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German Pages 240 Year 2013
Volkswirtschaftliche Schriften Band 565
Erfolgskontrolle der regionalen Wirtschaftsförderung Möglichkeiten und Grenzen der ökonometrischen Wirkungsforschung
Von
Bastian Alm
Duncker & Humblot · Berlin
Bastian Alm
Erfolgskontrolle der regionalen Wirtschaftsförderung
Volkswirtschaftliche Schriften Begründet von Prof. Dr. Dr. h. c. J. Broermann †
Band 565
Erfolgskontrolle der regionalen Wirtschaftsförderung Möglichkeiten und Grenzen der ökonometrischen Wirkungsforschung
Von
Bastian Alm
Duncker & Humblot · Berlin
Die Technische Universität Dortmund hat diese Arbeit im Jahre 2012 als Dissertation angenommen.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Alle Rechte vorbehalten
© 2013 Duncker & Humblot GmbH, Berlin
Fremddatenübernahme: Klaus-Dieter Voigt, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0505-9372 ISBN 978-3-428-14065-7 (Print) ISBN 978-3-428-54065-5 (E-Book) ISBN 978-3-428-84065-6 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706
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Für Edward Ryon Makuahanai Aikau (1946–1978) Eddie would go
Vorwort Die vorliegende Arbeit ist das Ergebnis eines Forschungsvorhabens im Rahmen meines Promotionsstudiums, das wohlwollend von meinen Betreuern, Freunden und Angehörigen begleitet wurde. Nachfolgend möchte ich jenen danken, die mich in den letzten Jahren außerordentlich tatkräftig unterstützt haben. Meinem Doktorvater, Herrn Professor Franz-Josef Bade, bin ich zu besonderem Dank verpflichtet. Seine stetige Diskussionsfreude hat vermutlich die eine oder andere Neuausrichtung der Struktur dieser Arbeit eingeleitet, deren Fertigstellung dagegen gewiss und in einem nicht unerheblichen Ausmaß von seiner bemerkenswerten fachlichen Kompetenz begünstigt wurde. Meinem Zweitgutachter, Herrn Professor Helmut Karl, danke ich für seine hilfreiche Stellungnahme in der Promotionsendphase. In dieser Zeit haben auch die Herren Dr. Mirko Titze, Dr. Timo Mitze und Professor Dirk Engel – allesamt trotz erheblicher zeitlicher Restriktionen – zahlreiche Anmerkungen und kritische Einwände geliefert. Herrn Professor Gordon Dahl gilt mein Dank dafür, dass er mir einen siebenmonatigen Forschungsaufenthalt an der University of California/ San Diego ermöglichte, der sich in vielfacher Hinsicht als überaus lehrreich erweisen sollte. In diesem Zusammenhang danke ich auch Frau Dr. Julia Koschinksy für die Möglichkeit, den Ansatz und die Ergebnisse dieses und eines weiteren Forschungprojektes mit Herrn Professor Luc Anselin und seinen Kolleginnen und Kollegen vom GeoDa Center der Arizona State University/Phoenix zu erörtern. Mein herzliches Dankeschön gilt Frau Dr. Maike Kohl-Richter, die mein Interesse für die regionale Wirtschaftspolitik im Jahre 2006 während eines Praktikums im Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie weckte und mir auch in den Folgejahren mit wertvollen Ratschlägen und Weitsicht zur Seite stand. Dank sagen möchte ich auch Herrn André Küffe, Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle, der – mit einer beachtlichen Hilfsbereitschaft und eindrucksvoller Geschwindigkeit – verschiedenste Datenanfragen zur Förderstatistik der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ bearbeitet hat. Meinen Freunden, erwähnt seien hier stellvertretend die Herren Stefan Kalheber, Tobias Lösche und Thomas Breiden, danke ich unter anderem für ihre fortwährenden Ermutigungen. Letztgenannter hat darüber hinaus zu einem Teil
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Vorwort
der Arbeit interessante inhaltliche Hinweise aus der Sicht eines weitgehend unvoreingenommenen Lesers gegeben. Zum Schluss gebührt mein Dank meinen Eltern Eva und Peter und meiner Schwester Jennifer für die großartige Unterstützung in den letzten drei Jahrzehnten. Diese Arbeit wäre nicht zum Abschluss gekommen ohne Katharina, die mir beständig mit ihrer unermüdlichen Energie und Lebensfreude Kraft zum Weitermachen verlieh. Berlin, im Mai 2013
Bastian Alm
Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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A. Regionale Wirtschaftsförderung in der Bundesrepublik Deutschland . . . . . . I. Entstehung und Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Regionale Wirtschaftsförderung vor 1969 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die ersten beiden Jahrzehnte nach Einführung der Gemeinschaftsaufgabe im Jahre 1969 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Neuausrichtung im Zuge der deutschen Wiedervereinigung und des Bedeutungsgewinns europäischer Regionalpolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Neue Herausforderungen im Zeichen der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise ab dem Jahre 2008 und der Abgrenzung der EU-Förderperiode 2014–2020 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Zielsystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Distributionspolitische Motivation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Allokationspolitische Motivation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Stabilitätspolitische Motivation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zielbeziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
20 21 21 26 33
42 46 49 53 57 60 62
B. Arten der Erfolgskontrolle für eine Evaluation der Gemeinschaftsaufgabe zur „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Administrative und deskriptive Untersuchungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vollzugskontrollen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Prüfverfahren durch verschiedene Behörden des Bundes und der Länder b) Auswertungen der Förderstatistik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zielerreichungsanalysen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Explizite Zielerreichungsanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Neuabgrenzung der Fördergebiete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Wirkungsanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
64 68 68 68 69 73 73 76 78
C. Verfahren zur Analyse der Wirksamkeit von Subventionen durch die regionale Wirtschaftsförderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Fundament wissenschaftlicher Arbeiten im Bereich der Wirkungsanalyse . . . II. Makroökonometrische Wirkungsanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Basisidee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Strukturelle Makro-Modelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Partialanalytische Modelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Regressionsanalytische Eingleichungsmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Prognose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
80 83 85 85 86 94 95 95
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Inhaltsverzeichnis bb) Schätzung regionaler Investitionsmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Konvergenzschätzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Panelschätzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Shift-Share-Schätzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Regressionsanalytische Eingleichungsmodelle mit Berücksichtigung indirekter räumlicher Effekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Mehrgleichungsmodell der Universität Münster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Das Basismodell von Asmacher/Schalk/Thoss . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Methodische Weiterentwicklungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Einschätzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Mikroökonometrische Wirkungsanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Notation mikroökonometrischer Evaluation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Methodische Herausforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Fundamentales Evaluationsproblem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Selektionsproblem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Problem konjunktureller Schwankungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Methoden mikroökonometrischer Wirkungsanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Experimentelle Methoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Der Potential Outcomes Approach als Ausgangspunkt mikroökonometrischer Wirkungsanalyse mit nicht-experimentellen Daten . . . . . . . c) Lineare Mehrfachregression und Regression Discontinuity Design . . . d) Instrumentalvariablen-Schätzer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Selektionsmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Differenz-der-Differenzen-Schätzer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Matching . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Grundidee und Annahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Propensity Score Matching . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Alternative Matching-Algorithmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Einschätzung des Matching-Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
D. Empirische Analyse der Wirksamkeit gewerblicher Subventionen im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Datenbasis und verwendete Variablen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Matching-Algorithmus zur Wirkungsanalyse der Beschäftigungsentwicklung 1. Berücksichtigung beobachtbarer Einflussfaktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Berücksichtigung unbeobachtbarer Einflussfaktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . .
98 106 110 112 113 118 118 124 130 132 133 136 137 138 140 142 142 144 145 150 153 154 157 157 159 161 167 170
174 175 184 185 192
E. Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238
Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Gang der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abbildung 2: Chronologie der regionalen Wirtschaftsförderung in der Bundesrepublik Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abbildung 3: Gewerbliche Investitionsförderung im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe im Zeitraum 1972–1979 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abbildung 4: Entwicklung der gewerblichen Investitionsförderung im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe im Zeitraum 1980–1990 . . . . . . . . . . . . . . Abbildung 5: Entwicklung der gewerblichen Investitionsförderung im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe im Zeitraum 1991–2012 . . . . . . . . . . . . . . Abbildung 6: Quantitative Methoden zur Analyse der Wirkung der gewerblichen Investitionsförderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abbildung 7: Stufen einer makroökonometrischen Evaluation der Gemeinschaftsaufgabe unter Verwendung eines strukturellen Makro-Modells . . . . . Abbildung 8: HERMIN-Modellstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abbildung 9: Ansatz des Referenzvergleichs von Recker . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abbildung 10: Ansatz des SADL-Modells von Eckey/Kosfeld im Vergleich zu den zuvor dargestellten Eingleichungsmodellen . . . . . . . . . . . . . . . . . Abbildung 11: Variablen und wesentliche Zusammenhänge des partialanalytischen Wirkungsmodells von Asmacher/Schalk/Thoss . . . . . . . . . . . . . . . . . Abbildung 12: Fundamentales Evaluationsproblem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abbildung 13: Selektionsproblem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abbildung 14: Vorher-Nachher-Schätzer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abbildung 15: Annahmen der linearen Mehrfachregression . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abbildung 16: Regression Discontinuity Design . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abbildung 17: Instrumentalvariablen-Schätzer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abbildung 18: Einschätzung Instrumentalvariablen-Schätzer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abbildung 19: Differenz-der-Differenzen-Schätzer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abbildung 20: Bedingter Differenz-der-Differenzen-Schätzer . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abbildung 21: Anzahl geförderter und nicht-geförderter Betriebe der Wirkungsanalyse für den Zeitraum 1999–2006 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abbildung 22: Übersicht über die Matching-Variablen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abbildung 23: Deskriptive Statistik für die geförderten und nicht-geförderten Betriebe vor dem Matching . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abbildung 24: Dimensionalitätsproblem des Matching . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abbildung 25: Relative Verteilung der Anzahl von statistischen Zwillingen nach dem ersten Schritt der Zuordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
18 22 30 32 44 82 88 91 97 114 122 137 139 141 148 149 151 152 156 170 179 180 184 186 187
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Abbildungsverzeichnis
Abbildung 26: Deskriptive Statistik der Matching-Variablen für die geförderten und nicht-geförderten Betriebe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abbildung 27: Ergebnisse der Schätzung der Teilnahmewahrscheinlichkeit des Probit-Modells . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abbildung 28: Deskriptive Statistik der Matching-Variablen für die geförderten und nicht-geförderten Betriebe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abbildung 29: Durchschnittlicher Effekt der Subventionen der Gemeinschaftsaufgabe auf die geförderten Betriebe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abbildung 30: Deskriptive Statistik der Matching-Variablen für die geförderten und nicht-geförderten Betriebe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abbildung 31: Durchschnittlicher Effekt der Subventionen der Gemeinschaftsaufgabe auf die geförderten Betriebe unter Berücksichtigung unbeobachtbarer Einflussfaktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
188 189 190 192 193
195
Abkürzungsverzeichnis Abs. Art. ATE ATT ATU BA BAFA BDA BDI BHO BIP BMWi CIA CSU DiD DIW DtA EAGFL EFRD EG ESF ESVG EU EuGH F&E FIAF GG GMM HERMES HGrG HoF IAB IMNOS IOCE IWH
Absatz Artikel Average treatment effect Average treatment effect on the treated Average treatment effect on the untreated Bundesagentur für Arbeit Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände Bundesverband der Deutschen Industrie Bundeshaushaltsordnung Bruttoinlandsprodukt Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie Conditional Independence Assumption Christlich Soziale Union Difference-in-differences Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung Berlin Deutsche Ausgleichsbank European Adjustment and Guarantee Fund for Agriculture European Fund for Regional Development Europäische Gemeinschaften European Social Fund Europäisches System Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen Europäische Union Europäischer Gerichtshof Forschung und Entwicklung Financial Instrument for the Adjustment of the Fishery Grundgesetz Generalized Methods of Moments Harmonised Economic Research for Modelling Economic Systems Haushaltsgrundsätzegesetz Institut für Hochschulforschung Wittenberg Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit Interministerieller Ausschuß für Notstandsgebietsfragen International Organisation for Cooperation in Evaluation Institut für Wirtschaftsforschung Halle
14 JZM KfW KMU LATE MKRO MTE OLS QM RDD RSA RWI SAR SER SDEM SDM SUTVA VV-BHO ZEW
Abkürzungsverzeichnis Jahreszeitraummaterial Kreditanstalt für Wiederaufbau Kleine und mittlere Unternehmen Local average treatment effect Ministerkonferenz für Raumordnung Marginal treatment effect Ordinary Least Squares Quartalsmaterial Regression Discontinuity Design Regional Selective Assistance Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung Spatial Autoregressive Spatial Error Spatial Durbin Error Model Spatial Durbin Model Stable Unit Treatment Value Assumption Allgemeine Verwaltungsvorschriften zur Bundeshaushaltsordnung Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung
Einleitung In den Mitgliedstaaten der Europäischen Union werden seit langer Zeit beträchtliche Mittel für Subventionen an Unternehmen aufgewendet.1 Bereinigt um die Maßnahmen zugunsten von Finanzinstitutionen und der Realwirtschaft zur Bekämpfung der Auswirkungen der jüngsten globalen Finanz- und Wirtschaftskrise setzten die 27 Mitgliedstaaten allein im Jahr 2010 (2011) insgesamt rund 73,7 Mrd. EUR (64,3 Mrd. EUR) und damit ungefähr 0,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes der Europäischen Union für staatliche Beihilfen im verarbeitenden Gewerbe und Dienstleistungsbereich ein.2 Etwa ein Viertel dieser finanzwirksamen Maßnahmen für das verarbeitende Gewerbe und den Dienstleistungssektor entfiel auf den Bereich der Regionalbeihilfen. Die zu diesem Zwecke vergebenen Subventionen der Mitgliedstaaten überstiegen die entsprechenden Aufwendungen für weitere Gruppen horizontaler Beihilfen wie Forschung/Entwicklung/Innovation, Umweltschutz einschließlich Energieeinsparmaßnahmen beziehungsweise die sektorspezifischen Beihilfen.3 Als „Kind der 1950er Jahre“ 4 erfuhr die regionale Wirtschaftsförderung des Bundes im Laufe ihrer Entwicklung in den zurückliegenden sechs Dekaden mehrfach wesentliche Veränderungen: Während die ersten förderpolitischen Anstrengungen vor dem Hintergrund der Folgen der Zerstörung des Zweiten Weltkrieges vorwiegend der Stabilisierung der wirtschaftlichen Lage in besonders rückständigen Regionen galten und sich als „Flächenförderung“ in den für diese Zwecke deklarierten Notstands- und Zonenrandgebieten bezeichnen lassen, verschob sich der Schwerpunkt später zunehmend auf eine gezielte Förderung zen1 Vgl. entsprechende Zeitreihen auf Ebene der 27 Mitgliedstaaten in Europäische Kommission (2012a). In dem Zeitraum vom 01. Oktober 2008 bis zum 01. Oktober 2012 betrug der Gesamtumfang der Maßnahmen zur Stabilisierung des Finanzsektors, die hauptsächlich in Form von Garantien für Anleihen und kurzfristigen Verbindlichkeiten von Banken genehmigt wurden, durchschnittlich 1,27 Bio. EUR p. a. (ca. 40 Prozent des EU-BIP). Vgl. Europäische Kommission (2011a: 9 und 2012b: 10). 2 Ohne Schienenverkehr, vgl. Europäische Kommission (2012b: 7). Der Begriff der staatlichen Beihilfe umfasst dabei neben Subventionen und Bürgschaften zu besonderen Konditionen auch Befreiungen von Steuern und Abgaben, Zinszuschüsse und allgemein Investitionen zulasten von Mitteln des Staates, die zu Bedingungen erfolgen, zu denen ein privater Investor in einer vergleichbaren Situation unter Rentabilitätsgesichtspunkten keine Unterstützung gewähren würde, vgl. Europäische Kommission (2010: 11 f.) und von Stoephasius (2008: 79). 3 Vgl. Europäische Kommission (2012b: 9). 4 Vgl. Eberstein (1999: 8).
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Einleitung
traler Orte und regionaler Aktionsprogramme. Im Jahre 1972 wurde mit der Bund-Länder-Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ (nachfolgend: Gemeinschaftsaufgabe) ein Instrumentarium eingeführt, das seitdem im Mittelpunkt der regionalen Wirtschaftsförderung in der Bundesrepublik Deutschland steht. Zentraler Ansatzpunkt der Gemeinschaftsaufgabe, deren Bedeutung sich im Laufe des Europäischen Integrationsprozesses und speziell mit der deutschen Wiedervereinigung deutlich gewandelt hat, ist die Stärkung der betrieblichen Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit. Im Lichte dieser förderpolitischen Grundausrichtung überrascht es nicht, dass durch die Gemeinschaftsaufgabe insbesondere investive Vorhaben der gewerblichen Wirtschaft subventioniert werden. Mit dieser Schwerpunktsetzung ist die Hoffnung verknüpft, letztendlich nicht nur die betriebliche Leistungsfähigkeit der Zuwendungsempfänger, sondern vor allem das regionale Beschäftigungs- und Einkommensniveau in den strukturschwachen Gebieten zu erhöhen und damit zum Ausgleich regionaler Disparitäten hinsichtlich ökonomischer Zielgrößen beizutragen. Zwischen 1972 und 2012 wurden durch die Gemeinschaftsaufgabe insgesamt 113.008 betriebliche Investitionsvorhaben gefördert. Im Zuge dieser Investitionsprojekte sollten rund 1,59 Mio. zusätzliche Dauerarbeitsplätze geschaffen und etwa 2,44 Mio. Dauerarbeitsplätze gesichert werden.5 Da im Anschluss an die deutsche Wiedervereinigung viele Produktionsbetriebe in den neuen Ländern in den Genuss intensiver finanzieller Förderung durch die Gemeinschaftsaufgabe kamen, nahm das entsprechende Mittelvolumen in der ersten Hälfte der 1990er Jahre ein Ausmaß an, das weder zuvor noch nachfolgend erreicht wurde. Zwischen 1991 und 2012 reichte die Gemeinschaftsaufgabe in den Fördergebieten insgesamt etwa 44 Mrd. EUR an Unternehmen aus.6 Für eine regelmäßige und systematische Messung des Erfolgs dieser Intervention sprechen verschiedene Argumente. So gebietet der zunehmend enge Spielraum der öffentlichen Haushalte grundsätzlich einen effizienten Einsatz staatlicher Beihilfen, sodass deren tatsächliche Wirksamkeit auf bestimmte Zielgrößen kontinuierlich und möglichst realitätsadäquat überprüft werden sollte. Auch in verfassungs- (Art. 114 Abs. 2 GG) sowie haushaltsrechtlichen (§ 6 Abs. 2 HGrG bzw. § 7 Abs. 2 BHO) Bestimmungen wird die Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit von finanzwirksamen Maßnahmen gefordert. Außerdem lassen sich entsprechende Evaluationsvorhaben der Gemeinschaftsaufgabe aufgrund der hohen Opportunitätskosten und den zu erwartenden Nebeneffekten des Fördermitteleinsatzes rechtfertigen. 5 Vgl. Bewilligungsstatistik des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle, Stand 12. Februar 2013 (eigene Berechnungen). 6 Davon wurden rund 4,3 Mrd. EUR durch Kofinanzierung aus dem European Fund for Regional Development (EFRD) erbracht.
Einleitung
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Das Erkenntnisinteresse von – seit Ende der 1970er Jahre in unregelmäßigen Abständen praktizierten – Evaluationsansätzen der Gemeinschaftsaufgabe lag bisher stets in der Analyse und Bewertung der Entwicklung maßgeblicher Zielgrößen der gewerblichen Investitionsförderung. Doch obwohl die Versuche einer Messung des Erfolgs dieses Instrumentes eine lange Tradition haben, mangelt es in Bezug auf die Richtung und Stärke des Effektes der Gemeinschaftsaufgabe auf förderrelevante Zielgrößen, nicht zuletzt aufgrund der Unterschiedlichkeit des verwendeten empirischen Materials und der erprobten Analyseverfahren, an verlässlichen Ergebnissen. Als Beleg für die allgemeine Unsicherheit über die Auswirkungen staatlicher Beihilfen zugunsten der gewerblichen Wirtschaft dient eine Große Anfrage von Abgeordneten des Deutschen Bundestages nach der Schließung des (durch die Gemeinschaftsaufgabe geförderten) Nokia-Standortes in Bochum, in der unter anderem explizit die Frage nach Studien und deren Ergebnissen zum Zusammenhang zwischen den Subventionen und dem Erhalt beziehungsweise der Schaffung von Arbeitsplätzen aufgeworfen wird.7 Der Bundesrechnungshof kommt sogar zu folgendem Befund: „Das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie hat den Erfolg der für die Gemeinschaftsaufgabe (. . .) eingesetzten Bundesmittel unzureichend kontrolliert und das Parlament nur unvollständig über die Wirkung der Förderung unterrichtet. (. . .) Das Bundesministerium [für Wirtschaft und Technologie, Anm. des Verfassers] konnte auf dieser lückenhaften Grundlage den Erfolg der Gemeinschaftsaufgabe nicht zutreffend bewerten.“ 8
Diese Arbeit verfolgt das Ziel, zum besseren Verständnis über das Erkenntnisinteresse sowie die daten- und methodenbedingten Voraussetzungen, Aussagekraft und bisherige empirische Evidenz von einzelnen Arten der Erfolgskontrolle zur Evaluation der Gemeinschaftsaufgabe beizutragen. Ein besonderes Augenmerk liegt dabei auf der Darstellung von Methoden, die sich für eine makrobeziehungsweise mikroökonometrische Analyse der Wirksamkeit von Subventionen an die gewerbliche Wirtschaft in strukturschwachen Regionen nutzen lassen. Gang der Untersuchung Die Arbeit ist in vier ineinander übergreifende Bereiche gegliedert (siehe Abbildung 1). Als Ausgangspunkt dient die Überlegung, dass die Evaluation einer staatlichen Intervention grundsätzlich kein Selbstzweck ist. Vielmehr sollten die jeweilige Konzeption und Zielsystematik der konkreten Maßnahme bei der Entscheidung für einen geeigneten Evaluationsansatz und bei der methodischen Spezifikation eine zentrale Stellung einnehmen. Da sich die Ausgestaltung der regio7 8
Vgl. Deutscher Bundestag (2008: 1). Bundesrechnungshof (2006: 22).
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Einleitung
Teil A
Politikbereich Warum sind Interventionen im Rahmen der regionalen Wirtschaftsförderung notwendig?
Teil B
Evaluation Welche Arten der Erfolgskontrolle kennt die Gemeinschaftsaufgabe?
Teil C
Methodenüberblick Mit welchen Methoden lässt sich die kausale Wirkung der Gemeinschaftsaufgabe quantifizieren?
Teil D
Empirische Wirkungsanalyse Wie lassen sich die datenbedingten und methodischen Voraussetzungen für eine mikroökonometrische Wirkungsanalyse der Gemeinschaftsaufgabe schaffen?
Quelle: Eigene Darstellung.
Abbildung 1: Gang der Arbeit
Einleitung
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nalen Wirtschaftsförderung und damit auch die Rahmenbedingungen ihrer Evaluation in der Vergangenheit mehrfach verändert haben, beginnt Teil A. mit einer Beschreibung der wesentlichen Meilensteine des Entwicklungsverlaufs dieses Politikbereiches, dessen Ziele anschließend aufgezeigt werden. Mit der Vollzugskontrolle, Zielerreichungs- und Wirkungsanalyse kennt das Evaluationssystem der Gemeinschaftsaufgabe allgemein drei Arten der Erfolgskontrolle. In Teil B. werden die Vor- und Nachteile dieser einzelnen Typen der Erfolgskontrolle diskutiert. Dabei zeigt sich, dass sowohl die Vollzugskontrolle als auch die Zielerreichungsanalyse einen Vergleich von zwei Situationen, von denen nur eine beobachtbar (Förderung), die andere hingegen unbeobachtbar und folglich kontrafaktischer Natur ist (Nicht-Förderung), grundsätzlich nicht leisten können. Aussagen zum kausalen Effekt der Gemeinschaftsaufgabe erfordern allerdings den Vergleich der tatsächlichen Entwicklung der jeweils interessierenden Zielgröße(n) in einer bestimmten Untersuchungsperiode mit der hypothetischen Entwicklung derselben Variable(n) in demselben Zeitraum, die im Falle der Nicht-Förderung eingetreten wäre. Genau hier setzen Wirkungsanalysen an, die sich in der Konstruktion dieser Referenzsituation versuchen. Teil C. bildet das Kernstück der Arbeit und beinhaltet eine Darstellung jener makro- und mikroökonometrischen Verfahren, die sich grundsätzlich für eine Wirkungsanalyse der Investitionsförderung der gewerblichen Wirtschaft der Gemeinschaftsaufgabe eignen. Der Fokus der Darstellung liegt dabei auf den Möglichkeiten und Grenzen der Anwendbarkeit der einzelnen Ansätze. Soweit möglich werden in diesem Zusammenhang auch die empirischen Resultate bisheriger Wirkungsanalysen der gewerblichen Investitionsförderung im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe genannt, um einen Gesamteindruck über den Einfluss dieser Maßnahme auf unterschiedliche Zielgrößen zu gewinnen. Auf der Grundlage der Ergebnisse des Methodenüberblicks wird zu Beginn von Teil D. dargelegt, wie die datentechnischen Voraussetzungen für eine mikroökonometrische Wirkungsanalyse der gewerblichen Investitionsförderung der Gemeinschaftsaufgabe geschaffen werden können. Sodann wird am Beispiel des Förderzeitraums 1999–2006 demonstriert, wie sich eine adäquate Referenzsituation unter Verwendung des sogenannten Matching-Verfahrens konstruieren lässt und zugleich die Frage beantwortet, ob die Regionalbeihilfen zu einer Zunahme der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in den geförderten Betrieben geführt haben. Die abschließende Zusammenfassung enthält die zentralen Ergebnisse dieser Arbeit.
A. Regionale Wirtschaftsförderung in der Bundesrepublik Deutschland Im Zuge einer Diskussion der verschiedenen methodischen Möglichkeiten und Limitationen der Evaluation der Subventionen an die gewerbliche Wirtschaft im Rahmen der regionalen Wirtschaftsförderung sowie der empirischen Umsetzung einer Analyse von deren Wirksamkeit ist es unerlässlich, in einem ersten Schritt die wesentlichen Charakteristika und Ziele der Intervention in den Blick zu nehmen. Anders ausgedrückt ist eine hinreichende Klärung der Art, Konzeption und insbesondere Intention der Maßnahme eine erste Voraussetzung dafür, dass eine Kontrolle deren Erfolgs im Allgemeinen und eine Analyse der Wirksamkeit im Besonderen kein Selbstzweck ist. In diesem Zusammenhang lassen sich die Versuche einer Rechtfertigung des praktischen Handlungsbedarfs der Förderung von strukturschwachen Regionen zunächst grob in zwei Argumentationsstränge gliedern.1 Einerseits wird die Notwendigkeit von Regionalbeihilfen in distributionspolitischen Erwägungen darauf zurückgeführt, dass der gezielte Einsatz von finanzwirksamen Maßnahmen in strukturschwachen Gebieten für eine Erreichung von interregionalen Verteilungszielen, wie etwa dem Verfassungsgrundsatz der Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse, erforderlich sei. Andererseits wird allokationspolitisch argumentiert, dass durch den Einsatz von Fördermaßnahmen bestimmte Marktversagenstatbestände, beispielsweise ein ineffizientes Mobilitätsverhalten der Produktionsfaktoren Arbeit und Kapital zwischen den einzelnen Teilgebieten einer Volkswirtschaft und damit einer suboptimalen Faktorallokation, entgegengewirkt werden könne. Nachdem der Bund auf dem Gebiet der regionalen Wirtschaftsförderung in den 1950er und 1960er Jahren insbesondere zum Zwecke der kriegsbedingten Notstandsbekämpfung und noch ohne verfassungsrechtliche Legitimation in Erscheinung getreten war, wurde 1969 mit der Bund-Länder-Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ (Gemeinschaftsaufgabe) ein neues Instrument zur Unterstützung von strukturschwachen Regionen geschaffen. In diesem Teil der Arbeit wird dargestellt, dass die konkrete Ausgestaltung und Zielsetzung der regionalen Wirtschaftsförderung in den zurückliegenden sechs Dekaden mehrere Wendungen vollzog, die jeweils vor dem Hintergrund der sich 1 An dieser Stelle kann keine ausführliche Darstellung der Begründung regionaler Wirtschaftsförderung erfolgen. Siehe hierzu etwa Karl/Krämer-Eis (1997: 3 ff.) und die dort zitierte Literatur.
I. Entstehung und Entwicklung
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verändernden ökonomischen beziehungsweise politischen Rahmenbedingungen verstanden werden müssen. Abbildung 2 zeigt die wesentlichen Meilensteine des Entwicklungsganges der regionalen Wirtschaftsförderung seit dem Beginn der 1950er Jahre. In Kapitel I. wird dieser Prozess in vier Phasen untergliedert und beschrieben, bevor in Kapitel II. die einzelnen Ziele der regionalen Wirtschaftsförderung und deren Beziehungen zueinander dargelegt werden. Auf dieser Grundlage werden in Kapitel III. jene Elemente zusammengefasst, die im Rahmen einer Evaluation zu beachten sind.
I. Entstehung und Entwicklung 1. Regionale Wirtschaftsförderung vor 1969 Bereits vor Inkrafttreten der Gemeinschaftsaufgabe kam es im Bereich der regionalen Wirtschaftsförderung zum Einsatz verschiedener Instrumente, die allerdings – der föderalen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland entsprechend – mehrheitlich auf der Landesebene verankert waren.2 Zu den wenigen staatlichen Maßnahmen zählten beispielweise das Gesetz über Hilfsmaßnahmen für die notleidenden Gebiete des Ostens (Osthilfegesetz) 3 aus dem Jahre 1931 oder der Erlass über die Reichsstelle für Raumordnung von 1935.4 Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges stellte die Wiederherstellung der zerstörten Kapazitäten insbesondere jene Gebiete vor enorme Herausforderungen, die hinsichtlich ihrer Wirtschaftskraft traditionell zu den entwicklungsschwachen Regionen zählten und nun zusätzlich mit der Eingliederung von Flüchtlingen und Vertriebenen und/oder dem einsetzenden Strukturwandel in der Landwirtschaft konfrontiert waren.5 Eine beträchtliche Diskrepanz zwischen der Nachfrage und dem Angebot an Arbeitskräften in den industriellen Sektoren führte in vielen Regionen zu einem starken Anstieg der Arbeitslosigkeit.6 Einige Gebiete litten darüber hinaus unter Produktionsverboten und Demontagen.7 2
Vgl. Neumann/Uterwedde (1994: 30). Im Osthilfegesetz wurden erstmals von staatlicher Seite umfassende und über ausschließlich wirtschaftliche Ansätze hinausgehende Unterstützungsmaßnahmen gesetzlich fixiert, vgl. Vollhardt (2008: 440). Der Schwerpunkt der Maßnahmen lag dabei klar auf der Förderung von landwirtschaftlichen Betrieben in Form von staatlichen Zuschüssen, Bürgschaften und Darlehen sowie der Übernahme von Zins- und Tilgungsverpflichtungen, vgl. Eberstein (1999: 9). 4 Vgl. van Suntum (1981: 18 f.). 5 Vgl. Böhret/Jann/Kronenwett (1982: 68 ff.). 6 Bei der Auswahl der Fördergebiete wurde diesem Aspekt, neben dem Anteil von in der Landwirtschaft tätigen Personen, große Beachtung geschenkt. Vgl. Eberstein (1999: 10). 7 Vgl. Karl/Krämer-Eis (1997: 15). 3
1959 ZentraleOrteProgramm
Phase II – Die ersten beiden Jahrzehnte nach Einführung der Gemeinschaftsaufgabe
1972 Bund-LänderGemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“
1968 Regionale Aktionsprogramme
Phase IV – Neue Herausforderungen im Zeichen der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise und Abgrenzung der Förderperiode 2014–2020
2009 Vorübergehende Erhöhung der Mittel der Gemeinschaftsaufgabe im Zuge der globalen Finanzund Wirtschaftskrise (2009–2011)
2007 2014 Gemeinschaftsaufgabengesetz Neue wird an die Beschlüsse Regionalder Föderalismusreform fördergebietskarte angepasst tritt in Kraft
Phase III – Neuausrichtung im Zuge der deutschen Wiedervereinigung und verstärkter europäischer Regionalpolitik
1990 Gemeinschaftsaufgabe wird mit Herstellung der Deutschen Einheit auf das Beitrittsgebiet übertragen
Abbildung 2: Chronologie der regionalen Wirtschaftsförderung in der Bundesrepublik Deutschland
Quelle: Eigene Darstellung.
Phase I – Regionale Wirtschaftsförderung vor 1969
1953 Zonenrandförderung
1951 Förderung in Notstandsgebieten
22 A. Regionale Wirtschaftsförderung in der Bundesrepublik Deutschland
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Die sich in den Nachkriegsjahren verschärfenden Unterschiede zwischen den einzelnen Regionen des Bundesgebietes – etwa hinsichtlich der Wachstumschancen, Arbeitsmarktlage, Wanderungssalden von Erwerbstätigen oder des Industriebesatzes – waren die Ursache dafür, dass die Bundesregierung in Ergänzung zu den bereits bestehenden Programmen auf Landesebene8 ab 1951 selbst Mittel für die Förderung von gewerblichen Investitionen und Infrastrukturmaßnahmen in den strukturschwachen Regionen einsetzte.9 Im Fokus der regionalen Wirtschaftsförderung durch den Bund, die fortan von dem 1950 einberufenen Interministeriellen Ausschuß für Notstandsgebietsfragen (IMNOS)10 konzipiert wurde, stand zunächst die Entschärfung der wirtschaftlichen Situation in den Fördergebieten.11 In diesen Regionen wurden insbesondere zinsverbilligte Kredite, steuerliche Vergünstigungen und Frachthilfen an ansiedlungswillige Betriebe beziehungsweise für betriebliche Erweiterungsinvestitionen und Finanzmittel an Gemeinden für Infrastrukturinvestitionen ausgereicht.12 Weiterer Handlungsbedarf ergab sich aufgrund der Folgen der durch eine „willkürliche Grenzziehung“ 13 hervorgerufenen Trennung von Regionen entlang der innerdeutschen Grenze nach dem Zweiten Weltkrieg, die eine Reihe von wirtschaftlichen Abwärtsrisiken in sich barg, sodass ergänzende staatliche Interventionen nicht lange auf sich warten ließen: Durch die im Jahre 1953 beginnende Förderung von – mithin in den Notstandsgebieten liegenden – Zonenrandgebieten sollten Regionen nahe der Grenze14 durch Hilfsmaßnahmen unterstützt werden, deren Wirtschaftsbeziehungen durch die veränderten politischen Rahmenbedingungen teilweise abgeschnitten waren.15 Dieses Bestreben wurde
8 Ein Großteil der Länder ergriff bereits in den Jahren 1949 und 1950 Einzelmaßnahmen innerhalb der Aufbaugesetze, siehe Oesterreich (1981: 1). 9 Vgl. Deutscher Bundestag (1971: 7). 10 Die breite politische Akzeptanz des Handlungsbedarfs im Bereich der regionalen Wirtschaftsförderung war daran zu erkennen, dass im IMNOS neben verschiedenen Bundesministerien (für Wirtschaft, Ernährung/Landwirtschaft/Forsten, Finanzen, Arbeit und Sozialordnung, Verkehr/Post-/Fernmeldewesen, Städtebau und Wohnungswesen, des Innern, für innerdeutsche Fragen, der Verteidigung, für Jugend/Familie/Gesundheitswesen) auch das Bundeskanzleramt, das Institut für Raumordnung, die Bundesanstalt für Arbeit und das Bundesamt für gewerbliche Wirtschaft vertreten waren, vgl. Kloten/Höpfner/Zehender (1972: 49). 1960 erfolgte eine Umbenennung in „Interministerieller Ausschuß für regionale Wirtschaftspolitik“. 11 Vgl. Ewringmann et al. (1986: 22). 12 Brede/Siebel (1975: 13). 13 Vgl. Albert (1968: 392). 14 Zum Zonenrandgebiet zählten jene Kreise, deren Gebiet beziehungsweise Bevölkerung zu mindestens der Hälfte innerhalb eines circa 40 Kilometer breiten Gebietsstreifen der Bundesrepublik Deutschland, der sich von Flensburg bis Passau entlang der Grenze zum Staatsgebiet der DDR und der Tschechoslowakei zog, lag. Vgl. Jung (1982: 88). 15 Vgl. Spannowsky (1987: 140) und Möller (1982: 84).
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jedoch zum Teil konterkariert von einzelnen Ländern, die Zonenrandbetriebe durch steuerliche Begünstigungen in die übrigen Gebiete zu attrahieren versuchten.16 Die sich im Zuge des robusten volkswirtschaftlichen Wachstums verbessernde Lage und der weitgehende Abschluss der kriegsbedingten Wiederaufbauphase industrieller Kapazitäten machte schon bald eine Anpassung des Präferenzsystems der regionalen Wirtschaftsförderung durch den Bund erforderlich. Allerdings fand das Bundesministerium für Wirtschaft, das ab dem Jahre 1956 an einer Neufassung der Fördergebiete arbeitete,17 keinen ungeteilten Beifall für dieses Vorhaben, sondern sah sich vielmehr einer Protestwelle seitens der unmittelbar betroffenen regionalpolitischen Akteure in den Ländern gegenüber.18 Diese vertraten mithin die Einschätzung, dass ihre Kreise aus der Fördergebietskulisse ausscheiden könnten und lehnten weitreichende Modifikationen an der bisherigen Fördersystematik mehrheitlich ab. Die Länder konnten zunächst grundsätzlich frei über die Verwendung der Bundesmittel verfügen.19 Dies änderte sich im Jahre 1959, als es zu einer ersten merklichen Kursänderung in der noch jungen Geschichte der regionalen Wirtschaftsförderung des Bundes kam: Fortan wurde die in den Fördergebieten räumlich nicht weiter begrenzte Vergabe von Subventionen nach dem „Gießkannenprinzip“ durch eine Konzentration auf Schwerpunktorte flankiert.20 Mit anderen Worten beschränkte sich der Aktionsradius nicht mehr ausschließlich und ohne weitere systematische räumliche Differenzierung auf die Notstandsgebiete und das Zonenrandgebiet, sondern – in Anlehnung an die Zentrale-Orte-Theorie21 – innerhalb dieser Gebiete zusätzlich auf bestimmte Standortagglomerationen („Entwicklungsprogramm für zentrale Orte in ländlichen, schwachstrukturierten Gebieten“).22
16 Kritisch gewürdigt wurde dieses Vorgehen vom damaligen Bundesminister der Finanzen (Fritz Schäffer, CSU), vgl. Protokoll zur 300. Kabinettssitzung vom 07. Juli 1953 (Bundesarchiv, 2013). 17 Vgl. Kahlenberg/Enders (1999: 192). 18 Vgl. Grüner (2009: 347). 19 Durch ihre Dispositionsfreiheit waren die Länder in der Lage, innerhalb der Fördergebiete über die konkreten Förderorte und -projekte (zum Beispiel Förderung von Industriebetrieben, Straßenbau- oder Fremdenverkehrsförderung, wasserwirtschaftliche Maßnahmen) ausschließlich nach eigenem Ermessen zu befinden, vgl. Kirchhoff (1973: 169). 20 Vgl. Peters (2000: 124). 21 In ihren Arbeiten zur räumlichen Siedlungsstruktur konnten Christaller (1933) und Lösch (1940) unter der Annahme eines homogenen Raumes mit gleichmäßig verteilter Nachfrage zeigen, dass sich ein streng hierarchisches System von zentralen Orten ergibt. Vgl. dazu auch Bröcker (2012: 109 ff.). 22 Vgl. Recker (1977: 12).
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Die um die Schwerpunktsetzung erweiterte Förderpolitik trat mit dem Ziel an, den Angebotsüberhang an Arbeitskräften in den entwicklungsschwachen Gebieten durch die Ansiedlung von Produktionsbetrieben zu verringern und gleichzeitig der Flucht von – vor allem im landwirtschaftlichen Bereich – freigesetzten Arbeitskräften in stärker industrialisierte Gebiete entgegenzuwirken.23 Im Gegensatz zur vorherigen Förderstrategie wurde bei der Auswahl der zentralen Orte explizit darauf geachtet, dass im Hinblick auf das regionale Arbeitskräftepotenzial und die Infrastrukturausstattung bestimmte Mindestanforderungen gewahrt blieben.24 Faktisch stieg die Zahl der zu diesem Zweck ausgewählten regionalen Schwerpunkte, die im November 1964 in „Bundesausbauorte“ umbenannt wurden, im Laufe der Zeit von 16 im Jahre 1959 auf 81 im Jahre 1968.25 Im Zuge von konjunkturellen Abschwächungstendenzen verschärften sich in der zweiten Hälfte der 1960er Jahre die strukturellen Anpassungsprobleme entwicklungsschwacher Regionen, sodass 1968 eine weitere Neuausrichtung der regionalen Wirtschaftsförderung erfolgte. Diese wurde notwendig, weil die vorangegangene Dezentralisierung der gewerblichen Wirtschaft vor allem auf der Auslagerung von arbeitsintensiver Produktion in errichteten Zweigbetrieben innerhalb der Fördergebiete basierte und dort die Implikationen des konjunkturellen Einbruchs außerordentlich stark spürbar waren. In Gestalt von 21 Regionalen Aktionsprogrammen, zu denen insgesamt 312 Gemeinden zählten, sollten die Bundes- und Landesmaßnahmen fortan stärker miteinander verzahnt26 und auf fünf Kategorien von Schwerpunktorten, mit Höchstsätzen für die Förderung von gewerblichen Investitionen zwischen 10 und 25 Prozent, ausgerichtet werden.27 Insgesamt betrug das Mittelvolumen der genannten Maßnahmen der regionalen Wirtschaftsförderung des Bundes in den 50er und 60er Jahren rund 2 Mrd. DM,28 wobei in dieser Phase etwa die Hälfte des Budgets auf die Infrastrukturförderung und der Rest auf den Bereich der gewerblichen Wirtschaft entfiel.29
23 Vgl. Deutsche Bundesregierung (Kabinettsprotokoll der Sitzung vom 02. Juli 1959, Tagesordnungspunkt 2). 24 Vgl. Brede/Siebel (1975: 13 f.) und Eberstein (1999: 12). 25 Dem Bund fiel die Aufgabe zu, die Förderungswürdigkeit der – von den Ländern vorgeschlagenen – Gemeinden anhand bestimmter Kriterien zu überprüfen (Mindestgröße des Einzugsbereichs in Höhe von 20.000 Einwohnern und Mindestinfrastrukturausstattung, Verfügbarkeit von Arbeitskräften und Existenz einer gewissen industriellen Basis). 26 Vgl. Jürgensen (1981: 431). 27 Neben der Ausreichung von gewerblichen Subventionen waren auch weiterhin nur wirtschaftsnahe Infrastrukturmaßnahmen förderfähig, vgl. Arbeitsgemeinschaft Deutscher Wirtschaftswissenschaftlicher Forschungsinstitute (1969: 90). 28 Vgl. Reissert/Schnabel (1976: 78). 29 Vgl. Albert (1970: 241).
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2. Die ersten beiden Jahrzehnte nach Einführung der Gemeinschaftsaufgabe im Jahre 1969 Im Rahmen der Finanzreform wurde am 06. Oktober 1969 das Gesetz über die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ (Gemeinschaftsaufgabe) verkündet. Mit dem Inkrafttreten dieses Gesetzes zum 01. Januar 1970 war die regionale Wirtschaftsförderung in der Bundesrepublik Deutschland erstmals verfassungsrechtlich abgesichert.30 Dies hatte zur Konsequenz, dass der – zumindest im Sinne der angestrebten staatsorganisationsrechtlichen Aufgabenverteilung – allgemeine Lastentragungsgrundsatz des Grundgesetzes, der in diesem Politikbereich ohnehin nicht mehr konsequent eingehalten worden war, endgültig durchbrochen wurde31 und die Förderung strukturschwacher Regionen „(. . .) jetzt nicht mehr originär Ländersache mit Bundeshilfe (. . .), sondern Gemeinschaftsaufgabe zwischen Bund und Ländern“ 32 war. Das parlamentarische Votum für die notwendige Änderung des Grundgesetzes fiel aufgrund der stark ausgeprägten parteiübergreifenden Akzeptanz der Erfordernis, die zunehmende Bedeutung gemeinschaftlicher Aktivitäten des Bundes und der Länder verfassungsrechtlich zu legitimieren, überaus deutlich aus.33 Gemäß dem Gesetz über die Gemeinschaftsaufgabe waren Bund und Länder nunmehr dazu verpflichtet, bis zum 01. Januar 1973 einen Rahmenplan vorzulegen, aus dem die Abgrenzung des Fördergebietes sowie die Ziele, Maßnahmen und Regelungen der Intervention hervorgehen sollten.34 Der für die Ausfertigung und Verabschiedung vorgesehene Zeitplan wurde jedoch unterschritten, sodass der erste, für die Förderperiode 1972–1975 gültige, Rahmenplan bereits zum 01. Januar 1972 in Kraft treten konnte.35 Die Fördergebietsabgrenzung basierte dabei zunächst auf den gültigen Regionalen Aktionsprogrammen, wobei sich die Länder mit ihrer Forderung, möglichst viele Landesfördergebiete zu übernehmen, durchsetzten. Nach dem Wortlaut des Gemeinschaftsaufgabengesetzes war die Förderung nunmehr in Gebieten zulässig, „1. deren Wirtschaftskraft erheblich unter dem Bundesdurchschnitt liegt oder erheblich darunter abzusinken droht, oder 2. in denen Wirtschaftszweige vorherrschen, die vom Strukturwandel in einer Weise betroffen oder bedroht sind, dass negative Rückwirkungen auf das Gebiet in erheblichem Umfang eingetreten oder absehbar sind.“ 36 30 Vgl. Klemmer (1982: 140). Schon in der Reichsverfassung von 1871 war die gemeinschaftliche Wahrnehmung von öffentlichen Aufgaben durch Bund und Länder in den Bereichen Eisenbahn und Militär vorgesehen, vgl. Frowein (1973: 48). 31 Vgl. Peffekoven/Kirchhoff (1997: 112). 32 Ehrenberg (1969: 84). 33 Vgl. von Münch (1973: 52). 34 Vgl. Schlecht (1972: 171). 35 Vgl. Deutscher Bundestag (1971).
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Insgesamt umfasste die Fördergebietskulisse, die Hamburg als einziges Land ausklammerte und Berlin gesondert berücksichtigte, rund 60 Prozent der Fläche des gesamten Bundesgebietes. Nachdem auch im zweiten und dritten Rahmenplan die Regionalen Aktionsprogramme fortgeschrieben wurden,37 kam es im Zuge des vierten Rahmenplans zu einer gemeindescharfen Neuabgrenzung der Fördergebiete auf der Basis von bundesweit einheitlichen Kriterien.38 Im Zuge der Regionalisierung dienten dabei erstmals – auf der Basis von Berufspendlerverflechtungen abgegrenzte – 174 Arbeitsmarktregionen als Gebietsraster (Klemmer-Regionen). Als regionale Indikatoren zur Beurteilung der spezifischen Förderungswürdigkeit wurden dabei der Arbeitskräftereservequotient, das Einkommen und die physische Ausstattung mit Infrastruktur im Verhältnis 1:1:0,5 berücksichtigt.39 Die Grundidee dieser funktionalen Fördergebietsabgrenzung unter Beachtung von Berufspendlerverflechtungen lag darin, • ein adäquates Fundament zur Diagnose der regionalen Förderungswürdigkeit zu schaffen, das auf • überschneidungsfreien, die Binnenverflechtung maximierenden sowie die Außenverflechtung minimierenden Regionen beruht, die • in der Summe dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland entsprechen.40 Schwerpunktmäßig werden durch die Gemeinschaftsaufgabe seit deren Beginn jene Investitionsvorhaben der gewerblichen Wirtschaft gefördert, die einen Beitrag zur Steigerung der Wettbewerbs- und Anpassungsfähigkeit der regionalen Wirtschaft in entwicklungsschwachen Räumen leisten und Arbeitsplätze schaffen und/oder bestehende Arbeitsplätze sichern. Eine zentrale Bedingung für die Gewährung einer Subvention aus Mitteln der Gemeinschaftsaufgabe ist zudem, dass es sich bei dem konkreten Projekt um eine Errichtungs- oder Erweiterungsmaßnahme beziehungsweise Umstellung oder grundlegende Rationalisierung von 36 Vgl. § 1 Abs. 2 Gesetz zur Änderung der Gesetze über die Gemeinschaftsaufgabe vom 23.12.1971. 37 Im Zusammenhang mit der geplanten Neuabgrenzung hatte der Unterausschuss der Gemeinschaftsaufgabe vor der Aufstellung des zweiten Rahmenplans insgesamt fünf Aufträge an wirtschaftswissenschaftliche und regionalwissenschaftliche Forschungseinrichtungen in Auftrag gegeben, vgl. Deutscher Bundestag (1973: 6). 38 Vgl. Toepel (2000: 396). 39 Vgl. Deutscher Bundestag (1975: 5). 40 Vgl. dazu auch Eckey (2001: 11 ff.). Im Laufe der Zeit wurden die Abgrenzungsund Auswahlkriterien im Zuge der regelmäßigen Neuabgrenzungen geringfügig verändert, wobei mithin auch politische Vorgaben eine Rolle gespielt haben, vgl. etwa Eckey/ Schwengler/Türck (2006: 10). Eckey/Kosfeld/Türck (2006) haben gezeigt, dass sich eine deutlich geringere Anzahl von Arbeitsmarktregionen definieren lässt, wenn beispielsweise die Mindesteinwohnerzahl angehoben wird oder Städte nicht aus politischen Gründen vom Umland getrennt werden.
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Produktions- oder Fremdenverkehrsbetrieben handelt. In der Regel werden die Subventionen in Form von betrieblichen Investitionskostenzuschüssen gewährt,41 wobei eine dritte Voraussetzung darin besteht, dass das Kriterium der Überregionalität erfüllt ist: Durch eine Beschränkung der Investitionskostenzuschüsse auf überregional ausgerichtete Betriebe subventioniert die Gemeinschaftsaufgabe seit dem Beginn der Förderung im Jahre 1972 lediglich jene Investitionsvorhaben, die einen sogenannten „Primäreffekt“ in Form von zusätzlicher Beschäftigung und Einkommen in den Fördergebieten erwarten lassen.42, 43 Abgesehen von der gewerblichen Investitionsförderung können durch die Gemeinschaftsaufgabe, ebenfalls seit dem Beginn der Förderung, auch Träger von wirtschaftsnahen Infrastrukturvorhaben (in der Regel Gemeinden und Gemeindeverbände) bezuschusst werden. Mit diesem zweiten Bereich der Förderung sollte die Gemeinschaftsaufgabe der hohen Bedeutung der Infrastruktur für das regionale Produktions- und Wachstumspotenzial, auf die in der Literatur seit den 1950er Jahren hingewiesen wurde,44 gerecht werden.45 41 Bei der Ermittlung des konkreten Subventionswertes dieser Förderart ist zu berücksichtigen, dass Investitionszuschüsse grundsätzlich zu den Einkünften im Sinne des Einkommenssteuergesetzes zählen und folglich versteuert werden müssen. 42 Vgl. Deutscher Bundestag (1973: 10). 43 Tetsch (1996) führt aus, dass durch die zusätzliche Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen eine positive Wirkung auf die Einkommenssituation der regionalen Betriebe und den regionalen Arbeitsmarkt zu erwarten ist. Dieser Aspekt der Förderung gründet wesentlich auf der Exportbasistheorie (North 1955), die in der regionsexternen Nachfrage einen bedeutenden Treiber von regionsinternen Wachstumsprozessen sieht. Den von der Gemeinschaftsaufgabe zu fördernden Betrieben stehen drei Möglichkeiten zur Verfügung, um das Vorliegen der Voraussetzung der Überregionalität ihrer Geschäftstätigkeit nachzuweisen: Erstens wird der Primäreffekt als erfüllt unterstellt, wenn in der jeweiligen Betriebsstätte überwiegend (mehr als 50 Prozent des Umsatzes) Güter hergestellt oder Leistungen erzeugt werden, die ihrer Art nach („Artbegriff“) regelmäßig in Gebiete abgesetzt werden, die mindestens 50 Kilometer von der Betriebsstätte entfernt sind (vgl. Deutscher Bundestag 2009: 42). Ausschlaggebend ist damit nicht zwangsläufig der tatsächliche Anteil des überregionalen Absatzes, sondern bereits die Zugehörigkeit zu einem Wirtschaftszweig, der diesen Tatbestand erfüllt (siehe „Positivliste“, Deutscher Bundestag 2009: 152). Zweitens gehören Güter dazu, die zwar nicht in der „Positivliste“ aufgeführt sind, aber tatsächlich überregional abgesetzt werden. Drittens ist die Voraussetzung des Primäreffekts erfüllt, wenn mit einer glaubwürdigen Prognose nachgewiesen werden kann, dass der Absatz in Zukunft überregional erfolgen wird. Siehe für eine gelungene Übersicht über weitere rechtliche Grundlagen der betrieblichen Investitionsförderung durch die Gemeinschaftsaufgabe abgesehen von dem Koordinierungsrahmen beziehungsweise vormals den Rahmenplänen auch Titze (2007: 8 ff.). 44 Abgesehen von zahlreichen Arbeiten in den USA (zum Beispiel Meade (1952)), deren starker Bedeutungsgewinn zu Beginn der 60er Jahre immer wieder mit der hohen Dynamik der quality of life discussion erklärt wird (Aschauer 1990: 22), fand auch im deutschsprachigen Raum eine intensive Auseinandersetzung mit dieser Thematik statt (siehe zum Beispiel Stohler (1965), Jochimsen (1966), Frey (1972)). Für empirische Arbeiten zu den Wirkungen von Infrastrukturförderung siehe insbesondere Aschauer (1989a, 1989b) und die in Seitz/Kempkes (2012: 236 ff.) referenzierte Literatur. Vgl. auch Bade/Prognos (2011: 6).
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Die Auswahl und Durchführung der Maßnahmen der Gemeinschaftsaufgabe – einschließlich der Erteilung der Bewilligungsbescheide, Auszahlung der Fördermittel, Kontrolle der Mittelverwendung und Einhaltung der materiellen Fördervoraussetzungen – liegt in Übereinstimmung mit Artikel 30 des Grundgesetzes ausschließlich im Zuständigkeitsbereich der Länder, deren Wirtschaftsministerien die Aufgaben teilweise an Landesförderinstitute oder nachgeordnete Behörden ausgegliedert haben.46 Der Bund beteiligt sich zur Hälfte an der Finanzierung der Investitionsvorhaben und wirkt insbesondere bei der Planung der konzeptionellen Grundlagen des Fördersystems mit. Die so konzipierte Gemeinschaftsaufgabe rief von Beginn an ein geteiltes Echo hervor: Einerseits wurde in der Aufrechterhaltung der föderalen Struktur und der Vereinbarkeit mit den Zielen des übergeordneten Systems der Sozialen Marktwirtschaft ein besonderes Markenzeichen dieses neuen Instrumentes der regionalen Wirtschaftsförderung in der Bundesrepublik Deutschland gesehen.47 Besonders hervorgehoben wurde darüber hinaus die hohe Bedeutung der Koordinierungsfunktion der Gemeinschaftsaufgabe, etwa hinsichtlich der Setzung von Rahmenbedingungen für die regionale Wirtschaftsförderung von Bund, Ländern und Gemeinden beziehungsweise später auch der Festlegung von EU-beihilferechtlich abgesicherten Regionalfördergebieten.48 Auf der anderen Seite wurde mithin kritisiert, dass die Gemeinschaftsaufgabe zu einer Vermischung von Zuständigkeiten, Beschneidung der Kompetenzen der Länderparlamente und sogar letztlich zu einer Veränderung der Grundstruktur der bundesrechtlichen Verfassung geführt habe.49
45 Im Rahmen der Infrastrukturförderung können folgende Maßnahmen mit Mitteln der Gemeinschaftsaufgabe unterstützt werden: Erschließung und Wiederherrichtung von Industrie- und Gewerbegeländen, Errichtung oder Ausbau von Verkehrsverbindungen zur Anbindung von Gewerbebetrieben oder von Gewerbegebieten an das überregionale Verkehrsnetz, Errichtung oder Ausbau von Energie- und Wasserversorgungsleitungen und -entsorgungsleitungen, Errichtung oder Ausbau von Kommunikationsverbindungen (Breitband), Errichtung oder Ausbau von Anlagen für die Beseitigung beziehungsweise Reinigung von Abwasser und Abfall, Geländeerschließung für den Tourismus sowie öffentliche Einrichtungen des Tourismus, Errichtung oder Ausbau von Einrichtungen der beruflichen Ausbildung, Fortbildung und Umschulung, Errichtung oder Ausbau von Gewerbezentren (Forschungs-, Telematik-, Technologie-, Gründerzentren beziehungsweise -parks), vgl. Deutscher Bundestag (2009: 23). 46 Vgl. Kommission von Bundestag und Bundesrat zur Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung (2002: 9). 47 Albert (1971: 12) weist darauf hin, dass diese Kombination in jener Zeit im europäischen Vergleich „beispielhaft“ war. Die Gruppe der drei Gemeinschaftsaufgaben und die Mischfinanzierungen wurden verschiedentlich sogar als „Wunderwaffe“ apostrophiert, vgl. Pernthaler (1980: 80). 48 Vgl. etwa Deutscher Bundestag (2009). 49 Vgl. von Münch (1973: 51 ff.), Kölble (1972: 701), Häde (1996: 94) und Huber (2004: 17).
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Insgesamt wurden durch die Gemeinschaftsaufgabe laut Bewilligungsstatistik50 im Zeitraum 1972–1979 9.668 betriebliche Investitionsvorhaben mit einem Volumen von circa 4,8 Mrd. DM gefördert, durch die 232.834 Dauerarbeitsplätze geschaffen und 265.861 Dauerarbeitsplätze gesichert werden sollten. Abbildung 3 verdeutlicht, dass der Großteil (zwei Drittel) der Fördermittel im Bereich der gewerblichen Subventionen, die im Vergleich zur regionalen Wirtschaftsförderung des Bundes vor 1970 gegenüber der Infrastrukturförderung zunehmend an Bedeutung gewannen, in diesem Zeitraum in den Ländern Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Saarland und Bayern eingesetzt wurde.51 Schleswig-Holstein 4.500 4.000 Saarland
Niedersachsen
3.500 3.000 2.500 2.000 1.500 1.000
Bayern
Bremen
500
Baden-Württemberg
Nordrhein-Westfalen
Rheinland-Pfalz Anzahl der Fälle
Hessen
Mittelvolumen (Gemeinschaftsaufgabe+EFRD in 200.000 DM)
Quelle: Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle, eigene Auswertungen52
Abbildung 3: Gewerbliche Investitionsförderung im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe im Zeitraum 1972–1979 50
Zur Förderstatistik siehe Teil B., Kapitel I.1.b). Gemessen an der Anzahl der bewilligten Vorhaben wurde dagegen „nur“ rund die Hälfte aller 9.668 geförderten Investitionsprojekte im jeweiligen Zeitraum (4.890) in den vier genannten Ländern durchgeführt. Die Diskrepanz zwischen beiden Anteilswerten ist darauf zurückzuführen, dass die Förderintensität (bezogen auf das Investitionsvolumen), mit Ausnahme von Niedersachsen, in den entsprechenden Ländern am höchsten war. 51
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In Teilen der Regionalen Aktionsprogramme dieser vier Länder war die starke Abhängigkeit von nicht weiter wachsenden Branchen, die sich in einem hohen Anteil von Beschäftigten in Eisenerz- und Metallerzbergbau, Textil- und Bekleidungsindustrie, Fischindustrie (Niedersachsen), Schiffbau, Gießereiindustrie und Textil- und Bekleidungsindustrie (Schleswig-Holstein), Steinkohlebergbau (Saarland) oder in der Landwirtschaft (Bayern) an der regionalen Gesamtbeschäftigung dokumentierte, maßgeblicher Engpassfaktor der wirtschaftlichen Entwicklung.53 Diese Mittelverteilung veränderte sich im nachfolgenden Jahrzehnt, in dem sich die regionale Wirtschaftsförderung – grob zusammengefasst – insbesondere zwei Herausforderungen stellen musste: Auf der einen Seite hatte die im Vergleich zu den strukturschwachen Regionen deutlich höhere Arbeitsnachfrage in den Nicht-Fördergebieten unter anderem zur Folge, dass die Dezentralisierungsbereitschaft der gewerblichen Produktionsbetriebe spürbar nachließ.54 Damit gestaltete sich die Ansiedlung dieser Betriebe gerade in den ländlichen Fördergebieten erheblich schwieriger als in den beiden vorherigen Dekaden. Andererseits traten die mit dem sektoralen Strukturwandel einhergehenden negativen Auswirkungen auf die Beschäftigungs- und Einkommenssituation gerade in den altindustrialisierten Fördergebieten an Ruhr, Saar und Küste immer deutlicher zu Tage.55 Dies galt vor allem für das Ruhrgebiet, das besonders schwer von den Auswirkungen des weltweiten Rückgangs der Nachfrage nach Kohle, Stahl und Eisen getroffen wurde: Der Anteil dieser Region zum nationalen Bruttoindustrieprodukt betrug im Jahre 1987 nur mehr 8,2 Prozent, nachdem er dreißig Jahre zuvor noch um fast fünfzig Prozent höher gelegen hatte (12 Prozent). Und auch die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten nahm im Ruhrgebiet zwischen 1980 und 1987 um 6,4 Prozent ab.56 Abbildung 4 zeigt, dass die Gemeinschaftsaufgabe mit einer gewissen zeitlichen Verzögerung auf diese Entwicklungen reagierte und die gewerbliche Inves52 Die Investitionsvorhaben wurden dabei zum Teil durch Mittel aus dem European Fund for Regional Development (EFRD) kofinanziert. Für den Zeitraum 1972–1979 liegen nur kumulierte Daten vor. 53 Vgl. dazu die Darstellungen der jeweiligen Regionalen Aktionsprogramme in den Rahmenplänen der Gemeinschaftsaufgabe im entsprechenden Förderzeitraum. 54 Vgl. dazu auch Deutscher Bundestag (1985: 8). 55 Ende der 1980er Jahre wurden die Strukturprobleme der industriellen Verdichtungszentren mithin in drei Arten eingeteilt: (i) Potenziell gefährdete Standorte mit einem hohen Besatz an technologieintensiven Wirtschaftszweigen und damit einer hohen Exportabhängigkeit; (ii) mittelfristig gefährdete Standorte von Industrien mit einem geringen Innovationspotenzial; (iii) akut gefährdete Standorte mit einem hohen Anteil von sogenannten „Absteigerindustrien“, vgl. Beckenbach (1988: 28). Einige Küsten- und Montanregionen wurden zwischen 1988 und 1990 zusätzlich im Rahmen von Sondermaßnahmen der regionalen Wirtschaftsförderung durch den Bund gefördert, vgl. Karl/ Krämer-Eis (1997: 33). 56 Vgl. Organisation for Economic Co-operation and Development (1989: 29).
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200 180 160 140 120 100 80 60 40 20 0 1980
1981
1982
1983
1984
1985
1986
Schleswig-Holstein
Hessen
Niedersachsen
Rheinland-Pfalz
Nordrhein-Westfalen
Bayern
1987
1988
1989
1990
Saarland
Quelle: Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle, eigene Auswertungen57
Abbildung 4: Entwicklung der gewerblichen Investitionsförderung im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe im Zeitraum 1980–1990
titionsförderung insbesondere in Nordrhein-Westfalen deutlich anstieg. Gegenüber den Subventionen zwischen 1972–1979 nahm das gesamte Mittelvolumen deutlich zu und erreichte insgesamt 11,23 Mrd. DM. Damit sollten im Vergleich 57 Datengrundlage: Bewilligungsstatistik (Stand April 2010). Das Land Bremen wird in dieser Abbildung nicht dargestellt, weil das bewilligte Subventionsvolumen mit Ausnahme der Jahre 1989/1990 (2,2/2,6 Mio. DM) 2 Mio. DM nicht überschritten hat. Gleiches gilt für Baden-Württemberg, wo im jeweiligen Zeitraum nur im Jahre 1980 mehr als zehn betriebliche Investitionsvorhaben gefördert wurden. Für das Jahr 1990 wurden die neuen Länder nicht berücksichtigt, weil in diesem Jahr erst ca. 3 Prozent der gesamten bewilligten Fördermittel auf dieses Gebiet entfielen.
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zu diesem (kürzeren) Zeitraum etwas mehr Arbeitsplätze geschaffen (265.872), jedoch deutlich weniger Arbeitsplätze gesichert (148.363) werden. Trotz der sich ändernden wirtschaftlichen Rahmenbedingungen variierte die institutionelle und instrumentelle Ausgestaltung der Gemeinschaftsaufgabe – abgesehen von dem stärkeren Einbezug überregionaler Dienstleistungs- und Handwerksbetriebe in die Förderung58 – bis zur deutschen Wiedervereinigung nur unwesentlich.59 Als Erklärung dafür sei angeführt, dass der föderative Aufbau und das relativ breit angelegte Förderinstrumentarium der Gemeinschaftsaufgabe den politischen Entscheidungsträgern als grundsätzlich geeignet erschien, um den Herausforderungen in den strukturschwachen Regionen wirksam zu begegnen. In der wissenschaftlichen Diskussion wurde dagegen kritisiert, dass die Gemeinschaftsaufgabe in den 1980er Jahren zu zögerlich auf die veränderten Rahmenbedingungen reagiert und damit den hohen Flexibilisierungsgrad der altindustriellen Regionen nicht in gebotener Weise berücksichtigt habe.60 3. Neuausrichtung im Zuge der deutschen Wiedervereinigung und des Bedeutungsgewinns europäischer Regionalpolitik „Die Herstellung der wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Einheit Deutschlands stellte und stellt die Politik vor eine ganz besondere Herausforderung. Die Geschichte gibt nämlich kein Beispiel dafür, wie ein in vierzig Jahren Planwirtschaft bis in seine Grundstrukturen zerstörtes und in seinen Wirtschaftsbeziehungen völlig einseitig ausgerichtetes Land erfolgreich in eine arbeitsteilige, hochmoderne und international wettbewerbsfähige Volkswirtschaft, wie es die Wirtschaft in der Bundesrepublik Deutschland 1990 war, reibungslos integriert werden kann.“ 61 Die Wiedervereinigung der beiden zuvor getrennten Teile Deutschlands im Jahre 1990 stellte auch für die regionale Wirtschaftsförderung eine Zäsur dar. Eine ganze Reihe struktureller Aspekte wie die vergleichsweise unzureichende Quantität und Qualität des privaten Kapitalstocks und des öffentlichen Infrastrukturbestandes, ein hohe verdeckte Arbeitslosigkeit, der niedrige Spezialisierungsgrad und gleichzeitig hohe Modernisierungsbedarf der – nicht selten veraltete 58
Vgl. Noe (1986: 151 ff.). Vgl. Crow (2001: 70). 60 Einige altindustrielle Gebiete zählten damit in den 1980er Jahren zwischenzeitlich nicht mehr zu dem Fördergebiet der Gemeinschaftsaufgabe und erhielten nur im Rahmen von Sonderprogrammen Subventionen der regionalen Wirtschaftsförderung, vgl. etwa Hamm/Wienert (1990: 138, 299). Für weitere Kritik und Reformvorschläge an der Gemeinschaftsaufgabe in dieser Zeit, siehe Irsch/Müller-Kästner (1984), Knigge/Semlinger (1984), Junkernheinrich (1985), Rüter (1987), Lammers (1987) und Soltwedel (1987). 61 Deutscher Bundestag (1998: 58 f.). 59
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Produkte herstellenden – ansässigen Betriebe, eine sich im Vergleich zu den alten Ländern nur bedingt durch Eigenverantwortlichkeit auszeichnende Mentalität der Erwerbstätigen, mithin ungeklärte Eigentumsverhältnisse hinsichtlich des Produktionsfaktors Boden sowie das erhebliche Ausmaß an regionalen Monostrukturen lasteten schwer auf der Wettbewerbsfähigkeit der ostdeutschen Regionen.62 Im Ergebnis führten diese Umstände dazu, dass das Bruttoinlandsprodukt je Einwohner im Jahre 1991 in Ostdeutschland (einschließlich Berlin) nur rd. 43 Prozent des westdeutschen Niveaus erreichte und das durchschnittliche Arbeitgeberentgelt je Arbeitnehmer um rund 43 Prozentpunkte geringer ausfiel.63 Eine hohe Diskrepanz hinsichtlich der ökonomischen Leistungsfähigkeit, Beschäftigungssituation und sozialen Lage bestand allerdings nicht nur zwischen West- und Ostdeutschland, sondern auch innerhalb der neuen (und alten) Länder.64 Die beträchtlichen Umstrukturierungserfordernisse wurden zu Beginn des Einigungsprozesses noch durch die sehr zügige Umsetzung der Währungs-65, Wirtschafts- und Sozialunion und Sondereffekte wie die unmittelbaren Begleiterscheinungen der Transformation, zum Beispiel dem Verlust angestammter Märkte in den Ländern des östlichen Wirtschaftsbündnisses,66 der hohen Nachfrage ostdeutscher Konsumenten nach westdeutschen Produkten67 sowie der Schwierigkeit der Privatisierung von ungefähr 8.000 staatlichen Industrieunternehmen und 45.000 Betriebsstätten,68 erschwert. Dass die ostdeutschen Betriebe den erheblichen Nachholbedarf hinsichtlich der Kapitalausstattung nicht aus eigener Kraft bewältigen und die Regionen in den 62 Vgl. etwa Vogler-Ludwig (1990), Maretzke (2010: 812), Eckey (2001: 1), Lammers (1990: 106) und Kusch et al. (1991). 63 Vgl. Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (2012a: 3). 64 Vgl. Blien/Hirschenauer (1994, 1999). 65 Die konkrete Durchführung der Währungsunion im Rahmen des „Vertrags über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR“ (in Kraft getreten zum 01. Juli 1990) wurde insbesondere vom Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftliche Entwicklung scharf kritisiert, vgl. dazu auch Schaden/Wiesner (1997: 15). Auch andere Beobachter gaben in diesem Kontext zu bedenken, dass sich ein deutlich abweichender Umtauschkurs (etwa 1:4 oder 1:5 anstatt der schließlich vereinbarten 1:1 für Stromgrößen wie Löhne und Gehälter, Stipendien, Mieten und Pachten, laufende Unterhaltszahlungen sowie 1:1,6 für Sparanlagen (vgl. etwa Hankel (1993: 22) als Vorteil für die – weithin hoch verschuldeten – ostdeutschen Unternehmen erwiesen hätte, vgl. Gerling (2002: 5 ff.), ähnlich auch Brenke/Zimmermann (2009: 4). Letztendlich dürften jedoch – kurz vor der Bundestagswahl 1990 – eher politische als ökonomische Gründe die Umtauschrelation determiniert haben, vgl. Vilmar (2000: 149) und Starbatty (1996: 178). 66 Vgl. Heimpold (2010: 727). Zu der Dynamik zerfallender nachfrage- und angebotsseitiger Netzwerke infolge der deutschen Wiedervereinigung siehe Albach (1993: 35 ff.). 67 Vgl. Berthold/Kullas (2009: 3). 68 Hinzu kamen rund 20.500 Einzelhandelsgeschäfte/Restaurants/Hotels, 3.000 Kinos/Buchhandelsgesellschaften/Apotheken, vgl. Albach (1993: 57).
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neuen Ländern nicht ohne massive staatliche Investitionsförderung zu den Entwicklungsniveaus der westdeutschen Regionen aufschließen würden, dürfte in den Wendejahren außer Frage gestanden haben. So überrascht es nicht, dass eine direkte Folge des stark gestiegenen Handlungsbedarfs regionaler Wirtschaftsförderung nach der Wiedervereinigung in einer sprunghaften Erhöhung des finanziellen Spielraums der Gemeinschaftsaufgabe lag, die wiederum eine erhebliche Investitionsförderung der gewerblichen Wirtschaft und Infrastruktur in den neuen Ländern ermöglichte.69 Die deutliche Zunahme des Mittelvolumens der regionalen Wirtschaftsförderung gerade zu Beginn und Mitte der 1990er Jahre gegenüber der Zeit vor der deutschen Wiedervereinigung (vgl. dazu auch Abbildung 5) führte allerdings nicht dazu, dass sich auch deren Interventionsmöglichkeiten erweiterten. Vielmehr waren dem Staat durch das EU-Beihilferecht in Form von Art. 87 Abs. 1 EG-Vertrag70 weiterhin enge Grenzen auch in diesem Politikbereich gesetzt, wonach „(. . .) staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen gleich welcher Art, die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen, mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar (sind), soweit sie den Handel zwischen den einzelnen Mitgliedstaaten beeinträchtigen.“ 71 Gemäß EG-Vertrag sind staatliche In69 Dabei sollte nicht übersehen werden, dass der Umfang der Transferleistungen zur Deckung von Defiziten der Sozialversicherungen sowie Landes- und Kommunalhaushalte in den neuen Ländern das zur Investitionsförderung eingesetzte Mittelvolumen noch deutlich überstieg, vgl. Röhl/von Speicher (2009: 5). Insgesamt gewann das breit gefächerte Förderprogramm stark an Bedeutung, sodass die nachfolgende Bewertung von Lackmann/Zarth (2010: 685) nicht verwundert: „Infolgedessen erreichten die förderpolitischen Anstrengungen des Bundes eine bislang unbekannte Dimension, die sich sowohl in ihrem Umfang und ihrer förderpolitischen Intensität je Einwohner als auch in ihrem flächendeckenden Ansatz dokumentiert.“ In der zweiten Hälfte der 1990er Jahre reduzierte sich der Anteil der regionalen Wirtschaftsförderung an den gesamten Finanzhilfen in den neuen Ländern, vgl. Rosenschon (2002: 24). 70 Der EG-Vertrag wurde zum 01.12.2009 in „Vertrag über die Arbeitsweise der EU“ (VAEU) umbenannt. Seitdem sind die (wesentlichen) beihilferechtlichen Bestimmungen für die regionale Wirtschaftsförderung der Mitgliedstaaten in den Art. 107–109 VAEU niedergelegt. 71 Im Jahre 1971 kam die Kommission erstmals zu dem Schluss, dass die regionale Wirtschaftsförderung der einzelnen Mitgliedstaaten nicht mit dem Prinzip des Gemeinsamen Marktes vereinbar sei (Europäische Kommission 1972: 125). Im konkreten Fall hatte die Bundesrepublik Deutschland im Rahmen des Gesetzes zur Anpassung und Gesundung des deutschen Steinkohlenbergbaus und der deutschen Steinkohlenbergbaugebiete vom 15. Mai 1968 (Bundesgesetzbl. I S. 365) mit dem Ziel der Verbesserung der Wirtschaftsstruktur in den Steinkohlebergbaugebieten des Landes Nordrhein-Westfalen branchenunabhängig Investitionen gefördert. In diesem Zusammenhang entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH) im Jahre 1973, „dass die Kommission das Recht hat, rechtswidrige und mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbare staatliche Beihilfen zurückzufordern“ (EuGH 1973). Aber auch in den nachfolgenden Jahren waren beihilferechtliche Prüfungen eher eine Seltenheit; eine systematische Umsetzung der Beihilfenkontrolle war erst seit Beginn der 1980er Jahre – nach der Verwirklichung des Binnen-
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A. Regionale Wirtschaftsförderung in der Bundesrepublik Deutschland
terventionen im Bereich der regionalen Wirtschaftsförderung nur unter bestimmten Umständen zulässig:72 Als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar angesehen werden nach Art. 87 Abs. 2 und 3 EG-Vertrag unter anderem Beihilfen • für die Wirtschaft bestimmter Gebiete in den neuen Ländern, soweit sie zum Ausgleich der durch die Teilung verursachten wirtschaftlichen Nachteile erforderlich sind; • zur Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung von Gebieten, in denen die Lebenshaltung außergewöhnlich niedrig ist oder eine erhebliche Unterbeschäftigung herrscht sowie • zur Förderung der Entwicklung gewisser Wirtschaftsgebiete, soweit sie die Handelsbedingungen nicht in einer Weise verändern, die dem gemeinsamen Interesse zuwiderläuft.73 Die Kompetenzen europäischer Regionalpolitik beschränken sich nicht auf die ordnungspolitische Beihilfenkontrolle und damit die Begrenzung der Fördergebiete, -tatbestände und -sätze, sondern wurden bereits in den 1960er und 1970er Jahren74 sukzessive von – aus Eigenmitteln des europäischen Staatenbündnisses finanzierten – regionalpolitischen Instrumenten der Gemeinschaft ergänzt.75 Nach zahlreichen Aufwertungen und Modifikationen des Fördersystems kamen in den 1990er Jahren neben den vier Strukturfonds – Europäischer Fonds für regionale Entwicklung (European Fund for Regional Development, EFRD), Europäischer Strukturfonds (European Social Fund, ESF), Europäischer Agrarfonds (European Adjustment and Guarantee Fund for Agriculture, EAGFL) und Europäischer Fischereifonds (Financial Instrument for the Adjustment of the Fishery, FIAF) – noch der Kohäsionsfonds und verschiedene Gemeinschaftsinitiativen (zum Beispiel INTERREG, LEADER, URBAN und EQUAL) sowie Darlehen und Bürgschaften der Europäischen Investitionsbank zum Einsatz.76, 77 marktprogramms – zu beobachten (vgl. Kerber 1998: 44). Für eine umfassende Darstellung der Beihilfenkontrolle siehe auch Gröteke (2007). 72 Vgl. auch Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (2011: 9). 73 In Art. 87 EG-Vertrags (Art. 107 AEUV) werden weitere Ausnahmetatbestände vom allgemeinen Beihilfeverbot aufgeführt, wie etwa „Beihilfen zur Förderung wichtiger Vorhaben von gemeinsamem europäischem Interesse oder zur Behebung einer beträchtlichen Störung im Wirtschaftsleben eines Mitgliedstaats“. 74 Für eine Übersicht über die entsprechenden Ansätze der europäischen Regionalpolitik siehe unter anderem Püttner/Spannowsky (1986: 41–49), Eberstein (1999: 39 ff.) und Untiedt/Janson (2005: 4). 75 Vgl. etwa Bradley/Untiedt (2012a: 1) und Grasnick (2007: 96). Da die Relevanz für Maßnahmen der regionalen Wirtschaftsförderung auf europäischer Ebene erst mit der Festlegung der Aufgabe der „wirtschaftlichen und sozialen Kohäsion“ im Rahmen der Einheitlichen Europäischen Akte im Jahre 1986 zunahm, lässt sich dieser Politikbereich durchaus als spätes Kind der Gemeinschaft bezeichnen, vgl. auch Fürst (2009: 159). 76 Für den aktuellen Förderzeitraum 2007–2013 wurden die Zielkategorien der Maßnahmen europäischer Regionalpolitik in den „Strategischen Leitlinien zur Kohäsion
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Ausgehend von dem Argument, dass die westdeutschen Fördergebiete im europäischen Vergleich längst eine überdurchschnittliche Wettbewerbsfähigkeit erreicht hätten, forderte die Europäische Kommission immer deutlicher eine Reduktion der Fördergebietskulisse in den alten Ländern. Dies hatte zur Konsequenz, dass der Aktionsraum der Gemeinschaftsaufgabe in Westdeutschland (einschließlich West-Berlin) – gemessen an der Wohnbevölkerung – stark eingegrenzt wurde.78 Angesichts der gestiegenen Einflussnahme europäischer Regionalpolitik in Form der Beihilfenkontrolle und dem verstärkten Einsatz der eigenen Förderinstrumente überrascht es nicht, dass der regionalen Wirtschaftsförderung in der Bundesrepublik Deutschland in diesem Zeitabschnitt, ungeachtet der gegenüber den 1980er Jahren deutlich erhöhten Mittelansätze, ein steigender Bedeutungsverlust attestiert wurde.79
2007–2013“ neu definiert (Konvergenz, Regionale Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung sowie Europäische territoriale Zusammenarbeit). Im Rahmen der erstgenannten Zielkategorie, in der Mittel des EFRD, ESF und Kohäsionsfonds eingesetzt werden, kommen Regionen mit einem Pro-Kopf-BIP von unter 75 Prozent des EU-25-Durchschnitts sowie übergangsweise die vom „statistischen Effekt“ betroffenen Regionen (Überschreitung des 75 Prozent-Kriteriums aufgrund der EU-Erweiterung) beziehungsweise unter 90 Prozent des europäischen Pro-Kopf-Bruttonationaleinkommen als (Kohäsionsfonds) in den Genuss der Förderung. Durch die Ziele Regionale Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung (EFRD und ESF) und Europäische territoriale Zusammenarbeit (INTERREG IV B) können auch die weiteren Gebiete gefördert werden. 77 Damit entfernte sich die europäische Regionalpolitik zunehmend von ihrer ursprünglich rein allokativ zugedachten Zielsetzung, vgl. Holtzmann (1997: 151). In der Förderperiode 2007–2013 wurden EAGFL in ELER (Europäischer Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums) und FIAF in EFF (Europäischer Fischereifonds) umbenannt. Beide Fonds zählen seitdem nicht mehr zu den Bestandteilen europäischer Regionalpolitik. 78 Vgl. Gornig et al. (1996: 138), Conzelmann (2000: 370). Besonders umfangreich fiel der Rückgang der westdeutschen Fördergebietskulisse in den Jahren vor und unmittelbar nach der Wiedervereinigung aus; so verringerte sich der Anteil der westdeutschen Fördergebietseinwohner zwischen 1986 und 1994 von 40 Prozent auf 22 Prozent, vgl. Benterbusch (1994: 131). 79 Vgl. etwa Lotze (1994: 47 f.) und Hardt (2003: 22). Wachendorfer-Schmidt (2005: 315) konstatiert ebenfalls, dass die europäische Regionalpolitik die regionale Wirtschaftsförderung in Deutschland „weitgehend verdrängt“ habe. Dass das Europäische Parlament auch in der Folgezeit nicht beabsichtigte, dass die Aktivitäten der Mitgliedstaaten im Bereich der regionalen Wirtschaftsförderung reüssieren, zeigt der folgende Entschluss des Europäischen Parlamentes (2011: C 371 E/07): „Das Europäische Parlament (. . .) lehnt jeden Versuch der Renationalisierung der Politik ab; ist außerdem der Ansicht, dass es wegen der bedeutenden Auswirkungen des derzeitigen Finanzrahmens auf die regionale Entwicklung erforderlich ist, dass die regionale Dimension bei der vorgeschlagenen Überarbeitung des EU-Haushaltsplans und des künftigen Finanzrahmens in vollem Umfang berücksichtigt wird und dass eine starke und mit ausreichenden Finanzmitteln ausgestattete EU-Regionalpolitik eine unabdingbare Voraussetzung für die Erreichung sozialen, wirtschaftlichen und territorialen Zusammenhalts ist“. Karl/ Krämer-Eis (1997: 58) weisen darauf hin, dass zwischen den Ländern und der EU zunehmend Maßnahmen der regionalen Wirtschaftsförderung ausgehandelt wurden, die der koordinierenden Funktion der Gemeinschaftsaufgabe entgegenstehen. Und so ver-
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A. Regionale Wirtschaftsförderung in der Bundesrepublik Deutschland
Darüber hinausgehend wurde zu Beginn der 1990er Jahre verschiedentlich kritisiert, dass die Regionalbeihilfen zu einseitig auf die betriebliche Produktion ausgerichtet gewesen seien.80 Mit der Verabschiedung des 24. Rahmenplans wurde die Gemeinschaftsaufgabe im Jahre 1995 schließlich mit dem Ziel der Stärkung der Wettbewerbs- und Anpassungsfähigkeit sowie Innovationskraft von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) um verschiedene nicht-investive Förderelemente ergänzt.81 Seitdem sind finanzielle Zuwendungen an Unternehmen dieser Größenklassen in den Bereichen Beratung von Unternehmen, Schulungsmaßnahmen für Arbeitnehmer, Humankapitalbildung, Forschung und Entwicklung (F&E) sowie Markteinführung neuer Produkte möglich.82 In Ergänzung dazu konnten fortan auch die Erstellung von integrierten regionalen Entwicklungskonzepten und seit 2000 die Durchführung von Regionalmanagement-Vorhaben aus den Mitteln der Gemeinschaftsaufgabe unterstützt werden. Diese beiden nicht-investiven Infrastrukturmaßnahmen werden förderpolitisch mit der oftmals unzureichenden Verwaltungskraft der Kommunen begründet83 und sollen zu einer Mobilisierung des endogenen Entwicklungspotenzials und Verbesserung der Standortbedingungen in den Förderregionen beitragen. Mit dieser Ausweitung der Fördermaßnahmen auf Bereiche außerhalb der gewerblichen Investitions- und bisherigen Infrastrukturförderung wurde eine Richtung eingeschlagen, die zunehmend auch das Verständnis der europäischen Regionalpolitik prägte: „Growth and development depend not just on tangible – or ,hard‘ – factors such as infrastructure and business investment, but also on more intangible – or ,soft‘ – factors, especially the underlying institutional structure. Factors such as social capital and the efficiency and effectiveness of public administration are increasingly recognised as key features contributing to regional development.“ 84
wundert folgende Bilanz des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (2009: 52) zur bisherigen Entwicklungstendenz europäischer Regionalpolitik nicht: „Die Anzahl der Fördertatbestände und Instrumente ist im Zeitablauf tendenziell immer weiter angestiegen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass alte Fördertatbestände im Prinzip nie eingestellt wurden, sondern nur neu zugeordnet wurden.“ 80 Nach Frank (1993: 126) wäre es gerade in den ersten Jahren nach der politischen Wende notwendig gewesen, die ostdeutschen Betriebe auch in den Bereichen Forschung, Marketing und Administration finanziell zu unterstützen, weil die Wirtschaftseinheiten in den neuen Ländern in diesen Bereichen im Vergleich zu ihren westdeutschen Wettbewerbern deutlich schlechter aufgestellt gewesen wären. 81 Vgl. Deutscher Bundestag (1995: 12 f.). 82 Seit 2006 können darüber hinaus auch lohnkostenbezogene Zuschüsse gewährt und Investitionen von gemeinnützigen außeruniversitären Forschungseinrichtungen gefördert werden, vgl. Deutscher Bundestag (2006: 12). 83 Vgl. etwa Deutscher Bundestag (2001: 16). 84 Vgl. Europäische Kommission (1999: 135).
I. Entstehung und Entwicklung
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Trotz ihrer veränderten Ausgestaltung geriet die Gemeinschaftsaufgabe immer wieder in die Schusslinie,85 wobei die kritischen Stimmen im Zuge der Diskussion zur Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung und Neustrukturierung der Finanzbeziehungen in dem Befund der Ministerpräsidenten der Länder, dass die Gemeinschaftsaufgabe abgeschafft werden sollte, gipfelten.86 Unterstützung erhielten die Regierungschefs der Länder von einem Gros der zwölf Sachverständigen, die in der – gemeinsam von Bund und Ländern einberufenen – Kommission von Bundestag und Bundesrat zur Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung (Bundesstaatskommission87) vertreten waren und sich mehrheitlich für einen Rückzug des Bundes und damit eine Überführung der Gemeinschaftsaufgabe an die Länder oder gar einer Abkehr von diesem Instrumentarium aussprachen.88 Diese Einschätzung wurde von den Wirtschaftsministern und -senatoren der Länder und des Bundes nicht geteilt.89 Im Unterschied zu den Ministerpräsidenten bekannten sie sich auch weiterhin klar zu einer Fortführung der Gemeinschaftsaufgabe und äußerten die Befürchtung, dass eine Koordinierung der regionalen Wirtschaftsförderung unter den Ländern ohne dieses Instrument mit einem merklichen Effizienzverlust einhergehen oder gar zu einer Übertragung der nationalen Kompetenz in diesem Politikbereich an die Dienststellen der Europäischen 85 Vgl. etwa die Einschätzung des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (2003: 306) im Rahmen seines Jahresgutachtens 2003/2004, wonach die Gemeinschaftsaufgabe insofern überprüft werden müsse, als die Notwendigkeit der Nichtanwendung des im Grundgesetz verankerten Prinzips der Übereinstimmung von Finanzierungslast und Aufgabenverantwortung nicht ohne weitere Rechtfertigung erfüllt sei. Zudem eigne sich die Maßnahme nicht zur Finanzierung vereinigungsbedingter Aufgaben, weil diesem Zwecke bereits die Sonder-Bundesergänzungen dienten. 86 Vgl. Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz vom 21. bis 23. Juni 2001 über die Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung und Positionspapier der Ministerpräsidenten (Kommission von Bundestag und Bundesrat zur Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung 2004a: 4 f.). 87 Zu den Aufgaben der Bundesstaatskommission zählten neben der Überprüfung der Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern insbesondere die Erarbeitung von Vorschlägen zur Verbesserung der Handlungs- und Entscheidungsfähigkeit sowie der Effizienz der Aufgabenerfüllung von Bund und Ländern auch die Überprüfung der Gesetzgebungskompetenzen von Bund und Ländern, gerade im Hinblick auf die Zuständigkeiten und Mitwirkungsrechte der Länder bei der Bundesgesetzgebung, vgl. Margedant (2005: 23). 88 Vgl. Kommission von Bundestag und Bundesrat zur Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung (2004b). Zum Teil wurde diese Forderung mit dem Hinweis verknüpft, dass die Auswirkungen der Abschaffung der Gemeinschaftsaufgabe auf die Länder durch eine Lockerung des bisher – im Hinblick auf befristete Finanzhilfen des Bundes – zu restriktiven Art. 104 Abs. 4 GG aufgefangen werden müsste (vgl. Scharpf 2004: 3; Scholz 2004: 3). Auch der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (2004: 47) forderte wiederholt die (weitgehende) Abschaffung der Gemeinschaftsaufgaben nach Artikel 91a und 91b. 89 Vgl. Kröning (2004: 2).
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A. Regionale Wirtschaftsförderung in der Bundesrepublik Deutschland
Kommission führen könnte.90 Eine ähnliche Ansicht vertrat auch der Planungsausschuss der Gemeinschaftsaufgabe, der ebenfalls von einem Verzicht des Zusammenwirkens von Bund und Ländern bei der Planung und Finanzierung abriet: „Der Planungsausschuss bekräftigt seine Auffassung, dass die Gemeinschaftsaufgabe (. . .) wichtige Ordnungs- und Koordinierungsfunktionen wahrnimmt. Ihre Abschaffung wäre mit der Gefahr verbunden, dass sich die regionale Wirtschaftsförderung zu einer diskretionären und einzelfallbezogenen Politik zurückentwickelt.“ 91
Unterstützung erhielten die Befürworter der Gemeinschaftsaufgabe unter anderem auch vom Gesprächskreis Ost der Bundesregierung, der für eine Fortführung des Förderinstrumentes plädierte und eine Kürzung der Budgetmittel ablehnte.92 Nach zahlreichen Plenarsitzungen und Tagungen von Arbeits- und Projektgruppen der Bundesstaatskommission sowie einer abschließenden, mehrwöchigen „Mammutanhörung“ von Sachverständigen93 verabschiedeten Bundestag und Bundesrat im Juni/Juli 2006 das Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes und das Föderalismusreform-Begleitgesetz. Darin wurde die Beibehaltung der Gemeinschaftsaufgabe in Art. 91a Abs. 1 Nr. 1 GG beschlossen.94 Mit dem Zweiten Gesetz zum Abbau bürokratischer Hemmnisse insbesondere in der mittelständischen Wirtschaft 95, das im Herbst 2007 in Kraft getreten ist, erfolgte eine Anpassung des Gemeinschaftsaufgabengesetzes an die Beschlüsse der Föderalismusreform.96 Seitdem entfällt – im Gegensatz zum Zeitraum 1972–2007 – die Pflicht zur Aufstellung eines Rahmenplans im jährlichen Rhythmus.97 Auch wenn es darüber hinaus nur zu marginalen Veränderungen der Organisationsstruktur der Gemeinschaftsaufgabe kam,98 wurden die Bemühungen zum Bürokratieabbau im
90 Vgl. Beschluss des Planungsausschusses der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ (2002). 91 Vgl. Konferenz der Wirtschaftsminister und -senatoren (2002). 92 Darüber hinausgehend wurde die Abschaffung der Investitionszulage zugunsten einer Aufstockung der Mittel der Gemeinschaftsaufgabe vorgeschlagen, vgl. von Dohnanyi/Most (2004: 24). 93 Zwischen Anfang Mai und Anfang Juni 2005 wurden mehr als einhundert Sachverständige angehört, vgl. Huber (2006: 3). 94 Ebenfalls fortgeführt wurde die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“, wohingegen die Gemeinschaftsaufgabe „Ausbau und Neubau von Hochschulen einschließlich der Hochschulkliniken“ gestrichen wurde. 95 Vgl. Deutscher Bundestag (2007a). 96 Vgl. Deutscher Bundestag (2009: 8). 97 Die von Bund und Ländern erstellten Rahmenpläne wurden fortan durch einen gemeinsamen, mehrjährig gültigen Koordinierungsrahmen nach Maßgabe der jeweils geltenden Vorschriften für Beihilfen mit regionaler Zielsetzung der Europäischen Kommission ersetzt, dessen Neufassung nunmehr bei konkretem Änderungsbedarf angestrebt wurde. 98 So wurde der Planungsausschuss der Gemeinschaftsaufgabe in „Koordinierungsausschuss der Gemeinschaftsaufgabe“ umbenannt.
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Bereich der regionalen Wirtschaftsförderung etwa von den beiden Spitzenverbänden der deutschen Wirtschaft begrüßt.99 Während das Förderkonzept der Gemeinschaftsaufgabe im Rahmen der Föderalismusreform demzufolge nicht modifiziert wurde, regte die Ministerkonferenz für Raumordnung (MKRO) Ende Juni 2006 durch den Beschluss der „Leitbilder und Handlungsstrategien für die Raumentwicklung in Deutschland“, basierend auf den Untersuchungsergebnissen und Handlungsempfehlungen des Raumordnungsberichtes 2005100, eine in wesentlichen Zügen abgewandelte Grundausrichtung von raumwirksamen Politikbereichen einschließlich der regionalen Wirtschaftsförderung an.101 Ausgehend von der Annahme, dass die großen Verdichtungszentren Deutschlands in der Vergangenheit ihre gesamtwirtschaftliche Bedeutung gesteigert hätten,102 wird in den Leitbildern der MKRO unter anderem eine verstärkte Konzentration der (förder-)politischen Vorhaben auf Metropolräume befürwortet.103 Diese Forderung, die mithin unter das Motto „Stärken stärken“ gestellt wurde und als ein klares Zeichen für die zunehmende Beachtung wachstumsorientierter Prozesse in der Raumordnungspolitik interpretiert werden kann,104 folgt der Hypothese, dass eine dynamische Entwicklung der Metropolräume auch auf ihr Umland und die Peripherie105 ausstrahlt.106 In der politischen Auseinandersetzung zeigten entscheidungsrelevante Akteure in raumwirksamen Bereichen auf Bundesebene wenig Bereitschaft dazu, die Metropolregionen stärker in den Fokus ihrer förderpolitischen Überlegungen zu rücken,107 sodass die Leitbilder und Handlungsempfehlungen weder unmittelbar im 99 Vgl. Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI)/Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) (2006: 4). 100 Vgl. Deutscher Bundestag (2005). 101 Vgl. Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (2006). Zu den Grundüberlegungen der MKRO im Zusammenhang mit den drei Leitbildern „Wirtschaftliches Wachstum und Innovation“, „Daseinsvorsorge sichern“ und „Ressourcen bewahren, Kulturlandschaften gestalten“, siehe Lutter/Schön/Strubelt (2006: 20). 102 Vgl. Heinrichs (2006: 653). 103 Vgl. Sinz (2006: 611). 104 Vgl. Kawka (2007: 49). 105 Die beiden letztgenannten Raumtypen wurden als „Wachstumsräume außerhalb engerer metropolitaner Verflechtungsräume“ und „Stabilisierungsregionen“ bezeichnet, die zusammen mit den Metropolräumen „großräumige Verantwortungsbereitschaften“ bilden, vgl. Einig et al. (2006: 623). 106 Vgl. Augustin (2006: 659). Mehrfach zitiert wurde in diesem Zusammenhang die Darstellung vom damaligen Bundesverkehrsminister Tiefensee im Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung vom 12. März 2006, wonach sich die ländlichen Regionen „(. . .) wie Waggons an eine Lokomotive [gemeint sind die wachstumsstarke Regionen, Anm. des Verfassers]“ hängen sollten. 107 Siehe die Ausführungen von Richter (2006) für das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie und Augustin (2006) für das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz. Die Nichtbeachtung der Empfehlungen der MKRO innerhalb der Gemeinschaftsaufgabe wird schon daran deutlich, dass in den
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A. Regionale Wirtschaftsförderung in der Bundesrepublik Deutschland
Gefolge des Beschlusses der MKRO noch im späteren Verlauf Eingang in entsprechende Programme fanden108 und damit auch nicht zu einer Veränderung des förderpolitischen Ansatzes der Gemeinschaftsaufgabe führten. Dies wurde von einem Teil der wissenschaftlichen Diskussion, in der wiederholt angeführt wurde, dass die Metropolregionen nicht per definitionem über das größte Wachstumspotenzial verfügten, gestützt.109 4. Neue Herausforderungen im Zeichen der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise ab dem Jahre 2008 und der Abgrenzung der EU-Förderperiode 2014–2020 Mit den Auswirkungen der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise haben sich auch die Rahmenbedingungen der regionalen Wirtschaftsförderung in der jüngsten Vergangenheit verändert. Im Gegensatz zur Wiedervereinigung nahm der Handlungsbedarf allerdings nicht abrupt zu: Obwohl die Immobilienpreise in den Vereinigten Staaten nach einem äußerst rasanten Anstieg in der ersten Hälfte des vergangenen Jahrzehntes110 im Jahre 2006 in den Sinkflug übergingen und in den Folgejahren eine Kombination aus Angebots- und Nachfrageschocks, zwischenzeitlich erratischen Verläufen von Aktienkursen, Devisennotierungen und Rohstoffpreisen sowie schließlich auch Verwerfungen auf den internationalen Finanzmärkten folgte, war die globale realwirtschaftliche Entwicklung vorerst noch stabil. Die deutsche Volkswirtschaft blieb ungefähr bis zur Jahresmitte 2008 von Rahmenplänen und dem Koordinierungsrahmen mit keinem Wort explizit auf die Leitbilder und Handlungsstrategien eingegangen wird. 108 Vgl. Aring/Sinz (2006: 59). Die MKRO selbst findet dagegen zumindest in den Raumordnungsplänen der Länder und Regionen die „strategischen Elemente der Leitbilder“ wieder (MKRO 2010: 1). 109 Köhler (2007: 117) kommt zu folgendem Ergebnis: „Neben den Metropolregionen, von denen ja nicht alle als Wachstumsregionen anzusehen sind, bieten Wachstumsregionen fernab der Metropolen somit vor allem die Chance, den Wirtschaftsstandort Deutschland umfassend, d. h. vor allem im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung, weiterzuentwickeln, die Innovationsfähigkeit und damit die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen zu sichern und den Arbeitsmarkt zu beleben. Bei derzeit vergleichsweise geringen Mitteln in den öffentlichen Haushalten bieten diese Regionen die Gewähr, dass ein Mitteleinsatz, auch von Fördermitteln, effizient gestaltet und mit niedrigen Aufwendungen ein hoher Nutzen erzielt werden kann.“ Vgl. auch Bade (2007: 231), der auf der Grundlage einer Analyse der Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts und der Erwerbstätigkeit für den Zeitraum 1960–2005 nach Raumtypen herausstellt, dass eine „Renaissance der Metropolregionen“ im Sinne einer besonders positiven Veränderungsrate – von wenigen zeitlichen Ausnahmen wie etwa zwischen 1998 und 2001 abgesehen – nicht beobachtet werden könnte. 110 Im Vergleich zu den fünf bedeutendsten zurückliegenden Finanzkrisen (Big Five financial crisis episodes, International Monetary Fund 2009: 108) in Spanien (1978– 1979), Norwegen (1988), Finnland (1990–1993), Schweden (1990–1993) und Japan (1993) zeichnete sich die in den Vereinigten Staaten ausgelöste Krise durch ein besonders starkes Überschießen der Häuserpreise in den Vorjahren aus, siehe Reinhart/Rogoff (2008: 4 f.).
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den Vorboten des sich abzeichnenden konjunkturellen Abschwungs weitgehend verschont,111 wurde dann aber nicht zuletzt wegen ihrer starken Außenhandelsabhängigkeit – der Exportanteil am nationalen Bruttoinlandsprodukt war im Zeitraum von 1970–2008 von etwa 21 Prozent auf rd. 47 Prozent gestiegen112 – im Laufe des Jahres 2009 doch noch mit aller Deutlichkeit erfasst. Zur Überwindung der sich abzeichnenden Konjunkturschwäche und Sicherung von Arbeitsplätzen legte die Bundesregierung im Herbst 2008 das Maßnahmenpaket Beschäftigungssicherung durch Wachstumsstärkung auf.113 Ein Bestandteil dieses umfangreichen Programmes war die einmalige Aufstockung der Bundesmittel der Gemeinschaftsaufgabe im Rahmen eines Sonderprogramms um 200 Mio. EUR,114 die hälftig als Barmittel für das Jahr 2009 und Verpflichtungsermächtigungen in den beiden Folgejahren (jeweils 50 Mio. EUR in 2010 und 2011) veranschlagt wurden. Zur Verwendung dieser zusätzlichen Mittel hat der Koordinierungsausschuss der Gemeinschaftsaufgabe am 8. Dezember 2008 ein Sonderprogramm beschlossen, dessen Ziel in der Verringerung der kurzfristigen konjunkturellen Abwärtsrisiken und im Auslösen von langfristigen Wachstumsimpulsen in den Fördergebieten lag.115 Dies wurde insbesondere deshalb als erforderlich angesehen, weil gerade die (grundsätzlich förderfähigen) exportorientierten Produktionsbetriebe in den strukturschwachen Regionen von der sich eintrübenden wirtschaftlichen Lage betroffen waren.116 Trotz dieser temporären Erhöhung der Budgetansätze der Gemeinschaftsaufgabe lässt sich keine Umkehr des Mitte der 1990er Jahre einsetzenden rückläufigen Trends des Mittelvolumens konstatieren.117 Im Einzelplan des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie sind für das Haushaltsjahr 2013 Bundes111 Vgl. Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (2008: 77). 112 Vgl. Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (2009: 74). 113 Vgl. Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie/Bundesministerium der Finanzen (2008: 2). 114 Die zusätzlichen Fördermittel wurden zu gleichen Teilen auf Ost- und Westdeutschland aufgeteilt, vgl. Deutscher Bundestag (2009: 28). 115 Vgl. Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (2008: 1 ff.). 116 In einer Reihe von Arbeiten wurden zuletzt die Auswirkungen der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise auf verschiedene Zielgrößen regionalökonomischer Entwicklung in Deutschland analysiert. Vgl. etwa Schwengler/Hecht (2011) und Akademie für Raumforschung und Landesplanung (2010) zu der Betroffenheit regionaler Arbeitsmärkte, Zarth (2011) zu dem regionalen Gefährdungspotenzial in langfristigen Konjunkturzyklen, Göddecke-Stellmann (2011) zu den regionalen Strukturen der Einkommensverteilung und Eltges/Kuhlmann (2011) zu der Relevanz konjunkturanfälliger Steuerarten für die Entwicklung kommunaler Haushalte. Die genannten Untersuchungen kommen übereinstimmend zu dem Ergebnis, dass zwischen den einzelnen Regionen beträchtliche Unterschiede hinsichtlich ihrer konjunkturellen und/oder strukturellen Anfälligkeit bestehen. 117 In realen Preisen fällt der Rückgang des Mittelvolumens noch stärker aus.
Fördermittel in Mio. EUR (Gemeinschaftsaufgabe+EFRD)
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1993
1995
Neue Länder
1997
1999
2001
2003
2005
2007
2009
2011
Alte Länder
Quelle: Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle, eigene Auswertungen118
Abbildung 5: Entwicklung der gewerblichen Investitionsförderung im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe im Zeitraum 1991–2012
mittel in Höhe von ca. 582,8 Mio. EUR (insgesamt rd. 1,16 Mrd. EUR) für die Gemeinschaftsaufgabe veranschlagt.119 Betriebliche Investitionskostenzuschüsse werden auch weiterhin in einigen westdeutschen Gebieten ausgereicht, wobei sich der Fördergebietsplafond in den alten Ländern – infolge der letzten beiden Erweiterungsrunden der Europäischen Union auf 25 Mitgliedstaaten zum 01. Mai 2004120 beziehungsweise 27 Mitgliedstaaten zum 01. Juli 2007121 und der damit einhergehenden Reduktion der deutschen Fördergebietskulisse – mittlerweile auf nur noch 11 Prozent beläuft.122 118
Laut Bewilligungsstatistik (BAFA, Stand: 12. Februar 2013). Vgl. Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (2012b). 120 Nach dem Beitritt von Estland, Lettland, Litauen, Polen, der Tschechischen Republik, Slowenien, der Slowakei, Ungarns, Zyperns und Maltas. 121 Nach dem Beitritt von Rumänien und Bulgarien. 122 Die gesamtdeutsche Bevölkerung zur Berechnung des Bevölkerungsanteilswerts enthält dabei nicht die Einwohner des ehemaligen Regierungsbezirks Lüneburg, weil die Europäische Kommission dieses Gebiet in der Förderperiode 2007–2013 mit einem anderen Beihilfestatus als die übrigen westdeutschen Regionen führt. Für eine Übersicht über die aktuellen beihilferechtlichen Bestimmungen und Bevölkerungsplafonds der Mitgliedstaaten siehe auch „Leitlinien für staatliche Beihilfen mit regionaler Zielsetzung 2007 bis 2013“ (Regionalleitlinien) der Europäischen Kommission (2006). Da Berlin aufgrund seiner Größe einen unverhältnismaßig hohen Anteil der Fördergebietsbevölkerung absorbieren würde, wurden bei der nationalen Abgrenzung der Regional119
I. Entstehung und Entwicklung
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Der absolute Großteil (circa 6/7) der staatlichen Beihilfen der Gemeinschaftsaufgabe, die weiterhin als das zentrale Instrument der regionalen Wirtschaftsförderung in Deutschland angesehen wird,123 fließt nach wie vor in die neuen Länder (vgl. Abbildung 5).124 Zwischen 1991 und 2012 reichte die Gemeinschaftsaufgabe insgesamt knapp 44 Mrd. EUR125 für 87.233 betriebliche Investitionsvorhaben aus,126 mit denen circa 1,09 Mio. Arbeitsplätze geschaffen beziehungsweise etwa 2,07 Mio. Arbeitsplätze gesichert werden sollten. Zum Zeitpunkt der Fertigstellung dieser Arbeit sind die Vorbereitungen im Rahmen der Abgrenzung der neuen Förderperiode (2014–2020) in eine entscheidende Phase getreten. Auch etwas über zwanzig Jahre nach der Wiedervereinigung bestehen, trotz der massiven Investitionsförderung durch die Gemeinschaftsaufgabe und weiteren staatlichen Interventionen sowie des Mitteleinsatzes der europäischen Regionalpolitik, in Bezug auf die Wirtschaftskraft und die Arbeitsmarktsituation weiterhin signifikante ökonomische Ost-West-Unterschiede.127 Als Ursachen der verbleibenden ökonomischen Disparitäten zwischen den vormals getrennten Teilen Deutschlands werden häufig der unterdurchschnittliche Industrialisierungsgrad und Mangel an Führungszentralen, die kleinteilige Betriebsgrößenstruktur, der hohe Anteil von Zulieferproduktionen, eine vergleichsweise geringe Exportorientierung und zunehmend auch die demografische Entwicklung angeführt.128 Gleiches gilt (in der Tendenz) für einige strukturschwache Regionen Westdeutschlands, deren relative Förderungswürdigkeit – gemessen an den vier Teilindikatoren der Gemeinschaftsaufgabe – sich in der Vergangenheit ebenfalls nicht auf breiter Basis reduziert hat. Die Darstellung der Entwicklung der regionalen Wirtschaftsförderung durch den Bund in diesem Teil der Arbeit hat an verschiedenen Stellen gezeigt, dass die Adäquanz des Konzeptes der Gemeinschaftsaufgabe immer wieder kontrovers diskutiert wurde. An dieser Tatsache hat sich auch in den zurückliegenden
fördergebietskarte circa eine Million Fördergebietseinwohner aus Berlin finanzneutral auf westdeutsche Fördergebiete umverteilt, vgl. Schwengler (2006a: 2). Aufgrund des erneuten Rückgangs des beihilferechtlich abgesicherten Fördergebietsplafonds ist auch für die kommende Förderperiode eine Umverteilung in (mindestens) ähnlicher Größenordnung vorgesehen. 123 Vgl. beispielsweise Fisch (2010: 839) und Institut der Deutschen Wirtschaft Köln/ Institut für regionale Wirtschaftsforschung (2009: 92). 124 Von diesem prädefinierten Verteilungsschlüssel (6/7 zu 1/7) soll im Zuge der Abgrenzung der deutschen Fördergebiete für den Zeitraum 2014–2020 abgerückt werden. 125 Davon rund 4,3 Mrd. EUR aus EFRD-Mitteln. 126 Im Zeitraum 1991–2001 wurden insgesamt 59.393 betriebliche Investitionsvorhaben gefördert, zwischen 2002 und 2012 mit 29.840 ungefähr halb so viele. 127 Vgl. dazu auch Bundesministerium des Innern (2012: 68) und Fisch (2010: 838). 128 Vgl. Holtemöller/Irrek (2012: 140), Ludwig/Loose/Exß (2012: 5), Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW, 2011) und Institut für Wirtschaftsforschung Halle et al. (IWH, 2011).
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A. Regionale Wirtschaftsförderung in der Bundesrepublik Deutschland
Jahren wenig geändert.129 Ein Teil der aktuellen Kritik gründet auf der Einschätzung, dass der Transformationsprozess in Ostdeutschland trotz der beträchtlichen Anstrengungen im Allgemeinen und der Gemeinschaftsaufgabe im Besonderen nicht die erwarteten Ergebnisse gebracht hätte. Nicht selten basiert dieser Befund wiederum auf der Bildung einer bloßen Relation zwischen dem durchschnittlichen Niveau von wirtschaftspolitischen Zielgrößen in den neuen Ländern und den entsprechenden Mittelwerten in den alten Ländern. Ohne den Ausführungen von Teil C. und D. zu den Möglichkeiten und Grenzen von Evaluationsvorhaben zur Analyse des (Miss-)Erfolgs der Gemeinschaftsaufgabe an dieser Stelle vorgreifen zu wollen, sei daran erinnert, dass die jeweiligen Quotienten von den entsprechenden Werten in Zähler und Nenner determiniert werden. Im Klartext ist etwa im Zusammenhang mit dem Aufholprozess der neuen Länder hinsichtlich des Bruttoinlandsproduktes je Einwohner auf etwas über 70 Prozent des Niveaus der alten Länder zu Beginn dieser Dekade zu beachten, dass die Wirtschaftsleistung Westdeutschlands seit der Wiedervereinigung ebenfalls deutlich zugelegt hat. Folglich hat sich der Abstand zum westdeutschen Bruttoinlandsprodukt je Einwohner, „zusätzlich“ zu der dortigen Veränderung, seit 1991 um rund dreißig Prozentpunkte verringert. Mit Blick auf die zukünftige Entwicklung der Budgetmittel der Gemeinschaftsaufgabe könnte erwartet werden, dass die entsprechenden Ansätze in den nächsten Jahren bereits aufgrund der deutlich geringeren Zuteilung von EUStrukturfondsmittel in der Förderperiode 2014–2020 den langfristigen Abwärtstrend nicht weiter fortsetzen.130 Hinzu kommt, dass die gewerbliche Investitionsförderung in strukturschwachen Regionen – auch vor dem Hintergrund des Auslaufens der Investitionszulage Ende 2013 und des Solidarpaktes II Ende 2019 – mittelfristig einen Bedeutungsgewinn gegenüber der Situation im Jahre 2012 erfahren könnte.131 Gegen eine Renaissance von Subventionen im Bereich der regionalen Wirtschaftsförderung – und damit auch der Gemeinschaftsaufgabe – sprechen dagegen nicht zuletzt das zunehmend enge Korsett des EU-Regionalbeihilferegimes und insbesondere die Notwendigkeit der Haushaltskonsolidierung des Bundes und der Länder.
II. Zielsystem Die bisherigen Darlegungen haben gezeigt, dass sich das Konzept der regionalen Wirtschaftsförderung in der Bundesrepublik Deutschland in den zurücklie129 Vgl. etwa stellvertretend Boss et al. (2011: 65), die für eine Streichung der Gemeinschaftsaufgabe und Nutzung der freigewordenen Mittel für einen zweckungebundenen Finanzausgleich plädieren. 130 Vgl. Europäische Kommission (2011b: 5). 131 Dieses Alternative wird von den förderpolitischen Protagonisten befürwortet, siehe dazu etwa Fisch (2010: 840 f.).
II. Zielsystem
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genden sechs Jahrzehnten mehrfach veränderte. So haben die spezifischen Regelungen und Maßnahmen des Förderinstrumentariums und speziell die regionale und sektorale Schwerpunktsetzung am aktuellen Rand nur noch wenig Gemeinsamkeiten mit der konkreten Ausgestaltung der Interventionen in diesem Politikbereich zu Beginn der ersten Phase in den Nachkriegsjahren. Im Zuge der Festlegung auf ein bestimmtes Evaluationsverfahren zur Messung des Erfolgs der Gemeinschaftsaufgabe sind diese Aspekte ebenso zu berücksichtigen wie das ihr zugrunde liegende Zielsystem, um relevante abhängige Variablen der Analyse definieren und ein Verständnis über die relevanten Wirkungsgrößen und -zusammenhänge entwickeln und modellieren zu können. Das Zielsystem regionaler Wirtschaftsförderung weist Überschneidungen mit den Zielen der übergeordneten allgemeinen Wirtschaftspolitik auf. Dies liegt auch darin begründet, dass zwischen beiden Bereichen im Hinblick auf die in Betracht kommenden Interventionsformen Gemeinsamkeiten bestehen. Das wesentliche Abgrenzungsmerkmal von Maßnahmen der regionalen Wirtschaftsförderung ist daher weniger eine prinzipiell abweichende Interventionsphilosophie, sondern vielmehr die hohe Bedeutung raumstruktureller Aspekte bei ihrer Implementierung.132 Folgerichtig kennzeichnet Brösse den Bereich der regionalen Wirtschaftsförderung als „Volkswirtschaftspolitik auf einer tieferen Ebene“.133 Da die regionale Wirtschaftsförderung gleichzeitig auch eine inhaltliche Nähe zur Raumordnungspolitik aufweist,134 bestehen auch zwischen den Zielen dieser beiden Politikbereiche Überschneidungen.135 Die Raumordnungspolitik verfolgt als Querschnittsaufgabe zusätzlich verschiedene außerökonomische Zielvorstellungen.136 Gemäß Förderphilosophie der Gemeinschaftsaufgabe besteht ein zentrales Ziel darin, strukturschwache Regionen durch den Ausgleich ihrer Standortnachteile an die allgemeine Wirtschaftsentwicklung heranzuführen. Dahinter verbirgt sich die normative Leitvorstellung der Notwendigkeit des Abbaus regionaler Entwicklungsunterschiede, die mit dem Verfassungsgebot der Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse137 beziehungsweise dem Grundsatz der Raumordnungspolitik 132
Vgl. Jürgensen (1988: 431). Brösse (1972: 26). 134 Ganser (1976: 709) erinnert an den immer noch zutreffenden Umstand, dass die Gemeinschaftsaufgabe das einzige raumbedeutsame Instrumentarium darstellt, das im Planungssystem weitgehend regionalisiert ist und bei der Durchführung die Koordinierung mit der Bauleitplanung, der Stadterneuerung und dem Umweltschutz anstrebt. 135 Bereits aus dem Gesetz über die Gemeinschaftsaufgabe geht hervor, dass „die Förderung der (. . .) genannten Maßnahmen (. . .) mit den Zielen und Erfordernissen der Raumordnung und Landesplanung übereinstimmen“ muss, siehe § 2 Abs. 1 des Gemeinschaftsaufgabengesetzes. 136 Für eine umfassende Darstellung der Ziele der Raumordnungspolitik siehe Brösse (1982: 25 ff.). 137 Vgl. Art. 72 Abs. 3 Nr. 2 GG und Art. 106 Abs. 3 Nr. 2 GG. 133
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A. Regionale Wirtschaftsförderung in der Bundesrepublik Deutschland
nach ausgeglichenen wirtschaftlichen, infrastrukturellen, sozialen, ökologischen und kulturellen Verhältnissen138 in den Teilräumen der Bundesrepublik Deutschland übereinstimmt. Aus dieser distributionsorientierten Perspektive stellt der Transfer von Ressourcen zwischen Regionen ein erforderliches Korrektiv des Marktmechanismus dar. Im Wortlaut des Koordinierungsrahmens geht es insbesondere darum, „(. . .) interregionale Unterschiede bei der Einkommenserzielung und der Ausstattung mit Arbeitsplätzen abzubauen“.139 Die Reallokation von Ressourcen zwischen den einzelnen Regionen wird förderpolitisch nicht nur mit dem Ausgleichsziel begründet. Zusätzlich soll durch die Gemeinschaftsaufgabe ein Beitrag zur Erreichung von gesamtwirtschaftlich optimalen regionalen Wachstumsraten geleistet werden. Realisiert werden soll dies durch eine verbesserte Wettbewerbs-, Anpassungs- und Innovationsfähigkeit und erhöhte Produktivität der geförderten Betriebe infolge der Subventionen an die gewerbliche Wirtschaft, Infrastrukturförderung und nicht-investiven Maßnahmen. Das Stabilitätsziel ist schließlich mit dem Versuch verbunden, die Auswirkungen von Konjunktur- und Strukturrisiken auf die Beschäftigungs- und Einkommenssituation in den förderfähigen Regionen möglichst gering zu halten. Dazu wird angestrebt, strukturkonservierende Maßnahmen weitgehend und zu Gunsten von den Strukturwandel erleichternden Maßnahmen zu vermeiden. Schon Giersch (1964) ordnete dem regionalpolitischen Instrumentarium die drei übergeordneten Zielkategorien Allokation, Distribution und Stabilität zu.140 In der Vergangenheit wurde immer wieder kontrovers darüber diskutiert, welcher der beiden erstgenannten Teilbereiche dieses Zielspektrums Priorität in der Förderpraxis genießt. Während etwa Buttler/Gerlach/Liepmann, Erfeld und Noe den Fokus auf dem Allokationsziel sehen,141 gelangen Karl/Krämer-Eis, Eggner, Ewringmann/Zabel, Klemmer, Mäding und Thoroe zu der Einschätzung, dass eher distributionspolitische Intentionen im Vordergrund stehen.142 Fisch und Richter kommen wiederum zu dem Schluss, dass die Gemeinschaftsaufgabe gleichermaßen allokations- und distributionspolitische Ziele verfolgt.143 Im Folgenden werden die drei Oberziele der regionalen Wirtschaftsförderung konkreti138 Vgl. § 2 Abs. 2 Nr. 1 ROG. Ewringmann et al. (1986: 1 ff.) und Scharff (1993: 29) sehen in diesem Zusammenhang eine Schnittstelle zwischen der regionalen Wirtschaftsförderung und der Raumordnungspolitik. 139 Vgl. Deutscher Bundestag (2009: 10). 140 Vgl. Giersch (1964) und später van Suntum (1981), Ewringmann et al. (1986), Scharff (1993), Nägele (1996) und Crow (2001). 141 Vgl. Buttler/Gerlach/Liepmann (1977: 115), Erfeld (1980: 128) und Noe (1971: 17). 142 Karl/Krämer-Eis (1997: 7, 14), Eggner (1984: 29), Ewringmann/Zabel (1976: 751), Klemmer (1978: 40 und 1996: 451), Mäding (1986: 750) und Thoroe (1986: 133). 143 Vgl. Fisch (2010: 840) und Richter (2007: 229).
II. Zielsystem
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siert.144 Abschnitt 4 liefert eine Zusammenstellung der wesentlichen Beziehungen zwischen den einzelnen Zielbereichen. 1. Distributionspolitische Motivation „Bevölkerung und Wirtschaftskraft sind im Idealfall gleichmäßig über die geographische Fläche verteilt.145“
Ausgehend von diesem – zumindest bis zum Ende der deutschen Teilung in der bundesrepublikanischen Politik weit verbreiteten – normativen Verständnis einer optimalen Raumstruktur verwundert es nur wenig, warum sich der Bund im Grundgesetz über einen langen Zeitraum zur „Wahrung der Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse“ im Staatsgebiet verpflichtete.146 Da der Transformationsprozesses der neuen Länder nach der Wiedervereinigung mit stark ausgeprägten ökonomischen und sozialen Veränderungen einherging,147 die zu signifikanten regionalen Diskrepanzen hinsichtlich vieler wirtschaftspolitischer Zielgrößen im erweiterten Bundesgebiet führten, wurde Art. 72 Abs. 2 GG am 15. November 1994 geändert. Fortan bestand das Ziel nicht mehr in der Herstellung einheitlicher, sondern gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet.148 Aufgrund der hohen Relevanz distributionspolitischer Elemente im Förderkonzept der Gemeinschaftsaufgabe liegt es auf der Hand, dass Evaluationsvorhaben letztlich immer einen Vergleich der Entwicklung von Zielgrößen zwischen (den Wirtschaftseinheiten in) geförderten und nicht-geförderten Regionen ermöglichen sollen. Hierbei besteht allerdings das Problem, dass abgesehen von dem staatlichen Einfluss viele weitere (un)beobachtbare Faktoren auf die jeweiligen Zielvariablen wirken und verlässliche Aussagen zum Erfolg der spezifischen Maßnahme erschweren. So besteht im Schrifttum seit längerer Zeit weitreichende Einigkeit darüber, dass signifikante Disparitäten hinsichtlich einer Vielzahl ökonomischer Größen nicht nur zwischen verschiedenen Ländern, sondern auch zwischen den einzelnen Teilräumen einer Volkswirtschaft zwar keineswegs politisch angestrebt,149 aber dennoch unvermeidlich und damit auch nicht korrigierbar 144 Die drei Zielkategorien werden zwar im Koordinierungsrahmen nicht expressis verbis erwähnt, lassen sich allerdings aus den genannten Zielgrößen ableiten. 145 Jürgensen (1964: 415). 146 Art. 72 Abs. 2 GG und Art. 106 Abs. 3 GG. 147 Vgl. Teil A., Kapitel I.3. 148 In Art. 106 Abs. 3 GG wird weiterhin der Begriff „Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse“ verwendet. Mitunter wird auch in Art. 20 Abs. 1 GG („Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat“) der Ausgangspunkt für Maßnahmen im Bereich der interregionalen Ausgleichspolitik gesehen, vgl. dazu etwa Kilper/Rosenfeld (2007: 38). 149 Mit Blick auf die regionale Einkommensverteilung führt schon Schneider (1968: 4 f.) aus, dass „(. . .) starke, evtl. noch zunehmende Disparitäten in der interregionalen Einkommensverteilung als ungerecht angesehen werden und damit Spannungen entstehen lassen, die gesellschafts- und staatspolitisch unerwünscht sind.“
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sind.150 In diesem Kontext sind verschiedene regionsinterne und -externe Einflussgrößen zu nennen, die in ihrer Gesamtheit, gerade im hypothetischen Fall der (völligen) Nicht-Förderung, eine divergierende Entwicklung zwischen strukturschwachen Fördergebieten und dem Nicht-Aktionsraum der regionalen Wirtschaftsförderung erwarten lassen: (1) Verschiedentlich wird darauf hingewiesen, dass sich ein Teil der Entwicklungsrückstände einzelner Regionen bereits auf unvorteilhafte topographische oder bestimmte klimatische Verhältnisse, eine etwaige ungünstige geographische Lage oder vergleichsweise geringe Ausstattung mit natürlichen Rohstoffen zurückführen lasse.151 Diese Engpassfaktoren sind allerdings kaum durch Maßnahmen der regionalen Wirtschaftsförderung beeinflussbar. Hinzu kommt, dass der Effekt dieser Einflussgrößen auf relevante Zielvariablen bislang nicht (hinreichend) durch statistische Verfahren isoliert werden kann. Dies setzt der Aussagekraft von Untersuchungen bestimmter regionalökonomischer Variablen im Rahmen von Evaluationsvorhaben a priori gewisse Grenzen. (2) Externe Schocks wie beispielsweise Naturkatastrophen152 oder terroristische Anschläge153 können sich negativ auf das regionale Wachstumspotenzial auswirken, sofern etwa Produktionskapazitäten zerstört werden und ihr Wiederaufbau mit hohen (Opportunitäts-)kosten einhergeht oder bestimmte Sektoren, wie etwa die Tourismusbranche, nachhaltig geschwächt werden. Die Auswirkung von – nicht häufig eingesetzten – Interventionen im Zusammenhang mit externen Schocks, wie beispielsweise des Sonderprogramms154 der Gemeinschaftsaufgabe nach der Flutkatastrophe an Elbe, Mulde und Donau und Nebenflüssen im Jahre 2002, sind im Rahmen einer Evaluation allerdings schwer messbar. (3) Unterschiede hinsichtlich der ökonomischen Aktivität zwischen einzelnen Regionen werden häufig auch mit der regionsspezifischen Branchen- und 150
Vgl. Nägele (1996: 57) und Müller (1990: 19 ff.). Vgl. Müller (1980: 26) und Adlung/Thoroe (1980: 4). Die räumliche Konzentration von Betrieben, deren Standortentscheidung oftmals wesentlich von der räumlichen Nähe zu bestimmten Rohstoffen abhängt, bleibt oftmals auch im Falle eines Bedeutungsverlustes dieses Rohstoffes konstant (siehe auch Müller 1990: 20). Zu einer vergleichbaren Einschätzung kommt schon Voss (1973: 8), der eine „historische Starrheit von Kapitalstrukturen“ sieht. 152 Vgl. Hallegatte/Hourcade/Dumas (2007). 153 Vgl. Abadie/Gardeazabal (2008). 154 Die Sonderprogramme der Gemeinschaftsaufgabe lassen sich auch zur Abfederung der Auswirkungen von außerökonomischen Ereignissen auf die regionale Entwicklung einsetzen. So kam in der Zeit vom 11. August 2002 bis zum 31. Dezember 2003 das Sonderprogramm „Hochwasser“ zum Einsatz. Mit diesem Programm sollten die beschädigten betrieblichen Wirtschaftsgüter und wirtschaftsnahen Infrastruktureinrichtungen in den betroffenen Gebieten wiederhergestellt werden, vgl. Deutscher Bundestag (2003: 12, 176). 151
II. Zielsystem
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Lohnstrukturstruktur begründet. Danach wird etwa mit Blick auf die regionale Beschäftigungssituation erwartet, dass merkliche Ungleichgewichte zwischen Arbeitskräftenachfrage und -angebot in Regionen mit einer hohen Konzentration auf bestimmte Sektoren bestehen können: Der Einfluss dieser Schwerpunktbranchen auf die regionalen Arbeitsmärkte ist demzufolge besonders hoch, wenn sich deren Produktivität deutlich verringert hat und beziehungsweise oder sie – gerade in konjunkturellen Schwächephasen – eine starke Exportorientierung aufweisen.155 Vor diesem Hintergrund ist die Einschätzung von Bade interessant, der einen engen Zusammenhang zwischen der Beschäftigungsentwicklung in Verdichtungsräumen und der jeweiligen Veränderungstendenz in den Produktionsbetrieben und im Dienstleistungsbereich sieht.156 Damit spricht wenig für die Hypothese, dass sich etwa eine rückläufige regionale Beschäftigungsentwicklung in den industriellen Sektoren durch Wachstumsgewinne im Dienstleistungsbereich kompensieren lässt.157 Abgesehen von der Relevanz der sektoralen Verteilung kann auch die Betriebsgrößenstruktur ein maßgeblicher Bestimmungsfaktor regionalökonomischer Entwicklungstendenzen sein. Dies gilt im besonderen Maße, sofern beispielsweise eine starke Dominanz weniger großer Unternehmen besteht und sich deren Wettbewerbsposition grundlegend verändert.158 Während die regionale Wirtschaftsförderung auf die sektorale und Betriebsgrößenstruktur (wenn überhaupt) nur bedingt einwirken kann, sehen sich Evaluationsverfahren im Zuge der Analyse von Zielvariablen bei dem Versuch der Trennung dieser Faktoren von den übrigen potenziellen Einflussgrößen (einschließlich der Intervention) erheblichen Schwierigkeiten ausgesetzt. (4) Zur Erklärung der ungleichen Verteilung ökonomischer Aktivitäten und divergierender regionaler Entwicklungstendenzen innerhalb einer Volkswirtschaft findet vor allem in der Literatur eine Auseinandersetzung mit einer Gruppe weiterer Faktoren statt, die sich unter dem Begriff „Agglomera155 Schwengler/Hecht (2011: 121 ff.) zeigen, dass insbesondere Regionen mit einem hohen Anteil des exportorientierten verarbeitenden Gewerbes nach Ausbruch der jüngsten globalen Finanz- und Wirtschaftskrise einen Rückgang sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung hinnehmen mussten. Wesentlich günstiger war die Entwicklung in jenen Regionen, in denen das Gesundheits- und Sozialwesen, das Gastgewerbe und der Wirtschaftsabschnitt Erziehung und Unterricht überrepräsentiert ist (ebd.). Zu einem vergleichbaren Befund gelangt Karl (2011: 172 f.). 156 Vgl. beispielsweise Bade (1987: 94; 1990: 10 f., 38). Ähnlich argumentieren Velsinger/Eltges (1992: 364 f.). 157 Eltges (2013: 58) weist mit Bezug auf die These der Parallelität sektoraler Entwicklungen und das Konzept der Exportbasistheorie darauf hin, dass Regionen mit einem hohen Besatz an industriellen Betrieben in der Regel über ein vergleichsweise hohes Wachstum verfügen. 158 Vgl. Tetsch/Benterbusch/Letixerant (1996: 3).
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tionseffekte“ zusammenfassen lassen.159 Bereits Marshall machte darauf aufmerksam, dass die Standortnähe von Unternehmen der gleichen Branche mit verschiedenen Vorteilen, zum Beispiel in Bezug auf die Verfügbarkeit von Arbeitskräften und Zulieferbetrieben und unternehmensnahen Dienstleistern sowie Wissensspillover/Lerneffekten einhergehen können.160 Im Mittelpunkt bisheriger Arbeiten in diesem Bereich steht die Beantwortung der Frage, welche Vor- und Nachteile sich aus der räumlichen Ballung von Unternehmen, Arbeitskräften, Kapital und Beschaffungs- sowie Absatzmärkten ergeben. Häufig erfolgt dabei eine Differenzierung in interne und externe Agglomerationseffekte: Interne Agglomerationseffekte treten ausschließlich innerhalb der Unternehmen auf (economies of scale, economies of scope), während externe Agglomerationseffekte jene Auswirkungen umfassen, die zwischen Unternehmen, Haushalten und dem Staat auftreten.161 Auch wenn einige Autoren den Einsatz von Maßnahmen der regionalen Wirtschaftsförderung unter anderem auch auf negative Externalitäten im Zusammenhang mit regionalen Ballungs- beziehungsweise Entleerungsprozessen zurückführen,162 wird dieser Aspekt im Koordinierungsrahmen der Gemeinschaftsaufgabe nicht explizit genannt. Vielmehr lässt sich festhalten, dass die Versuche und Möglichkeiten der Beeinflussung von Agglomerationseffekten seitens der regionalen Wirtschaftsförderung ebenso wie deren Berücksichtigung im Rahmen von Evaluationsvorhaben sehr limitiert sind. An dieser Stelle sei erwähnt, dass hinsichtlich des Zusammenhangs zwischen der Agglomeration von Industrien und der jeweiligen regionalwirtschaftlichen Entwicklung kein eindeutig gesicherter empirischer Zusammenhang besteht.163 (5) Fünftens können Disparitäten hinsichtlich regionalökonomischer Zielgrößen zwischen den einzelnen Teilräumen auch auf das Mobilitätsverhalten von Betrieben und Arbeitskräften (sowie deren Qualifikationsniveau) zurückgeführt werden. Diesbezüglich wird Betrieben mithin eine mangelnde Fähigkeit beziehungsweise Bereitschaft für Investitionen in strukturschwachen Regionen
159 Vgl. dazu auch Bachinger/Pechlaner (2011: 17). Verschiedene Arbeiten fokussieren dabei auf die Beschreibung bestimmter Arten von Agglomerationseffekten. Beispiele dafür sind etwa die Beiträge zu industrial districts (Pyke/Sengenberger 1992), innovative milieus (Camagni 1991), clusters (Porter 1998) und global cities (Friedmann/Wolff 1982, Sassen 1991). 160 Vgl. Marshall (1920). Auch in den New Economic Geography- (Krugman 1991a, 1991b, 1995) beziehungsweise Cluster-Ansätzen (Porter 1998) werden die von Marshall genannten positiven Externalitäten in Zusammenhang mit räumlicher Ballung gebracht. 161 Vgl. Bege (2010: 141 f.). 162 Vgl. etwa Karl/Krämer-Eis (1997: 5 ff.) und Bergström (1998: 4). 163 Vgl. dazu auch Alecke/Untiedt (2007a: 30).
II. Zielsystem
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unterstellt.164 Und auch die Arbeitskräfte nehmen Einfluss auf die regionale Entwicklung,165 wenn ihr Mobilitätsverhalten zum Beispiel (in der Tendenz) mit den Standortentscheidungen von Betrieben übereinstimmt und dies in einem Ungleichgewicht zwischen Arbeitsangebot und Arbeitsnachfrage resultiert. So verließen in den ersten beiden Dekaden nach der Herstellung der deutschen Einheit etwa 1,8 Mio. Personen, die oftmals gut ausgebildet waren sowie am Beginn ihres Erwerbslebens standen, die neuen Länder.166 Auch wenn die zunehmende Annäherung der Arbeitslosenquoten und Werte der Lebenszufriedenheit zwischen den neuen und den alten Ländern der letzten Jahre vermuten lassen, dass der ostdeutsche Arbeitsmarkt an Attraktivität gewinnt167 und das durchschnittliche Einkommenswachstum von sozialversicherungspflichtig beschäftigten Betriebswechslern innerhalb der neuen Länder gemäß einer aktuellen Studie von Alm/Engel/Weyh höher ausgefallen ist als für die Gruppe der Ost-West-Betriebswechsler,168 lässt sich diese Tendenz nicht zwangsläufig auf die regionale Wirtschaftsförderung zurückführen. Die vorstehende Auflistung, die keineswegs den Anspruch auf Vollständigkeit erhebt, sollte zeigen, dass die Maßnahmen der regionalen Wirtschaftsförderung die einzelnen Einflussgrößen regionalökonomischer Entwicklung nur begrenzt oder überhaupt nicht beeinflussen und auch nur sehr schwer quantifiziert werden können. Daraus ergibt sich unmittelbar die Schwierigkeit, belastbare Aussagen hinsichtlich der Erreichung distributionspolitischer Zielsetzungen unter dem Einsatz der in Teil B. und C. dieser Arbeit noch vorzustellenden Evaluationsmethoden zu formulieren. 2. Allokationspolitische Motivation „Markt und Wettbewerb allein führen nicht zu optimaler Höhe (. . .) des Wohlstandes. Regionalpolitik bleibt daher auch in den kommenden Jahren notwendig, um Wachstumseinbußen zu vermeiden (. . .).“ 169
164
Vgl. Deutscher Bundestag (1982: 6). Vgl. Matuschewski (2010: 81). 166 Vgl. Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH, 2010: 14). 167 Vgl. Goebel/Habich/Krause (2009: 132). 168 Siehe dazu Alm/Weyh/Engel (2013), die in ihrer empirischen Analyse für den Zeitraum 2004–2009 zeigen, dass sozialversicherungspflichtige Betriebswechsler (Wechsel des Beschäftigungsbetriebes 2005 gegenüber 2004) innerhalb Ostdeutschlands ein signifikant höheres Einkommenswachstum als betriebsstabile Sozialversicherte (kein Wechsel des Beschäftigungsbetriebes zwischen 2004 und 2009) in den neuen Ländern erzielen. Dies gilt nicht in gleicher Größenordnung für die Gruppe sozialversicherungspflichtiger Betriebswechsler, die Ostdeutschland den Rücken gekehrt und ein neues Beschäftigungsverhältnis in Westdeutschland aufgenommen haben. 169 Spehl (1985: 4). 165
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Der Argumentation von Spehl folgend, dient regionale Wirtschaftsförderung auch der Mehrung von gesamtwirtschaftlichem Wachstum und Wohlstand. In Bezug auf die Ausreichung staatlicher Beihilfen lässt sich eine „optimale Höhe“ von Wachstum und Wohlstand jedoch streng genommen nur erreichen, falls die zur Verfügung stehenden Finanzmittel gesamtwirtschaftlich effizient allokiert werden.170 Mit einer vorwiegend wachstumsorientierten Ausrichtung und damit dem Allokationsziel vereinbar wäre die regionale Wirtschaftsförderung demzufolge, sofern ihre Maßnahmen eine Maximierung des nationalen Bruttoinlandsproduktes171 beziehungsweise Produktionspotenzials172 begünstigten. Unmittelbar mit dieser Zielsetzung verknüpft ist die Absicht der Gemeinschaftsaufgabe, jenen Teilbereich allgemeiner Wirtschaftspolitik zu ergänzen, der die Aktivierung von Wachstumspotenzialen in den Mittelpunkt stellt. In diesem Kontext wird im Koordinierungsrahmen explizit erwähnt, dass nicht nur die Einkommens- und Beschäftigungssituation in den strukturschwachen Regionen verbessert, sondern auch das gesamtwirtschaftliche Wachstum stimuliert werden soll.173 In Übereinstimmung mit der überregionalen Perspektive dieser Zielsetzung stünde die finanzielle Unterstützung jener Gebiete, die den größtmöglichen Beitrag zum volkswirtschaftlichen Wachstum leisten. Als ausschlaggebendes Kriterium für die Abgrenzung der Fördergebiete müsste demzufolge nicht die – wie auch immer bestimmte – Förderungswürdigkeit von Regionen, sondern die Fördereffizienz herangezogen werden. Mit anderen Worten sollten die Maßnahmen auf jene Regionen der Volkswirtschaft begrenzt werden, die das größte Wachstumspotenzial besitzen.174 Die Umsetzung sowie die Messung des Erfolgs einer regionalen Wirtschaftsförderung im Allgemeinen und die Abgrenzung von Fördergebieten sowie gewerbliche Investitionsförderung der Gemeinschaftsaufgabe im Besonderen, die mit einer weitgehend wachstums- beziehungsweise produktivitätsorientierten Zielsetzung in Einklang stehen würde, wäre allerdings einer Reihe von Limitationen unterworfen. (1) Allen voran stünde die Notwendigkeit, dass die relevanten politischen Entscheidungsträger bei einer gesamtwirtschaftlichen Betrachtung des Allokationsziels über die Möglichkeit verfügen müssten, das Wachstumspotenzial 170 In diesem Zusammenhang sind auch haushaltsrechtliche Bestimmungen zu berücksichtigen: So wird in § 7 Abs. 1 Bundeshaushaltsordnung im Rahmen der Aufstellung und Ausführung des Haushaltsplans die Beachtung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit gefordert. 171 Vgl. auch Jürgensen (1988: 429). 172 Vgl. Scharff (1993: 23). 173 Deutscher Bundestag (2009: 7). 174 Vgl. Bade (2007: 231).
II. Zielsystem
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der einzelnen Regionen valide abschätzen und miteinander vergleichen zu können. Eine notwendige Bedingung dafür wäre, dass sich die spezifischen Produktionsfunktionen der einzelnen Regionen einer Volkswirtschaft bestimmen ließen.175 Auf Grundlage dieser regionalen Produktionsfunktionen könnten – neben den Substitutionselastizitäten – die regionalen Grenzproduktivitäten176 als Kennzahl für die Relation zwischen dem Produktivitätszuwachs und der marginalen Veränderung der Faktoreinsatzmenge abgeleitet werden, die wiederum von entscheidender Bedeutung für die Fördergebietsabgrenzung wären: Unter der Annahme, dass zusätzliche Kapazitäten geschaffen und diese auch durch entsprechende Nachfrageänderungen ausgelastet werden, würden die Regionen mit den höchsten Grenzprodukten des Produktionsfaktors Kapital in den Genuss der Fördermittel kommen. Allerdings besteht bisher keine Möglichkeit, regionale Produktionsfunktionen für die Bundesrepublik Deutschland in angemessener Form empirisch nachzuweisen. Dafür müsste die Datenbasis entsprechende Informationen zu den Produktionsfaktoren auf Regionsebene liefern. Der endogenen Wachstumstheorie177 folgend, wären neben Angaben zu der Zahl und dem Humankapitalbestand der Erwerbstätigen sowie dem Stand des technischen Wissens etwa auch Kapitalstockdaten erforderlich. Diese Daten liegen jedoch nicht in der benötigten tiefen räumlichen Gliederung vor.178 Selbst wenn die einzelnen Koeffizienten der Produktionsfunktionen auf Regionsebene unverzerrt berechnet werden könnten, ließe sich auf dieser Grundlage das spezifische Wachstumspotenzial nicht zuverlässig prognostizieren. Ein maßgeblicher Grund dafür ist der Umstand, dass sich einige weitere (unbeobachtbare) regionsinterne und -externe Einflussfaktoren, wie beispielsweise Angebots- und Nachfrageveränderungen außerhalb der jeweils betrachteten Region, in erheblichem Ausmaß auf die Produktionsfunktion auswirken können. Durch die fortschreitende Entwicklung von Ansätzen im Bereich der Spatial Econometrics179 wurden zwar in der Vergangenheit beachtliche methodische Fortschritte bei dem Versuch erzielt, räumliche Spillover-Effekte in entsprechenden Schätzverfahren zu berücksichtigen. Trotz dieser methodischen 175
Vgl. Noe (1979: 11). Einige Autoren befürworteten schon früh die Verwendung der durchschnittlichen Produktivität, siehe etwa Marx (1964: 417 f.). 177 Vgl. etwa Grossman/Helpmann (1991). 178 Vgl. beispielsweise Kubis/Titze/Brachert (2008: 145) oder bereits van Suntum (1981: 31 ff.). Eine Schätzung regionaler Produktionsfunktionen für Gesamtdeutschland unter Beachtung des physischen Kapitalstocks und Spillover-Effekten wurde von Eckey/ Kosfeld/Türck (2004) unternommen. Ihr mit SpaceStat (siehe dazu beispielsweise Anselin 1992, 1994) berechnetes Modell beruht auf einer transzendent-logarithmischen Produktionsfunktion, die neben den Produktionsfaktoren Arbeit, Humankapital und physisches Kapital auch den technischen Wissenstand zu berücksichtigen versucht. 179 Vgl. insbesondere Anselin (1988, 2010). 176
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Verbesserungen lässt sich das regionale Wachstumspotenzial, auch aufgrund von datenbedingten Unzulänglichkeiten, bislang nicht verlässlich quantifizieren. (2) Es besteht wenig Zweifel daran, dass die spezifische sektorale Struktur einer Region von großer Relevanz für deren wirtschaftliche Leistungs- und Anpassungsfähigkeit ist.180 Folgerichtig liegt die zweite Herausforderung einer vorwiegend wachstums- und produktivitätsorientierten regionalen Wirtschaftsförderung darin, nach dem Vergleich der räumlichen Grenzproduktivitäten und der darauf basierenden Abgrenzung der Fördergebiete eine möglichst effiziente Verwendung der eingesetzten Mittel innerhalb der ausgewählten Regionen zu erreichen. In Übereinstimmung mit dem Vorhaben, eine optimale intraregionale Allokation der Ressourcen sicherzustellen, müsste die Förderung auf eine bestmögliche Nutzung und Verteilung der Produktionsfaktoren und damit Maximierung der regionalen Produktion hinwirken. Allerdings existiert bislang kein theoretisches Modell, auf dessen Grundlage die optimale sektorale Wirtschaftsstruktur von Regionen empirisch überprüft und damit auch die Branchen mit der höchsten Produktionseffizienz identifiziert werden könnten. Dafür müsste es möglich sein, die Implikationen von Faktorvariationen auf sektoraler Ebene im Hinblick auf ihre Auswirkung auf das regionale Produktionsvolumen simulieren zu können. (3) Eine dritte Schwierigkeit im Zuge der Implementierung einer vorwiegend wachstums- und produktivitätsorientierten regionalen Wirtschaftsförderung besteht schließlich darin, innerhalb der ausgewählten Regionen und Branchen jene Betriebe zu identifizieren, die die höchste Grenzproduktivität des Kapitals aufweisen. Nur in diesem Fall wäre es möglich, dass – unter der Berücksichtigung der zur Verfügung stehenden Budgetmittel und der Einhaltung der Fördervoraussetzungen sowie in Analogie zur sogenannten „Picking the Winner-Strategie“ 181 – nur diese Betriebe in den Genuss von staatlichen Beihilfen im Bereich der regionalen Wirtschaftsförderung gelangen. Zusammengefasst würde eine weitgehend wachstums- beziehungsweise produktivitätsorientierte Ausrichtung der regionalen Wirtschaftsförderung auf die optimale Allokation der Produktionsfaktoren im Bundesgebiet zielen.182 Die gewerbliche Investitionsförderung wäre danach so zu organisieren, dass eine Lenkung des mobilen Produktionsfaktors Kapital sowie des teilweise mobilen Produktionsfaktors Arbeit – gemessen an der Effizienz ihres Einsatzes – in die rich180 181 182
Vgl. Biehl et al. (1975: 55 ff.). Vgl. Tödtling/Trippl/von Gabain (2006: 21). Vgl. Scharff (1993: 21).
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tigen Regionen, dort wiederum in die richtigen Wirtschaftszweige und innerhalb dieser wiederum lediglich in die richtigen Betriebe erreicht wird. In der Praxis bestehen jedoch bereits bei der Bestimmung der regionalen Grenzproduktivitäten erhebliche Probleme.183 Da ein strenger empirischer Nachweis der sektoralen oder gar betrieblichen Grenzprodukte des Produktionsfaktors Kapital aufgrund der dargestellten methoden- und datenbedingten Schwierigkeiten nicht erbracht werden kann, wird deshalb neben der Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts – etwa für die Fördergebietsabgrenzung – die Entwicklung der Erwerbstätigen als Proxy für das regionale Wachstumspotenzial verwendet.184 Auch förderpolitisch steht traditionell die Beschäftigungsentwicklung – und nicht die Entwicklung der Grenzproduktivität – im Fokus regionalpolitischer Maßnahmen: „The traditional approach emphasizes job growth as the unifying goal for regional economic development policy.“ 185
3. Stabilitätspolitische Motivation „Danach sind ,Einzelziele‘ der Regionalpolitik 1. die ,regionalen Implikationen‘ des Stabilitätszieles: Reduzierung der konjunkturellen und strukturellen Anfälligkeit der Region‘ [. . .]“ 186
Der von Brösse im Zusammenhang mit dem Stabilitätsziel gewählte Zusatz „regionale Implikationen“ lässt bereits erahnen, dass das stabilitätspolitische Anliegen der regionalen Wirtschaftsförderung im Gegensatz zur allokationspolitischen Zieldimension nicht primär volkswirtschaftlich zu interpretieren ist. Die Forderung nach einer Regionalisierung des Stabilitätszieles der allgemeinen Wirtschaftspolitik gründet im Wesentlichen auf der Hypothese, dass sich die ungleiche Verteilung ökonomischer Aktivitäten innerhalb einer Volkswirtschaft über den Raum in regional divergierenden Konjunkturverläufen und Auswirkungen strukturell bedingter Krisen widerspiegeln kann. Die staatliche Konjunktur-187 beziehungsweise Industriepolitik188 ist aufgrund der unterschiedlichen 183 Bisherige Versuche der Bestimmung von regionalen Grenzproduktivitäten wurden hauptsächlich auf Basis der Cobb-Douglas-Produktionsfunktion unternommen. In den letzten Jahren kaprizierte sich die empirische Forschung in diesem Bereich mehr und mehr auf die Erklärung des Zusammenhangs zwischen produktivitätsrelevanten Variablen und verschiedenen Proxies für die Produktivität (zum Beispiel Einkommen pro Erwerbstätigen oder Output pro Stunde; vgl. Doms/Jensen (1998), Griffiths/Reading/ Simpson (2004) und Rice/Venables (2004)). 184 Vgl. Bade (2007: 231). 185 Vgl. Bartik (1990: 361). 186 Brösse (1972: 49). 187 Vgl. Akademie für Raumforschung und Landesplanung (2010: 2). 188 Scharff (1993: 27) betont, dass zwischen der sektoralen Strukturpolitik und der regionalen Wirtschaftspolitik ein enger Zusammenhang besteht. Während erstgenannte
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räumlichen Inzidenz ihrer Maßnahmen kein probates Mittel, um die stabilitätspolitische Zielsetzung der regionalen Wirtschaftsförderung ohne eine gezielte Flankierung durch raumwirksame Instrumente zu erfüllen. Die stabilitätspolitische Motivation der Gemeinschaftsaufgabe kann zweifach untergliedert werden: Erstens sollen die entsprechenden Maßnahmen in den Fördergebieten zu einer Abschwächung jener Auswirkungen auf die ökonomische Aktivität führen, die auf die konjunkturelle Volatilität im gesamtwirtschaftlichen Auslastungsgrad des Produktionspotenzials attribuiert werden können. Zweitens wird angestrebt, die Abwärtsrisiken struktureller Umbrüche in Regionen mit einer hohen Konzentration von bedrohten Sektoren zu reduzieren. Dies gilt insbesondere dann als angebracht, wenn diese Sektoren besonders konjunkturreagibel sind189 und die Auswirkungen des sektoralen Strukturwandels auf die regionale Entwicklung in Zeiten rückläufiger gesamtwirtschaftlicher Aktivität noch verstärken.190 Als relativ konjunktursensitiv erweisen sich dabei in erster Linie jene Regionen, die einen hohen Anteil von exportorientierten Betrieben – insbesondere des industriellen Sektors – beheimaten.191 Eine gleichgerichtete Beziehung wird auch zwischen der Bedeutung von Investitionsgüterindustrien und der konjunkturellen Anfälligkeit von Regionen vermutet.192 Umgekehrt ist der Einfluss gesamtwirtschaftlicher Schwankungen auf die konjunkturelle Entwicklung in jenen Regionen vergleichsweise gering, in denen sich überdurchschnittlich viele Betriebe aus verschiedenen Dienstleistungsbereichen kumulieren.193 Während die Intention von Maßnahmen der regionalen Wirtschaftsförderung im Zusammenhang mit der Reduzierung der konjunkturellen Krisenanfälligkeit faktisch eher in der kurzfristigen Abfederung der Auswirkungen gesamtwirtschaftlicher Schwächephasen auf die Fördergebiete liegt,194 ist der zeitliche Beden Anpassungsprozess in den vom Strukturwandel betroffenen Regionen abschwäche, schaffe letztgenannte Ersatzarbeitsplätze. 189 Vgl. van Suntum (1981: 45). 190 Wie in Abschnitt 1 erwähnt, kann eine Ursache für regionale Entwicklungsrückstände in einer unausgewogenen sektoralen Struktur liegen, vgl. dazu etwa Noe (1979: 12 f.). Aber auch in Regionen mit einer weit diversifizierten Branchenstruktur sind starke wirtschaftliche Auswirkungen in Rezessionen zu erwarten, sofern sich dort Betriebe mit einer geringen Wettbewerbsfähigkeit konzentrieren, vgl. etwa Oswald (1980: 36). 191 Vgl. Fußnote 155. 192 Eine hohe regionale konjunkturelle Anfälligkeit wird mithin auch auf einen überdurchschnittlichen Anteil von Tochterunternehmen beziehungsweise eine stark ausgeprägte Kleinbetrieblichkeit zurückgeführt, vgl. etwa Reiner (2010: 116). 193 Der Dienstleistungssektor weist aufgrund der – gerade im Vergleich zum exportorientierten Bereich des sekundären Sektors – relativ geringen Konjunkturreagibilität der Nachfrage einen dämpfenden Effekt auf die regionale Entwicklung auf. Vgl. Zarth (2011: 99). 194 Vgl. die Ausführungen zum letzten Sonderprogramm der Gemeinschaftsaufgabe im Zuge der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise (Abschnitt I.4.).
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zug des Zieles der Verringerung der strukturellen Anfälligkeit eher langfristiger Natur. Werden dominante regionale Branchen von einer ausgeprägten strukturellen Krise erfasst, sind sektorale Umschichtungsprozesse unvermeidbar. Eine wesentliche Begleiterscheinung dieser Veränderungen der sektoralen Struktur ist insbesondere in Regionen mit Entwicklungsrückstand häufig ein zunehmender Angebotsüberhang an Arbeitskräften. Dies liegt darin begründet, dass es sich bei strukturellen Übergängen in aller Regel um langfristige Prozesse handelt, wobei die Nachfrage nach Arbeitskräften in expandierenden Produktionszweigen im Gegensatz zum Beschäftigungsabbau in den schrumpfenden Produktionszweigen üblicherweise nicht regional konzentriert auftritt.195 Vor diesem Hintergrund wird der Einsatz der Gemeinschaftsaufgabe zur Erreichung stabilitätspolitischer Ziele im Koordinierungsrahmen unter anderem mit dem Argument der Verstärkung von langfristigen Wachstumsimpulsen zur Verringerung der strukturellen Anfälligkeit und der Auswirkungen des Strukturwandels auf die Fördergebiete gerechtfertigt. Als mögliche Ansatzpunkte dienen der Versuch der Auflockerung der regionalen Branchenstruktur und der Ansiedlung von Betrieben aus Branchen mit überdurchschnittlichem Wachstumspotenzial.196 Von der Förderung betrieblicher Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten sowie Projekten mit einem hohen Innovationspotenzial wird erwartet, dass diese Maßnahmen zur Entstehung (neuer) beziehungsweise Modernisierung (bestehender) Produktionsstrukturen, Erhöhung der Arbeitsproduktivität und Schaffung dauerhaft wettbewerbsfähiger Arbeitsplätze führen.197 Der Grundidee des Ansatzes der offensiven Strukturanpassung198 folgend, sieht die Förderkonzeption weder Erhaltungssubventionen an die bedrohten Branchen oder Unternehmen noch protektionistische Maßnahmen vor.199 Damit soll der wiederholt geäußerten Forderung nach Vermeidung von strukturkonservierenden Subventionen200 in der Konzeption des Förderinstrumentariums Rechnung getragen werden. Gegenüber den beiden zuvor genannten Zielkategorien ist die Relevanz der stabilitätspolitischen Motivation der Gemeinschaftsaufgabe eher nachrangig, weil 195 Vgl. Tetsch/Benterbusch/Letixerant (1996: 3) und Fürst/Klemmer/Zimmermann (1976: 102). 196 Vgl. Deutscher Bundestag (2009: 69, 90, 96). 197 Vgl. Deutscher Bundestag (2009: 47, 54, 58). 198 Vgl. Tetsch/Benterbusch/Letixerant (1996: 3 f.). Eine Alternative zu dieser wirtschaftspolitischen Ausrichtung bestünde in dem Versuch, mit Bestands- und Beschäftigungsgarantien den Erhalt der Wirtschaftsstruktur zu erhalten. Siehe dazu etwa Klemmer/Hamm (1993). 199 Vgl. Deutscher Bundestag (2009: 7). 200 Vgl. etwa Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (2009: 11).
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die entsprechenden Maßnahmen, insbesondere im Bereich der strukturpolitischen Intention, nicht selten auch allokationspolitisch begründet werden können und dieser Bereich folglich eine klare Eigenständigkeit vermissen lässt. Eine Messung des Erfolgs der regionalen Wirtschaftförderung zur Erreichung der stabilitätspolitischen Ziele unterliegt ebenfalls den in beiden vorstehenden Abschnitten genannten daten- und methodenbedingten Schwierigkeiten. 4. Zielbeziehungen An den bisherigen Ausführungen des Kapitels II. sollte deutlich geworden sein, dass die Gemeinschaftsaufgabe innerhalb der drei Kategorien Distribution, Allokation und Stabilität verschiedene Ziele simultan verfolgt. Gerade vor dem Hintergrund einer Evaluation dieses Förderinstrumentes drängt sich die Frage auf, welche Folgen die Realisierung einer Verbesserung in einem bestimmten Zielbereich auf den Erreichungsgrad der beiden anderen Zielkategorien haben könnte. In der Regel werden fünf verschiedene Zielbeziehungen voneinander abgegrenzt: • Identität, • Komplementarität, • Indifferenz, • Konkurrenz, • Antinomie. Während eine Identität hinsichtlich der Realisierung verschiedener Zielkategorien gemeinhin den Optimalfall staatlicher Interventionen darstellt, der ausschließlich bei einem gemeinsamen Eintreten von Einzelzielen besteht und auch Komplementaritätsbeziehungen zwischen zwei Zielkategorien aufgrund ihrer gegenseitigen Verträglichkeit im Interesse der beteiligten politischen Akteure stehen, bedeutet beziehungsweise bedingt eine Indifferenz zwischen den verschiedenen Zieldimensionen nicht, dass Veränderungen in einem Bereich ebenso die beabsichtigten Auswirkungen in einer anderen Zielkategorie hervorrufen. Miteinander konkurrierende Zielbeziehungen werden ihrerseits ebenso wenig angestrebt wie eine Antinomie zwischen Einzelzielen, die sogar einen Widerspruch zwischen verschiedenen Förderintentionen impliziert.201 Im Mittelpunkt der Diskussion über die Beziehungen zwischen den drei genannten Zielkategorien der Gemeinschaftsaufgabe steht häufig das Verhältnis zwischen der Distributions- und Allokationszielsetzung. Oftmals wird dabei unterstellt, dass beide Zielbereiche miteinander kollidieren.202 Eine Konkurrenz 201 202
Vgl. Engelkamp/Sell (2011: 401). Vgl. etwa Kilper/Rosenfeld (2007: 35) oder schon Wolf (1974: 9 f.).
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zwischen den beiden Zielkategorien lässt sich darauf zurückführen, dass eine optimale Allokation der Produktionsfaktoren im Bundesgebiet zunächst – auf der Grundlage unterschiedlicher Grenzproduktivitäten – deren uneingeschränkte Mobilität zwischen den Teilregionen einer Volkswirtschaft zwangsläufig voraussetzt. Die Abwanderung von Arbeitskräften und das Abziehen von Kapital aus strukturschwachen Fördergebieten stehen jedoch im klaren Widerspruch zu dem Ziel, genau dort das Entwicklungs- und Produktionspotenzial nachhaltig zu erhöhen.203 Eine Identität zwischen dem Anliegen, ein effizientes gesamtwirtschaftliches Wachstum und gleichzeitig die distributionspolitische Zielsetzungen möglichst umfassend zu erreichen, herrscht ausschließlich in einer Konstellation: wenn die Förderregionen nicht nur über die höchste Förderungswürdigkeit, sondern gleichzeitig über die größte Grenzproduktivität des eingesetzten Kapitals verfügen.204 In einigen früheren regionalökonomischen Veröffentlichungen wird zwar auf ein abnehmendes Grenzprodukt des Kapitaleinsatzes hingewiesen beziehungsweise auf Grundlage von Schätzungen regionaler Produktionsfunktionen berechnet, dass gerade in strukturschwachen Regionen die höchste Grenzproduktivität des Kapitals erzielt wird.205 Auf einen ersten Blick spricht gegen diesen Befund – eine Nicht-Fehlallokation des Produktionsfaktors Kapital vorausgesetzt und die Schwierigkeiten der Approximation von regionalen Produktionsfunktionen im Sinn – bereits die Tatsache, dass in dieser Konstellation keine Maßnahmen zur Reduktion der Kosten für den Produktionsfaktor Kapital in den Fördergebieten notwendig wären, weil die entsprechenden Investitionen auch ohne staatliche Eingriffe erfolgen würden. Und auch in der empirischen Forschung wird bezweifelt, dass in den strukturschwachen Fördergebieten höhere Grenzproduktivitäten des Kapitals verzeichnet werden.206 Darüber hinaus wird mit gewisser Regelmäßigkeit betont, dass sich im Rahmen einer vorwiegend distributionsorientierten Ausrichtung der Gemeinschaftsaufgabe zwar positive Effekte auf das Wachstum und in der Folge auch auf die Beschäftigungs- und Einkommenssituation in den jeweils begünstigten Gebieten ergeben könnten, dies aber gleichzeitig nicht zwangsläufig zur Optimierung des gesamtwirtschaftlichen Wachstums führe.207 In Anlehnung an das Wohlfahrtspostulat sieht van Suntum die Komplementärität zwischen beiden Zielbereichen allerdings bereits dann gewährleistet, „wenn da-
203
Vgl. Klein (1973: 86). So können beispielsweise in einkommensschwachen Regionen Potenziale gehoben werden, wenn die sektorale Struktur zwar grundsätzlich ein höheres Wachstum erwarten lässt, aber an einem ineffizienten intraregionalen Ressourceneinsatz, der zum Beispiel in einer suboptimalen Produktstruktur mündet, scheitert. Vgl. dazu etwa Biehl et al. (1975: 59). 205 Vgl. etwa Thoss/Strumann/Bölting (1974: 50). 206 Vgl. Klemmer/Hamm (1993: 14). 207 Vgl. Böhret/Jann/Kronenwett (1982: 143 f.). 204
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durch auf mittlere Sicht der überwiegende Teil der Betroffenen besser gestellt werden kann, ohne dass dem eine Schlechterstellung der übrigen Wirtschaftssubjekte gegenübersteht, die aus dem Wohlfahrtsgewinn der Änderung nicht ausgeglichen werden kann.“ 208 Weitere potenzielle Zielkonflikte ergeben sich in der Beziehung zwischen der Allokations- und Stabilitätszielsetzung 209 beziehungsweise der Distributions- und Stabilitätszielsetzung. Die Kompatibilität zwischen Wachstums- und Stabilitätszielen wird beispielsweise eingeschränkt, wenn die Diversifikation der regionalen Wirtschaftsstruktur zwar zur Reduktion der konjunkturellen und strukturellen Anfälligkeit, des Weiteren aber auch zu Einbußen des gesamtwirtschaftlichen Wachstums führt. Ausgleichs- und stabilitätspolitische Zielsetzung stehen etwa in Konkurrenz zueinander, wenn durch strukturerhaltende Subventionen die Beschäftigungs- und Einkommenssituation in nicht wettbewerbsfähigen Branchen zwar kurzfristig erhöht wird, dies aber im Zuge von konjunkturellen Schwächephasen zu einer Destabilisierung der regionalen Wirtschaftsstruktur beiträgt. An dieser Stelle wird die entscheidende Bedeutung des Zeithorizonts von Evaluationsvorhaben deutlich: So kann sich im Rahmen der gezielten Förderung von strukturschwachen Regionen auf mittel- beziehungsweise langfristige Sicht durchaus eine Zielharmonie zwischen den drei Zielen einstellen,210 auch wenn dies kurzfristig gegebenenfalls nicht beobachtet werden kann.
III. Zwischenfazit Die Beschreibung des Entwicklungverlaufs regionaler Wirtschaftsförderung in der Bundesrepublik Deutschland seit Beginn der 1950er Jahre hat gezeigt, dass sich in Abhängigkeit der jeweiligen Rahmenbedingungen auch die Konzeption und Motivation der zu diesem Zwecke eingesetzten Maßnahmen immer wieder gewandelt hat. Insbesondere die Veränderungen hinsichtlich der regionalen und inhaltlichen Schwerpunkte in diesem Politikbereich dürften verdeutlicht haben, dass jedem Versuch einer Messung der Leistungsfähigkeit der Maßnahmen eine Auseinandersetzung mit deren wesentlichen Charakteristika und Intentionen vorgeschaltet sein sollte. Hierbei gilt unter anderem zu klären, welche Elemente und 208
van Suntum (1981: 31). Wenn beispielsweise durch die Diversifikation der sektoralen Branchenstruktur im Sinne des Stabilitätszieles Größenvorteile bei der Güterproduktion durch die regionalen Betriebe nicht bestmöglich genutzt werden, kann es zu einer Reduktion des gesamtwirtschaftlichen Wachstums kommen, vgl. Scharff (1993: 34). 210 Asmacher (1989: S. 9 f.) macht auf theoretische und empirische Anhaltspunkte aufmerksam, die für eine Komplementarität zwischen Ausgleichs- und Wachstumsziel (falls die Grenzproduktivität des Kapitals in den geförderten strukturschwachen Regionen höher ist als in den übrigen Regionen) sprechen. Dies wirkt sich gleichzeitig positiv auf die Erreichung des Stabilitätszieles aus (dauerhafte Stabilisierung des Beschäftigungs- und Einkommensniveaus). 209
III. Zwischenfazit
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Zielgrößen der Intervention im Fokus entsprechender Analysen stehen sollen und ob sowie auf welche Art und Weise sich dies methodisch umsetzen lassen könnte. Bisherige Erfolgskontrollen der Gemeinschaftsaufgabe beschränkten sich fast ausschließlich auf die Untersuchung der Effekte der Subventionen an die gewerbliche Wirtschaft. Dies liegt nicht nur darin begründet, dass die Förderung von Infrastrukturinvestitionen im Zeitablauf gegenüber der gewerblichen Investitionsförderung tendenziell an Bedeutung verloren hat. Außerdem sind die Wirkungsmechanismen und Ziele der Infrastrukturförderung im Vergleich zu den Subventionen an die gewerbliche Wirtschaft ungleich diffuser.211 Die Evaluation von Regionalbeihilfen ist aus mehreren Gründen voraussetzungsvoll: Erstens ist die Qualität des zur Verfügung stehenden empirischen Materials auf Regionsebene mithin unzureichend. Zweitens existiert bislang kein theoretisches Modell, das die Beziehung zwischen der gewerblichen Investitionsförderung und – beispielsweise – der Beschäftigungs- und Einkommensentwicklung auf der Ebene der subventionierten Betriebe, Regionen oder gar der Volkswirtschaft erklären könnte. Drittens ist eine Vielzahl von methodischen Schwierigkeiten, etwa hinsichtlich der Berücksichtigung der (teilweise unbeobachtbaren) Einflussfaktoren, zu lösen. Vor diesem Hintergrund werden im Teil B. und C. die Ansätze, Möglichkeiten, Grenzen sowie empirische Evidenz der verschiedenen Arten der Erfolgskontrolle der Gemeinschaftsaufgabe dargestellt.
211 Daher beziehen sich die nachfolgenden Ausführungen auf den Bereich der betrieblichen Investitionsförderung der Gemeinschaftsaufgabe. Bade/Prognos (2011) bringen einen Vorschlag zur Evaluation von Infrastrukturmaßnahmen der Gemeinschaftsaufgabe ein.
B. Arten der Erfolgskontrolle für eine Evaluation der Gemeinschaftsaufgabe zur „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ Teile der nachfolgenden Ausführungen basieren auf Alm, B.: Erfolgskontrolle gewerblicher Subventionen im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ – Ein Überblick über mikroökonometrische Verfahren der Wirkungsanalyse, Seminarbericht der Gesellschaft für Regionalforschung, 53 (2011), S. 1–25.
Zunächst seien die Begriffe ,Erfolgskontrolle‘ und ,Evaluation‘ voneinander abgegrenzt. Grundsätzlich bilden verschiedene Arten der Erfolgskontrolle bestimmte Ausschnitte der Folgen von staatlichen Interventionen ab. Der Begriff der Evaluation, der seinen Ursprung im Lateinischen1 hat, wird in der Literatur üblicherweise weiter gefasst. Beywl/Speer/Kehr verstehen darunter „(. . .) die Summe systematischer Untersuchungen, die empirische, d. h. erfahrungsbasierte Informationen bereit stellen, so dass es möglich wird, den Wert (Güte und Verwendbarkeit) eines (in der Regel sozialen) Evaluationsgegenstandes nachvollziehbar einzuschätzen.“ 2 Eine (umfassende) Evaluation der Gemeinschaftsaufgabe würde demnach aus der Untersuchung einer Reihe von verschiedenen Aspekten der Förderung im Rahmen von spezifischen Erfolgskontrollen bestehen. Die Darlegungen von Teil A. haben gezeigt, dass die Charakteristika und Ziele des Förderinstrumentariums als Ausgangspunkt von Erfolgskontrollen dienen, weil sie die notwendigen Informationen zum Evaluandum (gewerbliche Investitionsförderung der Gemeinschaftsaufgabe) liefern. Erste Evaluationen staatlicher Maßnahmen wurden in den Vereinigten Staaten von Amerika bereits im neunzehnten Jahrhundert in Auftrag gegeben, als die Bundesregierung zum ersten Mal externe Inspektoren einsetzte, um die Wirkung von Programmen für Waisenhäuser, Schulen, Krankenhäuser und Gefängnisse zu beurteilen.3 Die Aussagefähigkeit dieser Arbeiten, ebenso wie die der Evalua1
Das Verb valere lässt sich mit „wert sein“ übersetzen. Beywl/Speer/Kehr (2004: 4). Ähnlich argumentieren Balzer (2005: 16) und Gollwitzer/Jäger (2007: 6). Rossi/Lipsey/Freeman (2004: 28) betonen, dass die Evaluation einen Beitrag zu einer Verbesserung des konkreten Handlungsprogrammes liefern soll: „Program evaluation is the use of social research methods to systematically investigate the effectiveness of social intervention programs. It draws on the techniques and concepts of social science disciplines and is intended to be useful for improving programs and informing social action aimed at ameliorating social problems.“ 3 Vgl. Madaus/Stufflebeam/Scriven (1983). 2
B. Arten der Erfolgskontrolle für eine Evaluation
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tionsstudien von Programmen zur Verringerung der Arbeitslosigkeit und Verbesserung der sozialen Sicherheit in den 1930er und 1940er Jahren im Zusammenhang mit dem „New Deal“, wird in der Literatur allerdings weithin angezweifelt.4 Dies änderte sich im Gefolge der deutlichen Zunahme von Interventionen im Bereich der Bildungs- und Sozialpolitik, die in den 1960er Jahren sprunghaft anstiegen und eine erste Renaissance von Evaluationsstudien einläuteten:5 Zum Ende der nachfolgenden Dekade waren an einer Reihe von US-amerikanischen Universitäten Promotionsstudiengänge in Evaluation eingerichtet, mit der Evaluation Research Society und dem Evaluation Network zwei akademische Vereinigungen gegründet sowie zahlreiche Lehrbücher und Beiträge in Fachzeitschriften veröffentlicht.6 Als Grundlage zur Bestimmung der Auswirkungen von Programmen dienten zunehmend experimentelle oder randomisierte kontrollierte Methoden (siehe auch Teil C., Kapitel III.), die zuvor bereits in verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen zur Anwendung kamen. In den 1980er Jahren führten Budgetkürzungen der Reagan-Administration für sozialpolitische Programme zu einer verringerten Erfordernis und damit Anzahl wissenschaftlicher Evaluationen.7 Über die beiden letzten Jahrzehnte ließ sich eine Tendenz zur verstärkten Nutzung theoriebasierter8 beziehungsweise ökonometrischer Evaluationansätze beobachten. Die Expansion von Evaluationsstudien staatlicher Programme in der zweiten Hälfte des vorangegangenen Jahrhunderts basierte wesentlich auf einem schwindenden Vertrauen der Bevölkerung in die Adäquanz des Regierungshandels.9 In diesem Zusammenhang fällt häufig der Hinweis darauf, dass wissenschaftliche Bewertungen mitunter als Legitimierungsinstrument für politische Entscheidungen genutzt werden.10 Allerdings ist dieser Aspekt ebenso wenig ein rein USamerikanisches Phänomen, wie die fortschreitende Professionalisierung der empirischen Evaluation, die ihren Ausdruck vielmehr in der steigenden Anzahl 4
Vgl. Meyer/Höhns (2002: 4). Vgl. etwa Suchman (1967), Borich/Jemelka (1982), Lange (1983), Rossi (1984), Wittmann (1985), Guba/Lincoln (1981), Shadish/Cook/Leviton (1991). Für eine Zusammenfassung von Evaluationen staatlicher Programme in den Vereinigten Staaten siehe auch Mattoon (1992). 6 Vgl. Bank/Lames (2010: 5). 7 Vgl. Hogan (2007: 6). 8 Vgl. auch Chen (1990) für den ersten umfassenden Ansatz beziehungsweise Coryn et al. (2011: 200 ff.) für einen Überblick über die Entwicklung theoriebasierter Evaluation in den letzten beiden Dekaden. 9 Nach Gore (1993) war zu Beginn der 1990er Jahre nur noch jeder fünfte US-amerikanische Staatsbürger davon überzeugt, dass die nationale Regierung mehrheitlich richtige Entscheidungen trifft. Dreißig Jahre zuvor lag dieser Wert noch bei 76 Prozent. 10 Vgl. House (1994: 239). Auch in einer Ausarbeitung des Executive Office of the President of the United States (2012: 91) heißt es noch: „Evaluation is one component of the evidence infrastructure that plays a role in a wide range of decision-making.“ 5
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entsprechender Untersuchungen und wissenschaftlicher Vereinigungen in vielen weiteren Ländern fand: „As of mid-April 2011, the IOCE [International Organisation for Cooperation in Evaluation, Anm. des Verfassers] has identified a total of 117 associations/societies/ networks of evaluators. (. . .) Though we only have membership numbers from 44 of these organizations at present, based on what they have reported their combined memberships total 17,869 (. . .) who identify themselves (in some way, full-time or part-time, directly or indirectly) as ,evaluators‘.“ 11
In Deutschland nahm die Anzahl der Evaluationen staatlicher Programme in den 1960er und 1970er Jahren ebenfalls stark zu, wobei die ex-post-Betrachtungen der spezifischen Auswirkungen im Mittelpunkt entsprechender Arbeiten standen.12 Und auch von den politischen Entscheidungsträgern der Gemeinschaftsaufgabe wurde die Notwendigkeit zur Messung der Leistungsfähigkeit dieser Intervention bereits zu deren Einführung gesehen: Schon der erste Rahmenplan der Gemeinschaftsaufgabe enthielt die Absichtserklärung des Planungsausschusses, die Konsequenzen des Mitteleinsatzes auf Fördergebietsebene zu überprüfen. Für diese Zwecke wurde auch nachfolgend stets der Begriff der Erfolgskontrolle verwendet, von der unter anderem auch erwartet wurde, dass sie einen Beitrag zur Einschätzung der regionalen Förderungswürdigkeit und damit für die fortlaufenden Neuabgrenzungen des Aktionsraums leistet: „Der Planungsausschuss geht davon aus, dass die Fördergebiete einer Erfolgskontrolle unterworfen werden sollen (. . .) Die Erfolgskontrolle wird sich auch auf die Frage erstrecken, ob und wann Gebietsteile aus der Förderung im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe ganz herausgenommen werden können.“ 13
Grundsätzlich fallen Erfolgskontrollen der Gemeinschaftsaufgabe, deren Notwendigkeit Bade schon durch den eigenen Anspruch dieses Instrumentes als gegeben sieht,14 seitdem in den Zuständigkeitsbereich von Bund und Ländern, wobei die Durchführung schwerpunktmäßig den Ländern obliegt.15 Nachdem sich die ersten Versuche zur Erfassung der Effekte der Gemeinschaftsaufgabe auf die deskriptive Auswertung der Förderstatistik16 und eine Befragung des Hessischen Ministeriums für Wirtschaft und Technik beschränkten,17 11
Vgl. Rugh (2011: 586). Vgl. Institut für Stadtforschung und Strukturpolitik (2009: 16). 13 Vgl. Deutscher Bundestag (1971: 10). 14 Danach zielte die Gemeinschaftsaufgabe von Beginn an auf eine Erhöhung der Wirksamkeit der regionalen Wirtschaftsförderung, siehe Bade (2012: 32). 15 Vgl. etwa Deutscher Bundestag (1990: 12). 16 Im Mittelpunkt dieser Analysen standen die regionale und sektorale Verteilung der Fördermittel sowie die Arbeitsplatzziele und das Investitionsvolumen der geförderten Vorhaben. 17 Vgl. Wolf (1974) und Klein (1973: 88 ff.). Als Grund für den Mangel an weiteren Versuchen, den Erfolg der Gemeinschaftsaufgabe zu kontrollieren, wurde bisweilen die 12
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beschloss der Unterausschuss der Gemeinschaftsaufgabe in seiner Sitzung am 23./24. September 1975 ein Arbeitsprogramm zur Einführung einer systematischen Erfolgskontrolle. Gegenstand dieses Arbeitsprogrammes sollte die Bereinigung der Antragsstatistik und die Ableitung von Jahreszielen sowie die Durchführung von Zwischenkontrollen auf Grundlage von Arbeitsmarktindikatoren und die Überprüfung der Fördergebietsabgrenzung sein.18 Mit dem sechsten Rahmenplan wurde vorgeschlagen, die Erfolgskontrolle der Gemeinschaftsaufgabe in eine jährlich stattfindende „Zwischenkontrolle“ der Arbeitsplatzziele auf Grundlage der Antragsstatistik und eine als „Endkontrolle“ bezeichnete Neuabgrenzung der Fördergebiete im vierjährigen Rhythmus zu untergliedern.19 Im siebten Rahmenplan setzte sich dann erstmals die Erkenntnis durch, dass zukünftig auch Analysen zur Wirksamkeit der Förderung erarbeitet werden sollten.20 Das politische Bestreben, der Erfolgskontrolle eine neue Struktur zu verleihen, zeigte sich auch im Folgejahr, als mit den Bestandteilen der administrativen Nachprüfungen21, Zielerreichungs- und Wirkungsanalysen erstmals explizit jene drei Säulen der Erfolgskontrolle in einem Rahmenplan benannt wurden, auf denen die Evaluationssystematik der Gemeinschaftsaufgabe auch heute noch fußt.22 Als etwas vorschnell erwies sich jedoch die Behauptung, dass „(. . .) der Aufbau eines umfassenden Erfolgskontrollsystems auf der Basis einfacher und überschaubarer Verfahren“ 23 schon mit diesem Rahmenplan abgeschlossen werden konnte; nur drei Jahre später wurde im dreizehnten Rahmenplan, nicht zuletzt wegen der ungelösten methodischen Probleme, eine eher verhaltene Einschätzung zu den Möglichkeiten von Erfolgskontrollen geliefert: „Man würde folglich die Erfolgskontrolle überfordern, wenn man von ihr eindeutige Beweise für den Erfolg der regionalpolitischen Instrumente verlangen würde.“ 24
Kombination aus fehlenden theoretischen Grundlagen sowie praktischen und politischen Fragen angeführt, vgl. etwa Voss (1974: 51). 18 Vgl. Deutscher Bundestag (1976: 8 f.). 19 Vgl. Deutscher Bundestag (1977: 11). 20 Vgl. Deutscher Bundestag (1978: 11). Die Ergebnisse der Wirkungsanalysen sollten sich gegebenenfalls auch in Anpassungen der Förderregeln der Gemeinschaftsaufgabe widerspiegeln, vgl. Deutscher Bundestag (1980: 17). 21 Die Terminologie wurde ab dem Zehnten Rahmenplan der Gemeinschaftsaufgabe leicht verändert und die administrativen Nachprüfungen durch die Verwaltungen beziehungsweise Stichproben durch die Rechnungshöfe mit „einzelbetrieblicher Erfolgskontrolle“ überschrieben, vgl. Deutscher Bundestag (1981a: 18). Seit dem Vierundzwanzigsten Rahmenplan wird dieser Bereich der Erfolgskontrolle mit dem Begriff der „Vollzugskontrolle“ gekennzeichnet, vgl. Deutscher Bundestag (1995: 18). 22 Vgl. etwa Deutscher Bundestag (1979: 16), Deutscher Bundestag (2009: 29), Schalk/Untiedt (1999: 20) und Schwab (2009: 408). 23 Deutscher Bundestag (1981a: 18). 24 Vgl. Deutscher Bundestag (1984: 15).
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Damit stimmten die politischen Entscheidungsträger der Gemeinschaftsaufgabe zu dieser Zeit selbst in den Chor derer ein, die der Erfassung und Beurteilung von Wirkungszusammenhängen zwischen der Fördermaßnahme und ihren Zielgrößen kritisch gegenüberstanden.25 Trotz der zunächst ungeklärten Fragen zu den Anforderungen an eine Erfolgskontrolle sind in der Folgezeit viele Gutachten zur Analyse der Effekte der Gemeinschaftsaufgabe vergeben worden. Dabei kamen verschiedene Arten der Erfolgskontrolle zum Einsatz, deren Eignung als Baustein einer umfassenden Evaluation der Gemeinschaftsaufgabe in diesem und dem nächsten Kapitel analysiert wird und dabei eine Darstellung bisher erprobter Ansätze und deren Ergebnisse erfolgt.
I. Administrative und deskriptive Untersuchungen Ein zentraler Unterschied zwischen der Vollzugskontrolle, Zielerreichungsund Wirkungsanalyse – und damit den drei Säulen des Evaluationssystem der Gemeinschaftsaufgabe – ist die Höhe der Messlatte hinsichtlich der Aussagekraft der Ergebnisse: Sie variiert von der bloßen Überprüfung des bestimmungsgemäßen Einsatzes der Fördermittel über die Analyse des Erreichungsgrades der Ziele bis hin zu dem Versuch der Beantwortung der Frage, ob und in welchem Ausmaß tatsächlich ein kausaler Zusammenhang zwischen den Maßnahmen der Gemeinschaftsaufgabe und der Entwicklung der Zielgrößen regionaler Wirtschaftsförderung besteht. Zu diesem Zweck stehen innerhalb der drei Arten der Erfolgskontrolle verschiedene Verfahren zur Verfügung, deren Gegenüberstellung Gegenstand des sich anschließenden Textverlaufes ist. 1. Vollzugskontrollen a) Prüfverfahren durch verschiedene Behörden des Bundes und der Länder Auch wenn den administrativen Nachprüfungen der Mittelverwendung der Gemeinschaftsaufgabe praktisch seit ihrer Einführung eine hohe Bedeutung zugesprochen wird, stellen sie keine Erfolgskontrolle im engeren Sinne dar. Vielmehr prüfen sie die Einhaltung der Förderregeln und die Ordnungsmäßigkeit der Subventionsgewährung.
25 So ist etwa auch im Achten Subventionsbericht des Bundeskabinetts von den methodischen Schwierigkeiten und datentechnischen Restriktionen der Wirkungsanalyse der Gemeinschaftsaufgabe die Rede, sodass sich „(. . .) eine praktische Anwendung formalisierter Ansätze für die Zwecke der Erfolgskontrolle (. . .) in den nächsten Jahren“ kaum erreichen ließe, vgl. Deutscher Bundestag (1981b: 45).
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Verschiedene Behörden können in den mehrstufigen Prozess einer Vollzugskontrolle eingebunden werden. So kontrolliert das Bundeswirtschaftsministerium stichprobenartig, ob die Länder bei der Bewilligung der Fördermittel die im Koordinierungsrahmen aufgeführten Regelungen über Voraussetzung, Art und Intensität der Förderung eingehalten haben. Auf Länderebene werden die Meldebogen der geförderten Betriebe von den zuständigen Verwaltungsbehörden vor allem daraufhin kontrolliert, ob die dem geförderten Investitionsvorhaben zuzuordnenden Rechnungsunterlagen korrekt, die geplanten Wirtschaftsgüter tatsächlich angeschafft und die Arbeitsplatzziele erreicht worden sind.26 Sollte diese Überprüfung, die nach Artikel 4 Verordnung (EG) Nr. 438/2001 stichprobenartige Vor-Ort-Kontrollen zur frühzeitigen Feststellung von Fehlverwendungen einschließt, zu dem Ergebnis führen, dass der Maßnahmeträger beziehungsweise Zuwendungsempfänger die Fördervoraussetzungen ganz oder teilweise nicht erfüllt hat, wird die Rückforderung dieser Mittel seitens des jeweiligen Landes eingeleitet. 27 Auch die Rechnungshöfe von Bund und Ländern sind als externe Instanzen der Gemeinschaftsaufgabe in die administrativen Prüfungen involviert. Dabei fallen die Kontrolle von Abrechnungsunterlagen der Länder, sofern diese an den Einsatz von Bundesmitteln geknüpft sind, sowie die Tätigkeit des Bundes bei der Konzeption und Umsetzung der Förderung in den Verantwortungsbereich des Bundesrechnungshofes. Die Kontrollmaßnahmen der Landesrechnungshöfe setzen an der Gewährung (Ordnungsmäßigkeit der Bewilligungsbescheide), Durchführung (Abwicklung der Förderung) und dem Abschluss (Verwendungsnachweise) der Förderprojekte an. Zudem können die Rechnungshöfe der Länder stichprobenartig Erhebungen bei den geförderten Betrieben durchführen. Die gemeinsame Basis der genannten Prüfverfahren durch verschiedene Behörden des Bundes und der Länder liegt also in dem Streben, interne Mängel im Zusammenhang mit der Vergabe von Fördermitteln zu identifizieren.28 b) Auswertungen der Förderstatistik Auswertungen der Förderstatistik der Gemeinschaftsaufgabe sind laut Koordinierungsrahmen ebenfalls dem Bereich der administrativen Nachprüfungen zuzuordnen. Wie in Abschnitt 2 erwähnt, wird diese Datenquelle vom Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) geführt und umfasst aktuell drei verschiedene Bestandteile.
26
Vgl. beispielsweise Deutscher Bundestag (2007b: 31). Die Bedingungen bezüglich der Rückzahlung der Bundesmittel und ihrer Verzinsung sind in § 11 Abs. 1–4 des Gemeinschaftsaufgabengesetzes geregelt. 28 Vgl. dazu auch Hübener/Halberstadt (1976: 70). 27
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Die im Jahre 1972 eingeführte Bewilligungsstatistik („Statistik der bewilligten Förderfälle“) fußt auf Meldungen, die dem BAFA monatlich von den Ländern zugespielt werden. Meldungen zur Bewilligungsstatistik müssen erfolgen, falls • erstmals Mittel der Gemeinschaftsaufgabe für ein Investitionsvorhaben bewilligt wurden (Erstmeldung), • sich im Laufe der Realisierung des Investitionsvorhabens bis zum Abschluss der Verwendungsnachweisprüfung Änderungen gegenüber der Erstbewilligung ergeben, soweit sich diese Änderungen auf statistisch relevante Tatbestände auswirken (Änderungsmeldung), • Fördermittel des Landes zur Verstärkung der Gemeinschaftsaufgabe nach den Regeln des Koordinierungsrahmens und zusätzlich zu den Mitteln der Gemeinschaftsaufgabe bewilligt wurden oder • ein Bewilligungsbescheid durch Widerruf beziehungsweise Rücknahme aufgehoben wurde.29 Die Bewilligungsstatistik enthält für jedes dieser Investitionsvorhaben eine Reihe von Identifikationsmerkmalen: die achtstellige BA-Betriebsnummer (Sozialversicherungsnummer der geförderten Betriebsstätte, nicht des antragstellenden Unternehmens), die Adresse des Investitionsvorhabens (Postleitzahl, Ort/ Ortsteil, Straße und Hausnummer sowie Gemeindekennziffer) und den Firmennamen des Antragstellers. Zusätzlich ist der jeweilige Wirtschaftszweig der Betriebsstätte aufgeführt, ebenso wie Soll-Daten zum Investitions- und bewilligten Subventionsvolumen sowie den Arbeitsplatzzielen (zusätzliche und gesicherte Dauerarbeitsplätze). Da die Soll-Daten der Bewilligungsstatistik zu Investitionsbeginn infolge etwaiger Planänderungen im Laufe der Umsetzung des Investitionsvorhabens von den Ist-Daten zum Investitionsende abweichen können, wurde die Förderstatistik im Jahre 1994 um die Verwendungsnachweisstatistik ergänzt. Diese Datenquelle liefert die tatsächlichen Werte zum Investitions- und Subventionsvolumen und betriebliche Angaben zu den zusätzlichen und gesicherten Dauerarbeitsplätzen nach Abschluss des Investitionsvorhabens. Im Jahre 2007 wurde die Förderstatistik um ein weiteres Element erweitert; seitdem wird die Zahl der besetzten Arbeitsplätze in den geförderten Betrieben zusätzlich fünf Jahre nach dem Investitionsende und damit nach Ablauf der Bindefrist im Zuge einer zweiten Verwendungsnachweiskontrolle erhoben.30
29
Vgl. Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA, 2007). Die Träger der Gemeinschaftsaufgabe versprechen sich von dieser Prüfung Aufschluss darüber, ob die Arbeitsplatzziele nachhaltig erreicht wurden, vgl. Deutscher Bundestag (2007b: 23 f.). 30
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Der jüngste Abgleich von Bewilligungs- und Verwendungsnachweisdaten ergab, dass die bewilligten Zuschüsse der Gemeinschaftsaufgabe im Zeitraum 1991–2007 um 7,8 Prozent unterschritten und die Zahl der zusätzlichen Arbeitsplätze um 16,3 Prozent übertroffen wurde.31 Eine reine Gegenüberstellung von Bewilligungs- und Verwendungsnachweisdaten wird dem Anspruch einer überzeugenden Erfolgsmessung des Fördermitteleinsatzes jedoch unter anderem aus nachfolgenden Gründen nicht gerecht: Inkonsistenz der Datenbasis Alle in einem bestimmten Zeitraum geförderten Betriebe werden zwar in der Bewilligungsstatistik erfasst. So summiert sich die Zahl der geförderten gewerblichen Investitionsvorhaben im Zeitraum 1998–2008 laut Bewilligungsstatistik auf 38.561 – allerdings lagen für diese bewilligten Fördervorhaben Anfang 2009 nur 28.758 Verwendungsnachweise vor.32 Ein Großteil der Differenz erklärt sich dadurch, dass zwischen der statistischen Erfassung der bewilligten Förderfälle und der Einreichung der Verwendungsnachweise die Durchführung des Investitionsvorhabens liegt. Für eine Erfolgskontrolle, die den aktuellen Rand einschließen soll, ist das Material der Verwendungsnachweisstatistik daher nur mit Einschränkungen verwendbar. Mangel an geeigneten Indikatoren In der Förderstatistik mangelt es an Indikatoren, auf deren Grundlage Aussagen bezüglich der Erreichung der Ziele der Gemeinschaftsaufgabe getroffen werden können. Von den beiden übergeordneten Zielgrößen der regionalen Wirtschaftsförderung – Beschäftigung und Einkommen – wird in der Förderstatistik lediglich die Erstgenannte, und dies auch nur für die Gruppe der subventionierten Betriebe über das Merkmal „vorhandene Dauerarbeitsplätze“ 33 abgebildet. Aufgrund dieser Einschränkung der Förderstatistik werden mithin ersatzweise die ausgereichten Subventionsmittel und das Volumen der daran geknüpften Investitionen in Relation gesetzt;34 als Erfolgsindikator dient dieser Quotient aufgrund des fehlenden direkten Bezugs zu den genannten Zielvariablen offensichtlich nicht.
31 Der Vergleich der Soll- und Ist-Daten beschränkte sich auf jene Förderfälle, für die ein Verwendungsnachweis vorlag (das traf auf 87,2 Prozent der Förderfälle zu), vgl. Deutscher Bundestag (2009: 31). 32 Vgl. Bade/Alm (2010: 5). 33 Vorhandene Dauerarbeitsplätze werden definiert als sämtliche in der geförderten Betriebsstätte vor Investitionsbeginn besetzten Arbeitsplätze, einschließlich vorhandener Telearbeitsplätze, vgl. Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA 2007). 34 Vgl. Schütte/Hillesheim (1986: 768 f.).
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Zweifelhafte Validität der Angaben zu Arbeitsplätzen/Arbeitsplatzzielen Bei den Angaben zu „zusätzlichen Dauerarbeitsplätzen“ und „gesicherten Dauerarbeitsplätzen“ handelt es sich um Planzahlen (Bewilligungsstatistik) beziehungsweise nicht überprüfte Daten (Verwendungsnachweisstatistik) aus Perspektive der geförderten Betriebe. Dabei ist nicht nur unklar, was genau unter diesen beiden Größen zu verstehen ist und wie sie sich voneinander abgrenzen lassen. Auch die Meldungen zur Zahl der Arbeitsplätze nach Ablauf der fünfjährigen Bindefrist werden bislang nicht systematisch überprüft. Ewringmann/Zabel schätzen, dass die Angaben der Förderstatistik Mitte der 1970er Jahre die tatsächlichen Werte mehrfach überzeichneten.35 Auch wenn sich die Qualität der Förderstatistik, nicht zuletzt aufgrund eines verbesserten Verfahrens zur konsequenteren Bereinigung von genehmigten, aber nicht durchgeführten Investitionsvorhaben seitdem erheblich erhöht haben dürfte, können ausschließlich auf Grundlage des empirischen Materials des BAFA keine Aussagen zur Validität dieser Planzahlen getroffen werden. Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass die Förderstatistik eine notwendige, infolge der datenbedingten Unzulänglichkeiten aber keine hinreichende Bedingung für eine Erfolgskontrolle der Gemeinschaftsaufgabe darstellt. Damit verbietet es sich, die Daten der Bewilligungs- und Verwendungsnachweisstatistik zu den Arbeitsplatzzielen als „wahre“ Werte oder gar Auswirkung der Förderung durch die Gemeinschaftsaufgabe zu interpretieren: Weder müssen die betrieblichen Arbeitsplatzangaben grundsätzlich exakt mit den tatsächlichen Werten übereinstimmen, noch sind Aussagen über die Beziehung zwischen ihrer Entwicklung und dem Einsatz von Fördermitteln ohne weitere Überlegungen haltbar. Äußerst kritisch zu hinterfragen sind daher jene Textstellen in den Rahmenplänen der Gemeinschaftsaufgabe beziehungsweise dem Koordinierungsrahmen, die beide Angaben aufeinander beziehen, ohne dabei auf die Einschränkungen der Aussagekraft zu verweisen. So heißt es im aktuellen Koordinierungsrahmen etwa: „Die zusammengefassten Ergebnisse für die bis Ende 2007 bereits im Rahmen der Verwendungsnachweiskontrolle überprüften Vorhaben der gewerblichen Wirtschaft aus den Jahren 1991 bis 2007 weisen aus, dass bei den kontrollierten Fällen (Quote: 87,2 Prozent) – mit weniger Fördermitteln als ursprünglich bewilligt – deutlich mehr Arbeitsplätze eingerichtet wurden, als dies zum Zeitpunkt der Bewilligung vorgesehen war.“ 36, 37 35
Vgl. Ewringmann/Zabel (1976: 763). Deutscher Bundestag (2009: 31). Bis zum Zweiunddreißigsten Rahmenplan wurde in diesem Zusammenhang statt dem Begriff der „eingerichteten Arbeitsplätzen“ der Ausdruck „geschaffene Arbeitsplätze“ verwendet (Deutscher Bundestag 2003: 30) und bis einschließlich dem Dreißigsten Rahmenplan sogar von einer „arbeitsplatzschaffenden Wirkung“ (Deutscher Bundestag 2001: 33) der betrieblichen Subventionen gesprochen. Zu einer ähnlichen Bewertung der Förderung durch die Gemeinschaftsaufgabe im Zeitraum 1991–2011 lässt sich die Senatsverwaltung für Wirtschaft, Technologie und 36
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Abgesehen von ihrer administrativen Prüffunktion sollten die Vollzugskontrollen daher vielmehr dazu genutzt werden, um den tatsächlichen Mitteleinsatz zu identifizieren und die Bewilligungsstatistik um stornierte Vorhaben zu bereinigen. Die Bedeutung dieser Aufbereitung der Förderstatistik ist insoweit nicht zu unterschätzen, als sie einen bedeutenden Baustein bei der Aufbereitung des empirischen Materials für Erfolgskontrollen im engeren Sinne darstellt.38 Darüber hinausgehende Analysen sollten sich aufgrund der Struktur des Datenmaterials des BAFA auf die Beurteilung der Diskrepanz zwischen dem ursprünglich geplanten und tatsächlichen realisierten Mitteleinsatz der Gemeinschaftsaufgabe beschränken. 2. Zielerreichungsanalysen a) Explizite Zielerreichungsanalyse Explizite Zielerreichungsanalysen sollen Aufschluss über den Erreichungsgrad der Ziele einer Fördermaßnahme geben. Gemäß den Allgemeinen Verwaltungsvorschriften zur Bundeshaushaltsordnung (VV-BHO) besteht ein weiteres Anwendungsziel dieser Art der Erfolgskontrolle darin, die Ziele der Maßnahme hinsichtlich ihrer gegenwärtigen Relevanz zu überprüfen: „Sie bildet gleichzeitig den Ausgangspunkt von Überlegungen, ob die vorgegebenen Ziele nach wie vor Bestand haben.“ 39
Eine zentrale Voraussetzung für die Durchführung von Zielerreichungsanalysen ist die vorherige sowie hinreichend präzise Konkretisierung und Operationalisierung der Ziele, die durch den Einsatz der Fördermittel erreicht werden sollen. Damit ist zunächst die Frage zu klären, welche Ziele die Gemeinschaftsaufgabe überhaupt verfolgt. Wie in Teil A., Kapitel II. dargestellt, wurde den Zielkategorien Distribution, Allokation und Stabilität von der regionalökonomiFrauen Berlin (2011: 11) verleiten: „Durch die Investitionszuschüsse der GRW [Gemeinschaftsaufgabe, Anm. des Verfassers] für Vorhaben der gewerblichen Wirtschaft wurden in diesen zwanzig Jahren insgesamt über 185.000 Arbeitsplätze gesichert beziehungsweise neu geschaffen, davon über 52.000 zusätzliche Arbeitsplätze und über 133.500 gesicherte Arbeitsplätze. Von den 52.000 zusätzlichen Arbeitsplätzen sind 33.100 Arbeitsplätze für Männer, 16.500 Arbeitsplätze für Frauen und 2.400 für Auszubildende.“ 37 In einer hausinternen Ausarbeitung zur Evaluationspraxis im Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit (2004: 49) konstatieren die Verfasser dagegen: „Erfolgskontrolle geht über die Verwendungsnachweiskontrolle des Zuwendungsrechts weit hinaus. Viel Wissen über Kosten und Nutzen des zu untersuchenden Programms beziehungsweise der zu untersuchenden Institution ist jeweils schon im Fachreferat beziehungsweise im Haus vorhanden, aber eine Evaluation durch die verantwortliche Administration selbst kann interessengeleitet sein oder auf Hindernisse stoßen.“ 38 Vgl. auch Holtzmann (1997: 158). 39 Vgl. § 7 Abs. 2.2 Allgemeine Verwaltungsvorschriften zur Bundeshaushaltsordnung (VV-BHO).
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schen Literatur in der Vergangenheit immer wieder eine hohe Bedeutung im Zusammenhang mit der Gemeinschaftsaufgabe konzediert.40 Eine erste notwendige Bedingung für die Nutzung dieser Zielsystematik im Rahmen einer expliziten Zielerreichungsanalyse besteht darin, dass sich die konkreten Zielaussagen des Koordinierungsrahmens beziehungsweise vormals der Rahmenpläne eindeutig diesen drei Kategorien zuordnen lassen. Allerdings sind die entsprechenden Zielvorstellungen infolge ihres hohen Aggregationsgrades zu vage und allgemein gefasst, um sie einer Untersuchung hinsichtlich ihres Erreichungsgrades unterziehen zu können.41 Die nachstehenden Formulierungen aus dem Koordinierungsrahmen sollen die unzureichende Klarheit in der Definition und insbesondere die fehlende Operationalisierung der Zielsetzungen, die damit weithin einer subjektiven Auslegung bedürfen, exemplarisch verdeutlichen. Distributionspolitische Motivation „Primäre Zielsetzung der Regionalpolitik im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe ist es, dass strukturschwache Regionen durch Ausgleich ihrer Standortnachteile Anschluss an die allgemeine Wirtschaftsentwicklung halten können und regionale Entwicklungsunterschiede abgebaut werden.“ 42
Allokationspolitische Motivation „Darüber hinaus ergänzt und unterstützt die Regionalpolitik die global ausgerichtete Wachstums- und Beschäftigungspolitik. Sie trägt insbesondere dazu bei, in den strukturschwachen Regionen das gesamtwirtschaftliche Wachstum zu stärken, durch Schaffung von dauerhaft wettbewerbsfähigen Arbeitsplätzen den wachstumsnotwendigen Strukturwandel zu erleichtern und die regionalen Arbeitsmärkte zu entlasten.“ 43
Stabilitätspolitische Motivation „Durch Schaffung von Ersatzarbeitsplätzen außerhalb der Krisenbranchen und Verbesserung der regionalen Infrastrukturausstattung können der notwendige Strukturwandel erleichtert und strukturkonservierende Erhaltungsmaßnahmen für bedrohte Wirtschaftszweige vermieden werden.“ 44
Bei der Betrachtung dieser Formulierungen wird deutlich, dass lediglich die Richtung der gewünschten Veränderung (zum Beispiel Schaffung dauerhaft wett40
Siehe Teil A., Fußnote 140. Dieses Phänomen beschränkt sich jedoch nicht auf den Bereich der regionalen Wirtschaftsförderung. Wollmann/Hellstern (1978: 12) betonen, dass speziell „(. . .) im Bereich politischer, zumal sozialpolitischer Aktionsprogramme die Ziele überwiegend vage, vieldimensional, ambivalent, wenn nicht unter sich konfligierend formuliert“ sind. 42 Vgl. Deutscher Bundestag (2009: 7). 43 Vgl. Deutscher Bundestag (2009: 7). 44 Vgl. ebd. 41
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bewerbsfähiger Arbeitsplätze) angegeben wird. Ungeklärt bleibt dagegen, mit welchen Indikatoren diese Veränderung konkret gemessen werden könnte; im Beispiel etwa die Zahl der Beschäftigten. Ebenfalls unerwähnt bleiben die erwartete Stärke der Veränderung (etwa der Anstieg der Beschäftigung um mindestens x Prozent) oder auch das geplante Zeitfenster (innerhalb der nächsten t Jahre). Der Koordinierungsrahmen ist damit, ebenso wie die Rahmenpläne zuvor, von leerformelhaften Zielformulierungen durchsetzt, die außerdem nur vereinzelt aufeinander bezogen werden.45 Im Hinblick auf ihre Anwendbarkeit und Aussagekraft sind den expliziten Zielerreichungsanalysen der Gemeinschaftsaufgabe enge Grenzen gesetzt: Zum einen sind sie streng genommen überhaupt nur dann methodisch umsetzbar, wenn es gelingt, die unpräzise Konkretisierung und fehlende Operationalisierung der Ziele des Koordinierungsrahmens in adäquate und messbare Indikatoren zu übersetzen und bezüglich der gewünschten Stärke und des geplanten Zeitfensters ihrer Realisierung zumindest angemessene Annahmen treffen zu können. Des Weiteren geht eine isolierte Vorgehensweise, die beispielsweise ausschließlich auf den distributionspolititischen Zielbereich abstellt, mit der Schwierigkeit einher, die Implikationen der Beziehungen der drei Zielbereiche regionaler Wirtschaftsförderung46 untereinander adäquat zu berücksichtigen. Ein weiterer zentraler Kritikpunkt an expliziten Zielerreichungsanalysen ist, dass auf ihrer Grundlage zwar der Veränderungsgrad maßgeblicher Zielgrößen erfasst, jedoch keine Antwort auf die Frage, ob und inwiefern die beobachtete Entwicklung in einem kausalen Zusammenhang mit der Förderung steht, gegeben werden kann. Anders ausgedrückt quantifiziert diese Art der Erfolgskontrolle zwar den Brutto-Effekt einer Maßnahme, klärt aber nicht die Frage, welche Veränderung auch ohne den Fördermitteleinsatz eingetreten wäre (Netto-Effekt). So bilanzieren Koller/Schwengler/Zarth mit Blick auf eine explizite Zielerreichungsanalyse der Gemeinschaftsaufgabe des Institutes für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit (IAB) sowie des Bundesamtes für Bauwesen und Raumforschung (BBR): „Dennoch sind gewisse Einschränkungen hinsichtlich der Aussagekraft der Ergebnisse vonnöten. Sie ermöglichen keine Aussagen über die kausale Beziehung zwischen der Förderung und der regionalen Entwicklung“.47
Bisherige explizite Zielerreichungsanalysen der Gemeinschaftsaufgabe haben das Problem des breiten Kranzes an Zielvorstellungen in den Rahmenplänen sowie die möglichen Zielbeziehungen insofern nur ausschnittsweise berücksichtigt, 45 Unpräzise Zielvorgaben sind allerdings kein Alleinstellungsmerkmal der Gemeinschaftsaufgabe. Laut Wulf (1976: 188) lassen sich in politischen Prozessen üblicherweise nur „(. . .) schwächere Zielformulierungen erreichen“. 46 Vgl. Teil A., Kapitel II.4. 47 Koller/Schwengler/Zarth (2001: 73).
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als sie sich auf eine reine Nachzeichnung der Entwicklung bestimmter Indikatoren, wie das Beschäftigungsvolumen, die Arbeitslosenquote, die Bruttolohn- und Gehaltssumme oder die Arbeitsproduktivität beschränkten. Die Ergebnisse bisheriger expliziter Zielerreichungsanalysen zeigen keine eindeutige Tendenz; einige Studien indizieren eine überdurchschnittliche Beschäftigungs- und/oder Einkommensentwicklung in den Fördergebieten,48 andere Untersuchungen kommen zu gegensätzlichen Resultaten.49 b) Neuabgrenzung der Fördergebiete Ebenfalls zur Kategorie der Zielerreichungsanalysen der Gemeinschaftsaufgabe zählen die fortlaufenden Neuabgrenzungen der Fördergebiete,50 die für die Förderperiode 2007–2013 erstmals mit einer einheitlichen Systematik für alle westdeutschen und ostdeutschen Arbeitsmarktregionen durchgeführt wurde.51 Das Abgrenzungsverfahren beruhte zuletzt52 auf den nachfolgenden vier Indikatoren: • Durchschnittliche Arbeitslosenquote über die Jahre 2002–200553 (Gewicht: 50 Prozent), • Bruttojahreslohn je sozialversicherungspflichtig Beschäftigtem in 2003 (40 Prozent), • Erwerbstätigenprognose 2004–201154 (5 Prozent), • Infrastrukturindikator des BBR55 (5 Prozent). 48 Vgl. insbesondere Gräber et al. (1987), Koller (1990) und Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (2004). 49 Für eine Übersicht über verschiedene explizite Zielerreichungsanalysen siehe Lammers/Niebuhr (2002: 27 ff.). 50 Eine Beschreibung der Systematik vorheriger Fördergebietsabgrenzungen findet sich bei Karl/Krämer-Eis (1997: 23 ff.) und Eckey/Stock (2001: 12 ff.). 51 Vgl. Schwengler (2006b: 533). 52 Auch für die Neuabgrenzung der Förderperiode 2014–2020 wird auf diese vier Teilindikatoren zurückgegriffen, wobei zum Zeitpunkt der Erstellung dieser Arbeit im Unterausschuss der Gemeinschaftsaufgabe eine geringfügig höhere Gewichtung von Erwerbstätigen- und Infrastrukturindikator diskutiert wurde. 53 Dieser Indikator bildet die regionale Arbeitsmarktlage vergleichsweise gut ab, weil er die Zahl der Erwerbspersonen über einen vierjährigen Zeitraum ins Verhältnis zur Zahl der registrierten Arbeitslosen setzt, vgl. auch Schwengler et al. (2011: 10). 54 Datengrundlage zur Ermittlung der Erwerbstätigenentwicklung in den Arbeitsmarktregionen ist die Beschäftigungsstatistik der BA, vgl. Bade (2008) und für eine Übersicht über frühere Ansätze Bade et al. (1991). 55 Der Infrastrukturindikator für die Abgrenzung der aktuellen Förderperiode wurde auf Grundlage eines Sets von Teilindikatoren in den Bereichen sachkapitalorientierte, humankapitalorientierte und haushaltsorientierte Infrastruktur berechnet (vgl. Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung 2006: 8) und im Vorfeld der Neuabgrenzung der nächsten Förderperiode 2014–2020 konzeptionell überarbeitet und aktualisiert, vgl. Bundesinstitut für Bau-, Stadt und Raumforschung (2010: 2). Dieser Teilindikator wurde
I. Administrative und deskriptive Untersuchungen
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In Analogie zu der Absicht der Gemeinschaftsaufgabe, die Beschäftigungsund Einkommenssituation in den strukturschwachen Regionen zu verbessern, wird den beiden erstgenannten Indikatoren zum Arbeitsplatzdefizit und der Einkommenssituation bei der Berechnung des Gesamtindikators zur Abgrenzung des Regionalfördergebietes in Form ihrer hohen Gewichtung auch eine besonders große Bedeutung zugesprochen. Zur Anwendung kommt dabei seit 1987 ein multiplikativer Ansatz, wobei die Werte der Teilindikatoren in einem vorherigen Schritt standardisiert werden, um der unterschiedlichen Größenordnung der Variablen gerecht zu werden. Der Verzicht auf die Verwendung von binären Teilindikatoren auf Grundlage von Schwellenwerten gewährleistet, dass eine Region beispielsweise einen unterdurchschnittlichen Wert bei der Erwerbstätigenprognose durch einen hohen Wert für den gemittelten Bruttojahreslohn je sozialversicherungspflichtig Beschäftigten ausgleichen kann.56 Die Grundidee der Abgrenzung der Regionalfördergebiete der Gemeinschaftsaufgabe besteht darin, dass der Gesamtindikator einen adäquaten Proxy für die relative Förderungswürdigkeit der Arbeitsmarktregionen darstellt. Zur Bestimmung des Aktionsraums der Gemeinschaftsaufgabe werden die Arbeitsmarktregionen zunächst in Abhängigkeit ihres Gesamtindikatorwertes sortiert. Die konkrete Auswahl der Förderregionen erfolgt dann auf Grundlage dieser Rangliste, wobei für die beihilferechtlich abgesicherten Gebiete der vorgegebene Bevölkerungsplafond der Europäischen Kommission zu beachten ist. Die Neuabgrenzungen der Fördergebiete waren nach Auffassung des für die Gemeinschaftsaufgabe zuständigen Gremiums lange ein fester Bestandteil der Zielerreichungsanalyse und damit eine Art der Erfolgskontrolle.57 Diese Auffassung wurde damit begründet, dass sie einen Vergleich der Ranglistenplätze von geförderten und nicht-geförderten Regionen in mehrjährigen Abständen ermögli-
aufgrund der Vielzahl der verwendeten Teilindikatoren und seiner Korrelation mit dem Einkommen immer wieder kritisiert, vgl. dazu etwa Zarth/Crome (1999: 619). 56 Vgl. dazu auch Blien/Koller/Schiebel (1991: 10). An dieser Art der Verknüpfung lässt sich kritisieren, dass das Problem negativer Teilindikatoren durch die Addition eines konstanten Faktors (100) zu lösen versucht wird. Allerdings stellt diese Rechenoperation eine unzulässige Transformation für die drei verhältnisskalierten Teilindikatoren (durchschnittliche Arbeitslosenquote, Bruttojahreslohn, Erwerbstätigenprognose) dar, weil bei dieser Skalierungsart die Abstände zwischen den entsprechenden Werten als Unterschiedsmaß interpretierbar sind und darüber hinaus ein natürlich Nullpunkt zur Berechnung von Relationen vorliegt. Siehe dazu auch Eckey/Kosfeld/Türck (2007: 5 f.). Im Rahmen der Regionsabgrenzungen für die Förderzeiträume 1975–1980, 1981–1985 und 1986–1990 bestand dieses Problem aufgrund der Verwendung einer additiven Verknüpfung nicht, vgl. Schwengler/Binder (2006: 295). 57 Vgl. Lammers/Niebuhr (2002: 25). Mit der ersten Version des Koordinierungsrahmens (Deutscher Bundestag 2009) wird die Neuabgrenzung – im Gegensatz zu den vorherigen Rahmenplänen – nicht mehr explizit unter den verschiedenen Arten der Erfolgskontrolle aufgeführt.
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B. Arten der Erfolgskontrolle für eine Evaluation
chen.58 Als „erfolgreich“ (hier im Sinne von effektiv) bezeichnet werden könnte der Mitteleinsatz der Gemeinschaftsaufgabe danach etwa, wenn die geförderten Arbeitsmarktregionen im Zeitablauf eine Verbesserung ihrer Position im Ranking des Gesamtindikators im Vergleich zu den Arbeitsmarktregionen des Nicht-Fördergebietes erzielen und (zumindest teilweise) sogar aus der Fördergebietskulisse herausfallen. Allerdings ist die Aussagekraft des Rankings der Arbeitsmarktregionen aus drei Gründen als kritisch einzustufen. Erstens sind die Gesamtindikatorwerte von verschiedenen Fördergebietsabgrenzungen für ein und dieselbe Arbeitsmarktregion aufgrund von zwischenzeitlichen Gebietsstandsänderungen infolge kommunaler Neugliederungen (zum Beispiel Eingemeindung) in mehreren Fällen nicht ohne weiteres miteinander vergleichbar. Zweitens hat sich sowohl die Anzahl und Art der Teilindikatoren, als auch deren Gewichtung und Verknüpfungssystematik im Zeitablauf verändert, wodurch die Vergleichbarkeit der Ergebnisse verschiedener Abgrenzungen erheblich eingeschränkt wird. Eine dritte Unzulänglichkeit liegt darin, dass der Fördergebietsplafond im Zuge der letzten Neuabgrenzungen jeweils verringert wurde. Das Ausscheiden einzelner Arbeitsmarktregionen aus der beihilferechtlich abgesicherten Fördergebietskulisse wurde in der Vergangenheit damit etwa nicht zwangsläufig durch ein Überwinden ihrer Strukturschwäche erreicht, sondern war vielmehr den sich verändernden Vorgaben des maximalen Bevölkerungsanteils in Fördergebieten geschuldet. Folglich ist die Interpretation der Ergebnisse der Neuabgrenzungen aus verschiedenen Gründen kompliziert, sodass dieses Verfahren eher eine Möglichkeit der deskriptiven Erfassung der regionalen Förderungswürdigkeit auf Grundlage ausgewählter Indikatoren und weniger eine Zielerreichungsanalyse im engeren Sinne darstellt.
II. Wirkungsanalyse Die hohe Bedeutung von Wirkungsanalysen im Evaluationssystem der Gemeinschaftsaufgabe resultiert maßgeblich aus den engen Grenzen der beiden vorstehend dargestellten Verfahren der Erfolgskontrolle: Administrative Prüfungen von Bund, Ländern und Rechnungshöfen beziehungsweise deskriptive Auswertungen der verschiedenen Elemente der Förderstatistik innerhalb einer Vollzugskontrolle beschränken sich darauf, „(. . .) vergangenheitsorientiert die Durchführungsinstanzen auf normkonformes Handeln hin zu prüfen sowie bei Planabweichungen eventuell zur Rechenschaft zu ziehen“ 59 und ermöglichen damit keine Messung des Erfolges der Gemeinschaftsaufgabe (siehe Kapitel I.1.). Im Zuge von expliziten Zielerreichungsanalysen und den Neuabgrenzungen der Fördergebiete (siehe Kapitel I.2.) kann zwar kontrolliert werden, ob und inwiefern sich 58 59
Vgl. beispielsweise Deutscher Bundestag (2007b: 35). Vgl. Mäding (1986: 749).
II. Wirkungsanalyse
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die Zielgrößen regionaler Wirtschaftsförderung im Zeitablauf verändert haben. Jedoch ist auch dann noch ungewiss, zu welchem Teil diese beobachtbare Entwicklung kausal auf die Intervention zurückgeführt werden kann. So ist beispielsweise denkbar, dass die Ausreichung von Fördermitteln der Gemeinschaftsaufgabe die Wahrscheinlichkeit für eine günstige Entwicklung der Zielgrößen auf betrieblicher und/oder regionaler/gesamtwirtschaftlicher Ebene zwar erhöht, sie aber nicht notwendigerweise auch hervorgerufen hat. Ein Grund dafür könnte etwa darin liegen, dass die beobachtete Entwicklung der Zielgrößen auf andere Einflussfaktoren zurückzuführen ist, die selbst nicht im Zusammenhang mit dem Vorgang der Förderung stehen. In einem letzten logischen Schritt einer Evaluation der gewerblichen Subventionen durch die Gemeinschaftsaufgabe sollte demnach analysiert werden, in welchem Maße die beobachtete Entwicklung der interessierenden Ergebnisvariablen (abhängige Variable(n)) tatsächlich ein Effekt der Förderung (unabhängige Variable) gewesen sein könnte. Forschungsmethodisch ist damit nicht die reine Veränderung der Zielgrößen von Interesse, sondern ausschließlich jener Teil ihrer Veränderung, der realiter der gewerblichen Investitionsförderung zugerechnet werden kann. Im Gegensatz zu den expliziten Zielerreichungsanalysen setzen Wirkungsanalysen allgemein eine präzise Kenntnis der Maßnahmeziele nicht voraus, weil sie die Entwicklung der Zielgröße(n) nicht auf bestimmte Zielvorgaben, sondern auf den Aspekt der Förderung beziehen. Dabei können zwei grundsätzliche Arten unterschieden werden. Die makroökonometrische Wirkungsanalyse untersucht die regionalen/gesamtwirtschaftlichen Effekte der Fördermaßnahme. Ganz anders dagegen der Ansatz der mikroökonometrischen Verfahren, die die Wirkungen auf einzelbetrieblicher Ebene zu bestimmen versucht. Beide Strategien zur Analyse der Effekte betrieblicher Investitionsförderung der Gemeinschaftsaufgabe werden in Teil C., im Anschluss an grundlegende Ausführungen zur Methodik der Wirkungsanalyse, dargestellt.
C. Verfahren zur Analyse der Wirksamkeit von Subventionen durch die regionale Wirtschaftsförderung Ein wesentliches Kennzeichen wissenschaftlicher Forschung besteht in der Formulierung und Bewertung theoretischer Überlegungen bezüglich der Ursache(n) beobachtbarer Prozesse.1 Planck geht noch einen Schritt weiter und sieht nicht nur eine Kongruenz von kausalem und wissenschaftlichem Denken, sondern in der Erforschung kausaler Effekte auch das Oberziel wissenschaftlicher Untersuchungen: „(. . .) das wissenschaftliche Denken verlangt nun einmal nach Kausalität, insofern ist wissenschaftliches Denken gleichbedeutend mit kausalem Denken, und das letzte Ziel einer jeden Wissenschaft besteht in der vollständigen Durchführung der kausalen Betrachtungsweise.“ 2 Zu einer ähnlichen Einschätzung gelangt auch Heckman, der die große Bedeutung der Konstruktion von Modellen zur Messung verursachender Effekte betont: „Science is all about constructing models of the causes of effects“.3
Von dem hohen Interesse der politischen Entscheidungsträger und Rechnungshöfe an den kausalen Wirkungen der gewerblichen Investitionsförderung der Gemeinschaftsaufgabe wurde bereits zu Beginn dieser Arbeit berichtet. Als deutliches Zeichen für die mindestens ebenso stark ausgeprägte wissenschaftliche Motivation zur Abschätzung dieser Effekte dient die Vielzahl der bisher zu diesem Thema veröffentlichten Studien, deren Ansatz, Ergebnisse und Grenzen in diesem Teil der Arbeit vorgestellt werden. Ein grundlegendes Problem aller diesbezüglichen Messversuche liegt dabei darin, dass die Entwicklung der Zielgrößen regionaler Wirtschaftsförderung nicht nur von der staatlichen Intervention abhängt, sondern auch von einer Vielzahl weiterer Faktoren beeinflusst wird. Daraus folgt unmittelbar, dass ein direkter Rückschluss von dem Vorgang der Förderung der betrieblichen Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit sowie, in einem weiteren Schritt, auf die Entwicklung der Zielgrößen auf Fördergebiets- oder gesamtwirtschaftlicher Ebene streng genommen die Kenntnis aller Beziehungen zwischen den einzelnen Zielvariablen auf regionaler Ebene und ihren Einflussgrößen voraussetzt.
1 2 3
Vgl. dazu auch Morton/Williams (2010: 57). Planck (1934: 3). Heckman (2005: 2).
C. Verfahren zur Analyse der Wirksamkeit von Subventionen
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Doch schon der Versuch, kausale Aussagen zum einzelwirtschaftlichen Erfolg der Subventionsempfänger zu treffen,4 scheint auf den ersten Blick aussichtslos: Zwar steht außer Frage, dass bereits verschiedene Veröffentlichungen das Ziel verfolgten, Erfolgsfaktoren von Unternehmen zu identifizieren.5 Im Zuge einer kritischen Würdigung dieser Arbeiten wurde mithin daran erinnert, dass ein entsprechendes Forschungsinteresse – in erster Linie infolge methodischer Defizite, der Betrachtung von unwirksamen beziehungsweise vergangenheitsbezogenen Erfolgsfaktoren sowie zweifelhafter Annahmen über kausale Beziehungen – bislang nicht als besonders vielversprechend bezeichnet werden könne.6 Dass eine – wie auch immer definierte – günstige Entwicklung der subventionierten Betriebe als Zwischenziel der Gemeinschaftsaufgabe zwar eine notwendige, aber nicht notwendigerweise auch hinreichende Bedingung für den (Miss-)Erfolg der Maßnahme auf Fördergebietsebene darstellt, gestaltet die Aufgabe der Wirkungsanalyse noch komplizierter. Schließlich soll sie nicht den Effekt eines Konglomerats von Ursachen auf die Zielgrößen der Gemeinschaftsaufgabe isolieren, sondern ausschließlich die Wirkung, die auf die gewerbliche Investitionsförderung zurückzuführen ist. Zusätzlich korrespondiert die Aussagekraft der Ergebnisse von Wirkungsanalysen sehr eng mit der Verlässlichkeit der gewählten Datengrundlage und Methodik. Konkret bedeutet dies, dass die Güte der empirischen Resultate über die Möglichkeit zur Formulierung und Adäquanz von Aussagen hinsichtlich der Beibehaltung, Modifikation oder Beendigung der zu evaluierenden Maßnahmen entscheidet. Im ungünstigsten Fall ermöglichen Wirkungsanalysen keine gerechtfertigten Aussagen über die kausale Beziehung zwischen der Intervention und ihren Folgen, sondern führen aufgrund einer falschen Attribution von Effekten auf die vermeintliche Ursache (Fördermitteleinsatz) vielmehr zu Irritationen auf Seiten der relevanten politischen Akteure. Wissenschaftliche Bemühungen, die Frage nach der kausalen Beziehung zwischen der gewerblichen Investitionsförderung und den Zielgrößen der Gemeinschaftsaufgabe auf Grundlage von quantitativen Verfahren zu beantworten, haben eine lange Tradition: Seit dem Ende der 1970er Jahre sind dazu eine Reihe von empirischen Arbeiten veröffentlicht worden. Die einzelnen Arbeiten unterscheiden sich hinsichtlich ihres Erkenntnisanspruchs und methodischen Ansatzes sowie ihrer Datengrundlage zum Teil erheblich voneinander, sodass bislang nicht von einer einheitlichen Systematik gesprochen werden kann. Abbildung 6 zeigt
4 Vgl. die Ausführungen von Fritz (2004: 623 ff.), Bauer/Sauer (2004: 631 f.) und Albers/Hildebrandt (2006: 4 ff.) zu der Notwendigkeit, sich wissenschaftlich mit den Einflussgrößen des (Miss-)Erfolgs von Unternehmen zu beschäftigen. 5 Vgl. Kreikebaum/Grimm (1983), Reutner (1987), Krüger/Schwarz (1990) und Daschmann (1994). 6 Vgl. dazu auch Nicolai/Kieser (2002: 581 ff.).
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C. Verfahren zur Analyse der Wirksamkeit von Subventionen Lineare Mehrfachregression/ RDD
Experimentelle Methoden
Instrum.variablenschätzer
Mikroökonometrisch Selektionsmodelle
Nichtexperimentelle Methoden Zwei Ebenen der Wirkungsanalyse
VorherNachherSchätzer
Fördereffekt
Diff.der DiffSchätzer
Makroökonometrisch Matching
Strukturelle Makro-Modelle
Partialanalytische Modelle
Eingleichungsmodelle
Mehrgleichungsmodelle
Quelle: Eigene Darstellung.
Abbildung 6: Quantitative Methoden zur Analyse der Wirkung der gewerblichen Investitionsförderung
jene Analysemethoden, die sich für eine Wirkungsanalyse der gewerblichen Investitionsförderung eignen und nachfolgend, im Anschluss an einen kurzen Abriss zu den ersten wissenschaftlichen Ansätzen zur Berechnung kausaler Effekte, gegenübergestellt werden. Die Verbindungslinie zwischen den nicht-experimentellen Methoden und der makroökonometrischen Ebene signalisiert, dass die entsprechenden Verfahren (vor allem Matching, Instrumentalvariablen-Schätzer, Regression Discontinuity Design (RDD)) unter bestimmten Voraussetzungen auch zur Analyse der Wirkung von Subventionen an die gewerbliche Wirtschaft auf Regions- oder gesamtwirtschaftlicher Ebene eingesetzt werden können. Da sich diese Verfahren jedoch, nicht zuletzt aus datentechnischen Gründen, eher für eine Untersuchung der Effekte auf Betriebsebene eignen, erfolgt im weiteren Textverlauf eine klare Trennung zwischen beiden Analyseebenen.
I. Fundament wissenschaftlicher Arbeiten
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I. Fundament wissenschaftlicher Arbeiten im Bereich der Wirkungsanalyse Grundlegende Ausführungen zum Konzept der Kausalität finden sich schon zur Mitte des 18. Jahrhunderts bei David Hume7: „Similar objects are always conjoined with similar. Of this we have experience. Suitably to this experience, therefore, we may define a cause to be an object, followed by another, and where all the objects similar to the first are followed by objects similar to the second. Or in other words where, if the first object had not been, the second never had existed.“ 8
Danach setzt eine kausale Verknüpfung zweier Ereignisse A und B voraus, dass: • zwischen A und B ein Zusammenhang besteht, • beide Ereignisse in zeitlicher Abfolge auftreten und • B auf A folgt, wenn sich A vor B ereignet beziehungsweise vice versa. Im Gegensatz zu dem ersten Aufzählungspunkt schließen die beiden nachfolgenden Aspekte ein bidirektionales und symmetrisches Verhältnis von A und B aus.9 Dieses Verständnis hinsichtlich der Abfolge bestimmter, unidirektional miteinander in Beziehung stehender Ereignisse wurde zunächst insbesondere im Bereich der medizinischen Forschung genutzt, um die Auswirkungen bestimmter Heilverfahren zu detektieren. So wollte James Lind mit seiner im Jahre 1753 veröffentlichten Studie den Beweis dafür antreten, dass der Skorbut durch die Einnahme von Säuren verhindert werden könne.10 Dafür teilte er zwölf unter dieser Vitaminmangelerscheinung leidende Matrosen in sechs Gruppen ein, die er jeweils einer spezifischen Behandlung unterzog und anschließend den individuellen Krankheitsverlauf dokumentierte.11 Dieser Ansatz stellte einen Meilenstein in der wissenschaftlichen Analyse kausaler Effekte dar, weil er erstmals auf dem systematischen Einsatz einer Kontrollgruppe gründete.
7 Auch wenn das Verhältnis zwischen Ursache und Wirkung seit Aristoteles viele Philosophen und Wissenschaftstheoretiker beschäftigt hat, werden die Überlegungen von Hume weithin als Beginn des modernen Verständnisses im Bereich des kausalen Schließens angesehen, vgl. Winship/Sobel (2004: 483). Vor Hume beschäftigte sich Bacon (1620) mit der Methode der Beobachtung und Induktion. 8 Vgl. Hume (1748: sec. VII.). Nach Ansicht von Mackie (1974: 3) gelang Hume mit seinen Ausführungen ein äußerst bedeutender Beitrag zur Theorie der Kausalität: „(. . .) the most significant and influential single contribution to the theory of causation.“ 9 Genau in dieser Diskrepanz liegt der maßgebliche Unterschied zwischen Korrelation und Kausalität, vgl. auch Schulze (2004: 2). 10 Vgl. Lind (1753: 149 ff.). 11 Alle zwölf Matrosen erhielten dieselbe Diät. In fünf der sechs Subgruppen verabreichte Lind zusätzlich unterschiedliche Nahrungsergänzung, vgl. Lorenz (1954: 665).
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C. Verfahren zur Analyse der Wirksamkeit von Subventionen
Um eine möglichst unverzerrte Vergleichssituation zu erzeugen, achtete Lind bei der Auswahl der Untersuchungsteilnehmer nach eigenen Worten dabei vor allem auf die Ähnlichkeit der Personen: „Their cases were as similar as I could have them“.12
Mit dieser Vorgehensweise setzte er eine Entwicklung in Gang, die in der Folgezeit in vielen weiteren klinischen Studien Verbreitung fand13 und bis heute in Arbeiten zum Stand der medizinischen Forschung gewürdigt wird.14 Der Methode, mit der die medizinische Forschung mittlerweile seit über zwei Jahrhunderten die kausalen Auswirkungen einer Behandlungsform zu isolieren versucht, liegt also der Versuch der Konstruktion einer Art „hypothetischen Welt“ zugrunde. An diese wird die Erwartung geknüpft, dass sie eine nicht-beobachtbare (kontrafaktische) Situation erzeugen kann, die die Nutzung von Informationen adäquater, nicht mit der jeweiligen Maßnahme behandelter Individuen als Kontrollbeobachtungen zulässt und sich damit als Proxy für die Entwicklung der Zielgröße(n) in der Untersuchungsgruppe im Falle der Nicht-Behandlung nutzen lässt.15 Dieser Ansatz wurde auch von John Stuart Mill propagiert, nach dessen Vorstellung die kausale Abhängigkeit zwischen einer verursachenden und einer zeitlich nachfolgenden Variable überprüft werden könne, wenn sich alle sonstigen Störgrößen konstant halten ließen.16 12 Vgl. Lind (1753: 191–193). Frühere klinische Studien verstießen mitunter gegen ethische Grundsätze und ließen eine konsistente Systematik vermissen. Nur ein Beispiel dafür ist nach historischen Überlieferungen die von Kaiser Friedrich II in Auftrag gegebene Studie zur menschlichen Verdauung, bei der zwei Ritter die gleiche Mahlzeit einnehmen und sich anschließend einer unterschiedlichen Behandlung (Ruhe versus Bewegung) unterziehen mussten. Mit dem Ziel, den Effekt körperlicher Bewegung auf den Verdauungsprozess festzustellen, wurden im Anschluss beide Ritter getötet, vgl. Broneske (2006: 12). Mehr Anerkennung fand das Vorgehen des französischen Militärchirurgs Paré (1575), der zur Behandlung von Schussverletzungen verschiedene Methoden erprobte und deren Auswirkung im Hinblick auf die Überlebenschancen der verwundeten Patienten verglich. 13 An dieser Stelle seien exemplarisch die Untersuchungen des französischen Arztes Louis (1835) zur Auswirkung der Aderlasstherapie und seines Landsmannes und Naturwissenschaftlers Pasteur aus dem Jahre 1881 genannt. Im Mittelpunkt der erstgenannten Studie stand die Beobachtung des Krankheitsverlaufs von 78 an einer Lungenentzündung erkrankten Personen, die durchweg einem Aderlass, allerdings in einem unterschiedlichen Stadium der Krankheit, unterzogen wurden. Pasteur impfte, geleitet von dem Versuch des Nachweises der Wirksamkeit von eines Immunisierungsverfahrens gegen Milzbrand, 25 Schafe mit Kulturen von Anthraxbazillen und verabreichte diesen zwei Wochen später, ebenso wie einer Kontrollgruppe von 25 zuvor nicht vakzinierten Schafen, eine höhere Dosis der Anthraxbazillen, vgl. Drews (2010: 75). 14 In einigen Veröffentlichungen wird die Untersuchung von Lind als „die erste Placebo kontrollierte randomisierte Studie“ bezeichnet, vgl. Höchtl (2008: 19). 15 Die Kontrollgruppe kann dabei, wie etwa im Falle des genannten Experiments von Lind, auch Elemente enthalten, die ebenfalls – wenn auch anders als die Untersuchungsgruppe – behandelt wurden. 16 Vgl. Mill (1843 und 1865).
II. Makroökonometrische Wirkungsanalyse
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Bezogen auf die in dieser Arbeit angestrebte Wirkungsanalyse der gewerblichen Investitionsförderung der Gemeinschaftsaufgabe wäre es nach dem kausalen Verständnis von Mill voreilig, die Beantwortung der Frage „Was wäre geschehen, wenn die Intervention nicht durchgeführt worden wäre?“ durch einen bloßen Vergleich von subventionierten und nicht-geförderten Betrieben abzuleiten. Eine Interpretation der Gesamtheit der nicht-geförderten Betriebe als adäquate Kontrollgruppe würde voraussetzen, dass die staatlichen Beihilfen durch die Gemeinschaftsaufgabe (Ursache) auch eine bestimmte Entwicklung der Zielgrößen hervorrufen (Auswirkung), die sich relativ zur Kontrollgruppe nicht auf andere Einflussfaktoren zurückführen lassen. Anders formuliert ist ein kausaler Schluss bezüglich der Maßnahmewirkung ausschließlich möglich, sofern die jeweilige Entwicklung der Zielgrößen dann und nur dann nicht beobachtet worden wäre, wenn die Förderung unter der ceteris paribus Bedingung nicht stattgefunden hätte und auch keine Feedback-Effekte zwischen Ursache und Wirkung vorliegen. Humes Definition der Kausalität müsste also für die Analyse der Wirkung
B der gewerblichen Investitionsförderung durch die Gemeinschaftsaufgabe
A wie folgt erweitert werden: • Zwischen A und B besteht ein Zusammenhang, • wobei beide Ereignisse in zeitlicher Abfolge auftreten (A ereignet sich vor B), • Feedback-Effekte zwischen A und B ausgeschlossen werden können sowie • insofern eine Regelmäßigkeit R besteht, als B nicht eine Folge von R und U, sondern von R, A und U ist und • A sich von U trennen lässt. U kennzeichnet dabei die sonstigen Einflussgrößen der Wirkung B. Im späteren Textverlauf wird dargestellt, warum von einem Vorliegen der vierten Bedingung nicht immer ausgegangen werden kann.
II. Makroökonometrische Wirkungsanalyse 1. Basisidee Das Anliegen makroökonometrischer Analysen zur Wirkung von Interventionen besteht darin, einen möglichst großen Ausschnitt der Folgen des jeweiligen Instrumenteinsatzes auf einer gesamtwirtschaftlichen Ebene zu erfassen. Im Fokus der Analyse der betrieblichen Investitionskostenzuschüsse der Gemeinschaftsaufgabe steht daher nicht der Effekt auf die Zuwendungsempfänger selbst, sondern die Wirkung im Kontext anderer regionaler Akteure, sodass beispielsweise auch Verdrängungseffekte berücksichtigt werden sollen. Aufgrund dieser Forschungszielsetzung sind makroökonometrische Verfahren gerade im Bereich der Wirkungsanalyse von staatlichen Beihilfen durch die re-
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C. Verfahren zur Analyse der Wirksamkeit von Subventionen
gionale Wirtschaftsförderung einer Reihe von methodenimmanenten Herausforderungen unterworfen, die sich im Wesentlichen in drei verschiedene Bereiche aufteilen lassen. Einerseits setzt die Konstruktion eines konsistenten Modells zur Abschätzung der gesamtwirtschaftlichen Effekte betrieblicher Investitionsförderung die algebraische Formulierung eines Systems von ökonomischen Größen, die weithin in einem funktionalen Zusammenhang stehen, auf der Grundlage von adäquaten theoretischen Überlegungen voraus. Entsprechend theoretisch fundierte makroökonometrische Schätzverfahren erfordern dazu zweitens die Verfügbarkeit einer umfangreichen Datenbasis in tiefer regionaler und sektoraler Gliederung, um die große Zahl und Vielfalt der ökonomischen Bestimmungsfaktoren und Wirkungszusammenhänge abbilden zu können. Eine weitere Schwierigkeit besteht schließlich in der Simulation einer geeigneten (kontrafaktischen) Referenzsituation der Nicht-Förderung, ohne die eine Schätzung des kausalen Effektes der Gemeinschaftsaufgabe ebenfalls nicht möglich wäre. In Abhängigkeit davon, welche theoretischen Grundlagen und Variablen bei der Konstruktion des Modells verwendet werden, ob und inwieweit Interdependenzen zwischen den Modellgrößen berücksichtigt und welcher Bereich der Maßnahmewirkung erfasst werden soll, lassen sich strukturelle Makro-Modelle von partialanalytischen Ansätzen unterscheiden. Anhand der bisher erprobten Ansätze zur makroökonometrischen Wirkungsanalyse der Gemeinschaftsaufgabe soll im Folgenden überprüft werden, ob und inwiefern die einzelnen Verfahren auf überzeugenden methodischen Grundlagen beruhen und valide empirische Ergebnisse erwarten lassen. 2. Strukturelle Makro-Modelle Strukturelle Makro-Modelle zur Schätzung der Wirkung regionaler Wirtschaftsförderung auf regional- oder gesamtwirtschaftlicher Ebene basieren maßgeblich auf der neoklassischen allgemeinen Gleichgewichtstheorie, deren zentrale Zielsetzung in der Analyse der Existenz, Eindeutigkeit, Stabilität und Optimalität von Gleichgewichtszuständen auf den einzelnen Märkten einer Volkswirtschaft liegt.17 Ausgangspunkt des Modellansatzes ist ein System von Prämissen bezüglich des Nachfrage- und Angebotsverhaltens der Marktteilnehmer. Danach optimieren die Haushalte/Unternehmen unter bestimmten Restriktionen18 ihren Nut-
17 Vgl. Jaeger (1988: 678). Für grundlegende Beiträge zur allgemeinen Gleichgewichtstheorie siehe die bahnbrechenden Arbeiten von Walras (1874, 1881) und, darauf aufbauend, Arrow (1951), Arrow/Debreu (1954), McKenzie (1959), Debreu/Scarf (1963). 18 Unter anderem wird angenommen, dass privates Eigentum, Vertragsfreiheit und freier Marktzugang durch eine Marktordnung gewährleistet ist und sich die Marktstruktur durch vollkommene Konkurrenz, Transparenz und uneingeschränkte Mobilität der Wirtschaftssubjekte auszeichnet, vgl. Sesselmeier/Blauermel (1997: 46).
II. Makroökonometrische Wirkungsanalyse
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zen/Gewinn, wobei flexible Preise als Allokationsmechanismus zum Ausgleich der individuellen Nachfrage- und Angebotspläne und damit einem Gleichgewichtszustand auf den einzelnen Teilmärkten führen. In Übereinstimmung mit der gesamtwirtschaftlichen Betrachtung der allgemeinen Gleichgewichtstheorie besteht auch der Ansatz struktureller Makro-Modell zur Analyse der Wirksamkeit wirtschaftspolitischer Interventionen darin, dass nicht nur das Verhalten der unmittelbar von der jeweiligen Maßnahme begünstigten Haushalte und/oder Unternehmen, sondern ebenso die indirekten Effekte auf die übrigen Wirtschaftssubjekte sowie Interdependenzen zwischen einzelnen Teilbereichen der Ökonomie analysiert werden sollen. Übertragen auf die Wirkungsanalyse der Gemeinschaftsaufgabe zielen strukturelle Makro-Modelle demzufolge auf die möglichst umfassende Abbildung der Anpassungseffekte, die von den einzelnen Förderarten ausgehen: So ist beispielsweise zu erwarten, dass von einer Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit subventionierter Betriebe infolge eines geförderten Investitionsvorhabens indirekte Effekte auf weitere (nicht-) subventionierte Betriebe in (Nicht-)Fördergebieten ausgehen können. Gleiches gilt, wenn auch in abgeschwächter Form, für den Bereich der Förderung nichtinvestiver Maßnahmen für KMU. Besonders relevant sind die indirekten Effekte im Fall der Infrastrukturförderung, weil hier nicht die potenziellen Wirkungen auf die Träger der Maßnahme (in erster Linie Gemeinde und Gemeindeverbände) im Mittelpunkt des Interesses stehen, sondern deren Beitrag zur Stärkung der regionalen Gesamtwirtschaft. Aus Abbildung 7 geht hervor, dass die Konzeption und Zielsetzung der Gemeinschaftsaufgabe als Ausgangspunkt struktureller Gleichungsmodelle dienen, weil sowohl die Nutzung verschiedener theoretischer Bausteine als auch der notwendige Aufbau der Datenbasis maßgeblich von deren Maßnahmebereichen und Intentionen abhängen. Eine weitere Vorstufe besteht in der Auswahl des Modelltyps. Häufig zur Anwendung kamen bisher – insbesondere im Bereich der Evaluation von Maßnahmen der europäischen Regionalpolitik – Modellvarianten vom Typ QUEST 19, ECOMOD 20 beziehungsweise HERMES/HERMIN 21. Bedacht werden sollte dabei, dass sich die einzelnen Arten hinsichtlich ihres Aufbaus, den Modellannahmen und den Simulationsergebnissen merklich voneinan-
19 Siehe insbesondere Ratto/Roeger/in’t Veld (2009), Roeger/Varga/in’t Veld (2008), Ratto et al. (2005). Zuletzt wurde die jüngste Modellversion (QUEST III) verstärkt zur Evaluation von fiskalpolitischen Maßnahmen im Zusammenhang mit der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise eingesetzt, siehe dazu vor allem in’t Veld/Roeger (2012) und Kollmann/Roeger/in’t Veld (2012). 20 Vgl. Bayar (2007). 21 Das Akronym HERMES steht für Harmonised Economic Research for Modelling Economic Systems (siehe dazu d’Alcantara/Italianer (1982) und Ederveen et al. (2002)), HERMIN für eine vergleichbare, aber reduzierte Modellstruktur (vgl. Bradley et al. (2003, 2006) und Bradley/Untiedt (2010)).
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C. Verfahren zur Analyse der Wirksamkeit von Subventionen
Bewertung
Urteil
Simulation der Förderwirkung
Modelltests
Modellkonstruktion und -kalibrierung
Konstruktion der Referenzsituation Formulierung/Kalibrierung der Modellgleichungen/parameter Auswahl Modellform z. B. QUEST ECOMOD HERMIN
Theoretisches Fundament insb.
Wirtschaftsnahe Infrastrukturmaßnahmen
u. a.
Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen
Nicht-investive Maßnahmen (KMU)
Distributionsziel Allokationsziel
Betriebliche Investitionsförderung
Instrument
Maßnahmenbereiche und Zieldimensionen
Wachstums- HandelsNeue theorie theorie Ökonomische Geograhie
Empirisches Material Volkswirts. Einkommens- Arbeitsmarktund SteuerGesamtund rechnungen Verbrauchs- statistiken statistiken Förderdaten
Stabilitätsziel
Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“
Quelle: Eigene Darstellung.
Abbildung 7: Stufen einer makroökonometrischen Evaluation der Gemeinschaftsaufgabe unter Verwendung eines strukturellen Makro-Modells
II. Makroökonometrische Wirkungsanalyse
89
der unterscheiden.22 Nach der Entscheidung für einen konkreten Modellrahmen muss ein kohärentes und konsistentes Gleichungssystem auf Grundlage von Verhaltenshypothesen bezüglich der zu berücksichtigenden Wirtschaftssubjekte formuliert werden, wobei ökonomische Wirkungszusammenhänge weitgehend zu berücksichtigen sind. Die Modellparameter werden üblicherweise entweder durch Zeitreihenanalyse gewonnen, aus vorherigen makroökonometrischen Studien entnommen oder auf Grundlage des Einsatzes von strukturellen vektorautoregressiven Modellen berechnet (Kalibrierung).23 Die (ex-ante) Wirkung des Fördermitteleinsatzes lässt sich durch Simulation verschiedener Szenarien ermitteln, wobei die Interventionsvariable im Extremfall zum Vergleich der (prognostizierten) tatsächlichen Veränderung der Zielgrößen unter Maßnahmeeinsatz mit der spezifischen Referenzsituation, in der keine Förderung stattgefunden hätte, auf Null gesetzt wird. Schließlich sollten Konsistenz- und Sensititivtätstests durchgeführt werden, um die Reproduzierbarkeit der Ursprungsdaten durch das Modell und die Reagibilität der geschätzten Zielgrößen auf Variationen der Modellparameter zu überprüfen. Noch hat sich keine bestimmte Spezifikation eines strukturellen Makro-Modells für die Untersuchung der makroökonomischen Wirkung von staatlichen Interventionen durchgesetzt, sodass von einem weithin akzeptierten und in der Breite empirisch erprobten Forschungsdesign bisher nicht die Rede sein kann.24 Dies trifft insbesondere für den Bereich der regionalen Wirtschaftsförderung innerhalb der Gemeinschaftsaufgabe zu; bisher wurde lediglich eine Berechnung mit dem Modelltyp HERMIN für die Analyse der Wirkungen der Förderung im Land Thüringen zwischen 1997 und 2003 durchgeführt.25 Die HERMIN-Modellstruktur gründet auf der Annahme, dass die Güterproduktion in zwei volkswirtschaftlichen Bereichen erfolgt: Auf der einen Seite in vor22 Bradley/Untiedt (2007: 11 ff.) zeigen durch einen Vergleich von QUEST II, ECOMOD und HERMIN in einer exemplarischen Berechnung für den EU-Mitgliedstaat Polen, dass die geschätzte Wirkung europäischer Kohäsionspolitik auf das Bruttoinlandsprodukt beziehungsweise die Beschäftigung erheblich von der Wahl des jeweiligen Modelltyps abhängt. Zu einem gleichen Befund kommen die Verfasser in einer späteren Studie, in der sie den Einfluss europäischer Regionalpolitik auf das Bruttoinlandsprodukt der Mitgliedstaaten auf Ebene der EU-15 mit beiden Modelltypen schätzen, vgl. Bradley/Untiedt (2012b: 14). 23 Vgl. Heer/Maußner (2009: 47). 24 Woodford (2009: 71) bilanziert: „A variety of empirical methods are used, both for data characterization and for estimation of structural relations, and researchers differ in their taste for specific methods, often depending on their willingness to employ methods that involve more specific a priori assumptions.“ 25 Vgl. Gesellschaft für Finanz- und Regionalanalysen/Gesellschaft für Regionalberatung/Transformationsprozesse und Strukturpolitik (2004). Zur Analyse der gesamtwirtschaftlichen Wirkungen der EU-Strukturfonds im Zeitraum 2000–2006 beziehungsweise zur Simulation der Wirkungen in der Förderperiode 2014–2020 (jeweils für die neuen Länder und Berlin) wurde ebenfalls ein HERMIN-Modellansatz verwendet, siehe dazu Gesellschaft für Finanz- und Regionalanalysen et al. (2010: 331 ff.).
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C. Verfahren zur Analyse der Wirksamkeit von Subventionen
wiegend international handelbare Güter herstellende Sektoren, andererseits in mehrheitlich lokal handelbare Güter produzierende Sektoren.26 Typischerweise setzt sich das Schätzmodell aus ungefähr 350 Gleichungen zusammen, von denen allerdings weniger als zehn Prozent direkt aus der Theorie abgeleitet werden.27 Wie Abbildung 8 zeigt, lassen sich die einzelnen Modellkomponenten dem Angebots- (unter anderem Output, Faktoreinsätze, Löhne, Preise, Wettbewerbsfähigkeit, Bevölkerungswachstum, Arbeitslosenquote), Nachfrage- (insbesondere privater Konsum, öffentlicher Konsum, Außenbeitrag) beziehungsweise Einkommensabsorptionsblock (zum Beispiel privates Einkommen, öffentliche Kreditaufnahme) zuordnen, wobei auf der Angebotsseite eine Disaggregation in vier beziehungsweise fünf Sektoren erfolgt. Im Fall der Wirkungsanalyse für Thüringen kommt eine etwas reduzierte Modellvariante mit rund 160 Gleichungen und vier Sektoren zum Einsatz.28 Die Bestimmung der Gleichungen für das Verarbeitende Gewerbe und den Dienstleistungssektor auf der Angebotsseite basieren auf der neoklassischen Theorie und der Annahme einer Produktionsfunktion mit konstanter Substitutionselastizität (CES-Produktionsfunktion). Eine Integration der angebotsseitigen Effekte des Fördermitteleinsatzes der Gemeinschaftsaufgabe soll über die Berücksichtigung des relativen Faktorpreisverhältnisses und damit der verringerten Kapitalnutzungskosten durch die gewerbliche Investitionsförderung sowie in Form einer Veränderung des – den technologischen Fortschritt beschreibenden – Skalenparameters in den sektoralen CES-Produktionsfunktionen infolge von Infrastrukturinvestitionen und der Verbesserung des Humankapitals erreicht werden. Dagegen gründet die Formulierung der nachfrageseitigen Gleichungen auf der keynesianischen Theorie und lässt nur kurzfristige Effekte der Förderung zu.29 Als Datengrundlage der Wirkungsanalyse dient die Entstehungs-, Verwendungs- und Verteilungsrechnung nach dem Europäischen System Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen (ESVG) auf nationaler und regionaler Ebene in der Europäischen Gemeinschaft, die im Rahmen der Studie auf Ebene der Län26 In beiden Bereichen wird mit konstanten Skalenerträgen produziert. Die nicht-handelbare Güter herstellenden Unternehmen treten als Preissetzer auf den Güter- bzw. Preisnehmer auf den Faktormärkten auf, im anderen Bereich ist diese klare Zuteilung aufgrund beschränkter Marktmacht nicht gegeben, vgl. Gesellschaft für Finanz- und Regionalanalysen/Gesellschaft für Regionalberatung/Transformationsprozesse und Strukturpolitik (2004: 466). 27 Die restlichen Identitätsgleichungen (zum Beispiel die Inflationsrate beziehungsweise Steuer- und Zinssätze) sind erforderlich, um das Schätzmodell numerisch berechnen zu können, siehe etwa Bradley et al. (2007: 37). Für eine ausführliche Darstellung der Formulierung der zentralen Modellgleichungen siehe Bradley/Untiedt (2008b: 26). 28 Vgl. Gesellschaft für Finanz- und Regionalanalysen/Gesellschaft für Regionalberatung/Transformationsprozesse und Strukturpolitik (2004: 467 ff.). 29 Vgl. Gesellschaft für Finanz- und Regionalanalysen/Gesellschaft für Regionalberatung/Transformationsprozesse und Strukturpolitik (2004: 471 f.).
II. Makroökonometrische Wirkungsanalyse
91
Angebot Verarbeitendes Gewerbe Y = f1 (WD , DD , CP , t )
E = f 2 (Y , DD , RFP , t )
I = f 3 (WD , DD , RFP , t ) CS = I + (1 − δ ) C t − 1 P = f 4 (WP * ER ,ULC ) W = f 5 ( P,TW ,U , PR)
CP = NP/ WP Dienstleistungssektor/ Baugewerbe Y = f 6 (WD , DD ) S Y = f6 ( I ) CN CN
E = f 7 (Y
, RFP , t )
I = f 8 (Y
, RFP , t )
S / CN
S / CN
CS = I + (1 − δ ) C t − 1
Nachfrage C = f12 ( PINC ) DD = PC + PUC+ I + SC
NTS = Y − DD
P = Aufschlag auf ULC
Einkommensverteilung EP = f13 ( P, IP, IT )
INC = Y PINC = INC + TR − DT LB = NTS + NFINC PSB = PE − T * TB
PSD= (1 + i )PSD +PSB t −1
WI = Lohnsteig . Ver. Gew. Landwirtschaft/ öffentlicher Sektor Hauptsächlich exogene Variablen Demographie und Arbeitsangebot
PG= f9 (NG, M )
LF = f10 ( PO, LFP) U = LF − TE M = f 11 ( EW )
Y=Output (YS =Dienstleistungs-, YCN=Baugewerbe) WD/DD=Globale/inländische Nachfrage CP=Wettbewerbsfähigkeit E=Beschäftigung RFP=Relatives Faktorpreisverhältnis t=Jahr (Technologie) I=Investition CS=Kapitalstock P/WP/NP=Output-/Weltmarkt-/inländ. Preis ER=Wechselkurs ULC=Lohnstückkosten W=Lohnsatz TW=Lohnnebenkosten U=Arbeitslosenquote PR=Produktivität
EP=Ausgaben δ = Abschreibungssatz C=Konsum IP=Importpreis PG=Bevölkerungswachstum PINC=Verf. Einkommen DT/IT=Direkte/indirekte Steuern NG=Natürliches Bevölkerungswachstum PC=Privater Konsum INC=Volkseinkommen M=Wanderungssaldo PUC=Öffentlicher Konsum TR=Transfers LF=Arbeitsangebot SC=Kursänderung Aktienmarkt LB=Leistungsbilanzsaldo PO=Bevölkerung NTS=Außenbeitrag NTS=Außenhandelssaldo LFP=Erwerbsbeteiligung NFINC=Saldo der Primäreinkommen TE=Personen im erwerbsfähigen Alter PSB=Öffentliche Kreditaufnahme EW=Erwarteter Relativlohn PE=Öffentliche Ausgaben T*TB=Steuereinnahmen PSD=Öffentliche Verschuldung i=Zinssatz
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Bradley/Untiedt (2008b: 25) und Gesellschaft für Finanz- und Regionalanalysen/Gesellschaft für Regionalberatung/Transformationsprozesse und Strukturpolitik (2004: 469).
Abbildung 8: HERMIN-Modellstruktur
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C. Verfahren zur Analyse der Wirksamkeit von Subventionen
der für den Zeitraum 1991–2001/2 vorlagen. Die Modellsimulation bezieht sich auf einen zwanzigjährigen Projektionszeitraum und beginnt mit dem Jahr 1997. Zur Konstruktion der Referenzsituation wird die Annahme getroffen, dass zwischen 2004 und 2017 keine weiteren Fördermittel durch die Gemeinschaftsaufgabe vergeben werden. Die Verfasser der Studie gehen davon aus, dass das Niveau des Bruttoinlandsprodukts und der Erwerbstätigkeit Thüringens ohne die regionale Wirtschaftsförderung durch die Gemeinschaftsaufgabe im Zeitraum 1997–2003 im Jahresdurchschnitt um rd. einen Prozentpunkt niedriger ausgefallen wäre. Allerdings ist diese Entwicklung nicht in erster Linie auf das Verarbeitende Gewerbe, sondern vor allem auf das besonders stark von kurzfristigen Nachfrageeffekten profitierende Baugewerbe und den Dienstleistungssektor zurückzuführen.30 Dieses Verhältnis kehrt sich bei der Analyse der langfristigen Effekte ab 2004 um, weil unter der Annahme des Wegfalls der Fördermittel in den beiden letztgenannten Sektoren keine nachfrageseitigen Wirkungen hervorgerufen werden, während von den Subventionen an die gewerbliche Wirtschaft und nicht-investiven Maßnahmen der Gemeinschaftsaugabe im Verarbeitenden Gewerbe aus der Vorperiode ein positiver, allerdings mit der Zeit abnehmender, angebotsseitiger Beitrag zum Wachstum der Wertschöpfung ausgeht. Die Autoren der Studie weisen mehrfach darauf hin, dass eine adäquate Berücksichtigung der indirekten Effekte der Gemeinschaftsaufgabe auf die (nicht-) geförderten Sektoren im Rahmen einer wirkungsanalytischen Betrachtung des Fördermitteleinsatzes die Verwendung eines Modells erfordert, das möglichst viele gesamtwirtschaftlich relevante Größen sowie Interdependenzen zur Beachtung der angebots- und nachfrageseitigen Anpassungsreaktionen enthält. Sollte diese Voraussetzung zu einem sehr hohen Grad erfüllt sein, besteht der große Vorteil des makroökonometrischen Ansatzes offensichtlich darin, dass sich der Erkenntnisgewinn über den kausalen Zusammenhang zwischen dem Umstand der Förderung und der Entwicklung der Zielgrößen nicht in der Beachtung der Gruppe der Begünstigten oder bestimmter Bereiche der Maßnahme erschöpft. Gleichwohl bleiben bei der dargestellten Studie für das Land Thüringen, ebenso wie bei entsprechenden makroökonometrischen Evaluationsansätzen europäischer Regionalpolitik, viele methodische Fragen offen. Generell ist davon auszugehen, dass bei der theoretischen Formulierung des Modells (siehe Abbildung 8) eine vertretbare Balance zwischen dem Forschungsanspruch auf der einen Seite und der Berechenbarkeit sowie Aussagekraft und Interpretationsfähigkeit der Ergebnisse auf der anderen Seite angestrebt wurde. Ein Beispiel dafür ist die relativ geringe Anzahl von aus der Theorie hergeleiteten Gleichungen („etwa 30 Vgl. Gesellschaft für Finanz- und Regionalanalysen/Gesellschaft für Regionalberatung/Transformationsprozesse und Strukturpolitik (2004: 80 f.).
II. Makroökonometrische Wirkungsanalyse
93
20“ 31) und die Kalibrierung wichtiger Modellparameter, die infolge des Mangels an langen Zeitreihen gegebenenfalls, wie beispielsweise für die Output- und Faktorproduktivitätselastizitäten (0,4 beziehungsweise 0,2), auf der Grundlage eines Literaturüberblicks festgesetzt wurden.32 Hinzu kommt, dass einige endogene Modellparameter, etwa die Nettomigrationsrate zwischen Ost- und Westdeutschland,33 monokausal erklärt werden. Es dürfte daher unstrittig sein, dass die Ergebnisse der Simulationsrechnungen geradezu zwangsläufig und in einem hohen Ausmaß von dem – der jeweiligen Modellspezifikation zugrunde liegenden – theoretischen Fundierung und den kalibrierten Parameterwerten determiniert werden.34 Vor diesem Hintergrund ist ebenso zu erwarten, dass sich Unzulänglichkeiten und Ungenauigkeiten bei der Formulierung des Gleichungssystems und der Kalibrierung der einzelnen Parameter signifikant auf die Ergebnisse und damit Aussagefähigkeit der Simulationsrechnungen zum Fördereffekt auswirken können. Wesentlich erschwert wird die Kalibrierung der Parameter in strukturellen Makro-Modellen vor allem durch die zum Teil eingeschränkte Verfügbarkeit aktueller (Zeitreihen-)Daten in tiefer regionaler und sektoraler Gliederung. Bei der Interpretation der Resultate der Wirkungsanalyse der Gemeinschaftsaufgabe für Thüringen sollte schließlich auch nicht vernachlässigt werden, dass die Modellspezifikation keine Veränderung der strukturellen Parameter infolge der Fördermaßnahme zulässt.35 Vorteilhaft wäre in diesem Zusammenhang eine Darstellung der Sensitivität der Resultate auf entsprechende Variationen dieser Größen. Allgemein wäre erstrebenswert, dass eine durchgängige Nachvollzieh-
31 Vgl. Gesellschaft für Finanz- und Regionalanalysen/Gesellschaft für Regionalberatung/Transformationsprozesse und Strukturpolitik (2004: 467). 32 Vgl. Gesellschaft für Finanz- und Regionalanalysen/Gesellschaft für Regionalberatung/Transformationsprozesse und Strukturpolitik (2004 78 und 468). 33 Diesbezüglich wird angenommen, dass die Nettomigrationsrate mit der erwarteten Ost-West-Lohnrelation erklärt werden könne. Alm/Engel/Weyh (2013) haben dagegen in einer Einkommensanalyse von sozialversicherungspflichtig Beschäftigten mit Arbeitsort in Ostdeutschland im Jahre 2004 gezeigt, dass die Jobwechsler innerhalb der neuen Länder einen höheren Einkommenspfad erreichen als Ost-West-Jobwechsler. 34 West (1995: 217) fasst die methodenbedingten Schwierigkeiten von strukturellen Makro-Modellen wie folgt zusammen: „Its implementation necessitates the specification of a large number of parameters and coefficients, which are generally not available. Therefore, ,best guess‘ values must be used, which injects a large unknown element into the model. Evidence suggests that this unknown factor can have a significant effect on the empirical results.“ Ähnlich argumentieren Partridge/Rickman (1998: 232). 35 Lucas (1976) kritisierte in einer vielbeachteten Veröffentlichung, dass makroökonometrische Simulationsmodelle häufig für eine Prognose von Wirkungen staatlicher Eingriffe in das Marktgeschehen eingesetzt werden, ohne dass die geschätzten Parameter nach der Intervention neu berechnet werden und damit historische und gegebenenfalls falsche Werte in die Schätzung der Effekte der Politikmaßnahme eingehen („Lucas-Kritik“, vgl. Berlemann (2005: 351 f.)).
94
C. Verfahren zur Analyse der Wirksamkeit von Subventionen
barkeit des Modells und seiner Schätzergebnisse durch eine möglichst exakte Dokumentation der konkreten Spezifikation erleichtert werden würde. Weiterhin gilt zu beachten, dass bei einem ex-ante-Ansatz bestimmte Annahmen und Parameterwerte gegebenenfalls noch plausibel erscheinen und sich folglich potenziell für eine Simulationsrechnung der zukünftigen Wirkung auf bestimmte Zielgrößen eignen, im Prognosezeitraum dann aber ihre Gültigkeit verlieren und somit falsche Resultate erzeugen könnten, die sich im Rahmen von ex-post-Analysen vermeiden ließen.36 Die Relevanz dieses Aspektes ist umso höher beziehungsweise die Praktikabilität bisheriger makroökonometrischer Simulationsmodelle umso geringer einzuschätzen, je größer der Bedarf an möglichst aktuellen (Zeitreihen-)Daten in tiefer regionaler und sektoraler Gliederung ist. Als Fazit bleibt festzuhalten, dass im Rahmen einer Evaluation der Gemeinschaftsaufgabe der Einsatz struktureller Makro-Modelle zwar prinzipiell geboten ist, trotz einer gewissen Weiterentwicklung der theoretischen Bausteine und methodischen Fortschritte bei der Konstruktion komplexer Modellspezifikationen sowie der Möglichkeit des Einsatzes von hochperformanten Rechnerplattformen im Rahmen ihrer Simulation, insbesondere aufgrund datentechnischer Limitationen aber bisher kein überzeugendes gesamtwirtschaftliches Wirkungsmodell konstruiert werden konnte. Mit Menges wäre danach zu fordern, dass zunächst der Zugang zum empirischen Material sichergestellt und ein adäquates theoretisches Wirkungsmodell formuliert werden müsste, bevor die makroökonometrische Evaluation gegebenenfalls ihre theoretischen und methodischen Stärken auszuspielen vermag: „Das wichtigste sind die Daten, das zweitwichtigste ist die jeweilige Sachtheorie (. . .), dann erst kommen die Methoden.“ 37
3. Partialanalytische Modelle In Anbetracht der genannten datenbedingten und methodischen Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der Umsetzung struktureller Makro-Modelle wurden im Rahmen der makroökonometrischen Untersuchung der Wirksamkeit der Gemeinschaftsaufgabe bislang vorwiegend partialanalytische Ansätze eingesetzt. Diese verzichten auf den Versuch der Berücksichtigung einer Gesamtinterdependenz38 und kaprizieren sich, im Gegensatz zu den strukturellen Makro-Modellen, lediglich auf einen bestimmten Ausschnitt der Subventionswirkung. Die bisher durchgeführten und nachfolgend beschriebenen Ansätze lassen sich grob in drei Kategorien einteilen: 36 37 38
Vgl. dazu auch ZEW (2009: 70). Menges (1982: 15). Vgl. Kleinewefers (2008: 253).
II. Makroökonometrische Wirkungsanalyse
95
• Regressionsanalytische Eingleichungsmodelle, • Regressionsanalytische Eingleichungsmodelle mit Berücksichtigung indirekter räumlicher Effekte, • Mehrgleichungsmodelle39. a) Regressionsanalytische Eingleichungsmodelle aa) Prognose Recker leitet in seiner partialanalytischen Studie Aussagen zum Erfolg des Einsatzes der Maßnahmen regionaler Wirtschaftsförderung durch eine Gegenüberstellung der tatsächlichen und der – durch regressionsanalytische Schätzung mit der Kleinstquadratmethode (ordinary least squares, OLS) ermittelten – hypothetischen Entwicklung des Investitionsvolumens beziehungsweise der Beschäftigungssituation ohne Instrumenteinsatz in den 21 Regionalen Aktionsprogrammen ab.40 Die Simulation der Referenzentwicklung (RE) der beiden Variablen für die Jahre 1970–1973 erfolgt durch eine Trendprojektion auf Grundlage des Basiszeitraums 1960–1969, der nach Einschätzung von Recker „(. . .) nicht dem Fördereinfluß unterlag“:41 (C.II.1)
RE T Z U:
Recker geht folglich davon aus, dass sich die Jahreswerte der beiden abhängigen Variablen jeweils in die Komponenten Trend
T, Zyklus
Z und unregelmäßige jährlichen Schwankungen
U zerlegen lassen.42 Die Schätzung des Investitionsvolumens
I beziehungsweise Beschäftigungsvolumens
B in Region r im Jahre t hat folgende Form: (C.II.2)
Ir;t ar br T cr Kr;t
(C.II.3)
Brt ar br T cr Kr;t :
wobei die Zeitvariable T entsprechend des Zeitraums 1962 bis 1973 Werte zwischen 1 und 11 annimmt und der Konjunkturfaktor Kr;t der Abweichung der Investitionen vom bundesweiten linearen Trend der industriellen Investitionen beziehungsweise Beschäftigten entspricht. Durch diese Vorgehensweise sollen zyklische Schwankungen der Investitionstätigkeit aufgefangen werden.
39 Streng genommen lassen sich auch die dargestellten strukturellen Makro-Modelle dem Begriff „Mehrgleichungsmodelle“ zuordnen. 40 Vgl. Recker (1977). 41 Vgl. Recker (1977: 157). 42 Vgl. Recker (1977: 103).
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C. Verfahren zur Analyse der Wirksamkeit von Subventionen
Unter der Voraussetzung, dass die Referenzentwicklung einen realitätsadäquaten Proxy für die Veränderung der Investitionen im Falle der Nicht-Förderung darstellt, ließe sich die Differenz zwischen den realen und den durch die Regressionsgleichung geschätzten Werten auf den Einsatz der Fördermittel zurückführen. Das Problem einer möglichen Fehlspezifikation der regressionsanalytischen Trendprojektion und damit auch der Referenzsituation versucht Recker zu berücksichtigen, indem er um den geschätzten Verlauf einen Korridor zwischen minimaler und maximaler Entwicklung legt (siehe Abbildung 9).43 Als empirisches Material verwendet Recker den Industriezensus 1963 und die Jahreserhebungen über die Investitionen in industriellen Betrieben für die Jahre ab 1964. Während der Industriezensus 1963 die erste amtliche Investitionserhebung in der Bundesrepublik Deutschland darstellte und für die industriellen Betriebe insgesamt elf wirtschaftliche Merkmale erfasste,44 existierte für die nachfolgenden jährlichen Investitionszählungen in den einzelnen Ländern kein einheitlicher Beginn und Berichtskreis.45 Im Rahmen der Analyse der Ergebnisse seines Referenzvergleichs attestiert Recker der regionalen Wirtschaftsförderung für einen Großteil der 21 Aktionsräume eine positive Wirkung auf die untersuchten Variablen. Für die Gesamtheit der Fördergebiete beträgt das zwischen 1970 und 1973 induzierte industrielle Investitionsvolumen rund 5,03 Mrd. DM, während der Rückgang in den Nicht-Fördergebieten im Beobachtungszeitraum bei circa 3,03 Mrd. DM liegt. Eine noch stärkere regionale Umverteilung ist laut Recker bei der Entwicklung der Beschäftigung zu erkennen: Der Anstieg der Industriebeschäftigung um circa 110.700 Personen in den Fördergebieten fiel ungefähr ebenso groß aus wie die entsprechende Verminderung im Nicht-Aktionsraum (etwa 111.700 Industriebeschäftigte).46 In datentechnischer Hinsicht sind bei der empirischen Arbeit von Recker Unzulänglichkeiten zu erwarten, weil die regressionsanalytischen Trendprojektionen auf der Nutzung der jährlichen Investitionsstatistik basieren, die allerdings zu Beginn des Untersuchungszeitraums in einigen Ländern noch nicht erhoben wurde. Landesspezifische Unterschiede des Datenmaterials ergeben sich darüber hinaus als Konsequenz des nicht einheitlichen Berichtskreises, der auf die von-
43 Der Abstand zwischen den beiden äußeren geschätzten Entwicklungslinien entspricht dabei dem maximalen Schätzfehler, vgl. Recker (1977: 157 f.). 44 Vgl. Mertens/Kirner (1967: 20) und Bierfelder (1968: 22). 45 Vgl. Recker (1977: 101 f.). 46 Unter Berücksichtigung des maximalen Schätzfehlers reduziert sich das Ausmaß der induzierten Effekte in den Fördergebieten jeweils ungefähr um die Hälfte, vgl. Recker (1977: 154 ff.).
II. Makroökonometrische Wirkungsanalyse
97
Y
Maximum Minimum
Beobachtete Entwicklung
Referenzentwicklung
1961
1970
1973
T
Quelle: Eigene Darstellung.
Abbildung 9: Ansatz des Referenzvergleichs von Recker
einander abweichende Meldepflicht-Untergrenze zurückzuführen ist.47 Für einige Aktionsräume mussten die fehlenden Werte der Investitionstätigkeit daher geschätzt werden, wobei industrielle Kleinbetriebe mit weniger als zehn Beschäftigten sowie Handwerksbetriebe, und damit eine Teilmenge der Förderempfänger, nicht berücksichtigt werden konnten. Unter methodischen Gesichtspunkten ist die Annahme der Nicht-Förderung in der Basisperiode bestenfalls als zweifelhaft zu bezeichnen, weil auch vor 1970 Subventionen in strukturschwachen Regionen ausgereicht wurden und damit die 47 Der Berichtskreis umfasst je nach Land industrielle Betriebe mit 10, 20 oder 50 und mehr Beschäftigten, vgl. Recker (1978: 101 f.).
98
C. Verfahren zur Analyse der Wirksamkeit von Subventionen
Referenzsituation ihrem Namen mithin nicht gerecht wird.48 Ebenso schwer wiegt der Umstand, dass das Regressionsmodell nahezu vollständig von den Einflussfaktoren der beiden Zielgrößen abstrahiert und deren hypothetischen Werte allein auf Grundlage einer Trend- und Konjunkturvariablen bestimmt.49 Dieses Vorgehen setzt unter anderem voraus, dass die Richtung und Stärke der Tendenz der Investitions- und Beschäftigungsentwicklung sowie das Verhältnis zwischen der jeweiligen regionalen und gesamtwirtschaftlichen Konjunkturvariablen im Zeitraum 1970–1973 mit der Basisperiode übereinstimmen. Genau diesen Aspekt greifen Spehl et al. auf und zeigen in ihrer Untersuchung für das Regionale Aktionsprogramm Eifel-Hunsrück, dass von der konkreten Festlegung der Basisperiode und der Funktionsform ein erheblicher Einfluss auf die Schätzergebnisse ausgeht.50 bb) Schätzung regionaler Investitionsmodelle In seinem Beitrag zur Messung der Wirksamkeit der Instrumente der regionalen Wirtschaftsförderung formuliert Bölting auf der Basis von theoretischen und empirischen Arbeiten zur betrieblichen Investitionstätigkeit insgesamt vier, sich inhaltlich nur geringfügig voneinander unterscheidende, lineare Investitionsfunktionen in jeweils fünf Variationen.51 Diese werden für die 178 Arbeitsmarktregionen der Gemeinschaftsaufgabe beziehungsweise 72 Planungsregionen der Länder (ohne Berlin) und einen dreijährigen Analysezeitraum von 1969–1971 einzeln mit einem multiplen Regressionsmodell geschätzt, wobei abgesehen von den Größen Kapitalstock
K, Umsatz
UM und Zinssatz
i, noch die regionalen Standortfaktoren Förderung
F, Marktpotenzial
MP, Bevölkerungsdichte
D, Lohn- und Gehaltssumme in der Industrie
L, Anteil von in der Landwirtschaft Beschäftigten
AL und Hebesatz der Gewerbesteuer
T das Set der unabhängigen Variablen bilden:52 (C.II.4)
I) Ir;t a0 1 Kr;t 1 2 UMr;t 1;t 2 3 ir;t 4 Fr;t 5 MPr;t 6 Dr;t 7 Lr;t 8 ALr;t 9 Tr;t Ur;t ;
(C.II.5)
II) Ir;t a0 1 Kr;t 1 2 UMr;t 1 3 ir;t 4 Fr;t 5 MPr;t 6 Dr;t 7 Lr;t 8 ALr;t 9 Tr;t Ur;t ;
48 Für eine Darstellung der staatlichen Maßnahmen im Bereich der regionalen Wirtschaftsförderung vor 1970 vgl. Teil A., Kapitel I.1. 49 Eine ausführliche Beschreibung der Konsequenzen der Nicht-Gültigkeit der Annahmen einer OLS-Schätzung erfolgt in Teil C., Kapitel III.3.c). 50 Vgl. Spehl et al. (1981). 51 Vgl. Bölting (1976). 52 Vgl. Bölting (1976: 90 ff. und 120 f.).
II. Makroökonometrische Wirkungsanalyse III) (C.II.6)
Ir;t UMr;t 1 ir;t Fr;t MPr;t 1 2 3 4 5 Kr;t 1 Kr;t 1 Kr;t 1 Kr;t 1 Kr;t 1 6
IV) (C.II.7)
99
Dr;t Lr;t ALr;t Tr;t Ur;t 7 8 9 ; Kr;t 1 Kr;t 1 Kr;t 1 Kr;t 1 Kr;t 1
Ir;t Kr;t 1 Fr;t a0 1 2 3 MPr;t 4 Dr;t 5 Lr;t r Ir;t r Kr;t Kr;t 1 8 ALr;t 9 Tr;t Ur;t :
Bölting berechnet diese vier Spezifikationen des Regressionsmodells zunächst für beide Regionstypen. In einem weiteren Schritt wird das OLS-Schätzverfahren sodann nach und nach modifiziert, indem jene Regressoren nicht weiter in den Gleichungen berücksichtigt werden, deren Koeffizienten insignifikant sind oder kontraintuitive Vorzeichen tragen. Die Werte der regionalen Bruttoanlageinvestitionen entnimmt Bölting den jährlichen Investitionserhebungen der statistischen Landesämter.53 Abgesehen von der Nutzung der amtlichen Industriestatistik führt der Autor eigene Berechnungen durch, sofern die jeweilige Variable im empirischen Material nicht enthalten ist.54 In die Fördervariable
F gehen zusätzlich zu den betrieblichen Investitionskostenzuschüssen der Gemeinschaftsaufgabe auch die Investitionszulage und ERP-Kredite zu einer Gesamtsumme ein.55 Unabhängig von der konkreten Modellspezifikation kommt der Autor zu der Einschätzung, dass die Maßnahmen der regionalen Wirtschaftsförderung einen zwar mehrheitlich geringen,56 aber positiven Einfluss auf die realen Bruttoanlageinvestitionen (1962 = 100) hatten: Der entsprechende Koeffizient nimmt ein positives Vorzeichen an und ist für die Jahre 1970 und 1971 auf dem fünf Pro53 Darunter werden „(. . .) Bruttozugänge aus erworbenen und selbsterstellten Sachanlagen (einschließlich der Ersatzinvestitionen), der aktivierbaren Großreparaturen und der geringwertigen Wirtschaftsgüter, soweit aktiviert“ zusammengefasst. „Nicht berücksichtigt werden Anzahlungen auf Anlagen, Zugänge durch den Kauf ganzer Betriebe, die mit den Investitionen zusammenhängenden Finanzierungskosten, Umbuchungen aus Anlagekonten auf andere Anlagekonten, der Wert von Beteiligungen, Wertpapieren usw. (Finanzanlagen), sowie der Erwerb von Konzessionen, Patenten und Lizenzen usw.“ Vgl. Statistisches Bundesamt (1974: 5). Verzerrungen durch Preisveränderungen im Beobachtungsraum schließt Bölting aus, indem er eine Preisbereinigung durchführt, vgl. Bölting (1976: 100 f.). 54 Vgl. dazu Bölting (1976: 101 ff.). 55 Da die Investitionszulage im Gegensatz zu den Investitionszuschüssen steuerfrei ist, berechnet Bölting abgesehen von der absoluten Fördersumme über alle drei Maßnahmearten noch einen Gesamtindikator, bei dem die Investitionszulage mit einem Faktor von 1,7 gewichtet wird, vgl. Bölting (1976: 113 f.). 56 Die Wirkungskoeffizienten schwanken je nach Modellspezifikation zwischen 1,083 und 1,466.
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C. Verfahren zur Analyse der Wirksamkeit von Subventionen
zent-Niveau signifikant von Null verschieden; letztgenanntes Ergebnis gilt allerdings nicht für das Anfangsjahr der Untersuchung. Beim regionalen Vergleich arbeitet Bölting insofern Disparitäten in der Wirksamkeit heraus, als „(. . .) der Förderung vor allem in Gebieten mit bisher geringer Investitionstätigkeit eine große Bedeutung zukommt.“ 57 Allgemein ist es Bölting – im Gegensatz zu den zuvor beziehungsweise kurz danach veröffentlichten Studien58 – gelungen, Hypothesen über den Zusammenhang zwischen der regionalen Wirtschaftsförderung und der Investitionstätigkeit auf der Basis eines theoretischen Modells zu formulieren, diese in Einzelgleichungen abzubilden und anschließend ökonometrisch zu schätzen. Gegen den gewählten OLS-Regressionsansatz lassen sich jedoch verschiedene Einwände erheben. Erstens sind aus datentechnischen Gründen, ebenso wie bei der Arbeit von Recker, alle Betriebe mit weniger als zehn Beschäftigten und somit eine relevante Zielgruppe potenzieller Förderempfänger bei den Regressionsschätzungen nicht enthalten. Kritisch zu bewerten ist in diesem Kontext zweitens der Umstand, dass eine korrekte Verknüpfung der Förderdaten und Zensen des Produzie57
Bölting (1976: 153). Zu nennen sei hier insbesondere die Unternehmensbefragung durch Freund/Zabel (1977). Diese basiert auf einer Stichprobe von 36 Betriebsansiedlungen im Aktionsraum Saarland/Westpfalz und Förderzeitraum 1970 bis 1975. Ein wesentliches Ziel der Untersuchung liegt in der Hochrechnung der Ergebnisse auf das Gebiet der übrigen Regionalen Aktionsprogramme, um auf dieser Grundlage Informationen zu der Wirksamkeit von direkten Investitionshilfen im gesamten Fördergebiet zu erhalten, vgl. Freund/Zabel (1978: 105). Die Autoren der Studie schätzen die Effekte der Ansiedlungsförderung auf die regionale Beschäftigungsentwicklung als relativ gering ein; nach überschlagsartiger Berechnung auf der Basis von Statistiken der zuständigen Regierungsstellen im Saarland und Rheinland-Pfalz und den Betriebsangaben aus der Befragung nahm die Beschäftigung infolge der Ansiedlungsförderung lediglich um knapp 4.700 Personen oder 0,63 Prozent der gesamten Arbeitsplätze im Aktionsraum Saarland/Westpfalz zu. Einen höheren Anteilswert (1,22 Prozent) für die regionale Beschäftigungswirkung der Ansiedlungsförderung ermitteln Freund/Zabel, wenn sie abgesehen von den direkten Effekten in den geförderten Betrieben zusätzlich Folgeeffekte zu erfassen suchen. Im Zuge einer kritischen Reflexion des Ansatzes von Freund/Zabel sollte zunächst nicht unerwähnt bleiben, dass alle Aussagen hinsichtlich der Wirksamkeit der Ansiedlungsförderung letztendlich auf ungeprüften, subjektiven Angaben der befragten Unternehmen beruhen. Hinzu kommt, dass Schlüsse von einer Stichprobe auf die zugrunde liegende Grundgesamtheit mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit allgemein jedoch nur dann zutreffend sind, wenn „(. . .) ein Plan zur Durchführung einer kontrollierten Zufallsauswahl erstellbar ist, und wenn bei der Durchführung der Stichprobenziehung sowie bei der Datenerhebung verzerrende Einflüsse ausgeschaltet werden können“ (Kromrey 1987: 479). Diese Voraussetzungen sind in der Erhebung von Freund/Zabel nicht gegeben: Weder erfolgt die Auswahl der Unternehmen nach dem Zufallsprinzip beziehungsweise einem vertretbaren Stichprobendesign, noch lassen sich verzerrende Einflüsse bei der Umsetzung der Befragung ausschalten. Damit dürfte die Selektivität der Befragungsstichprobe ein hohes Ausmaß annehmen. Die Repräsentativität der Stichprobe muss auch aufgrund der geringen Anzahl der an der Befragung teilnehmenden Unternehmen stark bezweifelt werden. 58
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renden Gewerbes nicht gelang, weil etwaige zeitliche Diskrepanzen zwischen dem Jahr der Bewilligung und des Investitionsbeginns der subventionierten Vorhaben nicht beachtet werden konnten. Drittens scheint der dreijährige Untersuchungszeitraum zu kurz gewählt, weil zusätzlich zur zeitlichen Verzögerung zwischen der Bewilligung und Durchführung der Investitionsprojekte auch Wirkungs-Lags zwischen der Realisierung des Vorhabens und der jeweiligen Effekte auf die regionale Investitionstätigkeit bestehen und folglich im Ansatz von Bölting nur (verzerrte) kurzfristige Effekte geschätzt werden können.59 Die vierte Schwierigkeit liegt in der Kombination von Querschnitts- und Längsschnittsdaten (Pooling), die eine Zeitinvarianz der – mithin sehr konjunktursensitiven – Querschnittsdaten erfordert.60 Fünftens werden die einzelnen Schätzungen für beide regionalen Gliederungen (Arbeitsmarktregionen der Gemeinschaftsaufgabe und die Planungsregionen der Länder ohne Berlin), unabhängig der Disparitäten zwischen diesen Gebietskategorien mit jeweils identischen Regressionsgleichungen ohne fixe Effekte zur Kontrolle von regionsspezifischen Unterschieden in den unbeobachtbaren Variablen durchgeführt.61 Ein sechster Mangel besteht darin, dass die Annahmen des zugrunde liegenden multiplen Regressionsmodells62 weithin nicht überprüft werden und sich die einzelnen Koeffizienten deshalb, ungeachtet der sehr hohen Werte für das Bestimmtheitsmaß, nicht ohne Vorsicht interpretieren lassen.63 Unter anderem bleibt offen, ob die von Bölting verwendeten ProxyVariablen für einzelne Standortfaktoren oder die gewählte funktionale Form adäquat sind.64 Schon die grundsätzliche Bedeutung der Fördervariablen ist insofern zu hinterfragen, als mit ihr letztendlich die Investitionshöhe durch die Subventionssumme erklärt werden soll, ein gewisser deterministischer Einfluss aufgrund der Kopplung der Höhe der Investitionskostenzuschüsse über den regionalen Fördersatz an das Investitionsvolumen aber bereits in umgekehrter Richtung besteht.65 Ebenfalls nicht berücksichtigt wird das Problem der Heteroskedastizität.66 59
In späteren Untersuchungen wurde diesem Umstand dadurch Rechnung getragen, dass für die Fördervariable verzögerte Werte eingesetzt wurden, vgl. etwa Schalk/Untiedt (2000) und Röhl/von Speicher (2009). Geeignet wäre auch ein Einsatz eines Generalized Method-of-Moment (GMM)-Schätzers, vgl. dazu Wooldridge (2001: 95 f.). 60 Vgl. Franz/Schalk (1982: 5 f.). 61 Vgl. Hembach (1980: 173). 62 Siehe Teil C., Kapitel III.3.c). 63 Sehr wahrscheinlich sind die Wirkungskoeffizienten der regionalen Subventionen in der Studie von Bölting schon deshalb verzerrt, weil der Aspekt der regionalen Umverteilung von Investitionen aus Nicht-Fördergebieten in Fördergebiete infolge der staatlichen Intervention nicht berücksichtigt wird, vgl. dazu auch Krist/Nicol (1982: 144) mit Verweis auf Bade (1979). 64 Vgl. dazu auch Krist (1980: 49). 65 Folglich werden die Investitionen durch einen Teil dieser Investitionen zu erklären versucht, siehe dazu auch Asmacher/Schalk/Thoss (1987: 78). 66 Durch den Einsatz von logarithmierten Variablen wäre dies möglich gewesen, vgl. dazu schon Kuh (1963: 91).
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C. Verfahren zur Analyse der Wirksamkeit von Subventionen
Grundsätzlich wird siebtens ausschließlich auf die Bruttoanlageinvestitionen abgestellt, die allerdings nur ein Zwischenziel der Gemeinschaftsaufgabe darstellen.67 Dies hat zur Folge, dass die empirisch ermittelte Zunahme der Bruttoanlageinvestitionen zu einer Produktionsausweitung und in einer weiteren Runde zur Steigerung der regionalen Arbeitsnachfrage geführt haben könnte. In diesem Zusammenhang gilt es allerdings zu beachten, dass die Verringerung der betrieblichen Investitionskosten infolge der Investitionsförderung der Gemeinschaftsaufgabe auch zu einer Substitution des Produktionsfaktors Arbeit durch den Produktionsfaktor Kapital und folglich, sofern dieser Effekt die durch die Produktionsausweitung hervorgerufene Erhöhung der Arbeitsnachfrage übersteigt, in einer Verschlechterung der regionalen Beschäftigungs- und Einkommenssituation resultieren kann. Zur empirischen Überprüfung des Einflusses verschiedener Determinanten auf die regionale Investitionstätigkeit wählt auch Erfeld den Ansatz der multiplen Regressionsanalyse.68 Der Untersuchung liegen insgesamt 78 Verkehrsregionen zugrunde, die im Raumordnungsbericht 1968 als Gebietseinheiten im Zusammenhang mit der Erstellung des 2. Ausbauplans der Bundesfernstraßen abgegrenzt wurden.69 Die Operationalisierung der abhängigen und unabhängigen Variablen der Regressionsanalysen von Erfeld entspricht im Wesentlichen der Vorgängerstudie:70 Wie in der Arbeit von Bölting basiert das Schätzverfahren auf der Hypothese, dass die regionale Investitionstätigkeit abgesehen von dem vorherigen Kapitalbestand, Output (Umsatz) und dem Zinssatz von verschiedenen Standortfaktoren (Agglomerationsgrad/Marktpotenzial, Mittel der regionalen Wirtschaftsförderung) beeinflusst wird.71 Die Förderung durch die Gemeinschaftsaufgabe wird in den Schätzfunktionen wie bei Bölting mit der Investitionszulage und den ERPKrediten zu einem gemeinsamen Indikator zusammengefasst. Um weitere Hinweise zum Effekt der Maßnahmen der regionalen Wirtschaftsförderung zu erhalten, bildet Erfeld dazu noch eine Dummy-Variable, die in Fördergebieten den Wert 1 und in Nicht-Fördergebieten den Wert 0 annimmt. Als dritte Fördervariable dient der sogenannte „regionale Zinssatz“, der sich nach Multiplikation des konstanten gesamtwirtschaftlichen Zinssatzes (Sollzins für vereinbarte Kredite in 67
Vgl. auch Deitmer (1993: 11). Vgl. Erfeld (1980). 69 Vgl. Deutscher Bundestag (1968). Aus datentechnischen Gründen wurde in Hessen auf die dortigen Planungsregionen und in Niedersachsen auf sogenannte „Entwicklungsregionen“ zurückgegriffen, siehe Erfeld (1980: 94 ff.). 70 Vgl. Erfeld (1980: 119 ff.). 71 Als Indikator für die konjunkturelle Situation verwendet Erfeld im Unterschied zu Bölting die Kapazitätsauslastung (nicht regionsspezifisch) als Quotient aus dem effektiven und potenziellen Nettoproduktionsvolumen als Regressor, vgl. Erfeld (1980: 135 f.). 68
II. Makroökonometrische Wirkungsanalyse
103
laufender Rechnung) mit dem Faktor 1 r ergibt, wobei r den regionsspezifischen Fördersatz repräsentiert. Die Schätzung des Einflusses der ausgewählten Determinanten regionaler Investitionstätigkeit erfolgt, unter Variation der konkreten Modellgleichung in Abhängigkeit der jeweiligen Spezifikation,72 getrennt für sechs zusammengefasste industrielle Sektoren sowie nach Jahren im Zeitraum 1968–1973 und somit durch die Verwendung von Querschnitts- und Längsschnittsdaten. Neben der Möglichkeit der differenzierteren Betrachtung der Förderung bietet die Untersuchung von Erfeld im Vergleich zur Studie von Bölting den Vorteil, dass die Hypothesen für verschiedene industrielle Sektoren und einen längeren Zeitraum getestet werden können und – zur Berücksichtigung des Problems der Heteroskedastizität – auch eine nicht-lineare Investitionsfunktion geschätzt wird. Im Gegensatz zur methodisch sehr verwandten Arbeit von Bölting sind die Ergebnisse dieser Studie zur Wirkung der regionalen Wirtschaftsförderung auf die gewerbliche Investitionsförderung eher als ambivalent zu bezeichnen. So nimmt die Variable des absoluten Subventionswertes über alle drei berücksichtigten Maßnahmebereiche nur im Sektor Eisen, Stahl und Nichteisen-Metalle und die der Dummy-Variablen zur Fördergebietszugehörigkeit lediglich im Sektor Stahl-, Maschinen- und Fahrzeugbau einen signifikant positiven Parameterwert an. Ein anderes Bild ergibt sich dagegen für den Einfluss des vom Verfasser bestimmten regionalen Zinssatzes, dessen Koeffizient in allen Sektoren positiv und auf einem fünf Prozent-Signifikanzniveau abgesichert ist. Im Zuge einer Einschätzung der Aussagefähigkeit der Untersuchung von Erfeld darf zunächst nicht übersehen werden, dass die empirische Basis sehr eingeschränkt ist. So bilanziert der Autor selbst, dass „(. . .) die Daten (entweder) nur regional gegliedert, dann aber nicht sektoral, oder umgekehrt“ sind.73 Nicht berücksichtigt werden grundsätzlich Betriebe mit weniger als zehn Beschäftigten, wobei aufgrund der Begrenzung der Investitionsstatistiken auf Betriebe mit 20 beziehungsweise 50 Beschäftigten in einigen Ländern eine Hochrechnung zur Bestimmung der regionalen Betriebsgrößenklassen erforderlich ist. Zusätzliche Restriktionen ergeben sich durch den Umstand, dass die Daten zur Summe der ausgereichten Finanzmittel der drei Maßnahmen regionaler Wirtschaftsförderung in Übereinstimmung mit dem Ansatz von Bölting nur für den Zeitraum 1969– 1971 verfügbar ist und durch den Mangel einer umfassenden Datenbasis wiederum ein Pooling der Querschnitts- und Längsschnittsdaten mit den entsprechenden Einschränkungen durchgeführt wird. Die unterschiedlichen Schätzergebnisse zum Einfluss des Umfangs der Finanzmittel regionaler Wirtschaftsförderung führt Erfeld unter anderem auf den Man72 Die einzelnen Modellrechnungen basieren auf Annahmen der Akzelerator- und neoklassischen Investitionstheorie. 73 Vgl. Erfeld (1980: 119).
104
C. Verfahren zur Analyse der Wirksamkeit von Subventionen
gel an Angaben zum konkreten Investitionsbeginn der subventionierten Vorhaben zurück; wie bereits in der Vorgängerstudie stimmen die Angaben zur Subventionshöhe innerhalb eines Jahres im Datensatz mit der Summe der im entsprechenden Zeitraum bewilligten Fördermittel überein.74 Mit anderen Worten werden die jährlichen regionalen Bruttoanlageinvestitionen der einzelnen Sektoren mit Subventionen zu erklären versucht, die zwar im jeweiligen Jahr bewilligt, das entsprechende Investitionsvorhaben aber gegebenenfalls erst zu einem späteren Zeitpunkt realisiert wurde. Umgekehrt wird der Subventionswert in der Modellgleichung nicht von den in der Vorperiode bewilligten, aber erst im entsprechenden Jahr durchgeführten Investitionsvorhaben erhöht. Abgesehen von dieser Problematik bestimmt Erfeld, ebenso wie Bölting, die Wirkung der regionalen Wirtschaftsförderung, indem er die regionale Investitionstätigkeit unter anderem auf die Subventionshöhe und damit einen Bestandteil dieser Investitionen regressiert. Auch die Aussagekraft der beiden weiteren Fördervariablen ist äußerst fragwürdig: So bleibt offen, inwiefern ein Beitrag zur Einschätzung des Einflusses der regionalen Wirtschaftsförderung durch die Berücksichtigung der DummyVariablen geleistet werden soll. Hierbei besteht das Problem, dass diese binäre Variable den Aspekt der grundsätzlichen (Nicht-)Förderfähigkeit nicht von den regionalen Disparitäten, die ebenfalls Einfluss auf die betriebliche Investitionstätigkeit nehmen, isolieren kann.75 Die Idee der Aufnahme eines regionsspezifischen Zinssatzes in die regressionsanalytische Schätzung ist wiederum zwar grundsätzlich anerkennenswert, in ihrer Umsetzung allerdings nicht gelungen, weil der Wertebereich dieser Variable ausschließlich von den jeweiligen regionalen Förderhöchstsätzen determiniert wird. Dies suggeriert, dass der regionsspezifische Zinssatz von allen – und damit nicht nur den subventionierten – Betrieben bei der Finanzierung ihrer Investitionsvorhaben in Anspruch genommen werden kann. Wie schon Bölting beschränkt auch Erfeld die Überprüfung der methodischen Annahmen der multiplen Regressionsanalyse auf die Berechnung des Bestimmtheitsmaßes und die Standardabweichung der Modellkomponenten, sodass auf Grundlage dieser Arbeit keine verlässlichen Aussagen zur Wirkung regionaler Wirtschaftsförderung auf die Investitionstätigkeit abgeleitet werden können. Brösse/Buchkremer und Franz/Schalk haben mit vergleichbaren methodischen Ansätzen den Einfluss der regionalen Wirtschaftsförderung auf die betriebliche Investitionstätigkeit zu untersuchen versucht.76 Während sich der Regressionsansatz von Brösse/Buchkremer für den Untersuchungszeitraum 1972–1975 nur ge-
74 75 76
Vgl. Erfeld (1980: 177). Vgl. dazu auch Krist (1980: 28). Vgl. Brösse/Buchkremer (1981) und Franz/Schalk (1982).
II. Makroökonometrische Wirkungsanalyse
105
ringfügig von dem Schätzverfahren von Bölting abhebt und zu einem größeren geschätzten Wirkungskoeffizienten der Investitionsförderung in Höhe von 2,11 führt,77 unterscheidet sich die Analyse von Franz/Schalk für den Beobachtungszeitraum 1969–1971 von den vorherigen Untersuchungen insoweit, als sie zur Quantifizierung der Effekte der Investitionsanreize anstatt regionaler Zinssätze oder der absoluten Summe der Beihilfe die Höchstsätze der Förderung über das Konzept der Kapitalnutzungskosten in die Modellgleichung integriert. Auf diese Weise ermitteln die Verfasser eine stimulierende Wirkung der Förderung auf die regionale Investitionstätigkeit, wobei der Wirkungskoeffizient der Fördermaßnahmen auf 1,34 beziffert wird.78 Alle genannten partialanalytischen Wirkungsstudien, die ausschließlich die Veränderung der Investitionstätigkeit untersuchen, müssen sich – abgesehen von den bereits erwähnten daten- und methodenspezifischen Einschränkungen – den Vorwand gefallen lassen, lediglich den Einfluss auf ein Zwischenziel der regionalen Wirtschaftsförderung zu untersuchen. Hierbei besteht das Problem, dass eine Erhöhung der regionalen Investitionstätigkeit keineswegs mit einer Verbesserung der Beschäftigungs- und Einkommenssituation in den strukturschwachen Regionen einhergehen muss. Erstens steht der Einsatz von Kapitalmenge und Arbeitskräften nicht zwangsläufig in einem limitationalen Verhältnis, sodass ein höheres Investitionsniveau bei Substituierbarkeit der beiden Produktionsfaktoren gegebenenfalls auch zu einem Abbau von Beschäftigung führen kann. Zweitens haben die Auswirkungen der jüngsten globalen Finanz- und Wirtschaftskrise einmal mehr eindrucksvoll bewiesen, dass auch eine etwaige Erweiterung der Produktionskapazität exportorientierter Betriebe längst nicht durch entsprechende (ausländische) Nachfrageveränderungen ausgelastet werden muss. Anders formuliert erfordert eine positive Beschäftigungsentwicklung in den Fördergebieten bei konstanter beziehungsweise rückläufiger regionaler Ausbringungsmenge eine überproportionale Verringerung der Kapitalproduktivität in den strukturschwachen Regionen. Genau dies soll faktisch jedoch durch die Gewährung der Regionalbeihilfen vermieden werden. Hinzu kommt, dass die Schätzung der Investitionstätigkeit in den genannten Ansätzen – mit Ausnahme der Arbeit von Franz/ Schalk – ausschließlich für das Gebiet der geförderten Regionen erfolgt und damit eine systematische Verzerrung aufweisen dürfte. In der Studie von Franz/ Schalk werden die Nicht-Fördergebiete zwar in das Schätzverfahren aufgenommen, aber auch hier wird nicht für eine räumliche Autokorrelation der Residuen infolge regionaler Abhängigkeiten kontrolliert, sodass auch in diesem Fall mit verzerrten Schätzwerten und/oder der Ungültigkeit der Signifikanztests zu rech77 Im Unterschied zu Bölting regressieren Brösse/Buchkremer die regionalen Bruttoanlageinvestitionen auch auf die Zahl der Betriebsverlagerungen und -neugründungen sowie die Beschäftigten dieser Betriebe: Ir;t a0 1 Kr;t 1 UMr;t 3 ir;t 4 Fr;t 5 ZBr;t 6 BSr;t , vgl. Brösse/Buchkremer (1981: 85). 78 Vgl. Franz/Schalk (1982: 38).
106
C. Verfahren zur Analyse der Wirksamkeit von Subventionen
nen ist.79 Gegen die Verwendung regionaler Kapitalnutzungskosten spricht das oben genannte Argument, dass für betriebliche Investitionen auf regionaler Ebene keine einheitlichen Finanzierungskosten bestehen. cc) Konvergenzschätzung Die theoretische Grundlage für die Konvergenzregressionen des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung beziehungsweise von Alecke/Untiedt und Alecke/Mitze/Untiedt bildet das wachstumstheoretische Modell einer mit den Produktionsfaktoren Arbeit und Kapital nur ein Endprodukt erzeugenden, geschlossenen Volkswirtschaft ohne Staat nach Solow und Swan,80 das im Wesentlichen auf folgenden Prämissen basiert: • Das Angebot schafft sich grundsätzlich seine eigene Nachfrage, die das Wirtschaftswachstum somit annahmegemäß nicht eigenständig beeinflusst. • Die Produktionsfaktoren Arbeit und Kapital stehen in einem substitutionalen Verhältnis zueinander, wobei eine Vollbeschäftigung der Arbeitskräfte aufgrund der Markträumung durch den flexiblen Lohnsatz gewährleistet ist. Aufgrund der konstanten Sparquote steigt das Vermögen der privaten Haushalte proportional mit dem Einkommen. Die vollkommene Konkurrenz führt dazu, dass ein gleichgewichtiger Zinssatz eine Übereinstimmung des im Unternehmenssektor eingesetzten Kapitals und der Ersparnis der privaten Haushalte ermöglicht. Die Produktionsfunktion einer Region r in Periode t
Yr;t basiert auf der Form (C.II.8)
1 Yr;t A
tKr;t Lr;t
und weist konstante Skalenerträge auf. Die Grenzprodukte der Produktionsfaktoren sind positiv, sinken aber mit zunehmendem Einsatz von Arbeit und Kapital. • Abgesehen von den beiden Produktionsfaktoren wirken weitere Modellgrößen in Form von A
t (vor allem technischer Fortschritt und politische, soziale und kulturelle Rahmenbedingungen) auf Yr;t . Diese Größe nimmt periodisch um einen gleichbleibenden Prozentsatz zu, andere exogene Größen sind zeitkonstant. • Die Abschreibungs- und die Bevölkerungswachstumsrate sind konstant und exogen vorgegeben. 79 Zu den Möglichkeiten der Überprüfung räumlicher Autokorrelation der Residuen einer OLS-Schätzung siehe etwa schon Anselin (1988). 80 Vgl. Solow (1956) und Swan (1956). Für eine formale Beschreibungen des Modellrahmens siehe auch Sala-i-Martin (1990: 17 ff.) und Barro/Sala-i-Martin (2004: 23 ff.).
II. Makroökonometrische Wirkungsanalyse
107
Sofern diese Annahmen erfüllt sind, erhöht sich das regionale Produktionsvolumen bei einer Steigerung des Arbeits- und/oder Kapitaleinsatzes beziehungsweise von A
t.81 Im Zuge der langfristigen Anpassung an einen gleichgewichtigen Zustand (steady state) gilt dabei ceteris paribus, dass Regionen mit einem vergleichsweise niedrigen Kapitalstock und einer geringen Kapitalintensität in der Ausgangsperiode aufgrund der Annahme einer abnehmenden Grenzproduktivität des Kapitals schneller wachsen als Regionen, die zum jeweiligen Zeitpunkt über entsprechend höhere Werte verfügen.82 Der Einsatz von staatlichen Beihilfen in den strukturschwachen Regionen müsste demzufolge zu einer erhöhten Investitionstätigkeit in den Fördergebieten und mit einem stärkeren Wachstum der Pro-Kopf-Einkommen einhergehen. Zur Überprüfung des Einflusses des finanziellen Investitionsanreizes der Gemeinschaftsaufgabe und weiterer Bestimmungsfaktoren auf die regionale Produktivitätsentwicklung in den ostdeutschen Arbeitsmarktregionen führt der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung in seinem Jahresgutachten 2004/2005 einen regressionsanalytischen Ansatz für das Gebiet der neuen Länder durch.83 Die Schätzgleichung kann als bedingte Konvergenzregression bezeichnet werden, weil regionale Disparitäten als Wachstumsdeterminanten explizit zugelassen und in die Schätzgleichung aufgenommen werden: (C.II.9)
Yr;t;t0 a b
Yr;t0 1 X1;r 2 X2;r k Xk;r Ur;t :
In dieser Spezifikation ist das Wachstum der regionalen Bruttowertschöpfung je Erwerbstätigen
Yr;t;t0 abhängig von der jeweiligen Produktivität im Ausgangsjahr
Yr;t0 sowie einem Set unabhängiger Variablen
X , zu denen abgesehen vom Fördervolumen der Gemeinschaftsaufgabe (je Einwohner für den Zeitraum der Jahre 1990–2001), dem Anteil der Beschäftigten im Bergbau und Verarbeitenden Gewerbe bezogen auf 1.000 Einwohner (1997) als Proxy für die Industriedichte und der Bevölkerungsdichte auch ein Distanzindikator zählt. Ein Kernergebnis der Analyse ist, dass die gewerbliche Investitionsförderung der Gemeinschaftsaufgabe zu einem stärkeren Produktivitätswachstum führt: Mit einem Anstieg der Fördermittel um 11.892 EUR je Einwohner ließe sich die jährliche Veränderungsrate der Produktivität danach um einen Prozentpunkt erhöhen. Dagegen bleibt der Parameter der Infrastrukturförderung insignifikant, sodass dieser Bereich der Gemeinschaftsaufgabe gemäß der Studie im Beobachtungs-
81
Siehe auch Maier/Tödtling/Trippl (2006b: 58). Vgl. Bode (1996: 16). 83 Vgl. Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (2004: Tz 633). 82
108
C. Verfahren zur Analyse der Wirksamkeit von Subventionen
zeitraum nicht zu einer Produktivitätssteigerung in den ostdeutschen Ländern geführt hat. Auch in den Wirkungsanalysen des Fördermitteleinsatzes der Gemeinschaftsaufgabe von Alecke/Untiedt und Alecke/Mitze/Untiedt dienen Überlegungen der neoklassischen Wachstumstheorie zur Beziehung zwischen dem Ausgangsniveau und dem sich anschließenden Entwicklungsverlauf des regionalen Pro-Kopf-Einkommens, definiert als Bruttoinlandsprodukt je Erwerbsfähigem, zunächst als methodischer Ausgangspunkt.84 In beiden Veröffentlichungen wird das Wachstum des regionalen Pro-Kopf-Einkommens im Untersuchungszeitraum in einem ersten Schritt zunächst ausschließlich auf das Pro-Kopf-Einkommen im Ausgangsjahr regressiert (unbedingte Konvergenzregression): (C.II.10)
Yr;t;t0 a b
Yr;t0 Ur;t :
Alecke/Untiedt ermitteln für die 225 west- und ostdeutschen Arbeitsmarktregionen auf Grundlage der Abgrenzung aus dem Jahre 1993 für den Zeitraum 1994–2003 einen schwachen inversen Zusammenhang zwischen dem durchschnittlichen individuellen Einkommenswachstum und dem logarithmierten ProKopf-Einkommen in der Ausgangsperiode.85 Zu einem ähnlichen Befund kommen auch Alecke/Mitze/Untiedt, die mit derselben regionalen Abgrenzung und einem etwas längeren Untersuchungszeitraum (1994–2006) eine Konvergenzgeschwindigkeit 86 des Pro-Kopf-Einkommens von 4,2 Prozent berechnen.87 Eine notwendige Voraussetzung für die Gültigkeit des Zusammenhangs zwischen dem Ausgangsbestand des regionalen Pro-Kopf-Einkommens und seiner nachfolgenden Veränderung besteht, wie oben dargestellt, allerdings in der empirisch nicht erfüllten Erfordernis, dass sich die Regionen nicht hinsichtlich ihrer Investitionsneigung (Sparquote), Bevölkerungsentwicklung und Produktionstechnologie unterscheiden.88 In einem weiteren Analyseschritt werden in beiden Studien ebenfalls bedingte Konvergenzregressionen geschätzt, um zusätzliche Einflussgrößen der Einkommensentwicklung zu berücksichtigen. Als unabhängige
84
Vgl. Alecke/Untiedt (2007b) und Alecke/Mitze/Untiedt (2010). Die Güte der Schätzung, gemessen an dem Anteil der erklärten Abweichung an der zu erklärenden Gesamtvarianz, beträgt dabei lediglich 24 Prozent, siehe Alecke/Untiedt (2007b: 88). 86 b
1 e t =t, vgl. auch Alecke/Mitze/Untiedt (2010: 11). 87 Die geschätzte Konvergenzrate liegt damit über dem in der Mehrheit der empirischen Studien festgestellten Intervall von 2–3 Prozent, siehe etwa Mankiw/Romer/Weil (1992) und Barro/Sala-i-Martin (1998). 88 Gegen diese Annahmen haben sich zahlreiche Veröffentlichungen gestellt. Danach könnte nicht der Kapitalstock pro Kopf in der Ausgangssituation maßgeblich für das Pro-Kopf-Einkommenswachstum sein, sondern etwa die Investitionen (Levine/Renelt 1992) beziehungsweise die Fiskalpolitik (Minier 2007). 85
II. Makroökonometrische Wirkungsanalyse
109
Variablen werden dafür in den Querschnittsregressionen von Alecke/Mitze/Untiedt neben der Investitionsförderung durch die Gemeinschaftsaufgabe89 eine Reihe von regionalen Potenzialfaktoren verwendet.90 Das Ergebnis dieses Schätzansatzes deutet darauf hin, dass das regionale Pro-Kopf-Einkommen durch die Fördermittel der Gemeinschaftsaufgabe mehrheitlich positiv beeinflusst wird: Insbesondere Fördergebiete mit einem geringen Produktivitätsniveau im Ausgangsjahr verzeichneten im Untersuchungszeitraum ein überdurchschnittlich hohes Wachstum des Pro-Kopf-Einkommens.91 Insgesamt beträgt der Fördereffekt
0;135 0;036 log
y1994 , wobei das Vorzeichen des Interaktionstermes verdeutlicht, dass von den Subventionen ab einer bestimmten Höhe des Pro-KopfEinkommens im Jahre 1994 ein negativer Effekt ausging.92 Alecke/Untiedt kombinieren in einem letzten Analyseschritt Querschnitts- und Zeitreihendaten, um das wahrscheinliche Endogenitätsproblem unabhängiger Variablen zu adressieren. Im Rahmen der Schätzung mit der Instrumentalvariablen-Methode93 werden in der Schätzgleichung jeweils die Investitionskostenzuschüsse der Gemeinschaftsaufgabe aus dem Vorjahr verwendet, um eine zeitlich verzögerte Wirkung der Förderung zu ermöglichen. Arbeitsmarktregionsspezifische Unterschiede in beobachtbaren und unbeobachtbaren Regressoren sollen durch fixe Effekte aufgefangen werden.94 Auch in dieser Spezifikation bleibt ein signifikant positiver Einfluss der Förderung erhalten. Der Erklärungskraft der neoklassischen Wachstumstheorie für die Analyse der makroökonomischen Wirkung der regionalen Wirtschaftsförderung und damit dem theoretischen Fundament der drei hier dargestellten Untersuchungen sind 89 Die Effekte der Gemeinschaftsaufgabe sollen durch einen Fördergebiets-Dummy und den Quotienten aus der Summe bewilligter Investitionszuschüsse in den Bereichen gewerbliche Wirtschaft sowie Infrastruktur und der Zahl der Erwerbsfähigen ermittelt werden. Zusätzlich wird ein Dummy für die ostdeutschen Arbeitsmarktregionen und ein Interaktionsterm zwischen den Fördervariablen und dem Niveau des Pro-Kopf-Einkommens in der Ausgangsperiode gebildet, vgl. Alecke/Mitze/Untiedt (2010: 15). 90 Dazu zählen Variablen zum Beschäftigungswachstum, Technologie- (Patente je Erwerbsfähigem, Anteil der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in technologieorientierten Wirtschaftszweigen nach ISI/NIW-Liste) und Ausbildungsniveau (Anteil der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten mit Berufsabschluss an den Gesamtbeschäftigten), der betrieblichen Struktur (Anteil des Auslandsumsatzes am Gesamtumsatz, dem Anteil der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in der Industrie und mit Ellison-Glaeser-Index > 0,005 an Gesamtbeschäftigung des Wirtschaftssektors, Summe der quadrierten Abweichungen zwischen Beschäftigtenanteilen in einem Kreis und dem Bundesdurchschnitt) und raumstrukturelle Merkmale der Arbeitsmarktregionen (Bevölkerungsdichte, Marktpotenzial als Summe der Einkommen im Umland und verkehrsmäßige Erreichbarkeit), vgl. Alecke/Mitze/Untiedt (2010: 41 f.). 91 Zu diesem Ergebnis kommen auch Alecke/Untiedt (2007b: 95). 92 Dies trifft für rund ein Drittel der geförderten Arbeitsmarktregionen zu, vgl. Alecke/Mitze/Untiedt (2010: 17 ff.). 93 Siehe Teil C., Kap. III.3.d). 94 Vgl. Alecke/Untiedt (2007b: 97).
110
C. Verfahren zur Analyse der Wirksamkeit von Subventionen
allgemein enge Grenzen gesetzt, weil die restriktiven Annahmen mehrheitlich verletzt sind.95 Unter methodischen Gesichtspunkten sind die Ergebnisse der Studien aufgrund der geringen Anzahl von erklärenden Variablen nur mit Einschränkungen zu interpretieren. Infolgedessen erscheint es fragwürdig, ob die – für eine Unverzerrtheit der geschätzten Modellparameter notwendige – Annahme der Berücksichtigung sämtlicher relevanter unabhängiger Variablen erfüllt ist. Ebenfalls nicht korrekt spezifiziert wäre das Modell, wenn irrelevante Variablen als Regressoren in der Schätzgleichung verwendet werden, der Zusammenhang zwischen der Produktivität und den einzelnen Regressoren nicht linear ist beziehungsweise das Endogenitätsproblem nicht gelöst wird.96 Vor diesem Hintergrund raten die Autoren selbst dazu, die Ergebnisse mit Vorsicht zu deuten.97 dd) Panelschätzung Bei der Studie von Röhl/von Speicher handelt es sich um einen Panelregressionsansatz, auf dessen Grundlage die Auswirkung der gewerblichen Investitionsförderung der Gemeinschaftsaufgabe im Zeitraum 1996–2006 auf das Wachstum der Bruttowertschöpfung in 113 ostdeutschen Kreisen beurteilt werden soll.98 Im Rahmen ihrer Analyse verwenden die Verfasser zwei verschiedene abhängige Variablen und sektorale Abgrenzungen; einmal wird die Bruttowertschöpfung ausschließlich im Verarbeitenden Gewerbe ohne weitere sektorale Untergliederung, sowie in einer zweiten Variante die Beschäftigung förderfähiger Wirtschaftszweige aus dem Verarbeitenden Gewerbe und dem Bereich unternehmensnaher Dienstleistungen auf Grundlage von Daten der Bundesagentur für Arbeit betrachtet. Als empirisches Material zur Schätzung der (logarithmierten) regionalen Bruttowertschöpfung
Yr;t dient die Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung der Länder (2008), wobei die Summe der regionalen Investitionsförderung vor drei Jahren
Sr;t 3 der Bewilligungsstatistik entnommen wird.99 In der ersten Modellspezifikation zählen neben der Fördersumme und einer Trendvariablen
T vier Re-
95 Im klaren Widerspruch zur Realität stehen vor allem die Annahmen der Vollbeschäftigung, vollkommenen Konkurrenz, uneingeschränkten (interregionalen) Faktormobilität und eines langfristig konstanten Einkommens, vgl. dazu auch Schätzl (2003: 143) und Koch (2009: 24). 96 Vgl. Teil C., Kapitel III.3.c). 97 Vgl. Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (2004: 648 f.). 98 Vgl. Röhl/von Speicher (2009). 99 Durch den dreijährigen Vorlauf der Summe der gewerblichen Subventionen in der Regressionsschätzung soll der zeitlichen Diskrepanz zwischen ihrer Bewilligung und Auswirkung auf die regionale Bruttowertschöpfung Rechnung getragen werden, vgl. Röhl/von Speicher (2009: 35).
II. Makroökonometrische Wirkungsanalyse
111
gionsdummies zur Berücksichtigung fixer Effekte
d1;r ; . . . ; d4;r zum Set der unabhängigen Variablen, sodass die Regressionsgleichung die folgende Form hat: (C.II.11)
Yr;t 1 d1;r 2 d2;r 3 d3;r 4 d4;r 1 T 2 Sr;t
3
Ur;t :
Dieses Basismodell wird in einer zweiten Spezifikation erweitert, indem der Fördereffekt nicht über alle Kreise, sondern für die einzelnen Regionstypen geschätzt wird: (C.II.12)
Yr;t 1 d1;r 2 d2;r 3 d3;r 4 d4;r 1 T ?d1;r 2 Sr;t d2 3 Sr;t 3 d3;r 4 Sr;t 3 d4;r 5 Sr;t 3 Ur;t :
3
Die Ergebnisse der Regressionsanalysen zur Wirksamkeit der gewerblichen Investitionsförderung auf die beiden abhängigen Variablen dieser Untersuchung sind relativ eindeutig: Die entsprechenden Koeffizienten tragen sowohl in der ersten Spezifikation (1. Gleichung) als auch für die vier Regionstypen (2. Gleichung) ein positives Vorzeichen, wobei die höchste Wirkung der Investitionskostenzuschüsse auf die Bruttowertschöpfung für den Regionstyp der Agglomerationszentren ermittelt wird.100 Im Zuge ihrer branchenspezifischen Betrachtung kommen die Autoren zu dem Schluss, dass die Subventionen im Untersuchungszeitraum in allen betrachteten Wirtschaftszweigen positive regionale Beschäftigungseffekte ausgelöst haben. Auch bei dieser Untersuchung sind hinsichtlich des genutzten empirischen Materials und der verwendeten Methodik Bedenken anzumelden. Den Verfassern stehen lediglich aggregierte Daten der Bewilligungsstatistik auf Kreisebene zur Verfügung, sodass die Fördervariable (Summe der betrieblichen Investitionskostenzuschüsse der Gemeinschaftsaufgabe) aufgrund der Nicht-Übereinstimmung von Bewilligungs- und Verwendungsnachweisstatistik verzerrt ist101 und damit auch ihr Effekt auf die Zielgröße nicht korrekt quantifiziert werden kann. Unter methodischen Aspekten ist die Analyse von Röhl/von Speicher schon deshalb mit Vorsicht zu interpretieren, weil die Autoren auf eine theoretische Fundierung ihres Schätzansatzes verzichten. Bezugnehmend auf die konkreten Spezifikationen der Regressionsgleichungen ist zu bezweifeln, dass die fixen Effekte für die einzelnen Querschnittseinheiten über die Konstruktion der vier Regionsdummies tatsächlich abgebildet werden.102 Ebenso dürfte, wie bei den zuvor dargestellten regressionsanalytischen Modellen, außer Frage stehen, dass wichtige Bestimmungsfaktoren der beiden abhängigen Variablen im Rahmen der Berechnungen nicht berücksichtigt wurden und die geschätzten Modellparameter verzerrt sind.
100 101 102
Vgl. Röhl/von Speicher (2009: 37 f.). Siehe Teil B., Kapitel I.1.b). Vgl. Alecke/Mitze/Untiedt (2010: 5).
112
C. Verfahren zur Analyse der Wirksamkeit von Subventionen
ee) Shift-Share-Schätzung Blien et al. regressieren die Beschäftigungsentwicklung in den 113 ostdeutschen Kreisen im Zeitraum 1993–1999 auf den Fördermitteleinsatz der Gemeinschaftsaufgabe und weitere unabhängige Variablen. Ihrer Wirkungsanalyse ist eine Panelschätzung vorgeschaltet, mit der das regionale Beschäftigungswachstum durch die jeweilige Branchen-
WZ, Qualifikations-
WZ, Betriebsgrößen
B und Berufsgruppenstruktur
K, das Lohnniveau
W sowie einen Perioden
und Standorteffekt
K erklärt wird: Yr;t (C.II.13)
X27
X3 X3 iI WZi;r;t 1 Q Qj;r;t 1 B B j1 j z1 z z;r;t 1 X14 K K W Wr;t 1 t r Ur;t :103 l1 m z;r;t 1 i1
In Anlehnung an Patterson und Möller/Tassinopoulus setzen die Autoren in einem weiteren Analyseschritt ein Shift-Share-Regressionsmodell ein, um die sektorale Beschäftigungsentwicklung auf Regionsebene zu schätzen.104 Diese branchenspezifische Disaggregation soll einerseits dazu führen, dass wirtschaftszweigspezifische Einflüsse auf die Entwicklung der Beschäftigung besser erfasst werden als durch die Panelregression. Zudem bietet sich durch die differenzierte Betrachtung die Möglichkeit, weitere erklärende Größen, wie etwa verschiedene Maßnahmen der regionalen Wirtschaftsförderung
F, in die Modellschätzung zu integrieren.105 Die Schätzung des regionalen Beschäftigungswachstums in den 27 Wirtschaftszweigen nimmt in diesem Ansatz folgende Form an:
(C.II.2)
X3 X3 X27 b Zr;t Yrt i Q Qj;i;r;t 1 B B W Xi W j1 j z1 z z;i;r;t 1 i1 i X4 F F t y r i
ai;r;0 ai;0 Ui;r;t ; f 1 f f ;r;t 1
1
wobei i den Effekt, i die Strukturanpassung, ai;r;0 den Anteil der Beschäftigten des Wirtschaftszweiges i in r beziehungsweise ai;0 der Gesamtbeschäftigten (jeweils zum Ausgangsjahr 1993) und y den Effekt des Gebietstyps y repräsentiert.106 Von der gewerblichen Investitionsförderung der Gemeinschaftsaufgabe, so das Ergebnis der Shift-Share-Regressionen, geht ein signifikant positiver Einfluss auf 103
Zur Definition der einzelnen Regressoren siehe Blien et al. (2003a: 19). Vgl. Patterson (1991), Möller/Tassinopoulus (2000) und Blien et al. (2003b: 167 ff.). 105 Hierbei wurden neben der Investitionsförderung durch die Gemeinschaftsaufgabe, Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) und Deutsche Ausgleichsbank (DtA) auch Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik berücksichtigt, vgl. Blien et al. (2003a: 19). 106 Vgl. Blien et al. (2003a: 8). 104
II. Makroökonometrische Wirkungsanalyse
113
das regionale Beschäftigungswachstum in einer Branche aus: Bei einer Erhöhung der betrieblichen Investitionskostenzuschüsse um 3.125 EUR je Beschäftigten würde sich das regionale Beschäftigungswachstum in den betrachteten Sektoren im Durchschnitt – unter Konstanthaltung der weiteren Regressoren – um 0,1 Prozentpunkte erhöhen. Statistisch insignifikant und merklich schwächer, wenn auch noch leicht positiv, ist dagegen der Einfluss der Infrastrukturförderung der Gemeinschaftsaufgabe auf die Beschäftigungsentwicklung in den ostdeutschen Kreisen.107 Die Interpretierbarkeit des Wirkungsparameters gestaltet sich insofern als nicht unproblematisch, als die Fördervariable und die Beschäftigungsentwicklung gleichermaßen auch von der tatsächlichen regionalen Investitionstätigkeit beeinflusst werden, letztgenannte Größe aber, ebenso wie weitere relevante Erfolgsfaktoren, kein Bestandteil der Regressionsschätzung ist. b) Regressionsanalytische Eingleichungsmodelle mit Berücksichtigung indirekter räumlicher Effekte Mit einem räumlichen Modell verteilter Verzögerungen (Spatial Autoregressively Distributed Lag Model, SADL)108 zielen Eckey/Kosfeld in ihrer Wirkungsanalyse auf die quantitative Schätzung der direkten und indirekten Effekte der Investitionskostenzuschüsse der Gemeinschaftsaufgabe auf die Bruttowertschöpfung je Einwohner im Jahre 2001.109 Im Gegensatz zu den zuvor dargestellten partialanalytischen Wirkungsmodellen beabsichtigen die Autoren damit explizit den Einbezug von räumlichen Interaktionen zwischen den Fördergebieten und Nicht-Fördergebieten auf Grundlage von Überlegungen verschiedener Arbeiten zur endogenen Wachstumstheorie und der Neuen Ökonomischen Geografie.110 Danach wird wie bei den zuvor dargestellten Wirkungsanalysen erwartet, dass die Subventionen an die gewerbliche Wirtschaft durch die Gemeinschaftsaufgabe zu zusätzlicher Investitionstätigkeit in den Fördergebieten führt und darüber hinaus, dass von dieser Entwicklung auch positive Spillover-Effekte auf die Fördergebiete ausgehen können, die jedoch gegebenenfalls durch Verlagerungen von Investitionsprojekten aus den Nicht-Fördergebieten in Fördergebiete überkompensiert werden (vgl. Abbildung 10). Im Maximum-Likelihood-Schätzansatz von Eckey/Kosfeld hängt die Bruttowertschöpfung pro Kopf
Y von k Kontrollvariablen
X und den Y -Werten der 107
Vgl. Blien et al. (2003a: 30). Siehe auch Kosfeld/Lauridsen (2004). 109 Vgl. Eckey/Kosfeld (2005). 110 Siehe Eckey/Kosfeld (2005: 154 f.) mit Verweis auf die Arbeiten von Biehl et al. (1975), Biehl (1991), Krugman (1991b), Illeris (1993), Karlsson/Johansson/Stough (2000) und Barro/Sala-i-Martin (2004). 108
114
C. Verfahren zur Analyse der Wirksamkeit von Subventionen Partialanalytische Regressionsmodelle
SADL-Modell von Eckey/Kosfeld
+ Förderregionen
Regionale Wirtschaftsförderung
Förderregionen
Regionale Wirtschaftsförderung
NichtFörderregionen
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Eckey/Kosfeld (2005: 153).
Abbildung 10: Ansatz des SADL-Modells von Eckey/Kosfeld im Vergleich zu den zuvor dargestellten Eingleichungsmodellen
Nachbarregionen ab, die zur Beachtung räumlicher Interaktionen jeweils als LagVariablen WY ; WX 1 ; . . . ; WXk modelliert werden, wobei W eine Gewichtungsmatrix der Dimension n n mit den Nachbarschaftsindikatoren Wij (Wij 1 wenn i und j Nachbarn sind, sonst Null) ist:111 (C.II.15)
Y
I
a1 W
1
0 i 1 WY
Xk j1
0j Xj
Xk j1
1j WXj U :
Die Inverse
I a1 W 1 nimmt die Form der „Leontief-Expansion“ mit
I a1 W 1 I a1 W a21 W 2 an,112 während die Koeffizienten 1 ; 11 ; . . . ; 1k die relative Stärke des Einflusses der Regressoren der Region i in Bezug auf das durchschnittliche Niveau der X und Y -Koeffizienten anzeigen und U den Erwartungswertvektor der normalverteilten Störgröße repräsentiert. Der Vektor X enthält neben den Investitionskostenzuschüssen der Gemeinschaftsaufgabe (in EUR je Einwohner) und einem West-Ost-Dummy lediglich fünf Re111 112
Vgl. Eckey/Kosfeld (2005: 156 f.). Vgl. Eckey/Kosfeld (2005: 157 f.).
II. Makroökonometrische Wirkungsanalyse
115
gressoren113, weil eine Reihe von potenziellen Kontrollvariablen im Rahmen einer vorgeschalteten Hauptachsen-Faktorenanalyse der unabhängigen Variablen ohne Einbezug des West-Ost-Dummies ausgeschlossen wurden.114 Als Datengrundlage dient die, um eigene Berechnungen zu Verkehrs- und Lageindikatoren ergänzte, Regionalstatistik des Statistischen Bundesamtes.115 Sofern für einzelne Variablen zwischen 2000 und 2002 mehrere Angaben vorliegen, wird stets nur der Wert des jüngsten Jahres verwendet. Als Gebietsraster der Untersuchung werden die westdeutschen Arbeitsmarktregionen verwendet. Das zentrale Ergebnis der Schätzung zu den räumlichen Verteilungseffekten der Investitionskostenzuschüsse der Gemeinschaftsaufgabe116 ist, dass der direkte, positive Effekt der betrieblichen Subventionen auf die Bruttowertschöpfung je Einwohner in den Förderregionen mit einer Verlagerung von Investitionen aus den Nicht-Fördergebieten einhergeht, die ihrerseits dort den durchschnittlichen Wert der Zielvariable in annähernd gleicher Größenordnung reduziert. Da sich zudem die negativen Spillovers in den Nicht-Fördergebieten auf die Fördergebiete beziehungsweise positiven Spillovers in umgekehrter Richtung in etwa die Waage halten, fällt der gesamtwirtschaftliche Wirkungskoeffizient der Investitionskostenzuschüsse (1,09) merklich geringer aus als im Falle der Nicht-Beachtung räumlicher Verteilungseffekte (1,69).117 Beide Effekte der Gemeinschaftsaufgabe, sowohl der direkte als auch der indirekte Einfluss der Fördermittel, bleiben jedoch in diesem Schätzansatz insignifikant. Eckey/Kosfeld beschränken ihre Analyse regionaler Verlagerungseffekte der Investitionsförderung durch die Gemeinschaftsaufgabe auf die Bruttowertschöp113 Dazu zählen neben einem Indikator zur Güte der Verkehrsanbindung noch die folgenden Anteilswerte: Beschäftigte/1.000 Einwohner, Hochqualifizierte/100 Beschäftigte, Gewerbeanmeldungen/1.000 Einwohner und angemeldete Patente je 1.000.000 Einwohner, vgl. Eckey/Kosfeld (2005: 164). 114 Vgl. Eckey/Kosfeld (2005: 162 ff.). 115 Vgl. Statistisches Bundesamt (2003). 116 Unter der Annahme eines räumlichen Gleichgewichts
X X 1 2 XGRW Xk 0 berechnet sich die Wirkung der Gewährung eines Investitionszuschusses in Region A um eine Einheit bei unveränderter (Nicht-)Förderung in Region B auf die Zielgröße Y in A wegen
X 1 0 und W 01 10 wie folgt: i 2 2 h a1 =1 a1 0;GRW 1=1 a1 . Im Klartext erhöht sich Y um den direkten Y a1 =1 a21 1=1 a21 0 1;GRW 2 Effekt
1=1 a1 0;GRW , wobei diese Veränderung bei einem förderbedingten Rückgang der Investitionen in B um
a21 =1 a21 1;GRW reduziert wird, vgl. Eckey/ Kosfeld (2005: 158 f.). 117 Vgl. Eckey/Kosfeld (2005: 165 ff.). Geringe negative indirekte Spillover-Effekte der Investitionsförderung in strukturschwachen Gebieten auf Nachbarregionen haben auch De Castris/Pellegrini (2012) mit ihrem autoregressiven Modell für Süditalien im Zeitraum 1996–2001 festgestellt. Danach hat die erhöhte Investitions- und Beschäftigungsdynamik in den Fördergebieten einen (schwachen) negativen Einfluss auf die Entwicklung dieser beiden Größen in den benachbarten Nicht-Fördergebieten.
116
C. Verfahren zur Analyse der Wirksamkeit von Subventionen
fung je Einwohner auf das Jahr 2001 und Ostdeutschland. Ansätze zu einer Verbesserung der Aussagefähigkeit und Erhöhung der Relevanz würden hier in einer deutlichen Ausdehnung der Datenbasis in Form der Erweiterung des Analysezeitraumes auf die Länge von mindestens einem Konjunkturzyklus und den Einbezug der neuen Länder, die in dieser Zeit den Löwenanteil der Fördermittel absorbierten118, liegen. Ebenfalls erstrebenswert wäre auch in diesem Ansatz der Rückgriff auf eine größere Zahl von erklärenden Einflussfaktoren. Nicht auflösen lässt sich dagegen ein gewisser Widerspruch zwischen der – Verlagerungen wirtschaftlicher Aktivität zugunsten der strukturschwachen Regionen explizit einschließenden – Ausgleichszielsetzung und dem methodischen Erkenntnisinteresse der Studie. Wie Eckey/Kosfeld streben auch Alecke/Mitze/Untiedt in ihrem Beitrag zur Wirksamkeit der betrieblichen Investitionskostenzuschüsse der Gemeinschaftsaufgabe eine Berücksichtigung von räumlichen Spillover-Effekten zwischen den Fördergebieten und ihren Nachbarregionen an.119 Der Untersuchungszeitraum dieser Studie bezieht sich auf die Jahre 1994–2006, wobei die Abgrenzung der Fördergebietskulisse aus dem Jahre 1993 für den gesamten Untersuchungszeitraum verwendet wird. In einer dritten und letzten Stufe ihrer Analyse120 zeigen die Verfasser mit der Moran’s I Statistik, dass die Schätzresiduen eine signifikante räumliche Autokorrelation aufweisen und erweitern die Modellspezifikation um eine Komponente, die räumliche Spillover-Effekte auffangen soll. Nachdem die Maximum Likelihood-Schätzung von Spatial Autoregressive (SAR)121 und Spatial Error (SER)122Spezifikationen mit unterschiedlichen Gewichtungsmatrizen nicht zu eindeutigen Ergebnissen hinsichtlich der Modellspezifikation führen,123 greifen Alecke/ Mitze/Untiedt schließlich auf das Spatial Durbin Watson Model (SDM)124 beziehungsweise Spatial Durbin Error Model (SDEM)125 zurück. Die beiden letztgenannten Verfahren bieten den Vorteil, dass die räumliche Gewichtungsmatrix 118
Vgl. Teil A., Kapitel I.4. Vgl. Alecke/Mitze/Untiedt (2010) beziehungsweise für eine etwas reduzierte Darstellung des methdodischen Vorgehens Alecke/Mitze/Untiedt (2012). 120 Für die vorgeschalteten Konvergenzregressionen siehe Teil C., Kapitel II.3.a)cc). 121 Vgl. Anselin (1988), Cliff/Ord (1981). Getis (2010: 28) weist darauf hin, dass mit SAR-Modellen räumliche Spillover-Effekte nicht im Gesamtzusammenhang dargestellt werden, sondern ausschließlich die Spatial Lags der abhängigen Variablen auf: „This is not a model of spatial autocorrelation per se but a model of the effect of spatial autocorrelation on a dependent variable.“ 122 Beim SER-Ansatz soll die räumliche Abhängigkeit nicht in Form eines Spatial Lags der abhängigen Variablen und damit eines zusätzlichen Regressors, sondern im Fehlerterm in die Modellstruktur integriert werden, vgl. Fischer/Varga (2002: 144). 123 Vgl. Alecke/Mitze/Untiedt (2010: 31). 124 Siehe etwa Burridge (2011: 75 f.). 125 Siehe etwa LeSage/Pace (2009: 42). 119
II. Makroökonometrische Wirkungsanalyse
117
W im Gegensatz zu den SAR- und SER-Modellansätzen nicht über den Fehlerterm in die Schätzgleichung eingeht, sondern für die einzelnen erklärenden Größen des Vektors X . Die Produktivität (definiert als Wachstumsrate des regionalen Einkommens je Erwerbstätigen, Y ) bestimmt sich im SDM-Modell allgemein als: (C.II.16)
Y WY dX WX e ;
wobei sich der Spatial Lag der abhängigen Variable durch den Koeffizienten beziehungsweise der einzelnen erklärenden Größen WX abbilden lässt, d die Regressionskoeffizienten und W die Gewichtungsmatrix repräsentiert. Im SDEMModell setzt sich der Vektor X ausschließlich aus räumlichen Variablen zusammen. Dazu wird nicht für räumliche Spatial Lags des Regressanden kontrolliert, sodass sich (vorherige Gleichung) wie folgt reduziert: (C.II.17)
Y dX WX U ;
wobei U WX . Im klaren Widerspruch zu den Ergebnissen der klassischen und bedingten Konvergenzregressionen126 sowie der SAR- beziehungsweise SEM-Spezifikation geht von den Investitionskostenzuschüssen der Gemeinschaftsaufgabe im SDMund SDEM-Schätzansatz im Durchschnitt über alle Arbeitsmarktregionen ein negativer Einfluss auf das regionale Produktivitätswachstum aus.127 Die Autoren führen dies in Anlehnung an die dargestellte Studie von Eckey/Kosfeld darauf zurück, dass es infolge der staatlichen Beihilfen zu Verlagerungen von Investitionen in die Fördergebiete kommt, die den positiven direkten Effekt der Gemeinschaftsaufgabe – gerade in Arbeitsmarktregionen mit einer hohen Produktivität in der Ausgangssituation – übersteigen.128 Im Gegensatz zu Eckey/Kosfeld analysieren die Verfasser nicht den Einfluss von unabhängigen Variablen auf die Arbeitsproduktivität zu einem bestimmten Zeitpunkt, sondern auf deren Wachstum über einen zwölfjährigen Zeitraum. Dadurch vermeiden sie die üblichen Einschränkungen von zeitpunktbezogenen Schätzungen. Ein weiterer Vorteil der Arbeit von Alecke/Mitze/Untiedt gegenüber dem Ansatz von Eckey/Kosfeld liegt darin, dass eine größere Anzahl erklärender Variablen für die Analyse des Produktivitätswachstums eingesetzt wird. Dennoch ist davon auszugehen, dass in beiden Studien produktivitätsrelevante Variablen in den Schätzungen fehlen und damit eine Prämissenverletzung des 126
Siehe auch Teil C., Kapitel II.3.a)cc). Dieses Resultat bezieht sich auf die Gesamtwirkung der Förderung
W GRW , die Koeffizienten des Förderdummies sowie der Förderintensität ohne Berücksichtigung von Spatial Lags sind auch in der SDM- und SDEM-Spezifikation positiv, vgl. Alecke/ Mitze/Untiedt (2010: 32 ff.). 128 Vgl. Alecke/Mitze/Untiedt (2010: 34). 127
118
C. Verfahren zur Analyse der Wirksamkeit von Subventionen
Modells vorliegt. Hinzu kommt, dass datenbedingte Verzerrungen der Modellparameter zu erwarten sind, weil einige der erklärenden Größen als Durchschnittswerte über den gesamten Untersuchungszeitraum in die Schätzungen eingehen, während die entsprechenden Werte für andere Variablen nur für ein Jahr vorliegen. c) Mehrgleichungsmodell der Universität Münster aa) Das Basismodell von Asmacher/Schalk/Thoss Asmacher/Schalk/Thoss erweitern die bisher dargestellten partialanalytischen Veröffentlichungen im Rahmen ihrer Wirkungsanalyse für den Zeitraum 1977– 1982 in mehrfacher Hinsicht:129 Im Gegensatz zu den regressionsanalytischen Eingleichungs-Ansätzen streben die Verfasser eine Modellierung der Effekte regionaler Wirtschaftsförderung an, die sich durch alle der vier nachfolgend genannten Elemente auszeichnen: i)
Erstens sollen die Interdependenzen zwischen den einzelnen Einflussgrößen und ihren Zielvariablen sowie
ii) zweitens die Wirkungsverzögerungen der Maßnahmen weitgehend berücksichtigt und darüber hinaus iii) drittens substitutionale Produktionsbeziehungen sowie iv) viertens die Erfassung der Nachfrageeffekte der Förderung ermöglicht werden. Die zentrale methodische Veränderung dieser Art der Wirkungsanalyse gegenüber den zuvor aufgeführten Studien ist der Versuch der simultanen Berücksichtigung von verschiedenen Einflussgrößen des Investitions-, Beschäftigungs- und Produktionsvolumens in einem Gleichungssystem. Das Schätzverfahren fußt dabei im Wesentlichen auf zwei Bestandteilen: • Faktornachfragefunktionen Die Grundlage zur Bestimmung der optimalen Einsatzmenge der Produktionsfaktoren Arbeit und Kapital bilden im Modell von Asmacher/Schalk/Thoss neoklassische Überlegungen zur Faktornachfrage.130 Eine zentrale Bedingung besteht dabei darin, dass die Unternehmen bei vollständiger Konkurrenz auf den Faktor- und Absatzmärkten und damit gegebenen Input- und Outputpreisen zu jedem Zeitpunkt einen maximalen Gewinn
G anstreben: (C.II.18) 129 130
Gt max pt Yt
wt At ct Kt ;
Vgl. Asmacher/Schalk/Thoss (1987). Siehe dazu auch Hall/Jorgensen (1971), Brechling (1975) und König (1976).
II. Makroökonometrische Wirkungsanalyse
119
wobei pt Yt das Produkt aus Preis
p und abgesetzter Menge (Output Y ) und
wA cK die Summe der Kosten für den Einsatz der Produktionsfaktoren Arbeit
A und Kapital
K repräsentiert. Da zentrale Annahmen des Gewinnmaximierungsmodells allerdings für die Formulierung der regionalen Nachfragefunktionen für die Produktionsfaktoren Arbeit und Kapital als nicht geeignet eingeschätzt werden,131 verwenden die Verfasser stattdessen den Kostenminimierungsansatz: L min wt At ct Kt
Yt
(C.II.19)
f
At ; Kt :
steht für den Lagrange-Multiplikator beziehungsweise f
A; K für die zu wählende Produktionsfunktion. Im Rahmen der Schätzung ihres empirischen Modells beziehen sich die Autoren auf eine Produktionsfunktion vom Typ Cobb-Douglas, um die nachfolgenden logarithmischen Faktornachfragesysteme zu entwickeln:132
(C.II.20)
(C.II.21)
lnAt
11 ln bAt 12 ln bKt
11 12 "lnYt wt
11 12 "ln
1 11 lnAt 1 12 lnKt ct
1
lnKt
21 ln bAt 22 ln bKt
21 22 "lnYt wt
21 22 "ln 1 21 lnAt 1
1 22 lnKt ct
;
1
:
Die Subventionen an die gewerbliche Wirtschaft durch die regionale Wirtschaftsförderung werden durch zwei unterschiedliche Komponenten in die Faktornachfragefunktionen einbezogen. Erstens wird auf das Konzept der Kapitalnutzungskosten133 zurückgegriffen, um den Einfluss des Investitionszulagensatzes
g1 und des Investitionszuschusssatzes der Gemeinschaftsaufgabe
g2 sowie des Barwerts steuerlicher Sonderabschreibungen in Zonenrandgebieten
z auf die regionsspezifischen Kosten des Produktionsfaktors Kapital
cr zu berücksichtigen: (C.II.22)
cr;t
1
g1;r;t
g2;r;t
1 1 ur;t
g2;r;t uzr;t
1
ur;t ir;t t qt ;
131 Als nicht erfüllt angesehen werden dabei insbesondere die Annahmen der Gültigkeit des Say’schen Theorems, die Voraussetzung abnehmender Skalenerträge sowie die Nicht-Berücksichtigung potenzieller Substitutionseffekte zwischen dem Arbeits- und Kapitaleinsatz im Falle einer Kombination aus Faktorpreisrückgang und konstanter Produktionsmenge, vgl. Asmacher/Schalk/Thoss (1987: 64 f.) und Asmacher (1989: 44 f.). 132 Vgl. Asmacher/Schalk/Thoss (1987: 71). 133 Vgl. dazu auch Ruane (1982).
120
C. Verfahren zur Analyse der Wirksamkeit von Subventionen
mit den gesamtwirtschaftlichen Parametern u für die Gewinnsteuer- beziehungsweise i den Zinssatz sowie für die ökonomische Abschreibungsrate und dem Investitionsgüterpreis q. Voneinander abweichende Kosten für die Nutzung des Produktionsfaktors Kapital zwischen den einzelnen Gebietseinheiten sind bei diesem Ansatz auf die unterschiedliche Förderintensität der verschiedenen Maßnahmen regionaler Wirtschaftsförderung zurückzuführen.134 Zweitens ergeben sich die Faktorpreis- und Outputkoeffizienten durch die Gewichtung der Produktionselastizitäten und mit den Anpassungskoeffizienten . Auf diese Weise sollen die Wechselwirkungen zwischen dem Arbeitsund Kapitaleinsatz erfasst und damit gegebenenfalls eine Verringerung der Nachfrage nach Arbeitskräften im Falle sinkender regionaler Kapitalnutzungskosten und konstantem Produktionsvolumen abgebildet werden können.135 • Outputgleichung Der zweite wesentliche Bestandteil des Modells von Asmacher/Schalk/Thoss basiert auf der Annahme, dass der Großteil der innerhalb einer bestimmten Periode maximal produzierbaren regionalen Outputmenge
Yr bereits durch den in vorherigen Perioden aufgebauten Bestand an Produktionsanlagen
Yt 1 bestimmt ist und Abweichungen von diesem Kapazitätsniveau
Y von den Standortfaktoren, insbesondere den Kosten für die Produktionsfaktoren Arbeit und Kapital sowie der Produktivität, abhängen.136 Die Basisgleichung für die Bestimmung des regionalen Outputs lautet: (C.II.23)
Yr;t Yr;t CUr;t
1
CUr;t Yr;t CUr;t 1
1
:
h i CU Der Term
1 CUr;tr;t 1 Yr;t 1 repräsentiert den Verschleiß von in den Vorperioden angeschafften Produktionsanlagen, wobei CU für den Kapazitätsauslastungsgrad steht. Sofern der Kapazitätsauslastungsgrad keinen regionalen Schwankungen unterliegt (und damit einen einheitlichen nationalen Wert annimmt) sowie im Zeitablauf nur unwesentlich variiert, lässt sich die Outputgleichung unter Berücksichtigung der regionalen Produktivität
APr , auch in der nachfolgenden Form darstellen: (C.II.24)
134 135 136
Yr;t f
wt =pt r ;
ct =pt r ; APr;t ; CUn ; Yr;t 1 :
Vgl. dazu auch Schalk/Untiedt (1995: 285). Vgl. Asmacher (1989: 53). Vgl. Asmacher/Schalk/Thoss (1987: 75).
II. Makroökonometrische Wirkungsanalyse
121
Die ökonometrische Schätzung der Modellgleichungen erfolgt mit dem OLSVerfahren nicht in tiefer regionaler Gliederung, sondern nach dem Pooling der Daten aller 327 Kreise und den sechs Jahresscheiben 1977–1982 auf Ebene der Bundesrepublik Deutschland. Demzufolge basiert die Modellsimulation auf insgesamt 1.962 Beobachtungen.137 Eine Einbeziehung der Nicht-Förderregionen gebietet der gewählte Ansatz zur Bestimmung der Wirkungsparameter des Instrumentariums regionaler Wirtschaftsförderung auf Grundlage der Kapitalnutzungskosten, die – infolge des großen Einflusses ihrer regionsunabhängigen Komponente – zwischen den einzelnen Fördergebieten nur geringfügig schwanken. Eine Vermeidung von Heteroskedastizität wird durch die Transformation der Variablen angestrebt.138 In Abbildung 11 ist die Modellstruktur und Zielsetzung der partialanalytischen Untersuchung von Asmacher/Schalk/Thoss schematisch dargestellt. Als Datenmaterial nutzen die Verfasser Investitions-, Beschäftigungs- und Umsatzzahlen sowie die Lohn- und Gehaltssumme von produzierenden Betrieben von Unternehmen des Bergbaus und Verarbeitenden Gewerbes sowie Betrieben des Bergbaus und Verarbeitenden Gewerbes von Unternehmen der übrigen Wirtschaftszweige einschließlich Handwerk mit mindestens 20 Beschäftigten.139 Eine Reihe der Modellvariablen, wie etwa der Kapitalstock beziehungsweise Output und die Kapitalnutzungskosten, mussten aufgrund ihrer Nicht-Verfügbarkeit in den statistischen Berichten und Gemeinschaftsveröffentlichungen der Statistischen Landesämter von den Autoren auf Kreisebene geschätzt werden. Auf die Daten der Förderstatistik greifen die Verfasser nicht zurück, dafür werden die Fördersätze der einzelnen Maßnahmen aus den Rahmenplänen und dem Investitionszulagen- beziehungsweise Zonenrandfördergesetz entnommen. Um die Effekte der regionalen Wirtschaftsförderung auf die Zielgrößen aus Abbildung 11 zu quantifizieren, simulieren Asmacher/Schalk/Thoss in einem letzten Analyseschritt Veränderungen der Kapitalnutzungskosten innerhalb der geschätzten Faktornachfragefunktionen und Outputgleichung. Die Gesamtwirkung der Maßnahmen ergibt sich, wie bei den strukturellen Makro-Modellen, durch einen Vergleich der tatsächlichen Entwicklung der Zielgrößen mit einer hypothetischen Situation, in der alle Fördervariablen in den Schätzgleichungen auf Null gesetzt werden. Die Ergebnisse dieser Berechnung deuten darauf hin, dass die Maßnahmen der regionalen Wirtschaftsförderung im Zeitraum 1978– 1982 einen positiven Effekt auf die betriebliche Investitionstätigkeit sowie die Entwicklung der Beschäftigungssituation und des Outputs im Aktionsraum hat-
137
Vgl. Asmacher/Schalk/Thoss (1987: 94). Dazu erfolgt entweder eine logarithmische Transformation der Variablen oder – in einer alternativen Berechnung – die Division aller Variablen durch eine geeignete Skalenvariable, vgl. Asmacher/Schalk/Thoss (1987: 96). 139 Vgl. Asmacher/Schalk/Thoss (1987: 4 f.). Für eine ausführliche Beschreibung des Datenmaterials siehe Asmacher (1989: 67 ff.). 138
Kapital (Kapitalnutzungskosten) Arbeit
Reale Kosten für Produktionsfaktoren Faktornachfragegleichungen Outputgleichung
Modellgleichungen
Investitionstätigkeit Beschäftigung Produktion
Schätzung des Fördereffektes auf Zielgrößen durch Modellsimulation
Abbildung 11: Variablen und wesentliche Zusammenhänge des partialanalytischen Wirkungsmodells von Asmacher/Schalk/Thoss
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Asmacher/Schalk/Thoss (1987: 56).
Zinssatz Gewinnsteuersatz Abschreibungssatz Investitionsgüterpreis Löhne und Gehälter Gesamtwirtschaftliche Nachfrage Gesamtwirtschaftliches Produktionspotenzial Kapazitätsauslastungsgrad
Weitere Modellvariablen
Investitionszulage Investitionszuschüsse Sonderabschreibungen
Maßnahmen der regionalen Wirtschaftsförderung
122 C. Verfahren zur Analyse der Wirksamkeit von Subventionen
II. Makroökonometrische Wirkungsanalyse
123
ten: Danach wurden durch die verschiedenen Maßnahmen jährlich zusätzliche betriebliche Investitionen bzw. Produktionssteigerungen in Höhe von rd. 2 Mrd. DM bzw. 806 Mio. DM und ein durchschnittliches absolutes Beschäftigungswachstum von 28.000 Personen induziert,140 sodass die regionale Wirtschaftsförderung nach Einschätzung der Autoren „(. . .) ein sehr wirksames Instrument der regionalen Strukturpolitik darstellt.“ 141 Die daten- und methodentechnischen Vorteile der Untersuchung von Asmacher/Schalk/Thoss gegenüber einem Großteil der zuvor dargestellten partialanalytischen Studien könnten darin liegen, dass die Förderwirkung in ihrer Spezifikation nicht unter Verwendung der ungeprüften Daten zur Summe der bewilligten Subventionen der Förderstatistik, sondern in Form der Kapitalnutzungskosten von den jeweiligen regionalen Fördersätzen bestimmt wird und Veränderungen der betrieblichen Investitionsnachfrage allgemein nicht isoliert, sondern in Abhängigkeit der Einsatzmengen der Produktionsfaktoren Arbeit und Kapital sowie des Outputs erklärt werden sollen. Auch die Intention, den Einfluss der regionalen Wirtschaftsförderung über verschiedene Parameter in der Modellstruktur aufzunehmen, ist in einem makroökonometrischen Ansatz der Wirkungsanalyse dieser Intervention prinzipiell als verdienstvoll zu bezeichnen. Gleichwohl gibt es eine Reihe von Einwänden gegen den Schätzansatz der Verfasser. So ermöglicht das Pooling der Querschnitts- und Längsschnittsdaten zwar die Integration der – im Vergleich zu den genannten Studien umfangreicheren – Erklärungsgrößen betrieblicher Investitionstätigkeit über einen mehrjährigen Zeitraum, allerdings können die Variablen nicht regions- oder sektorspezifisch geschätzt werden.142 Die Verwendung der Kapitalnutzungskosten ist insofern fraglich, als sie konstante regionale Finanzierungskosten für betriebliche Investitionsvorhaben suggeriert.143 Asmacher weist zusätzlich darauf hin, dass die Schätzung der beiden Faktornachfragefunktionen entgegen der eigentlichen Absicht aus technischen Gründen nicht simultan und unter Beachtung sämtlicher Parameterrestriktionen erfolgte, die endgültige Auswahl und Operationalisierung der Variablen sich leicht von der theoretischen Modellkonstruktion abhob und auf eine theoretische Herleitung der Outputgleichung verzichtet wurde.144 Abgesehen von der eher pauschalen Berechnung des Wirkungskoeffizienten als Quotient aus der Veränderung der Zielgröße und des (bewilligten145) Budgetvolumens 140
Vgl. Asmacher/Schalk/Thoss (1987: 109 ff.). Damit übersteigt dieser geschätzte Wert das gesamte jährliche Budgetvolumen der Maßnahmen regionaler Wirtschaftsförderung ungefähr um den Faktor 2, vgl. Asmacher/Schalk/Thoss (1987: 137 ff.). 142 Vgl. Asmacher/Schalk/Thoss (1987: 94). 143 Siehe S. 104. 144 Vgl. Asmacher (1989: 37 ff.). 145 Dem Umstand, dass zwischen der Summe der bewilligten und tatsächlich ausgereichten Mittel gerade in diesem Förderzeitraum eine signifikante Diskrepanz bestand, 141
124
C. Verfahren zur Analyse der Wirksamkeit von Subventionen
werden die Finanzierungskosten ebenso wenig in die Modellstruktur integriert wie die Opportunitätskosten, die aus dem Verzicht der Verwendung der eingesetzten Mittel für eine andere Verwendung resultieren. Beides wäre allerdings im Zusammenhang mit der in dieser Studie angestrebten gesamtwirtschaftlichen Betrachtungsweise angezeigt. bb) Methodische Weiterentwicklungen In der Folgezeit knüpften weitere Untersuchungen von Wissenschaftlern der Universität Münster an die Untersuchung von Asmacher/Schalk/Thoss an und modifizierten das Wirkungsmodell schrittweise um eine Reihe von methodischen Veränderungen.146 Franz/Schalk wählen einen geringfügig abgewandelten Ansatz, schätzen im Rahmen ihrer Wirkungsanalyse aber ebenfalls den Einfluss der Subventionen auf die regionalen Kapitalnutzungskosten, die auch in diesem Modell eine wesentliche Modellgröße sind.147 Aussagen zum Effekt der regionalen Wirtschaftsförderung auf die Investitionstätigkeit sollen wiederum durch einen Vergleich der tatsächlichen Investitionstätigkeit mit einer simulierten Referenzsituation ohne Fördermitteleinsatz herausgearbeitet werden. Das empirische Material dieser Arbeit und der zuvor genannten Studie stimmen mit der Ausnahme überein, dass Franz/Schalk auf einen längeren Untersuchungszeitraum (1978–1985) zurückgreifen. Für die Spezifikation der sechs Varianten der Investitionsgleichung nutzen die Autoren unterschiedliche funktionale Formen und Variablen.148 Zur Bestimmung der Outputgleichung verwenden Franz/Schalk wie zuvor Asmacher/Schalk/Thoss die realen Lohnstück- und Kapitalnutzungskosten sowie den Output der Vorperiode und anstelle der Arbeitsproduktivität und der Arbeitslosenquote beziehungsweise des Kapazitätsauslastungsgrades die Arbeitslosenquote
AQ und die reale Geldmenge
M1=p: (C.II.25)
Yr;t f
wt =pt r ;
ct =pt r ; AQr;t ; M1t =pt ; Yr;t 1 :
Die Ergebnisse der Simulationsrechnung zur Wirkung der Subventionen an die gewerbliche Wirtschaft durch die Gemeinschaftsaufgabe sprechen weitgehend mit denen des Basismodells überein: Im Jahresdurchschnitt wurden durch die Förderung zusätzliche Investitionen in Höhe von rd. 2,1 Mrd. DM stimuliert. Durch den Bezug auf das entsprechende Mittelvolumen berechnen Franz/Schalk einen Wirkungskoeffizient von 2,1.149 wird somit bei der Quantifizierung des Wirkungskoeffizienten nicht Rechnung getragen. 146 Vgl. Asmacher (1989), Franz/Schalk (1989) und Schalk (1992a, 1992b). 147 Vgl. Franz/Schalk (1989) und Schalk (1988). 148 Vgl. Franz/Schalk (1989: 150 ff.). 149 Vgl. Franz/Schalk (1989: 158 ff.).
II. Makroökonometrische Wirkungsanalyse
125
Asmacher formuliert für sein partialanalytisches Wirkungsmodell, das im Gegensatz zu den Folgestudien des Basismodells auf derselben Datenbasis wie die Arbeit von Asmacher/Schalk/Thoss gründet, insgesamt fünf Gleichungen; zwei Faktornachfrage-, eine Bruttoinvestitions- und zwei Einkommens(Output-)gleichungen.150 Die beiden Faktornachfragefunktionen sind annähernd identisch mit den Gleichungen (C.II.20) und (C.II.21) des Basismodells, sodass die Wirkung der Maßnahmen regionaler Wirtschaftsförderung auch in dieser Arbeit durch die Berücksichtigung der Kapitalnutzungskosten und deren Einfluss auf den Kapitalbestand und die Beschäftigung abgebildet werden soll. Unterschiede bestehen darin, dass Asmacher bei der Bestimmung der optimalen Faktorbestände im Gegensatz zum Basismodell keine Wechselwirkungen zwischen dem Einsatz von Arbeit und Kapital zulässt, sondern von der sogenannten „partial-adjustment-Hypothese“ ausgeht und in den Faktornachfragefunktionen anstelle des tatsächlichen Outputs einen Quotienten aus Output und Kapazitätsauslastung
Y =CU einsetzt.151 Zur Bestimmung der Bruttoinvestitionen
It , die sich aus den Nettoinvestitionen
Kt Kt 1 und Reinvestitionen
Kt 1 zusammensetzen, wird die nachfolgende Gleichung nach It aufgelöst, logarithmiert und der Parameter a1 geschätzt:152 (C.II.26)
Kr;t
1
1
Kr;t Kr;t
I 1 a1 r;t a
1 Ir;t 2 1
Kr;t
a a 1 1 Ir;t 2
:
Und auch die beiden Einkommens(Output-)gleichungen werden in einer nichtlinearen Form dargestellt, um bei der Schätzung des Gleichungsmodells nicht auf unterschiedliche Funktionstypen zurückgreifen zu müssen. Die Schätzung des Einkommens (Output) basiert dabei auf der Verwendungsrechnung, d. h. auf der Addition der Teilaggregate privater Konsum
C, Staatskonsum
G, Bruttoinvestitionen
I und Nettoexport
NE: (C.II.27)
Yr;t Cr;t Gr;t Ir;t NEr;t :
Aus datentechnischen Gründen muss der Autor dabei die einzelnen Komponenten, mit Ausnahme der Bruttoinvestitionen, zu einer Restgröße
R zusammenfassen, sodass sich die Bestimmungsgleichung des Einkommens nach der Überführung in eine nicht-lineare Funktion mit dem konstanten Faktor bo und den beiden Parametern b1 und b2 wie folgt formulieren lässt: (C.II.28)
Yr;t
Rr;t Ir;t b
b 2 Rr;t1 Ir;t
b
wobei b0
Rr;t Ir;t =
Rbr;t 1 Ir;t2 . 150 151 152
Vgl. Asmacher (1989: 64). Vgl. Asmacher (1989: 53). Vgl. Asmacher (1989: 60).
b
Rbr;t 1 Ir;t2 ;
126
C. Verfahren zur Analyse der Wirksamkeit von Subventionen
In Anlehnung an die keynesianische Multiplikatortheorie nimmt Asmacher in seiner Arbeit an, dass die privaten Konsum- und Staatsausgaben sowie der Nettoexport aufgrund der marginalen Ausgabenquote a in einem proportionalen Verhältnis zum Output der Vorperiode stehen. Für die fünfte Modellgleichung gilt damit: (C.II.29)
Rr;t a Yr;t 1 ;
sodass sich Gleichung (4.2.27) auch als Yr;t
1=1 a Ir;t ausdrücken und aufgrund der beobachteten Konstanz des Anteilswertes
Rr;t =Yr;t im Untersuchungszeitraum und der Annahme der Übereinstimmung von Yr;t und Yr;t 1 im langfristigen Gleichgewicht für die Schätzung der Parameter b0 und b2 nutzen lässt.153 Diese erfolgt, wie die Schätzung der anderen Einkommens- und der Investitionsgleichung ebenso wie bei Asmacher/Schalk/Thoss mit der OLS-Methode, während die Schätzung der beiden Faktornachfragefunktionen dagegen unter Beachtung der Parameterrestriktionen unter Verwendung eines zweistufigen Schätzverfahrens durchgeführt wird.154 Die Ergebnisse zur Wirksamkeit der regionalen Wirtschaftsförderung stimmen in ihrer Tendenz mit der Vorgängerstudie weitgehend überein: Danach wurden durch die Investitionszuschüsse/-zulage und Sonderabschreibungen in den Fördergebieten pro Jahr zusätzlich rd. 2,7 Mrd. DM an Investitionen induziert und der Output um 960 Mio. DM sowie die Beschäftigung um 12.000 Personen erhöht.155 Die Analyse von Schalk aus dem Jahre 1992 unterscheidet sich wiederum von dem Basismodell von Asmacher/Schalk/Thoss insoweit, als sie einen längeren Untersuchungszeitraum abbildet (1978–1985), bei der Berechnung der regionalen Kapitalnutzungskosten die Gewerbeertragsteuer und nach Möglichkeit aktualisierte Daten weiterer Parameter einbezieht und auf eine Reihe von methodischen Veränderungen zurückgreift.156 Im Zusammenhang mit der Herleitung der Faktornachfragefunktionen grenzt Schalk hinsichtlich der Reagibilität des Faktoreinsatzverhältnisses auf Veränderungen der Lohn- beziehungsweise Zinskosten zunächst die ex-ante-Substituierbarkeit von der ex-post Substituierbarkeit ab und entscheidet sich sodann – wie 153 Dies ist möglich, weil der Parameter b in Gleichung (4.2.28) den Quotienten aus 1 dem Rest des Einkommens und dem gesamten Einkommen repräsentiert, vgl. Asmacher (1989: 63). 154 Vgl. Asmacher (1989: 75). 155 Durch den Bezug dieses geschätzten Wertes auf das gesamte jährliche Budgetvolumen in Höhe von ca. 1,0 Mrd. DM berechnet Asmacher einen Wirkungsgrad der regionalen Wirtschaftsförderung von 2,7, vgl. Asmacher (1989: 125). 156 Vgl. Schalk (1992a: 164 f.).
II. Makroökonometrische Wirkungsanalyse
127
zuvor Faini/Schiantarelli in ihrer Veröffentlichung157 – für den sogenannten „Putty-Clay-Ansatz“: Bei bestehenden Produktionsanlagen kann das Faktoreinsatzverhältnis unter Verwendung einer Cobb-Douglas-Produktionstechnologie expost nicht verändert, der Arbeits- beziehungsweise Kapitaleinsatz bei neuen Anlagen jedoch so lange variiert werden, bis ein optimaler Zustand im Sinne der neoklassischen Faktornachfragetheorie erreicht ist:158, 159 It bI Yr;t
(C.II.30)
(C.II.31)
At a
1
1
Yr;t
1
Yr;t 1 "
bA Yr;t
wt " ; ct r Yr;t 1 "
1
wt " : ct r
Es wird angenommen, dass bI e "
=" beziehungsweise bA e "
= " und " 1=
. Bezeichnet v den Jahrgang der Anlagegüter, so lassen sich (4.2.30) und (4.2.31) vereinfachen zu: Ir;t
(C.II.32)
" bI Yr;v
wt ct
" A r; t bA Yr;v
(C.II.33)
"
wt ct
; r
"
: r
Auch die Outputgleichung wird im Vergleich zum Basismodell geringfügig angepasst, indem zusätzlich die Arbeitslosenquote
AQt sowie die reale Geldmenge
Mt =pt als Proxy für die regionale Arbeitsmarktsituation und gesamtwirtschaftliche Nachfragebedingungen in die entsprechende Funktion eingehen:160 (C.II.34)
Yr;t f
wt =pt AP
;
ct =pt r ;
wt =pt r ; AQr;t ; Mt =pt :
r
Die Ergebnisse zu den Effekten der regionalen Wirtschaftsförderung entsprechen in der Tendenz den Resultaten des Basismodells und der Folgestudien: Im Zeitraum 1978–1985 stieg das Investitionsvolumen bei einem Wirkungskoeffizienten von 2 förderbedingt um etwa 2 Mrd. DM beziehungsweise die Beschäftigung um circa 30.000 Personen jährlich.161 157
Vgl. Faini/Schiantarelli (1985). In Putty-Putty-Modellen können Arbeit und Kapital ex-ante und ex-post substituiert werden, bei Clay-Clay-Modellen besteht dagegen bei neuen und alten Anlagen ein limitationaler Zusammenhang zwischen beiden Produktionsfaktoren. 159 Vgl. Schalk (1992b: 169). 160 Vgl. Schalk (1992b: 172 f.). 161 Vgl. Schalk (1992: 179). 158
128
C. Verfahren zur Analyse der Wirksamkeit von Subventionen
Ebenso wie Schalk führt auch Deitmer eine Kalibrierung der Faktornachfragefunktionen von Asmacher/Schalk/Thoss durch, weil Wirkungsverzögerungen nach seiner Einschätzung ausschließlich in Form von ad-hoc-Hypothesen über die partielle Anpassung Eingang in das Basismodell finden und damit nicht auf einer soliden Datenbasis beruhen.162 Wiederum unter der Annahme, dass die Unternehmen die Gesamtkosten der Produktion minimieren und Putty-ClayTechnologie vorliegt, ergänzt Deitmer die Faktornachfragefunktionen vorheriger Analysen um den Aspekt der sogenannten „regionalen technischen Effizienz“ als Quotient aus tatsächlicher und effizienter Produktion
TE Yr;t =Yr . Die Faktornachfragefunktionen ergeben sich durch: (C.II.35)
Yr;v Ir;t bI TEr
(C.II.36)
" Ar;t bA Yr;v
"
wt ct
wt ct
; r
"
: r
Wie in den vorherigen Studien werden die Kapitalnutzungskosten im Wirkungsmodell von Deitmer ebenfalls durch das Instrumentarium der regionalen Wirtschaftsförderung (Investitionszulagen und -zuschüsse, Sonderabschreibungen) und weitere Größen163 beeinflusst. Die Bestimmungsgleichung des Outputs wird im Vergleich zum Basismodell insofern leicht verändert, als der Verfasser auch die Bruttolohn- und Gehaltssumme
LGt =pt und das reale Geldmengenwachstum
Mt =pt berücksichtigt: (C.II.37)
Yr;t f
wt =pt r ;
ct =pt r ; APr;t ;
LGt =pt r ; Mt =pt ; CUn ; Yr;t 1 :
Als empirische Basis für seine Untersuchung verwendet auch Deitmer Daten der amtlichen Statistik zu den produzierenden Betrieben von Unternehmen des Bergbaus und Verarbeitenden Gewerbes sowie Betrieben des Bergbaus und Verarbeitenden Gewerbes von Unternehmen der übrigen Wirtschaftszweige einschließlich Handwerk mit mindestens 20 Beschäftigten.164 Zur Regressionsschätzung des Modells greift der Verfasser wiederum auf die OLS-Methode zurück, wobei aufgrund des längeren Beobachtungszeitraums (1977–1989) ein umfangreicherer Paneldatensatz als in den Vorgängerstudien zur Verfügung steht. Die 162
Vgl. Deitmer (1993: 11 f.). Vgl. Teil C., Kapitel II.3.c)aa). 164 Da einige Modellgrößen in der amtlichen Statistik nicht aufgeführt sind, mussten diese geschätzt werden. Zur Vorgehensweise bei der Bestimmung der Bruttowertschöpfung siehe Asmacher/Schalk/Thoss (1987: 9 ff.), für die quantitative Ermittlung kreisweiser Kapitalbestände Asmacher/Schalk/Thoss (1987: 9 ff.) und die Untersuchung von Thoss/Erfeld (1983) sowie Schalk (1994) und Schalk/Untiedt/Lüschow (1995) zur Schätzung der technischen Effizienz. 163
II. Makroökonometrische Wirkungsanalyse
129
einzelnen Modellparameter werden mit logarithmischen Approximationen der Arbeitsnachfrage-, Investitions- und Outputfunktion bestimmt.165 Auf Grundlage der von Deitmer durchgeführten Simulationsrechnungen besteht für eine Ablehnung der Hypothese, dass von dem Instrumentarium der regionalen Wirtschaftsförderung eine signifikante Wirkung auf die Investitionstätigkeit, Beschäftigung und Produktion im Aktionsraum ausging, kein Anlass. Danach wurden im Jahresdurchschnitt des Zeitraums 1980–1989166 durch die drei Maßnahmearten in den Fördergebieten zusätzliche Investitionen in Höhe von etwa 2,5 Mrd. DM (Wirkungskoeffizient 2,3) getätigt und das Beschäftigungsbeziehungsweise Produktionsvolumen um circa 43.000 Personen beziehungsweise rund 5,1 Mrd. DM erhöht.167 In der Arbeit von Franz/Schalk aus dem Jahre 1995 werden die Grundzüge der theoretischen Herleitung der Modellgleichungen und die empirischen Resultate der Studie von Deitmer erneut wiedergegeben.168 Darüber hinaus führen die Verfasser Überlegungen und überschlagsartige Berechnungen zu den Folgen der Finanzierung der Maßnahmen regionaler Wirtschaftsförderung durch eine Steuersatzerhöhung beziehungsweise Kreditaufnahme aus.169 Und auch in der im Jahre 2000 publizierten Arbeit von Schalk/Untiedt, der bisher letzten Weiterentwicklung des partialanalytischen Mehrgleichungsmodells von Asmacher/Schalk/ Thoss, entsprechen die Datengrundlage, der Modellaufbau und die Ergebnisse hinsichtlich der Effekte regionaler Wirtschaftsförderung bis auf wenige graduelle Unterschiede der Wirkungsanalyse von Deitmer.170 Es lässt sich festhalten, dass auch im Zuge der zweiten Welle von partialanalytischen Wirkungsmodellen Interdependenzen zwischen den Maßnahmen der regionalen Wirtschaftsförderung (Kapitalnutzungskosten) und Größen der allgemeinen Wirtschafts- beziehungsweise Geldpolitik (Gewinnsteuer und Zins) sowie weiteren Determinanten regionalökonomischer Entwicklung (unter anderem Lohnkosten und Kapazitätsauslastung) und den Variablen Investition, Beschäftigung und Einkommen in quantifizierter Form abgebildet werden sollen. In datentechnischer Hinsicht ist die Belastbarkeit der Ergebnisse der einzelnen Veröffentlichungen insoweit kritisch zu hinterfragen, als in einigen Studien wesentliche exogene Modellgrößen geschätzt werden müssen. Das Ausmaß, in dem Verzerrungen durch diese, den Mangel der Nutzung von angemessenen (amt165
Vgl. Deitmer (1993: 71 ff.). Die Jahre vor 1980 können für die Analyse der Wirkung regionaler Wirtschaftsförderung nicht berücksichtigt werden, weil Deitmer in seiner ökonometrischen Schätzung gelagte Variablen einsetzt. 167 Vgl. Deitmer (1993: 103 ff.). 168 Vgl. Franz/Schalk (1995). 169 Vgl. Franz/Schalk (1995: 286 f.). 170 Vgl. Schalk/Untiedt (2000). 166
130
C. Verfahren zur Analyse der Wirksamkeit von Subventionen
lichen) Daten zu kompensieren suchende, Berechnungen anzufallen tendieren, richtet sich im Allgemeinen nach der konkreten Modellspezifikation und im Besonderen nach der Anzahl der berücksichtigten Variablen. Dieser Umstand ist bei der Interpretation der Resultate der Referenzvergleiche zu den Effekten der Fördermaßnahme(n) zu beachten. Besonders bedenklich sind in diesem Zusammenhang die angegebenen Wirkungskoeffizienten, die eine exakte Quantifizierbarkeit der Beziehung zwischen den – durch die regionale Wirtschaftsförderung ausgelösten – zusätzlichen Investitionen und dem Mittelvolumen suggerieren. Dies ist schon deshalb irreführend, weil die Werte im Nenner aufgrund der Verwendung unbereinigter Daten aus der Förderstatistik nicht korrekt sind. Die in diesem Abschnitt dargestellten Inhalte legen ferner den Schluss nahe, dass die mitunter fragwürdige Umsetzung der theoretischen Fundierung sowie die geringe Anzahl der erklärenden Einflussgrößen – und damit die wesentlichen Unvollkommenheiten des Basismodells – auch in den Folgestudien erhalten blieben. Noch verschärft wird diese Problematik in vielen Untersuchungen, weil die konkreten Schätzgleichungen häufig von den theoretisch hergeleiteten Funktionen abweichen, ohne dass die Erforderlichkeit für entsprechende Modifikationen überzeugend dargelegt wird.171 4. Einschätzung In Teil A., Kapitel I. wurde gezeigt, dass ein Kennzeichen der Entwicklung regionaler Wirtschaftsförderung in Deutschland und insbesondere der Gemeinschaftsaufgabe in der sich immer wieder geringfügig verändernden Ausgestaltung des Förderansatzes lag. Diese Anpassungen wurden unter anderem auf die Politikimplikationen neuer raumwirtschaftstheoretischer Erklärungsansätze zurückgeführt, deren Annahmen in den letzten beiden Jahrzehnten im zunehmenden Maße auch Eingang in die Formulierung partialanalytischer Ansätze zur makroökonometrischen Untersuchung kausaler Effekte der Gemeinschaftsaufgabe auf bestimmte Zielgrößen und im Rahmen struktureller Makro-Modelle zur Evaluation der europäischen Strukturpolitik in einzelnen Mitgliedstaaten fanden.172 Trotz aller methodischen Weiterentwicklungen der makroökonometrischen Wirkungsanalyse bleibt ein Trade-off zwischen der Möglichkeit der praktischen Umsetzbarkeit der Schätzverfahren und der Aussagekraft ihrer Ergebnisse erhalten. Letztgenannte steigt zwar, wenn möglichst viele relevante Bestimmungsgrößen der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung und Interdependenzen zwischen den einzelnen Modellbestandteilen in die konkrete Spezifikation integriert werden; 171
Vgl. etwa Franz/Schalk (1995: 289). In den Modellformulierungen wurden zuletzt auch verstärkt neue Ansätze der Wachstums- und Außenhandelstheorie berücksichtigt, vgl. Bradley/Untiedt (2008a: 163). 172
II. Makroökonometrische Wirkungsanalyse
131
allerdings wird die Aussicht auf eine adäquate Zuverlässigkeit der Ergebnisse durch eine steigende Komplexität und umfangreiche Datenerfordernis erkauft.173 Gerade die sehr hohen Anforderungen an das empirische Material stehen bei Untersuchungen zur Wirksamkeit der Maßnahmen regionaler Wirtschaftsförderung aber traditionell in einem starken Kontrast zum begrenzten Potenzial der amtlichen Statistik und folglich Erhebungsumfang und -qualität entsprechender Studien. Unabhängig von den jeweiligen Limitationen der genannten Erhebungsmethodiken setzt diese – gemessen am modellimmanenten Forschungsinteresse – Einschränkung der tatsächlichen Leistungsfähigkeit der makroökonometrischen Wirkungsanalysen, insbesondere von strukturellen Makro-Modellen, sehr enge Grenzen.174 Im Ergebnis beanspruchen die Simulationsmodelle oftmals eine Genauigkeit, die letztendlich nicht erreicht wird. Dies wäre anders, wenn sich die Referenzsituation der hypothetischen Nicht-Teilnahme von Fördergebieten an der Gemeinschaftsaufgabe – zumindest zu einem hinreichenden Ausmaß – empirisch beobachten ließe. Gleichwohl gibt es bisher keine ostdeutsche Arbeitsmarktregion, die nicht in den Genuss von Fördermitteln der Gemeinschaftsaufgabe kommt.175 Für einige der westdeutschen Fördergebiete bestünde zumindest methodisch die Möglichkeit, die kontrafaktische Situation zu approximieren und die Wirkung der Gemeinschaftsaufgabe zu schätzen.176 Vor dem Hintergrund, dass die Annahmen und Funktionsweise umfassender makroökonometrischer Modelle und ihr Einfluss auf die konkreten Simulationsergebnisse für Politiker und die breite Öffentlichkeit in der Regel kaum nachvollziehbar sein dürften,177 ist diese, nicht selten bestenfalls verdeckt dargestellte, Diskrepanz zwischen dem Forschungsinteresse und den Möglichkeiten entsprechender Wirkungsanalysen als besonders kritisch einzustufen. So hat die Darstellung der einzelnen Studien gezeigt, dass die Grundvoraussetzung, alle gesamtwirtschaftlich relevanten Variablen und Interdependenzen (strukturelle MakroModelle) bzw. zumindest einen wesentlichen Ausschnitt (partialanalytische Modelle) auf Grundlage theoretischer Überlegungen im Schätzverfahren abzubilden, bisher nicht vollständig erfüllt wurde. In vielen Studien wurde beispielsweise auf 173
Vgl. Alm (2011: 10). Vgl. Gornig/Toepel (1998: 75 f.). 175 In der Periode 2014–2020 werden die neuen Länder in Gänze den beihilferechtlich abgesicherten C-Fördergebietsstatus annehmen. Mit Ausnahme der Arbeitsmarktregion Leipzig werden alle weiteren ostdeutschen Arbeitsmarktregionen mit dem prädefinierten C-Fördergebietsstatus ausgewiesen (= um fünf Prozentpunkte erhöhter Maximalfördersatz bis zum 31.12.2017). 176 Dazu könnte ein Regression Discontinuity Design (RDD) verwendet werden, wobei sich als Zuordnungsvariable das Ranking der Arbeitsmarktregionen im Zuge der Fördergebietsabgrenzung anbietet. Siehe Teil C., Kapitel III.3.c) für eine Beschreibung dieses Verfahrens. 177 Vgl. dazu auch Frey (1985: 35). 174
132
C. Verfahren zur Analyse der Wirksamkeit von Subventionen
eine relativ geringe Zahl von Erklärungsgrößen zurückgegriffen und/oder ein nur kurzer Untersuchungszeitraum gewählt. Hinzu kommt, dass in den Schätzansätzen – mit wenigen Ausnahmen – etwaige negative oder positive Konsequenzen durch räumliche Verlagerungseffekte von Investitionen zwischen Fördergebieten und Nicht-Fördergebieten infolge der jeweiligen Maßnahme(n) nicht berücksichtigt wurden.178 Schließlich konnten die Kosten der Finanzierung beziehungsweise von alternativen Verwendungen der Fördermittel in keinem der Schätzverfahren untersucht werden. Beides wäre jedoch in Studien, die die gesamtwirtschaftlichen Aspekte einer Intervention zu analysieren suchen, erstrebenswert. Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass makroökonometrische Evaluationsvorhaben zur Bestimmung der Wirkung der regionalen Wirtschaftsförderung – trotz vieler Verbesserungen im Detail – ihren Zweck bislang nur bedingt erfüllt haben. Diese Einschätzung wird nicht nur seit längerer Zeit von Teilen der öffentlichen Verwaltung geteilt,179 sondern lässt sich auch in der Literatur erkennen. An dieser Stelle soll Hallet/Untiedt zugestimmt werden, die die Diskrepanz zwischen der Erfordernis und der Leistungsfähigkeit makroökonometrischer Modelle wie folgt beurteilen: „Although in principle desirable, it remains doubtful whether models can be sufficiently precise to carry out such an excercise.“ 180
III. Mikroökonometrische Wirkungsanalyse Ein deutlicher Gegensatz schält sich zwischen den dargestellten makroökonometrischen Analyseverfahren und den mikroökonometrischen Methoden im Bereich der Wirkungsanalyse heraus: Letztgenannte Analysestrategie stellt die Quantifizierung kausaler Effekte auf einer disaggregierten, individuellen Ebene in das Zentrum ihres Forschungsinteresses. Dieser klare Fokus mikroökonometrischer Ansätze auf die Auswirkungen einer Maßnahme auf die Gruppe der (Nicht-) Teilnehmer erfordert den Verzicht der Bestimmung von (potenziellen) Auswirkungen, die über die Mikro-Ebene hinausgehen. In der Regel stehen bei dieser Art von Wirkungsanalysen die kausalen Effekte der Maßnahme auf ihre Teilnehmer im Vordergrund, sodass auch von möglichen indirekten Effekten auf die Nichtteilnehmer abstrahiert wird. Dieser Forschungsansatz bietet sich insbesondere dann an, wenn die Reagibilität der Zielgröße in der Gruppe der Nicht-Teilnehmer auf entsprechende Veränderungen der Maßnahmeteilnehmer (infolge der Intervention) als gering eingeschätzt wird. Zwei Umstände könnten dies begünstigen: Geringe Interdependenzen zwischen beiden Gruppen aufgrund der Intervention sind zum einen dann wahr178 179 180
Vgl. Eckey/Kosfeld (2005: 152). Vgl. etwa Bundesbeauftragte für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung (1998: 35). Hallet/Untiedt (2001: 463).
III. Mikroökonometrische Wirkungsanalyse
133
scheinlich, wenn die Zahl der Teilnehmer im Verhältnis zur Zahl der Nicht-Teilnehmer sehr klein ist. Von einer geringen Wechselwirkung zwischen beiden Gruppen hinsichtlich der Entwicklung der Zielgrößen (aufgrund der Förderung) ist ebenfalls auszugehen, wenn die Art der Intervention keine signifikanten Effekte auf die Gruppe der Nichtteilnehmer erwarten lässt. Für diese Voraussetzung spricht im Fall der Förderung durch die Gemeinschaftsaufgabe der Umstand, dass der Anteil der Subventionen an den gesamten Ausrüstungsinvestitionen deutlich unter einem Prozent liegt und der Umfang der indirekten gesamtwirtschaftlichen Effekte schon aus diesem Grund nicht überschätzt werden sollte. Für die Bestimmung der Beziehung zwischen den betrieblichen Investitionskostenzuschüssen der Gemeinschaftsaufgabe und der Entwicklung der subventionierten Betriebe kommen verschiedene mikroökonometrische Verfahren infrage (siehe Abbildung 6).181 Bei allen methodischen Unterschieden zwischen den einzelnen Ansätzen wird der Fördereffekt übereinstimmend zu isolieren versucht, indem zwei Zustände miteinander verglichen werden: die tatsächliche Entwicklung der Zuwendungsempfänger und ihre Veränderung in einer hypothetischen Situation, die einen adäquaten Proxy für die Nicht-Förderung der subventionierten Betriebe darstellen soll. 1. Notation mikroökonometrischer Evaluation Den Ausgangspunkt mikroökonometrischer Evaluationsverfahren, deren grundlegende Notation in Anlehnung an Arbeiten von Blundell und Costa Dias182 nachstehend dargestellt wird, bildet der Versuch, den Effekt einer bestimmten Maßnahme (treatment, d) auf eine Zielgröße Y zu bestimmen. Im einfachsten Fall wirken keine weiteren Einflussgrößen auf Y , sodass folgender linearer Zusammenhang unterstellt werden kann: (C.III.1)
Yi1 i Ui ;
(C.III.2)
Yi0 Ui ;
181 Eine Reihe bisheriger Unternehmensbefragungen befasst sich zwar mit der Frage, welche Determinanten betriebliche Standortentscheidungen erklären und schließt dabei auch Beihilfen ein, denen in diesem Zusammenhang eine eher untergeordnete Relevanz im Vergleich zu anderen Standortfaktoren zugeschrieben wird (vgl. etwa Brede (1971), Fürst/Zimmermann/Hansmeyer (1973), Wolf (1974), Brinkmann/Schliebe (1973), Kaiser/Hörner (1976), Lammers/Soltwedel (1987), Steil (1999)). Mit diesen Ansätzen lässt sich allerdings aufgrund der methodischen Strategie und datentechnischen Gründen keine realitätsadäquate Referenzsituation für den Fall der Nicht-Förderung abbilden, sodass sich Unternehmensbefragungen nicht als Instrument zur Messung der einzelbetrieblichen Effekte von Subventionen an die gewerbliche Wirtschaft eignen. 182 Vgl. Blundell/Costa Dias (2000, 2008). Diese Vorgehensweise hat sich in einer Reihe mikroökonometrischer Arbeiten durchgesetzt, siehe beispielsweise Caliendo (2006: 15 f.) oder Czarnitzki (2004: 118 ff.).
134
C. Verfahren zur Analyse der Wirksamkeit von Subventionen
wobei der Parameter den Ordinatenabschnitt, die Wirkung der Maßnahme, U den Störterm und i den Laufindex für die Beobachtungsfälle
1; . . . ; N repräsentiert. Y 1 ist der Wert der Zielgröße bei Teilnahme an der Maßnahme, Y 0 entsprechend bei Nicht-Teilnahme. Der Wert der Zielgröße Yi lässt sich auch als Yi di Yi1
1
(C.III.3)
di Yi0
ausdrücken. Zusätzlich sei angenommen, dass der Teilnahmestatus der einzelnen Beobachtungsfälle an der Maßnahme wie folgt in eine funktionale Form überführt werden kann: Si Zi Vi :
(C.III.4)
Dabei steht S für den Index des latenten Modells, der von den beobachtbaren Variablen Z und ihren Parametern sowie dem Fehlerterm V determiniert wird. Für den individuellen Teilnahmestatus gelte, dass di 1 wenn Si > 0 und di 0 sonst.
In dieser Spezifikation lässt sich der Treatment-Effekt bei zufälliger Auswahl der Beobachtungsfälle – in Abhängigkeit des spezifischen Forschungsinteresses – auf unterschiedliche Weise definieren. Eine Möglichkeit besteht in der Berechnung des durchschnittlichen Effektes der Maßnahme (average treatment effect, ATE ). Alternativ kann der durchschnittliche Effekt der Maßnahme auch nur für die Untergruppe der Teilnehmer (average treatment effect on the treated, ATT ) beziehungsweise der Nicht-Teilnehmer (average treatment effect on the untreated, ATU ) bestimmt werden: (C.III.5)
ATE EATE EY 1
Y 0 ;
(C.III.6)
ATT EATT jdi 1 EY 1
Y 0 jd 1 ;
(C.III.7)
ATU EATU jdi 0 RY 1
Y 0 jd 0 ;
wobei E. . . jeweils den Erwartungsoperator kennzeichnet. Nach Bloom sollte die Wirkung einer bestimmten Intervention auf Y nur dann auch als Maßnahmeeffekt interpretiert werden, wenn alle Beobachtungselemente mit ihrem jeweiligen Teilnahmestatus einverstanden sind.183 Imbens/Angrist 183
Vgl. Bloom (1984).
III. Mikroökonometrische Wirkungsanalyse
135
haben diese Einschätzung noch einen Schritt weiter geführt und mit dem local average treatment effect
LATE eine Eingrenzung auf jene Beobachtungselemente vorgeschlagen, deren Entscheidung bezüglich der Teilnahme an der Maßnahme, im Gegensatz zur Ergebnisvariable Y , von einer Instrumentalvariablen beeinflusst wird.184 Das Ziel dieses Vorgehens liegt darin, bei der Ermittlung des Maßnahmeeffektes nur jene Beobachtungsfälle zu berücksichtigen, deren Verhalten sich auch von der konkreten Teilnahme beeinflussen lässt (compliers) und alle sonstigen Beobachtungsfälle (never-treat, always-treat und defier185) auszuschließen.186 Im Klartext berechnet sich LATE als Differenz zwischen dem Wert der Ergebnisvariablen der Teilnehmer und dem entsprechenden Wert für eine Zufallsauswahl innerhalb der Untergruppe von nicht an der Maßnahme partizipierenden, aber grundsätzlich teilnahmebereiten Kontrollbeobachtungen. (C.III.8)
LATE ELATE jd1
d0 1 EY 1
Y 0 jd1
d0 1 :
Ein weiteres Maß zur Bestimmung der Maßnahmewirkung ist der marginal treatment effect
MTE .187 Dieser entspricht dem erwarteten Effekt der Maßnahme, wenn auf jene unbeobachtbaren Variablen konditioniert wird, die über den Teilnahmestatus entscheiden:188 (C.III.9)
MTE EMTE EY 1
Y 0 jUd
ud :
Da die Zielgrößen regionaler Wirtschaftsförderung auf betrieblicher Ebene nicht nur von dem Teilnahmestatus, sondern in aller Regel gleichzeitig auch von einer Reihe weiterer Einflussfaktoren beeinflusst werden, wird das einfache Basismodell mikroökonometrischer Evaluation nachfolgend erweitert. Sei dazu ein linearer Zusammenhang zwischen einer bestimmten Zielgröße und ihren Einflussgrößen unterstellt, sodass sich Y wie folgt bestimmen ließe: (C.III.10)
184
Yit Xit di Uit im Falle von di 1 und t > k
Vgl. Imbens/Angrist (1994). Die Gruppe der never-treat lehnt die Teilnahme an der Maßnahme grundsätzlich ab, während die Gruppe der always-treat darauf besteht. Die Gruppe der defier strebt dagegen im Falle des treatments die Zugehörigkeit zur Kontrollgruppe an und umgekehrt, vgl. Freedman (2006: 696). 186 Vgl. Bascle (2008: 302 f.). Mithin wird diese Größe auch als complier-average causal effect of treatment bezeichnet, vgl. auch Angrist/Imbens/Rubin (1996). 187 Vgl. Heckman/Vytlacil (2005, 2007). 188 Vgl. Carneiro/Heckman/Vytlacil (2010: 379). Nach Bjorklund/Moffit (1987) entspricht der marginal treatment effect dem Effekt der Maßnahme innerhalb der Gruppe von Elementen, die indifferent bezüglich der Teilnahme sind. 185
136
C. Verfahren zur Analyse der Wirksamkeit von Subventionen
beziehungsweise (C.III.11)
Yit Xit Uit im Falle von di 0 und t k;
wobei X einen Satz exogener Variablen mit korrespondierenden Koeffizienten und der Laufindex t die Beobachtungsperiode nach dem Zeitpunkt des Maßnahmebeginns k darstellt und den homogenen Maßnahmeffekt repräsentiert. Der individuelle Maßnahmeeffekt für eine bestimmte Merkmalskombination ergibt sich durch: (C.III.12)
it
Xit Yit1
Yit0 1 Xit
0 X it Uit1
Uit0 f ur t > k :
Bei Vorliegen heterogener Treatment-Effekte folgt der Wert der Ergebnisvariablen aus:
(C.III.13)
Yit Xit i di Uit i Uit di "i Xit d i Uit
i d i : Xit d
Die individuelle Maßnahmewirkung i resultiert dabei aus dem gemittelten Treatment-Effekt über alle Beobachtungsfälle
und der spezifischen Abweichung von diesem Wert
"i . Analog folgt der average treatment effect on the treated
ATT im Falle eines nicht-homogenen Maßnahmeeffektes aus und der durchschnittlichen Abweichung der Teilnehmer von diesem Mittelwert
E
"i jdi 1: (C.III.14)
"i ; i
(C.III.15)
E
"i jdi 1 : ATT
2. Methodische Herausforderungen Im Rahmen der mikroökonometrischen Wirkungsanalyse von Subventionen an die gewerbliche Wirtschaft durch die Gemeinschaftsaufgabe können drei methodische Schwierigkeiten auftreten, die zur Folge haben, dass ein bloßer Mittelwertvergleich der Ergebnisvariablen zwischen geförderten und nicht-geförderten Betrieben zu verzerrten Ergebnissen führen würde: das fundamentale Evaluationsproblem, das Selektionsproblem und das Problem konjunktureller Schwankungen.
III. Mikroökonometrische Wirkungsanalyse
137
a) Fundamentales Evaluationsproblem Bei Verfügbarkeit entsprechender Daten ließe sich der durchschnittliche Effekt der Gemeinschaftsaufgabe auf die Begünstigten als Differenz zwischen den erwarteten Werten der Zielgröße mit und ohne Inanspruchnahme der Subvention bestimmen. Da die Differenz zweier Mittelwerte definitionsgemäß dem Mittelwert ihrer Differenz entspricht, lässt sich Gleichung (C.III.6) ausdrücken als: ATT E
Y 1 jd 1
(C.III.16)
E
Y 0 jd 1 :
Allerdings verhindert das sogenannte „fundamentale Evaluationsproblem“ (fundamental problem of causal inference189) grundsätzlich die Beobachtung von Untersuchungsteilnehmern in zwei verschiedenen Zuständen zu einem und demselben Zeitpunkt,190 sodass das kontrafaktische Ergebnis
E
Y 0 jd 1 unklar ist.191 Dies ließe sich nur vermeiden, wenn vom konkreten Messzeitpunkt nach Ausreichung der Investitionskostenzuschüsse zum Beginn des Untersuchungszeitraums zurückgekehrt und den geförderten Betrieben sodann die Mittel der Gemeinschaftsaufgabe verwehrt werden könnten.192
Tatsächliche Entwicklung der geförderten Betriebe
Kontrafaktische Entwicklung der geförderten Betriebe
Kausaler Fördereffekt
Quelle: Eigene Darstellung.
Abbildung 12: Fundamentales Evaluationsproblem
189
Vgl. Holland (1986). Vgl. unter anderem Stampf (2010: 17). 191 Vgl. Hujer/Caliendo (2000: 10), Jeanichen (2002: 388). Dies wird in der Literatur auch häufig als missing data problem bezeichnet, vgl. Bia (2007: 6) und Khandker/ Koolwal/Samad (2010: 25). 192 Vgl. Czarnitzki/Fier (2003: 16). Nach Heckman (2005: 13) sind hypothetische Situationen wie diese zwar theoretisch vorstellbar, empirisch jedoch nicht zu überprüfen: „These hypothetical states are possible worlds. They are products of a purely mental activity. No empirical problem arises in constructing these theoretically possible worlds.“ 190
138
C. Verfahren zur Analyse der Wirksamkeit von Subventionen
b) Selektionsproblem Der Ergebniswert der Betriebe in der Kontrollgruppe
E
Y 0 jd 0 lässt sich zwar beobachten, liefert aber nur dann einen realitätsadäquaten Proxy für die kontrafaktische Situation der subventionierten Betriebe im Falle ihrer Nicht-Förderung
E
Y 0 jd 1, sofern zwischen beiden Gruppen keine Verzerrung hinsichtlich jener Variablen besteht, die die Zielgröße beeinflussen. Erfüllt wäre diese Voraussetzung, wenn die Vergabe der Fördermittel und damit Aufteilung der Betriebe in beide Gruppen nicht diskretionär, sondern durch einen experimentellen Ansatz erfolgen würde. Das Motiv für eine Einzelfallprüfung der betrieblichen Förderanträge ist jedoch evident: Erstens würde die Gruppe der Subventionsempfänger im Zuge einer Randomisierung der Vergabe von Fördermitteln definitionsgemäß auch jene Betriebe enthalten, die prinzipiell keine finanzwirksame Begünstigung ersuchen (Zwang). Ein solches Auswahlverfahren könnte jedoch schon aus ethischen Gründen nicht gerechtfertigt werden. Zweitens hätten selbst jene Betriebe die gleiche, allgemeine Förderwahrscheinlichkeit, deren Investitionsaktivität sich auch ohne den Bezug öffentlicher Finanzierungshilfen im gleichen Ausmaß erhöhen würde (Mitnahme). Umgekehrt würden drittens Betriebe – mit der definitionsgemäß ebenfalls konstanten Wahrscheinlichkeit – von der Förderung ausgeschlossen, die alle Fördervoraussetzungen erfüllen und deren Renditeerwartung bezüglich des Investitionsvorhabens ohne Erhalt des Investitionskostenzuschusses unter, mit Förderung indes über dem Marktzins liegt – infolgedessen wäre davon auszugehen, dass die Investition ohne Zuschuss durch die Gemeinschaftsaufgabe unterbleiben würde. Vielmehr ist die (Nicht-)Antragstellung eine freiwillige Entscheidung jedes Unternehmens, die zunächst die Kenntnis des Instruments der Gemeinschaftsaufgabe und deren Bestimmungen erfordert. Ist diese Voraussetzung erfüllt, wird ein Förderantrag ceteris paribus nur bei einem vertretbaren Verhältnis zwischen Aufwand und Ertrag bei den zuständigen Bewilligungsbehörden eingereicht. Mit anderen Worten liegt bereits der Antragstellung ein Auswahlmechanismus zugrunde. Im Zuge der Prüfung und Bescheidung der Förderanträge greift ein weiterer Selektionsprozess, weil die Ausreichung von Subventionen an die gewerbliche Wirtschaft aus förderpolitischen Gründen an bestimmte Voraussetzungen gebunden ist. So werden etwa nur bestimmte Investitionsvorhaben in ausgewählten Arbeitsmarktregionen und Wirtschaftszweigen als grundsätzlich förderfähig eingestuft.193 Darüber hinaus werden die einzelnen Anträge von den Ländern darauf-
193
Vgl. Deutscher Bundestag (2009: 152).
III. Mikroökonometrische Wirkungsanalyse
139
hin kontrolliert, ob weitere förderrelevante Kriterien erfüllt sind.194 Vieles spricht dafür, dass insbesondere aussichtsreiche Investitionsvorhaben von wettbewerbsfähigen Betrieben gefördert werden.195 Hinzu kommt, dass nicht nur die Fördernachfrage sowie die Vergabe der Subventionen (Angebot) und damit letztendlich der Förderstatus maßgeblich von den dargestellten betrieblichen Merkmalen abhängen, sondern auch die Entwicklung der Zielvariablen regionaler Wirtschaftsförderung auf Betriebsebene (siehe Abbildung 13). Diese Art der Selektionsverzerrung würde nur dann nicht vorliegen, wenn keine statistische Abhängigkeit zwischen der Entwicklung der Zielgrößen und den betrieblichen Charakteristika bestünde.
Betrieblicher Förderstatus
Entwicklung der Zielvariablen
Betriebliche Charakteristika
Quelle: Eigene Darstellung.
Abbildung 13: Selektionsproblem
Im Klartext werden der Prozess der Antragstellung und die Gewährung der Fördermittel von betrieblichen Merkmalen determiniert, die etwa nicht nur einen direkten Einfluss auf die einzelbetriebliche Beschäftigungsentwicklung nehmen, 194 Die einzelnen Kriterien zur Auswahl der Vorhaben unterscheiden sich zwischen den einzelnen Ländern, vgl. beispielsweise Investitionsbank des Landes Brandenburg (2012) und Sächsische Aufbaubank (2012). 195 So liegt der Fokus in einigen Ländern auf der Förderung von Unternehmen mit innovativem Charakter, vgl. exemplarisch Niedersächsisches Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr (2011).
140
C. Verfahren zur Analyse der Wirksamkeit von Subventionen
sondern zusätzlich nicht zu einer zufälligen Auswahl der Zuwendungsempfänger, sondern zu einem Zerfall der Gesamtheit der Betriebe in zwei Teilmengen nach beobachtbaren und unbeobachtbaren Kriterien führen. Dies hat zur Konsequenz, dass das Reservoir aller nicht-geförderten Betriebe keine adäquate Kontrollgruppe für eine Wirkungsanalyse der gewerblichen Investitionsförderung darstellt. Aus diesem Grund verbietet es sich, die Differenz der Ergebnisvariablen beider Gruppen als Fördereffekt auf die subventionierten Betriebe
ATT zu interpretieren. Dies wäre nur dann zutreffend, wenn zwischen geförderten und nicht-geförderten Betrieben kein Unterschied hinsichtlich des erwarteten Mittelwerts der Ergebnisvariablen bestünde: (C.III.17)
ATT E
Y 1 jd 1
E
Y 0 jd 1 E
Y 0 jd 1
sodass wenn E
Y 0 jd 1 ATT 6 E
Y 1 jd 1
E
Y 0 jd 0;
E
Y 0 jd 0 6 0 ; E
Y 0 jd 1:
c) Problem konjunktureller Schwankungen Aufgrund des fundamentalen Evaluationsproblems und der dargestellten Gefahr einer Selektionsverzerrung ist es nicht angezeigt, das kontrafaktische Ergebnis der geförderten Betriebe
E
Y 0 jd 1 zu beobachten oder unter Nutzung des entsprechenden Wertes für die nicht-geförderten Betriebe
E
Y 0 jd 0 valide zu simulieren: Entweder, weil
E
Y 0 jd 1 nicht eintreten kann oder
E
Y 0 jd 0 keinen unverzerrten Wert für die hypothetische Situation der Nicht-Förderung liefert. Damit stellt sich die Frage, ob und inwieweit über die subventionierten Betriebe selbst Informationen vorliegen, mit deren Hilfe sich
E
Y 0 jd 1 approximieren lässt. Der Vorher-Nachher-Schätzer ist ein – insbesondere in der Arbeitsmarktforschung – häufig eingesetztes Verfahren,196 dessen Grundidee darauf beruht, dass der Wert der Ergebnisvariablen unmittelbar vor dem Zeitpunkt der Förderung
t 0 eine geeignete Referenzgröße für die Situation nach der Förderung
t darstellt.197 Dies setzt voraus, dass sich die Ergebnisvariable der subventionierten Betriebe im Falle ihrer Nicht-Förderung vor und nach Erhalt des Investitionskostenzuschusses nicht verändern würde: (C.III.18)
ATT E
Yt1 jd 1
E
Yt10 jd 1 wenn
E
Yt0 jd 1 E
Yt00 jd 1 : 196 197
Vgl. Hujer/Caliendo/Radic (2004: 144). Vgl. Heckman/Smith (1999: 314).
III. Mikroökonometrische Wirkungsanalyse
141
Y, BIP
Geförderte Betriebe
(2) BIP
t’ Beginn Beobachtungszeitraum (vor Förderung)
(1)
t T Ende Beobachtungszeitraum
Quelle: Eigene Darstellung.
Abbildung 14: Vorher-Nachher-Schätzer
Allerdings ist dieser Schätzer zur Messung von ATT – nicht zuletzt aufgrund der reinen Betrachtung von geförderten Betrieben und damit relativ geringen Anforderungen an die Datenbasis – empirisch zwar leicht zu ermitteln, aber nicht korrekt; Aussagen zum Zusammenhang zwischen der Maßnahme und der Entwicklung der Zielgrößen lassen sich damit auf dieser Grundlage nicht verantworten: Zum einen, weil die Veränderung der Ergebnisvariablen zwischen beiden Zeitpunkten durch die Berechnungsweise vollständig auf die Inanspruchnahme der Förderung attribuiert werden würde. Damit wird etwa ausgeschlossen, dass konjunkturelle Einflüsse wie beispielsweise die Entwicklung des Bruttoinlandsproduktes (BIP) in Abbildung 14, für eine Veränderung der Ergebnisvariablen zwischen t 0 und t verantwortlich sein könnten. Der Vorher-Nachher-Schätzer er-
142
C. Verfahren zur Analyse der Wirksamkeit von Subventionen
mittelt den Fördereffekt nicht konjunkturbereinigt (2), sondern als Differenz zwischen dem Ausgangswert und dem tatsächlichem Wert zum jeweiligen Untersuchungszeitpunkt nach Förderung (1). Darüber hinaus bleibt (mögliches) strategisches Verhalten der Zuwendungsempfänger unberücksichtigt: So könnten die geförderten Betriebe ihre Investitionstätigkeit vor der Antragstellung mit Blick auf das zukünftige, potenzielle Förderereignis zurückgehalten haben, um ihre Chance auf den Erhalt einer Subvention zu erhöhen. In diesem Fall ließe sich ein Teil der verstärkten Investitionstätigkeit im Anschluss an die Bewilligung mit dem – durch das strategische Verhalten bedingten – Unterhang aus der Vorperiode erklären (Ashenfelter’s Dip198). Abbildung 6 hat einen Überblick über verschiedene mikroökonometrische Verfahren geliefert, die im Zuge von Analysen zur Wirksamkeit politischer Interventionen zum Einsatz kommen. Im Fokus der nachfolgenden Darstellung steht neben der Kennzeichnung des spezifischen Ansatzes dieser Methoden ihre Eignung zur Minimierung der Implikationen der vorbezeichneten methodischen Schwierigkeiten der Berechnung des kausalen Fördereffektes. 3. Methoden mikroökonometrischer Wirkungsanalyse a) Experimentelle Methoden Für eine experimentelle Analyse kausaler Effekte müssen verschiedene Anforderungen erfüllt sein. Eine erste Voraussetzung besteht darin, dass die jeweiligen Rahmenbedingungen bei der Durchführung des Experimentes von dem Forscher vorgegeben werden. Dazu gehört auch, dass sich die Untersuchungsbedingungen für alle beteiligten Elemente über den gesamten Analysezeitraum nicht verändern.199 Das zweite wesentliche Kennzeichen jedes experimentellen Forschungsdesigns ist das Vorhandensein von Kontrollbeobachtungen, die nicht die gleiche Behandlung erfahren wie die Elemente der Untersuchungsgruppe und somit Aussagen hinsichtlich der Wirkung eines bestimmten treatments überhaupt erst ermöglichen sollen. Erste Ausführungen zu der Notwendigkeit einer geeigneten Referenzgruppe finden sich bereits in der alttestamentlichen Theologie bei Daniel:200 „Da sagte Daniel zu dem Mann, den der Oberkämmerer als Aufseher für ihn selbst sowie für Hananja, Mischaël und Asarja eingesetzt hatte: 198
Vgl. Ashenfelter (1978). Vgl. Meyer (2011: 137). 200 Vgl. Krauth (2000: 13). Day (2007: 3) weist darauf hin, dass in der Literatur keine Einigkeit darüber besteht, ob diese Überlegungen bereits zu Lebzeiten von Daniel (800 vor Christus) oder erst später (im zweiten vorchristlichen Jahrhundert) verschriftlicht wurden. 199
III. Mikroökonometrische Wirkungsanalyse
143
,Versuch es doch einmal zehn Tage lang mit deinen Knechten! Lass uns nur pflanzliche Nahrung zu essen und Wasser zu trinken geben! Dann vergleiche unser Aussehen mit dem der jungen Leute, die von den Speisen des Königs essen. Je nachdem, was du dann siehst, verfahr weiter mit deinen Knechten! Der Aufseher nahm ihren Vorschlag an und machte mit ihnen eine zehntägige Probe. Am Ende der zehn Tage sahen sie besser und wohlgenährter aus als all die jungen Leute, die von den Speisen des Königs aßen.‘“ 201
Ein weiteres Charakteristikum dieses Forschungsdesigns ist die Zuweisung der Teilnehmer des Experimentes in die Untersuchungs- und Kontrollgruppe nach dem Zufallsprinzip. Um die Wahrscheinlichkeit unverzerrter Ergebnisse zu erhöhen, werden die Teilnehmer nicht darüber in Kenntnis gesetzt, welcher der beiden Gruppen sie angehören.202 Forschungsvorhaben, die auf einer zufälligen Auswahl der Stichprobe beruhen, bieten den Vorteil, dass die Einteilung der gewünschten Anzahl von Elementen der Grundgesamtheit in die Untersuchungs- beziehungsweise Kontrollgruppe nicht von beobachtbaren Variablen determiniert wird. Bei einer ausreichend großen Stichprobe ist weiterhin nicht davon auszugehen, dass bezüglich der unbeobachtbaren Variablen systematische Unterschiede zwischen beiden Gruppen bestehen: „That is, with random assignment, the distributions of both observed and unobserved variables in both groups are equal in expectation.“ 203
Ungeachtet der Vorzüge des Einsatzes von randomisierten Stichprobenziehungen unter kontrollierten Bedingungen wurden experimentelle Forschungsmethoden im Bereich der Sozialwissenschaften – ganz im Gegensatz zu verschiedenen naturwissenschaftlichen Disziplinen – lange Zeit nicht erprobt und als grundsätzlich wenig geeignet eingeschätzt.204 Als Argumente gegen dieses Forschungsdesign verweist die Literatur oftmals auf den Mangel an (finanziellen) Ressourcen für ihre Durchführung, ethische Gründe sowie die Tendenz zu kleinen Untersu-
201
Vgl. Daniel (DAN 1,11–15). Dieser Ansatz wird als single blind study bezeichnet. Im Rahman von double blind studies ist zusätzlich die mit der Beobachtung, bei triple blind studies darüber hinaus auch die mit der Auswertung vertraute Person nicht über den Treatmentstatus der Untersuchungsteilnehmer informiert, vgl. Lilienfeld (1982: 3). 203 Sekhon (2007: 4). 204 Samuelson/Nordhaus (1985: 8) kommen zu folgendem Ergebnis: „One possible way of figuring out economic laws (. . .) is by controlled experiments. (. . .) Economists (. . .) cannot perform the controlled experiments of chemists or biologists because they cannot easily control other important factors. Like astronomers or meteorologists, they generally must be content largely to observe.“ In den letzten Jahrzehnten wurden Experimente in den Wirtschaftswissenschaften, insbesondere im Bereich der Spieltheorie, verstärkt eingesetzt, wobei die Studien nicht selten einen primär pädagogischen Zweck erfüllen, vgl. etwa Friedman/Sunder (1994: 9). 202
144
C. Verfahren zur Analyse der Wirksamkeit von Subventionen
chungs- und Kontrollgruppen und damit eingeschränkte Generalisierbarkeit der Ergebnisse.205 Der kausale Effekt der gewerblichen Investitionsförderung der Gemeinschaftsaufgabe auf eine beobachtbare betriebliche Zielgröße ließe sich unkompliziert bestimmen, wenn alle Betriebe aus der Grundgesamtheit die gleiche Wahrscheinlichkeit besitzen würden, mit Investitionskostenzuschüssen bedacht zu werden. In diesem Fall wäre eine experimentelle Ausgangssituation gegeben, die einer zufälligen Aufteilung der Elemente in die Untersuchungs- und Kontrollgruppe entsprechen würde. Konkret würden sich beide Gruppen nicht in Bezug auf die Verteilung der beobachtbaren und unbeobachtbaren Einflussgrößen der Zielvariablen unterscheiden, sondern lediglich hinsichtlich des Teilnahmestatus an der Fördermaßnahme. Damit ließe sich die Differenz zwischen den gemittelten Werten der Zielgröße der geförderten Betriebe und der nicht-geförderten Betriebe als durchschnittlicher Fördereffekt interpretieren (average treatment effect/ATE , siehe Gleichung (4.3.5)). Die Ausführungen in Teil C., Kapitel III.2.b) haben allerdings gezeigt, dass die Entscheidung über eine Vergabe der Subventionen nicht nach dem Zufallsprinzip erfolgt, sondern im Zuge eines diskretionären Vergabeverfahrens. Folglich ist eine Analyse des kausalen Fördereffektes auf Grundlage des experimentellen Ansatzes nicht möglich, sodass der Einsatz anderer Methoden erforderlich ist. b) Der Potential Outcomes Approach als Ausgangspunkt mikroökonometrischer Wirkungsanalyse mit nicht-experimentellen Daten Wichtige Vorarbeiten für die spätere formale Konstruktion von Methoden zur Identifizierung kausaler Effekte mit nicht-experimentellen Daten erzielten Neyman und Fisher.206 Ihre Ansätze führten nicht nur zu vielbeachteten agrarwissenschaftlichen Forschungsergebnissen; weitaus bedeutender war die Einführung eines nicht-parametrischen Verfahrens zur Beobachtung jeder Untersuchungseinheit in unterschiedlichen Zuständen und damit potenziellen Ergebnissen der Zielvariablen (potential outcomes) bei Neyman und die Entdeckung der zentralen Bedeutung der Randomisierung bei Fisher.207 Arbeiten von Kempthorne, Cox 205 Vgl. Schutt (2006: 228 f.). In sozialwissenschaftlichen und psychologischen Studien wird darüber hinaus oftmals das Verhalten der Teilnehmer der Untersuchungsgruppe (Hawthorne effect) beziehungsweise Kontrollgruppe (John Henry effect) von dem Bewusstsein der Zugehörigkeit zu einer der beiden Gruppen beeinflusst, vgl. Pierce (2008: 15 ff.). 206 Vgl. Neyman (1923), Fisher (1926 und 1935) und Fienberg/Tanur (1996). 207 Vgl. Rosenbaum (2010: 26) und Levitt/List (2009: 3). Auch wenn Neyman in Reid (1982) konstatiert, dass er die Randomisierung vorausgesetzt habe, hat er ihre Bedeutung erkannt. Vgl. Rubin (1990).
III. Mikroökonometrische Wirkungsanalyse
145
und Cochran erweiterten in der Folgezeit das Kausalitätsverständnis, ohne zu einem grundsätzlich neuen formalen Ansatz zu führen.208 Rubin gelang später mit dem potential outcome approach (bisweilen auch als potential outcomes framework beziehungsweise counterfactual framework for causal inference209 oder Rubin’s causal model 210 bezeichnet) ein bedeutender methodischer Durchbruch bei dem Versuch, die Identifikation kausaler Beziehungen in experimentellen und nicht-experimentellen Forschungsvorhaben auf eine formale Basis zu stellen.211 Im Mittelpunkt des Erkenntnisinteresses des Rubin-Modells steht der kontrafaktische (hypothetische) Wert der Zielgröße der Programmteilnehmer, der eingetreten wäre, wenn die Teilnehmer nicht an dem Programm partizipiert hätten und der sich aufgrund des oben dargestellten fundamentalen Evaluationsproblems in sozialwissenschaftlichen Fragestellungen in der Regel nicht beobachten lässt.212 c) Lineare Mehrfachregression und Regression Discontinuity Design Auf den ersten Blick könnte die Anwendung der OLS-Methode zur mikroökonometrischen Schätzung der Wirkung von staatlichen Beihilfen durch die Gemeinschaftsaufgabe schon deshalb naheliegend sein, weil sie in nahezu allen Forschungsdisziplinen die am häufigsten eingesetzte Regressionstechnik ist. Nachfolgend soll überprüft werden, inwiefern die Grundannahmen dieses Schätzverfahrens, dessen Verwendung im Bereich partialanalytischer Wirkungsstudien zur Gemeinschaftsaufgabe in Teil C., Kapitel II.3.a) dargestellt worden ist, für eine Überprüfung des durchschnittlichen Fördereffektes auf betrieblicher Ebene als erfüllt angesehen werden können. In der Regel wird bei Regressionsansätzen eine lineare Beziehung zwischen der abhängigen und den unabhängigen Variablen unterstellt (1). Es gilt, diese Voraussetzung vor Berechnung und Interpretation der Schätzwerte zu überprüfen. Gegebenenfalls ist die Regressionsfunktion durch entsprechende (etwa logarithmische oder inverse) Transformationen zu modifizieren. Liegt der Modellspezifikation eine falsche Annahme bezüglich des funktionalen Zusammenhangs zu-
208
Vgl. Kempthorne (1952), Cox (1958) und Cochran (1965). Vgl. Mithas/Almirall/Krishnan (2009: 65). 210 Vgl. Holland (1986). Da die Arbeiten von Rubin auf dem potential outcomes-Ansatz von Neyman (1923) aufsetzen und später von Holland (1986) weitergeführt wurden, sind auch die Bezeichnungen Neyman-Rubin causal model, Neyman-Rubin-Holland model beziehungsweise Neyman-Holland-Rubin model nicht unüblich, siehe etwa Sekhon et al. (2011: 347). 211 Vgl. Rubin (1973a, 1973b, 1974, 1975, 1976a, 1976b, 1976c, 1977a, 1977b, 1977c, 1978, 1979, 1980, 1990). 212 Vgl. Hamenstädt (2012: 75). 209
146
C. Verfahren zur Analyse der Wirksamkeit von Subventionen
grunde, so sind die geschätzten Koeffizienten verzerrt.213 Dies ist auch der Fall, sofern in der Regressionsgleichung zumindest eine relevante erklärende Größe fehlt (2) oder wenigstens eine der berücksichtigten Variablen in keinem Wirkungszusammenhang mit der Zielgröße steht (3). Ansonsten wäre das Regressionsmodell insofern nicht korrekt spezifiziert, als in die Störvariable fälschlicherweise auch die Effekte der fehlenden Einflussgröße(n) eingehen würden. Nicht effizient ist die Schätzung, wenn die Zahl der abhängigen Modellvariablen zu groß ist.214 Dazu besteht in diesem Fall die Gefahr, dass die (Nicht-)Signifikanzen einzelner Variablen nicht korrekt wiedergegeben werden. Um beide letztgenannten Fehlerquellen zu vermeiden, muss die richtige Anzahl unabhängiger Variablen ermittelt werden. Dafür ist zu prüfen, ob tatsächlich keine Korrelation (2) bzw. eine Korrelation (3) zwischen den einzelnen Regressoren und den Störvariablen besteht. Zudem wird verlangt, dass zwischen den einzelnen unabhängigen Variablen keine vollständige lineare Abhängigkeit (Multikollinearität) vorliegt (4). Andernfalls würden einzelne erklärende Größen keinen eigenen Beitrag zur Erklärung der Variation der endogenen Variable liefern und könnten folglich als lineare Funktion der anderen unabhängigen Variablen ausgedrückt werden. Das Regressionsmodell wäre – wie bei Verletzung der anderen Prämissen – auch in diesem Fall fehlspezifiziert und seine Koeffizienten verzerrt. Eine Lösungsmöglichkeit bestünde darin, die Beseitigung nicht-benötigter unabhängiger Variablen und/ oder zumindest deren Transformation auf Grundlage der Korrelationsmatrix vorzunehmen. Für die Störgröße der OLS-Gleichung wird ein Erwartungswert von Null angenommen
E
U jX1 ; X2 ; . . . ; Xk 0 (5). Nur so kann ausgeschlossen werden, dass die geschätzten Werte des Regressanden bei Konstanz der Störgröße nicht systematisch verzerrt sind. Sofern eine Korrelation zwischen mindestens einer erklärenden Variable und der Störgröße vorliegt, ist diese Voraussetzung nicht erfüllt.215 Das in Teil C., Kapitel III.2.b) diskutierte Selektionsproblem kann dazu führen, dass U keinen Erwartungswert von Null annimmt. Zusätzlich muss die Bedingung gegeben sein, dass die Störgröße für alle Beobachtungsfälle eine konstante Varianz aufweist
Var
UjX1 ; X2 ; . . . ; Xk 2 (6). Bei Heteroskedastizät sind die Schätzwerte des Regressionsmodells andernfalls wiederum ineffizient. Als geeignetes Verfahren zur Überprüfung der Varianzhomogenität der Residuen
213 „Verzerrt“ bedeutet auch in diesem Fall, dass ein Unterschied zwischen dem wahren Wert des jeweiligen Modellparameters und seinem geschätzten Erwartungswert besteht (vgl. dazu auch die Ausführungen in Teil C., Kapitel II.3.a). 214 In diesem Fall sind die Varianzen der geschätzten Modellparameter nicht minimal. 215 Die entsprechende erklärende Größe wird häufig als „endogen“ bzw. als Endogenitätsproblem bezeichnet (vgl. Wooldridge 2003: 86).
III. Mikroökonometrische Wirkungsanalyse
147
kann etwa auf den White-Test oder Goldfeld-Quandt-Test zurückgegriffen werden.216 Schließlich werden die Annahmen getroffen, dass die Störgrößen (zum Beispiel der Beobachtungsfälle i und j) keiner Autokorrelation unterliegen
Cov
Ui :Uj 0 (7) und normalverteilt U N E
U ; Var
U (8) sind. Wie aus Abbildung 15 hervorgeht, sind die genannten Modellvoraussetzungen für eine mikroökonometrische Analyse der Wirkungen der gewerblichen Investitionsförderung durch die Gemeinschaftsaufgabe mehrheitlich nicht erfüllt. Zunächst besteht wenig Grund zu der Annahme, dass zwischen den interessierenden förderpolitischen Zielgrößen (beispielsweise Beschäftigung und Einkommen) und ihren Determinanten ein linearer Zusammenhang besteht. Daraus folgt unmittelbar, dass sich lineare Regressionsansätze nicht für die Schätzung der Wirkung der gewerblichen Investitionsförderung der Gemeinschaftsaufgabe eignen.217 So haben eigene Schätzungen auf Grundlage des Materials der Beschäftigungsstatistik der Bundesagentur für Arbeit (BA) gezeigt, dass sich eine lineare Beziehung zwischen dem Beschäftigungswachstum und den unabhängigen Variablen einschließlich der Fördervariablen auch durch verschiedene Transformationen einzelner Regressoren nicht erreichen ließ. Die Ursache für die zu erwartende Unvollständigkeit des Regressionsmodells liegt dagegen in der eingeschränkten Datenverfügbarkeit: Eine Berücksichtigung aller relevanten erklärenden Variablen konnte im Rahmen der Berechnungen ebenso wenig gewährleistet werden wie die Nicht-Beachtung von irrelevanten unabhängigen Variablen. Als weniger problematisch ist die Gefahr der Abhängigkeit zwischen den Regressoren einzuschätzen, weil zumindest eine perfekte Multikollinearität ausgeschlossen werden konnte. Die Gültigkeit der Annahmen hinsichtlich der Störvariablen wird maßgeblich durch die in Teil C., Kapitel III.2.b) dargestellten Selektionsmechanismen eingeschränkt. Vor dem Hintergrund, dass für diese Verzerrung nicht umfassend durch beobachtbare und verfügbare Größen kontrolliert werden kann, ist eine statistische Abhängigkeit zwischen der Variablen, die den Förderstatus repräsentiert und der Störgröße der Modellgleichung eine logische Konsequenz. Im Ergebnis führen Regressionsanalysen der betrieblichen Entwicklung von Zielgrößen der regionalen Wirtschaftsförderung auf ein Set erklärender Größen einschließlich der Fördervariablen, insbesondere wegen der datenbedingten Unzulänglichkeiten, zu einer Verzerrung und/oder Ineffizienz der Schätzwerte und Ungültigkeit von Signifikanztests.
216
Vgl. White (1980), Goldfeld/Quandt (1965). Vgl. dazu auch Asmacher (1989: 29) mit Verweis auf Reimers (1981: 2). Bergström (1998) kommt in seiner OLS-Schätzung zu den Wirkungen regionaler Wirtschaftsförderung in Schweden im Zeitraum 1989–1993 zu dem Ergebnis, dass die subventionierten Betriebe ihre Produktivität zwar kurzfristig erhöhen, sich der Wirkungskoeffizient jedoch nach dem ersten Jahr umdreht und der Effekt desto stärker ausfällt, je höher die Subvention ist. 217
148
C. Verfahren zur Analyse der Wirksamkeit von Subventionen
Annahme
Gültigkeit der Annahme am Beispiel der Gemeinschaftsaufgabe
Funktionale Spezifikation und Eigenschaften der Regressoren (1) Linearer Wirkungszusammenhang (2) Berücksichtigung aller relevanter Regressoren (3) Ausschluss irrelevanter Variablen (4) Keine Multikollinearität Eigenschaften der Störgröße (5) Erwartungswert Null (6) Homoskedastizität (7) Keine Autokorrelation (8) Normalverteilung Quelle: Eigene Darstellung.
Abbildung 15: Annahmen der linearen Mehrfachregression
Insgesamt muss demzufolge bezweifelt werden, dass sich zum Zwecke einer Wirkungsanalyse der gewerblichen Investitionsförderung der Gemeinschaftsaufgabe ein Regressionsmodell formulieren und schätzen lässt, bei dem alle erklärenden Größen modellexogen sind und nicht mit der Störgröße, die wiederum alle unsystematischen Einflüsse aufnimmt, korrelieren. Thistlethwaite/Campbell haben mit dem Regression Discontinuity Design (RDD) ein Verfahren eingeführt, mit dessen Verwendung sich unter bestimmten Voraussetzungen ein Teil der genannten Limitationen der linearen Regressionsanalyse umgehen lässt.218 Dazu wird angenommen, dass die Aufteilung der (Nicht-)Maßnahmeteilnehmer auf die beiden Gruppen lediglich auf Grundlage einer beobachtbaren Zuordnungsgröße erfolgt. Diese kennzeichnet sich dadurch, dass die (Nicht-) Teilnahme an der Maßnahme ausschließlich davon abhängt, ob ein bestimmter Wert dieser Zuordnungsvariablen (unter- beziehungsweise) überschritten wird. Sofern diese Zuordnungsvariable keiner systematischen Verzerrung unterliegt und wiederum ein linearer Modellzusammenhang unterstellt wird, wäre exakt an dem jeweiligen Grenzwert, der über die Zugehörigkeit zu einer der beiden Gruppen entscheidet und von keiner weiteren Einflussgröße abhängt, eine – dem kausalen Maßnahmeeffekt entsprechende – Diskontinuität zwischen den beiden Re218
Vgl. Thistlethwaite/Campbell (1960).
III. Mikroökonometrische Wirkungsanalyse
149
Y
Geförderte Betriebe
x x x x x x x xx x x x x x x x x x x xx x o
o o o
o
o o o o
o o o
Fördereffekt
o
o o o oo
o
Nicht-geförderte Betriebe
Quelle: Eigene Darstellung.
Zuordnungsvariable
Abbildung 16: Regression Discontinuity Design
gressionsfunktionen zu beobachten. Dies gilt zumindest in dem in Abbildung 16 beispielhaft skizzierten Fall, dass die Maßnahme nicht wirkungslos ist. Methodisch ist der RDD-Ansatz mit Blick auf die Generalisierbarkeit der empirischen Ergebnisse insofern kritisch zu hinterfragen, als der kausale Effekt ausschließlich direkt am Grenzwert (cut-off) der Zuordnungsvariablen ermittelt wird. Als mikroökonometrisches Verfahren zur Analyse der Wirkungen der gewerblichen Investitionsförderung der Gemeinschaftsaufgabe ist das RDD schon deshalb nicht geeignet, weil die Zuordnung in die Gruppe der (Nicht-)Förderung auf Seiten der Zuwendungsempfänger von einer Vielzahl von, zum Teil unbeobachtbaren, betrieblichen Einflussfaktoren determiniert wird und einem diskretionären Entscheidungsprozess der Bewilligungsbehörden unterliegt. Aufgrund des dargestellten Auswahlverfahrens der Bewilligungsbehörden ist schon die Suche nach einer geeigneten Zuordnungsvariablen überaus kompliziert.
150
C. Verfahren zur Analyse der Wirksamkeit von Subventionen
Anders gestaltet sich die Lage, wenn der Auswahlmechanismus der geförderten Betriebe wie etwa in Italien nach vorher definierten Kriterien219 im Rahmen einer Auktion erfolgt und dabei eine bestimmte Abschneidegrenze (cut-off) beobachtet werden kann.220 d) Instrumentalvariablen-Schätzer Der Instrumentalvariablen-Schätzer wurde in vielen ökonometrischen Beiträgen thematisiert.221 Er löst das durch die Selektionsverzerrung hervorgerufene Endogenitätsproblem, indem die mit der Störgröße korrelierte erklärende Variable in der OLS-Schätzgleichung ersetzt wird. Für diese Substitution wird zumindest eine Instrumentalvariable (Instrument, IV*) benötigt, die drei wesentliche Voraussetzungen erfüllt.222 Zum einen soll(en) die Instrumentalvariable(n) nicht zu den erklärenden Größen (X) der Schätzgleichung zählen. Zudem muss Unkorreliertheit zwischen der(n) Instrumentalvariable(n) und der Störgröße vorliegen (instrument exogeneity). Darüber hinaus wird drittens angenommen, dass sich Änderungen der Instrumentalvariable(n) auf die endogene erklärende Größe auswirken. Sind diese Annahmen erfüllt, lässt sich das Two Stage Least SquaresVerfahren anwenden. Dafür wird zunächst die optimale Linearkombination der Instrumente durch OLS-Regression der zu ersetzenden endogenen Variablen auf die Instrumentalvariable(n) ermittelt. Anschließend werden die Modellparameter der ursprünglichen Regressionsgleichung wiederum mit dem OLS-Ansatz ge219 Nach einer ersten administrativen Kontrolle aller Förderanträge auf deren Vollständigkeit wird jedes einzelne geplante Investitionsvorhaben auf folgende fünf (gleichgewichtete) Kriterien überprüft: 1) geplante Eigenbeteiligung (seit 1992) und 2) zusätzliche Arbeitsplätze im Zusammenhang mit dem Investitionsprojekt (seit 1992), 3) beantragte Fördermittel im Verhältnis zum maximal möglichen Subventionsvolumen (seit 1992), 4) regionale und sektorale Schwerpunkte der regionalen Regierung (seit 1998) und 5) ökologische Wirkungen des Investitionsvorhabens (seit 1998). Nach der Bestimmung der Rangfolge werden die zu fördernden Betriebe in Abhängigkeit des zur Verfügung stehenden Budgetvolumens bis zur Erreichung der Abschneidegrenze ausgewählt. Zur regionalen Wirtschaftsförderung in Italien siehe auch Gesetz Nr. 488/92. 220 Cerqua/Pellegrini (2011) haben unter Verwendung eines multiplen RDD-Verfahrens über verschiedene Auktionen einen positiven Effekt der staatlichen Beihilfe (ohne Neugründungen) in strukturschwachen Regionen Italiens auf die betriebliche Investitionstätigkeit (gemessen am Umsatzanteil) und die Umsatzentwicklung im Zeitraum 1995–2001 festgestellt. Zu ähnlichen Ergebnissen hinsichtlich der Wirkung der regionalen Wirtschaftsförderung nach Gesetz 488/92 auf Beschäftigung, Umsatz und Investitionstätigkeit der im Zeitraum 2000–2004 subventionierten Betriebe führt eine Studie der Associazione per lo Sviluppo della Valutazione e l’Analisi delle Politiche Pubbliche (2012), wobei neben einem Diskontinuitäts-Ansatz insbesondere verschiedene Matching-Algorithmen und die qualitative Methode einer Unternehmensbefragung eingesetzt werden. 221 Vgl. Bowden/Turkington (1984), Judge et al. (1985), Greene (2000) und Ebbes (2004). 222 Vgl. Wooldridge (2002: 83 f.).
III. Mikroökonometrische Wirkungsanalyse
151
Ausgangssituation: Selektionsverzerrung in Regressionsmodell Endogene erklärende Größe (Förderstatus)
Zielvariable
X,
U Annahme InstrumentalvariablenSchätzer Endogene erklärende Größe (Förderstatus)
IV*
Zielvariable
X,
U Quelle: Eigene Darstellung.
Abbildung 17: Instrumentalvariablen-Schätzer
schätzt, wobei die endogene Variable durch das in der ersten Stufe geschätzte Instrument substituiert wird (siehe Abbildung 17). Der Einsatz dieses Verfahrens zur Wirkungsanalyse der Beihilfen durch die Gemeinschaftsaufgabe erfordert die Identifikation von mindestens einem Instrument für den Förderstatus, das weder bereits als erklärende Größe verwendet wird, noch mit dem Störterm korreliert ist und gleichzeitig einen möglichst großen Einfluss auf den Förderstatus hat. Allerdings ist die Identifikation und datentechnische Verfügbarkeit eines solchen Instrumentes äußerst unwahrscheinlich. Die Verwendung der BA-Betriebsnummer als Instrument würde etwa die Voraussetzung erfüllen, dass die Störgröße nicht mit dieser Zufallszahl korreliert
Cov
IV ; U 0. Allerdings hat die BA-Betriebsnummer keinen systematischen Einfluss auf den Förderstatus
Cov
IV ; d 6 0 gilt nicht, sodass sie sich nicht als Instrument eignet.223 Abbildung 18 zeigt, dass beide zentralen Modellvoraussetzungen erfüllt sein müssen, um unverzerrte und effiziente Schätzwerte der Modellparameter zu erreichen. 223 Überzeugende Instrumentalvariablen fanden etwa Angrist (1990) in einer Studie zu den Auswirkungen der Teilnahme am Vietnamkrieg auf das Einkommen von US-Veteranen und Card (1995) in einer Untersuchung zum Einfluss des Ausbildungsniveaus auf das Einkommen.
152
C. Verfahren zur Analyse der Wirksamkeit von Subventionen
Korrelation zwischen Instrument und endogener unabhängiger Variable
Korrelation zwischen Instrument und Störgröße
Schätzwerte unverzerrt und ineffizient
Schätzwerte verzerrt
Schätzwerte unverzerrt und effizient
Schätzwerte verzerrt
Quelle: Eigene Darstellung.
Abbildung 18: Einschätzung Instrumentalvariablen-Schätzer
Criscuolo et al. argumentieren, dass sich Veränderungen hinsichtlich der grundsätzlichen Förderfähigkeit von gewerblichen Investitionen in strukturschwachen Regionen des Vereinigten Königreichs (Regional Selective Assistance, RSA) nicht primär auf die regionale Entwicklung bestimmter Indikatoren zurückführen lassen, sondern in erster Linie von den beihilferechtlichen Bestimmungen der EU-Kommission im Zusammenhang mit den regelmäßigen Neuabgrenzungen der Fördergebiete abhängen.224 Die Änderungen der betrieblichen Förderfähigkeit in einigen Regionen während des Untersuchungszeitraumes (1986–2004), konkret in Jahren 1993 und 2000, basieren nach Auffassung der Autoren folglich auf regionsexogenen Faktoren wie der vorherigen Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts und der Arbeitslosigkeit im Vereinigten Königreich und der EU sowie den entsprechenden beihilferechtlichen Bestimmungen. Ausgehend von dieser Hypothese wird das maximale Subventionsvolumen (mit einem Lag von zwei Jahren) als Instrumentalvariable für die gewerbliche Investitionsförderung zur Schätzung der Wirkung der RSA auf die betrieblichen Zielgrößen Beschäftigung, Investitionen, Produktivität und die Anzahl der Betriebe verwendet.225 Dieser Ansatz eignet sich (bisher) nicht zur mikroökonometrischen Analyse der Wirkungen der Gemeinschaftsaufgabe, weil der Anteil der Betriebe, die aufgrund ihres Standortes im Zeitablauf einen Wechsel der (binären) grundsätzlichen Förderfähigkeit erfahren, infolge der ubiquitären Förderung in den neuen Ländern äußerst gering ist. Ebenso ist zu bezweifeln, dass die Voraussetzung der Unkorre224
Vgl. Criscuolo et al. (2012). Das Kernergebnis der Schätzungen ist, dass die im Rahmen der RSA geförderten Betriebe ein signifikant höheres Beschäftigungs- und Investitionswachstum aufweisen als die nicht-subventionierten Betriebe, während keine Wirkung auf die betriebliche Produktivität festgestellt wurde. 225
III. Mikroökonometrische Wirkungsanalyse
153
liertheit des Instrumentes und der Störgröße
Cov
IV ; U 0 erfüllt ist. Zudem erfolgt die konkrete Auswahl der Fördergebiete einem Ranking der Strukturschwäche. e) Selektionsmodelle Eine weitere Möglichkeit zur Endogenisierung einer erklärenden Variablen stellt das zweistufige Selektionsmodell nach Heckman dar.226 Der Ausgangspunkt dieses Ansatzes ist die Vorstellung, dass sich die Störgröße in der Modellgleichung in zwei Selektionskorrekturterme und einen exogenen Störterm U zerlegen lässt: (C.III.19)
Y X d EU jX ; d 1; Z EU jX ; d 0; Z U :
Auch dieser Schätzvariante liegt die Annahme zugrunde, dass Unkorreliertheit zwischen den erklärenden Variablen der Modellgleichung und der Störgröße besteht. Diese Voraussetzung muss auch für die Teilnahmefunktion (Z mit Störgröße V , siehe Gleichung (C.III.4)) erfüllt sein, in die mindestens eine unabhängige Variable einzubeziehen ist, die nicht in der Modellgleichung enthalten und von V unabhängig ist.227 Wird eine gemeinsame Normalverteilung der Störgrößen angenommen, können die Selektionskorrekturterme wie folgt in einen be^ dingten Mittelwert transformiert werden (Mills Ratio, ): (C.III.20)
(C.III.21)
E"jX ; d 1; Z
E"jX ; d 0; Z
Z ^1 ;
Z
1
Z ^0 :
Z
Stierwald/Wiemers haben in ihrer mikroökonometrischen Analyse der Wirkung von Subventionen an die gewerbliche Wirtschaft durch die Gemeinschaftsaufgabe auf die Investitionstätigkeit (je Beschäftigten beziehungsweise bezogen auf den Umsatz) in ostdeutschen Betrieben für den Zeitraum 1999–2001 zunächst die betriebliche Teilnahmewahrscheinlichkeit an der Fördermaßnahme als Proxy für die Mills Ratio mit einem Probit-Modell auf Grundlage des IAB-Betriebspanels (Pooling mit 3.254 Beobachtungsfällen) geschätzt.228 Die Mills Ra226
Vgl. Heckman (1976, 1979). Vgl. Blundell/Costa Dias (2000: 439). 228 Als unabhängige Variablen werden dazu Betriebsangaben zum Umsatz und zur Beschäftigung (jeweils auch als Prognose (Dummy) für das kommende Geschäftsjahr), Alter, Ertragslage, Eigentumsverhältnisse, Absatzstruktur (Anteil des Umsatzes in alten Ländern, Europäischen Wirtschaftsraum und sonstiges Ausland) und die Branchenzugehörigkeit einbezogen, vgl. Stierwald/Wiemers (2003: 13 ff.). 227
154
C. Verfahren zur Analyse der Wirksamkeit von Subventionen
tio wurde in einem weiteren Schritt als zusätzlicher Regressor in die Modellgleichung integriert, um für die potenzielle Verzerrung der, ebenfalls als unabhängige Variable berücksichtigten, Teilnahmevariable zu kontrollieren: (C.III.22)
Y X d ^1 d ^0 d
1
d U ;
wobei den Korrelationskoeffizienten der Fehlerterme kennzeichnet. Die Autoren kommen zu dem Ergebnis, dass die betriebliche Investitionstätigkeit durch die Förderung positiv beeinflusst wird. Danach übersteigen die Investitionen je Beschäftigten der subventionierten Betriebe den entsprechenden Wert der nicht-geförderten Betriebe im Durchschnitt um den Faktor drei, sodass Stierwald/Wiemers den Einfluss der Gemeinschaftsaufgabe auf die betriebliche Investitionstätigkeit als „positiv“ bezeichnen.229 Problematisch an diesem zweistufigen Verfahren ist zunächst, dass neben der Ergebnisgleichung auch der Selektionsprozess geschätzt und dafür eine gemeinsame Normalverteilung der Störterme U und V vorausgesetzt wird.230 Bei der Auswahl der Modellparameter beider Schätzgleichungen wird dazu weitgehend auf eine theoretische Fundierung verzichtet. Es darf bezweifelt werden, dass die in Teil C., Kapitel III.3.c) dargestellten Modellvoraussetzungen als erfüllt anzusehen und damit etwaige Verzerrungen der Parameterwerte auszuschließen sind.231 f) Differenz-der-Differenzen-Schätzer Im Unterschied zu den vorgestellten mikroökonometrischen parametrischen Verfahren232 vermeiden nicht-parametrische Ansätze strenge Verteilungsannahmen. Im einfachsten Fall der Bestimmung des durchschnittlichen Maßnahmeeffektes wird der Wert der Ergebnisvariablen der subventionierten Betriebe vor ihrer Teilnahme an der Fördermaßnahme vom entsprechenden Wert nach Erhalt des Investitionskostenzuschusses subtrahiert.233
229
Vgl. Stierwald/Wiemers (2003: 15). Gemessen am einfachen Bestimmtheitsmaß gelingt es in beiden Schätzungen nicht, den funktionalen Zusammenhang zwischen der abhängigen Variable und ihren erklärenden Größen zufriedenstellend zu erfassen, vgl. Lehmann/Stierwald (2004: 127). 231 Im Zuge seiner Bewertung dieser Studie gelangt Ragnitz (2003: 26) zu einer ähnlichen Schlussfolgerung: „Fazit ist demnach, dass – soweit abschätzbar – die Investitionsförderung (. . .) zu erheblichen zusätzlichen Investitionen beigetragen hat. Dennoch ist zu beachten, dass die Schätzergebnisse ein relativ hohes Maß an Unsicherheit aufweisen und deshalb nicht ohne weitere Prüfung verallgemeinerbar sind.“ 232 Vgl. Teil C., Kapitel III.3.c) bis e). 233 Vgl. dazu die Ausfürungen zum Vorher-Nachher-Schätzer in Teil C., Kapitel III.2.c). 230
III. Mikroökonometrische Wirkungsanalyse
155
Eine Erweiterung des bloßen Vergleichs der Ergebnisvariablen subventionierter Betriebe vor und nach ihrer Förderung stellt der Differenz-der-DifferenzenSchätzer dar.234 Dieser beschränkt sich im Gegensatz zum Vorher-NachherSchätzer nicht auf die Gegenüberstellung der Ergebnisvariablen für die subventionierten Betriebe zu zwei verschiedenen Zeitpunkten, wobei t 0 vor und t nach dem Förderereignis liegt (erste Differenz, E
Yt1 Yt10 jd 1). Zusätzlich wird die entsprechende Veränderung der nicht-geförderten Betriebe im gleichen Zeit0 intervall berücksichtigt (zweite Differenz, Yt00 jd 0).235 Der Effekt der E
Yt DdD Förderung auf die Begünstigten ATT entspricht sodann der Differenz dieser beiden Differenzen: (C.III.23)
1 DdD ATT E
Yt
Yt10 jd 1
E
Yt0
Yt00 jd 0 :
Mit dem Differenz-der-Differenzen-Schätzer lässt sich im Gegensatz zum Vorher-Nachher-Vergleich eine Unter- beziehungsweise Überschätzung des Fördereffektes infolge zeitkonstanter Unterschiede zwischen den beiden Gruppen unter bestimmten Bedingungen vermeiden.236 Besonders zentral ist dabei die Gültigkeit der Annahme, dass die Wirkung der Einflussgrößen (etwa die Konjunkturreagibilität) auf die abhängige Variable in beiden Gruppen zwischen dem Förderereignis und dem Ende des Beobachtungszeitraumes nicht variiert (parallel trend assumption).237 Formal ausgedrückt, muss die durchschnittliche Veränderung von Y zwischen t 0 und t im Falle der Nicht-Förderung für beide Gruppen identisch sein: (C.III.24)
E
Yt0
Yt00 jd 1 E
Yt0
Yt00 jd 0 :
Abbildung 19 zeigt, dass sich der kausale Effekt bei einer zeitinvarianten Differenz des Abstandes der Zielgröße zwischen beiden Gruppen im Falle ihrer Nicht-Förderung
infolge der parallel trend assumption wiederum durch den Vergleich der Entwicklung von Y für die subventionierten und nicht-subventionierten Betriebe bestimmen lässt. Wie bereits oben dargelegt wurde, ist die entscheidende Konsequenz der nichtzufälligen, diskretionären Auswahl der geförderten Betriebe durch die Bewilligungsbehörden jedoch, dass sich die beiden Gruppen in relevanten Charakteris-
234
Vgl. Abadie (2005). Dafür müssen die Daten nicht nur im Längsschnitt (für jeweils mindestens einen Zeitpunkt vor und nach Förderung), sondern auch im Querschnitt (subventionierte und nicht-subventionierte Betriebe) vorliegen. 236 Vgl. Angrist/Krueger (1999). 237 Vgl. Jones (2009: 612). 235
156
C. Verfahren zur Analyse der Wirksamkeit von Subventionen
Y Vorher
Nachher
Geförderte Betriebe
Fördereffekt
Nicht-geförderte Betriebe
t’
t
Beginn BeobachtungsZeitraum
Förderereignis
T
Ende BeobachtungsZeitraum
Quelle: Eigene Darstellung.
Abbildung 19: Differenz-der-Differenzen-Schätzer
tika systematisch voneinander unterscheiden.238 In diesem Zusammenhang ist äußerst unwahrscheinlich, dass relevante Einflussgrößen der Ergebnisvariablen zeitinvariant sind. Anders formuliert besteht wenig Anlass zu der Vermutung, dass sich beide Gruppen nicht hinsichtlich ihrer konjunkturellen Anfälligkeit unterscheiden.239 Auch die potenziellen Konsequenzen strategischen Verhaltens auf die Ergebnisvariable (Ashenfelter’s Dip240) werden vom Differenz-der-Differen238 In Teil D., Kapitel I. erfolgt eine deskriptive Darstellung der Heterogenität zwischen geförderten und nicht-geförderten Betrieben. 239 Für eine ähnliche Argumentation vgl. Meyer (1994: 18).
III. Mikroökonometrische Wirkungsanalyse
157
zen-Schätzer nicht berücksichtigt, sodass sich dieser methodische Ansatz, ohne die Beachtung weiterer beobachtbarer Regressoren (selection on observables), nicht zur Analyse des Fördereffekts der Gemeinschaftsaufgabe eignet. g) Matching aa) Grundidee und Annahmen Die Anwendung von Matching-Verfahren zur Analyse kausaler Effekte hat in der wissenschaftlichen Forschung in der Vergangenheit stark zugenommen.241 Entsprechende Ansätze wurden dabei nicht nur für die Beantwortung von ökonomischen Fragestellungen242, sondern vermehrt auch in den Bereichen Medizin243, Statistik244, Soziologie245 und Politikwissenschaft246 eingesetzt. Die methodische Grundidee des Matching-Verfahrens lehnt sich sehr stark an die Vorstellung eines Experimentes247 an und lässt sich wie folgt auf die Gemeinschaftsaufgabe übertragen: Auf Grundlage von beobachtbaren Variablen wird für jeden geförderten Betrieb mindestens ein anderer Betrieb aus der Gruppe der nicht-subventionierten Betriebe gesucht, der ihm – hinsichtlich den die Ergebnisvariable(n) beeinflussenden Charakteristika – möglichst ähnlich ist. Im Optimalfall unterscheiden sich die Betriebe, die Investitionskostenzuschüsse von der Gemeinschaftsaufgabe erhalten haben und die, ihnen zugeordneten, nicht-geförderten Betriebe ausschließlich durch den Umstand der Förderung. Mit anderen Worten besteht die Intention dieser Analysestrategie darin, „statistische Zwillinge“ für die subventionierten Betriebe zu finden, um auf dieser Grundlage den Effekt der Investitionsförderung herausarbeiten zu können.248 Gelingt es, eine weitgehende Übereinstimmung zwischen beiden Gruppen hinsichtlich der – die Ergebnisgröße beeinflussenden – relevanten Variablen zu erreichen und damit das Selektionsproblem249 zu lösen
EY 0 jd 1 EY 0 jd 0 0, eignen sich die Zwillingsbetriebe als Proxy für die kontrafaktische Situa240
Siehe Teil C., Kapitel III.2.c). Für erste wissenschaftliche Auseinandersetzungen mit dieser Methode siehe Greenwood (1945) und Freedman/Hawley (1949). 242 Siehe etwa Dehejia/Wahba (1999, 2002), Abadie/Imbens (2006), Sekhon/Grieve (2009). 243 Zum Beispiel Rubin (1997) und Christakis/Iwashyna (2003). 244 Beispielsweise Rosenbaum (2002) und Rubin (2007). 245 Etwa Smith (1997), Winship/Morgan (1999), Diprete/Engelhardt (2004) und Morgan/Harding (2006). 246 Vgl. Bowers/Hansen (2006), Imai (2005) und Herron/Wand (2007). 247 Vgl. dazu Teil C., Kapitel III.3.a). 248 Siehe auch Cho et al. (2012): „Matching methods essentially attempt to find twins for treated subjects.“ 249 Vgl. Teil C., Kapitel III.2.b). 241
158
C. Verfahren zur Analyse der Wirksamkeit von Subventionen
tion der Nicht-Förderung der subventionierten Betriebe und damit als Mittel zur Lösung des fundamentalen Evaluationsproblems250. In diesem Fall kann der durchschnittliche Effekt der Gemeinschaftsaufgabe auf die geförderten Betriebe ATT durch die Differenz der Ergebnisvariablen zwischen beiden Gruppen (analog zu Gleichung (C.III.16)) bestimmt werden, sofern auch hinsichtlich der unbeobachtbaren Variablen keine systematischen Unterschiede zwischen den geförderten und nicht-subventionierten Betrieben bestehen und sich dementsprechend das Problem konjunktureller Schwankungen251 nicht verzerrend auf ATT auswirkt. Die wesentliche Voraussetzung zur Berechnung des ATT mit dem MatchingVerfahren ist nun die, dass, gegeben einem Vektor von Kovariaten
X x, die Annahme statistischer Unabhängigkeit zwischen der Treatment-Variablen (Förderstatus) und der Ergebnisvariablen bei Nicht-Förderung erfüllt ist:252 (C.III.25)
Y o ? djX x; sodass
(C.III.1)
E
Y o jd 1; X x E
Y o jd 0; X x :
Eine unmittelbare Konsequenz der Gültigkeit dieser Annahme ist, dass die Auswahl der geförderten Betriebe – unter der Kontrolle beobachtbarer Kovariaten – zufällig erfolgt. Diese Prämisse hat als Conditional Independence Assumption (CIA)253 Eingang in die Literatur gefunden und ist nur dann erfüllt, wenn in X alle erklärenden Größen enthalten sind, die den Förderstatus und die Ergebnisvariable gemeinsam beeinflussen. Gelingt es nicht, Unabhängigkeit zwischen Y 0 und d zu erreichen, führt die Zuordnung des Matching-Verfahrens zwangsläufig zu verzerrten Ergebnissen. Bisher ist kein Verfahren entwickelt worden, auf dessen Grundlage die Gültigkeit der CIA empirisch getestet werden kann.254 Damit ist evident, dass der Auswahl der Kovariaten eine entscheidende Bedeutung für die Qualität der Zuordnungsprozedur der Beobachtungsfälle beider Gruppen zukommt. Hierzu ist auch die Frage zu klären, „(. . .) ob diese Variablen im für die empirische Studie vorhandenen Datensatz zumindest ansatzweise enthalten sind.“ 255 Ebenso wenig nachweisbar ist die implizite Nebenbedingung der CIA, dass sich die geförderten
250
Vgl. Teil C., Kapitel III.2.a). Vgl. Teil C., Kapitel III.2.c). 252 Vgl. Engel (2001: 6). 253 Vgl. Rubin (1977) und später etwa Lechner (2001: 46). In der mikroökonometrischen Literatur wird diese Voraussetzung bisweilen auch Ignorability of the Treatment bezeichnet, siehe beispielsweise Fortin/Lemieux/Firpo (2010: 20). 254 Vgl. Küng (2007: 72). 255 Lechner (2003: 190). 251
III. Mikroökonometrische Wirkungsanalyse
159
und nicht-geförderten Betriebe hinsichtlich der unbeobachtbaren Variablen, die die Zuteilung zu einer der beiden Gruppen beeinflussen, nicht systemtisch voneinander unterscheiden. Sofern dies nach der Konditionierung auf X nicht erfüllt ist, liegt eine Selektionsverzerrung zwischen beiden Gruppen infolge unbeobachtbarer Variablen vor.256 Aus diesem Grund ist es notwendig, die potenziellen Ursachen für eine mögliche Selektionsverzerrung (zum Beispiel die regionale und sektorale Zugehörigkeit, Betriebsgröße und -alter, vorherige Entwicklung der jeweiligen Zielgröße) im Rahmen der Zuordnungsprozedur zu beachten. Eng verknüpft mit der CIA ist eine weitere Voraussetzung des Matching-Verfahrens, nach der jene Elemente der Untersuchungsgruppe von der Analyse auszuschließen sind, für die sich keine tatsächlich vergleichbaren Kontrollbeobachtungen identifizieren lassen. Anders formuliert bedeutet dies, dass die geförderten Betriebe und ihre Zwillingsbetriebe stets in einem gemeinsamen Kovariatenbereich (Common Support) liegen müssen. Die Gültigkeit dieser Annahme lässt sich vergleichsweise einfach gewährleisten, indem alle Beobachtungsfälle, für die keine nicht-geförderten Betriebe in einem gemeinsamen Kovariatenbereich identifizierbar sind, von der Analyse ausgeschlossen werden. Hinzu kommt die Annahme, dass sich der individuelle Teilnahmestatus der Betriebe nicht auf die Ergebnisvariable anderer (Nicht-)Teilnehmer auswirkt (Stable Unit Treatment Value Assumption, SUTVA). Davon kann im Falle der Förderung durch die Gemeinschaftsaufgabe ausgegangen werden, weil der Anteil der subventionierten Betriebe an der Gesamtheit der potenziell förderfähigen Betriebe und der Subventionen an die gewerbliche Wirtschaft an den gesamten Ausrüstungsinvestitionen in den Fördergebieten äußerst gering ist.257 bb) Propensity Score Matching Bei der Umsetzung des Matching-Verfahrens ist zu beachten, dass die Paarbildung mit steigender Zahl beziehungsweise großem Merkmalsraum der Kovariaten immer schwieriger wird.258 Wenn die Ähnlichkeit von Betrieben in der Zuordnungsprozedur etwa ausschließlich anhand von vier dichotomen Merkmalen kontrolliert werden soll, beträgt die Anzahl der zu überprüfenden MatchingKombinationen 24 und damit bereits 16. In einer der ersten Matching-Studien identifizierte Chapin für die Maßnahmeteilnehmer aus einem Reservoir von Kontrollbeobachtungen lediglich Paare mit identischer Merkmalsausprägung in 256
Vgl. Gertler et al. (2011: 115) beziehungsweise Bryson/Dorsett/Purdon (2002:
10). 257
Vgl. Teil A., Kapitel I.4. Vgl. Lee (2005: 86). Die Paarbildung, die mitunter auch marriage process genannt wird, ist damit gerade bei stetigen Merkmalen kompliziert oder gar unmöglich, vgl. Rässler (2002: 18) mit Bezug auf Antoine (1987), Baker (1990) und Roberts (1994). 258
160
C. Verfahren zur Analyse der Wirksamkeit von Subventionen
sechs kategorialen Kovariaten.259 Ungleich höher ist die Anzahl der möglichen Merkmalskombinationen und damit geringer die Wahrscheinlichkeit der Existenz identischer Kontrollbeobachtungen, wenn eine größere Anzahl von – insbesondere stetigen – Merkmalen berücksichtigt wird.260 Einen Ausweg aus dieser Problematik bieten die sogenannten „Balancing Scores“ nach Rosenbaum/Rubin: „A balancing score, b
x, is a function of observed covariates x such that the conditional distribution of x given b
x is the same for treated and control units.“ 261
Die Spannweite der Balancing Scores reicht vom exakten Matching über alle Kovariaten (Covariate Matching, b
x x) bis hin zum Propensity Score. Dabei ist der – üblicherweise mit einem Logit- oder Probit-Modell geschätzte – Propensity Score ein Maß für die Wahrscheinlichkeit dafür, dass ein Betrieb i, gegeben seiner zu einem Vektor X zusammengefassten Charakteristika xI , in den Genuss der Förderung kommt:262 (C.III.27)
PSi
di 1jX xi :
Unter der Annahme, dass die CIA erfüllt ist, ist die Veränderung der Ergebnisvariablen auch bei einem Zuordnungsverfahren der Beobachtungsfälle auf Grundlage dieser eindimensionalen Kennziffer unabhängig vom Förderstatus.263 In der Regel wird die Entscheidung für eine konkrete Vorgehensweise zur Paarbildung von Maßnahmeteilnehmern und Nicht-Maßnahmeteilnehmern von einem Zielkonflikt geprägt: „Typically, researchers who use matching estimators, face a trade-off between two types of bias. Consider, for instance, a researcher who must decide either to maximize the quantity of matched pairs or to maximize the similarity between the single statistical twins as a measure for the matching quality. In the first case, numerous inexact matched pairs may be the result of the matching algorithm. Contrariwise, the attempt to maximize exact matches may be accompanied by the exclusion of matched pairs.“ 264
Bei einer ausreichend großen Kontrollgruppe und Anzahl von Kovariaten lässt sich durch die Kombination von Covariate Matching und Propensity Score Matching in einem zweistufigen Verfahren ein guter Kompromiss zwischen der Anzahl und Ähnlichkeit innerhalb der einzelnen Paare erreichen. Diese Art des
259 260 261 262 263 264
Vgl. Chapin (1947). Vgl. Teil D., Kapitel II.1. Rosenbaum/Rubin (1983: 42). Vgl. Rubin/Thomas (2006: 283). Vgl. Schnell/Hill/Esser (2011: 223). Alm (2009: 24).
III. Mikroökonometrische Wirkungsanalyse
161
Zuordnungsverfahrens bietet den Vorteil, dass sich beide Gruppen aufgrund des – dem Propensity Score Matching in einem ersten Schritt vorgeschalteten – Covariate Matching nicht mehr hinsichtlich der Verteilung einer Auswahl von (besonders relevanten) Merkmalen unterscheiden, die einen Einfluss auf die Teilnahmewahrscheinlichkeit an der Maßnahme sowie die Ergebnisvariable haben: „Blocking and matching on particular covariates are methods for eliminating extraneous variation due to those covariates, whether in the context of a randomized experiment or an observational study, and therefore these techniques are used to increase precision. The more ,conditional‘ way to say this is that such blocking, by creating treatment and control subgroups within which the distributions of observed covariates are more similar than would be expected if we simply assigned treatments to units completely at random, eliminates conditional (on these covariates) bias, which when averaged over in a completely randomized design becomes variance.“ 265
Dieser Ansatz kommt in Teil D., Kapitel II. unter Nutzung der Bewilligungsstatistik des BAFA und der Beschäftigungsstatistik der BA zur Anwendung: Zunächst wird für jeden geförderten Betrieb mindestens ein nicht-geförderter Zwilling mit übereinstimmenden Ausprägungen in Bezug auf wichtige betriebliche Merkmale gesucht. Sofern mindestens zwei nicht-geförderte Betriebe diese Identitätsforderung erfüllen, wird (werden) in Abhängigkeit von dem konkreten Matching-Algorithmus nur jene(r) Zwillingsbetrieb(e) aus der Kontrollgruppe ausgewählt, der (die) ihm in Hinblick auf die Wahrscheinlichkeit der Teilnahme an der Fördermaßnahme und damit dem Propensity Score möglichst ähnlich ist (sind). cc) Alternative Matching-Algorithmen Für die konkrete Umsetzung des Matching-Verfahrens kommen verschiedene Algorithmen infrage. Gemeinsam ist den einzelnen Schätzern, dass sich der durchschnittliche Maßnahmeeffekt auf die Teilnehmer durch folgende funktionale Form bestimmen lässt: (C.III.28)
ATT
1 XN 1 1 Y1 i2I 1 \S i N
XN 0
w
i; jYj0 i2I 0 \S
;
wobei i=j den Laufindex für die Teilnehmer der Untersuchungs-/Kontrollgruppe darstellt und Y wiederum die Ergebnisvariable, N 1 =N 0 die Anzahl der Maßnahmeteilnehmer/Nicht-Maßnahmeteilnehmer, I 1 =I 0 ein Set von Beobachtungen der Untersuchungs-/Kontrollgruppe, S den Bereich des Common Support und w
i; jYj0 den Mittelwert der Zielgröße in der Kontrollgruppe des spezifischen Matching-Algorithmus repräsentiert. Der essenzielle Unterschied zwischen den einzelnen Verfahren besteht in der Gewichtung der einzelnen Kontrollbeobachtungen
w
i; j. 265
Rubin (2007: 25).
162
C. Verfahren zur Analyse der Wirksamkeit von Subventionen
Nearest-Neighbor-Matching Der Nearest-Neighbor-Schätzer ist intuitiv sehr einleuchtend: Für jeden beliebigen Maßnahmeteilnehmer i wird die und nur die Beobachtung j 2 I 0 aus der Kontrollgruppe als statistischer Zwilling ausgewählt, die ihm hinsichtlich der Matching-Variablen am ähnlichsten ist. Sofern der Nachbarschaftsraum der einzelnen Maßnahmeteilnehmer C
Xi als Gruppe von Nicht-Maßnahmeteilnehmern definiert wird, deren Merkmalsausprägungen innerhalb eines bestimmten Toleranzbereichs um die entsprechenden Werte der Beobachtungen aus der Untersuchungsgruppe schwanken, bestimmt sich der nächste Nachbar durch die Minimierung der Distanz zwischen Xi und Xj : Ai
(C.III.29)
n
o Xj k :
j j minj2I 0 k Xi
Es ist offensichtlich, dass beim Nearest-Neighbor-Schätzer die Gewichtung für den jeweils nächsten Nachbarn von i stets 1 entspricht und für alle weiteren Kontrollbeobachtungen den Wert 0 annimmt: w
i; j 1 falls j 2 Ai beziehungsweise w
i; j 0 falls j 62 Ai :
Erfolgt die Zuordnung auf Grundlage des Propensity Scores, ändert sich (C.III.29) zu: Ai
(C.III.30)
n
o PSj k :
j j minj2I 0 k PSi
Sofern abgesehen von dem Abstand zwischen den Merkmalswerten auch die Varianz der einzelnen Zuordnungsvariablen und etwaige Korrelationen mit anderen Merkmalen beachtet werden sollen, empfiehlt sich die Berechnung der sogenannten „Mahalanobisdistanz“:266 MDij k Xi
(C.III.31)
wobei
1
Xj k
Xj
0
Xi 1
Xj
Xi ;
die inverse Varianz-Kovarianz-Matrix repräsentiert.
Die Ähnlichkeit zwischen den Maßnahmeteilnehmern und ihren MatchingPartnern lässt sich erhöhen, sofern die ausgewählten statistischen Zwillinge nach ihrer Zuordnung wieder dem Pool der Kontrollbeobachtungen hinzugefügt werden (Ziehen mit Zurücklegen). Allerdings geht diese Verringerung der Selektionsverzerrung zwischen beiden Gruppen aufgrund der verminderten Anzahl von
266 Vgl. Mahalanobis (1936) und Opitz (1980: 52). Für eine Diskussion siehe Rubin/ Thomas (1992).
III. Mikroökonometrische Wirkungsanalyse
163
Nicht-Maßnahmeteilnehmern mit einem höheren relativen Standardfehler des geschätzten Treatment-Effekts einher.267 Bei einer großen Anzahl von Kontrollbeobachtungen erhöht sich ceteris paribus die Wahrscheinlichkeit, für die Maßnahmeteilnehmer einen Matching-Partner mit annähernd gleichen Charakteristika zu finden. In diesem Fall wäre es nicht notwendig, dass einzelne Kontrollbeobachtungen mehr als nur einem Maßnahmeteilnehmer zugewiesen werden. Dieses Vorgehen (Ziehen ohne Zurücklegen) birgt jedoch ebenfalls potenzielle Nachteile: So variiert das Ergebnis des Matching-Schätzers mit der konkreten Reihenfolge der Maßnahmeteilnehmer und damit der Zuweisung ihrer statistischen Zwillinge.268 Die Summe der gesamten Abweichungen in den Propensity Scores zwischen beiden Gruppen wird daher in aller Regel kein Minimum erreichen, weil sich bei jeder einzelnen Paarbildung nicht überprüfen lässt, ob der zugespielte statistische Zwilling nicht eine größere Ähnlichkeit zu einem erst im weiteren Verlauf des Zuordnungsverfahrens beachteten Maßnahmeteilnehmer aufweisen würde.269 Lehmann/Stierwald haben in ihrer Studie zu den Wirkungen von Subventionen an die gewerbliche Wirtschaft im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe auf die Investitionstätigkeit ostdeutscher Betriebe (je Erwerbstätigen) im Zeitraum 1999– 2001 einen Nearest-Neighbor-Matching-Ansatz erprobt.270 Im Rahmen der Paarbildung, die auf dem Material des IAB-Betriebspanels basiert,271 kommen dazu drei verschiedene Matching-Algorithmen zur Anwendung.272 Nach der erfolgten Zuordnung schließen die Verfasser jene subventionierten Betriebe von der Be267 Bei einem kleinen Reservoir an Kontrollbeobachtungen wird die Aussagekraft der Ergebnisse insofern eingeschränkt, als die Anzahl der ausgewählten Matching-Partner gegebenenfalls sehr niedrig sein kann, vgl. Stuart (2010: 9). 268 Aus diesem Grund sollten die einzelnen Maßnahmeteilnehmer nach dem Zufallsprinzip aus dem Pool der Untersuchungsbeobachtungen gezogen werden, vgl. Czarnitzki (2004: 150). 269 Vgl. Morgan/Winship (2007: 108). 270 Vgl. Lehmann/Stierwald (2004) und Ragnitz/Lehmann (2005). 271 Als Zuordnungsvariablen dienen die (ordinale) Beurteilung des technischen Standes der Anlagen, die Zahl sozialversicherungspflichtig Beschäftigter sowie die Bruttolohn- und Gehaltssumme, der regionale und überregionale Absatz (jeweils Umsatzanteil), der Umsatz je Erwerbstätigen, der Anteil der Vorleistungen am Umsatz, der Anteil der qualifizierten Beschäftigten (2000 und 2001), das Betriebsalter, die Branche (4 Hauptbranchen), das Bundesland, die Einschätzung der aktuellen Ertragslage, die voraussichtliche Personal- und Umsatzentwicklung im folgenden Jahr, eine dichotome Mehrheitseigentümer-Variable (ausschließlich 2001) und Dummies zu Produkt/Leistung (verbessert ja/nein) sowie Dummy-Variablen zu „am Markt schon vorhandenes Produkt neu im Betriebsangebot“ und „echte Marktinnovation neu im Betriebsangebot“, vgl. Ragnitz/Lehmann (2005: 228). 272 Die einzelnen Varianten unterscheiden sich hinsichtlich des Umfangs der berücksichtigten Matching-Variablen: In einer ersten Stufe werden etwa alle zur Verfügung stehenden Merkmale berücksichtigt, in der dritten Variante lediglich die metrischen Größen sowie die Branche, für die Identität innerhalb der einzelnen Paare gefordert wird, vgl. ebd.
164
C. Verfahren zur Analyse der Wirksamkeit von Subventionen
rechnung des Maßnahmeeffektes aus, für die keine adäquaten nicht-geförderten Kontrollbeobachtungen zugespielt werden können.273 Gemittelt über alle Beobachtungsfälle und drei Matching-Varianten berechnen Lehmann/Stierwald einen durchschnittlichen Maßnahmeeffekt der Subventionen auf die Investitionstätigkeit der Zuwendungsempfänger (je Erwerbstätigen) in Höhe von etwa 8.500 EUR und ziehen den Schluss, dass die Gemeinschaftsaufgabe „(. . .) zu deutlichen, positiven Fördereffekten geführt hat“.274 Auch wenn der Matching-Ansatz von Lehmann/Stierwald gegenüber den dargestellten parametrischen mikroökonometrischen Verfahren der Wirkungsanalyse keinen bestimmten funktionalen Zusammenhang zwischen der Ergebnisgröße und ihrer Einflussfaktoren voraussetzt, heterogene Treatment-Effekte zulässt und folglich methodische Vorteile bietet, weist die konkrete Umsetzung mehrere Sollbruchstellen auf. Als besonders kritisch ist der Erhebungsumfang der Untersuchung zu bezeichnen, weil in den einzelnen Jahreskohorten für die Matching-Ansätze lediglich zwischen 98 und 172 geförderte Betriebe berücksichtigt werden und der ermittelte Treatment-Effekt damit extrem anfällig gegenüber Ausreißern ist. Auch der Untersuchungszeitraum scheint zu kurz gewählt, um dem Wirkungs-Lag der gewerblichen Investitionsförderung Rechnung zu tragen. Darüber hinaus muss bezweifelt werden, ob die Selektionsverzerrung zwischen beiden Gruppen durch die Matching-Variablen beseitigt wird, zumal investitionsrelevante Variablen entweder nur relativ undifferenziert (wie etwa die sektorale und regionale Abgrenzung) oder überhaupt nicht (unter anderem die vorherige Investitionsdynamik) beachtet werden (können). Schließlich steht mit der Investitionstätigkeit je Erwerbstätigen als abhängige Variable strenggenommen noch nicht einmal ein Zwischenziel der Gemeinschaftsaufgabe im Fokus der Untersuchung; denkbar wäre, dass der Anstieg der Investitionen je Beschäftigten auf eine Substitution des Produktionsfaktors Arbeit durch den Produktionsfaktor Kapital und damit einer Verringerung der Beschäftigtenzahl zurückzuführen ist. Caliper-Matching Gegen die Anwendung des Nearest-Neighbor-Verfahrens spricht der Umstand, dass zwischen den einzelnen Maßnahmeteilnehmern und ihren zugewiesenen statistischen Zwillingen große Unterschiede hinsichtlich der Matching-Variablen bestehen können.275 An dieser Stelle setzt das von Cochran/Rubin eingeführte Caliper-Matching an:276 Eine Steigerung der Matching-Qualität soll dabei dadurch
273 Dazu wurden nur die Paare ausgewählt, die unterhalb des 80 Prozent-Quantils der Distanzen liegen, vgl. Lehmann/Stierwald (2004: 125). 274 Vgl. Lehmann/Stierwald (2004: 126). 275 Vgl. Hagen (2001: 7). 276 Vgl. Cochran/Rubin (1973).
III. Mikroökonometrische Wirkungsanalyse
165
erreicht werden, dass nur jene Kontrollbeobachtungen als statistische Zwillinge ausgewählt werden, deren Abweichung zu den Merkmalswerten der Maßnahmeteilnehmer eine gewisse Distanz nicht überschreitet. Erfolgt die Bestimmung der Ähnlichkeit der Beobachtungen auf Grundlage der Propensity Scores, schließt das Caliper-Matching alle Maßnahmeteilnehmer von der Analyse aus, für die keine Kontrollbeobachtung innerhalb dieses Toleranzbereichs gefunden werden kann:
(C.III.32)
( Ai j j 2 I 0 : min k PSi j2I 0
) PSj k< " :
Bei der Variation der Distanz besteht ein inverses Verhältnis zwischen dem Ausmaß der Selektionsverzerrung und des relativen Standardfehlers des geschätzten Treatment-Effekts. Während letztgenannter Fehler im Falle der Festlegung einer niedrigen Distanz " und damit vergleichsweise geringen Anzahl von zugewiesenen Kontrollbeobachtungen steigt, lässt sich die Verschiedenheit zwischen beiden Gruppen nach der Zuordnung durch dieses Vorgehen reduzieren. Um das Problem einer erhöhten Varianz bei einem engen Toleranzbereich " zu umgehen, haben Dehejia/Wahba das Caliper-Matching insofern erweitert, als sie die Nutzung aller Kontrollbeobachtungen innerhalb des Toleranzbereichs um die einzelnen Maßnahme-Teilnehmer vorschlagen (oversampling):277 „A benefit of caliper matching is that it uses only as many comparison units as are available within the calipers, allowing for the use of extra (fewer) units when good matches are (not) available.“ 278
Intervall-Matching Für ein sogenanntes „Intervall-Matching“ 279 werden die Maßnahmeteilnehmer und die Kontrollbeobachtungen auf Grundlage eines eindimensionalen Ähnlichkeitsmaßes (in der Regel der Propensity Scores) in verschiedene Bereiche aufgeteilt.280 Der Wert der Zielgröße wird zunächst separat in den einzelnen Intervallen für Maßnahmeteilnehmer und Nicht-Maßnahmeteilnehmer ermittelt.281 Die Bestimmung des durchschnittlichen Treatment-Effektes erfolgt anschließend
277
Vgl. dazu auch Caliendo (2006: 48). Vgl. Dehija/Wahba (2002: 153 f.). 279 Synonym wird häufig der Begriff des Stratification Matching oder Subclassification verwendet, vgl. Thomsen (2007: 59 ff.) und Bahn (2010: 20). 280 Vgl. Cochran (1968), Rosenbaum/Rubin (1983, 1984) beziehungsweise Khandker/Koolwal/Samad (2010: 60). 281 Vgl. Caliendo/Kopeinig (2005: 10). 278
166
C. Verfahren zur Analyse der Wirksamkeit von Subventionen
über die Gesamtheit der Beobachtungen, wobei das Gewicht der einzelnen Intervalle von ihrer relativen Größe abhängt.282 Cochran hat in einem Anwendungsbeispiel gezeigt, dass eine Untergliederung der Untersuchungs- und Kontrollbeobachtungen in fünf Intervalle ausreichen kann, um über 90 Prozent der Verzerrung zwischen beiden Gruppen bezüglich der beobachtbaren Kovariaten zu beseitigen.283 Nachfolgende Arbeiten von Cochran/Rubin und Rubin haben ebenfalls die Eignung dieses Verfahrens zur Verbesserung der Balance einer beziehungsweise mehrerer Kovariaten zwischen beiden Gruppen nachgewiesen.284 Bisherige empirische Studien haben keine übereinstimmende Antwort auf die Frage gefunden, wie viele Intervalle bei dieser Art des Matching-Verfahrens festgelegt werden sollten.285 Eine Möglichkeit besteht darin, ihre Anzahl so lange zu erhöhen, bis die signifikanten Unterschiede bezüglich der Verteilung der Kovariaten zwischen den beiden Gruppen beseitigt sind.286 Lunceford/Davidian weisen darauf hin, dass eine geringe Anzahl von Intervallen zwar zu robusten Treatment-Effekten innerhalb der einzelnen Bereiche führt, gleichzeitig aber tendenziell auch eine signifikante Abweichung der Kovariaten zwischen den beiden Gruppen begünstigt.287 Kernel- und Local Linear-Matching Heckman/Ichimura/Todd und Heckman/Ichimura/Smith/Todd haben mit dem Kernel-Schätzer ein Verfahren eingeführt, das zur Konstruktion der Referenzsituation für die einzelnen Maßnahmeteilnehmer alle potenziellen Kontrollbeobachtungen berücksichtigt:288 (C.III.33)
Ai
X 0 N 0 : j 1; . . . ; N j1
Der Vorteil dieser Vorgehensweise gegenüber den zuvor dargestellten Matching-Algorithmen besteht darin, dass die Varianz des Schätzers mit der steigenden Anzahl an Kontrollbeobachtungen sinkt. Umgekehrt erhöht sich jedoch auch
282
Vgl. Morgan/Harding (2006: 33). Vgl. Sobel (2009: 14) und Stuart/Rubin (2007: 165) mit Bezug auf Cochran (1968). 284 Vgl. Cochran/Rubin (1973) und Rubin (1973a, b, 1976b, c). 285 Stuart/Rubin (2007: 165) empfehlen, die Anzahl der Intervalle mit größerem Erhebungsumfang auszuweiten. 286 Vgl. etwa Aakvik (2001: 117). 287 Damit sollte die Anzahl der Intervalle mit zunehmender Größe der Untersuchungs- und Kontrollgruppe steigen, vgl. Lunceford/Davidian (2004: 2951). 288 Vgl. Heckman/Ichimura/Todd (1997, 1998) und Heckman/Ichimura/Smith/Todd (1998). 283
III. Mikroökonometrische Wirkungsanalyse
167
das Risiko dafür, dass grundsätzlich inadäquate Nicht-Maßnahmeteilnehmer als Referenz für die Elemente der Untersuchungsgruppe herangezogen werden. Die spezifischen Gewichte w
i; j in Gleichung (C.III.28) sind von der Distanz der Kovariatenwerte zwischen den Kontrollbeobachtungen und den einzelnen Maßnahmeteilnehmern abhängig und werden unter Verwendung einer KernelFunktion K
bestimmt,wobei üblicherweise Funktionen vom Typ Gauss K
u
1 p 2
exp
u2 =2
oder Epanechnikov K
u
3 4
1
u2 I
juj 1
eingesetzt werden.289 Erfolgt die Bestimmung der Ähnlichkeit zwischen den Maßnahmeteilnehmern und allen Kontrollbeobachtungen auf Grundlage der Propensity Scores, lassen sich die Gewichte der einzelnen Nicht-Maßnahmeteilnehmer für i wie folgt berechnen: K
PS
j PSi
wij
(C.III.34)
j
K
PSh
j PSi
;
h
h ist dabei der Parameter der Bandbreite. Eine Alternative zum Kernel-Matching ist das Local Linear-Matching. Dieser Schätzer zielt ebenfalls auf die Nutzung von Informationen der gesamten Kontrollgruppe290 und bietet sich aufgrund seiner Eigenschaften291 vor allem in Situationen an, die sich durch eine asymmetrische Verteilung der Propensity Scores der Nicht-Maßnahmeteilnehmer um die entsprechenden Werte der Elemente der Untersuchungsgruppe kennzeichnen lassen.292 Die Gewichtung der Kontrollbeobachtungen für die einzelnen Beobachtungen der Untersuchungsgruppe i wird bestimmt durch: (C.III.35) w
i; j
mit Kik
PS
k PSi h
Ki jk2I 0 Kik
PSk
PSi 2
j2I 0 Kij j2I C Kij
PSk
Kij
PSj PSi
2
PSi k2I 0 Kik
PSk
k2I 0 Ki k
PSk
PSi 2
PSi
;
K:
dd) Einschätzung des Matching-Verfahrens Der entscheidende Vorteil des Matching-Verfahrens gegenüber den parametrischen mikroökonometrischen Ansätzen besteht darin, dass zur Analyse der Wirkung einer Maßnahme auf deren Teilnehmer keine Notwendigkeit zur Schätzung 289 290 291 292
Vgl. Eren (2007: 10). Vgl. Reinowski (2004: 33). Für eine ausführliche Diskussion siehe Fan (1992). Vgl. Galdo/Smith/Black (2007: 16).
168
C. Verfahren zur Analyse der Wirksamkeit von Subventionen
der Ergebnisgleichung und Formulierung entsprechender Annahmen besteht. Vielmehr lässt sich die kontrafaktische Referenzsituation bei Erfüllung der datentechnischen Voraussetzungen und Gültigkeit der methodischen Annahmen in Form der beobachtbaren Werte der Zielgröße der Nicht-Maßnahmeteilnehmer direkt aus dem empirischen Material ableiten. Sofern Daten für einen längeren Zeitraum vorliegen, können durch Einsatz des bedingten Differenz-der-Differenzen-Schätzers auch zeitinvariante Unterschiede zwischen den beiden Gruppen hinsichtlich unbeobachtbarer Einflussgrößen berücksichtigt werden. Gegen den Einsatz dieser Methodik könnte eingewendet werden, das durch das Zuordnungsverfahren gegebenenfalls zwar eine perfekte Balance hinsichtlich der Verteilung von relevanten Variablen zwischen den beiden Gruppen erreicht und damit tatsächlich eine adäquate hypothetische Situation der Nicht-Maßnahmeteilnahme der Begünstigten vorliegt, Substitutionseffekte zwischen den beiden Gruppen aber auch in diesem Fall nicht durch das Matching erklärt werden.293 Die Reichweite dieser Einschränkung, der prinzipiell alle mikroökonometrischen – und aufgrund ihrer daten- und mehtodenbedingten Limitationen mithin auch die makroökonometrischen – Wirkungsanalysen unterworfen sind, wird entscheidend von der zahlenmäßigen Relation und der Interdependenz der Zielgröße zwischen beiden Gruppen determiniert. Bezogen auf die betrieblichen Investitionskostenzuschüsse der Gemeinschaftsaufgabe wurde in Teil A., Kapitel I.4. dargestellt, dass der Umfang der Förderung im Gegensatz zur ersten Hälfte der 1990er Jahre in der letzten Dekade stark zurückgegangen ist; insbesondere in den westdeutschen Ländern wird nur noch ein marginaler Teil der grundsätzlich förderfähigen Betriebe subventioniert. Vor diesem Hintergrund steht der vergleichsweise hohe Anteil überregional abgesetzter Produkte der Subventionsempfänger im Widerspruch zu einem großen Saldo von Wechselwirkungen (etwa auf Beschäftigung und Einkommen) zwischen der Gruppe der geförderten Betriebe und ihren, auf regionaler Ebene, zugematchten Zwillingen. Aussagen zu potenziellen Mitnahmeeffekten der betrieblichen Förderung durch die Gemeinschaftsaufgabe 293 In diesem Fall wäre die SUTVA nicht erfüllt. Damit ist insbesondere dann zu rechnen, wenn das Matching-Verfahren nicht auf einzelwirtschaftlicher Ebene, sondern auf einer räumlich aggregierten Ebene (zum Beispiel der Arbeitsmarktregionen) erfolgt. In diesem Fall würde die Relation zwischen der Zahl der geförderten und nicht-geförderten Beobachtungsfälle dagegen sprechen, dass zwischen beiden Gruppen keine indirekten Effekte bestehen. Mitze/Paloyo/Alecke (2012) haben eine Studie zur Identifikation der Wirkung der Gemeinschaftsaufgabe auf die Bruttowertschöpfung pro Kopf (auf Kreisebene) im Zeitraum 1993–2008 vorgelegt und dabei einen positiven Fördereffekt ermittelt. Abgesehen von der Gefahr einer Verletzung der SUTVA muss bezweifelt werden, ob die CIA (als Matching-Variablen werden die Bruttowertschöpfung pro Kopf im Jahre 1992, die durchschnittliche Betriebsgröße, der Anteil des Verarbeitenden Gewerbes (Beschäftigte) und der Hochqualifizierten, die Bevölkerungsdichte, eine binäre Variable für die Regionsgröße (kreisfreie Stadt mit mindestens 100.000 Einwohnern oder Landkreis) sowie die siedlungsstrukturelle Regionstypen des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung verwendet) gültig ist.
III. Mikroökonometrische Wirkungsanalyse
169
lassen sich gegebenenfalls insofern formulieren, als eine signifikante Abweichung der Werte der Zielgröße zwischen beiden Gruppen klar gegen eine identische Verhaltensänderung der subventionierten Betriebe im Falle der kontrafaktischen Situation ihrer Nicht-Förderung spricht. Jeder der vorgestellten Matching-Schätzer weist spezifische Vor- und Nachteile auf, sodass die Wahl der konkreten Vorgehensweise von dem jeweiligen Forschungsinteresse und dem zur Verfügung stehenden empirischen Material abhängig gemacht werden sollte. In jedem Fall ist die Güte des Matching-Verfahrens im Anschluss an die Durchführung der Zuordnungsprozedur mit entsprechenden Testverfahren zu überprüfen.294 Die Verlässlichkeit der Matching-Ergebnisse zur kausalen Wirkung der Maßnahme wird entscheidend davon beeinflusst, ob im Rahmen der Paarbildung der Beobachtungsfälle beider Gruppen sämtliche relevanten Einflussfaktoren der Wahrscheinlichkeit der Maßnahmeteilnahme sowie Ergebnisvariablen berücksichtigt werden: Sollten beispielsweise bezüglich des Effektes der unbeobachtbarer Variablen systematische Unterschiede zwischen den subventionierten und nicht-geförderten Betrieben bestehen, wäre es unzulässig, die Differenz der Gruppenmittelwerte nach erfolgter Zuordnung vollständig dem Umstand der Investitionskostenzuschüsse der Gemeinschaftsaufgabe zuzuschreiben. Verbleibende zeitkonstante Heterogenitäten innerhalb der Zwillingspaare infolge von unbeobachtbaren Einflussfaktoren können durch eine Verknüpfung des Matching-Verfahrens und dem Differenz-der-Differenzen-Schätzer aufgefangen werden. Mit diesem sogenannten „bedingten Differenz-der-Differenzen-Schätzer“ (siehe Abbildung 20) lassen sich robustere Ergebnisse erzielen als durch die alleinige Verwendung des Matching-Verfahrens,295 indem auch für Diskrepanzen zwischen den Gruppen vor der (Nicht-)Maßnahmeteilnahme kontrolliert wird.296 Zur Analyse der Wirkungen der gewerblichen Investitionsförderung der Gemeinschaftsaufgabe im Zeitraum 1999–2008 sind im Rahmen der Erstellung dieser Arbeit verschiedene Matching-Algorithmen eingesetzt worden. In Teil D. erfolgt eine Darstellung der Ergebnisse des Nearest-Neighbor- und des bedingten Differenz-der-Differenzen-Schätzers. 294
Vgl. Caliendo/Kopeinig (2005). Smith/Todd (2005: 318). Blundell/Costa Dias (2000: 465 f.) argumentieren ähnlich: „(. . .) an approach that combines propensity score matching with the difference-indifferences technique is quite robust. It allows matching on pre-program ,shocks‘ (. . .).“ 296 Aufbauend auf einem Beitrag von Pellegrini/Centra (2006) setzen Bernini/Pellegrini (2011) in ihrer Analyse der Wirkung der betrieblichen Investitionsförderung auf die Entwicklung von Umsatz, Beschäftigung, Anlagevermögen und Produktivität der subventionierten Betriebe in der süditalienischen Region Mezzogiorno für den Zeitraum 1996–2004 einen bedingten Differenz-der-Differenzen-Schätzer ein. Mit Ausnahme der letztgenannten Variablen werden danach alle Zielgrößen der Untersuchung positiv und statistisch signifikant von der Förderung beeinflusst. 295
170
C. Verfahren zur Analyse der Wirksamkeit von Subventionen
Y Vorher
Nachher
Geförderte Betriebe
Fördereffekt
Nicht-geförderte Betriebe
t’
t
Beginn BeobachtungsZeitraum
Förderereignis
T
Ende BeobachtungsZeitraum
Quelle: Eigene Darstellung.
Abbildung 20: Bedingter Differenz-der-Differenzen-Schätzer
IV. Zwischenfazit Das Ziel von Teil C. dieser Arbeit bestand darin, eine Übersicht über die verschiedenen Charakteristika, Möglichkeiten und Limitationen ökonometrischer Verfahren zur Analyse der Wirksamkeit von Beihilfen innerhalb der regionalen Wirtschaftsförderung zu liefern. Dabei kann die große Bandbreite der vorgestellten Ansätze und bislang durchgeführten Studien als klares Zeichen dafür interpretiert werden, dass zu diesem Zweck bisher kein bestimmtes Verfahren vorgeschlagen wurde, das unabhängig von dem konkreten Forschungsinteresse und
IV. Zwischenfazit
171
empirischen Material zur Anwendung kommen sollte. Eine zusammenfassende Aufzählung fasst die wesentlichen Aspekte zusammen, die im Rahmen der Auswahl einer geeigneten Methode zur Wirkungsanalyse betrieblicher Investitionskostenzuschüsse der regionalen Wirtschaftsförderung beachtet werden sollten. 1.
Auf der Grundlage der Ergebnisse einer administrativen Nachprüfung der Einhaltung der rechtlichen Bestimmungen und bloßen Gegenüberstellung der bewilligten und tatsächlich eingesetzten Mittel einer bestimmten Maßnahme sowie von rein deskriptiven Untersuchungen zur Veränderung der Zielgrößen lassen sich keine Aussagen zum kausalen Effekt der jeweiligen Intervention formulieren. Zu diesem Zweck ist der Einsatz quantitativer Wirkungsanalysen unerlässlich.
2.
Die nicht-experimentelle Schätzung der kausalen Wirkung einer Intervention als Einflussgröße auf (eine) bestimmte Zielvariable(n) ist aufgrund der Unmöglichkeit der Beobachtung der kontrafaktischen Entwicklung, die im Falle der Nicht-Intervention eingetreten wäre (fundamentales Evaluationsproblem, Teil C., Kapitel III.2.a)), in aller Regel äußerst kompliziert. Ganz anders wäre die Situation, wenn die Intervention als Zufallsexperiment organisiert wäre und die Auswahl der Maßnahmeteilnehmer nicht nach bestimmten Kriterien erfolgen würde. Dies lässt sich jedoch im Bereich der gewerblichen Investitionsförderung in strukturschwachen Regionen aus ethischen und wirtschaftspolitischen Gründen nicht vertreten (Teil C., Kapitel III.2.b)).
3.
Die Schwierigkeit der Schätzung kausaler Effekte wird besonders deutlich, wenn es sich bei den Zielvariablen der jeweiligen Intervention um betriebliche oder gar gesamtwirtschaftliche Größen handelt, die abgesehen von der konkreten Maßnahme von einer Vielzahl von (un)beobachtbaren Potenzialfaktoren determiniert werden und davon auszugehen ist, dass sich die Gruppe der Begünstigten bereits vor der Maßnahmeteilnahme systematisch in diesen unabhängigen Variablen von der Kontrollgruppe abhob (Selektionsproblem, Teil C., Kapitel III.2.b)). Gleiches gilt, wenn beide Gruppen unterschiedlich auf konjunkturelle Schwankungen reagieren (Problem konjunktureller Schwankungen, Teil C., Kapitel III.2.c)).
4.
Die verschiedenen Analysestrategien zur Untersuchung der kausalen Effekte der gewerblichen Investitionsförderung der Gemeinschaftsaufgabe werden üblicherweise der makro- oder mikroökonometrischen Modellebene zugeordnet. Auch wenn die mikroökonometrischen Verfahren grundsätzlich auch für Untersuchungen auf der Makro-Ebene eingesetzt werden können, ist diese grobe Untergliederung vertretbar. Zwischen beiden Kategorien bestehen deutliche Gegensätze hinsichtlich des jeweiligen Erkenntnisinteresses sowie den Datenanforderungen und methodischen Annahmen.
5.
Intention makroökonometrischer Wirkungsanalysen (Teil C., Kapitel II.) ist die Schätzung der Effekte einer Intervention auf aggregierter Ebene. Die
172
C. Verfahren zur Analyse der Wirksamkeit von Subventionen
Vielzahl möglicher Modellspezifikationen lässt sich in Abhängigkeit der jeweiligen Komposition aus Anwendungsziel, theoretischem Fundament und daten- und methodentechnischen Anforderungen grob in zwei Bereiche untergliedern: strukturelle Makro-Modelle (Teil C., Kapitel II.2.) und partialanalytische Verfahren (Teil C., Kapitel II.3.). 6.
Das Forschungsinteresse struktureller Makro-Modelle besteht in der Simulation der Maßnahmewirkungen unter Berücksichtigung möglichst vieler ökonomischer Variablen und Interdependenzen auf der Basis eines theoretischen Fundamentes, entsprechender methodischer Annahmen und einer umfassenden Datengrundlage. Partialanalytische Modelle zielen dagegen auf die Erfassung der Effekte auf bestimmte Maßnahmebereiche und stellen damit eindeutig weniger Anforderungen an die theoretische Formulierung und Konstruktion des Wirkungsmodells sowie das empirische Material.
7.
Die Tatsache, dass die hohen datentechnischen Voraussetzungen und methodischen Schwierigkeiten makroökonometrischer Wirkungsanalysen bisher nicht hinreichend erfüllt beziehungsweise gelöst sind und die Modellergebnisse in einem hohen Ausmaß von den spezifischen Annahmen abhängen (Teil C., Kapitel II.4.), spricht – in Kombination mit dem insgesamt eher geringen gesamtwirtschaftlichen Umfang der Subventionen an die gewerbliche Wirtschaft durch die Gemeinschaftsaufgabe – für den Einsatz mikroökonometrischer Verfahren. Dies bedeutet keineswegs, dass sich makroökonometrische Verfahren grundsätzlich nicht für eine Analyse der Effekte regionaler Wirtschaftsförderung auf bestimmte Zielgrößen eignen; allerdings steht zu vermuten, dass gewisse Desiderata an die makroökonometrische Wirkungsanalyse nicht ausfüllbar sind.
8.
Im Fokus der mikroökonometrischen Wirkungsanalysen (Teil C., Kapitel III.) steht ebenfalls die Konstruktion einer kontrafaktischen Referenzsituation, hier allerdings auf individueller (betrieblicher) Ebene. Dabei ist die Schätzung verschiedener Maßnahmeeffekte möglich. Üblicherweise wird die durchschnittliche Wirkung einer Intervention auf die an ihr teilnehmenden Beobachtungsfälle berechnet (Teil C., Kapitel III.1.). Bezogen auf das Beispiel der Wirkungsanalyse von staatlichen Beihilfen durch die Gemeinschaftsaufgabe dienen mikroökonometrische Ansätze daher der Approximation des(r) durchschnittlichen Werte(s) der Zielgröße(n), die für die subventionierten Betriebe im Falle ihrer Nicht-Förderung beobachtet worden wäre(n).
9.
Der Einsatz parametrischer Verfahren (Teil C., Kapitel III.1.c) bis e)) erfordert Annahmen bezüglich des funktionalen Zusammenhangs zwischen der(n) unabhängige(n) Variable(n) und den erklärenden Größen. Das Ausmaß, zu dem diese Bedingungen (nicht) erfüllt sind, determiniert den Grad der Aussagefähigkeit der Ergebnisse. Als besonders kritisch erweist sich in diesem Zusammenhang der Umgang mit der Selektionsverzerrung zwischen beiden
IV. Zwischenfazit
173
Gruppen, die mit einer Korrelation zwischen mindestens einem Regressor und der Störgröße der Schätzgleichung einhergeht. Das Problem der endogenen unabhängigen Variable(n) ließe sich zwar theoretisch mit dem Instrumentalvariablen-Schätzer (Teil C., Kapitel III.3.d)) oder dem methodisch eng verwandten zweistufigen Selektionsmodell (Teil C., Kapitel III.3.e)) lösen; praktisch fehlt jedoch im Fall der Förderung durch die Gemeinschaftsaufgabe ein geeignetes Instrument. 10. Der Vorher-Nachher-Schätzer (Teil C., Kapitel III.2.c)) und der Differenzder-Differenzen-Schätzer (Teil C., Kapitel III.2.f)) vermeiden gleichermaßen mehrheitlich die restriktiven Annahmen parametrischer Ansätze. Allerdings muss dafür die Prämisse formuliert werden, dass der beobachtbare Wert der Zielgröße unmittelbar vor dem Zeitpunkt der Maßnahmeteilnahme ein geeigneter Proxy für den korrespondierenden Wert nach der Maßnahme darstellt (Vorher-Nachher-Schätzer) beziehungsweise beide Gruppen im Falle der Nicht-Maßnahmeteilnahme einen parallelen Entwicklungsverlauf zwischen beiden Zeitpunkten (Differenz-der-Differenzen-Schätzer) aufweisen. Davon ist im Falle der durch die Gemeinschaftsaufgabe geförderten Betriebe jedoch nicht auszugehen. 11. Die Basisidee des Matching-Verfahrens (Teil C., Kapitel III.3.g)) ist denkbar einfach: Zur Konstruktion der Referenzsituation wird jedem direkt von der Intervention betroffenen Beobachtungsfall mindestens eine Kontrollbeobachtung als „statistischer Zwilling“ zugespielt, die ihm – abgesehen von der Maßnahmeteilnahme – möglichst ähnlich ist. Eine hohe Güte des Zuordnungsverfahrens ist dann erreicht, wenn eine angemessene Balance hinsichtlich der Verteilung der Kovariaten zwischen der Untersuchungs- und der Kontrollgruppe hergestellt wurde. 12. Die Robustheit der Ergebnisse des Matching-Ansatzes lässt sich erhöhen, wenn nach dem Zuordnungsverfahren für verbleibende zeitkonstante unbeobachtbare Einflussfaktoren durch die Berechnung des bedingten Differenzder-Differenzen-Schätzers (Teil C., Kapitel III.3.g)dd)) kontrolliert wird. 13. Sofern zur Wirkungsanalyse der gewerblichen Investitionsförderung auf empirisches Material zurückgegriffen werden kann, das hinreichend viele adäquate Kovariate und eine – insbesondere im Verhältnis zur Zahl der subventionierten Betriebe – große Gruppe von Kontrollbeobachtungen enthält, spricht vieles für die Anwendung des bedingten Differenz-der-DifferenzenSchätzers.
D. Empirische Analyse der Wirksamkeit gewerblicher Subventionen im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ Teile der nachfolgenden Ausführungen basieren auf Alm, B./Bade, F.-J.: Beschäftigungseffekte der regionalen Investitionsförderung – Analyse der gewerblichen Subventionen der Bund-Länder-Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“, Dortmund 2010.
und Bade, F.-J./Alm, B.: Endbericht zum Gutachten Evaluierung der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ (GRW) durch einzelbetriebliche Erfolgskontrolle für den Förderzeitraum 1999–2008 und Schaffung eines Systems für ein gleitendes Monitoring, Berlin 2010.
In Teil C. dieser Arbeit wurde ein Überblick über die Möglichkeiten und Grenzen einer Reihe von makro- und mikroökonometrischen Methoden zur Analyse der Wirksamkeit von staatlichen Beihilfen durch die regionalen Wirtschaftsförderung geliefert. Ein Ergebnis dieser Darstellung war, dass die einzelnen Verfahren jeweils spezifische Vor- und Nachteile aufweisen und die Festlegung auf einen konkreten Ansatz stets von der jeweiligen Fragestellung und Datenbasis abhängig gemacht werden sollte. Im Zuge der Beschreibung der mikroökonometrischen Methoden wurde zudem herausgearbeitet, unter welchen Bedingungen das Matching-Verfahren, insbesondere in Kombination mit dem Differenz-der-Differenzen-Schätzer, zu verlässlicheren Schätzungen des kausalen Effektes der Investitionsförderung führen kann als die weiteren dargestellten Ansätze. Übertragen auf die Analyse der Wirkung von Regionalbeihilfen im Rahmen der gewerblichen Investitionsförderung besteht das Forschungsinteresse des Matching-Verfahrens darin, für jeden subventionierten Betrieb (mindestens) einen nicht-subventionierten Betrieb zu finden, der ihm bezüglich aller die Zielgröße(n) beeinflussenden Charakteristika möglichst ähnlich ist. Im Idealfall besteht zwischen den Zuwendungsempfängern und ihren zugespielten statistischen Zwillingen ausschließlich im Hinblick auf die Ausprägung der dichotomen Variable, die den Förderstatus kennzeichnet, keine Identität. In Kapitel I. wird zunächst kurz gezeigt, wie die datentechnischen Voraussetzungen für diese Art der mikroökonometrischen Wirkungsanalyse betrieblicher Investitionsförderung der Gemeinschaftsaufgabe geschaffen werden kön-
I. Datenbasis und verwendete Variablen
175
nen.1 Auf dieser Grundlage soll in Kapitel II. am Beispiel des Förderzeitraums 1999–2006 demonstriert werden, mit welchem Matching-Algorithmus sich das Ziel der Konstruktion einer adäquaten Referenzsituation, das im Zentrum jeder Wirkungsanalyse steht, erreichen lässt.
I. Datenbasis und verwendete Variablen Die datentechnische Voraussetzung für das oben genannte Gutachten von Bade/Alm wurde durch eine Verknüpfung der Bewilligungsstatistik2 und der Statistik der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten der Bundesagentur für Arbeit (Beschäftigungsstatistik der BA) geschaffen. Die letztgenannte Datenquelle stellt eine Totalerhebung für alle sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in der Bundesrepublik Deutschland dar. Sie beinhaltet die Gesamtheit der Angaben, die die Arbeitgeber im Zuge eines mehrstufigen Meldeverfahrens zur gesetzlichen Kranken-, Renten und Arbeitslosenversicherung für ihre voll sozialversicherungspflichtig und geringfügig entlohnten3 Beschäftigten mit Arbeitsort im Bundesgebiet tätigen. Nicht zu diesem Personenkreis zählen Erwerbstätige, für die keine Sozialversicherungspflicht besteht. Dabei handelt es sich um Beamte, Selbstständige, mithelfende Familienangehörige, Richter, Berufssoldaten, Wehrpflichtige, Zivildienstleistende und ordentlich Studierende. Die Meldungen der Arbeitgeber zur Sozialversicherung sind zum einen als sogenanntes „Jahreszeitraum-Material“ (JZM) und zum anderen als „Quartalsmaterial“ (QM) verfügbar. Im JZM wird die Gesamtheit der Sozialversicherungsmeldungen eines Kalenderjahres ausgewertet und in Form von individuellen Datensätzen gespeichert.4 Bei Mehrfachbeschäftigung5 oder Jobwechsel liegen
1 Für eine ausführlichere Beschreibung der einzelnen Schritte der umfangreichen Datenaufbereitung sei an dieser Stelle auf das Gutachten von Bade/Alm (2010) für das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie verwiesen. 2 Vgl. Teil B., Kapitel I.1.b). 3 Vor dem 01. April 2004 galt eine Beschäftigung als geringfügig entlohnt, wenn die wöchentliche Arbeitszeit 15 Stunden und das monatliche Arbeitsentgelt 325 EUR nicht überstiegen. Seitdem werden jene Personen als geringfügig Beschäftigte bezeichnet, deren monatliches Arbeitsentgelt regelmäßig 400 EUR nicht überschreitet. 4 Weil die Sozialversicherungsansprüche einer Person auf der Grundlage des JZM berechnet werden, müssen bei seiner Zusammenstellung die einzelnen Meldungen erfasst werden. Diese werden jedoch nicht immer zeitnah zum Beschäftigungsverhältnis abgegeben. Um nachträgliche Meldungen der Arbeitgeber noch berücksichtigen zu können, gibt es eine zweijährige Wartefrist. Eine Nutzung des JZM für statistische Auswertungen ist damit erst nach Ablauf von ca. zweieinhalb Jahren möglich. Das QM wird von der Bundesagentur für Arbeit dagegen rund neun Monate nach Quartalsende zur Verfügung gestellt. 5 Dabei lassen sich drei verschiedene Varianten der Mehrfachbeschäftigung voneinander abgrenzen, vgl. Hirschenauer/Wießner (2006: 1): i) Kombination verschiedener sozialversicherungspflichtiger Beschäftigungsverhältnisse; ii) Kombination verschiede-
176
D. Empirische Analyse der Wirksamkeit gewerblicher Subventionen
somit für ein Jahr mindestens zwei Meldungen für eine Person vor. Für das QM wird dagegen für jedes der vier Jahresquartale ermittelt, ob für einen Versicherten ein Beschäftigungsverhältnis zum Quartalsstichtag (31. März, 30. Juni, 30. September, 31. Dezember) vorliegt.6 Falls mehrere Beschäftigungsverhältnisse gemeldet sind, wird lediglich das Hauptbeschäftigungsverhältnis berücksichtigt. Im QM kommt eine versicherte Person somit höchstens einmal vor (Personenkonzept). Die Summe der Datensätze des QM ist daher mit der Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten zum Quartalsstichtag identisch. In der Beschäftigungsstatistik der BA sind ungefähr drei Viertel aller Erwerbstätigen in der Bundesrepublik Deutschland enthalten.7 Im Hinblick auf die zur Verfügung stehenden Variablen unterscheiden sich JZM und QM darin, dass im JZM mit dem Beginn und Ende des Versicherungsfalles sowie dem Jahresentgelt zusätzliche Merkmale enthalten sind. Für die im Rahmen des Matching-Verfahrens eingesetzte Zuordnungsprozedur von Betrieben der Untersuchungs- und Kontrollgruppe stehen damit folgende demografische und erwerbsstatistische Merkmale zur Verfügung: • • • • • • • •
Alter (Geburtsdatum), Geschlecht, Staatsangehörigkeit (deutsch/Ausländer), Ausbildung (Schlüssel B2),8 ausgeübte Tätigkeit (Beruf, 3-stellige Codierung der BA),9 Stellung im Beruf (Schlüssel B1),10 Voll-/Teilzeitbeschäftigung, Wirtschaftszweig des Betriebes (bis zum 31.12.1997 nach WS 73, vom 31.03.1998 bis 31.03.2003 nach WZ 93, vom 30.06.2003 bis 31.03.2008 nach WZ 2003 und seit 30.06.2008 nach WZ 2008),
ner geringfügiger Beschäftigungsverhältnisse; iii) Kombination sozialversicherungspflichtiger und geringfügiger Beschäftigungsverhältnisse. 6 Vgl. Statistisches Bundesamt (2009: 3). 7 Vgl. zum Beispiel Lehmer/Möller (2008: 659) und Haas (2001: 130). 8 Die sieben Kategorien sind dabei Volks-, Haupt-, Realschule ohne bzw. mit Berufsabschluss, Abitur ohne bzw. mit Berufsabschluss, Fachhochschulabschluss, Hochschulabschluss und „Ausbildung unbekannt“. 9 Die Klassifikation der Berufe der BA gründete lange Zeit auf Gliederungen der Jahre 1970 und 1975 und wurde durch die Klassifikation der Berufe 2010 (KldB 2010) abgelöst. Seitdem werden in der untersten Abgrenzungsebene (5-steller) insgesamt ca. 24.000 Berufs- und Tätigkeitsbezeichnungen unterschieden, vgl. Bundesagentur für Arbeit (2011: 5). 10 Bisher meldeten die Arbeitgeber die berufliche Stellung bei Vollzeitbeschäftigung (Auszubildende, Arbeiter (nicht Facharbeiter), Arbeiter (Facharbeiter), Meister/Polier, Angestellter, Heimarbeiter) bzw. der Teilzeitbeschäftigten (in den Abgrenzungen unter bzw. mit mindestens 18 Stunden). Zukünftig wird nur noch nach Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigung unterschieden, vgl. Bundesagentur für Arbeit (2012: 5).
I. Datenbasis und verwendete Variablen
177
• Arbeits- und Wohnort (Gemeinde), • Beginn und Ende des Versicherungsfalles, • Bruttojahresentgelt. Die Beschäftigungsstatistik der BA eignet sich aus verschiedenen Gründen als Datengrundlage für eine Wirkungsanalyse der gewerblichen Investitionsförderung der Gemeinschaftsaufgabe unter Verwendung des Matching-Verfahrens. Erstens, weil sich erhebungsbedingte Verzerrungen zwischen geförderten und nicht-geförderten Betrieben, die etwa im Falle eines Einsatzes verschiedener Datenquellen auftreten könnten, aufgrund der Nutzung dieser einheitlichen Statistik ausschließen lassen. Zweitens zeichnet sich die Beschäftigungsstatistik der BA infolge der umfangreichen Prüf- und Korrekturverfahren der zuständigen Annahmestellen und der Deutschen Rentenversicherung (Regionalträger, Bund und „Knappschafts-Bahn-See“)11 durch ein hohes Maß an Genauigkeit ihrer Angaben aus. Hinzu kommt, dass die Sozialversicherten selbst in gewisser Weise in das Kontrollverfahren einbezogen werden: „The reliability of the data is very good in the most important dimensions, because each employee receives a copy of each notification that has been delivered from the respective employer. This works as an internal control mechanism in the notification process.“ 12
Drittens stellt sich das Problem stichprobenbedingter Fehler nicht, wenn die – gemäß Bewilligungsstatistik des BAFA – subventionierten Betriebe in der Beschäftigungsstatistik der BA identifiziert werden können. Als Schlüssel für die Verschränkung beider Datenquellen, für die in einem ersten Schritt alle sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsfälle der geförderten Betriebe in den Konten der Beschäftigungsstatistik der BA identifiziert und diese Beschäftigungsfälle anschließend auf Betriebsebene aggregiert wurden,13 dient die Betriebsnummer.14 Dieses eindeutige Zuordnungsmerkmal wird jedem Arbeitgeber von sozialversicherungspflichtig Beschäftigten von der BA zugewiesen. Nach Abschluss der umfangreichen Datenaufbereitung einschließlich verschiedener Plausibilitätskontrollen konnten im Rahmen des oben genannten Gutachtens 23.516 der zwischen 1998 und 2008 durch die Gemeinschaftsaufgabe 11
Vgl. Krzyanowski (2007: 1058). Koch/Meinken (2004: 317). 13 Beim Jahreszeitraummaterial ist für die Bestimmung der Beschäftigtenzahlen noch ein Zwischenschritt, die Zusammenfassung der Fälle nach Personen, nötig. Beim Quartalsmaterial entfällt dieser Zwischenschritt, weil für jede Person nur ein Versicherungsfall vorliegt. 14 Die Betriebsnummern sind aus datenschutzrechtlichen Gründen im Material der Beschäftigungsstatistik der BA nur kodiert verfügbar. Damit mussten die – auf dem Förderantrag angegebenen – „wahren“ Betriebsnummern der subventionierten Betriebe zunächst verschlüsselt werden. Die erforderlichen Arbeiten wurden von der BA durchgeführt. 12
178
D. Empirische Analyse der Wirksamkeit gewerblicher Subventionen
geförderten Betriebe berücksichtigt werden. Insgesamt lagen der Studie damit betriebliche Daten einer amtlichen Statistik für annähernd neun von zehn Bewilligungen im entsprechenden Zeitraum zugrunde.15 Nach Kenntnis des Verfassers dieser Arbeit wurde in mikroökonometrischen Wirkungsanalysen der Gemeinschaftsaufgabe bisher kein vergleichbar hoher Wert erreicht. In Teil A. dieser Arbeit wurde mehrfach darauf hingewiesen, dass die Verbesserung der Beschäftigungssituation in den strukturschwachen Regionen eine übergeordnete Zielvariable der regionalen Wirtschaftsförderung des Bundes darstellt. Folglich liegt es nahe, im Rahmen einer mikroökonometrischen Wirkungsanalyse den Einfluss der Investitionskostenzuschüsse auf die Beschäftigungsentwicklung der geförderten Betriebe zu untersuchen. Dies scheint insbesondere auch deshalb gerechtfertigt, weil von der Entwicklung der Zahl sozialversicherungspflichtig beschäftigter Personen ein signifikanter Einfluss auf das regionale Einkommen und damit die zweite zentrale Zielgröße der Gemeinschaftsaufgabe ausgeht. Da der Beschäftigungseffekt einer Investitionsförderung üblicherweise mit einem gewissen Wirkungs-Lag verbunden ist, wird zur Ermittlung der betrieblichen Beschäftigungsveränderung – in Abhängigkeit vom Jahr der Förderung – ein zeitlicher Mindestabstand zwischen den beiden jeweiligen Analysezeitpunkten von zwei (und bis zu neun) Jahren festgelegt. Dementsprechend reduzierte sich die Gruppe der subventionierten Betriebe (treatment = 1) um die Förderkohorten der Jahre 2007 und 2008. Ebenfalls nicht weiter berücksichtigt wurden die 1998 subventionierten Betriebe, weil es in diesem Jahr zu einer Neuorganisation des EDV-Systems mit entsprechenden Rückwirkungen auf die Verfügbarkeit der Datensätze der Beschäftigungsstatistik kam.16 Die Zahl der zwischen 1999 und 2006 geförderten Betriebe, die für die nachfolgend zu beschreibende Matching-Prozedur verwendet werden, beläuft sich damit auf insgesamt 14.891 (vgl. Abbildung 21). Als Unterscheidungsmerkmal zwischen den subventionierten und den nichtgeförderten Betrieben dient die binäre Treatment-Variable. Diese nimmt in jeder Förderkohorte den Wert 1 für solche Betriebe an, die in dem jeweiligen Jahr erstmals in den Genuss von Fördermitteln durch die Gemeinschaftsaufgabe kamen. Alle subventionierten Betriebe einer Jahrgangskohorte behalten ihren Förderstatus unabhängig von der jeweiligen Förderdauer und -häufigkeit bis zum Ende des Analysezeitraumes. Umgekehrt bedeutet dies, dass sich die Gruppe der potenziellen Kontrollbeobachtungen (treatment = 0) aus Betrieben mit zumindest einem Sozialversicherten zusammensetzt, die von 1998–2008 überhaupt nicht durch die Gemeinschaftsaufgabe gefördert wurden. Dies trifft auf insgesamt 15
Vgl. Bade/Alm (2010: 22). Für andere Analysen haben Bade/Alm (2010: 23) in ihrer einzelbetrieblichen Erfolgskontrolle die Werte für die Förderkohorte des Jahres 1998 mit den Angaben des Jahres 1999 approximiert. 16
I. Datenbasis und verwendete Variablen Bewilligte Fördervorhaben 1998–2008
Geförderte Betriebe 1999–2006
Pseudonymisierung Plausibilitätskontrollen
38.561
179
37.741
Aggregation auf Betriebsebene und Ausschluss der Förderkohorten 1998 und 2007/2008
14.891
3.597.980
Nicht-geförderte Betriebe 1998–2008
Quelle: Eigene Darstellung.
Abbildung 21: Anzahl geförderter und nicht-geförderter Betriebe der Wirkungsanalyse für den Zeitraum 1999–2006
3.597.980 Betriebe zu. Die Jahreskohorten 1998, 2007 und 2008 werden bei der Gruppe der nicht-geförderten Betriebe aus zwei Gründen berücksichtigt: Zum einen, weil die Betriebe, die im Jahre 1998 (und später nicht mehr) gefördert wurden, nicht der Gruppe der nicht-subventionierten Betriebe zugerechnet werden sollen.17 Gleiches gilt auch für die Jahre 2007 und 2008. Für diese beiden Jahrgänge wäre zu erwarten, dass ein Teil der (in den Folgejahren geförderten) Betriebe durch strategisches Verhalten Investitionsentscheidungen aufgeschoben haben könnte (Ashenfelter’s Dip18). Aus diesem Grund wäre es problematisch, die zwischen 1998 und 2006 nicht-geförderten, dann aber 2007 oder/und 2008 einen Investitionszuschuss durch die Gemeinschaftsaufgabe empfangenden Betriebe der Kontrollgruppe zuzuordnen. Wie in Teil C., Kapitel III.3.g) dargelegt, muss das Zuordnungsverfahren auf betrieblichen Charakteristika beruhen, die die Teilnahmewahrscheinlichkeit und die Beschäftigungsentwicklung gleichermaßen beeinflussen. Im Folgenden werden jene exogenen Variablen dargestellt, die diese Voraussetzung erfüllen und im Material der Beschäftigungsstatistik der BA enthalten sind.
17 Differenzierte Analysen haben gezeigt, dass gerade in den ersten beiden Jahren nach der Förderung eine sehr hohe betriebliche Beschäftigungsdynamik zu beobachten ist. Ein Teil dieser potenziellen Verzerrung durch eine falsche Zuordnung lässt sich durch die explizite Beachtung der Fördervariablen im Jahr 1998 auffangen. 18 Siehe Teil C., Kapitel III.2.c).
180
D. Empirische Analyse der Wirksamkeit gewerblicher Subventionen
Abhängige Variable
Durchschn. jährl. Beschäftigungswachstum vom Jahr der Förderung durch die Gemeinschaftsaufgabe bis 2008
Treatment
0 = Nicht-Förderbetrieb 1 = Förderbetrieb
Erklärende Größen
Operationalisierung
Jahr Betriebsgröße
Dummy-Variablen Bestand an sozialversicherungspflichtig Beschäftigten Acht Gruppen (Neugründung; 1–9; 10–19; 20–49; 50–99; 100–199; 200–499; >=500 Sozialversicherte)
Betriebsgrößenklasse
Betriebsalter
Arbeitsmarktregion Wirtschaftszweig Ausbildungsstruktur
1 = Gründung 2 = 1–4 Jahre 3 = Mind. 5 Jahre Dummy-Variablen Dummy-Variablen (Abgrenzung: Wi65) Qualifikation der Sozialversicherten – Anteil gering Qualifizierter an gesamten Sozialversicherten – Anteil Akademiker an gesamten Sozialversicherten
Tätigkeitsstruktur
Art der Tätigkeit – Anteil Sozialversicherte in Fertigung an gesamten Sozialversicherten – Anteil Sozialversicherte in Techn. Diensten an gesamten Sozialversicherten – Anteil Sozialversicherte in F&E an gesamten Sozialversicherten
Vorheriges Beschäftigungswachstum
Durchschnittliches Beschäftigungswachstum über drei Jahre vor (Nicht-)Förderung
Quelle: Eigene Darstellung.
Abbildung 22: Übersicht über die Matching-Variablen
I. Datenbasis und verwendete Variablen
181
Durch die Bildung einer zeitlichen Dummy-Variablen wird sichergestellt, dass sich die subventionierten Betriebe in Abhängigkeit des Jahres ihrer (ersten) Förderung in Kohorten einteilen lassen. Durch dieses Vorgehen soll vermieden werden, dass den geförderten Betrieben bei der Paarbildung nicht-subventionierte Betriebe zugespielt werden, die erst zu einem späteren Zeitpunkt ihre Geschäftstätigkeit aufgenommen haben und deren Beschäftigungsveränderung bis 2008 von anderen konjunkturellen Rahmenbedingungen geprägt worden sein könnte. Der Einfluss der Betriebsgröße, hier gemessen am Bestand an sozialversicherungspflichtig Beschäftigten, auf die Beschäftigungsentwicklung wird in der Literatur kontrovers diskutiert. Während die Befürworter einer positiven Korrelation zwischen der Größe und Performanz eines Betriebes den Vorteil von Großbetrieben gegenüber kleineren Wettbewerbern vor allem mit deren Fähigkeit zur Nutzung von economies of scale und economies of scope und damit einer vorteilhafterer Kostenstruktur erklären,19 verweisen andere auf den inversen Zusammenhang zwischen effizienter Produktion und Marktmacht, die wiederum positiv mit der Größe korreliere.20 Gibrat’s Law postuliert dagegen, dass das Wachstum eines Betriebes nicht von dessen Größe abhängt.21 In einer Reihe von empirischen Untersuchungen konnte Gibrat’s Law allerdings zurückgewiesen werden.22 Ebenfalls nicht eindeutig ist der mögliche Effekt der Betriebsgröße auf die Wahrscheinlichkeit der Förderung durch die Gemeinschaftsaufgabe. Auf der einen Seite nimmt die Zahl von grundsätzlich förderfähigen Investitionsvorhaben mit steigender Betriebsgröße tendenziell zu. Ein positiver Einfluss zunehmender Betriebsgröße lässt sich auch auf die Finanzierungsmöglichkeiten und insbesondere die Planungskapazität, die jeweils die Fähigkeit zur Einreichung von (aussichtsreichen) Förderanträgen erhöhen könnten, und der Betriebsgröße erwarten.23 Andererseits erhalten KMU höhere Fördersätze,24 sodass für diese Gruppe die Wahrscheinlichkeit einer Antragstellung schon deshalb größer sein könnte. Eine ähnliche Beziehung ließe sich auch zwischen der Förderwahrscheinlichkeit/-intensität und dem Betriebsalter vermuten: Die Gewährung von Förderhöchstsätzen, die stets das Vorliegen „besonderer Struktureffekte“ voraussetzt, ist beispielsweise bei Investitionen im Zusammenhang mit Neugründungen möglich.25 Bereits auf den ersten Blick ist jedoch der relativ hohe Anteil von Mehr19 Die Nachteile kleiner Betriebe werden oftmals mit dem Begriff liability of smallness bezeichnet, vgl. Aldrich/Auster (1986) und Audretsch (1995). 20 Unter anderem Leibenstein (1976). 21 Vgl. Sutton (1997). 22 Vgl. Wagner (1999) und Strotmann (2007). 23 Ähnlich argumentieren Criscuolo et al. (2012: 26), die insbesondere bei größeren Betrieben eine gewisse Tendenz zum Ausnutzen der Förderung („game the system“) vermuten. 24 Vgl. Deutscher Bundestag (2009: 44). 25 Vgl. Deutscher Bundestag (2009: 45).
182
D. Empirische Analyse der Wirksamkeit gewerblicher Subventionen
fachförderungen26 ein Indiz dafür, dass auch etabliertere Betriebe eine größere Gruppe der Subventionsempfänger bilden. Die Richtung und Stärke des Zusammenhangs zwischen dem Alter eines Betriebes und seiner Beschäftigungsentwicklung ist bisher weder theoretisch noch empirisch eindeutig gesichert. So ist zwar zu erwarten, dass neue Betriebe ihre optimale Größe oftmals noch nicht erreicht haben und damit in den ersten Jahren nach ihrer Gründung ein vergleichsweise starkes Beschäftigungswachstum erwarten lassen.27 Gegen diese Annahme spricht jedoch, dass gerade junge Betriebe mitunter zahlreiche Wettbewerbsnachteile gegenüber etablierten Konkurrenten haben.28 Die Beschäftigungsstatistik liefert keine direkte Angabe des Gründungsjahres, das sich jedoch durch das Datum, an dem der Betrieb erstmals eine sozialversicherungspflichtig beschäftigte Person gemeldet hat, ableiten lässt. Das Alter eines Betriebes ergibt sich aus der Differenz zum Jahr der Förderung. Verwendet werden drei Kategorien: Als „Neugründungen“ sind jene Betriebe definiert, die im Förderjahr zum ersten Mal eine Meldung zur Sozialversicherung abgegeben haben. Als „jung“ werden solche Betriebe eingestuft, die ihre erste Meldung frühestens ein Jahr und unter fünf Jahre vor ihrer Förderung abgegeben haben. Der Rest bildet die Gruppe „sonstige“.29 Die Beziehung zwischen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Arbeitsmarktregion beziehungsweise Branche30 und der Wahrscheinlichkeit, einen Investitionszuschuss durch die Gemeinschaftsaufgabe zu erhalten, ist in den Nicht-Fördergebieten und nicht-förderfähigen Wirtschaftszweigen unmittelbar: sie beträgt in den entsprechenden Arbeitsmarktregionen und Wirtschaftszweigen null Prozent. Folglich sollten nur jene nicht-subventionierten Betriebe zur Gruppe der potenziellen Kontrollbeobachtungen zählen, deren Firmensitz innerhalb des Fördergebietes liegt und die hauptsächlich förderfähige Güter herstellen. Auch, wenn es keine weithin akzeptierte Gesetzmäßigkeit bezüglich der Auswirkungen von 26 Der Anteil der Mehrfachförderungen an allen bewilligten Investitionszuschüssen liegt in den einzelnen Förderkohorten mehrheitlich zwischen 1/4 und 1/3. 27 Siehe dazu etwa Fritsch (2012: 205). Einige Autoren sehen bei etablierten Betrieben eine geringere Fähigkeit dazu, auf veränderte Bedingungen in ihrer Umwelt zu reagieren beziehungsweise einen Effizienzverlust aufgrund der – im Zeitablauf entstandenen – Regeln und Routinen zu vermeiden (liability of obolescence beziehungsweise liability of senescence), vgl. Barron/West/Hannan (1994). 28 In diesem Zusammenhang wird häufig auf die sogenannte liability of newness verwiesen, vgl. dazu schon Stinchcombe (1965). Fackler/Schnabel/Wagner (2012) beobachten in ihrer Analyse für den Zeitraum 1975–2006 unter Nutzung des Betriebs-Historik-Panels, einer Stichprobe aller gesamtdeutschen Betriebe in Höhe von 50 Prozent, ein signifikant höheres Risiko einer Stilllegung für junge Betriebe (Betriebsalter maximal fünf Jahre). 29 Die letzten zwei Kategorien lassen sich lediglich für Betriebe erfassen, die nach 2003 bzw. 2004 gefördert wurden. 30 Als Abgrenzung dient eine sektorale Gliederung in 65 Wirtschaftszweige und 10 Wirtschaftsgruppen, siehe Bade (2006).
I. Datenbasis und verwendete Variablen
183
regionalen Standortbedingungen oder der sektoralen Zugehörigkeit auf den betrieblichen Erfolg gibt, wird deren hohe Bedeutung für die Beschäftigungsentwicklung immer wieder betont.31 Folglich lässt sich eine räumliche und sektorale Differenzierung der Betriebe auch theoretisch und empirisch begründen. Die beiden Variablen „Anteil der gering Qualifizierten32 an gesamten Sozialversicherten“ und „Anteil Akademiker33 an gesamten Sozialversicherten“ werden in die Analyse einbezogen, um die Effekte der Qualifikation der Beschäftigten auf die Zielgröße aufzufangen. In diesem Kontext konnte in der empirischen Literatur mehrfach gezeigt werden, dass Betriebe mit überdurchschnittlich qualifizierten Beschäftigten über eine vergleichsweise hohe Überlebenswahrscheinlichkeit verfügen.34 Wie von Bade/Alm dargelegt, liefert eine Differenzierung der Beschäftigten nach der Art ihrer Tätigkeit oft ein genaueres Bild über die konkreten Aufgaben eines Betriebes als die bloße sektorale Zuordnung.35 Aus diesem Grund wird auch die Tätigkeitsstruktur der Beschäftigten mit drei Anteilswerten berücksichtigt.36 Auf den potenziellen Einfluss der betrieblichen Performanz vor Antragstellung – gemessen an der durchschnittlichen Entwicklung der Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten über die jeweils letzten drei Jahre – auf die Entscheidung der Bewilligungsbehörde wurde schon in Teil C., Kapitel III.2.b) hingewiesen. Vermutlich steigt die Förderwahrscheinlichkeit bei expandierenden Betrieben demnach nicht nur, weil zusätzliche (gegebenenfalls förderfähige) Investitionen anstehen, sondern ebenso aus förderpolitischen Gründen (picking the winner). Auch die zukünftige Beschäftigungsentwicklung als interessierende Ergebnisvariable wird häufig – zumindest in der Tendenz – von ihrer vorherigen Dynamik beeinflusst. Wie oben erläutert, lässt sich der Fördereffekt nur dann durch einen reinen Mittelwertvergleich der durchschnittlichen Veränderungsraten beider Gruppen schätzen, sofern sich die subventionierten Betriebe hinsichtlich relevanter Charakteristika nicht von den nicht-geförderten Betrieben unterscheiden. Abbildung 23 zeigt, dass diese Voraussetzung nicht gegeben ist. Vielmehr ist das Selektionsproblem37 eindeutig an den signifikant voneinander abweichenden 31 Siehe etwa Brixy/Grotz (2007), Südekum/Blien/Ludsteck (2006) und Blanchard/ Katz (1992). 32 Ohne abgeschlossene Berufsausbildung und höchstens mittlere Reife oder gleichwertige Schulbildung. 33 Fachhochschulabschluss beziehungsweise Hochschul-/Universitätsabschluss. 34 Vgl. unter anderem Geroski/Mata/Portugal (2010) und Abowd/McKinney/Vilhuber (2009). 35 Siehe hierzu Bade/Alm (2010: 40, 42 ff.). 36 Getrennt nach Fertigung, technische Dienste sowie F & E. 37 Vgl. Teil C., Kapitel III.2.b).
184
D. Empirische Analyse der Wirksamkeit gewerblicher Subventionen Mittelwert
Variable
Geförderte Betriebe (n=14.891)
Nicht-geförderte Betriebe (n=3.597.980) Nicht-Identität mit geförderten Betrieben: Jahr Arbeitsmarktregion Wirtschaftszweig Betriebsgrößenklasse Altersklasse
Beschäftigtenzahl
29,42
12,92 ***
Anteil gering Qualifizierte
29,43%
36,88% ***
7,36%
4,66% ***
Anteil Fertigung
48,62%
23,97% ***
Anteil Technische Dienste
12,37%
4,93% ***
3,80%
1,14% ***
Anteil Akademiker
Anteil Forschung und Entwicklung
*** Die Differenz beider Mittelwerte ist bei den kategorialen Merkmalen nach einem Kontingenztest und bei den metrischen Merkmalen nach einem zweiseitigen T-Test zum 1%-Niveau signifikant von Null verschieden. Quelle: Beschäftigungsstatistik der BA; eigene Auswertungen
Abbildung 23: Deskriptive Statistik für die geförderten und nicht-geförderten Betriebe vor dem Matching
Durchschnittswerten der Matching-Variablen erkennbar: Die subventionierten Betriebe unterschieden sich von den nicht-geförderten Betrieben nicht nur in Bezug auf ihre regionale und sektorale Zugehörigkeit, sondern auch hinsichtlich der Betriebsgröße, des Betriebsalters sowie der Ausbildungs- und Tätigkeitsstruktur ihrer Beschäftigten.
II. Matching-Algorithmus zur Wirkungsanalyse der Beschäftigungsentwicklung Zur ökonometrischen Schätzung der Wirkung der gewerblichen Investitionsförderung der Gemeinschaftsaufgabe bietet sich ein zweistufiges Vorgehen an, um eine möglichst realitätsadäquate Referenzsituation zu erzeugen. Im Fokus der ersten Stufe steht der Vergleich der Beschäftigungsentwicklung zwischen den subventionierten Betrieben und ihren – durch die Matching-Prozedur – zugeordneten, nicht-geförderten Zwillingen. Ausschlaggebend für die konkrete Paarbildung sind dabei die – gleichermaßen das Beschäftigungswachstum und die Förderwahrscheinlichkeit beeinflussenden – beobachtbaren beschäftigungsrelevanten
II. Matching-Algorithmus
185
Charakteristika zum Zeitpunkt der Förderung. In einem weiteren Schritt wird sodann die Beschäftigungsveränderung vor der Förderung berücksichtigt, um im Rahmen der Zuordnung die Vergleichbarkeit innerhalb der Paare weiter erhöhen und bei der Messung der Wirksamkeit der Investitionskostenzuschüsse den Effekt von zeitkonstanten unbeobachtbaren Einflussgrößen auf die Beschäftigungsentwicklung auszuschalten. 1. Berücksichtigung beobachtbarer Einflussfaktoren Im Idealfall ließe sich durch eine Zuordnungsprozedur nach der Covariate Matching-Systematik38 erreichen, dass für jeden im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe geförderten Betrieb mindestens ein nicht-subventioniertes Pendant mit einer exakten Identität im Hinblick auf alle beobachtbaren Potenzialfaktoren der Beschäftigungsentwicklung gefunden werden könnte. In Teil C., Kapitel III.3.g)bb) wurde ausgeführt, dass die Wahrscheinlichkeit dafür, dass sich dieses optimale Ergebnis einer Paarbildung realisieren lässt, mit einer steigenden Zahl und/oder einem zunehmenden Merkmalsraum der Kovariaten immer geringer wird. Eine räumliche und sektorale Abgrenzung auf Ebene der 118 grundsätzlich förderfähigen Arbeitsmarktregionen sowie 42 Wirtschaftszweige (nach Abgrenzung Wi65) führt für den Untersuchungszeitraum bereits zu 4.956 möglichen Kombinationen. Abbildung 24 verdeutlicht das – im Zusammenhang mit der Zuordnung von subventionierten und nicht-geförderten Betrieben unter Einsatz eines Covariate Matching auftretende – Dimensionalitätsproblem, das insbesondere durch die Berücksichtigung der kategorialen Variablen Betriebsgröße und Altersklasse sowie der metrischen Merkmale noch deutlich verschärft wird. Dieses im Sinn, soll die mit Abbildung 23 nachgewiesene empirische Heterogenität von subventionieren und nicht-geförderten Betrieben nachfolgend durch zwei separate Schritte korrigiert werden. Zunächst wird die – alle Betriebe mit sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung umfassende – Kontrollgruppe verkleinert. Ziel dieser Vorauswahl ist, für jeden subventionierten Betrieb aus der Menge der nicht-geförderten Betriebe nur jene zu berücksichtigen, die sich nicht hinsichtlich der Ausprägungen in den für die Beschäftigungsentwicklung in dieser Wirkungsanalyse als besonders wichtig erachteten Variablen Jahr, Arbeitsmarktregion, Wirtschaftszweig, Betriebsgrößen- und Altersklasse unterscheiden. Beispielsweise werden einem im Jahre 2006 subventionierten Betrieb aus der Arbeitsmarktregion Berlin und dem Wirtschaftszweig Metallerzeugung mit 10–19 Beschäftigten sowie einem Betriebsalter von mindestens fünf Jahren von allen im Jahre 2006 aktiven Betrieben ausschließlich jene nicht-geförderten Betriebe mit 38
Teil C., Kapitel III.3.g)aa).
186
D. Empirische Analyse der Wirksamkeit gewerblicher Subventionen
Quelle: Eigene Darstellung.
Abbildung 24: Dimensionalitätsproblem des Matchings
II. Matching-Algorithmus
187
genau diesen Charakteristika zugespielt. Um auch für subventionierte Betriebe in vergleichsweise kleinen Arbeitsmarktregionen und unterrepräsentierten Wirtschaftszweigen und/oder Betriebsgrößen- beziehungsweise Altersklassen (eine) Referenzbeobachtung(en) finden zu können, lässt sich dabei jeder nicht-geförderte Betrieb grundsätzlich mehrfach als Kontrollbeobachtung verwenden (Ziehen mit Zurücklegen). Für 12.949 der subventionierten Betriebe konnten auf diese Art und Weise insgesamt 449.664 nicht-geförderte Betriebe identifiziert werden, die in allen fünf Variablen identische Ausprägungen aufweisen. In der aus Gründen der Darstellung um Ausreißer bereinigten Abbildung 25 zeigt sich, dass nur für vergleichsweise wenige Betriebe mehr als 50 potenzielle Zwillinge (Matches) zugespielt wurden. Umgekehrt blieb die Suche nach einem adäquaten nicht-subventionierten Betrieb für rund ein Achtel der geförderten Betriebe erfolglos. Diese Betriebe wurden, ebenso wie alle nicht zugematchten Betriebe aus der ursprünglichen Kontrollgruppe, in den nachfolgenden Analysen nicht weiter berücksichtigt.
Quelle: Beschäftigungsstatistik der BA; eigene Auswertungen
Abbildung 25: Relative Verteilung der Anzahl von statistischen Zwillingen nach dem ersten Schritt der Zuordnung
188
D. Empirische Analyse der Wirksamkeit gewerblicher Subventionen Mittelwert
Variable Geförderte Betriebe (n=12.949)
Nichtgeförderte Betriebe Vor dem Covariate Matching (n=3.597.980)
Nichtgeförderte Betriebe Nach dem Covariate Matching (n=449.664)
Identität mit geförderten Betrieben: Jahr Arbeitsmarktregion Wirtschaftszweig Betriebsgrößenklasse Altersklasse
Anteil Fertigung
48,62%
12,92 *** *** 36,88% *** 4,66% 23,97% ***
Anteil Technische Dienste
12,37%
4,93% ***
5,77% ***
3,80%
1,14% ***
2,18% ***
Beschäftigtenzahl
29,42
Anteil gering Qualifizierte
29,43%
Anteil Akademiker
Anteil F&E
7,36%
5,03 *** *** 38,28% *** 4,92% 32,25% ***
*** Die Differenz beider Mittelwerte ist bei den kategorialen Merkmalen nach einem Kontingenztest und bei den metrischen Merkmalen nach einem zweiseitigen T-Test zum 1%-Niveau signifikant von Null verschieden. Quelle: Beschäftigungsstatistik der BA; eigene Auswertungen
Abbildung 26: Deskriptive Statistik der Matching-Variablen für die geförderten und nicht-geförderten Betriebe
Abbildung 26 verdeutlicht, dass die absolute Differenz zwischen den Gruppenmittelwerten durch diese Vorselektion im Vergleich zur undifferenzierten Betrachtung beider Stichproben für die Mehrzahl der Variablen verringert werden konnte. Doch auch wenn sich die subventionierten Betriebe nach dem Covariate Matching von ihren zugespielten Partnerbetrieben nicht mehr bezüglich der regionalen und sektoralen Zugehörigkeit, dem Jahr sowie der Betriebsgrößen- und Altersklasse unterscheiden, bestehen in allen metrischen Merkmalen weiterhin signifikante Abweichungen zwischen den beiden Gruppenmittelwerten. In einem weiteren Schritt wird aus diesem Grund der Propensity Score als eindimensionales Ähnlichkeitsmaß bestimmt. Dieser repräsentiert die Wahrscheinlichkeit dafür, dass ein Betrieb – in Abhängigkeit seiner Charakteristika – Fördermittel von der Gemeinschaftsaufgabe erhält und wird in Erwartung von heterogenen Maßnahmeeffekten nach der Vorauswahl für alle Betriebe beider Gruppen mit einem Probit-Modell geschätzt.39 Abbildung 27 zeigt den Einfluss der metri39
Teil C., Kapitel III.3.g)bb).
II. Matching-Algorithmus
189
Mittelwert Variable1
Koeffizient
T-Wert
0,0203
1,73*
–0,0502
–4,62***
Anteil Akademiker
0,1169
4,90***
Anteil Fertigung
0,1868
12,40***
Anteil Technische Dienste
0,4296
20,87***
Anteil F&E
–0,1887
–4,93***
Konstante
–1,8709
–13,02***
Betriebsgröße Anteil gering Qualifizierter
Wald χ 2 (203)
30.224,63***
Log-Likelihood
–52.914,88
Pseudo-R²
0,2769
1 Die Dummies der Identitätsmerkmale des Covariate Matchings werden nicht dargestellt. ***/**/* Signifikanz auf 1%-/5%-/10%-Niveau Quelle: Beschäftigungsstatistik der BA; eigene Auswertungen.
Abbildung 27: Ergebnisse der Schätzung der Teilnahmewahrscheinlichkeit des Probit-Modells
schen Matching-Variablen auf die Förderwahrscheinlichkeit am Beispiel der Jahrgangskohorte 2005. Nicht aufgeführt werden die Dummies der kategorialen Merkmale aus dem Covariate Matching, weil deren Koeffizienten nach der Vorauswahl nicht mehr signifikant sind. Offensichtlich nimmt die Wahrscheinlichkeit, von der Gemeinschaftsaufgabe gefördert zu werden, mit steigender Betriebsgröße zu. Eine signifikant größere Chance auf den Erhalt von Investitionskostenzuschüssen haben auch Betriebe mit einem hohen Anteil von Beschäftigten in den Bereichen Fertigung und technische Dienste. Umgekehrt und damit negativ ist der Zusammenhang zwischen dem Anteil gering Qualifizierter beziehungsweise dem Anteil der Beschäftigten in F&E und der Förderwahrscheinlichkeit. Im Anschluss an die Schätzung der Propensity Scores wird ein beliebiger subventionierter Betrieb i ausgewählt. Sodann erfolgt die Ermittlung der Distanz zwischen dem Propensity Score für i und allen nicht-geförderten Kontrollbeobachtungen j, die ihm im Rahmen des Covariate Matching zugematcht wurden.
190
D. Empirische Analyse der Wirksamkeit gewerblicher Subventionen Mittelwert
Variable
Geförderte Betriebe
Nicht-geförderte Betriebe
Nach Propensity Score Matching (n=12.949)
Vor Covariate Matching (n=3.597.980) Keine Identität mit geförderten Betrieben: Jahr Arbeitsmarktregion Wirtschaftszweig Betriebsgrößenklasse Betriebsaltersklasse
Betriebsgröße
29,80
Anteil gering Qualifizierte
Nach Covariate Matching (n=449.664)
Nach Propensity Score Matching (n=12.949)
Identität mit geförderten Betrieben: Jahr Arbeitsmarktregion Wirtschaftszweig Betriebsgrößenklasse Betriebsaltersklasse
12,92***
5,03***
30,17
29,71%
36,88%***
38,28%***
29,28%
7,23%
4,66%***
4,92%***
7,31%
Anteil Fertigung
48,10%
23,97%***
32,25%***
49,74%*
Anteil Technische Dienste
11,93%
4,93%***
5,77%***
9,85%***
3,68%
1,14%***
2,18%***
3,46%
Anteil Akademiker
Anteil F&E
*** Die Differenz beider Mittelwerte ist bei den kategorialen Merkmalen nach einem Kontingenztest und bei den metrischen Merkmalen nach einem zweiseitigen T-Test zum 1%-Niveau signifikant von Null verschieten. Quelle: Beschäftigungsstatistik der BA; eigene Auswertungen
Abbildung 28: Deskriptive Statistik der Matching-Variablen für die geförderten und nicht-geförderten Betriebe
Schließlich wird von letztgenannten nur jener als statistischer Zwilling von i definiert, der ihm in Hinblick auf den Propensity Score möglichst ähnlich ist
C
Pri minj k Pri Prj k, Nearest-Neighbor-Matching). Diese Prozedur wird in der Folge für alle weiteren subventionierten Betriebe wiederholt. Abbildung 28 legt klar, dass die systematischen Unterschiede zwischen den subventionierten und nicht-geförderten Betrieben durch das zweistufige Zuordnungsverfahren weitgehend beseitigt werden konnten: Abgesehen von der Identität in den fünf kategorialen Merkmalen weichen die subventionierten Betriebe auch in den übrigen Eigenschaften kaum noch von ihrem nicht-geförderten Zwilling ab. Beispielsweise entspricht die durchschnittliche Betriebsgröße der nichtgeförderten Zwillingsbetriebe jetzt mit 30,2 Beschäftigten fast exakt dem ent-
II. Matching-Algorithmus
191
sprechenden Mittelwert der geförderten Betriebe (29,8 Beschäftigte). Darüber hinaus sind die zugematchten Zwillinge – wie die geförderten Betriebe – weitaus forschungsintensiver als in der Ausgangssituation bzw. nach dem Covariate Matching: Im Durchschnitt beträgt ihr Anteil von Sozialversicherten im Bereich F&E jetzt 3,5 Prozent; bei allen nicht-geförderten Betrieben lag der jeweilige Wert noch bei 1,1 Prozent. Eine starke Angleichung wurde ebenso bei dem Anteil der Akademiker beziehungsweise gering Qualifizierter an allen Beschäftigten erreicht. Statistisch signifikant bleiben die Unterschiede zwischen beiden Gruppen hinsichtlich des Anteils der Beschäftigten in den Bereichen Fertigung beziehungsweise Technische Dienste. Dies liegt maßgeblich daran, dass die Prüfgröße zur Beurteilung der Signifikanz der Mittelwertdifferenz überaus sensitiv auf hohe Beobachtungszahlen reagiert. Anders ausgedrückt wird der Nenner der Prüfgröße sehr klein, sodass die Prüfgröße bereits bei sehr geringen Mittelwertunterschieden zwischen geförderten und nicht-geförderten Betrieben einen relativ hohen Wert annimmt und damit zur ausgewiesenen Signifikanz hinsichtlich der Differenz zwischen den Anteilswerten beider Merkmale zwischen den zwei Gruppen führt. Durch die Paarbildung konnte die Selektionsverzerrung allerdings auch bei diesen Merkmalen deutlich reduziert werden. Da innerhalb der einzelnen Zwillingspaare, gerade unter Beachtung der durch die Beschäftigungsstatistik der BA gegebenen Möglichkeiten, eine sehr hohe Ähnlichkeit der beschäftigungsrelevanten Determinanten erreicht wurde, kann die zentrale Grundvoraussetzung für den Einsatz des Matching-Verfahrens zur Bestimmung des Fördereffektes als erfüllt angesehen werden. Folglich sollte auch der Unterschied, der bei der Beschäftigungsveränderung zwischen den subventionierten und ihren nicht-geförderten Zwillingen beobachtbar ist, sehr eng mit dem Umstand der Förderung zusammenhängen. Wie groß die Diskrepanz zwischen beiden Gruppen in der Beschäftigungsperformanz und damit die Wirkung ist, die der Gemeinschaftsaufgabe zugeschrieben werden kann, wird in Abbildung 29 dargestellt. Danach haben die zwischen 1999 und 2006 subventionierten Betriebe nach der Förderung im Durchschnitt eine um rd. 11 Prozentpunkte günstigere jährliche Beschäftigungsentwicklung als die nicht-geförderten Referenzbetriebe erzielt: Während die geförderten Betriebe ihre Beschäftigung im Durchschnitt pro Jahr um 4,5 Prozent erhöht haben, ging die Beschäftigtenzahl bei ihren Zwillingen um 6,6 Prozent zurück.40
40 Als Robustheitstests erfolgte eine Schätzung des durchschnittlichen Maßnahmeeffektes auf Grundlage einiger der in Teil C., Kapitel III.3.g)cc) dargestellten alternativen Matching-Algorithmen (Mahalanobis-, Caliper- und Kernel-Matching). Auch diese Berechnungen führten zu ähnlich großen Treatment-Effekten.
192
D. Empirische Analyse der Wirksamkeit gewerblicher Subventionen Mittelwert
Variable
Beschäftigungsveränderung vom Jahr der Förderung bis 2008 (durchschnittl. jährl. Veränderungsrate) Durchschnittl. Effekt der Gemeinschaftsaufgabe
Geförderte Betriebe (n=12.949)
Nicht-geförderte Betriebe (n=12.949)
4,47%
–6,60%***
+11,07%
*** Die Differenz beider Mittelwerte ist nach einem zweiseitigen T-Test zum 1%-Niveau signifikant von Null verschieden. Quelle: Beschäftigungsstatistik der BA; eigene Auswertungen
Abbildung 29: Durchschnittlicher Effekt der Subventionen der Gemeinschaftsaufgabe auf die geförderten Betriebe
2. Berücksichtigung unbeobachtbarer Einflussfaktoren Die Anwendung des in Kapitel II.1. dargestellten zweistufigen Matching-Verfahrens hatte zum Ergebnis, dass von der Gemeinschaftsaufgabe ein deutlich positiver Einfluss auf die Beschäftigungsentwicklung in den subventionierten Betrieben ausgeht. Darüber hinaus sollte geprüft werden, ob sich dieser Befund erhärten lässt, wenn zusätzlich für zeitkonstante Variationen in den unbeobachtbaren Merkmalen kontrolliert wird. Sollte dies nicht der Fall sein, wäre es unzulässig, die Differenz der Wachstumsraten zwischen beiden Gruppen nach erfolgter Paarbildung gänzlich auf den Umstand der Förderung durch die Gemeinschaftsaufgabe zurückzuführen. Als catch-all-Variable für die zeitinvarianten unbeobachtbaren Effekte lässt sich die vorherige betriebliche Beschäftigungsentwicklung, hier gemessen über den Zeitraum von drei Jahren, verwenden. Grundüberlegung dabei ist, dass diese Größe insofern einen adäquaten Proxy für die kausale Wirkung der gewerblichen Investitionsförderung der Gemeinschaftsaufgabe unter Beachtung der über den gesamten Untersuchungszeitraum nicht gruppenspezifisch schwankenden, unbeobachtbaren Merkmale darstellt, als sie die Differenz der Entwicklung der Zielgröße aus der Vorperiode (und damit im Zustand der Nicht-Förderung in beiden Gruppen) zwischen den geförderten und nicht-subventionierten Betrieben fortschreibt. Ein Nebeneffekt der Aufnahme dieser Variablen in die Matching-Prozedur besteht darin, dass sich überprüfen lässt, ob die Förderwahrscheinlichkeit im Analysezeitraum von der vorherigen betrieblichen Entwicklung beeinflusst wurde (picking the winner). Und tatsächlich wurde im Rahmen der Bestimmung der Koeffizienten des Probit-Modells zur Schätzung der Propensity Scores der Verdacht bestätigt, dass eine positive Beziehung zwischen dem durchschnittlichen
II. Matching-Algorithmus
193
Mittelwert Geförderte Betriebe
Nicht-geförderte Betriebe
Nach Propensity Score Matching (n=4.622)
Nach Propensity Score Matching (n=4.622)
Variable
Identität mit geförderten Betrieben: Jahr Arbeitsmarktregion Wirtschaftszweig Betriebsgrößenklasse Betriebsaltersklasse Betriebsgröße
40,47
32,9***
Anteil gering Qualifizierte
29,51%
29,33%
6,26%
7,72%
Anteil Fertigung
49,19%
48,84%*
Anteil Technische Dienste
12,02%
11,07%*
3,23%
3,81%
Anteil Akademiker
Anteil F&E Vorh. Beschäftigungswachs.
10,07%
7,61%***
*** Die Differenz beider Mittelwerte ist bei den kategorialen Merkmalen nach einem Kontingenztest und bei den metrischen Merkmalen nach einem zweiseitigen T-Test zum 1%-Niveau signifikant von Null verschieden. Quelle: Beschäftigungsstatistik der BA; eigene Auswertungen
Abbildung 30: Deskriptive Statistik der Matching-Variablen für die geförderten und nicht-geförderten Betriebe
Beschäftigungswachstum in den Vorjahren und der betrieblichen Teilnahmewahrscheinlichkeit besteht. Die vorherige Beschäftigungsentwicklung wies sogar den größten marginalen Effekt auf die Förderwahrscheinlichkeit auf: Mit einer Erhöhung des jährlichen Beschäftigungswachstums um einen Prozentpunkt würde demzufolge die Förderwahrscheinlichkeit um rund zwei Prozentpunkte zunehmen.41 Aufgrund der Berücksichtigung der zusätzlichen Matching-Variable konnten im Gegensatz zu Kap. 1 nicht alle zwischen 1999 und 2006 geförderten bzw. die 41 Zur besseren Interpretierbarkeit der Koeffizienten wurde der Effekt einer marginalen Veränderung einer einzelnen Variablen auf die Förderwahrscheinlichkeit bei Konstanz aller anderen Merkmale nach Greene (2000: 668) wie folgt bestimmt: @djX x xi x @Pr
X @
x l . (D.I.) @xl @xl @xl
194
D. Empirische Analyse der Wirksamkeit gewerblicher Subventionen
zwischen 1998 und 2008 nicht-subventionierten Betriebe in die Zuordnungsprozedur einbezogen werden. Erstens, weil sich die vorherige Beschäftigungsdynamik über einen dreijährigen Zeitraum für sämtliche Betriebe der Jahrgänge 1999 und 2000 aus datentechnischen Gründen nicht bestimmen lässt.42 Dies gilt definitionsgemäß zweitens für alle Neugründungen der Kohorten 2001–2006. Damit reduziert sich die Zahl der geförderten Betriebe auf 4.622. Das Zuordnungsverfahren gründet auf der gleichen Systematik wie in Kap. II.1; wiederum kommt ein Nearest-Neighbor-Matching auf Grundlage der Propensity ScoreWerte zum Einsatz. Der kausale Effekt der Investitionskostenzuschüsse der Gemeinschaftsaufgabe wird mit dem bedingten Differenz-der-Differenzen-Schätzer43 bestimmt. In einem leicht modifizierten Ansatz44 wird hier für die geförderten Betriebe (linker Term der nachfolgenden Gleichung) und nicht-geförderten Zwillingsbetriebe (rechter Term) die Differenz zwischen den jeweiligen durchschnittlichen Beschäftigungswachstumsraten p. a. in den drei Jahren vor dem (Nicht-)Förderereignis im Jahr t bis zum Ende des Untersuchungszeitraumes ermittelt: (D.II.)
DdD
w2008;t
wt;t 3 1
w2008;t
wt;t 3 0 :
Durch diese Matching-Systematik verändert sich nicht nur die Menge, sondern offensichtlich auch die Art der untersuchten Betriebe: Während die Gruppe der geförderten Betriebe gemäß des oben dargestellten Matching-Schätzers zwischen 1999 und 2006 im Durchschnitt ein Wachstum von ca. 4,5 Prozent p. a. erzielte (vgl. Abbildung 31), liegt die Veränderung nunmehr bei rd. 1,9 Prozent p. a. Der geringere Zuwachs der Beschäftigung bei Berücksichtigung zeitkonstanter unbeobachtbarer Einflussfaktoren liegt vor allem im dafür erforderlichen Ausschluss der Neugründungen begründet. Wiederum ist die Beschäftigungsentwicklung der subventionierten Betriebe bis 2008 eindeutig besser als in den zugematchten nicht-geförderten Betrieben: Nach der Förderung beträgt die Gesamtdifferenz zwischen beiden Gruppen 8,7 Prozentpunkte und liegt damit in der Nähe der 11,1 Prozentpunkte, die sich bei dem Matching-Verfahren ohne Berücksichtigung unbeobachtbarer Effekte ergeben haben. Allerdings hatten die geförderten Betriebe schon vor ihrer Förderung einen Wachstumsvorsprung von 2,4 Prozentpunkten. Weil dieser wie erläutert als Proxy für die unterschiedliche Wirkung zeitkonstanter unbeobachteter Einflussfaktoren dient und deshalb nicht der Förderung durch die Gemeinschaftsaufgabe zuge42 Eine Ausnahme bildet die Kohorte 2001, für die die Wachstumsraten über einen zweijährigen Zeitraum bestimmt werden. 43 Vgl. Teil C., Kapitel III.3.g)cc). 44 Üblicherweise wird der Differenz-der-Differenzen-Schätzer zum Vergleich zweier Zeitpunkte und nicht Zeiträume herangezogen, siehe Teil C., Kapitel III.3.g)cc).
II. Matching-Algorithmus
195 Mittelwert
Variable Geförderte Betriebe (n=4.622)
Nichtgeförderte Betriebe (n=4.622)
Beschäftigungsveränderung nach der Förderung (durchschnittl. jährl. Veränderungsrate bis 2008)
1,85%
–6,87%***
Beschäftigungsveränderung vor der Förderung (durchschnittl. jährl. Veränderungsrate über drei Jahre vor Förderung)
10,07%
+7,69%***
Durchschnittl. Effekt der Gemeinschaftsaufgabe auf die jährl. Veränderungsrate der Beschäftigung
+6,34%
*** Die Differenz beider Mittelwerte ist nach einem zweiseitigen T-Test zum 1%-Niveau signifikant von Null verschieden. Quelle: Beschäftigungsstatistik der Bundesagentur für Arbeit; eigene Auswertungen
Abbildung 31: Durchschnittlicher Effekt der Subventionen der Gemeinschaftsaufgabe auf die geförderten Betriebe unter Berücksichtigung unbeobachtbarer Einflussfaktoren
rechnet werden darf, ist die Differenz der Mittelwerte zwischen beiden Gruppen entsprechend zu verringern. Der durchschnittliche Fördereffekt der Gemeinschaftsaufgabe auf das Beschäftigungswachstum der geförderten Betriebe beträgt demzufolge nach dieser Berechnungsmethode 6,3 Prozentpunkte.
E. Schlussfolgerungen Am Beispiel der gewerblichen Investitionsförderung in strukturschwachen Regionen durch die Bund-Länder-Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur (Gemeinschaftsaufgabe) sollte in der hier vorgelegten Arbeit ein systematischer Überblick über die Möglichkeiten und Grenzen von Erfolgskontrollen im Allgemeinen und der ökonometrischen Wirkungsforschung im Speziellen gegeben werden. Die Darstellung des dynamischen Entwicklungsverlaufes der regionalen Wirtschaftsförderung in der Bundesrepublik Deutschland in Teil A. hat gezeigt, dass am Beginn jedes Evaluationsverfahrens der Gemeinschaftsaufgabe eine Auseinandersetzung mit deren spezifischen Ausgestaltung und Zielsetzung stehen sollte. In diesem Kontext ist die Frage, welche Maßnahmebereiche und Zielgrößen der Intervention im Fokus entsprechender Analysen stehen, von besonderer Bedeutung. Das Evaluationssystem der Gemeinschaftsaufgabe kennt allgemein drei Typen der Erfolgskontrolle. Im Mittelpunkt von Teil B. stand die Beschreibung der Stärken und Schwächen dieser einzelnen Arten. Ein zentrales Ergebnis dieses Abschnitts der Arbeit war, dass die vergleichsweise hohe Relevanz der Wirkungsforschung maßgeblich aus den engen Grenzen der Vollzugskontrolle und Zielerreichungsanalyse resultiert. Vollzugskontrollen ermöglichen zwar gegebenenfalls eine Überprüfung der Einhaltung bestimmter Förderregeln sowie eine Übersicht über das tatsächlich verausgabte Mittelvolumen und die geplanten Arbeitsplatzeffekte der Förderung, keineswegs aber eine Erfolgskontrolle im engeren Sinn. Und auch auf Grundlage von Zielerreichungsanalysen sind keine Aussagen zum kausalen Zusammenhang zwischen den staatlichen Beihilfen und der beobachteten Entwicklung von, wie auch immer definierten, Zielgrößen möglich. Vereinfacht ausgedrückt wäre beispielsweise denkbar, dass sich die Einkommens- und Beschäftigungssituation in ausgewählten Fördergebieten nur aufgrund einer konjunkturellen Expansion verbessert hat und ansonsten – insbesondere im Vergleich zu den Nicht-Förderregionen – rückläufig gewesen wäre (verlierende Gewinnerregionen) oder umgekehrt (gewinnende Verliererregionen). In Teil C. wurden verschiedene Verfahren gegenübergestellt, die sich für eine Analyse der Wirksamkeit der gewerblichen Investitionsförderung der Gemeinschaftsaufgabe auf makro- beziehungsweise mikroökonometrischer Ebene eignen. Im Mittelpunkt dieser Verfahren steht der Versuch der Konstruktion einer adäquaten Referenzentwicklung, die den kontrafaktischen Zustand ohne gewerb-
E. Schlussfolgerungen
197
liche Investitionsförderung möglichst realitätsadäquat approximiert. Eine Schwierigkeit ergibt sich dabei schon aus dem Umstand, dass die potenziellen Zielgrößen auf der Mikro- und speziell auf der Makro-Ebene durch eine Vielzahl von Einflussgrößen bestimmt werden. Es wurde gezeigt, dass sich die einzelnen Ansätze durch spezifische Vor- und Nachteile charakterisieren lassen und die Entscheidung für eine bestimmte Methodik von dem jeweiligen Forschungsinteresse und verfügbaren Datenmaterial abhängig gemacht werden sollte. Am Beispiel einer mikroökonometrischen Wirkungsanalyse der gewerblichen Investitionsförderung durch die Gemeinschaftsaufgabe für den Zeitraum 1999– 2006 in Teil D. wurde deutlich, dass sich durch die Anwendung des MatchingVerfahrens zwischen der Gruppe der subventionierten Betriebe und der Kontrollgruppe eine hohe Ähnlichkeit hinsichtlich beschäftigungsrelevanter Variablen erreichen lässt, sofern eine hinreichend große Kontrollgruppe und ein umfangreiches Set an Kovariaten zur Verfügung steht. Auf dieser Grundlage lässt sich der Effekt der Investitionsförderung auf betrieblicher Ebene verlässlich abschätzen, wenn durch den Einsatz des bedingten Differenz-der-Differenzen-Schätzers zusätzlich für zeitinvariante unbeobachtbare Einflussfaktoren kontrolliert wird. In Übereinstimmung mit weiten Teilen der empirischen Literatur stützen die Resultate der Wirkungsanalyse die Hypothese, dass die gewerbliche Investitionsförderung durch die Gemeinschaftsaufgabe tatsächlich zur Steigerung der betrieblichen Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit und signifikanten Erhöhung der Beschäftigung beitragen kann. Abschließend lässt sich festhalten, dass die in Teil D. vorgeschlagene Vorgehensweise zur Konstruktion einer Referenzsituation zwar auf der Ebene der geförderten Betriebe zu verlässlichen Ergebnissen hinsichtlich der Wirksamkeit der Intervention führen mag.1 Mit dieser Methodik lassen sich jedoch keine belastbaren Antworten auf die Frage nach den indirekten beziehungsweise regionalen/gesamtwirtschaftlichen Effekten geben. Auch wenn das Ausmaß dieser indirekten Effekte im Falle der Gemeinschaftsaufgabe, auch aufgrund des dargestellten Mittelvolumens, nicht überbewertet werden sollte, könnten zukünftige Forschungsvorhaben hier ansetzen und untersuchen, inwiefern sich robuste mikroökonometrische Schätzungen des Fördereffektes als zentraler Baustein in Makro-Modellen verwenden lassen.
1 In nachfolgenden Wirkungsanalysen auf einzelwirtschaftlicher Ebene sollte im Zusammenhang mit der Konstruktion einer adäquaten Referenzsituation verstärkt die Möglichkeit der Einbeziehung der zu erwartenden Investitionstätigkeit und weiterer Zielgrößen aus Mikro-Datenquellen geprüft werden.
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Stichwortverzeichnis Allokationspolitische Motivation 53 ff. Arbeitsmarktregionen 27, 76 f. Average treatment effect 134 Average treatment effect on the treated 134, 136 Average treatment effect on the untreated 134 Beschäftigungsstatistik der Bundesagentur für Arbeit 175 ff. Bedingter Differenz-der-DifferenzenSchätzer 168 ff. Betriebswechsler 53 Bewilligungsstatistik 70 ff., 175 Caliper-Matching 164 f. Common Support 159 Conditional Independence Assumption 158 ff. Covariate Matching 160 f., 185 Differenz-der-Differenzen-Schätzer 154 ff. Distributionspolitische Motivation 49 ff. Europäisches Beihilferecht 35 f. European Fund for Regional Development 36 Experimentelle Methoden 142 ff. Fundamentales Evaluationsproblem 137 Globale Finanz- und Wirtschaftskrise 42 f. HERMES/HERMIN 87 f.
Instrumentalvariablen-Schätzer 150 ff. Interministerieller Ausschuß für Notstandsgebietsfragen 23 Intervall-Matching 165 f. Jahreszeitraummaterial 175 f. Kernel und Local Linear-Matching 166 f. Konvergenzschätzung 106 ff. Konzept der Kausalität 83 ff. Local average treatment effect 135 Makroökonometrische Wirkungsanalyse 85 ff. Marginal treatment effect 135 Matching 157 ff., 180 ff. Mehrgleichungsmodell der Universität Münster 118 ff. Mikroökonometrische Wirkungsanalyse 132 ff. Ministerkonferenz für Raumordnung 41 Nearest-Neighbor-Matching 162 ff., 190 Neuabgrenzung der Fördergebiete 176 ff. Notstandsgebiete 23 f. Ordinary Least Squares-Methode 95, 98 ff., 145 ff. Panelschätzung 110 f. Partialanalytische Modelle 94 ff. Potential Outcomes Approach 144 f. Primäreffekt 28 Problem konjunktureller Schwankungen 140 ff.
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Prognose 95 ff. Propensity Score Matching 159 ff., 188 ff.
Stable Unit Treatment Value Assumption 159, 168 Strukturelle Makro-Modelle 86 ff.
Quartalsmaterial 175 f.
Verwendungsnachweisstatistik 70 ff. Vollzugskontrollen 68 ff. Vorher-Nachher-Schätzer 140 ff.
Regional Selective Assistance 152 Regionale Aktionsprogramme 25, 27, 31 Regression Discontinuity Design 148 ff. Selektionsmodelle 153 f. Selektionsproblem 138 ff. Shift-Share-Schätzung 112 f. Stabilitätspolitische Motivation 57 ff.
Wirkungsanalyse 78 ff. Zentrale-Orte-Programm 24 Ziehen mit Zurücklegen 162 f., 187 Zielbeziehungen 60 ff. Zielerreichungsanalysen 73 ff. Zonenrandförderung 23 f.