Erich Maschke: Im Beziehungsgeflecht von Politik und Geschichtswissenschaft [1 ed.] 9783666360800, 9783525360804


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Erich Maschke: Im Beziehungsgeflecht von Politik und Geschichtswissenschaft [1 ed.]
 9783666360800, 9783525360804

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Schriftenreihe der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften Band 90

Barbara Schneider

Erich Maschke Im Beziehungsgeflecht von Politik und Geschichtswissenschaft

Vandenhoeck & Ruprecht

Die Schriftenreihe wird herausgegeben vom Sekretär der Historischen Kommission: Helmut Neuhaus

Umschlagabbildung: Erich Maschke (Universitätsarchiv Leipzig FS_N03729) Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. ISSN 0568-4323 ISBN 978-3-666-36080-0 Weitere Ausgaben und Online-Angebote sind erhältlich unter: www.v-r.de Gedruckt mit Unterstützung der Franz Schnabel Stiftung. © 2016, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Theaterstraße 13, 37073 Göttingen / Vandenhoeck & Ruprecht LLC, Bristol, CT, U. S. A. www.v-r.de Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Satz: textformart, Göttingen | www.text-form-art.de

Inhalt Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 1. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 2. Kindheit und Jugend in Berlin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 3. Die bündische Zeit (1919 bis 1926/27) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 3.1 Erich Maschke und der Weiße Ritter . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 3.2 Das Mitwirken bei den Neupfadfindern . . . . . . . . . . . . . . . 35 3.3 Die Bedeutung der jugendbewegten Jahre . . . . . . . . . . . . . . 42 4. Königsberg (1925 bis 1935) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 4.1 Ostpreußische Jahre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 4.2 Erich Maschke als Student und Lehrer in Königsberg . . . . . . . 51 4.3 Politische Einstellung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 4.4 Volksgeschichte und Ostforschung – Erich Maschkes persönliches ­Engagement . . . . . . . . . . . . . . 64 4.5 Vom Deutschen Orden und Ostpreußen – Historiographie in Königsberg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 4.6 Der Nachbar Polen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 4.7 Ansichten von »Volk« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 5. Jena (1935 bis 1942) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 5.1 Berufung mit Hindernissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 5.2 Günther Franz und die thüringische Landesgeschichte . . . . . . 117 5.3 Innerhalb und außerhalb der Universität im Einsatz . . . . . . . . 124 5.4 Konstruktionen von »Volk« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 5.5 Vom deutschen Osten zum Ostraum . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 5.6 Einheit des Reiches und germanisches Erbe – Schriften zum Mittelalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 5.7 Die Staufer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 5.8 Von »Neuordnung« und Eroberung – Zeitgeschichtliche Beiträge 158 5.9 Wehrdienst und Kriegsteilnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166

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Inhalt

6. Leipzig (1942 bis 1945) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 6.1 Erich Maschkes Wirken an der Universität . . . . . . . . . . . . . 177 6.2 Krieg und Nachkriegszeit in Leipzig . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 7. Die Jahre der Gefangenschaft (1945 bis 1953) . . . . . . . . . . . . . . . 189 7.1 Die Internierung im Speziallager Mühlberg (1945 bis 1946) . . . . 189 7.2 In sowjetischer Kriegsgefangenschaft (1946 bis 1953) . . . . . . . 196 8. Der Wiedereinstieg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 9. Heidelberg (1956 bis 1982) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 9.1 Jahre am Neckar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 9.2 Ein Vierteljahrhundert zurück: Die Berufung nach Heidelberg . . 227 9.3 Erich Maschke und die Sozialgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . 229 9.3.1 Erich Maschkes Anteil an der Etablierung der modernen ­ Sozialgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 9.3.2 Theoretische Überlegungen zur Sozialgeschichte? . . . . . 234 9.3.3 Transformationsprozesse und Kontinuitäten – Auf dem Weg von der Volks- zur Sozialgeschichte . . . . . 238 9.3.4 Die Annales . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 9.4 Die Lehrtätigkeit und das Wirken an der Universität . . . . . . . . 250 9.5 Das Wirken außerhalb der Universität . . . . . . . . . . . . . . . . 254 9.6 Ostforschungen nach 1945 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 9.6.1 Erich Maschke und Polen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 9.6.2 Schriften zur ostmitteleuropäischen Geschichte und zum Deutschen Orden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 9.6.3 Überarbeitete Publikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 9.6.4 Darstellungen zum deutschen Orden nach 1953 . . . . . . . 271 9.7 Arbeiten zur Wirtschaftsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 9.8 Stadtgeschichte als »bevorzugtes Forschungsgebiet« in Heidelberg 285 9.8.1 Die Auseinandersetzung mit der AnnalesGeschichtsschreibung und der DDR-Stadtgeschichtsforschung 289 9.8.2 Der Südwestdeutsche Arbeitskreis für Stadtgeschichtsforschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 9.9 Die Wissenschaftliche Kommission zur deutschen Kriegsgefangenengeschichte . . . . . . . . . . . . . 295 9.9.1 Die Ernennung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 9.9.2 Neue Wege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302 9.9.3 Die eigene Gefangenschaft als Erfahrungshintergrund . . . 303 9.9.4 Vorworte und Einleitungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 9.9.5 Die internationale Ausrichtung der Kommissionsarbeit . . 307

Inhalt

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9.9.6 Die Kommission in der deutschen Wissenschaftslandschaft 310 9.9.7 Verschwisterte Unternehmungen . . . . . . . . . . . . . . . 313 9.9.8 Problemfelder zeithistorischen Arbeitens . . . . . . . . . . . 315 9.9.9 Die Auseinandersetzungen um die Veröffentlichung . . . . 322 9.9.10 Kooperationsverhältnisse? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331 10. Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 339 Abkürzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 347 Schriftenverzeichnis Erich Maschkes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349 Quellen- und Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 363 Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 363 Gespräche und schriftliche Mitteilungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 365 Verwendete Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 366 Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 387

Vorwort »Es bedarf vieler Gedanken, um einen festzuhalten.« In abgewandelter Form könnte dieser Aphorismus von Stanisław Jerzy Lec auf das Verfassen einer Dissertation bezogen werden: Es bedarf vieler Menschen, um einen zum Autor zu machen. Deshalb möchte ich mich bei diesen Menschen bedanken. Diese Untersuchung profitierte von der freundlichen und sachkundigen Beratung durch die Mitarbeiter verschiedener Archive und Bibliotheken. Zahlreiche Anregungen und Hinweise erhielt ich auch aus Gesprächen und Schriftwechseln mit Kol­legen, Bekannten und Freunden, die meine Arbeit mit Interesse begleiteten. Ich stehe gern in ihrer Dankesschuld. Ohne die wohlwollende und besonnene Unterstützung meiner Betreuer Prof. Dr. Herbert Gottwald (†) und Prof. Dr. Hans-Werner Hahn hätte ich nach langjähriger Arbeit diese Studie vor zwei Jahren nicht zu einem Abschluss bringen können. Daher fühle ich mich ihnen in besonderem Maße zu Dank verpflichtet. Ihre Anmerkungen waren hilfreich und motivierend. Die Konrad-Adenauer-Stiftung förderte diese Untersuchung nicht nur durch ein großzügiges Promotionsstipendium, sondern auch durch ein vielseitiges Angebot an weiterführenden Graduiertenseminaren mit der Gelegenheit zum Austausch. Für die Aufnahme meiner Dissertation in ihre Schriftenreihe danke ich der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften in München. Sabine Müller-Bauernfeind (Kulmbach), Elisabeth Nickel (Würzburg) und Dr. Stefan Gerber (Jena)  nahmen sich die Zeit für eine kritische Lektüre des Manuskriptes. Für ihre Bereitschaft, einem Historikerleben durch das 20. Jahrhundert zu folgen, sowie für ihre inspirierenden Nachfragen danke ich ihnen herzlich. Mit Unterstützung in vielfältigster Form, Geduld und Toleranz begegnete meine Familie der Arbeit an dieser Studie. Ich kann, allerdings in nur unzu­ reichender Weise, meinen Dank zum Ausdruck bringen, indem ich diese Arbeit ihr widme. Kulmbach, im Mai 2014

Barbara Schneider

1. Einführung Im Jahre 1972 wurde gemäß strenger internationaler Auswahlkriterien, die die besonderen Verdienste und die Qualifikation in den Vordergrund stellten, der Historiker und emeritierte Heidelberger Professor Erich Maschke für die Aufnahme in den »Who is who in Germany« vorgeschlagen1. Dieses Kompendium war für die Namenstexte der »Prominenz aus Politik, Wirtschaft und Kultur« bestimmt. Fragt man heute einen historisch Interessierten nach diesem Erich Maschke, so erhält man häufig zur Antwort: »Wer ist denn das?«, und es zeigt sich, dass dieser Name allenfalls noch Spezialisten für mittelalterliche Stadtgeschichte oder für die Geschichte des Deutschen Ordens ein Begriff ist. Aus dieser merkwürdigen Diskrepanz ergibt sich eine Reihe von Fragen. Worin bestanden die besonderen Leistungen und Verdienste des auf diese Weise Geehrten? Welche Qualifikationen hatte er erbracht, die eine Aufnahme in den Kreis der im »Who is who« aufgeführten Persönlichkeiten rechtfertigten? Wer war dieser heute wenig bekannte, wenig prominente Historiker? Was macht ihn dennoch auch für die Gegenwart interessant und eine Biographie seines Lebens und wissenschaftlichen Arbeitens lohnend und wichtig? Erich Maschke wurde im Jahr 1900 in Berlin geboren und starb 1982 in Heidelberg. Sieht man sich diese Lebensdaten an, wird auf den ersten Blick ersichtlich, dass er von den Kriegen und Krisen, den Wandlungen und Brüchen, die sich im Deutschland des 20. Jahrhunderts abspielten und vollzogen, in irgendeiner Weise betroffen wurde. Diese spiegeln sich in folgenden Schlagwörtern wider: Erich Maschke  – Neupfadfinder, Königsberger Nachwuchshistoriker, Ostforscher, politischer Publizist, Internierter und Kriegsverurteilter, Sozialhistoriker der mittelalterlichen Stadt und Leiter des wissenschaftlichen Großforschungsprojektes einer deutschen Kriegsgefangenengeschichte des Zweiten Weltkrieges. Dies sind allerdings nur einige der möglichen Bezeichnungen für ihn2. Versucht man, den Hintergründen für diese unterschiedlichen Bezeichnungen nachzugehen, so ergibt sich im Zeitalter von Wikipedia schnell ein zumindest grober Überblick über die Lebensabschnitte und bedeutenden historiographischen Werke Erich Maschkes. Dort finden sich auch Hinweise auf 1 HStA Stuttgart, NL Erich Maschke J 40/10, Nr. 98. 2 Entgegen anderslautenden Auffassungen, die in den Debatten über die Biographie als Form und Art der Geschichtsschreibung vertreten werden, wird in dieser Arbeit von der Annahme ausgegangen, dass Erich Maschke von Eigen- sowie Fremdwahrnehmung her als Subjekt Konstanz aufwies. Eine weitere Grundannahme besteht darin, ihn als Individuum zu sehen, das ungeachtet der Einbindung in verschiedene Kollektive und Gruppierungen durchaus über gewisse Handlungsoptionen und Freiräume verfügte. Vgl. dazu Eckel, Hans Rothfels, S. 18–20; Etzemüller, Die Form »Biographie« als Modus der Geschichtsschreibung, S. 71–77.

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Einführung

Nachrufe3, die den interessierten Leser mit ausführlicheren Informationen ausrüsten. Ergänzen kann er diese Lektüre naturgemäß durch ein Nachschlagen in diversen Gelehrtenlexika. Dabei fällt auf, dass Erich Maschke bis zu den 1990er Jahren kaum einmal Gegenstand von längeren Beiträgen oder gar monographischen Aufsätzen war. Erwähnung fand sein Name bis dahin vorrangig in polnischen und bundesdeutschen Arbeiten, die im weitesten Sinne die Geschichte des Deutschen Ordens in Preußen sowie die preußische Landesgeschichte, also Gegenstände der so genannten Ostforschung bzw. Osteuropageschichte, zum Thema hatten. In diesen Beiträgen standen Maschkes historiographische Arbeiten im Vordergrund. In den seit den 1950er Jahren in der DDR entstandenen Schriften, die u. a. ehemalige Ostforscher der 1930er Jahre in nun gehobenen bundesdeutschen Positionen unter Anklage stellten und pauschal verurteilten, um auf diese Weise der Bundesrepublik faschistische und revanchistische Züge zuzuweisen, findet man keine Hinweise auf Erich Maschkes Namen4. Mehr Informationen, auch zur Person Maschkes, enthielten meist erst Schriften, die sich Ende der 1980er bzw. Anfang der 1990er Jahre mit der deutschen Ostforschung vor und während des Zweiten Weltkrieges beschäftigten, wie beispielsweise Michael Burleighs Studie5, Marian Biskups Aufsatz6 oder Karen Schönwälders7 Untersuchung über die deutsche Geschichtswissenschaft im Nationalsozialismus. Der Frankfurter Historikertag 1998 beschleunigte die Auseinandersetzung mit der Frage nach der Rolle der deutschen Geschichtswissenschaft im National­ sozialismus8 und so tauchte nun der Name Erich Maschkes, meist im Gefolge von Namen wie Hans Rothfels, Theodor Schieder und Werner Conze und in Bezug auf das Königsberg der 1930er Jahre, häufiger auf9. Auch hier blieb so der Zusammenhang mit der deutschen Ostforschung vorherrschend. 3 Schremmer, Erich Maschke; Arnold, Erich Maschke; Gönner, Erich Maschke; Werner Conze, Erich Maschke; ders., Nachruf; Boockmann, Erich Maschke; Wunder, Nachruf Erich Maschke. 4 Beispielsweise Goguel, Über die Mitwirkung deutscher Wissenschaftler; ders., Die Nord- und Ostdeutsche Forschungsgemeinschaft im Dienste der faschistischen Aggressionspolitik; Rothbarth, Der Bund Deutscher Osten. 5 Burleigh, Germany Turns Eastwards. 6 Biskup, Erich Maschke – Ein Vertreter der Königsberger Geschichtswissenschaft. 7 Schönwälder, Historiker und Politik. Eine Ausnahme bildet der Aufsatz von Zaun, Erich Maschke (1900–1982). 8 Die in den letzten Jahren zu diesem Themenkomplex veröffentlichten Schriften auch nur annähernd aufzuführen, ist unmöglich. Hilfreich für die Gewinnung eines Überblickes sind die Ausführungen bei Eckel, Hans Rothfels, S. 12–16 sowie die Einleitung von Hürter und Woller in dies. (Hg.), Hans Rothfels und die deutsche Zeitgeschichte, und die Angaben bei Dunkhase, Werner Conze. Des Weiteren sind die Hinweise in den versammelten Beiträgen in Fahlbusch/Haar (Hg.), Völkische Wissenschaften und Politikberatung im 20. Jahrhundert, hilfreich. 9 Z. B. in Haar, Historiker im Nationalsozialismus; Burkert, Die Ostwissenschaften im Dritten Reich; Eckel, Hans Rothfels – Eine intellektuelle Biographie; Etzemüller, Sozialgeschichte als politische Geschichte.

Einführung

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In den seit dem Jahr 2001 veröffentlichten Schriften zur Geschichte der deutschen Geschichtswissenschaft nach 1945 bzw. zur deutschen Wissenschaftsgeschichte im 20.  Jahrhundert generell wurden Erich Maschke und sein historiographisches Werk auch unter anderen Blickwinkeln betrachtet10. Eine Untersuchung, die die vielfältigen Bereiche seines wissenschaftlichen und publizistischen Œuvres erfasst sowie Erich Maschkes gesamten Lebensweg, nicht nur sein Leben in den Jahren 1933–1945 oder 1953–1982 in den Blick nimmt, existierte bislang nicht. Welche Erkenntnisse könnte eine solche Untersuchung bringen? An Erich Maschkes wechselvollem Leben und vielseitigem Werk lassen sich Probleme, Entwicklungen, Kontinuitäten, Brüche und Neuanfänge der deutschen Geschichtswissenschaft im 20. Jahrhundert ablesen. Sie haben in der Auseinandersetzung der vergangenen Jahre über die Geschichte des eigenen Faches viel Aufmerksamkeit gefunden und die Gemüter bewegt. Eine Biographie Erich Maschkes kann einen wichtigen Beitrag in diesen Diskussionen um das Verhältnis zwischen Geschichtswissenschaft und Politik in verschiedenen Phasen der jüngeren deutschen Vergangenheit leisten. Hier nur einige der Stichworte dazu, die in dieser Arbeit aufgegriffen werden: Schon die ausführliche Untersuchung des Engagements des jungen Maschke bei den Neupfadfindern verdeutlicht – beispielhaft für eine ganze Reihe deutscher Historiker des 20. Jahrhunderts – die Tragweite dieser bündischen Sozialisation: für eine bestimmte Auffassung von dem Verhältnis zwischen Politik und Geschichtswissenschaft, für das Verständnis von den Aufgaben und Zielen der Geschichtswissenschaft überhaupt wie auch für die Interpretation einiger, auch politisch bedeutsamer Schlüsselwörter dieser Jahre. Die zeitlebens bestehenden Auswirkungen einer solchen bündischen Sozialisation  – nicht nur Erich Maschkes – wurden bisher in der Literatur oft unterschätzt und nur selten umfassend erörtert. In einem weiteren Bereich kann eine Biographie Erich Maschkes für diese Fragestellung wichtige Aufschlüsse geben. Maschkes Einbindung in die deutsche Ostforschung der dreißiger und vierziger Jahre, seine in diesem Kontext verfassten publizistischen Schriften sowie Veränderungen in seinem historiographischen Werk zu Themen der Ostforschung im Laufe dieser Zeit wurden in der Forschung zwar schon gelegentlich erwähnt und dargestellt. Eine ausführliche Betrachtung ermöglicht es aber, Binnenbeziehungen zwischen einzelnen Ostforschern, Zusammenhänge und Details auszuleuchten, die von einer Fokussierung auf die Institutionen der Ostforschung nicht erfasst werden können. Eine solche Untersuchung liefert einen

10 Beispielsweise Etzemüller, Sozialgeschichte als politische Geschichte; Schwelling, Zeitgeschichte zwischen Erinnerung und Politik; Borgolte, Sozialgeschichte des Mittelalters; Hellmann, Bemerkungen zur sozialgeschichtlichen Erforschung des Deutschen Ordens; Fouquet, Erich Maschke und die Folgen.

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Einführung

weiteren Baustein für die Einschätzung des gesamten Komplexes der deutschen Ostforschung in der Zeit des Nationalsozialismus. Die Verbindung Erich Maschkes zur Ostforschung ist aber auch noch für einen anderen Zeitraum interessant und eine genauere Betrachtung wert. Gemeint ist die Zeit nach seiner Rückkehr aus der sowjetischen Kriegsgefangenschaft bis etwa Beginn der 1960er Jahre. In diesen Jahren versuchte sich die nun bundesdeutsche Ostforschung unter den Bedingungen des Kalten Krieges neu zu formieren und an frühere Entwicklungen anzuknüpfen. Wird Erich Maschkes Positionierung darin in den Blick genommen, können eine differenzierte Sicht auf die verschiedenen Ansätze und Bestrebungen innerhalb der bundesdeutschen Ostforschung gewonnen und bisherige Forschungsergebnisse ergänzt werden. Durchaus im Zusammenhang mit den Beziehungen Maschkes zur deutschen Ostforschung vor und nach 1945 bzw. 1953, aber auch darüber hinausgehend, steht ein weiterer Aspekt, der in einer Biographie Erich Maschkes von besonderem Interesse ist und Wechselwirkungen zwischen Wissenschaft und Politik aufzeigt. Die Rede ist von den Kontakten Maschkes zur internationalen Fachwelt, beispielsweise zu polnischen Kollegen vor und nach 1945, und von der Bedeutung dieser Verbindungen für sein eigenes wissenschaftliches und publizistisches Werk. Das Augenmerk soll aber auch auf die französische Geschichtswissenschaft, vorrangig auf die Schule der Annales, gerichtet werden, die Maschke in den späten 1950er Jahren kennen lernte und mit der er in regen Austausch trat. Dies soll auch dazu beitragen, die bundesdeutsche Geschichtswissenschaft der 1950er und 1960er Jahre in der internationalen Fachwelt zu verorten. Ein bisher noch kaum bearbeitetes Forschungsfeld11, das auf jeden Fall und nicht nur in einer Biographie Erich Maschkes besondere Gewichtung erhalten müsste, stellt die Wissenschaftliche Kommission zur deutschen Kriegsgefangenengeschichte des Zweiten Weltkrieges dar, deren Leitung Maschke 1958 übernahm. Diese Kommission und die von ihr herausgegebene Schriftenreihe wurden aus Mitteln des Bundes finanziert und sie unterstanden der politischen Verantwortung des Bundesvertriebenen- bzw. Bundesinnenministeriums. Der Auftrag dieser Kommission war politisch heikel. Dies führte neben weiteren Aspekten der Kommissionsarbeit zu Problemen, die unmittelbar das Verhältnis zwischen Wissenschaft und Politik in der Bundesrepublik betrafen. Darüber hinaus verdeutlicht dieses Themenfeld in besonderem Maße Veränderungen in Erich Maschkes Verständnis von den Funktionen und Zielen, die geschichtswissenschaftliches Arbeiten haben sollten, sowie in seinem Selbstverständnis als Historiker. Eine ausführliche Darstellung ist daher nicht nur für eine Biographie Erich Maschkes unverzichtbar, sondern kann auch Zusammenhänge zur damaligen Zeitgeschichtsforschung wie auch Kontinuitäten in der bundesdeutschen Außenpolitik offen legen.

11 Die einzige Ausnahme stellen die Schriften Schwellings dar. Schwelling, Zeitgeschichte zwischen Erinnerung und Politik; dies., Heimkehr, Erinnerung, Integration.

Einführung

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Thematisch damit direkt verbunden, aber zeitlich-biographisch vorausgehend ist der gesamte Komplex von Internierung und Gefangenschaft Erich Maschkes, dem sich diese Arbeit widmen wird. An ihm wird nicht nur das unmittelbare Eingreifen äußerer politischer Ereignisse und Entscheidungen in den Lebensweg Erich Maschkes ersichtlich, sondern er stellt auch ein Thema dar, das die Forschungsliteratur zu Biographien deutscher Historiker selten ausführlich betrachtet hat. Erich Maschkes Schicksal nachzugehen, bietet sich dabei in besonderer Weise an, wurde doch mit großer Wahrscheinlichkeit kein anderer deutscher Historiker für eine solch lange Zeitspanne in Gefangenschaft und noch dazu in sowjetischem Gewahrsam festgehalten. Des Weiteren werden in der Biographie Erich Maschkes die engen Zusammenhänge zwischen Leben und Werk eines Historikers in ungewöhnlicher Weise sichtbar. Sie gilt es darzustellen. Einmal abgesehen von seiner Hinwendung zur Geschichte überhaupt, fallen dabei beispielsweise seine Begeisterung für die Geschichte des Deutschen Ordens sofort ins Auge oder seine lebenslang währende Beschäftigung mit den Staufern. Auch an anderen Forschungsschwerpunkten Maschkes tritt der lebensgeschichtliche Bezug zu Tage, ganz offensichtlich wohl in der Auseinandersetzung mit der deutschen Kriegsgefangenengeschichte des Zweiten Weltkrieges. An welchen Aspekten könnte nun eine Biographie Erich Maschkes mit der Fragestellung nach den Wechselwirkungen zwischen Geschichtswissenschaft und Politik ansetzen? Erich Maschkes Lebensspanne umfasste fast das ganze 20. Jahrhundert. Da liegt es nahe, generationenspezifische Verarbeitungsmuster und Erfahrungen in seiner Bestimmung des Verhältnisses zwischen Geschichtswissenschaft und Politik zu vermuten und ihn daher einer bestimmten Generation zu- und in ein Generationenmodell einzuordnen. Mit der Hilfe eines solchen Modells könnte man Maschkes Reaktionen, Erfahrungen, Lebenswege und Lebensstile in einem generationenspezifischen Rahmen erfassen, kontextualisieren und deuten und von denjenigen anderer Generationen abgrenzen. Nun sind die Kategorien der »Generation« und »Generationalität« als historische Erklärungsansätze schon seit einiger Zeit in der Diskussion. Auf den Inhalt dieser Diskussionen, die sich u. a. an der mangelnden Präzisierungsmöglichkeit des Begriffes der Generation sowie an der Frage nach der Existenz bzw. den Auswirkungen von kollektiven generationenspezifischen Erfahrungen entzündeten, soll hier nicht näher verwiesen werden. An dieser Stelle soll die Anwendbarkeit eines Generationenmodells auf Erich Maschke überprüft werden, das sich in den letzten Jahren einiger Beliebtheit erfreut hat, weil es u. a. einige plausible Erklärungen und Deutungen anbietet und von Zeitgenossen entworfen wurde. Dieses Modell12 umfasste zum einen die Gruppe der ungefähr zwischen 1880 und 1899 geborenen deutschen Historiker und bezeichnete, allerdings in durchaus problematischer Weise, diese als 12 Schulin, Weltkriegserfahrung und Historikerreaktion.

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Einführung

»Frontkämpfergeneration«. Die Historiker dieser Generation erlebten den Ersten Weltkrieg unmittelbar als Kriegsteilnehmer. Des Weiteren erfasste dieses Generationenmodell die Historiker der Jahrgänge 1900 bis 1910 und damit auch Erich Maschke als »Kriegsjugendgeneration«. Diese hatte den Ersten Weltkrieg nicht an der Front, aber als nationale Kinder- und Jugenderfahrung erlebt. Die Studenten dieser Jahrgänge wurden überwiegend völkisch und antiliberal, »Volk« wurde zum obersten Leitbegriff wie auch die Vorstellung von einem alles rettenden Führer auf erhebliche Zustimmung stieß. In die so genannte »Nachkriegsgeneration« wurden die nach 1910 geborenen Jahrgänge deutscher Historiker gezählt. Nun schwanken die Angaben darüber, welche Jahrgänge zu welcher »politischen« Generation gerechnet werden. Dies betrifft Erich Maschke als im Jahre 1900 Geborenen unmittelbar: Nach Einordnung seines Geburtsjahres in das Modell dürfte er aktiv am Ersten Weltkrieg nicht mehr teilgenommen haben. Doch er wurde kurz vor Ende des Krieges, im Sommer 1918, noch eingezogen. Für seine Einordnung in diese Frontgeneration spricht wiederum die Tatsache, dass er wie viele andere  – nach einer Beobachtung von Ernst Schulin13  – das eigene Kriegserlebnis für die Öffentlichkeit nicht beschrieb, sondern über die Erlebnisse an der Westfront schwieg. Auch betrieb er wie andere keine eigenen kriegsgeschichtlichen Forschungsarbeiten zu den Jahren des Krieges. Schulins Beschreibung dieser Generation umfasste auch als spezifisches Grunderlebnis das Erleben der wirkungsmächtigen Illusion, welche die deutsche Propaganda über die militärischen Abläufe vermittelte und die verhängnisvolle Diskrepanz zwischen dieser Illusion und der Wirklichkeit, aus der sich u. a. eine Aversion gegen Idealisierungen und Ideologisierungen entwickelte. Trifft diese Feststellung tatsächlich auf Erich Maschke zu? Das Kapitel über seine Einbindung in die bündische Jugend gibt darauf eine deutlich verneinende Antwort. Andererseits ist zu bedenken, dass bereits Historiker dieser Generation wie Hans­ Rothfels, Otto Brunner und Erich Keyser die politische Geschichte und den Staat als wichtigste Leitlinien der Geschichtsschreibung hinterfragten und ihre Geschichtsforschung methodologisch auf Volk und Raum verlegten, wie es auch Erich Maschke tat14. Ist er daher in der Generation der Kriegsjugendgeneration besser zu verorten? Vieles spricht dafür, wie die bereits erwähnte deutliche Hinwendung der Historiker dieser Generation zu einem neuen Volksbegriff, dem Zurücktreten des Interesses an Staat und politischer Geschichte, die Distanz zur Weimarer Republik und die Sehnsucht nach einem erlösenden völkischen Führer. Nach Auffassung von Ulrich Herbert rekrutierte sich der größte Teil des akademisch gebildeten Führungsnachwuchses des Nationalsozialismus aus dieser Generation15. Hinsichtlich eines »generationellen Lebensstiles«, wie 13 Schulin, Weltkriegserfahrung und Historikerreaktion, S. 175. 14 Ebd., S. 178. 15 Zit. n. Schulin, Weltkriegserfahrung und Historikerreaktion, S. 179.

Einführung

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er von Zeitgenossen empfunden und mit »Kühle, Härte und Sachlichkeit«, mit der Übernahme des »Frontkämpferideals« für den Kampf im Innern, mit »skeptischem bis destruktivem Intellektualismus« beschrieben16, stilisiert und propagiert wurde, ergeben sich für die Einordnung Maschkes in diese politische Generation jedoch erhebliche Zweifel, wie aus der folgenden Arbeit hervorgehen wird. Der Generationenbezug als persönliche Zuordnung zu einer Wir-Gruppe bzw. zu einer lebenszeitlichen Erfahrungs- und Erinnerungsgemeinschaft17 für Maschke selbst blieb unklar. So schrieb er 1967: »Unsere ganze Generation ist ja in den letzten Jahrzehnten oder eigentlich unser ganzes Leben hindurch immer zwischen die Mühlsteine geraten. Man muß dankbar sein, wenn man einigermaßen davongekommen ist.«18

Zu fragen bliebe, ob nicht Altersgenossen, Kollegen, Freunde und Weggefährten von Erich Maschke in Nekrologen, Erinnerungen und Rückblicken generationelle Bezüge als Erklärungs- und Deutungsmuster hervorhoben. Dem ist jedoch nicht so, wie ein Blick auf die Nachrufe19 zeigt. Allein im Nachruf von Eckart Schremmer wird Erich Maschkes Leben und Werk vor dem Hintergrund eines Generationenbezugs beschrieben20. Aus dem hier Genannten erscheint es gerechtfertigt, Erich Maschkes Lebensund Karriereweg sowie sein wissenschaftliches und publizistisches Werk im Hinblick auf das Verhältnis zwischen Geschichtswissenschaft und Politik nicht zu starr aus einem Generationenbezug deuten zu wollen. Gleichwohl soll der Bezug zu in etwa gleichaltrigen Fachkollegen in dieser Arbeit eine Rolle spielen. Als gewinnbringender erweist sich ein anderer Ansatz, indem eine ideengeschichtliche Herangehensweise mit einer wissenschaftssoziologischen Fragestellung kombiniert wird. Wenn Wissenschaft als soziale Interaktion von Wissenschaftlern innerhalb eines Denkkollektives und als kollektiver Vorgang aufgefasst wird, so gelingt es damit zum einen, Wissenschaftler als einzelne Forscherindividuen mit eigenen Motivationen und Fähigkeiten zu erfassen und zum andern, dies mit der Bedeutung von wissenschaftsexternen Faktoren für den Vorgang Wissenschaft, an dem sie teilnehmen, zu vereinen.

16 Vgl. dazu Herbert, Best. Biographische Studien, S. 42–45 sowie die einschlägigen Passagen bei Wildt, Generation der Unbedingten. 17 Bude, Der Wir-Bezug im Generationsbegriff, in: Kohli/Szydlik (Hg.), Generationen in Familie und Gesellschaft, S. 27. 18 HStA Stuttgart, NL Erich Maschke J 40/10, Bü 58, Schreiben Erich Maschkes an Reinhart Voggenreiter vom 19.9.1967. 19 Siehe Fußnote 3. 20 Schremmer, Erich Maschke, S. 251: »Der Historiker Erich Maschke gehörte einer Generation an, die wie selten eine Generation zuvor die schroffen Wechselfälle in der Geschichte miterlebte und miterlitt. Seine Forschung zeigt tiefe Spuren von der ungewöhnlichen Zeit und dem besonderen Schicksal des Gelehrten.«

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Diese Arbeit lehnt sich an Ludwik Flecks21 Lehre vom Denkstil und Denkkollektiv als wissenschaftssoziologischem Ansatz an. Dieser Ansatz ist vor allem von Thomas Etzemüller ausführlicher vorgestellt, auf die Geschichte der Geschichtswissenschaft angewendet und für die Erarbeitung der historiographischen Form der Biographie fruchtbar gemacht worden22. Nach dieser Lehre besteht ein Denkkollektiv23 aus einer Gemeinschaft von Wissenschaftlern, die in gedanklicher und sozialer Wechselwirkung miteinander verbunden und die Träger eines spezifischen Denkstiles sind. Der Denkstil wiederum ist eine gedankliche Verarbeitung der Welt, die an ein solches Denkkollektiv geknüpft ist und seine Mitglieder dazu bringt, die Welt auf eine bestimmte Art zu sehen. Er ist »gerichtetes Gestaltsehen, ein Formatierungsprinzip der Wahrnehmung« und löst ein entsprechend gerichtetes Handeln aus. Für die Analyse von Wissensproduktion hielt Ludwik Fleck folgende Vorüberlegungen für entscheidend: Zum einen werden Fakten und Tatsachen nicht vorgefunden, sondern konstruiert. Zum anderen erscheint diese Konstruktion nicht allein als intellektuelle Leistung, sondern als bestimmt durch das Handeln sozialer Gruppen. Des Weiteren geschieht diese Konstruktion nicht willkürlich oder beliebig, sondern wird vielmehr durch die »psychologische Stimmung« einer Zeit wie durch den Denkstil eines Denkkollektivs gesteuert. Dies bedeutet nach Flecks Auffassung, dass man immer nur »Gestalt« oder bereits »Erkanntes« sehen kann, ohne feststellen zu können, inwieweit sie mit »Realität« übereinstimmten, da der einzelne als Mitglied eines Denkkollektivs nicht anders zu sehen gelernt habe. Er sieht auf eine ganz spezifische Weise. Was bedeutet dies für die Arbeit an einer Biographie Erich Maschkes? Zum einen wird es ein Anliegen dieser Arbeit sein, darzulegen, auf welchen Wegen Erich Maschke zu bestimmten Denkkollektiven stieß. Darüber hinaus wird es darum gehen, seine Position innerhalb dieser Denkkollektive zu bestimmen und Veränderungen dieser Position offen zu legen. Daran schließt sich die Frage an, wer innerhalb dieser Kollektive von bedeutendem Einfluss auf ihn war: für die Ausbildung seiner historischen und historiographischen Interessen, für sein wissenschaftliches wie auch politisches Selbstverständnis als Historiker, für einen möglichen Wandel desselben, für vielfältige Formen seines Engagements in wissenschaftlichen, wissenschaftspolitischen und politischen Organisationen, Institutionen und Einrichtungen. Wer protegierte ihn wann und sofern dies zu ermitteln ist, aus welchen Gründen? Welcher Art war diese Protektion und welche Auswirkungen besaß sie? Auch die Umkehrung dessen bleibt zu erfragen: Wen protegierte Erich Maschke selbst? Gab es Veränderungen innerhalb dieser Binnenbeziehungen im Laufe der Zeit? Wie und 21 Fleck, Entstehung und Entwicklung einer wissenschaftlichen Tatsache. 22 Etzemüller, Sozialgeschichte als politische Geschichte, S. 268–295; ders., Die Form der »Biographie« als Modus der Geschichtsschreibung, S. 82–84; ders., Kontinuität und Adaption eines Denkstiles. 23 Etzemüller, Die Form der »Biographie« als Modus der Geschichtsschreibung, S. 82–84.

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wann konnte Maschke die Ressourcen nutzen, die ihm die Zugehörigkeit zu bestimmten Denkkollektiven verschaffte oder anbot? Auf welche Ressourcen griff er nicht zurück? Inwieweit war es Maschke möglich, sich einem Denk­kollektiv auch zu entziehen? Vor diesem Hintergrund müssen auch die unmittelbaren Folgen und länger- und langfristigen Auswirkungen seiner Kriegsgefangenschaft beleuchtet werden. Zu beziehen sind diese Fragen u. a. auf Erich Maschkes Einbindung in die Neupfadfinderschaft innerhalb der bündischen Jugend, auf den Kreis der sogenannten Königsberger um den Historiker Hans Rothfels im Königsberg der 1930er Jahre sowie in der Bundesrepublik nach 1953, auf die Ostforschung vor und nach 1945 und auf den Kreis der modernen Sozialhistoriker um Werner Conze in den 1950er und 1960er Jahren. Zum andern verfolgt diese Arbeit das Ziel, Erich Maschkes Denkstil näher zu umreißen. Dabei geht es darum, seine Dispositionen zum Erwerb eines bestimmten Denkstiles zu beleuchten. Welche Ereignisse und Erlebnisse machten ihn dafür empfänglich? Wer beeinflusste ihn darin und in welcher Weise? Zu fragen ist danach, was er in welchen Kreisen zu sehen oder zu erkennen gelernt hatte. Inwieweit war Maschke in der Lage, dieses »Erlernte« bzw. seinen Denkstil zu modifizieren und wodurch wurden gegebenenfalls diese Modifikationen bewirkt? Welche Veränderungen, Konstanten oder Kontinuitäten wurden danach erkennbar? Gerade im Hinblick auf die achtjährige Kriegsgefangenschaft Maschkes in der Sowjetunion sind solche Fragen interessant. Gleichzeitig lenken sie die Aufmerksamkeit auch auf die Frage, wie sich diese Veränderungen, Konstanten oder Kontinuitäten im Einzelnen in seinen historiographischen und publizistischen Schriften widerspiegeln. Diesen Fragen wird in der Arbeit nachzugehen sein. Die dabei gefundenen Ergebnisse können helfen, die Frage nach den Wandlungen in Maschkes Auffassung von den Aufgaben, die Wissenschaft wie auch Politik in der Gegenwart zukamen, zu erörtern. Wie definierte er zu verschiedenen Zeiten ihr Verhältnis zueinander? Welchen Niederschlag fand dies in seinem Selbstverständnis als Wissenschaftler und nicht zuletzt in seinen Schriften? Die Veränderbarkeit seiner politischen und wissenschaftlichen Grundannahmen, ihre Wechselseitigkeit und die Art und Weise ihrer Anpassung an neue Rahmenbedingungen sollen dabei ebenso Gegenstand der Untersuchung sein. In diesem Zusammenhang ist es auch von Bedeutung zu untersuchen, für welche Schlüsselwörter, Gedankenkonstruktionen und Elemente eines Denkstiles Erich Maschke sich besonders aufgeschlossen oder resonanzfähig zeigte. Zu welcher Zeit geschah dies und warum? Welche Einzelpersonen spielten dabei eine wichtige Rolle? Erfragt werden soll darüber hinaus, inwieweit Erich Maschke mit seinem Denkstil an der Konstruktion und Verbreitung bestimmter »Gestalten« beteiligt war. Näher ins Auge zu fassen sind dabei seine Konstruktion der Bilder von »Reich«, »Volk«, dem »Osten« und der »Grenze«. Wodurch waren diese Bilder in seinen wissenschaftlichen und publizistischen Schriften inhaltlich gekennzeichnet? Änderte Erich Maschke im Laufe seines Lebens

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und Arbeitens inhaltliche Komponenten, semantische Felder und Bezüge dieser Bilder? Nahm er neue Kontextualisierungen vor? Verzichtete er vielleicht in­ bestimmten Phasen seines Lebens und Wirkens gänzlich auf den Gebrauch einiger dieser Bilder? Lassen sich hinsichtlich dieser Aspekte Unterschiede zwischen einzelnen, thematisch aber gleich gelagerten Schriften Erich Maschkes erkennen? Machte Maschke dabei auch Unterschiede zwischen publizistischen und wissenschaftlichen Beiträgen? Diese Fragen müssen ebenfalls beispielsweise auf die Einbindung Erich Maschkes in das bündische Denken bei den Neupfadfindern bezogen werden, auf den Denkstil der Königsberger Wissenschaftler und deutschen Ostforschung vor und nach 1945. Für diese Arbeit wurde eine chronologische Darstellung gewählt, um dem Leser angesichts einer Fülle von Einzelaspekten, die sich aus Lebenslauf und thematischer Bandbreite der Schriften Maschkes ergeben, eine bessere zeitliche Orientierung in der Biographie Erich Maschkes zu ermöglichen. Für eine solche Darstellungsweise sprach auch die Tatsache, dass die einzelnen Lebensabschnitte Maschkes, wie sie beispielsweise durch sein Studium und seine Lehrtätigkeit in Königsberg oder seine Berufungen nach Jena und Leipzig gebildet wurden, deutlich voneinander abgegrenzt sind. Diese Unterschiede bestehen beispielsweise hinsichtlich der Themen seiner wissenschaftlichen und publizistischen Schriften, der Art seiner Einbindung in die Institutionen und Einrichtungen der Ostforschung, in seiner Situation innerhalb des jeweiligen akademischen Umfelds und der politischen Umgebung sowie in seiner Zugehörigkeit zu bestimmten wissenschaftlichen Gruppierungen. Aus diesen einzelnen Lebensabschnitten ergab sich auch die Gliederung der vorliegenden Arbeit. Außerdem verfolgt diese Arbeit die Absicht, die Auseinandersetzung mit Erich Maschkes wissenschaftlichem und publizistischem Werk in einen unmittelbaren biographischen Zusammenhang zu stellen. Daher erschien es nur angemessen, die Betrachtung der verschiedenen Schriften jeweils den einzelnen Lebensabschnitten Maschkes zuzuordnen, in denen sie von ihm verfasst worden waren. Dieser Arbeit standen neben den Schriften Erich Maschkes aus den Jahren 1919 bis 198024 verschiedene Archivalien in unterschiedlichem Umfang zur Verfügung. An wichtigster Stelle ist der Nachlass Erich Maschkes zu nennen, der sich im Hauptstaatsarchiv Stuttgart befindet. Er gibt Auskunft über Maschkes Arbeiten nach 1953 und enthält nur wenige Unterlagen, die sein Wirken in den Jahren zuvor beleuchten können. Seine Hauptschwerpunkte liegen auf Dokumenten und Archivalien, die die Zusammenarbeit Erich Maschkes mit wissenschaftlichen Einrichtungen und Institutionen bzw. seine Korrespondenzen mit anderen Wissenschaftlern betreffen. Auch die Einbindung Maschkes in die südwestdeutsche Stadtgeschichtsforschung wird gut dokumentiert. Relativ we24 Die Hervorhebungen in den Zitaten aus Erich Maschkes Texten stammen von Erich Maschke selbst.

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nig erfährt man über Maschkes Vorlesungen und Seminare in Heidelberg, sieht man die Unterlagen durch – ein Teil dieser Manuskripte wurde von den Kindern Erich Maschkes dem Bundesarchiv-Militärarchiv Freiburg übergeben. Umfangreiche Materialien und Informationen über das persönliche Umfeld Erich Maschkes, private Kontakte und Freundschaften enthält der Nachlass so gut wie gar nicht. Diese ließen sich nur ansatzweise durch Recherchen in den Nachlässen von Korrespondenzpartnern und Kollegen eruieren. Da diese Arbeit über einen längeren Zeitraum entstand, unterlagen einige Archivalien aus dem Nachlass noch Sperrfristen. An autobiographischen Darstellungen, d. h. Ego-Dokumenten, liegen nur die Lebensläufe aus Berufungsverfahren Maschkes sowie eine kürzere Skizze25 und eine ausführlichere Beschreibung unter dem Titel »Begegnungen mit Geschichte«26 aus dem Jahr 1980 vor. Sie werden des Öfteren in dieser Arbeit zitiert. Über Kindheit und Jugend Erich Maschkes gibt es abgesehen von seinen biographischen Selbstzeugnissen kaum Informationen. Aus diesem Grund wurde auf die Auswertung offizieller Lebensläufe und auf gelegentliche Äußerungen Maschkes in Briefen zurückgegriffen. Eine interessante Quelle stellte die Chronik seiner Schule dar. Für die Untersuchung der Einbindung Erich Maschkes in die Jugendbewegung erwies sich neben der Zeitschrift »Der Weiße Ritter« der Nachlass von Karl Seidelmann im Archiv der deutschen Jugendbewegung Burg Ludwigstein als aussagekräftig. Die Königsberger Studentenzeit Erich Maschkes und seine Lehrtätigkeit an der Universität konnten nur spärlich durch die Personalakte im Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung sowie durch Briefe und Erinnerungen von damaligen Schülern oder Weggefährten beleuchtet werden. Daneben wurden die Nachlässe von Erich Maschke selbst, von Theodor Schieder, Hans Rothfels, Erwin Hoelzle u. a. ausgewertet. Etwas ergiebiger war die archivalische Überlieferung zu Erich Maschkes Verbindungen zur deutschen Ostforschung. Über sie gaben hauptsächlich der Bestand R 153 (Publikationsstelle) im Bundesarchiv Berlin sowie der Nachlass Albert Brackmann im Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz Auskunft. Erich Maschkes Personalakte in Jena, der Nachlass Günther Franz im Universitätsarchiv Stuttgart-Hohenheim sowie andere Dokumente im Jenaer Universitätsarchiv bzw. Hauptstaatsarchiv Weimar werfen Licht auf die Jenaer Jahre. Die Militärzeit im Wartheland 1939/40 konnte nur durch die Auswertung des Briefwechsels mit Günther Franz beleuchtet werden. Die Quellenlage für die Auseinandersetzung mit den Leipziger Jahren Erich Maschkes ist als lückenhaft einzuschätzen. Dies liegt an der Tatsache, dass die Personalakte Maschkes aus dem Universitätsarchiv Leipzig nach Kriegsende

25 Maschke, Selbstdarstellung. 26 Maschke, Begegnungen mit Geschichte.

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»gereinigt« worden war. Auch litten die Bestände des Universitätsarchivs wie auch die des Hauptstaatsarchivs Dresden unter den Kriegseinwirkungen. Über die Internierung Maschkes in Mühlberg konnten außer dem Nachweis für seine Einlieferung und einer Angabe seinerseits für eine bundesdeutsche Behörde keine weiteren Informationen ermittelt werden. Nicht ganz so spärlich waren die Informationen über seine Gefangenschaft in der Sowjetunion: Eine Akte aus dem RGVA Moskau dokumentiert Maschkes Verurteilung 1949/50. Von ihr abgesehen, muss auch in diesem Fall Maschkes eigenen Angaben über die einzelnen Stationen seiner Gefangenschaft Glauben geschenkt werden, wie sie sich im Behördenbriefwechsel und in seinen Zeitzeugenaussagen für die Schriftenreihe der Wissenschaftlichen Kommission für die deutsche Kriegsgefangenengeschichte im Bestand über die Kommission im Freiburger Militärarchiv niederschlugen. Ergänzt wurden diese Angaben durch die Auswertung der so genannten Lagerspiegel des DRK, Suchdienst München, Zentrale Auskunfts- und Informationsstelle. Für die Auseinandersetzung mit Leben und Werk Maschkes nach seiner Rückkehr 1953 bildete der Nachlass Maschkes die umfangreichste und wichtigste Quelle. Für die ersten Jahre nach Maschkes Heimkehr fanden sich darüber hinaus Hinweise im Archiv des Herderforschungsrates in Marburg, in den Nachlässen befreundeter Historiker sowie in den Dokumenten, die im Universitätsarchiv Heidelberg aufbewahrt waren. Die eingesehenen Heidelberger Archivalien beleuchten in Ergänzung durch die Personalakte im Bestand des Kultusministeriums im Hauptstaatsarchiv Stuttgart die Berufung Maschkes nach Heidel­ berg sowie seine Lehrtätigkeit. Sie geben aber relativ wenig Auskunft über Maschkes Position innerhalb des akademischen Kollegiums in Heidelberg, über seine Zusammenarbeit mit Fachkollegen und geplante und durchgeführte Forschungsprojekte. Der Nachlass Werner Conzes, die Archivalien zum Institut für Wirtschafts- und Sozialgeschichte sowie zum Arbeitskreis für moderne Sozialgeschichte standen zum gegebenen Zeitpunkt noch nicht für eine Einsichtnahme zur Verfügung. Von großer Bedeutung für die Erarbeitung des Kapitels über die Wissenschaftliche Kommission für deutsche Kriegsgefangenengeschichte des Zweiten Weltkrieges waren die entsprechenden Bestände des Militärarchivs Freiburg wie auch die des Bundesvertriebenenministeriums, welche im Bundesarchiv Koblenz eingesehen werden konnten. Wichtige Hinweise für die Erstellung dieser Arbeit ergaben sich auch aus den Gesprächen mit den Zeitzeugen Dr. Helmut Wolf (2003), Prof. Dr. Udo Arnold (2005) und Prof. Dr. Ulf Dirlmeier (2008).

2. Kindheit und Jugend in Berlin Erich Maschke wurde am 2. März 1900 als ältester Sohn des Augenarztes Dr. Erich Maschke und seiner Ehefrau Elisabeth in Berlin geboren. Über seine Kindheit im großbürgerlich geprägten Haushalt seines Vaters1, eines Sanitätsrates und Arztes an der Berliner Charité, ist kaum etwas bekannt. Auch sein Verhältnis zum jüngeren Bruder Hans bleibt im Dunkeln. Die wenigen Informationen über die Großeltern können kein lebendiges Bild von der Familie, vom Umgang miteinander und von ihrem sozialen, gesellschaftlichen und religiösen Hintergrund zeichnen: Erich Maschkes Großeltern väterlicher- und mütterlicherseits waren evangelischer Konfession und gehörten als Familien eines Schulrats und »Taubstummenanstaltsdirektors«2 sowie Baumeisters dem gehobenen Mittelstand und Bildungsbürgertum an3. Schon seit mehreren Generationen in Berlin ansässig, stammte die Familie Maschke ursprünglich aus Schlesien4. Es gibt kaum mehr Informationen über die schulische Sozialisation5 des jungen Erich Maschke als über seinen familiären Hintergrund. Dem bisherigen Kenntnisstand nach zu schließen, bewegte sich sein Bildungsweg in traditionellen, bürgerlichen Bahnen. So besuchte er nach der Volksschule das Askanische Gymnasium im Berliner Kreuzberg-Viertel. Dies war eine Bildungseinrichtung, an der im Stile des spä­ ten Kaiserreiches Kaisergeburtstags-, Schiller-, Herder-, Königin-Luise-Gedenk­ feiern und andere patriotische Veranstaltungen stattfanden. Ehemalige Schüler als alte »Askanier« oder »alte Herren« hielten den zahlreichen Vereinen ihres Institutes die Treue, in dem sie u. a. als Redner auftraten und in Vorträgen beispielsweise über die wirtschaftliche Entwicklung der deutschen Kolonien oder über Reisen durch Deutsch-Ostafrika sprachen.6 Für das national-patriotische Gepräge der Schule kennzeichnend waren auch jene Siegesfeiern, die nach Aus1 Gespräch mit Herrn Dr. Helmut Wolff am 8.8.2003. 2 BA Berlin, Best. Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung, PA Erich Maschke ZB II 1907. A 1, Lebenslauf vom 8.5.1936. 3 BA Berlin, Best. Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung, PA Erich Maschke ZB II 1907. A 1. Lebenslauf vom 8.5.1936. 4 HStA Stuttgart, NL Erich Maschke J 40/10, Bü 65, Brief Erich Maschkes vom 13.4.1972 an Paul A. Miller. 5 Es liegen zwar einige Festschriften des Askanischen Gymnasiums vor (100 Jahre Askanische Schule. Eine Chronik der Askanischen Schule, zusammengestellt von Bernhard Przeradzki, Berlin 1984; 125 Jahre Askanisches Gymnasium und Askanische Oberschule 1875 bis 2000, zusammengestellt von Peter Klepper, Berlin 2000), aber Erich Maschke wird in keiner einzigen namentlich erwähnt. Andere bedeutende Schüler dieser Schule waren Kurt Eisner, Arthur Rosenberg, Hans-Joachim Schoeps, Werner Forßmann und Ernst Ginsberg. 6 Festschrift des Askanischen Gymnasiums »Denkschrift zum fünfzigjährigen Bestehen des Askanischen Gymnasiums in Berlin 1875–1925, o. O., o. D.

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Kindheit und Jugend in Berlin

bruch des Ersten Weltkrieges anfangs noch häufig begangen wurden. Zum Zweck der militärischen Vorbereitung wurde eine Jugendkompanie aus Schülern der oberen Klassen gebildet. Diese Kompanie stand unter der Leitung mehrerer Lehrer. Ihr gehörte wohl auch Erich Maschke an, der gemeinsam mit zwölf Mitschülern im Mai 1917 das Notabitur ablegte. Danach arbeitete er zunächst beim Vaterländischen Hilfsdienst, bevor er im Januar 1918 als Fahnenjunker in ein Fußartillerieregiment eintrat7. Damit gehörte Erich Maschke zu denjenigen seiner Altersklasse, die die letzten Monate des Weltkrieges noch als »Frontkämpfer« erlebten und aktiv an den militärischen Ereignissen teilnahmen. Er erfuhr den blutigen Frontalltag im Juli und August 1918 bei den Kämpfen im Westen8 und wurde dort verwundet. Lazarettaufenthalte folgten; im Dezember 1918 wurde er aus dem Heeresdienst entlassen. Im Gegensatz zu vielen anderen ehemaligen »Frontkämpfern« thematisierte Erich Maschke den Ersten Weltkrieg als die »Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts« (George F. Kennan) bzw. das Fronterlebnis als Schlüsselereignis seiner Jugend selbst nicht: Äußerungen zu seinem unmittelbaren Erleben der letzten Kriegsmonate, zur so genannten Frontkameradschaft und zu seiner Verwundung, die noch in späteren Jahren Kuraufenthalte nötig machte, sind nicht bekannt; ja, in seinen autobiographischen Notizen überging Erich Maschke sogar seine Kriegsteilnahme9. Auch in seinen publizistischen Beiträgen10 der zwanziger Jahre sprach er das eigene Kriegserlebnis11 nicht an. Über die Gründe dafür kann nur spekuliert werden: Die Zeit, in der er als Soldat an der Front kämpfte, war mit zwei Monaten doch relativ kurz. Auch wurde wahrscheinlich das Erlebnis des Krieges durch andere, für ihn eindrücklichere Ereignisse wie beispielsweise das Kriegsende, die Niederlage, die Revolution und die Folgen des Versailler Vertrages überlagert. Das Fehlen persönlicher Äußerungen zum eigenen Kriegserleben bedeutet jedoch nicht, dass der jugendliche Erich Maschke zu diesem Geschehen nicht Stellung bezogen hätte. Aus seinen Artikeln, die auf den Krieg eingingen und die er in der Rückschau verfasst hatte, lässt sich aber kaum herauslesen, welche Äußerungen auf persönlichen Erfahrungen beruhten, auf den mündlichen Berichten anderer oder auf den Einflüssen eigener Lektüre. Erich Maschkes Deutung des Krieges unterschied sich 7 Es handelte sich um das Lauenburgische Fußartillerie-Regiment Nr. 20. BA Berlin, Best. Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung PA Erich Maschke ZB II 1907. A 1, Lebenslauf vom 8.5.1936. 8 UAJ, PA Erich Maschke D 3193, Lebenslauf. 9 Maschke, Selbstdarstellung bei der Aufnahme in die Heidelberger Akademie der Wissenschaften; Maschke, Begegnungen mit Geschichte. 10 Zu nennen sind hierbei Maschke, Das Volk vom Eichhof; ders., Ostland; ders., Unruhe am Werk; ders., Front-Bünde. 11 Zur Wahrnehmung des Krieges vgl. Michalka (Hg.), Der Erste Weltkrieg; Lipp, Meinungslenkung im Krieg; Hirschfeld u. a. (Hg.), Kriegserfahrungen. Studien zur Sozial- und­ Mentalitätsgeschichte; Fenske, Der Verlust des Jugendreiches.

Kindheit und Jugend in Berlin

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wenig von den in den zwanziger Jahren nicht nur in der Jugendbewegung verbreiteten Auffassungen12: So beschwor auch er das so genannte August­erlebnis von 1914 als Zusammengehörigkeits- und Gemeinschaftserlebnis, deutete den Krieg als Abenteuer, Wagnis, als »Aufstand, der gegen die Völker der Erde gewagt wurde« und als rätselhaften, unerklärlichen Vorgang. Darüber hinaus sprach auch er das Gefühl der Fremdheit zwischen Front und Heimat an und äußerte den Glauben, dass das Sterben doch einen Sinn für das Volk gehabt haben müsse. Die Tapferkeit des deutschen Volkes im Krieg verklärte er zum »Größten« dieser Zeit in Europa – umso unfasslicher erschien ihm aus diesem Grund im Nachhinein die Niederlage. Auch er verlieh der weit verbreiteten Überzeugung Ausdruck, dass der Sieg jäh entrissen, der Krieg daher nicht verloren worden sei. Elemente der Dolchstoßlegende zog er zur Erklärung dieses Umstandes jedoch nicht heran. Wie er selbst das Ende des Kaiserreiches und die Revolution 1918/1919 erlebte, ist unbekannt. In seinen späteren, jugendbewegten Beiträgen wird sein persönliches Erleben nur schwer greifbar. An ihnen wird allerdings deutlich, dass er das Ende des Kaiserreiches und die Revolution als Auflösung des deutschen Volkes im Chaos interpretierte und er sich ausschließlich emotional mit diesen Kriegsfolgen auseinandersetzte. Freilich müssen auch hier der zeitliche Abstand zwischen dem eigentlichen Ereignis und dem Schreiben der Beiträge sowie vor allem die Wirkung der Ideen der Neupfadfinder und die daraus folgende Überformung der eigenen Erlebnisse berücksichtigt werden. Spielten die eigenen Erfahrungen während Weltkrieg und Revolution in seinen publizistischen und autobiographischen Beiträgen also keine Rolle, so hob Erich Maschke ein gänzlich anderes, bereits erwähntes Erleben darin umso mehr hervor: das der Jugendbewegung bei den Neupfadfindern.

12 Vgl. dazu Fiedler, Jugend im Krieg.

3. Die bündische Zeit (1919 bis 1926/27) 3.1 Erich Maschke und der Weiße Ritter Erich Maschke war nicht der einzige Historiker seiner Altersgruppe, der in diesen Jahren Mitglied in einem der Bünde der Jugendbewegung war und dort eine bedeutende lebensgeschichtliche Prägung erfuhr1. Im Vergleich zu anderen Altersgenossen dauerte diese Phase im Leben Erich Maschkes ausgesprochen lang, von ca. 1919 bis 1927, also fast seine gesamte Jugend und Studienzeit. Nicht allein dieser zeitlichen Länge wegen verlangt seine »bündische Zeit« eine umfassende Darstellung. Zahlreiche Entwicklungen wie beispielsweise Erich Maschkes Hinwendung zur Geschichtswissenschaft, seine Beschäftigung mit dem »Volk« und mit Fragen des Grenz- und Auslanddeutschtums sowie seine Empfänglichkeit für bestimmte Begriffe oder die langjährige Auseinandersetzung mit einzelnen historischen Gegenständen werden erst in diesem Zusammenhang verständlich. Die bündische Lebensphase ist in ihrer Bedeutung für Leben und Werk Erich Maschkes wohl kaum zu überschätzen. Erich Maschkes Hinwendung zur Jugendbewegung erfolgte über einen Umweg. Seit seinem 12. oder 13. Lebensjahr gehörte er zum Deutschen Pfadfinderbund2 und war Mitglied in einem Pfadfinderkorps, das sich aus dem Berliner Kreuzbergviertel sowie hauptsächlich aus Schülern des Askanischen Gymnasiums rekrutierte. Die Mitgliedschaft in einer solchen patriotischen Jugendpflege­ organisation entsprach wohl der nationalen und großdeutschen Ausrichtung 1 Vgl. dazu Etzemüller, Sozialgeschichte als politische Geschichte, S. 22–25. Er nennt als weitere Historiker Werner Conze, Werner Markert, Theodor Schieder u. a. Hierzu auch die Beispiele, die von Haar, Historiker im Nationalsozialismus, S. 70–75 angeführt werden. Zu widersprechen ist Ingo Haars Einordnung Erich Maschkes in die Akademische Gildenschaft bzw. in die Königsberger Gilden »Skuld« und »Hermann von Balk«. Die von Ingo Haar a­ ngeführte Quelle enthält nicht einmal den Namen Erich Maschkes. Archiv der deutschen Jugendbewegung A 2-53/6. 2 Der Deutsche Pfadfinderbund wies organisatorisch und inhaltlich nur wenige Gemeinsamkeiten mit dem Wandervogel der Jugendbewegung auf. Er war 1911 als eingedeutschte Version des britischen scouting-Vorbildes gegründet worden. So passte er sich inhaltlich an Programme der Jugendpflege und vormilitärischen Ertüchtigung an – die Führerschaft bestand zumeist aus unteren Offiziersrängen und Lehrern – und betonte stark die national-­ vaterländische Ausrichtung. Der Akzent lag deutlich auf einer Erziehung zur Wehrhaftigkeit auf vaterländischer Grundlage und hatte den Dienst am Vaterland zum höchsten Ziel. Dementsprechend sollte die deutsche Pfadfindererziehung im Unterschied zum umfassenderen Ansatz des britischen scouting gleichbedeutend sein mit staatsbürgerlicher Erziehung. Der DPB lehnte auch den Anschluss an das internationale Büro der Pfadfinderbewegung in London ab. Vgl. dazu Schubert-Weller, »Kein schönrer Tod …«, S. 129–138; Bandick, Ursprung und geistige Entwicklung, S. 8.

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Die bündische Zeit (1919 bis 1926/27)

seines Vaterhauses. Seine Eltern billigten und befürworteten offensichtlich die größeren Ferienfahrten des 1913 mit 150 Jungen in höchster Blüte stehenden Korps nach Mecklenburg, Ostpreußen, Sachsen, Thüringen und Schlesien. Auch gegen die Wanderungen im heimatlichen Umfeld, gegen die Sport- und vor allem während des Weltkrieges gegen die Kriegsspiele3 der Jungen hatten sie anscheinend keine Einwände. Doch blieb es während des Krieges nicht bei solchen Kriegsspielen; die einzelnen Pfadfindergruppen wurden nun in unterschiedlicher Weise in patriotisch-kriegsdienstliche Arbeiten eingespannt. Mit Stolz berichtete die Schulfestschrift: Die Jungen daheim, unter ihnen auch Erich Maschke, »leisteten Hilfe in den Geschäftsstellen des Vaterländischen Frauenvereins, im Ab­ geordnetenhaus und im Reichstagsgebäude, stellten Statisten für Wohltätigkeitsaufführungen, meldeten sich beim Bahnhofsdienst bei den Verpflegungsstellen, übernahmen die Führung ortsfremder Soldaten in Berlin« – kurz: »Diese Jugend war wirklich ›allzeit bereit‹«4. Auch nach seiner Heimkehr aus dem Krieg fühlte sich der junge Erich Maschke seiner Pfadfinderabteilung weiterhin sehr verbunden. Daher vollzog er ihre Weiterentwicklung zu einem reformorientierten Bund innerhalb der deutschen Pfadfinderschaft und ihre Abspaltung vom Deutschen Pfadfinderbund mit. Als sich seine Abteilung der Jugendbewegung annäherte und sich zur »Neupfadfinderschaft« erklärte, folgte er auch diesem Schritt. Auf diese Weise geriet er selbst in das Umfeld und den Kreis der bündischen Jugend. Erich Maschke fand dort bei den Neupfadfindern eine geistige Heimat, in der er tief verwurzelte. Um diese Verwurzelung und ihre Folgen für Erich Maschke erklärbar zu machen, ist es notwendig, diese »Neupfadfinder« genauer zu beleuchten: Ihre Entstehung und ihre Vorstellungs- und Lebenswelt müssen beschrieben, aber auch ihre Mitglieder und deren Selbstverständnis charakterisiert werden. Die Neupfadfinder5 bildeten nach dem Ersten Weltkrieg die Kerntruppe der Erneuerungsbewegung innerhalb der deutschen Pfadfinderschaft. Sie setzten sich aus der Vereinigung mehrerer reformorientierter Pfadfindergruppierungen6 zusammen. Dies waren zum einen Teile der bayerisch-österreichischen Wehr3 Festschrift des Askanischen Gymnasiums, o. O., o. D., S. 56. 4 Ebd., S. 57. 5 Zur relativ gut erforschten Geschichte der Neupfadfinder vgl. die Darstellungen von Fro­ benius, Mit uns zieht die neue Zeit, S.  276–286; aus einer Innenperspektive Seidelmann, Die Pfadfinder in der deutschen Jugendgeschichte, besonders S. 57–61; sowie den Beitrag in Kindt (Hg.), Quellen und Dokumente, S. 389–439; kritischer dagegen Bandick, Ursprung und geistige Entwicklung; Brauch, Die Erneuerung der Pfadfinderbewegung; Rahe, The Neupfadfinder; Laue, Der Bund der Wandervögel und Pfadfinder, S.  27–31; Laqueur, Die deutsche Jugendbewegung, S. 154–159. 6 Diesen reformorientierten Gruppierungen waren die radikale Abwehr von den paramilitä­ rischen Formen des Deutschen Pfadfinderbundes und von seinen jugendpflegerischen Bestrebungen sowie die Ablehnung seiner vielfältigen Abhängigkeiten vom zusammengebrochenen politischen System des Kaiserreiches gemeinsam. Sie wandten sich Ideen und Leitbildern des Wandervogels und der freideutschen Jugend zu, die sie teilweise im so genannten Feldwandervogel an den Fronten des Ersten Weltkrieges kennen gelernt hatten.

Erich Maschke und der Weiße Ritter

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kraftbewegung um Franz Ludwig Habbel und Ludwig Voggenreiter – »Die Neudeutschen« – mit einer eher internationalistischen Ausrichtung. Ferner kamen sächsische Pfadfindergruppen sowie brandenburgische Pfadfinderkreise um den charismatischen Berlin-Karlshorster Pfarrer Martin Voelkel7 hinzu. Diese »Jungdeutschen« wiesen eine eher völkisch-nationalistisch-preußische Orientierung auf. Ihnen entstammte Erich Maschke. Die Erneuerungsbestrebungen mussten auf den Widerstand des Deutschen Pfadfinderbundes stoßen, was zur Folge hatte, dass sich die Reformer, unter ihnen auch Erich Maschke, auf einer Führertagung in Naumburg 1920 zum »Naumburger Bund« zusammenschlossen. Diese »Bündigung« wurde ihnen zum großen »Urerlebnis einer neuen Gemeinschaft: des Bundes«.8 Dieses Erlebnis wurde wieder und wieder in Schriften und Diskussionen beschworen und verklärt9. Der Naumburger Bund erklärte sich 1920 vom Deutschen Pfadfinderbund für unabhängig und selbständig10 und bezeichnete sich fortan als »Neupfadfinder«. Verlässliche Zahlen über die Mitgliederstärke dieses Bundes der Neupfad­ finder, dem Erich Maschke viele Jahre angehörte, liegen nicht vor. Auch die Mitglieder selbst waren sich uneinig darüber, wie groß ihr Bund sei11. Im Vergleich 7 Zu Martin Voelkel vgl. Jantzen, Namen und Werke, S.  242–244. Martin Voelkel (1884– 1945/46?) gehörte seit 1911 dem Deutschen Pfadfinderbund an. Er studierte evangelische Theologie in Tübingen und Berlin und erlebte nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges als Divisionspfarrer einer Reserve-Infanteriedivision die Kämpfe bei Langemarck mit. Nach 1918 war er zunächst noch als Militärseelsorger tätig. Ungefähr 1920 übernahm er eine Gemeinde in Berlin-Karlshorst, in der er bis zu seinem Tode Gemeindepfarrer blieb. Während der Zeit des Nationalsozialismus war er in der Bekennenden Kirche aktiv. 8 Maschke, Begegnungen mit Geschichte, S. VII. 9 Ein schönes Beispiel dafür stellt der Aufsatz Erich Maschkes »Verwirklichung« dar. Darin heißt es: »Als der Bund sich schloß, gründete er sich auf Gemeinschaft und Führerschaft, während strahlend über der Stätte seiner Geburt das Gestirn des Reiches erschien. […] So war der Bund in der Tat wie eine Pflanze, deren Same lange unterirdisch gekeimt hatte, bis er aufsprang und an den Tag drängte.« Ebd., S. 29, oder aus einem Grußwort (Archiv der deutschen Jugendbewegung, A 2-152/1 BDN): »Denn wir sind gezeichnet von jenem reinen Menschheitsereignis, das uns traf und dem wir standhielten: uns ward der Bund. Der Bund, in dem das Bild des jungen Deutschen morgenschön erstand, in zwingender Gewalt zur Herrschaft kam und Gefolgschaft fand. […] Der Bund, in dem sich wie im Tautropfen die Sonne das Reich abspiegelt, das über uns allen steht.« 10 1925 kam es nach verschiedenen Bündigungsversuchen mit anderen Gruppen zur Vereinigung der Neupfadfinder mit den Ringpfadfindern zum Großdeutschen Pfadfinderbund, der ein Jahr darauf, 1926, im »Bund der Wandervögel und Pfadfinder«, der späteren »Deutschen Freischar« aufging. Dazu Laue, Der Bund der Wandervögel und Pfadfinder, S. 27‒31. 11 So gaben sie 1924 Zahlen zwischen weniger als 1500 und 1800 Mitgliedern an. Erich Maschke sprach in einem Brief vom 18.5.1924 von »noch nicht anderthalbtausend« Mitgliedern (Archiv der deutschen Jugendbewegung, NL Karl Seidelmann, Nr. 22), während ein Brief von Martin Voelkel vom 12.11.1924 diese andere Zahl nannte (Archiv der deutschen Jugendbewegung, NL Karl Seidelmann, Nr. 17). Bei Kindt (Hg.), Quellen und Dokumente, S. 390 finden sich gleichfalls noch anderslautende Angaben.

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mit anderen Bünden der Zeit ist die Neupfadfinderschaft wohl als ein Bund mittlerer Größe einzuschätzen. Regionale Schwerpunkte lagen nach wie vor in der Mark Brandenburg und in Bayern, jedoch waren die Neupfadfinder über ganz Deutschland verbreitet und zählten auch in Österreich einzelne Gruppen und Anhänger. Ihrer sozialen Herkunft nach stammten die meisten Mitglieder12, wie wohl die Mehrzahl der Bündischen überhaupt, aus dem kleineren und mittleren Bürgertum. Dies gilt auch für den Führungskreis der Neupfadfinder, der sich aus Oberstufenschülern, Studenten wie Erich Maschke, einigen Berufsanfängern und Junglehrern zusammensetzte13. Dieser Führungskreis bestand aus etwas 20 bis 25 jungen Männern, wobei die Zahlenangaben auch hier schwanken, die sich intensiv in Bund und Gruppe engagierten und später oftmals pädagogische Berufe ergriffen. Auch hierfür ist Erich Maschke neben Helmuth Kittel ein gutes Beispiel. Diese Berufswahl ist bei Mitgliedern der Jugendbewegung insgesamt häufig anzutreffen. Zu diesem engeren Führerkreis zählte auch der Pfarrer Martin Voelkel. Er war wohl die innerlich treibende Kraft, eine charismatische Führer- und Leitfigur, die von den Jungen geliebt wurde und gleichzeitig deren Widerspruchsgeist hervorrief. In seiner Person konnte die nicht nur bei den Neupfadfindern verklärte bündische Vorstellung vom »Führer« Gestalt annehmen: »Führer« zu sein hieß in ihren Augen, selbst bereit zu sein zu äußerster Hingabe, Liebe, Treue und aufopferungsvollem Dienst am »Ganzen« und an der Gemeinschaft. Auf diese Weise in engster Beziehung zu seiner »Gefolgschaft«, brachte diese dem Führer ihrerseits Gehorsam, Treue und Liebe entgegen. Die gemeinsame Verpflichtung auf die Idee des »Bundes« wurde als unauflöslich angesehen. Sie bildete die Grundlage für das Freundschafts- und Führer-Gefolgschaftsverhältnis. Gleichzeitig verkörperte der »Führer« selbst in nicht näher bezeichneter Weise den »Bund«.14 In den wenigen überlieferten Briefen Erich Maschkes an Martin Voelkel finden sich alle diese Elemente eines schwärmerischen Führer-Geführtenverhältnisses und Freundschafts- und Treuebundes wieder15. Politisch gesehen, vertrat Martin Voelkel eine völkisch-nationalistische Einstellung. Ob Erich Maschkes deutlich völkische Ausrichtung durch ihn beeinflusst und bestimmt wurde, lässt sich zwar nicht eindeutig belegen, erscheint jedoch sehr nahe liegend. Martin Voelkel besaß ein Verhältnis zum Mythos, das Anhaltspunkte in damaligen Geistesströmungen fand, wie sie etwa durch Ludwig Klages, Rudolf Pannwitz und den George-Kreis repräsentiert wurden. Begriffe wie »der neue 12 Zu den später bekannter gewordenen Neupfadfindern zählen u. a. der Physiker Werner Heisenberg, der Kunsthistoriker Werner Hager und der Publizist und Soziologe Ernst Wilhelm Eschmann. 13 Seidelmann, Die Pfadfinder in der deutschen Jugendgeschichte, S. 54. 14 Schröder, Die Leitbegriffe der deutschen Jugendbewegung, S. 51‒55. 15 Archiv der deutschen Jugendbewegung, NL Karl Seidelmann, Nr. 21, 22 und 23.

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Mensch«, der »Weiße Ritter« oder »das Reich« suchte Voelkel in diesem mythischen Sinne zu prägen. Das blieb nicht ohne Auswirkung auf den jungen Erich Maschke. Traf Martin Voelkel zumindest während der aktiven Zeit Maschkes bei ihm auf große Anhänglichkeit und Liebe, so wurde er von Mitgliedern anderer Bünde völlig anders wahrgenommen. Ihnen galt Voelkel als »utopistischer Politiker«, der »genau das Ideal sieht«, aber »keinen Sinn für die Wirklichkeit«16 hat. Wie die Neupfadfinder von anderen Bünden eingeschätzt wurden, lässt sich nach den wenigen zur Verfügung stehenden Quellen schwer abschließend beschreiben. Aus ihnen wird jedoch ersichtlich, dass das elitäre und aristokratische Sendungsbewusstsein, der Führungsanspruch und die Vorstellungswelt der Neupfadfinder von anderen Bünden durchaus sehr kritisch hinterfragt wurden17. Die Forschungsliteratur hob in ihrer Einschätzung der Neupfadfinder unterschiedliche Aspekte hervor. Walter Z. Laqueur traf in seiner Gesamtdarstellung der deutschen Jugendbewegung ein eher vernichtendes Urteil: Er bescheinigte der »Ära des Weißen Ritters« Realitätsferne und Abgehobenheit des Denkens18. Sicherlich überschätzt man die Bedeutung des Bundes, dem Erich Maschke angehörte, wenn man ihn als eine »Ära in der Geschichte der deutschen Jugendbewegung« bezeichnet. Er war ein Bund neben vielen und in seiner Ideenwelt doch nicht so einflussreich, wie er es sich selbst vielleicht gewünscht hatte. Doch erwiesen sich andere Momente seines Bundeslebens innerhalb der bündischen Jugend als einflussreich, wie sie auch von der Forschung herausgestellt wurden19. Dies waren zum einen die kulturelle Arbeit der Neupfadfinder, die Literatur und Kunst über ihrem Schwärmen nicht vernachlässigten und sogar bemüht waren, dafür neue Ausdrucksformen zu finden20. Zum anderen war auch das Wirken der Neupfadfinder als Impulsgeber für andere Bünde nicht zu unter16 Archiv der deutschen Jugendbewegung, NL Karl Seidelmann, Nr.  29, Brief Kurt Iven an Heinz Weitzel vom 5.2.1926. 17 Z. B. heißt es in einem Brief von Franz Eichenberg an Heinz Weitzel vom 18.11.1925 über den BDN (NL Karl Seidelmann, Nr. 29): »Die gewalte [sic] Überheblichkeit, Mystik und falsche Mythenseligkeit sind gewiss nicht für die Entwicklung eines deutschen Jungen des 20.  Jahrhunderts förderlich, denn sie geben ihm, nachdem die Unterlagen für den dies­ seitigen nationalen Übermut, der unsere herrschende Gesellschaftsmeinung vor dem Krieg auszeichnete, weggefallen sind, eine neue Scheinfassade für eine viel gefährlichere, moralische und metaphysische Überheblichkeit, die uns Deutschen ebenso schlecht ansteht.« 18 Laqueur, Die deutsche Jugendbewegung, S.  159: »Die Ära des Weißen Ritters [d. h. der Neupfadfinder – d. Vf.] dürfte wohl als negative Phase in der Geschichte der deutschen Jugendbewegung anzusehen sein. Jugendlichen Idealismus, persönliche Integrität und élan vital gab es im Überfluß, aber sie gingen unter in einem Schwall verschwommener Phrasen, in überspannter und nebelhafter Romantik. Weder vorher noch nachher ist die deutsche Jugend verleitet worden, sich so weit von den Realitäten zu entfernen. Selten waren klares Denken und gesunder Menschenverstand mit so auffälliger Nichtachtung gestraft worden.« 19 Vgl. dazu Rahe, The Neupfadfinder, S.  58–60, und Bandick, Ursprung und geistige Entwicklung, S. 131. 20 Dies wird beispielsweise an den expressionistischen Illustrationen und Holzschnitten im »Weißen Ritter« sichtbar.

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schätzen. Besondere Beachtung fand dabei in der Forschungsliteratur das von den Neupfadfindern eingeführte organisatorische Modell der »Stammeserziehung«21. Hingewiesen wird in diesem Zusammenhang auch auf die maßgebliche Beteiligung der Neupfadfinder an besonders bedeutsamen Projekten der bündischen Jugend: auf die Einigungsbemühungen und die Schaffung eines »Hochbundes« der deutschen Jugend, auf die Initiierung der Grenz- und Auslandsarbeit und der Grenzlandfeuer sowie auf die Organisation einer Gedächtnisfeier zum zehnjährigen Jahrestag der Schlacht von Langemarck 1924. In diese Projekte war Erich Maschke fest eingebunden. Auch die Ausprägung einer bestimmten Lebens- und Geisteshaltung der Neupfadfinder fand innerhalb der Jugendbewegung Zustimmung: Sich selbst, seine Persönlichkeit freiwillig unter einem Führer, verantwortungsbewusst und gemeinsam mit anderen in den Dienst einer Idee zu stellen, entwickelte sich zum charakteristischen »Bündischen«22. Die Ideen, Anschauungen und politischen Auffassungen, mit denen Erich Maschke in seinem Bund in Berührung kam und an deren Ausformung und Verbreitung er selbst regen Anteil nahm, wurden von der Forschungsliteratur nicht ohne Grund als überspannt und verworren bezeichnet. Es erweist sich in der Tat als äußerst schwierig, hinter dem großen Pathos und der romantischen Schwärmerei einige Eckpunkte neupfadfinderischen Denkens auszu­machen, die allgemeinverständlich und dem heutigen Leser in Ansätzen nachvollziehbar sind. Die teils hochemotionale, mit völlig unklaren Begrifflichkeiten operierende Sprache jenseits von »Sachlichkeit« oder »Nüchternheit« erschwert dies zusätzlich. Der Versuch, konstitutive Elemente neupfadfinderischen Denkens aufzufinden, erbrachte folgende Resultate: Nach eigenen Aussagen ruhte die Neupfadfinderschaft auf den geistigen Säulen brüderlicher Gemeinschaft, treuer Gefolgschaft und verantwortungsfreudigem Führertum23. Damit wies diese Pfadfinderschaft Merkmale eines Männerbundes24 auf, die – in die Praxis umgesetzt – in weitgehendem Maße die Gruppen der bündischen Jugend prägten25. Sie bildeten auch für völlig anders geartete und politische Verbände die ideologische Basis. Das Männerbundideal spielte für die Mentalitätsgeschichte der Zwischenkriegszeit und besonders für die Machtergreifung des National­ sozialismus in Köpfen und Herzen eine große Rolle26. 21 Näher beschrieben bei Frobenius, Mit uns zieht die neue Zeit, S. 279–281. Dieses Modell entschärfte die so genannte Älterenfrage und das Generationenproblem innerhalb der Bünde. Es wurde beispielsweise von der schlesischen Jungmannschaft übernommen. Über diese Rezeption von der Trappen, Die schlesische Jungmannschaft, S. 46–49. 22 Seidelmann, Die Pfadfinder in der deutschen Jugendgeschichte, S. 51; von der Trappen, Die schlesische Jungmannschaft, S. 47. 23 Beiblätter zum Weißen Ritter 1920/21. Beiheft zum 1.11.1920. 24 Vgl. Sombart, Männerbund und Politische Kultur in Deutschland, S. 155–176. 25 Reulecke, »Ich möchte einer werden so wie die …«, S. 80; ders., Männerbund versus Familie, S. 199–223. 26 Reulecke, »Ich möchte einer werden so wie die …«, S. 70.

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An herausragender Stelle innerhalb der Vorstellungswelt der Neupfadfinder stand das »Reich«. Als Topos des antidemokratischen Denkens in der Weimarer Republik sowie als Gegenbild zum politischen System der Weimarer Republik vielseitig verwendbar27, stellten die Neupfadfinder den Reichsgedanken als Idee über ihren Bund. Er sollte ein Gleichnis des Reiches darstellen. Das »Reich« galt ihnen auch als Verkörperung der »ewigen Idee« und »Sendung« des deutschen Volkes. Es wurde teilweise völkisch gedeutet und blieb letztlich in seinem Ideengehalt vage und unbestimmt. Ein Text des jungen Maschke illustriert dies recht eindrucksvoll: »Es ist niemals gesagt worden, was dieses Reich sei. Es blieb alles offen und möglich, Gottesreich und Reich des Menschen, Reich der Jugend, Reich der Nation. Es ist niemals gesagt worden, was das Reich sei, es war auch niemals nötig. Denn das Wort war stark genug, dass es […] Gläubige schuf, Dienende zeugte, Treue forderte und erhielt.«28

Der große Einfluss Stefan Georges29  – wie hier ersichtlich  –, auf die Gedankenwelt der Neupfadfinder beschränkte sich aber nicht auf deren Vorstellungen vom »Reich«. Er zeigte sich ebenfalls in ihrem Streben nach der Schaffung eines neuen Menschen und »Menschentums«30 aus dem »Geist der Jugend«. Nach Meinung der Neupfadfinder werde dieser »neue Mensch« dann  – allerdings auf nicht näher erläuterte Weise – zu neuer »Volksgemeinschaft«, weiter in das »neue Reich« und zu neuer »Menschheitsgemeinde« hinüberleiten. Diesen »neuen Menschen« sahen die Neupfadfinder im Bild des Weißen Ritters verkörpert, der als Mythos und Idol31 in der geistigen Mitte ihres Bundes stand und nach dem sie ihre Führerzeitschrift benannten. Von Erich Maschke ist eine Charakterisierung des Weißen Ritters überliefert: 27 Aus der Fülle der Literatur zum Reichsgedanken seien hier nur erwähnt: Sontheimer, Antidemokratisches Denken in der Weimarer Republik, S. 222–243; Schröder, Die Leitbegriffe der deutschen Jugendbewegung, S. 68–74. 28 Archiv der deutschen Jugendbewegung, NL Karl Seidelmann, Nr. 25. 29 Nach Frobenius, Mit uns zieht die neue Zeit, S. 282, war Stefan George der heimliche Führer der Neupfadfinder, dessen »Siebenter Ring« und »Stern des Bundes« ihre Symbolik befruchtet hätten. Ebenso hätte er ihnen das »Hochbild des neuen Reiches« gegeben. Auch Rahe spricht von einem George-Kult der Neupfadfinder. Ders., The Neupfadfinder, S. 64. 30 Es ist häufig nicht genau herauszuarbeiten, was die Neupfadfinder unter Begriffen wie »Stand der Jugend«, »Dienst am neuen Menschen«, »neue werdende Volks- und Menschheitsstufe« usw. verstanden. 31 In diese Gestalt flossen verschiedene Traditionen der deutschen Geistes-, Religions- und Kunstgeschichte ein, z. B. die Legende vom Hl. Georg, die Geschichte der Deutschordensritter, die Sage vom Gralssucher Parzival usw. Dazu auch Ulbricht, Ein »Weisser Ritter« im Kampf um das Buch, S. 150–154. In Entwürfen zu einer Geschichte der Pfadfinderbewegung aus den 1920er Jahren (Archiv der deutschen Jugendbewegung, A 2-169/1) sind noch weitere Einflüsse erwähnt worden: Minnesänger, Landsknechte, Lützowsche Reiter, die Urburschenschaft, Walter Flex, Stefan George, Fidus, Avenarius – wiederum Ausdruck für die Unbestimmbarkeit dieser Figur.

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»Es handelte sich also darum, ein Menschenbild aufzustellen, das wirksam genug war, einen bestimmten, an ihm gemessenen und geformten Menschentyp zu schaffen. Wenn es gerade das Bild des Weissen Ritters war, […] so geschah es, weil wir einen Typus mit den Eigenschaften des ›ritterbürtigen Heiligen‹ haben wollten, einen Menschen also, den etwa Adel, Treue, Glaube, Frömmigkeit, Demut, Zucht, Kraft, Liebe, Bereitschaft zum Dienen auszeichnen sollten. Dieses Bild sollte verwirklicht und in der Wirklichkeit durchgesetzt werden.«32

Erich Maschkes Haltung ist ein herausragendes Beispiel für die große Attraktivität der Gestalt dieses Weißen Ritters, wie sie sich gerade für die norddeutschen und brandenburgischen Pfadfinder erwies. Neben den bereits angesprochenen und miteinander in Wechselwirkung stehenden Bildern vom »Reich« und »neuen Menschen« spielte naturgemäß der Begriff des »Bundes« eine wichtige Rolle. Auch er war auf schwer zu durchdrin­ gende Weise in das Geflecht der neupfadfinderischen Ideen verwoben. Im Vergleich zur pseudoreligiösen inhaltlichen Komponente dieses Begriffes wirkt es erstaunlich konkret, dass die Neupfadfinder wie andere Bünde auch in ihm eine Form des menschlichen Zusammenlebens sahen, die für Staatswesen, größere Gemeinschaften und für die Gesellschaft Modellcharakter haben könnte. Angesichts der Empfindungen von Unübersichtlichkeit, Zersplitterung und Krise in der gegenwärtigen Zeit versprach der »Bund« eine neue »Ordnung«, eine ersehnte »Einheit« oder erstrebte »Ganzheit«. Mit dem Verweis auf ihn lehnten die Neupfadfinder Liberalismus, Demokratie, Parteien und den Parlamentarismus ab. Sie begriffen sich als unpolitisch im Sinne der Tages- und Parteipolitik33 und verstanden die Gegenwart als eine Übergangszeit34, ein sterbendes Zeitalter, das nur die Schwelle einer neuen werdenden Volks- und Menschheitsstufe darstelle. Damit teilten sie eine Auffassung, die weit verbreitet war. Daran wird erkennbar, dass sie – einer schon älteren Geistesströmung verbunden  – auch der gegenwärtigen Gesellschaft, Kultur, der Zivilisation und Moderne35 überhaupt kritisch gegenüberstanden und ihr mit dem Hinweis auf »organisches Wachsen und Werden« entgegentraten. Sie begeisterten sich am Mythos der »Jugend« und huldigten dem Ordensgedanken. Sie schwelgten in 32 Archiv der deutschen Jugendbewegung, NL Karl Seidelmann, Nr. 25. 33 Vgl. den Redebeitrag F. L. Habbels auf der Eisenacher Bundes-, Landes- und Gaufeldmeistertagung (Archiv der deutschen Jugendbewegung, NL Karl Seidelmann, Nr. 9): »Nur stehen wir der Tagespolitik, die wir ständig ihrem Bankrott nähertreiben sehen, fern, sind gegen sie, nicht politisch neutral, sondern antipolitisch. Unsere Jugend muss davor bewahrt werden, in die alten Parteien hineinzufallen, wenn sie heranwächst. Für uns sind sie er­ ledigt, für uns ist Jugend selbst Partei.« 34 Archiv der deutschen Jugendbewegung, A 2-152/1 BDN, darin Aufsatz Voelkels und Voggen­ reiters, Freiheit und Sendung. Weitere Beispiele dafür sind in den Beiträgen Maschkes, Front-Bünde, S. 70–72 oder ders., Unruhe am Werk, S. 12–18, zu finden. 35 Beispielsweise Erich Maschke in seinen Äußerungen zum Phänomen der Großstadt in ders., Das Volk vom Eichhof, S. 2.

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unverständlichen Bildern, Mystifikationen und Symbolen. Ihre hochtönende Sprache zielte auf Rausch und Gefühlserlebnis ab und zeigte teilweise eine völkisch-nationale Ausrichtung auf deutsches Volkstum, Blut und Heimat36. In vermeintlichem Gegensatz dazu waren aber auch Elemente eines europäischen und kosmopolitischen Denkens bei den Neupfadfindern vertreten37, das sich in Kontakten zu internationalen Pfadfindergruppen niederschlug. Nicht nur hieran wird deutlich, dass sich im Gedankengut der Neupfadfinder widersprüchliche Elemente, heterogene Vorstellungen und Geistesströmungen wiederfinden lassen, die in den zwanziger Jahren in verschiedenster Form in der bündischen Jugend, in jungkonservativen, politischen und konfessionellen Gruppierungen und Zirkeln verbreitet waren. Sie bildeten oft gerade wegen ihrer Unbestimmbarkeit und Vagheit ein geeignetes Einfallstor für politische Interpretationen, Überformungen und Instrumentalisierungen und bargen ein immenses Potential für Manipulationen jeder Art. Dies war den Neupfadfindern, unter ihnen Erich Maschke, in ihrem Überschwang, in ihrer geistigen Flucht aus dem nüchternen Alltagsleben und den Zeitumständen der Weimarer Republik sowie in ihrer Abkehr von »der Politik« anscheinend oftmals nicht klar.

3.2 Das Mitwirken bei den Neupfadfindern An dieser geistigen Welt der Neupfadfinder nahm Erich Maschke intensiv und rege Anteil und unterlag ebenso ihren Einflüssen wie er sie durch die Ausübung seiner verschiedenen Aufgaben und Ämter im Bund auch selbst mitgestaltete. Der zeitliche Umfang und die Vielseitigkeit seiner Arbeit im Bund deuten daraufhin, dass diese Arbeit für Erich Maschke vorrangig war: Seine gleichzeitige Einbindung in ein Medizin- und später Geschichtsstudium findet in den überlieferten Quellen kaum einmal Erwähnung38. Deutliche Phasen in der Intensität 36 Als Beispiel sei hier genannt Voelkel, Die Wiedergeburt des Reichsgedankens aus dem Geist der Jugend, S. 42–56. 37 Siehe beispielsweise die Aufsatzreihe F. L. Habbels im »Weißen Ritter« über die Weltpfadfinderbewegung und die Kontakte der Neupfadfinder zu ungarischen und finnischen Pfadfindern und ihre Teilnahme am 2. Welt-Jamboree 1924. Vgl. dazu Seidelmann, Die Pfadfinder in der deutschen Jugendgeschichte, S. 59. 38 Eine Ausnahme davon bildet ein Brief Erich Maschkes an John Haag vom 6.5.1971 (UAH, Rep. 85, Bestand Institut für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte Nr. 5). In ihm schrieb er: »Als Student habe ich Anfang der 1920er Jahre Othmar Spann persönlich kennengelernt, da ich in der Jugendbewegung war, der auch seine Söhne angehörten. Ich habe zwar noch bei ihm Vorlesungen gehört, (…). Wie alle meine Freunde, stand auch ich damals unter dem starken Eindruck seiner faszinierenden Persönlichkeit. Gerade seine universalistische Auffassung der Gesellschaft und der Geschichte wirkte auf uns sehr anregend, da wir damals dem wissenschaftlichen Spezialistentum ablehnend gegenüber standen. Andererseits ist nicht zu bezweifeln, dass die wissenschaftliche Wirkung von Spann und seinen Schülern nur sehr vorübergehend war.«

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seines Engagements von ca. 1919 bis 1927 sind nicht auszumachen. Er gehörte, wie schon erwähnt, dem inneren Kreis um Martin Voelkel sowie der Bundesleitung von 1919 bis ungefähr 1925 an und bekleidete einige Funktionen, deren Kompetenzbereiche allerdings nur teilweise klar zu benennen sind39. Auf diese Weise war er in alle wichtigen Entscheidungsprozesse des Bundes involviert. Aber besonders in drei Tätigkeitsbereiche investierte er viel Zeit und Arbeit: in die Organisation von Veranstaltungen, in die Schriftleitung der Führerzeitschrift »Der Weiße Ritter« sowie in die Grenz- und Auslandsarbeit des Bundes. Als Mitglied des inneren Kreises war Erich Maschke in die Organisation mehrerer großer Projekte eingebunden. Es handelte sich dabei um die von den Neupfadfindern initiierten so genannten Grenzlandfeuer40, um die Bemühungen zur Schaffung eines Hochbundes der deutschen Jugend sowie um die Ausgestaltung der 1924 geplanten Langemarckfeier. Für diese »Totenfeier« verschickte er Einladungen41 an 21 Bünde, Einzelpersonen und Organisationen und es ist zu vermuten, dass diese Arbeit seinen Namen in Kreisen der bündischen Jugend bekannter machte. Ungefähr 2000 Teilnehmer nahmen im Sommer 1924 an einer Feier auf der Hohen Rhön teil, die in einer Reihe mit den Langemarckfeiern stand, welche alljährlich in der Weimarer Republik u. a. von konservativen und nationalistischen Gruppen zelebriert wurden. Auch hier beschwor42 man nun den nationalen, den Opfer- und Jugendmythos von L ­ angemarck und trug auf diese Weise dazu bei, dass sich »Langemarck« zu einem der zentralen Orientierungspunkte der Jugendbünde entwickelte. Erich Maschke hatte daran mit seinem persönlichen Einsatz maßgeblichen Anteil, was sicherlich auch den politischen Vorstellungen entsprach, die er in dieser Zeit hegte. Neben der Organisation dieser Projekte trat Erich Maschke auch als Schriftleiter und Autor der Zeitschrift »Weißer Ritter« in Erscheinung. Seit 1924/25 war er gemeinsam mit einem Bundesbruder Schriftleiter und übernahm dann bis 1927 die alleinige Verantwortung. Er führte den »Weißen Ritter« durch die Krisen und Umbrüche, die sich aus dem Zusammenschluss der Neupfadfinder 39 So war er Träger des Grenzlandamtes, Mitglied der Bannerschar und Markgraf für die Grenzdeutschen und die Presse. 40 Beispielsweise 1922 in Weißenstadt im Fichtelgebirge. 41 U. a. an den Jungnationalen Bund, den Nerother Wandervogel, Quickborn, die DeutschAkademische Gildenschaft, den Deutschwandervogel, Deutsche Jungenschaft, Adler und Falken und an Personen wie z. B. Eduard Spranger, Eugen Diederichs, Othmar Spann sowie den Deutschen Schutzbund, an Persönlichkeiten aus Heer und Marine. Archiv der deutschen Jugendbewegung, NL Karl Seidelmann, Nr. 28. 42 Ein Beispiel aus einer Einladung Erich Maschkes an Dr. Hermann Röchling vom 7.7.1924 (Archiv der deutschen Jugendbewegung, NL Karl Seidelmann, Nr. 28): »Aber wir erwarten auch, dass dieser Name [Langemarck] und das Heldentum derer, die den Namen berühmt machten, wie eine Fahne zur Tapferkeit und Treue, zu Zucht und leidenschaftlichstem, selbstlosesten Dienst für das, wofür jene starben, mahnen und aufrufen wird …«. Hinzuweisen ist diesem Zusammenhang auf den vermutlich großen ideellen Einfluss Martin Voelkels auf die Organisation, Ausgestaltung und Propaganda für diese Feier, hatte er doch selbst »Langemarck« miterlebt.

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zum Bund der Pfadfinder und Wandervögel sowie zur Deutschen Freischar ergaben. Die Zeitschrift nannte sich Führerzeitschrift (ab 1923 mit dem Untertitel »Zeitschrift des neuen Deutschland«) und tat damit ihren Anspruch auf Führung nicht nur des eigenen Bundes kund. Sie wurde zunehmend auch von Mitgliedern anderer Bünde gelesen. Nach Einschätzung von Justus H. Ulbricht war der »Weiße Ritter« eines der wenigen Organe der bündischen Jugend, das sich modernen künstlerischen, literarischen und weltanschaulichen Strömungen der Nachkriegszeit öffnete43. Er erschien in einer Auflage von 2000 bis 3000 Exemplaren44 und war daher bestens geeignet, den Namen Erich Maschkes in einen größeren Kreis zu tragen. Noch Jahrzehnte später, in sowjetischer Kriegsgefangenschaft, wurde sein Name von Mitgefangenen mit dem »Weißen Ritter« in Verbindung gebracht45. Die Beiträge des jungen Erich Maschke für den »Weißen Ritter« entstanden im Zeitraum von 1919 bis 1926 und umfassten 19 größere Artikel, so dass er wohl zu den regelmäßigen Autoren zu rechnen ist46. An diesen Artikeln lassen sich zwei große thematische Schwerpunkte erkennen, mit denen er sich immer wieder beschäftigte: Zum einen war das in einer Art Standortbestimmung die Auseinandersetzung mit der Geschichte der Jugendbewegung und mit der Position des eigenen Bundes darin. Dies soll hier aber nicht weiter vertieft werden, da der zweite thematische Schwerpunkt weiter reichende Folgen hatte und Maschkes eigenes völkisches Denken offenbarte: das Grenz- und Auslanddeutschtum in den mittelosteuropäischen Staaten bzw. die so genannte Grenzlandarbeit der Jugend. Damit setzte er sich nicht nur in publizistischer Form auseinander – worauf später noch genauer eingegangen wird – sondern war auch in praktischer Form in die Grenzlandarbeit eingebunden. Dieser Arbeit widmete er sich in unterschiedlicher Weise: Er nahm an Veranstaltungen und Tagungen von Organisationen teil, die sich mit Grenzund Auslandsfragen beschäftigten. So besuchte er wohl relativ regelmäßig die Ta­gungen des Deutschen Schutzbundes47, dessen Zusammenarbeit mit den Neupfadfindern 1921 maßgeblich von Martin Voelkel angeregt worden war48. Außerdem arbeitete Maschke in der Beratungsstelle für das Auslandswesen der deutschen Jugend, d. h. in der Mittelstelle für Jugendgrenzlandarbeit (spä43 Ulbricht, Ein »Weisser Ritter« im Kampf um das Buch, S. 149. Zur Einschätzung der Zeitschrift durch Außenstehende vgl. die Aussage von Rolf Gardiner, zit. in Frobenius, Mit uns zieht die neue Zeit, S. 282. 44 Schrölkamp, Zeitschriften-Bibliographie. Im Zeichen der Lilie, S. 32–33. 45 HStA Stuttgart, NL Erich Maschke J 40/10, Nr. 58. 46 Die Rezensionen sind darin nicht mitgezählt. Art und Genre seiner Beiträge sind unterschiedlich und umspannen Briefe, Essays zu bestimmten Problemen, Sonderhefte, Aufrufe und Appelle sowie Tagungs- und Fahrtenberichte. Sie sind vom Umfang her sehr verschieden. 47 Vgl. Maschkes Beiträge: Möglichkeiten und Grenzen, S. 253–265 sowie: Schutzbundtagung Graz, 5.–8. Juni 1924, S. 146–151. 48 Hardenberg, Bündische Jugend und Ausland, S. 46. Resultierte Erich Maschkes Bekanntschaft mit Max Hildebert Boehm aus dieser Zeit?

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ter Mittelstelle deutsche Jugend in Europa)49. Diese diente zunächst einmal der Vermittlung, Koordination und der grundsätzlichen Beratung von Wanderungen im Ausland. Sie verfolgte aber auch gleichzeitig das Ziel, die bündischen Auslandsreisen zu verdeckten Recherchen in den Nachbarländern und für die Suche nach möglichen Bündnispartnern dort zu nutzen50. Es ist unbekannt, welche Aufgaben Erich Maschke in diesem Gremium generell und ganz speziell im 1925 gegründeten Arbeitsausschuss zufielen. Zu dessen rund 40 Mitgliedern zählten unter anderen Theodor Oberländer und Kleo Pleyer. Hatte ihre Bekanntschaft in diesem Gremium ihre Wurzeln? Wie lange Erich Maschke für die Mittelstelle tätig war, ist unbekannt. Vor dem Hintergrund, dass sich ihr bis 1931 insgesamt 170 bündische Gruppen, Studentenverbände, institutionalisierte Korporationen, der Verein für das Deutschtum im Ausland (VDA), das Auswärtige Amt, das Reichsministerium des Inneren u. a. anschlossen, lässt sich über die Bedeutung seiner Mitarbeit dennoch folgendes feststellen: Erich Maschke verfügte im Rahmen dieser Arbeit nicht nur über einen guten Überblick über bündische Grenzlandfahrten und -projekte, sondern trat auch in Verbindung mit den unterschiedlichsten Personen und Organisationen, die sich die Angelegenheiten der deutschen Minderheiten in den Staaten Ost- und Ost­ mittel­europas auf ihre Fahnen geschrieben hatten. Im Netzwerk revisionistisch und völkisch ausgerichteter Organisationen mit grenzlandpolitischen Aktivitäten hatte der junge Erich Maschke offenbar seinen Platz gefunden. Darüber hinaus war er der Kontakt- und Verbindungsmann zu grenz- und auslandsdeutschen Gruppen der Neupfadfinder und anderen Bünden51. So reiste er als Gesandter des Bundes zu österreichischen Neupfadfindern, lernte unga­ rische Pfadfinder kennen und traf sich mit sudetendeutschen Wandervögeln und Prager Pfadfindern52. Er unterstützte sie bei der Lösung von Problemen, informierte sie über die Situation und Entwicklungen im Bund und verfolgte so in einigen Regionen, beispielsweise im Sudetenland, das Ziel, dem eigenen Bund eine Vorrangstellung innerhalb der dortigen Jugend zu sichern. Auf diese Weise trug er dem neupfadfinderischen Sendungsbewusstsein Rechnung. Im Rahmen dieser Grenzlandarbeit nahm Erich Maschke auch an längeren Auslandsfahrten teil. Mit zwei Freunden reiste er 1920 nach Ostpreußen, besuchte Königsberg, Memel, Masuren, Danzig und die Marienburg und lernte die vergangene Welt des deutschen Ordens kennen. Dabei verfolgte er das hochgesteckte Ziel: »Nach Ostland wollten wir fahren […] um ein Volk zu finden. Eine Wallfahrt war es uns in heiliges Land.«53 Warum sein Reiseziel ausgerechnet Ostpreußen war und ob dies möglicherweise mit den damals dort stattfindenden Volksabstimmungen im Zusammenhang stand, bleibt unklar: 49 50 51 52 53

Die Spur in ein deutsches Jugendland, Jg. 24, H. 1/2 (1924). Thomas Müller, Volk und Reich, S. 700–701. Archiv der deutschen Jugendbewegung, NL Karl Seidelmann, Nr. 28. Ebd., Nr. 22, Nr. 28. Maschke, Das Volk vom Eichhof, S. 7–12.

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Die Auslands- und Grenzfahrten der bündischen Jugend führten zu dieser Zeit in der Regel nämlich weit häufiger in die von Deutschen bewohnten Länder Südosteuropas54. Diese Länder bereiste Erich Maschke ein Jahr später (1921). Im Banat, in Siebenbürgen und in anderen Teilen Rumäniens konnte er sich selbst ein Bild von der Situation der dort ansässigen Deutschen machen. Die Bedeutung dieser eigenen Anschauung ist für die Entwicklung Erich Maschkes zu einem Historiker der Volksgeschichte und zu einem engagierten Streiter im Kampf gegen die Bestimmungen des Versailler Vertrages kaum zu überschätzen; auf diesen Reisen erwarb er Kenntnisse über die Problematik der deutschen Minderheiten in fast allen damaligen Ländern Ost- und Ostmitteleuropas: in der Tschechoslowakei, in Polen, im Baltikum, in Ungarn und Rumänien. Es ist zu vermuten, dass nur wenige Historiker seines Alters über Erfahrungen in diesem Umfang verfügen konnten, war doch für diese Reisen eine gewisse Finanzkraft vonnöten, die Erich Maschkes Elternhaus anscheinend zu diesem Zeitpunkt besaß. Auch in schriftstellerischer Weise war er in der Grenzlandarbeit aktiv. Die Aufgaben und Ziele der Jugendgrenzlandarbeit, wie Erich Maschke sie in seinen Artikeln formulierte, entsprachen zutiefst dem Anliegen der Neupfadfinder. Seiner Auffassung nach sollte die Grenzlandarbeit zunächst die Not der Auslandsdeutschen lindern – womit bleibt unerwähnt –, doch auch weiteren Aufgaben nachkommen: Sie müsse den Weg bahnen zu einem neuen deutschen Volk, die Entwicklung für ein »groß-deutsches Volk freimachen« und alles für diese große Einheit vorbereiten. Die Verklärung und Stilisierung des Grenzund Auslandsdeutschtums, die der junge Maschke in seinen Texten vornahm, war nicht singulär, sondern stimmte mit einem weit verbreiteten Bild überein55: Im Grenz- und Auslandsdeutschtum ruhe das Wesen des Deutschen, in ihm sei ein unverdorbener Kern des Deutschtums verborgen – urwüchsig, kraftvoll, echt, treu, hingabefähig und stets bereit zum Dienst und Kampf56. Diese Eigenschaften befähigten es, seinen ureigenen Aufgaben nachzukommen, die da wären: dem deutschen Volk und der Heimat durch den Grenzkampf zu dienen, »Schutzwehr über dem Herzen Deutschlands« zu sein und den Menschen der Binnenlande die »große Freiheit des Schaffens« zu wahren. Für Erich Maschke war das Grenz- und Auslanddeutschtum der einzige Partner der Jugendbewegung, da sie beide, wie er meinte, zum einen »zukunftsmächtige« Kreise eines wirklich ausgeprägten deutschen Lebens seien und in sich alle [!] Möglichkeiten bergen würden. Ihre tiefe Verwandtschaft miteinander resultiere aus der besonderen Stellung, die beide innerhalb des deutschen Volkes und Kulturkreises einnähmen. Auch die Tatsache, dass beide eine allgemeine deutsche Angelegenheit darstellten und jeweils ein Bild Deutschlands 54 Kügler, Grenzlandfahrten und Auslandbeziehungen der bündischen Jugend, S. 1531. 55 Vgl. dazu Oberkrome, Volksgeschichte, S. 32. 56 Vgl. Maschkes Beiträge: Das Volk vom Eichhof, S. 7; Ostland, S. 8–10; Möglichkeiten und Grenzen. Bemerkungen zur Tagung des Deutschen Schutzbundes, S. 257–258.

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verkörperten, wie es keine andere Schicht, Klasse oder ein anderer Kreis von Menschen könne, trüge zu ihrer Verbundenheit bei. Darüber hinaus sei auch ihre Lage einander ähnlich, weil es ihnen beiden um den deutschen Menschen an sich gehe und sie sich der Verantwortung bewusst seien, ein Volk zu sein und ihm ein neues Reich zu geben. An dieser Stelle wird erkennbar, wie und an welchen Fragen sich das romantisch-irrationale und vermeintlich unpolitische Gedankengut der Neupfadfinder mit völkisch-deutschen und revisionistischen Ideen verband. Auch der Volksbegriff des jungen Erich Maschke blieb wie andere Begriffe inhaltlich unkonkret. In seinen autobiographischen Anmerkungen meinte Maschke verharmlosend, »Volk« sei für ihn und seine Bundesbrüder ein Begriff von hohem Wert gewesen, aber völlig unpolitisch und »rein menschlich«. Seine Texte aus dieser Zeit sprechen allerdings eine andere, wenn auch verschwommene Sprache. Danach schien er unter »Volk« eine lebendige Einheit mit einem wie auch immer beschaffenen Zentrum zu verstehen, die durch »Rasse« und »Art« näher bestimmt und festgelegt sei. Für ihn war »deutsches Volk« großdeutsch, mit einer »Sendung« betraut und im Kontrast dazu mit nüchternen Zahlen erfassbar. Somit nichts weniger als unpolitisch, durchzog die Verbindung von Blut-BodenVolk und ein in Ansätzen erkennbares Denken in Rassekategorien viele seiner Aufsätze. Ein Beispiel dafür klingt folgendermaßen: »So ist der Schwerpunkt des Kampfes der Völker gegeneinander im Boden verankert, und am Ende behalten die Völker Recht, die der größere Bevölkerungsdruck ebenso zu einer Intensivierung des Schaffens führt wie über die bisherigen Grenzen hinausdrängt. Von dieser inneren Spannung, die sich in der Höhe der Geburtenziffer kundgibt, hängt letzten Endes auch das Schicksal aller deutschen Siedlungen unter fremden Völkern ab.«57

»Volk« war für ihn ein also Organismus, etwas Lebendiges, dessen Zustand man mit Hilfe von Statistiken, Tabellen und der Auswertung von Geburtsund Sterbe­ziffern beschreiben konnte – wie er es selbst tatsächlich unternahm. Dabei scheute er nicht einmal die Mühen einer eigenen, groß angelegten Fragebogenaktion: Die rückläufigen Geburtsziffern der Deutschen jenseits der Grenzen der Weimarer Republik verursachten ihm offenbar sehr große Sorgen58. Vorschläge, wie man dieser Entwicklung begegnen könne, unterbreitete er ­a llerdings nicht. Maschkes Verständnis von deutschem »Volk« und »Auslandsdeutschtum« legt es nahe, nach dem Bild zu fragen, das er von den Slawen bzw. anderen Völkern zeichnete, auf deren Staatsgebiet die so genannten Auslandsdeutschen wohnten. Bei der Lektüre seiner Beiträge fällt sofort auf, dass er eher selten auf diese anderen Völker zu sprechen kam und eine deutschtumszentrierte Perspektive deutlich überwog. Wenn er sich gelegentlich zu den Nachbarvölkern der 57 Maschke, Auslanddeutschtum und Geburtenrückgang, S. 541. 58 Vgl. ebd. und ders., Zur Volksvermehrung der Deutschen, S. 32–33.

Das Mitwirken bei den Neupfadfindern

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deutschen Minderheiten äußerte, geschah dies meist undifferenziert und mit der Zuschreibung negativer Eigenschaften. So bezeichnete er sie als »Feinde«, »feindliche Drohung«, oder sprach von »Überflutung«59 usw. In einem seiner ersten Beiträge zu dem Thema zeigte sich eine stark emotionale, auch aggressive Färbung der Darstellung, wie sie z. B. in einer Hasstirade gegenüber Polen, ­Juden und Litauern zum Ausdruck kam: »Noch nie empfand ich einen so widerlich würgenden Ekel vor einer Menschenart wie vor diesen Litauern, Slaven wie Juden. Mein Körper wehrte sich, in einer Luft mit ihnen atmen zu müssen, ich wünschte mir Knüppel, ihnen die Schädel einzuschlagen, wie man ein giftiges Reptil zertritt. Als ich diese Leute auf dem Schiff und am Hafen und in den Straßen gesehen und gefühlt hatte, wusste ich, daß es niemals eine Versöhnung gibt zwischen ihnen und uns, daß unser Blut uns zwingt, sie zu bekämpfen und zu vernichten, solange seine Stimme noch in uns lebt. […] Das Blut kennt keine Einigung – einer muß siegen – einer sterben.«60

Dieser drastische Ausbruch völkischer Gefühle stellte in Erich Maschkes publizistischen Beiträgen jener Zeit eine Ausnahme dar61. Die Emotionalität, die dabei zum Vorschein kam, ging später erkennbar zurück, seine Sprache blieb aber nichtsdestoweniger ablehnend-feindlich, wenn auch nicht aggressiv. An seiner Grundeinstellung hatte sich jedoch nichts geändert. Auch in der Wahrnehmung des Grenzkampfes durch Erich Maschke bemerkt man einen Unterschied zwischen diesem frühen Artikel und seinen späteren Beiträgen. War das Bild zunächst noch durch völkische Aggressivität und den Kampf ums nackte Dasein geprägt, so vermittelten die anderen Aufsätze eher das Bild eines völkischen Abwehrkampfes. Dieser zielte nicht auf die Vernichtung des Gegners, sondern auf die Bewahrung und Sicherung des Deutschtums. Die völkischen Anklänge wurden auch hier deutlich, da es Maschkes Meinung nach immer auch um den »Boden« und um »die Reinheit« und »die Erhaltung des Blutes« ging: Die Blut-und Boden-Konzeptionen, wie sie damals im Schwange waren, waren bei ihm auf positive Resonanz gestoßen. Seiner Ansicht nach entscheide der Grenzkampf nicht nur über die Lage des Deutschtums in der Welt und über die Existenz des »Ganzen« – was immer er damit meinte –, sondern er führe ebenso zur Entstehung eines neuen deutschen Menschen und der Gestaltung eines neuen Reiches.

59 Beispielsweise in Maschke, Ostland, S. 12–13. 60 Maschke, Das Volk vom Eichhof, darin Abschnitt Ostpreußenfahrt, S. 8–9. 61 Bei der Bewertung dieser Äußerungen ist zu berücksichtigen, dass Erich Maschke zu diesem Zeitpunkt erst zwanzig Jahre alt war und sich diese Drastik in weiteren Beiträgen nicht wiederfindet. Dennoch stechen die Formulierungen besonders ins Auge, wenn zum Vergleich der Vortrag Maschkes auf dem Göttinger Historikertag 1932 bzw. seine Publikation desselben herangezogen wird, in welchem er von »instinktiver Abneigung« der deutschen Kirche gegenüber den Slawen sprach, »die sich geradezu als physischer Ekel ausgedrückt« habe. Maschke, Die Berufung des deutschen Ordens nach Preußen, S. 57.

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Erich Maschke war in dieser Zeit kein radikaler Völkischer, der konkrete Pläne zur Neuordnung Ostmitteleuropas und für den Wiederaufstieg Deutschlands zur Großmacht schmiedete. Er schrieb abstrakt und philosophierend über den Grenzkampf als ein Geschehen, das unabwendbar und gegeben sei und nannte kaum präzise Maßnahmen, die darin ergriffen werden müssten. Den Neupfadfindern insgesamt war politischer Aktionismus, wie er von einigen Verbänden und Bünden im Grenzkampf betrieben wurde, zutiefst fremd. Sie lehnten diese Form der Auseinandersetzung ab. Aber Maschkes Gedankengänge trugen gerade in ihrer Abstraktion das Potential in sich, bei Bedarf politisch konkretisierbar zu sein. Bemerkenswert ist gerade im Zusammenhang mit seinem späteren Engagement in ostwissenschaftlichen und revisionistischen Organisationen, dass er schon in dieser Zeit auf die wissenschaftliche Forschung als Mittel im Grenzkampf sowie auf die Funktion der Geschichte als Waffe hinwies62. Grenzlandarbeit auch in dieser Form war ihm offenbar ein großes, inneres Anliegen, das seine praktische Umsetzung in der Zeit in Königsberg erfuhr, wohin er 1925 übersiedelte, um dort sein Studium der Geschichte zu beenden. Auch wenn dieser Wechsel des Studienortes keinen Schlussstrich unter sein bündisches Engagement zog, soll hier doch innegehalten werden, um resümierend nach der Bedeutung dieser Jahre für Maschkes weiteres Leben und für sein Wirken als Historiker zu fragen.

3.3 Die Bedeutung der jugendbewegten Jahre Diese Jahre hatten vielfältige Auswirkungen. Sie sind kaum auf einen einzigen Nenner zu bringen und wohl schwerlich zu überschätzen. Auch hier können nur einige Aspekte näher in den Blick genommen werden. Einer dieser Aspekte wurde für ihn entscheidend: die Hinwendung zur Geschichte. Nach eigenem Bekunden hatte Erich Maschke überhaupt erst unter dem Einfluss der Neupfadfinderschaft Interesse an Geschichte entwickelt63: »Zur Geschichte bin ich durch die Jugendbewegung geführt worden, die mich, wie viele junge Menschen, nach dem Ersten Weltkrieg ergriff. […] Auf unseren Fahrten und in der Arbeit beim Bauern entdeckten wir uns Volkstum, Geist und Natur zugleich, Tradition und lebendiges Wachstum. In dieser Begegnung vollzog sich meine Wendung zur Geschichte.«

Diese Hinwendung brachte es mit sich, dass Erich Maschke gegen eine Tradition der Familie und gegen den Willen seines Vaters verstieß. Denn zunächst hatte er von 1919 an in Berlin, Freiburg und Innsbruck Medizin studiert, das Studium 62 Maschke, Ostland, S. 12 sowie ders., Sudetendeutsche Stammeserziehung, S. 101. 63 Maschke, Selbstdarstellung, S. 39.

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1923 dann aber unter dem Einfluss seines Lebens bei den Neupfadfindern abgebrochen64. Inwieweit sein Wechsel zum Studium der Geschichte, Germanistik und Geographie65 zu einer Quelle innerfamiliären Konfliktstoffes wurde, bleibt ungeklärt. Nach allem, was bekannt ist, scheinen Erich Maschkes Eltern ihm jedoch ein zweites Studium ermöglicht und finanziert zu haben. Dies war zumindest ein Zeichen für die wirtschaftliche Potenz seines Elternhauses. Die wirtschaftliche Lage der Mehrzahl der deutschen Studenten in der Nachkriegszeit und während der Wirtschaftskrise sah meist völlig anders aus66. In sehr vielen Fällen war allein schon der Abschluss eines Erststudiums durch die finanzielle Not in Frage gestellt. Mit Erich Maschkes allmählicher Hinwendung zum Studium der Geschichte war die intensive Beschäftigung mit der Vergangenheit seiner Heimatstadt verbunden. Fanden hier seine stadthistorischen Untersuchungen Jahrzehnte später geistige Anknüpfungspunkte? Wie dem auch sein mag: Bedeutsam war in jedem Falle, dass er damals auch das »Prinzip des Verstehens der Gegenwart durch Kenntnis der Vergangenheit«67 für sich entdeckte, das zeit seines Lebens zu einem wichtigen Mittel des Zugangs zur Geschichte für ihn wurde. Seine aus der Leipziger Zeit überlieferten Betrachtungen zur Geschichte wie auch die sozialgeschichtlichen Forschungen der Heidelberger Jahre legen davon Zeugnis ab. Dieser Zugang schloss ein politisiertes Wissenschaftsverständnis nicht aus. War ein solches Verständnis in Ansätzen bereits in diesen Jahren in den Schriften des jungen Maschkes zu erkennen, so trug sein Zugang zur Geschichte doch auch deutlich »romantisch-emotionale« Züge, die sich im sprachlichen Pathos seiner Texte niederschlugen. Die jugendbewegten Jahre waren jedoch auch noch in anderer Hinsicht von Bedeutung. Die Vorliebe für die eigene unmittelbare Anschauung, wie sie in den Fahrten der Neupfadfinder durch Landschaften und zu kulturellen Stätten zum Ausdruck kam, fand ein Echo in Erich Maschkes Quellenarbeit – er erstrebte »stets möglichste Nähe zu den Quellen« und »versuchte, sie sprechen zu lassen und ihnen zu lauschen.«68 Vielleicht waren auch die zahlreichen Exkursionen, 64 Einem Aufsatz Erich Maschkes, »Vom Stand des Arztes«, im »Weißen Ritter« lassen sich noch einige Andeutungen für die weiteren Hintergründe des Studienwechsels entnehmen: Anscheinend berücksichtigten Aufbau und Inhalt des Medizinstudiums nach Maschkes Meinung zuwenig den Aspekt der Ganzheitlichkeit des Menschen. Er vertrat wohl auch einen anderen, jugendbewegten Lebensbegriff als den der klassischen Medizin. Bei wem er medizinische Vorlesungen hörte oder Übungen absolvierte, ist bedauerlicherweise nicht überliefert. 65 Die Frage nach den längerfristigen Auswirkungen seines abgebrochenen Medizinstudiums auch auf Maschkes historiographisches Werk ist schwer zu beantworten. Er selbst vermutete, »dass mir von daher ein Verhältnis zum Naturhaften des Menschen geblieben [ist], das mir in meinem Buche über ›Das Geschlecht der Staufer‹ (1942) ein wichtiges Anliegen war.« Maschke, Selbstdarstellung, S. 39. 66 Vgl. dazu Mens, Zur »Not der geistigen Arbeiter«. 67 Maschke, Begegnungen mit Geschichte, S. VIII. 68 Ebd., S. XVIII.

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die Maschke als Hochschullehrer – gleichgültig ob in Jena, Leipzig oder Heidelberg – für seine Schüler organisierte, Ausdruck dieses Bemühens um persönliche, unverstellte Erkenntnis und die Suche nach dem ursprünglichen Zeugnis. Möglicherweise ist die Suche nach der eigenen Nähe zu den Quellen auch eine Erklärung für die Tatsache, dass sich Erich Maschke in seinen historiographischen Werken selten zu geschichtstheoretischen oder -philosophischen Fragen äußerte und zumeist seinen Interpretationen keine konsistenten Theorien zugrunde legte. Auch die Herausbildung von Maschkes historischen Interessen wird ohne eine Kenntnis seiner Einbindung in die Jugendbewegung kaum nachvollziehbar. Dies gilt insbesondere für die lebenslang währende Beschäftigung mit der Geschichte des Deutschen Ordens. Ihm war er auf einer bündischen Fahrt durch Ostpreußen begegnet und in ihm glaubte er damals, die eigenen bündischen Ideale wiedererkannt zu haben: »In diesem Lande fanden wir unser eigentliches geschichtliches Gegenbild: den Deutschen Ritterorden. Auch er war ein Bund von Männern, die ein erhöhtes Menschsein zu verwirklichen suchten. Sie hatten ein Werk vollbracht, dessen Zeugen, die Ordensburgen, noch vor uns standen. Über sieben Jahrhunderte hinweg waren die Brüder des Deutschen Ordens unsere Brüder. Nicht zufällig hieß unsere Bundeszeitschrift ›Der Weiße Ritter‹.«69

Die Vergangenheit des Deutschen Ordens weckte auch Maschkes Interesse an der ostpreußischen Geschichte. Spätestens die weiteren bündischen Grenz- und Auslandsfahrten in die Länder Ostmitteleuropas lenkten dann seinen Blick auch auf die Geschichte70 und Gegenwart des so genannten Grenz- und Auslandsdeutschtums sowie auf die Problematik der internationalen Grenzziehungen infolge des Versailler Vertrages. Im Zusammenhang mit diesen bündischen Fahrten wandte er sich dem – wie er rückblickend meinte – »Volk als Träger der Geschichte«71 zu und entdeckte einen Forschungsgegenstand für sich, der ihn viele Jahre beschäftigen sollte. Zweifellos führte diese thematische Beschäftigung auch dazu, dass er zum Studium nach Königsberg wechselte und dort zu einem Kreis von Fachkollegen stieß, die ähnliche volksgeschichtliche und politische Interessen verfolgten wie er72. Ob die völkische Ausrichtung Maschkes erst im Kreis um Martin V ­ oelkel

69 Ebd. An anderer Stelle seiner autobiographischen Bemerkungen hieß es dazu: »Der Deutsche Ritterorden, dessen Burgen sich aus der weiten Landschaft des Preußenlandes erhoben, schien meinen Freunden und mir mehr als jede andere Erscheinung der Geschichte auszudrücken, was wir suchten: adligen Dienst in der Gemeinschaft. Dem deutschen Orden wandte sich daher auch mein besonderes wissenschaftliches Interesse zu. Es war in seinen Ursprüngen durchaus romantisch.« Maschke, Selbstdarstellung, S. 39–40. 70 Vgl. dazu Erich Maschkes Schriftenverzeichnis. 71 Maschke, Begegnungen mit Geschichte, S. X. 72 Vgl. Haar, Historiker im Nationalsozialismus, S. 70–75.

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geweckt wurde oder ob eine vielleicht schon im Elternhaus vorhandene völ­ kische Orientierung durch das enge Zusammenwirken mit den Neupfadfindern noch verstärkt wurde – dazu erlauben die überlieferten Quellen keine Aussage. In welchem Maße diese Orientierung in der Kooperation mit den grenzlandpolitischen Organisationen und Verbänden noch eine letzte Bestätigung erfuhr, bleibt ebenso ungeklärt. Die Ideen seiner Jugend wirkten sich aber nicht nur auf die Wahl der ihn interessierenden historischen Themen aus. Sie beeinflussten auch Maschkes Annäherung an historische Persönlichkeiten und Gestalten der Vergangenheit, worauf er sogar selbst in seinen autobiographischen Anmerkungen hinwies73. Darin bezog er sich vor allem auf seine Beschäftigung mit den Staufern. Seine Schilderungen mittelalterlicher Herzöge und Stauferkaiser wirken wie überformt von neupfadfinderischen Ideen und Vorstellungen. Auch der sprachliche Überschwang dieser Beschreibungen erinnert an das jugendbewegte Pathos in den frühen Schriften Erich Maschkes. Der lang anhaltende Einfluss der neupfadfinderischen Vorstellungen machte sich aber noch andernorts in den Schriften Maschkes bemerkbar. Besonders aufschlussreich ist die Charakterisierung von Persönlichkeiten der jüngeren Wirtschaftsgeschichte, beispielsweise die des Konzernleiters Paul Reusch der Gutehoffnungshütte74. Geht eine »bündische« Interpretation zu weit, wenn sie darüber hinaus in Maschkes Werken, vor allem bis 1945, eine besondere Aufmerksamkeit für »Führergestalten« bzw. aus der »Masse« herausgehobene Persönlichkeiten, sei es Hermann von Salza oder Friedrich II., wahrzunehmen glaubt? Als ein weiteres Indiz für die Auswirkung der jugendbewegten Ideen und bündischen Lebenswelt auf Maschke ist wohl auch ein Merkmal seiner Geschichtsschreibung zu betrachten: die bevorzugte Darstellung historischer Zusammenschlüsse, bundähnlicher Gruppen oder anders geordneter sozialer Gefüge bzw. Personenverbände. Seien es nun der Deutsche Orden und sein Staat, die Hanse, die mittelalterliche Stadt, Kartelle  – diese Verfasstheiten bildeten mehrheitlich den Gegenstand seiner Untersuchungen, wie ein Blick auf Maschkes Schriftenverzeichnis bestätigt. Vermutlich hat das »Urerlebnis des Bundes« in dieser Weise Eingang in sein wissenschaftliches Denken und sein historiographisches Werk gefunden. Doch die Hinwendung zu »Bünden« geht in ihrer Bedeutung darüber noch hinaus. »Bund« verkörperte für ihn auch »Ordnung« oder »Einheit« und grenzte sich von »etwas anderem« ab. Diese Vorliebe für »Ordnungen« und »Einheiten« war auch Ausdruck und Folge eines Krisenbewusstseins, das in den zwanziger Jahren vor dem Hintergrund der politischen, sozialen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Krisen und Konflikte in der Weimarer Republik virulent war.

73 Vgl. dazu auch das Kapitel über Erich Maschke und die Staufer. 74 Vgl. dazu Kapitel über die Wirtschaftsgeschichte sowie Maschke, Es entsteht ein Konzern, S. 32–58.

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»Ordnung« wurde auch in den Wissenschaften ein Schlüsselwort ganz eigener Art75. Bedeutsam war, dass dieses Krisenbewusstsein und die daraus resultierende Sehnsucht nach »Einheit« und »Ordnung« in Maschkes wissenschaftliches Arbeiten und in seinen Denkstil übergingen: Krisen, Revolutionen, wirtschaftliche, soziale und politische Umstürze, also eher »Unordnungen«, stießen kaum auf sein Interesse als Historiker. Sein Denken in den gegensätzlichen Kategorien von Ordnung bzw. Gestaltung und Unordnung bzw. Gestaltbarkeit durchzog viele seiner historiographischen, aber auch publizistischen Schriften. Es führte auch dazu, dass er nicht nur die Abgrenzungs- und Konstitutionsprozesse historischer Gemeinschaftsbildungen betrachtete, sondern auch ihren Aufbau von Ordnung oder ihre Gestaltungen meist sehr positiv würdigte. Erich Maschke war sich des jahrelangen Einflusses, den die neupfadfinderischen Ideen und Lebenswelt auch auf die eigene mentale Disposition ausübten, durchaus bewusst, wie aus einem Brief an den ehemaligen Neupfadfinder Ernst Wilhelm Eschmann hervorgeht. Darin schrieb er: »Wie sehr sind wir die geblieben, die wir damals waren, und wie weit haben wir uns davon entfernt. Immerhin sind wir noch immer bereit, uns aufregen zu lassen, ich sage immer noch lieber ›wir‹ als ›ich‹, und ich vergesse unter meinen Studenten nicht nur, wie alt ich bin, sondern gelegentlich gelingt es mir auch zu erreichen, dass sie vergessen, wie alt ich bin.«76

Ob Erich Maschke beim Schreiben dieses Briefes, (d. h. im jahrzehntelangen Abstand zum neupfadfinderischen Leben), klar war, dass die bündisch geprägten mentalen Dispositionen und bündische Elemente in seinem Denken wichtige Voraussetzungen dafür gewesen waren, dass er sich nationalsozialistischem Gedankengut gegenüber offen und aufgeschlossen gezeigt hatte, ist unbekannt. Es besteht kein Zweifel darin, dass der bündischen Lebensphase Erich Maschkes in ihrer Gesamtheit gerade im Hinblick auf seine Nähe zum National­ sozialismus und seine Involviertheit in das Regime große Bedeutung zukommt. Einige Überschneidungen fallen ins Auge: Die Sozialisation Maschkes in einem antidemokratischen Bund und seine deutliche völkische Orientierung boten Ansatzpunkte für eine geistige Verbindung zur NS-Bewegung. Auch in der Ablehnung von Parlamentarismus, Liberalismus und der Moderne sowie in einer Ganzheits- und Einheitssehnsucht bestanden Übereinstimmungen. Die Beschäftigung mit dem Grenz- und Auslandsdeutschtum und Maschkes Haltung in Fragen der Grenzrevisionen legten ebenfalls solche geistigen Verbindungen nahe. Hinzu kam die gegenseitige ideelle, organisatorische und vor allem personelle Durchdringung von Verbänden und Organisationen der Konservativen Rechten, des Nationalsozialismus und der bündischen Jugend, in welche Erich Maschke eingebunden war: durch 75 Oexle, »1933«. Zur »longue durée« mentaler Strukturen, S. 245; Eckel, Geist der Zeit, S. 60. 76 Deutsches Literaturarchiv Marbach, NL Ernst Wilhelm Eschmann, Brief Erich Maschkes an E. W. Eschmann vom 21.2.1964.

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seine Tätigkeit als Leiter der Grenzlandarbeit der Neupfadfinder, als Mitarbeiter in der Mittelstelle sowie durch seine zahlreichen Grenz- und Auslandsfahrten. Die in der Vorstellungswelt der Neupfadfinder zentralen Begriffe wie beispielsweise »Reich«, »Volk«, »Volksgemeinschaft«, »Führer« oder »Gefolgschaft« sowie deren häufige Verwendung und inhaltliche Unbestimmtheit machten Erich Maschke empfänglich und resonanzfähig für eine Ideologie und Politik, die mit diesen Begriffen operierte. Dabei musste es ihm nicht zwangsläufig auffallen, dass deren inhaltliche Besetzung durchaus verschieden sein konnte. Dies gilt auch für den Begriff der »Ordnung«. Ebenso konnte das Pathos, mit dem diese Begriffe vorgetragen wurden, auf seine offenen Ohren stoßen, wie auch emotional-pathetische Sprache überhaupt. Die im Dritten Reich gebrauchten Formen öffentlichkeitswirksamen Auftretens mochten daher in ihm einen positiven Nachhall finden, ganz zu schweigen von den nun propagierten Vergemeinschaftungsformen. Doch die Bedeutung der Zeit in der bündischen Jugend für Erich Maschkes Leben und Werk im Ganzen erschöpft sich nicht in den bereits genannten Aspekten. Sie war noch in weiterer Hinsicht ganz praktisch von Bedeutung: Damals lernte er es, sich in Form publizistischer Beiträge in der Bundeszeitschrift öffentlich zu äußern und als Herausgeber der Zeitschrift Artikel anderer Autoren zu redigieren. Dadurch wurde er geschult, Stellung zu Fragen, Aufrufen oder Erscheinungen der Gegenwart zu beziehen und zu kommentieren. Sein starkes neupfadfinderisches Sendungsbewusstsein konnte dabei einmünden in ein tradiertes Selbstverständnis von der Aufgabe eines Historikers, historische Ereignisse und aktuelle politische Vorgänge der Öffentlichkeit zu erklären und Wege in die Zukunft zu weisen. Ein Blick auf sein Schriftenverzeichnis genügt, um festzustellen, dass Erich Maschke dieser Aufgabe seit seinen Königsberger Jahren nachkam.

4. Königsberg (1925 bis 1935) 4.1 Ostpreußische Jahre »Ich suchte einen Raum, der nicht von der Stadt, sondern vom Lande bestimmt war, und ich hatte gespürt, wie sehr das Land selbst in die Großstadt Königsberg und die soziale Zusammensetzung ihrer Bevölkerung hineinwirkte. Die Natur war nahe, das Meer und die Nehrungen; die dunklen Seen und die unendlichen Wälder waren nicht weit. Hier war dauernde Heimat für Menschen der bündischen Jugend.«1

Noch in dieser Beschreibung Ostpreußens und Königsbergs aus großem zeitlichen Abstand schwingt die jugendbewegte Stimmungslage des jungen Erich Maschke von damals mit. Ausdruck dieser Anziehung ist das Bild, das Erich Maschke in seinen bis 1925 geschriebenen Aufsätzen im »Weißen Ritter« vom »deutschen Osten« gezeichnet hatte. Dieses Bild war hochgradig verklärt. Seine meist rational nur schwer nachvollziehbare Darstellung des Ostens schilderte ihn als eine unermessliche, unendliche »rufende« Landschaft, in der ein großes Geheimnis walte und eine Reichsverheißung liege. Geprägt durch das Drohen einer ständigen Gefahr und durch seine Forderung nach Ganzheit und Reinheit des Volkstums, zeige der Osten in seiner Erd- und Naturverbundenheit eine überwältigende Wesensübereinstimmung mit dem Deutschen. Der Eindruck drängt sich förmlich auf, dass Erich Maschke im deutschen Osten bzw. in Ostpreußen glaubte, das gelobte Land der Neupfadfinder gefunden zu haben. Doch nicht allein die bündischen Vorstellungen von Land und Leuten2, die Suche nach »adligem Dienst in der Gemeinschaft«3 und die Faszination des Deutschen Ordens bewogen Erich Maschke, 1925 nach Königsberg zu gehen, sondern auch das Gefühl einer Pflicht »allerselbstverständlichster Art«: »dass ich, der ich seit Jahren vom deutschen Osten rede, endlich einmal eine Gelegenheit suche, ihn wirklich kennen zu lernen, in ihm zu leben, und in ihm zu lernen, was er mich lehren kann.«4

Aber auch innerbündische, weniger kämpferische und nicht zuletzt wirtschaftliche und familiäre Gründe spielten bei Erich Maschkes Entscheidung, nach­ 1 Maschke, Begegnungen mit Geschichte, S. VIII. 2 In seiner Studienzeit in Königsberg veränderte und konkretisierte sich das Bild von Ostpreußen, das Erich Maschke in seinen publizistischen Arbeiten vermittelte, auf deutlich grenzlandkämpferische Weise. Nun bezeichnete er die Region als »Kampfgau Ostpreußen«, als »Posten vor der Linie«, der – umzingelt von »Feinden« – eine besondere Aufgabe habe, nämlich die Entfesselung der »kampfgewillten Kräfte des Volkes«. 3 Maschke, Selbstdarstellung, S. 40. 4 Archiv der deutschen Jugendbewegung, NL Karl Seidelmann, Nr. 23, Brief E. Maschkes an M. Voelkel vom 11.4.1925.

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Königsberg zu wechseln, eine Rolle. In den wenigen erhaltenen Briefen zwar nur angedeutet, schien die weitere Finanzierung seines zweiten Studiums durch seine Eltern in der Familie zu ernsten Auseinandersetzungen geführt zu haben5. Erich Maschkes Wechsel nach Königsberg trug daher durchaus den Charakter einer Flucht6. In welchem Maße er dort ein Stipendium erhalten und selbst durch kleinere publizistische Beiträge sein Budget aufbessern konnte, ließ sich nicht ermitteln. Die Anziehungskraft, die in diesen Jahren von der räumlichen und politischen Lage Königsbergs und Ostpreußens als »Vorposten des Reiches« und »des Abendlandes« ausging, wirkte nicht nur auf Erich Maschke7. Neben dem steigenden Interesse an Fragen der Grenzlandforschung und des Auslanddeutschtums, waren für den Aufschwung der Königsberger Albertina8 in dieser Zeit und für ihren Wandel von einer Landesuniversität nur regionalen Zuschnitts zu einer Hochschule mit räumlich weiterer Ausstrahlung auch andere Faktoren von Bedeutung: Die Stipendienpraxis der preußischen Regierung, die erfolgreiche Berufungspolitik der Universitätsleitung, die daraus resultierende Vergrößerung und Verjüngung des Lehrkörpers sowie die Einrichtung von Spezialinstituten9 machten die Albertina als Studienort attraktiv. Erich Maschke als sendungsbewusster Neupfadfinder warb selbst ebenfalls für das Studium in der fernen Provinz und gab in seinem Aufruf »Für Ostpreußen« Ausdruck über sein Selbstverständnis als Königsberger Student: »Wer in eine Universitätsstadt geht, kann es aus tausend Gründen tun. Die sich nach Königsberg den Schiffen anvertrauen, können allein im Bewusstsein einer Aufgabe und einer Sendung kommen. […] Zu gemeinsamem Leben und Wirken rufen wir vor allem die Studenten nach Königsberg: in der Verantwortung für das Ringen um die deutschen Grenzen, in dem vielleicht unser Volk seine letzte Niederlage noch nicht erlitten hat, im Dienst an den menschlichen Werten, die gerade in dieser Provinz ruhen, im Bewusstsein der kommenden Möglichkeiten, die sich aus den eingeborenen Werten des Landes und dem uns Anheimgegebenen bilden.«10

5 Interview mit Dr. Helmut Wolff am 8.8.2003. 6 Ebd. 7 Vgl. dazu Etzemüller, Sozialgeschichte als politische Geschichte, S. 22 f., der Namen weiterer Geisteswissenschaftler nennt, die in dieser Zeit Königsberg und Ostpreußen für sich entdeckten. Zum allgemeinen historischen Kontext in Ostpreußen vgl. Arnold (Hg.), Zwischen den Weltkriegen. Bd. II: Kultur im Preußenland; Ulitz, Die deutschen Ostgebiete zur Zeit der Weimarer Republik; Jähnig/Michels (Hg.), Das Preußenland als Forschungsaufgabe; Opgenoorth (Hg.), Handbuch der Geschichte Ost- und Westpreußens, Teil 4: Vom Vertrag von Versailles bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges. 8 In der zweiten Hälfte der 1920er Jahre stiegen die Studentenzahlen an der Albertina sprunghaft an. 1925 studierten 1686 Studenten in Königsberg, 1929 waren es schon 3402, von denen 2905 aus Preußen stammten. Die höchste Studentenzahl in der Geschichte der Albertina erreichte sie im Sommersemester 1930 mit 4113 Studenten. Lawrynowicz, Albertina, S. 415. 9 Lawrynowicz, Albertina, S. 415. 10 Maschke/Hahn, Für Ostpreußen, S. 50–51.

Erich Maschke als Student und Lehrer in Königsberg

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In der Universität Königsberg sah er das Potential gegeben, »Grundlage und Zuchtstätte einer jungen Generation und eines zu starken Kräften erweckten Lebens«11 für Ostpreußen und damit für ein neues Reich zu sein, eine Einschätzung, die in ähnlicher Weise auch von anderen Studenten geteilt wurde12 und Rückschlüsse auf das dahinterliegende politisierte oder kämpferische Wissenschaftsverständnis erlaubt. Erich Maschke selbst hatte in den zehn Jahren seines Lebens in Königsberg ausreichend Gelegenheit, im Rahmen seines Studiums wie auch als Wissenschaftler im Kampf gegen die Bestimmungen des Versailler Vertrages aktiv zu werden13. Aber auch darüber hinaus waren die Jahre von 1925 bis 1935 in der Stadt am Pregel für ihn von großer Bedeutung: Hier beendete er sein Studium, legte die Grundbausteine für seine akademische Laufbahn und weitete seine thematischen Interessen aus. In diesem Sinne begann er, sich mit der Geschichte und Kultur Polens sowie mit der polnischen historischen Forschung zu beschäftigen. In Königsberg stieß er zu ostwissenschaftlichen Kreisen, revisionistischen Verbänden und Einrichtungen, die seine weitere Entwicklung zu einem politischen Historiker, Ostforscher und Volkstumshistoriker maßgeblich förderten und in deren Reihen er große Aktivität zeigte. An der Albertina stieß er jedoch auch an die Grenzen seiner Karrieremöglichkeiten. Hier erlebte er das Ende der Weimarer Republik und – begeistert? – den Beginn des Dritten Reiches. Nicht zuletzt schloss er in Königsberg Freundschaften und Bekanntschaften, die ihn über Jahrzehnte hinweg begleiten sollten und gründete eine Familie. Einzelne Aspekte dieser Zeit werden im Folgenden genauer betrachtet werden.

4.2 Erich Maschke als Student und Lehrer in Königsberg Über Erich Maschkes Studentenzeit in Königsberg liegen kaum Informationen vor. An welchen Lehrveranstaltungen er teilnahm, wie sich der Umgang mit seinen Studienkollegen gestaltete und in welchen studentischen, akademischen, 11 Ebd., S. 51. 12 Vgl. dazu Etzemüller, Sozialgeschichte als politische Geschichte, S. 22–23. Zur Geschichte der Universität Königsberg und zu einzelnen Aspekten ihrer Entwicklung in den 1920er Jahren siehe auch Neugebauer, Wissenschaftskonkurrenz und politische Mission; Rothfels, Die Albertina als Grenzlanduniversität; von Selle, Von der Eigenart der Albertina; Lawry­ nowicz, Albertina; Serczyk, Albertyna. Uniwersytet w Królewcu (1544–1945); Schlechte, Ostdeutschland in Forschung und Lehre. Zur Geschichte der Universität während des Dritten Reiches; Tilitzki, Von der Grenzland-Universität zum Zentrum der nationalsozialistischen »Neuordnung des Ostraumes«?; ders., Die Albertus-Universität Königsberg im Umbruch von 1932 bis 1934; Heiber, Universität unterm Hakenkreuz. Teil II/2: Die Kapitulation der Hohen Schulen. 13 Die Frage, inwieweit die Albertina Ende der zwanziger und während der dreißiger Jahre einer Politisierung und Nazifizierung unterlag, die sie von anderen deutschen Universitäten unterschied, ist in der Forschung umstritten.

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wissenschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Vereinigungen, Klubs und Zirkeln er sich bewegte14, ist unbekannt. Daher lassen sich mögliche Entwicklungen, die sich aus diesen Einflüssen ergaben, kaum abschätzen. Auch die Antwort auf die Frage nach seiner Reaktion auf die politischen, sozialen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Krisen jener Jahre ist aus seinen wenigen publizistischen Beiträgen dieser Zeit nicht ersichtlich. Betrachtet man diese Beiträge genauer, so fällt auf, dass hier seine bündische Beschäftigung mit Fragen des Grenz- und Auslanddeutschtums in Ost- und Ostmitteleuropa eine nahtlose, inhaltlich meist schärfer umrissene Fortsetzung fand15. Verfasst wie die früheren Beiträge zumeist aus deutschtumszentrierter Perspektive, nahm er die anderen Völker und Nationen auch hier nur selten direkt in den Blick. Wenn ja, dann verwendete er zur Beschreibung Formulierungen, die ihre Unterlegenheit unter die Deutschen implizierten16. Völkisches Vokabular und grenzrevisionistische Äußerungen tauchten ebenfalls auf. Sehr viel konkreter als in früheren Beiträgen waren ebenfalls seine Darstellung des Grenzkampfes und seine Vorschläge zur Unterstützung der deutschen Volksgruppen17. Dass sein Interesse an diesen Fragen fortbestand, verwundert angesichts der hochpolitisierten und nationalistischen Umgebung in Königsberg nicht weiter. In engem Zusammenhang damit stieß Erich Maschke jedoch während seiner Königsberger Studienzeit auch auf neue Themen, die ihn jahrzehntelang beschäftigen sollten. So befasste er sich zum einen mit der Landesgeschichte und der Historiographie Preußens sowie mit der Geschichte der angrenzenden Länder. Darüber hinaus arbeitete er sich in die Thematik des europäischen Spätmittelalters ein. Seine Studien zur Geschichte des Deutschen Ordens setzte er fort. Die Lehr­ 14 Dazu auch Popp, Zur Geschichte des Königsberger Studententums 1900–1945; Biewer, Studentisches Leben an der Universität Königsberg. 15 Dem dienten auch mehrere Fahrten ins Memelland, wie aus Maschke, Das Memelland, S. 503 hervorgeht. 16 Maschke, Memelland, S.  502: »Wandert die Oberschicht der Geistigen, der Aktiven und Jungen ab, drängt ein fremdes und primitiveres Menschentum von den Hochebenen Schamaitens herab, so ist der Posten verloren.« 17 So plädierte er als pädagogische Erziehungsmaßnahme für den Einsatz eines »geopolitischen Filmes« über Deutschland, der die historische Entwicklung, den »Widersinn der Grenzen von Versailles und das Zerreißen der organischen politischen Zusammenhänge« zeigen könne. Des Weiteren könne ein solcher Film die »Forderungen der Geopolitik an eine organische Gestaltung der deutschen Grenzen, das Flugbild der zusammengehörigen Räume […], der wachsende Pfeil der Grenze, auf die wir ein Anrecht haben.« vor Augen führen. Maschke, Der geopolitische Film, S.  277. Für Ostpreußen hielt er (Maschke, Ostpreußische Aufgabe, S. 292) eine »großzügige Siedlung« durch Bauern für notwendig: »Gleich dem ganzen östlichen Deutschland wird auch Ostpreußen nur leben, wenn es Bauern hat.« Er wusste auch, welcher konkreten Menschen Ostpreußen bedurfte (ebd., S. 293). Auch für die Sicherung der deutschen Bevölkerung im Memelland hatte er einige Vorschläge. (Maschke, Das Memelland, S. 502–503).

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veranstaltungen bei Erich Caspar18 (1879–1935), einem der angesehensten Mediävisten dieser Generation und Mitherausgeber der Monumenta Germaniae Historica, stellten sein bisher bündisch verklärtes Verhältnis zum Ritterorden auf eine historische und solidere Grundlage19. Erich Maschke verdankte seinem Lehrer Erich Caspar nicht nur die wissenschaftliche Annäherung an die Geschichte des Deutschen Ordens und die Einführung in die exakte Methodik des mediävistischen Arbeitens. Er verdankte ihm auch die Hinwendung zu Themen der Kirchen- und Papstgeschichte, wie sie beispielsweise in seiner Dissertation zum Ausdruck kamen. Dieser Lehrer war es auch, der ihn auf die Möglichkeit einer wissenschaftlichen Karriere hinwies. Er verschaffte ihm Zugang zum Königsberger Staatsarchiv und brachte ihn in Verbindung mit dessen Direktor Max Hein20 (1885–1949). Erich Maschke erwuchs aus der persönlichen Empfehlung seitens Erich Caspars nicht nur die Mitarbeit an der Herausgabe des Preußischen Urkundenbuches. Max Hein führte ihn darüber hinaus auch in ein Netz wissenschaftlicher Beziehungen ein, die über Königsberg hinausreichten. Maschke scheint nach Erich Caspars Weggang aus Königsberg kurz nach seiner Habilitation noch in Kontakt mit ihm gestanden zu haben21. Wie er auf den Tod seines Lehrers, der 1935 im Zuge der antisemitischen Verfolgungen Selbstmord beging, reagierte, ist nicht überliefert. Ein zweiter Königsberger Historiker, Hans Rothfels (1891–1976), wurde Maschke nach eigenem Bekunden zum »Lehrer und Vorbild«22. Er führte allerdings nicht aus23, was Hans Rothfels ihm zum Vorbild werden ließ, was ihn an dem nur wenige Jahre Älteren anzog und welcher Art sein Einfluss auf ihn war. Hans Rothfels24, in der Forschungsliteratur als »Idol der heranwachsen18 Erich Caspar hatte sich 1908 habilitiert und war von 1920 bis 1929 in Königsberg als Lehrer tätig. Er hatte sich nach Arbeiten zur unteritalienischen Geschichte als Privatdozent in Berlin der Papstgeschichte zugewandt und darüber sein Hauptwerk »Geschichte des Papsttums« (1930–1933) verfasst. Einen weiteren Schwerpunkt seiner Arbeit bildete die Geschichte des Deutschen Ordens. Vgl. vom Bruch/Müller (Hrsg.), Historikerlexikon; Boockmann, Die Königsberger Historiker vom Ende des Ersten Weltkrieges bis zum Ende der Universität, S.  261–262; den Artikel von Krollmann über ihn in der Altpreußischen Biographie sowie von Holtzmann in NDB 3; Elm, Mittelalterforschung in Berlin, S. 226–235. 19 Eigenes Bekunden in Begegnungen mit Geschichte, S. VIII. 20 Forstreuter, Nachruf auf Max Hein, Sp. 46–48. 21 Laut Maschkes autobiographischen Notizen (Begegnungen mit Geschichte, S.  XII) verdankte er Erich Caspar die Einladung zum Mitwirken am »Handbuch der deutschen Geschichte« (1936), für welches er den Abschnitt über »Der Kampf zwischen Kaisertum und Papsttum« übernahm. 22 Maschke, Begegnungen mit Geschichte, S. IX. 23 Aus diesen Jahren sind auch keine Briefe an Dritte überliefert, die darüber Auskunft geben könnten und auch der Briefwechsel zwischen Maschke und Rothfels aus der Zeit nach 1953 lässt diese Fragen unbeantwortet. 24 Aus der Fülle der Beiträge über Hans Rothfels siehe Eckel, Hans Rothfels – Eine intellek­ tuelle Biographie; die Beiträge in Hürter/Woller (Hg.), Hans Rothfels und die deutsche Zeit-

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den jungkonservativen Historikergeneration« bezeichnet25, war als charismatischer Lehrer, innovativer Forscher und politischer Kopf26 nicht nur für Erich Maschke von großer Bedeutung. Auch für viele der jüngeren Königsberger Historiker, Wissenschaftler und späteren Ostforscher wie Theodor Schieder und Werner Conze war er ein faszinierender Lehrer. Dieser Einfluss sowie die politischen Affinitäten von Hans Rothfels zum Nationalsozialismus machten ihn in den letzten Jahren zum Gegenstand heftiger Forschungskontroversen27. Darüber hinaus standen seine Bedeutung sowohl für die Entwicklung der Geschichtswissenschaft nach 1945 wie auch für die Art der Vergangenheitsbewältigung in diesem Fach zur Debatte. Persönliche Briefe wie auch andere aussagekräftige Dokumente, die das Verhältnis zwischen Hans Rothfels und Erich Maschke in Königsberg beschreiben könnten, fehlen. Daher sind an dieser Stelle nur Vermutungen über den Beginn ihrer Bekanntschaft möglich. Auch über die Wirkung der von Rothfels mitbestimmten Atmosphäre am Historischen Seminar sowie den fachlichen Einfluss von Hans Rothfels auf den jungen Nachwuchswissenschaftler kann nur gemutmaßt werden. Es ist unbekannt, wann sie einander kennenlernten. Möglicherweise war der junge Erich Maschke Rothfels schon während seines Studiums in Berlin begegnet und hatte zu den »Jugendbewegten mit wallendem Haar in Schillerkragen und Kniehose« gezählt, die an seinen Übungen teilnahmen28. Nun in Königsberg zogen den jungen Maschke vielleicht das »unkonventionelle Miteinander« zwischen dem Lehrer und den Lernenden, die persönliche Bindung zwischen ihnen und die »Vereinigung der wissenschaftlichen Arbeit mit dem Gesellschaftlich-Menschlichen«29 im Seminar und im Hause Rothfels an. Diese in den Erinnerungen von Kommilitonen durchaus verklärte besondere Atmosphäre, welche fächerübergreifende Diskussionen, Auseinandersetzungen über die »Grundkräfte des politischen und sozialen Lebens«30 und ein »Ringen um das Verhältnis von Wissenschaft und Leben« erlaubte, mochte in dem jugendbewegten Maschke großen Nachhall gefunden haben. Vielleicht wurden dieser Umgang sowie die dabei diskutierten Fragen von ihm als akademisches Pendant zum bündischen Miteinander im inneren Führungskreis der Neupfad­ geschichte; Hornung, Hans Rothfels und die Nationalitätenfragen; Berg, Der Holocaust und die westdeutschen Historiker, S.  146–189; Haar, Historiker im Nationalsozialismus, S. 86–105; die Kontroverse zwischen Heinrich August Winkler und Ingo Haar in: VfZ 49 (2001), S. 643–652 und 50 (2002), S. 497–505, 635–652; die Diskussionsbeiträge in http:// hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/forum/id =287&type= diskussionen. 25 Etzemüller, Sozialgeschichte als politische Geschichte, S. 25. 26 Hürter/Woller (Hg.), Hans Rothfels und die deutsche Zeitgeschichte, S. 9. 27 Berg, Der Holocaust und die westdeutschen Historiker, S. 146–189. 28 BAK, NL Hans Rothfels N 1213, Nr.  142, Das Historische Seminar in Königsberg als Lebensform. 29 Ebd., Das Historische Seminar als Lebensform. 30 Ebd.

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finder empfunden. Hatte er wie seinerzeit in Martin Voelkel nun in Hans Rothfels einen älteren Freund und eine charismatische Führerfigur gefunden? Auch die Frage nach dem fachlichen und politischen Einfluss von Hans Rothfels auf Erich Maschke lässt sich kaum beantworten. Hierzu jedoch einige Bemerkungen. Gemeinsame fachlich-thematische Interessen fanden sich wohl weniger in der Sozialpolitik der Bismarckzeit oder in der jüngeren Parteiengeschichte, wie sie Rothfels in Königsberg betrieb – man vergleiche die Themen, über die der Mediävist Maschke in dieser Zeit arbeitete!31–, als vielmehr in der Beschäftigung mit der Geschichte des umgebenden ostmitteleuropäischen Raumes. Wohl auf Anregung von Hans Rothfels hin setzte sich Erich Maschke als sein Assistent mit der Entwicklung des Nationen- bzw. Nationalbewusstseins in diesem Raum auseinander. Darüber hielt er infolge der Fürsprache seines Lehrers einen Vortrag auf dem deutschen Historikerkongress in Göttingen 1932, eine Fürsprache mit Folgen. Gemeinsam war beiden wohl auch ein Verständnis von Wissenschaft, das stark kämpferische Züge trug. Inwieweit Erich Maschkes Verständnis dabei unter dem Einfluss von Hans Rothfels’ weiterentwickelt oder überformt wurde, lässt sich nicht beurteilen. Es führte jedenfalls spätestens seit Anfang der 1930er Jahre zu einem auch außerakademischen Engagement beider Historiker in den gleichen Organisationen, Gruppen und Verbänden. Auch für dieses gemeinsame politische Engagement bildete der ostmitteleuropäische Raum den Bezugsrahmen. Er galt Hans Rothfels als ein Raum mit »völkischer Gemengelage«, dem ordnungspolitisch das westeuropäische Nationalstaatsdenken nicht gerecht werden könne. Solche Überlegungen waren wegen ihrer Ablehnung der westeuropäischen Ideen von Demokratie und Parlamentarismus und ihrer Betonung einer stark deutschtumszentrierten bzw. volksgeschichtlichen Perspektive durchaus geeignet, bei Maschke leicht Gehör zu finden. Daher konnten sich beide Wissenschaftler ebenso in den Forderungen nach einer Beseitigung der »wider­ natürlichen Grenzen« und in ihrem Kampf gegen die Bestimmungen des Vertrages von Versailles treffen. Diese Einstellungen und politischen Anschauungen wurden allerdings auch von einer Vielzahl deutscher Wissenschaftler geteilt. Die Frage nach dem spezifischen Vorbildcharakter und besonderen Einfluss von Hans Rothfels auf Erich Maschke muss also unbeantwortet im Raum stehen bleiben. Es sei denn, man findet die Antwort im Wissenschaftsverständnis des politischen Historikers Rothfels sowie im intellektuellen Austausch einer größeren Gruppe von Wissenschaftlern, die in Rothfels den Mittelpunkt ihres Kreises sahen. Diese so genannten »Königsberger« teilten bestimmte Gemeinsamkeiten. Dazu gehörten u. a. der soziale Hintergrund – die Herkunft aus dem gehobenen Bürgertum – und die feste Einbindung in die Jugendbewegung. Auch in der­ 31 Insofern ist unsicher, ob für Erich Maschke die Arbeitsgemeinschaften bei Hans Rothfels thematisch relevant waren und Maschke dem engeren Schülerkreis um Rothfels tatsächlich zuzuordnen ist. Jan Eckel bezweifelt seine Zugehörigkeit. Eckel, Hans Rothfels, S. 112.

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Suche nach neuen Lebens- und Gemeinschaftsformen und in der Ablehnung des politischen Systems der Weimarer Republik trafen sie sich als Gleichgesinnte. Sie bildeten keineswegs einen abgeschlossenen Zirkel, doch innerhalb dieses Kreises machte Thomas Etzemüller eine »verdichtete Gruppe« – die »RothfelsGruppe« – aus. Zu dieser zählte er auch Erich Maschke. Diese Gruppe wurde durch eine bestimmte Weltsicht – einen Denkstil – konstituiert und geeint. Dieser Denkstil wurde von Thomas Etzemüller ausführlich beschrieben. Einzelne Bausteine dieser Weltsicht waren nach seiner Auffassung32 ein imaginäres chronologisches Schema und ein System dichotomisch aufeinander bezogener Begriffe, Metaphern und Bilder. Die einzelnen Elemente dieser Dichotomien waren wiederum auf vielfältige Weise miteinander verknüpft: Das Bild vom »Osten« war eng mit dem zentralen Bild von einer »Grenze« verbunden. Diese »Grenze« schloss eine »Einheit« bzw. »Ordnung im Inneren« ab und schützte sie vor einer ständigen »Bedrohung« von außen. Diese »Einheit« oder »Ordnung« war im Inneren strukturiert, homogen und befriedet und es galt, sie in diesem Zustand auch vor inneren Desintegrationstendenzen oder Bedrohungen zu bewahren. Die Gefahr der äußeren »Bedrohung« oder »Unordnung« ging vermeintlich vom »Osten« aus, der als »das Äußere« dieser »inneren Ordnung« gegenüberstand. Als weiteres Element dieses Denkstiles kam eine mentale Karte hinzu, d. h. eine Vorstellung, wie man sie sich automatisch und unreflektiert von einem geographischen Raum macht. Diese mentale Karte stand beim Nachdenken über Geschichte stets vor dem geistigen Auge der Wissenschaftler und entsprach einer Karte vom deutschen Reich. Dieses »Reich«33 hatte allerdings nichts mit dem real existierenden Staatswesen zu tun, sondern war eher ein Prinzip, Dinge zu betrachten oder zu denken. Es stellte eine geistige Heimat dar, in die historiographisch alles und jeder eingeordnet werden konnte und daher Sicherheit und Ordnung verkörperte. Unschwer lassen sich Ähnlichkeiten zu Elementen dieses Denkstiles in den frühen jugendbewegten, aber auch in den späteren wissenschaftlichen Texten Maschkes entdecken. Zu vermuten ist, dass die bündische Ideen- und Vorstel­ lungswelt unter dem Einfluss der Königsberger Erfahrungen Eingang in sein wissenschaftliches Denken gefunden hatte. Inwieweit dieser Denkstil Verände­ rungen unterlag und im Verlauf des wissenschaftlichen Lebens von Erich Maschke anderen Mustern wich, bleibt später zu untersuchen. Ebenso wird dann seine Einbindung in den Kreis der »Königsberger« nach seiner Rückkehr aus der sowjetischen Kriegsgefangenschaft 1953 wie auch sein späteres Verhältnis zu Hans Rothfels Gegenstand der Erörterung sein. Mit einzelnen Wissenschaftlern aus diesem Kreis wie beispielsweise Theodor Schieder blieb Erich Maschke zeit seines Lebens sehr verbunden und eng befreundet.

32 Etzemüller, Sozialgeschichte als politische Geschichte, S. 270–295. 33 Vgl. dazu die Ausführungen ebd., S. 293.

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Mit Promotion und Habilitation konnte Erich Maschke in Königsberg trotz wirtschaftlicher Schwierigkeiten die Grundlage für seine wissenschaftliche Karriere legen. So promovierte er im Mai 1927 – im Vergleich zu Altersgenossen relativ spät – mit »Der Deutsche Orden und die Preussen. Bekehrung und Unterwerfung in der preussisch-baltischen Mission des 13. Jahrhunderts«34 bei Erich Caspar. In dieser Zeit geriet er vermutlich infolge des Todes seines Vaters 1929 und der beginnenden Weltwirtschaftskrise in finanzielle Engpässe. Erst die Arbeit an der Edition des Preußischen Urkundenbuches bei der Historischen Kommission für ost- und westpreussische Landesgeschichte sowie ein Stipendium des Preußischen Kultusministeriums ermöglichten die Habilitation im Februar 1929 sowie die Recherchen für Maschkes Habilitationsschrift35. Nach seiner Antrittsvorlesung36 »im feierlichen Frack in der alten Aula der Universität«37 im Mai 1929 nahm er im Sommer als Privatdozent für mittlere und neuere Geschichte die Vorlesungstätigkeit auf. Welche Themen er zunächst in seinen Lehrveranstaltungen behandelte und auf welche Resonanz er bei seinen Hörern stieß, ist unbekannt, erst ab 1931 liegen dazu einige Informationen vor. Demnach las er über Fragen der allgemeinen mittelalterlichen Geschichte. Er nahm bevorzugt auch Themen der ostdeutschen Geschichte wie »Ostdeutsche Kolonisation«38 auf und beschäftigte sich als einer der wenigen deutschen Universitätshistoriker dieser Zeit mit »Polnischer Geschichte der neuesten Zeit bis zur Gegenwart« und der »Geschichte Litauens«39. Er galt als »anregende und pädagogisch veranlagte Lehrerpersönlichkeit«, der die Hörer »gern und mit Gewinn« folgten40. Trotz dieser Lehrerfolge, seines vielfältigen akademischen und außeruniversitären Engagements gelang es Erich Maschke jedoch aus vielerlei Gründen 34 Erschienen in den Historischen Studien 176 (1928), Neudruck 1965. 35 Maschke, Der Peterspfennig in Polen und dem deutschen Osten (= Königsberger Historische Forschungen, Bd. 5), Leipzig 1933. Vgl. dazu das entsprechende Kapitel. 36 Seine Antrittsvorlesung »Der preußische Ordensstaat in der Geschichtsschreibung von der Aufklärung bis zur Gegenwart« erschien 1931 in erweiterter Fassung zum 700jährigen Jubiläum des Preußenlandes unter dem Titel: Quellen und Darstellungen in der Geschichtsschreibung des Preußenlandes, in: Deutsche Staatenbildung und deutsche Kultur im Preußenlande, 1931, S. 17–39. 37 HStA Stuttgart, NL Erich Maschke J 40/10, Nr. 100, Brief von Fritz Gause vom 28.2.1965. 38 GStAPK, NL Albert Brackmann, Nr.  20, Briefe von Erich Maschke vom 17.7.1931 und 31.12.1931. BA Berlin, R 153/1220, Brief Erich Maschkes vom 25.4.1932: »Das starke Interesse für den deutschen Osten ist bei den Studenten noch immer im Steigen. Daher habe ich in meinem 2stündigen Kolleg über Ostdeutsche Kolonisation etwa 60 Hörer, was für hier viel ist, da die Studenten so wenig wie möglich belegen. In der 1stündigen ›Polnischen Geschichte der neuesten Zeit‹ sind über 30 Hörer … .« Für diese Hinweise danke ich Jan Eckel. 39 Nach Erinnerung Manfred Hellmanns war diese Vorlesung die einzige derartige Veranstaltung an einer deutschen Universität. HStA Stuttgart, NL Erich Maschke J 40/10, Nr. 60. 40 BA Berlin, Bestand Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung, PA Erich Maschke, ZB II 1907. A 1.

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nicht, an der Albertina wissenschaftlich Fuß zu fassen oder im akademischen Umfeld eine gesicherte Stellung zu erreichen. Zum einen war im Sommer 1933 die Wiederherstellung eines ostgeschichtlichen bzw. ordensgeschichtlichen Lehrstuhles gescheitert, der auf Vorschlag der eingesetzten Fakultätskommission auf Erich Maschke übertragen werden sollte.41 Diese Wiedergründung hatte Umstrukturierungsmaßnahmen dienen sollen, die 1933 an den geisteswissenschaftlichen Fakultäten der Universitäten Breslau und Königsberg durchgeführt wurden und die Entwicklung der beiden Ostuniversitäten zu »Ostpfeilern der Burg deutschen Geisteslebens« im Kampf um den »Lebensraum im Osten« bezweckten42. Nach den Vorstellungen der Mehrheit der Fakultätskommission war Maschke offensichtlich der geeignete Wissenschaftler für eine solche Stelle gewesen43. Doch der Widerstand einiger Mitglieder der Philosophischen Fakultät44 verhinderte eine schnelle Entscheidung zu seinen Gunsten in Berlin, obwohl das wissenschaftliche Profil und die Kenntnisse Erich Maschkes den Anforderungen dieses Ordinariates entsprochen hätten45. Nach Auffassung der Kommission bedurfte es dafür nicht nur »einer gründlichen, auch die archivalische Überlieferung umfassenden Kenntnis der speziellen Ordensgeschichte«, sondern auch der »vollen Übersicht über die allgemeine ostdeutsche Kolonisationsgeschichte«. Als weiteres »Erfordernis« wurde darüber hinaus auch die Vertrautheit mit den allgemeinen Problemen der Geschichte der osteuropäischen Randstaaten sowie als »unumgängliche Voraussetzung« die Kenntnis zumindest der polnischen Sprache verlangt: Die Aus­ einandersetzung mit der regsamen polnischen Wissenschaft sollte gewährleistet sein46. Gerade dem Aspekt der wissenschaftlichen Abwehrarbeit gegenüber der polnischen Wissenschaft wurde besondere Bedeutung beigemessen47. Es spricht 41 Vgl. dazu Haar, Historiker im Nationalsozialismus, S.  154–155. Nach Voigt, Russland in der deutschen Geschichtsschreibung, S. 241, wurde im September 1933 auch die Besetzung einer Vakanz in Breslau mit Erich Maschke erwogen. 42 Vgl. dazu Ekdahl, Das Protokollbuch der Philosophischen Fakultät, S. 733–740. 43 Sie setzte Erich Maschke auf eine unico-loco-Liste. 44 Sie bevorzugten in einem Sondervotum den wissenschaftlich nicht ausgewiesenen Hans Schwarz, der den Nachlass Moeller van den Brucks verwaltete, als Publizist arbeitete und die Zeitschrift »Der Nahe Osten« herausgab. 45 In den Mittelpunkt der Lehr- und Forschungsaufgaben des einzurichtenden Lehrstuhles sollte die Geschichte des preußischen Ordensstaates in ihren Verflechtungen mit der ostdeutschen Kolonisation wie auch mit der Geschichte der benachbarten Staaten Litauen, Lettland und Polen treten. 46 GStAPK, Rep. 76 Va Sekt. 11, Tit. IV, 21, 35. Bd. 47 Dies machte ein Schreiben des Dekans Friedrich Baethgen deutlich, in dem er die Aufgaben des neuen Lehrstuhles umriss, denen Erich Maschke nachkommen sollte und für die er somit als besonders befähigt und ausreichend bewährt galt: »…müsste von der Königsberger Professur für ostdeutsche Geschichte gefordert werden, daß sie nicht nur die kritische Auseinandersetzung mit der polnischen Forschung in umfassender Weise und, gemäß ihrer Stellung im Ganzen der Universität, unter Fühlungnahme mit den anderen beteiligten Wissenszweigen, insbesondere auch der Prähistorie und Rassenkunde, systematisch aufnähme, sondern auch dem polnischen Geschichtsbilde in Forschung und Lehre eine wissenschaft-

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für Maschkes Einsatz auf diesem Gebiet, dass er dafür als befähigt und ausreichend bewährt galt48. Von ihm selbst abgesehen, konnten zur damaligen Zeit nur wenige Historiker diesen zahlreichen Kriterien genügen. Doch der Lehrstuhl selbst kam nicht zustande49 und eine Berufung auf einen anderen Lehrstuhl an der Albertina blieb Erich Maschke versagt. Zwei Jahre später, 1935, wurde ihm zwar ein Lehrauftrag für ostdeutsche und polnische Geschichte sowie der Titel eines außerplanmäßigen nichtbeamteten Professors verliehen. Das konnte aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass es an der Universität in Königsberg für Maschke kein Unterkommen und keine Aufstiegsmöglichkeiten gab. Diese Aspekte musste Erich Maschke als mittlerweile zweifacher Vater und Ernährer einer Familie50 in weiterhin wirtschaftlichen Schwierigkeiten aber unbedingt berücksichtigen. Seine persönliche Situation spiegelte die berufliche Lage vieler Nachwuchswissenschaftler in dieser Zeit wieder. Die »akademische Berufsnot« äußerte sich in außerordentlich unsicheren Zukunftsaussichten in fast allen akademischen Berufen, da die Zahl der Hochschulabsolventen nach zeitgenössischen Schätzungen etwa zwei- bis dreimal so hoch war wie der tatsächliche Bedarf an Akademikern. Die habilitierten Jungakademiker wie Erich Maschke und deren Karrierechancen traf es dabei aber besonders51. Nach Berechnungen des Hochschulverbandes konnte Anfang der dreißiger Jahre ungefähr nur jeder dritte Privatdozent oder nichtbeamtete außerordentliche Professor damit rechnen, einen Lehrstuhl zu erhalten. Daneben war auch noch eine durchschnittliche lich begründete und positiv gewandte Auffassung der historischen Probleme des östlichen Raumes entgegensetzte. Nach der Seite der Abwehr hin würde also an dieser Stelle die einschlägige polnische Literatur aufmerksam verfolgt werden müssen, ihre Ergebnisse wären in zweckentsprechender Weise der gesamtdeutschen Wissenschaft zugänglich zu machen, und von hier aus hätte vor allem die kritische Musterung und, wo es notwendig ist, die Widerlegung der polnischen Theorien zu erfolgen […] Und endlich würde es im Zusammenhang mit diesen Arbeiten dann auch möglich sein, für die weitere Forschungs- und Abwehrtätigkeit einen Stamm von wissenschaftlich geschulten Kräften heranzuziehen, wie er bisher in Deutschland, wiederum im Gegensatz zu den polnischen Verhältnissen, noch so gut wie völlig mangelt.« GStAPK, Rep. 76, Va, Sekt. 11, Tit. IV, 21, 35. Bd. 48 GStAPK, Rep. 76 Va, Sekt.11, Tit. IV, 25, 8.  Schreiben des Dekans von Richthofen vom 11.5.1934: »Die Wirksamkeit von Dr. Maschke in der Ostlandarbeit (Ordensgeschichte, polnische Geschichte, Geschichte der deutsch-polnischen Beziehungen) erweist sich immer mehr als außerordentlich nützlich und ergebnisreich. Dr. Maschke ist u. a. auch für den BDO rege tätig.« 49 Die genauen Hintergründe dafür konnten leider nicht in Erfahrung gebracht werden. 50 Erich Maschke hatte 1931 die Geschichtsstudentin Elisabeth Emma Horn (1909–1982) aus Ziegelhausen bei Heidelberg geheiratet. Die Söhne Erich und Wolfram wurden 1932 bzw. 1934 geboren. 51 Vgl. dazu Grüttner, Machtergreifung als Generationskonflikt, S.  342. Die überwiegende Mehrheit des Lehrkörpers an den deutschen Universitäten bestand aus habilitierten Nachwuchswissenschaftlern ohne gesicherte wirtschaftliche Grundlage. 1931 standen den 1721 Ordinarien 1364 Privatdozenten und 1301 nichtbeamtete außerordentliche Professoren gegenüber.

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Wartezeit von neun Jahren einzukalkulieren. Dies trug zur verzweifelten Stimmung unter dem akademischen Nachwuchs ebenso bei wie die Kluft zwischen dem hohen Prestige des Hochschullehrerberufes und der tatsächlich bescheidenen Existenz. Für Erich Maschkes finanzielles Auskommen in dieser Zeit sind einige Zahlen überliefert: Als Privatdozentenstipendium erhielt er monatlich 61 RM52, konnte dies bis 1931 durch seine Mitarbeit am Preußischen Urkundenbuch und danach, 1931 bis 1932, durch seine kurzzeitige Tätigkeit als Leiter des Akademischen Auslandsamtes53 aufbessern. Ab 1932 erhielt er durch ein Stipendium der Publikationsstelle bzw. ab April 1934 eine monatliche Beihilfe von 137 RM seitens der Universität. Erich Maschke war dennoch auf zusätzliche Einnahmen angewiesen. Dass er diese auch in seinem vielfältigen Engagement in Institutionen, Vereinen und Organisationen der Deutschtumsarbeit und in einer regen Publikationstätigkeit suchte, liefert eine mögliche Erklärung. Ein weiterer Aspekt war darüber hinaus seiner Berufung auf einen Lehrstuhl nach 1933 nicht eben förderlich. Es handelte sich dabei um das enge Verhältnis Maschkes zu seinem Lehrer Hans Rothfels, der als Jude bald nach dem 30. Januar 1933 von Antisemiten angegriffen, in der Öffentlichkeit diffamiert und verunglimpft wurde. Daraufhin verfassten Anfang April 1933 39 Studenten des historischen Seminars einen Brief, der an die Universitätsverwaltung und die Studentenschaft erging. Darin wurden Hans Rothfels’ national- und volkstumspolitische Verdienste hervorgehoben und eine Solidaritätserklärung seitens der Studenten mit Rothfels abgegeben54. Die zwei Assistenten von Rothfels, Erich Maschke und Rudolf Craemer, schlossen sich diesem Brief an. Die Folgen dieses Eintretens für ihren Lehrer waren weitreichend55. Als über eine Versetzung von Hans Rothfels an eine andere Universität verhandelt wurde, sollte nach den Worten eines Ministerialbeamten56 »der Rothfels-­ Schüler Maschke« am besten mit Lehrauftrag gleich mitgeschickt werden. Für Erich Maschke als Rothfels-Assistenten fand man an der Albertina offenbar keinen Gebrauch. Hinzu kam der schwierige Stand, den Maschke spätestens nach der Entlassung seines Lehrers in der NS-Studentenschaft sowie in der Dozentenschaft hatte, die ihm vorwarfen, dem Nationalsozialismus innerlich fremd gegenüber zu stehen: »Seine politische Einstellung war lange Zeit bestimmt durch den früheren Königs­ berger Ordinarius für Neuere Geschichte, den Juden Rothfels. Sein Eintritt in die NSBeamtenschaft im April 1933 wurde abgelehnt, ebenso sein Eintritt in den NSLB; in diesen kam er erst auf dem Umwege über die Dozentenschaft. Seine politische Einstellung ist undurchsichtig: er war in der Königsberger SA, stand aber, nach übereinstimmender Aussage alter Nationalsozialisten, dem nationalsozialistischen Gedankengut 52 53 54 55 56

BA Berlin, R 153/1237. BA Berlin, R 153/1084. Vgl. dazu Haar, Historiker im Nationalsozialismus, S. 137–138. Siehe Kapitel Jena. BAK, NL Hans Rothfels 1213, Nr. 20a.

Politische Einstellung?

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fremd gegenüber. Er ist ein Hochschullehrer, der unter engster Fühlungnahme seitens der dem nationalsozialistischen Staat verantwortlichen Fach- und Personalstelle in der Universität arbeiten sollte.«57

Erschwerend für seine Stellung und für eine wissenschaftliche Karriere in Königsberg kam hinzu, dass gerade die Dozentenschaften in den ersten Jahren nach der Machtergreifung beträchtlichen Einfluss auf Personalentscheidungen an den Universitäten und somit auch auf Berufungen ausübten58. Als sich nun die Möglichkeit ergab, an die Universität in Jena gehen zu können, war Erich Maschke nach eigenem Bekunden froh darüber59: »Ich gehe in der nächsten Woche nach Jena […] Ich freue mich sehr, damit einen neuen und selbständigeren Wirkungskreis übernehmen zu können. Auch dort werde ich in der Richtung weiterarbeiten, wie ich hier gearbeitet habe.«

4.3 Politische Einstellung? Erich Maschkes positive Einstellung zum Nationalsozialismus galt in Königsberg offenbar als fraglich und »undurchsichtig«. Es ist nicht möglich, diese Einschätzung mithilfe von persönlichen, privaten Äußerungen Maschkes zur Machtübernahme Hitlers oder zu den ersten durchgeführten politischen Maßnahmen des Regimes zu überprüfen. Auch publizistische Kommentare, wie sie eine Vielzahl deutscher Historiker60 abgaben, sind von Erich Maschke nicht überliefert. Aus diesem Grund kann seine Haltung gegenüber dem NS-Regime in dessen Anfangsjahren nicht zweifelsfrei umrissen werden. Dennoch lassen die Formulierungen einiger seiner Texte aus den Jahren 1933 und 1934 vorsichtige Schlüsse darüber zu, welche Aspekte des neuen Regimes bei ihm auf posi57 UAJ, PA Erich Maschke D 3193. Schreiben von Dr. Heinrich Harmjanz (Stellvertretender Leiter der Dozentenschaft Königsberg) an die Kreisleitung der NSDAP Jena, Personalamt, vom 6.4.1936. Auch in der Einschätzung des Stellvertretenden Gaustudentenbundsführer Rother (Königsberg) heißt es: »Sein politischer Werdegang ist bestimmt durch seine feste Verwurzelung in der bündischen Jugend. Zum Schluß möchte ich nur noch feststellen, dass Maschke für eine politische Arbeit hier in Ostpreußen auch im Sinne einer politischen Wissenschaft unbrauchbar gewesen ist.« UAJ, PA Erich Maschke D 3193, Abschrift eines un­ datierten Schreibens. Vgl. dazu Kapitel Jena. 58 Grüttner, Machtergreifung als Generationskonflikt, S. 350–351. 59 UA Stuttgart-Hohenheim, NL Günther Franz, Brief Erich Maschkes vom 26.10.1935. Nach Auffassung von Burkert, Die Ostwissenschaften im Dritten Reich, Teil 1, S. 286, trug die »Versetzung« Maschkes nach Jena Züge einer Disziplinarmaßnahme, da es ihm in Jena mangels der Spezialliteratur unmöglich gewesen sei, weiterhin in der Ostforschung aktiv zu bleiben. Diese Meinung ist auch angesichts der wirtschaftlichen Lage der Familie Maschke, der fehlenden Aufstiegsmöglichkeiten in Königsberg und des veränderten Klimas am Historischen Seminar in Königsberg nach dem erzwungenen Ausscheiden von Hans Rothfels mehr als fraglich. 60 Schönwälder, Historiker und Politik, S. 20–33.

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tive Resonanz stießen. Pikanterweise sind dies hauptsächlich Artikel, in denen Maschke sich mit der Gegenwart und Vergangenheit des polnischen Staates auseinandersetzte. Auf Zustimmung trafen bei ihm zum einen die Ablehnung des Parlamentarismus und der damit verbundene »geistige Bruch mit dem Westen und einem vergangenen Jahrhundert« [gemeint ist das 18. Jahrhundert – d. Vf.] durch die Nationalsozialisten. Auch diese Ablehnung resultierte aus Erich Maschkes Vorrangstellung der »Gemeinschaft«, wie sie sich in folgendem ausdrückte: »Die Produktivität des einzelnen als Hebel des Gesamtlebens, die Pflicht zur Treue gegen den Staat, die Verpflichtung zum harmonischen Zusammenwirken aller Bürger zugunsten des Gemeinwohls  – das alles sind Grundsätze, die sich vorteilhaft von jener älteren Verfassung mit ihren Rechten des einzelnen abheben und die uns in H ­ altung und Gesinnung, ja bis in die Formulierungen hinein vertraut klingen.«61

Auch die vermeintliche Suche nach eigenen Ideen und angeblich »wesensgemäßeren« Formen des politischen Zusammenlebens wurde von ihm ausdrücklich befürwortet. In diesem Zusammenhang zeigte sich Maschke dem Führergedanken und der »neuen Form« einer »Demokratie« gegenüber sehr aufgeschlossen. Seine Definition der neuen nationalsozialistischen Regierungsform offenbart Maschkes wenig geschultes Denken in politischen Kategorien, eine absonderliche Mischung aus bündischen Vorstellungen und Versatzstücken der NS-Propaganda. Seine Definition klang wie folgt: »… Demokratie ist nicht nur der Einklang der breiten Volksschichten mit dem Staat und ist nicht Gewährung gleicher Leistungsmöglichkeit an alle, sondern ist Beauftragung des Führers durch das Volk. Gemeint ist damit nicht eine Mehrheitswahl, sondern die Tatsache, dass ›das Volk wenigen Menschen das Recht gibt zu befehlen‹, wie es jüngst Reichsminister Goebbels für Deutschland als die ›veredeltste Form einer modernen europäischen Demokratie‹ bezeichnete. Demokratie ist gegeben, wenn einem Führer die geschichtliche Sendung vom Volke her zuteil wird und er sich in Übereinstimmung mit der innersten Ausrichtung seines Volkes befindet. Demokratie reicht vom Führer bis in das letzte Dorf und den letzten Betrieb, und zwar nicht nur von oben, sondern auch von unten her.«62

Diese neue »Führerdemokratie« entsprach seinen neupfadfinderisch geprägten Ideen von einer neuen politischen Ordnung, dem Zusammenwirken von »Führer« und »Gefolgschaft« sowie von völkischer Gemeinschaft. Auch die Behauptung der nationalsozialistischen Politik und Propaganda, das Volk in seiner Einheit aus Blut und Geist stehe nun im Mittelpunkt des politischen Denkens, traf auf die Zustimmung Erich Maschkes. Dies schloss die

61 Maschke, Polens neue Verfassung, S. 364. 62 Ebd.

Politische Einstellung?

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»Idee der qualitativen Ungleichheit der Menschen«63 mit ein. Explizit antisemi­ tische Äußerungen finden sich in diesen Texten zwar noch selten, aber gelegentliche Randbemerkungen legen den Schluss nahe, dass Maschke eine antisemi­ tische Haltung nicht fremd war64: »So wird hier die Judenfrage von vornherein ihre eigenen, dem polnischen Boden entsprechende Lösungen finden müssen, zumal entscheidend ja die Gefährdung des polnischen Volkslebens durch die Massen des jüdischen Volkes sind.«

Konkret lobend äußerte er sich zu jüngsten Entwicklungen im Bereich der Hochschule. Hier begrüßte er begeistert die »neue Ordnung der Menschen« zueinander, die an der Hochschule in neuen Vergemeinschaftungsformen einen »sehr reinen Ausdruck« finden werde: »Arbeitslager, SA.-Dienst und Wehrsport, wissenschaftliche Arbeitsgemeinschaften und Kameradschaftshäuser sind Wahrzeichen dieses Ringens um ein erneutes menschliches Zusammensein Lehrender und Lernender im Rahmen der Hochschule und in der steten Verbundenheit mit dem Ganzen unseres Volkes.«65

Schwärmerisch pries er das Ende der Vereinzelung durch diese Gemeinschaftsbildungen und hielt sie für »überall notwendig«. Gleichzeitig wies er ihnen als Grenzlandaktivist für den Osten und die deutschen Grenzgebiete aber auch eine besondere Bedeutung zu: »Wehrsport und Arbeitsdienst sind hier im Osten […] unmittelbarer notwendige Aufgabe und selbstverständlicher Teil unserer Lebensformung, da die nahe Grenze und das andere, oftmals Fremde, vielleicht gar Feindliche jenseits derselben in unser eigenes Dasein so tief hineingreift.«66

Auch an anderer Stelle wird deutlich, dass Erich Maschke die »Frage der sozia­ len Ordnung auf den Grundlagen des Volkes«67 stark beschäftigte. Vor allem im NS-Propagandabegriff der »Volksgemeinschaft« konzentrierten sich Maschkes Sympathien. Bei dieser verbalen Würdigung der neuen, »gemeinschaftsbildenden Formen« beließ Erich Maschke es nicht, sondern trat ihnen zum Teil selbst bei. Aber auch an seiner Mitgliedschaft in der SA seit November 1933 und an seinem Eintritt in den NSLB ist Maschkes politische Einstellung dieser Jahre nicht eindeutig ab­ lesbar. Vielmehr muss auch hier die Frage unbeantwortet im Raum stehen bleiben, ob nicht die Sicherung der eigenen Karriere bzw. der eigenen Position im Königsberger Wissenschaftsbetrieb ein wichtiges Motiv für seinen Eintritt war. 63 Ebd., S. 362: »Auch die polnische Staatstheorie erkennt also den Gedanken der qualitativen Ungleichheit der Menschen an und leitet aus ihm ihre Definition der Demokratie ab […].« 64 Maschke, Krise der polnischen Jugend, S. 353 f. 65 Maschke, Hochschulen im Osten, S. 3. 66 Ebd. 67 Maschke, Krise der polnischen Jugend, S. 353.

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Über seine Mitarbeit und Ausübung seiner Mitgliedschaft sind nur die negativen Einschätzungen der ihm nicht wohlgesonnenen Studentenbundsführung bekannt. Bereits in anderem Zusammenhang wurde angesprochen, dass der Eintritt in die NSDAP Erich Maschke zunächst verwehrt wurde. Daraus allerdings zu schlussfolgern, dass Erich Maschke politisch undurchsichtig, aber eben kein Nazi war, sondern nur opportunistisch handelte, erscheint voreilig. Obwohl sich die Frage nach seiner politischen Einstellung vor dem Hintergrund der nur wenigen überlieferten Anhaltspunkte für den Zeitraum 1933 bis 1935 nicht einwandfrei beantworten lässt, ist doch festzustellen, dass die publizistischen Beiträge erhebliche Schnittmengen zwischen Maschkes Überzeugungen und Ansichten und den nationalsozialistischen Vorstellungen, Ideen und Zielen aufzeigten. Gleichzeitig wird an diesen wenigen Beiträgen erkennbar, wie stark Erich Maschkes Politikverständnis selbst 1934 noch im Bann jugendbewegter Ideen stand, die ihm den Blick für die politischen Realitäten verstellten. Aber es gab einen weiteren Bereich, in dem das NS-Regime mit seiner Politik sicher sein konnte, Erich Maschkes Zustimmung, Anhängerschaft und aktive Unterstützung zu gewinnen. Dies war der »Grenzkampf im Osten«.

4.4 Volksgeschichte und Ostforschung – Erich Maschkes persönliches Engagement Während der Jahre in Königsberg intensivierte Erich Maschke seine Beschäftigung mit Grenzlandfragen, in der er sich nun vorrangig auf die unmittelbaren ostmittel- und osteuropäischen Nachbarstaaten Deutschlands konzentrierte. Vor allem Polen und die deutsch-polnischen Beziehungen in Vergangenheit und Gegenwart wurden zu seinem großen Thema und er selbst avancierte zu einem angesehenen Experten in diesem Bereich. Aber er verblieb seinem Wissenschaftsverständnis entsprechend nicht im Akademisch-Theoretischen. Seine fachliche Spezialisierung bettete er zunehmend in die praktische Arbeit des Grenzkampfes ein. Dies zeigte sich sowohl an der Intensität seines persönlichen Einsatzes in der wissenschaftlich-politischen Abwehrarbeit als auch an seiner Mitgliedschaft in den einschlägigen Organisationen und Vereinen. Die miteinander in vielfacher Weise verflochtenen Forschungsverbünde boten Erich Maschke Plattformen, auf denen er seine Ideen und Auffassungen einem großen und ähnlich gesinnten Personenkreis vorstellen und in Austausch treten konnte. Diese Einrichtungen vertraten Ziele, die seinen eigenen Intentionen entgegenkamen, und waren geeignet, seiner Weiterentwicklung als Volkshistoriker und Ostforscher dienlich zu sein. Innerhalb des interdisziplinär arbeitenden Personenkreises dieser Forschungsverbünde war eine Profilierung möglich und vielversprechend. Es lockten nicht nur verbesserte Karriere- und Aufstiegschancen, individuelle finanzielle Förderung und Reputationsgewinn. Die viel-

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fältige Einbindung Maschkes in die Strukturen der deutschen Ostforschung68 bedeutete darüber hinaus die Möglichkeit, für die Verwirklichung lang gehegter eigener Forschungsprojekte größere Unterstützung zu finden. Damit ging die Aussicht einher, der eigenen Arbeit im wissenschaftlichen Grenzkampf größere Einflussmöglichkeiten und Gestaltungsräume zu erobern und unmittelbarer als bisher möglich einzelne Problemlösungen mitzugestalten. Denn dieses Netz von Einrichtungen, die mehr oder weniger der deutschen Ostforschung zugeordnet werden können, verfügte über notwendige Ressourcen und Beziehungen, um den politischen Entscheidungsträgern Expertenwissen zur Verfügung zu stellen, Politikberatung zu leisten und an Konzeptionen mitarbeiten zu können, die eine Neuordnung Ostmittel- und Osteuropas zum Inhalt hatten. In den inhaltlich, strukturell und personell eng miteinander verflochtenen und vernetzten volkstumspolitischen Einrichtungen, den Organisationen der Deutschtumsarbeit69, landesgeschichtlichen Vereinen und Institutionen blieb Erich Maschke 68 Eine allgemein gültige Definition von »Ostforschung« ist schwierig. Ostforschung meint hier einen sich vorrangig außeruniversitär entwickelnden, interdisziplinären Forschungsverbund, der nach dem Ersten Weltkrieg entstand, um den Kampf gegen die für Ostmittelund Osteuropa geltenden Bestimmungen des Versailler Vertrages aufzunehmen und eine Revision der Nachkriegsgrenzen zu erreichen. So wies die deutsche Ostforschung bereits von Beginn an eine starke Politisierung auf. Sie ging daran, vor allem die deutschen Revi­ sionsansprüche gegenüber Polen und das so genannte »Heimatrecht« der deutschen Minderheiten in weiteren ostmitteleuropäischen Staaten mit wissenschaftlichen Argumenten zu untermauern. Die Verwendung von quantifizierenden Darstellungsformen wie Statistiken, Grafiken und Karten in den Publikationen der Ostforschung war dafür ein wichtiges Mittel. Die Deutschtumszentrierung und völkische Grundausrichtung der Ostforschung – ihr Konzept vom »deutschen Volks- und Kulturboden«  – führten dazu, dass »Volk« zur zentralen Kategorie ihres Wissenschaftsverständnisses wurde. Gleichzeitig wurden die Völker und Staaten Ost- und Ostmitteleuropas nicht als gleichberechtigt, sondern nur als Objekte deutscher Interessen verstanden. Die Ostforschung mit ihren institutionellen Zentren in Leipzig, Königsberg, Breslau, Danzig und Berlin erfuhr in der Weimarer Republik die Unterstützung mehrerer Reichsministerien. Sie konnte sich nach 1933 in größerem Umfang und Intensität in verschiedene Bereiche der nationalsozialistischen Politik gegenüber den ost- und ostmitteleuropäischen Staaten sowie in die Kriegführung und Besatzungsherrschaft einbinden und einbinden lassen. Zur Ostforschung hier nur eine kurze Auswahl an Literatur: Petersen/Kusber, Osteuropäische Geschichte und Ostforschung; Mühle, »Ostforschung«. Beobachtungen zu Aufstieg und Niedergang eines geschichtswissenschaftlichen Paradigmas, sowie die weiteren Beiträge in diesem Heft; Piskorski (Hg.), Deutsche Ostforschung und polnische Westforschung; Jaworski/Petersen, Biographische Aspekte der »Ostforschung«; ebenso Petersen, Bevölkerungsökonomie  – Ostforschung  – Politik. Eine biographische Studie zu Peter-Heinz Seraphim (1902–1979), S. 14–21. Hinzuweisen ist auch auf die angeführte Literatur in den entsprechenden Abschnitten dieser Arbeit. 69 Erste wissenschaftliche Kontakte Maschkes zu Organisationen der Deutschtumsarbeit datieren wohl aus der Zeit Ende der 1920er Jahre. Ob er dabei tatsächlich auch mit der Leipziger Stiftung für Volks- und Kulturbodenforschung in Kontakt kam, bleibt fraglich. Vgl. dazu Haar, Historiker im Nationalsozialismus, S. 158. Es erscheint unwahrscheinlich, wie Ingo Haar ausführt, dass Erich Maschke an der Tagung der Leipziger Stiftung in Bad Salzbrunn 1929 teilnahm, wenn man den Tagungsprotokollen folgt. Siehe Verwaltungsrat der

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daher keine Randfigur. Er erarbeitete sich in ihnen zum Teil  Positionen, die ihn mit eigenen Kompetenzen, Ressourcen, einem gewissen Einfluss und Mit­ spracherecht ausstatteten. Auch die Protektion durch einzelne Personen kam ihm zugute. Nur in wenigen Fällen ist überliefert, in welcher Weise er seine Stellung für die Verfolgung seiner persönlichen Forschungen und Interessen nutzte, sie aber auch bei der Förderung fremder Projekte und kooperierender Wissenschaftler oder bei der Ausschaltung konkurrierender Vorhaben und missliebiger Kollegen geltend machte. Diese unzureichende Quellenlage gestattet es ebenfalls nicht, Erich Maschke in den internen Auseinandersetzungen der teils auch miteinander in Konkurrenz stehenden Institutionen der deutschen Ostforschung zu verorten. Welche Koalitionen ging er ein? Wann, mit wem und zu welchen Zwecken? Auch umfassendere Einsichten in Maschkes Bedeutung für die Entwicklung der deutschen Ostforschung und für ihre Stellung in den polykratischen Strukturen des NS-Herrschaftssystems bleiben ein Desiderat. Dass er wie viele andere Wissenschaftler im Gefolge der deutschen Ostforschung einer zunehmenden Radikalisierung anheimfiel, verwundert angesichts seines persönlichen Werdegangs nicht, der im Folgenden beschrieben wird. Nach allem, was bekannt ist, führte diese Radikalisierung nicht zum Entwurf von Denkschriften oder Memoranden für Partei- und staatliche Stellen, wie sie beispielsweise Theodor Schieder70 vorlegte. Erich Maschke nutzte andere Wege, um an einer zukünftigen Neuordnung Ostmittel- und Osteuropas mitzuwirken. Die persönliche Entwicklung Maschkes im weiten Umfeld der deutschen Ostforschung stand sicherlich noch in einem anderen Zusammenhang. Wie bereits geschildert, bot ihm die Universität Königsberg keine wirtschaftlich gesicherte Anstellung und keine befriedigenden Karrieremöglichkeiten. Was lag also für ihn näher, als sich innerhalb eines breiten Spektrums von volkstumswissenschaftlichen und -politischen Verbänden und Strukturen einen Namen zu machen und sich dort um finanzielle Unterstützung zu bemühen? Wahrscheinlich spielten solche und ähnliche pragmatische Erwägungen bei Maschkes umfangreichem Engagement in diesen Einrichtungen und Strukturen eine Rolle. Die Vielfalt seiner Arbeiten sowie der Grad seiner persönlichen Involvierung sprechen aber dafür, Überzeugung dahinter zu vermuten. Diese Entwicklung wurde auch durch seinen Weggang aus Ostpreußen 1935 und seine Einbindung in geographisch anders ausgerichtete Wissenschafts- und Organisationslandschaften nicht behindert. Stiftung für deutsche Volks- und Kulturbodenforschung (Hg.), Die Tagungen der Jahre 1923–1929, S.  518–520. Die Themen dieser Tagung, Vorgeschichtsforschung, Siedlungsund Sprachgeschichte Schlesiens, fanden in Erich Maschkes wissenschaftlichen Arbeiten dieser Zeit keinen Niederschlag. Schon von daher ist der in den Protokollen genannte Redner sicherlich nur dem Namen nach mit Erich Maschke identisch, zudem auch Orts- und Titelangabe Maschke nicht entsprechen, der 1929 schon Privatdozent in Königsberg war. 70 Ebbinghaus/Roth, Vorläufer des »Generalplans Ost«. Eine Dokumentation über Theodor Schieders Polendenkschrift vom 7.10.1939, S. 62–94.

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Einige seiner Mitgliedschaften pflegte er nach seinem Weggang aus Königsberg weiter, weswegen seine Mitarbeit der Übersichtlichkeit wegen über das Jahr 1935 hinaus in den Blick genommen werden soll. Dies betrifft beispielsweise seine Mitgliedschaft in der Historischen Kommission für ost- und westpreußische Landesforschung. 1923 war die Historische Kommission für ost- und westpreußische Landesforschung71 in Königsberg ins Leben gerufen worden. Zu ihren Mitgliedern gehörten zahlreiche Wissenschaftler und Historiker der Albertina wie Erich Maschkes Lehrer Erich Caspar, Hans Rothfels oder Friedrich Baethgen. Die Kommission betrachtete es als ihre Aufgabe, Quellen und Darstellungen zur ost- und westpreußischen Geschichte herauszugeben und Forschungsprojekte einzelner Wissenschaftler zu fördern. Darüber hinaus fühlte sie sich der wissenschaftlichen Unterstützung des durch den wiederentstandenen polnischen Staat »bedrohten« Deutschtums in Preußen verpflichtet72. Vor diesem Hintergrund fiel es Maschke wohl nicht schwer, Verbindung mit der Historischen Kommission aufzunehmen. Aus dem Kontakt erwuchs Erich Maschke ab 1927 eine Mitarbeit an der Edition des Preußischen Urkundenbuches sowie eine fachliche Verbindung zum Vorsitzenden Max Hein, die ihm später nützlich wurde. 1929 wurde er in den Vorstand und für die nächsten drei Jahre zum Schatzmeister der Historischen Kommission gewählt und übernahm 1935 für kurze Zeit auch die Mitherausgeberschaft der wissenschaftlichen Zeitschrift der Kommission »Altpreußische Forschungen«. Seine langjährige Rezensionstätigkeit in den Jahren 1932–1939, auch gemeinsam mit Erich Weise, Kurt Forstreuter und Theodor Schieder, trug ebenfalls ihren Teil dazu bei, seinen Namen in der interessierten Leserschaft und unter dem polnischen und deutschen Fachpublikum bekannt zu machen73. Doch nicht nur in dieser Kommission eher regionalen Zuschnitts war Erich Maschke präsent. Es überrascht nicht, dass Erich Maschke dem Verein für das Deutschtum im Ausland, später Volksbund für das Deutschtum im Ausland (VDA) beitrat. Dieser Verein hatte seine Wurzeln in der österreichischen Schulvereinsbewegung im 19. Jahrhundert, wurde aber nach dem Ersten Weltkrieg vom Aufleben der Volkstums- und Deutschtumsbewegung erfasst und zählte bald mehrere Millionen Mitglieder. In seiner Volkstumsarbeit wandte er sich nun besonders der deutschen Minderheit in Polen zu. Nach 1933 verblieb er als einzige parteipolitisch neutrale Organisation unter dem Vorsitz des Volkstumskämpfers Hans Steinacher74, der das Führerprinzip einführte und die »Gleich71 Zu dieser Kommission Keyser in: ZfO 1 (1952), S. 525–529; ders., 40 Jahre Historische Kommission für west- und ostpreußische Landesforschung, in: ZfO 13 (1964), S. 501–516; Gause, 50 Jahre Historische Kommission für ost- und westpreußische Landesforschung, in: ZfO 22 (1973), S. 703–712. 72 Małłek, Die »Altpreußischen Forschungen«, S. 189. 73 Zu seinen Rezensionen polnischer Werke siehe den Abschnitt »Der Nachbar Polen«. 74 Retterath, Hans Steinacher, S. 651–656.

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schaltung« der Volkstumsarbeit unter VDA-Führung einleitete. In den Jahren 1934 und 1935 war der nun in Volksbund umbenannte VDA auf dem Höhepunkt seiner inneren und äußeren Wirksamkeit. 1938 übernahm Karl Haus­hofer als Nachfolger Hans Steinachers den Vorsitz, ein Jahr später wurde der VDA auf Anordnung von Rudolf Heß der Volksdeutschen Mittelstelle der SS angegliedert und damit der SS unterstellt. Die Königsberger Ortsgruppe des VDA stand zu Beginn der 1930er Jahre unter dem Protektorat von Maschkes Lehrer Hans Rothfels, weitere Mitglieder waren befreundete Volkstumshistoriker wie beispielsweise Theodor Schieder, Werner Conze oder Rudolf Craemer, mit denen Maschke auch außerhalb dieses Vereins zusammenarbeitete. Vor allem durch Vortragstätigkeit und Schulungsarbeit war Erich Maschke in die Veranstaltungen des VDA eingebunden75. In seiner Zeit in Jena fungierte er auch als Geschäftsführer des VDA-Landesverbandes Thüringen76 und veröffentlichte darüber hinaus in der Führerzeitschrift des Vereins »Deutsche Arbeit. Grenzlandzeitschrift« in den Jahren 1934 und 1936 zwei Aufsätze77. Er arbeitete jedoch noch in einem dem VDA untergliederten überregionalen Arbeitskreis mit. Auf diesen so genannten Volkswissenschaftlichen Arbeitskreis wird in der Forschungsliteratur eher selten verwiesen. Da Erich Maschke in ihm aber sehr rege war, wird er an dieser Stelle ausführlicher behandelt. Der Volkswissenschaftliche Arbeitskreis wurde Pfingsten 1934 in Bernkastel an der Mosel im Vorfeld der Saarlandabstimmung gegründet und stand unter der Leitung des Historikers Kleo Pleyer (1898–1942)78. Dieser ehrenamtliche Arbeitskreis, dessen Gründung von der Deutschen Dozentenschaft befördert wurde, bestand bis 1939. Seine Mitglieder79 kamen aus verschiedenen Bereichen, aus Ministerien und Institutionen der NSDAP, aus der praktischen Volkspolitik oder waren Vertreter verschiedener Fächer. Sie hatten anscheinend eine besondere Auswahl durchlaufen: »Bei der Auslese derer, die wir zur Arbeit im VwA heranholen, gehen wir wählerisch vor. Der VwA soll in seiner örtlichen Zusammensetzung wie insgesamt eine Gemeinschaft sein von befähigten Wissenschaftern [sic!] nationalsozialistischer, volksdeut75 UAJ, Bestand M, Nr. 631, S. 88. 76 GStAPK, NL Albert Brackmann, Nr. 81, Notiz Brackmanns vom 23.2.1937. 77 Maschke, Das deutsche Volk in der Geschichte Polens, S. 493–498 sowie ders., Heinrich I., König der Deutschen, S. 305–309. 78 Zu Kleo Pleyer siehe den Beitrag von René Betker im Handbuch der völkischen Wissenschaften, S. 477–482; den Nachruf von Theodor Schieder, Kleo Pleyer zum Gedächtnis, in: Jomsburg 6 (1942), S. 133‒137; den Nachruf von Walter Frank, Kleo Pleyer. Ein Kampf um das Reich, in: HZ 166 (1942), S. 507‒553 sowie die Ausführungen zu ihm bei Schönwälder, Historiker und Politik; Haar, Historiker im Nationalsozialismus; Wolf, Litteris et patria. 79 Vgl. dazu Possekel, Verein für das Deutschtum im Ausland, S. 293; ders., Studien zur Politik des Vereins für das Deutschtum im Ausland (VDA), S. 275–277; Luther, Blau oder Braun? Der Volksbund für das Deutschtum im Ausland (VDA) im NS-Staat.

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scher Grundhaltung. […] Der Volkswissenschafter [sic!] muß durch die Lebendigkeit seiner Lehre bekunden, daß er vom Leben des Volkes erfüllt und von der völkischen Sendung besessen ist.«80

Ob diese scharfen Kriterien bei der Auswahl der Mitglieder durch die Gründer­ väter des Arbeitskreises auch tatsächlich galten, wirkt angesichts der großen Zahl der angeschlossenen Mitglieder zweifelhaft: 1935 gehörten über 110 Wissenschaftler und Volkstumspolitiker aus allen Teilen des Reiches und seinen Nachbarstaaten diesem »informellen Netzwerk der ›völkischen Wissenschaft‹«81 an. Dass Erich Maschke hingegen die geforderten herausragenden Qualitäten aufwies und somit das erwünschte Bild des »Volkswissenschafters« verkörperte, erscheint angesichts seiner deutlichen Ausrichtung auf das »Volk« mehr als wahrscheinlich. Der von Kleo Pleyer immer wieder beschworene »bündische Charakter« des Arbeitskreises mochte ein übriges dazu getan haben, ihn für Erich Maschke attraktiv zu machen82, führte aber wie auch andere Aspekte wieder und wieder zu Konflikten mit Parteistellen und kooperierenden wie auch konkurrierenden Institutionen der Ostforschung bzw. Strukturen der völkischen Wissenschaften83. Neben Maschkes Namen sind wieder bekannte Namen wie die Historiker Werner Conze, Theodor Schieder, Rudolf Craemer, Johannes Papritz, Erwin Hoelzle und Hans Joachim Beyer, Günther Franz und Gerd Tellenbach auf den Teilnehmerlisten der Tagungen zu finden84. Die Absicht dieses Arbeitskreises war es, den »Volkstumsgedanken« akade­ misch durchzusetzen85 und damit der nationalsozialistischen Hochschulerneue80 An anderer Stelle führte Pleyer zum Selbstverständnis des VwA aus, dass er »eine Auslese erfassen [soll], Könner und Aktivisten, die durch ihre Haltung und Leistung befähigt sind, nicht nur im wissenschaftlichen Leben, sondern in der gesamten Deutschtumsbewegung als Vordenker und Vorkämpfer zu wirken.« BA Berlin, R 153/94, Bericht über die Tagung des VwA in Warnicken, S. 29. 81 Haar, Historiker im Nationalsozialismus, S. 256. 82 Auf dieses »Bündische« bezog sich wohl auch die Ablehnung, die Maschke als Mitglied des Kreises seitens der NS-Studentenschaft in Königsberg erfuhr: »Er gehörte hier zu einem Kreis, der seine geistigen Grundlagen aus der bündischen Jugend herleitet. […] Auf Grund dieser wissenschaftlichen Oberflächlichkeit, die dem ganzen bündischen Kreise, zu dem Maschke gehört, anhaftet, wurde Maschke von der hiesigen Studentenschaft aufs schärfste abgelehnt.« UAJ, PA Erich Maschke D 3193, Schreiben des NSStB Königsberg o. D. 83 BA Berlin, R 153/1480; Staatsarchiv Würzburg, RSF II, 91. 84 Weitere Namen finden sich bei Haar, Historiker im Nationalsozialismus, S. 256 sowie in den Anwesenheitslisten der Tagungen. 85 In der Diktion Pleyers liest sich das so: »Unser Kreis dient der Aufgabe, den Volksgedanken im wissenschaftlichen Leben zum Durchbruch zu bringen, das Volk in seiner gesamtnationalen Reichweite zu begreifen, den neuen Volksbegriff zum Hauptbegriff deutscher Wissenschaft zu erheben und die Einzelwissenschaften auf ihn hinzuordnen. Es gilt also, unsere Grundanschauung vom gesamtdeutschen Volk begrifflich zu fassen und zu festigen, eine volkswissenschaftliche Begriffswelt zu schaffen und durchzusetzen, die der gemeingültige Ausdruck der völkischen Wirklichkeit ist. Es gilt, die wissenschaftlichen Kräfte auf die gesamtvöl­

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rung zu dienen86. Er wollte in allen Hochschulstädten »Volkswissenschafter« jeden Fachgebietes für die volksdeutsche Propagandaarbeit gewinnen und für die Kulturarbeit stellen87 sowie eine umfassende »Volksgruppenbestandsaufnahme« des mitteleuropäischen und »planetarischen Deutschtums« vorbereiten88. Darüber hinaus schwebten Kleo Pleyer Gemeinschaftsarbeiten in Form von Vorlesungsreihen über ein von mehreren Einzelwissenschaften zu behandelndes Hauptthema, gemeinsame Übungen über die Fächer- und Fakultätsgrenzen hinweg, Lehrgänge und Lager und eine gemeinsame Bearbeitung von Sammelwerken vor89. Um diese Vorhaben umzusetzen, traf sich der Arbeitskreis ungefähr halbjährlich von 1934 bis 1937 und beschäftigte sich mit unterschiedlichen Themen aus volkswissenschaftlicher Perspektive90. Erich Maschke nahm an der Realisierung dieser Ziele engagiert Anteil. Dies bescheinigte ihm zum einen die Königsberger NS-Studentenschaft, er sei »sehr aktiv« im VwA tätig gewesen91. Zum anderen machte sich der Jenenser Professor für Grenzlandkunde Max Hildebert Boehm, ebenfalls Mitglied, für seine Berufung nach Jena stark, um auch an der Salana einen örtlichen Ableger des Arbeitskreises gründen zu können.92 Es ist anzunehmen, dass er dies kischen Notstände und Lebensfragen als die Hauptanliegen volkhafter Wissenschaft hinzulenken. Diese Aufgabe ist für uns ein Gebot des deutschen Daseinskampfes, den die Wissenschaft mit zu führen berufen ist.« Staatsarchiv Würzburg, Bestand RSF, II 460, Bericht von der Tagung des VwA im VDA zu Eisenach vom 4.–6.1.1935, Einleitung, S. 1. 86 Haar, Historiker im Nationalsozialismus, S.  256. Vgl. dazu auch Pleyer: »Der Grundgedanke unserer örtlichen Hochschularbeit ist, über die neue Universitas nicht weiter zu reden und zu schreiben, sondern sie allmählich in Zellenform von unten her aufzubauen, so daß geeignete Wissenschafter der verschiedenen Fächer zusammengeführt werden und auf gemeinsamer welt- und volksanschaulicher Grundlage bestimmte Arbeitsaufgaben mit vereinten Kräften in Angriff nehmen und durchführen. […] Bei der Aufgabenstellung und bei der Durchführung muß immer wieder im Auge behalten werden, was von Anbeginn der Leitgedanke unserer Kreises ist: daß wir nicht eine neue spezialistische Wissenschaft vom Außendeutschtum entwickeln wollen, sondern daß wir immer und überall von der Wirklichkeit und dem Begriff des gesamtdeutschen Volkes ausgehen, daß alle Einzel­ wissenschaften gesamtdeutsch, volkspolitisch, nationalsozialistisch ausgerichtet werden müssen und diese gemeinsame Ausrichtung sich in der konkreten Zusammenarbeit voll­ ziehen und erweisen muß.« Staatsarchiv Würzburg, Bestand RSF, II 460, Bericht von der Tagung des VwA in Eisenach vom 4.–6.1.1935, S. 34–35. 87 Fahlbusch, Wissenschaft im Dienst der nationalsozialistischen Politik?, S. 110. 88 Roth, Heydrichs Professor, S. 320. 89 Ob dies nur Pläne blieben oder ähnliche Ideen in größerem Umfang auch verwirklicht wurden, lässt sich nur schwer ermitteln. An einem Gemeinschaftswerk nahm Erich Maschke selbst teil. 90 Vgl. K. Pleyers Beitrag auf der Warnickentagung, Bericht über die Tagung, S. 30. BA Berlin, R 153/94. 91 UAJ, PA Erich Maschke D 3193. 92 UAJ, Best. BA Nr. 932, Schreiben M. H. Boehms an den Rektor vom 30.9.1935: »Wenn die Frage spruchreif werden sollte, welche besondere Prägung die Universität Jena im Zuge der Spezialisierung der Aufgaben der einzelnen Hochschulen erhalten soll, würde ich es sehr begrüßen, wenn uns die besondere Aufgabe zuteil werde würde, von Volkslehre und all­

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für einen kaum oder nur halbherzig Aktiven nicht getan hätte und ihm Erich Maschkes Name insofern ein positiver Begriff war. Des Weiteren wurde dieser lokale Arbeitskreis tatsächlich, nun aber von Maschke, ins Leben gerufen, wie er 1936 Theodor Schieder aus Jena wissen ließ: »Einen volkswissenschaftlichen Arbeitskreis haben wir hier unter meiner Leitung jetzt auch aufgezogen, er fängt aber erst an zu arbeiten und ist noch in dem Stadium, dessen Überwindung ich bei dem Königsberger Volkswissenschaftlichen Arbeitskreis nicht mehr miterlebt habe.«93

Auch Maschkes Teilnahme an den Tagungen sowie seine Beteiligung an den Diskussionen ist für die Treffen im Januar 1935, im Juni 1935 und Mai 1936 bezeugt94. Unter seiner Mitwirkung entstanden dort als Ergebnis der Beratungen und verschiedenen Treffen Materialien, die unverblümt Revisionsansprüche auf der Grundlage der NS-Volksgemeinschaftsideologie vertraten95 und sich mit geographischen Abgrenzungskriterien und juristischen Definitionen der in diesen Räumen lebenden Bevölkerungen beschäftigten (Warnicken­tagung Juni 1935). Auf diese stützten sich später die deutschen Okkupationsbehörden im Zweiten Weltkrieg96. Erich Maschke hatte insofern als Mitglied dieser »öffentlichen Plattform der Mitglieder der Volksdeutschen Forschungsgemeinschaften« und der »Kaderschmiede für eine nationalsozialistische Bevölkerungspolitik« (Michael Fahlbusch) Anteil an der Ausformulierung der verbrecherischen NS-Volkstumspolitik. Wie an der Intensität seines Engagements bereits deutlich wurde, kann Maschkes persönliche Mitgliedschaft im VwA nicht als Mitläufertum bezeichnet werden. Aber darüber hinaus muss auch sein Beitrag für den Sammelband »Werden unseres Volkes. Ein Bildersaal Deutscher Geschichte«97 als Zeugnis

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seitiger Grenzlandkunde aus […] systematisch Volkswissenschaft zu entwickeln. Unter diesem Gesichtspunkt sind die bevorstehenden Berufungen auf die historischen Lehrstühle wichtig: unter denen, die auf der Liste stehen, lege ich auf die Zusammenarbeit mit Maschke (bisher Königsberg, auf Ordensgeschichte spezialisiert) und auch Stadelmann (neuere Geistesgeschichte) besonderen Wert. Es wäre schön, wenn wir im Winter so etwas wie einen Volkswissenschaftlichen Arbeitskreis quer durch die Fakultäten auf die Beine brächten, damit dies Gesicht unserer Universität, die mit planmäßiger Rassen- und Volkslehre den rühmlichen Anfang gemacht hat, noch deutlicher hervortritt.« BAK, NL Theodor Schieder 1188, Nr. 88, Brief Erich Maschkes vom 29.4.1936. Wie sich die konkrete Arbeit des Jenaer Kreises ausgestaltete – darüber liegen keine Informationen vor. Haar, Historiker im Nationalsozialismus, S. 256, S. 308, GStAPK, NL Albert Brackmann, Nr. 81. Fahlbusch, Wissenschaft im Dienst der nationalsozialistischen Politik?, S. 116. Possekel, Verein für das Deutschtum im Ausland (VDA), S. 293. Demnach lagen im November 1939 94 Karten und 24 andere Arbeiten über Gebiete in Osteuropa vor. Darunter befanden sich Bodenkarten, Bodennutzungs- und Gütekarten, Verkehrskarten und Karten über Maschinen- und Lebensmittelindustrie. Erwin Hoelzle (Hg.), Das Werden unseres Volkes. Ein Bildersaal Deutscher Geschichte, Stuttgart 1937.

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dafür gewertet werden, dass er sich mit den volkswissenschaftlichen Zielen des Arbeitskreises in weitgehender Übereinstimmung befand. Mit diesem Sammelband wurde die Absicht verfolgt, weiteren Kreisen (»Erstdruck 10 000 Stück, gedacht ist vor allem an Arbeitsdienst- und SA-Lager usf.«)98 den Gedanken einer »wahren, das gesamte Volk und seinen Raum darstellenden deutschen Volksgeschichte« nahezubringen99. Als Mitarbeiter dieser ersten Gemeinschaftsarbeit des Kreises wurden die Mitglieder des Volkswissenschaftlichen Arbeitskreises100, aber auch »Gesinnungsverwandte«101 von außerhalb herangezogen102. Erich Maschkes Meinung zur Auswahl der Autoren der Mittelalter-Kapitel schien dem Herausgeber Erwin Hoelzle so wichtig zu sein, dass er ihn dabei ausführlich konsultierte. Schließlich entstand ein reich bebildertes Werk im Großformat, das »als wahres Volksbuch künden« sollte »von Größe, Schicksal unseres Volkes insgesamt« und die Geschichte »aller Stämme und Stände, der tragenden großen Schichten des Volkes ebenso wie der jeweils führenden, der Binnendeutschen gleicherweise wie auch der abgetrennten oder ausgewanderten Volksteile« zur Darstellung bringen wollte103. Erich Maschke setzte es sich in seinem Beitrag über das Frühmittelalter zur Aufgabe, der Entwicklung der germanischen Stämme zum »deutschen Volk« in Auseinandersetzung mit der geistigen und politischen Welt des spätrömischen Kaiserreiches nachzugehen. Dabei stellte er die Frage nach »Einheit oder Verfall« als das »bitterste Teil  germanischer Vergangenheit« dar, welches in die deutsche Geschichte übergegangen und die »Schicksalsfrage unserer Geschichte schlechthin« sei. In seiner Betrachtung berücksichtigte er stets das Problem »wieweit es gelang, das Gut der eigenen Art durch eine fremde Umgebung hindurchzuretten und gegen andersartige Kräfte zu behaupten«104. Dies war eine 98 BAK, NL Erwin Hoelzle 1323, Nr. 12, Schreiben Erwin Hoelzles an Walther Matthes vom 26.5.1935. 99 Ebd. 100 BAK, NL Erwin Hoelzle 1323, Nr. 12, Schreiben Erwin Hoelzles an Walther Matthes vom 2.6.1935: »Auch die Grundhaltung der Mitarbeiter dürfte bekannt sein, denn der Kreis, der hinter ihnen steht, ist ein Kreis, dessen nationalsozialistische Zielsetzung und volksdeutsche Grundhaltung anerkannt ist. Wir sind allerdings als Nationalsozialisten der Überzeugung…« Vergleicht man das hier zum Ausdruck kommende Selbstverständnis der Mitarbeiter des Arbeitskreises mit der Einschätzung durch den NS-Studentenbund in Königsberg, so wird deutlich, wie weit die Meinungen darüber differieren konnten, was »nationalsozialistisch« war und was nicht. 101 UA Stuttgart-Hohenheim, NL Günther Franz N 6, Schreiben Erich Maschkes an G. Franz vom 1.5.1935. 102 Weitere Autoren des Sammelbandes außer Erich Maschke (Das Frühmittelalter) waren schließlich Hans Joachim Beyer (Deutsches Ringen um den Glauben), Walther Peter Fuchs (Das Bismarckreich), Andreas Hohlfeld (Der Kampf um Freiheit und Einheit), Karl Jordan (Reich, Volk und der Osten), Hans Walter Klewitz (Der Kaiser und die deutschen Stämme), Werner Radig (Vor- und Frühgeschichte des deutschen Volkes) und Walter Schinner (Grenzkampf und Entzweiung) sowie Erwin Hoelzle (Weltkrieg, Zerfall und neues Reich). 103 Hoelzle (Hg.), Das Werden unseres Volkes, Vorwort. 104 Maschke, Das Frühmittelalter, S. 32.

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Fragestellung, wie sie ihn nicht nur im Rahmen seiner Tätigkeit für den Arbeitskreis, sondern auch andernorts weiter beschäftigte105. Das Engagement Erich Maschkes beschränkte sich aber nicht auf den Verein für das Deutschtum im Ausland (VDA). Auch seine Mitgliedschaft im Bund Deutscher Osten (BDO)106 verdeutlicht, wie stark Erich Maschke in die ostwissenschaftlichen Strukturen und Kreise eingebunden war. Der Bund Deutscher Osten war im Mai 1933 aus dem Zusammenschluss zahlreicher Ostverbände entstanden, die nach dem Ersten Weltkrieg gegründet worden waren. Als seinen Aufgabenbereich betrachtete er die Volkstums- und Grenzlandarbeit und fokussierte dabei nicht nur die deutsche Minderheit in Polen, sondern auch die polnische Minderheit in Deutschland. Darüber hinaus richtete er seine Aufmerksamkeit aber auch jenseits der deutsch-polnischen Grenze auf die baltischen Länder. Auf den Arbeitstagungen der sieben Landesgruppen wurden u. a. durch die Erarbeitung von Karten- und Materialsammlungen über die osteuropäischen Nachbarstaaten die »geistigen Waffen« für den Volkstumskampf geschmiedet. Auch der BDO wurde nach 1937 eine Organisation innerhalb der Volksdeutschen Mittelstelle und damit der SS. In enger Kooperation war er daher auch u. a. an den 1939 beginnenden Umsiedlungsaktionen von Auslandsdeutschen beteiligt. Erich Maschke wurde in diesem Bund mit Schulungsarbeit, Vortragstätigkeiten und der Teilnahme an Veranstaltungen aktiv107. So besuchte er beispielsweise das Ostschulungslager des BDO und der deutschen Dozentenschaft108 in Marienbuchen (Kreis Flatow/Grenzmark) 1935, auf welchem Praxis und Theorie des Grenzkampfes miteinander vereint werden sollten. Dort wurde der Versuch unternommen, neben der geistigen Auseinandersetzung mit den wichtigsten Problemen des Ostraumes und der deutschen Ostgrenze Vertrauensleute für die praktische Mitarbeit im Grenzkampf an der »Front« und in der »Etappe« zu gewinnen109. Erich Maschkes Vortrag über »Das Vergehen und Wiedererste105 Vgl. dazu den Abschnitt über seine Werke zur mittelalterlichen Geschichte aus der Jenaer Zeit. 106 Eine neuere Monographie zur Geschichte des BDO im Dritten Reich ist nicht bekannt. Wichtige Hinweise zu seiner Tätigkeit finden sich in Michael Burleighs Studie über die Ostforschung, in K. Fiedor, Bund Deutscher Osten w systemie antypolskiej propagandy, Warszawa 1977, in der Dissertation von Ingo Haar, in den Schriften von Michael Fahlbusch, Karen Schönwälder sowie von Martin Burkert. Der Beitrag Manfred Weißbeckers im Lexikon zur Parteiengeschichte (ebd., S. 308–315) vermittelt einen kurzen Überblick, während die Dissertation Maria Rothbarths, Der Bund Deutscher Osten – Instrument des aggressiven faschistischen deutschen Imperialismus, Diss. phil. Rostock 1971, nur wenig hilfreich ist. 107 UAJ, Bestand M, Nr. 631, S. 88. Rege Tätigkeit für den BDO wurde ihm auch vom Königsberger Dekan von Richthofen 1934 bescheinigt. (GStAPK, Rep. 76 Va, Sekt. 11, Tit. IV, 25, 8. Schreiben vom 11.5.1934. 108 Dies war wohl die für eine Berufung nötige Teilnahme an einem Dozentenlager. 109 BA Berlin, Bestand R 153/1282. Vgl. dazu Haar, Historiker im Nationalsozialismus, S. 250–252.

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hen des polnischen Staates« leitete die Behandlung Polens in der Diskussion um die politische, wirtschaftliche und soziologische Struktur der »Ost- und Südoststaaten« ein. Wie aus der kurzen Zusammenfassung des Tagungsberichtes hervorgeht, bemühte er sich, »diejenigen Zusammenhänge herauszuarbeiten, welche für das politische Dasein oder die treibenden politischen Ideen des heutigen Polen grundlegend geworden sind.«110 Zu eben diesem Thema verfasste Erich Maschke 1939 auch einen Schulungsbrief des BDO mit dem Titel »Die treibenden Kräfte in der Entwicklung Polens«111. Außerdem veröffentlichte er Beiträge in den Presseorganen des Bundes112. Von besonderem Interesse für die Einschätzung von Erich Maschkes Position im BDO, aber der Quellenüberlieferung wegen nur ansatzweise zu beschreiben, ist Maschkes Verhältnis zum Bundesleiter Theodor Oberländer113. Von ihm, dem einflussreichsten Funktionsträger für die Fragen des Grenzund Auslanddeutschtums in den deutschen Ostprovinzen, Bundesleiter des BDO, Landesleiter des VDA und Leiter des Gaugrenzlandamtes Ost-Preußen, wurde er offensichtlich protegiert. Oberländer verfügte als Schlüsselfigur in den Kreisen der Osteuropaexperten und Berater des Gauleiters Erich Koch in allen Fragen des Ostens über ein einzigartiges Bündel an Kompetenzen und Ressourcen und wusste diese auch geschickt einzusetzen. Erich Maschke war einer der Königsberger Nachwuchshistoriker, die davon profitierten. Durch den persönlichen Einsatz von Theodor Oberländer, der für seine Entsendung, gegebenenfalls auch als Vertreter des BDO, eingetreten war114, kam wahrscheinlich erst Maschkes Teilnahme am Warschauer Historikerkongress115 1933 zustande. Theodor Oberländer machte seinen Einfluss als Vorstandsmitglied der NOFG zu Maschkes Gunsten geltend und bewirkte seine Einladung zur Tagung 110 BA Berlin, Bestand R 153/1282. 111 Maschke, Die treibenden Kräfte in der Entwicklung Polens, S. 2–16. Siehe dazu Kapitel »Der Nachbar Polen«. 112 Maschke, Masuren in Geschichte und Gegenwart, S. 372–373; ders., Die Kulmer Handfeste 1233, S. 667–673. 113 Zu Theodor Oberländer die Biographie von Philipp-Christian Wachs, Der Fall Theodor Oberländer; ders., Theodor Oberländer; sowie an den einschlägigen Stellen bei Haar, Historiker im Nationalsozialismus. 114 GStAPK Rep. 76 V c, Sekt. 1, Tit. 11, Teil VI, Nr. 13, Bd. IV, Schreiben Theodor Oberländers an K. Brandi vom 28.7.1933: »Wie ich gestern erfuhr, fährt von Königsberg nur Herr Prof. Rothfels (!) zu der Historikertagung nach Warschau. Ich bedaure sehr, dass man unsere jungen Historiker Dr. Maschke und Dr. Craemer, die hier in der volksdeutschen Arbeit stehen, nicht nach Warschau kommen lässt. Ist diese Ehre nur Ordinarien vorbehalten? Ich darf als Landesführer des BDO e. V. an Sie die ergebne Bitte richten, einen dieser beiden Herren nach Warschau zur Historikertagung zu schicken, sonst würde ich mich genötigt sehen vom BDO e. V. aus Herrn Dr. Maschke oder Herrn Dr. Craemer mit speziellen Aufträgen nach Warschau zu entsenden.« Die Protektion Maschkes durch Oberländer beschränkte sich nicht allein auf diesen Fall. Siehe dazu auch das Kapitel Jena – Berufung mit Hindernissen. 115 Vgl. den Abschnitt »Der Nachbar Polen«.

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in Schellerhau 1935 als persönlicher Berichterstatter116. Zwei Jahre später nahm er Einfluss auf die Berufung Erich Maschkes nach Jena. Dass Erich Maschke Eingang in die Einrichtungen der Ostforschung fand, dafür hatte schon frühzeitig eine andere Institution gesorgt. Bereits seit Beginn der 1930er Jahre stand Erich Maschke mit einer weiteren Schaltstelle der deutschen Ostforschung, mit der Publikationsstelle Berlin-Dahlem, einer Einrichtung der Preußischen Staatsarchive, in Verbindung. Sie übernahm unter der Leitung ihres Geschäftsführers Johannes Papritz117 1933 auch die Geschäftsführung der Nordostdeutschen bzw. Nord- und Ostdeutschen Forschungsgemeinschaft und arbeitete in vielfältiger Weise mit dem Reichsministerium des Inneren bzw. dem Reichspropagandaministerium zusammen. Für das Auswärtige Amt fertigte sie Presseauszüge und Übersetzungen an. Sie war an der Erstellung von Karten und Bevölkerungsstatistiken von ostmitteleuropäischen und osteuropäischen Ländern, an der Herausgabe der Zeitschrift »Jomsburg« und an der Festlegung neuer deutscher Ortsnamen in den späteren besetzten Gebieten beteiligt. Darüber hinaus nahm Johannes Papritz zu verschiedenen Grenzziehungsfragen Stellung und das deutsche Militär konnte während des Zweiten Weltkrieges auf Bevölkerungskarten der entsprechenden Gebiete zurückgreifen. Außerdem führte die Publikationsstelle ein Exemplar der Deutschen Volksliste, die die ethnische Segregation in den eroberten Gebieten zum Ziel hatte. 1944 wurde sie dem Reichssicherheitshauptamt unterstellt. Von dieser Einrichtung erhielt Erich Maschke ab April 1932 ein monatliches Forschungsstipendium in der Höhe von 300 RM für sein Projekt einer Kulturgeschichte der Deutschen in Polen118: Geplant hatte Maschke eine umfassende 116 BA Berlin, R 153/1276, Schreiben von Johannes Papritz an Theodor Oberländer vom 26.3.1935: »Der Herr Generaldirektor der Staatsarchive hat mich […] beauftragt, Ihnen folgendes mitzuteilen. Herrn Dr. Maschke, Königsberg, einzuladen, hat er deshalb Bedenken getragen, weil ausser Ihnen als Vorstandsmitglied aus Ostpreussen sonst niemand eingeladen worden ist. Ohnedies ist die Zahl der Teilnehmer sehr gegen die Absicht des Herrn Generaldirektors recht hoch geworden; auch Herr Dr. Steinacher ist darüber unwillig. Indessen ist der Herr Generaldirektor selbstverständlich bereit, Ihrem Wunsche nachzukommen, wenn Sie Herrn Dr. Maschke, zu dessen Interessengebiet die Schellerhauer Aufgaben und Themen nicht eigentlich gehören, als Ihren Berichterstatter ansehen. Er hat Ihnen deshalb heute bereits telegraphiert, Sie möchten Herrn Dr. Maschke davon in Kenntnis setzen, dass er eingeladen sei.« 117 Kleindienst, Johannes Papritz (1898–1997), S. 463–467. 118 Wahrscheinlich wurde der Kontakt Maschkes wegen dieses Projektes zu Johannes Papritz bzw. Albert Brackmann, dem Leiter der Preußischen Staatsarchivverwaltung, über Max Hein vom Staatsarchiv Königsberg vermittelt, als dessen Mitarbeiter Erich Maschke auftrat (BA Berlin, R 153/1220). Nach Michael Burleighs Erkenntnissen (S. 58) war Johannes Papritz, der Leiter der Publikationsstelle Berlin-Dahlem, vermutlich daraufhin an Maschke mit der Bitte herangetreten, einen Erfahrungsbericht über seine Arbeit in polnischen Archiven zu verfassen und eine Einschätzung der Behandlung deutscher Besucher abzugeben. Dieser Bitte war er gefolgt und hatte sich in seinem Bericht positiv über seine Zusammenarbeit mit den polnischen Archivbediensteten geäußert. Gleichzeitig hatte Maschke dann wohl in seinem Schreiben sein persönliches Anliegen, die Bitte um die Gewährung

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Darstellung des Deutschtums in seinen gesamten Erscheinungsformen im mittelalterlichen Polen, um der Ganzheitlichkeit des historischen Vorgangs der Kolonisation sowie der in seiner Sicht überragenden Bedeutung der Deutschen in Polen gerecht zu werden. Im Rahmen dieses Projektes fuhr Erich Maschke mehrfach nach Polen und wurde durch Johannes Papritz zwecks Vermeidung von inhaltlichen Überschneidungen mit den Ostforschern Alfred Lattermann119 und Kurt Lück120, von dessen thematisch ähnlich gelagerter Arbeit121 er keine Kenntnis besaß, in Verbindung gebracht. Damit stieß er zu einem Netzwerk deutscher politischer Wissenschaftler in Polen, die er auf seinen Polenreisen häufig besuchte, vor denen er Vorträge hielt und deren Werke er rezensierte122. Mit dem Status eines Stipendiaten der Publikationsstelle gehörte Erich Maschke einer von insgesamt vier Gruppen an, die gemäß eines Publikationsplanes von Albert Brackmann finanziell gefördert wurden, mit ihren Projekten der wissenschaftlichen Abwehrarbeit dienen und die polnischen Wissenschaftler von der freien Nutzung der Archivalien in den preußischen Staatsarchiven ausschließen sollten123. Maschkes Vorhaben war somit Bestandteil eines »neuen Prinzips der wissenschaftlichen Abwehrarbeit«124 (Ingo Haar), das die offene Auseinandersetzung mit Einzelthesen der polnischen Wissenschaft sowie Kontakte mit polnischen eines Stipendiums für das Projekt, zum Ausdruck gebracht. Für die Arbeit an diesem Projekt hatte er einen zeitlichen Rahmen von drei Jahren veranschlagt. Eine Beschränkung hinsichtlich der Formulierung des Themas wurde ihm von Albert Brackmann nicht auferlegt. 119 Zu Alfred Lattermann (1894–1945) der Nachruf von Hans M. Meyer in: ZfO 1 (1952), S. 423–425. Maschkes Projekt traf zumindest anfangs auf große Skepsis bei Alfred Latter­ mann. Dieser bezweifelte die Machbarkeit dieses Projektes, da er die Zeit für eine solche Synthese wegen der fehlenden territorialen Vorarbeiten für noch nicht gekommen hielt. Bei der Lektüre seines Briefwechsels mit Papritz kann man sich jedoch des Eindrucks nicht erwehren, dass der Hintergrund seiner Kritik hauptsächlich darin bestand, seine eigenen Mitarbeiter und den Kreis der ihm nahe stehenden Forscher bei der Stipendienvergabe wirtschaftlich abzusichern und unliebsame Konkurrenten von außerhalb auszuschalten. In seinen eigenen personellen Vorschlägen zur Vergabe einer solchen Forschungsaufgabe bzw. der dementsprechenden finanziellen Mittel erwähnte er Erich Maschke mit keiner Silbe. (R 153/1233). 120 Kurt Lück (1900–1942). Nachruf von Walter Kuhn in: ZfO 1 (1952), S. 425–427. Siehe auch Rautenberg, Das historiographische Werk Kurt Lücks, S. 95–108. 121 Kurt Lück, Deutsche Aufbaukräfte in der Entwicklung Polens. Forschungen zur deutschpolnischen Nachbarschaft im ostmitteleuropäischen Raum, Plauen 1934. 122 Vgl. dazu Maschke, Deutsches Volk in der Geschichte Polens, S. 493–498. Dieser Aufsatz ist eine Rezension des Buches von Kurt Lück, die Maschke als Auftragswerk der NOFG übernahm (BA Berlin, R 153/1279). 123 Vgl. dazu Haar, Historiker im Nationalsozialismus, S. 113–115 und Fahlbusch, Wissenschaft im Dienste des Nationalsozialismus?, S.  217. Ihren Informationen zufolge waren Kurt Lück und Erich Weise ebenfalls Mitglieder dieser Gruppe, die die Kulturgeschichte des Deutschtums in Polen aufarbeiten sollte. 124 Haar, Historiker im Nationalsozialismus, S.  113–115 und Fahlbusch, Wissenschaft im Dienste des Nationalsozialismus?, S. 217.

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Historikern, die den eigenen Interessen entgegenstanden, unterband. Inwieweit dies Maschkes wissenschaftliche Kontakte zu polnischen Gelehrten beeinflusste, ist unklar. Seine eigene Intention, eine solche Arbeit zu beginnen, deckte sich jedoch mit den Interessen Albert Brackmanns an einer wissenschaftlichen Abwehr polnischer Forschungsergebnisse125. Die ursprünglich geplante Form der Arbeit kam nicht zustande. In seinem Rechenschaftsbericht vom 1.10.1939 stellte Erich Maschke viele seiner Aufsätze und Werke der Jahre 1933–1935 als Teiluntersuchungen seines Forschungsauftrages dar126, woran es aber berechtigte Zweifel gibt127. 125 Maschkes Exposé kann als Musterbeispiel einer geplanten wissenschaftlichen Arbeit gelten, deren ausdrückliche Absicht es war, polnische wissenschaftliche Thesen zur Bedeutung des Deutschtums für die polnische Geschichte zu widerlegen. Der Bezug auf polnische Forschungsergebnisse durchzieht das gesamte Exposé. Darin finden sich u. a. Formulierungen und Sätze wie »diesen Forschungen eine deutsche Arbeit über das Deutschtum in Polen […] entgegenstellen«, »Auch dieses Gebiet stellt für die polnische Forschung eine Front dar, auf der der Angriff gegen die deutsche Kultur mit aller Kraft geführt wird.« oder »Auch hier wären polnische Angriffe abzuwehren.« Eine weitere Passage aus Maschkes Exposé (BA Berlin, R 153/1220) lautet: »Die polnische Forschung liebt es, jeder Spur slavischen Lebens auf längst deutsch gewordenem Kulturboden nachzugehen und bis nach Rügen, bis zur Elbe recht deutliche politische Ansprüche daraus abzuleiten. Es lohnt sich, hier einmal die Gegenrechnung aufzumachen, nicht um Gegenforderungen zu erheben, sondern um die Sinnlosigkeit dieser Einstellung nachzuweisen. Dabei ist festzuhalten, daß die Deutschen, von den Polen freiwillig in einem Aufnahmeprozeß, der fast grundsätzlich zur polnischen Geschichte gehört, gerufen, eine kulturelle Leistung größten Formates nachweisen können, der jene slavischen Reste auf deutschem Boden nichts entgegenzustellen haben.« Lässt sich darin eine »Forderung nach Überwindung der der deutsch-polnischen Auseinandersetzung zugrunde liegenden unrealistischen Einstellung« erkennen, wie M. Burkert (S. 110) diese bei ihm unvollständig wiedergegebene Textstelle interpretiert? Zieht man die von Maschke beachtete Geheimhaltung seines Forschungsthemas, seine späteren Äußerungen in seinen Aufsätzen zur deutsch-polnischen Geschichte, die von ihm überlieferten Redebeiträge auf den Tagungen der NODFG sowie die weiteren von der Publikationsstelle geförderten Projekte in Betracht, so müssen an dieser Deutung doch grundsätzliche Zweifel angemeldet werden. Vgl. dazu Kapitel »Der Nachbar Polen«. 126 BA Berlin, Bestand R 153/1220: Maschke, Das Erwachen des Nationalbewusstseins; ders., Der Peterspfennig in Polen; ders., Polen und die Berufung des deutschen Ordens nach Preußen; ders., Zur Kulturgeschichte des mittelalterlichen Deutschtums in Polen; ders., Deutschland und Polen seit 1000 Jahren; ders., Deutschland und Polen im Wandel der Geschichte; ders., Deutsche Grundlagen in der polnischen Kultur; ders., Die polnische Literatur zur Thorner 700-Jahrfeier; ders., Die Hanse in der polnischen Geschichtsschreibung; ders., Preußen und die ›polnischen Mutterländer‹. 127 Seine Habilitationsschrift über den Peterspfennig lag, wenn auch in noch nicht überarbeiteter Form, bereits vor Beginn der Aufnahme in die Förderung durch die Publikationsstelle vor. Außerdem musste er mehr als drei Jahre von Staatsarchivrat Papritz gemahnt werden, ehe er den Rechenschaftsbericht schrieb. Darin stellte er die Form der Forschungsarbeit sowie die inhaltlichen Schwerpunkte anders als ursprünglich geplant dar. Papritz reagierte dennoch wohlwollend und ließ die erbrachten Aufsätze im Sinne des Forschungsauftrages gelten, bestand aber auf seiner Forderung nach einem endgültigen

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Weitere Kontakte Erich Maschkes zur Publikationsstelle ergaben sich aus seiner Suche nach Spezialliteratur über Polen, die er dort einsehen konnte. Möglicherweise war er selbst auch Empfänger der Presseübersetzungen der Publikationsstelle bzw. gehörte der Kommission für Presseübersetzungen an128. Erich Maschkes Anbindung an die Publikationsstelle und seine Bekanntschaft mit Albert Brackmann129, der zentralen Figur der deutschen Ostforschung, hatten weitreichende Folgen. Durch sie gelangte er in einen Kreis von 43 ausgewählten130 Wissenschaftlern und Volkstumspolitikern, die Ende 1933 in Berlin die Nord- und Ostdeutsche Forschungsgemeinschaft (NOFG) aus der Taufe hoben. Nach Auffassung von Ingo Haar waren hier die hochrangigsten Spezialisten der Deutschtumspolitik versammelt131. Anwesend waren dabei auch Vertreter des Reichsministeriums des Inneren, des Reichspropagandaministeriums, des Reichsministeriums für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung und des Auswärtigen Amtes wie auch des BDO und des VDA und anderer Einrichtungen. Die NOFG wurde mit 150 Personen die mit Abstand größte der insgesamt sechs regionalen Forschungsgemeinschaften und weitete ihr Arbeitsgebiet bis 1943 ständig aus. Dieses umfasste schlußendlich die Ostgebiete des Reiches, das Generalgouvernement, das Reichskommissariat Ostland und dessen Nachbargebiete im Baltikum sowie Finnland, Karelien, Skandinavien, weiterhin das Protektorat Böhmen und Mähren und den Reichsgau Sudetenland – also Gebiete, die teilweise von großem Interesse für Erich Maschke waren. Die Organisationsstruktur der NOFG blieb der Öffentlichkeit verborgen; Personalführung, Paradigmenbildung und Praxis korrespondierten in Form, Ausführung und Programmen mit der NS-Herrschaftspraxis wie auch die Tätigkeit dieses Ostforschungsnetzwerkes insgesamt der Geheimhaltungspflicht unterlag. Die NOFG verfolgte vorrangig die Ziele, alle Forschungsinitiativen zum deutschen Osten zu konzentrieSchlussbericht. Diese wiegelte Erich Maschke ebenso ab (BA Berlin, Bestand R 153/1220). Möglicherweise sollte der Artikel »Das mittelalterliche Deutschtum in Polen«, in: Deutsche Ostforschung. Ergebnisse und Aufgaben seit dem I. Weltkrieg, Bd. 1, 1942, S. 486–515 diese Zusammenfassung darstellen, doch enthielt dieser nur einen Literaturbericht. 128 BA Berlin, Bestand R 153/1276. 129 Der wahrscheinlich erste Briefkontakt zwischen Maschke und Albert Brackmann datiert vom 23.1.1931 und steht wohl im Zusammenhang mit dem Vorschlag von Hans Rothfels, Maschke auf dem deutschen Historikerkongress 1932 sprechen zu lassen. Zu Albert Brackmann (1871–1952) siehe Jörg Wöllhafs Beitrag im Handbuch der völkischen Wissenschaften, S. 76–81; die einschlägigen Stellen bei Haar, Historiker im Nationalsozialismus, bei Burleigh, Germany turns eastwards; ders., Albert Brackmann (1871–1952) Ostforscher. 130 Nach Burleigh, Germany turns eastwards, S. 137, entschied Albert Brackmann, wer dazu gehören sollte. Das Dankesschreiben Maschkes an Brackmann für die Einladung ist überliefert (GStAPK, NL Albert Brackmann, Nr. 20. Schreiben von Erich Maschke vom 30.12.1933). 131 Haar, Historiker im Nationalsozialismus, S.  185. Neben den 12 Universitätsprofessoren (u. a. Rudolf Kötzschke, Hermann Aubin, Manfred Laubert, Max Vasmer) nahmen nur drei Privatdozenten (Erich Maschke, Walter Kuhn, Franz Anton Doubek) aus dem Kreis der Wissenschaftler teil.

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ren und zu fördern, und mit Hilfe der erarbeiteten Materialien die Dominanz der deutschen Kultur in den nach dem Versailler Vertrag abgetretenen Gebieten zu belegen sowie historische, landeskundliche, geographische und soziologische Expertise den Reichs- und Parteistellen zur Verfügung zu stellen. Vor diesem Hintergrund entwickelte sich ab 1937 zwischen der NOFG unter der Führung von Albert Brackmann, dem Reichsinnenministerium, dem Auswärtigen Amt und der Volksdeutschen Mittelstelle eine Arbeitsteilung, die eine scharfe Trennung zwischen Wissenschaft und Politik nicht mehr zuließ. Dies führte u. a. dazu, dass die NOFG vor dem Krieg maßgeblich an der Vorbereitung von Konferenzen und Verträgen (z. B. des Münchener Abkommens), an der Erarbeitung von Kartenmaterial, Personal- und Sachkarteien, an der Diskussion von Grenzziehungsfragen im Sudetengebiet wie auch an der Vorbereitung der Besetzung des Memelgebietes beteiligt war132. Die entsprechenden Informationen und Materialien zu ausgewählten regionalen Themen hatten zuvor auf ungefähr halbjährlichen Tagungen die Mitglieder der Forschungsgemeinschaft erarbeitet. Erich Maschkes Engagement in diesem Netzwerk erstreckte sich über die Teilnahme an der Gründungsveranstaltung weit hinaus. Er nahm nicht nur an denjenigen Tagungen teil, die ihn inhaltlich betrafen, sondern besuchte auch mindestens ein thematisch anders gelagertes Treffen. Außerdem wirkte er in verschiedenen Kommissionen mit und übernahm wichtige Funktionen. Auf den Tagungen Ende 1933, 1934 und 1935, die thematisch in sein Metier fielen und von denen seine Teilnahme überliefert ist, blieb er kein Zaungast. Die in den Protokollen überlieferten Beiträge bezeugen, dass er regen Anteil an den Diskussionen nahm und selbst Vorträge hielt. Gleich in der Gründungsversammlung133 der Forschungsgemeinschaft am 19./20. Dezember 1933 im Preußischen Herrenhaus meldete er sich zu Wort und trat für eine Orientierung der wissenschaftlichen Arbeit der Gemeinschaft an den Fragen der politischen Gegenwart ein: »Politische Interessen und aktuelle politische Probleme sind für die Themenwahl und die Aufgaben ebenso entscheidend wie für die Bildung und Aufteilung der einzelnen Problemkreise, hinter denen die reinen Raumkreise zurücktreten.«134

132 Albert Brackmann an Prof. F. Metz vom 23.9.1939: »Es ist in der Tat eine große Befriedigung für uns zu sehen, dass die nord- und ostdeutsche Forschungsgemeinschaft mit ihrer Geschäftsstelle der PuSte jetzt die Zentralstelle für die wissenschaftliche Beratung des Auswärtigen Amtes, des Reichsministeriums des Innern, des Oberkommandos des­ Heeres, zum Teil auch für das Propagandaministerium und eine Reihe SS-Stellen geworden ist. Wir haben es jetzt erreicht, dass wir auch bei der künftigen Grenzziehung ein­ gehend gehört werden.« Zit. n. Burleigh, Die Stunde der Experten, S. 347. 133 Zur Gründungsversammlung und den Teilnehmern vgl. Haar, Historiker im Nationalsozialismus, S.  185 ff. Fahlbusch, Wissenschaft im Dienst der nationalsozialistischen Politik?, S. 199 ff. 134 BA Berlin, Bestand R 153/1269.

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An der Tagung der Forschungsgemeinschaft im Ostseebad Kahlberg an der Frischen Nehrung im August 1934, bei der die Frage nach den Auswirkungen des deutsch-polnischen Nichtangriffspaktes auf die Forschungsarbeit im Mittelpunkt der Diskussionen stand, hatte sich Erich Maschke für eine Fortsetzung der Arbeit in gewohnter Weise ausgesprochen135. Damit deutete er den deutschpolnischen Vertrag nur als Intermezzo, dem man mit einer veränderten Sprachregelung entsprechen könne. In dieser Auffassung war er sich mit den übrigen Anwesenden einig. Die Aufzeichnungen von Staatsarchivrat Papritz über die Tagung in Kahlberg belegen, dass sich Maschke auch in verschiedenen Kommissionen aktiv für die Ziele der Forschungsgemeinschaft einsetzte und sein Fachwissen dort zur Verfügung stellte: Zum einen war er offensichtlich, wie bereits erwähnt, an Presseübersetzungen der Publikationsstelle beteiligt und gehörte einer Kommission für diese Belange an. Für welche Pressemitteilungen Erich Maschke als Übersetzer zuständig war, ist nicht bekannt. Maschkes Name fiel auch im Zusammenhang mit anderen Buchprojekten136 und der Vergabe von Rezensionen. Eine andere Kommission, der er angehörte, beschäftigte sich in Kahlberg mit der Herausgabe einer Zeitung der NOFG. Dabei handelte es sich wohl um Überlegungen zu der schließlich ab 1937 herausgegebenen Zeitschrift »Jomsburg«137. Des Weiteren arbeitete er in einer Kommission mit, die sich mit einem »Weichsel­ buch« und »geopolitischen Forschungen des Weichsellandes«138 befasste. Möglicherweise verbarg sich dahinter die Propagandaschrift »Deutschland und der Korridor«139. Für die Kommissionssitzung zur »nachkriegsgeschichtlichen Forschung in den Provinzen«, für die Maschkes Teilnahme vorgesehen war, ist das Protokoll nicht überliefert140. Auch an anderer Stelle tauchte Erich Maschkes Name im Zusammenhang mit einer lokalen – hier Königsberger – Forschungsstelle für Nachkriegsgeschichte auf. Allem Anschein nach war er ihr in irgendeiner Weise angegliedert bzw. hatte 135 Siehe Kapitel »Der Nachbar Polen«. 136 GStAPK, NL Albert Brackmann, Nr. 81. Brief Dr. E. F. Müllers vom 13.11.1936: »Namentlich für das ›Taschenbuch‹ [für den deutschen Osten] […] hätte ich Ihre bewährte Unterstützung erbeten. Nach dem Fortgang von Professor Maschke habe ich mich mehr und mehr auf die Mitarbeit von Herrn Dr. Schieder stützen können.« Aus einem Brief Theodor Schieders an Erich Maschke vom 10.9.1936 (BAK, NL Theodor Schieder N 1188, Nr. 88) geht hervor, dass Schieder dieses Projekt als »Erbschaft« Erich Maschkes übernommen und Erich Maschke selbst dafür zwei Beiträge verfasst hatte, die sich mit den Slawen beschäftigten: »Die staatenbildenden Westslaven« und »Die Elb- und Oderslaven«. Diese Beiträge Maschkes konnten nicht ausfindig gemacht werden. 137 Für diese Zeitschrift soll Erich Maschke 1939 einige Besprechungen übernommen haben, die allerdings nicht nachzuweisen waren. BA Berlin, Bestand R 153/1220, Brief Johannes Papritz an Erich Maschke vom 21.1.1939. 138 BA Berlin, Bestand R 153/1220, Brief Johannes Papritz an Erich Maschke vom 21.1.1939. 139 Deutschland und der Korridor. In Zusammenarbeit mit Günter Lohse und Waldemar Wucher hg. v. Friedrich Heiß, Berlin 1939. 140 BA Berlin, Bestand R 153/1279.

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in ihrem Rahmen Aufgaben übernommen. Seine Position darin sowie sein Verhältnis zu Albert Brackmann bzw. Johannes Papritz und seine Stellung in der NOFG als Gebietsvertreter in Königsberg141 ermöglichten es ihm, für das Fortkommen seines Freundes Theodor Schieder ein gutes Wort einzulegen. Dies ist das einzige bislang bekannte Beispiel dafür, wie Erich Maschke seinen persönlichen Einfluss innerhalb der NOFG geltend machte142. Dass sein Einwirken maßgeblich zur gewünschten Entscheidung führte, ist wahrscheinlich. Jedenfalls erhielt Theo Schieder die Leitung der im Aufbau befindlichen Landesstelle Ostpreußen für Nachkriegsgeschichte143. Für ihn hatte es sich wohl als ausgesprochen günstig erwiesen, dass sein Freund Erich Maschke die Funktion eines Gebietsvertreters der NOFG für Königsberg übernommen hatte und damit über entscheidenden Einfluss auf wissenschaftsorganisatorischem Gebiet, beispielsweise bei der Verteilung von Forschungsaufgaben und finanziellen Mitteln verfügte: Ohne seine Zustimmung durften keine Forschungs- oder Publikationsprojekte initiiert werden. In einem Rundbrief führte Brackmann zu den Aufgaben der Gebietsvertreter aus: »Für jedes Land und jede Provinz, deren Ostforscher in der Forschungsgemeinschaft zusammengeschlossen sind, ist ein Vertreter (Gebietsvertreter) bestellt, der die Wünsche und Vorschläge dieser Forscher der Berliner Zentrale (Geschäftsstelle: Publikationsstelle […] übermittelt. Er ist die federführende Persönlichkeit des betr. Gebietes in Sachen der Ostforschung; mit ihm verhandelt die Berliner Zentrale alljährlich in Danzig über die finanziellen Bedürfnisse. […]«144

In der Funktion eines solchen Gebietsvertreters trat Erich Maschke nicht nur zugunsten Theodor Schieders auf, sondern verstand es wohl auch als seine Aufgabe, Vorschläge und Meinungsäußerungen, sofern erwünscht, abzugeben. Dies erklärt seine briefliche Äußerung gegenüber Johannes Papritz, in der er selbstbewusst wie folgt Stellung bezog: »Für die Kahlberger Tagung ist wohl nichts Neues mehr zu sagen. Ich halte es immer mehr für die dringendste Aufgabe dieser Tagung, eine grundsätzliche Klärung über die Lage und die in Zukunft anzuwendenden Methoden der ostdeutschen Wissenschaftsarbeit in Gemeinschaft mit auslandsdeutschen Herren herbeizuführen. Viel141 Politisches Archiv des Auswärtigen Amtes, R 60271, E 061695, zit. n. Haar, Historiker im Nationalsozialismus, S. 215. 142 BA Berlin, Bestand R 153/1220. Schreiben an Johannes Papritz vom 20.6.1934: »Was die Forschungsstelle für Nachkriegsgeschichte angeht, so würde ich mich sehr freuen, wenn es Ihnen gelänge, Herrn Schieder auch pekuniär möglichst sicher zu stellen. Ich habe den Eindruck, dass in ihm ein ganz ausgezeichneter Mitarbeiter für unsere Ostarbeiten gewonnen ist, der daher entsprechende Entwicklungsmöglichkeiten durchaus verdient.« 143 Schieder trat auch andernorts in die Fußstapfen Erich Maschkes. Nach dessen Fortgang aus Königsberg übernahm er die Bearbeitung der Reihe der weltgeschichtlichen Gespräche für den Rundfunk, die Herausgabe der Altpreussischen Forschungen sowie die Arbeit am Taschenbuch für den deutschen Osten. BAK, NL Theodor Schieder N 1188, Nr. 88. 144 Staatsarchiv Marburg, NL Johannes Papritz 340, Nr. 30, Rundbrief der NODFG Nr. 2026/39 vom 10.8.1939.

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leicht wird es sogar recht wichtig sein, wenn die Argumente der auslandsdeutschen Herren über die Notwendigkeit unserer Arbeit möglichst unterstrichen und gegenüber amtlichen Stellen in den Vordergrund gerückt werden.«145

Noch höher in der Hierarchie gestiegen, zeigte auch seine Ernennung zum Beirat oder Fachvertreter für osteuropäische und ostdeutsche Geschichte 1939146 deutlich, dass Erich Maschke innerhalb der NOFG eine herausgehobene Stellung einnahm. Seine Aufgaben als Beirat umschrieb Brackmann, der dafür stets persönlich die Fachleute auswählte147, wie folgt: »Die Beiräte oder Fachvertreter sind die Vertrauensmänner der Forschungsgemeinschaft, an die sie sich in wissenschaftlichen Fragen wendet, für die sie der Beratung und Unterstützung bedarf und für die der betreffende Forscher durch seine wissenschaftliche Arbeit zuständig ist. […] Die Forschungsgemeinschaft erhofft sich von den Beiräten, dass sie ihr mit Rat und Tat behilflich sind und dass sie in provinziellen Fragen ihren Gebietsvertreter auf dringende Aufgaben ihres Fachgebietes aufmerksam machen und ihn mit ihrem Rat unterstützen.«148

Inwieweit Erich Maschke diese Kompetenzen auch ausfüllte, lässt sich schwer bestimmen. Angesichts der großen Vielfalt von Erich Maschkes Engagement verwundert es fast, dass er während seiner Königsberger Jahre auch noch Zeit fand, ein schriftstellerisches Werk von einigem Umfang zu verfassen. Diese wissenschaftlichen und publizistischen Schriften werden im folgenden Gegenstand der Untersuchung sein.

4.5 Vom Deutschen Orden und Ostpreußen – Historiographie in Königsberg Während der Königsberger Jahre blieb Erich Maschke in Studium und Lehre dem Gegenstand seiner alten Neigung, dem Deutschen Orden, treu. Freilich musste er nun sein bündisch verklärtes, weitgehend enthistorisiertes Bild mit der historischen Erscheinung des Deutschen Ordens konfrontieren und auf eine wissenschaftliche Grundlage stellen. Mit Hilfe seines Lehrers Erich Caspar gelang ihm dies und er entwickelte sich zu einem Spezialisten für die Geschichte des Deutschen Ordens in Preußen. Das zeigte sich in einer Vielzahl von wissenschaftlichen und publizistischen Schriften und Artikeln149. Außerdem lenkte 145 BA Berlin, R 153/1220. Brief an Johannes Papritz vom 20.6.1934. 146 BA Berlin, R 153/537. In einer undatierten Übersicht über die Leitung und die Beiräte der NOFG im Nachlass von Johannes Papritz (Staatsarchiv Marburg, NL 340, Nr. 30) werden neben Erich Maschke als weitere Fachvertreter der osteuropäischen und ostdeutschen Geschichte Manfred Laubert, Kurt von Raumer, Hans Uebersberger und Hans Koch genannt. 147 Burleigh, Germany turns eastwards, S. 137. 148 BA Berlin, Bestand R 153/537. 149 Siehe Schriftenverzeichnis.

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die Beschäftigung mit der Geschichte des Deutschen Ordens in Preußen sein Interesse auch auf die Preußenhistoriographie, zu der er einige umfangreichere Aufsätze verfasste. Die größeren historischen Zusammenhänge des Ostseeraumes und Ostmittel­ europas rückten nun ebenfalls in sein Blickfeld. Maschkes Werk dieser Zeit spiegelt nicht nur diese thematische Ausweitung wieder, sondern wie auch sein zunehmendes Engagement in den Einrichtungen der deutschen Ostforschung seine weitere Entwicklung zum Ostforscher und Volkstumshistoriker. Maschkes Schriften, die zu Beginn und Mitte der 1930er Jahre, also in den ersten Jahren des nationalsozialistischen Regimes entstanden, lassen teilweise erkennen, dass er nun in die Betrachtung eines mittelalterlichen Untersuchungsgegenstandes häufiger Bezüge zu aktuellen politischen Fragen und Problemstellungen der Gegenwart einflocht. Davon ausgehend, versuchte er, mit der Darstellung historischer Abläufe oder Ereignisse politische Forderungen und Auffassungen der Gegenwart zu legitimieren und zu stützen. Erich Maschkes Faszination durch den Deutschen Orden und seine langjäh­ rige Auseinandersetzung mit seiner Geschichte stellten sich in diesem Sinne als besonders heikel heraus. Gerade die Beschäftigung mit diesem Thema barg ein großes Potential an Verführungskraft und Möglichkeiten zur Selbstmobilisierung, nahm doch die »Ideologie des Ordensstaates« mitsamt ihres »Ordens­ gedankens« innerhalb der nationalsozialistischen Weltanschauung und Propa­ ganda einen bedeutenden Platz ein150. Sowohl im ideologisch-organisatorischen Bereich wie beispielsweise mit den »Ordensburgen« als auch in den Selbstdarstellungen der nationalsozialistischen Führer war der Deutsche Orden oft und an zentraler Stelle Referenzobjekt. Von daher boten das Thema »Deutscher Orden« bzw. der Ordensgedanke für den ehemaligen Jugendbewegten und nunmehrigen Historiker Erich Maschke geeignete Brücken, um sich dem neuen Regime anzunähern und anzubieten. Maschkes erste bedeutende Veröffentlichung zur Geschichte des Deutschen Ordens in Preußen stellte seine Doktorarbeit »Der deutsche Orden und die Preußen. Bekehrung und Unterwerfung in der preußisch-baltischen Mission des 13.  Jahrhunderts«151 aus dem Jahr 1928 dar. Sie behandelte umfassend die vielfältigen Auseinandersetzungen und Konflikte, die sich aus der Missions- und Eroberungstätigkeit des Deutschen Ordens sowie seinen geistlichen Grundlagen ergaben. Um diese Vorgänge verständlich zu machen, führte Erich Maschke zunächst in die ideellen und geistigen Grundlagen der Ritterorden des Mittelalters ein. Dabei charakterisierte er die christliche Auffassung vom Heidentum und seiner Bedrohung für die christliche Welt und erläuterte in diesem Zusammenhang die Idee der Schwertmission sowie ihre geistliche und politi150 Wippermann, Der Ordensstaat als Ideologie, S. 253; Arnold, Der Deutsche Orden im deutschen Bewusstsein des 20. Jahrhunderts, S. 43–46. 151 Maschke, Der deutsche Orden und die Preußen. Bekehrung und Unterwerfung in der preußisch-baltischen Mission des 13. Jahrhunderts, Berlin 1928.

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sche Problematik. Darüber vergaß er es nicht, den Eintritt des Deutschen Ordens in seinen preußischen Aufgabenbereich in die bisherigen deutschen Missionsbemühungen einzuordnen. Von diesen ideellen, missionsgeschichtlichen und politischen Hintergründen ausgehend, beleuchtete Maschke im Folgenden die Mission des Ordens in Preußen und Livland bis zum Christburger Vertrag im Jahre 1249. Dabei schilderte er detailliert die Interessenkonflikte, Rivalitäten und politischen Kämpfe, in welche der Orden in der Verfolgung seiner Ziele mit konkurrierenden Orden, kurialen Beauftragten, fürstlichen Vertretern anderer Missionsträger sowie mit den Prußen geriet. In diesem Zusammenhang deutete er den Vertrag von Christburg (1249) als temporären Sieg der Kurie über den deutschen Orden auf dessen Weg zur Begründung einer Landesherrschaft sowie als scheinbare Niederlage für die Staatsidee des Deutschen Ordens. In seiner Darstellung der Missionspolitik des Ordens bis zum Ende des 13. Jahrhunderts hob Maschke die neuen, individuelleren Züge in der Herrschaft über die Prußen und seine harten Forderungen gegenüber den Unterworfenen hervor, die in den Vertragsbruch und in den Beginn des prußischen Aufstandes (1260) mündeten. Nach dessen Niederschlagung waren die mehrheitliche Unterwerfung der Prußen unter die Herrschaft des Ordens als Unfreie und die endgültige Festigung der Ordensherrschaft die Folge. Ein knapper Ausblick auf die Geschichte des Ordens in den nächsten zwei Jahrhunderten beschloss das Werk. Betrachtet man das Bild, das Erich Maschke in seiner breitangelegten Schrift vom Deutschen Orden zeichnete, so fallen die Abhängigkeiten von und die rechtliche Bindung des Ordens an die Kurie sowie sein Kampf um die Selbständigkeit auf. Auch das Ende des Ordensstaates im 16. Jh. erklärte Erich Maschke mit dem geistlich-kirchlichen Bezug des Ordens: Die Annahme des Christentums durch den litauischen Fürsten habe den Ordensstaat seiner Idee beraubt. Von einer ausführlichen Darlegung der besonderen Verbindungen des Ordens zum Reich und zum Deutschtum sowie von angeblich völkischen Zielen und Plänen des Ordens war keine Rede. Bis auf einen kritischen Hinweis auf die polnische Geschichtsschreibung waren antipolnische oder revisionistische Äußerungen in der Dissertation ebenfalls nicht anzutreffen. Ein ähnlich sachliches und die geistliche Seite des Deutschen Ordens beachtendes Bild entwarf Erich Maschke in den Schriften und Aufsätzen der folgenden drei Jahre. Besonders hervorzuheben ist unter ihnen Maschkes Aufsatz über den von ihm im Staatsarchiv Königsberg aufgefundenen Briefwechsel zwischen Nikolaus von Kues und dem Deutschen Orden152, der das Wissen über den deutschen Kurienkardinal nicht unwesentlich bereicherte. Doch vermehrt seit 1930/31 und dem öffentlichen Gedenken an die Gründung des »deutschen Ostpreußens« vor 700 Jahren – Erich Maschke trat als Redner auf –, machten sich Veränderungen in seiner Geschichtsschreibung bemerkbar. Nun wies Maschke häufiger direkt und indirekt auf politische Fragen der 152 Maschke, Nikolaus von Cusa und der Deutsche Orden.

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Gegenwart hin und stieg in die Auseinandersetzung zwischen deutschen und polnischen Forschern um politische Fragen in wissenschaftlicher Form ein. Dies fand in unterschiedlichem Maße Eingang in seine Schriften. Auch an seinen Texten zur Preußen-Historiographie153 wird ein solcher Wandel deutlich. Diese Entwicklung vollzog sich allmählich. Dass sie sich nicht in jeder seiner Schriften widerspiegelte und kontinuierlich verlief, ist an Erich Maschkes Habilita­ tionsschrift »Der Peterspfennig in Polen und dem deutschen Osten« zu erkennen. In ihr beschäftigte er sich mit einem »Thema von einzigartiger historischer Prägung«, das nicht nur tief in der Geschichte des Papsttums und in der Finanzund Wirtschaftsgeschichte des Mittelalters wurzelte. Es reichte auch in die Auseinandersetzungen zwischen dem Deutschen Orden und Polen im 14. Jahrhundert sowie in die gesamte ostmitteleuropäische Vergangenheit hinein. In seinem Werk zeichnete Erich Maschke den Beginn der Erhebung des Peters­ pfennigs im mittelalterlichen Europa nach und ging ausführlich auf seine Zahlung in Polen, Schlesien, Pommerellen, im Kulmer Land sowie in einigen polnischen Bistümern ein. Die Wandlungen des Peterspfennigs von einem kurialen Zins, mit dem ein bestimmtes Gebiet in ein Schutzverhältnis mit der Kurie trat, zu einer Steuer politischen Charakters, weiter zu einem Mittel päpstlicher Finanzpolitik und in der späteren Entwicklung zu einer landesherrschaftlichen Steuer stellte Maschke detailliert dar. Er ordnete diese Wandlungen ein in den weit­räumigen Komplex von juristischen, politischen, kirchlichen und nationalen Verflechtungen, wirtschaftlichen Entwicklungslinien und Interessenkonflikten im behandelten Gebiet. Dabei nahmen seine Ausführungen über die zunächst freiwillige, dann seit dem 14. Jh. gezwungenermaßen erfolgte Zahlung des Peterspfennigs im Staat des Deutschen Ordens großen Raum ein. In seiner umfassenden Schrift, die 1979 eine Neuauflage erlebte154, gelang es Maschke darüber hinaus, offene Detailfragen in der Erhebung und Zahlung des 153 Siehe Schriftenverzeichnis. Hatte sich sein größerer Aufsatz über den Vater der preußischen Geschichtsschreibung Johannes Voigt 1928 nationalistischer oder revisionistischer Bemerkungen und Anspielungen weitgehend enthalten, so war dies in seiner 1931 für die Königsberger Festschrift zum 700jährigen Bestehen Ostpreußens erweiterten Antrittsvorlesung über Quellen und Darstellungen in der Geschichtsschreibung des Preußen­landes nicht mehr der Fall. Im Schlusswort erklärte er es für notwendig, aus den historischen Quellen »Waffen im Existenzkampf [Ostpreußens – d. Vf.] zu schmieden, wie es in viel­ seitiger Weise etwa von den Danziger Historikern geschieht.« (Ebd. S. 39.) Damit meinte er die politische Geschichtsschreibung eines Erich Keyser. Auch in einer anderen Rede unterstrich er nun ausdrücklich den deutschen Charakter des Landes. 154 Siehe Schriftenverzeichnis. Walter Kuhn rezensierte die neue und erweiterte Auflage in ZfO, 1981, 30. Jg., S. 400–401 wie folgt: »Seine Darstellung, vor allem ihre sachliche, beiden Seiten gerecht werdende Haltung hat bei Deutschen wie bei Polen uneingeschränkte Zustimmung gefunden. Sie hat das Thema in einem Maße erschöpft, dass bis heute nichts wesentlich Neues dazu geschrieben wurde.« Eine Liste der Rezensenten druckte Erich Maschke in dieser Neuauflage ab. Ebendort nahm er auch Stellung zum aktuellen Forschungsstand über den Peterspfennig.

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Peterspfennigs zu klären und ein sachliches, aber lebendiges Bild von der rechtlichen und nationalen Differenzierung des untersuchten ostmitteleuropäischen Raumes zu geben. Seine Habilitationsschrift war frei von einer Politisierung des behandelten Themas, von einer nationalistischen oder völkischen Verengung der Perspektive und völkischem Vokabular. Sie schrieb die Geschichte des Deutschen Ordens, ohne sich dabei mit ihm zu identifizieren. Zur großen Bedeutung seines Werkes trug auch das reiche Quellen- und Archivmaterial bei, das Maschke seiner Arbeit zugrundelegte. Neben Dokumenten aus deutschen Archiven wertete er auch Quellen aus polnischen Archiven und dem Vatikan aus und verwendete fremdsprachige Fachliteratur, darunter polnische Forschungen. So wurde seine Schrift zu einem »Markstein in der mitteleuropäischen Geschichtsschreibung, auch der polnischen«155 und begründete seinen Ruf in der polnischen und deutschen Fachwelt. Auf weitaus kritischere Resonanz innerhalb der damaligen polnischen Forschung156 stieß eine Monographie von Erich Maschke, die nur ein Jahr später, 1934, erschien. In ihr hatte er die Vorgänge um die Berufung des deutschen Ordens nach Preußen aus dem Zusammenhang der polnischen Geschichte thematisiert157. Dies waren historische Vorgänge, deren Ablauf und Deutung zwischen polnischer und deutscher Forschung für heftige Diskussionen sorgten, da mit ihnen u. a. die Frage nach der Rechtmäßigkeit der einsetzenden deutschen Besiedelung im Mittelalter verbunden war. In seiner Schrift schilderte Maschke zunächst die polnische Missionspolitik bis zum 13. Jahrhundert und das langsame Eindringen des deutschen Einflusses durch die deutsche Ostsiedlung. Anhand von Quellentexten prüfte er die historische Lage in Masovien kurz vor dem Ruf an den Deutschen Orden und beschrieb danach die ersten Schritte des Ordens auf dem Weg nach Preußen. Die innenpolitischen Hintergründe für die Wiederaufnahme der Verhandlungen Konrads von Masovien mit dem Deutschen Orden und seine Schenkung des Kulmer Landes und der noch zu erobernden preußischen Gebiete bildeten Schwerpunkte seiner Darstellung, bevor Erich Maschke ausführlich die Echtheit des Privilegs von Kruschwitz diskutierte. Dabei kam er zu dem nationalistisch tönenden Schluss: 155 Biskup, Erich Maschke – ein Vertreter der Königsberger Geschichtswissenschaft aus polnischer Sicht, S. 99. 156 Vgl. die Rezensionen von Tymieniecki in: Roczniki Historyczne 11 (1935), S. 265–274 sowie von Zajaczkowski in: Kwartalnik Historyczny 49 (1935), S. 142–154. Für die deutsche Forschung siehe die Rezension von Krollmann, in: Altpreußische Forschungen 1934, S.  138–139 und Lampe, in: Baltische Studien 1935, S.  365–366. Siehe auch Kapitel »Der Nachbar Polen«. 157 Maschke, Polen und die Berufung des Deutschen Ordens (= Ostland-Forschungen, 4), Danzig 1934. Zu den Ergebnissen der neueren Forschung über die Berufung des Deutschen Ordens Löwener, Die Einrichtung von Verwaltungsstrukturen in Preußen durch den deutschen Orden bis zur Mitte des 13. Jahrhunderts, Wiesbaden 1998.

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»An sie [die Einschätzung der Politik Konrads – d. Vf.] ist die Frage geknüpft, ob die Ankunft des Ordens in Preußen mit einem Rechtsbruch begann oder nicht. Selbst wenn dem so wäre, hinge der Sieg des deutschen Elementes in Preußen nicht von jener Urkunde ab. Die Geschichte von sieben Jahrhunderten hat tiefere und echtere Rechte dafür geschaffen, dass das Preußenland heute bedingungslos und in jeder Hinsicht deutsch ist, als sie je irgendein Privileg des masowischen Herzogs hätte verleihen können.«158

Nicht nur an dieser Stelle stimmte Maschkes Schrift in die deutsch-polnische wissenschaftliche Auseinandersetzung159 ein. Die ganze Arbeit durchzogen ironische und sarkastische Bemerkungen zu polnischen Forschungen, deren Aussagen er als unwissenschaftlich und tendenziös zurückwies. Die Wechselseitigkeit dieses Vorwurfes und die Aufeinanderbezogenheit der Forschungen zu den polnischen West- bzw. deutschen Ostgebieten160 fielen ihm nicht auf. Seine eigene Charakterisierung des historischen Polen trug auch nicht zu einer Versachlichung der Debatten bei und entbehrte nicht selbst einer deutlichen Tendenz: So sei Polen aus unterschiedlichen Gründen nicht in der Lage gewesen, Preußen zu missionieren; Polen habe ein gewisses »Sendungsbewusstsein« gefehlt und es sei hinsichtlich der kirchlichen Leistungsfähigkeit, kulturellen Duchdringung und seines politischen Vermögens Deutschland unterlegen gewesen – kurz, Polen habe als christliches Volk versagt. Es sei an der ihm gestellten Aufgabe völlig gescheitert. Diese Aufgabe der Missionierung habe erst der Deutsche Orden erfolgreich bewältigt. Maschke formulierte in seiner Schrift die zweifelhafte Erkenntnis, dass alle in Polen wirkungsmächtig gewordenen Personen, Ideen, Vorgänge und Ereignisse vom Reich bzw. von den Deutschen beeinflusst worden wären. Diese Form der Kulturträgerthese postulierte er durchgängig in seiner Schrift. Eine deutliche Veränderung zeigte sich auch an anderer Stelle, d. h. in seiner Darstellung des Deutschen Ordens und seines preußischen Staates. Dieser entsprang seiner Ansicht nach nun »dem schöpferischen Handeln eines großen politischen Willens«161 und einem »Willen zum Staat« und er wusste »die Geschichte jener Tage, die die Deutschen an die Weichsel führte, [noch heute] in uns lebendig.«162 Maschkes deutschtumszentrierte Sichtweise beeinflusste nun auch seine Darstellung der deutschen Ostsiedlung. Die Unterstützung des Deut158 Maschke, Polen und die Berufung des Deutschen Ordens, S. 57. 159 »Aber wir lieben nicht nur, was durch innerste Bindungen zu uns gehört, sondern bejahen die Anfänge des Ordensstaates als Gesamterscheinung in der Ehrfurcht, die wir vor allem historischen Geschehen zu haben wünschen. Die gleiche Ehrfurcht aber fordern wir von jedem andern Historiker, und nicht zuletzt von den polnischen, die sie seit Jahrzehnten mehr und tiefer verletzt haben, als es in anderen Nationen Europas üblich ist.« Ebd. 160 Vgl. dazu Piskorski/Hackmann/Jaworski (Hg.), Deutsche Ostforschung und polnische Westforschung im Spannungsfeld von Wissenschaft und Politik. Siehe auch das Kapitel »Der Nachbar Polen«. 161 Maschke, Polen und die Berufung des Deutschen Ordens, S. 5. 162 Ebd., S. 57.

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schen Ordens bei seiner Missions- und Eroberungstätigkeit durch Kreuzfahrer auch aus slawischen Fürstentümern vergaß er dagegen zu erwähnen163. In welche völkische, von der Ideologie des Nationalsozialismus beeinflusste Richtung sich Maschkes Geschichtsschreibung entwickelte und welche Akzente er zunehmend in seiner Darstellung des Deutschen Ordens setzte, zeigen nicht nur seine meist publizistischen Beiträge dieser Jahre164, sondern ganz besonders seine Sammlung von Essays über die Hochmeister des Deutschen Ordens in Preußen. Dieser Schrift begegneten die deutschen Rezensenten mit großem Wohlwollen165. In ihr beschrieb er anhand der Lebensbilder einzelner Hochmeister die politische Geschichte des Deutschen Ordens und seines preußischen Staates, dessen innere Problematik, den Verwaltungsaufbau, seine Beziehungen zur eigenen Bevölkerung und zu den Nachbarn. Maschke unternahm darin den Versuch, den deutschen Orden mit Hilfe nationalsozialistischer Terminologie mit dem Nationalsozialismus zu verbinden und ihn zu ideologisieren: »… was in unserer Zeit nach Gestaltung drängt, ist dem Wesen und Werk jenes Ordens der Deutschen im Tiefsten verwandt. Wieder sind Soldat und Staatsmann eins. Wieder wachsen Staat und Volk aus dem Werke der Gemeinschaft. Wieder herrscht die Idee des Ordens, wenn es gilt, in strengster Auslese und höchster Bindung dem deutschen Staate die Verfassung seiner Führerschicht zu geben, damit sie in Treue gegen Führer und Volk, verbunden in Blut und Werk, herausgehoben zu einer Aristokratie des bereitesten Dienstes und Einsatzes, aus den folgenden Geschlechtern nachwachsend und sich ergänzend, das Leben und die Größe des Volkes für alle Zukunft sichere.«166

Die hier bewusst von Erich Maschke vorgenommene Annäherung des Deutschen Ordens an das Gedankengut des Nationalsozialismus und die Gegenwart des Dritten Reiches beschränkte sich jedoch nicht auf das Vorwort. Auch in den Kapiteln über die einzelnen Hochmeister selbst versuchte er, allerdings in unterschiedlichem Maße, Parallelen zu ziehen und auf diese Weise den Nationalsozialismus in eine historische Kontinuität zu stellen und zu le163 Vgl. mit Krollmann, Der Deutsche Orden in Preußen, S. 55–56. 164 Vgl. dazu Schriftenverzeichnis. Ein Beispiel dafür bilden Maschkes Schlussworte aus ders., Ein Bild des preußischen Ordensstaates, S.  7–8: »Dieser preußische Ordensstaat steht vor uns als eine große geschichtliche Leistung ostdeutschen Volkes. Er lässt uns das wunderbare Verhältnis von Idee und Macht im Werden eines Staates tiefer verstehen. Er hält uns die Idee des Preußentums lebendig, die von den Rittern des deutschen Ordens zum ersten Male geformt wurde. Er steht in einer Beziehung neu vor uns, wie noch kein Geschlecht bisher ihn als Symbol verstand: im Verhältnis einer großen, in Dienst und Treue an einen Führer gebundenen Bruderschaft zu dem Staate, den sie aus ihrem innersten Wesen heraus schafft.« Vgl. dazu die das Mittelalterliche im Deutschen Orden hervorhebende Schrift von Erich Caspar, Vom Wesen des Deutschordensstaates. Rede gehalten beim Antritt des Rektorats am 6. Mai 1928, Königsberg 1928. 165 Die Lebendigkeit und die Allgemeinverständlichkeit der Darstellung wurden besonders hervorgehoben. Vgl. die Rezension von Weise, in: Baltische Studien 1936, S. 446–447. 166 Maschke, Der Deutsche Ordensstaat. Gestalten seiner Meister, Hamburg 1935, Vorwort (2. Auflage 1940, 3. Auflage 1943).

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gitimieren. Aus Ansatz und Konzeption des Werkes, die in der Konzentration auf Führergestalten einen Bezug zur Gegenwart herstellten, ergaben sich jedoch einige Widersprüche und Ungereimtheiten167. Im ersten Kapitel der Schrift beschäftigte sich Erich Maschke mit dem »Wesen des Ordensstaates«. Seine Darstellung gab wichtige Aspekte des Deutschen Ordens und des Ordensstaates in zutreffender, aber gefärbter und tendenziöser Weise wieder und verwendete dafür Begriffe, die teilweise einen aktuellen Inhalt suggerierten, den historischen Gegebenheiten und Verhältnissen aber nicht gerecht wurden. So stellte Maschke besonders den »männlichen« und »harten« Charakter des Ordens, die Gehorsamspflicht und Dienstgesinnung der Mitglieder heraus und wies der »Bruderschaft« Machtbewusstsein und »Willen zur Macht« zu168. Die geistlich-christliche Seite des Ordens dagegen verschwieg er zwar nicht direkt, schilderte sie aber nicht in annähernd dem Umfang wie die ritterlich-weltliche. Auf die Bedeutung der Missionsaufgabe und die Idee von der Bekehrung der Heiden zum Christentum, welche er meist mit »die Idee« umschrieb169, ohne ihren religiösen Inhalt zu erläutern, ging er nur am Rande ein. Auch unterließ er es an dieser Stelle, auf den Ordensstaat als Missionsstaat hinzuweisen. Dies holte er im Kapitel über Hermann von Salza zwar teilweise nach, allerdings verschob er auch hier die Gewichte hin zum Bild einer besonders starken Bindung des Ordens an das Reich und weniger an Kirche und Papsttum. Die Tendenz, dem Handeln historischer Persönlichkeiten Ideen der Gegenwart zu unterlegen und diesen Personen im Sprachgebrauch der Gegenwart positiv konnotierte Eigenschaften zuzusprechen, zeigte sich auch in den folgenden Kapiteln sowie in den Charakterisierungen der weiteren Hochmeister, besonders in der Heinrichs von Plauen. Diesen stilisierte er zu einer Art einsamer Führergestalt. Die in diesem Werk vollzogene Politisierung des deutschen Ordens und das zu Tage tretende völkische Denken wirkten sich auch auf die Darstellung der sogenannten Ostkolonisation aus. Die Einführung neuer historischer Kategorien wie eines »ewigen Rechts vor der Geschichte«, »eines Gesetzes des Daseins«, einer »deutschen Pflicht« des Ordens und »deutschen Sendung des Volkes im 167 Einerseits betonte Erich Maschke die Bindung der Hochmeister an die Ordensregel und an die Entscheidungen des Ordenskonventes, die allein die Bruderschaft zum Träger der Verantwortung gemacht hätte. Andererseits stellten die Essays aber gerade die Hochmeister als Verantwortungsträger, ihre Einzeltaten und -entscheidungen als geschichtsprägend dar. Auch die Auswahl der charakterisierten Hochmeister erscheint in sich nicht schlüssig. Nach Maschkes Ansicht waren die »Führer des Ordens« auch der »reinste Ausdruck seines Wesens« (S. 21), die den Orden »in Stunden geschichtlicher Entscheidung« geführt hatten. Vor diesem Hintergrund ist nicht recht ersichtlich, warum er Luther von Brandenburg oder Winrich von Kniprode in seine Darstellung aufnahm – Hochmeister, in deren Zeit eher Stabilisierung und Blüte des Ordensstaates fielen als Stunden »geschichtlicher Entscheidungen«. 168 Maschke, Der Deutsche Ordensstaat. Gestalten seiner Meister, S. 16. 169 Ein Beispiel dafür (S. 15): »Die Brüder konnten sich nicht damit begnügen, einer Idee zu dienen, sondern sie wollten den Sieg und die Macht dieser Idee.«

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Osten« sowie die Verwendung des Begriffes »Lebensraum« trugen zum bedenklichen Charakter der Monographie ebenso bei. Diese Entwicklung Erich Maschkes zeigte sich nicht nur in publizistischen Beiträgen170 und wissenschaftlichen Monographien zur Deutschordensgeschichte, sondern schlug sich auch in den Schriften nieder, die das Miteinander der Völker, Volksgruppen, Nationen und Staaten in Ostmitteleuropa und im Ostseeraum in den Blick nahmen. Unter diesen Beiträgen ist zunächst sein Werk über den Beginn des Nationalbewusstseins im deutsch-slavischen Grenzraum zu nennen171. Der Impuls Maschkes, sich mit einem solchen Thema zu beschäftigen, nährte sich aus der politischen Situation der Gegenwart. Er selbst schrieb dazu, dass diese Fragestellung »aus der lebendigen Erfahrung dieser Aufgaben, die im deutschen Nordosten nach einer Lösung drängen, aus der innersten Verbundenheit mit der eigentümlichen geistigen Lage Ostpreußens und seiner Universität Königsberg«172 und aus der »gegenwärtigen Not« unmittelbare Anregung erhalten habe. In allgemeinen Vorüberlegungen zum Thema bezeichnete er die Verschieden­ heit der Sprache von Völkern als bedeutendsten Ansatzpunkt für alle Bewusstseinsvorgänge, aus welchem sich die Wahrnehmung der Andersartigkeit und Fremdheit sowie erste Gegensätzlichkeiten zwischen den Völkern entwickelten. Dieser Vorgang verlief seiner Ansicht nach in Randzonen und Grenzgebieten in einer besonderen Weise. Daher hielt Erich Maschke eine gesonderte Betrachtung der historischen Auseinandersetzung der Deutschen mit ihren slawischen Nachbarn unter dieser Fragestellung für gerechtfertigt und lohnend. Als grundlegend für den Verlauf der Differenzierungsprozesse im Osten Europas bezeichnete er die Wahrnehmung des Unterschiedes zwischen Christentum und Heidentum. In seine Erläuterungen zu diesem Gegensatz führte er jedoch einen weiteren, angeblich historischen Unterschied ein, der abgrenzend wirkte und auf welchen er häufig zurückkam – auf den des Instinktes: »Trotz der Verpflichtung der deutschen Kirche zur Mission unter den Slaven muß sich schon früh eine tiefe instinktive Abneigung entwickelt haben, die sich geradezu als physischer Ekel ausdrückte.«173 170 Ein Beispiel dafür ist Maschkes Artikel: Die Masuren in Geschichte und Gegenwart, S. 373: »Die Wahlen des 12. März ergaben in allen Kreisen […] eine absolute nationalsozialistische Mehrheit, die sich mehrfach zur Zweidrittelmehrheit steigerte! […] Was bedeuten diese Zahlen? Sie besagen nichts anderes, als ein eindeutiges Bekenntnis zum nationalsozialistischen Staat und seinem Führer. Sie beweisen, dass die Masuren ohne Rücksicht auf ihre sprachliche Zugehörigkeit, ihre Staatsgesinnung, die einst dem Preußischen Staate diente, auf den neuen Staat übertragen haben. Der Staat der Ordnung, der Zucht und Ehre, der Staat, der um die Not des Bauern weiß und zur endgültigen Abhilfe entschlossen ist, hat die Masuren zu seinen treuesten Anhängern gewonnen.« 171 Maschke, Das Erwachen des Nationalbewusstseins, 1933. 172 Ebd., S. 51. 173 Ebd., S. 19, auch S. 11, S. 18.

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Die eigentliche Wendung des heidnisch-christlichen Gegensatzes in einen deutsch-slavischen bzw. deutsch-polnischen und deutsch-böhmischen vollzog sich seiner Meinung nach mit dem Einsetzen der ostdeutschen Kolonisation im 12. Jahrhundert. Die eigentliche Auseinandersetzung zwischen Deutschen und Polen habe im 13. Jahrhundert begonnen und in rechtlichen und innerkirchlichen Problemen gewurzelt, welche in Polen Abwehr- und Verteidigungsbereitschaft hervorriefen und sich in deutschfeindlichen Äußerungen und Handlungen entluden. Mit der Wende zum 14. Jahrhundert fand Erich Maschke ein »übersteigertes volkliches Selbstbewusstsein« voll ausgebildet, das sich nicht nur auf den polnischen Klerus beschränkte, sondern in großen Teilen der Bevölkerung Fuß gefasst hatte. Die gleichen Symptome einer gesteigerten Feindschaft gegen alles Deutsche setzten sich im 14. Jahrhundert auch in Böhmen durch. Diese entzündete sich aber an anderen Fragen, wie an der Frage der Heiligenverehrung und der Bedeutung der jeweiligen Sprache für territoriale Ansprüche und Forderungen. Der nächste Teil von Maschkes Darstellung fragte nach dem nationalen Bewusstsein der Deutschen im Osten in der 1. Hälfte des 14. Jahrhunderts. Hier stellte Maschke fest, dass sich im Schrifttum der Missionsstaaten am Südost­ ufer der Ostsee kaum Spuren eines auf »Volk« bezogenen Bewusstseins erkennen ließen. Der Kampf zwischen Heidentum und Christentum, welches häufig mit dem Deutschtum zu einer Einheit verschmolzen wurde, sowie der universale Charakter des geistlichen Ordensstaates habe die Ausbildung eines Gegensatzes zwischen den Völkern behindert. Im Südosten der deutschen Siedlungsgebiete sei es dagegen zu einer Wahrnehmung dieser Gegensätze gekommen, aber auch hier hätten sich keine Belege für die Entstehung eines Volksbewusstseins gefunden, das sich mit tiefem Hass gegen das andere Volk wandte, wie es in den Quellen der slavischen Völker zu finden gewesen war. Einen Grund dafür erblickte Erich Maschke in der Reichsbezogenheit der Deutschen. In seiner Zusammenfassung meinte er, die tiefere Ursache für die unterschiedliche Art, durch Abgrenzung zum Bewusstsein der eigenen Volksindividualität zu kommen, im unterschiedlichen Volkscharakter von Deutschen, Polen und Böhmen gefunden zu haben: »In der Ausrichtung auf das Du, auf das andere Volk entsprachen sich vor allem Deutsche und Slaven. Umso tiefer aber unterschied sich ihre Art, wie sie durch die Abgrenzung der fremden Volksindividualitäten zum Bewusstsein ihrer selbst kamen. In der Härte, Unerbittlichkeit und Schärfe dieser Erkenntnis waren die beiden slavischen Völker den Deutschen zweifellos überlegen, und wir vermochten schließlich allein ihre Charaktere als Begründung dieses auffallenden Unterschiedes anzuführen. Sollen wir darum trauern, dass uns die hasserfüllte Schärfe des politischen Bewusstseins abgeht?«174

174 Ebd., S. 50.

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Nicht nur die Wahl des Themas zeugte von volksgeschichtlichen Einflüssen auf Maschkes Geschichtsschreibung, auch in den verwendeten Formulierungen wurden sie erkennbar. Nationalistische Äußerungen und politische Aussagen gegen Polen sind nicht anzutreffen, doch kann man sich eines ambivalenten Eindruckes nicht erwehren, wenn Erich Maschke von »ökonomischer Minderwertigkeit«175 der Slawen und sogar von »Fronten« sprach. Zum gleichen Thema hatte Erich Maschke auf dem 18. deutschen Historikertag 1932 in Göttingen einen Vortrag gehalten und damit zur Dominanz der Ostfragen auf der Versammlung beigetragen176. Nicht nur sein Referat, sondern auch die Beiträge von Hans Rothfels, Walter Recke, Josef Pfitzner und Hermann Aubin zu Aspekten der Geschichte des deutschen und europäischen Ostens waren auf das größte Interesse gestoßen und hatten eine für die vorangegangenen Historikertage ungewöhnliche Gegenwartsnähe des Programms gesorgt. In bis dahin unbekannter Weise wurde der Pflicht zum Dienst am Volksganzen Ausdruck verliehen177 und – in Erich Maschkes Worten – ein »Bekenntnis zu den entscheidenden Aufgaben, welche auch der deutschen Geschichtsschreibung im Osten erwachsen«178, abgelegt. Die Teilnahme und Vortragstätigkeit Erich Maschkes auf dieser Historikerversammlung ist sowohl für sein Bekanntwerden innerhalb der »Zunft«, als auch für seine Reputation unter den Spezialisten der Osteuropahistoriker, Ostforscher und Volkstumshistoriker nicht zu unterschätzen179. Weitaus deutlicher als in diesem Vortrag und in der gleichnamigen Schrift ging Erich Maschke in einer anderen Schrift auf politisch umstrittene Fragen der Gegenwart ein. Seine Schrift »Das germanische Meer. Die Geschichte des Ostseeraumes«180 beschäftigte sich mit der Frage, »in welchem Umfang das Teilhaben am Ostseeraum das politische Gesamtschicksal dieser Völker und Staaten bestimmte und wie weit der Kampf um das dominium maris Baltici für sie überhaupt zum geschichtlichen Schicksal wurde.«181 Daher beleuchtete Erich Maschke in einem großen zeitlichen Abriss von der Bronzezeit bis zur Gegenwart die Bemühungen und Kämpfe verschiedener Völkerschaften und Nationen, Staaten und wirtschaftlich-politischer Verbände um die Vorherrschaft im Ostseeraum. Er bezog die frühen Missionsversuche, die Christianisierung sowie die Reformation in diesen Zusammenhang mit ein und kam zu dem Schluss:

175 Ebd., S. 22. 176 Siehe Maschkes Bericht über den Historikertag, in: HZ 147 (1933, S. 263–265). Zu diesem Historikertag auch Heiber, Walter Frank und sein Reichsinstitut für Geschichte des neuen Deutschlands, Stuttgart 1966, S. 745. 177 Dazu auch Schumann, Die deutschen Historikertage von 1893 bis 1937. Die Geschichte einer fachhistorischen Institution im Spiegel der Presse, Diss. Marburg 1974, S. 400. 178 Maschke, Das Erwachen des Nationalbewusstseins, 1933, S. 51. 179 Vgl. dazu den Briefwechsel zwischen Maschke und Brandi 1932–1933 im Nachlass Karl Brandi, Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen, Nr. 47. 180 Maschke, Das germanische Meer. 181 Ebd., S. 3.

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»Wenn aber Jahrtausende von der Geschichte des Ostseeraumes zeugen, so zeugen sie von der Geschichte der Germanen und ihrer Nachfahren, der skandinavischen Völker und der Deutschen. Im großen und wunderbaren Zuge der Jahrtausende war die Ostsee: das germanische Meer.«182

An diesem Werk sticht mehreres ins Auge. Zum einen zeigte sich erstmals ein Denken in geopolitischen Großräumen und Konstellationen, bei deren Schilderung er die Bedeutung der Slaven nur am Rande erwähnte. Dies hatte möglicherweise seine Ursache in der Ablehnung der Bestimmungen des Versailler Vertrages, die Polen einen Zugang zur Ostsee eröffneten. Auch hob er den germanischen Einfluss auf die Gestaltung des Ostseeraumes besonders hervor. Zum anderen kam völkisches Denken voll zum Tragen und Aspekte einer Germanenverherrlichung sowie eines Rassedenkens traten auf, beispielsweise in der Charakterisierung der polnisch-schwedischen Union: »Fast möchte man sagen: die nordisch-slavische Union widersprach so sehr der Natur, dass sie sofort in bittere Feindschaft der beiden Völker umschlagen musste.«183

Auch Bemerkungen, die Linien zwischen dem Beschriebenen und aktuellen politischen Fragen im Sinne einer Politisierung der Vergangenheit herstellten, waren häufig. Spätestens mit dieser Schrift hatte sich Erich Maschke in die Gruppe der politischen Historiker eingereiht. Insgesamt bleibt zu konstatieren, dass er mit diesen teilweise sehr bedeutenden Schriften den Grundstein für seine wissenschaftliche Reputation als Experte für die Geschichte des Deutschen Ordens und seines preußischen Staates legte, diese Werke der Königsberger Zeit aber Schriften von sehr unterschiedlicher wissenschaftlicher Qualität und Nähe zur Tagespolitik umfassten, wobei die Tendenz zu einer Politisierung unübersehbar war.

4.6 Der Nachbar Polen In den Jahren seines Königsberger Wirkens entwickelte Erich Maschke ein Interesse an Geschichte und Gegenwart Polens, das allein mit einem Hinweis auf die Lage Königsbergs und die politische Situation innerhalb der ostpreußischen Exklave in den späten zwanziger und dreißiger Jahren nicht zu erklären ist. Die geographische Nähe des polnischen Nachbarn war in ihren wirtschaftlichen und politischen Auswirkungen in vielen Bereichen zwar stets gegenwärtig – sie führte aber trotzdem nicht zu einer verstärkten intellektuellen, wissenschaftlichen und kritischen Auseinandersetzung deutscher Forscher mit Fragen der polnischen Vergangenheit und Gegenwart jenseits der Tagespolitik und Polemiken um abgetretene Gebiete, Bestimmungen des Versailler Vertrages so182 Maschke, Das germanische Meer, S. 40. 183 Ebd., S. 24.

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wie um die Benachteiligung der deutschen Minderheit. Polen wurde im Gegenteil verächtlich als »Saisonstaat« bezeichnet, dessen Existenzberechtigung angezweifelt wurde. Daher stellten die intensive und ernsthafte wissenschaftliche Beschäftigung Maschkes mit der polnischen Vergangenheit und Gegenwart zeitweilig eine Besonderheit dar. Auch wenn ihn eben diese Ernsthaftigkeit seines Bemühens von deutschen Historikerkollegen positiv abhob, so bleibt doch fraglich, ob Maschke sich dabei in jedem Fall auf gleicher Augenhöhe mit polnischen Forschern und mit Repräsentanten des modernen Polen fühlte184. Maschkes Beschäftigung vollzog sich im Rahmen der deutschen Ostforschung, aber auch vor dem Hintergrund der polnischen Westforschung und daher in dem zwischen beiden Forschungsrichtungen bestehenden beziehungsgeschichtlichen Spannungsfeld: Die Wechselwirkungen und Interaktionen, Parallelitäten und Ähnlichkeiten zwischen deutscher Ost- und polnischer Westforschung waren vielgestaltiger Art185. Beide Forschungsrichtungen pflegten in ihrer inhaltlichen, thematischen und geographischen Bezogenheit aufeinander186 wissenschaftliche Erkenntnisse über den deutsch-polnischen Durchdringungsbereich in Vergangenheit und Gegenwart vorrangig unter dem Blickwinkel ihrer aktuell-politischen Einsetzbarkeit zu betrachten. Der polnischen Westforschung ging es zu diesem Zeitpunkt vor allem um die Abwehr der deutschen Revisionsbestrebungen. Aber auch die 184 Vgl. dazu Maschkes Äußerungen in Publizistik und wissenschaftlichem Werk, die die so genannte Kulturträgerthese aufgriffen (Kapitel 3.5). In Maschkes Exposé seines geplanten Werkes über das »Deutschtum in Polen« heißt es 1932: »Wenn Polen heute strukturell als Teil Europas gelten kann, so hat es das zunächst den deutschen Einflüssen zu verdanken, wie andererseits noch die inneren Spannungen, die die Innenpolitik Polens in der Gegenwart beherrschen, sich historisch u. a. daraus erklären, dass der um Stadtrecht und Bürgertum kristallisierte Rezeptionsprozeß doch in seiner Künstlichkeit keinen wirklichen organischen Aufbau eines modernen Volkes vollständig vollziehen konnte.« BA Berlin, R 153/1220. 185 Zur Problematik der wechselseitigen Beeinflussung von deutscher Ost- und polnischer Westforschung siehe die Beiträge von Jan M. Piskorski in Verbindung mit Jörg Hackmann und Rudolf Jaworski (Hg.), Deutsche Ostforschung und polnische Westforschung im Spannungsfeld von Wissenschaft und Politik; Hackmann, Deutschlands Osten – Polens Westen als Problem der Geschichtsschreibung, S. 209–236; Hackmann, Ostpreußen und Westpreußen in deutscher und polnischer Sicht, S. 169–200, S. 210–252. Zur polnischen Westforschung besonders Piskorski, »Deutsche Ostforschung« und »polnische Westforschung«, S. 379–389; Krzoska, Deutsche Ostforschung – polnische Westforschung: Prolegomena. Zur polnischen Westforschung und zum Westgedanken ebd. und u. a. Mroczko, Polska myśl zachodnia 1918–1939; Czubin˙ski, Instytut Zachodni; Piotrowski, O Polską nad Odrę i Bałtykiem; Hackmann, Strukturen und Institutionen der polnischen West­ forschung (1918–1960); Piskorski, Volksgeschichte á la polonaise; Krzoska, Für ein Polen an Oder und Ostsee, S.175–192; ders., Nation und Volk als höchste Werte, S. 297–311. 186 Markus Krzoska spricht schon von einer »fast manischen Fixierung aufeinander«. Krzoska, Deutsche Ostforschung – polnische Westforschung. Prolegomena, S. 412. Erich Maschkes Redebeiträge auf der Tagung der NOFG in Schellerhau bringen diesen Bezug aufeinander deutlich zum Ausdruck.

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polnischen Westforscher stellten darüber hinaus die bestehende polnische Westbzw. deutsche Ostgrenze in Frage, indem sie auf die »Wiedergewinnung« Pommerns, Ostpreußens, der Neumark und ganz Schlesiens sowie auf eine Reslavisierung bzw. Repolonisierung der Bevölkerung dieser Länder abzielte. Die Auseinandersetzung zwischen polnischer West- und deutscher Ostforschung führte auf beiden Seiten zur Ausprägung einer deutlichen Lagermentalität. Was aber faszinierte Erich Maschke als einen der wenigen deutschen Historiker dieser Zeit trotz dieser Lagermentalität so stark an der Geschichte und Gegenwart Polens, dass er sich nicht nur in Königsberg, sondern auch zeit seines Lebens damit beschäftigte187? Es erscheint nahe liegend, den ursprünglichen Impuls für diese Beschäftigung in Maschkes Auseinandersetzung mit den politischen Gegebenheiten nach dem Ende des Ersten Weltkrieges sowie mit den Veränderungen infolge des Versailler Vertrages zu suchen. Damit einher ging sein frühzeitiges Interesse an Fragen des Grenz- und Auslandsdeutschtums und dessen Begegnung mit der jeweiligen Staatsnation. Angesichts der politischen und sozialen Lage der deutschen Minderheit in Polen nimmt es daher nicht wunder, dass besonders Polen und das deutsch-polnische Verhältnis in sein Blickfeld gerieten: Wie Erich Maschke selbst in seinen autobiographischen Notizen schrieb, habe er sein Augenmerk mit Vorliebe auf das Verhältnis von Völkern188 gerichtet. In engem Zusammenhang damit führte Maschke einen weiteren Aspekt an, der ihn an der Geschichte Polens interessiert habe: die Selbstbehauptung des polnischen Volkes nach der Zeit der Teilungen des 18. Jahrhunderts189. Dieser Zeitraum »fesselte« ihn, wie er schrieb. Auch Maschkes Rundfunkvorlesung190 aus dem Jahre 1966 im Rahmen der Polnischen Wochen des SWR spiegelte diese Faszination und darüber hinaus noch sein Festhalten an seiner alten »Orientierung auf das Volk«191 wider. Für Maschkes Beschäftigung mit gerade diesem staatenlosen Zeitraum der polnischen Geschichte dürfte wohl ausschlaggebend gewesen sein, dass diese historische Phase vorrangig eine Geschichte des polnischen Volkes, in diesem Sinne also tatsächlich Volksgeschichte, war. Stellte also das polnische Volk die187 Noch 1942 (!) hielt er auf einem Historikerlager der Reichsdozentenführung in Augsburg einen Kurzvortrag über die »Volkwerdung der Polen«. Die geschichtsphilosophische Frage, die dieses Lager diskutierte, lautete: »Ist ›Volk‹ ein allgemeines Grundprinzip politischen Handelns überhaupt oder ist ›Volk‹ nur ein für unsere deutsche Lebensordnung gültiges Grundprinzip?« Zitat aus einem Bericht über das Lager von Dr. Erxleben vom 15.10.1942. BA Berlin, NS 15/326, S. 95654. 188 Maschke, Begegnungen mit Geschichte, S. XI. 189 Ebd. 190 Maschke, Im Kampf um die Freiheit. Das polnische Volk in der Zeit der Teilungen von 1792–1815, Manuskript für die Rundfunksendung Kulturelles Wort vom Südwestfunk am 20.11.1966. An dieser Stelle bedankt sich die Verfasserin ausdrücklich für die große Hilfsbereitschaft der Mitarbeiter des Historischen Archivs des SWR Baden-Baden. Vgl. das Kapitel über die Ostforschung nach 1945. 191 Maschke, Begegnungen mit Geschichte, S. XI.

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ser Zeit in den Augen Maschkes ein Beispiel dafür dar, wie »völkische Substanz« trotz widriger Umstände aufrechterhalten und bewahrt werden konnte? Ließ sich an der Geschichte des polnischen Volkes erkennen, welche inneren »völ­ kischen« Wandlungs- und Entwicklungsprozesse überhaupt möglich waren? Und zeigte sich an seiner Geschichte, dass auch bisher für unmöglich gehaltene politische Ziele erreichbar waren, wenn das Volk sich vorher diesen Wandlungsprozessen unterzogen hatte? Womöglich übertrug Erich Maschke gedanklich die Situation des polnischen Volkes in den letzten drei Jahrhunderten auf die Situation des deutschen Volkes nach Versailles und leitete davon »völkische« und politische Notwendigkeiten und Chancen für das deutsche Volk ab. Trugen somit paradoxerweise ausgerechnet das polnische Volk und der polnische Staat der Zwischenkriegszeit in der Wahrnehmung Erich Maschkes vorbildhafte Züge für das deutsche Volk in seinen Bemühungen um die Aufhebung der Bestimmungen des Versailler Vertrages? Wie immer die Antworten auf diese Fragen auch ausfallen: Das Verhältnis Erich Maschkes zum polnischen Nachbarn war ambivalenter Natur. Die Beschäftigung Maschkes mit Polen umfasste viele Bereiche, schlug sich in persönlichen Bekanntschaften mit polnischen Fachkollegen, Reisen sowie in Rezensionen und zahlreichen Aufsätzen zur deutsch-polnischen Beziehungsgeschichte nieder. Von großem Vorteil waren dafür Maschkes Sprachkenntnisse, die er sich als einer der wenigen deutschen Historiker bereits 1928 angeeignet hatte, um die einschlägige polnische Literatur für die Arbeit am Peters­pfennig heranziehen zu können. Diese Sprachkenntnisse trugen zu seinem guten Ruf innerhalb der polnischen Wissenschaft nicht unmaßgeblich bei und ermöglichten ihm den für die damaligen Verhältnisse sehr seltenen unmittelbaren Kontakt zu polnischen Kollegen192. Offenbar fand Maschke in den besuchten Kreisen positive Aufnahme193 und war auf diese Weise nicht, wie viele seiner deutschen Kollegen, gänzlich aus der internationalen scientific community ausgetreten194. In seinen autobiographischen Notizen erinnerte er sich, dass er alle Mediävisten der polnischen Universitäten von Posen bis Lemberg und Wilna kennengelernt habe195. So traf er beispielsweise mit Oskar Halecki zusammen, mit den Historikern Stanisław Zakrzewski, Marceli Handelsman, Zygmunt Wojciechowski u. a196. Von Karol Górski, den er 1933 auf dem Internationalen 192 Krzoska, Für ein Polen an Oder und Ostsee, S. 220. Die deutsch-polnischen Wissenschaftlerkontakte der Jahre zwischen den Weltkriegen werden in der einschlägigen Literatur kaum behandelt. 193 Privatarchiv Frau Narzissa Stasiewski, Nachlass Bernhard Stasiewski, Brief Erich Maschkes vom 27.5.1934: »Ich kann mich über die Behandlung seitens wissenschaftlicher und politischer Kreise überhaupt nicht beklagen.« 194 Eckel, Geist der Zeit, S. 67. 195 Maschke, Begegnungen mit Geschichte, S. XI. 196 Markus Krzoska sieht eine gewisse Verwandtschaft zwischen den beiden Altersgenossen Zygmunt Wojciechowski und Erich Maschke hinsichtlich der Mischung aus seriöser wissenschaftlicher Arbeit und der Verwendung mancher Thesen für politische Zwecke.

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Historikerkongreß in Warschau197 kennen gelernt hatte und den er sehr schätzte, wurde er auch in Königsberg besucht198. Górski besprach vor allem in der wissenschaftlichen Fachzeitschrift Roczniki Historyczne viele Publikationen Erich Maschkes. Die in den Jahren 1933/34 erschienenen Monographien Maschkes über den Peterspfennig und das Erwachen des Nationalbewusstseins im deutsch-slavischen Grenzraum fanden die Anerkennung polnischer Kritiker und untermauerten den Ruf Maschkes als besonders begabten Vertreter der deutschen Ostforschung in der polnischen Wissenschaftswelt. Seine Arbeit über Polen und die Berufung des Deutschen Ordens erregte dagegen wegen ihrer ablehnenden Haltung zur polnischen Forschung Aufsehen und wurde von ihr mit »kritischem Interesse« aufgenommen199. Zur »großen Überraschung« wurde sein Versuch, in »Der deutsche Ordensstaat. Gestalten seiner großen Meister« den mittelalterlichen Ordensstaat mit dem Nationalsozialismus zu verbinden200. Maschkes zahlreiche Rezensionen polnischer Publikationen, die im Zeitraum von 1932 bis 1939 in den »Altpreussischen Forschungen«201 erschienen202, Darüber hinaus bescheinigt er beiden den Ehrgeiz, möglichst rasch wissenschaftlich Karriere zu machen. Wojciechowskis These von den »polnischen Mutterländern« wies Erich Maschke 1934 vehement zurück. Markus Krzoska, Für ein Polen an Oder und Ostsee, S.  219. Nach eigenem Bekunden hatte Erich Maschke darüber hinaus Verbindungen zu polnischen Hochschullehrern aller Fakultäten. (UAJ, Bestand BA Nr. 933, S. 158.) 197 Für Erich Maschkes Teilnahme am Internationalen Historikerkongress hatte sich Theodor Oberländer eingesetzt. Offensichtlich war dieser Einsatz auch in anderer Hinsicht von Erfolg gekrönt gewesen. In einem Schreiben an das Auswärtige Amt vom 30.8.1933, gez. von Moltke, heißt es: »Stärker zum Ausdruck kamen die deutsch-polnischen Streitfragen in den Beratungen der Osteuropa-Sektion, die das stärkste Interesse fanden, und zwar bei der Behandlung der Geschichte der Ostseepolitik. Hierbei machte sich von polnischer Seite unter Führung von Professor Sobieski – Warschau teilweise mit Unterstützung von Letten und Esten, eine antideutsche Tendenz geltend. Die deutschen Diskussionsredner (Prof. Rothfels – Königsberg und Prof. Dr. Maschke – Königsberg) verstanden es aber, die polnischen Vorstöße zurückzuweisen.« (Bl. 92) Bilanziert wurde: »Die deutschen Historiker haben im ganzen auf dieser Tagung, wie man allgemein hören konnte, einen ausgezeichneten Eindruck gemacht.« (Bl. 94) GStAPK, Rep. 76 Vc, Sekt. 1, Tit. 11, Teil VI, Nr. 13, Bd. IV, Bl. 92 und 94. 198 Gὀrski, Autobiografia naukowa, S. 18. 199 Ausführlich zur polnischen Rezeption der wissenschaftlichen Publikationen Maschkes Biskup, Erich Maschke – ein Vertreter der Königsberger Geschichtswissenschaft, S. 91– 107, hier auch die bibliographischen Angaben polnischer Rezensionen. 200 Ebd., S. 102. 201 1935 wurde Erich Maschke in den Redaktionsausschuss der »Altpreussischen Forschungen« aufgenommen. Damit hatte er de facto die Redaktion der Zeitschrift in seinen Händen. Karol Górski begrüßte diesen Wechsel im Redaktionskollegium wie folgt: »Herr Maschke kennt recht gut die polnische Literatur und das polnische Leben und das wird der Zeitschrift sicherlich nutzen. Zur Zeit […] sind noch gewisse Vorbehalte und Mängel bemerkbar, die aber wohl mit der Zeit verschwinden werden.« Zit. n. Małłek, Die »Alt­ preußischen Forschungen«, S. 190–191. 202 Brief Prof. Marian Biskups an die Verfasserin vom 23.12.2003.

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wurden von polnischen Forschern geschätzt und in ihrem wissenschaftlichen Wert hervorhoben. Darin besprach Maschke umfassend Werke des Baltischen Institutes, rezensierte Forschungsbeiträge der Thorner Wissenschaftlichen Gesellschaft und verfasste Sammelrezensionen wie beispielsweise über die polnische Literatur zur Thorner 700-Jahresfeier203. Auch über die Arbeiten einzelner polnischer Historiker204 äußerte er sich in Kritiken. Seine Rezensionen zeichneten sich vor allem in den ersten Jahren durch das Bemühen um Ausgewogenheit des Urteils, einen kritischen, aber meist sachlichen Ton und das Interesse an einer konstruktiven Auseinandersetzung mit den polnischen wissenschaftlichen Positionen aus. Dabei machte er jedoch seinen eigenen, oftmals abweichenden Standpunkt immer wieder unmissverständlich deutlich. Anfangs darin noch moderat, verzichtete er jedoch später in seinen Rezensionen nicht mehr auf polemische und antipolnische Äußerungen und Urteile. Dass sich trotz seiner klaren Positionierung als deutscher Ostforscher im Streit um Fragen der deutschen Ost- bzw. polnischen Westforschung der Tonfall seiner Rezensionen in den »Altpreussischen Forschungen« zumindest zeitweise von demjenigen anderer deutscher Kollegen abhob, zeigte Górskis Bedauern über den Weggang Maschkes aus Königsberg205. Aber Erich Maschke hatte nicht nur in den »Altpreussischen Forschungen« Stellung zu polnischen Neuerscheinungen genommen. In weniger wissenschaftlich ausgerichteten Publikationsorganen klang der Tonfall seiner Rezensionen schon seit längerer Zeit anders und unterschied sich in seiner Polemik kaum von den Verlautbarungen anderer deutscher Ostforscher206. Erich Maschke beschäftigte sich nicht nur vom Schreibtisch aus mit Polen, sondern bereiste auch das Land auf zahlreichen mehrwöchigen Reisen. Belegt sind vier Reisen im Zeitraum von 1934 bis 1937. Aber bereits früher waren während der Recherchen für seine Habilitationsschrift über den Peterspfennig Aufenthalte in polnischen Archiven notwendig gewesen. Die späteren Polenreisen Maschkes dienten seinen Studien zur Geschichte des Ordenslandes Preußen, standen natürlich aber auch in engem Zusammenhang mit dem Projekt einer »Kulturgeschichte des mittelalterlichen Deutschtums in Polen«, welches Erich Maschke von der Berliner Publikationsstelle finanziert wurde. Auf seiner Reise im Jahr 1937 verfolgte Maschke ein weitaus aktuelleres Forschungs­ vorhaben, da er zumindest offiziell die politischen Strömungen innerhalb der polnischen Jugend untersuchen wollte. Vielleicht bezog sich gerade auf diese 203 Maschke, Die polnische Literatur zur Thorner 700-Jahr-Feier, S. 93–112. 204 Beispielsweise über Publikationen von Zygmunt Wojciechowski, Karol Górski, Kazimierz Piwarski oder Ludwig Birkenmajer. Die Rezension von Zygmunt Wojciechowskis Schrift »Die territoriale Entwicklung Preußens im Verhältnis zu den Mutterländern Polens« (Torun 1933) in Maschkes Artikel »Preußen und die ›polnischen Mutterländer‹ (1934) war ein Auftragswerk für die NOFG. BA Berlin, Bestand R 153/1279. 205 Małłek, Die »Altpreußischen Forschungen«, S. 190–191. 206 Vgl. beispielsweise dazu Maschke, Deutschland und Polen im Schrifttum beider Fronten.

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Zielstellung ein Brief Maschkes aus sehr viel späterer Zeit, in dem er sich erinnerte, er habe damals die Absicht gehabt, eine »innere Geschichte Polens« zu schreiben und dafür einiges interessante, auch illegales Material zusammengetragen207. Neben seinen Recherchen in Polen nahmen also auch die Informationsgewinnung über die »Deutschtumsarbeit« in Pommerellen, »in der Provinz Posen«, Krakau und Lemberg Maschkes Zeit in Anspruch. Diese Pflege von Kontakten208 erscheint vor dem Hintergrund von Maschkes bisherigem grenzund auslandsdeutschem Engagement nur folgerichtig. Doch blieb es allem Anschein nach nicht nur dabei. Erich Maschkes Wissenschaftsverständnis enthielt, wie bereits geschildert, ausgeprägt »kämpferische Züge«. Diese erlaubten es ihm offenbar auch, in amtlichem Auftrag209 heimlich Informationen über die Situation der deutschen Minderheit in Polen zu politischen Zwecken zu sammeln. Höchstwahrscheinlich geschah dies auf einer Reise nach Polen im Frühjahr 1935. Sie führte ihn – vermutlich im Auftrag des Auswärtigen Amtes  – in das Gebiet von Suwałki, wo er »das dortige Deutschtum geschichtlich und soziologisch untersuchen sollte«210. Vermutlich beinhaltete dieser Auftrag auch, die Erforschung der deutschen Einwanderung bzw. der Entwicklung des Deutschtums in der Gegend von Białystok und Łomża in die Wege zu leiten211. Ingo Haar gab an, dass Erich Maschke nach einem Gespräch zwischen Theodor Oberländer und dem Rektor der Königsberger Universität für fachlich geeignet gehalten wurde, diese Aufgabe zu übernehmen212. Dieser überraschend übertragenen Arbeit hatte sich Erich Maschke nicht entziehen können. Hatte er mit ihr eine »Art Agenten­ tätigkeit« (Ingo Haar) aufgenommen? So viele Belege hier in diesem Fall einen solchen Charakter der Polenreise Erich Maschkes nahezulegen oder glaubhaft zu machen scheinen, so wenige gestatten es, diese Einschätzung auf alle Polenreisen Maschkes pauschal zu übertragen. Auszuschließen ist ein solcher nachrichtendienstlicher Charakter seiner Reisen aber nicht. Im deutschen Reich gab es eine Vielzahl von Stellen, die nachrichtendienstliche Verbindungen zu Deutschen in Polen unterhielten, u. a. eben auch die Deutschtumsorganisationen213, und Erich Maschkes Reisen gehörten mehrheitlich in den Zusammenhang der größeren Reisetätigkeit zahlreicher anderer Historiker der Nord- und Ostdeutschen Forschungsgemeinschaft wie Theodor Schieder, Werner Conze oder Karl Kasiske nach Polen. Doch für die

207 HStA Stuttgart, NL Erich Maschke J 40/10, Nr.  58, Brief an Dr. Heide Wunder vom 16.11.1974. 208 BA Berlin, R 4901/1879. 209 BAK, NL Erwin Hoelzle 1328, Brief Erich Maschkes vom 24.5.1935. 210 Ebd. 211 Vgl. die Ausführungen zu dieser Reise von Haar, Historiker im Nationalsozialismus, S. 273. 212 Haar, Historiker im Nationalsozialismus, S. 273. 213 Wolf, Die deutschen Minderheiten in Polen, S. 67 f.

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Feststellung einer »Art Agententätigkeit« Maschkes während seiner Reisen fehlen die eindeutigen und konkreten Belege. Die Informationen über sie sind insgesamt dafür zu spärlich: Der spätere Hinweis Maschkes auf »illegales Material« sowie die bei Haar angeführte Quelle214 über Kontakte zu deutschen Kreisen in Polen sind nicht aussagekräftig genug215. Die Ergebnisse und Erlebnisse dieser Reisen Maschkes schlugen sich in mehreren216 zeithistorischen Aufsätzen zu Polen nieder oder wurden in Berichten für Zeitungen verarbeitet217. In ihnen zeigte sich Maschke als profunder Kenner der polnischen Geschichte und des polnischen Staates der Gegenwart. Er ließ in seinen Bewertungen keine Spur nationalistischen Denkens oder Ressentiments gegenüber Polen erkennen, sondern stellte vielmehr die Nähe und Verwandtschaft zwischen dem deutschen und dem polnischen Staat der Gegenwart heraus. Diese geistige Nähe beruhte seiner Ansicht nach auf der Abkehr von alten und der Hinwendung zu neuen politischen Ideen, auf den autoritären politischen Systemen in beiden Ländern, auf antiwestlichen Tendenzen sowie der Stellung des Volkes im Denken gesellschaftlicher und politischer Führungsschichten Deutschlands wie Polens. Diese Darstellung Maschkes von Polen als einem dem nationalsozialistischen Deutschland durchaus wesensverwandten Staat korrespondierte mit einer positiveren Behandlung Polens in der deutschen Presse dieser Zeit218. Hinweise auf die Unrechtmäßigkeit des Versailler Vertrages und auf seine Konsequenzen für das deutsch-polnische Verhältnis oder ­polenkritische Anmerkungen zur gesellschaftlichen und politischen Situation der deutschen Minderheit unterblieben in diesen Beiträgen ganz. Die im Grundton sehr sachlich gehaltenen Aufsätze, welche in unterschiedlicher Häufigkeit auch Schlagworte aus der nationalsozialistischen Ideologie und Propaganda enthielten, beschäftigten sich mit Fragen der polnischen Innen- und

214 BA Berlin, R 153, Nr. 1220, Schreiben an Johannes Papritz vom 20.6.1934. Zit. n. Haar, Historiker im Nationalsozialismus, S. 286. 215 Nach Carsten Schreibers Vorschlag könnte ein »Agent« anhand von drei Kriterien definiert werden: Er wird direkt gegen den politischen oder weltanschaulichen Gegner eingesetzt, stammt selber aus diesen Kreisen oder Milieus und erhält eine irgendwie geartete Gegenleistung, die sich nicht mmer in Geld ausdrücken musste. Nach seiner Auffassung macht der Verrat aus eigennützigen Motiven den Charakter eines Agenten aus. (Schreiber, Elite im Verborgenen, S. 188.) Für ein Zutreffen dieser Kriterien auf den Fall Erich Maschkes gibt es keine Anhaltspunkte. 216 Insgesamt sind fünf Beiträge bekannt, deren Autor eindeutig Erich Maschke ist. Die Internationale Bibliographie der Zeitschriftenliteratur IBZ führte unter seinem Namen jedoch noch weitere drei Artikel im Zeitraum 1932 bis 1939 auf, bei denen an der Autoren­ schaft Maschkes aufgrund der fehlenden Autorennennung in den Texten selbst und aufgrund des Sprachduktus Zweifel angebracht sind. Sie sind im Schriftenverzeichnis in Klammern gesetzt. 217 Vgl. seinen Reisebericht »Das Bänkeghetto der polnischen Hochschulen« in der Jenaischen Zeitung vom 16.12.1937. 218 Vgl. dazu Roschke, Der umworbene »Urfeind«, S. 52.

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Parteipolitik. Besonderes Interesse brachte Erich Maschke der polnischen Nationaldemokratie und ihrem Führer Roman Dmowski219 entgegen. Dmowskis Orientierung auf das polnische »Volk«, das »Erwecken seines völkischen Selbstbewusstseins« durch den Nationaldemokraten sowie seine Hinwendung zu einer autoritären Staatsform sprachen Maschke vermutlich an220. Aber auch die politische Ausrichtung gegen Deutschland bzw. das Verfechten eines polnischen Ausgreifens nach Westen im Zuge der piastischen Idee hatten wahrscheinlich Maschkes Aufmerksamkeit erregt. In der deutschen Publizistik war Erich Maschke einer der wenigen, die sich mit der Nationaldemokratie auseinandersetzten. Der politischen und ideologischen Arbeit der »Endecja« wurde ansonsten meist wenig Beachtung geschenkt. Erich Maschkes Beitrag über die polnische Nationaldemokratie fand in der nationaldemokratischen Presse positiven Widerhall221. Eine kritische Einschätzung der meist sachlichen und eher wohlwollenden Artikel Erich Maschkes muss das Datum ihrer Abfassung berücksichtigen  – jeder der Beiträge entstand nach der Unterzeichnung des deutsch-polnischen Nichtangriffspaktes vom 26.  Januar 1934222. Dieser Vertrag wirkte sich nicht nur auf die deutsche Volkstumspolitik, sondern auch auf die Tätigkeit der ostund volkswissenschaftlichen Verbände und Organisationen sowie auf die Arbeiten der mit deutsch-polnischen Fragen befassten deutschen Wissenschaftler aus. Nicht nur wegen der veränderten Sprachregelung in seinem Gefolge musste der Vertrag somit auch für Erich Maschke als Polenexperten, Ostforscher und Publizisten Konsequenzen haben. Die bereits besprochenen Texte mit früheren Artikeln Maschkes zu vergleichen, um eventuell erfolgte sprachliche und inhaltliche Veränderungen, Abschwächungen und Neudeutungen festzustellen, ist nicht möglich. Erich Maschke hatte zu keinem früheren Zeitpunkt Beiträge zu diesen Themen verfasst. Seine Reaktionen auf die deutsch-polnischen Verträge lassen sich dennoch genauer umreißen, da er zwischen 1933 und 1935 Artikel publizierte, die sich­ thematisch mit der deutsch-polnischen Vergangenheit beschäftigten. Außerdem erlauben die überlieferten Äußerungen Maschkes auf Tagungen und Treffen der ost- und volkswissenschaftlichen Verbände und Organisationen, wie sie bereits andernorts zitiert wurden, eine Aussage über seine Reaktionen. Wie reagierte nun Maschke publizistisch auf die neue politische Situation? Dies soll anhand des von ihm in vier Aufsätzen vermittelten Bildes vom deutsch219 Zu Roman Dmowski u. a. Krzoska, Für ein Polen an Oder und Ostsee, S. 59–63. 220 Vgl. Maschke, Roman Dmowski, 1939, S. 350. 221 Kotowski, Hitlers Bewegung im Urteil der polnischen Nationaldemokratie, S. 91. 222 Zu diesem Vertrag und seine Folgen Ahmann, Nichtangriffspakte: Entwicklung und operative Nutzung, S. 255–542; Roschke, Der umworbene »Urfeind«; Schramm, Der Kurswechsel der deutschen Polenpolitik nach Hitlers Machtergreifung, S. 23–34; zu den Reaktionen deutscher Historiker Schönwälder, Historiker und Politik, S. 140–142 sowie die­ jeweiligen Kapitel bei Haar und Burkert.

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polnischen Verhältnis in der Geschichte und Maschkes Charakterisierung Polens untersucht werden. In seinem zeitlich ersten Beitrag223 zum Thema des deutschpolnischen Verhältnisses in der Vergangenheit hatte er zunächst ein Polenbild vermittelt, das stark von Unterlegenheit und von der Kulturträgertheorie der Deutschen geprägt war. So erschienen in seiner Darstellung die Polen als »rein rezeptiv«224, d. h. nicht selbst schöpferisch und abhängig von Völkern und Menschen, die ihnen neue Werte und Formen boten. Der Anschluss Polens an die »höhere Kultur des Westens« beruhte seiner Meinung nach ausschließlich auf den Deutschen, wofür sich Polen aber nicht dankbar gezeigt habe. In seinen späteren Aufsätzen dagegen setzte er deutlich anderer Akzente. Nun stellte er vermehrt die Gemeinsamkeiten und das Miteinander beider Völker sowie das für beide Seiten fruchtbare und positive Verhältnis in der Geschichte dar. Gerade die enge Verbindung von Volk zu Volk sei für das Verhältnis zwischen Polen und Deutschen entscheidend gewesen: »Sie ließ jedem Volke sein eigenes Wesen und seine Art, aber sie verband das Schicksal beider Völker in einem gemeinsamen Raum. In ihm gab es gemeinsame Auf­gaben und daher Leistungen, die beider Völker Werk waren. […] Und es gab zwischen Volk und Volk ein friedliches Geben und Nehmen, das einen tiefen und bleibenden Sinn hat.«225

Maschke wies nun darauf hin, dass gerade die Deutschen für bestimmte Ent­ wicklungen in Polen sehr bedeutend gewesen seien, jedoch nicht sie ausschließlich. Hierbei bezog er sich fast nur auf die Erkenntnisse polnischer Wissenschaftler und äußerte sich zustimmend zu ihnen. Die nicht nur wissenschaftlichen Konflikte zwischen Deutschland und Polen in Gegenwart und Vergangenheit spielte er eher herunter und vermied es, auf die in der polnischen Geschichte anzutreffende piastische Ausrichtung nach Westen einzugehen, die auf die Auseinandersetzungen Polens mit Deutschland verwiesen hätte. Dagegen hob er die Zugehörigkeit Polens zum Abendland hervor und betonte immer wieder seine Aufgabe und Sendung, die gerade nicht nach Westen, sondern nach Osten gerichtet sei: »Als östlicher Staat des Abendlandes übernahm es die Pflicht, dessen Werte zu hüten, ein Bollwerk gegen die fremde, vom Osten bestimmte Welt der ostslawischen Nachbarn und Sprachverwandten und gegen heidnische Invasionen […] zu sein, und endlich die Grenzen abendländischer Gesittung mit den eigenen Staatsgrenzen so weit wie möglich nach Osten hinauszurücken.«226

223 224 225 226

Maschke, Deutsche Grundlagen in der polnischen Kultur, S. 88–93. Ebd., S. 89. Maschke, Deutsche und Polen, S. 409. Ebd., S. 415.

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Den Abschluss des deutsch-polnischen Paktes sprach Maschke nur in einem sei­ ner Beiträge227 an, der sich thematisch mit der Rezeption und Kenntnis Polens in Deutschland seit dem 19. Jahrhundert beschäftigte228: »Dann kam im Jahre 1933 die große Wende der deutschen Politik. Sie war auch eine Wende der Außenpolitik. […] Zur eigentlichen Überraschung aber, ja, gerade zur Sensation wurde der Wandel in den deutsch-polnischen Beziehungen. Für ihn war eine einzigartige geschichtliche Konstellation gegeben. Auf beiden Seiten standen schöpferische Staatsmänner, Männer eines neuen Anfangs. Es gelang durch den Abschluß eines Nichtangriffspaktes, die Atmosphäre dumpfen Misstrauens zu beseitigen. Diese wurde […] ersetzt durch die Klarheit und Sauberkeit der gegenseitigen Beziehungen.«229

Mit diesen Formulierungen schien er den Wandel in den deutsch-polnischen Beziehungen zu begrüßen. Auch die neuen Fragestellungen und Akzentsetzungen, der Sprachgebrauch und der Ton seiner nach 1934 verfassten Aufsätze insgesamt erweckten den Anschein, auf ihre Weise ernsthaft zu einem Neuanfang in den deutsch-polnischen Beziehungen beitragen zu wollen und die Auseinandersetzungen der Vergangenheit zu vergessen. Gerade aber der Vergleich mit seinem Beitrag vor dem Abschluss des Paktes lässt daran Zweifel aufkommen: Die unterschiedlichen Darstellungen Maschkes müssen zu der Frage führen, ob er seine Sichtweise bewusst an die veränderte politische Lage anpasste und auf diese Art seine eigenen Forschungsergebnisse manipulierte. Damit hätte er nicht nur wissenschaftlich unredlich gehandelt, sondern auch historische Inhalte der Politik verfügbar gemacht – nach Hans Mommsen ein »Einbruch nationalsozialistischer Mentalität«. Oder hatte er, unbewusst von der Tagespoli227 Das Internationale Verzeichnis der Zeitschriftenliteratur IBZ führt 1934 unter dem Namen Maschkes einen Artikel an, der sich explizit mit dem deutsch-polnischen Pakt beschäftigt (Der deutsch-polnische Pakt, in: Der Weg zur Freiheit, 14. Jg., Nr. 2, 15.2.1934, S. 17–20.). An der eindeutigen Autorenschaft Maschkes bestehen aber Zweifel, da der Beitrag in der Zeitschrift selbst nicht namentlich gekennzeichnet ist und auch anhand der Sprache keine eindeutige Zuordnung zu Maschke möglich ist. Da wiederum aber auch nicht ausgeschlossen werden kann, dass Maschke der Autor ist, folgt hier eine kurze inhaltliche Wiedergabe. In dem sachlich gehaltenen Artikel werden der deutsch-polnische Pakt als Folge der nationalsozialistischen Regierungspolitik und des Austritts Deutschlands aus dem Völkerbund gedeutet, die Hintergründe für die neue außenpolitische Konzeption Deutschlands erläutert sowie die deutsch-polnischen Beziehungen und die Lage der deutschen Minderheit in Polen im Vorfeld des Paktes beschrieben. Dabei charakterisiert der Autor den Vertrag als eine neue Grundlage im Verhältnis beider Völker, auf der sich eine »bessere Zukunft« eröffnen kann. Er erhofft sich davon das »Ende der Leidenszeit« der Deutschen in Polen. Bevor der Autor am Schluss den Wortlaut der deutschpolnischen Erklärung wiedergibt, urteilt er wie folgt: »Wenn die Welt jetzt noch nicht glauben will, dass Deutschland nur den einen Wunsch nach Frieden hat, so ist nicht zu ersehen, welche Beweise noch abgegeben werden können.« (S. 20). 228 Maschke, Die Entdeckung Polens. 229 Ebd., S. 101.

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tik beeinflusst, seine wissenschaftliche Methode gewechselt und war auf diese Weise zu neuen Ergebnissen gekommen? Dies letztere ist wenig wahrscheinlich, bedenkt man die überlieferten Äußerungen Maschkes aus den Tagungsprotokollen der Nord- und Ostdeutschen Forschungsgemeinschaft von der Tagung in Kahlberg im August 1934. Auf ihr hatten die Auswirkungen des deutsch-­ polnischen Paktes auf die Arbeit der Forschungsgemeinschaft im Mittelpunkt der Diskussionen gestanden. Maschke hatte darin nicht etwa für ein Überdenken bisheriger Positionen und für eine grundlegende inhaltliche Neukonzeption, sondern für eine Fortsetzung der Arbeiten in gewohnter Weise plädiert: »Die Wissenschaft muss in organischem Zusammenhang mit allen anderen Arbeiten stehen. Polen ist uns hierin ein Vorbild. […] Wir dürfen unser Geschichtsbild nicht zertrümmern aus irgendwelchen politischen Rücksichten. Kein Verzicht auf Schreiben, auf Arbeiten, auf Druck! Auf die Schulungsarbeit ist mehr Nachdruck zu legen als auf die Tagespresse.«230

Wie Albert Brackmann am Ende der Diskussion zusammengefasst hatte, bestand zwischen den anwesenden Wissenschaftlern, Erich Maschke also inbegriffen, Übereinstimmung darüber, dass die verdeckte Arbeit und Propaganda weiterhin nötig sei, der Ton der veränderten Lage aber angepasst werden müsse. Maschkes publizierte Aufsätze zur deutsch-polnischen Vergangenheit stellen somit Beispiele für eine solche inhaltliche und sprachliche Anpassung dar. Er bediente sich jedoch vor dem Hintergrund der veränderten politischen Rahmenbedingungen auch einer anderen Methode, wie sie ein Brief an Albert Brackmann vom 7. Februar 1934 überliefert: »Ich möchte mir erlauben, Ihnen mit gleicher Post einen kleinen Aufsatz zu schicken, den ich vorsichtshalber mit Rücksicht auf die Polen pseudonym erscheinen ließ…«231 Auch in seiner Rede über »Wissenschaft und politische Praxis« auf der Tagung der Forschungsgemeinschaft bei Waldbärenburg-Schellerau 1935 bezog er sich auf die Verhältnisse in Polen nach dem Vertrag. Darin konstatierte er, dass die Propagandatätigkeit zweier polnischer Institute nicht nachgelassen, sondern noch zugenommen habe. Er beschrieb ausführlich ihre Tätigkeit, wobei er sich auch an dieser Stelle wieder dafür einsetzte, sich in Fragen der Weiterverbreitung und Popularisierung von Forschungsergebnissen die Strukturen der polnischen Westforschung zum Vorbild zu nehmen232. Seiner Auffassung nach sollte sich die Wissenschaft in Deutschland stärker an der politischen Schulung beteiligen: 230 BA Berlin, R 153/1269, Vertraulicher Bericht über die Tagung der NOFG im Ostseebad Kahlberg vom 6.–10.8.1934. 231 GStAPK, NL Albert Brackmann, Nr. 20. 232 »Hauptaufgabe ist hier die Umprägung der Forschungsergebnisse in kleine Münze. Das geschieht vor allem in der Baltischen Taschenbücherei (»Biblioteka bałtycka«) und in den Pressekommunikaten, die von beiden Instituten über alle möglichen Themen ausgegeben werden. Etwas derartiges fehlt uns noch.« Erich Maschkes Redebeitrag »Wissenschaft und politische Praxis«, BA Berlin, R 153/1278.

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»Wir Deutschen haben heute eine echte in sich beruhende politische Haltung und wollen zwar der wissenschaftlichen Forschung die Richtung auf politische Ziele geben, aber nicht die Wissenschaft durch staatliche Aufträge künstlich politisieren. Wir haben jedoch die Möglichkeit für unsere Zwecke die politische Schulung in den verschiedensten Verbänden miteinzustellen. […] Ein Einsatz der Wissenschaft ist ­dabei unerlässlich.«233

Als nach fünf Jahren Laufzeit der deutsch-polnische Nichtangriffspakt von deutscher Seite gekündigt wurde, die allgemeine Stimmung in Deutschland gegenüber Polen aggressiver wurde, änderte sich auch wieder der Ton in Maschkes Beiträgen. Nun von Jena aus, war er weiterhin im Sinne seines politischen Einsatzes publizistisch und in deutlich polenfeindlicher Art aktiv. Er setzte nicht nur die inhaltlichen Schwerpunkte seiner Beiträge anders und gebrauchte feindselige Formulierungen, sondern kehrte auch frühere Aussagen in ihr Gegenteil um. Jetzt sprach er in seinen Artikeln nicht mehr von einem friedlichen Zusammenleben sowie vom gegenseitigen Nehmen und Geben zwischen beiden Völkern. Nun vertrat er vehement die Kulturträgerthese und schilderte Polen als in vieler Hinsicht Deutschland und den Deutschen unterlegen. Darüber hinaus bezeichnete er den Nachbarn als »letzten Hüter des Versailler Systems im Osten«, welches er zuvor als »eine der furchtbarsten Ausgeburten des Völkerhasses«, als »System des Unrechts und der Lebensfeindlichkeit« charakterisiert234 hatte. Damit wies er Polen entsprechende Eigenschaften und Absichten zu. Hatte er 1935 Polen noch als »Bollwerk Europas gegen den Osten«235 beschrieben, verortete er das Land nun selbst in den Osten236; ebenso rechtfertigte er 1939 die polnischen Teilungen in der Geschichte, während er zu einem früheren Zeitpunkt das »Auslöschen des polnischen Staates« als »die Tragödie eines Volkes« bezeichnet und von »schwerem geschichtlichen Unrecht«237 gesprochen hatte. Auch die Auffassung, die jetzt in Polen vorherrschende Strömung der Ausdehnungspolitik sei gen Westen, d. h. gegen Deutschland, ausgerichtet, tauchte in den Beiträgen Maschkes aus früheren Jahren nicht auf238. Seine publizistischen Äußerungen zu Fragen der deutsch-polnischen Vergangenheit und Gegenwart aus den Jahren 1934–1939 offenbaren somit beispielhaft, wie ein der NOFG angehörender Wissenschaftler diejenigen Vereinbarungen in die Praxis umgesetzte, die auf den Tagungen der NOFG von den versammelten Wissenschaftlern getroffen worden waren. Sie zeigen auch, vor welchen Anpassungsleistungen und Methoden Erich Maschke nicht zurück233 BA Berlin, R 153/1278, Bericht über die Tagung der NOFG in Schellerhau vom 30.3.–1.4.1935. 234 Maschke, Der Zusammenbruch des Versailler Systems im Osten, S. 17. 235 Maschke, Polen und Deutsche, S. 415. 236 Beispielsweise in Maschke, Der Soldat im Osten, S. 3. 237 Vgl. Maschke, Die treibenden Kräfte in der Entwicklung Polens, S. 6 und ders., Polen und Deutsche, S. 412. 238 Ebd.

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scheute, um am wissenschaftlichen Kampfeinsatz teilzunehmen und das Ziel einer Revision des Versailler Vertrages zu verfolgen. Mit dem so veränderten Tenor gegenüber Polen, der aggressiven Infragestellung der polnischen Grenzen239 und der propagandistischen Rechtfertigung von deutschen Gebietsansprüchen befand sich Maschke mit seinen Beiträgen innerhalb des Kreises der Osteuropaexperten in guter Gesellschaft240. Maschkes spätere Schriften müssen als Bestandteile der deutschen Pressekampagne gegen den polnischen Nachbarn gelesen werden. Sie rechtfertigten mit dem Hinweis auf historische Ereignisse und Entwicklungen die deutsche Aggressivität, begrüßten die Ankündigung gewaltsamer Grenzveränderungen und dienten daher der propagandistischen Vorbereitung auf den Krieg und der deutschen Besatzungsherrschaft in Polen, an welcher Erich Maschke ebenfalls beteiligt war.

4.7 Ansichten von »Volk« Erich Maschkes Schriften zur Geschichte und Gegenwart des polnischen Nachbarn vermittelten nicht nur seine unterschiedlichen Deutungen der deutschpolnischen Gegner- bzw. Nachbarschaft. Die Art seiner Auseinandersetzung mit diesem spezifischen Verhältnis legte es nahe, dass in diesen Schriften auch die besonderen Vorstellungen von »Volk« zum Ausdruck kommen mussten, die bis zu diesem Zeitpunkt Eingang in Maschkes Denken gefunden hatten. Doch nicht allein seine »deutsch-polnischen« Schriften sollen nun in die Betrachtung dieses Aspektes einbezogen werden. Untersucht man die Schriften und Beiträge Erich Maschkes aus der gesamten Königsberger Zeit, d. h. von ca. 1927 bis 1935 hinsichtlich dessen, welches Bild er darin von »Volk« allgemein und von »deutschem Volk« im besonderen zeichnete, so gewinnt der Leser den Eindruck, dass Maschkes Volksbegriff an inhaltlicher Konkretisierung im Vergleich zu frü­ heren Schriften doch um einiges zugenommen hatte. Trotzdem bestanden weiterhin Unklarheiten und Ungenauigkeiten, und von einem stimmigen, systematischen Nachdenken über »Volk« oder gar von einem Konzept von »Volk« kann nicht die Rede sein. Aus diesen Gründen fällt es schwer, kontinuierliche Entwicklungen in seinem Denken von »Volk« bzw. in seiner inhaltlichen Auseinandersetzung mit dem Volksbegriff auszumachen. Auch ist es nicht möglich, seine zunehmende Einbindung in die Institutionen der Ostforschung oder gar die Einflüsse bestimmter Personen auf ihn damit in Beziehung zu setzen. Es handelte sich außerdem in den hier untersuchten Texten um Beiträge, die in 239 Beispielsweise in Maschkes Beitrag »Das politische Schicksal des Weichsellandes« für den Propagandaband über »Deutschland und den Korridor«, hg. v. Friedrich Heiß im Volk und Reich Verlag Berlin 1939. 240 Vgl. dazu die aufgeführten Beispiele von Manfred Laubert, Hans Uebersberger u. a. in Schönwälder, Historiker und Politik, S. 141–143.

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einem Zeitraum von ungefähr acht Jahren entstanden und daher nicht notwendigerweise in ihrem Bezug auf »Volk« inhaltlich und logisch aufeinander ab­ gestimmt sein mussten. Auch unterschieden sich Erich Maschkes Beiträge stark in ihrem Charakter. Dennoch lassen sich einige Grundelemente und Façetten in Maschkes Konstruktion seines Bildes von »Volk« erkennen. Für Erich Maschke war »Volk« »letztes Ziel« und »tiefste Idee«241, gleichzeitig aber auch ein lebender Organismus mit einem »Körper«. Dieser konnte »in sich geschlossen« und »der Struktur nach unveränderlich« sein wie angeblich im Memelland242, aber auch »unterhöhlt«243 werden, so dass sich seine nicht weiter definierte »völkische Substanz auflöste«244. Ebenso wenig beschrieb Maschke die »volksmäßigen Triebe«245 näher, die in diesem »Körper« wirkten, bzw. seine »Grundlagen« und »natürlichen Anlagen«246. Worauf sich die »lebendige Ausdehnungskraft«247 eines Volkes bezog, blieb ebenfalls offen: auf einen Raum, auf die demographische Entwicklung, auf beides oder auf etwas gänzlich anderes? Als Organismus war dieses »Volk« im Besitz eines »Charakters«, der »etwas Tieferes und Bleibendes« darstellte, war darüber hinaus auch im Besitz einer »Seele« oder eines »Wesens«, das es von anderen Völkern differenzierte – kurzum, »Volk« war eine »Individualität« mit einem »eigenen Ich«248. (In dieser Weise konnte es auch »Mutter« sein – das »deutsche Muttervolk«249.) Volkliche Individualität deutete Erich Maschke in schwer zu durchschauender Weise so: »sie beide [= Land und Sprache – d. Vf.] bedeuten den vollen Umfang und Inhalt eines in sich selbst wohlgestalteten und wurzelechten Volkes, einer Einheit von Volksleib und nährender Erde, die erst das Ganze der volklichen Individualität umfasst.«250

Erich Maschke versuchte sich auch an anderer Stelle mit Umschreibungen dessen, was er umfassend unter dem »Volk« bzw. »deutschem Volk« verstand. Dabei benutzte er sprachliche Wendungen wie beispielsweise »unser Volk als Person, in der Gesamtzahl seiner Millionen, als unteilbare Einheit«251, »in seiner Einheit aus Blut und Geist«252 oder verlieh ihm eine ausdrücklich historische und zukünftige Dimension:

241 242 243 244 245 246 247 248 249 250 251 252

Maschke, Roman Dmowski, 1935, S. 398. Maschke, Das Memelland, S. 503. Ebd., S. 503. Maschke, Historische Tendenzen in der Gründungsgeschichte des preußischen Ordensstaates, S. 8. Maschke, Der geopolitische Film, S. 275. Maschke, Polen und die Berufung des Deutschen Ordens, S. 57. Maschke, Das germanische Meer, S. 15. Maschke, Das Erwachen des Nationalbewusstseins, 1933, S. 14–49. Maschke, Der deutsche Ordensstaat. Gestalten seiner großen Meister, S. 108. Maschke, Das Erwachen des Nationalbewusstseins, 1933, S. 38. Ebd., S. 3. Maschke, Die Krise der polnischen Jugend, S. 355.

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»Das Volk aber ist für uns nicht nur eine Erscheinung, soweit es als lebende Generation tätig ist. Es umfasst als lebendige Einheit, wie die künftigen, noch ungeborenen, so auch die vergangenen Geschlechter. Deutsches Volk – das sind auch jene Hunderttausende, die innerhalb des polnischen Staates in langen Jahrhunderten lebten und leisteten. Deutsches Volk umgreift als ewige Einheit auch die im polnischen Boden versunkenen Generationen deutscher Menschen. Auch sie müssen hineingenommen werden in unsere Geschichte, Gegenwart und Zukunft umfassendes Bewusstsein vom Volke […]«253

Ähnliche Gedanken äußerte Maschke an anderer Stelle, noch prononcierter heißt es da: »Denn das deutsche Volk darf sich als eine Einheit sehen, die weit mehr umfasst als die Gegenwart und die Zielsetzungen der Zukunft. Es umfasst auch seine Vergangenheit, lebt in ihr, die ein Teil seines Daseins ist und ist total nicht nur in Rasse und Raum, sondern auch in der Zeit, das heißt in der Einheit seiner Geschichte.«254

Stellte er also das behauptete Zusammengehörigkeitsgefühl des deutschen Volkes auf die Grundlagen von Rasse und Raum, seinem Blut und historischen Gewordensein?255 »Volk« hatte für ihn ein »Schicksal«, es konnte »werden«. Wie dieser Volkwerdungsprozess ablief und wodurch er beeinflusst wurde  – dazu äußerte er sich in den Texten dieser Jahre nicht eindeutig oder abschließend. Es scheint, als ob er als eine Voraussetzung für einen solchen Volkwerdungsprozeß die Existenz einer nicht näher bestimmten »Gemeinschaft« ansah256. Inwieweit die Entwicklung eines »Volksbewußtseins«, mit dem sich Maschke in seiner Monographie »Das Erwachen des Nationalbewusstseins« von 1934 beschäftigte, an diese »Gemeinschaft« gebunden war bzw. inwieweit Maschke das »Volksbewusstsein« als Grundlage für alle ablaufenden Volksbildungsprozesse betrachtete, ist unklar. Für ihn war eine frühe Stufe »volklicher Aussonderung«257 und bedeutendster Ansatzpunkt aller Bewusstseinsvorgänge, durch die »ein Volk zu sich selbst finden« konnte, in der Sprache gegeben. Weitere kulturelle Kriterien »volklicher« Differenzierung fand er u. a. in Sitte und Kleidung. Die Wahrnehmung dieser Unterschiede, »dieser Prozeß einer Erkenntnis volklicher Individualität«258, hatte Maschkes Auffassung nach zunächst folgenden Effekt: »Die Völker standen sich in ihrer gewissermaßen natürlichen Substanz, in ihren Menschen gegenüber und zeigten sich in ihrer wesentlichen, von keinem Staat vorgeprägten Haltung. Damit gewannen sie sich aber auch die Möglichkeit, einander und sich selbst in ihrem eigentlich volklichen Charakter zu erkennen.«259 Maschke, Das deutsche Volk in der Geschichte Polens, S. 498. Maschke, Karl der Große oder Charlemagne?, S. 1. Hettling, Volk und Volksgeschichten in Europa, S. 9. Maschke, Der Deutsche Ordensstaat. Gestalten seiner großen Meister, Vorwort: »Wieder wachsen Staat und Volk aus dem Werk der Gemeinschaft.« 257 Maschke, Das Erwachen des Nationalbewusstseins, 1933, S. 4. 258 Ebd., S. 23. 259 Ebd. 253 254 255 256

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Diesen und andere »volkliche Bewusstseinsvorgänge« verstand Maschke als Vorstufen zur Bildung eines Nationalbewusstseins. Begriffe wie »Rasse«, »Art«, »Volksboden« oder »Lebensraum eines Volkes« fielen hier noch nicht, erst in den Schriften ab 1934. Wann hatte ein Volk diesen angeblichen »Werdungsprozess« abgeschlossen? Konkrete Kriterien dafür nannte Erich Maschke zwar nicht, doch lässt sich nicht ausschließen, dass er diesen Prozess für das deutsche Volk Mitte der 1930er Jahre als vollendet betrachtete. In diesem Sinne könnte man folgende Einleitungsworte eines Aufsatzes verstehen: »Wenn etwas die tiefe und fruchtbare geistige Erschütterung unserer Zeit in ganzer Eindringlichkeit gezeigt hat, dann ist es die Auseinandersetzung um die geschichtliche Bedeutung des Frankenkönigs Karl und des Sachsenherzogs Widukind. Sie bedeutet ja nichts anderes, als dass ein Volk völlig in sich zur Einheit geworden ist und zugleich das Bewusstsein von dieser Einheit errungen hat.«260

Aber auch nachdem ein Volk »geworden« war, konnte es noch »geformt« werden und zwar »am strengsten und eindeutigsten in den Grenzlandschaften [eines Volkes]«261. Über das Ziel und die Richtung dieser »Formung« gab Maschke allerdings keine Auskunft. Wie nun seiner Ansicht nach das deutsche Volk über den deutsch-slawischen Grenzraum hinaus »geworden« und »geformt worden« war, erklärten nur wenige Äußerungen in seinen Schriften dieser Zeit. Zum einen vertrat Maschke die Auffassung, dass es ein »indogermanisches Urvolk« gegeben habe, aus dem in der Bronzezeit das »germanische Volk« hervorging262. Dieses habe dann den Grundstock für das »werdende deutsche Volk« gelegt. An anderer Stelle meinte er, Karl der Große habe den »Grund für unser Volk« gelegt263. Einzelnen Persönlichkeiten sprach Erich Maschke offenbar großen Einfluss auf das »Werden des Volkes« zu, wie aus einem gänzlich anderen Zusammenhang deutlich wurde. In der Auseinandersetzung mit Leben und Werk des polnischen Nationaldemokraten Roman Dmowski beschrieb er ihn häufig als »Erzieher der Polen zum völkischen Selbstbewusstsein« oder »Erzieher zum völkischen Dasein«264. Aber auch »Volkskampf«, der auch in den in den Grenzen des eigenen Staates notwendig sein265 konnte, hatte Auswirkungen auf die Formung des Volkes, erst recht an den »Völkerfronten«266. An ihnen stünde ein »Volksganzes« oder eine »objektive Volksgesamtheit«, deren »eigentümliche Qualitäten« man feststellen könne267, »Volksfremden«, »fremdem Volkstum« oder gar »Volksfeinden« gegenüber268. 260 261 262 263 264 265 266 267 268

Maschke, Karl der Große oder Charlemagne?, Deckblatt. Maschke, Hochschulen im Osten, S. 3. Maschke, Das germanische Meer, S. 3. Maschke, Karl der Große oder Charlemagne?, S. 1. Maschke, Roman Dmowski, 1935, S. 392 bzw. 404. Maschke, Das deutsche Volk in der Geschichte Polens, S. 493. Maschke, Das Erwachen des Nationalbewusstseins, 1933, S. 17. Ebd., S. 5. Ebd., S. 34.

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Inwieweit sich hier in Bezug auf die postulierte »Ganzheit« eines Volkes die Vorstellungen von Homogenität, einer angeblichen Reinheit oder feststehenden Ordnung  – in welchem Sinne auch immer  – niederschlugen, wird nicht klar. Auffallend ist, dass »Blut« und »Rasse« im Zusammenhang mit »Volk« erstmals 1934 und vor allem in Maschkes Monographie über die Hochmeister des Deutschen Ordens aus dem Jahr 1935 auftraten, von »Volksordnung« war bereits früher die Rede269. Klar wird aber in jedem Fall, dass Juden seiner Auffassung nach außerhalb dieser »Volksordnung« standen und ein jeweils anderes Volk darstellten. Gerade in Maschkes Beitrag »Die Krise der polnischen Jugend« offenbart sich in seiner Auseinandersetzung mit der so genannten »Judenfrage« eine antisemitische Grundhaltung von erschreckendem Pragmatismus und indirekt eine nüchterne Befürwortung der nationalsozialistischen Praxis gegenüber den Juden. Die entsprechende Passage soll hier in ganzer Länge wiedergegeben werden: »So eindeutig diese Forderungen [der polnischen Nationaldemokratie – d. Vf.] sind, so wenig ist doch der Begriff des ›Juden‹ festgelegt. Man darf ja nicht vergessen, dass die Judenfrage in Polen im wesentlichen keine Rassenfrage, sondern eine Auseinandersetzung zwischen Volk und Volk ist. Das Problem des getauften und assimilierten Juden beginnt erst mit der zunehmenden Durchdringung des polnischen Bürgertums mit liberalen Juden akut zu werden. Gewiß wird es im National-Radikalen Lager schon erkannt. Aber wird eine Bewegung, die die katholischen Grundlagen ihres Staates bejaht und mit der Kirche eng verbunden ist, sich jemals entschließen wollen, eine Ungleichheit der Christen jüdischer und polnischer Herkunft zu postulieren? Hier sind die Bindungen an das Dogma der Kirche stärker  – und für die einheit­ liche Konzeption des polnischen Volkes notwendiger. Denn am Anfange der polnischen Volkskultur steht ja, anders als in Deutschland, das sich der hochentwickel­ ten Kultur des vorchristlichen Germanentums erinnern darf, die Christianisierung; die eigentliche polnische Geschichte beginnt mit der Einbeziehung in die katholische Welt des Abendlandes. So wird hier die Judenfrage von vornherein ihre eigenen, dem polnischen Boden entsprechenden Lösungen finden müssen, zumal entscheidend ja die Gefährdung des polnischen Volkslebens durch die Massen des jüdischen ­V o l k e s ist.«270

Aber Gefährdungen eines bestimmten Volkes gingen angeblich nicht nur von Juden aus, sondern lagen auch in der Auflösung der politischen Einheit. Zweifelhaft blieb für den Leser, ob und wie sich beide Vorgänge gegenseitig bedingten: »Denn der Auflösung der politischen Einheit entsprach seit dem Beginn des 13. Jahrhunderts auch die Auflösung der völkischen Substanz.«271 Wie sich »Volk« zu politischer Ordnung und zu Staat verhielt, thematisierte Maschke nur ein einziges Mal (1933). Damals schrieb er: »Nicht minder erfahren wir, […] dass Staat und Volk, gesteigert zur lebendigen Wirklichkeit der Nation, 269 Maschke, Die Krise der polnischen Jugend, S. 354. 270 Ebd., S. 354. 271 Maschke, Polen und die Berufung des Deutschen Ordens, S. 23.

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in einer höheren Einheit sich verbinden.«272 Wie sich allerdings das konkrete Verhältnis zwischen »Volk« und »Nation« gestaltete, darüber schwieg er sich aus. Das einzelne Individuum als Angehöriger dieser Einheit konnte nach Maschke auf eine nicht näher beschriebene Weise »in seinem Volke stehen«273 oder »in den Bindungen des Volkes leben«274. Bereits 1933 verwendete er in der Pluralform den aktuell-politisch aufgeladenen Begriff des »Volksgenossen«275, dies aber nur ein einziges Mal. Hatte er auf diese Weise das einzelne Individuum in eine Ordnung zum Ganzen des Volkes gebracht, so postulierte er auch eine Ordnung der Völker zueinander276. Sie beinhaltete eine Hierarchie. Maschkes Aussage: »Eine Auffassung von Politik und Geschichte, welche von der Einheit des Volkes ausgeht, weiß um das Lebensrecht anderer Völker, weil sie das ewige Recht des eigenen Volkes bejaht.«277

bedeutete keine Gleichwertigkeit verschiedener Völker. Das deutsche Volk hob sich seiner Meinung nach in der Geschichte durch ein Bewusstsein von höherer Verpflichtung von anderen Völkern ab. Als Grund gab Maschke eine nicht näher beschriebene »Sendung« an, die von Kaisertum und Reich ausgegangen sei. Diese Sendung habe besonders den »noch ungeformten Verhältnissen im Norden und Osten« in der Vergangenheit gegolten278. Völker hatten somit historische Aufgaben: »Alle Völker von Rang und Größe haben in der Geschichte eine Sendung zu erfüllen. In ihr steigern sie sich zur höchsten geschichtlichen Wirklichkeit empor und weisen sie noch über sich selbst hinaus. Welcher Art solche Sendung ist, hängt von den Anlagen und der Begabung eines Volkes ab, von den Gegebenheiten eines Raumes, in dem es siedelt, von den Möglichkeiten, die ihm Umwelt und eigene Innenwelt bieten.«279

Auf das deutsche Volk wandte er die hier genannten Kriterien nur vage an bzw. führte die Erläuterungen nicht weiter aus. Unstrittig war jedoch offenbar in seinen Augen die Möglichkeit des Scheiterns an solchen »Sendungen«. Völker konnten ihnen möglicherweise, wie sich in der Geschichte herausstellen konnte, nicht gewachsen sein. Die Erfüllung dieser Aufgaben machte Maschke aber zum Maßstab einer historischen Bewertung: »Denn die Erfüllung einer historischen Aufgabe, nicht das subjektive Verlangen eines Einzelnen oder eines Volkes ist das Maß, nach dem sich Geschichte vollzieht und Geschichte geschrieben werden darf.«280 272 Maschke, Das Erwachen des Nationalbewusstseins, 1933, S. 3. 273 Maschke, Hochschulen im Osten, S. 3–4. 274 Maschke, Das deutsche Volk in der Geschichte Polens, S. 494. 275 Maschke, Das Erwachen des Nationalbewusstseins, 1933, S. 18. 276 Maschke, Das deutsche Volk in der Geschichte Polens, S. 494. 277 Maschke, Polen und Deutsche, S. 414. 278 Ebd. 279 Ebd. 280 Maschke, Polen und die Berufung des Deutschen Ordens, S. 7.

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Bei der Lektüre seiner Schriften aus diesem Zeitraum fielen keine Formulierungen Maschkes auf, die Zweifel daran aufkommen ließen, das deutsche Volk habe seine eigene historische Aufgabe nicht erfüllt oder erfüllen können. Maschkes Texte erlauben es nicht, den Einflüssen nachzugehen, die auf seine Vorstellungen von »Volk« wirkten oder in sie eingingen. In den Quellen- und Literaturverzeichnissen seiner Beiträge, sofern diese darüber überhaupt verfügten, führte Maschke bis auf eine Ausnahme281 keine Angaben dazu auf. Auch die von ihm überlieferten persönlichen Aussagen aus diesen Jahren gestatten keine Schlüsse, ebenso wenig wie Äußerungen von Kollegen oder Freunden. Sicherlich blieb auch Maschkes Einbindung in die entsprechenden Institutionen und Kreise der Ostforschung wie in andere Organisationen während des NSRegimes, in Zirkel und Netzwerke in dieser Hinsicht nicht ohne Folgen, doch sind diese leider im Rahmen der Überlieferung kaum nachvollziehbar.

281 Darin gab er M. H. Boehms Werk »Das eigenständige Volk«, Göttingen 1932 an und verwies auf dessen Anhang, in dem ein fast vollständiger Überblick über das Schrifttum zu Grundlagen von Volk, Staat und Nation gegeben werde.

5. Jena (1935 bis 1942) Beim akademischen Festakt in Heidelberg aus Anlass des 400jährigen Bestehens der Universität Jena 1958 hielt Erich Maschke als ehemaliger Professor der Salana die Festrede. Darin sprach er über »Die Universität Jena im deutschen Geistesleben«1. Auch in einem Rundfunkvortrag sowie in mehreren Publikationen würdigte er dieses Ereignis – Zeichen seiner Verbundenheit mit der thüringischen Alma mater auch noch nach Jahren. Dies wirft die Frage auf, warum der Name Jenas so positiven Widerhall bei ihm fand. War es die feste akademische Anstellung, die Erich Maschke und seiner Familie erstmals finanzielle Sicherheit geboten hatte, das Heraustreten aus dem Königsberger Kreis und die damit verbundene Möglichkeit und Notwendigkeit, sich fachlich neue Themenbereiche und Fragestellungen zu erschließen? Weckte der Name der Salana schöne Erinnerungen an die Zusammenarbeit mit den Kol­legen und an das angenehme Klima im Historischen Seminar? Oder verband sich mit »Jena« auch – für den ehemaligen Neupfadfinder wichtig – die schöne Umgebung der Saalestadt? Als Erich Maschke 1935 nach Jena kam, befand sich die thüringische Universität, im November 1934 in Friedrich-Schiller-Universität umbenannt, in einem schon längerfristig andauernden Prozess strukturellen und funktionellen Profilwandels. Die ins 19. Jahrhundert zurückreichende naturwissenschaftliche Grundprägung der Universität wurde durch den Ausbau der Jenenser Human- und Biowissenschaften erweitert, die bei der Etablierung und Popularisierung des Rassedenkens in den Wissenschaften seit längerem eine gesamtdeutsche Vorreiterrolle einnahmen. Dieser Entwicklungsprozess fand die tatkräftige Förderung seitens der Thüringer NS-Gauleitung und besonders des Reichsstatthalters Fritz Sauckel, die dafür seit Beginn der 1930er Jahre auf die feste landespolitische Verankerung der NSDAP in Thüringen zurückgreifen konnten. Das schlug sich in der Berufungspolitik sowie in der Institutionalisierung der Fächer Rassenkunde und Rassenhygiene an der Salana nieder. Diese bio- und anderen naturwissenschaftlichen Fachbereiche verzahnten mit einem breiten Transfer von Kompetenzen Universität und außerakademisches Umfeld wie Regionalwirtschaft, Staatsverwaltung, Kulturpolitik und nicht zuletzt Gesundheitswesen im Thüringen der NS-Zeit miteinander. Auf diese Weise nahm die Universität Jena Züge einer nationalsozialistischen Gauuniversität an2 1 Vgl. dazu Maschke, Universität Jena, bzw. ders., Die Universität Jena im deutschen Geistes­ leben. 2 Zur Geschichte der Universität Jena im Nationalsozialismus siehe die Beiträge in Hoßfeld/ John/Lemuth/Stutz (Hg.), »Kämpferische Wissenschaft«; Hoßfeld, »Rasse« potenziert: Rassen­ kunde und Rassenhygiene an der Universität Jena; Stutz/Hoßfeld, Jenaer Profilwandel; Gottwald/Steinbach (Hg.), Zwischen Wissenschaft und Politik. Studien zur Jenaer Universität im

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und kam dem erklärten Ziel des Gauleiters Fritz Sauckel, die Universität Jena »zu einem nationalsozialistischen Stützpunkt erster Ordnung«3 zu machen, näher. Erich Maschkes Äußerungen zur Geschichte der Universität in den dreißiger Jahren konnten diese Entwicklung, insbesondere den Ausbau der rassenbezogenen Fächer, zwar nicht verschweigen, scheuten aber vor einer klaren Benennung zurück. Sie verschleierten Intensität und Bandbreite dieses Prozesses, indem die Verantwortung dafür den Rektoren Wolf Meyer-Erlach (1935–1937) und speziell Karl Astel (1939–1945) zugewiesen wurde. Erich Maschke machte in diesem Zusammenhang deutlich, dass diese beiden Rektoren nicht »aus der Universitätslaufbahn hervorgegangen und mit dem Wesen der Universität fest verbunden« waren, sondern »durch die Regierung mit ordentlichen Professuren ausgestattet«4 worden waren. Mit diesem Hinweis auf die quasi »nicht-akademische Überfremdung« und die politische Einflussnahme von außen gebrauchte er ein gängiges Interpretationsmuster und Entschuldungsargument und entlastete alle anderen Hochschullehrer einschließlich sich selbst. Auch sein Fazit muss in diesem Sinne gelesen werden: »Dem wachsenden Druck antworteten Lehrkörper und Studenten mit zunehmender äußerer Anpassung, während zugleich der innere Abstand zum System ständig wuchs. Ein neues Einverständnis zwischen Professoren und Studenten entstand. Wie unter allen Diktaturen, wurde der stille, aber zähe Prozeß der geistigen Selbstbehauptung wirksam. Die wissenschaftlichen Leistungen schritten fort.«5

In den nun folgenden Abschnitten wird es auch um Maschkes Abstand zum System und seine wissenschaftlichen Leistungen im Verlaufe seiner Jenaer Jahre gehen. Diese begannen anders, als von ihm erhofft.

5.1 Berufung mit Hindernissen Erich Maschke hatte im Dezember 1935 voller Erwartungen vertretungsweise den Lehrstuhl des emeritierten Historikers Georg Mentz, die Leitung des Historischen Seminars und der Anstalt für geschichtliche Landeskunde übernommen. Dies markierte den Beginn einer ersten personellen Umbruchsphase am Historischen Seminar seit dem Machtantritt der Nationalsozialisten. Größere Anpassungsleistungen oder Veränderungen personeller oder inhaltlicher Art im Sinne des neuen Regimes waren zuvor im Seminar unter der Leitung der nationalkonservativen Historiker Alexander Cartellieri (1867–1955)6 und Georg

3 4 5 6

20.  Jahrhundert; Steinbach/Gerber (Hg.), »Klassische Universität« und »akademische Provinz«; John, Wissenschaft und Politik – die Jenaer Universität im 20. Jahrhundert; Hoßfeld/ John/Stutz (Hg.), Weaving networks. Zit. n. Stutz/Hoßfeld, Jenaer Profilwandel, S. 242. Maschke, Universität Jena, S. 121. Ebd. S. 121. Steinbach, Des Königs Biograph. Alexander Cartellieri (1867–1955).

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Mentz (1870–1943) nicht vonnöten gewesen. Mit Erich Maschke und Günther Franz (1936) trat nun eine jüngere Generation von Historikern ihre Nachfolge an, die das Historische Seminar bis Anfang der vierziger Jahre maßgeblich prägten. Zu ihnen gesellte sich 1936 – zunächst mit einem Lehrauftrag – der Publizist, Alte Kämpfer und antisemitische Hetzredner Johann von Leers, der auch am Historischen Seminar im nationalsozialistischen Ungeist zu lehren begann. Aus verschiedenen Gründen kam es zwischen ihm und Günther Franz in den folgenden Jahren zu einigen Auseinandersetzungen, die das Klima am Seminar beeinträchtigten7. Doch zurück ins Jahr 1935. Erich Maschke musste nach einiger Zeit feststellen, dass sich seine Hoffnungen auf eine Festanstellung so bald nicht erfüllen würden. Seine Berufung auf eine ordentliche Professur ließ auf sich warten. Erst zum 1.  Juni 1937 wurde diese vollzogen. Die Gründe für diese lange Verzögerung sind nicht völlig geklärt. In der Diskussion um die Vergabe eines Lehrstuhles an ihn war wohl das Kriterium seiner politischen und ideologischen Haltung von ausschlaggebender Bedeutung. Diesen Eindruck vermitteln die zahlreichen, in Maschkes Jenaer Personalakte enthaltenen Gutachten und Einschätzungen über seine Persönlichkeit und seine wissenschaftlichen Arbeiten durch Königsberger Dozenten, Studenten sowie Jenaer Kollegen. Diese geben Aufschluss über die unterschiedliche Beurteilung von Maschkes Einstellung gegenüber dem Nationalsozialis­ mus, die zwischen »undurchsichtig«8, »im Sinne einer politischen Wissenschaft unbrauchbar«9, »grundsätzlich sicher wohl positiv, wenngleich nicht frei von einer gewissen Kritik«10 und »weltanschaulich gefestigt und überzeugter Nationalsozialist«11 rangierte. Bei diesen Bewertungen sind der verschiedene Grad an Partei- und Ideologienähe sowie der Involviertheit in das NS-System derjenigen zu bedenken, die ihre Meinung über Maschke äußerten. So erlauben die unterschiedlichen Einschätzungen12 kein eindeutiges und abschließendes Urteil über Maschkes Nähe zum nationalsozialistischen Regime und seiner Ideologie in dieser Zeit, sondern lassen lediglich den Schluss zu, dass er damals schwer einzuordnen war. Ob er sich aus Karrieregeist und durch stramme Parteidis­ziplin bis 1937 auf einen Lehrstuhl hochgearbeitet hatte  – wie Michael Fahlbusch meinte13–, ob Maschke sich allmählich Elementen der nationalsozialistischen Weltanschauung gegenüber aufgeschlossener zeigte und sie sich dann aus Überzeugung zu eigen machte, ob aus diesen beiden oder anderen Motiven – lässt 7 Vgl. dazu Gottwald, Die Jenaer Geschichtswissenschaft in der Zeit des Nationalsozialismus. 8 UAJ, PA Erich Maschke D 3193, Gutachten von Dr. Heinrich Harmjanz (Königsberg) vom 6.4.1936. 9 Ebd., Abschrift eines undatierten Schreibens des NS-Studentenbundes Königsberg. 10 Ebd., Schreiben von Dr. Ulrich Crämer (Jena) vom 12.5.1936. 11 Ebd., SA-Dienstleistungszeugnis des Führers des Sturmes 7/235 Hage vom 8.2.1937, ausdrücklich als nicht politische Beurteilung bezeichnet. 12 Sie wurden aus einer Reihe anderer ausgewählt und bilden nur zufällig eine chronologische Folge. 13 Fahlbusch, Wissenschaft im Dienst des Nationalsozialismus, S. 373.

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sich seiner Personalakte nicht eindeutig entnehmen. In späteren politischen Beurteilungen Maschkes aus der Jenaer Zeit wurde jedenfalls kein Zweifel mehr an seiner »richtigen« politischen Einstellung mehr geäußert14. In diesem Zusammenhang hatte ein weiterer Aspekt eine große Rolle gespielt: Maschkes Verhältnis zu seinem  – jüdischen  – Lehrer Hans Rothfels. Auch darin einen Grund für die lang andauernde Diskussion um seine politische Gesinnung und für die späte Berufung zu suchen, erscheint plausibel. Zum einen befand sich in seiner Personalakte eine Notiz15, der zufolge über ihn in der Anfangszeit in Jena das Gerücht umlief, er habe sich in Königsberg für einen Juden eingesetzt und deshalb von dort weggehen müssen. Zum anderen fühlte Maschke selbst noch nach seiner Berufung die Notwendigkeit, in schriftlicher Form Stellung zu seiner Zusammenarbeit mit Rothfels zu beziehen. Dabei rückte er in wohlgewählter Formulierung von seinem Lehrer ab und vermied es, das persönliche Verhältnis zwischen ihnen anzusprechen: »Obgleich Rothfels Jude war, konnte ich eine Zusammenarbeit nicht umgehen, da er sich stark für die grenzdeutschen und Nationalitätenfragen interessierte […]. Ich kann aber betonen und durch meine literarischen Arbeiten nachweisen, dass ich geistig durchaus unabhängig von ihm geblieben und meine eigenen Wege gegangen bin. […] Zum Schluß möchte ich noch einmal betonen, dass meine Zusammenarbeit mit Professor Rothfels sich daraus ergab, dass er Ordinarius und ich Privatdozent war und ich ihn für die Ostarbeiten, in denen er sehr tätig war, gar nicht umgehen konnte, wenn ich nicht auf meine eigenen Arbeiten hätte verzichten wollen.«16

Die ungewöhnliche Dauer der Debatte um die Besetzung eines Lehrstuhles durch Maschke eröffnet noch einen anderen Problemkreis. Es ist nicht klar, auf wessen Betreiben und mit welchen Absichten Erich Maschke nach Jena geholt wurde, da er nun ganz offensichtlich nicht der Wunschkandidat der NSDAPKreisleitung Jena und des Dozentenbundes der Universität war17. Nur ein Gut14 UAJ, PA Erich Maschke D 3193, Schreiben des Gaudozentenbundführers an den Gaudozentenbundführer der Universität Greifswald vom 16.1.1939: »Ihm ist seine wissenschaftliche Arbeit zugleich politischer Einsatz. Politisch ist nichts Nachteiliges über ihn bekannt. Obwohl er sich ziemlich zurückhält, ist er in seiner Gesamthaltung Nationalsozialist.« sowie Schreiben des Dozentenbundes vom 10.2.1942 an die Gauleitung Thüringen der NSDAP, Gaupersonalamt, Abt. Politische Beurteilung: »Es bestehen gegen ihn weder in charakterlicher noch in politischer Hinsicht die geringsten Bedenken.« 15 UAJ, PA Erich Maschke D 3193, Notiz über telefonische Auskunft von SD-Außenstellen­ leiter Krahner am 18.1.1939. 16 Ebd., Abschrift eines Schreibens von Erich Maschke an die Ortsgruppe der NSDAP JenaWest vom 17.9.1937. 17 UAJ, PA Erich Maschke D 3193, Schreiben des Kreispersonalamtsleiters Wünsche an den Dozentenschaftsführer Hans Ebert vom 11.4.1936: »Wie der Mann überhaupt hierher­ geholt werden konnte, ist mir unverständlich. Es scheint, dass man versäumt hat, sich genügend über die Beschaffenheit Maschkes zu unterrichten. Solche Leute haben wir leider schon mehr als nötig hier, wir hätten tatsächlich nicht noch einen solchen Vertreter hierherholen brauchen.«

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achten18 des Rektors über die Wiederbesetzung der beiden Lehrstühle für Mittlere und Neuere Geschichte gibt darüber Auskunft, dass mit ihm der Fachbereich Ostforschung bzw. Osteuropäische Geschichte in Jena etabliert und die nationalsozialistische Ausrichtung der Universität unterstützt werden sollte. Waren dabei die zwischengeschalteten Parteidienststellen umgangen worden? Auch die Auswirkungen von Theodor Oberländers Eingreifen zugunsten von Erich Maschke, der von den Diskussionen um ihn erfahren hatte  – ein Indiz für die Bedeutung der ostwissenschaftlichen Netzwerke? –, sind nicht bekannt. Licht auf diese Berufung im Geflecht zwischen Parteiämtern, Ministerialbürokratie, akademischen Strukturen und Einzelpersönlichkeiten vermochte auch die Suche nach Dokumenten nicht zu bringen, die die persönliche Einmischung des thüringischen Gauleiters Fritz Sauckel bezeugen können. Dieser hatte sich des Öfteren Berufungsfragen persönlich angenommen und sie entschieden. Was auch immer die Hintergründe für diese Berufung waren, Erich Maschke nahm seine Lehrtätigkeit in Jena auf und wurde nach allen bisherigen Zeugnissen bei Studenten und Kollegen gleichermaßen geschätzt und anerkannt19. Einer seiner Historikerkollegen am Historischen Seminar war Günther Franz.

5.2 Günther Franz und die thüringische Landesgeschichte Die Erinnerung an die gute Zusammenarbeit und Freundschaft mit Günther Franz20 in Jena war vielleicht auch einer der Gründe dafür, dass Maschke sich der Salana auch in späteren Jahren noch verbunden fühlte. Daher stehen nun im Folgenden die verschiedenen Ebenen ihrer fachlichen und wissenschaftspolitischen Zusammenarbeit und deren Auswirkungen im Mittelpunkt der Betrachtung wie auch ihr persönliches Verhältnis in dieser Zeit und danach. Erich Maschke hatte Günther Franz bereits vor 1935 kennen gelernt. In welchem Rahmen und bei welcher Gelegenheit dies geschehen war, ist unklar; möglich 18 UAJ, Bestand BA, Nr. 932, S. 227. 19 UAJ, PA Erich Maschke D 3193, Gutachten des stellvertretenden Gaudozentenführers­ Hahland vom 15.3.1941: »… in der Fakultät erfreut sich M. allgemeiner Achtung und Beliebtheit. In seinem Wesen ist M. aufgeschlossen, kameradschaftlich und stets einsatzbereit. Seine lebensbejahende Heiterkeit sichert ihm das Vertrauen aller, die mit ihm zu ar­bei­ten haben.« 20 Zu Günther Franz’ Biographie, Werken und zahlreichen Aktivitäten für den National­ sozialismus vgl. die von der Ausgewogenheit des Urteils her verschieden ausfallenden Beiträge von Behringer, Bauern-Franz und Rasse-Günther; ders., Der Abwickler der Hexen­ forschung im Reichssicherheitshauptamt; von von Krusenstjern/Medick (Hg.), Zwischen Alltag und Katastrophe. Der Dreißigjährige Krieg aus der Nähe; von Gottwald, Die Jenaer Geschichtswissenschaft in der Zeit des Nationalsozialismus; Demade, The Medieval­ Countryside in German-Language Historiography since the 1930s; UAJ, PA Günther Franz D 758.

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wäre ein Treffen im Zusammenhang mit einem der Historikertage oder auch im Volkswissenschaftlichen Arbeitskreis, dem auch Günther Franz nahe stand bzw. dem er selbst angehörte21. Gelegenheiten des Kennenlernens boten sich wohl aber auch bei der Mitarbeit an gemeinsamen Projekten22. Erich Maschke und Günther Franz müssen zumindest miteinander in einer Weise bekannt gewesen sein, die Franz in die Lage versetzte, über Maschkes fachliche Kompetenz sowie seine politische Haltung ein Gutachten zu verfassen23. Dass ihr Verhältnis schon vor der gemeinsamen Zeit in Jena ein kooperativ-­ freundschaftliches gewesen war, zeigte sich auch an den Glückwünschen von Günther Franz zur Berufung Maschkes nach Jena24. Mit der Berufung von Franz nach Jena begann eine persönliche Freundschaft, die über die Jenaer Jahre 1936 bis 1941 bis an das Lebensende Erich Maschkes fortdauerte. In Briefen an ihn erinnerte Günther Franz später oft rückschauend »an die Jahre unserer Jugend, die gemeinsamen Exkursionen, den doppelten Schreibtisch in dem­ primitiven Jenaer Direktorenzimmer, die fröhlichen Feste«25 am Historischen Seminar in Jena und gedachte der persönlichen Verbindung zwischen ihnen26. 21 UA Stuttgart-Hohenheim, NL Günther Franz N 6, Nr. 1.1.3. In einem Brief vom 26.10.1935 sprach Erich Maschke von gemeinsamen »Kameraden«: »Von Jena aus werde ich es auch leichter haben, Verbindung mit den west- und süddeutschen Kameraden zu halten.« Die Verfasserin möchte an dieser Stelle ausdrücklich Herrn Prof. Dr. Eckhart G. Franz dafür danken, ihr die Korrespondenz zwischen Günther Franz und Erich Maschke aus dem Nachlass Franz zur Verfügung gestellt und sich bereit erklärt zu haben, zahlreiche Fragen zu beantworten. 22 Beispielsweise bei der Mitarbeit an einem von der Deutschen Akademie herausgegebenen Handbuch der Deutschen Geschichte, einem Sammelwerk des Verbandes deutscher Geschichtslehrer oder bei dem Deutschen Bilderatlas von Erwin Hoelzle. Bei dem Handbuchbeitrag von Erich Maschke handelt es sich mit großer Wahrscheinlichkeit um »Der Kampf zwischen Kaisertum und Papsttum« aus Brandt-Meyer-Just, Handbuch der Deutschen Geschichte, Bd. 1, Abschnitt 4, München 1935. 23 Seiner Einschätzung nach war Maschke »wie ich aus eigener Erfahrung weiß, ein guter Redner und nach Berichten von Dozenten ein sehr guter Dozent und Lehrer. Er ist unter den jüngeren Kollegen, noch nicht beamteten mittelalterlichen Dozenten fast der einzige mit einem ursprünglich politischen Einsatz und soweit sich aus seinen Arbeiten erkennen lässt – einem geschlossenen Geschichtsbild. […] Ich würde ihn wissenschaftlich und politisch an die Spitze des mittelalterlichen Nachwuchses stellen. Ich bin überzeugt, dass er an jedem Ort eine Professur der mittelalterlichen Geschichte gut ausfüllen würde.« UA Stuttgart-Hohenheim, NL Günther Franz N 6, Nr. 1.1.3. Gutachten vom 1.6.1935. 24 Brief Prof. Dr. Eckhart G. Franz’ an die Verfasserin vom 18.11.2001 mit angefügtem Schreiben von Günther Franz an Erich Maschke vom 1.11.1936 aus dem Nachlass Franz: »Dass mich vieles mit Jena verbindet und mich vor allem auch die Zusammenarbeit mit Ihnen lockt, wissen Sie.« 25 UA Stuttgart-Hohenheim, NL Günther Franz N 6, Brief an Erich Maschke vom 28.3.1960. 26 HStA Stuttgart, NL Erich Maschke J 40/10, Bü 64, Schreiben an Erich Maschke vom 20.6.1972: »Der selbstverständliche Kontakt [zwischen uns  – d.  Vf.], der sich […] immer wieder ergibt, zeugt doch von einer gemeinsamen Grundhaltung, die vielleicht doch auf einem Ausgangspunkt beruht, von dem wir wohl in Jena nichts wussten, der mir erst im

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Ähnlich äußerte sich auch Erich Maschke27. Auch zwischen den Familien entwickelte sich ein herzliches Verhältnis. Die Freundschaft zwischen den Historikern wurde durch die enge fachliche Zusammenarbeit vertieft. Maschke und Franz waren Direktoren des Historischen Seminars und wechselten sich jährlich in der Geschäftsführung ab. Erich Maschke überließ dabei Günther Franz, dem wissenschaftsorganisatorisch Begabten, im Seminar offenbar gern die Initiative, so dass ein anderer Jenaer Historiker, der Danteforscher Friedrich Schneider28, bei einer Abschiedsfeier in einem Gedicht den Refrain vortrug: »Franz, der führt hier die Regie, Maschke sitzt ihm vis á vis.«29 In der Arbeit beider am Seminar stellten die gemeinsam organisierten und durchgeführten Exkursionen wohl einen besonderen Höhepunkt dar. In Verbindung mit anderen Institutionen wurden regionale, aber auch überregionale historische Städte und Landschaften aufgesucht30. Darin kam möglicherweise die Begeisterung der ehemaligen Jugendbewegten Franz31 und Maschke für den Wert der eigenen Anschauung und des unmittelbaren Erlebens zum Ausdruck. Diese teilweise mehrtägigen Ausflüge dienten zum einen dem Zweck, die angebotenen Lehrveranstaltungen inhaltlich und anschaulich zu ergänzen32 und die Studenten mit den aktuellen Forschungsdiskussionen vertraut zu machen33, zum anderen aber auch gleichzeitig ihrer Heranführung an das politische Geschehen der Gegenwart. Auf diese Weise verquickten Maschke und Franz als politische Historiker die fachwissenschaftliche Ausbildung mit politischen Zielsetzungen34. Die gemeinsame Arbeit am Seminar umfasste selbstverständlich auch die Betreuung von Prüfungen und Prüfungsarbeiten. Diese brachten Erich Maschke teilweise in Kontakt mit der Arbeit von Günther Franz, der in der Gegnerforschung des Sicherheitsdienstes der SS tätig war. So begutachtete Erich Maschke letzten Jahrzehnt so bewusst geworden ist, der gemeinsamen Zugehörigkeit zur Jugendbewegung, in der Sie einmal ja eine viel wesentlichere Rolle gespielt haben als ich.« 27 UA Stuttgart-Hohenheim, NL Günther Franz N 6, 1.6.8. Dank Erich Maschkes 1980 für die Geburtstagsglückwünsche: »Mir scheint in der Tat, daß Ihr und mein Leben in manchen Beziehungen parallel verlaufen sind, und ich hoffe, daß wir uns diese Parallelität, die ja Gemeinsamkeit bedeutet, noch ein Weilchen erhalten können.« 28 Zu Friedrich Schneider siehe Steinbach, »Spätberufen«. 29 Franz, Mein Leben, S. 108. 30 Lehrausflüge führten u. a. nach Magdeburg, Wittenberg, Nordhausen, Saalfeld, Zeitz, Halle sowie nach Bamberg und Würzburg (UAJ, Bestand S, Abt. VI, Nr. 02; Best. S, Abt. V, Nr. 8). 31 Vgl. die Beiträge von Günther Franz in: Kindt (Hg.), Die deutsche Jugendbewegung 1920– 1933. Die bündische Zeit, Düsseldorf, Köln 1974. 32 Z. B. ein burgenkundliches Seminar 1937/38 von Erich Maschke durch die »Burgenfahrt« nach Nordthüringen. UAJ Jena, Bestand C, Nr. 234, Bd. IV, 1936–1944. 33 Z. B. die organisierte Fahrt zum Erfurter Historikertag 1937, auf dem Maschke und Franz als Redner auftraten. 34 So fanden beispielsweise Grenzlandfahrten an die böhmisch-deutsche Grenze 1938 bzw. nach der Zerschlagung der Tschechoslowakei 1939 statt.

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eine Reihe von Dissertationen35, die von wissenschaftlichen Nachwuchskräften im Sicherheitsdienst verfasst worden und thematisch und programmatisch der Erforschung der ideologischen Gegnergruppen des Nationalsozialismus verpflichtet waren36. Damit half Maschke wissentlich oder ohne sein Wissen, SS-Fachkräfte auszubilden und die Voraussetzungen dafür zu schaffen, historische Abteilungen mit SS-Personal zu durchdringen und die weltanschauliche Ausrichtung der Geschichtswissenschaft voranzutreiben, wie es das Ziel solcher Aktionen war37. Es ist nur schwer einzuschätzen, ob Maschke über die Zusammenhänge im Bilde war, wie Joachim Lerchenmüller meinte, dies sagen zu können: »Ob alle Betreuer sich des direkten Zusammenhanges zwischen SD-Gegnerforschung und der von dem jeweiligen Kandidaten gewählten Themenstellung bewusst waren (wie das bei Franz, Maschke, Höhn, Bilfinger und Schmitthenner der Fall war) ist unklar.«38

Angesichts des persönlichen Verhältnisses zwischen Maschke und Franz erschiene es verwunderlich, sollte Erich Maschke von seinem Kollegen nicht über die Hintergründe aufgeklärt worden sein. Es ist allerdings dabei auch zu berücksichtigen, dass der Zusammenhang zwischen den Promotionsthemen, ihren Verfassern und dem Sicherheitsdienst möglichst geheim gehalten wurde, möglicherweise so auch vor Erich Maschke. Dennoch bleibt die Frage im Raum, ob nicht Erich Maschke durch Günther Franz in seiner späteren Entscheidung in Leipzig, für den Sicherheitsdienst – wahrscheinlich als V-Mann – zu arbeiten, positiv beeinflusst wurde39.

35 Z. B. Hermann Löffler, Der Anteil der jüdischen Presse am Zusammenbruch Deutschlands, Promotion 1940; Hans Riegelmann, Die europäischen Dynastien in ihrem Verhältnis zur Freimaurerei. Historisch-politische Untersuchungen auf genealogischer Grundlage, Promotion 1941; Heinz Gürtler, Deutsche Freimaurer im Dienste napoleonischer Politik. Die Freimaurerei im Königreich Westfalen 1807–1813, Promotion 1939. Vgl. dazu Lerchen­müller, Die Geschichtswissenschaft in den Planungen des Sicherheitsdienstes der SS. Der SD-Historiker Hermann Löffler und seine Gedenkschrift, S.  91, S.  102 bzw. das Disserta­tionsverzeichnis im Universitätsarchiv Jena T Abt. I/M. Zumin­dest eine dieser Promotionen (Heinz Bender, Der Kampf um die Judenemanzipation in Deutschland im Spiegel der Flugschriften 1815–1820, Promotion 1939) wurde als zweiter Band der Reihe »Hanfried. Schriften zur neueren und mittleren Geschichte« heraus­gegeben. Diese Schriftenreihe war von Erich Maschke und Günther Franz begründet worden. 36 Lerchenmüller, Die Geschichtswissenschaft in den Planungen des SD, S. 99. 37 Ebd. 38 Ebd. S. 103. In Erich Maschkes Fall wurden die Quellen und Belege für dieses behauptete Mitwissen allerdings nicht angegeben. 39 UAL, PA Erich Maschke 720; vgl. auch den Personalbogen der NSDAP Kreis Leipzig vom 8.3.1944, in dem sich Erich Maschke zum Angehörigen der SS, gemeint ist höchstwahrscheinlich damit der SD, da er nie in der SS war, erklärt. BA Berlin, NS-Archiv des MfS, Akte ZA VI 2927 A. 10. Dieser Themenkomplex wird im Kapitel Leipzig aufgegriffen.

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Neben anderen universitären und außerakademischen Bereichen40, in denen Maschke und Franz zusammenarbeiteten, bildete die thüringische Landesgeschichte das Hauptfeld ihrer wissenschaftlichen Kooperation. Franz und Maschke waren Vorstand bzw. Direktoren der 1937 auf Initiative von Günther Franz gegründeten Anstalt (seit 1940: Institut) für geschichtliche Landeskunde, die eine erste institutionelle Anbindung der thüringischen Landesgeschichtsforschung an die Universität darstellte41. Ihre Aufgabe sollte es sein, in Forschung und Lehre durch Vorlesungen, Übungen, Arbeitsgemeinschaften und Lehrveranstaltungen die Erforschung des thüringischen Raumes auf geschichtlicher Grundlage zu betreuen und in die Methoden der Landes- und Volks­ forschung einzuführen42. Damit sollte eine enge Verbindung der Hochschule mit dem Raum geschaffen werden, in dem sie stand. Die interdisziplinär angelegte Anstalt war somit wie auch andere in dieser Zeit gegründete landesgeschichtliche Institutionen an bereits bestehenden Instituten orientiert, wie aus der Begründung des Antrages hervorgeht: »So wie die drei rheinischen Institute in Bonn, Heidelberg und Freiburg jeweils den ihnen vorgelagerten Raum deutschen Volksbodens im Westen (Niederlande, Lothringen, Elsaß) mitbetreuen und die Institute in Breslau und Königsberg auf den Osten ausgerichtet sind, müssten die mitteldeutschen Institute ihren Blick zugleich über die Reichsgrenze hinweg nach Böhmen wenden, den sudetendeutschen Raum erforschen helfen und der dortigen Forschung den nötigen Rückhalt gewähren. Auch diese volkspolitisch vordringliche Aufgabe ist nur durch die Errichtung eines selbständigen Institutes zu erfüllen.«43

Der Einfluss Erich Maschkes auf das gesamte Vorhaben und seinen Anteil bei dessen Umsetzung ist nicht zu unterschätzen. Mit hoher Wahrscheinlichkeit war er für die Formulierung der Aufgaben der geplanten Institution im Hinblick auf die »Grenzraumforschung« gen Osten verantwortlich – ob auch sein Kollege Günther Franz über die dafür notwendigen Sprachkenntnisse und Verbindungen zu sudetendeutschen Wissenschaftlern verfügte, welche ausgebaut werden sollten44, ist unbekannt. Dieser Bereich fiel klar in das Ressort von Erich 40 Hierzu sind der Dozentenbund, die sog. AG »Junge Wissenschaft«, der gemeinsame Einsatz im Schulungsrednerwesen und beim Kriegseinsatz der deutschen Geisteswissenschaften zu nennen, auf die an anderer Stelle eingegangen wird. 41 Vgl. dazu Gottwald, Die Jenaer Geschichtswissenschaft in der Zeit des Nationalsozialismus, S. 922. Jena gehörte bis dahin zu den wenigen Hochschulen, denen eine landesgeschichtliche Forschungsstätte fehlte. UAJ, Bestand S, Abt. VI, Nr.  02, Antrag zur Neugründung einer Anstalt vom 2.2.1937 durch Günther Franz. 42 UAJ, Bestand S, Abt. VI, Nr. 02. 43 Ebd. 44 Er selbst gab in der Neuformulierung des Antrags auf Gründung der Anstalt in einem Schreiben an den Dekan der Philosophischen Fakultät vom 7.8.1937 an: »Prof. Maschke ist vor allem mit den Aufgaben des sudetendeutschen Raumes vertraut.« ThHStA Weimar, Bestand C, Nr. 308.

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Maschke, der nach eigenen Angaben45 Tschechisch (und Polnisch) sprach sowie Kontakte zu sudetendeutschen Gelehrten pflegte46. Eine Notiz im Nachlass von Albert Brackmann verdeutlicht Maschkes Anteil an der Ausrichtung der zu gründenden Anstalt: »Maschke ist […] bemüht, einige Verbindungen auf wissenschaftlichem Gebiet zwischen Thüringen und Böhmen zu schaffen, und die Arbeit der Universität Jena auch auf das nächstliegende Grenzland auszurichten. Maschke hat in diesem Se­ mester in seinem Seminar das Egerland vom frühen Mittelalter bis in die Gegenwart behandelt und in Prag bereits Beziehungen zur Sudetendeutschen Partei aufzunehmen begonnen. Ueber die Fortschritte dieser Arbeit will er uns gelegentlich unterrichten.«

Die hier zu Tage tretende Verknüpfung von Wissenschaft und Politik aber war charakteristisch für beide Historiker. Die Anstalt für geschichtliche Landeskunde wurde innerhalb der wenigen Jahre von Erich Maschkes und Günther Franz Lehrtätigkeit in Jena sehr aktiv. Sie gab eine Schriftenreihe »Arbeiten zur Landes- und Volkskunde« heraus, die bis 1941 zehn Bände umfasste und sich vorrangig auf landeskundliche Dissertationen stützte. Sie beteiligte sich an der Arbeit am Historischen Atlas der Historischen Kommission sowie am Wirtschaftsatlas der Hochschularbeitsgemeinschaft für Raumforschung. Des Weiteren erarbeiteten die Mitglieder der Anstalt 1938 eine Vortragsreihe »Die geschichtlichen Grundlagen des Mitteldeutschen Raumes« für den Reichssender Leipzig. Einzelne Mitglieder, darunter auch Erich Maschke und Günther Franz, beteiligten sich an der Arbeit an einer Geschichte der Stadt Jena. Die Anstalt kooperierte mit dem VDA, insbesondere mit der Forschungsstelle Thüringer im Ausland und veranstaltete Vortragsreihen zu landesgeschichtliche Themen. Personell und fachlich war das Institut für geschichtliche Landeskunde eng verbunden mit der staatlichen Thüringischen Historischen Kommission, die ebenfalls 1937 durch Reichsstatthalter Fritz Sauckel ins Leben gerufen wurde47, sowie mit dem Verein für Thüringische Geschichte und Altertumskunde48. Auch in diesen Institutionen nahmen beide Historiker teilweise führende Posi-

45 UAJ, PA Erich Maschke D 3193. 46 Es ist zu vermuten, dass darunter Kontakte zu Kleo Pleyer wie auch zu Wissenschaftlern der Anstalt für sudetendeutsche Heimatforschung (später Sudetendeutsche Anstalt für Landesund Volksforschung Reichenberg) zu verstehen sind. Deutsche Wissenschaftler aus der Tschechoslowakei nahmen ebenfalls mehrfach an den Tagungen der NOFG teil. 47 Ihre Aufgabe bestand vor allem darin, »die Geschichte Thüringens in seinem früheren und jetzigen Gebietsbestand zu erforschen, namentlich Quellen und Hilfsmittel hierfür zu bearbeiten und zu veröffentlichen«. ThHStA Weimar, Bestand C, Nr.  763. Demgegenüber wurde der Verein auf die Herausgabe einer wissenschaftlichen Zeitschrift beschränkt. 48 Marwinski, Der Beitrag des Vereins für Thüringische Geschichte und Altertumskunde zur thüringischen Landesgeschichtsforschung.

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tionen ein  – Franz war Stellvertretender Vorsitzender und Maschke Mitglied der Kommission, während beide Historiker Vorsitzender bzw. Stellvertreter im Verein für Thüringische Geschichte und Altertumskunde waren. Innerhalb weniger Jahre gelang es ihnen, was wohl vorrangig dem organisatorischen Geschick von Günther Franz zu verdanken war, die Mitgliederzahl von 200 auf 1000 zu erhöhen und der Zeitschrift des Vereins zu einem neuen Aufschwung zu verhelfen. Tatsächlich blieb aber Erich Maschkes wissenschaftlicher Beitrag zur thüringischen Landesgeschichtsforschung gering49. Diese Formen der Zusammenarbeit zwischen Günther Franz und Erich Maschke mussten zwangsläufig eingeschränkt werden, als Franz 1941 einen Ruf an die Reichsuniversität Straßburg annahm. Doch diese Zeit, das Kriegsende, die Internierung und Gefangenschaft Erich Maschkes stellten nur eine Unterbrechung ihrer Freundschaft dar. Nach dem Krieg nahm Familie Franz sobald wie möglich wieder Kontakt zu Frau Maschke auf und sofort nach Erich Maschkes Rückkehr sandte Günther Franz ihm eine Büchersendung als Wiedereinstiegshilfe50. Günther Franz, selbst in einer schwierigen beruflichen Situation, versuchte, ihn nach seiner Heimkehr nach Kräften zu unterstützen, indem er ihn u. a. als Rezensenten für seine Zeitschrift »Das historisch-politische Buch« beschäftigte. Schon ab Anfang 1954 veröffentlichte Erich Maschke zahlreiche Besprechungen darin und wurde auch in der Folgezeit zu einem der aktivsten Mitarbeiter51. Als er selbst einen Lehrstuhl in Heidelberg erhielt und sich in neue Themengebiete einarbeiten musste, verringerte sich der Umfang dieser Rezensionstätigkeit, sie wurde aber noch bis 1969 fortgeführt. Die anfängliche Unterstützung seitens Günther Franz’ vergaß Maschke nicht. Kaum war ihm der Lehrstuhl in Heidelberg sicher, verwendete er sich für Franz an der Stuttgarter Hochschule52, der er selbst abgesagt hatte. Franz war ihm da-

49 Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang auf den Vortrag über »Thüringen und das Reich«, den Maschke auf dem Erfurter Historikertag 1937 gehalten hatte und der in der Zeitschrift des Vereins ungekürzt abgedruckt wurde. In diesem Vortrag stellte Maschke Thüringen als Vorkämpfer für das Dritte Reich dar. Eine ausschließlich wissenschaftliche Urkundenbewertung und -interpretation ist sein Aufsatz »Die Herkunft Hermann von Salzas«, in welchem er thematisch eine regionalgeschichtliche Fragestellung mit seiner Spezialisierung auf die Geschichte des Deutschen Ordens verband. Zu den bibliographischen Angaben vgl. das Schriftenverzeichnis. 50 Das Dankschreiben Maschkes ist auf den 14.10.1953 datiert. Erich Maschke war erst Anfang Oktober wieder bei seiner Familie eingetroffen. 51 Dies waren bis 1960 hauptsächlich Rezensionen zu mediävistischen Themen, z. B. zur Kirchengeschichte, zum Deutschen Orden, zur Geschichte der Staufer usw. Erst später kamen Rezensionen zu Werken der Wirtschafts- und Sozialgeschichte hinzu. 52 HStA Stuttgart, NL Erich Maschke J 40/10, Bü 97, Schreiben Maschkes an Prof. Martini vom 7.6.1956: »Sollten Sie die Absicht haben, dem Plan einer kw-Professur weiter nachzugehen, so möchte ich Sie doch auf den z. Zt. in Marburg lebenden neueren Historiker Prof. Günther Franz hinweisen. Ich möchte heute nicht mehr tun, als Ihnen diesen Namen zu nennen.«

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für sehr dankbar. In den darauf folgenden Jahren entwickelten sich die beruflichen und fachlichen Wege der beiden Späteinsteiger auseinander. Dies änderte aber nichts an der gegenseitigen Wertschätzung53 sowie am vertrauten freundschaftlichen Umgang miteinander, der durch gelegentliche Treffen wieder erneuert wurde54. Im überlieferten Briefwechsel zwischen Franz und Maschke seit dieser Zeit spielten die persönlichen Schicksale nach dem Krieg und die Zeit des Nationalsozialismus als Themen keine Rolle mehr. Auch eine kritische Aufarbeitung der eigenen Vergangenheit fand darin nicht statt. Dass Günther Franz seine viel­f ältigen Aktivitäten im Dritten Reich nicht unter den Tisch zu kehren versuchte, sondern sich dazu bekannte, machte sein Beitrag über das Geschichtsbild des Nationalsozialismus55 deutlich, der eines der wenigen Zeugnisse dieser Art seitens eines deutschen Historikers war. Von Erich Maschke ist eine solche Schrift nicht bekannt. Auch bei ihm hätte in diesem Zusammenhang einiges zur Sprache kommen müssen, sowohl was sein Engagement in NS-Organisationen und Behörden betraf, als auch was sein wissenschaftliches und publi­ zistisches Werk dieser Jahre anbelangte.

5.3 Innerhalb und außerhalb der Universität im Einsatz Wie in Königsberg hatte sich Erich Maschke auch in Jena in nationalsozialisti­ schen Verbänden und Gremien engagiert, war nun noch weiteren Organisatio­nen beigetreten und hatte an umfassenden Wissenschaftsprojekten und Gemeinschaftswerken teilgenommen. Dies galt sowohl für seine Tätigkeit inner-, als auch außerhalb der Universität. Die Übernahme von Aufgaben für außeruniversitäre parteiamtliche Behörden und Dienststellen kam hinzu. Maschkes Engagement an der Universität Jena war vielfältiger Art. Dabei schien er nach vorsichtiger Einschätzung neben seinen akademischen Verpflich­tungen56 53 Ausdruck dessen sind u. a. die wiederholte Widmung für Erich Maschke in der vierten Auflage seines Buches »Der Dreißigjährige Krieg und das deutsche Volk« (1940) sowie der von Maschke geplante Beitrag zur Festschrift für Günther Franz »Die Perioden der deutschen Stadtgeschichte im Mittelalter (unter Berücksichtigung der Stadt- und Landbeziehungen)«, der 1980 dann aber doch nicht zustande kam. HStA Stuttgart, NL Erich Maschke J 40/10, Bü 68, Brief Erich Maschkes an Prof. Peter Blickle vom 21.8.1980. Ebd. Auch: »… seit Günther Franz und ich vor dem Kriege zusammen in Jena waren, sind wir befreundet.« 54 Brief Prof. Dr. Eckhart G. Franz an die Verfasserin vom 18.11.2001. 55 Franz, Das Geschichtsbild des Nationalsozialismus und die deutschen Geschichtswissenschaften. 56 Den schon beschriebenen Umständen seiner Berufung zufolge hatte er rückwirkend zum 1. Juni 1937 eine planmäßige außerordentliche Professur im Rang eines ordentlichen Pro-

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auch in Schulungen und Vortragsarbeit57 sowie in universitäre Vereinigungen und Projekte eingebunden gewesen zu sein, die eine nationalsozialistisch umgestaltete politische Hochschule zum Ziel hatten. Von seiner Arbeit für den Volkswissenschaftlichen Arbeitskreis war bereits die Rede58. Darüber hinaus bekleidete er in der Jenaer Hochschulgruppe des NSD-Dozentenbundes die Stellung eines Fachkreisberaters für den Fachkreis Germanische Geschichte und Kultur. In dieser Eigenschaft sollte er – wie es die Aufgabe solcher Fach­berater generell war – die fächerübergreifende Bearbeitung einzelner Projekte fördern und alle geeigneten Kräfte sammeln, um die Vorbereitungen zur Errichtung einer Wissenschaftlichen Akademie des NSDDB zu schaffen. Ob und in welcher Weise Maschke dieser Verpflichtung nachkam, ist unbekannt. Des weiteren engagierte er sich in der Arbeitsgemeinschaft »Junge Wissenschaft«, die von der Gaustudentenführung eingerichtet worden war, eng mit politischen Funktionären zusammenarbeitete und das Ziel verfolgte, »durch die Arbeit ihrer Mitglieder politische Entscheidungen des deutschen Volkes vorbereiten zu helfen.«59 In diesem Sinne organisierte sie Vorträge und betreute wissenschaftliche Preisarbeiten sowie Forschungen im Reichsberufswettkampf. Neben Günther Franz und seinem Kollegen Johann von Leers und anderen wurde Maschke als Betreuer und Vortragender60 aufgeführt. Seine Vortragstätigkeit nahm ihn insgesamt sehr in Anspruch. Einen Einblick darin vermittelte eine Notiz in einem Brief an Günther Franz aus dem Jahr 1941, in welcher es heißt: »Vor allem habe ich […] in jeder Woche durchschnittlich zwei auswärtige, gelegentlich auch Jenaer Vorträge gehabt …«61 Ebenso sprach er andernorts von »mehreren unmittelbar aneinander anschließenden Dienst- und Vortragsreisen«.62 Auch schon in Königsberg waren eine große Vortragstätigkeit sowie ein umfangreiches Engagement über die akademischen Grenzen hinaus für Erich Maschke wichtige Aufgabenfelder gewesen. Doch nun in Jena waren sie viel-

fessors für Mittlere und Neuere Geschichte und Hilfswissenschaften erhalten. Drei Jahre später erfolgte dann seine Berufung zum Ordinarius. 1939 wurde er vom damaligen Dekan Hahland zu seinem Stellvertreter ernannt, ab Mai 1941 übernahm er die Position eines vorläufigen Dekans der Philosophischen Fakultät und wurde darin 1942 bestätigt. In dieser Eigenschaft vertrat Maschke den verhinderten Rektor Karl Astel bei der feierlichen Eröffnung der Reichsuniversität Posen am 1. Mai 1942. (UAJ, BA 2132). 57 So ist überliefert, dass Maschke in einer Vorlesung für Gasthörer und Studierende aller Fakultäten über die Geschichte der deutschen Ostgrenze sprach (Thüringische Gau­zeitung Jena vom 25.4.1937) oder auf einem Fachschaftsappell der Mediziner im Studentenheim über »Unsere Aufgaben im Osten« (Thüringische Gauzeitung Jena vom 13.12.1941). 58 Siehe den Abschnitt über diesen Arbeitskreis im Kapitel über Königsberg. 59 UAJ, Bestand C, Nr. 1196. 60 Beispielsweise 1938/39 vor der Fachgruppe Rechtswissenschaft über »Bolschewistische Außenpolitik« und »Der Osten als Forschungsproblem«. UAJ, Bestand C, Nr. 1196. 61 UAJ, Bestand S, Abt. VI, Nr. 02. 62 UAJ, Bestand S, Abt. V, Nr. 6. Brief Erich Maschkes an Felix Günther vom 26.9.1941.

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leicht von einer besonderen Motivation getragen. Für die ersten Jenaer Jahre ist die Möglichkeit nicht von der Hand zu weisen, dass Maschke gerade wegen der ausstehenden Berufung – erst 1940 erhielt er ein Ordinariat! – ein beträchtliches Maß an Karrieregeist, Opportunismus und Anpassung an den Tag legte und sich daher in besonderem Maß einsatzbereit zeigte. Ein Beispiel mag dies illustrieren. Seit 1933 der SA angehörend, wurde Erich Maschkes Einstellung zu ihr 1936 folgendermaßen charakterisiert: »Trotzdem er Angehöriger der SA ist […], scheint er den Sinn dieser Organisation, jetzt nach der Kampfzeit, nicht mehr recht einsehen zu können, zumal den allzu zeitraubenden SA-Dienst, so daß die Überlegung nahe liegt – da der SA-Dienst ja freiwillig ist – daß er nur deshalb in der SA bleibt, um später in die NSDAP aufgenommen werden zu können.«63

Schenkt man dieser Einschätzung Glauben, so müsste Erich Maschke in den Jahren 1936–1938 geradezu einen Gesinnungswandel vorgenommen haben: 1938 gehörte er sogar dem Stab der SA-Gruppe Thüringen an, weil er vom Obergruppenführer in den Kulturkreis der Thüringer SA aufgenommen worden war. Darin bekleidete er den Rang eines Oberscharführers und leitete den Arbeitskreis für Grenz- und Auslandsfragen. Ein hierzu stimmiges und von der früheren Einschätzung völlig abweichendes Bild zeichneten die Beurteilungen seines Jenaer Sturmführers Hage sowie des Gaudozentenbundführers Hahland aus den Jahren 1937 und 1941: »Ich habe M. in dieser Zeit als einen sehr diensteifrigen und dienstwilligen SA Mann kennen und schätzen gelernt, der eine fast 100 %ige Dienstbeteiligung aufzuweisen hat. Er ist ein sehr guter Kamerad, beliebt bei seinen Vorgesetzten und Kameraden, sehr opferfreudig, weltanschaulich gefestigt und überzeugter Nationalsozialist. […] Durch seine im Sturm gehaltenen Vorträge über das ›Grenzlanddeutschtum‹ hat er die Sturmangehörigen immer begeistert.«64

Und »Professor Maschke […] hat sich unentwegt aktiv an der Schulungsarbeit der SA und der Partei […] eingesetzt.«65

Im Kontext der Karrieresicherung stand möglicherweise auch Erich Maschkes Eintritt in die NSDAP, obwohl dieser Vermutung entgegengehalten werden könnte, dass er sich bereits in Königsberg darum bemüht hatte. Am 1. Mai 1937 jedenfalls wurde er nach Aufhebung der Beitrittssperre Mitglied und erhielt die 63 UAJ, PA Erich Maschke D 3193, Schreiben Dr. Ulrich Craemers vom 12.5.1936 an die Dozentenschaft der Universität Jena. 64 UAJ, PA Erich Maschke D 3193, Dienstleistungszeugnis des Truppführers des Sturmes 7/235 vom 8.2.1937. 65 Ebd., Gutachten des Gaudozentenbundführers Hahland über Professor Dr. Erich Maschke vom 15.3.1941.

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Mitgliedsnummer 4869260. Damit gehörte er fortan der Ortsgruppe Jena-West an66. 1938 nahm er am Reichsparteitag in Nürnberg teil67. Wenngleich die Karrieresicherung möglicherweise ein wichtiges Motiv bei diesem Engagement Erich Maschkes darstellte, so kann sie doch nicht der einzige Antrieb gewesen sein: Wäre dies der Fall gewesen, so hätten die überlieferten Quellen mit großer Wahrscheinlichkeit einen Unterschied in Art und Intensität seiner Tätigkeiten vor und nach seiner endgültigen Berufung verzeichnet. Dem ist jedoch nicht so. Im Gegenteil – aus der Überlieferung ergab sich vielmehr der Eindruck, dass sich Erich Maschke seit seinem Beginn in Jena stetig und in gleich bleibender Intensität neue Felder der Mitarbeit erschloss und darin auch nicht nachließ, als er das ersehnte Ziel – die endgültige Berufung auf einen Lehrstuhl und ab 1940 die Ernennung zum planmäßigen ordentlichen Professor – erreicht hatte. Dieses Verhalten lässt sich mit Anpassung allein nicht erklären. Plausibel erscheint daher die Vermutung, dass sich Maschke auch aus innerer Überzeugung und Nähe zum Regime und seiner Ideologie in dieser umfangreichen Art und Weise engagierte. Maschkes Schulungs- und Rednertätigkeit für die NSDAP, z. B. auf dem Kreistag der NSDAP Jena-Stadtroda 193868, führte ihn auch über den lokalen Rahmen hinaus. Eigenen Angaben zufolge hielt er im Auftrage des Hauptschulungsamtes 1937 einen Vortrag in Erwitte. Seine Zusammenarbeit mit dem Hauptschulungsamt beschränkte sich jedoch nicht auf diese Gelegenheit. Bereits 1936 war er von Reichsamtsleiter Baeumler gebeten worden69, für den Schulungsbrief zwei Beiträge zu verfassen und war der Bitte nachgekommen. Innerhalb von vier Wochen entstanden so »Hanse und Ritterorden im Zug nach Osten« sowie »Das deutsche Gemeinschaftsleben im Mittelalter«, die als Schu66 67 68 69

BA Berlin, Bestand ehemals BDC, Box 7876. Erging eine Einladung an ihn? BA Berlin, R 153/1220. Zu seinem Vortrag siehe Maschkes Beiträge über das Sudetendeutschtum. BA Berlin, Bestand NS 15/107, Schreiben des Reichsorganisationsleiters, Reichsschulungsamt Dienststelle Berlin, Reichsschulungsbriefe, vom 17.1.1936 an Erich Maschke: »Sehr geehrter Herr Professor! Auf Empfehlung von Herrn Prof. Baeumler [des Reichsamtsleiters des Reichsschulungsamtes – d. Vf.] wenden sich die Reichsschulungsbriefe mit der Bitte an Sie, uns den Geschichtsartikel für das März-Heft zu schreiben. Wir wissen, dass Ihr dortiger Arbeitskreis [gemeint ist Jena – d. Vf.] noch neu ist und Ihre Zeit entsprechend hoch in Anspruch nimmt, trotzdem ist die Bitte um Ihre geschätzte Mitarbeit an den Reichsschulungsbriefen […] eine dringliche, zumal das Reichsüberwachungsamt für die gesamte weltanschauliche Schulung der Bewegung in Ihnen, sehr geehrter Herr Professor, den Mann für das in Frage kommende Thema sieht. […] Es handelt sich um die zur Fortführung unserer Arbeit wichtige Aufgabe, ein farbiges Bild des späten Mittelalters zu zeichnen. […] Da die grosse Politik des Reiches mit den Staufern vorbei ist, müsste sich dieser Artikel mehr dem kulturellen und sozialen Leben zuwenden und die entsprechenden Erscheinungsformen des mittelalterlichen Gemeinschaftslebens in den Vordergrund stellen. […] Der geschichtliche Teil ist der wichtigste unserer redaktionellen Schulungsarbeit in den Briefen. […] Sie erweisen mit Ihrer geschätzten Mitarbeit der Schulungsarbeit der Bewegung einen wichtigen Dienst.«

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lungsbriefe mehr als zwei Millionen Menschen erreichten. Damit hatte Erich Maschke als Autor am Inhalt eines Publikationsorgans mitgewirkt, dessen Aufgaben nach Aussagen Alfred Rosenbergs darin bestanden, einen Überblick über die NS-Weltanschauung zu geben. Blut und Charakter seien als zwei verschiedene Äußerungen des gleichen Wesens hinzustellen. Weiterhin gehörte es zum Zweck und Ziel der Schulungsbriefe, im Einzelnen die Gegner zu bezeichnen70. Mit welchen Behörden, Organisationen und Institutionen Erich Maschke weiterhin in Verbindung stand  – ungeachtet seiner fortlaufenden ostwissenschaftlichen Tätigkeiten –, beschrieb er selbst in einem Lebenslauf: »… vermehrt seit meiner Berufung nach Jena bin ich in der Partei und ihren Gliede­ rungen in der Schulung, besonders betreffs der Ostfragen tätig. Vom Rosenberg-Amt wurde ich zu Vorträgen, Aufsätzen, Mitarbeit an der Reichsparteitagsausstellung 1938 und anderen Aufgaben herangezogen, ebenso vom Hauptschulungsamt der Partei, der Reichsjugendführung und von verschiedenen Dienststellen der Bewegung im Gau Thüringen. Ich bin Lektor […] der Parteiamtlichen Prüfungskommission.«71

Außerdem arbeitete er nach eigenem Bekunden im Auftrag des Verlages des Propagandaministeriums an einer auf die Ordensgeschichte bezogenen Schrift72 mit und brachte seine wissenschaftlichen Erkenntnisse in die Ausarbeitung von Schulungsplänen für Ordensburgen ein73. Wie sich im Einzelnen diese Kooperation gestaltete, welche Position Erich Maschke darin innehatte und welche Funktionen er bekleidete, ist nicht bekannt. Festzustellen bleibt in jedem Fall, dass Erich Maschke sich nicht scheute, in vielfältiger Weise Schulungsaufgaben für das Regime zu übernehmen. Über dieses Aufgabenfeld hinaus beteiligte sich Erich Maschke in seiner Jenaer Zeit auch am wohl bedeutendsten nationalsozialistischen Wissenschaftsprojekt im Bereich der Geisteswissenschaften in der Anfangsphase des Krieges, am so genannten Kriegseinsatz der deutschen Geisteswissenschaften74. Er diente der geistigen Kriegsführung, indem er Forschungstätigkeiten bündeln und staatlich-politischen Zwecken zuarbeiten sollte und »die Idee einer neuen euro­ päischen Ordnung, um die es in diesem Kampfe im letzten Grunde geht, in einer wissenschaftlich unanfechtbaren Weise herauszuarbeiten und als die Wahrheit und Wirklichkeit des Lebens der europäischen Völker zu erweisen.«75 Aus unterschiedlichen Gründen war dieses Projekt auf breite Zustimmung gestoßen, so dass sich mehr als 500 Geisteswissenschaftler und hochrangige Ge70 Wiggershaus-Müller, Nationalsozialismus und Geschichtswissenschaft, S. 14. 71 UAJ, PA Erich Maschke D 3193, Lebenslauf vom 27.7.1939. 72 UAJ, PA Erich Maschke D 3193, Schreiben Erich Maschkes vom 17.9.1937 an die Ortsgruppe Jena-West der NSDAP. Um welche Schrift es sich handelte, ist nicht bekannt. 73 UAJ, PA Erich Maschke D 3193, Schreiben des Gaudozentenbundführers der Universität Jena an den Gaudozentenbundführer Greifswald vom 16.1.1939. 74 Hausmann, »Deutsche Geisteswissenschaft« im Zweiten Weltkrieg, S. 7. 75 Zit. n. Hausmann, »Deutsche Geisteswissenschaft« im Zweiten Weltkrieg, S. 41.

Konstruktionen von »Volk«

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lehrte daran beteiligten. Skeptiker oder Verweigerer ihm gegenüber waren die Ausnahme. Erich Maschke jedenfalls gehörte nicht zu ihnen. Durch seine Teilnahme an den Tagungen76, die sich in ihren Strukturen kaum von traditionellen Kongressen unterschieden, zeigte er zumindest seine Bereitschaft, seine eigene wissenschaftliche Arbeit einem politischen Zweck  – der Kriegsführung  – zuzuführen und nutzbar zu machen. Damit hatte er auch diejenigen Aufgaben akzeptiert, die den Historikern im Rahmen des Kriegseinsatzes zugewiesen worden waren: eine Neudeutung der Geschichte, die Ausarbeitung einer Geschichte des europäischen Ordnungsgedankens, einer gesamtgermanischen Geschichtsauffassung sowie einer Geschichte der germanisch-deutschen Welt seit den ältesten Zeiten zu leisten77. Diese Aufgaben waren zum Teil  – wie bereits erwähnt – nicht erst seit dem Kriegseinsatz für Erich Maschke von Interesse und ihm ein Anliegen gewesen. Insofern gestattete ihm dieses Großprojekt, unter einer neuen Zielbestimmung nahtlos an eigene Forschungsfragen anknüpfen. Maschkes Beiträge zur geistigen Kriegführung beschränkten sich jedoch nicht auf diese akademische Form, sondern umfassten darüber hinaus zahlreiche Wehrmachtsschulungen, wohl größtenteils an der Ostfront78.

5.4 Konstruktionen von »Volk« Die zahlreichen Verpflichtungen, die Erich Maschke aus seinem Engagement während seiner Jenaer Jahre erwuchsen, hinderten ihn nicht daran, sich ein großes Themenspektrum zu erschließen und publizistisch tätig zu werden. Bevor diese Themen jedoch näher in Augenschein genommen werden, richtet sich die folgende Untersuchung auf einen Begriff, der in Erich Maschkes Schriften und Beiträgen, die in seiner Zeit in Jena entstanden, weitaus häufiger vorkam als früher: auf das »Volk«. Doch muss dabei eine Einschränkung vorgenommen werden. In denjenigen Schriften Maschkes, die sich ausdrücklich mit rassegeschichtlichen Fragestellungen beschäftigten, konstatiert der Leser einen erstaunlichen Rückgang in der Verwendung dieses Begriffes. 76 Für das gemeinsame Treffen der Mediävisten mit Rechtshistorikern in Weimar vom 31.10./1.11.1941 zu Fragen des deutschen Königtums, des hohen Adels sowie des Bauerntums und ihre Bedeutung für die Ausbildung des Staates liegen die Einladung an Erich Maschke (ThHStA Weimar, Bestand C, Nr. 781, S. 52, Teilnehmerliste) und eine entsprechende Notiz Maschkes vor. Auf einer Anschlusstagung vom 4.  bis 5.5.1942 ebenfalls in Weimar, auf welchem zwölf Vorträge den germanischen Einfluss auf Staat, Recht und­ Sprache Europas beleuchten sollten, hielt Erich Maschke ein Referat über »Germanische Raumerfassung und Staatenbildung in Osteuropa«. 77 Hausmann, »Deutsche Geisteswissenschaft« im Zweiten Weltkrieg, S. 188. 78 Z. B. 1943 in Libau zum Thema »Der Kampf um die Ordnung Europas von Napoleon bis zur Gegenwart« (HStA Stuttgart, NL Erich Maschke, J 40/10, Nr. 1).

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In den übrigen Beiträgen trat der Begriff des »Volkes« nun auch in neueren Zusammenhängen wie Rasse, Deutschtum, Art, Blut und Volkstum auf. Dabei blieb die inhaltliche Bestimmung des Verhältnisses von »Volk« zu diesen Begriffen, aber auch untereinander, oftmals ungeklärt. Ein in sich geschlossenes, systematisches Konzept von »Volk« fehlte nicht nur in den früheren, sondern auch in den Texten dieser Zeit. Auffällig an Maschkes Texten dieser Zeit im Vergleich zu älteren war die Verwendung bisher unbenutzter oder seltener benutzter Attribute, um das »deutsche Volk« zu charakterisieren: Mit »germanisch-deutsch« konstruierte Maschke eine angeblich historische Entwicklungslinie bzw. Kontinuität zwischen »den Germanen« und »den Deutschen« der Gegenwart, die blind alle anderen Einflüsse über einen langen Zeitraum hinweg ausschloss79. Hinter der häufigen Wendung »unser Volk« verbargen sich die Identifizierung des Autors mit seinem Leser in der Annahme, er sei dem gleichen Volk zugehörig, wie auch die Vorstellung von einer über die einzelne Person noch hinausreichenden Einheit, an der Autor und Leser gleichermaßen teilhatten. Gleichzeitig lud eine solche Formulierung zur Identifizierung mit »dem Volk« ein und nahm dabei durchaus auch einen appellativen Charakter an. Dass »gesamtdeutsch« und »großdeutsch« Attribute waren, die Maschke ab ungefähr 1938 verwendete, verwundert angesichts der außenpolitischen Entwicklungen Ende der 1930er Jahre nicht. Der Gebrauch von »gesamtdeutsch« bzw. »großdeutsch« setzte aber auch die Vorstellung Maschkes voraus, dass die Größe »Volk« aus verschiedenen Teilen bestehen konnte, wie er dies explizit in Bezug auf das Deutschtum des Ostens äußerte, das ein »einheitlich gewordener und einem einheitlichen, inneren völkischen Gesetz folgender Teil unseres Gesamtvolkes« sei80. Von gänzlich anderer Aussagekraft war das Attribut »minderwertig«81, das Erich Maschke auf nicht näher bestimmte Völker anwenden zu können glaubte. Damit hatte sich die Hierarchie von Völkern, von der er bereits früher ausgegangen war, in seinen Schriften noch konkretisiert und war zu einer »natürlichen Rangfolge«82 geworden. In seinen Augen nahm das deutsche Volk eine Führungsrolle ein und zwar in besonderem Maße im Osten. Denn es »wurde das einzige zusammenhaltende verbindende und durch seine Überlegenheit weithin […] führende Element im östlichen Mitteleuropa und in Osteuropa.«83Aber 79 Erich Maschke erwähnte zwar die »im deutschen Volk eingeschmolzenen anderen west­ slawischen Stämme« (ders., Das Reich und der europäische Osten, S. 109), betonte aber vor allem die germanisch-deutsche Kontinuität: »Zu ihnen [den Deutschen – d. Vf.] hin führte von den Frühgermanen eine nur selten unterbrochene Kette germanischer Geschlechter und Völker.« (ders., Deutsche Wacht in Ostpreußen durch die Jahrhunderte, S. 170). 80 Maschke, Die Wiedergewinnung des deutschen Ostens, 1938, S. 112. 81 Maschke, Die geschichtlichen Grundlagen des sudetendeutschen Raumes im Mittelalter, S. 24. 82 Maschke, Hegemonie als zwischenstaatliche Führungsform, S. 1082. 83 Maschke, Unser Recht auf den deutschen Osten, S. 12.

Konstruktionen von »Volk«

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Maschke nahm darüber hinaus für das deutsche Volk noch eine besondere Bedeutung in Anspruch, die es von anderen europäischen Völkern unterschied. Für ihn war es der »bedeutendste und geschichtlich wirksamste Erbe der germanischen Vergangenheit.«84 Wie bereits in früheren Jahren vermittelte Maschkes Verwendung des Volksbegriffs dem Leser den Eindruck, in »Volk« einen lebendigen Organismus mit einem »Volkskörper«, einem »Herzen«, »Blutströmen«85 und »Lebensrechten und -gesetzen86« vor sich zu haben. Es besaß demnach auch einen »Willen zum Leben, den Adolf Hitler in seinem Volke erweckt hatte«87. Darüber hinaus konnten ihm als Kollektiv – in Erich Maschkes Texten tauchte der Begriff »Volksgemeinschaft« seltsamerweise kaum einmal auf – Erlebnisse wie beispielsweise das »Sieges- und Kriegserlebnis«88 widerfahren. Aber das deutsche Volk hatte vor allem ein »Schicksal«. Sein historisches Schicksal bestand nach Auffassung Maschkes in der Frage nach Einheit oder Zersplitterung89, wobei letztere erst kürzlich ein Ende gefunden habe90. Während des Krieges meinte Maschke, das Schicksal des deutschen Volkes hing und »hängt immer und überall von der Überlegenheit seiner Waffenträger ab«.91 Überraschenderweise entdeckte Erich Maschke 1942 die zu diesem angeblich lebendigen Organismus des deutschen Volkes gehörende Familie: Er fand sie in der »europäischen Völkerfamilie«, der »europäischen Völkergemeinschaft«92, die er in den Jahren zuvor überhaupt nicht wahrgenommen hatte. Die Schriften Maschkes ab 1935 gaben Anhaltspunkte dafür, wie sich das deutsche Volk entwickelt hatte, wie es »geworden« war. Aber auch hier verblieb er im Vagen, obwohl er mehrfach die Bedeutung einzelner historischer Persönlichkeiten dafür hervorhob. Nach wie vor schrieb er Heinrich I. und Karl dem Großen wichtige Rollen zu, wobei er sich weiterhin nicht eindeutig dazu äußerte, wer denn nun von beiden der angebliche »Gründer« gewesen sei. So beschrieb er Karl den Großen als den »gewaltsamen Einer germanischer Stämme zum deutschen Volk«, stellte aber ebenso fest, dass Heinrich I. im Jahr 936 »die zum deutschen Volk werdenden Stämme zu einer in aller Zukunft unlöslichen 84 Maschke, Mittelalter, S. 2. 85 Maschke, Der Gründer des preußischen Staates. Hermann von Salza, in: Völkischer Beobachter vom 17.3.1939. 86 Maschke, Deutsche Wacht in Ostpreußen durch die Jahrhunderte, S. 196. Dort sprach er von der »nationalsozialistischen Politik, die auf den Lebensgesetzen des deutschen Volkes aufbaut«. 87 Maschke, Der Zusammenbruch des Versailler Vertrages im Osten, S.  17. Ebenso 1941 in seinem Beitrag »Unser Recht auf den Osten« (S.  11): »Erst der Führer gab dem wiedererweckten Lebenswillen des deutschen Volkes aufs neue die Richtung.« 88 Maschke, Die Geschichte des Reichsehrenmales Tannenberg, S. 203. 89 Maschke, Das deutsche Gemeinschaftsleben im Mittelalter, S. 96. 90 Ebd., S.  97: »Fast genau 700 Jahre, von 1232 bis 1933, hat das deutsche Volk an diesem­ Fluche der Zersplitterung in Territorialstaaten leiden müssen.« 91 Maschke, Der Soldat im Osten, S. 2. 92 Maschke, Die Verteidigung Europas, S. 281.

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Einheit verbunden«93 habe. Wie sich diese Aussage über die unauflösliche Einheit mit seiner Vorstellung von der Schicksalsfrage des deutschen Volkes über Zersplitterung und Einheit vertrug, erläuterte Maschke nicht. Auch einzelnen Ereignissen maß er für den Volkwerdungs- bzw. -formungsprozess Bedeutung bei, so beispielsweise der Reformation Luthers, aber auch unmittelbar aktuellen Ereignissen wie der Annexion der Sudetengebiete und der Angliederung der­ Sudetendeutschen. Dies nannte er einen »elementaren Vorgang der Volkwerdung und Volkseinung«94. An anderer Stelle sprach er noch von einem anderen Werden des deutschen Volkes in der Gegenwart: »Denn die Erfolge der mittelalterlichen Ostwanderung wie die Niederlage im Volkstumskampfe vor 1914 zeigen, daß nur ein starkes, von innersten Lebenskräften durchpulstes Volk es wagen kann, den Kampf um Raum und Boden des Ostens aufzunehmen. Ein solches Volk sind wir aber wieder geworden.«95

In Maschkes Vorstellung waren solche Prozesse anscheinend in der Vergangenheit also nicht unbedingt abgeschlossen worden, aber was war ihr Ziel? War es die Bildung einer Nation? Aus seinen Texten ließ sich eine konsistente Antwort darauf ebenso wenig herauslesen wie auf die Frage, wer denn eigentlich wurde – Stämme? – und ob es in diesem Prozess Zwischenstufen geben konnte. Wann etwa war ein Volk vollständig »geworden«? Wenn es »geeint« und durch eine »neue Idee« überformt worden war? »Man kann ein Volk nicht einen, indem man gewissermaßen aus einem Teile ein Ganzes zu machen sucht, sondern indem man ihm eine neue Mitte, eine neue Idee, einen neuen Lebensinhalt gibt.«96

Welche Bedeutung kam dieser Aussage vor dem Hintergrund der aktuellen Ereignisse Mitte und Ende der 1930er Jahre zu? Welche Idee, welchen neuen Lebensinhalt sah er für das deutsche Volk positiv aufscheinen und was verbarg sich in dieser Hinsicht hinter seiner Äußerung »uns, die wir unter dem Erlebnis der Einheit von Volk und Reich stehen […]«97? Ungeachtet dieser Unklarheiten schien die Frage nach dem Werden des Volkes, nach dem Zusammenschluss zu einer wie auch immer gearteten Entität ihn sehr zu beschäftigen, man denke nur an Maschkes Teilnahme an dem Publikationsprojekt von Erwin Hoelzle gleichen Namens sowie an einige Titel seiner Aufsätze98. Auch zum gegenläufigen Prozess, der Auflösung eines Volkes bzw. zu Gefahren für seinen Bestand, lassen sich anhand der Texte Maschkes einige 93 94 95 96 97 98

Maschke, Mittelalter, S. 5. Maschke, Die geschichtlichen Grundlagen des deutschen Lebensrechtes in Böhmen, S. 123. Maschke, Das Reich und der europäische Osten, S. 109. Maschke, Das deutsche Gemeinschaftsleben im Mittelalter, S. 100. Maschke, Thüringen und das Reich, in: Vergangenheit und Gegenwart 27 (1937), S. 422. Maschke, Das Frühmittelalter; ders., Die Ostsee und der Ostseeraum.

Konstruktionen von »Volk«

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Anmerkungen machen. Da er »Eindeutschung« mit dem »Immer-Stärker-Werden« des deutschen Blutes in Ländern nordischer Rasse umschrieb99, musste »Entdeutschung« das Gegenteil bedeuten. In diesem Zusammenhang kam die Verbindung seiner Vorstellung von »Volk« mit »Rasse« zum Tragen, als er in verquaster Sprache Vermutungen über die Ursachen von völkischen Auflösungsprozessen äußerte: »Umso auffälliger aber fallen die anderen Gruppen, besonders die Sachsen und Hessen ab, die, vielleicht durch ihre zum Teil ungünstigere rassische Zusammensetzung wie durch ihren binnendeutschen Charakter, sich als verhältnismäßig am wenigsten geeignet erwiesen, dem starken Druck eines fremden Staates und eines fremden Volkstums zu widerstehen.«100

Neben diesen Unterschieden im völkischen Durchhaltevermögen hielt Maschke das Fehlen einer geeigneten Führung101 für eine weitere Ursache für ein »Versinken des Deutschtums«102, für »Entdeutschung«, oder »Aufgesogenwerden durch einen fremden Volkskörper«103. Gefährdungen des deutschen Volkes im weiteren und weitesten Sinne ergaben sich seiner Ansicht noch aus anderen Faktoren. Mit Blick in die Geschichte führte er nicht nur die Einführung des Lehnswesens, als es sich von den »germanischen Grundlagen der Gefolgschaft entfernte«104, an oder Veränderungen im Rechtsleben, wenn »die Gliederung des Volkes sich nicht mehr entscheidend nach den B l u t s zusammenhängen vollzog«105. Auch die »Rassenmischung«106 betrachtete er als »völkische Gefahr« in der Vergangenheit, wie auch auf einer anderen Ebene das Zölibat und historische Ereignisse. Er war der Ansicht, dass »mönchische Lebensordnung weit über den Bereich der Klöster hinaus und die Teilnahme am zweiten Kreuzzug die rassische und biologische Widerstandskräfte des deutschen Volkes [schwächten].«107

Dass er die Juden auch in seiner Jenaer Zeit als »völkische Gefahr« begriff, reihte sich in seine früheren Äußerungen problemlos ein108 wie er auch dem »Volks99 100 101 102 103 104 105 106 107 108

Maschke, Hanse und Ritterorden im Zug nach Osten, S. 132. Maschke, Die Wiedergewinnung des deutschen Ostens, 1938, S. 109. Maschke, Die Ostsee und der Ostseeraum, S. 406. Maschke, Hanse und Ritterorden im Zug nach Osten, S. 134. Maschke, Die Ostsee und der Ostseeraum, S. 409. Maschke, Das deutsche Gemeinschaftsleben im Mittelalter, S. 96. Ebd., S. 93. Ebd., S. 94. Maschke, Mittelalter, S. 17. Vgl. Maschkes Zeitungsartikel über das »Bänkeghetto« oder seine Rezension von W. Studnickis Beitrag »Die Judenfrage in Polen«. In ihr spricht er beispielsweise von »Lösung der Judenfrage« und resümiert: »In Deutschland verdient das Buch als Material für die Judenfrage in unserem größten östlichen Nachbarstaate und als wissenschaftliche Leistung beachtet zu werden. Den Polen ruft der Verfasser das Schlusswort zu: ›Ohne die Entjudung gibt es keine Gesundung Polens.‹«, S. 152.

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tumskampf« Gefährdungspotential beimaß. Eine Grundvoraussetzung für den Erhalt und Bestand des deutschen Volkes in eben diesem »Volkskampf« sah Maschke in der Existenz des Bauerntums: »Denn nur dort hat sich im ganzen Osten deutsches Volkstum über die Jahrhunderte erhalten und ist es auch für die Zukunft gesichert, wo es auf der breiten Grundlage eines gesunden Bauerntums ruht.«109

Und ebenso: »Wo sie [die deutschen Bauern] saßen, waren keine fremdvölkischen Unterschichten mehr lebensfähig, gab es keine Unterwanderung und Aushöhlung von unten her.«110

Zu dieser verherrlichenden Beschreibung der Bauern und Ansiedler im Osten passte es auch, dass Maschke den »Volksboden«, den ein Volk besaß, mit ihnen verknüpfte. Obwohl auch andere Gruppen und Personen Volksboden »machen«111 konnten, trieben seiner Ansicht nach die deutschen Bauern die völkisch-räumliche Entwicklung von »Volksboden« voran: »Erst sie [die Massen der deutschen Bauern – d. Vf.] sicherten blutsmäßig den deutschen Staats- und Kulturboden, so dass er zum Volksboden wurde.«112 Es ist zweifelhaft, ob in der Vorstellung Maschkes der so genannte »deutsche Lebensraum«, von dem er oft sprach, mit dem »deutschen Volksboden« identisch war. Unstrittig bleibt jedoch, dass er von einer wie auch immer näher bestimmten und für das deutsche Volk spezifischen Verbindung von Volk, Blut und Boden ausging und das räumliche Ausgreifen im Mittelalter nach Osten für eine besondere Leistung des deutschen Volkes hielt. Die Schaffung des Volksbodens »im Osten« bzw. die »Rückgewinnung des ostdeutschen Volksbodens« bezeichnete er beispielsweise als »die größte Leistung unserer Geschichte, sie ist zugleich das größte Werk des Friedens, das zu schaffen jemals einem Volke Europas in Jahrtausenden gegeben war.«113, als »geschichtliche Leistung, in der nicht der einzelne, sondern unser ganzes Volk selbst als Einheit und als ein geschlossener Körper der H e l d dieser Tat war.«114 und fand in ihr die unmittelbare Verkörperung eines historischen Prinzips115: »Wenn die natürliche Dreieinheit von Rasse, Volk und Raum in unserer ganzen Geschichte gilt, so ist sie doch nirgends so unmittelbar zu fassen wie in der großen Bewegung, die den deutschen Menschen mit allen seinen rassischen Qualitäten in den Ostraum hineinführte. Denn das ist das Bedeutsame an der deutschen Wiederbesiedelung, daß sie in einer ganz elementaren Weise Grundkräfte unseres geschichtlichen Werdens begreifen lässt.« 109 110 111 112 113 114 115

Maschke, Siedlungsströme im mitteldeutschen Raum, S. 375. Maschke, Unser Recht auf den Osten, S. 12. Maschke, Das deutsche Gemeinschaftsleben im Mittelalter, S. 95. Maschke, Die Wiedergewinnung des deutschen Ostens, 1938, S. 113. Maschke, Hanse und Ritterorden im Zug nach Osten, S. 131. Maschke, Die Wiedergewinnung des deutschen Ostens, 1938, S. 113. Ebd., S. 106.

Konstruktionen von »Volk«

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Wie er diese Wiederbesiedelung und ihre Bedeutung für Vergangenheit und Gegenwart interpretierte, geht aus folgender Passage hervor: »Vielmehr sehen wir in jenen Vorgängen, die das deutsche Volk seit karolingischer Zeit über seine damaligen Grenzen nach Osten hinausführten, ein Zeugnis seiner schöpferischen Gemeinschaftskräfte in der Geschichte und eine Bestätigung dafür, dass diese Kräfte auch in uns lebendig und stark genug sind, um den Liberalismus des Westens zu überwinden und an seine Stelle gültigere Bindungen und eine fest gefügte Ordnung zu setzen.«116

Eine ähnliche Stoßrichtung verfolgte auch die Formulierung: »Wenn heute unserem Volke wieder die Aufgabe gestellt ist, die weiten Landschaften des Ostens mit seinem Blut und seiner Kraft zu beherrschen […]«117. So wurde die militärisch-aggressive Expansion des Zweiten Weltkrieges in einen historischen Zusammenhang gestellt mit dem angeblich »gewaltigsten Vorgange der deutschen Volksgeschichte«.118 Maschkes Beiträge dieser Jahre brachten auch zumindest ansatzweise zum Ausdruck, worin er den Inhalt einer Volksgeschichte sah und welche Themen und Aspekte ihm in diesem Rahmen wichtig waren. Seine Inhaltsbestimmung von »Volksgeschichte« lautete wie folgt: »Das Werden des deutschen Volkes zu einer geschichtlichen Wirklichkeit […], sein so mühsamer und allzu oft unterbrochener Weg zu völkischer und staatlicher Einheit […] – das sind die großen Grundthemen deutscher Geschichte, welche die Jahrhunderte unserer Geschichte als Volk beherrschen. Dabei gilt es, die Geschichte unseres Volkes als deutsche Geschichte zu begreifen.«

Durch welche »natürliche Dreieinheit« Erich Maschke die deutsche Geschichte gekennzeichnet sah – davon war bereits die Rede. So verwundert es nicht weiter, dass er es als notwendig ansah, »die rassische Entwicklung unseres Volkes in ­a ller Sorgfalt« zu erschließen. »Insbesondere in den völkischen Mischgebieten ist die Frage rassischer Veränderungen dringend; es bedarf vor allem über die bisherigen Erkenntnisse hinaus die rassengeschichtliche Bedeutung der ostdeutschen Kolonisation der Klärung. So werden tiefe Schichten des deutschen Werdens neu erschlossen und in einem neuen Sinne begriffen werden.«119

Er selbst war offenbar darum bemüht, dieser Forderung im Rahmen seiner Möglichkeiten und Aufgaben nachzukommen. Es ist kaum zu bezweifeln, dass ihm dies ein Anliegen war, »denn wie unser ganzes Leben, so ist auch unser Geschichtsbild im Großen wie im Kleinen vom Blick auf das Ganze und auf die Einheit unseres Volkes beherrscht.«120 116 117 118 119 120

Ebd., S. 105. Maschke, Karl IV., Wesen und Werk, S. 371. Maschke, Der deutsche Orden und sein preußischer Staat, S. 11. Maschke, Mittelalter, S. 2. Maschke, Die Bedeutung der Jahre 1640/41 für Gotha, S. 123.

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5.5 Vom deutschen Osten zum Ostraum Die Themen, denen sich Erich Maschke offenbar in diesem Sinne anzunähern suchte, waren vielfältig. Schon seine Lehrveranstaltungen deckten ein weites Spektrum ab: »Meine hier seit dem WS. 1935/36 gehaltenen Vorlesungen behandelten im regelmäßigen Turnus das deutsche Mittelalter einschliesslich Verfassungs- und Sozialgeschichte sowie europäische Geschichte im Mittelalter, einstündige Vorlesungen ausserdem Geschichte des deutschen Ostens. Im mittelalterlichen Hauptseminar behandelte ich bisher Themen aus der deutschen Reichsgeschichte, besonders der Stauferzeit (dreimal), der thüringischen Geschichte (dreimal) und der sudetendeutschen Geschichte (zweimal). Die von mir angeregten Dissertationen […] betreffen Themen der mittelalterlichen deutschen Reichsgeschichte (2), der Geschichte des deutschen Ostens (2), der thüringischen Geschichte (4) und der Geschichte der Kriegszeit.«121

Wie hier deutlich wird, beschäftigte sich Erich Maschke auch in den Jenaer Jahren 1935–1942 weiterhin mit Ostfragen, war als Experte dafür in der NS-Schulung aktiv und veröffentlichte dazu Beiträge. Diese bestanden aus Zeitschriftenaufsätzen, Beiträgen zu Gemeinschaftswerken oder Sammelbänden und Schulungsschriften. Monographien wie in der Königsberger Zeit lassen sich unter ihnen nicht finden. So nahm die Beschäftigung mit diesen Fragen offensichtlich noch immer großen Raum ein, wenngleich auch andere Themen an Gewicht gewonnen hatten. Dies mochte zunächst der räumlichen Entfernung vom behandelten Gebiet, der in Jena fehlenden Spezialliteratur oder der Notwendigkeit geschuldet gewesen sein, sich andere wissenschaftliche Themengebiete zu erschließen. Hinzu kam später ein anderer, entscheidender Aspekt. Mit dem Ende des Krieges gegen Polen im Herbst 1939 war »der Osten als wissenschaftliches Thema für mich endgültig und unwiderruflich erledigt […]«, wie Erich Maschke an Günther Franz schrieb. Warum? Hier geht man gewiss nicht fehl in der Annahme, dass Erich Maschke keinen Bedarf mehr für kämpferische wissenschaftliche Streitschriften sah, die sich kritisch mit polnischen Thesen und territorialen Ansprüchen auseinandersetzten. Polen war besiegt und unterworfen, die polnische Wissenschaft vernichtet und die Bestimmungen des Versailler Vertrages hinfällig geworden. Damit war auch das wissenschaftliche Einsatzgebiet für politische Historiker und deutsche Polenexperten wie Maschke weggefallen. Dennoch blieb er auch nach 1939 der Ostforschung treu, als er einige Beiträge zu Fragen des Ostens, publizierte, die nun – den aktuellen Ereignissen entsprechend – den Fokus auf andere inhaltliche und thematische Schwerpunkte als bisher richteten. Seine Beiträge zur Ostforschung aus der Zeit vor und nach der Zerschlagung Polens umfassten insgesamt ein relativ breit gefächertes Themenspek121 UAJ, PA Erich Maschke D 3193, Lebenslauf vom 26.7.1939.

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trum, nahmen historische Personen in den Blick und stellten die Entwicklung der Beziehungen zwischen dem Reich und den slawischen Nachbarstaaten über die Jahrhunderte hinweg dar. Sie beschrieben die Geschichte Ostpreußens vom Mittelalter bis zum Ersten Weltkrieg oder widmeten sich historiographischen Fragen. Überraschenderweise tauchten auch in Maschkes Werk bis dahin un­ bekannte und völlig neue Themen wie die Geschichte des Reichsehrenmales Tannenberg auf. Diese Beiträge zeichneten sich durch einige Neuheiten und Akzentverschiebungen aus: In ihnen plädierte Erich Maschke oftmals für eine neue, gesamtdeutsche Geschichtsauffassung, die kleindeutsche oder großdeutsche Vorstellungen überwinden sollte, um gerade auch »das Werden des deutschen Ostens und auch seine Gegenwartsaufgaben« im richtigen Maße verstehen und würdigen zu können122. Diese Forderung nach einer gesamtdeutschen völkischen Betrachtung der Geschichte fällt zeitlich wohl nicht von ungefähr mit dem »Anschluss« Österreichs zusammen. Aus diesem Grund ist sie als Reaktion wie auch als wissenschaftliche Antwort darauf zu werten, die der neuen politischen und völkischen Einheit nun eine vereinigende und übergreifende geschichtswissenschaftliche Betrachtungsweise folgen lassen wollten. Die Frage, inwieweit Erich Maschkes Plädoyer durch die Mitteleuropakonzeption des österreichischen Historikers Srbik beeinflusst wurde, bedarf einer gesonderten Untersuchung. Festzustellen bleibt, dass Maschke bemüht war, in den eigenen Texten seiner Forderung nach einer gesamtdeutschen Perspektive nachzukommen und daher nicht nur historische Ereignisse im Nordosten in den Blick nahm, sondern die Aufmerksamkeit auch auf südostdeutsche Fragen richtete. Auch der völkisch-rassistische Ansatz seiner historischen Darlegungen trat nun noch deutlicher und offener zu Tage und führte teilweise zu – aus heutiger Sicht – Äußerungen von großer Simplizität und Plattheit, wie dieser: »Ihre Erbanlagen kamen der adligen Oberschicht des polnischen Volkes zugute und wurden so zur Grundlage für deren Leistungen.«123

Oder: »So ist denn mancher Tropfen nordischen Blutes in die slawischen Völker eingedrungen […] und hat die Slawen mit geformt und bestimmt. Aber diese Blutsmengen reichten doch nicht aus, um bei ihnen ein Verfassungsleben nach germanischem Vorbilde zu gestalten: (…)«124

Dass es sich bei solchen Sätzen nicht um biologistische Einzelfälle oder vergleichsweise »harmlose Ausrutscher« handelte, zeigen weitere Zitate, welche die 122 Maschke, Die Wiedergewinnung des deutschen Ostens, 1938, S. 107. 123 Maschke, Krakauer Bürger als Geldgeber und Gastgeber von Königen. Nikolaus Wirsing und seine Familie (14. Jh.), 1942, S. 13. 124 Maschke, Nordisches Herrscherblut in slawischen Staaten, S. 843.

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dahinter liegenden Grundannahmen Maschkes zum Ausdruck brachten, wie sie schon im vorherigen Kapitel bereits wiedergegeben wurden125. Diese und ähnliche Aussagen schlugen sich nicht nur in den Beiträgen des Ostforschers Erich Maschke nieder, sondern fanden ihre Verschärfung in seinen Texten zur Familien- und Erbgeschichte der Staufer, die etwa zur gleichen Zeit entstanden. Somit belegen auch die Beiträge zu Ostfragen die deutliche Verschiebung und Weiterentwicklung von Maschkes Geschichtsverständnis von einem völkischen zu einem explizit völkisch-rassistischen. In seiner Auffassung etablierte sich nun offenkundig auch die Rasse als prägender historischer Faktor. In dieser Entwicklung stellte Erich Maschke nur ein Beispiel für den zunehmenden Einfluss des Rassismus auf völkische Geschichtsauffassungen und auf die geschichtswissenschaftliche Öffentlichkeit in der zweiten Hälfte der dreißiger Jahre dar126. Die Hervorhebung der »ostdeutschen Landnahme« als »größte und folgenreichste Tat unserer Vergangenheit überhaupt«127 und ihre Stilisierung128 in vielen seiner Beiträge waren in dieser Deutlichkeit neu. Er betonte das »Organische« dieser »Siedelbewegung«, stellte ihren angeblich gemeinschaftlichen Charakter dar und sah in ihrem »Wachsen« nach Osten eine zeitliche Kontinuität, die von den Karolingern bis weit über das Mittelalter hinausreichte. Damit verbunden war häufig ein impliziter Hinweis auf die auch politischen Aufgaben, die der Gegenwart aus diesem Wissen erwuchsen und die eine Bedrohung der Nachbarn in Ostmittel- und Osteuropa beinhalteten: »Vielmehr sehen wir in jenen Vorgängen, die das deutsche Volk seit karolingischer Zeit über seine damaligen Grenzen nach Osten hinausführten, ein Zeugnis seiner schöpferischen Gemeinschaftskräfte in der Geschichte und eine Bestätigung dafür, dass diese Kräfte auch in uns lebendig und stark genug sind, um den Liberalismus des Westens zu überwinden und an seine Stelle gültigere Bindungen und eine fest gefügte Ordnung zu setzen.«129

Ein weiteres Kennzeichen dieser Beiträge ist die geographische Ausweitung des behandelten Gebietes. Bildeten für Maschke zunächst Ostpreußen oder der »deutsche Osten« die räumlichen Bezugspunkte, so rückten, auch in Übereinstimmung mit dem militärischen Vordringen der deutschen Truppen während 125 Maschke, Die Wiedergewinnung des deutschen Ostens, 1938, S. 106: »Wenn die natürliche Dreieinheit von Rasse, Volk und Raum in unserer ganzen Geschichte gilt, so ist sie doch nirgends so unmittelbar zu fassen, wie in der großen Bewegung, die den deutschen Menschen mit allen seinen rassischen Qualitäten in den Ostraum hineinführte.« 126 Schönwälder, Historiker und Politik, S. 119. 127 Ebd., S. 116. 128 Maschke, Die Wiedergewinnung des deutschen Ostens, 1938, S. 111: »Nicht ein nüchternes Wirtschaftsdenken und nackter Erwerbssinn führten die deutschen Siedler hinaus in die Landschaften, die durch sie wieder deutsch wurden, sondern der Aufbruch eines gewaltigen und ursprünglichen Lebenswillens stand hinter der Wanderungsbewegung, die ein Gebiet nach dem anderen erfasste.« 129 Maschke, Die Wiedergewinnung des deutschen Ostens, 1938, S. 105.

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des Krieges, der »europäische Osten« und »der Ostraum« in sein Blickfeld. Es ist zu vermuten, dass sich Maschke in seinen Beschreibungen dabei an die Verwendung der empfohlenen Terminologie hielt. Mit der räumlich-thematischen Erweiterung nach Osten korrespondierte das Erscheinen von Russland bzw. der Sowjetunion in den Texten Erich Maschkes, vor allem in den Beiträgen aus den 1940er Jahren. Dies war kein Zufall und es war auch kein Zufall, dass Erich Maschke zu dieser Zeit das historische Russland in düsteren Farben zeichnete und von ihm als einem uneuropäischen, nur halbzivilisierten und bedrohlichen Land sprach. Darin stand er nicht allein: Weitere Historikerkollegen wie Hermann Aubin, Albert Brackmann, Hans Uebersberger, Kurt von Raumer u. a.130 schlugen einen ähnlichen Ton an. Das oftmals mit »asiatischen Horden« und »Asien« in Verbindung gebrachte Bild einer Bedrohung übertrug nicht nur Maschke auf den militärischen Gegner des Ersten Weltkrieges und auf den »Bolschewismus«131, obwohl Maschkes Texte insgesamt weniger antikommunistisch ausgerichtet waren: »Was aber in der Tiefe dieses ›Russischen Reiches‹ an europafremden und -feind­lichen Kräften lebte, das blieb dem 19. Jahrhundert doch verborgen. Die deutschen Soldaten des Weltkrieges, das bedrohte Ostpreußen ahnten es. Das Tannenberg von 1914 glich in tiefster historischer Bedeutung dem Tannenberg von 1410 […] eben darin, dass beide Male die Völker Asiens gegen Deutschland, den Hüter europäischer Kultur im Osten, aufgeboten worden waren. Der Durchbruch des Bolschewismus bestätigte diese Ahnung und die Deutung der Schlacht von Tannenberg. Das 20. Jahrhundert steht im großen weltgeschichtlichen Rhythmus des 10., 13., 16. und 17. Jahrhunderts. Wieder ist Europa bedroht durch Mächte, die es aus der Weite des Ostens bedrohen.«132

Nicht grundsätzlich neu ist die große Bedeutung, die Erich Maschke den Deutschen für den Osten zumaß, aber er projizierte diese Bedeutung nun auch auf den gesamten »Ostraum«133. Gerade angesichts des Vernichtungskrieges gegen die Sowjetunion sind Maschkes Äußerungen wie folgende sehr beredte Zeugnisse von historischer Perspektivenverzerrung, völkischer Selbstüberhebung, Verblendung und legitimatorischer Propaganda, wenn nicht von Zynismus: »Der deutsche Einfluß allein ist der Nenner, auf den die ganze Geschichte des Ostraumes in diesem Jahrtausend in dem Sinne gebracht werden kann, dass das Deutsche in diesem Raum die einzige Kraft ist, die nicht trennt, die nicht vernichtet, die sich auch nicht selbst aufzugeben brauchte, sondern nur ein natürliches Wachstum in diesen großen Raum hinein entfaltete. Denn allein durch diese deutschen Kräfte wurde der Ostraum organisch, ohne Brüche, ohne Vergiftungserscheinungen, von 130 Vgl. dazu ausführlich Schönwälder, Historiker und Politik, S. 240. 131 Maschke, Die geschichtsbildenden Kräfte des Ostraumes, S. 13. 132 Maschke, Die Verteidigung Europas, S. 288. 133 Der nicht näher bestimmte Begriff »Osten« war in der Weltanschauung des Nationalsozialismus mit unterschiedlichsten Assoziationen und Konnotationen aufgeladen. Vgl. dazu Zellhuber, »Unsere Verwaltung treibt einer Katastrophe zu …«, S. 25–59.

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Narwa und Petersburg bis zum Schwarzen Meer zu Europa gezogen und mit Europa, seinem Schicksal und seiner Kultur verknüpft. Das Deutschtum ist im Ostraum die große Klammer, die ihn über seine Teilräume und Einzelvölker hinweg in sich und mit Europa zusammenhält. Gewiß ist dieses Werk in der Vergangenheit noch niemals zur vollen Reife und zum Abschluß gelangt. Eben hieraus erwächst die Aufgabe für Gegenwart und Zukunft.«134

Wie es hier schon anklang, lag Erich Maschke die gedankliche Verbindung zwischen den Deutschen und Europa nicht mehr fern. Daher überrascht es auch nicht, dass er diese Verbindung nun häufiger in seinen Texten, vor allem ab 1940, hervorhob sowie ganz Europa als historischen Raum und die »abendländische Einheit« für sich entdeckte. In diesen Zusammenhang ordnete sich auch die Stilisierung des Reiches und der Deutschen zum hauptsächlichen Verteidiger Europas seit dem 16. Jahrhundert ein, wie – nicht nur – Maschke sie in einigen Texten vornahm und sicherlich nicht ohne Bezüge zur Gegenwart formulierte. Eher ein Kuriosum am Rande stellte seine Behauptung von der deutsch-italienischen Verbundenheit im Abwehrkampf gegen asiatische Reitervölker dar, die ihm vorher nie aufgefallen war135. Diese in historische Gewänder gekleideten Gegenwartsbezüge und politische Äußerungen sind in Maschkes Texten zu Fragen des Ostens in unterschiedlichem Maße und in unterschiedlichen Formen zu finden: In seinen Beiträgen aus der Zeit vor 1939 waren revisionistische Äußerungen, die Zurückweisung politischer polnischer Ansprüche und Thesen sowie »Beweise« für den angeblich »urdeutschen« Charakter umstrittener Landstriche und Gebiete nicht selten und innerhalb seines Gesamtwerkes auch nicht neu136. Es überrascht ebenfalls nicht, dass einige Beiträge in unmittelbarer Reaktion auf politische Ereignisse wie die Annexion des Memellandes 1939 verfasst worden waren137 und ihrer Rechtfertigung 134 Maschke, Die geschichtsbildenden Kräfte des Ostraumes, S. 15. Vgl. dazu die Ausführungen in ders., Unser Recht auf den Osten, S. 13, die sich noch auf das östliche Mitteleuropa und Osteuropa beziehen. 135 Maschke, Die Verteidigung Europas, S.  281: »Nirgends in der Geschichte Europas sind die Schicksale zweier Völker so innig und langwährend ineinander verflochten, wie die des deutschen und des italienischen Volkes. Diese Verbundenheit galt in höchstem Maße während des 10. Jahrhunderts in der gemeinsamen Abwehr außereuropäischer Mächte.« 136 Vgl. dazu Maschke, Die Wiedergewinnung des deutschen Ostens, 1938, S.  113. Einzigartig und neu in vielerlei Hinsicht ist innerhalb des Werkes von Erich Maschke der Aufsatz über die Geschichte des Reichsehrenmales Tannenberg (Ders., Die Geschichte des Reichsehrenmales Tannenberg, in: Tannenberg, Deutsches Schicksal, 1940, S. 199–224). Mit ausgesprochen pathetischen und schwülstigen Worten beschrieb er darin die Entstehung des Denkmales und den ersten sowie zweiten Tannenbergtag von 1933, erging sich in anti­sozialdemokratischen, revisionistischen Äußerungen, zitierte seitenlang Reden Hitlers sowie anderer nationalsozialistischer Politiker und feierte Hitler als »jungen Führer des Volkes« und Hindenburg als »den Mann, der, nach einem Worte Adolf Hitlers, bei Tannenberg nicht nur eine Schlacht geschlagen, sondern das deutsche Schicksal gewendet, Ostpreußen befreit und Deutschland gerettet hat.« (S. 224.) 137 Maschke, Ostsee und Ostseeraum.

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dienten. Von neuartiger Qualität in diesen Beiträgen waren jedoch Maschkes indirekte Aufrufe zur Herrschaft und Neuordnung, wie beispielsweise dieser: »Eine deutsche Politik, die See und Festland des Nordens und des Ostens in einem schöpferischen Aufstiege umschlang, ordnete und beherrschte, ist seit dem Ende der bürgerlichen und der ritterlichen Gemeinschaftsform vergangener Jahrhunderte, seit Orden und Hanse, nicht mehr verwirklicht worden. Sie gehört der Geschichte an. Doch Geschichte ist nicht Erinnerung, sondern Forderung.«138

Neben solchen Äußerungen war ebenso die gelegentliche Verwendung des Begriffes »Lebensraum« in Veröffentlichungen139 Erich Maschkes neu. Hierin offenbarte er schon zu dieser Zeit ansatzweise ein Denken, das die Gebiete Ostmittel- und Osteuropas unter gänzlich anderen Blickwinkeln betrachtete als früher, das revisionistische Forderungen weit hinter sich gelassen hatte und gewaltsame Expansionen und Eroberungen in diesem Raum in Betracht zog. Maschkes Beiträge aus den späteren Jahren  – besonders seine Schriften zur weltanschaulichen Schulung der NSDAP, die teilweise nur für den Dienstgebrauch freigegeben waren – formulierten weit häufiger deutsche Herrschaftsansprüche. Dabei äußerte er sich selten konkret und eindeutig zum aktuellen militärischen Geschehen im Osten, sondern zog es vor, eher indirekt und unmartialisch durch (zweifelhafte)  historische Parallelisierungen, einprägsame Schlussworte140 und eine geschickte Verdrehung der Tatsachen einen Sieg der deutschen Truppen als im Grunde sicher hinzustellen sowie auf zukünftige Aufgaben im Osten hinzuweisen. Diese setzten aber die Eroberung fremder Gebiete und das gewaltsame Ausgreifen nach Osten voraus. In diesem Zusammenhang vermochte er es aber stets, die eigene Seite als die angegriffene und bedrohte darzustellen. Einige Merkmale dieser Darstellungen sind im folgenden Ausschnitt leicht wieder zu erkennen: »Er [der deutsche Soldat im Ersten Weltkrieg – d. Vf.] spürte es, dass ihm auf dem Feld von Tannenberg und in den weiteren Schlachten mit den russischen Dampf­walzen eine tief europafremde und europafeindliche Macht entgegentrat, gegen die er siegen musste, wenn sich nicht das Verhängnis der Ungarn- oder Türkeneinfälle vergangener Jahrhunderte wiederholen sollte – und gegen die er gesiegt hat. Das Gleiche aber gilt auch heute, nur unendlich viel nackter und daher leichter erkennbar, als es im ersten Weltkriege war: im Kampfe mit dem Bolschewismus.«141

Viele gerade dieser späteren Beiträge Maschkes aus der Jenaer Zeit lassen sich ohne weitere Schwierigkeiten als Äußerungen und Bestandteile der national­ sozialistischen Kriegspropaganda auffassen, da sie deren wesentliche Elemente jener Zeit aufgriffen: Sie halfen die gewaltsame Eroberungspolitik in Osteuropa zu befördern, rechtfertigten sie historisch und völkisch-rassistisch, propagier138 139 140 141

Ebd., S. 413. Z. B. in Maschke, Der deutsche Osten vom Ende des Ordensstaates bis zum Weltkrieg, S. 379. Z. B. in Maschke, Das politische Schicksal des Weichsellandes, S. 110. Maschke, Die geschichtsbildenden Kräfte des Ostraumes, S. 13.

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ten Kontinuitäten der Bedrohung aus dem Osten und beschworen eine »Festung Europa«. Darüber hinaus erklärten sie Deutschland zum Retter des Abendlandes. Nicht allein die Anzahl der Beiträge mit diesen und ähnlichen inhaltlichen Aussagen, sondern auch die Publikationsorgane, in denen Erich Maschke seine Beiträge veröffentlichte, müssen als Indizien dafür gelten, dass er sehr wohl wusste, für wen er schrieb, woran er sich beteiligte und wozu er seine wissenschaftlichen Kenntnisse und Fähigkeiten einsetzte. Die Einschätzung drängt sich geradezu auf, dass er sich der nationalsozialistischen Eroberungs- und Vernichtungspolitik bereitwillig zur Verfügung stellte, er sie akzeptabel fand und er ihre Nähe in Kauf nahm. Dass er darin nicht der einzige Wissenschaftler und Historiker war, enthebt ihn nicht seiner Verantwortung dafür, nationalsozialistischen Verbrechen in Ost- und Ostmitteleuropa publizistischen und propagandistischen Vorschub geleistet zu haben.

5.6 Einheit des Reiches und germanisches Erbe – Schriften zum Mittelalter Erich Maschkes mediävistische Werke dieser Jahre umfassten  – ähnlich wie bei den bereits besprochenen Themen – im Unterschied zur Königsberger Zeit keine Monographien, sondern vielmehr eine Reihe von wissenschaftlichen und populärwissenschaftlichen Aufsätzen und Beiträgen für Sammelbände. Diese unterschieden sich nicht nur hinsichtlich ihrer Wissenschaftlichkeit, ihres verwendeten Sprachstiles und Anspruches, sondern auch hinsichtlich der Problemorientierung und ihres Umfanges beträchtlich voneinander. Die drei Schriften Maschkes zum Mittelalter142, die einen Überblick über diese Epoche zu geben bemüht waren, waren sich in ihrer Orientierung auf die Einheit des Reiches entgegen Zersplitterung und Zerfall einig. In ihrem Charakter und Anspruch wichen sie stark voneinander ab; auch im verwendeten Vokabular, in ihrer Nähe zu nationalsozialistischem Gedankengut und ihrer inhaltlichen und stilistischen Anpassung an die erstrebte Leserschaft differierten sie. Folgende drei größere Schriften entstanden zu dieser Zeit: Der Beitrag für das Handbuch der Deutschen Geschichte143 »Der Kampf zwischen Kaisertum und Papsttum«144 umfasste den Zeitraum von Heinrich III. bis 142 Maschkes Schriften zur Staufergeschichte, die zu dieser Zeit in Arbeit waren, sind davon ausgenommen. 143 Dieses Handbuch »Deutsche Geschichte bis zum Ausgang des Mittelalters« wurde im Auftrag der Deutschen Akademie in München von Arnold Oskar Meyer 1935 herausgegeben und legte das Schwergewicht der Darstellung auf die politische Geschichte. Es wollte aber auch der Überzeugung Rechnung tragen, dass »der auf blutsmäßiger Volksgemeinschaft aufbauende Staat das Rückgrat des geschichtlichen Lebens bildet« (so das Vorwort) und rassisch-völkischen Problemen gebührenden Anteil einräumen. 144 Ebd., Bd. 1, S. 178–259.

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zum Interregnum, war eher universalgeschichtlich orientiert und in einer zumeist sachlichen Sprache verfasst. Seine Darstellung enthielt sich rassistischer und antisemitischer Äußerungen sowie ideologischer oder anders­gearteter Bezüge auf die Gegenwart und streifte nur gelegentlich Fragen der Volks- sowie der ostdeutschen Geschichte. Dass ein umfangreicher wissenschaftlicher Apparat dem Textteil folgte, war für diesen Handbuchbeitrag, der ohne sprachliche und inhaltliche Überarbeitungen nach dem Krieg nachgedruckt werden konnte und von bleibendem Wert war, selbstverständlich. Dieser wissenschaftlichen Arbeit gegenüber setzte Maschke in seinen zwei anderen Mittelalterdarstellungen weitaus andere Akzente. Seine Darstellung »Mittelalter«, die zu dem Sammelwerk »Stoffe und Gestalten der deutschen Geschichte« zählte und daher mit der Absicht geschrieben wurde, ein neues­ Geschichtsbild zu vermitteln145, wollte sich der Frage nach der Fortführung und Wandlung des germanischen Erbes in der Betrachtung »unseres völkischen Schicksals« im Mittelalters annehmen. Diese Frage war nicht neu in Maschkes Schaffen. Bereits zu einem früheren Zeitpunkt hatte er in seinem Beitrag für den Sammelband von Erwin Hoelzle eine ähnliche Thematik verfolgt. Dass ihm diese Thematik, dem Geist der Zeit und einer Strömung innerhalb der deutschen Geschichtswissenschaft entsprechend, offenbar ein Anliegen war, zeigte sich auch darin, dass er sie auch an anderer Stelle in seiner Jenaer Zeit wieder aufnahm. Daher bildete seine Schrift »Mittelalter« in diesem Sinne keine Ausnahme innerhalb seiner mediävistischen Arbeiten. Zum ersten Male erschien in der Schrift »Mittelalter« jedoch explizit die Forderung, sich auch in universalgeschichtlichen Bezügen vorrangig auf »die Rolle und Bedeutung des deutschen Volkes und seiner Führer innerhalb des abendländischen Geschehens« zu konzentrieren und die deutsche Geschichte des Mittelalters verstärkt als Geschichte des deutschen Volkes, seines Staates und seines Lebensraumes zu erkennen. Um dies in vollem Umfang zu ermöglichen, plädierte Maschke für die Erschließung neuer Quellenbereiche und Methoden, wie er sie in den Methoden der Vorgeschichte sowie der rassegeschichtlichen Forschung fand. Forschungsdesiderate sah er dabei in der Frage nach der rassischen Entwicklung und Veränderung des deutschen Volkes im Mittelalter, insbesondere in völkischen Mischgebieten, sowie in der Klärung »der rassengeschichtlichen Bedeutung der ostdeutschen Kolonisation«. Davon versprach sich Maschke eine neue 145 Maschke, Mittelalter. Bd.  1, Heft 3, Leipzig 1937. Aus der Einführung durch den Verleger: »Unter dem Titel ›Grundzüge neuer Geschichtsauffassung‹ und unter der Leitung der Herausgeber der Zeitschrift ›Vergangenheit und Gegenwart‹ wurde im Jahre 1934 ein Sammelwerk in Angriff genommen, in dem die einzelnen geschichtlichen Zeiträume jeweils von den besten Kennern, die meist der Frontgeneration und der ihr folgenden angehören, behandelt werden sollen. Sinn der Veröffentlichung war und ist nicht, den­ historischen Stoff in neuer und zusammengefasster Form darzulegen, vielmehr soll der Versuch gemacht werden, für jeden Zeitraum die Probleme von dem politischen Erleben unserer Tage her neu zu durchdenken, um so insbesondere dem Geschichtslehrer die schwere Aufgabe, seinen Schülern ein neues Geschichtsbild zu vermitteln, zu erleichtern.«

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Erschließung von »tiefen Schichten des deutschen Werdens« und ihr Begreifen »in einem neuen Sinne«.146 Seine Forderung, rassegeschichtliche Fragen in historischen Erörterungen zu berücksichtigen, markierte den Beginn einer neuen Etappe in seiner Geschichtsschreibung, die ihren Höhepunkt in seinen Werken zur Familiengeschichte der Staufer fand. Abgesehen vom letzten Teil, der Darstellung des Spätmittelalters, durchzogen diese Schrift rassegeschichtliche und rassistische Äußerungen, Bewertungen und Hinweise, die teilweise Elemente eines spekulativen und unhistorischen Denkens enthielten147. In den Kontext der nationalsozialistischen Sachsenmythologisierung sind ebenfalls Maschkes Äußerungen zu den Sachsen zu stellen, denen seiner Auffassung nach die Aufgabe einer neuen »Einung« der germanisch-deutschen Stämme zugefallen sei, was »hieß, dass dieser Staat vom nordischen Blutserbe her bestimmt sein sollte und seine Aufgaben aus dem Blickfelde des sächsischen Stammes im Osten suchen konnte.« So schrieb er den sächsischen Königen eine mitteleuropäischdeutsche Raumpolitik und ein Vormachtstreben im Osten zu148. Nicht nur dabei wendete Erich Maschke der Gegenwart entlehnte Begrifflichkeiten (»Führer«, »Staat«, »Vernichtungskampf«, »deutscher Lebensraum«) auf Erscheinungen und Gegebenheiten der Vergangenheit an. Es überrascht nicht, dass er ausführlich auf die »deutsche Landnahme im Osten« sowie auf volksgeschichtliche Fragen einging und dabei das entsprechende Vokabular benutzte. Gleichzeitig fehlte auch die Bezugnahme auf die Gegenwart des Nationalsozialismus mit Hilfe weit gespannter und eher zweifelhafter historischer Linien nicht149. Dies alles lässt keinen Zweifel daran zu, dass sich Erich Maschke anhand der selbst formulierten Leitlinien für die Beschäftigung mit der mittelalterlichen Geschichte ernsthaft um eine Neudeutung dieses historischen Zeitabschnittes im Sinne der Ideen des Nationalsozialismus bemühte. Inwieweit dies seine damaligen Leser überzeugte, ist nicht zu ermitteln. Welche Anpassungsfähigkeit Erich Maschke bereit war, an den Tag zu legen, zeigte sich an seiner dritten übergreifenden Darstellung zum Mittelalter, an der Schulungsschrift »Das deutsche Ge146 Maschke, Mittelalter, S. 2. 147 Beispielsweise ebd., S. 13: »Durch das Zölibat der hohen deutschen Geistlichkeit sind Hunderte deutscher Adelsfamilien vorzeitig ausgestorben und ist die Erbmasse der deutschen Führungsschicht zumindest schwer gefährdet, in ihrer natürlichen Breite beschränkt und um wertvolle Blutströme ärmer gemacht worden.« 148 Maschke, Mittelalter, S. 88: »Im Osten dagegen verteidigten sie das Reich nicht nur gegen einen rassisch wie kulturell gleich fremden Eindringling, gegen die Ungarn […], sondern sie bejahten […] die gewaltige Aufgabe einer deutschen Lebensordnung in Räumen, die erst durch eine überlegene Herrschaft zusammengeschlossen und geschichtlich wirksam gemacht werden sollten.« 149 Ebd., S. 32: »Wenn auch der deutsche Bauer seit dem Verfall der politischen Stellung der germanischen Freien in der deutschen Geschichte bis zum Siege des Nationalsozialismus nicht mehr eine selbständige und erfolgreiche politische Rolle gespielt hat, so besserte sich doch sein rechtlicher und wirtschaftlicher Stand gerade im 12. und 13. Jahrhundert wieder ganz allgemein.«

Einheit des Reiches und germanisches Erbe – Schriften zum Mittelalter

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meinschaftsleben im Mittelalter.«150 Nicht allein die Tatsache, dass er diese Schulungsschrift überhaupt verfasste, sondern auch die Schnelligkeit, mit der er dieser Aufgabe nachkam151, und ihr Inhalt sind Zeichen dafür, dass er ihr großen Stellenwert einräumte. Wenn auch aus seiner Autorenschaft noch keine eindeutigen Schlüsse über Maschkes persönliche politische Einstellung zum nationalsozialistischen Regime und zu seiner Ideenwelt gezogen werden können – u. a. wurden diese Schulungsschriften auch sehr gut honoriert –, so stellte er doch auch hier seine wissenschaftliche Reputation und seine fachliche Kompetenz in den Dienst einer Neu- und Umdeutung der Vergangenheit unter nationalsozialistischen Vorzeichen. Schon auf diese Weise beteiligte er sich daran, die ideologischen Vorstellungen des Nationalsozialismus historisch zu begründen, in der Gegenwart zu rechtfertigen und sie zu verbreiten. Es störte ihn anscheinend auch nicht, dass er historische Inhalte der Politik verfügbar machte, dabei eine Abkehr vom quellengestützten Arbeiten zuließ und somit einer Manipulation historischer Fakten Vorschub leistete. Auch in dieser populärwissenschaftlichen Schrift beleuchtete er den Zeitraum vom 8. bis 16. Jahrhundert unter der Fragestellung, was von dem »alten germanischen Erbgut« noch bewahrt, was verändert oder aufgegeben worden war. In Beantwortung seiner Frage behandelte Erich Maschke verschiedene Erscheinungen und Lebensformen der mittelalterlichen Geschichte, welche immer zumindest »germanische Wurzeln« gehabt hätten, wie die »deutsche Kirche« im Mittelalter152 oder die Grundherrschaft. Aber auch im Lehnswesen, im Kurfürstenkolleg, in der Entstehung der Stadt oder in der Fehde entdeckte er, wenn nicht germanisch-deutsche Ursprünge und Bezüge, so doch ihre »Art­ gemäßheit«. Die Preisgabe dieser Ursprünge und Wurzeln habe teilweise verhängnisvoll zur Zersplitterung von Volk und Staat beigetragen. Maschke kam aber dennoch zu dem Schluss: »So ist doch das germanische Erbe durch den Wandel der Zeiten und der Erscheinungen wenigstens in einem solchen Umfange hindurchgetragen worden, dass das deutsche Leben in seiner letzten Tiefe von diesem Erbe bestimmt wurde.«153

Seine Darstellung des 14.  und 15.  Jahrhunderts verzichtete auf die Heraufbeschwörung germanischer Wurzeln und Ursprünge und verlegte sich stärker als im ersten Teil der Schrift auf die Hervorhebung des völkisch-rassischen Aspektes in den mittelalterlichen deutschen Lebensformen. Dabei scheute Maschke vor 150 Maschke, Das deutsche Gemeinschaftsleben im Mittelalter, in: Der Schulungsbrief 3 (1936), S. 90–105. 151 Diesen Schulungsbrief verfasste er innerhalb von vier Wochen. Für den Rechenschaftsbericht und die Zusammenfassung seines von der Publikationsstelle geförderten Forschungsprojektes brauchte er dagegen sieben Jahre. 152 Sachsen hatte nach Maschkes Einschätzung geradezu eine Germanisierung des Christentums in Angriff genommen. Maschke, Das deutsche Gemeinschaftsleben im Mittelalter, S. 91. 153 Maschke, Das deutsche Gemeinschaftsleben im Mittelalter. S. 98.

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Behauptungen nicht zurück, die moderne Ideen in die Vergangenheit projizierten und geeignet waren, Bestimmungen des nationalsozialistischen Regimes historisch zu legitimieren: »Wenn keine Ausländer, keine Angehörigen unehrlicher Gewerbe und deren Nachkommen in die Zunft aufgenommen wurden, wenn eheliche deutsche Herkunft und eine Ahnenprobe über vier Geschlechter verlangt wurde, so diente das alles der rassischen Reinhaltung. Andererseits versperrten diese Beschränkungen innerhalb des deutschen Volkes den Aufstieg gesunden und kräftigen Nachwuchses etwa bäuer­ licher Herkunft, so dass das Zunftwesen geistig, blutsmäßig und wirtschaftlich schließlich vergreiste und erstarrte.«154

Blieb Maschke hier zumindest in Ansätzen einer differenzierenden historischen Betrachtung nahe und formulierte zumindest keine eindeutige persönliche Stellungnahme zur assoziierten Parallele zwischen Vergangenheit und Gegenwart, so positionierte er sich in der Betrachtung der mittelalterlichen Rechtsgrundlagen klarer: »Lange hat sich dieser Gedanke erhalten, dass das Recht von der Stammeszugehörigkeit, also letztlich wieder vom Blute und nicht vom Raume her gelte und dem in einem bestimmten Gebiete üblichen Recht überlegen sei. Im Laufe des Mittelalters hat sich dann schließlich doch das räumlich gültige Recht über das an der Person haftende Abstammungsrecht erhoben. Es hat in langen Jahrhunderten unserer Geschichte mit zur Zersplitterung Deutschlands beigetragen und wird erst durch die Erweiterung der nationalsozialistischen Neuschöpfungen im deutschen Rechtsleben endgültig überwunden werden.«155

Ob er damit implizit auch die rechtliche Diskriminierung beispielsweise der deutschen Juden für gut befand, lässt sich aus dieser Passage nicht eindeutig herausfiltern. Aber er verwendete Formulierungen, die eine solche Folgerung nicht ausschlossen. Den Leser mit einer Fülle von Details und Perspektivenwechseln verwirrend und nicht immer konzepttreu, beendete der Schlusssatz dieser Schrift überraschend plötzlich die Ausführungen Maschkes: Er zitierte einen Wissenschaftler aus der Zeit der Renaissance und fasste zusammen: »Nichts anderes bedeuten diese Worte als den ewigen Glauben an die eigene Art. Er war in Jahrhunderten wechselnder Schicksale ungebrochen geblieben. Über Zerfall und fremde Einflüsse hinweg blieb er das Erbe, das auch uns anvertraut wurde, um es zu mehren und zu wahren.«156

Über diese drei Gesamtdarstellungen hinaus ver­öffentlichte Erich Maschke weitere Beiträge, die sich mit Einzelfragen und historischen Persönlichkeiten auseinandersetzten157. 154 155 156 157

Ebd., S. 105. Ebd., S. 94. Ebd., S. 105. Siehe Schriftenverzeichnis.

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5.7 Die Staufer Die Zeit in der bündischen Jugend hatte Erich Maschke den Weg zu einem weiteren Thema der deutschen Geschichte geebnet, das nun im Mittelpunkt der Darstellung stehen wird: zu den Staufern. Maschke selbst war sich dieses Zusammenhanges und seiner langjährigen Wirkung auf sein historiographisches Werk durchaus bewusst und deutete ihn wie folgt: »In diesem weiten Rahmen [der Reichsgeschichte] fand ich zu den Staufern als Fa­milie. Es war ein letzter Nachklang jener Bewunderung für adeliges Menschentum, die mich in den Zeiten meiner Zugehörigkeit zur bündischen Jugend bewegt hatte. Ich sah im Geschlecht der Staufer, das Staatsmänner und Feldherren, Dichter und Bauherren hervorgebracht hatte, einen Höhepunkt menschlicher Eigenart, dessen Entfaltung ich aus den zahlreichen zeitgenössischen Aussagen auf genealogischer Basis darstellen konnte. Daß Ernst Kantorowicz, der eben zu dieser Zeit das bedeutendste Buch über Kaiser Friedrich II. schrieb, dem George-Kreis angehörte, bestätigte mir nun die Rückverbindung meines Stauferbuches zu den Idealen meiner Jugend. Die Staufer-Ausstellung 1977 in Stuttgart zeigte mir, daß ich mich bis heute von dieser Haltung nicht ganz gelöst habe.«158

Was Erich Maschke bei diesem Nachsinnen über den Einfluss seiner bündischen Ideale auf seine Beschäftigung mit den Staufern zu erwähnen vergaß, war dies: In den dreißiger und vierziger Jahren hatte er sich mit diesem Herrschergeschlecht hauptsächlich unter einer erb- und rassegeschichtlichen Fragestellung auseinandergesetzt. Wollte er dies vielleicht hinter seiner Formulierung »auf genealogischer Basis« verbergen? Im Folgenden sollen zwei Aspekte – der Einfluss bündischer Ideale und die erb- und rassegeschichtliche Ausrichtung – in Erich Maschkes frühen Texten zur Staufergeschichte näher untersucht werden. Aus Gründen einer besseren Überschaubarkeit werden aber auch seine späteren Staufertexte in den Blick genommen. Ein Vergleich dieser frühen und späteren Texte hinsichtlich verschiedener Gesichtspunkte wird in die einzelnen Abschnitte miteingeflochten. Er ermöglicht es, Kontinuitäten und Veränderungen in Maschkes Bild von den Staufern sichtbar zu machen. Der zeitliche Bezugsrahmen der Jenaer Jahre wird dabei naturgemäß verlassen. Was machte die Staufer für Erich Maschke interessant und warum setzte er sich gerade mit ihnen und ihrer Zeit ein Forscherleben lang auseinander? Wann begann Erich Maschke, rassegeschichtliche Überlegungen in seine Geschichtsschreibung aufzunehmen, die in seiner Monographie »Das Geschlecht der Staufer« ihren Höhepunkt fanden? Wie sind diese Monographie sowie die entsprechenden Beiträge in die Geschichtsschreibung bzw. rassegeschichtliche Konzeptionen der Zeit einzuordnen? Aber auch Maschkes Darstellung und Wertung einzelner Staufer, ob sie nun »Bauherren« oder »Staatsmänner« gewesen wa158 Maschke, Begegnungen mit Geschichte, S. XII–XIII.

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ren, muss beleuchtet werden. Dabei stehen vor allem Friedrich I. Barbarossa und Friedrich II. im Vordergrund der Betrachtung. Dies sind nur einige Beispiele für Fragen, auf die im Folgenden nach Antworten gesucht werden. Als Erich Maschke Mitte der 1930er Jahre an seinen Überblicksdarstellungen zur mittelalterlichen Geschichte in Deutschland arbeitete, musste er naturgemäß bereits auf die Staufer eingehen159. Doch seine Beschäftigung mit ihnen erreichte einige Jahre später zwischen 1938 und 1944 ihren ersten Höhepunkt. In diesen Jahren, in denen die Stauferzeit in der Forschung überhaupt einen neuen Aufschwung erlebte160, veröffentlichte Maschke die Mehrzahl seiner Stauferdarstellungen, die die Familien- und Geschlechtergeschichte dieses Herrschergeschlechts zum Inhalt hatten161 und aus einer erb- und rassegeschichtlichen Perspektive verfasst waren. Aber auch in anderen Zusammenhängen waren sie für ihn von Interesse162. Er machte die Staufer in dieser Zeit ebenso zum Thema von Lehrveranstaltungen und Vorträgen163. Die Jahre der Kriegsgefangenschaft erwiesen sich auch für seine Beschäftigung mit den Staufern als Zäsur. In seinen Werken zur Staufergeschichte aus der Zeit nach 1953 widmete er sich anderen Themen und verfolgte andere Ansätze. Das Herrschergeschlecht als solches sowie einzelne herausragende Persönlichkeiten standen nicht mehr im Vordergrund, sondern Maschke nahm vorrangig Aspekte der Stauferzeit in den Blick. Hier beschäftigten ihn geistesgeschichtliche Fragen164, Fragen der Wirtschaftspolitik165 und vor allem die Städtepolitik der Staufer166. Einen zweiten Höhepunkt erlebte seine Beschäftigung mit 159 Aus diesem Grund wurden die Beiträge auch in die Untersuchung miteinbezogen. 160 Vgl. dazu Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen, NL S. A. Kaeh­ ler, Cod. Ms S. A. Kaehler, 1:114, Brief S. A. Kaehlers an Erich Maschke vom 21.2.1942: »Zweierlei hat mich dabei erstaunt: einmal die Vielfältigkeit Ihrer Arbeitspläne […] und dann das erneute Interesse, welches die Stauferzeit in der Forschung zu wecken beginnt. Kaum einer der mittelalterlichen Kollegen, der sich nicht mit einem Buch über die Stau­fer trüge!« 161 Maschke, Das Geschlecht der Staufer, München, 1943; ders., Das staufische Haus, in: Vergangenheit und Gegenwart 33 (1943), S. 73–88; ders., Das Geschlecht der Staufer, in: Familiengeschichtliche Blätter 42 (1944), Sp. 97–110. Diese Beiträge sind sich inhaltlich sehr ähnlich. 162 Dies wird beispielsweise deutlich in Maschke, Die Ostpolitik der staufischen Könige; ders., Die deutschen Königsgeschlechter des Mittelalters als Schicksalskräfte unserer Geschichte. Ein weiterer Beitrag »Zur Entstehung des Statutum in favorem principum von 1231/32« aus den vierziger Jahren fiel wohl der Kriegszeit zum Opfer und konnte nicht mehr erscheinen. Auch die Antrittsvorlesung Erich Maschkes an der Universität Leipzig entsprach mit »Die Staatskunst Friedrich des II.« thematisch dieser Beschäftigung. (UA Stuttgart-Hohenheim, NL Günther Franz N 6, Brief Erich Maschkes vom 14.3.1943). 163 Z. B. im Wintersemester 1938/39 in Jena bzw. Februar 1939 in der Gelehrten Gesellschaft in Jena oder bei einem Treffen mitteldeutscher Historiker im Sommer 1941 in Jena. Vgl. Anmerkungen in der Monographie »Das Geschlecht der Staufer«, München 1943, S. 141. 164 Vgl. den Vortrag »Der Rationalismus Friedrich des II. unter besonderer Berücksichtigung der Medizinalverordnung 1224« (BA-MA Freiburg, B 205–1764). 165 Maschke, Die Wirtschaftspolitik Kaiser Friedrichs II. im Königreich Sizilien. 166 Z. B. Maschke, Bürgerliche und adelige Welt in den deutschen Städten der Stauferzeit.

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der Geschichte der Staufer und ihrer Zeit im Zusammenhang mit dem Staufer­ jubiläum 1977 und der großen Staufer-Ausstellung in Stuttgart167. Hier folgte er gern der Einladung zur Mitarbeit in der Historischen Sektion für die Ausstellung und übernahm die Verantwortung für den stadtgeschichtlichen Teil. Zeugnis dessen ist sein Beitrag für den Katalog.168 Aber auch darüber hinaus hielt er in diesem und in den folgenden Jahren Vorträge über dieses Thema, in dem er sein altes Interesse für die Staufer mit seiner Vorliebe für stadtgeschichtliche Fragen zu verbinden wusste169. Worin war jedoch die Faszination begründet, die die Staufer und ihre Zeit auf Erich Maschke ausübten? Aus der Ideen- und Vorstellungswelt der Neupfadfinder heraus zeigte sich Erich Maschke besonders empfänglich für idealisierte Bilder von Rittertum, glanzvollem Reich und für lichte Führergestalten. Möglicherweise bauten ihm gerade diese Vorstellungen eine Brücke zu dem mittelalterlichen Herrschergeschlecht der Staufer, das schon von den Zeitgenossen teilweise idealisiert worden war. Als Beleg für die Sensibilisierung Erich Maschkes für die Staufer durch seine bündischen Vorstellungen könnten seine Formulierungen von »jener Bewunderung für adliges Menschentum« und »Höhepunkt menschlicher Eigenart« verstanden werden. In ähnlicher Weise kann sein Hinweis auf die Lektüre von Ernst Kantorowiczs Biographie über Friedrich II. gedeutet werden.170 Ein anderer, weitaus pragmatischerer Grund für seine Beschäftigung mit den Staufern mag noch eine ergänzende Rolle gespielt haben. Dies klang in Erich Maschkes einleitender Erklärung zu einem seiner rasse- und erbgeschichtlich orientierten Stauferaufsätze an: »Ich wählte dieses Thema einmal, weil es durch die geschichtliche Stellung des großen deutschen Königsgeschlechtes seinen Reiz in sich selbst trägt, zum zweiten aber, weil ein verhältnismäßig reiches Quellenmaterial die Aussicht bot, doch zu gewissen Ergebnissen zu kommen.«171

Die Staufer waren unter rassegeschichtlicher Fragestellung noch nicht behandelt oder bearbeitet worden. Daher ergab sich nun für Erich Maschke in Jena die Ge167 Vgl. den fünfbändigen Katalog der Ausstellung »Die Zeit der Staufer«, Stuttgart 1977 sowie die darin enthaltenen Aufsätze von Schreiner, Die Staufer in Sage, Legende und Prophetie sowie von Borst, Die Staufer in der Geschichtsschreibung. 168 Maschke, Die deutschen Städte der Stauferzeit. 169 Vgl. den Brief Erich Maschkes an Jürgen Sydow vom 15.3.1977: »Zur Zeit macht mir die ›Stauferitis‹ reichlich zu schaffen. In Eberbach hat man nicht nur meinen Vortrag über die deutschen Städte der Stauferzeit freundlich aufgenommen […] und hat das Manuskript einkassiert für das Eberbacher Geschichtsblatt […]. Morgen ist Neckargmünd dran, etwas später Lobenfeld, im September noch Lahr. Da wir nicht gleichzeitig über den Untergang des historischen Bewusstseins jammern können und uns jeder Forderung dieses Bewusstseins entziehen, habe ich alle Vortragswünsche erfüllt […]«. HStA Stuttgart, NL Maschke J 40/10, Bü 43. 170 Auf Erich Maschkes Rezeption und Verarbeitung dieses Werkes wird an anderer Stelle eingegangen. 171 Maschke, Das Geschlecht der Staufer, 1944, Sp. 97.

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legenheit, sein Interesse an diesen Fragen mit seinem Jugendthema zu verbinden und die Lücke zu schließen. Gleichzeitig trieb ihn wohl auch ein gewisser pädagogischer Impuls an, sich mit diesem Thema zu befassen, da es ihm auch darum ging, »… die Möglichkeiten und Grenzen erbgeschichtlicher Fragestellungen von den Quellen der mittelalterlichen Geschichte her zu klären und zugleich die Studierenden zu einem sauberen Abstand gegenüber den leider gerade auf diesem Gebiet ja sehr häufigen dilettantischen Leistungen zu erziehen […]«172

In welcher Weise und mit welchem unterschiedlichen Gewicht sich diese einzelnen Motivationsstränge miteinander verbanden, ist kaum zu ermitteln. Sie sorgten jedenfalls dafür, dass zahlreiche Beiträge zur Stauferthematik entstanden. Wie charakterisierte er in seinen frühen Beiträgen die Stauferzeit? Die Mehrzahl seiner Schriften schilderte sie als »Zeit der Reichsherrlichkeit«173, die ihr Abbild fand in einer ritterlichen Kultur, die »von einer geistigen Tiefe und menschlichem Reichtum [war], wie sie einer historischen Periode nur selten geschenkt ist«174 und sich zu ihrer »reinsten Vollendung« entfaltete. Dem entsprach die »hohe Form deutscher bildender Kunst«, der »Gipfel deutscher Dichtung«175 sowie die volle Entwicklung des Lehnswesens. Darüber hinaus umfasste sie Maschkes Auffassung nach einen »bis zur äußersten Spannweite emporgeführten Bau staatlicher Ordnung und deutscher Herrschaft«176, war aber auch beherrscht durch vielfältige Spannungen und die geistige und politische Auseinandersetzung mit dem Papsttum. Als wichtigstes Ergebnis des »staufischen Jahrhunderts« bezeichnete er 1937 die volle Ausprägung der Landeshoheit und ging ausführlich auf die »Entstehung des deutschen Ostens«, den sozialen Aufstieg der Ministerialen und die Entwicklung des Städtewesens in Deutschland ein. Auf dem Städtewesen lag in der Mehrzahl seiner späteren Beiträge der thematische Schwerpunkt. Obgleich Erich Maschkes Wortwahl später durch eine größere Sachlichkeit gekennzeichnet war, sprach er auch 1977 noch emphatisch von der »Lebenskraft der Zeit.«177 Insgesamt vermittelten seine Schriften das Bild einer Epoche, die anscheinend kaum Zeichen von Mittelmaß und Durchschnitt kannte, sondern in verschiedener Hinsicht einen Gipfel darstellte und das Reich in höchster Blüte zeigte. Möglicherweise floss gerade in diesen Entwurf vom mittelalterlichen Reich Maschkes innerer Bezug über den Reichsmythos der Neupfadfinder mit ein. Doch ein weiterer Hintergrund für die Art dieser Darstellung ist zumindest auch denkbar. 172 Ebd. 173 Ebd., Sp. 110. 174 Maschke, Die staufische Städtefamilie, 1977, S. 82. 175 Maschke, Das Geschlecht der Staufer, 1943, S. 13. 176 Ebd. 177 Maschke, Die staufische Städtefamilie, 1977, S. 82.

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In Maschkes Werken aus den dreißiger und vierziger Jahren können seine Beschreibungen des Reiches auch als Bemühungen gelesen werden, das Dritte Reich auf indirekte Weise historisch zu legitimieren, indem gerade die Reichsherrlichkeit vergangener Zeiten beschworen wurde. Allerdings waren konkrete Bezüge zur Gegenwart, Verweise und Zitate auf Äußerungen hochrangiger Persönlichkeiten des NS-Regimes usw. in seinen Texten selten zu finden. Aus diesem Grund liegt es näher, die Art seiner Darstellung des Stauferzeitalters mit seiner Prägung durch seine Jugendideale zu erklären. Dies trifft wohl auch auf die Frage zu, worin Erich Maschke die historische Bedeutung der Staufer sah. Auch hier hob er in seinen frühen Schriften besonders ihr Wirken für das Reich hervor. Da war die Rede von ihrem »gewaltigen Ringen um das Reich«178, von der »Idee des Reiches«179, die die »umfassende Politik« der Staufer trug, von der Überwindung der »Kräfte, die der Einheit und Kraft des Reiches widerstrebten«180 und von gefundener »geschichtlicher Erfüllung«181 in der Auseinandersetzung mit der Kurie um die Erneuerung und Bewahrung des Reiches gegen die Herrschaftsansprüche des Papsttums. Nicht zuletzt steigerten die Staufer nach seiner Deutung die Wirklichkeit des abend­ländischen Kaisertums »bis an die äußerste Grenze« und gaben ihm die »letzte Vollendung182. Aber nicht nur für ihre »einmalige und eigentümliche geschichtliche Leistung«183, sondern auch für das Herrscherhaus selbst fand Erich Maschke begeisterte Worte. Ihnen zufolge prägten sie einen Typus aus, der der »edelste Ausdruck der ritterlichen Kultur in Deutschland« und die »reinste Form deutschen Königtums und abendländischen Kaisertums«184 war. Sie verkörperten in seinen Augen wahrhaftig die Zeit der Reichsherrlichkeit. Diese Bedeutung für das Reich wies Erich Maschke den Staufern in seinen späteren, merklich sachlicher gehaltenen Schriften nicht mehr zu. So betonte er nun vor allem das Wirken einzelner Staufer für die Entstehung des Städtewesens. Der sprachliche Unterschied zwischen seinen frühen und späteren Beiträgen zur Staufergeschichte lässt sich auch in Maschkes Darstellung von Kaiser­ Friedrich Barbarossa ausmachen. In seinen Schriften aus den dreißiger und vierziger Jahren verkörperte Barbarossa für Maschke gleich Mehreres: auf großartige Weise das Bild der älteren Staufer185, auf edelste Weise die ritterliche Kultur der damaligen Zeit186, auf wahrhaftige Weise das »Reich und Volk«187 sowie das menschliche Idealbild seiner Zeit und nicht zuletzt »nordische Menschen178 179 180 181 182 183 184 185 186 187

Maschke, Das staufische Haus, 1943, S. 88. Maschke, Die Ostpolitik, S. 454. Maschke, Die deutschen Königsgeschlechter, 1943, S. 8. Maschke, Das Geschlecht der Staufer, 1944, S. 110. Maschke, Das Geschlecht der Staufer, 1943, S. 13. Maschke, Das staufische Haus, 1943, S. 74. Maschke, Das Geschlecht der Staufer, 1944, S. 110. Maschke, Das Geschlecht der Staufer, 1943, S. 32. Maschke, Das Geschlecht der Staufer, 1944, S. 103. Maschke, Das Geschlecht der Staufer, 1943, S. 33.

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art«188. Außerdem sah er in ihm die Äußerung jener »germanischen Welt, die sich in der vollkommenen Auswirkung und selbst in der Verschwendung ihrer Kräfte durch ein großes, unermessliches Dasein erfüllte.«189 Er bedachte ihn in seinen Schriften mit Attributen, die in ihrer Bündelung meist über menschliches Normalmaß hinauswiesen und das Idealbild eines Kaisers und Königs entwarfen. Um einige Beispiele zu nennen: »unermüdlicher persönlicher Einsatz«, »tiefe persönliche Frömmigkeit«, »ausgesprochene Neigung zu juristischem Denken«, »starke Leidenschaftlichkeit««, »unsagbare Härte« usw. Er begriff ihn – auch im wissenschaftlichen Streit um den Vergleich zwischen Heinrich dem Löwen und Barbarossa – als eine der zwei Möglichkeiten, die dem deutschen Volk damals zur Verfügung gestanden hätten. Dabei verstand er Heinrich den Löwen bzw. seine Politik als komplementäre Ergänzung zu Barbarossa, stellte sie nicht gegeneinander, sondern führte sie zu einer Einheit zusammen: »Zwei Aufgaben waren zugleich gestellt: die heimnahe Gründung deutschen Volksund Staatsbodens und das weltweite Ringen um das eigene Lebensrecht. Die einzig­ artige Spannweite dieser beiden Aufgaben konnte voll ausgeschöpft werden: zwei Männer von überragendem Range waren Deutschland gegeben, ihnen beiden zu dienen. Nicht ihr Gegensatz […] gibt daher den geschichtlichen Sinn ihres Zeitalters wieder, sondern die Ergänzung des einen durch den anderen und ihr Miteinander in der Erfüllung einer gesamtdeutschen Sendung. Sie war gegeben in ihrer Wendung nach Nord u n d Süd. […] Heinrich der Löwe und Friedrich Rotbart, der dunkle Welfe und der blonde Staufer – sie beide waren erst: Deutschland.«190

Die Hervorhebung dieser inneren Einheit war Erich Maschke wichtig und so bekräftigte er diese Zusammengehörigkeit mit einem Zitat Hitlers, dem einzigen innerhalb der gesamten frühen Staufertexte: »Jahrzehnte hindurch ist durch die beiden Vettern die Doppelaufgabe des Reiches, die im Osten und die im Süden, erfüllt worden. Erst ihr Bruch zerriß die innere Einheit ihres Wirkens. Dennoch gilt es, diese Einheit zu sehen und zu bejahen. Denn die deutsche Geschichte ist unteilbar, und wir können, nach einem Worte Adolf Hitlers, auf keinen der Großen unserer Geschichte verzichten.«191

Als von »wahrhaft heldischem Wirken«192 und »einzigartiger geschichtlicher Wirkung« charakterisierte Erich Maschke das Werk Barbarossas, das seiner Ansicht nach in der Erneuerung des Reiches, in der Bewahrung des Reichsrechtes ge188 Maschke, Das Geschlecht der Staufer, S. 43. Auch in ders., Der Kampf zwischen Kaiserund Papsttum, 1936 S. 33. 189 Maschke, Der Kampf zwischen Kaiser- und Papsttum, S. 33. 190 Ebd., S. 48. Nach Stefanie Barbara Bergs Urteil in: dies., Heldenbilder und Gegensätze. Friedrich Barbarossa und Heinrich der Löwe, S. 239 entzog sich die Mehrzahl der deutschen Mediävisten im Falle dieser historischen Gestalten der politischen Brauchbarkeit, da sie sich gleichermaßen zu dem Staufer und dem Welfen bekannte. Zur ideologischen Wertschätzung Heinrichs des Löwen und Friedrich Barbarossas im Dritten Reich S. 193–211 bzw. S. 212–224. 191 Maschke, Mittelalter, S. 24. 192 Maschke, Der Kampf zwischen Kaiser- und Papsttum, S. 33.

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gen die Ansprüche der Kurie und in der Vorbereitung der Wiedereindeutschung des »alten germanischen Siedlungslandes« Schlesien bestand. Angesichts dieser Schilderung Kaiser Friedrich Barbarossas als einer Persönlichkeit fast ohne Makel und Fehler sowie seines Wirkens für das Reich stellt sich auch hier die Frage, ob bei dieser Deutung nicht die bündische Verklärung von Führergestalten mit im Spiel war wie auch der Einfluss der Reichsidee der Neupfadfinder. In den späteren Aufsätzen ging er auf die Persönlichkeit Barbarossas in dieser verklärenden und idealisierenden Weise nicht mehr ein und betrachtete vor allem Barbarossas Städtepolitik. In Erich Maschkes Äußerungen zu Friedrich I. wird nichts von der gewissen Ambivalenz spürbar, mit der er sich Barbarossas Enkel näherte. Auf den »Gipfel des Geschlechts«, den »genialsten Staufer« ging Erich Maschke unmittelbar nur in seinen Beiträgen aus der Zeit vor 1945 sowie in einem Vortrag ein. Später schilderte er weniger Aspekte seiner Persönlichkeit als vielmehr Probleme seiner Herrschaft. Seine frühen Darstellungen spiegeln zum einen die Faszination wider, die Friedrich II. in der Vielfalt seiner Interessen auf seine Zeitgenossen und auf Erich Maschke ausübte. »Alle Eigenschaften […] zeigten sich in ihm fast ins Übermenschliche.«, »der unermüdlichste Frager«, »starke mathematische Begabung«, »ursprüngliche poetische Neigung«, aber auch die ausführliche Schilderung seines naturwissenschaftliches Denkens und Experimentierens seien hier als Beispiele für diese Faszination genannt193. 193 Es bleibt noch zu untersuchen, in welcher Weise Erich Maschkes Darstellung dieses Staufers durch die Stauferbiographie Ernst H. Kantorowiczs beeinflusst wurde. Eine solche Analyse würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen, zumal bisher der Frage nach der Wirkung Kantorowiczs auf die Werke anderer Historiker zu Friedrich II. noch nicht nachgegangen wurde. Vgl. dazu auch Kuhlgatz, Verehrung und Isolation. Zur Rezeptionsgeschichte der Biographie Friedrich II., S. 745. Dass eine solche Beeinflussung ausgeübt wurde, konstatierte auch Johannes Fried und nannte einige Beispiele dafür (Klaus J. Heinisch, Bruno Gloger, Hans Martin Schaller), führte aber leider nicht näher aus, worin dieser Einfluss bestand. Fried, Ernst H. Kantorowicz and postwar historiography, S. 188. Der Eindruck einer spürbaren Beeinflussung der Stauferbeschreibungen Maschkes durch das Werk Kantorowiczs bezieht sich vor allem auf den Sprachstil und die Idealisierungen, lässt sich aber sonst nur durch Maschkes eigene bereits zitierte Aussage und seine Rezension des Ergänzungsbandes von 1931 belegen. Folgt man Johannes Fried, so wären die idealisierenden Darstellungen Erich Maschkes ein Beispiel (neben vielen) für die gründliche Fehldeutung von Kantorowiczs Konzept: »The biography of the Staufer, read in the light of the reinterpretation by The Kings Two Bodies, was an earlier attempt at realisation and concretisation of political theology in that special moment, when what Kantorowiczs later on called christ-centered kingship was turning into law-centered, and elements of both ruler-types were still mixed together. It was the story of a ruler with two bodies, of a man and more than a man, of ­father and son of justice, of prince and lex animata, a law-made ›God of State‹ (›Staatsgott‹) or a phoenix. Most scholars had misinterpreted this concept as the vision of a mythic, demoniac being, an error which Kantorowicz criticised […]«. Fried, Kantorowicz and postwar historiography, S. 201. Zur Rezeption Kantorowiczs in den 1920er und 1930er sowie zur Kontroverse um die Biographie vgl. dens., S. 185–186; Abulafia, Kantorowicz and Frederick II., in: ders., Italy, Sicily and the Mediterranean 1100–1400, London 1987, S. 193–210.

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Zum anderen wird in Maschkes Formulierungen aber auch eine bestimmte Distanz deutlich, die ihren Hintergrund u. a. wohl in Folgendem hatte. Für Erich Maschke war die Stellung Friedrichs II. in der deutschen Geschichte nur schwer zu bestimmen. Er war für ihn kein Deutscher, sondern ein Kaiser, der »dem deutschen Leben, dem deutschen Schicksal und dem deutschen Volk fern geblieben war«.194 Die Ursache seiner »Entfremdung« sah er darin: »Erst jetzt wurde das Geheimnis seiner Entfremdung von Deutschland in den Wurzeln bloßgelegt. Heinrich IV., Heinrich V., Friedrich I. hatten für ein Prinzip um des Reiches und ihres Glaubens willen und vom Mutterboden des deutschen Daseins gekämpft. Friedrich II. war dieses Prinzip selbst, die Staatlichkeit, das Diesseits, die Welt, war glaubenslos und ohne Bindung an die mütterlichen Kräfte eines Volkes, eines heimatlichen Bodens.«195

Für Friedrichs II. Auseinandersetzung mit der Kurie fand Erich Maschke zwar positive Worte, wie er auch seine Landfriedensgesetzgebung in ihren Auswirkungen auf Deutschland würdigte. Aber dennoch ergriff er im Hinblick auf seine deutsche Politik Partei für Friedrichs Sohn, König Heinrich, und bezeichnete das Statutum in favorem principum als eine der verhängnisvollsten Urkunden der deutschen Geschichte. Daraus wird ersichtlich, dass Erich Maschkes Vorstellung vom »Reich« in erster Linie auf Deutschland bezogen war und nicht das mittelalterliche Reich im Blick hatte. Diese Haltung gegenüber Friedrich II. wurde in späteren Beiträgen durch andere Formulierungen abgemildert. Demnach stand Kaiser Friedrich dem deutschen Leben »niemals nahe« gegenüber und führte den Kampf mit der Kurie zwar »nicht um Deutschlands willen«, trat darin jedoch auch für »deutsches Lebensrecht«196 ein. Auch das für Maschke wohl grundlegende Problem seiner Volkszugehörigkeit schwächte er ab, in dem er ihn als Herrscher schilderte, der »dem Raume und dem Schicksal beider Völker [gemeint sind Italiener und Deutsche – d. Vf.] angehörend und über sie hinausweisend, Staufer [war] in der besonderen Prägung durch das normannische Erbteil.«197 Dass er dabei eine Kategorie der Neuzeit auf einen mittelalterlichen Herrscher anwendete, fiel ihm nicht auf. In diesen kurzen Abschnitten zur Darstellung einzelner Staufer in Erich Maschkes frühen Texten wurde ein Bereich seiner Schilderungen vorerst nicht berücksichtigt: die ausführliche Widergabe zeitgenössischer Quellen, die über das Äußere der Kaiser, ihre Größe, Statur, Gesundheit, geistige Eigenschaften und Fähigkeiten sowie seelische Anlagen berichteten. Diesen Quellenaussagen räumte Maschke in seinen Schriften ab dem Jahr 1938 großen Raum ein, bildeten sie doch die Grundlagen für seine erb- und rassegeschichtlichen Betrachtungen. 194 Maschke, Der Kampf zwischen Kaiser- und Papsttum, S. 72. 195 Ebd. 196 Maschke, Mittelalter, S. 27. 197 Maschke, Das Geschlecht der Staufer, 1943, S. 87.

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Erste Äußerungen über Maschkes Auseinandersetzung mit rassegeschichtlichen Fragestellungen fanden sich 1937 in dem Abschnitt »Mittelalter«. Über mehrere Jahre hinweg beschäftigte er sich mit dieser Thematik. Den Höhepunkt dieser Überlegungen bildeten die Schriften zur Erb- und Rassegeschichte der Staufer Ende der dreißiger bis Mitte der vierziger Jahre. Aber auch in anderen Werken tauchten gelegentlich Anklänge daran auf198. Erich Maschkes Beschäftigung mit diesem Thema stellte keinen Einzelfall dar199. Theorien über die Bedeutung der Rassen in der und für die Geschichte waren nicht erst in der Zeit des Nationalsozialismus entstanden, sondern wurden schon vor 1933 in der Wissenschaft rezipiert. In dieser Zeit jedoch wurden diese Theorien verstärkt aufgegriffen und rassegeschichtlich konzipierte Geschichtsauffassungen diskutiert200. Woher oder durch wen Erich Maschke die Anregung erhielt, sich solchen Fragen zu widmen, ist nicht bekannt. In diesem Zusammenhang ist allerdings zu bemerken, dass sowohl an den Universitäten in Königsberg, Jena und Leipzig unter seinen Kollegen Historiker wie Rudolf C ­ raemer, Günther Franz, Johann von Leers und Heinrich Berve waren, die rasse­geschichtlichen Fragen aufgeschlossen gegenüber standen. Erich Maschke stellte201 seine Auseinandersetzung mit den Staufern unter der erb- und rassegeschichtlichen Perspektive in eine Reihe mit damals neu e­ rschienenen Untersuchungen zur Geschichte des Mittelalters. Diese beschäftigten sich besonders mit der Deutung hervorragender Einzelpersönlichkeiten (Heinrich der Löwe, Karl IV.) und mit ganzen Geschlechtern (Karolingern, Przemysliden, später auch mit den Habsburgern). Er war wohl der erste ernsthafte Historiker, der sich mit der Rassegeschichte der Staufer befasste. Dass er die Forschungen der letzten Jahre aufmerksam verfolgte, geht aus seinen kurzen Überblicken hervor, die gelegentlich seinen Texten vorangestellt sind. Darin bestätigte er den »ersten großen Gesamtschauen« zwar eine »anregende Wirkung«, trat aber für Einzeluntersuchungen ein, die erst ausreichende Methoden entwickeln wie auch die Grenzen »einer exakten und gewissenhaften Forschung« aufzeigen konnten. Er stand dieser Literatur nicht unkritisch gegenüber202, sondern ließ sogar eine Schülerin die erblichen Grundlagen der Persönlichkeit Karls IV. noch einmal untersuchen. Rassentheoretische Äußerungen seinerseits sind nicht überliefert und aus seinen Arbeiten ergab sich auch keine eigene, schlüssige rassentheoretische Konzeption. Überlegungen zu Begriffen wie »Rasse«, »Rassegeschichte« oder »Erbgeschichte« stellte er ebenfalls nicht an. Seine explizit erb- und rasse­geschicht­lich 198 Vgl. Maschke, Karl IV., Wesen und Werk. 199 Dass Erich Maschke in seinen autobiographischen Notizen seine Auseinandersetzung mit diesem Thema verschwieg, wurde bereits erwähnt. Wie reagierte er auf die Reprint-­ Ausgabe seiner Staufermonographie aus dem Jahre 1943, die 1970 in Aalen im ScientiaVerlag erschien und sogar noch die Sternchen vor den Namen jüdischer Autoren enthielt? 200 Wolff, Litteris et patria, S. 187. 201 Vgl. Maschkes Fußnoten in ders., Das staufische Haus, 1943, S. 73. 202 Maschke, Das staufische Haus, 1943, S. 73, Fußnote 2.

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angelegten Untersuchungen bildeten nur einen Teil seines historiographischen Werkes dieser Zeit. Daraus kann der Schluss gezogen werden, dass er diesen Ansatz für eine sinnvolle Ergänzung anderer Ansätze hielt, Geschichte aber nicht einzig und allein aus dieser Perspektive interpretieren wollte. Somit teilte er Auffassungen, wie sie auch von Fachkollegen wie Stauffenberg, Kienast und Steinacher vertreten wurden. Differenzen bestanden darin zu den Meinungen Schachermeyrs, Wittrams, von Leers u. a203. Maschke verfolgte nur sehr am Rande die von ihm ursprünglich 1937 als besonders wichtig eingestuften Probleme einer Rassegeschichtsschreibung. Damals hatte er gefordert: »Die Erforschung der mittelalterlichen Geschichte wird die Methoden übernehmen müssen, die von der Vorgeschichte ausgebildet sind. In engem Zusammenhang damit muß die rassische Entwicklung unseres Volkes im Mittelalter mit aller Sorgfalt erschlossen werden. Insbesondere in den völkischen Mischgebieten ist die Frage rassischer Veränderungen dringend; es bedarf vor allem über die bisherigen Ergebnisse hinaus die rassengeschichtliche Bedeutung der ostdeutschen Kolonisation der Klärung.«204

Die Schwierigkeit rassegeschichtlicher Untersuchungen des Mittelalters, nur auf eine begrenzte Anzahl von Quellen zurückgreifen zu können, war Erich Maschke als wesentliche Einschränkung bewusst205. Aus diesem Grund forderte er die Erschließung neuer Quellenbereiche, diskutierte den rassegeschichtlichen Wert der zur Verfügung stehenden Quellen wie schriftlicher Zeugnisse, Bilder, literarischer Porträts und anthropologischer Befunde sowie deren Verwendung. In seinen eigenen Texten zur Erbgeschichte wandte Erich Maschke die Methoden und Ergebnisse der modernen Rasseforschung auf Menschen des Mittel­a lters an und ordnete sie auf diese Weise einer Rasse bzw. einer Familie zu. Dabei ging es ihm weniger um die Nennung konkreter Körpergrößen und Kopf­indices206 und rassische Schlussfolgerungen daraus, als vielmehr um die Frage nach der Vererbung bestimmter Wesenszüge, Eigenschaften und Fähigkeiten innerhalb einer Familie. Dass die Hauptvertreter der Staufer von nordischer Art waren, stand von vornherein fest und musste nicht erst diskutiert werden. Auch wenn Maschkes Schriften den Schwerpunkt eher auf Fragen der Erbgeschichte als auf rassegeschichtliche Aspekte legten, stellte er dennoch einige Betrachtungen über 203 Wolff, Litteris et patria, S. 187–188. 204 Maschke, Mittelalter, S. 2. Warum er sich mit diesen Themen nicht intensiver auseinandersetzte, ist nicht bekannt. Zur Kolonisation schrieb er nur ebd. (S. 34) in einem kurzen Absatz: »Da gerade der sächsische Stamm an der Wanderung nach Osten in größtem Ausmaße beteiligt war, wurden auch die deutschen Neusiedelländer entscheidend nordisch bestimmt. So hat auch das Rassenbild des deutschen Gesamtvolkes weithin seine Gestaltung im Zusammenhange mit der Ostsiedlung erhalten und wurde die nordische Rasse, wie in den deutschen Altstämmen, so auch im jungen deutschen Koloniallande durchaus vorherrschend.« 205 Vgl. dazu seine Kritik an der unzureichenden Quellenbasis in den Ausführungen anderer Forscher z. B. in Maschke, Das Geschlecht der Staufer, 1943, S. 161, Fußnote 167. 206 Als Kontrast zu seinen Darstellungen vgl. Rassow, Zur Genealogie Friedrich Barbarossas und Heinrichs des Löwen, S. 40.

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ergänzende Herangehensweise der Rasse (- und Erbgeschichtsschreibung) an, um diese Ansätze für die mittelalterliche Geschichte nutzbar zu machen. Seine Vorschläge für eine Verfahrenserweiterung seien hier kurz genannt: Es war seiner Ansicht nach eine vollkommen legitime Methode, anhand der Verschiedenheit von Stiefgeschwistern das verschiedene mütterliche Erbe zu ermessen. In ebenso simplifizierender Weise verfuhr er mit dem Problem der fehlenden Quellen zu den Frauen und Müttern der Staufer: Um eine einzelne Frau besser charakterisieren zu können, sollten demnach die in ihren Familien »eigentümlichen Erbwerte« festgestellt werden. Diese wurden seiner Meinung erkennbar, wenn das Erscheinungsbild der männlichen Vorfahren und Seitenverwandten in die Untersuchung mit eingeschlossen werden würde. Seine Betrachtung der Wirkung einzelner Eigenschaften auf das »Erbbild« war ernsthaft gemeint, angesichts der Grundlagen genetischer Vererbung aber teilweise von unfreiwilliger Komik207. Vorsicht mahnte er bei der Bewertung der Lebensdauer an, weil er die Methoden dieses historischen Ansatzes insgesamt noch nicht für aus­ reichend hielt. Da Erich Maschkes erb- und rassegeschichtlichen Texten kein erkennbares, in sich geschlossenes Rassenkonzept zugrunde lag, erscheint es schwierig, kurz diejenigen Vorstellungen, rassegeschichtlichen Prämissen und Voraussetzungen zu beleuchten, von denen er ausging. Dennoch soll es wenigstens ansatzweise versucht werden. Es fällt auf, dass Erich Maschke mit Begriffen operierte, die er nicht näher definierte oder umschrieb. So bleibt unklar, was er unter »Er­ scheinungsbild«, »Rasse- und Erbbild«, gelegentlich anscheinend synonym gebraucht, verstand und was in seinen Augen die »rassische und biologische Widerstandskraft des deutschen Volkes« ausmachte. Für Erich Maschke waren »Rasse« und »Blut«, was auch immer er darunter verstand, Wirkungsmächte in der geschichtlichen Entwicklung. »Blut« mystifizierte er zu einer »schöpferischen, heilbringenden Kraft«, die die Erbanlagen übertrug und eine bestimmte historische Wirkung besaß. »Bluts- und Rassenmischung« wurden in seinen Texten meist mit negativen Auswirkungen in Verbindung gebracht, so dass auf diese Weise die »Reinheit« als höchster Wert impliziert wurde. Für diese angeblich einmal vorhanden gewesene Reinheit führte er weder Beispiele an noch erklärte er, zu welchem Zeitpunkt sie denn vorherrschend gewesen sein sollte. In seiner Vorstellung beherrschte das Erbbild den Menschen zeit seines Lebens, d. h. es ließ keine Entwicklung zu, sondern formte ihn in einer Weise, dass seine »wertvollen« (bzw. weniger »wertvollen«) »Anlagen« der väterlichen oder mütterlichen Seite klar zugeordnet werden konnten. Im Falle der Staufer bedeutete dies, dass die von Maschke als »unstaufisch« bezeichneten Eigenschaften einzelner Mitglieder des Geschlechtes nur von der Seite der nichtstaufischen Mütter herstammen konnten! Diese Vorstellungen und Voraussetzungen reflektierte er kaum, 207 Z. B. folgender Satz: »Die Einäugigkeit des Herzogs, wohl auf einen Unfall oder eine Verwundung zurückgehend, war ohne Einfluss auf das Erbbild.« Maschke, Das Geschlecht der Staufer, 1943, S. 21.

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missachtete die Ergebnisse der modernen Genetik und vernachlässigte die Einflüsse der Umwelt auf den einzelnen Menschen. Daher verfiel er zum Teil einem Determinismus und kam seinen eigenen Forderungen an ernsthafte Forschung nicht nach. Diese Forderungen hatte er an anderer Stelle so formuliert: »Doch genügt es nicht, den Rassetypus festzustellen, um aus ihm die Bewertung auch des geschichtlichen Werkes abzuleiten. Einmal ist dabei jeder billige Determinismus zu vermeiden, der die Entwicklung des Menschen – selbstverständlich innerhalb der gegebenen Erbanlagen – ausschalten will. […] Vor allem aber darf das Verhältnis der Anlagen zur Umwelt nicht vernachlässigt werden; vielmehr gilt es, das Prinzip der Auslese geschichtlich in dem Sinne zu begreifen, wie sich eine gegebene Anlage in einer zunächst gegebenen Umgebung durchsetzt. Denn erst unter dieser Fragestellung wird es möglich, die eigentliche geschichtliche Leistung einer Persönlichkeit zu erkennen und zu würdigen.«208

Auch wenn sie gelegentlich schon anklang, soll abschließend noch der Frage nachgegangen werden, was Erich Maschke sich von der Beschäftigung mit Erbund Rassegeschichte für die Staufergeschichte und allgemein versprach. Zum einen war er der Meinung, dass solche Untersuchungen Voraussetzun­ gen für die geschichtliche Wirkung der Staufer erschließen und sippengeschichtliche Betrachtungsweisen die »Erkenntnis der großen Einzelpersönlichkeit« bringen könnten. Zum anderen ging es ihm um die Möglichkeit, mit Hilfe dieser Fragestellung die Geschichte des deutschen Volkes, seines Staates und Lebensraumes besser zu erklären. Darüber hinaus meinte er, »… tiefe Schichten des deutschen Werdens könnten so erschlossen und in einem neuen Sinn begriffen werden.«209 Inwieweit seine Schriften zur Staufergeschichte aus den dreißiger und vierziger Jahren dazu einen Beitrag leisteten, erscheint alles in allem mehr als fraglich. Ob sie dann wenigstens der Stauferforschung wichtige Impulse gaben und größeren Erkenntnisgewinn brachten, sei ebenfalls dahingestellt.

5.8 Von »Neuordnung« und Eroberung – Zeitgeschichtliche Beiträge Die außenpolitischen Ereignisse, die in den Jahren 1938 bis 1942 die Staatenwelt Europas gewaltsam veränderten, gingen auch an Erich Maschke im thüringischen Jena keineswegs vorüber oder ließen ihn etwa gleichgültig. Ganz im Gegenteil! In welchem Maße er Stellung zu ihnen bezog, sich in polemischer Weise an Propagandaaktionen und Kampagnen zu ihrer Vorbereitung beteiligte und den verbrecherischen Krieg legitimierte – davon zeugen die zahlreichen zeithistorischen Beiträge dieser Jahre. Nicht allein er als politischer Historiker, sondern 208 Maschke, Karl IV., Wesen und Werk, S. 382. 209 Maschke, Mittelalter, S. 2.

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zahlreiche seiner Fachkollegen210 reagierten auf die politischen Veränderungen mit publizistischen Beiträgen und Stellungnahmen. Somit stellte Erich Maschke keine »Besonderheit« innerhalb der »Zunft« dar, als er sich zum propagandistischen Befürworter der Gewaltpolitik des nationalsozialistischen Regimes und zum unkritischen Kommentator eines verbrecherischen Angriffskrieges machte. Er gehörte aber nicht zu denjenigen, die sich jedes außenpolitischen Ereignisses in publizistischer Weise annahmen und direkt oder indirekt darauf Bezug nahmen. Angesichts seiner fachlichen Spezialisierung als Ostforscher verwundert es nicht, dass er sich vorrangig211 zu politischen Ereignissen in Mittel- und Osteuropa wie zum »Anschluss« Österreichs, zur Danzig- und Sudetenkrise, der Zerschlagung der Tschechoslowakei usw. äußerte, d. h. zu gewaltsamen Veränderungen, die Staaten, Landschaften und Völker betrafen, die ihm vertraut waren und die er aus eigener Anschauung kannte. Einem weiteren Aspekt in der Wahl der Anlässe für seine Beiträge kam jedoch ebenso große Bedeutung bei: In Übereinstimmung mit seinem Engagement in völkischen und deutschtumsbezogenen Kreisen und Organisationen seit seiner Jugendzeit nahm er ausschließlich Ereignisse zum Anlass für seine Beiträge, welche die territorialen Bestimmungen des Versailler Vertrages revidierten oder annullierten und die europäische Nachkriegsordnung in Mittel- und Osteuropa gewaltsam zerbrachen. Außerdem verbanden sich mit diesen Ereignissen wohl die Hoffnung auf eine Einheit des bisher zersplitterten Deutschtums und die Rückkehr des Deutschen Reiches zu der auch von Maschke ersehnten Größe und Bedeutung. Aus diesen Gründen fiel die Mehrzahl der von ihm publizierten Artikel zeitlich in die Jahre 1938 bis 1940. Für eine Bewertung aller seiner Artikel dieser Jahre gilt es, den Zeitpunkt ihrer Abfassung zu betrachten. Dabei fällt auf, dass Maschkes Beiträge bis auf wenige Ausnahmen212 nach den jeweiligen Ereignissen verfasst worden und somit meist nicht als Teil der propagandistischen Vorbereitungen und Pressekampagnen des Regimes zu betrachten sind. Daraus abzuleiten, dass Maschke sich in geringerem Umfange als andere Fachkollegen an der publizistischen und geistigen Mobilmachung beteiligte, wäre voreilig. Denn es ist zu berücksichtigen, dass er für ein solches Engagement möglicherweise andere Formen wählte, etwa Vorträge, die er später jedoch nicht veröffentlichte oder seine Mitwirkung an Ausstellungen.213 210 Vgl. Schönwälder, Historiker und Politik, S. 127–146. 211 Weder zu den deutschen Feldzügen gegen Dänemark und Norwegen, noch zum Einmarsch in Belgien und die Niederlande oder zum Krieg gegen Frankreich und England meldete er sich publizistisch zu Wort. 212 Ausnahmen sind die folgenden Beiträge Erich Maschkes: Die geschichtlichen Grundlagen des sudetendeutschen Lebensraumes im Mittelalter, 1938; Danzigs deutsche Geschichte; Die Erfindung des »Tschechoslowaken«; Die Wiedergewinnung des deutschen Ostens. 213 Gemeinsam mit anderen Historikern, u. a. mit A. Rein und K. R. Ganzer, hatte Erich Maschke auf Einladung des Amtes Rosenberg an den Vorbereitungen für die Ausstellung »Europas Schicksalskampf im Osten« mitgewirkt und auf einer der vorbereitenden Tagungen im November 1937 über »Die Wiedergewinnung des deutschen Ostens« gesprochen. Vgl. dazu auch Schönwälder, Historiker und Politik, S. 126.

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Nicht nur die Zahl der zeithistorischen Arbeiten spricht dafür, dass Erich Maschke großen Anteil an den politischen und militärischen Ereignissen nahm. Auch der Inhalt seiner Beiträge zeigt, dass er den publizistischen Kommentar als wesentlichen Bestandteil seiner Tätigkeit als Historiker begriff: Umfangreiche historische Darlegungen bildeten den Hauptbestandteil fast jeden Artikels und wollten den Leser über die historischen Hintergründe und Zusammenhänge des aktuellen Geschehens aufklären und informieren. Dabei trat Erich Maschke selbst als Autor meist nicht in Erscheinung, sondern erweckte mit seinen Formulierungen den Anschein wissenschaftlicher Objektivität. Dennoch ließ er durch Wortwahl und Darstellungsweise eine eigene Position und Perspektive erkennen, welche die eines zum Teil begeisterten und ergriffenen Zeitzeugen war. Folgende Beispiele mögen dies illustrieren: »Wer den Herbst dieses Jahres offenen Herzens miterlebt hat, der braucht nach dem Recht der Sudetendeutschen auf ihre Heimat und auf ihre Zugehörigkeit zum großdeutschen Volk und Staat nicht mehr zu fragen.«214

Oder: »So laut der Trubel und Jubel auf den Straßen Nürnbergs war, so still und feierlich war der hohe dunkle Raum, der die kostbaren Schätze der alten deutschen Könige und Kaiser aufgenommen hatte. […] So verband sich hier die große Vergangenheit des ersten deutschen Reiches mit dem Stolz und dem Glück der Reichserneuerung und der Heimkehr Österreichs. Nur selten einmal kann einem Volke seine Geschichte in so tiefer Symbolik begegnet sein wie in diesem Raume und zu dieser Stunde.«215

In seinen späteren Beiträgen (ab ca. 1940) rückte Erich Maschke von der scheinbar objektiven Perspektive ab und äußerte sich explizit als Volksgenosse und Deutscher. »Unsere Stellung im Osten«, »unsere Vorfahren«, »unser Volk«, »unsere Soldaten« hieß es nun in seinen Artikeln. Ob dies ursächlich mit einer Entwicklung in Maschkes Einstellung zum NS-Regime oder einer Veränderung in seinem völkischen und politischen Denken vor dem Hintergrund der deutschen militärischen Erfolge zu erklären ist, muss offen bleiben. Erich Maschke passte den Sprachstil seiner Beiträge offenbar der jeweiligen Leser- bzw. Zuhörerschaft und dem Anlass an. So entspricht sein Stil zumeist dem gehobenen Niveau, ist vorwiegend sachlich, wird aber gerade in den Schulungsbeiträgen auch emotional. Demgegenüber stehen diejenigen Artikel, die im Vorfeld der Ereignisse verfasst wurden216 und propagandistischen Charakter tragen. In diesen Schriften sprach und agierte er nun auch als ein Mitstreiter, Propagandist und Kämpfer, schaltete sich also als ein aktiver Teilnehmer an den Ereignissen ein. Sie unterscheiden sich inhaltlich deutlich von den anderen und 214 Maschke, Die geschichtlichen Grundlagen des deutschen Lebensrechtes in Böhmen, 1938, S. 123. 215 Maschke, Die Reichskleinodien, S.144. 216 Siehe Schriftenverzeichnis.

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sind durch die Verwendung stilistischer Mittel gekennzeichnet, mit denen Erich Maschke sein Publikum propagandistisch beeinflussen wollte. Hier traf der Leser oder Hörer nicht nur auf trutzigplakative Sinnsprüche und slogans (»Was dem Sudetendeutschtum schon vor Jahrhunderten gewährt wurde, lässt es sich heute nicht nehmen!«217), apodiktische Formulierungen (»Denn wie Danzigs Geschichte deutsch und nichts als deutsch ist, so sind auch seine Gegenwart und seine Zukunft deutsch!«218), Anhäufungen des Attributes »deutsch«, sondern auch auf pompöskitschige Wendungen und sprachliche Bilder (»Doch je eifriger sie auch kratzten und bohrten – auch unter der ›germanisierten‹ Oberfläche Danzigs kam nichts anderes zum Vorschein als der unzerstörbare Granit des Danziger Deutschtums!«219) sowie auf Äußerungen, die geeignet waren, das eigene völkische Selbstbewusstsein zu heben und von dem der beschriebenen Slawen abzugrenzen: »Der Haß der Tschechen gegen die Deutschen trat zum ersten Male auf, als sie sich der deutschen Überlegenheit voll bewusst wurden. Er ist aus der Geschichte des tschechischen Volkes bis in unsere Tage nicht verschwunden. […] Ihm dürfen die Deutschen getrost die eigene Leistung entgegenstellen […] Nur die bessere Art bringt die größere Leistung hervor. In der Geschichte hat noch nie ein Volk Recht behalten, das minderwertig war und in seinem Innern diese Minderwertigkeit verspürte. Denn es bleiben in der Geschichte nur die Völker, die ihrer Art und ihrer Leistung ­gewiß sind.«220

In diesen Beiträgen beschrieb Maschke die slawischen Nachbarvölker in teilweise schwärzesten Farben, schilderte die Tschechen als primitiv, Hass erfüllt und – wie bereits zitiert – »minderwertig«. Damit zeigte er sich elementaren Z ­ ügen des rassistischen Menschenbildes der Nationalsozialisten gegenüber mehr als nur aufgeschlossen. Ebenso ablehnend, aber weniger drastisch geriet Maschkes Charakterisierung der Polen. In allen seinen Beiträgen vermittelte er durchgängig dieses einseitige und­ negative Bild der Slawen, das mit der überhöhten Darstellung des eigenen Volkes und Volkstums in folgender, schon bekannter Weise korrespondierte: Seit Jahrhunderten Kulturbringer und die einzige Führungs- und Verbindungsmacht im Osten221, sendungsbewusst und im Besitze uralter Rechte, den Slawen in sozialer, wirtschaftlicher, kultureller und politischer Hinsicht weit überlegen, 217 Maschke, Die geschichtlichen Grundlagen des sudetendeutschen Lebensraumes im Mittel­ alter, 1938, S. 19. 218 Maschke, Danzigs deutsche Geschichte, S. 324. 219 Ebd., S. 322. 220 Maschke, Die geschichtlichen Grundlagen des sudetendeutschen Lebensraumes im Mittelalter, 1938, S. 24. 221 »Das deutsche Volk mit seinen zahllosen Siedlungssplittern und Volksgruppen inmitten fremder Staats- und Volksbereiche wurde das einzige zusammenhaltende, verbindende und weithin durch seine Überlegenheit das führende Element im östlichen Mitteleuropa und in Osteuropa.« Maschke, Unser Recht auf den Osten, S. 13.

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seien die Deutschen nun in jüngster Vergangenheit niemals selbst Aggressoren oder gar Unterdrücker, sondern Opfer, Gejagte, von Verfolgung und Vernichtung Bedrohte, Gehasste und Unterdrückte gewesen. Mit umso positiveren Erwartungen in die Zukunft und Hoffnungen für das Deutschtum kommentierte Maschke die politischen Veränderungen im Vorfeld und während des Zweiten Weltkrieges. Dabei blieb sein Zukunftsoptimismus von den Ereignissen und Entwicklungen nicht unberührt. Auch hier lassen sich einige Unterschiede zwischen seinen früher (bis ca. 1940) und später (ab 1940) erschienenen Artikeln erkennen: Uneingeschränkt selbstbewusst und voller Selbstvertrauen hielt Erich Maschke nach dem »Anschluss« Österreichs die Zeit für gekommen, eine Neuordnung des Donauraumes auf »natürlicher und gerechter Basis« vorzunehmen, welche er dann ab 1939 zu einer »neuen« und »echteren« Ordnung für Mittel- und Osteuropa und sogar für ganz Europa auszuweiten für möglich hielt. Diese Überzeugung teilte er mit anderen Fachkollegen. Die Perspektive einer Neuordnung der ganzen Welt, wie sie schon zwischen 1936 und 1939 öffentlich erörtert wurde, spielte jedoch in Erich Maschkes Schriften im Unterschied zu Beiträgen anderer Historiker keine Rolle.222 Auch wenn er keine konkreten Vorschläge zu einer Umgestaltung Europas unterbreitete oder auf Formen und Strukturen dieser angestrebten neuen Ordnung einging, nannte er doch in einem seiner Beiträge223 deren Leitlinien. Nicht nach der Stärke äußerer Macht, sondern auf den »Grundsätzen von Verantwortung und Führung« sollte diese durch die Deutschen, denen Maschke die Rolle einer Hegemonialmacht zuwies, errichtet werden. Maschkes spätere Beiträge klingen dagegen weit weniger forsch, was die Einführung und Durchsetzung einer neuen Ordnung »im Osten« betrifft. Gerade aus seinen Hinweisen auf die Notwendigkeit einer ständigen Leistungsbereitschaft des deutschen Volkes im Osten ergab sich der Eindruck, er habe die damit verbundenen Aufgaben auch als eine Bewährungsprobe für die Deutschen wahrgenommen. Dies würde seinem schon in früheren Äußerungen über­ mittelten Bild vom Osten entsprechen. Ist sein zurückgenommener und gedämpfter Zukunftsoptimismus in den späteren Artikeln darüber hinaus auch als eine mögliche Reaktion auf den begonnenen Krieg gegen die Sowjetunion zu werten? Welchen konkreten Raum er nach 1940 unter »Osten« verstanden wissen wollte, blieb ungenau. Aber unbezweifelbar reichte »der Osten« seinem Verständnis nach weit über die Gebiete hinaus, die jemals von Deutschen bewohnt gewesen waren. In dem er das gewaltsame Ausgreifen auf diese Landstriche billigte und nicht einmal aus historischer Sicht nicht in Frage stellte, erkannte er diese Gebiete als »Lebensraum«, als Einflusssphäre und Verfügungsmasse für die Deutschen und ihren Herrschaftsanspruch an. Dabei erschien »der Osten« auch als ein für jede Gestaltung offenes Gebiet, in welchem die zukünftigen Aufgaben 222 Schönwälder, Historiker und Politik, S. 129. 223 Maschke, Hegemonie als zwischenstaatliche Führungsform, S. 1082–1083.

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des deutschen Volkes – wie Maschke sie in seinen Beiträgen darstellte – in der »Vollendung der mittelalterlichen Ostbewegung« und in der permanenten und unaufhörlichen Begründung des deutschen Rechtes auf deutsche Leistung und Ordnung bestanden. Was er damit meinte, was er unter »deutscher Leistung und Ordnung« verstand und wie in diesem Kontext mit der einheimischen Bevölkerung zu verfahren sei, konkretisierte und thematisierte er nicht. Diese hier besprochenen zeithistorischen Beiträge dienten dem Zweck, die politischen Ereignisse zu rechtfertigen. Dazu bediente er sich verschiedener Argumentationsstränge, die einen Unterschied zwischen seinen früheren (bis ca. 1940) und späteren Artikeln (ab 1940) offenbaren. Bis 1939 begründete er die politischen Ereignisse revisionistisch, legitimierte sie historisch-völkisch, aber auch mit den in seinem Sinne positiven Zukunftsaussichten. Dabei wichen seine Argumentationsmuster kaum von denen seiner Fachkollegen ab, die zu den jeweiligen Ereignissen Stellung bezogen. So legitimierte nicht nur er den »Anschluss« Österreichs mit der Behauptung, dieser stelle eine lang ersehnte und gesamtdeutsche Einheit und Identität wieder her und trage zu einer Befriedung des Donauraumes bei224. Auch die Besetzung des Sudetengebietes fand in den Publikationen Maschkes und anderer Wissenschaftler ihre vermeintliche Rechtfertigung im Hinweis auf das »Lebensrecht« und den Selbstbehauptungswillen der Sudetendeutschen. In ähnlicher Weise bildeten die Äußerungen Maschkes in seinem Beitrag »Die Erfindung des ›Tschechoslowaken‹«, die die »Konstruktion und Künstlichkeit einer tschechoslowakischen Identität« aufzeigen wollten und mit denen er das Existenzrecht der Tschechoslowakei in Zweifel zog, Bestandteile einer breiten, bereits vor 1937 einsetzenden Kampagne, an der sich nun auch Fachkollegen beteiligten. Schließlich überrascht es nicht, dass Maschke wie auch andere in der Errichtung des Protektorates Böhmen und Mähren die Rückkehr zu einem jahrtausendealten, historischen Zustand und Verhältnis zwischen dem »großdeutschen Reich« und seinem östlichen Nachbarn zu erkennen glaubte. Die Rechtfertigung der Aggression gegenüber dem polnischen Staat beruhte nun auch in Maschkes Artikeln auf der Behauptung, Polen sei der Aggressor gewesen und Deutschland habe das Leben der unterdrückten deutschen Minderheit nur schützen wollen225. Ähnliche Übereinstimmungen mit Äußerungen anderer Publizisten ließen sich ohne weiteres feststellen. Den neuen politischen Gegebenheiten entsprechend, verloren in den Texten Maschkes ab 1940 rechtfertigende Hinweise auf den Versailler Vertrag unweigerlich ihre Grundlage und büßten ihre Wirkungskraft ein. Auch die ar­gumentative Einbettung der Texte Maschkes in diesen Kampf gegen den Versailler Vertrag wurde somit obsolet. Dies schien für Erich Maschke jedoch kein weiteres Problem darzustellen. Nun propagierte er, den nationalsozialistischen Expansionskrieg auf neue Art rechtfertigend, Schlagworte wie »Recht der hö224 Maschke, Das Ende des Habsburger Reiches, S. 442. 225 Maschke, Der Soldat im Osten, S. 2.

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heren politischen Ordnung« oder »Recht der höheren Leistung«, die er zur Begründung heranzog. Dabei maß er aber auch nackter Gewalt Legitimationskraft bei: »In der Geschichte des deutschen Ostens hat es niemals unvollkommene Lösungen und halbe Entscheidungen gegeben. Jede Halbheit hat sich stets bitter gerächt. Daher hat auch der Einsatz der deutschen Soldaten bis zu den achtzehn Siegestagen des ­Polenfeldzuges das Schicksal des deutschen Volkes im ganzen gestaltet. An seine Fahnen sind in diesem Raume Herrschaft und Ordnung durch unser Volk – oder gegen uns durch fremde Völker geknüpft.«226

Erich Maschke sprach nur selten die Einführung der von ihm bejahten »politischen Neuordnung« in den besetzten Gebieten und Ländern an. Doch wenn er seine Aufmerksamkeit darauf richtete, tat er dies in Formulierungen, die den Eindruck nahe legten, dass ihn seine Prägung durch die Vorstellungswelt der Neupfadfinder für wichtige Aspekte der Gegenwart blind machten und sein Politikverständnis selbst noch zu dieser Zeit von den bündischen Ideen von »Führung« und »Gefolgschaft« beeinflusst wurde. Dies muss dem heutigen Leser seiner zeithistorischen Texte bestenfalls realitätsfern und naiv, wenn nicht in hohem Maße zynisch erscheinen. Beispiele dafür finden sich in seinem Aufsatz »Hegemonie als zwischenstaatliche Führungsform«, in dem er sich mit dem Inhalt des politischen Begriffes »Hegemonie« auseinandersetzte. Darin bezeichnete er das Protektorat Deutschlands über Böhmen und Mähren als eine Hegemonie und stellte es – seinem Verständnis des Begriffes »Hegemonie« zufolge  – als »ein Verhältnis gleichartiger politischer Gebilde« dar. Es bedeute­ darüber hinaus »echte Führung unter voller und bewusster Verantwortung« und sei nur möglich zwischen führenden und geführten Staaten. Offensichtlich hielt er die Voraussetzungen für ein solches politisches Verhältnis für gegeben: Auf Seiten der führenden Macht (Deutschlands) den Willen zur Führung und die Bereitschaft zur Übernahme politischer Verantwortung, auf der anderen Seite (der zerschlagenen Tschechoslowakei) die Anerkennung dieser Führung und das Bedürfnis nach Schutz und Anlehnung. Folgt man Maschkes Gedankenkette weiter, so sei der geführte Staat zur Ausübung einer vollen Selbständigkeit, zur Sicherung seiner Lebensgrundlagen aus eigenen Kräften und zum äußeren Schutz seiner Bürger nicht imstande gewesen, habe aber das »Vertrauen« gehabt, dass der führende Staat alles das »gibt«, was er selbst im eigenen Bereich und aus eigenen Mitteln nicht hervorbringen könne. Maschke zweifelte ganz offensichtlich nicht an der Anwendbarkeit des Begriffes »Hegemonie« auf die aktuelle Situation und überprüfte ihn auch nicht an der politischen Realität. Dies tritt in seiner Formulierung eines letzten Kennzeichens von »Hegemonie« zu Tage: Sie werde nur als tragbar von den Geführten empfunden, wenn sie »völlig gerecht« sei. Und so kam Erich Maschke zu dem Schluss: 226 Ebd., S. 3.

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»Das Ringen um die Hegemonie in Deutschland, dieses schmerzlichste Kapitel unserer neueren Geschichte, zeigt am besten, worin die historische Aufgabe jeder wahren Hegemonie zu suchen ist: sie überwindet die ungeordnete Vielheit und die Zersplitterung und setzt an ihre Stelle eine wohlgefügte und wohlgeführte E i n h e i t , die allen Einzelgliedern zugute kommt. […] Ein Staat, der nur Macht ausüben will, wird diese als der stärkste stets anwenden können und er wird der stärkste sein, wenn er die anderen gegeneinander hetzt und sie durch Entzweiung schwächt. Doch sinnvolle Ordnung ist einer Vielfalt politischer Einzelglieder, seien es Völker oder Staaten, auf diese Art niemals zu geben. Die wahre Ordnung beruht auf echter Führung […]. Die Stunde einer neuen und echteren Ordnung in diesem Raume [gemeint ist Mittel- und Osteuropa – d. Vf.] ist gekommen. Fordernd steht über ihr das tiefe Wort Goethes: Entzwei’ und gebiete! Tüchtig Wort; Verein’ und leite! Bess’rer Hort.«

Sofern Erich Maschke in völliger Unkenntnis der wirklichen Vorgänge um die Zerschlagung der Tschechoslowakei und die Errichtung des Protektorates geblieben war, kann man dies für die Zeit vor 1939 vielleicht gerade noch – allerdings wenig glaubhaft – mit der politischen Naivität und Weltfremdheit eines Gelehrten erklären. Doch Erich Maschke nahm 1939 als Soldat im Krieg gegen Polen teil und wurde spätestens dort mit der Art und Weise konfrontiert, in der die Deutschen ihre »neue Ordnung« einführten. Dies ließ ihn jedoch nicht die Notwendigkeit erkennen, nach andersartigen Schlussformeln für seine Beiträge zu suchen. Es bleibt die Frage offen im Raum stehen, womit die so brutal und zynisch und gleichzeitig verharmlosend klingenden Schlussworte seines Artikels über den Polenfeldzug zu erklären sind. »In diesem Kriege werden noch inmitten des Ringens die Stellungen durch friedliche Arbeit ausgebaut, die der Soldat im Felde erobert hat. Aus dem Siege wächst schon die neue Ordnung hervor. Vom ersten Tage an, an dem die Zivilverwaltung vor einem Jahre gemeinsam mit der Wehrmacht an dieser neuen Ordnung zu bauen begann, stand über ihrem Zusammenwirken und steht auch in Zukunft über dem Werk aller Deutschen im Osten das schlichte Wort, das Hindenburg nach der Ueber­ nahme des Oberkommandos über die 8.  Armee in seinem ersten Tagesbefehl aussprach: ›Wir wollen zueinander Vertrauen fassen und gemeinsam unsere Schuldigkeit tun.‹«227

Hatte Erich Maschke während seiner Militärzeit in Posen auch »seine Schuldigkeit« getan?

227 Maschke, Der Soldat im Osten, S. 4.

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5.9 Wehrdienst und Kriegsteilnahme Erich Maschke wurde am 26. August 1939 zum Militär eingezogen228, nachdem er bereits 1938 eine vierwöchige Wehrdienstübung ableisten sowie im Juni und August 1939 in Berlin und Kassel an militärischen Dolmetscherlehrgängen für Polnisch und Französisch teilnehmen musste. Er blieb bis zu seiner endgültigen Uk229-Stellung im September 1940 bei der Wehrmacht, wurde aber für das Semester Januar bis März 1940 vom Heeresdienst beurlaubt. Es war kein Zufall230, dass Erich Maschke zum Krieg gegen Polen eingezogen wurde und Posen im so genannten Warthegau auch sein Einsatzgebiet bis zum Herbst 1940 blieb. Für diesen Einsatz scheinen seine besondere Kenntnis Polens, der polnischen Sprache, Geschichte und Kultur sowie seine Einbindung in die Volkstumspolitik und ostwissenschaftlichen Netzwerke eine wichtige Rolle gespielt zu haben. Er war nicht der einzige aus dem Kreis der Ostforscher, der sich zu dieser Zeit in Posen aufhielt231. Dort war er, der im Dezember 1939 zum Leutnant, später zum Oberleutnant befördert232 wurde und 1941 das Kriegsverdienstkreuz II. Klasse mit Schwertern erhielt, zunächst im Grenadierregiment 18 und später Mitglied des Stabes des Militärbefehlshabers bzw. Ordonnanzoffizier im Stab des Stellvertretenden 228 UAH Heidelberg, PA Erich Maschke 4940. 229 Dies ist die Abkürzung für Unabkömmlichkeit. 230 Vgl. dazu den Antrag auf Freistellung seitens des Rektors. UAJ, BA 2143, Schreiben des Rektors an das Stellvertretende Generalkommando XXI Posen am 16.11.1939: »Professor Maschke wurde als ausgebildeter Dolmetscher für die polnische Sprache zu Beginn des Krieges einberufen. Ich habe damals seine Freistellung nicht beantragt, obwohl er hier dringend benötigt wurde, weil ich der Meinung war, dass er bei Beginn des Polen­feldzuges auf Grund seiner besonderen Ausbildung der Wehrmacht bessere und vordringlichere Dienste leisten könnte.« Zur Einbindung der deutschen Ostforschung in die Vorbereitungen des Krieges gegen Polen sowie in die NS-Siedlungspolitik in Polen siehe Haar, Histo­ riker im Nationalsozialismus, S. 319–337. 231 In diesem Zusammenhang könnten viele Namen genannt werden. Beispiele dafür sind etwa Kurt Lück, der im Frühherbst 1939 die Amtsstelle der »Gräberzentrale Posen« geschaffen hatte, die sich u. a. mit der zahlenmäßigen Erfassung der deutschen Opfer von polnischen Übergriffen und Gewalttaten in den ersten Kriegstagen beschäftigte, Oskar Kossmann von der Publikationsstelle, Kurt Forstreuter aus Danzig, dem die Übernahme des Posener Staatsarchives als Aufgabe zugewiesen worden war (BA Berlin, R 153/5), Alfred Lattermann als kommissarischer Leiter der Posener Staats- und Universitätsbibliothek (BA Berlin R 153/1233) u. a. m. Vgl. dazu Bialkowski, Deutsche Historiker im nationalsozialistisch besetzten Posen, S. 33–38; generell dazu Harten, De-Kulturation und Germanisierung, S. 122–169. 232 In dieser Unauffälligkeit glich Erich Maschkes militärische Karriere derjenigen zahl­ reicher anderer Historiker. Manfred Messerschmidt nennt in diesem Zusammenhang beispielsweise Hermann Heimpel, Erwin Hoelzle, Oswald Hauser, Willy Andreas, Ernst­ Anrich und Herbert Grundmann. Er hob ihre Karriere deutlich vom Einsatz Karl D ­ ietrich Erdmanns, Walter Bußmanns und Percy Ernst Schramms ab. Messerschmidt, Karl ­Dietrich Erdmann, Walter Bußmann und Percy Ernst Schramm. Historiker an der Front und in den Oberkommandos der Wehrmacht und des Heeres, S. 417–446.

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Generalkommandos XXI A. K.233 Wie Erich Maschke auf seine Einberufung reagierte und wie er den Krieg gegen Polen erlebte, welchen militärischen Aufgaben er darin nachkam und in welcher Motivation er sie erfüllte, ist unbekannt. Auch fehlen unmittelbare Informationen darüber, wie er der militärischen Niederlage und Besetzung Polens gegenüberstand. Welche Reaktionen hatte bei ihm der feierliche Einmarsch der Wehrmacht mit Parade und Kundgebung für die begeisterten Volksdeutschen in Posen am 12.  September 1939 hervorgerufen?234 Zwei Tage zuvor, am 10. September 1939, war die Stadt durch Truppen der »Gruppe Gienanth« besetzt worden. Innerhalb kürzester Zeit hatte somit die deutsche Wehrmacht, d. h. Verbände der 4., 8. und 10. Armee, weite Teile des späteren Warthegaus eingenommen. Wie begegnete Erich Maschke vor dem Hintergrund der raschen militärischen Besetzung polnischen Fach­ kollegen aus Posen, die inhaftiert oder interniert waren? Darüber und über andere Vorgänge geben die wenigen persönlichen Quellen dieser Zeit keine Antwort. Nur indirekt gibt ein Ausschnitt aus einem Brief von Günther Franz über seine innere Haltung in dieser Zeit Auskunft: »Es ist schön, dass Ihr Einsatz so sinnvoll aus Ihrer bisherigen Tätigkeit her wächst und sie abschließt. So ist es verständlich, dass die Reklamation abgelehnt wurde und wohl auch von Ihnen nicht gewünscht wird. […]«235

Zu Erich Maschkes Arbeitsbereichen liegen nur Hinweise aus dem Spätherbst und Winter 1939 vor, nachdem die Kampfhandlungen schon beendet worden waren. Diesen Hinweisen zufolge hatte er in seiner offiziellen Stellung als Dolmetscher einer Ic-Abteilung bzw. später als Büro- und Hilfsoffizier ein weites Spektrum an Aufgaben zu betreuen. Abgesehen vom Übersetzen – »Es gibt ja hier in Posen, wo alles deutsch kann, wenig zu dolmetschen, und nur gelegentlich bei einem zweisprachigen Maueranschlag oder bei Übersetzungen von Materialfunden verschiedenster Herkunft musste ich meine Sprachkünste einsetzen.«236  – nahmen ihn die Arbeiten des Bürooffiziers  – »zumal mir ja solche Arbeiten (Briefe beantworten, inneren Geschäftsbetrieb regeln und beaufsichtigen, Geh. Briefbuch führen u.s.w. – Sie können sich meine Begeisterung bei diesen Geschäften vorstellen!) wenig liegen«237 – stärker in Anspruch. Hinzu kamen noch weitere Tätigkeiten: 233 UAJ, PA Erich Maschke D 3193. 234 Zum Krieg gegen Polen Böhler, Auftakt zum Vernichtungskrieg; ders., Die Wehrmacht in Polen 1939 und die Anfänge des Vernichtungskrieges; Mallmann/Musial (Hg.), Genesis des Genozids; Rossino, Hitler strikes Poland; Umbreit, Deutsche Militärverwaltungen 1938/39, S. 88. 235 UA Stuttgart-Hohenheim, NL Günther Franz N 6, 1.1.3., Brief vom 16.10.1939 an Erich Maschke. 236 UA Stuttgart-Hohenheim, NL Günther Franz, N 6, 1.1.3., Brief Erich Maschkes an ihn vom 1.11.1939. Ich bin Herrn Prof. Dr. Eckhart G. Franz zu großem Dank verpflichtet, dass er mir den Schriftwechsel zwischen Erich Maschke und seinem Vater zugänglich machte. 237 UA Stuttgart-Hohenheim, NL Günther Franz, N 6, 1.1.3., Brief Erich Maschkes an ihn vom 1.11.1939.

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»Ausserdem kommen laufend die verschiedensten Dinge. Wenn der Presseoffizier unserer Abteilung fort ist, vertrete ich ihn, und wenn der Abteilungschef fort ist […] vertrete ich ihn ebenfalls. Heute hatte ich wieder einmal die Ehre, dem Herrn Befehlshaber eine morgen beim Staatsakt238 zu haltende Rede zu entwerfen. An der Feld­ zeitung arbeite ich hie und da mit. So kommt eins zum andern.«239

Verschafften ihm als Unteroffizier diese umfassenden Arbeiten auch einen für seinen militärischen Rang ungewöhnlichen Überblick und Einblick in verschiedene interne Angelegenheiten, so bezeichnete er dennoch eine andere Aufgabe als seine »größte Freude«: Ihm war, trotz seiner untergeordneten dienstlichen Stellung, die Bearbeitung aller »volksdeutschen Aufgaben« übertragen worden, die die Abteilung betrafen. Was darunter zu verstehen war, erklärte er Günther Franz brieflich in großer Ausführlichkeit: »Darunter hat sich besonders eine Aufgabe ausgewachsen, und eben diese hat mich in letzter Zeit völlig in Atem gehalten. Ich hatte bald nach unserem Einzuge an­gefangen, das Material über die Ermordungen von Volksdeutschen durch die Polen systematisch zusammenzutragen und für den Oberbefehlshaber auszuwerten. Dieses Material kam mir sehr zustatten, als es sich darum handelte, in- und ausländische Besucher von auswärts über die furchtbaren Dinge zu informieren, die hier geschehen sind. Ich baute hier ein bestimmtes System auf, das diesem Zweck am besten diente, und da wir damit einen sehr guten Erfolg hatten, wurden uns vom Oberkommando der Wehrmacht, Promi [= Propagandaministerium – d. Vf.] und AA. [= Auswärtiges Amt – d. Vf.] weitere Kommissionen geschickt; da diese gelegentlich sehr dicht aufeinanderfolgten, gab es manchmal Arbeit, die kaum noch zu bewältigen war. Es hängten sich immer Vorbereitungen daran, die mich eigentlich gar nichts angingen, und so hatte ich schliesslich die Vorbereitung solcher Besuche überhaupt, Zusammenstellung des Besichtigungsprogramms für Posen u.s.w. am Halse. Doch Sie wissen ja, die schönsten Aufgaben sind stets die selbstgewählten, und so hatte ich bei diesen Arbeiten eine grosse Freude. Ausländische Ärzte, Journalisten, Rot-Kreuzvertreter, deutsche Ärzte, Journalisten und Dichter – das waren so die wichtigsten Gruppen, die ich zu betreuen hatte. Auch sonst hatte ich in der Zeit, in der »wir« die vollziehende Gewalt hatten, die Möglichkeit, für die Volksdeutschen manches zu tun, sodass ich schliesslich von ihnen geradezu als Verbindungsmann für viele Dinge in Anspruch genommen wurde.«240

238 Gemeint ist die Einweisung des ehemaligen Danziger Senatspräsidenten Arthur Greiser als neuen Reichsstatthalter durch Reichsminister Wilhelm Frick. Erich Maschke war selbst auch persönlich zum Festakt eingeladen, »um dem General notfalls in seiner Begrüssungsansprache soufflieren zu können, wie Reuss [Maschkes Abteilungsleiter – d. Vf.] mir sagte.« (Brief an Günther Franz vom 1.11.1939, UA Stuttgart-Hohenheim, NL Günther Franz N 6, 1.1.3.) Auch zum Abschiedsessen für den scheidenden Oberbefehlshaber, bei dem nur der engere Stab zugegen war, wurde Erich Maschke eingeladen. Sein militärisches Umfeld schien ihn offenbar zu schätzen. Er selbst fühlte sich in seiner Abteilung offenkundig wohl. 239 UA Stuttgart-Hohenheim, NL Günther Franz N 6, 1.1.3., Brief Erich Maschkes vom 1.11.1939. 240 UA Stuttgart-Hohenheim, NL Günther Franz N 6, 1.1.3., Brief Erich Maschkes vom 1.11.1939.

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Bilanzierend fasste er zusammen: »Ich habe hier also einen Aufgabenkreis, der meinen Wünschen auf das genaueste entspricht, wie ich es wohl kaum einmal wieder in meinem Leben als Soldat finden werde.«241

Konnte er hier offenbar erfolgreich auf seine Erfahrungen aus der Volkstumsarbeit und auf seine schon bestehenden Kontakte zu Posener Deutschen zurückgreifen242, so entsprach diese Arbeit jedoch auch dem Aufgabenverteilungsplan für die Abwehrstelle jeder Division. Demnach war die Abteilung Ic u. a. für die Ermittlung von Völkerrechtsverletzungen zuständig, so dass sich Erich M ­ aschkes Tätigkeit, Meldungen und Berichte darüber zu sammeln, passend in diesen Aufgabenbereich einreihte. Wer dafür sorgte, ihm als Volkstumshistoriker diese Aufgabe zuzuweisen, lässt sich nicht aufklären, doch geschah dies mit größter Wahrscheinlichkeit nicht zufällig243. Seine Arbeit galt innerhalb der Abteilung als »unentbehrlich«, wie aus der Ablehnung des Uk-Antrages hervorging: »Lt. Maschke ist sowohl als Dolmetscher-Offizier, wie auch in seinem besonders bedeutungsvollen Arbeitsgebiet der Betreuung der Volksdeutschen und damit verbundenen Aufdeckung der polnischen Greueltaten und ähnlichen Aufgaben für das Wehrkreiskommando XXI unentbehrlich.«244

Diese Begründung der Ablehnung beinhaltet einige Unstimmigkeiten und wirft somit große Fragen auf. Zum einen war Erich Maschke zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr Dolmetscher, als der er hier bezeichnet wurde, sondern saß schon ab Dezember 1939 auf einer Zugführerstelle als Ordonnanzoffizier245. Dies konnte seinen Vorgesetzten unmöglich verborgen geblieben sein. Zum an241 Ebd. 242 Es erscheint nicht als unwahrscheinlich, dass Erich Maschke im Zusammenhang mit der Aufklärung der Ausschreitungen gegen Deutsche vor und während des Krieges mit Kurt Lück von der »Gräberzentrale Posen« zusammenarbeitete. Inwieweit seine Tätigkeit in diesem Bereich dazu beitrug, die Propagandamärchen der Nationalsozialisten von an­ geblich 58 000  ermordeten Volksdeutschen zu stützen, muss offen bleiben. Jastrzębski, Der Bromberger Blutsonntag; Freiherr von Rosen, Dokumentation der Verschleppung der Deutschen aus Posen-Pommerellen im September 1939, S. 17–59; Jansen/Weckbecker, Der »Volksdeutsche Selbstschutz« 1939/40 in Polen, S. 28–39. 243 Die wenigen überlieferten Hinweise zu Erich Maschkes Arbeit für den SD gestatten es nicht, den zeitlichen Rahmen seiner Mitwirkung darin genauer abzustecken und bereits seinen Aufenthalt in Posen miteinzubeziehen. Besteht möglicherweise ein Zusammenhang zwischen Maschkes volkstumspolitischem Aufgabenbereich und der ungewöhnlich starken Stellung des SD in volkstumspolitischen Angelegenheiten im Warthegau? Siehe Alberti, Die Verfolgung und Vernichtung der Juden im Reichsgau Wartheland 1939–1945, S. 74. 244 UAJ, BA 2143, Schreiben des Wehrkreiskommandos XXI an den Rektor der Universität vom 23.3.1940. 245 UA Stuttgart-Hohenheim, NL Günther Franz N 6, 1.1.3.  Brief von Erich Maschke vom 7.12.1939.

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deren muss es Erstaunen hervorrufen, Erich Maschke noch im März 1940 mit der »Aufdeckung von polnischen Greueltaten« betraut zu sehen: Diese Ereignisse lagen schon fast ein halbes Jahr zurück. Wenn diese Aufklärung durch Erich Maschke so wichtig gewesen war, warum war er dann für den Zeitraum Januar bis März 1940 beurlaubt worden? Womit war er also 1940 als Wehrmachtsangehöriger in Posen beschäftigt, als die Wehrmacht nur noch eine Nebenrolle spielte? Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage noch dringlicher, was sich hinter der Formulierung »ähnliche Aufgaben« verbarg. Eindeutige Antworten sind darauf nicht zu finden. Es existieren jedoch zwei Hinweise darauf, dass seine »volkspolitische Arbeit« noch einen weiteren Aspekt beinhaltete, indem sie ihn in Berührung mit den Umsiedlungsaktionen brachte. So schrieb Maschke an den Rektor der Universität Jena, dass er hier in Posen Aufgaben habe, »die mir besondere Freude machen. Die brennendste Frage ist ja hier die Umsiedlung, und wenn die militärischen Stellen mit ihr ja nicht unmittelbar zu tun haben, so stößt man doch täglich auf die damit verbundenen gewaltigen Probleme. Es wird hier also jeden Tag spannender.«246

Ein weiterer Hinweis auf die Möglichkeit von Erich Maschkes Beteiligung an diesen Umsiedlungen ergab sich aus einem Zeitungsbericht, dessen Wortlaut vorsichtige Rückschlüsse auf seine Aufgaben bzw. auf die in Maschkes Augen noch zu lösenden Probleme im Osten erlaubt. Dieser Bericht in der Jenaischen Zeitung vom 6. Juli 1940 gab die inhaltliche Zusammenfassung eines Vortrages wieder, den Erich Maschke auf einer Tagung der Deutschen Heimatschule in Jena am 5. Juli 1940 – befand er sich an diesem Tag auf Heimaturlaub? – zum Thema »Das Reich und der europäische Osten« hielt. Darin wurde zunächst Erich Maschkes fachliche Qualifikation für diesen Vortrag beschrieben: »Keiner ist mehr berufen über die Aufgaben, die der Osten stellt, zu sprechen, als er. Er kennt nicht nur die Vergangenheit des Ostens, er ist auch seit der Besetzung als Leutnant beim Generalkommando in Posen für den Neuaufbau der Ostprovinzen tätig und kennt so alle Aufgaben und Fragen aus unmittelbarer Mitarbeit.«,

um dann wie folgt fortzufahren: »Nach der Vereinfachung der politischen Grenzen gilt es nun auch die Volkstumsgrenzen zu bereinigen, Splitter zu beseitigen und den deutschen Lebensraum wiederherzustellen. Nach Beseitigung der Spuren des Krieges sind also am wichtigsten die volkspolitischen Maßnahmen. Wie dabei im einzelnen vorzugehen ist, welche Probleme sich dabei ergeben, was schon geleistet wurde und wie weiterzubauen ist, das konnte Prof. Maschke auf Grund seiner eigenen Erfahrungen überzeugend darstellen. Die Rolle der Umsiedlung und die Frage des größeren polnischen Nachwuchses mit ihren möglichen Folgen wurden dabei von verschiedenen Seiten beleuchtet.« 246 UAJ, Bestand M, Nr. 632, Schreiben Erich Maschkes an K. Astel vom 1.12.1939.

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Es ist nicht bekannt, ob Erich Maschke selbst aktiv an solchen »Umsiedlungsaktionen«, die 1939/40 im Warthegau stattfanden, beteiligt war oder nicht247. Der Wortlaut dieses Zeitungsberichtes vermittelt aber den Eindruck, dass er diesen verbrecherischen Aktionen zumindest billigend gegenüberstand und in ihnen »notwendige volkspolitische« Maßnahmen sah. Damit befürwortete er die nationalsozialistische Germanisierungspolitik in Polen, die mit der gewaltsamen Vertreibung von tausenden Juden und Polen auf grausamste Weise in die Tat umgesetzt wurde und den so genannten Warthegau zum »Exerzierplatz des praktischen Nationalsozialismus«248 machte. Was in dem Zeitungsartikel der Jenaischen Zeitung euphemistisch mit dem Begriff der »Umsiedlung« beschrieben wurde, bedeutete Massendeportationen. Die erste zentral vom RSHA geplante Deportation von polnischen Zivilisten fand vom 1. bis 17. Dezember 1939 statt und diente dem »Ziel«, »genügend Platz« für 40 000  baltendeutsche Umsiedler zu schaffen. Darauf nahm vermutlich der Artikel Erich Maschkes über die Baltendeutschen indirekt Bezug249. Innerhalb dieser 17 Tage wurden mehr als 87 883 Polen und Juden nach Zwangsaushebungen im Stil polizeilicher Verhaftungsaktionen in das Generalgouvernement deportiert. Außerhalb der regulären Zugtransporte wurden noch etwa 30 000 Personen »illegal« ins Generalgouvernement »abgeschoben«250. Eine zweite Deportation im Februar/März 1940 betraf vor allem die Städte Łódż und Posen. Danach setzte von April bis Oktober 1940 im Warthegau eine Phase kontinuierlicher Deportationen ein, in der durchschnittlich 10 000 bis 15 000 Personen monatlich verschleppt wurden251. Eine mögliche Beteiligung Erich Maschkes an solchen Verbrechen könnte ein weiteres erschreckendes Beispiel dafür sein, wie und in welchen Bereichen sich Historiker während des Krieges dem NS-Regime zur Verfügung stellten252. 247 Die Wehrmacht hatte sich von Anfang an bemüht, die Planung und Gestaltung der Siedlungspolitik zu beeinflussen und in diesem Sinne mehrere Vorstöße unternommen. Vertreter des Oberkommandos des Heeres hatten auf einer Tagung in Łὀdż (damals umbenannt in Litzmannstadt) Anfang 1940 eine eigene umfangreiche Siedlungsplanung vorgelegt, die aber keinen praktischen Einfluss gewann. Esch, »Gesunde Verhältnisse«, S. 23–25. 248 Vgl. Hansen, »Damit wurde der Warthegau zum Exerzierplatz des praktischen Nationalsozialismus.« S. 55–72. 249 Maschke, Die Baltendeutschen, S. 70–73. 250 Alberti, Die Verfolgung und Vernichtung der Juden im Reichsgau Wartheland, S. 136. 251 Broszat, Nationalsozialistische Polenpolitik 1939–1945, S. 90–96; Jacobmeyer, Der Überfall auf Polen und der neuartige Charakter des Krieges, S.  16–37; Stiller, Grenzen des »Deutschen«. Nationalsozialistische Volkstumspolitik in Polen, Frankreich und Slowenien, S. 61–84; Haar, Inklusion und Genozid, S. 35–60. 252 Als weitere Beispiele könnten hier genannt werden: Theodor Schieders bevölkerungsgeschichtliches Geheimgutachten und seine Arbeiten während des Krieges wie auch die Arbeit des Historikers Hans Joachim Beyer als Ukraine-Referent einer Amtsgruppe des Reichssicherheitshauptamtes und seine Beratertätigkeit einer Einsatzgruppe in der Ukraine, die an der Ermordung von ca. 5000 Menschen beteiligt war. Kurt Lück als SS-Hauptsturmführer war an Rücksiedlungen aus Rumänien und der UdSSR in den Warthegau beteiligt. Der Osteuropahistoriker Hans Koch wurde nach Auskunft eines Mitarbeiters nach seinem Militärdienst als »Stabschef der Umsiedlungskommission« eingesetzt (GStAPK, NL Albert

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Doch noch ein weiteres Aufgabengebiet muss für Erich Maschke während seines Wehrdienstes in Polen als Angehöriger einer Ic-Abteilung in Betracht gezogen werden. Die Ic-Abteilung einer Division war für die Feindaufklärung, gegebenenfalls auch für die Sicherheit der eigenen Truppe, besonders gegenüber Partisanen und Spionen, zuständig. Sie arbeitete zu diesem Zweck eng mit Offizieren und Beamten des Amtes Ausland-Abwehr (Spionage, Spionageabwehr) zusammen. Es ist aus diesem Grund möglich, dass die Ic-Abteilung, der Erich Maschke angehörte, nach dem Ende des Krieges gegen Polen mit dem Schutz vor Sabotage in den besetzten Gebieten und mit der Spionageabwehr im Bereich der eigenen Truppe betraut wurde, aber vielleicht auch in der militärischen Aufklärung gegen die sowjetischen Streitkräfte in Ostpolen arbeitete. Erich Maschke bestritt253 in seinen autobiographischen Notizen die Möglichkeit seiner Beteiligung an Spionage gegen die Sowjetunion, auch um sich gegen den Vorwurf, ein Kriegsverbrecher gewesen zu sein, zu wehren. Doch bleibt festzustellen, dass er für diesen Tatbestand in sowjetischer Kriegsgefangenschaft verurteilt wurde – ob nun zu Unrecht oder nicht, kann im Kontext der Massenprozesse 1949/50 in der UdSSR nicht beurteilt werden254. Sicher ist jedoch auch, dass eine solche Tätigkeit in den Briefen an Freunde wie Günther Franz aus Gründen der Geheimhaltung keine Erwähnung gefunden hätte. Diese Briefe an Günther Franz zeigten Erich Maschke nicht nur als Soldaten, der seinen Aufgaben – welchen auch immer – mit Freude nachkam, sondern auch als Familienvater, der unter der Trennung von seiner Familie litt sowie als Historiker, der die Entwicklung des Historischen Seminars in Jena mit Aufmerksamkeit verfolgte, das eigene wissenschaftliche Arbeiten vermisste und sich um die Belange des wissenschaftlichen Lebens in Posen kümmerte255. Leider ist über Brackmann, Nr. 83, Schreiben von Dr. Hans Wohlgemuth-Krupicka an Albert Brackmann vom 28.12.1939). Ausführlich zum Einsatz der Historiker Haar, Historiker im National­ sozialismus, S. 327–337; Aly, Theodor Schieder, Werner Conze oder die Vorstufen der physischen Vernichtung, S. 163–182. Ausführlich zu Hans Joachim Beyer und anderen Osteuropahistorikern Roth, Heydrichs Professor, S. 262–342. Auch Messerschmidt, Karl Dietrich Erdmann, Walter Bußmann und Percy Ernst Schramm – Historiker an der Front und in den Oberkommandos der Wehrmacht und des Heeres, S. 417–446. 253 HStA Stuttgart, NL Erich Maschke J 40/10, Nr. 98, Lebensbeschreibungen: »Hier wurde ich im Dezember 1949 unter Anklage gestellt und nach mehrmonatiger Gefängnishaft im April 1950 unter dem Vorwande der Beihilfe zur Spionage gegen die Sowjetunion während meines Wehrdienstes zu 10 Jahren Zwangsarbeitslager verurteilt.« 254 Siehe das Kapitel zur Kriegsgefangenschaft. 255 UA Stuttgart-Hohenheim, NL Günther Franz, N 6, 1.1.3., Brief Erich Maschkes vom 11.4.1940: »Ich bin hier gebeten worden, beim Umbau der historischen Gesellschaft zu helfen. Die Statuten müssen geändert werden. Außerdem scheint mir auch die Frage einer historischen Kommission akut zu werden. Am richtigsten wird wohl auch hier unsere Zweiteilung Kommission (Publikationen) – Verein (Zeitschrift, Vorträge) zu sein. Ich will mich in diese Dinge nicht allzu sehr einmischen, möchte aber doch gern helfen. Könnten Sie mir wohl möglichst bald die Statuten der Thüringischen Kommission und des Vereins zugehen lassen? Ich will noch einiges andere erbitten und das Material den hiesigen Her-

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Erich Maschkes Kontakte zu deutschen wissenschaftlichen Kreisen in dieser Zeit nichts bekannt, aber mit großer Wahrscheinlichkeit befand er sich hier auf vertrautem Terrain. Welcher Art seine Beziehungen zur Universität Posen bzw. zur Reichsuniversität Posen waren, bleibt allerdings eine offene Frage256. Publizistischen Niederschlag fand diese Zeit in Posen in mehreren Artikeln, die zumindest Erich Maschkes beobachtende Teilnahme zum Ausdruck bringen. In seinem Aufsatz »Die Baltendeutschen«257 rechtfertigte Erich Maschke die Umsiedlung der Baltendeutschen und billigte somit unzweideutig die Vertreibung von Polen und Juden. Seine Prognose für die Zukunft der Baltendeutschen war pragmatischer Natur und wies ihnen folgende Aufgabe zu: »Im Zentrum der neuen Ostgrenze des Großdeutschen Reiches werden sie schnell ihre Lebenskraft wiedergewinnen und gemeinsam mit den alteingesessenen Volksdeutschen und den neu hinzugekommenen Binnendeutschen in neuen Formen ihrer alten geschichtlichen Aufgabe im Osten entsprechen.«258

Auch zur Geschichte des Warthelandes, in das die Baltendeutschen umgesiedelt wurden, veröffentlichte Erich Maschke einen Beitrag259. Mit einer Beschreibung ren zur Verfügung stellen.« Wen er genau mit den »hiesigen Herren« meinte, ist ungewiss. Im Zeitraum bis mindestens 1942 hielten sich in Posen zahlreiche Historiker auf: die Baltendeutschen Georg von Rauch, Leonid Arbusow, Reinhard Wittram, Heinz Mattiesen, die deutschen Osteuropaspezialisten aus dem Altreich Werner Conze und Herbert Ludat und die auslandsdeutschen Volkstumskämpfer Alfred Lattermann und Kurt Lück. Vgl. Bialkowski, Deutsche Historiker im nationalsozialistisch besetzten Posen, S. 36; ders., Die Reichsuniversität Posen als Paradeexempel der ›Verreichlichungspolitik‹. 256 Einem Brief Maschkes an Günther Franz vom 7.12.1939 (UA Stuttgart-Hohenheim, NL Günther Franz N 6, 1.1.3.) zufolge »schwebt die Absicht, mich nach Posen zu berufen. Ich ahnte schon längere Zeit, dass so etwas kommen würde. Nach meinem Urlaub wurde dann in der Tat an mich herangetreten, und zwar bereits im Einverständnis bzw. auf Veranlassung des Ministeriums. Ich sage nicht ohne weiteres nein, glaube aber nicht daran, dass etwas daraus wird. Wohl aber ist damit für mich die Frage des Ordinariates in Jena akut geworden.« Die Antwort von Günther Franz vom 15.12.1939 lautete: »Daß man Sie nach Posen berufenwill [sic], ist ja fast eine Selbstverständlichkeit, trotzdem hoffe ich, dass Sie als Ordinarius hier bleiben.« Ein Hinweis darauf, dass Erich Maschke im Plan für den Aufbau der Reichsuniversität Posen genannt wurde, findet sich auch im BA Berlin, Bestand ZR 770, Nr. 8, Bl. 74. Für diese Information danke ich Dr. Rüdiger Stutz (Jena). Maschkes Personalakte beim Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung (BA Berlin, ZB II 1907. A1) enthält keine Dokumente, die ihn in Verbindung mit der Reichsuniversität bringen könnten. Es scheint aber, dass Erich Maschke diesen Vorgang benutzte, um in Jena hinsichtlich der Verleihung eines Ordinariates an ihn Druck auszuüben. Maschkes ausgedehnte Vortragstätigkeit führte ihn im Rahmen einer Vortragsreise am 14.2.1941 wieder nach Posen, wo er einen Vortrag »Unser Recht im Osten« hielt. (Vgl. dazu auch BAK, NL Erwin Hoelzle 1323, Nr. 12.). Ein Jahr später nahm Erich Maschke als Dekan stellvertretend für den erkrankten Rektor der Universität Jena an der Eröffnung der Reichsuniversität am 1. Mai 1942 teil (UAJ, BA 2123). 257 Maschke, Die Baltendeutschen. 258 Ebd., S. 73. 259 Maschke, 1000 Jahre deutsches Wartheland, in: Die Ostwarte 1940, Nr. 11, S. 2–4.

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der gegenwärtigen Verhältnisse und Veränderungen sowie einer Mahnung beendete er ihn: »Erst das von Adolf Hitler erneute deutsche Volk war imstande, den Sinn und Wert des deutschen Kampfes um seinen Lebensraum im Osten zu verstehen und sich aus der neu gewonnenen Kraft diesen Lebensraum zu sichern. Wenn heute ein neuer Abschnitt deutscher Geschichte im Warthegau begonnen hat, so stehen über ihm nicht nur die Erinnerung an die tausendjährige deutsche Vergangenheit dieses Landes; sondern auch die Mahnung, aus den Fehlern des vergangenen Jahrhunderts zu lernen.«260

Antipolnische Äußerungen Erich Maschkes, die hier zum ersten Mal in dieser Deutlichkeit auftraten und einen für die polnische Bevölkerung bedrohlichen Unterton hatten, fanden sich in einem anderen Beitrag noch verstärkter. In seinem Artikel »Soldat im Osten« entwickelte er Gedanken zum Polenfeldzug 1939 und führte gleich zu Beginn die unhaltbare These an: »Zweimal in genau einem Vierteljahrhundert haben unsere Truppen dem deutschen Osten die Freiheit und die Sicherung in der Stunde höchster Not gebracht«261, die er anhand von Tannenberg 1914 und dem Polenfeldzug 1939 zu belegen suchte. Im Abschnitt über Tannenberg 1914 schrieb er am Mythos dieser Schlacht weiter, stilisierte Hindenburg und Ludendorff zu Rettergestalten und charakterisierte den Kampf ungeachtet der historischen Tatsachen als »Befreiungs- und Vernichtungsschlacht«. Mit der rhetorischen Frage »Hatte der Polenfeldzug des Herbst 1939 nicht den gleichen Sinn?« leitete Erich Maschke den Abschnitt über den Polenfeldzug ein, in dem er sich zum Sprachrohr der nationalsozialistischen Propaganda machte, den Polenfeldzug legitimierte und historisch unzulässige Parallelen zog. Erich Maschke wie auch viele andere deutsche Historiker262 stellte Polen nicht nur als Angreifer dar, sondern bediente sich dabei einer Sprache, die Ablehnung den Polen gegenüber erregen und die Wehrmacht dagegen in um so hellerem Licht erscheinen lassen sollte. Im Schlusswort verzichtete er auf das Deckmäntelchen historischer Scheinlegitimation bzw. ausschließlich revisionistischer Absichten und befürwortete ein aggressives Vorgehen gegen die osteuropäischen Nachbarstaaten: »Immer und überall hängt das Schicksal eines Staates oder Volkes von der Überlegenheit seiner Waffenträger ab. Wo die Grenzen unseres Reiches lagen und liegen werden, das entscheidet unsere militärische als Teil unserer völkischen Gesamtkraft. […] Eben der Krieg, in dem wir stehen, lehrt es uns von neuem: das Soldatentum ist schlechthin die Grundlage unseres Daseins im Osten.«263

Selbst wenn Erich Maschke nur diesen Artikel geschrieben hätte, hätte er schon seinen Beitrag für die nationalsozialistische Aggressions- und Okkupationspolitik und für den Auftakt zum Vernichtungskrieg (Jochen Böhler) geleistet. 260 Ebd., S. 4. 261 Ebd., S. 2. 262 Vgl. dazu Schönwälder, Historiker und Politik, S. 143–146. 263 Ebd.

6. Leipzig (1942 bis 1945) Nach der Rückkehr Erich Maschkes vom Kriegsdienst an die Jenaer Universität gestalteten sich die Verhältnisse dort allmählich in einer Weise, die ihm wenig zusagte und einen Wechsel wünschenswert erscheinen ließ: Erich Maschke sah sich ab 1941 zunehmend mit den Schwierigkeiten konfrontiert, die der Krieg, die Einberufungen von Studierenden und Lehrpersonal, die Veränderungen in der Leitungsstruktur des Seminars sowie die persönlichen Animositäten zwischen Kollegen1 ihm und dem Lehrbetrieb am Historischen Seminar auferlegten. Zusätzlich nahm ihn das Dekanatsamt noch in Anspruch. Nachdem schließlich Günther Franz zum Wintersemester 1941/42 einen Ruf an die Reichsuniversität Straßburg angenommen hatte, sehnte auch Erich Maschke einen Wechsel herbei: »Sie [S. A. Kaehler – d. Vf.] waren so freundlich mich zu fragen, ob ich Lust hätte, im Falle einer Fortberufung von Herrn Schramm nach Göttingen zu kommen. Ich sagte Ihnen damals, dass ich einer solchen Möglichkeit sehr gern folgen würde. Inzwischen haben sich nun die allgemeinen Verhältnisse an der Universität Jena so entwickelt, dass mein Wunsch nach einem Wechsel recht gewachsen ist. Ich werde zwar von diesen Dingen in keiner Weise persönlich berührt, so dass ich keinen Grund zu Klagen habe, habe aber als Dekan sehr viel damit zu tun und sehe, zumal nach der Berufung von Herrn Franz nach Strassburg, Herrn Schaefer nach Heidelberg, eine nicht sehr erfreuliche Entwicklung für Jena kommen.«2

Nun war er froh, wenn schon nicht nach Göttingen, wie er erwartet hatte, sondern nach Leipzig berufen worden zu sein, und den »auf die Dauer doch recht belastenden Jenaer Verhältnissen« den Rücken kehren zu können.3 Mit Leipzig gelangte er zu einem Arbeitsfeld an einer Universität, deren politisches Profil unterschiedlich beschrieben wurde. So charakterisierte HansGeorg Gadamer, der zweite Rektor der Universität nach 1945, Leipzig als eine Hochschule, an der im Vergleich zu Marburg die NSDAP kaum in Erscheinung getreten sei. Der nationalsozialistische Rektor und einige andere hätten auf dem wissenschaftlichen Rang als oberstem Gesichtspunkt bei Berufungen bestanden 1 1940 war der glühende Antisemit und Nationalsozialist Johann von Leers zum Mitdirektor des Seminars ernannt worden. Er vertrat das Lehrgebiet »Deutsche Geschichte mit beson­ derer Berücksichtigung der Bauerngeschichte« und war nicht nur in dieser fachlichen Überschneidung ein einflussreicher Widersacher von Günther Franz. Gottwald, Die Jenaer Geschichtswissenschaft in der Zeit des Nationalsozialismus, S. 924–925. 2 Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen, NL S. A. Kaehler, Brief von Erich Maschke vom 17.9.1941. 3 UA Stuttgart-Hohenheim, NL Günther Franz N 6, 1.1.3., Brief Erich Maschkes vom 29.3.1942.

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Leipzig (1942 bis 1945)

sowie militante Nazis von der Universität fern gehalten.4 Demgegenüber führte Helmut Heiber einige Mitglieder des Lehrkörpers an, die in hohem Maße nationalsozialistisch eingestellt gewesen seien und folgerte, dass in Leipzig sowohl Gegner als auch aktive Nationalsozialisten ihr Betätigungsfeld finden konnten.5 Erich Maschke wurde zum 1. April 1942 als Nachfolger Hermann Heimpels zum planmäßigen ordentlichen Professor dorthin berufen und zu einem der drei Direktoren des Seminars6 für mittlere und neuere Geschichte bestellt7. Die beiden anderen Direktoren waren die Historiker Otto Vossler (Neuere Geschichte) und Karl Pivec (Hilfswissenschaften). Wie sich die Zusammenarbeit gestaltete, welcher Art das Klima am Seminar war und in welchem Ruf Erich Maschke bei den Kollegen stand8, ist unbekannt. Auch die Ereignisse, Aufgaben und Umstände dieser Jahre am Historischen Institut in Leipzig liegen aufgrund der schlech4 Gadamer, Philosophische Lehrjahre, S. 112. 5 Heiber, Universität unterm Hakenkreuz. Bd. II: Das Jahr 1933, S. 112. Die Geschichte der Universität Leipzig, Karl-Marx-Universität Leipzig 1409–1959, Bd. 2, Leipzig 1959 gibt aufgrund ihrer Orientierung an einer strikten antifaschistischen bzw. faschistischen Einteilung der Wissenschaftler nur wenig hilfreiche Informationen. Dies gilt auch für die Darstellung in Alma mater Lipsiensis, S. 261–271. Die Sichtweise eines ehemaligen Leipziger Dozenten vertritt Helbig, Universität Leipzig. Krause, Alma mater Lipsiensis, gelangt zu der Einschätzung, dass sich die Universität dem Regime anpasste, aber nicht sehr frühzeitig zu einem »braunen Nest« verkam. Er hebt den großen Anteil von Parteigenossen unter den Hochschullehrern der Medizinischen Fakultät und die unrühmliche Vorreiterrolle Leipzigs bei der Einführung des »nationalpolitischen Seminars« und der Rassenkunde an deutschen Hochschulen hervor. Einzelne Aspekte der Leipziger Universitätsgeschichte im Dritten Reich erhellen die Beiträge in: von Hehl (Hg.), Sachsens Landesuniversität in Monarchie, Republik und Diktatur. Ausführlich zur Universitätsgeschichte während des Nationalsozialismus: Die Geschichte der Universität Leipzig Bd.  3  – Das zwanzigste Jahrhundert 1909–2009. Zur Hochschul­ verwaltung Parak, Hochschulverwaltung in Diktaturen, S. 343–349. 6 Zur Geschichte des mittelalterlichen Seminars vgl. Piepenbrink, Das Seminar für Mittlere Geschichte des Historischen Institutes 1933–1945; ders., Das Fach Geschichte an der Universität Leipzig. 7 HStA Dresden, Bestand Sächsisches Ministerium für Volksbildung, Nr. 10230/66. 8 Otto Vossler hatte sich in einer Kommissionssitzung für die Wiederbesetzung der Professur von Hermann Heimpel sehr zurückhaltend zum Vorschlag Erich Maschke geäußert und einen anderen Dozenten bevorzugt. Zu diesem und anderen Kandidaten befragt, gab Hermann Heimpel sein Urteil zugunsten Maschkes ab. Er bezeichnete ihn als einen »nicht nur wissenschaftlich, sondern auch lehrmäßig klar umrissenen Forscher«, »der in seinen Möglichkeiten wie in seinen Begrenzungen einigermassen fertig abgeschlossen erscheint« und die Reputation eines »besonders guten Lehrers« genieße. (UA Leipzig, Film 1221, S. 83–84. Brief an Otto Vossler vom 12.12.1941). Wie Maschkes Beginn in Leipzig aber auch gedeutet werden konnte, dazu Herbert Grundmann: »Die neuesten akademischen Verschickungen kann ich leider nicht beglückend finden. […] Ich kann auch an Leipzig nicht ohne eine Träne der Wehmut denken, nicht meinetwegen, sondern des Institutes und seiner Arbeitsmöglichkeiten wegen, und um des Leipzigers Kreises willen, dessen eigene Atmosphäre ich gerade jetzt im Zusammensein mit Vosslers und Gadamers [unleserlich: Kriegseinsatz? – d. Vf.] wieder zu spüren bekam. Da platzt nun Maschke hinein, ein tüchtiger Fachmann, und selbst das ist mir zweifelhaft, so oft ich ihn sprechen höre wie jetzt wieder in Weimar. […]« UAL, NL­ Herbert Grundmann, Film Nr. 19, Brief an Hermann Heimpel vom 9.5.1942.

Erich Maschkes Wirken an der Universität

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ten Quellenüberlieferung weitgehend im Dunkeln9. Daher können im Folgenden nur vereinzelte Spuren der Lehrtätigkeit, der akademischen und politischen Ämter sowie der Entnazifizierung Erich Maschkes nachgezeichnet werden.

6.1 Erich Maschkes Wirken an der Universität In seiner Lehrtätigkeit, die er mit seiner Antrittsvorlesung zur »Staatskunst Kaiser Friedrichs II.« begann, knüpfte Erich Maschke an Themen der Jenaer Zeit an, nahm aber nun verstärkt die gesamte Geschichte des Mittelalters in den Blick. Mit der »Geschichte der Karolingerzeit« beginnend, gliederte er seine Vorlesungsreihe nach der Aufeinanderfolge der deutschen Königs- und Herrscherhäuser des Mittelalters, ging in seinen Übungen vor allem auf Aspekte der Stauferzeit ein und verzichtete völlig auf die Behandlung ostwissenschaftlicher Themen10. Dies hatte sicherlich mehrere Gründe: Erich Maschke musste seit Herbst 1942 allein die Mediävistik betreuen, weil die anderen Lehrkräfte zur Wehrmacht eingezogen worden waren11. Daher erachtete er es vielleicht als vorrangig, die Studenten mit einem Grundwissen über die mittelalterliche Geschichte auszustatten. Zudem hatten sich bereits in Jena die Schwerpunkte seiner mediävistischen Arbeiten verlagert. Außerdem machten gerade die Kriegs­ ereignisse im Osten Europas die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Geschichte dieser Gebiete zu einem heiklen Thema. Hinzu kam, dass in seiner Lehrtätigkeit in Leipzig nun auch die Hilfswissenschaften einen wichtigen Platz einnahmen. Erich Maschke genoss den Ruf eines guten Lehrers, der sich um seine Studenten sehr sorgte12, nicht zuletzt um seine Studenten an der Front: Er engagierte 9 Die Bestände des Universitätsarchivs fielen zum großen Teil den Kriegseinwirkungen zum Opfer. Hinzu kommt jedoch noch der Umstand, dass auch Maschkes erhaltene Personalakte kaum Auskunft über die Jahre 1942–1945 gibt, da ihr Inhalt im Frühsommer 1945 verloren ging und sie aus diesem Grund nur Dokumente zu Maschkes Entnazifizierung enthält. Berücksichtigt man Erich Maschkes politische Belastung – er hatte in Leipzig das Amt des stellvertretenden Dozentenbundführers innegehabt –, so ist hinter dem Fehlen seiner Personalpapiere doch mehr als ein bloßer Verlust zu vermuten. Leider werfen darauf und auf weitere Aspekte seiner Zeit in Leipzig auch die Archivalien des Hauptstaatsarchivs Dresden kein erhellenderes Licht. 10 Diese Fragestellungen tauchen nur in von ihm vergebenen Dissertationen sowie in zwei publizistischen Beiträgen auf. Insgesamt handelt es sich im Zeitraum 1942–1945 um sechs Dissertationen: zur Geschichte des deutschen Ostens, zur mittelalterlichen Reichsgeschichte und zur Stellung des Reichs in Europa. BA Berlin, R 4901–13318, Schreiben des Rektors Wilmanns an das REM vom 5.1.1945. 11 UAL, Bestand Phil. Fak. B1/14–24, Bd. 1a: Film 1200. Maschke war uk. gestellt. 12 HStA Stuttgart, NL Erich Maschke J 40/10, Bü 100, Brief Dr. Harald Schieckels vom 2.3.1965; UAH, Rep. 85, Bestand Institut für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte Nr.  4, Schreiben Dr. Herta Battrés vom 13.11.1964.

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sich intensiv in der Wehrmachtsbetreuung13, versandte Seminarberichte, Lehrbriefe, zahlreiche Referate sowie historische Literatur und ließ den Studenten regelmäßig die Zeitschrift »Fortschritte und Forschungen« zukommen14. Ein­ gehend und individuell nahm er sich der Anfragen der Fernbetreuten an.15 Diese Arbeit machte ihm offenbar große Freude. Ob er ein weiteres seiner Tätigkeitsfelder an der Universität Leipzig in ähnlicher Gemütslage ausübte, ist unklar. Die Rede ist von seinem Amt als stell­ vertretender Dozentenbundführer, in dem er nach den Aufgaben dieses Bundes die ideologische Ausrichtung der Hochschullehrer und die politische Kontrolle an der Universität, ausgedrückt vor allem in Gutachten bei der Berufung von Professoren, wahrnehmen sollte. Er selbst schrieb darüber: »Im September 1942 wurde mir die Dozentenführung an der Universität Leipzig angeboten. Ich übernahm sie auf Drängen des Rektors der Universität und verschiedener antifaschistisch eingestellter Nichtparteigenossen, die wussten, daß damit der Missbrauch des Amtes verhindert und der Universität wie der Wissenschaft ein wertvoller Dienst geleistet werden würde. […] Ich legte dabei, obgleich mir das Amt zur endgültigen Übernahme angeboten wurde, den größten Wert darauf, nur Vertreter im Amt und nur für Kriegsdauer zu sein, da ich wusste, dass damit meine Aufgabe erfüllt sein würde. […] Jetzt konnte ich meine antifaschistische Tätigkeit, die ich bereits in Jena begonnen hatte, auf breiterer Grundlage systematisch fortsetzen.«16

Nicht nur der Inhalt des letzten Satzes weckt an dieser Aussage starke Zweifel. Ebenso fragwürdig, da häufig in Entnazifizierungsprozessen angeführt, sind die genannten Gründe, aus denen Maschke das Amt überhaupt erst annahm. Auch die beigefügten Gutachten und Einschätzungen über Erich Maschke in seiner Personalakte können diese Zweifel an der Glaubwürdigkeit seiner Aussage nicht entkräften, weil ihnen zu stark der Ruch so genannter Gefälligkeitsgutachten anhaftet17. Alle Einschätzungen betonten, dass Maschke diese Stellung nur benutzt habe, um die Universität und den Lehrkörper vor der Einflussnahme und den Übergriffen der NSDAP zu bewahren und einzelne Personen zu schützen. Die Beurteilung von Hans-Georg Gadamer bildete da keine Ausnahme:18 13 14 15 16

BA Berlin, R 4901/13174. UAL, Rep. II, IV, 211, Schreiben Erich Maschkes an Prof. Wendorf vom 20.7.1944. UA Stuttgart-Hohenheim, NL G. Franz N 6, 1.1.3., Brief Erich Maschkes vom 14.3.1943. UAL, PA Erich Maschke 720, Schreiben Erich Maschkes an den Zentralausschuss des Antifaschistischen Blocks Leipzig vom 7.9.1945. 17 In der Leipziger Personalakte Erich Maschkes sind u. a. Gutachten von Prof. Friedrich Lütge, Prof. Theodor Frings, Prof. Bernhard Schweitzer, Prof. Peter Petersen (Jena) enthalten. 18 UAL, PA Erich Maschke 720, Gutachten Hans-Georg Gadamers vom 31.8.1945. Auch Jahrzehnte später wiederholte Gadamer seine Auffassung, dass an Maschkes, seines Leipziger wie später auch Heidelberger Kollegen, »Sachlichkeit, Ehrenhaftigkeit und seinem Bestreben, uns alle gegen das Regime in Schutz zu nehmen, bei den Universitätskollegen kein Zweifel bestand«. Brief an Helga A. Welsh vom 21.3.1984. Zit. in Welsh, Entnazifizierung

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»Herr Maschke hat mir gegenüber einmal gesagt, er betrachte es als seine Aufgabe, die Wissenschaft und ihre Vertreter vor den Bedrängungen durch die Partei zu schützen. Meine eigenen Erfahrungen bestätigen, dass Herr Professor Maschke sein Amt in der Tat in diesem Sinne geführt hat. Er hat mich selbst in entscheidenden Augenblicken über gegen mich laufende politische Aktionen warnend unterrichtet und es ist ihm gelungen, die Stosskraft dieser Aktionen in gemeinsamer Beratung derart ­abzuschwächen, dass ich vor dem Zugriff der Gestapo bewahrt blieb.«

Wie dem auch gewesen sein mag, die wenigen überlieferten Akten lassen eine differenzierte Beurteilung von Maschkes Amtsausübung kaum zu. Dennoch gilt es, folgendes zu bedenken: Es war durchaus möglich, sich einerseits nach besten Kräften zu bemühen, die wissenschaftlichen Fach- und Nachwuchskräfte wie Professoren, Assistenten, Studenten auch gegen politische Anfeindungen zu schützen und der Universität zu erhalten, um das wissenschaftliche Niveau nicht absinken zu lassen. Dies musste eine Kooperation mit nationalsozialis­ tischen politischen Stellen andererseits aber nicht ausschließen – auch nicht mit dem Sicherheitsdienst der SS. So wurde Maschkes Tätigkeit von einer ehemaligen »Verwalterin«19 des NSD-Dozentenbundes mit seiner Arbeit für den Sicherheitsdienst in Verbindung gebracht: »Unsere genannte Dienststelle ist trotzdem nach ihrer Zerstörung im Dezember 1943 ohne Wissen von Prof. Heinz [des Gaudozentenbundführers – d. Vf.] durch den damaligen Dozentenführer V. i. A. an der Universität Leipzig, Herrn Prof. Maschke, sogar in das Dienstgebäude des Leipziger SD übergesiedelt. Prof. Heinz hat das, als er davon erfuhr, scharf gerügt und drang auf Auszug. Aber Prof. Maschke hat davon als Mitarbeiter des SD nichts wissen wollen.«

Für den Nachkriegsdekan Gadamer erwuchs Maschkes Arbeit für den SD »zwangsläufig aus seiner Stellung als Prorektor« und war »lediglich kulturschützend«20. Woher aber die Kontakte Maschkes zum SD stammten, ob sie tatsächlich nur aus dieser Amtsausübung erwuchsen21 und in der hier behaupteten Form und Wiedereröffnung der Universität Leipzig 1945–1946, S. 349. Gadamer war nicht unmaßgeblich an den Vorgängen um Maschkes Berufung auf den Lehrstuhl für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte beteiligt. Siehe Kapitel Heidelberg. 19 UAL, PA Rudolf Heinz 1185, Bl. 18, Eidesstattliche Erklärung von Elsa Leibe geb. Geinitz vom 12.5.1949. Die Befragte bezeichnete sich selbst als solche, vermutlich meinte sie damit »Sekretärin«. 20 UAL, PA Erich Maschke 720, Schreiben H.-G. Gadamers an den Rektor B. Schweitzer vom 19.10.1945. 21 Vgl. dazu den Abschnitt über Günther Franz. Eine weitere Erklärung für diesen Kontakt zum SD ist denkbar. Die Möglichkeit besteht, dass Erich Maschke über seine Tätigkeit als Schulungsredner in Verbindung mit ihm kam, da die Schulungsleiter höherer Ebene von den Dienststellen des SD über bestimmte Vorgänge informiert wurden (BA Berlin, NS 8, Nr. 192, S. 13.) Erich Maschke war intensiv in die weltanschaulich-ideologische Schulung der Wehrmacht eingebunden und erhielt dafür im Oktober 1944 ein Exemplar von Rosenbergs »Mythus des 20. Jahrhunderts« mit der Widmung »In Anerkennung für Ihren Rednereinsatz in der Wehrmachtschulung«. BA Berlin, NS 8, Nr. 236.

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auch praktiziert wurden, läßt sich nicht sagen. Tatsächlich waren während des Krieges nach Einschätzung Carsten Schreibers Dozentenbund und SD so eng miteinander verwoben, dass die Grenzen zwischen beiden vielerorts verwischten. Alle drei Hochschulen in Sachsen hatten ab 1942 an der Spitze ihrer Dozentenschaft einen Vertreter des SD, wenn auch unterschiedlichen Ranges22. Erich Maschke zählte somit zu den 2500 Vertrauensleuten des SD in Sachsen, die sich gegenüber dem SD als Geheimdienst und weltanschaulicher Eliteformation zur Treue sowie seinem Ziel, gesellschaftliche Schlüsselstellungen zu infiltrieren, verpflichtet hatten23. Offenbar hatte er die Merkmale erbracht, die der SD für seine V-Leute aufgestellt hatte: »Vertrauenspersonen sind solche Personen, zu denen ein dauerhaftes Vertrauensverhältnis besteht, ohne dass diese Vertrauenspersonen jedoch dem SD angehören. Vertrauenspersonen werden zur Verschwiegenheit schriftlich verpflichtet. Ihre Mitarbeit erfolgt ohne Gegenleistung. Während sie SS-mässig nicht geeignet zu sein brauchen, müssen sie charakterlich sauber und nationalsozialistisch einwandfrei sein.«24

22 Schreiber, Elite im Verborgenen, S. 340. Es gibt außer der Aussage von Elsa Leibe nur wenige Hinweise auf Erich Maschkes Arbeit für den SD. Diese bestehen in dem unten zitierten Schreiben Gadamers sowie in einem Personalbogen der NSDAP Kreis Leipzig vom 8.3.1944 (BA Berlin, NS-Archiv, ZA VI 2927 A. 10). Dort gab Maschke an, Angehöriger der SS zu sein, womit er höchstwahrscheinlich den SD meinte. Möglicherweise hielt er SS und SD für das gleiche oder dachte, die unwissende Ortsgruppe damit besser zufrieden stellen zu können. Eine SS-Zugehörigkeit Maschkes ist auszuschließen, da alle SS-Personalakten und Listen im BDC erhalten sind und sein Name dort nicht verzeichnet ist. In diesem Kontext ist es ungewiss, ob Erich Maschke als Vertrauensmann sich des Statusunterschiedes zwischen einem Mit­a rbeiter des SD und einem Funktionsträger im SD bewusst war. Dies verweist auf die bislang nicht endgültig zu beantwortende Frage, ob er selbst Mitglied des SD war. Seine Angabe im Personalbogen von 1944 scheint daraufhin zu deuten. Als bloßer Vertrauensmann für den SD hätte er zwei SD-Verpflichtungserklärungen unterzeichnen müssen, von denen der erste Text lautete: »Verpflichtung! Ich schwöre Treue meinem Führer, der SS und meinen Vorgesetzten. Ich erkläre, dass ich über alles, was ich im Rahmen meines Dienstes sehe und höre, allen Stellen gegenüber, die nicht in meinem unmittelbar durch den SD-Dienst bedingten Dienst- oder Vorgesetztenverhältnis zu mir stehen, strengstens Stillschweigen bewahren werde, sowohl während meiner Zugehörigkeit zur Bewegung, als auch nach meinem Ausscheiden. Werde ich trotz dieses Schwures zum Verräter, bewusst oder unbewusst aus Fahrlässigkeit, so gebe ich meinem Vorgesetzten das Recht, mich in jeder Form zu bestrafen.« Als Vertrauensmann hätte er bei seiner Aufnahme in den SD folgenden Treueeid geleistet: »Ich schwöre Dir, Adolf Hitler, als Führer und Kanzler des Deutschen Reiches Treue und Tapferkeit; ich gelobe Dir und den von Dir bestimmten Vorgesetzten Gehorsam bis in den Tod. So wahr mir Gott helfe!«. Zit. n. Schreiber, Elite im Verborgenen, S. 208. 23 Vgl. dazu Schreiber, »Eine verschworene Gemeinschaft«. Regionale Verfolgungsnetzwerke des SD, S. 57–59; ders., Elite im Verborgenen, S. 340–342. Zum SD auch Banach, Heydrichs Elite; Wildt (Hg.), Generation der Unbedingten. 24 Zit. n. Schreiber, Elite im Verborgenen, S. 185.

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Jeder V-Mann wurde dahingehend untersucht, mit welchen Qualifikationen oder Kontakten er dem Sicherheitsdienst nützlich sein konnte. Seine Arbeit für den SD als Vertrauensmann basierte auf Freiwilligkeit, eine Ablehnung der Mitarbeit hätte keine Konsequenzen nach sich gezogen. Auch der Ausstieg wäre jederzeit möglich gewesen.

6.2 Krieg und Nachkriegszeit in Leipzig Am 1. Januar 1944 trat Erich Maschke mit einem kurzen Artikel in der Lokalzeitung25 an die Öffentlichkeit: Als Prorektor der Universität26 nahm er zu den verheerenden Bombenangriffen auf Leipzig vom 4. Dezember 1943 Stellung. Da er in dieser Funktion unmittelbar nach dem Angriff für den verletzten und ausgebombten Rektor Wilmanns eingesprungen war, verfügte er über einen Überblick über die Zerstörungen, die die Gesamtuniversität in großem Ausmaß betrafen: 58 der 92 Institute und Kliniken waren zerstört, die Bibliotheken der Philosophischen Fakultät fast völlig vernichtet und 20 Studenten gestorben27. Ausgehend von Überlegungen über die »wesentlichen Mächte der Wissenschaft«, die er in der schöpferischen Arbeitskraft des Menschen, in seinem Ideenreichtum sowie seiner geistigen und menschlichen Grundhaltung fand, erklärte er diese im Kontrast zu Instituten und Bibliotheken für unzerstörbar und »in den Gluten einer Zeit, wie wir sie heute erleben, erst recht ausgeschmolzen zu lauterer Reinheit«. Seiner Ansicht nach waren die deutschen Universitäten aufs tiefste im Dasein und Leben des Volkes verwurzelt. In dieser inneren Verbindung fand Maschke eine Erklärung für die Zerstörung der Universität Leipzig: »Der Feind weiß wohl, warum er gerade auf die Stätten kulturellen und geistigen Schaffens zielt: er will die große Überlieferung unserer Geschichte ebenso treffen wie die schöpferischen Kräfte, die unserer Zukunft dienen. Doch mag er auch Univer­ sitätsgebäude dem Boden gleich machen – die Universität als Ganzes ruht nur tiefer in der Muttererde unseres Volkes, dem sie gehört.«

Für die Universität Leipzig leitete Maschke daraus nicht nur eine einzigartige Einheit mit der Stadt Leipzig und ein gemeinsames Schicksal ab, sondern beschwor auch den Willen zum Wiederaufbau und Neuanfang. An diesem Zeitungsartikel sticht mehreres ins Auge. Auf die üblichen Formen von Durchhalteparolen, Bekenntnissen zum Kampf für Führer, Volk und Vaterland, Endsiegsvisionen und nationale Pathetik verzichtete er, auch schmähte 25 Maschke, Wissenschaft unterm Bombenterror, in: Leipziger Neueste Nachrichten vom 1.1.1944. 26 Diese Funktion bekleidete er seit dem Ende des Sommersemesters 1943. 27 Parak, Hochschule und Wissenschaft, S. 118–132.

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und verteufelte er die britischen Angreifer im hoch emotionalisierten Stil der Kriegspropaganda nicht. Musste er auf den Krieg Bezug nehmen, so tat er dies eher indirekt mit Umschreibungen, wie beispielsweise »Last eines ungeheuren Geschickes« oder »gemeinsames Schicksal, das uns alle betroffen hat, damit wir es in Einheit überwinden«. Mit dieser Wahrnehmung des Krieges stand Erich Maschke im Kreise der deutschen Historikerschaft nicht ganz allein da28. Bis auf eine Ausnahme zog Maschke kein historisches Ereignis und auch keinen Ausspruch einer bedeutsamen Persönlichkeit heran, um die gegenwärtige Situation zu charakterisieren oder in einen größeren historischen Zusammenhang einzuordnen. Vielleicht notgedrungen, aber dennoch überraschend konnte Erich Maschke an der zerstörten Universität sogar eine Fähigkeit entdecken, die den nicht zerstörten deutschen Hochschulen abging: »Sie wird aber darüber hinaus ihren Studierenden etwas anderes nicht nur für ihr Studium, sondern fürs Leben geben: eine tiefe ethische Grundhaltung, die sich als verbindliche Kraft gerade jetzt bewähren soll.«

Diese und ähnliche Gedanken führte er in seiner Ansprache an die Studierenden der Geschichte vor der Wiederaufnahme des Lehrbetriebes am 10. Januar 1944 weiter aus. Diese Rede war jedoch nicht allein wegen ihres Anlasses von Bedeutung. Die Ansprache überlieferte als einziges erhaltene Dokument geschichtsphilosophische Betrachtungen Maschkes dieser Zeit über die Aufgaben eines Historikers, über sein eigenes wissenschaftliches Selbstverständnis und seinen nach wie vor emotional-schwärmerischen Zugang zur Geschichte. Zunächst brachte er aber in seiner Rede seine Sorge um das Wohl der Studenten zum Ausdruck. Dies betraf u. a. die erschwerten Studienbedingungen, die eine Abwanderung der Studenten zur Folge haben konnte. Beredt warb er für das Verbleiben in Leipzig und einen gemeinsamen Neuanfang. Es war ihm ein großes Anliegen, auch in dieser Zeit, allen Widrigkeiten zum Trotz, wissenschaftliches Arbeiten und Lehren aufrechtzuerhalten, da sie ihm innere Lebensnotwendigkeiten schienen. Darüber hinaus gab er diesem Ringen um – wie er meinte – »die Möglichkeit von Wissenschaft« auch einen kämpferischen oder politischen Hintergrund: »Wir alle, Sie als Lernende und wir als Lehrende und Forschende stehen in einem ständigen Kampf gegen diese Zeit und ihre Nöte, denen wir die Möglichkeit, Wissenschaft zu treiben, täglich von neuem abringen müssen. Wir wissen, dass wir diesen Kampf nicht um unser selbst willen aufgenommen haben, sondern allein in der Überzeugung, das Wissenschaft lebenswichtig für unser Volk ist und wir uns auch hierin nicht von anderen Völkern schlagen lassen dürfen.«29

28 Karen Schönwälder zitiert ähnliche Äußerungen von Hermann Heimpel. Schönwälder, Historiker und Politik, S. 265. Vgl. auch S. 258–267 zu den Historikerreaktionen auf den Fortgang des Krieges ab 1943. 29 UAL, PA 720 Erich Maschke sowie Film 1522, S. 177–185.

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Diese Ansicht überrascht nicht. Welchen Aufgaben und welchem Selbstverständnis er sich konkret als Geschichtswissenschaftler verpflichtet fühlte, ging dann aus folgendem hervor: »Aufgabe des Historikers ist niemals das Tote, sondern immer nur das bleibend Lebendige, das ihm anvertraut ist und das er immer erneuten Geschlechtern emporzuheben vermag aus dem Schoße der Vergangenheit. […] Die Wege der Überlieferung zu den Gründen menschlicher Geistigkeit und Schöpferkraft offenzuhalten, aus Verschüttetem und anscheinend Verlorenem das bleibend Gültige verpflichtend ins Bewusstsein der eigenen Zeit zu heben, das ist das Amt, das dem Historiker bestimmt ist. »30

Das, was der Historiker zu wahren hatte und was nach Maschkes Überzeugung in diesem Krieg angegriffen und gefährdet war, umschrieb er mit »dem Bleibenden«, mit »jenem Urgrund ewiger Mächte, aus denen wir seit Jahrhunderten und Aberjahrhunderten leben und uns erneuern«, mit dem »ewig Gültigen des menschlichen Geistes, der schöpferischen Kraft unseres Volkes«31. In diesen Formulierungen schwangen noch die Nachklänge seiner jugendbewegten Zeit mit. Wie wirksam diese Ideen und Vorstellungen offensichtlich auch noch in Maschkes fünftem Lebensjahrzehnt waren, wurde auch an seiner Auffassung deutlich, der Historiker müsse, wollte er denn »Hüter der Überlieferung« sein, erst bestimmte innere Voraussetzungen erfüllen, eine bestimmte Haltung besitzen. Diese auch an sich selbst gerichtete Forderung beinhaltete seiner Meinung nach eine »dreifache Aufgeschlossenheit«. Zum einen der Geschichte gegenüber: »Einmal müssen Sie offen sein den Mächten der Geschichte selbst. Sie müssen den großen Gestalten und Ereignissen der Vergangenheit mit einer Leidenschaft begegnen, die sich mit ihnen auseinandersetzt, sie annimmt als Freund oder Feind, als Bürgen und vertrauten Bundesgenossen oder als Widersacher und uralten Gegner – aber eben in dieser Leidenschaftlichkeit der Begegnung die Wirklichkeit der Geschichte erfährt. Sie müssen diese Wirklichkeit erkennen in den Menschen, die selbst Geschöpfe ihrer Zeit, zugleich die Zeiten schufen und erfüllten. […] Geschichte will errungen werden unter dem Einsatz der Persönlichkeit. Erst dann erschließt sie sich und wird zur wirkenden Macht. »

Die hier von Maschke geforderte leidenschaftliche Auseinandersetzung mit historischen Personen und Ereignissen – waren diese die »Mächte der Geschichte?« – schloss eine emotionsfreie Annäherung oder eine unparteiische Herangehensweise weitgehend aus. Sie teilte ein in Freund und Feind und verstand die Suche nach historischer Erkenntnis als einen vor allem irrationalen Vorgang, der einherging mit einer ganzheitlichen Persönlichkeitsentwicklung des Fragenden. Damit bewegte sich Erich Maschke auch in dieser Zeit noch in den Bahnen der neu­ pfadfinderischen Vorstellungs- und Gedankenwelt. Dann fuhr er fort: 30 Ebd. 31 Ebd.

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»Sind Sie in dieser Weise dem Vergangenen als einem Lebendigen aufgeschlossen, so erwächst Ihnen hieraus auch die Aufgeschlossenheit gegenüber der Forderung Ihrer eigenen Zeit. Sie werden die Wirklichkeit der Geschichte nur dann wahrhaft wirkend machen, wenn Sie die Mächte spüren, die aus der Vergangenheit in die Gegenwart reichen, um an der Zukunft mitzubauen. Darum kann ein Historiker nur sein, wer in seiner Zeit die Verpflichtungen anerkennt, die ihn um der Zukunft willen binden.«32

Auch diese Aufgeschlossenheit gegenüber der Forderung der eigenen Zeit basierte auf einem nicht näher beschriebenen und unbestimmten Gefühl. Ebenso wenig klar erschienen die »Verpflichtungen«, welche der Historiker im Sinne Maschkes für die Zukunft zu übernehmen bereit sein musste. Für welche Zukunft sollte eine wie auch immer geartete, möglicherweise also auch politische, Forderung erkannt werden? Erich Maschke blieb derart im Vagen und Allgemeinen, dass daraus alles geschlossen werden konnte. War dies vielleicht gerade von ihm beabsichtigt? Eine weitere, dritte Aufgeschlossenheit war ihm sehr wichtig. Seinem warmen Appell an die Mitmenschlichkeit und an das Gemeinschaftsgefühl standen die Forderungen nach Unerbittlichkeit, Fanatismus und Härte gegenüber, die den Inhalt öffentlicher Verlautbarungen damals kennzeichneten. Es fällt nicht schwer, in diesen Äußerungen Erich Maschkes wirkliches Interesse an seinen Studenten, aber auch sein Denken in den Kategorien von Gemeinschaftlichkeit und Gemeinschaft zu erkennen: »Man sagt heute so oft, daß wir gegenüber einer so harten Zeit wie der Gegenwart noch härter werden müssen. Ich möchte mir dieses Wort für das, auf das es mir hier ankommt, nicht zu eigen machen. Ich möchte vielmehr sagen: wir können zueinander gar nicht genug Offenheit, nicht genug Güte und Liebe aufbringen. Hart macht uns die Zeit, dafür brauchen wir nicht auch noch zu sorgen. Viel schwerer ist es in Zeiten wie der unseren, die Kraft der Herzen lebendig zu erhalten. […] Wir brauchen Aufgeschlossenheit und Verbundenheit untereinander aber noch in einem anderen Sinne. Indem wir uns als Historiker bewußt unter die bleibenden und wirkenden Kräfte unserer Überlieferung stellen, spüren wir mit aller Gewalt die Gefährdung unserer Zeit. In dieser Gefährdung vereinzelt und vereinsamt zu stehen, würde jedem einzelnen von uns das Dasein unerträglich machen und uns alle vernichten. Nur indem wir die Kräfte unserer Herzen zusammenfügen, gemeinsam den Bedrohungen unserer Tage die Stirne bieten, vereint uns den Mächten der Geschichte unterstellen, können wir die Stürme überstehen, in die wir geworfen sind.«33

Der Lehrbetrieb am Historischen Institut wurde somit wieder aufgenommen, wenn auch mit Einschränkungen. Die neuen Räume in der Petrischule erfüllten ihren Zweck, die Bücherbestände konnten in beträchtlichem Umfang wieder aufgebaut werden und standen den Lehrveranstaltungen zur Verfügung. Schwerer wog die Einberufung von Prof. Vossler noch vor dem Wintersemester 1944/45, die eine starke Arbeitsbelastung Erich Maschkes zur Folge hatte 32 UAL, Film 1522, Nr. 183–184. 33 UAL, Film 1522, Nr. 185.

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und zu Vertretungen durch Prof. Wendorf zwang, der bereits in Jena vertretungsweise aushalf. Ein Seminarbericht vom Januar 194534 zeigte an, dass Erich Maschke in seinen Lehrveranstaltungen den Staufern treu geblieben war und im Hauptseminar die Gesta Friderici I. imperatoris durcharbeiten ließ. Aber wen erreichten diese Lehrveranstaltungen in der Endphase des Krieges? Die Einberufung sowohl der Studentinnen der ersten drei Semester zum Rüstungseinsatz als auch die Wiedereinberufung kriegsversehrter Studenten zur Wehrmacht oder ebenfalls in die Rüstungsindustrie reduzierten die Hörerzahl auf ungefähr ein Viertel der des Sommersemesters 1944. Die Fernbetreuung der Studenten nahm großen Raum ein. Ihnen allen wünschte Maschke im Rundbrief vom Januar 1945, »dass das Jahr 1945 uns dem Frieden und Sie damit dem Studium näher bringen [möge]«35. Doch der Friede ließ noch eine Weile auf sich warten. Da die Stadt Leipzig keinen nennenswerten Widerstand gegen das Einrücken amerikanischer Einheiten am 17. April 1945 leistete, ist nicht zu vermuten, dass Erich Maschke im Volkssturm36 noch eingesetzt wurde. So erlebte er hier das Ende des Krieges. In seiner Eigenschaft als stellvertretender Rektor bereitete er nach dem freiwilligen Rücktritt des bisherigen Rektors unter den Bedingungen des Kriegsrechts, d. h. unter Beachtung des Verbots der Zusammenkunft von mehr als fünf Personen, per Umfrage nach dem bis 1933 gültigen Wahlmodus die Neuwahl des Rektors der Universität vor. Der parteilose Archäologe Bernhard Schweitzer wurde am 16. Mai 1945 zum ersten Nachkriegsrektor gewählt.37 Am 24. Mai fand die erste Dekanbesprechung nach Kriegsende statt, auf der Erich Maschke als Prorektor und amtierender Dozentenführer sowie weitere Dekane entpflichtet wurden.38 Erich Maschke blieb Angehöriger der Universität, wurde auch nicht wie zehn Professoren wegen ihrer politischen Vergangenheit von den US-Behörden verhaftet. Auf Vorschlag des Dekans Gadamer übernahm er Anfang Juni39 vertretungsweise für den abwesenden Walter Schlesinger die Leitung des Institutes für Deutsche Landes- und Volksgeschichte sowie ab Juli 1945 die Direktorenstelle des Institutes für Heimatforschung40. Abgesehen von diesen Arbeiten war er mittlerweile der einzige Experte für mittlere und neuere Geschichte an der Universität und darüber hinaus mit der Rückführung ausgelagerter wissenschaftlicher Bücher und sonstiger Materialien sowie für die Aufstellung und Ordnung wichtiger Institutsbibliotheken zuständig41. Im Herbst 1945 fand dann in Maschkes Privatwohnung der Lehrbetrieb des Historischen Seminars wieder statt, dem Maschke die eigene Bibliothek zur Verfügung stellte. 34 BA Berlin, R 4901–13174. 35 Ebd. 36 Erich Maschke war im 2. Aufgebot, Bat. X, 3. Kompanie erfasst. UAL, Film 1231. 37 Welsh, Entnazifizierung und Wiedereröffnung der Universität Leipzig 1945–1946, S. 339. 38 UAL, Bestand Rektorat, Nr. 8. 39 UAL, B 1/11, Bd. 1, Film 1189. 40 UAL, B 1/14–17, Bd. 2. 41 UAL, PA Erich Maschke 720.

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Hatte sich die amerikanische Besatzungsmacht auch aus Gründen des baldigen Abzuges aus Westsachsen wenig für die Belange und Probleme der Leipziger Universität interessiert, so änderte sich dies mit dem Besatzungswechsel am 2. Juli 1945. Die Vorstellungen von der »Selbstreinigung« der Hochschule von aktiven Nationalsozialisten, die Rektor Schweitzer auf der Dekanbesprechung Anfang Juni 1945 entwickelt hatte, mussten nun auf die Pläne und Ziele der sowjetischen Besatzungsmacht sowie auf die der eingesetzten deutschen Verwaltung zur Entnazifizierung und zum Neu- und Wiederaufbau des Hochschulwesens treffen42. Nach der Auffassung der Universitätsleitung sollte die Anwendung schematischer Reinigungskategorien vermieden, jeder Fall individuell überprüft und auch das Interesse der Universität an der Erhaltung bedeutender Gelehrter berücksichtigt werden. Dem schien eine erste Regelung auch entgegenzukommen, nach der zwischen aktiven und nominellen Parteigenossen der NSDAP zu unterscheiden sei und die nominellen Mitglieder auf ihren Stellen belassen werden könnten43. Im Spätsommer und Herbst 1945 änderte sich jedoch diese Haltung der sowjetischen Besatzungsmacht und des zuständigen Personalamtes44 der sächsischen Landesverwaltung. Mit der Verordnung vom 17. August 1945 »Über den personellen Neuaufbau der öffentlichen Verwaltungen für das Land Sachsen« wurde nun die restlose Entfernung aller ehemaligen Mitglieder der NSDAP und ihrer Gliederungen gefordert45. Dies betraf nun Erich Maschke, bis dahin als nominelles Mitglied und unentbehrlich46 eingestuft, in besonderem Maße47. Die Universitätsleitung stellte sich vor ihre belasteten Mitglieder und versuchte, neben drei weiteren Professoren auch Erich Maschke der Universität »auf alle 42 Der Prozess der Entnazifizierung an der Universität Leipzig und die Entnazifizierungspolitik der Universitätsleitung sowie die der amerikanischen und sowjetischen Besatzungsmacht generell werden in der Literatur unterschiedlich dargestellt und bewertet. Vgl. dazu Feige, Zum Beginn der antifaschistisch-demokratischen Erneuerung der Universität Leipzig April 1945 – 5.2.1946; ders., Zur Entnazifizierung des Lehrkörpers an der Universität Leipzig; Welsh, Entnazifizierung und Wiedereröffnung der Universität Leipzig 1945–1946; dies., Revolutionärer Wandel auf Befehl?; Wille, Entnazifizierung in der SBZ 1945–1948; Kappelt, Die Entnazifizierung in der SBZ; Krönig/Müller, Anpassung – Widerstand – Verfolgung;­ Fillipovich, Die Entnazifizierung der Universitäten in der SBZ; Vollnhals (Hg.), Entnazifizierung. Politische Säuberung und Rehabilitation. 43 Vgl. Welsh, Revolutionärer Wandel auf Befehl?, S. 34–36. 44 Den Vorsitz der sog. Säuberungskommission übernahm der Leiter des Personalamtes der Landesverwaltung Egon Dreger (KPD), Mitglied der Gruppe Ackermann. Wille, Entnazifizierung in der SBZ, S. 101. 45 Vgl. Hoyer, Zur Entwicklung der historischen Institute der Universität Leipzig. Vom Wiederbeginn des Studienbetriebs 1946 bis 1948, S. 441; Welsh, Revolutionärer Wandel auf Befehl?, S. 50–53, Haritonov, Sowjetische Hochschulpolitik in Sachsen 1945–1949, S. 161–165. 46 Welsh, Entnazifizierung und Wiedereröffnung, S. 361. 47 Laut Personalbogen des NSDAP Kreises Leipzig vom 8.3.1944 war er nicht nur in der SA und in der SS (bzw. SD), sondern auch im NSKK und NSFK. BA Berlin, NS-Archiv des MfS, ZA VI 2927 A. 10.

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Fälle« zu erhalten48. Anfang September beantragte er beim Zentralausschuß des Antifaschistischen Blocks Leipzig49 seine Streichung aus der Liste der ehemaligen Parteigenossen und die Freistellung von Sondermaßnahmen gegen diese. Zu seiner politischen Entlastung führte er 12 Gutachten von Gelehrten, verfolgten Studenten und weiteren Personen an. Erich Maschke war nicht der einzige, den diese Verordnung vom August 1945 betraf. 30 Professoren, darunter alle Historiker an den historischen Instituten bis auf Hans Freyer, fielen unter die Paragraphen dieser Verordnung50. So war er auch nicht der einzige, der am 15.11.1945 entlassen wurde51. Doch befand sich Erich Maschke zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr auf freiem Fuß.

48 Zit. n. Feige, Zur Entnazifizierung des Lehrkörpers, S. 797. 49 Vgl. zu diesem Zentralausschuß Wille, Entnazifizierung in der SBZ, S. 31–32. 50 Hoyer, Die historischen Institute der Universität Leipzig 1946 bis 1948, S. 443. Insgesamt wurden 30 Professoren und Dozenten ihrer Ämter enthoben. Welsh, Entnazifizierung und Wiedereröffnung, S. 349. 51 UAL, Best. Phil. Fak. Nr. 17, Film Nr. 1309. Die Zahlenangaben über die Größe des verbleibenden Lehrkörpers differieren. Nach Helga A. Welsh war er von Mai bis Oktober von 222 auf 82 Personen geschrumpft.

7. Die Jahre der Gefangenschaft (1945 bis 1953) Die Jahre zwischen 1945 und 1953 markieren eine deutliche Zäsur in Erich Maschkes Lebensweg. Er wurde abrupt allen vertrauten Bezügen wie der eigenen Familie, der wissenschaftlichen Beschäftigung mit Geschichte, der bisherigen Lebenswelt in Leipzig, dem Wirken an der Universität und dem Kollegen- und Freundeskreis entrissen. Erich Maschke fand sich in einer Situation wieder, die ihn dem Hunger, der Kälte, Krankheiten, Willkür, Zwang und großer Ungewissheit aussetzte und ihn auf das Leben und Überleben in der Gegenwart beschränkte. Diese Jahre der Gefangenschaft vollzogen sich in zwei Etappen.

7.1 Die Internierung im Speziallager Mühlberg (1945 bis 1946) In einer autobiographischen Lebensbeschreibung Erich Maschkes1 heißt es lapidar: »Am 25.10.1945 wurde ich in Leipzig verhaftet und in sowjetische Kriegsgefangenschaft verbracht.« Die Zeit seiner Internierung in einem sowjetischen Speziallager findet hier und in keinem seiner weiteren autobiographischen veröffentlichten Texte Erwähnung, ein Umstand, über dessen Gründe man nur Vermutungen2 anstellen kann: Erschien ihm die Internierung im Rückblick als Bestandteil oder als der Auftakt zu seiner langjährigen Kriegsgefangenschaft, deren Schrecknisse alles Vorhergehende überdeckte und verblassen ließ? Wollte er sie nicht erwähnen, weil sich das gesellschaftliche Klima in der Bundesrepublik gegenüber ehemaligen Speziallagerhäftlingen seit dem Ende der sechziger, Anfang der siebziger Jahre gewandelt hatte: weil er sich wie viele andere zunehmendem Misstrauen ausgesetzt sah, das einherging mit der Auffassung, wer Insasse eines solchen Lagers gewesen sei, müsse schon braunen Dreck am Stecken gehabt haben? Wollte er nicht in einer Zeit der politischen Entspannung zwischen Ost und West als unverbesserlicher Kalter Krieger wahrgenommen werden oder hatte er beim Erzählen die Erfahrung gemacht, dass nicht verstanden wurde, was ihm in dieser Zeit widerfahren war? Über die Bedeutung der Internierung für sein Leben und für seine Einstellung gegenüber der sowjetischen Besatzungsmacht können somit keine Aussagen getroffen werden. Die Zeit von Oktober 1945 bis Juni 1946 stellt aus­ heutiger Sicht und Perspektive von außen den Beginn des großen Einschnittes 1 HStA Stuttgart, NL Erich Maschke J 40/10, Nr.  98, Lebensbeschreibungen (ohne Datum, wahrscheinlich nach 1968 verfasst). 2 von Plato, Sowjetische Speziallager in Deutschland 1945–1950. Ergebnisse eines deutschrussischen Kooperationsprojektes, S. 147–148.

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in Erich Maschkes Leben und Werk dar, der sich in der Kriegsgefangenschaft fortsetzte. Erich Maschke wurde in Leipzig von einer Operativen Gruppe des NKVD verhaftet, eines sowjetischen Geheimdienstes, der auf dem Gebiet der SBZ operierte und dem sowjetischen Innenministerium unterstand. Er nahm die Mehrzahl der Verhaftungen im Zeitraum Mai 1945 bis Juni 1946 vor. Diese Operativ­ organe des NKVD stützten sich von Anfang an auf die Zusammenarbeit mit den örtlichen Polizeidienststellen und auf Hinweise aus der Bevölkerung3. Aber auch die Tätigkeit der Antifa-Ausschüsse war für die sowjetischen Sicherheitsorgane in dieser Hinsicht von Belang4. Möglicherweise wurde das NKVD in Leipzig durch solche Hinweise oder eine Denunziation auch auf Erich Maschke aufmerksam gemacht; wahrscheinlich war es jedoch Maschkes Registrierung als Mitglied der SA infolge des Befehls Nr. 42 des Obersten Chefs der SMAD vom 27. August 1945, welcher die namentliche Auflistung aller ehemaligen Angehörigen der SS, der SA, der Gestapo sowie der Mitglieder der NSDAP bei den Militärkommandanten anordnete5 und ihn ins Blickfeld des sowjetischen Geheimdienstes rückte. Die rechtliche Grundlage für die Verhaftungen und Internierungen6 im Zeitraum Mai 1945 bis Oktober 19467 und damit auch für die Festnahme Erich Kilian, Mühlberg 1939–1948, S. 248. Greiner, Verdrängter Terror, S. 144. Vgl. dazu Prieß, Deutsche Kriegsgefangene als Häftlinge, S. 251. Nicht nur die Sowjetunion, sondern auch die westlichen Alliierten nahmen Internierungen vor: Allen dienten sie als vorläufige Sicherungsmaßnahmen unter politischen und militärischen Gesichtspunkten, die oft auf bloßen Verdacht vorgenommen wurden und die verhafteten Personen von der Außenwelt isolierten. Doch gibt es in der Zweckbestimmung der Internierung zwischen den Alliierten Unterschiede: Die westlichen Alliierten beabsichtigten, mit ihrer Hilfe die politisch Verantwortlichen für Kriegs- und Menschheitsverbrechen herauszufinden und sie im Rahmen der Entnazifizierung oder vor einem Militärgericht zu bestrafen. Ein solches Ziel konnte für die sowjetische Internierungspraxis bisher nicht belegt werden. Es fällt im Gegenteil auf, dass es keinen institutionalisierten Zusammenhang zwischen der Entnazifizierung in der SBZ und der sowjetischen Internierungspolitik zu geben scheint. Belegbar ist das durchlaufende Reparationsinteresse der Sowjetunion. Auch die Verhaftungspraxis der jeweiligen Besatzungsmächte fiel unterschiedlich aus. So betrafen die Verhaftungen in der SBZ einen weit größeren Kreis der Bevölkerung als in den anderen Zonen und bewirkten durch die Überstellung von Mitgliedern paramilitärischer NS-Orga­ nisationen in Kriegsgefangenenlager eine andere Zusammensetzung der Speziallagerhäftlinge: das spezifische Gewicht der NS-Belastung war unter den Insassen der Speziall­ager merklich geringer als unter den Häftlingen der westlichen Internierungslager. Die Urteilsgründe verwiesen im Westen in der Regel auf die NS-Zeit, im Osten in der Mehrheit hingegen nicht. Auch die Haftbedingungen in den alliierten Internierungslagern und die Überprüfung der anfänglichen Haftgründe unterschieden sich im Zeitverlauf und in den einzelnen Besatzungszonen deutlich: Die Überlebenschancen der Inhaftierten waren im Osten bedeutend niedriger als im Westen und die Haftzeiten weitaus länger. Vgl. dazu­ Niethammer, Alliierte Internierungslager in Deutschland nach 1945. 7 Nach eigenen Angaben verhafteten die sowjetischen Operativorgane NKVD und die militärische Spionageabwehr Smerš zwischen Mai und Oktober 1945 94 000 Personen. Im Okto3 4 5 6

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Maschkes bildete der Befehl Nr.  00315 des Volkskommissars für Inneres der UdSSR Lavrentij Berija vom 18. April 1945, demzufolge »Spione, Diversanten und Terroristen deutscher Geheimdienste, Angehörige aller Gruppen, die mit Widerstandsaktionen im Rücken der Roten Armee beauftragt waren, aktive Mitglieder der NSDAP«8 u. a. zu verhaften waren. Daneben war unter Punkt 3 festgelegt worden – und auch dies betraf Erich Maschke –, dass die militärischen und politischen Führungs- und Mannschaftsdienstgrade der Wehrmacht und der militä­ risch strukturierten Organisationen »Volkssturm«, »SS«, »SA« sowie das KZ- und Gefängnispersonal grundsätzlich in die Kriegsgefangenenlager des NKVD einzuliefern seien. Als Verhaftungsgrund Erich Maschkes nannte die Einlieferungsliste9 vom Speziallager Mühlberg seine Funktion als »SA-Sturmführer«. Doch ergibt sich daraus die Frage, warum Erich Maschke, sofern er tatsächlich diesen Rang innerhalb der SA bekleidet hatte, in ein Speziallager verbracht wurde und nicht, wie der Befehl Nr. 00315 es vorsah, in ein Kriegsgefangenenlager des NKVD. Doch Erich Maschke war kein Sonder- oder Einzelfall: Es gehörte wahrscheinlich schon zur gängigen Praxis der sowjetischen Verhaftungsorgane, Angehörige der paramilitärischen Organisationen nach ihrer Gefangennahme an die Spe­zial­lager des NKVD zu überstellen10. Diese Praxis fand wohl ihre Ursache in dem Umstand, dass nicht ausreichend Platz in den vorhandenen Lagern zur Verfügung stand, weil der Abtransport der Kriegsgefangenen in die UdSSR wegen der großen Transportprobleme zwischen der SBZ und der UdSSR stockte und der Bedarf an zusätzlichen Arbeitskräften in den sowjetischen Lagern zeitweilig stagnierte.11 Daher wurde auch das Speziallager in Mühlberg zur Zwischenstation für viele auf dem Weg in die sowjetische Kriegsgefangenschaft12, so auch für Erich Maschke. Die Einlieferungsliste, auf der Erich Maschkes Name erschien, war auf den 26. November 1945 datiert und wirft die Frage nach dem Verbleib Maschkes in der Zwischenzeit auf. Mit großer Wahrscheinlichkeit wurde er in einem der so genannten »Inneren Gefängnisse«13 des NKVD festgehalten, wie sie in öffent ber 1946 befanden sich in allen Speziallagern knapp 76 000 Häftlinge. Von diesen waren etwa 63 000  als Internierte nach dem NKVD-Befehl Nr.  00315 gezählt. Zahlen und Aufschlüsselung der Internierten nach Greiner, Verdrängter Terror, S. 73–77. 8 Zit. n. Niethammer, Alliierte Internierungslager in Deutschland nach 1945, S.  106. Der Wortlaut dieses Befehls findet sich bei von Plato, Sowjetische Speziallager in Deutschland, S.  136–137. Zur Genese dieses Befehls Possekel, Einleitung: Sowjetische Lagerpolitik in Deutschland; Greiner, Verdrängter Terror, S. 55–63. 9 Kopie der Einlieferungsliste in das Speziallager Mühlberg vom 26.11.1945 aus dem Bestand der Initiative Mühlberg e. V. (im Besitz der Verfasserin). 10 Prieß, Deutsche Kriegsgefangene als Häftlinge, S. 251. 11 Zur Herausbildung dieser Praxis vgl. Prieß, Deutsche Kriegsgefangene als Häftlinge, S. 253–255. 12 Kilian, Mühlberg 1939–1948, S. 238. 13 Nach Possekel, Einleitung: Sowjetische Lagerpolitik in Deutschland, S.  61, wurde diese­ Bezeichnung aus dem sowjetischen Sprachgebrauch übernommen, der damit Haftorte beschreibt, die sich im Inneren der jeweiligen NKVD-Gefängnisse befanden. Unter der deutschen Bevölkerung wurden sie »GPU-Keller« genannt.

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lichen Gebäuden, in Gefängnissen oder in konfiszierten Privathäusern eingerichtet worden waren. Nicht nur in Leipzig, sondern auch in Halle, Magdeburg, Leipzig, Dresden und anderswo gab es diese Sammel- und Untersuchungsgefängnisse des NKVD. Hier erlebten die Festgehaltenen die ersten, oft nächtlichen und vielstündigen Verhöre14, Folterungen und Schläge, mussten unter extrem unhygienischen Verhältnissen leben und litten unter der teilweise völlig unzureichenden Ernährung15. Hinzu kamen noch die großen psychischen Belastungen durch die Ungewissheit, in der die Verhafteten gehalten wurden, sowie ihre Rechtlosigkeit: Ohne Haftbefehl festgehalten, ohne die Mitwirkung eines Staatsanwaltes, ohne Verhandlung oder Verurteilung und ohne eine zeitliche Begrenzung ihrer Haft sahen sie sich der Praxis der sowjetischen Untersuchungsorgane vollkommen ausgeliefert16. Diese Praxis war durch Vorverurteilungen und häufig durch den Verzicht auf materielle Beweismittel gekennzeichnet und setzte die in der stalinistischen Ära in der Sowjetunion gebräuchlichen Methoden des NKVD in den Gefängnissen der SBZ fort17. Nur in Ausnahmen kam es nach den Verhören zu einer Entlassung des Befragten, in der Mehrheit der Fälle entschieden sich die Vernehmer für eine Anklageerhebung vor einem sowjetischen Militärtribunal, wenn das Material der Untersuchung dafür ausreichte, oder für eine Überstellung des Gefangenen in ein Speziallager. Diese Haftmaßnahmen18 dienten der neueren Forschung nach nicht der Entnazifizierung, sondern hatten eine schnellstmögliche Normalisierung und präventive Befriedung des Besatzungsgebietes zum Ziel. Sicherheitspolitische Erwägungen, politische Zweckmäßigkeit und tagespolitischer Opportunismus bestimmten darüber, wer verhaftet, verurteilt, interniert oder entlassen wurde. Die Speziallager waren laut Greiner ausschließlich für die Festsetzung derjenigen vorgesehen, die nach sowjetischer Auffassung die Interessen der sowjetischen Besatzungsmacht gefährden konnten bzw. vermeintlich dazu in der Lage waren19. Allein aus Erich Maschkes Verhaftung und Internierung im Spezial14 Nach Greiner war es völlig nebensächlich, ob die Verhafteten die Wahrheit sagten oder nicht. Von Interesse war nur, was der Vernehmer hören wollte sowie die eigenhändige Unterschrift des Verhafteten unter die für ihn meist in unverständlichem Russisch verfassten Protokolle. Damit »gab« er seine »Schuld zu«. Greiner sieht in dieser Prozedur einen weiteren wesentlichen Unterschied zur Internierungspraxis der westlichen Besatzungsmächte. Greiner, Verdrängter Terror, S. 35. 15 Jeske, Versorgung, Krankheit und Tod in den Speziallagern, S. 192–193. 16 Kilian, Mühlberg 1939–1948, S. 299. 17 Erler, Zur Tätigkeit der sowjetischen Militärtribunale in Deutschland, S. 207. 18 Nach Greiner hing es nicht allein vom NKVD ab, ob ein Verhafteter interniert oder verurteilt wurde. Es konnten auch andere Dienststellen der sowjetischen Besatzungsmacht Prozesse vor einem sowjetischen Militärtribunal (SMT) initiieren. Daher erscheint es für die Überstellung in ein Speziallager entscheidend gewesen zu sein, von wem eine Anordnung an die Operativorgane zwecks Aufnahme von Ermittlungen erging und ob mit dieser Anweisung bestimmte Strafmaßnahmen vorgeschrieben wurden. Greiner, Verdrängter Terror, S. 128 f. Zu beiden Punkten sind im Falle Erich Maschkes bisher keine Aussagen möglich. 19 Greiner, Verdrängter Terror, S. 27–33.

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lager Mühlberg20 lassen sich daher keine Rückschlüsse auf das Ausmaß seiner politischen Belastung und die Recht- bzw. Unrechtmäßigkeit dieser Maßnahmen im Sinne einer Sühne ziehen. In Mühlberg an der Elbe, zwischen Riesa und Torgau gelegen, hatte seit 1939 ein Kriegsgefangenenlager Stalag IV B bestanden, das für ungefähr 10 000 Personen bestimmt gewesen war und vor allem sowjetische Kriegsgefangene und Angehörige der polnischen Armia Krajowa aufgenommen hatte. Von April bis September 1945 diente es dem sowjetischen Sicherheitsapparat zur Überprüfung von Sowjetbürgern in Deutschland. Danach wurde auf dem 30 Hektar großen Gelände das Isolierungs- und Speziallager Nr. 1 des NKVD/MVD aufgebaut, das 1948 aufgelöst wurde. Bis dahin kamen ungefähr 21 800 Verhaftete nach Mühlberg, ca. 6765 Menschen starben hier. Erich Maschke fand sich dort nach der üblichen Aufnahmeprozedur21 als Teil des so genannten »Spezkontingentes« und Insasse des komplexen Speziallagersystems wieder. Zum Zeitpunkt seiner Einlieferung befand sich das Lager Mühlberg wie die anderen Spezial­ lager in der SBZ in seiner Aufbauphase. Das Lager wurde auf primitive Weise instand gesetzt und die Lagereinzäunung und zahlreiche Abgrenzungen innerhalb des Geländes ausgebaut. Die Belegung stieg im Sommer und Herbst 1945 schnell sehr stark an22, doch die Lebensmittelversorgung der Häftlinge war kaum gesichert23. Diese extremen Bedingungen sowie andere Faktoren24 verursachten unter den geschwächten Häftlingen eine erste Sterblichkeitswelle im Winter 1945/46. Krankheiten wie Tuberkulose und Diphtherie breiteten sich rasch aus. Zur völligen Isolierung der Internierten von der Außenwelt nach dem Ende der Aufbauphase gehörte die ab Frühjahr 1946 konsequent umgesetzte 20 Ende 1945 gab es in der SBZ 9 geheime Speziallager: Mühlberg, Buchenwald, Hohenschönhausen, Bautzen, Ketschendorf, Jamlitz, Werneuchen/Weesow, Sachsenhausen, Torgau und Fünfeichen. Zur Geschichte des Lagers Mühlberg von 1939 bis 1948 Kilian, Mühlberg 1939– 1948; ders., Einzuweisen zur völligen Isolierung; ders., Das Speziallager Nr. 1 Mühlberg/ Elbe 1945–1948 sowie Klonovsky/von Flocken, Stalins Lager in Deutschland 1945–1950. 21 In den meisten Fällen wurden die »Neuzugänge« durchsucht und von den Zonen- oder Hilfsleitern in die Baracken eingewiesen, wo sie von den Barackenältesten in Empfang genommen wurden. Ihre Registriernummer wurde ihnen nicht genannt und auch ihre aktenmäßige Erfassung spielte sich ohne sie ab. Kilian, Mühlberg 1939–1948, S. 299. 22 Am 28.12.1945 waren 9992 Männer, Frauen und Jugendliche in Mühlberg interniert. Zit. n. Kilian, Mühlberg 1939–1948, S. 270. 23 Die Versorgung mit Trinkwasser wurde massiv eingeschränkt, als Nahrungsmittel dienten dem Spezkontingent fast nur Graupen und Brot. Warme Speisen bestanden bis zum Sommer 1946 durchweg aus Pülpe, einem Zusatzmittel für die Schweinemast. Infolge der Isolierung des Lagers von außen gab es keinen anderen Zufluss von Lebensmitteln, daher war Dystrophie ab Februar 1946 die häufigste Todesursache in Mühlberg. Kilian, Das Spezial­ lager Nr. 1 Mühlberg 1945–1948, S. 285. 24 Natalja Jeske weist in ihrem Beitrag auf die allgemeine gesundheitliche Nachkriegssituation, die Besonderheiten der Altersstruktur der Häftlinge sowie auf den besonderen psychischen und physischen Druck, unter dem die Internierten standen, als weitere Faktoren hin. Vgl. Jeske, Versorgung, Krankheit, Tod in den Speziallagern, S. 193.

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Einschränkung von Häftlingsarbeiten außerhalb des Lagers, wie es die Lagerordnung vorsah. Dies galt für alle Speziallager in der SBZ, nicht nur für Mühlberg. Unter dieser Folter des Nichtstundürfens litten daher bis zu 90 % der Mühlberger Internierten25, die sich selbst überlassen blieben. War vorher zumindest noch die Möglichkeit gegeben, in den arbeitsfreien Stunden Vorträge zu hören, an improvisierten Matinees teilzunehmen oder im Männerchor mitzusingen26, so war dies alles seit dem Frühjahr 1946 untersagt. Aus diesem Grund ist es sehr wahrscheinlich, dass auch Erich Maschke keine Gelegenheit mehr hatte, seine Mithäftlinge mit historischen Vorträgen zu unterhalten, weiterzubilden und für eine Weile dem Lageralltag zu entziehen, wie er es wohl vorher getan hatte. Dies geht aus einem Brief hervor, den Erich Maschke nach seiner Rückkehr aus sowjetischer Kriegsgefangenschaft 1956 von dem Historiker Werner Frauendienst, ehemals in Halle tätig, erhielt und der das einzige bekannte nichtoffizielle Zeugnis für Erich Maschkes Internierung in Mühlberg ist: »In den verflossenen Jahren habe ich manches Mal von Ihnen gehört, als ich von 1945 bis 1952 in Zinna und Torgau, Buchenwald und Waldheim erst von den Russen, dann von der SBZ eingesperrt saß. Denn von Ihrem Mühlberg kamen ja unsere Leidensgenossen zu uns nach Buchenwald, und die von Ihnen bisher historisch und geistig Betreuten wurden nun meine Schutzbefohlenen. […]«27

Nach der Alters- und Geschlechtsaufschlüsselung, nach seinem bisherigen Wohnort sowie nach seinen im Nationalsozialismus ausgeübten Parteifunktionen entsprach Erich Maschke in etwa der Mehrzahl seiner Leidensgefährten und Schüler28. Über drei Viertel der Häftlinge waren Männer im Alter von über 40 Jahren29, stammten in der Mehrzahl (zu ca. 52 %) aus Sachsen30 und waren im Dritten Reich nur selten Inhaber höherer Parteifunktionen gewesen31. Die Insassen des Lagers waren zu keiner Zeit durch ein sowjetisches Militärtribunal Verurteilte oder andere Strafgefangene32. Knapp ein Drittel (33,1 %, d. h. 3301 Personen) der am 28.12.1945 in Mühlberg Festgehaltenen waren Angehörige der Wehrmacht oder Mitglieder bewaffneter NS-Organisationen, d. h. nach 25 Jeske, Versorgung, Krankheit, Tod in den Speziallagern, S. 263. 26 Kilian, Einzuweisen zur völligen Isolierung, S. 83. 27 HStA Stuttgart, NL Erich Maschke J 40/10, Bü 59, Brief von Werner Frauendienst an Erich Maschke vom 9.8.1956. 28 Ob sich unter den Mitgefangenen weitere Hochschullehrer aus Leipzig befanden, ist unbekannt. 29 Niethammer, Alliierte Internierungslager in Deutschland nach 1945: Ein Vergleich und offene Fragen, S. 108. Natalja Jeske zitiert Angaben aus den seit April 1946 erschienenen lagerinternen Berichten zur Altersstruktur der Lagerbelegung, nach denen der Anteil der über 45jährigen in Jamlitz 55 %, in Fünfeichen 64 % und in Mühlberg ebenfalls 64 % betrug. Jeske, Versorgung, Krankheit, Tod in den Speziallagern, S. 194. 30 Kilian, Mühlberg 1939–1948, S. 252. 31 Ebd., S. 253. 32 Ebd., S. 10.

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Befehl Nr. 00315 vom 18. April 1945 eigentlich Kriegsgefangene. Ihre Einteilung in diese Kategorie von Häftlingen wurde jedoch den Betreffenden weder bei ihrer Verhaftung noch bei ihrer Überstellung in ein Speziallager mitgeteilt. Ihr weiteres Schicksal hing nun davon ab, ob die verhaftenden Operativorgane bei ihrer Festnahme auf Belastungsmomente gestoßen waren. Wenn ja, hatte dies automatisch die Aberkennung ihres bisherigen Status als Kriegsgefangene sowie ihren Verbleib in einem Speziallager zur Folge33. Darüber hinaus spielte es eine entscheidende Rolle, ob die als Kriegsgefangene Internierten in einem gesundheitlich akzeptablen Zustand waren, da sie in diesem Fall als Arbeitskräfte für die Deportation in die Sowjetunion bestimmt waren. Waren sie nicht arbeitsfähig, konnten sie 1946 und 1947 aus dem Speziallager entlassen werden, da sie als Kriegsgefangene nicht in den Zuständigkeitsbereich der Spezial­lager des NKVD gehörten34. Erich Maschke betreffend, kann aus diesen Angaben der Schluss gezogen werden, dass gegen ihn offenbar kein belastendes Material vorgelegen hatte: er wurde im Sommer 1946 »offiziell« zum Kriegsgefangenen deklariert. Dabei wurde der SA-Dienstrang Maschkes wie der aller anderen SA-Leute in Offiziersdienstgrade übersetzt35. Auch muss er zu diesem Zeitpunkt – nach Einschätzung einer Kommission36 aus Angehörigen des medizinischen Dienstes sowie der sowjetischen Leitung des Lagers Mühlberg im Juni 1946 – für den Arbeitseinsatz in der Sowjetunion einsetzbar gewesen sein: Er verließ, wahrscheinlich in einem Transport am 24. Juli 1946, das Lager Mühlberg und wurde in das Kriegsgefangenenlager Nr. 69 der GUPVI des MVD37 Frankfurt/O. als erste Etappe auf dem Weg in die sowjetische Kriegsgefangenschaft überstellt. Dieses Schicksal teilte er mit insgesamt 2110 Männern des Speziallagers Mühlberg. In Frankfurt wurde ihnen ihr neuer Status als Kriegsgefangene mitgeteilt, wonach sie als Soldaten eingekleidet wurden38. Von dort wurde Erich Maschke im August 1946 in die Sowjetunion deportiert.

33 Prieß, Deutsche Kriegsgefangene als Häftlinge in den Speziallagern, S. 255. 34 Ebd. 35 Kilian, Mühlberg 1939–1948, S. 238. 36 Dabei diente die Richtlinie des NKVD vom 17.7.1942 zur Einteilung der Kriegsgefangenen als Grundlage. Zu Kategorien 1 und 2, d. h. zu den Arbeitsfähigen, zählten alle die­jenigen, die praktisch gesund und zur körperlichen Arbeit uneingeschränkt tauglich bzw. eingeschränkt arbeitsfähig waren, sofern sie an chronischen Krankheiten litten. Nach Kilian, Mühlberg 1939–1948, S. 279. 37 Russische Abkürzung für Hauptverwaltung des NKVD/MVD für Kriegsgefangene und Internierte. 38 Kilian, Mühlberg 1939–1948, S. 280 sowie eigene Angaben von Erich Maschke. Wie sich Helmut Wolff erinnert, war Erich Maschke erleichtert, als er aus dem Internierungslager in ein Lager für Kriegsgefangene kam und ihm der völkerrechtlich gesicherte Status eines Kriegsgefangenen zuerkannt wurde. E-Mail von H. Wolff an die Verfasserin vom 12.4.2004.

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7.2 In sowjetischer Kriegsgefangenschaft (1946 bis 1953) Erich Maschke bezeichnete in seiner Einführung zur ersten Publikation der Wissenschaftlichen Kommission für deutsche Kriegsgefangenengeschichte die Kriegsgefangenschaft als eine »furchtbare Erscheinung unserer Zeit«. Sie sei »eines der großen Massenschicksale der Gegenwart«39, das gekennzeichnet sei durch »die totale Verfügungsgewalt über Menschen, die Kriegsbeute geworden sind, und durch den totalen Verlust der Freiheit, der diese Menschen traf«40. Diese allgemeine Charakteristik der Kriegsgefangenschaft präzisierte Erich Maschke noch in Bezug auf die Gefangenschaft in der Sowjetunion. Die Ungewissheit der Dauer, schwere Unterernährung, eine teilweise brutale Behandlung, der mangelnde Rechtsschutz, systematische Indoktrination und das Spitzelwesen in den Lagern sowie die Beschränkungen im Postverkehr erkannte er als bestimmende Merkmale der Kriegsgefangenschaft in der Sowjetunion41. Erich Maschke teilte dieses Schicksal der sowjetischen Kriegsgefangenschaft42 seit seiner Überstellung in das Kriegsgefangenenlager Frankfurt/Oder. Damit war er einer von ca. 35 Millionen Kriegsgefangenen des Zweiten Weltkrieges sowie einer von rund 39 Maschke, Das Schicksal der deutschen Kriegsgefangenen des Zweiten Weltkrieges als Aufgabe zeitgeschichtlicher Forschung, 1962, S. VI. 40 Ebd., S. VII. 41 Cartellieri, Die deutschen Kriegsgefangenen in der Sowjetunion. Die Lagergesellschaft, S. 33. 42 Zum Gesamtkomplex der Kriegsgefangenschaft in der Sowjetunion und zu einzelnen Teilaspekten sind in den letzten Jahren ein Reihe von Publikationen erschienen. Grundlegende Einblicke vermitteln die Publikation von Müller/Nikischkin/Wagenlehner (Hg.), Die Tragödie der Gefangenschaft in Deutschland und in der Sowjetunion 1941–1956 bzw. von Hilger, Deutsche Kriegsgefangene in der Sowjetunion 1941–1956. Kriegsgefangenenpolitik, Lageralltag und Erinnerung; ferner Karner, Im Archipel GUPVI sowie ders. (Hg.), »Gefangen in Russland«. Erwähnt sei aus der Fülle der Literatur weiterhin Borchard, Die deutschen Kriegsgefangenen in der Sowjetunion. Zur politischen Bedeutung der Kriegsgefangenenfrage 1949–1955, der neben der Bearbeitung des Spezialthemas einen guten Überblick über verschiedene Aspekte der Kriegsgefangenschaft in der UdSSR gibt. Als weniger ergiebig erwiesen sich dagegen aus der neueren Literatur Peter/Epifanow, Stalins Kriegsgefangene; Overmans, Soldaten hinter Stacheldraht; sowie Peter (Hg.), Von Workuta bis Astrachan. Aus der älteren Literatur ist auf Lehmann, Gefangenschaft und Heimkehr, hinzuweisen sowie natürlich auf die sieben Bände der Dokumentationsreihe »Zur Geschichte der deutschen Kriegsgefangenen des Zweiten Weltkrieges«, die sich allein mit den verschiedenen Aspekten der Gefangenschaft in der Sowjetunion befassten. In der Reihenfolge der Gesamtreihe waren dies: Band II: Cartellieri, Die deutschen Kriegsgefangenen in der Sowjetunion. Die Lagergesellschaft; Band III: Fleischhacker, Die deutschen Kriegsgefangenen in der Sowjetunion. Der Faktor Hunger; Band IV: Ratza, Die deutschen Kriegsgefangenen in der Sowjetunion. Der Faktor Arbeit; Band V 1–3: Bährens, Deutsche in Straflagern und Gefängnissen der Sowjetunion; Band VI: Schwarz, Die deutschen Kriegsgefangenen in der Sowjet­union. Aus dem kulturellen Leben; Band VII: Böhme, Die deutschen Kriegsgefan­ genen in sowjetischer Hand. Eine Bilanz und Band VIII: Robel, Die deutschen Kriegsgefangenen in der Sowjetunion. Antifa.

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3 Millionen43 deutschen Gefangenen, die sich nach Kriegsende in sowjetischem Gewahrsam befanden. Wenn im folgenden verschiedene Aspekte der achtjährigen Kriegsgefangenschaft Erich Maschkes näher beleuchtet werden, wird am Begriff der »Kriegsgefangenschaft« festgehalten, obwohl Maschke im Sinne der Haager Landkriegsordnung von 1907 sowie des Genfer Abkommens über die Behandlung von Kriegsgefangenen von 192944 kein Kriegsgefangener war. Da er diesen Begriff aber selbst auf sich bezog45 und im Verständnis der sowjetischen Gewahrsamsmacht ein »Kriegsgefangener« war46, erscheint die weitere Verwendung dieses Begriffes gerechtfertigt und sinnvoll. In den Jahren seiner Kriegsgefangenschaft in der Sowjetunion 1946 bis 1953 durchlief Erich Maschke acht Lager47, die Neben- und Teillager nicht mitgezählt48. 43 Zum Klärungsbedarf hinsichtlich der Zählweise der Kriegsgefangenen vgl. Zeidler/Schmidt (Hg.), Gefangene in deutschem und sowjetischem Gewahrsam 1941–1956, S. 9. 44 Ihnen zufolge gelten als Kriegsgefangene vom Feind gefangen genommene Angehörige der Streitkräfte aller Waffengattungen sowie Angehörige von Milizen und Verbänden Freiwilliger, sofern sie unter Führung eines Verantwortlichen stehen, ein aus der Ferne erkennbares Abzeichen tragen, ihre Waffen offen tragen, das Kriegsrecht beachten und danach handeln. Kriegsvölkerrecht. Leitfaden für den Unterricht (Teil 7), Allgemeine Bestimmungen des Kriegsführungsrechts und Landkriegsrechts, März 1961 bzw. Kriegsvölkerrecht. Leitfaden für den Unterricht (Teil 4), Das Recht der Kriegsgefangenen, August 1959. 45 Z. B. HStA Stuttgart, NL Erich Maschke J 40/10, Nr. 98, Lebensbeschreibungen. Wie sich Dr. H. Wolff an Gespräche mit Erich Maschke erinnerte, war dieser erleichtert gewesen, als er aus dem Internierungs- in ein Kriegsgefangenenlager kam und ihm der Status eines­ »voennoplennyj« zugesprochen wurde, wenn auch nach eigener Meinung eigentlich unberechtigt. E-Mail von Dr. H. Wolff an die Verfasserin vom 12.4.2004. 46 Vgl. Kapitel Internierung. 47 Dies waren Juli bis 25. (?) August 1946 Frankfurt/O., September 1946 bis Mai 1947 Liepaja (Libau) Zuckerlager 7349/3, Mai 1947 bis Oktober 1947 Krjukovo bei Moskau 7849, Oktober 1947 bis Juli 1951 Boroviči 7270, wo er Verhaftung und Verurteilung im Kontext der Massenprozesse gegen deutsche Kriegsgefangene erlebte; Juli 1951 bis Mai 1952 Pervomajsk oder Majka, Bezirk Sverdlovsk 6118/B; Mai 1952 bis Oktober 1952 Degtjarka (Straflager), Bezirk Sverdlovsk 6118/D; Oktober 1952 bis September Pervouralsk, Bezirk Sverdlovsk 6118/? P. Der Tag der Entlassung war der 27.9.1953. Antrag Erich Maschkes auf Gewährung einer Entschädigung nach § 3 des Kriegsgefangenenentschädigungsgesetzes vom 4.5.1954. (Schreiben der Deutschen Dienststelle (WASt) Berlin an die Verfasserin vom 31.8.2001). Die Tatsache, dass Erich Maschke die letzten Jahre seiner Kriegsgefangenschaft in Lagern im Bezirk Sverdlovsk verbrachte, erklärt sich aus einer Festlegung der sowjetischen Hauptverwaltung für Kriegsgefangene und Internierte (GUPVI) vom März 1950, welche die Lagerorte für die Unterbringung verurteilter Kriegsgefangener bestimmte. Danach sollten die europäischen Gefangenen in Lagern in den Gebieten Novgorod, Dnepopetrovsk, Stalingrad, Stalino, Vorošilovgrad, Rostov, Moskau und Sverdlovsk in einer Gesamtkapazität von 15 300 Plätzen untergebracht werden. Vgl. dazu und zu den Motiven für diese Maßnahmen Hilger, Die sowjetischen Straflager für verurteilte deutsche Kriegsgefangene, S.  125–127. Zu den einzelnen Lagern vgl. auch die Angaben in Austermühle u. a. (Hg.), Orte des Gewahrsams von deutschen Kriegsgefangenen in der Sowjetunion (1941–1956). 48 W-131, der in der Einleitung zu Schwarz, Die deutschen Kriegsgefangenen in der Sowjetunion. Aus dem kulturellen Leben, S.  IXL, zitiert wurde und anhand der Archivalien

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Von Frankfurt/O. aus verschlug es ihn etappenweise immer weiter in den Osten der Sowjetunion: War das Lager Liepaja (Libau) in Lettland noch an der Ostseeküste gelegen, so befanden sich die nächsten Stationen seiner Gefangenschaft Krjukovo und Boroviči im Großraum Moskaus bzw. Leningrads. Maschkes Weg durch die Kriegsgefangenenlager führte ihn schließlich bis in den Westural in die Umgebung von Sverdlovsk. Die zunehmende Kontinentalität des Klimas in Richtung Osten sorgte dafür, dass in den Lagern im Ural die Gefangenen langen kalten Wintern und kurzen heißen Sommern ausgesetzt waren; es ist nicht bekannt, wie Erich Maschke gesundheitlich darauf reagierte. Das über lange Zeit andauernde Leben in nicht nur klimatisch extremen Verhältnissen hatte jedoch starke Auswirkungen gerade auf den Gesundheitszustand älterer Gefangener49. Warum Erich Maschke in den einzelnen Lagern so unterschiedlich lang – von sechs Monaten bis vier Jahren – festgehalten wurde, lässt sich nicht ermitteln. Bedenkt man, dass die Mehrheit der Kriegsgefangenen vermutlich ein- bis zweimal im Jahr das Lager gewechselt hat50, so muss sein vierjähriger Aufenthalt in den Lagern von Boroviči Erstaunen hervorrufen51. Dennoch darf der Übergangscharakter, den der Lageraufenthalt im Warten auf die Heimkehr stets hatte, nicht verkannt werden. Die Gefangenen lebten im Provisorium, d. h., es fehlten ihnen überschaubare zeitliche Orientierungspunkte, in denen Gegenwart und Zukunft gestaltet und so mit Sinn und Leben erfüllt werden konnten. In einem negativen Sinne lebten sie daher »zeitlos«, also auch ohne Zukunft52. Neben Lazarett und Küche gab es in vielen dieser sowjetischen Lager eine Bäckerei, Schusterwerkstatt, Wäscherei und Friseurstube. Zu fast allen Lagern gehörte auch ein Badehaus53. Jedes der Lager stellte ein System dar, das durch eine eigene soziale Schichtung der Insassen gekennzeichnet war. Gruppenegoismen wie die der Altgefangenen bildeten sich angesichts des ständigen Kommens und Gehens von Gefangenen aus, unterlagen aber auch selbst Veränderungen durch die Einwirkung verschiedener Faktoren: So bewirkte beispielsweise die gemeinsame Arbeit wie auch die Möglichkeit, ab Herbst 1949 Pakete mit Lebensmitteln von zu Hause zu empfangen, den Aufbau einer neuen sozialen der Wissenschaftlichen Kommission für deutsche Kriegsgefangenengeschichte als Erich Maschke identifiziert werden konnte. (HStA Stuttgart, NL Erich Maschke J 40/10, Bü 114, Angaben von Erich Maschke zum Thema Antifa vom 10.12.1969). Er gibt an, von 1945 bis 1953 in elf Lagern gewesen zu sein. In dieser Zählung wurden wahrscheinlich auch die Nebenlager von Boroviči erfasst. 49 Der Anteil an Nerven- und Gemütskranken unter ihnen erhöhte sich deutlich im Laufe der Zeit. Hilger, Die sowjetischen Straflager für verurteilte deutsche Kriegsgefangene, S. 132. 50 Lehmann, Gefangenschaft und Heimkehr, S. 40. 51 Eine Erklärung dafür könnte sein, dass nach der Verurteilungsaktion 1949/50 die Gefangenen im Allgemeinen längere Zeit in ein und demselben Lager blieben. Cartellieri, Die deutschen Kriegsgefangenen in der Sowjetunion. Die Lagergesellschaft, S. 87. 52 Ebd. 53 Ebd., S. 38.

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Schichtung in den Lagern54. Über Erich Maschkes Stellung innerhalb dieser sozialen Systeme lassen sich bislang noch keine Aussagen treffen. Die Lager, in denen er festgehalten wurde, unterschieden sich nach Anzahl der Teillager und Belegungsstärke beträchtlich voneinander. So waren beispielsweise in den acht Teillagern von Liepaja ca. 12 000  Personen55 unter­gebracht, während in Pervomajsk ungefähr 1200 bis 2000 Kriegsgefangene Erich Maschkes Schicksal teilten. Auch in den Lagern im Ural schwankte die Anzahl der Festgehaltenen zwischen 500–2500 Personen. Mit ungefähr 19 Nebenlagern stellte Boroviči das größte Lager dar. Erich Maschkes Mitgefangene gehörten verschiedenen Nationen an; sie waren Österreicher, Jugoslawen, Ungarn, Tschechen, Spanier, Polen und andere. Untergebracht waren sie meist in Holz-, Steinoder Erdbaracken56, die oft überbelegt und immer reparaturbedürftig waren57. Die Verpflegung wurde in den Lagerspiegeln als unzureichend/schlecht bis durchschnittlich beschrieben, so wie auch die Qualität der medizinischen Versorgung als unterschiedlich bezeichnet wurde58. Es fehlte in den Lazaretten und Spezialhospitälern an Betten, Medikamenten und Lebensmitteln59. Über den Gesundheits- und Ernährungszustand Erich Maschkes während der Gefangenschaft gibt es nur wenige Zeugnisse. Nach eigener Auskunft befand er sich »in Libau seinerzeit in einem sehr schlechten Gesundheitszustand«60 und bezeichnete sich im Sommer 1947 »noch als Dystrophiker«. Diese knappen Bemerkungen über seine körperliche Verfassung in den ersten Jahren der Gefangenschaft zeichneten ein Bild, welches der allgemeinen Ernährungssituation der Kriegsgefangenen in dieser Zeit entsprach. Im Jahre 1946 hatte es große Missernten gegeben61, die ab Oktober die Kürzung der Verpflegungszuschläge für arbeitende Kriegsgefangene um bis zu 40 % zur Folge hatten62. Im November verschlechterte sich die ohnehin geringe Qualität des Brotes und Zuschläge wurden auf maximal 100 g beschränkt. Daher stiegen die Fälle von Dystrophie und

54 Lehmann, Gefangenschaft und Heimkehr, S. 42–45. Der Paketverkehr lief ab Frühjahr 1951 richtig an. 55 Für die nähere Beschreibung der einzelnen Lager wurden die so genannten »Lager­spiegel« des DRK, Suchdienst München, Zentrale Auskunfts- und Informationsstelle, herangezogen, die sich in Kopie im Besitz der Verfasserin befinden. Nicht nur in Liepaja, sondern auch in Degtjarka und in Pervomajsk (Majka) befanden sich auch Zivilinternierte unter den Insassen der Lager. 56 Das Lager Krjukovo war ein Zeltlager. Schwarz, Die deutschen Kriegsgefangenen in der Sowjetunion. Aus dem kulturellen Leben, S. XXXI. 57 Hilger, Die sowjetischen Straflager für verurteilte deutsche Kriegsgefangene, S. 132. 58 Die Gefangenen charakterisierten diese z. B. für Boroviči als primitiv, während die medizinische Versorgung in Pervouralsk als »mäßig« wahrgenommen wurde. Vgl. »Lagerspiegel« des DRK-Suchdienstes. 59 Hilger, Die sowjetischen Straflager für verurteilte deutsche Kriegsgefangene, S. 132. 60 HStA Stuttgart, NL Erich Maschke J 40/10, Bü 58, Schreiben an DRK vom 18.6.1965. 61 Vgl. dazu auch Altrichter, Kleine Geschichte der Sowjetunion 1917–1991, S. 115. 62 Hilger, Deutsche Kriegsgefangene in der Sowjetunion 1941–1956, S. 135–136.

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Lungenentzündung rapide an. Der Gesundheitszustand der Gefangenen verschlimmerte sich im Winter 1946/47 dramatisch: Im Januar 1947 musste über alle Kriegsgefangenenlager der Ausnahmezustand verhängt werden. Erst in der zweiten Jahreshälfte 1947 gingen Krankenstand und Sterblichkeit wesentlich zurück63. Die schlechte Verpflegung im Lager Krjukovo in dieser Zeit64 war­ sicherlich einer der Gründe dafür, dass laut Lagerspiegel Dystrophie die hauptsächliche Todesursache unter den Häftlingen war. Schlechte, häufig sehr einseitige Ernährung und die teilweise mangelhafte medizinische Versorgung schwächten die Gefangenen und ließen die Arbeit, die sie unter diesen Umständen leisten mussten, oftmals zur Qual werden. Diese Arbeitsausnutzung der Kriegsgefangenen war einer der wichtigsten Beweggründe sowjetischerseits für die Zurückhaltung der Kriegsgefangenen. Wie Hilger feststellte65, war schon in den ersten sowjetischen Verfügungen 1945 die Repatriierung der Kriegsgefangenen vornehmlich an ihre Arbeitsfähigkeit gekoppelt worden. Diese Verknüpfung bestimmte die gesamte sowjetische Repatriierungspolitik nach 1945. Der Arbeitseinsatz der Kriegsgefangenen entsprach den Schwerpunkten der sowjetischen Wirtschaftspolitik und den inneren Machtverhältnissen66. So wurden die Gefangenen in der Energiewirtschaft, vorrangig im Kohlebergbau, sowie bei Bauprojekten in Industrie, Rüstung und Verkehr eingesetzt. Dies führte wiederum dazu, dass sich ihr Einsatz auf Regionen in Russland mit Sibirien und dem Ural sowie auf die Ukraine konzentrierte. Die Gefangenen arbeiteten meist in Brigaden von durchschnittlich 20 bis 40 Mann67. Den überwiegenden Teil der Arbeiten bildeten Tätigkeiten, die einen erheblichen physischen Kraftaufwand erforderten – wie sie im Bergbau, bei Wald-, Steinbruchoder Erdarbeiten auftraten68. Es ist unsicher, ob Erich Maschke vor seiner Verurteilung 1949 an diesen Arbeiten teilnehmen musste und wann ihm der Status eines Stabsoffiziers zugesprochen69 wurde. Einerseits gibt es Hinweise darauf, 63 Gorbunov, Deutsche Kriegsgefangene in der UdSSR: Unterbringung und medizinische Versorgung, S. 48–50. Der Anteil arbeitsfähiger Kriegsgefangener lag am 1.3.1947 bei ca. 75 % und damit fast 15 % unter dem Stand vom 1.10.1946. Hilger, Deutsche Kriegsgefangenen in der Sowjetunion 1941–1956, S. 135. Zum Gesamtkomplex des Hungerns siehe Fleischhacker, Die deutschen Kriegsgefangenen in der Sowjetunion. Der Faktor Hunger. 64 Schwarz, Die deutschen Kriegsgefangenen in der Sowjetunion. Aus dem kulturellen Leben, S. XXXIII. 65 Hilger, Sowjetische Gewahrsamsmacht und deutsche Kriegsgefangene, S. 409. 66 Ebd., S. 415. 67 Lehmann, Gefangenschaft und Heimkehr, S. 93. 68 Borchard, Die deutschen Kriegsgefangenen in der Sowjetunion. Zur politischen Bedeutung der Kriegsgefangenenfrage 1949–1955, S. 49. 69 Dies hätte eine rechtliche Sonderstellung beinhaltet: Nach dem Genfer Kriegsgefangenenabkommen von 1929 müssen Offiziere nicht arbeiten, können es aber. Unteroffiziere dürfen nur zum Aufsichtsdienst herangezogen werden, können aber auch arbeiten. Soldaten müssen arbeiten, wenn sie gesund und für die jeweilige Arbeit körperlich tauglich und fähig sind. Kriegsvölkerrecht. Leitfaden für den Unterricht (Teil  4), Das Recht der Kriegsgefangenen, August 1959, S.  23 f. Nach Hilger, Sowjetische Gewahrsamsmacht und deut-

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dass Erich Maschke vor 1949 nicht arbeiten musste70, sondern nur für die Betreuung einer Lagerbibliothek verantwortlich war, andererseits liegen auch Aussagen vor, die genau das Gegenteil bezeugen71. Nach seiner Verurteilung wurde er wie alle seine Leidensgenossen in die Arbeiten der Kriegsgefangenen einbezogen72: Seit dem 9. Mai 1950 wurden erstmalig innerhalb der sowjetischen Hauptverwaltung für Kriegsgefangene und Internierte GUPVI auch arbeitsfähige Stabs­ offiziere und Generale zu Vertragsarbeiten außerhalb der Lager eingesetzt73. Überliefert ist, dass Erich Maschke 1952 im Ural im Wald bei Holzarbeiten und in Pervouralsk auf einer Baustelle74 eingesetzt wurde75. Wann er im Bergbau oder Steinbruch, möglicherweise auch unter Tage, arbeitete, geht aus den erhaltenen Briefen ehemaliger Mitgefangener nicht hervor: »Wenig wird noch an den Plenni [russ.: Kriegsgefangener] im gelben Mantel mit dem dekorativen […] Büßerstrick erinnern, dessen rußgeschwärztes Gesicht von den Feuern herrührte, mit denen Sie den Fels der ersten Schöpfungstage erschreckten […]«76

bzw. »Ich sehe Sie noch, wie Sie auf Tez [? nicht entzifferbar – d. Vf.] unentwegt den schweren Hammer schwangen, fleißigster Tschelawek des ganzen Kommandos…«77

Die Bücherei, die Erich Maschke wahrscheinlich in Krjukovo und/oder in Boroviči betreute78, bestand wie viele in anderen Lagern in ihrem Kern aus einer Auswahl der marxistisch-leninistischen theoretischen Literatur. Sie wurde selten von den Gefangenen gelesen79 und diente in den deutschsprachigen Aussche Kriegsgefangene 1941–1956, S. 410, waren die Gefangenen nach Befehlen des NKVD zur kostendeckenden Arbeit verpflichtet. Das galt auch für Offiziere, bis einschließlich Hauptmann. 70 So erinnerte sich Dr. H. Wolff an Berichte Erich Maschkes mit dieser Aussage. Interview mit Dr. H. Wolff am 8.8.2003 in Kulmbach. 71 W-131 (Erich Maschke) wird in Schwarz, Die deutschen Kriegsgefangenen in der Sowjetunion. Aus dem kulturellen Leben, S. XXXIII zitiert, wonach er »schwerste Arbeit« in Krjukovo 1947 und/oder Boroviči 1947/1949 geleistet habe. 72 Den Lagerspiegeln nach wurden die Häftlinge bei folgenden Arbeiten eingesetzt: Boroviči – Arbeiten in der Ziegelei, beim Torfstich, in einer Papierfabrik, im Kohleschacht, Holz­ einschlag und Sägewerk; Pervomajsk – Arbeiten beim Häuserbau, bei Erd- und Ausladearbeiten; Degtjarka – im Hochbau und Steinbruch und in der Holzverarbeitung und in Pervouralsk im Straßen- und Häuserbau, in der Hochmontage und beim Bau von Ölbunkern. 73 Hilger, Die sowjetischen Straflager für verurteilte deutsche Kriegsgefangene, S. 132. 74 HStA Stuttgart, NL Erich Maschke J 40/10, Bü 58, Brief H. Beckers vom 31.12.1975. 75 Archiv des VHD Göttingen, Ordner 5, Korrespondenz 1952, Buchstabe M, Durchschlag eines Briefes von Elsbeth Maschke an Bischof Otto Dibelius vom 28.10.1952. 76 HStA Stuttgart, NL Erich Maschke, J 40/10, Bü 58, Brief von Jochen Bohl vom 26.2.1963. 77 Ebd., Brief H. Kramms vom 18.1.1956. 78 Schwarz, Die deutschen Kriegsgefangenen in der Sowjetunion. Aus dem kulturellen Leben, W-131, S. XXXIII. 79 Ebd., S. XXXIV.

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gaben als politisches Propaganda- und Unterrichtsmaterial80. Diese Bücher verwaltete Erich Maschke in seiner Büchereiecke, dem »anheimelnden Reservat«81 und nutzte selbst die Gelegenheit zu ausgiebiger Lektüre82. Intensiv setzte er sich mit der Theorie des Marxismus-Leninismus auseinander und erwarb somit ein Wissen, das ihm später 1968 in den Diskussionen mit Heidelberger Studenten sehr zustatten kam83. Daneben war er in die Vortragstätigkeit eingebunden. Im Rückblick äußerte er sich dazu: »Es ist erstaunlich, wie schnell die Vortragstätigkeit nach der Gefangennahme in den ersten Lagern einsetzte. Es ist ebenso erstaunlich, daß die Bereitschaft, Vorträge zu halten und zu hören, durch lange Jahre hindurch bis zum Ende der Kriegsgefangenschaft anhielt.«84

Die Weitergabe kultureller Werte und historischen Wissens scheint für Erich Maschke von größter, vielleicht lebenserhaltender Bedeutung gewesen zu sein85. Dies geht indirekt aus einer Passage hervor, in der er die »unvergessliche Erfahrung« derjenigen schilderte, die in der Kriegsgefangenschaft eine – nach seiner Wertung – »aktive Haltung« bewahrten86: »Die Situation, in der sie völlig vom Willen anderer abhängig waren und alle materiellen Mittel fehlten, um sich Erleichterung zu verschaffen, wurde vom Immateriellen her überwindbar; wer sich aktiv geistig-seelischen Werten anvertraute, wurde innerlich unabhängig. Zum zweiten aber konnten diese geistigen Werte weitergegeben werden; sie wurden eine unerschöpfliche Hilfe auch für diejenigen, die sie nur passiv aufnahmen.«

Sein Interesse87 daran, Vorträge zu halten, war offensichtlich so groß, dass er dafür auch den politischen Charakter der Antifa-Schulungen in Kauf nahm und 80 Ebd., S. XXXII. Im Allgemeinen enthielten die Lagerbüchereien auch einige Romane und Erzählungen von Gorkij, Lev Tolstoj, Nikolaj Gogol’, Čechov, Puškin und einigen modernen sowjetischen Schriftstellern. Werke von Schiller, Heine, Goethe und Shakespeare waren ebenfalls häufig vorhanden. 81 HStA Stuttgart, NL Erich Maschke J 40/10, Bü 101, Brief vom 28.2.1970 von Herrn Schlothe. 82 Gespräch mit Dr. H. Wolff am 8.8.2003 in Kulmbach. 83 Ebd. 84 Schwarz, Die deutschen Kriegsgefangenen in der Sowjetunion. Aus dem kulturellen Leben, S. XXXVII. 85 Auch Diether Cartellieri bezeichnete das Finden einer eigenen Aufgabe als »geradezu lebenswichtig«. Cartellieri, Die deutschen Kriegsgefangenen in der Sowjetunion. Die Lagergesellschaft, S. 41. 86 Ebd., S. LIII–LIV. 87 Aus den wenigen eigenen Berichten Maschkes, die vorliegen, geht nicht hervor, ob er unter Druck gesetzt wurde, diese Aufgaben zu übernehmen. Der gewählte Wortlaut in den Zeugnissen legt das Gegenteil nahe, wie beispielsweise in Maschkes Interview mit Dr. Wolff (HStA Stuttgart, NL Erich Maschke, J 40/10, Bü 114, ohne Datum): »… Er arbeitete völlig unabhängig davon, ob ich der Antifa angehörte oder nicht, in allen kulturellen Dingen mit mir zusammen, so daß ich immer wieder die Möglichkeit zu Vorträgen gehabt habe.«

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in diesem Rahmen, vor allem in Boroviči, vor größeren Gruppen über historische Themen sprach88. Politisch verfänglichen Themen wich er dabei aus, indem er zum einen heikle Themen in der Weise behandelte, dass er nur auf die historischen Grundlagen derselben zu sprechen kam und die eigentliche politische Problematik nicht anriss89. Zum andern entsprachen die offiziell angegebenen Themen häufig nicht dem tatsächlichen Inhalt seiner Vorträge. Für seinen Umgang mit der politischen Indienstnahme der Redner seitens der Antifa gab er selbst folgende Beispiele: »Die Vorlesungen wurden über Wochen hinweg im Freien vor mehreren Hundert ­Hörern gehalten. Gedeckt von dem anständigen Leiter des Aktivs, hielt ich eine Vorlesung über die Geschichte der Sowjetunion, die mit den Warägern begann und eine umfassende Geschichte Russlands war90. Unter dem Titel ›Die Methoden des historischen Materialismus‹ gab ich einen Überblick über Quellen, Methoden und Auf­gaben der Geschichtswissenschaft, die, einschließlich der Auseinandersetzung mit dem historischen Roman, den an Geschichte interessierten Laien einen Blick in die Arbeit des Historikers ermöglichte.«91

Im Allgemeinen wurde wohl die Arbeit der kulturell Aktiven, ob nun einzelner Personen oder der offiziellen Kulturgruppe, von den Kriegsgefangenen geschätzt. Sie konnten zumeist die Schwierigkeiten der Situation ermessen, unter dem politischen Druck und der Beeinflussung durch die Lagerleitung tätig zu werden. Diese Wertschätzung fand auch darin ihren Ausdruck, dass die Kulturgruppe im Unterschied zu den Antifa-Aktivs meist in einem weit besseren Ansehen unter den Gefangenen stand92. Das Engagement in der Kulturarbeit war mit einigen Vorteilen, besonders mit zusätzlicher Verpflegung, verbun88 Laut eigenem Bekunden im Interview mit Dr. H. Wolff (HStA Stuttgart, NL Erich Maschke J 40/10, Bü 114, ohne Datum) hatte Erich Maschke im Großen und Ganzen mit der Antifa nicht viel zu tun. So hätten sich seine Verbindungen zu ihr erst hergestellt, als er in den verschiedenen Lagern von Boroviči in der Kulturarbeit engagiert war. In einem der Lager sei er dann aufgefordert worden, der Antifa beizutreten, habe dem auch im Interesse seiner Arbeit zugestimmt, sei aber nicht »regelrecht« aufgenommen worden. In einem anderen­ Lager habe er dann erfahren, dass er als Sohn einer Bürgerfamilie und als Professor dafür gar nicht in Frage gekommen wäre, da dort nur Werktätige aufgenommen werden würden. Dies habe den Antifaleiter in einem der Lager aber nicht daran gehindert, in allen kulturellen Dingen mit ihm zusammenzuarbeiten. Zur Antifa vgl. Robel, Die deutschen Kriegsgefangenen in der Sowjetunion. Antifa. 89 Dr. Wolff erinnerte sich an Gespräche mit ehemaligen Mithäftlingen Erich Maschkes aus Boroviči, denen zufolge diese dem Thema nach politisch brisanteren Vorträge teilweise äußerst langweilig gewesen sein sollen. Ob dies nun taktisches Kalkül Erich Maschkes war, lässt sich schwer beurteilen. Gespräch mit Herrn Dr. H. Wolff am 8.8.2003. 90 Nach Berichten Erich Maschkes, an die sich Herr Dr. Wolff erinnerte, sei Maschke nie bis Lenin gekommen. Gespräch mit Herrn Dr. H. Wolff am 8.8.2003. 91 Schwarz, Die deutschen Kriegsgefangenen in der Sowjetunion. Aus dem kulturellen Leben, S. XLI, W-131. 92 Ebd., S. XVII.

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den, zog aber größere zeitliche Belastungen nach sich, die diese Vorteile nach Erich Maschkes Meinung bei weitem überwogen93. Die Mehrzahl derjenigen, von denen Impulse für eine Kulturarbeit in den Lagern ausgingen, gehörte wie Erich Maschke geistigen Berufen an. Nach seinen eigenen Worten94 kam es in der Situation der Kriegsgefangenschaft gar nicht entscheidend darauf an, welche Höhe oder Qualität die Veranstaltungen erreichten, weil es in erster Linie darum ging, die Leere des Gefangenendaseins auszufüllen und von seiner Trostlosigkeit abzulenken. War Erich Maschke in dieser Weise vor größeren Gruppen in Boroviči in der offiziellen Kulturarbeit sehr aktiv95, so nahmen ihn auch Vorträge vor kleinen, informellen Gruppen in Anspruch, die in seiner Rückschau bis zum Ende der Kriegsgefangenschaft den »stärksten geistigen Rückhalt« geboten hatten96. Diese kleinen Gruppen waren am häufigsten in Erholungslagern und unter Offizieren, die nicht zur Arbeit verpflichtet waren. Es gab sie aber auch zahlreich in Arbeitslagern, wo sich in den freien Stunden Interessierte zusammenfanden, um sich weiterzubilden, Fremdsprachen zu lernen oder sich mit anderen Themen zu beschäftigen. Die Feststellung, auch die Auseinandersetzung mit Politik, mit der UdSSR und dem Kommunismus sowie mit der jüngsten Vergangenheit habe darin stattgefunden, wurzelt wohl in Erich Maschkes eigenem Erleben dieser Gruppen97. Solche Diskussionen dürften jedoch ein Einzelfall gewesen sein. Im Allgemeinen bildeten Drittes Reich und Krieg für die Gefangenen keine Gesprächsthemen98. Aus Briefen ehemaliger Mitgefangener ist überliefert, dass Erich Maschke in Vorträgen vor solchen Kreisen auf ihm geläufige Themen zurückgriff und über das deutsche Mittelalter99, über den deutschen Ritterorden100 und über die Stauferzeit101 sprach und in die Geschichtswissenschaft einführte102. Viele ehemalige Schüler erinnerten sich später dieser 93 Nach eigenem Urteil Erich Maschkes war die Entfaltung einer Lagerkultur in den Kriegsgefangenenlagern der Sowjetunion weit schwieriger als im Westen. Die Situation in den verschiedenen Lagern konnte sehr unterschiedlich sein und hing von verschiedenen Faktoren wie dem Grad der Beanspruchung durch die Arbeit, dem Klima, dem Hunger und der Stärke des politischen Drucks ab. Vgl. Schwarz, Die deutschen Kriegsgefangenen in der Sowjetunion. Aus dem kulturellen Leben, S. XII–XXII. 94 Schwarz, Die deutschen Kriegsgefangenen in der Sowjetunion. Aus dem kulturellen Leben, S. LIII–LIV. 95 HStA Stuttgart, NL Erich Maschke J 40/19, Bü 114, Interview mit Dr. H. Wolff. 96 Schwarz, Aus dem kulturellen Leben, S. XXXVIII. 97 Ebd., S. IXL. Es wäre interessant gewesen zu erfahren, welche Meinungen er selbst in diesen Diskussionen vertreten hatte. 98 Lehmann, Gefangenschaft und Heimkehr, S. 100. 99 HStA Stuttgart, NL Erich Maschke J 40/10, Bü 58, Brief des Freiherrn von Nettelhorst vom 16.4.1971. 100 Ebd., Brief Dr. Rudolf Blochers vom 6.9.1963. 101 HSTA Stuttgart, NL Erich Maschke J 40/10, Bü 100, Schreiben Dr. Hans Karl von Borries vom 15.3.1965. 102 HStA Stuttgart, NL Erich Maschke J 40/10, Bü 59, Brief an Günther Franz vom 21.6.1956.

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Vorträge und Gespräche mit großer Dankbarkeit103. So bemühte sich Erich Maschke auch unter den Umständen der Kriegsgefangenschaft, sich mit Geschichte zu beschäftigen. Darüber hinaus setzte er sich mit religiösen Fragen104 auseinander, versuchte seine Fremdsprachenkenntnisse zu vertiefen und besaß trotz des Verbotes einige Bücher: »Seit meiner Kindheit glücklich darüber, eigene Bücher zu besitzen, konnte ich auch in der Kriegsgefangenschaft nicht ohne sie leben. Zunächst kaufte ich mir eine aus der Ostzone stammende deutsch-russische Grammatik gegen Brot, bei schwerster Arbeit und schlechter Verpflegung ein spürbares Opfer. Im Stadtlager Borowitschi ging ein Arbeitskommando in eine Papierfabrik, wo Berge von Büchern aus deutschem Beutegut zum Einstampfen lagen. Kameraden, die dort arbeiteten, schmuggelten mir das eine oder andere Buch ins Lager hinein. Ich konnte mir sogar französische Bücher wünschen. Zeitweilig besaß ich ein Buch des Physikers Pasqual Jordan, ein Neues Testament, ein deutsch-russisches Wörterbuch und eine Geschichte Russlands, ein Schulbuch in russischer Sprache, das ein Kamerad für mich hatte in der Stadt kaufen können. Früher oder später gingen diese Bücher dann wieder verloren.«105

Sein Interesse an der russischen Sprache und an der Gewahrsamsmacht Sowjet­ union stellte eine Besonderheit dar, auch wenn in Boroviči 1947/48 öfter Sprachkurse veranstaltet wurden. Die Mehrzahl der Kriegsgefangenen wollte mit »den Russen« nichts zu tun haben und lehnte das politische Regime der Sowjetunion ab. Die Kontakte zur einheimischen Bevölkerung konnten die Vorurteile der Kriegsgefangenen, die ihr gegenüber bestanden, nicht ausräumen, so dass aus vielen Erinnerungen von Heimkehrern eine unverhohlene Arroganz gegen103 Das Verhältnis Erich Maschkes zu seinen Mitgefangenen ist anhand der wenigen vorhandenen Quellen nur schwer zu beurteilen. In den im Nachlass enthaltenen Briefen bezeugen ihm ehemalige Kameraden große Wertschätzung. Einige dieser brieflichen Verbindungen bestanden über Jahre, wie beispielsweise mit Jochen Bohl. Die Tatsache, dass Kamera den für Erich Maschke Bücher ins Lager brachten, spricht auch eher für gute Beziehungen zu einzelnen. Freilich sollte dabei nicht verkannt werden, dass in den Jahren nach der Verurteilungsaktion der Zusammenhalt unter den deutschen Kriegsgefangenen insgesamt wesentlich besser als in früheren Jahren war, als unter den Gefangenen ein manchmal brutaler Überlebenskampf herrschte. Dennoch blieb das Zusammenleben auch nach 1950 nicht ohne Spannungen. Vgl. dazu Borchard, Die deutschen Kriegsgefangenen in der Sowjetunion, S. 247 und Hilger, Die sowjetischen Straflager für verurteilte deutsche Kriegsgefangene, S. 135. 104 Erich Maschke gehörte, wahrscheinlich in Boroviči, einem ökumenischen Zirkel an (HStA Stuttgart, NL Erich Maschke J 40/10, Bü 58, Brief von Jochen Bohl vom 28.2.1966) und nahm regelmäßig an den Gottesdiensten teil (HStA Stuttgart, NL Erich Maschke J 40/10, Bü 114, Interview mit Dr. H. Wolff am 10.12.1969). Damit zählte er zu einer Minderheit unter den Kriegsgefangenen. Vgl. Borchard, Die deutschen Kriegsgefangenen in der Sowjetunion, S. 27. 105 Schwarz, Die deutschen Kriegsgefangenen in der Sowjetunion. Aus dem kulturellen Leben, S. XXXIII. (W-131).

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über der sowjetischen Bevölkerung sprach106. U. a. schlug sich darin auch die Einwirkung der nationalsozialistischen Propaganda vom »primitiven russischen Untermenschen« nieder. Im Gegensatz dazu bezeichnete Erich Maschke die geistige Auseinandersetzung mit der Umwelt, wie sie die Gefangenen mit der Gewahrsamsmacht Sowjetunion, den Menschen, der Geschichte und Kultur der UdSSR sowie die Begegnung mit »dem Russischen« und »Sowjetischen« als »einzigartig«107, »eigenartig«, »erregend« und »tief«. Diese durchaus positive Einschätzung Erich Maschkes muss gerade vor dem Hintergrund seiner Verurteilung im Kontext der Massenprozesse 1949/50108 überraschen, die ihn stalinistische Untersuchungs- und Repressionsmethoden, lange Haft und Willkür erleben ließen. In seinen autobiographischen Anmerkungen ging er sachlich und nüchtern auf seine Verurteilung ein: 106 Borchard, Die deutschen Kriegsgefangenen in der Sowjetunion, S. 49, S. 305. Es ist unbekannt, welcher Art die Verbindungen Erich Maschkes zur Zivilbevölkerung waren. Im Allgemeinen waren sie sehr spärlich und rissen nach den Verurteilungen fast ganz ab. 107 Schwarz, Die deutschen Kriegsgefangenen in der Sowjetunion. Aus dem kulturellen Leben, S. VII. 108 An dieser Stelle kann keine ausführliche Darstellung der Massenverurteilungen und ihrer Hintergründe, der politischen Absichten und konkreten Entscheidungsprozesse gegeben werden. Ein kurzer Überblick muss genügen: Hinzuweisen ist auf den grundlegenden Beitrag Andreas Hilgers in: Ders./Schmidt/Wagenlehner (Hg.), Sowjetische Militärtribunale, S. 211–272 und auf den Forschungsrück- bzw. -überblick von Manfred Zeidler, Die Dokumentationstätigkeit deutscher Stellen und die Entwicklung des Forschungsstands zu den Verurteilungen deutscher Kriegsgefangener in der UdSSR in den Nachkriegsjahren, in: Ebd., S. 23–25. Die Sowjetunion hatte entgegen alliierten Beschlüssen die Repatriierung der deutschen Kriegsgefangenen 1948 noch nicht abgeschlossen, kündigte aber an, diese im Laufe des Jahres 1949 bis zum 31.12. zu beenden. Bis zu diesem Zeitpunkt sollte u. a. auch die strafrechtliche Verfolgung der Kriegsgefangenen wegen Verbrechen vor und während der Gefangenschaft beendet worden sein – Gefangene, gegen die ein Verfahren im Gang war, wurden von der Repatriierung ausgeschlossen. Daher resultierte aus dem Datum 31.12.1949 großer Zeit- und Erfolgsdruck, der sich in schematisierten Ermittlungen, großer Härte bei den Untersuchungen (eine erhöhte Zahl von Selbstmorden unter den Kriegsgefangenen war die Folge) sowie pauschalen Verurteilungen niederschlug. Von Februar bis Juni 1949 liefen die Vorbereitungen für die Überprüfung des verdächtigen Kontingentes an und bezogen neben den Generälen nun auch die Stabsoffiziere der Wehrmacht mit ein. Dies musste auch Erich Maschke betreffen, dem dieser Status offensichtlich zugesprochen worden war. Neben den Ermittlungen wurden parallel – lange vor Beginn der eigentlichen Massenverurteilungen  – die Paragraphen des Strafgesetzbuches bestimmt, nach denen Angehörige der Aufklärungsdienste (d. h. auch Erich Maschke) ehemals feindlicher Staaten verurteilt werden sollten. Deren Tätigkeit wurde durchweg als »gegenrevolutionäre« Verbrechen, »Staatsverbrechen« oder »Spionage« angesehen. So wurde befohlen, pauschal alle Gefangene, gegen die unabhängig vom konkreten Charakter der Handlungen Beweise über Spionage- oder Zersetzungsarbeit gegen die UdSSR vorlagen, zu verhaften und nach Art. 58, 4 (»Unterstützung der internationalen Bourgeoisie«) und Art. 58, 6 (»Spionage«) StGB RSFSR zu verurteilen. (Der genaue Wortlaut dieser Artikel findet sich in Übersetzung in: Stalins Willkürjustiz gegen die deutschen Kriegsgefangenen. Dokumentation und Analyse von Günther Wagenlehner, Bonn 1993, S. 39–42.) In der Zeit vom 1.4.1949 bis zum 31.8.1950 ergingen weit über 1300 Urteilssprüche nach Art.  58, 4 und

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»Hier [in der Sowjetunion] wurde ich im Dezember 1949 unter Anklage gestellt und nach mehrmonatiger Gefängnishaft im April 1950 unter dem Vorwande der Beihilfe zur Spionage gegen die Sowjetunion während meines Wehrdienstes zu 10 Jahren Zwangsarbeitslager verurteilt.«109

Persönlichere Eindrücke dieser Ereignisse schwangen im Vorwort zu einem der Bände der Kriegsgefangenendokumentation mit. Darin heißt es: »[…] Von den ersten Vernehmungen an über Gerichtsverfahren und Verurteilung bis zum Strafvollzug waren diese Kriegsgefangenen in eine Maschinerie geraten, deren Aufbau undurchschaubar und deren Funktionen unverständlich waren.«110

Anhand der Registrierakte Erich Maschkes aus dem russischen Militärarchiv111 lässt sich sein Weg in dieser Maschinerie in Ansätzen nachvollziehen. Viele Fragen müssen jedoch noch offen bleiben. Aus der Akte ergab sich, dass in der Voruntersuchung, laut Strafprozessrecht der RSFSR dem ersten Verfahrensstadium112, von den Untersuchungsführern am 16. Dezember 1949 der Beschluss gefasst wurde, Erich Maschke in das Gefängnis Nr. 3 in Boroviči und einem Militärtribunal zu überstellen. Ihm wurden nach Art. 17 und Art. 58, 6 des Strafgesetzbuches der RSFSR Teilnahme an Verbrechen113 sowie Spionage114 zur Last

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ca. 1100 nach Art. 58, 6 StGB RSFR. Von Juni bis September 1949 wurden die Ermittlungen noch intensiviert und im Mai/Juni die gesonderte Überprüfung der rund 4000 deutschen Stabsoffiziere in sowjetischer Gefangenschaft ­begonnen. Die eigentliche Phase der Massen­verurteilungen setzte im September 1949 ein und endete nicht vor Mai 1950. In diesen Zeitraum fielen auch die Verhaftung und Verurteilung Erich Maschkes. HStA Stuttgart, NL Erich Maschke J 40/10, Nr. 98, Lebensbeschreibungen. Bährens, Deutsche in Straflagern und Gefängnissen der Sowjetunion, S. V. RGVA Moskau, Registrierakte Nr. 01861484. Ich möchte mich bei Herrn Dr. Mike Schmeitz­ ner vom Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung Dresden bedanken, der mir Einsicht in diese Akte gewährte. Vgl. dazu Schroeder, Das Sowjetrecht als Grundlage der Prozesse gegen deutsche Kriegsgefangene, S. 88–89. Schroeder führt Verfügungen des Ministeriums für Innere Angelegenheiten, des Ministeriums für Staatssicherheit und der Staatsanwaltschaft der UdSSR vom 28./29.11.1949 an, wonach Angehörige der SS und der Waffen-SS, Mitarbeitern von Kriegsgefangenenlagern, Polizeieinheiten und Justizorganen sowie Mitarbeiter der Aufklärungs- und Spionage­ abwehrorgane (dies betraf Erich Maschke als Ic-Offizier) »beim Nichtvorhandensein einer ausreichenden Menge an Untersuchungsmaterial über eine konkrete verbrecherische Betätigung« kurzerhand wegen Teilnahme nach Art.  17 StGB der RSFSR bestraft werden sollten. Zit. n. Schroeder, Das Sowjetrecht als Grundlage der Prozesse gegen deutsche Kriegsgefangene, S. 78. Daraus folgt, dass Erich Maschke möglicherweise bloß aufgrund seiner Zugehörigkeit zu einer Aufklärungseinheit die Teilnahme an Straftaten vorgeworfen wurde. Diese Vorschrift wurde in zahlreichen Urteilen gegen deutsche Kriegsgefangene angewendet, wobei die Zahlenangaben schwanken: der IfA/HAIT-Datenbank nach in 1218 Fällen (d. h. 3,9 %), nach Martin Lang, Stalins Strafjustiz gegen deutsche Soldaten, S. 41, in 9 % der Fälle. Zit. n. Schroeder, Das Sowjetrecht als Grundlage der Prozesse gegen deutsche Kriegsgefangene, S. 81. Zusätzlich bestimmte kraft der »internationalen Solidarität der Werktätigen« ein weiterer Artikel des Strafgesetzbuches der RSFSR, dass Handlungen auch dann

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gelegt. Einem solchen Beschluss der Untersuchungsführer, im Falle der deutschen Kriegsgefangenen meist Beamten des Innenministeriums, waren in der Regel Vernehmungen der Beschuldigten vorausgegangen, bei denen sehr häufig Aussagen oder Geständnisse erpresst worden waren115. Bei Erich Maschkes Vernehmungen in Boroviči dürften besonders die Art seines Ic-Dienstes einschließlich Dolmetschertätigkeit und seine Aufenthalte im Ausland, vor allem in den der UdSSR benachbarten Gebieten von Interesse gewesen sein116. Bei diesen Vernehmungen wurden die Beschuldigten geschlagen, mit Nahrungsoder Wasserentzug gefoltert oder großer Kälte ausgesetzt. Es ist gut möglich, dass auch Erich Maschke diese Folterungen erlitt. Eine Verteidigung der Beschuldigten wurde in vielen Fällen dadurch erschwert, dass die Beschuldigten auf Dolmetscher angewiesen waren, die teilweise fachlich sehr schlecht und oft den Beschuldigten nicht wohl gesonnen waren. Die protokollierten Aussagen mussten vom Beschuldigten oftmals unter Androhung von Gewalt unterschrieben werden. Dies hatte zur Folge, dass die Aussagen fast nicht mehr zu korrigieren waren und in dieser Form als Grundlage für die Hauptverhandlung117 dienten. Erich Maschkes Vernehmung gehörte zu einer zweiten Welle von Untersuchungen, die die Kriegsgefangenen des Lagers Boroviči seit Juni 1949 erals »gegenrevolutionär« einzustufen seien, wenn sie gegen einen anderen, nicht zur UdSSR gehörenden Staat der Werktätigen – in Erich Maschkes Fall Polen – gerichtet seien. Dabei wurde nicht berücksichtigt, dass diese Länder zu diesem Zeitpunkt der jeweiligen Taten Deutscher andere Regierungssysteme hatten. Zit. n. Hilger, Faustpfand im Kalten Krieg?, S. 217. 115 Schroeder, Das Sowjetrecht als Grundlage der Prozesse, S. 88–89. Er spricht davon, dass Aussagen »meist« erpresst und die gesetzliche Vorschrift, Aussagen nicht mittels Gewalt, Drohung oder ähnlicher Maßnahmen zu erlangen, »fast regelmäßig« nicht beachtet wurden. 116 Nach den Angaben des Borowitschi-Arbeitskreises drehten sich die Verhöre, abgesehen von den genannten Punkten, im wesentlichen um folgende: Überprüfung der früheren Angaben über den politischen, militärischen und beruflichen Lebenslauf und den Bildungsgang, Tatsachen oder Kenntnis von Greueltaten oder Greuelbefehlen, Evakuierung von Zivilpersonen und Räumung von Häusern beim Quartiermachen, Entnahme von Nahrungs- und Futtermitteln sowie von Baumaterial aus dem jeweiligen Land, Beschäftigung von russischen Zivilpersonen und Gefangenen, Ic-Dienst einschließlich Truppenbetreuung, Funk- und Fernsprechüberwachung und Fernspähtrupptätigkeit, Art und Weise der Strafrechtspflege gegen Hilfswillige, Beschießen von Ortschaften, Kampf gegen Partisanen. Vgl. Entstehen und Wirken, Geschichte des Arbeitskreises der Heimkehrerund Kriegsgefangenen-Angehörigen des Lagers Borowitschi, S. 61. 117 Die gesetzlichen Bestimmungen für die Hauptverhandlung sahen schwere Einschränkungen eines rechtsstaatlichen Verfahrens vor, wofür Schroeder (S.  89) einige Beispiele anführt: Die Teilnahme eines Verteidigers war nur erforderlich, wenn ein Staatsanwalt an der Verhandlung teilnahm, doch war dies bei hinreichender Beweislage nicht nötig. Dem Angeklagten wurde die Anklageschrift regelmäßig erst äußerst kurz vor der Verhandlung, häufig nur in Auszügen und manchmal sogar erst nach der Verurteilung ausgehändigt. Beweisanträge des Angeklagten brauchten durch das Gericht nicht berücksichtigt zu werden u. a. m. Vor diesem Hintergrund konnten die erpressten Geständnisse ungehindert in die Verurteilung einfließen.

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lebt und die zu Verhaftungen im November 1949 geführt hatten. Am 1. Dezember 1949 setzte diese neue verstärkte Vernehmungs- und Verhaftungswelle ein und erfasste neben Maschke weitere 295 Stabsoffiziere, so dass sich Ende des Monats im Lagerbereich Boroviči 7270 nur noch ein einziger, nichtverhafteter Deutscher befand118. Erich Maschke wurde am 20. Dezember 1949 in das Gefängnis Nr. 3 in Boroviči überstellt und in den darauf folgenden Tagen mehreren Verhören und Leibesvisitationen unterzogen119. Die Hauptverhandlung vor dem Tribunal fand erst bedeutend später, am 5.  April 1950120 statt. Für diese große zeitliche Verzögerung121 konnte noch keine Erklärung gefunden werden. Jedoch war Erich Maschkes Fall nicht der einzige dieser Art. Mit ihm wurden zehn weitere Angeklagte, die im Gerichtsgebäude auf ihre Verhandlung warteten, wieder in das Untersuchungsgefängnis zurückgeführt122. Diese Zeit bis zur Verurteilung war höchstwahrscheinlich für jeden Gefangenen eine Qual, da sie die eigene Ohnmacht und das Ausgeliefertsein vor Auge führte. Als Folge der seelischen Zermürbung war es auch zu Fällen von Tobsucht und Irrsinn gekommen123. Die Hauptverhandlung in Erich Maschkes Fall fand vor dem Militärtribunal der Truppen des Innenministeriums des Novgoroder Oblast‹ in Boroviči in einer nicht-öffentlichen Sitzung statt und dauerte vermutlich wie andere Sitzungen auch nicht mehr als 10 bis 20 Minuten. Die Anwesenden – ein Vorsitzender, zwei Schöffen, ein Sekretärleutnant sowie ein Dolmetscher  – erklärten Erich Maschke nach den schon in der Voruntersuchung genannten Artikeln 17 und 58, 6124 des Strafgesetzbuches der RSFSR für schuldig. Sie hatten festgestellt, er habe in der Zeit seines Wehrdienstes in Posen als Schreiber und Offizier mit besonderem Auftrag der Abteilung Ic gedient, welche Aufklärungsarbeit gegen die Sowjetunion durchgeführt habe. In seinen Funktionen habe Erich Maschke die geheime Geschäfts- bzw. Schriftführung der Abteilung Ic geführt und sich mit 118 Entstehen und Wirken. Geschichte des Arbeitskreises der Heimkehrer und Kriegsgefangenen-Angehörigen des Lagers Borowitschi, S. 65–66. Insgesamt wurden nach Zählungen des Borowitschi-Arbeitskreises in den letzten drei Monaten des Jahres 1949 281 Stabsoffiziere, 266 Subalternoffiziere und Mannschaften und 4 Spanier verurteilt. 12 Stabsoffiziere [darunter wohl auch Erich Maschke] befanden sich noch in Untersuchungshaft, zwei Stabsoffiziere starben während der Haft bzw. vor der Vernehmung. Ebd. S. 81. 119 RGVA Moskau, Registrierakte Nr. 01861484 Erich Maschke. 120 An dieser Stelle ergibt sich eine Diskrepanz zu den Aussagen im Mai 1950 heimgekehrter Gefangener, auf die sich die Berichte des Borowitschi-Arbeitskreises stützten. Hier heißt es (S. 86): »Am 29. Dezember, 20 Uhr, wurden die Gerichtsverhandlungen plötzlich ab­ gebrochen und waren bis zum 23. April 1950 nicht wieder aufgenommen worden […].« 121 Die Haftzeit betrug mindesten sechs Tage, in sehr vielen Fällen mehrere Monate. Entstehen und Wirken, Geschichte des Arbeitskreises der Heimkehrer- und KriegsgefangenenAngehörigen des Lagers Borowitschi, S. 81. 122 Entstehen und Wirken, S. 86. 123 Ebd., S. 83. 124 Nach den Zahlenangaben von Hilger, Faustpfand im Kalten Krieg?, S. 247, wurden in 1044 Fällen von 16 587 Verurteilungen Art. 58, 6 Strafgesetzbuch der RSFSR herangezogen.

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der Auswahl von Dolmetschern für Kriegsgefangenenlager beschäftigt. Dieser Tätigkeiten wegen wurde er zu einer Strafe von zehn Jahren Besserungsarbeitslager (ITL) verurteilt. In diesem Urteil »Besserungsarbeitslager« glich der Fall Erich Maschkes fast allen Gerichtsurteilen aus der Phase der Massenverurteilungen, doch ergab sich ein großer Unterschied hinsichtlich der Haftdauer: Die große Mehrzahl der Urteile lautete auf 25 Jahre Arbeitslager. Die Hintergründe für dieses spezielle Urteil sind unbekannt125. Als Rechtsmittel gegen dieses und andere Urteile war die Kassationsbeschwerde vorgesehen, eine Möglichkeit, die auch Erich Maschke ergriff. Doch er blieb damit wie die Mehrzahl seiner Leidensgenossen ohne Erfolg126. Am 27. April 1950 wurde das Urteil bestätigt, das rückwirkend zum 20. Dezember 1949 in Kraft trat. Erich Maschkes Verurteilung war ein Strafprozess unter vielen anderen in der Phase der Massenverurteilungen 1949/50, die den Abschluss einer langjährigen Strafpolitik der Sowjetunion gegen deutsche Kriegsgefangene darstellten. Ein Kennzeichen dieser späteren Strafverfahren Ende 1949 lag darin, dass in ihnen häufig die Beschuldigten wie auch im Falle Erich Maschkes aufgrund ihrer bloßen Zugehörigkeit zu bestimmten Organisationen, Einheiten oder Dienststellen auf der Grundlage von sehr großzügig ausgelegten sowjetischen Bestimmungen verurteilt wurden. In diesem Zusammenhang sind auch die Absichten zu bedenken, die mit diesen Verfahren verfolgt wurden. Erich Maschke selbst bezeichnete »Vergeltung« und »politisches Faustpfand« als die dahinter liegenden Motive127 und vertrat damit eine weit verbreitete Auffassung128. Die neuere Forschung geht jedoch davon aus, dass diese Deutung für die Masse der Verurteilungen zu kurz greift und ausschließlich die Moskauer Verhandlungen 1955 erklärt. Andere Überlegungen der sowjetischen Gewahrsamsmacht standen diesen Erkenntnissen nach im Vordergrund. Zum einen ging es der Sowjetunion um die Sühne der Gewalttaten, die während des Krieges von der Wehrmacht begangen worden waren. Solche strafrechtlichen Überlegungen spielten in der Urteilsfindung eine Rolle, auch wenn zunehmend sicherheitsund außenpolitische Erwägungen hinzutraten. Die Sowjetunion hatte vor dem Hintergrund des Kalten Krieges großes Interesse daran, ehemalige höherrangige Wehrmachtsangehörige zurückzuhalten, die für den Aufbau eines neuen westdeutschen Militärapparates, der gegen die Sowjetunion einsetzbar gewesen wäre, von Bedeutung sein konnten129. Nachdem es noch einmal zu größe125 Die Datenbank des Instituts für Archivauswertung bzw. des Hannah-Arendt-Institutes für Totalitarismusforschung Dresden, auf die sich der Beitrag Andreas Hilgers stützt, verzeichnet für die Zeit vom 1.11.1949 bis zum 31.8.1950 16 587 Verurteilungen, von denen nur 314 auf Zeitstrafen unter 25 Jahren lauteten. Zit. n. Hilger, Faustpfand im Kalten Krieg?, S. 238. 126 Schroeder, Das Sowjetrecht als Grundlage der Prozesse, S.  90. Vgl. dazu auch Hilger, Faustpfand im Kalten Krieg?, S. 238. Erfolgreiche Kassationsbeschwerden sind ihm nicht bekannt geworden. 127 Maschke, Zum Geleit, in: Lang, Stalins Strafjustiz gegen deutsche Soldaten, S. 9. 128 Hilger, Faustpfand im Kalten Krieg?, S. 212. 129 Hilger, Sowjetische Gewahrsamsmacht und deutsche Kriegsgefangenen, S. 417.

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ren Entlassungen von niedrigen Dienstgraden gekommen war130, blieben nach dem Frühjahr 1950 die vermeintlichen Kader einer neuen deutschen Armee und rund 10 000 Gefangene, die als Kriegsverbrecher, Spione und Diversanten verurteilt worden waren, in der Sowjetunion. Diese Verurteilung – Erich Maschke selbst setzte dieses Wort häufig in Anführungszeichen – hat wahrscheinlich nicht den großen Bruch in seinem Leben als Kriegsgefangener bedeutet. Dies lassen seine Ausführungen zu den verurteilten Kriegsgefangenen im Vorwort zu einem Band der Dokumentation vermuten: »Bei einigen nicht unwesentlichen Veränderungen (Fortfall bestimmter Sonderverpflegungssätze und des Wehrsoldes für Offiziere, andererseits Arbeitszwang auch für Generale und Stabsoffiziere) war das Leben der ›Verurteilten‹ in ihren Lagern doch […] eine geradlinige Fortsetzung des Lebens, das sie zuvor als ›Kriegsgefangene‹ geführt hatten.«131

Über die emotionalen Reaktionen Erich Maschkes auf seine Verurteilung und das Strafmaß ist nichts bekannt. Es ist jedoch zu vermuten, dass gerade das Schreibverbot, das für Kriegsverurteilte bestand, die Situation noch schwerer erträglich machte. Erst nach einem Jahr wurde dies wieder gestattet132. Erich Maschke hatte wohl vor allem mit seiner Frau in brieflicher Verbindung gestanden133. Sie informierte offensichtlich Freunde von seinem Schicksal und möglicherweise auch einige seiner Kollegen. Es liegen nur wenige Zeugnisse darüber vor, wie Freunde, Kollegen und Mitarbeiter auf seine lange Kriegsgefangenschaft reagierten, welche Schritte sie eventuell zu seiner Unterstützung unternahmen und welche Rolle Erich Maschkes Schicksal auf den Treffen der Historikerschaft und in den Gesprächen untereinander spielte. Nur indirekt ist die Reaktion des Historikers Werner Markert auf die Gefangenschaft seines Freundes aus Berliner Studienjahren überliefert. In der Danksagung Gisela Markerts nach dem Tode ihres Mannes hieß es dazu: »Ich weiss, wie Werner unter Ihrem Schicksal und der langen Gefangenschaft gelitten hat…«134 130 Andreas Hilger vermutet, dass die Resultate der Massenverurteilungen selbst der Moskauer Führung zu weit gingen. Daher wurden bis April 1950 verurteilte 7038 Gefangene niedrigerer Dienstgrade aus der Sowjetunion ausgewiesen sowie 5293 Gefangene in Untersuchungshaft von weiteren Ermittlungen befreit und nach Hause gesandt. Hilger, »Die Gerechtigkeit nehme ihren Lauf?«, S. 227 f. 131 Maschke, Zum Geleit, 1981, S. 9. 132 Lehmann, Gefangenschaft und Heimkehr, S. 114. 133 Wann sie das erste Mal eine Nachricht von ihm erhalten hatte, ist nicht bekannt. Ab Frühjahr 1946 durften fast alle Kriegsgefangenen gelegentlich schreiben und Post empfangen. Die Möglichkeiten zur Korrespondenz waren aber nicht in allen Lagern gleich. In den Jahren nach 1949, als auch Pakete geschickt werden konnten, war die Öffentlichkeit in der Bundesrepublik über die Lebensbedingungen in den Lagern informiert. Lehmann, Gefangenschaft und Heimkehr, S. 115–119. 134 HStA Stuttgart, NL Erich Maschke J 40/10, Nr. 58, Danksagung.

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Der damalige Vorsitzende des VHD Gerhard Ritter wandte sich auf Bitten Elsbeth Maschkes, mit der er sich auch persönlich getroffen hatte135, an Bischof Otto Dibelius, um diesen angesichts seiner geplanten Sowjetunionreise 1952 auf Maschkes Schicksal aufmerksam zu machen. Der Brief Gerhard Ritters an Bischof Dibelius im Namen des Historikerverbandes zeigt, welche Bedeutung – zumindest in diesem offiziellen Schreiben  – Erich Maschke als Mitglied der deutschen Historikerschaft in der Fachwelt zugewiesen und wie seine politische Vergangenheit dargestellt wurde. Aus ihm geht auch hervor, welche Informationen über seine Kriegsgefangenschaft überhaupt vorlagen. Dieser Brief vom 28. Oktober 1952136 sei hier nur gering gekürzt wiedergegeben: »Hochverehrter Herr Landesbischof! […] In der Hoffnung, daß Sie nicht inzwischen schon abgereist sind, erlaube ich mir Ihnen namens unseres Historikerverbandes die folgende Bitte vorzutragen: Wir dürfen wohl vermuten, daß Sie ähnlich wie D. Niemöller bei Ihrem Moskauer Besuch versuchen werden, etwas für unsere Gefangenen zu tun. Nun ist seit September Oktober 1945 unser Kollege Dr. Ernst [sic] Maschke, zuletzt ord. Professor für Mittelalterliche Geschichte in Leipzig, in russischer Gefangenschaft. Der Grund dieser Gefangenschaft ist völlig rätselhaft, da er nur wenige Monate Soldat war und schon im September 1940  – also lange vor Ausbruch des Krieges mit Russland – wieder ins Zivilleben als Hochschullehrer zurückkehrte. Politisch ist er überhaupt nicht hervorgetreten. Nach Mitteilungen seiner Frau […] konnte man zunächst vermuten, daß seine Tätigkeit als Oblt. d. R. im Posener Generalstab Ic (Spionage-Abwehr) ihn in Verdacht gebracht hat. Obwohl diese Tätigkeit damals (Sept. 1939–1940 im Sept.) gar nicht gegen Russland gerichtet war. Man hat wohl auch vermutet, daß den Russen, bei denen jede militärische Verpflichtung während des Krieges unablösbar bleibt, die Angabe als unglaubhaft erschienen ist, daß er wirklich wieder Zivilist geworden sei. Rätselhaft bleibt aber, weshalb man ihn auch nach der Untersuchung des Falles immer noch festhält – nun schon volle 7 Jahre. Er wurde aus seinem Zivilleben, d. h. aus seiner Professur heraus verhaftet und ist jetzt in einem Lager im Ural tätig, in dem Holzarbeiten gemacht werden. Nach indirekten Nachrichten, von denen offiziell kein Gebrauch gemacht werden kann, soll er zu 135 »Es war mir eine große Freude Sie persönlich kennen zu lernen und Näheres über das Schicksal Ihres verehrten Gatten zu erfahren.« Brief Gerhard Ritters an Elsbeth Maschke vom 28.10.1952, MPI Göttingen, Archiv des VHD, Ordner 5, Korr. 1952. 136 Ebd. Dass Gerhard Ritter mit Erich Maschke wahrscheinlich zu diesem Zeitpunkt nicht persönlich bekannt war, geht aus der Tatsache hervor, dass er einen anderen Vornamen angab. Kann dieser Brief als ein Beleg für das Gruppen- und Selbstverständnis der Historiker in dieser Zeit gelten, die über politische Kompromittierungen einzelner Fachkollegen mit Stillschweigen hinweggingen und füreinander in die Bresche sprangen? Inwieweit Erich Maschkes Gefangenschaft tatsächlich Thema auf Historikertagen war und Eingang in die offiziellen Verlautbarungen gefunden hatte, ist noch zu überprüfen. Die Ausführlichkeit dieses Briefes sowie die Umstände, die die Abfassung erforderte (Gerhard Ritter traf sich mit Elsbeth Maschke), legen die Vermutung nahe, dass Erich Maschke der einzige deutsche Historiker war, der sich so viele Jahre in sowjetischer Kriegsgefangenschaft befand. Dies deckt sich in etwa mit Maschkes eigenem Eindruck, der von keinem weiteren Fachkollegen in sowjetischer Kriegsgefangenschaft überhaupt wusste.

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10 Jahren Zwangsarbeit verurteilt worden sein. Wenn das richtig ist, kann das nur im Rahmen einer Kollektivverurteilung geschehen sein, ohne jeden ernsthaften individuellen Anlaß. Wie dem auch sei: die deutsche Historikerschaft ist schwer be­ unruhigt durch das Schicksal ihres hochgeschätzten und als Forscher wie als Mensch gleich hochgeachteten Kollegen. Auf jedem unserer Historikertage haben wir diese Klage in öffentlicher Kundgebung vorgebracht. Sie belastet auf das schwerste das Verhältnis unserer Zunft zur Regierung der DDR, die sich doch eifrig bemüht, unseren Verband zu Kundgebungen zur deutschen Einheit zu veranlassen, aber nichts zu tun scheint, um uns in dieser Sache zu helfen. Wir wären Ihnen außerordentlich dankbar, hochverehrter Herr Bischof, wenn Sie in Ihre Moskauer Bemühungen auch Herrn Maschke einschließen und auf den niederschmetternden Eindruck aufmerksam machen wollten, den die Gefangenhaltung dieses bedeutenden Gelehrten fortdauernd in ganz Deutschland hervorruft. […]«

Elsbeth Maschke bedankte sich einige Tage später für Ritters Bemühungen und schrieb: »Zu wissen, daß die Kollegen hinter mir stehen, und ganz besonders Ihre Fürsprache zu haben, sehr verehrter Herr Professor, ist mir eine tiefe innere Beruhigung.«137 In diesem Brief gab sie auch an, dass sie schon einige Versuche unternommen hatte, für ihren Mann etwas zu erreichen: »Ich habe in den letzten Jahren verschiedentlich den Versuch gemacht über das Rote Kreuz in Genf und andere Stellen, etwas für meines Mannes Befreiung zu unternehmen. Ich weiss daher, wie schwer es ist, in dieser Frage etwas durch Privatinitiative zu erreichen. Dennoch gebe ich die Hoffnung nicht auf.«138

Auch der Versuch, durch die Fürsprache Bischof Dibelius’ für Erich Maschkes Heimkehr etwas zu bewirken, blieb erfolglos. Die Repatriierungen von unverurteilten Kriegsgefangenen aus der Sowjetunion wurden im Mai 1950 seitens der Sowjetunion offiziell beendet und nur noch fallweise einzelne Kriegsgefangene entlassen. Bis 1953 weigerte sich die Sowjetunion, über vorzeitige Entlassungen mit internationalen Institutionen und Organisationen zu verhandeln. Diese unbewegliche Linie wurde erst nach dem Tode Stalins und infolge des Versuches der Sowjetunion, gegenüber den Westmächten und der DDR einen Politikwechsel zu vollziehen, verlassen. Auch Machtkämpfe innerhalb der sowjetischen Führung spielten eine Rolle. Danach wurde eine Kommission aus Vertretern verschiedener Ministerien eingesetzt, die die Anwendbarkeit eines Amnestieerlasses des Präsidiums des Obersten Sowjets auf ausländische Strafgefangene überprüfen sollte139. Die Impulse für diese Amnestie gingen von Berija aus, der den GULag entlasten und seine Bedeutung beschneiden wollte. Diejenigen verurteilten Kriegsgefangenen, die wegen weniger schwerer Verbrechen wie beispielsweise der bloßen Zugehörigkeit zu bestimmten Einrichtungen, 137 MPI Göttingen, Archiv des VHD, Ordner 5, Korr. 1952. Brief Elsbeth Maschkes an­ Gerhard Ritter vom 3.11.1952. 138 MPI Göttingen, Archiv des VHD, Ordner 5, Korr. 1952 139 Vgl. dazu Hilger, Faustpfand im Kalten Krieg?, S. 255–262.

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Die Jahre der Gefangenschaft (1945 bis 1953)

Einheiten oder nationalsozialistischen Organisationen verurteilt worden waren und deren weitere Haft keine Unumgänglichkeit darstellte, sollten überprüft und gegebenenfalls für eine Repatriierung bestimmt werden. Bis zum 20. Mai 1953 wurden 6162 verurteilte Kriegsgefangene und Internierte von einer interministeriellen Kommission zur Repatriierung bestimmt. Der Beschluss, Erich Maschke vorzeitig zu entlassen, wurde am 30. Mai 1953 in einer Sitzung des Militärkollegiums des Obersten Gerichtes der UdSSR gefasst140. Neben seinem Fall wurden in den Monaten Mai und Juni 1953 die Materialien weiterer Kriegsverurteilter angeblich neu überprüft und die Betroffenen vom weiteren Ab­büßen ihrer Strafen befreit. Dennoch sollte sich ihre Heimkehr noch einige Monate hinauszögern141. Erich Maschke verließ erst am 14. September das Lager Pervouralsk142 und wurde gemeinsam mit anderen Gefangenen am 27. September 1953 offiziell entlassen143, indem sie in Frankfurt/Oder einer Vertreterin des Innenministeriums der DDR übergeben und die Akten mit der Übergabe endgültig geschlossen wurden. Erich Maschkes Fahrt führte zunächst nach Eisenach in das Auffanglager für alle diejenigen, die in die Bundesrepublik repatriiert werden wollten. In einem »Stimmungsbericht über die am 1. und 2. Oktober 1953 im Auffanglager Eisenach eingetroffenen begnadigten ehemaligen Kriegsverbrecher« des Volkspolizeikreisamtes Eisenach Abteilung K vom 2. Oktober 1953 an die Bezirksbehörde der Volkspolizei heißt es: »Die Lagerinsassen des zweiten Transportes, die in der Nacht vom 1. und 2. Oktober 1953 in Eisenach eintrafen, kamen zum größten Teil aus der Gegend von Swerdlowsk. Die durch die Lagerinsassen des zweiten Transportes geführten Diskussionen waren nicht immer positiv. Zum größten Teil zeigten sie gegenüber dem Lagerpersonal ein 140 RGVA Moskau, Registrierakte Nr. 01861484 Erich Maschke. 141 Andreas Hilger führt den Sturz Berijas, der die Entlassungen initiiert hatte, die darauf folgenden Wirren im Kreml, die Einsetzung einer neuen Kommission zur Überprüfung der in den Vormonaten gerade erst getroffenen Entscheidungen sowie außenpolitische Gründe – die Sowjetunion wollte erst die bundesdeutschen Wahlen Anfang September 1953 abwarten – als Gründe für die Verzögerungen an. Hilger, Faustpfand im Kalten Krieg?, S. 258–259. 142 Ein ehemaliger Mitgefangener Erich Maschkes, Gregor Kulbach, wandte sich am 11.12.1958 mit folgenden Zeilen an ihn, nachdem er Erich Maschke als Festredner der Heidelberger Universitätsfeierlichkeiten für die Universität Jena in den Fernsehnachrichten gesehen hatte: »Da war ich nun mehr als freudig überrascht, als ich auf einmal Ihren Namen hörte und Sie selbst dann als Festredner sehen und vernehmen konnte. Das letzte Bild, das ich von Ihnen in Erinnerung hatte, war das des mit schwerem Gepäck beladenen glücklichen Heimkehrers, wie er am 14. September 1953 das Lager Perwouralsk verließ. Und nun gestern abend dieses Bild! Dieser Gegensatz!« HStA Stuttgart, NL Erich Maschke J 40/10, Bü 58. 143 Für die Jahre 1953/54 sind in der IfA/HAIT-Datenbank die Daten von insgesamt 8333 deutschen entlassenen Gefangenen gespeichert. Demnach kehrten in diesem Zeitraum 2933 Offiziere (69,3 %), 645 Stabsoffiziere (55 %), 4612 Unteroffiziers- und Mannschaftsdienstgrade (51 %) und 21 Generäle (10,5 %) nach Deutschland zurück. Zit. n. Hilger, Faustpfand im Kalten Krieg?, S. 261.

In sowjetischer Kriegsgefangenschaft (1946 bis 1953)

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zurückhaltendes Benehmen und diskutierten nicht offen. Wie einige zum Ausdruck brachten, sind sie der Meinung, daß das Lagerpersonal aus Angehörigen der Abteilung K und des Ministeriums für Staatssicherheit besteht. […] Durch den guten Empfang und den reibungslosen und schnellen Ablauf der Bekleidungs- und Essenausgabe im Auffanglager Eisenach war eine allgemeine Freude unter den ehe­maligen Kriegsverbrechern festzustellen. […] Im allgemeinen kann gesagt werden, daß die entlassenen Strafgefangenen kein besonderes Vertrauen zu der Entwicklung der DDR besitzen.«144

Von Eisenach ging es weiter über die innerdeutsche Grenze in das Lager Friedland bei Göttingen. Bei der dortigen Aufnahmeprozedur wurde Erich Maschke von der Frau des Historikers Hermann Heimpel, die in Friedland als ehrenamtliche Rotkreuzhelferin arbeitete, erkannt und am selben Abend mit zur Familie Heimpel nach Göttingen mitgenommen145. Damit fand eine Zeitspanne in Erich Maschkes Leben ihren Abschluss, die ihn nicht nur über lange Jahre Hunger und Kälte, Angst und Heimweh, Willkür und schwerster Arbeit ausgesetzt, sondern ihn auch allen familiären, freundschaftlichen und beruflichen Bin­dungen entrissen hatte. Waren diese Jahre daher auch sinnentleerte Jahre? Wie seine Antwort unmittelbar nach seiner Heimkehr ausgefallen wäre, ist unbekannt. Er selbst schrieb später, allerdings ohne direkten Bezug auf sein persönliches Erleben und vielleicht unter dem Einfluss von Erinnerungsveränderungen: »Von den bleibenden Werten der Religion und Kultur her gelang es, diesen Jahren einen Sinn zu geben. Wer aus ihnen zu leben vermochte, war auch in der Gefangenschaft innerlich frei.«146

144 BA Berlin, Do 1/11.O/438. 145 Gespräch mit Herrn Dr. H. Wolff am 8.8.2003. 146 Schwarz, Die deutschen Kriegsgefangenen in der Sowjetunion. Aus dem kulturellen Leben, S. LVI.

8. Der Wiedereinstieg Am 1. Oktober 1953 fand Erich Maschke seine Familie in Speyer wieder – in einer völlig veränderten Situation. Seine Frau Elsbeth hatte mit den inzwischen 21 und 19 Jahre alten Söhnen im Februar 1949 Leipzig verlassen1 und in der Nähe des heimatlichen Ziegelhausener Pfarrhauses bei Heidelberg Zuflucht gesucht. Über die Gründe, warum Elsbeth Maschke erst 1949 Leipzig verließ, kann nur spekuliert werden. Die gemeinsame Wohnung war bereits am 1. Dezember 1945 »mit Inventar« beschlagnahmt worden, so dass sie, die Kinder und die seit der Jenaer Zeit bei ihnen lebende Mutter Erich Maschkes in Untermiete lebten und auf die Unterstützung durch den Bruder und die Eltern Elsbeth Maschkes angewiesen waren. Neben dem Festhalten am letzten gemeinsamen Wohnort aus Gründen einer leichteren Familienzusammenführung  – 1947 hatte Elsbeth Maschke noch Briefe von ihrem Mann aus der Gefangenschaft erhalten2 – mag auch der Gesundheitszustand von Erich Maschkes Mutter eine Rolle gespielt haben. Vielleicht war für den Zeitpunkt der Übersiedelung auch das politische Geschehen verantwortlich sowie eine polizeiliche Ermittlung gegen den abwesenden Erich Maschke seitens des Kriminalamtes Leipzig.3 Es ist ebenfalls unbekannt, wann Elsbeth Maschke die letzten Nachrichten von ihrem Mann vor seiner Verurteilung erhielt. Vielleicht war Post verloren gegangen, so dass sie ihn spätestens mit Geltung des langen Schreibverbotes für kriegs­ verurteilte Gefangene 1950/51 für tot halten musste und die Hoffnung aufgab, ihn wiederzusehen. Dafür spricht, dass sie in diesem Zeitraum für sich und die Kinder Witwen- und Waisengeld beantragte. Durch ihre Anstellung als Bibliothekarin in der Pfälzischen Landesbibliothek in Speyer gelang es Elsbeth Maschke, für den Lebensunterhalt zu sorgen und die Familie wieder in geordnete wirtschaftliche Verhältnisse zu bringen. Erich Maschke war ihr zeit seines Lebens zutiefst dankbar dafür, die Familie auf diese Weise zusammen- und am Leben gehalten zu haben4. Nachdem er später wieder in der Lage war, die Familie zu ernähren, schied seine Frau aus der Erwerbsarbeit aus – ein Beispiel für die Restauration der traditionellen Kernfamilie, wie sie sich in diesen Jahren häufig abspielte5. Im Falle der Familie Maschke ging damit jedoch eine immer stärker wachsende Einbindung von Elsbeth Maschke in 1 HStA Stuttgart, NL Erich Maschke, Bü 60, Brief Erich Maschkes an Dr. Kaul vom 1.12.1967. 2 BA Berlin, NS-Archiv des MfS, ZA VI 2927 A. 10. 3 Belege für eine solche Ermittlung liegen für die Zeit von Oktober 1947 bis Januar 1948 vor, aus denen aber die Zielrichtung, die Dauer und das Ergebnis der Ermittlungen nicht hervorgehen. Die Hinweise des Kriminalamtes Leipzig zu Erich Maschke in dieser Akte datieren aus der Zeit 1945–1948. BA Berlin, NS-Archiv des MfS, ZA VI 2927 A. 10. 4 Gespräch der Verfasserin mit Prof. Dr. Udo Arnold am 29.1.2005 in Bonn. 5 Vgl. dazu Niehuss, Kontinuität und Wandel der Familie in den 50er Jahren, S. 316–334.

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Der Wiedereinstieg

die wissenschaftliche Arbeit ihres Mannes einher. Ihr wahrscheinlich beträchtlicher Beitrag daran lässt sich allerdings kaum dokumentieren. Er selbst sah sich nach seiner Rückkehr nun vor die Schwierigkeiten eines Kriegsheimkehrers6 gestellt, welche die Eingewöhnung in eine völlig neue Situation und den Beginn eines neuen Lebensabschnittes mit sich brachte: Er befand sich in einem unbekannten sozialen Umfeld, das in keiner Weise den mittlerweile vertrauten Bezugssystemen der Kriegsgefangenschaft ähnelte. Er musste sich mit der »neuen Heimat« in einem geteilten Land auseinandersetzen, von der er wie viele Heimkehrer wahrscheinlich nur sehr allgemeine und undifferenzierte Vorstellungen besessen hatte. Ob er zunächst wie viele Heimkehrer auf absolutes Unverständnis der Umgebung für die Erlebnis- und Erfahrungswelt ehemaliger Kriegsgefangener stieß, ob ihm als Spätheimkehrer und Kriegsverurteiltem Misstrauen entgegengebracht wurde und er politische Diffamierung erlebte, ob ihm die Erledigung der notwendigen Formalien der bürokratischen Erfassung schwer fiel – über die ersten Monate nach der Heimkehr schweigen sich die wenigen im Nachlass überlieferten Quellen der Zeit aus. Nur ein Brief an Theodor Schieder vom 10. Januar 1954 spricht von den Gefühlen, die ihn und seine Familie damals bewegten: »Im tiefsten sind wir ja noch immer fast ratlos angesichts des Glückes dieser Heimkehr, und die Frage: warum durfte gerade ich zurückkommen und andere, auch unter meinen nächsten Freunden, noch nicht, hat etwas tief Beunruhigendes.«7

Auch wenn er noch zu 50 % erwerbsgemindert war, galt es doch nun vor allem, Initiative im Hinblick auf sein berufliches Fortkommen zu zeigen, um nicht nur seinen Teil zum Familienhaushalt beizusteuern, sondern auch, um in die lang entbehrte wissenschaftliche Arbeit wieder einsteigen zu können. Gerade Maschkes berufliche Situation stellte sich aber aus mehreren Gründen als problematisch dar. An die Professur in Leipzig war nicht mehr zu denken, seine Bibliothek und Unterlagen8 waren weitgehend verloren und eine Fachbibliothek stand ihm unmittelbar vor Ort in Speyer nicht zur Verfügung. Als Mitarbeiter konnte er nur mit seiner Frau rechnen, mit der er tatsächlich in der folgenden Zeit die Grundlagen für viele seiner wissenschaftlichen Publikationen erarbeitete. Diese gemeinsame wissenschaftliche Arbeit wurde ihnen beiden mehr und mehr zum Lebensinhalt und trug zur großen inneren Nähe zwischen ihnen bei. Viel schwerer als das Fehlen von Mitarbeitern wog jedoch die Tatsache, dass er als Spätheimkehrer bei den Neubesetzungen der ohnehin knappen Lehrstühle 6 Lehmann, Gefangenschaft und Heimkehr; Smith, Heimkehr aus dem Zweiten Weltkrieg; Kaminsky (Hg.), Heimkehr 1948; Biess, Homecomings. 7 BAK, NL Theodor Schieder 1188, Nr. 9. 8 Elsbeth Maschke hatte nur wenige Arbeitsmaterialien und Manuskripte aus Leipzig mitnehmen können. Sie bildeten die Grundlage für Maschkes Beiträge zur Deutschordensgeschichte der nächsten Jahre. Gespräch der Verfasserin mit Prof. Dr. Udo Arnold am 29.1.2005 in Bonn.

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nach Kriegsende zeitlich unwiderruflich ins Hintertreffen geraten war. In diesem Zusammenhang war seine politische Belastung, wenngleich er im Entnazifizierungsverfahren als minderbelastet (Kategorie III)9 eingestuft worden war, heikel. Zu viele Kollegen konnten sich sicherlich an sein Auftreten und Engagement im Rahmen der Forschungsgemeinschaft oder des Kriegseinsatzes, an seine Mitarbeit bei den Schulungsbriefen oder diverse publizistische Beiträge erinnern. Im Schriftwechsel mit Kollegen und Freunden aus dieser Zeit finden sich hierzu und zur jeweiligen politischen Vergangenheit keine Äußerungen. Dies war auch nicht zu erwarten. In der Historikerschaft war man über die Vergangenheit des Fachgenossen informiert, hüllte sie aber in den Mantel eines taktvollen und diskreten Schweigens. Das tat man in der Gewissheit, selbst in der Sicherheit dieses Schweigens durch unliebsame Fragen nicht gestört zu werden, wenn man zuvor öffentlich seine Distanzierung vom Nationalsozialismus vollzogen hatte10. Die gegenseitige Entschuldung der Historiker fand ihren Ausdruck in den einander gewährten Persilscheinen. Es gab aber auch die Fälle, in denen einzelnen Historikern die spezifischen Formen der gegenseitigen Amnestie und langfristig oder endgültig die Rückkehr an eine Hochschule verwehrt wurde11. Dieses Schicksal stand Erich Maschke bedrohlich vor Augen: Mit solchermaßen betroffenen Historikern wie Günther Franz und Erwin H ­ oelzle hatte er teilweise eng zusammengearbeitet und freundschaftlichen Umgang gepflegt. Allein – die ideologische Nähe der Betreffenden zum nationalsozialistischen Regime war wohl weit weniger ein Ausschlusskriterium für ihre Wiederverwendbarkeit nach 1945 gewesen als vielmehr ein anderer Aspekt: Wer gegen die ungeschriebenen »Standesregeln« verstoßen hatte, sich auf Kosten von Kollegen einen Karrierevorsprung mit Hilfe der Politik gesichert oder Kollegen denunziert hatte, konnte mit Nachsicht und Wohlwollen seitens der »Zunft« nicht mehr rechnen12. Von Erich Maschkes Verhalten im Dritten Reich ist in diesem Sinne zwar nichts überliefert; dennoch konnte er sich der Unter9 Erich Maschke wurde laut einer Abschrift eines Schreibens vom MDI Rheinland-Pfalz vom 28.11.1951 nicht in die Gruppe I und II der Landesverordnung zur politischen Säuberung in Rheinland-Pfalz eingestuft. (UAH, PA Erich Maschke Nr. 4939, Bd. 1.) Dokumente zu Hintergründen und weiteren Einzelheiten über Erich Maschkes Entnazifizierung sind in den in Frage kommenden Archiven leider nicht überliefert bzw. konnten nicht ermittelt werden. 10 Als Beispiele für solche öffentlichen Reuebekundungen nennt Thomas Etzemüller die Namen Reinhard Wittrams und Hermann Heimpels. Ders., Sozialgeschichte als politische Geschichte, S. 40. 11 Die Entnazifizierung betraf nach Angaben von Wolfgang Weber insgesamt nur 24 von 110 Historikern, von denen ein Teil erst nach längerer Zeit wieder an die Universitäten zurückkehrte, beispielsweise Willy Andreas oder Wilhelm Mommsen. Endgültig schieden beispielsweise der ehemalige Frankfurter Rektor und Mitorganisator des Kriegseinsatzes der deutschen Geisteswissenschaft Walter Platzhoff, der frühere Herausgeber der HZ Karl Alexander von Müller, Gustav Adolf Rein, Erich Botzenhart, Ulrich Crämer und Willy Hoppe aus. Zit. n. Faulenbach, Historische Tradition und politische Neuorientierung, S. 193. 12 Vgl. dazu Schael, Die Grenzen der akademischen Vergangenheitspolitik, S.  53–74; Etze­ müller, Sozialgeschichte als politische Geschichte, S. 220–222.

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stützung durch die »Zunft« nicht sicher sein, auch wenn ein Schreiben des Vorsitzenden des deutschen Historikerverbandes Hermann Aubin dies nahe legte13. Erich Maschke musste nun Mehreres in Erfahrung bringen: wohin es Freunde und Bekannte in den vergangenen Jahren verschlagen hatte, wer in einer geeigneten Position war, um ihm beim beruflichen Wiedereinstieg förderlich zur Seite zu stehen und ob und in welcher Weise alte Verbindungen, Forschungsnetzwerke u. dgl. das Kriegsende überdauert hatten. Hier hatte er gewissermaßen Glück im Unglück. Zum einen hatten sich viele der alten Kollegen, vor allem auch aus dem Königsberger Kreis, wenn auch teilweise auf einigen Umwegen und unter Schwierigkeiten wie beispielsweise der befreundete Theodor S­ chieder14 oder der Freund aus Berliner Studentenjahren Werner Markert, zu diesem Zeitpunkt bereits mehr oder weniger im universitären Betrieb etablieren können. Auch Maschkes Lehrer Hans Rothfels war aus den USA remigriert und hatte seit 1951 an der Universität Tübingen einen Lehrstuhl inne. Auf ihre Hilfe bei seinem Wiedereinstieg durfte Erich Maschke hoffen. Zum anderen waren zu diesem Zeitpunkt bereits Forschungseinrichtungen, wissenschaftliche Netzwerke und Strukturen, Arbeitskreise und Verbände der bundesdeutschen Geschichtswissenschaft teils wiederbegründet, teils neu geschaffen worden, die er kontaktieren konnte15. Da wäre – für Erich Maschke als gewesenem Ostforscher von vorrangigem Interesse – der Johann-Gottfried-Herder-Forschungsrat16 mit angegliedertem Institut in Marburg zu nennen, der als Nachfolgeorganisation der NOFG 1950 auf Initiative von Hermann Aubin gegründet wurde und eine effektive Netzwerkarbeit im Sinne der Reetablierung der Ostforschung betrieb. Er gab ab 1953 nicht nur die Zeitschrift für Ostforschung heraus, sondern um ihn gruppierten sich auch zahlreiche wiederbelebte Historische Kommissionen, denen Erich Maschke teils angehört hatte. Eine wichtige Anlaufstelle für Erich Maschke konnte in diesem Zusammenhang auch der 1946 ins Leben gerufene Göttinger Arbeitskreis darstellen, der sich bereits für andere ehemals ostdeutsche Wissenschaftler als hilfreich erwiesen hatte und zu dessen Mitgliedern be13 MPI Göttingen, Archiv des VHD, Ordner 6, Korrespondenz 1954, Buchstabe M: Schreiben Hermann Aubins an Erich Maschke vom 4.11.1953: »Sehr geehrter Herr Maschke! Erst heute bin ich in den Besitz Ihrer Anschrift gekommen, um Ihnen einen herzlichen Glückwunsch zu entbieten. Ich tue das zugleich im Namen des Verbandes der Historiker Deutschlands, […]. Als wir vor einiger Zeit in München zusammentraten, wurde die Nachricht von Ihrer Rückkehr aus der Gewalt der Russen mit herzlicher Freude und grosser Befriedigung aufgenommen. Wir sind zwar keine Gewerkschaft, aber es ist doch so etwas wie ein Berufsbewusstsein im Verband vorhanden, dass wir uns – und ich bin davon überzeugt, jedes einzelne Mitglied – bemühen wollen, Ihnen zum Wiedereintritt in die volle wissenschaftliche Tätigkeit zu helfen. Ich bitte Sie, mir mitzuteilen, ob und worin wir Ihnen etwa Hilfe leisten können.« 14 Vgl. dazu Etzemüller, Sozialgeschichte als politische Geschichte, S. 238–243. 15 Zur institutionellen Landschaft der bundesdeutschen Geschichtswissenschaft nach 1945 siehe die Beiträge in Prinz/Weingart (Hg.), Die sogenannten Geisteswissenschaften: Innenansichten; Eckel, Geist der Zeit, S. 89–111. 16 Vgl. dazu auch das Kapitel »Ostforschungen nach 1954«.

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kannte Namen wie Theodor Oberländer, Theodor Schieder, Werner Markert, Gunter Ipsen u. a. zählten17. Abgesehen von diesen der alten Ostforschung vor 1945 nahe stehenden oder ihr zumindest verpflichteten Einrichtungen kam auch der Verband der Historiker Deutschlands mit den jährlich stattfindenden Historikertagen in Frage, um sich wieder in das Gedächtnis der Kollegen zu rufen. Er hatte in diesen Jahren Gerhard Ritter zum Vorsitzenden, für den Maschkes Name kein unbeschriebenes Blatt war. Erich Maschke musste sich innerhalb der bislang noch unbekannten bundesdeutschen geschichtswissenschaftlichen Forschungslandschaft neu orientieren. Dies machte es auch erforderlich, sich über mögliche fachinterne Schwerpunktverlagerungen, Neubewertungen, Revisionen, Grundsatzentscheidungen und Richtungswechsel der letzen Jahre zu informieren, die thematischer, inhaltlicher oder methodischer und perspektivischer Art waren. Dabei spielte auch die Art und Weise, wie sich die deutschen Historiker der Vergangenheit des eigenen Faches stellten, eine wichtige Rolle. Welches Bild bot sich Erich Maschke da? War während der tiefen Identitätskrise des Faches in der frühen Nachkriegszeit von einigen deutschen Historikern noch die Notwendigkeit betont worden, das eigene Geschichtsbild zu überprüfen, so hatte sich dieses Bemühen aus unterschiedlichen Gründen bald abgeschwächt und war einer eher verschwommenen Selbstkritik gewichen. In diesem Zusammenhang diente die Behauptung, das Ideal einer wissenschaftlichen Objektivität sei stets hochgehalten worden, als wichtiges Argument dafür, sich einer genaueren Auseinandersetzung mit der jüngeren Geschichte des eigenen Faches und einem Nachdenken über die vorwissenschaftlichen Prämissen des eigenen wissenschaftlichen Arbeitens zu entziehen. Das Heil suchte man in einer Rückkehr zu früheren historiographischen Traditionen, wie es sich an der Ranke- und Burckhardtrezeption dieser Jahre zeigte. Abgesehen von einer Kritik an der bisherigen »Verherrlichung der Macht und des Staates als oberste Norm« sowie der großen Staatsmänner und Geister hatte sich in der Geschichtswissenschaft kaum etwas Wesentliches geändert. Geschweige denn war das Jahr 1945 eine Zäsur gewesen oder mit einem radikalen Traditionsbruch verbunden. Die Orientierung an bisherigen methodologischen Grundsätzen, theoretischen Grundlagen sowie an der politischen Geistesgeschichte mit ihrem Bezug auf Staat und Nation blieb bestehen. Neuere Richtungen wie Landesgeschichte und Volksgeschichte, die seit dem Ende des Ersten Weltkrieges einen Aufschwung erlebt hatten, wurden mittels neuer Begrifflichkeiten und Begründungen teilweise weitergeführt18. 17 Zu diesem Arbeitskreis von Braun, 5 Jahre Arbeit für den deutschen Osten. Zu Formen, Einrichtungen zur Reetablierung sowie Hilfsmaßnahmen für notleidende Historiker der neuen Ostforschung Etzemüller, Sozialgeschichte als politische Geschichte, S. 42–44. 18 Vgl. dazu Faulenbach, Historische Tradition und politische Neuorientierung; Schulin (Hg.), Deutsche Geschichtswissenschaft nach dem Zweiten Weltkrieg (1945–1965); Etzemüller, Sozialgeschichte als politische Geschichte, S. 213–233; Schulze, Deutsche Geschichtswissenschaft nach 1945; Blanke, Historiographiegeschichte als Historik, S. 638–667; Raphael, Von

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Trotz dieser Kontinuitäten eines »politisch-moralisch gezähmten Historismus« (Ernst Schulin) in der gegenwärtigen bundesdeutschen Geschichtswissenschaft musste Erich Maschke daran interessiert sein, neu gegründete oder sich neu gründende Forschungskreise, zukunftsträchtige Forschungsrichtungen und -ansätze, in denen er wissenschaftlich Fuß fassen konnte, kennen zu lernen. In diesem Zusammenhang konnte die Sozialgeschichte, welche sich seit dem Ende der 1940er Jahre unter der tatkräftigen Ägide von Werner Conze entwickelte19 und sich in der bundesdeutschen Geschichtswissenschaft nach und nach durchsetzte, für ihn besonders relevant sein. Allem Anschein nach legte Erich Maschke unmittelbar nach seiner Rückkehr große Energien an den Tag, um beruflich wieder in Tritt zu kommen. So war das folgende halbe Jahr nach seiner Heimkehr durch mehrere Reisen sowie Besuche bei Historikerkollegen gekennzeichnet. Auf ein Rundschreiben20 von Percy Ernst Schramm hin sandten diese ihm Sonderdrucke ihrer in den letzten Jahren veröffentlichten Beiträge als Wiedereinstiegshilfe zu. Kontakt zu den Kollegen entstand tatsächlich nun auch über den Herderforschungsrat in Marburg, den Erich Maschke Ende 1953 oder Anfang 1954 aufsuchte und zu dessen korrespondierendem Mitglied er im Frühjahr 1954 gewählt wurde21. Eine erste größere wissenschaftliche Arbeit ergab sich für Erich Maschke, als ihn der Bürgermeister und die Stadtverwaltung der Stadt Speyer mit dem Auftrag betrauten, eine Stadtgeschichte zu verfassen. Schon die ersten Besuche im Stadtarchiv hatten Erich Maschke gezeigt, dass das Material sehr reich und lohnend war22. So lag darin zunächst seine Hauptbeschäftigung23. Auch wenn er die Gesamtgeschichte der Stadt Speyer später nicht vorlegen konnte und der Vertrag 196924 gelöst wurde, eröffnete ihm diese Arbeit doch einen Zugang zur Auseinandersetzung mit der Stadtgeschichte an sich. In den folgenden Jahren veröffentlichte er mehrere kleinere Arbeiten zur Speyerer Stadtgeschichte Eine engere universitäre Anbindung wurde im Sommersemester 1954 möglich, als er an der Universität Heidelberg einen »kleinen Lehrauftrag« erhielt. Dies war wohl auf Betreiben des Historikers Fritz Ernst25 geschehen, der durch seine Persönlichkeit und seinen großen Schülerkreis von prägendem Einfluss der Volksgeschichte zur Strukturgeschichte; ders., Geschichtswissenschaft im Zeitalter der Extreme; Conrad, Auf der Suche nach der verlorenen Nation; Eckel, Geist der Zeit, S. 89–111; Nagel, Die bundesdeutsche Mediävistik 1945 bis 1980, S. 432–436. 19 Vgl. dazu Etzemüller, Sozialgeschichte als politische Geschichte. 20 BAK, NL Theodor Schieder N 1188, Nr. 9. 21 Archiv des Herder-Forschungsrates, Wahlausschuß des Forschungsrates 1950–1959. 22 Hessisches Landesamt für geschichtliche Landeskunde Marburg, NL Walther Schlesinger Nr. 72, Brief von Erich Maschke vom 20.4.1954. 23 Hinzu kamen eine umfangreiche Rezensionsarbeit für Günther Franz, eine Reihe von Vorträgen in lokalem und regionalem Rahmen und für den Rundfunk. 24 HStA Stuttgart, NL Erich Maschke J 40/10, Bü 71. 25 Conze und Mußgnug, Aus der Arbeit der Universitätsinstitute. Das Historische Seminar, S. 149.

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auf das Historische Seminar in den 50er Jahren war26. Widerstände gegen eine Berufung Maschkes auf einen Lehrstuhl am Seminar bestanden wohl hauptsächlich »in seiner nächsten fachlichen Umgebung«, wie er selbst an Schieder schrieb. Daran änderte sich auch über Jahre, bis 1956, nichts. Der akademische Klatsch trug Erich Maschke Ernsts Haltung ihm gegenüber mit den Worten zu, er wünsche ihm alles Gute, aber nicht in Heidelberg27. Inwieweit diese Meinung vom zweiten Heidelberger Ordinarius für Neuere Geschichte Johannes Kühn oder den Assistenten Fritz Trautz und Karl-Ferdinand Werner geteilt wurde, bleibt dahingestellt28. Initiative wegen einer Berufung Maschkes auf einen Lehrstuhl zeigten sie wohl nicht. Das wohlwollende Bemühen des Alt­ historikers Hans Schaefer und des Dekans Hans-Georg Gadamer konnte anscheinend nichts ausrichten. Warum Fritz Ernst für Erich Maschke nicht mehr als diese zweistündige Lehrverpflichtung erreichen wollte oder konnte, ist unbekannt. Wie Etzemüller meinte29, wirkten die »Schatten der Vergangenheit« Maschkes in der Zeit des Nationalsozialismus nach, so dass Maschke eben auch in Heidelberg abgelehnt wurde. Welche Bedeutung seiner politischen Belastung tatsächlich zukam, ist aufgrund der schwierigen Quellenlage kaum zu beurteilen: Gehörte Erich Maschke nun in der Tat zu der Reihe von Historikern, die wegen ihrer Vergangenheit von der »Zunft« kaltgestellt und denen zunächst eine gehobenere wissenschaftliche Arbeit an einer bundesdeutschen Hochschule verwehrt werden sollte? Wer innerhalb der Kollegenschaft, der akademischen Funktionsträger und der zuständigen Ministerialbürokratie stand ihm ablehnend gegenüber? Hatten sich Maschkes alte Freunde und Bekannte als nicht in der Lage erwiesen, ihm zu mehr als nur diesem zweistündigen Lehrauftrag zu verhelfen? Und wie wurden die acht Jahre seiner Kriegsgefangenschaft gedeutet  – als die ihm zukommende und somit gerechte Strafe, als Sühneleistung, als großes Pech, nicht rechtzeitig geflohen zu sein, oder als Zeit der Läuterung? Oder galt es vielleicht als undenkbar, dass Maschke einen Sinneswandel voll-

26 Ebd., S. 149. 27 BAK, NL Theodor Schieder N 1188, Briefe von Erich Maschke vom 5.1.1956 und 19.1.1956. Passt dazu folgende Aktenbemerkung aus dem Jahr 1956, nachdem Erich Maschke eine Berufung erhalten hatte? »Der Historiker, Professor Dr. Erich Maschke […] wäre im Personalverzeichnis der Universität entsprechend dem Datum seiner erstmaligen Ernennung zum ordentlichen Professor (1935) vor Professor Dr. Herbig und damit auch vor dem Ordinarius für Mittlere und Neuere Geschichte, Professor Dr. Ernst, aufzuführen. Dies muß, wie mir der Dekan der Philosophischen Fakultät, Professor Dr. Gadamer, vor der heutigen Senatssitzung mitteilte, vermieden werden, um die Empfindlichkeit von Professor Dr. Ernst zu schonen. Professor Dr. Gadamer hat sich dieserhalb mit Professor Dr. Maschke besprochen, der zugestimmt hat, dass er im Personalverzeichnis in der Liste der Ordinarien als letzter aufgeführt wird.« (UAH, PA 4940 Erich Maschke, Aktenbemerkung vom 5.6.1956.) 28 Conze und Mußgnug, Aus der Arbeit der Universitätsinstitute. Das Historische Seminar, S. 146; dazu auch Altemoos, Lehrende und Lehrprogramme, S. 39–65. 29 Etzemüller, Sozialgeschichte als politische Geschichte, S. 146. Dies bezog sich auf Paul Egon Hübinger in Münster wie auch auf Fritz Ernst in Heidelberg.

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zogen haben könnte? War über ihn etwas bekannt, dass seine »menschliche Anständigkeit« während der vergangenen zwölf Jahre in Zweifel zog? Ungeachtet dieser Fragen bleibt auch Erich Maschkes fachliche Reputation, die er vor 1945 unter den deutschen Mediävisten genoss und an welche man sich erinnerte, in diesem Zusammenhang von Bedeutung. Aus den wenigen überlieferten Dokumenten dieser Zeit werden mögliche Antworten auf alle diese Fragen und Problemkreise nicht greifbar. Zum Sommersemester 1954 nahm Erich Maschke »sehr kurzfristig«30 mit einer Vorlesung und einer Übung zur Handels- und Wirtschaftsgeschichte des Mittelalters seine Lehrtätigkeit wieder auf. Ursprünglich als »Ostdeutsche Geschichte« firmiert, schlug Maschke »aus gutem Grund«31 ein neues Thema vor, das auch mit seinen Speyerer Studien harmonierte. Dennoch vereinigte er in dieser zweistündigen Lehrveranstaltung alte und neue Interessen: Beispielsweise las er zu Anfang über die Geschichte der Hanse, im Sommersemester 1955 über die Geschichte der ostdeutschen Siedlung im Mittelalter32, behandelte aber auch Aspekte der Sozial- und Wirtschaftsgeschichte wie Adel und Stadt. Als ein kompletter Neuanfang ist dieser Lehrauftrag daher nicht zu bewerten. Dies war im Falle Erich Maschkes auch nicht zu erwarten, da er sich erst in die für ihn doch weitgehend neue Thematik der Wirtschaftsgeschichte33 einarbeiten musste und es somit nahe lag, zunächst auf ihm Geläufiges zurückzugreifen. Ein ähnliches Bild ergab sich bei der Durchsicht seiner Vortragstätigkeit. Sie reichte thematisch von »Werden und Schicksale des deutschen Ostens« (1954) und »Die Stellung der west-slawischen Völker in der Geschichte Europas« (Juli 1955 in Stuttgart bzw. März 1956 in Speyer) über »Die geschichtliche Bedeutung des mittelrheinischen Raumes« (1954) bis zu »Die Araber und die Grundlegung der abendländischen Kultur« und »Kaiser Friedrich II.« (1954)34. Hatte Erich Maschke sich durch diesen Lehrauftrag einen baldigen Wiedereinstieg in seine früheren akademischen Positionen erhofft, so sah er seine Erwartungen getäuscht. Erst 1956 erhielt er in Heidelberg eine k.-w.-Professur für Wirtschafts- und Sozialgeschichte. Auf eine Rückkehr in die reine Mediävistik war nun nicht mehr zu hoffen.

30 Archiv des Herder-Forschungsrates, Brief Erich Maschkes an Erich Keyser vom 27.7.1954. 31 Ebd. 32 Die Reaktion der Studierenden auf sein Lehrangebot beschrieb Erich Maschke wie folgt: »Das Echo bei den Studierenden war durchaus gut: etwa 50 Hörer in der Vorlesung, 10 Teilnehmer an der Übung mit lebhaftestem Interesse, sodass die Übung mich sehr befriedigt hat.« Archiv des Herder-Forschungsrates, Brief Erich Maschkes an Hermann Aubin vom 23.7.1955. 33 Die Wirtschaftsgeschichte des Mittelalters war ihm zumindest seit der Arbeit am »Peterspfennig« ein wenig vertraut. 34 BA-MA Freiburg, B 205–1763.

9. Heidelberg (1956 bis 1982) 9.1 Jahre am Neckar In den Heidelberger Jahren fasste Erich Maschke nach einer langen Zeit der Gefangenschaft, der Ungewissheit und des Provisoriums in Südwestdeutschland wieder Fuß: Hier fand er nicht nur selbst ein neues Zuhause in der Heimat seiner Frau, sondern auch in der Universität Heidelberg eine Wirkungsstätte, an der er bis zu seiner Emeritierung 1968 lehrte und forschte. An dieser Universität gelang ihm ein wissenschaftlicher Neuanfang, der in seiner Art Seltenheitswert besaß: Mit unermüdlicher Motivation und enormem Fleiß erschloss er sich neue Themenbereiche und Sachgebiete wissenschaftlichen Arbeitens. Die Einarbeitung in die Wirtschaftsgeschichte von Antike bis Neuzeit, die Sozial­ geschichte der mittelalterlichen Stadt oder die langjährige Beschäftigung mit der deutschen Kriegsgefangenengeschichte des Zweiten Weltkrieges sind Beispiele dafür. Diese neuen Themen brachten auch die Mitarbeit und Mitgliedschaft Erich Maschkes in zahlreichen regionalen wie auch überregionalen Vereinen und Verbänden mit sich, die er rege unterstützte. In ihnen eröffneten sich Maschke neue Betätigungsfelder, welche sein akademisches Wirken mehr als nur vervollständigten und ihm einen festen und unangefochtenen Platz in der scientific community des jeweiligen Fachgebietes sicherten. Gleichzeitig gelang es Maschke jedoch auch, alte Interessen wie die Geschichte des Deutschen Ordens oder seine Beschäftigung mit der Staufergeschichte wieder aufzunehmen und mit Erfolg weiterzuführen. Dies stellte Kontinuitäten in seinem historiographischen Werk von mehr als vier Jahrzehnten her. Insgesamt offenbart ein Blick auf die Themen seiner wissenschaftlichen Arbeit dieser Jahre eine große Bandbreite und Vielseitigkeit. Ein erstaunliches Maß an Offenheit für neue Ansätze, auch aus dem Ausland, sorgte für eine Transformation seiner eigenen wissenschaftlichen Herangehensweise. Diese schlug sich nicht nur in denjenigen Publikationen nieder, die neue Themenfelder zum Inhalt hatten, sondern auch in Bereichen, die ihn schon lange Jahre beschäftigten. Gleichzeitig enthüllten einige seiner Schriften die Schwierigkeiten eines grundsätzlichen historiographischen Neuanfangs. In dieser zweiten Hälfte seines Gelehrtenlebens erlebte Maschkes wissenschaftliches Arbeiten eine internationale Ausweitung, die in besonderer Weise gerade auch freundschaftlich-kooperative Beziehungen zu französischen Kollegen beinhaltete. Fernand Braudel wurde für ihn zu einem wichtigen Gegenüber. Seinem Königsberger Kollegen- und Freundeskreis blieb Maschke dessen ungeachtet weiterhin verbunden. Dem tat auch die Tatsache keinen Abbruch, dass sich berufliche Schwerpunkte und Entwicklungen in einigen Fällen etwas verlagerten  – Gelegenheiten der wissenschaftlichen Zusammenarbeit ergaben

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sich dennoch in den folgenden Jahren vor allem im Zusammenhang mit Einrichtungen der sich formierenden Sozialgeschichte. Gemeinsam war dem alten Kollegen- und Freundeskreis weiterhin der Bezug auf den remigrierten Hans Rothfels, der in den 1950er und 1960er Jahren nach Einschätzung Eckels eine singuläre Integrationsfigur1 darstellte und darüber hinaus eine zentrale Schaltstelle im historischen Forschungsbetrieb besetzte. Im Gegensatz zu seinem Lehrer war Maschkes wissenschaftsorganisatorische und publizistische Einbindung im großen und ganzen nicht mehr durch besondere Politiknähe gekennzeichnet – abgesehen von der Arbeit für die Wissenschaftliche Kommission für deutsche Kriegsgefangenengeschichte des Zweiten Weltkrieges. Diese Kommission und die von ihr heraus­gegebene Schriftenreihe sind bislang nur selten Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen gewesen, waren aber nach eigenem Bekunden Erich Maschkes ein wesentlicher Bestandteil seines Lebenswerkes2. Aus diesem Grund wurde ihnen hier in dieser Arbeit besondere Aufmerksamkeit gewidmet. Die Heidelberger Jahre stellten hinsichtlich des Arbeitspensums eine große Herausforderung für den nicht mehr eben jungen Erich Maschke dar. Das blieb nicht ohne Folgen. Gesundheitliche Probleme und Zusammenbrüche Ende der 1950er und Anfang der 1960er Jahre beeinträchtigten seine Lehrtätigkeit. Diese gesundheitlichen Probleme verschärften sich in der Zeit nach seiner Emeritierung 1968, die durch zwei längere Krankheitsphasen (1967/68 und zwischen 1972 und 1974) geprägt war. Dennoch blieb er in der Leitung der Wissenschaftlichen Kommission für deutsche Kriegsgefangenengeschichte weiterhin aktiv. Auch an den 1975 einsetzenden Vorarbeiten für die Gestaltung der Stuttgarter Staufer-Ausstellung3 1977 war er beteiligt. Ebenso hielt er an seiner Vortragstätigkeit fest. Erich Maschkes zunehmende Sehbehinderung erschwerte ihm zwar die wissenschaftliche Arbeit, doch fand er wie in den vergangenen gemeinsamen Jahrzehnten eine zuverlässige Stütze und geschulte Mitarbeiterin in seiner Frau­ Elsbeth. Als sie 1981 schwer erkrankte und im Februar 1982 verstarb, überlebte er sie nur um wenige Tage. Am 11. Februar 1982 folgte er ihr freiwillig in den Tod. Der lange Lebensweg eines Gelehrten, dem in der zweiten Lebenshälfte ein seltener Neuanfang gelungen war, war zu Ende gegangen.

1 Eckel, Hans Rothfels, S. 275–276. 2 Harald Zaun bezeichnete sie sogar als »vielleicht bedeutendste historische Arbeit Maschkes«. Zaun, Erich Maschke (1900–1982), S. 148. 3 Zur Staufer-Ausstellung vgl. Große Burlage, Große historische Ausstellungen, S. 21–91.

Ein Vierteljahrhundert zurück: Die Berufung nach Heidelberg

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9.2 Ein Vierteljahrhundert zurück: Die Berufung nach Heidelberg In Heidelberg sah es anfangs für Erich Maschke gar nicht nach einem wissenschaftlichen Neubeginn aus. Mit dem 1954 erteilten Lehrauftrag war die Berufung auf einen Lehrstuhl keinesfalls in die Nähe gerückt. Obwohl sich Theodor Schieder, Hans Rothfels4 und Hermann Aubin für ihn einsetzten, gelangte erst 1955 und nur durch die Aufstellung einer unico-loco-Liste eine Professur an der TU Stuttgart für Erich Maschke in Reichweite. Ein gezielter Hinweis des Erlanger Philosophen Hans R. G. Günther5 auf diese mögliche Wegberufung von Heidelberg setzte schließlich eine Beschleunigung und Verstärkung der Initiative der Heidelberger Wirtschaftswissenschaftler Helmut Meinhold und Erich Preiser6 in Gang, für Erich Maschke eine k.-w.-Professur in Heidelberg zu beantragen und einzurichten. Diese kam dann im Mai 1956 unter maßgeblicher Mitwirkung des Dekans der Heidelberger Philosophischen Fakultät Hans-Georg Gadamer zustande7. Die Glückwünsche zu Maschkes Berufung sprachen die erfolgreiche Beendigung des unerfreulichen »131er« Wartestatus8, das Ende der »unerquick-

4 HStA Stuttgart, Bestand EA 13/150, Bü 179, Abschrift eines Schreibens von Hans Rothfels vom 14.6.1955. Diese Einschätzung wurde im Zuge der Verhandlungen über die Schaffung einer k.-w.-Professur für Erich Maschke in Stuttgart abgegeben. Vor allem vor dem Hintergrund der weiteren Personalvorschläge Fritz Valjavec und Erwin Hoelzle war sie ausgesprochen positiver Art: »Ich habe ihn [Erich Maschke] erst selbst kürzlich […] besucht und kann bezeugen, dass er nicht nur in überraschend guter, ja ausgezeichneter physischer Verfassung sich befindet, sondern auch als Persönlichkeit in einem Masse gewachsen ist, dass jede Fakultät m. E. sich glücklich schätzen dürfte, ihn als Kollegen zu haben. Ich würde ihn rückhaltlos empfehlen.« 5 H. R. G. Günther war Vorstand des »Verbandes der heimatvertriebenen Hochschulangehörigen« und vertrat äußerst wahrnehmbar die Interessen der entnazifizierten, vertriebenen und »amtsverdrängten« Hochschullehrer. Szabo, Vertreibung – Rückkehr – Wiedergut­ machung, S. 278–279. Vgl. dazu HStA Stuttgart, NL Erich Maschke J 40/10, Bü 97, Schreiben Maschkes an H. R. G. Günther vom 18.5. und 7.6.1956 sowie das Schreiben Erich Maschkes an Prof. von Martini vom 7.6.1956. 6 Warum sich beide Wissenschaftler für Erich Maschke einsetzten und aus welchen Zusammenhängen heraus sie ihn kannten, konnte nicht eruiert werden. Zu vermuten ist im Falle Preisers eine nähere Bekanntschaft, die in der Jenaer Zeit ihren Anfang genommen hatte. Angesichts der Einbindung Meinholds in Institutionen der Ostforschung der 1930er und 1940er Jahre wäre ein ebensolcher Hintergrund zumindest denkbar. Meinhold war von 1941–1944 am Institut für deutsche Ostarbeit in Krakau beschäftigt. Zu Meinhold ausführlicher Heim/Aly, Ein Berater der Macht. Zu Preiser Blesgen, Erich Preiser – Wirken und wirtschaftspolitische Wirkungen. 7 UAH, PA Erich Maschke 4940, Bd. 2: 1956–1968. 8 Erich Maschkes Berufung zählte nun zu den neun von insgesamt 20 Neuberufungen an der Philosophischen Fakultät seit 1945, die sinngemäß den Bestimmungen des § 131 GG entsprachen. UAH, Bestand H-V-232/1. Über die »131er« Frei, Vergangenheitspolitik, S. 70–100.

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lichen Heidelberger Streitereien«9, aber auch einen gewissen akademischen Abstieg Maschkes an: »Wir haben uns herzlich darüber gefreut, es hat ja lange genug gedauert, bis Sie wieder richtig eingebaut sind. Wenn es auch nicht das ist, was Ihnen an sich zukommt – ein allgemein-mittelalterlicher Lehrstuhl – so doch wenigstens ein Ordinariat und damit die Sicherung des Wirkens.«10

Unabhängig von Erich Maschke selbst, der sich erst mit dieser Berufung »ganz und endgültig«11 heimgekehrt fühlte, wurde mit diesem neu geschaffenen Lehrstuhl für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte an eine Heidelberger Tradition angeknüpft, die durch Max Weber und Eberhard Gothein begründet worden war. Die Sozial- und Wirtschaftsgeschichte in Deutschland war zu Beginn des 20.  Jahrhunderts von internationaler Bedeutung und Ausstrahlungskraft gewesen, hatte aber während der Zeit des Nationalsozialismus aus verschiedenen Gründen einen schweren Niedergang erlitten. In den 1950er und 1960er Jahren erlebte auch die deutsche Wirtschafts- und Sozialgeschichtsforschung vor dem Hintergrund eines internationalen Aufschwunges neuen Auftrieb, der sich in der Anzahl von Publikationen, neu eingerichteten Instituten und Forschungseinrichtungen, Zeitschriften und neu geschaffenen Lehrstühlen wie eben dem Erich Maschkes sichtbar niederschlug12. Maschkes Lehrstuhl war zwar dem Alfred-­Weber-Institut für Wirtschaftswissenschaften eingefügt, er selbst konnte jedoch auch Arbeitsmöglichkeiten im Historischen Seminar nutzen. Er berichtete von »freundlichem Wohlwollen«, das in seiner nächsten fachlichen Umgebung herrsche. Ob er dies nicht nur auf die Volkswirte Helmut Meinhold und Erich Preiser, sondern auch auf seine Historikerkollegen Fritz Ernst, Wilhelm Weizsäcker, Neithard Bulst oder Karl-Ferdinand Werner, Fritz Trautz u. a. bezog, ist eher unwahrscheinlich. Von ihnen sind Schreiben, in denen sie Maschkes Berufung befürworteten oder in denen sie sich für ihn einsetzten, zumindest nicht überliefert13. Dass Erich Maschkes Kooperation und Verbindung mit 9 HStA Stuttgart, NL Erich Maschke J 40/10, Nr. 59, Schreiben von Günther Franz an Erich Maschke vom 21.6.1956. Worauf sich diese Textpassage bezieht, ist unbekannt. Möglicherweise damit im Zusammenhang steht folgende Äußerung von Theodor Schieder (HStA Stuttgart, NL Erich Maschke J 40/10, Nr. 59, Brief vom 26.1.1957): »Es wäre schlechthin blamabel gewesen, wenn man Ihnen nicht bei der augenblicklichen Chance Raum durch k.-w.-Professuren zu schaffen, eine Position gegeben hätte. Wie ich dabei über das Verhalten Ihres Fachkollegen [gemeint ist wohl Fritz Ernst – d. Vf.] denke, möchte ich lieber nicht zu Papier bringen.« 10 HStA Stuttgart, NL Erich Maschke J 40/10, Nr.  59, Brief von Manfred Hellmann vom 4.7.1956. 11 UAH, Rep. 27, Nr. 101a, Schreiben an den Rektor vom 10.4.1956. 12 Zur Geschichte der Sozial- und Wirtschaftsgeschichte Zorn, Das Fach Wirtschafts- und Sozialgeschichte im letzten halben Jahrhundert, S. 11–22. 13 Von ihnen scheint auch tatsächlich keine Initiative ausgegangen zu sein. Vgl. HStA Stuttgart, NL Erich Maschke J 40/10, Bü 61, Brief Maschkes an Friedrich Lütge vom 21.9.1967: »Der unerwartete Tod von Preiser war auch für mich sehr schmerzlich. Wir waren uns ja schon vor Jahrzehnten in Jena begegnet, und hier verdanke ich die Gründung meines Lehr-

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den Wirtschaftswissenschaftlern in irgendeiner Hinsicht problematisch gewesen wäre, ist aus den überlieferten Dokumenten nicht ablesbar. Vieles spricht dafür, dass Erich Maschke sehr geschätzt und die Zusammenarbeit mit ihm als angenehm und nahezu ideal empfunden wurde14. Aber auch über die unmittelbaren Vorgänge der Berufung hinaus scheint Erich Maschke in den folgenden Jahren am Heidelberger Historischen Seminar möglicherweise in einer gewissen Außenseiterposition verblieben zu sein. Diesen Eindruck vermittelten die Erinnerungen eines Zeitzeugen15. Die Tatsache, dass Erich Maschke für Wirtschaftsgeschichte keine Prüfungserlaubnis für das Staatsexamen erhielt, mag nur an seinem Fachgebiet gelegen haben, wie es auch andernorts an deutschen Universitäten der Fall war. Es gab jedoch in dieser Zeit auch gegenteilige Beispiele dafür16.

9.3 Erich Maschke und die Sozialgeschichte Ein weiterer Umstand änderte wahrscheinlich auch nur wenig an der Stellung Erich Maschkes im Gefüge des Historischen Seminars. 1957 hatte Werner Conze nach längerem Hin und Her einen Ruf nach Heidelberg angenommen, wohl auch auf einen Ratschlag Maschkes hin. Mit Blick auf die bevorstehende Zusammenarbeit hatte Conze damals geschrieben: »Es ist gut zu wissen, dass Sie in Heidelberg sind. Ich erhoffe mir viel vom gemeinsamen Wirken am neuen Ort. Von Tag zu Tag weiß ich besser, dass Sie mir auf den Treppenstufen im Ulmer Rathaus das Richtige geraten haben.«17

Nun wurde in Conzes neu gegründetes »Institut für moderne Sozialgeschichte« Erich Maschkes Lehrstuhl für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte integriert und zusammengeschlossen. Dieses Institut für moderne Sozialgeschichte18 sollte

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stuhles ihm und Meinhold, während die Historiker seinerzeit hier keine Initiative entfaltet haben.« Wie sich die Zusammenarbeit mit seinen Historikerkollegen entwickelte – so denn eine solche existierte –, ist unbekannt. HStA Stuttgart, NL Erich Maschke J 40/10, Bü 100. Gespräch mit Prof. Dr. Ulf Dirlmeier am 5.4.2008 in Freudenberg. Rode, Die Gesellschaft für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, S. 18–19. HStA Stuttgart, NL Erich Maschke J 40/10, Bü 59, Schreiben Werner Conzes vom 2.11.1956. Offiziell nannte es sich 1957 Institut für Sozialgeschichte der Gegenwart, ab 1958 Institut für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte. Wie groß der Anteil Erich Maschkes an den Vorgängen um seine Gründung und Ausgestaltung war, lässt sich schlecht ermessen. In den entsprechenden Publikationen, die die Einrichtung des Institutes thematisieren, wird der Fokus meistens auf Conzes Initiativen gerichtet. Werner Conze verwendete in seiner Antrittsrede bei der Heidelberger Akademie der Wissenschaften 1963 die Formulierung: »in dem von Erich Maschke und mir neu gegründeten Heidelberger Institut für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte […]«. Zit. n. Sellin/Zwies (Hg.), Die Heidelberger Akademie der Wissenschaften, S. 236.

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eine Brückenfunktion innehaben: Nicht nur inhaltlich und programmatisch, wie es Werner Conzes Vorstellungen von einer modernen Sozialgeschichte19 entsprach, sondern auch personell verklammerte es das Historische Seminar und die Sozial- und Wirtschaftswissenschaften am Alfred-Weber-Institut und damit zwei Fakultäten. Erich Maschke übernahm als zweiter Direktor an der Doppelspitze des neuen Institutes den Aufbau der wirtschaftsgeschichtlichen Abteilung sowie die Aufgabe, Studenten des Historischen Seminars wie auch Studenten der Wirtschaftswissenschaften auszubilden. Damit war das Institut, wie ursprünglich von Conze beabsichtigt, kein reines Forschungsinstitut mehr20. Ob die Konzeption Conzes von einer modernen Sozialgeschichte als Strukturgeschichte der technisch-industriellen Welt in der praktischen Arbeit des Institutes und in der Kooperation zwischen ihm und Erich Maschke auch tatsächlich und wenn ja, auf gleicher Augenhöhe zwischen beiden Historikern verwirklicht wurde, bleibt fraglich. Maschke zählte wohl allem Anschein nach nicht zu den zentralen wissenschaftlichen Bezugspersonen Werner Conzes im Institutsalltag21. Ebenso waren die Gebiete und Themen, mit denen sich beide Historiker in Forschung und Lehre beschäftigten, recht ungleich: Erich Maschke verblieb in der Lehre vorrangig in der Wirtschaftsgeschichte und publizistisch hauptsächlich in der Sozialgeschichte des Mittelalters; von einer Beschäftigung mit der Geschichte der Arbeiterbewegung im 19. Jahrhundert, mit Aspekten der Geschichte des deutschen Kaiserreiches, mit verschiedenen Façetten der Weimarer Republik o. ä., wie sie Werner Conze betrieb, kann bei ihm kaum die Rede sein. In seinen wirtschaftsgeschichtlichen Schriften vor allem zu Fragen der Industrialisierung Deutschlands oder zur Unternehmensgeschichte hätte es aber durchaus Schnittmengen und Berührungspunkte zwischen den Arbeitsfeldern beider Historiker, beispielsweise in der Thematisierung der Arbeiterbewegung im späten 19. Jahrhundert, gegeben. Doch diese fanden keine Bearbeitung. Welche Bedeutung maß Werner Conze seinem Kollegen bei der Etablierung der modernen Sozialgeschichte zu? 19 Vgl. dazu Etzemüller, Sozialgeschichte als politische Geschichte, S. 160–170. Zu Conzes Auffassungen siehe Dunkhase, Werner Conze, S. 128–145. Aus der Fülle von Werner ­Conzes Aufsätzen zur Sozialgeschichte beispielhaft ders., Sozialgeschichte, in: Wehler (Hg.), Moderne deutsche Sozialgeschichte, Düsseldorf 1981, S. 19–26; ders., Der Weg zur Sozialgeschichte nach 1945, in: Schneider (Hg.), Forschung in der Bundesrepublik Deutschland. Beispiele, Kritik, Vorschläge, Weinheim 1983, S. 73–81; ders., Was ist Sozialgeschichte?, in: Deuxième Conférence Internationale d’Histoire Economique, Paris 1965, S.  819–823; ders., Sozial­ geschichte, in: Die Religion in Geschichte und Gegenwart. Handwörterbuch für Theologie und Religionswissenschaft, Bd. 6, Tübingen ³1962, Sp. 169. Zu Werner Conzes Bedeutung für die Etablierung der modernen Sozialgeschichte in Deutschland sehr kritisch Lausecker, »Bevölkerung«/»Innovation«/Geschichtswissenschaften, S. 201–235. 20 Dazu Etzemüller, Sozialgeschichte als politische Geschichte, S. 151. Zum Institut und seinen internationalen wissenschaftlichen Kontakten ebendort. 21 Nach Einschätzung Dunkhases war die über viele Jahre hinweg zentrale Bezugsperson Conzes sein Assistent Dieter Groh. Dunkhase, Werner Conze, S. 125.

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9.3.1 Erich Maschkes Anteil an der Etablierung der modernen Sozialgeschichte Die eingesehenen Dokumente beleuchteten überraschenderweise kaum aussagekräftig die fachliche akademische Zusammenarbeit22 zwischen beiden Historikern. Vermutlich ist Thomas Etzemüller zuzustimmen, der das Verhältnis zwischen Conze und Maschke mit einem Bild von Geschwistern beschrieb – auf der einen Seite der große Bruder, der lenkt, auf der anderen Seite der kleine Bruder, der den großen in dessen Abwesenheit vertritt23. Es gelang Maschke auch nach Einschätzung Michael Borgoltes nicht, aus Conzes Schatten herauszutreten24. Dies wirft die Frage auf, welchen Anteil Erich Maschke an den Bemühungen Conzes um die Etablierung einer modernen Sozialgeschichte hatte. In welchen Formen vollzog sich sein Engagement auf diesem Feld? Zwar kann dies hier sicherlich noch nicht abschließend untersucht werden, dennoch sind zumindest einige Überlegungen dazu möglich. Zu bedenken wäre als eine mögliche Form des Engagements Maschkes Einbindung in sozialgeschichtliche Gremien und Vereinigungen. Dabei fällt sofort der von Werner Conze ins Leben gerufene Arbeitskreis für moderne Sozialgeschichte25 ins Auge. Er sollte als zweites Standbein neben dem Institut dem Aufbau einer umfassend angelegten Sozialgeschichte als einer Integrationswissenschaft dienen. Diesem Gremium von 22 Belegt sind gemeinsame Exkursionen mit Studenten ins Elsaß 1961 (UAH, Rep. 85–2; Rep. 1–77), beide Historiker waren Mitglieder der Kommission zur Erforschung der Geschichte der deutsch-französischen Beziehungen und gaben für ein Kolloquium zum Thema »Probleme der Unterschichten« 1962 gemeinsame Referentenvorschläge ab (HStA Stuttgart, J  40/10, Bü 21), auch waren beide unmittelbar an den Vorbereitungen für eine Ringvorlesung »Wissenschaft und Nationalsozialismus« im Wintersemester 1965/66 beteiligt. Ungeachtet dieser spärlichen Hinweise auf eine konkrete fachliche Zusammenarbeit ist doch die Tatsache zu berücksichtigen, dass die Anfrage Hermann Heimpels wegen einer eventuellen Wahl Erich Maschkes in die Historische Kommission der Bayerischen Akademie der Wissenschaften 1968 an Werner Conze gerichtet war und von diesem sehr befürwortet wurde. (UAH, Rep. 1–91). In Jan Eike Dunkhases Biographie Werner Conzes (2010) wird eine mögliche fachliche Kooperation zwischen beiden Historikern nicht beleuchtet. Der Name Erich Maschkes taucht auch insgesamt nur fünfmal auf. Ob der Nachlass Werner Conzes Aussagen darüber ermöglicht, bleibt abzuwarten. Seine Existenz war lange Zeit nicht bekannt. Erst durch Jan Eike Dunkhases Arbeit konnte er kürzlich unter Mithilfe der Witwe Werner Conzes zusammengestellt und erstmals ausgewertet werden. Ebenso verhält es sich mit den Unterlagen des Instituts für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte. Die Dokumente des Arbeitskreises für moderne Sozialgeschichte standen der Verfasserin ebenfalls nicht zur Einsichtnahme zur Verfügung. 23 Etzemüller, Sozialgeschichte als politische Geschichte, S. 149. 24 Borgolte, Sozialgeschichte des Mittelalters, S. 68. 25 Zu diesem Arbeitskreis Conze, Die Gründung des Arbeitskreises für moderne Sozial­ geschichte, S.  23–32; Schulze, Deutsche Geschichtswissenschaft nach 1945, S.  254–262; Etzemüller, Sozialgeschichte als politische Geschichte, S.  157–160; Engelhardt, Konzepte der »Sozialgeschichte« im Arbeitskreis für Sozialgeschichte. Erwähnung findet er natürlich ausführlicher in Dunkhase, Werner Conze.

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zunächst neun Gründungsmitgliedern trat Erich Maschke zwei Jahre nach der Gründung 1959 bei und bis 1973 hatte er darin den zweiten Vorsitz inne. Davon und von der Tatsache ausgehend, dass die Geschäftsstelle des Arbeitskreises sich im Institut befand, erscheint die Vermutung plausibel, dass Maschke durchaus Einfluss innerhalb dieses Gremiums ausüben konnte. Aber seine Mitwirkung, abgesehen von einigen Vorträgen, bleibt nach bisheriger Kenntnis der Aktenlage seltsam unklar. Nach Thomas Etzemüllers26 und Gerhard A. Ritters27 Einschätzungen trug dieser Arbeitskreis wesentlich zur Integration des Faches Sozialgeschichte bei und gab »entscheidende Anstöße zur Entwicklung sozialhistorischer Forschungen, etwa auf dem Gebiet der Geschichte der Arbeiterschaft, der Familie, der Handwerker, des Bildungsbürgertums und der Sozialgeschichte der Bundesrepublik.« In welchem dieser Gebiete gingen von Erich Maschkes Engagement Impulse aus, die die Entwicklung der Sozialgeschichte vorantrieben und unterstützten? Welche Position bezog er zu den grundlegenden methodologischen und konzeptionellen Fragestellungen gerade in den Diskussionen der Konsolidierungsphase ab 1965? Diese Fragen müssen bislang noch in Bezug auf den Arbeitskreis unbeantwortet im Raum stehen bleiben. In Ulrich Engelhardts Beitrag über den Arbeitskreis findet selbst der Name Erich Maschkes in diesem Zusammenhang keine Erwähnung28. Auch die Mitgliedschaft Erich Maschkes in der Gesellschaft für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte sowie seine Tätigkeit als Mitherausgeber der Beihefte der VSWG erlauben nach bisheriger Einschätzung kaum Antworten auf diese Fragen. Als weiteren Bereich, in dem nach Antworten gesucht werden könnte, bieten sich Erich Maschkes Publikationen an, die, wenn auch seltener, Themen berührten, die für die moderne Sozialgeschichte im Sinne Werner Conzes von Interesse waren. Zu betrachten wären dabei vor allem Maschkes Arbeiten zur deutschen Kartellgeschichte sowie zu einzelnen Aspekten der Industrialisierung und Konzernbildung im 19. Jahrhundert. Untersucht man diese Beiträge29 unter der oben genannten Fragestellung, so wird man bald feststellen, dass es sich zum einen vorrangig um wirtschaftshistorische und weitaus weniger um sozialgeschichtliche Texte handelte, die nur gelegentlich sozialhistorische Perspektiven aufwiesen. Zum anderen wurde in diesen Fällen keine besonders theoriegeleitete, sozialgeschichtliche Handschrift Erich Maschkes erkennbar, die dazu angetan gewesen wäre, der Sozialgeschichte der industriellen Zeit im Sinne Werner Conzes Wege zu ebnen. Nach Einschätzung Klaus Schreiners gingen von Erich Maschke jedoch für eine andere Sozialgeschichte, der des Mittelalters, thematisch und methodisch weiterführende Impulse30 aus. Er widmete sich nicht nur einem neuen Arbeits26 27 28 29 30

Etzemüller, Sozialgeschichte als politische Geschichte, S. 170. Ritter, Die neuere Sozialgeschichte, S. 32. Engelhardt, Konzepte der »Sozialgeschichte« im Arbeitskreis für moderne Sozialgeschichte. Vgl. auch den Abschnitt über Maschkes wirtschaftshistorische Publikationen in dieser Arbeit. Schreiner, Wissenschaft von der Geschichte des Mittelalters nach 1945, S. 134.

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feld, der Sozialgeschichte der mittelalterlichen Stadt, und kam dabei zu grundlegend neuen Einsichten, sondern er forschte auch ohne die verpflichtende Bindung an Traditionen oder forschungsinterne Vorgaben einer mittelalterlichen Verfassungsgeschichtsschreibung. Dabei überschritt er mit seinen Untersuchungen zu städtischen Unter- und Mittelschichten bewusst eine von Verfassungshistorikern gezogene Grenzlinie sozialgeschichtlicher Betrachtung, die die Träger von Verfassung und deren Gestalter in den Mittelpunkt rückte31. Dies unterschied seine Forschungen beispielsweise von der Beschäftigung des Konstanzer Arbeitskreises für mittelalterliche Geschichte im Herbst und Frühjahr 1963 bzw. 1964 mit der gesellschaftlichen Struktur der mittelalterlichen Städte in Europa. Eine detailliertere Betrachtung der stadthistorischen Publikationen Maschkes findet sich an anderer Stelle32. Von der Beschäftigung Erich Maschkes mit der Sozialgeschichte der mittelalterlichen Stadt zur Erarbeitung der deutschen Kriegsgefangenengeschichte des Zweiten Weltkrieges scheint es zunächst ein großer zeitlicher Sprung zu sein. Bei näherem Hinsehen zeigte sich jedoch, dass Maschke gerade in letzterem Themenfeld für die moderne Sozialgeschichte Bedeutsames leistete und sich dessen auch bewusst war. Nur war dies wiederum ein Thema, das nicht auf der Tagesordnung Werner Conzes oder des Arbeitskreises für moderne Sozialgeschichte stand. Die Aufgabe, das Schicksal von 11 bis 12 Millionen deutschen Kriegsgefangenen in mindestens 20 Gewahrsamsstaaten von den Kriegsjahren bis 1956 als Sozialgeschichte einer großen Masse unter Berücksichtigung der objektiven wie auch subjektiven Aspekte zu erfassen, war eine Herausforderung besonderer Art. Die Dokumentation war nach Auffassung Erich Maschkes auch von Quellenlage und Methoden her für die Geschichtswissenschaft interessant: Die Quellen und Dokumente deutscher Einrichtungen für die Betreuung von Kriegsgefangenen mussten durch ausländische Quellen verschiedenster Provenienz ergänzt werden. Erst durch die internationale Einbindung der Wissenschaftlichen Kommission konnte dies gelingen. Teilweise waren auch politische Stellen wie beispielsweise die deutschen Botschaften in den Benelux-Staaten in die Beschaffung eingeschaltet33. Auch die Nachbefragungen von Heimkehrern wurden wichtig. Dafür entwickelte die Kommission verschiedene Formen, die sozialgeschichtlich relevante Merkmale erfassten und methodisch Neues boten: Detaillierte Fragebögen enthielten eine große Zahl von Stichworten, um das Gedächtnis der Befragten anzuregen und eine Präzisierung der Aussagen zu erreichen. Für das Thema »Arbeit« wurde ein umfangreicher Katalog der Arbeitsarten erstellt, der den Befragten vorgelegt wurde. Außerdem wurden Einzelgespräche mit ehemaligen Kriegsgefangenen auf Tonband aufgezeichnet, aber auch Round-Table-Gespräche mit mehreren Zeitzeu31 Ebd., S. 135. 32 Siehe den Abschnitt zur Stadtgeschichte als bevorzugtem Forschungsgebiet. 33 Vgl. dazu den entsprechenden Abschnitt im Kapitel über die Wissenschaftliche Kommission für deutsche Kriegsgefangenengeschichte.

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gen durchgeführt. Die auf diese Weise erhaltenen Heimkehreraussagen waren für sozialstatistische Fragestellungen ergiebig, die Berichte für sozialpsychologische Aussagen. Sie wurden teilweise auch einer EDV-Analyse unterzogen34. Im Rahmen der Kommissionsarbeit wurde auch methodisch erstmals – so die Einschätzung Erich Maschkes35 – der Versuch unternommen, auf der Basis von 100 Berichten eine umfassende Analyse von »Erinnerungsveränderungen und Zeitabstand« durchzuführen36. So konnte Erich Maschke nicht ohne Stolz auf die für die Dokumentation entwickelte Darstellungsmethode verweisen: »[…] im Laufe der Jahre entwickelte sich in den Bänden der WK [= der Wissenschaftlichen Kommission] auch ein Darstellungsstil, der durch die Verbindung von Dokument, Analyse und Synthese, Wort und Bild, Text und Statistik wohl als repräsentativ für die sozialgeschichtliche Untersuchung von Massenschicksalen im zeitgeschicht­ lichen Rahmen angesehen werden darf.«37

Die Frage, wie diese 22 Bände sozialgeschichtlicher Untersuchungen der deutschen Kriegsgefangenengeschichte des Zweiten Weltkrieges seitens des damaligen Fachpublikums auch tatsächlich rezipiert und gewürdigt wurden, steht allerdings noch auf einem anderen Blatt. Auf sie wird später ausführlich eingegangen38. 9.3.2 Theoretische Überlegungen zur Sozialgeschichte? Wie sich auch in der thematisch übergreifenden Betrachtung der Publikationen Erich Maschkes nur wenige Anhaltspunkte dafür finden ließen, dass er einen starken publizistischen Einfluss auf die Entwicklung der bundesdeutschen So­ zialgeschichte der modernen Welt ausübte, so ist doch denkbar, dass ihm einiges Gewicht in der Ausformulierung theoretischer Grundlagen der modernen Sozialgeschichte zukam. Er äußerte sich jedoch – nicht anders als früher – kaum ausführlicher publizistisch zu geschichtstheoretischen Fragen, welche die Implementierung einer Sozialgeschichte im Sinne Werner Conzes oder deren Programmatik und Umsetzung betrafen. In seinen wissenschaftlichen Beiträgen fanden sich auch nur selten explizite und ausführliche Textpassagen, die die Bedeutung und Notwendigkeit sozialgeschichtlicher Analysen hervorhoben39. Was er selbst unter Sozialgeschichte verstand, in welcher Weise er sie als Struktur34 Helmut Wolff führte diese Analyse an 2003 WK-Berichten durch. Vgl. ders., Statistische Analyse der WK-Berichte. 35 Maschke (Hg.), Deutsche Kriegsgefangenengeschichte: Der Gang der Forschung, S. 56. 36 Cartellieri, Erinnerungsveränderungen und Zeitabstand. 37 Maschke, Deutsche Kriegsgefangenengeschichte: Der Gang der Forschung, S. 22. 38 Vgl. das entsprechende Kapitel über die Wissenschaftliche Kommission für deutsche Kriegsgefangenengeschichte. 39 Z. B. in Maschke, Deutsche Stadtgeschichtsforschung auf der Grundlage des historischen Materialismus, S. 132.

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geschichte auffasste und in welche Traditionen er sie stellte, kam am ehesten in zwei Vorträgen – vielleicht seine Form, an der Etablierung der modernen Sozialgeschichte teilzuhaben – sowie zwei Vorlesungen zum Ausdruck40. Sie vermittelten den Eindruck, dass Erich Maschke kein konzeptioneller Neuerer wie Conze war, sondern wesentliche Überlegungen von ihm übernahm. Gerade in seinem Vortrag41 über Sozial- und Wirtschaftsgeschichte bezog er sich häufig in zustimmender Weise auf ihn, zitierte ihn mehrfach und orientierte sich an C ­ onzes Definitionen. Eigenständige Versuche, den Gegenstandsbereich der Sozia­geschichte zu bestimmen, waren nicht zu bemerken, Conzes Aussagen unterfütterte er allerdings meist mit Beispielen aus seinen eigenen Forschungsgebieten. Auch Etzemüller war der Auffassung, dass Maschkes Konzeption von Sozialgeschichte ganz der Werner Conzes und auch Otto Brunners entsprach42. Maschke verstand unter Sozialgeschichte laut seinem Manuskript folgendes: »SG [= Sozialgeschichte] nicht neben der polit.[ischen] oder der Verf.[assungs-] geschichte, sondern durchleuchtet polit.[ische] Vorgänge oder Verf.[assungs-]-formen von ihrem Standpunkt aus und mit ihrer Fragestellung. Diese ist immer auf die Menschen in ihrer Vergesellschaftung gerichtet. SG setzt also polit.[ische] Ereignisse und oder staatl.[iche] Formen u. Verfassungen mit den menschlichen Gruppen, Schichten, Verbänden in Verbindung und sucht jene […] aus dem Handeln u. Verhalten dieser abzuleiten.«43

Unschwer lässt sich gerade in Maschkes stadthistorischen Arbeiten wie beispielsweise zur Zunftverfassung und Elite in der spätmittelalterlichen Stadt diese Auffassung in ihrer wissenschaftlichen Umsetzung wiederentdecken. Auch in seinen Abhandlungen über die Schichtung der mittelalterlichen Stadtbevölkerung kam Otto Brunners Auffassung vom Untersuchungsfeld der Sozialgeschichte zum Tragen. Brunners Definition von Sozialgeschichte zitierte Maschke an anderer Stelle: »Ich sehe in der Sozialgeschichte eine Betrachtungsweise, bei der der in-

40 Vgl. Maschkes Vorlesung »Einführung in die Sozial- und Wirtschaftsgeschichte« vom Sommersemester 1959 (HStA Stuttgart, NL Erich Maschke J 40/10, Bü 28), seinen Vortrag »Die Bedeutung sozialgeschichtlicher Perspektiven« vom 11.2.1964 (HStA Stuttgart, NL Erich Maschke J 40/10, Bü 6), seine Vorlesung »Sozial- und Wirtschaftsgeschichte« von 1968 (HStA Stuttgart, NL Erich Maschke J 40/10, Bü 9) sowie seinen Vortrag »Die wachsende Bedeutung einer europäischen Sozialgeschichte« 1958 (BA-MA Freiburg, B 205–1764.) 41 HStA Stuttgart, NL Erich Maschke J 40/10, Bü 9, S. 9 im Manuskript. 42 Etzemüller, Sozialgeschichte als politische Geschichte, S.  148. Zu Conzes Auffassungen siehe auch Dunkhase, Werner Conze, S. 128–145. Aus der Fülle von Werner Conzes Aufsätzen zur Sozialgeschichte beispielhaft ders., Sozialgeschichte, in: Wehler (Hg.), Moderne deutsche Sozialgeschichte, Düsseldorf 1981, S. 19–26; ders., Der Weg zur Sozialgeschichte nach 1945, in: Schneider (Hg.), Forschung in der Bundesrepublik Deutschland. Beispiele, Kritik, Vorschläge, Weinheim 1983, S. 73–81; ders., Was ist Sozialgeschichte?, in: Deuxième Conférence Internationale d’Histoire Economique, Paris 1965, S. 819–823. 43 BA-MA Freiburg, B 205–1764. Maschke, Die wachsende Bedeutung einer europäischen­ Sozialgeschichte, (1958), Manuskript S. 4.

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nere Bau, die Struktur der menschlichen Verbände im Vordergrund steht […]«44 In eigenen Worten formuliert, klang seine Definition, wiederum in Anlehnung an Werner Conze, folgendermaßen: »Da es weder Denken noch Handeln des Menschen außerhalb der Gesellschaft gibt, umfasst die Sozialgeschichte zugleich die allgemeine Geschichte und es gibt keine allgemeine Geschichte als ganze Geschichte des Menschen, die nicht auch und wesentlich Sozialgeschichte wäre. Diese Tatsache ist auch für Teilgebiete der Geschichte von besonderer Bedeutung.«45

Die Sozialgeschichte bot ihm nach eigener Auffassung zwei große Möglichkeiten: Zum einen helfe sie, die Einheit und Vielfalt Europas als eines geschichtlichen Ganzen zu erkennen. Diese ausdrücklich europaweite Perspektive bedeutete für den gewesenen Volkshistoriker Erich Maschke eine bemerkenswerte Erweiterung seines historischen Horizontes. Was er unter dieser Perspektive verstand, erläuterte er am Beispiel des europäischen Städtewesens und kam zu dem Schluss: »Immer ist der Blick vom Begrenzten auf ganz Europa, von Europa auf das Begrenzte notwendig.«46 Nicht immer gelang ihm dieser Blick wie in der Beschäftigung mit der mittelalterlichen Stadtgeschichte oder mit der Geschichte des Deutschen Ordens: Seine wirtschaftsgeschichtlichen Arbeiten, besonders zur Kartellgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts, zeugten in der Regel eher von einem Verbleiben im deutschsprachigen Raum. Zum anderen erlaubte es die Sozialgeschichte seiner Ansicht nach, den Menschen in die Mitte der Geschichte zu stellen, »nicht nur den großen […], sondern den Menschen schlechthin, und ihn zu befragen, wie er lebte, wie er mit dem Leben fertig wurde.«47 Dies war ihm offenbar in seiner wissenschaftlichen Arbeit ein vorrangiges Anliegen, das er besonders augenfällig in seiner Studie über den wirtschaftlichen Aufstieg des Burkhard Zink48 verfolgte und – wenig theoriegeleitet – in folgender Weise erläuterte: »Und hier mündet die Sozialgesch.[ichte] […] in eine andere und viel allgemeinere Aktualität: in unserer Neugier (und immer gegebenen) Bezug auf den anderen Menschen, in dieser Neugier, die ganz elementar ist, weil der Mensch ein geselliges Wesen ist, und heute, da wir so viel von Vereinsamung wissen und die uns immer wieder den anderen Menschen fragen lässt: wie hast Du, wie wirst Du mit Dir, mit der Umwelt, mit Gott fertig? Wir tun in der Sozialgeschichte nichts, als dass wir diese unsere elementare Neugier in die Vergangenheit projizieren.«49 44 Brunner, Das Problem einer europäischen Sozialgeschichte, in: ders., Neue Wege der Verfassungs- und Sozialgeschichte, Göttingen ²1968, S. 80–102. 45 HStA Stuttgart, NL Erich Maschke J 40/10, Bü 9, Vortragsmanuskript »Sozial- und Wirtschaftsgeschichte«, S. 9–10. 46 Maschke, Die wachsende Bedeutung einer europäischen Sozialgeschichte, Manuskript, S. 7 47 Maschke, Die wachsende Bedeutung einer europäischen Sozialgeschichte, Manuskript S. 11. 48 Maschke, Der wirtschaftliche Aufstieg des Burkhard Zink (1396–1474/75) in Augsburg. 49 HStA Stuttgart, NL Erich Maschke J 40/10, Bü 9, Vortragsmanuskript »Sozial- und Wirtschaftsgeschichte«, S. 11–12.

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In etwas gewählterer Formulierung brachte er diese Auffassung von der Aufgabe der Sozialgeschichte in seiner Antrittsrede vor der Heidelberger Akademie der Wissenschaften 1958 zum Ausdruck: »Vielleicht ist die Sozialgeschichte einschließlich der Wirtschaftsgeschichte nicht mehr als die brüderliche Frage an den Menschen der Vergangenheit, wie er mit dem Leben fertig wurde, wie er sein Dasein sicherte, sich seine Ordnungen gab oder sie zerstörte, sich zu seinen Mitmenschen stellte. Durch die Oberfläche der politischen Ereignisse, der Verfassungsformen und der Erscheinungen der Wirtschaft hindurch den Menschen zu suchen und ihn in der Einheit mit den von ihm hervorgebrachten Formen des geschichtlichen Lebens zu sehen, scheint mir die eigentliche Aufgabe der Sozialgeschichte zu sein.«50

Es ging Erich Maschke um diesen Einblick in die konkrete »Lebenswirklichkeit«, »die auch immer eine ökonomische Komponente hat«, von einzelnen Menschen, Kollektiven, Schichten oder Gruppen. Dieser Einblick erfasste seiner Meinung nach »das Ganze des menschlichen Lebens in seinen Ordnungen, oder mit einem anderen Wort: Strukturen.« Die Erforschung dieser Strukturen des menschlichen Lebens in der Vergangenheit benannte er als Gegenstand der Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, wobei er »Struktur« am treffendsten mit »Gefüge« wiedergegeben sah. Als eine ausführlichere Definition trug er seinen Hörern Folgendes vor: »Struktur ist ein gegliedertes Ganzes menschlicher Ordnung, das Dauer hat, in dem aber die Teile veränderlich sind und ihre Veränderung das Gefüge des Ganzen verändert.«51

Das Schwergewicht der sozial- und wirtschaftsgeschichtlichen Forschung verortete er demzufolge in der Untersuchung langfristiger Prozesse, obwohl er­ Fernand Braudel in seiner Bevorzugung der longue durée und der Ablehnung der Ereignisgeschichte nicht ganz zustimmen mochte, denn »auch im Ereignis spiegeln sich die langfristigen Abläufe, wie sie ebenso durch die Ereignisse vorangetrieben werden.«52 Für Erich Maschke war Sozialgeschichte eigenem Bekunden nach kein modernes Spezialfach53 oder nur Teilgebiet. Dennoch drängte sich bei der Lektüre zahlreicher wirtschaftsgeschichtlicher Arbeiten von ihm, hauptsächlich zur Kartellgeschichte, der Eindruck auf, dass es ihm nicht gelungen war, sich aus einer sozialgeschichtlichen Perspektive der jeweiligen Fragestellung angenähert bzw. diese konsequent durchgehalten zu haben. Ob er Sozialgeschichte als Integrationswissenschaft auffasste und tatsächlich historiographisch umsetzte, 50 Maschke, Selbstdarstellung, S. 41. 51 HStA Stuttgart, NL Erich Maschke J 40/10, Bü 9, Vortragsmanuskript »Sozial- und Wirtschaftsgeschichte«, S. 14. 52 Ebd., S. 21. 53 Ebd., S. 3.

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bleibt im Falle der Sozial- und Wirtschaftsgeschichte bzw. der Wirtschaftsgeschichte, die er in Heidelberg lehrte, zumindest zweifelhaft. In einem seiner Vorträge sprach er von Sozial- und Wirtschaftsgeschichte jedenfalls als einer Sonderdisziplin, doch merkte er an: »Aber wir dürfen dabei doch nicht vergessen, dass Sozialordnung und Wirtschaft zugleich wesentliche Teile der Geschichte als eines Ganzen sind. Wenn in der Bezeichnung der Sozial- und Wirtschaftsgeschichte als einer Disziplin der Geschichtswissenschaft beide Elemente – das Soziale und das Ökonomische – gleichwertig nebeneinander zu stehen scheinen, so ist doch die Sozialordnung das Umfassendere.«54

Dieses Verständnis von einer besonderen Bedeutung des Sozialen (bzw. der Sozialgeschichte?) beinhaltete auch die Hinwendung zu bisher unbeachteten »Trägern der Geschichte«: »Wird die Geschichte als Humanwissenschaft begriffen, so umfasst sie alle Menschen der Vergangenheit, und ist Sozialgeschichte in dem umfassenden Sinne gemeint, wie ich es zu zeigen versuchte, so gehören auch diejenigen Teile der Gesellschaft dazu, die nicht handelten, sondern litten, die nur Objekt sind und nie oder fast niemals Subjekt des geschichtlichen Handelns waren.«55

Die historiographische Umsetzung dieser Auffassung fand sich in Maschkes Beschäftigung mit den Unterschichten der mittelalterlichen Stadtbevölkerung, mit der »Armut« oder auch mit der Geschichte der deutschen Kriegsgefangenen wieder. Gerade in der Geschichte der Armut und der Armen entdeckte Maschke auf Anregung durch den französischen Historiker Michel Mollat einen noch weitgehend unbekannten Gegenstand der historischen Forschung. Als weitere Themenfelder für sozialgeschichtliche Untersuchungen bezeichnete er in seinen Vorträgen die Verfassungsgeschichte mit der Frage nach der Verfassungswirklichkeit im Mittelalter, die Rechtsgeschichte sowie im Zusammenhang damit die Erforschung der Mobilität der mittelalterlichen Bauern. Insgesamt schien ihm die Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, besonders der älteren Jahrhunderte, »das größte Brachland zu sein, das vor den deutschen Historikern liegt.«56 9.3.3 Transformationsprozesse und Kontinuitäten – Auf dem Weg von der Volks- zur Sozialgeschichte Zu einer solchen Einschätzung war Erich Maschke nicht ohne einen historischen Rückblick auf die sozialgeschichtliche Forschung in Deutschland gelangt. Hierbei hatte er in Stichpunkten im Manuskript die führende Stellung der deut54 Ebd., S. 3–4. 55 Ebd., S. 26. 56 Ebd., S. 2.

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schen Forschung um 1900 beschrieben und Namen wie Lamprecht, Below als Historiker, Stadler und Sombart genannt. Aber dann sei diese Entwicklung beendet gewesen und nicht einmal Otto Hintzes Arbeiten hätten schulebildend wirken können. Sozialgeschichtliche Forschungen seien fast ganz abgebrochen oder zum historischen Spezialfach geworden. Erst in den letzten Jahren sah Maschke eine Wendung der Dinge in den Arbeiten von Otto Brunner, Theodor Schieder, Werner Conze und teilweise Fritz Rörig. Bemerkenswert an Maschkes Zeichnung des »Stammbaumes« der deutschen Sozialgeschichte ist die Nichterwähnung der volksgeschichtlichen Einflüsse der dreißiger Jahre auf sie. Darauf war selbst Otto Brunner eingegangen57 und nach Dunkhases Einschätzung war sie auch Werner Conze bewusst58. Erich Maschke war die entsprechende Passage in Otto Brunners Vortrag ebenfalls bekannt. Sah er sich womöglich selbst nicht in dieser Tradition stehend? Über die Zusammenhänge zwischen Volksgeschichte und bundesdeutscher Sozialgeschichte – über die angeblich »braunen Wurzeln« der bundesdeutschen Sozialgeschichte  – ist in der Forschung der letzten Jahre viel gestritten, diskutiert und polemisiert worden59. Dabei konzentrierte sich die wissenschaftliche Auseinandersetzung vorrangig auf einzelne Personen wie Otto Brunner oder Werner Conze. Erich Maschkes Name fiel in diesem Zusammenhang nur selten. Welche Transformationen von der Volks- zur Sozialgeschichte sind in seinem Falle erkennbar? Zunächst soll dabei nach Veränderungen in seinem Denkstil gefragt werden. Nach der Auffassung von Etzemüller war der frühen Sozialgeschichte ein bestimmter Denkstil inhärent, der dem »Denkkollektiv« der ehemaligen Königsberger, d. h. auch der ehemaligen Volkswissenschaftler, eine bestimmte Weltsicht nahe legte und ihre Texte auch nach 1945 formierte60. Untersucht man nun die nach 1953 entstandenen Schriften Erich Maschkes auf das Weiterwirken dieses Denkstiles, so kommt man zu folgenden Ergebnissen. Als erstes wichtiges Element dieses Denkstils nannte Etzemüller das Element »des Ostens«, mit dem sich das zentrale Bild von der Grenze verband61. Selbst in Maschkes Beiträgen zur Geschichte des Deutschen Ordens wurde der Begriff bzw. die Metapher »Osten« explizit kaum noch verwendet. Implizit schwangen er und das 57 Brunner, Das Problem einer europäischen Sozialgeschichte, S.  80: »Von Volksgeschichte, Geschichte der Volksordnung hat man auch bei uns gesprochen und damit wohl auf dasselbe gezielt, was hier unter Sozialgeschichte verstanden wird, die Geschichte des inneren Gefüges menschlicher Gruppen, nicht zuletzt von ›Völkern‹.« Zu Otto Brunner auch Oberkrome, Volksgeschichte, S. 224–229. 58 Dunkhase, Werner Conze, S. 135. 59 U. a. Oberkrome, Volksgeschichte; Etzemüller, Sozialgeschichte als politische Geschichte; Raphael (Hg.), Von der Volksgeschichte zur Strukturgeschichte; Welskopp, Westbindung auf dem »Sonderweg«; Schulze, Der Wandel des Allgemeinen. 60 Etzemüller, Sozialgeschichte als politische Geschichte, S. 270. 61 Ebd.

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Bild der Grenze jedoch in seinen Bezügen auf das »Abendland« mit, wobei dieses »Abendland« seiner Vorstellung nach dem »Osten« dann gegenübergestanden hätte. Welche genauen Faktoren das »Abendland« allerdings konstituierten bzw. im Umkehrschluss den »Osten« charakterisierten, blieb zwar diffus. Dennoch lag Maschkes Geschichtsschreibung zu diesem Themenbereich zumindest ansatzweise und gelegentlich die »politische Landkarte der Nachkriegszeit« zugrunde, wie es Etzemüller für historiographische Texte Werner Conzes konstatiert hatte. In Maschkes wirtschafts- und stadthistorischen Beiträgen spielten dieses Element sowie das Bild von der »Grenze« keine Rolle. Als zweites entscheidendes Element des sozialhistorischen Denkstiles machte Etzemüller die »Ordnung im Inneren«62 aus, die mit dem Gegenbild der sozialen Revolution verknüpft war. So dienten Verteidigung nach außen und Befriedung nach innen dem Ziel, diese Ordnung aufrechtzuerhalten. Anklänge an ein solches Denken lassen sich nur in wenigen Schriften Maschkes zur Deutschordensgeschichte entdecken, die die politische Geschichte des ostpreußischen Ordenszweiges darstellten. Ansonsten entsprach wohl am ehesten Maschkes Aufsatz über die Verfassung und die sozialen Kräfte in der deutschen Stadt des späten Mittelalters aus dem Jahr 1959 einer solchen Sichtweise, auch wenn sie eine »Verteidigung nach außen« nicht thematisierte. Vielleicht unterlag zumindest ansatzweise eine solche Vorstellung auch Maschkes Monographie über Paul Reusch und die Gute-Hoffnung-Hütte, wenn auch mit der Einschränkung, dass soziale Probleme in Maschkes Text kaum benannt wurden und anstelle dessen möglicherweise die wirtschaftliche Befriedung der einzelnen Teile des Konzerns trat. Etzemüller erkannte darüber hinaus in den frühen sozialgeschichtlichen Texten ein narratives Muster, das nach einer genauen Chronologie bzw. nach dem Schema Ordnung – Angriff/Abwehr – Synthese strukturiert war63. Auch hinsichtlich dieses Musters lassen sich kaum Entsprechungen in Maschkes Beiträgen, abgesehen vielleicht von der bereits erwähnten Schrift über die Verfassung und die sozialen Kräfte von 1959, entdecken. Ebenso verhielt es sich mit einer Dichotomie, die laut Etzemüllers Befunden64 in einem Komplex von Begriffen und Metaphern dem Leser der frühen sozialgeschichtlichen Texte untergründig vermittelt wurde. In Erich Maschkes Beiträgen aus dieser Zeit ließen sich in der Regel, d. h. von einigen Schriften zur Deutschordensgeschichte abgesehen, kaum Momente auffinden, die als solche und ähnliche Gegensätzlich­ keiten interpretierbar waren. Resümiert man diese Ergebnisse, so sind in Maschkes nach 1953 veröffentlichten Texten nur noch ansatzweise und gelegentlich65 einzelne Elemente des »Königsberger Denkstiles« anzutreffen. Stellte Erich Maschke also ein Beispiel 62 Ebd. 63 Ebd., S. 284. 64 Ebd., S. 291. 65 Vgl. dazu das Kapitel »Ostforschungen nach 1953«.

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für die Möglichkeit einer Denkstilmodifizierung dar?66 Bejaht man vorsichtig diese Frage, so erscheint seine uneingeschränkte Zuordnung zum Kreis der Königsberger Gruppe hinsichtlich des Denkstiles nach seiner Heimkehr zumindest fraglich. Darüber hinaus fällt es schwer, in Erich Maschkes Beiträgen diejenigen zwei Bewegungen zu entdecken, die sich nach Etzemüllers Ansicht67 in der frühen Sozialgeschichte kreuzten und sie in einem bestimmten Sinne zur politischen Geschichte machten: Das war zum einen die Auseinandersetzung mit der Moderne und zum andern die Abwehr des Sozialismus. Erich Maschkes nach 1953 verfasste Texte bewegten sich vorrangig in anderen Zeiten als dem 18. und 19. oder 20. Jahrhundert, d. h. sie beschäftigten sich deutlich weniger mit Fragen der beginnenden Moderne. Dies schließt aber nicht aus, dass er sich mit ihr nicht etwa auch in seinen Beiträgen zur mittelalterlichen Geschichte hätte auseinandersetzen können. Doch fallen an seinen Schriften nach 1953 keine Textpassagen, Bemerkungen, Fußnoten, Analogien oder Parallelen ins Auge, die man in diesem Sinne hätte lesen können. Auch für das Bestehen einer Abwehrhaltung dem Sozialismus oder Kommunismus (»dem Osten«) gegenüber fanden sich in seinen Texten keine Anhaltspunkte, obwohl die Beschäftigung mit der deutschen Kriegsgefangengeschichte in der Sowjetunion sowie die Aus­ einandersetzung mit der Stadtgeschichtsforschung der DDR dazu ausreichend Gelegenheit geboten hätten. Lassen sich daher in Erich Maschkes Schriften und Vorträgen Indizien dafür entdecken, dass er der Sozialgeschichte als Strukturgeschichte eine dezidiert politische Aufgabe zuwies, wie dies andere Historiker taten?68 Nach Etzemüllers Auffassung ging es in den Texten der frühen Sozialgeschichte darum, »der westdeutschen Gesellschaft mit Hilfe der Historiographie das politische Handeln zu erleichtern, ihr Identität zu stiften und ihre Position in der Systemkonkurrenz mit der DDR und dem Kommunismus zu stärken. Sozialgeschichte als politische Geschichte nahm die deutsche Nation schützend an die Hand und wies ihr den Weg.«69 Dass Erich Maschke als »Ritter seiner Nation« (­ Etzemüller) mithilfe seiner Texte diese oder ähnliche Anliegen verfolgte, konnte nicht nachgewiesen werden. In seinen Texten untermauerte er keine eindeutig bestimmbare politische Haltung, indem er durch spezifische Bilder von der Vergangenheit massive Wertungen transportierte70. Die von ihm herausgegebene Dokumentation zur 66 Thomas Etzemüller wollte theoretisch eine solche Möglichkeit nicht ausschließen. Ihm selbst war kein Beispiel dafür bekannt. Etzemüller, »Ich sehe was, was Du nicht siehst.«, S. 43, Fußnote 38. 67 Etzemüller, Sozialgeschichte als politische Geschichte, S. 293. 68 Raphael, Von der Volksgeschichte zur Strukturgeschichte, S. 9. 69 Etzemüller, Sozialgeschichte als politische Geschichte. Die Etablierung der Sozialgeschichte in der westdeutschen Gesellschaft, S. 13. 70 Im Unterschied etwa zu Werner Conze, Gunther Ipsen oder Werner Markert. Dazu ausführlich Etzemüller, Geschichte als Tat: Objektive Forschung als »kämpfende Wissenschaft«, S. 198.

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Geschichte der deutschen Kriegsgefangenschaft wäre beispielsweise dafür wie geschaffen gewesen. Auch für ein besonderes Engagement Maschkes in den entsprechenden sozialgeschichtlichen Vereinigungen hinsichtlich dieser Richtung gab es keine Anhaltspunkte. Aus diesen Gründen bestehen große Zweifel daran, ihn nach der Zäsur der Jahre 1945 bis 1953 noch in diesem Sinne vorbehaltlos als politischen Historiker zu bezeichnen. Dennoch greift eine Untersuchung von Transformationsprozessen im Fall Erich Maschkes zu kurz, richtet man den Blick nur auf seine wissenschaftlichen Beiträge. Die Königsberger Gruppe konstituierte sich nicht ausschließlich über ihren Denkstil. Erich Maschke weiterhin dem Umfeld dieser Gruppe und dem personellen Netzwerk der ehemaligen Volkswissenschaftler zuzuordnen, geht sicherlich nicht an der historischen Realität vorbei, wenn man in einem nächsten Schritt folgendes bedenkt: Erich Maschke blieb weiterhin in enger brieflicher und freundschaftlicher Verbindung beispielsweise zu Theodor Schieder oder Werner Markert, er teilte mit ihnen den nicht unerheblichen Erfahrungsschatz aus der Königsberger Zeit und war den gleichen Verbänden und Vereinen, wenn auch vielleicht in unterschiedlicher Intensität und mit unterschiedlichem Einfluss, assoziiert. Auch konsultierte man ihn in personellen Fragen71. Der bereits erwähnte Bezug zu Hans Rothfels spielte sicherlich ebenfalls eine große Rolle. Nach wie vor bezeichnete Erich Maschke ihn als »seit Königsberger Zeiten mein[en] Lehrer und älteren Freund«72, mit dem er nach seiner Heimkehr aus der Kriegsgefangenschaft wieder Kontakt aufgenommen hatte. War Hans Rothfels in diesem Zusammenhang zur zentralen Bezugsfigur für eine Rechenschaftslegung über die persönliche Vergangenheit Maschkes wie für so viele andere befreundete Wissenschaftler geworden? Die wenigen überlieferten Briefe lassen eine eindeutige Antwort zwar nicht zu, bringen aber in verklausulierter Sprache Maschkes Nachdenken über sein Verhältnis zur Geschichte zum Ausdruck73. Die Vorgänge um Rothfels’ Entlassung in Königsberg sowie Erich Maschkes Involvierung in das NS-System waren nicht ausdrücklich Gegenstand des Briefwechsels, weder unmittelbar nach 1953 noch später. Auch bildeten sie kein Hindernis für die wissenschaftliche Patronage, die Erich Maschke im Zuge seiner Berufung durch Hans Rothfels erfuhr und in deren Genuss auch andere Historiker gekommen waren74. In der Folgezeit gestaltete sich zwischen ihnen ein herzliches Verhältnis und Hans Rothfels konnte zum Jahreswechsel 1959/1960 das Glas auf ihre »alterprobte Freund71 HStA Stuttgart, NL Erich Maschke J 40/10, Bü 22, Schreiben Maschkes an Werner Markert vom 21.6.1960. 72 Hessisches Landesamt für geschichtliche Landeskunde Marburg, NL Walther Schlesinger Nr. 72, Brief Erich Maschkes an Walther Schlesinger vom 28.12.1976. 73 BAK, NL Hans Rothfels Nr. 1213, Nr. 158, Brief Erich Maschkes vom 12.8.1954: »Die Unschuld, Geschichte einfach aus Neigung und Leidenschaft zu betreiben, ist mir ziemlich vergangen.« 74 Eckel, Hans Rothfels, S. 289.

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schaft« erheben75. Aber war Erich Maschke nach 1953 tatsächlich noch ein »Rothfelsianer«? Er galt in der Wissenschaftslandschaft als Freund von Rothfels76 und beiden war gemeinsam, dass sie sich von der westdeutschen Ostforschung stillschweigend absetzten, sich aber über die historische Bedeutung des deutschen Ostens einig waren77, wie dies im übrigen für viele der »Königsberger« galt. Dennoch fallen einige bedeutende Unterschiede zwischen beiden Historikern auf. Zum einen bewegten sich Hans Rothfels’ wissenschaftliche Arbeiten zeitlich und thematisch in anderen Bereichen und zeugten von einer ungebrochenen Identifikation von Wissenschaft und Nation. Diese ließ sich in Maschkes nach 1953 entstandenen Arbeiten in dieser Weise nicht erkennen. Zum anderen vermied es Erich Maschke im Unterschied zu Rothfels in seinen Publikationen, Bezüge zur aktuellen Lage, zur politischen Situation der Gegenwart herzustellen oder solche nahe zu legen. Für Rothfels hatte die Geschichtswissenschaft auch in der Bundesrepublik die Aufgabe, den offiziellen Kurs der Regierungspolitik zu unterstützen – für Maschke war eine solche Auffassung spätestens mit der Übernahme der Leitung der Kommission zur Kriegsgefangenengeschichte nicht mehr akut. Hatte er also der Auffassung, mit geschichtswissenschaftlicher Arbeit unmittelbar aktuellpolitisch zu wirken, den Rücken gekehrt? Oder verstand er jetzt vielleicht etwas anderes unter »politisch«? Welche Ressourcen aus der politischen Sphäre konnte und wollte er für seine Zwecke mobilisieren, welche nicht? Diese Problematik wird an anderer Stelle ausführlicher erörtert werden78. Ungeachtet dessen bleibt jene Frage noch unbeantwortet im Raum stehen, wie sich in Maschkes sozialgeschichtlichen Texten die Transformation von Volkszu Sozialgeschichte konkret niederschlug79. In welcher Weise fand diese Transformation statt? Zu beantworten ist ebenfalls die Frage nach dem, was Maschke nach 1953 unter »Volk« verstand bzw. wodurch diese alte Leitkategorie ersetzt wurde. Auch die Ideen und Vorstellungen, an denen sich Maschke im Prozess der Neuformierung seines historischen Denkhorizontes orientierte, sind noch zu untersuchen. Von wem oder wovon gingen wichtige Anregungen aus und wie setzte Maschke sie um? Interessant ist auch, ob er selbst diese Umwandlungsprozesse in publizistischer oder anderer Form reflektierte. Um gleich mit der Beantwortung der letzten Frage zu beginnen: Von Erich Maschke sind dazu keine Äußerungen überliefert. Er thematisierte öffentlich, wie bereits erwähnt, weder ausführlicher seine Auseinandersetzung mit seinem Wir75 76 77 78

HStA Stuttgart, NL Erich Maschke J 40/10, Bü 119. HStA Stuttgart, NL Erich Maschke J 40/10, Bü. 67, Brief Prof. Dr. H. Rößlers vom 28.8.1959. Eckel, Hans Rothfels, S. 319–320. Vgl. dazu das Kapitel über die Wissenschaftliche Kommission zur deutschen Kriegsgefangenengeschichte. 79 Welche Veränderungen Erich Maschke an seinen Texten vornahm, die zum Themenkreis der Ostforschung gehörten, siehe den Abschnitt »Ostforschungen nach 1945«.

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ken während des Dritten Reiches, allenfalls höchst verklausuliert80, noch seine damalige Geschichtsschreibung. Seinen historiographischen Neubeginn nach 1945 reflektierte er zwar, doch lässt sich anhand seiner autobiographischen Überlegungen die Frage nicht vorbehaltlos beantworten, in welchem Ausmaß seine achtjährige Gefangenschaft die Modifizierung seines Denkstiles sowie die Transformation seiner Historiographie beeinflusste. Er selbst äußerte sich wie folgt dazu: »Die Reduzierung des Lebens bis auf die letzten Grundelemente […]  – solche letzten Elemente des menschlichen Daseins riefen in einer Randsituation des Lebens die Frage nach dem Menschen im geschichtlichen Raum seines Hier und Jetzt wach. Wenn ich auf den langen Märschen zur Arbeitsstelle und zurück in Gedanken an ­historischen Themen spann, stand in der Mitte der Mensch in seiner jeweiligen geschichtlichen Situation. Eine Verkettung äußerer Umstände […] führte dazu, dass ich vor drei Jahren hier in Heidelberg einen Lehrstuhl für Sozial- und Wirtschafts­ geschichte erhielt. Was von meinem bisherigen Arbeitsbereich, dem Mittelalter, her als ein Abweg erscheinen konnte, führte in das Zentrum der Fragen an die Geschichte, die sich mir in der Gefangenschaft ergeben hatten.«81

Was wurde bei dieser Hinwendung zum »Menschen« aber nun aus dem »Volk« in seinen Texten? Verschwand dieser Begriff ersatzlos? Vergleicht man Maschkes spätere mit seinen früheren Schriften, so wird der Leser in der Tat auf die fast völlige Abwesenheit dieses Begriffes in den stadt- wie auch wirtschaftsgeschichtlichen Texten stoßen. Demgegenüber wird er sich mit der Sachlage konfrontiert sehen, dass dieser Begriff etwa zeitgleich nach wie vor in den Schriften zur Geschichte des Deutschen Ordens, wenn auch nun mit etwas anderer inhaltlicher Ausrichtung, vorkam82. Eine einfache Erklärung für diesen Befund ist wohl nicht zu finden, aber eine Vermutung möglich: 80 BA-MA Freiburg, B 205–1764, Manuskript Erich Maschkes zum Vortrag »Die wachsende Bedeutung einer europäischen Sozialgeschichte«, S.  1: »… Feststellung der Begrenztheit der Einsicht des Menschen in seine Geschichte. – In dieser Begrenztheit liegt andererseits die immer gegebene Aktualität der Gesch.[ichte]. Wir befragen sie stets auf das hin, was uns unmittelbar angeht. Daher heute 2 Bereiche im Vordergrund: 1. Auseinandersetzung mit unserer jüngsten Vergangenheit: Machtverfall d. Weimarer Republik, Nationalsozialismus, Krieg, der ganze Komplex, mit dem wir innerlich fertigwerden müssen. […]«. Auch in seiner Antrittsrede vor der Heidelberger Akademie der Wissenschaften 1958 finden sich Andeutungen: »Ich muß mit dem Eingeständnis beginnen, dass ich einen beträchtlichen Hang zu Umwegen gehabt habe – zu Umwegen, die auch über die Stationen der Fehler und Irrtümer führten.« Maschke, Selbstdarstellung, S. 39. 81 Maschke, Selbstdarstellung, S. 41. 82 Siehe dazu den Abschnitt »Ostforschungen nach 1945«. In seinen 1980 verfassten autobiographischen Anmerkungen »Begegnungen mit Geschichte« (S. X) thematisierte Maschke »Volk« noch einmal, als er in einem längeren Absatz auch auf den Volksbegriff der bündischen Jugend einging. Die Art seiner Formulierung lässt eine kritische Reflexion, Distanz oder gar Abwendung von seinen damaligen Auffassungen nicht erkennen. Ihnen bescheinigte er einen völlig unpolitischen Charakter: »Das Volk war für die bündische Jugend ein hoher Wert. Wurden die ›völkischen‹ Bewegungen der 20er Jahre mit aller Entschiedenheit

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Mit der Geschichte des Deutschen Ordens hatte sich Erich Maschke bereits jahrzehntelang beschäftigt und sie dabei intensiv aus einer volksgeschichtlichen Perspektive wahrgenommen. Vermutlich fiel es ihm daher besonders schwer, sich in der erneuten Auseinandersetzung mit seiner Geschichte und in der sozialen Anbindung an die alten Kreise der zwar nun bundesdeutschen Ostforschung von alten Begrifflichkeiten zu lösen und neue zu entwickeln. In der Beschäftigung mit Fragen der Sozial- und Wirtschaftsgeschichte hingegen bot sich Maschke ein weitgehend neues Fachgebiet, das ein Anknüpfen an frühere Arbeiten und entsprechendes Vokabular im engeren Sinne nicht erforderte. Hinzu kam, dass Maschke zu dieser Zeit in dem nach 1945 entstandenen Werk des gleich ihm vormaligen Volkshistorikers Otto Brunner ein Beispiel dafür gefunden hatte, wie ein Übergang von der Volks- zur Sozialgeschichte möglich sein konnte. Der Transformationsprozess, der beispielsweise Brunners bekanntestem Werk »Land und Herrschaft« unterlag, war bereits Gegenstand einiger Fachdebatten83. Unbestritten ist Otto Brunners Bedeutung für die bundesdeutsche Geschichtswissenschaft und sein Einfluss auf Werner Conzes Konzept einer modernen Sozialgeschichte. Wie wirkte nun sein Werk auf Erich Maschke? Brunners Einfluss auf die Geschichtsschreibung Erich Maschkes nach 1953 nachzugehen, bedürfte es einer eigenen, tiefgründigen Untersuchung. Das kann an dieser Stelle nicht geschehen, nur einige erste Anmerkungen mögen die Rezeption Brunners durch Erich Maschke illustrieren und erläutern. Erich Maschkes Vortrag über »Die wachsende Bedeutung einer europäischen Sozialgeschichte« von 1958 nahm direkt auf einen Aufsatz84 von Otto Brunner Bezug und belegte seine frühzeitige Auseinandersetzung mit Brunners Werk. Er übernahm, wie schon zitiert, Brunners Definition von Sozialgeschichte und sprach sich wie er für eine Annäherung zwischen Soziologie und Geschichtswissenschaft aus85. Gerade in seinen stadtgeschichtlichen Untersuchungen praktizierte er sie selbst abgelehnt, so wurde das Volk als lebendige Einheit doch bejaht. War der Staat ein künstliches Gebilde, war die Nation das vom Einheitsstaat geprägte Volk, das in West­europa galt, so war das Volk als Abstammungsgemeinschaft mit gleicher Sprache und anderen Merkmalen ein organisches Gebilde, das der Natur am nächsten war. Unser eigenes, das deutsche Volk, umfasste nicht nur den geschlossenen Siedlungsboden, sondern auch die Sprachinseln des Ostens […]. Wir waren dabei völlig unpolitisch; unser Volksbegriff war rein menschlich und ohne jeden politischen Inhalt.« 83 Algazi, Otto Brunner  – »Konkrete Ordnung« und Sprache der Zeit; Blänkner, Nach der Volksgeschichte. Otto Brunners Konzept einer »europäischen Sozialgeschichte«; ders., Von der »Staatsbildung« zur »Volkwerdung«; Etzemüller, Sozialgeschichte als politische Geschichte, S. 70–89; van Horn Melton, From Folk History to Structural History. 84 Brunner, Das Problem einer europäische Sozialgeschichte (1954), in: ders., Neue Wege der Verfassungs- und Sozialgeschichte, Göttingen ²1968, S. 80–102. 85 BA-MA Freiburg, B 205–1764, Erich Maschke, Die wachsende Bedeutung einer euro­ päischen Sozialgeschichte, Manuskript S. 5: »Meine persönliche Erfahrung ist daher, dass mit der Historisierung gerade der deutschen Soziologie und mit der sozialgeschichtlichen Fragestellung des Historikers die Grenzen für beide offen werden, ohne dass der eine oder der andere aufhören müssen zu sein, was sie sind.«

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auch. Darüber hinaus überprüfte er – wie Otto Brunner es demonstriert hatte – anhand der Quellen die Verwendung von Begriffen auf ihr Vermögen und ihre Tauglichkeit, einen historischen Sachverhalt angemessen wiedergeben zu können86. Mit großer Wahrscheinlichkeit reichte Otto Brunners Bedeutung für den sozialgeschichtlichen Neuanfang Erich Maschkes nach 1953 aber über die an­ geführten Aspekte noch weit hinaus. Ohne dies hier bis ins letzte ausleuchten zu können, ergab sich der Eindruck, dass Erich Maschke Otto Brunner auf dessen Weg von »Volk« zu »innerem Gefüge« und weiter zu »Struktur«, d. h. von »Volksgeschichte« zu »Strukturgeschichte« folgte. Gleich ihm verabschiedete er sich zwar von »Volk« als vormaligem Leitbegriff, der auch bei ihm als Synonym für »politisch-soziale Ordnung« eines Ganzen, einer Entität fungiert hatte. Dies war jedoch nicht gleichbedeutend mit einer Abkehr von den in seinem Volksbegriff kristallisierten und bis dahin in seiner Geschichtsschreibung wirksam gewordenen Fragen: Er untersuchte weiterhin die Fragen nach den Bedingungen und Formen für Aufbau und Erhalt politisch-sozialer Ordnung und nach dem »inneren Zusammenhang« von ebensolchen Verbänden. Er verwendete aber dafür nun den Begriff »Gefüge« oder »Struktur«, ohne dass diese Begriffe mit »Volk« identisch waren. War ihm beim Lesen der Texte von Otto Brunner bewusst geworden, dass sie beide seit vielen Jahren ähnliche – Blänkner87 nannte es ordnungstheoretische – Fragestellungen verfolgten, die eben auf das Problem des inneren Zusammenhalts von sozialen Gruppen, Verbänden, auf deren »inneres Gefüge« abzielten? Hatte Erich Maschke in Brunners Texten eine Antwort darauf gefunden, wie diese grundsätzliche Fragestellung in eine andere, für ihn neue, für Otto Brunner allerdings schon aus den dreißiger Jahren stammende Begrifflichkeit88 überführt, somit weiterhin untersucht werden konnte ohne unliebsame Erinnerungen zu wecken? Es lässt sich nicht sagen, ob die Annahme eines solchen Angebotes, wie es Brunners Vorstellungen für einen ehemaligen Volkshistoriker darstellte, dem die Begrifflichkeiten und Grundkategorien wie »Volk« und »Reich« abhanden gekommen waren, ein bewusst reflektierter Akt der Aneignung war. Wie hatte Erich Maschke die Chance wahrgenommen, seinen ureigensten Forschungsinteressen in einem anderen begrifflichen Rahmen und in einem anderen Forschungsgebiet weiter nachgehen zu können? Zu untersuchen bleibt ferner, welchen Einfluss Otto Brunners Konzeption von einer »europäischen Strukturgeschichte« auf Maschkes Hinwendung zur Beschäftigung mit dem »Phänomen der europäischen Stadt (europäisches Städtenetz, Fernhandel, Exportgewerbestädte, Typus des Kaufmanns, modernes Wirtschaftsdenken)«89 ausübte. Das gilt ebenfalls für Maschkes Auseinandersetzung mit einem wei86 87 88 89

Beispielsweise in Maschke, Die Schichtung der mittelalterlichen Stadtbevölkerung. Blänkner, Nach der Volksgeschichte, S. 353. Ebd., S. 343 f. Ebd., S. 359.

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teren Forschungsfeld, dem der Bevölkerungsbewegungen, d. h. der Mobilitätsforschung. Otto Brunner hatte diese Forschungsfelder neben zwei weiteren für eine »europäische Strukturgeschichte« für besonders relevant gehalten. 9.3.4 Die Annales Wichtige Anregungen vielfältiger Art erhielt Erich Maschke (wie auch Werner Conze) für die eigenen sozialgeschichtlichen Arbeiten aber noch aus einer anderen Richtung – von der französischen Geschichtsschreibung der Annales. Von ihren Impulsen profitierten nicht nur seine Schriften, sondern er brachte sie auch erfolgreich in die deutsche Stadtgeschichtsforschung ein und bereicherte sie damit. Möglicherweise machte Werner Conze Erich Maschke in den 1950er Jahren erstmals mit den Annales bekannt und stellte die Verbindungen her. In der Folgezeit fand Erich Maschke in Fernand Braudel (1902–1985), dem damals führenden Vertreter der Annales, nicht nur einen wichtigen Gesprächspartner in fachlichen Fragen, sondern auch einen festen Freund90. Für diese neue französische Art, Geschichte zu betrachten und zu schreiben, versuchte Maschke in den nun folgenden Jahren, auf verschiedene Weise eine Lanze zu brechen und sie in der deutschen Geschichtswissenschaft bekannter zu machen: Er beantragte, auch im Wissen um die schroff ablehnende Haltung einiger deutscher Historiker wie Gerhard Ritter, für Fernand Braudel 1965 die Aufnahme in die Heidelberger Akademie der Wissenschaften91. Auch schrieb er einen längeren Beitrag über einen der Gründerväter der Annales, Marc Bloch, und hielt rege Kontakte zu französischen Kollegen. Er selbst verfasste bereits 1960 einen Aufsatz für die Zeitschrift der Annales92. Mit Karl Erich Born, Karl F. Werner, Werner Conze, Manfred Wüstemeyer, Wilhelm Abel und wenigen anderen zählte Erich Maschke zu einer Minderheit der deutschen Historiker, die die neue französische Geschichtsschreibung überhaupt zur Kenntnis nahmen, sie tatsächlich rezipierten oder gar über sie publizierten93. Zeigte 90 HStA Stuttgart, NL Erich Maschke J 40/10, Bü 19, Bü 21, Bü 64. Maschke sprach in einem Schreiben an Friedrich Lütge vom 9.2.1961 (HStA Stuttgart, NL Erich Maschke J 40/10, Bü 37) davon, »dass ich zu Braudel in einem sehr herzlichen persönlichen und wissenschaftlich fruchtbaren Verhältnis stehe.« Der im Nachlass Maschkes überlieferte Briefwechsel zwischen beiden ist nicht umfangreich und datiert aus dem Zeitraum 1959–1980. Er betrifft meist Organisatorisches und enthält teils handschriftliche Briefe, die gerade in den späteren Jahren an »Cher Erich« gerichtet sind. 91 HStA Stuttgart, NL Erich Maschke J 40/10, Bü 34. 92 Maschke, Continuité sociale et histoire urbaine médievale. 93 Zu den Ursachen und Gründen für die bis in die sechziger Jahre verspätete Rezeption der Annales in Deutschland vgl. Schöttler, Zur Geschichte der Annales-Rezeption in Deutschland (West); Erbe, Zur Rezeption der Annales-Historie in der Bundesrepublik; Chun, Das Bild der Moderne in der Nachkriegszeit, S.  145–153; Paravicini, Zwischen Bewunderung und Verachtung.

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sich zwar auf der Seite dieser wenigen Wissenschaftler ein Bemühen darum, intellektuell in dieser Richtung Anschluss an die internationale Fachdiskussion zu finden, so scheiterte eine breitere Rezeption der Annales in Deutschland vermutlich an einer Vielzahl von Faktoren: Neben der starken Opposition traditioneller Historiker gegen die Annales und neben der Bevorzugung amerikanischer Forschungsrichtungen durch jüngere Sozialhistoriker standen den älteren Sozialhistorikern eine Reihe deutscher, wenn auch belasteter historiographischer Traditionen zur Verfügung, auf die sie zurückgreifen konnten94. So erschien eine Auseinandersetzung mit den Annales nicht nötig. Wie Peter Schöttler vermutete95, scheiterte eine deutsche Annales-Rezeption auch an den problematischen und unaufgearbeiteten Erfahrungen der deutschen Geschichtswissenschaft, die durch sie in Erinnerung gerufen wurden. Im Besonderen verwies er dabei auf den Lamprecht-Streit, die Auseinandersetzung um den Marxismus und die fehlende Aufarbeitung der nationalsozialistischen Vergangenheit. Nun – im Falle Erich Maschkes scheiterte die Rezeption der Annales-Geschichtsschreibung nicht. So stellt sich daher durchaus die Frage, zu welchen Ergebnissen seine persönliche Auseinandersetzung mit der eigenen Lebens- und Arbeitsgeschichte im Dritten Reich, mit dem Nationalsozialismus sowie mit dem Marxismus gekommen war. Außerdem bleibt die Frage zu beantworten, was ausgerechnet er als ehemaliger Volkstumshistoriker mit deutlicher Ausrichtung auf die politische Geschichte an der Annales-Geschichtsschreibung attraktiv fand. In seinen autobiographischen Äußerungen machte er dazu nur zwei kurze Bemerkungen. Dort meinte er, er habe in der Annales-Schule für seine stadtgeschichtlichen Arbeiten die Fragestellungen und Methoden gefunden, die er gesucht habe96 und Fernand Braudel sei ihm zum festen Freund geworden. Theoretische Reflexionen über Zielsetzungen, Methoden, Anspruch, Perspektiven und Quellenfundierung der Annales sind von Erich Maschke nicht bekannt, Beispiele für den Einfluss der französischen Geschichtswissenschaft auf die Themen der stadtgeschichtlichen Arbeiten Erich Maschkes lassen sich jedoch leicht finden97. Der Wirkung der französischen Fragestellungen wird gerade in Maschkes sozialpsychologischen oder fast mentalitätsgeschichtlichen Texten zum Berufsbewusstsein der mittelalterlichen Kaufleute sowie in seinen Arbeiten zur Bevölkerungsschichtung der mittelalterlichen deutschen Städte spürbar. Auch die Annales-Historiker interessierten sich für das Leben der Menschen in Gesellschaft, für die Wechselbeziehungen zwischen dem Individuum und der sozialen Gruppe, der es angehörte, für die Lebensbedingungen und Lebenswirklichkeiten solcher Menschen und Menschengruppen, über welche die traditionelle 94 95 96 97

Etzemüller, Sozialgeschichte als politische Geschichte, S. 58–60. Schöttler, Zur Geschichte der Annales-Rezeption in Deutschland (West), S. 52. Maschke, Begegnungen mit Geschichte, S. XVII. Siehe Kapitel Stadtgeschichte.

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Geschichtswissenschaft bisher kaum ein Wort verloren hatte. In ihrer wissenschaftlichen Beschäftigung mit der Geschichte der breiten Massen trennten sie die aus ihr herausragenden historischen Persönlichkeiten nicht von ihr, sondern untersuchten auch hier die Beziehungen zwischen dem Einzelnen und der sozialen Gruppe. Dieser Schwerpunkt war von Marc Bloch, einem der Gründer der Annales, gesetzt worden98, und es nimmt daher nicht wunder, dass Erich Maschke einen Aufsatz99 über ihn verfasste. Anhand dieses Aufsatzes können Vermutungen darüber angestellt werden, was Erich Maschke an der neuen französischen Geschichtswissenschaft bzw. an der Geschichtsschreibung Blochs ansprach. Maschke hob immer wieder die Geschichtsauffassung der Annales und damit auch diejenige Marc Blochs100 besonders positiv hervor. Sie bestand seiner Lesart nach darin, den Menschen in seinen sozialen Ordnungen zu suchen und die Einheit der menschlichen Gesellschaft sowie die Ganzheit der Geschichte zu erfassen. In diesem Sinne gab es nichts, was für Marc Bloch nicht der historischen Betrachtung würdig gewesen wäre und Eingang in seine Geschichtsforschung gefunden hätte, wie Erich Maschke meinte. Die gewaltige Bandbreite an Wissensgebieten, die in Blochs Geschichtsbetrachtung mit einflossen, sei es nun politische, Rechts- und Verfassungsgeschichte, Geographie, Sprache und Religion oder Psychologie, beeindruckten Maschke. Vielleicht erscheint es gewagt, in dem Ganzheitsanspruch der Annales-­ Historie sowie in dieser Konzentration auf die sozialen Bezüge und Gebundenheiten des Menschen der Vergangenheit sowie in Marc Blochs »Sinn für das Konkrete« in der Geschichte vorbildartige Züge für Erich Maschke zu erkennen. Hier kam darüber hinaus möglicherweise auch ein Ansatz zum Tragen, der in Erich Maschke positive Assoziationen und Erinnerungen an jugendbewegte ganzheitliche Ideen und Vorstellungen weckte. Auch Blochs Anwendung der vergleichenden und kombinierenden Methoden auf seiner »Suche nach der Wirklichkeit des lebendigen Menschen der Vergangenheit« sprachen ihn als »meisterhaft«101 an.

98 Riecks, Französische Sozial- und Mentalitätsgeschichte, S. 72–76. 99 Maschke, Marc Bloch (1886–1944). 100 Die Geschichtsauffassung Blochs charakterisierte Maschke als »weit, frei und lebendig« (Maschke, Marc Bloch [1886–1944], S. 260). 101 Ebd., S. 261.

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9.4 Die Lehrtätigkeit und das Wirken an der Universität Standen bisher verschiedene Einflüsse auf die sozialgeschichtlichen Schriften Erich Maschkes im Mittelpunkt der Betrachtung, so muss nun der Blick auf sein tatsächliches akademisches Arbeitsgebiet gerichtet werden. Die Wirtschaftsgeschichte brachte es mit sich, dass »ich mich in ein Gebiet einarbeiten musste, dass mir, mit Ausnahme einiger mittelalterlicher Zusammenhänge, doch zunächst sehr fremd war. Ich musste mich in die Wirtschaftsgeschichte vom alten Babylon bis zur Gegenwart nicht nur einarbeiten, sondern gleichzeitig einen Vorlesungsturnus aufbauen. Diese Aufgabe hat mich zwar ausserordentlich interessiert und im höchsten Masse angeregt, aber auch meine Kräfte bis zur äussersten Grenze in Anspruch genommen.«102

Noch Jahrzehnte später äußerten sich befreundete Historiker und auswärtige Kollegen bewundernd über die Energie, mit der sich der nicht mehr eben junge Erich Maschke seinen neuen Aufgaben gestellt und in einen für ihn neuen Wissenschaftszweig eingearbeitet hatte103. Sein Fleiß und die Bewältigung eines enormen Arbeitspensums wurden besonders lobend hervorgehoben. Die große Anspannung und Konzentration, die die intensive Beschäftigung mit einem neuen Tätigkeitsbereich in relativ kurzer Zeit verlangte, blieben nicht ohne gesundheitliche Folgen. Doch es gelang Maschke, sich eine solide wissenschaftliche Basis zu verschaffen, auf welche er seine Lehrveranstaltungen stellen konnte. Die ihm übertragene Aufgabe, Studierenden sowohl der Wirtschaftswissenschaften als auch der allgemeinen Geschichtswissenschaft wirtschaftsgeschichtliches Grundwissen zu vermitteln, erforderte besonderes Geschick: Erich Maschke musste damit rechnen, zum einen Nebenfachstudierende vor sich zu haben, die sich zum anderen auch noch aus verschiedenen Richtungen her seinem Fachgebiet näherten. Dies bedeutete, dass er gleichzeitig dem Wirtschaftswissenschaftler die Herangehensweise und das Werkzeug des Historikers nahe bringen wie auch den Historiker in Begriffe, Methoden und grundsätzliche Probleme der Wirtschaftswissenschaften einführen musste. Um beiden Gruppen einen Überblick zu verschaffen, las Erich Maschke zunächst in einem vier- bis fünfsemestrigen Vorlesungszyklus über die allgemeine Wirtschaftsgeschichte von der Antike bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges. Darüber hinaus bot er noch eine einstündige Spezialvorlesung pro Semester an, die beispielsweise die internationale Geschichte der Konzentration (Kartelle, Konzerne, Trusts), die deutsche Wirtschaftsgeschichte oder Methoden und Probleme der Sozial- und Wirtschaftsgeschichte zum Gegenstand hatte. Ausschließlich sozialgeschichtliche Fragestellungen berührten seine Vorlesungen 102 HStA Stuttgart, NL Erich Maschke J 40/10, Bü 67, Brief Erich Maschkes an Rudolf ­Buchner vom 17.3.1960. 103 HStA Stuttgart, NL Erich Maschke J 40/10, Bü 59, Brief G. Ritters vom 10.1.1957.

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nicht. Kombinierte Erich Maschke zu Beginn seiner Heidelberger Lehrtätigkeit in seinen Vorlesungen noch häufig alte Interessen wie die Hanse oder die ostdeutsche Kolonisation mit wirtschaftsgeschichtlichen Fragestellungen, so spielten diese Themenbereiche im Laufe weniger Semester keine größere Rolle mehr. Nur gelegentlich kam er darauf zurück104. Maschke bemühte sich auch in der Themenwahl für seine Übungen um große Vielseitigkeit, doch lassen sich Kontinuitäten über die Jahre seiner Lehrtätigkeit bis zu seiner Emeritierung 1968 feststellen105. Probleme aus dem Umkreis seiner eigenen Forschungsinteressen behandelte er in einer Übung über die mittelalterliche Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, die er am Historischen Seminar abhielt, während er am Alfred-Weber-Institut regelmäßig eine Übung zur modernen Wirtschaftsgeschichte anbot, in der Fragen zur deutschen oder internationalen Wirtschaftsgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts im Mittelpunkt standen. Obschon sich der Inhalt seiner Lehrtätigkeit seit Jena und Leipzig grundlegend verändert hatte, blieb sich Maschke doch in seiner pädagogischen Arbeit treu. Auch in Heidelberg unternahm Erich Maschke regelmäßig in Verbindung mit dem eigentlichen Unterricht sehr gut organisierte Exkursionen, in denen bedeutende Firmen mit historischer Tradition und gutem Werkarchiv aufgesucht wurden. Ziele waren Unternehmen in Südwestdeutschland, aber auch im Ruhrgebiet, im Raum Frankfurt oder im Elsaß. Dort besichtigte man nicht nur das Werk selbst, sondern diskutierte mit Vertretern des Unternehmens auch historische und aktuelle Probleme. Es lässt sich schwer einschätzen, ob Erich Maschke als Wirtschaftshistoriker studentischen Zulauf und Lehrerfolg hatte. Will man seinen Erfolg anhand von Zahlen und Namen beurteilen, so ergibt sich ein vorzeigbares, wenn nicht vor dem Hintergrund der damaligen Ordinarienuniversität und der Ausstattung seines Lehrstuhles sogar beachtliches Ergebnis: Wie sich ein Schüler erinnerte106, waren mit 60 bis 80 Hörern – Volkswirte, Historiker und Soziologen –, Maschkes Vorlesungen gut besucht. An seinen Seminaren nahmen jeweils ungefähr 20 Studierende teil, wobei die Beteiligung an seinen Übungen noch höher gewesen sein mag107. Auch die wenigen überlieferten Angaben über die Größe seiner Exkursionen vermitteln nicht das Bild eines 104 Beispielsweise in der Vorlesung über die Wirtschaftsgeschichte des Mittelalters: »So berücksichtige ich […] in meiner Vorlesung über die Wirtschaftsgeschichte des Mittelalters regelmäßig die ostdeutsche Kolonisation, die ich in Vergleich mit anderen Wanderungsbewegungen bringe, etwa von Frankreich nach Spanien.« UAH, Rep. 85 Nr. 4, Brief an Udo Arnold vom 4.1.1967. 105 Wirtschaftliche Zusammenschlüsse wie Zünfte, Kartelle oder Trusts fesselten immer wieder sein Interesse und auch die Wirtschaftspolitik des Stauferkaisers Friedrich II. bildete ein Lieblingsthema. 106 Gespräch mit Prof. Dr. Ulf Dirlmeier am 5.4.2008 in Freudenberg. 107 1964 soll die durchschnittliche Teilnehmerzahl an Maschkes Übungen über die Geschichte der Konzentration und Kartelle bei 50 gelegen haben. UAH, Bestand ISG, Rep. 85, Nr. 8.

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von den Studierenden ignorierten Hochschullehrers108. Zu seinen Schülern zählten Ulf Dirlmeier, Wolfgang Schieder, Kuno Drollinger und Eckart Schremmer, der sein Nachfolger auf dem Lehrstuhl wurde. Insgesamt promovierten während der Zeit seines akademischen Wirkens von 1959 bis 1972 zwischen 26 und 29 Studenten bei ihm. Unabhängig von der zahlenmäßigen Resonanz auf sein Lehrfach stand Maschke im Rufe eines guten Lehrers, was nicht nur die zahlreichen Briefe von Absolventen bezeugten109. Viele Studierende, aber auch Mitarbeiter110 fühlten sich von Maschkes herzlicher Art und seinem persönlichen Interesse111 an ihnen angesprochen und es geschah nicht selten, dass Erich Maschke erkrankten Teilnehmern seiner Seminare und Übungen ein persönliches Schreiben mit Genesungswünschen zusandte. Diese Freundlichkeit im Umgang miteinander hob ihn in ausgesprochen positiver Weise vom Verhalten so genannter »Großordinarien« ab. Möglicherweise war dies einer der Gründe dafür, warum Erich Maschkes Lehrveranstaltungen im Zuge der Studentenunruhen nach 1967 nicht bestreikt oder anderweitig blockiert wurden. Auch wurde er selbst nicht zur Zielscheibe studentischer Aktionen wie einige seiner Historikerkollegen. Dieser Umstand ist gerade angesichts seiner politischen Belastung durchaus überraschend, zumal auch ein dementsprechendes und aufschlussreiches Zitat112 in einem Informationsbrief des Asta kursierte. Welche Reaktionen es darauf von Seiten der Studenten und von Seiten Maschkes gab, ist nicht bekannt. Doch vielleicht kamen auch weitere Faktoren Maschke in dieser Situation zu Hilfe: Das Jahr 1968 war das Jahr seiner Emeritierung und er blieb nur für einige Lehrveranstaltungen noch vertretungsweise im Amt, was ihn den Blicken etwas entzog. Darüber hinaus waren seine Kenntnisse des Marxismus eine gute Grundlage für angeregte Diskussionen mit Studenten113, die in seinen Seminaren natürlich auch stattfanden. In einem Brief Erich Maschkes aus dieser Zeit heißt es:

108 Zwischen 20 und 50 Studenten nahmen an den Exkursionen teil. 109 HStA Stuttgart, NL Erich Maschke, J 40/10, Bü 101. 110 Die Mitarbeiter am Institut für moderne Sozialgeschichte hielten offenbar große Stücke auf ihn. So verfassten sie ein Gedicht zu Erich Maschkes 60. Geburtstag, das mit der Strophe endete: »Wenn wir Ihnen gratulieren, dürfen wir das Wort zitieren, das Sie uns als Lehre geben, nicht rhetorisch, doch im Leben: Über Wissenschaft und Kenntnis steht das menschliche Verständnis!« HStA Stuttgart, NL Erich Maschke J 40/10, Bü 99. 111 Ihm lagen jedoch nicht nur seine eigenen Studenten am Herzen. Erich Maschke war längere Zeit Senatsbeauftragter für die studentischen Wohnheime, Protektor für das Studentenwohnheim II, Mitglied des Kuratoriums des ökumenischen Wohnheimes, Mitglied des Verwaltungsrates der Studentenhilfe sowie Mitglied der Senatskommission für studentische Vereinigungen. HStA Stuttgart, NL Erich Maschke J 40/10, Bü 20. 112 Asta-Info 103, 27.1.1970. Zitiert wird folgender Satz ohne Quellenangabe: »Ohne die Entjudung Polens gibt es keine Gesundung Polens.« aus der Rezension Erich Maschkes über eine Schrift von W. Studnicki. Zit. n. Hildebrandt, »… und die Studenten freuen sich!«, S. 170. 113 Gespräch mit Dr. Helmut Wolff am 8.8.2003 in Kulmbach.

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»Mit einer einzigen Ausnahme habe ich in einer über 12-jährigen Lehrtätigkeit in Heidelberg noch nie ein so gutes Seminar gehabt. Dabei standen die Studierenden zum größeren Teil sehr weit links. Die Vergesellschaftung der Produktionsmittel gehörte in den kritischen Diskussionen gewissermaßen zum alltäglichen Sprach­gebrauch, und gelegentlich tauchte auch die Diktatur des Proletariats auf. Das Bemerkenswerte war dabei, dass die Studierenden zwar über ihren geistigen Hintergrund keinen Zweifel ließen, aber doch mit größter Sachlichkeit diskutierten und ungewöhnlich fleißig waren. Es war daher eine sehr eigenartige Übung, die für mich selbst sehr interes­sant war.«114

In eben diesen Jahren ging es in Heidelberg als einem der Zentren der Studentenbewegung weitaus hitziger und aggressiver zu115. Welche Reputation Maschke innerhalb der Fakultäten und der gesamten Universität genoss, lässt sich wohl nur schwer abschließend beurteilen. Dennoch überwiegen die Anzeichen für Wertschätzung und Anerkennung, die ihm entgegengebracht wurden. Im Studienjahr 1959/60 übernahm er das Dekansamt, war 1961 Prodekan und darüber hinaus in verschiedenen akademischen Vereinigungen und Gruppierungen aktiv. Dazu gehörte u. a. die Heidelberger Akademie der Wissenschaften, in welche Erich Maschke bereits 1958 aufgenommen wurde und der er bis zu seinem Tode angehörte. Hier hielt er 1968 als ehema­ liger Jenaer Professor die Festvorträge zum 400jährigen Gründungsjubiläum der Universität Jena. Im Rahmen seines akademischen Wirkens ist ein weiterer Bereich zu nennen, der ihn über die engeren Grenzen der Heidelberger Universität hinausführte und in welchem er Bedeutung erlangte. Gemeint sind hiermit seine schon vor 1960 aufgebauten Verbindungen nach Frankreich, die nicht nur zu persönlichen Freundschaften, jährlichen Vortragsreisen und zu seiner aktiven Mitgliedschaft in der Kommission zur Erforschung der Geschichte der deutschfranzösischen Beziehungen führte, sondern auch zu einem Gastsemester in Paris. Diese 1962 an Erich Maschke ergangene Einladung, für drei Monate Vorlesungen über Fragen der deutschen Stadtgeschichte an der zur Sorbonne gehörigen Ecole Pratique des Hautes Etudes in der Sektion Sozial- und Wirtschaftsgeschichte zu halten, war eine der ersten Einladungen dieser Art an einen deutschen Hochschullehrer nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges. Dass sie mit Erich Maschke an einen ehemaligen politischen Historiker und Ostforscher erging, muss als ein Zeichen für seine Wandlungsfähigkeit und den Wandel seiner politischen und historischen Weltsicht116 sowie seiner historisch-fachlichen Ausrichtung verstanden werden. 114 Schreiben Erich Maschkes an Dr. A. von Loesch vom 18.2.1970. UAH, Bestand ISWG, Rep. 85, Nr. 5. 115 Vgl. Dunkhase, Werner Conze, S. 94–105; Hildebrandt, »… und die Studenten freuen sich!«. 116 Erich Maschke hat sich vor 1945 kaum zu Fragen der deutsch-französischen Geschichte geäußert und wenn, dann nur im Kontext des »Kampfes gegen Versailles«. Ein Beispiel dafür ist: Tausend Jahre Deutschland – Frankreich. Richelieu, Danton und die Gegenwart – Wann lernt Frankreich um?, in: Königsberger Allgemeine Zeitung v. 12.4.1936.

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Maschke folgte dieser Einladung jedenfalls gern. Während dieses Besuchs und späterer Aufenthalte trug er in den Kolloquien in Paris, Toulouse und anderswo eigene Arbeiten vor, die von den Anregungen der französischen Fachkollegen profitierten. Aus ihnen erwuchsen eine Vielzahl seiner wissenschaftlichen Aufsätze zur spätmittelalterlichen Stadtgeschichte117. Paris wurde ihm eine »vertraute Welt«, in der er das Leben von Kollegen »mitlebte«, die ihm zu Freunden geworden waren118. Er traf in Frankreich mit Michel Mollat, Maurice Jacob, Jacques Le Goff, Philippe Wolff119 u. a. zusammen, aber besonders nahe stand ihm Fernand Braudel, den er als seinen Lehrer für strukturgeschichtliche Ansätze und Methoden betrachtete. Vielleicht verband beide Historiker neben dem in etwa gleichen Alter auch die gemeinsame Erfahrung der Kriegsgefangenschaft, wenn sie diese jeweils auch unter gänzlich anderen Bedingungen erlitten hatten. Die enge, in dieser Zeit ungewöhnliche fachliche Anbindung an die französische Geschichtsschreibung120 und an Frankreich wurde neben den Kontakten, die sich im Zuge der Arbeit an der Kriegsgefangenendokumentation ergaben, durch eine familiäre ergänzt: Erich Maschkes Sohn Erich hatte eine russischstämmige Französin geheiratet und lebte mit seiner Familie bei Paris. Diese Ausrichtung nach Westen wurde jedoch auch durch andere, aus früheren Jahren vertrautere Verbindungen ergänzt. Erich Maschke schrieb: »In meinem engen Rahmen eines Professors der Wirtschaftsgeschichte halte ich selbst nach Möglichkeit Kontakte mit meinen Kollegen an den Universitäten der DDR und stehe mit einem Teil von ihnen in Schriften- und Gedankenaustausch. Ich weise auch meine Studenten immer wieder darauf hin, dass es notwendig ist, die dort erscheinende Literatur nicht einfach abzulehnen, sondern zu kennen und sich mit ihr ernsthaft auseinanderzusetzen. Wir hatten hier auch schon mehrfach deutsche und tschechische Kollegen zu Vorträgen.«121

9.5 Das Wirken außerhalb der Universität Ungeachtet seiner besonderen Position am Heidelberger Historischen Seminar bewegte sich Erich Maschke in fachwissenschaftlichen Kreisen als anerkannter und geschätzter Forscher. Dies betraf nicht nur seine alten Interessen, sondern vor allem auch die für ihn neuen fachlichen Themengebiete. Führte er tatsäch117 Vgl. dazu Abschnitt und die an französische Kollegen gerichteten Dankesworte Maschkes im Fußnotentext vieler seiner stadtgeschichtlichen Texte. 118 Brief an Ernst Wilhelm Eschmann vom 21.2.1964. Deutsches Literaturarchiv Marbach, NL E. W. Eschmann. 119 HStA Stuttgart, NL Erich Maschke J 40/10, Bü 23. 120 Vgl. dazu auch das Kapitel zur Stadtgeschichte. 121 HStA Stuttgart, NL Erich Maschke J 40/10, Bü 58, Brief an Willi Rudolf Schelkmann vom 16.12.1966.

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lich eine »recht stille Existenz«122, wie Hermann Heimpel meinte? Mit Bezug auf die Mitgliedschaft Maschkes in der Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg123, im Arbeitskreis für moderne Sozialgeschichte Heidelberg124, in der Gesellschaft für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, seine Mitherausgeberschaft der Beihefte der VSWG, seine Mitarbeit im Arbeitskreis Kammergeschichte des Deutschen Industrie- und Handelstages und im Südwestdeutschen Arbeitskreis für Stadtgeschichtsforschung, seine Leitung der Kriegsgefangenenkommission und zahlreicher weiterer Mitgliedschaften und Einladungen beispielsweise zu den Reichenautagungen125 möchte man diese Frage auf den ersten Blick verneinen. Doch die Einschätzung Herman ­Heimpels bezog sich wohl auf eine andere Perspektive: »Recht still« verlief Maschkes Wirken tatsächlich auf der bundesdeutschen Ebene der Historikerzunft, von den wenigen Sektionsleitungen auf den deutschen und internationalen Historikertagen126 und Beiträgen in der HZ abgesehen. Erich Maschke stand nicht im Rampenlicht des öffentlichen Interesses, suchte dieses anscheinend auch nicht.

122 UAH, Rep. 1/91, Schreiben Hermann Heimpels an Werner Conze vom 18.1.1968 zwecks Wahl von Erich Maschke in die Historische Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften: »Mir würde sie [die Wahl] nützlich scheinen, aber daneben würde sie mich auch für Maschke freuen, der durch sein grausames Schicksal in eine recht stille Existenz gedrängt ist.« 123 In diese Kommission wurde er 1959 berufen und hatte von 1964–1974 den stellvertretenden Vorsitz inne. Seit 1966 tagte auf den Jahresversammlungen eine industriegeschichtliche Arbeitsgruppe, die im Wesentlichen unter Maschkes Leitung stand. 1975 wurde Maschke zum Ehrenmitglied der Kommission ernannt und ihm zum 75. Geburtstag eine Festschrift überreicht. 124 Darin war er bis 1973 zweiter Vorsitzender. 125 Zwischen 1956 und 1980 wurde er zu neun Tagungen eingeladen, die ihn thematisch betrafen. Auf ihnen begegnete er nicht nur deutschen Fachkollegen, sondern konnte auch alte Verbindungen zu polnischen Forschern auffrischen und neue knüpfen. Dies galt beispielsweise für Karol Górski sowie für Benedykt Zientara (1928–1983), einen polnischen Historiker, mit dem er bis zu seinem Tod in Verbindung blieb. Die Tagungseinladungen verdeutlichen Maschkes thematische Bandbreite, welche von den Anfängen des euro­ päischen Städtewesens (1956) über Investiturstreit und Reichsverfassung (1969), die deutsche Ostsiedlung (1970), die geistlichen Ritterorden (1977) bis zu kaufmännischen und gewerblichen Genossenschaften im Mittelalter und anderen Themen reichte. An der Häufigkeit seiner Besuche wird darüber hinaus auch ersichtlich, dass sich Erich Maschke trotz seiner anderen fachlichen Einbindung im Herzen wahrscheinlich doch eher als­ Mediävist fühlte. 126 Auf dem Internationalen Historikerkongress 1960 in Stockholm beteiligte er sich an den Diskussionen und sprach selbst über die Verfassungs- und Sozialstruktur der südwestdeutschen Stadt im 12.  und 13.  Jahrhundert. Sein Kurzvortrag wurde als »glänzend« eingeschätzt. Besson, Klio gegen Marx. Starre Fronten auf dem Historikerkongreß in Stockholm, in: Stuttgarter Zeitung vom 6.9.1960, S. 6. Beispielsweise leitete Maschke gemeinsam mit Friedrich Vittinghoff auf dem 32. Deutschen Historikertag in Hamburg die Sektion »Stadt und Herrschaft in Antike und Mittelalter«. (HStA Stuttgart, NL Erich Maschke J 40/10, Bü 55.)

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Sein Engagement für das Projekt der deutschen Kriegsgefangenengeschichte wie auch seine Verbindungen zur französischen Geschichtswissenschaft traten weniger lang anhaltend ins Bewusstsein der interessierten Öffentlichkeit. Er­ publizierte keine Grundsatzüberlegungen zu gegenwärtigen Entwicklungen in der deutschen Geschichtswissenschaft, trat als Wissenschaftsorganisator nicht in besonders auffällige Erscheinung und äußerte sich nicht in publizistischer Form zu Fragen der aktuellen Politik und Wirtschaft, wie es andere Fachkollegen und Altersgenossen taten127. Es spricht einiges dafür, die Gründe für einen solchen Rückzug oder Verzicht in der Einarbeitung in sein neues Fachgebiet der Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, in seiner Hinwendung zur Landesgeschichte und in seiner Vorliebe für die Stadtgeschichte sowie, ganz anders geartet, in den Ergebnissen eines Lernprozesses während der Kriegsgefangenschaft und danach zu suchen. Wollte er sich in der Öffentlichkeit und in der »Zunft« nicht mehr exponieren? Wie auch immer die Antwort ausfallen mag  – auf die Gelegenheit, seine Forschungsergebnisse einem nicht fachwissenschaftlichen, aber interessierten­ Publikum zu vermitteln, wollte Erich Maschke jedoch nicht verzichten128. Im Gegensatz zu früheren Zeiten unterließ er es aber nun, die Präsentation seiner Ergebnisse mit aktuellpolitischen Bezügen zu verbinden, auch wählte er ein anderes Medium: Viele Jahre lang (von ca. 1955 bis 1967) verfasste er für den Südwestdeutschen Rundfunk Beiträge zu Themen aus seinen unterschiedlichen Arbeitsbereichen. Diese Arbeitsgebiete sollen nun im Folgenden Gegenstand der Betrachtung sein.

9.6 Ostforschungen nach 1945 Nach seiner Heimkehr 1953 hatte Erich Maschke sehr zeitig die Kontakte zu ehemaligen Mitstreitern und Kollegen aus dem Umkreis der Nachfolgeorganisation der NOFG, des Herderforschungsrates129, gesucht und wiederhergestellt. So war er bereits 1954 zum korrespondierenden Mitglied des Forschungskreises gewählt worden, wurde wieder in der Historischen Kommission für ostund westpreussische Landesforschung aktiv und stand in Verbindung mit dem 127 Z. B. Werner Conze. Siehe die einschlägigen Abschnitte bei Dunkhase, Werner Conze. 128 Wie sich Prof. U. Arnold erinnerte, war Erich Maschke der Meinung, auf seine wissenschaftlichen Erkenntnisse hätten auch fachliche Laien ein Anrecht. Gespräch mit Prof. Dr. U. Arnold am 29.1.2005 in Bonn. 129 Zum Neuanfang der westdeutschen Ostforschung nach 1945 Unger, Ostforschung in Westdeutschland, S.  113–157, S.  280–348; Erwin Oberländer (Hg.), Geschichte Osteuropas; Linnemann, Das Erbe der Ostforschung; Hackmann, »An einem neuen Anfang der Ostforschung«. Bruch und Kontinuität in der ostdeutschen Landeshistorie; Weczerka, JohannGottfried-Herder-Forschungsrat; Mühle, Für Volk und deutschen Osten. Der Historiker Hermann Aubin, S. 391–431.

Ostforschungen nach 1945

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Göttinger Arbeitskreis. Aber auch in eher informellen Vereinigungen wie der­ »Gesellschaft der Freunde Kants« trat er in Erscheinung. Hatte er sich auf diese Weise persönlich in den Institutionen und Kreisen der bundesdeutschen Ostforschung wieder in Erinnerung gerufen, so tat er dies als Wissenschaftler mit zahlreichen Rezensionen in der »Zeitschrift für Ostforschung«, kleineren Beiträgen für die Altpreussische Biographie, Vorträgen130 und Zuarbeiten. Auch auf seine Kenntnis der polnischen Sprache konnte er bei der Ansichterstellung über die polnische Inschriftenliteratur131 und bei der Auswertung der »Zapiski historyczne« wieder zurückgreifen. Auf seine Weise und nach einer längeren Unterbrechung trug Erich Maschke somit zur hohen personellen Kontinuität der Ostforschung132 bei. Bedeutete das, dass er wieder in alte Fahrwasser geraten war? Aus welchen Gründen hatte Erich Maschke versucht, über diese aus heutiger Sicht so belastete Ostforschung Anschluss an die westdeutsche Forschungslandschaft zu gewinnen und sich einen Wirkungs- und Arbeitsbereich aufzubauen? Mit seiner Kontaktaufnahme zu den Kreisen der bundesdeutschen Ostforschung griff Erich Maschke auf ein Netzwerk zurück, dessen Mitglieder er zum Teil kannte oder mit denen er persönlich befreundet war. Sie waren in der Lage, ihm wichtige Hilfestellungen und Informationen für seinen beruflichen Wiedereinstieg zu geben und ihn weiterzuempfehlen: Die weitreichenden Beziehungen der bundesdeutschen Ostforscher, auch bis in hohe politische Stellen und Ämter hinein, mochten sich als vorteilhaft für ihn erweisen. Dies war Erich Maschke allem Anschein nach während seiner Kontaktsuche bewusst133. Gleichwohl musste es ihm aber auch klar sein, dass er selbst im Kreis dieser Ostforscher als Konkurrent um finanzielle und institutionelle Ressourcen, aber auch als Konkurrent um die Mitgestaltung an Entwicklung und Modifizierung von Forschungsansätzen wahrgenommen werden musste134. Jedoch sollten sich in einem solchen Geflecht von Institutionen, Vereinen und Kreisen doch kleinere Aufträge oder sogar eine Anstellung für ihn finden lassen, zumindest als eine Art Überbrückung, bis er an einer Universität wieder Fuß gefasst hatte. Diese pragmatischen und strategischen Überlegungen spielten bei Maschke höchstwahrscheinlich ebenfalls eine Rolle. Zu berücksichtigen ist ferner aber 130 Erich Maschkes Themenliste für Vorträge zeigt sein Wiederanknüpfen an ältere thematische Beschäftigungen: Die Stellung der westslawischen Völker in der Geschichte Europas. Die Deutschen und die slawischen Völker im Wandel der Geschichte. Geschichte des deutschen Ostens. Der deutsche Ritterorden in Westdeutschland und im Osten. HStA Stuttgart, NL Erich Maschke J 40/10, Bü 67, Brief vom 31.7.1956. 131 Archiv des HFR, Brief Erich Maschkes an E. Keyser vom 17.3.1957. 132 Dazu Conrad, Auf der Suche nach der verlorenen Nation, S. 385–397. 133 BAK, NL Theodor Schieder 1188, Brief Erich Maschkes vom 10.1.1954: »Wenn ich nicht früher geschrieben habe, so lag es daran, dass ich eine in Marburg mit Kossmann verab­ redete Einladung ins AA nach Bonn erwartete, die jetzt eingetroffen ist. Ich werde am Freitag, 22. Januar nachmittags und abends dort sein.« 134 Ash, Verordnete Umbrüche – Konstruierte Kontinuitäten.

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auch, dass sich Erich Maschke vielleicht nach wie vor ungebrochen dem Gegenstandsbereich der Ostforschungen verbunden fühlte und nun in einem Kreis von Gleichgesinnten und von den politischen Ereignissen Gleichbetroffenen Bestätigung suchte. Mit der Übernahme des Lehrstuhles für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte 1956 nahm Maschkes beruflicher Wiedereinstieg allerdings eine Wendung in eine ganz andere Richtung. Ursprünglich hatte Erich Maschke gehofft, thematisch zweigleisig135 fahren zu können: Er wollte alte Interessen weiterverfolgen und sich gleichzeitig in die Wirtschaftsgeschichte einarbeiten. Dies erwies sich aber auf Dauer als unmöglich, da er alle Kräfte für den thematischen Neuanfang mobilisieren musste. Das wiederum hatte Folgen für seine Mitarbeit in den Gremien der bundesdeutschen Ostforschung – seine Kontakte zu ihnen verloren ab ungefähr 1960 allmählich an Intensität. Seine nachlassende Teilnahme an den Mitgliederversammlungen und Jahrestreffen fanden in seiner Arbeitsüberlastung eine plausible Erklärung und Entschuldigung. Doch bestehen durchaus Zweifel daran, dass die berufliche Belastung der einzige Grund für seinen Rückzug war, wie im Folgenden ersichtlich wird. Die westdeutsche Ostforschung hatte bis dahin mit finanzieller Unterstützung durch politische Stellen das Ziel verfolgt, die Revision der Oder-Neiße-Grenze zu unterstützen und den Anspruch auf Rückgabe der verlorenen Ostgebiete wissenschaftlich zu untermauern. Auch vertraten viele führende Wissenschaftler wie Hermann Aubin und andere vor diesem Hintergrund den Standpunkt, die westdeutsche Ostforschung solle die Aufgaben und Ziele der früheren Ostforschung in nahezu unveränderter Form wiederaufnehmen und fortsetzen136. Hatte sich Erich Maschke in diese Kampflinie tatsächlich wieder eingereiht? Seine relativ regelmäßige Teilnahme an den Versammlungen und Veranstaltungen im Umkreis des Herderforschungsrates nach seiner Rückkehr scheint auf den ersten Blick dafür zu sprechen. Doch vertrat er auf den Treffen offensichtlich eine Haltung, die den Vorsitzenden Eugen Lemberg137 1959 veranlasste, in ihm einen Mitstreiter für seine eigenen Reformanliegen138 zu finden: »Bei der seinerzeitigen Diskussion über die Lage und Aufgabe der Ostforschung haben Sie einen so modernen Standpunkt eingenommen, der mir für die Weiter­arbeit wichtig und aufmunternd war. Sie verstehen also, wie wertvoll mir nunmehr, da die

135 HStA Stuttgart, NL Erich Maschke J 40/10, Bü 67, Schreiben Erich Maschkes an E. Anrich vom 19.2.1964. 136 Vgl. Hackmann, »An einem neuen Anfang der Ostforschung«. 137 Zu Eugen Lembergs ambivalenter Haltung in seiner Beschäftigung mit dem Osten und seiner Forderung nach einer Erneuerung siehe Unger, Ostforschung in Westdeutschland, S. 111–115, S. 281. 138 Zu Binnendifferenzierungen innerhalb der Gruppe der Ostforscher vgl. Linnemann, Das Erbe der Ostforschung; Petersen, »Die Gefahr der Renazifizierung ist in unserer Branche ja besonders groß.«, S.  31–52; ders., Bevölkerungsökonomie  – Ostforschung  – Politik, S. 250–312.

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Verwirklichung der damaligen Gedanken auf uns zugekommen ist, Ihre sachliche und moralische Unterstützung wäre …«139

Obwohl Erich Maschke ihm in seiner Antwort bestätigte, »wie sehr die Auseinandersetzung mit den von Ihnen angeschnittenen Fragen in meinem Sinne ist«140, konnte er doch an der entsprechenden Tagung nicht teilnehmen. Eugen Lemberg ging es darum, der westdeutschen Ostforschung neue Wege aufzuzeigen und die bisherigen Methoden, Ziele und Aufgaben einer kritischen Revision zu unterziehen. Die Ostforschung sollte »aus dem Zauberkreis einer untergehenden Epoche« ausbrechen und ihre »nationalistische Phase« beenden: »Man vergibt sich nichts mehr, wenn man Leistung gegen Leistung abwägt. Moralischer Kredit in der Welt ist für die Anerkennung des Heimatrechtes wie für das Mitteleuropabild der westlichen Welt wichtiger als der quellenmäßige Nachweis eines bestimmten nationalen Besitzstandes an bestimmten historischen Stichtagen. Dass sich eines der mitteleuropäischen Völker von uns gedeutet und verstanden fühlt, ist ein grösserer Erfolg der Ostforschung, als dass etwa einer seiner nationalen An­ sprüche dokumentarisch widerlegt worden ist. […]«141

Aussagen wie diese müssen als Anzeichen eines Umbruches innerhalb der bundesdeutschen Ostforschung Ende der 1950er Jahre verstanden werden. Dieser Umbruch führte aber noch nicht zu einem grundsätzlichen Überdenken der bisherigen Zusammenarbeit mit politischen Stellen, der erklärten Forschungsziele, tradierten Methoden, Argumentationsmuster und Interpretations­modelle. Inwieweit Erich Maschkes allmählicher Rückzug aus den Kreisen der Ostforscher auch mit dem Scheitern dieser Bemühungen und späterer Aufbruchsversuche, etwa von Walther Schlesinger 1963, zusammenhing, bleibt ungeklärt. Er äußerte sich in den überlieferten Dokumenten nicht mehr zur weiteren Entwicklung der bundesdeutschen Ostforschung, wie er es in den 1950er Jahren noch ­getan hatte. In ähnlicher Weise wie der um Reform und Erneuerung bemühte Eugen Lemberg hatte sich Erich Maschke in einem Vortrag mit den Aufgaben und Problemen der deutschen Ostforschung bereits 1954 auseinandergesetzt. Darin hieß es stichpunktartig: »Über uns klar sein: es gibt kein historisches Recht, dass ein ausreichendes Argument wäre, um politische Ansprüche zu begründen. Die Beweisführung des historischen Rechtes ad absurdum geführt durch die deutsch-poln.[ische] Diskussion vor dem Kriege, zugespitzt auf Korridorfrage […]. Historisches Recht im Sinne des ›Zuerst-dagewesen-seins‹ sinnlos.«142 139 HStA Stuttgart, NL Erich Maschke J 40/10, Bü 35, Brief Eugen Lembergs vom 12.4.1960. 140 HStA Stuttgart, NL Erich Maschke J 40/10, Bü 35, Brief an Eugen Lemberg vom 20.4.1960. 141 Archiv des HFR, Vortrag Eugen Lembergs zur Lage und Aufgabe der Ostforschung (S. 5), 14. Mitgliederversammlung vom 28.–29.4.1958. 142 BA-MA Freiburg, B 205–1763. Vortrag Erich Maschkes über »Aufgaben und Probleme der deutschen Ostforschung« vom 10.12.1954, S. 1.

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Dieser Vortrag gibt Aufschluss über Maschkes Auseinandersetzung mit der Vergangenheit der Ostforschung, in der er seinen eigenen Beitrag dazu allerdings nicht thematisierte: Deutliche Kritik ist nicht zu finden. Auch Erich Maschke zeigte sich wie viele andere Ostforscher davon überzeugt, dass Methodik und Zielstellung eine Politisierung der  – wie er sie nannte  – Volksforschung und deutschen Volksgeschichte in der jüngsten Vergangenheit nicht erlaubt hätten. Von daher sah er keinen Grund, die Arbeiten nicht fortzusetzen: »Allein diese Wurzel der wissenschaftlichen Problemstellung und Methodik [gemeint sind Herder und die Romantik bzw. die Methoden, die Aubin und Frings (!) entwickelten – d. Vf.] zeigt, dass diese Forschung frei war von einem übersteigerten Nationalismus und frei von jeder mehr oder minder schlecht durch den Mantel der Wissenschaft verdeckten politischen Forschung. Aber sie fällt rein zeitlich zusammen mit einer anderen geistigen Bewegung, mit der sie nicht verwechselt werden darf: der […] völkischen Bewegung […]. Diese völkische Bewegung versah den Volkstumsgedanken mit einem Wertakzent: Höherwertung des eigenen Volkes, Abwertung fremder Völker, bes.[onders] der Juden, aber auch aller slawischen Völker. In höchst unklarer Weise wurde mit diesem völkischen Gedanken eine ebenso unklare Rassenideologie verknüpft. Von ihr ist jener Volksbegriff der für die Volksforschung und die deutsche Volksgeschichte im Osten [durchgestrichen: grundlegend] verbindlich war, von Grund auf verschieden. Er setzt nicht das eigene Volk absolut unter Ab­wertung aller anderen, sondern er hat von Herder die Ehrfurcht vor dem Volke schlechthin, auch vor jedem anderen Volke gelernt und für sich verpflichtend gemacht. Er bejaht daher auch das geschichtliche Recht jedes Volkes. Eben in dieser Haltung ist die volks­geschichtliche Forschung wirklich fruchtbar geworden. Ihre ­Methoden sind nicht überholt, ihre Ergebnisse weiterhin gültig. Arbeit muß fort­ gesetzt werden.«143

Dass Erich Maschke diese Erklärung wichtig war, wird schon an der Ausformulierung dieser Passage im Vortragsmanuskript deutlich. War ihm dabei nicht aufgefallen, dass er selbst in seinen Äußerungen und Publikationen aus der Zeit vor 1945 ein sprechendes Beispiel für die Verabsolutierung des Völkischen, des Deutschen, abgegeben hatte? Hatte er die abwertenden Beschreibungen von Juden und Slawen in seinen eigenen Schriften vergessen? Glaubte er tatsächlich, dass er in seinem Wirken als Ostforscher dem hier erklärten Ziel verpflichtet gewesen war, »allein […] ein Gesamtbild vom Leben unseres Gesamtvolkes in der Vergangenheit zu erarbeiten« und »nicht, um irgendwelche politischen Ansprüche darauf zu gründen«?144 Seine Antwort auf die »Frage nach dem deutschen Menschen im Osten […], seiner Existenz, seinem Verhalten und seinen Leistungen in der Geschichte« war zu jener Zeit deutlich anders als im Vortrag beschrieben ausgefallen. Möglich ist aber auch, dass er sich selbst, ohne dies explizit an dieser Stelle zu äußern, zu den irregegangenen Völkischen zählte. Unter dieser gedanklichen 143 BA-MA Freiburg, B 205–1763, Vortragsmanuskript von Erich Maschke, S. 9. 144 Ebd., S. 7.

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Voraussetzung könnte die zitierte Passage als ein indirektes und stillschweigendes Eingeständnis des persönlichen Irrtums und Fehlverhaltens gelesen werden. Ungeachtet der fehlenden Reflexionen über Politisierung und Selbstpolitisierung des Faches in der Vergangenheit, stellte er in seinem Vortrag jene neuen Aufgaben der Forschung dar, die ihm vordringlich erschienen: Das war zum einen die Einordnung der Geschichte der Deutschen »im Osten« in die Geschichte der umgebenden Völker, also eine Abkehr von der bisherigen Deutschtumszentrierung. In dieser Hinsicht lehnte er ein »Weiterso« ab, wie es von zahlreichen Ostforschern praktiziert wurde. Des Weiteren plädierte er dafür, die gemeinsame Geschichte in einen europäischen, »abendländischen« Zusammenhang zu stellen, d. h. in einen Bezugsrahmen, der gerade vor dem Hintergrund des Ost-West-Konfliktes und des Antikommunismus für viele Geisteswissenschaftler dieser Zeit aus unterschiedlichen Gründen und Motivationen an Attraktivität gewann145. Besonders am Herzen lag Maschke aber noch eine weitere Aufgabe: »den Einbruch des Nationalismus in den ostmitteleuropäischen Völkerraum […], aber auch seine verheerende Wirkungen in der Ostpolitik des Nationalsozialismus wie in der gewaltsamen Vertreibung der Deutschen aus dem Osten nach Kriegsende zu erforschen und darüber hinaus die Ansätze zu neuen, gerechten Formen zu zeigen«.146

Nicht zuletzt sah er die Forschung vor die Aufgabe gestellt, die geschichtliche Bedeutung des deutschen Ostens für die Deutschen, für »unsere östlichen Nachbarvölker« und für »das Abendland« zu erörtern. Mit diesen Vorschlägen für Aufgabenverschiebungen und Neuakzentuierungen der bundesdeutschen Ostforschung stand Erich Maschke zwar nicht allein auf weiter Flur: Seit Mitte der 1950er Jahren gab es erste Anzeichen für das Aufweichen des antislawischen bzw. antisowjetischen Konsenses147. Doch nur eine Minderheit unter den Wissenschaftlern sah die Notwendigkeit einer methodischen und perspektivischen Erneuerung. Erich Maschke redete nicht nur von dieser Notwendigkeit, sondern bemühte sich selbst auch tatsächlich in seiner wissenschaftlichen Arbeit um eine Überarbeitung seiner bisherigen Positionen. Dies zeigen die einleitenden Gedanken zu einer Vorlesung über die ostdeutsche Siedlungsbewegung. Diese Vorlesung bot er 1958 und drei Jahre später an. Das Bild, das er hier von diesem historischen Prozess entwarf, unterschied sich in wesentlichen Punkten von dem seiner älteren Schriften und kam Auffassungen von Walther Schlesinger nahe148. Nun ging es ihm darum, das Einrücken der Deutschen nach Ostmitteleuropa als um145 Vgl. zum Europa- und Abendlandgedanken auch Conrad, Auf der Suche nach der verlorenen Nation, S. 359–361. 146 BA-MA, B 205–1763, Vortragsmanuskript von Erich Maschke, S. 14. 147 Unger, Ostforschung in Westdeutschland, S. 280–281. 148 BA-MA, B 205–1763, Vortragsmanuskript S. 8c. Zu Walther Schlesinger siehe auch Neitmann, Eine wissenschaftliche Antwort.

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fassende Kulturbewegung zu schildern, die sich nicht nur auf die Neugründung von Siedlungen und ausschließlich durch Deutsche beschränkte. Bewusst setzte er sich auch in seinem Bemühen, diese Ostbewegung in einen europäischen Bezugs- und Vergleichsrahmen zu stellen, von den älteren deutschen Forschungsansätzen ab. Gleichzeitig legte er Wert darauf, die beziehungsgeschichtliche Dimension des Wandervorganges zu erläutern und die unterschiedliche Wahrnehmung dieses Prozesses durch die ostmitteleuropäischen Völker als gleich­ berechtigte Sichtweisen anzuerkennen. Zusammenfassend meinte er: »Jedenfalls […] ist die ostdeutsche Siedelbewegung ein unvergessliches Stück deutscher Geschichte, ein Stück gemeinsamer Geschichte der deutschen und der ostmittel­ europäischen Völker und ein Stück europäischer Geschichte, und in jedem Bezuge ist sie für uns wichtig.«149

Interessant an diesem Text sind auch Maschkes sprachliche Korrekturen im Original. Während er nach wie vor an den Begriffen »deutscher Siedlungsboden«, »Kulturboden« u. ä. offenbar nichts auszusetzen fand, strich er mehrfach den Begriff » Volksinsel« durch und ersetzte ihn durch »Sprachinsel«. Ausführlich diskutierte er den Begriff der »ostdeutschen Kolonisation« und begründete seinen Ersatz durch neutralere Formulierungen. Tatsächlich verfiel er aber selbst häufig wieder in den Gebrauch dieser alten Wendung. So zeigt diese Vorlesung zum einen Maschkes Bestreben, alte Positionen, Denk- und Sprachmuster zu überwinden, gleichzeitig aber auch sein weiteres Verhaftetsein in ihnen. Auch wenn ihn der Verlust der Gebiete jenseits von Oder und Neiße schmerzte150, so stieß Maschke doch hier und an anderer Stelle nicht in das Horn des Revisionismus. Es ging ihm nicht um eine »Rückgewinnung des Verlorenen um jeden Preis«151; von jedem »Chauvinismus« in dieser Richtung wollte er sich »fernhalten«. Beinhaltete diese Haltung auch die unausgesprochene Einsicht, dass das Fach in der Vergangenheit revisionistisch orientiert und politisiert gewesen war? Lehnte er somit implizit eine erneute Politisierung ab? Eindeutige Antworten Erich Maschkes auf diese Fragen sind nicht überliefert. Wie dem auch sein mag, in seiner Abkehr von einer Rückgewinnung des Verlorenen um jeden Preis unterschied er sich von vielen Kollegen aus der Ostforschung. Möglicherweise war dies ein weiterer Grund für seinen allmählichen Rückzug aus den Kreisen der Ostforscher, der aber nicht gleichzeitig seinen Rückzug aus dem Gegenstandsbereich der Ostforschungen bedeutete. Immer wieder flocht er Themen und Aspekte der ostmitteleuropäischen Geschichte in seine Vorlesungen ein.

149 Ebd., S. 8b. 150 Historisches Archiv des SWR Baden-Baden, Manuskript Erich Maschkes »Ostpreussen – Schmelztiegel deutscher Stämme« für die Sendung »Unvergessene Heimat«, gesendet am 18.2.1959. 151 Ebd., Vortrag, S. 1.

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Auch wenn Maschke selbst ab Mitte der 1960er Jahre keine eigenen Forschungsvorhaben zu Fragen der ostmitteleuropäischen Geschichte mehr verfolgte, blieb er den »Ostforschungen«, wie er sie nannte, weiterhin zugewandt152, wie er 1970 an Herbert Grundmann schrieb. Dies zeigte sich auch in seiner Mitarbeit an einigen Publikationsprojekten wie zum Beispiel bei der Wiederherausgabe der Scriptores rerum Prussicarum 1968 oder in seiner Bereitschaft, Habilitationen zu entsprechenden Themen zu begutachten153. Zeugnis für sein lebenslang währendes Interesse an der Geschichte des Deutschen Ordens und ein Zeichen für Maschkes Zugehörigkeit zu dem Kreis der zu diesem Themenkomplex arbeitenden Wissenschaftler war auch die Sammlung seiner Schriften, die 1970 anlässlich seines Geburtstages unter dem Titel »Domus hospitalis Theutonicorum« erschien. Erich Maschke galt weiterhin als anerkannter Experte. Er wurde von Fachkollegen gleichermaßen geschätzt, die in unterschiedlichen politischen Lagern wie Walther Hubatsch oder Manfred Hellmann standen154. 9.6.1 Erich Maschke und Polen Auch in einem anderen Bereich zeigte es sich, dass Maschke an seine Vorkriegstätigkeiten als Ostforscher offenbar nicht unreflektiert und nahtlos anknüpfen wollte. Dies betraf sein persönliches Verhältnis zu Polen. Das westdeutsche politische Verhältnis zu Polen in den 1950er Jahren155 wurde vor dem Hintergrund des Kalten Krieges und der Blockkonfrontation vor allem durch die Abtrennung der früheren deutschen Ostgebiete sowie durch die Vertreibungen der deutschen Bevölkerung bestimmt. Auch der Alleinvertretungsanspruch der Bundesrepublik, die Nichtanerkennung der Oder-NeißeGrenze und der Friedensvertragsvorbehalt wirkten sich hinderlich auf Kontakte aus. Lediglich auf wirtschaftlicher Ebene bestanden Beziehungen zwischen beiden Ländern. Insofern stellte das deutsch-polnische Historikergespräch156, zu dem das Institut für osteuropäische Geschichte der Universität Tübingen 1956 einlud, einen bedeutenden Neuanfang dar. Auch Erich Maschke nahm an die152 Vgl. dazu UAH Heidelberg, Rep. 85, Nr. 4, Brief an Udo Arnold vom 4.1.1967: »So berücksichtige ich z. B. in meiner Vorlesung über die Wirtschaftsgeschichte des Mittelalters regelmäßig die ostdeutsche Kolonisation, die ich in Vergleich mit anderen Wanderungsbewegungen bringe, etwa von Frankreich nach Spanien. Ich suche damit zu erreichen, daß die Geschichte des deutschen Ostens den Studenten gewissermaßen selbstverständlich im Rahmen der deutschen wie der europäischen Geschichte bewußt gemacht wird.« 153 Beispielsweise die von Udo Arnold. 154 Gespräch mit Prof. Dr. Udo Arnold am 29.1.2005 in Bonn. 155 Bingen, Die Polenpolitik der Bonner Republik von Adenauer bis Kohl 1949–1991, S. 19–78; Timmermann (Hg.), Deutschland-Frankreich-Polen. Ihre Beziehungen zueinander nach 1945; Jacobsen u. a. (Hg.), Bundesrepublik Deutschland und Volksrepublik Polen; ­Jarzabek, Zwischen Eiszeit und Verständigungssuche. 156 Ruchniewicz, Deutsch-polnische Beziehungen nach 1945.

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sem Treffen teil, das der historischen Besinnung und Klärung der beiderseitigen Beziehungen im 20. Jahrhundert gewidmet war. In den Diskussionen der 22 Teilnehmer wurde Übereinstimmung darüber erreicht, dass eine Überprüfung der geschichtlichen Vorstellungen und Anschauungen auf beiden Seiten notwendig sei. Der deutschen Delegation gehörten neben Maschke die damals bekanntesten Historiker der ostmitteleuropäischen Geschichte an, unter ihnen Hans Rothfels, Werner Markert, Herbert Ludat und Gotthold Rhode. Nach Auffassung von Ruchniewicz war dies ein Hinweis darauf, welchen hohen Wert die deutschen Wissenschaftler diesem ersten Nachkriegstreffen beimaßen. Die Zusammensetzung der exilpolnischen Delegation war differenzierter und wies nicht so viele hochrangige Wissenschaftler auf. Erich Maschke erinnerte157 sich später daran, dass die Tagung in »ausgezeichneter Stimmung verlief und sich geistig wie menschliche Kontakte zwischen den polnischen und deutschen Gelehrten ergaben.« Andere Teilnehmer schrieben sogar von dem Bemühen, jeden Misston zu vermeiden und einen gemeinsamen Nenner zu suchen. Dieses Treffen in Tübingen stieß sowohl in Deutschland als auch in den exilpolnischen Zentren auf großes Interesse, aber auch auf Ablehnung. Die wechselseitigen Kontakte gewannen von nun an eine neue Qualität: Ruchniewicz führte als Beispiele dafür die Rezensionen deutscher Publikationen in polnischen Fachzeitschriften, die Einladungen an polnische Exilhistoriker zu Vortragsreisen und Historikertagen in die Bundesrepublik und die Kooperation bei der Erstellung des Osteuropa-Handbuches von Werner Markert an.158 Dieses Handbuch159 erhielt von Erich Maschke eine sehr positive Kritik160. Ganz im Geiste dieses Tübinger Treffens von 1956 trat Erich Maschke in den nächsten Jahren und Jahrzehnten wieder in engere Fühlung mit polnischen Fachkollegen. Mehrere Treffen auf der Reichenau anlässlich von Tagungen des Konstanzer Arbeitskreises in den 1970er Jahren boten Gelegenheit zum Austausch. Hier traf Erich Maschke wieder mit alten Bekannten wie Karol Górski zusammen161, lernte aber auch jüngere Gelehrte wie Marian Biskup, Hubert Zenon Nowak, Stanisław Trawkowski und Benedykt Zientara162 kennen, mit dem Erich Maschke bis zu seinem Tod in Verbindung blieb163. Internationale fachliche Kontakte und dazu noch nach Polen zu haben, galt auch damals noch und nicht nur in den Anfangsjahren der Bundesrepublik als ungewöhnlich. Die poli157 HStA Stuttgart, NL Erich Maschke J 40/10, Bü 57, Schreiben an W. Hennen vom 12.1.1962. 158 Ruchniewicz, Deutsch-polnische Beziehungen nach 1945, S. 30. 159 Zum Osteuropa-Handbuch vgl. Unger, Ostforschung in Westdeutschland, S.  146–152; Etze­müller, Sozialgeschichte als politische Geschichte, S. 296–298. 160 Siehe unten. 161 Brief Prof. Dr. Marian Biskups vom 23.12.2003 an die Verfasserin. 162 Zu Leben und Werk des polnischen Mediävisten Benedykt Zientaras (1928–1983), der sich intensiv mit Fragen zur Sozialgeschichte des Mittelalters, darunter der hochmittelalterlichen Kolonisation Ostmitteleuropas, beschäftigte, Zernack, Deutschlands Osten-Polens Westen. Zum Lebenswerk des polnischen Mediävisten Benedykt Zientara. 163 Archiwum Polskiej Akademii Nauk Warszawa, Materiały Benedykta Zientary III-329; 229.

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tische Blockzugehörigkeit Polens sowie die deutsche Tradition des »Polonica non leguntur«, d. h. eine Tradition der deutschen Nichtwahrnehmung der polnischen Forschung164, bildeten keine Hemmnisse für Erich Maschke, sich mit der polnischen Geschichtswissenschaft auseinanderzusetzen. Im Laufe der Zeit konnte er die polnischen und deutschen Forschungen zu Fragen der ostmitteleuropäischen Geschichte zwar nicht mehr kontinuierlich verfolgen. Dennoch blieb er ihnen weiterhin verbunden und machte ihre Forschungsergebnisse beispielsweise seinem neuen Arbeitsfeld der Stadtgeschichte nutzbar. Dies wurde u. a. daran sichtbar, dass Maschkes stadtgeschichtliche Schriften auch Grundlagen, Entwicklungen und Probleme ostmittel- und osteuropäischer Städte in den Blick nahmen. Dass er dabei die Erkenntnisse polnischer Autoren in seinen Schriften weiterverarbeitete, blieb kein Einzelfall. Noch im hohen ­A lter freute Maschke sich an seinen Beziehungen nach Polen, »die auch heute wieder sehr lebendig sind.«165 Von der Ambivalenz seines früheren Verhältnisses zu Polen finden sich in den überlieferten Äußerungen und Texten Erich Maschkes keine Spuren mehr. In erster Linie sind hierbei seine Rezension des Osteuropa-­ Handbuches von Werner Markert sowie eine Rundfunkvorlesung interessant. Beide widmeten sich Fragen der polnischen Geschichte – auf politische Fragen der polnischen Gegenwart gingen sie nicht ein. Maschkes Rezension betonte die Notwendigkeit der gegenseitigen Annäherung und den Aufbau eines neuen Verhältnisses zueinander. Sie gab gleich im ersten Satz Auskunft über die Haltung, welche Maschke gegenüber dem Polen der Gegenwart einnahm. Sein erster Satz lautete: »Das nächste und unmittelbarste Anliegen, das heute für das deutsche Volk im Osten besteht, heisst: Polen.«166 Nichts lag Erich Maschke ferner, als damit einer historischen Aufoder Abrechnung das Wort zu reden; er hob vielmehr die »ausserordentliche Nähe«, die »unauflösliche Zuordnung beider Völker in ihrer Geschichte« und ihre jahrhundertelange »tiefe geschichtliche Verstrickung« hervor: »Die friedlichen Wanderungen deutscher Siedler im Mittelalter und in den neueren Jahrhunderten […] die machtpolitischen Grenzverschiebungen des 18. bis 20. Jahrhunderts in der Richtung nach Osten wie nach Westen haben Deutsche und Polen so ineinander verschränkt, dass Geben und Nehmen, Verlust und Gewinn, Schuld und Schicksal sich nicht aufrechnen lassen […]«167.

An etwas späterer Stelle führte er dazu weiter aus: »Selbst wenn das Verbindende eines ganzen Jahrtausends aufgehoben wäre, bleiben aus der jüngsten Vergangenheit als Realität des Bewusstseins und damit auch der Politik, 164 Zernack, Deutschlands Osten-Polens Westen, S.  210. Dazu auch ders., Das Jahrtausend deutsch-polnischer Beziehungsgeschichte als geschichtswissenschaftliches Problemfeld und Forschungsaufgabe, S. 3 f. 165 HStA Stuttgart, NL Erich Maschke J 40/10, Bü 65, Brief an Dr. Heide Wunder vom 16.11.1974. 166 HStA Stuttgart, NL Erich Maschke J 40/10, Bü 70, Rezension, S. 1 167 HStA Stuttgart, NL Erich Maschke J 40/10, Bü 70, S. 1.

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was den Polen im 2. Weltkriege durch Deutsche geschah, und was die Deutschen nach diesem Kriege durch ihre Vertreibung von den Polen zu leiden hatten. Die Verstrickung unserer beiden Völker ist eben in der Trennung enger und tragischer, denn je zuvor.«

Um Verständnis bemüht, schilderte Erich Maschke differenziert Polens gegenwärtige Position zwischen Ost und West. Dabei verortete er Polen geistig im »Westen«. Sicherlich auch vor dem politischen Hintergrund der Ausweitung der sowjetischen Macht- und Einflusssphäre, betonte Maschke ebenso wie andere Ostforscher168 die gemeinsame Verwurzelung in den Traditionen des euro­ päischen Abendlandes. Auch Maschkes Rundfunkvorlesung169 aus dem Jahre 1966 zum Thema »Im Kampf um die Freiheit. Das polnische Volk in der Zeit der Teilungen und Aufstände« schlug einen anderen Ton als meist üblich an. Die Vorlesung spiegelte die nach wie vor bestehende Faszination Maschkes für die Geschichte des polnischen Nachbarn wieder170 und brachte darüber hinaus noch eine weitere Kontinuität zum Vorschein: sein Interesse am »Volk«171. Die Begriffe »Volk« und »Nation« verwendete er dabei, dem historischen polnischen Verständnis entsprechend, als Synonyme. »Diese staatliche Wiedergeburt [nach dem Ersten Weltkrieg] ist eine der erstaunlichsten Erscheinungen der neueren europäischen Geschichte, unbegreiflich, wenn man sie nur von außen, aus den Konstellationen der europäischen Mächte und ihrer Politik betrachtet, verständlich nur, wenn man sie von innen, vom polnischen Volke her zu verstehen sucht. Dann ist seine Geschichte dieser Zeit [gemeint ist die Zeit der polnischen Teilungen – d. Vf.] im Kern nicht die Geschichte einer geteilten Nation ohne eigene Staatlichkeit, sondern die eines Kampfes um die Freiheit bis zur Wiedergeburt des Staates. Um dieses Ziel zu erreichen, musste nicht nur die Substanz des polnischen Volkes in drei Staaten, denen seine Teilgebiete eingegliedert waren, bewahrt werden. Vielmehr musste sich die Nation in einem langwierigen und schmerzhaften Prozeß umformen, um die Kräfte freizumachen, die den Kampf um die staatliche Selbständigkeit aufnehmen konnten.«172

Dieser längere Abschnitt wirft die Frage auf, warum sich Erich Maschke in den 1960er Jahren ausgerechnet mit den polnischen Teilungen beschäftigte. Lebte 168 Beispielsweise Herbert Ludat oder Walther Hubatsch. 169 Maschke, Im Kampf um die Freiheit. Das polnische Volk in der Zeit der Teilungen von 1792–1815, Manuskript für die Rundfunksendung Kulturelles Wort vom Südwestfunk am 20.11.1966. An dieser Stelle möchte sich die Verfasserin ausdrücklich für die große Hilfsbereitschaft der Mitarbeiter des Historischen Archivs des SWR Baden-Baden bedanken. 170 Vgl. dazu den entsprechenden Abschnitt im Kapitel über Maschkes Verhältnis zu Polen während seiner Königsberger Zeit. 171 Maschke, Begegnungen mit Geschichte, S. XI. 172 Es ist zu vermuten, dass Maschke an dieser Stelle und in seinen autobiographischen Anmerkungen Gedanken äußerte, die ihn schon lange Zeit bewegt hatten. Seine Texte aus den dreißiger Jahren lassen die Hintergründe für seine Faszination an der polnischen Geschichte in dieser Deutlichkeit nicht erkennen.

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darin vielleicht eine Vorstellung wieder auf, nach der er in der Geschichte des polnischen Volkes eine gewisse Vorbildhaftigkeit für das deutsche Volk erkannte?173 Sah er im Spiegel der polnischen Geschichte die Reflexion der gegenwärtigen Teilung Deutschlands? Nicht nur das gewählte Thema und seine einfühlsame Darstellung, sondern auch die Formulierung »die Zerschlagung Polens in ihrer ganzen Brutalität und Tragik«  – man vergleiche die früheren Charakterisierungen! – lassen diese Erklärung als möglich erscheinen. Wie aber sah man Gesamtwerk und Person Erich Maschkes nach 1945 in Polen selbst? Ein kursorischer Überblick erbrachte folgendes: In der polnischen Forschung zur Geschichte des Deutschordensstaates in Preußen wurden Erich Maschkes Schriften weiterhin rezipiert. Dies galt insbesondere für seine Habilitationsschrift über den Peterspfennig, das als Standard- und Grundlagenwerk verwendet wurde. Aber auch auf Maschkes andere Schriften aus den dreißiger Jahren wurde zumindest Bezug genommen, häufig mit kritischen Anmerkungen zu den in ihnen enthaltenen Äußerungen über den deutschen Charakter der Ordensherrschaft, zu Maschkes Bewertungen der deutschen Ostsiedlung sowie zu seinen Versuchen, den Orden in nationalsozialistische Kontinuitäten einzuordnen174. Dessen ungeachtet fanden auch die neueren Beiträge Erich Maschkes zur Geschichte des Deutschen Ordens in Polen Beachtung. Auf Kritik stieß sein Beitrag über »Preußen. Das Werden eines neuen Stammesnamens«, während die sozialgeschichtlichen Arbeiten eher eine positive Resonanz fanden175. Die Rolle, welche der »Altmeister der Ordensforschung«176 in der Ostforschung bzw. der deutschen Geschichtswissenschaft während des Nationalsozialismus spielte, wurde nicht übergangen; auch die antipolnischen Äußerungen in seiner Publizistik kamen zur Sprache177. Wie er sich in späteren Jahren darüber hinaus persönlich zu den politischen Veränderungen verhielt, die sich im Rahmen der neuen Ostpolitik der Bundesrepublik ergaben, lässt sich nicht genau umreißen178. Die Problematik war ihm bewusst: »Aus eigener reicher Erfahrung, die bis in die Zeit vor dem letzten Kriege zurückreicht und auch heute gegeben ist, halte ich das deutsch-polnische Verhältnis für eines der schwierigsten Probleme in unseren Beziehungen zu anderen Völkern und Staaten.«179 173 Vgl. dazu Abschnitt »Der Nachbar Polen«. 174 Vgl. die Beiträge und Kommentare im Fußnotentext von Arnold/Biskup (Hg.), Der Deutschordensstaat Preußen in der polnischen Geschichtsschreibung; in: Historia Pomorza t. 1: do roku 1466; Piotrowski, O Polskę nad Odrą. 175 Ebd. 176 Biskup, Die Erforschung des Deutschordensstaates Preußen, S. 5. 177 Siehe Index in Olszewski, Historia w upadku. 178 HStA Stuttgart, NL Erich Maschke J 40/10, Bü 58, Brief an Willi Rudolf Schelkmann vom 16.12.1966. Darin heißt es: »Am wichtigsten ist mir Ihr Versuch, im Verhältnis zur DDR wie überhaupt in der Ostpolitik, neue politische Möglichkeiten zu zeigen. Ich stimme mit diesen Bemühungen völlig überein.« 179 HStA Stuttgart, NL Erich Maschke J 40/10, Bü 24, Gutachten einer Habilitationsschrift vom 18.10.1974.

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9.6.2 Schriften zur ostmitteleuropäischen Geschichte und zum Deutschen Orden Im Unterschied zu anderen Fachkollegen veröffentlichte Erich Maschke in den 1950er und 1960er Jahren keine Beiträge, die das deutsch-polnische Verhältnis, die territorialen Veränderungen in Ostmitteleuropa nach 1945 oder die Vertreibungen der deutschen Bevölkerung thematisierten. Er enthielt sich auch jeglicher publizistischer Kommentare dazu  – ein grundsätzlicher Wandel in seinem Wirken und Selbstverständnis als Historiker. Richtet man den Blick auf Erich Maschkes nicht sehr zahlreiche Schriften zur ostmitteleuropäischen Geschichte aus dieser Zeit, so ist eine Bandbreite von Themen festzustellen. Diese reichte von Lexikonartikeln zu historischen Persönlichkeiten bzw. Rundfunkvortragsmanuskripten zur Landeskunde bis hin zu Beiträgen zur polnischdeutschen Geschichte des Mittelalters. Der thematische Schwerpunkt lag allerdings eindeutig auf der Geschichte des Deutschen Ordens. Von diesen Schriften wird später die Rede sein. 9.6.3 Überarbeitete Publikationen Was die wenigen Beiträge Erich Maschkes zu den übrigen Themenbereichen interessant machte, ist nicht der nüchternsachliche Ton der Lexikonartikel und auch nicht die unpolemische Darstellung der polnischen Geschichte. Es ist die Tatsache, dass Erich Maschke teilweise auf Themen und Fragen zurückkam, die ihn vor längerer Zeit schon einmal beschäftigt hatten und die er nun in überarbeiteter Form wieder vorlegte. Darin war er als Wissenschaftler dieser Zeit zwar kein Einzelfall, doch beschränkte er die Transformation alter in neue Texte auf zwei Texte. Anhand von ihnen lassen sich die Umbrüche, Kontinuitäten, Neuinterpretationen und semantischen Umdeutungen in seinem Werk besonders augenfällig untersuchen. Es handelte sich dabei zum einen um seine Darstellung des Lebensweges des Krakauer Bürgers Nikolaus Wirsing. Dieser Text wurde um 1939/40 während des Kriegsdienstes in Posen verfasst und erschien in zweiter Auflage 1942 in der Reihe der Ostdeutschen Forschungen unter dem Titel »Deutsche Gestalter und Ordner im Osten. Forschungen zur deutsch-polnischen Nachbarschaft im ostmitteleuropäischen Raum«. Schon der Titel des fünfzehn Jahre später erneut herausgegebenen Sammelbandes »Deutsch-polnische Nachbarschaft. Lebensbilder deutscher Helfer in Polen« spricht beredt von Überarbeitung, Umdeutung und Anpassung an die Gegebenheiten nach 1945. Erich Maschke hatte offenbar keine Skrupel, eine korrigierte Version in der gleichen Forschungsreihe sowie unter dem gleichen Herausgeber Viktor Kauder noch einmal zu publizieren. Welche Ergänzungen, Auslassungen oder Neuinterpretationen hatte Erich Maschke als einer von 37 Autoren in seinem Beitrag für nötig gehalten? Sein Text von 1957 unterscheidet sich stark von seinem Vorgänger. Nicht so sehr in

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Aufbau und innerer Gliederung, die am Lebensweg von Nikolaus Wirsing und seiner Familie orientiert waren, als sprachlich-inhaltlich bzw. stilistisch: Dass Maschke das überaus gehäufte Auftreten des Attributes »deutsch« und damit die Betonung des »Deutschen« reduziert hatte, verwundert nicht. Er überführte deutschtumsbezogene Aussagen in allgemeinere, pauschalere Formulierungen (»ihre deutsche Art«  – »ihre Eigenart«) und schwächte Einschätzungen stark ab (»in jeder Beziehung überlegen« – »in mancher Beziehung überlegen«; »am ausgeprägtesten deutsch« – »ausgeprägt deutsch«). Er veränderte die gewählten Zeitformen, um damit implizite Bezüge zur Gegenwart zu entschärfen und ersetzte »Deutschtum« durch »deutsche Bevölkerung«. Auf diese Weise vermied er jede Assoziation an vormals in den Begriffen mitschwingende übergreifende völkisch-deutsche Zusammengehörigkeiten zwischen Reich und Ausland. Der Blickwinkel seines überarbeiteten Textes war nun vor allem lokal auf Krakau, allenfalls auf ganz Polen gerichtet. Aussagen, die die Lebensbeschreibung der Familie Wirsing in eine Auseinandersetzung zwischen Polen und Deutschen bei »der Gestaltung des Ostens« einordneten, ließ er ganz weg. Es fehlen in der Textvariante von 1957 nicht nur Nebensätze, sondern ganze Abschnitte. Diese hatten oft einen völkisch-blutsbetonten Inhalt gehabt. Auch mithilfe von inhaltlichen Straffungen veränderte Erich Maschke solche Textpassagen, die er 1957 offensichtlich für nicht mehr tragbar hielt. Ein Beispiel sei hier angeführt: »So drang ein Strom deutschen Blutes über die Frauen in den polnischen Adel ein. Dieser Zustrom aber wurde noch mächtig verbreitet durch den Übergang deutscher Bürger in die Schlachta. […] Ihre Erbanlagen kamen der adligen Oberschicht des polnischen Volkes zugute und wurden so zur Grundlage für deren Leistungen.«180

Daraus wurde 1957: »So sind in der Schlachta zahlreiche deutsche Elemente aufgegangen.«181 Da sich Erich Maschke in seinem Text von 1942 als ausdrücklich völkisch argumentierender Wissenschaftler präsentiert hatte, vermied er fünfzehn Jahre später alles, was besonders daran hätte erinnern können. Dies gelang ihm jedoch nicht vollständig: Aufschlussreich für sein Denken ist auch, was er in seinem Text nicht veränderte, welche Denkfiguren er nach wie vor für tragbar und angemessen hielt und welche gedanklichen Grundmuster und Vorstellungen auch dem neueren Text unterlagen. Die Frage nach diesen Kontinuitäten erbrachte folgendes: Wenn Maschke weiterhin vom »Wert« des Menschen redete, setzte er damit den Gedanken von einer ungleichen Wertigkeit bzw. Qualität des Menschen voraus. Da er diesen Begriff »Wert« auf die nach Polen gekommenen Deutschen bezog, legte dies eine qualitative Unterscheidung der Deutschen von den einheimischen Polen nahe, wie Erich Maschke sie auch in seinen früheren Schriften vorgenommen hatte. In eine ähnliche Richtung verwies auch die Vokabel »überlegen«, die er zur Kennzeichnung der Deutschen verwendete. 180 Maschke, Nikolaus Wirsing, 1942, S. 13. 181 Maschke, Nikolaus Wirsing, 1957, S. 27.

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Elemente der Kulturträgertheorie sind nicht zu verkennen. Sie entwarfen auf subtile, untergründige Weise ein Bild von den Deutschen, das sich positiv von dem transportierten Bild der Polen abhob. In diesen Zusammenhang gehört auch der mehrfache Gebrauch des Attributes »stolz«: Da ist nach wie vor die Rede vom »reichen und stolzen Eigenleben« der deutschen Bevölkerung, vom »stolzen Bild deutschen Bürgertums im Osten«. Auch mit der Bemerkung, Wirsing habe die »deutsche Kunst« in Krakau gefördert182, betonte Maschke wie zuvor einen angeblich ethnisch geprägten Charakter der spätmittelalterlichen Kunst. Auch damit suggerierte er eine Abgrenzung von einer vermeintlich »polnischen Kunst«. War er sich dessen nicht bewusst? Etwas anders ist der Fall bei seinem Text »Das Erwachen des National­ bewusstseins im westslavischen Raum« aus dem Jahr 1955 gelagert. Zum gleichen Thema hatte er einen Vortrag auf dem Historikertag 1932 gehalten und damit im Licht der Öffentlichkeit gestanden. Dies hinderte ihn mehr als zwanzig Jahre später nicht daran, den Text seiner Monographie zu überarbeiten und ihn nun als Artikel in abgewandelter Form neu vorzulegen. Vergleicht man beide Versionen, so fallen natürlich der veränderte Titel sowie der unterschiedliche Umfang sofort ins Auge. Auch den gedanklichen Aufbau seines Textes unterzog Maschke 1955 einer Überarbeitung, was eine Verringerung des Inhaltes bzw. Umfanges zur Folge hatte: Während er in seiner Schrift von 1933 die nationalen Bewusstseinsvorgänge in ethnisch gemischten Gebieten (insofern führt der verwendete Begriff vom »Grenzraum« etwas in die Irre) wechselseitig für Polen, Böhmen und Deutsche untersuchte, sparte er 1955 die deutsche Wahrnehmung der historischen polnischen und böhmischen Bevölkerung weitgehend aus. Dies hatte mit großer Sicherheit einen aktuellen politischen Hintergrund. Zudem hätte die erneute Übernahme seiner Einschätzungen von 1933, die Deutschen hätten sich im spätmittelalterlichen Böhmen und Polen gerade durch ihre Friedfertigkeit und ihr eben nicht aggressives Nationalbewusstsein von den nationalen Hassgefühlen der Westslawen positiv abgehoben, im aktuellen Kontext höchst eigenartig geklungen und unangenehme Fragen nach dem jüngsten Verhalten der Deutschen in den besetzten Ländern nach sich gezogen. Trotz der teilweise wortwörtlichen Übernahme von Abschnitten und Beispielen kam Erich Maschke in seinen beiden Publikationen zu unterschiedlichen Ergebnissen: 1933 hatte er die ethnischen Konflikte und verschiedenen Ausformungen des Nationalbewusstseins bei Slawen und Deutschen vorrangig mit ihrem angeblichen Volkscharakter erklärt. Mehr als zwanzig Jahre später machte er dafür hauptsächlich das Aufeinandertreffen und die Verschränkung zweier­ unterschiedlicher Rechts- und Sozialkreise verantwortlich. Letztlich lag seiner Schrift aus dem Jahre 1933 eine Vorstellung von »Volk« zugrunde, von der er später nicht mehr ausging: Das »Volk« erscheint nun nicht mehr als Individuum mit eigener Psychologie, Seele oder eigenem Selbstfindungsprozess, das primär auf ein anderes Volk trifft. Aus Maschkes Schrift von 1955 wird nicht mehr er182 Ebd.

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kennbar, was er genau unter dem Begriff »Volk« verstand, er reduzierte das vorherige Übermaß von Wörtern, die mit »Volk« in Verbindung standen. Auch diese Publikation unterschied sich durch Auslassungen von ihrer ersten Textfassung. Wie bereits erwähnt, betrafen sie ein wesentliches Thema der Darstellung – die deutsche Wahrnehmung der slawischen Völker –, aber auch die 1933 anzutreffenden Hinweise auf andere und ähnliche Problemlagen in West- und Südeuropa. Instinkt als angeblich historische Kategorie trat ebenfalls nicht mehr auf. Nicht nur dadurch, sondern auch durch die weitaus nüchternere Sprache und die Vermeidung einer deutschtumszentrierten Wir-Perspektive, durch den geringeren Umfang sowie durch den Verzicht auf aktuelle politische Bezüge und das neue Ergebnis seiner Untersuchung gewinnt der Leser den Eindruck, einen deutlich reflektierteren und gründlich überarbeiteten Text vor sich zu haben. Auch Erich Maschkes Schriften zur Geschichte des Deutschen Ordens, die in den 1950er und 1960er Jahren entstanden, lassen die Kontinuitäten, Brüche und Neuanfänge in seinem historiographischen Werk sichtbar werden. Daher stehen nun sie im Mittelpunkt der Darstellung. 9.6.4 Darstellungen zum deutschen Orden nach 1953 Erich Maschkes acht Beiträge zur Geschichte des Deutschen Ordens für verschiedene Sammelbände und Festschriften sowie mehrere Lexikonartikel183 sind Zeugnisse für die Faszination, die die Geschichte des Deutschen Ordens nach wie vor auf ihn ausübte. Diesem Gegenstand widmete er sich zu einer Zeit – in den Jahren 1955 bis 1963 – in der seine Lehrtätigkeit völlig andere Themen in den Vordergrund rücken ließ. Ob die erneute Auseinandersetzung mit der Geschichte des Deutschen Ordens allein mit seiner persönlichen Begeisterung dafür zu erklären ist oder ob er sich vielleicht mit diesen Aufsätzen als Fachmann für die Geschichte des Deutschen Ordens auch in alten Kollegenkreisen184 wieder etablieren wollte, lässt sich nicht sagen. Im Folgenden wird es um eine Charakterisierung seiner neuen Beiträge und um einen Vergleich mit seinen wissenschaftlichen und publizistischen Werken aus den Jahren 1935 bis 1945, d. h. um Veränderungen und Kontinuitäten im vermittelten Bild gehen. Dabei ist danach zu fragen, welche thematischen Schwerpunkte Maschke nun setzte und welcher Forschungsansätze und Deutungsmuster er sich für bestimmte historische Prozesse oder Ereignisse bediente. Welche Veränderungen hatte er jetzt in der sprachlichen Abfassung seiner Beiträge vorgenommen? Ließen seine neuen Beiträge die Schreibfeder eines ehemaligen oder »aktiven« Ostforschers noch oder weiterhin erkennen? Welche Rolle spielten Elemente völkischen und volksgeschichtlichen Denkens in diesen Schriften? 183 Z. B. Ritterorden, in: Religion in Geschichte und Gegenwart 5, ³1961, Sp. 1121–1124. 184 So beteiligte er sich mit seinen Beiträgen an den Festschriften für Hermann Aubin, Kurt Forstreuter und Hans Rothfels.

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Erich Maschkes Beiträge aus den Jahren nach 1953 richteten sich im Gegensatz zu früheren Aufsätzen ausnahmslos an ein Fachpublikum. Auch die Unterschiede hinsichtlich Ansatz und Themenwahl fallen schon bei flüchtiger Lektüre ins Auge: In diesen Beiträgen näherte er sich fast ausschließlich seinem Gegenstand mit Hilfe von wirtschafts-, sozial- und kulturgeschichtlichen Fragestellungen. Häufig riss er Fragen zur Politikgeschichte, die in seinem Werk vor 1945 noch dominiert hatten, nur kurz an und ließ sie in die für ihn neuen Ansätze einfließen. Insofern betrat er mit seiner fortgesetzten Beschäftigung mit der Geschichte des Deutschen Ordens Neuland. Eine Hinwendung zu neuen Themen ergab sich ebenfalls: Erich Maschke schrieb nun über die verschiedenartigen Wechselbeziehungen zwischen dem preußischen Ordensstaat und den Deutschordensballeien in Deutschland, über die deutschen und europäischen Verbindungen des Deutschen Ordens oder über dessen innere Wandlungen. Seine Beiträge kreisten nicht mehr wie früher noch nur um die Landesgeschichte Preußens bzw. um den preußischen Ordensstaat. Sie nahmen auch den Gesamtorden in den Blick und stellten Aspekte der Geschichte des Ordenszweiges in Deutschland dar. In diesem Sinne spiegelten Erich Maschkes Beiträge zur Geschichte des Deutschen Ordens die Neuorientierung der deutschen Ordensgeschichtsschreibung nach 1945 wieder: Diese Neuorientierung war durch eine Reihe von Faktoren bedingt worden. Von Bedeutung waren hierbei u. a. die politischen Veränderungen nach dem Zweiten Weltkrieg, die Übersiedlung der preußischen Forscher in westlichere Gebiete Deutschlands, das stärkere Zusammenwachsen im euro­päischen Raum und das steigende Interesse von Nichtpreußen am Deutschen Orden185. So fanden damals neue Fragen zur Geschichte des Deutschen Ordens die Aufmerksamkeit der Forschung186. Nun wurden die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Strukturen des Ordens, sein geistliches, gesamteuropäisches und gesamtdeutsches Erscheinungsbild sowie sein Wirken in Reich, Mittelmeerraum und in Livland interessant. Erich Maschke nahm in seinen Beiträgen diese neuen Impulse und Tendenzen auf, wirkte aber auch selbst richtungweisend mit seinem Ansatz, den Deutschen Orden in die Geistesströmungen und Verbindungslinien der europäischen Geschichte einzuordnen187. Die Verknüpfung der neuen Fragestellungen in der Deutschordensgeschichtsschreibung mit stadtgeschichtlichen Interessen war ebenfalls ein Novum, mit dem Maschke auf eine Forschungslücke innerhalb der Ordensforschung hinwies188. Beispielhaft dafür ist sein Aufsatz über Angehörige des städtischen Bürgertums und Patriziates im deutschen Orden. Jedoch flossen auch in andere Aufsätze die Erkenntnisse 185 Arnold, Vorwort, in: Domus hospitalis Theutonicorum, S. VII. 186 Vgl. dazu Hellmann, Bemerkungen zur sozialgeschichtlichen Erforschung des Deutschen Ordens; ders., Neue Arbeiten zur Geschichte des Deutschen Ordens; Biskup, Die Erforschung des Deutschordensstaates Preußen; Hubatsch, Neue Wege der DeutschordensForschung. 187 Arnold, Vorwort, in: Domus hospitalis Theutonicorum, S. VII. 188 Maschke, Deutschordensbrüder aus dem städtischen Patriziat.

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stadtgeschichtlicher Untersuchungen sowie sozial- und wirtschaftshistorischer Analysen ein189. Auf diese Weise stellen die späten Beiträge zur Geschichte des Deutschen Ordens Bindeglieder zwischen dem Werk des Deutschordensforschers und dem des Stadt- sowie Sozial- und Wirtschaftshistorikers Erich Maschke dar. Abgesehen von den thematischen Neuerungen und Erweiterungen wurden in den Beiträgen Erich Maschkes Schwerpunktverlagerungen und Akzentverschiebungen in der Darstellung einzelner Aspekte des Ordens sichtbar, die Aussagen aus früheren Aufsätzen relativierten oder teilweise sogar widerlegten. Diese Neuakzentuierungen oder Korrekturen Maschkes korrespondierten mit den beschriebenen neuen Forschungstendenzen und vermittelten ein ausgewogeneres und differenzierteres Bild vom Deutschen Orden als früher. Aus der Vielzahl dieser Veränderungen seien hier einige Beispiele genannt: Anstelle der nationalen oder völkischen Verflechtung thematisierte Maschke nun die internationale, in seinem Sprachgebrauch oft »übernationale« Einbindung des Deutschen Ordens und seines preußischen Staates in die mittelalterliche Welt der Kreuzzüge sowie in die katholische Kirche. In diesem Zusammenhang schrieb er auch den Besitztümern des Ordens in Westeuropa und der ritterlichen Kultur des späten Mittelalters verbindende Kräfte zu. Ein Beispiel, wie es in seinen früheren Schriften kaum anzutreffen war, illustriert dies: »Hinter diesen politischen Beziehungen standen im Osten und Westen [gemeint ist Europa – d. Vf.] als Träger des Staates und der Verwaltung die gleichen Menschen, die sich unter dem Gesetz der christlichen Ritterschaft begegneten. In der reichen Formensprache der späten ritterlichen Kultur wurde ihre Gemeinsamkeit am schönsten sichtbar.«190

Vergleiche zwischen dem Deutschen Orden und anderen europäischen Ritterorden hatten in den älteren Aufsätzen Maschkes eine sehr untergeordnete Rolle gespielt. In seinen Aufsätzen nach 1953 brachte er dagegen den Deutschen Orden auf vielfältige Weise in Relation zu ihnen: hinsichtlich seiner Entstehung und Aufgabe, seiner Verfassung und seiner historischen Bedeutung sowie hinsichtlich seines Namens und seines personellen Aufbaus. In diesem Zusammenhang hob Erich Maschke mehrmals hervor, dass der Orden den spanischen Ritter­orden in der nationalen Begrenzung am nächsten gestanden habe. Laut seinen Statuten habe er jedoch keine nationale Beschränktheit gekannt und auch Nichtdeutsche zu seinen Mitgliedern gezählt. Als Belege dafür gab er die Namen von französischen und slawischen Brüdern an, die er in seinen früheren Beiträgen mit keiner Silbe erwähnt hatte. In den Erläuterungen zu den Verbindungen des Deutschen Ordens bzw. seines preußischen Staates mit dem mittelalterlichen deutschen Reich nahm Erich Maschke ebenfalls deutliche Veränderungen 189 Z. B. Maschke, Die Schäffer und Lieger des Deutschen Ordens in Preußen. 190 Maschke, Burgund und der preußische Ordensstaat. Hier zitiert nach dem Wiederabdruck in: Domus hospitalis Theutonicorum, S. 15–34, S. 34.

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vor. Im Gegensatz zu seinen früheren Aufsätzen ging er nun auf eine Vielzahl von Kontakten und Überschneidungen ein: So stellte er die deutschen Besitzungen und Balleien des Ordens, ihre Größe, ihr Alter und ihre Verteilung auf dem Reichsgebiet dar und setzte sich mit Fragen nach ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, ihrem Verhältnis zu den Städten und ihrer Bedeutung für den ganzen Orden auseinander. Dies tat er in einer so gründlichen und umfassenden Weise, wie er es in früheren Beiträgen zu diesen Problemen nie getan hatte. Auch die Ordensbrüder als Mitglieder der Konvente in Deutschland betrachtete er detaillierter als früher. Er schilderte ihre landschaftliche und ständische Herkunft, ihre Repräsentation in den Ämtern des preußischen Ordenszweiges und diskutierte die Auswirkungen der landsmannschaftlichen Verteilung und ständischen Verengung des Ordens – Aspekte, die vor 1953 eher selten M ­ aschkes Interesse gefunden hatten. Der deutschen Besiedelung des preußischen Ordensstaates als Bindeglied zwischen Orden und Reich gab er in der Darstellung dagegen weniger Raum. Ebenso erörterte Erich Maschke das Verhältnis des Ordens zu den deutschen Kaisern und Königen nicht im früheren Umfang, wenn von den Beziehungen zwischen Deutschem Orden und Reich die Rede war. Er ging in diesem Kontext nur auf das enge Verhältnis des Ordens zu Kaiser Friedrich II., auf den Einsatz von Brüdern im diplomatischen Dienste anderer Könige sowie auf die Parteinahme des Ordens für den Kaiser in seiner Auseinandersetzung mit den Päpsten von Avignon ein. Erich Maschkes Einschätzung in einem seiner Aufsätze, der Orden in Preußen habe die geistigen, sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse des »deutschen Mutterlandes« widergespiegelt191, kann als Zusammenfassung seiner Forschungsuntersuchungen zu dem komplexen Zusammenwirken zwischen Orden und Reich verstanden werden. Somit ließ Maschke den Orden nicht mehr als ein von fast allem losgelöstes, einzigartiges deutsch-völkisches historisches Gebilde in Preußen, sondern auch als gesamteuropäisches historisches Phänomen erscheinen. Auch in anderer Hinsicht wichen Erich Maschkes neue Beiträgen von seinen älteren Publikationen bedeutend ab. Hatte er in früheren Darstellungen die kurialen Beziehungen des Ordens eher am Rande erwähnt, so traten diese nun klarer hervor und brachten die kirchliche Seite im Wesen des Ritterordens stärker zur Geltung: Er erläuterte die Missionsidee, ging dabei auf die päpstlichen Bullen zugunsten der preußischen Mission ein und thematisierte die Auseinandersetzungen um die Mission auf den Kirchenkonzilen. Darüber hinaus beleuchtete er den rechtlichen Status des Deutschen Ordens gegenüber der Kurie und sprach in diesem Zusammenhang sogar von einer »Abhängigkeit vom Papsttum«192. Eine solche Formulierung findet man in seinen früheren Aufsätzen kaum. Neu ist ebenfalls die gelegentliche Erwähnung von religiösen Zügen im Ordensleben selbst: Der Leser erfährt nun von den Aufgaben der Priesterbrüder, von den religiösen Motiven für den Eintritt in den Orden und für Schenkungen 191 Maschke, Die inneren Wandlungen des Deutschen Ritterordens, S. 277. 192 Ebd., S. 249.

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an ihn. Dass es ein biblisches Vorbild für die Ritterorden in Gestalt der alttestamentarischen Makkabäer193 gab – darüber wird erst hier der Leser informiert. Im Zusammenhang mit dem geistlichen Wirken des Deutschen Ordens nahm Erich Maschke einige Änderungen an seiner Darstellung der Aufgaben des Ritterordens vor. Als ursprünglichste Aufgabe des Ordens bezeichnete er die Krankenpflege, die er in seinen frühen Aufsätzen kaum gewürdigt hatte, nun jedoch stärker hervorhob. Neben den Aufgaben des Schutzes und der Sicherung des heiligen Landes war in den späteren Beiträgen vor allem vom Kampf des Ordens für den Glauben und von der Problematik der Schwertmission die Rede. Wesentlich häufiger als früher ging er auf diese Thematik ein: Er erläuterte die theoretischen Hintergründe und ordnete die Idee von der gewaltsamen Mission in das allgemeine kirchliche Denken der Zeit ein. Ausführlich beschrieb er die Auseinandersetzungen darüber auf den Konzilen des Mittelalters und zeigte die innere Problematik dieser Idee am Beispiel der Litauerfahrten auf. Diese »Reisen« thematisierte er oft. Er charakterisierte ihren Illusionismus und erläuterte ihre Funktion für die Ritterschaft Westeuropas, für das Territorium des preußischen Ordensstaates und für die Identität des Ordens. Neue Töne schlug Erich Maschke an, als er einen Aufgabenwandel des Ordens nach der Herausbildung des preußischen Ordensstaates zum politischen Machtfaktor feststellte: Der Orden sei ab dieser Zeit »unverhältnismäßig«194 durch die staatlichen Aufgaben nach innen und außen beansprucht worden, Aufgaben, die nur bedingt mit seinen ursprünglichen übereingestimmt hätten. Der Preußische Staat und der Ordensbesitz in Livland hätten sich zur beherrschenden Aufgabe entwickelt. Diese Bewertung der Politik des Deutschen Ordens zeigte einen klaren Wandel in Maschkes Auffassungen an. Zuvor hatte er den preußischen Ordensstaat geradezu als Höhepunkt im Wirken des Ordens für das deutsche Volk dargestellt. Seine Publikationen aus der Zeit nach 1953 vermittelten auch in Bezug auf Krise und Niedergang des deutschen Ordensstaates ein neues Bild. Auffallend ist, dass er die äußeren Faktoren für das Ende des preußischen Staates, d. h. vor allem den Konflikt mit Polen-Litauen, nicht in dieser Breite thematisierte, sondern eher die Wirkungen innerer Faktoren untersuchte. Dabei maß er vor allem der Auseinandersetzung zwischen Landesherrschaft und Ständen große Bedeutung bei und schilderte diese auf ihren verschiedenen Ebenen. Im Zusammenhang mit dem Ende des Ordensstaates sprach Erich Maschke in keinem seiner Aufsätze die früher erwähnten »schädlichen Auswirkungen des Zölibates« an, was auch nicht anders zu erwarten gewesen war. Dagegen bezeichnete er nun auch die Krise des niederen Adels in Deutschland und ihre Folgen für den Deutschen Orden und seinen preußischen Staat als Faktoren für den Untergang des Ordensstaates und beleuchtete sie ausführlich. Das Verhältnis der inneren Faktoren zu den äußeren beurteilte er folgendermaßen: 193 Maschke, Der deutsche Ritterorden in Westdeutschland und im Osten, S. 25. 194 Maschke, Der Deutsche Ritterorden und sein Staat, S. 161.

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»Die innere Situation des Ordens hat nicht als solche den Untergang des Ordensstaates herbeigeführt, aber sie lähmte die Kräfte gegenüber der Großmacht Polen-Litauen so sehr, daß die Zerschlagung des Preußenlandes und die Umwandlung des rest­lichen Ordensstaates in das weltliche Herzogtum Preußen nicht aufzuhalten waren.«195

In seinen früheren Aufsätzen hatte dies teilweise anders geklungen. Bei der Schilderung der Krisensituation des Ordens war wie in seinen Aufsätzen aus der Zeit vor 1953 von der Schlacht von Tannenberg oft die Rede. Jetzt stellte er jedoch die Bedeutung der Schlacht und ihre Folgen weit differenzierter und unter verschiedenen Gesichtspunkten dar: Sie habe die Einheit des Gesamtordens mehr und mehr auseinandergerissen und die tiefgreifenden Veränderungen im Verhältnis des Ordens zu den preußischen Ständen, des Hochmeisters zum Deutschmeister und des Ordensstaates zu den Balleien in Deutschland, aber auch die veränderte Einstellung der Brüder zu Aufgaben und Wesen des Gesamtordens offenbart. Einen neuen Aspekt dieses historischen Ereignisses untersuchte Erich Maschke, als er das Echo der Schlacht in der polnischen, böhmischen und westeuropäischen Chronistik und in deutschen Städtechroniken betrachtete. Die sachliche Art seiner Schlachtendarstellung wies ein Merkmal auf, das auch in seinen älteren Texten anzutreffen war: In ganz ähnlicher Weise zeichnete Erich Maschke damals wie jetzt die historische Figur des späteren Hochmeisters Heinrich von Plauen: »Der Hochmeister, alle Großgebietiger und 200 Ordensritter waren im Kampfe gefallen. Ohne Widerstand huldigten Städte, Landesadel und Bischöfe dem Sieger. Kampflos gerieten die meisten Ordensburgen in seine Hand. Da wurde der Komtur von Schwetz, Heinrich von Plauen, der an der Schlacht nicht teilgenommen hatte, zum Retter des Landes. […] Er erhob sich jetzt zu einem außerordentlichen Schicksal.«196

An anderer Stelle ist die Rede von seiner »Größe«197 oder von seiner »persönlichen Tragödie«198. Diese historische Person übte auf ihn offensichtlich weiterhin einen besonderen Reiz aus. Hatte Erich Maschke mehrere Beiträge früher einzelnen Hochmeistern gewidmet, so machte er sie nach 1953 nicht zum Gegenstand seiner Untersuchungen, sondern äußerte sich nur gelegentlich zu einigen Gestalten. Der Umfang und die Art und Weise dieser Äußerungen – meist knapp, sachlich und nüchtern – legten nun nicht mehr wie in früheren Darstellungen den Schluss nahe, hier habe es sich um »Führer« gehandelt. Dementsprechend wurde in diesen Beiträgen Erich Maschkes auch eher die Gebundenheit der Hochmeister an die Entschlüsse des Ordenskonventes bzw. Generalkapitels zur Sprache gebracht und die einfachen Ordensbrüder wie bereits erwähnt stärker ins Licht gerückt. 195 196 197 198

Maschke, Die inneren Wandlungen des Deutschen Ritterordens, S. 277. Maschke, Der deutsche Ritterorden und sein Staat, S. 166. Ebd., S. 168. Ebd., S. 169.

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Nach den bis hierher untersuchten Veränderungen in Themenwahl, Ansatz und Perspektive sowie den Schwerpunktverlagerungen in Maschkes Bild des Deutschen Ordens ergab sich zusammenfassend folgender Eindruck: Die neueren Beiträge unterschieden sich deutlich von den älteren Artikeln und weckten selten Erinnerungen an die wissenschaftlichen und publizistischen Konzeptionen des Ostforschers Erich Maschke. Bezüge zur politischen Situation der Gegenwart wurden in diesen Texten kaum einmal herausgestellt und auch explizite Bewertungen der Veränderungen nach 1945 fehlten. Die frühere Deutschtumsfixierung hatte größtenteils einem differenzierteren Blick auf die nationalen und internationalen Verbindungen des Ordens sowie auf die ethnischen Konfliktlagen der Vergangenheit in Ostmitteleuropa und Osteuropa Platz gemacht. Dennoch ließen die Beiträge gelegentlich die Handschrift des ehemaligen Ostforschers Erich Maschke erkennen. Dies spiegelte sich dann vor allem in seinem Sprachgebrauch wieder, wenn es um die sogenannte Ostkolonisation und die Ethnizität der deutschen Einwanderer im Ordensland ging. An sich kam Erich Maschke in seinen Texten erstaunlicherweise selten explizit auf die deutsche Besiedelung der vom Orden eroberten Gebiete zu sprechen. Wenn er es denn tat, verzichtete er auf den Begriff der »Ostkolonisation«, der an den Sprachgebrauch früherer Zeiten erinnert hätte. Er bezeichnete nun diesen historischen Vorgang mit verhältnismäßig neutralen Wendungen wie »die große Siedlungsaktion«, »ostdeutsche Siedlungsbewegung« oder »große deutsche Wanderungs- und Siedlungsbewegung der Zeit«. Weniger neutrale, sondern aus älteren Texten bekannte Formulierungen waren jedoch dann gelegentlich zu lesen, wenn Erich Maschke die Siedlungspolitik des Ordens behandelte. Da hieß es dann dazu: »Der Orden hat offenbar Wert darauf gelegt, die Städte rein deutsch zu erhalten.«199 Oder an anderer Stelle: »Der Orden verfolgte länger den Grundsatz, deutsche und preußische Dörfer nicht nur rechtlich, sondern auch nach dem Volkstum zu sondern.«200 Hier schimmerten volksgeschichtlich geprägte oder beeinflusste Vorstellungen durch; doch sie kamen auch an den Stellen zum Vorschein, wo Maschke auf die Bedeutung der Siedlung hinwies. An diesen Textstellen sah sich der Leser Formulierungen gegenüber, die dem Deutschtum einen herausgehobenen Wert zuzuweisen schienen und daher durch ihren eigentümlichen Beiklang vom­ übrigen Text abstachen. Beispielsweise war dort die Rede von der »reiche[n] kulturelle[n] Blüte auf der Grundlage der deutschen Besiedelung«201 oder vom preußischen Ordensstaat als »Werk aller deutschen Stämme«202. Diese untergründige Betonung des Deutschtums im Zusammenhang mit der Schilderung der Ansiedlungen betraf nicht alle Beiträge gleichermaßen und war nicht frei von Widersprüch­ 199 200 201 202

Maschke, Preußen. Das Werden eines deutschen Stammesnamens, S. 130. Ebd., S. 131. Maschke, Der deutsche Ritterorden in Westdeutschland und im Osten, S. 17. Ebd., S. 29.

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lichem203. Sie war über diesen Kontext hinaus auch merklich vom Thema abhängig. In der zusammenfassenden Rückschau ergab sich der Eindruck, dass diese Betonung in den Ende der 1950er und Anfang der 1960er Jahre verfassten Beiträgen zurückging, aber nicht ganz verschwand204. Auch wenn nicht erkennbar ist, was Erich Maschke genau unter den Begriffen »Volk« und »Volkstum« verstanden wissen wollte, hielt sich jedoch offenbar in seiner Vorstellung der Gedanke, dass diese Begriffe überzeitliche und unwandelbare Größen oder historische Gegebenheiten bezeichneten, die unabhängig von staatlichen Grenzen existieren und dauerhaften Bestand haben konnten. Dies geht beispielsweise aus Textpassagen hervor, die einander im Wortlaut sehr ähnlich sind. Zum einen ist es der Schlussabsatz eines der Aufsätze: »Der preußische Ordensstaat […] war vergangen. Aber das deutsche Volkstum, das der Orden in der Weite der geistigen und religiösen Bindungen des Abendlandes durch die Siedlung begründet hatte, sollte weitere Jahrhunderte in sich wandelnden staatlichen Formen bestehen.«205

Sowie »… durch die deutschen Siedler aus diesen Landschaften gehörte er [der Ordensstaat] der deutschen Geschichte auch weiter an, als der Ordensstaat nicht mehr bestand.«206

Gerade die erste, hier zitierte Aussage erschien sicherlich nicht zufällig am Ende des Textes. Sie war an dieser Stelle geeignet, als Zusammenfassung und indirekte Beschreibung der gegenwärtigen Situation aufgefasst zu werden und einen gedämpft optimistischen Ausblick in die Zukunft zu vermitteln. Hatte nicht das deutsche Volkstum schon seit langem Krisen und harte Zeitläufte überstanden? Ob Erich Maschke diese Auslegung bewusst als Möglichkeit ins Kalkül gezogen hatte und sich damit an den Tenor der gesamten Schrift207 anpassen wollte, ist unbekannt. Dieser Beitrag hebt sich aber noch in anderer Hinsicht graduell von seinen übrigen Publikationen ab: Abgesehen von dem Aufsatz »Preußen. Das Werden eines deutschen Stammesnamens«208 tauchte die Vokabel »Volk« zwar nur manchmal, besonders häu203 Vgl. Maschke, Der Ordensstaat Preußen in seinen deutschen und europäischen Beziehungen, S. 197. 204 Z. B. in ebd. 205 Maschke, Der deutsche Ritterorden und sein Staat, S. 171. 206 Maschke, Der Ordensstaat Preußen in seinen deutschen und europäischen Beziehungen, S. 197. 207 Es handelte sich hierbei um Band 4 der Reihe »Deutsche Landschaft« mit dem Titel: »Ostpreußen. Leistung und Schicksal«, herausgegeben von Fritz Gause. Diese Schrift verfolgte das Anliegen, »die Summe dessen zu geben, was Ostpreußen einmal war« (Nachwort) und gab darin in Kapiteln über »Die Landschaft«, »Die Menschen«, »Die Geschichte« (u. a. von Walther Grosse »Ostpreussen als Soldatenland«) und »Wirtschaft und Verwaltung« Auskunft. 208 Schon in seiner Thematik knüpfte dieser Aufsatz an frühere Texte Erich Maschkes an. Vgl. dazu »Das Erwachen des Nationalbewußtseins im deutsch-slavischen Grenzraum« und die überarbeitete Version.

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fig aber auch in diesem Aufsatz aus dem Jahr 1961209 auf. So erfährt der Leser nun wie schon in der Vergangenheit von »engster Bindung an die deutsche Reichsund Volksgeschichte« und trifft auf Begriffe wie »deutscher Volksname« und natürlich »Volkstum«. Formulierungen und Sätze wie »… hatte die Bruderschaft nur am deutschen Volk einen Rückhalt«210, »verschärfte volksmäßige Begrenzung« oder »… durch die Ansiedlung von deutschen Adligen, Bürgern und Bauern […] verknüpfte der Orden seinen preußischen Staat am tiefsten und dauerhaftesten mit der Geschichte des deutschen Volkes«211 zeigen in diesem Bereich eine deutliche Kontinuität zwischen Erich Maschkes Werken vor und nach 1953 auf. Auch der Satz »Der westfälische Einschlag war nun in Thorn in der Oberschicht besonders stark.«212 verweist auf diese Kontinuität. Ebenso verhält es sich mit dem gelegentlichen Auftauchen der Begriffe »Siedlungsboden« und »Grenzwacht«, die wie Relikte einer vergangenen Zeit in Maschkes Texten wirken. Ob es sich mit dem von Erich Maschke in seinen Beiträgen verwendeten Begriff »Preußenland« ebenfalls um ein Relikt handelt, darüber gibt es geteilte Meinungen. Dieser Begriff wurde nach Auffassung von Marian Biskup von Königsberger und Danziger Historikern in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg lanciert und sollte die organische Einheit der Gebiete an der unteren Weichsel und am Pregel trotz der Teilungen von 1466 bzw. 1920 bezeugen213. Udo Arnold vertrat dagegen die Meinung, dass dies ein Kunstbegriff sei, der ohne politische oder nationale Hintergedanken zur Definition benutzt wurde214. Der häufige Gebrauch dieses Begriffes war keine singuläre Erscheinung im Spätwerk Maschkes, sondern auch in den Schriften anderer Ostforscher nach 1945 festzustellen. Möglicherweise kam durch die weitere Verwendung von »Preußenland« eine politische Note in die Texte Erich Maschkes hinein. Es ist zweifelhaft, ob Maschke dies erreichen wollte, hatte er doch seine Beiträge von allen Begriffen freigehalten, die Assoziationen an eine politische Verwendung in jüngster Zeit hervorrufen konnten: Der Begriff des »Ostens« trat kaum noch in Erscheinung und ebenso verhält es sich mit »Reich«. Es wurde, wenn denn ein solcher Bezug überhaupt notwendig war, durch »Deutschland« bzw. »altes Deutschland« ersetzt.215 Dies eröffnet nun einen weiteren Fragekomplex. Bis hier wurde hinlänglich deutlich, dass hin und wieder Momente in diesen neueren Beiträgen Erich Maschkes auftauchten, die sein früheres Wirken in der Ostforschung erkennbar werden ließen. Über diese Momente ist aber nicht zu vergessen, wie stark sich diese Beiträge von den früheren unterschieden und wie verhältnismäßig gering die Kontinuitäten waren, wenn man sie mit Maschke, Der Ordensstaat Preußen in seinen deutschen und europäischen Beziehungen. Ebd., S. 204. Ebd., S. 197. Maschke, Die Schäffer und Lieger des Deutschen Orden in Preußen, S. 132. Biskup, Erich Maschke – Ein Vertreter der Königsberger Geschichtswissenschaft aus polnischer Sicht, S. 95. 214 Gespräch mit Prof. Dr. Udo Arnold am 29.1.2005 in Bonn. 215 Maschke, Der deutsche Ritterorden und sein Staat, S.18. 209 210 211 212 213

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den Schriften anderer bundesdeutscher Ostforscher vergleicht. Wie verhielt es sich nun aber mit Maschkes wissenschaftlichem Denkstil, der sich in diesen Artikeln äußerte? Sprach aus ihnen immer noch der Königsberger, der in eigentümlichen Dichotomien von »Angriff« und »Verteidigung«, »innerer Ordnung« und »äußerer Unordnung«, in Bildern von »Reich«, »Grenze«,»Bedrohung von außen« oder »Osten« dachte? Geht man seine Texte unter diesem Blickwinkel durch, so fallen zwei Dinge auf. Wie schon erwähnt, bildeten »Osten« und »Reich« kaum noch Bezugspunkte in diesen neueren Schriften. Die meisten Beiträge Maschkes waren thematisch auch so angebunden, dass die Bilder von »Grenze« und »äußerer Bedrohung« gar nicht mehr zur Anwendung kommen mussten bzw. konnten. Von daher ließen sich Anzeichen für ein Denken in Gegensätzlichkeiten, wie es in früheren Beiträgen manifest gewesen war, in der Mehrzahl der neueren Texte Erich Maschkes nicht mehr ausmachen. Diese Feststellung gilt allerdings nur mit Einschränkungen. Diese beinhalten die­ jenigen Texte, in denen Erich Maschke ausführlicher die politische Geschichte des preußischen Ordensstaates beschrieb. Bei der Lektüre solcher Passagen erstand vor dem inneren Auge des Lesers wieder das Bild einer gewissen Frontstellung des Ordensstaates gegen feindliche Mächte aus dem Osten und gegen eine Schar abtrünniger Kräfte aus dem Inneren. Größtenteils bauten sich diese Bilder an der Verwendung einzelner Ausdrücke wie »Abwehr des Mongolensturmes«, »Flut der Tataren«, »Verrat der Stände« usw. auf. Diese Bilder blieben allerdings unscharf, weil diese Ausdrücke nur gelegentlich auftauchten und Erich Maschke nur in wenigen Texten die politische Geschichte des Ordens­ staates aufrollte. Ein zweiter Aspekt tritt hinzu. Wie bereits erwähnt, traten Bezüge zum »Abendlandgedanken« in Erich Maschkes neueren Beiträgen häufig auf. Dabei ist nicht ausgeschlossen, dass Maschkes früheres Denken in Frontstellungen in diese neue Form transportiert worden war. Bei der inflationären Verwendung dieses Begriffes216 in diesen Jahren überrascht es jedoch nicht, dass auch in Maschkes Texten der Inhalt seines Abendlandbegriffs diffus blieb und ein klar umrissener Widerpart von »Abendland« weder explizit benannt noch dem Leser nahegelegt wurde.

9.7 Arbeiten zur Wirtschaftsgeschichte In einem gänzlich anderen Fachgebiet bewegte sich Erich Maschke in der Wirtschaftsgeschichte, die sich innerhalb der Geschichtswissenschaft in einer besonderen Position befand. Maschke war dies bewusst. So konstatierte er, dass »gerade in Deutschland zum Unterschied von anderen Ländern die allgemeine 216 Vgl. dazu Pöpping, Abendland. Christliche Akademiker und die Utopie der Antimoderne; Hürten, Der Topos vom christlichen Abendland; Schildt, Zwischen Abendland und Amerika.

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Geschichtswissenschaft von der Wirtschaft weithin keine Kenntnis« nahm und die Wirtschaftsgeschichte »innerhalb der allgemeinen Geschichtswissenschaft vielfach vernachlässigt«217 wurde. Er selbst hatte sich mit großer Energie in das für ihn neue Fach eingearbeitet. Seine Vorlesungen und Übungen an der Universität Heidelberg deckten ein breites Spektrum an Themen ab. Auch die Fragen, mit denen er sich in seinen Veröffentlichungen beschäftigte, waren vielfältig. Sie gaben über Kontinuitäten seines wissenschaftlichen Arbeitens wie über biographische Bezüge Auskunft. Maschkes Vielseitigkeit war aber nicht gleichbedeutend damit, dass die Wirtschaftsgeschichte seinen ureigensten Neigungen entsprach und sie zu seinem bevorzugten Forschungsgebiet wurde. Dennoch gelang es ihm, als Wirtschaftshistoriker einige Akzente zu setzen. In seinen Publikationen konzentrierte218 sich Erich Maschke in der Regel auf die Behandlung von Fragen der Wirtschaftsgeschichte im deutschsprachigen Raum. Diese bewegten sich zeitlich vorrangig im Spätmittelalter sowie im 19. Jahrhundert bis zum Beginn des Ersten Weltkriegs. Insgesamt nahmen sie zahlenmäßig einen geringeren Umfang ein als beispielsweise die Publikationen zur Bevölkerung der mittelalterlichen Stadt. Die Themen seiner Arbeiten waren verschieden. Maschke nahm die Wirtschaftsgeschichte von Städten wie Pforzheim oder Speyer in Mittelalter und Neuzeit in den Blick und konnte auf diese Weise sein Interesse an Stadtgeschichte einfließen lassen. Darüber hinaus beschäftigte er sich mit der Unternehmerund Firmengeschichte des 15./16. und des 19./20. Jahrhunderts und kombinierte wirtschaftsgeschichtliche Fragestellungen mit alten Vorlieben wie der Staufergeschichte oder der des Deutschen Ordens. Im Rahmen der aufblühenden deutschen Forschungen zur Industrialisierungsgeschichte Deutschlands legte er einen großen Schwerpunkt auf die Kartellgeschichte. Einen thematischen Sonderfall im Kontext dieser Themen stellte sein einleitender Aufsatz über die Wirtschaftsgeschichte der Sowjetunion dar. Obwohl Erich Maschke sich diesen unterschiedlichen Themenbereichen zuwendete, war doch seine Vorliebe für einzelne Aspekte der mittelalterlichen Wirtschaftsgeschichte nicht zu übersehen. Er richtete sein Augenmerk auf das unternehmerische Verhalten und Bewusstsein einzelner Personen wie Burkard Zink oder Personengruppen wie das der mittelalterlichen Fernhändler oder der Beamten im Sizilien des Staufers Friedrich II. Ebenso interessierten ihn auch die Motive für kartellähnliche wirtschaftliche Zusammenschlüsse und Kartelle. Er arbeitete quellennah, begriffsgeschichtlich, sozialpsychologisch wie auch gelegentlich mit Tabellen und Statistiken. Diese Arbeiten zeugten von der wechselseitigen Befruchtung von Wirtschaftsund Sozialgeschichte und zeichneten sich – im Gegensatz zu seinen Arbeiten zur 217 HStA Stuttgart, NL Erich Maschke J 40/10, Bü 9, Vortragsmanuskript »Sozial- und Wirtschaftsgeschichte«, S. 6–7. 218 Im Gegensatz zu seinen Vorlesungen. Vgl. dazu Kapitel über die Lehrtätigkeit und das Wirken an der Universität Heidelberg.

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modernen Wirtschaftsgeschichte – oftmals durch eine europaweite Perspektive aus, was sich auch an der verwendeten Literatur ablesen ließ. Maschkes Publikationen zur modernen Wirtschaftsgeschichte verfolgten ähnliche Forschungsfragen wie seine im Mittelalter angesiedelten Beiträge. Dies trat in seinen kartellgeschichtlichen Untersuchungen besonders zu Tage. In ihnen beschäftigte er sich meist mit der Suche nach Konstanten des Unternehmerverhaltens in der Tendenz zum und im Kartell, d. h. mit Zielen und Motivationen der Kartellbildungen. Ihm ging es also im Grunde genommen auch hier wieder um den Aufbau von »Ordnungen« und dabei vor allem um den »Menschen«, nun aber in seinen »wirtschaftlichen Verhaltensweisen«. Dass ihn dabei das Verhalten der »großen Unternehmerpersönlichkeiten« in den Kartellierungsprozessen besonders interessierte, verdeutlichte einmal mehr Maschkes historiographische Kontinuitäten. In seinen Beiträgen betrachtete er Kartelle im Handel und in der Produktion und diskutierte die Kartellähnlichkeit der mittelalterlichen Zünfte. Meist formulierte er die gleichen Ergebnisse. Diese Untersuchungen reihten sich in die wissenschaftlichen Auseinandersetzungen um das Konzentrationsthema ein, das in diesen Jahren großen Raum einnahm, auch bedingt durch dessen wirtschaftspolitische Brisanz und Aktualität219. Maschkes Verdienst lag darin, in seinen Untersuchungen zur Geschichte der deutschen Kartelle bzw. zum Themenkomplex der freien und gelenkten Wirtschaft teilweise eine Art Zusammen­ fassung220 zu bieten, die bis in die 1960er Jahre hinein noch fehlte. Obwohl Erich Maschke eine solche Gesamtgeschichte plante221, konnte er sie nicht vorlegen. Maschkes vornehmlichem Verständnis von Wirtschaftsgeschichte als Geisteswissenschaft entsprechend, wandte er kaum quantifizierende Methoden an, sondern sprach sich für die Anwendung von verstehenden und differenzierenden Methoden aus222. Dies war durchaus im Sinne seiner deutschen Fachkollegen223. So aufgeschlossen er sich also an anderer Stelle beispielsweise für die neuartige Methodik der französischen Annales-Forschungen zeigte, so wenig berücksichtigte er in seinen eigenen wirtschaftsgeschichtlichen Untersuchungen deren Diskussion um eine »Histoire quantitative« und die in dieser Zeit beginnende internationale Auseinandersetzung um eine Historische Ökonometrie. Er bewegte sich weiterhin im Rahmen der traditionellen deutschen Methoden der Wirtschaftsgeschichtsforschung. Ebenso wie einer Vielzahl deutscher Kollegen blieb auch ihm der Bezug auf sozialökonomische Theorien fremd. Ob Erich Maschke damit die »weit verbreitete allgemeine Feindschaft 219 220 221 222 223

Barnikel (Hg.), Probleme der wirtschaftlichen Konzentration, Einleitung. Maschke, Grundzüge der deutschen Kartellgeschichte bis 1914, 1964. Maschke, Begegnungen mit Geschichte, S. XIV. Maschke, Grundzüge der deutschen Kartellgeschichte bis 1914, S. 5. H. Kellenbenz forderte vom Wirtschaftshistoriker in seinem Artikel im Handwörterbuch der Sozialwissenschaften (1962): »Sein Streben muß es sein, Wirtschaftsgeschichte als Geistesgeschichte zu betreiben.« Zit. n. Wehler, Theorieprobleme der modernen deutschen Wirtschaftsgeschichte, S. 66.

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in der Wirtschaftsgeschichtsschreibung gegenüber expliziten Theorien, besonders aber die Ablehnung sozialökonomischer Theorien mit kritischer Intention« teilte, wie sie Wehler 1970 feststellte224, bleibt ungewiss. Schriftlich festgehaltene Beiträge zu Theoriediskussionen waren zwar auch in anderen Feldern der Geschichtswissenschaft seine Sache nicht, doch ging er Theoriediskussionen nicht aus dem Weg225. Er gehörte ganz sicherlich aber nicht zu denjenigen Wirtschaftshistorikern, die sich in ihren Schriften stark machten für eine Öffnung der deutschen Forschung für die internationalen fachwissenschaftlichen Methodendiskussionen sowie für eine thematische Internationalisierung. Damals hatten wirtschaftshistorische Studien über Probleme anderer Länder und Regionen in Deutschland Seltenheitswert. Der Befund, dass Maschke nicht zu den wirtschaftsgeschichtlichen Neueren zu zählen ist, wird auch durch einen Blick auf seine umfangreiche Arbeit zur Unternehmer- und Firmengeschichte der Gutehoffnungshütte226 bestätigt. Auch hier lässt die deskriptive, an der Chronologie ausgerichtete Darstellung die Analyse einzelner wirtschaftshistorischer Aspekte vermissen. Die Beschreibung der Persönlichkeit des Geschäftsführers Paul Reusch und seiner Entscheidungen wurde zu einer Hommage an die »große Unternehmerpersönlichkeit«, deren Wortwahl gelegentlich durchaus befremdlich und unzeitgemäß wirkt und an Maschkes jugendbewegte Artikel aus den 1920er Jahren erinnert. Auch das Anliegen, welches Erich Maschke in dieser Auftragsarbeit verfolgte, nämlich die Einheit aus Person und Werk darzustellen, wies der deutschen Wirtschaftsgeschichtsschreibung nicht eben neue Wege. Es zeigte sich darüber hinaus, dass er sich dem Thema seiner kartellgeschichtlichen Arbeiten – Motivationen und Ziele von Unternehmern im Kartellierungsprozeß zu untersuchen  – auch in diesem Werk verpflichtet fühlte und weitgehend zum Leitfaden seiner detailreichen Darstellung machte. Darüber kam die Einordnung in die gesellschaftlichen, sozialen und politischen Entwicklungen und Tendenzen der Zeit merklich ins Hintertreffen. Einzelprobleme wie beispielsweise eine Erörterung des unternehmerischen Verhaltens Paul Reuschs während des Dritten Reiches wurden nur knapp angerissen, wie auch die Gesamtgeschichte des Konzerns während der dreißiger und vierziger Jahre des 20. Jahrhunderts eher unterbelichtet blieb. In der Darstellung des erfolgreichen Konzernaufbaus wurden Fragen, die außerhalb einer rein wirtschaftlichen Perspektive lagen oder damit nur mittelbar verbunden waren, nicht oder nur am Rande aufgeworfen: Die sozialen Folgen von Industrialisierung und Modernisierung wurden kaum angesprochen. So erhielt der Leser nur selten Informationen über die Belegschaft einzelner Betriebe und deren zahlenmäßige Größe, geschweige denn wurden ihre Lage in 224 Wehler, Theorieprobleme der modernen deutschen Wirtschaftsgeschichte, S. 73. 225 HStA Stuttgart, NL Erich Maschke, J 40/10, Bü 9, Manuskript eines Vortrages zum Thema »Sozial- und Wirtschaftsgeschichte«, vgl. auch Maschkes Auseinandersetzung mit den Anschauungen und Theorien des Marxismus-Leninismus in seiner Einleitung. 226 Maschke, Es entsteht ein Konzern.

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den Jahren der Weltwirtschaftskrise, ihre Arbeitsbedingungen oder Entlohnungen thematisiert. An die Erforschung der Geschichte der Arbeiterbewegung, wie sie von der bundesdeutschen Sozialgeschichte auf die Tagesordnung gesetzt und in seinem Heidelberger Umfeld betrieben wurde, knüpfte Erich Maschke also im konkreten Falle nicht an227. Ebenso erweckte Maschkes Text beim Leser den Eindruck, mit der Geschichte der Gutehoffnungshütte eine »Erfolgsstory« vor sich liegen zu haben – fehlgeschlagene Projekte beim Aufbau des Konzerns hatte es anscheinend nicht gegeben228. Dessen ungeachtet hatte Erich Maschke mit dieser detailreichen Arbeit begonnen, eine Forschungslücke innerhalb der aufblühenden Unternehmensund Firmengeschichte229 zu füllen: Bis zu diesem Zeitpunkt war die Geschichte eines einzelnen Konzerns in der Phase der industriellen Revolution noch nicht untersucht worden. Außerdem war relativ wenig über den Einfluss der Kartelle und Konzerne auf die wirtschaftliche Konzentration bekannt gewesen230. Auch Maschkes gründliche Auswertung der im Werksarchiv der Gutehoffnungshütte befindlichen Quellen und Dokumente stellte innerhalb der modernen deutschen Wirtschaftsgeschichtsschreibung keine Selbstverständlichkeit dar, entsprach jedoch zutiefst Maschkes eigener Herangehensweise. Daher verwundert es nicht, dass er die Forschung aufforderte, die Firmen- und Werksarchive der Wirtschaft verstärkt zu nutzen. In einem längeren Vortrag erläuterte er die Vorteile und Möglichkeiten einer solchen Verwendung der Wirtschaftsarchivbestände und zeigte Forschungsdesiderate auf, die mit ihrer Hilfe bearbeitet werden könnten: U. a. die Kartellfrage und die Frage, »wie weit die deutsche Schwerindustrie dem Nationalsozialismus zur Machtergreifung verholfen hat«231. Mit seinem Plädoyer sprach er nicht nur Wirtschaftshistoriker, sondern ausdrücklich auch Allgemeinhistoriker an. Dieser Vortrag war ihm offenbar so wichtig, dass er ihn in die Sammlung seiner Beiträge übernahm232. In einem völlig anderen Kontext der Wirtschaftsgeschichte widmete sich Erich Maschke der Arbeit der deutschen Kriegsgefangenen in der Sowjetunion. Als Leiter der Kommission zur Geschichte der Kriegsgefangenen des Zweiten Weltkrieges schrieb er eine Vorbemerkung für den vierten Band233, in welcher er die Wirtschaftsgeschichte der Sowjetunion bis 1955 beschrieb, um Formen, Umstände und spezifische Merkmale der Kriegsgefangenenarbeit erklärbar zu machen. An dieser Einleitung sind mehrere Aspekte bemerkenswert. Zum einen ihr Umfang von 75 Seiten, des weiteren Maschkes Beschäftigung mit der Wirtschafts227 Vgl. auch Maschkes Liste der verwendeten Quellen und Sekundärliteratur. 228 Vgl. auch die Rezension von Martin Schumacher, in: Neue politische Literatur 15 (1970), S. 583–585. 229 Die Konzentration in der deutschen Wirtschaft seit dem 19. Jahrhundert, S. 1. 230 König, Kartelle und Konzentration, S. 303. 231 Maschke, Die Geschichtswissenschaft und die Archive der Wirtschaft, S. 83. Diese Frage bezeichnete er als »heißestes Eisen«. 232 Siehe Schriftenverzeichnis von Erich Maschke. 233 Ratza, Die deutschen Kriegsgefangenen in der Sowjetunion. Der Faktor Arbeit.

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geschichte der Sowjetunion überhaupt234. Auch seine sachliche und ideologisch unverkrampfte Auseinandersetzung mit marxistisch-leninistischen Theorien zur Wirtschafts- und Staatsentwicklung und seine fundierte und ausgewogene Kritik ohne Polemik fallen ins Auge. Ebenso ungewöhnlich ist seine Anerkennung bestimmter sowjetischer Wirtschaftsanstrengungen und -leistungen. In seiner Beschreibung der Nachkriegsjahre 1945–1955 hob er die Gemeinsamkeit des Leidens von sowjetischer Bevölkerung und deutschen Kriegsgefangenen unter den Mängeln der Nachkriegswirtschaft hervor und warnte davor, das von den Heimkehrern nach Hause gebrachte Bild von der Sowjetunion und ihrer Wirtschaft auf die Gegenwart zu übertragen. Diese ausführliche Vorbemerkung betrachtete auch immer die sozialgeschichtliche Dimension der Kriegsgefangenenarbeit und war für die Zeit der 1970er Jahre ein herausragendes Beispiel für das Bemühen um differenzierende Darstellung und gerechtes Urteil.

9.8 Stadtgeschichte als »bevorzugtes Forschungsgebiet«235 in Heidelberg Im Unterschied zur Wirtschaftsgeschichte war die Stadtgeschichte, über welche Erich Maschke den Wiedereinstieg in die wissenschaftliche Arbeit fand, thematisch kein Neuland für ihn. Zwar hatte sich seine Aufmerksamkeit bisher nicht auf die Geschichte einer einzelnen deutschen Stadt236 im Südwesten wie Speyer gerichtet. Aber schon in seinen Königsberger Schriften und Arbeiten hatte Maschke Fragen der Städtegründung und Stadtentwicklung in Preußen, vor allem im Zuge der deutschen Ostsiedlung, in den Blick genommen. Ein Begriff wie »Stadtrechtsfamilie« war ihm aus diesen Zusammenhängen wohl­ vertraut. Auch später in Jena hatte er Gelegenheit, sich mit der Geschichte der thüringischen Residenzstadt Gotha zu beschäftigen und der umfassende Charakter seines 1942 in den NS-Monatsheften erschienenen Aufsatzes über die deutsche Stadt des Mittelalters »in Reichs- und Volksordnung« zeugte davon, dass ihn das Interesse an diesem historischen Gegenstand auch in Leipzig nicht verlassen hatte. Vermutlich regten Maschke die Geschichte der Staufer und deren Städtepolitik dazu an, immer wieder auf die Stadtgeschichte zurückzukommen. Insofern fing Erich Maschke 1953 nicht an einem Nullpunkt an, als er den Auftrag für die Erarbeitung einer Speyerer Stadtgeschichte übernahm. Freilich hatte er bis dahin in seiner Auseinandersetzung mit der Stadtgeschichte thematisch und inhaltlich völlig andere Schwerpunkte gesetzt.

234 Wirtschaftsgeschichtliche Forschungen aus der DDR waren ihm vertraut. 235 Maschke, Begegnungen mit Geschichte, S. XIII. 236 Ebd. Er erinnerte sich, dass in seinen jugendbewegten Tagen auch die Geschichte seiner Heimatstadt Berlin von Interesse für ihn gewesen war.

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In den nun folgenden Jahren seiner stadtgeschichtlichen Forschungen untersuchte Erich Maschke den historischen Vorgang der Zunftbewegungen sowie innerstädtische Konflikte um die Beteiligung am Stadtregiment im 14. und 15. Jahrhundert237. Er beschäftigte sich mit der Historiographie der deutschen Stadtgeschichtsforschung, veröffentlichte Beiträge zu Einzelaspekten der mittelalterlichen Stadtgeschichte und insbesondere zur Geschichte von Speyer. Sein vorrangiges Interesse aber galt der Schichtung der mittelalterlichen Stadtbevölkerung und sozialer Gruppen innerhalb derselben. Darin flocht er auch sozialpsychologische und schon mentalitätsgeschichtliche Fragen mit ein. Darüber hinaus verknüpfte Maschke neue stadtgeschichtliche Fragestellungen mit alten thematischen Vorlieben wie dem deutschen Orden oder mit der Staufergeschichte, was sich in zahlreichen Aufsätzen niederschlug. Diese thematische Überschneidung war in gewisser Hinsicht zeitweilig vielleicht auch noch durch die Notwendigkeit bedingt, sich in ein neues Gebiet einzuarbeiten, sorgte jedoch dafür, dass Maschke sich in alten Forscherkreisen zurückmelden und in neuen Fuß fassen konnte. Betrachtet man Erich Maschkes stadtgeschichtliche Texte238 unter dem Blickwinkel der von ihm bevorzugten Regionen und Epochen, so fallen mehrere Dinge auf. Zum einen schrieb er nur über die deutsche Stadt bzw. über die Stadt im deutschsprachigen Raum und nicht über die Stadt im mittelalterlichen Frankreich, was angesichts seines engen Austausches mit französischen Fachkollegen nicht weiter verwunderlich gewesen wäre. Obwohl er selbst in seinen Schriften wenig darauf einging, war ihm der Vergleich zwischen den Entwicklungen des mittelalterlichen deutschen Städtewesens und denjenigen in nichtdeutschsprachigen Gebieten ein wichtiges Anliegen239. Des weiteren profilierte er sich nicht als der Historiker einer einzigen Stadt, wie es damals durchaus üblich war und wofür Speyer die Möglichkeit geboten hätte, sondern wählte seine Beispiele aus allen Regionen des deutschsprachigen Raumes aus: aus Ost- und Westpreußen, Schlesien, aus dem Bereich der Hanse und des Rheingebietes, aus Thüringen und Sachsen, dem Bodenseegebiet und bevorzugt aus Südwestdeutschland. An dieser landschaftlichen Streuung seiner Beispiele sind durchaus einzelne biographische Bezüge erkennbar – Jena und Leipzig wurden nicht selten erwähnt. Zum anderen konzentrierte sich seine Aufmerksamkeit auf die Erforschung der Stadt des Hoch- und Spätmittelalters. Dies war aber nicht 237 Dies war der Gegenstand seiner Heidelberger Antrittsvorlesung 1957. 238 Diese Texte bestanden hauptsächlich aus Aufsätzen und Beiträgen für umfangreichere wissenschaftliche Sammelwerke oder Zeitschriften. Monographien zu stadthistorischen Fragen verfasste er nicht, an zusammenfassenden Darstellungen zur Geschichte der deutschen Stadt im Mittelalter veröffentlichte Maschke nur einen Aufsatz. Im Unterschied zu früheren Publikationen richtete er sich nun vorrangig an Experten, obwohl er auch gelegentlich in Radiovorträgen Einzelfragen der Stadtgeschichte behandelte. 239 Protokoll über die 3.  Arbeitstagung des Südwestdeutschen Arbeitskreises für Stadtgeschichtsforschung »Patriziat und andere Führungsschichten in den südwestdeutschen Städten« in Memmingen, 13.–15.11.1964, S. 39–40.

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gleichbedeutend mit Maschkes Desinteresse an der Stadtgeschichte in anderen Zeiträumen. Im Gegenteil! Nur seine eigenen Schriften verblieben zeitlich im Mittelalter; im Rahmen des südwestdeutschen Arbeitskreises regte er stadtgeschichtliche Untersuchungen auch späterer Jahrhunderte an, wofür die Protokolle des Arbeitskreises Zeugnis ablegen. Im Jahr 1967240 stellte er selbst Forschungsdesiderate in Bezug auf die neuzeitliche Geschichte der Stadt fest und beklagte besonders das Fehlen von stadtgeschichtlichen Untersuchungen zur Phase der Industrialisierung. Für die überblicksartige Betrachtung der Schriften von Maschkes Stadtgeschichtsforschung bleibt aber das Kuriosum festzuhalten: Erich Maschke hatte zwar den Lehrstuhl für Wirtschaftsgeschichte am Heidelberger Institut inne, seine Schriften zur Geschichte der deutschen Stadt im Mittelalter widmeten sich jedoch hauptsächlich sozialgeschichtlichen Fragestellungen. Diese sozialgeschichtlichen Fragestellungen gaben der deutschen Stadtgeschichtsforschung bedeutende und langanhaltende Impulse241. Nach 1945 hatte die deutsche Stadtgeschichtsforschung aus verschiedenen Gründen einen großen Aufschwung genommen. In einer zusammenfassenden Darstellung242 aus dem Jahre 1965 stellte Erich Keyser die Hinwendung zur Beschäftigung mit der Geschichte der Stadt in einen Zusammenhang mit dem Erleben des Kriegsendes und der Städtezerstörungen und auch mit dem Wegfall überregionaler und überlokaler historischer Bezugsgrößen. Auch die innerstädtischen Veränderungen, die sich in der Nachkriegszeit durch beispielsweise Wiederaufbau, Stadtvergrößerungen, Zuwanderungen und Stadtbevölkerungswachstum ergaben, machte Keyser für das zunehmende Interesse an der Geschichte der Stadt verantwortlich. Über die damaligen Motivationen Erich Maschkes, sich selbst der Stadtgeschichtsforschung zuzuwenden, geben seine autobiographischen Notizen keine Antwort. Hatte er einfach nur dankbar das Angebot des Speyerer Oberbürgermeisters angenommen, froh über die Möglichkeit einer bezahlten wissenschaftlichen Arbeit und gleichgültig dem Thema gegenüber? Oder war ihm infolge des mittlerweile obsoleten Volks- und Reichsbezugs seiner bisherigen Geschichtsdarstellungen die Beschäftigung mit Geschichte nur in lokalem Rahmen möglich, sinnvoll oder ungefährlich erschienen? In welcher Weise hatte er auch das Entwicklungspotential der deutschen Stadtgeschichtsforschung wahrgenommen und Wiedereinstiegs- und Profilierungsmöglichkeiten für sich darin gerade im Hinblick auf die neuen sozialgeschichtlichen Fragestellungen entdeckt? Die Eigendarstellung Maschkes, er sei mehr aus Versehen in die Sozialgeschichte 240 Maschke, Die deutsche Stadtgeschichtsforschung und die Geschichte der Stadt Pforzheim, S. XIII. 241 Borgolte, Sozialgeschichte des Mittelalters, S. 66 ff. 242 Keyser, Erforschung und Darstellung der deutschen Städtegeschichte 1945–1965. Zur älteren Geschichte der Stadtgeschichtsschreibung Koller, Zur Entwicklung der Stadtgeschichtsforschung im Raum. Ein kurzer Überblick über Methoden und Konzepte der deutschen Stadtgeschichtsforschung nach 1945 auch in Fouquet, Erich Maschke und die Folgen, S. 16–17.

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hineingestolpert, kann durchaus bezweifelt werden243. Welche Antworten auf diese Fragen auch immer denkbar wären, nun zurück zur Entwicklung der Stadtgeschichtsschreibung jener Jahre. Untersuchungen zur Rechts-, Verwaltungs- und Verfassungsgeschichte hauptsächlich der großen Städte standen damals zumeist im Vordergrund und stellten die Fragen nach der Entstehung der Städte, nach dem Ursprung und der Frühzeit des Städtewesens in den Mittelpunkt ihrer Betrachtungen. Anfänglich noch auf die Darstellung der Genese einzelner Städte beschränkt, entstanden nun auch Arbeiten über die Entstehung des Städtewesens in größeren Räumen. Erich Maschke nahm zu diesem Fragekomplex keine eigenen Untersuchungen vor. Doch allmählich stießen auch andere Aspekte der vorrangig mittelalterlichen Stadtgeschichte auf das Interesse von Forschern und Wissenschaftlern244. Arbeiten zu zahlreichen Einzelfragen aus sämtlichen Gebieten des städtischen Lebens wie beispielsweise zur städtischen Wirtschaftsgeschichte des Mittelalters, zur Städtebaugeschichte oder zur städtischen Bevölkerung, vor allem zur städtischen Oberschicht, zur Sozialtopographie und innerstädtischen Besitzverteilung entstanden. Die traditionelle Verfassungsgeschichte wurde mit sozialgeschichtlichen Fragen verknüpft und die sozial- und wirtschaftsgeschichtlichen Untersuchungen gewannen weiter an Gewicht. In diese Entwicklungen reihten sich Erich Maschkes erste Arbeiten ein. In seiner grundlegenden, noch heute Maßstäbe setzende245 Studie über »Verfassung und soziale Kräfte in der deutschen Stadt des späten Mittelalters, vornehmlich in Oberdeutschland« (1959) verband er beide Linien. Damit übte auf die weitere bundesdeutsche Stadtgeschichtsforschung große Wirkung aus, da er darin einen neuen Anstoß für die Erforschung des lange vernachlässigten Spätmittelalters gab246. Einen völlig neuen Forschungsbereich eröffnete er der Stadtgeschichtsschreibung später, als er die Schichtung der mittelalterlichen Stadtbevölkerung als großes Forschungsdesiderat erkannte und daran ging, dieses durch eigene Untersuchungen mit Blick auf die Unter- und Mittelschichten sowie die sozialen Gruppen innerhalb der Stadt zu bearbeiten. Ihm war aufgefallen, dass eine ausschließlich rechts- und verfassungsgeschichtlich verstandene Gliederung der städtischen Gesellschaft sich nur zum Teil mit der sozialen Struktur deckte. Sein Anliegen war es, über die verfassungsgeschichtlich primär relevanten Bevölkerungsgruppen hinaus – die bis dahin vorrangig im Fokus der Forschung gestanden hatten und standen247 – weitere Schichten zu untersuchen, um soziale Strukturen der 243 So z. B. Etzemüller, Sozialgeschichte als politische Geschichte, S. 146. 244 Zu Forschungsfragen, mit denen sich die deutsche Stadtgeschichtsforschung nach 1945 beschäftigte Fouquet, Erich Maschke und die Folgen. 245 Fouquet, Erich Maschke und die Folgen, S. 18. 246 Haverkamp, Die »frühbürgerliche« Welt im hohen und späten Mittelalter, S. 590. 247 Vgl. im Gegensatz zu Maschkes Auffassung die Untersuchungen zur gesellschaftlichen Struktur der mittelalterlichen Städte auf den Reichenau-Tagungen des Konstanzer Arbeitskreises 1963 und 1964 in »Vorträge und Forschungen« XI, 1966. Zu diesem Problem auch Schreiner, Wissenschaft von der Geschichte des Mittelalters nach 1945, S. 133 ff.

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mittelalterlichen Stadtbevölkerung zu erfassen und Aussagen über den gesamten Aufbau der Stadtbevölkerung treffen zu können. So war Erich Maschke einer der ersten und wenigen deutschen Historiker bürgerlicher Herkunft, die die Unterschichten als behandlungswürdige Gegenstände der Geschichtswissenschaft erkannten248. Erschöpft sich die Bedeutung Erich Maschkes für die Entwicklung der deutschen Stadtgeschichtsforschung in diesen beiden Aspekten? Darüber hinaus ist weiteres zu berücksichtigen. 9.8.1 Die Auseinandersetzung mit der Annales-Geschichtsschreibung und der DDR-Stadtgeschichtsforschung Wie bereits an anderer Stelle erwähnt, versuchte Maschke, für die Rezeption der französischen Sozialgeschichtsschreibung der Annales in Deutschland eine Lanze zu brechen und ihre Impulse an die deutsche Forschungslandschaft weiterzugeben. Gerade seine eigenen stadtgeschichtlichen Texte bezeugten diese französischen Einflüsse, die er erfolgreich in die deutschen Forschungen zur Stadtgeschichte einbrachte: 1962 wandte er sich auf einem deutsch-französischen Kolloquium in Kooperation mit Fernand Braudel, dem damals führenden Vertreter der Annales-Schule, der Untersuchung der Unterschichten in den deutschen Städten des Mittelalters zu. Weitere Arbeiten Erich Maschkes wie zur Armut (1962), zur sozialen Mobilität (1964) und zum Berufsbewusstsein sozialer Gruppen in den mittelalterlichen Städten entstanden im engen Austausch mit französischen Historikern. Auch die deutsche Stadtgeschichte im 15. und 16. Jahrhundert rückten seine französischen Historikerkollegen Jean Schneider und Maurice Jacob erstmals in sein Blickfeld. Anregungen erhielt Maschke auch durch die Arbeiten des Straßburger Historikers Phillippe Dollinger249. Der Einfluss der französischen Fragestellungen wird gerade in Maschkes sozialpsychologischen oder fast mentalitätsgeschichtlichen Texten zum Berufsbewusstsein der mittelalterlichen Kaufleute sowie in seinen Arbeiten zur Bevölkerungsschichtung der mittelalterlichen deutschen Städte spürbar. Auch die Methoden der Annales-Geschichtsschreibung beeinflussten Maschkes Forschen und Arbeiten nach eigenem Bekunden250. Schon bei einer flüchtigen Durchsicht der stadtgeschichtlichen Arbeiten Erich Maschkes erkennt der Leser ein von anderen Themen her vertrautes Charakteristikum seiner Texte wieder: die Nähe zu den Quellen und die Suche danach, die Quellen selbst sprechen zu lassen. Diese Orientierung an den Quellentexten erreichte hier ein besonders hohes Maß. Das verband sich mit der Verwendung bestimmter, in Maschkes Schriften 248 Alfred Haverkamp sprach von »Pionierarbeit«, die Erich Maschke hier leistete. Haverkamp, Die »frühbürgerliche« Welt im hohen und späten Mittelalter, S. 596. 249 Maschke, Das Problem der Entstehung des Patriziates in den südwestdeutschen Städten, S. 10 ff. 250 Maschke, Begegnungen mit Geschichte, S. XVII.

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bis dahin teilweise unbekannter Methoden. Sie machte er für die deutsche mittelalterliche Stadtgeschichtsforschung fruchtbar: An zahlreichen stadtgeschichtlichen Arbeiten Erich Maschkes wird deutlich, dass er neben begriffsgeschichtlichen vielfach differenzierende und prosopographische Methoden anwendete, um seine Fragestellungen zu untersuchen und zu quellenmäßig abgesicherten Erkenntnissen zu kommen. Doch Erich Maschke scheute vor allem auch vor der Übernahme weniger traditioneller geschichtswissenschaftlicher Methoden nicht zurück. Neben volksgeschichtlichen Traditionen hierin auch einen Einfluss der Annales-Geschichtsschreibung zu sehen, scheint wohl nicht weithergeholt, hatten die Annales-Historiker doch neben statistischen, wirtschaftswissenschaftlichen Bilanzmethoden und verschiedenen Verfahren der Faktorenanalyse unter anderen auch soziologische Methoden angewandt, wie sie nun verstärkt auch in Maschkes Publikationen zu finden waren. Nicht nur ihnen gegenüber öffnete Erich Maschke sein wissenschaftliches Arbeiten und plädierte für eine gründliche und kritische Auseinandersetzung251: »Wenn wir in der Stadtgeschichtsforschung über die bisherigen Fragestellungen hinaus nun auch die sozialgeschichtliche stärker mit hineinnehmen, so bedeutet das, daß wir damit auch bestimmte Methoden neu aufnehmen müssen, die bisher nicht in unserer Geschichtswissenschaft entwickelt worden sind, sondern im Bereich der Soziologie. Für die sozialgeschichtliche Erforschung der Stadt bietet die Schichten- und Gruppensoziologie genau das Instrumentarium, das wir brauchen, wobei wir es mit möglichster Präzision handhaben sollten, ohne zu vergessen, daß wir Historiker sind. Hier aber neue Methoden zu übernehmen, mit Begriffen zu arbeiten, die u. U. etwas problematisch sein können, die man aber experimentell durchspielen sollte, halte ich als für unsere Arbeit notwendig.«

In diesem Sinne einer methodischen Synthese zwischen Geschichte und Sozial­ wissenschaft, die ganz den Absichten der Annales entsprach, führte Maschke neue, der Soziologie entstammende Begriffe in die deutsche Stadtgeschichtsforschung ein. Einer davon war, wie schon erwähnt, der Begriff der »Schicht«. Unter sorgfältiger Überprüfung begrifflicher Alternativen wie »Kaste«, »Klasse« oder »Stand«252 hielt Maschke ihn für am geeignetsten, die reale historische Gliederung der vorindustriellen Stadtbevölkerung zu erfassen. Er bezeichnete 251 Maschke/Sydow (Hg.), Verwaltung und Gesellschaft in der südwestdeutschen Stadt des 17. und 18. Jahrhunderts, S. 117–118. 252 Maschke, Die Schichtung der mittelalterlichen Stadtbevölkerung Deutschlands als Problem der Forschung. Nach Auffassung von Gerhard Fouquet wies Erich Maschke den historischen Phänomenen »Recht« und »Verfassung«, mit denen die bisherige Stadtgeschichtsforschung die historische »Wirklichkeit« einzig und allein erfassen wollte, einen neuen Platz zu, als er für eine differenzierte Verwendung des Rechtsbegriffes »Stand« plädierte (1964). Damit und im Anschluss an seine Arbeit über die »Verfassung und soziale Kräfte« von 1959 habe er die seit Beginn der 1960er Jahre vollzogene Wende von der Volksgeschichte hin zur Strukturgeschichte in der Stadtgeschichtsforschung markiert. Fouquet, Erich Maschke und die Folgen, S. 18.

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»sich durch das ganze soziale System hindurchziehende, klar voneinander abzugrenzende und auf Grund der Wertung des jeweils betrachteten Merkmals als über- und untereinander, als höher und tiefer liegend empfundene Gruppierungen von Mitgliedern eines sozialen Systems.«253

Durch die soziale Wertung ihrer Mitglieder und durch sozial relevante Merkmale waren die einzelnen Schichten objektiv und subjektiv gekennzeichnet und somit erfassbar. Anhand dieser spezifischen sozial relevanten Merkmale, sogenannter »Lagemerkmale« – ebenfalls ein von ihm eingeführter soziologischer Begriff – umriss Maschke Größe, Differenzierung, soziale Bedeutung, gesellschaftliche Wertung sowie das politische Gewicht der untersuchten Bevölkerungsschicht. Er gelangte auf diese Weise allmählich zu einem Schichtenmodell der mittelalterlichen städtischen Gesellschaft. Es unterteilte die Stadtbevölkerung in eine im Wesentlichen durch das Patriziat bestimmte Oberschicht, eine zweigeteilte kommerzielle bzw. handwerkliche Mittelschicht sowie in eine Unterschicht, die zahlenmäßig die größte Personengruppe umfasste. Sein struktur- und mentalitätsgeschichtliches Schichtenkonzept hat nach Meinung von Gerhard Fouquet tiefe Spuren in der deutschen Forschung zur Stadtgeschichte der späten 1960er und 1970er Jahre hinterlassen254. Es traf dabei aber nicht immer auf Zustimmung255. Über den Modellcharakter seines Konzeptes von der sozialen Schichtung war sich Erich Maschke selbst immer im Klaren256. Daher suchte er in weiteren Analysen der in Schichten gegliederten und auf diese Weise auch getrennten Stadtbevölkerung nach verbindenden Elementen. Dabei stieß er – auch auf französische Anregungen hin – auf »soziale Gruppen«, die innerhalb einzelner Schichten oder schichtenübergreifend angesiedelt waren, wobei ein Individuum mehreren Gruppen angehören konnte. Den Begriff »soziale Gruppe« entnahm er ebenfalls der Soziologie und bezeichnete mit ihm »eine Anzahl von Menschen […], die durch ihre Überschaubarkeit, durch gleiche, sozial relevante Merkmale zur Kennzeichnung im Inneren und Abgrenzung nach außen sowie durch ein alle Mitglieder verbindendes Wir-Gefühl eine soziale Einheit von relativ großer Dauer bilden.«257 253 Maschke, Die Unterschichten der mittelalterlichen Städte Deutschlands, S.  2. An dieser Definition von »Schicht« nahm er auch in den späteren Arbeiten keine Änderungen vor. 254 Fouquet, Erich Maschke und die Folgen, S. 19. 255 Stoob im Vorwort zu: Altständisches Bürgertum 2, S. IX; Rüthing, Höxter um 1500, S. 453. 256 Maschke, Wortmeldung, in: Protokoll über die 3.  Arbeitstagung des Südwestdeutschen Arbeitskreises für Stadtgeschichtsforschung »Patriziat und andere Führungsschichten in den südwestdeutschen Städten« in Memmingen, 13.–15.11.1964 (1965), S. 23: »Zu den Bemerkungen von Herrn Dr. Schwineköper muß ich sagen, dass mir bei meinen Thesen nicht ganz wohl ist, aber wohl ist mir überhaupt bei keinen Thesen mehr. Ich bin der Überzeugung, dass das nicht nur an der Quellenarmut liegt oder an der schweren Interpretierbarkeit von mehr oder minder isoliert überlieferten Quellen, sondern dass es den Tatbeständen der historischen Wirklichkeit sehr viel mehr entspricht, dass die Thesen, seien sie rechtsgeschichtlich oder soziologisch formuliert, nie ganz ›stimmen‹.« 257 Maschke, Soziale Gruppen in der deutschen Stadt des späten Mittelalters, S. 127.

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Aus der Vielzahl dieser sozialen Gruppen interessierten ihn neben der Familie auch die Handwerkerzünfte, die Handwerksgesellen in der Unterschicht, das Patriziat in der Oberschicht sowie weitere, weniger konstante soziale Gruppen. In diesem Zusammenhang begann er auch, sich wenige Jahre vor seinem Tod mit der Bedeutung der Familie zu beschäftigten258 und gab damit nach Meinung Gerhard Fouquets den Anstoß zur Erforschung der spätmittelalterlichen Familie in Deutschland259. Fouquet sah in Maschkes Hinwendung zu »sozialen Gruppen« eine Abkehr von der Strukturgeschichte hin zu einer Mentalitätengeschichtsschreibung260. Diese Auffassung vertrat auch Otto Gerhard Oexle, der resümierend von »Marksteinen« sprach, die Erich Maschkes stadtgeschichtliche Arbeiten darstellten. Bis hierher wurde der Versuch unternommen, Erich Maschkes stadtgeschichtliche Forschungen in ihren vielfältigen Bezügen zur französischen Geschichtsschreibung der Annales zu schildern. Doch Erich Maschkes Arbeiten zeigten sich noch in eine andere Richtung hin offen. Wie nur wenige westdeutsche Forscher, nahm er die Ergebnisse der DDR-Stadtgeschichtsforschung ernst und plädierte für eine Auseinandersetzung mit ihr. Er würdigte sie sehr kritisch, ohne sich in weltanschaulichen Grundsatzdiskussionen zu verlieren261. Aufgrund seiner theoretischen Kenntnisse über die marxistischen Grundlagen der entsprechenden DDR-Forschungen war er in der Lage, ihre ideologischen Begrenzungen, Einseitigkeiten und Kurzsichtigkeiten zu erkennen, Einsichten von all258 Maschke, Die Familie in der deutschen Stadt des späten Mittelalters. Dies korrespondiert mit der Feststellung Jürgen Kockas, dass seit ungefähr 1975 Familie und Haushalt in den Vordergrund des sozialgeschichtlichen Interesses gerückt seien. Kocka, Einleitung, in: ders. (Hg.), Sozialgeschichte im internationalen Überblick, S. 13. 259 Fouquet, Erich Maschke und die Folgen, S.  19. Auch Rüthing verweist auf die vielfältigen Anregungen, die seine Arbeit durch Erich Maschkes Untersuchungen erhalten habe.­ Rüthing, Höxter um 1500, S. 345. 260 Fouquet, Erich Maschke und die Folgen, S. 19–20. Oexle, Vom Staat zur Kultur des Mittelalters, S. 53: »Auch sie bedeuten einen Paradigmenwechsel: im Hinblick auf die städtischen Umwälzungen, die sogenannten ›Zunftkämpfe‹, die Beschreibung von sozialen Gruppen (den Zünften) in einer Synthese von Verfassungs-, Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, in der Einführung der Schichtungsanalyse, in der Entdeckung der Rolle von Familien im städtischen Gefüge und des ›Berufsbewusstseins‹ des mittelalterlichen Fernkaufmanns. Auch bei Maschke finden wir die Konkordanz mit den französischen Ansätzen der Mentalitätengeschichte«. 261 Maschke, Deutsche Stadtgeschichtsforschung auf der Grundlage des historischen Materialismus, S.  140: »Die deutsche Stadtgeschichtsforschung auf der Grundlage des histo­ rischen Materialismus ist in ihrer Beschränkung auf die Sozialgeschichte, bei der sie fast ausschließlich von sozialen Gegensätzen ausgeht, einseitig, aber sie ist nicht einseitiger als eine isoliert betriebene ›idealistische‹ oder ›pragmatische‹ Geschichtsschreibung. Schon heute hat sie durch die Untersuchung von Sozialstrukturen, den in ihnen bestehenden Spannungen und den inneren und äußeren Strukturveränderungen wesentliche Forschungslücken ausgefüllt und Phänomene untersucht, die im ganzen der Geschichte ihr volles Gewicht haben, aber bisher das Interesse der Historiker nicht ausreichend erregten.«

Stadtgeschichte als »bevorzugtes Forschungsgebiet«

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gemeiner Gültigkeit aber zu würdigen. Er stellte die Unterschiede zur modernen internationalen Stadtgeschichtsforschung heraus und benannte ohne Polemik die Vor- und Nachteile einer marxistischen Stadtgeschichtsforschung. Dabei kritisierte er die unveränderte Anwendung eines von Friedrich Engels übernommenen Konzeptes, das geringe Interesse der DDR-Stadtgeschichtsforschung an der frühen Stadtgeschichte und ihre Verkennung der Bedeutung und des Wesens religiöser und geistiger Bewegungen sowie der Komplexität des historischen Vorganges der »Bürgerkämpfe«. Die »große Chance« der marxistischen Stadtgeschichtsforschung sah Maschke in der Verfolgung sozial- und wirtschaftshistorischer Problemstellungen, für welche sie aufgrund ihrer ideologischen Voraussetzungen geeignet sei und bezeichnete sie im Unterschied zu vielen westdeutschen Kollegen als eine »wertvolle Bereicherung und Ergänzung« der histo­ rischen Forschung. Dieser Einschätzung wegen hielt Maschke 1966 ein »gemeinsames Gespräch« für »dringend notwendig«262. Erich Maschkes Auseinandersetzung mit der Stadtgeschichtsforschung auf der Grundlage des historischen Materialismus umfasste zwar auch andere Themen, konzentrierte sich aber auf das beiderseitige gemeinsame Studium der so genannten »Bürgerkämpfe« wie der Unter- und Mittelschichten. In überraschender Zeitgleichheit war der DDR-Historiker Karl Czok zu ähnlichen Ergebnissen wie Erich Maschke gekommen, was den historischen Zusammenhang zwischen Städtebünden bzw. Städtebundpolitik und innerstädtischen sozialen Auseinandersetzungen anbelangte. Auch hatten sich beide Gelehrte gleichermaßen durch polnische Untersuchungsergebnisse anregen lassen. Zu einem direkten Austausch oder einer Kooperation über die interessierenden Gegenstände »Bürgerkämpfe« und »Unter- und Mittelschichtsforschung« kam es aber nicht263. Maschkes Arbeiten wurden in der DDR auch rezipiert. 9.8.2 Der Südwestdeutsche Arbeitskreis für Stadtgeschichtsforschung Erich Maschke verfasste seine stadtgeschichtlichen Arbeiten aber weder im luftleeren Raum noch im stillen akademischen Kämmerlein. Seine Mitgliedschaft in zahlreichen stadthistorischen Arbeitskreisen sorgte dafür, Impulse aus der interdisziplinären Zusammenarbeit mit stadtgeschichtlich interessierten Experten aus unterschiedlichsten Fachgebieten und -richtungen aufzunehmen, weiterzuverarbeiten, selbst Anregungen zu geben und neue Forschungen zu initiieren. Von besonderer Bedeutung war in diesem Zusammenhang Erich Maschkes langjährige Mitarbeit im südwestdeutschen Arbeitskreis für Stadtgeschichtsforschung.

262 Maschke, Deutsche Stadtgeschichtsforschung auf der Grundlage des historischen Materialismus, S. 141. 263 Borgolte, Der misslungene Aufbruch, S. 385.

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Die Gründung dieses Arbeitskreises wurde 1960 von dem Konstanzer Stadtarchivar Otto Feger zum Zwecke der wissenschaftlichen Erforschung des Städtewesens und der städtischen Geschichte vornehmlich im südwestdeutschen Raum angeregt. Kurz nach seiner Gründung wurde Erich Maschke zur Mitarbeit eingeladen und 1965 zum ersten Vorsitzenden gewählt. In dieser Funktion leitete er die Mitgliederversammlungen, Sitzungen des Vorstandes und vor allem die Arbeitstagungen. Gemeinsam mit dem Geschäftsführer J­ürgen­ Sydow, dem organisatorischen Kopf des Arbeitskreises, oblag ihm die redaktionelle Hauptarbeit bei der Herausgabe der auf den Tagungen gehaltenen Referate. Das zunehmende Interesse an den Tagungen führte dazu, dass die Kommission für geschichtliche Landeskunde Baden-Württembergs die Protokolle der Tagungen seit 1966 in ihre Veröffentlichungen aufnahm. Doch blieb der Arbeitskreis thematisch-inhaltlich nicht auf den südwestdeutschen Raum Deutschlands beschränkt, sondern bezog auch Probleme der Stadtgeschichte aus anderen deutschen Regionen wie auch aus angrenzenden Staaten und Ländern in seine Diskussionen mit ein. Fragen der Stadtgeschichte in den westlichen Teilen von Bayern, dem österreichischen Vorarlberg, der nördlichen Schweiz und dem Elsaß standen ebenso auf dem Programm. Auch das Engagement und die Mitgliedschaft der Fachexperten aus den jeweiligen Landschaften wurden geschätzt und trugen zum Aufschwung des Arbeitskreises nicht unmaßgeblich bei. Allmählich wuchsen auch die Verbindungen ins Ausland, nach Österreich und Frankreich, Belgien und den Niederlanden und schließlich auch nach Polen, Ungarn und in die Tschechoslowakei. Eingebettet war das Wirken des südwestdeutschen Arbeitskreises natürlich nicht nur in die internationale, sondern auch in die vielgestaltige deutsche Forschungslandschaft zur Stadtgeschichte. Verbindungen fachlicher wie auch persönlicher und personeller Art bestanden u. a. zum Arbeitskreis für landschaftliche deutsche Städteforschung unter der Leitung von Walther Schlesinger und Edith Ennen, der 1974 im südwestdeutschen Arbeitskreis aufging, zum Institut für vergleichende Städtegeschichte wie auch zum Hansischen Geschichtsverein. Sie alle sorgten dafür, dass die deutsche Stadtgeschichtsforschung einen großen Aufschwung nahm und sich thematisch ausweitete. Dies wird besonders deutlich an den Generalthemen der Tagungen des südwestdeutschen Arbeitskreises. Probleme der Verfassungsgeschichte, der Topographie, der Typologie einzelner Stadtformen, der Wirtschaftsgeschichte und vor allem der Sozialgeschichte standen im Laufe der Zeit im Vordergrund. Gerade in den Forschungen zur Sozialgeschichte wurde der Arbeitskreis führend in der deutschen Stadtgeschichtsforschung. Dabei ist der wegweisende Einfluss Erich Maschkes in den 1960er Jahren nicht zu verkennen, betrachtet man allein die entsprechenden Themen der Tagungen: »Patriziat und andere Führungsschichten« (Arbeitstagung in Memmingen 1964), »Gesellschaftliche Unterschichten« (SchwäbischHall 1966), »Städtische Mittelschichten« (Biberach 1969), »Verwaltung und Gesellschaft in den Städten des 17. und 18. Jahrhunderts« (1969) sowie »Stadt und Ministerialität« (Freiburg 1970).

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Abgesehen von dieser Hinwendung des Arbeitskreises zu sozialgeschichtlich orientierten Themen der Stadtgeschichte gab Erich Maschke auch wichtige thematische und inhaltliche Anregungen für die Tagungen späterer Jahre, leitete diese lange Zeit als Erster Vorsitzender und setzte seine internationalen Beziehungen für den Arbeitskreis ein. In enger Kooperation mit Jürgen Sydow, der ihm in den späteren Jahren immer mehr und mehr organisatorische und editorische Arbeiten abnahm, da er krankheits- und altersbedingt nicht mehr in der Lage dazu war, vertrat Maschke die Belange des Arbeitskreises mit viel Geschick vor den Geld gebenden politischen und wirtschaftlichen Sponsoren264. Im Ganzen kann Maschkes Engagement für den Arbeitskreis wohl kaum überschätzt werden.

9.9 Die Wissenschaftliche Kommission zur deutschen Kriegsgefangenengeschichte Das Großforschungsprojekt einer deutschen Kriegsgefangenengeschichte des Zweiten Weltkrieges offenbart wie kaum ein anderes Forschungsvorhaben Erich Maschkes die Kontinuitäten, Wechselfälle, Brüche und Neuanfänge in seinem wissenschaftlichen Lebenslauf und in seiner persönlichen Vita. Es nahm ihn ab 1959 mehr als fünfzehn Jahre lang in Anspruch, auch über seine Emeritierung und Wirkungszeit an der Heidelberger Universität hinaus und bedeutete für ihn ein wesentliches Stück seiner Lebensarbeit. Aus diesem Grund muss dieses Großforschungsprojekt ausführlich betrachtet werden. Bevor einzelne Aspekte näher untersucht werden, ist ein kurzer Überblick über seine Vorgeschichte sinnvoll. Einzelne Verbände, Organisationen und Institutionen, die in die Betreuung der Kriegsgefangenen eingebunden gewesen waren, hatten schon frühzeitig Versuche unternommen, eine Dokumentation zum Thema Kriegsgefangenschaft ins Leben zu rufen265. Diese Versuche waren aus verschiedenen Gründen wenig ertragreich geblieben. Erst 1957, nach der Heimkehr der letzten großen Gruppe von deutschen Gefangenen aus der Sowjetunion 1956, hatten die Initiativen des beim Bundesministerium für Vertriebene (BMVt) angesiedelten Kriegsgefangenenbeirates266 Erfolg: Eine »Arbeitsgruppe für die Dokumentation des Schicksals der deutschen Gefangenen des 2. Weltkrieges« wurde gegründet. Dieser Kriegsgefangenenbeirat fasste 1957 zunächst einmal den Beschluss, dass die Arbeitsgruppe das Schicksal derjenigen dokumentieren sollte, die als 264 Vgl. dazu den umfangreichen Bestand »Südwestdeutscher Arbeitskreis für Stadtgeschichtsforschung« im Stadtarchiv Pforzheim. 265 Vgl. Maschke, Deutsche Kriegsgefangenengeschichte: Der Gang der Forschung, S. 4. 266 Ihm gehörten Vertreter der Arbeiterwohlfahrt, des Caritas-Verbandes, des Evangelischen Hilfswerkes für Kriegsgefangene und Internierte, des Suchdienstes des Roten Kreuzes, der SPD-Kriegsgefangenenhilfe und des Verbandes der Heimkehrer, Kriegsgefangenen und Vermisstenangehörigen Deutschlands e. V. (VdH) an.

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Kriegsgefangene im Sinne des Heimkehrergesetzes267 galten. Auch sollten alle Gewahrsamsmächte in der Dokumentation erfasst werden, wofür systematisch Material zu sammeln sei. Angesichts der vordringlichen Aufgabe, dieses Material erst einmal zusammenzutragen und zu sichten, wurde eine Organisationsform ins Auge gefasst, die die Wissenschaftlichkeit des Projektes allerdings stark beeinträchtigte: Einer Technischen Kommission fiel die Aufgabe der Materialsammlung zu, während eine Wissenschaftliche Kommission die wissenschaftliche Auswertung übernahm. Diese wissenschaftliche Kommission wurde unter die Leitung des Direktors des Osteuropa-Institutes München, Prof. Dr. Dr. Hans Koch, gestellt. Ihn hatte der Leiter der Technischen Kommission und Leiter des Suchdienstes K. W. Böhme dafür vorgeschlagen268. 1959 wurden beide Gruppen unter Kochs Leitung zusammengeführt und damit eine Organisationsform gefunden, die bis zum Ende der Kommissionsarbeit Bestand hatte. Nach Hans Kochs frühem Tod im April 1959 kam es nicht zur Gründung eines eigenen Institutes oder zur Anbindung der Kommission an ein solches. Der rechtlichen Grundlage der Kommission als ein Unternehmen entsprechend, war ihre Existenz nach Kochs Tod ungesichert. Am 20. Juni 1959 sprang Erich Maschke in diese Bresche. Unter seiner Leitung und mit der tatkräftigen und kompetenten Unterstützung der Geschäftsführer der Kommission K. W. Böhme bzw. später Helmut Wolff entstanden in den nächsten mehr als fünfzehn Jahren in der Form eines Großprojektes insgesamt 22 Bände einer Schriftenreihe zur deutschen Kriegsgefangenengeschichte. Sie war in der Darstellung nach politisch-geographischen Gesichtspunkten aufgebaut: Zwei Bände beschäftigten sich mit der Gefangenschaft in Jugoslawien, sieben Bände mit der in der Sowjetunion, ein Band mit der Gefangenschaft in Polen und der Tschechoslowakei. Ein weiterer Band widmete sich der Geschichte der deutschen Kriegsgefangenen in Frankreich, je zwei Bände der Gefangenen in US-amerikanischer Hand und 267 Nach dem Heimkehrergesetz vom 19.6.1950 galten als Heimkehrer: Deutsche, die wegen ihrer Zugehörigkeit zu einem militärischen oder militärähnlichen Verband kriegsgefangen waren, Kriegsgefangene, die zur Überführung in ein ziviles Arbeitsverhältnis im bisherigen Gewahrsamsland entlassen worden waren, Deutsche, die wegen ihrer Volkszugehörigkeit oder ihrer Staatsangehörigkeit im Ausland interniert waren, sofern die Internierung nicht wegen nationalsozialistischer Betätigung im Ausland erfolgte. Für diese Gruppen galt die zeitliche Richtlinie, innerhalb von zwei Monaten nach der Entlassung in der Bundesrepublik Aufenthalt genommen zu haben oder zu nehmen. Zit. n.­ Draeger, Heimkehrergesetz, S. 11. In der Folgezeit wurde der Personenkreis, den die Arbeit der Kommission erfassen sollte, bedeutend eingeschränkt. 268 BA-MA Freiburg, B 205–1754, Vermerk K. W. Böhmes vom 3.7.1957: »Herr Rechtsanwalt Brockhaus und ich sind […] der Meinung, daß man zugleich auch mit Beginn der Vorbereitungsarbeiten einen wissenschaftlichen Leiter der Kommission ernennen sollte, damit dessen Erfahrungen für die Aufbereitung des Materials zur Verfügung stehen. Wir denken hierbei an Herrn Prof. Koch vom Osteuropa-Institut München, den Herr Rechtsanwalt Brockhaus persönlich sehr gut kennt und der auch schon in den vergangenen Jahren großes Interesse an der Suchdienstarbeit gezeigt hat. Das BMVt müsste gebeten werden, seinerseits mit Herrn Prof. Koch in Verbindung zu treten.«

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in britischem Gewahrsam. Des Weiteren gehörte ein Band in die Schriftenreihe, der das Schicksal der deutschen Kriegsgefangenen in den Beneluxstaaten beleuchtete. Eine übergreifende Darstellung untersuchte den »Geist und die Kultur der deutschen Kriegsgefangenen im Westen«. Ergänzt wurden diese Bände durch zwei Beihefte, in denen autobiographische Aufzeichnungen aus den Lagern veröffentlicht wurden. Auch wenn die Publikationsreihe der Wissenschaftlichen Kommission aus verschiedenen Gründen seit ihrem Erscheinen nur auf äußerst geringe Resonanz seitens der deutschen Fachwelt stieß  – rückblickend entsteht sogar der Eindruck, diese habe die Ergebnisse der Kommissionsarbeit ignoriert – wurde doch in den wenigen neueren Einschätzungen269 ihre Bedeutung hoch veranschlagt und die Bemühungen der Kommission lobend anerkannt. So meinte Peter Steinbach 1998: »Das Forschungsvorhaben von Maschke ist bis heute eines der bemerkenswertesten sozialhistorischen Forschungsprojekte geblieben.«270 Auch Rolf Steininger charakterisierte die Schriftenreihe als »the authoritative study of the German POWs«271 und pflichtete damit der Auffassung von Wolfgang Benz bei, wonach auch neuere Studien die basic results, sogar die meisten Details der Forschungsergebnisse der Kommission nicht korrigierten272. Insofern fanden erst lange Zeit nach ihrem Erscheinen sowohl die Schriftenreihe als auch die Arbeit der Kommission und damit »eine langjährige Arbeit  […], die ich als ein wesentliches Stück meiner Lebensarbeit ansehe«273 (Erich Maschke) eine späte Würdigung. 9.9.1 Die Ernennung Dieses Großforschungsprojekt einer deutschen Kriegsgefangenengeschichte bot für Erich Maschke in vielerlei Hinsicht neben Neuanfängen auch Wiederanknüpfungs- und Berührungspunkte mit früheren Themenbereichen und Wissenschaftsauffassungen, bekannten Gesichtern und älteren Forschungstra269 Nicht nur die Publikationsreihe der Wissenschaftlichen Kommission, auch diese selbst war bislang kaum Gegenstand der Forschung in Deutschland. Eine Ausnahme davon bildet ein Aufsatz von Rolf Steininger in einem Sammelband, der sich mit den Thesen des kanadischen Journalisten James Bacque auseinandersetzt (Steininger, Some Reflec­ tions on the Maschke-Commission.). Erst in jüngster Zeit erschien ein Aufsatz von­ Birgit ­Schwelling über die Wissenschaftliche Kommission: Dies., Zeitgeschichte zwischen Erinnerung und Politik. Die wissenschaftliche Kommission für deutsche Kriegsgefangenengeschichte, der Verband der Heimkehrer und die Bundesregierung. 270 Steinbach, Die sozialgeschichtliche Dimension der Kriegsheimkehr, S. 330. 271 Steininger, Some Reflections on the Maschke-Commission, S. 177. 272 Benz/Schardt (Hg.), Kriegsgefangenschaft: Berichte über das Leben in Gefangenenlagern, S. 174. 273 HStA Stuttgart, NL Erich Maschke J 40/10, Bü 166, Schreiben Erich Maschkes an Ernst Gieseking vom 11.2.1975.

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ditionen, wie bereits die Vorgänge um seine Ernennung zum Leiter der Wissenschaftlichen Kommission zeigten. Erich Maschke hatte höchstwahrscheinlich schon 1956 von Plänen Kenntnis erhalten274, eine Kommission zu gründen, die sich mit dem Schicksal der deutschen Kriegsgefangenen des Zweiten Weltkrieges beschäftigen sollte. In dieser Frühphase der Wissenschaftlichen Kommission waren Umfragen über Fachwissenschaftler durchgeführt wurden, die eventuell als Sachverständige für die Mitarbeit in der Kommission gewonnen werden könnten275. Erich Maschkes Name fand sich dabei auf Platz 7 einer Liste, sehr empfohlen für diese Aufgabe von Gerhard Ritter wie auch von Max Braubach. Einer Notiz zufolge lehnte er aber eine Beteiligung wegen Überlastung ab. Auf einer Ergänzungsliste zu diesen Vorschlägen276 kam sein Name daher nicht mehr vor. Offensichtlich hatte sich Erich Maschke an der Übernahme einer solchen Aufgabe nicht interessiert gezeigt. Der Grund für seine ablehnende Haltung lag wohl nicht nur in seiner Arbeitsüberlastung277. Was führte nun aber dazu, dass Erich Maschkes Name einige Jahre später erneut in Verbindung mit der Kommissionsarbeit gebracht wurde? Wie bereits erwähnt, war durch den plötzlichen Tod Hans Kochs im April 1959 die Weiterexistenz der Kommission völlig in Frage gestellt worden. In dieser Situation wandte sich am 13. April 1959 ein Mitarbeiter, Dr. Georg Franz, persönlich an den Bundesvertriebenenminister Theodor Oberländer: »Ich möchte Sie im Interesse der Dokumentation daher bitten, sich persönlich auch um diesen Teil des wissenschaftlichen Erbes von Herrn Prof. Koch anzunehmen [sic] und auf die so entscheidend wichtige Lösung der Nachfolgefrage in der Leitung der Kommission im Sinne des Verstorbenen Einfluss zu nehmen.«278

Der genaue Inhalt und Wortlaut, auch der Absender des Schreibens, das möglicherweise infolge dieser Bitte an Erich Maschke (nur an ihn?) erging, ist unbekannt. Erich Maschke reagierte jedenfalls in einer Weise, aus der hervorging, dass er sich von Theodor Oberländer bzw. dem Bundesvertriebenenministe274 Maschke, Sinn und Aufgabe der Kriegsgefangenendokumentation. Ein Vortrag, S. 3–4. 275 BAK, B 150–4376, Heft 1, Schreiben H. F. Meeses an H. W. Bergner (BMVt) vom 29.8.1956. 276 BAK, B 150–4376, Heft 2, Ergänzungen dieser Vorschlagsliste durch H. F. Meese vom Stand 15.10.1956. 277 Maschke, Sinn und Aufgabe der Kriegsgefangenendokumentation. Ein Vortrag, S.  3–4: »Als ich vor etlichen Jahren, ganz in den Anfängen der Vorbereitung, davon erfuhr und zur Mitarbeit aufgefordert wurde, war ich von vornherein nicht ohne Skepsis. Immer wieder hatte ich in den acht Jahren Kriegsgefangenschaft (…) mit meinen Freunden davon gesprochen, dass wir nach der Heimkehr ohne Haß- und Rachegefühle sein wollten, dass wir Hunger und Kälte, den Arbeitszwang und den Tod so vieler Kameraden nie vergessen, dass wir die Erinnerung daran aber nicht als eine schreckliche Rechnung auffassen wollten, die einmal vorgelegt werden könnte. Eine Dokumentation des in den verschiedenen Gewahrsamsländern Geschehenen konnte aber nur zu leicht und ganz ohne eigentliche Absicht in diese Linie geraten. Daher hielt ich mich zunächst zurück.« 278 BA-MA Freiburg, B 205–1791, Abschrift eines Schreibens von Dr. Georg Franz vom 13.4.1959 an Theodor Oberländer.

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rium aufgefordert fühlte, die Leitung der verwaisten Kommission zu übernehmen. Bereits zwei Wochen nach dem Gesuch von Dr. Franz, am 30. April 1959, nahm er an einer Sitzung der Kommission in München teil, um sie und ihre Arbeit kennen zu lernen. Anschließend legte er in einem sechsseitigen Exposé seine Gedanken, aber vor allem seine skeptischen grundsätzlichen Überlegungen dar und schrieb an den Minister: »Lieber Herr Oberländer! […] Das alte Vertrauensverhältnis, das uns über drei Jahrzehnte verbindet und über alle Wechselfälle der Geschichte und unserer persönlichen Schicksale wirksam geblieben ist, veranlasst mich, dem Exposé diese Zeilen mitzugeben. Denn ich bin keineswegs sicher, dass meine Stellungnahme den Intentionen Ihres Ministeriums entspricht, ich bin aber umso gewisser, dass Sie aus unserer alten Verbundenheit meine Haltung verstehen werden. Ich möchte auf keinen Fall, dass eine Sache, die mir und vielen anderen Kriegsgefangenen zu einem bleibenden menschlichen Inhalt ihres Lebens geworden ist, unter meiner Mitwirkung zu einer politischen Angelegenheit wird. Ich muss mich auch dagegen sichern, dass bei einem etwaigen Wechsel in der Leitung Ihres Ministeriums die Arbeit in eine Richtung gelenkt wird, die weder meinen Auffassungen noch Ihrer Zustimmung zu denselben entsprechen würde. […] Seien Sie bitte versichert, dass mir die dokumentarische Bewahrung des Kriegsgefangenenschicksals in dem Sinne, wie ich es in meinem Exposé ausgeführt habe, ein ernstes Anliegen ist, und dass ich das vollste Vertrauen in Ihr Verständnis für diese Auffassung der Arbeit setze. Prüfen Sie aber bitte ganz ohne Rücksicht auf meine Person, ob diese Auffassung für Ihr Ministerium überhaupt in Frage kommt. Ist das nicht der Fall, so findet sich gewiss jemand anders, der für diese Aufgabe geeigneter ist. Ich stehe Ihnen für die Auswahl einer solchen Persönlichkeit gegebenenfalls gern mit meinem Rat zur Verfügung.«279

Um den Leitungsposten der Kommission riss er sich ganz offensichtlich nicht: Mit deutlicher Skepsis stand er dem »derzeitigen Stand der Dinge«280 in der Kommissionsarbeit gegenüber, wie dieser sich in organisatorischen und finanziellen Fragen, noch schwerwiegender allerdings in Art und Charakter sowie in der geplanten Veröffentlichung des Projektes als einer amtlichen, d. h. politischen Auftragsarbeit präsentierte.

279 BA-MA Freiburg, B 205–1791, Schreiben Erich Maschkes an Theodor Oberländer vom 30.5.1959. Es ist ungewiss, ob Erich Maschke nach Übernahme der Leitungsfunktion häufiger in Verbindung mit dem Minister stand. Aus dem Jahr 1962, also nach seinem Rücktritt, ist ein Brief Theodor Oberländers an Maschke in dessen Nachlass überliefert, aus dem hervorgeht, dass Maschke ihn um Unterstützung gebeten hatte: »Da ich nicht mehr im Bundestag bin, ist es für mich etwas schwierig, mich für die Verlängerung der Zahlungen für die Kriegsgefangenen-Dokumente einzusetzen, zumindest geht es nicht direkt. Indirekt will ich es aber gern tun.« Zeugnisse eines weiterführenden und kontinuierlichen Briefwechsels zwischen beiden Historikern sind in den jeweiligen Nachlässen nicht überliefert, es scheint nur sporadisch Kontakt bestanden zu haben. 280 HStA Stuttgart, NL Erich Maschke J 40/10, Bü 115, Exposé vom 30.5.1959.

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»Die Dokumentation ist vornehmlich ein Politikum. Kein Gremium von Wissenschaftlern wird einer Veröffentlichung zustimmen, die wohl die Verhältnisse in den östlichen Gewahrsamsmächten umfassend darstellt, aber Unregelmässigkeiten der westlichen Gewahrsamsmachtstaaten unberücksichtigt lassen soll […], weil diese heute Verbündete der Bundesrepublik sind. Darüberhinaus wird auch eine wissenschaftlich einwandfreie und völlig objektive Darstellung der Kriegsgefangenschaft von Ost und West Antworten herausfordern, die die Dokumentation in eine gegenseitige Aufrechnung von Schuld und Vergehen hineinziehen. […] Dem historisch wissenschaftlichen Anliegen dieses Unternehmens sind zu deutliche Grenzen dadurch gesetzt, dass es als zeitgeschichtliche Untersuchung sich trotz aller Objektivität und wissenschaftlicher Unanfechtbarkeit als Politikum auswirken muss.«281

Das zitierte Schreiben an Theodor Oberländer vermittelt nicht den Eindruck, als ob Erich Maschke auf das erneute Eingreifen Oberländers in die eigene berufliche Entwicklung geradezu gewartet hätte. Vielleicht war er von dem Wiederanknüpfen an ihre persönliche Beziehung aus Ostforschertagen und damit von dem Beweis für die Langlebigkeit einer solchen Beziehung gar nicht begeistert, war er doch selbst eher dabei, sich allmählich aus den alten Ostforscherkreisen zu verabschieden. Es ist zu vermuten, dass aber gerade hinter der Wahl Erich Maschkes das Wissen um seine ostwissenschaftlichen Kenntnisse und Sprachfertigkeiten und nicht zuletzt das persönliche Schicksal seiner achtjährigen Kriegsgefangenschaft in der Sowjetunion standen282. Spielte auch sein kämpferisches Wissenschaftsverständnis der dreißiger und vierziger Jahre als Kriterium eine Rolle? Angesichts der Befürchtungen, die Erich Maschke in seinem Begleitbrief äußerte und die sich pikanterweise nicht auf die Auffassungen des Ministers, sondern auf die seines Ministeriums bezogen, scheint das nicht abwegig zu sein. An diesem Punkt zeigte Erich Maschke aber eine klare Abkehr von seiner früheren Haltung: »Die entscheidende Voraussetzung für eine Übernahme der Leitung der Kommission durch mich wäre […] die eindeutige Zusicherung, dass es sich in die [sic] Kommission nur um die Erfassung und Bewahrung aller greifbaren Quellenzeugnisse über die deutschen Kriegsgefangenen im zweiten Weltkriege als Zeugnisse eines menschlich und nur in diesem menschlichen Sinne auch historisch bedeutsamen Massenschicksals handeln darf. Jede politische Zielsetzung, ja auch nur jede Möglichkeit, dass diese Dokumentation in politische Auseinandersetzungen hineingerät, sind unter allen Umständen auszuschließen.«283 281 BA-MA Freiburg, B 205–1791, Äußerung Erich Maschkes im Gedächtnisprotokoll der Sitzung am 30.4.1959, S. 5. 282 Auf die Beteiligung von Heimkehrern an der damals noch geplanten Sachverständigenkommission hatte das BMVt schon in ersten Überlegungen Wert gelegt. BAK, B 150–4376/3, Denkschrift über die Dokumentation, wahrscheinlich aus dem Jahr 1957: »Von grossem Wert wäre es dabei, wenn unter diesen Sachverständigen für eine Mitarbeit Heimkehrer gefunden werden könnten, die aus eigenem Erleben in der Gefangenschaft ihre Sachkenntnis vertiefen könnten.« 283 HStA Stuttgart, NL Erich Maschke J 40/10, Bü 115, Exposé vom 30.5.1959.

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Hegte er die Befürchtung, er werde durch die Übernahme der Kommissionsleitung wieder in ein fachliches und vor allem auch politisches Fahrwasser gedrängt, das er hinter sich lassen wollte bzw. teilweise durch seine wissenschaftliche Neuorientierung schon verlassen hatte? Möglicherweise spielte in diesem Zusammenhang noch ein weiterer Aspekt eine Rolle, der nicht gleich ins Auge fällt. Diese Wissenschaftliche Kommission stand ebenso wie eine weitere Kommission dieser Zeit, die Kommission für die Dokumentation der Vertreibung unter der Leitung Theodor Schieders, in einer gewissen historischen Nachfolge, die Erich Maschke sehr wohl bewusst war. Auf sie nahm er später sogar Bezug. So hieß es in einem Antrag der Kommission auf die Sicherstellung eines Generalprogramms für 1962–1968284: »Nach dem 1. Weltkrieg hat eine ähnliche Kommission bis 1939 gearbeitet, die vor bedeutend einfacheren Problemen stand.« Mit großer Wahrscheinlichkeit war hiermit die Landesstelle Ostpreußen für Nachkriegsgeschichte gemeint, mit der er selbst einige Zeit verbunden und deren Leiter Theodor Schieder gewesen war. Der gegenwärtige Bundesvertriebenenminister Theodor Oberländer war damals der nominelle Leiter der Landesstelle und in dieser Eigenschaft Vorgesetzter von Theodor Schieder gewesen285. Fühlte sich Maschke durch die Arbeit der Wissenschaftlichen Kommission nun auch an die Landesstelle Ostpreußen für Nachkriegsgeschichte und ihre Forschungsziele erinnert? Hatte diese Königsberger Verbindung vielleicht sogar ein Kriterium für die Auswahl seiner Person zum Leiter der Wissenschaftlichen Kommission dargestellt286? Wie dem auch sein mag, Erich Maschke befand sich im Hinblick auf eine grundsätzliche Ablehnung in einem inneren Zwiespalt, den er in seinem Exposé beschrieb: »Nun bin ich in der Münchener Sitzung darauf hingewiesen worden, dass dieses Schicksal der deutschen Kriegsgefangenen eines der großen Massenschicksale des zweiten Weltkrieges sei, das nicht in Vergessenheit geraten dürfe. Da ich selbst dieses Schicksal erfahren habe, und da ich […] auch in meinem persönlichen Lebenskreise die Überzeugung vertrete, dass der letzten Endes doch positive menschliche Gehalt der Kriegsgefangenschaft festgehalten und nicht einfach im Tempo und in den äußeren Be­anspruchungen unserer Gegenwart verloren gehen dürfte, so kann ich dieser Auffassung grundsätzlich zustimmen. Mehr als das, anerkenne ich aus meinem eigenen Schicksal als langjähriger Kriegsgefangener ein Bewusstsein der Verantwortung für die in München begonnene Arbeit und halte mich nicht für berechtigt, die Aufforderung des Herrn Bundesvertriebenenministers von vornherein abzulehnen.«287

284 BA-MA Freiburg, B 205–1793. 285 Beer, Das Großforschungsprojekt »Dokumentation der Vertreibung der Deutschen aus Ost-Mitteleuropa«, S. 74. 286 Es ist bedauerlich, dass der Informationsstand zu Maschkes Involvierung in die Arbeit dieser Landesstelle so gering ist. Ein Vergleich hinsichtlich Thematik und Gegenstandsbereich, Zielsetzung der Arbeiten und ihrer politischen Einbindung wäre sehr lohnend. 287 HStA Stuttgart, NL Erich Maschke J 40/10, Bü 115, Exposé vom 30.5.1959.

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Schließlich übernahm er tatsächlich im Juni 1959 die Leitung der Wissenschaftlichen Kommission. Sein eigenes Verantwortungsgefühl als Historiker und als ehemaliger Kriegsgefangener für die Bewahrung des Massenschicksals der Kriegsgefangenschaft sowie auch die erfolgte Zusicherung288, die Dokumentation auf der Basis seiner Vorstellungen angehen zu können, gaben dafür vermutlich den Ausschlag. Wie die Mitarbeiter der Kommission auf die Benachrichtigung durch das BMVt reagierten, Erich Maschke habe die Fortsetzung der Arbeiten übernommen, ist unbekannt. Es ließen sich auch keine Hinweise dafür finden, dass die Verbände gegen diese Besetzung Einwände hatten. 9.9.2 Neue Wege Erich Maschke hatte sich somit auf die wissenschaftliche Bearbeitung eines Untersuchungsgegenstandes eingelassen, der in mehrfacher Hinsicht seine Vergangenheit berührte und Kontinuitäten schuf, der aber auch auf verschiedenste Weise ein Novum in seinem Leben darstellte und einen Neuanfang bedeutete. Zum einen hatte er vorher zu keinem Zeitpunkt wissenschaftlich über ein Thema der Zeitgeschichte gearbeitet. Seine Äußerungen zum Tagesgeschehen oder zu gegenwärtigen Entwicklungen waren bisher meist publizistischer Natur gewesen. Zum anderen betraf der Untersuchungsgegenstand unmittelbar seine eigene Biographie. Dies war in den Jahren zuvor niemals der Fall gewesen. Zwar war er einem Gegenstand seiner Interessen, dem so genannten Grenz- und Auslandsdeutschtum, an Ort und Stelle gefolgt und hatte intensiv Anteil an seinem Schicksal genommen, aber er war selbst nie ein unmittelbar und persönlich davon Betroffener gewesen. Nun jedoch waren acht Jahre seines Lebens und sein eigenes Schicksal Bestandteil der Aufarbeitung eines Massenschicksals, das sich in einem globalen und internationalen Rahmen ereignet hatte. Damit ließ dieses Thema jeden Bezugsrahmen hinter sich, in dem sich Erich Maschkes bisherige Untersuchungen bewegt hatten. Ein nationaler, völkischer oder ein durch eine Fixierung auf das Deutschtum verengter Blickwinkel, wie Erich Maschke ihn früher vertreten hatte, konnte dem Gesamtphänomen jetzt nicht mehr gerecht werden. Erich Maschke versuchte daher, über den nationalen Tellerrand hinaus zu blicken und mit einer für ihn erstmaligen internationalen Zusammenarbeit bei Recherche und Dokumentation Abhilfe zu schaffen. Auch die spezifischen Schwierigkeiten, die sich aus der organisatorischen Anbindung der Kommission an ein Bundesministerium und aus der hochpolitischen Brisanz des Themas ergaben, waren in dieser Form Neuland für Erich Maschke. Ganz zu schweigen von den Problemen, die aus der Verbandsabhän-

288 HStA Stuttgart, NL Erich Maschke J 40/10, Bü 115, Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das BMVt, und Erich Maschke vom 20.6.1959.

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gigkeit der Kommission, aus dem Streit um die Veröffentlichung der Schriftenreihe und nicht zuletzt aus der Dauer der Arbeit entstanden. Hinzu kam des Weiteren die bisher unbekannte persönliche Stellung als Unternehmer und Arbeitgeber289 im Rahmen eines Großforschungsprojektes sowie seine Position als Leiter einer wissenschaftlichen Kommission, die in die Reihen der »Zunft« nicht eingebettet war. Einige dieser hier genannten, aber auch andere Aspekte sollen nun im Folgenden etwas näher beleuchtet werden. 9.9.3 Die eigene Gefangenschaft als Erfahrungshintergrund Sein persönliches Schicksal der Kriegsgefangenschaft in der Sowjetunion erwies sich für die Arbeit Erich Maschkes als Leiter der Kommission in vielen Fällen als vorteilhaft. Die eigenen Erlebnisse und Erfahrungen aus der Kriegsgefangenschaft sowie seine Kontakte aus dieser Zeit machte er der Kommissionsarbeit zugänglich. Sie fanden in verschiedener Weise Eingang in die Arbeit. Nicht zuletzt galt das für die Suche der Kommission nach Zeitzeugenberichten. Mit großer Bereitwilligkeit stellte sich Erich Maschke selbst den Befragungen durch seine Mitarbeiter zur Verfügung und stand ihnen geduldig Rede und Antwort. Seine Aussagen flossen chiffriert (als W-131) in die Bände der Schriftenreihe über die Kriegsgefangenschaft in der Sowjetunion ein, in denen er beispielsweise seine Erfahrungen mit den Antifa-Schulungen, Erlebnisse aus dem kulturellen Leben oder aus der Arbeitswelt der Kriegsgefangenen schilderte. Auf diese persönlichen Erfahrungen rekurrierte er auch in zahlreichen Vorträgen, in denen er das Forschungsprojekt der Kommission vorstellte, sicherlich gelegentlich auch aus taktischen Erwägungen wie beispielsweise auf einer Diskussionswoche des VdH in Mehlem 1962290. Diese und ähnliche Veranstaltungen des VdH291 nutzte die Wissenschaftliche Kommission, um ihre Arbeit unter den Verbandsmitgliedern bekannt zu machen und potentielle »Wissensträger« zur Abfassung von Berichten aus ihrer Gefangenschaft zu bewegen. Insofern konnte der Vortrag eines Schicksalsgenossen wie Erich Maschke, aber auch der Einsatz anderer Mitglieder der Kommission mit gleichem Hintergrund, bei solchen Veranstaltungen einen gewissen Solidarisierungseffekt bei den Zuhörern mit dem Anliegen der Kommissionsarbeit erreichen. Diese Bemühungen waren jedoch trotz größerer Anstrengungen bei den Mitgliedern des VdH nicht von Erfolg gekrönt. Weitaus erfolgreicher war die Ausnutzung der Kontakte Erich 289 Zur (nicht konstanten) Anzahl der Mitarbeiter vgl. Maschke, Deutsche Kriegsgefangenengeschichte: Der Gang der Forschung, S. 15–16. 290 BA-MA Freiburg, B 205–1789, Vortragsmanuskript Erich Maschkes »Seelenmassage in der sowjetischen Kriegsgefangenschaft. Der psychologische Angriff auf die Kriegsgefangenen in der Sowjetunion«. 291 Zum Verband der Heimkehrer, Kriegsgefangenen und Vermisstenangehörigen e. V. (VdH) Teschner, Entwicklung eines Interessenverbandes; Schwelling, Heimkehr, Erinnerung, Integration.

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Maschkes zum Boroviči-Kreis292, dem er selbst angehörte. Zahlreiche, teilweise umfangreiche Berichte aus diesem Kreis erreichten die Wissenschaftliche Kommission. Außerdem unterstützte der Arbeitskreis die Materialbeschaffung der Kommission durch Tonbandgespräche, durch die Zusendung von Kriegsgefangenenpost und Tagebüchern. Darüber hinaus berichtete der Leiter Helmuth von Dreßler regelmäßig über den Stand der Arbeiten in den Rundbriefen des Kreises. Diese enge Zusammenarbeit293 bestand weit über die eigentliche Phase der Recherchen hinaus und schlug sich auch in den Bemühungen des Arbeitskreises um eine Veröffentlichung der Schriftenreihe der Kommission nieder. Auch Bekannte und Freunde, die Mitgefangene in den sowjetischen Lagern gewesen waren und dem Boroviči-Kreis nicht angehörten, konnte Erich Maschke für das Abfassen von Erinnerungsberichten im Zuge der Materialbeschaffung gewinnen. Sie zeigten sich auch bei Nachbefragungen zu speziellen Themen kooperativ. Überdies unterstützten sie die Arbeit der Kommission, indem sie von Erich Maschke für die Lektüre von Manuskripten herangezogen wurden294, die innerhalb der Kommission diskutiert wurden. Auch andernorts spielte Erich Maschkes eigene Kriegsgefangenschaft eine Rolle. Während der jahrelangen Auseinandersetzungen mit dem VdH295 über die Materialbeschaffung, über die versuchte Einflussnahme seitens des Verbandes auf Konzeption und Inhalt der geplanten Schriftenreihe und über den angemessenen Umgang mit Zeitzeugenberichten und historischen Erinnerungen brachte Erich Maschke sein eigenes Erleben der Kriegsgefangenschaft als Argument ins Spiel296. Ob er auch gegenüber anderen Personen, Behörden und Institutionen mit seiner persönlichen Lebensgeschichte argumentierte, bleibt bislang offen. Seine eigenen Erlebnisse verschafften ihm vermutlich in einigen Fällen einen besonderen Zugang zu ausländischen Kollegen und Mitarbeitern von kooperierenden Institutionen und Behörden, die selbst das Schicksal einer Kriegsgefangenschaft – in Deutschland – erlitten hatten297. Eine solche Begegnung fand beispielsweise 1963 in Frankreich statt. Sehr 292 Zu diesem Arbeitskreis »Entstehen und Wirken. Geschichte des Arbeitskreises der Heimkehrer und Kriegsgefangenenangehörigen des Lagers Borowitschi/UdSSR 1947–1957«, o. O. 1968. Korrespondenz zwischen der WK und dem Arbeitskreis findet sich u. a. unter BA-MA Freiburg, B 205–1788, B 205–1733, B 205–1737a, B 205–1737b. 293 BA-MA Freiburg, B 205–1788, Schreiben H.  v. Dreßlers an den Verlag Gieseking vom 12.9.1968: »Die Zusammenarbeit gestaltete sich besonders eng und harmonisch auch dadurch, dass der Leiter der WK, Prof. Dr. Erich Maschke, Mitglied unserer Arbeitskreises ist.« 294 BA-MA Freiburg, B 205–1730, Schreiben von Erich Maschke an Hans Bender vom 11.11.1964. 295 Vgl. Schwelling, Zeitgeschichte zwischen Erinnerung und Politik. BA-MA Freiburg, B 205–1788, B 205–1790, B 205–1729, B 205–1737a, B 205–1728b, B 205–1758, B 205–1762. 296 BA-MA Freiburg, B 205–1758, Schreiben von Erich Maschke an Herrn Kießling (VdH) vom 22.6.1962: »Im übrigen sollte wohl eine gewisse Garantie für die richtige Auswertung unserer Quellen in der Tatsache gegeben sein, dass ich selbst bis zum Herbst 1953 in sowjetischer Kriegsgefangenschaft war, also erst acht Jahre nach Kriegsende heimkehrte. Nach Ihrem Brief ist Ihnen diese Tatsache entweder unbekannt oder gleichgültig.« 297 Zählte zu ihnen auch Fernand Braudel?

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ausführlich, mit umschriebener wörtlicher Rede und mit großer persönlicher Anteilnahme wie kaum in einem anderen Vorwort schilderte Erich Maschke im Vorwort zum Band über die deutschen Kriegsgefangenen in französischer Hand298 sein Treffen mit dem französischen General Duc de Cossé-­Brissac. Dessen Schlussbericht über die deutschen Kriegsgefangenen in Frankreich, der für interne Zwecke der französischen Militärverwaltung bestimmt gewesen war, bildete eine unersetzliche Quelle für die Bearbeitung dieses Themas und wurde der Kommission zur Verfügung gestellt. 9.9.4 Vorworte und Einleitungen Maschkes eigene Erlebnisse flossen nicht nur als Zeitzeugenaussagen in die Materialbeschaffung der Kommission ein. Sie kamen mit großer Wahrscheinlichkeit auch in den von ihm selbst verfassten Einleitungen zu einzelnen Bänden der Schriftenreihe zum Tragen. Betrachtet man die gesamte Schriftenreihe, so fällt auf, dass Erich Maschke zu jedem einzelnen Band ein knappes Vorwort verfasste, zu drei Bänden aber darüber hinaus Einleitungen bzw. Vorbemerkungen in einem Umfang von 40 Seiten und mehr. Dies war der Fall bei Werken, die Aspekte der Kriegsgefangenschaft in der Sowjetunion behandelten. Der Hintergrund für das Schreiben dieser Einleitungen war nicht etwa der, dass diese Themen Erich Maschke als ehemaligem Gefangenen in der Sowjetunion besonders am Herzen gelegen hätten. Er bestand darin, dass es Maschke für dringend geboten hielt, den eigentlichen Texten eine wissenschaftliche Einführung voranzustellen: Mit ihnen wollte er eine Kontextualisierung des Beschriebenen vornehmen, es auf eine solide wissenschaftliche Grundlage stellen und damit gewährleisten, dass der entsprechende Band nicht in eklatanter Weise aus der Gesamtschriftenreihe herausfiel. Mit diesen Einleitungen aus seiner Feder war eben auch das Eingeständnis verbunden, dass der jeweilige Autor bzw. die Autorin sein oder ihr Thema nicht bewältigt hatte299. Diesem Tatbestand waren teilweise jahrelange Auseinandersetzungen mit dem Verfasser bzw. der Verfasserin oder deren Mitarbeitern vorausgegangen300, die die Arbeitsweise, die Darstellungsform, die Wissenschaftlichkeit und andere Fragen betrafen. Nicht immer hatte Erich Maschke dabei mit angemessener Konsequenz reagiert, sondern war zu entgegenkommend und langmütig gewesen. Diese Einleitungen verfasste er nur ungern301. In ihnen widmete er sich drei wichtigen Bereichen: Zum einen beschrieb er die wirtschaftliche Entwicklung 298 Maschke, Vorwort, in: Böhme, Die deutschen Kriegsgefangenen in französischer Hand, S. XII. 299 Interview mit Herrn Dr. Helmut Wolff am 8.8.2003 in Kulmbach. Auch BA-MA Freiburg, B 205–1724a, B 205–1724b. 300 Beispielsweise mit Hedwig Fleischhacker. BA-MA Freiburg, B 205–1724a, 205–1724b. 301 Interview mit Dr. Helmut Wolff am 8.8.2003 in Kulmbach.

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der Sowjetunion, besonders der 1940er und 1950er Jahren mit Blick auf die Arbeitsleistung der deutschen Kriegsgefangenen (»Der Faktor Arbeit«). Zum anderen lieferte er eine ausführliche historische Einordnung des Hungererlebens der Kriegsgefangenen, indem er die Ernährungs- und Versorgungslage in der Sowjet­union zum Gegenstand seiner Einleitung machte (»Der Faktor Hunger«). Außerdem positionierte er das kulturelle Leben der Kriegsgefangenen in das Gesamterlebnis der Kriegsgefangenschaft und zeigte Möglichkeiten und Grenzen kultureller Betätigung auf (»Aus dem kulturellen Leben«). Welches Bild entwarf er in diesen Einleitungen sowie in seinen Vorworten von der Sowjetunion? Der vermittelte Gesamteindruck lässt sich knapp mit den Worten »fremd«, »undurchschaubar«302 und »andersartig« umschreiben, gleichgültig, ob es sich um Klima, Sprache (»die schwerer zugänglich war als die vertrauteren westeuropäischen Fremdsprachen«303), Kulturtradition, Mentalität der Bevölkerung (»die man trotz dieses Abstandes sehr wohl schätzen lernen konnte«304) oder um die räumliche Ausdehnung des »riesigen Reiches« und die »Undurchsichtigkeit des politischen Systems«305 handelte. Es ist zu vermuten, dass diese Beschreibungen auch auf seinen eigenen Wahrnehmungen beruhten. Im Vergleich mit propagandistischen Äußerungen Maschkes zur Sowjetunion vor 1945 werden die Veränderungen augenfällig: Zweifel an der Zivilisiertheit der Sowjetunion ließen Maschkes Einleitungen nicht aufkommen. Er beschrieb die Andersartigkeit und Fremdheit der Sowjetunion, aber als Bedrohung schilderte er sie nicht. Antikommunistische Untertöne blieben ganz aus. Es ist zu unterstreichen, dass Erich Maschke konsequent aus der Perspektive der deutschen Kriegsgefangenen schrieb und den subjektiven Charakter dieses Bildes hervorhob. Er enthielt sich selbst aller Äußerungen oder gar Wertungen, die als pauschales Gesamturteil über die Sowjetunion dieser Zeit wie auch der Gegenwart verstanden werden konnten. Ihm war es wichtig, darauf hinzuweisen, das in der Kriegsgefangenschaft gewonnene Bild von der Sowjetunion nicht auf die Gegenwart zu übertragen, also die in der Gefangenschaft gemachten Erfahrungen zu historisieren306. Damit betonte er die Abgeschlossenheit dieser Erfahrungen und die Notwendigkeit eines emotionalen Abstandes, der für eine wissenschaftliche Beschäftigung mit ihnen unumgänglich sei307. Der Komplex »Kriegsgefangenschaft in der Sowjetunion« nötigte ihm natürlich einen Vergleich von Ost und West auf, wobei er zu folgendem Resultat gelangte: »Hier [in der Sowjetunion] war die Lage der deutschen Kriegsgefangenen in jeder Bezie302 Maschke, Die Verpflegung der deutschen Kriegsgefangenen in der Sowjetunion, S. IX. 303 Maschke, Vorwort, in: Bährens, Deutsche in Straflagern und Gefängnissen der Sowjetunion, S. VI. 304 Ebd. 305 Ebd. 306 Maschke, Vorbemerkung, in: Ratza, Die deutschen Kriegsgefangenen in der Sowjetunion. Der Faktor Arbeit, S. LXXIII. 307 Vgl. dazu auch Jarausch, Zeitgeschichte und Erinnerung. Deutungskonkurrenz oder Interdependenz?, S. 33.

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hung am schwersten.«308 Schwerere Lebensbedingungen wie das ungewohnte Klima, die schlechtere Versorgung mit Lebensmitteln und Kleidung, die längere Dauer der Gefangenschaft und die ungewissere Heimkehr  – dies waren Faktoren, die er als Erklärung dafür heranzog. Auch die zahlreichen Abhängigkeiten, denen der einzelne innerhalb einer fremden politischen Ordnung und eines gesellschaftlichen Systems unterlag sowie den großen Abstand zur russischen Kulturtradition machte Maschke für die Situation der Kriegsgefangenen in sowjetischem Gewahrsam verantwortlich. Seine einleitenden Bemerkungen und Vorworte zu Bänden über die Kriegsgefangenschaft in der Sowjetunion zeichneten sich insgesamt durch sachliche Ausgewogenheit und durch das Streben nach einer gerechten Einschätzung aus. Immer war er darum bemüht, Erlebnisse und Erfahrungen der deutschen Kriegsgefangenen in den Kontext der sowjetischen Lebens-, Wirtschafts- und Gesellschaftsformen sowie in das Rechts- und Verwaltungssystem der Zeit einzuordnen. Missverständnissen, Vorurteilen und Ressentiments sowie Gräuelund Propagandamärchen sowie Selbstmitleid von deutscher Seite entzog er auf diese Weise den Boden. Politischen Aufrechnungen begegnete er stets mit dem Verweis auf das Schicksal der sowjetischen Kriegsgefangenen in Deutschland. Aber er beließ es meistens nicht bei einem Hinweis, sondern verdeutlichte ihre brutale Behandlung mit Zahlen und Fakten309. Auch die Verwüstungen und Verbrechen der Deutschen in Teilen der besetzten Sowjetunion thematisierte er in diesem Zusammenhang310. Dies war für die Zeit der fünfziger bis frühen siebziger Jahre außergewöhnlich. Nach Einschätzung von Christian Streit waren diese Leiden und Vorgänge fast gänzlich unbekannt geblieben oder aus der Erinnerung verdrängt worden, die deutsche Vernichtungspolitik in den sowjetischen Gebieten für die westdeutschen Historiker weithin ein selbstauferlegtes Tabu.311 Dieser Tabuisierung hatte sich Erich Maschke entzogen. 9.9.5 Die internationale Ausrichtung der Kommissionsarbeit Maschkes Bemühen, in seinen Vorworten und Einleitungen Versuche von Aufrechnungen einen Riegel vorzuschieben, korrespondierte mit seinem Streben, die Arbeit der Wissenschaftlichen Kommission in einen internationalen Kontext zu stellen. Auch dies war ein Novum innerhalb seines bisherigen Gesamtwerkes. Zwar hatte er vor 1945 bereits Kontakte ins Ausland gehabt, doch diese hatten sich auf polnische Fachkollegen beschränkt. 308 Maschke, Die Verpflegung der deutschen Kriegsgefangenen in der Sowjetunion, S. IX. 309 Das Schicksal der sowjetischen Kriegsgefangenen in deutscher Hand war in den Besprechungen der Kommission präsent. Interview mit Dr. Helmut Wolff vom 8.8.2003 in Kulmbach. 310 Beispielsweise in der Einleitung Erich Maschkes zu Fleischhacker, Die deutschen Kriegsgefangenen in der Sowjetunion. Der Faktor Hunger, S. XII–XIII. 311 Streit, Keine Kameraden, S. 11.

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Nun versuchte Maschke auf verschiedenen Ebenen, der Kommissionsarbeit eine internationale Ausrichtung zu geben. Dies geschah zum einen durch die Ausweitung der Untersuchung auf alle ehemaligen Gewahrsamsländer. Bereits in seinem Exposé hatte er gefordert, die Kriegsgefangenschaft in östlichen und westlichen Gewahrsamsstaaten und vor allem in gleicher Weise zu berücksichtigen: »Um die erste Forderung zu verdeutlichen, möchte ich sagen: es darf nichts über Workuta erscheinen, wenn nicht gleichzeitig eine Publikation über Bad Kreuznach erscheint.«312

Dies bedeutete zum anderen, bei der Beschaffung des Materials und der Quellen nicht im nationalen Rahmen zu verbleiben. Die Wissenschaftliche Kommission unternahm in diese Richtung große Anstrengungen. Schließlich konnte sie bei der Erarbeitung der entsprechenden Bände auf Akten und Archivalien der ehemaligen westeuropäischen Gewahrsamsstaaten zurückgreifen, die ihr von denselben in oftmals großzügiger Weise zur Verfügung gestellt worden waren. Bei der Sowjetunion blieben die Initiativen der Wissenschaftlichen Kommission allerdings ohne Antwort und so wurden Anfragen bei den anderen östlichen ehemaligen Gewahrsamsmächten von vornherein als aussichtslos erachtet313. Ferner kooperierte die Kommission mit neutralen, international agierenden Organisationen wie dem YMCA oder dem IKRK, die ihr Materialien über die Betreuung der Kriegsgefangenen aus ihren Beständen zugänglich machten. Hinzu kam weiterhin die Auswertung der internationalen Forschungsliteratur. Doch die internationale Ausrichtung der Wissenschaftlichen Kommission umfasste noch weitere Aspekte. Mit Henry Faulk konnte ein britischer Autor für den Band über die Reeducation der deutschen Kriegsgefangenen in Großbritannien gewonnen werden, der selbst in diese Umerziehungsmaßnahmen eingebunden gewesen war. Außerdem hatte Erich Maschke bereits in seinem Exposé das ihm wichtige Anliegen formuliert, die Erarbeitung der Geschichte der deutschen Kriegsgefangenen in ein umfassenderes Projekt einer internationalen Kriegsgefangenengeschichte einzubetten, das von allen Ländern mit ehemaligen Kriegsgefangenen unterstützt werden sollte. Dieses Anliegen bedeutete eine wesentliche Veränderung in Maschkes bisherigem wissenschaftlichem Arbei312 HStA Stuttgart, NL Erich Maschke, J 40/10, Bü 115, Exposé vom 30.5.1959, S. 2. Die Aussparung heikler Themen hatte bereits früher für Diskussionsstoff gesorgt. Dies geht aus einem Schreiben K. W. Böhmes an Prof. Koch vom 7.7.1958 (BA-MA Freiburg, B 205–1753) hervor. Darin heißt es: »Es erscheint mir wichtig, dass Sie an Herrn Bundesminister Professor Dr. Dr. Oberländer einen Brief schreiben, in dem zum Ausdruck kommt, dass die Dokumentation nur nach wissenschaftlicher Methode gemacht werden kann, wenn mit ihr keine politischen Vorbehalte oder Erwägungen verknüpft sind. Es sei daher völlig ausgeschlossen, dass die Darstellung der Kriegsverbrecherprozesse in den westlichen Gewahrsamsstaaten ausgeklammert werden, wie dies auf der Sitzung des Kriegsgefangenenbeirates am 7.7.1958 von Herrn Bischof Henkel und von Herrn Dr. Gawlik [vom Auswärtigen Amt – d. Vf.] vorgeschlagen worden ist.« Siehe dazu auch BA-MA Freiburg, B 205–1720a. 313 Interview mit Herrn Dr. Helmut Wolff am 8.8.2003 in Kulmbach.

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ten und Denken. Zwar bezog sich sein Auftrag, eine Geschichte der deutschen Kriegsgefangenen zu schreiben, wiederum wie früher auf Deutsche. Doch nun erkannte Erich Maschke mit seiner Forderung nach einer internationalen Aufarbeitung der Kriegsgefangenschaft das Leiden und Schicksal der ehemaligen nichtdeutschen Kriegsgefangenen als gleichfalls darstellungswürdig, wichtig und für eine angemessene historische Aufarbeitung und Betrachtung notwendig an. Natürlich kam in dieser Forderung auch die Bereitschaft Maschkes zum Ausdruck, die Behandlung der ausländischen Kriegsgefangenen in deutschem Gewahrsam überhaupt erst einmal zum Thema zu machen und – dies implizierend  – auch die Verantwortlichkeiten dafür klar zu benennen. Zu seinem Bedauern konnte ein solches Projekt nicht ins Leben gerufen werden. Nur mit einer thematisch ähnlich arbeitenden französischen Kommission unter der Leitung Fernand Braudels kamen zeitweilig Verbindungen zustande314. Beide Kommissionen erstrebten einen Austausch hinsichtlich Fragen der Materialbeschaffung, der Archivrecherchen und der Bibliographie – angedacht war auch eine gemeinsame Fragebogenaktion. Ob Methodendiskussionen ebenfalls eine Rolle auf den Treffen spielten, ist unbekannt. Eine weiterführende und engere Zusammenarbeit ergab sich aus unterschiedlichen Gründen aber nicht. Daher konnten auch Pläne, die eine gemeinsame Monographie zum Thema der Umerziehung betrafen, nicht realisiert werden. Die Zusammenarbeit mit ausländischen Behörden beschränkte sich aber nicht auf die Beschaffung von Quellen und Aktenmaterial. Sie umfasste auch die Zusendung fertiger Manuskripte an entsprechende Stellen im Ausland, die um eine kritische Durchsicht gebeten wurden. Praktiziert wurde diese intensive und vertrauensvolle Form der Zusammenarbeit mit den zuständigen Heeresarchivaren aus den Niederlanden, Belgien und Luxemburg. Vor diesem Hintergrund bedürfte es keiner besonderen Erwähnung, dass die Bände der Schriftenreihe an die Nationalbibliotheken ausgeliefert wurden und einzelne Publikationen im internationalen Buch­handel erschienen315. Erich Maschke bezweckte mit dieser internationalen Ausrichtung der Kommissionsarbeit Mehreres. Zum einen war seiner Auffassung nach eine gründliche Erfassung des Forschungsgegenstandes nur auf einer Quellengrundlage von internationaler Breite möglich. Zum anderen beabsichtigte er, auf diese Art und Weise dem Vorwurf der Einseitigkeit oder Parteilichkeit zu begegnen. Auch der Anschuldigung, eine politische Aufrechnung in Buchform vorlegen zu wollen, wollte er somit die Basis entziehen. Außerdem schützte diese internationale Ausrichtung vor einer zu großen Abhängigkeit von einzelnen deutschen Verbänden 314 BA-MA Freiburg, B 205–1728b. 315 Nach Einschätzung Maschkes war das Presseecho auf die veröffentlichten Bände im Ausland seriös. »[…] wir bekommen gerade aus den angelsächsischen Ländern nicht selten Anfragen dortiger Historiker und Juristen, die auf unsere Bände zurückgreifen möchten.« (BA-MA Freiburg, B 205–1732. Schreiben Erich Maschkes an Staatssekretär a. D. Nahm vom 31.1.1973.)

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und Institutionen. Sie gewährte einen gewissen Freiraum sowie Argumentations­ hilfen selbst gegenüber dem eigenen Auftraggeber. Diese erwiesen sich gerade in den Auseinandersetzungen um die Freigabe der Publikationsreihe für die Öffentlichkeit als gewichtig, auch wenn sie letztlich nicht zum Erfolg führten. 9.9.6 Die Kommission in der deutschen Wissenschaftslandschaft Angesichts der zahlreichen internationalen Kontakte der Wissenschaftlichen Kommission wirkt es auf den ersten Blick fast paradox, dass sie in der bundesdeutschen Wissenschaftslandschaft dagegen nur gering verankert war316. Beispielhaft dafür ist ein Aktenvermerk Erich Maschkes: »Prof. B. [= Bußmann – d. Vf.] erklärte mir zunächst seine Überraschung über die bisher vorliegende Publikationsleistung der WK, die ihm vor der Übersendung der Bände an die Historischen Seminare völlig unbekannt gewesen war.«317

Mit großer Wahrscheinlichkeit lagen die Gründe für die geringe Resonanz nicht in einer unzureichenden Öffentlichkeitsarbeit318, sondern in anderen Bereichen. Als bedeutsam erwies sich in diesem Zusammenhang die Tatsache, dass die Kommission keine feste Anbindung an eine wissenschaftliche Einrichtung besaß. Noch unter dem ersten Leiter Hans Koch war die Gründung eines selbständigen Institutes wegen der absehbaren Dauer der Arbeit diskutiert worden. Aber Koch selbst konnte aus beamtenrechtlichen Gründen kein zweites Institut leiten. Als nach seinem Tod diese Frage erneut aufgerollt worden war, »blieb es bei der Form der Wissenschaftlichen Kommission«, wie Maschke es lapidar und ohne Angabe von Gründen beschrieb319. Obwohl von Erich Maschke eine mindestens verwaltungstechnische Eingliederung angestrebt wurde320, blieb das Institut für Zeitgeschichte in München321, welches sich in thematischer wie auch großer 316 Unter »inländische Verbindungen der WK« wurden in einer Übersicht aufgeführt: das Osteuropa-Institut München, das Südostinstitut München, das Institut für Zeitgeschichte in München, das Institut für Ostrecht in München, das Institut zur Erforschung der UdSSR in München, das Zeitungswissenschaftliche Institut in München, die Universität München sowie das Institut für Besatzungsfragen in Tübingen. 317 BA-MA Freiburg, B 205–1725b, Aktenvermerk vom 30.1.1969. 318 Erich Maschke hatte zahlreiche Interviews für die Tagespresse und 1961 eine Pressekonferenz gegeben. Daraufhin waren 35 Berichte von regionalen und überregionalen Tageszeitungen veröffentlicht sowie weitere 28 Berichte angekündigt worden. BA-MA Freiburg, B 205–1726b, B 205–1728. 319 Maschke, Deutsche Kriegsgefangenengeschichte: Der Gang der Forschung, S. 9. 320 Gespräch mit Dr. Helmut Wolff am 8.8.2003. Erich Maschke sah in mehrfacher Hinsicht Ähnlichkeiten zwischen dem IfZ und der WK. Vgl. Maschke, Deutsche Kriegsgefangenengeschichte. Der Gang der Forschung, S. 3 bzw. BA-MA Freiburg, B 205–1720b, Handschriftliche Bemerkungen Erich Maschkes »Die Forschungen über die deutsche Kriegsgefangenschaft des Zweiten Weltkrieges«. 321 Zum IfZ siehe Möller/Wengst, 50 Jahre Institut für Zeitgeschichte.

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räumlicher Nähe befand, auf Distanz. Ein Institut anstelle einer Kommission hätte fachöffentlich weitaus größeres Gewicht, größeren Einfluss und größere Wirkungsmöglichkeiten gehabt. Auch die Finanzierung der Arbeit wäre längerfristig sichergestellt gewesen. Noch dazu hätte ein Institut eine größere Attraktivität auf renommierte wie auch für Nachwuchswissenschaftler ausgeübt. Gerade dieser Aspekt stellte ein großes Problem dar. Erich Maschke versuchte eigenen Angaben zufolge nach Übernahme der Kommissionsleitung vergeblich, die Wissenschaftliche Kommission im ursprünglichen Sinne des BMVt322 zu schaffen, der dann neben einem Historiker als Leiter Militärsachverständige, Wirtschaftswissenschaftler, Soziologen, Theologen und Mediziner sowie andere angehört hätten. Infolge der »Arbeitsüberlastung der Hochschullehrer«  – wie er es nannte323 – erhielt er nur Absagen. An wen hatte er sich gewandt? Welche Rolle spielten bei den Absagen seine eigene Reputation, das Thema, der Charakter der geplanten Schriftenreihe sowie der Auftraggeber? So wie es nicht gelang, Wissenschaftler von Rang und Namen für die Wissenschaftliche Kommission zu gewinnen, so erfolglos war die Suche nach stetigen Mitarbeitern unter den Nachwuchswissenschaftlern. Dabei hatte Erich Maschke auch auf die Verbindungen zu Freunden und Kollegen gesetzt, die er um die Vermittlung von jungen Fachleuten bat. Überliefert sind Hinweise auf Anfragen an Gunther Ipsen, Theodor Schieder, Werner Conze, Hans R ­ othfels, Werner Markert und Helmut Neubauer324. Auch an das Institut für Zeitgeschichte war er in dieser Frage herangetreten. Es verwundert einigermaßen, dass seine langjährigen Freunde und Kollegen, die sich teilweise bereits seit einigen Jahren im Fachbereich Zeitgeschichte etabliert und profiliert hatten, Erich Maschke keinen fähigen potentiellen Mitarbeiter nennen konnten! Maschkes persönliche Verbindungen zu Zeithistorikern hatten für die Wissenschaftliche Kommission offenbar in dieser Frage keinen Nutzen gehabt. Ob er daher auf das alte bzw. neue Netzwerk der mittlerweile bundesdeutschen Ostforschung zurückgriff, ist unbekannt. In der Liste der »inländischen Verbindungen der WK« wurden der Herder­forschungsrat und angeschlossene Verbände nicht aufgeführt325. In der Gestalt zweier Mitarbeiter der Kommission, der Osteuropahistorikerin Hedwig Fleischhacker326 und des Kartographen Herrn Anton, blieben aber Anklänge und Erinnerungen an die alte Ostforschung unmittel- oder mittelbar 322 BA-MA Freiburg, B 205–1744, Entwurf für eine »Dokumentation des Schicksals der deutschen Gefangenen des Zweiten Weltkrieges« vom 23.5.1957; B 205–1724b, Aktenvermerk Erich Maschkes über eine Besprechung mit Ministerialrat Dr. Zdralek (BMVt) vom 14.3.1961. 323 Maschke, Deutsche Kriegsgefangenengeschichte: Der Gang der Forschung, S.  7. Dieser Text unterlag einer Nachzensur durch das Auswärtige Amt. BA-MA Freiburg, B 205–1786. 324 BA-MA Freiburg, B 205–1788, B 205–1722b, B 205–1725b, B 205–1730. 325 Oder bestand für eine Hinzuziehung des Ostforschernetzwerkes keine Notwendigkeit mehr, gehörte doch mit Hedwig Fleischhacker eine ausgewiesene Osteuropaexpertin der Wissenschaftlichen Kommission an? 326 Zu Hedwig Fleischhacker vgl. Berger, Deutsche Historikerinnen 1920–1970.

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präsent. Inwieweit diese im Fall von Hedwig Fleischhacker, der Ehefrau des ehemaligen Leiters des Breslauer Osteuropa-­Institutes Hans Uebersberger, zu dem wenig harmonischen Verhältnis zwischen ihr und Maschke beitrugen, geht aus den Akten nicht hervor. Im Falle Herrn Antons lief die Verbindung zur Ostforschung über Gunther Ipsen327: »Seine [Herr Antons] statistisch-rechnerischen Kenntnisse vertiefte Herr Anton durch jahrelange Zusammenarbeit mit Prof. Ipsen, einem Fachmann für Statistik und Be­ völkerungsbewegung in der SU. Diese Kenntnisse sind auch in einzelne Bände der Wissenschaftlichen Kommission (IV, VII u. a.) eingeflossen und haben geholfen, schwierige Einzelprobleme zu lösen.«328

Doch für den Mitarbeitermangel sind wohl noch andere Faktoren verantwortlich zu machen als die fehlende Einbindung in ein Institut, die Absagen der Hochschullehrer und die fehlende langfristige finanzielle Absicherung der Kommission. Auch die Konstruktion bzw. die Organisation der Wissenschaftlichen Kommission selbst stellte sich als schwierig heraus: Zum einen hatte sie ihren Sitz in München, aber ihr Leiter konnte infolge seiner anderen Aufgaben nur einmal im Monat von Heidelberg hinüberfahren, vor Ort relativ wenig Präsenz zeigen und der Kommission Geltung verschaffen. Insgesamt war die Situation, mit einer personell unterbesetzten Kommission eine Forschungsaufgabe dieser Größenordnung angehen zu müssen, in jedem Fall eine große und neue Herausforderung für Erich Maschke. Der Personalmangel329 schlug sich jedoch nicht negativ auf das Arbeitsklima innerhalb der Kommission nieder. Im Gegenteil, der Überlieferung zufolge war in einer Atmosphäre von Offenheit und Vertrauen auch gegenseitige Kritik möglich und erwünscht330, was ausdrücklich auch Erich Maschke mit einbezog. Nach Auflösung der Kommission gingen die Mitarbeiter und Angestellten nicht einfach auseinander, sondern trafen sich weiterhin regelmäßig.

327 Zu Gunther Ipsen (1899–1984) vgl. Etzemüller, Sozialgeschichte als politische Geschichte, S.  66–69. Gunther Ipsen verband soziologische mit historischen Fragestellungen. Nach einer Professur in Leipzig hatte er 1933 nach Königsberg gewechselt, war 1939 nach Wien gegangen, wo er Werner Conzes Habilitation betreute und war später, von 1951 bis 1961, an der Sozialforschungsstelle in Dortmund beschäftigt. Er gehörte wie Maschke dem »Arbeitskreis für moderne Sozialgeschichte« an und stand politisch wohl weit rechts außen. Nach 1945 distanzierte er sich nicht von den geistigen Grundlagen und Konsequenzen seiner Studien, in denen er sich in Übereinstimmung mit der nationalsozialistischen Ostpolitik und dem Volksgemeinschaftsprojekt gezeigt hatte. 328 BA-MA Freiburg, B 205–691. 329 Zu den Mitarbeitern Maschke, Deutsche Kriegsgefangenengeschichte: Der Gang der Forschung, S. 15–16. 330 BA-MA Freiburg, B 205–1732.

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9.9.7 Verschwisterte Unternehmungen Erich Maschke sah sich also vor die Tatsache gestellt, dass er weder als Leiter eines der wenigen historiographischen Großforschungsprojekte der frühen Bundesrepublik wahrgenommen wurde noch die Ergebnisse der Kommissionsarbeit auf größere Resonanz stießen. Dies entbehrte gerade vor dem Hintergrund der erfolgreichen Einbettung und Rezeption einer anderen Kommission innerhalb der damaligen zeithistorischen Forschungslandschaft, die in einer ähnlichen Tradition stand, nicht einer gewissen Tragik. Die Rede ist vom Großforschungsprojekt »Dokumentation der Vertreibung der Deutschen aus Ost-Mitteleuropa«331, an welchem zeitlich zwar etwas vor­ gelagert gearbeitet wurde (1951–1961), das sich aber mit einem wissenschaftlich wie politisch ebenso brisanten Thema der Nachkriegsgeschichte beschäftigte. Auch diese Kommission war beim BMVt angesiedelt und verfügte über einen Gesamtetat von ungefähr dreieinhalb Millionen DM, mit dem sie fünf Bände, drei Beihefte und ein Register erarbeitete. Eine in etwa ähnliche Summe kosteten auch die 22 Bände der Kommission zur deutschen Kriegsgefangenengeschichte. Die Kommission zur Dokumentation der Vertreibung stand unter der Leitung von Erich Maschkes Freund Theodor Schieder und ihr gehörten nicht nur Werner Conze332, Maschkes Kollege, sondern neben anderen auch der gemeinsame Lehrer aus Königsberger Tagen Hans Rothfels an333. Die überlieferten Aufzeichnungen aus den Korrespondenzen dieser Wissenschaftler lassen keine Schlüsse zu, ob und inwieweit die Kommission zur Geschichte der deutschen Kriegsgefangenschaft und ihre Arbeit unter Erich Maschkes Leitung der Gegenstand längerer und intensiver fachlicher Erörterungen zwischen diesen Historikern gewesen waren. Auch über mögliche Wechselwirkungen konzeptioneller, fachlicher, politischer, organisatorischer und finanzieller Art zwischen beiden Kommissionen ist der Informationsstand unzulänglich. Eine Untersuchung dieser Wechselwirkungen müsste auch die vielfältigen Einflussmöglichkeiten des BMVt als gemeinsamer Auftraggeber auf das Verhältnis zwischen beiden Kommissionen berücksichtigen. In eine solche Untersuchung einzubeziehen wären darüber hinaus auch die Rückwirkungen, die sich aus den Tätigkeiten beider Kommissionen auf Entscheidungen des Ministeriums hinsichtlich beider Projekte ergaben. Interessant wäre in diesem Zusammenhang auch gerade die Beantwortung der Frage, welche politischen, organisatorischen, personellen und anderen Kon331 Grundlegend nach wie vor dazu Beer, Das Großforschungsprojekt »Dokumentation der Vertreibung der Deutschen aus Ost-Mitteleuropa«; ders., Martin Broszat und die Erfahrung der Dokumentation der Vertreibung; ders., Der »Neuanfang« der Zeitgeschichte nach 1945; Robert G. Mueller, War stories. The search for a usable past, S. 51–87; Theodor Schieder, Die Vertreibung der Deutschen aus dem Osten als wissenschaftliches Problem. 332 Ausführlicher zu Werner Conzes Mitarbeit Dunkhase, Werner Conze, S. 216–219. 333 Nach Einschätzung von Mathias Beer wurde die Dokumentation fast ausschließlich eine Domäne des Königsberger Kreises. Beer, Das Großforschungsprojekt »Dokumentation der Vertreibung«, S. 375.

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sequenzen das BMVt aus der Arbeit der Vertreibungskommission für die Erstellung der Schriftenreihe zur deutschen Kriegsgefangenengeschichte zog. Welche Folgerungen ergaben sich zum anderen aber auch für die Mitarbeiter der Vertreibungskommission aus ihrer langjährigen Arbeit für das BMVt besonders in der Frage nach den von Erich Maschke gewünschten Personal­empfehlungen für seine Kommission? Wie auch immer diese Fragen zu beantworten wären, ein ausführlicher Vergleich beider Kommissionen wäre hinsichtlich vieler Aspekte sehr lohnend, würde aber den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Er könnte neben anderem eben auch das Spannungsfeld zwischen Politik und Zeitgeschichte in zunächst zeitgleichen, aber dann zeitlich verschiedenen Phasen der Bundes­republik ausloten wie auch Licht auf den Wandel der bundesdeutschen Vergangenheitspolitik über knapp drei Jahrzehnte hinweg werfen. Die »Dokumentation der Vertreibung« war und blieb von der Gründung der Kommission zur deutschen Kriegsgefangenengeschichte bis zu den Auseinandersetzungen um die Freigabe der Schriftenreihe ein wichtiges Referenzobjekt für Erich Maschke und seine Mitarbeiter und dies in mehrfacher Hinsicht. Erich Maschke sah in ihrer Organisationsstruktur ein Vorbild für die Konstruktion der Kriegsgefangenenkommission334. Auf sie wurde auch Bezug genommen, wenn über die Quellenlage, die Methodik der Quellensammlung und die Art der Präsentation der Quellen, d. h. die Darstellungsform der gesamten Schriftenreihe sowie die schriftliche Wiedergabe der mündlichen Zeitzeugenaus­sagen diskutiert wurde335. Aber auch in den Auseinandersetzungen um den politischen Charakter der geplanten Schriftenreihe sowie um deren Veröffentlichung als offizielle Publikation des BMVt wurde auf die »Vertreibungsdokumentation« verwiesen. In den Anstrengungen und Bemühungen seitens der Kommission um die Veröffentlichung der Schriftenreihe wurde die Zusammengehörigkeit beider Dokumentationen herausgestellt. In einem Memorandum heißt es:336 »Die Dokumentation über die Vertreibung der Deutschen aus Ost- und Südost-Europa, die längst gedruckt und weit verbreitet ist, enthält, wenn man so will, weitaus mehr Stoff für ›Anklagen‹, als sie die WK-Studien jemals enthalten werden. Dennoch wird die ›Vertreibungsdokumentation‹ nicht als ›Gegenrechnung‹ betrachtet. Es ist daher nicht einzusehen, warum nicht auch die WK-Schriftenreihe herausgebracht werden sollte. Beide gehören ihrem Wesen nach zusammen. Sie sind ein Stück wertvoller Zeitgeschichte, auf das niemand verzichten kann, will er nicht in einer gefährlichen Einseitigkeit stecken bleiben. Kommende Generationen werden den Krieg und die Nachkriegszeit nur dann richtig verstehen, wenn sie auch über die WK-Bände verfügen.« 334 HStA Stuttgart, J 40/10, NL Erich Maschke, Bü 115, Exposé vom 30.5.1959. 335 Z. B. BA-MA Freiburg, B 205–1792, Notizen von Erich Maschke am Rande eines Schreibens des Auswärtigen Amtes an das BMVt vom 14.9.1962. 336 BA-MA Freiburg, B 205–1112, Memorandum über die Drucklegung und Veröffentlichung der Studien der Wissenschaftlichen Kommission für deutsche Kriegsgefangenengeschichte o. D. (wahrscheinlich Mitte der 1960er Jahre).

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Dass Erich Maschke in der Dokumentation der Vertreibung ein verschwistertes und beispielgebendes wissenschaftlichen Unternehmen sah, wurde auch daran erkennbar, in welchem Umfang er in seiner Zusammenfassung darauf einging337. Auch wenn das Thema der Schieder-Kommission nicht in unmittelbarer Verbindung zur Geschichte der deutschen Kriegsgefangenschaft stand, so blieb doch in der Auseinandersetzung mit der Arbeit der Schieder-Kommission auf indirekte Weise das Thema der deutschen Geschichte in Teilen Ost- und Ostmittel- bzw. Südosteuropas für Erich Maschke präsent. Auch die Tradition, in der sie stand, war geeignet, Erich Maschke an sein eigenes Engagement zwanzig Jahre zuvor zu erinnern. Selbst diejenigen deutschen Historiker, die sich in die Debatten um Veröffentlichung und Freigabe der Schriftenreihe einschalteten, verwiesen auf die Dokumentation der Vertreibung und ihre Verdienste338. Aber auch für das Ministerium selbst war diese Dokumentation nach einer ersten Einschätzung nicht nur in organisatorischen Fragen vorbildhaft für die Maschke-Kommission, sondern auch Referenzobjekt in inhaltlichen Bereichen beispielsweise wie der Konzeption und Darstellungsform339. 9.9.8 Problemfelder zeithistorischen Arbeitens Hat man bei der Lektüre des Aufsatzes von Theodor Schieder über die Aufgaben der Landesstelle Ostpreußen für Nachkriegsgeschichte340 aus dem Jahre 1935 die zwei zeitgeschichtlich arbeitenden Einrichtungen der Vertriebenendokumentation wie auch der Maschke-Kommission aus den 1950er und 1960er Jahren vor Augen, so fallen die methodischen, inhaltlichen und organisatorischen Parallelen und Ähnlichkeiten auf, die beide mit der Landesstelle aufwiesen. In der zwischenkriegsgeschichtlichen Forschung der dreißiger Jahre einen der Ursprünge für die Zeitgeschichtsforschung der Bundesrepublik zu sehen, wie es Mathias Beer tat, wird der Sache daher sicherlich gerecht341. Auch wenn der Grad an Involvierung und die Art der Beteiligung Erich Maschkes an den Aufgaben der Landesstelle Ostpreußen unbekannt ist, so ist doch mit großer Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass er in diesem Kontext mit der Problematik zeitgeschichtlicher Forschung in Berührung kam. Zeitgeschichtliche Fragestellungen waren daher für ihn nach 1953 kein unbeschriebenes Blatt. Mit ihnen musste er sich aber nun unter gänzlich veränderten persönlichen und politischen Umständen und Bedingungen neu auseinandersetzen und dies angesichts eines konkreten Arbeitsauftrages, für den er eigenständig die Verantwortung trug. Mit welchen Problemen, 337 Maschke, Deutsche Kriegsgefangenengeschichte: Der Gang der Forschung, S. 20–22. 338 Z. B. BA-MA Freiburg, B 205–1732, Schreiben G. Rhodes vom 3.1.1972. 339 Z. B. BA-MA Freiburg, B 205–1724b, Aktenvermerk vom 1.8.1963, auch B 205–1792, Maschke, Deutsche Kriegsgefangenengeschichte: Der Gang der Forschung, S. 20. 340 Theodor Schieder, Die Aufgaben der Landesstelle Ostpreußen für Nachkriegsgeschichte, in: Der ostpreußische Erzieher Nr. 48 (1935), S. 750–752. 341 Beer, Der »Neuanfang« der Zeitgeschichte nach 1945.

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die zeitgeschichtlichen Untersuchungen inhärent waren oder die sie betrafen, sah er die Arbeit der Wissenschaftlichen Kommission konfrontiert?342 Welche Antworten fanden er und seine Mitarbeiter auf solche Herausforderungen? Wie wurden die Ergebnisse solcher Auseinandersetzung in die Erstellung der Schriftenreihe eingebracht und welche Schwierigkeiten traten dabei auf? Erich Maschke war offenbar auch in diesem Zusammenhang kein Historiker, der es liebte, sich zu grundlegenden theoretischen Fragen der Geschichtswissenschaft publizistisch in ausführlicher Weise zu äußern. Dies war auch in der Auseinandersetzung mit der Problematik von zeitgeschichtlicher Forschung der Fall. Äußerungen hierzu finden sich hauptsächlich in seiner Überblicksdarstellung über den Gang der Forschungsarbeit der Kommission343, die die Komplexität der Problemlagen veranschaulichten. Aus seinen Äußerungen ergab sich folgendes Bild: Erich Maschke sah den zeithistorisch arbeitenden Historiker in einer besonderen Verantwortung gegenüber den Mitlebenden, deren Geschichte er im Ganzen oder in Teilen darstellen wolle. Dies führte zu dem in Maschkes Worten »dringenden Wunsch, dass die Geschichte der deutschen Kriegsgefangenschaft der Öffentlichkeit und damit allen denen, die sie erfahren hatten, zugänglich gemacht werden sollte«344. Diesen Wunsch hatte Erich Maschke nicht von Anfang an verspürt. An dieser Stelle soll noch nicht die lang anhaltende Diskussion um Drucklegung, Freigabe und Veröffentlichung der einzelnen Schriftenbände beschrieben werden. Das wird später Thema sein. Aber mit dieser Diskussion um die Veröffentlichung der Schriftenreihe war die Frage nach ihrer Zielstellung und Zweckbestimmung verbunden, die hier nun von Interesse ist. In dieser Frage wichen Erich Maschkes Ansichten teilweise deutlich von denen seiner Auftraggeber ab. Mit welchen Absichten und Zielen hatte Erich Maschke diese Kommissionsarbeit aufgenommen und weitergeführt? Er verstand zeitgeschichtliche Forschung »immer auch [als] Rechenschaftsbericht«345 und fühlte sich daher verpflichtet, das tatsächliche Geschehen in der Kriegsgefangenschaft zu ermitteln und das Erleben der Kriegsgefangenen festzuhalten. Damit wollte er – ungleich der Vertreibungskommission346 – keine nationale Katastrophe oder eine des deutschen Volkes dokumentieren. Ihm ging es darum, die Geschichte der Kriegsgefangenschaft als eine Geschichte des Leidens zu schreiben347. Weiterhin sollte die Kommissionsarbeit bzw. die Schriftenreihe Vergangenes »im Blick auf die gemeinsame Zukunft unserer Völker«348 bewah342 Auf die Problematik der Verbandsabhängigkeit der Kommission wird an dieser Stelle nicht eingegangen. Dazu Schwelling, Heimkehr, Erinnerung, Integration; Maschke, Deutsche Kriegsgefangenengeschichte: Der Gang der Forschung, S. 32–33. 343 Maschke, Deutsche Kriegsgefangenengeschichte: Der Gang der Forschung, S. 27–33. 344 Ebd., S. 29. 345 Maschke, Sinn und Aufgabe der Kriegsgefangenendokumentation. Ein Vortrag, S. 5. 346 Beer, Der »Neuanfang« der Zeitgeschichte nach 1945, S. 282. 347 Maschke, Deutsche Kriegsgefangenengeschichte: Der Gang der Forschung, S. 28. 348 Maschke, Vorwort, in: Jung, Die deutschen Kriegsgefangenen im Gewahrsam Belgiens, der Niederlande und Luxemburgs, S. VIII.

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ren, Brücken zwischen den ehemals Verfeindeten bauen349 und »wenigstens etwas dazu beitragen […], dass sich die schrecklichen Ereignisse des Zweiten Weltkrieges und seiner Folgen nicht einfach wiederholen können.«350 Auf dieser internationalen Ebene bewegte sich auch sein Wunsch, die Ergebnisse der Kommissionsarbeit könnten dazu beitragen, im Rahmen einer übernationalen Kooperation von Völkerrechtlern »neue Wege für das Kriegsgefangenenrecht« zu suchen351. Auch in der Bejahung der Objektivität eröffnete sich Maschke ein Problem, das sich der Wissenschaftlichen Kommission in besonderer Weise stellte352. Er verstand darunter die der zeitgeschichtlichen Forschung immer innewohnende zeitliche Nähe zum Objekt, die er als »Gefahr« wie auch als »Vorzug« bezeichnete und fuhr fort: »Durch lebendige Eigenerfahrung ist der Zeithistoriker seinem Gegenstand in besonders hohem Maße subjektiv verhaftet, so dass für ihn die Forderung der Objektivität noch schwerer zu erfüllen ist als für den Historiker weiter zurückliegender Epochen.«353

Im Zusammenhang mit dieser allgemeinen Charakterisierung stellte er aber hier wie anderswo keine ausführlicheren schriftlichen Überlegungen zu seiner eigenen zeithistorischen Befangenheit und zu der einiger seiner Mitarbeiter – gleich ihm ehemalige Kriegsgefangene –, an. Fühlte er sich von dieser Problematik überhaupt betroffen?354 Betrachtete er sie aus der vermeintlich abgeklärten und übergeordneten Perspektive eines Fachexperten? Wenn ja, wie definierte er dann im Falle der Kriegsgefangenendokumentation sein wissenschaftliches Selbstverständnis als Historiker und die wissenschaftliche Objektivität der eigenen Arbeit? Anhand der eingesehenen Dokumente lassen sich in diesen Fragen kaum sichere Antworten finden. Es entsteht jedoch der Eindruck, Erich Maschke habe keine schriftlichen Reflexionen über seine eigenen vorwissenschaftlichen Annahmen und subjektiven Prägungen hinterlassen, die Einfluss auf seine wissenschaftlichen Arbeiten ausübten. Strebte er Objektivität an, indem er vor allem auf die Einhaltung wissenschaftlicher Standards und Methoden setzte? »Kein Historiker kann mehr geben, als das Streben nach einer Objektivität, welche eine geschichtliche Erscheinung ganz und in allen ihren Zusammenhängen zu erfassen sucht. Nur in dem Bemühen um eine solche Objektivität kann die Geschichte der deutschen Kriegsgefangenschaft geschrieben werden.«355 349 Maschke, Vorwort, in: Böhme, Die deutschen Kriegsgefangenen in französischer Hand, S. XIII. 350 BA-MA, B 205–1788, Schreiben Erich Maschkes an Dr. Emil Bardey vom 11.7.1961. 351 Maschke, Sinn und Aufgabe der Kriegsgefangenendokumentation. Ein Vortrag, S. 8. 352 Maschke, Deutsche Kriegsgefangenengeschichte: Der Gang der Forschung, S. 29. 353 Ebd., S. 29. 354 Natürlich ist es auch denkbar, dass er weiterführende Überlegungen vielleicht scheute, weil sie auch an die Frage nach der Subjektivität oder Objektivität der eigenen früheren Forschungen sowie dem eigenen früheren Wissenschaftsverständnis rührten. 355 Maschke, Das Schicksal der deutschen Kriegsgefangenen des Zweiten Weltkrieges als Aufgabe zeitgeschichtlicher Forschung, Sonderdruck aus Böhme, Die deutschen Kriegsgefangenen in Jugoslawien 1941–1949, S. XII.

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Hierbei übersah er (wie auch andernorts?), dass es die Suche nach Erkenntnissen mit einem hohen Grad an Objektivierbarkeit auch nötig machte, die eigene Subjektivität im Erinnern, Deuten und Darstellen zu reflektieren. Dieses Problem wurde spätestens in den Auseinandersetzungen mit dem VdH356 über die angemessene Form der Deutung und Darstellung der deutschen Kriegsgefangenengeschichte virulent und Erich Maschke kam nicht umhin, Stellung zu beziehen. In einem Antwortschreiben an den Vorsitzenden des VdH brachte er seine persönliche Betroffenheit von diesen Fragen zum Ausdruck, offenbarte aber auch die Widersprüchlichkeit seiner Auffassungen: »Was heisst das, die Geschichte der Kriegsgefangenschaft könne nur von den über­ lebenden Kriegsgefangenen selbst geschrieben werden? Es ist ungewöhnlich, ja unmöglich, dass die Betroffenen ein objektives Bild erarbeiten sollen. Ihre Berichte sind subjektiv und können nur subjektiv sein. Die Wahrheit zu finden, ist Aufgabe derer, die aus der Vielzahl subjektiver Berichte ein objektives Mosaik zusammensetzen. Man muss ihnen diese schwere Aufgabe erleichtern, indem man ihnen die Quellen in ausreichender Zahl liefert. […] Im übrigen sollte wohl eine gewisse Garantie für die richtige Auswertung unserer Quellen in der Tatsache gegeben sein, dass ich selbst bis zum Herbst 1953 in sowjetischer Kriegsgefangenschaft war, also erst acht Jahre nach Kriegsende heimkehrte […].«357

Auch, wenn von diesem Zitat abgesehen, schriftliche Überlegungen zur zeitgeschichtlichen Problematik der Objektivität in Deutung und Darstellung der Kriegsgefangenschaft kaum bekannt sind, musste diese Frage zwangsläufig jedoch in den monatlichen Besprechungen in München eine wichtige Rolle spielen, weil sie in der Diskussion mit den Autoren der einzelnen Bände nicht zu umgehen war. Erich Maschke hatte es als Aufgabe der wissenschaftlichen Kommission angesehen, ein Gesamtbild der deutschen Kriegsgefangenschaft zu erarbeiten, das »das subjektive Erlebnis der Gefangenschaft in Leid und Sehnsucht, Einsicht und Erfahrung widerspiegeln« und »auch die objektiven Tatbestände, Zahlen und Daten, Organisationsformen und andere Sachzusammenhänge umfassen«358 sollte. Das bedeutete ganz konkret: »Objektive Geschichte zu schreiben, konnte nur heißen, die Wirklichkeit der Kriegs­ gefangenschaft einschließlich ihrer düsteren Seiten so exakt wie möglich nach­zu­ zeichnen.«359

Darin erkannte Erich Maschke ein Problem, das sich seiner Meinung nach der allgemeinen zeithistorischen Forschung in dieser Weise nicht stellte – das Problem einer möglichen politischen Gegen- oder Aufrechnung. Wie bereits ge356 Schwelling, Heimkehr, Erinnerung, Integration. 357 BA-MA Freiburg, B 205–1758, Schreiben an Herrn Kießling (VdH) vom 22.6.1962. 358 Maschke, Das Schicksal der deutschen Kriegsgefangenen des Zweiten Weltkrieges als Aufgabe zeitgeschichtlicher Forschung, S. XX. 359 Maschke, Deutsche Kriegsgefangenengeschichte: Der Gang der Forschung, S. 28–29.

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schildert, versuchte er ihm durch verschiedene Maßnahmen beizukommen. Beim Nachzeichnen der Wirklichkeit der Kriegsgefangenschaft war es ihm aber auch wichtig, die ehemaligen Gewahrsamsstaaten in Ost und West in gleicher Weise und dem historischen Sachverhalt angemessen in die Untersuchungen der Kommission einzubeziehen. Natürlich war es ihm bewusst, dass der deutschen Kriegsgefangenschaft in der Sowjetunion schon allein zahlenmäßig ein besonderes Gewicht zukam, doch trat er dafür ein, darüber nicht die Kriegsgefangenschaft in den westlichen Staaten zu vernachlässigen360. Da er diese Forderung bereits in seinem Exposé äußerte, so galt sie vermutlich nicht als Selbstverständlichkeit. Das Problem einer tendenziösen Einseitigkeit sowie einer möglichen Gegenrechnung begleitete von da an fortlaufend die Arbeit der Kommission, stieß es doch unmittelbar in das Beziehungsgeflecht zwischen Politik und Wissenschaft vor, innerhalb dessen sich die Wissenschaftliche Kommission befand. Erich Maschke war auf möglichste Klarheit bedacht: »Ich selbst brauche auch eine klare Formulierung, da nun nach außen hin und gegen meine Planung doch der Eindruck entsteht, daß wir eine einseitige Tendenz haben und Unterschiede zwischen dem Osten und dem Westen machen.«361

Seinen Völker verbindenden und ganz und gar »unkämpferischen« Anliegen entsprechend und vor allem an die Adresse der ehemaligen Gewahrsamsstaaten gerichtet, bemühte sich Erich Maschke auf verschiedene Weise darum, den Verdacht aus der Welt zu schaffen, er wolle in Form der Schriftenreihe den Siegermächten des Zweiten Weltkrieges eine politische Aufrechnung oder Gegenrechnung für die Behandlung der deutschen Kriegsgefangenen präsentieren. Von den Möglichkeiten, die er dabei ausschöpfte, war bereits an anderer Stelle die Rede. Seine in seinem Exposé gestellte Forderung: »Jede politische Zielsetzung, ja auch nur jede Möglichkeit, dass diese Dokumentation in politische Auseinandersetzungen hineingerät, sind unter allen Umständen auszu­ schließen.«362

richtete sich aber auch den zukünftigen Auftraggeber. Erich Maschke wollte, vielleicht in Konsequenz mit einem in der Kriegsgefangenschaft begonnenen Lernprozess, die politische Verwertung seiner Forschungsergebnisse für aktuelle Fragen vermeiden. Hierin kam eine bemerkenswerte Abkehr von seinem bisherigen kämpferischen Wissenschaftsverständnis zum Ausdruck. Seine Bedenken hatte er noch vor Übernahme der Kommission vorgetragen. Sie waren nicht aus der Luft gegriffen. Denn das Auswärtige Amt verknüpfte mit der Erarbeitung einer Dokumentation, später der Schriftenreihe zur deutschen Kriegsgefangenengeschichte, durchaus handfeste politische Ziele: 360 Maschke, Sinn und Aufgabe, S. 7. 361 BA-MA Freiburg, B 205–1726a, Schreiben Erich Maschkes an Dr. Schlicker (BMVt) vom 7.2.1964. 362 HStA Stuttgart, J 40/10, NL Erich Maschke, Bü 115, Exposé vom 30.5.1959, S. 3.

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»Alle diese Vorgänge und Zusammenhänge für die Nachwelt in möglichst umfassender und eingehender Form festzuhalten ist nicht nur von grösstem dokumentarischen Wert, sondern die damit geschaffenen Unterlagen können auch einmal später bei Friedensverträgen, zwischenstaatlichen Regelungen und nicht zuletzt auch bei der Weiterführung von Nachforschungen nach verschollenen und vermissten Deutschen eine Rolle spielen.«363

Diese höchstwahrscheinlich aus den 1950er Jahren stammenden Zielvorstellungen korrespondierten mit dem Inhalt eines Vermerkes über ein Gespräch aus dem Jahr 1961: »Sie [Frau Dr. Bitter, Rätin erster Klasse bei der Rechtsabteilung des Auswärtigen Amtes – d. Vf.] weist […] darauf hin, dass die Bundesregierung eines Tages möglicherweise unerwartet die Forderung nach einer solchen Darstellung an die Wissenschaftliche Kommission richten könne, um bei etwaigen Verhandlungen über einen Friedensvertrag in dieser Richtung gewappnet zu sein.«364

Ein weiterer Aktenvermerk aus dem Jahr 1963 dokumentierte eine in dieser Frage unveränderte Haltung: »Dr. Gawlik [Legationsrat von der Zentralen Rechtsschutzstelle des Auswärtigen Amtes – d. Vf.] sagte, es sei ursprünglich nie an eine Publikation gedacht worden, sondern an eine Dokumentation für interne Zwecke der Bundesregierung, so dass diese fallweise auf das Material oder die Ausarbeitungen zurückgreifen könne. Dr. G. versuchte am Manuskript von Dr. Bährens zu zeigen, dass mit einer Publikation des­selben das Pulver für diplomatische Aktionen schon verschossen sei. Wenn etwa aus der Sowjetunion Angriffe kämen, die mit Hilfe des Manuskriptes von Dr. Bährens abgewiesen werden könnten, so sei das nach der Publikation nicht mehr möglich.«365

Die Zitate zusammengenommen bringen zum Ausdruck, dass die Vertreter des Auswärtigen Amtes ganz konkrete politische Erwartungen mit der Erarbeitung der Schriftenreihe verbanden. Im Gegensatz dazu wurden solche Erwartungen von den in die Kommissionsarbeit involvierten Beamten aus dem Bundesvertriebenenministerium in diesem Zeitraum nicht geäußert oder nicht aktenkundig: Als eigentlicher Auftraggeber hatte das Bundesvertriebenenministerium – wie bereits erwähnt – Erich Maschkes Bedingungen im Vorfeld seiner Leitungsübernahme angenommen. Das Auswärtige Amt als eigenständige Institution war an die Einhaltung einer solchen Übereinkunft dagegen nicht gebunden. War dies von Erich Maschke nicht bedacht worden? Oder hatte er zu Beginn den weit reichenden Einfluss des Auswärtigen Amtes unterschätzt, welches dann seit 1963

363 BA-MA Freiburg, B 205–1744, Abschrift: Dokumentation des Schicksals der deutschen Gefangenen des 2. Weltkrieges. 364 BA-MA Freiburg, B 205–1737a, Vermerk vom 23.10.1961. 365 BA-MA Freiburg, B 205–1724b, Vermerk vom 1.8.1963.

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das letzte Wort bei der Freigabe der Schriftenreihe366 hatte? Die in den Zitaten bekundete Inanspruchnahme wissenschaftlicher Expertise zum Zwecke der politischen Verwertbarkeit verwies auf eine Denkweise, die nicht nur Wissenschaftler wie Theodor Schieder oder Erich Maschke in der Zwischenkriegszeit vertreten hatten. Auch Beamte auf verschiedenen Ebenen von Behörden und staatlichen Institutionen hatten diese Haltung mit großem Einsatz verfochten und umgesetzt367. Mit ihnen und in diesen Kreisen hatte diese Denkweise das Kriegsende überdauert. Sie war es, die auch im Bundesvertriebenenministerium den politischen Impuls gegeben hatte, die Vertreibungskommission ins Leben zu rufen. Der Leiter dieser Kommission Theodor Schieder verfolgte mit seinem Projekt ebenfalls Ziele, die eine fast ungebrochene Kontinuität von der älteren zur neueren Zeitgeschichte zeigten368. In der Formulierung der Zielrichtung, die seitens des Auswärtigen Amtes369 nun der Kriegsgefangenendokumentation gegeben werden sollte und wie sie die Zitate zum Ausdruck brachten, wurde diese Denkweise auch auf sie übertragen und die Kommission in diese Kontinuitätslinie gestellt. Erich Maschke wandte sich gegen diese Sichtweise. Mit der von ihm geleiteten Arbeit zur Geschichte der deutschen Kriegsgefangenen wollte er nicht mehr nationale Sinnstiftung betreiben oder die außenpolitischen Ziele des Staates wissenschaftlich untermauern und legitimieren. Doch verkannte er möglicherweise die Stärke dieser Traditions- und Kontinuitätslinien und die Macht der politischen und finanziellen Realitäten. Hatte er eine von politischer Beeinflussung weitgehend frei arbeitende Kommission wirklich für möglich gehalten? War er bei der Übernahme der Leitungsfunktion davon ausgegangen, für seine Kommissionsarbeit einen dauerhaften Freiraum jenseits von politischen Einflüssen jeder Art ausgehandelt zu haben? Oder hatte er gemeint, sich politischer Beeinflussung in gewisser Weise entziehen zu können, indem er fallweise und gelegentlich – aus taktisch-strategischen Gründen? – diese aktuell-politische Zielrichtung übernahm? Das ist schwer zu sagen370. 366 Der Haushaltsausschuss des Bundestages hatte im März 1963 im Zusammenhang mit der Finanzierung des Mehrjahresplanes der WK festgelegt, dass die Freigabe der einzelnen Bände zur Veröffentlichung und damit zur Drucklegung vom Auswärtigen Amt einzuholen sei. Zit. n. Maschke, Deutsche Kriegsgefangenengeschichte: Der Gang der Forschung, S. 35. 367 Zur Geschichte des Auswärtigen Amtes im Dritten Reich und in der frühen Bundesrepublik Conze u. a. (Hg.), Das Amt und die Vergangenheit. Deutsche Diplomaten im Dritten Reich und in der Bundesrepublik, München 2010. 368 Beer, Der »Neuanfang« der Zeitgeschichte nach 1945, S. 281. 369 Nur des Auswärtigen Amtes? Es ist erstaunlich, dass die Beamten des Bundesvertriebenenministeriums in der Frage der Zielsetzung tatsächlich Zurückhaltung geübt haben sollen, bedenkt man die personellen Überschneidungen in der Betreuung der Vertriebenendokumentation. 370 Wie ist die Meinungsäußerung von K. W. Böhme und Erich Maschke im Gespräch mit Frau Dr. Bitter zu bewerten? »Sie [Frau Dr. Bitter, Rätin erster Klasse bei der Rechtsabteilung des Auswärtigen Amtes – d. Vf.] weist […] darauf hin, dass die Bundesregierung eines Tages

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Die Arbeit der nächsten Jahre und Jahrzehnte setzte diese Problematik der Zielstellung immer wieder auf die Tagesordnung. Die Kommission befand sich in dieser Frage in dem grundsätzlichen Dilemma politischer Auftragsarbeiten. Wollte sie nicht nur die weitere und langfristige (!) Finanzierung ihrer Arbeiten sichern, sondern auch den Druck und die Veröffentlichung ihrer Schriftenreihe erreichen, kam sie nicht umhin, den Nachweis vom nicht nur historischen, sondern eben doch auch politischen Wert der Schriftenreihe zu erbringen. Diese politische Bedeutsamkeit bestand nach Auffassung Maschkes und seines Geschäfts­führers Böhmes aber gerade nicht in einem vordergründig aktiven Gebrauchswert und einer aktuellpolitischen Nützlichkeit für die Legitimierung außenpolitischer Ziele. Maschke und Böhme sahen den politischen Nutzen anderswo. K. W. Böhme argumentierte in diesem Sinne: »Wenn etwa aus der Sowjetunion Angriffe kämen, die mit Hilfe des Manuskriptes von Dr. Bährens abgewiesen werden könnten, so sei das nach der Publikation des ­Buches nicht mehr möglich. Ich [K. W. Böhme – d. Vf.] erwiderte, dass es m. E. umgekehrt sei. Die rechtzeitige Publikation des Bandes werde solche Angriffe unmöglich machen, oder wenn sie doch erfolgten, wäre es für die Bundesregierung leicht, unter Hinweis auf die Publikation zu erklären, dass die ganze Angelegenheit längst erledigt sei.«371

Oder: »Nur mit der Veröffentlichung der WK-Studien kann der Gefahr einer Legendenbildung begegnet werden. […] Bleibt diese SBZ-Literatur unwidersprochen, so vermittelt sie nicht nur der Weltöffentlichkeit ein falsches, weil einseitig tendenziöses Bild, sondern wird nach der Wiedervereinigung Deutschlands die einzige offizielle Quelle sein, aus der künftige Geschichtsschreiber schöpfen.«372

9.9.9 Die Auseinandersetzungen um die Veröffentlichung Eine weitere politische Problematik sah Erich Maschke in der Tatsache gegeben, dass die Kriegsgefangenendokumentation eine Auftragsarbeit der Regierung war. Sie bewegte sich also auch in dieser Richtung nicht im luftleeren Raum: Nun kann an dieser Stelle das Verhältnis von Wissenschaftlicher Kommission zu ihrem Auftraggeber, dem BMVt bzw. später dem Bundesinnenministerium, möglicher weise unerwartet die Forderung nach einer solchen Darstellung an die Wissenschaftliche Kommission richten könne, um bei etwaigen Verhandlungen über einen Friedensvertrag in dieser Richtung gewappnet zu sein. Herr Prof. Maschke und Herr Böhme begrüssen diesen Hinweis. Auch sie halten die Arbeitsleistungen der Kriegsgefangenen für ein Kernproblem der Kriegsgefangenengeschichte.« BA-MA Freiburg, B 205–1737a, Vermerk vom 23.10.1961. 371 BA-MA Freiburg, B 205–1724b, Aktenvermerk vom 1.8.1963 372 BA-MA Freiburg, B 205–1724b, Vermerk über in- und ausländische Literatur zur Kriegsgefangenschaft von K. W. Böhme vom 9.8.1963.

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und zu anderen involvierten Bundesbehörden und politischen Organen nicht für jede Phase der Zusammenarbeit in den Jahren von 1957 bis 1974 beleuchtet werden. Dies würde nicht nur den Rahmen dieses Kapitels sprengen, sondern auch den biographischen Bezug aus dem Auge verlieren: Die Geschichte der Wissenschaftlichen Kommission muss an anderer Stelle geschrieben werden. Dennoch ist es wichtig, einige Schlaglichter auf das Verhältnis zwischen Wissenschaftlicher Kommission und ihrem Auftraggeber zu werfen und zu ersten Ergebnissen zu kommen373. In diesem Fall bieten sich die Auseinandersetzungen um den Druck und die Veröffentlichung der Schriftenreihe geradezu als Paradebeispiel an. Untrennbar mit den jahrelangen Auseinandersetzungen darum war die Frage nach der Form der zu erstellenden Arbeit zur Kriegsgefangenengeschichte verbunden374. Nachdem in Anlehnung an die Vertriebenenkommission in den Anfangsjahren zunächst eine Dokumentation von aussagekräftigen repräsentativen Quellen ins Auge gefasst worden war, kamen die Mitglieder der Kommission mit zu­nehmender Kenntnis der Sachlage aus verschiedenen Gründen davon ab375. Daher fiel die Entscheidung zugunsten einer Schriftenreihe, und konsequenterweise wurde auch der Name der Kommission umgeändert. Fortan nannte sie sich nun nicht mehr Wissenschaftliche Kommission für die Dokumentation des Schicksals der deutschen Kriegsgefangenen des 2. Weltkrieges, sondern Wissenschaftliche Kommission für deutsche Kriegsgefangenengeschichte. Damit war aber die Frage, was mit der in Arbeit befindlichen Schriftenreihe geschehen solle, noch nicht geklärt. Hier nun sprach sich Erich Maschke für eine Veröffentlichung aus, ganz im Gegensatz zu seinen Äußerungen in seinem Exposé. Bereits für das Jahr 1960 belegt eine Aktennotiz aus seiner Hand seinen Sinneswandel376. In dieser Haltung konnte er sich nicht auf Abmachungen aus der Frühphase der Wissenschaftlichen Kommission berufen, da diese Frage mehrere Jahre lang offen geblieben war. Daraus hatte das Auswärtige Amt unbegründeterweise geschlossen, an eine Veröffentlichung sei niemals gedacht worden; 373 Ein Anspruch auf vollständige Erfassung der dafür aussagekräftigen Dokumente kann daher nicht erhoben werden. 374 Siehe dazu auch den vorherigen Abschnitt. 375 Das Erlebnis der Kriegsgefangenschaft in den verschiedenen Gewahrsamsstaaten war zu unterschiedlich, als dass man es mit Hilfe von ausgewählten »typischen« und repräsentativen Quellen hätte angemessen und umfassend darstellen können. Außerdem galt es, sehr verschiedene Quellengattungen zu integrieren, was in dieser Form nicht möglich gewesen wäre. 376 BA-MA Freiburg, B 205–1724b, Aktennotiz vom 21.10.1960, betreffend eine Besprechung im Bundesvertriebenenministerium mit Herrn MR Dr. Zdralek. Darin heißt es: »Ich betonte […], dass, ganz abgesehen vom Begriff der Dokumentation, es meines Erachtens nicht tragbar sei, wenn die Kriegsgefangenen im Interesse einer historischen Untersuchung ihres Schicksals uns zu Tausenden Material zur Verfügung stellten, und dann alles damit be­ endet sei, dass unsere Ausarbeitungen im Keller des Ministeriums verstaubten. Vielmehr erfordere schon unsere Verpflichtung gegenüber den Kriegsgefangenen, dass eine Publikation der hierfür geeigneten Untersuchungen für einen weiteren Leserkreis erfolge.«

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erst im Laufe des Jahres 1961 einigte man sich dahingehend, dass die Schriftenreihe gedruckt werden, aber nicht als offizielle Publikation des Bundesvertriebenenministeriums, sondern als Edition der Wissenschaftlichen Kommission erscheinen solle. Diese Übereinkunft in der Druckfrage war nicht ohne Konflikte, auch mit den materialliefernden caritativen Verbänden, zustande gekommen, und möglicherweise zu diesem Zeitpunkt noch nicht hieb- und stichfest. Erich Maschkes377 Formulierung legt dies nahe, da nach seinen Worten der Druck erst dann am wirksamsten abgesichert werden konnte, als Vertreter des Kriegsopfer- und des Haushaltsausschusses des Bundestages in der Sitzung beim Bundesvertriebenenminister am 13.  März 1962 dem Druck der WK-Manuskripte ausdrücklich zugestimmt hatten. Dennoch war dies nicht gleichbedeutend mit einer Zustimmung auch des Auswärtigen Amtes zur tatsächlichen Drucklegung der Bände oder gar zur Veröffentlichung. Dies sollte sich an den Vorgängen um den Druck der ersten Bände der Schriftenreihe zeigen, die die deutsche Kriegsgefangenschaft in Jugoslawien behandelten. Das Auswärtige Amt hatte im Sommer und Herbst 1962 den gesetzten Text des ersten Jugoslawienbandes überprüft. Neun Tage vor der vorgesehenen Veröffentlichung (23.9.1962) verweigerte es seine Zustimmung und führte einige, bereits bekannte grundsätzliche Bedenken als Gründe an: »Eingehender politischer Überlegung bedarf hiesigen Erachtens die Frage der Veröffentlichung. […] Keine Privatsache ist es […], ob wir durch möglicherweise frei im Handel käufliche Publikationen dieser Dokumentation politischen Schaden anrichten oder Gegendokumentationen heraufbeschwören. Die Methoden des Dritten Reiches bei der Gefangenen-Behandlung insbesondere von ›slawischen Untermenschen‹ sollten keineswegs in einer ausführlichen Gegendokumentation erneut aller Welt ins Bewusstsein gerufen werden.«378

Diese Zeilen veranlassten Erich Maschke, dem dieses Schreiben zugeleitet wurde, zu folgender handschriftlichen Bemerkung neben dem Text: »Möchte AA auch Lit[eratur] über KZs u. Judenvernichtung verhindern?« Unter Punkt 4 dieses Schreibens konnte Erich Maschke dann weiterlesen: »Es soll damit nicht gegen die Durchführung [1962!] einer derartigen Dokumentation Stellung genommen werden, die nicht nur von historischem, sondern auch politischem Wert sein kann, wenn derartiges Material im Falle späterer Friedensverhandlungen bei der Erörterung etwaiger Reparationsansprüche bereitliegt. Im Falle Jugoslawien kann eine solche Dokumentation sogar geeignet sein, unangemessenen jugoslawischen Wiedergutmachungsansprüchen, wie sie erst kürzlich wieder erhoben worden sind, entgegengehalten zu werden oder sie abzuwehren. Es wird in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass nach dem Ersten Weltkrieg politische Überlegungen dazu geführt haben, beispielsweise die bereits durchgeführten Dokumentationen 377 Maschke, Deutsche Kriegsgefangenengeschichte: Der Gang der Forschung, S. 34. 378 BA-MA Freiburg, B 205–1792, Schreiben des Auswärtigen Amtes vom 14.9.1962 an den Bundesminister für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte z. Hd. Dr. Schlicker.

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über den Frieden von Brest-Litowsk und über die Prozesse wegen der südslawischen Untergrundbewegung gegen Österreich-Ungarn in Banjaluka, ­Sarajewo und Saloniki, obwohl sie bereits als Veröffentlichungen des ›Parlamentarischen Untersuchungsausschusses‹ bzw. ›Arbeitsausschusses Deutscher Verbände‹ und bearbeitet von namhaften Historikern (Brandenburg, Übersberger u. a.) schon gedruckt und gebunden vorlagen, ›nur für den Dienstgebrauch‹ zu archivieren und nicht in den öffentlichen Verkehr zu bringen.«

Sollte dieser Hinweis auf vorher existierende Dokumentationen und die Beteiligung namhafter Historiker jetzt Erich Maschke zum Einlenken bewegen, so verfehlte er sein Ziel. Erich Maschkes Randnotiz brachte seine mittlerweile bestehende Distanz gegenüber solchen Traditionen zum Ausdruck: »Ich habe einen wissenschaftlichen Auftrag! Die [Anfang eines unleserlichen und durchgestrichenen Wortes] durch mich nicht kontrollierbare Verwendung interner Ausarbeitungen zu polit[ischen] Zwecken ist unter wissenschaftl[ichem] Standpunkt untragbar [sic]«

Die abschlägige Antwort des Auswärtigen Amtes machte neue Treffen zwischen der Wissenschaftlichen Kommission und dem BMVt, aber auch neue Verhandlungen mit dem Auswärtigen Amt notwendig. Erreicht wurde darin zwar nicht die Veröffentlichung, jedoch die Drucklegung379. Der erste Jugoslawienband wurde tatsächlich gedruckt, aber dann auf Anweisung des Auswärtigen Amtes für die Öffentlichkeit versiegelt. In der 1962 einsetzenden Diskussion um die Publizierung der Bände waren sich die Mitarbeiter der Wissenschaftlichen Kommission im Klaren darüber, dass das Auswärtige Amt über den längeren Arm verfügte und jede Auseinandersetzung zu vermeiden war, um die Weiterarbeit auf jeden Fall zu gewährleisten. Einem Vermerk zufolge empfahl K. W. Böhme 1962 im Konfliktfall Zugeständnisse dieser Art: »Der Fortgang unserer Arbeit ist daher auch um den Preis, i m A u g e n b l i c k auf die Publikationen der Jugoslawienbände zu verzichten und möglicherweise unsere Studien nur zu archivieren, anzustreben. Vielleicht lässt es sich erreichen, dass von Fall zu Fall entschieden wird, ob eine Studie veröffentlicht werden kann oder nicht. Vielleicht lässt sich auch daran denken, für die Öffentlichkeit ›entschärfte‹ Darstellungen anzufertigen. Eine ›Entschärfung‹ wird schon durch Kürzung der Zitate oder deren Wiedergabe in indirekter Rede erreicht, aber auch durch die Art der Formulierung 379 BA-MA Freiburg, B 205–1792, Tätigkeitsbericht der Wissenschaftlichen Kommission III. Quartal 1962 (1.7. bis 30.9.1962); B 205–1792, Schreiben Dr. Schlickers (BMVt) an Erich Maschke vom 19.10.1962: »Auf jeden Fall – das war die Entscheidung des Herrn Ministers – soll gedruckt werden. […] Der Gesichtspunkt, dass bei der noch offenen Haltung Jugoslawiens zur Frage Mitzeichnung eines Separat-Friedensvertrages zwischen Moskau und der Zone mit der Herausgabe des 1. Bandes noch etwas zugewartet werden soll – evtl. bis zum Frühjahr – ist verständlich. Der Herr Minister ist freilich der Ansicht, dass Belgrad sich nicht durch eine Dokumentation in seinen großen Entscheidungen wird beeinflussen lassen.«

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eigener Texte. Auf diese Weise könnten die politischen Bedenken des AA ausgeräumt werden. Unsere materielle Abhängigkeit vom Bund verlangt nun einmal, dass wir dessen politische Überlegungen respektieren, ohne dass hierunter der wissenschaftliche Charakter unserer Tätigkeit zu leiden braucht.«380

Im März 1963 stärkte eine Festlegung des Haushaltsausschusses des Bundestages im Rahmen der längerfristigen Finanzierung der Kommissionsarbeit die Position des Auswärtigen Amtes: Ihrzufolge war die Freigabe zur Veröffentlichung und damit auch zur Drucklegung an die Erlaubnis des Auswärtigen Amtes gebunden. Im Sommer 1963 schrieb der Geschäftsführer K. W. Böhme an Erich Maschke: »Ihre Nachrichten über die Drucklegung bzw. Nichtdrucklegung unserer Bände überrascht mich nicht. Im Grunde verstehe ich die politischen Bedenken des AA – ich verstehe nur nicht, dass man sich erst jetzt damit beschäftigt, nachdem die WK doch schon 5 Jahre am Werk ist. Wenn nur fürs Archiv gearbeitet wird, kann sich Dr. Jung [der Autor des Bandes über die deutschen Kriegsgefangenen in amerikanischer Hand – d. Vf.] in Zukunft seine ›Stilübungen‹ sparen, mit denen er Düsteres schmackhafter machen will. Ich glaube nicht, dass BMVt und WK stärker als das AA sind. Die letzte Entscheidung wird immer beim AA liegen. Es ist demnach zweckmässig, jetzt eine Grundsatzentscheidung des AA herbeizuführen: wird gedruckt oder nicht? Dabei bin ich Ihrer Meinung, dass entweder alles gedruckt wird oder gar nichts.«381

Eine Panne, wenn es denn eine Panne war, brachte eine neue Wendung der Dinge. Wodurch auch immer, erfuhren österreichische und Schweizer Zeitungen von den nicht ausgelieferten, sondern unter Verschluss gehaltenen Jugoslawienbänden und griffen den Fall auf. Diese Affäre führte zu einer Anfrage im Deutschen Bundestag. Gezwungenermaßen erfolgte die Freigabe, nachdem alle Beteiligten  – die Wissenschaftliche Kommission und die Bundesregierung  – in ein schiefes Licht geraten waren. Aus einem wahrscheinlich später verfassten Entwurf für ein Memorandum geht hervor, wie Erich Maschke diese Affäre darstellte und wissenschaftliche wie auch politische Argumente ins Spiel brachte, um die Veröffentlichung der Schriftenreihe zu erreichen: »Die Missverständnisse, Widersprüche und Verdächtigungen, die infolge unklarer Verlautbarungen und durch das lange Zögern, die ersten Ergebnisse freizugeben, vor und nach der Herausgabe der beiden Jugoslawien-Bände in der Öffentlichkeit aufgetreten sind, dürfen sich nicht wiederholen.«382

380 BA-MA Freiburg, B 205–1792, Vermerk K. W. Böhmes o. D. (1962). 381 BA-MA Freiburg, B 205–1724a. 382 BA-MA Freiburg, B 205–1112, Entwurf eines Memorandums über die Drucklegung und Veröffentlichung der Studien der Wissenschaftlichen Kommission für deutsche Kg.Geschichte, o. D.

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Erich Maschke sah den Ruf der Kommission und ihr Ansehen wissenschaftlicher Unabhängigkeit gefährdet, nicht zuletzt auch seine persönliche Glaubwürdigkeit als Herausgeber der Schriftenreihe und als Gelehrter. Er befürchtete, in den Augen der Material liefernden ausländischen Partner und ehemaligen Gewahrsamsstaaten in Misskredit zu geraten, da diese selbstverständlich von einer Publikation ausgegangen waren und nun der Eindruck entstehen konnte, »die Deutschen hätten schweres Belastungsmaterial gegenüber dem Westen zusammengetragen, das sie nicht vorzulegen wagten, um nicht die Freundschaft mit ihren NATO-Verbündeten zu gefährden.« Aber auch die beschädigte Glaubwürdigkeit der Bundesregierung sprach Erich Maschke an: »Bonn sollte es sich ersparen, durch Pressemitteilungen – wie im Falle der JugoslawienBände – auch nur fälschlicherweise in den Verdacht zu kommen, es habe die Bände erst auf Druck von außen freigegeben.«

Erich Maschke erschien es eben »im Interesse des Ansehens der Bundesregierung, vertreten durch das BMVt und das AA, aber auch im Interesse der WK dringend erforderlich«, zu einer grundsätzlichen, schriftlich fixierten Übereinkunft in der Frage der Drucklegung und Veröffentlichung zu kommen wie auch eine einheitliche Sprachregelung gegenüber der Öffentlichkeit bzw. der Presse zu erzielen. Er machte klar, was für ihn bei einer solchen Übereinkunft nicht zur Disposition stand: »A. Es ist gänzlich ausgeschlossen, dass etwa nur die Ost-Bände veröffentlicht, die West-Bände aber unter Verschluss gehalten werden. Das würde der WK mit Recht den Vorwurf der Parteilichkeit eintragen, sie zu einem politischen Instrument stempeln und so ihrer wissenschaftlichen Integrität berauben. B. Es ist auch ausgeschlossen, dass die Herausgabe einzelner Bände etwa von der politischen Tages-Konstellation abhängig gemacht wird. Wissenschaft verträgt sich in der westlichen Welt nicht mit politischer Zweckmäßigkeit. Daher halte ich es nicht für vertretbar, Bände zwar zu drucken, sie aber ›bis zum geeigneten Zeitpunkt‹ im Keller zu stapeln.«383

Seine eigene Position und die der WK brachte er deutlich in seinen Vorschlägen zum Ausdruck: »A. Alle WK-Bände werden nach der bisher üblichen Prüfung durch das AA und nach Berücksichtigung der von dort erhobenen Einwände, soweit sie nicht den wissenschaftlichen Charakter berühren, gedruckt. B. Die gedruckten Bände werden ohne Verzögerung dem freien Buchhandel zugeführt. C. Die WK wird autorisiert, der Presse gegenüber auf Anfrage den Stand der Drucklegung und Veröffentlichung ihrer Bände bekanntzugeben.«384 383 BA-MA Freiburg, B 205–1112, Entwurf eines Memorandums über die Drucklegung und Veröffentlichung der Studien der Wissenschaftlichen Kommission für deutsche Kg.-­ Geschichte, o. D., S. 3–4. 384 Ebd., S. 6.

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An der »absurden Situation, dass die Mitarbeiter der Wissenschaftlichen Kommission für deutsche Kriegsgefangenengeschichte ihre Manuskripte schreiben, diese Manuskripte dann vom Auswärtigen Amt zensiert werden, und wenn nach Auffassung des Auswärtigen Amts die Manuskripte als unbedenklich gelten können, das gleiche Amt verhindert, dass die Bände der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden«385, änderte sich jedoch auch in der Folgezeit nichts. Die grundsätzliche Haltung der Bundesregierung zur Frage der allgemeinen Zugänglichkeit der Schriftenbände legte Bundesaußenminister Brandt erneut am 25. April 1969 auf Anfrage des Abgeordneten Baier in einer Fragestunde des Bundestages dar und teilte mit, dass eine Reihe von Bänden einer beschränkten Anzahl von Dienststellen386 für den Dienstgebrauch zur Verfügung gestellt wurden. Seit dieser Auskunft wurde die Zugänglichkeit der Bände weiter ausgedehnt. Ende 1974 hatten 431 Empfänger, darunter auch 40 ausländische Institutionen und Bibliotheken, die Schriftenbände erhalten. Auch in den deutschen Bibliotheken waren die Bände zugänglich, allerdings infolge der Sekretierung nicht in den Katalogen erfasst. Dies bedeutete, dass ein an Einsichtnahme interessierter Wissenschaftler auf andere Weise über die Existenz der Schriftenreihe informiert sein musste, um sie unter Nachweis des wissenschaftlichen Zweckes verwenden zu können. Diese eingeschränkte Zugänglichkeit wurde selbst nach der Auflösung der Wissenschaftlichen Kommission zum 31.  Dezember 1972 nicht erweitert, so sehr sich Erich Maschke und die Kommission darum bemühten. Sie fanden darin die Unterstützung von rund 150 Einsendern, unter ihnen der sehr engagierte Osteuropahistoriker Manfred Hellmann, die mit Anfragen, Lobbyarbeit, offenen Briefen und ähnlichem die völlige Freigabe für die Öffentlichkeit forderten387. Sie erreichten wenig. Auch die Tat­ sache, dass dieses Thema wiederholt Gegenstand von Anfragen im Bundestag sowie von Presseberichten wurde, änderte letztlich nichts. 1974 schien dennoch für kurze Zeit die völlige Freigabe in greifbare Nähe gerückt zu sein. Dies stand im Zusammenhang mit der Erarbeitung des Schlussbandes der Schriftenreihe. Das Auswärtige Amt hatte das Teilmanuskript »Der Gang der Forschung« von Erich Maschke geprüft und war zu der Auffassung gekommen, dass insbesondere seine Darstellung über »Die politische Problematik und die Frage der Ver385 BA-MA Freiburg, B 205–1732, Schreiben Erich Maschkes an Bibliotheksdirektor Dr. Werhahn (Aachen) vom 26.7.1968. 386 Darunter befanden sich die Bundesministerien, die obersten Bundesbehörden, die Parlamentsbibliotheken, die Länderministerien, die Staatsarchive, die Bibliotheken der obersten Bundesgerichte und Oberlandesgerichte, die Universitäts- und Hochschulbibliotheken sowie Landes- und Staatsbibliotheken. 387 BA-MA Freiburg, B 205–1731. In einem Brief an Erich Maschke äußerte Fritz Gause sein Unverständnis über die Haltung der Regierung in dieser Frage: »Ich verstehe es nicht, dass die Bundesregierung diese Ihre Schrift nicht in Mengen drucken und verbreiten lässt, und eigentlich hätten Sie einen Orden vom Roten Banner oder etwas Ähnliches von den­ Sowjets wegen Ihrer Bemühungen um Völkerverständigung verdient. Kann man aber so viel Vernunft von den beiden Regierungen erwarten?«

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öffentlichung« für eine eventuelle spätere Veröffentlichung ungeeignet sei388. Weitreichende Änderungen und Streichungen sollten daran vorgenommen werden, die Erich Maschke offenbar nicht bereit war durchzuführen. Nach Angaben von Erich Maschke brachte nun das Auswärtige Amt die völlige Freigabe der Schriftenreihe als Druckmittel ins Spiel. In einem bitteren Brief an den Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher vom 29. Oktober 1975 schrieb Maschke: »[…] darf ich noch einmal darauf zurückkommen, dass ich auf meinen Brief vom 14. August [1975 – d. Vf.] keine Antwort erhalten habe. Ich kann hierin keinen Zufall sehen, sondern sehe mich gezwungen, diesen Vorgang mit der Tatsache zu verbinden, dass das Auswärtige Amt die Freigabe der Dokumentation davon abhängig machte, dass ich in einem für den Schlussband vorgesehenen Bericht über den Gang unserer Forschungen eine Reihe von Streichungen und Änderungen vornahm.«389

Um sie nicht zu gefährden, hatte Erich Maschke,– auch unter Druck des Bundes­ innnenministeriums? – in die Änderungen eingewilligt. Das deutete der Verleger der Schriftenreihe Ernst Gieseking folgendermaßen: »Ich weiß, wie man Sie vom Ministerium aus behandelt hat. Das sah fast nach einer Erpressung aus.«390 Wie sich die Textkorrekturen konkret abspielten, offenbaren zwei Zitate: »Herr Ministerialrat Dr. Schuster vom Innenministerium war so liebenswürdig, mich in Heidelberg aufzusuchen, um mir die Notwendigkeit der Änderungen zu erläutern und bei der Durchführung behilflich zu sein. So beugte ich mich dem Druck des Auswärtigen Amtes …«391

sowie »Das AA erhebt Bedenken vor allem gegen das Kapitel ›Die politische Problematik und die Frage der Veröffentlichung‹. Dieses Kapitel wurde [mit Erich Maschke – d. Vf.] Satz für Satz gemeinsam durchgegangen, die betreffenden Stellen ausgeklammert, im vollen Wortlaut bejahte Zitate bzw. Formulierungen gerötet bzw. unterstrichen.«392

An anderer Stelle wurde der Umfang der Überarbeitungen so beschrieben: »Der Aufsatz, in dem der Leiter der WK ausführlich den Gang der Forschung schilderte, wurde vom AA stark zusammengestrichen, […]«393

388 HStA Stuttgart, NL Erich Maschke J 40/10, Bü 166, Kopie eines Schreibens von i. A. Frau Giesen (AA) an das BdI z. Hd. Dr. Schusters vom 26.11.1974. 389 HStA Stuttgart, NL Erich Maschke J 40/10, Bü 116, Persönliches Schreiben Maschkes an den Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher vom 29.10.1975. 390 BA-MA Freiburg, B 205–1786. Schreiben Ernst Giesekings an Erich Maschke vom 3.1.1975. 391 HStA Stuttgart, NL Erich Maschke J 40/10, Bü 116, Persönliches Schreiben Maschkes an den Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher vom 29.10.1975. 392 HStA Stuttgart, NL Erich Maschke J 40/10, Bü 166, Vermerk vom 4.12.1974. 393 BA-MA Freiburg, B 205–1786 (ein Blatt aus einer nach dem 14.8.1975 verfassten Darstellung zur Arbeit der Kommission ohne Nennung des Autors).

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Obwohl der geänderte Text die Zustimmung des Auswärtigen Amtes fand, erfolgte die Freigabe der Schriftenreihe nicht. Auch zwei Schreiben Erich Maschkes an den Bundesaußenminister hatten daran nichts ändern können, wie Maschke deprimiert an Dr. Schuster schrieb: »Wenn ich das Schreiben [des Außenministers vom 7.11.1975 – d. Vf.] richtig verstehe, wird die Bundesregierung irgendwann einmal zu einem völlig unbestimmten Termin über die Freigabe entscheiden. So bleibt mir nun wohl endgültig die Resignation.«394

Erich Maschkes Bemühungen, die Anstrengungen des ehemaligen Geschäftsführers der Wissenschaftlichen Kommission Helmut Wolff und der zahl­eichen weiteren Engagierten waren ergebnislos im Sande verlaufen. Die des Verlegers Ernst Gieseking jedoch nicht: Keine zwei Wochen später hatte sich die Sachlage völlig verändert. Am 26.11.1975 wurde im Bundestag die völlige Freigabe mitgeteilt. Ein Rechtsstreit war dem Anliegen Maschkes und Giesekings allem Anschein nach zu Hilfe gekommen. Hintergrund dessen war das bevorstehende Erscheinen eines Buches »Verbrechen der Sieger. Das Schicksal der deutschen Kriegsgefangenen in Osteuropa – Berichte – Dokumente – eine kritische Studie« im rechtsextremen Druffel-Verlag. Dieser Text beruhte auf dem Jugoslawien­band der Wissenschaftlichen Kommission und griff daher massiv in die verlegerischen Rechte des Gieseking-Verlages an der Schriftenreihe ein. Ernst Gieseking sah sich nun in der Situation, seine eigenen Bände wegen der fehlenden Freigabe der Schriftenreihe durch das Auswärtige Amt nicht auf den Markt bringen zu dürfen. Das bedeutete darüber hinaus zusehen zu müssen, wie ein anderer Verlag diese Situation zu seinem wirtschaftlichen Vorteil ausnutzte, die eigene Schriftenreihe »ausschlachtete«, die Ergebnisse der wissenschaftlichen Arbeit verfälschte und damit auch den Ruf der Schriftenreihe schädigte. Dies wollte Ernst Gieseking nicht hinnehmen. Mit der Ankündigung des unverzüglichen Verkaufs erzwang er die Freigabe der Schriftenreihe: »Wenn ich [Erich Maschke – d. Vf.] es richtig sehe, haben alle meine Bemühungen keinen entscheidenden Erfolg gehabt. Vielmehr hat doch wohl Ihre [Ernst Gieseking – d. Vf.] Erklärung, dass Sie die Bände nun in den Verkauf geben würden, das entscheidende Gewicht gehabt.«395

Offenbar hätte es Gieseking auch auf einen Prozess ankommen lassen: »Es gab harte Sitzungen in Bonn, zu denen ich [Ernst Gieseking – d. Vf.] einen befreundeten Bielefelder Anwalt mitgenommen hatte. Von einer ›Freigabe‹ will man auch heute in Bonn noch nichts wissen. Man fügt sich nur der harten Tatsache, dass die Regierung bei einem Prozess verlieren würde, wie die ›Rechtsgelehrten‹ der Ministerien erkannt hatten. Wir hätten zu diesem Mittel auch schon früher – in frühe394 HStA Stuttgart, NL Erich Maschke J 40/10, Bü 166, Schreiben Erich Maschkes an Ministerialrat Dr. Schuster (BdI) vom 13.11.1975. 395 HStA Stuttgart, NL Erich Maschke J 40/10, Bü 166, Schreiben Erich Maschkes an Ernst Gieseking vom 11.12.1975.

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ren Jahren z. B. – greifen können. Aber dann hätte man wahrscheinlich die weiteren Mittel gesperrt, so dass die ganze Dokumentation doch ein Fragment geblieben wäre. Ich glaube, wir haben so richtig gehandelt. Vielleicht hätte mein Angriff etwas früher erfolgen müssen und können, damit wir auf der Buchmesse und noch rechtzeitig vor Weihnachten hätten herauskommen können.«396

9.9.10 Kooperationsverhältnisse? Die Schilderung der Vorgänge um die Freigabe der Schriftenreihe lässt die Vielzahl an Akteuren und Faktoren erkennen, die Einfluss auf die beschriebenen Auseinandersetzungen und die Kommissionsarbeit insgesamt nahmen: Bundesregierung und Ministerialbürokratie aus verschiedenen Ministerien; Gremien und Abgeordnete des Bundestages, die Entscheidungen grundsätzlicher Art zu Fragen der Finanzierung und Veröffentlichung trafen bzw. die politische Praxis der Geheimhaltung seitens der Bundesregierung hinterfragten; Zeitungen aus dem In- und Ausland, welche über die Kommission berichteten und die Sekretierung einzelner Bände aufdeckten. Wissenschaftler, einzelne Verbände und Privatpersonen setzten sich darüber hinaus für die Veröffentlichung ein. Der Ernst Gieseking-Verlag verfolgte mit der Schriftenreihe wirtschaftliche Interessen. Unmittelbar persönlich hatte Erich Maschke als Leiter der Kommission vor allem mit der Ministerialbürokratie und der Presse397 zu tun. Resümiert man die von ihm bekannten Äußerungen und Einschätzungen, die das Beziehungsgeflecht zwischen Kommission und Bundesvertriebenen- bzw. später Bundesinnenministerium und Auswärtigem Amt und damit die Frage nach dem Verhältnis von Geschichtswissenschaft und Politik in diesem konkreten Fall betrafen, so ergab sich folgendes Bild: Laut Erich Maschkes Zusammenfassung übte das BMVt keinen Einfluss oder Kontrolle auf die wissenschaftliche Arbeit aus, sondern betreute sie in langen Jahren verständnis- und vertrauensvoll und mit großer Geduld. Den Staatssekretär Peter Paul Nahm bezeichnete er sogar als den »guten Mentor der WK, der sie auch in der Frage der Drucklegung ihrer Studien wirksam unterstützte.«398 Bei diesen Äußerungen ist zu berücksichtigen, dass Maschkes Überblick über den Gang der Forschung einer starken Nachzensur unterlag, die zwar vom Auswärtigen Amt angeordnet, aber vom Bundesinnenministerium umgesetzt wurde399. Nach Kenntnis der vorliegenden Akten ist jedoch tatsächlich kein tief greifender oder sogar grundsätzlicher Dissens zwischen Wissenschaftlicher Kommission und dem Bundesver396 HStA Stuttgart, NL Erich Maschke J 40/10, Bü 116, Schreiben Ernst Giesekings an Erich Maschke vom 18.12.1975. 397 Auf die Beziehungen zur Presse soll hier nicht näher eingegangen werden. 398 Maschke, Deutsche Kriegsgefangenengeschichte: Der Gang der Forschung, S. 32. 399 Siehe oben.

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triebenenministerium bekannt, der im Laufe der Zeit aufgetreten wäre und die Wissenschaftlichkeit des Forschungsprojektes betraf. Dies schloss jedoch Meinungsverschiedenheiten in Fragen der Finanzierung der Kommissionsarbeit, der Rechtsform der Werkverträge und der daraus erwachsenden Erarbeitung von Einzelthemen nicht aus. Auf den Beginn der Kommissionsarbeit scheint Erich Maschkes zitierte Einschätzung nicht zuzutreffen, wobei allerdings nicht ganz klar ist, welcher Zeitraum darin gemeint wurde: die Anfänge unter Hans Koch oder der Beginn seiner eigenen Leitung. In undatierten Bemerkungen aus der Feder Maschkes über »Die Forschungen über die deutsche Kriegsgefangenschaft des Zweiten Weltkrieges: Thema, Inhalt, Form und Problematik«400 hieß es nämlich dazu: »Die Erforschung der deutschen Kriegsgefangenschaft des Zweiten Weltkrieges war zunächst eine amtliche Auftragsarbeit mit politischem Hintergrund, die weitgehend vom BMVt gesteuert und kontrolliert wurde. Sie emanzipierte sich dann bald unter gleichbleibender verständnisvoller Betreuung durch das Ministerium zu einer un­ abhängigen wissenschaftlichen Leistung.«

In seiner Zusammenfassung erwähnte Erich Maschke das einmalige Vorkommnis, dass das Ministerium 1958, also noch unter Hans Koch, in die wissenschaftliche Arbeit unmittelbar eingegriffen habe401. Ob die von Maschke beschriebene Emanzipation ganz ohne Konflikte und Auseinandersetzungen ablief, bleibt noch zu untersuchen. Rückendeckung seitens des Ministeriums kam jedenfalls später, zu Beginn der 1960er Jahre, in den teils heftigen Auseinandersetzungen mit dem VdH.402 In die Verhandlungen um die Drucklegung und Veröffentlichung der Schriftenreihe war das Bundesvertriebenenministerium bzw. später Bundesinnenministerium als Dienstherr der Kommission naturgemäß stets mit eingebunden. Dass mit den Vertretern des Bundesinnenministeriums ebenso vertrauensvoll zusammengearbeitet werden konnte wie mit denjenigen des BMVt, erscheint nicht in jedem Fall sicher403. So heißt es in einem Schreiben Erich Maschkes an Helmuth von Dreßler:

400 BA-MA Freiburg, B 205–1720b. Handelt es sich dabei um Maschkes Entwurf für seinen Überblick über den Gang der Forschung? 401 Maschke, Deutsche Kriegsgefangenengeschichte: Der Gang der Forschung, S. 19. 402 BA-MA Freiburg, B 205–1792, Vermerk K. W. Böhmes vom 29.10.1962. 403 HStA Stuttgart, NL Erich Maschke J 40/10, Bü 115, Schreiben Helmut Wolffs vom 2.8.1973 an Erich Maschke: »In dem vorgesehenen Rahmenwerkvertrag mit Ihnen ist allerdings von seiten des Haushaltsreferates ein Passus aufgenommen, dass ab 1.1.1974 für unser Forschungsvorhaben keine Mittel mehr bereit gestellt werden könnten. Herr Schichterich [vom BMI/Vt – d. Vf.] hat – auch von mir informiert – diesen Satz als unrealistisch bezeichnet und versucht, dass er aus dem Entwurf herausgenommen würde. Das ist aber nicht gelungen, da sich das Referat ›nach oben‹ absichern wollte. Denn unsere Sache hat in diesen Tagen einen weiteren, leider ungünstigen Aspekt bekommen. Vom Auswärtigen Amt ist – so Schichterich – mitgeteilt worden, dass sich der Staatssekretär ›wegen

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»Im Innenministerium hat sich das Klima mir gegenüber grundlegend verändert. Während die früheren Sachbearbeiter für die Schwierigkeiten unserer Studien volles Verständnis hatten, habe ich jetzt mit Herren zu tun, denen das ganze Thema nicht nur gleichgültig, sondern höchst unangenehm ist. Der persönliche Umgangston ist dementsprechend.«404

Offenbar konnte sich Maschke aber auf die Unterstützung durch zumindest einige Vertreter des Bundesinnenministeriums verlassen, denn er schrieb Anfang des Jahres 1976: »Die Herren des Innenministeriums haben in der Tat in den letzten Monaten mit aller Energie um die Freigabe gekämpft.«405 Eine Charakterisierung des Kooperationsverhältnisses zwischen den entsprechenden Referaten im Auswärtigen Amt und der Wissenschaftlichen Kommission aus Sicht Erich Maschkes fiele wahrscheinlich weit weniger positiv aus. Maschke vermied jede Äußerung darüber in seinem zusammenfassenden Überblick, was schon für sich spricht: Vertretern des Bundesvertriebenen- bzw. Bundesinnenministeriums hatte er namentlich in mehreren Fußnoten ausdrücklich für ihren Einsatz gedankt. Seinen gänzlich anderen Eindruck von der Ministerialbürokratie im Auswärtigen Amt brachte er mehrfach in Briefen zum Ausdruck.406 Beispielsweise schrieb er im Zusammenhang mit der nicht gestatteten Freigabe: »Ich habe den Eindruck, es war und ist mehr eine Sache der Bürokratie als der jeweiligen Bundesregierung. Unabhängig von den Parteien, die jeweils in der Regierung vertreten waren, ist die Stellungnahme des Auswärtigen Amtes gleich geblieben.«407

Von den Meinungsverschiedenheiten in der Frage der Veröffentlichung abgesehen, gab es in mehreren, teils miteinander verflochtenen Bereichen mit den Vertretern des Auswärtigen Amtes ausgeprägte Reibungspunkte. Einer davon war das Prozedere der Vor- und gelegentlich auch Nachüberprüfungen durch das Auswärtige Amt, das die fertig gestellten Manuskripte der Kommission durchlaufen mussten: Ein fertiges Manuskript wurde zunächst an das Vertriebenenministerium geschickt, das es zum Gegenlesen an das Auswärtige Amt weiterreichte. Das Auswärtige Amt gab nun vor der Drucklegung eine Stellungnahme ab und je nach Ausfall des Votums wurde anschließend von bzw. trotz der Ostverträge‹(!) außerstande sähe, dem Minister die Freigabe zu empfehlen. Die sich daraus ergebende missliche Kombination: das BMI finanziert aus Mitteln der Öffentlichkeitsarbeit – einem Fond für die Selbstdarstellung des Ministers – ein Vorhaben, das ›politisch nicht (mehr) opportun‹ ist. Den Mut der Haushaltsreferenten, ein solches, offiziell als Stiefkind eingestuftes Projekt weiter zu erhalten, kann man sich vorstellen.« 404 BA-MA Freiburg, B 205–1733, Schreiben Erich Maschkes an H. von Dreßler vom 30.5.1974. 405 HStA Stuttgart, NL Erich Maschke J 40/10, Bü 166, Schreiben Erich Maschkes an Manfred Hellmann vom 11.1.1976. 406 BA-MA Freiburg, B 205–1731, Schreiben Erich Maschkes an Prof. Fr. K. Borchardt vom 27.5.1968. 407 BA-MA Freiburg, B 205–1732, Schreiben an Dr. Detlev Queisner vom 11.1.1973.

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Vertretern des Auswärtigen Amtes und der Kommission geprüft, ob sich die beanstandeten Stellen ohne Verletzung der Wahrheit ändern ließen oder die Veröffentlichung ganz unterbleiben musste408. Bei diesem Prozedere war die Kommission stets darauf bedacht, ihren wissenschaftlichen Status zu wahren und nach Möglichkeit eine Nachkontrolle zu verhindern409: »Die WK versteht sehr gut, dass sich das AA ein Mitspracherecht hinsichtlich der Herausgabe der WK-Bände vorbehalten hat, nachdem die WK ja gleichsam im ›öffent­ lichen Auftrag‹ arbeitet. Die WK betrachtet die vorherige Prüfung der Studien auf ihren politischen Zündstoff hin auch keineswegs etwa als ›Zensur‹, sondern als willkommene Hilfe fachkundiger Persönlichkeiten. Dennoch möchte ich, um die Zusammenarbeit auch hierzu zu erleichtern, folgendes anmerken: A. Es versteht sich von selbst, dass die WK-Autoren infolge ihrer jahrelangen Beschäftigung mit der Materie notwendigerweise eine bessere Kenntnis von dem haben müssen, was sie in ihren Studien als wissenschaftlich vertretbar verwerten. Vermutungen und Verdächtigungen geben sie daher keinen Raum. Ihre Studien verlassen erst dann das Haus, wenn sie nicht nur meiner, sondern auch der Kritik der anderen WK-Mitglieder stand­ gehalten haben.«410

In diesem Schreiben wies Erich Maschke zwar die Möglichkeit zurück, die Kommission könne die Nachkontrolle der Studien als Zensur empfinden, doch andernorts sprach er durchaus davon411. Auch die Eingriffe in seinen zusammenfassenden Überblick über die Kommissionsarbeit empfand er in diesem Sinne, ebenso äußerte sich der Geschäftsführer Helmut Wolff in einem Leserbrief412. Wie dieser sich erinnerte413, kam es in dieser Frage einmal zum Eklat, als das Auswärtige Amt massive Änderungen im Manuskript über die deutschen Kriegsgefangenen in französischem Gewahrsam vorgenommen wissen wollte. Diese beanstandeten Textstellen hatte die Wissenschaftliche Kommission zuvor jedoch mit dem französischen Comité d’Histoire de la deuxième Guerre Mondiale durchgesprochen und somit ein zugkräftiges Argument in der Hand. 408 BA-MA Freiburg, B 205–1792, Vermerk K. W. Böhmes o. D. (1962). 409 BA-MA Freiburg, B 205–1725b, Vermerk über eine Besprechung bei der Zentralen Rechtsschutzstelle des Auswärtigen Amtes am 8.6.1970 von Helmut Wolff: »Herr Dr. Strothmann erklärte, man möge die Seiten nach den vereinbarten Änderungen dem AA nochmals vorlegen. Die WK legte dar, solche Handhabung sehe nach ›Nachzensur‹ aus, die man (wie auch eine Vorzensur) ablehnen müsse; auch sei sie bislang nicht üblich gewesen.« 410 BA-MA Freiburg, B 205–1112, Memorandum über die Drucklegung und Veröffentlichung der Studien der Wissenschaftlichen Kommission für deutsche Kg.-Geschichte, o. D. 411 BA-MA Freiburg, B 205–1732, Schreiben Erich Maschkes an Bibliotheksdirektor Dr. Werhahn (Aachen) vom 26.7.1968. Siehe unten. 412 HStA Stuttgart, NL Erich Maschke J 40/10, Bü 116, Leserbrief Dr. Helmut Wolffs vom 20.11.1975. Darin heißt es: »Es ist anzuerkennen, dass die beteiligten Bundesministerien der WK im Rahmen grundsätzlicher Absprachen bei der Erarbeitung der Studien völlige wissenschaftliche Freiheit ließen (sieht man ab von einem nicht unerheblichen ›Zensureingriff‹ in den abschließenden Forschungsbericht des WK-Leiters) …« 413 Interview mit Dr. Helmut Wolff am 8.8.2003 in Kulmbach.

Wissenschaftliche Kommission zur deutschen Kriegsgefangenengeschichte

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Einen weiteren Reibungspunkt mit dem Auswärtigen Amt bildete ein juristischer Aspekt der Kriegsgefangenschaft. Die Zentrale Rechtsschutzstelle des Auswärtigen Amtes hatte sich die Darstellung der Kriegsverbrecherprozesse vorbehalten und den zu erfassenden Personenkreis auf die Kriegsgefangenen im Wortsinne414 beschränken wollen. Erich Maschke schrieb später, dass diese Lücke in den Darstellungen der Schriftenreihe vom Auswärtigen Amt »erzwungen«415 worden sei. Aus Sicht der Wissenschaftlichen Kommission war eine genaue thematische Abgrenzung der Kompetenzbereiche nicht immer möglich: Sie betrachtete es als ihre Aufgabe, auch das Schicksal der Kriegsverurteilten, nicht jedoch die Prozesse, in die deutsche Kriegsgefangenengeschichte einzubeziehen und daher auch in ihre Darstellungen aufzunehmen416. Aus diesem Grund führte der Werschetz-Band der Kommission zu einer Verstimmung zwischen der Zentralen Rechtsschutzstelle und der Wissenschaftlichen Kommission. Eine erneute grundsätzliche Vereinbarung über die Zusammenarbeit wurde nötig. Dennoch kam es auf beiden Seiten weiterhin zu thematischen Überschneidungen. Eine genaue Untersuchung wäre nötig, warum letztendlich die von der Zentralen Rechtsschutzstelle geplante Dokumentation über die Kriegsverbrecherprozesse nicht zustande kam, was Erich Maschke  – wahrscheinlich nicht nur als ehemaliger Verurteilter  – sehr bedauerte417. Lag es vielleicht gar nicht im Interesse der Ministerialbeamten, sich mit diesen Fragen gründlich und kritisch auseinanderzusetzen, weil dies unweigerlich den Umstand und das Ausmaß der von Deutschen verübten Kriegs- und Menschheitsverbrechen vor Augen geführt hätte? Eine weitere strittige Frage zwischen Kommission und Auswärtigem Amt war die Schweigeverpflichtung418 der Kommission gegenüber Presse und Öffentlichkeit über den Fortgang ihrer Arbeiten, berührte sie doch auch unvermeidlich den Konflikt um die Freigabe der Schriftenreihe. 414 BA-MA Freiburg, B 205–1742, Schreiben Erich Maschkes an das BMVt z. Hd. Dr. Schlicker vom 3.8.1962: »Dr. Gawlik [vom AA – d. Vf.] hat erklärt, die Kriegsgefangenschaft als solche sei nur so weit zu dokumentieren, wie die Betreffenden sich tatsächlich in Kriegsgefangenschaft befanden. Das hätte die Folge, dass wir die Zehntausenden von Kriegsgefangenen, die 1949/50 in der Sowjetunion formal als Kriegsverbrecher verurteilt wurden, aus unserer Untersuchung ausschließen müssten. Da diese Kriegsgefangenen z. T. bis 1955 zurückgehalten wurden, dürften wir über die Hälfte ihrer 10-jährigen Gefangenschaft keine Aussagen machen. Das ist völlig absurd.« Zur unterschiedlichen Auslegung des Begriffs »Kriegsgefangener« Borchard, Die deutschen Kriegsgefangenen in der Sowjetunion, S. 58–65. 415 HStA Stuttgart, NL Erich Maschke J 40/10, Bü 116, Schreiben Erich Maschkes an Dr. Martin Lang vom 6.1.1977. 416 BA-MA Freiburg, B 205–1792, Vermerk K. W. Böhmes o. D. (1962). 417 BA-MA Freiburg, B 205–1732, Brief Erich Maschkes an Hans Starke vom 11.1.1973. Ebenso im Geleit zu Lang »Stalins Strafjustiz gegen deutsche Soldaten. Die Massenprozesse gegen deutsche Kriegsgefangene in den Jahren 1949 und 1950 in historischer Sicht«, Herford 1981. 418 BA-MA Freiburg, B 205–1112, Memorandum über die Drucklegung und Veröffentlichung der Studien der WK; B 205–1726a, Schreiben Erich Maschkes an Dr. Schlicker (BMVt) vom 7.2.1964.

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Heidelberg (1956 bis 1982)

Diese Freigabe der Schriftenreihe war 1975 zwar erreicht419, aber eine weit­ reichende Rezeption sollte den Bänden nicht beschieden sein. Die Bände wurden weder öffentlich vertrieben noch waren sie anderweitig erhältlich. Eine fachliche wie auch öffentliche Diskussion war daher nicht möglich. Einen großen Teil Verantwortung für das Ausbleiben der Rezeption lag beim Auswärtigen Amt. Es hatte über Jahre hinweg erfolgreich die öffentliche Freigabe und somit eine kontinuierliche Rezeption zu verhindern gewusst. Aber auch andere, teils miteinander verflochtene Gründe sind dafür ins Auge zu fassen. Man schrieb bereits das Jahr 1975, als die vollständige Freigabe erfolgte, und viele der von Kriegsgefangenschaft im weitesten Sinne Betroffenen und daher an einer solchen Schriftenreihe vorrangig Interessierten waren verstorben. Darüber hinaus mochte es auch der Öffentlichkeit scheinen, dass die Schriftenreihe Themen behandelte, die dem Zeitalter der Entspannungspolitik wenig angemessen waren und am besten dem Vergessen anheim fallen sollten. Auch mochten einige die Schriftenreihe nach wie vor für außenpolitisch gefährlich halten420. Als Auftragsarbeit der Bundesregierung war die Arbeit der Kommission in gewissem Sinne stets den politischen Zeitläuften unterworfen und machte daher eine Entwicklung vom »Wunschkind des Kalten Krieges«421 zum »offiziell als Stiefkind eingestuften Projekt«422 (Helmut Wolff) durch. Erschwerend kam in diesem Zusammenhang noch hinzu, dass die Kommission in ihrer Arbeit unmittelbar und mittelbar mehreren Bundesministerien rechenschaftspflichtig war. Zu berücksichtigen bleibt ferner die lange Dauer der Erarbeitung der Schriftenreihe, u. a. aufgrund der Konstruktion der Kommission, des Personalmangels, der finanziellen Ausstattung und unvorhersehbarer methodischer Probleme. Dass die Kommission in der wissenschaftlichen Fachwelt schlecht 419 Wie Michael Borchard (ders., Die deutschen Kriegsgefangenen in der Sowjetunion, S. 23) mitteilte, führte die Kartei der Bundestagsbibliothek die Bände bis 1995 unter dem Vermerk ›Nur für den Dienstgebrauch‹«. 420 HStA Stuttgart, NL Erich Maschke J 40/10, Bü 116, Brief Manfred Hellmanns an Erich Maschke vom 27.12.1976: »Vor langer Zeit sagte ich Ihnen zu, die Dokumentation über die deutschen Kriegsgefangenen des Zweiten Weltkrieges für die ›Jahrbücher für Geschichte Osteuropas‹ zu besprechen bzw. anzuzeigen. Mein Plan wurde von Herrn Stökl durchkreuzt, der meine etwas länger gewordene Rezension für zu ›gefährlich‹ hielt, d. h. mit Verstimmungen im Osten rechnete, und mich dadurch veranlasste, sie zurückzuziehen. […] Daß die ›Jahrbücher‹ nun so tun, als gebe es diese Dokumentation überhaupt nicht, ist bedauerlich, aber ich bin außerstande, das zu ändern.« Erich Maschkes Antwort darauf vom 7.1.1977 ebd.: »Über Herrn Stökls Ablehnung der Besprechung für die ›Jahrbücher‹ bin ich fassungslos. Wenn er sie aus Überzeugung und beweiskräftig restlos verreissen würde, wäre das sein gutes Recht. Doch einen wissenschaftlichen Hinweis zu unter­ drücken, finde ich ungeheuerlich. Für einen Gelehrten finde ich eine solche Haltung sehr viel schlimmer als die gleichartige Haltung des Auswärtigen Amtes.« 421 Interview mit Dr. Helmut Wolff am 8.8.2003 in Kulmbach. 422 HStA Stuttgart, NL Erich Maschke J 40/10, Bü 115, Schreiben Dr. Helmut Wolffs an Erich Maschke vom 2.8.1973.

Wissenschaftliche Kommission zur deutschen Kriegsgefangenengeschichte

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verankert war, tat ein Übriges. Hinzu kam, dass bestimmte Presseorgane wie die »Quick« und die Nationalzeitung teilweise ausführlich über die Kommission und ihre Schriftenreihe berichtet hatten und dieser Umstand sich möglicherweise für eine unvoreingenommene Rezeption als hinderlich erwiesen hatte. Der Presseberichterstattung über die Kommission generell nachzugehen, würde den Rahmen dieser biographisch angelegten Arbeit sprengen. So bleiben nicht nur in dieser Hinsicht noch viele Fragen ohne Antwort, die die Wissenschaftliche Kommission und ihre Publikationsreihe betreffen.

10. Resümee In Lebensweg und historiographischen sowie publizistischen Arbeiten Erich Maschkes zeigen sich eine Vielzahl jener Façetten, Aspekte und Wechselwirkungen, die im Verhältnis zwischen Geschichtswissenschaft und Politik existieren und Kontinuitäten und Brüche in der deutschen Geschichtswissenschaft im 20. Jahrhundert erklären können. Erich Maschke wurde 1900 in Berlin als Sohn eines Augenarztes geboren, wurde nach dem Notabitur 1918 zum Militär- bzw. Kriegsdienst eingezogen und erlebte das Ende des Ersten Weltkrieges als Verwundeter. Nicht dies oder das Kriegserlebnis als solches war von offensichtlich starkem Einfluss auf ihn, sondern die Niederlage und die Bestimmungen des Versailler Vertrages für Deutschland. Daher beschäftigte er sich – auch unter dem großen Einfluss der bündischen Neupfadfinder, deren engerem Führungskreis er lange Zeit angehörte  –, viele Jahre lang mit dem sogenannten Grenz- und Auslanddeutschtum, bereiste die entsprechenden Gebiete und hatte dort die Gelegenheit, die Auswirkungen des Versailler Vertrages vor Ort kennenzulernen. Mit großer Wahrscheinlichkeit wechselte er aus diesem Engagement heraus vom Studium der Medizin zu dem der Geschichte, Germanistik und Geographie und ging 1925 nach Königsberg. Spätestens dort erwarb er sich ein Verständnis von Geschichte, das in historischen Quellen und Dokumenten Hilfsmittel und Waffen für die politischen Auseinandersetzungen der Gegenwart, vor allem im Kampf gegen die Bestimmungen des Versailler Vertrages sah. Von erheblichem Einfluss auf ihn waren dabei sein Lehrer Hans Rothfels sowie dessen Schülerkreis. Hatten die jahrelangen Erlebnisse im Kreis der Neupfadfinder Erich Maschkes Aufmerksamkeit schon auf das »Volk« gerichtet, so entwickelte er sich in Königsberg immer mehr zu einem völkischen Wissenschaftler und Publizisten, der sich diesen Fragestellungen zuwandte. Dies verstärkte sich zu Beginn der 1930er Jahre. Zu dieser Zeit nahm Maschke, wohl aus unterschiedlichen Motiven, Kontakte zu Personen aus der deutschen Ostforschung auf und fasste in ihren Institutionen Fuß. Allmählich rückte er, zum Teil durch hochrangige Ostforscher protegiert, in die vorderen Reihen der deutschen Ostforschung auf. Dies erwies sich nicht nur bei seinem beruflichen Wechsel an die thüringische Universität Jena im Jahr 1935 als vorteilhaft. Dort anfangs als im Sinne des Nationalsozialismus politisch undurchsichtig eingeschätzt, gelang es ihm, sich durch vielfältiges Engagement in parteizugehörigen oder -nahen Einrichtungen zu etablieren. Einzig und allein Karrieregeist und Opportunismus für ein solches Verhalten verantwortlich zu machen, greift allem Anschein nach zu kurz. Plausibel erscheint daher die Vermutung, dass sich Maschke auch aus innerer Überzeugung und Nähe zum Regime und seiner Ideologie in dieser umfangreichen Art und Weise engagierte. In den folgenden Jahren zeigte sich Maschke

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Resümee

als ein Historiker, der begeistert die außenpolitischen Ereignisse propagandistisch und publizistisch begleitete und seine wissenschaftlichen Kenntnisse und Fähigkeiten auf vielfältige Weise bereitwillig in die Dienste des NS-Regimes stellte. Dies tat er sowohl auf lokaler als auch regionaler wie überregionaler Ebene. Auch in seiner Geschichtsschreibung öffnete er sich zunehmend den Schlagworten, Vorstellungen und Ideologemen des Nationalsozialismus, besonders auffällig in seinen Schriften zur Geschichte des Deutschen Ordens in Preußen. Rassistisches Gedankengut fand seit Mitte der 1930er Jahre zunehmend Eingang in seine Veröffentlichungen, so dass sich eine deutliche Verschiebung und Weiterentwicklung von Maschkes Geschichtsverständnis von einem völkischen zu einem explizit völkisch-rassistischen erkennen lässt. In seiner Auffassung etablierte sich nun offenkundig auch die Rasse als prägender historischer Faktor. Sicherlich nicht zufällig, nahm Erich Maschke als Experte für polnische Geschichte und Gegenwart 1939 zu Beginn des Zweiten Weltkrieges am sogenannten Polenfeldzug teil. Sein Einsatzgebiet war der Warthegau und er kam seinen Aufgaben als Ordonnanz- und Verbindungsoffizier sowie als Dolmetscher und Ic-Mitarbeiter mit Begeisterung nach. Darüber hinaus liegen Hinweise vor, die seinen Namen zumindest in die Nähe von Umsiedlungsaktionen und Deportationen von Polen und Juden bringen. 1940 wurde er unabkömmlich gestellt und nahm am weiteren Verlauf des Krieges vor allem als Publizist und Schulungsredner teil. Die Art seiner Beiträge lässt darauf schließen, dass er die nationalsozialistische Eroberungs- und Vernichtungspolitik akzeptabel fand und sich ohne Bedenken ihrer propagandistischen Begleitung zur Verfügung stellte. Auf diese Weise leistete er als Historiker den national­ sozialistischen Verbrechen in Ost- und Ostmitteleuropa publizistischen und propagandistischen Vorschub. Nach seinem Wechsel nach Leipzig 1942 setzte er seine Schulungen, u. a. in der Wehrmacht, fort. An der Universität Leipzig übernahm er mit dem Amt des Stellvertretenden Dozentenbundführers erstmals ein öffentlich wirksames Amt, das den Aufgaben des Dozentenbundes nach für die ideologische Ausrichtung der Hochschullehrer und die politische Kontrolle an der Universität mithilfe von Gutachten bei Berufungen zuständig war. Ob die Übernahme dieses Amtes ursächlich für Erich Maschkes Kontakte zum Sicherheitsdienst der SS verantwortlich zu machen ist oder nicht, bleibt bislang offen – in jedem Fall gehörte Erich Maschke spätestens in Leipzig zu den 2500 Vertrauensmännern, die in Sachsen für den SD arbeiteten. Hier in Leipzig erlebte er das Ende des Krieges. An der Wiederaufnahme des Lehrbetriebes der Universität in den historischen Fächern war er zunächst noch intensiv beteiligt, wurde dann aber im Herbst 1945 verhaftet und in das Internierungslager Mühlberg verbracht. Dort begann die Zeit der Gefangenschaft, die ihn auf verschiedenen Stationen durch sowjetische Lager führte und von seiner Familie bis 1953 trennte. Von der Beschäftigung mit historischen Themen konnten ihn Gefangenschaft und Verurteilung in einem der Massenprozesse 1949/50  – allen Entbehrungen zum Trotz – nicht abhalten. Es liegt nahe, vor allem in diesem Erleben von Internierung und langjähriger Gefangenschaft die Ursache dafür zu suchen,

Resümee

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dass Erich Maschke nach 1953 eine weitgehende Neubestimmung in seiner Interpretation der Beziehungen zwischen Geschichtswissenschaft und Politik vornahm. Zu berücksichtigen sind jedoch auch die veränderten Bedingungen für seine wissenschaftliche Tätigkeit nach seiner Heimkehr, zuerst in der Phase seiner Wiedereingliederung und danach an der Universität in Heidelberg. Nach seiner Rückkehr aus der Sowjetunion 1953 bahnten sich Veränderungen an bzw. fanden statt, die von weitreichender Konsequenz waren. Sie betrafen Maschkes Denken, seine Positionierung innerhalb der scientific community, innerhalb verschiedener Denkkollektive und Gruppierungen, denen er vor 1945 angehört hatte und die nun in der Bundesrepublik in gleicher oder ähnlicher Form weiterbestanden. Seine Position in ihnen und in der »zeitgenössischen Zunft« ist nur schwer auf einen Nenner zu bringen. Von den Veränderungen war sein wissenschaftliches Arbeiten auch nicht ausgenommen. Diese Veränderungen wurden u. a. in folgendem sichtbar: Erich Maschke hatte in den ersten Jahren nach seiner Heimkehr wohl auch aus Gründen seiner Anstrengungen um eine Wiedereingliederung ins Berufsleben den Kontakt zu Kreisen der bundesdeutschen Ostforschung gesucht und wiederaufgebaut. Dabei erwies sich die Wiederbelebung alter Verbindungen für ihn von Nutzen. Die damalige bundesdeutsche Ostforschung rekrutierte sich größtenteils aus Mitgliedern der deutschen Ostforschung der 1930er und 1940er Jahre und fühlte sich deren Fortsetzung verpflichtet. Er entfernte sich jedoch gegen Ende der 1950er Jahre deutlich von den von in diesen Kreisen vertretenen Absichten und Zielen und hielt einen gewissen Abstand zu den entsprechenden Netzwerken und Personengruppen. Dies hatte zwar wohl auch etwas mit Maschkes fachlicher Neuorientierung zu tun, aber seine Auffassungen von den Aufgaben der Ostforschung nach 1945 unterschieden sich deutlich von derjenigen der tonangebenden bundesdeutschen Ostforscher. Seine Auffassungen brachten ihn eher in die Nähe von reformorientierten Wissenschaftlern. In diesen Zusammenhang gehört es, dass sich Maschke für eine Verständigung mit polnischen Wissenschaftlern über die wissenschaftlichen und politischen Streitfragen der Vergangenheit einsetzte. Auch an guten persönlichen Kontakten zu polnischen Kollegen war ihm in den folgenden Jahrzehnten gelegen. Erich Maschkes wissenschaftliche Überlegungen zu Themen, die in den Bereich der Ostforschung fielen, offenbarten die nicht immer erfolgreichen Bemühungen um eine Überarbeitung bisheriger Sichtweisen, Positionen, Argumentationsmuster sowie um ein Entschärfen nun kompromittierender und kompromittierter Begriffe. Diese wissenschaftlichen Arbeiten offenbarten auch Kontinuitäten in seinen Denkmustern und in seinem Sprachgebrauch. Dennoch ist nicht zu verkennen, dass Erich Maschke einigen Abstand zum Denkstil der Ostforschung der 1930er bzw. 1940er Jahre gewonnen hatte. Es ist allerdings unklar, inwieweit sich diese Distanz Maschkes auch auf die tradierten Methoden und – noch schwerwiegender – auf seine Reflexionen über die engen Verflechtungen der Ostforschung mit politischen Kreisen in der Vergangenheit bezog. Zur gesuchten bzw. hergestellten Nähe der bundesdeutschen Ostforschung

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Resümee

zu politischen Kreisen der Gegenwart nahm er nach bisherigen Kenntnissen keine Stellung, stand ihren damit anvisierten Zielen aber kritisch gegenüber. In seinen sozial-, wirtschafts- und kulturgeschichtlich angelegten Schriften zum Deutschen Orden verließ Erich Maschke seinen vorrangig politikgeschichtlichen Ansatz und eröffnete der weiteren Forschung neue Perspektiven. Weitreichende Veränderungen brachte die langjährige Abwesenheit Maschkes auch hinsichtlich eines anderen Personenverbandes mit sich, dem Erich Maschke vor 1945 angehört hatte. Nach seiner Heimkehr aus der Sowjetunion suchte und fand er relativ schnell wieder Anschluss an die ehemaligen Königsberger Kollegen und Freunde um Hans Rothfels. Sie bemühten sich, ihm beim beruflichen Neuanfang zu helfen, wobei besonderes Gewicht dem Eintreten von Hans Rothfels zu seinen Gunsten zukam. Nicht nur zu ihm, sondern auch zu anderen Personen dieses Kreises pflegte Erich Maschke enge freundschaftliche Kontakte, dies auch in den folgenden Jahrzehnten. Diese Kontakte beinhalteten auch eine fachliche Zusammenarbeit in einigen Einrichtungen, Verbänden und Institutionen sowie den Austausch in personellen Fragen. Wenn hierin eine Kontinuität zu früheren Zeiten gesehen werden kann, so bestand allem Anschein nach dennoch ein Unterschied zu den Jahren vor 1945: Diese Kooperation scheint nicht von gleicher oder ähnlicher Intensität bzw. entsprechendem Umfang wie früher gewesen zu sein. Dafür mag in gewissem Sinne die fachlich-thematische Neuorientierung Maschkes nach 1954 verantwortlich gewesen sein. Erich Maschke auch nach seiner Heimkehr diesen Königsbergern zuzurechnen, gerade auch wegen seines persönlichen Verhältnisses zur gemeinsamen Bezugsperson Hans Rothfels, erscheint dennoch nicht völlig aus der Luft gegriffen. Dieser Kreis der ehemaligen Königsberger überschnitt sich teilweise mit demjenigen der modernen Sozialhistoriker, die um Werner Conze gruppiert waren. Erich Maschke gehörte auch diesem Kreis oder Denkkollektiv an, auch in seiner Eigenschaft als Mitdirektor des Instituts für moderne Sozialgeschichte an der Universität Heidelberg. Doch auch hier ließ sich der Umfang seines Engagements in den entsprechenden Gremien sowie der Grad seiner tatsächlichen Einbindung und Mitwirkung an der Etablierung einer modernen Sozialgeschichte im Sinne Werner Conzes nur schwer abschließend beurteilen. Noch in anderer Hinsicht ist die Zuordnung Maschkes zum Denkkollektiv und Kreis der ehemaligen Königsberger sowie zum Kreis der Sozialhistoriker um Werner Conze fraglich: Sieht man sich Maschkes sozialgeschichtlich orientierte Schriften an, so stellt man fest, dass sie sich größtenteils in anderen Zeiträumen bewegten und sich anderer Themen annahmen. Zweifel an seiner Zugehörigkeit zum engeren Kreis der modernen Sozialhistoriker um Conze erscheinen daher durchaus angebracht. Inwieweit Erich Maschke auch hinsichtlich des hier gepflegten Denkstils als ein Vertreter dieses Kreises und der von Werner Conze implementierten Sozialgeschichte gelten kann, bleibt ebenso fraglich. Die Analyse der nach 1954 entstandenen Texte Maschkes erbrachte deutliche Anzeichen für Veränderungen in seinem Denkstil. Nur noch ansatzweise und gelegentlich tauchten einzelne Elemente des vormaligen Denkstils auf. Auch

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für eine Auseinandersetzung Maschkes mit der Moderne sowie für eine Abwehr des Sozialismus bzw. Kommunismus in seinen Schriften, wie sie in denen anderer Sozialhistoriker aus dem Königsberger Kreis zu Tage traten und nach Auffassung Etzemüllers die frühe Sozialgeschichte zur politischen Geschichte machten, fehlten die Anhaltspunkte. Wies er tatsächlich der modernen Sozial­ geschichte als Strukturgeschichte eine politische Funktion zu? Ebenso ließen sich für ein Bestreben Erich Maschkes, mithilfe seiner sozialhistorischen Texte politische Willensbildung zu betreiben und der Nation den Weg in Gegenwart und Zukunft zu weisen, keine Hinweise finden. In seinen Texten brachte er keine eindeutig bestimmbare politische Haltung zum Ausdruck, indem er durch seine spezifischen Bilder von der Vergangenheit massive Wertungen transportierte. Die Erarbeitung der Schriftenreihe zur deutschen Kriegsgefangenengeschichte des Zweiten Weltkrieges, die unter Maschkes Leitung stand, hätte dafür beispielsweise eine gute Gelegenheit geboten. Dieses Großforschungsprojekt einer deutschen Kriegsgefangenengeschichte des Zweiten Weltkrieges konfrontierte ihn in mehrfacher Hinsicht mit den Kontinuitäten, Wechselfällen, Brüchen und Neuanfängen in seinem wissenschaftlichen Lebenslauf sowie in seiner persönlichen Vita. Es setzte ihn unmittelbar dem Nachdenken über seine Auffassung von den Beziehungen zwischen Geschichtswissenschaft und Politik in der Vergangenheit und dem Suchen nach einer Neubestimmung dieses Verhältnisses für seine gegenwärtige und zukünftige wissenschaftliche Arbeit aus: In der Tat ließen die Quellen und Dokumente über die Übernahme der Kommissionsleistung, den Verlauf der Arbeiten sowie die Art der persönlichen Involvierung Erich Maschkes in die Vorgänge um ihre Freigabe darauf schließen, dass Maschke einen Umlernprozess durchlaufen und seinen Denkstil modifiziert hatte. Diese Prozesse führten zu einem veränderten Selbstverständnis als Historiker und Wissenschaftler und zu einer veränderten Auffassung von den Aufgaben der Geschichtswissenschaft bzw. waren Ausdruck derselben. Historische Forschung und wissenschaftliche Beiträge sollten nun in einem anderen Verhältnis zur Politik stehen und anderen (als politischen) Zielen dienen. Weitere Einflüsse, die sich aus Erich Maschkes veränderter Zugehörigkeit zu Denkkollektiven und aus einem modifizierten Denkstil ergaben bzw. auf diese zurückwirkten, schlugen sich naturgemäß in seinen Veröffentlichungen nieder. In der Zeit vor 1945 hatte sich Erich Maschke sowohl in wissenschaftlicher wie auch in publizistischer Weise öffentlich geäußert. Als großen Unterschied zu seinem Œuvre aus der Zeit vor 1945 bemerkt der Leser sofort das Fehlen ­publizis­tischer Schriften. Erich Maschke bezog als Historiker nicht mehr öffentlichkeitswirksam Stellung zu aktuellpolitischen Ereignissen im In- und Ausland. Er enthielt sich nun der Erläuterung und Kommentierung politisch relevanter Vorgänge, der politischen Ratschläge oder Zukunftsvoraussagen. Auf diese Weise hielt er auch Abstand zur politischen Propaganda, Agitation und zur Legitimierung der Regierungspolitik. Gleichermaßen vermied er damit die Propagierung eines nationalen oder völkischen Wir-Gefühls, wie er dies vor 1945 getan hatte. Für ihn waren Wissenschaft und Nation nicht mehr deckungs­

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gleiche Werte. Mit einer solchen Zurückhaltung verhinderte er auch die Einordnung seiner Person in eine politische Schublade bzw. seine Ver­strickung in politische Auseinandersetzungen. Er exponierte sich nicht mehr. Erich Maschke veröffentlichte aber auch kaum noch populärwissenschaftliche publizistische Beiträge. Seine Schriften waren deutlich seltener als früher an eine allgemeine Leserschaft oder interessierte Laien gerichtet. Das bedeutete aber nicht, dass er die Adressaten seiner Forschungsergebnisse nur im Fachpublikum suchte. Wie die zahlreichen Vortragsmanuskripte für den Rundfunk belegen, war ihm an der Vermittlung seiner Kenntnisse weiterhin sehr gelegen, doch bevorzugte er dafür offenbar nun ein anderes Medium. Aber auch in seinem wissenschaftlichen Werk zeigten sich deutliche Veränderungen, die über die Aussparung aktuell-politischer Bezüge hinausgingen. Einige seien hier auszugsweise genannt. Die Veränderungen werden augenfällig, vergleicht man das wissenschaftliche Werk Maschkes nach 1945 hinsichtlich der bearbeiteten Themen. Ihre Vielfalt und Bandbreite sind beeindruckend. Beim näheren Hinschauen zeigt sich zwar, dass Erich Maschke nur bei wenigen Themen unmittelbar von »Null« anfangen musste und nicht in einer oder der anderen Form früher schon einmal damit zumindest in Berührung gekommen war. Dennoch gelang ihm nach 1945 bzw. 1953 in seinen wissenschaftlichen Abhandlungen eine seltene Vertiefung sehr verschiedener Themengebiete. In den Themenbereichen, in denen er sich einarbeiten musste, verband er oftmals alte mit neuen Interessen. Dabei galt eine große Vorliebe von ihm der Erforschung der mittelalterlichen Stadt. Ein wichtiger Teil seiner Lebensarbeit beschäftigte sich auch mit der Geschichte der deutschen Kriegsgefangenen des Zweiten Weltkrieges. Über diese beiden Themen hinaus deckten seine wissenschaftlichen Schriften nun einen Zeitraum vom Hochmittelalter bis zur Zeitgeschichte ab. Da der Hauptschwerpunkt seiner Veröffentlichungen im Mittelalter lag, rechtfertigt dies die Charakterisierung Maschkes als Mediävisten, die ansonsten fragwürdig gewesen wäre. Epochenweite Überblicksdarstellungen monographischen Charakters oder Handbuchartikel größeren Umfanges zu einem Thema verfasste Maschke allerdings nicht mehr. Seine Rolle als Herausgeber der Schriftenreihe zur deutschen Kriegsgefangenengeschichte stellte eine Herausforderung für ihn dar: Eine Aufgabe in diesem Umfang war Neuland für ihn. Eines der Merkmale seiner Schriften nach 1945 bzw. 1953 ist eine durchgängig veränderte Perspektive. So stellten seine Darlegungen kaum noch Bezüge zur Reichsgeschichte oder gar zur Volksgeschichte her, sondern bewegten sich auf landesgeschichtlicher und auch lokalhistorischer Ebene. Dies schloss ein Hinausgreifen auf europäische Bezüge aber nicht aus. Im Gegenteil: Für die Sichtweise, in der er beispielsweise seine Beiträge für die Schriftenreihe der Wissenschaftlichen Kommission zur deutschen Kriegsgefangenengeschichte anging, war eine europa- und weltweite Perspektive geradezu erforderlich. Seine Darstellungen bevorzugten weit seltener als früher einen ereignisgeschichtlichen oder politikgeschichtlichen Ansatz. Eine rassegeschichtliche Betrachtungsweise fehlte gänzlich, was nicht weiter überrascht. Hatten sich Masch-

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kes frühere Schriften größtenteils der Geschichte des »Volkes« zugewandt, so richtete sich das Augenmerk der nach 1945 bzw. 1953 entstandenen Veröffentlichungen auf das Individuum oder das Kollektiv, d. h. auf soziologisch fassbare Größen oder Einheiten. Nach wie vor ging es ihm um »Ordnungen« und ordnungstheoretische Fragestellungen. Er untersuchte weiterhin die Fragen nach den Bedingungen und Formen für Aufbau und Erhalt politisch-sozialer Ordnung und nach dem »inneren Zusammenhang« von ebensolchen Verbänden, verwendete aber dafür nun den Begriff »Gefüge« oder »Struktur«, ohne dass diese Begriffe mit »Volk« identisch waren.

Abkürzungen AA Auswärtiges Amt Abt. Abteilung AG Arbeitsgemeinschaft A. K. Armeekorps Art. Artikel BA Bundesarchiv BAK Bundesarchiv Koblenz BA-MA Bundesarchiv Militärarchiv Bd. Band BdI Bundesministerium des Innern BDC Berlin Document Center BDO Bund Deutscher Osten BMVt Bundesministerium für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte DRK Deutsches Rotes Kreuz Gestapo Geheime Staatspolizei GStAPK Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz GULag Glavnoe upravlenie lagerej NKVD/MVD, Hauptverwaltung der L ­ ager des NKVD/MVD (1934 bis 1956) GUPVI Glavnoe upravlenie po delam voennoplennych i internirovannych NKVD/MVD, Hauptverwaltung des NKVD/MVD für Kriegsgefangene und Internierte (1945 bis 1951) HAIT Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung Dresden HStA Hauptstaatsarchiv HZ Historische Zeitschrift IfA Institut für Archivauswertung IfZ Institut für Zeitgeschichte IKRK Internationales Komitee vom Roten Kreuz Jg. Jahrgang k. w. künftig wegfallend KZ Konzentrationslager NKVD Narodnyj kommisssariat vnutrennych del, Volkskommissariat des Innern der UdSSR MdI Ministerium des Innern NL Nachlass NOFG Nord- und Ostdeutsche Forschungsgemeinschaft NS Nationalsozialismus, nationalsozialistisch NSDDB Nationalsozialistischer Deutscher Dozentenbund NSLB Nationalsozialistischer Lehrerbund NSStB Nationalsozialistischer Studentenbund PA Personalakte PuSte Publikationsstelle

348 RGVA

Abkürzungen

Rossijskij gosudarstvennyj voennyj archiv, Russisches Staatliches Militärarchiv RSFSR Russische Sozialistische Föderative Sowjetrepublik SA Sturmabteilung SBZ Sowjetische Besatzungszone SD Sicherheitsdienst des SS SMAD Sowjetische Militäradministration in Deutschland SS Schutzstaffel Stalag Stammlager TU Technische Universität UAJ Universitätsarchiv Jena UAH Universitätsarchiv Heidelberg UAL Universitätsarchiv Leipzig uk. unabkömmlich VDA Verein für das Deutschtum im Ausland VdH Verband der Heimkehrer, Kriegsgefangenen und Vermisstenangehörigen Deutschlands e. V. VfZ Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte VHD Verband der Historiker Deutschlands VSWG Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte VwA Volkswissenschaftlicher Arbeitskreis WK Wissenschaftliche Kommission YMCA Young Men’s Christian Association ZfO Zeitschrift für Ostforschung/Zeitschrift für Ostmitteleuropaforschung ZfG Zeitschrift für Geschichtswissenschaft

Schriftenverzeichnis Erich Maschkes Die bibliographischen Angaben der hier aufgeführten veröffentlichten Texte Erich Maschkes wurden der Internationalen Bibliographie der Zeitschriftenliteratur (IBZ) entnommen und während der Archivrecherchen aufgefunden. In einigen Fällen waren diese Angaben zwar nicht ganz vollständig oder ungenau und konnten auch nicht durch Recherchen präzisiert werden. Doch ist eine Identifizierung oder Einsichtnahme in die betreffenden Texte anhand der gegebenen Informationen möglich. Bei einigen Schriften ist die Autorschaft Maschkes unsicher, da die namentliche Kennzeichnung durch den Autor fehlt. Aus diesem Grund sind die entsprechenden Texte hier in Klammern aufgeführt.

1919 Von Volks- und Menschheitsliebe, in: Der Weiße Ritter 1919, Weihnachten 3, S. 8–9. Ziele, in: Zeitschrift der zweiten Berliner Pfadfinder-Abteilung 1919, S. 7. Der Lilienstein, in: Zeitschrift der zweiten Berliner Pfadfinder-Abteilung, S. 13. Gedanken zur Neugestaltung, in: Der Pfadfinder. Jugendzeitung des DPB, H. 9 (1919), S. 39.

1920 Unsere Stellung in der Jugendbewegung, in: Der Weiße Ritter, H. 8/9/10 (1920), S. 201. Das Volk vom Eichhof. Vom Leben einer Neupfadfinder-Abteilung, in: Der Weiße Ritter (1920), Weihnachten, Sonderheft.

1921 Für unsere grenzdeutschen Brüder, in: Der Weiße Ritter, H. 2 (1921), Innenblatt. Banat, in: Der Weiße Ritter, H. 6 (1921), S. 288–290.

1922 Ostland. Der Weiße Ritter, Sonderheft 1922, hg. v. Erich Maschke. Auslandsdeutschtum und Geburtenrückgang, in: Der Auslanddeutsche, Jg. V, Nr. 19, Oktober 1922, S. 539–542. Deutsche Bauern in Ungarn, in: Die Spur in ein deutsches Jugendland, H. 4 (1922), S. 52–53.

1923 Vom Stand des Arztes, in: Der Weiße Ritter, H. 4/5/6 (1923), S. 203–208. Möglichkeiten und Grenzen. Bemerkungen zur Tagung des Deutschen Schutzbundes, in: Der Weiße Ritter, H. 4/5/6 (1923), S. 253–265. Der Hohe Meißner, in: Der Weiße Ritter, H. 8/9 (1923), S. 341–351. Besprechung von Walther Harich: Das Ostproblem, in: Der Weiße Ritter, H.  3 (1923), S. 174–176. Besprechung der Ostdeutschen Monatshefte für Kunst und Geistesleben, in: Der Weiße Ritter, H. 3 (1923), S. 174–176. Ostpreußen und die Jugend, in: Ostdeutsche Monatshefte (1923), S. 84–88. Zur Volksvermehrung der Deutschen, in: Der Auslandsdeutsche (1923), S. 33. Deutsche im Grenzland, in: Die Spur in ein deutsches Jugendland, H. 3 (1923), S. 34–36.

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1924 Unruhe am Werk, in: Der Weiße Ritter, H. 1 (1924), S. 12–18. Schutzbundtagung, Graz 5.–8. Juni 1924, in: Der Weiße Ritter, H. 2 (1924), S. 146–151. Eine Kirchweih der Banater Schwaben, in: Die Spur in ein deutsches Jugendland, H. 11 (1924), S. 177–180. Unter dem Balkenkreuz. Aus der Geschichte des Deutschen Ordens, in: Die Spur in ein deutsches Jugendland, H. 1/2 (1924), S. 1–3.

1924/25 Die Beiblätter zum Weißen Ritter, in: Der Weiße Ritter, 5. Bd., 4. Lieferung (1924/25), S. 64–66. Jugendgrenzlandarbeit, in: Der Weiße Ritter, 5. Bd., 6. Lieferung (1924/25), S. 104–106.

1925 Sudetendeutsche Stammeserziehung, in: Der Weiße Ritter (1925), S. 98–103. Verwirklichung, in: Der Weiße Ritter (1925), Sonderheft »Der Naumburger Bund«, Pfingsten 1925, S. 29–34. Der Königsbauer von Kärnten, in: Die Spur in ein deutsches Jugendland, H.  7 (1925), S. 119–120. Großdeutschland, in: Die Spur in ein deutsches Jugendland, H. 12 (1925), S. 97–100. Die Reise ins Ostland, in: Die Spur in ein deutsches Jugendland, H. 12 (1925), S. 100–101. Sachsenmärchen aus Siebenbürgen, hg. v. Erich Maschke, Voggenreiter-Verlag Potsdam 1925.

1926 Jugendbeilage in Tageszeitungen, in: Der Weiße Ritter (1926), S. 51–54. Front-Bünde, in: Der Weiße Ritter, H. 6 (1926), S. 70–72. Das Ordensland Preußen, in: Die Spur in ein deutsches Jugendland, H. 1 (1926), S. 2–7. Ostpreußische Aufgabe, in: Der Grenzgau (1926), S. 292. Friedrich der Große und Ostpreußen, in: Königsberger Allgemeine Zeitung 1926, Nr. 382, 384. Jugend in Ostpreußen, in: Ostdeutsche Monatshefte, 6. Jg. (1926), S. 628–631. Studien zu Waffennamen der althochdeutschen Glossen, in: Zeitschrift für deutsche Philologie (1926), S. 137–199. Erich Maschke/Werner Hahn, Für Ostpreußen, in: Der Weiße Ritter, 6.  Bd., 2.  Lieferung, April 1926, S. 50–51.

1927 Flucht der Enttäuschten. Bemerkungen zu einer Kritik der Jugendbewegung, in: Der Weiße Ritter (1927), S. 61–64. Friedrich der Große im Urteile Ernst Moritz Arndts, in: Deutsches Offiziersblatt (1927), S. 298–305. Wie Friedrich der Große Revuen abhielt, in: Deutsches Offiziersblatt (1927), S. 520–523. Das Memelland, in: Volk und Reich. Politische Monatshefte für das junge Deutschland (1927), S. 499–503.

1928 Der geopolitische Film, in: Zeitschrift für Geopolitik (1928), S. 275–278. Johannes Voigt als Geschichtsschreiber Altpreußens, in: Altpreußische Forschungen 5 (1928), S. 93–135. Der deutsche Orden und die Preußen. Bekehrung und Unterwerfung in der preußisch-baltischen Mission des 13. Jh., Berlin 1928 (= Historische Studien, 176).

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1929 Heinrich von Plauen, in: Ostdeutsche Monatshefte (1929), S. 302–306. Mittelalterliche Fremdenpolizei in Preußen, in: Mitteilungen des Vereins für die Geschichte von Ost- und Westpreußen 4 (1929/30), S. 12–14.

1930 Mittelalterliches Memel im baltisch-preußischen Raum, in: Mitteilungen des Vereins für die Geschichte von Ost- und Westpreußen (1930), S. 53–66. Hochmeister Heinrich von Plauen, in: Ostpreußen. 700 Jahre deutsches Land. Festschrift der Königsberger Hartungschen Zeitung 1930, S. 30–32. (Vernichtungsfeldzug gegen die Autonomie im Memelgebiet. Beschwerde der Memelländer in Genf, in: Nation und Staat. Deutsche Zeitschrift für das europäische Universitäts­ problem [1930], S. 771–774.)

1931 Nikolaus von Cusa und der Deutsche Orden, in: Zeitschrift für Kirchengeschichte (1931), S. 413–442. Gregor von Heimburg und der deutsche Orden, in: Sitzungsberichte der Altertumsgesellschaft Prussia 29 (1931), S.  269–278. Auch in: Domus hospitalis Theutonicorum, Bonn 1970, S. 150–157. Quellen und Darstellungen in der Geschichtsschreibung des Preußenlandes, in: Deutsche Staatenbildung und deutsche Kultur im Preußenlande, Königsberg 1931, S. 17–39. Europa und der preußische Ordensstaat, in: Königsberger Allgemeine Zeitung 1931, Nr. 303/304. Historische Tendenzen in der Gründungsgeschichte des preußischen Ordensstaates, Festreden zur Siebenhundert-Jahrfeier Ostpreußens, Königsberg 1931, S.  3–12 (= Königs­ berger Universitätsreden, 8). Eine Ordensschlacht vor 600 Jahren (bei Płowce) 1331, in: Königsberger Allgemeine Zeitung 1931, Nr. 451. (Erinnerungen im Osten, in: Geisteswissenschaftliche Schriften oder Schriften der Geisteswissenschaften [1931], S. 440.)

1932 Die Grenzen der 1440 Hufen im Lande Sassen, in: Altpreußische Forschungen 9 (1932), S. 22–28.

1933 Der Peterspfennig in Polen und dem deutschen Osten, Leipzig 1933 (= Königsberger histo­ rische Forschungen, 5). Das Erwachen des Nationalbewußtseins im deutsch-slavischen Grenzraum, Leipzig 1933. Drei Livonica des 13. Jahrhunderts, in: Hansische Geschichtsblätter 58 (1933), S. 157–168. Historische Rückblicke in der Ordenspolitik des 15. Jahrhunderts, in: Mitteilungen des Vereins für die Geschichte von Ost- und Westpreußen 8 (1933), S. 16–22. Die Gründung Marienwerders (1233), in: Forschungen und Fortschritte 9 (1933), S. 241–242. Sammelbesprechung über neuere polnische Literatur, in: Altpreußische Forschungen 10 (1933), S. 148–154. Masuren in Geschichte und Gegenwart, in: Ostland (1933), S. 372–373. Deutsche Grundlagen in der polnischen Kultur, in: Deutsche Rundschau, 59. Jg., August 1933, S. 88–93. Der 18. Historikertag in Göttingen, in: HZ 147 (1933), S. 263–264. The Teutonic Order and its significance in the history of East Prussia, in: Looking East. Terramare Office 1933, S. 7–14.

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1934 Polen und die Berufung des Deutschen Ordens, Danzig 1934 (= Ostland-Forschungen, 4). Die Kulmer Handfeste 1233. 700 Jahre deutsches Recht im Weichsellande, in: Ostdeutsche Monatshefte, 14. Jg., H. 11 (1934), S. 667–673. Preußen und die »polnischen Mutterländer«, in: Zeitschrift für Geopolitik 11 (1934), S. 262–268. Die Krise der polnischen Jugend, in: Die Tat, August 1934, S. 350–361. Polens neue Verfassung, in: Volk und Reich, H. 5 (1934), S. 357–366. Das deutsche Volk in der Geschichte Polens, in: Die deutsche Arbeit (1934), S. 493–498. Deutschland und Polen im Schrifttum beider Fronten, in: Deutsches Volkstum 16 (1934), S. 326–331. Ein Bild des preußischen Ordensstaates, in: Das deutsche Wort, Bd. 10, Nr. 30 (1934), S. 7–8. Hochschulen im Osten, in: Die literarische Welt, H. 4/5, Bd. 10 (1934), S. 3–4. (Der deutsch-polnische Pakt, in: Der Weg zur Freiheit [1934], S. 17–20.) (Eine mittelalterliche Hochschulgründung in Kulm a. d. Weichsel. Ein Beitrag zur Kulturgeschichte Pommerellens, in: Deutsche Schulzeitung in Polen, Nr. 5 [1934], S. 71–72.)

1935 Der deutsche Ordensstaat. Gestalten seiner großen Meister, Hamburg 1935, 2. Auflage 1940, 3. Auflage 1943. Das germanische Meer. Geschichte des Ostseeraumes, Berlin 1935 (= Schriften zur Volkswissenschaft). Die polnische Literatur zur Thorner 700-Jahr-Feier, in: Altpreußische Forschungen 12 (1935), S. 93–112. Polen und Deutsche, in: Deutsche Zeitschrift 48 (1935), S. 405–418. Zur Kulturgeschichte des mittelalterlichen Deutschtums in Polen, in: Deutsche Monatshefte in Polen 2 (1935), S. 26–33. Roman Dmowski, in: Osteuropa 10 (1935), S. 391–410. Nordisches Herrscherblut in slawischen Staaten, in: Deutsches Adelsblatt, 53. Jg., 31 (1935), S. 843–844. Karl der Große oder Charlemagne, in: Das deutsche Wort 19 (1935), S. 1–2. Polens neue Verfassung und die Wahlen, in: Deutsches Adelsblatt, 53. Jg. (1935), S.  1109– 1111.

1936 Der Kampf zwischen Kaisertum und Papsttum, in: Handbuch der Deutschen Geschichte, Bd. 1: Deutsche Geschichte bis zum Ausgang des Mittelalters, hg. v. Arnold Oskar Meyer und Leo Just, Potsdam 1936, S. 178–259; 2. Auflage mit Bibliographie und Ergänzungen von Karl Jordan 1955. Der deutsche Osten vom Ende des Ordensstaates bis zum Weltkrieg, in: Der deutsche Osten. Seine Geschichte, sein Wesen und seine Aufgabe, hg. v. Karl. E. Thalheim und U. Hillen Ziegfeld, Berlin 1936, S. 367–394. Deutschland und Polen im Wandel der Geschichte, in: Neue Jahrbücher für Wissenschaft und Jugendbildung, 12. Jg., H. 3 (1936), S. 219–232 und H. 4 (1936), S. 354–366. Der Ordensstaat Preußen, in: Vergangenheit und Gegenwart 26 (1936), S. 410–426. Der Hochmeister Heinrich von Bodenhausen, in: Deutsches Adelsblatt, 54. Jg. (1936), S. 1582– 1584. Friedrich II. der Große, in: Volk und Führung (1936), S. 338–344. Heinrich I., König der Deutschen, in: Deutsche Arbeit 7 (1936), S. 305–309. Die Entdeckung Polens, in: Deutsches Volkstum, 18. Jg. (1936), S. 100–108. Władysław Studnicki, ein polnischer Publizist, in: Osteuropa (1936), S. 560–564.

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Tausend Jahre Deutschland–Frankreich. Richelieu, Danton und die Gegenwart– Wann lernt Frankreich um?, in: Königsberger Allgemeine Zeitung vom 12.4.1936, 1. Beiblatt. Das deutsche Gemeinschaftsleben im Mittelalter, in: Der Schulungsbrief 3 (1936), S. 90–105. Hanse und Ritterorden im Zug nach Osten, in: Der Schulungsbrief 4 (1936), S. 130–146. Rezension zu Władysław Studnicki, Die Judenfrage in Polen, in: Osteuropa 12 (1936), S. 151–152.

1937 Max Hein/Erich Maschke (Hg.), Preußisches Urkundenbuch, Bd. II, 1309–1335, Königsberg 1937. Thüringen in der Reichsgeschichte, Jena 1937, zugleich auch in: Zeitschrift des Vereins für thüringische Geschichte und Altertumskunde NF 32 (1937), S. 289–387. Thüringen und das Reich, in: Vergangenheit und Gegenwart 27 (1937), S. 422–432, gekürzte Fassung des Vortrages auf dem Deutschen Historikertag in Erfurt 1937. Thüringen und das Reich, in: Thüringer Gemeindetag (1937), S. 553–556. Sammelbericht über polnisches Schrifttum, in: Altpreußische Forschungen 14 (1937), S. 156–166. Die Hanse in der polnischen Geschichtsschreibung, in: Altpreußische Forschungen 14 (1937), S. 14–22. Winrich von Kniprode, in: Gestalter deutscher Vergangenheit, hg. v. Peter Richard Rohden, Berlin 1937, S. 186–200. Der deutsche Nationalgedanke in der Endzeit des Ordensstaates, in: Ostpreußischer Erzieher, Nr. 7/8 (1937), S. 193–195. Lage und Aufgabe des deutschen Ordensstaates im Ostseeraum, in: Ostpreußen und der Ostseeraum. Der Ostpreußische Erzieher 10 (1937), S. 280–283. Mittelalter. Stoffe und Gestalten, Bd. I, H. 3, Leipzig/Berlin 1937. Das »Bänkeghetto« der polnischen Hochschulen, in: Jenaische Zeitung vom 16.12.1937. Das Frühmittelalter, in: Das Werden unseres Volkes. Ein Bildersaal Deutscher Geschichte, hg. v. Erwin Hoelzle, Stuttgart 1937, S. 31–66.

1938 Sammelbericht über polnisches Schrifttum, in: Altpreußische Forschungen 15 (1938), S. 160–170. Siedlungsströme im mitteldeutschen Raum, in: Thüringer Fähnlein (1938), S. 374–377. Das Ende des Habsburger Reiches und die Entstehung seiner Nachfolgestaaten, in: Deutsches Adelsblatt 56. Jg., 14 (1938), S. 437–442. Die Wiedergewinnung des deutschen Ostens, in: Europas Schicksal im Osten. 12 Vorträge, hg. v. Hans Hagemeyer, Breslau 1938, S. 104–116. Die geschichtlichen Grundlagen des deutschen Lebensrechtes in Böhmen, in: Deutsches Adelsblatt, 56. Jg., 47 (1938), S. 1585–1589, auch abgedruckt in: Thüringer Volksbildungsarbeit NF 10 (1938), S. 123–134. Die Erfindung des »Tschechoslowaken«, in: Deutsches Adelsblatt, 56. Jg., 30 (1938), S. 997–998. Die Reichskleinodien, in: Deutsches Adelsblatt, 57. Jg. (1938), S. 144–146. Die geschichtlichen Grundlagen des sudetendeutschen Lebensraumes im Mittelalter, in: Der Sudetenraum. Vier Vorträge, gehalten im Auftrag des Kreisschulungsamtes Jena-Stadtroda 1938, S. 16–24. (Der Tscheche als Soldat, in: Deutsches Adelsblatt, 56. Jg., 30 [1938], S. 998–999).

1939 Das politische Schicksal des Weichsellandes, in: Deutschland und der Korridor, hg. v. Friedrich Heiß, Berlin 1939, S. 89–110.

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Hermann von Salza und der deutsche Ostseeraum 1239/1939. Zum 700. Todestag des Hochmeisters, in: Der Deutsche im Osten, Bd. 2, H. 2 (1939), S. 26–31. Sammelbericht über polnisches Schrifttum, in: Altpreußische Forschungen 16 (1939), S. 169–178. Der Deutsche Orden, Jena 1939 (= Deutsche Reihe, 81). Die Ostsee und der Ostseeraum im geschichtlichen Werden des deutschen Volkes, in: NSMonatshefte, 10. Jg. (1939), S. 402–413. Hegemonie als zwischenstaatliche Führungsform, in: Deutsches Adelsblatt (1939), S. 1082– 1083. Danzigs deutsche Geschichte, in: Heimat und Reich (1939), S. 322–324. Deutsches Danzig, in: Das innere Reich 6 (1939), S. 509–523. Roman Dmowski (1864–1939), in: Osteuropa 14 (1939), S. 346–350. Die treibenden Kräfte in der Entwicklung Polens, in: Schulungsschrift des Bundes Deutscher Osten, Berlin 1939, S. 2–16. Der Zusammenbruch des Versailler Systems im Osten. Zum 20. Jahrestag der Unterzeichnung des Schanddiktates vom 28. Juni 1919, in: Der Deutsche im Osten, 2. Jg., H. 4, Juni 1939, S. 17–24. Hermann von Salza, in: Deutsches Adelsblatt, 57. Jg. (1939), S. 397–399.

1940 Die Herkunft Hermanns von Salza, in: Zeitschrift des Vereins für Thüringische Geschichte und Altertumskunde NF 34 (1940), S. 372–389. Auch in Domus hospitalis Theutonicorum, Bonn 1970, S. 104–116. Karl IV., Wesen und Werk, in: Mitteilungen der Akademie München 15 (1940), S. 371–393. 1000 Jahre deutsches Wartheland, in: Die Ostwarte, Nr. 11 (1940), S. 2–4. Der Biograph Kaiser Karls. Zum 1100. Todestage Einhards, in: Das Thüringer Fähnlein (1940), S. 73–75. Die Wiedergewinnung des deutschen Ostens, in: Der Südosten (1940), S. 104–116. Deutsche Wacht in Ostpreußen durch die Jahrhunderte, in: Tannenberg. Deutsches Schicksal, deutsche Aufgabe, Berlin 1939, S. 165–196. Die Geschichte des Reichsehrenmales Tannenberg, in: Tannenberg. Deutsches Schicksal, deutsche Aufgabe, Berlin 1939, S. 197–224. Das Reich und der europäische Osten, in: Thüringer Volksbildungsarbeit, 12. Jg. NF, H. 5 (1940), S. 105–113. Die Baltendeutschen, in: Landwirtschaftlicher Kalender für das Jahr 1940, hg. v. Verband deutscher Genossenschaften in Polen, 21. Jg., 2. Auflage, Posen 1940, S. 70–73.

1941 Die Bedeutung der Jahre 1640/41 für die Entwickelung der Stadt Gotha, in: Gotha in Geschichte und Gegenwart. Bilder aus Gothas Vergangenheit, Gotha 1941, S. 123–141 (= Schriftenreihe des Oberbürgermeisters der Stadt Gotha, 1). Ernst der Fromme und Gothas Stellung in der deutschen Geschichte, in: Thüringer Fähnlein 10 (1941), S. 247–249. Die Ostpolitik der staufischen Könige, in: NS-Monatshefte 12 (1941), S. 442–454. Der Soldat im Osten, in: Die Ostwarte (1941), S. 2–4. Unser Recht auf den Osten, in: Das Wartheland, 1. Jg. (1941), S. 11–14.

1942 Das mittelalterliche Deutschtum in Polen, in: Deutsche Ostforschung 1 (1942), S. 486–515. Die Verteidigung Europas, in: NS-Monatshefte 146 (1942), S. 279–288.

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Die deutsche Stadt des Mittelalters in Volks- und Reichsordnung, in: NS-Monatshefte 150 (1942), S. 561–574. Die geschichtsbildenden Kräfte des Ostraumes von der Gründung des Warägerreiches ab. Schriftenreihe zur weltanschaulichen Schulungsarbeit der NSDAP, Heft 1, München 1942. Nikolaus Wirsing: ein Krakauer Bürger als Geldgeber und Gastgeber von Königen und seine Familie, in: Deutsche Gestalter und Ordner im Osten. Forschungen zur deutsch-­ polnischen Nachbarschaft im ostmitteleuropäischen Raum III, hg. v. Kurt Lück in Verbindung mit dem Institut für Deutsche Ostarbeit, Krakau, 2. erweiterte Auflage, Leipzig 1942, S. 10–18 (= Ostdeutsche Forschungen, 12).

1943 Das Geschlecht der Staufer, München 1943. Das staufische Haus, in: Vergangenheit und Gegenwart 33 (1943), S. 73–88. Adalbert von Bremen, in: Welt als Geschichte 9 (1943), S. 25–45. Die deutschen Königsgeschlechter des Mittelalters als Schicksalskräfte unserer Geschichte, in: Zeitschrift für deutsche Geisteswissenschaft 6 (1943), S. 1–18.

1944 Das Geschlecht der Staufer, in: Familiengeschichtliche Blätter 42 (1944), Sp. 97–110. Wissenschaft unterm Bombenterror, in: Leipziger Neueste Nachrichten vom 1.1.1944.

1955 Preußen. Das Werden eines deutschen Stammesnamens, in: Ostdeutsche Wissenschaft. Jahrbuch des Ostdeutschen Kulturrates Bd. II, 1955, S. 116–156. Auch in: Domus hospitalis Theutonicorum, Bonn 1970, S. 158–187. Das Erwachen des Nationalbewußtseins im westslavischen Raum, in: Die Schicksalslinie 1955, S. 3–11.

1956 Burgund und der preußische Ordensstaat. Ein Beitrag zur Einheit der ritterlichen Kultur Europas im späten Mittelalter, in: Syntagma Friburgense. Historische Studien, Hermann Aubin zum 70. Geburtstag dargebracht, Lindau 1956, S. 147–172. Auch in: Domus hospitalis Theutonicorum, Bonn 1970, S. 15–34. Nikolaus von Kues und der Deutsche Orden, in: Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Jg. 1956, 1. Abh. (1956), S. 26–64. Auch in: Domus hospitalis Theutonicorum, Bonn 1970, S. 117–149. Der Briefwechsel des Kardinals von Kues mit dem Hochmeister des Deutschen Ordens, in: Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Jg. 1956, 1. Abh. (1956), S. 7–25 und S. 65–67. Auch in: Domus hospitalis Theutonicorum, Bonn 1970, S. 188–207. Der deutsche Ritterorden in Westdeutschland und im Osten, in: Die Wechselbeziehungen zwischen West- und Ostdeutschland als Aufgabe für Forschung und Unterricht, Mainz 1956, S. 16–29. Kaiser Friedrich I. (um 1125–1190), in: Die Großen Deutschen 1, 1956, S. 70–86.

1957 Krakauer Bürger als Geldgeber und Gastgeber von Königen. Nikolaus Wirsing und seine Familie (14. Jahrh.), in: Deutsch-polnische Nachbarschaft. Lebensbilder deutscher Helfer in Polen, 3. veränderte und ergänzte Ausgabe, hg. v. Viktor Kauder, Würzburg 1957, S. 22–34. Braunsberg, in: Religion in Geschichte und Gegenwart 1, ³1957, Sp. 1388–1390.

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1958 Der deutsche Ritterorden und sein Staat, in: Ostpreußen. Leistung und Schicksal, hg. v. Fritz Gause, Essen 1958, S. 153–172. Deutschordensbrüder aus dem städtischen Patriziat, in: Ostdeutsche Beiträge aus dem Göttinger Arbeitskreis. Preußenland und Deutscher Orden, Festschrift für Kurt Forstreuter, Würzburg 1958, S. 255–271. Auch in: Domus hospitalis Theutonicorum, Bonn 1970, S. 60–68. Friedrich II. der Hohenstaufe, in: Religion in Geschichte und Gegenwart 2, ³1958, Sp. 1146–1147. Ghibellinen, in: Religion in Geschichte und Gegenwart 2, ³1958, Sp. 1566–1567. Bistum Ermland, in: Religion in Geschichte und Gegenwart 2, ³1958, Sp. 600.

1959 Verfassung und soziale Kräfte in der deutschen Stadt des späten Mittelalters, vornehmlich in Oberdeutschland, Teil I, in: VSWG, H. 3 (1959), S. 289–349; Teil II, in: VSWG, H. 4 (1959), S. 433–476. Königsberg, in: Religion in Geschichte und Gesellschaft 3, ³1959, Sp. 1700–1703. Die Universität Jena im deutschen Geistesleben, in: Ruperto-Carola. Mitteilungen der Freunde der Studentenschaft der Universität Heidelberg, 11. Jg., Bd. 25 (1959), S. 85–93.

1960 Die Schäffer und Lieger des Deutschen Ordens in Preußen, in: Hamburger Mittel- und Ostdeutsche Forschungen, Bd. II: Kulturelle und wirtschaftliche Studien in Beziehung zum gesamtdeutschen Raum, Hamburg 1960, S. 97–145. Auch in: Domus hospitalis Theuto­ nicorum, Bonn 1970, S. 69–103. Continuité sociale et histoire urbaine médiévale, in: Annales. Economies, Sociétés, Civilisations 15 (1960), S. 936–948. Sinn und Aufgabe der Kriegsgefangenendokumentation. Ein Vortrag, Godesberg 1960 (= Schriftenreihe des Verbandes der Heimkehrer Deutschlands, 97), 15 Seiten. Ostpreußen, in: Religion in Geschichte und Gegenwart 4, ³1960, Sp. 1740–1745. Selbstdarstellung, in: Jahreshefte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften 1958/1959 (1960), S. 39–41.

1961 Der Ordensstaat Preußen in seinen deutschen und europäischen Beziehungen, in: Ostdeutsche Wissenschaft. Jahrbuch des Ostdeutschen Kulturrates Bd.  VIII, 1961, S.  187–204. Auch in: Domus hospitalis Theutonicorum, Bonn 1970, S. 1–14. Jena, in: Die Universitäten in Mittel- und Ostdeutschland Bremen, 1961, S. 104–130 (= Bremer Beiträge, 2). Ritterorden, in: Religion in Geschichte und Gegenwart 5, ³1961, Sp. 1121–1124. Bistum Samland, in: Religion in Geschichte und Gegenwart 5, ³1961, Sp. 1356.

1962 Die Verbreitung des Speyerer Stadtrechts mit besonderer Berücksichtigung von Neustadt an der Haadt, in: Georg Friedrich Böhn (Hg.), Beiträge zum Recht der Stadt Neustadt an der Haadt, 1962, S. 7–25 (= Veröffentlichungen zur Geschichte von Stadt und Kreis Neustadt an der Weinstraße, 2). Das Schicksal der deutschen Kriegsgefangenen des Zweiten Weltkrieges als Aufgabe zeitgeschichtlicher Forschung, in: Kurt W. Böhme, Die deutschen Kriegsgefangenen in Jugo­ slawien 1941–1949, München 1962, S. VII–XX (= Zur Geschichte der deutschen Kriegsgefangenen des Zweiten Weltkrieges, hg. v. Erich Maschke, I/1).

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Der große rheinische Städtebund des 14. Jahrhunderts, in: Pfälzische Heimatblätter 10 (1962), S. 27–29. Pauvres urbains et pauvres ruraux dans l’Allemagne médiévale, in: Recherches sur les­ pauvres et la pouvrété du Moyen Age, Paris 1962–1963, S. 47–49.

1963 Die inneren Wandlungen des Deutschen Ritterordens, in: Geschichte und Gegenwartsbewusstsein. Festschrift für Hans Rothfels, Göttingen 1963, S. 249–277. Auch in: Domus hospitalis Theutonicorum, Bonn 1970, S. 35–59. Grundzüge der deutschen Kartellgeschichte bis 1914, in: Der Archivar, 16. Jg. (1963), Sp. 44. L’instabilité, les fluctuations et la mobilité dans la société du moyen âge, in: Recherches sur les pauvres et la pouvrété du Moyen Age, Paris 1963–1964, S. 47–53.

1964 Grundzüge der deutschen Kartellgeschichte bis 1914, Dortmund 1964 (= Vortragsreihe der Gesellschaft für westfälische Wirtschaftsgeschichte, 10). Das Berufsbewußtsein des mittelalterlichen Fernkaufmanns, in: Miscellanea mediaevalia. Bd. 3: Beiträge zum Berufsbewußtsein des mittelalterlichen Menschen, Veröffentlichungen des Thomas-Institutes an der Universität Köln, Berlin 1964, S. 306–335. La mentalité des marchands européens au moyen âge, in: Revue d’histoire économique et­ sociale 42 (1964), S. 457–484. Fritz Ernst (30.10.1905–22.12.1963), in: Jahrbuch der Heidelberger Akademie der Wissenschaften (1963/64), S. 55–58. Kurt W. Böhme, Die deutschen Kriegsgefangenen in Jugoslawien 1949–1953, München 1964 (= Zur Geschichte der deutschen Kriegsgefangenen des Zweiten Weltkrieges, hg. v. Erich Maschke, I/2).

1965 Der wirtschaftliche Aufstieg des Burkhard Zink (1396–1474/75) in Augsburg, in: Festschrift für Hermann Aubin, Bd. 1, Wiesbaden 1965, S. 235–262. Marc Bloch 1886–1944, in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik 178 (1965), S. 258–269. Die Verpflegung der deutschen Kriegsgefangenen in der Sowjetunion im Rahmen der sowjetischen Ernährungslage, in: Hedwig Fleischhacker, Die deutschen Kriegsgefangenen in der Sowjetunion. Der Faktor Hunger, München 1965, S. VII–LI (= Zur Geschichte der deutschen Kriegsgefangenen des Zweiten Weltkrieges, hg. v. Erich Maschke, III). Hedwig Fleischhacker, Die deutschen Kriegsgefangenen in der Sowjetunion. Der Faktor Hunger, München 1965 (= Zur Geschichte der deutschen Kriegsgefangenen des Zweiten Weltkrieges, hg. v. Erich Maschke, III). Vorwort, in: Kurt Bährens, Deutsche in Straflagern und Gefängnissen der Sowjetunion, München 1965, S. V–IX (= Zur Geschichte der deutschen Kriegsgefangenen des Zweiten Weltkrieges, hg. v. Erich Maschke, V/1–3). Kurt Bährens, Deutsche in Straflagern und Gefängnissen der Sowjetunion, München 1965 (= Zur Geschichte der deutschen Kriegsgefangenen des Zweiten Weltkrieges, hg. v. Erich Maschke, V/1–3). Die Industrialisierung Deutschlands im Spiegel der Parlamentszusammensetzungen von 1848 bis heute, in: Tradition 10 (1965), S. 230–245. Das Problem der Entstehung des Patriziates in den südwestdeutschen Städten, in: Protokoll über die 3. Arbeitstagung »Patriziat und andere Führungsschichten in den südwestdeutschen Städten« des Südwestdeutschen Arbeitskreises für Stadtgeschichtsforschung in Memmingen 1964, 1965, S. 6–24.

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Schriftenverzeichnis Erich Maschkes

1966 »Obrigkeit« im spätmittelalterlichen Speyer und in anderen Städten, in: Archiv für Reformationsgeschichte 57 (1966), S. 7–23. Die Wirtschaftspolitik Kaiser Friedrichs II. im Königreich Sizilien, in: VSWG 53 (1966), S. 289–328. Deutsche Stadtgeschichtsforschung auf der Grundlage des historischen Materialismus, in: Jahrbuch für Geschichte der oberdeutschen Reichsstädte. Esslinger Studien 12/13 (1966/67), S. 124–141. Deutsche Kartelle des 15. Jahrhunderts, in: Wirtschaft, Geschichte und Wirtschaftsgeschichte. Festschrift für Friedrich Lütge, Stuttgart 1966, S. 74–87. Kurt W. Böhme, Die deutschen Kriegsgefangenen in sowjetischer Hand. Eine Bilanz, mit einer Beilage von Johann Anton, München 1966 (= Zur Geschichte der deutschen Kriegsgefangenen des Zweiten Weltkrieges, hg. v. Erich Maschke, VII). Erich Maschke, Vorwort, in: Hermann Jung, Die deutschen Kriegsgefangenen im Gewahrsam Belgiens, der Niederlande und Luxemburgs, München 1966, S. VII–VIII (= Zur Geschichte der deutschen Kriegsgefangenen des Zweiten Weltkrieges, hg. v. Erich Maschke, XII). Hermann Jung, Die deutschen Kriegsgefangenen im Gewahrsam Belgiens, der Niederlande und Luxemburgs, München 1966 (= Zur Geschichte der deutschen Kriegsgefangenen des Zweiten Weltkrieges, hg. v. Erich Maschke, XII).

1967 Industrialisierungsgeschichte und Landesgeschichte, in: Blätter für deutsche Landesgeschichte 103 (1967), S. 71–84. Die deutsche Stadtgeschichtsforschung und die Geschichte der Stadt Pforzheim, in: Ders. (Hg.), Die Pforzheimer Schmuck- und Uhrenindustrie. Beiträge zur Wirtschaftsgeschichte der Stadt Pforzheim, Pforzheim 1967, S. IX–XXIII. Die Unterschichten der mittelalterlichen Städte Deutschlands, in: Ders./Jürgen Sydow (Hg.), Gesellschaftliche Unterschichten in den südwestdeutschen Städten, 4. Arbeitstagung des Südwestdeutschen Arbeitskreises für Stadtgeschichtsforschung in Schwäbisch Hall 1966, Stuttgart 1967 (= Veröffentlichungen der Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg, B 41), S. 1–74. Die Stellung der Reichsstadt Speyer in der mittelalterlichen Wirtschaft Deutschlands, in: VSWG 54 (1967), S. 435–455. Diether Cartellieri, Die deutschen Kriegsgefangenen in der Sowjetunion. Die Lagergesellschaft. Eine Untersuchung der zwischenmenschlichen Beziehungen in den Kriegsgefangenen­ lagern, München 1967 (= Zur Geschichte der deutschen Kriegsgefangenen des Zweiten Weltkrieges, hg. v. Erich Maschke, II). Michael Reck (Pseudonym), Tagebuch aus sowjetischer Kriegsgefangenschaft 1945–1949,­ bearb. v. Kurt W. Böhme, München 1967 (= Zur Geschichte der deutschen Kriegsgefangenen des Zweiten Weltkrieges, hg. v. Erich Maschke, Beiheft 1). Ders./Jürgen Sydow (Hg.), Gesellschaftliche Unterschichten in den südwestdeutschen S­ tädten, 5.  Arbeitstagung des Südwestdeutschen Arbeitskreises für Stadtgeschichtsforschung in Schwäbisch Hall 1966, Stuttgart 1967 (= Veröffentlichungen der Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg, B 41).

1968 Deutsche Kartelle im späten Mittelalter und im 19. Jahrhundert vor 1870, in: Wirtschaftliche und soziale Probleme der gewerblichen Entwicklung im 15. bis 16. und 19. Jahrhundert, Stuttgart 1968, S. 102–114.

Schriftenverzeichnis Erich Maschkes

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Die ältere Geschichtsschreibung des Preußenlandes, in: Scriptores rerum Prussicarum. Bd. 6, hg. v. Walther Hubatsch, bearb. v. Udo Arnold 1968, S. 2–21, überarbeitete und gekürzte Fassung des Aufsatzes: Quellen und Darstellungen in der Geschichtsschreibung des Preußenlandes, in: Deutsche Staatenbildung und deutsche Kultur im Preußenlande, Königsberg 1931, S. 17–39. Kurt W. Böhme, Geist und Kultur der deutschen Kriegsgefangenen im Westen, München 1968 (= Zur Geschichte der deutschen Kriegsgefangenen des Zweiten Weltkrieges, hg. v. Erich Maschke, XIV).

1969 Es entsteht ein Konzern. Paul Reusch und die GHH, Tübingen 1969. Universität Jena, Graz 1969 (= Mitteldeutsche Hochschulen, 6). Bedingungen und Wirklichkeit kultureller Tätigkeit der deutschen Kriegsgefangenen in der Sowjetunion, in: Wolfgang Schwarz, Die deutschen Kriegsgefangenen in der Sowjetunion. Aus dem kulturellen Leben, München 1969, S. IX–LXV (= Zur Geschichte der deutschen Kriegsgefangenen des Zweiten Weltkrieges, hg. v. Erich Maschke, VI). Outline of the History of German Cartels from 1873 to 1914, in: Essays in European Economic History 1789–1914, hg. v. W. Stern, London 1969, S. 226–258. Friedrich Lütge, in: HZ 208 (1969), S. 772–774. Erich Maschke/Jürgen Sydow (Hg.), Stadterweiterung und Vorstadt, 6.  Arbeitstagung des Südwestdeutschen Arbeitskreises für Stadtgeschichtsforschung in Konstanz 1967, Stuttgart 1969 (= Veröffentlichungen der Kommission für geschichtliche Landeskunde in­ Baden-Württemberg, B 51). Erich Maschke/Jürgen Sydow (Hg.), Verwaltung und Gesellschaft in der südwestdeutschen Stadt des 17. und 18. Jahrhunderts, 7. Arbeitstagung des Südwestdeutschen Arbeitskreises für Stadtgeschichtsforschung in Sindelfingen 1968, Stuttgart 1969 (= Veröffentlichungen der Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg, B 58).

1970 Domus hospitalis Theutonicorum. Europäische Verbindungslinien der Deutschordensgeschichte. Gesammelte Aufsätze aus den Jahren 1931–1963, Bonn 1970 (= Quellen und Studien zur Geschichte des Deutschen Ordens, 10). Die Geschichtswissenschaft und die Archive der Wirtschaft, in: Archiv und Wirtschaft 3 (1970), S. 64–85. Les villes allemandes du XV et XVI siècles, in: Centre Européen Universitaire Nancy. Departe­ment d’Etude des Civilisations 1969/70. Henry Faulk, Die deutschen Kriegsgefangenen in Großbritannien. Reeducation, München 1970 (= Zur Geschichte der deutschen Kriegsgefangenen des Zweiten Weltkrieges, hg. v. Erich Maschke, XI/2).

1971 Arm und reich in der mittelalterlichen Stadt, in: Baden-Württemberg, H. 3 (1971), S. 6–11. Erich Maschke, Vorwort, in: Kurt W. Böhme, Die deutschen Kriegsgefangenen in französischer Hand, mit einem Beitrag von Horst Wagenblaß, München 1971, S. XI–XIV (= Zur Geschichte der deutschen Kriegsgefangenen des Zweiten Weltkrieges, hg. v. Erich Maschke, XIII). Kurt W. Böhme, Die deutschen Kriegsgefangenen in französischer Hand, mit einem Beitrag von Horst Wagenblaß, München 1971 (= Zur Geschichte der deutschen Kriegsgefangenen des Zweiten Weltkrieges, hg. v. Erich Maschke, XIII).

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Schriftenverzeichnis Erich Maschkes

1972 Mittelschichten in deutschen Städten des Mittelalters, in: Ders./Jürgen Sydow (Hg.), Städtische Mittelschichten, 8. Arbeitstagung des Südwestdeutschen Arbeitskreises für Stadtgeschichtsforschung in Biberach 1969, Stuttgart 1972 (= Veröffentlichungen der Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg, B 69), S. 1–31.

1973 Die Schichtung der mittelalterlichen Stadtbevölkerung Deutschlands als Problem der Forschung, in: Mélanges en honneur de Fernand Braudel. 2: Méthodologie de l’histoire et des sciences humaines, Toulouse 1973, S. 367–379. Grundzüge der sowjetischen Wirtschaftsgeschichte bis 1955. Der Rahmen der deutschen Kriegsgefangenenarbeit, in: Werner Ratza, Die deutschen Kriegsgefangenen in der Sowjet­ union. Der Faktor Arbeit, mit einer Einführung von Erich Maschke, München 1973, S. XI–LXXVIII (= Zur Geschichte der deutschen Kriegsgefangenen des Zweiten Weltkrieges, hg. v. Erich Maschke, IV). Kurt W. Böhme, Die deutschen Kriegsgefangenen in amerikanischer Hand. Europa, München 1973 (= Zur Geschichte der deutschen Kriegsgefangenen des Zweiten Weltkrieges, hg. v. Erich Maschke, X/2). Aufzeichnungen über die Kriegsgefangenschaft im Westen, bearb. v. Kurt W. Böhme und Helmut Wolff, München 1973 (= Zur Geschichte der deutschen Kriegsgefangenen des Zweiten Weltkrieges, hg. v. Erich Maschke, Beiheft 2). Erich Maschke/Jürgen Sydow (Hg.), Stadt und Ministerialität, 9. Arbeitstagung des Südwestdeutschen Arbeitskreises für Stadtgeschichtsforschung in Freiburg 1970, Stuttgart 1973 (= Veröffentlichungen der Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg, B 76).

1974 Landesgeschichtsschreibung und Historische Vereine, in: Jahrbuch für Württembergisch Franken 58 (1974), Festschrift für Gerd Wunder, S. 17–34. Deutsche Städte am Ausgang der Mittelalters, in: Wilhelm Rausch (Hg.), Die Stadt am Ausgang des Mittelalters, Linz 1974, S. 1–44 (= Beiträge zur Geschichte der Städte Mitteleuropas, 3). Gert Robel, Die deutschen Kriegsgefangenen in der Sowjetunion. Antifa, München 1974 (= Zur Geschichte der deutschen Kriegsgefangenen des Zweiten Weltkrieges, hg. v. Erich Maschke, VIII). Otto Böss, Die deutschen Kriegsgefangenen in Polen und der Tschechoslowakei, München 1974 (= Zur Geschichte der deutschen Kriegsgefangenen des Zweiten Weltkrieges, hg. v. Erich Maschke, IX). Hermann Jung, Die deutschen Kriegsgefangenen in amerikanischer Hand. USA, München 1974 (= Zur Geschichte der deutschen Kriegsgefangenen des Zweiten Weltkrieges, hg. v. Erich Maschke, X/1). Helmut Wolff, Die deutschen Kriegsgefangenen in britischer Hand. Ein Überblick, München 1974 (= Zur Geschichte der deutschen Kriegsgefangenen des Zweiten Weltkrieges, hg. v. Erich Maschke, XI/1). Deutsche Kriegsgefangenengeschichte: Der Gang der Forschung, in: Erich Maschke u. a. (Hg.), Die deutschen Kriegsgefangenen des Zweiten Weltkrieges. Eine Zusammenfassung, München 1974, S. 39–59 (= Zur Geschichte der deutschen Kriegsgefangenen des Zweiten Weltkrieges, hg. v. Erich Maschke, XV). Erich Maschke/Jürgen Sydow (Hg.), Stadt und Umland, 10. Arbeitstagung des Südwestdeutschen Arbeitskreises für Stadtgeschichtsforschung in Calw 1971, Stuttgart 1974 (= Veröffent­ lichungen der Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg, B 82).

Schriftenverzeichnis Erich Maschkes

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1977 Die deutschen Städte der Stauferzeit, in: Die Zeit der Staufer. Geschichte – Kunst – Kultur. Katalog der Ausstellung, Stuttgart 1977, Bd. II: Aufsätze, S. 51–59. Die staufische Städtefamilie, in: Annuaire 27 (1977), Amis de la Bibliothèque Humaniste de Sélestat, S. 81–88. Ders./Jürgen Sydow (Hg.), Zur Geschichte der Industrialisierung in den südwestdeutschen Städten, 11.  Arbeitstagung des Südwestdeutschen Arbeitskreises für Stadtgeschichts­ forschung in Göppingen 1972, Sigmaringen 1977 (= Stadt in der Geschichte, 1). Ders./Jürgen Sydow (Hg.), Städtisches Haushalts- und Rechnungswesen, 12. Arbeitstagung des Südwestdeutschen Arbeitskreises für Stadtgeschichtsforschung in Überlingen 1973, Sigmaringen 1977 (= Stadt in der Geschichte, 2). Ders./Jürgen Sydow (Hg.), Stadt und Universität im Mittelalter und in der frühen Neuzeit, 13. Arbeitstagung des Südwestdeutschen Arbeitskreises für Stadtgeschichtsforschung in Tübingen 1974, Sigmaringen 1977 (= Stadt in der Geschichte, 3).

1978 Die Brücke im Mittelalter, in: Ders./Jürgen Sydow (Hg.), Die Stadt am Fluß, 14.  Arbeitstagung des Südwestdeutschen Arbeitskreises für Stadtgeschichtsforschung in Kehl 1975, Sigmaringen 1978 (= Stadt in der Geschichte, 4), S. 9–39; in der Vortragsfassung auch in HZ 224 (1977), S. 265–292.

1979 Bezeichnungen für mittelalterliches Patriziat im deutschen Südwesten, in: Bausteine zur geschichtlichen Landeskunde von Baden-Württemberg, hg. von der Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg anlässlich ihres 25jährigen Bestehens, Stuttgart 1979, S. 175–185. Der Peterspfennig in Polen und dem Deutschen Osten, Sigmaringen 1979. Erich Maschke/Jürgen Sydow (Hg.), Stadt und Hochschule im 19.  und 20.  Jahrhundert, 15. Arbeitstagung des Südwestdeutschen Arbeitskreises für Stadtgeschichtsforschung in Schwäbisch Gmünd 1976, Sigmaringen 1979 (= Stadt in der Geschichte, 5).

1980 Bürgerliche und adlige Welt in den deutschen Städten der Stauferzeit, in: Erich Maschke/­ Jürgen Sydow (Hg.), Südwestdeutsche Städte im Zeitalter der Staufer, 16. Arbeitstagung des Südwestdeutschen Arbeitskreises für Stadtgeschichtsforschung in Stuttgart 1977, Sigmaringen 1980 (= Stadt in der Geschichte, 6), S. 9–27. Die Familie in der deutschen Stadt des späten Mittelalters, Heidelberg 1980. Soziale Gruppen in der deutschen Stadt des späten Mittelalters, in: Über Bürger, Stadt und städtische Literatur im Spätmittelalter, hg. v. Josef Fleckenstein und Karl Stackmann, Göttingen 1980, S. 127–145 (= Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften in Göttingen, phil.-hist. Klasse, 3, Nr. 121). Begegnungen mit Geschichte. Städte und Menschen. Beiträge zur Geschichte der Stadt, der Wirtschaft und Gesellschaft 1959–1977, in: VSWG, Beiheft Nr.  68, Wiesbaden 1980, S. VII–XIX.

1981 Zum Geleit, in: Martin Lang, Stalins Strafjustiz gegen deutsche Soldaten. Die Massen­prozesse gegen deutsche Kriegsgefangene in den Jahren 1949 und 1950 in historischer Sicht, Herford 1981, S. 9.

Quellen- und Literaturverzeichnis Quellen Archiv des Johann-Gottfried-Herder-Forschungsrates Marburg Archiv der deutschen Jugendbewegung Burg Ludwigstein Nachlass Karl Seidelmann – Nr.: 9; 17; 21; 22; 23; 25; 28; 29 A 2-53/6; A 2-152/1 BDN; A 2-169/1

Archiwum Polskiej Akademii Nauk Warszawa Materiały Benedykta Zientary III-329; 229

Bundesarchiv Berlin NSDAP Mitgliederkartei: Box 7876 Bestand Reichserziehungsministerium: PA Erich Maschke ZB II 1907. A 1 Bestand DO 1/11.O/438 Bestand Publikationsstelle R 153 – Nr.: 5; 4; 537; 1084; 1220; 1233; 1237; 1269; 1276; 1279; 1282; 1480 Bestand ZR 770 – Nr.: 8 Bestand R 4901 – Nr.: 13174; 13318 Bestand NS 8 – Nr.: 192; 236 Bestand NS 15 – Nr.: 326 NS-Archiv des MfS – Akte ZA VI 2927 A. 10

Bundesarchiv Koblenz Nachlass Erwin Hoelzle 1328 Nachlass Hans Rothfels 1213 Nachlass Theodor Schieder 1188 Bestand Bundesministerium für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte B 150  – Nr.: 4376 Heft 1, Heft 2 und Heft 3

Bundesarchiv Militärarchiv Freiburg Bestand Sammlung zur Geschichte deutscher Kriegsgefangener im Zweiten Weltkrieg  –­ Akten und Geschäftsunterlagen der Wissenschaftlichen Kommission für deutsche Kriegsgefangenengeschichte 1957–1972 B 205 – Nr.: 691; 1112; 1720b; 1722b; 1724a; 1724b; 1725b; 1726a; 1726b; 1728; 1728b; 1729; 1730; 1731; 1732; 1733; 1737a; 1737b; 1742; 1744; 1753; 1754; 1758; 1762; 1763; 1764; 1786; 1788; 1789; 1790; 1791; 1792

Deutsches Literaturarchiv Marbach Nachlass Ernst Wilhelm Eschmann

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Quellen- und Literaturverzeichnis

Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz Nachlass Albert Brackmann – Nr.: 20; 81; 83 Rep. 76 Va Sekt. 11, Tit. IV, 21, 35. Bd. Rep. 76 Va Sekt 11, Tit. IV, 25, 8 Rep. 76 Vc Sekt 1, Tit. 11, Teil VI, Nr. 13, Bd. IV

Hauptstaatsarchiv Stuttgart Nachlass Erich Maschke J 40/10 – Bü.: 1; 6; 9; 20; 21; 22; 23; 24; 28; 34; 35; 37; 55; 58; 59; 60; 61; 64; 65; 67; 68; 70; 71; 97; 98; 99; 100; 101; 114; 115; 116; 119; 166 Bestand EA 13/150 Bü 179

Hessisches Landesamt für geschichtliche Landeskunde Marburg Nachlass Walther Schlesinger

Hessisches Staatsarchiv Marburg Nachlass Johannes Papritz 340

Historisches Archiv des Südwestdeutschen Rundfunks Baden-Baden Erich Maschke, Im Kampf um die Freiheit. Das polnische Volk in der Zeit der Teilungen von 1792 bis 1815. Manuskript für die Rundfunksendung »Kulturelles Wort«, gesendet am 20.11.1966. Erich Maschke, Ostpreussen. Schmelztiegel deutscher Stämme. Manuskript für die Rundfunksendung »Unvergessene Heimat«, gesendet am 18.2.1959.

MPI Göttingen, Archiv des Verbandes der Historiker Deutschlands Akten des Verbandes der Historiker Deutschlands – Ordner 5, Korrespondenz 1952 Buchstabe M; Ordner 6, Korrespondenz 1954 Buchstabe M

Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen Cod. Ms. S. A. Kaehler: Nachlass Siegfried A. Kaehler Cod. Ms. K. Brandi: Nachlass Karl Brandi

Privatarchiv Frau Narzissa Stasiewski Nachlass Bernhard Stasiewski

Sächsisches Hauptstaatsarchiv Dresden Bestand Sächsisches Ministerium für Volksbildung – Nr.: 10230/66

Stadtarchiv Pforzheim Bestand Südwestdeutscher Arbeitskreis für Stadtgeschichtsforschung

Russisches Staatliches Militärarchiv RGVA Registrierakte Nr. 01861484 Erich Maschke

Staatsarchiv Würzburg Bestand Reichsstudentenführung RSF II – Nr.: 91; 460 Thüringisches Hauptstaatsarchiv Weimar Bestand C – Nr.: 308; 763; 781

Quellen- und Literaturverzeichnis

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Universitätsarchiv Heidelberg PA Erich Maschke 4939, Bd.1 PA Erich Maschke 4940, Bd. 2 Bestand H-V-232/1 Rep. 1–77; Rep. 1–91; Rep. 27 Nr. 101a; Bestand Institut für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte Rep. 85 – Nr.: 4; 5; 8

Universitätsarchiv Jena PA Erich Maschke D 3193 PA Günther Franz D 758 Bestand BA – Nr.: 932; 933; 2123; 2143 Bestand C – Nr.: 234, Bd. IV (1936–1944); 1196 Bestand M – Nr.: 631; 632 Bestand S, Abt. IV, Nr. 02; Bestand S, Abt. V, Nr. 6; Bestand S, Abt. V, Nr. 8 Dissertationsverzeichnis Jena T, Abt. I/M

Universitätsarchiv Leipzig PA Erich Maschke 720 PA Rudolf Heinz 1185 Bestand B 1/11, Bd. 1, Film 1189 Bestand B 1/14–17, Bd. 2 Bestand Phil. Fak. B 1/14–24, Bd. 1a: Film 1200 Bestand Phil. Fak. Filme 1221, 1231 und 1309 Bestand Rektorat Nr. 8 Rep. II, IV, 211 Nachlass Herbert Grundmann

Universitätsarchiv Stuttgart-Hohenheim Nachlass Günther Franz N 6

Gespräche und schriftliche Mitteilungen Gespräch mit Dr. Helmut Wolff am 8.8.2003 in Kulmbach Gespräch mit Prof. Dr. Udo Arnold am 29.1.2005 in Bonn Gespräch mit Prof. Dr. Ulf Dirlmeier am 5.4.2008 in Freudenberg Brief von Prof. Dr. Marian Biskup vom 23.12.2003 Brief von Prof. Dr. Eckhart G. Franz vom 18.11.2001 E-Mail von Dr. Helmut Wolff vom 12.4.2004 Initiative Mühlberg e. V.: Kopie der Einlieferungsliste vom 26.11.1945 Lagerspiegel des DRK, Suchdienst München, Zentrale Auskunfts- und Informationsstelle

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Quellen- und Literaturverzeichnis

Verwendete Literatur Abulafia, David: Kantorowicz and Frederick II., in: Ders., Italy, Sicily and the Mediterranean 1100–1400, London 1987, S. 193–210. Acham, Karl/Schulze, Winfried (Hg.): Theorie der Geschichte. Beiträge zur Historik, Bd. 6: Teil und Ganzes, München 1990. Ahmann, Rolf: Nichtangriffspakte: Entwicklung und operative Nutzung in Europa 1922–1939, Baden-Baden 1988. Alberti, Michael: Die Verfolgung und Vernichtung der Juden im Reichsgau Wartheland 1939–1945, Wiesbaden 2006. Alfonso, Isabel (Hg.): The Rural History of Medieval European Societies. Trends and Perspectives, Turnhout 2007. Algazi, Gadi: Otto Brunner – »Konkrete Ordnung« und Sprache der Zeit, in: Schöttler, Peter (Hg.), Geschichtsschreibung als Legitimationswissenschaft 1918–1945, Frankfurt/M. ²1999, S. 166–203. Alma mater Lipsiensis. Geschichte der Karl-Marx-Universität Leipzig, hg. v. Lothar Rathmann, Leipzig 1984. Altemoos, Brigitte: Lehrende und Lehrprogramme. Kontinuität und Wandel der Heidelberger Historie unter personellen Gesichtspunkten, in: Deutsch, Robert/Schomerus, Heilwig/ Peters, Christian (Hg.), Eine Studie zum Alltagsleben der Historie. Zeitgeschichte des Faches Geschichte an der Heidelberger Universität um 1945–1978, Heidelberg 1978, S. 39–65. Altständisches Bürgertum 2: Erwerbsleben und Sozialgefüge, hg. v. Heinz Stoob, Darmstadt 1978. Aly, Götz: Theodor Schieder, Werner Conze oder die Vorstufen der physischen Vernichtung, in: Schulze, Winfried/Oexle, Otto Gerhard (Hg.), Deutsche Historiker im Nationalsozialismus, Frankfurt/M. ²2000, S. 163–182. Arndt, Helmut (Hg.): Die Konzentration in der Wirtschaft. Bd. 1: Stand der Konzentration, Berlin 1960. Arnold, Udo: Vorwort, in: Domus hospitalis Theutonicorum. Europäische Verbindungslinien der Deutschordensgeschichte. Gesammelte Aufsätze aus den Jahren 1933–1963 (= Quellen und Studien zur Geschichte des Deutschen Ordens, 10), Bonn 1970, S. VII–IX. Arnold, Udo/Biskup, Marian (Hg.): Der Deutschordensstaat Preußen in der polnischen Geschichtsschreibung der Gegenwart, Marburg 1982. Arnold, Udo: Erich Maschke, in: Preußenland 20 (1982), S. 40–42. Arnold, Udo: Zwischen den Weltkriegen. Politik im Zeichen von Parteien, Wirtschaft und Verwaltung im Preußenland. Bd. II: Kultur im Preußenland der Jahre 1918 bis 1939, Lüne­ burg 1987. Ders. (Hg.): Preußen als Hochschullandschaft im 19./20. Jahrhundert, Lüneburg 1992 (= Tagungsberichte der Historischen Kommission für ost- und westpreußische Landesforschung, 9). Ders.: Der Deutsche Orden im deutschen Bewusstsein des 20. Jahrhunderts, in: Vergangenheit und Gegenwart der Ritterorden. Die Rezeption der Idee und die Wirklichkeit, hg. v. Zenon Hubert Nowak, Toruń 2001, S. 39–54. Ash, Mitchell G.: Verordnete Umbrüche – Konstruierte Kontinuitäten: Zur Entnazifizierung von Wissenschaftlern und Wissenschaften nach 1945, in: ZfG 43 (1995), S. 902–923. 100 Jahre Askanische Schule. Eine Chronik der Askanischen Schule, zusammengestellt von Bernhard Przeradzki, Berlin 1984. 125 Jahre Askanisches Gymnasium und Askanische Oberschule 1875 bis 2000, zusammengestellt von Peter Klepper, Berlin 2000.

Quellen- und Literaturverzeichnis

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Register

In das Register wurden die Namen im Literaturverzeichnis und Erich Maschke (sen.) nicht aufgenommen. In den Fußnoten genannte Personen wurden, sofern ihre Namen nicht teil rein bibliographischer Angaben sind, im Verzeichnis erfaßt. Abel, Wilhelm  247 Ackermann, Anton  186 Adalbert v. Bremen  355 Adenauer, Konrad  263 Andreas, Willy  166, 219 Anrich, Ernst  166, 258 Anton, Johann  311 f., 358 Arbusow, Leonid  173 Arnold, Udo  22, 217 f., 251, 256, 263, 279, 359, 365 Astel, Karl  114, 125, 170 Aubin, Hermann  78, 92, 139, 220, 224, 227, 258, 260, 271, 355 Avenarius 33 Bacque, James  297 Bährens, Kurt  320, 357 Baethgen, Friedrich  58, 67 Bäumler, Alfred  127 Bardey, Emil  317 Battré, Herta  177 Becker, H.  201 Beer, Mathias  313, 315 Below, Georg v.  239 Bender, Hans  304 Bender, Heinz  120 Benz, Wolfgang  297 Bergner, H. W.  298 Berija, Lavrentij  191, 213 f. Berg, Stefanie Barbara  152 Berve, Heinrich  155 Betker, René  68 Beyer, Hans Joachim  69, 72, 171, 172 Bilfinger, Rudolf  120 Birkenmajer, Ludwig  98 Biskup, Marian  12, 264, 279, 365 Blickle, Peter  124 Bloch, Marc  247, 249, 357 Böhler, Jochen  174 Boehm, Max Hildebert  37, 70, 112

Böhme, Kurt W.  296, 308, 321 f., 325 f., 332, 334‒360 Böhn, Georg Friedrich  356 Böss, Otto  360 Bohl, Jochen  201, 205 Borchard, Michael  336 Borchardt, Fr.  K.  333 Borgolte, Michael  231 Born, Karl Erich  247 Botzenhart, Erich  219 Brackmann, Albert  21, 75‒79, 81, 82, 104, 122, 139, 172, 364 Brandenburg, Erich  325 Brandi, Karl  74, 92, 364 Brandt, Willy  328 Braubach, Max  298 Braudel, Fernand  225, 237, 247 f., 289, 304, 309, 360 Brunner, Otto  16, 235, 239, 245‒247 Buchner, Rudolf  250 Bulst, Neithard  228 Burkert, Martin  73, 77 Burleigh, Michael  12, 73, 75 Bußmann, Walter  166, 310 Cartellieri, Alexander  114 Cartellieri, Diether   202, 358 Caspar, Erich  53, 57, 67, 82, 88 Čechov, Anton  202 Conze, Werner  12, 19, 22, 27, 54, 68 f., 99, 173, 222, 229‒236, 239‒241, 245‒247, 255 f., 311‒313, 342 Craemer, Rudolf  60, 68 f., 74, 155 Crämer, Ulrich  115, 126, 219 Czok, Karl  293 Danton  253, 353 Dibelius, Otto  201, 212 Diederichs, Eugen  36 Dirlmeier, Ulf  22, 229, 251 f., 365

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Register

Dmowski, Roman  101, 109, 352, 354 Dollinger, Philippe  289 Doubek, Franz Anton  78 Dreger, Egon  186 Dreßler, Helmut v.  304, 332 f. Drollinger, Kuno  252 Dunkhase, Jan Eike  230, 231, 239 Ebert, Hans  116 Eckel, Jan  55, 57, 226 Eichenberg, Franz  31 Einhard 354 Eisner, Kurt  23 Engelhardt, Ulrich  232 Ennen, Edith  294 Erdmann, Karl Dietrich  166, 172 Ernst der Fromme  354 Ernst, Fritz  222 f., 228, 357 Eschmann, Ernst W.  30, 46, 254, 363 Etzemüller, Thomas  18, 56, 219, 231 f., 239‒241 Fahlbusch, Michael  71, 73, 115 Faulk, Henry  308, 359 Feger, Otto  294 Fidus 33 Fleck, Ludwik  18 Fleckenstein, Josef  361 Fleischhacker, Hedwig  305, 311 f., 357 Flex, Walter  33 Forßmann, Werner  23 Forstreuter, Kurt  67, 166, 271, 356 Fouquet, Gerhard  290‒292 Frank, Walter  68, 92 Franz, Eckhart G.  118, 124, 167, 365 Franz, Georg  298 f. Franz, Günther  21, 69, 72, 115, 117‒125, 136, 155, 167 f., 172 f., 175, 179, 219, 222, 228, 365 Frauendienst, Werner  194 Freyer, Hans  187 Frick, Wilhelm  168 Fried, Johannes  153 Friedrich I. Barbarossa  148, 151‒154, 355 Friedrich II.  45, 147‒149, 153 f., 177, 224, 251, 274, 281, 356, 358 Friedrich d. Gr.  350, 352 Frings, Theodor  178, 260 Fuchs, Walter Peter  72

Genscher, Hans−Dietrich  329 Gerber, Stefan  9 Gieseking, Ernst  297, 329‒331 Ginsberg, Ernst  23 Gogoľ, Nikolaj  202 Gor’kij, Maksim  202 Górski, Karol  96‒98, 255, 264 Gothein, Eberhard  228 Günther, Felix  125 Günther, Hans R. G.  227 Gürtler, Heinz  120 Gregor v. Heimburg  351 Greiner, Bettina  192 Greiser, Arthur  168 Groh, Dieter  230 Grundmann, Herbert  166, 176, 263, 365 Haag, John  35 Haar, Ingo  27, 54, 65, 73, 76, 78, 99 f. Habbel, Franz Ludwig  29, 34 f. Hagemeyer, Hans  353 Hager, Werner  30 Hahn, Hans−Werner  9 Halecki, Oskar  96 Handelsman, Marceli  96 Harich, Walther  349 Harmjanz, Heinrich  61, 115 Hauser, Oswald  166 Haushofer, Karl  68 Haverkamp, Alfred  289 Heiber, Helmut  176 Heimpel, Hermann  166, 176, 182, 215, 219, 231, 255 Hein, Max  53, 67, 75, 353 Heine, Heinrich  202 Heinisch, Klaus J.  153 Heinrich I.  131, 352 Heinrich III.  142 Heinrich IV.  154 Heinrich V.  154 Heinrich v. Bodenhausen  352 Heinrich d. Löwe  152, 155 Heinrich v. Plauen  89, 276, 351 Heinz, Rudolf  179, 365 Heisenberg, Werner  30 Heiß, Friedrich  80, 353 Hellmann, Manfred  57, 228, 263, 328, 333, 336 Hennen, W.  264 Herbert, Ulrich  16 Herder, Johann Gottfried  260

Register Hermann v. Salza  45, 89, 123, 131, 354 Heß, Rudolf  68 Hilger, Andreas  200, 210 Hillen Ziegfeld, U.  352 Hindenburg, Paul v.  140, 165, 174 Hintze, Otto  239 Hitler, Adolf  131, 140, 152, 174, 180 Höhn, Reinhard  120 Hoelzle, Erwin  21, 69, 72, 118, 132, 143, 166, 219, 227, 353, 363 Hohlfeld, Andreas  72 Horn, Elisabeth Emma s. Maschke, Elsbeth Hubatsch, Walther  263, 328, 333, 336 Hübinger, Paul Egon  223 Iven, Kurt  31 Ipsen, Gunter  311 f. Jacob, Maurice  254, 289 Jeske, Natalja  193, 194 Jordan, Karl  72, 352 Jordan, Pasqual  205 Jung, Hermann  326, 358, 360 Just, Leo  352 Kaehler, Siegfried A.  148, 175, 364 Kantorowicz, Ernst  147, 149, 153 Karl d. Große  109, 131, 352, 354 Karl IV.  135, 155, 354 Kasiske, Karl  99 Kauder, Victor  268, 355 Kennan, George F.  24 Keyser, Erich  16, 85, 224, 257, 287 Kienast, Walter  156 Kießling, Werner  304, 318 Kittel, Helmut  30 Klages, Ludwig  30 Klewitz, Hans Walter  72 Koch, Erich  74 Koch, Hans  82, 171, 296, 298, 308, 310, 352 Kocka, Jürgen  292 Kötzschke, Rudolf  78 Kohl, Helmut  263 Konrad v. Masovien  86, 87 Kossmann, Oskar  166, 257 Kramm, H.  201 Krzoska, Markus  94, 96 Kues, Nikolaus v.  84, 351, 355 Kühn, Johannes  223 Kuhn, Walter  76, 78 Kulbach, Georg  214

389

Lamprecht, Karl  239, 248 Lang, Martin  207, 335, 361 Laqueur, Walter Z.  31 Lattermann, Alfred  76, 166, 173 Laubert, Manfred  78, 82, 106 Lec, Stanisław Jerzy  9 Leibe, Elsa  179, 180 Leers, Johann v.  115, 125, 155 f., 175 le Goff, Jacques  254 Lemberg, Eugen  258 f. Lerchenmüller, Joachim  120 Löffler, Hermann  120 Loesch, A. v.  253 Lohse, Günter  80 Ludat, Herbert  173, 264, 266 Ludendorff, Erich  174 Lück, Kurt  76, 166, 169, 171, 173, 355 Lütge, Friedrich  178, 228, 247, 358 f. Luther, Martin  132 Luther v. Braunschweig  89 Markert, Gisela  211 Markert, Werner  27, 211, 220 f., 241, 242, 264 f., 311 Martini, Fritz  123, 227 Maschke, Elsbeth  59, 201, 212 f., 217, 226 Maschke, Erich  59, 254 Maschke, Wolfram  59 Matthes, Walther  72 Mattiesen, Heinz  173 Meese, H. F.  298 Meinhold, Helmut  227‒229 Mentz, Georg  114 f. Messerschmidt, Manfred  166 Metz, F.  79 Meyer, Arnold Oskar  142, 352 Meyer, Hans M.  76 Meyer−Erlach, Wolf  114 Moeller van den Bruck, Arthur 58 Mollat, Michel  238, 254 Mommsen, Hans  103 Mommsen, Wilhelm  219 Müller−Bauernfeind, Sabine  9 Müller, Karl Alexander v.  219 Müller, E. F.  80 Nahm, Peter Paul  309, 331 Neubauer, Helmut  311 Nickel, Elisabeth  9 Novak, Hubert Zenon  264

390

Register

Oberländer, Theodor  38, 74 f., 97, 99, 117, 221, 298‒301, 308 Oexle, Otto Gerhard  292 Papritz, Johannes  69, 75‒77, 80‒82, 100, 364 Petersen, Peter  178 Pfitzner, Josef  92 Pivec, Karl  176 Piwarski, Kazimierz  98 Platzhoff, Walter  219 Pleyer, Kleo  38, 68, 70, 122 Preiser, Erich  227 f. Puškin, Alexandr  202 Queisner, Detlev  333 Radig, Werner  72 Ratza, Werner  360 Rauch, Georg v.  173 Raumer, Kurt v.  82, 139 Rausch, Wilhelm  360 Reck, Michael  358 Recke, Walter  92 Rein, Gustav Adolf  159, 219 Reusch, Paul  45, 240, 283, 359 Rhode, Gotthold  264, 315 Richelieu  253, 353 Riegelmann, Hans  120 Ritter, Gerhard  212, 221, 231, 247, 250, 298 Ritter, Gerhard A.   232 Robel, Gert  360 Röchling, Hermann  36 Rörig, Fritz  239 Rößler, H.  243 Rohden, Peter Richard  353 Rosenberg, Alfred  128, 179 Rosenberg, Arthur  23 Rothbart, Maria  73 Rothfels, Hans  11, 12, 16, 19, 21, 53‒55, 60, 67 f., 74, 78, 92 f., 116, 220, 226 f., 242 f., 264, 271, 311, 339, 342, 357, 363 Ruchniewicz, Krzysztof  264 Rüthing, Heinrich  292 Sauckel, Fritz  113 f., 117, 122 Schachermeyr, Friedrich  156 Schaefer, Hans  175, 223 Schaller, Hans Martin  153 Schelkmann, Willi Rudolf  254, 267

Schieckel, Harald  177 Schieder, Theodor  12, 21, 27, 54, 66‒69, 71, 80 f., 171, 218, 220 f., 227 f., 239, 242, 257, 301, 311, 313, 315, 321, 363 Schieder, Wolfgang  252 Schiller, Friedrich v.  202 Schinner, Walter  72 Schlesinger, Walther  185, 242, 259, 261, 294, 364 Schneider, Friedrich  119 Schneider, Jean  289 Schmeitzner, Mike  207 Schmitthenner, Paul  120 Schönwälder, Karen  12, 73, 182 Schoeps, Hans‒Joachim  23 Schöttler, Peter  248 Schramm, Percy Ernst  166, 172, 175, 222 Schreiber, Carsten  100, 180 Schreiner, Klaus  232 Schremmer, Eckhart  17, 252 Schulin, Ernst  16, 222 Schumacher, Martin  284 Schwarz, Hans  58 Schwarz, Wolfgang  359 Schweitzer, Bernhard  178 f., 185 f. Schwelling, Birgit  14 Schwineköper, Berent  291 Seidelmann, Karl  21, 363 Shakespeare, William  202 Sobieski, Wacław  97 Sombart, Werner  239 Spann, Othmar  35 f. Spranger, Eduard  36 Srbik, Heinrich v.  137 Stackmann, Karl  361 Stalin, Josef  213 Starke, Hans  335 Stasiewski, Bernhard  96, 364 Stasiewski, Narzissa  364 Stauffenberg, Alexander Schenk Graf  156 Steinacher, Hans  67 f., 75, 156 Steinbach, Peter  297 Steininger, Rolf  297 Stern, W.  359 Stökl, Günter  336 Streit, Christian  307 Studnicki, Władysław  133, 352 f. Stutz, Rüdiger  173 Sydow, Jürgen  149, 294 f., 358‒361

Register Tellenbach, Gerd  69 Thalheim, Karl E.  352 Tolstoj, Lev  202 Trautz, Fritz  223, 228 Trawkowski, Stanisław  264 Uebersberger, Hans  82, 106, 139, 312, 325 Ulbricht, Justus H.  37 Valjavec, Fritz  227 Vasmer, Max  78 Vittinghoff, Friedrich  255 Voelkel, Martin  29‒31, 34, 36 f., 44, 55 Voggenreiter, Ludwig  29, 34 Voigt, Johannes  85, 350 Vossler, Otto  176, 184 Wagenblaß, Horst  359 Weber, Max  228 Weber, Wolfgang  219 Wehler, Hans−Ulrich  283 Weise, Erich  67, 76, 88 Weißbecker, Manfred  73 Weitzel, Heinz  31

391

Weizsäcker, Wilhelm  228 Welsh, Helga A.  178 Wendorf, Paul  185 Werner, Karl−Ferdinand  223, 228, 247 Widukind 109 Wilmanns, Wolfgang  181 Winkler, Heinrich August  54 Winrich v. Kniprode  89, 353 Wirsing, Nikolaus  137, 268 f., 355 Wittram, Reinhard  156, 173, 219 Wöllhaff, Jörg  78 Wohlgemuth−Krupicka, Hans  172 Wojciechowski, Zygmunt  96‒98 Wolff, Helmut  22, 23, 195, 197, 201 f., 205, 215, 234, 252, 296, 305, 307, 308, 310, 330, 332, 334, 336, 360, 365 Wolff, Philippe  254 Wüstemeyer, Manfred  247 Wunder, Gerd  360 Wunder, Heide  99, 265 Zakrzewski, Stanisław  96 Zientara, Benedykt  255, 264, 363 Zink, Burkhard  236, 357