfunden,

waS in ihm von Gottes und Rechts wegen lebendig sein sollte, wozu

Einleitung: Grundsätzliches.

24

es hinanzukommen sich bemühen muß, wenn es den Namen eines Christen

mit Ehren führen will.

Aber ist so etwas noch „Bekenntnis" ?

Warum dann, wenn sich die

Sache so verhält, nicht einfach eine eindringliche Mahnung an Stelle solchen Bekenntnisies setzen, das doch schließlich subjektiv nicht wahr

ist?

Verständlich ist, daß das die persönliche Anerkennung der betreffen­

den Aussage unmittelbar zum Ausdruck bringende Bekenntnis die in den Worten liegende Mahnung und Verpflichtung in pädagogisch wirksamster

Weise steigert:

dazu muß es bei dir kommen, wenn du ein rechter

evangelischer Christ sein willst.

Aber die Rücksicht auf die Wirksamkeit

und Eindrücklichkeit hat selbstverständlich ihre Grenze an

Wahrhaftigkeit.

der auf die

Und das Moment, daß die Aussage bei dem Aussagen­

den nicht (noch nicht) dem vorhandenen Tatbestand entspricht, will heu­

tigen Tages ganz anders gewürdigt werden, als das zu Luthers Zeiten nötig, ja möglich war.

Die Zeit Luthers hält theoretisch Gottvertrauen

und Schuldbewußtsein vor Gott einfach für Selbstverständlichkeiten, denen der Mensch sich subjektiv so wenig entziehen kann wie der Tatsache, daß die Sonne am Himmel steht.

Und auch da, wo es beim einzelnen mit

dem Gottvertrauen und Schuldbewußtsein in Wirklichkeit noch wenig gut bestellt ist, verläßt man sich zur Überwindung des Schadens auf nichts anderes als auf die mit elementarer Kraft wirkende Wahrheit Gottes.

Wir

sehen ganz anders die Schwierigkeiten, die praktisch und theoretisch der Ge­

winnung eines felsenfesten Gottvertrauens, der Vertiefung in ein ernstliches Schuldbewußtsein bei Kindern und Erwachsenen im Wege stehen; wir setzen

uns psychologisch ganz anders mit diesen Schwierigkeiten auseinander.

Und

doch liegt für uns das Mittel auf der Hand, um den Wert des Bekenntnis­ mäßigen in der betreffenden Aussage auch unseren Kindern voll zu er­

halten und doch allen, auch den subtilsten Bedenken wegen der subjektiven

Wahrhaftigkeit der Kinder (und des Lehrers!) Rechnung zu tragen.

Dies

Mittel besteht darin, daß man die Kinder die Aussagen, die noch über

ihr Maß hinausliegen (aber doch innerlich für ihr Verständnis erreichbar sind!), als Bekenntnis Luthers verstehen und würdigen lehrt und ihnen

Mut macht, nun auch aus die Höhe hinaufzukommen, auf der sie Luther mit jenen Worten stehen sehen.

Man mag in unserer Bearbeitung nach­

prüfen, ob bei diesem Verfahren, das übrigens durchaus nicht auf die zwei herausgehobenen Stellen zu beschränken ist, auch nur ein Schatten von Bedenken wegen der subjektiven Wahrheit des „Bekenntnisies" bleibt. War hier eine von Luther noch nicht als notwendig erkannte Be-

3. Der kleine Katechismus Luthers.

25

Handlungsweise der KatechismuSaussage erforderlich, um diese AuSsage für

den Unterricht der Gegenwart fruchtbar zu machen (vgl. auch das oben über die ausdrückliche Christianisierung der alttestamentlichen Gebote

Gesagte), so muß inhaltlich und formal auch sonst manches an Luther-

Aussagen umgebogen, ergänzt, vielleicht gar geändert werden, um den Katechismus für die Bedürfnisse unserer Kinder in der Gegenwart voll

auszunutzen.

Das gilt, um nur einiges aus dem 1. Hauptstück zu nennen,

z. B. von den, zumal bei der städtischen Bevölkerung, vollständig veränderten Zeitanschauungen in bezug auf das Fluchen und Zaubern, die eine un­

mittelbare Verwertung des lutherischen Textes praktisch zwecklos machen; das gilt von dem: ein jeglicher sein Gemahl liebe und ehre des 6. Gebots,

mit dem die Kinder nichts zu schaffen haben; das gilt von der für heutige Berhältniffe unentbehrlichen Besprechung des Eigentums im 7. Gebot.

Aber aus der Anerkennung solcher Umbiegungen,

Veränderungen, Er­

gänzungen zwecks Anpaffung an die Bedürfniffe der Gegenwart folgere man nur nicht, daß wir unsern Standpunkt bezüglich der aktuellen Brauch­

barkeit des lutherischen Katechismus aufgeben oder zum mindesten stark einschränken müßten.

Es handelt sich da durchgängig um Abweichungen,

die die Stimmung und den Gehalt des Ganzen so wenig beeinträchtigen wie eine mit Takt und Respekt ausgeführte „Redaktion" diejenige eine-

alten Liedverses.

Daß wir übrigens mit dieser Anpaffung des Luthertextes an die Bedürfniffe der Gegenwart und der Kinder völlig in Luthers eignem

Sinn handeln, ist ganz gewiß: er hat ja auch die Stücke der kirchlichen

Lehrtradition, die er zu bearbeiten hatte, durchaus von seinem evan­ gelischen Standpunkt aus angesehen.

Nur daß, was er naiv tat, von

uns mit Bewußtsein vorgenommen werden muß und auch den Kindern nicht vorzuenthalten ist.

Denen ist aber nicht schwer klarzumachen, daß

in einem Buch, das 400 Jahre alt ist, auch einmal etwas steht, was auf die heutigen Berhältniffe nicht mehr ganz passen will. Aber noch ein gewichtiges Bedenken gegen die Verwendung

des

Kleinen lutherischen Katechismus als Katechismuslehrbuchs in der Gegen­ wart bleibt zu erledigen.

Reicht denn der an den lutherischen Katechis­

mus mit der ausgesprochenen Absicht, lediglich diesen Katechismustext den Kindern innerlich vertraut und bei ihnen lebendig zu machen, angeschlossene Unterricht wirklich aus, um die Kinder von heute sich in ihrem Leben

religiös-sittlich zurechtfinden zu lassen?

Auf wie viele Dinge, die heute

im Mittelpunkt der Interessen stehen, geht Luther gar nicht ein, weil sie

Einleitung: Grundsätzliches.

26

ihm überhaupt noch nicht in den Gesichtskreis getreten waren!

Genügt

es da, hier und dort eine Erweiterung und Ergänzung der lutherischen

Aussagen vorzunehmen, oder wäre es nicht bester, klarer, ehrlicher, wirk­ samer, die ganze Unterweisung auf eine andere Grundlage zu stellen, der man die nötige Breite auch an diesen Punkten geben kann?

Jedenfalls

wäre dies Verfahren dem andern vorzuziehen, dem man heute vielfach begegnen kann, daß man in die Unterweisung nach Luthers Katechismus in dogmatischer und ethischer Beziehung einen Haufen Dinge hineinpackt, die

nichts darin zu suchen haben und die lutherischen Aussagen nur unwirksam machen. Aber es ist meine auf die Erfahrung gestützte Überzeugung, daß der Kleine lutherische Katechismus (und zwar in der Hauptsache schon das

1. und 2. Hauptstück) als Grundlage der religiös-sittlichen Jugendunter­

weisung inhaltlich auch für unsere Zeit im wesentlichen und mit verhältnis­ mäßig sehr geringen Erweiterungen ausreicht, wenn man nicht außer acht

läßt, daß Kinder keineswegs ex officio über alles, womit sie sich später

religiös-sittlich auseinanderzusetzen haben, im Religionsunterricht belehrt zu werden brauchen, und daß neben dem Katechismus nach meinen Vor­ schlägen im letzten Schuljahr auch die Lehre des Neuen Testaments in

breitem Umfang die Unterlage für die praktisch-religiöse Jugendunterweisung

bilden soll: dabei lassen sich sehr wertvolle Ergänzungen zu dem an Hand

des Katechismus Besprochenen unter anderen Gesichtspunkten geben.

Wem

dieses Vorgehen zu wenig einheitlich, zu unsystematisch scheint, der sei auf das verwiesen, was ich früher über den Wert beziehentlich Unwert des

Systems für Kinder gesagt habe.

Zur sachlichen Einheitlichkeit und Klarheit

der Gedanken können sie auch auf dem von mir empfohlenen Weg geführt werden. — Jedenfalls bleibt für uns gegenüber allen geltend gemachten

Bedenken der Kleine Katechismus Luthers auch heute noch das klassische Schulbuch für die praktisch-religiöse Jugendunterweisung *). *) Das über den unterrichtlichen Wert und die Brauchbarkeit des lutherischen

Katechismus für die Gegenwart AuSgeführte bezieht sich in vollem Umfang auf daS

1. und 2. Hauptstück.

Bezüglich des 3. bis 5. Hauptstücks habe ich selbst aller­

hand Bedenken, die sich wesentlich in der Richtung bewegen, daß durch eine Be­ handlung des Herrngebets, der Taufe und des Abendmahls nach der Weise der

lutherischen Erklärung das Moment der Stimmung, das mir am Gebet und an der Sakramentshandlung von hervorragender Bedeutung ist, leicht Not leidet.

ES

kann aber auch unter Verwendung der lutherischen Auslegung voll gewahrt wer­

den, wenn man das Ganze nur kurz genug behandelt.

Auf Einprägung des

Luthertextes sollte im Interesse der direkten lebendigen Beziehung zum Baterunser-

wort und zum Gnadenwort im Sakrament im allgemeinen, abgesehen von einzelnen

4. Maß und Ort des KatechiSmuSunterrichtS im Lehrplan der Volksschule. 27

4. Matz und Ort des KatechiSmuSunterrichtS im Lehrplau der Volksschule. Wenn wir uns für den lutherischen Katechismus als geeigneten autoritativen Anhalt für die religiös-sittliche Gegenwartsunterweisung der Kinder ausgesprochen haben, so ist damit von vornherein der Standpunkt abgelehnt, der den Katechismus Luthers gelegentlich der Besprechung der Reformationsgeschichte, als Zeugnis der Frömmigkeit Luthers (auch die einzelnen Hauptstücke, Dekalog, Apostolikum, Vaterunser, an den ent­ sprechenden Stellen der biblischen und der Kirchengeschichte als Ausdruck der Frömmigkeit und Sittlichkeit ihrer Zeit, also alles „geschichtlich"), behandelt wissen will. Man kann sehr wohl bei Behandlung der Re­ formationsgeschichte auf einzelnes in Luthers Katechismus als für Luthers Frömmigkeit charakteristisch Hinweisen — aber der Katechismus als Ganzes käme bei solcher Einordnung nicht nur in dem Zeitmaß, sondern vor allem auch in der Art der Behandlung zu kurz. ES muß doch einmal gegen­ über dem sich scheinbar immer mehr einbürgernden Satz, daß der luthe­ rische Katechismus vor allem als Zeugnis der persönlichen Frömmigkeit Luthers in Betracht komme, mit Nachdruck darauf hingewiesen werden, daß Luther bei Abfassung des Katechismus nichts weniger beabsichtigt hat, als seiner individuellen Frömmigkeit Ausdruck zu geben: er wollte etwas schaffen, woran die Kinder und das Volk sich halten können. Deshalb verzichtet er auf die Aufnahme oder doch Ausführung von Gedanken, die ihm persönlich Lieblingsgedanken sind, wie beim 3. Gebot und im 2. Artikel. Selbstverständlich verleugnet der Kleine Katechismus Luthers Art entfernt nicht — aber seine Tendenz ist eine durchaus überindividuelle. — Wir haben uns jenen Bestrebungen gegenüber schon früher für den selbstän­ digen Katechismusunterricht entschieden und haben hier die Frage zu beant­ worten, in welcher Weise dieser (an Luthers Kleinen Katechismus sich an­ lehnende) Unterricht in das Ganze des Religionsunterrichts einzuordnen ist. Da wird nun zurzeit von sehr vielen Theoretikern des Religions­ unterrichts die Forderung erhoben, daß die selbständige zusammenhängende Einführung in die Grundsätze christlichen Glaubens und LebenS als „ab­ schließender" Katechismusunterricht, um auf das Gemüt der Kinder wirken Perlen, wie z. B. der Erklärung der „Anrede" im Vaterunser, verzichtet werden; aber auch, um die ganze Behandlung nicht in die Länge zu ziehen. Für daS Vaterunser genügen in der obersten Klaffe nach meinem Urteil neun bis zwölf Unter­ richtsstunden. Die Lehre von den Sakramenten ist mit Recht bei unS in Heffen dem Konfirmandenunterricht überlaffen. Sie gehört in die engste Verbindung mit der Sakraments Praxis.

28

Einleitung: Grundsätzliches.

zu können, kurz und großzügig sein müße.

Wohl könne man den Kindern

auf früheren Stufen, schon von der Mittelstufe an, einzelne Sätze des Katechismus in Anlehnung an den Unterricht in Biblischer Geschichte

vermitteln und so jenen abschließenden Unterricht vorbereiten und erleichtern. Aber wo der Katechismusunterricht selbständig auftrete, müsse er dem Kind

die zentrale Einheitlichkeit der christlichen Glaubens- und Lebensgedanken durch seine ganze Art zur Empfindung bringen und dürfe sich schon aus diesem Grund nicht in Einzelheiten verlieren.

Obgleich ich nun sehr für eigenständige Entwickelung unserer Volks­ schule auch im Verhältnis zur Kirche eingenommen bin, so meine ich

doch, diese Eigenständigkeit brauche nicht so weit zu gehen, um zu igno­ rieren, daß ein „zusammenfassender, abschließender" Katechismusunterricht (im weiteren Sinne) in der Konfirmandenunterweisung gegeben ist, und daß ein zusammenfassender Katechismusunterricht im letzten Schul­

jahr sich mit dem kirchlichen Konfirmandenunterricht beständig berühren, beziehungsweise stoßen wird.

Ob das im Interesse der Wirksamkeit beider

erwünscht ist, ist mir mehr als fraglich. Auch sind 4 Stunden Katechismus­

unterweisung in der Schule*) und 2 Stunden im Konfirmandenunterricht nebeneinander selbst dann mißständig, wenn man dem Konfirmanden­

unterricht einen anderen Stoff zuweist als dem Schulunterricht; das gibt denn doch eine Summe auf die Beeinflussung der religiös-sittlichen Lebens­

praxis der Kinder abgelegter Unterweisung, die selbst in dieser besonders aufnahmewilligen Zeit des Kindeslebens zu groß sein und damit ihre gemütanfassende Wirkung sehr stark in Frage stellen dürfte.

Aber ich

muß hervorheben, daß ich mich trotz allem, was in anderem Sinne Gutes

und Verständiges vorgeschlagen worden ist, noch nicht von der Möglich­ keit überzeugen kann, im Konfirmandenunterricht die Glaubensartikel un­ behandelt zu lassen: ich kann wenigstens nicht begreifen, wie man bei solchem Verfahren diese Artikel mit der Solennität in den Konfirmations­

akt hineinnehmen will, die denn doch kirchliche Vorschrift ist.

Und selbst

wenn diese Vorschrift einmal fiele, könnte die in der Konfirmation gipfelnde

besondere Seelsorgearbeit an der Jugend und ihre Einführung ins evan­ gelische Gemeindeleben (das ist mir der Konfirmandenunterricht) eine Be­ handlung der zentralen christlichen Glaubensgedanken unmöglich entbehren,

für

deren innere Verarbeitung

hier

(im Konfirmandenunterricht) die

*) Ich argumentiere ausschließlich in Absehen auf unsere hessischen Ein­ richtungen, bei denen es sich um vier wöchentliche Religionsstunden in der Volks­ schule handelt.

4. Maß und Ort des Katechismusunterrickts im Lehrplan der Volksschule.

29

psychologischen Bedingungen besonders günstig liegen. Ist diese Bemerkung

bezüglich der günstigen psychologischen Bedingungen aber richtig, so er­ wächst daraus die Notwendigkeit, daß bei Kollisionen wegen des Unter­

richtsstoffes der Religionsunterricht der Schule dem Konfirmandenunterricht

den Vorrang zu lassen hat, nicht um der Vorrechte der „Kirche", sondern um der Kinder willen. Aber ist der Katechismusstoff wirklich dazu angetan, um von feiten der Schule so rasch mit den Kindern behandelt werden zu können, wie es

die Vertreter des „abschließenden" Katechismusunterrichts wünschen?

Der

Konfirmandenunterricht, der die gründliche Durcharbeitung des Katechismus in der Schule voraussetzen darf, kann rasch und großzügig vorwärts gehen.

Aber ist dasselbe auch bezüglich der Durcharbeitung in der Schule möglich? Schon daß man es durch Billigung des „vorbereitenden" Katechismus­ unterrichts in früheren Schuljahren zu ermöglichen sucht, macht gegen die

ganze Sache bedenklich: denn dieser sich mehr mit der Oberfläche des Kate­

chismus beschäftigende „vorbereitende" Katechismusunterricht scheint mir

fast mit Notwendigkeit in den Verbalistischen und formalistischen Katechis­ musbetrieb hineinzuführen, den wir später als eine ebenso große Ver­ sündigung am Katechismus wie an den Kindern kennen lernen werden.

Wenn der Katechismusunterricht als Einführung in die christliche Glaubens- und Lebenspraxis auf die Kinder wirklich Eindruck machen und ihnen ausreichende Anhaltspunkte bieten soll, sich in ihrem Leben als Christen

zurechtzufinden, so wird dieser Unterricht gerade nicht zu knapp und nicht zu sehr bloß um ein paar ganz große Gesichtspunkte gruppiert erteilt werden

dürfen, so gewiß natürlich die gesonderte Katechismusunterweisung erst in den letzten Schuljahren, wenn die Kinder schon eine reichere Anschauung

religiös-sittlichen Lebens aus der Geschichte und der eignen Erfahrung

gewonnen haben, einsetzen darf.

Man hört eben oft die Klage, unsere

Predigt sei dadurch so wenig wirksam, daß sie sich zu sehr auf die Ein­

prägung der großen Züge christlicher Frömmigkeit und Sittlichkeit be­

schränke; dadurch werde dem einfachen Zuhörer die praktische Anwendung

dieser Grundsätze in seinem Leben ungebührlich erschwert, die Predigt gehe trotz scheinbarer Klarheit und Faßlichkeit über die Köpfe, jedenfalls

über die Gewissen weg und bleibe in allgemeinen Stimmungen hängen. Sind diese Bemerkungen aber hinsichtlich der Predigt richtig, so ist mit

Händen zu greifen, daß das, was man hier gegenüber Erwachsenen be­ klagt, Kindern gegenüber

noch viel mißständiger ist.

Ganz besonders

wird die Unterweisung in den christlichen Lebenspflichten dem kind-

Einleitung: Grundsätzliches.

30

lichen Unvermögen, von sich

aus nach großen Gesichtspunkten sittliche

Entscheidungen zu treffen, durch ein ausreichendes Maß von Spezialisie­

rung gebührend entgegenkommen müssen.

Es war doch nicht bloß Ent­

artung, sondern eine volkspadagogische Notwendigkeit, daß in der kirch­

lichen Bolksunterweisung des Mittelalters der ausgeführte Dekalog an die Stelle deS kurzen Liebesgebots getreten ist.

Luther hat daS hier

vorliegende Bedürfnis klar empfunden; deshalb geht er, ohne den Faden

des Ganzen zu verlieren, im 1. Hauptstück bewußtermaßen möglichst auf

Einzelforderungen aus.

Dagegen zeigt in den Erklärungen zu den

Glaubensartikeln schon sein Satzbau bei aller reichen Gliederung und Fülle das

Streben

nach

grundsätzlicher Einheit.

Die

Glaubensartikel sind

tatsächlich ganz anders dazu angetan, im Blick aufs Ganze behandelt zu

werden, als die 10 Gebote, wenngleich auch unter ihnen ein gewisser Unterschied ist — der 2. Artikel gruppiert sich am geschlossensten um eine einheitliche, ja, eine einzige religiöse Lebenserfahrung.

Jedenfalls wird man dem Tatbestand des Kleinen Lutherischen Kate­

chismus unterrichtlich

am besten dadurch gerecht, daß man der Unter­

weisung in den christlichen Lebenspflichten auf Grund des 1. Hauptstücks

ein ganzes Jahr hindurch 2 Stunden widmet, und zwar das drittletzte

(6.) Schuljahr.

Dann hat im 7. Schuljahr bei ebenfalls 2 Katechismus­

stunden wöchentlich der erste und zweite Glaubensartikel seinen Platz. Im letzten Schuljahr hätte das Sommerhalbjahr in wöchentlich 2 Stunden den 3. Artikel zu bringen; im Winter wäre in wöchentlich 3 Stunden

die früher empfohlene Besprechung der Hauptpunkte der Lehre Jesu und der Apostel mit Einfügung der kurz zu haltenden Erklärung des Vater­ unsers vorzusehen.

Der historische Lehrstoff wäre im 6. Schuljahr Altes

Testament (2 Stunden), im 7. Schuljahr Leben Jesu (2 Stunden; am

besten ist die Einrichtung, daß daS Leben Jesu in 2 Stunden während

deS Sommerhalbjahrs und dann in 4 Religionsstunden bis Weihnachten durchgeführt wird, damit im letzten Quartal alle 4 Religionsstunden für

den 2. Artikel als die praktische Antwort auf die Lebensarbeit Jesu be­ nutzt werden können).

Das letzte Schuljahr bringt im Sommer in 2,

im Winter in 1 Stunde Bilder aus der Kirchengeschichte*). *) Verlangt die Einrichtung des Schulsystems (2 Massige oder 4 Massige Schule) eine Wahl, ob man im 5. oder im 7. Schuljahr mit dem Katechismu-unterricht beginnen soll, würde ich mich trotz mancher Bedenken auS Gründen, die auS dem oben Entwickelten hervorgehen, für das 6. Schuljahr entscheiden und bann im o. und 6. Schuljahr nur eine Katechismusstunde nehmen. Mißlich bleibt KatechiSmuSunterricht mit 10 jährigen Kindern immer: er ist aber nicht unmöglich.

5. Die Methode des Katechismusunterrichts.

31

Auf dem angegebenen Weg wird erreicht, daß im allgemeinen die

Religionsstunden, in denen sich die Kinder unmittelbar praktisch angefaßt fühlen sollen, stets neben solchen herlaufen, während deren sie sich Sympathie und Antipathie

trachten können.

fromme

und

in

unfromme Persönlichkeiten be­

Das scheint mir im Interesse der inneren Wahrhaftig­ Nur das letzte Quartal des 7. Schuljahrs

keit von großer Wichtigkeit.

nimmt, wenn die oben empfohlene Gruppierung der Stunden befolgt wird, eine Sonderstellung ein, die sich aber auf diese Zeit

Stoff wohl rechtfertigen läßt.

und

bei

diesem

Auch das letzte Schulhalbjahr nimmt die

Kinder stärker für Katechismusunterweisung im weiteren Sinne in An­

spruch als vorher, 3 Stunden unter 4, wozu dann noch sogar der Kon­

Aber ich habe beobachtet, daß nicht nur die

firmandenunterricht kommt.

Kinder in dieser Zeit für Gemüt und Willen anfassende Unterweisung besonders empfänglich sind, sondern vor allem,

daß die von uns vor­

geschlagene Behandlung der Lehre Jesu und der Apostel sehr geeignet ist,

die Kinder vor der Empfindung zu bewahren, als sollte in unwahrer und treiberischer Weise mit praktischen Motiven christlicher Lebenshaltung auf sie

eingestürmt werden.

Das hängt damit zusammen, daß die Ordnung bei der

Unterweisung nach der Lehre Jesu eine ganz eigenständige ist. Aus dem Parallelismus von Altem Testament und 10 Geboten, Leben Jesu und 1./2. Artikel, Kirchengeschichte und 3. Artikel wolle man nicht

schließen, daß ich es nun auf stoffliche Konzentration zwischen geschicht­ lichem und Katechismusunterricht

absehe.

Sowenig

sich natürlich

ich

ergebende Beziehungen zwischen beiden Zweigen des Religionsunterrichts

geringschätze und unbenutzt lassen will, so halte ich doch im allgemeinen bei der von mir vertretenen Art des Katechismusunterrichts solche Kon­

zentration (abgesehen selbstverständlich vom 2. und auch zum Teil vom 3. Artikel) für eine nicht nur unnötige, sondern direkt schädliche Künstelei.

Man

sich

betrachte

nur

einmal

die

auS

Altem Testament einer-, 1. Hauptstück und

wachsenden Katechismusbearbeitungen!

Da

solcher

Konzentration

1. Artikel

andererseits

von er­

ist viel Geist und Kunst an

eine Sache verschwendet, die auf anderem Weg viel einfacher und leichter durchzuführen ist.

Vielfach ist die „Anlehnung" an die Biblische Geschichte

mehr Schein als Wirklichkeit.

5. Die Methode de- KatechiSmu-unterricht-. Die weitverbreitete Abneigung gegen den Katechismusunterricht er­ klärt sich zum guten Teil aus der Methode, die vielfach bis auf den

Einleitung: Grundsätzliches.

32 heutigen Tag

in

diesem Unterricht gehandhabt wird und die mit den

Forderungen der modernen Pädagogik nicht minder wie mit Gründer, kenntnissen der heutigen Religionspsychologie in Widerspruch steht.

Das

im Katechismus als Lehrstoff Gegebene sind zunächst einmal formulierte Grundsätze christlichen Glaubens und christlicher Sittlichkeit.

Bei einem

solchen Stoff liegt nun zweifellos die Gefahr vor, daß man von der

gegebenen begrifflich formulierten Aussage aus deduktiv, logisch begrifflich entwickelt,

statt die Entwicklung von der Anschauung aus zum Begriff

und zum Urteil aufsteigend, also induktiv, zu halten.

Gar manches Kate.

chismushandbuch und wohl fast noch mehr die Praxis des Katechismus­ unterrichts erliegt dieser Gefahr, eine begriffliche Zergliederung der Kate, chismusaussage, den Ausweis ihrer grammatischen und logischen Zusammen,

hänge, die Klarlegung ihres Wortverstandes mit katechetischer Behandlung gleichzusetzen.

Schickt man nun dem so (begrifflich) analytisch verarbeiteten

Katechismussatz ein oder mehrere Beispiele aus der Biblischen Geschichte

oder anderswoher zur „Illustration" nach und fügt man allerhand er. bauliche Ermahnungen und Betrachtungen an, so glaubt man alle pädagogische Gerechtigkeit erfüllt zu haben.

Dazu kommen dann,

um den

Kindern einen guten religiösen Schulsack mitzugeben, noch so und so viel äußerlich eingeprägte, nur grammatisch-logisch bearbeitete Bibelsprüche und gar auch Definitionen, die ebenso bearbeitet und auswendig gelernt werden — und der intellektualistisch-verbalistische Katechismus-

betrieb ist da, der einsichtigen Pädagogen die Überzeugung beigebracht

hat, daß diese Art religiöser Jugendunterweisung die gefährlichste Feindin

der Religion beim Kinde ist.

Und wo sich das religiöse Interesse infolge

warmer persönlicher Religiosität des Lehrers oder sonst durch glückliche Umstände selbst durch diesen Unterricht hindurch erhält, da liegt doch die

Gefahr sehr nahe, daß es in die falsche Bahn gelenkt wird, daß die Kinder

zu der Meinung kommen, Religion bestehe zunächst einmal und in erster Linie im Einprägen bestimmter Glaubenssätze.

Mit der

eben geschilderten Gefahr hängt

unmittelbar die andere

zusammen, daß man den Zusammenhang zwischen den verschiedenen Kate­

chismussätzen nicht für das praktische Verständnis des Kindes, sondern durch allerlei verstandesmäßig entwickelte und begründete Mittelglieder,

die aus den verschiedenen Sätzen vor den Augen des Kindes ein einheit­

liches System bauen sollen, herzustellen sich bemüht, während die Kinder erfahrungsgemäß für derartige logisch-systematische Verbindungen überhaupt

kein Sensorium haben.

Es ist unglaublich, wieviel kostbare Zeit in der

Die Methode de- KatechiSmusunterrichtS.

5.

33

angegebenen Weise zur Befriedigung des systematischen BedürfniffeS deS Lehrers,

beziehungsweise des von ihm befolgten Handbuchs,

vergeudet,

wieviel lebendiges Interesse dadurch bei den Kindern erstickt wird.

Selbst

wenn man solche logisch-systematischen Operationen als für die geistige

Gymnastik der Kinder heilsam ansieht, so ist doch der Religionsunter­

richt und sein Lehrstoff für sie am wenigsten geeignet, am allerwenigsten die auf Pflege praktischer Religiosität zielende Katechismusunterweisung.

Gewiß

wird

man

ja

auf Gruppierung

und Ordnung, auch

größerer

Reihen, nicht ohne weiteres verzichten wollen: Sinn für Ordnung hat das Kind auch, und Ordnung der Gedanken braucht es auch in religiös«.

Aber waS hier getan wird, geschehe im allerbescheidensten Umfang, und

dann trage man dafür Sorge, daß der Zusammenhang für die Kinder nach Möglichkeit praktisch, nicht nur theoretisch, hergestellt wird (z. B. Zusammengehörigkeit der Gebote der zweiten Tafel mit denen der ersten

im Kreis christlicher Pflichten: ein Mensch, der in die Kirche geht und gegen andere hinterlistig und boshaft ist — er erfüllt nicht die Pflichten

eines Christen).

Der eigentliche Halt für die Erinnerung deS

Kindes ist nicht durch irgendwelche Systematisierung, und wäre

sie an sich noch so gut, sondern schlicht gedächtnismäßig durch den Wortlaut

des

Katechismustextes,

eingeprägt wird, zu geben. Beschaffenheit

der

zu

dauerndem

Besitz

DaS stellt allerdings Ansprüche an die

dieses Textes, denen nach

meiner

Umfang nur der lutherische Katechismus entspricht.

Erfahrung

in

vollem

Am übelsten schneiden

unter dem geltend gemachten Gesichtspunkt die sogenannten exponierten Katechismen ab, da bei ihnen die dauerhafte Einprägung deS Wort­

laut- entweder fast unmöglich ist, oder aber jede Übersichtlichkeit, die un­ entbehrliche Gedächtnisstütze

ist, bei

der Einprägung fehlt.

Aber wir

haben ja schon aus anderen Gründen uns gegen exponierte Katechismen

aussprechen müssen. Das geschilderte logisch zergliedernde und systematisierende Verfahren

widerspricht nicht nur der kindespsychologischen Grundregel, daß dem Kind Anschauungsmaterial

an die Hand gegeben werden muß, von dem

auS eS denkend und urteilend weiterarbeiten kann: es steht auch im Wider­

spruch mit der grundlegenden Erkenntnis der neueren Religionspsychologie, daß religiös-sittliche Begriffe nur in Verbindung mit der Anschauung

religiös-sittlichen Lebens, dessen Ausdruck sie sind, innerlich verständlich und lebendig werden können.

Deshalb wird in der modernen Religions­

pädagogik, und zwar ohne Unterschied der Richtungen, einmütig die gor« Eger, Evangelische Jugendlehre. 2. ÄttfL

3

Einleitung: Grundsätzliches.

34

derung erhoben, daß der Katechismus, wenn überhaupt, nur so unterricht­

lich behandelt werden darf, daß dabei dem Grundsatz „von der Anschauung religiös-sittlichen Lebens zum religiös-sittlichen Begriff" gebührend Rechnung getragen wird.

Innerhalb dieser allgemeinen Forderung zeigen sich nun

aber wieder erhebliche Schattierungen im einzelnen.

Die Herbart-Zillerianer wollen im induktiv vorgehenden Abstraktions­ verfahren über die Stufen der Darbietung des geschichtlichen Anschauungs­

stoffes und der Vergleichung mit anderem Anschauungsstoff den Katechis­

mussatz als den formulierten vom Anschauungsmaterial abgelesenen Grund­ gedanken auf der Stufe des „Systems" erarbeiten; daran schließt sich dann

die Anwendung dieses Gedankens auf das Leben der Kinder in bestimmten Aufgaben, Urteilsfragen u. dgl.

Manche gehen gleich von der Stufe der

Vergleichung aus und beschränken das Verfahren auf die drei letzten

Formalstufen.

Dabei gilt allgemein als Grundsatz: „Die Katechismus­

aussage muß immer das Resultat der katechetischen Entwicklung, darf nicht

der Ausgangspunkt für diese Entwicklung sein."

Mit anderen Worten:

Der Lehrer soll zwar den betreffenden Katechismussatz von vornherein

als Ziel der unterrichtlichen Entwicklung im Auge haben; aber vor den Kindern soll der Satz erst da heraustreten, wo die Entwicklung zur Stufe des Systems gelangt ist. Während hier bei allem Gewicht, das auf die Verbindung des religiös­

sittlichen Grundsatzes mit der Anschauung religiös-sittlichen Lebens gelegt

wird, doch auch auf die Klarheit und Bestimmtheit des im Katechismus­ satz erscheinenden Gedankens gleichermaßen Rücksicht genommen wird,

verlegt eine andere Strömung der gegenwärtigen Religionspädagogik den Akzent ganz und gar auf das Leben, das hinter der Katechismusaussage als solcher steht, will die betreffende Aussage womöglich Luther selbst, oder auch irgendeinem andern Frommen als Äußerung seiner religiös­

sittlichen Erfahrung, als sein Bekenntnis, in den Mund legen und das Kind am interessierten Anschauen des Bekennenden das Bekenntnis inner­

lich verstehen lehren. Daß es dabei natürlich nicht so sehr auf die Einzel­ heiten der Katechismusaussage als vielmehr auf ihren Gesamtgehalt an­ kommen kann, ist klar: das Interesse wird stimmungsmäßig in Bewegung gesetzt in der durch den Katechismussatz angedeuteten Richtung.

Man

empfiehlt dies Verfahren ganz besonders für Behandlung der Glaubens­ artikel, nicht etwa nur für den als Ausdruck des Erlebnisses Luthers und

des Paulus verständlich zu machenden zweiten Artikel, sondern auch für den ersten, den man verschiedenen Menschen, einem Bauern, einem Fabrik-

arbeitet usw. in den Mund legen will, und geht damit in Bahnen, die z. B. auch für eine interessierende Behandlung des Kirchenlieds vorge­ schlagen worden sind — ein Beweis mehr, daß hier das Moment des stimmungsmäßigen Einfühlens dasjenige des klaren Erfasiens der Kate­ chismusgedanken, namentlich in ihren Einzelheiten, überwiegt. Auf die Analogie der Katechismusaussagen mit dem Kirchenlied (beides Bekenntnis im Sinn des AusströmenlaffenS des im Verfasser pulsierenden religiösen Lebens) wird von den Vertretern des letzterwähnten Verfahrens auch ausdrücklich hingewiesen und damit gezeigt, daß man der Eigenart des Katechismusbekenntnisses im Unterschied vom Liedbekenntnis nicht gerecht wird. Diese Eigenart besteht darin, daß der Verfasser des Katechismus daS für die kirchliche Gemeinschaft Normative in einer für alle Kirchenglieder faßbaren Weise zum knapp und bestimmt formulierten Ausdruck bringen will. Natürlich handelt es sich dabei um das, was nach des betreffenden Verfassers des Katechismus persönlicher Überzeugung für einen evangelischen Christen normativ ist — aber wir haben schon oben (S- 22) nachgewiesen, daß es z. B. Luther sehr ernstlich darum zu tun ist, im kleinen Katechismus seine persönlichen Anliegen hinter das zurück­ treten zu lassen, was die einfältigen Glieder der evangelischen Gemeinschaft für ihr frommes Leben brauchen. — DeS weiteren zeigt aber die Sorg­ falt, mit der Luther die einzelnen Ausdrücke seiner Katechismuserklärung abgewogen hat, daß ihm die Formulierung in ihren Einzelheiten von Bedeutung ist, daß es ihm nicht auf die Stimmung im allgemeinen, son­ dern auf die klare Erfassung der Einzelgedanken ankommt?) Dem wird ein Verfahren nicht gerecht, das die Katechismusaussage als Ganzes in das Leben eines fte Bekennenden einschmilzt — auch wenn man das Be­ kenntnis dadurch zu einem aktuellen, für die Kinder nacherlebbaren zu machen sucht, daß man ihnen verschiedene Bekennergestalten alle hinter dem gleichen Bekenntnis stehend zeigt. Die Einzelheiten der KatechismuS') Am deutlichsten tritt daS Bestreben Luthers, auf Einzelheiten den Blick zu

lenken, bei der Erklärung der 10 Gebote hervor — eine sittliche Unterweisung der Jugend ist ja doch auch in gesunder Weise nur so möglich, daß den Kindern die

Weite des christlichen LiebeSgebotS in den einzelnen Gebieten und den einzelnen

Äußerungen

seiner Betätigung

zum Bewußtsein gebracht wird.

Aber auch bei

Luthers Auslegung der Glaubensartikel findet sich bei allem Streben nach dem grundsätzlich einheitlichen persönlichen Verhältnis zum Vater, zum Sohn, zum heiligen

Geist doch wieder eine reiche Differenzierung in Einzelgedanken, die ein besondereEingehen verlangen.

Einleitung: Grundsätzliches.

36

aussage können sich nur so den Kindern mit genügendem Nachdruck ein­ prägen, daß die Kinder von vornherein auf diese Einzelheiten aufmerk­

sam gemacht werden, und daß das Anschauungsmaterial unter dem Ge­

sichtspunkt dieser Einzelgedanken an die Kinder herangebracht wird. Hier liegt nun auch ein Mangel des von den Herbart-Zillerianern

vertretenen Verfahrens, den Katechismussatz, bzw. die Teilaussage desselben, erst am Ende der Entwicklung in der klassischen Formulierung vor den

Kindern erscheinen zu lassen.

Wenn auch in wesentlich minderem Maß

als bei der bisher geschilderten und kritisierten Weise besteht auch hier die Gefahr, daß über der Vertiefung in den Anschauungsstoff die klare

Erfassung des Katechismusgedankens in seiner eigenartigen Formu­ lierung zu kurz kommt, daß zwar der im Katechismus ausgedrückte Ge­ danke in der Hauptsache richtig erfaßt wird, aber ohne daß eine genügend

feste Verbindung zwischen dem Gedanken und dem bestimmt formulierten

Katechismuswort hergestellt wird, die es ermöglicht, daß ohne Dazwischen­

treten eigentlicher Reflexion mit dem dem Gedächtnis eingeprägten Katechis­ muswort auch die Anschauungen, Stimmungen, Werturteile, die der Unter­

richt damit verknüpfte, im Kind lebendig mitschwingen.

Nur bei einer

derartigen Belebung des Katechismustextes als solchen haben wir das

Recht, auf die Einprägung des Katechismuswortlauts bei den Kindern den Nachdruck zu legen, der darauf allgemein, und mit gutem Grund,

gelegt wird. Das hier angedeutete Arbeitsziel kann nur dann erreicht werden,

wenn die Kinder den Anschauungsstoff des Katechismusunterrichts von

vornherein unter dem Gesichtspunkt des Katechismusworts apperzipieren,

d. h. also, wenn es der Katechismusunterricht auf eins Erläuterung des Katechismuswortlauts ablegt.

Hier liegt das Wahrheitsmoment der

traditionellen analytischen Behandlung des Katechismustextes.

Es fragt

sich, ob die enge Anlehnung des Unterrichtsganges an den Katechismus­ wortlaut, das Ausgehen der Entwicklung vom Katechismustext, beibehalten

werden kann, ohne daß man die oben hinreichend gerügten Fehler des seitherigen Verfahrens konserviert. Das Wahrheitsmoment des analytischen Verfahrens einer-, des von

der Anschauung religiösen Lebens ausgehenden synthetischen Verfahrens anderseits kann dadurch gleichermaßen zur Geltung gebracht werden, daß der Katechismustext im ganzen und im einzelnen formell den Rahmen

und das Ziel der Entwicklung abgibt, während die Entwicklung in­

haltlich von der Anschauung, vom konkret Gegenständlichen auszugehen hat.

5.

Die Methode deS Katechismusunterrichts.

37

Das Katechismuswort erscheint zuerst als Zielangabe; dann setzt die Entwicklung mit der Darbietung der geeigneten Anschauung ein — das

erreichte Ziel kommt dann wieder

zum Ausdruck.

im Katechismuswort

Die Befürchtung, daß man auf diesem Weg die Spannung und das Interesse

der Kinder lähme, weil ihnen das Ziel der Entwicklung auch schon in der

Formulierung von Anfang an bekannt sei, ist vollständig unbegründet: die Erfahrung lehrt, daß die Kinder besonders gern auf dem Weg zur

inhaltlichen Erfassung des Ziels mitgehen, wenn ihnen dies Ziel formell schon von vornherein als Wegweiser gegeben ist.

Die Bemühung, zuerst

für die Zielangabe, die doch gedanklich mit dem Katechismuswort als Ziel der Entwicklung übereinstimmen soll, eine vom Katechismuswortlaut ab­ weichende Formulierung zu bieten, ist künstlich und gesucht: das Einfachste

ist auch hier nicht nur das Leichteste, sondern auch das Beste.

der die Eindrücke der verschiedenen Anschauungen

für

Der Rahmen,

die Kinder zu­

sammenhält, wird bei dem von uns empfohlenen Verfahren den Kindern

und dauerhafter im schlichten,

viel fester

eingeprägten

gedächtnismäßig

Katechismuswort an die Hand gegeben als bei den von uns abgelehnten Behandlungsweisen — was das für einen Unterricht bedeutet, dem für

Ordnung der an die Kinder herangebrachten Anschauung nicht wie dem „geschichtlichen" Religionsunterricht eine bestimmte Reihenfolge

zählungen zu Gebote steht, leuchtet auf den ersten Blick ein.

der

Er­

Ich mache

übrigens darauf aufmerksam, daß abgesehen von dem einen Punkt: Aus­

gehen vom Katechismustext als Zielangabe unser Verfahren sich in wesent­ licher Übereinstimmung mit den Herbart-Zillerianern, soweit sie einen selb­

ständigen Katechismusunterricht überhaupt zulasten, befindet.

Nur bewegen

wir uns in Einhaltung der Formalstufen im einzelnen freier.

Aber der

von der Herbart-Zillerschen Schule verfochtene Satz: den religiös-sittlichen Begriff nur im engsten Zusammenhang mit dem religiös-sittlichen Leben und aus der Anschauung dieses Lebens heraus verstehen — der Satz ist

unwiderleglich richtig und kommt auch bei unserem Verfahren unverkürzt

zu seinem Recht. Eine besondere Schwierigkeit scheint noch darin zu liegen, daß der

Text

des

kleinen

lutherischen Katechismus sich aus dem Wortlaut der

betreffenden Katechismushauptstücke (10 Gebote, Glaubensartikel, Vater­ unser) und

aus

der zugehörigen

lutherischen ErNärung zusammensetzt.

Was soll da im einzelnen den Kindern als Ziel angegeben werden?

Ganz

zu verwerfen ist das vielfach übliche Verfahren, Gebot und lutherische Erklärung, Artikel und ErNärung je für sich zu behandeln: wenn der

Einleitung: Grundsätzliche-.

38

Luthertext als Erklärung zur Geltung und den Kindern zum Bewußt­ sein kommen soll, muß er in unmittelbare Verbindung mit dem durch ihn

Erklärten gesetzt werden. schehen,

Das hat zunächst einmal mehr formell zu ge­

indem der Aufbau des betreffenden Katechismusstücks und der

Erklärung nebeneinandergehalten und miteinander in Verbindung gesetzt

werden.

Bei den Glaubensartikeln tritt dann die Zusammengehörigkeit

zwischen den einzelnen Aussagen des Symbolums und den einzelnen Teilen

der lutherischen Erklärung unmittelbar heraus.

Bei den Geboten ist es

vielfach erforderlich, die Verbindung durch allerhand sachliche Überleitungen zu vermitteln, so daß zunächst das Gebot im ursprünglichen alttestament-

lichen Sinn erläutert und von da zur neutestamentlichen Vertiefung durch Luther weitergeschritten wird.

(Bergl. besonders beim 1., 3., 5. Gebot!)

Ziel der vorläufigen Besprechung bleibt dann aber immer, zu der Frage

zu kommen, was uns als Christen das

Gebot:

Du sollst nicht

andere Götter haben uff. nach der Meinung Luthers sagt.

Und

für die Antwort auf diese Zielfrage geben dann die einzelnen Stücke der

lutherischen Erklärung die Teilziele an.

Die von Luther gebotene Glie­

derung wird gleichfalls zunächst formell, soweit nötig auch grammatisch,

deutlich vor den Kindern herausgestellt, nicht zu flüchtig — denn was hier an Klarheit gewonnen wird, erleichtert wesentlich den raschen und einfachen Fortschritt der nachfolgenden sachlichen Erörterung —, aber so,

daß den Kindern immer bewußt bleibt, daß es sich nur um vorbereitende, klärende Arbeit handelt?)

Es soll hier gar nichts aus den Katechismus­

aussagen begrifflich entwickelt, sondern lediglich ein klarer Überblick gewonnen werden.

Deshalb hat das Verfahren mit dem verbalistisch-formalistischen

Katechismusbetrieb, dem es vielleicht auf den ersten Blick ähnlich sieht,

innerlich gar nichts gemein.

Bei Feststellung deffen, was von den Einzelausdrücken der lutherischen Erklärung als selbständige Teilzielangabe zu verwerten ist, sehe man ebenso

darauf, daß man die feinen Schattierungen des Luthertextes gebührend auSschöpft (verraten, afterreden, bösen Leumund machen; von allen Sünden, vom Tod und

von der Gewalt des Teufels),

wie man sich

vor der

*) Die erforderliche Genauigkeit läßt sich mit der wünschenswerten verhältnis­ mäßigen Knappheit der Behandlung bei diesem Teil der unterrichtlichen Arbeit vor­ trefflich vereinigen, wenn die oben (S. 21, Anm.) erwähnten KatechiSmuStaseln benutzt werden. Sie machen die Gliederung des LuthertexteS unmittelbar anschaulich und erleichtern den Kindern die vorläufige Verbindung, da der Text n.och nicht eingeprägt zu werden braucht.

6. Die Methode bei KatechiSmuSunterrichtS.

39

Pedanterie hüten muß, nun jede- von Luther zur Verstärkung deS Aus­

drucks verdoppelte Wort

auch

als Angabe

mehrerer Teilziele

zu ver­

wenden (loben und danken; lieb und wert haben; erlöst, erworben und gewonnen.

Bei helfen und fördern; helfen bessern und behüten kann man

zweifelhaft fein; eS wird wohl Unterscheidung mit dem ausdrücklichen Hin­

weis auf die enge Zusammengehörigkeit

rätlich sein).

Maßgebend muß

dabei immer die Erwägung bleiben, ob durch die Teilung auch wirklich

eine sachlich für die Kinder wertvolle und ihnen zugängliche Unterscheidung angebahnt werden kann.

Ergibt sich die Notwendigkeit, inhaltlich über

den Rahmen dessen, waS Luther geboten hat, hinauSzugehen, dann sage

man daS den Kindern entweder gleich bei der vorbereitenden Verständigung

über das, was als Ziel der Entwicklung besprochen werden soll, oder man erledige zuerst die Besprechung an Hand des Luthertextes und sage

dann den Kindern offen, daß Einem noch anderes wichtig zu besprechen scheine, worauf Luther nicht eingegangen sei (z. B. beim 7. Gebot Be­

sprechung der Arbeit, beim 8. Gebot der Lüge).

Im allgemeinen wird der

Gang der Entwicklung inhaltlich durch die Einzelheiten der lutherischen

Erklärung

bestimmt;

die Aussagen

deS betreffenden Hauptstücks selbst

(Gebot, Artikel) kommen ja für unS unter dem Gesichtspunkte der luthe­

rischen Erklärung in Betracht. Es werden oft genug innerhalb der durch den Luthertext gegebenen Teilziele noch Unterziele notwendig sein.

Es empfiehlt sich nicht, diese

auch schon bei der vorbereitenden Arbeit anzubringen — daS würde diese

Arbeit unerwünscht erweitern, auch die Klarheit deS Überblicks beeinträch­ tigen und die Bedeutung des LuthertexteS als Anhaltes für das Gedächtnis der Kinder verwischen—; vielmehr hat man sie erst im Lauf der sachlichen

Entwicklung hervortreten zu lassen. Das erreichte Unterziel (in der Regel nicht schon daS anzugebende), u.U. auch daS erreichte Teilziel der lutherischen

Erklärung, wird dann oft mit Nutzen in einem Bibelspruch klassisch und für die Kinder eindrucksvoll fixiert bzw. verstärkt. (Vgl. darüber unten S. 49 f.)1) Nachdem so der Rahmen der sachlichen Arbeit den Kindern klar her­

gestellt ist, folgt daS Hauptstück der unterrichtlichen Arbeit, die sachliche Entwicklung selbst.

Hierbei wird nicht vom Begriff aus deduziert, sondern

*) Die außerordentlich zahlreichen kleinen Unterziele, die unsere Bearbeitung bietet, sind nicht alle alS den Kindern anzukündigende gemeint. Vielmehr sollen sie als Kontrolle für den klaren und durchsichtigen Gedankenfortfchritt dienen und können in dieser Bedeutung für die private Vorbereitung deS Lehrer- gar nicht überschätzt werden.

Einleitung: Grundsätzliches.

40

Von der Anschauung aus aufgebaut.

Aber der Anschauungsstoff wird (das

ist der enorme Vorzug unseres Verfahrens) von vornherein unter dem Gesichtspunkt der im Teilziel ausgedrückten religiös-sittlichen Wahrheit apper-

zipiert und kann dadurch leicht von den Kindern unter diesem Gesichtspunkt

mitverarbeitet werden.

Als Anschauungsstoff kommt, besonders als Aus­

gangspunkt der Entwicklung, in erster Linie eine geeignete Geschichte in Betracht: diese macht den Kindern die erforderliche Anschauung schon in

stilisierter und deshalb leicht von ihnen innerlich zu erfassender Form zu­ gänglich.

Die Kinder Anschauungsstoff aus ihrer Erfahrung schon als erste

Grundlage der Entwicklung herbeitragen zu lassen, empfiehlt sich im allge­

meinen nicht: dieser Stoff bringt einmal nur den noch nicht aus einer be­ stimmten religiös-sittlichen Idee plastisch stilisierten Rohstoff, dann aber steht er auch den Kindern nicht genügend objektiv gegenüber, um von ihnen ruhig durchdacht werden zu können. Übrigens ist die Verwendung einer nur

skizzierten, nicht als ausgeführte Geschichte stilisierten Anschauung auch

als Ausgang für die Entwicklung keineswegs ausgeschlossen; unveräußer­ licher Grundsatz bleibt nur, daß alle sachliche Entwicklung von der Dar­

bietung einer konkreten Anschauung, an deren Verarbeitung sich die Kinder interessiert beteiligen können, ausgehen muß, nie von der Zerlegung eines

Begriffs.

Steht als Ausgangspunkt eine geeignete biblische Geschichte zur

Verfügung, so ist ihre Verwendung besonders zu empfehlen, einmal wegen

der Wertung, die das Kind dem biblischen Stoff unwillkürlich entgegen­ bringt (vgl. darüber unten S. 48), dann aber auch und vor allem, weil

hier die Stilisierung aus einer beherrschenden religiös-sittlichen Idee heraus

meist am unmittelbarsten zum Bewußtsein kommt.

Aber man soll sich

nicht sklavisch an das Ausgehen von einer biblischen Geschichte binden;

häufig genug bietet sich die als Ausgangspunkt geeignete Anschauung ein­ facher und klarer außerhalb des biblischen Stoffes, in Abschnitten (auch poetischen) aus dem Lesebuch oder anderer Literatur, in Erzählungen, die

u. U. der Lehrer auf Grund von Ereignissen selbständig formuliert hat,

in Tatsachen des die Kinder umgebenden Lebens (vgl. besonders den 1. Ar­ tikel), auch in Bildern und Vergleichungen.

Welche Anschauung als Aus­

gangspunkt zu wählen ist, das muß von Fall zu Fall entschieden werden?) J) So ist es z. B. völlig verkehrt, bei Besprechung des „die Eltern verachten" im 4. Gebot von Absalom auszugehen.

Die Besonderheiten des Falles liegen den

Kindern viel zu fern; auch macht das Beispiel gröblichster .Verachtung", zu früh

eingeführt, die Kinder weniger empfindlich gegen die milderen Formen der Ver­

achtung, die in ihrem Leben praktisch sind.

5.

Die Methode des Katechismusunterrichts.

41

An dem Anschauungsmaterial wird zunächst der Tatbestand religiös­

sittlichen Lebens, auf den sich die vorliegende Katechismusaussage bezieht, festgestellt. Bei komplizierteren Tatbeständen braucht man eventuell mehrere

Geschichten, an denen der Tatbestand in seinen verschiedenen Schattierungen

festgestellt wird.

Dem wird dann häufig am besten gleich, ehe die Kinder

zur religiös-sittlichen Beurteilung des Tatbestandes angeleitet werden und

der Versuch gemacht wird, das Gemüt und den Willen der Kinder dem Tatbestand gegenüber in bestimmter Richtung zu beeinflussen, das erforder­

liche Vergleichsmaterial aus Geschichten und Erzählungen oder der

realen Erfahrung des Kindes hinzugefügt, damit die Beobachtung des

tatsächlich Gegebenen zunächst einmal möglichst ruhig und objektiv, wenn auch natürlich nicht uninteressiert, erfolgen kann?)

Dann zieht man die

Kinder in die gemüts- und gewissensmäßig orientierte Beurteilung des

vorgelegten Tatbestands hinein, damit sie sich lebendig im Erwählen des Guten und Verwerfen des Bösen finden und daraus dann die Anwendung auf ihr eignes Verhalten ziehen lernen?)

Je weniger bei dieser Beein-

x) Man mag die zum Vergleich herangezogenen Stoffe bald auskaufen, bald

nur anklingen lassen; immer müssen sie aber im Dienst des Unterrichtsziels wirk­

lich benutzt werden.

Das beliebte bloße Nennen von Geschichtsüber-

schriften in möglichst großer Anzahl ist nutzloser Ballast.

Es kommt

überhaupt bei Beeinflussung des religiös-sittlichen Urteils der Kinder nicht auf das Quantum der Anschauung an, sondern darauf, daß die gegebene Anschauung möglichst überzeugend ist.

Hier liegt ein Unterschied zwischen dem Induktions­

verfahren auf rein intellektuellem und auf religiös-sittlichem Gebiet, der leider nur zu

oft übersehen wird.

Gewiß soll das Anschauungsmaterial mannigfach genug sein,

um das Kind fühlen zu lassen, was alles in dem das Unterrichtsziel bildenden

Satz oder Wortbegriff steckt; aber bei zu reichlichem Material geht dem Kind die Übersicht verloren. Und die durchsichtige Einfachheit ist unentbehrliche Voraussetzung für wirklich innere Aneignung gerade auf religiös-sittlichem Gebiet. Auch genügt

auf diesem Gebiet unter Umständen eine einzige Anschauung, die Gemüt und Ge­ wissen des Kindes zwingt, um es zu völlig klarer Erkenntnis und zu freudiger An­

erkennung der veranschaulichten Wahrheit zu veranlassen. *) Die Frage, welche Mittel zur Willensmotivation bei den Kindern in Betracht kommen, kann von uns nur gestreift werden.

Wenn Scheller (Die Beeinflussung

der Seele in Predigt und Unterricht, Leipzig, Strübig) als Motiv lediglich den Nutzen,

beziehungsweise Schaden der Handlung (natürlich im weitesten und edelsten Sinn)

anerkennen will, so übertreibt er etwas Wertvolles und Richtiges, das er gesehen

hat.

Mit der bloßen Güterethik kommen wir bei Kindern so wenig aus wie bei

Erwachsenen, wenn wir nicht die ganze Ethik ruinieren oder dadurch Taschenspielerei

treiben wollen, daß wir dem Kind allerhand als „Gut" imputieren, was ihm lediglich

unter dem Gesichtspunkt der Pflicht oder des Ideals zugänglich ist.

Die Rücksicht

Einleitung: Grundsätzliches.

42

flussung der Kinder erbaulich moralisiert werden muß, je mehr sich ihnen die Motivierung des Willens unmittelbar aus der Durcharbeitung des

Anschauungsstoffes ergibt, desto besser ist der Unterricht, desto williger

gehen die Kinder von Anfang bis zu Ende mit. Hauptsache bleibt immer, daß die einzelnen Teile der Entwicklung in der Durchführung sauber auseinandergehalten werden und den Kindern

immer klar bleibt, auch nach Bedürfnis immer wieder klar gemacht wird, bis zu welchem Punkt, speziell der Katechismusaussagen, die Entwicklung

fortgeschritten ist.

Das erreichte Ziel ist nicht in Form einer besondern

Definition zu markieren, sondern schlicht zusammenfassend: Jetzt wiffen wir, auf welche Weise leider oft genug Kinder ihre Eltern verachten, und warum das so häßlich und unrecht ist.

Über die Zusammenfügung der

Teilziele zum Hauptziel wie über die Herstellung der Beziehungen zwischen

den Teilzielen können Angaben allgemeiner Art nicht gemacht werden, da hier die verschiedensten Möglichkeiten vorliegen.

Allgemein kann jedoch

bemerkt werden, daß man sich mit ausdrücklicher Herstellung solcher Ver­

bindungen und Beziehungen nicht sonderlich aufzuhalten

braucht, wenn

man bei der sachlichen Erarbeitung der Einzelbegriffe für das richtige

Anschauungsmaterial, auch was das Verhältnis zu den anderen Teilen anlangt, gesorgt hat.

Deshalb ist die Verwendung von Anschauungsstoff

sehr zu empfehlen, der über ein größeres Gebiet der Entwicklung, nicht nur an einem Punkt, verwertbar ist.

Eine solche Geschichte wird am

besten den Kindern nicht gleich im ganzen dargeboten, sondern je nach

den Erfordernissen der Entwicklung am passenden Punkt wieder ausge­ nommen.

Das geht natürlich am leichtesten, wenn es sich um eine den

Kindern schon bekannte Geschichte handelt.

Aber auch unbekannte kann

man mit sehr großer Spannung des kindlichen Interesses abschnittweise darbieten und verwerten.

Natürlich alles nur,

solange

es

sich

unge-

auf die Folgen der Handlung (bzw. Gesinnung) soll gebührend zur Geltung kommen, je jünger die Kinder sind, um so mehr; aber die höhere Form der Motivierung, die auch schon bei jungen Kindern durchaus verwendbar ist, ist die Inanspruchnahme des Gehorsams, das schlichte und einfache: du sollst (Stufe des Gesetzes), die höchste Form die der willigen Hingabe an das als gut und wahr Erkannte, der Begeisterung für das Ideal (Stufe der Freiheit). Mit den beiden letztgenannten Formen wird man praktisch mindestens genau so gut auskommen wie mit der ersten; man wird die Kinder aber sachlich höher führen. — Sorgfältig zu beachten ist noch, welche erhöhende kräftigende Wirkung auf alle geistigen Funktionen des Kindes, auch auf sein Gemüts- und Willensleben, die Inanspruchnahme der kind­ lichen Phantasie ausübt.

6. Die Methode deS KatechiSmuSunterrichtS.

43

zwungen und ohne den Eindruck schädigende Zerstückelung der Geschichte machen läßt?)

Durch solche Teilung in der Darbietung der Geschichte

kommt die Fülle

ihres Inhalt- gebührend zum Verständnis;

sie wird

völliger ausgenommen, als wenn man den Kindern gleich die Verarbeitung Und doch bleibt die Geschichte so immer im Dienst

deS Ganzen zumutet.

der vom betreffenden Katechismusgedanken beherrschten Entwicklung, während

sie bei Darbietung im ganzen leicht selbst die Entwicklung, vielleicht im Verhältnis zum Katechismusziel abwegig, bestimmt.

Daß die Verstärkung deS Eindrucks des erreichten Ziels oder Teil­

ziels durch einen den Zielgedanken klassisch ausdrückenden Bibelspruch er­ wünscht ist, ist schon erwähnt.

Ebenso ist sehr zu empfehlen, daß man

an Höhepunkten der Entwicklung die Stimmung in einem Lied oder Lied­

vers

ausklingen läßt.

Doch ist hier

die Einhaltung

des StimmungS-

mäßigen besonders zu beachten; der gedanklichen Entwicklung selbst sollen die Liedverse nie dienen.

So wird bei dem angegebenen Verfahren die pädagogische Regel: von der Anschauung zum Begriff, sowie der religionspsychologische Grund­

jatz: keine religiös-sittliche Aussage ohne

angeschauteS religiös-sittlicheS

Leben voll gewahrt und zugleich erreicht, daß der Wortlaut deS Katechis­ mus in seinen Einzelheiten den Kindern innerlich zugänglich, daß er ein fester Anhalt für ihr Gedächtnis und

ihr religiös-sittliches Urteil

normativer Grundsatz des Glaubens und

des Lebens

wird.

Und

aldie

Aufnahme des Anschauungsstoffes geschieht unter einem bestimmten für die Kinder praktisch bedeutsamen Gesichtspunkt,

was

nie

den Eindruck

müßiger Wiederholung einer den Kindern schon bekannten Geschichte auf­ kommen läßt.

Im Gegenteil ist es den Kindern immer äußerst inter-

effant zu merken, was eine Geschichte, die sie schon kennen, ihnen unter dem und dem Gesichtspunkt sagen kann.

So bilden sich für die Kinder

durchaus aktuelle Beziehungen sowohl zum religiös-sittlichen AnschauungSstoff wie zum Katechismustext, und die Fähigkeit, sich nach dem Maß der

eingeprägten Regel,

unter Beziehung auf den von ihnen als praktisch

bedeutsam angeeigneten Anschauungsstoff, in ihrem eignen Leben zurecht­

zufinden, wird fort und fort geübt.

Dabei bleibt doch immer dem KatechiS-

musunterricht fein schlicht unterrichtlicher Charakter vollauf gewahrt,

*) DaS klassische Beispiel für eine derartige die Entwicklung weithin be­ gleitende und tragende Geschichte ist die Erzählung vom barmherzigen Samariter beim 6. Gebot: die Mörder beim Verbot, Priester und Levit beim Übergang zum Gebot, der Samariter beim Gebot selbst.

Einleitung: Grundsätzliche-.

44

und die Klippe, die nächst einem formalistischen Verbalismus dem Katechis­ musbetrieb am gefährlichsten wird: daß der Lehrer sich in erbaulichem

Predigtstil verliert, wird vermieden.

Das wird um so sicherer der Fall

sein, wenn durch regelmäßige, gewisienhafte Wiederholung von Stunde zu Stunde die gedächtnismäßige und verständige Aneignung des durch­

genommenen Stoffes fortlaufend geprüft wird.

Auch der Katechismus­

unterricht dient auf die von uns angegebene Weise wie jeder andere Unter­ richt der Bereicherung, Klärung, Vertiefung der Erkenntnis: nur daß diese Erkenntnis hier unmittelbar praktischer Art ist, auf Beeinfluffung

des Wollens und Handelns abzielt. 6. Katechismus und Offenbarung (Bibel).

Bei dem über die Motivation der Kinder Bemerkten (S. 41) wurde ein wichtigstes Mittel, Gemüt und Willen der Kinder zu beeinfluffen, vorläufig absichtlich außer Betracht gelassen, mit dem in der früheren

Praxis der Katechismusunterweisung nahezu allein als solchem operiert

wurde, und das auch von uns gebührend gewürdigt sein will: daß es der Katechismusunterricht darauf

ablegen

muß, in den Kindern das

Bewußtsein zu pflegen, wie die an sie herangebrachten und ihnen ein-

gepflanzten Grundsätze christlichen Glaubens und Lebens auf der Offen­ barung Gottes

ruhen und

daraus vor allem

anderen

ihren über­

ragenden Wert und ihre absolut verpflichtende Kraft entnehmen. Die ziemlich allgemeine Ablehnung der Katechismusmethode, die die Überein­

stimmung des Katechismussatzes mit der Offenbarung Gottes an dem einzelnen aus dem Zusammenhang gerissenen Bibelspruch

zu erweisen

suchte, bedeutet im allgemeinen nicht eine geringere Wertung des Mo­ ment- der Offenbarung, sondern richtet sich dagegen, daß durch das an­ gedeutete Verfahren die Kinder statt an die Urkunde der Offenbarung,

die Bibel, an den Katechismus als die für sie maßgebende religiös-sitt­

liche Autorität gebunden würden, daß der Offenbarung Gottes in der Schrift die Rolle einer Dienerin des Katechismus zugewiesen würde.

Im Gegensatz zu diesem Verfahren wird jetzt in der Theorie ganz allgemein die Forderung vertreten, daß die heilsgeschichtliche Offenbarung

Gottes daS beherrschende Element auch im Katechismusunterricht zu sein

habe, daß dieser Unterricht die Offenbarung Gottes, deren grundlegende

Geschichte die Bibel beurkundet, den Kindern überall als die tragende

Autorität ihres religiös-sittlichen Lebens zum Bewußtsein bringen müsse. Dabei will man, auch bei großer Verschiedenheit der theologischen Stellung

6. Katechismus und Offenbarung (Bibel).

45

zur Schrift, durchgängig von der bloß äußerlichen Autorität des einzelnen

Bibelsatzes nicht nur, sondern

auch der einzelnen biblischen Erzählung

loskommen und die Kinder den betreffenden Satz, die betreffende Er­ zählung in ihrem Zusammenhang mit den HeilSgedanken Gottes über die

Menschheit

empfinden

lassen (was, nebenbei bemerkt, wesentlich leichter

gefordert als ausgeführt ist).

Da diese Heilsgedanken sich in Christus

zentralisieren und vollenden, wird die Forderung: der KatechismuSunterricht

muß Deutung der Heilsgeschichte für das persönliche Bedürfnis der Kinder sein, meistens

in

die Form

gebracht:

Der Katechismusunterricht muß

christozentrisch sein; er muß den Kindern Christus vor Augen malen. Alle Stücke des Katechismus muffen deutlich und ausdrücklich auf die Autorität Christi bezogen werden und von dieser Beziehung auf Christus für die Kinder den Charakter

des Maßgebenden und Bestimmenden empfangen.

Auch was an alttestamentlichen Erzählungen und Worten im Verlauf der

Unterweisung eingeführt wird, will durchaus von Christus aus verstanden sein. Die Forderung, daß die praktisch-religiöse Beeinflussung der Jugend

durch

den Katechismusunterricht

christlichem,

nuu

christozentrisch

gar evangelischem Boden einfach

sein

muß,

ist

selbstverständlich,

auf so

selbstverständlich, daß die keineswegs eindeutige Formel genauer bestimmt

werden muß, um etwaS Bestimmtes zu sagen.

Denn als christozentrisch

kann sich schließlich auch ein dogmatistisch - biblizistisches Lehrverfahren be­

zeichnen,

indem behauptet werden kann,

daß Dogma

und

(biblizistisch

gebrauchte) Schrift nach evangelischer Einsicht durchaus in Christus zen­ tralisiert

sein

wollen.

Aber

wenn

auch das dogmatistisch-biblizistische

Verfahren in der Praxis des Katechismusunterrichts (und der Spruch­

bücher) noch deutliche Spuren zurückgelassen hat, so will es doch in der Theorie so leicht niemand

mehr.

Vielmehr ist die

im

engern

Sinn

christozentrische Behandlungsweise des Katechismus darauf aus, die ge­ schichtliche Person Jesu mit ihrem Tun und Lehren in allen Teilen

der Katechismusunterweisung, beim 1. Hauptstück und beim 1. Artikel so gut wie beim 2. und 3. Artikel, zu ihrem Recht kommen zu lassen.

Die

zehn Gebote werden bei konsequenter Durchführung dieses Verfahrens je auf ihre

tatsächliche Erfüllung durch Christus angesehen und so unter

dem Gesichtspunkt der Nachfolge Jesu an die Kinder herangebracht; daS

Kindesverhältnis zu Gott nach dem 1. Artikel wird am historischen JesuS

abgelesen und von ihm aus ausgenommen. Bei aller unverkennbaren Verwandtschaft dieses Verfahren- mit be­ stimmten Strömungen in der heutigen Theologie ist eS doch keineswegs

Einleitung: Grundsätzliches.

46

auf die Anhänger einer bestimmten theologischen Richtung beschränkt, weil

eS den Grundsatz christozentrischer Behandlung in einer Form zur Geltung bringt,

die

unterrichtlich besonders brauchbar und wertvoll erscheint.

Aber so gewiß wir das starke Wahrheitsmoment des angegebenen Ver­

fahrens nicht verkennen, es auch in unserer Auslegung allenthalben zur

Anwendung bringen werden: in der Fassung, in der die Forderung der

Christozentrie hier geltend gemacht wird, liegt doch eine doppelte Gefahr. Einmal die, daß die religiös-sittlichen Motive verengert werden.

Sie

werden bei jener Fassung gar zu leicht nur in der Richtung gesucht, daß den

Kindern

die

persönliche

Autorität

Jesu

gegenübergestellt

So grundlegend dieses vor Christus Hinstellen für das religiös­

wird.

sittliche Leben der Kinder ist, so unentbehrlich ist daneben die Inanspruch­

nahme des schon erreichten

eignen religiös-sittlichen Urteils, mit

dem sie angehalten werden müssen, sich gegenüber religiös-sittlichen Auf­ gaben und Problemen zurechtzufinden.

Wenn

dies Urteil

frisch

und

ursprünglich und tatkräftig bleiben soll, kann es nicht immer durch das Medium der Beziehung zu der geschichtlichen Person Jesu und ihrem

Verhalten hindurchgehen.

zwingende

und

Daß aber dies unmittelbare, von sich auS

treibende

(selbstverständlich

ursprünglich

aus

der

Offenbarung gewachsene und an ihr orientierte) religiös-sittliche Urteil bei

den Kindern nach Kräften gepflegt wird, scheint mir

eine

hervorragend

wichtige Aufgabe des Katechismusunterrichts zu sein, die über einer stramm

durchgeführten Christozentrie im vorhin angegebenen Sinn gar leicht zu

kurz kommen kann. — Die andere Gefahr ist die, daß bei jenem Ver­ fahren der Kreis der religiös-sittlichen Anschauung der Kinder entweder

in unerwünschter Weise verengert wird — an der geschichtlichen Person

Jesu treten bei weitem nicht alle Beziehungen, die für das Christenkind von heute religiös-sittlich bedeutsam sind, deutlich in die Erscheinung —,

oder aber, wenn man den Kreis im Ausgehen von der Gestalt Christi erweitert, nicht unter dem für die Kinder unmittelbar und praktisch

wichtigen Gesichtspunkt ausgenommen wird.

Der Schade, der hierdurch

erwächst, darf vom Standpunkt der religiösen Psychologie deS Kindes auS

keineswegs gering eingeschätzt werden.

Wir suchen

deshalb der auch

auf

geschichtlichen

spitzung

den

von uns in ihrer besonderen Zu­

Jesus

anerkannten

Forderung

der

Christozentrie deS Katechismusunterrichts in der freieren Weise gerecht

zu werden, daß die Erscheinungen und Ansprüche religiöS-sittlichen LebenS, die wir vor die Kinder bringen, alle unmittelbar oder mittelbar von

6. Katechismus und Offenbarung (Bibel).

47

Christus und seinem geschichtlichen Wirken aus beleuchtet sein müssen, und

daß in den Erscheinungen, die für die Kinder als maßgebend hingestellt werden, aus Christus gewachsenes und an ihm sich regelndes Leben zu spüren sein muß.

treten

lassen,

Wir werden den historischen Jesus vor die Kinder

wo es ungezwungen und wirkungskräftig geschehen kann,

im 1. Hauptstück und im 1. Artikel so gut wie später; aber wir werden neben dem historischen Jesus auch den in seiner Christenheit — auch der die Umgebung des Kindes bildenden Christenheit — lebendigen Christus alS den gelten lassen und zur Geltung bringen, in dem unser Katechismus­

unterricht seinen Mittelpunkt hat. legenheit

haben,

den Kreis

Wir werden dadurch nicht nur Ge­

der religiös-sittlichen Anschauung

für das

Kind so weit zu ziehen, als es für eine ernstliche praktische Beeinflussung nötig und nützlich ist; wir werden auch neben das Beispiel Jesu, dessen

einseitige Betonung

leicht

zu

einem

engen,

gesetzlichen

Verhältnis

zu

Jesus führen kann, das überhaupt wegen des vom Kind empfundenen Abstandes zwischen ihm und Jesus durchaus nicht immer so wirkungs­

kräftig ist, wie man ost annimmt, die belebende, anspornende, begeisternde

Anschauung des Lebens stellen, das Jesus in denen, die sich ihm ergeben (das ist mehr als „nachfolgen"), geweckt hat und weckt bis auf diesen Tag.

DaS führt zu dem andern Vorteil eines derart erweiterten christo-

zentrifchen Verfahrens: daß wir nicht nur an die Unterordnung unter die äußere Autorität der heilsgeschichtlichen Persönlichkeit Jesu bei

den Kindern appellieren (so notwendig dies Moment in der christlichen Jugendunterweisung auf die Dauer ist),

sondern ebenso an ihr un­

mittelbares religiös-sittliches Urteil gegenüber den an sie direkt herantretenden Erscheinungen der Offenbarung Gottes (der in der Christen­

heit durch den heiligen Geist lebendig wirkende Christus gehört auch zur

Gottesoffenbarung), in ihnen das Gefühl der unmittelbaren religiös­ sittlichen Abhängigkeit vom lebendigen Christus, beziehentlich der inneren

Gemeinschaft mit ihm (evangelische Freiheit)

lebendig zu machen suchen.

Erst wenn diese Stufe wenigstens ahnungsweise erreicht ist, sind die an

die Kinder im Verlauf der Unterweisung herangebrachten religiöS-sittlichen

Grundsätze bei ihnen wirklich fest verankert. Zu dieser obersten Stufe der Aneignung des Dargebotenen durch die innere Zustimmung des Herzens und Gewiffens geht es nun aber nicht bloß durch die eben erwähnte des äußerlich ethisch-autoritativen Berhält-

niffeS zur geschichtlichen Persönlichkeit Jesu, sondern auch durch die als höchstes Motiv heute mit Recht so stark verpönte der Beugung unter

Einleitung: Grundsätzliche-.

48

die äußere Autorität der Bibel.

Das Moment der formalen Ehrfurcht

vor der überragenden Autorität dessen, waS als Göttliches nicht so sehr mit klarem Gewissensurteil verstanden als vielmehr gemütsmäßig geahnt

wird, spielt in der Genesis eines sittlich gearteten Glaubens eine sehr

bedeutende Rolle.

Bei der religiös-sittlichen Beeinflussung deS KindeS

ist die Pflege und Benutzung dieser Stimmung als Durchgangsstadium zum Höheren vollends unentbehrlich.

Und diese Würde des Gottgegebenen

und darum Ehrfurcht Heischenden eignet für das Empfinden deS evan­

gelischen Christenkindes nicht etwa nur der Gestalt Jesu, sondern dem Darin liegt der

ganzen Buch der Offenbarung Gottes, der Bibel?) schon

rein

stimmungsmäßige Wert

der Verwendung

biblischer Ge­

schichten im Katechismusunterricht, der also über das, was die Ge­ schichten sachlich dem religiös-ethischen Urteil der Kinder zu sagen haben,

hinausgreift.

Nur hüte man sich, dies Moment im Katechismusunterricht

zu sehr zu pflegen; sonst wird es aus einem wertvollen Hilfsmittel für

Einwurzelung der religiös-sittlichen Wahrheiten im Kindesgemüt zu einem

Hindernis innerlich überzeugten Ergreifens dieser Wahrheit.

Das

Wichtigste an der Biblischen Geschichte, mag es sich dabei nun um die Gestalt Jesu oder sonst eine fromme beziehungsweise gottlose Persönlichkeit

handeln, bleibt immer, was die Kinder für ihr religiös-sittliches Urteilen

und Streben aus ihr bewußt entnehmen können.

Es wird

sich also

immer darum handeln, an den Biblischen Geschichten den Punkt zu finden,

an dem sie sich in daS Gewissen des Kindes einbohren können. — Noch ist vor zu ausschließlicher Verwendung Biblischer Geschichten für die religiös-ethische Veranschaulichung und Motivierung zu warnen; sonst er­

scheint den Kindern gar zu leicht die fast nur an Personen der heiligen *) ES ist eben angedeutet worden, daß daS Moment formaler Ehrfurcht vor der

Bibel nur als Durchgangsstadium zum Höheren benutzt werden darf.

Der SatechtS-

muSunterricht kann, abgesehen von einer richtigen Benutzung der Biblischen Geschichte

und deS Bibelspruchs, daS Seine dazu beitragen, die Kinder über die ehrfurchtsvolle Scheu vor dem Bibelbuchstaben zum inneren Verständnis der Offenbarung Gotte-

durch die Personen der Heilsgeschichte, speziell JesuS Christus, hinanfzuheben, und er kann damit schon frühzeitig anfangen.

Aber die Bedeutung der formalen Ehrfurcht

vor dem Bibelwort schließt auS, daß dieses Hinausheben irgend im Ton der Kritik am Autoritätsglauben gegen die Bibel erfolge; eS kann sich dabei lediglich um schlicht

positive Darbietung deS Höheren handeln.

Im übrigen wolle man bei dem über die

pädagogische Verwertung der Ehrfurcht vor dem Bibelwort Gesagten sich immer gegenwärtig hallen, daß es sich nur um ein notwendige- Durchgang-stadium handelt.

6.

Katechismus und Offenbarung (Bibel).

49

Geschichte gesehene christliche (vorchristliche) Frömmigkeit als Sache einer

großen Vergangenheit, worunter das Gefühl der Verpflichtung zur Nach­ eiferung leicht Not leidet.

Die Verwendung des Bibelspruchs im Verlauf der Katechismus­ unterweisung ist eine doppelte.

Es gibt Fälle, in denen man mit gutem

Grund den Bibelspruch zum Ausgangspunkt der katechetischen Entwick­ lung machen kann.

Das wird sich einmal dann empfehlen, wenn man

aus triftigen Gründen für richtig hält, den Gedankenfortschritt zunächst auf die formale Autorität des Bibelworts zu stützen, weil die sachlichen

Gründe dem Kinde noch nicht, vielleicht überhaupt kaum zugänglich sind.

So wird man sich z. B. für die christliche „Erfüllung" der Gebote mit Nutzen vorläufig einfach auf das Wort Jesu Matth. 5 17 stellen, ebenso bei

der

der Christen zur

Stellung

alttestamentlichen

Sabbatfeier

auf

Marc. 2 27, bei dem christlichen Verständnis des 5. Gebots auf Matth. 5 21 f. Nur wird man bei diesem Geltendmachen der formalen biblischen Auto­ rität, und sei es auch die formale Autorität Jesu, immer darauf auS-

gehen muffen, die Kinder allmählich nach Möglichkeit über das Moment der formalen Ehrfurcht hinaus zum inneren Verständnis der betreffenden

biblischen Aussage

zu

führen.

Abgesehen

von

Fällen, wie

die

ange­

führten, wird für uns, da uns das Moment der Beugung unter die Schriftautorität nicht das Ziel, sondern nur Mittel zur Erreichung der höheren Stufe der Überzeugung ist, die Benutzung von Bibelsprüchen

als Ausgangspunkt für die katechetische Entwicklung schon auS dem Grund

selten in Betracht kommen, weil uns der Bibelspruch an dieser Stelle in

Konkurrenz mit dem Katechismussatz als Zielangabe tritt. Für die frühere rein formale Auffaffung deS Schriftbeweises war das unvermittelte Neben­ einander von Katechismusaussage und Bibelspruch kein Schade, da für sie

der

Bibelspruch

ohne

weiteres

die

Richtigkeit

der Katechismusaussage

verbürgte, also grundsätzlich die Entwicklung einen entscheidenden Schritt weiter zu führen, wenn nicht gar abzuschließen geeignet war.

wir

als Norm

sehen,

nur

das

für

das Kind, von

innerlich

Wir, die

den obigen Ausnahmefällen abge­

verstandene

Bibelwort (gerade

wie

die

innerlich verstandene Katechismusaussage) gebrauchen wollen, haben Platz für den Bibelspruch, immer abgesehen von jenen Ausnahmefällen, am

Anfang der Entwicklung nur da, wo wir neben der Katechismusaussage

noch besondere Teilziele brauchen und diese sich im Spruch besonders behältlich einführen taffen.

So wird man, um in die einzelnen Momente

deS „in allen Nöten anrufen" einzuführen, mit Nutzen auf den Spruch Eger, Evangelische Jagen-lehre. 2. Aust.

4

Einleitung: Grundsätzliches.

50

Ps. 5015 selber und weiter auf Ps. 14518.19 als Anhalt der katechetischen

Entwicklung zurückgreifen.

Aber man wird mit dieser Verwendung von

Bibelsprüchen als Zielangaben für Unterabteilungen sparsam sein müssen,

weil gehäufte Zielangaben verwirrend statt klärend wirken. Bei der Häufung solcher Zielangaben durch Sprüche verstärkt sich auch die Gefahr, sich mit einer Verbalistischen Behandlung, dieser Todfeindin eineS fruchtbaren

KatechismuSunterrichtS, zufrieden zu geben: eS wird ein Schein von Fülle, von reicher Mannigfaltigkeit deS gebotenen Materials erweckt, dem gar

keine wirkliche Bereicherung und Klärung der religiös-sittlichen Anschauung

deS KindeS und seines religiös-sittlichen Urteils entspricht.

Werden die

zitierten Sprüche dann noch gehörig grammatisch-logisch verarbeitet, dann scheint der Zweck deS Unterrichts erreicht zu sein, ehe die Beeinflussung

deS kindlichen GemütS und Willens nur ernstlich in Angriff genommen ist. In der großen Mehrzahl der Fälle wird unS nach dem AuSgeführten

der Bibelspruch nicht an den Anfang, sondern an das Ende einer unter­

richtlichen Tcilentwicklung treten, um den Grundgedanken dieser Entwick­ lung dem Kind in einer klassischen, schon rein formal bedeutsamen Fassung

(Bibelwort!) zu bleibendem, gedächtnismäßigem Besitz einzuprägen.

Dabei

tut es nichts auS, wenn daS betreffende Teilziel schon durch den Kate-

chismuSsatz formuliert ist; der Bibelspruch tritt dann verstärkend neben den Katechismussatz.

Aber er muß auch wirklich im Dienst der KatechiS-

muSerläuterung stehen, darf kein Sonderleben zu führen beanspruchen:

sein Inhalt ist unter dem Gesichtspunkt dieser Erläuterung zu betrachten und zu verwerten, während besondere Züge, die nicht dazu passen wollen,

in den Hintergrund zu treten haben.

Um dem Spruchmaterial wirllich

gerecht zu werden, ist eS deshalb durchaus rätlich, dieselben Sprüche in verschiedenen Zusammenhängen den Kindern vorzuführen und so die verschiedenen Momente an dem Spruch zur Geltung zu bringen.

Des­

halb bringt unsere Ausführung häufig Wiederholungen von Sprüchen, die in noch größerem Umfang hätten erfolgen können.

Natürlich muß

jeder zu gedächtnismäßiger Einprägung kommende Spruch den Kindern seinem Wortlaut nach verständlich gemacht sein.

Die regelmäßige und

grundsätzliche Verbindung deS KatechismuS-

unterrichts mit Bibellesen unterliegt für mich ähnlichen Bedenken wie

die grundsätzliche Verbindung mit der Biblischen Geschichte.

Nur sind die

Bedenken beim Lesen biblischer Lehrabschnitte noch größer, da diese nach

dem in ihnen liegenden Lehrzweck gelesen sein wollen, nicht im Dienst eineS von außen an sie herangebrachten Zwecks.

Bei Vermischung deS

7. Theologisch-Pädagogisch«-.

51

biblischen Geschichtsunterrichts mit KatechiSmuSunterweisung kollidiert die

unmittelbar praktische Tendenz der letzteren mit dem unbefangenen Interesse

an der geschilderten Persönlichkeit: aber beides läßt sich doch schließlich Dagegen kollidieren beim Jneinanderschieben des KatechiSmuS-

vereinigen.

unterrichtS mit dem Lesen biblischer Lehrabschnitte zwei praktische Auf­

gaben miteinander; es ist also nur in solchen Fällen zulässig, wo di« Tendenzen beider Stoffe sich wirklich decken.

fang

recht

selten

der Fall

sein.

DaS wird in vollem Um­

Man lasie

lieber auch

deshalb

die

biblischen Lehrabschnitte der Regel nach gesondert zur Geltung kommen: man trenne Bibellesen und KatechiSmuSunterweisung im allgemeinen und schiebe einS inS andere nur,

zutrifft.

wenn die eben angegebene Voraussetzung

Das Jneinanderwachsen der auS beiden Lehrstoffen gewonnenen

Motive überlaffe man getrost der sachlichen Verwandtschaft zwischen denselben.

7. Theologisch. Pädagogisches. Der Gesichtspunkt, unter dem die seitherigen Ausführungen standen, war durchweg der pädagogische: überall war die Rücksicht auf daS, waS

dem Kind geboten werden

was

soll,

auS

dem Kinde werden

kann,

Man ist gewohnt, diese pädagogische Behandlung deS Kate-

maßgebend.

chiSmuSunterrichts — man nennt sie auch die rein religiöse — in Gegen­ satz zu dem zu stellen, was man als die theologische Behandlung be­

ziehungsweise Mißhandlung dieses Unterrichts bezeichnet.

Daran ist un­

zweifelhaft manches Richtige, aber auch gerade genug Mißverständliches,

um der Frage nach der Bedeutung deS theologischen Moments in der KatechiSmuSunterweisung noch etwaS genauer nachzugehen.

Geradezu

verwüstend

wirkt

die Theologie auf den Betrieb des

Katechismusunterrichts, wenn sie für die Wahl des den Kindern darzu­

bietenden Stoffes in seinen Einzelheiten und für die Art der Behand­ lung dieses Stoffes maßgebend wird.

Der letztere Fehler ist leichter zu

erkennen als der erstere: er liegt da vor, wo der Betrieb unter dem

Einfluß wird,

der

wo

Bedürfniffe

man

glaubt,

wiffenschaftlichen Denkens intellektualistisch durch

die zwingende Logik

der Gedanken­

verknüpfung bei den Kindern zum Ziel zu kommen, während die

für

dieses Zieles maßgebende Logik die der Verknüpfung

der

Erreichung

gemütS-

und willenSmäßigen

Motive

ist.

Auch

daS Streben

nach

systematischer Einheit und Vollständigkeit der KatechiSmuSunterweisung

4*

Einleitung: Grundsätzliche«.

52

fällt unter das Berdikt theologischer Verderbnis deS KatechiSmuSunter-

richtS.

DaS trifft

also

alle

Versuche,

ein

dogmatisches

irgendwelcher Art in den KatechismuSunterricht

Lehrsystem

einzubauen: alle Mi­

nuten, die darauf verwandt werden, sind verlorene Zeit, ja schlimmer alS bloß verloren, weil derartige Operationen daS Jnteresie der Kinder

lähmen. Dagegen wird bei

Das wird heute im weiten Umfang anerkannt.

der Stoffwahl für den Unterricht sehr häufig auch von solchen gegen die Forderungen der Pädagogik verstoßen, die sonst das gute Recht des pädagogischen Gesichtspunktes als des maßgebenden

voll anerkennen,

vielleicht seine eifrigen Verfechter sind. Hier handelt es sich darum, daß

Stoffe eingeführt werden — auch solche durchaus praktischer Art —, die für den unterrichtenden Theologen wohl von großer Bedeutung sind,

mit denen das Kind aber nichts anzufangen weiß.

Es ist nicht damit

genug, daß man sich bemüht, an Stelle des „theoretischen" Stoffes „prak­ tischen" zu setzen: es muß auch solcher Stoff gewählt werden, dem das Kind wirklich innerlich nahe kommen kann.

Das sind aber meist recht

elementare Größen, besonders im Anfang der Katechismusunterweisung, und dem Katecheten ist deshalb nichts dringender ans Herz zu legen, als

daß er mit der Stoffwahl nicht zu hoch fahre und insbesondere seine

Interessen und Neigungen hinter dem, was die Kinder verstehen und

bedürfen, zurücktreten laffe.

Hinsichtlich der Stoffwahl im großen gibt

ja Luther im allgemeinen so vortrefflich Kindesgemäßes, daß man nur davor zu warnen braucht, die weise Beschränkung Luthers nicht wieder

durch allerhand Ergänzungen unkindlicher Art illusorisch zu machen, etwa

die „vergeflene" Lehre von der Sünde oder von der Rechtfertigung hin-

cinzubringen oder ähnliches. Dagegen ist bei der Wahl der Anschauungs­ mittel noch ein großer Spielraum für unkindliches oder kindesgemäßes Berfahren. ES gibt immer noch Leute, die meinen, man könne den Kindern religiöse Erkenntnisse gewiffermaßen auf Vorrat für die Zukunft mitgeben;

da man sie nur in der Schulzeit zu eigentlicher, regelrechter Unterweisung zur Verfügung habe, muffe man notgedrungen auch die Dinge mit ihnen

traktieren, die au und für sich besser für später aufgehoben würden. DaS ist aber ein grundlegender Irrtum, der schon unendlich viel Unheil an­

gerichtet hat; denn für die Förderung religiöser Erkenntnis, die etwas ganz anderes als bloßes Wissen um religiöse Gegenstände ist, kommen

überhaupt nur die Stoffe in Betracht, die vom Kind assimiliert werden können.

Die anderen sind Ballast und wirken auf daS Organ wirklicher

7. Theologisch-Pädagogische-.

53

religiöser Erkenntnis, daS innere persönliche Interesse, lähmend. *)

Der

Katechet muß vielmehr die Gefahr scheuen, die Kinder auS der Hand

zu verlieren und so auf ihr Wachstum in religiöser Erkenntnis, wenn's

auch noch so bescheiden ist, keinen Einfluß mehr zu haben, als die andere, nicht allen Unterrichtsstoff, der zum Thema möglich und auch vielleicht später einmal

für

die Kinder

nützlich

ganz

KatechismuSunterricht über die Köpfe

weg

behandelt

ist,

ist viel

zu

haben.

als eine

schlimmer

Predigt, die über die Köpfe geht, weil sie Keime für die Zukunft zer­

Es

tritt.

Kindern

kommt

nicht auf das an,

behandelt

werden,

was

sondern

theoretisch

auf das,

praktisch von ihnen verarbeitet werden kann.

was

vor den innerlich

Hundertmal besser,

es bleiben in ihrer religiösen Erkenntnis Lücken (deren werden, wo wir die Kinder mit 14 Jahren aus der Hand geben müssen, bleiben), als

der kindliche Magen

wird

leider genug

mit geistlicher Speise,

noch nicht verdauen kann, überfüllt und damit dauernd krank. Kind

aufnehmen

kann, wird in

den

die

er

WaS daS

verschiedenen Schulen verschieden

sein; aber überall wird es den Charakter schlichtester elementa pietatis

tragen.

Also elementare Einfachheit in Auswahl und Behandlung deS Stoffes, sowohl bei Wahl des Stoffes im ganzen wie bei der der An­ schauungsmittel und bei der Anlage der Entwicklung im einzelnen: sich

nie als Herrn über die Kinder fühlen, sondern als Diener und Gehilfen gemeinsamer Freude, der Freude des Zusammen-Suchens und Finden- auf

dem Weg kindlicher religiöser Erkenntnis.

Elementare Einfachheit braucht

noch lange nicht mit Flachheit und Selbstverständlichkeiten gleich zu sein. ES

gilt

auch die Fähigkeit der kindlichen Phantasie,

sich in

andere

Verhältniffe lebhaft hinein zu denken, nicht zu unterschätzen und sie ruhig in Anspruch zu nehmen: auch die Zukunft deS Kindes will, so weit eS mit Wahrhaftigkeit geschehen kann, berücksichtigt sein. von

dem

kindlichen

Ahnungsvermögen,

das

das

DaS gleiche gilt

Kind

nicht

nur

phantasiemäßig, sondern auch gemütsmäßig in Situationen, die über eS

hinaus liegen, heimisch werden läßt.

Aber Voraussetzung für die Tätig­

keit der Phantasie wie des Ahnungsvermögens ist immer, daß der be­ treffende Gegenstand daS Interesse, die Sehnsucht des KindeS an irgend

i) Damit ist selbstverständlich da- Auswendiglernen von Bibelsprüchen (auch Kirchenliedern), die noch nicht innerlichst verarbeitet sind, nicht verboten. DaS hat

mit eigentlich religiöser Erkenntnis nichts zu tun.

Einleitung : Grundsätzliches.

54

einem Punkt wirklich ergreifen kann.

Ohne diesen Angriffspunkt geht's

nicht weiter; wo kein Jntereffe ist, arbeitet die Phantasie nicht. So muß den Lehrer beim Katechismusunterricht beständig die Frage Speise, die sie verarbeiten

begleiten: was ist Speise für die Kinder?

können, und die sie kräftig und luftig macht zu weiterem Arbeiten und

Die Frage verlangt hier, wo der Grundton der ganzen Unter­

Suchen?

weisung sein muß: tua res agitur, noch ganz andere Berücksichtigung als

bei der Auswahl von Erzählungen für den biblischen und KirchengeschichtSUnterricht.

Da schadet es nicht zu viel, wenn die Kinder auch einmal

vor einem Großen der Heilsgeschichte stehen mit dem bloßen Staunen vor dem Großen, das sie sehen.

Im Katechismusunterricht genügt das nicht.

Das ist aber nur die eine Seite, von der aus das Verhältnis der

Theologie zur Auswahl und zur Behandlung des Stoffes im Katechismus­

unterricht zu betrachten ist. werden.

Die andere Seite will auch nicht übersehen

Theologie ist nicht nur ein müßiges Spiel menschlichen Intellekts;

sie ist die wiffenschaftliche, denkende Auseinandersetzung mit der Geschichte

und mit den Grundsätzen des Christentums,

will ihrem geklärten,

ge­

Und die katechetische Unter­

schärften und vertieften Verständnis dienen.

weisung unsrer Jugend ist nicht bloß allgemein religiöse Anregung und Beeinflusiung; sie will christlich, genauer evangelisch, anregen und beeinfluffen.

Nun kann das selbstverständlich jede evangelisch fromme Mutter,

jeder Lehrer von echter evangelischer Frömmigkeit: aber eine zielbewußte und planmäßige Unterweisung wird dadurch, daß der Unterrichtende in Geschichte und Wesen des Christentums auch auf dem Weg wissenschaft­

licher Arbeit eingedrungen ist, sehr wesentlich gefördert werden.

es z. B. für wenn

WaS trägt

eine richtige Belehrung über das dritte Gebot schon auS,

der Lehrer den genuin reformatorischen Standpunkt zur Sabbat­

frage geschichtlich

genau

kennt.

Wie

ganz

KatechiSmuSerklärung Luthers verstanden,

anders wird

überhaupt die

wenn sie vom Katecheten im

Zusammenhang mit der Theologie Luther- und mit biblischer Theologie aus­ genommen wird!

An wie manchen Klippen und Schwierigkeiten kann der

Lehrer die Kinder kraft einer richtigen theologischen Einsicht vorüberführen!

Also wir wünschen und verlangen, daß der Lehrer des Katechismus

sich mit dem Gegenstand seiner Unterweisung so gründlich und gewissenhaft, wie er nur kann, auch theologisch auseinandersetzt. für die unentbehrliche Voraussetzung

dafür,

daß

er

Wir halten das die Unterweisung

wirklich inhaltlich gediegen und kindeSgemäß zugleich zu gestalten vermag. Aber wir verlangen von ihm ein so hohes Maß von theologischer Ein-

7. Theologisch-Pädagogisches.

55

sicht, daß er imstande ist, aus voller Beherrschung des Stoffes heraus

nun den Kindern zu geben, waS ihnen nach ihrer Art und ihrer Ent­

wicklungsstufe frommt.

Nur Oberflächenbildung meint, alles,

was sie

weiß, nun auch an den Mann — und gar an das Kind! — bringen zu muffen.

Wirklich tiefgehende Bildung ist imstande, aus dem einheitlich

verarbeiteten Schatz eigner religiöser und theologischer Erkenntnis Lebendiges

hervorzuholen, das auch bei Unmündigen keimen und Frucht treiben kann. Wer über Luthers kleinen Katechismus unterrichten darf, der soll von Luther

vor allem lernen, in schlichter Einfalt aus dem Bollen zu schöpfen. Man wird hoffentlich der nachstehenden Bearbeitung des

öfteren

anmerken, daß der Verfaffer sich mit den in Betracht kommenden Fragen

gewiffenhaft auch theologisch auSeinandergesetzt hat.

ES wird erforderlich

sein, in den einleitenden Bemerkungen zu ben einzelnen Abschnitten je

und je auch in einen Teil dieser theologischen Erwägungen einzuführen.

Doch nur so weit, wie daS zum Verständnis der Gründe gerade dieser Weise der Behandlung erforderlich ist.

Zur Ablegung eineS persönlichen

theologischen Bekenntniffes zu jedem einzelnen Lehrpunkt habe ich in diesem

Zusammenhang weder Neigung noch Anlaß. Denn worauf eS mir ankommt, ist, über die Grenzen theologischer Differenzen hinweg das gute religionSpädagogische Recht des von mir alS richtig erkannten Unterrichtsverfahreneinleuchtend zu machen. Es darf deshalb wohl auch die Bitte ausgesprochen werden, daß man mich nicht nach dieser Arbeit theologisch etikettiert und

die von mir geltend gemachten religionspädagogischen Gesichtspunkte aus Gegensatz oder auS Mißtrauen gegen meine theologische Stellung unbesehen ablehnt. Zum Bestand meiner theologischen Überzeugung gehört manches,

waS ich weder int UnterrichtSgang noch in den einleitenden Bemerkungen ausgesprochen habe. Das bemerke ich nicht, um mir Kritik zu ersparen, sondern weil nach meiner Überzeugung der theologische Parteimann in unsrer Schule nichts zu suchen hat.

Dorthin gehört allein der redliche

Jünger Christi, der über den Kindern, an denen und mit denen er seine Arbeit tut, den Glanz des Herrenwortes leuchten sieht: Wer ein solches

Kind aufnimmt in meinem Namen, der nimmt mich auf.

56

Eingang: D«r Katechismus.

Eingang:

Der Katechismus. Es könnte fraglich erscheinen, ob es nicht das einfachste und richtigste wäre, ohne irgendwelche Präliminarien mit der Auslegung der 10 Ge­ bote, und zwar kurzerhand gleich des ersten, zu beginnen, ob nicht alles, was wie allgemeine und besondere Einleitung aussieht, jenseits des Be­ dürfnisses und damit des Interesses der Kinder liegt. Ich halte aber doch eine elementare Überleitung für nötig, einmal um das Interesse der Kinder für die Art des nun beginnenden Unterrichts zu spannen, dann aber, weil die Biblischen Geschichten, die die Kinder früher gelernt haben, jetzt im Katechismusunterricht unter anderem Gesichtspunkt wiederkehren. Nachdenklichen Kindern muß etwas darüber gesagt werden, warum und in welcher Weise dies der Fall ist. Daß bei der Einführung elfjähriger Kinder in den Katechismusunterricht ganz elementar verfahren werden muß, versteht sich von selbst. Der Ausgangspunkt für die Entwicklung würde sein eine Verstän­ digung mit den Kindern darüber, wozu sie eigentlich Biblische Geschichten gelernt haben. Der Mittelpunkt dieser Geschichten ist die Frömmigkeit oder Gottlosigkeit, nicht Kriegstaten oder ähnliches. Die wichtigste Frage für die Kinder aber ist, ob sie fromm sind oder nicht. Bon dem, was für sie zum rechten Frommsein gehört, ist im Katechismusunterricht die Rede. Irgendwelche Versuche, Frömmigkeit als Beziehung des Menschen zu Gott, seinem höchsten Gut, zu schildern oder gar zu definieren, sind zu vermeiden, da den Kindern auf dieser Stufe für diese Gedankengänge der Anknüpfungspunkt fehlt. Für das Kind ist das Frommsein noch nicht Herzensbedürfnis, sondern einfach Pflicht, wenn auch durchaus liebe Pflicht. Dagegen ist es pädagogisch richtig und wertvoll, schon jetzt an Hand einzelner Beispiele aus der Biblischen Geschichte auf die Frage ein­ zugehen, wo eigentlich die Frucht der Frömmigkeit zu suchen ist; denn die Aufgabe, die Kinder über den Standpunkt der bloßen Diesseitigkeitvergeltung hinauszuführen, ist gerade in der Gegenwart so dringlich, daß sie gar nicht früh genug in Angriff genommen werden kann. Natürlich muß man in bezug auf das, was man mit den kleinen elfjährigen Kin-

Eingang: Der Katechismus.

57

dern, die von Natur durchaus nur an die (ja auch vorhandene) Ver­ geltung im Diesseits denken, und die sich überhaupt erst an den schwierigen Katechismusunterricht mit seinen ständigen Anforderungen an ihr Nach­ denken und Mitempfinden gewöhnen müsien, an diesem Punkt erreichen kann, sehr anspruchslos sein. Das zu Erreichende wird in der Erkennt­ nis gipfeln, daß der Fromme in den Himmel kommt. Dazu erinnert man sie an die Erfahrung, die sie mit einem guten, beziehungsweise bösen

Gewissen bereits gemacht haben. Nun ist die weitere Aufgabe, den Kindern den Gedanken zu ver­ mitteln, warum sie gerade aus dem Katechismus lernen können, was zum rechten Frommsein gehört. Als Christen halten sie sich an Christus als an den Wegweiser zum frommen Leben. Ein Christ ist man aber nicht allein dadurch, daß man getauft worden ist, sondern dadurch, daß man Jesus als seinem Herrn folgsam ist. (Höher als zur Gleichung: „an Jesus glauben ----- ihm folgsam sein" kommt man hier nicht.) — Nun ist aber Jesus nicht mehr auf der Erde bei uns; doch wissen wir von ihm aus der Bibel. Darin steht, was man zum rechten frommen Leben braucht. Das Wort Gottes in der Bibel wird in Jesus zentralisiert. Der Kate­ chismus ist ein kurzer Aus zu g aus der für Kinder viel zu umfang­ reichen und zu schwer verständlichen Bibel — ein Auszug, der das ent­ hält, was sie zum rechten Frommsein wissen müssen. Dieser Charakter des Katechismus als Bibelauszug ist dann noch durch Vergleich des 1. und 3. Hauptstücks mit den entsprechenden, dem Kind bekannten Ab­ schnitten der Biblischen Geschichte anschaulich zu machen. Luther hat die Bibel besonders gut verstanden, weil er dem Herrn Jesus besonders treu gehorsam war. Deshalb konnte er den Leuten be­ sonders gut sagen, wie man recht fromm sein kann. Er hat die Haupt­ stücke kurz erklärt, damit sie auch Kinder recht verstehen lernen. Das ist alles, was ich hier über Luther zu sagen weiß. Genauer auf seine Persönlichkeit und sein Werk, etwa gar, wie man in Hand­ büchern auch lesen kann, auf die Entstehungsgeschichte des Kleinen Kate­ chismus einzugehen, ist hier nicht der Ort. Das alles ist nur geeignet, das Interesse der Kinder zu lähmen und sie von dem abzulenken, worauf es für sie ankommt. Ebenso zwecklos und unpsychologisch ist es, den Kindern hier allerhand Elogia des Kleinen Katechismus, deren Sprech­ weise sie meist gar nicht verstehen, vorzuführen. Der Platz dafür wäre viel eher das Ende der Katechismusunterweisung. Ich meine aber, man sollte den Kleinen Katechismus sich selber loben lassen. Auch der beliebte Brauch, den kleinen Kindern einen Überblick über die Anordnung der Katechismusteile zu geben, kann mit der Rücksicht auf das dem Kind wirklich Zugängliche nicht vereinigt werden. Was im Katechismus kommt, ist ihnen zunächst ganz einfach positiv Gegebenes. Daß wir von Ein­ schiebung einer Bibelkunde in nuce in Form des Auswendiglernens der biblischen Bücher Alten und Neuen Testaments nichts wisien wollen,

brauchen wir nicht zu begründen.

Eingang: Der Katechismus.

58

I. vidltsche Geschichte und Katechismus. 1. (Der Wert der Biblischen Geschichte.)

Religion-stunde: der Katechismus.

(Zeigen!)

Ein neue- Buch in der

Seither nur die Biblische

Nennt Männer, von denen euch in der Biblischen Geschichte

Geschichte.

Herausgreifen, z. B. Abraham.

erzählt worden ist.

Schafe und Kamele, war auch sehr tapfer.

warum von ihm in

Er hatte viel Rinder,

Aber das ist nicht der Grund,

der Biblischen Geschichte die Rede ist.

Vielmehr

deshalb, weil er Gott so gehorsam war und ihm so fromm vertraute, weil er freundlich und hilfreich gegen Lot und andere Menschen war. — Der Hauptmann von Kapernaum.

Er hatte über viel Leute zu befehlen.

Deshalb steht aber die Erzählung nicht

in der Biblischen Geschichte; es

hat damals noch viele andere Hauptleute und noch vornehmere Offiziere

gegeben.

Von ihm wird uns erzählt, weil er zu JesuS kam, für seinen

Knecht um Hilfe bat, sich auf Gott (Jesus) »erlassen hat. — Sodom und

Gomorrha.

Ein sehr merkwürdiges Ereignis.

Aber wir lernen es,

weil es die Strafe der Leute von Sodom für ihre Schlechtigkeit und Gottlosigkeit war.

Also: von guten, frommen Menschen und von schlechten,

gottlosen wird uns in der Biblischen Geschichte erzählt.

2. (Was brauchen wir noch mehr als die Biblische Geschichte?

Die

Die frommen Leute, von denen unS in der Bibel

Katechismusstunde.)

erzählt wird, gefallen unS, die gottlosen gefallen uns nicht.

für uns nicht genug.

Das ist aber

Wir sollen am Beispiel der frommen Leute, von

denen uns die Bibel erzählt, Lust bekommen, selbst fromm zu sein; am Beispiel der Gottlosen sollen wir sehen, wie häßlich eS ist, wenn wir

böse sind.

WaS ihr nun wiflen müßt, damit ihr recht fromm und gut

leben könnt, davon redet der Katechismusunterricht.

Er geht also euch

an, und wenn ihr auch in dieser Stunde manche- von anderen frommen

Leuten (auch auS der Biblischen Geschichte) erzählt bekommt, so geschieht

da- immer, damit ihr von ihnen lernt,

wie ihr eS zu machen habt.

Besondere Wichtigkeit der Katechismusstunde.

II. Warum man fromm sei« mutz1. (Glück und Unglück als Folge von Frömmigkeit und Schlechtig­ keit.)

Den bösen Leuten von Sodom und Gomorrha ist eS sehr schlecht

gegangen.

Ebenso den Männern, die schuld daran waren, daß Daniel

in die Löwrngrube kam.

Andererseits: der fromme Abraham wird von

Gott reich gesegnet; der gut« Hauptmann von Kapernaum bekommt von

Eingang: Der Katechismus.

Also: bösen Menschen geht es schlecht, guten Menschen

Jesus geholfen. geht es gut.

2.

59

Ein, zwei Beispiele aus der Gegenwart.

Manchmal ist eS anders.

(Der Widerspruch der Erfahrung.)

Der Frommste, der je gelebt hat, ist Jesus gewesen.

Den haben sie ans

Kreuz geschlagen — „mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verHeute noch:

lasien?"

Geld (Beispiele!).

Menschen,

die

gute,

fromme

werden krank,

Leute

haben kein

Also wenn eS der liebe Gott auch oft den frommen

fleißig

und

sparsam

sind,

besser

gehen

als

läßt

den

Schlechten und Leichtsinnigen und Faulen, so ist daS doch nicht immer

so.

Man muß also vom Frommsein noch was anderes, Besseres haben

als bloß, daß es einem im äußeren Leben gut geht. 3.

(In den Himmel kommen.)

Jesus

stirbt,

Vater, ich befehle meinen Geist in deine Hände. Grab, die Seele zu Gott in den Himmel.

indem er spricht:

Sein Leib kommt inS

Der arme Lazarus liegt krank

auf der Straße, muß sich mit den Hunden um die Abfälle streiten, die die Bedienten des reichen Mannes wegwerfen: kein Mensch kümmert sich

um ihn, eine- Morgens liegt er tot da.

Engeln in Abrahams Schoß."

„Und ward getragen von den

Sein Unglück hat gedauert, solange er

Jetzt

lebte; aber doch nur, solange er auf Erden war.

hat

er

ein

schöneres Leben, als er sich hier je hätte wünschen können, im Himmel.

4.

Mann.

(In die Hölle kommen.)

Neben dem armen Lazarus der reiche

Viel Geld, schöne Kleider, gut zu essen, viel Vergnügen.

mal hört das alles auf; er stirbt.

der Qual war."

Ein­

„Als er nun in der Holle und in

Es bleibt ihm nicht- von all den guten schönen Dingen;

daS ist die Strafe für sein böses leichtsinniges Leben. 5.

(Böses Gewisien — gutes Gewissen.)

Aber schon hier wird

noch etwas, was viel wert ist, den guten Menschen zuteil. hat gelogen, es kommt nicht heraus; das Kind oder geschlagen.

Ein Kind

wird also nicht gezankt

Aber es hat ein böses Gewissen, kann nicht mehr

recht zum lieben Gott beten.

Denn Gott weiß, daß das Kind gelogen

hat. — Ein Kind hat etwas Gutes getan, einem kleineren Kind geholfen, das gefallen ist.

Es wird nicht gelobt; es hat es niemand weiter ge­

Doch ist's froh; es hat ein gutes Gewissen.

sehen.

6.

(Abschluß.)

Gott hat es gesehen.

Also: wer fromm ist, hat ein gutes Gewisien und

kommt einmal zu Gott in den Himmel.

AlleS andere bleibt nicht.

DaS das beste, was es gibt.

„Lieber Gott, mach' mich fromm, daß ich zu

dir in den Himmel komm'."

Eingang: Der Katechismus.

60

IIL Christen — Jesus Christus. (Bon wem wir daS rechte Frommsein lernen?)

1. (Jesus Christus.)

Der Frömmste, den es je auf der Erde ge­

In Gethsemane: die große Angst, weil

geben hat, ist JesuS Christus.

er weiß,

die Feinde werden jetzt bald kommen und

schleppen — da betet er, einmal, zweimal, dreimal.

ihn zum Tode

Warum aber ist er

nicht einfach fortgelaufen, wo er doch wußte, daß die Feinde kamen? Weil Gott von ihm haben will, daß er für die Menschen sterben soll.

Also er tut immer daS, was Gott haben will, und wenn es auch das

Allerschwerste ist. — Jesus am Kreuz: Er hatte große Schmerzen.

Und

doch bittet er für seine Feinde, tröstet den Schächer und seine Mutter.

Wer sonst bringt

so etwas Gutes fertig!

Wir könnten noch an

viele

andere Beispiele denken, die uns zeigen, wie gut und fromm Jesus ge­

wesen ist; es ist aber genug. fromm und gut ist.

Er hat nie etwas anderes getan, als was

Deshalb kann er auch den anderen sagen, was

fromm und gut war.

Joh. 14 e: Ich bin der Weg und die Wahrheit und

das Leben; niemand kommt -um Bater denn durch mich.

(Weg —

des

Guten, Wahrheit — das Richtige; das verstehen wir nachher, Leben — ewige- Leben, Vater — Gott.)

2. (Christen — Heiden.)

Weil wir von Christus das rechte Fromm­

sein lernen wollen, nennen wir uns Christen.

(Erläuterung durch den

Gegensatz:) Nicht alle Menschen lassen sich von Christus zeigen, wie man

recht fromm ist. Unter uns die Juden; die wollen sich nur nach Moses

und den Propheten richten, haben aber soviel von uns Christen gelernt, daß sie sich oft kaum von uns unterscheiden.

für Dinge halten die

Negern;

Tötung

für fromm und

gut!

Aber die Heiden.

Was

(Menschenopfer bei den

der alten Eltern durch den eigenen Sohn bei den

Patagoniern.)

(Es müssen krasse Fälle sein, natürlich nicht blutrünstig

auszumalen.)

Da ist es doch gut, daß wir von Christus daS Richtige

(die Wahrheit) gesagt bekommen: daß man den anderen Menschen nichts

zuleid tun, sondern ihnen helfen soll, daß man die Eltern immer lieb­ haben und für sie sorgen muß. 3. (Namenchristen.)

Es ist gut, ein Christ zu sein!

Bei uns in Deutschland hören alle, was uns

Jesus als das Gute und Fromme gesagt hat: zu Haus, in der Schule, in der Kirche. Wir sind alle als Christen getauft. Aber was für Dinge tun manchmal Menschen, die als Christen getauft sind! Menschen um (vielleicht konkreter Fall).

Bringen andere

Brechen in die Häuser ein und

Eingang: Der Katechismus.

61

stehlen uff. (Nicht zuviel!) Da- will doch Jesus nicht haben. Sie sind also gar keine richtigen Christen, wenn sie auch einmal getauft worden sind. 4. (Wer ein rechter Christ ist?) So Sachen wird sicher keins von euch später machen. Aber wenn ihr faul seid oder den Eltern unge­ horsam, oder wenn ihr lügt, das ist alles nicht so, wie eS uns JesuS gezeigt hat. Ein braves Kind folgt seinen Eltern. Ein rechter Christ folgt wirklich Jesus Christus, tut, was er haben will. Apg. 16 si: Glaube an den Herrn Jesum Christum, so wirst du und dein Haus selig.

Ein Herr hat zu befehlen. Wer Jesus als seinem Herrn recht gehorcht, von dem sagt man: er glaubt an ihn. So wird man selig — kommt in den Himmel. DaS beste, was es gibt. Jesus meint es also am besten mit uns, bester als sogenannte gute Freunde, die uns sagen: mach doch einmal das und das mit (Obst nehmen, spielen statt lernen), was doch nicht recht ist. Wir wollen JesuS mehr folgen (glauben) als den Menschen, die uns zu etwas Bösem verleiten wollen. — Noch ein andrer Spruch, der sagt, daß es mit dem Getauftsein nicht genug ist, um alS rechter Christ selig zu werden (in den Himmel zu kommen), Rare. 16 i«: Ser da glaubet und getauft wird, der wird selig werden, «er aber nicht

(nämlich von Gott: Gott will nichts Also: ein rechter Christ glaubt an JesuS, ist

glaubt, der wird verdammt werden

mehr von ihm misten). ihm gehorsam.

IV. Bibel — Wort SotteS — Katechismus.

1. (Bibel — Wort Gottes.) Damit ihr den Eltern folgen könnt, müßt ihr misten, was sie von euch haben wollen. Um Jesus folgen zu können, dasselbe. Die Eltern sagen es euch; von Jesus ist in einem Buch ausgeschrieben worden, was er, wie er noch auf Erden lebte, gesagt hat. DaS Buch heißt die Bibel. (Vorzeigen!) Das ist ein sehr dickes Buch. Ihr kennt noch ein dünnere- Buch, in dem Geschichten auS der Bibel stehen: die Biblische Geschichte. In der Biblischen Geschichte habt ihr nun nicht bloß Geschichten von Jesus gelernt, auch von Abraham uff. In der Biblischen Geschichte zwei große Teile, wo die Geschichten jedes­ mal besonders gezählt werden: AlteS und Neues Testament. Alter und Neuer Bund. Davon hört ihr später mehr. Jesus erst im Neuen Testament. Im Alten Testament auch sehr fromme Menschen; aber sie haben noch nicht alles von Gott ganz verstanden. WaS Jesus sagt, daS ist das ganz Richtige. So gut, wie wenn es Gott selber gesagt hätte. Wort

Eingang: Der Katechismus.

62

Gottes. Psalm 11» 1«: Sattes Varl ist meine« KutztS Leuchte «ud ein Licht auf meinem »ege. 2. (Bibel — Katechismus.) Die Bibel ist zu dick; ihr könntet schon deshalb nicht gut auS ihr lernen, was ihr zum Frommsein braucht.

Aber auch vieles darin für euch noch viel zu schwer, ihr würdet eS gar nicht richtig verstehen. ES haben schon große Leute die Bibel falsch ver­

standen. Deshalb neben den Biblischen Geschichten, in denen ihr von den

frommen Leuten aus der Bibel hört, noch ein ganz dünnes Buch, in

dem zusammengeschrieben ist,

wonach ihr euch als Christen in

Leben richten könnt: der Katechismus. („Der Unterricht.")

euerm

10 Gebote,

Vaterunser aus der Bibel genommen; stehen auch in Biblischer Geschichte

(10 Gebote im Katechismus abgekürzt!).

„Der Glaube" steht so nicht

in der Bibel; den haben die Christen vor bald 1800 Jahren nach der Bibel zusammengestellt, so gut sie sie verstanden haben. 5. Hauptstück wird am besten nicht eingegangen. ausführlichere Erläuterung verwirrt nur.

reicht.)

(Auf das 4. und

Eine hier notwendige

Der Zweck ist jetzt schon er­

Also: lauter kurze Stücke auS der Bibel oder nach der Bibel,

die ihr verstehen, auswendig lernen und für euer Leben behalten könnt. Man nennt sie Hauptstücke.

Dahinter noch ein Spruchbuch: besonders

schöne Sprüche aus der Bibel (vier davon schon gelernt).

Also:

alles

auS der Bibel genommen.

3.

(Luthers Katechismus.)

Ich sagte vorhin: manchmal verstehen

sogar große Leute die Bibel nicht richtig.

besonders schlimm.

Das war vor 400 Jahren

Da hat Gott einen Mann leben lasten, der Gottes

Wort, daS wir in der Bibel finden können, besonders gut verstand, weil

er dem Herrn Jesus besonders treu gehorsam war: Dr. Martin Luther. Der konnte deshalb den Leuten besonders gut au- der Bibel sagen, wie man recht fromm sein kann.

Luther hat die „Hauptstücke" deS Katechis­

mus, von denen wir vorhin sprachen, noch kurz erklärt, damit auch

Kinder sie recht verstehen und sich danach richten können. „WaS ist das?"

Beachtet daS:

An diesem Katechismus Luther- lernen wir also, was

für uns dazu gehört, ein rechter, frommer Christ zu sein.

Das erste Hauptstück: Die zehn Gebote.

63

Das erste Havptstück:

Vie Zehn Gebote. I. Einleitung. Eine besondere Einleitung zu den 10 Geboten ist vor allem deshalb erforderlich, weil schon die Kinder eine Ahnung von dem Unterschied zwischen dem alttestamentlichen Gesetz selbst und seiner Christianisierung bei Luther bekommen müssen. Wenn das nicht geschieht — und zwar offen und ausdrücklich angestrebt wird —, werden die Mnder unter dem unklaren Ineinander von Gebot und anders gestimmter Auslegung oft genug Not leiden; eS wird ihnen öfter gar nicht verständlich werden, wie Luther zu dieser Art von Auslegung gekommen ist. Selbstverständlich ist die Belehrung über diesen Punkt wieder ganz elementar, ohne grund­ sätzliche Reflexionen, die die Kinder doch nicht verstehen, zu geben — man hält sich ganz einfach an die autoritativen Aussprüche Jesu in der Berg­ predigt und in bezug auf das größte Gebot. Daraus kann man die Kinder schon das Nötige mit einem gewissen Verständnis ablesen lassen. Die Befürchtung, daß bei diesem Verfahren etwa den Kindern der Respekt vor dem Text deS mosaischen Gesetzes beeinträchtigt werden könnte, ist gänzlich unbegründet: zudem ist daS Große, das die Kinder als für sich maßgebend respektieren lernen sollen, das durch Christus gefestigte und erfüllte Gesetz, nicht das zeitliche Gewand der mosaischen Formu­ lierung. Das „Erfüllen" muß selbstverständlich in seiner richtigen Be­ deutung: das Gesetz auf die volle Höhe heben, ihm den rechten Inhalt geben, verstanden und erklärt werden. Die so von uns für notig gehaltene Einleitung zu den 10 Geboten hat nichts gemein mit den sonst vielfach üblichen Einleitungen, die den Kindern die Wahrheit: „durch daS Gesetz kommt Erkenntnis der Sünde", die Notwendigkeit eines autoritativen göttlichen Gesetze- neben der Gottes­ stimme im Gewissen und andere nützliche Dinge auflegen, von denen die Kinder zum Teil erst im Verlauf der Erklärung der Gebote und am Schluß etwas verstehen können, für die sie zum Teil überhaupt noch kein Verständnis haben, zumal sie studierten Theologen noch gehörig zu schaffen machen. Für unsere Einleitung ist allein die praktische Frage maßgebend: waS gehen ein Christenkind die Gebote deS MoseS an?

64

TaS erste Hauptstück: Die zehn Gebote.

1. (Die zehn Gebote Mose.) Gebot — ihr hört meistens nur daS Wort: verbieten. Es wird euch damit gesagt, waS ihr nicht tun dürft. Gebot, was ihr tun sollt. Eltern. Hier geht's höher hinauf: Gott. — Wie die 10 Gebote durch Mose aus dem Sinai den Kindern Israel ge­ geben worden sind, wissen wir aus der Biblischen Geschichte. (Nachprüfen!) Das sieht man auch noch in den 10 Geboten selbst: der ich dich aus Ägyptenland, aus dem Diensthause geführt habe. Fehlt int Katechismus! Es gilt ja nicht uns. Nun ist die Frage: waS gehen uns überhaupt die 10 Gebote des Mose an? Vieles hat Mose den Israeliten vorge­ schrieben, was wir gar nicht mehr halten. Z. B. essen die Juden, die sich noch streng an das halten, was Mose befohlen hat, kein Schweine­ fleisch. Uns fällt gar nicht ein zu meinen, das wäre verboten. Oder die strenggläubigen Juden schreiben nicht am Sabbat (Samstag). Da­ halten wir auch nicht; ja, wir feiern sogar überhaupt nicht den Samstag als Ruhetag, wie es doch den Israeliten vorgeschrieben war. Wir können also nicht sagen, daß wir unter den 10 Geboten das dritte so, wie eß von Mose den Israeliten gegeben war, halten. 2. (Die Befestigung durch Jesus.) Daß wir trotzdem die 10 Gebote, die Gott den Israeliten durch Mose gegeben hat, als heilige Gebote Gottes auch für uns anschen dürfen, dafür haben wir ein Wort Jesu, und zwar ein besonders feierliches, Matth. 5n: Ihr sollt nicht wähne«, daß ich gekommen bin, da- Gesetz oder die Propheten anfznlösen. Ich bin nicht gekommen anfznlösen, sondern zu erfüllen. Jesus will das, was Gott im

Gesetz durch Mose und außerdem durch andere Gottesmänner, die im Alten Testament vorkommen (Propheten), Gutes und Frommes dem Volk Israel hat sagen lassen, nicht abschaffen (auflösen); sondern er will daS, was jene gesagt haben, erst recht erfüllen. Erfüllen vom Eigenschaftswort voll, so viel wie voll machen. Wie wenn man einen leeren oder nicht ganz gefüllten Krug voll Wein gießt. Also kommt bei den Christen zu dem, waS bei Mose steht, auch bei den einzelnen Geboten, durch Jesus noch etwas dazu. DaS so „angefüllte" Gesetz gilt dann für die Christen. 3. (Die Art der Erfüllung durch Jesus.) Am 5. Gebot können wir sehen, wie JesuS die Gebote des Mose erfüllt hat. Matth. Sri.«: Ihr habt gehört, daß z« den Alten gesagt ist: Du sollst nicht töte«; wer aber tötet, der soll de» Gericht- schuldig sein. Ich aber sage euch: Wer «tt seinem Bruder zürnet, der ist de- Gerichts schuldig. (DaS Folgende ist

wegzulaffen; die Sache selbst wird natürlich beim 5. Gebot genauer be­ sprochen.) Im Gebot ist nur daS Totschlägen verboten; JesuS verbietet

schon, daß man dem Mitmenschen auch nur im Zorn etwas Böses wünscht. (Der „Bruder" muß hier noch unberücksichtigt bleiben; sonst würde die Ausführung zu kompliziert.) Ist das, was JesuS verbietet, nun leichter oder schwerer als das, was durch Mose verboten worden ist, und was natürlich von uns Christen auch gehalten werden muß? 4. (Die Bedeutung der Gebote für den Christen.) Jesus hat auch einmal ganz kurz zusammengefaßt, wie er sich das christlich angefüllte Gesetz Gottes denkt. Matth. 22,,—,,: Du sollst liebe« Sott, deinen Hern»,' von ganzem Herze«, von ganzer Seele, und von ganzem Gemüt. Die» ist das vornehmste «nd größte Gebot. Das andere aber ist dem gleich: Du sollst deine« Nächsten lieben als dich selbst. (In diesen zwei Gebote« hanget das ganze Gesetz und die Propheten.) Gott lieb haben und die andern Menschen lieb haben — davon steht in den 10 Geboten bei Mose nichts ausdrücklich, und darauf kommt es doch für den Christen auch bei den 10 Geboten an. Ihr habt am 5. Gebot gesehen, wie das die Gebote für uns schwerer machen kann. Umgekehrt: was mit dem Gott und die andern Menschen liebhaben nichts zu tun hat, gilt vom Gesetz Mose für uns nicht mehr. Z. B.: das Ruhen am SamStag hat mit dieser Liebe nichts zu tun. Ebenso das kein Schweinefleisch Esien, das Mose auch den Kindern Israel verboten hatte. Warum es trotzdem sehr wichttg ist, daß wir neben dem kurzen Gebot, in dem Christus das Gesetz GotteS zusammengefaßt hat, noch die 10 Gebote lernen, sehen wir später. (Hanget: wie eine Tür in den Angeln hängt und dadurch festgehalten wird.) 5. (Die Erklärung Luthers.) Wir Christen müssen uns also an die 10 Gebote halten in dem Sinn, wie wir sie durch Jesus haben verstehen lernen. In dem Sinn hat sie auch Luther im Katechismus erklärt.

H. Die Überschrift. Die in Luthers Enchiridion fehlenden, aber nicht ohne Nutzen später zugefügten Motte: „Ich bin der Herr, dein Gott" werden entschieden am vorteilhaftesten und für die Kinder am verständlichsten so behandelt, daß man sie als Überschrift zu den 10 Geboten im Ganzen ansieht. Zieht man sie nur zum ersten Gebot, so werden die Kinder schwer begreifen, warum gerade dieses allein solch autotttative Einführung mitbekommt. Zieht man sie zu allen Geboten, so gibt sie höchst einleuchtend den Rechtstitel an, auf Grund desien Gott seine Forderungen in den Geboten stellt. Fraglich bleibt, wie weit man bei dieser Verwendung der Überschttft sich an den ursprünglichen Wortsinn halten muß, genauer: ob man Lger, Lvarrgelische Jllgmdlehre. 2. Aust. 6

Da» erste Hauptstück: Die zehn Gebote.

66

„der Herr" ausdeuten oder bloß Umschreibung von Jehova sein lassen soll. Meine UnterrichtSpraxiS schwankt, je nachdem meine geschichtliche Einsicht oder die Lockung deS in dem „der Herr" liegenden Motivationsmaterials sich stärker geltend macht. Benutzt man „der Herr", so bleibt die Be­ merkung, daß daS Wort eigentlich bloß Ersatz für das den Juden sakrosankte Tetragramm ist, hier besser beiseite — davon ist beim 2. Gebot zu reden. — Dagegen bin ich dafür, daß bei der Ausdeutung des „dein Gott" mit der Gleichsetzung mit „gut" jedenfalls gebrochen wird. Sie ist falsch, und das „dein Gott" ist den Kindern auch ohne jene irreführende Hilfslinie innerlich verständlich und wertvoll zu machen. Dabei wird eS sich empfehlen, die besondere Wohltat Gottes an Israel vor der Sinaigesetzgebung: „der ich dich auS Ägyptenland, auS dem Diensthause, geführt habe" zum besieren Verständnis dessen, waS in dem „dein Gott" liegt, herbeizuziehen.

(Warum eine besondere Überschrift?)

1.

du

sollst

nicht.

Gebot, Verbot: du sollst,

Zuerst steht noch ein anderer Satz da:

Ich bin der

Da wird nichts geboten oder verboten.

Warum steht

Herr, dein Gott.

er da? — Wir haben vorhin nicht gesagt: Jesus hat die Gebote erfüllt:

sondern:

er

Das ist dasselbe.

hat das Gesetz erfüllt.

auch Menschen.

Gesetze geben

Z. B. Gesetz, daß man so und so viel Steuern bezahlen

muß, daß man mit 20 Jahren Soldat werden muß. sich aber natürlich nicht von jedem

Recht dazu haben.

so

etwas befehlen.

Nun läßt man

Er

muß das

In Deutschland hat dazu das Recht der Kaiser, in

Hesien der Großherzog.

Damit nun die Leute, die das Gesetz lesen, gleich

sehen, daß es von dem gegeben ist, der das Recht dazu hat, steht daS immer oben über den Gesetzen.

Kaiser

. . .

Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher

Ernst Ludwig, von GotteS Gnaden Großherzog von Hessen

und bei Rhein . . . (Borzeigen!) wer sie

gegeben

hat.

So steht auch über den 10 Geboten,

Nicht einer

von Gottes Gnaden, sondern Gott

„Der Herr, dein Gott."

selbst.

2.

(Der Herr.)

zu befehlen.

Ein Herr unter den Menschen hat seinen Knechten

Hauptmann von Kapernaum.

Der Großherzog kann uns

in Hesien befehlen, weil er Herrscher im Lande ist.

Aber er kann uns

nicht alles heißen und nicht alles mit uns machen, wozu er Lust hat.

Er darf nicht.

Friedrich der Große und der Müller.

mit uns alles machen, was er will.

er kann es uns nehmen, wann es ihm beliebt. hört ihm

(plötzlicher Tod).

Aber Gott kann

Ihm gehört alles, waS wir haben;

Er ist nicht nur

Auch unser Leben ge­

ein Herr, sondern der

Hl. Tas erste Gebot.

Herr über alles.

zu befehlen. 3.

67

Da wird er wohl schon das Recht haben, uns etwas

Und wir müssen ihm folgen.

(Dein Gott.)

Aber es steht noch mehr da als bloß, daß Gott

so gewaltig und stark ist und alles von uns verlangen kann.

Dein Gott.

Um das richtig zu verstehen, müßt ihr euch erinnern, zu wem daS Wort zuerst gesprochen worden ist, und wie es ganz geheißen hat.

Es ist zum

Volk Israel gesprochen und heißt vollständig: der ich dich aus Ägypten­

land . . .

Gott hatte das Volk Israel durch das Rote Meer hindurch­

geführt; gegen den Pharao mit all seiner Macht hatte er ihnen geholfen. Weil er der Gott deS Volkes sein wollte; d. h. also: ihr starker, gewal­ tiger Helfer in aller Not.

Damals verehrten ja die anderen Völker

andere Götter als den Gott Israels.

Für uns bedeutet daS Wort nun

nicht: ich bin der Gott der Deutschen eine- bestimmten Volkes.

alle den wahren Gott.

oder der Franzosen

oder sonst

Die Völker um uns herum verehren ja eben

Das „dein Gott" geht auf dich und mich.

Gott

will jedem einzelnen von uns freundlich Helfer sein, wie er damals dem

Volk Israel geholfen hat.

Er hat uns schon viel freundlich geholfen!

Das Leben gegeben, jeden Tag Essen und Trinken, gemacht, daß wir heute frisch und gesund aufgewacht sind.

Der liebe Gott, der uns lieb

hat wie unser Vater, wie unsre Mutter.

Dem Lehrer, dem ihr anmerkt, daß er euch lieb hat, folgt ihr gerne. So auch dem lieben Gott, der gegen uns so freundlich ist.

bloß: wir müssen „dem Herrn" folgen;

sondern mehr:

Also nicht

wir wollen

„unserm Gott" folgen.

III. DaS erste Gebot. Die eigentliche Schwierigkeit der Behandlung des ersten Gebots liegt nicht da, wo die katechetische Tradition sie sich hinlcgt, indem sie das Verbot der — „groben" und „feinen" — Abgötterei (an Hand des Textes des Gebotes selbst) und das Gebot (an Hand der lutherischen Erklärung) auseinander reißt und sich so in unleidliche Wiederholungen verliert; indem sie weiter über daS Stufenverhältnis der drei Aussagen Luthers allerhand Reflexionen vor den Kindern anstellt, vielleicht gar die „unrichtige" Anordnung Luthers im Sinn deS Boranstellens des „Gott lieben" korrigiert. Sobald man sich gegenwärtig hält, daß Luther durch sein „was ist das?" einfach daS Gebot hat erklären wollen, und daß Gott über alle Dinge fürchten, lieben und vertrauen nur jeweils am Gegensatz voll verständlich werden kann; sobald man weiter über das Verhältnis von Furcht und Liebe zu Gott nicht dogmatisch, sondern mit 5*

68

Das erste Hauptstück: Die zehn Gebote.

Rücksicht auf die Psyche des Kindes reflektiert: wird man keine Neigung haben, in der angegebenen Richtung der katechetischen Tradition zu folgen. Man wird das Verhältnis zwischen Gebot und Luthers Erklärung auf die einfachste Weise so herstellen, daß man auf den ersten Eindruck des Gebots auf die Kinder: das versteht sich doch ganz von selbst, ausdrück­ lich eingeht, die geschichtliche Bestimmtheit des Gebots an Israel, den Götzendienst der Heiden (Mission!) den Kindern unter die Augen rückt und dann das Ganze in die Richtung der Erklärung lenkt: mit dem bloßen Anerkenntnis, daß Gott allein Gott ist, haben wir ihn noch lange nicht wirklich als unsern Gott., Das ist erst dann der Fall, wenn wir ihn nach Luthers Worten über alle Dinge fürchten, lieben und ihm über alles vertrauen. Dagegen ist das die Schwierigkeit des mit Luther ausgelegten Ge­ bots, daß es Gesinnungsgebot ist, und Gesinnungen kann man nun einmal nicht befehlen. Der einzige Weg, auf dem man die Gesinnung beeinflussen kann, ist, daß man die der betreffenden Gesinnung förderlichen Motive in den Gesichtskreis der Kinder rückt und die Kinder ermahnt, diese Motive wirklich auf sich wirken zu lassen. Beim Gott über alle Dinge lieben habe ich mir nie versagen können, den Kindern an Hand der Geschichte von Friedrich Wilhelm I. und den beiden Juden ausdrück­ lich zu sagen, daß man einem gar nicht befehlen kann, einen andern lieb zu haben. Beim über alle Dinge fürchten und vertrauen nehme ich die Verschiebung aus dem Befehl zur Einführung in die Motive ohne weitere Erläuterung vor. Zu den einzelnen Teilen der lutherischen Erklärung ist noch folgen­ des zu bemerken: Beim „Fürchten" ist der Weg der Behandlung dadurch gewiesen, daß der Begriff der Ehrfurcht, der gewiß auf christlichem Boden grund­ sätzlich der angemessenste ist, für die Kinder kaum zugänglich ist, wie ja auch Luther im Beschluß der Gebote die Furcht Gottes ohne Umschweife und schlicht kindlich auf Gottes Strafgewalt gründet. Auch die Ana­ logie im Verhältnis zu Eltern und Lehrern weist auf ein Ausgehen von der Furcht vor der Strafe Gottes, wenn man Böses tut. Des weiteren bekommen die Kinder — was im Beschluß der Gebote ausführlicher wiederkehren muß, — eine Belehrung über die Art und Weise, wie Gott straft, wobei praktische, nicht theologische Rücksichten den Akzent auf die innerliche Strafe, das böse Gewissen und das „Gott verlieren" zu legen nötigen. Nun muß versucht werden, den Kindern zum Bewußt­ sein zu bringen, daß diese Strafe Gottes die schlimmste und furchtbarste aller Strafen ist: das geschieht am Beispiel von Menschen, die dies ein­ gesehen, und von solchen, die es nicht eingesehen haben — mit Andeu­ tung der Folgen. Dann folgt der Gedanke, daß die Furcht vor Gottes Strafe nach getanem Bösen nur quält: vielmehr kommt es darauf an, sich durch die Erinnerung an die Strafe Gottes vom Bösen abhalten zu lassen. Schließlich mag man noch den Versuch wagen, die Kinder

HL Das erste Gebot.

69

etwas von der Ehrfurcht vor Gott ahnen zu lassen. Biel Erfolg wird man aber nicht damit erzielen. Bei Erörterung des „®ott lieben" schlossen meine Erfahrungen im Unterricht gänzlich den Versuch aus, die Kinder auf irgendeinem Weg zur Gleichung Gott = höchstes Gut führen zu wollen. Diese Gleichung kann in dem Kind leidlich verständlicher Form nur gegeben werden, wenn man den Lohnbegriff einführt, und mir scheint es erstrebenswerter, das Verhältnis zu Gott hier rein persönlich zu halten. So scheint mir das Höchste, das mit Kindern hier erreicht werden kann, das Gefühl einer innigen, tatbereiten Dankbarkeit gegen Gott, der so gut gegen uns ist. Es gilt demgemäß die Liebeserweise Gottes, insbesondere durch und in Christus, recht eindrucksvoll, wenn auch natürlich nur in Kürze, vor­ zuführen und das „wir sollen Gott lieben", da Liebe nicht komman­ diert werden kann, dahin zu wenden, daß wir seine Guttaten nicht aus dem Sinn lassen sollen. Auch auf das, was als Unglück und Leiden der Liebe Gottes zu widersprechen scheint, muß heutzutage schon bei den kleinen Kindern dieser Katechismusstufe (11 Jahre) ausdrücklich hin­ gewiesen werden: je freimütiger und unbefangener der berufene Vertreter christlicher Heilswahrheit auf solche Schwierigkeiten selbst aufmerksam macht und zeigt, daß sie dem Glauben nicht hinderlich zu sein brauchen, desto weniger verwüstend für die Kinder werden dann die Hinweise anderer auf diese Schwierigkeiten, die nicht ausbleiben, wirken. Die Be­ tätigung der dankbaren Gegenliebe gegen Gott im Gehorsam gegen seine Gebote und in der Scheu, ihn durch Ungehorsam zu betrüben, gibt dann Gelegenheit, den beim „Fürchten" begonnenen Faden wieder auf­ zunehmen und die Kinder fühlen ju lassen, daß hier eine höhere Stufe des Verhältnisses zu Gott (unseres Erachtens die höchste für Kinder er­ reichbare) vorliegt als die der Furcht vor dem strafenden Gott. Während beim „Gott lieben", wo alles darauf ankommt, das Kind innerlich recht an Gott binden zu helfen, die negative Seite des „über alle Dinge" stark zurücktritt, ist beim „Vertrauen" der psychologisch ge­ wiesene Weg der, daß man mit den Kindern zunächst von Dingen und Personen redet, auf die sich die Menschen gewöhnlich verlassen, auf die sich zu verlassen und um die sich zu bemühen die Kinder in Haus und Schule beständig angehalten werden. Die Erinnerung an letzteren Um­ stand wird den Katecheten davor bewahren, die Warnung, sich dem Ver­ trauen auf diese Dinge und Menschen blindlings hinzugeben, so einseitig auszusprechen, daß sie durch ihren Widerspruch gegen das, was das Kind sonst von autoritativer Seite alle Tage hört, ihren Eindruck auf es ver­ liert. Das relative Recht und die relative Notwendigkeit, sich auf irdische Dinge und auf Menschen zu stützen, muß anerkannt und nur dem Kind nachher die Relativität zum Bewußtsein gebracht und es vom Relativen zum Gegenstand des absoluten Vertrauens hingeführt werden. Sofort ergeben sich aber hier wieder Schwierigkeiten aus der allgemeinen re­ ligiösen, beziehentlich irreligiösen Stimmung der Zeit, von der auch das

70

DaS erste Hauptstück:

Die -ehu Gebote.

Kind praktisch beeinflußt ist. Zur Gegenwirkung gegen diese Schwierig­ keiten genügt nicht zu sagen und am Beispiel Jesu zu erhärten, daß Gott es doch gut mit uns meint, wenn er uns auch schwere, dunkle Wege fuhrt — so unentbehrlich dieses Moment natürlich ist —: es muß viel­ mehr Gelegenheit genommen werden, den Gedanken des Gottvertrauens überhaupt zu vertiefen, soweit es mit Kindern dieses Alters möglich ist. Die populäre Vorstellung vom Wesen des Gottvertrauens bedarf dringend frühzeitiger Korrektur, wenn nicht demnächst das Gottvertrauen der Kinder ganz in die Brüche gehen soll. Diese Vertiefung hat im Sinn des Ge­ dankens zu erfolgen, daß das sich auf Gott Verlassen das sich Gott Er­ geben voraussetzt, daß das Zutrauen, Gott werde und müsse uns auch in leichtfertig selbstverschuldeter Not helfen, mit christlichem Gottvertrauen nichts zu tun hat. — Auf die gerade beim „Vertrauen" üblichen etymo­ logischen Bestimmungen ist verzichtet, weil ich mich von ihrem Wert nicht überzeugen kann. Die Einheit der drei Momente der lutherischen Erklärung erwächst daraus, daß Furcht, Liebe, Vertrauen praktisch auf den Einen Gott be­ zogen werden — und zwar jeweils nach den Kindern einleuchtender Be­ gründung. Diese Begründung stellt dann auch das Wertverhältnis der drei Momente zueinander für die Kinder praktisch her. Damit ist genug geschehen, wie denn ganz allgemein davor zu warnen ist, zu viel in die Auslegung des ersten Gebots hineinzubringen. Man glaubt damit wohl, dem 1. Gebot als dem Haupt- und Grundgebot besser gerecht zu werden; aber man übersieht dabei vollständig den Charakter des 1. Gebots als Gesin nungsgebot, als welches es in ganz besonderem Maße auf schlichte Einfachheit und Durchsichtigkeit der Hauptmotive an­ gelegt werden muß. Die Aufzählung der hunderterlei Formen grober und feiner Abgötterei mit den entsprechenden Beispielen (oft welch unkind­ lichen Beispielen!) kann nur verwirrend und die Motivationskraft des Dargebotenen beeinträchtigend wirken. Daß Luther, der im Großen Katechismus beim 1. Gebot der Grund­ stimmung seiner Frömmigkeit entsprechend alles auf das „Gott vertrauen" zugespitzt hat, im Kleinen Katechismus für Jugend und gemeinen Mann dies Gott vertrauen sich mit Gott fürchten und lieben in den Platz teilen läßt, ist pädagogisch meisterhaft: das rechte Gottvertrauen erwächst aus dem Gott Fürchten und Lieben. In der Rekapitulation der 1. Ge­ botserklärung bei den Erklärungen der folgenden Gebote tritt es dann, ebenso richtig, ganz zurück, um erst im Schluß der Gebote wieder den voll klingenden Abschluß zu bilden. — Die Erklärung des 1. Gebots im Großen Katechismus wird übrigens nicht voll verstanden, wenn man nicht den dort gegebenen „Anhang" (Ich bin der Herr dein Gott, ein starker Eiferer. . .) mit in Betracht zieht. Hier wird daS Moment des „sich fürchten vor Gottes Zorn" stark zur Geltung gebracht. So ver­ steht man auch, warum Luther im Großen Katechismus das Wort vom eifernden, (beziehentlich barmherzigen) Gott zweimal bringt (nach dem

HL Dar erste Gebot.

71

1. Gebot und am Schluß), im Kleinen Katechismus nur einmal. In letzterem ist das Moment deS Fürchtens schon in die Erklärung des Gebots hereingenommen. Daß Luther daS Fürchten mit Absicht und durchaus richtig hier an die erste Stelle gesetzt hat, muß wohl nach früher Gesagtem nicht mehr begründet werden.

L (Vorbereitung.) Du sollst nicht andere Götter habm neben mir.

1.

(Was sind andere Götter?)

Die Mehrzahl

der Kinder

weiß

vielleicht noch nicht einmal Namen von „anderen Göttern" zu nennen. Dann auS der Biblischen Geschichte Baal, auS der deutschen Stunde Wodan, Donar.

Die Menschen, die andere Götter alS den wirklichen Gott ver­

ehren, nennt man Heiden.

Früher gab es viel mehr Heiden als jetzt.

Die alten Deutschen waren Heiden.

Jetzt gibt es Heiden nur noch weit

weg von unS: Neger in Afrika, Chinesen, Indier (immer mit Beispielen ihrer GotteSverehrung).

Die Götter, die sie verehren, nennen wir Götzen

oder Abgötter, um damit zu sagen, daß es falsche Götter sind. 2.

(Die Notwendigkeit

a) (Die Notwendigkeit.)

der

und

Chinesengötzen verehren zu wollen.

weit von unS weg.

Sinn

des

Gebots

für

Israel.)

Bon euch fällt niemand ein, einen Neger- oder Dafür wohnen die Heiden viel zu

Aber daS Volk Israel wohnte mitten unter lauter

Heiden; es mußte deshalb immer wieder ermahnt werden, nicht die Heiden­ götter, sondern den wahren Gott zu verehren.

d)

(Der Sinn des Gebots.)

Das Gebot sagt noch genauer: nicht

andere Götter haben neben mir.

Also: Israel soll nicht neben dem

wahren Gott noch andere Götter verehren.

Die Heiden verehrten gern

verschiedene Götter nebeneinander,

wenn der eine Gott nicht

meinten,

helfen könne oder wolle, hülfe vielleicht der andere. die Israeliten oft nach.

Das machten ihnen

Der König Ahab verehrte neben dem wahren

Gott den Gott Baal der Phönizier und wurde dafür vom Propheten Elias hart gestraft.

Propheten!

c) (Die Verehrung deS wahren Gottes in heidnischer Form.) die Propheten mußten das Volk noch aus anderm Grunde zanken.

Aber DaS

goldene Kalb sollte ein Bild sein, vor dem der wahre Gott verehrt wurde. Die Israeliten wollten also nicht bloß Gott (unsichtbar) haben und zu

ihm beten, sondern auch noch heilige Bilder, heilige Bäume, heilige Steine. Sie meinten, daS hülfe bester.

gelernt.

DaS hatten sie auch von den Heiden

Und über dem Beten und Opfern vor den heiligen Bildern und

Bäumen vergaßen sie dann, waS Gott wirklich von ihnen haben wollte.

DaS erste Hauptstück: Die zehn Gebote.

72

3. (Die nächste Folge des Gebots für uns: Förderung der Heiden.

Mission.)

Bei Israel war also die Mahnung des 1. Gebots sehr nötig.

Bei uns scheint sie doch überflüssig zu sein.

Aber wir müssen mithelfen,

daß auch die, die noch Heiden sind, das Gebot halten lernen. Das furcht­ bare Elend der Heiden im Zusammenhang mit ihrem Götzendienst. zelne Beispiele, nicht zu viele!)

(Ein­

Niemand anders kann ihnen helfen als

wir Christen, die wir den wahren Gott kennen.

Missionare. Unterstützung

der Mission.

4. (Ter Sinn deS Gebots für den Christen.)

a) (Nicht andere

Götter haben heißt noch nicht, den wahren Gott haben.)

Ein Mörder bei

unS zu Lande (vielleicht konkretes Beispiel) weiß gar nichts von anderen Göttern, hat als Kind nur vom wahren Gott gehört.

Und doch kann

man nicht von ihm sagen: er verehrt den wahren Gott.

er nicht solche Dinge tun, die Gott verboten hat.

Sonst würde

Wie viele gibt es unter

den getauften Christen auch bei uns in Deutschland, die, wenn sie auch nicht morden, doch nicht nach Gott fragen und Unrecht tun.

Missionare

in Afrika erzählen, die Heiden wollten oft ihrer Predigt nicht glauben, weil sie sagen, der Christengott könne kein guter Gott sein, sonst würden

die christlichen Kaufleute usw., die zu ihnen kämen, nicht so böse Dinge

tun.

Diese Leute haben also „nicht andere Götter", aber sie haben auch

nicht den wahren Gott, weil sie ihm nicht dienen. b) (Was dazu gehört, den rechten Gott zu haben.) Darauf lehrt uns

Luther in der Erklärung zum 1. Gebot achten, wir wir den rechten Gott

haben können.

Das ist nicht so einfach, daß man bloß zu sagen braucht,

man hätte ihn, oder daß man in die Kirche geht.

Dazu gehört etwas

in unserm Herzen: daß wir Gott über alle Dinge fürchten, lieben und

ihm über alles vertrauen. II.

1. (Ter Wortsinn.) meinen.)

Fürchten.

a) (Furcht vor solchen, die es böse mit uns

Bor einem bissigen Hund fürchtet ihr euch, vor einem gut­

mütigen Hund nicht.

Vor einem Dieb, der in der Nacht bei euch ein­

bräche, Furcht — vor mir nicht.

Ihr fürchtet euch vor Tieren oder Men­

schen, von denen ihr denkt, sie könnten euch etwas zuleide tun.

Da kann

man sich doch vor dem lieben Gott nicht fürchten!

b) (Furcht vor Strafe.)

Trotzdem Eltern und Lehrer es gut mit

euch meinen, fürchtet ihr euch doch manchmal vor ihnen: wenn ihr etwas Böses getan und von ihnen Strafe zu erwarten habt.

Das wollen Elter»

m. Das erste Gebot.

73

und Lehrer nicht leiden, daß ihr Böses tut.

Weil es Gott verboten

Gott will es an euch auch nicht leiden: wenn ihr trotzdem Böses

hat.

tut, straft er euch.

(Die Strafe Gottes.)

2.

a) (Menschliche Strafe.)

euch strafen, zanken oder züchtigen sie euch.

Schlimmer

Kind.

die

Strafen,

Wenn die Eltern

Das ist unangenehm für das

die das Gericht

über

die Menschen

verhängt, die gestohlen oder sonst etwas getan haben, was im Gesetz ver­

Da kommt der Mensch ins Gefängnis, oft auf lange Jahre;

boten ist.

ja, vielleicht wird er sogar mit dem Tode bestraft.

b)

(Die Strafe Gottes.)

a) (Der äußere Untergang.)

Leute von Sodom und Gomorrha kommen um.

im Roten Meer.

Philistern.

Die bösen

Pharao mit seinem Heer

Saul, der Gott verlassen hatte, im Kampf mit den

Hier also die Strafe für den Ungehorsam gegen Gott, daß

die Bösen zugrunde gehen.

Auch heute geht es noch vielen Menschen

schlecht, weil sie nicht gut und gottesfürchtig leben; ich kann es euch nur nicht von jedem einzelnen sagen, denn es kann manchmal auch ein frommer,

guter Mensch Unglück haben.

ß)

(Das böse Gewissen.)

horsam sind,

Davon sprechen wir später noch.

Und es gibt auch Leute, die Gott unge­

und denen es doch,

äußerlich angesehen, ganz gut geht.

Z. B. den Kain straft Gott nicht am Leben — aber damit, daß ihn sein

böses Gewissen immer gequält hat, so daß er sich nicht bloß vor Gott,

sondern auch vor den Menschen fürchten mußte und keine Ruhe hatte. Mit diesem bösen Gewissen vor Gott werden auch sehr viele Menschen

bestraft; ich kann es euch im einzelnen nur noch weniger sagen als mit dem äußeren Unglück, weil man den Menschen nicht ins Herz sehen kann. Der, der das böse Gewissen hat, der weiß aber, was die Strafe Gottes

ihm zu schaffen macht.

Vgl.: Das Posthorn.

r) (Das Gottverlieren.) Lazarus nicht kümmert,

Den reichen Mann, der sich um Gott und

scheint aber doch Gott, solange er auf Erden

lebte, überhaupt nicht gestraft zu haben: von einer (furchtbaren) Strafe wird

erst nach seinem Tod erzählt.

Strafe

des

reichen ManneS

schon

Aber das sieht nur so aus:

bei

daß er immer weiter von Gott loskam.

seinen Lebzeiten

die

bestand darin,

Nach seinem Tod hat sich nur

gezeigt, was er sich schon im Leben angerichtet hatte.

Wie groß die

Zahl der Menschen ist, die sich ins Unglück stürzen wie der reiche Mann

und Gott verlieren, weiß nur Gott allein. Nach dem, was Jesus uns gesagt hat, muß sie sehr groß sein. Matth. 7 ir:

Die Pforte ist weit, und der Weg

ist breit, der zur Verdammnis abführt, und ihrer find viele, die darauf wandeln.

Da- erste Hauptstück: Die zehn Gebote.

74

3. bestand.)

(Die Stellung der Menschen zur Strafe Gottes.)

a) (Der Tat­

An diese schweren Strafen Gottes denken viele Menschen wenig

oder nicht.

Wenn sie durch ihre Schuld im Unglück sind, wollen sie

nicht einsehen, daß daS Unglück eine Strafe GotteS für ihr Unrecht ist (es ist es ja nicht immer); daS böse Gewiffen bringen sie zum Schweigen,

wie der reiche Mann das ja auch fertig gebracht hat; an daS ewige Leben

denken sie nicht viel und machen sich deshalb wenig daraus, wenn sie Gott verlieren, gottlos werden.

b) Leuten.

(Die Torheit dieses Verhaltens.)

Das ist sehr töricht von den

Die Strafe Gottes schaffen sie damit noch lange nicht auS der

Welt, daß sie vor ihr die Augen zumachen und keine Lust haben sie zu

sehen (Bogel Strauß!).

Vielmehr: alleS Unrecht, das wir uns zuschulden

kommen lassen, wenn'S unS nicht leid tut und wir uns bessern, wird von Gott gestraft.

Wir können uns vor ihm nicht verbergen und etwa

uns um seine Strafe herumdrücken, wie das Menschen gegenüber vielleicht

einmal möglich ist.

Und weiter: die Strafe, die wir uns damit auf den

Hals laden, daß wir nach Gott und seiner Strafe nicht fragen, ist die all er schrecklichste, die es gibt.

Es ist die Strafe des reichen Mannes,

daß wir Gott und die ewige Seligkeit verlieren.

Deshalb ermahnt auch

Christus Matth. 10«: Fürchtet euch nicht vor denen, die den Leib töten und die Seele nicht mögen töten.

Fürchtet euch aber vielmehr vor dem, der Leib

und Seele verderben mag in die Hölle,

(seil. Gott, aber natürlich so, daß

wir die Urheber des Verderbens sind.)

Denkt doch nicht, daß Jesus diese

strengen und harten Worte gesprochen hätte, wenn es nicht so wäre, wie er sagt. 4.

(Über alle Dinge.)

a) (Schlechte Beispiele.)

In dem Spruch ist

angedeutet, daß es Menschen gibt, die sich vor anderem mehr fürchten als vor der Strafe Gottes.

Dinge fürchten".

Deshalb schreibt auch Luther:

„über alle

Petrus fürchtet bei der Verleugnung mehr, waS ihm

die Knechte BöseS tun können, als das Unrecht der Lüge.

Kind, das aus Angst vor der wohlverdienten Strafe lügt.

Ebenso ein

Manches Böse

machen Kinder (und Erwachsene) nur mit aus Angst, die andern könnten

sie verspotten oder ihnen sonst etwas zuleid tun.

Oder aber man hat

Angst vor irgend etwas Unangenehmem, dem man durch die böse Tat

entgehen will.

Diebstahl aus Hunger.

Der Mord einer 80 jährigen Frau

durch einen jungen Burschen war dadurch veranlaßt, daß dieser zu Hause Borwürfe wegen NichtarbeitenS zu befürchten hatte, wenn er am SamStag

kein Geld mit nach Hause brachte.

Bor Gott und seiner Strafe hat er

sich nicht gefürchtet — so ist er sogar ein Mörder geworden!

m. Das erste Gebot. b) (Gute Beispiele.)

75

Wie wohl tun neben so vielen Beispielen von

Menschen, die Gott nicht über alle Dinge fürchten, Beispiele vom Gegen­ teil.

Da ist Josef in Potiphars Haus.

Er fürchtet den Unwillen seiner

Herrin, die ihn zu Bösem verleiten will, weniger als den Zorn GotteS über das Unrecht. 1. Ros. 39»: Wie sollte ich ei« so grosse- Übel tim «nd wider Sott sündige»? Jesus bei der ersten Versuchung fürchtet den Hunger Der Knabe Cyrill (in Gerok,

weniger als das Gott untreu werden.

PalmblStter).

Der Greis Polykarp.

c) (Der Entschluß.)

Von den MSnnern, von denen jetzt die Rede

war, erzählt man noch nach 1000, 2000, 3000 Jahren mit Freude. Die haben es gut gemacht, auch wenn sie darüber von bösen Menschen

getötet wurden.

Ihnen wollen wir's nachmachen und Gottes Strafe mehr

fürchten als Unglück und Unannehmlichkeiten bei den Menschen.

5. (Die rechte Furcht vor der Strafe Gottes.) a) (Die falsche Furcht.)

Es gibt aber eine Furcht vor Gottes Strafe, von der der Mensch nichtGutes hat.

Adam und Eva fürchten sich nach dem Sündenfall sehr vor

(Lottes Strafe, daS hilft ihnen aber nichts mehr, weil das Böse schon

geschehen war. b) (Die rechte Furcht.)

Anders bei Josef.

Gottes, ehe er das Böse tut.

halten.

So war es auch bei den anderen, die wir vorhin als Beispiele

der rechten Gottesfurcht betrachtet haben. getan

Der denkt an den Zorn

Dadurch läßt er sich vom Unrecht ab­

haben,

quält unS;

Gott fürchten, wenn wir Böse­

Gott fürchten,

Böses zu tun, bewahrt vor dem Bösen.

wenn wir in Gefahr sind,

Also: beizeiten an Gott denken.

Lob. 4«: Del« Lebe« lang habe Sott vor Auge« und tm Herze« und hüte dich, daß d« in keine Tünde willigest »och inest wider Sötte» Gebot. c) (Besser späte Furcht Gottes als gar keine.)

Allerdings ist e-

immer noch bester, wenn wir nach Bösem, daS wir getan haben, unS vor

Gott fürchten, als wenn wir auch dann leichtsinnig nicht nach ihm fragen. Denn so kann die Furcht nach der bösen Tat uns wenigstens dahin

bringen, daß wir in Zukunft das Böse lasten.

6. (Die Ehrfurcht.) a) (Erklärung des Wortsinns durch Anschauung.) Wir können aber das „Gott fürchten" noch anders verstehen denn al-

Furcht vor seiner Strafe.

Wenn ihr zum Großherzog ins Schloß ge­

rufen würdet, wäre euch ängstlich zumut, wenn ihr auch gar keine Strafe

von ihm zu befürchten hättet.

Das kommt daher, daß der Großherzog

so vornehm und so mächtig ist und ihr so gering gegen ihn.

Furcht nennt man Ehrfurcht.

Diese Art

Das erste Hauptstück: Die zehn Gebote.

76

b) (Ehrfurcht vor Gott.)

Erdbeben.

Wie mächtig und gewaltig ist nun gar

Die ganze Welt gehört ihm.

erst Gott!

Gewitter.

Sturm.

Vulkane.

(Messina.) Wie klein und schwach sind wir gegen ihn.

Wie

Psalm 33s. 9: Alle Welt fürchte den Herrn, und vor ihm scheue stch alles, was auf dem Erdboden wohnet. Denn so er spricht, so geschieht td; so er gebietet, so steht eS da.

müssen wir vor ihm in Ehrfurcht stehen!

c) (Die Wirkung dieser Ehrfurcht auf unser Verhalten.)

Daß Gott

so groß ist und wir vor ihm so klein, sollten wir nie vergessen.

Das

wird uns fast noch besser vom Bösen zurückhalten als die bloße Angst vor seiner Strafe.

Bor dem Großherzog werdet ihr nicht unartig fein,

nicht bloß, weil ihr fürchtet, er werde euch strafen, sondern weil ihr euch schämt, vor solch einem Mann etwas Schlechtes zu tun. Gott gegenüber!

Und nun erst

Der große Gott, unter dessen Augen wir alles tun.

Lied 301 1: Gott ist gegenwärtig.

III. Lieben. 1. (Die Liebe Gottes gegen uns.)

a) (Der Tatbestand der fürsorg­

lichen Liebe Gottes gegen den einzelnen.)

Trotzdem Gott so groß und

kümmert er sich doch um jedes einzelne von uns.

Der

irdische Beherrscher eines großen Reiches kann das gar nicht so.

Gott

gewaltig ist,

aber kann sich zugleich um die ganze Welt und um jedes Kind kümmern.

Wunderbar.

Nicht nur hat er jedem von uns das Leben gegeben; er

läßt unS auch jeden Tag und jede Stunde weiter leben, fragt nach uns, will uns sogar zuletzt bei sich im Himmel haben. b) (Der Widerspruch des Augenscheins.)

Es ist nicht nur merk­

würdig, daß der Gott, der die ganze große Welt regiert, sich um das

einzelne kleine Menschenkind bekümmert: es scheint auch oft gar nicht so zu sein.

Arme kleine Kinder sind verbrannt; Eisenbahnunglück; beim Erd­

beben in Messina sind Tausende von Menschen umgekommen.

Wie kommen

wir trotzdem auf den Gedanken, daß Gott es immer gut mit unS meint?

c) (Jesus: der Vater im Himmel.)

Das wissen wir von Jesus,

der uns einen Namen von Gott gelehrt hat, in dem alles Liebe und Gute, das wir nur von Gott denken können, enthalten ist: Vater!

Der

Vater im Himmel hat ihn selbst sehr viel leiden lassen (Gethsemane,

Golgatha): doch zweifelt er keinen Augenblick an seiner Liebe.

Er tröstet

mit dieser Liebe Gottes, die auch durch Leiden hindurch zur Seligkeit führt, den Schächer am Kreuz, und er stirbt selbst in der Gewißheit der Liebe seines Vaters: Vater, ich befehle meinen Geist in deine Hände!

UL Tas erste Gebot.

77

Auf daS, was uns Jesus von der Liebe Gottes gesagt hat, können wir uns in Freud' und Leid verlassen.

d) (Der Tatbeweis der Liebe Gottes in Jesus Christus.)

Jesus

hat aber nicht bloß gesagt, Gott sei der liebe Gott; er hat auch im

Namen Gottes allen Menschen Liebes und Gutes getan, mit denen er

zusammenkam, ja, allen Menschen überhaupt.

Eltern), Jüngling

Und

Kranke).

von Nain (betrübte

Jairi Töchterlein (traurige

Mutter),

Gichtbrüchige (arme

sich's etwas kosten lassen, den Menschen zu

er hat

zeigen, wie lieb er sie hat, hat sich für sie gefangen nehmen und ver­ urteilen und ans Kreuz schlagen lassen — und auch da nichts wie Liebe:

gegen seine Peiniger, den Schächer, seine Mutter, gegen alle Menschen: es ist vollbracht! 2. (Unsere Gegenliebe.)

a) (Gegen Jesus.)

Wenn jemand einen

andern vom Tode des Ertrinkens rettet und dabei sein Leben aufopfert

oder auch nur aufs Spiel setzt, wird der Gerettete ihm daS nie vergessen

und ihn unauslöschlich liebhaben.

JesuS hat uns durch seinen Tod zum

ewigen Leben gerettet; darum 1. Joh. 4 i»: Lastet u«S ihn liebe«; den« er hat uns zuerst geliebet.

Was JesuS Gutes getan hat, hat er im Namen

b) (Gegen Gott.)

und Auftrag GotteS getan. bare Liebe.

So gehört auch Gott unsre herzliche, dank­

Jetzt verstehen wir auch, wie zu uns im Gebot gesagt wer­

den kann: wir sollen Gott lieben. (Friedrich Wilhelm L

Liebe kann man ja nicht befehlen.

und die beiden Juden.)

Lieb habe ich meine

Mutter, weil sie so gut gegen mich ist; lieb habe ich den, der es gut mit mir meint.

DaS meiste Gute erweist mir Gott; deshalb ist es selbst­

verständlich, daß ich ihn liebhabe.

c) (Warum das: wir sollen?)

Aber weil wir beständig Gutes von

den Eltern bekommen, denken wir oft nicht daran, daß wir daS ihrer Güte zu verdanken haben, meinen, es müsse so sein. Gott gegenüber.

So ist es auch

Wir denken oft nicht an das Gute, das wir alle Tage

von ihm haben; aber wenn uns einmal etwas nicht nach Wunsch geht,

nehmen wir's ihm übel.

Deshalb muß uns besonders gesagt werden:

wir sollen Gott lieben.

Wir sollen uns fleißig daran erinnern, was

er uns alles Liebes und Gutes tut.

Geht in Wald und Feld und freut

euch dort der Liebe Gottes (Lied 362: Geh aus, mein Herz, und suche

Freud').

Und dann denkt immer wieder an das, was Jesus in Gottes

Namen auch für uns getan hat (Lied 273 i: Ich will dich lieben, meine Stärke).

DaS erste Hauptstück: Die zehn Gebote.

78 3.

(Die Liebe nicht der Worte, sondern der Tat.)

der Worte.)

a) (Die Liebe

So können wir gar nicht anders als Gott liebhaben, wenn

wir wirklich an seine Liebe gegen uns denken.

Liebe bei unS sein.

Aber es muß die richtige

Es ist nicht genug, daß wir jetzt im Augenblick

fühlen, wie lieb wir ihn haben; daß wir in dem Lied, das wir eben

gelesen haben, sagen, wir haben Gott lieb.

Wir müssen

beweisen,

daß wir Gott wirNich gern haben.

b)

Den Eltern zeigt ihr, daß ihr sie lieb­

(Die Liebe der Tat.)

habt, nicht bloß durch Schmeicheleien und Dankesworte, sondern dadurch, daß ihr ihnen zu Gefallen lebt, daß ihr auch tun könnt, was euch

mühsam ist, wenn ihr wißt, ihr macht ihnen damit Freude.

So ist's

auch mit unsrer Liebe zu Gott: sie lehrt uns, Gott zu Gefallen zu leben, zu tun, was er von uns haben will.

1. Joh. 5 s: Das ist die Liebe zu

Gott, daß wir seine Gebote halten, und seine Gebote find nicht schwer (nicht

schwer, wenn wir ihn wirNich liebhaben). c)

(Beispiele brennender Liebe zu Gott.)

Das vollendete Beispiel

der Liebe nicht nur gegen die Menschen, von der wir vorhin sprachen, sondern auch vor allem gegen Gott ist Jesus. und tut alle-, was Gott von ihm haben will.

Er lebt ganz für Gott

Joh. 4 34: Meine Speise ist

die. daß ich tue den Willen des. der mich gesandt hat, und vollende sein Werk.

Von Jesus hat es gelernt der Apostel

(Von der Speise lebt man.)

Paulus, der in der ganzen Welt herumgereist ist im Dienst Gottes.

Und

dazu nehmt noch Luther. Aber auch eine zarte Frau: die heilige Elisabeth. (Natürlich Einzelheiten.)

4.

(Über alle Dinge.)

Liebe zu Gott ist, da ist

a) (Jesus, Paulus, Luther.) sie stärker als die Lust

an

Wo wirNich

allem

anderen.

Jesus hätte gerne noch gelebt (Gethsemane!), aber dem Vater gehorchen

war ihm lieber als sein Leben.

Paulus ist nicht einmal, sondern oft

in Gefahr gewesen, sein Leben einzubüßen (Beispiele auS 2. Kor. 11);

deshalb hat er doch keinen Augenblick aufgehört, im Dienst Gottes das gefährliche Amt eines christlichen Predigers unter Juden und Heiden aus­

zuüben.

Luther läßt sich keinen Augenblick darauf ein, dem päpstlichen

Abgesandten nachzugeben, der ihm hohe Ehren in der katholischen Kirche

in Aussicht stellte, wenn er aufhören wollte,

nach Gottes Willen daS

Evangelium zu predigen.

b)

(Beispiele aus dem Alltagsleben.)

Aber nicht nur diese großen

Männer haben Gott lieber gehabt als alles andere, sogar als ihr Leben. (Ausgeführtes) Beispiel, etwa eines jungen Mannes, der durch Untreue

HL

im

Geschäft

Da- erste Gebot.

(Verrat eines Geschäftsgeheimnisses)

kann, einen lang gehegten Wunsch zu erfüllen.

79 die

Mittel

gewinnen

Aber er hat Gott und

Gottes Wohlgefallen lieber als die Erfüllung seines sehnlichen Wunsches,

Auch ein Kind kann Gott mehr als

c) (Im Leben der Kinder.) die anderen Dinge lieben.

Freundinnen wollen eS zu etwas Bösem ver­

leiten und werden unfreundlich, weil es nicht mittut.

haft: Gott ist ihm lieber

auch als die

Es bleibt stand­

liebste Freundin.

Gott

lieber

haben als Esten und Trinken: nicht naschen, nicht stehlen.

c) (Gott lieben ein noch stärkerer Schutz vor Bösem als Gott fürchten.) Da sind wir an etwas, was uns noch stärker vom Bösen zurückhalten

kann als die Angst vor der Strafe Gottes und die Ehrfurcht vor ihm: wenn wir ihn so liebhaben, daß wir ihn nicht durch etwas BöseS be­

trüben wollen.

Der kranke Knabe, der in der Nacht fieberfrei und bei

Bewußtsein erwachend die Mutter mit ihrem treuen, vergrämten Gesicht am Bett sitzen sieht, des Kummers denkt, den er ihr oft bereitet hat, und ein anderer Mensch wird, der seine Mutter nie mehr betrübt hat.

DaS muß doch ein schlechter Mensch sein, der den guten Gott durch ein böseS Leben immerfort betrüben kann.

Wir wollen so was nicht tun.

Also immer daran denken, daß wir durch jedes Unrecht, in Schule und HauS, nicht bloß Menschen, sondern den lieben Gott betrüben. 5.

(Abschluß.)

Wir zeigen, daß wir Gott liebhaben, indem wir

tun, waS er von uns haben will. sagen.

Seht Jesus an!

Menschen so lieb, daß er gar tun.

Wir können noch etwas Genaueres

Weil er Gott so liebhat,

hat

er

auch

die

nicht aufhören kann, ihnen GuteS zu

Wenn wir Gott liebhaben, werden wir voll Liebe und Freundlichkeit

auch gegen die Menschen: gegen unsre Eltern, Geschwister, Freunde uff. Da wohnt der liebe Gott in unserm Herzen; da sind wir mit ihm ver­

einigt. 1. Joh. 41*: Sott ist die Liebe, und wer in der Liebe (gegen Gott

und andere) bleibt, der bleibet in Sott, und Sott in ihm.

IV. vertrauen. 1. (Worauf sich der Mensch gewöhnlich verläßt, um durch das Leben

zu kommen.)

Der Mensch lebt nicht von der Luft; er braucht allerhand,

um leben zu können.

Entweder muß er mit Hand oder Kopf arbeiten,

um sein Brot zu verdienen.

Oder er hat Geld (Vermögen) und kann

sich kaufen, was er nötig hat.

Oder er hat Menschen, die für ihn sorgen.

Warum braucht der

leiden muß?

erste nicht zu

Der zweite?

fürchten, daß er Not und Hunger

Der dritte?

Man kann daS so auSdrücken:

DaS erste Hauptstück: Die zehn Gebote.

80

der eine verläßt sich (oder vertraut) auf seine Kraft und auf seinen Ver­

stand, der andere auf sein Geld, der dritte auf andere Menschen. 2. (Das Werturteil.)

a) (Die Notwendigkeit.)

Geld haben, Kraft

und Verstand haben, Menschen haben, die für uns sorgen: das sind alles schone und gute Dinge.

Mutter stirbt.

Wie übel ist ein Kind dran, wenn ihm die

Oder ein Mann, der nicht mehr arbeiten kann, weil er

krank und schwach geworden ist.

Oder wie schlimm ist es, wenn kein

Geld im Hause ist, um Brot zu kaufen, und was sonst nötig ist.

Des­

halb hält man euch ja auch an, von klein auf eure Kraft und euern Verstand zu üben (Schule!), sparsam zu sein, die Freundschaft anderer

Menschen nicht geringzuschätzen.

b) (Die Gefahr.)

a) (Biblische Beispiele.)

Trotzdem hören wir in

der Biblischen Geschichte öfter, daß Gott nicht damit zufrieden war, wenn

sich Menschen auf die Dinge, von denen eben die Rede war, verließen. Der reiche Kornbauer wird ein Narr geheißen, weil er sich auf sein Geld

verließ.

Darüber hatte er nämlich den lieben Gott und das Gute ver-

gessen.

Goliath verläßt sich auf seine furchtbare Kraft und wird hoch­

mütig gegen die Menschen und gegen Gott.

ß) (In der Gegenwart.)

Das ist also die Gefahr, wenn man sich

auf sich selbst, auf seine guten Freunde, auf sein Geld zu sehr verläßt:

man vergißt darüber den lieben Gott und was wir ihm schuldig sind. Napoleon I.: mit seinen 500 000 Bajonnetten werde er die Gebete der

Der Geizhals,

Russen schon zuschanden machen.

der nach nichts und

nach niemand fragt als nach seinem Geld.

c) (Die Unbeständigkeit.)

Dabei hat das, worauf sich der Korn­

bauer, Goliath, Napoleon, der Geizhals verlassen haben, einen sehr großen

Mangel: es hilft dem Menschen oft gerade dann nichts, wenn er es am nötigsten braucht.

Der reiche Kornbauer: in der Stunde des Todes und

des göttlichen Gerichts hat er gar nichts mehr von seinem Geld.

Goliath:

ein Kieselstein des kleinen David streckt ihn trotz seiner Kraft und seiner guten Waffen nieder.

Napoleon:

gegen Eis und

konnten ihm die Bajonnette nichts helfen.

Schnee in Rußland

Wie oft wird dem Geizhals

die Freude an seinem Geld durch Krankheit oder anderes Ungemach ver­

dorben — wie manchmal verliert einer plötzlich sein Vermögen.

Die Kraft

zur Arbeit oder der Verstand können auf einmal durch Krankwerden ver­

sagen.

Ebenso steht es mit dem Verlaß auf andere Menschen.

Vielleicht

hören sie auf einmal auf, gut Freund mit uns zu sein; oder aber sie können uns nicht helfen, weil ihre Kraft nicht ausreicht (Mutter und krankes Kind).

III. Das erste Gebot.

81

Aber noch schlimmer ist, daß wir etwas,

d) (Der Hauptmangel.)

und zwar etwas besonders Wichtiges, mit keinem Geld und mit keinem

Verstand und mit keinen guten Freunden bekommen können: daß wir in den Himmel kommen.

In den Himmel können wir nur kommen, wenn

wir mit dem lieben Gott freund sind, wenn wir uns auf ihn verlassen

Spr. 3 e: Verlaß dich aus de«

und vor ihm das Rechte und Gute tun.

Herrn von ganzem Herzen, «nd verlaß dich nicht auf deine» Verstand. — ES ist gut anf den Herrn vertrauen «nd sich nicht der-

Psalm 118 s:

lasten auf Menschen. 3. (Gottvertrauen.)

a)

(Biblische

David im Kampf mit Goliath.

Beispiele.)

Er tut,

(Beim

a)

was er kann,

Kräfte und seine Geschicklichkeit an, so gut er vermag.

wendet

Tun.) seine

Aber er hat da­

bei Gott als das Wichtigste nicht vergessen. — Paulus strengt sich an, soviel er nur leisten kann, in der Predigt des Evangeliums.

Aber er

verläßt sich dabei nicht auf sich selbst, sondern auf die Kraft und die Gnade Gottes.

Gottes Kraft ist in dem Schwachen mächtig.

Daniel in der Löwengrube.

ß) (Beim Leiden.)

seine Zuversicht ist der liebe Gott.

Sein Trost und

Lazarus — der „Gotthilf".

Der

selbst von Petrus verleugnete Jesus am Kreuz.

b) (Die Frucht des Gottvertrauens.) a) (Die zeitliche Hilfe.) gewinnt im Kampf gegen den viel

stärkeren Goliath.

Paulus

David bringt

durch Gottes Hilfe so viel fertig, daß wir ihn für den Größten unter allen Aposteln halten.

Aber Lazarus?

Daniel wird

aus der Löwengrube gerettet. —

Der kommt doch in Hunger, in Elend um.

(Ihr dürft jetzt noch nicht an seine Auferstehung denken.)

Schimpf und Schande

am

Kreuz.

Was

hatten

sie von

Und Jesus? Er stirbt in ihrem

Gott­

vertrauen?

ß) (Die Hilfe für die Ewigkeit.) den Engeln in Abrahams Schoß.

in deine Hände. eingegangen,

Lazarus: und ward getragen von

Jesus: Vater, ich befehle meinen Geist

Durch den Kreuzestod ist er in die Herrlichkeit GotteS

nachdem er die Menschen gerettet und erlöst hatte

durch

sein Leiden und Sterben.

c) (Das rechte und das falsche Gottvertrauen.) a) (DaS falsche Gott­ vertrauen.)

heit und

AuSgeführte Erzählung von einem Mann, der durch Träg­

leichtsinniges Leben

sich in Schulden gestürzt hat.

sein

Geschäft

hat verkommen

lassen und

Nun setzt er sein Vertrauen auf Gott,

der soll ihm wieder zu Wohlstand helfen und die traurigen Folgen seiner schlechten Wirtschaft abwenden.

Und wenn Gott nicht hilft, schilt und

Sger, «»«ugeNsche Ju-a>dlehre. 2. ÄufL

6

82

DaS erste Hauptstück:

Die zehn Gebote.

Gott hat mir nicht geholfen, obgleich ich so fest auf ihn ver­

klagt er:

traute; er will oder kann nicht helfen. — Also zuerst seinen Weg ge­

gangen, ohne nach Gott und nach dem, waS vor Gott recht ist, zu fragen. Und dann von Gott verlangt, er solle dann wieder heraushelfen, und

ihm übelgenommen, wenn er einem nicht zu Willen ist. Gottvertrauen.

Das ist falsches

Das kommt aber sehr oft vor.

Abraham folgt dem Ruf Gottes:

ß) (Das rechte Gottvertrauen.)

Gehe aus deinem Vaterland und geht den Weg, den Gott von ihm haben

will.

Deshalb ist er so fröhlich und getrost auch unter Schwierigkeiten und

bekommt zuletzt den Sohn und Erben, auf den er solange vergeblich ge­

hofft hatte.

Ebenso Jesus geht den Weg, den Gott ihn weist (Gethsemane:

nicht wie ich will, sondern wie du willst), und hat deshalb am

Vater

seinen Halt auch auf dem Leidensweg. — Das rechte Gottvertrauen wächst also auf dem Boden des Gehorsams gegen Gott, verläßt sich auf dem

von Gott gewiesenen Weg auf Gottes Treue und überläßt ihm demütig,

wie er helfen will.

Psalm 37 s: Befiehl dem Herrn deine Wege

(geh'

Gottes Weg im Tun und auch im Leiden) und hoffe auf ihn, er wtrd'S wohl machen (so, wie's nach seiner Weisheit gut ist).

d) (Die Mahnung für uns.) Geschichte.)

a) (Außerbiblische Beispiele aus der

Jetzt versteht ihr auch, warum Luther in Worms so tapfer

und unverzagt gewesen ist.

Er war den Weg gegangen, den ihn der

liebe Gott gewiesen hatte, und deshalb konnte er sich fröhlich auf Gott

verlaffen: Sedan:

Gott helfe mir! — Kaiser Wilhelm

Welch

eine Wendung durch Gottes Führung.

Soldaten und so klug die Feldherren: nicht dahin gekommen.

Das weiß er.

ß) (Beispiele aus dem Leben.) uns baue).

nach der Schlacht So

tapfer

von die

ohne Gottes Hilfe wäre er doch So geht er tapfer weiter mit Gott,

Die Gottesmauer (Eine Mauer um

Beispiele geduldiger und getroster Kranker aus der pasto­

ralen Praxis.

(Nur nichts Unwahres!)

T) (Die Folgerung

für

uns.)

An

den

Beispielen des Gottver­

trauens lernen wir, wie wir selbst Gott vertrauen können und sollen. Uns ganz Gott ergeben im Arbeiten (bete und arbeite!) und im Leiden, und dann sicher sein, daß er den Menschen, der sich treu auf ihn ver­

läßt, keinen andern als den guten und heilsamen Weg führt, wenn wir den Segen des Weges äußerlich auch erst so spät erfahren sollten wie Lazarus.

Es ist schwer, wenn Gottes Hilfe lange auf sich warten läßt;

einmal aber kommt sie ganz gewiß.

Psalm 42 •: Wa- betrübst du dich,

IV. Übergang vom 1. zum 2. Gebot.

83

meint Seele, und bist so unruhig l« mitt Harre auf Sott; denn Ich werd« ihm «och danke«, datz er mir hilft mit seinem »«geficht.

Lied 339: Wer

nur den lieben Gott läßt walten (besonders Vers 7).

IV. Übergang vom 1. zum 2. Gebot. So schwer das auf dieser Stufe ist, so muß doch etwas geschehen, um den Kindern eine Ahnung davon zu vermitteln, daß das Christentum in der Gesinnung der Furcht, der Liebe, des Vertrauens zu Gott genau besehen die ihm eigentümliche Ethik erschöpft, und daß alles, waS weiter an Forderungen sittlicher Taten dem Christen gegenübertritt, auS dieser Gesinnung heraus von ihm zu befolgen ist. Das müßte geschehen schon allein auS dem äußeren Grund, weil Luthers Erklärung zu den übrigen Geboten ohne ein Eingehen auf diese Gedankenreihe gar nicht verstanden werden kann. Es wird aber auch schon bei Kindern mit dem Erfolg möglich sein, daß etwaS von der nichtstatutarischen Art christlicher Frömmigkeit und Sittlichkeit, wenn nicht zu klarer Erkenntnis, so doch zur Empfindung kommt. Man wird allerdings die Erwartungen in bezug auf das, was an wirklichem inneren Verständnis der in Betracht kommen­ den Gedanken erreicht werden kann, recht bescheiden halten müssen; dem­ entsprechend wird man auf den Übergang nicht zu viel Zeit verwenden. Die Handhabe für das Eindringen in den Unterschied zwischen grundlegender guter Gesinnung und einzelner korrekter Handlung ist leicht gefunden in der Erfahrung des Kindes, das seinerzeit mit dem Vorsatz, ein braves Kind zu sein, in die Schule kam, aber zuerst allerhand von dem zu hören bekommen mußte, was nun im einzelnen vom braven Kind erwartet wird. An Hand dieser Analogie läßt sich den Kindern auch vorzüglich klarmachen, daß man dem braven Kind gar nicht alles im einzelnen vorschreiben kann, was es als braves Kind zu tun hat — vielmehr bleibt für sein eignes Nachdenken noch Spielraum genug. So werden die kurzen 9 Gebote (2—10) auch nicht alles einzelne aus­ einanderlegen, was ein Gott wirklich fürchtender und liebender Christ zu leisten hat. Wie gesagt, wird ja mit dem allem der GesinnungScharakter christlicher Frömmigkeit und Sittlichkeit den Kindern nur ahnungsweise verständlich gemacht werden können (ihre Moralität ist noch wesentlich Legalität), und der Punkt bedarf späterer Vertiefung und Be­ reicherung. Aber man unterschätze die hier schon möglichen Andeutungen denn doch nicht; sie bereiten den Boden für später vor. Der Begriff „Gesinnung" ist selbstverständlich zu vermeiden; die Sache, um die es sich handelt, wird den Kindern an dem vorgeschlagenen Vergleich mit dem „braven" Kinde vollständig klar. — Ebensowenig lasse man sich hier auf die Her­ stellung eines Systems der Gebote ein, lasse sich auch nicht durch Un­ ebenheiten stören, die aus unserm Vorschlag später beim 9.—10. Gebot, so wie wir diese Gebote zu behandeln beabsichtigen, erwachsen werden.



Da- erste Hauptstück:

84

So subtil denkt das Kind nicht.

Die zehn Gebote.

Was in diesem „Übergang" und dann

bei der Verbindung von „1. und 2. Tafel" über das Verhältnis von Gebot 2—10 zu Gebot 1 durch Vermittlung des „Gott fürchten und lieben" gesagt wird, genügt überhaupt. In vermeintlicher Treue gegen Luther bei jedem einzelnen Gebot diese Beziehung ausdrücklich herzustellen, ist pedantisch und unkindlich. Luther ist dergleichen im Großen Katechismus nicht eingefallen.

1. (Gott über alle Dinge fürchten, lieben und vertrauen das Höchste,

was es für den Christen gibt.)

a) (Das Beispiel Jesu.)

Jesus

in

Gethsemane fürchtet den Tod nicht so, wie er sich davor scheut, dem

Vater im Himmel ungehorsam zu sein.

Denn er hat den Vater und

sein Wohlgefallen lieber als sein eignes Leben.

Und er verläßt sich

auch da, wo alles und alle auf Erden, auch die Jünger, ihn im Stich

lasten, auf den Vater im Himmel (Vertrauen).

So wie in Gethsemane

macht es Jesus auch nachher bei seinem ganzen Leiden: bei der Gefangen­ nahme (meinest du nicht, daß ich nicht könnte...?), vor Pilatus (du

hättest keine Macht über mich . . .), am Kreuze selbst (Vater, ich be-

fehle. . .).

b) (Tas Werturteil.)

Besseres als das, was unS der Herr Jesus

in seinem (Leben) Leiden und Sterben vorgelebt hat, kann es nicht geben.

Alle Jahre wird in der Kirche und im Kindergottesdienst wieder vom Leiden und Sterben Jesu erzählt und darüber gepredigt, weil man nirgends besser sehen kann, wie gut und fromm JesuS war, als in seinem Leiden.

Ich habe euch aber an Jesus in Gethsemane gezeigt, daß von allem, was

da JesuS Gutes tat, schon im 1. Gebot die Rede ist.

So könnte man

denken, wir hätten mit dem 1. Gebot genug, brauchten die anderen Ge­ bote nicht mehr. Ein Kind, daS Gott wirklich von ganzem Herzen fürchtet, daß e- nicht- Böses tun will, das Gott aufrichtig lieb hat und ihm ver­

traut, ist doch ein guteS, frommes Kind. c) (Wie das Luther zum Ausdruck bringt.)

Daß Gott fürchten und

lieben für einen Christen die Hauptsache ist, hat auch Luther gewußt. Seht euch die Erklärung deS 2. Gebots an, des 3., 4. uff. bis zum 10.! Überall: wir sollen Gott fürchten und lieben. Also die wichtigsten Stücke der Erklärung zum 1. Gebot wiederholt.

(Warum eS die „wichtigsten

Stücke" sind, bleibt natürlich unerörtert.)

Aber wozu dann überhaupt

noch die Gebote vom 2. bis zum 10.?

2. (Zweck und Wert von Gebot 2—10.)

a) (Das „brave" Kind.)

Versucht noch einmal, daran zu denken, wie es war, als ihr in die

IV. Übergang vom 1. zum 2. Gebot. Schule kamt.

85

Da hat zu HauS der Vater, die Mutter zu euch gesagt, ihr

solltet in der Schule ja recht brav sein.

Und ihr habt brav sein wollen —

um unartig zu sein, habt ihr euch viel zu viel vorm Lehrer gefürchtet.

b) (Unarten trotz des Bravseinwollens.)

Trotzdem ist es vielleicht

vorgekommen, daß ihr Sachen gemacht habt, die nicht recht waren.

Da

ist einmal eins mitten in der Stunde aufgestanden und wollte nach Hause.

Oder es ist ein großer Vogel vorbeigeflogen, und die Kinder

sind ans Fenster gesprungen und haben ihm nachgesehen.

nicht brav, und doch wollten die Kinder artig sein.

DaS war

Aber sie haben

noch nicht gewußt, waS alles ein brave- Kind in der Schule tun muß, und was eS nicht tun darf.

c) (Die Notwendigkeit besonderer Weisung.)

Jetzt wißt ihr es, des­

halb würden euch jetzt solche Dinge nicht mehr einfallen.

Ihr wißt eS aber

daher, daß euch daS einzelne, was ein braves Kind tun und lasten muß, vom Lehrer, von den Eltern, von anderen Kindern gesagt worden ist. Z. B.: ein braves Kind muß ruhig auf der Bank sitzen; es darf nicht

zu spät in die Schule kommen; nicht sprechen; muß Bücher und Hefte in

Ordnung halten usw.

Das wollen wir einmal in die Form bringen, die

die Gebote haben: Du sollst brav sein.

Du sollst ruhig auf der Bank

sitzen . . . Eigentlich stecken die letzten Gebote alle in dem: Du sollst

brav sein drin.

Und doch sind sie auch neben ihm noch nötig, weil ihr

sonst ja gar nicht wissen würdet, was alle- zum rechten Bravsein gehört. Aber die Hauptsache bleibt das Bravsein wol len.

Sonst hat alles andere

keinen wirklichen Wert. d) (Auch für das Gott fürchten und lieben bedarf man besonderer

Anweisung.) Genau so ist es mit dem: wir sollen Gott fürchten und lieben. Wir müssen wissen, was wir im einzelnen alles tun müssen, wenn wir

Gott wirklich als Christen fürchten und lieben. zu Gebot 2, Gebot 3.

Lest Luthers Erklärung

Das habt ihr doch damit, daß euch bloß gesagt ist:

ihr sollt Gott fürchten und lieben, noch nicht gewußt. nötig, daß das noch hinzukommt.

immer:

Wollen.

Es ist also sehr

Aber die Hauptsache bleibt natürlich

das Gott wirklich fürchten und lieben, das vor Gott gut sein

Die anderen Gebote sind eigentlich nur eine Erklärung dazu.

e) (Die Einzelweisungen in Gebot 2—10 sind nicht vollständig.) Ein rechtschaffener Soldat muß in der Schlacht tapfer sein.

In welchem

Gebot steht denn daS? Oder: das Kind muß in der Schule fleißig sein. Davon steht auch nicht- da.

So könnten wir uns noch eine ganze Menge

von Geboten bilden, die alle nicht in Gebot 2—10 stehen — in Gebot 1

Das erste Hauptstück: Die zehn Gebote.

86

stecken sie natürlich alle drin.

Also ihr seht: eS hat nicht alle-, was

einer, der Gott recht fürchtet und liebt, tun muß, in Gebot 2—10 ge­ schrieben werden können.

Nur ein paar von den allerwichtigsten Befehlen,

die jeder Christ ohne Unterschied befolgen muß. — Also nicht etwa sagen: ich darf faul sein, das ist in Gebot 2—10 nicht verboten.

Eltern und

Lehrer haben euch genug gesagt, daß Gott fleißige Kinder haben will. Und manches Gute muß sich der Mensch selbst ausdenken, namentlich wenn er groß ist.

Luther hat auch nicht alles, was er Gutes tat, besonders

gesagt bekommen, sondern hat sich überlegt, was wohl das Richtige

wäre.

So mache ich es auch.

befehlen.

Mir hat ja doch zu Haus niemand zu

Bei euch noch anders; aber es soll auch bei euch schon anfangen,

daß ihr euch selbst überlegt, was gut und recht ist.

V. DaS zweite Gebot. Beim 2. Gebot macht sich der Abstand zwischen dem Empfinden und den Bedürfnisien von Christenkindern der Gegenwart und der Atmosphäre nicht nur des Gebots selbst, sondern auch derjenigen von Luthers Erklärung (in bezug auf das Verbot) besonders stark geltend. Es ist wirklich mißständig, daß gerade mit diesem Gebot die veranschaulichende Auseinanderlegung deS christlichen Grundgebots beginnen muß. Es wird kein anderes Mittel geben, über die angedeutete Schwierige feit ohne Schädigung dessen, was man nun den Kindern Motivkräftiges und Lebendiges mitgibt, hinauszukommen, als indem man die Kinder den vorhandenen Abstand ruhig empfinden läßt. Gegenüber dem Gebot selbst ist daS nicht schwer; hier wird das Gefühl des Abstands bis zum Empfinden einer andern Art von Stellung zum Namen Gottes zu steigern sein — sonst gefährden wir bei den Kindern die christliche Stellung zu Gott und seinem Namen. Die Gefahr, auf alttestamentliche Abwege zu ge raten, die mit christlicher Art nicht stimmen, wird dadurch vergrößert, daß die Eisenacher Kirchenkonferenz ihrem offiziellen Katechismustext bis im Lutheroriginal verständigerweise fehlende Strafdrohung wieder bei­ gedruckt hat, wodurch dem Namengebot nach seiner negativen Seite eine ganz besondere Bedeutung gegeben wird. Ich habe den von hier aus für daS christliche Verständnis des 2. Gebots drohenden Schädigungen nur dadurch zu wehren gewußt, daß ich diese Strafdrohung auS dem alttestamentlichen Milieu heraus verstehen lehrte und sie dadurch für die Kinder neutralisierte. Bezüglich der Negation der lutherischen Erklärung habe ich oft mit der Neigung kämpfen müssen, die Worte: fluchen, schwören, zaubern, deren jedeS ein katechetisches Problem für sich bildet, und deren Ausnutzung für Christenkinder der Gegenwart deshalb außerordentlich viel besser zu ver

V. Das zweite Gebot.

87

wendende Zeit in Anspruch nimmt, mit ein paar erläuternden Worten überhaupt liegen zu lafien. Die Erwägung, daß in den Worten — ab­ gesehen vielleicht von „zaubern" — doch schließlich manches steckt, was mit Nutzen auch den Kindern nahe gebracht werden kann, daß sie ohne derartige Erläuterung sehr mißverständlich bleiben (wie oft werden sie nicht im christlichen Sinn erfaßt!), daß es mißständig wäre, die Worte Luthers gleich zu Anfang nicht zu ihrem Recht kommen zu lasten: die Erwägung hat mich immer veranlaßt, doch auf etwas genauere Behandlung einzugehen. Aber die Behandlung (die natürlich entschlossene Anpaffung an das Bedürfnis unserer Kinder sein muß) schleppt viel Stoff mit sich, der nur aus der Schwierigkeit deS Objekts herausgewachsen ist, und zu dem das Resultat an religiöS-ethischen Motiven für die Kinder nicht in entsprechendem Verhältnis steht. Der Akzent muß natürlich unter allen Umständen auf der positiven Seite des Gebots liegen bleiben. Allerdings ist die hier zu fordernde elementare Lehre vom Gebet auch keine Kleinigkeit. WaS ist elemen­ tare Gebetslehre? Wo ist bei der Mangelhaftigkeit des eignen spon­ tanen Gebetslebens bei den Kindern und bei der Intimität des GebetSlebens anderer mit der Entwicklung einzusetzen? Ich habe hier stark den Wert des Ausgehens vom autoritativen Bibelspruch empfunden. Aller­ dings fürchte ich, daß auch die im nachfolgenden gebotene Entwicklung nicht immer elementar genug bleibt. Immerhin wird anerkannt werden, daß sie ernstlich an das Verständnis der Kinder heranzukommen sucht. Daß wir durch eine solche Belehrung über das Gebet die Kinder nicht zum Gebetsleben selber bringen können, ist selbstverständlich. Vielleicht gelingt es aber doch, die Kinder an einzelnen Punkten fühlen zu lasten, wie schön, wie wertvoll Beten ist; man wird sie zu allerhand Nach­ denken bringen und ihnen vor allem etliche Steine für die Zukunft aus dem Weg räumen können. Deshalb bin ich auch bei dem: „in allen Nöten anrufen" besonders eingehend auf die Frage: waS hilft es? eingegangen. Die energische Christianisierung und Modernisierung der Begriffe Fluchen und Schwören hat in Bahnen geführt, die von den traditionellen nicht unbedeutend abweichen. Man wolle sich dabei gegenwärtig halten, daß für diese Abweichungen pädagogische Erwägungen in noch höherem Maß bestimmend waren als Gründe theologischer Einsicht. Im übrigen dürften sich die Ausführungen selbst erläutern.

L Einleitung. 1.

ment.)

(Das Gebot: der Name und das Wesen Gottes im Alten Testa­ a) (Der Name Jehova.)

Im 2. Gebot ist vom Namen Gottes

Bei den Israeliten

hatte Gott einen besondern Namen,

die Rede.

den Mose daS Volk gelehrt hatte, nachdem er selbst ihn bei seiner Be­ rufung kennen gelernt hatte: Jehova.

(Keine Etymologie!)

DaS erste Hauptstück: Die zehn Gebote.

88

b) (Das Wesen Gottes nach dem Empfinden der Israeliten.) innert euch daran, wie Mose sich bei seiner Berufung benimmt.

hüllte sein Angesicht; denn er fürchtete sich, Gott anzuschauen.

licher bei der Gesetzgebung am Sinai.

Er­

Er ver­

Noch deut­

Da heißt es, daß ein furchtbarer

Wind wehte und die Erde dröhnte und der Berg rauchte, und keiner

durfte an den Berg heran, weil er sonst sterben mußte, und das Volk lief voll Angst weg und sagte zu Mose: Rede du mit uns, wir

wollen gehorchen, und laß den Herrn nicht mit uns reden, daß wir nicht sterben.

So ist es bei den Israeliten weiter geblieben: sie hatten Angst

vor Gott, sprachen von ihm mit Furcht und Zittern.

c)

(Der Gebrauch des Namens Gottes im Alten Testament.)

Angst vor Gott dehnten sie auch auf seinen Namen aus.

Diese

Später galt

es sogar bei den Juden für Unrecht, den Namen „Jehova" überhaupt

noch auszusprechen;

man meinte, dadurch könne man Gott beleidigen.

Deswegen hat man überall, wo in der Bibel „Jehova" stand, beim Vor­ lesen im Gottesdienst „der Herr" gelesen.

Das findet ihr im Gebot selbst!

— Die Angst, die das Volk Israel vor dem Namen Gottes hatte, könnt ihr auch daran sehen, daß es zu dem Gebot noch einen besonderen Zusatz hatte:

denn der Herr wird den nicht ungestraft lasten . . . Für die Israeliten war das 2. Gebot wegen ihrer Angst vor dem Namen Gottes besonders heilig.

2. (Der Name Gottes im Neuen Testament und bei den Christen.) a) (Der Name.)

Wir brauchen keinen besonderen Namen für Gott, um

ihn von den Heidengvttern zu unterscheiden; um die bekümmern wir uns

nicht mehr.

Christus gibt wohl Gott einen Namen, indem er uns im

Vaterunser lehrt, Gott Vater nennen.

Aber das ist kein Eigenname wie

Jehova, sondern eine Bezeichnung, die uns angibt, wessen wir uns von Gott versehen dürfen.

Vor dem guten Vater hat man wohl Respekt, aber

Angst nur dann, wenn man etwas Boses getan hat.

Also werden wir

uns auch nicht fürchten wie die Israeliten, Gottes Namen auszusprechen.

Es kann sich für uns als Christen, wenn wir über das 2. Gebot nachdenken, nur darum handeln, daß wir den Namen Gottes nicht schlecht gebrauchen.

b)

(Folgerungen.)

Das wird aber für uns noch nicht genug sein.

Ium nicht Mißbrauchen muß das

rechte Brauchen

kommen.

Wir

werden auch davon reden müssen, in welcher Weise ein guter Christ den Namen Gottes brauchen soll.

c) (Luthers Erklärung.) zwei Teile.

Deshalb hat Luther in seiner Erklärung

In dem einen steht, wozu wir den Namen GotteS nicht miß­

brauchen dürfen; in dem andern wird uns gesagt, wozu wir den Namen

89

V. Das zweite Gebot.

gebrauchen sollen (Verbot — Gebot).

Davor schreibt er: wir sollen Gott

fürchten und lieben, und verbindet so das 2. Gebot mit dem 1. Gebot,

wovon vorhin die Rede war.

Also:

Wir sollen Gott fürchten und lieben, daß wir

Gebot:

Verbot: bei seinem Namen nicht fluchen

sondern denselben (den Namen)

schwören

in allen Nöten anrufen

zaubern

beten

lügen oder trügen

loben und danken.

II. DaS Verbot: Vor welchem schlechten Gebrauch des Namens Gottes man stch hüten mutz.

Beim Namen Gottes nicht fluchen.

A.

1.

(Wortbegriff.)

a) (Altes Testament.)

Jakobs Angst vor JsaakS

Fluch (beim Betrug) viel größer als seine Angst vor dem Unrecht selbst.

Er meint, wenn Isaak ihm fluchte, d. h. ihm etwas Böses von Gott wünschte, so werde Gott ihm auf diesen Fluch hin das Böse zufügen.

b)

(Christlich.)

Das, was wir da an Jakob sehen, können wir, seit

Jesus da war, gar nicht mehr recht verstehen.

Gottes

immer an

den lieben Gott denken.

Wir müssen beim Namen

Den Namen des guten

Gottes kann man doch gar nicht dazu gebrauchen, um dadurch fertig zu

bringen, daß Gott

einem Menschen nun etwas Böses tun soll.

Aber

es kommt doch auch noch unter den Menschen, die sich Christen nennen,

vor und ist früher viel häufiger vorgekommen, daß die Menschen andere

ganz feierlich verflucht haben.

Bettler verflucht feierlich das Haus, in

dem er nichts geschenkt bekommen hat.

Doch im allgemeinen werdet ihr

ein solches feierliches „im Namen Gottes verfluchen" noch nicht erlebt haben.

2.

(Die Bedeutung des Wortes für die Kinder.)

Gott wünschen.)

a) (Böses von

Aber etwas, was mit dem Fluchen im Herzen deffen,

der es tut, viel Ähnlichkeit hat, wenn es auch äußerlich nicht so aussieht,

geschieht eben noch ziemlich häufig.

Jakob fürchtet sich davor, daß Isaak

ihm feierlich von Gott etwas Böses wünscht; der Bettler wünscht dem

Haus feierlich Böses von Gott.

Das Böses von Gott wünschen braucht

aber nicht immer feierlich vor sich zu gehen.

Das ist schon von Gott

Böses gewünscht, wenn einer dem andern, der ihn geärgert hat, zornig

sagt: ich hoffe, daß es dir Gott auch noch einmal schlecht gehen läßt.

So was kann man gar nicht sagen, wenn man bedenkt, was im Vater-

DaS erste Hauptstück: Die zehn Gebote.

90

namen Gottes steckt.

Gott will es niemand schlecht gehen lasten; auch

wenn er jemand Unglück schickt, will er den Menschen dadurch auf den rechten Weg bringen.

Von Gott kann man anderen nur Gutes wünschen.

Röm. 12i*: Segnet, dte euch verfolgen (Böses tun); segnet «ud fluchet nicht,

b) (Den Namen Gottes leichtfertig aussprechen.)

Dies anderen von

Gott Böse- Wünschen werdet ihr hoffentlich so leicht nicht tun.

Dagegen

geschieht etwas andere- häufig, waS man auch „Fluchen" nennt, wenn auch in anderm Sinn, als es im Gebot steht.

Die Schimpfworte, die

Fuhrleute usw. öfter brauchen, manchmal ganz schreckliche, ohne sich viel

dabei zu denken.

Das ist natürlich

einem andern ernstlich BöseS wünscht.

nicht so schlimm,

wie wenn man

Aber recht ist es auch nicht.

Es

ist roh und schickt sich nicht. — Und dann sollen wir uns etwas dabei denken, wenn wir den Namen GotteS in den Mund nehmen.

Geschichte

von der Bauerntochter, die immer „ach Gott" sagt und sich auf Vorhalt

des Vaters damit entschuldigt, sie habe sich nichts dabei gedacht.

Sie

wird kuriert, indem der Vater Magd und Knecht sie durch Rufen ihres

Namens in die Küche und in den Stall hetzen läßt; beide erklären: sie hätten sich nichts dabei gedacht. *)

B.

Beim Namen Gottes nicht schwören.

(Veranschaulichung

1.

geschworen?)

des Wortbegriffs.)

a) (Wo und wie wird

Geschworen wird bei Gericht; noch keins von euch dabei

Der Richter fragt die Leute, die von dem Dieb, oder von wem

gewesen.

sonst gerade die Rede ist, etwas gesehen oder gehört haben, und sie müssen versprechen, alles zu sagen, was sie wissen, und nicht zu lügen.

halten

sie

Dabei

drei Finger der rechten Hand in die Höhe (feierlich!) und

sprechen: so wahr mir Gott helfe! b)

(Bedeutung deS Schwurs.)

Damit wollen sie sagen: ich weiß,

daß Gott genau bekannt ist, ob ich eben die Wahrheit sage oder nicht.

Er soll mir nur helfen, wenn ich die Wahrheit sage. — Nun denkt euch, waS das für ein schlechter Mensch sein muß, der doch noch lügt, trotz­ dem er daS feierlich gesagt hat.

Man sagt: solch ein Mensch hat einen

Meineid geschworen (falschen Eid).

So einer muß ja gar kein Gewissen

mehr haben; sonst könnte er Gott nicht so ins Gesicht hinein lügen.

*) Da- Verbot des leichtfertigen Fluchens scheint vielleicht sehr wenig ein­ drucksvoll. Aber ich kann mit innerer Wahrhaftigkeit den dabei vorliegenden Fehler nicht stärker qualifizieren.

V. Das zweite Gebot.

91

c) (Die Strafe des Meineids.) Weil der Meineid etwas so Ab­ scheuliches ist, wird er schon von den Menschen sehr schwer gestraft. Wer einen Meineid geschworen hat, bekommt 1, 2 Jahre Zuchthaus und mehr. Trotzdem schwören immer wieder Leute einen falschen Eid, weil sie meinen, es würde nicht gemerkt. Aber wenn so ein Meineidiger auch am Zucht­ haus vorbeikommt: der Strafe Gottes entgeht er nicht. Wie kann so ein Mensch überhaupt noch auf Gott hoffen, dem er ins Gesicht hinein frech gelogen hat? 2. (Christi Forderung: du sollst nicht schwören.) a) (Das Problem.) Keins von euch denkt daran, daß es je einen Meineid schwören könnte. DaS ist ja etwas viel zu Furchtbare- und Abscheuliches. Aber Luther schreibt nicht: wir sollen nicht falsch schwören, sondern: wir sollen nicht schwören. Damit geht Luther auf ein Wort Jesu zurück. DaS heißt Ratth. 5 su.«: Ich sage euch, daß Ihr allerdinge nicht schwöre« fallt. Gurr Rede sei: Ja ja, «et« «eia; wa» darüber Ist, das ist vom Übel.

Wie meint das JesuS, und wie stimmt das damit, daß man vor Gericht schwören muß? b) (Der Sinn der Forderung Jesu.) Betrachten wir das Wort Jesu genau. Wenn wir ja sagen, soll's ja sein, und umgekehrt. Was dazu gesetzt werden muß, kommt vom Bösen. Wenn du einem Kameraden etwas erzählst, brauchst du gewöhnlich nicht hinzuzusetzen: es ist aber wirklich wahr. Das tust du bloß, wenn du denkst, daß er dir ohne das nicht glaubt. Daß man Menschen manchmal nicht glaubt, waS sie sagen, rührt aber daher, daß unter den Menschen leider oft gelogen wird (kommt vom Bösen). Die Mutter braucht euch nicht zu versichern, daß das, was sie euch sagt, wahr ist — ihr glaubt es ihr schon so wie so. Beim Lehrer ist es gerade so. Also: wenn alle Leute immer die Wahr­ heit sagten, brauchte man dem einfachen Wort: so ist es, nichts hinzu­ zusetzen. Und so soll es unter rechten Christen, auch schon unter Christen­ kindern, fein, daß sie immer so wahrheitsliebend sind, daß man ihnen ohne besondere Versicherung glaubt. c) (Die Forderung Jesu und der Eid vor Gericht.) Der Eid vor Gericht ist nun, wie wir gesehen haben, eine besonders feierliche Ver­ sicherung besten, der zu schwören hat, vor Gottes Angesicht, daß er nicht lügen will. Das Gericht hält es bei unS für leider Gottes sehr nötig, von den Leuten eine solche feierliche Versicherung zu fordern, damit sie vor dem Lügen sich in acht nehmen. Manche lügen ja sogar trotzdem Gott inS Gesicht hinein, schwören einen Meineid. Aber die meisten hüten

DaS erste Hauptstück:

92

Die zehn Gebote.

Also: das Gericht muß den Eid verlangen, weil sonst

sich doch davor.

noch mehr gelogen würde. d) (Der Eideszwang.)

DaS Gericht

kann

auch nicht Ausnahmen

machen und zu einem Mann, der als wahrheitsliebend bekannt ist, sagen: du brauchst nicht zu schwören; dir glauben wir ohne Eid.

ja die anderen beleidigen.

Das würde

Es gibt allerdings in England und auch bei

uns in Deutschland einige Vereinigungen frommer Leute, die haben unter

die Gebote ihres Vereins ausgenommen, sie dürften wegen des vorhin gelernten Wortes Jesu nicht schwören.

Da die Leute, die zu diesen Ber­

einigungen gehören, als sehr wahrheitsliebend bekannt sind, hat man er­ laubt, daß sie keinen eigentlichen Eid vor Gericht zu schwören brauchen.

Aber einem einzelnen, der sagt, er wolle nicht schwören, wird das nicht erlaubt.

Und das ist richtig.

Es kann also einem von euch später so

gut einmal geschehen, wie es mir schon begegnet ist, daß ihr vor Gericht

einen Eid schwören müßt.

Dann denkt daran, was für eine entsetzliche

Sünde der Meineid ist. e) (Schwören im täglichen Leben.)

Aber sonst heißt's uns in allem,

was wir tun und reden, so halten, daß man uns auf unser einfaches

Wort hin glaubt, daß wir alles, was wir sagen, vor Gott verantworten können, ohne daß wir seinen Namen dazu besonders zu nennen brauchen.

Wer viel versichern muß, daß er nicht lügt, bei dem sieht's mit der Liebe zur Wahrheit nicht zum besten aus.

C. 1.

(Der

Beim Namen Gottes nicht zaubern.

Wortbegriff.)

Ihr werdet gar nicht

recht

wissen,

waS

mit dem „Zaubern" gemeint ist; viel kommt es unter uns nicht mehr

vor.

Ich muß euch deshalb ein wenig erklären, was man unter Zaubern

versteht.

Die Heiden bildeten und bilden sich heute noch ein, wenn sie

bestimmte Sprüche hersagen oder bestimmte Dinge tun, z. B. Feuer auf

einer Pfanne um ein Haus tragen oder mit einem Stab bestimmte Zeichen in den Sand oder in die Luft machen, so müßten ihre Götzen ihnen tun, was sie von ihnen haben wollen.

Das

nennt man zaubern, und die

Leute, die nach der Meinung der Heiden die Götzen so zwingen können, ihnen den Willen zu tun, heißen sie Zauberer.

(Abbildung!)

2. (Zaubern bei Christen.) Die Deutschen waren früher auch Heiden

und auch wie sie Christen wurden, haben sie von dem heidnischen Zaubern noch manches beibehalten, indem viele meinten, sie könnten durch bestimmte

Redensarten oder bestimmte Zeichen Gott veranlaffen, ihnen den Willen

V. Das zweite Gebot.

zu tun.

93

Die Leute, die behaupteten, sie könnten zaubern, nannte man

Hexen oder Hexenmeister.

Eben gibt es noch manche Leute, besonders auf

dem Land, aber auch in den Städten, die sich einbilden, sie konnten mit bestimmten Redensarten und Bewegungen z. B. das Blut einer Wunde

stillen, oder sie könnten aus bestimmten Zeichen andern die Zukunft sagen.

3.

(Das Werturteil.)

weiß natürlich kein Mensch;

Die Zukunft

was die Leute sich da einbilden, ist also Torheit.

Aber für einen Christen

ist es nicht nur töricht; eS ist auch nicht recht.

Wir sollen nicht mit

Sprüchen und Redensarten den lieben Gott zwingen wollen, daß er uns irgend etwas tut oder uns sagt, was eS in Zukunft geben wird.

ist hochmütig gegen Gott.

Wenn

wir etwas

von Gott

haben

DaS

wollen,

müssen wir ihn schön darum bitten und dann geduldig abwarten, waS

er unS geben will. D.

1.

Beim Namen Gottes nicht lügen und (be)trügen. (Gottes Namen als Deckmantel für Lügen benutzen.)

Das beim

Namen Gottes Lügen und Trügen geschieht einmal so, daß wir uns auf Gott berufen, wenn wir andere belügen.

bescherte mir's.

noch viel schlimmer. 2.

Jakob: Der Herr, dein Gott,

Lügen ist an und für sich schon häßlich, natürlich so Es kommt gleich nach falsch schwören.

(DaS Frommtun ohne Frommsein.)

noch einen andern Sinn haben, Pharisäer stellten sich fromm

Das Wort kann aber auch

a) (Die Heuchelei der Pharisäer.) und waren es

gar nicht

wirklich.

Die Sie

stellten sich mitten auf die Straße und beteten und dachten dabei ganz

böse Dinge.

Oder sie ließen Geld unter die Leute verteilen, wenn sie

Das taten sie aber nur, damit die Leute sie

auf der Straße gingen.

sähen und sie für gut und fromm hielten.

Sie betrogen also die anderen

Leute, indem sie vor ihnen taten, als wären sie fromm.

Gottes lügen und trügen.)

(Beim Namen

Deshalb ist Jesus so zornig auf sie und

nennt sie Heuchler.

b) (Die Gegenwart.)

DaS kommt leider eben auch noch vor.

Da

sitzt einer in der Kirche mit einem andächtigen Gesicht, daß alle Leute denken: der ist aber fromm.

Und dabei denkt er an ganz etwaS anderes.

Oder er stellt sich in der Kirche hin und tut vor den Leuten, als ob er bete, und hat doch ganz andere Gedanken. c) (Der fromme Selbstbetrug.)

DaS ist aber auch schon dann schlimm,

wenn man es auch nicht tut, um andere zu betrügen. DaS ist sehr wichtig

auch für euch Kinder.

Ihr dürft euch nicht einbilden, ihr gefielet dem

Das erste Hauptstück: Die zehn Gebote.

94

lieben Gott, wenn ihr in die Kirche oder in den Kindergottesdienst geht und dabei gar nicht wirklich an Gott denkt.

Oder wenn ihr bloß daS

Schulgebet heruntersagt und gar nicht mit euern Gedanken dabei seid.

Damit betrügt ihr euch selbst, indem ihr meint, Gott werde schon mit Der Herr Jesus ist dagegen ganz besonders streng

euch zufrieden sein.

gewesen. Matth. 15 s: Dies Volk nahet fich zu mir mit seinem Munde nnb ehret mich mit seine« Lippe«, aber ihr Herz ist ferne von mit. — Matth. 7 ri: VS werden nicht alle, die zu mir sage«: Herr, Herr, in das Himmelreich komme«, sondern die de« Willen in» meines Vaters im Himmel. (Überleitung.) Wichtiger als den Mißbrauch des Namens GotteS zu

vermeiden ist aber für uns, daß wir den Namen Gottes recht gebrauchen. Wir sollen ja mit Gott als unserm Vater zu tun haben, ihm nicht scheu

aus dem Weg gehen.

Deshalb kommen wir jetzt erst zu dem, was für

den Christen am 2. Gebot die Hauptsache ist.

III. Gebot: Wie wir de« Name« Gotte» recht gebrauchen sollen.

In allen Nöten anrufen.

A.

1.

(Not lehrt beten.)

a) (Das Bedürfnis des Menschen.)

Ein

reicher Mann, der immer gesund war, der meinte, er könne alles haben, waS ihm Freude mache, nach Gott nicht fragte, wird krank; die Krank, heit dauert länger.

Natürlich wird der Arzt gerufen; aber der kann

ihm nicht helfen. Da schickt er zum Pfarrer und sagt ihm, er solle ein­ mal mit ihm beten. Ähnlich Soldaten in der Schlacht, erzählen, daß ihnen in der Stunde der Gefahr daS Beten erst richtig eingefallen ist.

Also: wenn die Menschen in Not sind, denken sie eher an Gott und wenden sich leichter an ihn im Gebet alS in guten Tagen.

Biele ver-

gesten eS allerdings auch in der Zeit der Not.

b) (Der Wille Gottes.)

Gott stößt den nicht von sich, der in der

Not zu ihm seine Zuflucht nimmt, auch wenn er ihn vorher, in den guten Tagen, vergesien hat.

Er läßt unS sagen Ps. 50»: Hufe mich an

in der Rot; so will ich dich errette«, so sollst d« mich preisen.

Manchmal

kann man geradezu sagen, Gott hat einen Menschen in die Not kommen lasten, daß er wieder beten, wieder an Gott denken lernt.

Junger Mann

von 20 Jahren, war leichtsinnig und faul und machte seinen Eltern viel Kummer.

Da wurde er lange und schwer krank.

Krankheit für ein anderer Mensch geworden!

Was war der in der

Wie dachte er an Gott

und fragte nach ihm und betete zu ihm. 2.

(Der Erfolg.)

a) (Die äußere Errettung.)

WaS hilft es denn,

Da- zweite Gebot.

V.

wenn wir Gott in der Not anrufen?

dich erretten."

Daniel

in

unter dem Gebet Luthers. wahren Beispiele!).

95

„so will ich

Der Spruch sagt:

der Löwengrube.

Genesung

MelanchthonS

Ähnliches kommt eben noch vor (keine un­

Aber es geht gar nicht immer so.

Denkt nur

daran, wie Jesus in Gethsemane gebetet hat, der Tod möge ihm erspart bleiben.

DaS scheint doch nichts geholfen zu haben.

Und wie oft mag der

arme Lazarus Gott gebeten haben, er möge ihm helfen, und er ist doch

arm, krank, verlassen geblieben.x)

Mir haben schon mehr als einmal kranke

Leute gesagt, sie hätten sich wieder abgewöhnt, Gott in der Not anzurufen.

Sie hätten gemerkt, daß es ja doch nicht hülfe.

Nach dem Beten seien

sie gerade so krank geblieben, wie sie vorher waren.

Wie ist es da zu

verstehen, wenn eS im Spruch trotzdem heißt: so will ich dich erretten?

b)

(Die Bedingung des Erfolgs.)

Wir verstehen das am besten an

einem andern Spruch, Pf. 145 is. 19: Der Herr ist nahe allen, die ihn anrnfea, allen, die ihn mit Ernst aarnfen.

Er tut, was die Gottesfürchtigen begehre»,

er höret ihr Schreien und Hilst ihnen. — Er tut, was die Gottesfürchtigen

begehren.

Das kann unmöglich so gemeint sein, man brauche nur ein

frommer Mann zu sein, dann gebe Gott einem alles, wozu man gerade

Lust habe.

Die Gottesfürchtigen müssen etwas ganz Bestimmtes begehren,

was dem lieben Gott

gefällt.

Was

ein Gottesfürchtiger begehrt,

sehen wir am besten am Gebet Jesu in Gethsemane. Tod befreit zu werden.

da­

Er begehrt vom

Nein, das ist ja gar nicht wahr!

Dabei steht

ja: Nicht wie ich will . . . Und im zweiten Gebet in Gethsemane, als er

schon vom Vater erfahren hatte, daß er ihn doch leiden und sterben lasten will, da heißt es schon ganz anders: so geschehe dein Wille!

Hilf mir,

daß ich deinen Willen geduldig und tapfer tun kann.

c) (Die Art deS Erfolgs.)

Wo nun ein Mensch so gottesfürchtig

bittet, bei dem, worum er bittet, das „nicht wie ich will" hinzusagt oder

hinzudenkt, da gilt ihm: Gott hört sein Schreien und hilft ihm.

Seht

doch wieder auf Jesus in Gethsemane: es erschien ihm aber ein Engel

vom Himmel und stärkte ihn. nach der großen Todesangst. entgegen!

Es wird still und ruhig in seiner Seele

Wie tapfer geht er nachher den Häschern

Das war die Hilfe Gottes, die er durch sein Gebet gewonnen

*) Daß hier das Beispiel Jesu in Gethsemane und da- des Lazarus, die

schon beim 1. Gebot herangezogen waren, wiederkehren, ist Absicht. Zur denkenden Überwindung der in dem „so will ich dich erretten" liegenden Schwierigkeit ist Klar­ heit und Einfachheit des Materials besonders erforderlich.

Das erste Hauptstück: Die zehn Gebote.

96

Davon erzählen uns viele Leute, die Gott in der Not gottesfürchtig

hatte.

angerufen haben, wie Gott ihr Herz ruhig und fest und getrost gemacht hat.

Aber viele gibt eS auch,

d) (Warum bei so vielen kein Erfolg?)

die sind vom Anrufen Gottes in der Not nicht ruhig und still geworden,

auch

sie

wenn

kommt das?

ihrem

fürchtig angerufen.

ihn

hinzusetzten:

Gebet

Sie haben Gott doch

mit Ernst

wie ich

nicht

nicht richtig,

will.

Woher

nicht wirklich gottes­

Im Spruch heißt es: Der Herr ist nahe allen, die

anrufen.

Kraft an Gott halten.

Man

muß

sich

also wirklich

mit

ganzer

Biele probieren es aber nur einmal in der Not

es mit dem oder

jenem Arzt

versucht.

Das ist

natürlich ganz falsch und ist gar nicht wirklich Gott angerufen.

Wo das

mit Gott,

wie man

Herz sich nicht ganz ernstlich an Gott gehängt hat, ist es kein Wunder, wenn es mit dem Gott-Anrufen nicht gut ausgeht.

Das beweist aber

nichts gegen das Anrufen, sondern nur gegen die, die es falsch machen. Man muß nur an die vielen,

vielen Menschen denken, die sagen, daß

ihnen das Anrufen Gottes in der Not wirklich geholfen hat.

Also: so

will ich dich erretten steht richtig.

(Der Spruch Ps. 60 15 ist mit dem: so will ich dich erretten noch nicht fertig.

Das: so sollst du mich preisen gehört aber nicht hierher,

sondern zu Loben und Danken.) B.

1.

Beten.

(Verständigung über den Wortbegriff.)

gesagt ist,

Wenn uns auch zuerst

wir sollen Gott in der Not anrufen, so wäre es doch ganz

falsch zu meinen, nur in der Not sollten wir uns an Gott wenden.

Im

Gegenteil: wer sich in gewöhnlichen Zeitläuften nicht um Gott bekümmert,

bei dem kann es sehr leicht geschehen, daß er Gott auch in der Not nicht richtig anzurufen weiß und deshalb von seinem Anrufen in der Not nichts

hat.

Vielmehr sollen wir uns dadurch immerfort daran erinnern, daß

Gott uns nahe ist, daß wir mit ihm reden (zu ihm beten).

2.

(Die Notwendigkeit des Gebets.)

nützlich ist,

Warum

daß wir uns durch Beten immer

erinnern, wird leicht klar.

daS so

nötig und

wieder an Gottes Nähe

Daß ich hier bei euch im Zimmer bin, daran

braucht ihr euch nicht besonders zu erinnern: ihr seht mich vor euch und hört mich mit euch sprechen.

Gott ist nun zwar immer bei uns wie die

Lust, in der wir atmen — eben jetzt ist er bei unS. ihn nicht.

Aber wir sehen

Deshalb können wir ihn so leicht vergeflen.

Wie manchen

Tag habt ihr wohl kaum an Gott gedacht — er war bei euch, und ihr

merktet doch nicht, daß er bei euch war. Dann aber missen wir, daß Gott bei uns ist, wenn wir zu ihm beten. JesuS betet viel! Ebenso wissen wir daS von Luther. 3. (Die regelmäßigen Gebetszeiten.) Deshalb ist es so gut, daß man sich an ganz regelmäßiges Beten gewöhnt. Morgen-, mittag-, abends. Wie fröhlich bin ich aufgewacht. Müde bin ich, geh' zur Ruh'. Das Schulgebet zu Anfang und am Schluß de- Unterrichts. Nur ja auch etwadabei denken, sonst hat man nichts davon (vgl.: beim Namen Gottes lügen). 4. (DaS rechte Beten nach der Weisung Christi.) JesuS hat seine Jünger ein Gebet gelehrt, an dem sie lernen können, wie man recht betet, daS Vaterunser. Das bekommt ihr später genau erklärt. Jetzt wollen wir nur einen Spruch von JesuS durchgehen, in dem er unS sagt, wie man recht beten soll.') Matth. 7 r: Bittet, so wird euch gegeben; suchet, so werdet ihr finde«; klopfet an, so wird euch aufgetan. a) (Bittet.) Bittet — wirklich bitten, nicht bloß Worte machen. So wie Jesus mit Gott geredet hat noch am Kreuz. Wie wenn ihr mit euerm Vater, eurer Mutter redet, wenn ihr von ihnen etwa- haben wollt. — So wird euch gegeben. Denkt an daS, waS wir vorhin vom Anrufen in der Not gehört haben: eS wird unS nicht gegeben, wonach wir gerade Lust haben, sondern daS, WaS Gott für gut für unS Hilt. Das kann auch etwas sein, waS unS weniger angenehm ist; Gott weiß, warum er unS daS gibt und nichts anderes. Die Eltern meinen e- auch gut mit euch und geben euch doch (gerade deshalb!) nicht immer daS, was ihr gerade gern haben möchtet. b) (Suchet.) Suchet — daS ist ziemlich schwer zu verstehen. Was brauche ich beim Gebet lang zu suchen? Da spreche ich mit Gott, und damit ist es fertig. So scheint es. Aber so einfach ist die Sache nicht. Ihr sollt beim Beten mit euren Gedanken wirklich den lieben Gott suchen, nicht bloß das, waS ihr durch daS Beten gerade haben möchtet. Biele Kranke suchen im Gebet nicht Gott, sondern bloß ihre Gesundheit und ähnliches. Deshalb gilt auch so oft vom Beten nicht: so werdet ihr finden. Wem es aber beim Beten wirklich um Gott zu tun ist, daß er bei ihm sein und sich an ihm freuen und trösten und stärken kann: der wird ihn finden. DaS Gott finden und so in Gott froh sein: daS ist das Schönste und Beste, waS eS gibt. *) Ich halte diesen Weg für beffer als ein« Belehrung der Kinder darüber,

worum man beten soll.

Elfjährige Kinder beten doch im allgemeinen noch nicht frei.

6 g er, Eoau-kltsch« Jognrdlehre. 2. Sufi.

Da- erste Hauptstück:

98 c)

(Klopfet an.)

Klopfet an.

lehrer vom Herrn Lehrer richten.

Der

Zimmer ist.

Die zehn Gebote.

Denkt, ihr sollt beim Herrn Haupt­

etwa- sehr Dringende-

Schuldiener

sagt

euch,

daß

und Wichtiges auS-

der Hauptlehrer

in

seinem

Ihr klopft an die Tür, bekommt aber keine Antwort.

Da

werdet ihr, wenn es sich um etwa- sehr Dringendes handelt, noch ein

zweites, ein drittes Mal anklopfen, bis ihr Antwort bekommt.

So wollen

wir daS „klopfet an" verstehen: öfter beten, bis man merkt, daß man wirklich von Gott aufgetan bekommen hat, daß man wirklich eben beim lieben Gott ist.

JesuS in Gethsemane hat dreimal gebetet, ehe er ge­

tröstet und gestärkt war.

Und den anderen frommen Leuten, von denen

ihr in der Biblischen Geschichte oder sonst hört, ist es nicht anders ge­ gangen.

Wenn ihr größer werdet, werdet ihr merken, wie nötig eS ist,

es immer wieder mit dem Beten zu versuchen, bis man von Gott erfreut

und getröstet ist. (Es folgt nun das Einüben — nicht Auswendiglernen — zweier

Gebetslieder: 295 (Laß mich dein sein und bleiben), 296 (O Gott, du

frommer Gott, Vers 1. 2).

Außerdem betet der Lehrer jetzt eine Reihe

von Tagen das gemeinsame Schulgebet frei (aber kindlich!) vor.

Auch

nehme man Anlaß, im Interesse größeren Nachdenkens beim Schul­

gebet den Text des nach vielleicht drei Wochen wieder von den Kindern

zu betenden Schulgebets zwischen drei bis vier Gebeten alle paar Wochen wechseln zu lassen. — Ich halte das praktische Gebetsbeispiel von feiten deS Lehrers für wichtiger als eine lange Gebetsbelehrung — nur muß das Beispiel gut sein.)

C.

Loben und Danken.

Loben und Danken bedeutet eigentlich ziemlich dasselbe (aus Differen­ zierung der Begriffe soll man sich bei Kindern nicht einlaffen); Luther

nimmt die zwei Worte, um damit anzudeuten, daß es sich hier um etwaS

sehr Wichtiges handelt und um etwas, was noch mehr vergeffen wird alS daS Gott in der Not Anrufen und das Gott um allerlei Bitten. 1.

(Loben und Danken die Probe auf richtiges Bitten.)

an ... so sollst du mich preisen.

Rufe mich

Die zehn Aussätzigen haben alle zehn

Jesus um Hilfe gebeten, allen zehn ist geholfen worden. von ihnen pries Gott, nur einer dankte ihm.

Aber nur einer

Beweis dafür, daß die

anderen neun bei ihrem Bitten gar nicht wirklich Gott gesucht, sondern

nur an ihre Gesundheit gedacht hatten.

Die ihnen wiederzugeben, dazu

VI. Das dritte Gebot.

ist ihnen Gott (und JesuS) gut genug.

99

Wie sie die Gesundheit wieder

haben, fragen sie nicht mefc nach Gott.

2.

(Loben und Danken ist sehr selten.)

Gebeten haben Jesus zehn,

gedankt hat ihm einer. Das zeigt, wie gern die Menschen das Danken ver-

gesien.

Undank ist der Welt Lohn — das gilt auch Gott gegenüber. Es

ist doch eigentlich schändlich.

Es wäre schon schlimm gewesen, wenn nur

neun gedankt hätten und nur einer nicht. Und nun so! — Sind wir dankbarer als jene neun?

Wieviel Grund Gott zu danken haben wir!

Wie

fröhlich bin ich aufgewacht. Lied 369: Wach auf, mein Herz, und singe. 3.

(Der Wert des Dankens.)

Die Menschen vergessen so leicht Gott

zu danken, weil sie meinen, sie hätten doch nichts davon.

Dem dankbaren Samariter sagt JesuS: Dein Glaube

einfältig von ihnen.

hat dich gerettet.

Das ist sehr

Das bekommt bloß der eine.

Weil er sich dankbar

zu Gott hat führen lasten, hat er jetzt in Gott seinen Trost und seine

Freude, die ihm nie mehr verloren gehen sollen.

4.

(Aufforderung zum Dank.)

Dem dankbaren Samariter wollen

Nicht den neun Undankbaren.

wir eS nachmachen!

Am Morgen dem

lieben Gott danken für seinen Schutz während der Nacht, am Abend für alles Schöne und Gute, was er uns den Tag über hat erleben lasten.

Pf. 1061: Danket dem Herrn; de«« er ist freundlich, und seine Güte währet ewiglich.

Pf. 108 i. r: Lobe den Herr», meine Seele, «nd was in

mir ist, seinen heiligen «amen.

Lobe de« Herr«, meiae Seele, «»d vergiß

nicht, wa» er dir Gutes geta« hat.

Ps. 02 r.Da» Ist ei« köstlich

Di«g, dem Herr« dauke« und lobfinge» deinem Name», du Höchster; des Morgens deine Gnade «nd des RachtS (abends) deine Wahrheit (Treue)

verkündigen (betend).

Jetzt wollen wir noch einmal mit rechtem Verstand und frommem Herzen das Lied singen, das ihr schon oft hergesagt habt, ohne euch viel­ leicht was Rechte- dabei zu denken.

Lied 135: Lobe den Herrn, den

mächtigen König der Ehren. — Eben haben wir den Namen GotteS recht gebraucht.

Hoffentlich!

VI. DaS dritte Gebot. WaS die unterrichtliche Behandlung des 3. Gebots einigermaßen ver­ wickelt macht, ist nicht das unendlich einfache Verhältnis der lutherischen Auslegung zum Gebot, daS mit drei Worten klarzustellen wäre (Feier­ tag — Gottesdienst — Gottes Wort), sondern die Rücksicht auf die dem reformatorischen Ansatz nicht entsprechende Tradition, die beim 3. Gebot

7*

100

Das erste Hauptstück: Die zehn Gebote.

das sabbatliche Ruhegebot wieder in den Vordergrund geschoben hat. Diese Tradition hat sich im Volk-bewußtsein sehr stark festgesetzt, und es muß auf sie unbedingt Rücksicht genommen werden. Und zwar nicht im polemischen Sinn, weil das nur verwirrend wirken kann, sondern in dem der Zurückführung der Tradition auf ihren evangelisch berechtigten Kern. Bei der hierzu erforderlichen Entwicklung muß man fortgesetzt sorgfältig erwägen, ob man auch einigermaßen innerhalb der Linie des den Kindern Zugänglichen bleibt, oder ob man sich in für die Kinder wertlosen geschichtlich-theologisierenden Betrachtungen bewegt. — Zugänglich wird den Kindern das vorliegende Problem an der jüdischen Sabbatruhe, die sie selbst beobachten können, und von der sie sich gern Einzelheiten erzählen lasten. Die Übereinstimmung dieser Sabbatruhe mit dem ursprünglichen

Wortlaut des Gebots wird den Ausgangspunkt der Entwicklung zu bilden haben. Dann drängt sich den Kindern naturgemäß die Frage auf: warum haben wir nicht am Samstag Feiertag und warum nicht so strengen Ruhetag wie die Juden? Zur Beantwortung dieser Frage ist aus die Autorität Jesu zurückzugehen und Jesu Verhalten zur Sabbatruhe an Hand von Mark. 2 27 auf den Grundgedanken zurückzuführen: der Ruhe­ tag ist eine Wohltat für die Menschen, kein Zwang, durch besten Be­ obachtung wir Gott etwas Besondere- leisten könnten. Damit ist der Boden für die Heiligung des Feiertags im christ­ lichen Sinn gegeben: Die Ruhe des Tages nicht zu Dingen mißbrauchen, die Gott mißfallen, sondern sie zu solchem anwenden, was unsrer Seele nützlich ist. Das Nützlichste, daß wir uns an Gott erinnern lasten. Da­ geschieht besonders wirksam durch den Gottesdienst. Der Gedanke ist für Luther der entscheidende bei Heiligung des Feiertags. So kommen wir zur Besprechung der lutherischen Erklärung, die unS sagt, in welcher Weise der Christ durch Teilnahme am Gottesdienst den Feiertag recht heiligen soll. Eine fruchtbare Erörterung der lutherischen Erklärung ist nun nicht möglich, ohne daß den Kindern nahe gelegt wird, am Sonntag in Kirche oder Kindergottesdienst genau achtzugeben, was für einzelne Stücke int Gottesdienst vorkommen. Ich habe gute Erfahrungen damit gemacht, daß ich die einzelnen Stücke freiwillig aufschreiben ließ, und habe bei der Gelegenheit auch allerhand von der Mitarbeit des Hauses zu spüren bekommen. Die aufmerksame Teilnahme der Kinder an einem liturgisch ausgestalteten Gottesdienst ist die Voraussetzung dafür, daß man nachher mit dem unentbehrlichen Anschauungsmaterial rechnen kann. Dies Anschauungsmaterial muß dem Kinde ganz konkret aus dem, waS es in der Kirche erlebt, fließen. Eine pedantische Einprägung der einzelnen Stücke des Gottesdienstes und ihres Charakters (Wort GotteS — Wort der Gemeinde) habe ich deS öfteren versucht, aber keine rechte Freude daran gehabt. Man wird sich mit einer Klärung der Anschauung in großen Zügen begnügen müssen und nie vergeflen dürfen, daß für die Kinder auch die Akte der sogenannten Gemeindetätigkeit vorwiegend als darbietende in Betracht kommen (auch was die Texte der Lieder

betrifft), so wenig man natürlich den Gedanken der gemeinsamen An­ betung in Lied und Gebet wird unterschlagen dürfen. Zuspitzung bleibt doch (in Übereinstimmung mit Luther), daß im Gottesdienst zu ihnen über Gott und im Auftrag Gottes geredet wird. (Den Gang des Kirchenjahrs in extenso zu behandeln, ist Sache des Konfirmandenunterrichts, soweit hier überhaupt Jntereffen der Kinder vorliegen. Die Hauptfeste werden bei Besprechung der christlichen Feier­ tage als Gedächtnistage herausgehoben.) Im Interesse seelischer Konzentration wird man sich aus das Wort GotteS, daS im Gottesdienst dargeboten wird, beschränken und dem Wunsch widerstehen mästen, auch auf AuSnützung der anderen Gelegen­ heiten zum Hören deS Wortes Gottes hinzuwirken. Nur so behält man klare, einheitliche, motivkräftige Anschauungen. Die Heraushebung der einzelnen Momente in unsrer Stellung zu Predigt und GotteS Wort, die Luther gibt, ist mustergültig. Nur empfiehlt sich, das „nicht ver­ achten" nicht den Anfang der Entwicklung bilden zu lasten, wo die Be­ schaffung des Inhalts umständlich wäre und noch jede andere als rein äußerlich autoritative Motivierung fehlte. Viel bester paßt es an den Schluß, nachdem von dem die Rede war, was die Kinder am Gottesdienst haben können und sollen: hier weist es verständlich auf daS hin, waS der Verächter des Wortes GotteS entbehren muß. DaS stimmt mit dem auf evangelischem Boden korrekten Verfahren, auch daS Gebot der Teil­ nahme am Gottesdienst nicht statutarisch zu fasten, sondern unter dem Gesichtspunkt der unendlichen Wohltat solcher Besinnung auf Gott. Auf diese Wohltat muß nach Erörterung deS „nicht verachten" am Schluß noch einmal in entsprechender Höhenlage der Stimmung hingewiesen werden.

I. Die Sonntagsruhe.

A. JesuS und daS Sabbatgebot.

1. (Die Sabbatruhe der Juden.) a) (Die gegenwärtige Sitte.) Die Juden haben den SamStag zu ihrem Feiertag. Da gehen sie (schon Freitagabend) in die Synagoge. Das aber ist für sie nicht daS Wichtigste. Hauptsache, daß sie am SamStag (Sabbat) nicht arbeiten. Strenge Juden machen am Samstag noch nicht einmal selbst Feuer an (christliche Dienst­ boten oder Aushilfe), dürfen am Samstag nicht schreiben, nichts tragen, b) (Das mosaische Gebot.) Das tun sie in der Meinung, gerade damit, daß sie am Sabbat nichts arbeiten, daS 3. Gebot zu halten. 2. Ros. 20 8-i«: Gedenke de« SabbattagS, daß du ihn heiligest.

Sech« Tage

sollst du arbeite« und alle deine Dinge beschicken; aber am stebente» Tag

ist der Sabbat de« Herr«, deine« GotteS.

Da sollst d« kein Berk tun, noch

dein Sohn, noch deine Tochter, «och dein Knecht, «och deine Ragd, «och

Die zehn Gebote.

Das erste Hauptstück:

102

dein Vieh, noch dein Fremdling, der in deinen Tore« ist.

Sie machen den

Sabbat (das ist der Samstag) dadurch heilig (Gott geweiht), daß sie Damit scheinen sie dem Gebot recht zu entsprechen, dem

nicht- arbeiten.

lieben Gott recht zu dienen.

Und sie sind darauf sehr stolz.

Warum

machen wir's ihnen nicht nach? 2. (JesuS und das Sabbatgebot.)

a) (Die Zusammenstöße.)

JesuS

hat als frommes, treues Glied des jüdischen Volkes selbftverstLndlich auch am Sabbat geruht.

Aber den Waffersüchtigen hat er am Sabbat geheilt

und den armen Mann, der 38 Jahre krank am Teich Bethesda gelegen

Darüber haben die Juden, besonders die Pharisäer, sehr gescholten

hatte.

und gesagt, er wäre ungehorsam gegen Gottes Gebot. sie ihm sehr übel, daß er

Stillung ihres

Auch das nahmen

einmal seinen Jüngern erlaubt

großen HungerS

am Sabbat

hatte,

unterwegs Kornähren

zur zu

(Kornähren im Vorbeigehen abpflücken war bei den Juden an

pflücken.

und für sich ausdrücklich erlaubt.) (Jesu Wort

b)

des Sabbats.)

über den Wert

Da sagte

Jesus

Mark. 2 2?: Der Sabbat ist um des Menschen willen gemacht, und nicht der Mensch um des Sabbats willen.

hat also

Jesus

gar nichts gegen

Sabbatruhe zu sagen; im Gegenteil, sie ist gut und nötig.

die

Aber sie ist

nötig nicht für Gott, als ob man dem mit dem Ruhen am Sabbat einen

besonderen Dienst täte, wie die Juden meinen; sondern sie ist nötig für Sie ist eine große Wohltat für sie.

die Menschen.

B.

Der Wert der Sonntagsruhe.

(Die Christen und

1.

Bon

der Ruhetag.)

Christus

Christen den Ruhetag in der Woche dankbar schätzen.

lernen

wir

Aber er ist uns

kein Gesetz, als täten wir Gott damit einen Gefallen, daß wir an dem Tag

nichts

arbeiten.

Deshalb

haben

Sonntag statt Samstag genommen,

die Christen

um zu zeigen,

als

Ruhetag

den

daß das jüdische

Gebot ihnen nicht mehr gilt.

2. (Der Wert der Sonntagsruhe.) die Straßen

am

Sonntag

anders

Es tut einem schon wohl, wie

aussehen.

Man

kann

sich

erholen

(= wiederholen, nämlich die Kräfte, die man zur Arbeit die Woche über

gebraucht

hat).

Zwei Fuhrleute

wetten

miteinander,

wer

zuerst

mit

seinem Fuhrwerk ganz vom Norden England- nach dem Süden kommen

werde.

Des einen Pferde sollten Sonntags ruhen, die deS andern nicht.

Der erstere ist zuerst angekommen, weil seine Pferde frischer und kräftiger

VI. Da- dritte Qtebot. waren.

103

Also sogar den Tieren tut die Ruhe am Sonntag gut; da- güt

ebenso und noch mehr für die Menschen.

3. (Die Pflicht der Sonntagsruhe.)

Deshalb ist eS recht und nötig

für den Menschen, daß er am Sonntag, soviel er kann, von der Arbeit ruht, um sich zu erholen und sich zur Arbeit der neuen Woche zu stärken.

Damit die Leute in den Geschäften und Fabriken sich auch erholen können,

ist ein besondere- Gesetz gemacht, daß die Läden am Sonntag nur so und so lang offen sein dürfen, und daß in den Fabriken gewöhnlich Sonntag­

nicht gearbeitet werden darf.

Dabei sagen

wir Christen nicht wie die

Juden: jede Arbeit am Sonntag ist gottlos; sondern: man soll am Sonn­

tag nichts tun, was nicht notwendig ist (Schularbeiten kann und soll man schon am SamStag lernen; aber gekocht werden muß auch am Sonntag),

und was nicht andere zur Hilfe brauchen (Arzt wenig Sonntag-ruhe).

Werke der Liebe und Werke der Not entheiligen den Sonntag nicht. Übergang z« II: Sonntagsruhe und Sonntagsheilignng.

1. (Der Unterschied gegenüber der jüdischem Auffaffung von Sabbat­

heiligung.)

So sehen wir also, ein wie großer Segen für unS Menschen

die Sonntagsruhe ist, und daß wir diese Wohltat GotteS auch gebrauchen

sollen.

Aber eS ist doch bei unS ganz ander- wie bei den Juden.

Die

bildeten sich ein, damit, daß sie am Sabbat nichts täten, machten sie den Sabbat heilig.

Davon kann bei uns nicht die Rede sein. Beim Heiligen

des Feiertag- kann eS sich für unS nur darum handeln, wozu wir die

Sonntag-ruhe gebrauchen, ob wir sie so benutzen, wie eS Gott gefällt.

2. (Der Mißbrauch der Sonntag-ruhe.)

Biele gebrauchen die Ruhe

am Sonntag zu schlechten Dingen statt zu guten, vertun ihr Geld, fangen mit andern Streit an.

Oder sie wiffen gar nichts

Sonntag anzufangen, als daß sie dem Vergnügen

anderenachlaufen.

mit dem Dabei

verbrauchen sie oft mehr Kraft als bei der Arbeit in der Woche und sind am Montag erst recht müde. (Am Montag geschehen in den Fabriken

die meisten Unglücksfälle.) 3.

Da- ist kein guter Gebrauch der Sonntag-ruhe.

(Der rechte Gebrauch der Sonntagsruhe zur Sonntag-heiligung.)

Wie wir, außer zur Erholung, die Sonntag-ruhe gebrauchen sollen, damit

sie zum „Feiertag heiligen" wird, kann unS schon der Tag lehren, der bei den Christen der Ruhetag ist: der Sonntag.

Sonntag der GedächtniStag

an die Auferstehung Christi (Ostern jährlich, Sonntag wöchentlich); die Christen nannten deshalb den Sonntag:

den Tag de- Herr» (JesuS).

Und indem sie den Sonntag zu ihrem Feiertag machten, wollten sie sagen:

DaS erste Hauptstück:

104

wir wollen dem Herrn JesuS leben.

Die zehn Gebote.

Sie dachten an dem Tag an Gott

Die christlichen Feste: Weihnachten (mit Advent), Karfreitag

und Jesus.

(mit PassionSzeit), Ostern, Himmelfahrt, Pfingsten.

an etwas, waS Gott an unS Gutes getan hat.

Immer denkt man

(Auch Erntefest, Refor­

mationsfest; vergleiche auf anderm Gebiet Sedanfest.) 4.

(Warum ein besonderer Tag zur Besinnung auf Gott?)

lich sollen und wollen wir alle Tage an Gott denken.

besondern Anlaß und Gelegenheit dazu.

Natür­

Aber Sonntag gibt

Die Sonntags stille schon viel

wert; da ist einem ganz anders zumut als sonst.

Sonntagskleider.

Aber

noch etwas ganz Besonderes, um uns an Gott zu erinnern:

es wird

Die Christen kommen zusammen,

um sich

Gottesdienst gehalten.

feierlich an Gott, seine Wohltaten und seine Gebote erinnern zu lasten. Davon redet Luther in der Erklärung des 3. Gebots allein; es ist nach seiner Meinung das, wodurch wir den Feiertag recht heiligen: daß wir die Predigt und sein Wort nicht verachten, sondern dasselbe (das Wort

Gottes) heilig halten, gerne hören und lernen.

II. Die SonutagSheiligung. A.

Predigt und Wort Gottes.

(Die Predigt als Stück des Gottesdienstes.)

1.

wir in der Kirche, Gottesdienst.

im

„Gottesdienst".

Sie

ist

Die Predigt hören

nicht

das

einzige im

(Nachdem man die Kinder angehalten hat, am Sonntag in

der Kirche auf die einzelnen Stücke achtzugeben — am besten läßt man

sie am eigentlichen Gemeindegottesdienst teilnehmen, muß aber eventuell auch

Teilnahme

mit

Schon

das Läuten:

Orgelspiel.

am Kindergottesdienst komm

Gemeinde singt

zu

Dann

Gott!

(= betet).

sich

zufrieden

stilles

Pfarrer

betet

Namen aller) — wir fühlen, daß Gott uns nahe ist. der Bibel vor. *)

Gemeinde

Gesangbuchlied gezeigt werden).

singt

Gebet. am

geben —:)

Feierliches Altar

(im

Dann liest er aus

wieder (---- betet;

kann

an

Dann Pfarrer auf die Kanzel,

einem liest

auS der Bibel und predigt über das, was Gott an uns tut, und was

er von uns haben will. Gemeinde).

Nach der Predigt wieder Lied (= Gebet der

Dann Pfarrer Gebet am Altar (im Namen aller: laßt uns

beten).

Vaterunser.

Schluß.

Orgelspiel.

Segen GotteS.

Stilles Gebet der einzelnen zum

Wir hören von Gott und wir beten zusammen zu

Gott; alles besonders feierlich. *) Eine Gliederung der Eingang-liturgie ist mir auf dieser Stufe regelmäßig mißlungen; selbst bei Konfirmanden war es nicht leicht.

105

VI. Da- dritte Gebot.

(Predigt und Wort Gottes.)

2.

Predigt

a) (Predigt und Text.)

ein besonders großes Stück deS Gottesdienste-,

also besonder- wichtig.

Nicht bloß eine Rede deS Pfarrer-, in der er den Leuten in der Kirche

sagt, waS ihm gerade einfällt.

Bor seiner Predigt hat er etwa- auS

der Bibel vorgelesen (den Text), und er soll nun sagen, waS er al-

den Willen Gotte- (Wort GotteS) im Text verstanden hat. b)

(Bibel und Wort Gotte-.)

Text aus der Bibel.

In der Bibel

haben wir die Kunde davon aufbewahrt, wie Gott sich im Volk Israel

und zuletzt vollständig durch Jesu-

uns Menschen bekanntgemacht hat.

Weil wir in der Bibel finden können, waS Gott unS Menschen Gutegibt und was er von uns haben will, sagt man: in der Bibel finden

wir das Wort GotteS.

Nicht jede- Wort in der Bibel ist Gotte-wort,

das man zum Frommwerden braucht.

Länge der Regierung-zeit David-,

Höhe und Breite deS Tempel-, Namen der Jünger Jesu usw. — da- ist gerade wie in einem andern Buch auch.

Aber:

du sollst lieben Gott

deinen Herrn . . . Mit dem Wort will unS Gott fromm machen; da­

Auch: du sollst nicht töten; aber da- hat Jesu-

ist also Wort GotteS.

später

erklären müssen.

noch genauer

Schließlich

verstehen wir durch

Jesu- allein, waS eigentlich Wort Gotte- ist.

c) (Das Wort Gottes und die Kinder.)

um in der Bibel zu lesen. schon

Wort GotteS

Sprüche.

Ihr seid noch zu klein,

Ihr würdet sie gar nicht verstehen.

auS der Bibel:

Biblische Geschichte,

Doch

Katechismus,

Aber auch da- muß euch in der Religion-stunde erst noch vom

Lehrer oder Pfarrer erklärt werden, damit ihr eS richtig verstehen und es für euer Leben recht gebrauchen könnt.

d)

So auch im KindergotteSdienst.

(Die Predigt als erklärte- Wort GotteS.)

der Pfarrer in der Kirche,

daß er

durch

So macht eS auch

seine Predigt da-

Gottes so erklärt, wie es die Leute für ihr Leben brauchen.

sehr wichtig.

Wort

DaS ist

Für euch ist diese Erklärung in der Predigt, die für große

Leute ist, noch ziemlich schwer.

Ihr müßt euch erst allmählich dran ge­

wöhnen, euch Mühe geben, wenigstens manches davon zu verstehen.

Des­

halb der Kindergottesdienst so gut, weil da die Erklärung gleich für die Kinder eingerichtet ist. B. DaS Wort Gottes heilig halten. 1.

(Der Wortbegriff.)

Heilig halten — heiligen.

Heilig ist Gott.

Wenn wir das Wort GotteS heilig halten, ehren wir es al- etwa-, waS

uns von Gott, nicht bloß von Menschen gegeben ist.

Da» erste Hauptstück: Die zehn Gebote.

106

2. (Da- Gewicht der Aussage.)

kommt.

So sollen wir, wenn wir in der

es achten als etwa-, waS

Kirche Gottes Wort hören,

un-

von Gott

Wenn der Pfarrer auS der Bibel vorliest, darf unS da- nicht

fein, wie wenn er aus einem beliebigen andern Buch vorläse.

Wir können

daraus hören, waS uns fromm machen, zu Gott hinführen kann.

Ebenso

das, waS der Pfarrer in der Predigt sagt, ist nicht bloß eine gewöhn­

liche Rede — mir ist es ganz anders zumute, wenn ich predigen muß, wie wenn ich sonst eine Rede zu halten habe.

An daS denken, was Gott

durch die Worte deS Pfarrers hindurch zu unserm Herzen reden will.

3.

(Die Würde der Stätte, an der GotteS Wort verkündigt wird.)

Weil das Wort Gottes uns etwas so Heilige- ist, ist uns auch schon das

Hau-, in dem da- Wort GotteS verkündigt wird, besonder- ehrwürdig.

Man nennt die Kirche sogar Gotte- HauS.

DaS darf man natürlich nicht

falsch verstehen, al- ob Gott nicht anderSwo gerade so gut wohnte wie in der Kirche.

Aber hier ist in besonders feierlicher Weise von ihm die Rede.

Deshalb bauen die Leute ihre Kirchen meist so schön, wie sie nur können.

Und wenn wir in die Kirche kommen, auch wenn der Gottesdienst noch nicht angefangen hat, oder wenn gar kein Gottesdienst ist, haben wir

Ich gehe nie in eine Kirche, auch wenn kein Gottesdienst

fromme Scheu.

darin ist, ohne den Hut abzuziehen.

Wie Jakob von dem Ort, an dem

Gott im Traum mit ihm geredet hatte, können wir auch von der Kirche sagen, wo Gott sein Wort verkündigen läßt, 1. Dies. 28 n: Sie heilig ist

diese Stätte! Hier ist nichts andere» denn Sötte» Han», »nd hier ist die Pforte de» Himmel» (wo man zu Gott kommen kann). C.

1.

Das Wort Gotte» gerne hören.

(Der Wert des Worte- GotteS.)

Wir haben gesehen, wenn unS

da- Wort GotteS verkündigt wird, wird unS gezeigt, wie Gott e» mit un» meint, und wie wir gute, fromme Menschen werden und in den

Himmel kommen

können.

In der Schule und sonst hört ihr manche

nützliche Dinge, lernt lesen, rechnen, schreiben. Damit ihr später im Leben durchkommen und eure Arbeit richtig tun könnt.

Da» Wichtigste bleibt

aber "doch, daß man ein guter Mensch wird, an dem Gott Freude hat, und den er bei sich im Himmel brauchen kann.

Und weil man auS

dem Wort GotteS lernt, wie man ein guter Mensch wird, ist e» noch

wichtiger, als alle- andere Gute und Nützliche, was ihr in der Schule und sonst zu hören bekommt.

2.

(DaS Wort gern hören.)

Deshalb gern, ohne daß man viel

von den Eltern, Lehrern, vom Pfarrer angehalten werden muß, daS Wort Gottes hören, von selber die Gelegenheit suchen, eS kennen zu lernen, die uns im Gottesdienst geboten wird. 3. (Die Notwendigkeit, das Wort immer wieder zu hören.) Nun denken aber viele, Kinder und Erwachsene, sie hätten das Wort GotteS ja schon in der Schule gelernt; sie brauchten sich nicht immer wieder in der Kirche Vorhalten zu lassen, was Gott ihnen Gutes tut, und waS er von ihnen verlangt. Das ist ein großer Irrtum. Überlegt euch einmal: ich sage euch eben in der Religionsstunde, ihr sollt nach Gottes Willen gegen eure Mitschüler gerecht und freundlich sein. Nun stößt euch einer in der Pause aus Versehen. Da geschieht eS sehr leicht, daß ihr da» Wort Gottes, da- ich euch gerade vorher gesagt habe, wieder vergeßt und über den andern herfallt. So wird überhaupt da» Wort GotteS so leicht über allen möglichen anderen Dingen vergessen. Deshalb haben wir nötig, es immer wieder zu hören; wir können es gar nicht oft genug hören. Also regelmäßiger Gottesdienstbesuch. 4. (DaS Urteil über die, die der Arbeit wegen fernbleiben.) *) Nun kann es aber vorkommen, daß jemand (z. B. eine Hausfrau, die mit ihren Kindern sehr viel zu tun hat) vor vieler Arbeit keine rechte Zeit hat, daS Wort Gottes in der Kirche zu hören. (Von denen, die wegbleiben, bloß weil sie keine Lust haben, reden wir hier noch nicht.) WaS man von so jemand denken soll, seht ihr sehr schön auS der Geschichte von Maria und Martha. Jesus hat die Martha nicht gezanft, weil sie sich nicht auch ihm zu Füßen gesetzt und seiner Rede zugehört hat; denn Martha ist brav und fleißig und treu in ihrer Arbeit, und daS gefällt Gott wohl. Aber er gibt ihr den Rat, sie solle eS der Maria nachmachen. Lur. 10 u. «•: Martha. Martha, du haft viel Torge und Mühe; eins aber ist not. Sonst kann es ihr passieren, daß sie über lauter Arbeit Gott vergißt und so sich von ihm keine Kraft holen kann zu ihrer Arbeit und an ihm keinen Trost hat, wenn eS ihr einmal schlecht geht. — ES soll doch niemand meinen, eS schade Gott etwa-, wenn wir die Gelegen­ heit unbenutzt lassen, durch daS, waS wir in der Kirche von ihm hören, frömmer und bester zu werden. DaS schadet nicht Gott, sondern unS. *) Ich halte diesen Abschnitt wegen deS Urteils über die Eltern usw. für sehr notwendig.

Sonst verlieren die Anregungen der Religionsstunde wegen deS Wider­

spruch» mit der häuslichen Erfahrung bedenklich an Motivkraft.

Dieser Wider­

spruch ist so wie so meist schon schmerzlich und htuderlich genug.

Jedenfalls soll

man chn aber nicht stärker werden lasten, al» unbedingt nötig ist.

Da- erste Hauptstück: Die zehn Gebote.

108

Deshalb Ps. 26 g: Herr, ich habe lieb die Stätte deine» Hause» »ud de« Ort,

da dei«e Ehre wohut

5. (In der Kirche hören.)

Es kann aber einer in der Kirche

fitzen und doch da- Wort GotteS, daS da verkündigt wird, gar nicht richtig hören, weil er an allerhand andere Ding« denkt, sich nach anderen Kindern umsieht und ähnliches.

Wer daS tut, dem gefällt eS meistens

schlecht in der Kirche, er langweilt sich, weil er nicht auf daS achtgibt, was gelesen und gepredigt und gesungen wird.

also auch zum gerne Hören.

DaS Achtgeben gehört

Und man darf auch nicht andere am Acht­

geben hindern, indem man sie stört — ich habe schon Kinder gesehen, die sogar während der Predigt miteinander gesprochen haben.

DaS ist

doppelt unrecht: man hört selbst nicht zu und veranlaßt zum gleichen Unrecht auch andere.

Deshalb Pred. 417: Bewahre deinen Kuh, wen« du

zum Hause Gotte» gehst, und komme, daß du hörest.

D. Lernen. 1. (Zu Herzen nehmen.)

a) (Die Andacht in der Kirche.)

Zur

Aufmerksamkeit muß noch das hinzukommen, waS man gewöhnlich die

rechte Andacht nennt.

Nicht bloß andächtiges Gesicht machen; Andacht —

an daS denken, über daS nachdenken, waS unS von Gott und seinem Willen mit unS gesagt wird. Aufmerksames Hören und andächtiges Hören (— lernen)

ist ein großer Unterschied.

Der Pfarrer sagt z. B.: ein Christ muß ge­

duldig sein, auch wenn nicht alles gerade so geht, wie er wünscht.

Nun

hört einer aufmerksam jedes einzelne Wort, daS der Pfarrer sagt; aber damit ist's auch bei ihm fertig.

Wer eS aber andächtig hört, fragt sich:

ja, bin ich auch geduldig? bin ich nicht erst heute früh wieder ungeduldig

gegen meine Mutter gewesen?

DaS will also Gott nicht haben. — So

hört er nicht bloß mit den Ohren und versteht nicht nur die Worte, die gesprochen werden; er nimmt sich daS Gesagte auch zu Herzen, b) (DaS Nachklingenlassen des Gehörten.)

Ob einer das Wort Gottes

wirUich andächtig zu Herzen genommen hat oder nicht, sieht man oft schon daran, wie die Leute aus der Kirche kommen.

Wenn die Kinder

schon auf dem Weg auS der Kirche anfangen, Unarten zu treiben, dann kann man sicher sein, daß sie sich das Wort Gottes nicht zu Herzen ge­

nommen haben.

Sonst müßte man ihnen auch nachher noch etwa- da­

von anmerken, daß daS Wort Gottes in ihnen nachklingt.

Und wenn

eS nicht nachklingt, wenn man nicht über manche-, waS man gehört hat,

weiter nachdenkt, hat man wenig oder nicht- von dem, waS man in der

VI. Da- dritte fltebot.

109

Das Gleichnis vom Siemann: das auf den Weg fiel.

Kirche gehört hat.

Luc. 11 is: Selig find, die da» Wort Gotte- höre« und bewahre«. 2. (DaS Wort Gottes lernen durch Übung.) a) (Übung ist un­ bedingt nötig zu wirklichem Lernen.)

Damit, daß der Lehrer euch einen

Buchstaben vorgelesen oder vorgeschrieben hat, habt ihr noch nicht lesen und schreiben können.

Ihr mußtet denselben Buchstaben immer wieder

machen, bis ihr euch an ihn gewöhnt hattet.

ihr lernt; ohne Übung geht's nicht.

So ist's bei allem, was

Auch daS Gute, zu dem man durch

das Wort Gottes kommen soll, muß man sich angewöhnen, und dazu

gehört oft, daß man sich Böse- abgewöhnen muß.

Naschhaftigkeit — eine

Ermahnung reicht da meist nicht; ebenso Faulheit.

DaS geht alle- durch

Übung im Kleinsten, wie ein HauS Stein auf Stein gebaut werden muß. Jar. Irr: Seid aber Täter de- Wort- und nicht Hörer allein, dadurch ihr

euch selbst betrüget. b) (Die Schwierigkeit des Lernen-.)

sehr

schwierig

davon spricht Jesus

ist,

etliches fiel auf daS Steinichte.

Daß die- Lernen deS Guten

im

Gleichnis

vom Säemann:

Die guten Gedanken sind da,

halten

auch eine Zeitlang vor; aber nur kurze Zeit: dann hört eS wieder auf,

und man tut wieder, wozu man Lust hat.

Etliches fiel unter die Dornen.

Andere Gedanken wachsen neben den guten, frommen Gedanken auf, die wir in der Kirche gewonnen haben.

Und schließlich sind jene anderen

Gedanken die stärkeren und lasten uns Gott und das Gute vergesten.

Deshalb ist es so nützlich, wenn man sich z. B. aus der Religionsstunde gerade eine bestimmte gute Lehre vornimmt, sich danach in allen Stücken

zu richten. zu reden.

(Konkretes Beispiel, etwa: nur freundlich mit den Geschwistern

Schwer!)

Das Ziel des Lernens des Wortes GotteS ist: ein

gutes Land zu werden; in allem tun, was vor Gott recht und gut ist.

E.

1.

Das Wort Gottes nicht verachten. Wieviel kann man vom richtigen

(Der Mangel der Verächter.)

Hören und Lernen des Wortes GotteS haben! behren,

Wieviel wüsten die ent­

die der Kirche und dem Hören des Wortes GotteS absichtlich

auS dem Weg gehen, nach Gott und seinem Wort nicht fragen.

sind schon viele unglücklich und verzweifelt geworden. der Heimkehr seine Eltern tot findet.

Dadurch

Matrose, der bei

Er war leichtsinnig gewesen; aber

seine Eltern hatte er doch lieb behalten.

Nun tobt und Nagt er (er war

auch nicht recht gesund), bis er im WeihnachtSgotteSdienst wieder ruhig

und still wird.

Jetzt wieder: Gott, mein Vater im Himmel, bei dem meine

DaS erste Hauptstück: Die zehn Gebote.

110

Eltern sind, der auch mich nicht vergessen wird.

Er hätte keinen Trost

gefunden, wenn er nicht in die Kirche gekommen wäre; auch so wäre es

ihm wohl schwer geworden, wenn er nicht in seiner Kindheit ans Wort GotteS gewohnt gewesen wäre.

2.

(Die Gefahr der Verächter.)

Es bleibt aber oft nicht dabei,

daß die Menschen durch ihr Verachten des Wortes GotteS sich bloß um

den Trost und um die Freude an Gott bringen.

Wer sich am Ruhetag

nicht mit guten Dingen beschäftigt, verlegt sich leicht gerade an diesem Tag, an dem er sonst nichts zu tun hat, auf Leichtsinniges oder gar Schlechtes.

Wie schrecklich, wenn der Tag, den Gott uns zum größten Segen für

Leib und Seele gegeben hat, von den Menschen so zuschanden gemacht wird.

3.

(Die Lehre für uns.)

So wollen wir es nicht machen, sondern

uns durch Gottes Wort zum Guten ermahnen und aneifern lasten,

wo

wir es hören und lesen, Sonntag und Werktag, in der Kirche, der Schule,

bei Vater und Mutter!

Daß wir recht gute Menschen werden, die ge­

lernt haben, an Gott zu denken und ihm zu Gefallen zu leben.

Damit

unser Körper stark und gesund bleibt, müssen wir Brot usw. essen; damit unsre Seele stark und gesund bleibt, muffen wir immer wieder Gottes

Wort hören und lernen.

Matth. 4 chluß der Gebote)....................... M. 20.mit ihren Erklärungen)............ ITC. 14.-

Vas Nichtgewünschte bitte durchzustreichen. Der Be­ stellschein kann, nur mit Namen und Ndresse unter­ schrieben, im offenen Brief­ umschlag für 3 pf.als Druck­ sache versandt werden.

re. (Bef), m. 4.80, geb. m. 5.50.

f

t

L.G. Röder G. m.b.H., Leipzig,

licn im Mai 1912 bereits in zweiter vermehrter Der Preis ist der gleiche wie früher. vom Mai 1912 ab nur 20, 12 und 8 Mark.