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German Pages 188 Year 2019
Peter Wawrik, Karla Kämmer
Erfolgreich Führen und Leiten in ambulanter Pflege und Tagespflege
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Peter Wawrik, Karla Kämmer
Erfolgreich Führen und Leiten in ambulanter Pflege und Tagespflege
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Erfolgreich Führen und Leiten
Inhalt Vorwort9 1 Grundlagen
11
1.1 Führung in disruptiven Zeiten (Grundlegende Veränderung und kontinuierliche Verbesserung parallel denken)
11
1.1.1 Selbstpflege PDL
12
1.1.2 Unsere Teams als Spiegelbild der Gesellschaft
14
1.1.3 Neue Mitarbeiter integrieren – Führungs- und Teamaufgabe
16
1.1.4 Stärken Sie, was gut läuft!
18
1.2
Mitarbeiter gewinnen – Mitarbeiter halten
21
1.3 Supportive Leadership, situative Führung und neue Beteiligungsformen
23
1.3.1 Eine kleine Reise zurück
25
1.3.2 Führungsstile
25
1.3.3 Führungsverhalten
29
1.3.4 Neue Beteiligungsformen
30
1.4
34
Vision – Ziele – Strategien
1.4.1 Begriffsdefinitionen
35
1.4.2 Entwicklung der Vision, der Ziele und Strategien
37
1.4.3 Führungskräfte müssen Vision und Ziele leben
37
1.5
Vier Generationen in Betrieben
38
1.6
Das besondere Führen von kleinen Teams
45
1.7 Unterschiedlichkeit als Erfolgsfaktor: Potenziale aller Generationen und Kulturen nutzen
47
1.7.1 Unterschiedliche Generationen ins Zusammenspiel bringen
48
1.7.2 Mehrere Kulturen ins Zusammenspiel bringen
51
1.7.3 Wie das Multikulti-Mehrgenerationen-Paket wirklich zu stemmen ist
53
1.7.4 Qualifikationsmix gekonnt nutzen
53
Inhaltsverzeichnis5
1.8
Motivation von Mitarbeitern
54
1.8.1 Alles im Flow – mit typgerechter Motivation
57
1.8.2 Strukturieren hilft motivieren
59
1.9
60
Praxisorientierte Teamentwicklung
1.9.1 Entwicklung zum „reifen“ Team
61
1.9.2 Teamentwicklung ist Beziehungsarbeit
62
1.9.3 Mitverantwortung leben
62
1.9.4 So unterstützen Sie den Reifeprozess Ihres Teams
63
1.9.5 Differenzierte Entwicklungsräume reflektiert schaffen – Entlastung für die PDL
63
1.10 Konfliktregulierung
65
1.10.1 Horizontale Feindseligkeit
66
1.10.2 K onflikte entstehen auch als Kampf um Macht und Einfluss im Team
69
1.10.3 Kleine coole Kunstgriffe bei Krisen und Konflikten
72
2 Perspektiven
77
2.1 Grundlage lebensphasenorientiertes Personalmanagement
77
2.2 Grundlage Verhaltensunterschiede der Generationen in Betrieben
91
2.3 Zukunftsmodell GLPM: Generations- und lebensphasenorientiertes Personalmanagement
93
2.4
Perspektive: Familienfreundliches Unternehmen
98
2.5
Perspektive: CSR in Pflegeeinrichtungen
101
2.6 Unternehmerisches Prinzip: Bewerben ohne Bewerbung
103
2.7 Unternehmerisches Prinzip: Wohnortnaher Einsatz
105
2.8 Unternehmerisches Prinzip: Bonus und Benefits für Mitarbeiter 106 2.9 Unternehmerisches Prinzip: Home-Office in der Pflege
108
6
Erfolgreich Führen und Leiten
3
„Leitung sein“
111
3.1
111
„Seien Sie vorbereitet“
3.1.1 Kommunikation mit Mitarbeitern, Kunden oder Gästen und Angehörigen
111
3.1.2 Mögliche Szenarien
112
3.1.3 Akquise-Management bei Kunden und neuen Mitarbeitern
113
3.2
116
Bleiben Sie entspannt
3.2.1 Hoffnung auf und Zuversicht in eine positive Zukunft
116
3.2.2 Aufmerksam im Augenblick – Achtsamkeit üben
118
3.2.3 Entspannungsübungen zum Ausprobieren
121
3.3
123
Kommunizieren Sie!
3.4 Warum delegieren – oder besser schnell selbst gemacht?
126
3.5
128
Souveränität zurückgewinnen
3.5.1 Drei mögliche Schritte
129
3.5.2 Mit kühlem Kopf: Souverän mit den „Hüten“ oder „Rollen“ jonglieren
130
3.6
Immer schön schräg bleiben – Charlie Chaplin
131
3.7 Lösungsorientierte Kurzberatung und Coaching als Führungskraft
132
3.7.1 Coachen – eine Frage der Haltung
132
3.7.2 Coachen – Schritt für Schritt ins Handeln bringen
137
4 Mitarbeiter führen in einer „verkehrten Welt“ 4.1
Begrüßen, Führen, Verabschieden
141 143
4.1.1 Begrüßen
143
4.1.2 Führen und Leiten
148
4.1.3 Verabschieden
157
4.2
Fördern und Fordern und Motivieren
158
4.3
Führen mit Zielen
161
4.4
Aus Fehlern lernen
162
4.5 Abwanderungstendenzen erkennen und aufhalten
165
4.6
169
Ihr Team als unverwechselbare Marke
Inhaltsverzeichnis7
5
Arbeitshilfen und Checklisten
173
5.1 Führungsgrundsätze
173
5.2 Heldenreise
174
5.3
Arbeitshilfen Dienstbesprechungen
175
5.4
Kritikgespräch mit dem KAZL-Prinzip
180
5.5 Alternativrad
181
5.6
Fragebogen Kenntnis über die Mitarbeiter
183
5.7
Fragebogen Mitarbeiterzufriedenheit
184
Literaturverzeichnis185 Die Autoren
187
Vorwort9
Vorwort Wir wollen mit einer guten Nachricht anfangen: In den letzten Jahren erleben wir in unseren Beratungen vermehrt den Mut von Führungskräften und Unternehmern, gewohnte Pfade zu verlassen, sich genauer mit den Mitarbeitern zu beschäftigen, Arbeits- und Rahmenbedingungen zu überprüfen und zu verbessern und ihr Leitungs- und Führungsverhalten für die Zukunft orientiert auszurichten. Dies unterstützen wir sehr und halten es für eine gute und richtige Entwicklung. Es gibt aber weiterhin noch einiges zu tun. Wenn heute und in Zukunft die Pflege, Betreuung und Versorgungssicherheit von ambulanten Patienten und Gästen der Tagespflege maßgeblich abhängig ist von den vorhandenen Mitarbeiterressourcen, dann ist die Führung des Unternehmens und das Verhalten der Leitungskräfte gravierend dafür verantwortlich, ob in der ambulanten Pflege weitere Kunden aufgenommen werden können – oder aber ein Aufnahmestopp verhängt werden muss. Mit diesem Praxishandbuch für Führungskräfte von ambulanten Pflege- und Betreuungsdiensten und Tagespflegen wollen wir Mut machen –– sich mit Grundlagen des Personalmanagements zu beschäftigen, –– die vorhandenen Mitarbeiter differenziert zu betrachten, –– erfolgreiche Akquisemaßnahmen und -ideen kennenzulernen, –– Mitarbeiter durch zwei Brillen zu sehen: generations- und lebensphasenorientiert –– und eigene Ideen weiterzuentwickeln. Dafür gibt es in diesem Praxishandbuch viele Beispiele, Arbeitshilfen, Checklisten und einen Downloadbereich unter http://www.haeusliche-pflege.net/Produkte/Downloadszu-Buechern, in dem auch nach der Veröffentlichung dieses Buches weitere Informationen und Wissenswertes eingestellt werden. Wir nennen Sie, die Leser dieses Buches, zur Vereinfachung PDL, egal, ob Sie als Inhaber oder Pflegedienstleitung oder als Teamleitung einen Pflegedienst leiten oder als Leitung einer Tagespflege tätig sind. Noch ein letzter Hinweis, bevor wir starten: Wir könnten natürlich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter oder MitarbeiterInnen oder Mitarbeiter/innen, Leiterinnen und Leiter oder LeiterInnen oder Leiter/innen, Patientinnen und Patienten oder Patient/innen, Kundinnen und Kunden etc. schreiben. Ausschließlich aus Gründen der besseren
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Erfolgreich Führen und Leiten
Lesbarkeit haben wir uns entschieden, im Folgenden auf die gleichzeitige Verwendung männlicher und weiblicher Sprachformen zu verzichten, ohne damit jedoch eine Diskriminierung zum Ausdruck bringen zu wollen. Namen von Personen, die im Text im Rahmen beispielhafter Situationen genannt werden, sind fiktiv und an den entsprechenden Stellen mit * gekennzeichnet. Wir wünschen allen Führungskräften und Nutzern dieses Buches Spaß am Lesen, Freude am Ausprobieren und sicherer und stärker werden in der Leitungsarbeit. Karla Kämmer und Peter Wawrik
1 Grundlagen11
1 Grundlagen 1.1 Führung in disruptiven Zeiten (Grundlegende Veränderung und kontinuierliche Verbesserung parallel denken) In welcher Zeit leben wir heute? Was bedeuten Globalisierung, Handelskriege, politische Veränderungen, Demografieentwicklungen in unseren Städten und Mitarbeiterteams und Verhaltensweisen der Generation Z für Sie und Ihre Arbeit als Leitung einer ambulanten oder teilstationären Pflegeeinrichtung? Sie sind selbst Teil der Gesellschaft, lesen und hören Nachrichten, erleben Mitarbeiter mit Fragestellungen und Verhaltensweisen, die Ihnen möglicherweise zunächst fremd erscheinen. Wir leben heute in disruptiven Zeiten, in denen Parallelentwicklungen stattfinden: grundlegende Veränderungen in unseren Staaten und gleichzeitig die Notwendigkeit, aber auch Möglichkeit der Verbesserung und Entwicklungen. Rahmenbedingungen in der ambulanten Pflege waren einerseits noch nie so schlecht (Fachkräftemangel, Aufnahmestopp) und noch nie so gut (Finanzierung der Leistungen) wie heute. Die Möglichkeiten in der Tagespflege sind seit den Reformen der Pflegestärkungsgesetze 2 und 3 noch nie so gut für Pflegebedürftige und deren Angehörige, aber auch für Träger und Sie als Leitung gewesen. Als Leitung sind Sie Hauptverantwortliche für Ihren ambulanten Pflegedienst oder Ihre Tagespflege und stehen gleichzeitig in dem Anspruch und der Erwartung vieler Seiten. Wie können Sie in diesen Zeiten gut leiten und führen und organisieren? Wie können Sie überlegt, souverän, flexibel am Ruder Ihres Schiffes stehen und dabei gesund bleiben? Das folgende Kapitel bietet Ihnen Grundlagen und Perspektiven für Ihr Tun an.
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Erfolgreich Führen und Leiten
1.1.1 Selbstpflege PDL Ihre Unvollkommenheit – Ihr Vorteil Unser Streben nach Perfektion und Selbstoptimierung macht es schwer, zu unseren kleinen Fehlern und Unzulänglichkeiten zu stehen. Ein starkes Kontrollbedürfnis ist nicht selten die Folge. Gerade Pflegedienstleitungen – PDLs – sind vielfach damit beschäftigt, alles bis ins Kleinste hinein zu organisieren, damit es irgendwie funktioniert. Und bis zu einem gewissen Grad ist das ja auch nützlich, um erfolgreich zu sein. Wenn aber das Kontrollbedürfnis Oberhand bekommt, verbraucht es unangemessen viel Kraft und Zeit. Gleichzeitig engt es die Weiterentwicklung von Mitarbeitern und Teams ein. Versuchen Sie daher in einigen Bereichen den Kontrollgriff etwas zu lockern, öfter mal einen Schritt zurückzutreten vom Agieren, durchzuatmen. Ziel ist, sich selbst gegenüber freundschaftlicher und verständnisvoller zu werden. Sie gewinnen Lebendigkeit und Lebensfreude. Einfach ist es nicht, in einer durchgetakteten und normierten Welt das Unperfekte zu akzeptieren und die Kultur von gemeinsamer tragender Seele, Vision und Idee zu bewahren. Dies mit immer bunteren Mitarbeitergruppen zu realisieren erst recht nicht. Leitungen und Teams, die persönliche Unperfektheit akzeptieren können, sich mit ihren individuellen Eigenheiten kennen, sich (wert)schätzen, reiben und sich in ihren Potenzialen ergänzen, bringen die nötige Flexibilität für die Zukunft mit. Nobody is perfect. Doch jeder hat etwas, das er zum Wohle aller einbringen kann. In diesem Zusammenhang erzähle ich immer gern die Geschichte vom Krug mit dem Sprung (vgl. Campbell 2013: 10): Ein Wasserträger trug zwei Krüge, gefüllt mit Wasser, vom Fluss zu seinem Haus. Einer hatte einen Sprung und verlor immer die Hälfte unterwegs. Irgendwann fragte der beschädigte Krug den Wasserträger, warum er ihn nicht austausche. Überraschend sagte dieser: „Hast du bemerkt, dass auf deiner Seite des Weges die herrlichen Blumen blühen, nicht aber auf der, wo ich den anderen Krug trage? Das liegt daran, dass ich deinen Fehler seit jeher kenne und auf deiner Seite des Weges Blumensamen gesät habe. Jeden Tag hast du sie gegossen und ich konnte herrliche Blumen mit nachhause nehmen. Ohne deinen Makel gäbe es diese Schönheit nicht, die das Haus ziert.“ Übertragen auf Ihre Leitungsfunktion als PDL bedeutet dies: Sie profitieren davon, wenn Sie Ihre Mitarbeiter gut kennen, differenziert wahrnehmen und entsprechend einsetzen. Und für Sie als Person heißt es: Akzeptieren Sie Ihre Unvollkommenheit und ver-
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stecken Sie sich nicht. Empfinden Sie für sich selbst Mitgefühl, Geduld und Liebe. Das macht es auch leichter, fehlerhafte Entscheidungen zu revidieren. Was trägt, wenn Unvollkommenheit der Weg ist? Folgende Fragen helfen Ihnen, Ihre Prioritäten zu finden und zu setzen: –– Was ist mir wichtig? –– Auf was konzentriere ich mich? –– Was tut mir gut? –– Was tue ich dazu? Achten Sie darauf, wie Sie sich wann fühlen, versuchen Sie auch in stressigen Situationen präsent zu bleiben, sich zu erden und darauf zu achten, was Sie Positives wahrnehmen, was gut gelingt und wofür Sie dankbar sein können. Denken Sie in einer ruhigen Minute einmal an die Fehler und Unvollkommenheiten, die trotzdem zu einem glücklichen oder günstigen Ergebnis geführt haben. Sie sehen: So, wie Sie sind, sind Sie grundsätzlich richtig!
Unabänderliches akzeptieren Daran hatten Sie lange gearbeitet, sich reingekniet, Ihre ganze Kompetenz und Überzeugungskraft in die Waagschale geworfen: Die begabte junge Kollegin, die gerade ihre Leitungsweiterbildung abgeschlossen hatte und nun nach und nach in Ihre Stellvertretung hineinwachsen sollte, wird der Liebe wegen nach langem Ringen mit sich selbst und vielen Gesprächen mit Ihnen nun doch die Region und damit Ihren Dienst verlassen: Aus der Traum! Fast jeder von uns macht einmal die Erfahrung, dass sein Kampf für oder gegen etwas aus irrtümlichen Annahmen und Erwartungen entstanden ist, aus falschen Träumen, aus Vorstellungen, die zerplatzen, an denen wir – vielleicht zu lange – festgehalten haben. Ob es um die erträumte Kooperation mit einem anderen Dienst oder um andere Planungen und Ziele geht, die sich zerschlagen, die wachsende Einsicht in die Aussichtslosigkeit des Vorhabens ist purer Stress. Es scheint, als sei plötzlich alles infrage gestellt. Ein Horrorszenario! Manchmal kommt der Schlag auch ganz von außen: Wenn grundsätzliche Rahmenbedingungen sich plötzlich ändern – der Träger wechselt, eine Reorganisation macht Ihre sorgfältig gezimmerten Pläne zunichte. Klar ist: Widerstand zwecklos! In diesen Situationen hilft nur eins: durchatmen, die Realität anschauen, die Situation akzeptieren und versuchen, das Beste daraus zu machen. Vielleicht hilft das folgende
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Erfolgreich Führen und Leiten
Gebet: „Herr, lehre mich, Dinge zu verändern, die verändert werden müssen, Dinge zu akzeptieren, die ich nicht verändern kann, und das eine vom anderen zu unterscheiden.“
Mit kühlem Kopf: Souverän mit den Hüten jonglieren Typisch für die Leitung in der Pflege ist es, dass Sie in der Regel nicht für ihre Managementfunktion freigestellt werden, sondern auch in die direkten praktischen Aufgaben mit den Gästen und Klienten involviert sind. Sie müssen also permanent Ihre Rollen (Hüte) wechseln: Mal sind Sie die Organisationsverantwortliche, mal das reflektierende Gegenüber, dann die Mitarbeiterin in der Küche und im kreativen Tun. Teil des Teams zu sein und gleichzeitig dessen Leitung, das führt zu Abgrenzungsproblemen. Die Folge: Missverständnisse, Durchsetzungsschwierigkeiten, Zeitknappheit und Verzettelung. Um nicht anzuecken, formulieren Sie Entscheidungen und Botschaften in super-soften (Frage-) Formulierungen wie: „Wäre es nicht sinnvoller, das oder das zu tun? Könntest du mal bitte ...?“ Diese Sätze sollen höflich klingen, wirken aber unsicher, vage und unbestimmt. Sie laden geradezu dazu ein, infrage gestellt zu werden. Ist der Widerstand erst einmal da, fällt es unsagbar schwer „nein“ zu sagen. Gehen Sie die Sache anders an: Tragen Sie die notwendigen Hüte mit kühlem Kopf und sehr bewusst. Es helfen Ihnen Achtsamkeit, eine klare, konkrete und freundliche Sprache, Ihre Haltung und gute Planung: Sie (und niemand anders) legen fest, wann Sie was in welchem Verständnis tun! Gleichgültig, ob Sie die Spülmaschine ausräumen, Frühlingslieder singen oder Verträge schließen: Unter dem Hut – egal wie bunt er ist – sitzt immer Ihr Kopf und der leitet das Team und Ihre kleine Firma. Bewegen Sie sich konsequent auf der Erfolgsspur des Managements: bewusst, selbstgesteuert und reflektiert abwägend, wie viel Zeit und Kraft Sie in welches Projekt stecken. Das ist Ihr Geheimnis und das Ihres Erfolgs: innere Gelassenheit und Selbstbewusstsein.
1.1.2 Unsere Teams als Spiegelbild der Gesellschaft Unsere Gesellschaft befindet sich in einer unruhigen Phase. Wahrnehmbar ist eine wachsende Unterschiedlichkeit von Gruppen und Milieus: Diversität. Sie geht mit einer von vielen beschriebenen Wertekrise einher. Die Gegensätze sind stärker, der Ton rauer, Populisten verschaffen sich Gehör.
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Auch in puncto Mitarbeiter- und Teamsituation gilt es für Sie als PDL, die Realität und das im Moment Unveränderliche anzunehmen, ohne romantisierend in frühere Zeiten zu schauen und zu resignieren: Die heile Welt des „Unhinterfragt-für-einanderEinstehens“, des fast wortlosen Verständnisses für die gemeinsame Aufgabe, des gemeinsamen Wollens ist vorüber. Denn: Auch in unseren Teams finden sich nicht wenige Mitarbeiter mit fehlenden Wurzeln, psychischer Instabilität, starken Stimmungs- und Tagesformschwankungen und herausfordernden Beziehungen/instabilen Bindungen. Das ist soziologisch erklärbar: Pflegemitarbeiter stammen aus der schrumpfenden unteren Mittelschicht oder oberen Unterschicht, die an ihren Rändern immer bedroht ist vom Abstieg ins Prekariat. Hier hat sich das Gefühl, „irgendwie bedroht, betrogen, benachteiligt und abgewertet“ zu sein, breitgemacht. Gerade in der Generation Y, die durchaus fachlich kompetent und im Grunde intrinsisch motiviert ist, gibt es zunehmend Menschen mit Misstrauen, Neidphänomenen, Wut und Zukunftsangst. Und so ist es durchaus verständlich, dass zum Abschalten und Entspannen – oder auch einfach im Hintergrund des Wohnens mitlaufend – stark die Bilder und Serien des Privatfernsehens dazugehören: Geld spielt hier keine Rolle, Aussehen, vielfältige Selbstverschönerung, teure ständig wechselnde trendige Outfits, Konkurrenz um Partner und starke Sexualisierung der Lebensinhalte sind zentral. Sie dominieren die oft durch negative Emotionen geprägten Dialoge. Ziel des Sozialverhaltens in dieser Flimmerwelt ist die Darstellung des eignen Selbst und das Ringen um den eigenen Vorteil. Beziehungen werden erst spannend, wenn sie dramatisch dargestellt werden können, wenn einzelne Helden als Retter von Menschen oder Tieren auftreten. Mit dem normalen Alltag unseres Lebens und seinen kontinuierlichen Anforderungen, kleinen Freuden, die sich aus gegenseitiger Bindung und Verantwortung ergeben, hat das wenig zu tun. Dieser erscheint (im Verhältnis zur Medienwelt) den sich eh oft überfordert fühlenden, eher instabilen Personen als unzumutbar anstrengend, unattraktiv, kompliziert und nicht zu bewältigen. Sie haben das Gefühl, nicht wirklich am richtigen Ort und im passenden Leben zu sein, können sich wenig über das freuen, was ist, und sind latent unzufrieden mit dem, was man sich mit seinen Möglichkeiten erlauben kann. Das alles macht sich auch im Hintergrund in den Teams unserer Dienste bemerkbar. Zum Glück sind diese Schwierigkeiten nicht immer da und nicht immer vorherrschend – jedoch real wirksam. Sie sollten diese Faktoren im Blick haben und entsprechend nie-
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Erfolgreich Führen und Leiten
derschwellig und sorgfältig an Bindekräften stärken, was geht – Ihre Mitarbeiter haben es verdient. Als PDL sind Sie in jedem Fall gefordert, die vielfältigen unterschiedlichen Vorstellungen, Wünsche und Prägungen so mit den gemeinsamen Zielen, Aufgaben und Anforderungen zu verweben, dass gemeinsam erlebter Erfolg entstehen kann.
1.1.3 Neue Mitarbeiter integrieren – Führungs- und Teamaufgabe Häufige Mitarbeiterwechsel sorgen für Unruhe. Jeder Wechsel stellt das gewohnte Beziehungsnetz mit seinen Sicherheiten infrage. Erschwerend kommt hinzu: Durch die allgemein geringere Auswahl an Bewerbern – gerade im Fachkräftebereich – gelangen vermehrt Personen in den Einarbeitungsprozess, die nicht in allen Punkten Ihre Anforderungen und Erwartungen erfüllen. Damit sieht sich ein bereits an den Grenzen der Belastungsfähigkeit agierendes Team (inklusive Ihnen) vor der Aufgabe, Personen zu integrieren, die nicht den eigenen Idealen entsprechen.
Einarbeitung ist Teamwork Je versierter, identifizierter und qualifizierter Ihr Team ist, umso unwilliger wird es bei Neueinsteigern Abstriche in Wissen und Können dulden. Deshalb: Binden Sie Ihr Team von Anfang an ein – informativ und operativ. Folgende Fragen stellen sich hier: –– Wie viel Individualität des Neueinsteigers verträgt die gemeinsame Aufgabe? –– Wie viel Struktur und wie viel Einheitlichkeit sind notwendig? –– Wo findet jeder seinen Platz, an dem er wirksam sein kann? –– Wie bekommt die neue Person ihren speziellen Platz, an dem sie sich gebraucht und wichtig fühlt? –– Wer rückt wie zur Seite, wer unterstützt, befähigt? –– Wie weist das neue Mitglied nach, dass es für das Team wichtig ist? Anforderungen anpassen –– Schenken Sie Ihrem Team reinen Wein zur Lage am Fachkräftemarkt ein. Priorisieren Sie in Abstimmung mit der Einarbeitungsverantwortlichen (ggf. Pate) die An-
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forderungen des Stellenprofils an den Neueinsteiger von „unbedingt erforderlich“ über „erforderlich“ zu „wünschenswert“. –– Nutzen Sie die Synergieeffekte Ihres bunten Teams, setzen Sie Mitglieder nach ihren Stärken in Bezug auf die Begleitung des neuen Mitgliedes ein und koordinieren Sie unterschiedliche Perspektiven sinnvoll. Einarbeitung eng steuern In Zusammenarbeit mit der Einarbeitungsverantwortlichen motivieren Sie das Team dazu, eine individuell angepasste, möglicherweise kleinteilige Schrittfolge mit häufigen Rückmeldeschleifen zu den Prioritäten und zum Stand der Entwicklung einzuplanen. Vorschnelle Urteile vermeiden Es ist wichtig, sich den neuen Kollegen richtig anzuschauen, ihm zuzuhören, ihn in seiner Andersartigkeit zu sehen, zu achten und es auszuhalten, vorerst noch nicht jedes Verhalten zu verstehen. Zeigen Sie Interesse an ihm. Er wird sehr genau registrieren, ob er Aufmerksamkeit erhält und unterstützt wird, ob sich die Verantwortlichen Gedanken darüber gemacht haben, dass er gut aufgenommen wird. Kompetenz aufbauen Achten Sie gemeinsam darauf, ob der neue Mitarbeiter Fortschritte macht und wie er sich entwickelt. Ermöglichen Sie ihm, Wissenslücken aufzufüllen. Achten Sie auf Motivation, Korrekturbereitschaft und Engagement. Ziel ist es, im weiteren Verlauf der Einarbeitung die Übernahme von Verantwortung zu stärken und den Mitarbeiter mit seinen Kompetenzen sinnvoll und zielführend ins Team einzugliedern.
TIPP Auch das gehört zur wertschätzenden Einarbeitung: Der Wert kleiner (eigentlich selbstverständlicher, aber oft im Eifer des Gefechts vernachlässigter) Gesten ist nicht zu unterschätzen: der bereitgestellte zusätzliche Stuhl, das vorbereitete Namensschild für das Shirt, die liebevoll beschriftete Informationsoder Einsatzmappe, der Tipp, wie man an einen Kaffee kommt, wie die Brötchenbestellung funktioniert etc.
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Erfolgreich Führen und Leiten
Hop oder top – die Stunde der Wahrheit Die Probezeit ist eine Chance für beide Beteiligten, sich zu prüfen. Gegen Ende der Einarbeitung schlägt die Stunde der Wahrheit und Sie müssen entscheiden. Das tun Sie auf Basis von Fakten (kognitiv), aber auch nach Bauchgefühl (emotional). Nehmen Sie auftretende Zweifel ernst und entscheiden Sie sich eher für eine Trennung, bevor Sie später viel Energie für einen Mitarbeiter aufwenden, der fachlich oder persönlich nicht gut in Ihr Team passt. Faule Kompromisse rächen sich – früher oder später.
1.1.4 Stärken Sie, was gut läuft! Wahrnehmen, ohne gleich zu werten Das können Sie aus dem Effeff: Probleme einschätzen, klassifizieren und bewerten. Prima! Und das ist notwendig, wenn Sie am Unfallort sind – jedoch nicht nützlich, wenn es darum geht, bei Ihren Mitarbeitern nachhaltig Stärken zu stärken und darüber Potenziale zu entfalten. Verlassen Sie die gewohnten Bahnen Ihrer Wahrnehmungsroutine: 1. Wechseln Sie ganz bewusst Ihre Blickrichtung auf positive Situationen, auf kleine Veränderungen und Erfolge, auf Trends und echte Verbesserungen. 2. Enthalten Sie sich jeder unmittelbaren Wertung, denn diese verhindert eine umfassende Sicht auf die Situation und bremst bereits in Ihrer Wahrnehmung Entwicklungsmöglichkeiten aus. Versuchen Sie stattdessen einen annehmenden inneren Dialog. Nehmen Sie wahr, was ist, und beschreiben Sie es. Ohne den routinierten Wertungsfilter entdecken wir mehr Eigenschaften und Möglichkeiten an unserem Gegenüber. Selbst dann, wenn diese Person uns vertraut ist, können sich hier neue Betrachtungsweisen und damit neue Entwicklungsmöglichkeiten ergeben. Schalten Sie in den Frage-Modus. Damit stärken Sie das Positive, die sozialen Bindekräfte, schaffen eine entspannte Situation und ermöglichen das Wachsenkönnen. Also nicht: „Logisch: Erika* ist schon wieder genervt. Ich kann machen, was ich will, nie ist sie zufrieden. Immer hängt sie an den alten Zeiten fest und kann sich nicht auf Veränderungen einstellen.“ Stattdessen: Wahrnehmen und gegebenenfalls nachfragen.
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Signaturstärken erkennen und nutzen Signaturstärken sind jene Stärken, die für einen Menschen typisch sind (wie seine Unterschrift) und deren Ausübung er als erfüllend empfindet. In der nicht-wertenden Wahrnehmung erspüren Sie vielleicht, dass Erika* in ihrem „Immer-so-Modus“ genau das tut, was viele Ihrer Klienten dringend brauchen: Die immer gleichen Abläufe, Dialoge und Vorgehensweisen geben ihnen Sicherheit. Erika* ist absolut zuverlässig und hat Beharrungsvermögen. Sie finden diese Eigenschaften selbstverständlich? Sind sie nicht. Stellen Sie sich vor, was es für Ihre Führungsarbeit bedeuten würde, wenn sie fehlten! Und mit dieser Erkenntnis wächst Ihr Respekt vor Erika*. Sie sprechen sie anders an, stärken ihre Stärken und wählen bei Veränderungsbedarf gezielt nur die Punkte aus, die sie wirklich angehen muss, statt sie mit einem Strauß bunter neuer Ideen zur Weiterentwicklung ihrer Arbeit zu konfrontieren. Eine zukunftsleitende Frage an Erika* könnte beispielsweise lauten: „Wie können Sie Ihre Stärken, die Ihnen so vertrauensvolle Patientenbegegnungen ermöglichen, einsetzen, um notwendige Veränderungen zu bewältigen?“ Vorwürfe und Schuldzuweisungen sind tabu, selbst dann, wenn Erika* schon vor längerer Zeit versprochen hat, sich in der Dekubitusprophylaxe am aktualisierten Pflegestandard zu orientieren. Intervenieren Sie anerkennend in etwa so: „Seit zwei Monaten sind Sie aktiv, verschiedene Elemente des Standards umzusetzen. Trotzdem hat es insgesamt nicht ausreichend funktioniert. Was brauchen Sie/was kann ich tun, damit es noch besser funktioniert?“
Unterstützen, nicht übernehmen! Vorgesetzte, die die Probleme ihrer Mitarbeiter lösen, bewirken damit oft unbewusst eine Kettenreaktion: 1. Sie übernehmen die Verantwortung, die beim Mitarbeiter liegt. 2. Die Mitarbeiter stellen daraufhin notwendige Lernprozesse ein und entwickeln sich zurück. 3. Die Führungsperson hat nun nicht nur deren Aufgaben am Bein, sondern auch eine Mitarbeitergruppe, die ein hilfloses Opfer-Image pflegt. Machen Sie es besser! Lassen Sie die Verantwortung bei Ihren Mitarbeitern. Damit geben Sie Raum zur persönlichen Entwicklung: –– Bitten Sie Ihre Mitarbeiter, mindestens zwei mögliche Lösungen zu erarbeiten und vorzustellen. –– Hören Sie zu, halten Sie sich zurück.
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Erfolgreich Führen und Leiten
–– Unterstützen Sie durch gezielte Fragen und lassen Sie sie Vor- und Nachteile der Ideen gegeneinander abwägen. Hilfestellung, die nicht die Lösung des Problems liefert, sondern aufzeigt, wie man dorthin kommt, ist natürlich erlaubt und notwendig. Machen Sie Ihre Mitarbeiter mit dem entsprechenden Instrumentarium vertraut, z. B. mit dem „Alternativrad“. Sabine Asgodom (2012) schlägt folgendes Vorgehen vor: –– Auf ein Blatt Papier lassen Sie Ihr Gegenüber das Thema (z. B. „Das Team stärken“) in einen Kreis schreiben und von diesem Kreis ausgehend mindestens zehn Speichen wie bei einem Rad zeichnen. An die erste kommt: „Alles bleibt wie es ist“, und an jede weitere eine andere Möglichkeit. Alle Ideen zum Thema haben Platz, auch die lustigen und verrückten. –– Jetzt rückt die Bewertung in den Fokus: Gefällt mir von „superklasse“ bis „gar nicht“. Hier vergeben Sie 1 bis 10 Punkte in der Reihenfolge des Gefallens. –– Auswertung: Welche Möglichkeit ist Tagessieger? Gibt es mehrere? Widersprüche? Möglichkeiten des Zusammenfassens? –– Nun kommt die Praktikabilität ins Spiel: Prüfen Sie die Top-Ideen auf Realisierbarkeit, z. B. „Was muss ich tun, um …?“, „Was würde es bedeuten, wenn …?“ Manchmal scheint keine Idee richtig attraktiv zu sein. Das bedeutet: Weitermachen, bis eine bessere Idee kommt. Manchmal tritt hervor, was schon lange im Hinterkopf schlummerte, z. B. „Stärken aller Teammitglieder für alle deutlich werden lassen und damit die Zusammenarbeit festigen“. Die Ergebnisse können Sie für Ihr gesamtes Team nutzen: –– Nutzen Sie ca. 45 Minuten einer Dienstbesprechung, um auf einer Landkarte die Anforderungen, Entwicklungen und Erfolge der letzten Monate einzuzeichnen und dabei (wie nebenbei) die Stärken der einzelnen Teammitglieder zur Sprache zu bringen. Heben Sie hervor, wer was zum Gelingen beigetragen hat und wie sich die verschiedenen Stärken gewinnbringend ergänzen. Anschließend kennzeichnen Sie mit roten Bändern, wo sich die Stärken komplementär ergänzen und so wie zufällig ein Netz entsteht, das trägt. –– Legen Sie sich zum Schluss Ihre To-do-Liste an: Welche Informationen fehlen Ihnen noch? Worauf wollen Sie verstärkt achten, um Ergänzungsmöglichkeiten zu erkennen?
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1.2 Mitarbeiter gewinnen – Mitarbeiter halten „Wir haben schon seit Monaten keine neue Bewerbung mehr erhalten. Und dann gehen in drei Monaten noch zwei Mitarbeiter in den Ruhestand.“ „Fünf neue, geeignete Mitarbeiter in sechs Monaten gefunden? Glaube ich nicht. Wie macht der Pflegedienst das?“ „Wir haben weiterhin keine Probleme, Bewerbungen zu erhalten! Wir bieten gute Rahmenbedingungen und Angebote für unsere Mitarbeiter.“ Solche oder ähnliche gegensätzliche Aussagen und Fragen erhalten wir in unseren Seminaren und Beratungen, teils verzweifelt und resignierend, teils selbstbewusst und motivierend. Beides ist Realität in Deutschland. Der Unterschied in der Praxis und im Alltag besteht nicht darin, ob es inhabergeführte Pflegedienste oder die von Wohlfahrtsverbänden sind, sondern wie differenziert Unternehmen und Führungsebenen die Mitarbeiter ansprechen und sehen, mit ihnen kommunizieren und sie behandeln und führen. Da sich der Arbeitsmarkt „gedreht“ hat, weil Fachkräftemangel herrscht, sind herkömmliche Stellenausschreibungen und Bewerbungsverfahren oftmals nicht mehr effektiv und zukunftsfähig. Spontane Anfragen von Interessenten über E-Mail oder Telefon oder ein Besuch im Pflegedienst müssen nicht formell, sondern ebenso kurzfristig beantwortet werden – sonst ist der Interessent weg und an einen anderen Pflegedienst verloren. Was benötigen Sie tatsächlich im Rahmen eines ersten kurzen Telefonats: Eigentlich nur den Namen, die Handy-Nummer, die E-Mail-Adresse, die Adresse und die Qualifikation. Wenn Sie später als zwei Tage auf eine E-Mail-Anfrage antworten, sind Sie und Ihr Dienst „out“. Wie berichtete vor Kurzem eine Pflegedienstleitung: „Gestern Nachmittag habe ich einen Anruf von einer interessierten Fachkraft erhalten. Heute Vormittag haben wir uns getroffen. Ich halte die Fachkraft für unseren Dienst persönlich und fachlich geeignet. Für Montag ist ein Probetag vereinbart. Am Ende des Probetages wird der Arbeitsvertrag unterschrieben, sofern der Tag für beide Seiten positiv war.“ Mitarbeiter gewinnen, bedeutet, alle Möglichkeiten zu nutzen, die Ihnen zu Verfügung stehen. „Ich brauche keine Homepage, ich bekomme auch so genügend Anfragen von Patienten“ war die Aussage einer Inhaberin und Pflegedienstleitung vor einigen Tagen bei einem Seminar. Für die Patienten wird vielleicht eine Homepage nicht
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benötigt, aber für die Angehörigen sicherlich und erst recht für mögliche interessierte Arbeitnehmer. Viele ambulante Pflegedienste und Tagespflegen haben Accounts auf Facebook oder anderen Plattformen und berichten über diese Plattformen regelmäßig von Aktivitäten oder Planungen oder Besonderheiten. Das ist nicht nur für Patienten oder Gäste und deren Angehörige interessant, sondern auch für potenzielle Mitarbeiter, die diesen Dienst oder diese Einrichtung als zeitgemäß wahrnehmen. Die Nutzung von sozialen Medien ist heute ein Muss für ein zukunftsfähiges Personalmanagement. Es gibt aber weitere Möglichkeiten, neue Mitarbeiter zu gewinnen: z. B. vorhandene Mitarbeiter motivieren, in ihrem Freundes- und Bekanntenkreis sich nach möglichen neuen Kollegen umzuhören. Erhalten Mitarbeiter bei Ihnen eine Honorierung ihrer Bemühungen? Warum nicht? Die 800 oder 1.000 €, die Sie für eine Zeitungsanzeige ausgeben, könnten Sie doch auch an Ihre Mitarbeiter weitergeben, oder? Gibt es ein ansprechendes Infoblatt mit wesentlichen Informationen über Ihren Pflegedienst oder Ihre Tagespflege für interessierte Mitarbeiter? Dann können Sie dies jederzeit einem Anfragenden überreichen. Und wenn Sie dies erstellt haben, sollte es auch auf der Homepage zu finden sein, ggfls. auch als Download. Seien Sie kreativ und nutzen Sie alle Möglichkeiten, um für potenzielle Mitarbeiter als interessanter Pflegedienst gesehen zu werden. Mitarbeiter sind heute individueller zu führen als in der Vergangenheit, weil ihre Lebensrealitäten, Vorstellungen, Pläne und Erwartungen differenzierter sind. „Ich muss jetzt auch noch das freie Wochenende opfern. Dann arbeite ich drei Wochenenden hintereinander.“ Wie lange wird diese Fachkraft wohl beim Pflegedienst noch bleiben, wenn es andere Pflegedienste gibt, die mit einem verlässlichen Dienstplan werben? „Ich plane zunächst 2 – 3 Jahre bei euch. Dann gehe ich vielleicht mit meinem Freund ins Ausland.“ So eine Aussage einer 28-jährigen Kraft (Generation Y). Wenn Inhaber und Leitungskräfte (besonders aus der Babyboomer-Generation) ihr Team nur über Anweisung (wie bisher) führen, werden sie vielleicht feststellen, dass sie damit bei den jüngeren Mitarbeitern oftmals Widerspruch oder immer wiederkehrende Diskussionen erzeugen und gleichzeitig sich die Kündigungsrate in der Mitarbeiterschaft erhöht. Für die Leitungsebene ist daher auch eine wichtige und interessante Frage, wie viele Mitarbeiter in den letzten 1,5 Jahren aus dem Pflegedienst durch eine Eigenkündigung ausgeschieden sind.
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Führen Sie differenziert. Betrachten Sie Ihre Mitarbeiter jeweils durch zwei Brillen: In welcher Lebensphase sind diese – und aus welcher Generation kommen sie? Kommunizieren Sie differenziert und jeweils individuell dem Mitarbeiter angepasst. Inhaber und Leitungskräfte, die offen und transparent ihre Führungsgrundsätze leben, adäquat kommunizieren, Mitarbeiter in Entwicklungen und Entscheidungsprozesse mit einbinden, aber auch deutlich machen, wo es Grenzen gibt, werden als positiv wahrgenommen – und sind für die Zukunft besser gerüstet. Variabel sein in den Möglichkeiten, veränderte Lebenssituationen der Mitarbeiter arbeitsvertraglich oder organisatorisch abzubilden, hilft der Leitung eventuell, Mitarbeiter länger zu halten. Ein Beispiel: Eine junge Mitarbeiterin zieht zu ihrem Lebenspartner in ein anderes Stadtviertel, in dem der Pflegedienst eine weitere Filiale unterhält. Der Anfahrtsweg zum bisherigen Pflegedienst verlängert sich um 20 Minuten. Die Leitungskraft bietet der Mitarbeiterin nach Kenntnisnahme dieser Wohnortveränderung von sich aus und aktiv eine Wechselmöglichkeit in die andere Filiale an mit dem Hinweis, dass die Anfahrzeit sich auf 5 Minuten reduziert. Dies stellt möglicherweise ein Gewinn von Lebensqualität dar und ist eine mögliche Option, dass ein Mitarbeiter länger beim Pflegedienst bleibt. Zufriedene Mitarbeiter wechseln seltener.
1.3 Supportive Leadership, situative Führung und neue Beteiligungsformen Die Leiterin eines Pflegeunternehmens im Rheinland beklagte kürzlich in einem persönlichen Gespräch, dass ihre Anweisungen im besten Falle als interessante Gedankenanregungen aufgenommen werden. Sie fühle sich manchmal ohnmächtig. Es existiere eine Art Lehmschicht zwischen ihr und ihren Mitarbeitern. Diese wäre einfach zu dick und irgendwie undurchdringbar. Die Mitarbeiter beklagen dieselbe Situation aus entgegengesetzter Perspektive. Sie empfinden, dass die Lehmschicht verhindere, dass ihre Vorschläge und berechtigte Kritik Gehör finden. Und sie sagen ganz klar, dass viele Entscheidungen von oben ihre Arbeit verkomplizierten, statt diese zu vereinfachen und sie zu unterstützen (vgl. Arnold, 2016). Und Sie als PDL? Sitzen Sie auch in dieser Lehmschicht fest? Lähmend umgeben von veralteten Erwartungen, starren Vorgaben und unnötigen Prozessen, die gute Führung
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erschweren? Ständig im Dampfkochtopf, angefeuert durch immer stärkeren Druck von oben und immer höheren Anforderungen und Erwartungen von unten? Ihre Handlungsmöglichkeiten empfinden Sie als eingeschränkt, viele Ihrer guten Ideen verlaufen im Sande. Und: Alle anderen wissen anscheinend besser, wie und wohin man führen soll! Statt Anerkennung für Ihr hohes persönliches und zeitliches Engagement ernten Sie vor allem eins: Kritik. Warum fühlen sich alle Beteiligten so machtlos, die Zukunft zu gestalten, wo sind Zusammenhalt, Teamgeist und Freude geblieben? Eins ist klar: Die Führungssituationen sind mit den vielen Veränderungen in unserer Gesellschaft deutlich anspruchsvoller geworden. Der Generationenwandel, das Auseinanderdriften von Schichten und Lebenslagen, Individualisierung und Digitalisierung hinterlassen ihre Spuren auch in unseren Teams. Aus den Einzelkämpfern und Subgruppen ein Team zu machen, erfordert Orientierung, Strategie und Fingerspitzengefühl. Die nächsten Kapitel sollen Ihnen als eine Art Landkarte dienen. Es gilt: Ein Team ist so erfolgreich wie seine Mitglieder, deren Zusammenspiel und die Führung und Organisation, die es umgeben. Aber Mitarbeitende sind keine homogene Gruppe, die Teams sind vielfältig und bunt. Mit unterstützender und situativer Führung (supportive leadership) nehmen Sie alle Mitarbeitenden mit, sprechen sie mit ihren unterschiedlichen Potenzialen emotional an, betrachten sie als entwicklungsfähig und schaffen persönliche Entwicklungsräume, damit sie sich unterstützend ins Team einbringen können. Was zählt, ist Vernetzung, nicht Konkurrenz.
INFO Supportive Leadership bezeichnet eine Führungshaltung, die –– –– –– –– –– –– ––
Menschen wahrnimmt (in Verbundenheit von Kognition und Emotion), Zeit in die Beziehung investiert, den Mitarbeitenden etwas zutraut, einlädt, ermutigt und inspiriert, klare Erwartungen und Ziele formuliert und ehrliche Rückmeldungen über die erbrachten Leistungen gibt.
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1.3.1 Eine kleine Reise zurück Wenn man das Gefühl hat, im Hier und Jetzt auf dem Schlauch zu stehen und nicht recht weiterzuwissen, lohnt manchmal ein Blick in die Geschichte, um sich zu verorten – in unserem Fall zur Entwicklung von Führungsstilen, Führungsverhalten und -instrumenten.
1.3.2 Führungsstile Die nachstehenden drei Führungsstile basieren auf den drei „reinen“ (d. h. idealtypischen) Formen der Herrschaft, die Max Weber (1864 – 1920) formuliert hatte. Weber stellte die Grundsatzfrage: Warum lassen sich Menschen beherrschen? Anhand der drei Gründe, die er erkannte, formulierte er drei Formen der Herrschaft: 1. Traditionale oder patrimoniale Herrschaft: Basis: Alltagsglaube an geltende Traditionen und Legitimität der durch sie Berufenen 2. Charismatische Herrschaft: Basis: Glaube an die Heiligkeit/Heldenkraft einer Person 3. Bürokratische oder rationale Herrschaft: Basis: Glaube an die Legalität bestehender Ordnung (Gesetze, Regeln, Zuständigkeiten). Die Führungslehre hat diese Grundformen aufgegriffen, hinsichtlich der Führung in Unternehmen und Organisationen modifiziert und drei grundlegende Führungsstile definiert:
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Formen: Traditionale oder patrimoniale Herrschaft Verändert: Autokratischer/patriarchalischer Führungsstil
Charismatische Herrschaft Verändert: Charismatischer Führungsstil
Bürokratische oder rationale Herrschaft Verändert: Bürokratischer Führungsstil
Grundlagen: Bedeutung: Diese beruht auf dem Alltags- ––Unumschränkte Alleinherrglauben an die geltenden Tradi- schaft tionen und der Legitimität der ––Mitarbeiter werden an Entdurch sie Berufenen. scheidungen nicht beteiligt ––Streng hierarchisch ––Unbedingter Gehorsam und Disziplin Diese beruht auf dem Glau––Starke persönliche Ausstrahben an die Heiligkeit oder lung Heldenkraft einer Person und ––In Krisenzeiten kann die chader durch sie geschaffenen rismatische Führung ZuverOrdnung. sicht vermitteln und Dinge nach vorne bringen. Diese beruht auf dem Glau––Der Führungsanspruch leitet ben an die Legalität gesetzter sich aus den bürokratischen Ordnungen (Gesetze, Regeln, Regeln ab. Die Funktion ist Zuständigkeiten). nicht an eine Person gebunden, sondern auf Zeit verliehen und übertragbar.
Heute kennen wir etwas andere Begriffe: autoritärer, kooperativer und Laissez-faireFührungsstil. Diese drei Führungsstile gehen auf Kurt Lewin, den Begründer der modernen Sozialpsychologie und dessen empirische Untersuchungen zurück. Lewin untersuchte mit seinen Mitarbeitern in den Jahren 1937 und 1938 anhand von Jungen-Gruppen die Wirkung verschiedener Führungsstile auf die Gruppenatmosphäre hinsichtlich Produktivität, Zufriedenheit, Gruppenzusammenhalt und Effizienz (Lück, Helmut E.: Kurt Lewin, Weinheim, 1996, S. 98).
Autoritärer Führungsstil
Kooperativer Führungsstil
Laissez-faire-Führungsstil
Klare Trennung: Vorgesetzter entscheidet und kontrolliert; Mitarbeiter führt aus. Mitarbeiter werden in den Entscheidungsprozess mit eingebunden, Delegation ist möglich. Fremdkontrolle wird (teilweise) durch Eigenkontrolle ersetzt. Mitarbeiter haben volle Freiheit. Entscheidung und Kontrolle liegt bei der Gruppe.
Folge: Vor- und Nachteile Distanziertes Verhältnis zum Vorgesetzten und Betrieb Besseres Verständnis über die Zusammenhänge, höhere Motivation bei den Mitarbeitern
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Die Vor- und Nachteile der drei Führungsstile: Autoritärer Führungsstil Vorteile Schnelle Handlungsfähigkeit. In Krisensituationen ist es wichtig, schnelle Entscheidungen zu treffen. Die Verantwortung ist klar.
Nachteile Die Mitarbeiter werden demotiviert und sehen keine Notwendigkeit, sich eigene Gedanken zu machen und selbst initiativ zu werden. Der Vorgesetzte wird leicht überfordert mit der Aufgabe, alles selbst entscheiden zu müssen. Fehler oder falsche Einschätzungen können die Folge sein. Ist er nicht da, geht die Arbeit nicht weiter.
Laissez-faire-Führungsstil Vorteile Da die Mitarbeiter selbstbestimmt mit einem großen Spielraum handeln, kann sich das motivierend auswirken und die Mitarbeiter können ihre persönlichen Stärken einbringen.
Nachteile Nicht jeder Mitarbeiter kann mit dem hohen Maß an Freiheit umgehen. Ohne die ordnende Hand des Vorgesetzten tritt leicht Desorientierung auf.
Kooperativer Führungsstil Vorteile Die Motivation der Mitarbeiter wird gefördert, weil die Ideen und Vorschläge der Mitarbeiter ernst genommen werden. Der Vorgesetzte wird entlastet. Das Arbeitsklima ist angenehm und fördert gute Ergebnisse.
Nachteile Es besteht die Gefahr, dass es zu keinen klaren Entscheidungen kommt. In seinem Bemühen, es allen recht zu machen, kann sich der Vorgesetzte im Ernstfall nicht durchsetzen. Darunter kann die Disziplin leiden, notwendige Entscheidungen können auf die lange Bank geschoben werden.
Die Frage stellt sich: Welches ist der richtige Führungsstil? Viele von Ihnen mögen jetzt sagen: „Das ist doch klar: der kooperative Führungsstil ist der richtige!“ Aber so einfach ist das leider nicht. Für Routinearbeiten – insbesondere unter Zeitdruck – hat die direktive Führung sehr wohl ihre Berechtigung; und zwar nicht nur im militärischen Bereich. Denken Sie nur einmal an einen Betriebsunfall: Feuer in der Küche der Tagespflege, vielleicht sogar Verletzte: In solchen Fällen ist schnelles Handeln gefragt, es gibt genaue Vorschriften, wie zu verfahren ist. Notabschaltung, Feuerwehr, Krankentransport: All das wird als Routine eingeübt und muss im Notfall hundertprozentig funktionieren. Hier wird direktiv geführt – und das ist gut so. Für lange Diskussionen und großartige neue Ideen ist dann keine Zeit. Ähnliches gilt bei einem Autounfall einer Pflegekraft in der ambulanten Pflege: Wer über-
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nimmt die Versorgung der weiteren Patienten in dieser Tour, wer informiert diese über eine Verspätung etc.? Bei kreativen Arbeiten oder individueller Hilfe für die Tagespflegegäste hingegen ist die kooperative Führung sinnvoll. Da sind meist situative Anpassungen notwendig. Arbeiten können nicht bis ins Kleinste vorausgeplant werden. Hohe Selbstständigkeit der handelnden Mitarbeiter ist besonders in der ambulanten Pflege gefragt. Die heutige Betriebswirtschaftslehre tendiert eher zum demokratischen oder kooperativen oder partnerschaftlichen Führungsstil, wobei hier auch das Aufgabengebiet mit in die Betrachtung einbezogen werden muss. Zum Beispiel ist eine demokratische Führung während eines Feuerwehreinsatzes oder bei einem Schlaganfall eines Tagespflegegastes wenig hilfreich (s. o.). Viele Konzepte und Herangehensweisen – mit ihren jeweiligen Vor- und Nachteilen: Spontan würden Sie vermutlich als Pflegedienstleitung zur kooperativen Führung tendieren, weil sie die meisten Vorteile aufweist. Neueren Überlegungen zufolge ist aber auch ein demokratischer (oder kooperativer) Führungsstil nicht als das Optimum zu bezeichnen. Vielmehr tendiert man heutzutage zur sogenannten Situativen Führung, nach der der optimale Führungsstil von der jeweiligen Situation abhängt. Wichtig ist für die Pflegedienstleitung oder Leitung einer Tagespflege das Wissen über die verschiedenen Führungsstile und deren Auswirkungen bei den Mitarbeitern.
Welches ist also der richtige Führungsstil? Bei einer Führungskraft im Pflegebereich sollte grundsätzlich als Basis der kooperative/ partnerschaftliche/partizipative Führungsstil vorherrschen. Aber mit dem Wissen über die verschiedenen Vor- und Nachteile und die sich z. T. täglich ändernden Situationen kann und muss die Leitung auch bereit sein und den Mut haben, direktiv Entscheidungen zu treffen (z. B. bei einer Evakuierung oder einer Entlassung). Daher ist die situative Führung auf der Basis des partnerschaftlichen/kooperativen/ partizipativen Führungsstils für eine Pflegedienstleitung sicherlich der richtige und zeitgemäße Ansatz. Eine kooperativ führende Leitungskraft bezieht ihre Mitarbeiter in Entscheidungsprozesse (z. B. im Rahmen der Teamsitzungen) ein. Diskussionen um die besten Lösungen sind nicht nur erlaubt, sondern erwünscht. Die Leitung gibt aber den Rahmen und die mögliche Zeit dafür vor!
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Die kooperative Führungskultur räumt den Mitarbeitern möglichst große Freiheiten und Entscheidungskompetenzen ein. Bei kooperativer Führung erläutert die Leitung Vision, Strategie und Ziele der Einrichtung und der Arbeit. Sie ist offen für Ideen und lässt sich kritisch hinterfragen. Sie bindet ein und erklärt, rechtfertigt sich aber nicht für notwendige Entscheidungen.
1.3.3 Führungsverhalten Kennen Sie den Spruch „Der Fisch stinkt vom Kopf her“? Gemeint ist damit, dass eine Einrichtung, ein Unternehmen so gut ist wie seine Führung. Wenn es im Unternehmen nicht gut läuft, die Stimmung mies ist, Mitarbeiter unzufrieden sind, kann es viele verschiedene Gründe dafür geben. Einer kann sein, dass die Leitung unklar, sprunghaft, cholerisch o. Ä. ist. Welche Eigenschaften sollten heutige Führungskräfte besitzen, damit sie ihre Einrichtung gut führen? Für uns sind es neun relevante Faktoren, eigentlich sogar Haltungen. Diese Grundlage benennen wir hier kurz und beschreiben sie in Kapitel 4 ausführlicher: 1. Entscheidungsbereitschaft Eine Leitungskraft wird vom Träger eingestellt, um eine Einrichtung zu führen. Dazu gehören auch unbequeme Entscheidungen, die eine Leitung täglich vielfach treffen muss. 2. Transparenz Eine Leitungskraft muss sich für die Entscheidungen gegenüber den Mitarbeitern nicht rechtfertigen. Sie muss aber die Entscheidungen erklären und kommunizieren können. 3. Ehrlichkeit Eine Führungskraft führt. Mit sich selbst als Person. Authentizität und Ehrlichkeit sind gefordert. 4. Offenheit Offenheit für alles Neue ist eine wichtige Grundhaltung, die es ermöglicht, dass sich ambulante Pflegedienste und Tagespflegen weiterentwickeln. 5. Positive Sicht auf die Dinge Eine positive Grundhaltung und Lebenseinstellung ist für das Führungsverständnis wichtig. Motto: „Das Glas ist halb voll.“
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6. Delegation Eine Leitungskraft muss delegieren, Leitung muss Vertrauen in die Mitarbeiter haben, Leitung muss aber auch akzeptieren, dass die Mitarbeiter es manchmal anders machen als sie selbst. 7. Partizipation Machen Sie Ideenwettbewerbe mit Ihren Mitarbeitern oder Gästen? Wer bringt neue Ideen mit zur Arbeit? Wie gehen Sie als Leitung damit um? Partizipation ist ein „Zauberwort“ für die Leitung im Umgang mit den Gästen und Mitarbeitern. 8. Kommunikation Kommunikation ist ein wesentlicher Bestandteil für ein positives und gelungenes Miteinander, wenn sie wertschätzend und aufrichtig ist. 9. Benennen Sie Ihre Führungsgrundsätze Wissen Ihre Mitarbeiter, was Ihnen wichtig ist? Führungsgrundsätze sollten transparent und bekannt sein.
1.3.4 Neue Beteiligungsformen Gute Führung sucht, findet und entfaltet Es gilt, die Kraft der Vielfalt zu nutzen, jeden Mitarbeiter mit seinen Möglichkeiten zu sehen, Potenziale zu identifizieren und in die Gestaltung des Arbeitsalltags einzubeziehen. Fachliche und persönliche, organisatorische und kommunikative Möglichkeiten sind oft im Verborgenen angelegt. Jede(r) hat etwas Eigenes, Nützliches einzubringen: entweder als aktives Können, als Wollen (= Motivation) oder dadurch, anderen den Rücken frei zu halten, den Alltag abzusichern und für Stabilität zu sorgen. Das bedeutet: Klare Potenzialorientierung, jeder Mitarbeitende soll möglichst so eingesetzt werden, dass ihm die Arbeit leichtfällt. Mitarbeitende sollen sich gegenseitig stärken und ergänzen. Bieten Sie Vernetzung statt Konkurrenz, stellen Sie Optionen bereit und ermöglichen Sie Handlungsräume, in denen Mitarbeitende positive Erfahrungen machen können. Unterschiedliche Grundbedürfnisse ausbalancieren Zwei sich teilweise widersprechende Grundbedürfnisse des Menschen sind in diesem Prozess zu berücksichtigen: das Bedürfnis nach Geborgenheit, Anerkennung und Wertschätzung und die Sehnsucht nach Aufgaben, an denen man wachsen kann, nach Autonomie und der Freiheit, etwas leisten zu dürfen. Ein Balanceakt für jede Führungskraft.
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Als unterstützende Führungsperson handeln Sie nachfolgenden Maximen: 1. Einladen Motivieren Sie auf der Gefühlsebene! Laden Sie Ihre Mitarbeitenden ein, sich auf ihre Weise auf eine (neue) Aufgabe einzulassen. Machen Sie deutlich, dass es Ihnen wichtig ist. 2. Ermutigen Vertrauen Sie, bestärken Sie Mitarbeitende auf dem richtigen Weg! 3. Inspirieren Begeistern Sie Ihr Team für die gemeinsame Sache! Begeisterung ist Dünger fürs Gehirn. Jeder kleine Sturm der Begeisterung führt dazu, dass im Hirn ein selbst erzeugtes Doping abläuft.
Mit der richtigen Haltung vorangehen Führung hat immer mit Haltung zu tun. Defizitorientierte Führung führt zu Denkblockaden und Verantwortungsvermeidung. Das Potenzial Ihrer Mitarbeitenden setzen Sie nur frei, wenn Sie auch auf der Gefühlsebene motivieren können, z. B. Mitarbeitenden durch die Art Ihres Führens und Zusammenarbeitens zuverlässig das Gefühl vermitteln, dass sie vor allem mit ihren Stärken gesehen werden und dass sie sich positiv in die Gestaltung von Zukunft und Alltag einbringen können. Als Supportive Leader sind Sie Ihren Mitarbeitenden Sparringspartner, Begleiter und Berater mit Mut zur Entscheidung. So unterstützend kann nur jemand führen, der sich selbst versteht, der seine Ängste und Ressourcen kennt und sich selbst hinterfragt, sich als Suchende(r) versteht und sich mit anderen verbunden fühlt.
Supportive Leadership fördert Selbstorganisation Die Zukunft in der Führung einer Organisation liegt in der sinnvoll und effektiv geteilten Verantwortung. Führen heißt zunehmend: Jeder muss führen, jeder muss folgen – und jeder muss wissen, wann was angebracht ist. In einer komplexen Wissensgesellschaft müssen alle führen und nach Möglichkeit mitdenken, mitgestalten und mitentscheiden. Genau dies strebt Supportive Leadership an. Die folgenden Einschätzungen und Tipps für ein neues Organisationskonzept lehnen sich an das Modell von Hermann Arnold (Wir sind Chef: Wie eine unsichtbare Revolution Unternehmen verändert, 2016) an.
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TIPP Nehmen Sie den o. a. Leitsatz von Hermann Arnold mit in Ihre nächste Teamsitzung: „Jeder muss führen, jeder muss folgen und jeder sollte wissen, wann was angebracht ist!“ Dazu soll sich das Team unter folgenden Fragestellungen austauschen: –– Wo haben wir Selbstführung in Eigenverantwortung? –– Wo führe ich andere, zum Beispiel Kollegen des Teams oder Auszubildende und Weiterbildungsteilnehmer in Anleitungssituationen? –– Wo leite ich in meiner Sandwichposition, zum Beispiel als Fachkraft? –– Wo folge ich? Wem? In welchem Sinne, mit welchem Ziel? –– Womit sind wir zufrieden? –– Wo möchten wir uns anders abstimmen und verständigen? –– Was kann leichter gehen? Wählen Sie gemeinsam Ideen aus, die Leichtigkeit und reibungslose Abläufe fördern. Greifen Sie zwei konkrete Veränderungsthemen im nächsten Quartal auf.
Selbstorganisation – Freiheit mit verbindlichen Regeln Selbstorganisation will Schritt für Schritt erlernt werden. Wie im Straßenverkehr benötigen Sie einen gemeinsam durchdachten und immer wieder mit Führungskräften und Mitarbeitern eingeübten grundlegenden Regelsatz mit funktionierenden Werkzeugen, der zu guten Ritualen führt und strikt eingehalten wird. Auch wenn zunehmende Selbststeuerung manchmal nach außen locker-flockig erscheint, gelingt sie nur mit Zusammenhalt der Führung in der Organisation, verbindlichen Vorfahrts- und Geschwindigkeitsregeln und grün-gelb-roten Ampeln! Orientierung, Klarheit und Handlungssicherheit geben Sie –– mit einem Betriebssystem, das mit seinen Organisationsregeln den Rahmen für Handlungen schafft. Es sollte beispielsweise festlegen, welche Entscheidungen durch Weisung und Kontrolle erfolgen und wie sich die Kontrolle gestaltet; –– mit einer Infrastruktur, die regelt, welche Sachen, die man machen kann, man auch machen darf; –– mit gesicherten Kompetenzen, die nach klaren Regeln erworben werden.
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Transparente Selbstkontrolle statt Fremdkontrolle Es gibt keinen Königsweg zum Erfolg. Feststehen aber die Prinzipien, ohne die die Entwicklung nicht gelingen kann: Vertrauen, Transparenz, Einbindung und Fehlertoleranz – verbunden mit einer gewissen konsequenten Unbequemlichkeit und Hartnäckigkeit. Das Betriebssystem weiterzuentwickeln heißt für Ihre Praxis, dass Sie Kontrolle verändern, indem Sie Fremdkontrolle mehr und mehr durch auf Teamebene transparente Selbstkontrolle ergänzen und ersetzen. Klar ist aber auch: Anordnung und Kontrolle sind per se nicht schlecht! Als Vorgesetzte müssen Sie sich nicht durch Konsens-Entscheidungen um jeden Preis lähmen. Das sich selbst steuernde Team ist nicht das allein selig machende Ziel. Und Mitarbeiter müssen nicht in alle Fragen eingebunden werden. Stattdessen ist immer eine differenzierte Sichtweise mit Würdigung der Einzelanforderung gefragt!
Selbstkontrolle nach dem Smiley-Prinzip Eine einfache und wirksame Methode ist das Smiley-Prinzip aus dem Straßenverkehr. Wir kennen alle die kontinuierliche Temporückmeldung durch unterschiedliche Smileys. Ihr Effekt: Obwohl es keine Strafe gibt, wenn man an den entsprechenden Stellen zu schnell fährt, werden alle Autofahrer deutlich langsamer. Offenbar wollen wir Lob durch das lächelnde Gesicht erhalten. Nicht zuletzt auch, weil die Rückmeldung öffentlich und für andere sichtbar ist. Übertragen Sie dieses Prinzip auf Ihre Praxis. Setzen sie es z. B. bei qualitätsentscheidenden Routinen wie Pflegeprozess und Pflegevisitenüberprüfungen ein. Hier verfügen Sie über bereits festgelegte und messbare Merkmale. Diese könnten um positive Indikatoren für gute Praxis nach dem Prinzip des lächelnden Smileys ergänzt, in Selbstevaluation und kollegialer Beratung durchgeführt und dann per EDV auf Teamebene sichtbar gemacht werden. Der Lerneffekt: Ich kann mich nicht durchwursteln und werde, wenn ich Dinge richtig mache, positiv von anderen wahrgenommen! Diese Methode ist transparent und im positiven Sinne leistungssteigernd. Auch wenn auf dem Weg zur Selbstorganisation Fehler wie zum Beispiel Fehleinschätzungen von Situationen oder Befugnissen vorkommen, dürfen Sie keinesfalls in alte Führungsmuster zurückfallen. Besser wird man durch Praxis und Rückmeldung. Das gilt auch bei der Entwicklung Ihres Teams zu mehr Selbstverantwortung. Investieren Sie viel Aufmerksamkeit in die Befähigung der Mitarbeiter – wie ein Fahrschullehrer, der im Tandemprinzip den Schü-
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ler über das Können (Wahrnehmen, Beurteilen, Handeln) hin zum Dürfen (Fahrerlaubnis) führt.
TIPP So erkennen Sie, wie die Mitarbeiter den Grad an Steuerung erleben und wo Sie in Richtung Selbststeuerung stehen. Schätzen Sie auf einer Skala von 0 bis 10 ein: Wir sind eine Organisation, –– die Mitarbeiter stark steuert (0 bis 10) in der Mitarbeiter selbstorganisiert agieren. 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 Bitte begründen Sie kurz Ihre Einschätzung – auch gern an typischen Beispielen. –– in dem Mitarbeiter stark ausführend sind (0 bis 10) eigenständig gestaltend wirksam sind. 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 Bitte begründen Sie kurz Ihre Einschätzung – auch gern an typischen Beispielen. Bitte befragen Sie hierzu Ihre Teams und schon entsteht ein differenziertes Bild der Wirklichkeit, mit dem weitergearbeitet werden kann! Werten Sie diese Einschätzung aus und überlegen Sie, wie die nächsten Schritte zu mehr Eigenverantwortung gezielt aussehen könnten und welche Vorteile es in Ihrem Fachbereich hätte.
1.4 Vision – Ziele – Strategien Was ist Ihre Vision? Was Ihre Planung für die nächsten Jahre? Was sind Ihre langfristigen Ziele, was Ihre mittel- und kurzfristigen? Was sind aktuelle Themen, die Sie bearbeiten? Wie, mit wem und womit wollen Sie diese erreichen? Wenn wir Ihre Mitarbeiter nach der Vision und den Zielen Ihres Pflegedienstes oder Pflegeunternehmens befragen würden, könnten diese uns darauf Antworten geben? In unseren Beratungen hören wir häufig auf diese oder inhaltlich ähnliche Fragen folgende Antworten: „Wir haben so viel mit dem Alltag zu tun“ oder „Darüber habe ich
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mir mal vor Jahren Gedanken gemacht“ oder „Keine Ahnung, ob meine Mitarbeiter dies beantworten können“. Eine wichtige Grundlage jedes Unternehmens sind seine Vision und Mission, seine Ziele und seine Strategien – und im Sinne zukünftigen Personalmanagements, dass die Mitarbeiterschaft diese kennen und mittragen.
1.4.1 Begriffsdefinitionen Vision (lat. Visio für „Anblick, Erscheinung“) steht für eine Leitidee, das innere Bild einer Vorstellung, die meistens auf die Zukunft bezogen ist und die langfristige Ausrichtung eines Unternehmens beschreibt. Eine Vision ist anders ausgedrückt die motivierende, positivformulierte Vorstellung der Perspektive, die Sie mit Ihrem Dienst erreichen wollen. Mit der Vision benennen Sie die Richtung, in die sich Ihr Dienst entwickeln soll. Die Vision drückt aus, wo und wofür Sie in der Zukunft stehen wollen. Dieses Zukunftsbild beschreibt die Einzigartigkeit des Dienstes und gibt ihm dadurch eine Profilierung. Für die Mitarbeiter zeigt die Vision Sinn und Nutzen ihres Handels auf und ist dadurch sinnstiftend. Eine Vision muss von den Mitarbeitern angenommen und gelebt werden und sie dazu anregen, auf die Erreichung des Zukunftsbilds hinzuwirken. Unter Mission (lateinisch missio „Sendung, Auftrag“) wird der wesentliche Zweck oder der Auftrag, den das Unternehmen verfolgt, beschrieben. Sie sagt, warum das Unternehmen oder ein Pflegedienst existiert und was der Dienst für seine Kunden, Mitarbeiter oder Partner sein will. Oft wird die Mission auch als Unternehmensgrundsätze oder -leitlinie bezeichnet. Sie hat überwiegend eine Kommunikationsfunktion. Ein ambulanter Pflegedienst im Ruhrgebiet hatte als Vision für alle sichtbar im Eingangsbereich groß an die Wand gemalt: Wir sind die Nummer 1 der ambulanten Pflege in … (Ort). Ziele (lateinisch finis) sind Aussagen über angestrebte Zustände in der Zukunft, die durch entsprechendes („zielorientiertes“) menschliches Verhalten erreicht werden sollen. (Strategische) Ziele stellen eine Konkretisierung der Vision/Mission dar. Sie haben grundlegenden Charakter und geben die Rahmenbedingungen für das Handeln der Organisation vor. An ihnen lässt sich der Erfolg des Unternehmens messen. Ein strategisches Ziel ist zum Beispiel: „Unser Pflegedienst gehört zu den TOP 3 Pflegediensten in der Region.“ Es wird also hier als strategisches Ziel seine mittel- oder langfristig geplante Marktposition formuliert.
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Ziele und deren Erreichung sollten weiterhin unterschieden werden in langfristig, mittel- und kurzfristig. Langfristige Ziele sind so etwas wie „rote Linien“, die sich über viele Jahre konstant durch das Unternehmen ziehen. Beispiele für langfristige Ziele sind: inhaltlich dauerhaft gute Pflegequalität mit internen Audit- bzw. MDK-Ergebnissen mit einer Gesamtnote von 2,5 oder besser; wirtschaftliche Stabilität mit einem Überschuss von mind. xx % (abhängig vom Träger). Mittelfristige Ziele sind Ziele, die in einem Zeithorizont von ca. 2 – 4 Jahren erreicht werden können. Als Beispiele sei genannt: Alle stellv. Pflegedienstleitungen/Teamleitungen haben die PDL-Qualifikation erworben oder fünf Fachkräfte haben eine Palliativ-Zusatzqualifikation erworben. Kurzfristige Ziele sollten innerhalb von 12 – 18 Monate erreichbar sein. Beispiele: Die Einführung von einer aktuellen Software mit MDAs für die Mitarbeiter, um die derzeitigen vielen Eintragungen per Hand zu verringern und Arbeitszeit mit Dokumentationsarbeiten einzusparen, oder die Durchführung einer Kundenbefragung, um die Zufriedenheit der Patienten mit der Leistungserbringung abzufragen, aber auch, um Anregungen und Wünsche zu erfahren. Eine Strategie könnte man als langfristigen Maßnahmen-Plan oder -Katalog bezeichnen, der genau definiert, auf welche Art und Weise man welches Ziel wann zu erreichen gedenkt. Eine Unternehmensstrategie setzt sich demnach aus Visionen, Zielen und Maßnahmen zusammen. Wenn ein strategisches Ziel eine verbesserte Liquidität ist, dann müssen z. B. die vorhandenen Abläufe überprüft und verbessert werden, damit die Rechnungsausgänge beschleunigt und die Zahlungseingänge verkürzt werden. Wenn ein strategisches Ziel „ein höherer Umsatz pro Patient“ ist, dann muss z. B. die Beratungskompetenz der beratenden Mitarbeiter verbessert und eine Beratungsoffensive bei den bestehenden Kunden, aber auch neu anfragenden stattfinden. Wenn ein strategisches Ziel eine Verringerung der Krankenquote ist, dann muss z. B. eine Mitarbeiterbefragung durchgeführt und ausgewertet und die Kommunikation und Information der Leitungsebene verbessert werden. Hat Ihr Pflegedienst eine Vision und Ziele, die den Mitarbeitern bekannt sind? Wenn nein, beginnen Sie als Führungskräfte, Schritt für Schritt die Grundlagen für Ihren Dienst zusammenzustellen.
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1.4.2 Entwicklung der Vision, der Ziele und Strategien Es gibt zwei mögliche Wege zur Erstellung: Der Inhaber gibt eine Vision vor, die er selbst für seinen Dienst festgelegt hat (oder ein Geschäftsführer gibt dies als Vorgabe von den Gesellschaftern bekannt). Die Ziele und Strategien werden ebenfalls vorgegeben oder als Mitwirkungsmöglichkeit für die Führungskräfte formuliert. Oder der Inhaber/der Geschäftsführer formuliert oder aktualisiert zusammen mit seinen Führungskräften die Vision, die Ziele und die Strategien für den Dienst. Dies findet in der Regel in Workshops statt, die z.T. extern moderiert werden. Wichtig ist, dass am Ende eines jeden Workshops konkrete Ergebnisse und Vereinbarungen vorliegen, damit dieser Prozess als positiv und motivierend von allen Beteiligten wahrgenommen wird. Wir empfehlen den zweiten Weg der Beteiligung der Führungskräfte, da dies die für die Umsetzung im Betrieb und Alltag hilfreicher und motivierender ist. Eine Führungskraft, die an der Entwicklung der Vision und Ziele und Strategien beteiligt war, kann und wird diese in der Regel wesentlich engagierter vertreten. Wenn die inhaltliche und strategische Auseinandersetzung abgeschlossen ist, sollten jeweils alle Arbeitsergebnisse unbedingt schriftlich zusammengefasst werden. Dies dient zur Ergebnissicherung und ist gleichzeitig eine gute Basis, die formulierte Vision, die differenzierten Ziele und die geplanten Strategien mit ihren Maßnahmenschritten im Rahmen des folgenden Schrittes in der Kommunikation mit der Mitarbeiterschaft vorliegen zu haben.
1.4.3 Führungskräfte müssen Vision und Ziele leben Damit Vision und Zielsystem nicht nur formuliert, sondern auch Bestandteil des täglichen Handelns werden, müssen sie in den Alltag des Pflegeunternehmens eingehen und in der gelebten Unternehmenskultur verankert sein. Insbesondere den Führungskräften kommt hierbei eine wichtige Rolle zu. Da sich die Mitarbeiter am Verhalten ihrer Führungskräfte orientieren, ist es besonders wichtig, dass Vision und Ziele von diesen gelebt werden. Die Führungsgrundsätze, die in Kapitel 5 beispielsweise beschrieben sind, sind ein Ergebnis aus einem unternehmerischen Entwicklungsprozess. Und ein kritischer Abschlusssatz: Wenn Führungskräfte sich für Vision, Ziele und Strategien keine Zeit nehmen, kann sich ein Pflegedienst oder Pflegeunternehmen perspektivisch nicht weiterentwickeln.
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1.5 Vier Generationen in Betrieben „Da sollte Julia* (*Namen sind fiktiv) am Wochenende kurzfristig einspringen, und dann sagt sie mir ins Gesicht: ‚Da kann ich nicht. Ich habe ein Date mit Freundinnen‘. Und die Patienten? Wer soll diese versorgen? Es scheint ihr ganz egal zu sein“, so Maria*, die Pflegedienstleitung des Pflegedienstes. „In unserer Zeit gab es so etwas nicht. Pflichterfüllung geht vor. Ein ‚Date‘ kann doch wohl verschoben werden, oder?“ Kennen Sie dies vielleicht auch aus Ihrer Arbeit als Leitung eines Pflegedienstes oder einer Tagespflege? Und ärgern Sie sich auch darüber? Oder haben Sie als jüngere Pflegedienstleitung vielleicht einen älteren Inhaber, der Sie ständig, selbst abends oder am Wochenende, wegen dienstlicher Themen anruft und nicht versteht, dass dies am nächsten Arbeitstag auch geklärt werden kann? Dann ist vielleicht das folgende Kapitel besonders wichtig für Sie. In der Ausbildung zur examinierten Pflegefachkraft lernen Mitarbeiter in der Pflege, die Patienten mit ihrer jeweiligen Lebensgeschichte wahrzunehmen. Dafür wird die Biografiearbeit genutzt. Die grundsätzliche Erkenntnis lautet, dass die Patienten oder Bewohner oder Kunden individuell sind und so auch in ihrer jeweiligen Hilfe- und Pflegebedürftigkeit zu achten sind. Übertragen wir diesen u.E. richtigen Ansatz, der sich auch in den verschiedenen Qualitätsmanagementsystemen der Pflegedienste und -einrichtungen wiederfindet, auf die pflegenden und betreuenden Mitarbeiter, so bedeutet dies, dass in den Pflegediensten und Tagespflegen täglich verschiedene Mitarbeiter mit jeweils verschiedenem Alter, unterschiedlichen Hintergründen, Ausbildungen, familiären Situationen, aktuellen Freuden oder Belastungen zusammenkommen. Eine kleine Checkliste für Sie als Leitung unter der Überschrift: Was wissen Sie als Pflegedienstleitung von Ihren Mitarbeiter? finden Sie als Arbeitshilfe in Kapitel 5: a) Können Sie von jedem Mitarbeiter drei private Informationen aufschreiben? b) Wissen Sie, wann Ihre Mitarbeiter Geburtstag haben? c) Wissen Sie, wo Ihre Mitarbeiter jeweils wohnen? d) Wer von den Mitarbeitern selbst pflegebedürftige Eltern oder Angehörige zu Hause hat? e) Wer gerade neu verliebt ist oder wer in Trennung lebt? f) Bei wem das Kind vielleicht eine schwierige Phase durchmacht? g) Bei wem in der Familie eine schwere Krankheit alle belastet?
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Nicht, dass dies falsch verstanden wird: Es geht nicht darum, umfangreiche Dossiers von der Mitarbeiterschaft anzulegen. Sondern darum, die je eigenen Lebenssituationen der Mitarbeiter zu kennen, um auf diesem Hintergrund Verhalten und Reaktionen besser zu verstehen und eine für alle Seiten zufriedenstellende und wertschätzende Arbeitssituation zu schaffen. Und zur weiteren Klarstellung vorab: Mit den Mitarbeitern besteht ein arbeitsrechtliches Dienstverhältnis mit gegenseitigen Rechten und Pflichten, die sich im Dienstplan und der Erbringung der pflegerischen und betreuerischen Leistung widerspiegelt. Daher kann nicht aus diesem Buch abgeleitet werden, dass die beste Lösung ist, Mitarbeiter „in Watte“ zu packen und sich nur nach deren Wünschen und Befindlichkeiten zu richten. Im Alltag Ihrer Pflegeeinrichtung arbeiten heute oftmals 60- und 20-Jährige Hand in Hand. Eigentlich ganz normal – aber oftmals nicht unproblematisch. Denn wie in einer Großfamilie klaffen die Verhaltensmuster, Fähigkeiten, Ansichten und Erwartungen manchmal weit auseinander. Kein Wunder: Jede Generation ist geprägt von den Umständen ihrer Entwicklungszeit.
TIPP Zwei Beispiele zum Verständnis: Maria*, die Pflegedienstleitung in einem ambulanten Pflegedienst berichtet: „Immer häufiger erhalte ich von Janine* eine Krankmeldung per WhatsApp, 10 Minuten, bevor ihr Dienst beginnt. Es ginge ihr nicht gut. Sie meldet sich in den nächsten Tagen wieder. Das geht doch nicht, oder?“ Ursula*, langjährige Krankenschwester und „Stütze im Dienst“ kommt trotz Husten, Schnupfen und Heiserkeit zum Dienst in die Tagespflege. „Wenn ich nicht da bin, müssen ja andere Mitarbeiter darunter leiden und die Gäste sind nicht so gut versorgt.“ Und Ursula versteht gar nicht, dass die Pflegedienstleitung sie nach Hause schickt.
Fragen Sie sich manchmal, warum Mitarbeiter so anders reagieren oder sich anders verhalten als Sie selbst? Gibt es Mitarbeiter, die die Gäste „duzen“ und sich wundern, wenn Sie als Tagespflege-Leitung das nicht für angemessen halten?
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Haben Sie sich vielleicht auch schon an der Kasse im Supermarkt gewundert, warum Sie von einer jüngeren Verkäuferin einfach geduzt werden? Die Antwort finden Sie im nachstehenden Schaubild. Achten Sie auch mal auf die Lokalradios in Deutschland: Wie werden Sie dort angesprochen? (Antwort: In der Regel mit „Du“, weil die Zielgruppe der Lokalradios häufig Hörer im Alter von 14 – 49 Jahren umfasst.) In Unternehmen in Deutschland, so auch in Ihrem Pflegedienst oder Ihrer Tagespflege, gibt es derzeit vier Generationen von Mitarbeitern (und Sie gehören als Pflegedienstleitung selbstverständlich auch zu einer). Dabei sind die folgenden Beschreibungen nicht als „Schubladen für Menschen“, sondern als Beschreibungen von Unterschieden in Lebensansätzen, Haltungen, Umgang miteinander etc. zu verstehen. Die von der Mitarbeiter-Anzahl noch größte Generation ist die Generation der Boomers/ Babyboomer. Diese sind 1952 bis ca. 1965 geboren und heutige Mitarbeiter im Alter von ca. 54 – 65 Jahren und älter. Die Mitarbeiter zeichnen sich stark durch die verbreitete Haltung „Leben, um zu arbeiten“ aus. Eine hohe Pflichterfüllung gegenüber dem Arbeitgeber und den Patienten oder Tagespflegegästen erschwert den Mitarbeiter oft, auch mal nein zu sagen, wenn die Pflegedienstleitung wieder mal anfragt, für z. B. erkrankte Mitarbeiter einzuspringen oder Patienten wiederholt Wünsche und Forderungen (z. B. auf persönliche Betreuung „nur durch diese Schwester“) äußern. Die zweite Generation wird Generation X genannt. Diese sind ca. 1965 – 1980 geborene Mitarbeiter im derzeitigen Alter von ca. 39 – 54 Jahren. Ein gewisses Interesse an Karriere besteht; diese Generation lässt sich aber nicht allein von Geld motivieren. Neben dem Beruf ist weiterhin das Privatleben ebenso wichtig. Als Begriff dafür ist der „Wunsch nach Work-Life-Balance“ bekannt. Im Pflegealltag besteht eine gewisse Bereitschaft, auch außerplanmäßig einzuspringen oder Zusatzaufgaben durchzuführen, aber nur in begrenztem Rahmen. Die dritte Unterscheidungsgruppe in der Mitarbeiterschaft ist die Generation Y/Millennials (ca. 1980 – 1995 geboren, heutige Mitarbeiter zwischen 24 und 39 Jahren). Es sind die jüngeren Mitarbeiter in den Pflegeeinrichtungen. Man kann sie als die erste Generation beschreiben, die größtenteils in einem Umfeld von Internet und mobiler Kommunikation aufgewachsen ist. Anstelle von Status rücken die „Freude an der Arbeit“ sowie die Sinnsuche ins Zentrum ihres Lebens. Mehr Freiräume und die Möglichkeit zur
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Selbstgestaltung sowie mehr Zeit für Familie und Freizeit sind zentrale Forderungen der Generation Y. Sie will nicht mehr dem Beruf alles unterordnen, sondern fordert eine ausgeprägte Balance zwischen Beruf und Freizeit, sodass sich die Perspektive häufig in Richtung Balance zwischen Freizeit und Beruf ändert. Andererseits besteht hier Interesse am Beruf und zusätzliches Engagement, wenn der Sinn und die Wertigkeit von zusätzlichen Aufgaben oder Anfragen erkennbar sind. Die nachfolgende Generation Z (ca. 1995 – 2010) (heutige Auszubildende bzw. Berufsanfänger) wird aufgrund ihrer Bedeutung für die Zukunft und den Verhaltensweisen und Auswirkungen in der Mitarbeiterschaft ausführlicher dargestellt: Als prägende Charakteristika der Generation Z kann ein hohes Wohlstandsniveau mit der gleichzeitig verstärkten Wahrnehmung von Unsicherheit aufgrund von Globalisierungsthemen und -problemen wie Umweltschutz, Aufrüstung, Terrorismus etc. benannt werden. Weiterhin gehört zur Generation Z eine kritische Distanz zur Vergangenheit, ein pragmatischer Optimismus sowie eine sehr geringe Loyalität und Emotionalität zum Arbeitgeber. Die Loyalität gegenüber dem Arbeitgeber ist deshalb so gering, weil auch eine geringe Loyalität der Unternehmen (und Gesellschaft) z. B. bei Massenkündigungen erfahren wird. Generell handelt es sich um eine weniger materialistische Generation. Car-Sharing oder Mitfahrmöglichkeiten wie z. B. BlaBlaCar oder Drive2day sind, wenn ein Auto überhaupt notwendig ist, eher eine Option, als ein eigenes Auto (als Statussymbol) zu haben. An Führungsaufgaben besteht ein geringes Interesse. Die Generation Z mag es häufig bequem, z. B. nach einer festen Struktur von 9.00 – 17.00 Uhr zu arbeiten. Eine Abgrenzung von Arbeit und Privatleben ist stark ausgeprägt. Es zählt der Leitgedanke „Anything goes“. Sie möchte sich eine gewisse Freiheit in ihrer Arbeitszeitgestaltung bewahren, strebt aber gleichzeitig nicht nach Flexibilität. Aufgrund der kritischen Betrachtung der vorhergehenden Generationen, der gesellschaftlichen und globalen Fragestellungen und Probleme zieht sich die Generation sehr stark in ihren Privatbereich zurück. Im Gegensatz zu den früheren Generationen geht es daher nicht um Work-Life-Balance oder Work-Life-Blending (fließender Übergang von Berufs- und Privatleben), sondern eine Trennung von Work und Life. Der Sinn und die Wertigkeit der Tätigkeit haben einen hohen Stellenwert. Geregelte Arbeitszeiten, unbefristete Verträge und klar definierte Strukturen im Job werden erwartet. Und dann ist natürlich „frei“ auch „frei“.
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Erfolgreich Führen und Leiten
Ideen wie flexible Arbeitsplätze und Großraumbüros gehen nicht nur an der Generation Z vorbei, sondern stoßen eher auf Ablehnung. Vielleicht hilft auch das Bild von einer kleinen Pippi-Langstrumpf-Welt, die sich die Generation Z an ihrem Arbeitsplatz einrichtet. Waren die Babyboomer noch von der (z. T. lebenslangen) Loyalität einem Arbeitgeber gegenüber geprägt, so nimmt dieses Verhalten von Generation zu Generation ab. Generation Y und Z engagieren sich eine gewisse Zeit lang bei einem Träger und wechseln dann, um andere Erfahrungen zu machen (oder mal eine ganz andere Tätigkeit u übernehmen). Je weiter die Mitarbeiter aus den verschiedenen Generationen auseinander sind, desto wichtiger ist es, die jeweiligen Unterschiede und Besonderheiten zu kennen und zu wissen. Gerade für Leitungskräfte aus der Babyboomer-Generation ist es daher hilfreich, dies zu verstehen, um z. B. nicht jede Kündigung einer jüngeren Mitarbeiterin als persönlichen Vorwurf des schlechten Leitungsverhaltens zu interpretieren (außer, genau dieser wäre als Kündigungsgrund auch genannt worden). Als weiteres Beispiel eine vor einiger Zeit von einer jungen Mitarbeiterin (Generation Z) getätigte Aussage, nachdem sie gebeten wurde, kurzfristig am nächsten Morgen auszuhelfen, weil eine Kollegin erkrankt ist: „Morgen früh habe ich erst noch einen Friseurtermin. Danach kann ich kommen.“ Bildlich kann folgende Darstellung die vier Mitarbeitergenerationen darstellen:
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Name
Babyboomer
Generation X
Generation Y / Millennials
Generation Z
Alter
ca. 1946 – 1964 geb.
ca. 1965 – 1979 geb.
ca. 1980 – 1995 geb.
ca. 1995 – 2010 geb.
Überschrift
„die geliebte Generation“ „die verlorene Generation“
„die vernetzte Generation“
die „anything goes“Generation
Kontext
in optimistischen und positiven Zeiten aufgewachsen
–– unabhängig und selbstständig aufgewachsen, „Schlüsselkinder“ –– Erste Berufserfahrungen in Zeiten von Rezession und Neustrukturierung und Organisation. –– Erfahrung: Ein sicherer Arbeitsplatz existiert nicht.
–– fürsorgliche Eltern, überbehütete –– Gesellschaft –– Globadenkende Generation, –– deren Lebensweise –– multikulturelgeprägt ist.
–– hohes Wohlstandsniveau mit verstärkter Wahrnehmung von Unsicherheit aufgrund der Globalisierung –– technikaffiner –– selbstbewusster
Grundhaltung
–– Leben um zu arbeiten. Pflichterfüllung. –– Können schlecht „Nein“ sagen.
–– Work-Life-Balance. –– Gewisse Bereitschaft, einzuspringen aber nur im begrenzten Rahmen. –– Wenig Überstunden.
–– Life-Balance –– Gewisse Bereitschaft, einzuspringen aber nur im begrenzten Rahmen. –– Wenig Überstunden.
–– Klar definierte Strukturen im Job. –– Geregelte Arbeitszeiten. –– Unbefristete Arbeitsverträge. –– Geringe Loyalität zum Arbeitgeber.
Dienstplan
–– Patient solgut versorgt sein. –– Dienstplanung sollte verlässlich sein.
–– Patient solgut versorgt sein. –– Dienstplanung solverlässlich sein.
–– „Morgen früh habe ich erst noch einen Friseurtermin. –– Dann kann ich kommen.“
–– „Dienst ist Dienst“ und „Frei ist Frei“
Sprache
–– Sie / Ihr / Du
–– Sie / Ihr / Du
–– Sie / Ihr / Du
–– Sie/ Ihr / Du
Vorteile im Arbeitsleben
–– Dienstleistungsorientiert –– Umtriebig –– Offen für Zusatzarbeiten –– Beziehungsbegabt –– Wunsch, zu gefallen –– Teamarbeiter –– auf Arbeit konzentriert
–– Anpassungsfähig –– Selbstverständlicher Umgang mit Technologien –– Unabhängig –– Kreativ –– Auf Karriere konzentriert –– Wunsch nach Abwechselung
–– Kollektives Handeln –– Optimismus –– Hartnäckigkeit –– Fähigkeit zum Multitasking –– PC - und IT erfahren
–– Klare Absprachen/ Strukturen im Job. –– begeistert Leistungen bringen –– kreativ ausleben
Nachteile im Arbeitsleben
–– wirtschaftliches Denken ist nicht selbstverständlich –– Fühlt sich unwohl bei Konflikten –– Reagiert empfindlich auf Kritik
–– Ungeduldig –– wenig bereit, für die Arbeit Opfer zu bringen
–– Unsicher im Umgang mit schwierigen Personen –– Bedarf an Supervision und Struktur
–– Unsicherheit/Skepsis –– wenig Interesse an Führungsaufgaben –– stark Projektorientiert
Führen
–– Anordnung wird umgesetzt.
–– Anordnung muss Sinn machen.
–– Wenn Sinn erkannt ist, hohes Engagement. Freiraum wird gefordert.
–– Sinn hat einen hohen Wert. –– Freiraum wird gefordert. –– „In Twitter-Häppchen erklären“.
Abbildung 1: © Wawrik-Pflege-Consulting
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Erfolgreich Führen und Leiten
Und wie sieht Ihre Praxis als Pflegedienstleitung aus? Welche Mitarbeiter fragen Sie ggf. eher, wenn jemand zusätzlich einspringen muss? Von wem erhalten Sie eher eine Zusage ohne große Gegenwehr? Eher aus der Generation Boomers und X? Und wie gehen Sie mit Reaktionen von Mitarbeitern der Generation Y und Z um, wenn diese eine Anweisung von Ihnen erst diskutieren wollen? Die Erwartungen der Mitarbeiter aus allen Generationen an die Leitungskräfte sind u.a. durch Mitarbeiterbefragungen belegt, die viele Träger und Pflegedienste regelmäßig im Rahmen ihres Qualitätsmanagements durchführen: Die Ziele der Einrichtung zu kennen, eine offene und verbindliche Leitung in ihrer Kommunikation und Entscheidung, ein fairer Umgang miteinander, eine verlässliche und planbare Dienstplanung, keine oder wenige Überstunden, kein „aus dem Frei holen“ und erst recht nicht aus dem Urlaub, und schließlich eine fachliche und persönliche Unterstützung. Für Führungskräfte wird es in Zukunft auch wichtig sein, richtig einzuschätzen, welche Haltungen, Grundeinstellungen, Denkmuster etc. die Mitarbeiter im Team haben. Führungskräfte müssen einen Rahmen vorgeben und erklären und ggfls. Verhandlungsspielraum ermöglichen. Und sie müssen viel kleinteiliger als in der Vergangenheit erklären, erklären, erklären! Die Bedeutung der Generation Z für die Unternehmen hat noch eine andere Dimension: So wie sie den Babyboomern („ihr mit euren vielen Überstunden“), der Generation X und Y („ihr mit euren Burn-outs“) den Spiegel vorhält und sich anders verhält, so färbt dies auf die anderen Generationen ab und zurück: „Wenn die jungen Mitarbeiter nicht mehr bereit sind, einzuspringen und Überstunden zu machen, warum soll ich dies dann noch machen? „, so Reaktionen von den anderen Generationen. Eine persönliche Anmerkung: Wir glauben nicht, dass es sinnvoll ist, in Zukunft nur auf die Bedürfnisse der Generation Y und Z einzugehen. Eine mitarbeiterzentrierte Personalführung bedeutet, dass alle Mitarbeiter ihre Wünsche äußern dürfen und sollen. Eine Führungskraft darf das aber auch. Sie muss sagen können: An dieser Stelle spiele ich nicht mit. Die Generation Y und Z ist in der Regel intelligent genug, dann Kompromisse einzugehen, denn das ist die beste Art, um die gewünschte Harmonie aufrechtzuerhalten.
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1.6 Das besondere Führen von kleinen Teams Auf Kleinteiligkeit ausgelegte Organisationssysteme im ambulanten Bereich oder ein kleines Tagespflegeteam wecken bei den Beteiligten häufig (fast) Familiengefühle. Alles läuft rund: Die Zusammenarbeit geht Hand in Hand, relativ problemlos über lange Zeit. Ideal. Doch dann kommt ein neues Teammitglied hinzu oder ein dummes Missverständnis passiert – und Ihr Team gerät aus dem Gleichgewicht. Auch wenn Sie sich innerlich sperren und die Veränderung vielleicht nicht wahrhaben wollen: Eine neue Zeit ist angebrochen. Es gibt Irritationen. Je schneller Sie sich auf die veränderte Situation einstellen, umso besser. Denn: Kommunikationsprobleme und Positionsrangeleien kosten Zeit und Geld – und was häufig noch schlimmer ist: jede Menge Nerven und Lebensfreude. Mit Kenntnis der verschiedenen Teamphasen und Ihrer jeweiligen Interventionsmöglichkeiten, die Bruce Tuckman mit seiner Teamuhr beschrieben hat, führen Sie „Ihr“ Erfolgsteam nachhaltig durch seine immer wiederkehrenden Phasen. Phase 1: Kontakt oder Schnupperphase (Forming) Findet immer dann statt, wenn ein Team neu gebildet wird oder neue Teammitglieder dazukommen. Unsicherheit, ein vorsichtiges Ausloten der Situation und höfliches Herantasten an die Mitglieder kennzeichnen diese Phase. Rollen und Ziele sind noch unklar, die fachliche Leistung ist eher gering. Sie gehört theoretisch an den Teamstart, aber: Jede grundsätzliche Veränderung kann auch ein erfahrenes Team so verunsichern, dass Sie (fast) wieder von vorne starten. Ihre Aufgabe als PDL: Beachten Sie, dass alles, was am Anfang nicht geklärt wird, später zu Arbeitsbehinderungen führt! Schaffen Sie durch kleine Hilfen angenehme Startbedingungen, geben Sie Orientierung (Rahmen, Umfeld) und führen Sie wichtige Regeln ein. Intervenieren Sie vorsichtig, warten Sie ab, geben Sie Sicherheit. Investieren Sie Zeit und Aufmerksamkeit in das gemeinsame „Wieder-Tritt-Finden“. Phase 2: Konflikt oder Positionskampf (Storming) Es kommt zu Auseinandersetzungen – durchaus um Sachfragen, die jedoch auch heftig emotional ausgetragen werden – und zu unterschwelligen Konflikten. Regeln und Routinen werden hinterfragt, Schwerpunkte und Arbeitsorganisation werden ausgehandelt, Grüppchen bilden sich. Und viel Zeit wird verbraucht mit Positionsklärung: Wer steht jetzt wo? Was ändert sich gerade? Wer bildet mit wem Pärchen? Wer steht außen vor?
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Erfolgreich Führen und Leiten
Ihre Aufgabe als PDL: Klarheit, Sicherheit und Ruhe reinbringen. Unterstützen Sie die Teammitglieder, indem Sie Mission, Ziele und Auftrag genau definieren. Konflikte sind keine Krankheit, sondern die Krankheit entsteht, wenn sie nicht geregelt werden. Sorgen Sie durch Versachlichung/Regulierung der Konflikte dafür, dass die Gruppe nicht im Konflikt stecken bleibt. Treten Sie persönlichen Verletzungen konsequent entgegen. Achten Sie umsichtig auf Allparteilichkeit und Fair Play! Reflektieren Sie sich, steigen Sie nicht emotional in die Konflikte ein. Lassen Sie sich selbst nicht von Ängsten und Ärger leiten. Was Sie erleben, kann Ihrem Team einen echten Entwicklungsschub geben. Regulieren Sie die drei K: Kontrollzwang, Konfliktvermeidung und Konkurrenz. Phase 3: Kontrakt oder Strukturphase (Norming) Nach all dem Trubel sind nun die Rollen und Befugnisse klar, Prozesse und Strukturen werden gemeinsam definiert, es besteht ein offener Austausch von Meinungen. Führungspersönlichkeiten des Teams werden wirksam. Das Team stellt sich neu auf. Nach und nach versachlicht und strukturiert sich das Miteinander. Die Teammitglieder nehmen sich nach den abgeschlossenen Auseinandersetzungen und Klärungen nun differenzierter in ihren neuen Rollen wahr. Ein wenig Aufbruchstimmung macht sich breit. Ihre Aufgabe als PDL: Fördern Sie Offenheit. Achten Sie von außen auf die Feinheiten der Abstimmungen und auf das Einhalten der Qualitätsstandards, damit die positiven Emotionen nicht zur unscharfen Selbst- und Ergebnisbeurteilung führen. Beobachten Sie Potenziale und stärken Sie Kompetenzen, geben Sie Anerkennung. Sie lenken zurück zur Vision, setzen klare Meilensteine. Phase 4: Kooperation oder Leistungsphase (Performing) Das Team ist leistungsfähig, agiert flexibel, die Zusammenarbeit ist durch Kooperation und Rücksichtnahme gekennzeichnet. Führungsrollen können wechseln. Das Team ist miteinander vertraut, die Ergebnisqualität hoch. Alles greift ineinander. Es läuft. Jetzt kommt es darauf an, dass Selbstorganisation in den Vordergrund tritt. Ihre Aufgabe als PDL: Das Team machen lassen, Erfahrungen und Ergebnisse systematisch erfassen und bewerten, Individuen und ihren Einzelbeitrag im Blick behalten. Sie als Leitung achten darauf, dass alle weiterhin offen für Neuerungen sind. Und die neuen Herausforderungen für Ihr Team lassen ja oft nicht lange auf sich warten …
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So folgt oft Phase 5: Verabschiedungsphase, Auflösung, Trennung und Neuausrichtung Wenn z. B. eine Mitarbeiterin der Liebe wegen in eine andere Stadt zieht und ihre Tätigkeit bei Ihnen kündigt. Auf einmal ist die scheinbar „heile Teamwelt“ vorbei. Dies bedeutet für alle Mitarbeiter Vergangenheitsbewältigung, Trauer, Unsicherheit, Sorge, wie es weitergeht. Diese Phase durchleben auch viele temporäre Teams, deren Mitglieder nach Abschluss eines Projektes oder bei Personalwechsel wieder in neuen, veränderten Teamkonstellationen weiterarbeiten werden. Arbeitsergebnisse, Zeitpläne und Ergebnisberichte müssen aktualisiert und abgeschlossen werden. Ihre Aufgabe als PDL: Würdigung der Einmaligkeit des Einzelnen und des Teams, einen guten Abschluss finden, Ergebnissicherung gewährleisten, Auswertung, firmeninterne Veröffentlichung der Ergebnisse, Herstellen von Gültigkeit und Nachhaltigkeit. Und auch wenn es Ihnen schwerfällt: Bewahren Sie als Leitung immer das Quäntchen Abstand, das Sie brauchen, um nicht Teil der Auseinandersetzung und damit selbst zum Spielball zu werden!
1.7 Unterschiedlichkeit als Erfolgsfaktor: Potenziale aller Generationen und Kulturen nutzen Es ist nicht zu übersehen: Der demografische Wandel ist im Alltag der Häuslichen Pflege angekommen. Erfolgreiche Pflegedienstleitungen wie Sie entscheiden sich deshalb dazu, die Vielfalt der Gesellschaft anzuerkennen, die darin liegenden Potenziale wertzuschätzen und für das Unternehmen gewinnbringend einzusetzen. Die zentrale Chance besteht im systematischen Aufbau „Bunter Teams“, deren Führungsprinzip Potenzialorientierung ist. Hier heißt es, offen und sensibel danach zu schauen, was in jedem Teammitglied schlummert, wie es im Sinne der gemeinsamen Ziele wirksam werden kann, und Kooperation über Gegensätze hinweg im Sinne der Unternehmensziele zu stärken. Der US-Wissenschaftler Clayton Christensen (Brandes 2016 in: Dollinger, Fehse, Haasis 2019: 164 ff.) erklärt immer wieder, dass „Kooperation“ und „Kollaboration“ die zentralen Erfolgsfaktoren sind, um in der disruptiven Welt zu überleben. „Nutze die Kompetenzen aller deiner Mitarbeitenden“, heißt seine Kernregel. Denn den vielfältigen Bedürfnissen, Bedarfen und Anforderungen dieser Welt zu entsprechen, kann nur mit großer Vielfalt von Wissen und Erfahrung im Team gelingen. Hier liegt eindeutig die Chance Ihrer Bunten Teams! Wenn – wie bei uns im Pflegesektor – vieles, ja fast alles, von der Verfasstheit der Menschen, die in den Haushalten für
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Erfolgreich Führen und Leiten
unseren Dienst tätig sind, abhängt – von ihrer An- und Entspannung, ihrer Kommunikations- und Lösungsfähigkeit, dem eigenverantwortlichen Einsatz ihres Wissens – dann liegt auf der Hand, das der zentrale Kraftpunkt, aus dem alle schöpfen, eben genau dieser schwer fassbare Team-Spirit ist. Er ist der innere Kraftstoff, der (fast) über jedes Schlagloch hinweg trägt und immer wieder neu entzündet nach vorne drängt, Flexibilität und notwendige Stabilität unterstützt. Und offensichtlich hängt der Erfolg künftig mehr denn je davon ab, wie intelligente Zusammenarbeit gelingt. Dieser Faktor ist heute messbar mit dem „We-Q“ (aus dem englischen „We“ für „Wir“ und Q für Quotient), der die intelligente und effektive Integration der beiden unterschiedlichen Intelligenzformen „IQ“ (Rationaler Intelligenzquotient) und „EQ“ (Emotionaler Intelligenzquotient) aufzeigt. Der We-Q beschreibt, inwieweit eine Gruppe in der Lage ist, im Zusammenspiel miteinander neue Wege zu finden, um komplexe und widersprüchliche Anforderungen zu meistern. Dank dieser kollektiven Intelligenz (Wir-Intelligenz) können Gruppen von Individuen durch Zusammenarbeit – unabhängig von der Intelligenz der einzelnen Mitglieder – intelligentere Entscheidungen treffen. Das Team nutzt die Fähigkeit, sein unterschiedliches Wissen und seine Erfahrungen umfassend für die Ergebnisse und das Vorwärtskommen. Es geht darum, die bestehenden Unterschiedlichkeiten zu erfassen und damit ein umfassenderes Verständnis für komplexe Zusammenhänge zu gewinnen. Alles in allem: aus Unterschieden Kapital zu schlagen. In diesem Beitrag behandeln wir folgende Aspekte Bunter Teams: –– Generationenmix, –– Multikulturalität, –– Qualifikationsmix.
1.7.1 Unterschiedliche Generationen ins Zusammenspiel bringen Gerade die jüngere Generation zeigt in den sozialen Netzwerken und auf Plattformen wie Twitter, Instagram, Pinterest, Flickr, YouTube oder Tumblr, dass sie sehr gut in der Lage ist, Informationen zu teilen. In der analogen Realität sieht es da gefühlt weniger rosig aus: „Ich war nicht da, mir hat das keiner gesagt, woher soll ich das wissen?“ Das sind die Klassiker in puncto Verantwortungs- und Kooperationsabwehrstrategie.
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Und weil das so widerstreitend nebeneinandersteht und beides wahr ist, liegt der Schlüssel offensichtlich in unserer Hand, die Erfolgsfaktoren zu erschließen, um aus den Unterschieden im Team Kapital zu schlagen. Es gibt zwei umfangreiche McKinsey-Studien von 2014 (vgl. Dollinger, Fehse, Haasis 2019: 164 f.), die besagen, dass diverse Teams erfolgreicher sind als homogene. Diese Potenziale zu schöpfen gelingt besonders gut, wenn Führungskräfte wenig im Schubladendenken verhaftet sind, sondern mit hoher Wertschätzung mit Unterschieden umgehen, sie bewerten und nutzen.
Interesse, Respekt, Vertrauen Das Maß an Vertrauen ist ausschlaggebend für die Teamleistung. Es prägt das Klima der Zusammenarbeit. Es sollte gekennzeichnet sein von der Anerkennung der Unterschiedlichkeit, vom Interesse füreinander und dadurch, dass die Expertise des anderen anerkannt und genutzt wird. Schauen wir auf die Generationen in den Teams: Im Alltag arbeiten junge und ältere Mitarbeiter Hand in Hand. Doch wie in einer Großfamilie klaffen die Verhaltensmuster, Fähigkeiten, Ansichten und Erwartungen weit auseinander. Das ist normal: Jede Generation ist geprägt von den Umständen ihrer Entwicklungszeit. In unseren heutigen Pflegeteams sind bis zu vier Generationen vertreten, die in Kapitel 1.5 schon genauer beschrieben worden sind: die Babyboomer, die Generationen X, Y und Z. Da prallen manchmal verschiedene Lebenswelten aufeinander: Die älteren Mitarbeiter bringen Einsatzfreude, Erfahrung und Konstanz in das Team ein. Man kann sich auf sie verlassen, sie sind immer da, auch wenn es ihnen zunehmend schwerfällt, „von null auf hundert“ präsent zu sein. Unverständnis zeigen sie, wenn jungen Kollegen ihr Wochenende wichtiger ist als die erforderliche Dienstabdeckung bei Ausfall. Sie stellen dann schnell den Wert des Teams infrage, sind aber so sehr dem Ideal der Harmonie verpflichtet sind, dass sie ihr Unbehagen nicht offen ansprechen. Als PDL ist es Ihre Aufgabe, solche Konfliktlagen wahrzunehmen und in zukunftsweisende Strategien zu kanalisieren, z. B. in die Entwicklung einer gemeinsamen Leitlinie „Umgang mit Krankheit“, die einen hohen Selbstverpflichtungsteil und Klarheit in den Absprachen bei Ausfall vorsieht. Und nicht vergessen: Die Generation X stellt in den Einrichtungen bald die Mehrheit. Von ihr heißt es, dass sie nicht mehr im klassischen Sinn nach Karriere strebt. Sicherheit, ein gutes Einkommen, Work-Life-Balance und Spaß an einer sinnstiftenden Arbeit sind ihre Ziele.
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Erfolgreich Führen und Leiten
Diese Haltung stellt für Sie als Führungsperson nicht nur eine große Herausforderung in Bezug auf Ablauf- und Prozessplanung dar. Wenn Sie den We-Q des Teams (noch) besser ausschöpfen wollen, braucht es einige Regeln, Prinzipien und Rahmenbedingungen der Zusammenarbeit, zum Beispiel: –– Ihre klare, reflektierte und orientierende Kommunikation, die Sicherheit unterstützt und emotionalen Halt gibt. –– Ihre Bereitschaft, sich auf eine Haltung einzustellen, die weniger Erfahrung und Werte achtet als Leistung und raschen Erfolg. –– Wichtig: Mitarbeiter zu Prozessen einladen, statt sie anzuweisen. –– Prinzip „Kreativ statt kompliziert“: Mitarbeiter kleinschrittiger und bildlicher (sichtbarerer/greifbarer) auf Entwicklungswege mitnehmen (vgl. Kamelpfadstrategie und Heldenreise). –– Ihre ansteckende Begeisterung für Menschen. –– Ihre Fähigkeit, Vertrauen und Fairness auch in widersprüchlichen Situationen walten zu lassen. –– Ihr Respekt vor unterschiedlichen Haltungen und Ihr Bemühen, sie zu berücksichtigen. –– Das Herstellen einer Arbeitsplatzkultur, die sich auszeichnet durch –– das Vorhandensein funktionierender zwischenmenschlicher Beziehungen, –– sinnstiftende Arbeit, –– das Gefühl von Kompetenz bzw. Selbstvertrauen, –– Autonomie bzw. Entscheidungsmöglichkeiten. Nutzen Sie die Generation 50 plus? Setzen Sie ältere Mitarbeitende überall da ein, wo Erfahrung gefordert ist: beim Abfangen von Krisen, in Fallbesprechungen, bei der Sterbebegleitung, bei der Beratung von Angehörigen etc. Berücksichtigen Sie auch die speziellen Arbeitsplatzbedürfnisse Ihrer älteren Arbeitnehmer, die ebenso geschätzt, gepflegt und motiviert werden wollen. Das betrifft auch die bewusste Aufmerksamkeit und Begleitung im Prozess des Älterwerdens, z. B. durch Maßnahmen, die der Gesundheit und damit auch der Leistungsfähigkeit dienen. Kompensieren Sie die nachlassende muskuläre Belastbarkeit durch Belastungswechsel/Hilfsmitteleinsatz und durch geschickte Tandem-Lösungen mit den Generationen Y und Z. Nutzen Sie spezielle Gesundheits- und Qualifizierungsprogramme. Sichern Sie das wertvolle Erfahrungswissen Ihrer älteren Teammitglieder, z. B. im Rahmen des QM, bevor diese Generation von Bord geht und es resigniert mitnimmt, „weil es keinen mehr interessiert“.
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1.7.2 Mehrere Kulturen ins Zusammenspiel bringen Auch in einem Bunten Team gilt es, auf ein gemeinsames Ziel hinzuarbeiten, obwohl seine Mitglieder verschiedenartige kulturelle Hintergründe haben, mit unterschiedlichen fachlichen Prägungen, Ausbildungsinhalten und Pflegeverständnissen an den Start gegangen sind, in verschiedenen beruflichen Aufgabendefinitionen und Vorbehaltsaufgaben sozialisiert wurden. Vor diesem komplizierten Hintergrund ist die Praxis eine Herausforderung.
BEISPIEL PDL Rita Schmitz* aus Köln-Nippes* hat sich schon lange auf diesen Tag gefreut: Nach einer langen Durststrecke des Wartens stehen zwei neue Kolleginnen vor der Tür. Beide kommen aus Rumänien und erfüllen die Voraussetzungen zum Einsatz inklusive Sprachniveau. Ihre Qualifikation haben sie im Heimatland erworben, befinden sich im Anerkennungsverfahren und sollen vorerst als Pflegeassistenten eingesetzt werden. Rita Schmitz holt die Einarbeitungsmappe aus dem Schrank und legt los. Doch nach wenigen Minuten stellt sie fest, dass ihr beide sprachlich nicht folgen können. Sie lächeln und nicken immer tapfer, aber auf Nachfragen kommt nur eins – Schweigen. Der PDL wird klar, dass sie hier mit dem Standardprogramm nicht weiterkommt.
Einarbeitung modifizieren und laufend reflektieren In Fällen wie dem oben beschriebenen bekommt die Art und Weise der Einarbeitung einen besonderen Stellenwert. Das Verfahren für diese Zielgruppe ist zu reflektieren und erfahrungsgeleitet zu modifizieren. Als PDL müssen Sie ein stimmiges, systematisches Vorgehen entwickeln, das die neuen Kolleginnen nicht überfordert und bei dem alle im Team an einem Strang ziehen. –– Für die ersten drei bis vier Wochen ist eine kleinschrittige Begleitung durch erfahrene Pflegefachkräfte (mögl. Praxisanleiter) sinnvoll, die – quasi wie in einem arbeitsbegleitenden Assessment – ermitteln, welche Informationen verstanden und verarbeitet und welche Handlungen in welcher Qualität umgesetzt werden. –– Die neuen Kolleginnen benötigen eine entsprechend kontinuierlich angepasste und reflektierte Tourenplanung. –– Lernmodule bauen Schritt für Schritt Sprachkompetenz und Fachsprache auf: Hierzu hat es sich in der Praxis bewährt, während des ersten Quartals und weiter
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Erfolgreich Führen und Leiten
nach Bedarf gemeinsam mit dem anleitenden Kollegen Praxislernkarten zu erstellen, auf denen sich die neuen Mitarbeiter wichtige Handlungen zweisprachig aufschreiben (Vorderseite den Begriff/Vorgang in Deutsch, rückseitig in der Muttersprache). Jeden Tag werden in „Mini-Workouts“ von rund 10 Minuten diese Karten besprochen und erweitert. Außerdem gehören ein eigenverantwortlich geführtes Vokabelheft und ein Wörterbuch zur persönlichen Arbeitsausstattung der neuen Mitarbeiter. Flankiert werden sollten diese Maßnahmen durch allgemeine Sprachkurse (z. B. VHS) und besonders für die Fachkräfte mit Trainings in deutscher Fachsprache – immer mehr Pflegeschulen halten solche Angebote bereit. Falls nicht: Wenden Sie sich an ihren Träger oder Berufsverband und bitten um Unterstützung. Vielleicht lohnt es sich auch, zusammen mit anderen regionalen Anbietern passgenaue Angebote zu schaffen und gemeinsam zu finanzieren. –– Trägerspezifisch kommt dann u. U. wieder die Bearbeitung der kulturellen Unterschiede im Pflegeverständnis hinzu, z. B. mit Elementen aus dem Leitbild, Informationen zu deutschen Rahmenbedingungen und professionellen Verhaltensnormen. Das kann zum Teil wieder in gemischten Gruppen geschehen, denn – Hand aufs Herz – wie viele Muttersprachler aus den Teams sind hier sattelfest? Achten Sie darauf, dass Sie bei allen Mitarbeitenden die Schlüsselqualifikationen für interkulturellen Dialog stärken: Respekt, Kommunikationsfähigkeit, Konfliktregulierung, Kooperation, Flexibilität und die Prioritäten, auf die Sie Wert legen. Mit diesen Maßnahmen beugen Sie weitsichtig dem Problem vor, dass Mitarbeitende mit begrenzten Sprachkenntnissen sich isoliert, nicht ernst genommen und benachteiligt fühlen und letztendlich wieder ausscheiden und zurückgehen. Zugegeben, das alles ist ein ziemlicher Aufwand. Aber gibt es eine Alternative? Funktioniert die Integration nicht, verlieren Sie den Mitarbeiter oder Sie behalten einen Mitarbeiter, der weit unter seinen Möglichkeiten bleibt, nicht verantwortlich eingesetzt werden kann, sich auch nach vielen Jahren nicht verständlich und präzise ausdrückt, geschweige denn feine Nuancen der Klientenkommunikation beherrscht und der für die in die Bresche springenden Kollegen eine Dauerbelastung darstellt.
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1.7.3 Wie das Multikulti-Mehrgenerationen-Paket wirklich zu stemmen ist Die Autoren Dollinger, Fehse und Haasis (2019) raten zu folgenden Prinzipien: –– Ganz generell dafür sorgen, dass Informationen ausgetauscht werden (wahrscheinlich: mehr als Sie eigentlich für notwendig halten!). –– Aussagen über Persönliches interessiert aufgreifen. –– Alle Mitglieder des Teams regelmäßig persönlich nach ihren Sichtweisen und Meinungen fragen. –– –– –– –– ––
Immer wieder zu Feedback und „Voicing“ einladen. Die Weisheit von Minderheiten nutzen. Allen Aussagen respektvoll begegnen. Einen passenden „Herzschlag“ für das Team finden. Systematische Methoden der Konflikt- und Problemlösung sowie der Entscheidungsfindung nutzen.
Besonders betonen die drei die Unverzichtbarkeit des sorgfältigen und regelmäßigen Einholens von Feedback und das „Voicing“. Voicing ist ein Begriff, der ursprünglich aus der Musik stammt und eine spezielle Abfolge von Akkorden und Sätzen meint, die dazu dienen, Gefühle zum Klingen und zum Ausdruck zu bringen. Übertragen in die Organisation heißt das: Signale und Rückmeldungen zu bekommen, um zu wissen, was anderen wichtig ist, um sich besser zu verstehen und letztlich besser zusammenzuarbeiten. Das ist besonders für Menschen aus Kulturen wichtig, in denen es als unangemessen gilt, ein offenes Feedback zu geben. Sie müssen behutsam an das Geben von Rückmeldungen herangeführt werden. Der „Herzschlag“ eines Teams beschreibt den ganz eigenen Besprechungsrhythmus, die Qualität der Kommunikation und Inhalte, zu denen sich im Team ausgetauscht wird. Hier gilt es an einer bestmöglichen Qualität zu arbeiten, an einem Rhythmus, der alle mitnimmt.
1.7.4 Qualifikationsmix gekonnt nutzen Die grundsätzliche Frage ist und bleibt: Wie können die Potenziale aller Mitarbeiter nutzbar gemacht, die Stärken und Kompetenzen so genutzt werden, dass Zukunftsfähigkeit und Arbeitsfreude gewährleistet sind? Welche Fachlichkeit brauche ich im Dienst,
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Erfolgreich Führen und Leiten
wo in welcher Tour und wie viel davon? Wie organisiere ich, dass möglichst immer die richtige Person am richtigen Ort ist? Es gibt Potenzialträger, Leistungsträger, Teamstützer, vorbildliche Mitarbeiter im Sinne des Unternehmens. Jeder ist wichtig und unterstützt den anderen. Fragen Sie Ihre Mitarbeiter: „Was fällt Ihnen leicht?“ Denn da liegt die zentrale Begabung. Ziel ist es, jeden Mitarbeiter darin zu stärken und ihn möglichst häufig entsprechend einzusetzen. Bunte Teams sind Realität und werden aufgrund des steigenden Pflegebedarfs zukünftig noch zahlreicher werden. Jetzt geht es darum, dass Sie als Träger, Inhaber oder PDL dieser Tatsache strategisch und zukunftssichernd Rechnung tragen, und zwar auf Basis dieser Prinzipien: –– Sie führen kultursensibel, ohne dabei ihre trägerspezifischen Werte und Qualitätsanforderungen aus den Augen zu verlieren. –– Sie pflegen eine Organisationskultur, die von gegenseitigem Respekt und der Wertschätzung der Einzelnen geprägt ist. –– Sie schaffen die Voraussetzungen dafür, dass Vorgesetzte wie Mitarbeitende diese Werte erkennen, teilen und leben. Dabei kommt Ihnen die Aufgabe zu, bestehende Personalprozesse zu überprüfen und sicherstellen, dass diese den vielfältigen Fähigkeiten und Talenten aller Mitarbeitenden sowie Ihrem Leistungsanspruch gerecht werden. Mit diesen Maßnahmen handeln Sie im Sinne der „Charta der Vielfalt“, einer bundesweiten Initiative zur Förderung von Vielfalt in Unternehmen und Institutionen. Die Charta endet mit dem Satz: „Wir sind überzeugt: Gelebte Vielfalt und Wertschätzung dieser Vielfalt hat eine positive Auswirkung auf die Gesellschaft in Deutschland.“
1.8 Motivation von Mitarbeitern Motivation kann man nicht verordnen. Motivation ist höchst individuell. Wir als Führungskräfte haben die vorrangige Aufgabe, Demotivation zu vermeiden, indem wir gute Rahmenbedingungen schaffen, hilfreiche Strukturen aufbauen und für eine passende Kommunikation sorgen. Das Wichtigste, was Sie als Führungsperson tun müssen, wenn Sie über Motivation nachdenken, ist dafür zu sorgen, dass Ihre Organisation und Ihre Art zu führen Menschen nicht demotiviert. Insbesondere hat Motivation von Mitarbeitern eine Menge damit zu tun, dass sich die Mitarbeiter in ihrer Persönlichkeit gesehen, geachtet und angesprochen fühlen.
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Dass man Respekt vor dem inneren Antrieb jedes Menschen hat, dass Aspekte der Arbeit herausgearbeitet werden, die die Person emotional berühren und ansprechen. Auf längere Sicht unwirksam ist es, Motivation extrinsisch, d. h. „von außen“, durch Status oder Geld herstellen zu wollen. Wichtig und wirksam ist es, als Führungsperson –– sich für Menschen zu interessieren und sich die Frage zu stellen, was die Menschen, die ich leite, antreibt, zum Klingen bringt und glücklich macht; –– in möglichst vielen Tätigkeiten Aspekte einzubauen, die eine spezifische Person anregen, emotional berühren und ansprechen. Viel häufiger gelingt Demotivation – ohne böse Absicht und gerade, wenn man sich als Führungskraft nicht hinterfragt. Dies beweist das National Business Research Institute in Texas. Es hat eine ganze Studie dem Thema Demotivation gewidmet. Und dabei eine praktikable Liste erstellt, wie Chefs ihren Mitarbeitern systematisch den Spaß an der Arbeit nehmen können und damit die Produktivität des Betriebs gefährden. Sollten Sie das auch vorhaben, müssen Sie sich nur an diese Tipps halten:
1. Pessimismus verbreiten Gehen Sie als Chef mit leuchtendem Beispiel voran: Skeptiker, Zyniker und Nörgler, die alles schlechtreden und lieber kritisieren als loben, töten auf Dauer die Motivation. Wenn sowieso alles schlecht ist, warum sollen sich die Mitarbeiter dann noch anstrengen?
2. Niedriges Gehalt zahlen Geld ist nicht alles, aber ohne Geld ist alles nix. Wollen Sie Unmut stiften, sorgen Sie für ein möglichst unausgewogenes Gehaltsgefüge. Bezahlen Sie die Mitarbeiter möglichst unterschiedlich und ignorieren Sie den Leitsatz „Bezahlung muss sich an der Leistung orientieren“. Da das Gehalt auch immer ein Zeichen von Wertschätzung ist, sorgen Sie auf diese Weise mit Sicherheit dafür, dass Ihre Belegschaft bald Dienst nach Vorschrift macht.
3. Unsicherheit streuen Mitarbeiter, die glauben, der Chef hat sie auf dem Kieker, werden vielleicht kurzfristig mehr arbeiten, langfristig aber eher anderes im Kopf als selbigen frei für den Job haben. Sorgen Sie also dafür, dass der Mitarbeiter nie vergisst, dass er sich einen neuen
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Job suchen kann, sobald Sie Ersatz gefunden haben. Und schon haben Sie Ihr Ziel erreicht: Kollegen erfolgreich in die Existenzangst getrieben!
4. Druck aufbauen Und damit sind wir bei Tipp Nummer 4: Wer glaubt, mehr Druck veranlasst Mitarbeiter zu mehr und besserer Arbeit, hat sich geschnitten. Andauernder Druck ist dagegen gesundheitsgefährdend und einer der größten Motivationskiller.
5. Geringschätzung entgegenbringen Wertschätzung, und sei es nur ein einfaches „Danke“ kann Wunder bewirken. Wollen Sie aber zum Demotivations-Profi werden, sollten Sie Lob und Anerkennung unbedingt vermeiden.
6. Vetternwirtschaft Ganz klar: Auch Chefs sind nur Menschen – und mögen manche Kollegen lieber als andere. Für eine ordentliche Demotivation ist es wichtig, diese Lieblingskollegen ordentlich zu bevorzugen – ihnen interessante Aufgaben zu geben oder sie mit Nettigkeiten zu bedenken. Im gleichen Atemzug sollten Sie natürlich die ungeliebten Mitarbeiter genau gegenteilig behandeln.
7. Entscheidungen einsam fällen Je einsamer der (Leit-)Wolf seine Entscheidungen fällt, desto weniger fühlen sich seine Mitarbeiter mitgenommen und beteiligt. Wer Entscheidungen über den Kopf von Mitarbeitern hinweg trifft, demontiert Schritt für Schritt auch noch das letzte Restchen Motivation.
8. Zeit verschwenden Kennen Sie das auch? Trotz enger Taktung des eigenen Terminplans wird dann doch noch ein „Meeting“ in der großen Runde einberufen – für ein Problem, dass man vielleicht auch unter vier Augen hätte klären können. Motiviert? Nein? Dann ist ja gut!
9. Kollegen anbrüllen Zugegeben: Jedem kann mal der Kragen platzen. Besonders demotivierend ist es, wenn das regelmäßig passiert oder der Chef einen Mitarbeiter vor der versammelten Belegschaft herunterputzt.
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Nicht ganz so schnell geht es mit dem nächsten Tipp:
10. Kommunikations-Fail Wer nicht gut kommuniziert, demotiviert seine Mitarbeiter langsam, aber sicher. Hier geht es darum, kein Feedback zu geben, Mitarbeiter im Dunkeln zu lassen oder ihnen generell das Gefühl zu vermitteln, dass sie Ihnen egal sind. Auch das Abschotten im Führungskräfte-Elfenbeinturm hilft beim Projekt „Wie demotiviere ich meine Mitarbeiter“. Diese Punkte sind aber keine Empfehlung von uns. Wir meinen, mit motivierten Mitarbeitern werden die Pflege- und Betreuungsleistungen bei den Patienten und Tagespflegegästen besser, gibt es ein besseres Teamverständnis und wird die Arbeit für alle einfacher. Deshalb sollten Pflegedienstleitungen auf Motivation setzen.
1.8.1 Alles im Flow – mit typgerechter Motivation Es gibt Tage, an denen das Arbeiten richtig Spaß macht. Es läuft wie geschmiert. Wir sind aufmerksam bei der Sache, nichts kann uns ablenken. Die Zeit vergeht wie im Flug. Wir befinden uns im Flow – sind von unserer Tätigkeit so eingenommen sind, dass sie uns die Welt um uns herum vergessen lässt. Flow ist eine uneingeschränkt positive Erfahrung. Er sorgt nicht nur für ein gutes Gefühl, sondern auch für überraschend gute Ergebnisse. Mit spielerischer Leichtigkeit werden selbst große Anstrengungen gemeistert.
TIPP Flow wird möglich, wenn Fähigkeiten und Leistungsanforderungen im Einklang miteinander stehen und sich beide auf einem hohen Level bewegen.
Das zeigt, dass Flow eine sehr individuelle Angelegenheit, eine Frage des Typs, ist. Bei der einen Person stellt er sich beim konzentrierten Nachdenken (z. B. bei Planungsarbeiten) ein, bei einer anderen im kommunikativen Austausch mit Klienten am Küchen-
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tisch oder Kollegen in der Teambesprechung. Gleichgültig ob (im guten Sinne) gestritten oder gelacht wird, wichtig ist: Alle sind mit allen Sinnen dabei. Ermöglichen Sie sich selbst und Ihren Teams möglichst viele solcher Erlebnisse, indem Sie Ihren Mitarbeitern immer wieder individuell passende Aufgaben anbieten, in denen sie sich konzentriert, ungestört und selbstgesteuert ihrer Begabung und Neigung hingeben können. So gehen Sie vor: Schritt 1: Beobachten Sie jeden Mitarbeiter aufmerksam durch die Ressourcenbrille –– Was macht die Person gut? –– Was macht ihr augenscheinlich Freude? –– Wo handelt sie richtig, d. h. zielführend in puncto Wohlbefinden der Gäste und Gelingen der Organisation? –– Wo sehen Sie Potenziale, Fähigkeiten und mögliche Begabungen, die entwickelt werden könnten? –– Wie kann die Person so entwickelt werden, dass sie ihre Potenziale entfalten kann, motiviert und leistungsfroh bleibt? Schritt 2: Unterstützen Sie Ihren Mitarbeiter darin, dass er diese Motivation aus sich selbst heraus immer wieder anzapfen und sichern kann Hier spielen zwei große Sehnsüchte als Auslöser von Lernen eine zentrale Rolle: das „Dazugehören“ (verbunden mit dem Streben nach Harmonie und Zusammenhalt) und das „Sich-entwickeln-Können“ (verbunden mit dem Streben nach Selbstbestimmung und Freiheit). Die Ausprägung dieser beiden Sehnsüchte macht den Unterschied. –– Stärken und betonen Sie das, was dem Mitarbeiter gelingt! –– Halten Sie die Punkte schriftlich fest und suchen Sie gemeinsam Tätigkeiten oder auch Aspekte/Situationen in notwendigen Verrichtungen heraus, die der Person das Ausleben ihrer Begabung ermöglichen. Und weil lästige Routinearbeit weiter bleibt, ist es klug, gemeinsam herauszufinden, wo in diesen Tätigkeiten kleine, persönlich passende Motivations-Momente versteckt sind. Besprechen Sie mit der betreffenden Person, wie sie ihre Aufmerksamkeit auf diese Aspekte lenken und sich darüber selbst motivieren kann.
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TIPP Verstärken Sie die positive Wirkung eines gelungenen Flows durch eine kleine Nachbesprechung. Fragen Sie, was die Situation zu einem Flow-Erlebnis machte, was genau das Besondere und Angenehme war, was der Mitarbeiter selbst getan hat, dass die Aufmerksamkeit bei der Sache blieb, wie es ihm gelungen ist, sich voll auf die Sache zu konzentrieren.
1.8.2 Strukturieren hilft motivieren Ein neues Projekt oder grundlegende Veränderungen im Arbeitsfeld lösen im Team oftmals Angst aus. Ein angestrebtes, wichtiges Ziel erscheint fast unerreichbar, der Weg dorthin bleibt unklar. Die Motivation tendiert gegen Null. Hier kommt die Steilvorlage für Sie als Verantwortliche in der Teamentwicklung! Das ist die beste Gelegenheit, gemeinsam zu erarbeiten, wie man als Team ein Projekt angehen und erfolgreich zu Ende bringen kann. Ihre Methode: die Kamelpfadstrategie (vgl. Asgodom 2012: 92 ff.). Sie schafft übersichtliche Strukturen und setzt erreichbare Zwischenziele, die dann wieder den nächsten wichtigen Motivationsschub auslösen. Die Bezeichnung „Kamelpfadstrategie“ steht für ein Bild, dass es Ihrem Team leicht macht, die Prinzipien zu verstehen: Der Weg zum Ziel als Wüstendurchquerung, Ihr Team als Karawane, die sich gut rüsten muss, Teilziele und Zwischenetappen als Oasen, wo man Schutz suchen und Rast machen kann, Kontakte findet und netzwerkt, wo man seelisch und körperlich „auftankt“ und kleine und größere Erfolge feiert und genießt. Mit diesem Bild im Kopf –– definieren Sie zusammen mit Ihrem Team als erste Oase den konkreten Ausgangspunkt (Ist-Analyse Ausgangssituation) und das Reiseziel (Vision = Soll); –– packt die „Reisegruppe“ Taschen und Behälter und verteilt die Last (Arbeitsablaufanalyse) auf die Wagen (Dienstzeiten) mit dem Ziel, alles Notwendige mitzunehmen (Anforderungen der Klienten und der Mitarbeiter); –– tragen Sie auf einem Flipchart oben links die Ausgangslage und unten rechts das Ziel ein. Fragen Sie: –– Was müssen wir tun, um unser Ziel zu erreichen?
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–– Welche Rastplätze sind sinnvoll an welchen Orten? –– Welche Zwischenetappen führen ans Ziel, ohne dass Wichtiges auf der Strecke bleibt? –– Bis wann wollen wir sie erreichen? –– Wer gibt das Tempo vor, wer unterstützt? –– Bitten Sie Ihr Team, so viele „Oasen“ (Zwischenziele) wie nur möglich einzufügen, selbst kleinste, „banale“ Zwischenschritte zu vermerken. Das kann im Forum oder in Kleingruppen erfolgen. Die Ergebnisse werden gesammelt, sortiert und eingetragen. Die Kamelpfadstrategie gelingt dann am besten, wenn die Teilziele wirklich leicht erreichbar sind! Das Schönste an dieser Methode ist ihre Nachhaltigkeit: Sie ist ein Instrument, mit dem sich Ihr Team bei den nächsten Gelegenheiten zunehmend selbst coachen kann.
1.9 Praxisorientierte Teamentwicklung Wer hätte vor Jahren gedacht (als wir uns in erster Linie um den inhaltlichen und klientenbezogenen Aufbau unserer Dienste, um Kundengewinnung und Wirtschaftlichkeit gekümmert haben), dass der Faktor Personal einmal so stark in den Vordergrund unseres Leitungshandelns treten würde? Damals gab es reichlich Mitarbeiter, die in unserem attraktiven Feld tätig sein wollten, wir konnten auswählen. Und nun? Nun geht es bei gefühlt 60 % unseres Leitungshandelns – in Konfliktsituationen sogar gefühlt 70 % unserer Arbeitsenergie – um Mitarbeiter, ihre Arbeitszufriedenheit, ihre Bedürfnisse und um ihr Zusammenspiel in Teams. Das Thema Teambuilding zieht sich wie ein roter Faden durch dieses Buch. Zu Recht! Hätten Sie gewusst, dass 90 % der Entlassungen und Kündigungen aufgrund von Personal- und Beziehungsproblemen erfolgen? Wenn Ihre Teams nicht zueinander finden, kostet Sie das als PDL Zeit und Nerven und Ihren Träger jede Menge Geld. Wir definieren Team wie folgt: Ein Team ist eine Gruppe von Mitarbeitern, die für einen geschlossenen Arbeitsprozess verantwortlich sind und die das Ergebnis ihrer Arbeit als Produkt oder Dienstleistung an einen internen oder externen Empfänger liefern.
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Teamarbeit funktioniert, wenn die Mitglieder –– sich als gemeinsames Ganzes verstehen und nicht als Ansammlung fachlich motivierter Einzelkämpfer, wie es in der ambulanten Pflege leider nicht selten vorkommt, –– den Teambildungsprozess als genauso wichtig erachten wie ihre Arbeitsergebnisse, –– ihre unterschiedlichen Persönlichkeiten anerkennen und als gegenseitige Ergänzung nutzen. Teamarbeit und Einzelleistung sind keine polaren Gegensätze, sondern ergänzen sich. Wo welche Arbeitsform wann sinnvoll ist, richtet sich nach der Aufgabe.
1.9.1 Entwicklung zum „reifen“ Team Das Optimum in der erfolgreichen Teamentwicklung ist mit der Phase der Kooperation erreicht (siehe Kapitel 1.6, Beschreibung der Teamphasen). Wir reden hier auch von einem „reifen“ Team. Die folgenden Voraussetzungen und Rahmenbedingungen sind erfüllt: –– Anstehende Aufgaben können selbst strukturiert werden. Voraussetzungen und Bereitschaft hierzu bestehen. –– Ein geeignetes Maß an prozessorientiertem Denken ist gegeben. Die Aufgabenverteilung ist zielbezogen. –– Das Team nutzt angemessene Technologie, z. B. geeignete Planungssoftware und verschiedene Kommunikationsmöglichkeiten für virtuelle und analoge Kooperation. –– Das Verhalten der Teammitglieder ist partnerschaftlich. Jedes Mitglied leistet einen wichtigen Beitrag zum Erfolg. Je heterogener das Team zusammengesetzt ist, umso besser. –– Die Leistung jedes Teammitglieds ist identifizierbar und evaluierbar. Die Verantwortung für Aufgaben rotiert von Zeit zu Zeit. –– Das Team hat immer wieder stimmige Projekte und Ideen im Blick, die es zum Handeln herausfordern: So wird die intrinsische Motivation gestärkt. –– Die optimale Teamgröße beträgt 5 bis 8 Personen. –– Sie als Leitung und das Team stimmen in Arbeitsauftrag und Arbeitsform überein. Es bestehen klare, vereinbarte Ziele und Sie achten auf Commitment. Sie stellen die notwendigen Ressourcen zur Zielerreichung zur Verfügung. –– Sie sorgen für eine kundenorientierte Kultur, die Teamarbeit belohnt – auch die Zusammenarbeit mit anderen Teams.
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1.9.2 Teamentwicklung ist Beziehungsarbeit Für Sie als PDL stellen sich zwei zentrale Fragen: –– Wie kann ich die Reifung der Teams unterstützen, damit sie ihre Potenziale erkennen und sich gegenseitig wertschätzen und stärken? –– Was kann ich tun, damit sie aus eigenem Antrieb – quasi um des gemeinsamen Erfolgs willen – Fehler und Leistungsdefizite ansprechen und bearbeiten? Die Sicherung tragfähiger Beziehungen ist dabei eine wichtige Grundlage. Hier geht es um die –– Beziehung zwischen den Mitarbeitern und Ihnen als Führungsperson Sie muss durch bestmögliches Vertrauen, persönliches Interesse, Wohlwollen, Klarheit, Konsequenz und Fairness geprägt sein. –– Beziehung zwischen den Mitarbeitern und ihrer Aufgabe in der Organisation Hier geht es vor allem um die Gestaltung von Sinn trotz unserer manchmal als unsinnig erfahrenen Bedingungen (wie Ohnmacht in schwierigen Versorgungssituationen, Vernachlässigung in Pflegesituationen durch Angehörige oder nicht unterstützende, zeitfressende Auseinandersetzungen mit Kassen um das Notwendigste). –– Beziehung der Mitarbeitenden untereinander Wie die Stachelschweine: mit so viel Nähe zueinander, dass es wärmt, aber mit so viel Abstand und Freiheit, dass man sich „nicht zu doll pikst“.
1.9.3 Mitverantwortung leben Je reifer ein Team wird, umso stärker fühlt es sich mitverantwortlich für die gemeinsam erbrachte Leistung, strebt faire Verteilung nach Stärken an, fördert den Zusammenhalt, indem die Mitglieder sich überlegt und wertschätzend miteinander auseinandersetzen. Sie stellen sich aber auch dem Konflikt, wenn jemand das Team ausnutzt, nur seine Interessen im Blick zu haben scheint. Reife Teams hinterfragen die eigene Haltung und handeln auch in komplizierten Kontexten differenziert: Leidet eine Kollegin z. B. unter zu hoher Arbeitsbelastung, kann das Team zusammen mit Ihnen als PDL versuchen, eine bessere Arbeitsverteilung zu finden. Dabei gilt es, unnötige Kränkungen zu vermeiden. Das betreffende Teammitglied muss Klarheit darüber bekommen, dass es auch auf seine Person ankommt, dass sich niemand vor seiner Leistungsverantwortung drücken kann und darf.
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Reife Teams helfen Ursachen zu klären: Sie informieren ihre PDL, wenn die Leistungsminderung einer Kollegin in einer persönlichen Krise begründet ist (z. B. Erschöpfung, weil daheim über längere Zeit ein Angehöriger gepflegt werden muss). So können Sie als PDL vorübergehend, beispielsweise für etwa acht bis zwölf Wochen, intensive kollegiale Beratung und Unterstützung durch entsprechende Fach- oder Führungspersonen anbieten, um der betroffenen Person bei der Bewältigung beizustehen.
1.9.4 So unterstützen Sie den Reifeprozess Ihres Teams –– Arbeiten Sie mit den Teammitgliedern daran, mehr zu beobachten und weniger zu werten. Das schafft Ressourcen, um notwendige Veränderungen zu erkennen und ihnen weniger ängstlich zu begegnen. –– Fördern Sie bereichsübergreifende Zusammenarbeit in Form von Fallbesprechungen – das verhilft zu praktikableren Lösungen. –– Üben Sie mit Ihren Teams, sich in Kunden und Mitbewerber hineinzuversetzen, um ihre Wünsche, ihre Einschätzung und ihre Erwartungen zu erforschen und entsprechend zu handeln. –– Bauen Sie ein Netzwerk von Freiwilligen auf, die etwas Neues ausprobieren und bisherige Routinen infrage stellen wollen. Entwickeln Sie mit diesen Freiwilligen Lösungen für die Zukunft.
1.9.5 Differenzierte Entwicklungsräume reflektiert schaffen – Entlastung für die PDL Kennen Sie das auch? Termine einhalten, gute Zahlen liefern, Mitarbeiter führen, kränkelnde Projekte retten. Und immer den Blick für das aktuell Wichtige bewahren! Manche PDL fühlt sich permanent getrieben. Visionen zu entwickeln, strategisch zu planen, Weichen zu stellen, daran ist gar nicht zu denken. In der Organisationsberatung treffen wir immer wieder auf PDLs, die sagen: „Ich gehe dem Team voran. Ich entlaste meine Mitarbeiter von komplizierten Aufgaben. Sie sind überlastet und sollen sich voll auf die Pflege konzentrieren.“ Die Teams gewöhnen sich gern und schnell daran, dass ihre PDL ihnen Verantwortung abnimmt, die Probleme löst oder im Zweifelsfall komplizierte/ungeliebte Teile ihrer Aufgaben erledigt. Doch dies geht letztendlich auf Kosten der hochengagierten PDL.
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Gegen diesen Teufelskreis hilft nur eins: Die Stopptaste drücken und die Sache aktiv verändern! Und das heißt: Auf echte Führung und motivierende Delegation von Verantwortung umschalten. Und: Hinschauen, hinschauen, hinschauen, wo die Mitarbeiter wirklich stehen – immer einen zweiten Blick riskieren, damit Sie keine falschen Schlüsse aus Verhalten ziehen, wie es zum Beispiel hier passierte:
Nur Versager im Team? Ein Beispiel: Der Monat ist abgeschlossen. Die PDL nutzt ein kleines Zeitfenster, um Dokuvisiten zu machen, sie möchte in der Umsetzung des gerade eingeführten Strukturmodells (SIS®) auf Nummer sicher gehen. Insbesondere geht es ihr um die Sicherung des roten Fadens zwischen Themenfeldern, Risikomatrix, Maßnahmenplan und Bericht. Der Prozessverlauf der Pflegesituation sollte hier ja eindeutig nachvollzogen werden können. Mitarbeiterin Klara König* ist sehr engagiert und bringt ihre erste umgestellte Mappe vorbei. Die PDL nimmt sie entgegen und legt sie auf den Stapel der Nachmittagsaufgaben, dabei entgeht ihr, dass Klara* etwas zögerlich in der Tür stehen bleibt und schließlich geht. Nach der Mittagspause beginnt die PDL zu lesen: Das narrative Interview ist ausführlich geführt, Sicht und Wünsche der pflegebedürftigen Person sind gut nachvollziehbar. Sie freut sich und prüft die Risikomatrix und die Bezüge zu den Themenfeldern und erschrickt: Keine Spur eines roten Fadens vorhanden, keine pflegefachlichen Begründungen, kein Nachweis konsequenter fachlicher Reaktion auf spezielle Bedarfssituationen. Diese Planung hält keiner externen Prüfung anhand der Qualitätsaspekte (QA) stand. Null Plausibilität, oh Gott! Und das, obwohl sie gerade das so intensiv in ihrer internen Schulung bearbeitet hat. Und mehr noch: Dieses Thema hat sie am Einzelfall mehrfach intensiv gecoacht … Was heißt das jetzt für das weitere Vorgehen? Und für ihre Arbeit mit dem Team? Wenn es bei Klara* schon so desaströs aussieht, welche Zeitbomben findet sie in den anderen Dokus? Wenn Mitarbeiter nach Training und ausführlichem Coaching immer noch die gleichen Fehler machen, ist das Urteil schnell gefällt: Sie packen es nicht! Zu wenig Fachlichkeit. Konsequenz: Alle Dokus selber schreiben? Wenn die PDL diesen Schluss ziehen würde, wäre das fatal. Besser ist es für sie, ihre Gesundheit und die längerfristige Arbeitszufriedenheit im Team, sich die Frage zu stellen:
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Was steht der Verbesserung – einmal bei Klara*, aber auch bei anderen Mitarbeitern – konkret im Wege? Ist sie/sind sie wirklich überfordert (Querfrage: Bewältigt sie andere Aufgaben, die vernetztes Denken und logische Schlussfolgerungen erfordern, ähnlich unvollständig)? Oder: Kann es vielleicht sein, dass die PDL in ihrem Sicherheitsdenken zu viele Vorgaben gemacht und Details vorgegeben hat, die Klara* und den anderen Mitarbeitern das Gefühl vermittelt haben, a) fachliche Deppen zu sein, denen alles „klein-klein“ vorgekaut werden muss? b) dass alles kritisiert wird, was nicht haargenau dem Endergebnis der PDL entspricht? c) dass man keine eigenen Gedanken haben darf? Wenn es so wäre, würde es demotivierend wirken und die eigenständigen Lernschritte der Fachkräfte in puncto Fachlichkeit in Querverweisen und Bezügen blockieren. Klaras* Bemerkung im Nachgespräch zur Doku spricht dafür, dass sie eher nachgeahmt statt gedacht hat, als sie die Doku erstellte: „Ich habe extra noch gewartet, um Ihnen Fragen zur Matrix zu stellen, aber Sie hatten ja keinen Kopf dafür. Ich habe mir viel Mühe gegeben, alles so zu machen, wie Sie es gewollt haben, jetzt haben Sie mir die ganze Planung auseinandergenommen. Furchtbar!“ Konsequenz: Manchmal ist weniger Vordenken und Entlasten mehr. Und nicht immer heißt Schlechtleistung, dass der Mitarbeiter leistungsschwach ist! In solchen komplizierten Alltagsführungssituationen gilt: Wertung rausnehmen, beobachten, sich selbst, den eigenen Druck, die treibende Angst vor dem möglichen Versagen und den damit verbundenen Grad der eigenen Steuerung im fachlichen Coaching reflektieren.
1.10 Konfliktregulierung Konflikte sind nichts grundsätzlich Schädliches. Im Gegenteil: Sie machen Probleme sichtbar, treiben organisatorische Veränderungen voran und können Beziehungen sogar stärken. Voraussetzung: Sie werden fair und offen ausgetragen. Doch das ist einfacher gesagt als getan. Das folgende Kapitel gibt Ihnen Anregungen, wie Sie in Konfliktsituationen regulierend und deeskalierend wirken und so größeren Schaden verhindern oder sogar positive Entwicklung bewirken können. Denn letztendlich sind Sie als Leitung in der Tagespflege oder in der ambulanten Pflege diejenige, die die Scherben zusammenfegen und die Beziehungen kitten muss …
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1.10.1 Horizontale Feindseligkeit Sie haben es schon länger geahnt. Im Team rumort es. Die Stimmung ist gereizt. Das Arbeitsklima gleicht einem Tanz auf dem Vulkan. Klübchen haben sich gebildet. Gegen einzelne Teammitglieder wird intrigiert. Betreten spezielle Kollegen den Raum, verstummt das Gespräch, es wird hinter vorgehaltener Hand mit den Augen gerollt, bedeutungsvoll-genervte Blicke werden ausgetauscht. „Horizontale Feindseligkeit“ wird diese Art von destruktiver Konfliktkultur bzw. Konfliktunkultur genannt. Dabei werden einzelne Teammitglieder zu Sündenböcken für Probleme auserkoren und dann zu Mobbing-Opfern. Horizontale Feindseligkeit lässt den überlebenswichtigen Zusammenhalt in Teams bröckeln, vergiftet das Arbeitsklima und vertreibt den Nachwuchs. Auswirkungen auf die pflegerische Versorgung und die Zufriedenheit der Pflegekunden sind nicht auszuschließen. Kennzeichnend für feindselige Haltung im Team ist übermäßige und negative Kontrolle von Kollegen untereinander, ist Herabwürdigen und gegenseitiges Abwerten. Dabei sind sich die Agierenden oft nicht über die schwerwiegenden Auswirkungen auf die Betroffenen bewusst. Sie realisieren nicht, wie der andere leidet. Folgen verbaler Übergriffe können z. B. Motivationsmangel, Selbstzweifel, Depression oder Herzrhythmusstörungen sein. Langzeiterkrankungen, sinkende Produktivität und steigende Fehlerquoten wirken sich organisatorisch und finanziell negativ aus. Horizontale Feindseligkeit zerstört die Vitalität des Teams!
Frühwarnzeichen Horizontale Feindseligkeit steht am Ende einer Kette von Fehlentwicklungen. Als PDL sind Sie gefordert –– horizontale Feindseligkeit zu erkennen, –– Frühwarnzeichen wahrzunehmen und –– geeignete Strategien zu ergreifen, um dieses Phänomen wirksam zu bekämpfen. Die folgenden Zustände/Vorgänge können auf horizontale Feindseligkeit hindeuten: Niedrige Arbeitszufriedenheit Beachten Sie bei Zufriedenheitsbefragungen insbesondere Indikatoren wie Abkehrwille, Zugehörigkeitsgefühl und Sinnhaftigkeit der Arbeit.
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Wird die Arbeitsmoral anderer Gruppen deutlich niedriger eingeschätzt als die der eigenen Gruppe (negativer Klatsch und Tratsch), kann dies ein deutlicher Hinweis auf horizontale Feindseligkeit sein. Hohe Fluktuation Insbesondere neue Teammitglieder sind von horizontaler Feindseligkeit betroffen. Sie sollen durch rigiden Umgang dazu gebracht werden, sich gruppenkonform zu verhalten. Rivalisierende Touren oder Schichten Rivalität unter den verschiedenen Teams schafft Unfrieden. Grund ist oft eine als ungerecht empfundene Arbeitsverteilung.
TIPP Wenn Sie mit Klagen über ungleiche Arbeitsbelastung konfrontiert werden, teilen Sie die entsprechenden Teammitglieder vorübergehend in den Dienst ein, dem es angeblich so viel besser geht. In der Regel ist das Thema damit vom Tisch.
Cliquenbildung Cliquenbildung bedeutet Ausschluss und Ausgrenzung anderer und behindert die Teamarbeit. Sie erkennen sie daran, dass –– manche Mitarbeiter nicht mit einer bestimmten Person zusammenarbeiten wollen oder die Zusammenarbeit mit jemand Bestimmtem bevorzugen; –– bestimmte Mitarbeiter häufig und gern die Schicht wechseln; –– immer die gleichen Personen gemeinsam essen und etwas zusammen unternehmen; andere werden ausgeschlossen; –– Hilfe verweigert wird; –– manche Mitarbeiter Aufgabenbereiche oder Dienstpläne verändern, um mit bestimmten Personen arbeiten zu können (oder nicht arbeiten zu müssen).
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Hohe Fehlzeiten Nutzen Sie Rückkehrgespräche zur Problemdiagnose. Verhaltensauffälligkeiten Opfer oder Zeugen horizontaler Feindseligkeit ziehen sich oft zurück und schweigen. Sprechen Sie die Betreffenden an und schaffen Sie im Zwiegespräch eine Atmosphäre, in der diese sich sicher fühlen und sich frei äußern können.
Maßnahmen Sollte sich Ihr Verdacht erhärten, treffen Sie umfassende Maßnahmen, um das Phänomen zu bekämpfen: 1. Erfassen Sie in einer Gruppenmoderation die Probleme, ggf. mithilfe eines Supervisors. Entwickeln Sie gemeinsam Lösungsvorschläge. 2. Führen Sie Mitarbeitergespräche. Gehen Sie dezidiert auf die Situation des Mitarbeiters im Team ein. 3. Arbeiten Sie an der Verbesserung der Kommunikation im Team. Stellen Sie Teamregeln auf und reflektieren Sie regelmäßig ihre Einhaltung. Sprechen Sie Konflikte direkt an und üben Sie mit den Teammitgliedern das Regeln von Konflikten in geeigneter Weise. Nutzen Sie auch spezielle Bildungsangebote zu Kommunikations- und Konfrontationstechniken für Ihr Team. 4. Arbeiten Sie mit dem Team an hilfreichen Leitsätzen, die die Selbststeuerung und Zusammenarbeit verbessern, z. B.: –– –– –– –– –– ––
Niemand ist perfekt! Jede Pflegeperson hat ihre Stärken. Unsere größte Stärke ist der kollegiale Umgang miteinander. Negativität vergiftet die Arbeitsatmosphäre für alle. Wir sind so stark wie unser schwächstes Glied. Es ist meine Pflicht, auf mich selbst zu achten und meine Probleme zur Sprache zu bringen.
Achten Sie darauf, gerecht und klar zu führen. Die Mitarbeiter erkennen an Ihren Reaktionen, welches Verhalten akzeptiert wird und welches nicht. Schreiten Sie auch bei nonverbalen Abwertungsreaktionen wie Augenrollen oder Grimassenschneiden ein! Denn auch unbewusstes Verhalten oder nicht bewusste Motive können die Grundfesten des Zusammenhaltes in einer Organisation gefährden.
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ZUSAMMENFASSUNG Die 10 häufigsten Formen horizontaler Feindseligkeit in der Pflegepraxis (nach Häufigkeit des Auftretens geordnet) –– Nonverbale Äußerungen von Missfallen und Gereiztheit (z. B. Augenbrauen hochziehen; das Gesicht verziehen) –– Verbale Kränkungen (z. B. abfällige Bemerkungen, Heimlichtuerei oder schroffe Antworten) –– Behinderung von Aktivitäten (z. B. sich abwenden, nicht erreichbar sein) –– Zurückhalten von Informationen (z. B. über Arbeitsabläufe, Klienten, Möglichkeiten) –– Jemanden „ins Messer laufen lassen“, d. h. bewusst eine prekäre Situation herbeiführen –– Interne Sticheleien und Streitigkeiten unter Kollegen –– Jemanden zum Sündenbock machen –– Hinterhältiges Verhalten (insbesondere sich bei anderen über eine Person beschweren, anstatt diese direkt anzusprechen) –– Missachtung der Privatsphäre –– Vertrauensbruch (vgl. Bartholomew 2009: 47; modif. von Karla Kämmer)
1.10.2 Konflikte entstehen auch als Kampf um Macht und Einfluss im Team Gerade in der Pflege, in der sich jeder nach einem harmonischen Miteinander sehnt, kommt es nicht selten zu unterschwelligen Machtkonflikten, die allein dadurch, dass sie nicht offen ausgetragen und kommuniziert werden, nur schwer durch Sie als Leitung erkannt und reguliert werden können. Seien Sie also achtsam und hören Sie auf Zwischentöne und Pausengespräche. Wenn z. B. mehr als üblich geklagt und gedroht wird „Wenn das so weitergeht, steige ich aus …“, „Macht doch keinen Spaß mehr in diesem Team zu arbeiten …“. Daran merken sie, wie stark die Kommunikation im Team durch untergründige Spannungen, Tratsch und psychologische Spielchen geprägt ist. Sie sprechen die Kolleginnen auf ihre Äußerungen an, doch die wiegeln ab. Das sei nicht ernst gemeint, man müsse doch mal Dampf ablassen können … Doch für Sie als PDL ist klar: Es geht um verdeckte Machtkonflikte, wie sie für unser Handlungsfeld typisch sind. Warum gerade bei uns? Weil die Arbeit mit pflegebedürfti-
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gen Menschen eine Tätigkeit mit Schwächeren ist und somit ein anziehendes Arbeitsfeld für Menschen mit einem Selbstwert-Defizit. Hier besteht eine innere Affinität zwischen selbstloser Menschenliebe und selbsterhöhender Machtfülle. Diesen Menschen fällt es leichter, die Probleme anderer zu lösen als ihre eigenen. Menschen mit Selbstwertproblemen identifizieren sich oft stark mit einem Teil ihrer Persönlichkeit (z. B. einer Stärke oder Eigenschaft) und definieren sich darüber. Sie sind z. B. besonders gewissenhaft, besonders einfühlsam, besonders einsatzfreudig. Und es fällt ihnen oft schwer, sich abzugrenzen und „nein“ zu sagen. Für die Teams sind sie auf lange Sicht belastend, weil sie die gleichen Eigenschaften, die sie an sich wahrnehmen, auch von anderen erwarten. Sie polarisieren und können Schichten und Teams spalten. Nach außen halten sie sich meist im Hintergrund und doch wollen sie mit ihren Stärken, mit ihrem Einsatz permanent gesehen und gewürdigt werden. Das Restteam ist genervt und erwartet, dass Sie auch diesen Teammitgliedern mal den „Kopf zurechtrücken“. Zum Beispiel ist da die Martina*, eine langjährige hoch engagierte Pflegefachkraft, die mit ihrer Akribie und ihren moralinsauren Kommentaren alle zur Weißglut treibt. Sie denkt, sie ist die einzig gewissenhafte Pflegekraft des Teams, macht alles immer superperfekt, superumsichtig und ist superverantwortlich. Sie kümmert sich intensiv um ihre Klienten, ist weit über die Dienstzeit und den Dienstrahmen hinaus für sie da. Das erwartet sie auch von den anderen. Viele Klienten/Gäste sind regelrecht auf sie fixiert, als wäre sie die Einzige im Team, die etwas taugt. Doch auch bei ihr bleibt das Überengagement nicht in den Kleidern stecken. Jetzt, wo sie auf die sechzig zugeht, vergisst sie häufig etwas und es unterlaufen ihr Flüchtigkeitsfehler, die früher undenkbar waren. Anders, aber ähnlich extrem: der „Tobi-Schatz“– eigentlich heißt er Tobias* und ist ein Mann Mitte dreißig. Er fühlt sich immer zurückgesetzt, übergangen und von den anderen nicht ernst genommen. Kein Wunder, denn er arbeitet nur das Nötigste und übernimmt so gut wie keine Verantwortung. Ist immer „lieb“ (sprich: konfliktscheu), redet jedem nach dem Mund und möchte gern „everybody‘s Darling“ sein. Beide, Martina* und Tobias* sind völlig festgefahren in ihren Verhaltensmustern. Gemeinsam ist die Einstellung: Ich bin halt so, ich kann/will mich nicht ändern, obwohl ich mich eigentlich in meiner Lebenssituation selbst nicht wohlfühle.
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Selbstreflexion ist der einzige Weg zur Besserung Um zu verhindern, dass Mitarbeitende mit Selbstwertproblemen in ihrer einseitigen Wahrnehmung verhärten und ausgegrenzt werden oder dass eine Spaltung und Lagerbildung mit der Folge konkurrierender, möglicherweise einander blockierender Teams entsteht, bleibt Ihnen nur eins: Laden Sie Mitarbeitende, die sich stark über Teile ihrer Persönlichkeiten definieren, zur Selbstreflexion ein. Ziel ist, diese Persönlichkeit mit der dahinter liegenden guten Absicht zu erkennen, sie im Gespräch herauszuarbeiten und mit anderen Stärken zu verbinden, die für Ausgleich sorgen können. Nehmen wir als Beispiel die überengagierte Martina*. Helfen Sie ihr im Gespräch –– zu erkennen: „Ich habe einen starken Anteil (Verantwortlichkeit) voll von Verantwortung und Pflichtgefühl“; –– zu verstehen: „Wenn dieser Anteil sich nicht ungehemmt entfalten kann, werde ich wütend auf andere, die nicht so verantwortlich an die Sache herangehen“; –– zu akzeptieren: „Ich akzeptiere meine Verantwortungs- und Begeisterungsfähigkeit ohne Bewertung von mir und anderen. Ich erkenne auch meine Erschöpfung an und akzeptiere, dass ich etwas mehr Ruhe und Gelassenheit benötige“; –– zu koordinieren: „Ich bringe meine Verantwortung und Begeisterungsfähigkeit mit anderen Kräften in mir, z. B. mit meinem Körpergefühl und meinem Ruhebedürfnis, zusammen, vor allem mit meinem Realitätssinn, über den ich auch verfüge“; –– zusammenzuführen (Synthese): „Ich integriere meinen Realitätssinn in die Verantwortungs- und Begeisterungsfähigkeit. Ich bin verantwortlich und begeistert auf ein realistisches Ziel hin, in einem realistischen Maß, das auch andere anspricht. Ich kann die Spaltung aufheben.“ (vgl. Meibom v., 2009) Eine Gratwanderung, zugegeben. Aber wenn sie gelingt, ist dies auch eine gute Chance für den Mitarbeiter, sich selbst vollständiger wahrzunehmen, sich „runder“ zu fühlen, weniger Druck oder Wut zu empfinden und besser im Team klarzukommen.
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TIPP Reflexion mit „The Work“ Nützlich zu Ihrer inneren Klärung und zur Vorbereitung auf das Reflexionsgespräch sind diese Fragen aus „The Work“ von Byron Katie. Sie helfen Ihnen, Annahmen und Aussagen auf ihren wirklichen Realitätsgehalt zu überprüfen. Stellen Sie sich zur Überprüfung von Behauptungen folgende Fragen: 1. Ist das Behauptete wirklich wahr, durch Fakten belegt, sodass Sie wirklich wissen, dass es zu 100 % den Tatsachen entspricht? 2. Wie reagiere ich im Umgang mit dem Mitarbeiter/den Mitarbeitern, wenn ich an dieser Überzeugung festhalte? 3. Wie würde ich reagieren, wenn ich davon ausgehe, dass keine böse Absicht im Spiel ist? Was wäre dann anders in meinem Verhalten als PDL gegenüber dem/den Mitarbeitenden? 4. Welche Effekte wären zu erzielen? Welche Veränderung in welche Richtung? (vgl. Boerner, M., 1999: Klappentext zur Selbstanleitung)
1.10.3 Kleine coole Kunstgriffe bei Krisen und Konflikten Manchmal kommen einem im Auto einfach die besten Gedanken. Sie sind auf der Rückfahrt vom Kunden, angeregt von Kritik und Lob kreisen Ihre Gedanken um ein angesprochenes, hartnäckiges Problem: den chronischen Organisationswirrwar im Spätdienst! Jeder fühlt sich für alles verantwortlich, aber Wesentliches wird dabei vergessen. Klar, dass der Kunde hier eine Kritik angebracht hat! Plötzlich fällt es Ihnen wie Schuppen von den Augen: Hier muss man grundsätzlich und radikal anders ansetzen. Und Sie haben auch schon die richtigen Ideen! Es kommt, wie es kommen muss: Euphorisiert von Ihrer eigenen Genialität, getragen vom Flow der Vorfreude kommen Sie in die Teambesprechung, wischen mehr oder weniger alle anderen verabredeten Themen vom Tisch und beglücken die Anwesenden mit neuen Erkenntnissen und Veränderungsforderungen, die ans Eingemachte gehen. Jetzt ist die Krise da. Auch dann, wenn Sie schon oft darüber gesprochen haben, dass hier Veränderungen anstehen, fühlen sich Ihre Mitarbeitenden erst einmal überfahren. Sie verursachen Angst. Ihre Mitarbeiter blockieren und schalten auf stur. Sie spüren: zu schnell vorgeprescht. Argumentieren hilft jetzt nicht. Besser: Sie kriegen sich selbst schnell in den Griff und regulieren die Emotionen Ihrer Gegenüber.
1 Grundlagen73
Das KRISEN-ABC Sie haben einen Schock ausgelöst (wenn auch einen heilsamen und notwendigen). Aber nun ist es auch an Ihnen, wieder behutsam und einfühlsam zu agieren. Hier bietet sich das TRUST-Konzept nach Diegelmann/Isermann an. TRUST steht für Techniken Ressourcenfokussierter Und Symbolhafter Traumabearbeitung. TRUST hilft –– das Gehirn aus dem Angstmodus wieder in die Balance zu bringen, –– die Aufmerksamkeit in Richtung Lösung zu lenken, –– Zugänge zu eigenen Möglichkeiten zu erkennen, –– zu einem achtsameren Umgang mit sich selbst und allem, was einen umgibt, zu finden. (vgl. Diegelmann/Isermann 2011: 9 f.) Methodisch arbeitet TRUST mit dem „KRISEN-ABC“, das für folgende Maßnahmen steht: –– K eep cool –– R essourcen aktivieren –– I nnehalten, d. h. zuhören –– S inn finden –– E ngagement –– N eues entdecken –– A ktiv werden –– B ewertungen ändern –– C hancen erkennen Lassen Sie sich von diesen Aspekten in den nächsten Tagen leiten und geben Sie entsprechende Hilfestellung, z. B. indem Sie –– Ihre Kollegen zur Ruhe kommen lassen (keep cool) und erst einmal nichts weiter sagen; –– Ressourcen aktivieren, indem Sie ihnen Ihre Zusammengehörigkeit und emotionale Verbundenheit sowie Ihre gemeinsame erfolgreiche Krisenbewältigungserfahrung in geeigneter Form vor Augen führen. Nach dem Motto: Wir sind füreinander da, gemeinsam sind wir unschlagbar!;
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Erfolgreich Führen und Leiten
–– innehalten, d. h. das wütende Schweigen Ihrer Kollegen aushalten oder den einsetzenden vorwurfsvollen Redefluss darüber, dass eine Veränderung, so wie Sie das gerade sagen, sowieso nicht funktioniert; –– die gemeinsame Zukunft nach der erfolgreichen Veränderung wie ein Bild vor Augen führen und Sie sie einladen dieses Lösungsbild mit Ihnen lebendig auszumalen und auszufeilen, sich zu engagieren und damit bereits zum Teil des gemeinsamen Veränderungsprozesses zu werden! Passen Sie den richtigen Moment ab, um sie nach ihren Ideen zu fragen. Mit diesem Schritt leiten Sie die Wende zum Konstruktiven ein. Eine geeignete Methode beschreibe ich im Folgenden.
Das Alternativrad Auch in dieser Situation ist das schon in Kap. 1.1.4 empfohlene Alternativrad eine erprobte Methode, die wie folgt angewandt werden könnte (vgl. Asgodom 2012: 85 ff.): Das Verfahren benötigt 10 bis 30 Minuten. Zeichnen Sie auf ein Flipchart oder ein DIN-A3-Blatt ein Rad (Nabe im Mittelpunkt und 8 bis 12 Speichen). Schreiben Sie das Thema in die Mitte des Punktes, der als Radnabe dient, z. B.: „Organisationswirrwar im Spätdienstbereich abschaffen.“ Auf die erste Speiche schreiben Sie: 1. Alles bleibt, wie es ist. ann bitten Sie Ihr Gegenüber, seine Fantasie spielen zu lassen und Ideen zu finden, D was man alles machen könnte, z. B.: 2. Noch im nächsten Monat eine weitere Tour/einen verstärkten Spätdienst in der Tagespflege aufbauen, um mehr Ruhe herzustellen. 3. Eine neue Mitarbeiterin einstellen, die für Struktur sorgt. 4. Eine neue Arbeitsverteilung gemeinsam aufbauen. 5. Ein pfiffiges Selbststeuerungstool (Ampelsystem) entwickeln, das rasch Überblick verschafft und stärkt, was gut läuft. Alle möglichen und unmöglichen Ideen werden aufgenommen, bis alle Speichen belegt sind. Und wenn dann noch eine besonders schräge Variante dazukommt – einfach um eine weitere Speiche ergänzen.
1 Grundlagen75
TIPP Mit schrägen Fragen zu fruchtbaren Ideen (vgl. Asgodom 2012: 91) Manchmal kommt man nicht gleich auf kreative Ideen. Hier ein paar schräge Fragen, die schon häufig zu exzellenten Lösungen geführt haben – gerade, weil sie so absonderlich scheinen: –– Was würde einem Träumer dazu einfallen? –– Was wäre die verrückteste und genialste Lösung? –– Welche Lösung wäre die einfachste? –– Was würde Mutter dazu sagen? –– Was wäre die Lösung, wenn Zeit keine Rolle spielen würde? –– Was würden Sie tun, wenn Sie jünger wären/älter und erfahrener wären? –– Was würden Sie tun, wenn Geld keine Rolle spielen würde?
Nun checken alle Beteiligten mit kritischem Verstand die vorgeschlagenen Möglichkeiten ab, indem sie Punkte vergeben von 0 (gefällt mir gar nicht) bis 10 Punkte (top). Schreiben Sie den Punktwert an die Speiche. Welche Idee ist Sieger? Welche Ideen können Sie zusammenfassen? Ergänzen oder widersprechen sich Ideen mit Top-Werten? Checken Sie nun die gefundenen Möglichkeiten mithilfe strategischen Denkens: –– Was müssen wir tun, wenn wir …? –– Was würde es bedeuten, wenn wir …? –– Welche Konsequenzen hätte es, wenn wir …? Es kann sich sogar herausstellen, dass Nichtstun erst einmal sinnvoll sein kann, bis sich eine bessere Chance bietet. Als Abschluss dieser gemeinsamen Arbeit sollten Sie eine To-do-Liste anlegen: Wonach wollen Sie sich genau erkundigen, was macht wer? Verbinden Sie diesen ersten Maßnahmenplan schon mit Terminen und machen Sie sie dadurch verbindlich.
Souveränität zurückgewinnen Während es bisher in erster Linie darum ging, die Teammitglieder in Krisen zu führen und zu steuern, geht es hier um Sie persönlich. Denn manchmal ist es gar nicht so einfach, in Krisensituationen einen kühlen Kopf zu bewahren bzw. sich zu beruhigen. Dabei stehen Sie als PDL auf dem Präsentierteller. „Wunden lecken“, etwas Schnippisches
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Erfolgreich Führen und Leiten
nachkarten, sich stumm und beleidigt zurückziehen verbietet sich von selbst. Das wäre höchst unprofessionell. Es gilt, rasch Ihre gewohnte Souveränität zurückzugewinnen. Versuchen Sie es mit diesen drei Schritten: 1. Runterkühlen durch Ablenken Leiten Sie ihre Gedanken um, indem Sie die Übung „5–4–3–2–1“ ausführen. Fokussieren Sie sich an dem Ort, wo Sie sich befinden, ganz auf folgende Wahrnehmungen im Hier und Jetzt: 5 Dinge, die ich sehe (benennen); 5 Dinge, die ich höre (benennen), 5 Dinge, die ich empfinde (benennen). Von hier aus runterzählen und konzentriert in der Wahrnehmung bleiben: Vier Dinge, die ich sehe, höre, fühle, drei, zwei und ein Ding. Diese Übung befreit sofort vom Grübeln. 2. Aufrichten durch Abregen Suchen Sie einen Ort auf, an dem Sie alleine sind, und gehen Sie in die RESET-Haltung: Richten Sie sich ganz gerade auf. Sagen Sie sich: „Ich bin freundlich zu mir, ich baue mich jetzt auf. Ich nutze meinen Geist und meinen Körper.“ Gehen Sie in einen festen, selbstbewussten Stand. Atmen Sie tief ein – von den Füßen in den Bauchraum bis in die Lungen und den Kopf. Nehmen Sie die Arme mit nach oben. Denken Sie beim Einatmen immer „Glück auf!“ und beim Ausatmen „Wut raus!“. Dabei Hände zu Boden drücken! 3. Krönchen aufsetzen, weitermachen! Gehen Sie in die Natur. Analysieren Sie: Kann ich etwas tun, was ein wenig nach vorne führt, realistisch und von mir beeinflussbar ist? Nehmen Sie ein Bad und schlafen Sie über Ihre Idee. Am nächsten Morgen machen Sie Ihren lösungsorientierten Erfolgsplan: Jetzt Krone aufsetzen und weiter!
2 Perspektiven77
2 Perspektiven Nachdem wir im ersten Kapitel Grundlagen des bisherigen Personalmanagements in Betrieben und Pflegeeinrichtungen beschrieben haben, wollen wir nun im zweiten Kapitel den Blick nach vorne in die Zukunft richten. Dazu bieten wir Ihnen zunächst das unseres Erachtens für Pflegeunternehmen hilfreiche Modell der lebensphasenorientierten Personalpolitik, entwickelt von Frau Prof. Dr. Rump, Institut für Beschäftigung und Employability, Ludwigshafen, an. Wir führen danach die Beschreibung der „vier Generationen im Betrieb“ in einem weiteren Detail fort. Beide Ansätze zusammen verknüpfen wir in das Modell des generations- und lebensphasenorientierten Personalmanagements (GLPM). Darüber hinaus geben wir praxiserprobte Anregungen für ein zukunftsfähiges, gesamt-unternehmerisches und einrichtungsbezogenes Personalmanagement. In der Praxis spiegeln sich diese Themen in folgenden Fragen von Führungskräften in der Pflege wider: Warum setzen jüngere Mitarbeiter heute andere Prioritäten? Wieso springen Mitarbeiter nicht mehr so ein, wie es vor 15 Jahren natürlich noch üblich war? Warum diskutieren jüngere Mitarbeiter ständig die gleichen Themen? Warum wollen Mitarbeiter erst ab 8.00 h morgens arbeiten? Warum werden Betriebsfeiern nicht mehr so angenommen wie früher? Und warum finden andere Pflegedienste noch neue Mitarbeiter, wir aber nicht mehr? Was macht einen attraktiven Arbeitgeber in der Zukunft aus?
2.1 Grundlage lebensphasenorientiertes Personalmanagement Kurz und knapp vorweg zusammengefasst: Unternehmen sollten im Rahmen ihres Personalmanagements Mitarbeiter differenziert mit ihren unterschiedlichen privaten und beruflichen Hintergründen und in ihren jeweiligen Lebensphasen (Elternschaft, Pflege, …) betrachten und sie in geeigneter Form unterstützen, damit eine Vereinbarkeit von Lebens- und Berufssituation und eine Entwicklung und der Erhalt der nachhaltigen Leistungs- und Beschäftigungsfähigkeit der Mitarbeiter möglich wird. Dies bezeichnet Prof Rump als Modell einer lebensphasenorientierten Personalpolitik. Sie fragt sich zu Beginn der Modellentwicklung, warum eine lebensphasenorientierte Personalpolitik wichtig ist. Dabei macht sie deutlich, dass Fachkräfte in Unter-
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Erfolgreich Führen und Leiten
nehmen von großer Bedeutung für die Gesellschaft und Volkswirtschaft generell und grundlegend wichtig sind. Dem Bedarf an Fachkräften steht jedoch die Realität entgegen, dass heute schon und weiterhin auch in den nächsten Jahren mehr Fachkräfte aus dem Arbeitsprozess ausscheiden, als in den Fachkräftemarkt einsteigen. Fachkräfteengpässe in vielen Berufsfeldern, besonders auch in der Pflege, gibt es heute schon in vielen Regionen in Deutschland. Somit führt dies nach Prof. Dr. Rump zu der Frage, was Unternehmen und Arbeitgebern helfen kann, Fachkräfte zu gewinnen. Oder aus Sicht der Mitarbeiter formuliert: Wer ist ein guter Arbeitgeber? Was zeichnet ihn aus? Was macht ihn attraktiv, damit Mitarbeiter dort gern arbeiten und ihre Leistungsfähigkeit und Motivation in das Unternehmen einbringen wollen? Und weitergehend: Wie müssen Arbeitsbedingungen und Personalarbeit gestaltet werden, damit die Mitarbeiter sich in ihrer Arbeitsumgebung wohlfühlen? Wie kann die Beschäftigungszeit eines Mitarbeiters möglichst lange für das Unternehmen gewonnen werden? Es wird somit deutlich, dass heute und in Zukunft die Gewinnung und Bindung (und auch Verabschiedung) von Mitarbeitern eine große Bedeutung hat und vielfach eine Veränderung in der Personalpolitik eines Unternehmens erfordert. Es gehe jetzt darum, als Arbeitgeber attraktiv für unterschiedliche Menschen zu sein, die für eine gewisse Zeit bereit sind, ihr Wissen und ihre Kompetenzen für das Unternehmen einzusetzen. Prof. Dr. Rump weist auch auf einen besonderen Punkt hin: „Gerade bei gut qualifizierten Kräften kommt zu dem eigentlichen Vertrag zwischen Unternehmen und Beschäftigten ein ungeschriebener „psychologischer Vertrag“ hinzu, der sich auf ein als fair empfundenes Geben und Nehmen auf beiden Seiten bezieht und zu einer Partnerschaft auf Augenhöhe über den gesamten Erwerbslebenszyklus hinweg führt. Dabei zeigt sich, dass gerade jüngere Beschäftigte die Attraktivität ihres Unternehmens nicht mehr vorrangig nur über das Gehalt definieren.“ (Quelle: Strategie für die Zukunft. Seite 7)
2 Perspektiven79
Sie schlussfolgert, dass ein „lebensphasenorientierter Ansatz in der Personalpolitik“ dieser Komplexität an Anforderungen für das Personalmanagement am ehesten gerecht wird. Dieser Ansatz bietet den Mitarbeitern in unterschiedlichen Lebens- und Berufsphasen verschiedene und differenzierte Rahmenbedingungen am Arbeitsplatz, in denen sie ihre sich wandelnden Anforderungen im beruflichen und privaten Bereich in Einklang bringen können. Dies trifft nicht nur auf die Mitarbeiter zu, die Kinder oder ältere Angehörige zu betreuen haben. Letztendlich profitieren alle Beschäftigten von Maßnahmen zur besseren Vereinbarkeit von Berufs-, Privat- und Familienleben. Das bedeutet weiterhin, dass die private Lebenssituation der Beschäftigten – unabhängig vom Familienstand – in Unternehmen Berücksichtigung finden darf und soll. Prof. Dr. Rump benennt als eine weitere Dimension einer lebensphasenorientierten Personalpolitik einen erheblichen Wettbewerbsvorteil für die betreffenden Betriebe, da sich der bisherige Arbeitgebermarkt zu einem Arbeitnehmermarkt gewandelt hat. Somit führt eine lebensphasenorientierte Personalpolitik im Unternehmen auch zur Steigerung der Attraktivität als Arbeitgeber. Die lebensphasenorientierte Personalpolitik sei somit auch als Investitionspolitik des Unternehmens zu betrachten. An bedeutenden Veränderungsprozessen in der Gesellschaft und am Arbeitsmarkt sieht sie die sich gegenseitig beeinflussenden Megatrends, die zukünftig die Arbeitswelt stark verändern werden: –– demografischer Wandel, –– technologische Entwicklung, –– Ausrichtung zur Wissens- und Innovationsgesellschaft, –– Nachhaltigkeit, –– Veränderung der Frauenrolle und –– gesellschaftlicher Wertewandel. Einige kurze Aussagen von ihr dazu: –– Der demografische Wandel führt zu weniger und älteren Mitarbeitern in Unternehmen. Das Durchschnittsalter der Beschäftigten in Deutschland lag 2010 bei 44 Jahren, im Jahr 2060 wird dies je nach Variante der 14. Koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung zwischen 45 bis voraussichtlich 50 Jahre betragen. Bei den verschiedenen Arbeitsmarktszenarien sei auch zu beachten, dass immer weniger Mitarbeiter ihre Arbeitskraft in Vollzeit anbieten wollen, nicht nur die, die in der Familienphase (Kin-
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Erfolgreich Führen und Leiten
derbetreuung, Pflege) sind. Im Jahr 2020 werden ca. 23 % der Bevölkerung 65 Jahre oder älter sein, bis 2060 steigt die Anzahl der Menschen dieser Altersgruppe je nach Variante auf 24 % – 30 % der Gesamtbevölkerung. –– Ergänzend von uns für den Pflegebereich dazu: In der ambulanten Pflege sind derzeit ca. 390.000 Mitarbeiter in Deutschland beschäftigt (Quelle: Destatis 2017). Knapp 30.000 davon sind zwischen 60 und 65 Jahre alt, 115.000 davon sind zwischen 50 – 60 Jahre alt. Diese Mitarbeitergruppen (Babyboomer) gehen innerhalb der nächsten 15 Jahre in Rente. –– Der technologische Wandel wird vielfach nicht nur als Verbesserung, sondern als Mehrbelastung wahrgenommen. Hinzu kommt eine Mehrbelastung durch Arbeitsverdichtungen. Überbelastungssituationen treten besonders häufig am Arbeitsplatz auf. Aber auch das persönliche Verhalten, in der Freizeit viel und ständig Neues erleben zu wollen, führt zu einer weiteren Belastungssituation. –– Ergänzend von uns für den Pflegebereich dazu: Im aktuellen Gesundheitsreport der Techniker Krankenkasse ist vermerkt, dass Kranken- und Altenpflegekräfte im Durchschnitt 23 Tage pro Jahr wegen Krankheit ausfallen, 8 Tage mehr als der Bundesdurchschnitt der Beschäftigten in allen Berufsfeldern. Diese hohe Krankenquote in der Pflege [6,94 % in der Altenpflege, 6,02 % in der Krankenpflege (im Vergleich zu 4,09 % im Durchschnitt aller Berufstätigen)] hat aber auch mit den hohen psychischen und physischen Belastungen in der Pflege zu tun. (Quelle: Gesundheitsreport 2019 – Arbeitsunfähigkeiten, Herausgeber: Techniker Krankenkasse) –– Den Begriff der Nachhaltigkeit, der in der Regel für Umweltschutz und erneuerbare Energie steht, überträgt Prof. Dr. Rump auf die Arbeitswelt von morgen und verbindet diesen mit dem verantwortlichen Umgang mit Ressourcen, die das System Arbeit ausmachen. Dazu gehört auch die Nachhaltigkeit in der Personalarbeit und in der Unternehmensführung. Bildlich kann dies wie folgt dargestellt werden (siehe Abbildung 2). nternehmen sollten die beschriebenen Themenfeldern mit einer langfristigen ZielU setzung angehen. Einmalige Projekte in der Personalpolitik oder kurzfristige Planungen in der Unternehmensführung haben wenig mit nachhaltigem Agieren zu tun. Aus Sicht der Mitarbeiter bedeutet Nachhaltigkeit aber auch, sich mit dem Wunsch der Mitarbeiterschaft nach „Balance“, fairen Arbeitsbedingungen, z. T. auch Entschleunigung zu beschäftigen und ggf. Veränderungsnotwendigkeiten im Unternehmen zu erkennen.
bedeutet Nachhaltigkeit jedoch deutlich mehr. lässlich und beweglich zu gelten, hat wenig mit Es geht zum einen um den verantwortlichen nachhaltigem Agieren zu tun. 2 Perspektiven81 Umgang mit Ressourcen, die das System Arbeit ausmachen. Dazu gehört auch die Nachhaltigkeit Nicht zuletzt bedeutet Nachhaltigkeit auch, sich in der Personalarbeit. mit dem Wunsch einiger Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen nach Entschleunigung sowie nach „Balance“ auseinanderzusetzen und die Notwendigkeit zu erkennen.
Die magischen Dreiecke der Nachhaltigkeit Identifikation / Motivation
Glaubwürdigkeit
Personalpolitik Qualifikationen / Kompetenzen
Gesundheit / Wohlbefinden
Führung
Verlässlichkeit
Beweglichkeit
Abb. 1: Die2:magischen Dreiecke der der Nachhaltigkeit Abbildung Die magischen Dreiecke Nachhaltigkeit (Aus: Veröffentlichung des Ministeriums für Wirtschaft, Klimaschutz, Energie und Landesplanung: Strategie für die Zukunft S. 12)
12
–– Den gesellschaftlichen Wertewandel beschreibt Prof. Dr. Rump als eine Umbruchphase hinsichtlich der Hierarchie der Werte, eine „bunter werdende Belegschaft“ und eine zunehmende Individualisierung. Dies kann – positiv gedeutet - unter anderem die Entwicklung immer vielfältigerer und sich im Lebensverlauf wandelnder Lebenswelten, Rollenmodelle und biografischer Muster ermöglichen. Dazu können die gesellschaftliche Aufwertung von Ehe, Familie und Kindern, die soziale Anerkennung freiwilliger Tätigkeiten, die Orientierung am Umweltschutz und die grundlegende Neubewertung von Arbeit und Leistung zählen. Im Vergleich zu früher (bei den Babyboomern), wo die primäre Orientierung häufig auf der Erwerbsarbeit lag, ist heute durch den Wertewandel eine Verschiebung hin zu einer zunehmenden Sinnsuche in außerberuflichen Bereichen, wie Familie, Freizeit oder Gesundheit zu beobachten. „Interessante Arbeitsinhalte“, „Anerkennung der eigenen Leistung“ und „eine Ausgewogenheit zwischen Arbeit- und Privatleben“ werden von jüngeren Mitarbeitern als deutlich wichtiger als „das Erreichen einer Führungsposition“ oder „ein hohes Einkommen“ benannt. (Siehe auch Werle, K. (2005)
82
RICHTUNG DER PERSONALPOLITIK Erfolgreich Führen und Leiten Ganz unbestritten ist es notwendig, die Fülle Bei der Auseinandersetzung mit dem Konsequenan Auswirkungen und Konsequenzen der Mezen der Megatrends fallen vor allem drei wichtige gatrends in der Personalpolitik abzubilden. Die Themenbereiche auf: Notwendigkeit steht jedoch der Frage nach der Praktikabilität gegenüber. Umeine die Personalpolitik Beschäftigungsfähigkeit / Wissen undwird und Sie folgert daraus, dass Neuausrichtung1.der Personalpolitik notwendig zukunftsorientiert und gleichzeitig praxistauglich Kompetenzen benennt aus der es Beschäftigung mit den Megatrends drei wichtige Themenfelder: zu gestalten, bedarf also einer ZusammenfassungBeschäftigungsfähigkeit/Wissen der Effekte (siehe Abbildung 2). 2. Demografieorientierung / Altersstruktur 1. und Kompetenzen
2. Demografieorientierung/Altersstruktur 3. Work-Life-Balance / Vereinbarkeit von 3. Work-Life-Balance/Vereinbarkeit von Berufs-, Privatundund Familienleben Berufs-, PrivatFamilienleben. Auswirkungen der Megatrends Verschiebung der Altersstruktur (mehr Ältere, weniger Nachwuchs, mittelfristig weniger Erwerbspersonen) Sinkender Bestand an Fachkräften Verlängerung der Lebensarbeitszeit
Steigende Bedeutung von Wissen und Kompetenz Zunehmender Bedarf an Fachkräften Einbeziehung aller Wissensträger durch Nutzung der Vielfalt
Beschäftigungsfähigkeit
Demografieorientierung
Vereinbarkeit von Berufs-, Privat- und Familienleben
Work-Life-Balance
Nachhaltige Personalpolitik Lebenslange Identifikation/ Motivation
Lebenslanger Kompetenzerhalt
„Magisches“ Dreieck der nachhaltigen Personalpolitik
Lebenslanges Wohlbefinden/ Gesundheit
Abb. 2: Herausforderungen für für diedie UnternehmensAbbildung 3: Herausforderungen Unternehmens-und undPersonalpolitik Personalpolitik (Aus: Veröffentlichung des Ministeriums für Wirtschaft, Klimaschutz, Energie und Landesplanung: Strategie für die Zukunft S. 17)
Für Unternehmen formuliert sie fünf Leitfragen, die Basis einer jeden Lebensphasen orientierten Personalpolitik sein sollten: –– Wie kann die Beschäftigungsfähigkeit der Beschäftigten unter Berücksichtigung der Lebensphasen und der Verlängerung der Lebensarbeitszeit gefördert werden? –– Wie lassen sich Beschäftigte, insbesondere Fachkräfte, für Unternehmen gewinnen und in Unternehmen langfristig binden? –– Wie können die unterschiedlichen Werte sowie Denk- und Handlungsmuster der verschiedenen Generationen und Beschäftigtengruppen berücksichtigt werden? –– Wie lassen sich Lebens- und Berufsphasen miteinander vereinbaren?
17
2 Perspektiven83
–– Wie lässt sich der sogenannte „Lebensstau“ – die „Rush Hour“ – entzerren? Daraus ergeben sich dann zwangsläufig die Ziele der Lebensphasenorientierten Personalpolitik: –– Der Erhalt und die Förderung der Beschäftigungsfähigkeit auch über eine verlängerte Lebensarbeitszeit hinweg. –– Die Gewinnung und Bindung von Mitarbeitern, insbesondere (potenziellen) Fachkräften. –– Die Vereinbarkeit von Berufs-, Privat- und Familienleben.
2. KONZEPT DER LEBENSPHASEN–– DieDAS Individualisierung der Personalpolitik. Die Lebensphasenorientierung in einem Unternehmen setzt somit ein ganzheitliches ORIENTIERTEN PERSONALPOLITIK und integratives Unternehmenskonzept voraus:
Grundsätze der Lebensphasenorientierten Personalpolitik Prinzip der Ganzheitlichkeit Berücksichtigung aller relevanten Ebenen, Bereiche und Handlungsfelder
Prinzip der Integration Kombination unterschiedlicher Ebenen, Bereiche und Handlungsfelder sowie Berücksichtigung der Interdependenzen
Prinzip der Kontinuität Förderung der Beschäftigten unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Lebensphasen über die gesamte Beschäftigungsdauer im Unternehmen hinweg
Ethischer Kodex Förderung aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unter Berücksichtigung ihrer Individualität und individuellen Situation
Prinzip der Wirtschaftlichkeit Umsetzung der Lebensphasenorientierung gemäß des Kosten-NutzenKalküls sowie Anerkennung der hohen ökonomischen Relevanz einer Lebensphasenorientierten Personalpolitik
Abb. 6: Grundsätze der Lebensphasenorientierten Personalpolitik
Abbildung 4: Grundsätze der lebensphasenorientierten Personalpolitik (Aus: Veröffentlichung des Ministeriums
für Wirtschaft, Klimaschutz, EnergiePersonalpolitik und Landesplanung: Strategie für die Zukunft S. die 23) integrative KompoDie Ganzheitlichkeit und Um eine Lebensphasenorientierte nente des Konzepts zeigen sich darin, dass zum eizu gestalten, reicht es nicht aus, die drei Dimennen alle relevanten betrieblichen Handlungsfelder sionen „Förderung und Sicherung der BeschäftiProf. Dr. Rump macht deutlich, dass die Ganzheitlichkeit der Konzeption zu einem hoberücksichtigt sind und zum anderen die individugungsfähigkeit“, „Demografieorientierung“ sowie hen Maß anvon Individualisierung „Mitarbeiter werdenderdort abgeholt, sie stehen“. elle Situation Mitarbeiter und wo Mitarbeiterinnen „Vereinbarkeit Berufs-, Privat- undführt. Familienleabgebildet sind. Die individuelle Situation der Menben / Work-Life-Balance“ im Sinne einer einfachen schen wiederum spiegelt sich in der Lebensphase Kombination von möglichen Instrumenten und und in der Berufsphase wider. Wird das Konzept der Maßnahmen zum Einsatz zu bringen. Vielmehr Lebensphasenorientierten Personalpolitik konseist es notwendig, dass alle relevanten Unternehquent zu Ende gedacht, entsteht eine Konzeption, mensfelder einbezogen werden, die Aktivitäten in die ein hohes Maß an Individualisierung aufweist. Bezug auf die Lebensphasenorientierung aufeinan„Mitarbeiter, Mitarbeiterinnen und Führungskräfder abgestimmt und miteinander verknüpft sind te werden dort abgeholt, wo sie stehen“. Damit sowie Wechselwirkungen berücksichtigt werden. wird aber auch deutlich, dass ein solches Konzept Es bedarf einer Verknüpfung der betrieblichen schnell an die Grenzen der Praktikabilität stößt Notwendigkeiten mit den Zielen, Bedürfnissen und
84
Erfolgreich Führen und Leiten
Berufsphasen
Einstieg / Orientierung
Reife
Lebensphasen Elternschaft
Informationen; Beratung; Services für die
Flexible Arbeitsmodelle (Zeit / Ort); Informatio-
Kontakthalteprogr
Familie; Flexible Arbeitsmodelle (Zeit / Ort);
nen; Beratung; Services für die Familie; Sensi-
Wiedereinstiegspro
Kontakthalteprogramme während der Eltern-
bilisierung von Führungskräften; Freistellung;
Teilzeit; e-/blended
zeit; Wiedereinstiegsprogramme
Kontakthalteprogramme während der Elternzeit;
Werdegängen
Wiedereinstiegsprogramme
Pflege
Lebens- und Arbeitssituation des Partners
Informationen; Beratung; Erfahrungsaus-
Flexible Arbeitsmodelle (Zeit / Ort); Informatio-
Kontakthalteprogr
tausch; flexible Arbeitsmodelle (Zeit / Ort);
nen; Beratung; Sensibilisierung von Führungskräf-
Führungspositione
Kontakthalteprogramme während der Eltern-
ten; Freistellung; Kontakthalteprogramme wäh-
zeit; Wiedereinstiegsprogramme
rend der Pflegezeit; Wiedereinstiegsprogramme
Tag der offenen Tür; bei gesuchten Fach- u.
Einladung zu Veranstaltungen auch für den
Dual Career Thema
Führungskräften Unterstützung bei der Suche
Partner; Dual Career Thematik; Umgang mit der
des Partners in Qu
nach einem Job für den Partner bzw. die
Ablehnung von Arbeitseinsätzen (Beförderung,
Gespräche; Inform
Partnerin
Ausland etc.) aufgrund des Partners bzw. der
rinnen bei größere
Partnerin
Soziales Netzwerk
Werben mit Öffnung für Netzwerke
Flexible Arbeitsmodelle (Zeit / Ort); Freistellung
Förderung von ber
Netzwerken; Akzep
rungskräften in Ne
Ehrenamt
Mitarbeitergespräch; Freistellung; Flexible
Flexible Arbeitsmodelle (Zeit / Ort); Freistellung
Arbeitszeiten
Hobby
Mitarbeitergespräch; Freistellung; Flexible
Anerkennung der i
keiten bei der Pers
Flexible Arbeitsmodelle (Zeit / Ort); Freistellung
Arbeitszeiten; externe Rekrutierung, z. B.
Anerkennung der i
bei der Personal- u
über die Platzierung von Stellenanzeigen in Hobbyzeitschriften und auf entsprechenden Websites
Krankheit
Krankenrückkehrgespräch; Unterstützung
Krankenrückkehrgespräch; Unterstützung beim
Krankenrückkehrge
beim Umgang mit der Krankheit; flexible
Umgang mit der Krankheit; flexible Arbeitsmo-
riereschritten; Vers
Arbeitsmodelle; finden eines neuen Ausbil-
delle (Zeit / Ort); neue Arbeitsplatzgestaltung;
Teilzeit-Qualifizier
dungsberufs; Behindertengerechte Ausbildung
Tätigkeitswechsel; Freihalten der Stelle bei kurz-
wechsel
und mittelfristiger Abwesenheit
Nebentätigkeit
Flexible Arbeitsmodelle (Zeit / Ort)
Flexible Arbeitsmodelle (Zeit / Ort); Freistellung
Anerkennung der i
Fähigkeiten bei der wicklung
Privat initiierte Weiterbildung
Flexible Arbeitsmodelle (Zeit / Ort);
Flexible Arbeitsmodelle (Zeit / Ort); Freistellung
Anerkennung der i
ggf. finanzielle Unterstützung
für Prüfungen bzw. Prüfungsvorbereitung
Fähigkeiten bei der wicklung
Traumatisches bzw. kritisches Ereignis
Mitarbeitergespräch; Beratung; Coaching
Mitarbeitergespräch; Coaching; Mentoring;
Coaching; Mentori
Erstellen von Ausstiegsszenarien; Durchlässigkeit
seminare; Sabbatic
von Werdegängen und Karrieren
Verschuldung
Mitarbeitergespräch; Beratung
Mitarbeitergespräch; Beratung
Abb. 8: Ausgewählte Maßnahmen der Lebensphasenorientierten Personalpolitik für ein „Matching“ von Abbildung 5: Beispiel einer Zusammenstellung von relevanten Lebens- und Berufsphasen (Aus: Ministeriums für Berufs- und Lebensphasen
Wirtschaft, Klimaschutz, Energie und Landesplanung: Strategie für die Zukunft S. 30) 30
Mitarbeitergespräc
2 Perspektiven85
Sie räumt aber auch ein, dass ein solches Konzept schnell als „theoretisch, also nicht umsetzbar“ eingestuft werden kann. Es bedarf daher einer Übertragung, die „in ausreichendem Maß die Lebens- und Berufssituation der Beschäftigten abbildet und gleichzeitig für den Betrieb anwendbar ist.“
Wie kann dieses Konzept in die Praxis umgesetzt werden? Ein Unternehmen sollte zunächst für die Mitarbeiterschaft relevante Lebensphasen und -themen und Berufsphasen entsprechend Abbildung 5 (Seite 82) zusammenstellen: Mithilfe der nachfolgenden Folien kann die Umsetzung dieses Modells der lebensphasenorientierten Personalpolitik am Beispiel eines Mitarbeiters XY beschrieben werden:
S11
Umsetzung der Lebensphasenorientierten Personalpolitik (1/4) Mitarbeiter XY Reife-/ Plateau Sachbearbeiter/-in bzw. Referent/-in XY befindet sich in der betrieblichen und/ oder beruflichen Reifephase
Reife-/ Plateau
Ausland Elternschaft
Pflege
Führung
Elternschaft Elternpflichten kleiner sowie schulpflichtiger Kinder
Pflege eine bevorstehende Pflegeverantwortung kündigt sich an
Herausforderung: Wissenserhalt, Erhalt der Leistungs- und Beschäftigungsfähigkeit, Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Pflege.
Abbildung 6: Umsetzung der Lebensphasenorientierten Personalpolitik – 1
86
Erfolgreich Führen und Leiten
Der Mitarbeiter XY befindet sich z. B. als Sachbearbeiter (oder vergleichbar als Pflegekraft) in der betrieblichen und beruflichen Reifephase (er hat also schon die ersten Berufsjahre erfahren), hat kleine oder schulpflichtige Kinder und Eltern, die selbst altersbedingt in der nächsten Zeit Hilfe- und Unterstützungsbedarf haben. Was sind die Herausforderungen nicht nur für den Mitarbeiter, sondern für den Arbeitgeber? a) den Erhalt und die Weiterentwicklung des (Fach-)wissens, b) den Erhalt der Leistungs- und Beschäftigungsfähigkeit und c) die Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Pflege der Angehörigen mit zu unterstützen.
Wie kann der Arbeitgeber den Arbeitnehmer unterstützen? Für die Lebenssituation „Elternschaft“ und „Pflege“ (zukünftige Unterstützungssituation der eigenen Eltern) schlägt das Konzept in den Handlungsfeldern „Personalentwicklung“ und „beruflicher Werdegang“ entsprechende Handlungsmöglichkeiten für den Arbeitgeber wie z. B. ein Weiterbildungsangebot oder ein Coaching/eine Beratung zur Vereinbarung von Familie und Beruf vor:
S12
Umsetzung der Lebensphasenorientierten Personalpolitik (2/4) Mitarbeiter XY – Ausgewählte lebensphasenspezifische Instrumente Handlungsfelder
Elternschaft
Pflege
Mitarbeitergewinnung
-
Personalentwicklung
Weiterbildung in Teilzeit für Mütter/ Väter Coaching durch interne oder externe Fachkräfte
Weiterbildung in Teilzeit für pflegende Angehörige Coaching durch interne oder externe Fachkräfte
-
Berufliche Werdegänge
Perspektiven für eine alternative berufliche Lebensplanung aufzeigen (z.B. Unterstützung bei der Suche eines neuen Tätigkeitsbereiches innerhalb des Unternehmens) Berücksichtigung der Möglichkeit eines Downward Movement
Perspektiven für eine alternative berufliche Lebensplanung aufzeigen (z.B. Unterstützung bei der Suche eines neuen Tätigkeitsbereiches innerhalb des Unternehmens) Berücksichtigung der Möglichkeit eines Downward Movement
Abbildung 7: Umsetzung der Lebensphasenorientierten Personalpolitik – 2
2 Perspektiven87
S13
Umsetzung der Lebensphasenorientierten Personalpolitik (3/4) Mitarbeiter XY – Ausgewählte lebensphasenspezifische Instrumente Handlungsfelder
Elternschaft
Pflege
Anreiz- und Motivationssysteme
Cafeteriamodell mit materiellen und immateriellen Komponenten Materiell: z.B. Erfolgsbeteiligung Immateriell: z.B. Kinderbetreuung (auch in den Schulferien)
Cafeteriamodell mit materiellen und immateriellen Komponenten Materiell: z.B. Erfolgsbeteiligung Immateriell: z.B. Gesundheitsvorsorge
Unternehmensservices
Eltern-Kind-Zimmer, Kooperation mit der Caritas oder anderen externen Dienstleistern, Informationsbroschüren
Individuelle Beratung und Hilfestellung, Notfallplan (Was ist konkret während der ersten Tage und Wochen zu tun?), Internetlinksammlungen, Infobroschüren, Kooperation mit Beratungsstellen, Krankenkassen und freigemeinnützigen Trägern
Abbildung 8: Umsetzung der Lebensphasenorientierten Personalpolitik – 3
Im Handlungsfeld „Anreiz- und Motivationssysteme“ könnte der Arbeitgeber z. B. mit dem Mitarbeiter eine Erfolgsbeteiligung nach Zielerreichung vereinbaren oder im Handlungsfeld „Unternehmensservice“ eine individuelle Beratung und Hilfestellung im Pflegefall der Eltern anbieten. Für das gesamte Unternehmen gibt es weitere Handlungsfelder, für die phasenübergreifende Instrumente für die gesamte Mitarbeiterschaft gelten können wie z. B. die interne und externe Kommunikation über Angebote und Hilfestellungen des Arbeitgebers für seine Mitarbeiterschaft als „Familienorientiertes Unternehmen“.
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Erfolgreich Führen und Leiten
S14
Umsetzung der Lebensphasenorientierten Personalpolitik (4/4) Alle Mitarbeiter – Ausgewählte phasenübergreifende Instrumente
Handlungsfelder
Phasenübergreifende Instrumente
Führung
Vorgesetztenbeurteilung hinsichtlich der Umsetzung der lebensphasenorientierten Personalpolitik Regelmäßige Mitarbeitergespräche (auch bei Austritt und Wiedereinstieg)
Unternehmenskultur
Sensibilisierung von Management, Arbeitnehmervertretung und Belegschaft über Interviews, Kulturtage, Seminare, Betriebsfeste, Beiträge in Mitarbeiterzeitungen, Pressemitteilungen im Internet Beteiligung der Beschäftigten an der Definition des neuen Leitbildes
Organisation
Angebot differenzierter Arbeitsmodelle Familien/- Vereinbarungsgerechte Besprechungstermine
Gesundheitsförderung
Prävention, Therapie, Kuration, Früherkennung Erstellung von individuellen Gesundheits- und Leistungsprofilen mit Hilfe von Gesundheitsscores in Absprache mit den Beschäftigten
Kommunikation
Interne Kommunikation (Mitarbeiterfeste, E-Mail, Intranet, Broschüren etc.) Externe Kommunikation (Internet, Broschüren, Anzeigen etc.)
Sonstiges
Wissensmanagement (Generationenübergreifender Wissenstransfer, Dokumentation des Erfahrungswissens über Lessons-Learned etc.) Kooperation mit anderen Unternehmen aus der Region
Abbildung 9: Umsetzung der Lebensphasenorientierten Personalpolitik – 4
Wie verankert man dieses Modell in die tägliche Arbeit? Dazu ein 10 Punkte Plan von Prof. Dr. Rump zur Einführung der Lebensphasenorientierten Personalpolitik: 1. Verankern Sie die Lebensphasenorientierung auf der obersten Leitungsebene Ihres Unternehmens. Machen Sie die lebensphasenorientierte Unternehmens- und Personalpolitik zur „Chefsache“ und leben Sie die Ansätze „von oben nach unten“ vor. 2. Zeigen Sie Kosten und Nutzen auf und integrieren Sie die Ansätze in den Bereichen Steuerung und Erfolgsmessung. Versuchen Sie das Konzept der lebensphasenorientierten Personalpolitik in das bestehende Controllingsystem Ihres Unternehmens zu integrieren. Z. B. in die Balanced Scorecard, wenn sie vorhanden ist. Gehen Sie offen mit möglichen finanziellen Hürden um und suchen Sie nach alternativen Lösungen.
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3. Verfolgen Sie eine ganzheitliche, integrative Herangehensweise. Fokussieren Sie alle genannten Handlungsfelder und wählen Sie die für Ihr Unternehmen passenden Gestaltungsansätze. 4. Sensibilisieren Sie die Führungskräfte. Machen Sie sich bewusst, dass nicht selten gut gemeinte und mit hohem Aufwand implementierte Ansätze ausschließlich am Widerstand von Führungskräften scheitern. 5. Bevorzugen Sie flexible Lösungen und pragmatische Handlungsansätze. In der Regel fällt die Überzeugungsarbeit leichter, wenn die praktische Umsetzbarkeit für alle Beteiligten klar ersichtlich und leicht zu realisieren ist. 6. Stellen Sie insbesondere kostenneutrale und kostengünstige Maßnahmen in den Vordergrund. Vorbehalte bezüglich kostspieliger Maßnahmen, die gerade für kleine und mittelständische Unternehmen kaum zu realisieren sind, lassen sich durch entsprechende kostenneutrale bzw. kostengünstige Gegenbeispiele entkräften. 7. Informieren Sie umfassend über die Möglichkeiten und zeigen Sie sich kreativ in Bezug auf neue Wege. Nutzen Sie gute Beispiele aus anderen Unternehmen, um neue Ansätze für Ihre Belegschaft zu entwickeln und geben Sie ausschließlich fundierte Informationen über tatsächlich umsetzbare Maßnahmen weiter. 8. Seien Sie auf alle „Killer-Argumente“ vorbereitet. Setzen Sie sich bereits im Vorfeld mit möglichen Hindernissen und Hemmnissen auseinander und richten Sie Ihre Kommunikation darauf aus. 9. Führen Sie kontinuierliche Mitarbeiterbefragungen durch. Nur wer die aktuellen Problemstellungen und Wünsche kennt, kann bedarfsgerecht planen und effektive, passgenaue Maßnahmen umsetzen. 10. Betreiben Sie intern eine offene Informationspolitik und extern eine progressive Öffentlichkeitsarbeit. Ist das Unternehmen in der Öffentlichkeit erst einmal für seine Lebensphasenorientierung bekannt, ist es auch schwieriger, „das Rad zurückzudrehen“.
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(Quelle: Der 10 Punkte Plan einer Lebensphasenorientierten Personalpolitik. Prof. Dr. Jutta Rump. Institut für Beschäftigung und Employability. Ludwigshafen 2010.) Diese 10 Punkte sind eigentlich an die Geschäftsführungsebene gerichtet. Optimal wäre es, Sie würden mit dieser Idee offene Ohren bei Ihrer Geschäftsführung finden, und dieses Modell und dieser Ansatz würde im ganzen Unternehmen verankert werden. Sollte dies nicht gewollt sein, haben Sie trotzdem die Möglichkeit, als Leitung Ihres ambulanten Pflegedienstes oder der Tagespflege im Rahmen Ihres operativen Personalmanagements das Modell dieser Lebensphasenorientierung anzuwenden. Wir können Ihnen nur empfehlen: Versuchen Sie es! Es lohnt sich! Benötigen Sie noch Argumente für Ihre Geschäftsführung? Bitte sehr:
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Betriebswirtschaftlicher Nutzen Bindung von Mitarbeitern (+14%). Erhöhung von Mitarbeitermotivation und Arbeitsproduktivität (+17%). Steigerung der Kundenbindung (+12%). Förderung von Beschäftigungsfähigkeit. Realisierung von Einsparungspotenzialen (Wiederbeschaffungskosten, Überbrückungskosten ...) (abhängig vom Arbeitgeber).
Reduktion von Ausfallzeiten (-3 Tage), des Krankenstands (-12%) und der Fluktuationsrate (-16%). Steigerung der Attraktivität des Arbeitgebers auf dem Arbeitsmarkt (+26%).
Imageverbesserung (+38%). Unterstützung in Veränderungsprozessen (Veränderungen benötigen Mitarbeiter/innen, die ein hohes Maß an Loyalität haben). (% = im Vergleich zu nicht familienbewussten Unternehmen; Quelle FFP, 2009)
Abbildung 10: Betriebswirtschaftlicher Nutzen
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Die Ergebnisse einer Untersuchung des Forschungszentrums Familienbewusste Personalpolitik in Bezug auf familienbewusste Unternehmen lassen sich auch auf die lebensphasenorientierte Personalpolitik übertragen, da sich eine stärkere Orientierung auf die berufliche und private Lebenssituation der Mitarbeiter sich in vielen Punkten positiv für das Unternehmen auswirkt. Allein schon die in der Untersuchung festgestellte Reduzierung des Krankenstandes um –12% oder die Erhöhung der Mitarbeitermotivation und Arbeitsproduktivität um 17 % sprechen für sich und bedeuten auch für Ihre Pflegeeinrichtung motiviertere Mitarbeiter. Weitere Perspektiven und Entwicklungen zu diesem Modell: Ab 2016 wurde dieses Modell als „Lebensphasenorientierte Personalpolitik 4.0“ unter der Überschrift „Werteorientierte Gestaltung einer Lebensphasenorientierten Personalpolitik“ unter anderem mit einem Leitfaden zur aktiven Gestaltung einer entsprechenden Unternehmenskultur und ein Kulturcheck weiterentwickelt. (http://lebensphasenorientierte-personalpolitik.de/Leitfaden_2016/StrategieBrosch_2016-FINAL.pdf http://lebensphasenorientierte-personalpolitik.de/Leitfaden_2016/KULTUR_CHECK_ FINAL.xlsx Rump, J. / Eilers, S. (Hrsg.) (2014): Lebensphasenorientierte Personalpolitik. Strategien, Konzepte und Praxisbeispiele zur Fachkräftesicherung. Heidelberg: Springer.)
2.2 Grundlage Verhaltensunterschiede der Generationen in Betrieben Wir haben die vier Generationen, die in allen Unternehmen derzeit beschäftigt sind, im ersten Kapitel schon vorgestellt. Wichtig ist für die Zukunft, dass Führungskräfte in der Pflege wissen sollten, wie sich die Grundhaltungen und Verhaltensweisen der Mitarbeiter aus den vier Generationen tendenziell jeweils unterscheiden, um die Reaktionen von Mitarbeitern besser einordnen, auf sie eingehen und mit ihnen entsprechend umgehen zu können. Die nachstehende Übersicht zeigt Grundhaltungen und Verhaltensweisen auf, die vielfach in den einzelnen Generationen zu finden sind.
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Erfolgreich Führen und Leiten
Name
Babyboomer
Generation X
Generation Y
Generation Z
Ca. 1946 – 1964 geboren
Ca. 1965 – 1979 geboren
Ca. 1980 – 1995 geboren
Ca. 1995 – 2010 geboren
Grundhaltungen und Vorteile im Arbeitsleben
patienten-orientiert, dienstleistungsorientiert, Wunsch zu gefallen, kooperativ, loyal gegenüber dem Arbeitgeber
dienstleistungsorientiert, kreativ, anpassungsfähig, auf Karriere konzentriert, begrenzte Überstunden
Optimismus, selbst-verständlicher Umgang mit Technologien, Multitasking, hartnäckig bei Interesse, Freiraum wird erwartet, hohes Engagement bei sinnvoller Tätigkeit
selbst-verständlicher Umgang mit Technologien, Multitasking, Klare Absprachen werden erwartet, Dienst ist Dienst und frei ist frei, Freiraum wird erwartet, hohes Engagement bei sinnvoller Tätigkeit
Nachteile im Arbeitsleben
wenig kritikfähig, wenig betriebswirtschaftlich orientiert
ungeduldig, abnehmende Loyalität
unsicher bei schwierigen Situationen oder Personen, geringe Loyalität
wenig Flexibilität, Unsicherheit, Flatterhaftigkeit, wenig Interesse an Führungsaufgaben, Zuhören und Einhalten von Absprachen ist häufig schwierig, geringe Loyalität
Grundhaltungen und Vorteile im Privatleben
hilfsbereit
Wunsch nach Abwechslungen
Wunsch nach Abwechslungen, Globalisierung und Zukunft belastet
Wunsch nach Abwechslungen, Globalisierung und Zukunft belastet und wird z.T. düster gesehen
Nachteile im Privatleben
Auf Arbeit orientiert, können schlecht „nein“ sagen
ungeduldig
unsicher bei schwierigen Situationen oder Personen
unsicher bei schwierigen Situationen oder Personen
Für das Führen von Mitarbeitern in den Generationen bedeutet dies:
Vorgaben, Anord- Vorgaben, Anordnungen werden nungen müssen umgesetzt als sinnvoll verstanden werden
Vorgaben, Anordnungen müssen als sinnvoll verstanden werden, sonst Diskussionen und/oder Verweigerung
Vorgaben, Anordnungen müssen als sinnvoll verstanden werden, sonst Diskussionen und/oder Verweigerung
© Wawrik Pflege Consulting 2019 Abbildung 11: Verhaltensunterschiede der Generationen in Betrieben
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Zwei Beispiele zum Verständnis: Eine Mitarbeiterin am Wochenende ist wegen Erkrankung ausgefallen. Sie müssen als Leitung jemanden bitten, einzuspringen. Wenn Sie eine 60-jährige Mitarbeiterin ansprechen, geschieht die Kommunikation bisher häufig so: „Maria*, wir haben das Wochenende im Frühdienst unversorgt, weil Ursula* krank geworden ist.“ Maria freut sich nicht, springt aber ein, weil die Patienten ja irgendwie versorgt werden müssen. Wenn Sie eine 20-jährige Mitarbeitern ansprechen, erleben Sie dies häufig so: „Lara*, wir haben das Wochenende unversorgt, weil Ursula* krank geworden ist.“ Lara antwortet: „Ja und, warum sagst du mir dies?“ „Weil ich eine Vertretung brauche.“ „Ja, ich aber nicht. Ich fahre mit meiner Freundin Samstagmorgen zum Brunchen und anschließend zum Shoppen“. „Aber die Patienten sind unversorgt.“ „Ja, ich habe aber frei.“ Das „Wie“ der Kommunikation der Führungskräfte und auch der Planungsansatz im Dienst- und Tourenplan muss sich verändern und anpassen, um für die Zukunft besser aufgestellt zu sein. Denn in den nächsten 15 Jahren gehen ca. 30 % der Mitarbeiter (Babyboomer) in Rente. Auf diese Mitarbeitergruppen haben Sie als Leitung bisher bauen können, die in der Regel nach einer kurzen Ansprache und Anweisung noch ein weiteres Wochenende eingesprungen sind.
2.3 Zukunftsmodell GLPM: Generations- und lebensphasenorientiertes Personalmanagement In diesem Kapitel verbinden wir die Grundzüge des lebensphasen- mit dem generationsorientierten Personalmanagement. Kurz ausgedrückt: Sehen Sie Ihre Mitarbeiter in Zukunft durch zwei Brillen. Brille eins ist der Blick, welcher Generation der Mitarbeiter zuzuordnen ist, Brille zwei ist der Blick, in welcher Lebensphase er sich befindet. Das Wissen aus diesen zwei Wahrnehmungen hilft Ihnen, Ihren Mitarbeiter besser –– zu verstehen, –– mit ihm umzugehen, –– mit ihm zu kommunizieren, –– in Ihre Planungen und Tätigkeiten einzubinden und –– für Ihre Arbeit längerfristig zu motivieren.
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Erfolgreich Führen und Leiten
Wie kann dies in Ihrem Pflegedienst oder in Ihrer Tagespflege umgesetzt werden? Erstellen Sie zunächst eine Matrix mit aus Ihrer Sicht relevanten Lebensphasen und -themen und den vier Generationen. Wir haben das Modell von Prof. Dr. Rump bezüglich der Lebensphasen weiter differenziert, da z. B. die Situation mit kleinen Kindern (Betreuungsfrage) und pubertierenden Jugendlichen (Entwicklung des eigenen Freiraums etc.) für die Mitarbeiter zu anderen Themen bzw. Belastungen führt. Eine Excel-gestützte Arbeitshilfe dazu für Ihre Einrichtung finden Sie im Download-Bereich dieses Buches. Wie erhalten Sie Themen, die Ihre Mitarbeiter belasten und „mit zur Arbeit bringen“? Indem Sie sie fragen. Regelmäßige Mitarbeiterbefragungen machen Sinn und helfen Ihnen, Ihre Mitarbeiter besser verstehen zu können. Generation Babyboomer Lebensphase: Mitarbeiter als Single Lebensphase: Mitarbeiter mit jungen Kindern Lebensphase: Mitarbeiter mit Kindern im jugendlichen Alter Lebensphase: Mitarbeiter mit älter werdenden Eltern Lebensphase: Mitarbeiter mit pflegebedürftigen Eltern Lebensphase: Mitarbeiter mit langen anderen Belastungsphasen zu Hause Thema: fehlende Kinderbetreuung in den Ferien Thema: fehlende Versorgungssicherheit für Mitarbeiter mit pflegebedürftigen Angehörigen Thema: geplante Schließung eines Großunternehmens innerhalb der nächsten 2 Jahre, in denen eine Reihe von Partnern der Mitarbeiter arbeiten Thema: ergänzen Abbildung 12: Matrix GLPM
Generation X Generation Y
Generation Z
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Ergänzen Sie im nächsten Schritt die Muster-Matrix mit relevanten Informationen aus Ihrer Wahrnehmung, Befragung und Ihrem Alltag. Ausgefüllt könnte diese Matrix z. B. so aussehen: Lebensphasen- und Generationsorientiertes Personalmanagement in der ambulanten und teilstationären Pflege Generation Generation X Generation Y Generation Z Babyboomer Pflichterfüllung Pflichterfüllung Geringe PflichtLebensphase Mitarbeiter Hohe Pflichtgegenüber dem gegenüber dem erfüllung geals Single erfüllung gegenüber dem Arbeitgeber. Arbeitgeber. genüber dem Arbeitgeber. Unterschied Unterschied Arbeitgeber. Unterschied freiwillig oder freiwillig oder Unterschied freiwillig oder unfreiwillig unfreiwillig freiwillig oder unfreiwillig (Single nach (Single nach unfreiwillig (Single nach Trennung) Trennung) (Single nach Trennung) Trennung) Kinder und Ar- Kinder und ArHohe PflichtLebensphase Mitarbeiter Hohe Pflichtbeitgeber kön- beitgeber könerfüllung gemit jungen Kindern erfüllung genen belastend nen belastend genüber den genüber den wahrgenommen wahrgenommen Kindern und Kindern und dem Arbeitge- dem Arbeitge- werden, Konflikt werden, Konflikt der Vereinbarber, Konflikt der ber, Konflikt der der Vereinbarkeit keit Vereinbarkeit Vereinbarkeit eher selten Kinder in der Lebensphase Mitarbeiter Hohe Pflichter- Kinder in der Pubertät und mit Kindern im jugendli- füllung gegen- Pubertät und Arbeitgeber Arbeitgeber chen Alter über den Jukönnen belasgendlichen und können belastend wahrgedem Arbeitge- tend wahrgenommen werber, Konflikt der nommen werden, Konflikt der den, Konflikt der Vereinbarkeit Vereinbarkeit Vereinbarkeit Eigenes Leben Eigenes Leben eher selten Lebensphase Mitarbeiter Hohe Pflichtist wichtig, ist wichtig, mit älteren Eltern erfüllung gePflichterfüllung Pflichterfüllung genüber den Eltern und dem gegenüber den gegenüber den Eltern und dem Eltern und dem Arbeitgeber, Arbeitgeber, Arbeitgeber, Konflikt der Konflikt der Konflikt der Vereinbarkeit Vereinbarkeit Vereinbarkeit Pflichterfüllung Pflichterfüllung eher selten Lebensphase Mitarbeiter Hohe Pflichtgegenüber den z.T. gegenüber mit pflegebedürftigen erfüllung geEltern und dem den Eltern. Eltern genüber den Freiraum für Eltern und dem Arbeitgeber, sich selbst wird Konflikt der Arbeitgeber, gefordert, auch Vereinbarkeit, Konflikt der Burn-out-Gefahr vom ArbeitgeVereinbarkeit ber, Burn-outGefahr
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Erfolgreich Führen und Leiten
Lebensphase Mitarbeiter Hohe Pflichtermit langen anderen Befüllung gegenlastungsphasen zu Hause über den Eltern und dem Arbeitgeber, Konflikt der Vereinbarkeit. Kann selbst zur Erkrankung führen Thema fehlende Kinder- eher selten betreuung in den Ferien
Thema fehlende Versorgungssicherheit für Mitarbeiter mit pflegenden Angehörigen Thema: geplante Schließung eines Großunternehmens, in dem Partner der Mitarbeiter arbeiten
Belastend als Single, Loyalitätskonflikt mit Arbeitgeber Vorbereitung auf den Vorruhestand, Überprüfung der finanziellen Ressourcen, psychische Belastung, Aufstockung der Stunden?
Pflichterfüllung z.T. gegenüber den Eltern. Freiraum für sich selbst wird gefordert, auch vom Arbeitgeber. Burn-outGefahr Belastend als al- Belastend als leinerziehender alleinerziehender Elternteil, Elternteil mit jungen Kindern, Konflikt mit Arbeitgeber Konflikt mit Arbeitgeber Belastend als Belastend als Single, LoyaliSingle, Loyalitätskonflikt mit tätskonflikt mit Arbeitgeber Arbeitgeber Überprüfung Überprüfung der finanziellen der finanziellen Ressourcen, Ressourcen, psychische psychische Belastung, Neu- Belastung, Neuorientierung, orientierung, Aufstockung der Aufstockung der Stunden? Stunden? Pflichterfüllung gegenüber den Eltern und dem Arbeitgeber, Konflikt der Vereinbarkeit, Burn-out-Gefahr
Pflichterfüllung z.T. gegenüber den Eltern. Freiraum für sich selbst wird gefordert, auch vom Arbeitgeber. Burn-outGefahr Belastend als alleinerziehender Elternteil, Konflikt mit Arbeitgeber eher selten
Überprüfung der finanziellen Ressourcen, psychische Belastung, Neuorientierung, Aufstockung der Stunden?
Thema ergänzen Thema ergänzen Thema ergänzen Thema ergänzen Thema ergänzen Abbildung 13: Matrix mit Beispielinhalten GLPM
Leiten Sie nun als Nächstes für die Mitarbeiter in Ihrem Pflegedienst oder Ihrer Tagespflege oder ihrem Unternehmen mögliche Hilfen gemäß der Übersicht ab. Nutzen Sie dafür auch die Arbeitshilfe 5.7 im letzten Kapitel dieses Praxishandbuches. Ein Beispiel: Ihre Mitarbeiterin Silvia* ist 58 Jahre alt, Single und versorgt ihre pflegebedürftigen Eltern, die in einer Wohnung in der Nähe wohnen.
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Sie ist in der Lebensphase „Mitarbeiter mit pflegebedürftigen Eltern“ und „Mitarbeiter als Single“. Als Babyboomer zeichnet sie eine hohe Pflichterfüllung gegenüber ihren Eltern und ihrem Arbeitgeber bzw. den Patienten aus. Dies führt zu einer erhöhten Belastungssituation. Was können Sie ihr mit diesem Wissen anbieten bzw. wie können Sie Ihre Mitarbeiterin unterstützen? Da Silvia im Gesundheitswesen arbeitet, sind ihr die Unterstützungsmöglichkeiten durch die Pflegeversicherung in der Regel bekannt. Bieten Sie trotzdem ein Informationsgespräch mit detaillierten Informationen über Hilfen an. Sind die Eltern schon eingestuft? Könnte ein Kurzzeitpflegeaufenthalt der Eltern und ein gleichzeitiger Urlaub für Silvia eine Entlastung darstellen? Wäre eine Mitnahme vom Mittagessen aus dem benachbarten Altenheim für Silvia eine Unterstützung, wenn sie bisher nach der Frühtour für die Eltern noch kochen musste? Ein weiteres Beispiel zum Verständnis: Ihr Mitarbeiter Jan* (Name ist zufällig) ist 30 Jahre alt, lebt mit seiner ebenfalls teilzeitbeschäftigten Partnerin und dem gemeinsamen 2-jährigen Kind zusammen. Er ist in der Lebensphase „Mitarbeiter mit jungen Kindern“. Als Mitarbeiter der Generation Y ist für ihn die Situation mit Partnerin, Kind, Betreuungszeiten absprechen etc. sehr belastend. Ein verlässlicher Dienstplan ohne Änderungen wird immer wieder von ihm gefordert. Mit anderen alleinerziehenden Mitarbeiterinnen und jüngeren Mitarbeitern in vergleichbarer Situation hat er wiederholt die Problematik angesprochen, dass die Kinderbetreuung besonders in den Ferienzeiten eine zusätzliche Schwierigkeit darstellt. Sie haben erlebt, dass er sich in der Vergangenheit wiederholt kurzfristig „krankgemeldet“ hat, und vermuten, dass dies auch mit der Frage der Betreuung des Kindes zu tun hatte. Was können Sie ihm mit diesem Wissen anbieten bzw. wie können Sie Ihren Mitarbeiter unterstützen? Da Sie ein großer Pflegedienst in einer größeren Stadt mit drei Filialen in einem Umkreis von 6 km sind und die Thematik „Kinderbetreuung in den Ferien“ nicht nur von „Jan“ angesprochen wurde, könnte ein Angebot für ihn, aber auch andere Mitarbeiter in vergleichbaren Situationen sein, dass Sie in einem der Räume Ihrer Filialen ein Kinderbetreuungsangebot in den Ferien anbieten. Die zusätzlich entstehenden Kosten für eine Betreuung sind schnell refinanziert durch weniger Krankheitstage von Jan und anderen Mitarbeitern.
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Erfolgreich Führen und Leiten
So facettenreich wie Ihre Mitarbeiter sind, so vielfältig sind auch mögliche Lösungsansätze für die dienstlichen und privaten Fragen. Eines wird aber seitens der Mitarbeiter immer positiv wahrgenommen: Der oder die Vorgesetzte ist neben den dienstlichen Belangen auch aufmerksam für die persönliche oder private Situation und bietet Hilfe und Unterstützung an.
2.4 Perspektive: Familienfreundliches Unternehmen Die Grundsätze einer lebensphasenorientierten Personalpolitik, die auch als Basis unternehmerischer Grundsätze gelten sollten, nämlich –– Grundsatz/Prinzip der Ganzheitlichkeit, –– Grundsatz/Prinzip der Integration, –– Grundsatz/Prinzip des ethischen Kodex, –– Grundsatz/Prinzip der Kontinuität, –– Grundsatz/Prinzip der Wirtschaftlichkeit (s. Kapitel 2.1), empfehlen wir um zwei weitere Aspekte zu ergänzen: –– Grundsatz/Prinzip der Familienorientierung, –– Grundsatz/Prinzip der Corporate Social Responsibility (CSR) (Kapitel 2.5). Wenn Unternehmen und Pflegeeinrichtungen sich bereits nach dem lebensphasenund generationsorientierten Modell ausgerichtet haben, so ist es nur noch ein kleiner Schritt hin zum familienfreundlichen Unternehmen und ggfls. auch hin zu einem entsprechenden Zertifikat. Dabei sollte aber nicht die Zertifizierung wegen des „Zertifizierung-Willens“ betrieben werden. Es ist unseres Erachtens ein mögliches Ergebnis eines Entwicklungsprozesses mit „Innen- und Außenwirkung“. In einer Reihe von Landkreisen in NRW gibt es z. B. für Unternehmen, die familienfreundlich sind, Zertifizierungsverfahren und eine entsprechende Anerkennung, mit der die Unternehmen auch öffentlichkeitswirksam werben können.
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Ein Beispiel: Auf der Homepage des Hochsauerlandkreises (NRW) werden Unternehmen wie folgt angesprochen: „Familien-Freundliche-Unternehmen im Hochsauerlandkreis gesucht, Bewerbung zur neuen Zertifizierungsrunde bis zum 19. Juni möglich […] Ziele des Projektes sind, Firmen bei der Umsetzung familienbewusster Maßnahmen zu unterstützen und ihnen gleichzeitig ein Instrument an die Hand zu geben, mit dem sie ihre familienfreundliche Betriebskultur auch nach außen kommunizieren. In Zeiten eines drohenden Fachkräftemangels ist Familienfreundlichkeit ein nicht zu vernachlässigender Wettbewerbsvorteil: Über 50 Prozent aller Beschäftigten haben Betreuungsaufgaben – sei es für Kinder oder pflegebedürftige Angehörige. Familienorientierung im Unternehmen trägt dazu bei, dass Leistungsträger nicht „ausbrennen“ und sich langfristig bestmöglich auf die Arbeit konzentrieren können.“ (Homepage des Hochsauerland-Kreises (NRW). Nach einer Vorbereitungsphase, in der das interessierte Unternehmen seine familienfreundlichen Bestandteile zusammenstellt bzw. entwickelt, präsentiert sich dieses Unternehmen einer Jury, die nach Erreichen verschiedener Kriterien das Zertifikat „Familien-Freundliches-Unternehmen im Hochsauerlandkreis“ befristet für eine bestimmte Zeit verleiht. Damit verbunden ist die Überreichung einer entsprechenden Urkunde und die Genehmigung, das Logo unten für Veröffentlichungen im Schaufenster, Eingangsbereich, aber auch Dienst-KFZ im Pflegebereich etc. nutzen zu dürfen. Das Zertifikat wird durch die Wirtschaftsförderung des Hochsauerlandkreises gemeinsam mit dem Kompetenzzentrum Frau & Beruf Hellweg-Hochsauerland für einen bestimmten Zeitraum vergeben. Eine Re-Zertifizierung nach einigen Jahren ist möglich. Gegenüber der Öffentlichkeit, besonders aber für interessierte Bewerber stellt dies einen Marktvorteil gegenüber anderen Unternehmen dar, da damit signalisiert wird, dass in diesem Betrieb die Vereinbarkeit von Beruf und Familie besonders beachtet wird. Es wird den Unternehmen empfohlen, diesen Prozess unter Mitarbeiterbeteiligung zu gestalten, um mitarbeiterrelevante Themen aufgreifen zu können. Unsere Empfehlung: Erstellen Sie im ersten Schritt eine Übersicht über heute schon vorhandene familienfreundliche Inhalte in Ihrem Pflegeunternehmen unter Überschriften wie z. B. Arbeitszeit, Arbeitsorganisation, Arbeitsort, Information und Kommunika-
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tion, Führung, Personalentwicklung, Entgeltbestandteile, Service für Familien, sonstige Angebote. Sie werden möglicherweise selbst erstaunt sein, wie sehr familienorientiert Ihr Unternehmen schon ist, ohne dass Sie dies bisher selbst so wahrgenommen und Ihren Mitarbeitern oder Bewerbern auch kommuniziert haben. Binden Sie Ihre Mitarbeiter ein, in dem Sie z. B. zwei oder mehr Arbeitskreise initiieren. Themenbeispiele zur Weiterentwicklung „Familienfreundliches Unternehmen“ aus einem Arbeitskreis Mitarbeiter 50+ eines Pflegeunternehmens: –– Sind keine Teildienste für Mitarbeiter über 60 Jahren möglich? –– Dienstvereinbarung für die Beschäftigung von interessierten Rentnern. –– Angebot eines regelmäßigen Gesundheitschecks. –– Mitnehmbarer Mittagstisch für Mitarbeiter günstiger. –– Alle relevanten Informationen über den Träger in einem „Begrüßungsordner“ zusammenfassen. Themenbeispiele aus einem Arbeitskreis „junge Eltern“: –– Späterer Dienstbeginn für junge Eltern. –– Teilzeitausbildung in der Pflege für alleinerziehende Mütter. –– Liste aller mit dem Träger kooperierenden Kindergärten im „Begrüßungsordner für neue Mitarbeiter“. –– Mitnehmbarer Mittagstisch für Mitarbeiter günstiger. Entwickeln Sie Schritt für Schritt weitere, von Mitarbeitern gewünschte und für Sie realisierbare Inhalte und Angebote. Ergänzen Sie dies in Ihre Matrix und nutzen Sie diese wiederum für Ihre Homepage und Ihre Kommunikation nach innen und außen. Machen Sie auch Ihren Mitarbeitern deutlich, wenn eine Idee oder ein Wunsch nicht umsetzbar ist. Kommunizieren Sie – und erklären Sie. Sie müssen sich aber nicht rechtfertigen.
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2.5 Perspektive: CSR in Pflegeeinrichtungen Als weiteres Grundprinzip in Ihrem Pflegeunternehmen, in Ihrem ambulanten Pflegedienst oder Ihrer Tagespflege halten wir die Orientierung zur Corporate Social Responsibility (CSR), verkürzt und übersetzt gesagt, die „Verantwortung von Unternehmen auf ihre Auswirkung auf die Gesellschaft“ für bedeutend. (Vergl.: Grünbuch Europäische Rahmenbedingungen für die soziale Verantwortung der Unternehmen. KOM (2001) 366 endgültig, Brüssel 2001, S. 29 ff.) „Der Begriff Corporate Social Responsibility (CSR) oder Unternehmerische Gesellschaftsverantwortung (oft auch als Unternehmerische Sozialverantwortung bezeichnet) umschreibt den freiwilligen Beitrag der Wirtschaft zu einer nachhaltigen Entwicklung, der über die gesetzlichen Forderungen hinausgeht. CSR steht für verantwortliches unternehmerisches Handeln in der eigentlichen Geschäftstätigkeit (Markt), über ökologisch relevante Aspekte (Umwelt) bis hin zu den Beziehungen mit Mitarbeitern (Arbeitsplatz) und dem Austausch mit den relevanten Anspruchs- bzw. Interessengruppen/Stakeholdern.“ (Wikipedia 2019) Aus einer Reihe von verschiedenen wissenschaftlich erstellten Modellen zu CSR halten wir die „Vier-Stufen-Pyramide nach Carroll“ für Pflegeeinrichtungen für sinnvoll: Archie B. Carroll beschreibt die Verantwortung von Unternehmen in und für die Gesellschaft in vier Dimensionen: –– „Die ökonomische Verantwortung besagt, ein Unternehmen müsse mindestens kostendeckend wirtschaften. –– Gesetzliche Verantwortung besagt, ein Unternehmen dürfe keinen illegalen Tätigkeiten nachgehen und müsse die gesetzlichen Bestimmungen befolgen. –– Ethische Verantwortung beschreibt die Anforderung an das Unternehmen, fair und ethisch über die bestehenden Gesetze hinaus zu handeln. –– Die vierte Ebene wird als philanthropische Verantwortung bezeichnet, sie beschreibt karitatives gesellschaftliches Engagement über die gesellschaftlichen Erwartungen hinaus.“ Um mittel- und langfristig existieren zu können, muss ein Unternehmen die ersten beiden Dimensionen einhalten, um bestehen zu können. Um gesellschaftlich anerkannt zu werden, ist die dritte Dimension des sittlichen Handelns notwendig, aber nicht zwin-
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gend erforderlich. Die vierte Dimension ist freiwillig, jedoch gesellschaftlich gewünscht. So verstanden, beinhaltet CSR alle vier Stufen und Dimensionen. (Vgl. Archie B. Carroll: The Pyramid of Corporate Social Responsibility. Toward the Moral Management of Organizational Stakeholders. Business Horizons, Juli/August 1991, S. 39–48) Im modernen Verständnis wird CSR zunehmend als ein ganzheitliches, alle Nachhaltigkeitsdimensionen integrierendes Unternehmenskonzept aufgefasst, das alle „sozialen, ökologischen und ökonomischen Beiträge eines Unternehmens zur freiwilligen Übernahme gesellschaftlicher Verantwortung, die über die Einhaltung gesetzlicher Bestimmungen (Compliance) hinausgehen“, berücksichtigt.
Wie kann CSR in Ihr Pflegeunternehmen oder in Ihre Pflegeeinrichtung integriert werden? In größeren Pflegeunternehmen oder bei Wohlfahrtsverbänden mit Pflegeeinrichtungen und CSR -Entscheidung finden Sie heute zum Teil Transparenz- oder Nachhaltigkeitsberichte, die diese Thematik aufgreifen und die Umsetzungsschritte im Unternehmen darstellen. Wie können Sie als Führungskraft dies in Ihrer Praxis umsetzen? –– Definieren Sie einen wirtschaftlich und ökologisch vertretbaren Versorgungs- und Einzugsbereich Ihres ambulanten Pflegedienstes oder Ihrer Tagespflege. Es macht wenig Sinn, wenn eine Pflegefachkraft in der ambulanten Pflege 25 km zu einer Patientenversorgung fährt. –– Nutzen Sie regionale Lebensmittel in Ihrer Tagespflege. –– Bieten Sie Ihren Mitarbeitern Dienstfahrräder, auch als E-Bike, wenn diese im Stadtviertel die Patienten gut erreichen können. –– Achten Sie bei der Auswahl auf sichere und energiesparende KFZ. –– Tagespflegen oder ambulante Pflegedienste haben häufig geeignete Dachflächen. Lassen Sie eine Solaranlage auf dem Gebäude installieren und nutzen Sie den produzierten Strom. –– Beachten Sie rechtliche und vertragliche Vereinbarungen. –– Gehen Sie „fair“ mit Ihren Mitarbeitern um. –– Kommunizieren Sie über Ihr Engagement, in dem Sie diese Punkte z. B. in einem jährlichen Transparenzbericht aufführen.
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Nachhaltigkeit und ein fairer Umgang miteinander werden als wichtiges Thema in der Zukunft gesehen.
2.6 Unternehmerisches Prinzip: Bewerben ohne Bewerbung Geben Sie noch Stellenanzeigen in den Zeitungen auf? Erwarten Sie oder Ihre Geschäftsführung noch herkömmliche Bewerbungsmappen von Interessierten? Wie reagieren Sie auf Stellenanfragen per E-Mail? Wann werden diese von wem beantwortet? Kann sich jemand über Ihre Homepage bewerben? Das Bewerbungsverhalten von Interessierten ändert sich. Genauso, wie es in vielen anderen Bereichen der Pflege, aber auch anderen Unternehmensbereichen derzeit große Veränderungen gibt. Dies bedeutet, dass Sie auch selbst Ihr innerbetriebliches Verfahren im Umgang mit Bewerbungen überdenken und ggfls. verändern sollten. Haben Sie als Leitungskraft schon erlebt, dass jemand in Ihren ambulanten Dienst spontan hereingekommen ist mit den Worten: „Guten Tag, mein Name ist „Maria Mustermann“, ich ziehe demnächst zu meinem Partner hier in die Nähe. Ich bin Gesundheitspflegerin und habe auch Erfahrungen mit der ambulanten Pflege. Haben Sie Bedarf?“ Und wie war die Reaktion in Ihrem Pflegedienst? Haben Sie sich spontan 10 Minuten Zeit genommen für ein erstes kurzes Gespräch? Oder ist die Interessierte gar nicht zu Ihnen durchgekommen und von der Verwaltungskraft gebeten worden, ihre Bewerbungsunterlagen einzureichen? Sie haben heute nur eine Chance, gute Fachkräfte zu bekommen, wenn Sie das herkömmliche innerbetriebliche Bewerbungsverfahren verändern, diesem eine höhere Priorität als früher beimessen und spontan bzw. innerhalb von kurzer Zeit reagieren. Ein Beispiel dazu? Bei einem Wohlfahrtsverband haben wir in der Beratung folgendes Ziel vereinbart: Einstellung incl. Gespräch und Entscheidung innerhalb von vier Tagen (anstelle der bisherigen ca. drei bis vier Wochen)! Bewerben ohne Bewerbung meint, das gesamte innerbetriebliche Bewerbungsverfahren von der Struktur her und dem Verfahren komplett zu überdenken und ggfls. zu verändern. Was benötigen Sie wirklich von einem Interessierten im ersten Schritt? Seinen Namen (richtig geschrieben), Handy-Nummer, E-Mail-Adresse, Qualifikation.
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Dies muss bei einem spontanen Besuch in Ihrem Pflegedienst oder bei einem Anruf von Ihnen aufgenommen werden. Bei einer Anfrage per E-Mail haben Sie diese Informationen in der Regel schriftlich vorliegen. Im Telefonat oder beim überraschenden Initiativbesuch geht es darum, dass Sie in wenigen Minuten einen positiven emotionalen und professionellen Eindruck vermitteln. Dazu gehört, dass Sie als Leitung die betrieblichen und finanziellen Rahmenbedingungen für die Beschäftigung von Mitarbeitern wissen und sie kommunizieren können. Bei der E-Mail-Anfrage geht es eher um Schnelligkeit. Eine E-Mail, die erst sechs Tage später beantwortet wird, ist „tot“. Der Interessent hat sich in der Regel nicht nur bei Ihnen gemeldet. Auf eine E-Mail-Anfrage sollte, wenn möglich, innerhalb von einem Werktag geantwortet werden. Eine freundliche Rückmeldung (vergleichbar wie beim Telefonat) wird erwartet. Falls der Interessent eine Handy-Nummer mitsendet, sollten Sie neben einer E-Mail-Nachricht auch versuchen, ihn telefonisch zu erreichen. Eine freundliche persönliche Stimme ist in der Regel immer vorteilhafter als nur eine E-Mail. Laden Sie den Interessenten ein. Kurzfristig, nicht erst in zwei Wochen. Falls Sie selbst als Leitung verhindert sind, muss Ihre Vertretung oder eine andere geeignete Kraft das Gespräch führen. Es gibt Pflegedienste, die zu einem Informationsgespräch mit dem Interessenten eine andere Mitarbeiterin (ähnlichen Alters wie das des Interessenten, sofern Sie dieses wissen) hinzunehmen. Lassen Sie den Mitarbeiter von Ihrem Pflegedienst erzählen. Authentizität ist hilfreich und förderlich. Ergänzen Sie als Leitung notwendige Informationen. Beenden Sie das Telefonat oder das Gespräch nicht ohne eine Vereinbarung. Falls Sie anschließend ein „gutes Gefühl“ haben und Sie der Meinung sind, dass die Person persönlich und fachlich zu Ihnen passen könnte und Ihr Team bereichern kann, stellen Sie die Person ein. Sofort. Verschlanken Sie daher in Ihrem Pflegedienst oder bei Ihrem Träger die Entscheidungswege und klären Sie neu, wer die „Personalgespräche“ führt und wer einstellen kann. Bereiten Sie entsprechende Arbeitshilfen (einfaches Personalblatt, eine Seite!), Muster eines Arbeitsvertrages etc. vor. Als weiterer Tipp für ambulante Pflegedienste bzw. Tagespflegen im Verbund mit ambulanter oder stationärer Pflege: Stellen Sie jede gute Kraft ein, aber stellen Sie nicht jeden ein. Die Betonung liegt auf „gut“ im Sinne von passend.
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2.7 Unternehmerisches Prinzip: Wohnortnaher Einsatz Da für alle Mitarbeiter, besonders aber die der Generation Y und Z bzw. denen in der Elternphase mit jungen Kindern die Vermeidung unnötiger Wegezeiten zur Arbeit wichtig ist, bietet es sich als zukunftsorientiertes Pflegeunternehmen an, bei der Zuordnung des Arbeitsplatzes auch den Wohn- und Einsatzort der Mitarbeiter zu beachten, besonders, wenn Sie mehrere Filialen oder verschiedene Pflegeeinrichtungen in verschiedenen Orten betreiben. Weiterhin ist natürlich auch aus ökologischer Sicht die Reduzierung von Wegezeiten (geringerer Benzinverbrauch bzw. CO2-Ausstoß) sinnvoll. Bieten Sie als Pflegeunternehmen heute schon Ihren Mitarbeitern die Möglichkeit eines wohnortnahen Einsatzes an, wenn es gewünscht wird und möglich ist? Müssen Mitarbeiter Sie dazu ansprechen oder sehen Sie sich als Führungskräfte jährlich einmal die Liste der Mitarbeiterschaft mit deren Wohnorten an und halten fest, welchen Mitarbeitern Sie einen möglichen Wechsel anbieten wollen und sprechen sie danach an?
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Chancen und Vorteile eines wohnortnahen Einsatzes sind: Höhere Mitarbeiterzufriedenheit aufgrund von kurzen Anfahrzeiten zur Arbeit Reduzierung der Kosten für den Weg Wohnort – Arbeitsstätte und zurück Geringerer Zeitaufwand der An- und Abreise bei Teildiensten Aktive Mitwirkung bei der Nachhaltigkeit und im Umweltschutz
Unsere Empfehlung: –– Verankern Sie in Ihren unternehmerischen Grundsätzen die Option des wohnortnahen Einsatzes von Mitarbeitern, sofern möglich und gewünscht. –– Planen Sie durch Ihren Personalverantwortlichen, dass einmal im Jahr die Personalliste mit den Mitarbeitern durchgesehen wird, und bieten Sie von sich aus Mitarbeitern einen wohnortnahen Arbeitsplatz an, sofern dies möglich ist. –– Alternativ sollte Ihr Personalverantwortlicher bei jeder gemeldeten Wohnortänderung dies prüfen und den Mitarbeiter auf die Option der wohnortnahen Einsatzmöglichkeit ansprechen, sofern möglich. –– Akzeptieren Sie, wenn Mitarbeiter trotz ihres Angebotes in der jetzigen Einrichtung bleiben wollen.
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2.8 Unternehmerisches Prinzip: Bonus und Benefits für Mitarbeiter Was macht einen interessanten und zukunftsfähigen Pflegedienst oder eine Tagespflege aus? Unter anderem auch, wie die Rahmenbedingungen und Angebote für die Mitarbeiter aussehen. Die Entlohnung ist nicht alles, aber eine marktübliche Vergütung muss heute jeder Träger anbieten, um nicht ins Hintertreffen zu gelangen. Viele gängige Tarifsysteme bilden das Normalarbeitsverhältnis ab und vergüten die definierte Tätigkeit am Arbeitsplatz oder im Rahmen der Stellenplatzbeschreibung. Dies ist „normal“, berücksichtigt aber weder die individuelle Situation und Lebensphase des Mitarbeiters noch seine Leistungsfähigkeit und -bereitschaft für die Zukunft. Auch hier verlangt eine Lebensphasenorientierung eine entsprechende Neuausrichtung und eine Weiterentwicklung, die in der Regel aber nicht erhöhte Personalkosten nach sich ziehen sollten. Befragungen zeigen, dass sich Mitarbeiter von ihrem Unternehmen finanzielle Anreize ebenso wünschen wie die Wertschätzung ihrer Tätigkeit, herausfordernde Aufgaben und die Möglichkeit, Lebens- und Berufsphasen zu vereinbaren. Man kann zwischen materiellen und immateriellen Anreizen unterscheiden. Beispiele sind: Materielle Anreize: Marktgerechte Entlohnung Variable Gehaltsbestandteile Betriebliche Altersvorsorge Dienstwagen, -fahrrad …
Immaterielle Anreize: Interessante Arbeitsaufgaben Beschäftigungssicherheit Positives Betriebsklima Flexible Arbeitsmodelle Angebote zur Gesundheitsförderung Services-for-Life-Angebote (Kinderbetreuung, Essen, …) Förder-, Entwicklungs- und Karriereprogramme Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Lebens- und Berufsphasen Reputation des Arbeitgebers …
Gibt es für Ihre Mitarbeiter neben einem „fairen Gehalt“ einen Bonus, wenn ein Projekt gut umgesetzt wurde? Erhalten Ihre Mitarbeiter z. B. einen Tankgutschein oder eine vereinbarte Prämie, wenn Sie außerplanmäßig und zusätzlich „eingesprungen“ sind? Bieten Sie Ihren Mitarbeitern eine finanzielle Förderung z. B. im Sportverein oder im
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Fitness-Center an, wenn diese regelmäßig daran teilnehmen? Gibt es einen Obstteller am Anfang der Woche für die Mitarbeiter? Honorieren Sie das Engagement Ihrer Mitarbeiter, wenn diese Ihnen einen neuen Mitarbeiter vorschlagen, der dann auch anfängt? Und gibt es nach Bestehen der Probezeit eine weitere Prämie für den vermittelnden Mitarbeiter? Es geht nicht darum, dass Sie alle Fragen mit „Ja“ beantworten, sondern es geht um eine Aufmerksamkeit und Sensibilität der Pflegedienstleitung und/oder Inhaber gegenüber vorhandenen und zukünftigen Mitarbeitern und deren Leistung. Es geht auch nicht um eine Vielzahl von Angeboten, sondern um einen bedarfs- und personenorientierten Ansatz: –– Führen Sie eine Mitarbeiterbefragung durch und ermitteln Sie in Ihrem Pflegedienst oder Ihrer Tagespflege, mit welchen Instrumenten Sie Ihre Mitarbeiter zielgerecht unterstützen können. –– Stellen Sie dies zusammen und führen Sie „Schritt für Schritt“ ein Motivierungssystem ein. Achten Sie auf die Kosten. –– Planen Sie teamfördernde Aktivitäten. –– Bieten Sie die Nutzung bestimmter Dienstleistungen und Services an, die Ihr Unternehmen vorhält. –– Informieren Sie regelmäßig und wiederholend zu den Möglichkeiten der Vereinbarkeit von Beruf und Leben in Ihrem Unternehmen. Machen Sie aber auch die Notwendigkeit immer wieder deutlich, dass eine Balance eingehalten werden muss, da Patienten eine verlässliche Versorgung benötigen. All Ihre Boni und Benefits, die Sie gewähren, gehören in Ihre Arbeitshilfe (Kapitel 3.1) und zeichnen Sie möglicherweise gegenüber anderen Pflegediensten und Tagespflegen aus. Planen Sie als Pflegedienstleitung und Inhaber eine wirtschaftliche Beteiligung Ihrer Mitarbeiter an Ihrem Pflegeunternehmen? Dies ist eine weitergehende spannende Frage als Anregung für Sie, die aber ohne eine klare unternehmerische Entscheidung für die Zukunft und eine rechtliche und steuerliche Beratung nicht einfach darstellbar ist.
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2.9 Unternehmerisches Prinzip: Home-Office in der Pflege Gibt es bei Ihnen die Möglichkeiten von Home-Office im Pflegedienst oder in der Tagespflege? „Geht doch gar nicht!“, werden sicherlich vielen von Ihnen antworten. Betrachten wir die möglichen Antworten genauer und differenzierter: Das Typische an der ambulanten Pflege und der Betreuung in der Tagespflege ist die persönliche Hilfe und Unterstützung des Patienten oder Gastes. Dies ist durch eine Home-Office-Arbeit nicht zu ersetzen und möglich. Somit ist ein Home-Office für Pflegeund Betreuungskräfte pauschal und in der Regel nicht möglich und sinnvoll. Aber: Wenn Pflegekräfte für das Qualitätsmanagement zuständig sind, die Praxisanleitung von Auszubildenden oder Mentees durchführen, Pflegedokumentationen überarbeiten und wohnortnah zur Pflegeeinrichtung wohnen, dann sollte es möglich sein – sofern dies von Mitarbeitern gewünscht wird – diese Tätigkeiten auch zu Hause stattfinden zu lassen. Für Führungskräfte ist Home-Office einfacher möglich, sofern eine Ausgewogenheit zwischen Anwesenheit in der Pflegeeinrichtung (z. B. 4 – 4,5 Tage) und Home-Office (z. B. 0,5 – 1 Tag) vorliegt. Eine Führungskraft muss für Mitarbeiter und Verwaltung erreichbar sein und kann sich nicht nur „im Büro“ während des Dienstes oder zu Hause abkapseln. Zeitweise sich aus dem Alltag mit seinen ständigen Unterbrechungen und Störungen herauszuziehen, z. B. für die Erstellung des Dienstplanes oder für die Vorbereitung des Jahresgesprächs mit dem Inhaber oder der Geschäftsführung, kann aber sehr sinnvoll sein. Unsere Empfehlung: –– Ermöglichen Sie Ihren Mitarbeitern, sofern es fachlich und planerisch sinnvoll ist, die Gelegenheit zum Home-Office. –– Definieren Sie inhaltlich und zeitlich die Tätigkeit, die dort erbracht werden soll. –– Lassen Sie sich das Arbeitsergebnis des Home-Office vorlegen oder erklären. –– Legen Sie in Ihrem Pflegedienst oder Ihrer Tagespflege fest, wie mit den sensiblen personenbezogenen Daten umgegangen wird, wenn eine Pflegekraft z. B. einen Nachmittag einige Pflegedokumentationen mit nach Hause nehmen will.
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–– Wenn Sie als Führungskraft „Home-Office“ nutzen, kommunizieren Sie gegenüber Ihren Mitarbeitern ebenso, was Sie dort bearbeitet oder vorbereitet haben. Sie sollten sich für Ihr Home-Office nicht rechtfertigen; erklären hilft aber Ihrem Team, dies besser zu verstehen und nicht nur den Eindruck zu gewinnen: „Die Chefin arbeitet mal wieder von zu Hause aus“.
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Mit den Grundlagen aus den ersten beiden Kapiteln, die die Basis für ein erfolgreiches Leitungsverhalten in der Zukunft sind, sollen nun in diesem und im folgenden Kapitel praxisnah und konkret Beispiele zum positiven Führungsverhalten gegeben werden. Dieses Kapitel hat besonders Sie als Leitung im Blick. Das vierte Kapitel dann die Mitarbeiterschaft.
3.1 „Seien Sie vorbereitet“ Wenn der Anspruch an die Leitungsarbeit in Zukunft aufgrund der Verschiedenheit der Mitarbeiter, der weiter steigenden Ansprüche der Kunden und der gesetzlichen Rahmenbedingungen zunimmt, so besteht eine Möglichkeit, damit als Leitung erfolgreich umzugehen unter der Prämisse „seinen Sie vorbereitet“. Vorbereitet sein sollten Sie unter anderem –– in der Kommunikation mit Mitarbeitern, Kunden oder Gästen und Angehörigen, –– zu möglichen Szenarien, die Ihnen als Leitungskraft passieren können, –– im Akquise-Management bei Kunden und bei neuen Mitarbeitern.
3.1.1 Kommunikation mit Mitarbeitern, Kunden oder Gästen und Angehörigen Das Telefon klingelt und Sie wissen nicht, wer mit welchem Anliegen anruft. Ein Mitarbeiter kommt in Ihr Büro und hat ein scheinbar wichtiges Anliegen. Sie haben eigentlich keine Zeit für ihn. Ein Angehöriger vom Tagespflegegast bittet Sie um ein Gespräch. Alltagssituationen, die Sie in Ihrer Praxis zu Genüge kennen. Für jede Eventualität können Sie sich nicht vorbereiten, wohl aber einige Grundregeln aneignen und in Ihrem persönlichen Verhalten umsetzen. Egal, um welche Situation es geht, seien Sie vorbereitet durch Ihr Leitungsverhalten und Ihre passende Kommunikation. Was ist in den Beispielen gleich? Sie wissen nicht, um was es geht. Jemand möchte etwas von Ihnen. Ihre Zeit ist begrenzt.
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Wandeln Sie dies positiv um: Seien Sie grundsätzlich freundlich. Hören Sie zu und bitten Sie den Gesprächspartner, Ihnen deutlich zu sagen, was sein Anliegen ist. Machen Sie z. B. Ihrem Mitarbeiter deutlich, dass Sie seine Frage verstanden haben, aber aufgrund der Komplexität oder Ihres anderen Termins jetzt keine Zeit dafür haben und vereinbaren Sie mit ihm einen anderen Zeitpunkt, den Sie beide dann auch einhalten. Kommunizieren Sie klar gegenüber Ihrem Anrufer oder Besucher. Seien Sie konsequent und machen Sie Grenzen deutlich, wenn Sie Wünsche nicht erfüllen können. Verwenden Sie mehr positive als negative Begriffe. Beenden Sie den Anruf oder das Gespräch mit einem Dank für die Kontaktaufnahme und einer konkreten Vereinbarung.
3.1.2 Mögliche Szenarien Der Alltag im ambulanten Pflege- und Betreuungsdienst oder in der Tagespflege ist häufig durch Routine und gewisse Tätigkeiten zu Monatsbeginn (Abrechnungen), in der Monatsmitte (Dienstplan erstellen) oder dem Monatsende (neue Verordnungen) geprägt. Hinzu kommen täglich neue Anfragen von Patienten oder Gästen, Krankmeldungen von Mitarbeitern, Dienstbesprechungen, Absprachen etc. Den Alltag haben Sie nach einigen Monaten als Leitungskraft in der Regel im Griff. „Seien Sie vorbereitet“ bezieht sich aber auch auf Situationen, die Sie sich sicherlich nicht wünschen, aufgrund Ihrer Tätigkeit in der Pflege aber vorkommen können. Es ist häufig nicht die Frage, ob oder ob nicht, sondern eher die Frage, wann. In der Tagespflege kann es passieren, dass ein Gast mit Demenz die Einrichtung verlassen hat. „Wo ist Herr Meier*? Seit wann ist er weg? Wo ist er möglicherweise hingelaufen? Wir müssen die Angehörigen informieren. Soll die Polizei eine Suchaktion starten?“ sind Fragen und Reaktionen, die daraufhin folgen. Eine Mitarbeiterin berichtet mittags, dass der Patient Herr Schulze*sie morgens während der Pflege in die Ecke gedrängt und an die Brust gefasst hat. Nur mit großer Mühe hat sie sich von ihm befreien können. Sie habe lange überlegt, ob sie diesen Vorfall der Leitung melden sollte. Zu Herrn Schulze* möchte sie aber nicht mehr eingesetzt werden. Winter. Der Wetterdienst warnt vor Eisregen ab 15.00 h im Landkreis. Der Landrat gibt eine Katastrophenwarnung heraus. Sind Sie vorbereitet und haben Sie für Naturkatastrophen Szenarien entwickelt, ob in diesem Falle Mitarbeiter noch die Spätschichten fahren sollen oder welche Patienten informiert werden, dass an diesem Abend der
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Pflegeeinsatz ausfallen muss? Und wen informieren Sie, wenn ein Patient auf einem Bauernhof allein und ohne Nachbarn wohnt, aber insulinpflichtig ist? Sie erhalten einen Anruf von der Polizei. Eine Mitarbeiterin Ihres Pflegedienstes hatte einen schweren Verkehrsunfall mit Verletzten. Die Mitarbeiterin hat die Kontrolle über das KFZ verloren und sich mehrfach überschlagen und liegt nun bewusstlos im Krankenhaus. Es sind alles Beispiele, die sich keiner wünscht, aber alle schon vorgekommen sind. Als Leitung sollten Sie im Rahmen eines Notfallmanagements verschiedene Szenarien durchdacht und Handlungsleitlinien erstellt haben, die Sie im Falle des Falles hervornehmen können und die Ihnen in dieser „Stresssituation“ helfen.
3.1.3 Akquise-Management bei Kunden und neuen Mitarbeitern Akquise-Management bei Kunden Sie haben in den letzten vier Tagen fünf ambulante Patienten durch Umzug ins Altenheim bzw. Tod verloren? Ihre Tagespflege hat erst eine Belegung von 70 %? Ein ambulanter Pflege- und Betreuungsdienst und eine Tagespflege sind kein Selbstläufer, selbst wenn in Zukunft genügend Kundennachfrage vorhanden sein wird. Wie können neue Patienten gefunden werden, wie die Belegung in der Tagespflege gesteigert werden? „Seien Sie vorbereitet“ ist der Ansatz für eine erfolgreiche Akquise. Wenn Patienten verstorben sind oder ins Altenheim umziehen, haben Sie positive Gestaltungsmöglichkeiten zur Gewinnung neuer Patienten, da Sie „zielgerichtet“ Akquise betreiben können. Ein Beispiel: Es fallen Ihnen drei Patienten in einer Frühtour in einem bestimmten Stadtviertel weg. Positiv wäre, wenn Sie in diesem Stadtviertel neue Patienten finden könnten. Was ist Ihr Plan? Sie rufen gezielt Arztpraxen in diesem Stadtviertel an und bieten freie Patientenkapazitäten in dem Stadtviertel oder in der Mustermannstr., Lohstr. und Goethestr. an. Da Arztpraxen wie auch Krankenhäuser und auch Krankenkassen heute schon händeringend freie Kapazitäten von ambulanten Pflegediensten suchen, ist Ihre aktive, vorbereitete Kommunikation vielfach eine Hilfe und ermöglicht eine Versorgung von Patienten und füllt Ihre Lücken.
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Ähnliche Schritte würden wir für Tagespflegen beschreiben, die ihre Belegung verbessern wollen/ müssen. Wenn Ihr Träger auch einen Pflegedienst unterhält, setzen Sie sich bitte mit der ambulanten Pflegedienstleitung zusammen und gehen alle ambulanten Patienten durch. Erster Filter: alle alleinstehenden Patienten. Diese besuchen Sie oder die ambulante PDL persönlich (nicht nur anrufen) und motivieren den Patienten, die Tagespflege zu besuchen. Das zentrale Wort lautet: Gemeinschaft (gegen Alleinsein). Leckeres Essen wie auch Kuchen (und wenn er selbst gebacken ist, umso mehr) sind ebenso positive Begriffe. Einen Gutschein für einen Schnuppertag verschenken Sie natürlich auch. Zweiter Filter: alle Patienten mit leichter Demenz. Diese besuchen Sie oder die ambulante PDL ebenfalls persönlich. Hier wird der nahe Angehörige mit einbezogen. Das zentrale Wort hier lautet: ein guter Tag in der Tagespflege und ein Erholungs- oder Urlaubstag für den Angehörigen. Gutschein nicht vergessen. Dritter Filter: alle Patienten mit belasteten Angehörigen. Gesprächsvorbereitung und -inhalte wie Filter 2. „Seien Sie vorbereitet“ meint auch, die Gespräche mit den Patienten und Angehörigen, Arztpraxen etc. vorab zu üben. Spielen Sie zu zweit oder dritt die verschiedenen Szenarien durch, halten Sie mögliche Gegenargumente oder Bedenken fest und formulieren Sie diese in positive Hilfsangebote um.
Akquise-Management bei neuen Mitarbeitern Haben Sie schon erlebt, dass ein Interessent einfach bei Ihnen in den Pflegedienst oder in die Tagespflege gekommen ist? Oder Sie einen Initiativanruf erhalten haben, ob bei Ihnen „eine Stelle frei ist“? Bewerbungen und Anfragen per E-Mail werden Sie sicherlich ebenso schon erhalten haben, oder? Der Arbeitsmarkt hat sich gedreht. Wenn Sie vor Jahren noch mehrere schriftliche Initiativ-Bewerbungen im Monat erhalten haben oder Sie nach einer Anzeige in der Zeitung zwischen einer Reihe von Bewerbungen auswählen konnten, so laufen Eingänge von Bewerbungen von Fachkräften nach einer Anzeige gegen null. Andererseits: Sie haben nur ein zeitlich kleines Fenster, auf einen Initiativ-Anruf oder einen spontanen Besuch eines Interessierten zu reagieren. Daher auch hier unser Tipp: „Seien Sie vorbereitet.“ Stellen Sie sich vor, Sie sind mit uns in einem Hotel und wir fahren zusammen in einem Aufzug in die 5. Etage, bevor wir aussteigen. So kurze Zeit haben Sie, um einen Interessierten neugierig auf Ihren Pflegedienst oder Ihre Tagespflege zu machen. Ele-
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vator Pitch heißt dies. Ein Elevator Pitch, auch genannt Elevator Speech oder Elevator Statement, ist eine Methode für eine kurze Zusammenfassung einer Idee, eines Produktes oder Ihres Pflegedienstes bzw. Ihrer Tagespflege. Der Fokus liegt auf positiven Aspekten, wie zum Beispiel der Einzigartigkeit. Sie müssen Ihre Zielgruppe (hier potenzielle Mitarbeiter), Ihr Produkt (hier SGB XI, SGB V oder Privatleistungen), den Nutzen für den Kunden oder Gast, Ihr Alleinstellungsmerkmal formulieren. Und eine weitere Frage ist wichtig: Wie beginnen Sie? Was ist das Besondere Ihrer Einrichtung oder Ihres Dienstes? Können Sie dies spontan und überzeugend sagen? Wieviel verdient eine Pflegefachkraft? Der Hinweis auf Ihren Haustarif reicht nicht. 16,40 € oder 18,20 € pro Stunde? Konkret muss es sein. Wie viel Urlaub erhalten Mitarbeiter? Darf ein Mitarbeiter einen Dienstwagen mit nach Hause nehmen? Und auch privat nutzen? Ach, Sie müssen erst in die Personalabteilung gehen und nachfragen? Weg ist der Interessierte und beim Mitbewerber.
TIPP Bereiten Sie sich auf spontane Anrufe oder Besuche von Interessierten vor. Nehmen Sie sich ein DIN-A4-Blatt und schreiben Sie auf der Vorderseite die Begriffe und Inhalte, mit denen Sie authentisch und ehrlich Ihren Pflegedienst oder Ihre Tagespflege beschreiben können. Machen Sie dies bitte so konkret wie möglich. Und natürlich interessant. Und auf der Rückseite fügen Sie eine Tabelle mit 3 Spalten ein. In die erste Spalte kommen Themen, in die zweite Spalte Ihre Leistungen und die dritte Spalte lassen Sie frei, damit ein Interessent seine derzeitigen Bedingungen eintragen und vergleichen kann. Legen Sie sich diese Arbeitshilfe selbst gut greifbar auf Ihren Schreibtisch. Ihre Verwaltungskraft meldet Ihnen einen Interessenten oder will Ihnen ein Telefonat durchstellen? Kein Problem. Arbeitshilfe nehmen und Sie können vorbereiteter, überzeugter und interessanter Ihren Pflegedienst oder Ihre Tagespflege vorstellen. Ein weiterer Tipp: Sie gewinnen für sich etwas mehr Zeit, wenn Sie einen Interessenten, der Sie aufsucht, bitten, Platz zu nehmen und ihm eine Tasse Kaffee anbieten.
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3.2 Bleiben Sie entspannt 3.2.1 Hoffnung auf und Zuversicht in eine positive Zukunft Viele blicken mit Sorge in die Zukunft, obwohl es uns „eigentlich“ gut geht. Darunter sind auch unsere Kunden, Geschäftspartner und Mitarbeitenden. Vieles erscheint kompliziert und unübersichtlich: das schwierige Miteinander überall, Egoismus versus Gemeinsinn. Was ist richtig, was falsch? Hier gilt es den Überblick und die Nerven für langfristig Richtiges zu bewahren und eine humane und mitmenschliche Haltung in der Bewältigung der aktuellen Herausforderungen sicherzustellen, z. B. wenn Bedrohungsszenarien geschürt werden: „Wie sollen wir denn die ganzen neuen Qualitätsanforderungen bewältigen, wenn doch nur noch Unmotivierte oder wenig Qualifizierte in die Pflege wollen?“ Als Verantwortliche für Dienste, Einrichtungen und Teams, als professionelle Anwälte der Hilfsbedürftigen in den Quartieren und Netzwerken haben wir Vorbildfunktion in puncto praktischer Zukunftsbewältigung – auch wenn wir selbst Opfer von Bürokratie, Stress und dieser wahnsinnigen Arbeitsdichte sind. Hoffnung und Zuversicht sind wichtige Grundzutaten unseres Wirkens. Der Freiburger Philosoph und Mediziner Giovanni Maio beschreibt die Situation wie folgt: „Wir leben in einer Zeit, in der wir vor lauter Rechnen das Hoffen und das Vertrauen in eine ungedeckte Zukunft verlernt haben“ (ZEIT WISSEN 6/2016: 26). Hoffnung ist ein zentraler Antrieb zur Gestaltung der Zukunft. Doch die muss erst einmal als grundsätzlich offen anerkannt werden. Hoffnung beansprucht keine Erfolgsgarantie, aber sie gibt uns die Gewissheit, dass es Sinn macht, an das Morgen zu glauben. Denn der hoffende Mensch ist kein unbeirrbarer Optimist, der das Scheiternkönnen ausblendet. Er lebt im Bewusstsein des Bedrohtseins. Das unterscheidet ihn vom Pessimisten, der ungeduldig ist und sich zynisch über die Notwendigkeit der Mitgestaltung hinwegsetzt (meistens schon immer wusste, dass Engagement, Vertrauen und Kooperation keinen Zweck haben) und sich leicht aus der Verantwortung stiehlt, im positiven Sinne aktiv zu werden. Zuversichtliche Menschen gelten leicht als oberflächlich und naiv. Dabei sind sie das Gegenteil von blauäugig. Sie erkennen klar die Realität und nutzen dennoch die Offenheit der Zukunft als Möglichkeit der positiven Entwicklung.
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Verankern Sie das „kleine, leichte Gefühl“ der Zuversicht fest in der Unternehmenskultur. Stärken Sie in Ihren Teamsitzungen den Blick für das, was zusammenführt, was im Schwierigen gelingt. Gerade in Situationen, in denen wir motivational und kräftemäßig am Boden zu liegen scheinen, nutzt ein gemeinsamer Blick in die Sterne, um wieder die Richtung zu kennen. Doch nicht alle Ihre Mitarbeiter können das ohne Ihre Standfestigkeit, Ihre klare Position, Ihren persönlichen Zuspruch, Ihre Unterstützung. Sie brauchen Ihre gelebte, zuversichtliche Unternehmenskultur, Ihre klare Ausrichtung durch gemeinsame Vision, Mission, Ziele und Strategie mit Fortschrittsmonitoring, Meilensteinen, Kennzahlen und allem Zipp und Zapp. Und Sie? Was können Sie für sich tun, um diese Haltung beständig durch das neue Jahr zu tragen? Schaffen Sie dem „kleinen, leichten Gefühl“ (ZEIT WISSEN 6/2016: 28) Raum in Ihren Zeitnischen. Stärken Sie Ihr Wohlbefinden und Ihre Stabilität, in dem Sie sich immer wieder vor Augen führen, wo und wie Sie zufrieden sein können. Geben Sie dem Empfinden und Herstellen von innerer Zufriedenheit in diesen Zeiten eine größere Aufmerksamkeit als der Suche nach Glück. Zufriedenheit ist ein ruhiger Zustand und wirkt im Hintergrund des Erlebens. Zufriedenheit stützt Sie und Ihre Zuversicht. Das Erleben von Zufriedenheit hängt im Wesentlichen von dem Verhältnis dieser zwei Größen ab: vom Grad der Erfüllung von Ansprüchen und vom Anspruchsniveau. Für Sie und Ihre Teams führen zwei praktische Wege zur Verringerung dieser Kluft: –– Aktives Herangehen: Daran arbeiten, dass wichtige Wünsche, weiterführende Vorstellungen/Projekte und beflügelnde, kraftspendende Träume wirklich in die Praxis umgesetzt werden und sie nicht aus fadenscheinigen Gründen (keine Zeit, keine Kraft, kein Mut) nach hinten verschieben! Ganz konkret realistische Ziele setzen, das motiviert. –– Defensives Herangehen: Das heißt, die eigenen Ansprüche bewusst zu hinterfragen und da, wo sie nicht zu den Umständen passen, auch durchaus abzusenken, sich neu auszurichten und für andere Wege offen zu sein. Um immer wieder die Mitte mit sich und dem Team zu finden und die Balance herzustellen, folgen Sie der einfachen Formel: „Vernünftige Ansprüche, bescheidenere Träume und realistische Ziele.“
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Stützen Sie Ihren Erfolg mit folgenden oder ähnlichen frischen Vereinbarungen für Ihre Unternehmenskultur, die Sie in den Dienstbesprechungen immer wieder miteinander präzisieren und als handlungsleitend festlegen: –– Gelassenheit üben – auch wenn wir im ersten Impuls zu Unruhe und Aktionismus neigen. –– Gute Gefühle ins Team einladen. Schaffen Sie hierzu Anlässe. –– Bewertungen zurückfahren. Bewertungen sind Krafträuber und blockieren Kreativität und notwendige Verrücktheit. –– Vorsichtig sein beim Vergleichen. Vergleiche erzeugen Spaltung und Neid im Team. –– Kultivieren Sie in Ihrem Verantwortungsbereich die Tugend, sich selbst mit einem Schuss Humor und Distanz zu betrachten. Gehen Sie selbst als Vorbild voran. Und: Bleiben Sie neugierig auf alles, was kommt!
TIPP Sorgen Sie dafür, dass sich das kleine, leichte Gefühl der Zuversicht einstellen kann, indem Sie fragen: –– Was macht uns stark? –– Wie gelingt es uns immer wieder, so erfolgreich oder so widerstandsfähig, so kollegial, so humorvoll im Team zu sein? Und das auch dann, wenn nicht alles perfekt läuft!
3.2.2 Aufmerksam im Augenblick – Achtsamkeit üben Sie stehen im Stau auf der Landstraße, kommen nicht weiter. Sie haben einen wichtigen Termin, sind spät dran und werden es auf keinen Fall mehr schaffen, pünktlich dort zu sein. Der Tag hat schon gut begonnen – und auch sehr früh: Sie wurden aus dem Schlaf aufgeschreckt, weil der Gatte neben Ihnen im Schlaf persönlich den Hambacher Forst absägte und auch mehr oder weniger zartes Stupsen ihn nicht nachhaltig davon abhielt. Also: aufstehen, aufs Sofa legen, Gedankenkarussell abstellen, Weckerklingeln, hochrappeln, fertig machen, Schlüsselsuche, Rettung des neuen Pullovers vor dem Hund, der das Ding gerade interessant findet …
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Früher wären Sie in die Luft gegangen, doch jetzt bleiben Sie einigermaßen entspannt. Denn was wäre anders, wenn Sie sich aufregten? Sie nutzen die Wartezeit im Auto für eine kurze Erholungspause. Sie atmen bewusst ein und aus, beobachten die Situation. Sie rufen in Ihrer Pflegeeinrichtung an oder sprechen eine Nachricht aufs Band. Sie können es im Moment nicht abschätzen, wann es weitergeht. Sie lassen den Gedanken los und Sie spüren, was gerade ist. Die Sonne, die durch Ihre Windschutzscheibe scheint, den Wind, der durch das geöffnete Seitenfenster hereinweht. Alles ist gut.
Achtsamkeit als Basiskompetenz Achtsamkeit wird zunehmend als Basiskompetenz angesehen. „Es sind nicht die Dinge selbst, die uns beunruhigen, sondern die Vorstellungen und Meinungen von den Dingen.“ Diese Erkenntnis formulierte der Philosoph Epiktet bereits vor knapp 2000 Jahren. Wir machen uns ständig Gedanken um Gefahren, die drohen, um Krisen und Dramen, die passieren könnten. (Denken Sie nur an die langfristigen Folgen des verpatzten Termins für die Chancen Ihres Dienstes in unserem Beispiel.) Das Üben von Achtsamkeit stärkt die Hirnareale, die Emotionen regulieren, Gedächtnis und körperliche Wahrnehmung steuern, und führt zu besseren und bewussteren Reaktions- und Entscheidungsprozessen. Es ist sehr hilfreich, um als taffer Zeitgenosse auf der ständigen Überholspur gut zu überleben. Eins ist klar: Heute gibt es viel mehr zu verarbeiten als jemals zuvor. Unser Aufmerksamkeitssystem ist kontinuierlich aus- bzw. überlastet durch den Zwang, notwendige Informationen auszuwählen und zu verarbeiten. Unser Gehirn misst allen neuen Informationen eine erhöhte Bedeutung zu, so auch frisch eingetroffenen E-Mails, SMS- und WhatsApp-Nachrichten sowie neuen Fotos auf Instagram. Aber interessiert Sie das Tierfilmchen, das Ihre Arbeitskollegin Ihnen abends um 21.00 Uhr sendet, wirklich? Sie fühlen sich sogar noch verpflichtet, ihr ein „Süß!“ zu schicken, damit sie Sie nicht als herzlos empfindet … Diese Art, das Handy zu nutzen, zergliedert unsere Aufmerksamkeit und entfremdet uns vom realen Erleben im Hier und Jetzt. Deshalb ist es zu begrüßen, dass immer mehr Kolleginnen und Kollegen ihr Handy in der Freizeit ausschalten und sich über ihre gut gehütete Festnetznummer nur noch von Familie, Freunden und Vertrauten anrufen lassen – mit einem ausgeklügelten Krisenplan für den Betrieb im Hintergrund, der greift, wenn’s wirklich brennt. Ziel ist es, im Alltag bewusst da zu sein: präsent, aufmerksam und ruhig. Nehmen Sie sich täglich Momente der Ruhe und des Stillwerdens, in denen Sie sich darauf konzentrieren, was gerade jetzt ist und was Sie jetzt tun. Das macht Kopf und Herz frei.
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So schaffen Sie achtsame Momente Sorgen Sie dafür, dass Sie und Ihre Mitarbeiter Momente der Ruhe erleben, machen Sie kleine Pausen, in denen Sie gemeinsam über Schönes sprechen. –– Schwarz-weiß-Denken, Schwarzmalerei, Selbstverurteilung und Konzentration auf Schwächen belasten die Lebensqualität und Ihre Beziehung zu anderen. Stellen Sie sich stattdessen die Frage „Was hat in den letzten Stunden gut funktioniert?“ und nicht, was wieder nicht funktioniert hat. –– Reflektieren Sie Ihr Verhältnis zum Thema Zeit und achten Sie auf Ihre Sprache: Wollen Sie „Zeit sparen“? „Bekämpfen“ Sie „Zeiträuber“? Diese Bilder vermitteln Zeitmangel. Suchen Sie nach positiven Bildern, wie z. B.: Zeit als Strom, Schritt für Schritt nach vorne … –– Schalten Sie das Telefon aus. Gönnen Sie dem Kopf Ruhe: Setzen Sie sich bequem auf einen Stuhl und achten Sie fünf Minuten nur auf Ihren Atem statt auf Ihre Gedanken. Wenn Gedanken kommen, geben Sie ihnen ein Etikett, z. B. „Jobkram“. Führen Sie sie nicht zu Ende. Lassen Sie sie weiterziehen. –– Gönnen Sie sich gute Momente. Verschieben Sie Freude nicht auf später. –– Die Bahn hat schon wieder Verspätung? Der Termin verzögert sich? Solche unverhofft geschenkten Momente sind ideal für eine kleine Meditation. Laufen Sie ein paar Schritte auf und ab, achten Sie auf das Gehen und atmen Sie bewusst ein und aus. Oder: Sie träumen sich kurz an einen schönen Ort. Sie werden sehen: Entspannung setzt ein!
TIPP Wenn sich Ihre Gedanken im Kreise drehen … schreiben Sie sie auf. Fragen Sie sich: –– In welchen Situationen kommen diese Gedanken? –– Bin ich sicher, dass sie wahr sind? –– Könnte ich die Dinge auch ganz anders betrachten? –– Kann ich die Situationen, in denen diese Gedanken auftreten, auch anders interpretieren? –– Was würde ich einem guten Freund raten, wenn er mir von diesen negativen Gedanken berichten würde? –– Wie hätte ich zu einem anderen Zeitpunkt und in einer anderen Stimmung über diese Angelegenheit gedacht?
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3.2.3 Entspannungsübungen zum Ausprobieren Sie hetzen durch den Alltag, Informationsflut und höchstes Arbeitsaufkommen stressen – dabei die innere Balance zu halten, ist oft ein Kunststück. Was können Sie ganz praktisch tun, damit Ihnen der Führungsalltag mit seinen Anforderungen nicht so zusetzt? Nehmen Sie sich, wann immer möglich, in Stresssituationen einige unbeobachtete Minuten für hilfreiche kleine Übungen. Die eine oder andere mag Ihnen sehr gewöhnungsbedürftig erscheinen. Fangen Sie einfach mit dem an, was Ihnen am ehesten entspricht und tasten Sie sich dann weiter vor. Lachen und Bewegen Etwas schrill ist sie ja schon, diese Form der Kurzentspannung: Stellen Sie sich aufrecht und entspannt hin. Die Arme hängen locker am Körper. Nun klopfen Sie sich mit den Lauten „hehehe“ seitlich auf die Oberschenkel, dann wie der Weihnachtsmann mit „hohoho“ auf den Bauch und schließlich mit „hihihi“ auf den Kopf, so als würden Regentropfen darauf fallen. Machen Sie mehrere Durchgänge. Je komischer Sie sich fühlen, umso besser: Lachen Sie über den „Unsinn“, den Sie gerade produzieren; lächeln Sie und bewegen Sie sich, je nach Temperament. Vielleicht geht Ihre anfängliche Befremdung in Lachen oder auch Lächeln über. Und Sie spüren: Ihre Stimmung hat sich mit dieser kleinen, verrückten Bewegungsintervention verbessert. Die Lautkombinationen „o, e, i“ sind in ihrer Vibrationswirkung auf Sinne und Organe in Chiropraktik und in der traditionellen chinesischen Medizin belegt. Stress ohne Bewegung ist Stress ohne Pause mit Muskelverspannung, Tunnelblick und schließlich Denkblockade. Schon wenige Minuten körperlicher Aktivität helfen, die durch die Stresshormone bereitgestellte Energie zu verbrennen. Lächeln hellt die Stimmung auf Lächeln entspannt. Nicht das breite „Cheese“ grinsen, sondern nur einfach die Mundwinkel bei leicht geöffnetem Mund nach oben ziehen und wieder zurück, wie beim echten Lächeln. Nach wenigen Malen spüren Sie, wie Sie dabei ruhiger und wohlwollender werden. In einem weiteren Schritt probieren Sie das Herzlächeln: Setzen Sie sich bequem hin und schließen Sie die Augen. Atmen Sie vollständig aus. Sobald Sie Ihren Atemrhythmus gefunden haben, konzentrieren Sie sich auf Ihr Herz, legen Sie dazu ggf. die Hand auf Ihr Herz. Stellen Sie sich vor, dass Sie durch Ihr Herz atmen – aus dem Herzen in Ihren Körper hinein und durch das Herz wieder hinaus. Vielleicht entsteht da-
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bei ein warmes Licht, das sich beim Atmen durch den ganzen Körper ausbreitet: Ruhe, Dankbarkeit und Liebe strömen mit dem Licht. Wenn Sie – auch bei schlechter Stimmung – Lächeln nachahmen, lösen Sie eine Kettenreaktion von Verknüpfungen im Gehirn aus. Lachen und Lächeln kehren die ungesunden Auswirkungen von Stress um, erhöhen die Durchblutung, bekämpfen Schmerzen und stimulieren das Immunsystem. Sie sind heute zentraler Bestandteil der Präventionsmedizin. Den Sieger geben Diese Geste kennt jeder: die Siegerpose mit hochgereckten Armen. Sie sagt: Hier bin ich! Ein Gewinner! Wenn Sie einmal wieder mutlos sind, probieren Sie einfach das Jubelwunder von Jan Becker aus (Becker 2018: 86): Stehen Sie locker, die Beine hüftbreit auseinander. Schütteln Sie die Arme aus, lassen Sie sie kreisen. Beginnen Sie zu lächeln, grinsen Sie breit, recken Sie die Arme nach oben und außen zur Siegerpose, als hätten Sie gerade sechs Richtige im Lotto gewonnen. Recken Sie die „Becker-Faust“ oder tänzeln herum und singen „We are the Champions“. Tun Sie das, was Sie bei größter Freude tun würden, auch wenn Ihnen gerade nicht danach ist. Spüren Sie nach einigen Minuten den Unterschied in Ihrem Befinden? Ist da vielleicht ein winziger Schritt in Richtung Zuversicht? Suchen Sie für diese Übung unbedingt einen Ort auf, an dem Sie unbeobachtet sind. Kleider machen Leute – die Macht der Vorstellung Wenn ein äußerst unangenehmer Termin bevorsteht und Sie schon ganz weiche Knie haben, hilft Ihnen mentales Coaching weiter: Stellen Sie sich beim Betreten des Raumes vor, dass Sie eine edle Königsrobe aus schwerem Stoff tragen, die hinter Ihnen über den Boden schleift, und eine funkelnde Krone auf Ihrem Kopf. Oder die himmlische Variante: Sie tragen ein paar große Engelsflügel auf dem Rücken, die fast den Boden berühren. Diese Vorstellungen wirken sich auf Ihre Körperhaltung, Ihr Selbstwertgefühl, Ihre Ausstrahlung unmittelbar aus. Sie können nicht wie ein scheues Mäuschen ins Zimmer huschen. Sie brauchen Platz, verlangsamen Ihre Bewegung und machen Ihre Körpersprache langsam und majestätisch. Sie werden merken, dass Sie sich präsenter fühlen und dass die Köpfe sich Ihnen zuwenden. Man nimmt Sie anders wahr und behandelt Sie auch so, obwohl Krone, Mantel oder Flügel nur in Ihrer Vorstellung existieren. Zum Test machen Sie ein Foto: Sie werden den Unterschied sofort sehen.
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Das Gedankenkarussell austricksen Wenn wieder einmal unerwünschte Gedanken in Ihrem Kopf kreisen, Sätze, die Sie blockieren („Das schaffe ich nicht!“), machen Sie Folgendes: Fixieren Sie mit Ihrem Blick einen unbeweglichen Punkt. Einfach an der Wand. Ganz fest. Und schon hält das Gedankenkarussell an. Erklärung: Man kann sich nicht auf etwas konzentrieren und gleichzeitig Gedanken kreisen lassen. Energetisierung am Morgen Gegen negative Einflüsse wappnen Sie sich mit einem „Energieteppich“, den Sie vors Bett legen (ein schöner kleiner Teppich oder ein flauschiges Handtuch). Stellen Sie sich vor, dass sich in der Mitte des Teppichs eine starke Energiesäule befindet (wie die bei Raumschiff Enterprise, mit der Captain Kirk von Scotty in andere Welten gebeamt wurde). Laden Sie Ihre eigene Säule mit allen positiven Emotionen auf, die Sie kennen: Liebe, Spaß, Freude, Jubel. Intensivieren Sie die Vorstellung und tanken Sie Kraft. Jeden Morgen aufs Neue – oder wann immer Sie Bedarf haben.
3.3 Kommunizieren Sie! In Kapitel 1 und 2 haben wir deutlich gemacht, wie sehr sich die jüngeren von den älteren Mitarbeitergenerationen in Grundhaltungen, aber auch in der Erwartung gegenüber dem Führungsverhalten der Leitung unterscheiden. Reichte bei Babyboomern früher überwiegend das Prinzip des Anordnens, ist dies für die Generation Y und Z in keiner Weise mehr ausreichend, außer bei Notfällen, in denen direktiv geführt werden muss. nsere Empfehlung lautet daher für die Zukunft: Kommunizieren Sie! Und KommuU nizieren Sie jeweils angepasst. Was meinen wir damit? Grundsätzlich gehört zum zukunftsfähigen Leitungsverhalten eine offene, interessierte und freundliche Kommunikationsbereitschaft seitens der Leitungskraft. Wir kennen Tagespflegeleitungen, die morgens als Erstes einmal durch alle Räume gehen und z. B. auch eine defekte Lampe oder Spinnweben an der Decke bemerken, dabei schon alle anwesenden Mitarbeiter einmal freundlich begrüßen und mit ihnen einen kurzen Smalltalk halten.
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Erfolgreich Führen und Leiten
Das direkte Gegenteil wäre eine Leitung in der Tagespflege oder im ambulanten Pflegedienst, die morgens direkt ins Büro geht, die Tür schließt und am Tage möglichst von keinem gestört werden möchte. Zur offenen Kommunikationsbereitschaft gehört als Allererstes aber auch eine Bereitschaft zuzuhören und wenn möglich schnell den Inhalt oder das Anliegen des „Gegenübers“ zu verstehen. Eine Leitung, die zu 90 % eines Gesprächs redet, kommuniziert zwar viel, lässt aber dem „Gegenüber“ nur wenig Raum, sein Anliegen vorzubringen. Oder eine Leitung, die nach einem Stichwort den „Gegenüber“ unterbricht und selbst dann erzählt, kommuniziert zwar viel, aber nicht in dem Sinne, wie wir meinen.
Kommunikation in Teamsitzungen Gut vorbereitet und entsprechend differenziert kommuniziert, sind 90 % des Erfolges von Dienstbesprechungen, an denen Mitarbeiter gern teilnehmen und welche sie als effektiv bewerten. Dies verlangt von der Leitungskraft, dass sie die Dienstbesprechung für alle Teilnehmer gut vorbereitet und für sich bei den einzelnen Tagesordnungspunkten vorab überlegt hat, welche Mitarbeiter mit welchem Hintergrund möglicherweise welche Zustimmungen oder Gegenargumente oder emotionalen Störungen („Was für ein Quatsch, das geht so nicht. Haben wir noch nie gemacht.“) nennen und wie sie als Leitung darauf eingeht bzw. reagiert. Für Mitarbeiter, die sich selbst gern reden hören, aber keine neuen Inhalte beisteuern, hat sie entsprechend freundliche, aber direktive, kurze Sätze vorbereitet wie: „Danke Silke. Entschuldige, dass ich dich unterbreche. Dieser Punkt war schon geklärt. Hast du noch etwas Neues dazu einzubringen? Sonst gehen wir mit dem nächsten Punkt auf unserer Liste weiter, damit wir auch pünktlich die Teamsitzung schließen können.“ Aufmerksam gegenüber allen Teilnehmern sein, zuhören, was Mitarbeiter benennen, dies positiv aufgreifen und die Teamsitzung durch eine positive Kommunikation steuern, führt zu erfolgreichen Teamsitzungen.
Kommunikation in Einzelgesprächen Die Kommunikation der Leitung mit einzelnen Mitarbeitern oder Patienten oder Angehörigen findet jeden Tag in unzähligen Situationen statt. Hier sind zunächst die unbelasteten Begegnungen, Fragen und Antworten, Kurzberichte etc. gemeint.
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So positiv und offen, wie Sie wirken, so sehr öffnet es die Gesprächsebene auch beim Gegenüber. Blicken Sie ihn freundlich an, ohne ihn anzustarren. Hören Sie aktiv zu, in dem Sie zwischendurch nicken oder durch ein „Ja“ oder andere verbale kurze Äußerungen ihm zu erkennen geben, dass Sie „bei ihm sind“. Machen Sie auch deutlich, wie viel Zeit Sie für Ihren Gesprächspartner jetzt haben und bieten Sie ihm einen neuen Termin an, wenn das Gespräch länger dauert oder das Thema komplexer ist.
Kommunikation in Konfliktgesprächen Die Mitarbeiter erwarten, dass die Leitung ein „offenes Ohr“ für ihre Wünsche und Anliegen hat. Dies bedeutet aber auch andererseits, dass Leitung auch Gesprächsbedarf mit einem Mitarbeiter haben kann. Prinzipiell sollten Konfliktgespräche gemäß ihrer Wichtigkeit nicht „zwischen Tür und Angel“, sondern in einem passenden Rahmen möglichst ohne Störungen von außen durchgeführt und im Rahmen einer beidseitigen Vorbereitung geführt werden. Werden bei dem Gespräch Vereinbarungen getroffen, so sollten diese schriftlich festgehalten werden, zumal wenn sie arbeitsrechtlich relevant sind. Ggf. ist es dabei sinnvoll, zusätzliche Vertrauenspersonen für beide Seiten hinzuzuziehen. Gleiches gilt natürlich auch für Konfliktgespräche mit Patienten und deren Angehörigen oder gesetzlichen Betreuern.
Vier Empfehlungen zum Schluss: –– Hören Sie zunächst aktiv zu. –– Erklären Sie, aber rechtfertigen Sie sich nicht. Auch nicht bei vielleicht unangenehmen Entscheidungen, dass ein Mitarbeiter seinen Urlaubsantrag in der gestellten Form nicht genehmigt bekommt. –– Als Drittes: Ist das Glas halb voll oder halb leer? Kommunizieren Sie, wenn möglich, mit positiven Ansätzen. Sehen Sie eher die Chance oder das Gute in der Situation, als stets mit Ihrem eigenen Weltschmerz zu beginnen. –– Und als letzte Empfehlung: Bevor du sprichst, lass deine Worte durch drei Tore schreiten … Sind sie wahr? Sind sie notwendig? Sind sie freundlich?
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3.4 Warum delegieren – oder besser schnell selbst gemacht? Als Leitung weiß ich, wie eine Aufgabe zu lösen ist. Schnell und effektiv. Und wenn ich es selbst mache, wird das Ergebnis auch so, wie ich will. Kennen Sie diese Grundhaltung? Sie werden genügend Beispiele dafür nennen können, dass eine Aufgabe, die Sie delegiert habe, nicht richtig gemacht wurde. Wenn Sie den Job von Anfang an selbst gemacht hätten, wären Sie schneller gewesen und es wären nicht so viele Fehler passiert. Andererseits: Mitarbeiter haben Feierabend und Sie sitzen immer noch im Büro, weil am Tage viele Detailarbeit von Ihnen durchgeführt wurde bzw. noch auf Ihrem Schreibtisch liegt? Kennen Sie das Gefühl? Wenn ja, dann hören Sie auf, sich über Ihr Team zu ärgern, und fangen Sie bei sich selbst an.
Warum wollen Sie eine Aufgabe delegieren? Zuerst einmal stellt sich die Frage, warum Sie eine Aufgabe delegieren wollen und in welcher Situation. Welche der vier Aussagen trifft auf Sie zu? –– Wenn ich nicht mehr weiß, womit ich zuerst anfangen soll, dann gebe ich Aufgaben gern weiter. Zum Beispiel soll die Verwaltungskraft mit der Kasse klären, warum die Verordnung nicht akzeptiert wurde. –– Ich bin Experte für eine Aufgabe und möchte diese Aufgabe meiner Stellvertretung übertragen, weil es zu ihren Aufgaben gehört. Zum Beispiel Pflegevisiten durchführen. –– Die Aufgabe, das Projekt ist für uns alle fremd. Die neue Teamleitung soll sich damit beschäftigen, damit sie in ihre Leitungsrolle hineinwächst. Zum Beispiel den neuesten Expertenstandard zum Thema „Beziehungsgestaltung mit Menschen mit Demenz“ in den QM-Prozess einpflegen und das Team qualifizieren. –– Eigentlich will ich die Aufgabe gar nicht delegieren Ich habe dies doch auch bisher noch nebenher gemacht. Die vierte Aussage ist typisch für Leitungskräfte, die in einer Einrichtung aus dem Team heraus Leitung wurden und viele (Mitarbeiter-)Aufgaben noch als Leitung weiterführen. Trennen Sie sich davon!
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Drei Grundregeln für alle Delegations-Situationen 1. Klären Sie vorher, ob die Mitarbeiterin die Kompetenz hat, diese Aufgabe zu lösen. Hat sie genügend Erfahrungen, Wissen und Fähigkeiten? 2. Delegieren Sie mit der 4-W-Formel –– WAS ist zu erledigen, –– bis WANN, –– mit WELCHEM Ziel, –– WOZU. 3. Nutzen Sie Delegation, um Mitarbeitende durch Aufgaben zu entwickeln und zu fördern.
Entlastung durch Delegation Wenn Sie Aufgaben mit dem Ziel delegieren wollen, dass die Mitarbeiterin diese Tätigkeit dauerhaft selbstständig und mit einem guten Ergebnis erledigt, dann nehmen Sie sich dafür Zeit. In diesem Schema sehen Sie, welche Schritte dafür notwendig sind: 1. Besprechen Sie gemeinsam die Themen aus der 4-W-Formel. 2. Vereinbaren Sie einen Termin für den Zwischen-Check. 3. Lassen Sie die Aufgabe ausführen. 4. Bieten Sie für die erste Ausführungsphase Unterstützung an. 5. Im Zwischen-Check klären Sie die Fragen und Probleme, die bei Ihrer Mitarbeiterin aufgetaucht sind, und vereinbaren einen Termin zur gemeinsamen Bewertung. 6. Lassen Sie die Aufgabe selbstständig ausführen. 7. Bewerten Sie gemeinsam das Ergebnis.
Achtung Experten-Falle Wenn Sie Experte in einem Thema sind, dann finden Sie sich für die erste Zeit damit ab, dass das Ergebnis länger dauert und nicht so exzellent ausfällt, wie wenn Sie die Aufgabe selbst erledigt hätten. Wenn Sie sich und Ihren Mitarbeitenden Zeit geben, werden Sie bald feststellen, dass die Ergebnisse besser werden und vielleicht sogar besser als Ihre gewesen sind.
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Wenn Ihre Mitarbeiterin in der ersten Ausführungs-Phase oder dem Zwischen-Check Probleme äußert, dann halten Sie sich mit Lösungen und Ideen UNBEDINGT zurück. Stellen Sie stattdessen Fragen, damit Ihre Mitarbeiterin selbst auf die Lösung kommt. –– Was ist Ihr Vorschlag, um die Frage/das Problem zu lösen? –– Was würden Sie denn tun, wenn ich nicht da wäre? –– Was haben Sie bisher unternommen, um das Problem zu lösen? –– Welche Ideen haben Sie, um einen Schritt weiterzukommen? –– Was genau brauchen Sie von mir?
Was haben Sie dadurch gewonnen? Wenn Sie Ihre Mitarbeitenden durch diese Fragen unterstützen, selbst auf Lösungen zu kommen, werden sie unabhängiger von Ihnen und trauen sich auch in anderen Situationen zu, selbstständig nach Lösungen zu suchen, statt Probleme von Ihnen lösen zu lassen.
Und wenn es sich um eine ganz neue Aufgabe handelt? Wenn die Aufgabe, die Sie delegieren wollen, für alle fremd ist, dann klären Sie zusätzlich zu den Schritten aus der 4-W-Formel: –– welche Ressourcen zur Verfügung stehen (Geld, Hilfsmittel und die Zeit anderer) und –– welche Entscheidungen selbstständig getroffen werden dürfen. (Inhalt nach Claudia Henrichs: Delegieren oder besser schnell selbst gemacht)
3.5 Souveränität zurückgewinnen Wie schon deutlich gemacht, Konflikte sind „normal“ und grundsätzlich nichts Schädliches. Der professionelle Umgang damit ist entscheidend dafür, ob Sie als Leitung darunter dauerhaft leiden oder Konflikte konstruktiv nutzen und ihr Team positiv weiterentwickeln. Das folgende Kapitel gibt Ihnen Anregungen, wie Sie in Konfliktsituationen regulierend und deeskalierend wirken und so größeren Schaden verhindern oder sogar positive Entwicklungen bewirken können. Denn letztendlich sind Sie als Leitung in der Tagespflege oder in der ambulanten Pflege diejenige, die die Scherben zusammenfegen und die Beziehungen kitten muss …
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3.5.1 Drei mögliche Schritte Während es bisher in erster Linie darum ging, die Teammitglieder in Krisen zu führen und zu steuern, geht es hier um Sie persönlich. Denn manchmal ist es gar nicht so einfach, in Krisensituationen einen kühlen Kopf zu bewahren bzw. sich zu beruhigen. Dabei stehen Sie als PDL auf dem Präsentierteller. „Wunden lecken“, etwas Schnippisches nachkarten, sich stumm und beleidigt zurückziehen verbietet sich von selbst. Das wäre höchst unprofessionell. Es gilt, rasch Ihre gewohnte Souveränität zurückzugewinnen. Versuchen Sie es mit diesen drei Schritten: 1. Runterkühlen durch Ablenken Leiten Sie ihre Gedanken um, indem Sie die Übung „5–4–3–2–1“ ausführen. Fokussieren Sie sich an dem Ort, wo Sie sich befinden, ganz auf folgende Wahrnehmungen im Hier und Jetzt: 5 Dinge, die ich sehe (benennen); 5 Dinge, die ich höre (benennen);s 5 Dinge, die ich empfinde (benennen). Von hier aus runterzählen und konzentriert in der Wahrnehmung bleiben: Vier Dinge, die ich sehe, höre, fühle, drei, zwei und ein Ding. Diese Übung befreit sofort vom Grübeln. 2. Aufrichten durch Abregen Suchen Sie einen Ort auf, an dem Sie allein sind, und gehen Sie in die RESET-Haltung: Richten Sie sich ganz gerade auf. Sagen Sie sich: „Ich bin freundlich zu mir, ich baue mich jetzt auf. Ich nutze meinen Geist und meinen Körper.“ Gehen Sie in einen festen, selbstbewussten Stand. Atmen Sie tief ein – von den Füßen in den Bauchraum bis in die Lungen und den Kopf. Nehmen Sie die Arme mit nach oben. Denken Sie beim Einatmen immer „Glück auf!“ und beim Ausatmen „Wut raus!“. Dabei Hände zu Boden drücken! 3. Krönchen aufsetzen, weitermachen! Gehen Sie in die Natur. Analysieren Sie: Kann ich etwas tun, was ein wenig nach vorne führt, realistisch und von mir beeinflussbar ist? Nehmen Sie ein Bad und schlafen Sie darüber. Am nächsten Morgen machen Sie Ihren lösungsorientierten Erfolgsplan: Jetzt Krone aufsetzen und weiter!
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3.5.2 Mit kühlem Kopf: Souverän mit den „Hüten“ oder „Rollen“ jonglieren Typisch für die Leitung eines kleinen Pflegedienstes oder einer Tagespflege ist es, dass Sie in der Regel nicht für ihre Managementfunktion freigestellt werden, sondern auch in die direkten tagesgestaltenden Aufgaben mit den Gästen oder die pflegerischen Hilfen für Ihre Patienten involviert sind. Sie müssen also permanent Ihre Rollen (Hüte) wechseln: Mal sind Sie die Organisationsverantwortliche, mal das reflektierende Gegenüber, dann der Mitarbeiter in der Pflege und Betreuung. Teil des Teams zu sein und gleichzeitig dessen Leitung, das führt zu Abgrenzungsproblemen – Gift für die Sensiblen unter uns! Denn sie fühlen sich am wohlsten, wenn sie einen Beitrag zum Wohlgefühl aller leisten können. Sie empfinden sehr viel Verantwortungsgefühl und Verständnis für alle und alles, zerreißen sich zwischen den unbequemen Notwendigkeiten aus Managemententscheidungen und ihrem Mitgefühl. Nicht selten engagieren sie sich zu stark und verlieren dabei ihre eigenen Interessen aus den Augen. Die Folge: Missverständnisse, Durchsetzungsschwierigkeiten, Zeitknappheit und Verzettelung. Um nicht anzuecken, formulieren sie Entscheidungen und Botschaften in super-soften (Frage-) Formulierungen wie: „Wäre es nicht sinnvoller, das oder das zu tun? Könntest du mal bitte ...?“ Diese Sätze sollen höflich klingen, wirken aber unsicher, vage und unbestimmt. Sie laden geradezu dazu ein, infrage gestellt zu werden. Ist der Widerstand erst einmal da, fällt es unsagbar schwer „nein“ zu sagen. Gehen Sie die Sache anders an: Tragen Sie die notwendigen Hüte mit kühlem Kopf und sehr bewusst. Es helfen Ihnen Achtsamkeit, eine klare, konkrete und freundliche Sprache, Ihre Haltung und gute Planung: Sie (und niemand anders) legen fest, wann Sie was in welchem Verständnis tun! Gleichgültig, ob Sie Verträge schließen, den Dienstplan erstellen, Bewerbungsgespräche führen, in der Tagespflege die Spülmaschine ausräumen oder Frühlingslieder singen: Unter dem Hut – egal wie bunt er ist – sitzt immer Ihr Kopf und der leitet das Team und Ihre kleine „Firma“. Bewegen Sie sich konsequent auf der Erfolgsspur des Managements: Bewusst, selbstgesteuert und reflektiert abwägend, wie viel Zeit und Kraft Sie in welches Projekt stecken. Das ist Ihr Geheimnis und das Ihres Erfolgs: innere Gelassenheit, Rollenklärung und Ihr Selbstbewusstsein.
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3.6 Immer schön schräg bleiben – Charlie Chaplin Der Februar ist der Monat, in dem die in der Silvesternacht gefassten guten Vorsätze auf ein zuträgliches Normalmaß zusammenschrumpfen. Der Karneval bietet zeitlich passend dazu den perfekten Anlass, sich selbst mit einem humorvollen Augenzwinkern zu hinterfragen. Lachen ist wichtig für unseren Erfolg, weil Lernen und Veränderung leichter werden, wenn ein Schuss Freiheit und Offenheit neben Disziplin, Konsequenz und Hartnäckigkeit unser Führungshandeln bestimmt – damit aus Disziplin nicht Qual, aus Konsequenz nicht Verhärtung und aus Hartnäckigkeit nicht Starrsinn wird. Im Alltag ist es gar nicht so einfach, die feinen Nuancen der schleichenden Veränderung, zum Beispiel vom richtigen Maß zum Übermaß, zu bemerken. Sicherlich ist es ihnen auch schon passiert: Plötzlich steht man vor dem Scherbenhaufen einer Idee oder eines Projektes, in das man sich mit besten Vorsätzen verrannt hat: zu wenig innegehalten, zugehört, nachgedacht, zu viel gewollt, gekämpft und durchgestanden. Nicht gespürt, dass die Klugen still wurden und treue Unterstützer sich mutlos zurückgezogen haben. Das eifrige Geschnatter der Ja-Sager im Team überdeckte alles. Sie hatten die notwendige Distanz verloren, waren nicht mehr souverän. Schräg bleiben meint nicht, die Ernsthaftigkeit ihres Führungsanliegens infrage zu stellen, sondern die Art, wie Sie es voranbringen, innerlich und äußerlich. Das richtige Maß Abstand erkennen Sie daran, dass Sie in der Lage sind (zumindest im Kopfkino) eine kritische Führungsszene der letzten Tage in einen witzigen Sketch zu verwandeln oder wie Charlie Chaplin eine kleine Parodie dazu aufzuführen, mit Ihnen in der Hauptrolle (und dadurch auch auf Ihre Kosten). Watscheln Sie los. Geben Sie alles … Wenn Ihnen bei dieser Vorstellung schon die Luft wegbleibt, Sie sich selbst nur als Opfer sehen können und anklagend auf andere zeigen, die Ihre Pläne vereiteln: Stopp! Sie sind zu dicht dran. Das geht schief, verbraucht zu viel Kraft, lädt nicht ein. Üben Sie sich zum Beispiel mit der Figur Charlie Chaplins darin, schräg zu sein, querzudenken und sich selbst zu hinterfragen. Machen Sie ihn zu ihrem ständigen Begleiter. Am besten kaufen Sie sich zur Erinnerung die typischen Accessoires – Stock und Melone. Im Karneval sind die gerade günstig …
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3.7 Lösungsorientierte Kurzberatung und Coaching als Führungskraft 3.7.1 Coachen – eine Frage der Haltung Immer wieder kommen wir Führungskräfte in Situationen, in denen Mitarbeitende unseren Rat und Unterstützung ganz persönlich benötigen: individuell und auf Augenhöhe, z. B. um persönliche Krisen besser zu bewältigen, Entwicklungspotenziale auszuschöpfen oder um Karrieresprünge elegant auszuführen. Und da Sie ja nicht die große Schwester/der große Bruder des Mitarbeiters sind, der „einfach zuhört und da ist“, sondern nach wie vor die verantwortliche PDL in einem System mit Kompetenzen, Verantwortlichkeiten und Abhängigkeiten, ist es wichtig, dass Sie sich über Ihre Rolle und Haltung in Coachingsituationen Gedanken machen, bevor Sie beziehungstechnisch „verwickelt“ werden und der Haussegen schief hängt. Die innere Haltung und Klarheit entscheiden über das Gelingen. Dabei gelten drei grundlegende Prinzipien: 1. Dreh- und Angelpunkt für Ihre Handlungswirksamkeit ist, dass Sie sich immer dessen bewusst sind, was Sie grundsätzlich über Führung und über Ihre Mitarbeiter denken, wie Sie zu ihnen stehen, wie Sie sie leiten und begleiten möchten, und natürlich, was das für die aktuelle Situation und die Mitarbeiterin bedeutet, die hier und jetzt vor Ihnen sitzt und um Ihren Rat und Ihre Unterstützung bittet. 2. Essenziell für Ihre Aufgabe als Coach ist, dass Sie wahrnehmen und beobachten, ohne zu werten und zu bewerten. Das ist gar nicht einfach, weil unser „normales“ Führungsleben die schnelle Beurteilung und Bewertung tagtäglich erfordert. 3. Auf Augenhöhe sein: Wichtig ist, dass Ihr Kontakt zu Ihrer Mitarbeiterin – trotz der zwischen Ihnen beiden bestehenden Führungsbeziehung – im Moment des Coachens symmetrisch und gleichberechtigt ist. In der Transaktionsanalyse wird diese Position als Okay-Position (Ich bin okay – du bist okay) bezeichnet, in eher spirituell ausgerichteten Schulen als wertschätzend.
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Sind Sie die richtige Person? Bevor Sie „mal eben“ in eine Coachingsituation stolpern, klären Sie bitte mit sich ab, ob Sie wirklich die geeignete Person und Instanz sind, um tätig zu werden. Sie sind es –– bei einem Mitarbeiter in einer persönlichen Krise, bei dem Sie den Eindruck haben, dass er derzeit mit niemand anderem reden kann als mit Ihnen (warum auch immer). Hier geht Hilfe vor Zuständigkeit. –– als Person mit Überblick im Fachbereich, die sowohl einen guten professionellen, d. h. vertrauensvollen, jedoch nicht persönlich zu engem Kontakt zum Mitarbeiter hat, der die Karriereleiter hinaufkraxeln möchte/soll. –– als „erste Hilfe“ bei einem Team in Ihrem Zuständigkeitsbereich, bei dem sich Lager gebildet haben und Missverständnisse den Alltag prägen (bevor Sie das Team ggf. in die Hände eines externen Supervisors weitergeben). Sie sind es eindeutig nicht, –– wenn Sie die ehemalige Leitung des Teams sind, in dem Mitarbeitende Schwierigkeiten mit Ihrem Nachfolger haben; –– wenn Sie mit dem Ratsuchenden in einer besonderen Beziehung stehen, er/sie „Ihr“ berufliches Baby ist, Sie befreundet oder verwandt sind (selbst dann nicht, wenn Sie davon überzeugt sind, die Dinge gut trennen zu können, denn: die anderen können es nicht); –– wenn der Ratsuchende ein Suchtproblem hat und Ihnen das Gefühl vermittelt, nur SIE können ihm helfen. Bitte verzeihen Sie, dass ich diese plakativen Beispiele wähle, aber es sind typische Praxissituationen, in die PDL-Kollegen hineingezogen werden.
Das Setting Haben Sie sich entschieden, einen Mitarbeiter zu coachen, schaffen Sie einen der Situation angepassten Rahmen, der es Ihnen leicht macht, in die andere Haltung hineinfinden, d. h.: –– Sie haben einen klaren Auftrag zum Coachen. –– Sie reservieren sich ein Zeitfenster von ca. 45 Minuten in einem ruhigen Raum.
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–– Sie halten bereit: Flipchart, Stifte und Schreibblöcke sowie kleine Gegenstände für eine spontane Aufstellungsarbeit auf dem Tisch (z. B. Streichholzschachteln, Zuckerwürfel, Spielsteine, Klebestifte oder ganz professionell: Mensch-ärgere-dichnicht-Püppchen). –– Wenn es Ihnen schwerfällt, Ruhe zu bewahren, während Ihr Gegenüber mühsam seine Gedanken entfaltet, legen Sie sich einen Gegenstand (z. B. einen Stein oder eine dekorative Kugel) in Greifnähe. Nehmen Sie ihn in die Hand und halten Sie sich daran fest, wenn die innere Flut der guten Ideen und Tipps Sie mitzureißen droht. Das Setting hilft Ihnen, Ihre Aufmerksamkeit auf die Coachingsituation und Ihr Gegenüber zu richten. Stimmen Sie Ihre Sinne ganz auf Neutralität und Offenheit ein, indem Sie kurz innehalten, ein-, zweimal bewusst ein- und ausatmen und sich darauf konzentrieren, im kommenden Gespräch der einen wichtigen Sache zu dienen: dem Anliegen Ihres Gegenübers!
Sensibel wahrnehmen Starten Sie mit der Wahrnehmung der gesamten Person. –– Was strahlt sie für eine Energie aus? –– Welchen Unterschied zur letzten Begegnung nehme ich wahr? –– Wie würde ich das, was ich wahrnehme, in einer Überschrift zusammenfassen (z. B. „Brodelnder Vulkan“ oder „Verschreckte Prinzessin“)? Bringen Sie Ihre Wahrnehmung unter folgenden vier Aspekten zusammen: –– Was sehe, höre, empfinde ich in der Begegnung hier und jetzt? –– Wie reagiere ich spontan – was löst die Begegnung in mir selbst aus? (Das ist ein wichtiger Gedanke, um Vermischungen von Aspekten Ihrer Geschichte mit der Ihres Gegenübers zu erkennen und zu vermeiden. Vermischungen könnten zu falschen Einschätzungen und Vorschlägen führen, damit eher schaden als nutzen.) –– Wie stelle ich mir das Erzählte bildlich vor? (So wird die Thematik greifbarer für Sie.) –– Was mag in meinem Gegenüber vorgehen?
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Staunen und Schweigen – Momente der höchsten Achtsamkeit Große Augen, offener Mund, regungslos und selbstvergessen – so staunen kleine Kinder. Versuchen auch Sie, absichtslos einfach wahrzunehmen, welche bunten und manchmal unerhörten Geschichten und Schicksale auch die Menschen erleben, die Sie glauben zu kennen, weil sie in Ihrem Dienst arbeiten. Diese Momente des Staunens sind nicht planbar, aber wichtig, um die notwendige Ehrfurcht, die Achtsamkeit und den Respekt vor dem Leben des anderen zu bewahren und daraus die behutsame Bewegung auf das Gegenüber abzuleiten. Wer staunen kann, kann auch schweigen und nutzt die Königin der Intervention: die gerichtete Spannung und Entspannung, die dem Prozess förderlich ist. Ohne Spannung keine Energie, ohne Entspannung keine Öffnung. Ruhig und zugewandt warten, was passiert, nichts tun, nichts sagen – das ist das, was Sie anstreben, wenn Sie das Gespräch lenken.
Mitfühlen, nicht mitleiden So hart die Geschichten auch sind, oft voll Ungerechtigkeit, Angst und Not und manchmal auch Brutalität – wir achten darauf, nicht ins Mitleiden zu rutschen. Mit-Leiden bedeutet, emotional in die Welt des Gegenübers einzutreten, selbst hilflos und ohnmächtig zu werden und damit die Chance des Außenblicks zu vertun. Coachen aber geschieht „mit Gefühl“. Das heißt Mitgefühl empfinden. Die Welt des anderen anerkennen und durch sensible, aufspürende Beobachtungen und Fragen helfen, den Blick zu erweitern und das Bild zu runden.
Neutralität und Verantwortung Vergessen Sie bei allem Eifer und Engagement nie, dass die Verantwortung für den Prozess bei der Person bleibt, die Sie coachen. Achten Sie darauf, unvoreingenommen zu sein, sich nicht auf eine Seite zu schlagen, keine eigenen Interessen mit dem Coaching zu verbinden und sich nicht in vorgefundene Beziehungsmuster einzumischen. Bleiben Sie in der Selbstreflexion und in Ihrer begleitenden Trainerrolle neutral, d. h. in einer sachbezogenen, allparteilichen Distanz zum Gesamtgeschehen. Immer verbunden mit dem Wissen, dass jeder Mensch – auch der Ihnen gegenübersitzende – mit ausreichenden Ressourcen ausgestattet ist, um ein letztlich gelingendes Leben zu führen. Manchmal braucht das auch Umwege, Rückschläge, Fehler und Verzweiflung.
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INFO Sechs goldene Regeln für eine achtsame Haltung 1. Denke und handle mit Achtsamkeit und Weitblick. Behalte Wechselwirkungen von Handlungen im Auge. 2. Vermeide Vorannahmen und Bewertungen. Es könnte alles auch ganz anders sein, als es auf den ersten Blick erscheint. 3. Achte auf deine persönliche Verantwortung. Es gibt kein Richtig und Falsch. Wir alle sind Teil eines Ganzen und alles, was wir tun, hat Konsequenzen. 4. Achte darauf, auf respektvolle Art etwas zum Erfolg beizutragen, indem du deine Fähigkeit hinzufügst. 5. Fang bei dir selbst an. Was du tust und unterlässt, ist wirksam. 6. Begegne deinem Teammitglied mit Achtung und Respekt: Dein Gegenüber ist genau wie du – nur anders! Modif. nach Erpenbeck 2017
Ein Lösungsbild entwerfen „Lösungsbild“ ist ein zentraler Begriff der Lösungsorientierten Schule von Steve de Shazer und Insoo Kim Berg. Es gibt dem Prozess konsequent die Richtung in die Zukunft. Vergangenheitsthemen und Analysen des Klienten werden zwar zugelassen, erhalten aber eher den Platz einer Rahmenbedingung. Entscheidend für das Coachen ist die Frage: –– Wo kann/soll es hingehen? –– Was wäre ein erster/wichtiger Schritt in eine bessere Zukunft? Finden Sie gemeinsam mit Ihrem Gegenüber eine positive Zukunftsvorstellung, ein stimmiges, aussagekräftiges Lösungsbild. Hier helfen die folgenden Fragen weiter: –– Wo will die Person am Ende der Coaching-Reise sein? Was sieht sie als Bild der Zukunft? –– In welchem Kontext, in welcher Funktion sieht sie sich? –– Was tut sie da und wer ist bei ihr? –– Welche Gefühle hat sie und welche Stimmung haben die anderen im Bild?
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3.7.2 Coachen – Schritt für Schritt ins Handeln bringen Im Coaching gibt es verschiedene Methoden, um sich dem Lösungsbild und seiner Umsetzung zu nähern. Wir stellen Ihnen hier einige Ansätze für Ihr Vorgehen vor, die sich in Coaching-Gesprächen und -Prozessen bewährt haben. Ziel ist es, den Coachee handlungsfähig zu machen.
TIPP Mit den richtigen Anmerkungen und Fragen zur Handlungsfähigkeit führen Beispiel 1: Vor Ihnen sitzt ein Mitarbeiter, der sich bitter über das Elend seiner Situation im Team beklagt, aber seinen Eigenanteil an der Situation nicht wahrnimmt. Um die Handlungsfähigkeit dieses problembeladenen Coachees zu stärken, sagen Sie in etwa: „Ihre Situation hört sich sehr schlimm an. Ist das jeden Tag gleich? Ist ja eher unwahrscheinlich, dass alles immer gleich ist! Gab es Situationen, wo die Zusammenarbeit mit den anderen Ihnen leichter erschien? Und was war/machten Sie dann anders? Wie kann man das, was schon ein wenig besser gelungen ist, verstärken und verstetigen?“ Beispiel 2: Vor Ihnen sitzt ein Mitarbeiter mit großen Zielen, der äußerst erfolgsorientiert und ehrgeizig ist, dessen Körpersprache aber große Unsicherheit signalisiert. Um die Selbstreflexion dieses angetriebenen jungen Mitarbeiters mit Selbstüberforderungspotenzial und großer Angst, zu scheitern, zu stärken, sagen Sie in etwa: „Sie sind ja hoch motiviert, toll! Vielleicht gibt es noch die eine oder andere Situation, wo Sie bestimmt schon gut klarkommen und sich doch innerlich wünschen, etwas gelassener/entspannter zu sein? Hier biete ich Ihnen den Rahmen, um diese Situationen durchzusprechen und vorzubereiten!“
Gruppenkonstellationen (be-)greifbar machen Je praktischer die Vorstellung und je begreifbarer das Vorgehen, umso wirksamer! Arbeiten Sie mit einer Aufstellung: –– Nutzen Sie das, was Sie in Ihrem Büro vorfinden, erwecken Sie die Gegenstände auf dem Tisch (z. B. ein Glas, einen Hefter, eine Tasse, einen Tesafilm-Abroller, einen Postit-Block) zum stellvertretenden stummen Darsteller. –– Belegen Sie sie mit dem Namen einer Person oder auch mit einer Frage.
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–– Positionieren Sie sie zu- oder gegeneinander und bitten Sie Ihr Gegenüber, sie zu verschieben und zu beobachten, was diese Verschiebung in Hinblick auf die Beantwortung der Fragestellung ausmacht. Eine Tasse auf dem Tisch könnte z. B. für Ihren ratsuchenden Mitarbeiter stehen, das Glas für die Fraktion der Ypsiloner im Team, das Milchkännchen für die anstehenden Herausforderungen und der Abroller für ein spezielles einflussreiches, eher kritisches Teammitglied. Aufgestellt werden die Gegenstände in Hinblick auf eine Fragestellung in der Position, Blickrichtung und Entfernung voneinander und zum Sachverhalt, wie Ihr Gesprächspartner dies spontan entscheidet und durchführt.
Perspektiv- und Rollenwechsel erhellen die Gesamtsituation Ihr ratsuchender Mitarbeiter hat Zweifel, ob er in der von Ihnen angebotenen Position als Tourenverantwortlicher von allen Mitarbeitenden akzeptiert und unterstützt wird. Er rechnet mit Widerstand aus verschiedenen Ecken des Teams und fragt sich, wie dann am wirksamsten vorzugehen sei. Probieren Sie mit ihm einen Perspektivwechsel, indem er sich in die Rolle eines Kollegen versetzt, d. h., immer wenn er die Position einer Person einnehmen oder in eine bestimmte Rolle schlüpfen möchte, berührt er den entsprechenden Gegenstand mit einem Finger und konzentriert sich auf diesen Menschen. Der Mitarbeiter erkennt seinen Platz in dem Gefüge und erfährt, wie es sich anfühlt, wenn sich seine Position und/oder die Positionen der Beteiligten verändern. Sie betrachten gemeinsam die Arbeits- und Lebenssituation aus der Vogelperspektive. Es entsteht ein Gesamtbild einer Situation. Gefühle werden frei, die auch in der realen Situation entstehen, und können im Coaching direkt bearbeitet werden. Dynamik kommt hinein, wenn das Gegenüber z. B. fragt, was für die Einzelnen im Team wichtig ist, um zu einer vertrauensvollen Zusammenarbeit zu kommen, auf wen der Fragesteller zugehen soll und wie andere wahrscheinlich reagieren. Der geplante Schritt wird mit seinen potenziellen Dynamiken und seinem Ablauf lebendig und nachvollziehbar. Ein besonders kreatives Element in der Ressourcensuche stellt das Aufstellen der Gestalt der „guten Fee“ oder des „alten Weisen“ dar. Sie können verborgene Schätze des Fragenden repräsentieren, bisher unbeachtete Stärken ans Licht holen, die hilfreich zur positiven Veränderung der Lebenssituation beitragen können. Diese Gestalten helfen, aus den Begrenzungen des Problemraums im Hier und Jetzt herauszutreten, Zu-
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versicht durch das scheinbar Unmögliche zu gewinnen und damit gedankliche Barrieren zu überwinden, die einer Lösung bislang im Wege standen.
Eine Auswahl treffen Befragen Sie die Person dazu, welche Alternativen sie sieht. Sammeln Sie alle Ideen (auch und gerade die verrückten und schrägen) auf dem Flipchart, indem Sie sie wie Speichen an einem Rad auflisten und mit Nummern versehen. Je mehr, je besser. Befragen Sie die vielfältigen Ideen vor dem Hintergrund von Einfachheit, Wirksamkeit und Nachhaltigkeit. Spielen Sie auch mit ausgefallenen Varianten: Welchen Weg würde Ihnen Ihre beste Freundin empfehlen? Welche der von allem verehrten Seniorchef und Firmengründer? Welchen die Erzfeindin oder schärfste Konkurrentin im Team? Und was würde Jürgen Klopp dazu sagen?
Es gibt nichts Gutes, außer man tut es! Leiten Sie mit Ihrem Coachee immer die ersten Schritte in die Wirklichkeit der Umsetzung ab. Planen Sie gemeinsam und je nach Typ mehr oder weniger detailliert das Vorgehen. Vergegenwärtigen Sie sich die sichtbar gewordenen Widerstände mit ihren praktischen Konsequenzen für den realen Alltag. Erarbeiten Sie gemeinsam, wie, mit wem und was zu kommunizieren ist und wie welche konkreten Anforderungen zu bewältigen sind. Achten Sie auf noch bestehende Ängste: Welche Gedanken werden nicht zu Ende geführt, welche begonnenen Sätze nicht vollendet? Was wird nicht konkret? Bleiben Sie dran. Gehen Sie exemplarisch auf eine Sorge ein. Bringen sie, wie zufällig, eigene Beispiele möglicher Sorgen auf dem zu beschreitenden Weg ein, wenn Ihr Gegenüber Ängste ausblendet. Ermuntern Sie Ihren Gesprächspartner, sich überwundene Situationen und seine herausgearbeiteten Stärken zu vergegenwärtigen. Treffen Sie am Ende Ihrer Coachingsitzung eine Vereinbarung zum ersten Schritt und lassen Sie die geplanten Maßnahmen dazu von Ihrem Coachee selbst aufschreiben, z. B.: Mein Zukunfts- oder Lösungsbild: Ich, (Name des Coachees), bin jetzt ... (z. B.: Stellv. PDL des ambulanten Pflegedienstes)
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Mein Weg: Dazu werde ich Folgendes unternehmen und Folgendes unterlassen: … (z. B.: den Rat von Teammitglied Erika Neumann einholen; der Empfehlung meiner Leitung folgen …) Mein erster Schritt sieht wie folgt aus: Ich ... (z. B.: bespreche meine Absichten und Vorstellungen mit …)
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4 Mitarbeiter führen in einer „verkehrten Welt“ Warum haben wir diesem Kapitel diese Überschrift gegeben? Weil heute schon und in Zukunft zum Teil das gesamte Führungsverhalten, das Personalmanagement, der Umgang der Mitarbeiter untereinander im Team, die bisherigen bekannten Prozesse im Personalwesen auf den Kopf gestellt sind. Nicht mehr der Bewerber bewirbt sich heute bei Ihnen, Sie bewerben sich mit Ihrer Person und Ihrem Pflegedienst oder Ihrer Tagespflege beim Interessenten. Erhalten Sie noch Bewerbungsschreiben und -mappen wie bisher? Oder seit Monaten keine mehr? Gibt es E-Mail-Anfragen oder spontane Besuche von Interessierten, die bei Ihnen mal vorbeikommen? Kündigen Mitarbeiter nach 2 Jahren, ohne dass Sie dies erwartet haben, weil diese bei Ihnen zufrieden sind, aber einfach einmal etwas anderes machen wollen? Wie sehen Ihre Stellenanzeigen heute aus? So? Wir suchen Sie
Examinierte Pflegefachkraft (m/w/d) in der CSS Caritas Sozialstation Das bieten wir: ❋❋einen unbefristeten Arbeitsvertrag ❋❋einen abwechslungsreichen und verantwortungsvollen Arbeitsplatz ❋❋ein gutes Betriebsklima ❋❋eine gezielte und systematische Einarbeitung in einem freundlichen Team ❋❋eine attraktive Vergütung nach den Arbeitsvertragsrichtlinien des Deutschen Caritasverbandes (AVR) ❋❋die Kirchliche Zusatzversorgung (KZVK) zur Verbesserung der Altersversorgung
Das sind Ihre Aufgaben: ❋❋Sicherstellung der Lebenszufriedenheit der Kunden in der häuslichen Umgebung ❋❋Planung und eigenverantwortliche Durchführung einer an den physischen und psychosozialen Bedürfnissen orientierten Pflege und Betreuung der Kunden unter Beachtung der aktuellen pflegewissenschaftlichen Erkenntnisse ❋❋Fachgerechte Dokumentation und Weiterentwicklung des individuellen Pflege- und Betreuungsprozesses
Das erwarten wir: ❋❋Qualifikation als Pflegefachkraft ❋❋möglichst Berufserfahrung im ambulanten Bereich ❋❋eine engagierte, einfühlsame Persönlichkeit, die selbstständig und verantwortungsbewusst arbeitet ❋❋teamorientiertes Engagement und wertschätzenden Umgang ❋❋Identifikation mit den Aufgaben. Zielen und Werten des Caritasverbandes
Bitte senden Sie uns Ihre Bewerbung auch gern als PDF zu.
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Oder so? Pflegedienst Mustermann
Dürfen wir uns bei Dir bewerben? Unser engagiertes Team sucht Dich als
examinierte Pflegefachkraft oder als Betreuungskraft für die Pflege und Betreuung weiterer Patienten in Musterhausen, Musterdorf und Musterstadt. Stundenumfang, Arbeitsbedingungen, Gehalt, Dienstplanung: Wir sind auf Deine Vorstellungen gespannt und klären dies gern in einem gemeinsamen Gespräch. Verlässliche Dienstplanung ist uns ein wichtiger Faktor. Wer wir sind? Wir verbinden beides: die Individualität eines regionalen ambulanten Pflege- und Betreuungsdienstes mit der Stärke und Sicherheit eines großes Pflegenetzwerkes. Einer unserer Unterschiede: Bewerben ohne Bewerbungsunterlagen. Wir verzichten auf ein Anschreiben und die übliche Bewerbungsmappe, weil wir Dich als Mensch kennenlernen möchten. Vor allem die Fachkompetenz und die Persönlichkeit sind die Eigenschaften, die eine gute Pflege- oder Betreuungskraft auszeichnen. Du kannst spontan und initiativ bei uns vorbeikommen oder telefonisch einen kurzfristigen Termin vereinbaren. Bitte bringe nur folgenden Unterlagen mit: Urkunden über Deinen Ausbildungsabschluss und eventuelle Qualifizierungen. Und dann erzähle uns, was dir in deinem Beruf wichtig ist. Gern lernen wir uns in einem persönlichen Gespräch kennen.
Du uns – und wir Dich.
Wir freuen uns auf Dich. Deine … Lara Mustermann*, Pflegedienstleitung Tel. 01234/ 987654321 E-Mail: [email protected]
Vieles ist im Umbruch. Nutzen Sie die Veränderungen und seien Sie aktiv dabei, sonst werden Sie abgehängt. „Wir haben schon Monate keine Bewerbung mehr erhalten“, könnte ein Indiz dafür sein.
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4.1 Begrüßen, Führen, Verabschieden Der Mitarbeiter in einem Pflegedienst oder einer Tagespflege erlebt Sie als Leitung in drei Phasen: Wie er begrüßt (und eingearbeitet) wird, wie er geführt und geleitet wird und wie Sie nach seiner Kündigung mit ihm umgehen und ihn verabschieden. Dabei sollte ein Grundsatz vorangestellt werden: Stellen Sie keinen Mitarbeiter aus Not und Personalmangel ein, erst recht nicht, wenn Sie kein gutes Gefühl bei diesem Bewerber haben. Halten Sie keinen Mitarbeiter, der nicht zu Ihrem Dienst passt und der Ihnen viel Kraft und Energie geraubt hat. Wenn er kündigt, seien Sie froh.
4.1.1 Begrüßen Das Telefon klingelt. Ihr Sekretariat nimmt den Hörer auf. Sie hören: „Guten Tag, mein Name ist Klaus Klaassen*, ich ziehe demnächst in Ihre Nähe, bin Krankenpfleger, habe in der ambulanten Pflege schon gearbeitet und frage an, ob Sie Bedarf haben.“ Ihr Sekretariat antwortet: „Vielen Dank für Ihren Anruf. Bewerben Sie sich bitte mit den üblichen Unterlagen in unserer Personalabteilung (alternativ Geschäftsführung). Wir sehen dann die Unterlagen durch und laden Sie gegebenfalls zu einem Vorstellungsgespräch ein.“ Werden Sie eine Bewerbung oder Unterlagen erhalten? Vielleicht ja, vielleicht auch nicht. Wenn Klaus Klaassen* ein „Babyboomer“ ist, kennt er aus der Vergangenheit das „übliche Verfahren“. Wenn Klaus Klaassen* aus der Generation Y oder Z stammt, ist er über die Antwort irritiert und enttäuscht. Bewerbungsunterlagen per Post? Per Papier? Es gibt noch andere Pflegedienste auf dem Markt. Und Sie haben möglicherweise eine Chance vertan. Für die jüngeren Generationen ist das herkömmliche Bewerbungsverfahren mit Bewerbungsmappe und Anschreiben „out“. Große Firmen wie „Otto“, die deutsche Bahn oder die deutsche Post haben auf die Veränderungen in den Generationen reagiert und verzichten auf herkömmliche Bewerbungsmappen. Die Ansprache ist in vielen Betrieben „du“, nicht mehr „Sie“. Auch zwischen Mitarbeitern und Führungskräften. Die OnlineBewerbung mit ein bis zwei Motivationsfragen („Warum Otto, warum du?“ „Was ist dein Interesse, hier bei uns zu arbeiten?“) haben das bisherige formelle Verfahren abgelöst:
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Soziale Medien werden genutzt, um unkompliziert jüngere potenzielle Mitarbeiter anzusprechen. Die Post ermöglicht Bewerbungen auch über WhatsApp. Aber auch viele Pflegedienste nutzen heute die modernen Medien:
Ein diakonischer Träger in Ost-Westfalen.
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Ein Pflegedienst an der Ostsee:
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Ein weiteres Beispiel von einem Pflegedienst in NRW:
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Erwartet wird heute von der Generation Y und Z eine unkomplizierte Möglichkeit, sein Interesse am Pflegedienst zu bekunden und eine schnelle Antwort darauf zu erhalten. Wenn Sie erst nach 14 Tagen eine E-Mail-Anfrage beantworten, ist der Anfrager schon längst bei einem anderen Pflegedienst untergekommen. Sie sind für ihn nicht mehr interessant.
TIPP Überprüfen Sie das derzeitige Bewerbungsverfahren und -verhalten innerhalb Ihres Pflegedienstes oder Trägers. Vielleicht gibt es (in Abstimmung mit dem Inhaber oder der Geschäftsführung) eine „Testbewerbung“ von einer jüngeren Person. Reflektieren Sie die Rückmeldungen, die Sie erhalten – und aktualisieren Sie Ihr Personalbewerbungssystem und -verfahren.
Sie haben eine neue Pflegekraft gewinnen können. Herzlichen Glückwunsch. Vertragsinhalte wie Arbeitszeit und -umfang, Gehalt, Dienstwagennutzung etc. sind abgestimmt. Der Vertrag ist unterzeichnet. In 5 Wochen fängt die neue Kraft an. Was passiert bis dahin? Muss die neue Kraft selbst einige Tage vor Arbeitsaufnahme bei Ihnen anrufen, um nachzufragen, wann und wo sie sich am ersten Arbeitstag melden soll? Oder erhalten alle neuen Kollegen in Ihrem Pflegedienst „automatisch“ zwei Wochen vor Arbeitsbeginn ein freundliches und motivierendes Schreiben mit Informationen zum ersten Arbeitstag und der ersten Woche, wer voraussichtlich ihr Mentor für die Einarbeitungszeit ist, wie diese gestaltet wird, wie das Leitbild Ihres Pflegedienstes oder Ihrer Tagespflege formuliert ist, welche Grundordnung und Regelungen im Dienst gelten etc.? Wenn in der Tagespflege die Ergebnisqualität der Tagesbetreuung mit der Aussage eines Gastes zusammengefasst werden kann: „Das war heute ein guter Tag. Morgen komme ich gern wieder“, so gilt Ähnliches für das Erleben eines neuen Mitarbeiters in den ersten Tagen. Testfrage: Was würde ein neuer Mitarbeiter Ihres Pflegedienstes nach dem dritten Arbeitstag abends einem guten Freund oder einer guten Freundin von Ihrem Dienst erzählen?
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Je klarer und organisierter Sie die Begrüßung und Einarbeitung vorbereitet haben, umso positiver wird dies von neuen Mitarbeitern (aber auch allen anderen Kollegen) wahrgenommen. Wie wird der neue Mitarbeiter am ersten Tag wann und von wem begrüßt? Was passiert am ersten Tag? Gibt es eine Mitarbeiter-Mappe mit allen relevanten Unterlagen – oder hat der Mitarbeiter diese schon vorab digital erhalten? Sie sollten nach ca. 3 – 4 Wochen, nach ca. 3 Monaten und nach 5 Monaten jeweils kurze Feed-back-Gespräche mit dem neuen Mitarbeiter führen, um von ihm seine Wahrnehmung und seine Zufriedenheit zu hören, und andererseits ihm positive Rückmeldungen (und ggfls. Veränderungsbedarfe) mitzuteilen. Das Gespräch nach 5 Monaten muss weiterhin dazu dienen, eine arbeitsrechtliche Entscheidung im Rahmen der Probezeit zu treffen.
4.1.2 Führen und Leiten Ein neuer Mitarbeiter ist in Ihrem Pflegedienst oder Ihrer Tagespflege nach einiger Zeit „angekommen“. Dies ist abhängig von seinem Vorwissen und seiner Persönlichkeit und Ihrer Einarbeitung und Unterstützung und Begleitung. Der Alltag dominiert. Der Mitarbeiter erlebt die Kunden oder Patienten oder Gäste, seine Kollegen und Sie als Leitung. Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass die Leitung und ihr Leitungsverhalten maßgeblich die Zufriedenheit der Mitarbeiter beeinflusst. Die Entwicklung der Führungsstile haben wir im ersten Kapitel schon beschrieben. Bei einer Führungskraft im Pflegebereich sollte grundsätzlich als Basis der kooperative/partnerschaftliche/partizipative Führungsstil vorherrschen. Aber mit dem Wissen über die verschiedenen Vor- und Nachteile und die sich z.T. täglich ändernden Situationen kann und muss die Pflegedienstleitung oder TP-Leitung auch bereit sein und den Mut haben, direktiv Entscheidungen zu treffen (z. B. bei einer Evakuierung oder einer Entlassung). Daher ist die situative Führung auf der Basis des partnerschaftlichen/ kooperativen/partizipativen Führungsstils für eine Tagespflegeleitung sicherlich der richtige und zeitgemäße Ansatz. Die Einbeziehung der Mitarbeiter in Entscheidungsprozesse und möglichst große Freiheiten und Entscheidungskompetenzen für Mitarbeiter sind motivierend. Bei kooperativer Führung erläutert die Leitung Vision, Strategie und Ziele der Einrichtung und der Arbeit. Sie ist offen für Ideen und lässt sich kritisch hinterfragen. Sie bindet ein und erklärt, rechtfertigt sich aber nicht für notwendige Entscheidungen.
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Das Führungsverhalten soll ergänzend zum Kapitel 1 noch weiter beschrieben werden: Welche Eigenschaften sollten heutige Führungskräfte besitzen, damit sie ihre Einrichtung gut führen? Für uns sind es acht relevante Faktoren, eigentlich sogar Haltungen: –– Entscheidungsbereitschaft Eine Leitungskraft wird vom Träger eingestellt, um eine Einrichtung zu führen. Dazu gehören auch Entscheidungen, die eine Leitung täglich vielfach treffen muss: Warum soll gemäß Dienstplan Mitarbeiter A im Frühdienst und Mitarbeiter B im Spätdienst arbeiten? Wer muss am Wochenende arbeiten und wer hat frei? Werden neue Patienten oder Gäste aufgenommen oder nicht? Wird das gemeinsame Frühstück in der Tagespflege von 8.45 Uhr auf 9.00 Uhr verschoben? Wird für die nächste Woche in der Tagespflege ein Ausflug zum Schützenfest geplant? … Eine Leitung, die sich vor Entscheidungen drückt oder diese auszusitzen versucht, hat dringenden Verbesserungsbedarf. –– Transparenz Eine Leitungskraft muss sich für die Entscheidungen gegenüber den Mitarbeitern nicht rechtfertigen. Sie muss aber die Entscheidungen erklären und kommunizieren können. „Ich habe das so entschieden“ ist für die Mitarbeiterschaft keine befriedigende Aussage. „Ich habe so entschieden, weil …“ macht für die Mitarbeiter die Begründung nachvollziehbar. Ob die Mitarbeiter die Entscheidung positiv bewerten, ist eine andere Sache, aber die Leitung hat ihr Verhalten und ihre Entscheidungen transparent dargestellt. Babyboomer haben in ihrer Berufspraxis gelernt, Anweisungen auszuführen. Mitarbeiter der Generation Y und Z sind nicht über eine Anweisung, sondern über den verstandenen Sinn, über eine transparente Ansage für eine notwendige Handlung zu motivieren. –– Ehrlichkeit Eine Führungskraft führt. Mit sich selbst als Person. Wenn eine Leitung mit sich und anderen unehrlich ist und/oder versucht, es allen recht zu machen, kann sie nicht ehrlich bleiben. Noch schlimmer ist es, wenn Mitarbeiter die Leitung beim „Lügen“ ertappen. Dann ist die Leitung „unten durch“.
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–– Offenheit Es gibt täglich neue Situationen, die die Mitarbeiter (und auch die Leitung) bis dato noch nicht kannten. Erfahrungen und Vergleichsmuster fehlen. Eine Offenheit für alles Neue, auch gegenüber neuen Ideen von Mitarbeitern ist eine wichtige Grundhaltung, die es ermöglicht, dass sich ambulante Pflege- und Betreuungsdienste und Tagespflegen weiterentwickeln. –– Positive Sicht auf die Dinge „Ist das Glas halb voll oder halb leer?“ Sie kennen diesen Spruch. Dahinter steht die Frage, mit welcher Grundhaltung und Lebenseinstellung Sie unterwegs sind. Für eine Pflegedienstleitung (und grundsätzlich jede Führungskraft) ist m.E. eine positive Grundhaltung für das Führungsverständnis wichtig. Motto: „Das Glas ist halb voll.“ –– Delegation „Ich muss alles selbst machen. Dabei habe ich so viel zu tun. Aber die Mitarbeiter machen es nicht so, wie ich es will. Wenn der Tag nur 25 Stunden hätte …“ Kennen Sie auch solche Sprüche? Eine Leitungskraft muss delegieren, Leitung muss Vertrauen in die Mitarbeiter haben, Leitung muss aber auch akzeptieren, dass die Mitarbeiter es manchmal anders machen als sie selbst. Was ist aber daran schlimm? Wichtig ist, dass im Rahmen einer Zielvereinbarung oder -absprache das geplante oder gewünschte Ergebnis vereinbart und definiert ist. Wenn eine Leitungskraft der Meinung ist, nur sie könne alles richtig machen und nichts an Mitarbeiter delegiert, dann schafft sie auf Dauer Unzufriedenheit bei den Mitarbeitern und eine permanente Überforderung bei sich. –– Partizipation Gibt es bei Ihnen Ideenwettbewerbe mit Ihren Mitarbeitern? Wer bringt neue Ideen mit zur Arbeit? Wie gehen Sie als Leitung damit um? Partizipation ist ein „Zauberwort“ für die Leitung im Umgang mit Patienten und Gästen und Mitarbeitern. Ideen, die Sie aufgreifen oder umsetzen, oder allein bereits die ernst gemeinte Aufforderung, mitzudenken und mitzuwirken, setzt positive Energie bei den Mitarbeitern frei. Zitat: „Meiner Chefin ist meine Meinung wichtig. Und die Idee, einen Obstteller einzuführen, fand sie ganz toll, sodass wir nun täglich Obst für die Mitarbeiter haben.“ Damit fördern und gewinnen Sie nicht nur Innovation und Weiterentwick-
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lung für Ihre Einrichtung, Sie gewinnen als Leitung auch Mitarbeiter, die Sie positiv wahrnehmen und mit Ihnen gern zusammenarbeiten. –– Kommunikation Reden Sie und hören Sie zu. Hören Sie zu und reden Sie! Das ist mit Kommunikation gemeint. Eine Leitung, die die Mitarbeiter zu jedem Thema „totredet“ ist genauso unangenehm, wie eine Führungskraft, die alles für sich behält und allenfalls auf Nachfrage und dann kurz und knapp antwortet. Vor dem Reden gehört auch das Zuhören zur Kommunikation: Was sind die Anliegen der Mitarbeiter? Welche Fragen haben sie? Wo benötigen sie Unterstützung oder Absicherung?
Führungsgrundsätze issen Ihre Mitarbeiter, was Ihnen wichtig ist und wie Sie als Pflegedienst- oder TagesW pflegeleitung Ihre Führungsgrundsätze im Alltag umsetzen? Schreiben Sie Ihre Führungsgrundsätze auf. Stellen Sie diese in Ihrem Team vor. Wenn Sie souverän sind, diskutieren Sie mit Ihren Mitarbeitern darüber und ergänzen deren sinnvolle Vorschläge. Ein Beispiel von Führungsgrundsätzen in einer Pflegeeinrichtung finden Sie im Kapitel 5.
Führungsinstrumente: Als Führungsinstrumente kennen Sie sicherlich: a) Dienstgespräche/Teamgespräche b) Mitarbeiter-/Personalgespräche c) Innovationsrunden M.E. gehören dazu auch: d) verlässliche Dienstplanung e) transparente Urlaubsplanung f) keine oder kontrollierte Überstundenentwicklungen Im Detail: a) Dienstgespräche/Teamgespräche Wie häufig führen Sie mit Ihrem Team Dienstbesprechungen durch? Wann und wo und um wie viel Uhr sind diese angesetzt?
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In der ambulanten Pflege oder der Tagespflege besteht das Problem, dass es keine geeignete Zeit für Dienstbesprechungen gibt. Daher finden diese in vielen ambulanten Pflegediensten häufig alle 14 Tage in der Mittagszeit, in Tagespflegen im gleichen Rhythmus am Ende eines Tages statt. Mir sind auch Tagespflegen bekannt, die ihre Teamsitzungen am Samstagvormittag durchführen. (Anmerkung: Dies ist nur möglich, sofern Sie keine Samstags-Öffnung haben. Weiterhin bedeutet dies für alle Mitarbeiter, über das eigentliche Pensum hinaus zur Tagespflege zu kommen. Daher ist diese Idee m. E. beispielsweise im Rahmen einer Klausurtagung mit dem gesamten Team 1 x im Jahr vorstellbar. Als Dauerlösung für regelmäßige Teamsitzungen ist dies keine Empfehlung.) Es hat sich bewährt, Teamsitzungen alle 14 Tage durchzuführen. Meine Empfehlungen: –– Führen Sie die Teamsitzungen i. d. R. jeweils am gleichen Wochentag durch, damit sich alle Mitarbeiter darauf einstellen können. –– Erstellen Sie als Leitung jeweils eine Tagesordnung für die Teamsitzung. I. d. R. beinhaltet diese 1. Informationen über die Patienten oder Gäste, 2. Informationen organisatorischer Art, 3. Im Rahmen der Fortbildungsplanung häufig Kurzschulungen oder Weitergabe von Informationen von Mitarbeitern, die auf Schulungen oder Fortbildungen waren. –– Fangen Sie i. d. R. immer zur gleichen Zeit an, z. B. immer alle 14 Tage mittwochs um 17.00 Uhr in der Tagespflege oder 13.00 Uhr im ambulanten Pflegedienst. –– Beenden Sie die Teamsitzung pünktlich zu der von Ihnen festgelegten Zeit, z. B. nach 1,5 Std. Wenn Sie eher fertig sind, umso besser. –– Hängen Sie die Tagesordnung spätestens 2 Tage vor der Besprechung aus. –– Lassen Sie von einem Mitarbeiter ein kurzes Ergebnisprotokoll erstellen, das innerhalb von vier Tagen erstellt, ausgehängt und von allen unterzeichnet wird (als Nachweis für Ihr eigenes QM und für die Umsetzung des Fortbildungsplanes). –– Kennzeichnen Sie im Protokoll, wer bis zur nächsten Sitzung ggf. Aufträge erledigen muss, und halten Sie diese bei der nächsten Sitzung ggf. als erledigt fest (mit Dank an die Mitarbeiter). –– Seien Sie klar in Ihrer Planung der Teamsitzung und in der Kommunikation während der Besprechung. Achten Sie darauf, dass alle zu Wort kommen, aber stoppen Sie auch die Mitarbeiter, die zu einem Punkt nichts Neues mehr beitragen, sondern sich selbst nur gern reden hören. –– Sie (!) und sonst kein anderer beendet die Teamsitzung. Es ist vereinbarte Dienstzeit. Mitarbeiter, die eher gehen müssen, ohne dass dies mit Ihnen abgesprochen und ge-
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nehmigt war, sollten sich diese „Freiheit“ nur einmal herausnehmen können, sonst haben Sie als Leitung zukünftig ein lockeres späteres Kommen und früheres Gehen. b) Mitarbeiter-/Personalgespräche Es kann sein, dass eine Mitarbeiterin um ein Gespräch bei Ihnen nachfragt. Es kann vorkommen, dass Sie mit einer Mitarbeiterin ein Gespräch führen wollen oder müssen. Eine offene und positive Kommunikation zwischen Leitung und Mitarbeiter ist ein wichtiger Faktor im Führungsverhalten. Es macht Sinn, für Personal-Gespräche einige Regeln und Vereinbarungen zu kennen: –– Wenn ein Gesprächswunsch eines Mitarbeiters nicht sofort umgesetzt werden kann, lehnen Sie diesen freundlich, aber deutlich ab. Und: Bieten Sie einen Alternativtermin an. –– Vereinbaren Sie eine Zeit/Dauer, damit Sie beide sich auf das Gespräch kurz vorbereiten können. –– Klären Sie grob den Inhalt, um den es gehen soll. Wenn Sie ein Konfliktgespräch planen und Sie einen Betriebsrat/eine Mitarbeitervertretung haben, bieten Sie dem Mitarbeiter an, ggf. eine Person hinzuzuziehen. –– Führen Sie kein wichtiges Gespräch „zwischen Tür und Angel“. –– Halten Sie den Inhalt des Gespräches kurz schriftlich fest; besonders dann, wenn es ggf. arbeitsrechtliche Auswirkungen haben kann. –– Wenn Sie Vereinbarungen treffen, lassen Sie sie kurz von dem Mitarbeiter niederschreiben – mit einer Kopie an Sie. Durch die Verschriftlichung verstärkt sich die Vereinbarung beim Mitarbeiter und macht diese verbindlicher. –– Verabschieden Sie den Mitarbeiter aus dem Gespräch, wenn die angemeldeten Punkte besprochen und geklärt sind. Arbeitsrechtlich relevante Punkte müssen kurz zusammengefasst werden und gehören in die Personalakte. Ggf. benötigt man diese Aufzeichnungen ja später noch einmal. c) Innovationsrunden etc. Moderne Arbeitgeber zeichnen sich dadurch aus, dass sie mit den Mitarbeitern im Dialog sind, deren Anregungen und Vorschläge anhören und aufgreifen und (je nach Unternehmen) auch mit Prämien oder anderen Vergünstigungen honorieren. Nutzen Sie als Leitungskraft die Kompetenzen, Erfahrungen und Ideen Ihrer Mitarbeiter. Als Leitung müssen Sie nicht jedes Detail jeder Tätigkeit Ihres Mitarbeiter-
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teams kennen. Sie sollten aber berechtigte Kritik ernst nehmen und Anregungen anhören und aufgreifen. Dieses „Innovationsmanagement“ wird in ambulanten Pflegediensten und Tagespflegen und bei den verschiedenen Trägern auf sehr verschiedene Weise durchgeführt: Es gibt größere Träger und Trägerverbünde, bei denen jährlich zu einem Innovations- und Ideenwettbewerb aufgerufen wird. Preise werden ausgelobt, Anregungen und Ideen können in einem bestimmten Zeitraum per E-Mail gemeldet oder in einen „Briefkasten“ geworfen werden. Nach Ablauf der definierten Zeit werden die Ideen von einer Jury gesichtet und bewertet. Die „Sieger“ werden mit ihren Ideen z. B. in der Unternehmenszeitung vorgestellt. Es gibt andere Träger, die vierteljährlich im Rahmen der regelmäßigen Dienstbesprechungen einen Schwerpunkt „Anregungen und Weiterentwicklungen“ oder „Ideen und Innovationen“ setzen. Dort greift die mit dem Thema „Innovationen“ beauftragte Person (z. B. die Qualitätsbeauftragte) die Ideen der Mitarbeiter auf. Auch hieran können sich Prämien oder Belobigungen anschließen. Natürlich gibt es auch Träger, denen dieses Thema nicht wichtig ist. Wenn Sie als Leitung Ihrer Pflegeeinrichtung aber den Sinn und Zweck einsehen, dann können Sie – wie im Beispiel vorab – in gewissen Abständen (z. B. vierteljährlich oder halbjährlich) eine der Teamsitzungen nutzen, um strukturiert Anregungen und Ideen abzufragen. Noch wichtiger ist es m. E. jedoch, ständig und täglich als Leitung mit offenen Ohren und Augen im Pflegedienst oder der Tagespflege zu sein. Ideen oder Verbesserungsvorschläge entstehen manchmal ad hoc in einer Situation und warten nicht noch drei Monate bis zum nächsten „offiziellen“ Termin. Nehmen Sie als Leitung die an Sie herangetragenen Ideen und Vorschläge dankend und positiv an. Freuen Sie sich darüber, dass die Mitarbeiter mitdenken und sich auch für die Einrichtung mitverantwortlich fühlen, denn andernfalls würden sie keine Vorschläge machen. Bewerten Sie die Idee in Ruhe. Sagen Sie dem Mitarbeiter, wenn Sie die Idee nicht umsetzen können oder wollen und erklären Sie dies. Danken Sie trotzdem für den Vorschlag und die Idee. Belobigen Sie in der passenden Teamsitzung diese Mitarbeiterin für die Idee, wenn Sie als Leitung entschieden haben, dass Sie diese aufgreifen und umsetzen wollen. Sie werden sehen: Die Mitarbeiterin „wächst innerlich“ und freut sich über Ihr Lob. Das gesamte Team erlebt, dass Anregungen aus dem Team aufgegriffen werden. Auch das ist positiv.
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d) Die Dienstplanung „Heute geplant. Morgen verworfen.“ So lautet eine Kurzaussage vieler Pflegedienstleitungen, die täglich ihre Planung vom Vortag verändern und aktualisieren müssen, etwa weil mehrere Patienten oder Gäste kurzfristig absagen (bis zu 30 % der Tagesplanung kann dies betreffen!), weil sie ins Krankenhaus gekommen sind, sich nicht wohlfühlen, das Wetter zu heiß oder zu kalt ist oder andere Gründe benennen. Oder Mitarbeiter haben sich krankgemeldet oder erleiden einen Unfall während der Arbeit. Tatsächlich ist eher die tägliche Tagesplanung gemeint, die sich sofort ändert, wenn nur ein Patient oder ein Mitarbeiter ausfällt. Natürlich gibt es aber auch Rahmenplanungen der TP-Leitung, wann ein Mitarbeiter arbeitet und wann nicht, bzw. dazu, wann er Frühdienst oder Spätdienst hat. Das betrifft dann die Dienstplanung. Die Pflegedienstleitung ist in ihrer täglichen Praxis ständig in einem Dilemma, weil unvorhergesehene und ungeplante Situationen hinzukommen. Lautet die Devise also: „Gar nicht planen“? Das geht natürlich nicht! Und nur einen Rahmendienstplan zu erstellen, ist meines Erachtens auch zu wenig. Ein erster Paradigmenwechsel in der ambulanten Pflege muss angesprochen werden: Ein Pflegedienst/die Pflegedienstleitung kann nur so viel Patienten (richtiger: Leistungsstunden) bei Patienten zusagen, wie er/sie Nettoarbeitszeit bei Mitarbeitern zur Verfügung hat. Kündigen zwei examinierte Pflegefachkräfte, weil sie vom Krankenhaus „abgeworben“ worden sind, und gibt es keinen kurzfristigen Ersatz dafür, muss ein partieller Aufnahmestopp ausgesprochen werden. Auch in der Tagespflege kann ich nur so viele Gäste am Tage aufnehmen, wie ich anerkannte Plätze habe, aber auch Mitarbeiter mir zur Verfügung stehen. Größere Pflegedienste oder Träger mit mehreren Standorten haben heute pflegedienstübergreifende Rufbereitschaften oder Springer-Dienste eingerichtet, um die Dienstplanung verlässlicher zu gestalten. Unter der Prämisse, dass natürlich die Patienten und Gäste entsprechend versorgt, unterstützt und begleitet werden, haben sich in vielen Pflegediensten und Tagespflegen folgende Ansätze entwickelt: –– Frühzeitige Abfrage des „Haupturlaubswunsches“, z. B. im Nov./Dez. für das Folgejahr, damit auch die Urlaubswünsche und -ansprüche auf das Jahr verteilt geplant werden können. Weiterhin ist es sinnvoll, eine transparente Regelung in der Einrichtung zu haben, warum wer Urlaub erhält und wer nicht: Beispielsweise erhal-
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ten Mitarbeiter mit schulpflichtigen Kindern in den Ferienzeiten vorrangig Urlaub vor Mitarbeitern mit Partnern, die an Betriebsferien gebunden sind. Diese gehen vor Mitarbeitern ohne Kinder und andere verpflichtende Gründe. –– Abfrage von Mitarbeiter-Wünschen für den Dienstplan des kommenden Monats bis jeweils zum 10. des laufenden Monats. –– Planung der ständigen Präsenz von einer oder mehreren examinierten Pflegekräften während der Früh- und Spätschicht ambulant bzw. der Öffnungszeiten in der Tagespflege. –– Einsatz von Betreuungskräften/Alltagsassistenten gem. Vereinbarungen. –– Offene Kommunikation über (zeitlich befristete) Vereinbarungen und Regelungen mit einzelnen Mitarbeitern. Die PDL sollte erklären und begründen können, sich aber nicht rechtfertigen (müssen). –– Ein Tausch zwischen zwei Mitarbeitern innerhalb des Monats ist tendenziell und im Einzelfall möglich, muss aber bei der Vorgesetzten beantragt und von dieser genehmigt werden (Veränderung im Dienstplan). –– Änderungen im Dienstplan dürfen nur Vorgesetzte, nicht aber Mitarbeiter durchführen. –– Viele Über- bzw. Minusstunden sind planerisch zu vermeiden. Gerade für Teilzeitkräfte, die bewusst (z. B. wegen ihrer familiären Situation) eine Teilzeitbeschäftigung vereinbart haben und dies so wollen, ist eine häufige oder ständige Anfrage nach der Übernahme von zusätzlichen Diensten und die Erbringung von Mehrarbeit oder Überstunden tendenziell demotivierend. Bei Bedarf werden ggf. Arbeitsverträge (Stundenumfang) gemeinsam verändert. Als sinnvoll haben sich Arbeitsverträge mit einer vereinbarten Basisstundenzahl und einem Korridor (bis zu 25 % ist zulässig: z. B. 33 Std./Woche + Korridor bis 39 Std./Woche) erwiesen, um Einsatzspitzen ausgleichen zu können und Überstunden zu vermeiden, da die Korridorstunden sofort ausgezahlt werden (siehe etwa auch: Arbeitszeitmodelle von Thomas Sießegger). Hier ist es auch die Aufgabe der TP-Leitung, sich rechtzeitig und vorausschauend um geeignete neue Mitarbeiter zu kümmern (z. B. bei vorhersehbarem Ausscheiden). –– Die Leitungskraft achtet auf alle Mitarbeiter gleichermaßen. Die Pflegedienstleitung bzw. Leitung der Tagespflege gibt die Richtung vor. Sie ist gegenüber den Patienten, Gästen und Angehörigen, aber auch den Mitarbeitern und Dritten die verantwortliche Leitung der Einrichtung.
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aher kommt ihr im Rahmen der Personalführung eine ebenso hohe Bedeutung zu wie auch im Bereich der anderen Führungsaufgaben wie Organisation und Planung, Controlling und Weiterentwicklung. Führen heißt auch, sich weiterzuentwickeln, weil keiner als perfekte Einrichtungsleitung geboren wurde. Und so, wie die Leitung sich gibt und wahrgenommen wird, ist die Stimmung im Team im ambulanten Pflegedienst und in der Tagespflege.
4.1.3 Verabschieden Die lebenslange Tätigkeit und Loyalität bei einem Arbeitsgeber war in der Vergangenheit, z. B. auch bei den Babyboomern, noch vorhanden, hat aber in den letzten 25 Jahren deutlich abgenommen. Beispiel: Sie sind im Büro. Ein Mitarbeiter kommt herein und kündigt nach zwei Jahren Tätigkeit. Der Mitarbeiter äußert: „Mir hat es hier ganz gut gefallen, aber nun will ich etwas anderes machen.“ Sie erhalten eine positive Rückmeldung (sofern diese ehrlich ist), sind aber trotzdem überrascht und irritiert. Ist der Mitarbeiter jemand aus der Generation Y oder Z? Dann kann dieses Verhalten als plausibel für die Merkmale dieser Generationen gelten. Ist es ein Babyboomer? Dann sollte vielleicht doch noch einmal nachgefragt werden. Verabschieden Sie den Mitarbeiter nicht zwischen „Tür und Angel“ oder verärgert ohne Abschlussgespräch. Nehmen Sie sich trotzdem am Ende der dienstlichen Tätigkeit des Mitarbeiters etwas Zeit für ein persönliches Gespräch. Damit signalisieren Sie auch Ihre Wertschätzung. Hören Sie zu. Manchmal erhalten Sie noch hilfreiche Hinweise, wenn innerhalb des Teams Unstimmigkeiten vorliegen. Betonen Sie, dass Sie an allen Informationen interessiert sind, weil sie wertvolle Rückmeldungen sein können. Fragen Sie, was dem Mitarbeiter gefallen hat und was er sich anders gewünscht hat. Ausscheidende Mitarbeiter sollten Ihren Pflegedienst positiv in Erinnerung behalten, da auch diese von Ihrem Dienst Dritten erzählen. Wenn es ein Mitarbeiter ist, den Sie ungern gehen lassen, kommunizieren Sie Ihr Verständnis aber auch Ihr Bedauern für seine Entscheidung, bieten Sie ihm aber auch für die Zukunft eine Rückkehrmöglichkeit an. „Sie sind auch in Zukunft hier bei uns herzlich willkommen.“ Und dann erstellen Sie zum Ende des Beschäftigungszeitraumes ein aussagekräftiges, ehrliches und wertschätzendes Zeugnis.
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Haben Sie schon erlebt, dass sich ein früherer Mitarbeiter nach einigen Jahren wieder bei Ihnen meldet und bewirbt?
4.2 Fördern und Fordern und Motivieren Der Duden beschreibt unter „Fördern“ sinngemäß, jemanden in seiner Entfaltung, bei seinem Vorankommen (finanziell) zu unterstützen oder zu verstärken. Unter „Fordern“ einen Anspruch erheben und ihn nachdrücklich kundtun; etwas verlangen, (jemandem) etwas abverlangen; zu einer Leistung zwingen. Wir setzen zu dem Fördern und Fordern noch ergänzend den Begriff Motivieren hinzu, da wir mit Fördern und Fordern eine positive Entwicklung des Mitarbeiters für die Zukunft meinen. Basis für ein „Fördern und Fordern“ von Mitarbeitern ist eine verhaltensorientierte Führung der Leitungskraft, die die Grundlagen des Verhaltens und die Unterschiede der Generationen kennt und die Mitarbeiter versteht, um sie lenken zu können. Sie muss wissen, wie Lernen und Veränderungsprozesse funktionieren. In den Medien gibt es sinngemäß viele Schlagzeilen über Führungskräfte wie „Mindestens jeder zehnte Chef ist ein Problemfall“, „viele Chefs sind Neurotiker“, „nur jede dritte Führungskraft wird als verlässlicher Leistungsträger identifiziert“. Man könnte zusammenfassend feststellen: Schlechte Chefs demotivieren und vergraulen gute Mitarbeiter. Viele Mitarbeiter erwarten andererseits einen motivierenden und führungsstarken Chef, der sie fördert und fordert. Neue Erkenntnisse von Daniel Goleman zeigen, dass der Führungsstil der Führungskräfte das Arbeitsklima zu 50 – 70 % beeinflusst und das Klima wiederum 20 – 30 % des Firmenerfolges darstellt. Je nach Funktion und Alter der Mitarbeiter ist das Leiden der Mitarbeiter verschieden ausgeprägt. Gerade die Generationen Y und Z haben u.a. als Lösungsstrategie die geringe Loyalität zum Unternehmen und seinen Führungskräften und die scheinbar geringe Einsatzbereitschaft entwickelt. Eine Führungskraft muss heute in der Lage sein, die Ressourcen, Fähigkeiten und Kompetenzen ihrer Mitarbeiter zu erkennen, zu entwickeln und auszubauen. Die „Reifegrade“ und Entwicklungsstufen der einzelnen Mitarbeiter müssen individuell betrachtet und es muss darauf entsprechend reagiert werden.
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Führungskräfte sind erfolgreich, wenn sie starke Mitarbeiter nicht nur dulden, sondern deren Stärken anstreben und fördern. Dafür sind eine vertrauensvolle Zusammenarbeit und Atmosphäre und die sinnvolle Delegation von interessanten, herausfordernden TeilAufgaben und Verantwortungen notwendig. Die erfolgreiche Führungskraft ist zunehmend Dirigent, der den Takt (und das Ziel vorgibt) und für eine möglichst gute Ergebnisqualität zusammen mit seinen Mitarbeitern sorgt. Die Verschiebung der Lebensmodelle jüngerer Mitarbeiter, die Abwägung von Karriereplanungen und Entscheidung dagegen, die Verschiebung von materiellen zu immateriellen Werten und Motiven, die kritischen Reaktionen auf „Anordnungen“ bedeutet, anders zu führen. Es ist heute eher für jüngere Generationen wichtig, eine abwechslungsreiche Tätigkeit zu haben, Ideen einbringen zu können und Kontakte zu Menschen zu pflegen. Unterstellen wir, dass jeder Mensch aus sich heraus motiviert ist, einen Anteil zum Unternehmensziel beizutragen, stellt sich die Frage, was Führungskräfte tun können, damit Mitarbeiter ihre Potenziale entfalten können und es ein positiver Anteil wird. Das Markt- und Meinungsforschungsinstitut Gallup hat wiederholt die Motivation und Bindung der Mitarbeiter in den Betrieben erfragt: –– 15 % aller Mitarbeiter haben eine hohe emotionale Bindung, –– 15 % haben keine emotionale Bindung an ihren Arbeitgeber und die innere Kündigung schon ausgesprochen, –– 70 % haben eine geringe emotionale Bindung und machen Dienst nach Vorschrift. (Daten aus 2014) Was macht die Führungskraft anders bei den Mitarbeitern mit einer hohen emotionalen Bindung? Die befragten Mitarbeiter haben wie folgt geantwortet: 1) Ich werde nach meiner Meinung gefragt (93 % der Befragten). Was können Sie davon für Ihr Führungsverhalten übernehmen? Informieren Sie Ihre Mitarbeiter frühzeitig über anstehende Veränderungen, lassen Sie Ihre Mitarbeiter an Entscheidungsfindungen mitwirken, diskutieren Sie gemeinsam mögliche Lösungen.
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Lassen Sie sich von Mitarbeitern beraten. Fordern Sie deren Kompetenz und stellen Sie erkundende Fragen: Welche Idee zur Lösung haben Sie? Wie würden Sie entscheiden? Worauf müssen wir achten? Was gilt es zu berücksichtigen? Welche Widerstände könnte es geben? Wer ist zu beteiligen? 2) Meine Führung zeigt Interesse an mir als Mensch (93 % der Befragten). Was können Sie davon für Ihr Führungsverhalten übernehmen? Nehmen Sie den Mitarbeiter als Persönlichkeit mit individuellen Wünschen und Zielen wahr und ernst und halten Sie für sich fest, in welcher Lebensphase der Mitarbeiter ist und aus welcher Generation er stammt, damit Sie Reaktionen besser verstehen können. 3) Meine persönliche Entwicklung wird gefördert (87 %). Was können Sie davon für Ihr Führungsverhalten übernehmen? Delegieren und übertragen Sie so viel Verantwortung wie möglich. Betrachten Sie Fehler als Chance für gemeinsames Lernen und weitere positive Entwicklungen. Trauen Sie Ihren Mitarbeitern etwas zu. Sie motivieren und vermitteln damit eine positive Erwartungshaltung und fordern Leistung. Helfen Sie bei Schwierigkeiten und suchen Sie gemeinsam nach Lösungswegen. Lassen Sie aber die Arbeit Ihre Mitarbeiter machen. 4) Ich bekomme Anerkennung für gute Leistung (79 %). Was können Sie davon für Ihr Führungsverhalten übernehmen? Kommunizieren Sie wertschätzend auf zwei Ebenen: –– Die Person betreffend. –– Die Leistung betreffend. Vier Kriterien müssen dabei erfüllt werden: –– Eine „Ich-Botschaft“ (der Führungskraft). –– Eine ganz konkrete Situation beschreiben. –– Es muss zum Mitarbeiter passen. –– Die Rückmeldung muss sich auf ein gemeinsames Ziel beziehen.
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5) Ich erhalte konstruktives Feedback (75 %). Was können Sie davon für Ihr Führungsverhalten übernehmen? Bereiten Sie sich auf das Gespräch vor. Vereinbaren Sie einen Gesprächstermin mit der Mitteilung auf das Thema. Üben Sie Kritik nicht in Gegenwart Dritter, erst recht nicht in Gegenwart unbeteiligter Patienten oder Gäste. „Wenn ich Kritik äußere, dann erhalte ich sofort eine Krankmeldung.“ „Wenn ich die Wünsche der Mitarbeiter bei der Dienstplanung nicht erfülle, kommen sie nicht.“ Solche und ähnliche Rückmeldungen hören wir in unseren Seminaren mit Führungskräften, besonders als Reaktion über die jüngeren Mitarbeiter. Auch jüngere Mitarbeiter suchen Harmonie und können Streit und Ärger nicht gut aushalten. Machen Sie deutlich, was Ihre Möglichkeiten und Ihre Regeln sind. Nicht jeder Mitarbeiter und nicht jede Leitung passen zusammen. Manchmal muss man sich sogar trennen. Es gibt aber auch andere Beispiele: „Trotz des Fachkräftemangels erhält unser Pflegedienst immer wieder Initiativbewerbungen, vermittelt meistens über unsere Mitarbeiter selbst.“ Aussage einer Pflegedienstleitung eines größeren ambulanten Dienstes. „Wir kommen jeden Morgen gegen 9.30 h für eine gemeinsame Frühstücksrunde zusammen. Ich besorge als Leitung die Brötchen.“ Ein kleiner inhabergeführter Pflegedienst mit einem regionalen Umkreis von 3 km Versorgungsregion. „Wir haben viele alleinerziehende Mitarbeiterinnen. Wenn der Kindergarten geschlossen ist, kann jeder sein Kind mit ins Büro bringen. Unsere Chefin (60 Jahre) freut sich darüber und kümmert sich um die Kinder so lange, wie die Pflegetour dauert.“ Aussage einer Teamleitung über ihre Inhaberin und ihren Pflegedienst.
4.3 Führen mit Zielen Die Babyboomer-Generation hatte gelernt: Der Chef gibt vor, der Mitarbeiter führt aus. Wundern Sie sich als ältere Führungskraft manchmal in den Teamsitzungen, dass jüngere Mitarbeiter Ihre Anweisungen infrage stellen oder darüber diskutieren wollen? Führen mit Anordnung ist zu ersetzen durch Führen mit Zielen. Auch Mitarbeiter jüngerer Generationen sind zu motivieren. Im Unterschied zu älteren Mitarbeitern steht aber das Erkennen des Sinns im Vordergrund.
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Wenn jüngere Mitarbeiter den Sinn erkannt haben, warum eine Zusatztätigkeit oder -aufgabe notwendig ist, werden Sie auch bei diesen Mitwirkung und Engagement erleben. Sinn ist ein starker Motivator. Ein konstruktives Führen setzt also voraus, dass Sie als Leitung sich ihrer eigenen Ziele bewusst sind und diese benennen können. Haben Sie für Ihren ambulanten Pflegedienst lang-, mittel- und kurzfristige Ziele, die Sie aufgeschrieben haben? Können Sie Ihren Mitarbeitern erklären, was Ihre Pläne und Ziele sind? Wenn nicht, wird das Führen mit Zielen schwierig. Sie als Leitung (besonders als Babyboomer) haben vielfach „im Kopf“, welche Aufgabe wie gemacht werden sollte. Warum sollte aber eine stellvertretende Leitung oder ein Mitarbeiter nicht die Aufgabe bzw. das Ziel innerhalb einer vereinbarten Zeit durch einen anderen Weg genauso gut erreichen? Ist eine detaillierte Vorgabe von Ihnen motivierend? Oder vermitteln Sie eher einen Eindruck, dass Sie dem Mitarbeiter nicht trauen und seine Fachkompetenz infrage stellen. Für ein Führen mit Zielen sind folgende Schritte wichtig: –– Ein gemeinsames Verständnis über das zu erreichende Ergebnis. –– Absprachen über die Zeitdauer und den Arbeitszeiteinsatz dafür. –– Zwischeninformation des Mitarbeiters an die Leitung zu vereinbarten Zeitpunkten über den Stand der Bearbeitung. –– Mitteilung bei Störungen und Vorschläge zur Behebung. –– Zum vereinbarten Zeitpunkt Erfolgsmeldung durch den Mitarbeiter. –– Bestätigung und Anerkennung durch Sie.
4.4 Aus Fehlern lernen Wie würden Sie mit folgender, real stattgefundener Situation umgehen: Eine junge und engagierte Führungskraft (Teamleitung eines größeren Pflegedienstes mit mehreren Standorten) kommt eines Tages zu Ihnen und berichtet zerknirscht, dass sie von einem Werbeanzeigenvertreter aufgesucht wurde und einen Vertrag für eine Werbeanzeige unterzeichnet hat. Anstelle eines Auftrages für eine einmalige Anzeige (Kosten 1.300 €) ist ein Vertrag für 5 Jahre von ihr unterzeichnet worden. Bei der Bestätigung des Auftrages von der Werbefirma sei ihr dies erst aufgefallen.
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Sie bietet an, den Schaden privat zu ersetzen oder als Teamleitung zurückzutreten. So einen Vertrag würde sie nie wieder unterschreiben. Seitens der Leitung (Pflegedienstleitung und Geschäftsführung) wurde wie folgt reagiert: –– Lob und Dank an die Teamleitung, dass sie aktiv auf ihre Vorgesetzten mit der Fehleranzeige gekommen ist. –– Das Angebot, den Schaden privat zu ersetzen oder als Teamleitung zurückzutreten, wurde nicht angenommen. –– Der Vertrag wurde an den Rechtsanwalt des Trägers zur Klärung und Kündigung weitergegeben. –– In Absprache mit der Teamleitung wurde vereinbart, diesen Sachverhalt im nächsten gemeinsamen Führungskreis darzustellen, –– um eine größere Sensibilität für Werbeverträge und „das Kleingedruckte“ zu erreichen, –– um deutlich zu machen, wie beim Träger mit Fehlern umgegangen wird. Die Teamleitung ging erleichtert aus dem Gespräch. Ein vergleichbarer Fehler ist in den nächsten Jahren ihrer Berufstätigkeit nicht wieder passiert. Aus Fehlern lernen, Fehler als positive Lernchancen zu sehen, kann ein starker Motivator für Mitarbeiter sein. Wenn Menschen durch Fehler in der Pflege zu Schaden kommen, ist natürlich besonders schmerzhaft. Fehler machen ist aber menschlich und betrifft sowohl Mitarbeiter als auch Führungskräfte. Führungskräfte, die nicht handeln, aus der Sorge heraus, evtl. Fehler zu machen, machen selbst an dieser Stelle gravierende Fehler für ihr Unternehmen und in der Mitarbeiterführung. Fehler, die tabuisiert, vertuscht oder relativiert werden, können weitreichende Folgen für Kunden und Mitarbeiter des Pflegedienstes und den Träger und dessen Image haben. Daher: Aus Fehlern sollte man lernen, damit die gleichen Fehler nicht wiederholt werden. Mitarbeiter müssen wissen, wie mit einer Fehlerkultur in ihrem Pflegedienst oder ihrer Tagespflege umgegangen wird. Wenn dies nicht bekannt ist, werden aus Sorge vor disziplinarischen Konsequenzen und Angst vor dem Verlust an Ansehen im Team Fehler vielfach nicht gemeldet. Das ist schade, weil damit Lernchancen und Veränderungsmöglichkeiten nicht genutzt wer-
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Erfolgreich Führen und Leiten
den. Wenn im o. a. Beispiel der Fehler der Teamleitung nicht mit allen Führungskräften kommuniziert worden wäre, hätten auch andere Teamleitungen in vergleichbare Situationen kommen können. So hatte der Anzeigenverkäufer in den anderen Standorten keine Möglichkeit mehr, seine dubiosen Verträge anzubieten. Eine Studie von Monika Habermann, Leiterin des Zentrums für Pflegeforschung und Beratung (ZePB) der Hochschule Bremen, hat 2014 in einer Studie belegt, dass Pflegekräfte selten Fehler melden.
Warum Pflegende Fehler nicht melden Mir ist unklar, welche Ereignisse gemeldet werden sollen
31,2
Die Meldung könnte zu disziplinarischen Maßnahmen führen
22,1
Es würde ohnehin keine Rückmeldung von der Stelle geben, bei der der Fehler gemeldet wird
21,4
Ich würde Ansehen verlieren, wenn ich einen Fehler meiner Kolleginnen oder Kollegen melde
19,9
Die Person, die den Fehler gemacht hat, würde Ansehen verlieren
18,5
Die Person, die den Fehler gemacht hat, würde ungerecht behandelt werden Die Meldung (der Vorgang selbst) würde sehr viel Aufwand/Arbeit mit sich bringen Mir ist unklar, wie bzw. bei wem der Fehler gemeldet werden soll
N=1.100 Quelle: Zebp-Fehlerstudie
15,6 12,2 11,5 0 5 10 15 20 25 30 %
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Wandeln Sie als Führungskraft für und in Ihrem Team eine Fehlerkultur in eine Wachstumskultur um, in dem Sie deutlich machen: –– Jeder Mitarbeiter (Chef, Teamleitung, examinierte Kräfte, Betreuungskräfte, sonstige Mitarbeiter) macht Fehler. –– Fehler sollten durch professionelle Arbeit vermieden werden, aber Fehler machen ist menschlich. –– Zu Fehlern sollte man stehen. –– Fehler dienen für sich und alle anderen Kollegen, daraus zu lernen. –– Erkannte Fehler sollten sich nicht wiederholen, daher muss es Strategien zur Fehlervermeidung für die Zukunft geben, die abgesprochen werden. –– Wertschätzen Sie die Kommunikation von Fehlern und Fehlermeldungen als verantwortungsbewusste Beiträge, damit eine angstfreie Situation und Kultur in Ihrem Team entstehen kann. –– Wenn eine Strategie zur Fehlervermeidung in einem vergleichbaren Fall gegriffen hat, kommunizieren Sie dies ebenfalls als Lob und Bestätigung des richtigen Weges.
4.5 Abwanderungstendenzen erkennen und aufhalten Auf einem lockeren Empfang im Kontext von Fort- und Weiterbildung treffen sich zwei Pflegedienstleitungen aus ambulanten Diensten einer Region. Die eine berichtet über enorm viel Arbeit und Druck, die andere stimmt dem ebenso zu. Was aber auffällt: Sie findet auch viele positive Aspekte der aktuellen Entwicklungen in Ihrem Dienst rund um die Pflegestärkungsgesetze II und III des Berichtens wert, sie wirkt präsent, beteiligt und engagiert und in hohem Maße identifiziert mit Ihrem Unternehmen, in dem bestimmt nicht weniger gearbeitet wird wie in dem der anderen Kollegin. Ein Mitarbeiter, der authentisch ist, der mit Haut und Haaren, d.h., mit Körper, Seele und Geist, beteiligt ist, keinen ungeklärten Zweifel hegt, strahlt ihn aus, diesen kraftvollen Zustand, auch durch seine Körperhaltung. Er positioniert sich deutlich als ein Mensch, der voller Überzeugung für seinen Dienst und seine Aufgaben steht. Auch wenn er mal erschöpft ist, ist diese Haltung spürbar.
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Erfolgreich Führen und Leiten
Woran Sie merken, dass Mitarbeiter sich leise von ihrem Dienst verabschieden Die Gesamtleistung Ihres Teams hängt von dem unterschiedlichen Potenzial seiner Mitglieder ab. Dieses effektiv, ausbalanciert und sinnvoll einzusetzen, gehört zu Ihren anspruchsvollsten Aufgaben - sowohl in der Konzeptionierung als auch in der täglichen Praxis. Kündigungen durch Mitarbeitende reißen da gegebenenfalls ein schmerzliches Loch, insbesondere, wenn es sich um Kompetenzträger, Gestalter von Beziehungsstrukturen, vorbildliche Persönlichkeiten oder Inhaber von Schlüsselfunktionen handelt. Abwanderungstendenzen rechtzeitig zu erkennen und damit nach Möglichkeit zu korrigieren beziehungsweise frühzeitig nach Ersatz zu suchen, ist daher essenziell. Aufschluss über Abwanderungswünsche von Mitarbeitern können Ihnen folgende Fragen verschaffen: –– Zeigt der Mitarbeiter abnehmende Arbeitsintensität? –– Nimmt der Mitarbeiter weniger häufig an Treffen mit Kollegen teil? –– Übernimmt der Mitarbeiter weniger bereitwillig zusätzliche Aufgaben? –– Ist der Mitarbeiter weniger bereit, anderen zu helfen? –– Reagiert der Mitarbeiter auf fachliche Probleme im Umfeld mit Ironie oder Verleugnung? –– Bespricht der Mitarbeiter mit Kollegen und Vorgesetzten häufig die negativen Aspekte der eigenen Tätigkeit bzw. der Einrichtung? –– Gerät der Mitarbeiter häufiger in Konflikte mit Kollegen? –– Äußert der Mitarbeiter berufliche Entwicklungswünsche, die so nicht in der Einrichtung umsatzbar sind? –– –– –– ––
Kritisiert der Mitarbeiter häufiger sein Umfeld? Äußert sich der Mitarbeiter skeptisch über die Zukunftschancen der Einrichtung? Trauert der Mitarbeiter nach einem Vorgesetztenwechsel dem Vorgänger lange nach? Trauert der Mitarbeiter nach einem Aufgabenwechsel den bisherigen Aufgaben lange nach?
–– Engagiert sich der Mitarbeiter zunehmend stark außerhalb der Einrichtung? In wie weit eine Abwanderungsneigung in die Realität umgesetzt wird, hängt natürlich auch von den Rahmenbedingungen des Marktes ab. Wie steht Ihr Unternehmen da? Verschaffen Sie sich Klarheit über die Wettbewerbssituation, die Anzahl der Mitbewerber und die Attraktivität Ihrer Angebote.
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Und dann ein Blick in den Spiegel: Wie steht es mit der Qualität der Personalarbeit des eigenen Dienstes (Investitionen in Entwicklung, Vergütung, Zeitbedarf beim Besetzen von Vakanzen), dem Image Ihres Unternehmens, Fluktuation etc.? Das Ergebnis dieser Beobachtungen und Einschätzungen wird Ihnen zeigen, wo Handlungsbedarf besteht.
Erfolgsfaktoren für den Führungsalltag Wie auch immer Ihr Ergebnis lautet: Grundsätzlich gilt es, Menschen nachhaltig zu begeistern, sie auch in schwierigen Situationen bei der Stange zu halten, Leistungsfreude zu fördern und zu erhalten. Das ist Ihr tägliches Brot, aber auch eine Kunst. Bei Barbara Messer, einer Kollegin, Führungskraft und Trainerin, haben wir das S.P.A.S.S. Raster für die täglichen Faktoren von Leistungsfreude und Zufriedenheit kennengelernt, das sie in ihrer Seminararbeit benutzt und auf unseren Führungsalltag in der Pflege angepasst hat. S.P.A.S.S. bringt die zentralen Erfolgsfaktoren auf den Punkt: Erfolgsfaktor Nummer 1: selbst gesteuert. Fördern Sie immer wieder passend zum Entwicklungsstand selbst gesteuertes Arbeiten. Führen Sie Mitarbeiter und Teams auf vereinbarte Ziele hin, regieren Sie aber nicht zu tief in die einzelnen Prozesse hinein, selbst wenn es ganz schnell und einfach möglich wäre. Nur wenn sie aus der Komfortzone des Nachahmens heraustreten müssen, haben Mitarbeiter und Teams letztendlich die Möglichkeit, eigene Lösungen zu entwickeln und daran zu wachsen. Dazu gehört auch, möglichst viele Mitarbeitende Schritt für Schritt dahin zu führen, ihre Ergebnisse, Erfolge und letztendlich ihre Weiterentwicklung in Selbstreflexion zu überprüfen. Sie können dazu mit ihnen im Coaching die wichtigsten Erfolgskriterien herausarbeiten. Aber dann: Stopp! Gehen Sie nicht routinemäßig in die Korrektur. Erfolgsfaktor Nummer 2: Mitarbeiter täglich produktiv sein lassen. Sie als Pflegedienstleitung sehen die Vorerfahrungen, Neigungen und Kompetenzen Ihrer Mitarbeiter und binden sie im Arbeitsalltag ein. Mitarbeiter erhalten immer wieder Raum sich auszuprobieren. Es besteht ein Klima, in dem Traditionen hinterfragt und unterschiedliche, auch kontroverse Perspektiven eingenommen werden können. Als Pflegedienstleitung gehen Sie mit gutem Beispiel voran und achten dabei darauf, diese im Sinne des Unternehmens immer wieder zusammenzuführen.
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Erfolgreich Führen und Leiten
Erfolgsfaktor Nummer 3: Jeden aktivieren. Sie haben die Potenziale Ihrer Mitarbeiter im Blick und berücksichtigen diese bei den Planungen. Es ist Ihre Philosophie, dass jeder Mitarbeitende die Lösungswege für seine Klienten- oder Gästeanforderungen letztendlich selbst finden und hier Initiative ergreifen soll und kann, wenn dabei der fachlich-ethische Rahmen des Unternehmens eingehalten wird. Auch Mitarbeiter mit geringen Kompetenzen und wenig Eigeninitiative erhalten immer wieder Angebote und Anregungen, sich zu entwickeln. Sie geben so schnell keinen auf. Erfolgsfaktor Nummer 4: Situative Handlungskompetenzen stärken. Mitarbeiter werden dazu angehalten, nicht in den guten alten Tagen festzuhängen oder mit dem Kopf in der „Hätte-könnte-wäre-Welt“ zu stecken, d.h. immer damit zu argumentieren, was sein könnte und was man machen würde, wenn … Es geht Ihnen beim Führen und Leiten und bei der Teamentwicklung darum, mit den konkret vorhandenen Persönlichkeiten die Situationen, die heute und morgen anstehen, mit allen Schwächen und Einschränkungen auf bestmögliche Lösungen abzielend optimal zu meistern. Das „Heute“ verlangt das Übernehmen von Verantwortung im Hier und Jetzt. Erfolgsfaktor Nummer 5: Das soziale Miteinander zählt auch in Stresssituationen. Sie haben den Anspruch, alle Mitarbeiter grundsätzlich immer und in jeder Situation mit Wertschätzung zu behandeln. Der entscheidene Vertrauensfaktor hier ist, wie sich das besonders in den herausfordernden Situationen Ihres Alltags und im Stress zeigt, welche Regeln Sie selbst und wie zuverlässig Sie diese einhalten. Und: Wie achtsam Sie für Grenzverletzungen, Unfreundlichkeiten und Unhöflichkeit sind, wie Sie der Verrohung von Stil und Sprache im Team aktiv entgegenwirken. Geben Sie Raum für Fragen und Feedback, auch in Ruhe hintereinander, wenn sich die Wogen wieder etwas geglättet haben. Gehen Sie auf Ihre Mitarbeiter zu und führen Sie eine kurze Nachbesprechung durch.
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TIPP So führen Sie Ihre Mitarbeiter hin zu selbst gesteuertem Lernen Fördern Sie die kollegiale Verantwortung im Team und das gegenseitige Beraten, Unterstützen und Lernen, zum Beispiel in Form gegenseitiger Pflegevisiten, Doku-Checks, Fallbesprechungen und kollegialer Beratung. Ergänzen Sie hier als Beobachtung zweiter Ordnung diese Aktivitäten um Ihre supervisorische Perspektive: Sie reflektieren die Reflexion der Kollegen. Das ergänzt und vervollständigt den fachlich-kollegialen Blick. Üben Sie mit den Mitarbeitern diese Methoden ein, dass Ihre Mitarbeiter für das Üben kollegialer, wertschätzender Kritik selbst verantwortlich sind. Auch wenn es hart ist: Sie schaffen damit die Bedingungen für das gelingende Selbstlernen und Entwickeln.
4.6 Ihr Team als unverwechselbare Marke Erfolg, Bekanntheit und Gefragt-sein, das lässt sich für Ihr Team dann am besten erreichen, wenn es konsequent zur Marke wird. Dazu gehört eine Botschaft, die Werte und Inhalte authentisch und vertrauenswürdig vermittelt. Das Schlüsselwort heißt Personal Branding. Wer es schafft, sich mit seinem Team zur Marke zu machen, kennt keine Demotivation und bleibt im Gedächtnis seiner Mitmenschen und Kunden. So erzielen Sie nachhaltigen Erfolg, denn es geht heutzutage immer weniger um Produkte, sondern um Menschen, die für einen unnachahmlichen Stil und ein verlässliches Qualitätsversprechen einstehen. Damit Ihr Team inspiriert ist und jeder Einzelne sich angesprochen fühlt, bearbeiten Sie gemeinsam immer wieder folgende Fragen: In welcher Mission sind wir unterwegs? Was wollen wir für wen hier im Pflegedienst oder in der Tagespflege bewegen? Was hält uns zusammen?
Gemeinsam das Besondere wagen Achtung: Wenn Ihr Team sich auf den Weg macht, kommen die typisch weiblichen Glaubenssätze aus der Kindheit ins Spiel, die es verbieten, Neues zu riskieren und das Besondere zu wagen, weil sie auf die Erziehungsziele Gefälligkeit, Unauffälligkeit, Dienen und Anpassung ausgerichtet waren. Zum Beispiel: „Du darfst nicht auffallen.“ „Du sollst dich selbst und deine Leistung nicht wichtig nehmen.“ „Du darfst nicht aus der
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Reihe tanzen.“ Viele von uns, besonders die Babyboomer, haben diese Sätze mit der Muttermilch aufgesogen. Wenn Sie diese hemmenden Grundsätze konsequent hinterfragen und umwandeln, werden Sie merken, dass sie klarer und zielführender werden und handeln und dass Ihr Team Ihnen stärker vertraut und sich geborgen fühlt. Jeder einzelne Mitarbeiter empfindet sich in diesem Klima von Wachstum und Entfaltung als wichtiger Teil der Mannschaft und kann sich entwickeln.
Innere „Schweinehunde“ im Blick behalten Wenn Sie und Ihr Team mit dem Beschreiten neuer Wege beginnen, begegnen Ihnen vertraute, aber falsche Freunde: Ihre inneren „Schweinehunde“. Diese kleinen Viecher sind träge und bequem, ziehen Altvertrautes neuen spannenden Aktionen vor. Sie drängen darauf, zuerst die alte To-do-Liste komplett abzuschließen oder alles bis ins letzte Fitzelchen zu planen. So verzetteln Sie sich, Ihr Team wird ganz konfus, der Schwung geht verloren. Sehen Sie es positiv: Ihre inneren „Schweinehunde“ sind keine Schwächen, sondern Ihr alarmierendes „Oh-nein-Zentrum“ im Gehirn. Es soll Sie davor schützen, aus dem gewohnten Komfortbereich auszubrechen. Überlisten Sie es, in dem sie ungewohnte und angstbesetzte Aktionen in Minischritte zerlegen.
Keine Angst vorm Erfolg Für Ihre Erfolge als Tagespflege- oder ambulantes Pflegedienst-Team bedeutet Personal Branding auch, ein wenig Platzhirsch-Gen zu entwickeln, sich als Team mit dem, für das Sie gemeinsam stehen, in der Öffentlichkeit zu zeigen und damit in Kauf zu nehmen, das andere vielleicht neidisch sein mögen. Das macht nichts. Bleiben Sie kollegial und mit dem Herzen ein Teil des großen Ganzen. Mit den Füßen fest auf dem Boden und im Kopf anspruchsvolle Pläne für die Zukunft. Wunder gibt es immer wieder. Kennen Sie das? Ihr jährliches Mitarbeiter-Entwicklungsgespräch als Leitung einer Tagespflege mit Ihrer Geschäftsführung steht an, Sie halten Ihren Vorbereitungsbogen in der Hand. Ihr Schwerpunkt, den Sie bearbeiten sollten, heißt: inhaltliche Ziele der Tagespflege für das nächste Jahr. Sie sollen hierbei Entwicklungsideen für ihre Tagespflege festlegen und den kleinen Meilenstein-Plan festlegen. Sie schauen auf das leere Blatt: keine Idee kommt, nichts. Läuft doch alles gut. „Weitermachen wie letztes Jahr“, können Sie nicht einfach so hinschreiben.
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Auch eine erfahrene Führungskraft steht mal auf dem Schlauch, braucht Anregungen und Impulse. Glücklicherweise haben Sie eine Quelle, die unerschöpflich ist: Ihre Mitarbeiter. Hier bietet sich Ihnen wieder einmal eine gute Gelegenheit, von der Teampower zu profitieren und gleichzeitig die Zusammenarbeit zu stärken. Nutzen Sie das nächste Teamgespräch zur Ideenfindung, in dem Sie die Wunderfrage stellen, frei nach dem Motto: Erst die Fee, dann die Idee. Voraussetzung ist, dass Ihr Team die Tagespflege liebt. Zeitbedarf 20 Minuten. Material: Flipchart, Stifte. Zettel. Jeder Mitarbeiter findet ein paar Zettel und einen farbigen Stift vor, wenn Sie dann alle erwartungsvoll ansehen, erklären Sie, dass es um die inhaltliche Ausrichtung des nächsten Jahres geht und dass Sie ihnen die Wunderfrage stellen, um kreative Lösungen zu finden. Starten Sie so: Es passieren jeden Tag und überall Wunder. Jetzt ist unsere Tagespflege dran. Stellen Sie sich vor, eine Fee berührt jetzt und hier mit einem Zauberstab unsere Tagespflege. Was verändert sich zum Positiven? Wenn Ihr Team so ist, wie wir es uns vorstellen, geht es jetzt schon los mit den Ideen. Bitten Sie die Mitarbeiter, Zettel und Stift in die Hand zu nehmen, alle Räume zu begehen mit dem Blick nach dem Wunder: Sie sollen an den unterschiedlichen Orten auf Ihre Zettel vermerken, was dort noch nach dem Wunder anders ist, neu passiert. Zurück von der Runde stellt jeder im Besprechungsraum seine Zettel vor. Gemeinsam sortieren Sie die Ideen, in dem Sie auf dem Flipchart einteilen. Erste Spalte: Wunderrealisierung kurz, mittel- und langfristig. Zweite Spalte: Was ist im nächsten Jahr zu tun. Voilà, ein Herzstück der Planung steht. Viel Freude bei der Umsetzung.
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5 Arbeitshilfen und Checklisten 5.1 Führungsgrundsätze Wissen Ihre Mitarbeiter, was Ihnen wichtig ist und wie Sie als Pflegedienst- oder Tagespflegeleitung Ihre Führungsgrundsätze im Alltag umsetzen? Es ist sinnvoll, Ihre Führungsgrundsätze zusammenzustellen, diese den Mitarbeitern vorzustellen und sie mit ihnen zu diskutieren und dann auch entsprechend sichtbar auszuhängen. Ein Beispiel: Nachstehende Führungsgrundsätze hat ein Leitungsteam für seine Einrichtung erstellt. Der Mensch steht im Mittelpunkt Wir wollen die Einzigartigkeit eines jeden Menschen achten, denn Wert und Würde eines Menschen sind für uns nicht abhängig vom Maß seiner Leistungsfähigkeit (siehe Leitbild). Dieses christliche Menschenbild bestimmt auch unsere Führungsgrundsätze. Vorbildfunktion Wir sind klar und verbindlich in unseren Aussagen. Wir sind dafür verantwortlich, dass Vertraulichkeit und gesetzliche Bestimmungen eingehalten werden. Wir lieben Pflege. Das Wohl unserer Bewohnerinnen und Bewohner liegt uns in erster Linie am Herzen. Stärkung und Motivation Wir motivieren durch Anerkennung der Leistungen, fördern selbstständiges Handeln und delegieren Aufgaben und Verantwortung. Vorhandene Fähigkeiten werden erkannt und individuell gefördert. Teamarbeit Wir fördern Teamarbeit. Jeder Mitarbeiter kennt seine Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortung. Wir fördern Vertrauen und lassen Intrigen (Beleidigungen, Drohungen, Mobbing, Erpressungen, psychische und körperliche Gewalt) nicht zu.
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Erfolgreich Führen und Leiten
Einer hat den Hut auf Bestimmte Situationen erfordern klare Anweisungen. Eine faire und gerechte Lösung erfolgt durch die Pflegedienstleitung (oder Tagespflegeleitung). Transparenz durch Kommunikation Fehler sollten vermieden werden, können aber sowohl Leitung als auch Mitarbeiter passieren. Fehler werden offen angesprochen und als Chance für Verbesserungen gesehen. Informationen und Transparenz gegenüber den Mitarbeitenden und gegenüber den Bewohnerinnen und Bewohnern ist uns Verpflichtung. Perspektiven aufzeigen Wir geben Rückmeldung über Verhalten und erbrachte Leistungen. Dabei sprechen wir Stärken und Schwächen offen an. Einmal jährlich führen wir Mitarbeitergespräche durch. Mündige, engagierte und fitte Mitarbeiter sind in der Lage, den hohen Standard, den wir gemeinsam für die Häuser erreichen möchten, zu realisieren. Deshalb werden sie aktiv bei Entscheidungen der Geschäftsführung einbezogen und am Fortgang des Unternehmens beteiligt.
5.2 Heldenreise Mitunternehmertum fördern – mit Kreativität gelingt es Jeder Mensch benutzt nur einen winzigen Bruchteil seines Gehirns und jeder Mitarbeiter in der Alltagsroutine nur einen Bruchteil seines Potenzials. Auch wenn Routinen Sicherheit spenden und entlasten, ein Zuviel davon macht müde und dumpf. Als Leitung der Tagespflege oder des ambulanten Dienstes ist es Ihre Aufgabe, immer wieder die Gestaltungsfreude herauszukitzeln, indem Sie einen zum Team passenden Mix von Routine und kreativer Herausforderung finden. Es sollte Ihnen gelingen, möglichst viele Ihrer Mitarbeiter zu gewinnen, sich mit Ihrem Pflegedienst oder Ihrer Tagespflege zu identifizieren: mitzufühlen, mitzudenken und mitzugestalten. Deshalb: Bauen Sie jedes Vierteljahr eine regelmäßige Frischzellenkur ein – 1 bis 1,5 Stunden, in denen Sie gemeinsam in die Zukunft schauen, Impulse austauschen und von dort aus Schritte für das Hier und Jetzt entwickeln!
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Wie das gelingt? Mit der Methode Heldenreise gehen Sie die Umsetzung strategisch an: Erzählen Sie gemeinsam die Geschichte Ihres zukünftigen Erfolges (auch vor dem Hintergrund dessen, was Sie miteinander schon in der Vergangenheit erreicht haben) und wie Sie mit Ihrem Team die Zukunftsvorstellung erreichen. Das Team ist der Held! Es hat wunderbare zukunftsweisende Ideen, es konkretisiert sie, macht sich auf den Weg ins Unbekannte hin zum Ziel, entwickelt Kraft und Know-how, um Widerstände und Widrigkeiten zu überwinden, nimmt Unbequemlichkeiten auf sich und gewinnt ein einzigartiges gemeinsames Profil – passend wie ein guter Schuh und kein Stück langweilig! Je mehr es Ihnen gelingt, auf diesem Weg in die Zukunft die individuellen Potenziale Ihrer Mitarbeiter zu nutzen, umso besser. Jeder sollte etwas zum Erfolg beitragen können. Sie werden merken: Eine gemeinsame Vision führt Menschen zusammen und macht viele bereit zum Mittun. Positive Bilder beflügeln einfach. Viel Spaß dabei!
5.3 Arbeitshilfen Dienstbesprechungen Sind nicht effektive und produktive und im vereinbarten Zeitrahmen durchgeführte Dienstbesprechungen Wunsch von Leitung und Mitarbeitern? Dienstbesprechungen, die motivieren und nach denen man auseinandergeht mit dem Gefühl, das war produktiv und effektiv? Die Realität sieht häufig aber anders aus. Die Dienstbesprechung fängt verspätet an, die geplanten Punkte sind nur bis zur Hälfte bearbeitet und werden verschoben und das geplante Ende wird selten eingehalten. Unter „Verschiedenes“ sind noch fünf Punkte aufgeschrieben worden, die als wichtig benannt wurden, aber nur andiskutiert worden sind. Mitarbeiter gehen unzufrieden aus der Sitzung und haben mehr Zeit als geplant verbraucht, die Leitung hat jetzt schon für die nächste Sitzung einige Punkte, die erneut auf die Tagesordnung kommen müssen. Eine sinnvolle Dienstbesprechung haben die Leitung und Mitarbeiter selbst in der Hand. Voraussetzungen sind eine klare, kommunikative und transparente Führung durch die Leitung, und wenn für die Dienstbesprechung Regeln aufgestellt worden sind, dass diese auch eingehalten werden.
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Erfolgreich Führen und Leiten
Gute Dienstbesprechungen sind kein Hexenwerk Denn, ganz ehrlich, es ist eigentlich simpel, eine gute und produktive Dienstbesprechung abzuhalten, wenn ein paar grundlegende Regeln konsequent beachtet werden: I) Agenda Im Vorfeld einer Dienstbesprechung sollte eine schriftliche Agenda mit konkreten Punkten, Verantwortlichkeit/Zuständigkeit und Zeitangaben erstellt und an alle Beteiligten z. B. einen Tag vor der Sitzung verschickt werden. Es sollten ebenfalls die Punkte I = Information, B = Beratung, E = Entscheidung hinzugefügt werden. Aus der Agenda sollte also einerseits hervorgehen, was besprochen werden soll, wer für welches Thema „den Hut auf hat“, sprich, verantwortlich ist. Andererseits sollte aber auch ganz klar sein, wozu die einzelnen Punkte eben NICHT genutzt werden dürfen. Zwei Beispiele dazu: Agenda „Informationen über die geplante Einführung von SIS®“, I, Frau Müller* (QMB), 10 Minuten. Dann geht es in diesem Punkt nicht um eine Diskussion, ob oder ob nicht oder wie die einzelnen Formulare aussehen und ob diese den Mitarbeitern gefallen oder nicht, sondern um den Zeitplan und die Einführungsschritte in dem ambulanten Pflegedienst oder der Tagespflege. Agenda „Anschaffung von neuen Pflegetaschen“, E, Frau Schulz* und Frau Otto*, 10 Minuten. Die Mitarbeiterinnen Frau Schulz* und Frau Otto* waren im Vorhinein beauftragt worden, drei verschiedene Angebote von Pflegetaschen einzuholen und auszuprobieren und einen Vorschlag für das Team zu entwickeln. Das Team entscheidet auf der Basis der Empfehlungen der beiden Kolleginnen. II) Zeitlimits festlegen und einhalten Jeder Einzelbeitrag sollte mit einem Zeitlimit versehen sein, genauso wie die gesamte Dienstbesprechung, die pünktlich(!) anfangen sollte und vereinbarungsgemäß auch pünktlich(!) enden sollte. Die Leitung der Dienstbesprechung hat demnach die Aufgabe, alle Teilnehmer anzuhalten, dass die entsprechenden Zeiten eingehalten werden. Alternativ kann natürlich auch ein „Time Keeper“ aus der Runde der Teilnehmer bestimmt werden.
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Ein verspäteter Beginn bestraft und demotiviert die Pünktlichen und führt zu einem Verhalten auch bei diesen nach dem Motto: „Ich kann ja ruhig später kommen, wir fangen ja sowieso immer erst 10 Minuten später an.“ Gleichzeitig verkürzt ein verspäteter Beginn die Zeit der Dienstbesprechung, weil zum geplanten Ende (oder schon vorher) Mitarbeiter ihre Kinder abholen müssen oder andere dringende Gründe für ein pünktliches Ende der Besprechung vorliegen. Der Leitung muss hier klar sein: Wenn die Dienstbesprechung gem. Plan um 13.00 h beginnt und bis 14.30 h geplant ist, sollte die Dienstbesprechung um 13.00 h pünktlich beginnen und bis maximal 14.30 h dauern. Wenn man eher fertig ist, freuen sich alle, ein ständiges Überziehen demotiviert und setzt Mitarbeiter und Leitung unter zusätzlichen Druck. III) Strikt beim Thema bleiben Die Agenda legt ganz klar fest, was Thema der heutigen Dienstbesprechung ist und was eben nicht besprochen wird. Nur gravierende Störungen oder Sondersituationen haben Vorrang. Beispiel: Ein Mitarbeiter hatte vormittags einen schweren Verkehrsunfall und liegt im Krankenhaus. Dann sollte abweichend von der Agenda am Anfang der Dienstbesprechung eine entsprechende Zeit für die Information und die allgemeine Betroffenheit gewährt werden. Vielleicht wird zusammen eine Genesungskarte unterzeichnet. Ansonsten gilt, strikt beim Thema bleiben. Die Aufgabe der Leitung besteht neben der Einhaltung der Zeitlimits darin, diejenigen, die thematisch abschweifen, wieder zum eigentlichen Ziel der Dienstbesprechung und ihrer Punkte zurückzuführen. Dies heißt auch, freundlich, aber deutlich Mitarbeiter, die sich gern reden hören, zu begrenzen oder ihnen gegebenenfalls auch ins Wort zu fallen und den Beitrag abzubrechen. „Vielen Dank Frau Günther*, ich habe verstanden, dass dies auch für Sie wichtig ist. Die Aussage entspricht der von Frau Meier*. Gibt es zu diesem Tagesordnungspunkt noch neue und weitere Faktoren, die noch nicht benannt wurden?“ IV) Schriftliche Vorbereitung von Diskussionspunkten Alle Teilnehmer sollen ihre Agenda-Punkte schriftlich vorbereiten, entweder als kopierte Vorlage (Handout) für alle Teilnehmer oder per PowerPoint Präsentation. Es gibt auch Pflegedienste und Tagespflegen, in denen die Mitarbeiter bis spätestens einen Tag vor der Dienstbesprechung ihre schriftlichen Punkte der Leitung mitzuteilen haben. Diese fügt die Unterlagen zusammen bzw. übernimmt diese in ein Rahmenprotokoll, das in der Sitzung nur noch ergänzt wird durch B = Beschlüsse und ergänzende Diskussionsinhalte.
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Der Aufbau ist im Prinzip immer derselbe. Dabei ist es völlig egal, um welches konkrete Thema es sich in der Dienstbesprechung dreht. Es gilt immer folgende Punkte zu klären: –– Um was geht es (Thema)? –– Warum wird dieses Thema in der Dienstbesprechung angesprochen: I = Information, B = Beratung, E= Entscheidung? –– Welchen Lösungsvorschlag hat der Verantwortliche? –– Wobei wird welche Hilfe von anderen Mitarbeitern oder dem Vorgesetzten gebraucht? –– Was ist die Konsequenz/das Ergebnis aus diesem Tagesordnungspunkt? –– Bei Projekten: Wie sieht der Zwischenstand aus und die Abweichung vom Plan zum derzeitigen IST, wie gestalten sich die nächsten Schritte? V) Pünktliche Beendigung mit Dank an die Mitarbeiter Seitens der Leitung sollte zum Ende der Dienstbesprechung, die pünktlich zum vereinbarten Zeitpunkt auch beendet wird, den Mitarbeitern für ihr Engagement, ihre Mitwirkung und ihre konstruktiven Beiträge gedankt werden. Gute Vorbereitungen von Mitarbeitern oder sinnvolle Vorschläge und Ideen dürfen exemplarisch besonders gelobt werden. Achten Sie nur darauf, dass Sie nicht immer die gleichen Mitarbeiter „hervorheben“. VI) Effektive Nachbereitung: Wer macht was bis wann? In der Dienstbesprechung sollte auch klar vereinbart werden, was die nächsten Schritte sind und vor allem, wer was bis wann zu tun hat. Im Nachgang der Dienstbesprechung wird ein Protokoll mit relevanten Stichpunkten für alle Beteiligten erstellt und in die Fächer der Mitarbeiter gelegt oder verschickt. Darin enthalten sind: –– die wesentlichen Punkte, die in der Dienstbesprechung mit Inhalten oder Beschlüssen thematisiert wurden, –– –– –– ––
die Teilnehmer, die anwesend waren, die nächsten Schritte mit Verantwortlichkeiten, Zeitangaben, bis wann was von wem fertiggestellt werden soll, der Termin für die nächste Dienstbesprechung.
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Arbeitshilfe Dienstbesprechung Dienstbesprechung am: Teilnehmer:
Nr.
Was I, B, E
Thema
Wer
Unterschrift Protokollführer: Nächste Dienstbesprechung: Legende: I = Information, B = Beratung, E = Entscheidung
© Peter Wawrik, Karla Kämmer: führen, leiten, Zukunft. Vincentz-Network 2019
Zeit
Ergänzungen
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5.4 Kritikgespräch mit dem KAZL-Prinzip „In dem Maße, wie der Wille und die Fähigkeit zur Selbstkritik steigen, hebt sich auch das Niveau der Kritik an anderen.“ Christian Morgenstern
Grundverständnis: Kritisieren ist helfen. Grundsätzlich gilt, dass eine Kommunikation zwischen Menschen im Allgemeinen wie auch der Leitung und Mitarbeiterschaft in der ambulanten Pflege oder Tagespflege positiv und wertschätzend sein sollte. „Komplimente“ und Lob werden von der Mitarbeiterschaft gewünscht und erhofft, werden von Führungskräften aber häufig viel zu wenig geäußert. In der ambulanten Pflege oder Tagespflege gibt es manchmal auch Konflikte in der Mitarbeiterschaft oder zwischen Mitarbeiter und Leitung, die auf der persönlichen oder fachlichen Ebene sein können. Aufgaben und Absprachen, die nicht erledigt sind, können von der Leitung nicht einfach ignoriert werden, sondern müssen in einem Gespräch angesprochen und geklärt werden. Eine positive Grundeinstellung ist ein „Muss“ beim Führen eines Kritikgesprächs. Wenn dieses erfolgreich sein soll, kann es nicht zwischen „Tür und Angel“ stattfinden, es ist ein „wichtiges Gespräch“ und muss entsprechend vorbereitet sein. Das KAZL-Prinzip kann der Leitung dabei helfen. KAZL meint: K Konkret A aufs Z Ziel L los. Ein Mitarbeiter, der zu einem Kritikgespräch gebeten wird, in dem die Leitung lange „um den heißen Brei“ herumredet, fragt sich, was das Gespräch überhaupt soll oder was die Leitung will. In Vorbereitung auf das Gespräch muss sich die Leitung selbstkritisch auch mit folgenden Fragen vorab beschäftigen: –– Mit welcher Einstellung gehe ich in das Kritikgespräch? –– Bin ich als Leitung selbst für das Missgeschick oder den Misserfolg verantwortlich, wofür ich jemanden kritisieren will? –– War die Aufgabe klar und deutlich beschrieben? –– War es für den Mitarbeiter überhaupt möglich, die Aufgabe oder Sache gut zu verstehen?
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–– Hatte der betreffende Mitarbeiter überhaupt die notwendigen Fertigkeiten, die Aufgabe auszuführen? –– War der Mitarbeiter auch fähig, diese Arbeit durchzuführen? Für die Leitung gilt daher: –– Das Gespräch gut vorbereiten. –– Das Gespräch konstruktiv führen und mit einem positiven Einstieg beginnen. –– Die Fakten auf den Tisch: kurz, konkret, genau und neutral: „Ich habe festgestellt, dass …“ –– –– –– ––
Fordern Sie eine Reaktion des Mitarbeiters ein und „reden Sie ihn nicht tot“. Nutzen Sie dazu das „Was schlagen Sie vor“-Prinzip. Schließen Sie das Gespräch mit einer konkreten Vereinbarung oder neuen Absprache. Die neue Absprache nach einer vereinbarten Zeit erneut überprüfen, um wieder „Komplimente“ machen zu können (Nach: Dieter Weichl, Business Culture und eigene Ergänzungen).
5.5 Alternativrad Das Alternativrad ist ein kleines Hilfstool zum Auffinden neuer Lösungen. Es ist nützlich und wirksam, um mit Freude und Kreativität gute Lösungsalternativen zu finden. Es stammt von Sabine Asgodom (vgl. 2012: 85 ff.). Es funktioniert, wenn Sie und Ihr Team in der Lage sind, sich auf Neues einzulassen, Ihnen aber im Augenblick zündende Ideen fehlen, oder wenn Sie sich nicht aus einer Vielzahl von Anregungen und Wegen entscheiden können. Die Anwendung benötigt 10 – 30 Minuten. Es geht so: 1. Schritt: Zeichnen Sie vor den Augen Ihres immer noch etwas verwunderten Gegenübers auf Flipchart oder ein DIN-A3-Blatt ein Rad (Nabe im Mittelpunkt und 8 – 12 Speichen) Schreiben Sie das Thema in die Mitte des Punktes, der als Radnabe dient, z. B.: „Unsere Angebote aktualisieren.“ Auf die erste Speiche schreiben Sie: –– Alles bleibt, wie es ist.
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Dann bitten Sie Ihr Gegenüber, seine Fantasie spielen zu lassen und Ideen zu finden, was man denn alles so machen könnte, z. B.: –– Noch im nächsten Jahr die eigene Tagespflege aufbauen, bevor der Zug abgefahren ist. –– Eine Demenzwohngruppe gründen. –– Mit dem Anbieter XY fusionieren usw. Alles, was ihm und dann Ihnen gemeinsam an möglichen und unmöglichen Ideen einfällt, wird aufgenommen, bis alle Speichen belegt sind. Und wenn dann noch eine besonders schräge Variante dazukommt – einfach eine weitere Speiche hineinquetschen! 2. Schritt: Jetzt starten Sie die Prüfphase und checken mit kritischem Verstand die Möglichkeiten ab, die Ihnen beiden gefallen, indem Sie Punkte vergeben von 0 (gefällt mir gar nicht) bis 10 Punkte (top). Schreiben Sie den Punktwert an die Speiche. Welche Idee ist Sieger? Welche Ideen können Sie zusammenfassen? Ergänzen oder widersprechen sich Ideen mit Top-Werten? 3. Schritt: Checken Sie nun die gefundenen Möglichkeiten mithilfe strategischen Denkens: –– Was müssen wir tun, wenn wir …? –– Was würde es bedeuten, wenn wir …? –– Welche Konsequenzen hätte es, wenn wir …? Manchmal stellt sich heraus, dass Nichtstun erst einmal sinnvoll sein kann, bis sich eine bessere Chance bietet. Oft ist dieses Vorgehen der Start einer Veränderung, die eigentlich schon in Ihren Köpfen geschlummert hat und die durch dieses kreative Vorgehen sichtbar und greifbar wird („Stimmt, mit der Bank wollten wir immer schon über die Finanzierung reden …“). 4. Schritt: Als Abschluss dieser gemeinsamen Arbeit sollten Sie eine To-do-Liste anlegen: Wonach wollen Sie sich genau erkundigen, was macht wer? Verbinden Sie diesen ersten Maßnahmenplan schon mit Terminen und machen Sie ihn dadurch verbindlich. Was Ihnen jetzt beim Lesen etwas künstlich erscheint, heißt „Selbst-Coachen“ und hat schon manche gute Arbeitsbeziehung gerettet, manches Unternehmen in eine erfolgreiche Zukunft geführt.
5 Arbeitshilfen und Checklisten183
5.6 Fragebogen Kenntnis über die Mitarbeiter Name: 1.
Wann ist sein/ihr Geburtstag?
2.
Wie heißen seine/ ihre Kinder mit Vornamen, und wie alt sind diese?
3.
Welchen Beruf hat der Partner/die Partnerin?
4.
Zu welcher Generation kann er/sie zugeordnet werden? (Babyboomer, X, Y, Z)
5.
In welcher Lebensphase befindet er/sie sich? (Single; mit kleinen Kindern; mit Jugendlichen, pflegebedürftige Angehörige)
6.
Was ist seine oder ihre größte Ambition oder Wunsch, beruflich und/oder privat?
7.
Welche wichtigen Momente in seinem oder ihrem Leben haben großen Eindruck auf ihn oder sie gemacht?
8.
Welche kulturellen, musischen oder literarischen Interessen verfolgt er oder sie?
9.
Welche Hobbys hat er oder sie?
10.
Wo wohnt er oder sie?
11.
Wo wohnen die Eltern und wie geht es ihnen? Bitte eigene Fragen noch ergänzen:
12. 13. 14.
Nach: Dieter Weichl, Business Culture und eigene Ergänzungen
svorschläge
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5.7 Fragebogen Mitarbeiterzufriedenheit DAS BRANCHEN PRÜFSYSTEM
MITARBEITERBEFRAGUNG ATTRAKTIVER ARBEITGEBER PFLEGE Ihre Meinung ist Ihrem Arbeitgeber wichtig! Nehmen Sie sich bitte ein wenig Zeit und füllen den vorliegenden Fragebogen aus. Seien Sie spontan bei der Beantwortung. Alle Fragen sind als Aussagen formuliert, bei denen Sie bitte die jeweils zutreffende Antwort (Zahl) ankreuzen. Sie haben jeweils sechs Möglichkeiten auf folgender Skala:
1
2
3
4
5
6
trifft voll zu
trifft weitgehend zu
trifft eher zu
trifft eher nicht zu
trifft weitgehend nicht zu
trifft gar nicht zu
Sollten Sie zu einer Frage keine Aussage machen können, kreuzen Sie bitte keine der Antwortmöglichkeiten an. Die Fragebögen sind vollkommen anonym. Sie werden ohne Kennung eingesammelt und mit Hilfe eines Computers erfasst und ausgewertet. Ein Rückschluss auf einzelne Personen ist nicht möglich.
Wir danken herzlich für Ihre Teilnahme an der Befragung und Ihre Mithilfe!
Den kompletten Fragebogen finden Sie hier: https://attraktiver-arbeitgeber-pflege.de/pruefsystem/
Literaturverzeichnis185
Literaturverzeichnis Angelovski, I.: Bunte Teams führen. In: Pflegezeitschrift 2014, Jg. 67, Heft 2; S. 108–111; http:// wp.kommedikus.de/wp-content/uploads/BunteTeams-f%C3%BChren-Pflegezeitschrift-2014-2.pdf Arnold, H.: Wir sind Chef: Wie eine unsichtbare Revolution Unternehmen verändert. Freiburg: HaufeVerlag, 2016. Asgodom, Sabine: So coache ich: 25 überraschende Impulse, mit denen Sie erfolgreicher werden. München: Kösel-Verlag, 2012. Bartholomew, K.: Feindseligkeit unter Pflegenden beenden. Wie sich das Pflegepersonal gegenseitig das Leben schwer macht und den Nachwuchs vergrault – Analysen und Lösungen. Bern: Huber Verlag, 2009. Becker, Jan: Entspannt schaffst du alles! München: Piper-Verlag, 2018. Bender, S.: Teamentwicklung. Der effektive Weg zum „Wir“. München: Deutscher Taschenbuchverlag, 2015. Berg, I. K. & Szabo, P.: Kurz(zeit)coaching mit Langzeitwirkung. Dortmund: Borgmann Media, 2006. Boerner, M.: Byron Katies The Work. Der einfache Weg zum befreiten Leben. München: Goldmann, 1999. Brandes, N.: We-Q: Wir-Intelligenz. Warum wir ohne sie untergehen und mit ihr wirklich erfolgreich werden. Haan: Europa Verlag, 2016. Campbell, Polly (2013): Lebe lieber unperfekt. Anleitung zum Unvollkommensein. Knaur Verlag, München. Carroll, Archie B.: The Pyramid of Corporate Social Responsibility. Toward the Moral Management of Organizational Stakeholders. Business Horizons, Juli/August 1991, S. 39–48 DBfK (Hg.): Das Personalmanagement in der Pflege vor dem Hintergrund der Generationenvielfalt. Implikationen für Politik und Management. Entwickelt von Jo Manion. Im Auftrag des International Centre for Human Resources in Nursing, 2009. Diegelmann, C.; Isermann, M.: Kraft in der Krise: Ressourcen gegen die Angst. Stuttgart: Klett-Cotta, 2011.
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Die Autoren187
Die Autoren Karla Kämmer ist Diplom-Sozialwissenschaftlerin, DiplomOrganisationsberaterin, Erwachsenenbildnerin, Lösungsorientierter Coach, Gesundheits- und Krankenpflegerin und Altenpflegerin. Sie ist seit vielen Jahren in Management, in Bildung, Beratung , Training und Interimsmanagement aktiv sowie im nationalen und internationalen Gesundheits-, Sozial- und Pflegewesen. Sie leitet ein interdisziplinäres Beraternetzwerk. Zu den Schwerpunkten gehören Personalentwicklung, Motivation, Personalführung, Kooperation, Konfliktregulation und Netzwerkmanagement, Entbürokratisierung, Betriebswirtschaft und Controlling, zukunftsorientierte Konzeptentwicklung, insbesondere Lebensweltgestaltung, Bauplanung und neue Wohnformen Quartiersmanagement sowie das Veränderungsmanagement in Einrichtungen. Sie ist Spezialistin für den Umgang mit kritischen Phänomenen in Pflegesituation: Risiken, Gewalt, Vernachlässigung und Misshandlung in Pflegesituationen.
Peter Wawrik ist als Geschäftsführer und Unternehmensberater seit über 27 Jahren in ambulanten und teilstationären Pflegenetzwerken tätig. Schwerpunkte seiner Arbeit sind die strategische, inhaltliche und wirtschaftliche Management- und Führungskräfteberatung und Begleitung von ambulanten Pflege- und Betreuungsdiensten und das Projektmanagement von Tagespflegen und betreutem Wohnen/Seniorenwohngemeinschaften. Er ist seit 2017 weiterhin als zertifizierter Gutachter und Sachverständiger für ambulante Pflegedienste (DGuSV) anerkannt und als Referent, Dozent, Fachautor und PflegeBlogger tätig.
…Bücher aus den Reihen „PDL“ und „Management“
Unser Tipp
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