Ernährung in den operativen Disziplinen 9783110517750, 9783110516081

This book offers practical guidance for recognizing and treating malnutrition before, during, and after hospital admissi

196 110 7MB

German Pages 327 [328] Year 2017

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Table of contents :
Vorwort
Inhaltsverzeichnis
Zu den Autoren
1. Einleitung
2. Physiologie der Verdauung
3. Stufenschema der Ernährungstherapie
4. Applikationsarten im Rahmen der Ernährungstherapie
5. Mangelernährung
6. Referenzwerte der DACH
7. Möglichkeiten des Screenings auf Mangelernährung
8. Orale Ernährungstherapie
9. Enterale Ernährungstherapie
10. Parenterale Ernährungstherapie (PE)
11. Präoperative Ernährung
12. Postoperativer Kostaufbau und Ernährung
13. Ernährung und Wundheilung
14. Ernährung und Transplantation
15. Ernährung in der Kinderchirurgie
16. Besonderheiten der bariatrischen Chirurgie
17. Weiterleitungsmanagement
18. Ernährung im G-DRG-System
19. Fallbeispiele
Anhang
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Ernährung in den operativen Disziplinen
 9783110517750, 9783110516081

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Carl Meißner (Hrsg.) Ernährung in den operativen Disziplinen

Carl Meißner (Hrsg.)

Ernährung in den operativen Disziplinen

Herausgeber Dr. med. Carl Meißner M.Sc. Oberarzt Leiter der Ernährungsambulanz Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie Klinikum Magdeburg Birkenallee 34, 39130 Magdeburg E-Mail: [email protected]

ISBN: 978-3-11-051608-1 e-ISBN (PDF): 978-3-11-051775-0 e-ISBN (EPUB): 978-3-11-051639-5 Library of Congress Cataloging-in-Publication data A CIP catalog record for this book has been applied for at the Library of Congress. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2017 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Der Verlag hat für die Wiedergabe aller in diesem Buch enthaltenen Informationen mit den Autoren große Mühe darauf verwandt, diese Angaben genau entsprechend dem Wissensstand bei Fertigstellung des Werkes abzudrucken. Trotz sorgfältiger Manuskriptherstellung und Korrektur des Satzes können Fehler nicht ganz ausgeschlossen werden. Autoren und Verlag übernehmen infolgedessen keine Verantwortung und keine daraus folgende oder sonstige Haftung, die auf irgendeine Art aus der Benutzung der in dem Werk enthaltenen Informationen oder Teilen davon entsteht. Die Wiedergabe der Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen und dergleichen in diesem Buch berechtigt nicht zu der Annahme, dass solche Namen ohne weiteres von jedermann benutzt werden dürfen. Vielmehr handelt es sich häufig um gesetzlich geschützte, eingetragene Warenzeichen, auch wenn sie nicht eigens als solche gekennzeichnet sind. Einbandabbildung: Dr. Carl Meißner, Magdeburg Datenkonvertierung/Satz: Satzstudio Borngräber, Dessau-Roßlau Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck ♾ Gedruckt auf säurefreiem Papier Printed in Germany www.degruyter.com

Für Luisa, Lennard und Mathilda in Dankbarkeit

Vorwort Die Ernährung und deren Bedeutung ist heutzutage fast überall präsent. Die Ernährungsmedizin ist ein junges interdisziplinäres Fach der modernen Medizin. Vor allem in der heutigen Politik, im Sinne der Primär- und Sekundärprävention zur Entlastung des Gesundheitssystems in Deutschland, steht die Ernährungsmedizin mit an der Spitze der diskutierten Fachdisziplinen. Bereits Hippokrates äußerte seine Gedanken und seine Meinung über den Zusammenhang zwischen Krankheit und Ernährung bzw. Gesundheit und Ernährung: „Die Ursachen der Krankheit sind unmittelbar auf innere Schwierigkeiten oder mittelbar auf äußere Einflüsse wie Klima, Hygiene, Ernährung, körperliche Aktivität und Umwelt zurückzuführen.“ Die Ernährungsmedizin, einschließlich Ernährungstherapie, beschäftigt sich mit allen Formen der Ernährung, dies bedeutet, dass sie sich sowohl mit der natürlichen, physiologischen Ernährung als auch mit der künstlichen Zufuhr von Nährstoffen auseinandersetzt. Nach aktuellen Berechnungen der WHO werden im Jahr 2040 die Hälfte der Bundesbürger übergewichtig sein. In Industrieländern lassen sich etwa 30  % der Tumorerkrankungen auf eine ungünstige Ernährungs- und Bewegungsgewohnheit zurückführen. Durch Übergewicht und einer einhergehenden erhöhten Körperfettmasse werden unter anderem Ösophagus-, Pankreas-, Mamma- und Kolonkarzinome begünstigt. Das Risiko am Kolonkarzinom zu erkranken steigt kontinuierlich an mit einem Gewicht oberhalb des Normbereichs. Im Gegensatz dazu steigt ebenfalls die Problematik, unter- und mangelernährte Patienten behandeln zu müssen. Viele sind bereits vor Aufnahme ins Krankenhaus mangelernährt, belegen etliche Studien. Bis zu 75 % der stationären Patienten weisen im Laufe ihres Aufenthalts Gewichtsverluste auf. Die klinischen Folgen der Unter-/ Mangel-/Fehlernährung sind in mehreren prospektiven Studien gezeigt wurden. Die Mangelernährung stellt einen signifikanten Einflussfaktor auf Infektionsraten, Komplikationen, Lebensqualität, Morbidität und Mortalität dar. Als Fachautoren konnten Experten auf Ihren Fachgebieten für dieses vorliegende Werk gewonnen werden. Als Fachbuch aus der klinischen Praxis für die klinische Praxis hoffen wir Ihnen die Sensibilisierung für die Ernährungsmedizin in der operativen Disziplin geben zu können. Damit Sie in Ihrer ernährungsmedizinischen Anfangszeit eine gute Grundlage und vor allem Sicherheit finden, haben wir dieses Buch geschrieben. In 19 spannenden Kapiteln blicken wir mit Ihnen hinter die Kulissen, lesen zwischen den Zeilen und klären die wichtigsten Tipps und Tricks im ersten ernährungsmedizinischen Kontakt. Dieses Buch zu schreiben hat uns sehr viel Spaß gemacht, auch wenn es wie die Vorbereitung zu einer Prüfung oft sehr viel eisernen Willen erforderte. Das „gute Ende“ verdanke ich in erste Linie meiner Frau Luisa und meinen beiden Kindern Lennard und Mathilda, welche mit sehr viel Toleranz die intensive Arbeit an diesem

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 Vorwort

vorliegenden Buch unterstützt haben. Im Weiteren verdanke ich es natürlich auch meinem Lehrer Prof. Dr. Karsten Ridwelski und meinem ernährungsmedizinischen Vorbild Prof. Dr. Arved Weimann. Vielen Dank für die Unterstützung und immer neuen Anregungen. Desweiteren danke ich meinem Leitenden Oberarzt Dr. Ingo Voigt, für das besonders gelungene Coverbild und die ständige Unterstützung der Ernährungsmedizin im klinischen-chirurgischen Alltag. Mein besonderer Dank gilt Frau Dr. Yvonne Cornesse, Frau Dr. Bettina Noto und Frau Karola Seitz vom DeGruyter Verlag, ohne die die Erstellung des Buches nicht möglich gewesen wäre. Sie haben an mich und meine Idee geglaubt – danke. Mit den besten Wünschen für eine erfolgreiche ernährungsmedizinische Konditionierung in den operativen Disziplinen. Magdeburg, Sommer 2017

Carl Meißner

Inhaltsverzeichnis Vorwort — VII Zu den Autoren  — XXI Carl Meißner 1  Einleitung — 1 1.1  Literatur — 4 Stefan Lüth 2  Physiologie der Verdauung — 5 2.1  Aufbau des Gastrointestinaltrakts — 6 2.2  Motilität des Gastrointestinaltrakts — 7 2.3  Cephale Phase — 7 2.4  Gastrale Phase — 8 2.5  Intestinale Phase — 8 2.5.1 Proteinverdauung — 9 2.5.2 Kohlenhydratverdauung — 9 2.5.3 Fettverdauung — 10 2.6  Resorption im Dünndarm — 10 2.6.1 Resorption von Monosacchariden — 10 2.6.2 Resorption von Aminosäuren, Di- und Tripeptiden — 11 2.6.3 Resorption von Fett — 12 2.7  Colon-Phase — 12 2.8  Weiterführende Literatur — 13 Karsten Ridwelski, Carl Meißner 3 Stufenschema der Ernährungstherapie — 15 3.1  Indikationen — 15 3.2  Ernährungsbeginn — 15 3.3  Stufenschema in der Ernährungstherapie — 16 3.4  Präparate — 17 3.4.1 Eiweißkonzentrate — 17 3.4.2 Maltodextrin — 17 3.4.3 Orale Trink- und Zusatznahrung — 17 3.4.4 PEG-Sonderernährung — 18 3.4.5 Parenterale Ernährung — 19 3.5  Substrat-(Kalorien)bedarf — 20 3.6  Komplikationen der Ernährungstherapie — 21 3.7  Beendigung der Ernährungstherapie — 22

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 Inhaltsverzeichnis

3.8  Zusammenfassung — 22 3.9  Literatur — 22 Raphael Gukasjan 4  Applikationsarten im Rahmen der Ernährungstherapie — 25 4.1  Enterale Zugangswege — 25 4.1.1 Grundprinzipien — 25 4.1.2 Nasale Sonden — 26 4.1.3 Transcutane Methoden — 28 4.1.4 Zweitverfahren — 31 4.1.5 Applikationsformen — 31 4.1.6 Wechsel von Überleitsystemen und Zubehör zur Flüssigkeitsapplikation — 31 4.1.7 Verbandswechsel und Komplikationen — 31 4.2  Parenterale Zugangswege — 33 4.2.1 Grundprinzipien — 33 4.2.2 Periphervenöse Zugänge — 34 4.2.3 Zentralvenöse Zugänge — 34 4.2.4 Komplikationen — 36 4.2.5 Therapie von Katheterkomplikationen — 36 4.3  Literatur — 37 Carl Meißner 5  Mangelernährung — 41 5.1  Einleitung — 41 5.2  Begriffsklärung Mangelernährung — 41 5.2.1 Unterernährung — 42 5.2.2 Mangelernährung — 42 5.2.3 Malnutrition — 42 5.2.4 Kachexie — 42 5.2.5 Spezielle Nährstoffdefizite — 43 5.2.6 Anorexie — 43 5.2.7 Sarkopenie — 43 5.2.8 Refeeding-Syndrom — 43 5.3  Prävalenz und Bedeutung — 43 5.4  Kodiervorschlag der DGEM zur Erfassung der Mangelernährung (siehe Kapitel 18) — 44 5.5  Das Problem der Unter- und Mangelernährung — 46 5.5.1 Ätiopathogenese der Malnutrition — 47 5.5.2 Folgen der Unter- und Mangelernährung — 47 5.5.3 Formen der Mangel- und Unterernährung lt. DGEM — 48

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5.5.4 Die Tumorkachexie — 48 5.5.5 Allgemeines Vorgehen bei Unter- und Mangelernährung — 49 5.5.6 Ernährungsteam und Therapie — 49 5.6  Zusammenfassung — 51 5.7  Literatur — 52 Carl Meißner 6  Referenzwerte der DACH — 55 6.1  Energie — 56 6.2  Protein — 57 6.3  Kohlenhydrate, Ballaststoffe — 57 6.4  Fett — 58 6.5  Essenzielle Fettsäuren — 59 6.6  Vitamin A, β-Carotin — 60 6.7  Vitamin D (Calciferole) — 61 6.8  Vitamin E (Tocopherole) — 62 6.9  Vitamin K — 63 6.10  Thiamin (Vitamin B 1) — 64 6.11  Riboflavin (Vitamin B 2) — 65 6.12  Niacin — 66 6.13  Pyridoxin (Vitamin B 6) — 67 6.14  Folat — 68 6.15  Biotin — 69 6.16  Vitamin B 12 (Cobalamine) — 70 6.17  Vitamin C — 71 6.18  Wasser — 72 6.19  Natrium, Kalium, Chlorid — 74 6.20  Calcium — 75 6.21  Phosphor — 76 6.22  Eisen — 77 6.23  Jod — 78 6.24  Zink — 79 6.25  Selen — 80 6.26  Literatur — 80 Carl Meißner, Luisa Meißner 7  Möglichkeiten des Screenings auf Mangelernährung — 81 7.1  Einleitung — 81 7.2  Wichtige Ernährungsmedizinische Parameter — 81 7.3  Screeningmöglichkeiten und Screeningtools — 82 7.3.1 Mini Nutritional Assessment (MNA) — 82

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7.3.2 Subjective Global Assessment (SGA) — 83 7.3.3 Malnutrition Universal Screening Tool (MUST) — 83 7.3.4 Nutritional Risk Screening 2002 — 83 7.4  Konsequenz im klinischen Alltag — 84 7.5  Die Bioelektrische Impendanzanalyse — 84 7.6  Zusammenfassung — 87 7.7  Literatur — 88 Gerd Meißner, Carl Meißner 8  Orale Ernährungstherapie — 91 8.1  Einleitung — 91 8.2  Unterschiede der Kostformen — 91 8.2.1 Vollkost oder Normalkost — 91 8.2.2 Sonderkostform oder Diät  — 91 8.2.3 Krebsdiät — 92 8.2.4 Speiseanreicherung — 92 8.2.5 Orale Nahrungssupplementation — 92 8.3  Mangelzustände in Ursache und Therapie — 93 8.4  Optimales Nahrungsangebot und Betreuung — 94 8.5  Energieangereicherte Kost — 95 8.6  Flüssige Nahrungssupplemente — 95 8.7  Supportiver Einsatz von Trinknahrung in der ambulanten Versorgung von erwachsenen Patienten – ein Algorithmus nach Weinmann et al. — 97 8.8  Zusammenfassung — 97 8.9  Literatur — 100 Ivonne Bühring, Steffi Westhus, Carl Meißner 9  Enterale Ernährungstherapie — 103 9.1  Einführung — 103 9.2  Indikationen — 104 9.2.1 Indikationen zur klinischen Ernährung — 104 9.2.2 Kontraindikationen — 106 9.3  Nahrungsarten — 106 9.3.1 Zusammensetzungen von Trink- und Sondennahrung — 107 9.3.2 Allgemeine Anforderungen an die Trink- und Sondennahrung — 109 9.3.3 Entscheidungshilfen bei der Auswahl der geeigneten bilanzierten Diät — 111 9.4  Applikationsformen — 111 9.5  Praxis der enteralen Ernährungstherapie — 112 9.5.1 Berechnung des Energieumsatzes — 112

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9.5.2 Berechnung der Flüssigkeitsmenge — 112 9.5.3 Berechnung des Proteinbedarfs — 113 9.5.4 Body-Maß-Index bei Amputationen  — 113 9.5.5 Durchführung der Sondenernährung — 114 9.5.6 Medikamentengabe über die Sonde — 115 9.5.7 Komplikationen — 116 9.6  Zusammenfassung — 121 9.7  Literaturverzeichnis — 121 Verena Müller 10  Parenterale Ernährungstherapie (PE) — 123 10.1  Künstliche Ernährung — 123 10.2  Indikationen zur Parenteralen Ernährung — 123 10.3  Kontraindikationen zur Parenteralen Ernährung — 124 10.4  Zugangswege für die parenterale Ernährung — 124 10.4.1 Periphere Venenverweilkanüle — 124 10.4.2 ZVK (Zentralvenöser Katheter) — 125 10.4.3 Getunnelte Katheter — 125 10.4.4 Portkatheter — 125 10.5  Probleme und Komplikationen der parenteralen Ernährung — 125 10.5.1 Katheterbedingte Probleme — 126 10.5.2 Komplikationen durch die parenterale Ernährung — 128 10.5.3 Zusammensetzung der parenteralen Ernährung — 129 10.6  Monitoring — 131 10.7  Ernährungsteam — 131 10.8  Laufzeit der parenteralen Ernährung — 133 10.9  Lebensqualität  — 133 10.10  Literatur — 134 Jana Andrä und Arved Weimann 11  Präoperative Ernährung — 137 11.1  Die Feststellung eines metabolischen Risikos — 138 11.2  Perioperative Nüchternheit und ERAS — 139 11.3  Indikation für eine präoperative Ernährung — 140 11.4  Präoperative Substitution/Immunonutrition — 141 11.5  Relevante Einzelkomponenten und ihre Wirkung im Überblick — 142 11.5.1 Glutamin — 142 11.5.2 Omega-3-Fettsäuren — 143 11.5.3 Arginin — 143 11.5.4 Nukleotide — 143

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11.6  Indikation zur präoperativen parenteralen Ernährung — 144 11.7  Literatur — 145 Jana Andrä und Arved Weimann 12  Postoperativer Kostaufbau und Ernährung  — 147 12.1  Das Postaggressionssyndrom — 147 12.2  Das ERAS-Konzept – „Enhanced Recovery After Surgery“ — 149 12.3  Der postoperative Kostaufbau — 150 12.4  Indikation von Sondenernährung — 151 12.5  Probleme beim postoperativen Kostaufbau — 153 12.6  Die duale enteral/parenterale Ernährung — 154 12.7  Diätetik nach Operationen am Gastrointestinaltrakt — 155 12.8  Poststationäre enterale Ernährung und Substitution — 156 12.9  Literatur — 157 Carl Meißner, Luisa Meißner 13  Ernährung und Wundheilung — 159 13.1  Einleitung — 159 13.2  Die Wundheilungsphasen — 160 13.2.1 Exudationsphase (Reinigungsphase/Entzündungsphase) — 160 13.2.2 Granulationsphase (Proliferationsphase oder Gewebsneubildungsphase) — 160 13.2.3 Regenerationsphase (Epithelisierungsphase oder Abschlussphase) — 161 13.3  Stellenwert der Ernährung in der Wundheilung — 161 13.4  Wundheilungsstörung: Ursachen und Risikofaktoren — 162 13.5  Zusammensetzung einer vollwertigen Ernährung — 163 13.6  Ernährung in den Phasen der Wundheilung und die Rolle der Nährstoffe — 164 13.6.1 Eiweiß — 165 13.6.2 Kohlenhydrate — 165 13.6.3 Fett — 166 13.6.4 Mineralstoffe und Vitamine — 166 13.6.5 Die Flüssigkeitszufuhr — 167 13.7  Zusammenfassung — 168 13.8  Literartur — 168 Verena Müller 14  Ernährung und Transplantation — 169 14.1  Ernährung vor der Transplantation — 169

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14.2  Ernährung nach der Transplantation — 170 14.3  Immunsuppression — 170 14.4  Grundregeln — 171 14.5  Lebensmittel in der keimarmen Ernährung — 171 14.6  Hygiene — 172 14.7  Literatur — 172 Matthias Heiduk 15  Ernährung in der Kinderchirurgie — 175 15.1  Spezielle Bedürfnisse bei der Ernährung von Säuglingen, Kindern und Jugendlichen — 175 15.1.1  Richtwerte für die Ernährung von gesunden Säuglingen, Kindern und Jugendlichen — 175 15.1.2  Richtwerte für die Ernährung von kranken Säuglingen, Kindern und Jugendlichen — 179 15.2  Präoperative Ernährung — 180 15.2.1 Präoperative Nahrungskarenz — 180 15.2.2 Präoperatives Vorgehen — 181 15.3  Intraoperative Ernährung — 183 15.3.1 Besonderheiten bei Neugeborenen und Säuglingen — 184 15.3.2 Intraoperative Infusionstherapie — 185 15.4  Postoperative Ernährung — 187 15.4.1 Einflussfaktoren auf die Planung der postoperativen Ernährung — 188 15.4.2  Nahrungsaufbau nach kleineren extraabdominalen und abdominalen Eingriffen — 189 15.4.3 Nahrungsaufbau nach großen Eingriffen und/oder schwerer Grundkrankheit — 190 15.5  Beispiele für die perioperative Ernährung in der Kinderchirurgie — 191 15.5.1 Hypertrophe Pylorusstenose — 192 15.5.2 (Kurzstreckige) Ösophagusatresie mit primärer Anastomose — 192 15.5.3 Omphalozele, Laparoschisis — 193 15.5.4 Kurzdarmsyndrom — 193 15.6  Literatur — 194 Christine Stroh 16  Besonderheiten der bariatrischen Chirurgie  — 197 16.1  Abkürzungsverzeichnis — 197 16.2  Einleitung — 197 16.3  Operationsmethoden — 198

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16.4  Restriktive Methoden — 199 16.4.1 Magenballon — 199 16.4.2 Magenband (GB) — 200 16.4.3 Sleeve Gastrektomie (SG) — 200 16.5  Metabolische Langzeitfolgen nach restriktiven Eingriffen — 200 16.6  Kombinierte und malabsorptive Verfahren — 201 16.6.1 Magenbypass (RYGB) — 201 16.6.2 Mini- oder Omega-loop Bypass — 201 16.6.3 Biliopankreatischer Bypass (BPD) — 201 16.6.4 Duodenal Switch (DS) — 202 16.7  Metabolische Langzeitfolgen nach malabsorptiven Eingriffen — 202 16.7.1 Eisen — 202 16.7.2 Folsäure — 203 16.7.3 Vitamin B1 — 203 16.7.4 Vitamin B12 — 204 16.7.5 Fettlösliche Vitamine — 205 16.8  Nachsorge und Notwendigkeit der Supplementation — 207 16.9  Vorbeugung — 208 16.10  Literatur — 210 Olaf Lenzen, Christina Zimmer, Katharina Plehm 17  Weiterleitungsmanagement — 211 17.1  Abkürzungsverzeichnis — 211 17.2  Einleitung — 211 17.2.1 Tatsächlicher Zustand in deutschen Krankenhäusern — 211 17.2.2 Schnittstellen Beschreibung — 212 17.3  Praktische Umsetzung — 214 17.3.1 Kriterienkatalog — 215 17.3.2 Zusätzliche Kriterien — 216 17.3.3 Beispiel einer Weiterleitung — 216 17.4  Literatur — 218 Olaf Lenzen 18  Ernährung im G-DRG-System — 219 18.1  Grundlagen des G-DRG-System — 219 18.2  Ernährungsmedizin im DRG-System — 222 18.3  Kodierung — 225 18.3.1 Hauptdiagnose — 225 18.3.2 Nebendiagnosen — 225 18.3.3 Praktische Kodiertipps — 226 18.4  Literatur — 230

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19  Fallbeispiele  — 231 19.1  Abkürzungsverzeichnis — 231 Carl Meißner 19.2  Fallbeispiel Onkologie — 232 Carl Meißner 19.3  Fallbeispiel Geriatrie — 232 Olaf Lenzen, Christina Zimmer, Katharina Plehm, Nancy Neumann 19.4  Fallbeispiel Refeeding-Syndrom (Rezidiv Karzinosarkom des Uterus) — 233 19.4.1 Vorgeschichte, klinisches Problem — 233 19.4.2 Klinische Diagnosen — 233 19.4.3 Therapie — 234 19.4.4 Ernährungsmedizinische Therapie – theoretisches Vorgehen — 234 19.4.5 Ernährungsmedizinische Therapie – praktisches Vorgehen — 234 19.4.6 Verlauf — 236 Olaf Lenzen, Christina Zimmer, Katharina Plehm, Nancy Neumann 19.5  Fallbeispiel Parenterale Ernährung (Intensivstation) — 236 19.5.1 Vorgeschichte, klinisches Problem — 236 19.5.2 Klinische Diagnosen — 237 19.5.3 Therapie — 237 19.5.4 Ernährungsmedizinische Therapie – theoretisches Vorgehen — 237 19.5.5 Ernährungsmedizinische Therapie – praktisches Vorgehen — 238 19.5.6 Verlauf — 239 19.5.7  Vergleich von parenteralen Infusionslösungen: Dreikammerbeutel-Systeme von Baxter, Fresenius und B. Braun — 240 Olaf Lenzen, Christina Zimmer, Katharina Plehm, Nancy Neumann 19.6  Fallbeispiel PEG-Kostaufbau (Morbus Parkinson) — 241 19.6.1 Vorgeschichte, klinisches Problem — 241 19.6.2 Klinische Diagnosen und differentialtherapeutische Überlegung — 241 19.6.3 Therapie und operative Planung — 241 19.6.4 Ernährungsmedizinische Therapie – theoretisches Vorgehen — 242 19.6.5 Ernährungsmedizinische Therapie – praktisches Vorgehen — 244 19.6.6 Verlauf — 245 Olaf Lenzen, Christina Zimmer, Katharina Plehm, Nancy Neumann 19.7  Fallbeispiel Anreicherung/Trinknahrung (Onkologie) — 246 19.7.1 Vorgeschichte, klinisches Problem — 246 19.7.2 Klinische Diagnosen und differentialtherapeutische Überlegung — 246 19.7.3 Therapie und operative Planung — 246 19.7.4 Ernährungsmedizinische Therapie –theoretisches Vorgehen — 247

XVIII 

19.7.5

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Ernährungsmedizinische Therapie – praktisches Vorgehen — 247 19.7.6 Verlauf — 249 Olaf Lenzen, Christina Zimmer, Katharina Plehm, Nancy Neumann 19.8  Fallbeispiel Kurzdarmsyndrom — 252 19.8.1 Vorgeschichte, klinisches Problem — 252 19.8.2 Klinische Diagnosen und differentialtherapeutische Überlegung — 252 19.8.3 Therapie und operative Planung — 252 19.8.4 Ernährungsmedizinische Therapie – theoretisches Vorgehen — 253 19.8.5 Ernährungsmedizinische Therapie – praktisches Vorgehen — 253 19.8.6 Verlauf — 255 Olaf Lenzen, Christina Zimmer, Katharina Plehm, Nancy Neumann 19.9  Fallbeispiel Gastrektomie — 256 19.9.1 Vorgeschichte, klinisches Problem — 256 19.9.2 Klinische Diagnosen und differentialtherapeutische Überlegung — 256 19.9.3 Therapie und operative Planung — 256 19.9.4 Ernährungsmedizinische Therapie – theoretisches Vorgehen — 257 19.9.5 Ernährungsmedizinische Therapie – praktisches Vorgehen — 257 19.9.6 Verlauf — 258 Olaf Lenzen, Christina Zimmer, Katharina Plehm, Nancy Neumann 19.10  Fallbeispiel Terminale Niereninsuffizienz — 259 19.10.1 Vorgeschichte, klinisches Problem — 259 19.10.2 Klinische Diagnosen und differentialtherapeutische Überlegung — 259 19.10.3 Therapie — 259 19.10.4 Ernährungsmedizinische Therapie – theoretisches Vorgehen — 260 19.10.5 Ernährungsmedizinische Therapie – praktisches Vorgehen — 260 19.10.6 Verlauf — 261 19.11  Bedarfsberechnung nach den aktuellen DGEM-Leitlinien — 262 Raphael Gukasjan 19.12  Fallbeispiel Ösophaguskarzinom — 263 Christine Stroh, Sindy Zimmermann 19.13  Fallbeispiel Bariatrisches Beriberi – Vitamin B1-Mangel — 263 19.13.1 Abkürzungsverzeichnis — 263 19.13.2 Vorgeschichte, klinisches Problem — 264 19.13.3 Symptomatik  — 265 19.13.4 Ursachen — 265 19.13.5 Diagnostik — 265 19.13.6 Vitamin D — 266 19.13.7 Prophylaxe und Therapie — 267

Inhaltsverzeichnis 

Christine Stroh, Sindy Zimmermann 19.14  Fallbeispiel Mangelernährung nach Kausch-Whipple Operation — 268 19.14.1 Vorgeschichte, klinisches Problem — 268 19.14.2 Ursachen — 269 19.14.3 Ernährungstherapie — 269 Christine Stroh, Sindy Zimmermann 19.15  Radiogen verursachtes Malabsorptionssyndrom — 270 19.15.1 Vorgeschichte, klinisches Problem — 270 19.15.2 Ursachen — 271 19.15.3 Ernährungstherapie — 271 Verena Müller 19.16  Fallbeispiele Chirurgie — 272 19.16.1 Kasus Teil 1 — 272 19.16.2 Kasus Teil 2 — 272 19.16.3 Kasus Teil 3 — 272 19.16.4 Kasus Teil 4 — 273 19.16.5 Kasus Teil 5 — 273 19.16.6 Lösung — 273 19.16.7 Zu Teil 1 und 2 — 274 19.16.8 Zu Teil 3 — 275 19.16.9 Zu Teil 4 — 275 19.16.10 Zu Teil 5 — 275 19.17  Literatur — 275 Anhang — 279 Register — 297

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Zu den Autoren Dr. med. Jana Andrä Fachärztin Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Onkologische Chirurgie mit Abteilung Klinische Ernährung Klinikum St. Georg gGmbh Leipzig Delitzscher Str. 141 04129 Leipzig [email protected] Yvonne Bühring Diätassistentin med. Ernährungsberaterin Klinik für Kardiologie und Diabetologie Klinikum Magdeburg gGmbH Birkenallee 34 39130 Magdeburg [email protected] Caroline Girsemihl Diätassistentin Vivantes Zentrum für Ernährungsmedizin Am Nordgraben 2 13509 Berlin [email protected] Dr. med. Raphael Gukasjan Oberarzt Klinik für Anästhesie und Intensivmedizin Helios Bördeklinik Kreiskrankenhaus 4 39387 Oschersleben OT Neindorf [email protected] Dr. med. Matthias Heiduk Chefarzt Klinik für Kinder- und Jugendmedizin Klinikum Magdeburg gGmbH Birkenallee 34 39130 Magdeburg [email protected] Olaf Lenzen Ärztlicher Leiter Vivantes Zentrum für Ernährungsmedizin Am Nordgraben 2 13509 Berlin [email protected]

XXII 

 Zu den Autoren

Prof. Dr. med. Stefan Lüth Direktor des Zentrums für Innere Medizin II Medizinische Hochschule Brandenburg Hochschulklinikum Brandenburg Hochstraße 29 14770 Brandenburg an der Havel [email protected] Dr. med. Carl Meißner M.Sc. Oberarzt Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie Klinikum Magdeburg Birkenallee 34 39130 Magdeburg [email protected] Prof. Dr. med. Gerd Meißner Chefarzt Klinik für Chirurgie Carl-von-Basedow Klinikum Saalekreis gGmbH Vor dem Nebraer Tor 11 06268 Querfurt [email protected] Luisa Meißner Wundschwester Aesthetik Zentrum Magdeburg GmbH Domplatz 11 39104 Magdeburg [email protected] Dr. med. Verena Müller Fachärztin Chirurgische Klinik Charité – Universitätsmedizin Berlin Charitéplatz 1 10117 Berlin [email protected] Nancy Neumann M. Sc. Ernährungswissenschaften Vivantes Zentrum für Ernährungsmedizin Am Nordgraben 2 13509 Berlin [email protected]



Katharina Plehm M. Sc. Ernährungsmedizin Vivantes Zentrum für Ernährungsmedizin Am Nordgraben 2 13509 Berlin [email protected] Prof. Dr. med. Karsten Ridwelski Chefarzt Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie Klinikum Magdeburg gGmbH Birkenallee 34 39130 Magdeburg [email protected] Prof. Dr. med. Christine Stroh Leitende Oberärztin SRH Wald-Klinikum Gera Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Kinderchirurgie Straße des Friedens 122 07548 Gera [email protected] Professor Dr. med. Arved Weimann M. A. Chefarzt Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Onkologische Chirurgie mit Abteilung Klinische Ernährung Klinikum St. Georg gGmbh Leipzig Delitzscher Str. 141 04129 Leipzig [email protected] Steffi Westhus Krankenschwester, Fachschwester für klinische Ernährung DGEM Diabetesassistentin DDG Klinik für Kardiologie und Diabetologie Klinikum Magdeburg gGmbH Birkenallee 34 39130 Magdeburg [email protected] Christina Zimmer B. Sc. Ernährungswissenschaften Vivantes Zentrum für Ernährungsmedizin Am Nordgraben 2 13509 Berlin [email protected]

Zu den Autoren 

 XXIII

XXIV 

 Zu den Autoren

Sindy Zimmermann Dipl.-Trophologin SRH Wald-Klinikum Gera Straße des Friedens 122 07548 Gera [email protected]

Carl Meißner

1 Einleitung Die Ernährungsmedizin stellt einen wichtigen Teil in der klinischen bzw. operativen Disziplin dar. Der Gedanke von Hippokrates über den Zusammenhang zwischen Ernährung, Krankheit und Gesundheit sind nach wie vor hoch aktuell. Seiner Meinung nach sind „die Ursachen der Krankheiten unmittelbar auf innere Schwierigkeiten oder mittelbar auf äußere Einflüsse, wie Ernährung, Hygiene, Klima, Umwelt und körperliche Aktivitäten zurückzuführen“. Heutzutage definieren wir einige Erkrankungen als ernährungsabhängig und unterteilen sie in ernährungsbedingte und ernährungsmitbedingte Erkrankungen. Zu den ernährungsbedingten Erkrankungen zählen zum Beispiel die Jodmangel-Struma und zu den ernährungsmitbedingten zählen wir den Diabetes Mellitus Typ 1. Der Ernährung kommt eine wichtige Rolle sowohl für den Erhalt der Gesundheit als auch bei der Entstehung bestimmter Erkrankungen zu. Nach Angaben des Ernährungsberichts 2004 sind fast zwei Drittel aller Todesfälle auf Erkrankungen zurückzuführen, bei denen die Ernährung als alleinige Ursache oder als einer von mehreren Faktoren an der Krankheitsentstehung beteiligt ist [1]. Aufgrund der Bedeutung des Ernährungsverhaltens für die Entstehung dieser Erkrankungen stellt die Förderung einer gesundheitsgerechten Ernährung ein zentrales Handlungsfeld in der primären Prävention dar. Das Ernährungsverhalten ist u.a. von strukturellen Voraussetzungen abhängig. Um die Ernährungssituation in Deutschland nachhaltig zu verbessern, sind verhaltenspräventive Ernährungsangebote wichtig. Ziel ist es den operativ tätigen Arzt für die „Ernährungsmedizin“ zu sensibilisieren und die Ernährung neben der Prävention von Erkrankungen als Therapie zu verstehen bzw. einzusetzen. Wir wissen nicht von wem der Begriff „Ernährungsmedizin“ eigentlich stammt. Die erste ernährungsmedizinische Abteilung in Deutschland wurde von Prof. Günter Pahlke (1926–1992) in Berlin gegründet. Der Begriff „Ernährungsmediziner/-in DAEM/DGEM“ ist eng verbunden mit dem im Jahr 2007 verstorbenen Prof. Dr. med. Reinhold Kluthe. Er war federführend für das Curriculum der Ernährungsmedizin sowie als Wegbereiter der modernen Ernährungsmedizin tätig. Heutzutage können approbierte Ärzte das Zertifikat „Ernährungsmediziner“ der Deutschen Akademie für Ernährungsmedizin e.V. erwerben. Die Ernährungsmedizin stellt ein interdisziplinäres fächerübergreifendes Fach dar, wobei Anteile aus allen wichtigen medizinischen Fachrichtungen der Biochemie, Molekularbiologie, Physiologie, Ernährungswissenschaften, Psychologie, Epidemiologie, Soziologie, Ökologie und Ökonomie eine wesentliche Rolle spielen. Im Gegensatz zur Ernährungsmedizin beschäftigt sich die Diätetik nicht mit allen Formen der Ernährung. So ist zum Beispiel die künstliche Ernährungsform (Parenterale Ernährung) nicht eine Aufgabe bzw. ein Thema der Diätetik. DOI 10.1515/9783110517750-005

2 

 1 Einleitung

Nach unserem heutigen Wissensstand sind 75 % aller in den westlichen Industriestaaten behandelten Erkrankungen primär Ernährungs- bzw. Lebensziel induziert hervorgerufen [2]. Und unter dem Gesichtspunkt der heutigen Demografie wird verständlich, warum diese seit Jahren belegte Entwicklung nicht nur medizinisch und gesundheitsökonomisch relevant sind, sondern in Anbetracht der jetzt schon lange leeren Kassen in Zukunft gravierende Veränderungen für jeden einzelnen von uns in der Gesellschaft führen wird. Die Folgen unserer dramatisch veränderten Ernährungsgewohnheiten sind schon lange nicht mehr rein medizinischer Natur, sondern haben auch gravierende ökonomische Konsequenzen. Die Weltgesundheitsorganisation spricht bei der Adipositas über das weltweit am schnellsten wachsende Gesundheitsrisiko [3, 4]. In der Bundesrepublik Deutschland ist jedes fünfte Kind, bzw. jeder dritte Jugendliche bereits übergewichtig. Das daneben die Unter- und Mangelernährung auch in den westlichen Staaten ein erheblich zunehmendes und hoch relevantes Problem geworden ist, ist auch vielen Ärzten und Gesundheitsmanagern nicht bewusst. Zu den Aufgaben der Ernährungsmedizin steht zum einen die Prävention und zum anderen die Therapie im Vordergrund. Stoffwechselkrankheiten, ernährungsabhängige Erkrankungen und krankheitsassoziierte Unterernährung sollen vorgebeugt werden, um diese Erkrankungen zu lindern bzw. eine Heilung zu erreichen. Hauptthemen sind nicht übertragbare chronische Erkrankungen, zum Beispiel der Diabetes Mellitus Typ 2 und krankheitsassoziierte Unterernährung, zum Beispiel die Tumorerkrankung. Schauen wir in unsere Kliniken, so sehen wir, dass Patienten mit einem normalen Ernährungszustand zur Behandlung in ein Krankenhaus kommen mit 20 % den geringsten Anteil ausmachen. Mehr als die Hälfte der Patienten sind übergewichtig und ca. 25 % der eingewiesenen Patienten leiden an einer Unter- und Mangelernährung (Abb. 1.1).

ca. 55 %

ca. 20 %

ca. 25 %

übergewichtig

normalgewichtig

untergewichtig

Abb. 1.1: Durchschnittlicher Ernährungszustand eines Patienten bei Klinikaufnahme (modifiziert nach Löser Ch. Kassel).

Hinzu kommt, dass ca. 70  % aller im Krankenhaus behandelten Patienten einen deutlichen Gewichtsverlust während ihres Krankenhausaufenthalts haben [2, 3, 4]. Somit muss das erklärte Ziel sein, die Patienten mit erhöhtem nutritivem und metabolischem Risiko frühestmöglich nicht nur zu erkennen, sondern umgehend und befundgemäß die angepasste ernährungsmedizinische (Begleit-)Behandlung zu ini-

1 Einleitung 

 3

tiieren. Weiterhin ist Gegenstand dieses Werkes Empfehlungen zu geben, die richtige und sichere ernährungsmedizinische Dokumentation zu gewährleisten. Studien zur Trink- und Zusatznahrung belegen, dass die Verabreichung einer Zusatznahrung die Komplikationsrate und die Letalität bei Patienten unter Mangelernährung eindeutig senken, was Evidence-Level 1A erfüllt. Ergebnisse aus medizinisch ökonomischer Sicht sind ebenso relevant. Die Gabe von Trink- und Zusatznahrung bei Unter- und Mangelernährten ist hoch kosteneffizient und vor allem entlastet sie das Budget. Eine frühzeitige Ernährungsintervention für mangelernährte Patienten verkürzt die Aufenthaltstage des Patienten im Krankenhaus, nachgewiesen sind durchschnittlich 2,5 Tage, im Vergleich zu Patienten ohne Zusatznahrung. Bewiesen ist auch die mittlere Einsparung von 1.000 Euro pro Patient [5]. Die Ernährungsmedizin eine effektive und kostengünstige Form der Prävention und Therapie. Als fachübergreifendes Teilgebiet der Medizin befasst sie sich nicht nur mit der Diagnostik, Therapie und Erforschung von ernährungsbedingten, d.h. durch quantitative oder qualitative Fehlernährung hervorgerufene oder deutlich beeinflussbare Erkrankungen, sondern auch mit ernährungstherapeutischen Möglichkeiten bei nicht ernährungsbedingten Erkrankungen, wie z. B. Rheuma oder Atemwegserkrankungen. Darüber hinaus beschäftigt sie sich mit Maßnahmen zur Erhaltung eines normalen Ernährungszustandes in besonderen Situationen, wie z. B. Schwangerschaft, Leistungssport oder Intensivpatienten. Die Ernährungstherapie ist eine notwendige und effektive Behandlung auch in Akutkliniken.

Die Leitlinien, Informations- und Gremienarbeit der DGEM in den letzten Jahren hat jetzt u. a. dazu geführt, dass der Bedeutung der Mangelernährung und deren adäquaten Therapie vermehrt Aufmerksamkeit gegeben wird. Dieses findet u. a. seinen Ausdruck darin, dass in 2017 ein Ernährungsscreening aller Patienten und die Umsetzung der sich daraus ergebenden ernährungstherapeutischen Maßnahmen für Darmkrebszentren und Alterstraumazentren durch die Zertifizierungskommissionen in seiner Wichtigkeit erkannt und jetzt als obligater Standard festgelegt wurde. Nach dem OnkoZert Erhebungsbogen 2016 für Darmkrebszentren der Deutschen Krebsgesellschaft soll bei möglichst allen Tumorpatienten das metabolische Risiko spätestens bei der stationären Aufnahme mittels Nutritional Risk Screening (NRS) z. B. nach Kondrup 2003 erfasst werden. Je nach Ergebnis werden dann ernährungstherapeutische Maßnahmen notwendig, wie z.B. in den DGEM Leitlinien hinterlegt. Auch der Kriterienkatalog zur Zertifizierung als ‚AltersTraumaZentrum‘ DGU sieht bei jedem Alterstraumapatienten bei Aufnahme ein Screening auf Ernährungsstörung vor und ggf. die Einleitung einer SOP-basierten Diagnostik und Therapie.

4 

 1 Einleitung

1.1 Literatur [1] Ernährungsbericht 2004 DGE. [2] Löser Chr. Ernährung – Herausforderung und Geißel des 21. Jahrhunderts. Ernährungs Umschau 5: 248–252 (2007). [3] Löser C. Mangelernährung im Krankenhaus – Prävalenz, klinische Folgen, Budgetrelevanz. Dtsch Med Wochenschr 2001; 126: 729–734. [4] Rittler P, Jauch KW. Krankheitsbedingte Mangelernährung – eine Herausforderung für unser Gesundheitssystem. Pabst Science Publ., Lengerich; Berlin; Bremen; Miami, FL; Riga; Viernheim; Wien; Zagreb, 49–59. [5] Russel CA. The impact of malnutrition on health care costs and economic considerations for the use of oral nutritional supplements. Clin Nutr 2007; Suppl 1: 25–32.

Stefan Lüth

2 Physiologie der Verdauung Leben bedeutet Stoffwechsel-/transport und der Verdauungstrakt ist in besonderer Weise dazu befähigt, Nahrung in biologisch aktive Bausteine oder Energieträger umzuwandeln und zu resorbieren, um sie dem Körper, den Organen und schließlich den einzelnen Zellen zur Verfügung zu stellen (z. B. in Form von freien Fettsäuren, Monosacchariden, Aminosäuren etc.). Zudem müssen Vitamine und Spurenelemente resorbiert werden. Der Verdauungstrakt gliedert sich in den ca. 9 m langen Gastrointestinaltrakt selbst und in zusätzliche Verdauungsorgane (z. B. Speicheldrüsen, die Bauchspeicheldrüse, die Leber und die Gallenblase), welche bis zu 7 l Flüssigkeit täglich in den Gastrointestinaltrakt sezernieren (Abb. 2.1).

Mund Gaumen Uvula Zunge Zähne

Rachen

Speicheldrüsen Unterzungen UnterkieferOhr-

Speiseröhre

Magen Leber

Bauchspeicheldrüse

Gallenblase

Bauspeichel drüsengang

Hauptgallengang Dickdarm Dünndarm

Quercolon Aufsteigendes Colon Blinddarm Absteigendes Colon Colon sigmoideum Enddarm

Zwölffingerdarm Leerdarm Krummdarm

Appendix Anus Abb. 2.1: Der Verdauungstrakt. DOI 10.1515/9783110517750-006

6 

 2 Physiologie der Verdauung

Der Gastrointestinaltrakt kann speziesübergreifend vereinfacht als kontinuierliche Röhre vom Mund bis zum Anus betrachtet werden, die sich im Lauf der Evolution von proximal nach distal an die jeweilige Spezies angepasst hat.

2.1 Aufbau des Gastrointestinaltrakts Die Wand des humanen GI-Trakts besteht aus 4 Schichten, von innen nach außen (Abb. 2.2): –– Mukosa (Schleimhaut) –– Submukosa (Bindegewebe mit Nervenzellen) –– Muscularis (Wandmuskulatur mit Nervenzellen) –– Serosa (Bindegewebe)

Fg Gg Gp

Epithel Lamina propria Tunica Lam. musc. mucosae mucosa Tela submucosa

Fl Goe

Stratum circulare Tunica muscularis

Stratum longitudinale Tunica serosa Oesophagus Corpus ventriculi Pylorus

Gd

Z K

Fl

Duodenum

Fl

Jejunum

Ileum

K

Fl

Colon

Abb. 2.2: Wandaufbau des Gastrointestinaltrakt [aus Waldeyer, Anatomie des Menschen]. Goe = Glandula oesophagea, Gd = Glandula duodena-lis, Gg = Glandula gastrica, Fg = Foveola gastrica, Gp = Glandula pylorica, K = Krypte, Fl = Folliculus lymphaticus, Z = Zotte.



2.3 Cephale Phase 

 7

Die innere Schicht des Gastrointestinaltrakts, die Mukosa besteht aus einer Epithelschicht, mit Schutzfunktion zum Lumen, Sekretions- und Resorptionsfunktion. Die darunter liegende Bindegewebsschicht, sog. Lamina propria, enthält Blut- und Lymphgefäßen. Darunter liegt eine Schicht glatter Muskelzellen, Lamina muscularis mucosae. Die Submucosa verbindet die Mucosa mit der Muscularis. Sie besteht aus aus einem bindegewebigen Netz mit elastischen Fasern und Fenestrierungen sowie Blutbzw. Lymphgefäßen und Nervenzellen, dem sog. Plexus submucosus (Meissner Plexus). Die Muscularis besteht aus Muskelzellen in Rings- und Längsschichtung). Von oral bis in den mittleren Ösophagus besteht die Muscularis aus quergestreifter, willkürlich innervierter Muskulatur, die den Schluckvorgang einleitet bzw. aus dem Pharynx übernimmt. Die quergestreiften Muskelzellen gehen im Bereich des oberen Ösophagus überlappend in glatte Muskelzellen über, welche im gesamten weiteren Gastrointestinaltrakt gefunden werden. Im Bereich des äußeren Analsphinkters tritt schließlich wieder willkürlich innervierte quergestreifte Muskulatur auf, die die kontrollierte Defäkation ermöglicht. Ein zweiter Plexus mit Nervenzellen (Plexus myentericus oder Auerbach Plexus) ist ebenfalls in der Muscularis lokalisiert. Die Serosa, eine glatte Bindegewebsschicht mit einer Schicht Plattenepithel als Überzug schließt die Wand des Gastrointestinaltrakts nach außen ab, dieser Überzug fehlt nur im Bereich der Speiseröhre (sog. Adventitia).

2.2 Motilität des Gastrointestinaltrakts Die gastrointestinale Motilität wird durch ein weitgehend autonomes enterales Nervensystem gesteuert mit dem Plexus myentericus (Auerbach) in der Wandmuskulatur und dem Plexus submukosus (Meissner) in der Submukosa. Das autonome enterische Nervensystem enthält rund 100 Millionen Nervenzellen. Der Plexus myentericus innerviert die Muscularis, der Plexus submucosus leitet Signale zu sezernierenden Zellen. Der Sympathicus und der Parasympathicus (Nervus vagus und Nervi splanchnici) sowie humorale Mechanismen verstärken dabei Motilität und Sekretion. Der Sympathicus wirkt diesen Effekten entgegen. Der Ablauf der Verdauung gliedert sich in 3 konsekutive Phasen: –– Cephale Phase (Schluckvorgang) –– Gastrale Phase (Magenspeicher und Zerkleinerung) –– Digestive Phase (Dünndarmtransport, chemische Zerkleinerung und Resorption)

2.3 Cephale Phase Beim Menschen beginnt die Verdauung bereits im Mund mit der Ingestion von Nahrung und der mechanischen Zerkleinerung durch Zähne, Zunge und harten

8 

 2 Physiologie der Verdauung

Gaumen, wobei genaugenommen im Zuge der Evolution weitere auch kulturelle Werkzeuge dazu kamen, wie Messer und Gabel, eine kreative und bekömmliche Zubereitung mit sekundärem Lustgewinn beim Essen und manchmal schon beim Kochen. Der Transport durch den Gastrointestinaltrakt geschieht nach Kontraktion der Wandmuskulatur. Der Schluckvorgang leitet den Weitertransport der nun portionierten und eingespeichelten Nahrung als Chymus ein. Diese pharyngeale Phase wird durch das Schluckzentrum im Hirnstamm eingeleitet, dabei wird die Trachea durch den Kehldeckel verschlossen und der obere Ösophagussphinkter (Schließmuskel) der Speiseröhre geöffnet. Nun gleitet der Chymus durch den tubulären Anteil der Speiseröhre. Für den Transport bedarf es der gastrointestinalen Motilität, die zwar willkürlich über die quergestreifte Muskulatur im Pharynx eingeleitet wird, aber bereits im unteren Drittel der Speiseröhre nur noch unwillkürlich über glatte Muskelzellen erfolgt. Der untere Ösophagussphinkter relaxiert sich reflektorisch und schließt nach ösophagealer Clearance und Passage des Bolus wieder den Mageneingang ab. Dieser Verschluss in Verbindung mit Bicarbonathaltigen (HCO3-)Speichel stellt einen wesentlichen Schutz gegenüber der Magensäure und eines möglich Reflux dar.

2.4 Gastrale Phase Der Magen stellt eine Verbindung der Speiseröhre mit dem Dünndarm her. Er dient sowohl als Reservoir, als auch zur mechanischen Zerkleinerung durch starke Antrumkontraktionen. Dies geschieht indem er die Nahrung immer wieder in Richtung Pylorus (Magenausgang) befördert, den nur kleine Nahrungspartikel passieren können. Dieser Prozess führt auf Dauer zu einer mechanischen Zerkleinerung (sog. „Antrummühle“). Gleichzeitig wird der Nahrung Salzsäure (HCl) mit einem pH von ca. 1,5 zugesetzt und das Verdauungsenzym Pepsin zur Spaltung von Proteinen. Dieser chemische Zersetzungsprozess erlaubt in Verbindung mit der mechanischen Zerkleinerung einem weitgehend keimarmen Nahrungsbrei die Passage durch den Pylorus.

2.5 Intestinale Phase Der Chymus wird im Duodenum (Zwölffingerdarm) mit weiteren Verdauungsenzymen aus dem Pankreas aber auch aus dem Bürstensaum der duodenalen Schleimhaut versetzt und mit der Galle in Kontakt gebracht. Das Pankreas sezerniert täglich bis zu 1,5 l Bikarbonat-haltigen (HCO3-)Pankreassaft, dessen Enzyme die Spaltung von Eiweiß (z.B. Chyotripsin, Trypsin, Peptidase, Elastase), Fett (Lipase), Nukeinsäuren (Desoxyribonuclease) und Kohlenhydraten (Amylase) vornehmen. Peptidasen bzw. Phospholipasen werden zum Schutz vor Selbstverdauung zunächst als inaktive Vorform (Zymogene) abgegeben und erst im



2.5 Intestinale Phase 

 9

Bürstensaum des Duodenums aktiviert. Der alkalische pH des Pankreassafts schützt das resorptive Dünndarmepithel vor Magensäure. Die Leber bildet täglich ungefähr 1 l Galle am Tag, die in der Gallenblase gespeichert und konzentriert wird um in der digestiven Phase Fett im Dünndarm zu emulgieren und damit besser resorbierbar zu machen sowie die Entgiftung des Organismus zu unterstützen. Die Galle erleichtert die Resorption von insbesondere fettiger Nahrung und verringert so den Verlust von unaufgeschlossener Nahrung für den Organismus. Die in der Galle enthaltenen Gallensäuren dienen der Steigerung des Löslichkeitsprodukts von Cholesterin (Steinprophylaxe) und zirkulieren zwischen Darm und Leber physiologisch im sog. enterohepatischen Kreislauf. Der Chymus wird so nach und nach entsprechend seiner ursprünglichen Energieträger (Protein, Kohlenhydrate und Fett) in kleinere Fragmente zerlegt.

2.5.1 Proteinverdauung Nachdem durch Magen-Pepsin bereits die größeren Proteine ihre Sekundär- und Tertiärstruktur verloren haben und in Peptide degradiert wurden, erfolgt die weitere Peptidverdauung vor allem durch Pankreasenzyme. Dabei werden die Peptidenden durch Amino- oder Carboxypeptidasen und schließlich Dipeptidasen verdaut. Gleichzeitig verdauen Trypsin, Chymotrypsin, Elastase zwischen spezifischen Aminosäuren innerhalb der Peptidkette.

2.5.2 Kohlenhydratverdauung Cellulose kann nicht gespalten oder resorbiert werden, es dient lediglich als Ballaststoff. Hauptenergieträger ist Stärke, diese wird in Mono- bzw. Disaccharide wie Maltose und alpha-Dextrine gespalten. Die Disaccharide Sucrose, Lactose und

Maltose Maltase

Saccharose

Saccharase Lactose

Isomaltose

Lactase Glucose Mikrovillus Abb. 2.3: Membran-gebundene Enzyme an der Dünndarmzotte.

10 

 2 Physiologie der Verdauung

Maltose werden durch Lactase bzw. Maltase weiter in Monosaccharide gespalten, welche dann entweder als Glucose und/oder Galactose sofort resorbiert werden (Abb. 2.3).

2.5.3 Fettverdauung Nahrungsfett besteht neben Cholesterin mehrheitlich aus Triglyceriden. Triglyceride bestehen aus einem Molekül Glycerol und drei veresterten Fettsäuren. Die Lipasen des Verdauungstrakts trennen die Fettsäuren vom Glycerol ab. Dafür stehen 3 unterschiedliche Lipasen zur Verfügung: –– Linguale Lipase –– Magen-Lipase –– Pankreas-Lipase Den wichtigsten Anteil stellt dabei die Pankreas-Lipase dar, ihr Ausfall ist von den beiden anderen Lipasen nicht zu kompensieren. Nachdem die Lipase die Fettsäuren abgespalten hat, entstehen kurz- und langkettige freie Fettsäuren die im Bürstensaum der Dünndarmzotten von den Mikrovili resorbiert werden.

2.6 Resorption im Dünndarm Der Prozess der Nahrungsaufnahme vom Gastrointestinaltrakt ins Blut oder Lymphsystem findet zu über 90  % im Dünndarm statt und ist durch den Dickdarm nicht zu kompensieren (Abb. 2.4). Damit stellt der Dünndarm den einzigen absolut überlebensnotwendigen Teil des gesamten Gastrointestinaltrakts dar, der nicht ersetzt werden kann, von einer totalen Parenteralisierung der Ernährung oder den seltenen Dünndarmtransplantationen mit ihren Problemen natürlich abgesehen.

2.6.1 Resorption von Monosacchariden Die Resorption von Monosacchariden findet entweder durch erleichterte Diffusion im Fall von Fructose oder Na+ abhängigen aktiven Transport im Fall von Glukose oder Galactose durch die Dünndarmepithelzelle statt. Die Aufnahmekapazität ist hoch und nahezu vollständig, so dass auch bei großen Mengen nahezu alle resorbierbaren Kohlenhydrate aufgenommen werden.



2.6 Resorption im Dünndarm 

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Intrinsic factor Pepsin

Fe+++ Fe++ Triglyzeride Lipase

Monoglyzeride Duodenum Aminosäuren

Pankreas

Monosaccharide Jejunum

Peptidase Amylase

Ca++ Folat

Disaccharide

fettlösliche Vitamine Fettsäuren

Monoglyzeride Vitamin B 12

Natrium

Wasser

Ileum

Vitamin B 12 Intrinsic factor gallensaure Salze

Colon

Wasser

Abb. 2.4: Prozess der Nahrungsaufnahme vom Gastrointestinaltrakt ins Blut oder Lymphsystem.

2.6.2 Resorption von Aminosäuren, Di- und Tripeptiden Die Quelle der resorbierten Proteine kommt nur etwa zur Hälfte aus der Nahrung und zur anderen Hälfte aus körpereigenem Gewebe (v.a. abgestoßene Darmepithelzellen) und dem Darmmikrobiom. Aminosäuren können passiv oder durch Na+ abhängigen aktiven Transport in der Dünndarmepithelzelle resorbiert werden, Diund Tripeptide benötigen den Na+ abhängigen Co-Transport.

12 

 2 Physiologie der Verdauung

2.6.3 Resorption von Fett Die Resorption von Fett erfolgt nahezu vollständig und durch einfache Diffusion im Dünndarm. Die kurzkettigen Fettsäuren benötigen im Ggs. zu den langkettigen Fettsäuren und dem Glycerolanteil zuvor eine Mizellenbildung durch die Galle, die im Bürstensaum in die resorptive Zelle diffundieren, wobei die Mizelle erhalten bleibt und erneut langkettige luminale Fettsäuren transportieren kann. Im Rahmen dieses kontinuierlichen Prozesses werden auch die fettlöslichen Vitamine und Cholesterin in den Mizellen zur Resorption zur Dünndarmepithelzelle gebracht. In der Zelle erfolgt erneut die Veresterung von Fettsäuren und Glycerol zu Tryglyceriden und die Verpackung der nun wieder entstandenen Triglyceride in Verbindung mit Cholesterin zu Chylomikronen, welche durch Proteine umhüllt sind um in der wässrigen Phase des Bluts gelöst zu sein. Diese Chylomikronen gelangen auf Grund ihrer Größe über die Lymphe ins Blut wo sie bis zu 2–3 Stunden postprandial zirkulieren bis Sie von der LipoproteinLipase in der Leber wiederum zu Fettsäuren und Glycerol degradiert werden. Die Gallensäuren werden im Ileum rück-resorbiert und wie oben bereits erwähnt über die Pfortader erneut der Leber zugeführt, im sog. enterohepatischen Kreislauf.

2.7 Colon-Phase Die Ileocöcalklappe trennt das Ende des Dünndarms, das Ileum vom Colon. Nach dem Essen verstärkt das Ileum seine Peristaltik (gastrokolischer Reflex). Tritt der Chymus durch die Klappe ins Colon, beginnt die Colonpersitaltik. Die Bakteriendichte des Gastrointestinaltrakts nimmt von proxinal nach distal zu und ist im Colon am höchsten. Die Drüsen des Colons sezernieren nur Schleim um den Transport zu erleichtern und keine Enzyme mehr. Die Zersetzung des Chymus und Formierung der Feces findet v.a durch bakterielle Zersetzung statt. Die Bakterien dienen auch als Quelle für Vitamin B und K. Zwar sind bereits 90 % des Wassers in der Nahrung im Dünndarm resorbiert, dennoch erfolgt die Resorption von bis zu 1 l Wasser in Verbindung mit NaCl und Vitaminen pro Tag. Die Colonprozesse dauern 3–12 Stunden und enden mit der Defäkation, wenn der Chymus als Feces und nach Durchtritt durch den internen und externen Analsphinkter den Gastrointestinaltrakt verlässt.



2.8 Weiterführende Literatur 

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Merke: –– Die Wand des schlauchförmigen Gastrointestinaltrakts ist von oral bis anal ähnlich aufgebaut und gliedert sich in Mukosa, Submukosa, Muscularis und Serosa, wobei die einzelnen Wandbestandteile an das jeweilige Organ und dessen vorherrschende Funktion angepasst sind. –– Der willkürliche Verdauungsprozess (Ingestion, Kauen, Schlucken) wird ab dem mittleren Ösophagus vom unwillkürlichen Verdauungsprozess abgelöst und dem enterischen Nervensystem als Steuerungseinheit um im Analkanal wieder willkürlich kontrollierbar zu werden. –– Verdauung besteht aus mechanischer und chemischer Zerkleinerung im oberen GI-Trakt sowie anschließender Resorption v.a. im Dünndarm. –– Der Dünndarm ist das einzige absolut überlebensnotwendige Organ des Verdauungstrakts. –– Das Pankreas ist unentbehrlich für eine vollständige Fettverdauung.

2.8 Weiterführende Literatur Waldeyer Mayet, Anatomie des Menschen, 19. Auflage (2012), Seite 988. Löffler Petrides, Bichemie letzte Ausgabe. Rudolf Schweitzer, Verdauungssystem Urban Fischer. Tortora und Derrickson, Anatomie und Physiologie, Wiley-VCH Verlag. Lecturio online Lehrbuch: Vegetative Physiologie, Kapitel: Die Physiologie der Verdauung: Von der Nahrungsaufnahme bis zur Ausscheidung.

Karsten Ridwelski, Carl Meißner

3 Stufenschema der Ernährungstherapie 3.1 Indikationen Alle Patienten mit einem Risiko für Mangelernährung sollen bzgl. ihrer Nahrungszufuhr überwacht und entsprechend ihrem Bedarf ernährungstherapeutisch behandelt werden. Dieses Risiko ist abhängig von der Aufnahmesituation, der Krankheitsschwere und der voraussichtlichen Dauer der Nahrungskarenz/Nüchternperiode. Dies wird durch ein Ernährungsscreening erfasst (siehe Kapitel 7). Aus den Fragen nach dem Gewicht, der Größe, dem Gewichtsverlust, der Nahrungszufuhr der letzten Wochen sowie dem Grund der Krankenhausaufnahme wird anhand einer „Scores“ das Risiko berechnet. Aus dieser ermittelten Punkteanzahl alleine lässt sich jedoch noch nicht automatisch eine geeignete Therapie ableiten. Das bedarf immer der klinischen Beurteilung im Gesamtkontext des Patienten. „Ernährung ist nicht nur einfach die Summe von Kalorien.“

3.2 Ernährungsbeginn Wenn die Indikation zur Ernährungstherapie gestellt ist, soll möglichst so früh wie möglich begonnen werden. Die sich sonst manifestierende Mangelernährung vorzubeugen ist leichter, als sie auszugleichen. Weiterhin verhindern wir so die Darmzottenatrophie und können den Kostaufbau erleichtern. CAVE: Auch übergewichtige und adipöse Patienten können mangelernährt sein.

Der Ernährungsaufbau und Beginn ist individuell sehr unterschiedlich. Wir können einen Patienten mit Ösophagusresektion nicht mit Patienten einer Rektumresektion und protektiven Ileostoma vergleichen. Der Kostaufbau soll auf den Patienten angepasst und individuell erfolgen. Der schrittweise Kostaufbau mit regelmäßiger Überwachung bzw. Monitoring ist essentiell mit Hinblick auf die Verträglichkeit. Beim Kostaufbau sind also zu den klinischen Zeichen, wie Übelkeit, Erbrechen, Atoniebeschwerden im Allgemeinen auch die Paraklinik zu beachten.

DOI 10.1515/9783110517750-007

16 

 3 Stufenschema der Ernährungstherapie

3.3 Stufenschema in der Ernährungstherapie Die Zugangswege der Ernährungsmedizin und -therapie sind von oral bis parenteral (Abb. 3.1).

Stufe VI

Stufe V

Stufe IV

Stufe III

Stufe II

Stufe I

supportive künstliche parenterale Ernährung Broviac, Hickman, Port supportive künstliche Ernährung (PEG/PEJ-Sonde)

Trink-, Zusatznahrung (Getränke, Suppen, Joghurts etc.) Anreicherung der Nahrung (z.B. Eiweißkonzentrate, Maltodextrin) Ernährungsmotivation, Ernährungsberatung, intensive Betreuung, individuelle Wunschkost, etablierte Allgemeinmaßnahmen, Einsatz von Hilfsmitteln

Evaluation und konsequente Therapie der Ursachen

Abb. 3.1: Stufenplan der Ernährungstherapie (mod. nach [1]).

Als Grundregel für alle Patienten und nicht nur die Patienten der operativen Disziplin gilt: Wann immer möglich enteral ernähren!

Die enterale Ernährung ist physiologisch, nebenwirkungsarm und kostengünstig. Gelegentlich auftretende Nebenwirkungen u.a. wie Durchfall und Erbrechen sind oft gut zu regulieren. Gerade in der operativen Disziplin werden Kombinationen der Ernährungsstufen genutzt und sind zielführend. Es muss nicht ausschließlich enteral oder parenteral ernährt werden. Auch ein geringer Anteil an enteraler Ernährung erhält die Darmfunktion und bietet viele Vorteile. Eine rein parenterale Ernährung sollte nur bei Vorliegen von Kontraindikationen gegen eine enterale Ernährung erfolgen. Dann sollte darauf geachtet werden, dass Sie zum einen vollständig ist. Die notwendigen Spurenelemente und Vitamine müssen zugesetzt werden. Und auf der anderen Seite muss ich mich versichern, dass wir ausreichend Kalorien zuführen. Beispiel: –– Aminoven 3,5 GE nur 340 kcal auf 1000 ml Infusionsmenge –– Olimel 2,5 % hingegen 720 kcal auf 1000 ml Infusionsmenge

3.4 Präparate 

 17

Das Stufenschema der Ernährungstherapie muss dem Krankheitsverlauf individuell angepasst und mit unterschiedlichen Möglichkeiten variiert werden.

3.4 Präparate In den meisten Fällen genügen sogenannte Standardprodukte, entscheidend ist die korrekte Zufuhr der Menge und Art.

3.4.1 Eiweißkonzentrate Dies sind Mischungen von Proteinen zur Verwendung als diätetisches Lebensmittel oder Nahrungsergänzungsmittel. Eiweiß- bzw. Proteinpulver enthalten im Vergleich zu anderen Lebensmitteln einen hohen Proteinanteil. Diese dienen zum Aufbau von Muskelmasse. Ernährungsmediziner empfehlen je nach Krankheitsschwere und Zustand des Patienten eine Proteinzufuhr bis zu 2 g pro Kilogramm Körpergewicht pro Tag [2, 3, 4]. Die Massenanteile sind unterschiedlich und gehen von circa 72 % bis 98 % in der Trockenmasse. Proteinpulver setzen sich aus verschiedenen Komponenten zusammen. Die meisten Produkte enthalten vollständige oder abgebaute Milchproteine und Molkenproteine.

3.4.2 Maltodextrin Das Wort Maltodextrin leitet sich von Maltose und Dextrose ab. Es gehört zu den Kohlenhydraten und ist wasserlöslich. Es kann durch Hydrolyse von Stärke (Poly-αglucose) hergestellt werden. Es ist ein Gemisch aus der Glucose. Je nach Hydrolysegrad unterscheidet sich die Zusammensetzung. Maltodextrin selbst ist wenig süß und fast geschmacksneutral. Es dient u.a. als Energieträger.

3.4.3 Orale Trink- und Zusatznahrung Auch „Kosmonautennahrung“ genannt. Die Orale Trink- und Zusatznahrung ist eine speziell zusammengestellte energiereiche Nahrung in flüssiger Form. Diese wird für die zusätzliche oder vollständige Ernährung eingesetzt, wenn der Patient unzureichend Nahrung aufnimmt. Durch die individuelle Zusammensetzung der Trinknahrung können gezielt ganz bestimmte Komponenten zugeführt werden z. B. spezielle Proteine.

18 

 3 Stufenschema der Ernährungstherapie

Es gibt für die verschiedenen Krankheitsbilder unterschiedliche Trinklösungen. So erfordert ein Kurzdarmsyndrom eine andere Zusammensetzung der Komponenten als ein Patient mit einer Tumorkachexie und Dialyse. Da viele Erkrankungen mit einem katabolen Stoffwechsel einhergehen, kann allein der erhöhte Energiebedarf die Gabe einer Trinknahrung erforderlich machen. Die orale Trink- und Zusatznahrung erfüllt in der heutigen Zeit der Evidencebased-medicine das Evidence-Level 1 A [5–8].

3.4.4 PEG-Sonderernährung Die PEG-Sondenernährung gehört zur enteralen Ernährung. Diese erfolgt mittels einer PEG-Sonde (Abb. 3.2).

PEG

PEG-J

FNKJ

gastral

duodenal

jejunal

Abb. 3.2: Möglichkeiten der Sondenernährung, PEG: Perkutane endoskopische Gastrostomie, PEG-J: Perkutane endoskopische GastrostomieJejunosstomie, FNKJ: Feinnadel-Katheter im Jejunum, gastral: Sonde im Magen, duodenal: Sonde im Zwölffingerdarm, jejunal: Sonde im Leerdarm.

Die PEG ist eine spezielle Anlageform einer Ernährungssonde, denn hier wird mit der Hilfe eines Endoskops die Sonde eingesetzt und perkutan nach außen abgeleitet. Die Indikationen ist gegeben, wenn der Patient nicht mehr selbstständig oral Nahrung zu sich nehmen kann. Dies kann im Rahmen von Schluckstörungen ebenso der Fall sein, wie bei vorliegendem Koma des Patienten [9, 10]. Nicht ganz einfach ist es bei Patienten im Terminalstadium einer Erkrankung oder bei Demenzkranken [11]. Laut Stu-

3.4 Präparate 

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dienlage führt eine Ernährung über eine PEG-Sonde nicht zu einer Verlängerung der Überlebenszeit bei Demenzkranken. [11] Kritikern zufolge wird diese Form der Nahrungsgabe zu häufig herangezogen, wenn Essen eingeben und Versorgen zu zeitaufwendig und kompliziert sind, deshalb darf eine PEG auch genau aus diesem Grund nicht gelegt werden. Bei adäquater Bemühung auch ohne PEG-Sonde ist oft eine ausreichende Nahrungs- und Flüssigkeitszufuhr, bei den spezifischen Krankheitsbildern (Demenz), möglich. Die Diagnose einer Demenz stellt somit keine Indikation zur PEGAnlage dar, sofern nicht weitere Indikationen/Faktoren hinzukommen.

3.4.5 Parenterale Ernährung Die Parenterale Ernährung (PE) ist eine Form der künstlichen Ernährung, bei der der Verdauungstrakt umgangen wird. Eine kombinierte enterale/parenterale Ernährung wird immer dann empfohlen, wenn eine künstliche Ernährung indiziert ist und der Kalorienbedarf durch eingeschränkte enterale Toleranz nicht adäquat gedeckt werden kann. Dies gilt, wenn die Kalorienzufuhr unter 60–75 % des errechneten Bedarfs beträgt und ein zentralvenöser Zugang zur parenteralen Ernährung bereits vorhanden ist. Besonderer Aufmerksamkeit bedürfen geriatrische Patienten [12]. Dies betrifft Patienten, die an akuten Krankheiten des Verdauungstraktes, wie beispielsweise einer akuten Pankreatitis, einem Darmverschluss oder Speiseröhrenkrebs leiden. Weiterhin sind aber auch Patienten mit frischen Anastomose im Gastrointestinaltrakt nach der Operation zur Entlastung der neu geschaffenen Verbindung betroffen. Auch ein weiterer wichtiger Grund für eine parenterale Ernährung sind Resorptions- oder Verdauungsstörungen im Darm (akute Entzündung bei Morbus Crohn und Colitis ulcerosa), das Kurzdarmsyndrom, Peritonealkarzinose oder stenosierende Tumoren im Magen-Darm-Trakt. Ebenfalls kann diese durch hohe Verluste (Diarrhoe, Ileostoma, häufiges Erbrechen) und bei Übelkeit z. B. während einer Chemotherapie notwendig sein. Bei Essstörungen wie z. B. der Magersucht besteht nur ausnahmsweise die Indikation zur parenteralen Ernährung [13]. Es besteht die Möglichkeit zusätzlich oder ausschließlich parenteral zu ernähren, um einer Mangelernährung vorzubeugen oder zu therapieren. Wichtig dabei ist, individuellen Stoffwechsel- und insbesondere Aminosäurenanforderungen gerecht zu werden, um den Allgemeinzustand des Patienten zu verbessern. Die Ernährung erfolgt dabei in der Regel über Speziallösungen, die intravenös verabreicht werden. Alternativen zur parenteralen Ernährung ist z. B. eine halbkalorische Ernährung über die Armvene und die subkutane Flüssigkeitszufuhr.

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 3 Stufenschema der Ernährungstherapie

3.5 Substrat-(Kalorien)bedarf Wie hoch der Gesamtenergieverbrauch in 24 Stunden ist, hängt von mehreren Faktoren ab. Zum einen vom Grund- oder Ruheenergieumsatz (GU), also davon, wie viel Energie der Körper im Ruhezustand zur Aufrechterhaltung seiner vitalen Funktionen benötigt. Zum zweiten vom Leistungsumsatz (LU). Dieser ist abhängig davon, wie hoch die körperliche Betätigung ist. Es ist daher wichtig, dass die zugeführte Energie an die körperliche Aktivität (Leistungsumsatz) und die individuellen Bedürfnisse angepasst wird. Eine genaue Messung des Grundumsatzes ist methodisch nicht ohne weiteres umzusetzen. Um die Berechnung für den Alltagsgebrauch zu vereinfachen, stehen mehrere Formeln zur Verfügung, bei denen Alter, Geschlecht und Gewicht zu berücksichtigen sind. Bewährt hat sich die Formel zur Ermittlung des Grundumsatzes von Harris und Benedict [14]. Der Gesamtenergiebedarf errechnet sich demnach aus Grundumsatz plus Leistungsumsatz. Die Kalorie beziehungsweise Kilokalorie (kcal) ist die gebräuchliche Einheit für die Nahrungsenergie. Grundumsatz: Berechnung mit der Formel nach Harris und Benedict. Mann: GU [kcal] = 66,5 + 13,8 × Gewicht (kg) + 5,0 × Körperlänge (cm) – 6,8 × Alter (Jahre) Frau: GU [kcal] = 655 + 9,6 × Gewicht (kg) + 1,8 × Körperlänge (cm) – 4,7 × Alter (Jahre) Umrechnung von kcal in kJ = GU [kcal] × 4,184 Leistungsumsatz: Berechnung mit dem PAL-Faktor.

Der Leistungsumsatz ist die Menge an Energie, welche für zusätzliche Arbeiten über den Grundumsatz hinaus benötigt wird. Da der Leistungsumsatz im Wesentlichen von der physikalischen Aktivität abhängt, wird er auch als „physical activity level“ (PAL) bezeichnet. Der PAL-Faktor gibt den durchschnittlichen täglichen Energiebedarf für körperliche Aktivitäten an. Zur Berechnung muss der Grundumsatz nun je nach Ausmaß der körperlichen Aktivität mit dem jeweiligen PAL-Wert multipliziert werden. –– Beim Schlafen ist der Grundumsatz × 0,95. –– Bei ausschließlich sitzender Tätigkeit × 1,2. –– Bei überwiegend sitzender Tätigkeit × 1,6. –– Bei überwiegend gehender und/oder stehender Tätigkeit × 1,85. –– Bei körperlich anstrengender Arbeit × 2,0 bis 2,4.

Ein stoffwechselstabiler Patient hat einen Basisbedarf von 25 kcal/kg KG des IstGewichts bzw. bei Übergewicht des Sollgewichts. Das sind bei 70 kg ca. 1700–2000 kcal/Tag zusätzlicher Bedarf entsprechend der körperlichen Aktivität bzw. der Regeneration (ca. 500 kcal).



3.6 Komplikationen der Ernährungstherapie 

 21

Bei einem akut kranken und stoffwechselinstabilen Patienten gilt: Der Energieverbrauch entspricht im Wesentlichen dem normalen Ruheumsatz, allerdings kann die zugeführte Energie oft nur eingeschränkt verstoffwechselt werden. Die Zufuhr orientiert sich daher an der Nährstoffverwertung, weswegen ein engmaschiges Labormonitoring notwendig ist.

3.6 Komplikationen der Ernährungstherapie Jede Therapie ist prinzipiell auch mit potentiellen Nebenwirkungen verbunden. Diese betreffen einerseits den Zugangsweg, andererseits metabolische sowie gastrointestinale Probleme. Bei Beachtung einiger Grundsätze können diese oft vermieden oder beherrscht werden. Eine Gegenüberstellung zwischen enteraler und parenteraler Ernährung bietet die folgende Tabelle 3.1: Tab. 3.1: Gegenüberstellung enterale und parenterale Ernährung. Komplikation

Zugangsweg

metabolisch

gastrointestinal

enteral

Sonde, PEG

X

XX Erbrechen, Durchfall

parenteral

Cavakatheter

XXX



Probleme beim parenteralen Ernährungsaufbau und mögliche Lösung: –– Hyperglykämie → Dosisreduktion, evtl. Insulinzufuhr kontinuierlich bis max. 4  IE/h –– Hypertriglyceridämie → Dosisreduktion, evtl. fettfreie Ernährung –– Elektrolytverschiebung → bedarfsgerechte Zufuhr –– Refeedingsyndrom → Phosphat vorher bestimmen –– Lactatacidose durch Thiaminmangel (z. B. Alkoholiker) → Vit B1 – Zufuhr (Vit B1 Amp. 50 mg/ml) –– Hypophosphatämie (zu Beginn vermehrter Bedarf) → Phosphatzufuhr Probleme beim enteralen Kostaufbau: Diarrhoe/Erbrechen → Ursachen können sein: –– Nahrung zu kalt –– Nahrungsmenge zu schnell eingegeben –– Medikamente z. B. Antibiotika –– Sondenlage nicht korrekt bzw. Dislokation –– schneller Kostaufbau –– falsche Sondennahrung

22 

 3 Stufenschema der Ernährungstherapie

Ziel ist die Ursachen zu beseitigen und nicht die Beendigung der Ernährungstherapie! Meist hilft es, in der Therapie wieder einen Schritt zurückzugehen.

3.7 Beendigung der Ernährungstherapie Ist die Indikation zur Ernährungstherapie gegeben, soll diese erst wieder beendet werden, wenn der Patient sich ausreichend selber ernähren kann, das heißt, 75–100 % seines Bedarfs selbst wieder zu sich nehmen kann und auch behält. Aber auch ethische Gründe können für eine Beendigung der Ernährungstherapie sprechen. Zu bedenken ist vor allem, dass die Ernährungstherapie gerade im palliativen Bereich weniger die Lebenserwartung verlängert, aber oft die Lebensqualität entscheidend verbessert [9–11].

3.8 Zusammenfassung –– Ernährungstherapie ist ein sinnvoller Bestandteil der operativen Disziplin. –– Oft zu später Beginn in der wertvolle Zeit verloren wird. –– Bilanzierung, da oft eine zu geringe Zufuhr von Nährstoffen und Energie. –– Kombinationen enteral und parenteral nutzen. –– Gespräche und ein Patienteninformationsblatt können die Therapie positiv unterstützen.

3.9 Literatur [1] Löser C. Unter- und Mangelernährung im Krankenhaus. Dtsch Ärztebl 2010; 107(51/52): 911–917. [2] H. K. Biesalski: Ernährungsmedizin. Thieme, 2010, ISBN 978-3-13-154384-4. [3] Allingstrup MJ, Esmailzadeh N, Wilkens Knudsen A et al. Provision of protein and energy in relation to measured requirements in intensive care patients. Clin Nutr. 2012 Aug; 31(4): 462–8. Epub 2011 Dec 29. [4] Weijs PJ, Stapel SN, de Groot SD et al. Optimal protein and energy nutrition decreases mortality in mechanically ventilated, critically ill patients: a prospective observational cohort study. JPEN J Parenter Enteral Nutr. 2012 Jan; 36(1):60–8. Epub 2011 Dec 13. [5] Löser C. Trinknahrung, Zusatznahrung, Supplemente, S. 109–121. In: Löser C (Hg) Unter und Mangelernährung: Klinik moderne Therapiestrategien Budgetrelevanz. Thieme, Stuttgart, 1. Aufl 2011. [6] Norman K et al. (2011) Cost-effectiveness of a 3-month intervention with oral nutritional supplements in disease-related malnutrition: a randomised controlled pilot study. Eur J Clin Nutr 65(6): 735–742.

3.9 Literatur 

 23

[7] Weimann A, Schütz T, Lipp T et al. (2012) Supportiver Einsatz von Trinknahrung in der ambulanten Versorgung erwachsener Patienten – ein Algorithmus. Aktuel Ernaehrungsmed 37: 282–286. [8] Cepton Strategies (Hg): Mangelernährung in Deutschland, München 2007. [9] Löser C, Aschl G, Hébuterne X et al. (2005) ESPEN Guidelines on artificial enteral nutrition – Percutaneous endoscopic gastrostomy (PEG). Clin Nutr 24: 848–861. [10] Löser C, Fölsch UR (1996) Guidelines of the German Assoiciation of Gastroenterology (DGVS) Percutaneous endoscopic gastrostomy (PEG). Z Gastroenterol 34: 637–641. [11] Löser C (2011) Ernährung am Lebensende – Palliativmedizin, das „PEG-Dilemma“. In: Löser C (Hrsg) Unter- und Mangelernährung – Klinik – moderne Therapiestrategien – Budgetrelevanz. Thieme, Stuttgart, S. 341–355. [12] Aktuel Ernährungsmed 2013; 38; 399–416 Chirurg 2014; 85: 320–326. [13] Michaela Brandstätter: Parenterale Ernährung: Indikationen, Techniken, Organisation. Elsevier, 1. Aufl. München 2002, ISBN 3437267507. [14] Nutrition of critically ill patients in intensive care, Kreymann, K-G., de Heer, G., Felbinger, T., Kluge, S., Nierhaus, A., Suchner, U. & Meier, R. F. 2007 in: INTERNIST. 48, 10, S. 1084–1092 10.

Raphael Gukasjan

4 Applikationsarten im Rahmen der Ernährungstherapie 4.1 Enterale Zugangswege 4.1.1 Grundprinzipien Den Mittelpunkt jeder Ernährung stellen die individuelle Situation des Patienten, sein Bedarf und seine Möglichkeiten dar. Es müssen die metabolische und gastrale bzw. intestinale Toleranz des Patienten beachtet werden. Es sollte die normale orale Ernährung beibehalten werden, soweit dies ohne Beeinträchtigung möglich ist. Sie besitzt im Vergleich zur künstlichen Ernährung wesentliche Vorteile. Sie hat eine hohe soziale Komponente, ist für den Menschen angenehm und kann im Krankheitsfall, zum Beispiel bei Schluckstörungen, therapeutischen Wert haben. Bei noch erhaltener Fähigkeit zum Essen sollte diese, wenn möglich, genutzt werden [16, 32, 36]. Wesentliche Nachteile der oralen Ernährung sind besonders bei Patienten mit Schluckstörungen zugleich die Gründe, welche die Indikation für eine Sondenernährung darstellen. Insbesondere die Aspirationsgefahr, die körperliche Ermüdung und die hypokalorische Substratzufuhr selbst bei Zuführung von Supplementen sind hier zu nennen [21, 28, 32]. In den heutigen Tagen stehen verschiedenste Verfahren der Ernährungs- und Sondentechnik zur Verfügung. Sie unterscheiden sich zum Teil wesentlich in der Applikationsweise und der Zufuhr an Substraten [6, 17, 32]. Grundsätzlich muss zwischen dem Zugangsweg durch präformierte Stomata (z. B. Nase oder Mund) und den percutan eingebrachten Sonden unterschieden werden. Es werden die Sonden nach ihrer Eintrittspforte bezeichnet (nasal, oral, gastral, jejunal, duodenal, siehe Abb. 4.1).

Bei der gastralen Sondenanlage wird der gesamte Intestinaltrakt genutzt. Diese Form entspricht am Ehesten der physiologischen Ernährung. Bei der duodenalen und jejunalen Sonde wird der Magen ausgespart. Seine Funktion als Reservoir wird ausgelassen. Diese Zugangswege sind besonders dann sinnvoll, wenn am gastro-intestinalem Übergang die Koordination der Peristaltik gestört ist. Eine solche Situation findet sich häufig postoperativ nach Resektionen, bei neurochirurgischen Patienten und bei Magenentleerungsstörungen bei diabetischer Gastroparese. Zudem kann auf diese Weise das Aspirationsrisiko deutlich reduziert werden [6, 22]. Durch die verschiedenen Techniken und mit Hilfe medikamentöser Unterstützung ist es heutzutage möglich, beinahe alle Patienten enteral zu ernähren [14, 21].

DOI 10.1515/9783110517750-008

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 4 Applikationsarten im Rahmen der Ernährungstherapie

nasal

PEG

duodenal

jejunal Abb. 4.1: Sonden nach ihrer Eintrittspforte.

4.1.2 Nasale Sonden 4.1.2.1 Nasogastrale Sonden Transnasale Sonden werden genutzt, wenn die Sondenernährung nur für kurze Zeit, also weniger als 4 Wochen, notwendig wird oder wenn die Dauer der künstlichen Ernährung nicht sicher abgeschätzt werden kann. Hier soll die Entscheidung über eine definitive Versorgung noch aufgeschoben werden, z. B. bei Patienten mit erlittenem Schlaganfall und bestehender Dysphagie. In bestimmten Situationen kann eine Sonde kurzfristig Komplikationen verhindern oder Beschwerden lindern, z. B. als Aspirationsprophylaxe im Rahmen einer Narkose, bei postoperativer Atonie, bei funktionellem bzw. mechanischem Ileus oder bei Symptomen wie Distension oder rezidivierendem Erbrechen. Auch für medizinische Untersuchungen kann das Legen einer Sonde ebenfalls nötig sein, beispielsweise beim Monitoring einer gastrointestinalen Blutung, zur Sekretaspiration, für pH-Messungen oder zur Ösophagus-Manometrie. Die Anwendungsbreite hat in den letzten Jahren immer weiter zugenommen. Es steht eine Vielzahl an verschiedenen Sondengrößen zur Verfügung. Mit 6 bis 15 Charrière Durchmesser und Längen von 40 cm bis 130 cm sind Sonden für Kinder und Erwachsene erhältlich. PVC-Sonden sind kaum noch in Verwendung, es werden Materialen wie Polyurethan oder Silikonkautschuk genutzt, da diese eine hohe Biokompatibilität, eine bessere Verträglichkeit und eine gute Langzeitstabilität aufweisen. Somit sind sie auch für den Einsatz bei transcutanen Verfahren geeignet [16, 24, 28].



4.1 Enterale Zugangswege 

 27

Die Anlage einer Ernährungssonde ist aufklärungspflichtig. Der Patient bzw. die Angehörigen sollten über die Maßnahme und deren Notwendigkeit aufgeklärt werden. So wird auch eine optimale Kooperation erreicht.

Die Wahl der Sonde sollte sich nach den Wünschen des Arztes wie auch des Patienten richten. Eine entsprechend dünne Sonde erhöht den Patientenkomfort, zugleich kann ein zu dünnes Lumen die Applikation von Nahrung oder Medikamenten erschweren und zu häufigen Verschlüssen führen. Dadurch werden Neuanlagen mit entsprechenden Risiken notwendig (Fehllage, Erbrechen und Aspiration, Verletzungen) [12, 20, 36]. Im Normalfall werden für Kinder Durchmesser von 8 Charrière, bei Erwachsenen 15 Charrière gewählt. Die Länge sollte 50 bis 60 cm bzw. 100 bis 120 cm für Kinder bzw. Erwachsene betragen. Zur Anlage einer Sonde sollte der Patient sechs Stunden nüchtern bleiben! Die entsprechenden Hilfsmittel wie Gleitgel, Mandrin, Lokalanästhetika usw. müssen zur Hand sein. Nach erfolgter Anlage wird die korrekte Lage durch die Applikation von Luft mittels einer 20-ml-Spritze unter Auskultation verifiziert. Alternativ kann ein pH-Test erfolgen oder eine röntgenologische Lagekontrolle vorgenommen werden. Zur Wahl der richtigen Länge addiert man den Abstand vom Ohrläppchen bis zur Nasenspitze und von der Nasenspitze bis zur Magengrube. Somit vermeidet man, dass bei zu weitem Hineinschieben sich die Sonde aufrollt oder gar einen Knoten bildet.

Die wesentlichen Vorteile der nasogastralen Ernährungssonden sind die Möglichkeit der bettseitigen Anlage und die Einfachheit der Methode. Sie ist leicht, schnell erlernbar und nahezu überall verfügbar. Dennoch bestehen technikabhängige akute und chronische Risiken. Es kann zu Nasenblutungen und Verletzungen anatomischer Strukturen kommen, auch besteht die Gefahr einer durch Vagusreizung bedingten Bradycardie bis hin zur Asystolie. Sich wiederholende Dislokationen mit der Notwendigkeit der Neuanlage und entsprechende Läsionen limitieren im Langzeitverlauf der stationären Behandlung die Möglichkeiten dieser Behandlung. Weiterhin sind Schluckübungen im Sinne der Physiotherapie erschwert. Klinisch am bedeutsamsten ist wohl aber die Gefahr von Mikroaspirationen, welche lebensbedrohliche Infektionen hervorrufen können [6, 21, 24]. 4.1.2.2 Nasoenterale Sonden Die nasoduodenalen oder nasojejunalen Sonden dienen wie auch die zuvor beschriebenen Sonden der kurzfristigen enteralen Ernährung (weniger als 4 Wochen). Die früher verwendeten einlumigen Katheter haben mehrlumigen Systemen Platz gemacht. Der Vorteil besteht darin, eine enterale Ernährung bei gleichzeitiger gastraler Entlastung zu ermöglichen. Generell sind Patienten mit bestehender Gastroparese, akuter Pancreatitis oder benigner bzw. maligner Magenausgangsstenose geeig-

28 

 4 Applikationsarten im Rahmen der Ernährungstherapie

net. Auch für die frühe Einleitung einer Ernährungstherapie des Intensivpatienten stellt diese Form der Sondenanlage eine hervorragende Option dar [6, 28]. Die optimale Platzierung der Sonde bildet die Grundvoraussetzung für die Anwendung dieser Technik. Das distale Ende muss im Bereich hinter der Flexura duodeno-jejunalis zu liegen kommen. In Ausnahmefällen kann auch die Lage im distalen Duodenum ausreichend sein. Die Anlage erfolgt im Normalfall endoskopisch. Besonders bei den mehrlumigen Kathetern, zum Beispiel die Triluminasonde, helfen Farb- bzw. Zentimetermarkierungen bei der besseren Platzierung. Auch radiologische Kontrollen ermöglichen Aussagen über die korrekte Lage. Insbesondere die Endo­ skopie erlaubt eine Lagekontrolle, ob nun das ‚on-the-wire‘, das ‚beneath-the-scope‘ oder ‚through-the-scope‘ Verfahren Verwendung findet. Beim ‚on-the-wire‘-Verfahren wird ähnlich der Seldigertechnik ein Draht vorgelegt, über welchen dann die Sonde eingebracht wird. Bei ‚beneath-the-scope‘ wir eine Zange genutzt, die Sonde weit ins Intestinum vorzuschieben, dies bedarf aber einiger Übung und Fertigkeiten im Umgang mit dem Endoskop. Die einfachste Methode ist through-the-scope. Über das liegende Endoskop wird die Sonde durch den Arbeitskanal vorgeschoben und dann dort belassen. Der Nachteil besteht darin, dass die Größe der Sonde durch den Arbeitskanal limitiert ist. Normalerweise sind nur einlumige Ernährungssonden möglich. Zu bedenken ist nochmals, dass mit sinkendem Durchmesser die Wahrscheinlichkeit für Okklusionen durch die Sondenkost oder Medikamente steigt. Auch eine intraoperative Anlage kann erfolgen, wenn bereits durch den Chirurgen der postoperative Kostaufbau als nicht wahrscheinlich erscheint. Hier wird durch digitale Führung durch den Operateur die Sonde korrekt platziert. Alternativ gibt es Sonden, die durch ihre Konstruktion so beschaffen sind, dass sie sich mittels der Darmmotilität von selbst in den postpylorischen Darmanteil transportieren [6, 23, 28]. Entscheidend für die sichere klinische Anwendung der verschiedenen Methoden ist die Erfahrung und Übung der einzelnen Maßnahmen!

4.1.3 Transcutane Methoden 4.1.3.1 Percutane endoskopische Gastrostomie (PEG) Wenn absehbar über einen längeren Zeitraum künstlich ernährt werden muss oder permanent ein oraler Kostaufbau nicht möglich ist, sollten transcutane Ernährungssonden zum Einsatz kommen. Als zeitliche Grenze werden hier 2 bis 4 Wochen angegeben. Die ersten PEG-Anlagen erfolgten im Jahre 1980. Seit dieser Zeit hat sich dieses Verfahren weltweit durchgesetzt. Die leichte Handhabung und recht einfache und sichere Platzierung der Sonde ließ sich das Verfahren schnell verbreiten. Mit dieser Ernährungsform sind aber medizinische, physiologische, ethische, pflegerische und recht-



4.1 Enterale Zugangswege 

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liche Fragestellungen verbunden, auf die es zum Teil keine einfachen Antworten gibt. Immer wieder kommt es daher zu kontroversen Diskussionen. In den letzten Jahren hat diese Ernährungsform, gerade auch bei älteren Menschen, an Bedeutung gewonnen und wird nicht zuletzt aufgrund des demografischen Wandels weiter zunehmen. Die Angaben zur Häufigkeit von PEG-Sonden schwanken von 100.000 bis 180.000  Anlagen pro Jahr. Überwiegend geht man derzeit von etwa 140.000 PEGAnlagen pro Jahr aus. Etwa 70  % der so Ernährten sind Heimbewohner. Vor der Anlage einer PEG muss kritisch der individuelle Nutzen für den einzelnen Patienten unter Berücksichtigung der Grunderkrankung, des klinischen Verlaufs, der Prognose, ethischer Überzeugungen und einer Abschätzung der zu erwartenden Lebensqualität unter Wahrung der Autonomie des Patienten hinterfragt werden. Das Legen einer PEG bedarf einer klaren medizinischen Indikationsstellung. Die PEG ist keine Terminalmaßnahme bei Patienten mit infauster Prognose. Eine pflegerische Indikation zur Anlage sowie zur Beibehaltung einer PEG gibt es nicht [17, 20, 28, 36]. Untersuchungen haben gezeigt, dass circa die Hälfte der „Sondenträger“ länger als 18 Monate mittels einer PEG-Sonde versorgt werden [7, 12]. Die Indikation für eine PEG-Anlage besteht bei neurologischen, neurochirurgischen und geriatrischen Patienten, zum Beispiel bei stattgehabtem Schlaganfall und nach ausgeprägter intracerebraler Blutung. Aber auch bei Patienten mit Schluckstörungen durch Tumore im Kopfbereich, bei Zustand nach Radiatio oder Kindern mit Dystrophie hat sich diese Technik der enteralen Ernährung bewehrt. Kontraindikationen für die Anlage eine PEG können zum Beispiel ein aktives Ulkus, ein akutes Abdomen, eine akute Pancreatitis oder auch eine deutlich eingeschränkte Lebenserwartung sein. Wohl aber ungenügende Endoskopiebedingungen, schwere Gerinnungsstörungen oder eine Magenausgangsstenose stellen absolute Kontraindikationen für die Anlage einer PEG dar. Wichtig ist eine gute Anamnese vor der geplanten Anlage, da manche Operationen oder anatomische Gegebenheiten die Punktion erschweren oder gar unmöglich machen können. Akute Infektionen bzw. laufende oder kurz zurückliegende Chemotherapien sollten für einen Aufschub der PEG-Anlage sorgen. Ist eine dringliche Anlage notwendig sollte eine periinterventionelle Antibiotikatherapie angesetzt oder eine laufende Antibiotikagabe fortgesetzt werden. Schwierig ist die Entscheidung bei Patienten mit ventrikulo-peritonealem Shunt oder Peritonealdialysekathetern. Für beide Situationen sind erfolgreiche Verläufe beschrieben, diese sollten aber Zentren vorbehalten bleiben. Die Vorbereitung und Anlage sollte standardisiert erfolgen. Eine Aufklärung des Patienten bzw. seines gesetzlichen Betreuers ist unabdingbar. Am Tag der Operation muss eine Nüchternheit von sechs Stunden eingehalten werden, bei Magenentleerungsstörungen sogar 24 Stunden, um eine mögliche Aspiration zu verhindern. Ein venöser Zugang sollte für eine Analgosedierung etabliert werden. Die Anlage erfolgt unter chirurgischen Bedingungen entweder in der Endoskopieabteilung oder auf der Intensivstation. Nach sterilem Abwaschen wird das Endo-

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 4 Applikationsarten im Rahmen der Ernährungstherapie

skop eingeführt. Sind Erkrankungen wie eine Ausgangsstenose oder ein relevantes Ulcus ausgeschlossen, kann nach Insufflation von Luft mittels Diaphanoskopie die Punktionsstelle festgelegt werden. Zunächst erfolgt die ausgiebige Lokalanästhesie, dann wird eine Punktionsnadel transcutan bis in den Magen vorgeschoben. Auf diese Weise kann die Länge und die Richtung des Kanals abgeschätzt werden. Nach einer Stichinzision und Einführung der Punktionsnadel verbleibt nach Rückzug dieser die gastrale Hülse. Mittels eines Zugfadens wird sie nach oral gezogen und dort die PEGSonde befestigt. Nun wird anterograd die PEG angezogen bis die Halteplatte an der Vorderwand zu liegen kommt. Zum Schluss wird die äußere Halteplatte angebracht und ein Verband angelegt. Man spricht vom Durchzugverfahren. Die Komplikationsraten werden je nach Schwere zwischen 8 bis 30 Prozent angegeben. Zumeist handelt es sich um leichte Komplikationen wie zu behandelnde Lokalinfektionen oder Wundschmerzen. Doch immer wieder kommt es zu schweren Problemen. Hierzu gehören transfusionspflichtige Blutungen, Perforationen, Fistelbildungen oder das Einwachsen der Halteplatte (burried bumper). Chronische Beschwerden sind oft Folge pflegerischer Fehler. Hier stehen Granulationen und Leckagen im Vordergrund. Angaben bezüglich der Inzidenzen fehlen hier [6, 17, 25]. 4.1.3.2 Percutane endoskopische Jejunalsonden/stomie Verfahren zur jejunalen Sondenanlage sind die Verlängerung einer liegenden PEG mittels Jejunalkatheters (JET-PEG) und die percutane endoskopische Jejunostomie. Indikationen sind zum Beispiel eine stattgehabte Magenresektion oder Probleme mit einer liegenden PEG. Klare Regeln gibt es hierzu bis dato noch nicht. Das häufigste Verfahren ist derzeit die JET-PEG. Es wird dabei eine Sonde unter endoskopischer Kontrolle durch die liegende PEG eingeführt. Für eine suffiziente Nutzung muss eine jejunale Platzierung gewährleistet sein, weshalb in der Regel solche Sonden radiologisch kontrolliert gelegt werden. Somit soll eine intragastrale Schlaufenbildung oder ein Zurückschlagen der Jejunalsonde vermieden werden. Ein Nachteil dieser Sonden ist ihr geringer Durchmesser, welche eine Okklusion häufiger macht. Entscheidend ist eine gute Pflege. Bei der Jejunostomie hingegen erfolgt die Anlage analog zur PEG im Durchzugverfahren. Die Kontraindikationen entsprechen hierbei weitestgehend denen der PEG, wobei bei unmöglicher Diaphanoskopie eine Anlage unterlassen werden muss. Nachteilig bei alleiniger jejunaler Lage kann die fehlende gastrale Dekompression sein [6, 23]. 4.1.3.3 Weitere Verfahren Andere noch genutzte sonografische oder radiologische Verfahren stellen Seltenheiten dar und werden deshalb hier nicht weiter ausgeführt. Chirurgische Verfahren stellen eine ultima ratio dar, wenn eine endoskopische Anlage nicht möglich ist.



4.1 Enterale Zugangswege 

 31

4.1.4 Zweitverfahren Bei Problemen mit den Erstverfahren, welche durch Reizung der Haut durch Verbände, Pflegemittel oder Interaktionen der Halteplatte entstehen, kann auf Zweitverfahren gewechselt werden. Hierzu zählen Pigtail- und Ballonsonden sowie die Button-Systeme. Erstere weisen den Nachteil der eingeschränkten Haltbarkeit und des logistischen Aufwandes auf. Circa 10 bis 20 % der Patienten profitieren von den Button-Systemen. Sie bieten eine erhöhte Mobilität und kosmetische Vorteile. Wichtig aber ist, dass eine entsprechende Compliance vorliegt. In Entwicklung sind derzeit one-step-Button-Systeme, die eine vorhergehende PEG-Anlage aussparen [17].

4.1.5 Applikationsformen 4.1.5.1 Per Schwerkraft Bei Schwerkraftsystemen wird die Flussrate über eine Rollenklemme geregelt. Je nach Höhe des aufgehängten Behälters, seiner Füllmenge etc. kann sie sich jedoch über die Zeit ändern. Die exakte Steuerung ist daher kaum möglich. Die Applikation per Schwerkraft ist für stoffwechselstabile Personen mit intaktem Verdauungssystem geeignet. 4.1.5.2 Per Ernährungspumpe Die Ernährungspumpe ermöglicht eine konstante Nahrungszufuhr über einen definierten Zeitraum. Sie eignet sich daher, wenn exakte Dosierung und größtmögliche Sicherheit erforderlich sind.

4.1.6 Wechsel von Überleitsystemen und Zubehör zur Flüssigkeitsapplikation Die Systeme zur Schwerkraft- und Pumpenapplikation von Flüssigkeit und Sondenkost müssen täglich gewechselt werden. Einmalspritzen zur Sondenkost- bzw. Flüssigkeitsgabe können bei Verwendung für einen Patienten und unter Anwendung von validierten Aufbereitungsverfahren 24 Stunden verwendet werden. Leerbeutel bzw. Leerflaschen können auch länger als 24 Stunden verwendet werden.

4.1.7 Verbandswechsel und Komplikationen Die DGEM empfiehlt Sondeneintrittsstellen regelmäßig und sorgfältig zu beobachten. Sie sollten wie eine Wunde behandelt und die ersten 5 bis 7 Tage unter aseptischen

32 

 4 Applikationsarten im Rahmen der Ernährungstherapie

Tab. 4.1: Komplikationen und Vorgehen. Komplikation/Problem

Mögliche Ursachen

Vorgehen

Pumpe fördert nicht

Akku leer? Strom? Sondensystem falsch eingelegt? Sondenokklusion? Pumpe defekt?

Überprüfung Akku, Kabel, System… Sonde durchspülen Pumpe tauschen

Sonde nicht durchgängig

Abgeknickt? Disloziert? Klemme verschlossen? Sonde verstopft

Rücksprache Arzt Spülen mit NaCl 0.9 %, evtl. Vit-C-Lsg

Diarrhoe

Unverträglichkeit der Sonde? Fehlen von Ballaststoffen? Zu hohe Flussrate? Kontamination der Sonde? Temperatur der Sonde? Medikamentennebenwirkung Natriummangel? Enteritis? Funktion. Störungen? Chemotherapie? Zottenatrophie? Kurzdarmsyndrom?

Sondennahrung umstellen? Einsatz löslicher Ballaststoffe? Flussrate reduzieren? Hygenieregime prüfen Temperatur anpassen Medikamente absetzen Substitution Mikrobiologische Diagnostik Loperamid? Enteralen Kostaufbau anpassen Ernährungs-„Weaning“

Obstipation

Opiate? Negativbilanz? Fehlen von Ballaststoffen Stenose?

Laxantien Volumengabe Sondenumstellung Diagnostik

Emesis

Fehllage? Passagestörung? Magenentleerungsstörung? Medikamentennebenwirkung? zentrales Erbrechen? Unverträglichkeit? zu hohe Flussrate?

Röntgenkontrolle, Endoskopie KM-Abfluss… Prokinetika Absetzen der Medikamente Antiemetika Umstellung der Sonde Flussrate anpassen

Reflux/Aspiration

Unverträglichkeit? Passagestörung? Magen-Darm-Atonie? Darmversagen? Funktionelle Störung?

Stopp der Sonde, Umstellung Absaugen Flussrate anpassen Prokinetika Parenterale Ernährung? Jejunale Sonde?

Bedingungen verbunden werden. Bei abgeheilter Wunde und reizlosen Verhältnissen kann der Verbandswechsel zweimal wöchentlich erfolgen oder im Einzelfall kann ganz auf einen Verband verzichtet werden [16]. Eine Reihe pflegerischer und medizinischer Komplikationen können bei der künstlichen Ernährung via Sonden auftreten. Es entspricht, auch wenn versucht wird, die Physiologie nachzuempfinden, eben



4.2 Parenterale Zugangswege 

 33

nicht dem natürlichen Ablauf. Eine Zusammenfassung der häufigsten Probleme und deren Lösungsvorschläge gibt Tabelle 4.1 wieder. Kernaussagen –– Alle Ernährungssonden sind invasive Maßnahmen und bedürfen einer Aufklärung. –– Die Indikation für die Anlage, aber auch für das Verbleiben der Sonden muss klar formuliert sein. –– In der Kurzzeitanwendung erhält die nasogastrale Sonde den Vorzug. Bei Langzeitbehandlungen ist die PEG das Verfahren der Wahl. –– Andere Verfahren bleiben speziellen Indikationen vorbehalten. –– Entscheidend für die sichere klinische Anwendung der verschiedenen Methoden ist die Erfahrung und Übung der einzelnen Maßnahmen!

4.2 Parenterale Zugangswege 4.2.1 Grundprinzipien Bei der parenteralen Ernährung (PE) erhält der Patient zur Erhaltung oder Verbesserung des Ernährungszustands Nährstoffe unter Umgehung der Darmpassage [31]. Dies kann intravenös (Abb. 4.2), subcutan, intramuskulär und intraossär geschehen. Dank der Fortschritte kann ein Mensch heute über Jahre komplett parenteral ernährt

ZVK

Port

PICC

Peripher

Abb. 4.2: Applikationswege.

34 

 4 Applikationsarten im Rahmen der Ernährungstherapie

werden. Die Versorgung ist nicht nur auf das Krankenhaus beschränkt, sondern heute auch in der häuslichen Pflege möglich und notwendig. Erstmalig im klinischen Kontext wurde die PE im Jahr 1969 durch Shils [33] erwähnt und dann stetig weiterentwickelt. Die Art des Zugangs muss der Anatomie, erwarteten Dauer der PE, Aktivität, Compliance und Fähigkeit zur Pflege des Zuganges angepasst werden. Auch die Venenverträglichkeit ist zu berücksichtigen. Sie ist abhängig von der Osmolarität, dem pH-Wert und der chemischen Zusammensetzung der Lösung sowie von der Infusionsgeschwindigkeit und -dauer. Mögliche Indikationen für eine PE sind mannigfaltig, zum Beispiel gastrointestinale Blutungen oder Perforationen, Magen- oder Darmresektion, Ileus, schwere Formen entzündlicher Darmerkrankungen sowie unstillbares Erbrechen und anhaltende schwere Diarrhö. Es bestehen aber auch Kontraindikationen wie ein funktionsfähiger GI-Trakt, Substratverwertungsstörungen und Stoffwechselentgleisungen, zum Beispiel im Rahmen eines Schocks. Zudem dürfen ethische Aspekte und die Ablehnung durch den Patienten nicht vergessen werden. Der Zugang kann zudem für Chemo- und Schmerztherapie oder Diagnostik genutzt werden.

4.2.2 Periphervenöse Zugänge Für jeden Patienten muss die Ernährungstherapie individuell ausgewählt werden. Dabei ist zu berücksichtigen, wie lange die PE voraussichtlich erfolgen wird und welcher Zugangsweg möglich ist. Eine kurzfristige Ernährung bis zu sieben Tage erfolgt in der Regel über einen periphervenösen Zugang. Sie dient zumeist der supportiven Ernährung oder ist zur Überbrückung gedacht, wenn der Patient oral oder enteral nicht genügend aufnehmen kann. Periphere Venenverweilkanülen werden entweder auf dem Handrücken oder in eine Vene des Unterarms gelegt. Sie verbleiben nur so lange wie nötig, wenn keine Entzündungszeichen auftreten. Dieser Zugang ist relativ komplikationsarm, allerdings muss die Osmolarität beachtet werden. Bei Lösungen mit einer Osmolarität von mehr als 800 bis 900 mosm/l kommt es zu Gefäßirritationen.

4.2.3 Zentralvenöse Zugänge Für eine längere Ernährung, also mehr als sieben Tage, muss ein zentralvenöser Katheter gelegt werden. Die Indikation ist streng zu stellen. Sie haben höhere Komplikationsraten. Je nach geplanter Dauer der Ernährung werden Kathetertyp und -position sowie die Anlagetechnik gewählt. Die V. subclavia und V. jugularis interna repräsentieren die häufigsten zentralvenösen Zugangswege für temporäre als auch permanente Systeme. Ein besonders sicherer zentralvenöser Zugang wird durch eine



4.2 Parenterale Zugangswege 

 35

ultraschallgestützte Punktion gewährleistet [5, 15, 29]. Bei der Anlage zeigt die Kombination einer sonografischen und periinterventionell radiologischen Lagekontrolle die besten Ergebnisse [30, 34]. Zur peripheren Anlage eignen sich die Venae basilicae, brachiales, cephalicae, cubitales und axillares. Sie sind oft gut sichtbar und können leicht perkutan punktiert werden. Zudem sind in unmittelbarer Umgebung keine wichtigen Strukturen. Anatomisch sollte die rechte Vena basilica bevorzugt werden, doch sind die meisten Menschen Rechtshänder, was den Komfort reduziert. Im Notfall hat sich die V. femoralis bewährt, doch wegen der erhöhten Komplikationsrate und Infektionsgefahr sollte sie nur kurz belassen werden [10]. Es lassen sich zunächst permanente von temporären Systemen unterscheiden. Bis circa drei Wochen eignen sich perkutan durch Seldinger-Technik eingelegte Katheter, wie der klassische ZVK oder der Shaldon. Für die langfristige oder lebenslange Ernährung werden subkutan tunnelierte oder implantierte Dauerkatheter genutzt. Diese eignen sich insbesondere im häuslichen Umfeld. Die tunnelierten Dauerkatheter, wie der Hickman- oder Broviac-Katheter, bestehen aus Silikon und sind mit einem Dacron-Cuff versehen, welcher subkutan einwächst und das Eindringen von Bakterien an der Austrittsstelle reduziert [1]. Auch sie können eine Beschichtung aufweisen. Eine Sonderform stellt der Demers-Katheter dar. Hierbei handelt es sich um einen ein- oder zweilumigen Katheter, welcher zur temporären oder permanenten Dialysebehandlung verwendet wird. Peripherally inserted central catheter (PICC) werden aufgrund der einfachen Platzierung, des hohen Patientenkomforts und einer vermeintlich erhöhten Sicherheit immer häufiger eingesetzt. Ein PICC kann über einen peripheren Zugang in der Armbeuge implantiert werden. Die Anlage ist schnell, kostengünstig und leicht erlernbar. In den USA wird dies häufig durch „nicht-ärztliches“ Personal durchgeführt. Der PICC wird mittels spezieller Klebe- bzw. Stabilisierungsplatte fixiert (StatLock), was sicher und nahtlos möglich ist. Probleme dieses Verfahrens bestehen in der Veränderung der Katheterspitze bei Armbewegungen um mehrere cm, was Dislokationen und Verletzungen begünstigt [4, 5, 19, 27]. Das Thromboserisiko ist jedoch doppelt so hoch wie bei konventionellen ZVKs [9]. Zudem besteht ein deutlich erhöhtes Infektionsrisiko [26]. Portsysteme sind implantierbare venöse Silikon- oder Polyurethankatheter. Sie besitzen eine Reservoirkammer aus Titan, Kunststoff oder Keramik, die subkutan auf einer Muskelfaszie fixiert wird. Sie sind transkutan zur Punktion tastbar. Die Portkammer besitzt an ihrer Vorderseite eine Membran über die sie punktiert werden kann. Diese Silikonmembran ist maximal verdichtet und etwa halb so dick wie die gesamte Portkammer. Die Punktion der Silikonmembran erfolgt mittels spezieller Huber-Nadeln. Dies sind nicht stanzende Nadeln, was ein sehr häufiges Punktieren, circa 1500 Mal, ohne Beschädigung des Septums möglich macht.

36 

 4 Applikationsarten im Rahmen der Ernährungstherapie

4.2.4 Komplikationen Periphere Venenverweilkanülen sind mit einem erhöhten Risiko für Septitiden assoziiert [13]. Aber auch auf Grund der Lebensqualität wird zentralvenösen Zugängen der Vorzug gegeben [11]. Bei mehr als 2/3 der Fälle kommen zentralvenöse Katheter zum Einsatz [2], die Zahl der Portsysteme steigt dabei an. Bereits 2003 bekamen circa 25 % der Patienten zur PE einen Port implantiert [35]. Dies ist aber mit regelmäßigem Portnadelwechsel verbunden [3]. Empfohlen wird dieser täglich, was aber in der Praxis einmal pro Woche geschieht. Zudem muss zur Thrombose- und Infektionsprophylaxe der Port suffizient geblockt werden. Neben Komplikationen bei zentralen Zugängen aufgrund von Infektionen, Sepsis und Thrombose, können auch anlage- und materialbedingte Probleme auftreten. Hierbei handelt es sich um Blutungen, Pneumothoraces, arterielle oder venöse Fehllagen bzw. Katheterbruch, Abknickungen oder Abrisse. Die Komplikationsrate hängt vom Kathetermaterial und -design sowie mechanischen Eigenschaften ab. Raue Oberflächen begünstigen ein Anheften von Mikroorganismen, beschichtete oder glatte Oberflächen, wie Silikon und Polyurethan, reduzieren dies. Das Lumen sollte minimal, die Vene so großlumig wie möglich sein, somit wird ein Kontakt reduziert. Antibiotika- oder silberbeschichtete Katheter sollten nur bei spezieller Indikation zum Einsatz kommen. Wichtig sind eine optimale Katheterpflege und minimale Manipulationen. Ein mehrlumiger Katheter ermöglicht die getrennte Zufuhr der Ernährungslösung von anderen Pharmaka, was Interaktionen und somit Okklusionen reduziert. Dafür steigt mit zunehmendem Durchmesser das Risiko für Thrombosierungen. Bei etwa einem Viertel treten in der Häuslichkeit Katheterkomplikationen auf, circa die Hälfte entfällt auf Infektionen. Dennoch bedeuten die häusliche Umgebung und der Alltag eine enorme Steigerung der Lebensqualität. Die Industrie hat auf die Bedürfnisse dieser Patienten reagiert und mobile leichte Pumpen- und Überleitsysteme entwickelt. Daheim, im Krankenhaus und in der Pflege ist neben der EE die PE heute ein fester Therapiebestandteil. Sie sind keine Konkurrenten, sondern ergänzen sich sinnvoll.

4.2.5 Therapie von Katheterkomplikationen Therapieoptionen müssen für den Patienten individuell geprüft werden. Bei einer Okklusion sollte zunächst die Spülung mit isotonischer Kochsalzlösung unter leichtem Druck versucht werden. Bei Verdacht auf einen Thrombus kann mit Urokinase gespült werden. Als ultima ratio bleibt nur ein Katheterwechsel. Thrombosen sind aber kein zwingender Grund für die Explantation, solange der Katheter funktioniert. Zwingende operative Indikationen sind Katheterabknickungen, Kammerkippung, arterielle und venöse Fehllagen, Katheterbruch, Infektionen mit positivem Keimnachweis bzw. Abszess [18]. Die Okklusion darf nie mithilfe eines Führungsdrahts

4.3 Literatur 

 37

behoben werden, da es zur Beschädigung des Katheters, von Gewebe oder sogar zum Ablösen eines Thrombus kommen kann. Keine evidenzbasierten Daten liegen zum oft routinemäßig durchgeführten Vancomycin-, Taurolidin- oder Citrat-Block vor. Wichtig ist die Katheterpflege! Geschultes Personal und entsprechende Hygiene, Standards, Dokumentation und ein Portpflege-Pass verbessern das Langzeitergebnis. Tab. 4.2: Vergleich der verschiedenen Zugangswege. Periphervenös

ZVK

PICC

tunnelierter ZVK

Port

10–15 % innerhalb von 6 Monaten, –– ein BMI < 18,5 % kg/m2, –– der „Subjective Global Assessment“ (SGA) – Grad C oder NRS > 3, –– das Serumalbumin < 30 g/l (Leber- und Nierenstörung ausgeschlossen), liegt ein schweres „metabolisches Risiko“ vor [36–40]. Die orale Nahrungsauf­nahme muss streng beobachtet sowie Gewicht und BMI ständig kontrolliert wer­den. Meist reicht bei Tumorpatienten die orale Nahrungsaufnahme zur Stabilisierung des Stoffwechsels nicht aus. Hier muss die künstliche Ernährung in Betracht gezogen

50 

 5 Mangelernährung

werden. Die künstliche Ernährung ist auch notwendig bei Patienten, die keine krank­ heitsbedingte Mangelernährung haben, bei denen jedoch voraussehbar ist, dass sie nach einer Operation längere Zeit keine orale Nahrung zu sich nehmen können. Die Ernährungstherapie sollte immer frühzeitig beginnen, nicht erst nach Feststellung einer Mangelernährung. Zum Einsatz kommt diese v. a. bei –– Risikopatienten, –– großen Operationen, –– großen Tumorresektionen und –– schweren Komplikationen nach erfolgter Operation bzw. Behandlung –– trotz guter Fürsorge. Der Gewichtsverlust bei Tumorpati­enten ist kein neues Phänomen (Tab. 5.1). Studien und Arbeiten von Dewys, Ballmer et al., Arends haben dies nachgewiesen [29–31]. Bereits nach Diagnosestellung hat die Mehrzahl der Patienten eine signifikante Gewichtsabnahme. Alle Tumorpatienten sind der Gefahr einer Tumorkachexie ausgesetzt. Tab. 5.1: Onkologische Diagnose im Verhältnis zum durchschnittlichen Gewichtsverlust/Prognose [29–31]. Tumorentität

Gewichtsverlust (% Pat.) vor Diagnosestellung

Mamma-Ca

36 %

Colon-Ca

54 %

Bronchial-Ca

61 %

Ösophagus-Ca

9 %

Pankreas-Ca

83 %

Magen-Ca

85 %

Diese ist manifest gegeben, wenn der Gewichtsverlust bei der Erkrankung mindes­tens 5 % in bis zu zwölf Monaten beträgt oder bei Krebspatienten zwischen drei und sechs Monaten nachgewiesen wird und drei der aufgeführten Kriterien zutreffen: –– verminderte Muskelkraft, –– Fatigue, –– Anorexie, –– niedrige fettfreie Körpermasse, –– abnormale Laborparameter: erhöhte inflammatorische Marker: –– CRP > 5 mg/dl, –– IL-6 < 4 pg/ml, –– Anämie (Hb < 12 g/dl), –– Serumalbumin (< 3,2 g/dl).

5.6 Zusammenfassung 

 51

–– Ein BMI unter 20 kg/m2 weist ebenso auf eine Kachexie hin, falls kein Gewichtsverlust gemessen wird. Wird eine erwartete oder diagnostizierte Mangelernährung festgestellt, muss umgehend ein Ernährungskonzept erstellt werden. Die Nahrung dient dem Erhalten oder Verbessern des Ernährungszustandes, der Lebensqualität des Patienten und des klinischen Outcomes. Die Form der Nahrungsgabe (oral, enteral, parenteral) ist den vorliegenden Bedingungen anzupassen. Besonders belastet sind Patienten, die dazu eine Chemotherapie oder andere belastende Therapien erhalten. Der Bedarf ist nicht gedeckt, wenn –– das Energiedefizit > 10 kcal/kg Körpergewicht ist, –– 500 kcal/Tag für ca. sieben Tage lediglich zugeführt wurden, –– eine Verschlechterung des Ernährungszustandes und ein Gewichtsverlust von 5–10 % vorhanden ist, –– die orale Aufnahme der Nahrung < 75 % des Bedarfs liegt (gering), –– die orale Aufnahme der Nahrung < 50 % des Bedarfs liegt (moderat), –– die orale Aufnahme der Nahrung < 25 % des Bedarfs liegt (stark) [41–44]. Bedarfsdeckende Ernährung regelt die Energie- und Nährstoffzufuhr. Dabei wird eine Optimierung für jeden Patienten ange­strebt und muss individuell unter Berücksichtigung der o. g. Parameter und Kriterien erstellt werden. Die DGEM hat ein Stufen­schema erstellt und gibt Empfehlungen für die Auswahl der nötigen ernährungs­medizinischen Maßnahmen [26]. Die orale Nahrungsaufnahme (mit Trinkzusatznahrung) steht an erster Stelle. Ist diese nicht möglich, muss sofort mit einer künstlichen Ernährung begonnen werden, unabhän­gig davon, ob der Patient stationär oder ambulant betreut wird. Tumorpatienten, welche keine Schluck- und Kauprobleme haben bzw. keine Verdauungsstörungen aufweisen, werden oral ernährt mit Zugabe von Trinknahrung. Mit einer parenteralen Zusatznahrung muss bei Verschlechterung des Zustandes und Gewichtsverlust begon­nen werden (Karzinomleiden). Die künstliche Ernährung wird solange angewendet, wie es der Verbesserung des Ernährungszu­standes und der Lebensqualität des Patienten dient.

5.6 Zusammenfassung Unter- und Mangelernährung ist ein Risikofaktor in den Krankenhäusern und Kliniken, der alle klinischen Faktoren beeinflusst, vor allem die Letalität, Morbidität, Verweildauer im Krankenhaus, die Komplikationen, den Therapierfolg und nicht zu unterschätzen die Lebensqualität des Patienten. Um angemessenen Therapieerfolg zu haben, ist die frühzeitige, gezielte Erfassung des Ernährungszustandes notwendig, um die leitliniengerechte Umsetzung der erarbeiteten Ernährungskonzepte anhand

52 

 5 Mangelernährung

des Stufentherapieschemas durchzusetzen. Einen Erfolg garantiert nur die konsequente Umsetzung der erstellten Ernährungskonzepte, die den Energie- und Proteinhaushalt des Patienten erhalten und verbessern. Die Evaluationsscores (z. B. NRS, SGA, MNA) sind eine gute Basis für die Erfassung einer Unter -und Mangelernährung. Bei Bedarf der Ernährungsbetreuung und -therapie gilt auch die Eskalation bis zur additiven parenteralen Ernährungstherapie. Auch die Kombination von enteraler und parenteraler Ernährungstherapie ist ein wichtiger Baustein der Ernährungskonzepte im klinischen Alltag. Dies setzt ein qualifiziertes Ernährungsteam voraus. Dieses Team ist für die Umsetzung der Leitlinien verantwortlich. Europaweite Studien und Metaanalysen bestätigen eindrucksvoll die Wichtigkeit einer medizinischen Ernährungsanalyse bei jedem aufgenommenen, stationär verbleibenden Patienten. Das, was mit der Ernährungsmedizin erreicht werden kann, bewirkt kein einziges Medikament. Zusammenfassung: Mangelernährung ist Oberbegriff für viele Krankheitsentitäten –– Mangelernährung führt zur Steigerung der Morbidität und Mortalität –– Komplikationsrate bei Mangelernährung erhöht –– Ernährungsteams an Klinik sollten etabliert werden –– Budgetrelevanz

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Carl Meißner

6 Referenzwerte der DACH Die D-A-CH-Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr unserer Patienten sind die Basis für die praktische Umsetzung einer vollwertigen und gesunden Ernährung. Diese benennen Mengen für die tägliche Zufuhr von Energie und Nährstoffen, welche von den Fachgesellschaften Deutschlands, Österreichs und der Schweiz gemeinsam für den deutschsprachigen Raum herausgegeben werden. Diese Referenzwerte beinhalten Empfehlungen, Schätz- und Richtwerte [1]. Eingeschlossen sind Wasser, Ballaststoffe und Alkohol. Mit dieser Zufuhr in Höhe der Referenzwerte werden unsere lebenswichtigen physischen und psychischen Funktionen sichergestellt bzw. reguliert. Somit solle Unter- und Überversorgung verhindert, Körperreserven geschaffen und ein Beitrag zur Prävention ernährungsbedingter Erkrankungen geleistet werden. Somit sind diese Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr eine unverzichtbare Grundlage für die Krankheitsprävention, speziell in der Ernährungsberatung. Die betreffenden Fachgesellschaften sind die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE), die Österreichische Gesellschaft für Ernährung (ÖGE) und die Schweizerische Gesellschaft für Ernährung (SSG/SSN). Die D-A-CH-Referenzwerte erschienen erstmals im Jahr 2000 und wurden seitdem mehrfach angepasst [2]. Die Tabellen mit den Referenzwerten sind nach für Kinder und Erwachsene nach Altersgruppen aufgeschlüsselt, ggf. mit unterschiedlichen Werten für Frauen und Männer sowie für Personen mit veränderten/besonderem Bedarf, z. B. Schwangere. Dem Maß körperlicher Aktivität entsprechend unterscheidet die DGE bei der Energiezufuhr zudem nach PAL-Werten (PAL: physical activity level, Maß für die körperliche Aktivität) [3]. Eine große Rolle spielen die D-A-CH-Referenzwerte bei der Gemeinschaftsverpflegung in Kantinen und Großküchen. Weitere internationale Organisationen geben ähnlich vergleichbare Richtlinien heraus, so die Weltgesundheitsorganisation (WHO), die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO), die Nordic Nutrition Recommendations (NNR), die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) und das Institute of Medicine (IOM: Recommended Daily Allowance). Zu den aktuell gültigen Referenzwerten finden Sie jeweils Übersichtstabellen, welche vorallem in der operativen Disziplin von Bedeutung sind. Weitere umfangreiche Erläuterungen inklusive der Ableitung der Referenzwerte sind publiziert in: –– Deutsche Gesellschaft für Ernährung, Österreichische Gesellschaft für Ernährung, Schweizerische Gesellschaft für Ernährungsforschung, Schweizerische Vereinigung für Ernährung (Hrsg.): Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr. Bonn, 2. Auflage, 1. Ausgabe (2015)

DOI 10.1515/9783110517750-010

56 

 6 Referenzwerte der DACH

Die im Vergleich zur vorherigen Auflage (1. Auflage, 5., korrigierter Nachdruck 2013) inhaltlich überarbeiteten Kapitel sind in einer tabellarischen Übersicht mit NEU gekennzeichnet.

6.1 Energie Richtwerte für die durchschnittliche Energiezufuhr bei Menschen unterschiedlichen Alters in Abhängigkeit vom Ruheenergieumsatz und der körperlichen Aktivität (PALWerte; PAL = physical activity level; Maß für die körperliche Aktivität). Bei Abweichungen vom Normbereich, insbesondere bei Übergewicht und bei geringer körperlicher Aktivität, sind individuelle Anpassungen der Richtwerte essentiell. Der wichtige Kontrollparameter ist das aktuelle Körpergewicht.

Richtwerte für die Energiezufuhr in kcal/Tag Alter

PAL-Wert 1,4

PAL-Wert 1,6

PAL-Wert 1,8

m

w

m

w

m

1 bis unter 4 Jahre

1200

1100

1300

1200





4 bis unter 7 Jahre

1400

1300

1600

1500

1800

1700

7 bis unter 10 Jahre

1700

1500

1900

1800

2100

2000

10 bis unter 13 Jahre

1900

1700

2200

2000

2400

2200

13 bis unter 15 Jahre

2300

1900

2600

2200

2900

2500

15 bis unter 19 Jahre

2600

2000

3000

2300

3400

2600

19 bis unter 25 Jahre

2400

1900

2800

2200

3100

2500

25 bis unter 51 Jahre

2300

1800

2700

2100

3000

2400

51 bis unter 65 Jahre

2200

1700

2500

2000

2800

2200

65 Jahre und älter

2100

1700

2500

1900

2800

2100

w

Kinder und Jugendliche

Erwachsene

Schwangere: Richtwerte für die zusätzliche Energiezufuhr für Schwangere im 2. Trimester +250 kcal/Tag und im 3. Trimester +500 kcal/Tag. Diese Angaben gelten nur bei Normalgewicht vor der Schwangerschaft, bei einer wünschenswerten Gewichtsentwicklung während der Schwangerschaft (Körpergewichtszunahme von 12 kg bis Ende der Schwangerschaft) und bei unverminderter körperlicher Aktivität. Stillende: Richtwert für die zusätzliche Energiezufuhr für Stillende bei ausschließlichem Stillen während der ersten 4 bis 6 Monate +500 kcal/Tag.



6.3 Kohlenhydrate, Ballaststoffe 

 57

6.2 Protein Alter

Protein g/kg Körpergewicht/Tag

g/Taga

m

m

w

w

Säuglinge 0 bis unter 1 Monat

2,7

14

14

1 bis unter 2 Monate

2,0

11

11

2 bis unter 4 Monate

1,5

8

8

4 bis unter 6 Monate

1,3

11

11

6 bis unter 12 Monate

1,1

9

9

Kinder 1 bis unter 4 Jahre

1,0

14

13

4 bis unter 7 Jahre

0,9

18

18

7 bis unter 10 Jahre

0,9

26

26

10 bis unter 13 Jahre

0,9

37

38

13 bis unter 15 Jahre

0,9

50

49

62

48

Jugendliche und Erwachsene 15 bis unter 19 Jahre

0,9

0,8

19 bis unter 25 Jahre

0,8

57

48

25 bis unter 51 Jahre

0,8

57

48

51 bis unter 65 Jahre

0,8

55

47

65 Jahre und älter

0,8

53

46

Schwangere ab 4. Monat

58

Stillende

63

b

Diese Werte wurden auf der Basis der neuen Referenzgewichte (siehe Kapitel 6.1) aktualisiert. ca. 2 g Protein-Zulage pro 100 g sezernierte Milch

a 

b 

6.3 Kohlenhydrate, Ballaststoffe Kohlenhydrate Richtwerte für die Kohlenhydratzufuhr müssen den individuellen Energiebedarf, den Bedarf an Protein und die Richtwerte für die Fettzufuhr berücksichtigen. Für die Deckung des Energiebedarfs spielen Fette und Kohlenhydrate die entscheidende

58 

 6 Referenzwerte der DACH

Rolle. Eine vollwertige Kost sollte begrenzte Fettmengen und mehr als 50 % der Energiezufuhr in Form von Kohlenhydraten enthalten. Ballaststoffe (Nahrungsfasern) Als Richtwert für die Zufuhr von Ballaststoffen gilt bei Erwachsenen eine Menge von mindestens 30 g/Tag, das sind rund 3,9 g/MJ bzw. 16,7 g/1000 kcal bei der Frau und 3,1 g/MJ bzw. 13 g/1000 kcal beim Mann (25 bis unter 51 Jahre, PAL 1,4; s. Referenzwerte für die Energiezufuhr).

6.4 Fett Richtwerte für die Zufuhr Alter

Fett % der Energie

Säuglinge 0 bis 4 Monate

45–50

4 bis unter 12 Monate

35–45

Kinder 1 bis unter 4 Jahre

30–40

4 bis unter 7 Jahre

30–35

7 bis unter 10 Jahre

30–35

10 bis unter 13 Jahre

30–35

13 bis unter 15 Jahre

30–35

Jugendliche und Erwachsene 15 bis unter 19 Jahre

30a

19 bis unter 25 Jahre

30a

25 bis unter 51 Jahre

30a,b

51 bis unter 65 Jahre

30

65 Jahre und älter

30

Schwangere ab 4. Monat

30–35

Stillende

30–35

Personen mit erhöhtem Energiebedarf (PAL > 1,7) können höhere Prozentsätze benötigen. b  entspricht bei Männern mit einem Energierichtwert von 9,8 MJ (2 300 kcal; PAL 1,4) 80 g Gesamtfett a 



6.5 Essenzielle Fettsäuren 

 59

6.5 Essenzielle Fettsäuren Empfohlene Zufuhr Essenzielle Fettsäuren % der Energie Alter

Linolsäure (n-6)

α-Linolensäure (n-3)a

0 bis 4 Monate

4,0

0,5

4 bis unter 12 Monate

3,5

0,5

1 bis unter 4 Jahre

3,0

0,5

4 bis unter 7 Jahre

2,5

0,5

7 bis unter 10 Jahre

2,5

0,5

10 bis unter 13 Jahre

2,5

0,5

13 bis unter 15 Jahre

2,5

0,5

15 bis unter 19 Jahre

2,5

0,5

19 bis unter 25 Jahre

2,5

0,5

25 bis unter 51 Jahre

2,5

0,5

51 bis unter 65 Jahre

2,5

0,5

65 Jahre und älter

2,5

0,5

Schwangere

2,5

0,5

Stillendeb

2,5

0,5

Säuglinge

Kinder

Jugendliche und Erwachsene

b

Hierbei handelt es sich um Schätzwerte. Schwangere und Stillende sollten im Durchschnitt mindestens 200 mg Docosahexaensäure/Tag zuführen.

a 

b 

60 

 6 Referenzwerte der DACH

6.6 Vitamin A, β-Carotin Empfohlene Zufuhr Retinol mg-Äquivalenta/Tag

Alter

m

w

Säuglinge 0 bis unter 4 Monateb

0,5

4 bis unter 12 Monate

0,6

Kinder 1 bis unter 4 Jahre

0,6

4 bis unter 7 Jahre

0,7

7 bis unter 10 Jahre

0,8

10 bis unter 13 Jahre

0,9

13 bis unter 15 Jahre

1,1

1,0

15 bis unter 19 Jahre

1,1

0,9

19 bis unter 25 Jahre

1,0

0,8

25 bis unter 51 Jahre

1,0

0,8

51 bis unter 65 Jahre

1,0

0,8

65 Jahre und älter

1,0

0,8

Jugendliche und Erwachsene

Schwangere ab 4. Monat

1,1

Stillende

1,5

c

1 mg Retinol-Äquivalent = 6 mg all-trans-β-Carotin = 12 mg andere Provitamin A-Carotinoide = 1 mg Retinol = 1,15 mg all-trans-Retinylacetat = 1,83 mg all-trans-Retinylpalmitat; 1 IE (Internationale Einheiten werden nur noch im pharmazeutischen Bereich angegeben) = 0,3 µg Retinol b  Hierbei handelt es sich um einen Schätzwert. c  ca. 70 µg Retinol-Äquivalente-Zulage pro 100 g sezernierte Milch a 



6.7 Vitamin D (Calciferole) 

 61

6.7 Vitamin D (Calciferole) Vitamin D nimmt unter den Vitaminen eine gewisse Sonderstellung ein, da es sowohl über die Ernährung zugeführt als auch vom Menschen selbst durch Sonnenbestrahlung (UVB-Lichtexposition) gebildet wird. Die Zufuhr über die Ernährung mit den üblichen Lebensmitteln reicht nicht aus, um den Schätzwert für eine angemessene Zufuhr bei fehlender endogener Synthese zu erreichen, der die gewünschte Versorgung (25-HydroxyVitamin D-Serumkonzentration) in Höhe von mindestens 50 nmol/l sicherstellt. Die Differenz muss über die endogene Synthese und/oder über die Einnahme eines Vitamin D-Präparats gedeckt werden. Bei ausreichender Sonnenbestrahlung kann die gewünschte Versorgung ohne die Einnahme eines Vitamin D-Präparats erreicht werden. Schätzwerte für eine angemessene Vitamin D-Zufuhr bei fehlender endogener Synthese Alter

Vitamin D bei fehlender endogener Synthese µga/Tag

Säuglinge (0 bis unter 12 Monate)

10b

Kinder (1 bis unter 15 Jahre)

20c

Jugendliche und Erwachsene (15 bis unter 65 Jahre)

20c

Erwachsene (ab 65 Jahre)

20c

Schwangere

20c

Stillende

20c

1 µg = 40 Internationale Einheiten (IE); 1 IE = 0,025 µg Der Schätzwert wird durch Gabe einer Vitamin D-Tablette zur Rachitisprophylaxe ab der 1. Lebenswoche bis zum Ende des 1. Lebensjahres bei gestillten und nicht gestillten Säuglingen erreicht. Die Gabe erfolgt unabhängig von der endogenen Vitamin D-Synthese und der Vitamin D-Zufuhr durch Frauenmilch bzw. Säuglingsmilchnahrungen. Die Prophylaxe sollte im 2. Lebensjahr in den Wintermonaten weiter durchgeführt werden (Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin). c  Die Vitamin D-Zufuhr über die Ernährung mit den üblichen Lebensmitteln (1 bis 2 µg pro Tag bei Kindern, 2 bis 4 µg pro Tag bei Jugendlichen und Erwachsenen) reicht nicht aus, um die gewünschte Versorgung (25(OH)D-Serumkonzentration von mindestens 50 nmol/l) bei fehlender endogener Synthese sicherzustellen. Hierfür werden 20 µg/Tag benötigt. D. h., die Versorgung muss zusätzlich zur Zufuhr über die Ernährung über die endogene Synthese und/oder über die Einnahme eines Vitamin D-Präparats sichergestellt werden. Bei häufiger Sonnenbestrahlung kann die gewünschte Vitamin D-Versorgung ohne die Einnahme eines Vitamin D-Präparats erreicht werden.

a 

b 

62 

 6 Referenzwerte der DACH

6.8 Vitamin E (Tocopherole) Schätzwerte für eine angemessene Zufuhr Alter

Tocopherol mg-Äquivalenta, b/Tag m

w

Säuglinge 0 bis unter 4 Monate

3

3

4 bis unter 12 Monate

4

4

1 bis unter 4 Jahre

6

5

4 bis unter 7 Jahre

8

8

7 bis unter 10 Jahre

10

9

10 bis unter 13 Jahre

13

11

13 bis unter 15 Jahre

14

12

15 bis unter 19 Jahre

15

12

19 bis unter 25 Jahre

15

12

25 bis unter 51 Jahre

14

12

51 bis unter 65 Jahre

13

12

65 Jahre und älter

12

11

Kinder

Jugendliche und Erwachsene

Schwangere

13

Stillendec

17

1 mg RRR-α-Tocopherol-Äquivalent = 1 mg RRR-α-Tocopherol = 1,49 IE; 1 IE = 0,67 mg RRR-α-Tocopherol = 1 mg all-rac-α-Tocopherylacetat b  1 mg RRR-α-Tocopherol (D-α-Tocopherol) – Äquivalent = 1,1 mg RRR-α-Tocopherylacetat (D-α-Tocopherylacetat) = 2 mg RRR-β-Tocopherol (D-β-Tocopherol) = 4 mg RRR-γ-Tocopherol (D-γ-Tocopherol) = 100 mg RRR-δ-Tocopherol (D-δ-Tocopherol) = 3,3 mg RRR-α-Tocotrienol (D-α-Tocotrienol) = 1,49 mg all-rac-α-Tocopherylacetat (D, L-α-Tocopherylacetat) c  ca. 260 µg RRR-α-Tocopherol-Äquivalente-Zulage pro 100 g sezernierte Milch a 



6.9 Vitamin K 

6.9 Vitamin K Schätzwerte für eine angemessene Zufuhr Alter

Vitamin K µg/Tag m

w

Säuglinge 0 bis unter 4 Monate

4

4 bis unter 12 Monate

10

Kinder 1 bis unter 4 Jahre

15

4 bis unter 7 Jahre

20

7 bis unter 10 Jahre

30

10 bis unter 13 Jahre

40

13 bis unter 15 Jahre

50

Jugendliche und Erwachsene 15 bis unter 19 Jahre

70

60

19 bis unter 25 Jahre

70

60

25 bis unter 51 Jahre

70

60

51 bis unter 65 Jahre

80

65

65 Jahre und älter

80

65

Schwangere

60

Stillende

60

 63

64 

 6 Referenzwerte der DACH

6.10 Thiamin (Vitamin B 1) Empfohlene Zufuhr Thiamin mg/Tag

Alter

m

w

Säuglinge 0 bis unter 4 Monatea

0,2

4 bis unter 12 Monateb

0,4

Kinder und Jugendlicheb 1 bis unter 4 Jahre

0,6

4 bis unter 7 Jahre

0,7

7 bis unter 10 Jahre

0,9

0,8

10 bis unter 13 Jahre

1,0

0,9

13 bis unter 15 Jahre

1,2

1,0

15 bis unter 19 Jahre

1,4

1,1

19 bis unter 25 Jahre

1,3

1,0

25 bis unter 51 Jahre

1,2

1,0

51 bis unter 65 Jahre

1,2

1,0

65 Jahre und älter

1,1

1,0

Erwachseneb

Schwangerec 2. Trimester

1,2

3. Trimester

1,3

Stillende

1,3

d

Hierbei handelt es sich um einen Schätzwert. Zugrunde gelegt wurden die alters- und geschlechtsspezifischen Richtwerte für die Energiezufuhr. c  Unter Berücksichtigung des Richtwerts für Frauen von 19 bis unter 25 Jahren (PAL-Wert 1,4) und Zulage von 250 kcal/Tag während des 2. Trimesters und von 500 kcal/Tag während des 3. Trimesters der Schwangerschaft. d  Unter Berücksichtigung des Richtwerts für Frauen von 19 bis unter 25 Jahren (PAL-Wert 1,4) und Zulage von 500 kcal/Tag für ausschließliches Stillen während der ersten 4 bis 6 Monate. a 

b 



6.11 Riboflavin (Vitamin B 2) 

 65

6.11 Riboflavin (Vitamin B 2) Empfohlene Zufuhr Riboflavin mg/Tag

Alter

m

w

Säuglinge 0 bis unter 4 Monatea

0,3

4 bis unter 12 Monateb

0,4

Kinder und Jugendlicheb 1 bis unter 4 Jahre

0,7

4 bis unter 7 Jahre

0,8

7 bis unter 10 Jahre

1,0

0,9

10 bis unter 13 Jahre

1,1

1,0

13 bis unter 15 Jahre

1,4

1,1

15 bis unter 19 Jahre

1,6

1,2

19 bis unter 25 Jahre

1,4

1,1

25 bis unter 51 Jahre

1,4

1,1

51 bis unter 65 Jahre

1,3

1,0

65 Jahre und älter

1,3

1,0

Erwachseneb

Schwangerec 2. Trimester

1,3

3. Trimester

1,4

Stillende

1,4

d

Hierbei handelt es sich um einen Schätzwert. Zugrunde gelegt wurden die alters- und geschlechtsspezifischen Richtwerte für die Energiezufuhr. c  Unter Berücksichtigung des Richtwerts für Frauen von 19 bis unter 25 Jahren (PAL-Wert 1,4) und Zulage von 250 kcal/Tag während des 2. Trimesters und von 500 kcal/Tag während des 3. Trimesters der Schwangerschaft. d  Unter Berücksichtigung des Richtwerts für Frauen von 19 bis unter 25 Jahren (PAL-Wert 1,4) und Zulage von 500 kcal/Tag für ausschließliches Stillen während der ersten 4 bis 6 Monate. a 

b 

66 

 6 Referenzwerte der DACH

6.12 Niacin Empfohlene Zufuhr Niacin mg-Äquivalentea/Tag

Alter

m

w

Säuglinge 0 bis unter 4 Monateb

2

4 bis unter 12 Monatec

5

Kinder und Jugendlichec 1 bis unter 4 Jahre

8

4 bis unter 7 Jahre

9

7 bis unter 10 Jahre

11

10

10 bis unter 13 Jahre

13

11

13 bis unter 15 Jahre

15

13

15 bis unter 19 Jahre

17

13

19 bis unter 25 Jahre

16

13

25 bis unter 51 Jahre

15

12

51 bis unter 65 Jahre

15

11

65 und älter

14

11

Erwachsenec

Schwangered 2. Trimester

14

3. Trimester

16

Stillende

16

e

1 mg Niacin-Äquivalente = 1 mg Niacin = 60 mg Tryptophan Hierbei handelt es sich um einen Schätzwert, der sich auf vorgebildetes Niacin bezieht. c  Zugrunde gelegt wurden die alters- und geschlechtsspezifischen Richtwerte für die Energiezufuhr. d  Unter Berücksichtigung des Richtwerts für Frauen von 19 bis unter 25 Jahren (PAL-Wert 1,4) und Zulage von 250 kcal/Tag während des 2. Trimesters und von 500 kcal/Tag während des 3. Trimesters der Schwangerschaft. e  Unter Berücksichtigung des Richtwerts für Frauen von 19 bis unter 25 Jahren (PAL-Wert 1,4) und Zulage von 500 kcal/Tag für ausschließliches Stillen während der ersten 4 bis 6 Monate. a 

b 



6.13 Pyridoxin (Vitamin B 6) 

6.13 Pyridoxin (Vitamin B 6) Empfohlene Zufuhr Alter

Vitamin B 6 mg/Tag m

w

Säuglinge 0 bis unter 4 Monatea

0,1

4 bis unter 12 Monate

0,3

Kinder 1 bis unter 4 Jahre

0,4

4 bis unter 7 Jahre

0,5

7 bis unter 10 Jahre

0,7

10 bis unter 13 Jahre

1,0

13 bis unter 15 Jahre

1,4

Jugendlichen und Erwachsene 15 bis unter 19 Jahre

1,6

1,2

19 bis unter 25 Jahre

1,5

1,2

25 bis unter 51 Jahre

1,5

1,2

51 bis unter 65 Jahre

1,5

1,2

65 Jahre und älter

1,4

1,2

Schwangere ab 4. Monat

1,9

Stillende

1,9

Hierbei handelt es sich um einen Schätzwert.

a 

 67

68 

 6 Referenzwerte der DACH

6.14 Folat Empfohlene Zufuhr Alter

Folat µg-Äquivalenta/Tag

Säuglingeb 0 bis unter 4 Monate

60

4 bis unter 12 Monate

80

Kinder und Jugendliche 1 bis unter 4 Jahre

120

4 bis unter 7 Jahre

140

7 bis unter 10 Jahre

180

10 bis unter 13 Jahre

240

13 bis unter 15 Jahre

300

15 bis unter 19 Jahrec

300

Erwachsene 19 bis unter 25 Jahrec

300

25 bis unter 51 Jahre

300

51 bis unter 65 Jahre

300

65 Jahre und älter

300

Schwangerec

550

Stillende

450

c

Berechnet nach der Summe folatwirksamer Verbindungen in der üblichen Nahrung (Folat-Äquivalente). b  Hierbei handelt es sich um Schätzwerte. c  Frauen, die schwanger werden wollen oder könnten, sollten zusätzlich zu einer folatreichen Ernährung 400 µg synthetische Folsäure pro Tag in Form eines Präparats einnehmen, um Neuralrohrdefekten vorzubeugen. Diese zusätzliche Einnahme eines Folsäurepräparats sollte spätestens 4 Wochen vor Beginn der Schwangerschaft anfangen und während des 1. Drittels der Schwangerschaft beibehalten werden. a 

6.15 Biotin 

6.15 Biotin Schätzwerte für eine angemessene Zufuhr Alter

Biotin µg/Tag

Säuglinge 0 bis unter 4 Monate 4 bis unter 12 Monate

50 5–10

Kinder 1 bis unter 4 Jahre

10–15

4 bis unter 7 Jahre

10–15

7 bis unter 10 Jahre

15–20

10 bis unter 13 Jahre

20–30

13 bis unter 15 Jahre

25–35

Jugendliche und Erwachsene 15 bis unter 19 Jahre

30–60

19 bis unter 25 Jahre

30–60

25 bis unter 51 Jahre

30–60

51 bis unter 65 Jahre

30–60

65 Jahre und älter

30–60

Schwangere

30–60

Stillende

30–60

 69

70 

 6 Referenzwerte der DACH

6.16 Vitamin B 12 (Cobalamine) Empfohlene Zufuhr Alter

Vitamin B 12 µg/Tag

Säuglinge 0 bis unter 4 Monatea

0,4

4 bis unter 12 Monate

0,8

Kinder 1 bis unter 4 Jahre

1,0

4 bis unter 7 Jahre

1,5

7 bis unter 10 Jahre

1,8

10 bis unter 13 Jahre

2,0

13 bis unter 15 Jahre

3,0

Jugendliche und Erwachsene 15 bis unter 19 Jahre

3,0

19 bis unter 25 Jahre

3,0

25 bis unter 51 Jahre

3,0

51 bis unter 65 Jahre

3,0

65 Jahre und älter

3,0

Schwangereb

3,5

Stillendec

4,0

Hierbei handelt es sich um einen Schätzwert. zur Auffüllung der Speicher und zur Erhaltung der Nährstoffdichte c  ca. 0,13 µg Vitamin B 12-Zulage pro 100 g sezernierte Milch a 

b 



6.17 Vitamin C 

6.17 Vitamin C Empfohlene Zufuhr Vitamin C mg/Tag

Alter

m

w

Säuglinge

a

0 bis unter 4 Monate

20

4 bis unter 12 Monate

20

Kinder und Jugendliche 1 bis unter 4 Jahre

20

4 bis unter 7 Jahre

30

7 bis unter 10 Jahre

45

10 bis unter 13 Jahre

65

13 bis unter 15 Jahre

85

15 bis unter 19 Jahre

105

90

19 bis unter 25 Jahre

110

95

25 bis unter 51 Jahre

110

95

51 bis unter 65 Jahre

110

95

65 Jahre und älter

110

95

Erwachseneb

Schwangere ab 4. Monat

105

Stillende

125

Hierbei handelt es sich um Schätzwerte. Raucher 155 mg/Tag (Männer) bzw. 135 mg/Tag (Frauen)

a 

b 

 71

72 

 6 Referenzwerte der DACH

6.18 Wasser Wasserbilanz (ml/Tag) des Erwachsenena Wasserzufuhr

Wasserabgabe 1440

Urine

1440

Wasser in fester Nahrungb

875

Stuhl

160

Oxidationswasserc

335

Haut

550

Lunge

500

Getränke

Gesamtwasserzufuhr

d

2650

Wasserabgabe

2650

Errechnet für den Durchschnitt der Altersgruppe 19 bis unter 51 Jahre. Die Werte wurden absichtlich wenig gerundet, um die Nachvollziehbarkeit ihrer Berechnungen zu gewährleisten. b  78,9 ml/MJ (0,33 ml/kcal) c  Protein 58 g/Tag (9 % der Gesamtenergie), Fett 80 g/Tag (27 %), Kohlenhydrate 407 g/Tag (63 %) d  ≈ 250 ml/MJ (1 ml/kcal) e  Urinvolumen entspricht Trinkvolumen a 

Die Angaben der Tabelle gelten für einen Energieumsatz von 11,1 MJ (2650 kcal) bei durchschnittlichen Klimabedingungen in Deutschland und ändern sich entsprechend dem Energieumsatz in den einzelnen Altersgruppen. Ein erhöhter Bedarf besteht bei hohem Energieumsatz, Hitze, trockener kalter Luft, reichlichem Kochsalzverzehr, hoher Proteinzufuhr und pathologischen Zuständen wie Fieber, Erbrechen, Durchfall etc.

6.18 Wasser 

 73

Richtwerte für die Zufuhr von Wassera Wasserzufuhr durch Alter

Getränkeb

feste Nahrungc

ml/Tag

ml/Tag

Oxidationswasserd

Wasserzufuhr Gesamtdurch Getränke wasserzufu­hre und feste Nahrung

ml/Tag

ml/Tag

ml/kg u. Tag

Säuglinge 0 bis unter 4 Monatef

620

4 bis unter 12 Monate

400

1 bis unter 4 Jahre



60

680

130

500

100

1000

110

820

350

130

1300

95

4 bis unter 7 Jahre

940

480

180

1600

75

7 bis unter 10 Jahre

970

600

230

1800

60

10 bis unter 13 Jahre

1170

710

270

2150

50

13 bis unter 15 Jahre

1330

810

310

2450

40

Kinder

Jugendliche und Erwachsene 15 bis unter 19 Jahre

1530

920

350

2800

40

19 bis unter 25 Jahre

1470

890

340

2700

35

25 bis unter 51 Jahre

1410

860

330

2600

35

51 bis unter 65 Jahre

1230

740

280

2250

30

65 Jahre und älter

1310

680

260

2250

Schwangere

1470

890

Stillende

1710

1000

30

340

2700

f

35

390

3100g

45

Bei bedarfsgerechter Energiezufuhr und durchschnittlichen Lebensbedingungen. Die Werte wurden absichtlich wenig gerundet, um die Nachvollziehbarkeit ihrer Berechnungen zu gewährleisten. b  Wasserzufuhr durch Getränke = Gesamtwasserzufuhr – Oxidationswasser – Wasserzufuhr durch feste Nahrung c  Wasser in fester Nahrung etwa 78,9 ml/MJ (≈ 0,33 ml/kcal) d  etwa 29,9 ml/MJ (≈ 0,125 ml/kcal) e  Gestillte Säuglinge etwa 360 ml/MJ (≈ 1,5 ml/kcal), Kleinkinder etwa 290 ml/MJ (≈ 1,2 ml/kcal), Schulkinder, junge Erwachsene etwa 250 ml/MJ (≈ 1,0 ml/kcal), ältere Erwachsene etwa 270 ml/MJ (≈ 1,1 ml/kcal) einschließlich Oxidationswasser (etwa 29,9 ml/MJ bzw. 0,125 ml/kcal) f  Hierbei handelt es sich um einen Schätzwert. g  gerundete Werte a 

74 

 6 Referenzwerte der DACH

6.19 Natrium, Kalium, Chlorid Schätzwerte für eine minimale Zufuhr Natriuma (mg/Tag)

Chlorida (mg/Tag)

0 bis unter 4 Monate

100

200

400

4 bis unter 12 Monate

180

270

650

1 bis unter 4 Jahre

300

450

1000

4 bis unter 7 Jahre

410

620

1400

7 bis unter 10 Jahre

460

690

1600

10 bis unter 13 Jahre

510

770

1700

13 bis unter 15 Jahre

550

830

1900

Jugendliche und Erwachsene

550

830

2000

Alter

Kaliuma (mg/Tag)

Säuglinge

Kinder

1 mmol Natrium entspricht 23,0 mg; 1 mmol Chlorid entspricht 35,5 mg; 1 mmol Kalium entspricht 39,1 mg; 1 g Speisesalz (NaCl) besteht aus je 17 mmol Natrium und Chlorid; NaCl (g) = Na (g) × 2,54; 1 g NaCl = 0,4 g Na

a 

6.20 Calcium 

6.20 Calcium Empfohlene Zufuhr Alter

Calcium mg/Tag

Säuglingea 0 bis unter 4 Monate

220

4 bis unter 12 Monate

330

Kinder 1 bis unter 4 Jahre

600

4 bis unter 7 Jahre

750

7 bis unter 10 Jahre

900

10 bis unter 13 Jahre

1100

13 bis unter 15 Jahre

1200

Jugendliche und Erwachsene 15 bis unter 19 Jahre

1200

19 bis unter 25 Jahre

1000

25 bis unter 51 Jahre

1000

51 bis unter 65 Jahre

1000

65 Jahre und älter

1000

Schwangereb

1000

Stillendec

1000

Hierbei handelt es sich um Schätzwerte. Schwangere < 19 Jahre 1200 mg c  Stillende < 19 Jahre 1200 mg a 

b 

 75

76 

 6 Referenzwerte der DACH

6.21 Phosphor Empfohlene Zufuhr Alter

Phosphor mg/Tag

Säuglinge 0 bis unter 4 Monatea

120

4 bis unter 12 Monate

300

Kinder 1 bis unter 4 Jahre

500

4 bis unter 7 Jahre

600

7 bis unter 10 Jahre

800

10 bis unter 13 Jahre

1250

13 bis unter 15 Jahre

1250

Jugendliche und Erwachsene 15 bis unter 19 Jahre

1250

19 bis unter 25 Jahre

700

25 bis unter 51 Jahre

700

51 bis unter 65 Jahre

700

65 Jahre und älter

700

Schwangereb

800

Stillendec

900

Hierbei handelt es sich um einen Schätzwert. Schwangere < 19 Jahre 1250 mg c  Stillende < 19 Jahre 1250 mg a 

b 

6.22 Eisen 

6.22 Eisen Empfohlene Zufuhr Alter

Eisen mg/Tag m

wa

Säuglingeb 0 bis unter 4 Monatec, d

0,5

4 bis unter 12 Monate

8

Kinder 1 bis unter 4 Jahre

8

4 bis unter 7 Jahre

8

7 bis unter 10 Jahre

10

10 bis unter 13 Jahre

12

15

13 bis unter 15 Jahre

12

15

15 bis unter 19 Jahre

12

15

19 bis unter 25 Jahre

10

15

25 bis unter 51 Jahre

10

15

51 bis unter 65 Jahre

10

10

65 Jahre und älter

10

10

Jugendliche und Erwachsene

Schwangere

30

Stillendee

20

nichtmenstruierende Frauen, die nicht schwanger sind oder nicht stillen: 10 mg/Tag ausgenommen Unreifgeborene c  Hierbei handelt es sich um einen Schätzwert. d  Ein Eisenbedarf besteht infolge der dem Neugeborenen von der Plazenta als Hb-Eisen mitgegebenen Eisenmenge erst ab dem 4. Monat. e  Diese Angabe gilt für stillende und nicht stillende Frauen nach der Geburt zum Ausgleich der Verluste während der Schwangerschaft. a 

b 

 77

78 

 6 Referenzwerte der DACH

6.23 Jod Empfohlene Zufuhr Alter

Jod Deutschland, Österreich

Jod WHO, Schweiz

µg/Tag

µg/Tag

Säuglinge 0 bis unter 4 Monatea

40

50

4 bis unter 12 Monate

80

50

1 bis unter 4 Jahre

100

90

4 bis unter 7 Jahre

120

90

7 bis unter 10 Jahre

140

120

10 bis unter 13 Jahre

180

120

13 bis unter 15 Jahre

200

150

15 bis unter 19 Jahre

200

150

19 bis unter 25 Jahre

200

150

25 bis unter 51 Jahre

200

150

51 bis unter 65 Jahre

180

150

65 Jahre und älter

180

150

Schwangere

230

200

Stillende

260

200

Kinder

Jugendliche und Erwachsene

Hierbei handelt es sich um einen Schätzwert.

a 

6.24 Zink 

6.24 Zink Empfohlene Zufuhr Alter

Zink mg/Tag m

w

Säuglinge 0 bis unter 4 Monatea

1,0

4 bis unter 12 Monate

2,0

Kinder 1 bis unter 4 Jahre

3,0

4 bis unter 7 Jahre

5,0

7 bis unter 10 Jahre

7,0

10 bis unter 13 Jahre

9,0

7,0

13 bis unter 15 Jahre

9,5

7,0

15 bis unter 19 Jahre

10,0

7,0

19 bis unter 25 Jahre

10,0

7,0

25 bis unter 51 Jahre

10,0

7,0

51 bis unter 65 Jahre

10,0

7,0

65 Jahre und älter

10,0

7,0

Jugendliche und Erwachsene

Schwangere ab 4. Monat

10,0

Stillende

11,0

Hierbei handelt es sich um einen Schätzwert.

a 

 79

80 

 6 Referenzwerte der DACH

6.25 Selen Schätzwerte für eine angemessene Zufuhr Alter

Selen µg/Tag m

w

Säuglinge 0 bis unter 4 Monate

10

4 bis unter 12 Monate

15

Kinder und Jugendliche 1 bis unter 4 Jahre

15

4 bis unter 7 Jahre

20

7 bis unter 10 Jahre

30

10 bis unter 13 Jahre

45

13 bis unter 15 Jahre

60

15 bis unter 19 Jahre

70

60

19 bis unter 25 Jahre

70

60

25 bis unter 51 Jahre

70

60

51 bis unter 65 Jahre

70

60

65 Jahre und älter

70

60

Erwachsene

Schwangere

60

Stillende

75

6.26 Literatur [1] DACH-Referenzwerte. SSG-SSN, abgerufen am 7. Mai 2016. [2] D-A-CH-Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr. In: Pressemitteilung, DGE intern 23/2008. DGE, 18. November 2008, abgerufen am 7. Mai 2016. [3] Umsetzung der D-A-CH-Referenzwerte in die Gemeinschaftsverpflegung: Erläuterungen und Tabellen. DGE, Juni 2013, abgerufen am 7. Mai 2015.

Carl Meißner, Luisa Meißner

7 Möglichkeiten des Screenings auf Mangelernährung 7.1 Einleitung Die Ernährung spielt eine zentrale Rolle in der Prävention und Prophylaxe von Erkrankungen bei Patienten jeglichen Alters [1]. Drei von vier Erkrankungen, die medizinisch behandelt werden müssen, sind in erheb­lichem Maße ernährungs- und lebens­stilabhängig [2]. Patienten, die mit einem normalen Ernährungszustand zur Behand­lung ins Krankenhaus kommen, entspre­chen 20 % des gesamten Patientenklientels. Sie sind damit in der Unterzahl. Ca. 55 % der Patienten sind hingegen übergewichtig und ca. 25 % der eingewiesenen Patienten leiden an Unter- bzw. Mangelernährung (Abb. 7.1). Hinzu kommt, dass ca. 75 % aller im Kran­kenhaus stationär betreuten Patienten einen deutlichen Gewichtsverlust während ihres Krankenhausaufenthaltes aufweisen [2–4]. Somit muss es das erklärte Ziel sein, Patienten mit erhöhtem nutritiven und metabolischen Risiko so zeitig wie möglich nicht nur zu erkennen, sondern umgehend und befundgemäß die angepasste ernäh­ rungsmedizinische (Begleit-) Behandlung ebenso mit zu initiieren.

ca. 55 %

ca. 20 %

ca. 25 %

übergewichtig

normalgewichtig

untergewichtig

Abb. 7.1: Durchschnittlicher Ernährungszustand eines Patienten bei Klinikaufnahme.

7.2 Wichtige Ernährungsmedizinische Parameter (modifiziert nach Morley et al. 1995 [5]) 1. Anamnese: Appetitmangel, Essgewohnheiten, Gewichtsabnahme, Alkohol, soziales Umfeld, Medikamente, Ösophagus-Magen-Darm-Symptome, Malignome 2. Anthropometrie: Körpergewicht (kg), Körpergröße (m), Hautfaltendicke über Trizeps (TSF) in mm: (Körperrelation: Körper-Fett-Masse), Mitte-Oberarm-Zirkumferenz in cm: (Korrelation: Lean Body Mass), Body-Mass-Index (BMI) = Körpergewicht (kg)/(Größe in m)2

DOI 10.1515/9783110517750-011

82 

 7 Möglichkeiten des Screenings auf Mangelernährung

3. Biochemische Parameter: Parameter Halbwertszeiten (Tage) Proteine: Albumin 14–20 Transferrin 8–10 Präalbumin ca. 2 Cholinesterase ca. 2 Retinol-Binding-Protein ca. 1 Vitaminversorgung: Vitamin B12, Folsäure, Vitamin A und D, Vitamin B-Komplex (B1, B2, B6), Vitamin C, Beta-Carotin, Niacin Spurenelemente: Eisen, Zink, Calcium, Magnesium, Kupfer, Phosphor, Selen Andere: Cholesterin, Triglyceride, Carnitin, C-reaktives Protein, absolute Lymphozytenzahl, immunologische Hauttests

7.3 Screeningmöglichkeiten und Screeningtools Um einen Gewichtsverlust oder eine bereits vorhandene Mangelernährung festzustellen, können mehrere Screeningtools verwendet werden. Die DGEM-Leitlinien wurden 2003 zu Europäischen Leitlinien der ESPEN ausgebaut, welche das ErnährungsScreening im Krankenhaus vereinheitlichen [6, 7, 8]. Welche Fragebögen sollten Sie für das Screening des Ernährungszustandes benutzen? Es stehen verschiedene Bögen für Krankenhäuser, den ambulanten Bereich oder speziell für geriatrische Patienten zur Verfügung. Hiermit können nicht nur bestehende Mangelernährungszustände erkannt, sondern auch gefährdete Senioren frühzeitig identifiziert werden. Für den klinischen Alltag sind MNA, SGA, MUST und NRS-2002 geeignet. Die Übersetzung und Publikation nach Schütz et al. [9, 10].

7.3.1 Mini Nutritional Assessment (MNA) Der MNA-SF ist ein relativ einfacher Screening-Bogen, bestehend aus 6 bzw. 7 Fragen [11–14]. Er kann in der häuslichen Krankenpflege genauso angewendet werden, wie in der Klinik oder Pflegereinrichtung. Vor der Durchführung sollten Sie die Anleitung lesen. Mini Nutritional Assessment (MNA-LF) Langfassung (Anlage 1). Mini Nutritional Assessment (MNA-SF) Kurzfassung (Anlage 2). Das Rationalisierungsschema 2004 (Aktuel Ernaehr Med 2004;29: 245–253 Georg Thieme Verlag) (Anlage 3).



7.3 Screeningmöglichkeiten und Screeningtools 

 83

7.3.2 Subjective Global Assessment (SGA) [15] Eine andere Methode den Ernährungszustand einzuschätzen zu können ist der SGAFragebogen, welcher durch ein gewichtetes Punkteschema in Mangelernährung oder keine Mangelernährung unterteilt [15]. Es wird die Anamnese durchgeführt, in der u.a. Gewichtsveränderung, Nahrungszufuhr und eine klinische Untersuchung der Muskel- und Fettmasse dokumentiert ist. Anhand dieser Daten wird daraufhin ausgewertet. SGA A bedeutet der Patient ist gut ernährt, SGA B, dass ein Verdacht auf Mangelernährung besteht und SGA C deutet auf eine schwere Mangelernährung hin. In den aktuellen Guidlines ist dieser gut für Screening bei Tumorpatienten geeignet [16]. Anleitung zur Einschätzung des Ernährungszustandes mittels Subjective Global Assessment (SGA) (Anlage 4). Subjective Global Assessment SGA – Einschätzung des Ernährungszustandes (Anlage 5).

7.3.3 Malnutrition Universal Screening Tool (MUST) Der MUST-Score wurde ursprünglich für geriatrische Patienten im ambulanten Bereich entwickelt, dieser wird jedoch mittlerweile auch wie der NRS und der SGA im klinisch-stationären Bereich eingesetzt. Malnutrition Universal Screening Tool (MUST) – Screening auf Mangelernährung im ambulanten Bereich (Anlage 6).

7.3.4 Nutritional Risk Screening 2002 [17] Das Nutritional Risk Screening 2002 (NRS-2002) wurde von Kondrup et al. entwickelt um den Ernährungszustand eines Patienten bei Erkrankung bzw. vor einer Operation festzustellen. Hierzu dient ein nummerischer Score, welcher mittels Vor- und Hauptscreening erfasst wird. Wird eine der Fragen aus dem Vorscreening mit „Ja“ beantwortet startet im Anschluss das Hauptscreening. Die Punkte werden zum Schluss addiert und umso mehr Punkte der Patient hat, umso schwerer mangelernährt ist dieser. Nutritional Risk Screening (NRS-2002) – Screening auf Mangelernährung im Krankenhaus (Anlage 7).

84 

 7 Möglichkeiten des Screenings auf Mangelernährung

7.4 Konsequenz im klinischen Alltag Ein Assessment ist eine Erfassung und Einschätzung der Ernährungssituation, woraus sich Maßnahmen ableiten bzw. begründen lassen. Ein Assessment wird bei Risikopersonen durchgeführt, bei denen sich im Screening Hinweise auf eine Mangelernährung ergeben haben. Komponenten des Assessments bei Verdacht auf eine Mangelernährung sind die detaillierte Erfassung des Ernährungszustands wie klinische Untersuchungen und Laborwerte, eine Abschätzung des Nährstoffdefizits durch die Berechnung des Bedarfs und dem Abgleich mit Essprotokollen und Trinkprotokollen, die Erfassung der Bedürfnisse des Patienten bzw. Bewohners, insbesondere aber die Abklärung möglicher Ursachen der Mangelernährung. Zu den möglichen Gründen gehören nicht nur akute Erkrankungen, sondern z. B. auch körperliche oder geistige Beeinträchtigungen, ungünstige Umgebungsfaktoren oder ein inadäquates Essens- und Getränkeangebot. Aus der Erfassung der Ursachen sollten Maßnahmen abgeleitet werden, um die Mangel­ernährung angemessen zu behandeln. Screening und Assessment sind nicht nur zu dokumentieren; Hinweise auf eine Mangelernährung müssen auch in eine Behandlung der Mangelernährung münden. Die Ernährungstherapie kann körperliche und geistige Funktionen verbessern bzw. deren Verschlechterung vermeiden, Komplikationen reduzieren und so die Genesung beschleunigen. Letztlich fördert die Ernährungstherapie nicht nur ein besseres klinisches Outcome der Patienten, sondern trägt auch zur Kosteneinsparung im Gesundheitswesen bei [2, 4, 18, 19].

7.5 Die Bioelektrische Impendanzanalyse [8, 20] Um den Ernährungszustand analysieren zu können, wird basierend auf dem Dreikompartiment-Modell, die Bioelektrische Impendanzanalyse (BIA) angewendet. Hierbei werden Hand- und Fußelektroden angelegt. Der Körper darf dabei an keine stromleitenden Gegenstände kommen. Die Leitfähigkeit des menschlichen Körpers wird gemessen. Daraus lässt sich die die Reaktanz (Xc) und die Resistanz (R) ableiten. Die Resistanz ist dabei umgekehrt proportional zum Gesamtkörperwasser und die Reaktanz ist proportional der LipidProtein-Doppelschicht der Zellmembran. Vereinfacht gesagt leiten flüssigkeitsreiche Gewebe besser den Strom als lipiddoppelschichtbesetzte Zellmembranen, die eher als Isolator fungieren. Der Widerstand, der einem Wechselstrom entgegengesetzt wird, wird als Impendanz (Z) bezeichnet. Definiert ist diese als:



Z = √R² + Xc² oder Z² = R² + Xc²



7.5 Die Bioelektrische Impendanzanalyse 

 85

Aufgrund der Kondensatorwirkung der Zellmembran kommt es zu einer Zeitverschiebung zwischen Strom- und Spannungsmaxima. Durch die Phasenverschiebung des Stromflusses kann die Form eines Winkels beschrieben werden. Dieser Winkel wird auch Phasenwinkel Alpha genannt. Aus den Messwerten der Reaktanz und Resistanz kann mit Hilfe der Formel: α = arc-Tangens (Xc/R) × 180°/π der Phasenwinkel berechnet werden. Die Interpretation des Phasenwinkels erlaubt eine gewichtsunabhängige Aussage und stützt sich somit nicht nur auf die Aussagewirkung des Body Mass Index. Ein hohes Alpha lässt möglicherweise den Schluss zu, dass eine gute Zellfunktion mit intakten Zellmembranen vorliegt (siehe Abb. 7.2). Intakte Zelle mit hoher Membranintegrität oder hohe Zelldichte – hoher Phasenwinkel Membranpotential Wechselstrom Membran Umax Imax 0,8 mA 50 KHz

Umax = Spannungsmaximum Imax = Stromstärkemaximum

Zelle

y Phasenwinkel

Abb. 7.2: Phasenwinkel bei einer intakten Zelle.

Ein kleiner Alphawert zeigt an, dass der Patient an einer klinisch relevanten Mangelernährung leidet (siehe Abb. 7.3). Geschädigte Zelle oder niedrige Zelldichte – niedriger Phasenwinkel

Wechselstrom 0,8 mA 50 KHz

Zelle

Phasenwinkel

Abb. 7.3: Phasenwinkel bei einer geschädigten Zelle.

Bei einem BMI-Werten >40 kg/m² sinkt der Phasenwinkel ab, was sich durch die sinkende Funktionalität der Zellmembranen erklärt. CAVE: Schwangere Patientinnen (Kontraindiktion).

86 

 7 Möglichkeiten des Screenings auf Mangelernährung

100 KHz

50 KHz 5 KHz

Keine Ablenkung an der Membran – Messung TBW – Leichte Ablenkung an der Membran – Messung TBW und BCM –

Kein Eindringen in die Zelle – Messung Extrazelluläres Wasser – Abb. 7.4: Leitungswege verschiedener Frequenzen durch die Zelle.

Laut der Studien von Kyle et al. gibt es einen signifikanten Zusammenhang zwischen gemessenen Phasenwinkel und dem Risiko eine Mangelernährung zu entwickeln [21, 22]. Es wird ein gleichmäßiger Wechselstrom bei 50 kHz angelegt. Um das extrazelluläre Wasser berechnen zu können wurde die Resistanz bei 5 kHz gemessen (siehe Abb. 7.4). Diese sogenannte phasensensitive Multifrequenzanalyse ist indiziert bei Herzund Niereninsuffizienzpatienten, aber auch bei Intensivpatienten und/oder Wassereinlagerungen (Ödemen, Anasarka). Um geeignete Referenzwerte trotz verschiedenen Alters, Gewichts und Geschlechts zu verifizieren wurde der Standardisierte Phasenwinkel von Bosy-Westphal et al. erstellt und publiziert [23]. Standardisierter Phasenwinkel = (individueller Phasenwinkel – Mittelwert des Referenzkollektives)/(Standardabweichung des Referenzkollektivs) Ein standardisierter Phasenwinkel von unter 0,8 kann als Zeichen einer Mangelernährung gedeutet werden. Eine weitere Herangehensweise ist das Modell nach Piccoli, welcher die Bioelektrische Impendanzvektoranalyse (BIVA) entwickelte [24]. Bei dieser werden die Resistanz und die Reaktanz ins Verhältnis mit der Körpergröße gesetzt. Dies wird dann in ein 2-dimensionales Koordinatensystem eingesetzt. Dabei kann Aufschluss zur Körperzellmasse und zum Hydratationszustand gegeben werden. Flüssigkeitsverschiebungen sind erkennbar an der Längsachse, die Körperzellmasse an der Querachse. Durch die Vektorenlage kann bestimmt werden, ob der Patient athletisch, schlank, kachektisch oder adipös ist. Die Unterscheidung nur nach Phasenwinkel kann keine Unterscheidung zulassen, ob der Patient athletisch oder adipös ist. Ebenso kann mit Hilfe der BIVA zwischen kachektischen und schlanken Personen unterschieden

7.6 Zusammenfassung 

 87

4 Exsiccose Wasserabnahme

3 2

Z [Xc]

1

95%

Zellmasse BCM Zunahme

75% 50%

0

–1 Zellmasse BCM Abnahme

–2 –3 –4 –4

Wasserzunahme Anasarca, Ödeme

–3

–2

–1

0 1 Z [R]

2

3

4

Abb. 7.5: Interpretationsgrafik mit Vektorperzentilen.

werden. Im Vektorgraphen werden Einzelwerte der Patienten mit Referenzkollektiven verglichen, welche in Form von drei Toleranzellipsen dargestellt werden, entsprechend der 50., 75. und 95. Referenzperzentile (siehe Abb. 7.5). Perzentile sind ein Maß für die Streuung einer statistischen Verteilung. Diese Referenzwerte sind für Deutschland alters-, geschlechts- und BMI-stratifiziert.

7.6 Zusammenfassung Die frühzeitige Erkennung der Unter- und Mangelernährung mit deren rechtzeitiger Behandlung hat zweifellos Budgetrelevanz. Die Kosten für die Behandlung von Malnutrition, eingeschlossen auch Komplikationen, liegen jährlich bei 9 Mrd. Euro, was die im Jahr 2007 publizierte CEPTON-Studie anhand der vorliegenden wissenschaftlichen Literatur berechnete [25]. Klinische Studien zeigen, dass die ernährungsmedizinische Behandlung zu erheblichen Einsparungen führt [26]. Mehr als 200 Studien belegen die Präsenz der Unter- bzw. Mangelernährung seit den 70er Jahren. Dabei wurden Patienten vor Einweisung in das Krankenhaus und während der Behandlung bzw. nach operativen Eingriffen erfasst. Die Ernährung bzw. die Erfassung des Ernährungszustandes spielt eine wichtige Rolle in der operativen Disziplin [27]. Um den Ernährungszustand zu bestimmen, gibt es verschiedene Anwendungsmethoden. Durchgesetzt haben sich in den vergangenen Jahren der –– „Subjective Global Assessment“ (SGA), –– „Nutritional Risk Score“ (NRS 2002), und –– „Mini Nutritional Assessment Score“ (MNA).

88 

 7 Möglichkeiten des Screenings auf Mangelernährung

Zusammenfassung –– Screening auf Mangelernährung: SGA, MUST, MNA, NRS-2002 –– Bioelektrische Impedanzanalyse zur Ermittlung der Körperzusammensetzung –– Größe, Gewicht, BMI, Labor (z. B. Albumin)

7.7 Literatur [1] Pichlmayr H, Thul P. Pathogenese und Beein­flussbarkeit der katabolen Stoffwechsellage beim chirurgischen Problempatienten. Georg Thieme Verlag Stuttgart; New York 1992, 72–79. [2] Löser C. Ernährung – Herausforderung und Geißel des 21. Jh. Ernährungsumschau 2007; 5: 248–252. [3] Weimann A, Jauch KW, Kernen M, Hiesmayr JM, Horbach T, Kuse ER, Vestweber KH. DEGEMLeitlinien Enterale Ernährung: Chirurgie und Transplantation. Aktuel Ernaehr Med 2003; 28 (Suppl 1): 51–60. [4] Weimann A, Breitenstein S, Breuer JP et al. S3-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin Klinische Ernährung in der Chirurgie. Aktuel Ernährungsmed 2013; 38: 399–416. [5] Morley JE, Silver AJ. Nutritional issues in nursing home care. Ann Intern Med. 1995 Dec 1; 123(11):850–9. Review. [6] Pirlich M. Was ist Mangelernährung? Wien Klin Wochenschr 2004; 116(17–18): 575–578. [7] DGEM: ESPEN Guidelines for enteral nutrition, 2006. [8] Schütz, T. et al.: ESPEN-Leitlinien Enterale Ernährung – Zusammenfassung, 2006. [9] T. Schütz, L. Valentini, M. Plauth. Screening auf Mangelernährung nach den ESPEN-Leitlinien 2002. Aktuel Ernaehr Med 2005; 30: 99–103. [10] T. Schütz, M. Plauth. Subjective Global Assessment – eine Methode zur Erfassung des Ernährungszustandes. Aktuel Ernaehr Med 2005; 30: 43–48. [11] Vellas B, Villars H, Abellan G, et al. Overview of the MNA® – Its History and Challenges. J Nutr Health Aging 2006;10:456–465. [12] Rubenstein LZ, Harker JO, Salva A, Guigoz Y, Vellas B. Screening for Undernutrition in Geriatric Practice: Developing the Short-Form Mini Nutritional Assessment (MNA®-SF). J Geront 2001; 56A: M366–377. [13] Guigoz Y. The Mini-Nutritional Assessment (MNA®) Review of the Literature – What does it tell us? J Nutr Health Aging 2006; 10:466–487. [14] Kaiser MJ, Bauer JM, Ramsch C, et al. Validation of the Mini Nutritional Assessment Short-Form (MNA®-SF): A practical tool for identification of nutritional status. J Nutr Health Aging 2009; 13:782–788. (Short form only). [15] Detsky AS, McLaughlin JR, Baker JP et al. Subjective Global Assessment (SGA) JPEN J Parenter Enteral Nutr 1987; 11: 8–13. [16] Arends J et al. Klinische Ernährung in Aktuel Ernahrungsmed 2015; 40: e1–e74 [17] Kondrup J, Allison SP, Elia M et al. ESPEN guidelines for nutrition screening 2002 Nutritional Risk Score (NRS 2002). Clin Nutrit 2003; 22(4): 415–421. [18] Löser C. Unter- und Mangelernährung – Klinik – moderne Therapiestrategien – Budgetrelevanz, 2011. [19] Russel CA. The impact of malnutrition on health care costs and economic considerations for the use of oral nutritional supplements. Clin Nutr 2007; Suppl 1: 25–32. [20] Dorhöfer, R. & Pirlich, M.: Das B.I.A.-Kompendium, 2005.

7.7 Literatur 

 89

[21] Kyle, U.G. et al. Can phase angle determined by bioelectrical impendance analysis assess nutritional risk? A comparsion between healthy and hospitalized subjects, 2012. [22] Kyle, U.G. et al. Low phase angle determined by bioelectrical impendance analysis is associated with malnutrition and nutritional risk at hospital admission, 2013. [23] Bosy-Westphal, A. et al.: Patterns of bioelectrical impendance vector distribution by body mass index and age: implications for body-composition analysis, 2005. [24] Piccoli, A. et al. A new method for monitoring body fluid variation by bioimpendance analysis – the RXc graph, 1994. [25] Shang E, Hassenberg T, Schlegel B et al. AN European survey of structure and organisation of nutrition support teams in Germany, Austria and Switzerland. Clin Nutr 2005; 24: 1005–1013. [26] Löser C. Unter- und Mangelernährung – Klinik – moderne Therapiestrategien – Budgetrelevanz, 2011. [27] Meißner C et al. Routinemäßige Ernährungsevaluation & -therapie im klinischen Alltag – „STANDARD OPERATING PROCEDURE (SOP)“, Ärzteblatt Sachsen-Anhalt 06/2015.

Gerd Meißner, Carl Meißner

8 Orale Ernährungstherapie 8.1 Einleitung Oral steht für die Aufnahme von Nahrung, Getränken oder auch Medikamenten über den Mund. Eine „orale“ Ernährung ist also das ganz normale Abbeißen von einem Butterbrot, das Kauen, Einspeicheln und Schlucken einer Gabel voll Gemüse oder das Trinken von Wasser oder Milch aus einem Glas. Auch das Einnehmen einer Tablette zusammen mit einem Schluck Wasser geschieht auf dem „oralen“ Weg. Die ersten Schritte einer unterstützten Ernährung sind eine besonders sorgfältige Auswahl, Zusammenstellung und Zubereitungsform von Lebensmitteln, welche der Patient dann auch noch auf normalem Weg zu sich nimmt.

8.2 Unterschiede der Kostformen 8.2.1 Vollkost oder Normalkost Der Begriff Vollkost ist ein Begriff aus der Ernährungsversorgung, den Betroffene in Kliniken oder Pflegeeinrichtungen immer wieder hören. Es handelt sich dabei um eine Kost, welche den Bedarf an allen wichtigen Nährstoffen deckt. Sie berücksichtigt den individuellen Energiebedarf, und sie ist den üblichen Ernährungsgewohnheiten des Patienten angepasst. Auch allgemeine gesundheitliche Aspekte sind wichtig: Voll- oder Normalkost sollte den Erkenntnissen aus der Ernährungsmedizin zur Vorbeugung von Krankheiten oder Ernährungsproblemen entsprechen. Diese Kostform erhalten alle Krebspatienten im Krankenhaus oder in der Rehabilitationsklinik, welche nicht auf eine besondere Form der Ernährung achten müssen oder sollen. Als Vollkost oder Normalkost gilt auch, wenn man sich zuhause wieder normal ernährt.

8.2.2 Sonderkostform oder Diät Eine Diät ist jede Form von verordneter Nahrungs- und Flüssigkeitszufuhr „nach Plan/Schema“. Dabei sind sowohl Art und Menge der Lebensmittel wie auch Zeitpunkt der Aufnahme aus ernährungstherapeutischen Gründen festgelegt. Eine Diät wird als Teil der Behandlung oder zur Vorbeugung einer Erkrankung eingesetzt. Ziel kann es sein, das Gewicht zu normalisieren, oder auch Stoffe in Nahrungsmitteln zu vermeiden, die zeitweilig oder auf Dauer einen ungünstigen Einfluss hätten. Beispiele sind kalorienbilanzierte Diäten oder Diäten für Patienten mit Diabetes mellitus, aber auch eine salzarme, eine glutenfreie oder eine laktosefreie Diät. DOI 10.1515/9783110517750-012

92 

 8 Orale Ernährungstherapie

8.2.3 Krebsdiät Der Begriff Diät wird im Zusammenhang mit Krebs nicht selten auch für Kostformen mit besonderem Anspruch verwendet: Angebliche Krebsdiäten sollen einen unmittelbaren Einfluss auf den Tumor nehmen. Die Theorien der Krebsdiäten beruhen meist auf einfachen Krebsentstehungsmechanismen. Fakt ist: „Es gibt KEINE Krebsdiät!“

8.2.4 Speiseanreicherung Darunter verstehen Ernährungsfachleute, dass normale Lebensmittel und Gerichte zum Beispiel mit gehaltvollen Lebensmitteln wie Sahne, Butter, Öl oder Nährstoffkonzentraten wie Maltodextrin oder Proteinpulver angereichert werden. Damit sollen gezielt Mangelzustände günstig ausgeglichen werden, ohne dass Patienten gleich zu besonderen Nahrungsmitteln oder „Astronautenkost“ als Trinknahrung greifen müssen.

8.2.5 Orale Nahrungssupplementation CAVE: Vorsicht bei Schluckstörungen.

Patienten sollten Flüssigkeiten gut schlucken können, wenn sie mit oraler Trinknahrung- und Zusatznahrung versorgt werden. Bei „oraler Nahrungssupplementation“ (ONS) handelt es sich um eine weitere Form der künstlichen Ernährung. Fachleute verstehen darunter Trinknahrungen, auch „oral bilanzierte Diäten“ oder umgangssprachlich „Astronautenkost“ genannt. Trinknahrung ist gut geeignet für Patienten, welche es über normale Lebensmittel oder angereicherte Speisen nicht auf die notwendige Kalorienzahl schaffen. Es gibt sie in verschiedenen Zusammensetzungen: Trinknahrung kann den ganz normalen Bedarf abdecken. Der Arzt oder die Ernährungsfachleute können aber auch Trinknahrungen empfehlen, die besondere Mangelzustände ausgleichen. Bei der Wahl der Produkte darf man jedoch nicht nur auf die Zusammensetzung an sich achten: Was ein Patient wirklich zu sich nehmen kann, hängt stark von seinen individuellen Vorlieben und seiner Krankheitssituation ab. Gängige Formen von Trinknahrung ähneln zum Beispiel Milchshakes oder Fruchtdrinks und schmecken auch so ähnlich. Doch nicht jeder mag diese Produkte. Manchen Patienten widerstrebt der Geschmack oder die Konsistenz. Andere haben Probleme damit, dünnflüssige Trinknahrung zu sich zu nehmen, ohne sich zu verschlucken. Dann ist unter Umständen



8.3 Mangelzustände in Ursache und Therapie 

 93

Aufbaunahrung aus Pulver besser geeignet: Man rührt sie zu einem Brei an oder mischt sie unter andere Lebensmittel. Eine wichtige Frage ist daher auch: Soll die Trinknahrung die normale Nahrung nur ergänzen oder weitgehend ersetzen? Bei manchen Patienten reicht es aus, nur Einzelstoffe gezielt zusätzlich einzusetzen. Ein Beispiel: Patienten, denen der Magen vollständig entfernt wurde, ist die Aufnahme von Vitamin B12 aus der Nahrung nicht mehr möglich. Auch wenn nur ein Teil des Magens fehlt, kann es sein, dass die Versorgung nicht mehr ausreicht. Rezeptfreie Vitaminpräparate sind hier aber nicht angezeigt: Betroffene benötigen in regelmäßigen Abständen Vitamin B12-Spritzen zur Supplementierung. Als Faustregel gelten drei Monate. Der Abstand kann auch kürzer sein, wenn der Mangel ausgeprägt ist.

8.3 Mangelzustände in Ursache und Therapie Die Negativwirkung von Mangelernährung bei unseren, vor allen alten Patienten, auf den Allgemeinzustand sowie auf die Morbidität und Mortalität sind hinreichend gut dokumentiert und im klinischen Alltag meist zu wenig beachtet. Eine Reihe an Untersuchungen belegen die prognostisch wichtige Bedeutung verschiedener Ernährungsparameter für den Gesundheitszustand [1–5]. Vergleicht man einen normal ernährten Patienten mit einem mangelernährten Patienten, findet sich bei Nachweis einer Mangelernährung eine deutlich höhere Morbiditäts- und Mortalitätsrate. Es gilt so die Mangelernährung bei unseren Patienten und auch hochbetagten geriatrischen Patienten zu vermeiden und den Gesundheitszustand mit der Ernährungssituation zu verbessern. Zu Beginn steht die Abklärung möglicher Ursachen: –– physiologische Ursachen –– Krankheits- und Medikamenteneffekte –– körperliche, geistige oder psychische Beeinträchtigung –– sozioökonomische Faktoren. Grundsätzlich gibt es im Rahmen der Ernährungstherapie eine Reihe von Möglichkeiten, ob unsere Patienten oral, enteral oder parenteral ernährt werden sollen. Sollte ein funktionsfähiger Verdauungstrakt vorliegen, so ist immer die orale Ernährungstherapie anzustreben. Im klinischen Alltag aber auch in den Alten- und Pflegeheimen sowie zu Hause stehen uns verschiedene Möglichkeiten und Maßnahmen zur Verfügung. Eine orale Ernährungstherapie im engeren Sinne kann unter anderem folgende Maßnahmen beinhalten: –– eine ausgewogene und vollwertige Zusammenstellung der Mahlzeiten, –– der Einsatz von nährstoff- und energiereichen Lebensmitteln, –– die Energieanreicherung des Standardessens,

94 

 8 Orale Ernährungstherapie

–– eine Berücksichtigung spezieller Erfordernisse hinsichtlich der Art und Konsistenz der Nahrungsmittel, –– das Anbieten von Wunschkost, –– die Schaffung einer gemütlichen Atmosphäre sowie –– den Einsatz von flüssigen Nahrungssupplementen. Im weiteren Sinne umfasst sie auch Maßnahmen, welche die äußeren Umstände der Mahlzeiteneinnahme betreffen. Hierzu gehören die individuelle Betreuung während den Mahlzeiten, die Schaffung einer adäquaten und sehr angenehmen Atmosphäre und das Bereitstellen von bestimmten Hilfsmitteln [6].

8.4 Optimales Nahrungsangebot und Betreuung Die erste Voraussetzung für eine bedarfsgerechte Ernährung ist ein entsprechendes Essensangebot in der jeweiligen Abteilung. Das gilt sowohl für die Klinik als auch für Alten- und Pflegeheimbewohner und auch für Patienten die zu Hause leben. Es bedarf eines Kompromisses zwischen einer optimalen Nährstoffzusammensetzung und den alt hergebrachten Gewohnheiten des jeweiligen Patienten. Damit stellt ein vielseitiges und abwechslungsreiches Lebensmittelangebot die beste Möglichkeit der Versorgung dar. Besonders bei hochbetagten Patienten, aber auch bei weitgehend gesunden Alten spielen hierbei die individuellen Erfordernisse eine sehr wichtige Rolle. Bestehen nun Kau- oder Schluckbeschwerden muss eine vollwertige Kost in entsprechender Konsistenz zur Verfügung gestellt werden. Zu beachten ist, dass erst hier auf Breikost umgestellt werden sollte, wenn die Anpassung der herkömmlichen nährstoffreichen Lebensmittel und die Kaufähigkeit nicht möglich ist (das Obst schälen, weiche Lebensmittel bevorzugen und die Rinde des Brotes entfernen). Hochbetagte Menschen sollten Hilfsmittel bei der Nahrungsaufnahme bei eingeschränkter Funktionsfähigkeit beim Essen nutzen: a) Besteck mit verdickten Griffen, b) Gabel mit einseitig geschärfter Kante, c) abgewinkelte Löffel, d) Schnabeltasse, e) Teller mit rutschfestem Boden. Meist ist eine individuelle Betreuung der Patienten notwendig (Personal!). Es sollte darauf geachtet werden, dass regelmäßig Mahlzeiten eingenommen, besondere Vorlieben berücksichtigt und die entsprechenden Lebensmittel zurückgegriffen werden. Eine individuelle Betreuung hat bei Patienten mit Essapraxie, zum Beispiel in Folge von einem Apoplex, einen besonderen Stellenwert. Hier muss bei dem Patienten möglichst im Rahmen ergotherapeutischer Rehabilitation Hilfestellung bei den Mahlzei-



8.6 Flüssige Nahrungssupplemente 

 95

ten geboten werden, um ein Risiko der Aspiration bzw. des falschen Schluckens zu vermeiden. In einer vor vielen Jahren stattgefundenen Untersuchung am Bethanien-Krankenhaus in Heidelberg [7], wurden die Auswirkungen einer dreiwöchigen individuellen Ernährungsbetreuung durch eine Ernährungsfachkraft auf die Nahrungsaufnahme und den Ernährungszustand unterernährter alter Patienten untersucht. Unter Berücksichtigung der angeordneten Kostformen bekamen 20 Patienten der Interventionsgruppe eine Wunschkost und je nach Vorlieben und Abneigungen zusätzliche energiereiche Nahrungsmittel aus dem Klinikangebot. Während der Mahlzeiten wurden die Patienten intensiv betreut. In der Kontrollgruppe erfolgte die übliche Ernährungsversorgung. Der Erfolg wurde anhand der Energieaufnahme und einiger ernährungsabhängiger Blutparameter gemessen. Die Steigerung der Nahrungsaufnahme, bzw. Energieaufnahme lag in der Interventionsgruppe bei durchschnittlich 120 kcal pro Tag. Während sich im Untersuchungszeitraum keine signifikanten Verbesserungen des Körpergewichtes ergab, hat sich der Gewichtsverlauf jedoch tendenziell verbessert. In der Kontrollgruppe kam es zu einer weiteren Gewichtsabnahme innerhalb der drei Wochen, die Patienten der Interventionsgruppe wogen im Mittel 500 g mehr. Wenn die Ergebnisse in einen relativ kurzen Beobachtungszeitraum auch nicht signifikant waren, lassen sie so dennoch ein bestehendes Pflegedefizit vermuten, dass zu intensiver Aufmerksamkeit und Unterstützung bei der Verbesserung der Nahrungsaufnahme und damit zu einem es langfristigen Erfolg zur Stabilisierung des Ernährungszustandes beiträgt.

8.5 Energieangereicherte Kost Es gibt mittlerweile viele Untersuchungen zum Einsatz energiereicher, bzw. energieangereicherter Kost bei unterernährten Patienten. Es liegt hier ein hohes Potential zur Verbesserung des Ernährungszustandes vor. Viele Untersuchungen konnten zeigen, dass die deutliche Verbesserung des klinischen Verlaufs und des Allgemeinzustandes sowie der Gewichtsentwicklung und einiger ernährungsabhängiger Blutparameter (z. B. Albumin) erreicht werden kann.

8.6 Flüssige Nahrungssupplemente Neben der Ernährungstherapie im Rahmen der Möglichkeiten mit üblichen Lebensmitteln und Gerichten bietet die Industrie verschiedene Nahrungsergänzungen zur Optimierung der täglichen Energie- und Nährstoffzufuhr an. Solche Zusatznahrungen sind als Instantpulver zum Anrühren, als flüssige oder cremige verzehrfertige Produkte in Form von oraler Trink- und Zusatznahrung, von unterschiedlichen Herstellern, in unterschiedlichen Verpackungen im Handel zu finden. Fertige flüssige

96 

 8 Orale Ernährungstherapie

Trinknahrung wird in Flaschen, Tetrapacks oder Bechern in Portionsgrößen von 200 ml angeboten. Es gibt verschiedene süße und herzhafte Geschmacksrichtungen, wobei es süße Produkte sowohl auf Milch- oder auf Saftbasis gibt. Die verschiedenen nährstofffundierten Getränke enthalten ihre Nährstoffe in hochmolekularer Form als komplexe Kohlenhydrate, Proteine und Fette. Die Standardformen liefern 1–2 kcal/ml und enthalten ca. 14 bis 20 % Protein, ca. 30 % Fett und 50–60 % Kohlenhydrate. Der Vitamin und Mineralstoffgehalt ist in der Regel so bilanziert, dass mit ca. 1500  ml Flüssignahrung der Tagesbedarf aller Nährstoffe gedeckt werden kann. Es gibt heutzutage bereits kleinere Packungsgrößen mit gleichem Nährstoffgehalt. Darüber hinaus gibt es die unterschiedlichen energiereichen Varianten, welche auch, die bis 2 kcal/ml enthalten, sowie eiweißreiche Varianten bis zu 40 Energieprozent Protein. Dieser Einsatz von flüssigen Nahrungssupplementen der oralen Trink- und Zusatznahrung stellt eine wichtige Möglichkeit zur oralen Ernährungstherapie der Patienten dar und erfüllt in der heutigen Evidence Based Medicine das Evidence Level 1 A. In den zahlreichen Untersuchungen konnte der Einsatz von energiereicher und nährstoffreicher Flüssignahrung eine Verbesserung der Nährstoffaufnahme [5, 8–19], das anhand von anthropometrischen und biochemischen Parametern beurteilten Ernährungszustandes [5, 8–19] sowie der geringeren Mortalitätsrate und einer Verkürzung des Krankenhausaufenthaltes erreicht werden. Es gibt viele randomisierte und kontrollierte klinische Studien, wo gezeigt werden kann, dass durch entsprechende Supplementierung es zu einer besseren Energieund Nährstoffaufnahme als in Kontrollgruppen ohne flüssige orale Trink- und Zusatznahrung gekommen ist. Auch hinsichtlich der Körperzusammensetzungen, Vitaminstatus (Blutwerte) und Pflegebedürftigkeit konnten in dieser Gruppe positive Effekte beobachtet werden. In der Schweiz wurde in einer Studie aus dem Bereich der geriatrischen Traumatologie mit Patienten mit Oberschenkelhalsfrakturen [20] durch Orale Trink- und Zusatznahrung eine geringere Komplikationsrate, kürzere Rehabilitationszeiten und einer geringerer Mortalität im Vergleich zu der nicht supplementierenden Gruppe (n = 32) beobachtet. Die Patienten der Supplementgruppe (n = 27) bekamen während der Zeit des Klinikaufenthalts durchschnittlich (32 Tage) 250 ml (254 kcal) Zusatznahrung angeboten. Eine genauere Untersuchung [21] berichtete von der Erhaltung, bzw. der Verbesserung des Ernährungszustandes von einer geringeren Mortalität durch orale Nahrungsergänzung bei geriatrischen Patienten in Langzeitpflege. Die Supplementgruppe (n = 197) erhielt neben der normalen Klinikkost 400 ml (400 kcal) flüssige Zusatznahrung. Der Ernährungszustand der Supplement- und Kontrollgruppe (n = 238) wurde zu Beginn der Studie und nach 26 Wochen erfasst. Ein Problem beim Einsatz von flüssigen Nahrungssupplementen ist die häufige Akzeptanz. Das alleinige Bereitstellen der Zusatznahrung auf den Nachttisch oder im Zimmer des Patienten reicht meistens nicht aus. Es muss diesbezüglich eine Betreuung und Motivation des Patienten erfolgen, um dem Patienten klar zu machen, wie wichtig diese Therapie für ihn ist. In verschiedenen Supplementstudien konnte gezeigt werden, dass die Akzeptanz sich verbessert, wenn die Patienten entsprechend aufgeklärt sind. Bei Demi

8.8 Zusammenfassung 

 97

et al. [20] wurden die angebotenen 250 ml Flüssignahrung gut toleriert und ein vollständiger Verzehr angegeben. Um die Akzeptanz von flüssiger Zusatznahrung bei alten Menschen zu verbessern, empfiehlt es sich durch den Einsatz verschiedener Produkte geschmackliche Abwechslung zu erzielen. Es stehen heutzutage eine Vielzahl von Rezepten zur Verfügung, die gut mit einer neutralen oralen Trink- und Zusatznahrung kombiniert werden kann. Eine Möglichkeit stellt weiterhin die Kombination aus süßen und pikanten Varianten dar. Innerhalb von süßen Geschmacksrichtungen gibt es heutzutage Produkte auf Milchbasis und auf Saftbasis. Diese enthalten kein Milcheiweiß und sind daher auch für Patienten mit Milcheiweißunverträglichkeit bestens geeignet. Außerdem ist bei besonders gekühltem Zustand der Erfrischungseffekt höher als bei Milchgetränken.

8.7 Supportiver Einsatz von Trinknahrung in der ambulanten Versorgung von erwachsenen Patienten – ein Algorithmus nach Weinmann et al. [22] In Orale Trink- und Zusatznahrung zählt zu den am Besten untersuchten Präparaten auf dem Gebiet der Ernährungsmedizin und Ernährungstherapie. Die Hürden der Verordnung und damit der Erstattung durch die Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) sind heutzutage im ambulanten Bereich immer noch hoch. Häufig lehnen Hausärzte die Verordnung ab, da sie einerseits den Sinn dieser Maßnahme bezweifeln, andererseits ihr Budget nicht belasten und damit Anfragen des Medizinischen Dienstes der Krankenhasse (MDK) verhindern möchten. Der DGEM-Algorithmus „Supportiver Einsatz von Trinknahrung in der ambulanten Versorgung von erwachsenen Patienten“ wurde im Rahmen des S3-Leitlinien Updates konform den Vorgaben der AWMF-Leitlinienentwicklung von 96 Experten aus Deutschland, Österreich und der Schweiz mehrstufig und über Jahre entwickelt. Dieser Algorithmus gilt vor allem für die ambulante Situation und bedarf weiterhin der Evaluation (siehe Abb. 8.1). Dieser soll Sicherheit in Hinblick auf die Indikationsstellung, Verlaufs- und Erfolgskontrolle zum Thema Verordnung und Einsatz oraler Trink- und Zusatznahrung geben. Inwieweit dieser Algorithmus in der Praxis und als Basis der Abrechnung umgesetzt wird, wird sich zeigen.

8.8 Zusammenfassung Die Ernährungstherapie der Mangelernährung bei Patienten sollte nach Möglichkeit auf oralem Wege erfolgen. Sie stellt hierbei eine große Anforderung an die Angehörigen, Pflegenden und das Ärzteteam dar. Auf Grund individueller Defizite muss bei jedem Patienten ein angepasstes Therapieschema erstellt werden. Als eine Maßnahme steht im engeren Sinne die Optimierung des Nahrungsangebotes mit ener-

nein

nein

ja

stationäre Ernährungstherapie

ja

stationäre Einweisung?

Risiko hoch

2

1

0

22

16

10

33

32

Gewichtsverlust > 10 % in 6 Mo. oder Nahrungszufuhr 25 % d. Bedarfs in der vergangenen Woche oder Serum-Albumin < 30 g/l

Risiko mäßig

Gewichtsverlust 5–10% in 6 Mo. oder Nahrungszufuhr 25 % d. Bedarfs in der vergangenen Woche

Risiko gering

Gewichtsverlust < 5% in 6 Mo. oder Nahrungszufuhr 50–75% d. Bedarfs in der vergangenen Woche

ja

Grunderkrankung. Therapieziele Orale Ernährung möglich und gewünscht? Ggf. Einbeziehung der Pflege nach dem DNQP-Standard „Ernährungsmanagement“: ggf. Einbeziehung von Angehörigen

Abklärung der Ursachen – Ernährungszustand mind. Messung von Größe, Gewicht; Berechnung: BMI

V.a. Krankheitsassoziierte Mangelernährung: – unzureichende Nahrungsaufnahme – unerwünschter Gewichtsverlust

nein

ja

nein

ja

4

3 nein

5

6

ja

18

24

31

Verlaufskontrolle nach 2 Wochen

ja

Verlaufskontrolle nach 4 Wochen

ja

ergänzende/bedarfsdeckende Sondenernährung ggf. parenterale Ernährung

– Ernährungsberatung – supportiver Einsatz von Trinknahrung (600–800 kcal/d)

23

17

11

nein

ja

Verlaufskontrolle nach 4 Wochen

Palliative Situation? Fortgeschrittene Demenz? Infauste Prognose

– Ernährungsberatung – bei Patienten > 70 Jahre: supportiver Einsatz von Trinknahrung

ja

Dysphagie? Mukositis?

ja

Diagnostik und Therapie

bedarfsdeckende orale Ernährung mit ggf. supportivem Einsatz von Trinknahrung möglich?

ja

ja

Gewicht

nein

Gewicht

nein

Gewicht

Gewicht

nein

Gewicht

nein

Gewicht

Gewicht

nein

Gewicht

nein

Gewicht

30

27

25

21

20

19

15

14

12

8

7

Patientenwille Ggf. Ethische Fallbesprechung

nein

keine künstliche Ernährung

nein

26

Gewicht

29

Verlaufskontrolle nach 6 Wochen

ja

28

supportiver Einsatz von Trinknahrung (600–800 kcal/d)

9

13

Therapieziel erreicht Verlaufskontrolle u. Wiedervorstellung bei Gewichtsverlust ja

nein

ja

ja

ja

ergänzende/ bedarfsdeckende Sondenernährung oder parenterale Ernährung

98   8 Orale Ernährungstherapie

siehe DGEM Leitlinien-Update Kapitel Neurologie

31: ggf. stationäre Einweisung diskutieren

23, 26: Die Kalorienzufuhr über Trinknahrung kann im Einzelfall höher sein.

17, 23: Die Ernährungsberatung sollte möglichst durch eine Ernährungfachkraft erfolgen (Diätassistent/in, bei gleichwertiger Qualifikation für die Diättherapie auch Oecotrophologe/in oder Ernährungswissenschaftler/in unter Beachtung der formalen Bestimmungen zur Durchführung von delegierten ärztlichen Leistungen).

15, 21, 30: Gewicht entspricht Gewichtsabnahme >2 kg; bei Patienten mit Aszites oder Ödemen; Nahrungszufuhr: ein Viertel oder weniger einer normalen Portion; oder Tellerdiagramm 25% des Bedarfs

entspricht Gewicht ± 2 kg; bei Patienten mit Aszites oder Ödemen: 14, 20, 27: Gewicht Nahrungszufuhr die Hälfte einer normalen Portion oder Tellerdiagramm 25 – 50% des Bedarfs

12, 19, 25, 29: Gewicht entspricht Gewichtsanstieg >2 kg; bei Patienten mit Aszites oder Ödemen: Nahrungszufuhr: normal/etwas geringer als normal oder Tellerdiagramm 50 –75% des Bedarfs

22: falls großer abdomineller Tumoreingriff und orale Ernährung nur eingeschränkt möglich, ggf. enterale/parenterale Ernährung für 10 –14 d möglichst prästationär Albumin < 30 g/l. wenn keine Nieren- oder Leberinsuffizienz vorliegt

10, 16: falls großer abdomineller Tumoreingriff (Gastrektomie, Ösophagusresektion, Pankreatoduodenektomie) immunmodulierende Trinknahrung für 5–7 Tage prästationär

Abb. 8.1: Algorithmus „Supportiver Einsatz von Trinknahrung in der ambulanten Versorgung von erwachsenen Patienten“ mit Erläuterungen.

9, 32: bedarfsdeckend = Summe der zugeführten Energie aus allen Nahrungsquellen (oral, enteral, parenteral) zur Deckung des Gesamtenergieumsatzes (Grundumsatz und Physical Activity Level): siehe hierzu weiterführenden Algorithmus enterale/parenterale Ernährung, z.B. vom National Institute for Health and Clinical Excellence (NICE)

13: Definition Therapieerfolg: Energie- und Nährstoffzufuhr zufriedenstellend, Gewichtstabilisierung, verbesserte Lebensqualität

4: Mukositistherapie: je nach Ergebnis der Dysphagie-Diagnostik Konsistenzmodifikation oder ggf. andere therapeutische Maßnahmen

3: Dysphagie-Screening;

2: Es ist abzuklären, ob durch eine Ernährungstherapie eine Verbesserung der Lebensqualität und/oder der Erkrankungsprognose zu erwarten ist und ob der Patient eine Ernährungstherapie wünscht. DNQP: Deutsches Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege

1: BMI = Körpergewicht [kg]/Körpergröße2 [m2]; sowohl Gewicht als auch Größe sollten unter Standardbedingungen gemessen werden. Bei Patienten mit Aszites oder Ödemen: quantitative Erfassung der Nahrungszufuhr mittels Tellerdiagramm. Mögliche Screening-Instrumente: Malnutrition Universal Screening Tool (MUST), Nutritional Risk Screening (NRS). Subjective Global Assessment (SGA), Mini Nutritional Assessment (MNA) Kurzversion oder Vollversion. Ernährungsmedizinisches Risiko (ESPEN): siehe DGEM LeitlinienUpdate Grundlagenkapitel

0: Im Sinne einer „krankheitsbedingten interventionsbedürftigen Ernährungssituation“: fehlende oder eingeschränkte Fähigkeit zur ausreichenden oder normalen Nahrungsaufnahme UND/ODER wenn andere Maßnahmen zur Verbesserung der Ernährungssituation nicht ausreichen verbunden mit dem Risiko oder einer bestehenden krankheitsbedingten Mangelernährung. Ein unerwünschter Gewichtsverlust muss abgeklärt werden.

8.8 Zusammenfassung   99

100 

 8 Orale Ernährungstherapie

giereicher und angereicherter Kost und flüssige Nahrungssupplementen, das heißt, der oralen Trink- und Zusatznahrung zur Optimierung zur Verfügung. Es gilt einerseits die Nahrung und andererseits die Rahmenbedingungen, wie die Betreuung und die Gestaltung des Umfeldes bei Mahlzeiten zu optimieren. Der Erfolg dieser Maßnahmen hängt im Wesentlichen von der Intensität der jeweiligen Betreuung bei unseren Patienten ab. Zusammenfassung –– 0ral vor parenteral –– Evidence-Level 1 A für die Trinknahrung –– Alogorithmus zum ambulanten Einsatz der Trinknahrung

8.9 Literatur [1] Bienia R, Ratcliff S, Barbour GL, Kummer M (1982). Malnutrition in the hospitalized geriatric patient. J Am Geriatr Soc 30: 433–436. [2] Constans T, Bacq Y, Brechot JF, Guilmot JL, Choutet P, Lamisse F (1992). Proteinenergy malnutrition in elderly medical patients. J. Am Geriatr Soc 40: 263–268. [3] Sullivan DH, Walls TC, Lipschitz DA (1991). Protein-energy undernutrition and the risk of mortality within 1 y of hospital dicharge in a selcet population of geriatric rehabilitation patients. Am J Clin Nutr 53: 599–605. [4] Löser C. Unter- und Mangelernährung im Krankenhaus. Übersicht. Dt Ärztebl; 107(51–52): 911–919. [5] Russel CA. The impact of malnutrition on health care costs and economic considerations for the use of oral nutritional supplements. Clin Nutr 2007; Suppl 1: 25–32. [6] Voljert D (1997). Ernährung im Alter. UTB für Wissenschaft, Quelle & Meyer Wiesbaden S. 247–257. [7] Göhner M (1995). Verbesserung der Ernährungssituation geriatrischer Patientinnen mit Riskofaktoren für Unterernähurng. Diplomarbeit an der Universität Hohenheim. [8] Rittler P et al. Krankheitsbedingte Mangelernährung – eine Herausforderung für unser Gesundheitssystem. Pabst Science Publ., Lengerich; Berlin; Bremen; Miami, Fla.; Riga; Viernheim; Wien; Zagreb, 49–59. [9] Löser C. Unter- und Mangelernährung im Krankenhaus: Klinische Folgen, moderne Therapiestrategien, Budgetrelevanz. Dt Ärztebl Int. 2010; 107(51–52): 911-7. [10] Kennedy JF, Nightingale JM. Cost savings of an adult hospital nutrition support team. Nutrition 2005; 21: 1127–1133. [11] Braga M, Gianotti L, Radaelli G, Vignali A, Mari G, Gentilini O, Di Carlo V. Perioperative immunonutrition in patients undergoing cancer surgery: results of a randomized double-blend phase 3 trial. Arch Surg 1999; 134(4): 428–433. [12] Braga M, Gianotti L, Nespoli L, Radaelli G, Di Carlo V. Nutritional approach in malnourished surgical patients: a prospective randomized study. Arch Surg 2002; 137(2): 174–180. [13] Weimann A, Breitenstein S, Breuer JP, Gabor SE, Holland-Cunz S, Kemen M, Längle F, Rayes N, Reith B, Rittler P, Schwenk W, Senkal M, DGEM Steering Committee, Klinische Ernährung in der Chirurgie, S3-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin e. V., Chirurg 2014; 85: 320–326.

8.9 Literatur 

 101

[14] Weimann A et al. S3-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin (DGEM) in Zusammenarbeit mit der GESKES, der AKE, der DGCH, der DGAI und der DGAV Klinische Ernährung in der Chirurgie Aktuel Ernahrungsmed 2013; 38: e155–e197. [15] Weimann A, Braga M, Harsanyi L, Laviano A, Ljungqvist O, Soeters P, DGEM: Jauch KW, Kemen M, Hiesmayr JM, Horbach T, Kuse ER, Vestweber KH (2006). ESPEN Guidelines on Enteral Nutrition: Surgery including Organ Transplantation. Clin Nutr 25: 224–244. [16] Weimann A (2008). Immunmodulation durch Ernährung – neue Befunde, Aktuel Ernaehr Med 33: 101–105. [17] Weimann A. Ernährung bei operativen Maßnahmen Onkologe 2016; 22: 251–261. [18] Song GM, Tan X, Liang H, Yi LJ, Zhou JG. Zeng Z, Shuai T, Ou YX, Zhang L, Wang Y. Role of enteral immunonutrition in patients undergoing surgery for gastric cancer: a systematic review and meta-analysis of randomized controlled trials. Medicine (Baltimore) 2015; 94(31): e1311. [19] Osland E, Hossain MB, Khan S, Memon MA (2014). Effect of timing of pharmaconutrition (immunonutrition) administration on outcomes of elective surgery for gastrointestinal malignancies: a systematic review and meta-analysis. JPEN J Parenter EnteralNutr 38: 53–69. [20] Delmi M, Rapin CH, Benoga JM, Delmas PD, Vasey H (1990). Dietary supplementation in elderly patients with fractured neck of femur. Lancet 335: 1013–1016. [21] Larsson J, Unosson M, Ek AC, Nilsson L, Thorslund S, Bjurulf P (1990). Effect of dietary supplement on nutritionaö status and clinical outcome in 501 geriatric patients – a randomised study. Clin Nutr. 9: 179–184. [22] Weimann A, Schütz T, Lipp T et al. (2012). Supportiver Einsatz von Trinknahrung in der ambulanten Versorgung erwachsener Patienten – ein Algorithmus. Aktuel Ernaehrungsmed 37: 282–286.

Ivonne Bühring, Steffi Westhus, Carl Meißner

9 Enterale Ernährungstherapie 9.1 Einführung

Sobald die Energie- und Nährstoffversorgung des Patienten mit der üblichen Kost nicht mehr gesichert ist, sollte die enterale Ernährung so früh wie möglich Anwendung finden. Handelt es sich um Patienten, die aufgrund ihrer Erkrankung appetitlos sind und mit der normalen Krankenhauskost ihren Energie- und Nährstoffbedarf nicht mehr vollständig decken, empfiehlt sich eine ergänzende Ernährung mit Trinknahrungen [1]. Gerade auf diesem Gebiet hat sich in den letzten Jahren eine rasante Entwicklung abgespielt. Besonders im Hinblick der geschmacklichen Akzeptanz und der Vielzahl der kommerziell erhältlichen Geschmacksrichtungen hat sich die Angebotspalette erheblich erweitert. Nährstoffdefinierte Trink- und Zusatznahrung gibt es heute in mehr als 30 verschiedenen Geschmacksrichtungen und sollte von jedem einzelnen Patienten entsprechend probiert und ausgewählt werden [2]. Die ausschließliche Ernährung mit Trinknahrungen wird von den meisten Patienten häufig nur kurzfristig akzeptiert. Hier sollte individuell entschieden werden, ob das Legen einer Sonde die Ernährungstherapie vereinfacht. Der Patient erhält die Nährstoffe bei der künstlichen Ernährung entweder –– enteral (= über den Verdauungstrakt), d.h. mittels Trink- bzw. Flüssignahrung über den Mund oder mittels Sonden in den Magen bzw. Darm oder –– parenteral (= unter Umgehung des Verdauungstrakts), d.h. in niedermolekularer Form direkt in die Blutbahn [1]. natürlich

künstlich

enteral

parenteral

oral

oral

per Sonde

Normalkost

Trinknahrung, Zusatznahrungen/ Supplemente

Formeldiäten – nährstoffdefiniert – chemisch definiert

Abb. 9.1: Natürliche und künstliche Ernährungsformen [1]. DOI 10.1515/9783110517750-013

Infusionslösungen

104 

 9 Enterale Ernährungstherapie

Die in verschiedenen Geschmacksrichtungen erhältlichen Zusatznahrungen (Supplemente) können den Verlauf verschiedener chronischer Krankheiten durch Stabilisierung des Körpergewichts und Erhalt der Mobilität der Patienten positiv beeinflussen. Zusätzliche Trinknahrung während der präoperativen Vorbereitung wird in der Regel von Patienten gut akzeptiert und vertragen. Will man das Körpergewicht vor und nach einer Operation durch Trinknahrung anheben, gilt die empirisch erhobene Regel: zusätzlich 1000 kcal pro Tag bewirken eine Gewichtszunahme von etwa einem Kilogramm pro Woche [2].

9.2 Indikationen Die Indikation zur klinischen Ernährung grundsätzlich und damit auch für eine enterale Ernährung ist bei (drohender) Mangelernährung des Patienten, erhöhtem Energieverbrauch und bei verlängerter Nahrungskarenz gegeben. Der Nutzen einer gezielten Ernährungstherapie hängt von der Länge der Nahrungskarenz und der Ausprägung des Ernährungsdefizits ab. Grundsätzlich erhöht eine Nahrungskarenz das Risiko der bakteriellen Translokation. Während gut ernährte Patienten auf jeden Fall nach einer kurztägigen Nahrungskarenz eine gezielte Ernährungstherapie erhalten sollten, sollte bei einer drohenden oder bereits manifesten Mangelernährung so früh wie möglich mit der Ernährungstherapie begonnen werden. Patienten, bei denen keine orale Nahrungsaufnahme möglich ist, ist die Indikation zur enteralen Ernährung mit Trink- und Sondennahrungen gegeben [1].

9.2.1 Indikationen zur klinischen Ernährung Eine künstliche Ernährung ist bei Patienten mit Mangelernährung und solchen ohne manifeste Mangelernährung indiziert, wenn vorherzusehen ist, dass der Patient für mehr als 7 Tage postoperativ unfähig zur oralen Kostzufuhr sein wird. Die Indikation besteht ebenfalls für Patienten, die für mehr als 10 Tage nicht in der Lage sind, mehr als 60–75 % der empfohlenen Energiemenge oral aufzunehmen. Für diese Patienten kann empfohlen werden, die künstliche Ernährung (bevorzugt enteral) ohne Verzögerung einzuleiten [3]. Die allgemeine Indikation zur künstlichen Ernährung in der Chirurgie ist die Prävention und die Behandlung einer krankheitsspezifischen Mangelernährung, wie der Ausgleich eines Ernährungsdefizits vor der Operation und der Erhalt des Ernährungsstatus nach der Operation, insbesondere wenn längere Perioden der Nüchternheit und der schweren Katabolie zu erwarten sind. Morbidität, Krankenhausverweildauer und Letalität sind die wesentlichen Endpunkte für die Evaluation des Nutzens einer Ernährungstherapie im Krankenhaus [3].

9.2 Indikationen 

 105

9.2.1.1 I ndikation zur präoperativen oralen Nahrungssupplementierung/ enteralen Ernährung Da sehr viele Patienten ihren Energiebedarf in der präoperativen Phase durch eine normale Ernährung nicht adäquat decken, kann unabhängig vom Ernährungsstatus das Angebot von Trinknahrung empfohlen werden. Mangelernährte Tumorpatienten und solche mit Hochrisiko sollen vor großen abdominal-chirurgischen Eingriffen Trinknahrung erhalten. Eine präoperative Supplementierung mit Trinknahrung oder enteraler Ernährung sollte vorzugsweise vor der Krankenhausaufnahme begonnen werden, um den Krankenhausaufenthalt nicht unnötig zu verlängern und das Risiko für eine nosokomiale Infektion zu verringern [3]. 9.2.1.2 Indikation zur postoperativen Sondenernährung Eine frühzeitige Sondenernährung (Beginn: innerhalb von 24 Stunden) sollte bei den Patienten begonnen werden, bei denen eine frühe orale Ernährung nicht möglich ist. Dies gilt besonders für –– Patienten mit großen Kopf- und Hals- sowie gastrointestinalen Eingriffen wegen eines Tumors –– Patienten mit schwerem Polytrauma einschließlich Schädel-Hirn-Trauma –– Patienten mit manifester Mangelernährung zum Operationszeitpunkt –– Patienten, bei denen die orale Zufuhr voraussichtlich für mehr als 10 Tage unter 60–75 % bleiben wird [3] Weitere Indikationen (nach Kalde et al. 2002, Rabast 1999, Volker 1994) –– Schluckstörungen (Dysphagie) infolge von Erkrankungen oder Lähmungen im Bereich Mundhöhle/Ösophagus/Gesicht –– Bewusstseinsstörungen/Bewusstlosigkeit, u.a. nach Schlaganfall/Koma/Schädelverletzungen –– konsumierende Erkrankungen, z. B. Tumorerkrankungen/HIV/Aids –– Mukoviszidose –– schwere Magen-Darm-Infektionen mit Diarrhöe und Flatulenz –– Stenosen oder Fisteln des Darms –– schwere Leber- und Nierenerkrankungen –– Mangelernährung –– Anorexia nervosa –– Verwirrtheit –– Demenz Die enterale Ernährung mit Trink-/Sondennahrung sollte dann gewählt werden, wenn stabile Stoffwechselverhältnisse vorliegen und eine zumindest partielle digestive und absorptive Funktion des Gastrointestinaltrakts vorhanden ist [1].

106 

 9 Enterale Ernährungstherapie

9.2.2 Kontraindikationen –– –– –– –– –– –– ––

metabolische Entgleisungen schwerer Schock akutes Nierenversagen intestinale Obstruktion oder Ileus Darmfistel schwere intestinale Blutung Aspirationsgefahr [1, 3]

9.3 Nahrungsarten Eine adäquate Sondennahrung muss absolut partikelfrei sein und gute Fließeigenschaften aufweisen (nicht zu dickflüssig), um die Gefahr einer Sondenverstopfung zu vermeiden. Gerade bei kranken Menschen ist es unabdingbar, dass die Nahrung hygienisch einwandfrei ist und somit schwerwiegende gastrointestinale Infektionen vermieden werden. Zudem muss eine adäquate enterale Ernährung die Zufuhr aller essentiellen Nährstoffe ohne Einschränkung gewährleisten. Industriell gefertigte Nahrungen werden diesen Ansprüchen gerecht und bieten zudem eine einfache praktische Handhabung. Dagegen ist selbst hergestellte Sondenkost in den allermeisten Fällen nicht nährstoffdefiniert und bilanziert und damit für eine bedarfsdeckende Langzeiternährung ungeeignet. Meist haben diese Produkte eine hohe Viskosität und erfordern daher eine dicklumige Sonde, die bei transnasaler Lage für den Patienten unangenehm und komplikationsträchtig sein kann. Bei unsachgemäßer Lagerung und bei Verwendung von hygienisch nicht einwandfreien Ausgangsprodukten kann es rasch zu bakteriellen Kontaminationen mit entsprechenden klinischen Komplikationen kommen. Die häufig zu hohe Osmolarität selbst gefertigter Sondenkost kann zu Verträglichkeitsproblemen (z. B. Diarrhöe) und damit auch zu Nährstoffdefiziten führen. Bei zu starker Verdünnung der Sondennahrung ist zudem eine Flüssigkeitsüberlastung zu befürchten [10]. In den Leitlinien der DGEM (Deutsche Gesellschaft für Ernährungsmedizin) wird die Verwendung selbst hergestellter Sondennahrungen aus folgenden Gründen abgelehnt: –– hygienisch inakzeptabel, –– nicht bilanziert/nicht bedarfsdeckend, –– nicht überprüfbar, –– nicht über 24 h verfügbar, –– hoher Arbeitsaufwand, –– hohe Flüssigkeitsbelastung [10]

9.3 Nahrungsarten 

 107

9.3.1 Zusammensetzungen von Trink- und Sondennahrung Die meisten Anbieter von industriell hergestellten bilanzierten Diäten halten sich bei der Nährwertrelation an die Ernährungsempfehlungen der DGE (Deutsche Gesellschaft für Ernährung) bzw. RDA (Recommended Dietary Allowances). Im Allgemeinen variiert die Zusammensetzung im Bereich der Standardnahrungen nur geringfügig: Eiweiß: Fett: Kohlenhydrate:

10–20 Energie % 30–35 Energie % 50–60 Energie %

Die Ballaststoffgehalte sind hingegen sehr unterschiedlich und liegen bei 0–30 g in der mittleren Tagesdosis. Die Energiedichte beträgt 0,5–2 kcal/ml. Der Gehalt an Vitaminen, Mengen- und Spurenelementen entspricht der mittleren Tagesdosis meistens den Empfehlungen der DGE [1]. 9.3.1.1 Ergänzende bilanzierte Diäten Sie dienen der Nahrungssupplementierung. Sie sollen ein Energie- oder Nährstoffdefizit ausgleichen oder einem Mehrbedarf gerecht werden [1] (siehe Kapitel 8). 9.3.1.2 Bedarfsdeckende bilanzierte Diäten Bei den industriell hergestellten Diäten unterscheidet man zwischen hochmolekularer Diät (= nährstoffdefinierte Diät, NDD) und niedermolekularer Diät (= chemisch definierte Diät, CDD). Merkmale der hoch- und niedermolekularen Diäten der enteralen Ernährung sind in Tab. 9.1 dargestellt [1]. Tab. 9.1: Merkmale von hoch- und niedermolekularen Diäten der enteralen Ernährung. Merkmale

NDD (hochmolekulare Diäten)

CDD (niedermolekulare Diäten)

Einsatz

–– Verwendung bei erhaltender Verdauungs- und Absorptionsfunktion (intakter Verdauungstrakt, jedoch gestörte orale Aufnahme) –– Zufuhr der Grundnährstoffe als Makronährstoffe (hochmolekulare Grundnährstoffe), die der Verdauungstrakt selbst aufschließen muss

–– Verwendung bei eingeschränkter Verdauung und Absorption –– Malassimilsation-, Malabsorptionssyndrom –– CED –– Kurzdarmsyndrom –– chronische Pankreatitis –– Nährstoffe werden dem Körper bereits in einer der Endstufe der Verdauung entsprechenden Form angeboten.

108 

 9 Enterale Ernährungstherapie

Tab. 9.1: (fortgesetzt) Merkmale

NDD (hochmolekulare Diäten)

CDD (niedermolekulare Diäten)

Substrate

–– überwiegend Polymere

–– überwiegend Monomere

Kohlenhydrate

–– Poly-, Oligosaccharide

–– Mono-, Di-, Polysaccharide

Eiweiße

–– intakte hochmolekulare Proteine

–– Aminosäuren oder kurze Peptide

Fette

–– pflanzliche Triglyzeride –– Maiskeim-, Sonnenblumen-, Diestelöl –– LCT –– MCT

–– essenzielle Fettsäuren

Ballaststoffe

–– je nach Indikation –– ballaststofffrei –– ballaststoffhaltig

–– keine Ballaststoffe

Vorteile

–– physiologische Methode unter Förderung und Erhaltung der natürliche Verdauungsfunktion –– preiswert

–– allergenarme Nahrung

Nachteile

–– nicht einsetzbar bei eingeschränkter Verdauungsfunktion

–– häufig schlechter Geschmack –– teuer

9.3.1.3 Auswahl einer bilanzierten Diät Sondennahrungen lassen sich grundsätzlich anhand verschiedener Kriterien unterscheiden: –– Vollbilanzierte Diäten sind zur ausschließlichen Ernährung geeignet und müssen hinsichtlich des Energie- und Nährstoffgehalts (Proteine, Kohlenhydrate, Fette/ Fettsäuren, Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente) bedarfsdeckend sein. –– Teilbilanzierte Diäten, die zur Verwendung als ergänzende Nahrung bestimmt sind, dürfen in einer Tagesverzehrsmenge vorgegebene Höchstmengen für Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente nicht überschreiten –– Eine Standard-Sondennahrung kommt zum Einsatz, wenn die vorliegende Erkrankung keine krankheitsspezifische bzw. stoffwechseladaptierte Sondennahrung erforderlich macht. –– Modifizierte bzw. Spezialsondennahrungen wurden für Patienten mit bestimmten Erkrankungen entwickelt, um auf die veränderten Ernährungsbedürfnisse optimal eingehen zu können, z. B. bei –– Fettverwertungsstörungen –– Kritisch kranken Patienten auf Intensivstation –– Flüssigkeitsrestriktion

9.3 Nahrungsarten 

 109

–– Normokalorische Sondennahrungen (≥ 1,0 kcal/ml; < 1,2 kcal/ml) werden vor allem bei Patienten mit einem normalen Energiebedarf eingesetzt, wenn keine Flüssigkeitsrestriktion vorliegt. –– Hochkalorische Nahrungen (≥ 1,2 kcal/ml) eignen sich für Patienten mit relativ hohem Energiebedarf und/oder Flüssigkeitsrestriktion (z. B. bei chronischen konsumierenden Erkrankungen, großen, tiefen Wunden, nach größeren Operationen, Wasting bei HIV-Infektion). –– Nahrungen mit < 20 En% Eiweiß eignen sich für Patienten ohne Proteinmangelzustand und ohne erhöhten Proteinbedarf. –– Eiweißreiche Nahrungen (≥ 20 En% Eiweiß) empfehlen sich für Patienten mit Proteinmangel und bei erhöhtem Proteinbedarf (z. B. nach größeren Operationen, Verbrennungen, bei schweren Infektionen, Intensivpatienten). –– Milcheiweißhaltige Sondennahrungen können bei Patienten ohne Kuhmilcheiweißallergie eingesetzt werden. –– Milcheiweißfreie Nahrungen wurden für Patienten mit einer Kuhmilcheiweißallergie entwickelt und enthalten als alleinige Proteinquelle Sojaprotein. –– Hochmolekulare Nahrungen liefern komplexe Nährstoffe wie z. B. intakte Proteine, Fette in Form von Triglyceriden mit langkettigen Fettsäuren und Kohlenhydrate wie Maltodextrin. Ihre Verwertung erfordert ein funktionsfähiges Verdauungssystem mit intakter Verdauungs- und Resorptionsleistung. –– Niedermolekulare Sondennahrungen liefern Energie und Nährstoffe in Form schnell verwertbarer, „vorgespaltener“ (hydrolysierter) Bausteine. Sie enthalten z. B. Eiweiß als Aminosäuren, Kohlenhydrate überwiegend als Mono- und Disaccharide sowie Fett als Triglyceride mit mittelkettigen Fettsäuren. Damit wird eine effektive Verwertung auch bei eingeschränkter Verdauungs- und Resorptionsleistung gewährleistet. Niedermolekulare Nahrungen eignen sich daher insbesondere für Patienten Malassimilationssyndrom, z. B. bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen, Kurzdarm, Strahlenenteritis oder Pankreatitis [10].

9.3.2 Allgemeine Anforderungen an die Trink- und Sondennahrung 1. steriles Produkt Auf kontaminierte Nahrung reagiert der immungeschwächte Patient äußert empfindlich. Bilanzierte Diäten bieten ein optimales Milieu für Mikroorganismen und Toxine. 2. gute Sondengängigkeit Bei filiformen Sonden ist die Verstopfungsgefahr geringer. 3. physiologische Osmolarität Sondennahrungen sollten eine Osmolarität von 300 mosmol/l nicht überschreiten, um osmotischen Durchfällen entgegen zu wirken.

110 

 9 Enterale Ernährungstherapie

Trink- und Sondennahrung

Erwachsene

Kinder

Verdaung/Resorption

bilanzierte Diät für Kinder bis 12 Jahre

eingeschränkt

normal

niedermolekulare Diät

Stoffwechsellage

verändert

normal

bilanzierte Diät bei Diabetes

Eiweißbedarf

bilanzierte Diät bei Leberinsuffizienz

erhöht

normal

bilanzierte Diät bei Niereninsuffizienz

Eiweißreiche Trink- und Sondennahrung

Energiebedarf

bilanzierte Diät bei Tumorpatienten

erhöht

normal

hochkalorische, ballaststoffreiche bilanzierte Diät

normalkalorische, ballaststoffreiche bilanzierte Diät

hochkalorische, ballaststofffreie bilanzierte Diät

normalkalorische, ballaststofffreie bilanzierte Diät

bilanzierte Diät bei resp. Insuffizienz

bilanzierte Diät bei AIDS

bilanzierte Diät bei Intensivpatienten

Abb. 9.2: Leitfaden zur Entscheidungsfindung bei einer bilanzierten Diät [1].

9.4 Applikationsformen 

 111

arm an Natrium Eignung für Hypotoniker. frei von Laktose Eignung für Patienten mit Laktoseintoleranz. frei von Carragen Diesen Stabilisator sollten Patienten mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen (CED) vermeiden. 7. frei von Gluten Eignung für Patienten mit Zöliakie/Sprue. 8. frei von Purin Eignung für Patienten mit Gicht. 9. frei von Cholesterin Eignung für Patienten mit erhöhtem Cholesterinspiegel [1].

4. 5. 6.

9.3.3 Entscheidungshilfen bei der Auswahl der geeigneten bilanzierten Diät Bei den meisten Patienten kann eine Standardnahrung mit einer adäquaten Menge an Proteinen ausreichend sein. Bei erhöhtem Risiko für Sondenobstruktion und Infektionen kann der Einsatz von selbst hergestellten Nahrungen zur Sondenernährung nicht empfohlen werden.

9.4 Applikationsformen Die Applikation der enteralen Ernährung kann über den oralen Weg mittels Trinknahrung und Zusatznahrung erfolgen. Die nächste Stufe der enteralen Ernährung ist eine transnasale Sonde bei der die Sondenspitze gastral oder jejunal liegt (enterale Ernährung < 4 Wochen). Wenn die enterale Ernährung > 4 Wochen erfolgt, ist es ratsam eine Anlage einer PEG/PEG-J anzudenken. Hier gibt es verschiedene Arten der Sonden und Anlageformen (weitere Inforamtionen siehe Kapitel 4).

112 

 9 Enterale Ernährungstherapie

9.5 Praxis der enteralen Ernährungstherapie 9.5.1 Berechnung des Energieumsatzes Grundumsatz: 20–30 Jahre 30–70 Jahre > 70 Jahre

25,0 kcal/kg Körpergewicht und Tag 22,5 kcal/kg Körpergewicht und Tag 20,0 kcal/kg Körpergewicht und Tag

Gesamtenergiebedarf: Energiebedarf = Grundumsatz × Stressfaktor (führende Diagnose) Stressfaktoren: leichter Stress: chronische Krankheiten mit Komplikationen (Leberzirrhose, COPD, Diabetes mellitus, Krebsleiden), leichtes Fieber (bis 39°C), Rekonvaleszenz nach großen operativem Eingriff (z. B. Schenkelhalsfraktur) 1,1–1,3 mäßiger Stress:  große, tiefe Wunden (Dekubitus), schwere Infektionen, schweres Fieber (40° C), Polytrauma mit septischen Komplikationen 1,4–1,6 schwerer Stress: Schädelhirntrauma, Knochenmarkstransplantation, intensivpflichtige Patienten, schwere Verbrennungen 1,7–2,0 [5]

Bei kachektischen oder adipösen Patienten sind Korrekturen nach unten oder oben erforderlich. Bei kachektischen Patienten sollte man vom Ist-Gewicht ausgehen und eine langsame Steigerung der Energiemenge bis zum Soll-Gewicht vornehmen. Sind Patienten extrem kachektisch, d.h., der BMI liegt unter 16 kg/m2 sollte man mit maximal 50  % der nach Ist-Gewicht berechneten Menge beginnen und langsam je nach Verträglichkeit um alle 1–2 Tage die Energiemenge um 100 kcal/Tag steigern. Hier ist es sinnvoll mit Zielgewichten in mehreren Stufen zu arbeiten um das SollGewicht zu erreichen. Im Gegensatz zu den kachektischen Patienten sollte man bei adipösen Patienten, d.h. der BMI ist > 30 kg/m2, mit dem Soll-Gewicht arbeiten und dies als Berechnungsgrundlage nehmen.

9.5.2 Berechnung der Flüssigkeitsmenge 15–18 Jahre 19–50 Jahre > 50 Jahre

40 ml/kg Körpergewicht 35 ml/kg Körpergewicht 30 ml/kg Körpergewicht [5]

Gesamtflüssigkeitsmenge = freies Wasser in der Sondennahrung + zusätzliche Wassermenge [5]

Bei Patienten mit Trachealkanülen, Fisteln, Durchfällen, hohem Fieber, Erbrechen, VAC-Anlagen, Patienten in Glaskugelbetten sollte ein erhöhter Flüssigkeitsverlust (ca. 500–1000 ml) mit einkalkuliert und berechnet werden. Als Zeichen von zu wenig Flüssigkeit sind sehr zähes Sekret beim abhusten bzw. absaugen, dunkler Urin,



9.5 Praxis der enteralen Ernährungstherapie 

 113

Hautturgor, Laborparameter anzusehen. Ebenso sollte eine Flüssigkeitseinschränkung der freien Wassermenge bei Patienten mit Niereninsuffizienz, Dialysepatienten (ca. 1000 ml + Urinausscheidung), Herzinsuffizienz, Aszites mit einkalkuliert werden. Die zusätzliche Wassermenge wird unter anderem für die Medikamentengabe und zum Spülen der Sonde verwendet und sollte die Gesamtflüssigkeitsmenge, insbesondere bei Patienten mit eingeschränkter Flüssigkeitsmenge nicht überschreiten. Wichtig für die Praxis zu Beginn einer Ernährungstherapie ist das Monitoring und die Bilanzierung (Ein- und Ausfuhrkontrolle). Denken Sie an die Dokumentation und den 24 Stunden Recall.

9.5.3 Berechnung des Proteinbedarfs 19–64 Jahre 0,8 g/kg Körpergewicht/Tag ≥ 65 Jahre 0,9– 1,1 g/kg Körpergewicht/Tag normaler Proteinbedarf: 0,8– 1,0 g/kg Körpergewicht/Tag erhöhter Proteinbedarf: 1,1 – 1,5 g/kg Körpergewicht/Tag bei z. B. oberflächliche Wunden, kleinere Operationen, Hämodialyse, onkologischen Patienten hoher Proteinbedarf: 1,5– 2,0 g/kg Körpergewicht/Tag bei z. B. großen tiefen Wunden, großflächigen Verbrennungen, Rehabilitation nach Unterernährung [5]

9.5.4 Body-Maß-Index bei Amputationen Nach einer Amputation muss das einzusetzende Gewicht korrigiert werden, damit der BMI halbwegs valide berechnet werden kann. Zu diesem Zweck existiert eine Tabelle mit Korrekturwerten, die zur BMI-Berechnung berücksichtigt werden kann. Bei einer Amputation wird das ermittelte Gewicht auf ein so genanntes theoretisches Gewicht korrigiert. Gemeint ist der Wert, der sich ohne Amputation ergeben würde. Hierzu wird bei folgender Formel vor der Berechnung des BMI zunächst das Gewicht korrigiert. Gewicht  ×  100 Gewicht =− − 100 – Korrektur Nach der Berechnung des Gewichtes unter Berücksichtigung der Korrekturwerte, kann dann der BMI ausgerechnet werden [4].

114 

 9 Enterale Ernährungstherapie

Hieraus ergeben sich folgende Korrekturwerte: Amp. Körperteil

Korrekturfaktor

Hand

0,8

Unterarm

2,2

Oberarm/ganzer Arm

11,5*

Fuß

1,8

Unterschenkel

5,3

Ganzes Bein

18,7**

* Der Korrekturwert eines ganzen Armes berechnet sich aus den einzelnen fehlenden Gliedmaßen, in dem Fall Hand + Unterarm + Oberarm. ** Der Korrekturwert eines ganzen Beines berechnet sich aus den einzelnen fehlenden Gliedmaßen, in dem Fall Oberschenkel + Unterschenkel + Fuß

9.5.5 Durchführung der Sondenernährung Eine enterale Sondenernährung sollte innerhalb von 24 Stunden postoperativ begonnen werden. Es wird empfohlen, die Nahrungszufuhr mit einer niedrigen Flussrate (10–max. 20 ml/h) unter Beobachtung der intestinalen Toleranz zu beginnen. So kann es 5–7 Tage dauern, bis das Kalorienziel der enteralen Sondennahrung erreicht wird [3]. Bei der Durchführung der Sondenernährung wird je nach Sondenlage zwischen einer Bolusapplikation und einer kontinuierlichen Applikation der Sondenkost unterschieden. Liegt das Sondenende (egal ob transnasale Sonde oder perkutane Sonde) gastral, kann wahlweise kontinuierlich oder auch im Bolus die Sondenkost appliziert werden. Die Bolusgabe über eine gastrale Sonde ist nur bei intakter gastroduodenaler Passage und Magenmotilität erlaubt. Bei einer postpylorischen Sondenlage sollte nur eine kontinuierliche Applikation der Sondennahrung erfolgen [6]. 9.5.5.1 Nahrungsbeginn nach Sondenanlage Transnasalen Sonden: mit der Sondennahrung kann sofort begonnen werden PEG oder PEG-J-Anlage: sofortige Wassergabe ist möglich, 1–2 Stunden nach Anlage kann mit der Sondenkost begonnen werden

Erfahrungen aus der Praxis zeigen, dass nach 2–4 Stunden mit Wasser und erst am Folgetag mit Sondenkost begonnen wird, um bei Komplikationen (wie z. B. Nachblutungen) schneller und effektiver reagieren zu können.



9.5 Praxis der enteralen Ernährungstherapie 

 115

Beispielplan für Kostaufbau bei Bolusapplikation – gastral Tag 1 Sondenkost in ml Wasser in ml

Tag 2

Tag 3

Tag 4

Tag 5

Tag 6

Tag 7

Tag 8

10 × 50 10 × 50 8 × 100 8 × 100 8 × 150 8 × 150 8 × 200 10 × 50 10 × 50 10 × 50 8 × 100 8 × 100 8 × 100 8 × 100 8 × 50

Beispielplan für Kostaufbau bei kontinuierlicher Nahrungsgabe – gastral Tag 1

Tag 2

Tag 3

Tag 4

Tag 5

Tag 6

Tag 7

Tag 8

Sondenkost in ml

500

500

800

800

1000

1000

1500

Laufrate in ml/h

50

80

100

100

120

120

150

500

200

300

300

500

500

800

800

50

50

80

100

100

120

120

150

Wasser in ml Laufrate in ml/h

Beispielplan für Kostaufbau bei kontinuierlicher Nahrungsgabe – jejunal/duodenal Tag 1

Tag 2

Tag 3

Tag 4

Tag 5

Tag 6

Tag 7

Tag 8

Sondenkost in ml

400

600

800

1000

1200

1400

1500

Laufrate in ml/h

20

30

40

50

60

70

80

400

80

100

150

200

250

300

400

20

20

30

40

50

60

70

80

Wasser in ml Laufrate in ml/h

Die maximale Laufrate bei der jejunalen/duodenalen Applikation sollte 120 ml/h nicht überschreiten, um ein Dumpingsyndrom zu verhindern. Eine Pumpengesteuerte Ernährung ist anzuraten. Die jeweilige Wassermenge muss dem berechneten Bedarf angepasst werden. Vor und nach jeder Applikation von Sondenkost ist die Sonde mit Wasser zu spülen, um eine Sondenocclussion zu verhindern.

9.5.6 Medikamentengabe über die Sonde Medikamente sollten oral appliziert werden. Ist dies nicht möglich, sind Sondenart, Sondenlage und Sondeninnendurchmesser zu beachten. Flüssige Arzneiformen, Brausetabletten, Granulate und feste nicht retardierte Tabletten und Dragees [6] sind zu bevorzugen. Hierbei sind der pH-Wert, die Osmolarität und der Sorbitgehalt zu berücksichtigen. Gegebenenfalls sind diese flüssigen Arzneimittel noch zu verdünnen [5]. Bei festen Arzneimitteln besteht die Gefahr der Sondenocclussion durch unzureichende Verarbeitung (z. B. Mörsern) der Medikamente. Die Medikamente sollten einzeln gemörsert und verabreicht werden. Diese sollten nicht der Sondennahrung

116 

 9 Enterale Ernährungstherapie

zugeführt oder gleichzeitig appliziert werden. Vor und nach jeder Applikation mit Medikamenten sollte die Sonde gespült werden. Zum Spülen der Sonde eignet sich stilles Wasser (ca. 20–30 ml). Bei PEG-J-Anlagen sollte bevorzugt der gastrale Schenkel für die Medikamentengabe genutzt werden [5, 6].

9.5.7 Komplikationen 9.5.7.1 Mechanische Komplikationen Fehllage und Dislokationen Hierzu zählen die primäre Sondenfehllage und sekundäre Sondendislokation in die Trachea mit der Gefahr der Sondenkostgabe in die Lunge. Aber auch eine Dislokation der Sondenspitze vom Magen in den Oesophagus kann den gastrooesophagealen Reflux und damit das Aspirationsrisiko erhöhen [6]. Auch die Entstehung eines Pneumothorax nach endobronchialer Magensondenanlage ist möglich. Bei „blind-nasalem“ Sondenvorschub kann die Fehllage durch die Schädelbasis im Gehirn auftreten. Selten kann ein perkutan eingeführter Katheter intraperitoneal dislozieren und zu einer lokalisierten oder generalisierten Peritonitis führen. Bei längerer Sondenverweildauer kann es zu Erosionen und Ulzerationen im Oesophagus, Magen, Duodenum oder Jejunum kommen [6]. Prophylaxe: durch bildgebende Verfahren, Aspirationskontrolle, Luftinsufflation mittels Blasenspritze [6]. Occlussionen Hier sind besonders das Verstopfen der Sonden durch schlechtes auflösen der Medikamente oder unzureichend gespülte Sonden nach Nahrungsgabe zu verzeichnen. Diese sind oft durch Spülen mit einer großlumigen Spritze (Blasenspritze) und warmen Wasser zu beheben. Seltener sind Nahrungsreste von passierter Kost (bei ambulanten Patienten) zu sehen. Hier sind oft die Durchspülungsmaßnahmen erfolglos und ein Wechsel bzw. eine Neuanlage der Sonde notwendig [6]. Prophylaxe: Vor und nach jeder Nahrungsgabe, Medikamentengabe und längeren Sondenpausen mit Wasser spülen. Bei Ablagerungen an der inneren Sondenwand ist die Sonde zwischen den Fingern mit leichtem Druck zu rollen und dann zu spülen. Hierbei lassen sich die Ablagerungen leichter lösen. Wird die Sonde über einen längeren Zeitraum nicht genutzt, dann sollte die Sonde täglich mit 20 ml Wasser gespült werden, um die Durchgängigkeit zu erhalten. Hypergranulation Als Hypergranulation wird eine gutartige, die Punktionsstelle kragenförmig umgebende Gewebeneubildung, welche oft wenig blutet bezeichnet. Ursache ist meist ein zu großer Verbandsintervall. Das Aufliegen desselben Verbandes über einen zu



9.5 Praxis der enteralen Ernährungstherapie 

 117

langen Zeitraum, hat einen zu feuchten Verband zur Folge. Dadurch erfolgt die Anregung der Granulation. Der Verbandswechsel sollte hier täglich (bei Bedarf mehrmals täglich) mit einer trockenen sterilen Kompresse mit leichter Kompression auf das Granulationsgewebe erfolgen. Eventuell das Gewebe auf Tumor abklären lassen. Prophylaxe: Regelmäßige trockene Verbandswechsel und die externe Halteplatte auf korrekten Sitz überprüfen. Eine Schlitzkompresse sollte zwischen Stoma und externen Halteplatte Platz haben. Buried-Bumper-Syndrom Hier kommt es zu einem einwachsen der internen Halteplatte in die Magenmukosa. Als Ursache sind eine unzureichende Mobilisation der Sonde bzw. ein zu hoher Zug der externen Halteplatte anzusehen. In vielen Fällen ist die endoskopische Mobilisation möglich, selten muss die Sonde offen chirurgisch entfernt werden [6]. Prophylaxe: 48 Stunden nach Anlage der perkutanen Sonde den Zug lösen und die Sonde bei jedem Verbandswechsel durch leichtes vor- und zurückziehen im Stichkanal bewegen und ggf. drehen. Achtung bei PEG-J-Sonden; Sonde darf hier nicht gedreht werden, um eine Disslokation der jejunalen Sonde zu vermeiden. Aspiration Als Aspiration wird das Eindringen von Sondennahrung, Mageninhalt oder Speichel in die Atemwege bezeichnet, welche zu Pneumonien führen können. Erste Symptome dafür können Hustenreiz und Atemnot sowie Fieber sein. Fehlplatzierungen der Sonde können ebenso eine Ursache sein, wie Homöostasestörungen. Hypokaliämie und Hyperglykämie können zu einer Magenatonie führen, welche einen gerichteten Nahrungstransport verhindert. Diese postoperative Magenatonie kann 3–5 Tage oder länger andauern [1]. Prophylaxe: Oberkörperhochlagerung von 30°–40° des Patienten während und 1–2 Stunden nach der Nahrungsgabe. Osmolarität und Fettgehalt der Sondennahrung beachten, da eine zu hohe Osmolarität und ein erhöhter Fettgehalt einen längeren Verbleib der Sondennahrung im Magen bewirkt. Bei bewusstseinsgetrübten Patienten ohne entsprechende Schutzreflexe empfiehlt sich außerdem eine postpylorische doudenale oder jejunale Ernährung durchzuführen. Diese reduziert das Auftreten von Aspirationen, kann sie aber auch nicht vollständig verhindern [6]. Ischämische Dünndarmnekrose Dies ist eine sehr seltene, aber schwerwiegende Komplikation einer enteralen Ernährung. Sie wurde bisher bei Patienten mit einer postoperativen enteralen Ernährung beobachtet. Risikofaktoren sind eine stattgehabte abdominelle Operation mit Beginn einer frühen enteralen Ernährung über eine nasojejunale Sonde oder eine Jejunostomie. Da ein früher enteraler Ernährungsaufbau viele Vorteile mit sich bringt, sollte

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 9 Enterale Ernährungstherapie

trotz dieser Komplikationsmöglichkeit angestrebt werden, postoperative oder posttraumatische Patienten möglichst früh enteral zu ernähren. Hierbei sind die niedrige Laufrate der Sondenkost (10 ml/h) und die vorsichtige und behutsame Steigerung der Laufrate wichtig. Selbstverständlich ist die sorgfältige und regelmäßige klinische Untersuchung des Patienten, bei dem sich eine enterale Ernährung im Aufbau befindet [6]. 9.5.7.2 Gastrointestinale Komplikationen Tube-Feeding-Syndrom Eine spezifische Komplikation ist das Tube-Feeding-Syndrom. Bei Zufuhr einer hyperosmolaren Nährlösung erfolgt im oberen Dünndarm eine schnelle Wiederherstellung der Isotonie durch Einstrom von Flüssigkeit aus dem Körper. Bei gleichzeitiger inadäquater Flüssigkeitszufuhr resultiert eine hypertone Dehydration begleitet von Hypernatriämie, Hyperosmolalität des Plasmas und hohem spezifischem Gewicht des Harns. Die Behandlung erfolgt durch eine Unterbrechung der enteralen Ernährungtherapie und eine Infusionstherapie bis zur Normalisierung der Plasmaosmolalität [6]. Prophylaxe: durch sorgfältige Flüssigkeitsbilanzierung und Vermeidung zu hoher Osmolalität der Nährlösung [6]. Refeeding-Syndrom Das Refeeding-Syndrom zählt sowohl bei der enteralen als auch bei der parenteralen Ernährung mit zu den häufigsten Komplikationen. Es tritt auf, wenn mangelernährte Patienten mit einem katabolen Stoffwechsel plötzlich wieder mit ausreichend Energie versorgt werden. Wird plötzlich Glucose zugeführt, wird die Insulinfreisetzung stimuliert, was zu einem Glucose-, Phosphat-, Wasser- und Elektrolyteinstrom in die Zellen führt. Infolge des erhöhten Einstroms von Phosphat aus dem extra- in den intrazellulären Raum kommt es zu einer Hyperphosphatämie [1]. Diese kann zu Atemstillstand führen. Eine zu schnelle und zu reichliche Ernährung kann noch weitere (letale) Folgen haben: Hypokalzämie, Hypokalämie, Hypomagnesämie können zu Herzrhythmusstörungen führen. Die Mehrzahl der Symptome treten innerhalb von 2–4 Tagen nach Beginn der Nahrungszufuhr auf [7]. Prophylaxe: kontinuierliche langsame Zufuhr der Energie, langsamer Kostaufbau, Bestimmung von Phospaht, tägliche Kontrolle der Elektrolytkonzentration, des Blutzuckers während des Kostaufbaus, Normalisierung durch Substitution. Supplementation von Thiamin [7]. In nachfolgender Tabelle finden sich die NICE-Kriterien (NICE = National Institute for Health and Clinical Excellence) zur Bestimmung von Patienten mit hohem Risiko ein Refeeding-Syndrom zu entwickeln [7].



9.5 Praxis der enteralen Ernährungstherapie 

 119

die Patienten erfüllen eines oder mehrere der folgenden Kriterien: BMI unter 16 kg/m² –– ungewollter Gewichtsverlust > 15 % in den letzten 3–6 Monaten –– kaum oder keine Nahrungsaufnahme in den letzten 10 Tagen –– niedrige Serumkonzentration an Phosphat, Kalium und/oder Magnesium vor Nahrungsgabe die Patienten erfüllen 2 oder mehrere der folgenden Kriterien: BMI unter 18,5 kg/m² –– ungewollter Gewichtsverlust > 10 % in den letzten 3–6 Monaten –– kaum oder keine Nahrungsaufnahme in den letzten 10 Tagen –– Vorgeschichte von Alkoholabusus oder Arzneimittel wie Insulin, Chemotherapie, Antazida oder Diuretika

Reflux Aspiration und Reflux sowie eine daraus möglicherweise entstehende Aspiration bzw. Aspirationspneumonie sind häufig für einen Abbruch der enteralen Ernährung verantwortlich. Sie sind Folge einer Ansammlung von Nahrung im Magen durch eine Motilitätsstörung. Somit ist der Reflux das Symptom einer Verzögerung der Magenentleerung [6]. Ursachen: Hohe Kaloriendichte und Osmolarität, zu hoher Fettgehalt der Sondennahrung, Diab. Mellitus, neurologische oder rheumatische Erkrankungen, bestimmte Medikamente (Opiate, Betablocker, Kalziumkanalblocker, trizyklische Antidepressiva), zu flache Lagerung bei der Nahrungsgabe via Sonde. Prophylaxe: Oberkörperhochlagerung 30–45° während und 1–2 Stunden nach Sondengabe, Sondennahrung mit angepasster Kaloriendichte und Osmolarität. Maßnahmen: Die Laufrate der Sondenkost sollte reduziert werden. Vor der Nahrungsgabe ist eine Aspirationskontrolle durchführen, um zu sehen, ob eine Verzögerung der Magenentleerung vorliegt. Gegebenenfalls sollte von einer gastralen auf eine postpylorische duodenale/jejunale Ernährung gewechselt werden [6]. Empfehlung bei Reflux: a) kein stoppen der Ernährung bei Reflux unter 400–500 ml/d b) Stoppen der Ernährung bei Reflux > 500 ml/d c) Reflux von < 500 ml sollte zurückgegeben werden [6] Dumpingsyndrom Unter dem Dumping-Syndrom versteht man einen Symptomkomplex aus abdominellen Beschwerden und Störungen der Vasomotorik, der nach Operationen am Magen auftreten kann. Sie sind relativ häufig als Folge von Magenresektionen nach Billroth beobachtbar (Billroth I in 15 % der Fälle, Billroth II in 5 % der Fälle) [9].

120 

 9 Enterale Ernährungstherapie

Frühdumpingsyndrom: Da nach der Magenresektion die Pylorusfunktion fehlt, kommt es zur raschen Entleerung des Restmagens mit nachfolgendem hyperosmolarem Nahrungsangebot in der abführenden Schlinge. Durch die Hyperosmolarität kommt es zum massiven Flüssigkeitseinstrom in die Darmlichtung, der zu vasomotorischen Störungen bis hin zum Kollaps führt. Dies tritt meist direkt nach der Nahrungsgabe auf. Als Symptome zeigen sich krampfartige Schmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Müdigkeit [9]. Spätdumpingsyndrom: Die fehlende Pylorusfunktion des Magens führt zu einer schnellen Resoption von Glukose mit nachfolgender Hypoglykämie. Der hohe Blutzucker stimuliert reaktiv die vermehrte Ausschüttung von Insulin, worauf es im Sinne einer Gegenregulation zu einer Hypogykämie kommt. Dies tritt meist 2–3 Stunden nach der Mahlzeit auf. Symptome dafür sind Zittern, niedriger Blutdruck, Schwitzen, Hungergefühl, Unkonzentriertheit, Schwindel, Aggressivität [9]. Prophylaxe: langsamer Kostaufbau in kontinuierlicher Nahrungsgabe, mit 10 ml/h beginnen und täglich langsam um 10 ml steigern – je nach Verträglichkeit. Diarrhoe Als Diarrhoe unter Sondenkostgabe wird eine vermehrte dünnflüssige Stuhlfrequenz von mehr als 4 dünnflüssigen Stühlen pro Tag bezeichnet. Nachfolgende Tabelle zeigt die möglichen Ursachen mit den Gegenmaßnahmen auf [5, 8]. mögliche Ursachen

Maßnahmen

zu hohe Osmolarität der Sondenkost

Sondenkost mit physiologischer Osmolarität wählen (300–350 mosmol/l)

Sondenkost zu kalt

Nahrung auf Zimmertemperatur erwärmen

Sondenkost kontaminiert

–– angebrochene Behälter im Kühlschrank (max. 24 h) lagern –– vorgefüllte Behältnisse benutzen –– Überleitgeräte alle 24 Std. wechseln

Laufrate der Sondenkost zu hoch/ Bolus zu groß

–– Laufrate reduzieren –– kontinuierliche Gabe

zu schnelle Einschleichphase

auf letzte verträgliche Sondenkostmenge zurückgehen

ungeeignete Applikationsform

–– auf kontinuierliche Gabe umstellen –– evtl. jejunale/duodenale Sondenlage bevorzugen

Milcheiweißunverträglichkeit

Nahrung auf Sojabasis verwenden

9.7 Literaturverzeichnis 

 121

Tabelle: (fortgesetzt) mögliche Ursachen

Maßnahmen

Milchzuckerunverträglichkeit

laktosefreie/streng laktosearme Sondennahrung verwenden

Medikamente

überprüfen ggf. absetzen oder umstellen

Magen-Darm-Infektionen

Abstriche, Wasser- und Elektrolythaushalt stabilisieren

Hypalbuminämie (< 35 g/l)

Niedermolekulare Produkte oder Parenterale Ernährung, sehr langsamer Kostaufbau

zusätzlich orale Kost/ evtl. Nahrungsmittelunverträglichkeit

–– Ernährungsanamnese und evtl. Kostumstellung –– Ernährungsberatung

9.6 Zusammenfassung –– Enterale Ernährung ist ein wichtiger Baustein in der operativen Disziplin –– Sondenpflege um die „Haltbarkeit“ zu sichern –– Bei Beginn einer Therapie: Ein- und Ausfuhrkontrolle (24 Recall) –– Monitoring, sollte klinisch und paraklinisch erfolgen –– Kostaufbauplan nach Anlage beachten, ggf. Flussrate anpassen bei Übelkeit und Erbrechen und nicht auf Ernährung verzichten

9.7 Literaturverzeichnis [1] Lückerath E, Müller-Nothmann S-D. Diätetik und Ernährungsberatung 2008, 336–343, 347–348, 352–353. [2] Löser C, Keymling M. Praxis der enteralen Ernährung, 2001, 41, 152, 163. [3] Weimann A et al. S3-Leitlinie Klinische Ernährung in der Chirurgie Aktuelle Ernährungsmedizin 6/2013, 404, 408–411 Empfehlung 18–21, 23–26, 28, 29. [4] http://www.bmi-rechner.net/bmi-amputation.htm. [5] Nutricia Advanced Medical Nutricion 01.12, Kompendium für eine leitlinienorientierte Ernährung 01.12 Seite 12–16, 65–66. [6] Biesalski H K, Bischoff S C, Puchstein C. Ernährungsmedizin, 2010, 869, 871–874. [7] Valentini L et al. Leitlinie Klinische Ernährung der DGEM 2013,38/103–104. [8] Fresenius Kabi. Parenterale und Enterale Ernährungstherapie in der Klinik-Praxisleitfaden für den täglichen Gebrauch 04/10 33. [9] http://flexikon.doccheck.com/de/Dumping-Syndrom. [10] http://www.nutrison-flocare.de/fachkreisseite/medizinische-enterale-ernaehrung/ nahrungsarten/.

Verena Müller

10 Parenterale Ernährungstherapie (PE) Synonym: intravenöse Ernährung „Die parenterale Ernährung ist eine künstliche Ernährung über die intravenöse Gabe von Wasser und Nährstoffen wie Aminosäuren, Glukose, Lipide, Elektrolyte, Vitamine und Spurenelemente. Die subkutane Ernährung ist eine Spezialform des parenteralen Zugangs, der vorwiegend in der terminalen Pflege Verwendung findet (z. B. Geriatrie, Langzeitpflege, Palliativpflege)“ [1].

10.1 Künstliche Ernährung „Die künstliche Ernährung ist die Wissenschaft und Anwendungspraxis der oralen Nahrungssupplementation (ONS), der enteralen Ernährung (Sondenernährung) und der parenteralen Ernährung. Das Hauptziel der künstlichen Ernährung ist die Prävention oder Behandlung der krankheitsspezifischen Mangelernährung zur Verbesserung oder Beibehaltung des Ernährungsstatus und der Lebensqualität sowie zur Verbesserung des klinischen Outcomes. Ein weiteres Ziel kann sein, den krankheitsspezifischen Stoffwechsel und Organ- oder Gewebefunktionen positiv zu beeinflussen. Diese zur funktionellen Ernährung zählenden Aspekte umfassen im Weiteren die Verbesserung der Immunantwort sowie die Verminderung der Krankheitsaktivität oder systemischer Entzündungsreaktionen“ [1].

10.2 Indikationen zur Parenteralen Ernährung Salopp gesagt besteht die Indikation zur parenteralen Ernährung, wenn der Patient nicht essen darf oder kann. Sie besteht beispielsweise, wenn eine eingeschränkte gastrointestinale Toleranz vorliegt, der Patient also nicht in der Lage ist seinen Kalorienbedarf zu decken und die Kalorienzufuhr unter sechzig Prozent des errechneten Bedarfs (Beispielsweise Berechnung des Grundumsatzes durch die Formel nach Harris und Benedikt [2]) für voraussichtlich mehr als 10 Tage liegen wird [3]. Hier ist es insbesondere wichtig und kann nicht oft genug betont werden, das vor großen abdominalchirurgischen Eingriffen bereits über die postoperative Ernährung nachgedacht werden muss. Eine parenterale Ernährung kann auch erforderlich werden bei einer Darmobstruktion mit relevanter Passagestörung, beispielsweise bei einer Peritonealkarzinose und rezidivierenden Ileus-/Subileuszuständen. Weitere Indikationen für eine parenterale Ernährung kann eine Darmischämie sein oder eine generalisierte Peritonitis. Bei beiden Erkrankungen kann ein sogenanntes Damage Control Prinzip erforderlich DOI 10.1515/9783110517750-014

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 10 Parenterale Ernährungstherapie (PE)

sein, mit einer Diskontinuitätsresektion eines Darmsegmentes und der Anlage eines temporären Bauchdeckenverschlusses. Auch eine akute Gastrointestinale Blutung oder eine schwere Stoffwechselentgleisung mit Koma oder bei Patienten mit Aspirationsgefahr sollte eine parenterale Ernährung durchgeführt werden. Die parenterale Ernährung kann als Therapie eingesetzt werden, um eine Mangeloder Unterernährung und deren Folgen zu behandeln oder dieser vorzubeugen. Die parenterale Ernährung kann aber auch im Rahmen eines palliativen Gesamtkonzeptes durchgeführt werden um subjektiv den Erhalt der Lebensqualität für den Patienten zu behalten (weitere Hinweise zur Lebensqualität siehe Ende des Kapitels).

10.3 Kontraindikationen zur Parenteralen Ernährung Im Umkehrschluss erneut salopp gesagt besteht eine Kontraindikation für eine parenterale Ernährung, wenn der Patient essen darf und kann, also wenn der Patient auf oralem oder enteralem Weg (spontan, Magensonde, PEG/PEJ) ausreichend ernährt werden kann. Grundsätzlich sollte der Leitspruch verfolgt werden „If the bowel works, use it (wenn der Darm funktioniert, benutze ihn)!“ [4]. Als weitere Kontraindikationen gelten, wenn die voraussichtliche Lebenserwartung des Patienten unter einem Monat liegt und wenn der Patient die Einwilligung verweigert. Sowohl das Legen eines zentralen Venenzuganges als auch das Eingeben von Ernährungslösung gelten rechtlich gesehen als Körperverletzung, solange der Patient nicht seine Einwilligung dafür gibt [5, 6]. Der Patient oder sein gesetzlicher Vertreter müssen über Risiken und Komplikationen sowie über die Folgen einer Nichtbehandlung aufgeklärt werden. Hierbei sollte insbesondere auch an die entsprechende Dokumentation gedacht werden (frei nach dem Motto: was nicht dokumentiert ist, ist nicht erfolgt). Die Verordnung einer parenteralen Ernährung ist eine ärztliche Tätigkeit.

10.4 Zugangswege für die parenterale Ernährung 10.4.1 Periphere Venenverweilkanüle Parenterale Ernährung über eine periphere Vene, gewöhnlich der Hand oder einer Cubitalvene für eine parenterale Ernährung < 5 Tage (CAVE: Venenreizung, Thrombophlebitis; keine hyperosmolaren Lösungen keine Lösungen mit einer hohen Titrationsazidität oder -alkalität)



10.5 Probleme und Komplikationen der parenteralen Ernährung 

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10.4.2 ZVK (Zentralvenöser Katheter) Parenterale Ernährung über eine großlumige Vene, gewöhnlich nach Punktion der Vena jugularis interna oder der Vena Subclavia mit Vorschub in die Vena cava superior bei einer parenteralen Ernährung im Krankenhaus ≥ 5 Tage.

10.4.3 Getunnelte Katheter Ein getunnelter Katheter ist ein zentralvenöser Katheter mit einem subkutan vom venösen Eintrittspunkt zum Katheterausgang geführten Katheterverlauf. Der getunnelte Anteil liegt meistens im Brustbereich. Getunnelte Katheter sind geeignet für eine längerfristig geplante parenterale Ernährung > 4 Wochen. Zu den getunnelten Kathetern gehört 1. PICCLine (Peripherally inserted central catheter = peripher inserierter zentraler Katheter). Hier handelt es sich um einen dünnlumigen zentralvenösen Katheter, der im oder über dem Antekubitalbereich inseriert und bis zur V. cava superior vorgeschoben wird. Er eignet sich für eine parenterale Ernährung > 5 Tage bis 4 Wochen. 2. Hickman-Katheter. Dies ist ein tunellierter großlumiger (> 5 Charrier) zentralvenöser Katheter für die parenterale Langzeiternährung > 4 Wochen. 3. Broviac-Katheter. Dies ist ein tunellierter kleinlumiger (< 5 Charrier) zentralvenöser Katheter für die parenterale Langzeiternährung > 4 Wochen.

10.4.4 Portkatheter Der Port ist dem getunnelten Katheter sehr ähnlich, der Katheterausgang verbleibt jedoch subkutan. Auch er eignet sich für die parenterale Langzeiternährung > 4  Wochen.

10.5 Probleme und Komplikationen der parenteralen Ernährung Grundsätzlich kann man hier unterscheiden zwischen Katheterbedingten Problemen und Komplikationen und denen die durch die parenterale Ernährung an sich verursacht werden.

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 10 Parenterale Ernährungstherapie (PE)

10.5.1 Katheterbedingte Probleme Zu den Katheterbedingten Problemen bei den zentralvenösen Kathetern gehören zunächst die Komplikationen die durch die Anlage bedingt sind. Hierzu gehören die Blutung, das Hämatom, Verletzung von Nerven, Gefäßen, Nachbarorganen, Thrombose, Herzrhythmusstörungen, Perikardtamponade und der Pneumothorax. Die Anlage sollte am besten ultraschallgesteuert erfolgen. Bei bereits liegenden Kathetern spielen die Infektion, die Okklusion, die Dislokation und die Thrombose eine große Rolle.

10.5.1.1 Infektion Hier unterscheiden wir zwischen lokalen und systemischen Infektionen. Die Rate an Infektionen wird in der Literatur sehr unterschiedlich angegeben und scheint sich zwischen 3 und 10  % zu bewegen [7]. Die lokalen Infektionen betreffen meist die Portkammer bzw die Austrittsstelle aus der Haut bei den getunnelten Kathetern. Meist handelt es sich bereits um eine makroskopische klinische Diagnose mit Rötung, Schwellung, Überwärmung und Schmerz und oft sogar Pusaustritt. Bei den systemischen Infektionen können sowohl die Portkammer, als auch die Katheter an sich betroffen sein. Meist hat bereits eine hämatogene Streuung stattgefunden. Periphere und zentrale Blutkulturen sind beweisend. Die häufigsten Keime sind grampositive Kokken und gramnegative Stäbchen. Gründe für die Infektion sind vielfältig. Man darf nicht vergessen, dass Portkatheter Fremdkörper darstellen an denen sich Hautkeime anheften und vermehren können. Ein Großteil der Patienten die eine parenterale Ernährung benötigen sind sehr krank, haben eine maligne Grunderkrankung oder sind immunsupprimiert was die Entstehung der Infektion begünstigt. Und last but not least stellt die parenterale Ernährung an sich einen idealen Nährboden für das Wachstum von Bakterien dar. Das A und O ist die hygienische und sachgemäße Handhabung der Katheter. Dazu gehören in erster Linie die Aufklärung des medizinischen Personals und des Patienten an sich. Und zwar zum wiederholten Male. Es hilft sehr, entsprechende Hygienestandards in der Klinik zu etablieren. Es muss sowohl eine Händehygiene erfolgen bei jeglichem Umgang mit dem Katheter, eine Hautdesinfektion beim Patienten und insbesondere strenge hygienische Regeln bei der Portpunktion beispielweise. Die Überleitungssysteme müssen konsequent gewechselt werden, ebenso wie die Portnadel. Hier sollten nur spezielle geschliffene Portkanülen verwendet werden. Wir empfehlen die Wechsel der Portnadel bei parenteraler Ernährung nach fünf bis sieben Tagen. Desweiteren versuchen wir Blutentnahmen aus dem Katheter zu vermeiden. Oftmals wird noch empfohlen die Katheter mit einem Heparinblock durchzuspülen und zu versiegeln, davon nehmen wir jedoch Abstand aufgrund der Gefahr der Entwicklung einer HIT (Heparin induzierte Thrombozytopenie). Wir haben gute



10.5 Probleme und Komplikationen der parenteralen Ernährung 

Verdacht auf Katheter-induzierte Bakteriämie oder Fungämie

Blutkulturen peripher und aus jedem Katheterlumen gleichzeitig

Ausgeprägte lokale Infektzeichen z. B. eitrige Sekretion aus

keine oder fragliche lokale Infektzeichen

Patient hämodynamisch instabil (RR-Afall, Katecholamine) und/oder Auftreten eines akuten Sepsis-Syndroms mit perakutem Temperaturanstieg ZVK entfernen AB-Therapie evaluieren

Blutkulturen negativ und ZVK-Kulturen negativ

ZVK belassen andere Koagulase-neg. Staph.

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Blutkulturen negativ und ZVK-Kulturen positiv ≥ 15 KbE

Patient klinisch stabil kein perakuter Temperaturanstieg

ZVK vorläufig belassen AB-Therapie evaluieren

Blutkulturen positiv und ZVK-Kulturen positiv ≥ 15 KbE

ZVK belassen. AB-Therapie evaluieren. Bei ZVK-Kolonisation mit Staph. aureus oder Candida Spezies und Patient mit Herzklappenfehler

Engmaschiges InfektionsMonitoring und regelmässiges Wiederholen der Blutkulturen

Risikostratifizierung

nicht-tunnelierte ZVK

Tunnelierte ZVK oder Port-Systeme

Hohes Risiko komplizierte Infektion • Hypertonie, Organhypoperfusion • persistierendes Fieber oder Bakterämie 48h nach Beginn AB-Therapie • septische Thrombosen, sept. Embolien oder Endokarditis • Pat. mit künstl. Herzklappen • Tunnel- oder Port-System-Infekt

ZVK entfernen Beginn mit syst. AB-Therapie

AB-Lock-Behandlung evaluierten Beginn mit syst. AB-Therapie

ZVK entfernen Beginn mit syst. AB-Therapie

Niedriges Risiko unkomplizierte Infektion durch Koagulase-neg. Staph.

Mittelgradiges Risiko unkomplizierte Infektion durch Staph. aureus oder Candida Spezies

ZVK kann belassen werden Beginn mit syst. AB-Therapie

Abb. 10.1: Flowchart „Vorgehen bei Verdacht auf katheterinduzierte Blutstrominfektion“ [10].

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 10 Parenterale Ernährungstherapie (PE)

Erfahrung mit der Durchspülung mit 0,9 % NaCl gemacht. Ausserdem ist es schlichtweg kostengünstiger. Die Ergebnisse einer Cochrane Datenanalyse unterstützen dieses Vorgehen [8]. Eine andere weit verbreitete Methode ist das Blocken des Katheters mit einem antimikrobiellen Katheterlocksystem. Hier sind die Ergebnisse in der Literatur uneinheitlich. So zeigten sich in einer Analyse nach Blocken des Katheters mit Taurolidin in vitro potentielle Vorteile, die in vivo klinisch keine Relevanz hatten [9]. Besteht der begründete Verdacht auf eine Katheterinfektion muss dieser nicht obligatorisch entfernt werden. Wenn der Patient hämodynamisch stabil ist, kein Fieber hat und sich kein Pus aus dem Katheter entleert, belassen wir den Katheter zunächst und beginnen eine iv Antibiose über den Katheter. Sehr hilfreich ist hier die Flowchart „Vorgehen bei Verdacht auf katheterinduzierte Blutstrominfektion“ (Abb. 10.1), welche gut zur Entscheidungsfindung herangezogen werden kann [10, 11]. 10.5.1.2 Okklusion Wenn sich ein Katheter nicht durchspülen lässt und man den Verdacht auf eine Katheter-Okklusion hegt, beispielsweise durch Blut oder Medikamente, sollte man zunächst mechanische Komponenten ausschließen. Gibt es vielleicht einen Knick im Katheter (ggfs. Röntgen-Thorax anfertigen, oftmals knickt der Katheter unter der Clavicula) oder im Infusionssystem? Oftmals kann man dies auch durch eine Repositionierung des Patienten herausfinden. Ist der Katheter durch eine Naht zu sehr eingeengt? Wurden alle Klemmen geöffnet? Sitzt die Portnadel richtig? Wenn man diese mechanischen Komponenten ausschliessen konnte kommt es darauf an, womit der Katheter verstopft ist. Medikamente, parenterale Ernährung oder Blutgerinnsel? Es sollte auf jeden Fall unbedingt vermieden werden, den Katheter mit einer kleinen Spritze durchzuspülen. Oftmals bringt das zwar den gewünschten Erfolg, aber die Gefahr, dass der Schlauch platzt ist groß (port 9–12 bar, 1 ml Spritze 30 bar). Bei Verdacht auf eine Okklusion durch Nährlösung kann der Versuch durch Durchspülen mit Natronlauge (0,1 mmol/ml) erfolgen. Viele Zentren sind davon jedoch abgekommen, aus Angst den Katheter dadurch zu schädigen. Oftmals wird Ascorbinsäure oder ACC verwendet, doch hierfür gibt es keine wissenschaftlich belegten Studien. Bei Verdacht auf eine Katheterokklusion durch ein Blutgerinnsel kann eine Spülung mit Urokinase (5000 IE/ml) oder Alteplase (2 mg/2 ml) Abhilfe schaffen.

10.5.2 Komplikationen durch die parenterale Ernährung „TPN = Total parenteral nutrition or total poisonous nutrition?“ [13]. Das ist natürlich eine sehr provokante Aussage. Poison, also Gift ist eine Substanz, die normalerweise einen Organsimus verletzt, umbringt oder beeinträchtigt. Das ist natürlich nicht der Sinn der parenteralen Ernährung, aber man sollte sie rational einsetzen, bei entsprechender Indikation, überwachen und sich der Komplikationen bewusst sein.



10.5 Probleme und Komplikationen der parenteralen Ernährung 

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10.5.2.1 Refeeding-Syndrom Das Refeeding Syndrom ist eine potentiell tödliche Komplikation der parenteralen (auch der enteralen) Ernährung, welches durch Zufuhr der Nährlösung nach einer langen Hungerperiode entstehen kann. Hierdurch kommt es durch zu schnelle Zufuhr zu metabolischen und hormonalen Veränderungen. Es entsteht eine Hyperglykämie mit Anstieg der Insulinlevel und Abfall der Glucagonkonzentration. Glykogen, Lipide und Proteine werden synthetisiert. Hierdurch kommt es zu massiven Elektrolytverschiebungen. Kalium, Natrium, Phosphat und Magnesium sind hauptsächlich betroffen. Es kommt zur Hypokaliämie, Hypophosphatämie, Hypomagnesiämie und einem Flüssigkeitsshift in den Extrazellulärraum [14]. Klinisch macht sich das durch Tachykardie, Herzinsuffizienz, Herzrhythmusstörungen, Ödeme, einem erhöhtem Sauerstoffverbrauch und Rhabdomyolyse bemerkbar. Die Letalität steigt deutlich. 10.5.2.2 Vitamin B1 Mangel und akuter Beriberi Beriberi ist eine Erkrankung die durch Vitamin B1 Mangel (Thiamin) ausgelöst wird. Sie ist in Europa relativ selten und kann zu Störungen der Nerven, der Muskulatur und des Herz-Kreislauf-Systems führen. Bei parenteraler Ernährung kann es insbesondere zu einer Laktatazidose kommen [15]. Weitere Komplikationen der parenteralen Ernährung sind die Volumenüberladung mit Herzinsuffizienz und Lungenödem. Die Hyperglykämie bis zum hyperosmolarem hyperglykämischen nonketotischem Koma. Ab Blutzuckerwerten von > 200 mg/dL kommt es zu einer deutlichen Einschränkung der Lebensqualität mit Polyurie und Exsikkose. Es können Rebound-Hypoglykämien auftreten nach Beendigung der parenteralen Ernährung. Es kann zu Hypertriglyzeridämie kommen mit Entwicklung einer akuten Pankreatitis. Es gibt die Möglichkeit von hepatischen Komplikationen wie die Entwicklung einer Steatosis hepatis oder einer Cholestase. Am Skelettsystem kann es zu Osteoporose und Demineralisierung kommen. Zu den intestinalen Nebenwirkungen gehören die Mukosaatrophie und gegebenfalls die Translokation von Toxinen.

10.5.3 Zusammensetzung der parenteralen Ernährung Gesamtnährlösungen sind Nährlösungen, die alle Komponenten der parenteralen Ernährung in einem einzigen Behältnis enthalten (Glukose, Aminosäuren, Lipide, Elektrolyte, Vitamine und Spurenelemente). Die Verwendung wird aus hygienischen Gründen empfohlen.

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 10 Parenterale Ernährungstherapie (PE)

Mehrkammerbeutel sind Behältnisse zur Steigerung der Stabilität von parenteralen Nährlösungen durch Trennung einiger Komponenten (z. B. die intravenöse Fettemulsion) vom Rest der Lösung. Sie können problemlos durch den Patienten oder medizinisches Pflegepersonal zu einer Gesamtnährlösung hergestellt werden. Es können sowohl Standardgesamtnährlösungen erworben werden (All In One 3 Kammerbeutel) oder speziell auf den Patienten zugeschnittene Nährlösungen compoundet werden. Der Gesamtenergiebedarf des Patienten beträgt 15–35 kg/KG pro Tag und ist von unterschiedlichsten Faktoren abhängig (siehe Kapitel 6 und 7). Die Idealaufteilung der Makronährstoffe beträgt: Protein : Lipide : Glukose = 20 : 30 : 50 % Kalorien.

10.5.3.1 Aminosäuren Die Aufgabe der Aminosäuren ist die Aufrechterhaltung einer ausgeglichenen Stickstoffhomöostase. Aminosäuren stellen die Grundlage zur Bildung von Peptiden und Proteinen dar. Diese sind erforderlich zur Zellerneuerung und Herstellung von Enzymen und Hormonen. Es gelten folgende Grundwerte: Ausgeglichene Stickstoffbilanz: 0,8g/kg KG/Tag. Schwere Akute Pankreatitis: 1,2–1,5g/kg KG/Tag. Schwer mangelernährte Patienten: > 1,5g/kg/KG/Tag [16].

10.5.3.2 Kohlenhydrate Die Hauptaufgabe der Kohlenhydrate ist die Bereitstellung von Energie. Das Maximum der Glukoseoxidation bei normaler Stoffwechsellage beträgt 4–5 g/kg KG/Tag (> führt zu Lipogenese). Die hepatische Glucoseproduktion beträgt 3,2 g/kg KG/Tag. Der Stoffwechsel wird in erster Linie geregelt durch Insulin und Glukagon, in zweiter Linie beispielsweise durch Adrenalin, Kortison und Interleukine (Postaggressionsstoffwechsel) [17]. 10.5.3.3 Lipide Lipide sind erforderlich zur Deckung des Bedarf essentieller Fettsäuren (Bestandteile von Strukturlipiden). Durch Lipide kann man eine Vermeidung der Hyperglykämie erreichen und dadurch eine Verminderung der hepatischen Steatose durch Reduktion der Glukosegabe. Der Tagesbedarf liegt bei ca. 0,7–1,3 g Triglyzeride/kg KG/Tag [18].

10.7 Ernährungsteam 

 131

10.5.3.4 Wasser, Vitamine, Spurenelemente Der Flüssigkeitsbedarf für Erwachsene mit normalem Volumenstatus beträgt 30–40 ml/kg KG/Tag.

Die Substitution von Vitaminen und Spurenelementen sind ab einer Dauer der parenteralen Ernährung von > 1 Woche obligat, ansonsten kommt es zu Defiziten [19].

10.6 Monitoring Wird eine parenterale Ernährung durchgeführt, ist es wichtig den Patienten in regelmäßigen Abständen zu überwachen. Es sollte unbedingt eine Festlegung der Ziele vor Beginn der Therapie erfolgen und die Indikation regelmäßig überprüft werden. Dies beinhaltet klinische Kontrollen, Kontrolle der Vitalfunktionen und laborchemische Kontrollen. Im Krankenhaus ist dies nicht weiter problematisch, bei der Überführung in den ambulanten Bereich stellt bereits die laborchemische Kontrolle ein Hindernis dar. Für viele Hausarztpraxen ist die Bestimmung von Vitaminen und Spurenelementen in regelmäßigen Abständen schlichtweg zu teuer. Wir richten uns hier nach den Vorgaben der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin (siehe Abb. 10.2) und bieten an, die Kontrollen in unserer Ambulanz durchzuführen.

10.7 Ernährungsteam Grundsätzlich sollte sich jedes Krankenhaus oder jede Abteilung ernsthaft mit der Hinzuziehung eines Ernährungsteams auseinandersetzen. Die Aufgaben eines solchen Teams sind unter anderem die Prüfung der Indikation, die Erfassung des Ernährungszustandes, die Auswahl des geeigneten Fertigbeutels, die Schulung des Patienten, die Überwachung des Verlaufs und die Reevaluation der heimparenteralen Ernährung in regelmäßigen Abständen. Man hat herausgefunden, dass durch die Hinzuziehung eines Ernährungsteams die Rate an Komplikationen gesenkt werden konnte, die Dokumentation deutlich verbessert wurde und Kosten gesenkt wurden [20]. Grundsätzlich muss man jedoch auch sagen, dass es nahezu bei allen Firmen, die parenterale Ernährung vertreiben außerordentlich gut geschultes Fachpersonal gibt, die quasi rund um die Uhr bei Erstellung von Infusionsplänen helfen und die Überführung der Patienten vom klinischen in den ambulanten Bereich unterstützen. Dies ist insbesondere wichtig für Kliniken, in denen kein Ernährungsteam arbeitet.

132 

 10 Parenterale Ernährungstherapie (PE)

Parameter

Proben- Ausgangs- Wo.1 Wo.2 Wo.3 Wo.4 Wo.6 Wo.8 Mo.3 Mo.4 Mo.5 Mo.6 viertel- jährl. material wert vor jährl. Ernährungsbeginn

Natrium

P.S.

Kalium

P.S.

Chlorid

P.S.

Bikarbonat

P

Kreatinin

P.S.

Harnstoff

S

Kalzium

S

Phosphat

S

Glucose

P.S.VB

+ + + + + + + + +

alkalische Phosphatase S Bilirubin (ges. u. dir.)

S

Gesamteiweiß

S

Albumin

S

AST

S

Harnsäure

S

Kupfer

S

Zink

S

Magnesium

S

Selen

S

Mangan

S.VB

Ferritin

S

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+

+

+

+

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alkalische Phosphatase Isoenzyme

S

Prothrombinzeit

P

Folsäure

S

Vitamin B12

S

Vitamin A, E

S

Vitamin C

P

250H Vit. D

S

Parathormon

S

Blutbild

VB

Kreatinin im Urin

24-h-Urin

Kalzium im Urin

24-h-Urin

Magnesium im Urin

24-h-Urin

Natrium im Urin

24-h-Urin

+ + + + +

+

+ +

+

+

+

+

P = Plasma, S = Serum, VB = Vollblut

Abb. 10.2: Laborüberwachungsprogramm bei Patienten unter Langzeit-PE (Mayo-Schema) [22].

+ + + + + + + + + + + + +



10.9 Lebensqualität  

 133

10.8 Laufzeit der parenteralen Ernährung Die Nährlösung darf nicht zu schnell verabreicht werden, um keinen zu heftigen Anstieg der Blutwerte für die Nährstoffe zu bekommen (Blutzucker, Aminosäuren). Im Idealfall sollte die parenterale Ernährung über 24 Stunden kontinuierlich gegeben werden, praktisch ist dies aber meist nicht möglich, so dass wenigstens eine möglichst lange Dauer der Gabe erzielt werden soll. Die maximale Infusionsgeschwindigkeit für Glucose beträgt 0,25 g/kg KG/Stunde, für Aminosäuren 0,1 g/kg KG/Stunde und für Lipide 0,15 g/kg KG/Stunde. Die Infusionsgeschwindigkeit sollte 2,0 ml/kg KG/Stunde (entsprechend 0,10 g Aminosäuren, 0,25 g Glucose und 0,08 g Lipide/kg KG/Stunde) nicht überschreiten (Herstellerabhängige Angaben von Produkten der parenteralen Ernährung).

Stationäre Patienten werden typischerweise kontinuierlich infundiert. Die Infusionen werden allenfalls unterbrochen, wenn Patienten sich apparativen Untersuchungen unterziehen müssen. Seit Ende der sechziger/Anfang der Siebziger Jahre werden Patienten auch im ambulanten Bereich wegen Kurzdarmsyndrom parenteral ernährt. Wurden die ersten Patienten noch mit aufwendigen technischen Apparaturen kontinuierlich infundiert, ist es seit den 80iger Jahren des vergangenen Jahrhunderts Praxis, dass die Patienten zyklisch infundieren, typischerweise über Nacht. Durch nächtliche Infusionen kann die Lebensqualität der Patienten beträchtlich erhöht werden. Sie sind wieder in der Lage am Erwerbs- und Sozialleben teilzunehmen. Mittlerweile gibt es sogar „Infusion-to-go“ Systeme mit mobilen Infusionspumpen, die in einem Rucksack untergebracht sind.

10.9 Lebensqualität In einer abgeschlossenen Erhebung zur Lebensqualität haben die Patienten angegeben, wie viele Stunden ihre Infusion tatsächlich gelaufen ist. Im Alltag decken sich die von den Patienten angegebenen Werte nicht zwangsweise mit der gewünschten Infusionszeit. Aufgrund der Konstruktion der Flussregler oder der Infusionspumpen mit all ihren Schwierigkeiten entspricht die vorgesehene Infusionsdauer häufig nicht der tatsächlichen Infusionsdauer. Alle Infusionshersteller geben maximale Flussraten der Infusion an, die eine adäquate vollständige heimparenterale Ernährung praktisch unmöglich machen würden. Bei der Befolgung der diversen Vorgaben blieben von einem 24-Stundentag praktisch nichts mehr übrig. Zusätzlich ist es gängige Praxis in Europa und in den USA und Kanada, das die Infusion lediglich während der Nachtstunden appliziert wird. Wenn die Patienten nicht in der Lage sind, sich eigenständig an die Infusion anund abschließen zu können, müssen diese einen Pflegedienst in Anspruch nehmen.

134 

 10 Parenterale Ernährungstherapie (PE)

Die Infusionsdauer richtet sich somit nach den Arbeitszeiten des Pflegedienstes und in nachgeordneter Weise nach den medizinischen Vorgaben und Vorstellungen der Patienten. Grundsätzlich kann man jedoch sagen, dass sich die Lebensqualität der Patienten unter parenteraler und heimparenteraler Ernährung steigert. Sie gewinnen an Kraft, können eigenständiger an den Aktivitäten des täglichen Lebens teilnehmen und erreichen eine höhere emotionale Stabilität.

10.10 Literatur [1] Zitat: Aus der DGEM Leitlinie: Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin (DGEM) DGEM-Terminologie in der Klinischen Ernährung Guideline of the German Society for Nutritional Medicine (DGEM) DGEM Terminology for Clinical Nutrition Autoren L. Valentini, D. Volkert, T. Schütz, J. Ockenga, M. Pirlich, W. Druml, K. Schindler, P. E. Ballmer, S. C. Bischoff, A. Weimann, H. Lochs. Bibliografie DOI http://dx.doi.org/ 10.1055/s-00321332980 Aktuel Ernahrungsmed 2013; 38: 97–111 © Georg Thieme Verlag KG Stuttgart, New York ISSN 0341-0501. [2] Harris JA, Benedict FG. A biometric study of basal metabolism in man. Carnegie Institution of Washington, Publication No 279, 1919. [3] S3-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin (DGEM) in Zusammenarbeit mit der GESKES, der AKE, der DGCH, der DGAI und der DGAV: Klinische Ernährung in der Chirurgie Guideline of the German Society for Nutritional Medicine (DGEM) in Cooperation with the GESKES, the AKE, the DGCH, the DGAI and the DGAV Clinical Nutrition in Surgery. A. Weimann, S. Breitenstein, J. P. Breuer, S. E. Gabor, S. Holland-Cunz, M. Kemen, F. Längle, N. Rayes, B. Reith, P. Rittler, W. Schwenk, M. Senkal und das DGEM Steering Committee*. [4] Paul Ellis Marik. Handbook of Evidence-Based Critical Care, pp 413–419 Springer Verlag 3. Edition 2014. [5] Rothärmel S et al. Ethische und rechtliche Gesichtspunkte Aktuel Ernaehr Med 2007; 32, Supplement: S69±S71. [6] Brett AS, Rosenberg JC. The adaequacy of informed consent for placement of gastrostomy tubes. Arch Intern Med 2001; 161: 745–748. [7] Deshpande KS, Hatem C, Ulrich HL, Currie BP, Aldrich TK, Bryan-Brown CW, Kvetan V.Crit Care Med. 2005 Jan; 33(1):13–20; discussion 234–5. The incidence of infectious complications of central venous catheters at the subclavian, internal jugular, and femoral sites in an intensive care unit population. [8] López-Briz E, Ruiz Garcia V, Cabello JB, Bort-Marti S, Carbonell Sanchis R, Burls A. Cochrane Database Syst Rev. 2014 Oct 8;(10). Heparin versus 0.9 % sodium chloride intermittent flushing for prevention of occlusion in central venous catheters in adults. [9] Bradshaw JH, Puntis JW. J Pediatr Gastroenterol Nutr. 2008 Aug; 47(2): 179–86.Taurolidine and catheter-related bloodstream infection: a systematic review of the literature. [10] K. W. Jauch et al. Technik und Probleme der Zugänge in der parenteralen Ernährung Aktuel Ernaehrmed 2007, 32 Suppl 1 S41–53. [11] Capedvila J, Segarra A, Planes A, Gasser I, Gavalda J, Pahissa A. Long−term follow−up of patients with catheter−related sepsis (CRS) treated without catheter removal. Program and Abstracts of the 35th Interscience Conference of Antimicrobial Agents and Chemotherapy. San Francisco, California: 1995. [12] Jacquelyn L. Baskin, MD,1,2,3 Ching-Hon Pui, MD,1,2,4 Ulrike Reiss, MD,4,5 Judith A. Wilimas, MD,1,2,4 Monika L. Metzger, MD, MSc,1,2,4 Raul C. Ribeiro, MD,1,2,4 and Scott C. Howard,

10.10 Literatur 

 135

MD, MSc1,2,4,* Lancet. 2009 Jul 11; 374(9684): 159. Management of occlusion and thrombosis associated with long-term indwelling central venous catheters. [13] Marik et al. Death by parenteral nutrition, Intensive Care Med (2003) 29: 867–869. [14] Hisham Mehanna, corresponding author Paul C Nankivell,Jamil Moledina,and Jane Travis Head Neck Oncol. 2009; 1: 4. Refeeding syndrome – awareness, prevention and management. [15] Klein S. A primer of nutritional support for gastroenterologists. Gastroenterology 2002; 122: 1677±1687. [16] Hoffer LJ. Protein and energy provision in critical illness. Am J Clin Nutr 2003; 78: 906±911. [17] Novak F, Heyland DK, Avenell A, Drover JW, Su X. Glutamine supplementation in serious illness: a systematic review ofthe evidence. Crit Care Med 2002; 30: 2022±2029. [18] Jeejeebhoy KN, Anderson GH, Nakhooda AF, Greenberg GR, Sanderson Marliss EB. Metabolic studies in total parenteral nutrition with lipid in man. Comparison with glucose. J Clin Invest 1976; 57: 125±136. [19] Davis AT, Franz FP, Courtnay DA, Ullrey DE, Scholten DJ, Dean RE. Plasma vitamin and mineral status in home parenteral nutrition patients. JPEN J Parenter Enteral Nutr 1987; 11: 480±485. [20] Roberts MF, Levine GM. Nutrition support team recommendations can reduce hospital costs. Nutr Clin Pract 1992; 7: 227±230. [21] Martin Mueller, Stefanie Lohmann, Paul Thul, Arved Weimann, Eva Grill. Functioning and health in patients with cancer on home-parenteral nutrition: a qualitative study Health Qual Life Outcomes. 2010; 8: 41. [22] Kelly DG. Guidelines and available products for parenteral vitamins and trace elements. JPEN J Parenter Enteral Nutr 2002; 26: S34–S36.

Jana Andrä und Arved Weimann

11 Präoperative Ernährung Mit dem Ziel, die postoperative Rekonvaleszenz der chirurgischen Patienten zu optimieren, wurde durch die sogenannten. ERAS-Programme (Enhanced Recovery after Surgery) bzw. das „Fast-Track-Konzept“ eine multimodale Behandlungsstrategie aufgezeigt, in deren Rahmen auch umfassende ernährungsmedizinische Betrachtungen Anwendung finden. Die Einbeziehung des Metabolismus in das perioperative Management gilt heute als Standard. Große operative Eingriffe gehen mit erheblichen pathophysiologischen Veränderungen der Immun- und Stoffwechselfunktionen einher. Bei elektiven Eingriffen, beispielsweise in der Visceral- und Onkochirurgie, kann bereits durch die Optimierung der präoperativen Ernährung Einfluss auf den postoperativen Verlauf genommen werden [1]. Signifikante Faktoren für das Risiko von Komplikationen im Krankenhaus sind die Schwere der Erkrankung, ein Alter > 70 Jahre, die Durchführung einer Operation und das Vorliegen einer Tumorerkrankung. Im Rahmen des demografischen Wandels kommt es immer häufiger zu einer Risikoakkumulation. Heute ist es aufgrund einer leistungsfähigen intensivmedizinischen Betreuung zunehmend möglich, auch bei Hochrisikopatienten ausgedehnte Eingriffe zum Beispiel in der onkologischen Chirurgie durchzuführen. Gerade diese Patienten bedürfen einer gründlichen ernährungsmedizinischen Diagnostik und Überwachung, um deren optimales postoperatives Outcome zu gewährleisten. Die Erfassung eines möglichen metabolischen Risikos und die Einleitung einer erforderlichen präoperativen Substitution stehen in der perioperativen Ernährung an chronologisch erster Stelle. Die Prävalenzangaben zur Mangelernährung chirurgischer Patienten sind sehr unterschiedlich. Abhängig vom jeweiligen Patientenspektrum werden bis zu 30  % angenommen. In Deutschland ist in einem allgemeinchirurgischen Patientengut eine Prävalenz von 10 % realistisch [2]. In einem aktuellen Positionspapier der Arbeitsgemeinschaften in der Deutschen Krebsgesellschaft wird angegeben, dass ca. 20–30 % aller Krebserkrankten in Deutschland an den Folgen der krankheitsassoziierten Mangelernährung und nicht aufgrund ihrer Krebserkrankung versterben [3]. Das Bestehen einer Mangelernährung gilt in der Chirurgie als einer der unabhängigen Risikofaktoren für eine erhöhte Krankenhausverweildauer, Mehrkosten und auch erhöhte Letalität [4]. In einer aktuellen japanischen Studie wurde bei 152 von 800 Patienten mit Gastrektomie bei Magenkarzinom eine Mangelernährung festgestellt. Diese Patienten wiesen eine höhere Rate an „Surgical Site Infections“ (SSI) auf als die Patienten mit gutem Ernährungsstatus (35,5 % vs. 14,0 %; p < 0,0001) [5].

DOI 10.1515/9783110517750-015

138 

 11 Präoperative Ernährung

Bei diesen Patienten war die Inzidenz der Rate an postoperativen Infektionen signifikant niedriger, wenn eine adäquate oder auch eingeschränkte Ernährungstherapie über mindestens 14 Tage erfolgte. Anhand des Patientenkollektivs wurde beispielhaft nachgewiesen, dass die systematische Ernährungstherapie ein unabhängiger Faktor für ein vermindertes Auftreten operationsassoziierter Infektionen ist [5]. Es ist also sowohl medizinisch als auch ökonomisch sinnvoll, ein metabolisches Risiko frühzeitig zu erkennen. Die meisten Risikopatienten finden sich in den Fachgebieten Chirurgie, Onkologie, Geriatrie und Intensivmedizin.

11.1 Die Feststellung eines metabolischen Risikos Mangelernährung ist keine Blickdiagnose. Gerade bei älteren Menschen kommt es zwar zu einem Abbau der Muskelmasse (Sarkopenie), gleichzeitig nimmt jedoch die Fettmasse zu. Ein krankheitsassoziierter Gewichtsverlust hat einen anderen Stellenwert als die von der WHO definierte Unterernährung. mit einem BMI kleiner 18,5 kg/m² KG [6]. So kann der BMI bei Übergewichtigen nicht das aus einem krankheitsassoziierten Gewichtsverlust entstehende Risiko ausreichend abbilden. Dennoch kommt es auch bei diesen Patienten zum Abbau von Muskelmasse. Man geht davon aus, dass bis zu zwei Drittel der geriatrischen Patienten mangelernährt sind [6]. Das metabolische Risiko ist ein individueller Faktor, der sich sowohl aus dem Ernährungsstatus als auch der krankheitsbedingten Katabolie zusammensetzt. Ein Screening von Patienten vor großen (viszeral)chirurgischen Eingriffen sollte bei der stationären Aufnahme oder dem ersten Patientenkontakt erfolgen. Dies wird auch bei Einschluss in ein Fast-Track (ERAS-Enhanced Recovery after Surgery) Programm empfohlen [4, 7, 8]. Gustafson et al. haben aktuell nachgewiesen, dass die genaue praktische Umsetzung des ERAS-Protokolls mit einem verbesserten 5-Jahres-Überleben nach großen kolorektalen Eingriffen einhergehen kann [9]. Ziel der Erhebung ist es, eine Mangelernährung frühzeitig zu erkennen und zu behandeln. Dabei ist der Body-Mass-Index (BMI) nicht der einzige maßgebliche Faktor. Unabhängig vom Gewicht des Patienten kann eine krankheitsbedingte Mangelernährung vorhanden sein, die in einer Veränderung der Körperzusammensetzung zum Ausdruck kommt. Daher sollte präoperativ der Ernährungsstatus gemessen werden. Für den klinischen Alltag wird hierzu eine Methode benötigt, die rasch durchführbar und kostengünstig ist wie z. B. der „Nutritional Risk Score“ nach Kondrup et al. [10], der auch für chirurgische Patienten gut validiert von der ESPEN empfohlen wird. Als prognostischer Faktor im Hinblick auf die Entstehung postoperativer Komplikationen dient neben dem NRS auch der Serumalbuminspiegel, sofern eine Leberoder Nierenfunktionsstörung ausgeschlossen ist. Daten aus der Chirurgischen Klinik Großhadern haben die häufig unterschätzte Bedeutung einer reduzierten Nahrungsaufnahme vor der stationären Behandlung als Risikofaktor für das Entstehen von Komplikationen hervorgehoben [11].



11.2 Perioperative Nüchternheit und ERAS 

 139

Ein schweres metabolisches Risiko liegt bei Eintreten eines oder mehrerer Kriterien aus Tabelle 11.1 vor. Tab. 11.1: Definition des schweren metabolischen Risikos (ESPEN 2017) [12]. Gewichtsverlust >10–15 % innerhalb von 6 Monaten BMI 5 Serumalbumin