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German Pages 295 [300] Year 1995
Europäische Organisationen Einführung
Von Universitätsprofessor
Dr. Wichard Woyke
R. Oldenbourg Verlag München Wien
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Woyke, Wichard: Europäische Organisationen : eine Einführung / von Wichard Woyke. - München ; Wien : Oldenbourg, 1995 ISBN 3-486-22844-7
© 1995 R. Oldenbourg Verlag GmbH, München Das Werk einschließlich aller Abbildungen ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Bearbeitung in elektronischen Systemen. Layout: Detlef Braun Gesamtherstellung: R. Oldenbourg Graphische Betriebe GmbH, München ISBN 3 - 4 8 6 - 2 2 8 4 4 - 7
Inhaltsverzeichnis
Vorwort Internationale Organisationen - Eine Einführung
VII 1
Baltischer Rat
15
Bénélux-Wirtschaftsunion
17
Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung
27
Europäische Freihandelsassoziation/Europäischer Wirtschaftsraum
33
Europäische Organisation für Kernforschung
47
Europäische Union
49
Europäische Weltraumorganisation
115
Europarat
119
Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa
131
Mitteleuropäisches Freihandelsabkommen
155
Nordatlantische Verteidigungsgemeinschaft
159
Nordische Zusammenarbeit
197
Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
205
Ostseerat
217
Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe
225
VI
Inhaltsverzeichnis
Warschauer Pakt
231
Westeuropäische Union
241
Abkürzungsverzeichnis
259
Abbildungsverzeichnis
265
Tabellenverzeichnis
267
Sachregister
269
Personenregister
283
Anhang
285
Vorwort Dieses Buch handelt von den bedeutsamsten internationalen staatlichen Organisationen in Europa, die sich nach dem Zweiten Weltkrieg herausgebildet haben. Internationale Organisationen haben sich in Europa immer mehr zu jenen wichtigen Akteuren entwickelt, die neben den Staaten den politischen Prozeß auf dem Kontinent beeinflussen. Mit dem vorliegenden Buch "Organisationen in Europa - Eine Einführung" wird dem Leser nach einem Einfiihrungsbeitrag über die Aufgaben und Funktionen internationaler gouvernementaler wie auch nichtgouvernementaler Organisationen eine systematische Darstellung in die wichtigsten gouvernementalen Organisationen in Europa vorgelegt, die es ihm ermöglichen soll, einen ersten Einblick in die zunehmend größere Bedeutung erlangenden Organisationen zu erhalten. Sowohl der Gründungsprozeß als auch die Entwicklung, die Organisation und die politischen Ziele wie schließlich auch die Bedeutung der Organisation werden untersucht. Literaturhinweise am Ende eines jeden Kapitels ermöglichem dem Leser eine weitergehende Beschäftigung mit der Problematik. Dazu wird - wenn möglich - auch als didaktische Hilfe eine Organisationsstruktur hinzugefügt, um die wichtigsten Organe der Organisation sogleich zu erkennen. Das Buch arbeitet mit einem Verweissystem, indem Pfeile auf eine jeweils an anderer Stelle abgehandelte Organisation hinweisen. Ein Ausschnitt der Vielfalt europäischer Organisationen allein im Sicherheitsbereich wird auf umseitiger Abbildung erkennbar. Dieses Buch hätte nicht ohne die vielfaltige Hilfe zahlreicher Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erscheinen können. Bei der Herstellung des Manuskripts und der Graphiken waren vor allem Doris Pasch, Christel Mügge und Johannes Varwick beteiligt. Letzter hat mich darüber hinaus auch inhaltlich in vorbildlicher Weise konstruktiv beraten und immer wieder hilfreiche Anregungen gegeben. Nicht zuletzt hat er auch das Abkürzungsverzeichnis sowie das Register erstellt. Das äußere Erscheinungsbild ist Detlef Braun zu danken, der in akribischer Weise vorbildartig die einzelnen Kapitel zu einem gelungenen Ganzen "komponierte". Brigitta Kroes und Imke Schiller trugen durch ihre erfolgreiche Korrekturarbeit zu einer besseren Lesbarkeit der Arbeit bei. Allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gilt mein herzlicher Dank.
Wichard Woyke
Vorwort
VIII
Abbildung 1:
Mitgliedschaft in den Institutionen der euroatlantischen Sicherheitsordnung
Mitgliedschaft in den Institutionen der euro-atlantischen Sicherheitsordnung
^
Belgien " Danemark Deutschland 1 » Frankreich ' ' Griechenland " (irnllhritannicn
Armenien 11 Wrhunklun Uo-inen Herzegowina Bulgarien !»'»•*'• list land I ' ' " 4 " Finnland - • (kiirpien ' ' ' "
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Jugoslawien I Serbien/Montenegro KasaihM.ni ' ' " ' K ire Mail Kroatien Liechtenstein l.ettland Litauen 1 ' ' "
Italien " Luxemburg " Niederlande 11 Portugal ' I Spanien "
Malta Ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien • 1 Moldawien " 9 > Monaco (Kterreich Polen""""9' Rumänien'""9'
Island 1)4» Norwegen 1 ' * Türkei'Hl
Russische Föderation 1 San Marino Schweden 9 ' Schweiz Slowakische Republik Slowenien 9| Tadschikistan 1 1 Tschechische Republik
Turkmenistan 1 1 9 1 Ukraine Ungarn l»fc»K»v» Usbekistan " Vatikan WeißniUland " Zvpern
5i BeobachterMatus bei der W E U w Assoziierte Partner der E U '> von Trelfen ausgeschlossen *' Assii/iieniiigsahkommcn mit E U 91 Mitglied in der Partnerschaft für den frieden (PIP)
Quelle: Bundesministerium der Verteidigung: Weißbuch 1994, Bonn, S. 4 9
INTERNATIONALE ORGANISATIONEN EINE EINFÜHRUNG
1.
Zum Begriff
Neben den Nationalstaat und Territorialstaat traten im 19. Jh. zunehmend internationale Organisationen (i.O.) mit dem Ziel, Rechts- und Arbeitsgrundlagen für die Zusammenarbeit der Staaten bzw. nationaler Akteure bei grenzüberschreitenden Transaktionen zu gewährleisten. Es gibt drei unterschiedliche Bilder von i.O.. Anhänger der realistischen Schule sehen in i.O. hauptsächlich Instrumente staatlicher Politik. Das bedeutet, daß Staaten i.O. vor allem instrumentalisieren, um ihre eigenen Interessen mit Hilfe der i.O. durchzusetzen. I.O. werden zweitens als Arenen verstanden, die als konferenzdiplomatische Dauereinrichtungen bzw. intergouvernementale Verhandlungssysteme dienen. Hier werden prinzipiell alle Themen von internationalem Belang auf unterschiedlichen Kooperationsniveaus behandelt. Eine dritte Sicht sieht in den i.O. vor allem neue Akteure des internationalen Systems. I.O. sind soziale Institutionen, die gegenüber ihrer Umwelt als eigenständige Akteure auftreten können. "Die akteursähnliche Qualität von internationalen Organisationen kommt v.a. dann zum Vorschein, wenn sie keine eindeutig und ausschließlich hierarchische Beziehung zwischen den von Staaten- bzw. Regierungsvertretern besetzten Organen und den übrigen Organen aufweisen und darüber hinaus den Verwaltungsstab mit der Durchführung relativ kostenintensiver Programme oder mit der Überwachung sektoral einschneidender Regelwerke betrauen"(Rittberger 1994: 26). Bei den i.O. wird zwischen International Governmental Organizations (IGOs)(zwischenstaatliche Organisationen) und International Non-Governmental Organizations (INGOs) (nichtstaatlichen Organisationen) unterschieden. Inzwischen wird auch die Kategorie Business International Non-Governmental Organization (BINGO) geführt, worunter die auf Erzielung ökonomischer Gewinne gerichteten Organisationen (transnationale Konzerne) zu verstehen sind. Schließlich kommt mit dem Begriff GONGO (Governmental Organized Non-Governmental Organization) oder auch QUANGO (Quasi-Autonomous Governmental Organization) eine neue Kategorie von internationalen Organisationen in die Diskus-
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Einführung
sion, die die in der Theorie vorgenommene Abgrenzung in der praktischen Politik immer schwieriger machen. Auf den ersten Blick mag das Abgrenzungskriterium zwischen staatlich und nichtstaatlich überzeugen, doch gibt es auch i.O., in denen sowohl staatliche als auch nichtstaatliche Vertreter repräsentiert sind - z.B. die Internationale Arbeitsorganisation (ILO). Doch sind diese Organisationen eindeutig in der Minderzahl, so daß das Unterscheidungskriterium staatlich und nichtstaatlich auch in Zukunft aufrecht erhalten wird. IGOs und INGOs sind Ausdruck einer immer stärkeren Verflechtung und Vernetzung des internationalen Systems. Unter einer IGO wird eine durch multilateralen völkerrechtlichen Vertrag geschaffene Staatenverbindung mit eigenen Organen und Kompetenzen verstanden, die sich als Ziel die Zusammenarbeit von mindestens drei Staaten auf politischem und/oder ökonomischem, militärischem, kulturellem, sozialem u.ä. Gebiet gesetzt hat. Eine INGO ist ein Zusammenschluß von mindestens drei gesellschaftlichen Akteuren aus mindestens drei Staaten (Parteien, Verbände etc.), der zur Ausübung seiner grenzüberschreitenden Zusammenarbeit Regelungsmechanismen aufstellt. IGOs und INGOs sind charakterisiert durch: • • • • •
eine ständige Organisationsstruktur, die festgelegte Aufgaben der i.O. bewältigt; freiwillige Mitgliedschaft gleichberechtigter Partner; einen Vertrag oder Abkommen, in dem Ziele, Strukturen und Methoden der Zusammenarbeit der Partner statuiert werden; ein weitgehend repräsentativ zustandegekommenes beratendes Konferenzorgan und ein permanentes Sekretariat, das die laufenden administrativen, wissenschaftlichen und Informationsaufgaben erfüllt.
IGOs werden normalerweise durch einen Vertrag geschlossen, der i.d.R. die Souveränität der Partner beibehält (Ausnahme: Europäische Union), und deren Kooperation durch das Kriterium der Freiwilligkeit, also des fehlenden Zwangs, gekennzeichnet ist. Voraussetzung für das Entstehen von IGOs ist die Existenz von Staaten, die auf dem Prinzip der souveränen Gleichheit fußen. IGOs entstehen, wenn zwei oder mehr Staaten in einem gewissen Interdependenzverhältnis stehen und zur Überzeugung gelangen, daß die für beide entstandenen oder entstehenden Probleme in einer gemeinsamen Organisation besser zu lösen sind.
Einführung
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1.0. bilden eine besondere Form zur Steuerung des internationalen Systems, die durch die zunehmende Verpflechtung der Staaten in ökonomischer, politischer und gesellschaftlicher Hinsicht erforderlich wurde. Die Bezeichnung international verweist dabei auf Nationalstaaten als weiterhin dominante Akteure des internationalen Systems. I.O. sind sowohl Ausdruck als auch partiell Ansatzpunkt zur Überwindung dieser grundlegenden Systemstruktur. Zunächst haben IGOs die Aufgabe, die Kooperation der Staaten zu fördern, wobei durch Kooperation alle Teilnehmer Vorteile erlangen können. Desweiteren stellen IGOs Foren dar, die von Staaten zur Lösung plötzlich auftauchender Probleme genutzt werden können. Im Konfliktfall können die nicht am Konflikt beteiligten Partner kraft ihrer Mitgliedschaft besser vermittelnd auf die Konfliktparteien einwirken. Anstelle von ad hoc-Konferenzen bieten IGOs eine reguläre Basis für Konsultationen mit festgelegten Regeln für den Ablauf von Verhandlungen. Da in einer immer stärker vernetzten Welt die Probleme nicht mehr auf die Nationalstaaten allein begrenzt bleiben, ist es sinnvoll, entweder bestehende IGOs mit neuen Aufgaben zu versehen oder neue IGOs mit spezifischen Aufgaben zu schaffen. IGOs sind Völkerrechtsubjekte wie die Staaten, d.h. sie haben die Organisationsgewalt nach innen und außen. Sie agieren im internationalen System aufgrund eines originären Vertragsschließungsrechts gegenüber den Nationalstaaten oder anderen IGOs. Sie sind von den Mitgliedstaaten ermächtigt, in ihrem Namen in einem bestimmten Politikbereich aufzutreten. So ist z.B. die 1949 gegründete ^ NATO eine für die Sicherheitspolitik ihrer 16 Mitglieder zuständige IGO.
2.
Zur Geschichte internationaler Organisationen
Das System der Nationalstaaten bildete sich am Ende des Dreißigjährigen Kriegs nach dem Westfälischen Frieden von Münster und Osnabrück (1648) heraus. Während des 17. und des 18. Jahrhunderts reduzierten sich die Beziehungen der Staaten allerdings im wesentlichen auf die Interessen der absoluten Herrscher. Staatenbeziehungen waren Dynastiebeziehungen. Erst als die agrarisch ausgerichteten Ökonomien Westeuropas auf die industrielle Revolution zu Beginn des 18. Jahrunderts reagieren mußten, wurden auch internationale Wirtschaftbeziehungen bedeutsamer. Nun bildeten sich in Europa mit fortschreitender Ausdehnung der Wirtschafts-, Verkehrs-, Kultur- und Sozialinteressen der Staaten die grenzüberschreitenden Interaktionen derartig aus, daß gemeinschaftliche
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Verwaltungen eingerichtet werden mußten. Diese internationalen Verwaltungsgemeinschaften - z.B. Gesundheitskommissionen, Postunionen, Flußkommissionen, Verkehrs- und Nachrichtenunionen - entstanden zwischen 1840 und 1900. Zu Beginn diese Jahrhunderts erforderte die zunehmende Industrialisierung gemeinsame Verwaltungsleistungen in den Bereichen der Chemie, der Elektrizität und dem Motorwesen. Der grenzüberschreitende Strom von Gütern, Dienstleistungen, Nachrichten und Reisenden schwoll derartig an, daß sich zu Beginn dieses Jahrhunderts ein quasi globales, wenngleich immer noch eurozentriertes Weltwirtschaftssystem herausbildete. Darauf ist auch das fast quantensprungartige Ansteigen der Zahl i.O. zurückzuführen. Besonders seit dem 2. Weltkrieg ist eine enorme Zunahme der i.O. zu bemerken. So stieg die Zahl der i.O. von 123 im Jahr 1949 auf 378 IGOs im Jahr 1986. Die Zahl der Mitgliedschaften stieg auf über 7000. Wenn auch durch das Entstehen neuer Staaten und durch den Entkolonialisierungsprozeß die Zahl der Staaten vergrößert wurde, kommt aber in der gestiegenen Verflechtungsdichte der Staaten eine neue Qualität der internationalen Beziehungen zum Ausdruck. Betrug der durchschnittliche Mitgliedsgrad in den IGOs im Jahr 1945 nur 18,6 Mitgliedschaften, so stieg er in den 80er Jahren auf über 40 Mitgliedschaften. Das Wachstum der IGOs wurde in der zweiten Hälfte der 80er Jahre unterbrochen und so fiel die Zahl der IGOs auf 272 im Jahr 1991 zurück. Auch wenn noch keine endgültigen Erklärungen vorliegen, dürfte die Auflösung des Ost-Wesf-Konflikts und die damit im Zusammenhang stehende Auflösung von Ostblockorganisationen zur Reduzierung von IGOs beigetragen haben. Dennoch wird ein weiteres Ansteigen der Zahl der IGOs prognostiziert. Noch spektakulärer fiel das Wachstum bei den INGOs aus: Für 1986 wurden 4676 INGOs aufgeführt. Für das Jahr 2000 wird ein Anwachsen auf mehr als 10.800 (vgl. Union of International Associations: Yearbook of International Organization, Brüssel) in Aussicht gestellt. Gründe für diese spezielle Wachstumsdynamik sind insbesondere die Revolutionierung des Informations- und Kommunikationssystems, die gewachsene Mobilität des Bürgers, die zunehmende Verflechtung der internationalen Beziehungen über den staatlichen Bereich hinaus sowie die wachsenden internationalen Herausforderungen, die sich nicht mehr national bewältigen lassen, sondern für deren Lösung (z.B. Migration, Umwelt) mindestens regionale, wenn nicht gloable Zusammenarbeit erforderlich ist.
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Für die Ausweitung der IGOs lassen sich vor allem folgende Faktoren nennen: • • • • • • •
Vernachlässigung bzw. Ausklammerung von Problembereichen in bestehenden IGOs; Situationswandel, der zu neuen Fragestellungen führt; Unzufriedenheit mit bestehenden Organisationen; Nichtmitgliedschaft in bestehenden Organisationen bzw. Konkurrenzsituation; bürokratisches Expansionsbestreben und politische Mobilisierungsversuche; Selbstgefährdung der Menschheit; Entwicklungsdisparitäten im internationalen System.
Im Bereich der "high politics" entstanden nach dem Wiener Kongreß (1814/15) die Vorläufer der ersten i. O. So wird das Europäische Konzert, die Pentarchie der fünf Großmächte England, Preußen, Rußland, Österreich und Frankreich, als Vorläufer einer das europäische Staatensystem steuernden i.O. angesehen. Das Konzert verstand sich als System von Kongressen und Konferenzen, dessen Rahmen die fünf Mächte nutzten, um mittels Beratung und Zusammenarbeit für die Beilegung oder Bekämpfung von internationalen Krisen und Konflikten zu sorgen. Das Europäische Konzert wird nicht selten als Vorläufer des 1919 nach dem 1. Weltkrieg gegründeten Völkerbunds gesehen. Allerdings wies der Völkerbund zwei qualitative Unterschiede zum Europäischen Konzert auf. Einmal handelte es sich beim Völkerbund um eine auf einer international anerkannten Satzung beruhenden Organisation. Zum anderen war im System des Völkerbunds das Prinzip der kollektiven Sicherheit angelegt. Das bedeutete, daß alle Mitglieder des Völkerbunds bereit sein mußten, 1. den territorialen Status quo zu akzeptieren und 2. diesen gegen eine Aggression, wer immer auch der Aggressor war, zu verteidigen. Im Europäischen Konzert dagegen dominierte der Gleichgewichtsgedanke, der es einer Großmacht ermöglichte, auch während eines Krieges das Bündnis zu wechseln, um das Gleichgewicht wieder "auszubalancieren". Der Völkerbund scheiterte jedoch in der Umsetzung seines idealistischen Ansatzes aus folgenden Gründen:
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• Es gab keine vollständige Mitgliedschaft der Hauptakteure. Deutschland als "Revisionsmacht" und die Sowjetunion als "bolschewistische" Macht stellten den territorialen Status quo in Frage und blieben daher außerhalb des Völkerbundes. Der amerikanische Senat verweigerte die Zustimmung zum Beitritt und desavouierte damit Präsident Wilson, der einer der bedeutsamsten Initiatoren des Projekts war. • Es gab einen Defekt des Prinzips der kollektiven Sicherheit, d.h., die erforderlichen, von der Satzung vorgesehenen Maßnahmen, wurden von vielen Staaten nicht durchgeführt. • Das größte Manko bestand in der mangelnden Durchsetzungsmacht des Völkerbundes, d.h., daß er über keine vom Vertragstext ableitbare Sanktionsmacht verfügte.
3.
Unterscheidungs- und Abgrenzungskriterien
Seitdem über i.O. geforscht und gearbeitet wird, wurden immer wieder Typisierungs- und Abgrenzungskriterien formuliert und neu entwickelt. Unterschiedliche Autoren kommen zu verschiedenen Abgrenzungskriterien, so daß kein einheitlicher Kriterienkatalog existiert. So kann ein Kriterium die Reichweite bzw. Zuständigkeit sein, wobei zeitliche, mitgliederbezogene und sachliche Aspekte zu berücksichtigen sind. Bezogen auf die zeitliche Reichweite interessiert z.B. die Frage, ob es sich um eine alte oder eine junge internationale Organisation handelt, da damit meist Konsequenzen für die Etablierung im Feld der Akteure, Traditionsprägung usw. verbunden sind. Von Bedeutung sein kann auch die zeitliche Fixierung: ob eine i.O. vertraglich befristet oder unbefristet gegründet wird. Während z.B. die Westeuropäische Union für einen Zeitraum von 50 Jahren gegründet wurde, kennt die 4 Europäische Union keinerlei zeitliche Begrenzung. Auch sehen bestimmte IGOs in ihren Satzungen Verlängerungsmöglichkeiten für begrenzte Zeitperioden vor. Räumlich unterscheidet man IGOs mit globalem Charakter von solchen, deren Geltungsbereich auf eine bestimmte Region begrenzt ist. Als globale oder universale Organisationen werden solche angesehen, deren Mitgliedschaft nahezu den gesamten Erdball umfaßt. Von einer universalen Organisation kann immer dann gesprochen werden, wenn es theoretisch jedem Staat ermöglicht ist, an der Organisation teilzuhaben. Als regionale Organisationen gelten meistens auf ein bestimmtes Territorium begrenzte Institutionen. Dabei stellt sich allerdings das Problem, wo eine Region beginnt bzw. aufhört und die nächste anfängt. So ist der Begriff der Region nicht eindeutig zu klären, so daß sowohl die
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4 Benelux-Union wie auch die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) als Region verstanden wird. In den Sozialwissenschaften wird die Region aber nicht nur territorial verstanden, sondern kann auch ökonomische, soziale, kulturelle und politische Komponenten enthalten. So ist der Nordische Rat ein Beispiel für die politische und kulturelle regionale Zusammenarbeit, nicht aber für die territoriale. Denn die nordische Zusammenarbeit umfaßt die skandinavische Halbinsel, Dänemark, durch die Angrenzung an Deutschland mit Kontinentaleuropa verbunden, Finnland durch die Nachbarschaft mit der Sowjetunion an Eurasien gekoppelt und Island, inmitten des Atlantischen Ozeans liegend. Die ideale regionale Organisation bringt Staaten mit einem ähnlichen historischen Hintergrund zusammen, die gemeinsame Probleme besser als auf nationaler Ebene lösen können und deren Lösung in einer größeren internationalen Organisation zu mehr Reibungsverlusten führen müßte. In räumlicher Hinsicht wird auch unterschieden zwischen IGOs, die für einen Beitritt weiterer Staaten offen sind, und geschlossenen IGOs. Der Mitgliederaspekt ist wiederum nicht unabhängig von der sachlichen Reichweite internationaler Organisationen. So führt z.B. bei der Organisation erdölexportierender Staaten (OPEC) das gemeinsame Interesse am Erdölexport zugleich zur Aufgaben- und Mitgliederbegrenzung. In bezug auf die inhaltlichen Funktionen von IGOs wird oft die leicht mißverständliche Formulierung von "politischen" und "unpolitischen" Organisationen verwendet. Unter "politischen" IGOs werden dabei solche Organisationen verstanden, die in einem umfassenden Sinn (high politics) an der Erhaltung oder Ausdehnung der Macht ihrer Mitglieder orientiert sind (z.B. die NATO), während funktional spezifische, zur technisch-administrativen Bewältigung von Sachproblemen geschaffene IGOs (z.B. Weltmetereologieorganisation) als "unpolitisch" bezeichnet werden (low politics). In vielen Fällen ist freilich die Grenzziehung zwischen funktionaler Spezifizität und umfassende Machtfragen berührende Politik problematisch. So kann man dies etwa im Bereich der wirtschaftspolitischen Organe der Vereinten Nationen wie IWF oder Weltbank feststellen, die gemeinhin zu den "unpolitischen" IGOs gerechnet werden, die aber mit zunehmender Bedeutung eben nicht nur technisch-administrative Funktionen haben, sondern in ihrer Organisationsstruktur und Arbeitsweise sowohl machtpolitisch geprägt sind als auch in diesem Sinn wirken. Eine internationale Organisation wie die Internationale Atomenergieorganisation (IAEO) galt geradezu als eine klassische organisatorisch-technische Einrichtung. Im Fall des nordkoreanischen Regimes, das sich der Inspektion seiner Atomanlagen durch die IAEO im Jahr 1994 lange Zeit ver-
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weigerte und somit zu einer Krise der internationalen Politik in Südostasien beitrug, wurde die IEAO zu einer höchst politischen Organisation. Im Rahmen der sachlichen Differenzierung kann nach Aufgaben und Funktionen i.O. unterschieden werden. I.O. können allgemeine, weltumspannende Funktionen anstreben wie z.B. die Vereinten Nationen oder das GATT. So verfolgen die Vereinten Nationen das Ziel, den Frieden und die internationale Sicherheit zu gewährleisten. Das GATT strebt eine weltweite Reduzierung der Zölle und die Realisierung des internationalen Freihandels an. Die Westeuropäische Union begrenzte lange Zeit ihre Aufgabe auf die Gewährleistung der Sicherheit ihrer Mitglieder. I.O. können spezifische Funktionen im Bereich der Sicherheit, der Wirtschaft, der Kultur, der Technik, der Verwaltung u.a.m. ausüben. Dabei gibt es IGOs, die vor allem als Verhandlungsorgane arbeiten (z.B. das GATT), während andere hauptsächlich konkrete Dienstleistungen für ihre Mitglieder erbringen (z.B. die Weltgesundheitsorganisation/WHO oder die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der UN/FAO). Ein weiteres Unterscheidungsmerkmal i.O. bildet das Verhältnis von i.O. und Mitgliedstaaten. Die IGOs klassischen Stils verfügen über Organe, die i.d.R. die Souveränität der Mitgliedstaaten nicht einschränken. Sie haben deshalb potentiell nur eine geringe Durchsetzungskompetenz gegenüber den Einzelinteressen ihrer Mitglieder. Dies ist bei supranationalen Organisationen tendenziell anders, deren Organen die Mitgliedstaaten Kompetenzen auch zur Durchsetzung übernationaler Interessen abgetreten haben, z.B. im Rahmen der Europäischen Union. Dabei stellt sich im einzelnen die Frage sowohl nach den formalen Kompetenzen und Sanktionsmöglichkeiten der IGOs gegenüber ihren Mitgliedern als auch nach den realen Machtmitteln bzw. Durchsetzungsmöglichkeiten. Ein letztes Unterscheidungsmerkmal bildet die Binnen- oder Organisationsstruktur. Zwar gilt im Völkerrecht das Prinzip der Gleichheit der Staaten in der internationalen Politik; jedoch kann es innerhalb der IGOs sowohl bei der Zusammensetzung von Führungs- und Entscheidungsorganen als auch in bezug auf auf das Stimmrecht durchaus Abweichungen von diesem Gleichheitsgrundsatz geben. So sind z.B. die fünf Großmächte USA, Rußland, Frankreich, Großbritannien und China ständig im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen vertreten, während andere Staaten nur zeitweilig Mitglied sind bzw. niemals werden. Die Stimmenverteilung im IWF und der Weltbank folgt den ungleichen Beiträgen der Mitgliedsländer zur Finanzierung dieser IGOs. Ungleiche Finanzierungsbeiträge münden jedoch nicht notgedrungen in eine Ungleichheit der Einfluß- oder
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Vertretungsposition der verschiedenen Länder. In den meisten Organisationen der UN gilt das Prinzip der Stimmengleichheit unabhängig von den weit auseinander klaffenden Finanzierungsbeiträgen der Mitgliedsländer. Eine große Bedeutung erlangt in diesem Zusammenhang der Entscheidungsprozeß, d.h. die Verbindlichkeit der getroffenen Beschlüsse. So sind stark bindende Organisationen von schwach bindenden zu unterscheiden. I.O. können hinsichtlich ihrer Organisationsstruktur auch durch ihre Organvielfalt oder durch geringen organisatorischen Aufwand gekennzeichnet sein. So kennen manche i.O. nur ein kleines Sekretariat (z.B. die 4 EFTA), während andere eine sehr komplexe und umfassende Organstruktur haben, die darüber hinaus durch einen großen Mitarbeiterstab gekennzeichnet sind. So ist die Kommission der EU eines der fünf Hauptorgane der Union und unterhält einen Stab von ca. 16.500 Mitarbeitern.
4.
Internationale Organisationen, Nationalstaaten und internationales System
Mit den klassischen Mitteln einer auf den Nationalstaat orientierten Politik konnten die grenzüberschreitenden Interaktionen seit Anfang des 19. Jahrhunderts nicht mehr gesteuert werden. Es bedurfte daher der IGOs und der INGOs, um Steuerungs- und Managementaufgaben für das internationale System wahrzunehmen. Dabei kann die Zusammenarbeit der Staaten in den IGOs als Fortsetzung der nationaler Problemlösungskapazitäten und -bewältigungsmechanismen verstanden werden. Allerdings berührt die Zusammenarbeit in IGOs die Souveränität des Nationalstaats, die nicht nur durch die IGOs als neue internationale Akteure in ihrer absoluten Bedeutung in Frage gestellt wurde, sondern auch durch die Zunahme der internationalen Verflechtung. Staaten sind seit der Mitte dieses Jahrhunderts nicht mehr in dem Sinne souverän, daß sie autonom über ihre politischen Ziele und Aktionen entscheiden können. Einige Staaten sind vielleicht in der Lage, relativ autonom in einem Bereich, z.B. der Wirtschaftspolitik eigene Präferenzen weitgehend durchzusetzen, während sie im Bereich der Sicherheits- und Verteidigungspolitik eine große Abhängigkeit aufweisen. Das internationale System stellt sich gemäß John Burton heute eher als ein Spinnwebmodell dar, "in dem die Welt durch eine Fülle je unterschiedlich funktional bestimmbarer, letztendlich Kommunikationsbeziehungen widerspiegelnder, einander überlagender und gegenseitig durchwirkender Beziehungsgeflechte überdeckt ist, die
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wie eine Menge gigantischer Spinngewebe den einzelnen Akteur einfangen und ihn auf den verschiedensten Ebenen seines Tuns mit einer Fülle anderer Akteure verknüpfen" (Meyers 1993: 314). Folgende Wirkungen von IGOs und INGOs sind heute auszumachen: • Gegenelite und Parallelelite zur Diplomatie des Nationalstaats: Das Ansteigen der Zahl der IGOs und INGOs wurde für die Diplomatie der Nationalstaaten eine Herausforderung, mußten doch dadurch neue Verhaltensweisen z.B. in Form der Konferenzdiplomatie entwickelt werden. Gegeneliten bilden sich in den INGOs, die bei der Lösung spezieller, oft fachlicher Probleme eine größere Kompetenz als die Diplomaten aufgrund ihrer Fachausbildung aufweisen. • Multilaterale und multinationale Interessenbündelung: I.O. wirken als fachspezifische Konfliktaustragungs- und -regelungsagenturen. In ihnen vollzieht sich eine laufende Multilateralisierung, wenn auch im Völkerrecht weiterhin von der Idee ausgegangen wird, daß das Individuum in all seinen Beziehungen von seinem Heimatstaat vertreten wird. • Vermittlungsfunktion: Aufgrund ihrer multinationalen Zusammensetzung bilden i.O. einen guten Rahmen, um zwischen streitenden Parteien zu vermitteln und auszugleichen. Eine i.O. kann als ein neutraler Ort dienen, an dem die Streitparteien ohne Prestigeverlust zusammentreffen können. Auch können i.O. sich als Vermittler in Konfliktfällen einschalten wie z.B. die Vereinten Nationen in vielen Missionen, aber auch die Europäische Gemeinschaft/ Europäische Union im Jugoslawienkrieg, wenngleich ohne großen Erfolg. • Kollektive Organisierung schwacher und kleiner Nationalstaaten: Das internationale System besteht zu mehr als der Hälfte aus kleinen und schwachen Staaten, die zwar durch das Völkerrecht in den internationalen Beziehungen rechtlich weitgehend gleichgestellt sind, die aber faktisch nur durch Zusammenschluß ihre Interessen wahrnehmen können. So bilden i.O. für diese Staaten einen Rahmen, mit dessen Hilfe sie für ihre Probleme zunächst einmal Gehör schaf-
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fen können (z.B. Gruppe der 77), um in einem zweiten Schritt vielleicht sogar ihre Interessen durchsetzen können. • Internationale Öffentlichkeit durch i.O.: I. O. tagen oft öffentlich und geben darüber hinaus in internationalen Pressekonferenzen die Möglichkeit, sich mit den anstehenden Themen vertraut zu machen. Geheimdiplomatie ist danach heute nicht mehr ohne weiteres möglich, da eine i.O. selbst ein Interesse an der Veröffentlichung ihrer behandelnden Fragen hat. Internationale Organisationen können nur erfolgreich wirken, wenn ihre Normen und Regeln auch durch die Mitgliedstaaten anerkannt werden, d.h. sich auch in die soziale Wirklichkeit umsetzen lassen. Aufgaben internationaler Organisationen können unterschieden werden in "(1) die Spezifizierung von Programmen zu implementationsfähigen Regelwerken, (2) die aktive Implementation von Programmen durch die internationale Organisation selbst, (3) die Überwachung der Implementation von Programmen durch die Mitgliedstaaten sowie (4) das Verhängen von Sanktionen im Falle von Normverstößen und Regelverletzungen" (Rittberger 1994:143).
5.
Institutionalisierte Konferenzen
Eine andere Form der übernationalen Zusammenarbeit erfolgt in institutionalisierten Konferenzen, auf denen spezifische, die Konferenzteilnehmer interessierende Probleme beraten und eventuell auch gelöst werden können. So sind die bekanntesten institutionalisierten Konferenzen die Abrüstungskonferenz der Vereinten Nationen, in der 39 Staaten seit Jahrzehnten über die Abrüstung beraten. Eine andere Konferenz ist die 4 KSZE, die 1973 ihre Funktion als permanentes Gremium zur intersystemaren Konfliktregulierung im Ost-West-Konflikt aufnahm und nun im Begriff ist, sich hin zu einer internationalen Organisation zu entwickeln. Schließlich muß in diesem Zusammenhang auch der Weltwirtschaftsgipfel (G 7) genannt werden. Bei ihm handelt es sich um das jährliche Zusammentreffen der Staats- und Regierungschefs der sieben wichtigsten Industrieländer. Die auf diesen Konferenzen getroffenen Entscheidungen können mitunter bedeutsamer für die Entwicklung der internationalen Politik sein als die von manch einer i.O. getroffene Entscheidung.
12 6.
Einführung Internationale Regime
"Internationale Regime können als eine institutionalisierte Form des norm- und regelgeleiteten Verhaltens bei der politischen Bearbeitung von Konflikten oder Interdependenzproblemen in unterschiedlichen Sachbereichen der internationalen Beziehungen definiert werden" (Wolf 1994: 423). Der Geltungsbereich eines internationalen Regimes kann sich auf die Bearbeitung eines einzigen Konfliktbereichs erstrecken (z.B. den Zugang zum Tiefseebergbau) oder eines Interdependenzproblems (z.B. der Klimaveränderung); er kann aber auch ein breiteres Problemfeld umfassen. Internationale Regime bestehen aus Prinzipien, Normen, Regeln und Entscheidungsverfahren. Als "Prinzipien" werden die allgemeinen Grundsätze verstanden, die durch die Normen operationalisierbar sowie durch Regeln und Verfahren operationalisiert werden. Schließlich setzen Regeln diese in konkrete Ge- und Verbote um. Um als Regime erfolgreich wirken zu können, muß noch als weiteres Verhaltenselement die Regeleinhaltung hinzugefügt werden. "Ohne ein Mindestmaß an Effektivität i.S. der Regeleinhaltung kann nicht von der Existenz eines internationalen Regimes gesprochen werden. Ein internationales Regime ist also immer mehr als seine vertragliche Vereinbarung, es 'lebt' nur dann, wenn eine Bereitschaft der beteiligten Akteure erkennbar ist, die vereinbarten Verhaltensnormen auch anzuerkennen und davon ausgehende 'Spiel'-regeln einzuhalten" (Wolf ebenda). Von internationalen Regimen kann immer dann gesprochen werden, wenn durch das internationale Regime eine Kontextveränderung stattfindet. Die vom internationalen Regime geleistete Problembearbeitung weist sowohl auf die Gesamtbeziehungen zwischen den Regimeteilnehmern als auch auf deren Verhältnis zu ihrem jeweiligen gesellschaftlichen Umfeldern Ausstrahlungseffekte auf. Gerade in der Zeit des Ost-West-Konflikts wurde untersucht, ob es durch die Einführung internationaler Regime gelingen könnte, die Teilnehmer gegen eine Verschlechterung der Ost-West-Beziehungen zu immunisieren, ob es durch die Einführung von Verregelungen in Teilgebieten gelingen könnte, den Kernkonflikt zu lösen etc.. Internationale Regime können somit als eine Vorstufe für Internationale Konferenzen angesehen werden.
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Ausblick
Sind die IGOs Völkerrechtssubjekte, so sind die INGOs Institutionen des internationalen Privatrechts. Aufgrund der weiter zunehmenden internationalen Verflechtung wird auch Zahl der i.O. ansteigen, insbesondere die der INGOs. Da in der Zukunft die Herausforderungen für den Nationalstaat außerordentlich zunehmen werden - zu denken ist an die Umweltproblematik, das Anwachsen der Weltbevölkerung, die zunehmenden Migrationsströme, die Verbreitung nuklearfähigen Materials etc. - und er nicht mehr allein in der Lage ist, Lösungen für diese Probleme anzubieten, dürften internationale Organisationen zunehmend Steuerungsfunktionen in o.a. Bereichen übernehmen. Auch die Erfolgsbilanz vieler internationaler Organisationen - sei es im Bereich Sicherheit, sei es im Bereich Wirtschaft - wird sich fördernd auf den Erhalt bzw. den Ausbau internationaler Organisationen auswirken. Dennoch werden internationale Organisationen nicht den Nationalstaat ersetzen; sie werden aber in ihrer Akteursqualität eine zunehmende Bedeutung erhalten.
Ausgewählte weiterführende Literatur: Andersen, U./Woyke, W., (Hrsg.), 1995: Handwörterbuch Internationale Organisationen, Opladen. Archer, C., 1994: International Organzations, London. Baratta, M. v./Clauss, J., 1991: Internationale Organisationen. Ein Handbuch, Frankfurt/M.. Bennett, A., 19915; International Organizations. Principles and Issues, Englewood Cliffs, N.J. Burton, J., 1972: World Society, Cambridge. Deutsche Bundesbank, 1992: Internationale Organisationen und Gremien im Bereich von Währung und Wirtschaft (Sonderdruck Nr. 3), Frankfurt/Main. Feld, WVjordan R-, 19943; International Organizations. A comparative Approach, New York u.a.
14
Einführung
Groom, A.J.R./Taylor, P. (Hrsg.), 1990: Frameworks for International Cooperation, London. Holsti, K. 1991: Change in the International System - Essays on the Theory and Practice of International Relations, Cheltenham. Keohane, R./Nye, S. (Hrsg.), 1977: Power and Interdependence: World Politics in Transition, Boston. Meyers, R., 1993: Grundbegriffe, Strukturen und theoretische Perspektiven der Internationalen Beziehungen, in: Bundeszentrale für Politische Bildung (Hrsg.) Grundwissen Poltiik, Bonn, S. 220-316. Müller, H., 1993: Die Chance der Kooperation, Regime in den internationalen Beziehungen, Darmstadt. Murphy, C.N., 1994: International Organization and Industrial Change. Global governance since 1850, Cambridge. Papp, D., 1991: Contemporary International Relations. Frameworks for Understanding, New York/Toronto. Union of International Associations (Hrsg.): Yearbook of international Organizations, Brüssel, jährlich. Rittberger, V., 1994: Internationale Organisationen. Politk und Geschichte, Opladen. Wolf, K.D., 1994: Regimeanalyse, in: Boeckh, A.(Hrsg.): Internationale Beziehungen, München 1994, S.422-429. Wolfrum, R. (Hrsg.) 1991: Handbuch Vereinte Nationen, München.
BALTISCHER R A T (Baltic Council)
1.
Mitglieder: Estland, Lettland, Litauen.
Tabelle 1 : Wirtschaftsdaten Land Estland Lettland 1.¡lauen
2.
Fläche in qkm 45.100 64.500 65.200
Baltischer Einwohner in Mio. 1,59 2,7 3,8
Rat Einwohner pro qkm 35,2 41,8 58,2
B S P pro Kopf in $ (1992) 2.760 1.930 1.310
Entstehung:
Am 12. 5. 1990 wurde der Baltische Rat durch die Präsidenten der nach erneuter Unabhängigkeit strebenden Staaten Estland, Lettland und Litauen in einer "Deklaration über Einmütigkeit und Zusammenarbeit" geschlossen. Für Estland unterzeichnete Arnold Riiütel, für Lettland Anatolijs Gorbunovs und für Litauen Vytautas Landsbergis. Mit dem Baltischen Rat wurde die 1934 geschlossene Baltische Entente wiederbelebt.
3.
Ziele:
Die baltischen Staaten streben eine engere politische und wirtschaftliche Zusammenarbeit sowie die inzwischen realisierte Mitgliedschaft in den Vereinten Nationen und der ^ KSZE an. Auch suchten sie eine Abstimmung ihrer Politik gegenüber der Sowjetunion in bezug auf die Unabhängigkeit sowie den Abzug der sowjetischen Soldaten aus den baltischen Staaten.
16 4.
Baltischer Rat Organe:
Der Rat der baltischen Staaten, bestehend aus den Außenministern der drei Länder, tagt periodisch oder auf Antrag eines Signatarstaats. Die Ständige Arbeitsgruppe dient zum Informationsaustausch sowie zur Koordinierung außenpolitischer Zielsetzungen.
5.
Entwicklung:
Die erste Ratssitzung am 5.10.1992 sprach sich für die Errichtung eines allgemeinen Sicherheitssystems der baltischen Staaten sowie für eine aktive Beteiligung an der KSZE aus. Die wichtigsten außenpoltischen Ziele, nämlich die Unabhängigkeit sowie den Abzug der sowjetischen bzw. russischen Soldaten haben die baltischen Staaten am 31.8.1994 erreicht, als die letzten russischen Soldaten Estland und Lettland verließen. Im September 1994 haben die drei baltischen Staaten mit Großbritannien und den skandinavischen Staaten die Gründung eines Balten-Bataillons vereinbart. Rund 1.000 Soldaten sollen gemäß dem Abkommen ab 1996 bereitstehen und als friedenserhaltende Einheit im Baltikum wirken. Auf diese Weise sollen sie auch für internationale Aufgaben im Rahmen der KSZE und den Vereinten Nationen vorbereitet werden.
6.
Bewertung:
Es gilt abzuwarten, inwieweit der Baltische Rat auf Dauer eine Rolle im europäischen Regionalsystem spielen kann. Die Länder Estland (1,5 Mio. Einwohner), Lettland (2,7 Mio. Einwohner) sowie Litauen (3,7 Mio. Einwohner) müssen, wollen sie allein aufgrund ihrer geringen Einwohnerzahl eine Rolle spielen, eine stärkere Kooperation suchen, die sich zuerst in der Ökonomie und dann auch in außenpolitischen Fragen zeigen sollte. Politisch und ökonomisch dürften jedoch der 4 Ostseerat und die Europäische Union für die baltischen Staaten immer bedeutsamer werden. Analog zur Rolle der 4 Benelux-Union könnten die baltischen Staaten in Form eines erfolgreichen Baltischen Rats ihre Position im europäischen Regionalsystem verbessern.
BENELUX-WIRTSCHAFTSUNION (Union Douanière Benelux/The Benelux Economic Union)
1.
Sitz: Brüssel.
2.
Mitglieder: Belgien, Niederlande, Luxemburg.
Tabelle 2: Mitglieder Belgien Luxemburg Niederlande
3.
Wirtschaftsdaten Fläche (km2) 30.518 2.586 41.864
Benelux-Staaten Einwohner (Mio.) 10.0 0.389 15.2
BSP/Kopf Einwohner l l i i i i i l l l l (1992) 328.3 20.880 $ 151.0 35.160$ 20.480 $ 363.0
Entstehung:
Die Enge des Marktes veranlaßte Luxemburg bereits 1921 in Form der Belgisch-Luxemburgischen Wirtschaftsunion (BLEU/UEBL) die ökonomische Zusammenarbeit mit den Nachbarn zu suchen. Im Londoner Exil unterzeichneten die Regierungen der drei Staaten am 5.9.1944 die Londoner Zollkonvention, die de facto den Beitritt der Niederlande zu der BLEU beinhaltete. Der Abschluß des Vertrags über die BeneluxUnion war ein Bruch mit der bisherigen Außenpolitik dieser drei Staaten. Dieser Vertrag wurde als einziges Mittel perzipiert, um Nationalismus, Isolationismus und Protektionismus, die drei Geißeln in den 30er Jahren, zu überwinden und sukzessiv zu Internationalismus, Kooperation, Freihandel und sogar Integration zu gelangen. Durch Kriegsfolgen verzögert, konnte dieses Abkommen erst am 1.1.1948 in Kraft treten. Es sah die Aufhebung von Einfuhrzöllen zwischen den Benelux-Staaten sowie die Einführung eines gemeinsamen Außenzolls vor. Von 1948 bis 1958 betrieben die Benelux-Staaten eine pragmatische Integrationspolitik in Richtung auf eine Wirtschaftsunion, die durch eine Koordinierung der
BENELUX-Wirtschaftsunion
18
Wirtschafts-, Sozial- und Außenhandelspolitik wie auch durch die Liberalisierung des Kapitalverkehrs gekennzeichnet war. Am 3.2.1958 unterzeichneten die drei Regierungen in Den Haag den Vertrag zur Bildung einer Wirtschaftsunion zwischen den drei Staaten, der am 1 . 1 1 . 1 9 6 0 in Kraft trat.
4.
Ziele:
Mit der Benelux-Wirtschaftsunion streben die drei Staaten die Vervollständigung des gemeinsamen Markts an, also die Freiheit des Warenverkehrs, der Dienstleistungen, des Faktors Arbeit und des Kapitals. Die Union zielt auf die Koordinierung der Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik. Daneben verfolgt sie eine engere Zusammenarbeit in den verschiedenen Politikfeldern, die den drei Staaten eine bessere Verteidigung ihrer Position im internationalen und europäischen Regionalsystem ermöglichen soll. Auch soll durch den Zusammenschluß innerhalb des europäischen Kräftegleichgewichts eine stärkere Position gegenüber den großen Nachbarn Deutschland und Frankreich - dies trifft besonders für Luxemburg und Belgien zu - gewährleistet werden. Der Vertrag von 1958 konkretisiert den festen Willen der drei Partner, ihr ökonomisches Schicksal gemeinsam zu realisieren. Darüber hinaus kodifiziert der Vertrag die zwischen 1948 und 1958 zwischen den Partnern geschlossenen Regelungen. Im Grunde strebt der Benelux-Vertrag von 1958 dieselben Ziele wie der ein Jahr zuvor geschlossene Römische Vertrag über die E W G an. Der Hauptunterschied beider Verträge liegt aber in der zeitlichen Realisierung der Vertragsziele. Während die E W G relativ lange Übergangsfristen bis zu 12 Jahren vorsah, war der 1958 geschlossene Benelux-Vertrag schon weitgehend realisiert und bedeute somit eine Kodifizierung des Bestehenden. Darüber hinaus ermöglicht ein spezieller Vertrag zwischen diesen drei Partnern eine weitergehende regionale Integration, die in der E U nicht unbedingt erreicht werden muß.
5.
Organisationsstruktur:
Bei der Benelux-Union handelt es sich um eine intergouvernementale, keine supranationale Organisation. Oberstes Organ ist das Ministerkomitee, das sich in der Regel aus den drei Außenministern zusammensetzt. Sie treffen sich mindestens alle drei Monate, um die Benelux-Zusammenarbeit im Lichte der Zielsetzungen der Wirtschaftsunion zu bewerten.
BENELUX-Wirtschaftsunion
19
Darüber hinaus treffen sich die Ministerpräsidenten und die Fachminister der drei Staaten mehrmals im Jahr, um neue Möglichkeiten der BeneluxZusammenarbeit zu erörtern. Dafür wird oft der Rahmen der Europäischen Union genutzt. Das Ministerkomitee kann politische Beschlüsse fassen, Abkommen schließen, Empfehlungen und Richtlinien erlassen. Die Beschlüsse, die einstimmig erfolgen müssen, sind für die Bürger der Mitgliedstaaten nicht direkt bindend, da sie erst durch die Parlamente der Mitgliedstaaten bestätigt werden müssen. Das Ministerkomitee besteht aus ständigen Vertretern, die Regierungsmitglieder sind und sich aufgrund ihrer Regierungsaufgaben ständig mit Benelux-Angelegenheiten befassen. Das Generalsekretariat mit Sitz in Brüssel besteht aus etwa 90 Mitarbeitern und ist für den ordnungsgemäßen Geschäftsablauf verantwortlich. Der Generalsekretär ist niederländischer Nationalität, seine beiden Stellverteter belgischer und luxemburgischer Herkunft. Allerdings wird das Generalsekretariat kollegial geführt. Der Rat der Wirtschaftsunion, dessen Mitglieder durch das Ministerkomitee bestimmt werden, führt die Beschlüsse des Ministerkomitees aus, koordiniert die Politik und ist für die Wirksamkeit der verschiedenen Organe verantwortlich. Aufgrund des Unionsvertrages wurden die 12 Kommissionen - u.a. die Kommission für Wirtschaftsbeziehungen mit dem Ausland, die Kommission für Währungs- und Finanzfragen, die Kommission für Industrie und Handel, die Kommission für Landwirtschaft, Ernährung und Fischerei, die Kommisssion für Zoll- und Steuerfragen - sowie acht Sonderkommissionen, darunter u.a. für Tourismus und für Raumordnung eingesetzt. Diese Komissionen und Sonderkomissionen haben Serviceleistungen für das Ministerkomitee zu erbringen. Diesen Exekutivorganen stehen beratende Organe gegenüber, von denen der Beratende Interparlamentarische Rat (IPR) das bedeutsamste ist. Er setzt sich aus je 21 belgischen und niederländischen sowie aus sieben luxemburgischen Abgeordneten zusammen. In ihm sind alle politischen Strömungen der drei Staaten vertreten. Der durch Sonderabkommen vom 5.11.1955 geschaffene Rat berät die mit der Benelux-Union im Zusammenhang stehenden Probleme. Die Zuständigkeiten des IPR sind nicht auf die Wirtschaftsunion begrenzt; sie umfassen auch bestimmte Aspekte der politischen Zusammenarbeit.
BENELUX-Wirtschaftsunion
20
Der Beratende Wirtschafts- und Sozialrat (BWSR) besteht aus maximal 27 Mitgliedern, die als nationale Vertreter des Wirtschafts- und Soziallebens in dieses Gremium zu gleichen Teilen aus den Mitgliedstaaten entsandt werden. Analog zum Wirtschafts- und Sozialrat der EU hat der BWSR nur eine beratende Funktion. Das Schiedsgericht hat die Aufgabe, Differenzen, die zwischen den Vertragspartnern in bezug auf die Anwendung und Auslegung des Vertrags entstehen können, zu regeln. Für jede Materie stellt jeder Vertragspartner einen Schiedsrichter sowie einen Ersatzschiedsrichter. Die Arbeit in der Benelux-Union verlief allerdings so harmonisch, daß vom Schiedsgericht bisher so gut wie kein Gebrauch gemacht werden mußte. Seit dem 31.3.1965 gibt es auch den Benelux-Gerichtshof mit Sitz in Brüssel, der seit 1974 seine Funktionen wahrnimmt. Er besteht aus drei Richtern. Seine Hauptaufgabe besteht in der Förderung der einheitlichen Auslegung der festgelegten gemeinsamen Rechtsvorschriften. Er hat eine dreifache Aufgabe und ist dementsprechend mit folgenden Befugnissen ausgestattet: rechtsprechende Befugnisse, beratende Befugnisse und rechtsprechende Befugnisse bei Angelegenheiten der Beamten. Die Kosten der Benelux-Union werden zu 48,5% von Belgien, zu 48,5% von den Niederlanden sowie zu 3% von Luxemburg getragen.
6.
Entwicklung:
Im März 1947 wurde von den Benelux-Staaten ein Protokoll geschlossen, in dem die 1944 geschlossene Zollkonvention näher erläutert wurde. Danach sollte die Zollunion folgende drei Prinzipien verwirklichen: •
die rasche Einführung eines gemeinsamen Zolltarifs, der auf alle Importe aus Drittländern Anwendung finden sollte;
•
die schnelle Abschaffung der Zölle an den Binnengrenzen auf alle Güter, die ihren Ursprung in den Benelux-Staaten haben und
•
das Ziel einer gemeinsamen indirekten Steuerpolitik sowie der gemeinsamen Agrar-, Industrie- und Handelspolitik.
BENELUX-Wirtschaftsunion
21
Die bereits während des Zweiten Weltkriegs begonnene institutionelle Zusammenarbeit wurde durch den Ost-West-Konflikt in ihren Rahmenbedingungen verändert und durch die Gründung neuer funktionaler internationaler Wirtschaftsorganisationen globaler Art wie dem GATT und der 4 OECD überlagert. Durch den europäischen Integrationsprozeß, insbesondere durch EGKS und EWG, wurden viele der von der BeneluxUnion verfolgten Ziele auf die Europäische Gemeinschaften übertragen. Dennoch wurde die enge Zusammenarbeit der drei Staaten institutionell fortgesetzt. So schlössen die Regierungen der drei Staaten am 3. Februar 1958 in Den Haag den Vertrag über die Benelux-Wirtschaftsunion, der am 1. November 1960 in Kraft trat. Dieser Vertrag sollte zu einem Meilenstein in der Integrationsgeschichte der drei Staaten werden, da die Ziele des Integrationsprozesses zum Prinzip der Koordination der allgemeinen Politik erweitert wurden und Schritte zur Schaffung eines gemeinsamen Wirtschafts- und Lebensraums für die Bürger sowie einer Passunion vorgenommen wurden. Die Abschaffung der Kontrollen an den Binnengrenzen war eine der größten Erfolge des Benelux-Integrationsprozesses. Schließlich einigte man sich auch auf eine gemeinsame Politik innerhalb der Europäischen Gemeinschaft. Auch zielte die Benelux-Kooperation auf eine gegenseitige Anerkennung der Examenszeugnisse, was zu Teilen bereits in den 60er Jahren erreicht werden konnte. Die Freiheit für Güter, Dienstleistungen, Arbeit und Kapital wurde in den BeneluxStaaten deutlich früher als in der Europäischen Gemeinschaft erreicht. Die Benelux-Union hat zu erheblichen Vorteilen für die drei Länder beigetragen. So stieg der Intra-Beneluxhandel, nicht zuletzt wegen der Abschaffung der Zölle, allein zwischen 1948 und 1958 um 200 %. Auch im Außenhandel konnten die Benelux-Staaten ihren Anteil von 2,3 Mrd USDollar (1948) auf 249,8 Mrd US-Dollar (1990) steigern, so daß sich Benelux zum viertgrößten Wirtschaftsakteur in der Welt entwickelte. Zwischenstaatliche Differenzen, besonders zwischen den Niederlanden und Belgien, konnten dank Benelux gelöst werden. Schließlich haben die drei Staaten durch ihren Zusammenschluß innerhalb der EG ein größeres Gewicht erhalten, so daß bis zur ersten Erweiterung 1973 gegen sie keine Entscheidung möglich war. Durch die Erweiterungen der EG hat Benelux als Akteur innerhalb der Europäischen Union an Einfluß verloren. Aufgrund der überzeugenden Erfolge auf dem Gebiet des freien Personenverkehrs und des freien Warenverkehrs ist die Benelux-Union zum Wegbereiter für den europäischen Integrationsprozeß geworden. Im europäischen Integrationsprozeß konnten die Benelux-Staaten, nicht zuletzt dank ihrer herausragenden politischen Persönlichkeiten wie Spaak, Stik-
BENELUX-Wirtschaftsunion
22
ker, Beyen, Bech, Tindemans, Thorn, Werner, Martens und Lubbers, immer wieder eine wichtige Schrittmacherrolle spielen. Durch das Schengen-Abkommen zwischen den Benelux-Staaten, Frankreich und Deutschland von 1985 wurde der schrittweise Abbau der Grenzkontrollen zwischen diesen Staaten vorgesehen. Seit 1985 wird das Benelux-Sekretariat von Deutschland und Frankreich förmlich als Sekretariat des Schengener Übereinkommens anerkannt.
7.
Perspektiven/Bewertung:
Die Benelux-Union hat zwar nur 4,5% der Fläche der Europäischen Union, und ihre Bevölkerung repräsentiert nur 9,1% der EU-Bevölkerung (nach dem Beitritt der vier Staaten Norwegen, Österreich, Finnland und Schweden werden diese Zahlen noch weiter schrumpfen), doch ist Benelux nach den USA, der Bundesrepublik Deutschland und Japan der viertgrößte Wirtschaftsakteur im internationalen System. Die Benelux-Union hat trotz der Überwölbung durch die EG/EU für die drei Staaten nach wie vor eine große Bedeutung. Zunächst einmal können Entscheidungen, die in der EU nicht getroffen, im kleineren Verbund der drei Staaten schneller getroffen werden. Zweitens können die drei Staaten auch in Zukunft ihre sich selbst zugeschriebene Schrittmacherrolle im europäischen Integrationsprozeß fortsetzen. Für die Vorbereitung der europäischen Angelegenheiten bietet die Benelux-Ebene eine wichtige Institution, auf der die meistens einheitliche Position der drei Staaten abgestimmt wird. Auch wurde auf dieser Ebene die Initiativfunktion der drei Staaten innerhalb des europäischen Integrationsprozesses mehrfach praktiziert. Drittens kann Benelux im Falle des Scheiterns oder Zurückfahrens des Integrationsprozesses im Rahmen einer durch die skandinavischen und mittel- und osteuropäischen Staaten erweiterten Europäischen Union als Auffangbecken dienen. Viertens hat Benelux als Einheit innerhalb des Integrationsprozesses ein bedeutsam größeres Gewicht als jeder Mitgliedstaat einzeln. Schließlich schreibt sich die Benelux-Union auch im weiteren Integrationsprozeß die Funktionen zu, als Laboratorium, Modell und Motor der europäischen Integration zu dienen.
BENELUX-Wirtschaftsunion
23
Zu Beginn der 90er Jahre wurde angesichts der Fortschritte im europäischen Integrationsprozeß (Binnenmarkt, Wirtschafts- und Währungsunion) verstärkt die Frage nach den zukünftigen Funktionen von Benelux gestellt. Die Vertreter von Benelux sehen ihre Aufgaben im ausgehenden Jahrhundert wie folgt: •
Fortsetzung der traditionellen Arbeit der Union. Selbst nach der Realisierung des Binnenmarkts muß Benelux als Forum für die Koordinierung der nationalen Politiken gegenüber der EU dienen. Falls der europäische Integrationsprozeß langsamer als von den Benelux-Staaten gewünscht verläuft, dient Benelux als ein Auffangnetz, in dem die Labor- und Motorfunktion wahrgenommen werden kann.
•
Transnationale Kooperation in einer geographisch so eng vernetzten Region dient allen Beteiligten bei der Bewältigung spezifischer Benelux-Angelegenheiten.
•
Die Benelux-Staaten können innerhalb ihrer Union auch auf anderen Politikfeldem (z.B. Verteidigung, Entwicklungspolitik, diplomatische und konsularische Zusammenarbeit) kooperieren, vorausgesetzt es gibt dafür einen Bedarf.
•
Die Benelux-Partner werden jede Gelegenheit ergreifen, sich zu konsultieren, um gemeinsame Interessen sowohl in der EU als auch in anderen internationalen Foren zu vertreten.
Doch trotz aller angewachsenen Kooperation hat Benelux nicht dazu geführt, daß die drei Staaten eine koordinierte, geschweige denn gemeinsame Außenpolitik praktizieren.
BENELUX-Wirtschaftsunion
24
Abbildung 2:
BENELUX-WIRTSCHAFTSUNION Organe
/A
BENELUX-Wirtschaftsunion
25
Literatur: General Secretariat of the Benelux Economic Union, 1993: Benelux. Past, Present and Future, Brüssel. Secretariat Permanent du Conseil Interparlamentaire Consultatif de Benelux, 1993: Trente-Septième Rapport Commun, Brüssel. Traité instituant de l'Union économique Benelux, Brüssel. Willems, L., 1982: Le Benelux et la Communauté européenne: cinq arguments, Brüssel. Woyke, W., 1985: Erfolg durch Integration - Die Europapolitik der Benelux-Staaten 1947 bis 1979, Bochum.
EUROPÄISCHE BANK FÜR WIEDERAUFBAU UND ENTWICKLUNG (European Bank for Reconstruction and Development/EBRD)
1.
Sitz: London
2.
Mitglieder:
Anfang 1994 hatte die EBRD 57 Mitgliedstaaten, darunter alle 24 OECD-Staaten, die Nachfolgestaaten der Sowjetunion (Empfänger-Staaten) sowie Ägypten, Israel, Liechtenstein, Malta, Marokko, Mexico, SüdKorea und Zypern. Darüber hinaus gehören der EBRD die EU und die Europäische Investitionsbank als Mitglieder an.
3.
Entstehung:
Auf Anregung des damaligen französischen Präsidentenberaters Jacques Attali wurde vor dem Hintergrund des epochenverändernden Zusammenbruchs der sozialistischen Regime die Gründung einer neuen internationalen Finanzinstitution mit europäischem Akzent vorgeschlagen. Mit dieser neuen Bank sollte der Transformationsprozeß finanziell und technisch abgestützt, gleichzeitig aber auch nach westlichen Vorstellungen ausgerichtet werden. Auf dem 42. Europäischen Rat in Straßburg im Dezember 1989 vereinbarten die Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft sowie der Präsident der EGKommission die Einrichtung der EBRD. Vor Aufnahme der Tätigkeit der Bank galt es aber noch zahlreiche Probleme und Konflikte im Zusammenhang mit der Bank zu lösen wie Ziele, Art, Größe, Entscheidungsund Kontrollinstanzen. Hierbei stießen vor allem französische Vorstellungen einerseits und US-amerikanische und britisch-niederländische Gedanken andererseits aufeinander. Großbritannien und die Niederlande kritisierten, daß mit Weltbank und Europäischer Investitionsbank bereits geeignete Institutionen zur Vergabe von Krediten an mittel- und osteuro-
28
EBRD
päische Staaten zur Verfügung ständen. Nachdem sich die Teilnehmer auf die Ausstattung des Grundkapitals von 10 Mrd. ECU, den Sitz der Bank in London, den Vorsitz von Jacques Attali sowie einen Direktorialrat von 23 Mitgliedern geeinigt hatten, konnte die Bank im April 1991 ihre Tätigkeit aufnehmen.
4.
Ziele/Vertragsinhalt:
Durch Unterstützung des wirtschaftlichen Fortschritts in den mittel- und osteuropäischen Staaten, die sich zu den Grundsätzen der Mehrparteiendemokratie, des Pluralismus und der sozialen Marktwirtschaft bekennen, soll der Übergang von der zentralen Verwaltungswirtschaft zur Marktwirtschaft gefördert werden. Ziel der Bank ist es, in Absprache mit dem Internationalen Währungsfonds und der Weltbank, Anlageinvestitionen und Investitionen zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit in den Staaten Mittel- und Osteuropas zu fördern. Neben dieser dezidiert politischen Zielsetzung ist die EBRD gehalten, umweltverträgliche und dauerhafte Entwicklung zu fördern. Entsprechend ihrem Statut soll die Bank 60 Prozent ihrer Aktivitäten auf den Privatsektor konzentrieren, während auf den staatlichen Sektor für Projekte die restlichen 40% der Kredite entfallen sollen. Kredite der EBRD werden allerdings nach kommerziellen Konditonen vergeben.
5. 5.1
Organisation/Finanzierung: Organisation:
Die Organisationsstruktur der EBRD ähnelt der von IWF und Weltbank. Oberstes Entscheidungsorgan ist die Gouverneursversammlung. Jedes Mitgliedsland sowie die Europäische Investitionsbank und die 4 Europäische Union stellen einen Gouverneur bzw. einen Stellvertreter. Die einmal jährlich tagende Gouverneursversammlung fällt die wichtigsten Grundsatzentscheidungen. Ausführungsorgan ist der Direktorialrat, der aus 23 Direktoren bzw. deren Stellvertretern besteht. Die sieben stimmenstärksten Länder sowie EU und EIB stellen jeweils einen Direktor, während die übrigen Direktoren z.Z. mehrere Länder repräsentieren. Der Präsident der Bank führt den Vorsitz im Direktorialrat. Er ist für die laufenden Geschäfte verantwortlich. Ende 1993 waren knapp 700 Mitarbeiter bei der EBRD beschäftigt.
29
EBRD
Die Stimmrechte in der EBRD sind entsprechend der Kapitalzeichnung gewichtet, so daß die USA mit 10% der Anteile über den stärksten Stimmenanteil verfügen. Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien und Japan halten jeweils einen Anteil von 8,5%. Die Staaten der EU verfügen mit 51% der Anteile über die Mehrheit, die sich bei der für 1995 vorgesehenen Erweiterung der Europäischen Union noch erhöhen wird. Ende 1993 hatte die EBRD in Osteuropa elf Niederlassungen mit insgesamt etwa 40 Mitarbeitern. 5.2
Finanzierung:
Die EBRD kann bei ihrer Kreditfinanzierung auf zwei unterschiedliche Finanzquellen zurückgreifen: auf mittel- und langfristige Schuldverschreibungen, die auf internationalen Kapitalmärkten zum Angebot kommen sowie auf die Kapitalanteile der Mitgliedstaaten. Das auf 10 Mrd. ECU festgelegte Grundkapital braucht allerdings nur zu 30% eingezahlt werden. Bis Ende 1993 waren insgesamt Kapitalanteile von 1,7 Mrd. ECU gezeichnet worden. Bis Ende 1993 hatte die EBRD insgesamt Finanzierungszusagen in Höhe von 3,75 Mrd. ECU gemacht. 1993 konnte die EBRD erstmals einen kleinen Haushaltsgewinn von 4 Mio. ECU aufweisen.
6.
Entwicklung:
Die EBRD tat sich hinsichtlich ihrer Rollenfindung anfänglich schwer, da mit EIB und IWF Institutionen als Konkurrenten wirkten, die ebenfalls in der Lage waren, zumindest große Teile der von der EBRD angestrebten Aufgaben zu übernehmen. So wurden in den ersten neun Monaten der Existenz der neuen Bank auch nur lediglich 14 Projekte genehmigt. Dabei handelte die EBRD in enger Abstimmung sowohl mit anderen bilateralen wie auch multilateralen Gebern wie der Weltbank und der Europäischen Investitionsbank. Bis Ende 1993 stieg die Zahl der genehmigten Projekte auf 156. Neben den eigenen Zusagen von 3,75 Mrd. ECU konnten durch zusätzliche Geber weitere 11 Mrd. ECU für den Transformationsprozeß mobilisiert werden. Die effektive Auszahlungsrate der EBRD-Kredite konnte von 11,2% im Jahr 1992 auf 19,1% in 1993 gesteigert werden. Auch mit 57% der Projektzusagen für den privaten Sektor in 1993 näherte sich die EBRD den Zielen der Satzung an. Die meisten Kredite der EBRD erhielten Polen, Ungarn und die Tschechische Republik.
EBRD
30
1993 geriet die EBRD erneut in Legitimationsprobleme. Kritik an der EBRD entzündete sich vor allem wegen der hohen internen Ausgaben, was sowohl den personellen als auch den sachlichen Sektor betraf. Da gleichzeitig für Ost- und Mitteleuropa recht geringe Summen zur Verfügung gestellt wurden, blockierte der amerikanische Senat schließlich 70 Mio. US-Dollar und forderte fundamentale Veränderungen in der Bank. Jacques Attali, dessen Führungsstil zunehmend Kritik fand, trat im Juni 1993 zurück. Mit Jacques de Larosiere trat ebenfalls ein Franzose das Präsidentenamt an. De Larostere war durch seine Tätigkeit als ehemaliger geschäftsführender Direktor des IWF sowie als Gouverneur der Französischen Zentralbank geradezu prädestiniert für die Führung der EBRD. Es gelang ihm auch recht bald, die EBRD aus der Kritiklinie herauszuführen, da er eine personelle Strukturreform durchführte und den Privatsektor stärker in den Mittelpunkt der Bankaktivitäten rückte.
7.
Perspektiven/Bewertung:
Da die EBRD Kredite nur unter kommerziellen Konditionen vergeben kann, dürften die Kreditnehmer in Mitteleuropa mittelfristig die günstigeren Kredite der EIB in Anspruch nehmen. In den osteuropäischen Ländern (Rußland, Nachfolgestaaten der Sowjetunion) sind der EBRD Grenzen durch die bisher nur sehr unzureichend vollzogene Privatisierung gesetzt, d.h., daß die Zahl der potentiellen Kunden hier noch geringer ist als in Mittleuropa. Im öffentlichen Sektor gibt es für Infrastrukturprojekte in Osteuropa einen riesigen Bedarf. Hier könnte sich aber die starre Begrenzung von 40% als eine Fessel erweisen. Das Problem der EBRD besteht weiterhin in der Existenz von Konkurrenzinstitutionen wie der Weltbank oder der Europäischen Investitionsbank, die nach Auffassung der Kritiker alle die von der EBRD wahrgenommenen Aufgaben hätten übernehmen können. Da einmal geschaffene Institutionen ein großes Beharrungsvermögen entwickeln, das eigentliche Aufgabenfeld, nämlich die Unterstützung des Transformationsprozesses in Mittel- und Osteuropa noch für lange Zeit erforderlich sein wird und schließlich die EBRD eine europäisch dominierte Bank ist - im Gegensatz zu IWF und Weltbank - dürfte die EBRD ihren festen Platz in der europäischen Organisationsstruktur einnehmen, vorausgesetzt sie arbeitet erfolgreich und fällt nicht in die anfänglichen Schwierigkeiten zurück.
EBRD
31
Literatur: European Bank for Reconstruction and Development: Jahresberichte, London. European Bank for Reconstruction and Development, 1993: Organisation of the European Bank, London. Jacobeit, C., 1992: The EBRD: Redundant, or an important Actor in the Transformation of Eastern Europe?, in: Intereconomics, Vol. 27, No. 3 (May/June), S. 119-123. Menkveld, P.A., 1991: Origin and the Role of the European Bank for Reconstruction and Development. London and Boston. Shihata, I.F.I., 1990: The European Bank for Reconstruction and Development: A Comparative Analysis of the Constituent Agreement, London and Boston. Weber, S., 1992: Origins of the European Bank for Reconstruction and Development. Center for European Studies, Working Paper Series No. 40, Harvard University, Cambridge. Weber, S., 1994: Origins of the European Bank for Reconstruction and Development, in: International Organization, Vol. 48, No. l(Winter), S. 1-38.
EUROPÄISCHE FREIHANDELSASSOZIATION EUROPÄISCHER WIRTSCHAFTSRAUM/EWR (European Free Trade Association - EFTA / European Economic Area/EEA)
EFTA 1.
Sitz: Genf (Sekretariat).
2.
Mitglieder:
Tabelle S.-
Island Finnland Liechtenstein Norwegen
Mitglied er (7) Österreich ehemalige Mitglieder: Schweden Dänemark (1960-1972) Schweiz Großbritannien (1960-1972) Portugal (1960-1986)
Tabelle 4: Wirtschaftsdaten Mitglieder Island Finnland Liechtenstein Norwegen Osterreich Schweden Schweiz 1
1991
Fläche (km 2 ) 102.819 338.145 160 323.878 83.855 449.964 41.293
der
EFTA-Staaten
Einwohner (Mio.) 0,261 5,0 0,029600 4,3 7,9 8,6 6,9
Einwohner /km2 2,5 16,5 185,2 13,2 93,7 21,1 164,7
BSP/Kopf (1992) 23.880 $ 21.970$ 33.000 S 1 25.820 $ 22.380 $ 27.010 $ 36.080 $
34 3.
EFTA/EWR Entstehung:
Die EFTA entstand aus einer vor allem von Großbritannien geführten Gegenbewegung zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft EU). Mitte der 50er Jahre standen sich zwei unterschiedliche Integrationsvorstellungen gegenüber. Die erste bestand in einem großen Projekt für nicht nur eine wirtschaftliche, sondern auch eine politische Union. Der zweite Integrationsansatz betraf eine rein kommerzielle Zusammenarbeit mit dem Ziel, den Güteraustausch mittels Zollabbau und der Beseitigung technischer Hemmnisse zu erleichtern. Während der Verhandlungen der sechs EGKS-Staaten über eine Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG), zu denen Großbritannien eingeladen war, schlugen die Briten eine alle westeuropäischen OEEC-Staaten OECD) umfassende Freihandelszone vor. Diese große Freihandelszone fand zwar auch bei Politikern der EGKS-Staaten Unterstützung, nicht zuletzt auch beim damaligen Bundeswirtschaftsminister und späteren deutschen Bundeskanzler Ludwig Erhard, der von der EWG eine Behinderung des Handels mit Drittländern befürchtete. Innerhalb der sechs EGKS-Staaten behaupteten sich jedoch die Kräfte, die eine höhere Integrationsstufe als eine bloße Freihandelszone wünschten und daher der als Zollunion konzipierten EWG den Vorzug gaben. Da die EWG mehr als eine ökonomische Integration anstrebte, war die Zusammenarbeit für neutrale Staaten wie Schweiz, Schweden und Österreich mit ihr von vornherein ausgeschlossen, so daß für sie lediglich die wirtschaftliche Kooperation in Frage kam. Nach der Gründung der EWG setzte Großbritannien seine Bemühungen fort, alle übrigen OEEC-Mitglieder in einer Freihandelszone zusammenzuschließen. Als das mißlang, beschlossen im Sommer 1959 Großbritannien, Dänemark, Norwegen, Österreich, Schweden, Portugal und die Schweiz eine Freihandelszone zu bilden. Die Länder, die sich nicht der EWG angeschlossen hatten, befürchteten, vom europäischen Integrationsprozeß ausgeschlossen und auf der Ebene des Handels diskriminiert zu werden. Am 4.1.1960 wurde das "Übereinkommen zur Errichtung der Europäischen Freihandelszone" in Stockholm von den Mitgliedstaaten unterzeichnet. Nach Ratifizierung trat es am 3. 5. 1960 in Kraft. Mit dem EFTA-Statut wurde ein Vertrag ausgehandelt, der die unterschiedlichen Interessen der teilnehmenden Staaten widerspiegelte. Eine Gruppe - besonders Österreich, Dänemark, Norwegen und Portugal - wollte vor allem Handelssicherheit. Eine andere Gruppe, nämlich Großbritannien, Schweden und die Schweiz, wollte ihre Interessen vor allem in Form spezieller Konzessionen in der Landwirtschaft, dem Fischereiwesen und der Entwicklungspolitik durchsetzen. Das EFTA-Statut wurde auf den
EFTA/EWR
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beiden Pfeilern freier und fairer Handel aufgebaut. Die EFTA-Staaten zielten auf eine multilaterale Assoziierung mit der EWG, um den großen Brückenschlag zwischen den beiden Wirtschaftsorganisationen vorzunehmen. Jedoch scheiterten die Verhandlungen, da Großbritannien, Dänemark und Norwegen 1961 die Mitgliedschaft in der EWG beantragten. Mit der EFTA war Westeuropa ökonomisch gespalten.
4.
Ziele/Vertragsinhalt:
Ziele der EFTA sind •
• • •
die fortwährende Ausweitung der wirtschaftlichen Tätigkeit, die Vollbeschäftigung, die Steigerung der Produktivität sowie die rationelle Ausnützung der Hilfsquellen, die finanzielle Stabilität und die stetige Verbesserung des Lebensstandards zu fördern; die Errichtung einer Freihandelszone für Industrieerzeugnisse und für einzelne verarbeitete Agrarprodukte; die Gewährleistung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten unter gerechten Wettbewerbsbedingungen sowie der Beitrag zu einer harmonischen Entwicklung des Welthandels, zu seiner Erweiterung sowie zum Abbau der Handelshemmnisse.
Nebenziele, wie das Verbot wettbewerbsbeschränkender Praktiken, z.B. wettbewerbsverzerrender Subventionen oder Dumping, ergeben sich aus dem Primärziel des Freihandels. Da die EFTA keine Zollunion ist, steht es den Mitgliedstaaten frei, ihre Zölle und Mengenbeschränkungen gegenüber Drittländern selbständig und nach eigenem Ermessen festzusetzen. Aus dem Verzicht auf einen gemeinsamen Außenzoll ergibt sich die Notwendigkeit, beim Handel innerhalb der EFTA Ursprungszeugnisse vorzulegen. Um die Verfälschung des Wettbewerbs zu verhindern, werden staatliche Subventionen und Kartellabsprachen untersagt sowie Maßnahmen gegen Dumping vorgesehen. Auch ist eine Einschränkung der Diskriminierungen im Niederlassungsbereich eingeplant. Ein weiteres Ziel ist die Praktizierung einer Wirtschafts- und Finanzpolitik seitens der Mitgliedstaaten, durch die die Ziele der EFTA gefördert werden. Bei Zahlungsbilanzschwierigkeiten oder bei wesentlichen Störungen in einzelnen Wirtschaftszweigen, die sich auf den Abbau der Handelsschran-
EFTA/EWR
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ken zurückführen lassen wie auch zur Erhaltung der nationalen Sicherheit, gelten Schutzklauseln. Sie erlauben bestimmte Maßnahmen der Mitgliedstaaten ohne vorherige Konsultation der EFTA.
5.
Organisationsstruktur/Finanzierung:
Oberstes Organ ist der Rat, in dem alle Mitgliedstaaten gleichberechtigt vertreten sind. Er besteht aus Ministern oder Beamten. Jeder Mitgliedstaat hat eine Stimme. Auf Ministerebene tagt der Rat mindestens zweimal pro Jahr; auf der Ebene der Beamten zweimal pro Monat. Wie auch bei der EU wechselt der Vorsitz im Rat alle sechs Monate. Für Beschlüsse und Empfehlungen des Rats ist Einstimmigkeit erforderlich, es sei denn Mehrheitsentscheidungen sind möglich (Artikel 5,3; 5,6; 10,8; 19, 20, 21 und 31). Der Rat kann im Namen der EFTA mit der Regierung jenes Staates, auf dessen Gebiet sich der Sitz der Assoziation befindet, ein Abkommen über die Rechtsfähigkeit sowie die Priviliegien und Immunitäten abschließen, die im Zusammenhang mit der Assoziation anerkannt und gewährt werden. Die EFTA kennt keine parlamentarische Versammlung, dennoch haben sich Parlamentarier aus den EFTA-Staaten in den ersten 17 Jahren des Bestehens der EFTA zur Zusammenarbeit getroffen, um sich dann als Parlamentarierkomitee zu konstituieren. Mit dieser Formalisierung wurde die Grundlage für die Kooperation mit den Vertretern des Europäischen Parlaments gelegt. Die Vorbereitungs- und Verwaltungsarbeit erledigt das EFTA-Sekretariat, dem der Generalsekretär (ab September 1994 Kjartan Johannsson, Island) vorsteht. Das Sekretariat wurde immer bewußt klein gehalten, da seine Hauptaufgaben in der Informationsaufbereitung, der Konsultation sowie der Administration liegt. Das Sekretariat beschäftigt etwa 80 Mitarbeiter am Hauptsitz in Genf und eine gleich große Zahl von Angestellten in Brüssel. Der Rat setzt unterschiedliche Komitees zur Vorbereitung seiner Sitzungen ein, so z. B. ein Budget-, ein Wirtschaftskomitee sowie Komitees der Ursprungund Zollexperten und ein Konsultativkomitee aus Vertretern der Unternehmer und Gewerkschaften. Die EFTA verfügte bis 1992 über keinen Gerichtshof. Art. 31 des Statuts ermächtigt allerdings den Rat, sich mit Beschwerden aus dem Kreis der Mitglieder zu befassen. Somit übt der Rat eine Semi-Rechtsfunktion aus. Der Jahreshaushalt der EFTA beträgt 1994 ca. 41 Mio. sfr.
EFTA/EWR 6.
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Entwicklung:
Von Anfang an stand die EFTA im Schatten der sich rasch erfolgreich entwickelnden EWG. Dennoch erzielte die EFTA Erfolge. So wurde der Freihandel bei den Industriegütern bereits im Dezember 1966, also drei Jahre eher als vorgesehen, erreicht. Seit den 70er Jahren waren die EFTA-Staaten erfolgreich auch im Abbau nichttarifärer Handelshemmnisse. Auch konnte die EFTA ihr ursprüngliches Ziel, eine engere Kooperation mit der EG einzugehen, letztendlich in den 90er Jahren erreichen. Die Entwicklung der EFTA ist allerdings auch von Krisen überschattet. So erhob Großbritannien 1964 eine 15%ige Zusatzsteuer auf die meisten Industriegüter aus den EFTA-Staaten und hoffte damit, seine Zahlungsbilanzschwierigkeiten beseitigen zu können. Da das EFTA-Statut für diese Maßnahme keine Rechtsgrundlage vorsah, mußten die Briten ihre Maßnahme wieder zurückziehen. Großbritannien stellte 1961 und 1967 Anträge auf Mitgliedschaft in der EWG; auch die übrigen EFTA-Mitglieder strebten entweder nach Vollmitgliedschaft in der EG (Dänemark und Norwegen) oder nach Assoziierung. Diese Versuche scheiterten jedoch vor allem am Widerstand Frankreichs. Nach 1969 bemühten sich Großbritannien, Dänemark und Norwegen erneut um den Beitritt zur Europäischen Gemeinschaft; 1972 führten die Verhandlungen zum Erfolg. Allerdings lehnten die norwegischen Wähler in einer Volksabstimmung den EG-Beitritt ab. Nach dem Austritt Großbritanniens und Dänemarks bestand die EFTA ab 1972 aus den Ländern Finnland, Island, Norwegen, Österreich, Portugal, Schweden und der Schweiz. Zwischen dieser "RestEFTA" und der EG wurden 1972 Freihandelsabkommen abgeschlossen, die dazu führten, daß seit 1977 der Handel von Industrieerzeugnissen zwischen allen Mitgliedern der EFTA und der EG zum größten Teil ohne Zölle und mengenmäßige Beschränkungen erfolgt. Seit dieser Zeit legten die EFTA-Staaten einen Schwerpunkt auf die Beseitigung der nichttarifären Handeslshemmnisse. Anfang der 80er Jahre kamen EG und EFTA überein, eine engere, über die Freihandelsabkommen hinausgehende, Zusammenarbeit zu vereinbaren. So beschloß man auf Ministerebene 1984 in Luxemburg Verhandlungen über die Errichtung eines gemeinsamen Wirtschaftsraums aufzunehmen. Ab 1990 wurde dieses Ziel intensiviert und führte 1992 zu einem erfolgreichen Abschluß. Auch bei diesem Abschluß hatte die Dynamik des Binnenmarkts ihre Auswirkungen, denn die EFTA-Staaten suchten von den Vorteilen des Binnenmarktes durch eine engere Kooperation mit den EG-Staaten zu profitieren.
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EFTA/EWR
Abbildung 3: EFT A -
Organisationsstruktur
E u r o p e a n Free Trade Association Europäische Freihandelsassoziation
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Europäischer Wirtschaftsraum
Tabelle 5: Mitglieder des EWR Der Europäische Wirtschaftsraum EFTA-Europüischc Freihandelszone EU • Europäische Union Island Belgien Finnland Deutschland Schweden Dänemark Norwegen Frankreich Osterreich Griechenland Großbritannien Irland Italien Luxemburg Niederlande Portugal Spanien Der 1992 zwischen den zwölf EU-Staaten und fünf EFTA-Staaten geschlossene Europäische Wirtschaftsraum (EWR) bildet das weltweit größte geschlossene Wirtschaftsgebiet. Er ermöglicht eine Verbesserung des Freihandels, ohne jedoch eine Zollunion zwischen EU und EFTA zu schaffen. Etwa 80% der Binnenmarktvorschriften und ca. 1.400 Rechtsakte, mit Ausnahme im Agrar- und Fischereiwesen, werden von der EFTA übernommen. Das Abkommen sieht u.a. den freien Verkehr von Waren, Dienstleistungen und Kapital sowie die Freizügigkeit von Waren vor. Eigenständig bleibt die EFTA in der Agrar- und Fischereipolitik sowie der Steuer- und Finanzpolitik. Dagegen erstreckt sich die Zusammenarbeit auf viele nichtwirtschaftliche Bereiche wie Forschung und Entwicklung, allgemeine und berufliche Bildung, Verbraucherschutz, Sozialpolitik und Umweltschutz. Durch das EWR-Abkommen entstand der größte Binnenmarkt der Welt, der insgesamt rund 380 Mio. Menschen umfaßt. Der EWR ist, gemessen an Bevölkerung, Bruttoinlandsprodukt und Welthandelsanteil, der größte und am stärksten integrierte Markt der Welt. Durch den Abbau von Hemmnissen im Warenverkehr, die Herstellung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer, des freien Dienstleistungs- und Kapitalverkehrs trägt der EWR zu einer Steigerung des Wohlstands und einer Verbesserung der Wettbewerbsbedingungen für die EWR-Staaten bei. EWR-Bürger und -Unternehmen können seit dem 1.1.1994 sich im
EFT A/E WR
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gesamten EWR frei bewegen, arbeiten und Geschäfte gründen. Neben der Einführung der vier Freiheiten in allen EWR-Staaten war ein zweites zentrales Anliegen der Vertragspartner, daß sie auch in anderen Politikfeldern zusammenarbeiten wollen. Bestehende Zusammenarbeit in den Bereichen Erziehung, Forschung und Entwicklung, Statistik und Umweltschutz wurde formalisiert und verstärkt, während eine neue Kooperation auf den Feldern Sozialpolitik, Tourismus und Gesellschaftsrecht begonnen wurde.
Abbildung 4:
EWR Norwegen
Liechtenstein | Schweiz
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Anteil d u Europilschen WlrtttlMftmnnn an dar Weltbevölkenmg
Anteil an der Weltlelstnng
Anteil em Welthandel (Einfuhr und Anfshr)
377 Millionen Menschen
7 Billionen Dollar
2,7 Billionen Dollar
1990 :
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1M1:
Quelle: Weidenfeld/Wessels (Hrsg): Europa von A-Z, 1994 3 , Bonn, S. 103
EFTA/EWR
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Tabelle 6: Wirtschaftsdaten des EWR DER EUROPÄISCHE WIRTSCHAFTSRAUM Gesamtfläche Einwohner Größe des Durchschnittshaushaltes (Pers.) Lebenserwartung bei Geburt Ausländische Einwohner Erwerbstätige BSP Jahresexport/Kopf Anzahl der PKW
3.662.200 km 2 2 372 Mio. 2 2,61 Männer:72,9/Frauen:79,2l 15,3 Mio.l 160,6 Mio. 1 7.701 Mrd. U S $ 2 3,878 U S $ 2 128,9 Mio. 1
U990/21992
Tabelle 7: Exportelimporte EFTA und EU DER EUROPAISCHE WIRTSCHAFTSRAUM (1 990) Anteil der gesamten EFTA Exporte in die EU 57.9 % Anteil der gesamten EFTA Importe aus der EU 60.8 % Anteil der gesamten EU Exporte in die EFTA 10.3 % Anteil der gesamten EU Importe aus der EFTA 9.6%
Die enge Kooperation von EU und EFTA kommt auch in gemeinsamen Organen zum Ausdruck. So gibt es einen Gemeinsamen EWR-Ausschuß, der für das allgemeine Funktionieren des Wirtschaftsraumes verantwortlich ist. Er besteht aus hohen Beamten der EU-Mitgliedstaaten und der EFTA-Staaten. Dieses Gremium faßt formell die Beschlüsse, und zwar im Einvernehmen zwischen der EU einerseits und der EFTA als Organisation mit einer Stimme andererseits. Der Vertrag sieht ferner einen EWR-Rat vor, der aus den Mitgliedern des Rats der EU und Mitgliedern der Europäischen Kommission sowie je einem Mitglied der Regierung jedes EFTA-Staates besteht. Der EWR-Rat ist das höchste politische Gremium. Er besteht aus den Ministern, die einerseits Mitglieder des EU-Rats sind, Mitgliedern der EU-Kommission sowie Ministern von jedem der fünf EFTA-Staaten. Der EWR-Rat, der wenigstens zweimal pro Jahr zusammenkommen soll, soll einstimmige Entscheidungen zwischen EU und EFTA hervorbringen. Er soll politische Anstöße für die Durchführung des Abkommens geben und die allgemeinen Leitlinien für
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EFTA/EWR
den Gemeinsamen EWR-Ausschuß festlegen. Ein weiteres neues gemeinsames Organ ist der Gemeinsame Parlamentarische EWR-Ausschuß. Er setzt sich aus 33 Parlamentsabgeordneten und 33 Mitgliedern des Europäschen Parlaments zusammen. Seine Aufgabe besteht darin, Aspekte, Fragen und Probleme in bezug auf den EWR zu erläutern sowie die EWR-Beschlußfassungsorgane zu beraten. Er soll auch als Verbindung zwischen den nationalen Parlamenten und Organen auf EWR-Ebene dienen. Die Mitglieder dieses Ausschusses sind, egal ob sie das Europäische Parlament oder EFTA-Länder vertreten, gemäß ihrer politischen Zugehörigkeit gruppiert. Daneben gibt es noch den Beratenden EWR-Ausschuß. Er besteht aus 30 Mitgliedern des EFTA-Konsultativ-Komitees sowie 30 Mitgliedern des Wirtschafts- und Sozialausschusses der EU. Das Komitee unterbreitet dem Gemeinsamen Ausschuß Berichte und Anregungen. Der EWR-Vertrag machte auch die Einrichtung neuer Institutionen in der EFTA erforderlich. Während in der EU die Kommission die Aufgabe der Überwachung des EWR-Vertrags zufällt, mußte die EFTA eine EFTAÜberwachungsbehörde einrichten, die ähnlich wie die EU-Kommission für die EU, diese Funktionen für die EFTA wahrnimmt. Die EFTAÜberwachungsbehörde besteht aus je einem Vertreter der EFTA-Staaten, die unabhängig von Regierungsweisungen gewährleisten sollen, daß die EWR-Bestimmungen in den EFTA-Staaten Anwendung finden. Sie ähnelt in dieser Funktion der EU-Kommission, insbesondere was die Wettbewerbspolitik, staatliche Hilfen und öffentliche Ausrüstung (public procurement) betrifft. Die Überwachunsbehörde wird durch einen unabhängigen Rat, der aus fünf Mitgliedern besteht, gebildet. Die Überwachungsbehörde hat ihren Sitz in Brüssel und einen Stab von etwa 100 Mitarbeitern. Darüber hinaus setzen die EFTA-Staaten einen EFTA-Gerichtshof ein, der aus je einem Richter der EFTA-Staaten besteht. Zusammen mit dem EuGH der EU überwacht er das angemessene Funktionieren des EWRAbkommens gerichtlich. Darüber hinaus ist der EFTA-Gerichtshof für die Beilegung von Streitigkeiten zwischen zwei oder mehr EFTA-Staaten in bezug auf die Anwendung oder Auslegung des EWR-Abkommens zuständig. Der EFTA-Gerichtshof besteht aus fünf Richtern, von denen je einer aus jedem Mitgliedsland kommt. Der Sitz des EFTA-Gerichtshofs ist Genf; er beschäftigt etwa 30 Mitarbeiter. Schließlich wurde das "EFTA-Standing-Komitee" eingerichtet, in dem jeweils ein Repräsentant der im EWR vertretenen EFTA-Staaten einen Sitz hat. Es hat die
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Aufgabe, als Forum für die EFTA-Staaten zur Vorbereitung der EWRRatssitzungen zu dienen. Das Komitee fällt Entscheidungen nur im Konsensusverfahren, mit Ausnahme einiger begrenzter Fälle, in denen Mehrheitsentscheid möglich ist. Es überwacht darüber hinaus die Arbeit der fünf Unterkomitees. Daneben gibt es noch das EFTA-Komitee, bestehend aus Mitgliedern der Parlamente sowie das EFTA-Beratungskomitee. Die Funktionen dieser beiden Komitees konzentrieren sich auf die Beratung. Da in einer Volksabstimmung die Schweizer Bevölkerung den EWR mit knapper Mehrheit im Dezember 1992 ablehnte, konnte der EWR erst zum 1.1. 1994 zwischen den zwölf EU-Staaten und den fünf EFTA-Staaten in Kraft treten. Gegenüber der Schweiz und Liechtenstein, das in einer besonderen handelspoltiischen Beziehung zur Schweiz steht und deshalb noch nicht Mitglied des EWR ist, gilt weiterhin das ursprüngliche Freihandelsabkommen sowohl gegenüber der EU als auch den EFTAPartnerländern. Mitte 1993 bestanden Freihandelsverträge der EFTA mit Israel, der Türkei, Bulgarien, Polen, Rumänien, der Tschechischen Republik und Ungarn. Diese Verträge sehen eine Abschaffung von Zöllen und Einfuhrmengen vor. Mit Lettland, Litauen, Estland, Slowenien und Albanien wurde zunächst eine engere Kooperation vereinbart. Mit Jugoslawien wurde 1992 wegen des Krieges die Zusammenarbeit abgebrochen. Die EFTA-Freihandelsabkommen mit den Ländern Mittel- und Osteuropas erfassen dieselben Länder wie die "Europa-Abkommen" der EU, so daß auch hier eine parallele Vorgehensweise zu den EU-Staaten praktiziert wird, die einen späteren Beitritt erleichtern soll.
8.
Perspektiven/Bewertung:
Mit der Gründung der EFTA wurden zunächst Wirtschaftbarrieren zwischen zahlreichen europäischen Ländern abgebaut. In diesem Zusammenhang sollte darauf verwiesen werden, daß die Nordischen Staaten nicht in der Lage waren, im Rahmen ihrer Kooperation Nordischer Rat) die Handelsbeschränkungen abzubauen, bevor sie sich in der EFTA zusammenschlössen. Zweitens hat die EFTA immer eine Brücke für die Kooperation Großbritanniens mit dem europäischen Festland gebildet. In gewisser Weise hat die EFTA als vorbildlicher Warteraum für die Briten gedient, um sich die EWG-Fähigkeit zu erwerben. Drittens bot die EFTA
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EFTA/EWR
schließlich den europäischen Staaten außerhalb der EG ein Forum für wirtschaftspolitische Probleme, einschließlich der Beziehungen zur EG. Auch wenn aufgrund der Unterschiedlichkeit ihrer Mitglieder die EFTA in der Anfangsphase Schwierigkeiten bei der Bündelung und Artikulation der Interessen iher Mitglieder hatte, hat das Wirtschaftsbündnis den internationalen Herausforderungen Stand gehalten und sich im Laufe der Zeit zu einer einstimmig handelnden Organisation entwickelt. Durch die Schaffung immer größerer Wirtschaftseinheiten hat sich in den letzten Jahrzehnten eine immer engere Wirtschaftskooperation zwischen den EG- und den EFTA-Staaten ergeben. Der EWR kann sich auch als ein europäischer Warteraum erweisen, in dem die EFTA-Staaten verharren müssen, um in die EU aufgenommen werden zu können. Durch die erfolgreichen Verhandlungen der EU mit den vier EFTA-Staaten Österreich, Schweden, Finnland und Norwegen sowie dem aufrecht erhaltenen Beitrittsantrag der Schweiz dürfte eine Rest-EFTA - aus Island und dem Fürstentum Liechtenstein bestehend - nicht überlebensfähig sein. Langfristig werden auch die Rest-EFTA-Staaten nicht umhin können, sich der EU anzuschließen.
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EFTA/E WR
Literatur: Curzon, V., 1974: Essentials of Economic Integration. Lessons of the EFTA Experience, London. Curzon Price, V., 1985: EFTA and the European Communities: what future for 'Greater Europe'?, European Yearbook 33, p. 109-136. EFTA-Sekretariat, 1992: The EEA Agreement, Genf. Hummer, W., 1992: Der EWR und seine Auswirkungen auf Österreich, in: EuZW, S. 361 ff. Krenzier, H.G., 1992: Der Europäische Wirtschaftsraum als Teil der gesameturopäischen Architektur, in: Integration 2 (1992). Laursen, F., (ed.), 1990: EFTA and the EC. Implications of 1992, Maastricht. Senti, R., 1992: EG, EFTA, Binnenmarkt. Funktionsweise, Perspektiven, Zürich. Wallace, H., (ed.), 1991: The Wider Western Europe: Reshaping the EC-EFTA Relationship, London.
Europäische Organisation für Kernforschung (Conseil Européen pour la recherche nucléaire/CERN)
1.
Sitz: Genf.
2.
Mitglieder:
Belgien, Dänemark, Deutschland, Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Italien, Niederlande, Norwegen, Österreich, Portugal, Spanien, Schweden und die Schweiz. - Beobachter: Rest-Jugoslawien, Polen, Türkei, EU-Kommission und die UNESCO.
3.
Entstehung:
Im Dezember 1951 versammelten sich unter der Schirmherrschaft der UNESCO europäische Wissenschaftler in Paris zu einer Vorbereitungskonferenz für die Errichtung eines europäischen Laboratoriums für kernphysikalische Forschungen. Sie schlössen sich im Februar 1952 zum "Europäischen Rat für Kernforschung" zusammen und unterzeichneten am 1. Juli 1954 die Konvention über die Zusammenarbeit, die am 29. September 1954 in Kraft trat.
4.
Ziele/Vertragsinhalt:
Ziel von CERN ist die Zusammenarbeit europäischer Staaten auf dem Gebiet der rein wissenschaftlichen und grundlegenden Kernforschung, der Hochernergie- und Teilchenphysik sowie der damit in unmittelbaren Zusammenhang stehenden Forschung. Militärische Kernforschung wird nicht betrieben. Die Ergebnisse der experimentellen und theoretischen Arbeiten von CERN werden der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.
CERN
48 5.
Organisationsstruktur/Finanzierung:
Oberstes Organ von CERN ist der Rat, in dem jeder Mitgliedstaat durch zwei Delegierte vertreten ist. Er bestimmt die Richtlinien der Forschungsarbeit von CERN, ist für den Haushalt und die Organisation verantwortlich. Er tritt jährlich zweimal zusammen. Das Ratskomitee, in dem ebenfalls die Mitgliedstaaten vertreten sind, bereitet die Sitzungen des Rates in nichtöffentlicher Sitzung vor und leitet die Arbeit zwischen den Ratstagungen. Daneben gibt es das Wissenschaftspolitische Komitee sowie verschiedene Ausschüsse wie z.B. den Versuchausschuß und den Finanzausschuß. Der Exekutivdirektor, ab 1994 Christopher Llewelyn Smith/Großbritannien, ist für das ordnungsgemäße Funktionieren der internationalen Organisation verantwortlich. CERN hat ungefähr 3.350 Beschäftigte, darunter ca. 1.000 Forscher. Der Haushalt von CERN betrug 1991 ca. 1,1 Mrd. DM.
6.
Bewertung/Perspektiven:
CERN hat auf der funktionalen wissenschaftlichen Ebene zum europäischen Integrationsprozeß über die EG EU) hinaus wesentlich beigetragen, da es europäischen Physikern Forschungsanlagen von Weltklasse für Teilchenphysik zur Verfügung stellt, die sich aus den Mitteln der einzelnen Mitgliedstaaten nicht herstellen lassen. So verfügt CERN über mehrere hochwertige Teilchenbeschleuniger. Dabei handelt es sich um Forschungsanlagen, in denen elektrisch geladene Elementarteilchen nahezu auf Lichtgeschwindigkeit (300.000km/sec) beschleunigt und zur Kollision gebracht werden. Im Februar 1992 beschloß CERN, in den weltweit größten Teilchenbeschleuniger in Genf bis 1998 einen zweiten Teilchenbeschleuniger einzubauen. CERN ist das bedeutendste Zentrum für subnukleare Grundlagenforschung, die sich mit dem Aufbau der Materie befaßt.
Literatur: Europäisches Laboratorium für Teilchenphysik (Hrsg.) 1982: CERN - Dokument no CERN/DOC 82/6, Genf.
Europäische Union
1. Sitz: Die Hauptarbeitsorte der Hauptorgane der EU sind Brüssel (Kommission/ Ministerrat), Straßburg (Parlament) und Luxemburg (Gerichtshof/Rechnungshof). Dazu kommen noch verschiedene andere EU-Institutionen: Europäische Umweltagentur: Kopenhagen; Europäische Stiftung für Berufsbildung: Turin; Europäisches Inspektionsbüro für Veterinär- und Pflanzenschutzkontrolle in einer noch von der irischen Regierung zu benennenden Stadt; Europäische Drogenbeobachtungsstelle: Lissabon; Europäische Agentur für die Beurteilung und Zulassung von Arzneimitteln: London; Agentur für den Gesundheitsschutz und die Sicherheit am Arbeitsplatz in einer Stadt Spaniens, die noch von der spanischen Regierung zu benennen ist; Europäisches Währungsinstitut: Frankfurt/M.; Europäisches Harmonisierungsinstitut für den Binnenmarkt: Madrid; Europol: Den Haag; Europäisches Zentrum für die Förderung der beruflichen Bildung: Saloniki; Amt für Amtliche Veröffentlichungen und Übersetzungszentrale: Luxemburg
2.
Mitglieder:
Belgien, Bundesrepublik Deutschland, Frankreich, Italien, Luxemburg, Niederlande (alle Gründungsmitglieder seit 1951); seit 1973: Dänemark, Großbritannien, Irland; seit 1981: Griechenland; seit 1986: Portugal und Spanien; ab 1995 Österreich, Finnland, Schweden und Norwegen (in Norwegen muß die Mitgliedschaft noch durch Volksabstimmung bestätigt werden). Tabelle 8:
Belgien Dänemark Deutschland Frankreich
Mitglieder der EU (12) Griechenland Luxemburg Niederlande Großbritannien Irland Portugal Italien Spanien
ab 1995:
Österreich Finnland Schweden Norwegen
50
Tabelle
Europäische U n i o n
9:
Beitrittsentwicklung
Jahr Gesamtzahl
1958
6 Belgien Deutschland Frankreich Italien Luxemburg Niederlande
Tabelle
1973 1981 1986 9 12 10 Dänemark Griechenland Spanien Großbritannien Portugal Irland
10: Wirtschaftsdaten
Mitglieder Belgien Dänemark Deutschland Frankreich Griechenland Großbritannien Irland Italien Luxemburg Niederlande Portugal Spanien
Fläche (Kni2) 30.518 43.092 356.733 551.500 131.957 244.100 70.284 301.278 2.586 41.864 92.389 504.782
der
1995 ? 16 Österreich Finnland Norwegen Schweden
EU-Mitgliedsländer
Einwohner (Mio.) 10.0 5.17 80.3 57.3 10.3 57.6 3.5 57.1 0.389800 15.2 9.84 39.1
Einwohner /km2 328.3 119.9 225.0 104.2 78.0 236.0 50.2 190.0 151.0 363.0 106.5 77.4
BSP Kopr 1992 20.880 $ 26.000 $ 20.813$ 22.260 $ 7.290 $ 17.790 $ 11.210$ 20.460 $ 35.160$ 20.480 $ 7.450 $ 13.970$
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